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Toronto
7
Zeitschrift
für
französische Sprack und Litteratur
begründet von
Dr. G. KoBrting und Dr. E. Koschwitz
Professor a. d. Universität z. Kiel weil. Professor a.d. Univers. z. Königsberg i.Pr.
herausgegeben
Dr. D. Behrens,
Professor an der Universität zu Giessen.
1
Band XXXII.
1
9-
0°/ MO
Chemnitz und Leipzig.
Verlag von Wilhelm Gronau.
1908.
Alle Rechte vorbehalten.
Zeitsclirift
für
französlsclie Sprache unil litteratur
begründet von
Dr. G. Kcerting und Dr. E. Koschwitz
Professor a. d. Universität z. Kiel weil. Professor a.d. Univers. z. Königsberg i.Pr.
herausgegeben
Dr. D. Behrens,
Professor an der Universität zu Giessen.
Band XXXII.
Erste Hälfte: Abhandlung-en.
Chemnitz und Leipzig.
Verlag von Wilhelm Gronau.
1908.
Paul ScaiTon's „Le Marquis ridicule" und seine
spanische Quelle.
Ein Beitrag zur Greschichte der Figuron-Comedia.
Als Paul Scarron im Jahre 1644^) auf den Gedanken kam,
für das Theater zu arbeiten, war die spanische Comedia durch
Dichter, wie Rotrou, Corneille, D'Ouville, Bois-Robert u. a.
bereits so auf der französischen Bühne eingebürgert, daß der arme,
auf raschen und leichten Verdienst angewiesene Dichter ganz von
selbst auf den gleichen bequemen Weg zu dramatischem Ruhme oder
lohnender Einnahme kommen mußte. Ein gut unterrichteter Biograph
Jean Rotrou-, Dom Liron, sagt allerdings von letzterem:"-) ^11 fut lU
cVune etroite amitie avec M. Scarron.'-^ Wenn das richtig ist, so spricht
große Wahrscheinlichkeit dafür, daß es Rotrou war, der Scarron auf
die spanische Literatur hinwies, der er bisher ferngestanden hatte,
die er aber von da ab bis an sein Lebensende nicht mehr aufhörte
auszubeuten.
Daß schon die Zeitgenossen, wenigstens zum Teil, über die
spanische Herkunft der Lustspiele Scarrons unterrichtet waren,
bezeugt eine von den Brüdern Parfaict^) zitierte Stelle aus einer
Epistre Sarrazins an den Grafen van Fiesque, die, kurz nach der
Aufführung von Scarrons Erstlingslustspiel Le Jodelet oit le M^ Valet
geschrieben, die Quelle folgendermaßen bezeichnet:
Dom Francefco de Roxas eft l'Autheur
Et Paul Scarron comme ay dit tranflateur.
1) Die Brüder Parfaict setzen (VI B., S. 327, 357) die Aufführung
von Scarrons Erstliugslustspiel in das Jahr 164.3. P. Morillot glaubt,
(Scarron, Etudebiogr. und litt. 1888, S. 270), dafs es erst 1645 verfafst worden
sei. Nachdem indes das Privileg des Druckes vom 25. April 1645, das
acheve d'imprimer vom 20. Mai datiert ist, kann das Stück nicht später
als 1644 entstanden sein; der Dichter verkaufte es doch zuerst an die
Schauspieler, die es lange Zeit allein aufführten, und dann erst an den
Buchhändler, denn sobald es gedruckt wurde, durfte es jede Truppe auf-
führen.
-) Singularites kistor. et litteraires Bd. I, S. 332.
3) Hist. du Tkeätre franqois Bd. VI, S. 341. — Die Stelle ist von ihnen
dem weiter unten genannten de la Martiniere {(Euvres de Scarron Amst.
1737 I. Bd., S 48 49) entlehnt.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII i. 1
2 Arthur Ludicig Stiefel.
Natürlich ist es sehr zu bezweifeln, daß die Zeitgenossen immer
genau unterriclitet waren, welche spanischen Coraedias Scarron
bearbeitete.
Im 18. Jahrb. war man sich, wie es scheint, über die
Beziehungen des Dichters zum spanischen Theater meist nicht mehr
im Klaren. Baillet, Maupoint, Beauchamps La Valliere,
Mouhy,Leris, der Abbe de La Porte, Palissot u. a., seien es Literar-
historiker oder Theaterspezialisten, deuten mit keinem Worte darauf
hin. Nur de la Martiniere, der Biograph Scarrous,^) den Parfaict^)
undGoujetß) kopieren, sagt von seinen Stücken: ,,toutes les sieiuies
sont des Sujets Espagnols,'-'- aber auch ohne nähere Angaben. Erst
gegen Ende des 18. oder anfangs des 19. Jahrh. begegnet man hin
und wieder einer Notiz, die die Verpflichtung Scarrons gegen das
spanische Theater auffrischt.'^) So erwähnt z. B. Napoli-Signorelli
in seiner Storia Critica de' Teatri Anticlii e moderni,^) daß Scarron
die Comedia £11 Marques del Cigarral ins Französische übertragen
habe „intitolandola Don Japket, ma iion contcntaudosi di retenenie
le grazie, la caricö fuor di proposito."
Die genauere Kenntnis der Vorlagen von Scarrons Lustspielen
hebt mit Puibusque^) an, welcher 1843 alle als dem spanischen
Drama entnommen bezeichnet, aber freilich nur bei vieren nähere
Angaben macht, die dazu noch nicht ganz richtig sind. Er nennt für
1. Jodelet Oll le Mmtre valet den Arno criado des Francisco
de Rojas
2. Jodelet djielliste, Donde hay agravios no hay zelos, meme
auteur.
3. Do7i Japhet d'Armenie den Marqiiez del cigarral des
Moreto.
4. Le Gardien de soi-meme den „ Gtiarda de si mismo Calderons
Es ist längst gezeigt worden, daß das zweite spanische Stück
nur der zweite Titel des ersten spanischen Stückes ist, daß der
Marques del Cigarral nicht von Moreto, sondern von Alonso de
Castillo Solorzano ist und daß Calderons Comedia nicht Guarda
de si mismo, sondern El Alcayde de si mismo lieißt.
■*) Hist. de Mr. Scarron et de ses Ouvrages, gedruckt im I. Bde. der (Euvres
Scarrons (Amst, 1737). Die Stelle findet sich S. 52.
5) Bd. VI S. 341, 3ö4ff. —
6) BibUotheque fronnaise Bd. XVI S. 326 fi'.
") So k'unt z. B. Liuguet in seinem Thnäre Espngnol (Paris De Hansy
1770) I. Bd. Avertissement p. XVI bzw. XXIIl ausser der Quelle des
Me. Valet auch die von La fausse apparence.
8; Ausgabo Napoli (V. Orsino) 1787 ff. BH. IV (1789) S. 2öC^. Ausgabe
1813 (Napoli V. Orsino) Bd. VI S. 89.
^) Histoire comjyaree des Litt, espagnole et fr<inqaise CParis, G. A. Dentu)
1843. II. Bd. S. 189 und S. 444. —
Fmd Scarro7i^s ^Le Marquis ridicide". 3
ünabhäugig von Puihusque hatte Graf Schack 1846 die
Quellen von zwei Stücken angegeben lOj. Le Gaixiien de soi-meme
(El Alcayde de si mismo) und Don Japhet d'Armenie {Marques
del Cigarrai). In den Nachträgen zu seinem Buche, die 1854
erschienen, gibt er noch als Quelle von Scarron's Les trois Dorothees
(Jodelet duelliste) Tirsos No liay peor sordo und für dessen La
fausse apparence Calderons No siempre lo peor es cierto an. nj
Durch einen naheliegenden Schluß war zugleich 12) als Quelle von
Scarr ons L' Efcolier de Salamanque die ComedisL Ohligados y ofendidos
von Kojas Zorilla festgelegt.
Seitdem waren diese Angaben immer wiederholt worden, ohne
daß etwas Neues hinzugekommen wäre, bis Morillot^^j 1887/88
als Quelle für Les trois Dorothees, La traycion hiisea el castigo
des Rojas Zorilla angab, wobei ihm indes unbekannt blieb, daß die
Hauptquelle Tirso's No hay peor sordo war.
Die Arbeiten von Grohleri'*) und Petersi^) brachten die
Quellenforschung betreffs Scarron's Lustspiele um keinen Schritt
weiter. Der erstere verglich nur Le Maifire Valet mit seiner
längst bekannten Vorlage und der letztere hatte das seltsame Finder-
genie, die drei oben an letzter Stelle genannten spanischen Stücke
nochmals als Quellen des burlesken Dichters zu entdecken. Verglichen
mit Scarron hat er die zwei, die nach seiner Meinung die einzigen
Vorlagen von Les trois Dorothees waren.
Es waren sonach 1893, nach dem Erscheinen der Dissertation
von Peters, vor wie nach, die Quellen von sechs Lustspielen Scarrons
bekannt, nämlich die von
1. Le Maistre valet.
2. Les trois Dorothees (Jodelet duelliste),
3. Don laphet d'Armenie,
4. L'Efcolier de Salamanque,
5. Le Gardien de foy-mefme,
6. La fausse apparence.
hiervon aber nur die beiden ersten anf ihr Verhältnis zur Quelle
geprüft VN'orden. Die Vorlagen der beiden noch übrigen Komödien
Scarrons :
^'^) GeschicJite der dramat. Lit. u. Kunst in Spanien Bd. III (Frkf. 1846)
S. 447 und 448.
1') S. 104.
1-) Ibid.
1^) Scarron, Etüde hiorj7: et Uiieraire (These pour le Doctorat) Paris
H. Lecene et H. Oudin 1888. S. 279.
'^) Paul Scarron aJs Komüdiendichter (Zsch. f, /ranz. Sjyr. 2t. Litt. Xll, S.
27, 66J.
1^) Paul Scarrons ,,Jodelei Duelliste''^ u. seine Quellen etc. (Miinchener Bei-
träije Helt 6).
1*
4 Arthur Ludwig Stiefel.
L'Hcriticr ridicule und
Lc Marquis ridicule
lagen völlig im Dunkeln.
Im Jahre 1895/96 wies ich zum ersten Male uachi^j:
1. Scarron hatte für Les 3 Dorothees ou Jodelet soufflete
nicht zwei sondern mindestens drei Vorlagen. Die Neben-
handlung des Stückes, die Duellsache Jodclets, die dem
Lustpiel in der jüngeren Ausgabe {Jodelet duelliste) den
Namen gegeben, ist nicht, wie Peters angenommen, „durch-
aus Scarrons eigene Erfindung", sondern er entnahm sie
dem Lustspiel des Rojas Zorilla, betitelt: No hay amigo
para amigo, in welchem sie ebenfalls die Nebenhandlung
bildet. Direkt entlehnt hat er allerdings nur die zweite
Scene des II. Aktes, den ersten Teil der achten Scene des
IV. Aktes und die erste und zweite Scene des V. Aktes
von JLes trois Dorothees.
Diese Wahrnehmung, daß Scarron gleich seinem Vorläufer
und Vorbild Jean Rotrou, bei seinen Lustspielen, zu Contaminationen
grifl', mahnt uns zu Vorsiclit betreffs der Beurteilung seiner Selb-
ständigkeit in den übrigen Stücken.
2. Die Quelle für Scarrons L'Heritier ridicule ist die
Figuron-Comedia El Mayorazgo figiira des Don Alonso de
Casfillo Solörzano^^).
Von der Überzeugung durchdrungen, daß über kurz oder lang
irgend ein strebsamer junger Gelehrter das Verhältnis Scarrons zum
spanischen Drama in eingehender erschöpfender Weise darstellen und
dabei von selbst auf die noch unermittelte. mir aber bekannte
Quelle des letzten Stückes, des Marquis ridicide stoßen würde,
hatte ich mich mit den Lustspielen des Verfassers des Roman
comique nicht mehr beschäftigt. Mehr als zehn Jahre sind seitdem
verflossen; meine Hoflnuiig hat sich als trügerisch erwiesen; mir ist
wenigstens keine neue Arbeit über die Quellen der Scarron'schen
Lustspiele bekannt geworden. Das veranlaßt mich, aufs neue auf
den Lustspieldichter Scarron hinzuweisen, dessen Bedeutung für
die Literaturgeschichte in den letzten Jahren entschieden gewachsen
ist. Mir selbst fehlt die Zeit, die angedeutete Arbeit in ihrem
ganzen Umfange auszuführen, und offen gestanden auch die rechte
Lust, weil ich nicht gerne Hand anlege, wo es sich darum handelt,
über bereits bekannte Tatsachen, in diesem Falle über bereits be-
kannte Quellen, zu reden. Lediglich um die noch unbekannte
Quelle des Marquis ridicule^ des letzten noch zu Lebzeiten des
Dichters gedruckten Lustspiels aufzudecken, ergreife ich heute die
J6j Zsch. für franz. Spr. u. Li/t. B(1. XVI 2 S. 96 if.
^") Literaturbl f. g. n. rom. Piniol. IS'Jß S. 275. —
Paul Scarroti's „Ze Marquis ridicuh'-'. 5
Feclri-. Ich will dabei etwas au-führlicb zu "Werke geben. Es
scheint mir von Wichtigkeit, an einem der jüngsten Erzeugnisse der
Scarronschen komischen Muse sein Verhalten gegenüber der spa-
nischen Comedia zu zeigen. Zwischem dem ersten Lustspiel
Scarrons Le Jodelet ou ie M^ Valet und dem Maz:quis ridicule
liegen fast 12 Jahre. Hat Scarron sein Nachahnmngsverfahren
mittlerweile geändert, hat er Fortschritte gemacht? Wurde er freier,
selbständiger? Diese Fragen werden uns außer dem Forschen nach
der Quelle zu beschäftigen haben.
Am 8. Februar 1656 wurde der Druck eines Lustspiels von
Scarron vollendet, das den Titel
Le Marquis Ridicule ou la Comtesse faite ä la haste
trug und dem Abbe Fouquet, dem Bruder des bekannten Finanz-
minister?, gewidmet war. Verfaßt und aufgeführt muß also das Stück
schon früh im Jahre 1655 worden sein. Der Dichter entnahm den Stoff
einer sehr seltenen spanischen Comedia, die von den Historikern des
spanischen Dramas ganz übersehen worden ist und sich nur in den
Katalogen verzeichnet findet. Ich meine das Lustspiel
Peor es hurgallo
welches vom gleichen Verfasser wie der vielgenannte Conde de Sex
nämlich von dem Madrider Dichter Bon Antonio Coello^^)
herrührt. Da dieser Dichter liereits 1652 starb, so ist sein Stück
noch einige Zeit früher zu datieren. Gedruckt wurde dieses, so viel
wir wissen, nur als Einzeldruck, nicht in einer Sammlung. Ein solcher
Einzeldruck (Suelta) aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts befindet
sich in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München ^S) und ein
ähnlicher wird Scarron als Vorlage gedient haben. Wie fast alle Stücke
jener Zeit ist es in .3 jornadas eingeteilt, letztere sind aber nicht in
Szenen geschieden. Beschäftigen wir uns mit seinem Inhalt.
Peor es hurgallo (Es ist ratsamer die Sache nicht näher zu erforschen.)
I. Jornada.
Dona Antonia mit ihrer Dienerin Luisa eröffnen das Stück.
Wir erfahren ans dem Gespräche der beiden, daß die erstere eine
portugiesische Abenteuerin ist, die sich einen distinguierten Gemahl
ergattern will. Nach manchen fehlgeschlagenen Versuchen, hatte sie
zuletzt von einem Visconde aus Altkastilien gehört, der in Madrid
18) Wegen biographischer Einzelheiten über diesen Dichter verweise
ich auf La Barrera y LeiraJo Catiilogo Ubl. y Kogr. del Teatro antiguo espanol
(Madr. Rivadenoyra 1860) S. 94ff.
'^) Eine Beschreibung dieses Druckes brachte ich in" der Zsch. für
romanische Philologie Jahrgang 11)07, S. 487 f.
6 Arthur Lndioig Stiefel.
angekommen sei um sich in Madrid zu vermählen. Sofort hatte sie
ihren Escudero ausgeschickt „a informarfe de la cal'a donde viue."
Rotiriguez, so heißt der Mann,
de Efpana
el nias famofo terceio,
que pafa por efcudero,
kommt jetzt zurück und meldet, daß der Ankömmling in demseihen
Zimmer wohne, wie .Don Diego, Dona Antonia's armer Verehrer. Er
habe diesen selber im Reiseko^tüm aus dem Hause kommen sehen.
Dona Antonia mutmaßt, daß Don Diego der Vifconde sei, der seinen
Stand verheimliche. Sie sieht ihn mit einem Male mit seinem Diener
Calabagas kommen und zieht sich schnell zurück mit ihren Leuten,
um ihn zu belauschen.
Don Diego will seinen Bruder empfangen, Calabacas belehrt
ihn, daß der Vifconde schon in Madrid sei. Bei dieser Gelegenheit
erfahren wir, daß letzterer auf dem Lande in Altkastilien ohne Bildung,
ohne höfische Sitte aufgewachsen, ein Original sei. Calabacas meint dazu:
Eftä Castilla la vieja
tau vieja j-a, que le nacen
en vez de frutos y trigo
Don Quixotes y Refranes.
Wir hören ferner aus dem Gespräche der beiden, daß Don Diego
der Dona Antonia, der Dame „linajuda y dada a principe^ grandes,"
nur zum Zeitvertreib den Hof mache und daß die Närrin ihm gleich-
giltig sei. Übrigens wisse sie von ihm weiter nichts, als daß er Dou
Diego heiße, „mas no fabe mi apellido y patria, tanto que cree que
foy Infaute de Aragon!'.'
Don Diego entfernt sich und die Verborgenen kommen zum
Vorschein. Dona Antonia fragt den Diener aus. Dieser spiegelt ihr
vor, Don Diego sei von hoher Abkunft; aber obwohl sie ihm einen
Diamanten schenkt, verrät er seinen Namen nicht. Er geht und läßt
im Gehen einen Brief fallen. Luisa hebt ihn auf. Es zeigt sich,
daß in dem Brief noch ein anderer eingeschlossen ist und daß der
erstere vom 25. Mai datiert und von Visconde Don Blas de Villoria
unterzeichnet ist. Für den Schreiber hält Doiia Antonia den Don
Diego und freut sich, daß dieser ein so hoher Herr sei. Als sie
den Brief liest und daraus ersieht, daß Don Blas nach Madrid
gekommen um sich zu verheiraten und daß er seinen Bruder beauf-
tragt, den inliegenden Brief an seine Braut zu befördern, wird sie
von Eifersucht erfaßt. Der zweite Brief belehrt sie, daß die Erkorene
Dona Juana de Vargas heißt. Sein alberner Inhalt und bäurischer
Stil fällt der Dienerin Luisa sofort auf, aber Dona Antonia, von dem
hohen Titel verblendet, sieht darin nur Bosheiten. Sie ist außer
sich über den, wie sie glaubt, von Don Diego ihr gespielten Betrug
und beschließt, sich dafür zu rächen. Plötzlich ertönen Rufe hinter
Paul Scarrons „Le Marquis ridiciile''\ 7
der Szene. Die Pferde eines Wagens sind durchgegangen und haben
ihn umgeworfen. Don Diego erscheint alsbald mit der ohnmächtigen
Dona Juana in den Armen. Er hat sie gerettet und trägt sie in
Begleitung ihrer Diener und der seinigen ins Haus. Dona Antonia
^aber beschheßt die geplante Ehe zu stören und zu diesem Zwecke
die Braut -aufzusuchen.
Szenenwechsel. Don Diego setzt die ohnmächtige Juana auf
einen Stuhl, die Dienerschaft läuft fort nach einem Arzt. Inzwischen
kommt Dona Juana wieder zu sich und dankt ihrem Retter, fordert
ihn aber auf, sie jetzt zu verlassen, denn ihr Vater müsse jeden
Augenblick kommen und sie wolle nicht, daß er den Fremden, und
sei er auch ihr Retter, bei ihr finde. Don Diego, der sich Knall
und Fall in die von ihm Gerettete verliebt hat, ist sehr ungehalten
über diese kühle Behandlung, aber Beatriz, die Dienerin der jungen
Dame, tröstet ihn und verspricht ihm ihre guten Dienste bei der
Herrin. Don Diego geht. Doiia Juana mit ihrer Zofe allein,
gesteht ihr
No fe que nueua
inquietud tengo en el alma
Beatriz meint, das sei Liebe. Von dieser will indes Dona
Juana nichts wissen; sie sei ehrenwert, erklärt sie, und wolle für
niemand Zärtlichkeit empfinden,
eftoy cafada y muy cerca
de llegar ya rai marido.
Noch diesen Abend solle er eintreffen. Beatriz wundert sich,
daß die Herrin, ohne zu wissen, wie der ihr bestimmte Gatte heiße
wer er sei und wie er aussehe, ihr Jawort gegeben habe. Die für
ein junges Mädchen etwas gar zu vernünftig denkende Dona Juana
erwidert hierauf:
Mira Beatri*, las mugeres,
fi algun anior no las ciega,
CDU los ojos de fu padre
miran raejor lo que aciertan.
La que fe enamora, fuple
con el amor la nobleza,
0 la hazienda de fu efpofo,
y cariüofa atropella
por los primeros dias
que dura de amor la fueica,
la comodidad continua
de la vida que le queda.
Mas los padres, como nuuca
fe enaraoran ni fe prendan
de fus yeriios, solo miran
8 Arthur Lndivig Stiefel.
la ajiiCtatla couueniencia.
Mi el'poro dizeii que es rico
y noble, no ay mas que fepa,
que a mi quo no me ciiamora,
baftame, aunque no lo vea
riqueza y fangre,
Beatriz fragt sie nun, was sie täte, wenn der Bräutigam ver-
schiedene von ihr angeführte Fehler hätte. Auf alle weiß die junge
Herrin eine resignierte Autwort.
Jetzt kommt CalabaQas mit der Arznei und bietet sie Juana an,
die aber keine Verwendung melir dafür hat und die Zofe fragt, wer
der Mensch sei, „Con el otro hidalgo llegö a tu focorro," anwortet
letztere. „Dann schicke ihn fort!" meint Doiia Juana kalt. Noch
ehe Beatriz das tun kann, erscheint Don Gutierre, der Herr des
Hauses und erkundigt sich nach dem Befinden der Tochter. Er
bemerkt CalabaQas und fragt ihn, was er hier wolle und wer er sei.
Calabagas in seiner Verlegenheit, gibt sich für einen Apotheker
(Boticario) aus, der Arznei für die Tochter gebracht habe. Gutierre
heißt ihn gehen. Der angebliclie Apotheker will zuvor noch die
Rechnung bezahlt haben. Aber Juana, seine Lüge uunötig findend,
entdeckt dem Vater, der Hidalgo sei kein Apotheker, er habe gelogen;
er sei mit einem anderen Manne bei ihrer Rettung tätig gewesen.
Don Gutierre fragt ihn, warum er die Lüge ersonnen habe. Calabagas
antwortet, es sei dies eine alte Gewohnheit und die Zunge sei ihm
durchgebrannt. Um die Wahrheit zu gestehen, sei er gerade aus
Altkastilien mit dem Visconde don Blas de Villoria angekommen, der
im Begriffe stehe, sich zu verheiraten. Freudige Überraschung des
alten Herren. Auf seine Frage, ob er dem Vifconde diene, antwortet
Calabagas, er diene dessen Bruder. Don Gutierre verkündigt alsbald
der Tochter die Ankunft ihres Bräutigams. Er ist sehr überrascht,
daß sie sich nicht dazu freut. Dona Juana antwortet ruhig: yo no
lo deffeo ni lo rehufo." Stolz auf die Tochter, ruft der Alte entzückt aus:
Que euer da!
aprendan a refponder
defte modo las donzcllas!
Den Calabagas fragt Don Gutierre, wo der Visconde sei und
warum er nicht in seinem Hause abgestiegen. Calabagas meint: Er
sei eben ein engherziger Biscayer (Es Vizcaino encogido). Er fügt
hinzu, daß er Schrullen und Launen gerade genug habe. Gutierre
hat davon schon gehört und wünscht zu wissen, ob er sich vielleicht
in irgend einer Beziehung zu bessern habe (tiene acafo algo en que
enmendarfe pueda?) Calabagas meint ironisch, er habe wohl einige
Fehlerchen, aber die seien unverbesserlich; denn jener halte sich für
unfehlbar („en nada pienfa que yerra). „Fehler eines Majoratserben! "
Paul Scarron's „Le Marquis ridicule''. 9
iiioint nachsichtig Don Gutierre. Calabacas schiLleit nun zuerst des
Yisconde abgeschmackte Tracht, die au die des wahnsinnigen Königs
erinnere (el traxe del Rey que rabiö le acuerda). „Dem," bemerkt
der Alte, „helfe ein Schneider ab." „Dann," fährt Calabagas fort,
ist seine Sprechweise altvaterisch:
Hablo a lo antiguo,
y por eiicima les echa
vno3 pocos de refranes
como agucar y canela.
Das mache nichts, ist die Einrede, er werde schon durch den
Umgang besser sprechen lernen. Dann sei er sehr streitsüchtig,
fährt Calabagas fort. Das gäbe sich mit dem ersten Zweikampf ver-
setzt der Greis. Ferner habe er, charakterisiert der Diener
weiter, eine sehr hohe Meinung von seiner Person und glaube,
daß jedes Mädchen sich in ihn verliebe. Das rühre daher,
erläuterte Don Gutierre, daß er unter lauter Häßlichen gelebt
habe. Außerdem sei er so fürchterlich eifersüchtig, daß er Dona
Juaua's Bildnis, damit niemand es sehen könne, unter Verschluß
führe und auf dem Mantelsack, in dem es sei, schlafe, schließt
Calabagas seine Charakterschilderung. Die letzte Eigenschaft, ver-
sichert Don Gutierre, sei die einzige, die ihm Besorgnis einflöße.
Seine Tochter jedoch, immer klug und weise, meint:
A mi no, porque fi yo
por mi fer honrada es fuerga,
no he menefter para nada
yo que zelofo no fear
y defpues que el aya vifto
lo que foy cou experiencias,
fe quietarä; y quaudo no,
que el fea muy centinela
que me ha de importar, fi yo
no he de teuer que me vea?
Beatriz bemerkt mit Recht:
La primer muger has fido
que habla afsi en efta materia.
Aber der Vater ruft wieder mit Stolz:
„Ay refpuefta mas prudente?"'
Er befiehlt ein Zimmer für den Schwiegersohn zu richten und
geht mit Calabacas foi-t, um ihn zu holen.
Dona Juana ist von dem Bilde, daß Calabagas von ihrem
Zukünftigen entworfen hat, wenig entzückt. Doch tröstet sie sich mit
dem Gedanken:
10 Arthur Ludwig Stiefel.
que vii criado
fiempre que murmura, aumenta.
Da erscheint Don Diego aufs neue und richtet flammende Worte
an Dona Juaua. Sie weist ihn energisch zurück und fordert ihn auf,
sich zu entfernen. Sie ähnle nicht gewissen Frauen, die nur aus
Schrulle tugcndliaft seien, sondern sie sei es wirklich, weil sie es
eben sei; und selbst wenn das nicht der Fall wäre, so sei sie schon
vergeben; sie erwarte noch zur Nacht ihren Bräutigam. Plötzlich
ertönt Geräusch auf der Straße. Dona Juana hat die Stimme ihres
Vaters erkannt und fordert den Galan nochmals auf, sich zu entfernen
und irgend einen Vorwand für seine Anwesenheit anszudenken. Doch
es ist zu spät; schon naht Don Gutierre. Beatriz läßt Don Diego
in das anstoßende Zimmer eintreten. Kaum ist er verschwunden, so
erscheint der Alte gefolgt von Don Blas und seinem Diener Ortuno,
von CalabaQas und dem eigenen Lakeien Joachin. Don Blas entspricht
vollkommen dem Bilde, das Calabagas von ihm entworfen hat. Es
ist der dumme, lächerliche, aufgeblasene Landjunker, wie er später
so lange auf der spanischen Bühne gespielt worden ist, und dieser
Landtölpel ist maßlos mißtrauisch und eifersüchtig. Er hält an
Dona Juana eine lächerliche Ansprache und ruft seinen Diener Ortuno
und fragt ihn, ob diese nicht gut gewesen sei. Dona Juana antwortet
ihm im übertrieben höflichen Stil, bemerkt aber zu ihrer Zofe, es sei
ein großes Unglück, einen albernen Gatten zu haben; doch Geduld,
fügt sie gleich hinzu. Wieder ruft Don Blas nach Ortuno und fragt
ihn, was er von der Braut halte. Ortuno findet sie schön und klug.
Die erstere Eigenschaft fürchtet Don Blas und sagt, daß ihm das
Haus Mistrauen einflöße. Als er daher zögert und Dona Juana sagt:
Si OS he parecido fea,
con procurar agradaros,
tendra aquosta falta enmienda
so platzt er heraus:
Antes es el fufpender
culpa de vuestra belleza,
que me pareceis tan bien
que cafi, cafi me pefa.
Selbst Don Gutierre findet: „Brabas necedades dize!" aber er
glaubt, daß dies möglicherweise nur eine vorübergehende Verwirrung
(turbacion) sei. Wer von einer langen Reise kommt, für den sei es
am besten auszuruhn:
Quien de vna jornada llega
la mayor lifonja es
que descanfe.
Er befiehlt also der Tochter sich in ihr Zimmer zurückzuziehen.
Dann fragt er Don Blas nach seinem Bruder; er wolle auch diesen
Paul Scarron's .,Le Marquis ridicule" . 11
kommen lasseu, damit er im Hause wohne. Aber Don Blas verbittet
sich das; er will weder, daß sein Bruder, noch sein Vater, noch
irgend ein Diener innerhalb gleicher Türen mit seiner Frau weile.
Don Gutierre bemerkt darauf: „Lo que vos quifiereis fea," weist dem
Schwiegersohn sein Zimmer an und geht.
Den ganzen Empfang hat der in Juana's Zimmer versteckte
Don Diego mit angehört und hin und wieder sein im aparte gesprochenes
Helfen und Baugen dazwischen geworfen. Juana, die sich in ihr
Zimmer begeben will, erinnert sich jetzt mit Schrecken des Gefangenen
und flüstert ihrer Zofe leise ins Ohr, was sie mit ihm beginnen solle.
Gleich merkt das der argwöhnische Don Blas und wittert Verrat.
Er ruft Ortuno und sagt zu ihm:
Ann que el mundo fe rebuelua,
no ha de teuer mi muger
criadita consegera.
Hiermit schließt die Jornada primera.
Segunda Jornada.
Die Handlung der H. jornada schließt sich unmittelbar an die
der ersten an. Wir brauchen uns nicht einmal einen Szenenwechsel
zu denken. Als der Visconde und Ortuno sich entfernt haben,
bleiben Doüa Juana und Beatriz zurück. Jene befiehlt der Zofe
„jenen Mann" (elTe hombre) aus ihrem Gemach zu entfernen, während
sie sich in ein Nebenzimmer begibt, um sich entkleiden zu lassen.
Im Gehen jagt die junge Dame:
que aya muger que fe nieta
en estos fustos? grau dicha
a fido que no lo vean.
Als sie verschwunden ist, ruft Beatriz Don Diego und fordert
ihn auf zu gehen. Seufzend und den glücklichen Bräutigam beneidend,
schickt sich jener an, das Gemach zu verlassen. Beatriz erfährt
von ihm, daß er der Bruder des Don Blas sei. Da letzterer aber
plötzlich mit Ortuao aus seinem Zimmer herauskommt, so muß sich
Don Diego aufs neue verstecken, Don Blas wird von einer ver-
zehrenden Unruhe aus seinem Zimmer getrieben. Er ist erregt, weil
er, von seinem Schwiegervater kurz nach der Ankunft überrascht,
nicht erst die von seinem Bruder erbetene Auskunft über seine Bi'aut
hat abwarten können. Er erzählt dem Ortuno, daß er seinem
Bruder geschrieben, er möge Erkundigung über das Mädchen einziehen
„pues conocida no era"; eine sehr gebotene Vorsicht,
que muger en Madrid bella
es mucho peligro, aviendo
tantos ojos que la vean.
12 Art/mr lAidiciff Stiefel.
Ortufio sagt bcscli\vicliti;aenrl zu seinem Herrn, daß sein Bruder
vielleicht sich erkundigt habe; er möge doch zur Ruhe gehen. Aber
Don Blas kann keine Ruhe finden. Er meint:
No me conuiene esta nobia,
que es hermofa y bachillera,
y tambien tiene criada
que habla en fecreto con ella.
Nochmals fordert ihn Ortuno auf, sich zu Bette zu begeben;
aber Don Blas schickt ihn fort nach Licht; er will zuvor noch das
ganze Haus durchsuchen.
Don Diego, der in seinem Versteck das ganze Gespräch belauscht
und auch von dem an ihn gerichteten Brief gehört, der von Calabagas,
wie wir wissen, ja verloren worden war, fürchtet von seinem Bruder
entdeckt zu werden. Als daher Ortuno nach Licht gegangen, will
er sich in der Dunkelheit schnell aus dem Hause schleichen, Don
Blas hört Schritte und ruft: „Ists Beatriz?" Als er keine Antwort
erhält, tappt er nach Don Diego. Dieser, rasch entschlossen, packt
ihn und ringt mit ihm, indem er ruft: No has de falir, tente. efpera!
Don Blas schreit: „Quien eres, hombre atreuido?-' Don Diego ant-
wortet:
Hombre, qualquiera que feas,
que profanas esta cafa,
yo hare que en mis bragos fepas
como castigo ofadias.
Da erscheint Ortuiio mit Licht, und Don Diego tut, als ob er erst
jetzt seineu Bruder erkenne. Auf des letzteren Frage, wie er in das
Haus seines Schwiegervaters komme, macht er ihm weis, daß er
seinen Brief gelesen und sich gleich nach der jungen Dame erkundigt,
aber von ihr nur das Beste gehört habe. Da er sie jedoch heute
im Arme eines Mannes bewußtlos in das Haus tragen gesehen und
erfahren habe, daß jener sie bei einem Unfall gerettet, so habe
er sich, um sich Gewißheit zu verschaffen, ob diese Rettung
Zufall, oder ob der Retter ein Liebhaber wäre, in ihr Haus
geschlichen, um sie zu beobachten. Als er nun Schritte gehört, so
sei er um Klarheit zu bekommen, über den Mann hergefallen, bis
dieser sich glücklicherweise als sein Bruder entpuppt habe. Auf die
argwöhnische Frage des Don Blas, wer ihn denn ins Haus eingelassen
habe, erwidert Don Diego uugeschickterweise: eine Dienerin, und
gießt damit Öl in die Flamme der Eifersucht, die schon in seinem
Busen lodert. „Peor esta que estaua!" jammert Don Blas, „Alarma
honorl" Seine Zweifel zu heben, schlägt er Don Diego vor, mit
ihm die Kleider zu wechseln, damit er seine (Diego's) Rolle spielen
könne. Don Diego, heftig erschrocken, erkennt die Gefahr, in die
ihn der Rollentausch versetzt:
Paul Scar^roti's „Le Marquis ridicide'^ . 13
que es fuerga que qnando buelva
por mi la criada, hable
algo contra rai cautela,
penfando que habla coumigo.
aber was soll er tun? er findet keinen Ausweg und fügt sieb dem
Ansinnen. Don Blas befieblt ihm:
I'ube y en mi quarto efpera!
Don Blas seufzt: Honor, apenas marido,
y ya defuelos me ciieftas.
Szenenwechsel. Dona Antonia, Rodriguez und Luisa treten auf.
Sie nähern sich dem Hause Don Gutierres. Die abenteuerlustige
Schöne hat bereits erfahren, daß der Visconde und sein Bruder nicht
zum Schlafen nach Hause gekommen sind. Da öffnet sich die Tür
und herauskommt, von Beatriz geleitet, der vermummte Don Blas:
„De vos
quedare fienipre obligado"
flüstert der vermeintliche Don Diego der Zofe zu.
„Salid, que me aneis costado
graude fufto."
antwortete Beatriz und huscht davon. Don Blas überlegt, wie
er wieder ins Haus kommen könne; er will Ortuno rufen, der den
Schlüssel zur Haustüre liat, aber er bemerkt mit einem Male die
drei Anwesenden, die aui ihn losgehen und flüchtet sich daher schnell
um die Ecke. Dona Antonia, welche sehen will, wer der Vermummte
gewesen, ruft ihn an und als sie keine Anwort erhält, eilt sie ihm
mit ihrer Begleitung nach.
Szenenwechsel. Diego mit Calahagas im Zimmer des Don Blas.
Der Kavalier kann sich nicht in den Gedanken finden, die von ihm
so heiß Geliebte in dem Besitz eines anderen zu sehen. Es beginnt
zu dämmern. Don Diego ruft:
para que quiero yo el dia
pues viuo desta manera?
Plötzlich ertönen Rufe. Sie lausclien; es ist Don Blas, der
nach Ortiuio ruft. Calabagas geht nach dem Schlüssel; während
dessen äußert Don Diego die Befürchtung, sein Bruder könnte seinen
Trug entdeckt haben. Von Calahagas hereingeführt, erscheint der
Landtölpel, schickt jenen fort und antwortet auf die ängstliche Frage
Don Diegos, was er entdeckt habe: „mas cuidado!"' Dann erzählt
er in fast vier Kolumnen schwungvoll poetischer Rede, die man von
ihm kaum erwartet hätte, wie er, im ganzen Hause umherspähend,
in das Schlafgemach Dona Juana's gekommen sei: Er sieht ein Licht,
14 ArÜuir Ludwig Stiefel.
Voy caminando tras ello,
y a pocos j^alTos que di.
miro entreabierta viia quadra,
cuyas rexas a vn jardin
cayeudo, azechaivlo fiemi)re,
como vezinos en fin,
la muda conuerfacioii,
que tenian eutre fi,
las flores — — — — — —
Y qiiando la vifta apenas
empe^aua a introduzir,
miro a mi efpofa ....
Estaua la quadra toda
en filencio, y por alli
defperdiciaua la nocbe
quaiido el dia ha de venir.
Miro bien fi ay alguien deutro
foledad reconoci
Er tritt ein:
Entro en la quadra en efecto,
y en cama de evano vi
fiada: ya no bablo yo,
amor babla desde aqui:
Und nun folgt eine verliebte Schilderung der schlafenden jungen
Dame, deren Anblick indes nur seine Eifersucht noch mehr entfacht:
Yo desconfiado y loco,
cmpezando a difcurrir
Dixe: Muger tan herniofa
quien dudarä que en Madrid
fera Circe ....
quien dudarä que ella (ay cielos)
pueda escuchar o adraitir?
Er will gleich eine Probe anstellen, er löscht das Licht aus und
ergreift ihre Hand, y ella afustada
defpierta y dize: Es Beatriz?
Gallo, y en el tacto estrana
la mano, y buelve a dezir:
Quien es? con mas alboroto:
y a media voz dixe: Aqui
me teneis, yo foy fenora.
no me conoeeis? y entin
0 fueffe honor, o estraneza,
Padre, efpofo, Yne?, Beatrix,
empego a, dezir a voze«,
ladroues — — — — — —
Paul Scarron's ,,Le Marquis ridicule-' . 15
Erschreckt und verwirrt habe er sich entfernt, erzählt Don Blas
weiter und sei anf Beatriz gestoßen, die auf der Herrin Hilferufen
herbeigekommen und ihm Vorwürfe gemacht habe:
Mucho aueis errado
en atreueros afsi,
qiie fi amais, como efta tarde
aueis dicho, mal fufris
dilaciones, que aunque fuera
mi ama la mas ciuil,
que muger quifo ta n prefto?
tened animo, y falid
no OS fienta el Vilconde.
Beim Scheiden habe ihm die Dienerin noch zugerufen:
Fiad de mi,
que aunque es vn angel mi ama,
el tiempo fuele reudir
VII raonte.
Wütend über die Dienerin, hätte er sie am liebsten umgebracht;
aber es war ihm ein Gedanke gekommen, bei dessen Ausführung er
sie noch braucht. Der unverbesserlich eifersüchtige Don Blas rückt
sogleich mit diesem Gedanken heraus, Um sich von der unerschütter-
lichen Keuschheit seiner Braut zu vergewissern soll Don Diego ihr
ernsthaft den Hof machen, ihre Tugend bestürmen:
curiofidad de mi amor
es effa, yo he de falir
de las dudas, y he de ver
fi fe fabe refiftir.
Vergebens bekämpft Don Diego den Nvahnwitzigen Plan, vergebens
eiinnert er ihn an den curioso impertinente, vergebens beteuert er,
daß Dona Juana keusch sei und daß, wer es einmal sei, es immer
bleibe: Don Blas besteht auf seinem Vorhaben und Don Diego, dem
es mit seinen Einwänden nnd Abmahnungen nicht so ganz ernst war,
hat Mühe seine innere Herzensfreude über die glücklichen Aussichten
seiner Liebe zu bemeistern. Er fragt sich, ob er träume? ob das
Gehörte nur eine List seines Bruders sei, um ihn zu fangen? Aber
nein, „verdad parece!'' Um den Bruder noch mehr in seinen Ent-
schluß zu bestärken, macht er neue Einwände gegen den Plan:
„Bedenke ruft er ihm zu, daß die Ehre ein Glas ist „que al primer
lance fe quiebra" daß das Schwert nie versucht werden darf, außer
zum Streite „que fuele en las experiencias
la mejor faltar.
16 Arthur Ludioig Stiefel.
Aber Don Blas bleibt fest, Don Diego bemerkt nocb vorsorglich
Pues no te quexes de mi,
fi te fuccciiere mal
lo que intentas confeguir.
„Schlimmer wäre es noch", meint Don Blas, „wenn das, was
ich fürclite, nachher geschehen würde; denn jetzt läßt sich noch ab-
helfen, si)äter heißt es sterben." „Aber", behanptet er, „es besteht
noch eine Schwierigeit." Wie soll ich die junge Dame überzeugen,
daß ich sie liebe, wo sie doch weiß, daß ich dein Bruder bin? Wird
sie nicht merken, doß es eine List (ardid) ist?" Auch für diese
begründete Befürchtung hat der starrköpfige Tor einen Ausweg. Er
besitzt ein Bildnis Doiia Juanas, das will er dem Bruder geben, da-
mit solle er ihr vorspiegeln, daß er sie schon lauge kenne und liebe.
„0, Ärmster", murmelt Don Diego für sich, wie beredt bist du,
wenn es gegen dich geht!" — Während Don Blas das Bild hervor-
holt, erscheint Dona Antonia mit Luisa, beide „con mantos". Sie
lauschen und hören, wie Don Blas zu seinem Bruder sagt:
Aquefta
es tu dama, defde aqui
la puedes llamar tu dueno
Da greift Dona Antonia durch das Fenster und reißt das Bild an
sich mit den Worten: Undankbarer das soll nicht geschehen! „Weib,
was hast du vor?" schreit Don Diego. Und Luisa antwortet:
„ Pudiera
bien el Vifcoude
No pagar de aquefta fuerte
a quien por el anda afsi,"
Die beiden Abenteuerinnen laufen davon. „Wer mag das sein?"
fragt Don Diego noch ganz verblüfft. „Kaum bin icli recht in Madrid
angekommen", seufzt der Visconde, „so fangen die Frauenzimmer be-
reits an, mir nachzulaufen". Übrigens bleibt beschlossene Sache was
Don Blas mit seinem Bruder verabredet hat. Sie gehen fort.
Dona Juana und Bcatriz treten auf. Jene hat von dieser er-
fahren, daß Don Diego der Bruder des Visconde ist und daß ihm
unbekannt gewesen, daß Juana seines Bruders Braut sei. Beatriz
redet dem Don Diego bei ihrer Herrin mächtig das Wort. Die
wackere junge Dame aber, die schon ohnehin mit einer mehr und
mehr in ihr entkeimenden Neigung für ihren Lebensretter kämpft,
eine Neigung, die ihr zunächst noch als unerklärliche innere Unruhe
bewußt wird, die sie gern als Traurigkeit über die ihr so nahe be-
vorstehende Standesveränderung deuten möchte, heißtBeatriz schweigen;
sie solle, außer ihrem Bräutigam, niemand loben. Dann äußert sie
Paul Scarroii's .,Le Marquis ridicule". 17
ihre Entrüstung über die Keckheit, die Diego gezeigt, als er nachts
in ihr Schlafzimmer eingedrungen sei. „Das sei Liebe, sagt Beatriz
entschuldigend.
„Que Importe?" versetzt Juana,
que efta noche
con el Vifconde rae cafo,
falga fu refpeto al paffo.
Sie hören mit einem Male eine Kutsche vorfahren, und gleich darauf
erscheinen Doiia Antonia und Luisa. Die erstere weiß sich ins
Vertrauen Dona Juanas einzuschmeicheln, zeigt ihr dann das dem
Don Diego — den sie für den Viscondo hält — entrissene Porträt
und spiegelt ihr vor, daß sie mit dem Visconde seit sechs Jahren
ein Verhältnis unterhalte, das nicht ohne Folgen geblieben sei. Sie
fügt hinzu, der Visconde halte trotz seiner nahe bevorstehenden
Heirat noch an ihr, der Verratenen, fest, als Beweis dafür spreche,
daß er ihr das Porträt seiner Braut geschenkt habe. Für alles, was
Dona Antonia vorbringt ruft sie Luisa als Zeugin an, die sich vor
Erstaunen über die kecken Lügen und Schwindeleien ihrer Herrin
kaum zu fassen weiß. Doüa Antonia's Kefrain lautet: „No os fiais
del Visconde, que es vn traidor," dagegen lobt sie den Don Diego
als „hombre honrado" „buen caballero", „galan und cortes". Juana,
die all diese Dinge über ihren Bräutigam ohne sonderliche Erregung
angehört hat, sagt:
Parece que con industria
da el amor contra ml pecho
alabangas en el vno
y en el otro vituperios.
Da tritt Beatriz, die während der Unterredung Schildwache
gestanden, ein und meldet Juana die Ankunft ihres Vaters, Bräutigams
und Schwagers. „Ay de mi!" flüstert Doiia Antonia für sich hin,
fi me ven, todo mi enredo
fe auerigua.
Juana hat die Worte gehört, aber nicht verstanden und fragt die
Fremde, was sie meine, diese antwortet:
Que el Vifconde es tan refuelto,
que fi fabe que he venido
a auifaros fus enredos,
me ha de matar.
Juana läßt sie und Luisa in ein anstoßendes Gemach eintreten.
Die Herren kommen. Don Gutierre will, daß die Hochzeit
sofort vollzogen werde. Don Blas, der erst den Erfolg seines Ex-
periments abwarten will, sucht Ausflüchte und geht schließlich mit
dem Bruder hinaus. Gutierre im Begriff in das Zimmer zu gehen,
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXHi. 2
18 Arthur lAidwig Stiefel.
wo die beiden fremden Damen weilen, um die Heiratslizenz zu holen,
erregt dadurch den Schrecken Juanas. Sie sagt zu ihm, die Sache
habe keine solche Eile:
Yo he fabido que el Vifconde
anda diuertido y ciogo
per vna muger y es bien
aueriguarlo primero:
Das macht aber dem alten Herrn wunderwenig. Zum Schrecken der
lauschenden Antonia bemerkt er:
Ea que es cofa de rifa
quando el Vifconde foltere
aya algun amor tenido,
que yo no me efpanto de effo,
en llegando vno a cafarfe
fe dexan effos empenos.
War er doch selbst ein recht lockerer Zeisig gewesen:
Ya fe
lo que ay en effos empleos;
que en mi mocedad, eftando
yo en Portugal algun tiempo,
por auer muerto en Caftilla
mi Capitan, me fui huyendo
a Lisboa, donde el nombre
müde en Don Luis de Viuero,
por fer menos conocido,
y tuue alli vn galanteo
de vna feiiora tan noble . . .
En doiia Ynes de Figueira,
viuda hermofa en eftremo
tuue vna hija; o memorias!
pero viniendome luego
a Castilla, fue forgofo
olvidarme con el tiempo:
y afsi como con tu madre
me cafe (que efte en el cielo),
me olvide por acudir
a mi obligacion, auiendo
vna hija, y con querer
a Dona Y'nes por eftremo.
En cafandofe no ay hombre
que no procure fer quieto,
yo amaua y la dexe todo,
y el Vifconde harä lo mefmo.
Paul Scarron's „Ze Marquis ridicrde^'. 19
Diese Erzählung ist für Dona Aiitonia nicht verloren. Ein neuer
Plan entspringt ihrem erfinderischem Hirn. Sie erklärt der Luisa:
el mismo viejo ha de fer
de mi bien el inftrumeuto.
Da treten wieder Don Blas und sein Bruder herein. Ersterer
will den Alten bei Seite nehmen, damit letzterer Gelegenheit habe,
der Doiia Juana seine Liebe zu erklären. Das geschieht. Juana
weist die feurigen Liebesworte Diegos zurück, worüber die lauschende
Antonia, die ihn für den Vifconde hält, eine mächtige Freude em-
pfindet. Da aber D. Gutierre mit Don Blas hinzutritt und laut ver-
kündet:
Juana todo ha fido engano,
y ya eftä el Conde difpuefto
a cafarfe,
so glaubt Antonia, daß "der Bruder" des Vifconde dem Alten ge-
nügende Aufklärung gegeben habe (que el hermano ha fatisfecho al
viejo) und um ihnen einen neuen Streich zu spielen, tritt sie und
Luisa vermummt aus ihrem Versteck und beide eilen an allen vorbei
hinaus. '-Frauen in Deinem Gemache?" herrscht Don Gutierre seine
Tochter au. Juana erwidert:
El Vifconde
da ocasion para efte exceffo:
en mi apofendo me efconde
mugeres, bueno por cierto.
Alle wenden sich nun mit Vorwürfen gegen Don Blas, der sich
vergebens verteidigt und behauptet die Frauenzimmer nicht zu kennen
und nicht zu wissen, wie sie in das Haus gekommen seien. Juana
erklärt, sie verschiebe zunächst die Hochzeit und selbst Diego ruft
dem Bruder zu: „No has hecho bien en ocafionar tal riefgo!" Don
Blas, erst sprachlos, faßt sich und findet an der Sache das eine Gute
en parte lo agradezco,
pues fufpcndiendo la boda,
fe cumple todo mi intento.
Hiermit schließt die H. jornada.
Jornada Tercera.
Von der einen Seite tritt Diego mit Calabagas und von der
anderen Seite Juana mit Beatriz auf; sie bleiben an den Kulissen
stehen und können einander nicht sehen. "Dieses Weib bringt mich
noch um, Calabagas!" stöhnt Don Diego. "Dieser Mensch ist noch
mein Tod, Beatriz!'- seufzt auf der anderen Seite Doiia Juana. —
"Ich bete sie an und täglich wächst ihre Kälte," ruft Diego. —
"Ich fürchte, seine Hartnäckigkeit bekommt mich noch herum", sagt
Juana. — "Kehre ihrer Liebe den Rücken!« rät Calabacas dem
2*
20 Arthur Ludwig Stiefel.
Herrn. — "Das Mittel wäre ja gut, aber mein Ucärrischer Bruder
locI>t mich immer wieder lieran." — "Dann kläre ihn ein für alle
Male auf!" rät die Zofe ihrer Herrin, Schließlich sprechen sich die
jungen Leute und Juana weist den Don Diego energisch zurück.
Sie sei die Braut seines Bruders. Wenn er sich nicht entferne, so
werde sie diesen rufen. Diego antwortet hierauf:
Si muero a vueftro desden,
que importa fi muera a fus manos?
Vergebens hält ihm Juana vor, Rücksicht auf ihren Ruf und auf
seines Binders Argwohn zu nehmen. Diego erklärt, es bleibe ihm
nichts übrig, als zu sterben. Da sagt Juana:
Pues morid
fin que a mi me cuefta caro,
porque en Uegando a mi honor,
fahre yo fin hazer cafo
de nada, veros morir,
y aun fahre tambien mataros.
Damit entfernt sie sich. Don Diego, allein bleibend und ohne
Hoffnung die Schöne anderen Sinnes zu machen, entschließt sich, ab-
zureisen. Er stürzt fort, da tritt ihm der Vifconde entgegen und
fragt ihn nach dem Ausgang seiner Liebeswerbung. Davon hänge
ab, ob er heirate oder nicht. Don Diego ist in einer verzweifelten
Lage: Sagt er dem Bruder die Wahrheit, dann ist Juana auf ewig
für ihn verloren; lügt er aber und behauptet, daß sie "no es tan
honrada", so verläumdet er schmählich den Ruf seiner Herzensdame.
Aber nur einen Augenblick ist er ungewiß. Die Ehrenhaftigkeit
trägt den Sieg in ihm davon und er berichtet von der Erfolglosigkeit
seiner Liebesmühen. Da aber Don Blas an der Wahrheit seiner
Mitteilung zweifelt, so schlägt ihm Don Diego vor, selbst Ohrenzeuge
zu sein. Dona Juana erscheint, der Visconde lauscht verborgen. Mit
hoher Befriedigung nimmt der Eifersüchtige wahr, wie abweisend
Dona Juana den Bruder begegnet. Als aber Diego davon spricht
abreisen zu wollen und ihr zuruft:
Dame licencia, enemiga
de mi bien y de mi daiio,
porque aufeute de effos ojos
dulcilTimos y tiranos,
vaya a morir de no verlos
pues me muero de mirarlos.
so fühlt Juana erst, daß ihr Diego nicht gleichgiltig ist; sie macht
sich in einem aparte Vorwürfe, daß sie ihn vertreibe und zum ersten
Male zieht sie mildere Seiten auf, zum ersten Male läßt sie durch-
bhcken, daß sein Weggang ihr nicht gleichgiltig sei. Mit Entzücken
Paul Scarrons „Ze Marquis ridicule". 21
hört es Diego, freilich mvß er zugleich voll Angst daran denken,
daß sein Bruder die Worte auch gehört habe und darum fügt er,
schnell gefaßt hinzu:
yo si me aufento,
es porque
yo . . fiempre tan firme
y tan honrada os he hallado
a mis quexas, por morir.
Sie wisse das, versetzt jene und wisse es zu schätzen, darum
habe sie jetzt das Stillschweigen gebrochen. Indessen jammert Don
Blas in seinem Versteck:
esto es honra y refiftirfe!
viue Dios ! quo ha fido cngaiio.
Als Juana schließt:
No foy tan cruel que ignoro
lo que os debo, y lo que gano,
yo lo eftimo, y lo conozco,
y fi quereis escucharlo,
bolued defpues. porque agora.
tengo el pecho tan turbado,
corao es la primera vez
que me desboco y que os hablo,
y el recato me enmudece,
efto bafta, a Dios quedaos
— — — porque hafta agora
aun uo foy de vueftro hermano.
Mit diesen Worten geht sie. Don Blas aber tritt mit gezücktem
Dolch hervor um sie zu töten. Er läßt ihn jedoch auf den Boden
fallen; denn er sagt sich: "aun no es mia." Er faßt den Entschluß
die Heirat nicht zu vollziehen und wirft Diego vor, er habe ihn be-
trogen. Dieser rechtfertigt sich damit, daß er sagt, er habe nur
seinen Befehl ausgeführt. Don Blas behauptet aber, er sei zu weit
darin gegangen:
yo os mande enamorarla,
mas no enamorarla tanto.
Durch das Geschrei der beiden aufgeschreckt, war Juana wieder,
unbemerkt von den anderen, zurückgekehrt und belauscht ihr Ge-
spräch. Entsetzt ruft sie aus:
Que es efto que eseucho,
viue el cielo que fue eugaiio
todo el amor de Don Diego,
que es efto? fi eftoy fonando?
22 Arthur Liidioig Stiefel.
Dou Blas wütend, nennt seinen Bruder verächtlicb: „fegundon,
ei'cuderillo!" Dieser aber ruft ihm würdevoll zu:
De mi te quexas en vano,
que todo ha fido fingido
por hazer de fu recato
experienca, ya lo has visto;
fi fuiste necio en pensarlo,
quexate de ti y no quieras
que te fufra por hermano
demafias: tu lo hizifte,
ya te auife, fufre el dano,
y no hagas mas experiencias
en muger, que no es de fabios,
viendo que el val'o es de vidrio,
probar con golpes el vafo.
Mit den frohlockenden Worten
Vitoria, amor, yo venci
ella me quiere, que aguardo?
geht er fort. Don Blas aber hat das Heiraten überhaupt satt; er
sagt:
Quien quifiere fer calado,
cafese a Dios y a Ventura,
porque peor CS hurgallo.
Zu Ortuno sagt er: „ya no me cafo!" und geht mit ihm fort.
Nun tritt Juana hervor. Sie ist außer sich. Sie kann sich
nicht beruhigen, daß D. Diego nur Liebe heuchelte um ihre Tugend
auf die Probe zu stellen:
Pofsible est que fue fingido
el ruego, la quexa, el llanto?
Tambien fe llora mintiendo?
las lagrimas del engano
fe pareceu a las mias (veras?).
0 Cocodrillo! que falso!
Sie findet den Dolch des Don Blas auf dem Boden. Soll sie
sich damit töten? Ist es die Ehre, die das Werkzeug in ihre Hand
führt? Nein, es ist noch zu früh; sie hat sich noch nichts vorzu-
werfen. Was sie sagte, waren nur Worte „que apenas a efperan^as
fe affomaron." Wie gut tat sie, daß sie ihm nicht glaubte:
Coliremos pues recato,
que a buen tiempo convalece,
quien apenas ha enfermado.
Y pues el tan baxamente
me engaiiö, por remediarlo
Paul Scarron's ^Le Marquis ridicule'*. 23
tornemos a deshazer
fii efperan^a con eftragos
de palabras, pues que fueron
palabras no mas el dano,
Diego naht hoffnungsfreudig und siegesstolz jetzt mit seinem
Diener: „Eftoy loco" ruft er.
Las favores foberanos
de fu boca fueron vida
de mi amor.
Er sieht Juana stehen; sie hat ihn bestellt, offenbar wartet sie
auf ihn. Er nähert sich ihr und fordert Calaba^as auf, zu horchen :
„Du wirst sehen, was ich erreiche", bemerkt er zuversichtlich. „Du
hast aber auch verdammtes Glück bei den Frauen!" meint bewun-
dernd der Diener. Inzwischen ist auch Don Blas mit Ortuno herein-
gekommen und im Hintergrunde unbemerkt stehen geblieben. Diego
spricht Juana an. Sie kämpft noch mit sich. Soll sie es wirklich
glauben, daß Diego nur Liebe heuchelte. Doch schließHch übermannt
sie der Zorn. Es empört sie die Gemeinheit, daß der Mensch sich
verstellte, um sie auf die Probe zu stellen und nun wettert sie los
gegen ihn. Sie habe die freundlichen Worte nur zu ihm gesprochen,
um ihn an sich zu locken und an ihm für die gemeine Beschimpfung,
die er "ihrer und seines Bruders Ehre durch seine Liebeswerbung zu-
gefügt, blutige Rache zu nehmen mit einem Dolche, den der Himmel
in ihre Hände gelegt habe. Aber sie habe sich inzwischen beruhigt
und begnüge sich damit, ihm ihre Absicht und den Dolch zu zeigen
y fabed que a aquefte fin
OS anime con enganos,
que yo foy roca, foy monte
y en mi pecho limpio y cafto
no ay amor, no ay rafgo, o fena
de algun afecto bastardo.
So sprechend, entfernt sie sich mit verächtlichem Blick und er-
hobenen Hauptes.
Aus allen seinen Himmeln gerissen, steht der arme Diego ver-
nichtet da, während der glückliche Don Blas frohlockend ausruft:
Ortuno, viuen los cielos,
que es vn alTombro, vn milagro.
Das Sprichwort Peor eshurgallo lüge, behauptet der Vifconde
es müsse heißen Mejor es hur gallo. Während Diego verzweifelt,
meint sein Bruder voll Entzücken:
Porcia fue cofa de burlas,
Lucrecia fe dio al foflayo,
el'ta muger me conuiene!
24 Arthur Ludwig Stiefel.
Ortuno ruft er zu:
Ya me cufo, no defpides las libreas!
Don Blas geht fort und Diego folgt ihm „a morir".
Szenenwechsel. Don Gutierre, von Luisa gerufen, kommt in die
Wohnung Dona Antonia's, die sich als Portugiesin ausgibt und ein
Gemisch von Portugiesisch und Spanisch radebrecht. Sie erzählt
dem alten Herrn, sie sei die Witwe des Grafen Alentexo und habe
gehört, der Vifconde wolle D. Gutierres Tochter heiraten, sie habe
aber ältere Rechte auf seinen Besitz. Sie gibt ihm als Beweis den Brief,
welchen D. Blas an Juana geschrieben und den Calabagas verloren hatte, in
die Hände. D. Gutierre erkennt die Schrift des Vifconde, liest den
Brief, vermißt aber, wie er sagt, darin den Namen der Braut. Er
fragt also, welche weitere Stütze sie habe um die Heirat zu verhin-
dern. Die Abenteuerin antwortet:
Naon ya mas que vna minina
que todo fe le femeja
a fu pay.
Diese Enthüllungen, welche das bestätigen, was seine Tochter ihm
bereits berichtet hatte, versetzen den Greis in schlechte Laune. Er
macht der Fremden Vorwürfe, daß sie ihre Ehre so leicht in die
Schanze geschlagen habe. Sie kann nichts zur Entschuldigung anführen,
als daß die Liebe sie verblendet habe. Ihr Efcudero wirff ein —
ein Seitenhieb auf die Portugiesen — :
Y es culpa de la nacion
tambien fer vn poco tiernas.
Die „Condefa" fleht den Schutz des alten Herrn an. Einen be-
sonderen Anspruch darauf glaube sie schon deshalb zu haben, weil
kastilianisches Blut in ihren Adern rolle. Ihr Vater sei Kastilier.
Que de Castela
fe fue a Lisboa vn fidalgo
fugiendo de vna pendencia.
Ach, Dona Ynes de Figueyra, fügt die Schlaue hinzu,
quien dixera que tua filla
andara mezquina en eftas
andä^as !
Don Gutierre bei dem Namen stutzig, fragt nach dem Namen
ihres Vaters, Don Luis de Viuero, ist die prompte Antwort. Der
Greis, der nicht zweifeln kann, die eigene Tochter vor sich zu haben,
umarmt sie freudig und bemerkt:
no en vano cl alma con nueua
inquietud me lo dezia;
la fangre tiene gran fuerza.
Paul Scarroii's „Le Alarquis ridicide-' . 25
Er verspricht ihr, daß der Vifconde sie heiraten müsse und
nimmt sie gleich mit sich unter dem Versprechen, daß sie zunächst
von niemand gesehen werden solle als von seiner Tochter Juana.
Szenenwechsel. Beatriz meldet ilirer Herrin, der Vifconde
kleide sich mit großer Eile zur Hochzeit an. „Sage mir," fragt
sie, „willst du denn Hochzeit machen?" Juana heißt sie schweigen
und gehen. „Qiie mi padre a eftas lioras no parezca?" seufzt die
junge Dame für sich hin. „Ist Don Diego da?" fragt sie plötzlich
die Zofe. „Ja"; antwortet diese „aber wenn du ihn verschmälist,
warum fragst du nach ihm?"
He menefter fu prefencia
para mi intento.
ist die Antwort.
Jetzt erscheint Don Blas „de nobio" mit Bruder und Bedienten.
Der eitle Geck fragt Ortuno, ob er gut gekleidet sei. „Galan
vienes" versetzt der Diener. Diego, der mittlerweile durch Beatriz
erfahren hat, daß Juanens plötzliche Sinnesänderung hervorgerufen
worden, weil sie glaubte, seine Liebe sei erdichtet um sie zu täuschen,
will ihr beweisen, daß sie wahr und echt sei. Er hat gleich
Gelegenheit dazu. Der Vifconde, der mit der Hochzeit uicht einmal
so lange warten will, bis sein Schwiegervater nach Hause kommt,
fordert Diego auf, dies der Braut zu sagen. „Gerne", sagt Diego,
„aber wo ist sie denn, ich sehe sie ja gar nicht." — ,,Wie", bemerkt
Blas, „du siehst sie nicht? no es aquefta?" „Diese? diese ist meine
Dame!" ruft Diego mit lauter Stimme, ,.quieres cafarte con ella? —
„Willst du denn immer noch den Betrug fortsetzen?" entgegnet
ihm der Vifconde, „mein Herz ist schon befriedigt, es bedarf keiner
Verstellung mehr!" — „Verstellung"? schreit Don Diego,
no es tan cierta
la luz en medio del dia
como amarla!
Don Blas erglüht vor Zorn über seinen Bruder. Dieser aber
erklärt
que fi me hazes mil pedagos,
no te has de cafar con ella.
Entzücken Juanas. So liebt Don Diego sie denn doch. Sie ruft:
Amor, albricias: Don Diego
me adora.
Es hat den Anschein, als ob es zwischen den Brüdern zu
heftigem Streite kommen solle. Glücklicherweise erscheint in diesem
Augenblicke Don Gutierre. Er hält dem Vifconde seinen Brief hin;
dieser leugnet nicht, ihn geschrieben zu haben. „Wohlan", versetzt
der alte Herr
26 Arthur Ludwig Stiefel,
aqui efta la Coudefa,
q uoxofa de vuel'tro amor,
y no es bien que caufa fea
Doiia Juana a que fe falte
a obligaciones como e ftas.
„Welche Gräfin?" fragt verblüfft Don Blas. Mit finsterem Ge-
sicht entgegnet D. Gutierre: „La Condefa de Aleutexo"
y porque no lo negueis
efperad, ire per ella.
Er geht hinaus. Juana und Diego schöpfen Hoffnung auf ein
für sie glückliches Ende. Der Viconde aber brummt ärgerlich:
efta fin duda
es la dama Portuguefa
que anda de mi enamorada.
Da führt der Greis die Abenteurerin herein. Juana erkennt
in ihr ihren Besuch, Diego und Calabagas die ihnen wohlbekannte
Dona Antonia, Don Blas die Portugiesin. Letzterer behauptet, daß
er den Brief nicht der Fremden, sondern Juana geschrieben und
ruft Diego zum Zeugen an; doch dieser fragt ihn, ob er vielleicht
träume. „Erinnerst Du Dich nicht, Calabagas?" fragt Don Blas
weiter. — „Yo no me acuerdo de nada" erklärt der Diener. —
D. Guiterre fordert die Condefa jetzt zum Sprechen auf. Diese be-
merkt aber schüchtern:
Eu naon pofo
parlar, que a faudes mefmas
de mi amor me derritaon
0 corazaon.
Nochmals leugnet Don Blas jede Bekanntschaft mit der Fremden,
nochmals macht er seine Kechte auf Juana geltend, doch die junge
Dame ^Yeist ihn zurück:
Bueno fera!
yo no teugo de cafarme
con quien con viles cautelas
encargo a fu mifmo hermano
que por hazer experiencia
de mi honor, me folicite.
Auch Don Diego legt Verwahrung ein und Don Gutierre macht
aafs neue die Rechte der Condefa geltend,
So in die Enge getrieben, entschließt sich der Vifcoude,
Madrid den Rücken zu kehren und überhaupt nicht zu heiraten.
Damit die Condefa ihn in Ruhe lasse, will er ihr 2000 Dukaten
geben. Luisa rät der Herria die Summe anzunehmen. Don Gutierre
ruft zwar entrüstet:
Paul ScarroiLS ,,Xe Marquis ridicule"'. 27
Dos rail ducados la houra
de mi hija? bueno fuera!
Aber Dona Aiitonia, der es sichtlich vor der Verwandtschaft
zu grauen beginnt, nimmt das Geld an und gesteht dem Alten, daß
sie seine Tochter nicht sei, daß „todo es fingido". Jetzt fordert
Don Blas selber seinen Bruder auf, sich mit Juana zu vermählen.
Er selber entsagt dem Ehestaude und zieht aus seiner Erfahrung
die Lehre:
ya ninguno fe meta
en probar las mugeres,
que es peligrofa experieucia
Calaba(;as ruft ihm zu: Don Blas, peor es hur gallo.
Er schließt sodann das Stück mit den Worten:
aqui acaba la Comedia;
fi huuiera tenido faltas,
Don Antonio Coello ruega
que el deffeo de feruiros
perdon y piedad merezca.
Die Comedia, deren Inhalt wir soeben kennen gelernt haben,
gehört zur Klasse jeuer Stücke, die man, zwar nicht zur Zeit ihrer
Niederschrift, aber später als Comedias de figuron bezeichnete,'
„solcher nämlich, die eine im Karikaturstil gezeichnete Figur zum
Mittelpunkt haben und in ihr irgend ein Laster oder eine lächerliche
Gewohnheit geißeln"20). Durch die Gestalt der embustera Dona
Antonia spielt sie zugleich in die pikareske Gattung hinüber.
Während letztere schon im 16. Jahrhundert gepflegt wurde — ich
erinnere nur an Gil Vicente, Lope de Eueda, L. de Miranda, Palau
u. a. — zeigt sich das Figurou-Lustspiel zunächst in schwachen
Anfängen erst im 2. Dezennium des 17. Jahrhunderts. Zu den älter n
Versuchen gehören z. B. Guillen de Castro's El Narciso en su
opinion und Gongora's El Doctor Carlino. Um das 4. Dezenniu m
des 17. Jahrhunderts tritt die Gattung deutlicher hervor. Zu ihren
Vertretern zählen Don Antonio Hurtado de Mendoza, Don Alonzo
de Castillo Solörzano, Don Francisco de Rojas Zorilla und etwas
später Moreto, Canizares u. a.
Unter diesen Dichtern haben wir nun auch unserem Coello
einen Platz anzuweisen. Um den Grad der Originalität, der ihm
dabei zukommt, festzustellen, wäre erst zu ermitteln, in welchem
Jahre sein Stück verfaßt worden ist. Das erfordert eine ziemlich
verwickelte Untersuchung, bei der ich etwas weiter ausgreifeu muß.
^") Schack Geschichte der dramat. Likratuv und Kunst in Spanien. Bd. II,
S. 101. -
28 Arthur Lndwig Stiefel,
Die Scliaffenszeit des Dramatikers Antonio de Coello zerfällt,
wie A. Scbaett'er ganz richtig herausgefunden hat^i), in zwei deutlich
erkennbare Perioden, in eine ältere, wo er der einfachen natürlichen
Weise Lope de Vega's folgte und in eine jüngere, kultistische, wo
er sich Calderon anschloß und sogar mit ihm zusammen arbeitete.
Da sein poetischer Nachlaß ein sehr bescheidener ist, so sind seine
Dramen bald eingeteilt. In der ungekünstelten, schlichten und durch
schöne poetische Sprache ausgezeichneten ScbaÖensweise bewegen
sich El celoso Extremem, Lo que puede la porfia und Peor es
hurgallo. Kultistisch ist, abgesehen vom Concle de Sex, den ich
aus Gründen, die ich einmal gelegentlich darzulegen gedenke, ent-
schieden ihm zuschreibe, Coello in allen Stücken, die er mit anderen
Dichtern verfaßte und namentlich in den dreien, die er gemein-
schaftlich mit Calderon und noch einem dritten Dichter schrieb:
El Privilegio de las mugeres, La fingida Arcadia-'^) und El
Pastor fido. Das au erster Stelle genannte Stück sowie El Catalan
Ser7'alo7iga, das er zusammen mit Don Francisco de Rojas Zorilla
und Luis de Guevara dichtete, erschienen schon 163623) im Druck,
sie sind also sicherlich schon ein paar Jahre vorher, spätestens 1634,
wenn nicht gar schon 1633 entstanden. Los dos Fernandos de
Austritt, ebenfalls in Calderous Manier, das die Schlacht bei Nörd-
lingen zum historischen Hintergrund hat, ist unmittelbar nach diesem
Ereignis (Sept. 1634) verfaßt worden. Die Comedia Yerros de
naturaleza y aciertos de la fortuna, deren preziöser Titel schon
den kultistischen Stil ankündigt, nach La Barrera24) von Antonio
Coello und seinem Bruder Juan, nach Paz y Melia25) von ersterem
gemeinsam mit Calderon verfaßt, hat die Aufführungserlaubnis vom
4. Mai 1634 in der Handschrift der Madrider Nationalbibliothek.
Aus allem diesem ergibt sich mit Sicherheit, daß anfangs 1634
Coello vollkommen im Zauberbanu Calderons und des Cultismus
stand. Wir haben uns also Peor es hurgallo, da das Stück frei
von Cultismen ist, älter vorzustellen.
Ein weiterer Umstand gestattet uns seine Entstehung mindestens
in das Jahr 1632 hinaufzurücken. Montalvan in seinem 1632 ge-
druckten Para todos sagt über unseren Dichter folgendes:
^1) Geschichte des spanischen Nationaldramas II, 88 fF.
--) Hartenbusch veröffentlichte dieses Stück im IV. Bande der Comedias
des Calderon S. .537 — 556 und bemerkte: Ignoramos quien escriUo el acto fegundo
de efta comedia. Auch La Barrera und A. Schaeffer (II, 284) wufsten den
Verfasser der zweiten jornada nicht anzugeben. Ich habe in der Ztschr. f.
rom. Philologie 1907, S. 361 gezeigt, dafs Coello der Verfasser ist. —
'^^) In der XXX. parte de Comedias de diferenies autores, gedr. 163G.
2*) CMlogo S. 95.
25) Catdlogo de las jnezas de Teatro que se conservan en el Departemento de
Manuscritos de la Biblioteca National. Madr. 1899, S. 547.
Paul Scarrons „Le Marquis ridicule-' . 29
.,Dou Antonio Coello, cuyos pocos anos desmienten sus muchos
aciertos, y de quien se paede decir con veidad que empiega por
donde otros acabau, ha efcrito . . . dos 6 tres comedias."2ü)
Da Coello im Stile Lope de Vegas begann und die oben erwähnten
drei Comedias die einzigen sind, die diesem Criterium entsprechen,
so wii-ti man mit der Annahme, daß Montalvan sie im Auge gehabt
habe, nicht fehlgehen.
Noch einen Schritt weiter führt uns der Vergleich von Peor es hur-
gallo mit anderen damaligen Figuron-Stücken. Zu den ältesten Dichtern
die sich damit befaßten, gehörte Don Antonio de Hurtado Mendoza.
Er schrieb zwei Figuron-Comedias El galan si7i dama-"^) und Gada
loco con SU tema (o el Montanes Indiano). Nur die letztere liegt
mir vor. Aus der vom Dichter geschriebenen Handschrift in der
Biblioteca Nacioual zu Madrid wissen wir, daß sie am 21. August
1630 beendigt wurde. Sowohl Coello wie Mendoza haben die Figur
des lacherlichen Montanes, ferner noch einige Punkte gemeinsam, so
z. B. daß eine Dienerin Luisa heißt, daß das tema (die Schrulle,
die fixe Idee) durch das Drama immer wiederkehrt usw. Genug,
der eine Dichter kannte den andern; wer ist der ältere? In einem
weiteren Stücke Mendoza's Los Empeflos del mentir zeigt Mendoza
ebenfalls Übereinstimmungen mit Coello's Peor es Imrgallo. So heißt
z. B. bei ihm eine der Personen Luis de Vivero, ein Name, den
D. Gutierre, wie wir oben sahen, in Portugal führte, und es ist doch
kaum glaublich, daß beide Dichter zufällig auf den ungewöhnlichen
Namen (des eines spanischen Dichters des Mittelalters) verfielen.
Da aber Los Empeilos del mentir nach dem darin befindlichen
Bericht über die Schlacht bei Nördlingen, nicht vor Ende 163-1
verfaßt worden sein kann, so gebührt die Priorität in diesem
Falle unbedingt unserem Coello. Das legt aber den Gedanken
nahe, daß sein Peor es hurgallo auch älter als Gada loco con su
-^) Zitien bei La Barrera Catälogo S. 95. —
-') Ob dieses Lustspiel wirklich von Mendoza ist, bedarf noch der
Untersuchung. lu der 1728 veröifenthchen Sammlung seiner Obras fehlt es;
der erste bekannte Druck (El mejor de los mejores libros Madr. 16.51) gibt
keinen Verfasser an, erst der zweite Druck de? mejor de los mejores libros
(Madr. 16.53) nennt Mendoza als Dichter. Schack (Bd. II, 377) wollte dem
Stücke das Jahr 1620 als p]nt3tehungszeit zuweisen, weil Lope de Vega
darin als Verfasser von 900 Comedias angegeben wird und Lope diese Zahl
1620 erreichte. Das würde auch gegen Mendoza als Verfasser des Stückes
sprechen, dessen andord Lustspiele alle später falbu. Ich halte übrigens
Schacks Vermutung auf Grund des einen Oriteriums nicht für beweiskräftig.
Denn mufste du- Dichter so genau mit der Zahl der von Lope um eine
bestimmte Zeit verfafsten Comedias vertraut sein? Vielleicht schöpfte er
seine Kenntnis lediglich aus dem 14. Band der Comedias des Fenix de los
ingeniös, wo die Zahl 900 angegeben wird, und las die Notiz erst viele
Jahre später? Nach der Inhaltsandeutung des Stückes bei Schaofifer (I, 408 f.)
ist der Titelheld eine stark übertriebene Karikatur; schon der Umstand
weist ihn in eine spätere Zeit. —
30 Ärilair Ludwig Stiefel.
tema ist, sonst müßte man annehmen, daß Coello zuerst den Mendoza
und dann letzterer wieder ihn nachgeahmt habe, was doch nicht sehr
walirsclieinlich wäre.
Die Priorität von Peor es hurgallo wird glücklicherweise durch
einen scheinbar geringfügigen Umstand im Stück bestätigt und zu-
gleich hierdurch die Zeit der Niederschrift genau fixiert.
In dem Briefe, den der Vifconde in der I. joruada an seinen
Bruder Don Diego richtet, heißt es:
De Madrid y Mayo, oy Hartes
a veinte y tres.
Die Jahreszahl wird im Briefe niclit genannt, aber der 23. Mai fiel
auf Dienstag in den Jahren 1623, 1658 und dann wieder 1634.28)
Letzteres Jahr kommt nicht in Betracht, nachdem, wie wir gesehen
hallen, Peor es hurgallo unter allen Umständen vor 1634 und sogar
noch vor 1632 fällt. Bleibt also nur 1628; denn noch weiter es
zurückzudatieren, auf 1623 etwa, geht nicht, weil Montalvan der
1632 selbst erst 30 Jahre alt war, in diesem Jahre die „pocos anos"
des Coello erwähnt, so daß dieser sicher einige Jahre jünger als er
selbst gewesen sein mußte, also etwa 1608 — 1610 geboren, im Jahre
1623 13 — 15 jährig, unmöglich unser Stück geschrieben haben könnte,
das eine so geschickte Behandlung der Charaktere darbietet.
Steht demnach fest, daß Coello's Stück 1628 entstanden ist,
dann kommt dem Dichter in der Figuron-Comedia gewissermaßen
eine führende Rolle zu, dann ist er für Mendoza, Castillo Solörzano,
Rojas Zorilla u. a. ein Vorbild gewesen. Er hat zuerst den aufge-
blasenen lächerlichen Landjunker auf die Bühne gebracht, eine Figur
die ihre Wanderung über ganz Spanien, ja sogar über ganz Europa
machen sollte. Nun werden allerdings manche behaupten, das dies
ein recht zweifelhaftes Verdienst sei, indem die Figuron-Comedia ja
ein Zeichen beginnenden Verfalls der spanischen Bühne sei, allein
ich glaube, das ist nicht richtig. Nicht die Figuron-Comedia an und
für sich und in ihrer poetischen Gestaltung, sondern ihr Mißbrauch,
ihre fratzenhafte Übertreibung bedeutet den Verfall. Und da muß
man die erste Zeit ihres deutlichen Hervortretens, die Zeit der oben
erwähnten Dichter, von der späteren Zeit, in der Dichter wie Fernandez
de Leon, Caiiizares, Ant. Zamora u. a. gegen Ende des 17. Jahr-
es) Für die Feststellung dieser Daten bin ich Herrn Bibliothekar Dr.
H. Wolff an der Universitätsbibliothek zu München verpflichtet, der mich
auf Grotefend Zeitrechnung des deutschen Mütelnlters und der Neuzeit, (Hannover
18D1) hinwies, wo ich die Daten leicht ermittelte. Ich benutze die Gelegenheit,
um dem ebenso gefälligen wie kenntnisreichen Bibliotheksbeamten für sein-
unermüdhches liebenswürdiges Entgegenkommen bei der Benutzung der
Universitätsbibliothek, sowie für zahlreiche sachdienliche bibliographische
Aufschlüsse öfifentlich meinen herzlichsten Dank auszusprechen. — Aufser
Grotefend zog ich zur Kontrolle der Daten noch heran: A. J. Weidenbach
Calendarium historico-christianum medii e^«oe'ae «€f«etC.(Regensburg H. J.Manz 1855.)
Paul Scarrons „Le Marquis ridicuh'-' . 31
hunderts auftreten, scharf auseinanderhalten; denn wie Schack richtig
sagt, 29) bei jenen „wurde doch noch immer der Adel der Poesie auf-
recht erhalten, das Kleinliche, Engherzige und Verkehrte wurde im
Sinne der echten komischen Dichtung als mit dem Höheren, mit der
unendlichen Freiheit und Bewegung des Daseins im Widerspruch
stehend, aufgefaßt; bei den hier in Rede stehenden Comödienschreibern
dagegen hat das Fratzenhafte ganz das Übergewicht, wir werden in
eine Welt von Narren geführt und das Lustpiel geht ganz und gar
in die Farce über,''
Wie sehr Coello in der glücklichen Zeit des Anfangs der
Figuren -Comedia steht, das zeigt sich in dem Umstand, daß er
mehr noch wie seine unmittelbaren Nachfolger, es verstand, in den
Zügen, die er seinem komischen Helden lieh, Maß zu halten. Sein
Vifconde ist noch nicht die Karikatur, wie es der Montanes später wurde.
Doch wenden wir uns jetzt den Quellen des Dichters zu. Die
wichtigste hat er uns selbst angedeutet. Es ist jene Novelle des
Cervantes, die er als Episode in seinem unsterblichen Don Quixote
verwoben hat, El curioso iiripertinente.
Sowohl der Erzcähler wie der Dramatiker zeigen uns einen
Toren, der im Besitz eines herrlichen getreuen Weibes (bzw. einer
Braut^, von der unseligen Neugierde geplagt wird, ihre Tugend, ihre
Treue auf die Probe zu stellen. Beide zwingen einen Nahestehenden
(Freund oder Bruder) sich der Schönen zum Schein mit Liebas-
werbungen zu nahen. Der Betreffende versteht sich nur nach langem
Sträuben, nach ernsten Abmahnungen zu der Sache, betreibt sie
aber schließlich mit solchem Erfolg, daß er die Dame für sich erobert.
Daß Cervantes wirklich die Vorlage für Coello gewesen war, be-
weisen noch eine Anzahl Stellen des Dramas. Don Diego ruft seinen
Bruder, als er ihm den Vorschlag macht, warnend zu:
YA curiofo impertinente
te llamaran desde aqui.
Don Blas — der curiofo impertinente Coellos — sagt:
yo he de mirar y batir
efta fuerza de mi efpofa,
y efta criada ciuil
ha de fer crifol por donde
quilates me ha de aöadir:
Bei Cervantes sagt der curiofo impertinente (Anselmo):
— — deseo que Camila mi esposa pase por estas dificulta-
des y se acrifole y quilate en el fuego de verse requerida.
Bei Coello sagt D. Diego zu seinem Bruder:
no hagas mas experiencias
en muger, que no es de fabios
2^) Bd. III, S. 465.
32 Arthur Ludwig Stiefel.
vieiido que el vafo es de vidrio,
probar con golpes el vafo.
Bei Cervaates sagt Lothario zu Anselmo:
. . . seria justo que te viniese en deseo de tomar aquel dia-
mante . . . y alli a pura fuerza de golpes . . . probar etc.
Ferner sagt D. Diego:
Mira que el honor es vidrio
y guardado ha de viuir,
que al primer lance fe quiebra.
Hierauf D. Blas:
Para que quiero elegir
mnger de vidrio
Wir lesen bei Cervantes:
Es de vidrio la muger
Pero no fe ha de probar
Si se puede o no quebrar
Porque todo podria fer.
D. Blas sagt später von Dona Juana:
Porcia fue — ihr gegenüber — cofa de burlas.
Cervantes sagt:
Cofideraba cuan entorado habia de quedar Anselmo de que
tenia por muger a una fegiioda Porcia.
Coello war übrigens nicht der erste, der die Novelle des Cer-
vantes dramatisierte. Lope de Vega hat sie in sein Lustspiel La
Necedad del Discreto (bereits in der II. Liste seiner Comedias
verzeichnet, also vor 1618 geschrieben) verwebt, und Guillen de
Castro hat ein sehr wirkungsvolles Drama daraus geschaffen. Ob
Coello eines dieser beiden Stücke benutzte, will ich dahin gestellt
sein lassen, da sie mir nicht vorliegen. Sicherlich hat aber Coello
ein anderes Stück des Guillen de Castro nämlich seine 1625 gedruckte
Comedia El Narciso en sie opinion benutzt. Vielleicht war es diese
sogar, die ihn zu seiner Schöpfung anregte.
Castros Stück, das Vorbild zu Moreto's Lindo Don Diego,^^)
bietet bereits einen lächerlichen Junker, nur besteht dessen
Schrulle, wie der Titel andeutet, hauptsächlich in seiner maßlosen
Eitelkeit und Selbstvergötterung. Don Giitierre — so heißt Castro's
Held — ein Name, wie wir sehen, den Coello für eine andere Per-
30) Der sprichwörtliche Gebrauch dieses Titels wird manchmal auf
Moretos 1662 gedrucktes Stück zurückgeführt, das ist indes unrichtig. Ich
gedenke anderwärts zu zeigen, dafs die Bezeichnung schon lauge vorher
sprichwörtlich war.
Paul Scarron's ^Le Marquis ridicule". 33
sönlichkeit übernahm, hält sich für unwiderstehlich und glaubt, daß
alle Mädchen in ihn vernarrt seien. Wir fanden oben, daß auch
der Vifconde ähnlich von sich denkt. Dann hat Coello einen Teil
der Handlung des älteren Lustspiels verwertet. Bei Castro will Don
Pedro, ein alter adliger Herr, einen seiner Neffen mit seiner Tochter
vermählen und lädt sie beide ein, zu ihm zu kommen. Don Gutierre
ist der eine davon. Sein Diener Tadeo verkündet seine Anwesenheit
in Madrid. Der alte Herr ist beleidigt, daß die Neffen nicht bei
ihm abgestiegen sind:
Eftä enojado
de no auernos apeado
en fu cafa.
Wir fanden das alles oben bei Coello. Bei diesem sagt der
alte Herr zu Calabacas: „no fe apea en mi cafa." Wie letzterer
eine Charakterschilderung vom Vifconde, so entwirft dort Tadeo eine
von D. Gutierre, aber, was durchaus verwerflich istj gegenüber einem
Fremden, einem Nebenbuhler seines Dienstgebers. Es findet ferner
ein Zusammentreffen zwischen D. Gutierre und seiner Base im Bei-
sein ihres Vaters statt, das zur Entfaltung des lächerlichen Charak-
ters des Freiers führt. Außerdem wendet die für den Gecken be-
stimmte junge Dame ihr Herz einem anderen zu, den sie am Ende
durch eine lutrigue, bei der eine als Condefa verkleidete Person eine
Rolle spielt, auch wirklich erhält, während D. Gutierre leer ausgeht
und von allen Personen des Stückes verhöhnt wird.
Diese den beiden Dichtern gemeinsamen Motive sind aber von
ihnen so verschieden behandelt, daß man von dem jüngeren Dichter
sagen kann, er habe sich seine Selbständigkeit gewahrt.
Für den Cliarakter der Portugiesin Coellos dürfte Lope de Vegas
La Portuguesa y la dicha del Forastero gesessen sein, wo Celia
sich einem Fremden förmlich an den Kopf wirft und gleich Dona
Antonia portugiesisch radebrecht. Lopes Lustspiel befindet sich auf
seiner zweiten Liste, ist also vor 1618 geschrieben.
Ferner hat Coello, wie es scheint, Tirso de Molinas heiteres
Lustspiel Por el sotano y el torno gekannt: In der 1. Szene dieses
Stückes wird Dona Bernarda, wie Dona Juana, bei einem Wagen-
unglück ohnmächtig und von einem Galan, den sie später die Hand
reicht, in den Armen in ein Haus getragen. Dona Jusepa, ihre
Schwester, gibt sich für eine Portugiesin, für die Condefa de Ficallo,
aus. Da nach Cotarelo y Moris Vermutung (Tirso de Molina. In-
vesiigaciones bibihliograficos Madrid 1893 S. IGO) das Stück
Tirsos aus dem Jahre 1622 stammt, was ich nicht sowohl aus
dem von ihm angeführten Grunde, als aus verschiedenen anderen für
wahrscheinlich halte, so steht einer Entlehnung seitens Coellos chro-
nologisch nichts im Wege.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXHi. 3
34 Artliur Ludwig Stiefel.
Keine dieser Entlehnungen zwingt uns, Coellos Comedia später
zu datieren, weil alle vor 1625 geschrieben worden sind. Keine
zwingt uns aber auch die Originalität des Dichters wesentlich
herabzusetzen: Mag er in der Fabel sich an Cervantes, in einzelnen
Motiven an Guillen de Castro, Lope de Vega und Tirso de Mo-
lina anlehnen, so hat er doch alles zu einem neuen durchaus ein-
heitlichen wirkungsvollen Ganzen herausgearbeitet. Die wenigen wört-
lichen Anlehnungen, die oben Erwähnung fanden, können seinen Ansprucli
auf selbständige Behandlung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Haupt-
sache bleibt, daß er in der Auffassung, Dramatisierung und Entwicklung
der Fabel und in der Darstelhing der Charaktere ganz seine eigenen Wege
ging und daß, abgesehen von wenigen vielleicht unwillkürlich über-
nommenen Ideen und Bildern, der ganze Dialog sein Eigentum ist.
In der Tat ist seine Auffassung der Fabel eine durchaus origi-
nelle von Cervantes und Guillen de Castro grundverschiedene. Jene
beiden betrachteten die Handlung als ernst und gaben ihr einen hoch-
tragischen Ausgang. Coello scheint gedacht zu haben, daß ein Mann,
der die Erwählte seines Herzens, in deren beneidetem Besitze er sich
befindet, einer aberwitzigen Probe unterzieht, wie es der Cnriofo
impertinente tut, nur ein vollendeter Narr sein könne. Ein solcher
aber eigne sich nicht zum Helden einer tragischen Handlung. Daher
gestaltete er die Fabel rein komisch und machte aus dem Curiofo
impertinente eine Karikatur. Während wir bei Cervantes und Guillen
de Castro ein erschütterndes Ehebruchsdrama sich zutragen sehen,
bewegt sich bei Coello die ganze Handlung in den Schranken der
guten Sitte. Bei ihm ist nicht eine Frau, sondern eine Braut die
Heldin. Und diese — Dona Juana, die der Camila der beiden
älteren Dichter entspricht — ist von ihm mit großer Sorgfalt und
Liebe behandelt worden. Er schildert sie als ein unverdorbenes
durch nichts vom Pfade der Tugend abzulenkendes musterhaftes
Mädchen, die den Gatten aus der Hand des Vaters unbesehen
hinnimmt, die herb und spröde jedes Liebeswerben anderer
Verehrer abweist und, sogar unter der Verpflichtung der Dankbarkeit
gegen einen Lebensretter, nicht anders handelt. Wie sehr verdiente
sie also das Vertrauen ihres Bräutigams, wie wenig war sein belei-
digender Argwohn ihr gegenüber gerechtfertigt. Wenn also Don
Diego auf sein Geheiß nach langem Sträuben die Rolle des Ver-
suchers übernimmt und in Juanas Herzen, das ihm schon von Anbe-
ginn mehr als sie sich selbst eingestand, zugetan war, immer grössere
Fortschritte macht, so empfinden wir, daß Don Blas dieses Schicksal
vordient. Wir zittern in der H. jornada, als Juana über Don Diego
zürnt, sie könnte noch die Beute des Landtölpels werden und wir
freuen uns, daß die Intriguen der Portuguesa den unwürdigen
Bräutigam endgiltig aus dem Felde sclilagen.
Es bedarf keiner Erwähnung, daß Coello diesen Charakter bei
Cervantes oder G. de Castro nicht fand; ich füge gleich hinzu, daß
Paul Scarrons „Le Marqnis ridicide'-', 35
er auch die übrigen Charaktere ihm nicht entnahm. Ob er aber
nicht Guillen de Castro den Umstand entlehnte, daß Ceatriz ihre
Herrin für Don Diego einzunehmen sucht und den weiteren, daß
dieser schon, bevor er von seinem Bruder den Auftrag erhält, die
junge Dame in Versuchung zu führen, in sie verliebt war — beide
Momente fehlen bei Cervantes, finden sich jedocli, wie ich A. Schaeffer
entnehme, beim Yalenzianer — ist eine andere Frage. Da indessen
diese Züge auch zufällige Übereinstimmungen sein können, so muß
ich die Sache, zumal Castros Drama mir nicht vorliegt, unentschieden
sein lassen.
In der Durchführung und Gliederung der Haupthandlung und
in der psychologischen Entwicklung des eigenartigen Charakters der
Dona Juana zeigt der jugendliche Coello ein entschieden bedeutendes
dramatisches Talent. Auch den Haupthelden, den Don Blas, ver-
stand er geschickt zu zeichnen und folgericlitig handeln zu lassen.
Er hielt sich dabei von Übertreibung vollkommen frei. Don Blas
ist ein naturwahrer Charakter, den der Dichter dem Leben abge-
lauscht haben mag, wenn vielleicht auch Guillen de Castros Don
Gutierre nicht ganz ohne Einfluß darauf blieb. Hatte ich doch
selbst einmal Gelegenheit, ein ähnliches Original vor Jahren zu
beobachten. Don Blas verbindet eben das maßlos mißtrauische Wesen
des ungebildeten Landbewohners dem überlegenen Städter gegenüber,
mit der Aufgeblasenheit und dem Gefühl der Unwiderstehlichkeit des
reichen Majoratsherrn. In der Vereinigung dieser entgegengesetzten
Eigenschaften liegt sein komischer Charakter, sein „tema" und zu-
gleich sein Unglück. Daraus fließt ganz naturgemäß sein seltsames
Verhalten Doüa Juana und den übrigen Personen gegenüber, und es
wirkt unwiderstehlich komisch, wie er gerade durch seine dumme
Pfiffigkeit, das Unglück das er vermeiden möchte, heraufbeschwört.
Hinter diese beiden Hauptgestalten treten alle anderen zurück.
Don Diego ist der gewöhnliche Galan des Lustspiels, dessen Rolle
indes durch den komischen Konflikt zwischen Liebe zu seiner Dame
und Rücksichten für seinen Bruder einen originellen Reiz erhält. Die
beiden criados Calabagas und Ortuiio sind noch nicht die gracioscs
der späteren Zeit, d. h. Diener, „welche die Handlungen der Haupt-
personen parodieren", sondern schlichte Bedienten; Calabacas ist der
wichtigere, gelungenere. Ebenso ist Beatriz die gewöhnliche Zofe, die
sich von Galanen zu Liebesintriguen bei ihrer Herrin verwenden
läßt, und keine graciosa. Luisa und Rodriguez sind zu unbedeutend,
als daß sich viel von ihnen sagen ließe.
Don Gutierre und Dona Antonia sind unter den Neben-
personen wohl die originellsten. Freilich insofern der alte Herr,
wie jeder Hidalgo, streng über Ruf und Ehre der Tochter wacht
und insofern er bei der Wahl eines Bräutigams für sie mehr auf
Vermögen als auf treflliche Eigenschaften sieht, ist er ein gewöhn-
licher Lustspielvater; aber der Dichter hat ihm den originellen Zug
3*
36 Arthur Ludwig Stiefel.
verlieben, daß er, streng für die Tochter, für die eigene Person und
betreffs junger Herrn in sittlicber Hinsicht sehr leichtfertigen Grund-
sätzen huldigt. Und diese Eigenschaft war, wie wir oben sahen, für
die Lösung des Lustspielknotens von entscheidender Bedeutung.
Eine eigentümliche Gestalt ist Dona Anton ia, Coello be-
zeichnete sie in der Personenliste als „Dama". Aber kann man ein
Wesen noch so nennen, daß einen gefundenen an eine bestimmte
Dame gerichteten Brief für sich zu einem groben Schwindel ausnutzt,
das frech von der Straße aus durch das offene Fenster eines Hauses
hineingreifend, einem Herrn ein Frauenbildnis entreißt um es in be-
trügerischer Absicht zu verwenden, das ohne Scham vorgibt, von
einem Manne, den es nie gesehen hat, ein Töchterchen zu haben,
um sich dadurch seine Hand zu ergattern und das, als der Verfolgte
sich sträubt und wehrt in der ihm gelegten Schlinge, rasch mit einer
Abfindungssumme zufrieden ist? Verdient eine solche Person nicht
vielmehr den Namen einer Hochstaplerin? Der Dichter hat ihr auf
der anderen Seite große Schönheit und den Charakterzug verliehen,
daß sie linajuda ist, d. h. daß sie es auf einen hocbadligen Gatten
in allen Ehren abgesehen hat und daß sie, um zu einem solchen zu
kommen, in allen Hotels und Pensionen ihre Spione hält, die sie von
der Ankunft eines jeden vornehmen Fremden unterrichten. Faßte er
sie als „erabustera", „picara" oder als „loca" auf? Mich will es
bedünken, daß Coello sie zunächst als Närrin, als ein passendes
Seitenstück zu dem Narren Don Blas dachte, dann aber als eine
Kontrastfigur zur Hauptheldin, zu der innerhalb der Schranken des
Hauses weilenden züchtigen schönen Dona Juana, während jene die
nicht minder schöne, aber freche auf pikareske Abwege geratende
Abenteurerin ist. Sympatisch ist der Charakter nicht, so wenig wie
der des Don Blas, aber ich glaube nicht, daß wir dramatisch etwas
dagegen einwenden dürfen. Haben doch Lope de Vfga, Tirso de
Molina, Montalvan u. a. junge Damen, die sich einen treulosen Ge-
liebten wieder erobern oder einen von ihnen verehrten Galan erringen
wollen, auch oft zu recht bedenklichen Mitteln greifen lassen. Der
einzige Vorwurf, der allen diesen unternehmungslustigen jungen
Mädoben mit Recht gemacht werden kann, ist der der Unwabrscliein-
lichkeit.
Die Sprache von Peor es hurgallo ist einfach, natürlich,
fließend. Freilich reicht sie nicht an die Diktion Lope de Vegas,
Tirso de Molinas und selbst noch nicht an die Don Antonio de
Mendozas heran, aber sie ist frei von kultistischen Auswüchsen und
der Dialog verrät Gewandtheit.
Merkwürdig ist es, daß in unserem Lustspiel die drei Ein-
heiten beobachtet sind. Die Ereignisse umfassen noch nicht eine
Zeit von 24 Stunden, sie tragen sich in Madrid in den Wohnungen
der Dona Antonia und des Don Gutierrc, bezw. in den Straßen vor
denselben zu, und die Handlung ist streng einheitlich. Ist diese
Paul Scarro7is „Le Marquis ridicule'^ . 37
Beobachtung „der Regeln" das Werk des Zufalls, oder wollte Coello,
vielleicht angeregt durch Lopa de Vega's Arte nuevo de hazer
Comedias oder irgend eine Poetik, den Versuch machen, den An-
forderungen der Gelehrten zu entsprechen? Ich muß die Frage un-
beantwortet lassen.
Fasse ich mein Urteil über Peor es hurgallo kurz zusammen,
so muß ich sagen, daß Coello die Novelle des Cervantes El Curioso
hnpertinente in durchaus origineller Weise zu einer wirkungsvollen
komischen Handlung ausgebildet hat, deren Entwickeluug und Lösung
Spannung, deren Charaktere Interesse erregen. Den Grundgedanken
der Novelle, von ihm im Titel seines Stückes durch das Sprichwort
Peor es hurgallo, und gegen Schluß durch die Verse
ya ninguno fe meta
en probar a las mugeres,
que es peligrosa cxperiencia
wiedergegeben, hat er konsequent durchgeführt und ein recht artiges
Lustspiel geschaffen.
Mit diesem Stück hat er die maßvolle Figuron-Coraedia auf
der Bühne heimisch gemacht und rasch zahlreiche Nachahmer 3i)
gefunden, die ihn allerdings zum teil an Bedeutung und Ruf über-
treffen sollten. Merkwürdiges Schicksal! Seine Figuron-Comedia,
welche anderen spanischen Komikern den Weg zeigte, geriet in voll-
kommene Vergessenheit, während eine darauf beruhende französische
Nachahmung fast bis in unsere Tage wenigstens in den Ausgaben
der Werke des Dichters fortleben konnte. Ich meine Scarrons Lust-
spiel. Wir kommen jetzt zu dem französischen Stücke. Durch
seineu Titel
Le Marquis Ridicule ou la Comtesse faite ä la haste 3-)
verrät er seine Quelle nicht. Ob Scarron die Absicht hatte, sie zu
31) Wir haben bereits oben gesehen, wie dazu als erster D. A. Mendoza
gehört. Don A. dal Castillo Solörzano mit seinen beiden Stücken
El Mwjorazgo Figura (geschr. 1637) und El Marques del Cigarral — beide von
Scarron nachgeahmt — folgte ihm. Als dritten möchte ich Rojas Zorilla
anführen, der in seinem 1638 verfafsten Lustspiel Entre bohos anda el juego
in vielen Dingen sich an Coello anlehnt. Da letzteres Stück von Thomas
Corneille IGÖO unter dem Titel Don Bertrand de Cigarral nachgebildet wurde,
so ist dieser Dichter auch mittelbar Coello verpflichtet.
^'^) Über die verschiedenen Ausgaben des Stückes werde ich weiter
unten handeln. Die ziemlich seltene editio princeps Paris Quinet 1656 lag
mir leider nicht vor, sondern folgende Elzevier-Ausgabe: LE || MARQUIS ||
RIDICULE II ou la || COMTESSE || faite a la haste |[ Comedie. || Par
Mr. Scarron. \\ (Buclihändlerzeichen). || Sniuant la Copie imprimee | A
PAKIS I MDCLN. — 93 Seiten 16". Rückseite des Titelblattes frei.
Auf Seite 3—5 die Dedikation A Monsieur L'Abbe Fovoquet. Auf
S. G die Liste der Schauspieler. Der Text beginnt S. 7. — Exemplar im
Besitze des Antiquars Jacques Rosenthal dahier, dem ich auch an dieser
Stelle für die freundliche Überlassung danke. —
38 Arthur Ludwig Stiefel.
verbergen, läßt sich mit voller Bestimmtheit nicht sagen; denn wenn
er einen anderen Titel \Yählte, so konnte der Grund ja sein, weil
ihm der spanische nicht gefiel, oder weil er ein Sprichwort war,
das schwer durch ein ähnliches französisches wiederzugeben war oder,
richtiger gesagt, weil Sprichwörter als Comödien-Titel auf der franzö-
isischen Büime nicht üblich waren. Jedenfalls läßt die Wahl seines
Titels deutlich erkennen, daß es ihm in seinem Stücke nicht sowohl
;um die leitende Idee Coellos, „peor es hurgallo'-^, als vielmehr
;Um die burlesken Gestalten des lächerlichea Landtölpels und der
heiratslustigen Abenteurerin zu tun war.
Weniger ängstlich war Scarron auf Beseitigung der Namen
seiner Vorlage bedacht. Er behielt mehrere davon bei, wie aus der
nachfolgenden Zusammenstellung der Personenlisten ersichtlich ist.
Coello Scarron
Don Diego, galan Dom Sanche
Don Blas de Yilloria Dom Blaize-Pol, Marquis de la
Victoire
Don Gutierre (de Varcas), viejo Dom Cosme de Varcas
Dona Antonia, Daraa Stefanie, Dame Portugaize
Doiia Juana, Dama Blanche, fille de Dom Cosme
Luisa, ciiada de Dona Antonia Louize, fuiuante de Stefanie
Beatriz, criada de Dona Juana Lizctte, fuiuante de Blanche
Merlin, valet de Dom Blaize
Calaba^as, criado de Don Diego feruant Dom Sanche
loachin, criado de Don Gutierre — — — — — — —
Ortuüo, criado de Don Blas Ordugno, Efcuyer de Dom Blaize
Rodriguez, efcudero Olivares, Efcuyer de Stefanie
Acompanamiento (Gens de Dom Blaize)
Von den Namen hat also Scarron drei: Don Blas (Blaize),
Luisa (Louize) und Ortuiio (Ordugno) ganz beibehalten; außerdem
den Familiennamen des Don Gutierre. de Varcas. Aus de Villoria
hat er das lautlich ähnliche de la Victoire gemacht. Weggelassen
hat er den in der Tat überflüssigen Joachin. Seine Änderungen
lassen sich meist begreifen: Sanche und Cosme klingen für franzö-
sische Ohren annehmbarer als Diegue und Gutierre. Blanche,
Stefanie und Merlin fügen sich besser in den Vers als Jeanne,
Antoinette und Calabagas; Lizette ist ein in Frankreich ver-
breiteter Bedientennamen, Beatriz dagegen niclit. Ob Scarron au
den Conde-Duque dachte, als er den efcudero Rodriguez in Olivares
umtaufte, will ich dahingestellt sein lassen. Vielleicht auch änderte
Scarron jene Namen ohne jeden Grund, rein willkürlich; denn Diegue
kommt in seinem Heriiier ridicule vor und Beatriz für eine „servante"
findet sich in seinem Maistre Valet^ in seinem Jodelet soufßete und
in L'H^riiier ridicule.
Paul Scarrons ,,Le Marquis ridicule''. 39
Was die im Texte vorkommendeu Namen anbelangt, so hat sie
Scarron alle geändert. Es entsprechen sich bei
Coello: Scarron:
Don Luis de Vivero Dom Juan Palomeque
Dona Ynes de Figueyra Elvire de Pacheque
la Condefa de Alentexo Comteffe Alcala
Der Schauplatz der Handlung ist in Original und Nachahmung Madrid.
Mit den Charakteren hat der Nachahmer nicht unwesentliche
Vei'änderungen vorgenommen. Alle Personen sind derber, realistischer
geworden. Die feinen Nuanzen in den einzelnen Rollen sind ver-
schwunden. Alle weisen nunmehr eine gewisse Familienähnlichkeit
auf. Besonders zeichnen sich die Bedienten durch große Keckheit
ihren Herrschaften gegenüber aus, was sich von den Bediensteten bei
Coello nicht sagen läßt. Dementsprechend müssen bei Scarron wieder
die Herrschaften gröber gegen die Diener sein, aber auch unter ein-
ander schlagen jene oft einen Ton an, wie er in der guten Gesellschaft
nicht üblich ist. Wie das alles sich im Einzelnen verhält, ersieht
man am besten aus der Vergleichung der französischen Nachahmung
mit dem spanischen Original.
Acte I.
Wie bei Coello eröffnet die portugiesische Abenteurerin mit
ihrer Dienerin das Lustspiel. Die ganze erste Scene entspricht
inhaltlich und vielfach wörtlich dem Anfang des spanischen Stückes.
Indes führten ein paar Änderungen, die Scarron anzubringen für gut
fand, zu verschiedenen Abweichungen im Dialog. So benimmt sich
z. B. Louise (Luisa) ziemlich naseweis ihrer Herrin gegenüber.
Dann spielt die Handlung, im spanischen Lustspiel, wie oben erwähnt,
im Monat Mai, bei den Franzosen dagegen im heißen Sommer.
Doiia Antonia spricht mit ihrer Dienerin im Hause bezw. unmittelbar
vor ihrem Hause, während Scarron das Gespräch auf freier Straße
vor sich gehen läßt. Auf diese Weise sind die Anfänge bei beiden
Dichtern grundverschieden,
Doiia Antonia bei Coello hatte Luisa, wie es scheint, fortgejagt
und empfängt zu Beginn des Stückes die Wiederkehrende mit offenen
Armen. Die Comedia hebt mit ihren Worten an:
Buelua a cafa, pan perdito,
que fin ti no valgo nada;
la mas effencial criada
eres que en el mundo ha auido.
Dame los bragos.
Antonia sagt ferner:
Mira, las cofas de dentro
folo las fio de ti.
40 Arthur Ludwig Stiefel.
De aueite echado me pefa,
Mas yo lo enmiendo, que quieres?
Und die Dienerin erwidert darauf:
Que braua heclüzera eres!
en efeto Portuguefa.
worauf sie zu Antonias Verhältnis zu Don Diego übergebt:
quieres bien todavia
al encubierto don Diego?
Anders Scarron. Er läßt die Dienerin anfangen und das
Gespräch verläuft folgendermaßen:
Louize:
Madame excuzes-moy, fi ie vous interromp(s);
Mais le Soleil icy donne für nous ä plomb.
Sans parafol, fans mante, au Soleil ä teile heure,
Eftre au cours, c'eft ioüer ä fe perdre, ou ie me meure.
Voulez-vous faire icy de Taftre radieux
Et de voftre bei oeil morguer celuy des Cieux?
Sauf l'honneur que ie doy ä voftre noble effence,
Co deffein Romanefque a de Textrauagance.
Stefanie:
Tu me parles toüjours auecque liberte
Louize:
Mais Madame apres tout, ie dis la verite;
Car au cours, a midy, que voulez-vous donc faire?
Stefanie:
Ignorant mon deffein, tu n'as rien qu'a te taire.
Louize:
Au moins, m'auouerez-vous que Ton n'y vient que tard
Et qu'on n'y laiffe point fon caroffe ä Tecart,
I Von allem dem findet sich kein Wort in der spanischen Vorlage.
Jetzt offenbart Stefanie ihren heißen Wunsch, sich hochadlig
zu verheiraten. Dieser Gedanke kommt schon bei Coello vor, ist
' aber bei Scarron stärker betont. Abweichend von jenem wittert die
Dame auch noch bevor ihr Efcuyer mit der Meldung kommt, daß
Don Sanche (Diego) und der Marquis (Visconde) eine und dieselbe
Person sei, daß jener von hoher Abkunft sein müsse.
Sur ce qu'en l'approchant mon ame m'aduertit
Qu'il est ne graiid Seigneur; mais qu'il fe traueftit.
Ebenso gehört dem Franzosen der Zug, daß Stefanie den
Kavalier auch ohne diese Eigenschaft liebe, sowie der weitere, daß
Paul Scarrons ,.Le Marquis ridicule'-'-.
41
ihr die „suiuante" rät, ihre Neigung für Don Sanche zu verbergen,
da dieser ihr noch keinen Beweis gegeben habe, daß er ihre Liebe
erwidere: „II est temps qu'a fon tour il faffe quelque auauce"!
Habe er das, was sie brauche, dann rasch einen Notar und einen
Pfarrer, wonicht
Fermez-luy voftre porte, & m'en cherchcz vn autre.
Stefanie will Don Sanche — ein weiterer, nicht bei Coello
vorkommender Zug — hier erwarten und ihn zwingen, sich zu
erklären.
Und so wären noch einige Kleinigkeiten zu erwähnen, worin
Scarron seine eigenen Wege ging. Übrigens finden sich selbst in
diesem noch ziemhch selbständig gehaltenen ersten Teile der Scene
Gedanken und Yerse, die fast wörtlich dem spanischen Original
entlehnt sind. So z. B.
Scarron.
Stefanie:
Je te difois tout ä Theure, Louize,
Qu'a moins que d'vn Seigneur,
ie ne puis eftre eprife.
Stefanie :
II est vray que ie dis ce que ie
ne fais pas
Coello:
Dona Antonia:
Mira, a toda ley, quifiera
para emplear fauores
fi ay en que efcoger, fenores.
Doiia Antonia:
Yo predico la dotrina,
mas no la fe executar.
Schließlich läuft alles doch auf dasselbe, wie in der spanischen
Comedia hinaus. So gesteht Stefanie, gleich Antonia, daß sie ihre
Netze auch noch auf andere Männer auswerfe und daß sie es
namentlich auf Fremde abgesehen habe. Man vergleiche beide Dichter:
Scarron.
Stefanie:
Pour cet effect, ie vole aux oifeaux
paffagers
Et noftre politique en veut aux
etrangers.
Tay de bons efpions dans les
hoftelleries,
Dans les poftes, bureaux, coches,
meffageries,
Tu m'es vn bou fecond, & noftre
Oliuares,
Pour nos nobles deffeins eft
comme fait expres;
Coello.
Dona Antonia:
Ya fabes que fue
gran politica entre fueros
desfrutar los forasteros.
Luisa:
Y yo te lo aconfeje.
Doiia Antonia'.
Y que para aquefta treta
tengo con cuenta y razon
efpia en todo mefon,
centinela en la eftafeta.
42
Arthur Ludwig Stiefel.
Aux yeux de cent jaloux, il frait
faire vn mclTage.
Louize:
Bref Yoftre Oliuares cl't vn grand
perfounage.
Stefanie :
II a fi^'BU decouurir, qu'vn certain
vrai Marquis
Arriue dans Madrid, & fgait bien
fon logis.
Ce feigneur etranger, fi i'ay bonne
memoire
A nom Dom Blaize Pol Marquis
de la Victoire.
Liiifa:
— el buea Rodriguez, de Efpana
el mas lamofa tercero — — —
Es hombre honrado.
Doiia Antonia:
Sabe meter vu recato
por el üjo de vna fuegra ....
* *
Pues de Castilla la vieja
diz que ha venido vu Vifconde,
que grande faufto apercibe ;
porque viene aqui a cafarfe.
Rodriguez fue ya in informarfe
de la cafa donde viue.
Die zweite, sehr kleine Szene -- Olivares kommt zu den vorigen
— entspricht Coello vorwiegend wörtlich, aber mit Kürzungen; man
vergleiche:
Scarron.
Olivares :
le me fuis informe, comme vous
m'auiez dit,
Du logis de Dom Sanche, & ie
f^^ay comme il vit,
Et que pour le feruir, il n'a
qu'vne perfonne.
Mais on m'a dit de plus, & c'eft ce
qui m'efionne,
Que, fon appartement, dont ie
me fuis enquis,
Eftoit l'appartement de ce mefme
Marquis
De ce Dom Blaize Pol qu'on
attend de Ca fülle.
Stefanie;
He bien ! c'eft vn Matois, vn petit
noble, vn drille.
Olivares:
En fortant de chez luv, ie Tay
trouue botte!
Coello.
Dona Antonia :
Hafe informado?
Modriguei
mas con duda.
Con prifa,
Dona Antonia:
Pues que ha auido
Rodriguez:
Que andando bufcando ciego,
donde el Vifconde fe paffa,
enfeiiandome la cafa,
es la mifma del don Diego,
tu galan, y aueriguando
mas, por falir de efte abyfmo,
dixeron, el quarto mifmo
de don Diego, feiialando
que era en el que el tal Vifconde
viuia.
Dona Antonia:
Non paede fer.
Paul Scarrons y.Le Marquis ridicule"
43
Loiiize:
Et moy ie TapperijOi.
Rodriguez:
Y despues que deterniino
boluerme, al quererme ir,
vi al tal don Diego falir
con veftido de Camino
de cafa.
Luisa:
mas el viene por el Prado.
Bei der dritten Szene — Don Sanclie (Diego) und Merlin
(Calaba^as) — herrscht abermals Anschluß an Coello. Hier eine
Probe:
Scarron, Coello:
Don Satiche: Calabapas:
Tu dis donc que mon frere eft — — — — — — — — —
venu? ya el Vifconde tu hermano
— — — — — — — — — efta en Madrid.
Don Diego:
erro mi Padre en criarle
fiempre en Caftilla vieja
— — fiü el arte
de la Corte etc.
Que les Peres ont tort de tenir
leurs enfants
Eloignez de la Cour ä fe roüiller
aux champs
Äf erlin :
Mais vous, mon eher Seigneur,
qu'il ne vous en deplaife,
Comment vont vos amours auec
la Portugaize?
Don Sanche:
Stephanie ?
Merlin :
Elle mefme.
Don Sanclie:
Elles vont affez bien;
Car eile me careffe, & ne demande
rien.
Merlin :
Tant mieux.
Don Sanche:
Ie la vay voir, parce que fa
demeiire
Calahagas:
Pero agora que me acuerdo,
como te va con el Angel
de Dona Autonia Maria,
que ha dado en que ha de adorarte
los penfamientos?
Don Diego
Muy bien.
Mira, yo voy a Tu cal'a
44
Arthur Ludioig Stiefel.
Eft proche de la mieiiue & qu'on
m'ouure ä tonte heure.
El Ton m'y voit fouuent n'ayant
que faire ailleurs.
Et manque auffi d'auoir des palTe-
teinps meilleurs.
I'y demeure par fois pour changer
moins de place:
Ten fors pour en cbacger, quand
la mieuue me laffe;
I'y reuay^) par couftume, &
iamais par araour;
Ma pareffe roiuient m'y retient
tout vn iour.
*
le lui dis des doaceurs, qui ne
nie couftent guere,
Et fouuent ie me plays de luy
rompre en vifiere
Pour diuerfifier la conuerfation,
Ou faifaut le ialoux par often-
tation,
Tay le plaifir de voir com"hient
eile s'efforce
D'appaifer vn aniant qui parle de
diuorce,
le paye fes faueurs de vers bien
ou mal faits etc.
Merlin.
Voftre relatiou me la rend toute
aymable;
N'auez vous point a(p)pris ä fa
rare beaute
Voftre nom?
Don Sanclie.
Ouy Merlin, uon pas ma qualite,
Xon plus que mou pais: mais eile
s'imagine
no mas de porque me abren,
fientorae vn rato no mas
de porque quiero fentarme,
afsifto porque no tengo
que afsiftir en otra parte,
eftoyme de peregofo,
y voyme por orearme:
bueluo otra vez de coftumbre,
y ella pieufa que es de
araante;
requiebro por refponder,
porque ya que aya de hablarfe
tanta faliua me cuefta
vn requiebro que vn defayre:
enojome por mudar
conuerfacion y lenguaje,
pido zelos por oirla
del modo que fatisfaze:
regalola con fonetos,
feiias, promeffas, vifages etc.
Cahagas.
Por Dies, que me ha enamorado
la relacion que me hazes:
que linda muger! por cierto
que fe haze querer de balde,
Sabe tu nombre?
Don Diego.
Don Diego
fabe que foy, mas no fabe
mi apellido y patria, tanto
1) Spätere Ausgaben wie z. B. Paris 1782 (Demieres (Euvres de Scarron,
tome II, S. 224, haben hier: .,I'y rive par coutume & iamais par amour.
Es ist dies eine sinnlose Entstellung, die ihren Grund darin hatte,
dafs der Herausgeber nichts von dem damals schon veralteten Verbum mller =
retoumer wufste und das Praesens fy re-vais {reuay) in fy reve änderte im
Glauben, das Perf. revay sei ein Druckfehler.
Paul Scarron's „Le Marqids ridicule'"'' . 45
Que ie fuis pour le moins de que cree que foy Infante
Royale origine de Aragon.
Un Infant d'Aragon etc.
Indes läßt uns Scarron schon jetzt manches erfahren, was
Coello auf später verschiebt. So sagt z, B. Merlin gleich zu Anfang
der Szene zu D. Sanche über den Marquis, er sei gekommen:
craignaut fort d'eftre animal cornu,
Et que cette beaute qu'icy l'on luy deftine,
Nc foit pour fon repos trop aymable et trop fine.
Während bei Coello Calaba^as des vom D. Blas empfangenen Briefes
nur ganz flüchtig gedenkt
mando que nie adelantaffe
con efta carta, fenor,
sagt Merlin:
Sa lettre qu'il m'a leue & que vous apporte,
Vous fera voir comment fon Marqnifat fe porte.
II pretend fe cacher quelque temps dans Madrid,
Faifant la guerre ä l'oeil, s'eclairciffant l'esprit
Du renom & des moeurs de Tepouze promife,
Qui payera bien eher le tiltre de Marquize.
Geändert hat Scarron ferner den Grund, warum sich Don Sanche
plötzlich entfernt. Bei ihm geschieht es, weil der Kavalier einer
„jeune beaute", die er kurz zuvor gesehen, nachlaufen will. Bei
Coello dagegen, will Don Diego gerade den Brief seines Bruders
lesen, als er den Alcalde vorüberziehen sieht und vermutend, daß
dies „por una miierte" sei, ihm nachläuft.
Nach seinem Weggang stürzen, wie bei Coello, die drei Ver-
borgenen die von dem Gespräche nichts hatten verstehen können,
auf den zurückgebliebenen Diener, dem Scarron abstoßende Derbheiten
in den Mund legt, wofür er bei dem Spanier keine Vorbilder fand.
So ruft z. B. Merlin der suiuante Louise zu:
Adieu moule adorable ä faire des enfants.
Auch Merlin wird, wie Calabagas, von der jungen Dame mit einem
Diamanten bestochen, damit er ihr über seinen Herrn Auskunft erteile,
und auch er rückt trotzdem nicht mit der Wahrheit heraus. Auch
er flieht und läßt im Fliehen den Brief des Marquis fallen, der auf-
gehoben und von der jungen Abenteuerin gelesen wird. Wie bei
Coello befindet sich in dem Briefe eine Einlage, ein Brief des Schreibers
an die Braut, kurz es herrscht fast durchweg Übereinstimmung
zwischen Original, und Nachahmung. Ich stelle hier wieder zur
Veranschaulichung Stellen aus beiden nebeneinander:
46
Arilmr Ludwig Stiefel.
öcarron.
Olivares :
Oll c'en fönt deiix en vn mefme
paquet.
Stephanie :
Coello.
Dona Antonia:
Otra trae dentro.
Lee aqueffa.
Luifa'.
La datte eft d'aujourd'huy, la Dona Antonia:
lettre eft tVaicbe faite. Desta tarde
• — — — — — — -— — — es la fecba — — — — — —
Lettre
Mon frere.
le fiiis dans Madrid, & qui pis
eft, i'y fuis pour me marier.
Tay grand peur, qu'vu bourreau
de beau-pere ne m'aille tromper,
& ne m'ait promis plus de beurre
que de pain. le ne me mouclie
pas für ma manche, comme vous
fgauez, & il en faudroit venir
au coupe gorge. le vai donc
faire la guerre a l'oei!, car de
deux accidents, 11 faut euiter le
pire. Informez vous de fes vies
& moeurs de voftre cofte, comme
ie feray du mien & me fyachez
bon gre de la confidence. Ie vous
addreffe une lettre que i'efcris
ä ma future epouze afin qu'elle
ne me foup(;onne pas d'eftre ä
Madrid. Le deffus de la lettre
vous apprendra fa demeure.
Douize :
A-t-on iamais efcrit plus extra-
uagamment,
En des termes plus bas, avec
moins d'agrement?
Le style refpond mal a l'efprit
de Dom Sanche.
Auez vous remarque ce mouclie
sur la manche?
— — — — oy le ha efcrito,
Dize afsi:
Hermano yo eftoy en Madrid,
donde he venido a cafarme, por-
que me ha enganado cl Diablo
de mi fuegro; el faber que mi
efposa es moca y hermofa me ha
dado tan mala efpina, que me
obliga a que auerigue efcondido
la opinion que tiene: afsi tu entre-
tanto que ncs vemos, puedes a-
ueriguar fi anda a derechas y
agradeceme la fineza de defcu-
brirme a ti que no penfaua hazer
mas con vn hermano mio. Para
quitar la fofpecha de que eftoy en
Madrid, has de Ueuar effa carta
a la que ha de fer miefpofa por-
que pienfen que no he llegado
y yo confeguire el affegurarme
de lo que temo delante de Dios.
El te guarde.
Luifa :
Yo no eftrano tanto effo
como el eftiln y lengiiage:
yo no tenia a Don Diego
por menguado. ay difparates
como los que efcriue aqui?
Rodrigiiez:
Ay algunos que no faben
mas de parlar la cartilla
Paul Scarroii's „Le Marqnis ridicule'* . 47
Stephanie: y fi Hegau a apurarles
On ecrit mal parfois, quoiqne defcubren aquesta hilaza.
Ton parle bien. * ^ *
Dona Antonia:
Louize: ^ a^t^ ^^ quien
le n'eiiffe iamais cru qu il euft ^^ j^^q^ ^^ menpuado efcape:
efcnt fi mal. ^^j^ ^^^^ ^^ diferencia
II nous deguifoit bien fon efpnt ^^ ^^^^^ ^^^^^ ^^^^^^^
de cheval. ^a tema, que todos tienen,
Stephanie: una tema en que difparen
Perfonne n'eft exempt d'avoir y en Uegando a hablar en ella
quelque foibleffe, deliran, como efte liazc,
Quelque tendre, oü d'abord qu'on que debe de fer zelofo
le touche on le bleffe. fin prudencia, y al tocarle
II est ialoux fans doute & quand en efta tecla, diffuena.
fon mal le prend, * * *
D'agreable qu'il eft, ridicule il
fe rend. Dona Antonia:
II verra fi ie fiiis de mon cofte '
ialouze. Veamos pues lo que efcrlue,
Yoyons comment il parle a fa a fu efpofa que Dios guarde:
diuiue Efpouze. A dona luana de Vargas
L'adreffe oft: A Madrid pour mi muger, viue en la calle
Blanche de Vargas del Prado, en una cafa
Dont la Maifon contient vn de tres rexas.
appartement bas
Peint de neuf et grille, qui
donne cn la grande rve.
Wie man sieht, hat Scarron die lächerliche Adresse noch läclierlicher
gestaltet, wie er schon oben den Brief des Don Blas vergröbert und
alberner gemacht hat. Dagegen hat er den Brief des Don Blas an
seine Braut nur gekürzt, sonst aber wörtlich übersetzt. Man vergleiche:
Scarron. Coello.
Ma chere Efpouze. Efpofa mia, unos pocos de in-
Quelques affaires m'empefchent de conuenientes uo me dexan que
vous appeller de plus pres de te Harne defde tan cerca como
ce doux nom, Receuez-le d'ou yo quifiera, y afsi oyelo tu defde
vous eftes, ie vous le donne d'ou donde tu eftä^, pues yo te lo
ic puis, & cependant ie confens,- Hämo defde donde lepuedo. Entre-
& ma volonte eft que cette lettre tanto que yo voy a cumplir con
ait la force d'une promcffe de mi conciencia, va efta carta a
mariage, en attendant que nous affegurar las obligaciones que te
le confommions dans Madrid apres tengo, como bueno y fiel marido:
la benediction du Prestre. y porque no parezca que lo que
48 Arthur Ludwig Stiefel.
Dom Blaise Pol Marquis la dilato es que no quiero ferlo,
de la Yictoirc. quiero y es mi voluntad pue efta
firua y tenga fuerza de cedula
de cafamiento, por donde nie
Obligo a fer tu marido para con
el Yicario, pues lo foy yo para
con Dios.
Im spanischen Original hat die junge Dame kaum Zeit ihren
Wunsch nach Rache über den vermeintlichen Trug des Diego-Blas
/ zu äußern, als der Unfall der Dona Juana hinter der Bühne sich
ereignet und ein Geschrei verursacht, das ihre Rede unterbricht.
Scarron ließ diesen Zwischenfall nicht auf der Bühne vor sich gehen,
sondern — wie wir weiter unten sehen werden — später erzählen.
Bei ihm schließt sich daher an die Rachedrohung der Abenteurerin
ununterbrochen ihre Aufforderung an ihre Begleiter an, ihr dabei zu
helfen, worin der französische Dichter übrigens oft anch im Ausdruck
Coello folgt. Nachstehende Zusammenstellung bezeugt dies:
Scarron. Coello.
Stepliani: Doüa Antonia:
— — — — — _ — — — Viue Dios! que he de vengarme.
— ■ — je veux tout faire, afin * _^ *
de me vanger,
Ouy perfide, ouy meschant i'irav liuisa:
chez ta Maift reffe, P"es que intentas?
Luy faire le recit de ta fauffe jj^-^ Antonia:
huelle. Ygj, ^^ efposa, y con vltragcs
Louize, Olivares, ilfautmeseconder jeshazer con mis noticias,
A rompre cet hymen quanto el con finezas gane.
Qu'il en meure le traiftre!
Louize :
Ouy, qu'il meure! etc.
Rompere entonces con todo.
Louize: . . . entonces .... matarle.
Luisa :
Pues mueraelfalso Visconde! etc
Mit dieser Szene schließt der I. Akt.
Acte II.
In der ersten Szene dieses Aktes erfahren wir aus dem Gespräche
zwischen Blanche (Dona Juana) und ihrer Dienerin Lisette (Beatriz)
zunächst einiges über den üniall, den Coello so dramatisch wirksam
teils hinter, teils auf der Bühne sich hatte abspielen lassen. Dann knüpft
Scarron sofort wieder an die spanische Comedia da an, wo er sie
am Schlüsse des I. Aktes gelassen hatte, nämlich in der Mitte der
Paul Scarrons ,,Le Marquis ridicule^^. 49 .
L Jornada: Dona Juana von Diego ins Haus getragen, erwacht,
Dou Diego macht ihr eine Liebeserklärung, wird aber von ihr ab-
gewiesen und geht; Beatriz spricht mit ihrer Herrin über das
Heiraten. Diese Szene, welche 5 lange Kolumnen Druckes bei Coello
umfaßt, hat Scarron auf noch nicht 2 Seiten zusammengedrängt. Er ,
erreichte dies dadurch, daß er Don Diego-Sanche nicht auftreten läßt.
So fiel das Gespräch des Kavaliers mit der von ihm Geretteten fort.
Bei ihm ist letztere zu Beginn des Aktes nicht mehr ohnmächtig,
sondern hat sich bereits ziemlich erholt und spricht mit Lisette über
ihren Unfall. Letztere gibt ihr eine Schilderung des Vorgangs, wo-
bei Scarron, da Coello ihn nicht erzählen läßt und sehr knapp in
der Angabe der einzelnen Umstände ist, einiges erfinden zu müssen
glaubte: Der Franzose motiviert das Scheuwerden und Durchgehen
der Pferde durch das plötzliche Bellen eines Hundes. Da der
Kutscher — nach Scarrons weiterer Erfindung — total betrunken,
die Zügel nicht festhielt, die Lakeien nicht mitgekommen waren, so
galoppierten die rasenden Pferde auf das steile Ufer des nahen
Flusses zu. Niemand nahte zur Rettung, bis der fremde Kavalier
„ou pluftoft ce bon ange"
Vola vers vos cheuaux d'vne viteffe eftrange
Et coupa leur harnois de fon acier tranchant.
Die junge Dame lag indessen ohnmächtig in den Armen ihrer
Dienerin, die jetzt ihren Bericht mit den "Worten schließt:
Vous reuintes apres de voftre pämoifon,
Et lors vos yeux ingrats par grande trahifon,
Firent au caualier vne amoureufe playe.
Weggeblieben mit der Person des Retters in dieser Scene ■
ist sein Liebeswerben bei seinem Schützling. Er hat die junge Dame
nicht ins Haus getragen und ihr bis jetzt das Haus nicht betreten, i
Der französische Dichter begnügt sich, Lisette zur Herrin sagen zu
lassen :
Je croirois bien auffi qu'il vous trouua bien.
Scarron, der den bei Coello so fein, so sorgfältig gezeichneten \
Charakter der Doiia Juana nicht wiedergeben wollte, oder vielleicht, \
richtiger gesagt, nicht wiedergeben konnte, läßt Blanche daraufsagen:
Comme j'eftois, Lizette?
Und Lisette versetzt:
Ouy, comme vous eftiez,
Toute pafle, ä fes yeux autant yous eclattiez
Qu'il eclattoit alors aux voftres par fa mine,
Vorher hatte Blanche schon, ganz gegen den Charakter Juanas bei
Coello, von ihrem Retter gesagt:
Qu'il me parut ciuil! qu'il eft bien fait!
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII i. 4
50
Arilnir Ludwic/ Stiefel.
Schließlich kommt Scarron nach dieseu Abweichungen von seinem
spanischen Vorbild Avieder auf es zurück, wie die nachfolgenden
Parallelen zeigen.
Scarron;
Blanche:
Le plaifir qu'on m'a fait m'in-
quietie ä tel point,
Par la ciainte que i'ay de ne le
pouuoir rendre,
Que de m'en attrifter ie ne nie
puis deffendre.
Lizette :
le croy cette trifteffe vne naiffante
amour,
Qui paroit dans vos yeux claire
comme le iour.
Blanche :
Amour? raoy?
Lizette :
Vous? amour? eftes vous
une fouchc?
Blanche:
Non, mais i"ay de l'houneur.
Lizette :
Qui vous rend bien farouche.
Blanche :
Quand i'aurois repugnance ä viure
fous fes loix,
Vne fiUe prend-elle vn Efpoux ä
fon choix?
N"attens-ie pas le mien auiourd'-
huy?
Lizette :
Mais Madame,
ö"il eft mal fait de corps auffi
bien que de l'ame?
Blanche:
Si mon Pere me donne vn Efpoux
odieux.
Co eil o;
Dona Juana:
No fe que nueua
inquietud tengo en el alma
que va a padecer trifteza,
y otro efecto no cnteudido
no dexa que lo parezca.
Beatriz:
Es amor?
I). Juana:
Amor! que dizes?
que es amor?
Beatriz:
Pucs eres piedra?
D. Juana:
No, fino honrada, que es mas.
Beatriz:
No todo amor es flaqueza,
bien pudieras inclinarte
y fer honrada.
D. Juana:
Las penas
en mi condicion eftudian
a no fentir yo ternezas:
fuera de que, como fabes,
eftoy cafada, y muy cerca
de Uegar ya mi marido,
que aquefta noche le efpera
mi padre.
* *
Beatriz :
pero dime fi faliera
al rebes efte marido?
D. Juana:
Echar la cupla a mi eftrella.
Paul Scarron's ,.Le Marquis ridicule".
51
PoLir de niieux faits que luy ie
fermerai les yeux.
Lizette :
Si quelque amour fccret Foblige
a la depenfe?
Blanche:
Ie regleray la mienne & prendray
patience.
Lizette:
S'il eft ialoux, auare, impertinent,
railleur,
S'il eft facheux, mal -propre,
yurogne oii grand parleur,
S'il eft joüeur, s'il perd fes terres
& les voftres?
Si cagot, iour & nuit il dit fes
patenoftres?
S'il eft chauue, gaucher, rouffeau.
louclie, ou cagneux?
Blanche:
Le Ciel ne fera pas pour moy fi
rigoureux:
Beatriz:
Si fueffe necio?
D. Juana:
Sufrirle,
que para aquefto foy cuerda.
Beatriz:
Si rezelofo?
D. Juana:
Qiiietarle,
que para effo foy honefta.
Beatrit:
Si es mugerico?
D. Juana:
Halagarle
mucho, per ver fi lo dexa.
Beatriz:
Si es de mal talle?
D. Juana:
otro que mejor Ie tenga.
No ver
Beatriz .
Si es tahur?
D. Juana:
Jugar con el.
Beatriz:
Si es caluo?
D. Juana:
Teuer paciencia.
Beatriz :
Si es zurdo?
D. Juaua :
No quiera Dies,
que tan desdicbada fea:
Diese Zusammenstellung spricht deutlich: Scarron erscheint hier '
als bloßer Übersetzer. Weggelassen hat er nur die Rede Juanas
über das Verhalten eines jungen Mädchens, wenn es sich um die
Wahl eines Gatten handle:
4*
52 Arthur Ludwig Stiefel.
Mira Beatriz, las mugeres,
si algun amor uo las ciega,
con los ojos de su padre
miran mejor etc.
In der 2. Szene tritt Dom Cosme (Don Gutierre) auf und
erkundigt sich nach dem Befinden seiner Tochter. In der 3. Szene
kommt Merlin (Calabacas), von seinem Herren gesandt, dazu. Bei
Coello erscheint zuerst der letztere, dann der erstere. Im übrigen
schließen sich beide Szenen eng in allen Einzelheiten an die spanische
Vorlage an. Nur verbreitet sich Merlin nicht ausführlich über den
Charakter des Dom Blaize seinem Schwiegervater gegenüber, wie es
Calabacas (s. oben S, 9) zwei Kolummen lang tut; er begnügt sich,
als Cosme sein Erstaunen bekundet, daß der Schwiegersohn nicht
bei ihm abgestiegen sei, doppeldeutig zu sagen:
II est d'vn naturel surprenant.
Nachdem sich Dom Cosme mit Merlin entfernt hatte, um Dom
Blaize aufzusuchen und Blanche nachdenklich zurückgeblieben war,
erscheint wie in Peor es hurgallo ihr Lebensretter (4. Szene), um
seine Liebeserklärung zu wiederholen, wird aber wie dort aufgefor-
dert, das Haus zu verlassen. Die Dienerin tröstet den über die
Kälte und Grausamkeit der jungen Dame Trostlosen und will ihn
hinausgeleiten, als sie durch die plötzliche Ankunft des Dom Cosme
und Dom Blaize gezwungen wird, ihn zu verstecken. Sachlich findet
auch hier volle Übereinstimmung mit dem Original statt, aber im
Ausdruck hat sich Scarron dieses Mal weniger genau daran gehalten.
Wenn Don Diego bei Coello sich für einen Sklaven erklärt, der zu
den Ketten zurückkehrt oder sich mit dem Schmetterling ver-
gleicht, der der Flamme zufliegt und wenn es ihm auch
das Leben koste, so begnügt sich Dom Sanche beim Franzosen
damit, den schönen Augen, die er um jeden Preis wiedersehen mußte,
sein Herz anzubieten „comme ä mes Dieux". Ein paar kleine
Stellen sind indessen auch hier herübergenomraen, so z. B. folgende:
Scarron: Coello:
Blanche: D. Juana:
II eft vrai, ie vous dois la vie, que ya que la vida os deba
& ie confesse con todo el honor la pague etc.
Qne mon coeur genereux me Ie
redit fans cesse.
In der 5. Szene bringt Scarron im genauen Anschluß au die
Szeuenfolge des spanischen Stückes deu Laudjunker, den Marquis
Dom Blaize Pol, im Gefolge des Dom Cosme auf die Bühne. Es
war von vornherein von dem burlesken Dichter Scarron zu erwarten
Paul Scarrons „Le Marquis ridicule''. 53
daß er die vom spanischen Dichter noch innerhalb weiser Grenzen
gehaltene lächerliche Figur zum vollendeten Narren, zur überladenen
grotesken Maske herausputzen würde. Und so ist es in der Tat.
An keiner Person des Stückes hat Scarron mehr gearbeitet als an
dieser, und doch verschmähte er es nicht, auch alle vom spanischen
Dichter bei seinem Charaktergemälde verwendeten Farben bis in die
kleinsten Nuancen für seine karrikierte Nachahmung zu verwerten.
Neu ist z. B., daß Dom Blaize, eintretend, seine Dienerschar
anschnauzt:
Ne vous difpenfez pas, ma fotte valetaille
En vn iour important comme vn iour de bataille
Ne vous difpenfez pas, dis-ie, mes fottes gens,
D'eftre au moindre clin d'oeil, a ma voix diligens,
Afiii que la Deeffe ä qui mon coeur encenfe
luge de mon efprit par voftre obeiffance.
Neu ist ferner, daß Dom Blaize nach dem Abendessen verlangt
und Wünsche betreffs desselben äußert. Neu ist auch, und burlesk!
wirksam, daß der Diener des Landjiinkers, der schon in Peor es]
hurgallo von seinem Herrn bei allen Anlässen und zwar unter An-;
rufung seines Namens gefragt wird, hier so viel gerufen wird, daßj
er ärgerlich wird, verdrießlich antwortet und deshalb eine Strafredel
vor allen Anwesenden von seinem Herrn hinnehmen muß. Neu ist'
endlich die bald aufgeblasen herablassende, bald unverschämte Art:
mit der Dom Blaize gleich anfangs seinen Schwiegervater behandelt. ,
Und so hat Scarron noch manches hinzugetan, was den Figuron-
charakter des Marquis verstärken mußte. Im übrigen verläuft die \
Szene genau wie bei Coello, und Scarron hat sich jenen wieder stark
wörtlich zu Nutzen gemacht. Hier einige Proben:
Scarron: Coello:
Dom Blaize: Don Blas:
— — — — — — — — — Mas vale paxaro en mano,
Mieux vaut vn oifillon qu'on tient dixo vn antiguo problema,
doffus le poin que bueytre volando, aplico:
Qu'vn grand oifeau de prix volant Vos nacil'teis para Reyna
dans l'air bleu loing. por vueftras partes, y el cielo
Vous meritiez vn Roy, mereille baze que vn Vifcondo os tenga.
fans egalle, * ^ *
Vous n'aurez qu'vn Marquis foubs Ortuno ! — — —
la loy coniugale. No ha eftado buena la arenga?
Ordugno! quo dis-tu de Tappli-
cation?
Oriufio.
Famofo.
54
Arthur Tjudwig Stiefel.
Ordugno :
Qu'elle eft digne de vous.
D. Blaize:
Elle el't dlnuention
Et fans doute eile aura la don-
zelle attendrie.
Madame.
Lizette :
Quelle Pedanterie
D. Blas:
Ya nie parcce
que eltaiä la nouia ticrno.
ßeatriz:
Que terrible necedad!
* ^ *
D. Juana:
Quando huuiera,
que no es pofsiblc, en el mundo
mas que fer efpofa vueftra,
lo ajüstado que yo viuo
de mi padre ä la obediencia
no me dexara penfar
que fubir a mas pudiera.
Y afsi de fer vuefta digo
que eftoy dos vezes contenta,
por fer vos a quien elige,
y por fer el quien lo ordena.
Blanche:
Quand bien on m'offriroit, ce qui
ue fe peut pas,
Vn Efpoux plus que vous ä mes
yeux plein d'appas
Et dont la qualite fuft plus cou-
fiderable,
Ce qui n'eft pas poffible, encore
moins croyable;
Quand au lieu de Marquis, vous
feriez vn grand Roy,
Le pouuoir que mon Pere a tou-
fiours eu für nioy.
M'auroit fait confentir au bon
choix de mon Pere
Ainfi pour deux raifons i'ayrae
vn fi digne Efpoux
Et parce qu'il le veut, & parce
que c'eft vous.
Ein paar Verse hat Scarron aus einer früheren Szene des
Spaniers entlehnt. Dom Blaize sagt zu Ordugno:
Pay grand peur qu'une femme si belle
De moy son papillon deuiendra la chandelle.
Scarron erinnerte sich hier des oben (S. 52) angeführten von
Diego gebrauchten Vergleichs mit einem Schmetterling:
Que culpa, dulcc homizida,
tiene maripofa ciega,
fi cl nacer la llama hermofa
le cuefta morir en ella?
Manche Züge des Spaniers hat Scarron verstärkt. So will z. B.
Don Gutierre den Bruder des Vifcomle auch ins Haus aufnehmen.
Der eifersüchtige Don Blas widersetzt sich dem mit den Worten:
Paul Scarrons „Xe Marquis ridicnle'' . 55-
Como es effo? ni iiii bermaiio
ni mi padre que viuicra
ni ningnn criado es bien
que viua y more de puertas
adentro con mi rauger.
Scarroo aber, der diese Stelle übernommeii bat, läßt den Mar-
quis folgendermaßen protestieren:
C'eft fort mal pretendu, mon beau pere.
Dom Cosme:
Et pourquoy.
Dom ßlaize:
Parce qu'en vu legis oü dormira ma ferame
De mon confentement ne dormira corps d'anie;
Par corps d'ame, i'entends tous pareus, toiis amis
Tons valets, mefme auffi, s'il m'eft ainfi permis
Tous cbieus, cbats, & cbeuaux mafles, toute peinture
Qui reprefente au vif mafculine figure,
Sans doute, vous direz, & vous direz bien vray,
Que ie fuis fort ialoux; mais ie m'en fgay bou gre.
Hinzugefügt hat Scarron noch, daß der Marquis dem Orduguo
den Auftrag gibt, ordentlich das Haus zu durchsuchen und daß auch
die übrigen Diener des Toren „tous les paffages tiennent,'" als ob
sie dafür bezahlt würden.
Weggelassen hat Scarron, hier wenigstens, dagegen den Umstand,
daß die junge Dame mit ihrer Zofe leise spricht und daß Dom
Blaize darüber eine wütende Äußerung macht. "Wir werden weiter
unten sehen, daß Scarron den Umstand nachholt. ,
Endlich verdient noch eine Abweichung Scarrons von der spa-/
nischen Vorlage Erwähnung. Während Coello den verborgenen Don
Diego, sehr wirksam, in ä partes die Vorgänge der Szene verfolgeii
läßt, hat Scarron Dom Sanche ganz beseitigt.
Nachdem Dom Cosme mit dem Marquis und seinem Gefolge
das Zimmer verlassen bat, seufzt Blanche laut: „Ha Lizette!" Diese
will ihrer Entrüstung über die entsetzliche Heirat mit jenem „Mar-
quis campagnard fantasque en cramoisy" Ausdruck verleihen, aber
Blanche verweist ihr das und verlangt, daß sie mit Respekt von
ihrem Bräutigam rede:
encore qu'il me mal-traitte
Quelques cruels tourmens qu'il me faffe endurer,
II ne m'eft pas permis mefme d'en murmurer.
Dann gibt sie der Dienerin den Auftrag, den Kavalier schleu-
nigst liinauszulassen; sie zittere, es könnte ihn jemand sehen. Sie
fügt hinzu:
56 Arthur Ludwig Stiefel.
Di(s) luy que ie reftime autant que ie le doy
Et que de l'Action qu'il a faitte pour moy
La memoire en mon coeur par le deuoir tracee,
Par la longueur du temps ne peut eftre efifacee; etc.
Dies alles und die sechs Verse umfassende Antwort Lisettes,
welche den Auftrag der Herrin zu vollziehen verspricht, hat Scarron
aus einem einzigen Verse Coellos entwickelt, welcher lautet:
D. Juana: Oyes Beatriz [sie flüstert ihr etwas zu].
Beatriz'. Ya te entiendo.
Mit dieser Szene schließt der II. Akt, gerade wie die ent-
sprechende spanische den Schluß der Primera Jornada bildet. Aus
einer Jornada hat also Scarron gerade zwei Akte geformt.
Fassen wir nochmals zusammen , was die Vergleichung des
IL Aktes mit der spanischen Comedia ergeben hat, so haben wir ein
ähnliches Verhältnis wie schon im ersten Akte zu konstatieren, nur
mit dem Unterschied, daß, während hier die bedeutendsten Ab-
weichungen von der Quelle am Anfang, in der ersten Szene, zu finden
sind, sie dort am Schlüsse, in der letzten Szene sich zeigen.
Auch in den Charakteren lassen sich bereits Abweichungen von
den spanischen Vorbildern beobachten: Dom Blaize ist närrischer,
roher und frecher als Don Blas, Ordugno kecker als Ortuno und
Blanche lange nicht so abweisend, herb und spröde wie Dona Juana.
III. Akt.
Diesen Akt eröffnet die „Soubrette" Lisette. Die Diener des
Marquis, die überall Schildwache stehen, haben es ihr unmöglich
gemacht, selbst während des Abendbrotes, den Don Sanche aus seinem
Gefängnis zu befreien. Nun kommt sie, holt ihn heraus und erfährt
aus seinem Munde, daß der Bräutigam sein Bruder ist.
Scarron klärt uns nicht darüber auf, wie Dom Sanche erfahren
habe, daß der Bräutigam mit seinem Bruder Dom Blaize identisch
sei; ob er etwa von seinem Verstecke aus gelauscht und ihn an der
Stimme erkannt oder ob er ihn unbemerkt gesehen hat. Es ist dies
unbedingt ein Fehler.
Im Begriffe zu gehen, werden Lisette und Dom Sanche durch
Dom Blaize, der 3 mal nach Ordugno ruft (2. Szene), zurückge-
schreckt und D, Sanche sucht wieder seinen Versteck auf. Es folgt
eine 11 Seiten lange Sceue, die längste des Stückes, in der sich
Scarron bald aufs engste, auch sprachlich, an sein Vorbild anschloß,
bald seine eigenen Wege ging, stets bedacht, den Charakter des
Dom Blaize mit neuen Zügen auszurüsten, ihn noch mißtrauischer,
beschränkter, ungebildeter zu gestalten als bei dem Spanier. Die
Länge der Szene hat ihren Grund darin, daß Scarron — wie wir
weiter unten sehen werden — mehrere des Spaniers vereinigte.
Paul Scarron's „Le Marquis ridicuW-'.
57
Zunächst haben wir eine ziemlich getreue "Wiedergabe der ent-
sprechenden spanischen Szene — letztere ließe sich als die dritte be-
zeichnen — . Man vergleiche:
Scarron :
Ordugno:
Pourquoy dohc fortir de voftre
chambre?
D. Blaize:
Mes amoureux soüpirs en ont
echauffe l'air
Et pourroient ä la tin moy-mefme
m'y bruler.
Ordugno :
Que ne repofez-vous voftre per-
fonne laffe?
D. Blaize:
le ne puis demeurer long-tcmps
en vne place
Triste comme ie fuis.
Ordugno :
Pourquoy trifte?
D. Blaize:
Pourquoy?
Quel mortel icy bas doit l'eftre
plus que moy?
Ie veux abfoluraent me cacher
d'vn beau-pere,
Qui me trouue d'abord, grace a
mon fot de frere:
Qui contre l'ordre expres ä luy
par moy donne,
A luy frere cadet par moy son
frere aifne;
Qui contre l'ordre donc, porte
dans ma miffiue
De ne reueler pas ä personne
qui viue
Que ie fuis dans Madrid, a d'a-
bord decouuert
L'infaillible moyen de me prcndre
Sans verd.
Coello:
Ort:
Senor que inquietud te obliga
a falir de aquella pieQa
a elta quadra?
B. Blas:
Es que iio caben
ya mis fufpiros en ella.
Ort:
Sofsiega, que has caminado.
I). Blas:
Vn trifte quando fofsiega?
Amigo.
Ort.:
Pues que te quexas?
B. Blas:
Quexome de mi defdicha
Que me huuieffe de topar
mi fuegro efta tarde niefma,
para no auerme iuformado
como penfe, con cautela
de la opinion de mi efpofa
antes que me defcubriera
como le efcriui a mi hermano.
Ort:
Que le efcriuifte a tu hermano?
B. Blas:
Que el hizieffe diligencia
de la opinion de mi efpofa etc.
58 Arthur Ludtoig Stiejel.
Ordugno :
Et qu'ordonniez-voiis donc ä Dom
Sauche?
D. Blaize:
De faire
Inuestigatiou de Blauclie, et de
son Pere etc.
In diesem Stile geht es weiter: Dom Sanche hört in seinem
Versteck von dem Brief, den sein Bruder an ihn geschrieben nnd
den Merlin, wie wir sahen, verloren hat, und merkt sich den Inhalt.
Dom Blaize holt vom Schluß der Primera Jornoda des spanischen
Stückes den Umstand nach, daß Lizette ihrer Herrin ins Ohr ge-
sprochen. Er hegt Mistrauen gegen Braut und „Soubrette", er
fürchtet, es möchte irgendwo ein Galan versteckt sein und befiehlt
daher dem Orduguo, eine Lampe zu holen, damit er jeden Winkel
des Hauses durchsuchen könne. Dom Sanche will die Abwesenheit
des Dieners und die Dunkelheit — wir haben uns die Handlung
in vorgerückter Abendstunde, ganz wie im spanischen Original zu
denken — benützen, um sich zu entfernen; aber der Marquis hört
Schritte und nähert sich ihm. Zornige Worte. Dom Sanche packt
und würgt den Bruder bis Ordugno mit Licht erscheint. Von da ab
hat Scarron die einfache Übersetzung wieder satt, er flicht eigenes
burleskes Gut ein, oder vielmehr, er erinnert sich der Lazzi des
Th^ätre Italien, ohne indes Coello ganz fahren zu lassen. „Ordugno",
belehrt uns die Bühnenweisung, „en entrant efteint fa chandelle
coutre le vifage de fon Maiftre". Letzterer schreit:
Ordugno! L'eftourdy m'a brule le visage.
Ordugno :
Qui diable vous croyoit auffi dans mou paffage?
Dom Sanche tut jetzt, als ob er seinen Bruder erkenne. Bei
Coello sprechen die Brüder freundschaftlich, liebreich mit einander.
Don Blas hebt an:
Que miro?
mi hermauo: el alma efta ciega.
Don Diego versetzt:
Que miro? es fueno? es engano?
tu, hermano. tu, hermano, eras?
Mncho agradezco a la luz
efte defengano, llega,
dame los bra^os etc.
Don Blas:
Que hazes dentro de efta cafa?
Faul Scarron's ^Le Marquis ridicule''- . 59
D. Diego:
Ser tu liermano.
D. Blas:
En que le muestras'?
D. Diego\
Eu mostrarme de tu amor
cuidadosa centinela.
D. Blas:
Leifte nii carta?
D. Diego:
No
vss scnas de tu obidieiicia? etc.
Dagegen bei Scarron verläuft das Gespräch folgendermaßen:
D. Sanche:
Ha, mon frere! est-ce vous? ä la voix d'Ordugno
le vous ay reconnu.
D. Blaize:
Frere, ou pluftost Bourreau
A quoy bon m'eftrangler?
D. Sanche:
A dclfein de vous plaire.
D. Blaize:
La belle invention pour beriter d'vn frere!
D. Sanche:
Vous nie l'auiez efcrit.
Don Blaize:
Ouy, de vous informer
De Blanche, & de fes moeurs, non de vous enfermer
Dans fon logis de nuit: niou cadet! c'eft trop faire,
C'eft traufg-relTer mon ordre, enfin c'eft me deplaire.
Don Sanche:
le n'ay point eu deffein que de vous obeir.
Don Blaize:
Mais n'auez vous point eu celuy de me trahir?
Don Sanche:
Voftre lettre en mes mains, ne fut pas pluftoft mifo,
Qu' affin d' executer vos ordres fans remife,
Tentray dans cc logis.
60 Arthur Ludioig Stiefel.
Der Miirquis fährt fort, Don Sanche zuzusetzen. Wie bei
Coello, gesteht letzterer, er habe sich, um sichere Auskunft zu erhalten,
ins Haus der Braut eingeschlichen. Als aber Don Blaize ihn fragt,
wie er denn in die Wohnung gelangt sei, kratzt sich Don Sanche
verlegen den Kopf und sagt, auf das Drängen des Bruders, daß er
durch eine Dienerin ins Haus gekommen sei „Feignant pour fa
maiftreffe vne amour violente". Nun wettert Don Blaize los gegen
die ., Soubrette", deren Treue er ja ohnehin schon angezweifelt hatte.
Um sich aber über die Sache zu vergewissern, ersucht er Don
Sauche, mit ihm den Überrock zu tauschen. Während er die Dienerin
als Don Sanche erwarte, solle sich dieser mit Ordugno in seinem
(des Marquis) Zimmer aufhalten. Don Sanche erkennt zu spät die
Dummheit, die er begangen hat, aber er muß sich fügen.
Soweit stimmt Scarron mit Coello überein, nur daß er ein paar
Kleinigkeiten ausgelassen hat. So z. B. die gute Auskunft, die Don
Diego über die Braut erhalten haben will; ferner die Erzählung von
dem Unfälle der Braut, bei welcher Gelegenheit ein Unbekannter —
wie Diego erzählt — die ohnmächtige junge Dame ins elterliche
Haus getragen habe, was ihn (Diego) veranlaßte, um Klarheit über
die Beziehungen zwischen Retter und Gerettete zu erhalten, sich in
die Wohnung der letzteren zu schleichen.
Im spanischen Original tritt hier Szenenwechsel ein. Dona
Antonia erscheint (4. Szene) mit ihrem Gefolge. Dann wird (5. Szene)
der verhüllte Visconde von Beatriz aus dem Hause gelassen und von
der Abenteurerin und ihren Leuten verfolgt. Hierauf haben wir
wieder einen Szenenwechsel. Wir befinden uns (6. Szene) im Zimmer
des Visconde und belauschen ein Gespräch zwischen Don Diego und
Calaba^as, bis der Nachtschwärmer zurückkommt, Einlaß begehrt,
von Calaba(;as hereingeholt wird und dann (7. Szene) in ausführlicher
Erzählung von seinen nächtlichen Nachforschungen, besonders von
seinem Aufenthalt in Juanas Schlafzimmer den beiden Rechenschaft
gibt. Das alles hat Scarron beseitigt, oder, wenn er davon etwas
beibehielt, es gründlich geändert. Bei ihm findet ein Szenenwechsel
bezw. eine Unterbrechung der Szene nicht statt. Zunächst erfindet
er: Lisette kommt, hält ihn für Don Sanche, nennt den Marquis
„vn fot homme, vn Fantafque" und will den falschen Don Sanche
zum Haus hinausgeleiten. Da kommt plötzlich Don Sanche zurück.
Lisette, im Glauben, es sei der Marquis, entflieht. Don Blaize,
ärgerlich über die Störung, fragt den Bruder, warum er so rasch
zurückkehre. „Le defir de fgauoir le fecret d'vne affaire Oü noftre
honneur commun peut eftre intereffe En eft la caufe" lautet die
Antwort. Don Blaize findet, daß es der Bruder sehr eilig habe und
berichtet, daß ihn die Dienerin als ,,sot" und „fantasquc" bezeichnet
habe; aber sie soll es büßen.
Das alles ist Erfindung Scarrons. Mit dem Folgenden schließt
er sich dagegen an Coello an und zwar an die zweite Hälfte der
Paul Scarron''s „Le Marquis i'idicule"
61
7. Szene: Der Marquis verlangt mit einem Male, daß Don Sanche,
um die Tugend Blanches zu erproben, sich in sie verliebt stelle.
Hier benutzt Scarron die Vorlage wieder wörtlich, wie folgende
Zusammenstellungen bezeugen:
Scarron: Coello:
Don Blaize: Don Blas:
— — — -^ — — — — — — — — has de lingir
le veux que vous feigniez d'eftre que eres fu amante de veras,
amoureux de Blanche. * ,t *
le veux par voftre amour adroite-
raent joüe,
Decouurir fi Ion coeur vous peut
eftre voüe;
Et ie pourray peut cftre auec la
mefme feinte
Decouurir fi ce coeur n'a point
eu d'autre atteinte.
Don Sanche:
Ce Mary curieux, qu'on nomme
impertinent
N'en a iamais tant fait.
* *
Mais que peut-on penfer dVn
homme qui s'ingere
D'aymer vne beaute deftinee
ä fon frere?
curiofidad de mi amor
es effa, yo he de falir
de las dudas, y he de ver
fi fe fabe resistir.
Don Diego:
El curioso impertinente
te llaraarän desde aqui,
* *
Como se ha de perfuadir,
fabiendo que foy tu hermano,
a que a amarla me atreui.
.1: *
*
Don Dias:
puedes dezirla que ha mucho
que la amauas, y ella afsi
no penfara que la enganas.
Don Blaize:
Et n'est-ce pas de quoy
Donner vne couleur ä pareille
entreprife,
Que feindre que voftre amour eft
des long-temps eprife?
Hieran reiht Scarron gleich wieder Zusätze: Don Sanche
behauptet, er habe Blanche noch nie gesehen. Darauf bemerkt
Don Blaize:
Et n'auez vous pas veu fon portrait ä mon cou?
Er vermißte es aber gleich selber; er hat es im Hotel|,liegen
lassen und will fort, um es zu holen. Don Sanche |erbietet sich
zwar, den Gang für ihn zu tun, allein der Mißtrauische lehnt das ab
mit den Worten:
Vous iriez fureter ma malle & mes papiers
Renguainez, renguainez voftre öftre officieufe.
62 Artlnir Luthcig Stiefel.
Que cos frcres cadets ont Tarne cnrieufe!
le fuis des curieux Tennerny capital.
Es scheint fast, als ob Scarroii mit den beiden letzten Versen
einen lächerlichen Kontrast im Charakter des Don Blaize hervor-
heben wollte, der die „curieux" haßte, während die von ihm
gewünschte Tagendprobe ihn selber zum „curieux impertinent"
stempelte.
Wiederum ruft Don Blaize drei mal Ordugno und schimpft,
daß die Schlafmütze (dormeur) wohl antworte, aber nicht komme.
Er befiehlt ihm den Degen zu holen, für sich Laterne, Degen und
Dolch zu besorgen und zu folgen. Er geht fort. Merlin erscheint
und erzählt Don Sanche, er habe Stefanie mit ihren Begleitern um
das Haus streichen sehen; sie laure allen auf, die aus dem Hause
kämen, und auch er sei in ihre Hände gefallen; sie habe es aber
jetzt, wie er glaube, auf „das Marquisat" abgesehen. Gegen diese
Neigung hat Don Sanche nichts einzuwenden und er wünscht sehnlich,
daß sie von seinem Bruder erwiedert würde.
Mit dem letzten Zusatz wollte Scarron offenbar die von ihm
ausgelassene Szene Coello's, in der Antonia mit Gefolge auftritt,
ersetzen.
Im ersten Zusatz vermißt man die heimlichen Ausrufe der
Freude bei Don Sanche über die ihm gebotene Gelegenheit, seiner
Liebe zu der Angebeteten nachgehen zu dürfen. Auch nimmt Don
Sanche etwas zu rasch den Vorschlag seines Bruders an, was
Scarron allerdings damit zu motivieren suchte, daß der Marquis
gleich den ersten Einwand des Bruders schimpfend niederkämpft:
Vous me voulez inftruire
Vous mal-heureux cadet, qu'vn aifne peut deftruire.
Vous m'ofez confeiller: vous me traitez de fot,
Moy tout fens, tout efprit, moy Don Blaize en vn mot.
Die lange Szene schheßt mit einem weiteren Zusatz: Don
Sanche will Merlin von dem Wunsche seines Bruders erzählen, da
aber jemand kommt, verschiebt er es auf später.
Es ist Lisette, welche (3. Szene) zu den beiden stößt. Sie ist
erstaunt, Don Sanche so ruhig in der Nähe des Marquis zu finden.
Der Kavalier berichtet ihr, der Bruder sei ausgegangen; sie ständen
beide sehr gut zusammen. Lisette ihrerseits, berichtet von ihrer
Herrin:
lamais efprit ne fut moins ferme que le fien,
0 le füt animal qu'vne fiUe timide!
A force de pleurer, eile a la tefte vuide,
Mais lors que la pauurette a fceu qui vous eftiez,
D'aize eile m'a baifee & fait cent amitiez.
Panl Scarrons ,,Le Marquis ridicule. 63
Don Sanclie fragt, ob Blanclie wisse, daß er des Marqui«
Bruder sei. Hierauf antwortet Liesette:
Elle fe defefpere
De n'auoir pas le choix de Dom Blaize, & de vous
Et de fe voir reduitte ä prendre vn tel Efpoux.
Mit diesen Zügen entstellt Scarron vollends den von Coello mit
so viel Sorgfalt gezeichneten eigenartigen herben, streng korrekten
Charakter der Protagonistin und macht eine Dutzendfigur daraus, wie
sie die französische Bühne der Zeit oft genug darbot.
Plötzlich pfeift es hinter der Bühne. Es ist das von Dom Blaize
mit seinem Bruder verabredete Zeichen, daß mau ihn ins Haus lasse.
Merlin geht hinaus um zu öffnen. Lisette flächtet sich, nachdem sie
nochmals das Versprechen wiederholt, D. Sanche in seiner Liebe
zu unterstützen.
Dom Blaize tritt auf (4. Szene) und erzählt schimpfend und
wetternd, wie es ihm in den Straßen von Madrid ergangen, wie eine
Dame mit Dienerin und „Efcuyer" ihm auf Schritt und Tritt gefolgt,
ihm keck unter die Nase geschaut und ihm auf diese Weise auf dem
Hin- und Herwege niclit von der Seite gewichen seien.
Et de lä ie conclus, que ie ferois peu fage,
Si i'allois dans Madrid me ioindre en mariage,
Oü d'abord que i'arrive, on me court nuit & jour,
Ou rhomme eft le cruel, la femme y fait l'amour.
Et que feroit-ce donc, fi fejournant icy,
Quelqu'autre chaque iour m'entreprenoit ainfi?
Quoy! fi ie me trouuois au milieu de cent d'elles
Et qu'eftant couvoite de ces cent Demoifelles,
Mon Corps de cent coftez fuft ä la fois tire etc.
Drum fort von Madrid, sobald es tage. Der Einwand Ordugnos,
was mit ihren schönen Kleidern geschehen solle, mißachtet der
Marquis. Er ruft:
Veux-tu que ie me iette en vne foffe ouuerte?
Et qu'eftant marie, ie fois encornaille?
Jetzt gelte es D. Cosme gegenüber eine Entscliuldigung zu finden,
dessen verteufelt sanfter Charakter zu allem zwar ja sage, der aber
doch das, was er wolle, durchsetze.
Mais la nuit la-deffus nous donnera conseil
meint er, abbrechend.
Die 3. Szene ist ganz, die 4. bis hierher Erfindung Scarrons,
allerdings nicht ohne, daß ihn Stellen seines Vorbildes angeregt hätten.
So verläßt auch D. Blas das Haus und wird von Calabac^-as wieder
hereingelassen; auch ihm läuft Dona Antonia mit ihrem Gefolge
nach usw.
64 Arthur Ludioig Stiefel.
Nun greift D. Blaize das herbeigeholte Porträt seiner Braut aus
der Tasche und nähert sich mit D. Sanche dem Fenster, um es beim
Schein des Mondes zu betrachten. Da geht Stephanie gerade am
Fenster vorbei — das Zimmer liegt zur ebenen Erde -- entreißt
dem Marquis das Bild nnd entflieht, Dom Blaize, der bei der
Gelegenheit eine Kratzwunde (vne grande ecorcheure) erhalten, hat in
der Diebin (larronnesse) die Dame wiedererkannt, die ihm durch die
Straßen Madrids nachgelaufen ist. Er ist außer sich vor Erstaunen
und Wut; aber was soll er tun?
la larronneffe
En viteffe de pieds furpaffe vne Tygreffe.
Er will daher schlafen gehen. Die Szene und zugleich der Akt
schließen ganz opernmäßig in folgender "Weise:
D. Blaize:
0 Dom Cofme! 6 Madrid!
0 maudit mariage! 6 Marquis fans efprit, (II fort).
D. Sanche:
0 defiin! 6 amour! 6 toute aymable Blanche!
Pourrez-vous rendre heureux vn autre que Dom Sanche? {21 /ort).
Merlin :
0 Dom Blaize! 6 Dom Sanche! 6 eher couple de fous!
Que le paunre Merlin va fouflfrir auec vous! (II fort).
Ordugno :
0 eher aniy Merlin! que les fievres quartaines
Puiffent ferrer bien fort ces deux teftes mal faines.
Fin du troisieme acte.
Die Porträtszene hat Scarrou aus Coello entlehnt, der Schluß
ist aber sein Eigentum.
Im III. Akt entfernte sich der französische Dichter mehr als
in den beiden ersten in der Handlung, in den Charakteren und
namentlich im Dialog und sprachlichen Ausdruck von seiner spanischen
Vorlage, ohne sich indes, zu wirklich entscheidenden selbständigen
Änderungen aufzuschwingen.
IV. Akt.
Die 1. Szene dieses Aktes — ein kurzes Gespräch zwischen
Blanche und Lisette — schließt sich an diejenige spanische an, die
auf die Porträtszene folgt. Das Verhältnis zwischen Nachbildung
und Original sei hier durch Gegentiberstellungen veranschaulicht:
Paul ScarrorCs „Xe Marquis ridicule.
Scarron:
Blanche :
II ne fgauoit donc pas mon
futur Himenee,
Et qu'a fon frere aifnel'on
m'auoit deftinee?
lÄzette :
II ne le fgauolt pas: vous n'auriez
iamais cru
Quelle fut fa douleur auffi-toft
qu'il l'a fgeu.
Si vous euffiez oüy fes araoureufes
plaintes
Voftre cceur en euft eu de
fenfibles atteiutes.
Iamais vn malheureux au fort de
fon tourment,
N'a maudit fon deftin plus
pitoyablement
le n'ay pas pour autruy le cceur
autrement tendre,
Mais quand ie fonge ä luy, ie
fens le mien fe fendre;
Son frere eft bien lieureux.
Blanche :
Son frere eft ce
qu'il efr,
Puis qu'il eft approuue de mon
Pere 11 me plaifr.
Mais j'entends vn caroffe,
Lisette regarde par la feneftre
de la falle.
II eft vray, qu'il s'arrefte
Cliez nous.
Blanche:
Eft-ce pour moy?
Lizeite :
Feignez vn mal
de tefte
Sl ce fönt des facheux : ie vay
les reccuoir,
Et vous iray querir fi ce fönt
gens ä voir.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII '.
Coello:
D. Juana:
Qua dizes, Beatriz ? quehermano
era del Vifconde y no
fabia que fueffe yo
del Vifconde efpofa?
Beatriz:
Es llano.
Mas dichofa huuiera fido,
en que naciera el raayor
don Diego.
D. Juana:
Nada es mcjor
que lo que el cielo ha querido.
Beatriz ;
Prometote que le vi
auoche al irle a facar,
con tal amor fufpirar,
que fi le vieras alli
tan tierno y tan entendido,
aunque finezas no fabes . . .
D. Juana:
Calla, Beatriz, no me alabes
Sino folo mi marido etc.
* _ *
Beatriz:
Yo folo quifiera hazer
tu efpofo al que amante efta.
D. Juana:
mas eye, no paro vn coche?
Beatriz:
SJ, y apeandofc eftan
n)ugeres, a lo que creo.
D. Juana.
Dos fon, defde aqui las veo.
* *
*
Mira quien fon, fi es vi Tita
a buen ticmpo efta nii pciia,
efta feru norabuena.
5
66 Arthur Ludwig Stiefel.
Blanche sort. sube Beatriz:
ä pari. Cette raadame icy vien- Vna muger solicita
drait-elle ä la nopce? hablarte.
Wie man sieht, lehnte sich Scarron an den Spanier an, aber indem
er sich im Ausdruclve möglichst von ihm freizumachen suchte.
Manches hat er gekürzt, anderes erweitert; auch hat er Kleinigkeiten
geändert.
Die 2. Szene — Stephanie und ihr Gefolge wird von Lisette
empfangen, die sofort weggeht um ihre Herrin zu benachrichtigen —
ist aus 5 Versen des Originals zum fünffachen Umfang verbreitert;
einen Zweck hat sie nicht, Stephanie spricht mit ihren Begleitern
über die Aussichten ihrer Intrigue.
Die 3« Szene wiederholt das Gespräch zwischen Dona Antonia
und Dona Juana, wobei Scarron auf der einen Seite kürzt, auf der
anderen Seite breit ausführt. Im ganzen läuft die Nachahmung auf
dasselbe hinaus wie die Originalszeue: Stephanie und Blanche sagen
sich Artigkeiten über ihr Äußeres; dann rückt erstere mit ihrer
Intrigue gegen den Marquis heraus, zeigt das Bild vor, das ihr an-
geblich der Treulose geschenkt hat, erzählt von ihrem Liebesverhältnis
zu ihm, das allerdings nicht wie bei Coello schon sechs Jahre, sondern
nur zwei Jahre währt, dessen Frucht aber zwei Kinder (statt eines
bei Coello) ist usw. Plötzlich erscheint Lisette und meldet das Her-
annahen Dom Cosme's und des Marquis. Schrecken Stephanies.
Man läßt sie in das Zimmer des Dom Blaize (bei Coello in das
j Zimmer des Don Gutierre) eintreten.
1 Die 4. Szene des IV. Aktes ist aus ein par Dutzend kleinen
Versen des Originals zu einem lustigen Dialog von 3 Seiten entwickelt.
Dom Cosme möclite die Hochzeit seiner Tochter sofort abhalten,
D. Blaize wünscht sie, wie wir wissen, zu verschieben. Dom Cosme,
den Scarron mit sichtlichem Behagen zu einem weit komischeren
Charakter ausgearbeitet hat, als es D. Gutierre bei Coello ist, hat
zwar keinen anderen Willen als sein Schwiegersohn, er ist mit allem
i zufrieden, was dieser wünscht, er will also verschieben, wenn jener
darauf besteht, aber, wie Blaize ganz richtig und vernünftig bemerkt,
II ne contefte plus, il veut bleu differer.
Et dans le mefme temps qu'il accorde la chofe,
Le drole la refufe & mefme en dit la caufe,
' Nun entspinnt sich ein lebhafter Wortwechsel zwischen dem Land-
junker und dem Alten. Jener erklärt grob:
le veux abfolument differer Thimenee
Deuffiez-vous enrager en voftre ame obftinee.
und dieser antwortet auf alle Bemerkungen des Schwiegersohnes
mit den 4 Worten
Je ne puis differer,
Paul Scarrons „Le Marquis ridicule''^. 67
die er im ganzen ohne jeden Zusatz 6 mal wiederholt. Je mehr sich
indes Cosme weigert zu verschieben, desto mehr wächst der Verdacht
des Marquis, daß etwas Faules an der Sache sein müsse. Hierin
bestärkt ihn D. Sanche, indem er sagt:
Puis qu'il vous preffe tant, c'eft fort mauvais figne.
Und Blaize stimmt bei:
C'en eft vn tres certain qu'il eft vn fourbe infigne.
Er geht mit Sanche hinaus um, wie er sagt, sein glühendes Gesieht
zu kühlen. Man kann nicht leugnen, daß Scarron mit Geschick die
Andeutungen Coellos in eine recht wirksam komische Szene um-
zuwandeln verstand, die den Charakter der beiden komischen Figuren
in helles Licht setzte.
Blanche hat sich mittlerweile ihrem Vater genähert; sie ist
auch fürs Verschieben; denn sie sagt:
Je f^ay que le Marquis ayme depuis deux ans
Vne Dame & de plus qu'il en a deux enfants.
Hiermit kommt Scarron wieder auf Coello zurück. Auch das Folgende
ist getreu nach Coello wiedergegeben. D. Cosme hegt in seiner
Antwort auf die Bemerkung der Tochter so laxe Anschauungen in
moralischer Hinsicht wie Dona Juanas Vater und erzählt von sich
die gleiche wenig erbauliche Geschichte wie jener. Unter dem Namen
eines Don Juan Palomeque in Portngal v/egen eines Duellmords sich
aufhaltend, hat er eine Liebesaffäre mit einer Elvire de Pacheque,
die auch nicht ohne Folgen blieb. Dieses Geständnis hört, wie bei
Coello, die verborgene Abenteurerin und findet darin das unfehlbare
Mittel in den Besitz der Dom Blaize und seines Vermögens zu kommen.
Das Verhältnis dieser Szene zum spanischen Vorbild, soweit
Scarron sich ihm anschließt, sei an einer Stelle veranschaulicht:
Scarron. Coello.
Dom Cosme: Don Gutierre:
Tous les gens comme luy n'en Ya se
font-ils pas de mefme? lo que ay en effos empleos,
Eftant en Portugal, par vn bon- que en mi mocedad eftando
heur extreme, yo en Portugal algun tiempo
le pus gagner le coeur d'vne por auer muerto en Castilla
ieune beaute, mi Capitan, me fui huyendo
Aymable pour l'cfprit, riebe, & a Lifboa, donde el nombre
de qualite, müde en Don Luis de Viuero,
Je deguifois mon nom, ä caufe por ser menos conocido
qu'en Caftille y tuue alli vn galanteo
l'auois l'inimitic de toute vne de vna senora tan noble.
famille, — — — — — — — — —
Pour auoir fait perir ä mes pieds En doiia Ynes de Figueira
vn Riual, viuda hermofa en eftremo
68
Arthur Ludwig Stiefel.
tuue vna hija; o raemorias!
pero viniendome luego
a Caftilla, fue foirofo
olvidarme con el tierapo:
y afsi como con tu madre
me cafe — — — — — -
me oluide por acudir
a mi obligacion, auiendo
vna liija, y con querer
ä Dona Ynes por eftrcmo.
Dout la mort me retint deux ans
en Portugal.
Cette belle auoit nom Eluiro de
Pacheque
Moy i'auois pris celuy de Dom
Juan Palomeque.
Nous nous aymions tous deux
auecque paffion,
Mais ayant obtenu mon abolition,
le fortis de Lifbonne, & reuins
en Caftille,
Laiffant Eluire en pleurs & groffe
d'vne fille (siel).
le deuois retourner l'epouzer;
mais la Cour
Bannit de mon efprit Eluire &
mon amour.
A quelque temps de lä, i'epouzay
voftre Mere.
In der 5. Szene kommt D. Blaize mit seinem Bruder zurück.
Er befiehlt ihm, mit Blanche zu sprechen und will unterdessen den
Alten aufs Korn nehmen. Hierin folgte Scarron wiederum Coello.
Während uns dieser aber das Gespräch zwischen Don Gutierre und
D. Blas schenkt, glaubte Scarron es uns wenigstens zum Teil hören
lassen zu müssen. Der Schwiegersohn schlägt konsequent den un-
verschämten Ton gegen den Schwiegervater an und letzterer bleibt
seinem geschmeidigen, scheinbar gefügigen Wesen treu. Man höre:
Dona Blaize:
He bien! noftre ayraable beau-pere
Confentez-vous enfin que l'liymen fe differe
Ou m'entendray-ie encor l'oreille penetrer
Par cet impertinent, ie ne puis differer.
Dona Cosme :
le ne feray iamais que ce que vous voudrez.
Dona Blaize:
0 que les hommes doux fönt fouples & madrez.
Inzwischen klagt D. Sanche „ä l'autre bout du Theatre" Blanche
sein Liebesleid, wird aber von ihr zurückgewiesen. Stephanie belauscht
mit steigender Wut die Vorgänge und als Blaize, rasend über das
Wesen seines Schwiegervaters, in schneidiger Rede ihm Vorwürfe
darüber macht, tritt sie, nach Coello'schem Rezept, mit ihren Begleitern
verhüllt hervor, und sie eilen mit herausfordernden Blicken auf
Paul Scaorons „Le Marquis ridicule'''.
69
D. Blaize und ihn anrempelnd an ihm vorbei und hinaus. Erstaunen
der Anwesenden. Es kommt zu einer heftigen Ansprache zwischen
D. Cosme und D. Blaize. Blanche mischt sich darein, indem sie
ihren Vater auf die Identität der Fremden mit der „efpouse" des
D. Blaize aufmerksam macht. Der Alte wirft letzterem vor, daß er
„de femblarble gibier" bei sich aufnehme. Der Marquis, der sich
frei von jeder Schuld weiß, läßt sich aber nicht einschüchtern; er
weist den Vorwurf nachdrücklich zurück und erteilt Blanche eine
nichts weniger als zärtlich gehaltene Zurechtweisung:
— — — — — — — — bei Ange, vous fcaurez
Que vous me plairez fort lors que vous vous tairez.
Dann schickt er seinen Bruder der Abenteurerin, nach und wendet sich
an Ordugno. Braut und Schwiegervater entfernen sich jetzt, von
den ironischen Zurufen des gekränkten Landjunkers verfolgt. Zurück-
bleibend sagt dieser zu Ordugno:
II faut affurement
Que le Ciel m'ait donne de fes biens largement.
Je n'ay pas pluftoft fait mon merite reluire
Dans Madrid, & i'y suis, ä grand peine arrive,
Qu'on m'y court, que i'y fuis, peu s'en faut enleue.
II n'eft, ma foy, rien tel que d'eftre ne bei homrae.
Und dieser Eigenschaft, die ihm jene „gens masquez auf den Hals
geladen habe, verdanke er das was er sonst bei dem halsstarrigen
Greis nie erreicht hätte: Das Verschieben der Hochzeit. „Beaute"
beschließt er seine Rede und zugleich den IV. Akt, „que tu m'es
falutaire."
Auch in der 5. Szene vermengen sich bei Scarron Entlehnungen
aus Coello harmonisch mit eigenen Zutaten. Im Ausdruck ist er
etwas selbständiger im IV. Akte als in den 3 vorhergehenden. Aber
auch in jenem fehlen wörtliche Anlehnungen nicht ganz, so z. B.
in der letzten Szene:
Scarron. Coello.
Stefanie sort auec Louize toutes Saleu dona Atonia, y Luisa.
deux voilees . . . tapadas . . .
Mes yeux ont veu fa trahifon Ya lo catei con mis oUos . . .
Dom Cosme: ^^^^ Gutierre-
Vous manquez de refpect^ä ma fille. genor Vifconde, en verdad
* que guardais bien el refpeto
Dom Blaize: de vueftra efpofa.
70 Arthur Ludivig Stiefel.
Mon frere, allez apres! Don Blas:
Dom Sandte {a pari): :{c * *
0 Amour! si rbymen par lä ne *
fe fait pas! Don Diego:
Todo aquefto
es en fauor de mi amor!
Selbst der Schlußgedauke des D. Blaize ist nur eine Umschreibung
der Worte des D. Blas am Schluß der IL Jornada:
Quien fera aquefta muger?
pero en parte lo agradezco,
pues fufpendiendo la boda,
fe cumple todo mi iutento.
Brabo trabajo es el mio,
en Uegando luego pego:
valgate el diablo por talle
lo que cueftas de defvelos.
V. Akt.
Nachdem Scarron aus den beiden ersten Jornadas 4 Akte seines
Lustspiels gewebt, verblieb ihm für seinen 5. Akt die ganze lU. Jor-
nada. Um diesen überreichen Stoif in einen Akt hineinzuzwängen,
war er genötigt, zu gewaltigen Streichungen seine Zuflucht zu nehmen.
Da er gleichwohl auf selbständige Zusätze nicht ganz verzichten
wollte, so kann man sich vorstellen, in welch verkümmerter Gestalt
die Szenen des Spaniers in sein Stück übergingen.
Gleich der Anfang des Aktes zeigt das. Don Sanche tritt mit
Merlin auf. Die Szene entspricht dem Anfang der IIL Jornada bei
Coello. Während aber bei letzterem auf der einen Seite Diego mit
Calabagas, auf der anderen Dona Juana und Beatriz auftreten und
bald der Kavalier über die Grausamkeit der jungen Dame, bald
letztere über die Aufdringlichkeit des Liebhabers, dem zu wider-
stehen ihr immer schwerer wird, den Bediensteten gegenüber
klagen, bis Diego den Mut findet, sich Juana zu nähern, aber von
ihr unerbittlich zurückgewiesen wird: läßt Scarron Dom Sanche mit
Merlin allein erscheinen. Ihr Gespräch ist ein kurzes Extrakt aus
Coello, wobei Saft und Kraft verloren ging. Kein Wunder auch,
aus etwa 160 Versen des Spaniers sind 44 bei Scarron geworden
mit dem dürftigen Inhalt: D. Sanche will sterben, da Blanche für
ihn verloren ist, Merlin findet das Sterben aus diesem Grunde
töricht; trotzdem beharrt D. Sanche darauf zu sterben. Da sieht
er mit einem Mal seinen Bruder kommen und schließt die Szene im
engen Aoschluß an Coello:
Paul Scarrons „Z-e Marquis ridicule''.
71
Coello.
Otro erabarago!
que aun la muerte (fi le importa)
no ha de hallar vn desdichado?
* *
Ay tal fuerte? fi le digo
que es honrada y que lo es tanto,
fe ha de cafar, y la pierdo,
quando la adoro y me abrafo.
pues si niintiendo le digo,
que HO es tan honrada agrauio
a mi dama infamemente:
Que he de hazer, cielos fagrados ?
— — — Mas que dudo?
morir yo no importa tanto.
Scarron.
Mais ce frere odieux, ä mon repos
funefte,
Ne vient-il pas m'ofter le feul
bien qui me refie?
Ne vient-il pas encor mon trepas
empefcher
Apres m'auoir rauy ce qui me
fut plus eher?
Helas! si ie luy dis que Blanche
eft vertueufe,
N'eft-ce pas augmenter fon ardeur
amoureufe?
Si ie luy dis auffi que Blanche
ne l'eft pas,
N'eft-ce pas offencer vn Ange plein
d'appas?
Et ne fera-ce point par vne action
lache
A l'honeftete mefme auoir fait
vne tache?
Ha! n'offen^ons iamais cette
Diuinite
Et iusqu'au dernier iour difons
la verite.
Die zweite Szene ist eine fortgesetzte Nachahmung Coellos
Que
Scarron:
Coello:
jD. Blaize:
J). Blas:
difiez-vous tout feul mon
No respondes?
frere ?
D. Diego:
D.
Sandte:
Que vous eftßs
Le plus heureux du monde en tout
ce que vous faites
Et que le Ciel vous donne vne
chere moitic
Digne de voftre choix & de voftre
amitie etc.
D. Blaize:
Ne me trompez vous point mon
diffimule frere?
Tu eres dichofo, tu efpofa
es quien es, no fon tan claros
effos atomos del dia,
menos pureza los rayos
del sol tienen, que su honor etc.
D. Blas:
me enganas aqui.
D. Diego:
Te engano?
aguarda, quieres oirlo?
* *
*
72
Arthur Ludwig Stiefel.
D. Sanchei
Envoyes la qiierir . . .
Et vous tenez cacbe, quand eile
paffera,
Vous verrez de quel air eile me
parlera.
D. Blaize :
L'inuention me plaift: ^-a ^a que
ie me gifte.
Das Gleiche gilt von der 3.
Scarron:
Blanche :
0 Dieu! ie vois Dom Sanche.
D. Sanchex
Ie vous obeirai, trop inhumaine
Blanche.
Vous n'aurez pas pluftost rendu
mon frere heureux.
Que i'executeroy voftre arreft ri-
goureux :
Oui, ie conteuteray voftre cruelle
enuie,
I'irai loin de vos yeux, les aftres
de ma vie:
Mes veritables Dieux; mais des
Dieux ennemis
Qui me vont tout öfter, & m'a-
uoient tout promis.
D. Blaize (cache):
II la presse vn peu trop Ie frippon
& ie gage
Qu'apres vn autre assaut la Dame
n'eft plus fage.
Pues retirate, que prefto
Veras efto que has dudado.
D. Blas:
No me engana, pues me pone
en lance de auerigaarlo.
Szene. Man vergleiche:
Coello:
B. Juana:
Aqui estä Don Diego, ay cielos!
D. Diego:
Exhalacion diuina,
. . . quedaos donde os merece
mas venturofo mi bermano:
* *
*
Dame licencia enemiga
de mi bien, y de mi dano,
porque aufente de effos ojos
dulciffimos y tiranos
vaya a morir de no verlos,
pues me muero de mirarlos.
D. Blas:
Por Dios, que ha apretado mucho
para fer efto burlando etc.
Blanche:
Dom Sanche! 6 ma vertu que
vay-ie dire icy?
Qui vous oblige donc ä nous quit-
ter ainfi?
D. Sanche:
Qui Ie fgait mieux que vous trop
cruelle perfonne!
B. Juana:
Don Diego (yo foy confufa)
ya que os vais (yo eftoy tem-
blando),
fabed, que antes que mi pecho
quede tan calificado
de ingrato, que me debeis
algo mas — — —
Paul Scarron's y,Le Marquis ridicule''^.
73
Qui le peut mieux f^auoir que en fentir de vueftra aiifencia
Celle qui l'ordonne? las nueuas triftes etc.
Blajiclie:
Celle dont la rigueur voiis afflige
fi fort
N'a guere moins que vous ä fe
plaindre du sort.
Elle n'erapefche point que D.
Sanche n'efpere,
Elle le fgaura bien diftinguer de
fon frere,
Quand par vn iufte choix, d'ou
depend fon bonbeur,
Sa bouche publiera ce que cacbe
fon coeur
Elle veut bien encor qu'il fcacbe
qu'vne abfence
Peut nuire a ses deffeins beau-
coup plus qu'il ne penfe
Nous nous verrons D. Sanche.
D. Diego.
Mirad que yo fi rae aufento
es porque vos . . .
D. Juana:
No foy tan cruel que ignoro
lo que OS dabo, y lo que gano,
yo lo eftimo, y lo conozco,
y fi quifiereis efcucbarlo,
bolved defpues, porque agora
tengo el pecho tan turbado,
esto bafta, a Dios quedaos,
— — — porque hasta agoro
aun no foy de vuestro hermano.
Der Rest der Szene verläuft in ähnlicher Weise. Blanche geht
fort, D. Blaize macht seinem Bruder Vorwürfe, daß er seine Braut
verführt habe, dieser verteidigt sich, daß er alles nur in seinem
Auftrag erdichtet habe. Hierauf erklärt Blaize seine Absicht die
Heirat aufzugeben und entfernt sich. Zwei Dinge hat Scarron in
dieser Szene weggelassen, den Dolch, den D. Blaize zieht und fallen
läßt und das Lauschen der jungen Dame. Was letzteres anbelangt,
so erfahren wir weiter unten, daß es doch stattgefunden, Scarron
hat aber, entschieden ein Verstoß gegen die dramatische Kunst,
unterlassen es anzudeuten.
Die beiden folgenden spanischen Szenen, den Monolog Juanas
und das Gespräch zwischen D. Diego und Calabacas hat Scarron
unterdrückt. Er läßt zu Ende der 3. Szene Blanche erscheinen und
von D. Diego begrüßen, die ihm aber (4. Szene) gründlich den Text
liest, den Laufpaß gibt und sich dann sofort entfernt. Die Straf-
rede Blanche's ähnelt inhaltlich derjenigen Juanas, wenn auch nicht
im Ausdruck.
D. Blaize hat die Worte Blanches belauscht und tritt triumphie-
rend hervor zu D. Sanche, der wie vernichtet dasteht. Seine Worte
erinnern wieder stark an Coello; man vergleiche:
Don Blaize:
D. Blas:
Porcia fue cosa de burlas
74 Arthur Ludwig Stiefel.
0 la maiftressc fille! & Porcie Lucrecia se dio al soslayo,
& Lucreffe * ^
Nc Tont iamais valuö auecque Ya mc caso.
leur proüeffe:
Lucrece auec Tarquin se donna
du bon temps
Et l'autre se brula la gorge ä
contre teraps.
Ma fciy ie me marie . . .
Auch die Worte Merlins sind Coello entlehnt:
Merlin (par Ironie): Calabapas:
Que D. Sanche est heureux! fa Dichofiffimo es mi arao
Maistreffe l'adore. en mugeres, ya Ie quiere
Dona Juana, mas matallo.
Die 5. Szene ist Erfindung Scarrons. Lizette kommt zu
D. Sanche und erzählt ihm, daß ihre Herrin sein Gespräch mit
D, Blaize belauscht habe und nicht bezweifeln konnte,
Que par vn feint amour, vne lasche fineffe,
Vous n'ayez attente d'eprouuer ma maiftreffe.
1). Sanche rechtfertigt sich und Lizette verspricht, sich weiter für
ihn zu verwenden.
Die 6. Szene bringt in stark verkürzter Form die Unterredung
zwischen der Abenteurerin und dem Vater der Braut; Scarron ist
sachlich im ganzen seiner Vorlage treu geblieben und hat auch
wörtliche Annäherungen nicht vermieden:
Scarron: Coello:
Louise: Luise:
C'eft ce papier que Merlin laiffa • De la carta
choir, del Vifcondo fe aprouecha.
Le valet de Dom Sanche.
I). GuiieiTe:
Dom Cosme: Pues dezid, para efta empreffa
— — — — — — — — — que mas empenos teneis.
Quant ä fa Lettre, eile eft pour que el defta carta.
vous de peu d'appuy. * ^^^ *
— — — — — — — — — ay empeno — — — — — -
Vous auez deux enfants? en que vueftro honor padezca?
Stephanie: D. Antonia:
Deux petits miferables, Naon ya mas que vna minina
Faul Scarrons „Le Marquis ridicule". 75
Tous deux des plus iolis & les que todo fe le femeja
viuans portraits a fu pay.
Du pere.
In der 7. und Schlußszene setzte der französische Dichter seine
Nachahmung Coellos in ähnlicher Weise fort. Neben vielen wörtlich
übertragenen Stellen hat er indes auch selbständige Züge. So beginnt
Don Blas, der zu der Szene im Brautstaat auftritt, damit den
Alten zu necken, indem er sagt, er sei nicht mehr fürs Verschieben.
Cosme meint, jetzt sei er dafür und reizt dadurch den Marquis zu
wütenden Bemerkungen. Doch D. Cosrae hält ihm den von der
Portugiesin ihm übergebenen Brief hin und die Szene nimmt den
Gang wie im spanischen Original, nur läßt Scarron die Abenteurerin
und ihre suiuante in Tränen ausbrechen, worauf Dom Cosme und
alsbald auch D. Blaize weint. Da aber Stephanie sieht, daß ihre Tränen
nichts fruchten, so springt sie dem Bräutigam ins Gesicht, so daß
der also Angegriffene seine Bedienten zu Hilfe ruft. Dieser rohe
widerliche Auftritt ist ganz das Eigentum des Franzosen, der aber
darauf durchaus nicht stolz zu sein braucht.
Der übrige Teil der Szene bewegt sich dann wieder ganz im
Geleise des Spaniers: D. Blaize will Blanche's Hand ergreifen, doch
D. Manche wirft sich dazwischen und erklärt, daß die junge Dame
die seine sei. Blanche hat nichts dagegen, falls ihr Vater es billige.
Cosme verlangt, daß der Marquis seine Hand der anderen Tochter,
„der Gräfin'-, reiche. Der Landjunker, der Blanche für sich verloren
sieht, zieht es vor, sich von der Portugiesin durch eine Summe los-
zukaufen, um den verhängnisvollen Brief zurückzubekommen. Der
Vorschlag wird von Cosme — bei Coello von der Portugiesin —
angenommen. D. Sanche und Blanche werden ein Paar und D. Blaize
will — Braut und Bruder aufgebend — sofort abreisen.
Ich will an einigen Proben zeigen, daß Scarron auch in dieser
Szene vielfach wörtlich seiner Quelle verpflichtet ist:
Scarron: - Coello:
Z). Cosme: D. Gutierre:
Reconnoiffez-vous bien cette conoceis aquefta letra?
efcriture. * * *
D. Blaize: D. Blas:
Ouy-da Digo, que es mia la letra,
Pefcrluis cette lettre a voftre fiUe mas efta fe la embie
Blanche, yo a mi efpofa.
J?. Blaize: D. Blas:
La Dame eft affez belle. Viue Dios que es rauy hermofa.
76
Arthur Ludxoig Stiefel.
Merlin !
D. Sanche:
Et c'eft la Portugaife,
Merlin :
Sur mon houneur, on en veut ä
D. Blaize.
D. Blaize:
D. Diego:
Calaba(,'as, no es aquella
dona Antonia?
Calabapas :
pues que intenta
cou tu hermano efta mu^er?
n. Blas.
— — pour r'auoir ma maudite
proraeffe — — — — — — — -
Et pour n'epoufer pas la fille ou y ansi porque la Condefa
la Comteffe, me dese en paz, y porque
— — — — — — — — — efta cedula me buelua
Pour m'en deliurer donc, & partir fin aiierlo yo comido
ä rinftant ni beuido, por no verla,
le veux bien qu'il m'en coufte vn la dare dos mil ducados.
peu d'argent contant.
Nach der vorangegangenen ausführlichen Betrachtung, die ich
dem Verhältnis zwischen Scarron und seiner spanischen Vorlage
gewidmet habe, kann ich mich, das Ganze nochmals überblickend,
kurz fassen.
Scarron hatte zur alleinigen Vorlage für seinen Marquis ridicule
Coellos Peor es hurgallo. Jener bietet also nicht, wie Les trois
Dorothees ein Beispiel von Contamination. Scarron schloß sich dem
spanischen Stück in der Fabel vollkommen, in der Szenenfolge fast
ganz an und machte sich seinen Dialog in zahllosen Fällen zu nutzen.
Die Charaktere hat er durchgängig vergröbert und verschlechtert.
Die von Coello so liebevoll gezeichnete Gestalt der jungen Dame ist
zu einer gewöhnlichen, farblosen Liebhaberin, Don Gutierre zu einem
burlesken, bockbeinigen Alten und der Visconde zu einem überladenen
Zerrbild hei ihm geworden. Auch bei den übrigen Personen hat
er alle feinen Züge verwischt. Seine Bedienten sind frech, der eine
sogar zotenhaft, die Abenteurerin benimmt sich aufdringlich wie eine
Dirne und in der Schlußszene wie eine Megäre.
Die mit der Vorlage vorgenommenen sonstigen Änderungen
sind bald Auslassungen, Vereinfachungen und Kürzungen, bald
■ Szenenverschiebungen oder Zusammenziehungen, bald Zutaten d. h.
Szenenerweiterungen, Einschiebsel usw. oder neue Szenen, meist von
sehr zweifelhaftem Wert.
Diese Änderungen beweisen zwar, daß Scarron einen Versuch
machte, sich zur selbständigen Behandlung des spanischen Stückes
aufzuraffen, aber man kann leider nicht sagen, daß ihm seine Absicht
Paul Scarroii's „X(? Marquis ridicule'-'- . 77
irgendwie geglückt wäre. Er ist beim bloßen Anlauf stehen geblieben.
Wäre es ihm ernstlich um Selbständigkeit zu tun gewesen, so hätte
er damit beginnen müssen, das spanische Kolorit abzustreifen und
die Handlung auf französischen Boden zu verlegen, wie es z. B.
D'Ouville in seinem „Esprit fotlet'* getan hat. Daraus hätten sich
eine Reihe von weiteren Änderungen ergeben, die den Charakter des
Stückes nicht unwesentlich geändert haben würden. Allein solch
mächtiger Mühe wollte oder konnte der fürs Brot arbeitende Dichter
sich nicht unterziehen. Und so bleibt es zu bedauern, daß er nicht'
gleich eine Übersetzung des spanischen Stückes unternahm. Seine'
burlesken Änderungen wischen Duft und Poesie von der spanischen
Comedia ab und beeinträchtigen die Wirkung der Handlung. Die
leitende Idee des Spaniers: Peor es kurgallo ging bei Scarron ganz
verloren und trotz der von ihm herübergenommenen Anspielung aut
den Curieux impertinent würde ein Leser des französischen Stücks
schwerlich auf den Gedanken kommen, daß er im Alarquis ridicule
eigentlich eine Bearbeitung dieser berühmten Novelle vor sich habe.
Das Beste unter seinen Zusätzen ist noch die Szene zwischen
dem Marquis und Dom Cosme, wo es sich ums Verschieben der
Hochzeit handelt. Was sonst an dem Stücke gut ist, geht auf
Coello zurück.
Nach allem diesen kann mein Urteil über Scarrons Lustspiel
kein sehr günstiges sein. Es hält keinen Vergleich mit der spanischen |
Vorlage aus. Unter den Händen des burlesken Dichters ist bei aller )
Abhängigkeit des letzteren etwas anderes, etwas Schlechteres daraus '
geworden.
Leider muß ich auch die Frage, ob Scarron in diesem letzten
noch zu seinen Lebzeiten aufgeführten Stücke gegenüber seinen früheren
Fortschritte gemacht habe, entschieden verneinen. Man mag sagen,
daß in seinen ältesten Lustspielen im Me Valet und in Les trois
Dorothees viel von ihrem ungewöhnlichen Erfolg auf die meisterhaften
Vorlagen — Rojas Zorilla, Tirso de Molina — zurückgehe, aber es
ist doch nicht zu leugnen, daß Scarron in ihnen, trotz seiner
Inferiorität jenen beiden gegenüber, noch eine gewisse Frische und
oft einen glücklichen komischen Ton fand, den man zwölf Jahre
später bei ihm vermißt.
Am schlimmsten fährt Scarron, wenn man ihn in Bezug auf
die Diktion mit seinen spanischen Vorbildern vergleicht. Und da
ist kein wesentlicher Unterschied zwischen älteren und jüngeren Stücken.
Man hat bei allen das Gefühl, daß er die poesiereichen, farben-
prächtigen Schöpfungen Spaniens gerade so behandelte, wie die Aeneis
des Vergil, er travestierte sie. Es gilt heute noch im ganzen zu
Recht, was vor mehr als 135 Jahren Linguet34) über zwei Nach-
3*) Theatre Espagnol I. Bd. pref. XVII ff. — Die Stellen hat bereits
Schack (III S. 445—447) in Übersetzung angeführt.
78 Arthur Ludioig Stiefel.
alimungen spanischer Comedias durch Scarron gesagt hat: „Scarron
a doniie Jodelet Maltre <^ Valet. C'est VArno Criado de Francisco
de jRojas. On n'imagineroit pas les bassesses, los vilenies dout le
Traducteur a souille sa miserable imitation." Nachdem er einige
Übersetzungsproben gegeben, fährt er fort: „Ces horreurs ne sont
qu'un echantillon de celles dont la piece Frangaise est remplie. La
suite est encore plus degoütante. Par-tout oü Rojas est familier,
Scarron est bas: par-tout oü le premier est naturel, le second de-
vient rampant, ordurier et quelque chose de pis." Ferner: „on
n'auroit qu'ä comparer la piece de Calderou que je donne ici sous
le titre de se de/ier des apparences, avec la maniere dont Scarron
Fa traduite en vers sous celui de la fausse apparence, on verra
combien ce cruel homme, avoit l'art de gäter tout ce qu'il touchoit
et d'avilir l'original a qui il faisoit l'affront de le choisir pour l'imiter."
Um wieder auf den Marquis ridicide zurückzukommen, so
hegte Scarron selber von ihm eine sehr günstige Meinung. In seinem
Widmungsschreiben an der Spitze des Stückes, an den Abbe Foucquet,
sagt er:
„Je vous fupplie de lire ma Comedie: c'eft, ä mon gre, la
mieux efcrite de toutes celles quo i'ay donnees au
Public depuis que mon malheur m'a roduict ä n'auoir rien
de meilleur ä faire, et ce fera celle qui m'aura le mieux
reuffi, fi eile a voftre approbation, que ie prefere ä tous
les applaudiffements de Theatres etc."
Die letzten Worte lassen eher auf einen Mißerfolg auf der
Bühne schließen, obwohl uns sichere Nachrichten darüber fehlen;
denn wenn der Chevalier de MouhySS) behauptet; „eile eut assez de
succes," so ist das, bei der bekannten Unzuverlässigkeit dieses Theater-
historikers, ohne Bedeutung. Der buchhändlerische Erfolg des Stückes
stand jedenfalls hinter demjenigen mehrerer früherer Lustspiele weit
zurück. Außer der editio princeps von 1656 und dem oben er-
wähnten Elzevierdnick finde ich als Einzeldrucke nur einen Pari?,
J. B. Loyson 1670 12^*, und einen weiteren Paris, G. de Luynes
1688 12° erwähnt, während z, B. Le Jodelet ou le Me Valet 1645,
1646, 1648 (bis), 1652, 1653, 1654, 1659, 1664, 1665, 1668,
1684, 1688, 1700 und noch öfter einzeln gedruckt wurde.
Auch das Urteil der Kritiker ist, soweit sie das Lustspiel über-
haupt würdigen, nicht günstig. Maupoint, Beaucharaps, Abbe
de la Porte, La Valliere und andere hüllen sich in Schweigen.
Leris^ßj meint sachkundig: „On pretend que c'est la meme chose
que son Heritier ridicule.'^ Mouhy-*^'^) bezeichnet das Stück als
3^) Abrege de V Hist. du Thcatre francois I, 305.
36) Diel, portatif hist. et Htt. des Theatres (1763) S. 283.
3') ]. C.
Paul Scarrons „Xß Marquis ridicule'^ . 7.9
„faible". Die Brüder Parfaict^^) äußern sich folgendermaßen: Cette
Comedie, malgre la preuention de l'Autheur, est peu de chose. Le
personnage de Dom Blaise est trop fou & trop bas; les autres ne
sont pas mieux rendus; Fentrigue est mal conduite, et les fourberies
de la Portugaise Stefanie, peu vraisemblables: en general cette Piece
est peu comlque. II y a cependant des endroits qui caracterisent
toujours Scarron." Morillot39) der Biograph Scarrons, hegt ebenfalls
keine hohe Meinung von dem Stücke: „A part ce caractere (Don
Blaise) d'un comique outre", sagt er, „les autres personnages, u'ont rien
de bleu rejouissant; seul le vieux don Cosme ä la fois doux et tetu,
merite d'etre distingue. Le Marquis ridicule . . . c'est peut-etre,
comme le pretend ingenuement Scarron, la mieux ecrite, ou plutot
la moins mal ecrite de toutes les comedies qu'il a composees; mais
c'est aussi la moins interessante et la moins originale. Le comique
n'y vaut pas celui des Jodelets et du Japhet, ni meme celui de
VHeritier ridicule.''''
Mit dieser Ansicht deckt sich so ziemlich die eines der jüngsten
Beurteiler, die Martineuohes,'^^) welcher sagt: „Scarron se vante d'en
avoir soigne le style. Et il est vrai que quelques vers n'en sout
pas trop mal venus. Mais quo le rire y est contraint et penible!
Don Blaise Pol est loin d'etre une caricature aussi amüsante que
Don Pedro de Buffalos, C'est un butor pedant qui parle un langage
grossierement precieux et qui n'a de raisonnable que sa peur horrible
d'un accident qui lui est du Don Cosme est un peu plus
dröle. C'est un doux gäteux qui, tout en disant oui, ne se depait
point de sa ridicule obstination. Mais ni son entetement de vieille
mule, ni l'egoisme brutal de Merlin . . . n'empechent le degout de
nous venir aux levres."
Doch genug der Kritiken, die ja im ganzen auf das Gleiche
binauslaufen. Es fragt sich nun, kommt dem Marquis ridicide,
wenn er auch als Kunstwerk einen höheren Wert nicht beanspruchen
kann, nicht gleichwohl eine gewisse Bedeutung zu. Ich glaube,
diese Frage ist zu bejahen. Ich will kein Gewicht darauf legen,
daß der Marquis ridicule die Gestalt des Gentilhomme Compagnard
auf der französischen Bühne einbürgerte, denn es könnte geltend
gemacht werden, daß Scarron bereits sechs Jahre früher mit seinem
Hiritier ridicule durch die Rolle Filipin-Bufallos den Landjunker,
wenn auch nur den fingierten, auf das Theater gebracht hatte ;"*')
38) Eist, du Theaire franc. Bd. VIII S. 170.
39) S. 305.
*») La Comedia Espagnoh Paris, Hachctte 1900 S. 389 f. — Über seine
seltsame Vermutung betreffs der Quelle des Marquis ridicule habe ich mich
bereits in meiner Rezension dieses Buches {Zsch. Bd. 26^ S. 47) geäufsert.
*i) Verwandt damit ist Thomas Corneilles ein Jahr später auf die
Bühne gebrachter D. Bertrand de Cigarral. Zu den unmittelbaren Nach-
folgern Scarrons gehört Gillet de la Tessonnerie mit seinem Campagnard
(gedr. 1657).
80 Arthur Ludwig Stiefel.
aber der Marquis ridicule blieb gleich anderen Stücken Scarrons auf
den größten Komiker Frankreichs und spätere Lustspieldichter nicht
ohne Einfluß. Scarron ebnete Moliere u. a. den Weg, indem er an
Stelle der Tragi-comedies wirkliche Lustspiele setzte, indem er einen
Anlauf zur Charakterkomödie nahm, obgleich seine Charaktere mehr
Grotesken als Typen des Alltagslebens waren. Dann verschaifte der
Marquis Don Blaise den lächerlichen Marquis und Edelleuten Moliere's
gewissermaßen das Recht, auf der Bühne erscheinen zu dürfen. Wenn
ferner der Landjunker Mr. de Pourceaugnac durch das Erscheinen
zweier Frauen, die mit ihm verheiratet zu sein vorgaben, von seinem
Heiratsprojekte mit Julie abgeschreckt wird, so ist es vielleicht ge-
stattet, an die Abenteurerin Stefanie zu denken, die die gleiche List
anwandte. Endlich zeigen die kecken Diener und die hilfsbereite
Soubrette Lisette eine gewisse Geistesverwandschaft mit ähnlichen
Moliere'schen Figuren. Der preziöse Stil Merlins kündigt bereits
denjenigen des Marquis Mascarille und des Vicomte Jodelet in den
Precieuses ridicules an.
Ich will die Darlegung der Beziehungen zwischen Scarron und
dem späteren Lustspiel nicht weiter verfolgen. Mir genügt es heute^
den Grad der Abhängigkeit des Marquis ridicule von der spanischen
Comedia, die seine Vorlage war, bestimmt und gleichzeitig festgestellt
zu haben, daß ein stetiger Fortschritt, eine künstlerische Entwicke-
luug im Lustspielschaffen Scarrons nicht stattgefunden hat. Wenn
ich in meiner Arbeit etwas ausführlicher zu Werke gegangen bin,,
so lag der Grund darin, daß es sich dabei für mich um die bisher
noch wenig bekannten Anfänge der Figuron-Comedia und ihre Ein-
führung in Frankreich handelte.
München. Arthur Ludwig Stiefel.
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode.
Der unheilvolle Brand der Turiner Universitätsbibliothek und
die Nachricht, daß unter den vielen verbrannten oder doch schwer
beschädigten Handschriften sich auch L, IV. 33 befinde, veranlaßte
E. Stengel eine in seinem Besitz befindliche Abschrift der Nummer
23 dieser Hs., die der leider zu früh verstorbene Dr. A. Feist seiner
Zeit genommen hatte, 1905 abzudrucken. Aus dem Abschnitt von
G. Paris über den Artusroman Rigomer wußte er, daß dieser Turiner
Text eine bloße Abschrift des betreifenden Abschnittes in der damals
in Privatbesitz des Herzogs von Auraale befindlichen Handschrift von
Chantilly ist. Stengel selbst bemerkt hierüber: „Der Turiner Text
ist sogar nach G. Paris eine direkte Kopie der einzigen sonst be-
kannten Hs. des Romans in Chantilly. Er erschloß das daraus, daß
einerseits die Chantilly-Hs. mitten in der Erzählung mit Blatt 55 f
abbricht, also ihre Schlußblätter verloren hat, und andererseits auch
der Turiner Text mit der gleichen Zeile, aber inmitten von 59 d
aufhört. Obwohl der Chantilly-Text mir nicht zur Hand ist, glaube
ich den Turiner Text schon deshalb abdrucken zu sollen, weil er
dadurch vielleicht allein vor endgiltiger Zerstörung geschützt wird.
Gleichzeitig wird die Stelle als Probe von Jehans Dichtweise dienen
können, da eine Ausgabe des in der Chantilly-Hs. 17 459 Zeilen
zählenden Gedichtes m. "W. noch von keiner Seite geplant ist."
Stengel konnte nicht wissen, daß G. Paris, was er einer besonderen
Mitteilung nicht einmal für nötig erachtete, den Text aus beiden
Hss. kannte 1), was aber ganz überflüssig war, da das von Paris an-
geführte die Frage u. a. U. entschieden hatte. Wohl aber konnte
Stengel wissen, daß ich eine Ausgabe von Rigomer seit 1888 immer
wieder ankündige (auf dem gelben Umschlag meiner Romanischen
Bibliothek), und in meinem Karrenroman S. XXIV bemerkt hatte,
daß ich eine Abschrift davon besitze und sie bald herausgeben wollte.^)
*) Die Hs. von Turin hatte er damals ausgeliehen.. Den betreffenden
Abschnitt der Chantilly-Hs., die er für seine Inhaltsangabe früher gleich-
falls entlehnt hatte, kannte er durch mich, dem er seiner Zeit (1874)
die Erlaubnis zur Abschrift und Ausgabe Rigomers vom Herzog erwirkt hatte,
-) Ich habe beides sofort nach Empfang von St. 's Druck dem Verf.,
dem ich auch hier für seine Zusendung bestens danke, mitgeteilt: das
Erstere wenigstens bat er darauf im Litbl. 1905, Sp. 182 b bemerkt.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXIIi. 6
82 W. Foerster.
G. Paris hatte von dem Turiner Text — en pleine connaissance
de cause — schon rundweg erklärt (Hist. Litt. XXX (1887) S. 95):
Cette copie n'a donc aucune valeur. Wenn unter diesen Umständen
schon die Zweckmäßigkeit des St.'schen Abdrucks fraglich erscheint,
so ist dies noch viel mehr der Fall bei der langen und ausführlichen
Anzeige, welche E. Bruggerin dieser Zs. (XXX 2 S. 129 — 156) dem-
selben auf 26 Seiten gewidmet hat. Anlaß dazu war der Besitz einer Ab-
schrift desselben Turiner Stückes, die auch B. seiner Zeit abgeschrieben
hatte, sowie die Entdeckung, daß seine Abschrift von dem St.'schen
Druck oft abweicht und gerade an Stellen, wo B.'s Abschrift offenbar
das Richtige bot. Brugger schreibt Seite 129 darüber: „G. Paris'
Ansicht, daß die Hs. von Chantilly selbst die Vorlage der Turiner
Hs. war, ist in sehr einleuchtender "Weise begründet worden.
Immerhin sollte sich jetzt, da der Turiner Text veröffentlicht ist,
einer der in Paris 3) sich aufhaltenden Romanisten die kleine Mühe nicht
verdrießen lassen, hierüber Sicherheit zu verschaffen. Sollte sich,
was kaum zu bezweifeln ist, Paris' Ansicht bewahrheiten^),
so ist natürlich der Wert des Turiner Textes gering, voraussichtlich
auf die Linguistik eingeschränkt. Der Kopist hat der Hs. den Stempel
seines eigenen Dialekts (wallonisch) stark aufgedrückt."
Da der Herr Rezensent all dieses weiß, fragt man sich, was
er denn mit seinem langen Aufsatz eigentlich bezweckt, umsoraehr
als G. Paris, der beide Texte vor sich gehabt, bereits klipp und klar
gesagt hatte, was auch B, seinerseits wieder zitiert: Cette copie n'a
donc aucune valeur. Eine Darstellung der Eigenheiten der uns
übrigens in massenhaftem Material überlieferten Mundart des Turiner
Schreibers ließ sich auf 2 — 3 Seiten veranstalten und diese uns zu
geben, daran hat der Rezensent nicht einmal gedacht.
Ich habe mich nun entschlossen, die Vorlage C des Turiner
Textes im folgenden abzudrucken, um alle vielleicht noch bestehenden,
aber jedenfalls unberechtigten Zweifel an dem eigentlichen Sachbestand
endgültig zu beheben 5). Der bloße Abdruck, ohne ein einziges Wort
irgend einer Begründung, erledigt die Sache ein für allemal. In einem
einzigen Punkte, der freilich von untergeordneter Bedeutung ist,
könnte man die schroffe Behauptung von der Wertlosigkeit des Turiner
Textes in Etwas einschränken. Die (übrigens überaus flüchtig geschriebene,
3) Die Rigomer-Hs. ist nicht in Paris, sondern in Chantilly. Von
meiner Abschrift und meinen stets wiederholten Ankündigungen (ebensowenig
von Stengels Notiz im Litbl.) hat auch Brugger nichts gewufst.
*) Wie B. darüber überhaupt noch einen Zweifel haben kann, da er
selbst paar Zeilen vorher zugegeben, dafs P. seine Behauptung Chantilly
(C) sei die unmittelbare Vorlage von Turin (T), insehr einleuchtender
Weise begründet hat, ist nicht recht klar.
^) Der ganze Abenteuerroman von Rigomer erscheint in der Dresdener
Sammlung der Vol Im öll ersehen Gesellschaß für romanische Texte, welche
meine Ausgabe angenommen hat. Der Druck des sehr langen Textes hat
eben begonnen.
Die Vorlage der Tunner Rigomer- Episode. 83
auf mehrere Seiten abgewetzte, und von sehr dunkeln und sehr
schwierigen Stellen wimmelnde) Hs. von C. ist unter anderen auch da-
durch schon unbequem herauszugeben, daß beim etzten Einbinden das
vernuuftlose Messer des Buchbinders mehreremal halbe oder fast ganze
Worte der Verszeilen abgeschnitten hat. Dies geschieht auch zweimal
(f. bZ^ ^ und f. 54 "^3) in dem von T. abgeschriebenem Stück, dessen Vor-
lage damals noch unbeschnitten war. Nun ließen sich zwar, ohne Kenntnis
von T sämtliche Stellen (bis auf zwei, V. 548, wo ich an provees
gedacht hatte, und V. 834, wo ich mir keinen Rat wußte) ergänzen.
Sonst lehrt uns die Tiiriner Abschrift all das, was sich ein
altfranzösischer Schreiber beim Abschreiben seiner Vorlage erlaubt,
und insofern ist ein Vergleich der beiden Texte von C und T z. B.
in Seminarübungen wohl zu empfehlen. Es sind Dinge, welche jeder,
der einen Text nach mehreren Hss. herausgeben mußte, ganz genau
kennt und die jeder, der an die Bearbeitung- eines einhandschriftlichen
Textes herantritt, wissen sollte. Abgesehen von den unbeabsichtigten
Flüchtigkeitsfehlern beim Abschreiben, Auslassen einzelner Wörter, finden
sich auch eigenmächtige Änderungen, Ersetzen anderer Wörter, geringere
und stärkere Änderungen des Textes, Auslassen von einzelnen Zeilen oder
von Verspaaren, Umstellen einzelner Verspaare, Einschub von Vers-
paaren, Ersatz für in der Vorlage fehlende Silben, Wörter und ganze
Zeilen, Besserungen (schlechte, aber auch sehr gute) von Fehlern
der Vorlage und vieles andere, was hier nicht erwähnt werden kann.
Aus einem solchen vergleichenden Studium ergeben sich für den
Herausgeber eine Reihe von Erfahrungssätzen, die auch anderen be-
kannt sein sollten. Wer so sieht, wie so leicht Verspaare ausgelassen
werden (und gerade C hat deren viele ausgelassen, andere noch
obendrein seinerseits T), wird dann nicht die mir stets unverständliche
Scheu vor Annahme von Lücken haben, wie man mir sie z. B. beim
Aufdecken von solchen im Kristian immer wieder entgegengetragen
hat, natürlich von solchen, die eben ähnliche Arbeiten nie unternommen
haben. Selbst vor der Heiligkeit des Reimes, die man gern von
vornherein annehmen möchte, macht der Schreiber keinen Halt, und wenn
er nur Reime änderte, die gegen seine Mundart gehnl^) Aber er (ge-
rade dafür gibt T drastische Proben) ändert auch solche, wo kein
Anlaß dazu vorhanden izt.
Eine andere Verlegenheit, in die ein Herausgeber eines Textes
nach mehreren Hss. oft gerät, betrifft die reichen Reime von geringeren
*) So sei besonders auf Z. 47-48 oir (,Erbe'): tenoir in C hingewiesen,
das T sehr einfach ohne jedes Kopfzerbrechen in avoir geändert hat. Diese
laiitgerechte Entwickelung des lat. tenere verdient nicht, wie es Burguy
II, 385 tat, angezweifelt zu werden. Aufser seinen zwei Stellen kommt
tenoir noch oft genug vor, wenn auch God. blofs die erste Burguy'sche Stelle
hat. Schon Rad. v. Cambr. hats noch 226. 258, dann Aioi (s. Anm. zu
3433), Renaut v. M., Ogier, Image du M. und schon der altehrwürdige
Leodegar, der teuer mit aver reimt.
6*
84 IV. Foerster.
Hs., die mau versucht ist, statt der geringeren Reime der besseren
Überlieferung einzuführen. Man vergleiche meine Auslassungen hierüber
an verschiedenen Stellen meiner Kristianausgaben. Ich habe, da
es sich um keine eklektischen Texte handeln kann, dieser Ver-
suchung stets widerstanden. Auch hier ist T lehrreich, da er reiche
Reime gegen seine Vorlage einführt; beachte besonders 871. 872,
wo C si:fali reimt, das T geschickt in si:issy besserte. Da nun
der Dichter eine entschiedene Vorliebe für reiche Reime hat, wäre
Jedermann versucht, hier issi für ursprünglich zu halten, was aber
nicht der Fall ist.
Viele Fehler der Vorlage hat auch T übernommen, und natür-
lich andere aus eigenem eingeführt. Eine Aufzählung der einzelnen
Fälle kann ich mir wohl schenken.
Ich drucke nun im folgenden den Text von C ab und zwar
ohne an der Schreibung des Schreibers etwas zu ändern. Nur die
notwendigsten Änderungen habe ich eingeführt. Die Ziffern links
geben die fortlaufende Zählung der Zeilen, wie sie in C stehn');
die Ziffern rechts geben die Zählung des Turiner Textes, wie er
gedruckt ist, und im folgenden (dies muß eigens bemerkt werden)
sind alle Zeilenzitate in dieser zweiten, rechts stehenden Zählung
gegeben. Dies war nötig, weil B.'s Aufsatz diese Zählung hat und
daher nur durch deren Beibehaltung der Text leicht und ohne Zeit-
verlust eingesehen werden kann.
f. 5P'2] Wegnor, oiies que dire voel:
^ .i. jour estoit a Estriguel
Li rois Artus et ses barnages,
Ases i ot et fols et sages,
5 Mout i ot rois et dus et contes.
Ce nous tiesmoigne eis acoutes
Que par .i. jour de venredi
Apres eure de miedi
— Gel jor avoit on jeune —
10 Por mangier furent äune.
Auques estoit avant le soir,
AI maugier durent aseoir.
Encor n'i avoit main lavee
Quant par une rue cavee
15 Virent venir encontreval
Une damoisiele a ceval.
Mout ert travellie et lasee.
'') Warum ich nicht die Zeilenzählung Rigomers, die mit 15 923
begänne, gebe, erklärt sich aus dem Zweifel, ob ich in meiner Zählung
nicht irgendwo gefehlt habe, was erst im Druck des ganzen Textes sich
herausstellen kann.
12 duront Hs.
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 85
De .1. et une jornee
Venoit la pucele de lonc
20 A le cort por mout grant besoig.
Mout fu travellie et estraite:
Por descendre est al peron traite.
Li Chevalier encontre vont,
Qiii por li mout grant joie fönt.
25 Mise Tont fors de la sanbue.
Gavains le prist par le main nue,
Qui grant joio en a demenee;
Devant le roi Ten a menee.
Le roi salue en son langage
30 Et le röine et le barnage,
Et puis si parole mout brief.
Fors de son sain a trait .i. brief,
Le roi l'a mis ens en le main.
II le livra .i. capelain,
35 Puis dist: „Clers, or vos convient lire,
Si sarons que eis bries veut dire."
B
'laus fu li bries et li saiaus.
Et li clers fu de lire isniaus.
Quant il ot le letre veue,
40 >,Sire," dist il, Ja vos salue
La pucele de Quintefuelle,
Qui a plus mal qu'ele ne voelle.
Qintefuelle est une cites,
S'i apent une roiautes.
45 Une damoisiele en est dame,
Le citet tient et le roiaume.
Mors est ses peres sans autre oir,
Por Qou le vout cuite tenoir.
Uns Chevaliers par son outrage
50 Li fait grant paine et grant damage.
Li peres de li fu ses oncles,
Pruec veut dire q'il n'avint onques
Ca fame remasist la tiere.
f. öP'g] Por tant le veut sor li conqerre.
55 Jure en a se loiaute
Sor tous ciaiis de le roiaute,
Qui contre lui en esteront
Et le pucele en aideront,
18 .1. = cinquante — 19 1. loig — 22 ch'rs Hs.
26 .G. Hs.
42 a fehlt Hs.
49 chr's. Hs.
86 W. Foerster.
S'il em puet venir au deseure,
60 II les destraira a une eure.
Or ont autel paor de li
Qu'ele De velle faire ausi.
Por ^ou ont esgarde entr'aus,
Ains que plus en soit fait de maus,
65 Que par .ii. homes sera fait,
Qui desrainier le puet, si l'ait.
Mais li pucele a grant anui:
Cil ne veut respondre nului,
Ne home respondre ne daigne 70
70 Fors le roi Artu de Bertaine. 69
Par gentelise et par son droit
Dist q'autrui respondre ne doit.
Or vos mande por Diu äie
Cele qi mout est esbahie.
75 Sire gantius, li rois des rois,
En cui cort sont les bones lois
Et toutes les bones coustumes,
Et les mauvaises en escumes.
Ja vos proie toute se cors,
80 Per Diu, que li facies secors,
Car se vous n'em prendes conroi,
N'avra garant contre le roi,
Ne soit tornee en descepline.
Ja n'iert contesse ne roiine.
85 De loDC vous a reqis ici
Que vos aiies de li merci,
Que li haus pere le vos mire,
Qui de tous les segnors est sire,"
Endementiers que eil lisoit,
90 La pucele forment pleuroit,
De ses vairs iex rians et biaus
Ceurent les larmes a ruisiaus,
Aval li descendent de haut
Sor l'entrepan de son bl'iaut.
95 Li rois Artus l'a regardee:
Quant il le vit si esploree,
Si Tapiela: „Suer, douce amie,
Biele," dist il, „ne plores mie,
Car vostre dame iert secorue.
60 destraira] so Hs., wohl destruira zu bessern.
64 de fauf.
76 En] E 1 Hs. 78 en ef cumef.
85 v^ are qis Hs.
90 pleroit Hs.
Die Vorlage der Turiner Jligomer-£Jpisode. 87
100 Ales anoncier me veuue.
Con hien a jusc'a l'asenee?"
Et cele qi est esploree
Li dist: „Biaus sire, en .vij. semaines
I poroit on venir a paines."
]05 T ^ ^^^^ ^^^ ^^^^ ^ ^^^^^ traite
JLi Chies la roiine quin a faite
f. 52'',] Mout grant joie et mout grant deduit,
Biel le herbega cele nuit.
Ens el demain la raatinee
110 Est cele tempre aceminee ... 110
Et conte le roi le mervelle, *
Mout durement s'en esmervolle, *
Dont li raenbre de Eigoraer. 111
„Lors me convient," fait il, „aler
1 ] 5 Ausi bien aventure querre
Con les autres fors de ma terre."
„Sire," gou dist se baronie, 115
„Par no consel n'ires vos raie!
Por vos i voist li uns de nos,"
120 „Dont soie jou honis et cous,"
Dist li rois, „se ja i envoi
Nul autre Chevalier que moi." 120
Lors avous .i. tempore voir
C'au jor que li rois dut movoir
125 Manda tous ses barons sans fale
A Tintaguel en Cornualle.
La fu mout grans li baronie , 125
Et fiere li chevalerie.
La veist on dames plorer,
130 Puius tordre et gimples descirer,
Et li Chevalier de valor
Pleurent et mainent grant dolor. 130
De duel faire i ot grant desroi
Por Tamistie del noble roi.
135 Ses armes fait on aporter,
Les mellors que on puet torver.
Quant les cauces lacies ot 135
Au miex et au plus biel c'on sot,
Uns esperons trencans d'acier
106 qui ua Hs. — 110 Hs. keine Lücke.
122 131 ch'r. Hs.
123 auoiis (entweder avous = es vos oder in avint zu ändern); T: a vous.
136 toruer so Hs. (!), ist aber keine Stütze für turbau, da solche
Umstellungen des /• unserm Schreiber ganz geläufig sind. 139 ünes.
88 W. Foerster.
140 Li fönt sor les cauccs lacicr.
Apries li ont Taubere viesti
Et lacent l'elme resclaci. 140
Plus li fönt une espee gaindre,
Qlü de trencier ne se set faindre.
145 On li amaine .i. ceval vair:
Si tos ne vole oisiaus en air,
Con li cevaus estoit courans, 145
Fors et hardis et encontran«.
Quant li cevaus fu amenes,
150 N'ot encor mie tout son ses
Li gentius rois, li de bon' aire,
Ne set, de cui escuier faire. 150
Sacies que mesire Gavains
S'era presenta tox premerains.
155 „Sire," dist il, „o vos irai
Et vostres escuiiers serai."
„Nies", dist li rois, „n'i venres mie, 155
f. 52 ''o] Ains garderes le baronie
Et la röine et le roiaume.
160 Et se je muir, par le moie ame,
Jou veul que le roiaume aies:
En vos iert il bien emploiies. 160
Mais onqes ne laisies tort faire
La röine de son doaire."
165 A cest mot est recommencies
Li cris et li deus enforcies.
Des gentius dames äirees 165
I I ot maintes treces tirees.
Des Chevaliers menüement
170 I ploroient plus de .v. cent.
Dont se presenta Engrevains,
Gaharies et Cadovains, 170
Et puis li Chevaliers al Cor
Et li Valles al Cercle d'or.
175 Puis se presenta, ce m'est vis,
Li Biaus Mavais, li Lais Hardis.
Dont se presenta Carahes 175
Et Saigremors, li Desrees,
Et apres Melians de Lis,
180 Cliges et Bliobleheris.
E vous Yvain del Lioniel,
1Ö3 .G.
172 Aharies.
173 ch'r.
175 cest mest uis.. 178 li des fees.
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 89
Yvain l'avoltre, Yvain le biel,
Yvain, le fil a le Somiere,
Cil s'i prosentent, ce m'est viere. 182
185 Yvains, fius le roi Eurien, *
S'i presenta autresi bien. *
Et mesire Gaudins, li Bruus, 183
Et apres lui en i vint uns
Qui se prousente con preudom, 185
190 Erec, li fius Lac, ot a non.
Apres en i ot un venu,
Qui ot non Itiers, li tiex Nu.
Cil fu bons Chevaliers loiaus,
Si se prousente cou vasaus. 190
195 „Sire," dist il, „en ceste voie
Mout voleutiers vos serviroie."
A tant iestes vos lonet
Et Germion et Dodinet!
Cil se prousenterent ensamble, 1 95
200 Et tant des autres, ce me samble,
Que bien furent .1. et .iii.
Tous li pires valoit .i. roi
Por desfendre et por asalir
Et por fort estor maintenir. 200
205 Nes voel or mie tos nomer,
Car trop aroit a aconter.
Quant cascuns se fu prosentes,
Li rois les a tous refuses.
52^3 De cascun a moustre raison, 205
210 S'il le devoit mener ou non.
Mais ne vous voel tout gou descrire,
Car trop i averoit a dire.
Li rois monta sor le destrier,
Gavains, ses nies, li tint l'estrier. 210
215 Quant en le siele fu asis,
Son pie regarde, si a ris.
„Sire", dist mesire Gavains
Qui de tous biens estoit certains,
„Pecie faites et tort aves: 215
182 Yain le oltre yain.
183 Yains li fius.
184 Si prosenterent ce; vgl. 199.
]8.") Yoains.
188 Et pres.
•20.") Nel.
211 descri | Kest abgeschnitten.
213 Le
214 .G.
90 W. Foerster.
220 Ma dame pleure et vos ries.
En ne vees le baronie,
Qui si est por vos esmarie?
Ces bieles dames esplorees
Sont pales et descoulorees." 220
225 Et la ro'ine a respondu:
„Gavains, vos aves bien veu
Que mesires m'a en despit,
Quant por lui pleur et il s'en rit."
Dame", ^ou dist li rois Artus, 225
„Si m'äit Diex et se vertus,
Se jou ai ris, jou ai bon droit,
Si vos mousterai or endroit,
Et se moutrer nel puis briement,
Pres sui que jou le vos ament." 230 ^
235 „Sire, vos dires vo voloir."
„Dame, si vous dirai tot voir. . .
Que el monde soit a mon tans
Armes et courone portans.
De celui roi ne di jou mie, 235
240 Qui tous nos a en se bailie,
Mais jou di des rois terriens
Et sarasins et crestiiens.
Se nus se prent a moi de gerre,
Jou sui tox fis de lui conquerre, 240
245 Et seul a seul et cors a cors,
N'iert il ja si fiers ne si fors,
Que jou me volente n'en face.
AnQois qu'il isse de la place,
En ferai jou nie volente 245
250 Et il avra le dolente."
Et la roiine respondi:
„Sire, jou tiesmoig bien et di,
Que Chevaliers estes si buens,
Miudres de vous u'est rois ne cuens. 250
255 Se vos por tel cose aves ris,
Vous n'i aves nient mespris."
„Dame," dist il, „ains i a plus:
220 uos ires
226 .G.
228 pleure.
234 arment.
236 In Hs. keine Lücke.
246 fiert.
253 ch'r — bues.
254 rois ne c 1 Rest abgeschnitten.
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 91
Car jou vos di sans nul refus:
Jou siec sor le mellor destrier, 255
f. 52'i] Qui onques portast Chevalier;
Car maintes fois Tai esprove
Et tous jors Tai si bon trove.
,Miudres cevaus ne ausi bons
Ne senti onques esperons." 260
265 „Sire," dist ele, „bien le sai,
Maintes fois oi dire Tai,
C'onqes miudres n'isi d'estable,
Ne miudres rois ne sist a table,
Que vos estes fors celui roi, 265
270 Cui jou aour et cuit et croi
Et qui pri de vo revenue."
„Dame," dist il, „clere veue,
Encor i a .1. autre point
Que jou ne vos celerai point. 270
275 Trestous li miudres Chevaliers,
Li plus vaillans et li plus fiers,
Me tint mon estrier au monter
Por Qou sui jou si esjöis, 275
280 Que mout en esforgal mon ris.
Por tant que de lui me sovigne
Et jou m'espee en mon poig tigne,
Ne perderai piain pie de tiere,
Ains vaurai sor autrui conqueire." 280
285 Quant li rois ot dit son voloir
De celui qi tant dut valoir,
La roiine bien Tentendi,
Mais onqes mot ne respondi.
Li rois forment se courega, 285
290 Par raautalent li demanda:
„Dame," dist il, „par cele foi
Que vos deves le cors de moi,
Por q'est ^ou que vos ne löes
Qou que jou lo, quant vos l'öes?" 290
295 La röine l'a entendu,
Del respondre n'a atendu,
Se tant non qu'ele angois ne pot.
270 aoure.
278 Keine Lücke in Hs. — T. ergänzt auf eigne Faust vor 27S: Quy
soit en cest siecle mortel.
279 sulou.
294 loe quant (+ 1).
297 quele arois ne.
92 W. Foerster.
Et dist au roi ^ou que li plot :
„Rois," dist ele, „par qel raison 295
300 Diroic jou so le voir non?
* Ne jou por coi tiesmoigneroie
Cose que de voir ne saroie?
Ja n'eu seroit miudre .1. aloe
300
305 N'a pas lonc tans que jou apris
Que teus n'est pas de si haut pris,
Qui ne feroit ne gaires mains
D'armes que niesires Gavains.
Bons Chevaliers est il por voir, 805
oU) Mais ausi bon i puet avoir."
Li rois s'en äira forment,
52^2] J^^re en a ireement:
„Trover vos convenra ancui
Le mellor Chevalier de lui, 310
315 Ou le teste en avres trencie.
Mar fu ceste evre comraencie,
Ne mar i aves contredite
Le parole que jou ai dite.
Se vos ne troves a par main 315
320 Mellor Chevalier de Gavain,
Bien em pöes perdre la teste."
Dont n"i ot il ne ju ne feste,
Ains m li grans dius redobles
Et cascuns des barons torbles. 320
'^ I i rois la röine manace
J— ^ Et a talent que mal li face.
Tout a ceval vers li s'adrece,
Ja Tevust prise par le trece
Et si l'eust vers lui tiree 325
330 Et de son cors mal atiree,
Se ne fusent li haut baron,
Qui sont entor et environ.
„Sire," fönt il, „^ou n'i a mie,
Car trop seroit grans vilonie. 330
335 Por tel mesfait comme ci monte
N'avra ja la roiine honte;
303 miudres .i. aloe.
304 Keine Lücke in Hs.— T. hat eigenmächtig ergänzt: Volez vous
ore que je loe.
31G oeuure T.
318 iou a
334 grant
Die Vorlage der Turiner Rigomer- Episode. 93
Car rou seroit vilaine cose."
Mout le laidist cascuns et cose. 334
Quant il Torent ases cose *
340 Et Gavains Tot bien escoute, 335
Lors a parle si hautement, 337
■Que tous li barnages Tentent,
Et si en a jure se vie:
„Ne rai qui m'en portra envie, 340
34,") Mais se la noise ne desfaites,
Ja i avra espees traites."
A cest mot acoise la place,
N'i a celui qi noise face.
Et mesires Gavains parole 345
350 A la röine et si l'acole.
„Dame," fait il, „joians et lie
Soiies ne mie corecie;
Car, par la foi que jou vos doi,
Bien vos acorderai au roi. 350
355 Car tel i a, que que on die,
Par cui seres bien garandie;
Car tel i sai et tel i voi,
Qui mout est plus vaillans de moi."
„Sire," dist la röine a lui, 355
360 „Se Diex me jet de cest jor d'ui,
Se vous acorder me pöes,
52^3] Mesire et mes amis seres.
Jamals nul jor ne vos fauroie,
De quanque faire vos poroie, 360
365 Et si vos ai en convenent
Sor m'arme et sor mon savement,
Que de tout gou que jou i dis
Onqes por vo despi nel fis."
Dist mesire Gavains: „Par m'ame, 365
370 Jou sai mout biel, me biele dame!
Onques ne vos en escondites,
Que jüu sai bien que voir me dites."
G'
_2_avains le roi em apiela,
Onques li rois nel regarda. 370
375 II le rapiela autre fois.
339 fehlt T, der dafür nach 340 einschiebt: Ens en la presse avant
se boute.
340. 34'j I .G.
345 desfaces
355 qui q on
369 .G.
94 W. Foerster.
„Sirc," dist il, „entendes moi!
As6s vos ai lonc tans servi,
Onqes vo gueredon ne vi;
Car ne vos ai gaires rouve 375
380 Et vos petit m'aves done,
Mais or vos vel requerre .i. don
Par amor et par gueredon.
Vers la roiine iestes ires,
Et a parmain vos en ires; 380
385 Mais angois vel faire le pais."
„Nies," dist li rois, „soiies em pais!
Tant m'a mesfait outreeraent,
Ne li pardonroie nient."
„Sire," dist il, „quant del pardon 385
390 Ne puis avoir otroi ne don,
N'en voel estre contre vo dit.
Dones la roiine .i. respit
Dessi a vostre revenue!
Dout iert madame porveue, 390
395 Que bien vos rendera raison
Outreement sans ocoison.
Et s'ele n'a moiit bon garant,
Si resera a vo comraant."
Dont s'escrie tous li barnages: 395
400 „Bien dist Gavains, li preus, li sages!
Bien le pöes si otroier, 398
Si vos en volons tout proiier." 397
Li rois a graut paine l'otroie,
Et la roiine en ot tel joie, 400
405 Qu'ele li dist tout en riant:
„Sire, c'iert par .i. covenant,
Que vos a mon cois prenderes
Celui que avec vous menres."
„Dame," dist il, „or n'i a plus, 405
410 Jou le ferai sans nul refus."
Dont est la cors si resbaudie,
f. öo']^] N'i a celui que il n'en rie,
En tel maniere Gavains fine
Envers le roi de le roiine. 410
415 Bien i a fait gou q'il devise;
Car entr'aus .ii. a tel pais mise,
381 .1. don (doin dialektisch oder dorn).
388 oder pardouroie (Hs. ii).
396 (Outree)ment und 397 (fel)e abgewetzt.
400 .G.
413 .G.
Die Vorlage der Turiner Rigomer- Episode. 95
Que toute lor ire abaisierent,
Au departir s'entrebaisiereiit.
La roiine a cou qu'ele rueve, 415
42U Mout vaillant escuiier li trueve,
C'est Lanselos del Lac por voir;
Car n'i püust mellor avoir.
Dont prent congie, q'il angois pot.
Li rois en maine Lanselot, 420
425 Jon n'ai mie bien lor jornees
Eetenues ne erabrievees;
Car il en i ot mainte dure;
Mais ceste premiere aventure
Qui lor avint vous conterai 425
430 Ensi comme oi dire Tai,
Vi
ait s'ent li rois et sa corapaigne
Et entre en une terre estraigne
En une grant foricst ramee.
Ja ert li sietime jornee, 430
435 Quant il troverent .i. manoir,
Ou il faisoit mal reraanoir;
Haut mur i ot et forte tor.
En demie jornee entor
N'avoit ne castiel ne doignon, 435
440 Borde ne vile ne maison.
Ja dis fu mes a .i. rice liome,
Or estoit mors, ^ou est la some.
Mout i mest bien tant q'il fu vis;
Apres se mort, ce m'est avis, 440
445 Ürent robeor essillie
Se fame et toute se mainie;
Pris avoieut le remanaut
Et s'estoient laiens manant.
Por le fort tor et le haut mur 445
450 I manoient tout a seur.
De ces larons dont je vos dis
Mien ess'ient i avoit .x. .
Li .V. n'estoient mie el mes,
Mais li .V. estoient remes. 450
455 Quant il virent venir le roi
Et Lanselot a tel conroi,
417 = abaissierent.
432 estrenne.
445 Lorent.
449 forte (+ 1).
451 di.
465 moura (—1 ).
474 ioust ert m"ie.
485 q'te.
486 tist Lanselos wide
488 auino.
489 abatii andoi.
491 destrie.
96 W. Foerster.
Li uns dist a Tautre en riant:
„Ci nous vienent .ii. marceant,
Qui cevauceut .ii. biaus poutriaus. 455
460 Alons partir a lor torsiausi"
Tout sollt de lor armes garni.
Li uns fors del castiel issi
Et dist as autres: „Soiies coi!
f. 53'2] Ja por ces ,ii., comme ci voi, 460
465 Mar se mouvera nus de vous.-*
„Voir," dient il, „nou ferons nos,
Se nous ne veons grant besoig."
„Mar en avres," ce dist, „nul soig."
A tant s'en ist lance levee, 465
470 Mout avoit bien le tieste armee, *
Envers le roi s'est avoiies. *
„Lanselot," dist Ii rois, „voiies! *
Cist n'aporte ne pais ne triue. *
Geste premiere jouste ert miue." *
475 A tant s'est vers lui adrecies; 468
Mais Lanselos s'est avancies: 467
Aius que Ii rois i puist venir, 469
Le vait Lanselos si ferir, 470
Que del ceval l'a abatu
480 Contre tiere tout estendu,
Si qu'il Ii a le cuise fraite.
Quant eil voient le jouste faite,
Uns autres s'en issi esrant 475
Annes sor .i. ceval ferrant.
485 Et Ii rois encontrer le quide,
Mais ains en tist la sele vuide
Lanselos, que Ii rois i vigne.
Comment que des autres avigne, 480
Or sont il andoi abatu:
490 Li troi sont del castiel issu,
Cascuns armes sor son diestrier.
Lanselos feri le premier,
Que jus del ceval le convoie, 485
Sor .i. mellier dales le voie
495 L'en a porte plaine se lance,
Die Vorlage der Turiner Rigomer- Episode. 97
Et eil cäi sor une brance.
Li melliers ert bas et brancus:
Entre .ii. brances fiert Tescus, 490
Dont eil avoit le guige au col.
500 Or se puet eil tenir por fol,
Qu'il ne l'ot ostee par taus;
Par le guige i remest pendans.
Et Lanselos lance sor fautre
Guencist, si vint ferir .i. autre. 495
505 Abatu l'a si malement,
L'arme s'en vait, li cors s'estent.
Et quant li rois voit celui pendre,
Qui sa lance ne puet reprendre,
Grant ris en ot, ear eil ens tint. 500
510 Et Lauselos feri le quiut,
Abatu l'a si qu'il l'afole,
Le brag li brise et le cauole,
Li cuers el ventre li parti.
Or sont li torsiel departi. 505
515 Que qu'il avoient devise,
f. 53 '^q] ^^ sont il tout mal eonfesse,
Et li Berton biel se maintinrent,
Jusqu'a la tor lor voie tinrent;
Bien fönt, quant il la s'adrecierent. 510
Viande i truevent, sei cargierent,
520 Lors se departent, si s'en vont.
Tant cevaucent que trovö ont
AI tierg jor le Male Gaudine,
Ou trop avoit de sauvecine. 515
De singes, d'ors et de lions
525 I avoit mout grans legions,
Serpens, lupars et autres bestes
A trencans dens, a grosses testes.
Maint preudome ont trait a essil, 520
Or est li rois en grant peril
530 Quant el bos durent par entrer.
De ciaus vos sai dire et eonter,
499 le guise.
502 pendan.
Ö09 eustint.
517 maintirent.
')18 tirent.
ö27 autres be | Rest weggeschnitten, ebenso
ö28 grosses t | und
529 trait |
')31 entre |
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXX lI'.
98 W. Foerster.
Que li preudome tresi)asant,
Qui el päis furent manant, 525
Avoient as caisiies pendues
535 Haces danoises et ma^ues,
Por ciaus garir, qi la pasoient
Et de lontains päis venoient.
Quaut eil qi de Qa sont, les prendent, 530
540 Outre s'en votit, de la les pendent,
Se le bos pueent trespaser.
Eusi les en convient outrer. 534
Et eil qi les prendent de la, *
Ausi les rependent de ga. *
545 Ensi estoient coustumier, 536
A maint preudome avoit mestier. 535
Mais ja Lanselos nc li rois 537
N'öussent pris de qou conrois,
Ains s'en aloient tot amblant.
550 Quant el bois furent par entrant, 540
S'encontrerent .i. Chevalier
Mout bien arme sor son destrier.
Cil n'ot menbre, ou n'eust plaie
Grande ou petita, dont san raie.
555 /^uant del bos le virent issant, 545
\jL Bien fu a lui aparisant,
Qu'il avoit les biestes trovees,
Qai mal furent vers lui privees.
Quant Lanselos venir le voit,
532 sa.
535 penduf.
537 paso I Rest weggeschnitten, ebenso
538 venoien |
539 pren |
540 p I
542 outre | Rest weggeschnitten (T: ourer).
543 pendent
546 auoit | Rest abgeschnitten, ebenso:
548 conro |
549 aml |
550 ent |
552 de I
553 neust |
554 sa I
555 de — \irent |
556 aparisa |
557 trou I
558 lui I
559 le u I
Die Vorlage der' Turiner Rigomei'-Episode. 99
560 Celui qui taute plaie avoit, 550
II le saliie, et eil respont:
„Sire," fait il, „ves ci .i. pont,
Pres de ci sort une riviere;
Mais bien sacies q'il m'est aviere,
565 Se vos outre le pont pases, 555
Vos avres de le honte ases."
Lanselos voit celui sangleut,
Del demander ne se fist lent,
f. 53 ^i] Ains le regarde et dist a lui:
570 rSire, que Diex vos gart d'auui! 560
Dites moi, qi gou vos a fait,
Et Tocoison et le forfait!"
„Sire," fait il, „se vos passes
Le pont, vos le savres ases,
575 Bien troveres qi vos dira, 565
Mais ja a vos n'en parlera."
„Comment?" qou dist li rois Artus,
„Sont gou miracles ou vertus,
Que nous troverons, qi diroit
580 Et puis a nous ne parleroit?" 570
,.S'
^ire," dist eil, „icis boseages
Est tox plains de biestes sauvages,
Que nus ne puet outre paser,
Que Jamals puise repasser,
585 Qu'il ne soit mors ou si navres 575
Comme jou sui, que ci vees,
Qi tant ai plaies tot par tout,
Ca paines pus aler atout.
Mais or prendes de ees raagues
590 Et de ces haces esmolues, 580
Dont vos aideres al besoig.
Les biestes ne sont mie loig;
Que en espee ne en lance
Ne pöes vos avoir fianee."
595 Dist Lanselos: „Car me nomes 585
Les biestes, se vos les saves!"
560
au 1
563
riu 1
564 mest |
565
pase 1
567
fangl
368 fift 1
587
tant a
592
lonc
7*
100 W. Foersier.
„0 je," dist il, „partie en sai,
Que Yolentiers vos nomcrai.
Ours et lions, pors et lupars
600 I a graiiment de toutes pars. 590
Singes i a et boteriaus,
Qui es dos et es hateriaus
Morgent le gent a grant fuison ;
Mout lor temprent malle puison.
605 Tortues i a et culuevres, 595
Qui mout fönt de mavaisses evres,
Casselles et sierpens crestes,
De ces i a mout arestes,
Et si a corpiuDS et wivres,
610 Donc Diex nous face tox delivres! 600
Deseure tous i est la pante,
Qui par toutes les fories ante
Et fu et flambe jete fors
Parmi la goule de son cors
615 Et parmi cascune narine; 605
Tant par est de mavaise orine.
Cele bieste dont jou vos conte,
Ele n'esparne roi ne conte,
S'ele le puet teuir nule eure,
620 Qu'ele erranment ne le deveure. 610
f. 53^'2] Dementrues qe de ^ou parloient,
Tout .i. cemin gardent, si voient
Venir a pie .iiij. sergans.
Saietes et bons ars jetans
625 Portoit cascuns por lui defendre, 615
Et bien sacies, sans plus atendre,
Voloient le foriest i^aser.
Et quant il viurent a l'entrer,
Sacies que mout grant joie avoient
630 Des Chevaliers que illuec voient. 620
Or furent ,vij. en lor compaine,
Li .iiij. et li doi de Bertaine,
Et li Chevaliers fu sietimes,
Qui tout estoit sanglens meiraes
635 Et qui del bien faire s'afaite; 625
Car n'avoit pas sc voie faite,
Ains estoit ses escuiiers mors.
En la foriest gisoit li cors,
605 culuerures
621 parolent.
62S uirent.
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 101
Dont li arme estoit fors alee.
640 Tout droit el fons d'nne valee 630
I/avoient les biestes ataint,
Devoiire l'orent et estaint;
Mais li Chevaliers escapa.
" Mainte bieste apres lui hapa,
645 Par cui ongles et par cui dens 635
Estoit par tout le cors sanglens.
Mais s'il fust en la grant gaudine
En la naive parfondine,
Ja mais escaper ne peust
650 Per nul pooir que 11 eust. 640
Mais or est si, ce m'est avis,
Que il ne puet escaper vis.
Lors sont tout .vij. a .i. acort,
Et j'ai talent que je recort,
655 Que Tuns fait l'autre buen samblant. 645
Vers le foriest s'en vont amblant
Taut que il ont pase le pont.
Li escriture nous despont,
Quant pasee orent le riviere,
660 Qu'il troverent, ce lor fu viere, 650
Uue mervelle ens el boscage,
Qui mout lor pot Sambier savage.
Mout fu grande cele mervelle.
Cascuns formeut s'en esmervelle,
665 Car auques lor sambla diverse. 655
Tres parmi le foriest traverse
Une route de biesteletes
A mout petites testeletes,
Escuiriel et connin et lievre,
670 Vairet et erminet et bievre, 660
Leu et liouplil, trygre et taisou,
De ciaus i ot mout grant fuson;
53^3] Cierges et ciers, civreus et dains,
Cil le trepasenr, qi ains ains;
675 Pore sau vage et ors et lupars 665
641 bieste.
643 ch'r.
648 parfondinee.
650 poeur.
65.') bü samblant.
667 routes de biestesletes.
673 ciuureus.
674 Cil lef repaifent.
675 erstes et fehlt (—1).
102 ^V. Fo erster.
Et li singe de putes pars;
De ciaus i ot il si grant route
Qu'ele ne pot estre desroute;
Et mout i ot de Serpentine,
680 Ne sai tot dire le convine. 070
Deriere venoient lion,
Dont il i ot grant legion.
Cil faisoient Tariere garde,
Cacuus sovent ariere garde;
685 Car li pante venoit deriere 675
Plus de liue et demie ariere,
Qui gete flame a grans mervelles
Des nariues et des oreilles,
Et par le bouce si grant fu,
690 C'ainc de bieste si grans ne fu. 680
Les biestes ont senti l'alaine,
Por Qou metent al füir paine;
Qu'eles n'ont soig de son apiel,
Cascune a paor de se piel;
695 Car li pantre estoit famelieuse. 685
N'i a bieste tant orguelleuse,
Se a cele eure le tenist,
Nel devorast et englotist.
Or vos dirai une partie,
700 Comment estoit grans et furnie: 690
Ses cors et ses cols et scs cies
Ot bien de lonc .1. pies;
Eucontre estoit grosc et pleutiue.
Q'a rien en le foriest antiue,
705 Quant cele pante fain avoit, 695 \
Nule bieste n'aconsivoit,
Qu'ele ne tust lues devouree.
Uns cevaus n'ert c'une goulee.
A tout le Chevalier arme
710 L'avoit lues mort et devore. 700
Por Qou vos voel faire a entendre 702
Que ne l'osoient plus atendre 701
Les biestes, que ne s'en fuiisent, 703
AnQois que eles Taten disent.
715 Et si vos di, por tel afaire 705
676 nicht fingro. wie der zu weit abstehende linke Balken des g leicht
zu lesen vci leiten könnte; vgl. wirkliches gr Z. 671 trygre. — pute.
680 tot] toit.
685 paute Hs., ebenso stehts im fg., so dafs 897 der Schreiber pantre
seiner Vorlage sogar als qautre gelesen hat.
687 grant meruelle.
Die Vorlage der Turiner Eigomer-Episode. 103
N'osoicnt les Westes mal faire
As Chevaliers qi par la vont,
Ne as sergaus qui a pie sont.
Li pautre le cemin acuite.
720 Ja s'en peusent aler quite, 710
- Quant Lanselos par son desroi
A coraenchie devaut le roi
Mout grant orguel et grant otraje,
f. hA^i] Qui lor torna a grant damage.
725 Dist Lanselos: „A ces lions, 715
Que nous ici paser veons,
Vaurai ja faire une enväie.
Ensi n'en paseront il raie."
^Sire", Qou dist li Chevaliers,
730 Cui escus n'estoit mie entiers, 720
„Por Diu, aiies de vos merci!
Car li pantre venra ja ei,
Mien essient, que il n'a mie,
Desi a li liue et deraie.
735 Ja venra ei par grant pöeste, 725
Car trop i a isnele beste.
Por mangier les Westes porsiut,
Et s'ele ci nous aconsuit,
Ele fera de nous autant
740 Con des biestes, jou vos creant; 730
Et si soiies bien a fiance,
Que, se ne fust par se doutance, 732
Des biestes fusies ore ocis, *
N'en escapast ne eil ne eis, *
745 Que nous ne fusons devoure. *
A hon Diu avons hui oure. 734
Or nous metons fors de la voic 735
En tel liu qu'ele ne nos voie."
Quant il ot dite sa raison,
750 Trespase furent li lion;
Et Lanselos les escria,
Onques uns seus nel regarda: 740
De le pante orent tel paor,
C'ainc n'i garderent lor honor;
755 Car plus le doutent, ce ra'est vis,
Que mil Chevaliers fierviestis.
716 Noseut (—1) — mal faire.
718 qui] q.
7'22 comenchi,
734 a lui.
740 creanc.
104 W. Foerster.
Et Lanselos ot le maniere 745
De le pantre qi vient ariere,
Qui tant est fiere et orgaellose
760 A Teure qu'ele est faraelleuse.
„Talent ai", fait il, „que jel voie
Et que men espiel li envoie 750
Parmi les costes ens el cors.
Et se li espius est tant fors,
765 Que le cuir li puist trespaser,
Jamals nel veres respaser,
Que jou ne l'ocie a raes mains." 755
Dist li Chevaliers: „C'est del malus!
Vous ne dites pas vaselage,
770 Mais grant orguel et graut oltraje.
Le pante n'ocires vos mie,
Li pante n'est nullui amic, 700
Ains liet toutes les riens del mont,
Qu'ele voit, qi en vie sout.
775 Et se vos esties .i. raillier,
Si vos vauroit eile essillier.
f. 54''2] Certes jou ne l'os mais atendre, 765
A moi garir vauroie entendre.
Jou ra'en vois, a Diu vos commant."
780 A tant s'em parti maintenant
De Lanselot et si le laise,
Le cemin son ceval eslaise, 770
Et li .iii. vallet avec lui,
Qui grant paor orent d'anui.
785 Saves vos que li quars devint
Des valles qui avec aus vint?
II esgarda .i. caisne gros, 775
Le grenor que il vit el bos,
Vers cel caisne s'est acostes
790 Et jure Diu par grans fiertes
Et sainte Bride et saint Andriu, 780
Qu'il ne partira de cel liu 779
Desci a dont que il vera,
Con Lanselos se contenra.
795 Are tendu et saiete en corde
A veu Lanselos s'acorde.
775 estiies.
779 commanc
780 partent
781 laisent
786 uallet.
791 saite.
Die Vorlage der Turiner Rigomer- Episode. 105
Et quant Lanselos Ta veu, 785
Sacies, grant joie en a eu.
Ce n'est mie por le fiance,
800 Qu'il ait en lui n'en se poisanse,
Mais por qou que liardi le vit,
Si beneist Teure qel vit. 790
Et puis li basti eil tel jeu,
Que Lanselot torna a preu;
805 Car ne fust ci dales le fust,
Ocis et devoures i fust,
Donc a parle li rois Artus, 795
Qui longement s'estoit teus.
Bien a öie le noviele
810 De le pantre qi se reviele,
Et voit mout bien que Lanselos
Vora a li combatre el bos. 800
Douceraent l'a a raison mis:
„Lanselot", dist il, „biaus amis",
815 Laisies ester ceste esredie!
Or nel lairai que nel vos die:
Faus est qi se met en essil, 805
Qui oster se puet de peril.
Et nous avons tant cevacie
820 Et nostre cemin ensaucie,
Que bien nous em poons partir.
Et quant ce vient al revenir, 810
Se Diex ci par ent nous ramaine,
Ains i seriens une semaine,
825 Que le pantre ne veissiens
Et a li nous combatisiens,"
D
|ist Lanselos: „Ainc ne vi pante. 815
Certes qi me donroit Maante
f. 54''3] Et .i. quartier de vo roiaume,
830 N'en irai jou, desque le dame
Avrai veue et encontree,
Que diriens nos en no contree, 820
798 eue
802 qil. Entweder qel = que le oder ben('e)ist l'e.qil[le]
803 iu
804 priu
806 Ocist
823 ramane
820 lui; besser Ne statt Et.
828 maäte
106 W. Foerster.
Qu'en arrier Paveriens eue
Et si ne ravcrions veue
835 Ne reqise ne asalie?
Jou li ferai ime asalie
Et temperrai cele puison, 825
Dont ele avra male fuison.
Jou acuiterai le pasage,
840 Ja mais n'i prendra guionaje,
Corament ele mengue geus,
Nes puet garir ors ne argens, 830
Ne armeure que on port.
Ce soit ore a son mal deport
845 Que ja mais en doie mengier!
Jes metrai fors de son dangier.
Bien voi qu'ele est fole et estoute, 835
Et si voi que eis gars nel dote,
Et jou por coi le doteroie?
850 Tornes vous fors de ceste voie,
Et si veres que j'en ferai."
„Voir", dist li rois, „bien le verai, 840
Car jou serrai en vo compaine.
Ja ne rentre jou en Bertaine,
855 Se vos n'iestes ensamble o moi.
Et une cose vos otroi,
Que vos feres, et je ferai, 845
Se vous mores, et g'i morai."
Quant si orent parle andui,
860 Lauselot garde jouste lui,
Si Vit ,i. grant bot de tilleus,
Garni de fuelles et de feus. 850
Saves, comment a esploitie?
Trencie en a une moitie;
865 Tant fist que bien en fu covers
Et ses hauraes et ses baubers
833 Q'nouier, könnte auch namer sein; r ist verklext, könnte vielleicht
auch e sein; doch las Turin auch nommer. Sinn: „so nahe,"
s. die Aum.
844 dep I Rest abgeschnitten, ebenso 845 mei |
846 de son |
847 fole 7 ef |
848 Et fehlt (—1)
850 fors de |
851 Et fehlt
852 Voir dist li roif li rof bn 1 I Rest abgeschnitten; ebenso
853 en vo |
854 Berta |
857 Se — que ie
862 flours T.
Die Vorlage der Turiner Rigomer- Episode. 107
Et ses cevaus des en le eiere 855
Desci en le curpe deriere.
Et bien en acoavri se face,
870 Que li calors mal ne li face.
Quant Qou ot fait, ens en cele eure
Vint li pantre qi ne demenre. 860
Lanselos va a l'encootriere,
Et li rois va a le costiere,
875 Et li valles a l'arc tendu,
Qui en l'autre costiere fu.
Or ne sai jou comment s'en aille 865
Li pantre sans faire bat aille;
Car fu et flambe vient jetant
880 Et Lanselos li vient devant,
f. 54^J Grant cop li done a bone estrine.
Ens en le senestre narine 870
L'a asenee et feri si
Que li Sans vermaus en sali.
885 Poi le blega et neporquant
En fist li pante lait sanblant.
Se il dont s'en vansist retraire, 875
Encor le peust il bien faire;
Mais il na soig de tele guere:
890 Par fine force vout conquerre
Toutes les coses de cest mont,
Que il voit que contre lui sont, 880
N'onques niais tant d'engien ne qist
Con del buison que sor lui mist.
895 Mais s'il ne l'eust ensi fait,
Tous i fust mors par son sorfait.
Encor reqiert le pantre fiere 885
Et a talent q'il le refiere,
Le fust et le fier de la forge
900 Li met el cors par mi le gorge.
Donc fu la pante plus blecie;
Forment s'en est esmervellie 890
De Qou que si mal li estait,
Et si ne set, qui qou li fait.
869 couuri (—1)
877 aill I (abgeschnitten)
884 yssy T.
887 Sil (— 1)
897 reqert le qautre
900 cols
902 Foment
903 estoit
108 W. Foerster.
905 Par devant li a regarde:
Ja l'eust mort et devoure,
Mais bien li sainble par raison 895
Qii'ele ne voit fors le buison. i
Et li rois Artus se ratorne,
910 Le pantre Hert, q'il ne sejorne,
Parmi le cors desi el foie. 90()
Et del vallet, dont dit vos ai,
Encor avant vos en dirai.
915 II ot mis le saiete en Tarc,
Qui le fier ot trencaut et larc;
Le pante trait par grant orguel 905
Si qu'il le consivi en l'uel,
Tres parmi l'uel en le cervele
920 Li met le flece et Talemiele.
Puis li retrait une autre fie,
Sei consivi ens en l'öie. 910
Cis cos ne refist niie mains
De mal, que fist li premeraius.
925 Puis li retrait le tierce fois:
Dont ot ele de ses cous .iii..
Li caisnes fu et grans et les, 915
Et li valles estoit dales.
II n'avoit de le pantre garde;
930 Car li caisnes le vee et garde.
Ne li pante nel puet veir:
A mervelles li puet venir, 920
f. 54^2] Dont gou li vient, qui si li nuit
Et en le cervelle li cait.
935 Dont fu ele mout courecie,
Le tieste a coutremont drecie,
Ne set que avenu li fu. 925
A grant mervelle gete fu:
905 lui
911 fehlt. Die Hs. hat aus Versehen die vorige Zeile (910) wieder-
holt (diesmal quil). T hat: Que son espee ly a enuoie, das sich
leicht als Ersatz des Abschreibers verrät. Vielleicht: Que son
espie Ines li envoie.
918 ens uel Hs.; en luel T.
922 en en
930 le veer garde T
933 (Diese Spalte ist abgewetzt und manches schwer leserlich.) qui]
abgewetzt, scheint eher et (7) zu sein.
934 li cuist T; ][i -i|uist abgewetzt, es scheint noch ein Buchstabe
vor c gestanden zu haben, ich habe li bruist noch zu erkennen
geglaubt.
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 109
Les fuelles argent, li rain briseiit,
940 Des grans calors qi de li issent
Sont li buison entor espris.
Et Lanselos fu si soupris, 930
Que ses cevaus li fu estains,
, Et il meismes si atains,
945 Que il ne set que de lui face.
Li cols li escaude et la face.
S'il ne par fust si bien Covers, 935
Tous i fust ars desi es niers.
Ne quidies pas que il fust aise;
950 Car plus caude d'uiie fornaise
Est Talaine qui de li ist.
Quanqu'ele ataint, art et brüist. 940
Li fiers escaufe et art li cars.
Or a Lanselos a escars,
955 Ce m'est avis, ne bleu ne aise,
Ne autre cose qi li plaise.
Ja fusent tout mort sans atente; 945
Mais li paute avoit grant entente
De gou que ele estoit ferue
960 En l'öie et en le veue;
Et del grant cop de le narine
Et del grant cop desous l'escine 950
Et del fier qi li ert el cors,
Dont li tron^ons ert grans et fors,
965 Et des saietes qil degcivent
Et en le cervelle li boivent,
Espant li sans et li cervelle. 955
Li pante estordist et cancele,
Qu'ele ne set que ele fait.
970 A haute vois s'escrie et brait;
Tant durement brait et henist,
Que toute la foriest tentist. 960
Tel noise deraaine la bieste,
Par tout samble, 90U soit tempeste.
975 On n'alast pas une hucie,
Quant ele est morte trebucie.
940 Les — li fehlt (— 1)
949 qil fust aise (— 1)
950 fornase.
951 qui d
957 mo I
959 ferie
962 Et de celuy T.
965 qi
110 W. Foersfer.
Et Lanselos est trais ariere, 965
Dalös .i. buison de bruiiere
Sc gut estendus et pasmes
980 Con eil qi tous ert escaudes.
Li rois Artus i vient errant,
Qui raout en ot sen euer dolant, 970
Quant il uel voit vers lui drecier.
f. 54^3] Dont n'i ot il que corecier,
985 Dont cuide que il soit sans vie.
De grant duel faire se renvie.
Et li valles qi la estoit 975
Mout graut dolor en remenoit.
Entre lui et le roi Artu
990 L'en porterent sor sen escu
Dessi as autres compaignous.
Li Chevalier et li gargons, 980
Qui d'aus estoient departi,
II orent bien öi le cri,
995 Mais il ne vaurent mie acore;
Car il nes oserent secoure.
Neporquant furent areste. 985
Dales .i. grant caisne rame
Ont Lanselot a terre mis.
1000 Del desarmer sont entrerais.
Premier li ont le brant oste,
Qu'il avoit gaint a son costet. 990
L'ielme li ostent, qi raiex raiex,
Et a Taubere crient et ploureut;
1005 Car il n'en peurent preu oster.
Dont n'i ot que desconforter.
Gieres li osterent a paines. 995
Li rois sent le pous et les vaiiies,
Qui encor li batent el cors.
1010 „Por Diu", fait il, „n'est mie mors
Mes dous amis, mes dous compaing!
Lanselot frere, mout vous plaing! 1000
Gentius Chevaliers et vasaus,
983"Ü" fehlt (- 1)_
985 Bien c. T — q i- soit.
986 f(eren)ui(e) abgewischt.
995 il n- -aurent
1003 qui miex peurent T (eigene Besserung). Wohl eher Lücke
hinter l'auberc Z. 1004.
1007 Gieres (erstes e undeutlich) Hs., tout T (— 1). Es heilst hier
„dann, darnach".
9
1012 ml't -g ----g
1013 chl'r
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 111
Com' esties preudom et loiaus!
1015 Com' esties Chevaliers adrois
Et preus et larges et cortois!
Seul me laires en autre terre! 1005
Or ne sai compaignon u querre.
Ja mais n'avrai tel compagnon,
1020 Qui si port lance ne pignon.
Et se jou revois em Bertaine,
Et vos n'iestes en me compaigue, 1010
II diront tout, si avront tort,
Qua meimes vos avrai mort."
1025 I i rois forment se desconforte,
-■— ^ Mais on set bien que mout est forte
Fortune qi em petit d'eure 1015
Retorne qou desous deseure.
La ou li rois plus se demente,
1030 Dales .i. buisoncel de mente
Estoient tout mu et taisant.
Adont lor vint biel' et plaisant 1020
Une dame blance viestue
(Ainc plus biele n'orent veue,)
1035 Et sist sor .i, ceval tout blanc:
Forment li batoient li flanc;
Car tos venoit et d'auques loig 1025
Men essient por tel besoig;
Et aportoit ens en sa main
1040 .i. ongement vaillant et sain
Dedens une boiste d'ivoire
Ouvree a or et a trifoire. 1030
La dame descendi entr'aus
Clere comme estoile jornaus,
104 5 Le roi et les autres salue:
Li rois fu lies, quant Tot veue.
La dame parla comme sage: 1035
.,Diex", fait ele, „croise barnage
A cel Chevalier qi la gist!"
1050 Li rois l'entent et se li dist:
„Ahi!" dist il, „ma bielle dame,
Por l'amor Diu, proiies por l'arae! 1040
Car li cors n'a mestier d'äie,
Ne jou ne voi que respast mie."
1014. 1015 estes (esties T)
1019 naura
1037 lonc
1053 daiue
112 W. Foerster.
1055 Et li dame en avant se trait,
Fors de le boiste a mis rentrait.
Une paue ot aparellie; 1045
Car ele estoit bien ensaignie
De Qou que ele a faire avoit;
1060 Bien a cief venir en savoit.
De rongement qi souef flaire
A Lanselot oint le viaire 1050
Et le cief et le col entor,
Et puis apres reprist son tor
1065 As espaules et puis as bras.
Tout ensi com' il estoit las,
Le cors, les ganbes et les pies; 1055
Tout si com' il ert mehaignies,
L'a mout bien oint de Fongement.
1070 N'atendi gares longement,
Quant Lanselos fu tous sanes:
De cors, de membres et de les 1060
En est tous li cuirs jus ceus
Et li nouviaus est revenns.
1075 Cil qui la sont, s'en esmervellent,
Basement dient et consellent:
„eist est garis a poi de paine! 1065
C'est ci Marie Madelaine,
S'a aporte de rongement,
1080 Dont ele tist a Diu present."
Auquant jurent saint Bretemiu:
„Ains est la biele mere Diu, 1070
Car autre n'en peust finer."
Ne sevent nient adeviner,
1085 Car ce fu medame Lorie,
Li mousegnor Gavain amie;
Mais adonc ne le sot nus hon; 1075
Car ainc n'i vaut nomer son non.
f. 55'^'2] Mais puis ala li cose tant,
1090 Que le seurent petit et grant.
A Lanselot fist grant bonte,
Car sen ceval li a done. 1080
Puis prist congie, s'en est ralee
Ausi come blance nuee.
1095 Ainc ne sorent, dont ele vint,
Ne ou ala ne que devint,
Et Lanselos remest tous sains 1085
De cors, de menbres et de mains.
1086 .G.
1090 Que i sen uent p. ne g. Hs. ; auch T hat so gebessert
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 113
Li rois en fu joians, si rist,
1 1 00 Et Lanselos ses armes prist.
D
|e le pante avons trait a fin:
Lors se remetent al cemin. lOOO
Ne vos aroit on aconte
En tout le plus lonc jor d'este
110^ Les mervelles, que puis troverent
Et qu'il virent et encontrerent;
Mais tout vos laiserai ariere, 1095
Si vos conterai la maniere,
Por ^ou que Diex l'otroit et velle,
1110 Com' il vinrent a Quintefuele
A cel puint et a cel termine,
Que tout estoit mis en la mine. IIOO
S'a cel jor ne fusent venu,
Li Chevaliers eust eu
1115 Le terre qi mout fu prisie,
Que ja n'en fust lance brisie
Ne cos ferus ne escus frais. 1105
Ja estoit si menes li plais
Et par force et par jugement,
11 '20 Que il eust outreement
La grant tiere, et par son desroi
Ja nel tenist li fiUe au roi, 1110
Qui mout estoit cortoise et biele
Et preus et sage damoisiele.
1125 En ses cambres sist esplouree
Et courecie et tormentee,
Car ne cuidoit avoir secors. 1115
Toute ert amatie le cors
Et li vile si esmeue,
1130 N'i avoit si petite rue
Qu'ele ne fust plaine de plors
Et de tristece et de dolors. ' 1120
Cascuns estoit si corecies,
Grant duel demaine li plus lies;
1135 Mais ja lor iert biens avenus,
Quant lor campions iert venus.
Cil qi le sevent et entendent, 1125
Vers Damediu lor mains en tendent.
1009 dist Hs. und T.
1101 traite
1110 cante fuele.
1129 esmence
1130 rue] r ausradiert.
Ztscbr. f. frz. Spr. a. Litt. XXXIH.
114 \V. Foerster.
N'i a celui qi dire Toie,
1140 Que ne retort son duel a joie,
f. 55'"3] Fors le Chevalier senlcment,
Qui por avoir le tenement 11 3U
Ebtoit de bataille aatis;
Mais eil ea fu mout amatis
1145 Et cascuns qui a lui se tint;
Dolant furent quant li rois vint.
Encor n'ert m'iedis d'asses, 1135
Quant li vasaus s'est präsentes.
Bien ert aparellies li pars
1150 Et li baron de toutes pars
De fors le vile en une plaine
El plus biel liu de le campaine. 1140
L
i rois cevauce et Lanselos
Pres de le vile les .i. bos.
1155 La unt .i. vallet encontre,
Qui tout lor a dit et conte 1144
Del Chevalier et de la darae, ^
Qui tolir li veut son roiaume. ^
Li rois en fu mout corecies: 1145
1160 Envers le parc s'est adrecies;
Quant il la vint, s'est descendus.
Ases i a contes et dus,
Qui bien le furent connisant.
Ce furent li plus florissant, 1150
1165 Car a sa cort orent este
Aucuns et ivier et este;
Mais tout nel conuisoient pas.
Li uns deniande l'autre em bas:
„Dien! qi puet eis Chevaliers estre? 1155
1170 II se combatera puet c'iestre."
Auquant dient: „Ains est venus
Mien essient li rois Artus.
Pieg'a avons öi retraire,
Qu'il doit ceste bataille faire. 1660
1175 Se c'est il, ja porons savoir,
Qu'il vaura le bataille avoir."
Bien fu li pars aperellies
Et tous li pules arengies.
1139 loe
1169 chl'r
1170 pue fiestre
Die Vorlage der Tunner Rigomer-Episode. 115
Li Chevaliers se represente, 1165
1180 Con drois fu et lui atalente.
Li pucele n'i estoit mie,
En cambres ert tote esmarie.
De par sa mere .i. oncle avoit,
Qui se parole maintenoit. 1170
1185 Et li Chevaliers est venus
La ou estoit li rois Artus.
>Sire", fait il, „qi estes vous?
Par vo merci, dites le nousl"
„Jou sui", fait il, „Artus li rois". 1175
1190 „Por ^ou", fait eil, „soit maleois,
Qui vos araena en cest estre!
Miex vos venist estre a Vincestre
f. 55^1 ] ü el päis, dont vous venistes.
Vous sares bien, que vos qesistes, 1180
1195 An^ois que vos en revoisies."
^Yasal, trop estes envoisies
Et orguelleus et trop plains d'ire.
Ce ne deusies vos pas dire!
Ancui pora bien avenir, 1185
1 200 Quant mis serons al coaveuir,
Que vous feres vostre pooir,
Et jüu, se Diu piaist, mon voloir;
Car a tort calengies le dame.
Toute sa terre et son roiaume 1190
1205 Ci sui venus por desrainier."
Dont u'orent soig de plus plaidier,
Ains les mist on, si con nioi samblc,
Ens el parc por conbatre ensamble.
Lors tint cascuns lance sor fautre: 1195
1210 Li uns esgarde contre l'autre.
Lors s'entrefierent par vertu.
Mais tant vos di del roi xVrtu,
Que il abati le vasal
Plaine se lance del ceval 1200
1215 Par merveleuse mesestance.
Lors dient tout: „Cest mesceance,
1187 Si rofait
1190 fait 11
1192 uicesie.
1197 piain.
1201 Q. veus.
1208 cenbatre.
12 IG lefte mefcace.
1 1 f> W. Foerster.
Quant cheus est li preus, li fors.
Ancui iert aparans li tors!"
Quant li rois voit celui ceu 1205
1220 Del grant cop qu'il ot receu,
Dont li ramembre main a main
De Lanselot et de Gavain,
Qui sen estrier tint al monter.
La fist li rois Artus quc ber, 1210
1225 Qu'il nel vuet pas montes requerre;
De son ceval descent a terra.
Et eil redrece, ce saci6s.
Or ont andoi les brans sacies,
Ensamble vont a rescremie. 1215
1230 L'uns fiert et l'autres ne faut mie,
Mais li rois Artus fiert avant
En l'escu, qu'il li mist avant,
Qu'il li a fendu a moitie.
Et eil le ra si pres coitie, 1220
1235 Qa'il li jeta une retraite,
Se ne fust la targe a or faite,
Feru l'eust parmi le cief;
Mais il recuevre de recief:
.ii. cauls li donne et puis Tempaint. 1225
12-10 Mais li rois Artus ne se faint
De lui repaier, puis s'esforce,
A tant que Dius li preste force,
Le fiert .ii. caus en .i. taille.
f. 55^2] Fendu l'eust dusqu'en l'entraille, 1230
1'245 Se li brans n'alast eskivaut.
Sor l'espaulle descent ruiant,
.0. mailies trence dou hauberc
Et en la car li fait tel merc,
Petit s'en faut, n'est afoles. ]"2o5
1250 Dusqu'en terre est li brans coles
Si parfont, qu'a paines Ten trait.
Cil ki niestier aroit d'entrait,
Se trait ennii le parc ariere.
„Rois," fait il, .,il m'est bien aviere, ]2'10
1255 Que ne me voles pas norrir.
1217 prcus et li. (+1)
1222 .G.
1225 nel uet.
1232 deuant T.
1238 recuurp.
1254 bn uiero (—1)
1255 noiiiir; T; nonir.
Die Vorlage der Turiner Rigomer- Episode. 117
Certes, je aim mius a morir
Que je n'abace vo posuee."
A tant li vient brace levee,
Grant cop le fier en l'aume amont, 1245
126U Le cercle dore li desront,
Tres qu'a la coife l'a fendu.
Por .i. poi n'a trop atendu
Li rois, qui dou branc si le haste,
Que tot ausi, con se fust paste, 1250
1265 Le fent dusqu'en la poiterine.
Et eil ciet mors pance sovinne
Tos estendus encoutre terre.
De lui est finee la guerre
Vers la dame de Qiiintefoille. 1255
1270 Cui que soit grief ne cui que doUe,
Cele en est et joians et lie;
Corant s'eu vient o sa maiunie
Par mi le parc, as pies le roi
Se laist cäir par tel desroi, 1260
1275 Por poi ne fu tote froisie.
Mais li bons rois l'a redrecie
Entre ses bras mout docement,
Et cele li dist en plourant :
„Sire, li rois de mäiste, 1265
1280 Qui en lui a tote bont6,
Vos renge, bons rois, entresait
Le gent secors que m'aves fait. 1268 *)
Car se vos ne fuisies et Dius, 1271
Qui as siens est amis et pius,
1285 Je fuisse hui morte et escillie
U fors dou roiaume cacie."
Et li rois li dist en riant: 1275
„Amie, u'ales souspirant!
Cil est aidies, cui Dius regarde,
1290 De cestui n'ares vos mais garde."
Lors s'entreprisent par les mains,
Et Lanselos li vient a l'ains 1280
QuMl pot, si montent en la sale,
Qui n'estoit ne laide ne sale.
1295 Puis ont fait desarmer le roi
Et Lanselot aveuc le roi.
1284 Qui a siens.
1290 naies Hs,; narez T.
1293 II — en lale (-1).
*) hier hat T zwei Verse eignen Fabrikates eingeschoben.
118 W. Foerster.
f. 0^2] A cascun .i. valles aporte 1285
D'efkerlate mantiel et cote,
Et puis fait on l'aue corner:
1300 Le roi Artu fait on laver,
Et li autre levent apres;
Car li mangiers estoit tos pres. 1290
AI mangier s'asient ensamble:
Li rois Artus, si con moi samble,
1305 Si con drois fu, trestous premiers
S'asist et la roiene apries,
Por cui il ot fait la bataille. 1295
Devant aus deus Lanselos taille,
Et .i. autres servoit dou vin,
1310 Bien sacies, se je n'adevin,
Qiie ne sai los nies acunter.
Apres mangier si fönt oster 1300
Les napes, et puls si laverent,
Pluisors espeses aporterent
1315 .ii. puceles de renc en renc.
Vin aporterent et piument
.ii. autres, qui sanbloient fees, 1305
En nes et en coupes dorees.
Apres s'en vont esbanoier
1320 Tres que ce vint a l'anuitier.
Dou souper ne fa^ mension:
Ases i orent par raison. 1310
Quant tans fu, si fisent .i. lit
.ii. puceles par grant delit,
1325 Et li bons rois i vait coucier;
Lanselos fu au descaucier.
Puis se recouca Lanselos 1315
En .i. autre lit a repos.
Tres que ce vint a l'ajornee,
1330 Que li solaus par la contree
A espandues les clartes,
Dont s'est li rois Artus leves 1320
Et Lanselos, puis s'atornerent,
Congie prisent, si s'en alerent.
1297 cascuns.
1299 Puis faite on ). c. (— 1).
1306 aps.
1314 Plusers.
1315 derec enrenc.
1326 Et L. (—1)
132fi 7 L. (-1-1).
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 119
1335 X i cuntes nos dist, ce me sanble,
-Li Qu'il oDt tant cevaucie ensanble
A csperon sans nul arest, 1 325'
Qu'il entrent en .i. forest
Qui mout estoit et grans et lee.
1340 ' Tant oirent qu'en .i. valee
SoDt enbatu li doi vasal,
Et quant vinrent el fons d'un val, 1330
Si trovent .i. praerie
De totes flors si bien florie,
1345 Qu'ainc iius ne vit si biele a painue.
Enmi avoit .i. fontainne,
Dont li ruissaus estoit plus clers 1335
Que ne soit cristau3 esmeres.
Li rois a coisi le ruissel . . .
(Rest feblt.)
•
Wenn man C mit T in St. 's Druck und mit B.'s Glossen S.
144 — 147 (das vorausgehende — Schreibweisen von T, S. 133—144
— kann ich ganz außer Acht lassen) genau vergleicht, so sieht man,
daß auch B.'s Abschrift, wie er ja selbst von vornherein zugibt, nicht
felilerfrei ist; denn wenn St. mit C gegen B. stimmt, so ist doch anzu-
nehmen, daß St.'s mit C übereinstimmende Lesung auch in T stehen
muß. Es lehrt dies, was ohnedies jeder, der viel Hss, abgeschrieben
hat, leider nur zu gut weiß, daß auch bei größter Aufmerksamkeit
und genügender Übung doch immer wieder kleine Versehen, Flüchtig-
keiten unterlaufen, die auch einer Nachkollation nicht immer vollständig
weichen, wie denn überhaupt die Aufgabe des ein laeditum Ab-
schreibenden eine unvergleichlich schwierigere ist als die des diese
Abschrift kollationierenden Nachfolgers.
In folgenden Stellen hat, wie hier eigens bemerkt sei, Stengel-
Feist gegen Brugger Recht:
14 cavee
89 lisoit
122 Cau
125 li
137 esperonz
181 Yvain
303 Qui ne
397 tout
453 En riant (freilich auch St. falsch.)
856 crupe
Der Herr Rezensent knüpft an die Vergleichung seiner Abschrift
mit St.'s Ab'lruck auch andere Bemerkungen an, die sich mit der
Textkritik gelegentlich beschäftigen und auf die ich daher kurz, soweit
120 W. Foerster.
sie es verlangen, hier eingehe. Zu dieser B.'schen Kritik des St'schcn
Textes sei bemerkt, daß (zu 453) der von B. gewollte Hiatus
nicht erlaubt ist; 428 hat die Vorlage: Et entre en une terre
estrenne. 1061 ist natürlich nur St's jus für den Text möglich; ein
Reim viex (vetulus) : vis ist ausgeschlossen; auch 439 steht vis, das
nur vivus sein kann, wie der Sinn sichert. 1087 ein Adj. joial ist
undenkbar; Go^.^ joiaument ist ebenso wie das so häufige esraument
nichts anderes als ursprüngliches -anment. 1149. Was Turin hat,
kann ich ja nicht wissen; aber St's furent^ wofür B. firent las, steht
auch in der Vorlage und ist so gesichert. Zwar B. bemerkt: „furent
gibt kaum einen Sinn" — allein es ist der einzig mögliche Sinn,
dagegen B.'s firent c. ist ausgeschlossen: „es gab dort genug Grafen
und Herzöge, die den König kannten (die bekannte Umschreibung
mit estre und dem Part. Präs.); denn sie waren an seinem Hof ge-
wesen. Aber alle kannten ihn nicht, diese frugen daher" usf. —
Endlich S. 147 (Mitte) wird behauptet, daß der Text das Nom.-i-
bei pere, sire, meldre nicht kennt; die Reime beweisen das Gegenteil.
Freilich debonnaires hat s nicht; für ihn ist es noch de bone aire^
trotzdem er schon ein debonairement hat.
Allein der Herr Rezensent begnügt sich nicht damit, den
Stengeischen Abdruck zu besprechen; er wendet sich am Schluß seines
Aufsatzes S. 148 — 155 zu einer Besprechung von an sich schwierigen
oder dunklen Stellen. Wenn schon der erste Teil seiner Ausführungen
keinen rechten Zweck hatte, so begreift man noch weniger, was er
mit diesem Schluß eigentlich will. Denn da er nur die Abschrift,
nicht die Vorlage (die Chantilly-Hs.), vor sich hat, so ist ja eine
solche Behandlung zwecklos, da ja die behandelten Stellen in der
Vorlage klar und verständlich sein können. Nun trifft es sich aber,
daß dies letztere nur zu oft nicht der Fall ist, wie denn nicht nur
die Schlußepisode, sondern ganz Rigomer in der Chantilly-Hs. in
recht fraglicher Weise uns überliefert worden ist. Der Text bietet
immer wieder kleinere und größere Schwierigkeiten, auch solche,
deren Lösung sehr unsicher oder ganz unmöglich ist. Nun entwickelt
aber der Rezensent in diesen seinen kritischen Bemerkungen zum
Text mehrfach ein scharfes Urteil und einen gewissen Scharfblick sowie
Emendationsgabe, so daß dieser Teil für das Übrige entschädigt und
man wünschen mag, daß er, der, wenn ich nicht irre, hier zum
erstenmal dieses Gebiet betritt, sich auf demselben noch öfter mit
wachsendem Erfolg versuchen möge.
Da dieser Teil seiner Besprechung mir Anlaß gibt, eine Reihe
von Stellen, die ich ebenso in meiner Rigomerausgabe zu besprechen
hätte, zu bebandeln, so laß ich hier, auch um meine Ausgabe zu
entlasten, einige kurze Glossen folgen:
62. Auch in der Vorlage (C) steht: Quele ne uelle faire ausi,
von dem B. sagt: „was keinen guten Sinn gibt"; weshalb er QuHl
ne le vuelle ffaire ausy ändern will. Allein die Überlieferung ist
Die Vorlage der Turiner Riyomer-Episode. 121
tadellos. Der Beansprucher der Erbschaft bedroht jeden, der zur
Tochter hält, mit dem Tod. „Nun haben die Leute eine ebensolche
Furcht vor ihr, daß sie nicht ebenso handeln wolle", d. h. anderer-
seits fürchten die Einwohner, daß sie nicht ebenso jeden, der zu ihm
hält, behandele.
77, 78 ist in T unverständlich; auch C: Et les mauvaises en
£scumes ist nicht besonders glatt, da ein Subjektswechsel und ein
Wechsel in der Anrede (hier ,I)u', in der nächsten Zeile ,Ihr')
eintritt. Dies hat die Sucht nach einem seltenen Reim verbrochen:
„0 König, an dessen Hof die guten Gesetze herrschen und < von
wo > du die schlechten entfernst." Wegen des escumer vergleiche
die Formen mit n in Baud. von Conde S. 396 und Z. f. r. P. I, 258.
Es heißt .den Schaum entfernen'. 179 — 182 will B. zögernd
alle vier Yvaine zugleich Objekt zu voua und Subjekte von presenterent
in 182 sein lassen, was in einer Anmerkung als aj^r^ixa dizo xo'.voö
erklärt wird. Dagegen spricht aber deutlich der Nom. (y fiex in
181 = C, der also gesichert ist und diese Zeile zum Subjekt macht.
Darnach wäre also nur 179. 180 von Es vos abhängig. Allein was
soll dann der Plural presenterent? Er hängt ganz in der Luft, und
so nützt eine Änderung 181 Yvain le ßl gar nichts. Man muß
dann 179 allein von es vos abhängen lassen und 180. 181 als
Nominative folgen lassen, zu denen dann der Plural presenterent an-
standslos paßt; dem widerspricht aber der durch Reim gesicherte und nicht
zu entfernende Akkusativ 180 Y. le bei. Es ist klar, daß hier ein
stärkerer Eingriff nötig ist. Ich mache 179. 180. 181 abhängig von
Es vos und ändere 182 [CilJ s'i present(er)ent. 201. B. will gegen
St. den Hiatus mie oi halten — unmöglich; der Hinweis auf 702
ist hinfällig (C anderer Wortlaut) und 692. 781 sind ganz ver-
schieden, da es sich hier um que il handelt, die immer erlaubt waren.
Ebenso falsch, was B. 340 sagt. Weder Rigomer noch die Episode
läßt einen solchen Hiatus (wie mie usf.) zu. 232 — 4. St. hatte
hier nach 232 eine Lücke angesetzt, wogegen sich B. wendet.
Aber seine Erklärung ist keine Erklärung und hat die Schwierigkeit
gar nicht begriffen. Die Lücke, die sich schon in C findet, ist ganz
sicher; in derselben muß der Begriff roi (König) gestanden haben.
Ohne ein solches roi ist die ganze Stelle unverständlich. Der eigent-
liche Gedanke, daß Artus keinen mächtigeren oder tüchti-
geren König als er ist kennt, fehlt jetzt gänzlich im Text, und
doch ist er der Schlüssel der ganzen Episode. In dieser Lücke hat
also gestanden: ,[Ich habe volles Recht, zu lachen; denn es gibt
keinen mächtigeren König, als ich es bin]', der jetzt zu meinen
Lebzeiten regiert. Natürlich Sprech ich nicht vom Himmelskönig, sondern
nur von irdischen Königen usf.' 419. qui angois pot T ist eine gute
Besserung des unverständlichen C und ist gegen B. im Text zu be-
lassen; denn das von B. in 420 verlangte Ei rois en maine L. steht
in C. 394. Der Text wendet unterschiedslos die pik. (vo) oder
122 W. Foerster.
franz. Form (vostre) an. 612 (lies Gll) C gibt St. gegen R. Recht
612. St.'s si ist ebenso gut. tout wi cemin steht auch in C: ,über
die ganze (sichtbare) Länge eines (sich vor ihnen öffnenden) Weges
blicken sie hin und gewahren . . .'. 629. U ame ist tadellos I
Auch C hat li arme. Nicht nur der Schreiber, auch der Dichter ist
Nordfranzose und gebraucht den Nominativ des Fem. (li) neben
dem franz. la oder mundartlichen le ohne Unterschied. Nach Li ist
natürlich, wie bekannt, der Hiatus berechtigt. Dasselbe gilt von 648!
744. A hon iJieu (das auch in C steht) bessert B. in Au, und da
es ja nach christlicher Auffassung nur einen Gott gibt, scheint die
Besserung einleuchtend. Ich möchte gleichwohl lieber mit St. A stehen
lassen. Wie oft betet man zu demselben einen Gott, ohne das Er-
flehte zu erreichen! Ich würde also erklären: .Da haben wir heute
zu einem gut gestimmten Gott gobetet.' 744 nein; rad ist verlesenes
mii. 768-771. B.'s Besserung (Sing. 768). 9) ist durch den Sinn geboten
und ist durch den Sing, eslaise 110 in C gesichert. Die Änderung
Le cemin (so auch C) in Au c. aber ist abzuweisen, einmal wegen
des von Dichter nicht sehr beliebten Enjambement (723 ist deshalb
verdächtig), dann weil le cemin (die Wegerichtung) in ihrer Ausdehnung
nicht anzufechten ist. 790. Si, das B. slreiclien will, darf nicht
fehlen, denn die Zeile 789 gehört als Gegensatz zu 787-8; daran
reiht sich der Satz 790 selbständig an, daher si nötig. St.'s Besserung
h€n(e)y wird durch C (Si be^ieist teure gel vit) nicht gestützt, ist
aber an sich zulässig. Der Dichter verwendet nach Belieben die
ältere oder die spätere Form. 820-822. Sehr scharfsinnige Besserung
B.'s; und öie würde den Vers 821 halten und entspricht wohl dem
Sinn. .Allein sein erschlossenes Partie, veie vom nordfranzösischen
veir hab ich nie und nirgends gefunden, wenn auch von vornherein
dagegen nichts einzuwenden wäre. Dasselbe gilt von si'ir, cäir u. a.
Vielleicht wird mir B. aus seinen Sammlungen tiew Desc. 3911 (sogar
durch Reim mit aj7iie gesichert) entgegenhalten wollen; allein er
täte nicht gut daran; denn dies ist eine bloße Phanfasieform Hippeau's,
der zwischen den beiden Zeilen eine ganze Spalte der Hs. au-gelassen
hat und dann veue der Hs. (reimend mit conneue, während amie
mit compaignie reimt) in veie schlimmbessert hat. — Das Schlimmste
ist, daß unser Text auch in der Vorlage unklar i>t; denn die Zeile
821 lautet dort: Q'naiiier, wobei a auch o und r ebenso e sein
kann. Der Turiner Schreiber las es nomer, ich hatte seiner Zeit
nomee gelesen, das mich aber wenig befriedigte. Es sollte dann
soviel etwa bedeuten können, wie: Que an la nos avroit nomee, also
gleichsam: „daß wir dieselbe genannt d. h. als eine uns genannte
{beste) gehabt hätten", d. h. dem Sinn nach, was B. hineinemen-
dieren wollte. Ich habe nun glücklicherweise ein genaues Faksimile
hingemalt (was leider nur an zu vielen Stellen der sehr nachlässig
geschriebenen Hs. nötig gewesen ist!). Dieses Faksimile erlaubt auch
QxCen arrier zu lesen, das dann ,zeitlich zurück', d. h. ,vorhei',
Die Vorlage der Turiner Rigomer-Episode. 123
,el)emals' heißen müsste. 845-846 ist auch in der B.'schen Erklärung
nicht zu halten (abgesehen von dem selbstverstcändlichen Komma vor
et; auch das i in qH ist nicht so arg, wenn es auch im Vordersatz
fehlt). Denn was B. in Klammern [ ] hinzudenkt, kann vom Leser
nie vorausgesetzt werden. Die Verderbnis steht schon in C und
steckt in der Zeile 845. Die Symmetrie mit 846 lehrt doch sofort,
daß dort stehen muß: Se vos /eres, et je ferai, falls damit ferir
(nämlich die pante) genannt ist, vgl. 823-4. Ist aber /a^Ve gemeint,
das aus 839 herübergenommen wäre, dann muß es heißen: Que vos
feres, et je ferai. 849. Gegen den Reim tilleus : fleurs, der in T
steht, wäre an sich nichts einzuwenden, wenn auch die Erwähnung
der so unscheinbaren Blüten bei der Linde auffallen könnte. Nun
ist aber ßeurs (oder in der Turiner Schreibung flours) bloß eine
Konjektur von T; denn C hat: feiis! Dieses kann aber richtig sein
und heißt dann ,B!ätter'; denn feiiil (folium) ist im Altfranzösischen
ganz gewöhnlich. Es schiene dann, Adi2i fuelles et fens (d. h. fueus)
neben einander eine unnütze Wiederholung wäre. Allein man ver-
mißt doch dem Sinn nach neben den ,Blättern', mit denen sich L.
bedeckt, E. anderes als die ,BIüten', namentlich die ,Äste oder Zweige'.
Nun zeigen mehrfach Stellen (4 Stellen schon bei God.) daß fueil
dies wirklich bedeuten kann, wie denn umgekehrt nach der von
Lacurne aus dem Modus zitierten Stelle fueillet dieselbe Bedeutung
hatte, sodaß man dann nur fuelUs zu lesen hat. Aber auch fiieille
S'^lbst findet sich in dem Sinn von (belaubtem) , Zweig' oder ,Ast',
vgl. Heraklius 434. Ich hatte zuerst dem Sinn nach rameis oder
raincels bessern wollen; dann dachte ich an /rasches, das ich aber
bisher im Altfranzösischen nicht belegen konnte. 899 Die Zeile fehlt
in C und ist von T eingeschoben worden. Für die Zeit des Schreibers
ist dann so7i beim Fem. nichts auffälliges. 937. An sich ist
gegen B.'s ., evidente" Besserung, die fehlende Silbe durch [aj aise
zu ersetzen, nichts einzuwenden; aber estre aise ist so ganz gewöhn-
lich, daß die Besserung qrie il statt qil viel natürlicher ist. 953.
qui la = pik. qidl ist ganz gewöhnlich und nicht anzuzweifeln. Es ist
freilich eine (sichere) Besserung T's, da C nur qi hat und degoivre (abs.)
hier kaum paßt. 961-2. St.'s Besserung ist trotz dem, was
B. sagt, tadellos und wird durch C gesichert. 1017-8. Die
von B. verlangte Parenthese versteh ich nicht. 1020-8 hatte ich
genau so aufgefaßt wie St. und tu' es B.'s Bemängelung gegenüber
auch jetzt. Nur hatte ich in meinem Text nach 1023 ein : gesetzt,
da das folgende sich auf ceval bezieht; ferner habe ich 1026
nach besoig ein Semikolon gesetzt. 1040 Vame hat auch C und ist
nicht anzutasten. Gegen B.'s, „man erfährt nicht, für wessen Seek
gebetet werden soll", sei bemerkt, daß dies angesichts des leblos
hier vor ihnen liegenden Ij. selbstverständlich ist. Dazu kommt, daß
tarne, der Artikel (und nicht das B.'sche Poss.-Pron.) sogar vom Sinn
verlangt wird als Gegensatz zu li cors 1041. 1041-2. Die Schwierigkeit
124 W. Fo erster.
löst der Text von C. 1072. Der Dichter gebraucht iiient (noient)
und nient (einsilbig) nach Belieben. 1138. Jede Änderung unnütz,
und gar 1180! Hier ist nichts ironisch, sondern es ist eine unver-
blümte Drohung: „Ihr werdet dann wissen, was Ihr hier suchtet!-'
nämlich ,Euer Verderben'! B. hat die Stelle mißverstanden, wie
seine Bemerkung: „A. wußte ja schon längst, was er suchte, oder
weshalb er kam' zeigt. Davon sprich tsein Gegner hier nicht, sondern
vom Ausgang des Kampfes und den konnte keiner von den beiden
voraus wissen. 1202. 1226. Die Schwierigkeit und Lösung liegen
anderswo, s. C. 1229. Auch ich hatte dies le seiner Zeit in li
ändern wollen, gab es aber angesichts von 1245, der in C genau so
sagt: Grant cop lefier en laume amont auf. 1235 hat St. wieder
recht gegen B., ebenso 1291-1295. Der Reim premiers : apnes ist
nicht anzutasten, da er durch die Analogie anderer Reime gesichert
wird. Damit ist B.'s Anzeige endlich zu Ende, leider aber nicht zu-
gleich das Ende der Unebenheiten, Härten oder Unsicherheiten in dem
Text, deren einen Teil ich in meiner Ausgabe behandle und wolil
auch löse, während ioh das Übrige der Mitarbeit der Fachgenossen über-
lassen muß.
Eine letzte Frage könnte man hier noch aufwerfen. Bereits G.
Paris hatte gefragt, ob diese Episode noch zu Rigomer gehört oder nicht
vielmehr ein selbständiges Gedicht sei, das erst später dem ersteren
augehängt worden wäre a, a. 0. S. 94; man lese besonders die von
G. Paris dort zitierten Übergangsverse nach. Diese interessante
Frage hat weder St. noch B. berührt. Sie läßt sich einmal durch
einen Vergleich der beiden Gedichte, sicher aber nur durch eine ver-
gleichende Untersuchung der Sprache, besonders der Reime, entscheiden.
Diese Untersuchung halte ich für meine Rigomerausgabe, wohin sie
gehört, zurück.
W. FOBRSTER.
Berichtigungen zu S. 81 ff. S. 82 Anm. 5. Der Druck ist inzwischen
bis Bogen 24 vorgeschritten. — S. 83 Z. 1 /. mehreren; Z. 3 l. letzten; Z. 8
Komma hinter T. — S. 85 V. L. 22] l. 23. — S. 87 V. 101. Vielleicht besser
la senee zu trennen; V. L. 136 turbau] /. turbare. — S. 93. V. L. 349
streiche | . — S. 94 V. L. 381 /. doni. — S. 97 Die linken Randziffern sind
von 520 bis S. 98. 535 um eine Zeile hinaufzurücken; V. 515. Vielleicht
Que il zu bessern. — S. 98 V. 554 l. sans. — S. 99 V. 574 Punkt! V. 577
Komma nach Comment? — S. 102 V. 704 l. N'a; V. 709 l. Atout. — S. 103
V. 733 streiche Komma nach raie. — S. 104 rechte Randzählung 700] l. 760;
V. 793 l. adont; V. L. 791] l. 795. — S. 105 V. L. 802 /. l'e. q'il [le]. —
S. 106 V. L 833. /. s. die Bemerkung S. 122 zu 820—822. — S. 107 V. 879
Punkt. — S. 110 V. L. 1007 hiefs] l. hiefse; V. L. 1012 -g] /. .u» . — S. 112 V.
1065 Komma; 1067 Komma.
W. F.
Syntaktisches.
I. Mais, pourquoi lä, jiistement, ä deux pas de
l'Eeole Militaire, oü soii regiment est caserne, ä l'autre?
schreibt Coppee in seiner bekannten Novelle La vieille tunique, die
unter anderen auch G. Franz mit einer Reihe weiterer Erzählungen
desselben Verfassers für deutsche Schulen ausgewählt und trefflich
kommentiert hat (Leipzig, Stolte, 1895; S. 26). Der ungewöhnliche-
Zusatz ä Vautre, der sich an son regiment anschließt, ist auch dem
deutschen Herausgeber nicht entgangen. Seinem Erklärungsversuche
(Änm. S. 14) wird man aber wohl nur teilweise zustimmen können.
Gewiß handelt es sich um eine volkstümliche Ausdrucksweise; sie
findet aber schwerlich ihre Erläuterung durch Ergänzung eines celui.
Auf den richtigen Weg führt W. Kramer, Die Syntax de.^
Possessivpronomens im Französischen, Göttingen 1905. Seite 37
trennt dieser von der gewöhnlichen Art der Verstärkung des Possessivs
durch angefügte betonte Formen des persönlichen Fürworts (le camr
a sa memoire ä lui) eine zweite Art von Verstärkung, die formell
zwar ganz gleich geartet, inhaltlich aber mehr dazu bestimmt ist,
dem possessiven Verhältnis besonderen Nachdruck zu verleihen (mon-
malheur, ä moi, cest cfetre ta femme). In den gedruckten Texten
erscheinen solche Zusätze gewöhnlich durch Kommata von der Um-
gebung abgetrennt.
Eine Weiterentwickelung von 7n07i malheur, ä moi, zu son
regiment, ä Vautre, lag um so näher, als Wendungen wie notre
maitre ä tous schon länger geläufig waren (Kramer S. 38) und eine
pleonastische Ausdrucksweise der Pariser Volkssprache nach der Form
son fils ä M. Sanson (Siede, St/nt. Eigent. S. 25) ihren Weg bereits-
seit Sardou und Gonco irt in die Schriftsprache gefunden hatten
(Belege, von Prof. Stimming beigesteuert, bei Kramer, S. 71).
Coppee bedient sich übrigens der besprochenen Verstärkung mit
ä Vautre bald nach der oben hervorgehobenen Stelle noch einmal:
Ah! d'abord, je ne peux pas vous dire son nom, ä Vautre,
puisquHl Vit encore (Franz, S. 26). Es scheint überhaupt, als ob
verstärkende Zusätze dieser und ähnlicher Art in der Literatur-
sprache der neuesten Zeit in weiterem Umfange Bürgerrecht erlangten:
Je n''ai pas envie d'attraper ses petits sermons, ä cette pauvre-
126 E. Uhlemann.
rnaman (Gyp, Autour du mar. 182). — Apres pa, pidsque
cetaient ses iiUes, ä ce bon Jac(]ues, il eilt pu tomber moiiis
bien (2 Margueritte, Le Prisme, RM., 15 Dec. 1904, S. 793). —
Nos bätemix\ ä nons Japonais, en ont-ils Je pareils (=zcanons)f
(P. Loti, La trois. Jeun. 201). — Sa cuve etait enorme, ä celui-lä,
et eile devait peser lourd (1. c. 317). — Par bonheur, son Lunois,
ä ma chere Djavide, son Lxinois si imprSvu me fait rire
comme eile (P. Loti, Pes Desenchanths 86). — Le soir, il refut
iine lettre de Zeyneb . . . jamais aucune amertume dans ses
plaintes, ä Zeyneb (l. c. 351).
Als eine Art Vermischung der älteren und der neueren eigen-
artigen Ausdrucksvveise möchte man es ansehen, wenn man in einem
Artikel der R.M. liest: (Jean de Gassion) resolut d'offrir son
epee au roi de Suede . . . et de lui conduire ses trovpes, ä lui,
Jean de Gassioji, car il n'entendait pas se presenter seul (nach
Beschnidt, Hervorhebung von Satzteilen, Progr. Breslau 1904, S. 21),
— oder wenn Loti in seinem neusten Romane schreibt: cest leur
röle, ä elles et ä leurs milliers de steurs, . . . d'apporter
dans la vieille ville fatiguee, le tresor de leur sang pur (Les
Lesench. S. 87).
Es soll übrigens nicht verschwiegen werden, daß das erste und
das letzte der den Lesenchantees entnommenen Beispiele in einem
Briefe der türkischen Heldin begegnen. Diese aber verdankt ihre
Kenntnis des Französischen einer alten Gouvernante: qui lui avait
oppris le franpais, en y ajoutant meine, pour rire, sur la fin de
■ses cours, un peu d'^argot cuedli dans les livres de Gyp
(Desencli. S. 17).
II. Des enfants puisaient Veau d^tine foniaine et la
\ersaieut sur les vieux iiaves autour des iumeurs.
Wie soll man in der vorgedruckten Stelle, — sie ist aus Loti,
Jjes Dhenchantees, Paris 1906, S. 242 entnommen, — den Genitiv
d'une fontaine verstehen? Ist es, um mit der Schulgrammatik zu
reden, ein genitivus possessivus oder ein genit. separativus. oder anders
gesagt, deckt sich puisaient Veau d'une fontaijie grammatisch mit
hauriebant aquam fontis oder mit hauriebant aquam ex fönte '^ Ist
aber letzteres der Fall, sollte man da nicht vielmehr erwarten Les
enfants puisaient Veau ä (dans) utie fo7itaine? Wörterbücher und
Grammatiken verzeichnen und fordern ja gerade bei piciser wie bei
anderen Verben des „Entnehmens" Ortsbestimmungen mit d oder
dans und warnen vor dem Gebrauche der Präposition de^ die nach
unserem Sprachgefühl gerade als das Naturgemäße erscheinen
möchte.
Freilich sind ihre Angaben recht kurz, und beschränken sich
meist auf eine Zusammenstellung bestimmter Wendungen, wo der
Syntaktisches. 127
eben charakterisierte eigenartige Sprachgebrauch zu beachten sei.
Will man über die oben aufgeworfene Frage zu einiger Klarheit
gelangen, so wird man eigenen Erwägungen nicht aus dem "Wege
gehen können.
So viel sieht man leicht: der Franzose denkt bei den Verben
pidser, böire (c\ dans) usw. an den Ort, wo die Tätigkeit des Ent-
nehmens sich vollzieht, wir betonen den Punkt, von wo aus das
Schöpfen, Trinken usw. erfolgt.
Aber woher kommt diese eigenartige Verschiedenheit? Maetzner
erklärt sie, indem er eine nicht ausgesprochene aber deutlich gefühlte
Vorstellung des Eindringens in den umschlossenen Gegenstand für
den Franzosen ausschlaggebend sein läßt {Synt. I 280 und
besonders deutlich Gramß 428). Ganz neuerdings findet G. Dubray
(Fautes de francais\ Wien 1906, S. 35 f.) mit Berufung auf Aus-
führungen M. Draals die Erklärung in der Analogie des Gegensatzes:
weil man sage mettre du linge dans üarmoire, habe man auch bei
der entgegengesetzten Tätigkeit dans beibehalten (prendre du
linge dans Carmoire). — Wer aber die Verhältnisse vom sprach-
geschichtlichen Standpunkte aus betrachtet hat, ist gewiß zu einer
anderen Erklärung gelangt, die größere Wahrscheinlichkeit für sich
hat. Ihr soll zunächst etwas weiter nachgegangen werden.
Mätzncr bezeichnet {Synt. I 280) als mit dans (ä) zu ver-
bindende Verba des „Hervorholens", Entnehmens zunächst puiser,
manger, boire und prendre, um ihnen bald darauf fumer und
choisir anzufügen. Aus dieser Zahl scheidet bei einer historischen
Betrachtung sehr bald fuyner als Analogiebildung aus; bei puiser ergeht
es nicht besser, wenn es auch bereits im Afz. volles Bürgerrecht
erworben hat. Als germanisches Element, ganz abgesehen von
seiner eigenartigen Bedeutungsentwickelung, muß ferner choisir aus-
geschaltet werden. Lateinischen Ursprungs ist ja allerdings manger,
der Ersatz für das klassische edere; die Übernahme ins Französische
ist aber nur unter ganz erheblicher Modifikation der Bedeutung
erfolgt und bietet auch in dem lateinischen Gebrauche des Etymons
keinerlei Anhalt für die französische Konstruktion mit dans. So
schrumpft das halbe Dutzend der Verba des Entnehmens schließlich
zusammen zu den beiden Verben prendre uud boire. Ihre
lateinischen Vorlagen allein können also ein französisches da7is (ä)
bedingt haben.
Nun bedeutet ja aber prehendere im Lateinischen zunächst
immer nur erfassen, ergreifen, sich zu eigen machen = saisir. Der
Ort, wo solche Tätigkeiten sich vollzogen, mußte naturgemäß durch
die Präposition m» mit dem Ablativ näher bestimmt werden. Das
Französische setzte also nur den regelrechten lateinischen Sprach-
gebrauch fort, wenn es einem prendre Ortsbestimmungen mit en
128 E. Uhlemann.
(dans), ä anfügte, wo es galt die Stelle zu bestimmen, an (in) der
die Verbaltätigkeit sich äußerte i).
Die französische Konstruktion prendre dansist also historisch
durchaus begründet und wohlberechtigt. Für uns Deutsche erhält
sie nur dadurch einen fremdartigen Charakter, daß wir als Über-
setzung statt „ergreifen in" gewohnt sind „nehmen aus" einzu-
setzen und das Bewußtsein für die ursprüngliche Bedeutung von
pretidre völlig verloren haben. Man pflegt wohl auch aller (venir)
chercher dans mit „holen aus" zu übertragen, empfindet dabei aber
die Verschiedenheit der Ortsanschauung, die die verschiedenen
Präpositionen zum Ausdruck bringen, bei weitem nicht in so hohem
Grade. Hier schwebt eben die ursprüngliche Bedeutung von chercher
auch in der Verknüpfung mit aller und venir noch lebhaft genug
vor, um den scheinbaren Widerspruch in der Art der Ortsbestimmung
genügend zu begründen. —
Nun aber zurück zu puiser und manger und weiter zu hoire
dans. Sieht man diese auf ihren Bedeutungsgehalt etwas genauer
an, so erweisen sie sich doch nur als Träger einer Modifikation des
Bedeutungsgehaltes von j^'i^endre dans. Wie für uns schöpfen aus
einem Flusse . . . doch nur sagen will = nehmen aus einem Flusse . . .
vermittels eines Hohlgefäßes, — essen aus einem Teller . . . =-
nehmen aus einem Teller . . . vermittels Messer, Gabel usw., —
trinken aus einem Glase . . . =z nehmen aus einem Glase . . .
vermittels der Lippen, so ist für französisches Empfinden puiser
(qclij dans une riviere offenbar = prendre (geh) dans une riviere
au moyen d'un vase, — mang er (qch) dans une assiette . . . =
prendre dans une assiette . . . au moyen de la fourchette, de la
cuiller etc., — boire (qch) dans un verre . . . = prendre dans
n?i verre au moyen des levres.
Läßt man diese Erklärung gelten, so kann es nicht weiter
Wunder nehmen, daß wir Deutschen mit den Verben „schöpfen, essen,
trinken*^^ nach Analogie von „nehmen aus" Ortsbestimmungen mit
raus" verbinden, der Franzose dagegen an puiser, manger, boire
unter dem starken Einfluß von prendre dans Ortsangaben mit dans
(ä, en) anfügt. Für boire wurde übrigens diese Analogiewirkung um
so leichter, als sie im Lateinischen, wohl unter dem Einflüsse von
prehendere, schon vorbereitet war. Wie schon Mätzner hervorhebt,
erscheint bibere im klassischen Latein nicht selten mit in und
Ablativ verbunden, wo wir ex oder de erwarten würden. Die all-
mähliche Weiterverbreitung dieses Sprachgebrauches in der späteren
Latinität kann man jetzt an der Hand des Tfiesaurus linguae latinae
unter bibere bequem verfolgen.
') Ebenso konnte naturgemäfs der Ort, auf welchem die Aneignung
erfolgte, im Französischen nur mit sur bestimmt werden; daher noch nfrz.:
prendre im verre sur la table, la cheminee; — • des fenetres prenneni Vair et le j'our
sur des rues ou des places, Boissier, Prom. Archeol. 314.
Syntaktisches. 129
Übrigens darf nicht versäumt werden darauf hinzuweisen, daß
das Altfranzösische mit seinem regelmäßigen Gebrauche von ä, eri
(sur) oder entsprechenden Ortsadverbien bei den Verben des „Ent-
nehmens"' das natürliche Bindeglied zwischen lateinischem und neu-
französischem Sprachgebrauch darstellt. Littre und Godefroy bieten
allerdings nur wenig Belege. Eine willkommene Ergänzung liefern
aber kulturgeschichtliche Werke und Abhandlungen, wie A. Schultz,
Das höfische Lehen etc.. Zeller, Die täglicheji Lebensgeivohnheiten
im altfranzösischen Karls-Epos^ AA 42, Müller, Die täglichen
Lehensgewohnheiten in den altfranzösischen Artusromanen, Mar-
burg 1889, Oschinsky, Der Ritter unterioegs, Halle 1900, und
soweit boire in Betracht kommt, besonders Klauenberg, Getränke
tind Trinken in altfranzösischer Zeit, Göttingen 1904. Unter
Benutzung des in den genannten Werken beigebrachten Materials
und bescheidener eigener Lektüre möge der altfranzösische Gebrauch
im folgenden kurz skizziert werden.
1. prendre. Wenn hier die Quellen nicht so reichlich fließen,
wie man bei der Bedeutung des Wortes wohl erwarten könnte, so
liegt dies wohl an der großen Zahl von Synonyma, die im Alt-
französischen für „nehmen aus^ zur Verfügung standen. Man liest
aber doch auch: Prisent faigue en dores bacins, Part. 10846
(Müller), — De Veave prent en I bocler, Si fait les chevaliers
laver, Durm. 2193, — Plus be a penre en Vevangile Qu en Juvenal
ne qu'en Virgile, Coincy, Mir. 377, 16. — Dans Vautel prise
a l'oublee Que le prestre avoii sacree, Coincy 283, 31. — La
viaride prent sus la table . . . Ciaris 271 (Müller), — Mais se
sa fille li plaiseit, 11 li dunreit, plus 7ii prendreit, Wace, Brut,
Bartsch^ 104, 16, — Sont eil qui plus y veulent prendre,
Coincy 413, 611. — fuir nes celes choses ou te sens ke ta propre
volenteiz puet penre deleit St. Bernard, B^ 197, 8, — Fait li
prestres, •»tout ni'en merceil Ou vous avez si grant sens j)ris,<
Coincy 433, 194.
2. boire. — Man begegnet Verbindungen wie boire ä la sor&e,
Marie de Fr., B3 265, 18, ä la peiiie fonieniele, Perc. 26559
(Oschinsky), ä un rossel, Marie de Fr., B3 263, 16, au rocher,
Villen, B^459, 28. ä la coupe, Violete 3551 (Kiauenberg) u. ö.,
ä granz henas, Guiart 6935 (Klauenberg) u. ö., — ou ruissel troble,
Guiot, Bible, B^ 244, 9, en man breviaire, Rab. Garg. I 5, en son
pantouße, Ptab. Garg. 19; — fig. : el cors, el piz, el sanc Kex
(Klauenberg).
3. mang er: d des escuelles, Godefr., a une esquiele, Duini.
2200, u. ö, ä une escuele, Perc. 2755 (Schultz) u. ö., d son ecuelle,
Rab. Garg. 111.
4. puisev. au hault puis, Godefr., ä la riviere, Godefr., ä
la mer, Froiss. (Littre), — en la fontaine, Claris 2730 (Müller),
u. ö,, en grant livre, Coincy 146, 2, la folie ou seit, Coincy 2-i4,
Zlschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII". 9
130 -E. Uhlemann.
15; — li puis la ou Ven puise, Rusteb. (Littre), Seiiremeni iouz
i puisiez, Coincy 105, 1285, —
Oben ist der Gebraucb von en, dans (a) bei Verben des
„Entnebmens" in der Hauptsaclie auf den ausschlaggebenden Einfluß
von prehendere {prendre) zurückgeführt. Wie erklärt sich aber,
daß gerade dieses Verbum gegenüber seinen lateinischen Konkur-
renten ein solches Übergewicht erlangt hat? Das Lateinische ver-
fügte ja noch über soviel gebrauchte Verba wie capere und sumere,
deren Grundbedeutung auch heute noch die französischen Lexiko-
graphen gerade so mit prendre und saisir bestimmen wie bei
prehendere. Die beiden zuerst genannten Verba, als Simplicia
wenigstens, sind eben vom Französischen überhaupt nicht übernommen
worden, sodaß j^^ßhendere in deren Bereich eindringen konnte und
mußte, ja geradezu eine Art Alleinherrschaft gewann. Diese wurde
dadurch noch umfassender, daß selbst die eigentlichen lateinischen
Träger des „Entnebmens", gleich den alten Simplicia, mit denen sie
gebildet waren, im Französischen abgelehnt wurden: eximere, promer e,
demere, excipere sucht man vergebens auf französischem Sprachgebiet;
auch auferre, proferre^ educere, producere u. a. erscheinen garnicht
oder höchstens in gelehrten späteren Neubildungen.
So blieb zunächst aus dem reichen Schatze des Lateinischen
pr^ekendere das einzige lexikalische Mittel zum Ausdruck der Tätigkeit,
die wir mit ,, nehmen" und auch mit „entnehmen'- zu bezeichnen ge-
wohnt sind.
Um so dringender war es nötig, daß die neu sich bildende
Tochtersprache Ersatz für diese ungewöhnlichen Verluste schaffte.
Und sie hat ihn früh und in reichem Maße gefunden. Neben prendre =
ergreifen, erfassen stellt sich sehr bald mit ähnlicher Bedeutung und
gleicher Konstruktion saisir. Für „entnehmen" wurden dem Latei-
nischen entlehnt die sinnverwandten traire, tollir, lever. Dazu treten
seit den ältesten Zeiten oster, sachier und tirer, deren Etymologie
leider immer noch Schwierigkeiten bereitet. In einem Punkte aber
stimmen alle diese letzten sechs Verba des „Entnebmens" überein:
sie verbinden sich regelmäßig mit Ortsbestimmungen mit de.
Im Laufe der Jahrhunderte hat ja allerdings das Französische
sachier und tollir wieder fallen lassen und traire in seiner Bedeutung
so verengt, daß es als allgemeines Verbum des „Entnebmens" nicht
mehr in Betracht kommt.
So steht also zum Ausdruck dieser Tätigkeit im Nfrz. auf der
einen Seite prendre mit seinen Modifikationen puiser, manger und
hoire, denen, gleich saisir, Ortsbestimmungen mit dajis (ä) angefügt
werden, auf der anderen Seite tirer, öter und lever, an die sich
entsprechende Lokalangaben ausnahmslos mit de anschließen.
Für das Lotische des enfants pttiisaient l'eau d^une
fontaine ist also die Erklärung noch nicht gefunden.
Syntaktisches. 131
Nun liegt es ja nahe, sie in einer Vermischung der beiden
Konstruktionsarten zu suchen, die eben als getrennt nebeneinander
liingeliend charakterisiert worden sind. So abweichend die beiden
Wortgruppen auch der Etymologie und folglich auch der Grund-
anschauung nach sind, in ihrer Bedeutung erscheinen sie uns jetzt
oft nur als verschiedene stilistische Hilfsmittel zum Ausdruck desselben
tatsächlichen Vorgangs. Und in der Tat fehlt es nicht an solchen
Übergängen:
Plattner verzeichnet in seiner Franz. Schulgramm afik^ (S. 153)
unter der Gruppe prendre dans auch enlever und weist hin auf
Wendungen wie enlever qn dans son lit. Ein so feiner Kenner des
nfrz. Sprachgebrauches wie E. Rhode erklärt aber mit Rücksicht auf
diese Redensart: Remarquons en passant quon peut dire aussi
„enlever qn de son lit''. Sein französischer Gewälirsmann macht
dazu freilich die Bemerkung: Je ne dirais pas cela (E, Rhode,
Essais de Fhilol. moderne I 125 bezw. 11 139). Die Ac. verzeichnet
aber doch auch Wendungen wie lever qn de terre; on Va enleve de
sa maison. Je nachdem man in dem Kompositionsclement en (inde)
mehr die Bewegung nach oben oder nach der Seite empfindet, läßt
sich recht wohl die eine wie die andere Präposition (dans : de)
verstehn. — Von Knebel, Frz. GramA"^ 229, wird recueillir der
^^re/u/rg- Gruppe zugerechnet, auf Grund von Sätzen wie Ces notices
ont ete recueillies dans les meilleures sources. Daneben verweisen
aber französische Lexikographen auch auf Verbindungen wie Les
fruits qiCil a recueillis de son jardin, und im übertragenen Sinn
recueillir du fruit de qch = en tirer de Vutilite, du fruit (HD. =
Darmesteter & Hatzfeld, Diclionnaire General); — il a compose
sa biographie sur les renseignements recueillis de la houche des
amis schreibt G. Paris, Litt.frg.^ 216 — Das allerdings verhältnis-
mäßig moilerne voler erscheint nach Ac. und Sachs bald mit dans,
bald mit de : il a \ole cela dans tel livre ou de tel livre (Ac);
voler la hoite de la poche de qn neben voler dans Varmoire de
qn (Sachs unter „herausstehlcn").
Sollten ähnliche Schwankungen nicht auch zu beobachten sein
bei der alten pre/u/re-Gruppe, bei manger, Loire und auch bei puiserf
Für mang er vermag ich keinerlei Beleg beizubringen. Bei
boire fehlt aber schon afrz. de neben gewöhnlichem e7i (ä) nicht:
Quant la poison fut destempree, D'une molt grant cope doree
En boit mesire Durmars lors, Durm. 3174; — A petite fontaine
boit on souef, Prov. Vill. (Klauenberg S. 75), wechselt mit I)e jyetite
fontaine tout son saol boit on, Trouv. Brab. 352, 2; — A douce
fontaine a beic, Meraug. 504 mit Car je beu de forde fontaine,
Durm. 13799; weitere Belege bei Klauenberg a. a. 0. S. 145 f. —
Nach Sachs (boire) sagt man auch jetzt noch im familiären Ausdruck:
boire des rouges bords neben a 7Vuge bord.
9*
132 E. UhLemann.
Für prendre fehlt es von den ältesten Zeiten an nicht an
Übergängen. Du Gange verweist unter preliendei'e = exigere, tollere
auf Ut nullus de victualio et carris . . . teloneiim ]jrehendat (Capit.
Pippini anni 755). Godefroy hebt besonders hervor: De laz la croz
e stet Marie De cui Jhesus vera carn presdre, Passion, 13 3 13, 1.
Spätere Texte gebrauchen freilicli in diesem Sinn prendre mit en,
^Yie aus zahlreichen Stellen bei Coincy, Miracles zu ersehen ist, am
deutlichsten wohl S. 462, 1 in einem der Passion nahe verwandten
Gedankengang: Cele en qui p)rist Immanite Li puissantz Roys de
verite. — Neben der Stelle aus der Passion bringt allerdings Godefroy
nur noch zwei afz. Belege für pirendre de im Sinne von „entnehmen."
Auch afz. überwiegt gewiß ä, dans (parrin, chez) in Verl)indung mit
dem gleichen Verbum. Aber die Ac. weist doch hin auf prendre =
emprunter in der Verbindung: C'est un mot que nous avons pris
du latin. Einen andeicn Belog vermag auch PJattner, Ausfülirl.
Gr. d. fz. Spr. II 2, S. 171 nicht beizubringen (im proverhe pris
du laiin). — G. Boissier bietet in seinen zahlreichen Werken un-
gemein häufig prendre mit den oben genannten Präpositionen, sagt
auch Oest encore dans les Antiquites . . . qu'il a pris le sujet
du De vita, Varr. 188. Daneben fließt ihm aber doch gelegentlich
aus der Feder c'est bien des Antiquites divines qii'Aulu-Gelle avait
pris ce fragment, Varr. 230 Anm. Auch wo Personen die Quelle
sind, der etwas entnommen wird, bestimmt Boissier sie gewöhnlich
mit dans (ä, chez), vereinzelt erscheint aber doch auch de : ce quil
a pris de Varron, Varr. 227 Anm.
Uud endlich puiser, von dem ja die ganze Untersuchung aus-
gegangen ist. Für das Afrz. bieten Belege für den Gebrauch voa
de (st. en) in Verbindung mit la, les fontaine(s) Littre und nocli
zahlreicher Godefr., Complem. Wir finden de dann wieder bei Calvin:
Cette fontaine de vie, de laquelle il nous estoit aise puiser Godefr.
Complem, und wenigstens mit sinnverwandtem Substantiv bei La
Bruyere: Pour paraitre ne devoir rien aux autres, mais puiser
tout de voire fonds. Littre und IID.
Es kann also, wie bei anderen Verben des „Entnehmens," so
auch bei puiser die Möglichkeit der Anfügung einer Ortsbestimmung
mit der Präposition de nicht geleugnet werden. Man sieht auch
leicht, daß in den beigebrachten Belegen dieses de kein anderes als
ein separatives Verhältnis zum Ausdruck bringen kann. Aber voll
und ganz deckt sich keines der vielen Beispiele mit Lotis des enfants
puisaient Veau d'une fontaine. In der Mehrzahl der Fälle fehlt bei
den Verben des Entnehmens neben der Ortsbestimmung ein Sach-
objekt überhaupt, oder falls es vorhanden ist, wird es von dieser
Bestimmung durch andere Satzteile getrennt, und in der Lotis Worten
am nächsten kommenden Stelle aus I-a Bruyere ist die Ortsangabe
bildlich zu verstehn, bietet auch gar nicht das uns besonders
interessierende Wort la fontaine.
Syntaktisches. 133
So erheben sicli also zu schwere Bedenken, als daß
man ernstlich versuchen könnte, die in Frage stehende
Redeweise Lotis in dem Sinn zu erklären, daß dem de la
fontaine nach Analogie des Sprachgebrauchs der tirer-
Gruppe ein separativer Sinn unterzulegen sei.
Dann bleibt nur noch eine Möglichkeit: de la fontaine ist
attributiver Genetiv, wie ihn viele Yerba der Trennung, wenn auch
nicht die des „Entnelimens", in zahlreichen Fällen neben dem Objekt
otVenbar zu sich nehmen. Halten wir uns einmal an zwei der geläufigsten,
an öter und enlever. Wie soll mau verstehen: öter une branche
(Tun arbre, enlever la croiUe cCun ijate (Ac.)? Gebührt dem mit
de eingeleiteten Satzteile attributiver oder separativer Sinn? Der
Form nach ist beides möglich. Ausschlaggebend kann nur die Ab-
sicht des Eedenden sein, der Sinn des Satzes. Wie soll man diese
aber ergründen?^ Man prüfe einmal unbefangen einen Satz wie den
nachstehenden: Otez la sante et la paix de Väme, vous otez tous
les plaisirs de la vie (Ac). Die Objekte und die Genitivsbestimmungen
sind offenbar gleich stark belastete Träger eines beabsichtigten Nach-
drucks, das Genitivverhältnis ist das possessive. Oder man nehme
folgende Verbindungen: 07i lui a öte un coin de son jardin, on lui
a öte la moitie de ses appointements (Ac). Nicht etwa de son
jardin, de ses appointements stehen für sich als Gegensätze einander
gegenüber, sondern die Objekte zusammen mit den folgenden Genitiven,
mit gleicher Betonung beider Teile, bilden offenbar die Gegensätze,
die hervorgehoben werden sollen. Oder aber man lese nacheinander
folgende Verbindungen, die die Ac. zusammengestellt: enlever la croiUe
dhm päte, la peau d'une partie du corps, Vecorce d'u7i afbre,
d'une branche, la couleur d'une Stoffe. Es scheint mir, auch in
allen diesen Fällen schwebt der Ton gleichartig über dem Objekt
und den mit de angefügten Bestimmungen. Es darf nicht iire machen,
daß die Ac. in den drei ersten Fällen enlever erklärt mit detaclier
une chose de celle sur laquelle eile est appliquee, ou ä laquelle
eile est adlürente; im vierten Falle kommentiert sie dasselbe enlever
mit öter, faire disparaäre, und für das erste Beispiel gibt HD unter
enlever die Interpretation ,.^lever pour retirer de sa place."'
Eine solche gleichmäßige Verteilung des Betonungsgehaltes auf
zwei Satzteile scheint mir nun auch vorzuliegen in Lotis Worten
Des enfants jouisaient Veau d\ine fontaine. Man betraclite doch
nur den Zusammenhang. Der Veifasser schildert mit gewohnter
Meisterschaft die Eindrücke, die er beim Wiederbesuclien eines alt-
bekannten öffentlichen Platzes mit seinem obligaten Kaffeehaus erhält:
Des imans . . . lui firent grand accueil . . . le cafedji . . . lui
apporta . . . la chatte de la maison ... les murs de la mosquSe
eblouissaient . . . Des enfants puisaient Veau d'urie fon-
taine et la versaient sur les vieux paves . . . Des feuilles
jaunes cependant tombaient dejä . . . Natürlich würden wir über-
134 E. ülilcmann.
setzen: „Kinder schöpften Wasser aus einem Brunnen" . . .; der
französische Schriftsteller aber cmiDfindet: faßten, machten sich das
Wasser eines Brunnens zu eigen (man gestatte einmal die harten
Ausdrücke), oder : schöpften das Wasser eines Brunnens in Gefilße
ein und gössen es aus . . . Puiser erscheint also hier ganz ebenso
mit Objekt und qualitativem Genetiv verbunden wie epuiser in der
Erklärung: Spuise-volante = un moulin ä vent dont on se sert pour
epuiser les eaux d'un endroit que Von veut mettre ä sec (Complem.
du Dict. de VAc. fr., Brux. 1843 unter epuise-volanie).
Liegt der Nachdruck in ähnlichen Verbindungen mit uter, en-
lever, reiirer usw. auf dem mit de angeknüpften Satzstück allein, so
wird dieser im separativeu Sinne zu verstehen sein. Zweideutigkeiten
lassen sich bei einer solchen Ausdrucksweise nicht immer vermeiden.
Kein Wunder daher, wenn ihnen der Franzose lieber durch eine andere
Ordnung der Satzteile oder sonstige Hilfsmittel zu begegnen sucht:
ötez de cette somme ce que vous avez paye; Vappareil doit vtre
enleve de la blessure, also passivisch; ötez cet enfant d'aujyres
du feu; enlevez cela de dessxis la table; retirez de l'argent de
chez un avouS (Ac.) u. ä.
Einfacher liegt der Fall, wenn bei puiser und seiner Gruppe
der Hauptton der Ortsbestimmung zufällt. Dann trat eben statt de
ein dans oder ä ein. Daher liest man denn auch: La pompe ä
incendie ordinaire est forme de deux pompes accouplees et puisant
l'eau dans une meme häclie oii ce liquide est deverse (Poire,
JS'ouv. Dict. des sciences, S. 2519).
So erklären sich dann ohne Schwierigkeiten, selbst in dem Falle,
wo beim Objekt statt einer begrenzten Menge nur ein Teilverhältnis
zum Ausdruck gelangt, neben dem gewöhnlichen prendre un liquide
dans un puits (mit einseitig betonter Ortsbestimmung) Ausdrucksweisen
wie remplir (un vase) en prenant avec ce vase du liquide d 'u7i p u its,
d'unesource, etc., Godefroy, CompUm. unter puisier. Schon der Wechsel
der Ortsbezeichnung, und nochmehr das beigefügte etc. legen klar, daß
dem Ort als solchem keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen
ist, wenn der Zusatz auch nicht als völlig belanglos empfunden wird.
Das Gleiche gilt von boire de, wo man sonst boire dans zu
lesen gewohnt ist. Quicherat-Daveluy, Dict. Latin- Francais, Paris
1882, unter trahere, konnte daher trahere pocula, trahere amneni
übertragen mit boire U7i breuvoge, boire de Veau d'un ßeuve
(= von dem Wasser eines Flusses), Nicht minder ist schwebende
Betonung der Grund für die Wahl eines sonst auffallenden de, also
einer qualitativen Genitivsbestimmung, in den bekannten Wendungen:
boire des eaux du Lethe (von dem Wasser des Lethe), il a bu
de Veau de la fontaine de Jouvence^). Besonders deutlich tritt
-) Vergl. auch Boire la vie De ce calice amer ^ue Von nomme la vie,
A. Chenier, £1. I 29 (HD).
Syntaktisches. 135
der wirkliche grammatische Sachverhalt zu Tage in längeren Stellen
wie die folgende: Je mis pied ä terre pour saluer ie fleuve et
pour boire de son eau (also beide gleichmäßig betont). Je me
suis toujours fait un plaisir de boire de leau des rivieres
celebres que ^ai passees dans ina vie; ainsi fai bu des eaux
du Mississipi, de la Tamise^ du Rhin, du Po, . . . du Nil, du
Tage et de VEbre, Chateaubriand, liinir.., Paris 1811, I 171.
III. On apprenait dans l'essai de Taiiie que le bon
style est Tart de se faire ecouter et de se faire entendre.
Mätzner, Sy7it. I 280, verzeichnet als Verba, die sich gleich
puiser, manger, boire und prendre in bestimmten Fällen mit dans
(ä) verbinden, fumer und choisir; ein beigesetztes „u. a." zeigt aber,
daß er ihre Anzahl damit noch keineswegs für abgeschlossen hält.
Spätere Grammatiker folgen mehr oder weniger Mätzuer, fügen dabei
bald das eine Verbum hinzu, bald übergehen sie das andere. Keiner
aber hatte Anlaß ihre Zahl zu erschöpfen. Auch die folgende Sammlung
ist weit davon entfernt einen solchen Anspruch zu erheben. Sie
möchte nur ein bescheidenes Teil dazu beitragen, die bestehende
Lücke auszufüllen.
1. apprendre qc dans wird neben prendre nicht Wunder
nehmen. Sachs verzeichnet unter „lernen": apprendre dans les
livres = aus den Büchern lernen. — On apprenait ä lire dans
des livres tont pleins de la vieille mytliologie, Boiss. Fin I 234; —
on apprenait dans Vessai de Taine que . . ., Brunetiere in RM.
32, 318; — ähnlich apprendre dans la nature, dans nos
institutions.
Natürlich bietet schon das Altfranzösische dieselbe Konstruktion:
eil sont malement bestorne Qui ou sen puisent la folie, Es lois
aprennent tricherie, Guiot, Bible, B3 244, 15; — En un roman
list et aprent, So7i damisel voit si se lieve, Durm. 236.
2a. choisir dans. Mätzner erklärt das (/a?is durch Analogie;
vielleicht reicht das Zurückgehen auf die ältere Bedeutung „erblicken"
dafür schon aus. Choisir ses nouveaux ministres dans le parti
victorieux, Mignet nach Mätzner; il choisit dans le panier
les plus belles cerises, Li., und so sonst neufrz. ungewöhnlich häufig. —
Den entsprechenden altfrz. Gebrauch belegt Godefr., Complem., bereits
aus dem 13. und 14. Jahrhundert.
6. elire wird neufrz. kaum noch im Sinne von choisir gebraucht;
deshalb fehlen wohl auch neuere Belege für elire qn dans. Im
Altfrz. liest man aber: eslisez trois messages en ceste votre gent,
Sax., Li.; — Tu en avras tel guerredun Que tut le plus prisie
barun, Que tu en mun renne esliras, Si jo puis, a seignur
avras, Wace, Brut, B3 101, 9.
136 E. Uhlemann.
3. copier qcli. dans im Uwe, Neubildung, in ihrer Konstruktion
offenbar durcli ])rcndre beeinflußt, verzeichnet Plattner, Franz. Sclndgr}
153; Sarcey, Siege de Paris (Paris, Flammarion), S, 30: Je copie
dans Uli Journal du 4 octohre cette note d'origine ofßcieuse . . .
4. cueitlir dans kann bei der Etymologie des Wortes nicht
auffallen: Rien ne lui eüt etS plus facile que de cueillir dans ses
discours, dans ses letires, des traits dhin comique acheve, Boissier,
Tac. 99; — U7i p>eu d'argot cueilli dans les livres de Gyp, Loti,
Les DcsenchanUes^ 17. — Altfrz. creson cuilli en fontaine, Meon,
Fahl. IV 427 (n. Schultz, Höf. Leb.).
recueillir : Ces notices ont etS recueillies daiis les meilleurs
auteurs zitiert Knebel, Frz. Gram.^'^ 229; über AnknüiDfung ganz
ähnlicher Ortsangaben mit de s. unter II.
5. fumer (du tabac) dans une pipe, dans un calumet,
schon bei Mätzner besprochen; die Neubildung folgte offenbar der
Analogie von hoire; auch im Deutschen sagte man anfangs „Tabak
trinken" (Grimm, u. „rauchen").
6. lever, im juristischen Sinn, wohl von prendre oder copier
beeinflußt: 11 en est d''autres (Hindous), enfin, qui me confiejit des
copies levSes dans leurs papiers de famille. RM. 33, 858.
relever: C'est le rnot le plus amer qiion releve dans
toute sa correspondance, Boissier, Fin II 314.
enlever qn dans son lit.
7. p eck er = „preiidre du poisson en le tirant hors de
l'eau ä faide de la ligne'"'' : pecher du poisson dans la mer,
une riviere, un etang ; oü avez-vous peche cela''^ — pecher au
plat = prendre dans le plat ce quon veut, Ac. — Afz.: Ft
peschent es rivieres et viviers et es dois, Ren. de Montaub.
(Zeller, Die täglichen Leheiisgeivohnheiten, AA 42, 69).
8. ramasser une nouoelle dans le ruisseau == prendre
dans les rues, dans le has j^eujjle, Ac. unter ruisseau; les epis
dans les chanips, Ac. unter ramasser; man vergleiche une feuille
de chou ramassde par terre, 2 Gonc, Germ. Lacerteux 187. Die
Detinition der Ac. erklärt dans zur Genüge: faire un amas, un
assemhlage, une collection de plusieurs choses.
9. (se) recruter dans, gewiß au prendre und choisir an-
geglichen, denen es ja erst seit dem 17. Jahrhundert zur Seite tritt:
Ce regiment s'est recrutS dans teile p)rovince; (les Romains) se
recrutaient dans Vesclavage; il recrute partout des associes, Ac.
Allerdings verzeichnet Ac. daneben Ce parti se recrute de gens
malintentionnh. Außerhalb des Zusammenhangs aber bleibt der
Sinn dieser Stelle zweifelhaft. Hält man daneben: {les barbares) se
recrutaient, ä Voccasion, des mecontents qui ne voulaient ou ne
pouvaient plus (payer) Vimpot, et tous ensemble couraient les
provinces, Boissier, Fin II 440, so dürfte wohl im einen wie im
andern Fall für se recruter de gar nicht „sich ergänzen aus,"
Syntaktisches. 137
sondern „sieb vermehren um," „sich verstärken durch" als
Übersetzung in Betracht kommen.
10a. servir = donner ä diner, ä manger dans in Wendungen
wie: mille convives sassirent ä table servis ä profusion dans
des vases d'or qu^on cliangeait ä cliaque mets nouveau, Boissier,
Varr. 8; —tu es libre . . . quand tu as faim, . . . qu''on te serve
dans des plats d'argent et d'or, Boi>s. Tac. .327.
So auch schon afz. neben häufigerem de: Ens granz escueles
d'argent Furent commiinaument servi, Perc. (Schultz I 315); —
[vielleicht beides nebeneinander: eil baron . . . servent eil mareschal
D' esquieles d\t7'gent non en autre metal, Hörn 4099 (Zeller,
AA. 42, 55)].
b. alimenter = speisen, im technischen Sinn, darf hier
vielleicht auch eine Stätte finden : alimenter les bauches d'incendie . . .
en eau de source, La Grande Encycl. 27, 221 und öfter.
11. tailler dans, wohl beeinflußt ([mch. prendre: On voit
aussi des petits garcons habilles de vetements neufs tailles ä la
maniere de ceux de leur pere, dans des pieces de drap sombre
EM. 34, 78.
12. voler, Neubildung des 16. Jahrb. (s. Körting u. volare),
folgt wenigstens teilweise der Analogie von i:)rendre: il a voU cela
dans tel livre, Ac; voler dans Varmoire (Sachs u. „heraus-
stehlen").
lY. Noiis ne prenons au deJiors quo ce qiii repond au
besoiii de uos eonseiences et de nos pensees, quand
notre litterature nationale . . . ne correspond plus ä
l'etat present de nos ames.
Wie das au dehors des vorstehenden Satzes (Lanson, Eist,
de la litt. fr. 9 1089) lehrt, wird auch die Wahl der Ortsadverbien
durch die Konstruktion der Verba des „Entnehmens" eigenartig
beeinflußt. Vielleicht darf eine kurze Zusammenstellung von in
Betraclit kommenden Fällen, auch wenn sie keineswegs erschöpfend
ist, auf ein gewisses Interesse rechnen.
Für y, lä, oit sind die Beispiele so alltäglich, daß nur der
Vollständigkeit halber einige Verbindungen angeführt werden sollen:
Si vous cassez la bouteille, vous w'?/ boirez plus; Piaton
y puisait tout; on y prend cette impression que . . .; noiis n''y
prendrons pas de lecons.
cest la quelle puisait ces impressions ; s'est lä quil allait
prendre ses victimes.
la tasse oic j'ai bu; un livre ou tout le inoyen-äge a p)uise
la connaissance du passe; les libraires o ii les curieux pourront le
prendre (=: un livre); on ne savait ou prendre Vargent; oii
a-t-il pris ce rJiumef
138 E. Uhlemann.
Es tintlen sich aber tmcli weiter Verbindungen wie:
im auteur qni j^zcise partout; ü prend S07i bien partout; il
prit une fenime aiileurs, Boissier, Fin II 386
on les prenait (= les siijets) . . . en dehors de la realite,
Boiss. Fin. I 222; 7}ous ne prenons au dehors que ce qui repond
au besoin de uos consciences, Lanson, /. c.
il nHra pas prendre ses sujets si loi7i, Boiss., Opp. 349 —
und bei dem verwandten aller chercher : on ri'a pas besoin d' aller
eher eher si loin les motifs, Boiss. Tac. 42; des navires vont
le chercher (:=: le vin) au loin, Boiss. Varr. 359.
V. II piiisa de l'eau dans la fontaiiie, ä la riviere.
Für die in der Überschrift abgedruckten Ortsbestimmungen
i)ezeichnet die Ac. das eine Mal die Präposition dans, das andere
Mal ä als den gegenwärtigen Spracligebrauch. HD. im Gegenteil gibt
gerade umgekehrt als die gebräuchliche Ausdrucksweise puiser ä la
fontaine, aber dans la riviere. Littre endlich befindet sich teils
mit der einen teils mit der anderen Autorität im Einldang, wenn er
lehrt, man sage puiser ä une fontaine, aber auch ä la riviere.
Wer hat nun recht?
Wenn deutsche Grammatiker die Verba des „Entnehmens"
behandeln, so geschieht dies in erster Linie, um die ihnen folgenden
Ortsbestimmungen der Ruhe in ihrer Eigentümlichkeit gebührend zu
erörtern. Natürlich bezeichnen sie als in Betracht kommende
Präposition meist daiis, daneben aber auch ä (s. Mätzner, Synt.
I 280 bezw. 233). Auf eine genaue Unterscheidung zwischen beiden
einzugehn, lag für sie dabei kein Anlaß vor. Plattner bietet in seiner
Nfz. Gram.., S. 153, statt vieler Worte gleich eine größere Anzahl
stehender Redensarten, wo bei Verben des „Entnehmens" dayis oder
gelegentlich auch ä zu gebrauchen sei. Leider fehlt aber hier gerade
puiser in den oben angegebenen Verbindungen, und dann erheben
sich doch auch noch weitere Zweifel. Nach ihm sagt man wohl hoire
dans im verre, manger dans imeassiette^ prendre qch dans une armoire,
puiser ä des sources dißerentes. Folgen nun aber verwandte
Wendungen genau dieser Analogie? sagt man auch boire da7is
une houteille; ist manger ä une assiette nicht zulässig; und
wie steht es um prendre de Veau ä un puits, puiser dans
des sources grecques?
Gewiß werden bei Ortsbestimmungen auf die Frage wo?, wie
sie ja die Sprache in Hülle und Fülle bietet, gewisse Schwankungen
zwischen dans und ä immer bestehen. Teilvvei.^e werden sie durch
die Wahl des unmittelbar folgenden Wortes (Form des Artikels, Art
des Pronomens) bedingt; dann gelangt ja auch gewiß mit der Präposition
dans eine andere Nuanze des Gedankens zum Ausdruck als mit ä.
Über die allgemeinen Gesichtspunkte, nach denen die Wahl im letzteren
Syntaktisch es. 139
Falle erfolgen muß, sind die Grammatiker längst einig, und nicn)and
bat sie wohl schärfer hervorgehoben als Mätzner, Syiü. I 273
bezw. 232.
Um aber die eben angedeuteten Zweifel nach Möglichkeit zu
heben, lohnt es sich vielleicht doch der Frage in engen Grenzen
einmal näher zu treten. Ein positives Ergebnis ist bei den Verben
des „Entnehmcns" wenigstens teilweise zu erhoffen, da es sich hier-
bei um eine fest umschlossene Reihe handelt und die etwa beizu-
fügenden Ortsbestimmungen sich in der Hauptsache begrenzen und
leicht gruppieren lassen.
Die nachfolgende Untersuchung befaßt sich eingehender nur mit
den vier geläufigsten Verben manger, boire, puiser und prendre;
verwandte Ausdrücke können und sollen nebenbei kurz erledigt
werden. Für den altfranzösischen Sprachgebrauch dürfte ein kurzer
Überblick ausreichen (vergl. übrigens oben unter II), Der Ort,
wo die Tätigkeit sich vollzieht, wird je nach seiner besonders
charakteristischen Eigentümlichkeit unterschieden a. als Hohlraum,
b. als Fläche, c. als Linie, d. als Punkt.
1. mang er.
Altfranzösisch stehen unterschiedslos neben einander mangier
a. wie esqniele, ä s''esquele\ en une esquiele, en s'escuele. cn son
ecueile.
Neufranzösisch begegnet man manger a. mit dans im jylat, dans
une assietie, dans une ecuelle, daiis Vauge, dans la main, dans
sa poche, dans son sac.
Verbindungen mit Ortsangaben der Gruppe b, c und d sind
der Natur der Sache nach ausgeschlossen.
Schwankungen: Sachs verzeichnet unter ecuelle bezw, essen:
inanger ä (la) meme Scuelle^ nianger avec qn ä (oder dans) la
meme ecuelle, fig,, = „mit jem. aus derselben Schüssel essen", wir
dürfen wohl auch setzen : mit jem. an demselben Tische essen. Eben-
so unter gamelle : manger ä la gamelle = mit Soldatenkost fürlieb
nehmen (müssen). Daß auch manger ä l'assiette in ähnlich über-
tragener Bedeutung gebraucht wird, zeigt 2 Gonconrt, Geiern.
Lacerteux (Paris, Charpentier S, 67): Elle le gäte (= einen
Knaben) ainsi . , , lui adouclssant les privations et les diiretes de
cette ecole professionnelle qui forme ä la vie ouvriere, porte la
hlouse, mange ä V assiette de fa'ience hrune, et trempe
ä son male ajyprentissage le peuple pour le travail.
Summa: Im eigentlichen Sinne wird manger mit daiis konstruiert;
im figürlichen Sinne tritt gewöhnlich ä zur Ortsbestimmung.
2, boire.
Afrz. a) a la coupe, a copes dorees, a ta cope doree; a
hanap d'abc, a granz henas, a voit lianap, an hanajj, a nn hanap;
140 E. Uhlemann,
a mon esciiele, Perccf., B. ^ 483, 4; en son pantoitfle, en mon hrevi-
aire, Rabel. Garg. I,j, bzw, 5; völlig übertragen: Car li gleives el
cors li but, les fers Boivent el piz, Klauenberg, Getränke und
Trinket}, 141 f.
b) es fehlen mir Belege.
c) boire a un rossel, Mar. de Fr., B^ 263, 16, neben boire ou
ruissel troble, Guiot, Bible, B3 249, 19.
d) li lox a la sorse bevait^ Mar. de Fr., B-^ 263, 17; boire ä
peilte fontaine, a la petite foyitenielle, Klauenberg, l. c. ; über
gelegentliches de bei fontaine ebenda u. hier unter II.
Nfrz. a) boire dans un {le) verre, un gobelet, une coupe, une
ecuelle, leurs ccuelles, une tasse, dans des pots de terre, une
gargouillette, les mains^ dans le creux de la main.
b) au seau, Ac, Sa., Poire I I04q; ä Vabreuvoir Ac., d
l'auge, Sa. (aber manger dans tauge), ä la grande tasse = la mer,
se not/er dans la mer HD.
c) 3j an Rhone ou ä VOronte^ Boissier, Fin II 280.
d) ä la source, Li., Sa., HD, ä la fontaine, Ac. Sa. HD.;
nur ä la bouteille, Sa; d'auires faisaient halte pour boire ä la
bouteille de leur goüter, 2 Gonc, G. Lacevteux, Charpent. S. 187.
Schwankungen: Neben dem gewöhnlichen dans une coupe
citiert Mätzner, Gr. 407, aus Chateaubriand: boire ä cette coupe
enchanth. — Li. verzeichnet im fig. Sinn: en mesme temps
conimence la tranchee, qui vint percer la contrescarpe et boire
dans le Josse (aus D'Aubigne). — Dazu fügt Sa. im technischen
Sinne: le Josse boit en riviere. — Malherbe schreibt: 11 demande
en quel verre ils avaient bu, Holfeld, Sprache des Fr. de Malh.,
und Lafontaine: Le scrupule nous prit ä tons . . . de boire
en meme verre, Siegert, Sprache Laf.'s, S. 76.
Summa: a.) Bei „trinken" aus bestimmt begrenzten Körperu von
einer gewissen Tiefe aber geringem Umfang steht regelmäßig
datis.
b.) bei größeren Gefäßen und überhaupt bei Ortsbe-
stimmungen, wo die Fläche gegenüber der Tiefe zunimmt,
steht d.
c.) bei Lokalangaben, wo die Flächenausdehnung in der
Längsrichtung verläuft und die körperliche Ausdehnung zurück-
tritt steht ä (daneben dans).
d.) bei boiäeille, source, fontaine ist ä die gebräuchliche
Präposition.
^) Für boire in Verbindung mit riviere, n/isseau u. a. fehlen mir
literarische und lexikalische Belege. Versuche, die Lücke durch Nach-
frage bei geborenen Franzosen auszufüllen, haben zu keinem sicheren
Ergebnis geführt, konnten es wohl auch nicht. Nach der einen Autorität
ist (hins und a in solchen Verbindungen gleich geläufig, die andere zog
dans vor, ohne a abzulehnen.
Syntaktisches. 141
Bemerkungen: Übergänge von a zu b sind natürlich, wenn
die Oberfläcbenausdehnung als charakteristisches Element des Körpers
empfunden wird, daher howe ä La coupe neben dem gewöhnlichen
dans la coupe. —
Wird bei c die körperliche Ausdehnung gegenüber der Flächen-
oder LinieneutwickluDg betont, also an ein mögliches Eindringen in
den Ort gedacht, so ist dans la riviere, le fosse zu erwarten.
Auch source und fontaine können als Linie oder Fläche, selbst
als Hohlräume vorgestellt werden; in solchen Fällen könnte auch ein
dans sich zu ihnen gesellen; bei bouteille ist das kaum möglich, da
der Ort, wo das Entnehmen erfolgt, die Ausflußstelle sein muß.
Das gelegentlich im 17. Jahrh. noch auftretende en ist letzter
Rest einer mittelalterlichen Ausdrucksweise.
Daß der Stoff, wovon getrunken wird, mit de eingeführt wird,
ist ja selbstverständlich. Übergänge in räumliche Anschauungen sind
allerdings aber auch da zu verzeichnen:
So im t. t. U7i cheval qui hoitdans son hlanc, Li. Sa., oder in
der Dichtersprache: La Celeste troupe Dans ce jus vantS JBoit ä pleine
coupe L'immortalite, J.-B. Rousseau (Li.). Belegt doch Klauenberg,
S. 124, denselben Gebrauch auch schon für das Afrz.: Frist lalance
au hlanc lyoncel Qui el sanc Kex boire devoit, Percev. 39022.
Auffallend ist das Fehlen jeglicher Präposition, wenn das Gefäß
woraus getrunken wird, durch das eigenartige Gebilde ä meine nach-
drücklich determiniert wird: les dames. . . enjanibaient les obstacles
et vioniraient, en buvant ä meme le gobelet de bois, leurs jolies
dents Manches, Sarcey, Siege de Paris., Flammarion, S. .31. Aus
der reichen Sammlung bei Robert, Quesiions, S. 209, entnehme ich
ergänzend: boire de Ceau ä meine la cruche, boire ä meme
le goulot. Dient ä meme zur Verstärkung anderer Satzteile, so
stellt sich dans vor der Ortsbestimmung wieder ein: 7/ biivait ä
meme un peu d'eaii douce dans iine parpouillette ä rafralchir . . .,
lls boivent tous ä meine dans la meme tasse. Sachs verzeichnet
allerdings neben boire ä meine {la bouteille) das gelegentliche Auf-
treten von ä meme de (la bouteille). Mir ist dieser Gebrauch nicht
entgegengetreten ; nach den obigen Ausführungen würde man auch
statt de viel eher ä oder dans erwarten.
3. jyuiser.
Afrz,: a) puisier au hault puis, Godefr.
b) puisier a la mer, Froiss. (Li.)
c) puisier a la riviere, Godefr.
d) puisier en la fontaine, allerdings in der Bedeutung
von remplir: Sont en enfer en si grant paine Que
tousjours en une fontaine Cuident vessiaus sarisfons
pucier, Godefr.; Son hiaume puise en la fontaine.,
Ciaris 2730 (Müller, Tägl. Lebensgeivohnh., S. 31.)
142 E. Uhhmann.
Figürlich immer en: Se fai loisir et se je puis Encor vour-
rai puis er ou puis {^= der Legende) Qui tant est larges et par-
fons, Coincy, 128, 865; il puisent malvaise science En fontaine
de sapiejice, Guiot, B^ 24 5, 5; — eil sont malenunt besiorne
Qui ou sen puisent la folie, Godefr. So auch noch gelegentlich
bei den Klassikern des 17. Jahrb.: puiser des honheurs souverains
En cette inepuisahle source, Corn. X 221; — puisant la lu'riiS pis-
qu'en son origine, Rac. IV 192.
Nfrz. a) Für puiser in Verbindung mit kleinen Hohlkörpern
fehlt es naturgemäß an Beispielen; man „schöpft" eben nicht aus
Gläsern und Tassen (vgl. aber boire); wohl aber sagt man: puiser
de Veau dans un puits, Sa. — puiser du vin (de Veau) duns la
cuve^ Li., Ac. - — du vin dans le tonneau, absolut auch au ionneau,
HD. — deux pompes. . . puisant Veau dans une meme backe,
Poire 2519.
b) puiser au bassin de la fontaine, Ac. ^)
c) puiser ä la riviere, Ac. Li. Sa. — dans la rivi'ere, HD. — aux
ruisseaux (Gegensatz ä la source), Li. Ac. , au'^) courant de
Veau, Ac.
d) ä la source^ ä U7ie (la) fontaine, Li. HD. — dans la fontaine, Ac.
Schwankungen: puiser du vin dans le tonneau, au tonneau,
— ä la riviere, dans la riviere; — ä la Jontaine, dans la fontaine.
Summa: a) Bei fest umgrenzten größeren Räumen: puiser dans
b) bei Flächenausdehnuug gewöhnlich: ä
c) bei in der Längsrichtung verlaufender räumlicher Aus-
dehnung gewöhnlich ä, seltener da7is
d) bei source steht ä; bei fontaine gewöhnlich ä,
seltener dans.
Bemerkungen: Die Schwankungen, besonders unter c und d, erklären
sich wie bei boire.
Älteres en reicht herab bis in das 17. Jahrb. —
Einem älteren en entspricht regelmäßig modernes dans, sobald
puiser in seiner Bedeutung zu prendre tjcrblaßt, sich also der bihllichen
Verwendung nähert. So liest man denn: puiser dans la bourse, une
bonbonniere, le sucrier, S07i coffre, ma caisse, dans son sac en toile ä
voile, Loti, Pecheurs, S. 70; c/iacun vient piuiser dans le vase (plein
de riz sec), EM. 33,848.
Noch viel zalilreicher sind Verbindungen von puiser mit dans,
wenn nicht nur puiser, sondern auch die Ortsbestimmung selbst figürlich
verstanden werden. Man kann ja aus allen möglichen bildlich vor-
gestellten Rauminhalten „schöpfen". Hier nur eine kleine Blumenlese:
*) Für Ortsbestimmungen bei Flächen fehlen mir weitere literarische
Belege. Eingeborene PYanzosen entschieden sich mehr für ptnser « l'abreu-
voir, ä Vetani/, au lac, ä la mer, ohne dans ganz auszuschliefsen.
*) Man vergl. aber: Un arjneau se desall^raü Dans le courant d'une onde
pure, — je nie vais desaüerant dans le courant, Lafont., Le Loup et VAijneau.
Syntaktisches. 143
jniiser cette Jiumeur somhre dans le cloitre, des connaissances
dans ses voyages, un principe dans la natiire, le courage
dans la religion, des consolations dans son entretien, les
plus grandes beautes dans les anciens, — aucli puiser dans
Tite-Live, Plutarqxie, Lucain usw.
Nur iu Verbiu düngen mit source wird auch in übertragener
Bedeutung der Präposition ä der Vorzug gegeben: Ac. verzeichnet
allerdings neben ä la source, aux sources in diesem Sinn auch
dans la source, dans les sources. Li. stellt nur daiis les sources
neben aiuv sources, HD schweigt ganz. — Ein Klassiker wie
G. Boissier entscheidet sich ganz und gar für ä la source. Gelegentliches
da7is bei Dichtern wird durch das Metrum bedingt, wie in JHrai
puiser sur ta trace Dans les sources de ta gräce, J.-B. Rousseau,
Ödes sacrees II; bei Prosaikern findet es leicht seine Erklärung durch
Übertragung jenes dans, das figürlichen Ortsangaben regelmäßig bei-
gefügt ist: lls (= des recits) sont emprunth ä des livres latins,
qui eiLV-memes puisaient dans des sources grecques oii orientales
(sources == recits, livres; G. Paris, Litt, fr.^ 218). Umgekehrter
Einfluß machte sich geltend in Wendungen wie: je puiserai ä des
chants comme ä une source d'eau qui rafraicldt (Boissier, Fin II
100), oder fai puise ä tout monient aux notes (aux sources) de
la grande Miiion des Memoires (Boiss., S. Simon, 10).
4. jprendre.
Ai'rz. a) prisent Vaigue en dores hacins, Part. 10846 (Müller). —
de Veave prent en I bocler, Durm. 2193.
b) c) d) Es fehlen mir sichere Belege.
Figürlich: Plus he a penre en Vevangile Quen Juvenal ne
quen Virgile, Coincy, Mir. "ill , 16, — Char precieuse en tes
jians prist, Coincy 13, VI. — So noch bei Marot: Quil sernhle au
vray que plaisir preignent En nies propos, Li.
Nfrz. a) prendre le dernier feuillet dans la main gauche qui le
ienait, crispSe . . ., un fruit dayis un plaf, une prise (pincee) de
tahac dans une tahatiere, vingt francs dans la cassette, des pieces
iimhrves dans un casier, du linge dans une armoire, une clef dans
sa poche, de Vargent dans le tiroir, Vencens dans la navelle, un
verre dans le huffet, un livre dans la bibliotheque; auch Vempereur
vient souvent prendre des rheteurs dans leurs chaires, Boissier,
Fin I 206, — deux petits houddha, pris dans une pagode pour
etre donnes ä Gaud, Loti, Pech. 161.
prendre Veau ... aux puits, aux citernes, La Grande
Encycl 27, 220 —
dagegen prendre dans un puits (une source, une fontaine
etc.) du liquide qui y est contenu, Godefr., Conqyl., unter
puisier; prendre dans un puits, (une source), un tonneau
etc., du liquide qui y est contenu, HD unter puiser.
144 E. Uklemann.
b) prendre Veau aux etangs . . ., Encycl. 27, 220 — aber
prendre du poissou dans un vivier, Poire 2284.
c) prendre de Veau ä la riviere, Ac. — aux ruisseaux, Encycl.
27, 220, a Vaqueduc, Boiss. Tac. 324.
d) für prendre in Verbindung mit source und fontame fehlen mir
sichere Beispiele^); in HD's Erklärung von 2^^'^^^^ = prendre
dans un puits, une source, un ionneau etc., du liquide qui y est
contenu ist dans la fontaine offenbar durch die Umgebung be-
einflußt. —
Seh wankunge ui/^rent^re de l'eau aux p^iits, dans xm puits;
— aux etangs^ prendre du poisson dans un vivier.
Summa: a) Bei festunigrenzten kleinen und größeren Hohlräumen:
prendre dans; gelegentlich ä
b) Bei Flächeiiausdehnuiig: ä, auch dans
c) Bei Ortsbestimmungen, die in der Längsrichtung
auslaufen: ä
d) (bei source \xnA fontaine: ä, seltener dans).
Bemerkung: Die Schwankungen unter a und b erklären sich wie
bei hoire.
Älteres en tiudet sich bis in friihklassische Zeit; auch in der
neusten Zeit begegnet — allerdings modernes — en vor Eigen-
namen, im figürlichen Sinn: le machiavelisme de Machiavel, ptris
dircctemetit ä sa source, en Machiavel meme RM. 33, 522.
Sonst entspricht dem afz. en in übertragenen Ortsbestimmungen
regelmäßig und sehr häufig dans: le feu qu'il a pris dans ses yeux,
prendre un discours dans un Journal, xine citation dans T Essai,
des impressions dans une eiude, des sentences dans ces Uwes, une
Idee dans un vieux vornan, dans Ciceron, Virgile, Horace, usw.
Nur bei source wird auch im übertragenen Sinne die Präposition
a bevorzugt: il prend des rejiseignements ä des sources differentesy
Boissier, Rel. 319, — cet air . . . ils en prenaient plein leur poitrine,
ä la source meme de toute vigueur et de toute existence, Loti,
Pech. 62, — le mucliiavelisme de Machiavel, pris direciement ä
sa source, RM. 33. 522.
Sonstige Verba, die durch Etymologie oder Analogie beeinflußt
den eigentlichen Verben des Entnehmens in der Auffassung der Orts-
bestimmung folgen, wählen, soweit ich ihren Gebrauch habe verfolgen
können, ausnahmslos dans., um den Ort zu bezeichnen, wo die Handlung
sich vollzieht. Dieser ist aber derart oder der Sinn des Verbums ist so
beschaffen, daß auch die jore^ic/re- Gruppe im gleichen Falle dans
bevorzugen würde. Zum Belege folge hier eine kurze Übersicht:
S) Eingeborene Franzosen gaben ä la source, it la fontaine den Vorzug,
ohne prendre de Veau dans la source, la fontaine völlig auszuschliefsen.
Si/ntaktisches. 145
A. Im eigentlichen Sinne:
1. choisir dans le panier les plus heiles cerises
2. fumer dans une pipe
3. pecJier dans la mer, xine rlviere, tin etang; lig. au plat
4. ramasser les epis dans les champs
5. servir qn dans des vases d'or
G. voler dans Varmoire.
B. Im figürlichen Sinne:
1. apprendre geh dans les livres, la nature, nos institutions
2. choisir ses ministres dans le parti victorienx
3. copier qch dans un jommal
4. cueillir qch dans les livres
5. lever une copie dans leurs papiers
6. ramasser une nouvelle dans le ruisseau
7. se recruter dans une province
•6. tailler des vetements dans des pieces de drap sombre
9. voler cela dans tel livre.
Will man schließlich für praktische Zwecke den Sprachgebrauch
der Verba des „Entnehmens" kurz zusammenfassen, so dürfte man
etwa sagen:
Man konstruiere:
A. Im eigentlichen Sinne:
a) manger stets mit dans
b) boire, puiser und prendre
1. stets mit dans bei Anfügung von kleineren fest um-
schlossenen Hohlräumen.
2. gewöhnlich mit ä bei größeren Raumgebilden, die in der
Hauptsache ihrer Flächen- oder Längsausdehnung nach angeschaut
werden.
Nur bei energischer Betonung der Innerlichkeit und bestimmter
Umgrenzung (Mätzner Sijnt. 1 273) ist dans in diesem Falle vor-
zuziehen.
B. Im bildlichen Sinne:
a) mayiger stets mit ä
b) hoire, puiser und p)rendre mit dans.
Bemerkung: Bei boire^ puiser und prendre wähle man stets «,
wenn der Ort mit la source {la bouteille) bestimmt wird.
Ortsangaben der Ruhe, soweit sie bei anderen Verben des
„Enhiehmeus aus" überhaupt zulässig sind, determiniere man
mit dans.
GöTTJNGEN. E. ÜHLEMANN.
Ztschr. f. ivi. Spr. u. Litt. XXXII'. ^^
Wortoescbichtliches.
arrimer „schichten, stauen" begegnet heute als Terminus der
Seeraannssprache neben arrimeur „Schichter, Stauer" und arrimage
..Schichtung, Stauung; Stauerlohu". In älteren Wörterbüchern, wie
J. H. Rödings Allgem. I4^tb. der Marine (III, 33), findet man
gleichbedeutende arrtuner und arrwnage. Vgl. damit bei Godefroy
altfrz, ariner, arrimer, aruner etc. in der allgemeinen Bedeutung
„arranger, disposer, mettre en ordre" und aus den heutigen Patois
u. a. norm. (Moisy, Dict. p. 37) aruner „arranger, mettre en ordre
par rangs, en bon etat", ib. p. 200 deruner „deranger, causer du
desordre", la Hague (Fleury Essai) arrunde „mettre dans un
certain ordre, placer une chose ä son rang", derrunde „deplacer,
priver de son tour", cancal. (Dagnet et Mathurin Le parier. . .
cancalais p. 5) ainnmer et aruner „entasser, mais avec ordre et
Sans perdre de place", boulonnais (Haignere) ariimer „arranger".
Auch rumer, demenager, in Berry (Jaubert) dürfte hierher gehören.
Aus anderen romanischen Sprachen sind anzumerken prov. (Mistral)
arrima „arrimer, arranger la cargaison", arrimage arrimägi „arri-
mage", arrimaire rimaire „arrimeur", span. arrimar „stauen" und
„anlehnen, annähern etc.", arrumar „stauen, verstauen", arrumage
„Stauung", arrimiador „Stauer", etc.
Was die Herleitung der genannten Wörter angeht, so begegnet
man ziemlich allgemein der Ansicht, daß diejenigen mit dem Stamm-
vokal u auf germ. rum (nhd. Raum) zurückgehen, das in dieser
nicht abgeleiteten Form begegnet in franz. (Sachs) rum „Ladungs-,
Waarenraum in einem Schiffe", wall, rume „t. de bat. ^coutiUe"-
und „espace entre deux murs" (Grandgagnage), Guernesey (Metivier)
rtim und run „place, espace" auch „appartement", afrz. run (Gode-
froy), prov. (Mistral) rum „espace que Ton raenage ä fond de cale
pour la cargaison". In Bezug auf die Wörter mit i als Stammvokal
gehen die Ansichten auseinander. Während einige Etymologen die-
selben mit arriimer etc. auf das gleiche Grundwort zurückführen,
nehmen andere verschiedenen Ursprung an. So bemerktDiez, Etym.
Wth. I, 271 s. rima: „Eine zss. ist altsp. adrimar Bc, nsp. cat.
arrimar zusammenstellen, anlehnen, frz. arrimer schichten, vgl. ahd.
r/m, in der bed. reihe, die auch dem sp. rima zusteht, fr. (in
Berry) enrimer symmetrisch ordnen ..." und ib. p. 275 s. romho:
WorfgeschicJitliches. 1 47
„Aber fr. arricmer, sp. arrumar die Schitfsladung verteilen und
ordnen, pg. arrumar überb. ordnen, werden aus dem ndl. ruim
Schiffsraum erklärt . . ." Die gleiche Auffassung begegnet bei Körting
Lat.-rovian. Wth. unter No. 887 und 8195. Mackel, Die
germanischen Elemente, erwähnt arrumer nicht und stellt arrimer
(schichten) pg. 108 zu germ. rim (Reihe, Reihenfolge, Zahl). Die
Verfasser des Diciionn. general bezeichnen die Herkunft von arrimer
als nicht bekannt und bemerken: „On trouve dans Füret, arrumer
et arruner. Anc. fr. aruner et arnner, mettre en ordre". Ihre
Auffassung dürfte demnach sein, daß die Wörter mit i und u als
Stammvokal etymologisch nicht zu trennen sind. Diese Ansicht ver-
treten u. a. auch Littre und Scheler. Letzterer bemerkt s. arrimer:
„ . . . alteration de vfr. arrumer^ esp. arrumar. Or, ce dernier derive du
subst. vfr. rum, fond de cale, lequel respresente le nl. ruim, all. rum,
auj. räum, espace (en termes de marine: entrepont), ?ii\^\.room. Arrimer
repond pour le sens ä all. ein-räumen^ emmenager (desmeubles)^. Keiner
der zuletzt genannten Autoren geht auf dieSchwierigkeitein,diebei der An-
nahme gleichen Ursprungs beider Wörter in dem Wechsel des Stammvokals
besteht. Meinerseits halte ich es für außerordentlich wahrscheinlich, daß
die in der Bedeutung übereinstimmenden und in der Form sehr ähnlichen
Wörter etymologisch zusammen gehören. Was die Verschiedenheit
in der Lautung des Stammvokals angeht, so vermute ich, daß frz.
arrimer, prov. arrima, span. cat. arrimar auf mittelengl. rime(nj
zurückgehen, frz. arrumer, span. pg. arrumar aus mittelengl. rume(n),
woneben an. ryma, mnd. rumen, ndl. ruimeu eingewirkt haben mögen,
sich erklären. Mittelengl. rime(n) und ruine{n) sind neben kentisch
reme{n) dialektische Differenzierungen auf der Grundlage von altengl.
ryman in der Weise, daß rume(n) dem Südwesten des Sprachgebietes,
rimefn) als die verbreitetste Form dem Norden, dem Mittellande und
einem Teil des Südens angehört. Ein aus mittelengl. Texten eben-
falls nachgewiesenes roume weist auf altengl. rumiaji zurück. Der
Wechsel von tu mit n in den franz. Formen arruner neben arrumer,
ariner neben arrimer dürfte auf Einwirkung des Substantivums
ruu neben rum beruhen und hier jils romanische Lautgebung aufzu-
fassen sein. Beachte auch mhd. run, das Kluge Ktyml. Wth. unter
Raum notiert.
Auf nd. ruitn beruht nfrz. reun, Tragfähigkeit, Lästigkeit eines
Schiffes.
boilgar begegnet nach G.-A. Mindcrs Glossaire de Bray et
de Papignie (Extr. du Bulletin de la Societe licgeoise de Lilierature
wallonne) p. 2 in Bray in adjektivischer Verwendung mit der Bedeutung
„hermaphrodite". J. Haust bemerkt dazu a. a. 0. „Id. ä Carabron-
St-V. — A. Flobecq, on dit janete; ä Iowumxx janot-janete. — D'apres
Sigart, houga ou hougar =. animal fantastique. Cependant, ä Mons,
d'apres M. Talaupe, hougar = hermaphrodite." Eine Bemerkung
über Herkunft und Bildung des Wortes habe ich nirgends gefunden.
10*
148 D. Behrens.
Ich sehe darin eine Umformung von *bougat(e), das durch Zusammen-
setzung aus bouc + ff'^^iß (ndl. geit, hd. Geiss) analog westfranz,
houhique (Dottin, Dagnet) gebildet wurde. Vgl. die gleichbedeutenden
völlig durchsichtigen Verbindungen hoc-et-gate Grandgagnage Dic\.
I, 59 und bique-et-houke ib. p. 54. Die Annahme, bouga(r) sei
aus hoiigai{e) durch Umformung entstanden, setzt voraus, daß letzteres
in seiner ursprünglichen Bildungsweise nicht mehr verstanden wurde,
wie dies offenbar ebenso bei gatte-et-boc und heibike-et-bouk dortdev Fall
war, wo sich dafür gatte-et-bot (A. Body Voc. des Poissards) und
briquebouc (Remacle) finden.^)
clieilique, Branntwein, sei hier trotz seiner im allgemeinen
durchsichtigen etymologischen Beziehung kurz erörtert, schon weil
man gelegentlich ganz falscher Auffassung von der Herkunft des
Wortes begegnet. So setzt es L. Guillemaut T>ict. pat. de la Bresse
Loiihannaise zu clienu in Beziehung, das in volkstümlicher Ausdrucks-
weise die Bedeutung bon, excellent, fort annimmt und auf lat. camitus
zurückgeht: Voilä du vin qui est chenu. Neben chenique erwähnt
Guillemaut /. c. cheniqueur, buveur d'eau de vie. Auch Toubin
bezeichnet Dictionnaire etymologique p. 202 chenique als Ableitung
von chenu und führt es p. X zusammen mit prussien (derriere) und
zahlreichen anderen "Wörtern auf das Sanscrit zurück! Sachs, der
chenique und cheniqueur als der Volkssprache angehörig bezeichnet,
bemerkt nichts über die Herkunft. Francisque Michel verzeichnet
£!tudes de phil. comparh sur Vargot p, 107 nur cheniqueur und
bemerkt dazu „Terme d'argot maritime, par lequel on designe un
honime qui s'adonne ä la boisson des liqueurs fprts {Dictionnaire
de 7?iarine ä voiles, p. 192)". Bei Hamdorf, Über die Bestand-
teile des modernen Pariser Argots (Greifswalder Dissert. 1886)
fehlt es. Einen Hinweis auf deutschen Ursprung hat u. a. A. Ledieu,
Petit glossaire du patois de Demuin p. 43: „chenique ou chenape,
s. m., eau-de-vie, le plus sonvent de qualite iuferieure; ces mots
viennent des invasions de 1815 et 1870". Vgl. von Mundartwörter-
büchern des Pikardischen und Wallonischen noch Recai t Bict.^ p. 109:
chenique, ch'nique „Le meme que chenape," cheniquer „boire
0 Andere gallo-romanische Bezeichnungen für „Zwitter" sind prov.
(Mistral) gau-rjahn, gau-gaht, jau-jalin, Jau-geli^ vendom. (Martelliere) brumi'ile
und wall. (Grandgagnage, Remacle) boc-et-henin, bohcin-Hemvi, bokeheleinn. Von
diesen sind prov. gau-galin etc. leicht zu deuten. Vendom. brumäh ist in
seinem zweiten Bestandteil male = masculum, während bru, das iu der
Schriftsprache die Schwiegertochter, im Normannischen (s. Moisy, Robin)
die Jungverheiratete Frau bedeutet, hier allgemein für weibliches Wesen zu
stehen scheint. Sehr undurchsichtig sind die wallonischen Wörter, die trotz
der verschiedenartigen Form ihres letzten Kompositionselementes wohl den
gleichen Ursprung haben. S. den Versuch einer Erklärung bei Grand-
gagnage Biet. I, 334 s. boc-et-henin. Mit dem von Grandgagnage hier an-
gezogenen wall, heline (vache qui ne peut avoir de veau) vgl. Jouancoux Etüde II,
54 halainiere, ib. p. 116 lanicre und dazu Festgabe für A. Mussaßa p. 83 f.
pic. leuniere etc.
Worf geschichtliches. 149
beaucoup d'eau-de-vie de grain-, cheniquerie „distillerie de chenique",
cheniqueux „buveur de chenique"; Vermesse Dict. du pat. de la
Fiandre frang. p. 460: schlich „Genie vre. On dit aussi schnap" ,
schnikeu „ivrogne qui boit habituellement du schnick, schnicker
„boire du schnick", schnikerie „fabrique ou debit de schuick"; Sigart
Glossß p. 122: chnik „genievre", chnikeur chnikeu „s. et adj. buveur
de chnik. Cheniqxier est coanu dans les ports de mer de France'-;
Haignere Voc. du pat. hoidonnais p, 551: schnick „liqueur forte, en
gener al. En verre de schnick. En Roncbi, le mot cKnique signifie :
eau-de-vie de genievre". Schon die Verbreitung des Wortes weist
auf Entlehnung aus dem Germanischen. Es gehört zum Verbum
schnicken, das in Grimm's Wib. IX, 1327 mit der Bedeutung „eine
schnelle Bewegung mit den Fingern, Beinen u. a. ausführen" aus
hochdeutschen Mundarten nachgewiesen wird. Zu „schnickeyi"' ver-
hält sich, was die Entwicklung der Bedeutung angeht, mdtl, frz.
chenique, wie dtsch. „Schnapps'', mdtl frz. ch(e)nap, zu „schnappen".
Auffällig ist, daß deutsche Wörterbücher neben „Schnapps" gleich-
bedeutendes „Schnick" nur in geringer Verbreitung zu kennen scheinen.
Ich finde Schnick, Schlickes, (schlechter) Branntwein, Fusel, aus-
schließlich in elsässischen Mundarten (s. Martin und Lienhardt, Elsäss.
Wtb. II, 499) und in der Luxemburger Umgangssprache (Gangler
p. 405), wo Rückentlehnung des Wortes in der angegebenen Bedeutung
aus dem Französischen nicht ausgeschlossen wäre. — Neben ch(e)nique
und ch(e)nap begegnet in ostfranzösischen Mundarten chnip (Thiriat
Vallee de Cleurie p. 420), das gleichbedeutendem deutschen Schnipps
(s. Grimm Wtb. unter Schnipps und Schiajjps) entspricht, falls
es nicht auf romanischem Boden unter Einfluß von entlehntem chnique
aus chnap selbständig gebildet worden ist.^)
COqueret bezeichnet eine Pflanze, nach dem Diciionnaire
general: genre du solanee ä fruits rouges, dont Tespece la plus re-
marquable est l'alkekenge. Zur Etymologie wird ebeuda in Überein-
stimmung mit Littre bemerkt: „Derive de coq . . . par comparaison
de l'alkekenge ä un coq, ä cause de ses fruits rouges (Cf. coqueUcot).'-
Diese Erklärung befriedigt wenig. Da die rote Mohnblume an den
Kamm des Hahns tatsächlich erinnert, so ist ohne weiteres verständlich,
-) Kaum der Erwähnung bedarf es, dafs nicht in diesen Zusammen-
hang gehören ostfrz. chenpquer fureter, etre importun und cheiieqtieur, qui
cheneque, qui furete, fourre son nez partout (Beauquier p. 82. Vgl. auch
Contejean Gloss. p. 287 chenique, chenequai), die nach Form und Bedeutung
deutlich auf deutsch (s. Grimm U'ib.) schnökern, schneihm etc. weisen. — An-
gemerkt sei auch chenucher, pleurer comme un enfant, im Patois von Tonne
(Jossier Dict. p. 30), das dtsch. sclmuchen, sclinüclcen (Grimm Wtb. IX, 1381) zu
entsprechen scheint, indem vielleicht das die letzte Silbe anlautende s dem
Wortanlaut angeglichen wurde. Keine Elrklärung weifs ich für norm, chemichei-,
plenrnicher, geiudre, das neben gleichbedeutendem micher vorkommt und von
Delestang Vucab. de Mortagne (3. L. Duval Venquete j'hiloloijique Je läli) und
Moisy Dict. (hier Hinweis auf Cotgrave) verzeichnet wird.
150 D. Behrens.
wie die französische Bezeichnung coquelicot entstehen konnte. Daß
die roten Früchte der Judenkirsche (Physalis Alkekengi) eine ent-
sprechende V'orstcllung auszulösen vermögen, ist Schwer zuzugeben.
Beachtet man weiter, daß dieselbe Pflanze im Neuprovenzalischen
nach Mistral esquiloun heißt, weil die Frucht derselben einer Schelle
gleicht, und daß 'SQmmch Polyglotten' Lexicon der Naturgeschichte
dafür die Bezeichnung herbes ä cloqnes kennt, so wird man nicht
anstehen in coqueret nicht eine Ableitung von coq „Hahn", sondern
von cloque^ das mundartlich „Glocke", in der Volkssprache nach
Saclis auch „Blase" bedeutet, zu sehen, „Die Kelche blasen sich
auf, wenn die Frucht reift, und bekommen eine schöne rote Farbe;
daher führt die Pflanze den Namen Physalis, nach dem Griechischen
phxjsa, i, e. vesica", bemerkt Neranicli l. c. Ob bei der Namen-
gebung des Französischen mehr die Vorstellung der „Schelle" oder
der „Blase" vorgeherrscht hat, bleibe dahingestellt. Bemerkt sei nur,
daß das Holländische für die gleiche Pflanze die Bezeichnung Blaas-
cruid, das Spanische vcjiga de jierro hat. — Was bie Form des
französischen Wortes angeht, so denke ich sie mir aus le *cloque(et
durch Differenzierung der drei Liquiden entstanden. Eine andere Bildung
ist coquerelle, das Sachs außer in der Bedeutung „Judenkirsche" auch
in derjenigen von „Küchen-, Kühe- schelle (Pulsatilla)" und (im
Plural) „grüne Haselnüße, je drei an einem Stiel" verzeichnet.
wall, jugelot (Papignies), chetron, layette, lieg, scrine (petit
coffret ä couvercle, fixe ä l'interieur d'un coffre, dans le sens de la
largeur). [A Tournai luzieau, qui sign, aussi qqf. cercueil]. Die
vorstehende Bemerkung habe ich dem Glossaire de ßray et de Pa-
pig7i{es (Hainaut) par G.-A. Minders [Extrait An Bidletin liegeoise
de Litterature wallonne, t. XLIX] entnommen und hierher gesetzt,
v.'eil es vielleicht nicht überflüßig ist, darauf hinzuweisen, ([üQ jugelot
mit luzieau nicht nur in der Bedeutung zusammentrifft, sondern auch
seiner Abstammung nach daßelbe Wort ist, d. h. wohl auf löcellus
(vgl. Gröber Arch. f. l. Lexicogr. u. Grammatik. HI, 514) zurück-
geht. Jugelot ist durch Angleichung des Wortanlautes an den Anlaut
der zweiten Silbe aus higelot entstanden, lugelot aus lugel durch An-
fügung des Suffixes -oi erweitert. Über die Entwicklung, die löcellus
im nördlichsten Teil des Gebietes der langue d'oil erfahren hat, ver-
gleiche man Blatt 214 des Atlas ling. (cercueil), wo für Godarville
(Hainaut) luja^ für Templeuve-en-Pevele und Saint. Pol (beide im Dcp.
du Nord) hige, für Linselies (Nord) lijoe angegeben ist. Nicht durch-
gichtig ist die Entwicklung des Stammvokals in luzieau luge etc.
poit. sigOllillae, sigouillai wird von Laianne Glossaire du
patois q)oitevin p. 240 in den Bedeutungen „secouer" (Vend., Maillezais)
und „tripoter, hacher" (Vend., Dcux-Sevres) verzeichnet. Als gascog-
nische Entsprechung wird sargouilla angeführt. Vgl. damit Rousseau
Glossaire poiteviu"^ p. 84 sagouiller, sigouiller (v. a. et n., patrouiller,
agitcr l'eau de maniere ä la troubler) und L. Favre Gloss. du Poitou,
Wortgeschichtliches. 151
de la Sainionge et de l'Auni6 p. 318 sigouiller: ,,v. a, Coiiper un
objet avec un mauvais couteau en faisant des dechirures comme avec
une scie: I v'Ja coper in suhlet de fragne, o l'adounit qui n'avas
qu"ine godelle, o me fallit sigouiller iue liure de toras" (C. P.). Zu
den genannten Wörtern hat mau gelegentlich andere, die in der
Bedeutung übereinstimmen, in der Form dagegen stark abweichen,
in Beziehung gesetzt. So verzeichnet Chambure GIoss. du Morvaiul
p. 795 unter sigölai (agiter par saccade, secouerj außer poit. sigouiller
auch lyonn. sigroler, Forez segrolä, Dauphine segrola (secousse)
und bemerkt dazu „IV parait etre organique et il Pest en effet si
le mot represente croler avec le changement du c en g. Le bas 1.
grollare est identique a l'ital. crollare, ebranler, secouer. Quant
au prefixe se ou si il pourrait repondre au 1. suh, comme dans
le fr. secouer qui est suhcutere (Voy. Crölery-, Ich lasse es dahin
gestellt sein, ob es möglich sein wird, alle die hier genannten Wörter
auf den gleichen Ursprung zurückzuführen. Auf keinen Fall scheint
es mir richtig, sigouiller aus croler zu erklären. Ich sehe in sigouiller
eine auf Angleichung an patrouiller, barbouiller u. a. beruhende
Umbildung von mundartlich in Süd- und Nordfrankreich weit ver-
breitetem, in der Bedeutung übereinstimmendem cigougner. Dieses
ist eine etymologisch durchsichtige Bildung aus ciconia und als solche
meist richtig aufgefaßt worden. Daß sagouiller mit sigouiller
etymologisch identisch ist, halte ich schon deshalb für sehr wahr-
scheinlich, weil auch neben cigougna südfranz. sagougna begegnet,
wie auch das a der ersten Silbe sich erklären mag. Cigogner hat
Umbildungen auch sonst in größerer Zahl erfahren. Ich erwähne aus
MistraFs Tresor außer sagougna noch gigougna (Hm.), saganha,
sangagna (rh.), jagigna, aus nordfranzösischen Mundarten:
signoguer, rcmuer, agiter in Bresse Louhannaise, mitgeteilt
von L, Guillemot Dictionnairc p. 289. Die Form ist in durch-
sichtiger Weise mit reziproker Metathese aus cigogner, sigogner
(tirailler, secouer une personne ou une chose en lui imprimant un
mouvement de va et vieut), das daneben vorkommt, entstanden.
Vgl. auch Bresse Louh. zigougner (gigotter, remuer vivement ses
gigues, ses jambes), das Guillemaut 1. c. p. .333 ungerechtfertigter
Weise von sigogner etymologisch trennt und mit gigoner zu
giguer, gigues (jambes) stellt.
gigougner, das Mistral als limousiuisch anführt, begegnet
neben gleichbedeutendem zigougner (secouer, remuer par secousses,
avec un mouvement de scie) nach L.-E. Meyer Glossaire p. 63
auch im Patois von Aunis. Vgl. damit gigogner in Bresse
Louhannaise (Guillemaut l. c. p. 150), gigoigner (executer un
travail avec maladresse, se livrer ä des occupatious pcu utiles)
neben gigouner (gigotter, remuer les jambes avec vivacite) in
Morvand (Chambure p. 406 f.). In wieweit diese Wörter, die
deutlich auf cigoigner zurückweisen, in Form und Bedeutung durch
152 D. Behrens.
gigue, giguer beeinflußt worden' sind, bleibe dahingestellt. Sicher
auf falscher Fährte befindet sich A. Baudouin, wenn er Gloss. du
pat. de la ForH de Clairvaux p, 152 fragt, ob engigoinner, en-
gigoingner (enmeler, entortiller, mettre äl'envers; arranger, disposer,
agencer maladroitement) mit engin (Ingenium) etymologisch zu-
sammenhängen. Auch halte ich es nicht für angängig gigogne
mit Sainean Zs, für rom. Phil. XXX, 562 aus einer pikardischen
Form chigogne zu erklären.
pic. gogner, das Jouancoux und Devauchelle Etudes p.
serv. ä un gloss. etym, du pat. pic. II, 28 nachweisen, weicht
in der Bedeutung ,,loucher, bigler" von den vorhin genannten
Wörtern stark ab, da aber daneben in gleicher Bedeutung gigogner
(jeter des regards furtifs, indiscrets, regarder de tres pres) vor-
kommt, scheint mir etymologische Zugehörigkeit zum mindesten
wahrscheinlich zu sein.
Über den Bedeutungswandel von ciconia zu cigogner sind ver-
schiedene Auffassungen geäußert worden. So meint Guillemaut l. c.
p. 71 s, cigogner „l'origine du nom est dans le cou de la cigogne''.
Chambure l. c. p. 406 s. gigoigner knüpft an die Bedeutung von
span. cigonal, Brunuenschwengel, altfrz. soignole (vgl, A. Thomas
Essais p. 265 f.) an und fragt: „L'usage d'aller ä tout moment et
ä tout propos manceuvrer ce bruyant appareil nous aurait-il donne
le verbe „gigogner'"? Nicht zweifelhaft scheint es mir, daß es solcher
Vermittelung nicht bedarf, die Bedeutung von cigogner vielmehr
direkt an diejenige von cigogne (ciconia) anknüpft, sei es daß charak-
teristische Bewegungen, die der Vogel mit dem Halse ausführt oder
solche, die in seiner Gangart liegen, das tertium comparationis ab-
gegeben haben. Am durchsichtigsten wohl ist die Entstehung der
Bedeutung von pic. gigogner : jeter des regards furtifs etc. Aus
deutschen Mundarten erwähne ich von Schmeller Bayer. Wörterh. II,
Sp. 781 und 782 verzeichnete auf anderer Auffassung beruhende
storchein stürcheln straucheln, sto'*'gen im Lande herumfahren, storkeln
störheln mit langen Beinen einherschreiten, storgg'hi, stolpern: „Der
truncken starhelt auf den Füßen, ebrius titubat podibus."
bourb. Simon bedeutet nach P. Duchon Grammaire et dic-
tionnaire du patois hourhonnais (Canton de Varennes) p, 105
„mannequin, epouvantail". Über die Herkunft bemerkt derselbe nichts
und führt keine Parallelformen aus anderen Mundarten au. Man
wird, auch ohne einen solchen Bedeutungswandel erklären zu können,
zunächst geneigt sein, in dem Wort den Eigennamen Simon zu sehen
und wird eine Stütze für die Richtigkeit dieser Auffassung in einer
Angabe des Wörterbuchs der elsässischen Mundarten II, 358 finden,
wonach in Straßburg der Eigenname Simon die Bedeutung „dummer
Mensch" angenommen hat. Unentschieden würde bleiben, ob die
verwandten Bedeutungsübergänge in der Elsässer Mundart und im
Patois bourbounais sich unabhängig von einander vollzogen oder ob
Wortgeschichtliches. 153
gegenseitige Beeinflussung in der einen oder anderen Richtung statt-
gefunden hat. Meinerseits bin ich zweifelhaft geworden, ob es sich
von Haus aus um den Eigennamen überhaupt handelt und möchte
auf folgendes hinweisen. In Grimms Wörterb. X, Sp. 958 ff. wird
eine Bezeichnung siernann, d. i. „Sie-3Iann^', behandelt. Das Wort
bedeutet vom Mann gesagt, einen „weibischen mann, besonders einen
unter dem pantoffel stehenden ehemann : uxorius . . .", dann auch
„hermaphroditus, semivir, halbmann" und ist in bayerisch-österreichischen
Mundarten noch heute lebendig. Nach Schnieller (in Grimms Wörterb.
l. c. zitiert) begegnet simd im Fränkischen auch in der abgeblaßten
Bedeutung „ein tölpischer, beschränkter Mensch". Weiter ergibt sich
aus den Darlegungen in Grimms Wtb., daß eine Vermengung des
Wortes mit dem Eigennamen Simon unzweifelhaft stattgefunden hat:
,^Simon . . .ist der große patron der simannlbrüderschafi, der
ehemänner nämlich, welche unter dem regiment ihrer wciber stehen"
(Leoprechting) usw. Um den Nachweis zu erbringen, daß ostfrz.
Simon in der von Duchon angegebenen Bedeutung, ebenso wie Straßb.
simon „dummer Mensch" mit den genannten Ausdrücken etymologisch
in Zusammenbang stehen, bedarf es weiterer Untersuchung an der
Hand eines ausgiebigeren Materials als es mir zur Verfügung steht.
Die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs wird man auch auf
Grund vorstehender Konstatierungen nicht von der Hand weisen wollen.
D. Behrens.
frz. betterave. Von den mannigfachen Schwierigkeiten, die
sich an dieses Wort knüpfen, [dem leider bei Gillicron kein Blatt
gewidmet ist und das auch in den Dialektwörterbüchern vielfach
vergessen wird], ist eine bereits gelöst. Im ganzen Süden von Frankreich
(nprov. bleto, bhdo, bleo) wird ein l eingeschoben, welches von Ascoli
zögernd (Arch. Glott. I 515), dann von Meyer-Lübke {Z. f. öst.
Gymn. 1891) aus der Einwirkung des griechischen Lehnwortes blitum
(auch oXibletum belegt) gedeutet wurde^). Soweit XaX.beta im romanischen
Süden verbreitet ist, sind diese beiden Formen zusammengeworfen
worden. Nur beda in Parma könnte ein direkter Abkömmling von beta
sein, — vorausgesetzt, daß mall, erbett^ auf das ich noch zu sprechen
komme, wirklich von herba beta"^) und nicht einfach von herbittae ab-
zuleiten wäre. Andrerseits wird das zentral-emilianische beda im Osten
und Westen von der Form Stcfa (Bologna, Piacenza) eingekreist, die sicher
auf *bleda — *bleida *bjeida zurückgeht, so daß vielleicht auch beda auf
diesem oder jenem Wege von der kontaminierten und nicht von der reinen
Grundform aus gebildet wurde. Gegen alle diese Formen (von erbett
abgesehen) bildet nun nordfranzösisch bette (s. bei Dottin und ander-
1) Eben stellt Salvioni p/e/n. d. ist. Comb. XXI p. 278 u. 3) *betla als
mögliche Grundform auf, worin ich ihm nicht folgen kann.
-j Also parallel zu tosk. larba hietola, dessen erster Teil ebenfalls aus
herba entstellt ist.
154 K. Ettmayer.
wärts) einen merkwürdigen Gegensatz. Bevor ich aber auf diese Form
mit der seltsamen Tenuis eingehe, möchte ich noch liurz das Wie -so
der erwähnten Wortmengung besprechen. Zunächst scheinen ja »Runkel-
rübe" und „Melde," dieses Salat und Suppenkraut, das kulinarisch
als der direkte Vorläufer des erst im Mittelalter verbreiteten Spinates
gilt, wenig gemeinsam zu haben. Daß die beta^ also doch wohl die
Runkelrübe, als Rübe im Altertum genossen wurde, und dies nicht
bloß bei den Barbaren, sondern auch bei den feinschmeckerischen Griechen,
scheint aus einem bei Plinius überlieferten Orakelspruch aus Delphos
hervorzugehen, in welchem der Rettich mit Gold, unsere heta mit
Silber, die eigentliche Rübe aber mit Blei verglichen wird. Daß
andrerseits in Italien die Runkelrübe im Altertum nicht so allgemein
geschätzt wurde, deutet Cicero an. Ein anderer Ausspruch, diesmal
des Hieronymus3), deutet auf eine Zubereitungsweise hin, welche
offenbar den Blättern und nicht der Wurzelrübe galt, da ich die
Bezeichnung: genus holeris est vilissimmn et fragilissimum{^^ nicht
anders deuten kann. Auf diesen Genuß der Blätter deutet auch
süddeutsch Biesskolil. In wie weit die beiden Hauptvarietäten der
heta vulgaris^ welche auf die Rübenveredluug (Runkelrübe, Zucker-
rübe, rote Rübe) und auf die Blätterverwertung (Futterrübe, Beete,
Mangold) abzielen, in der Gartenkunst des Altertums ausgebildet
waren, wüßte ich nicht zu sagen. Jedenfalls ist heute der Gegen-
satz der Beiworte in frz. bette-rave und ital. ^ar6a-6iVto/a ein wohl-
begründet sachlicher und daß gelegentlich beide vereint erscheinen
ändert an der Sache nichts. Er erklärt aber auch gleichzeitig sehr
schön die Wortmengung mit blUum im zweiten Falle, zumal die Melde
nicht bloß in der Küche dieselbe Verwendung findet, sondern auch
ihre Blätter, wie Kollege Ursprung die Freundlichkeit hatte mir dar-
zutun, mit denen der Beete eine entfernte Ähnlichkeit besitzen.
Und nun zu bette. Wie bereits angedeutet, kommt hier noch
außer Nordfrankreich auch Oberitalien in Betracht. Besonders schön
ist neben mail. erbett das venez. erbeite-rave, das formell unmittel-
bar zur nfrz. Form überleitet. Die hier scheinbar anzusetzende
Grundform .j^betta wurde weiterhin mit ^^bleta kontaminiert, so
besonders im Frankoprovenzalischen (lyon, bieta sav. bletc)^ aber auch
in Oberitalien {bieta im lomb. Teil Südtirols), Die Erklärung dieses
tt ergibt sich nun scheinbar wie von selbst aus dem Romanischen,
Ich kann augenblicklich nicht feststellen, ob sie schon irgendwo aus-
gesprochen wurde, — jedenfalls ist es nicht meine Absicht, einen
Namen zu verschweigen. Die Blätter der beta werden nur ganz jung
und zart als Salat genossen. Später bereitet man nur mehr die
Blattrippen (in Mailand cost) als Gemüse zu. Gesetzt nun man habe
in Oberitalien die beta als Salatpflanze kurzweg herba (semasiologisch
wie dtsch. „hraut'^) genannt, so lag auch das Diminutiv *herhitta
3) Dieses und die andern Zitate aus dem Thesaurus
Wortgeschiclitliches. 155
(wie ita]. fioretto. frz. violette) saclilich nahe. Der Abfall des er-
im Nordfrz. ließe sich aus der Satzphonetik {veyidr[e]-erhettes mit
r — r Dissimilation) unschwer deuten. Nun kommen aber die Be-
denken. Gerade in Mailand, auf das ich mich doch besonders
stützen müßte, heißen just die jungen Keimlinge, resp. noch genieß-
baren Blätter nicht erbett, sondern sie führen den uns bereits Avohl-
bekannten Namen bied = blitum und zwar mit Recht, denn nur in
diesem Stadium kann beta und blitum sachlich zusammen geworfen
werden. Nicht der Keimling sondern die ganze Pflanze mit samt
der Rübe heißt erbett, und diese ist nichts weniger als klein. Wenn
man auf Künsteleien verzichtet, muß man *herbUta fallen lassen und
herba-beta als Grundform aufstellen. Damit fällt aber auch die
Erklärung des Doppel-i's aus dem Romanischen. Eher könnte man
nun an einen gelehrten Latinismus im Nordfrz. denken. Doch auch
diese Deutung wird man nicht aufrecht halten können.
Im Altertum führt Cicero die beta als eine typische Vertreterin
derber, bäuerlicher Kost an, und auch der Ausdruck ist wohl vom
Anbeginn bäuerhch. Nun haben wir zwar Fälle, in denen Ausdrücke
der Bauernsprache seltsamerweise das Gewand gelehrter Bildung nicht
verleugnen. Ich erinnere nur an prov. ordi für hordeum. Gerade
dieser Fall ist aber ziemlich klar. Wie heutige Mundarten der
Auvergne und anderwärts zeigen, waren in Südfrankreich für „Gerste"
ursprünglich wohl Ausdrücke verbreitet, die zum Erbworte brasser
zustellen sind, also indirekt auf das Keltische zurückgehen. Erst
spät, nachdem hordeum in Nordfrankreich und Italien längst zu
orge resp. orzo geworden waren, fand der eigentliche lateinische
Ausdruck durch Schulen oder Kaufleute in der Provence Eingang,
und nun natürlich in latinisierender Form. Diese Deutung,
welche mir für prov. ordi die wahrscheinlichste scheint, läßt
für bette auch nicht den geringsten Anhaltspunkt entdecken. Eine
vorlateinische oder provinziell ältere Bezeichnung für diese Pflanze als
beta ließe sich höchstens für Sicilien erschließen. Der Mangel eines l
Einschubes (vereinzelt ist biete, später blette, übrigens auch im
Nfrz. nachweisbar) könnte zwar zunächst für die Geltendmachung
einer Buchform einnehmen. Doch steht dem entgegen, daß das Wort
beta — ohne U — schon vor dem VIII. Jahrb. nach Süddeutschland
verpflanzt wurde.-^) Auch der Umstand spricht dagegen, daß die
mittelalterlichen Botaniker früherer und späterer Zeit (wenigstens
jene, in welche ich Einsicht nehmen konnte: Walahfridus Strabo,
S. Hildegaris, Albertus Magnus 5) die Beete mit Schweigen über-
gehen, da diese, so viel ich glaube, im Gegensatz zum Retticli keine
medizinische oder magische Verwendung fand. Wohl aber ist die
*) Kluge Etym. Wth.''' unter Beete.
^J Isidor V. S. und spätere Encyklopädisten sind mir leider augen-
blicklich nicht zugänglidi.
156 K. Eümayer.
beta auch nach dem VIII. Jahrb. gerade in Nordfrankreich ein wohl-
bekanntes Küchengewächs gewesen, da Karl der Große im cap. 70
seines für das karolingische Latein wie für die karolingische Kultur
so überaus wichtigen Capitulare de villis,^-') unsere beta (vom
blitum sorgsam unterschieden!) anführt, mit dem Auftrage: Volumus
quod in horto omnes herbas habeant: (d. i. auf den königlichen
Domänen). Aus denselben sachlichen Gründen ist mit einer Latinismus-
hypothese auch eine Entlehnung aus tosk. bieta abzulehnen.
Woher stammt aber nun die Tenuis? Sehen wir uns doch das
lateinische "Wort näher an. Es steht im lateinischen Wortschatz
vereinzelt, man kann es weder mit lat. Wortsippen, noch mit ent-
sprechenden Formen der italischen oder indogermanischen Verwandt-
schaft mit einiger Sicherheit verbinden. 7) In solchen Fällen hat
immer die Vermutung, daß ein lateinisches Fremdwort vorliegt, einen
gewissen Spielraum. Der Umstand, daß beta schon bei Plautus
belegt ist, ändert wenig an der Sache, denn die Entlehnung kann
eben alt sein. Nun wird im ps. Apul. eine Pflanze als „britannisch"
bezeichnet, welche außerdem bibo und beta plantaginis genannt
wird. Das nur an dieser Stelle belegte bibo ist dunkel, zu beta
plantaginis ist aber zu vermerken, daß die Pflanze jjlantago^ der
„Wegerich," der in der Küche wieder dieselbe Verwendung wie beta
und blitum findet, obwohl er beiden garnicht ähnlich ist, heute in
Piemont bii genannt wird. Dieser Passus würde also beta ziemlich
deutlich ins Keltenland verweisen. Die weitere Lösung der Frage
muß nun der Romanist dem Indogermanisten überlassen, nur andeuten
möchte ich, wie bestechend sich eine solche Hypothese darstellen
kann. Die Runkelrübe wäre nach einer solchen Annahme eine
spezifisch keltische Kulturpflanze, die frühzeitig (ähnlich wie cattus unter
den Tieren den benachbarten Germanen und Italikern übermittelt wurde.
Aus nfz. bette wäre vielleicht am ehesten (auch wegen kelt. betidla^) eine
Grundform *betua anzusetzen, welche (wegen beta plantaginis) vielleicht
ursprünglich gar nicht die Runkel „rübe", sondern deren kulinarisch
verwertete Blätter bedeutete. Daß der Weg von einem solchen gall.
betxia zu lat. beta seine Bedenken hat, weiß ich wohl. Aber wie
dem auch sei, ich hatte die Geschichte von beiterave als Romanist
aufzuhellen, — mögen andere mich weiter führen.
K. Ettmayer.
^) Karl Gareis. Die Landgüterordnung Kaiser Karls des Grofsen. 1895.
Cap. 70 No. 48.
') Vgl. Thurneysen im Thesaurus oder Walde Etym. Wtb. der lateinischen
Sprache.
8) Zu betuUa resp. der Orthographie baetuUa führt vielleicht auch der
Umstand, dafs das e in bette möglicherweise als f anzusetzen ist. Diese
Frage würde mich auf Gebiete führen, über die ich mir jetzt kein Urteil
anmafse. Belege für afrz. biete bei Godefroy Comp!.
Die Gedichte Jeliaii's de Reiiti und
Oede's de la Coiiroierie.
Die vorliegende Ausgabe vereinigt zwei altfranzösische poetae
minores des ausgehenden 13. Jahrhunderts, deren Lieder zum größten
Teil noch der Veröffentlichung harrten. Beide sind zu dem damals als
wirtschaftliches und poetisches Zentrum bedeutsamen Arras in
Beziehung zu 'bringen. Der eine, Jehan de Renti, hat dort wahr-
scheinlicli gewohnt, siclier aber Beziehungen zu dem berühmten Puy
und dessen „König" Jehan Bretel gehabt. Der andere, Oede de la
Couroierie. hat sich nachweislich als tüchtiger Diplomat und Ver-
waltungsbeamter in den Diensten des Grafen von Artois befunden
und in Arras aufgehalten.
Die Handschriften hatte ich während meines Aufenthaltes in
Paris selbst Gelegcnbeit zu kopieren. — Besonderen Dank schulde
ich Herrn Prof. Guesnon, der sich für meine Arbeit lebhaft interessierte
und sie durch verschiedene Mitteilungen bereitwillig förderte. Auch
allen übrigen, die sie in irgend einer Weise unterstützten, besonders
meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Gröber, der mir stets aufs
freundlichste seinen wertvollen Rat zur Verfügung stellte, spreche ich
auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus.
I. Biographisches.
L Jehan de Renti.
Über das Leben des Jehan de Renti besitzen wir, wie bei
den meisten afz. Lyrikern, recht wenige Nachrichten. In der Literatur
seiner Zeit und den bis jetzt veröffentlichten artesischen Urkunden
findet er keine Erwähnung. Wir sind daher für seine Biographie
lediglich auf die Aufschlüsse angewiesen, die uns seine Lieder bieten.
Vielleicht ist aus seinem uns in der Handschrift, in der seine
Lieder stehen, überlieferten Namen zu schließen, daß er aus dem
Dorfe Renti (Dep. Pas-dc-Calais, arr. St.-Omer, ungefähr 60 km
westnordwestlich von Arras) stammt. Mit Sicherheit diesen Schluß
zu ziehen, verwehrt die Tatsache, daß ähnliche Ortsnamen oft bei
den Nachkommen ihres ersten Trägers zu Familiennamen wurden. i).
') S. Guesnon in />//!/. Ilist. et pkUol. du Comüc des Trov. hif!t. et scletil.
1894. S. 422.
Zlec)ir. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII'. 10a
158 Johannes Spanke.
Der einst stark befestigte Ort Kenti besaß ein Rittergesclilccht gleichen
Namens, das auch den Arraser Dichterkreisen bekannt gewesen zu
sein scheint. Ein Ritter Ernoui de Renti wird erwähnt in der
sicher in Arras entstandenen Sammlung satirischer Gedichte, die in
derselben Hs. wie die Lieder Jehans auf uns gekommen sind. 2)
Es heißt dort von ihm:
Me sire Engherans de IJestt'us
Cil a le vent tout arenti.
Et me sire Ernous de Renti,
Et me sire de Le Houssoie,
Je di pour voir, u que je voie,
Ke entr'aus trois ne poisent mie
Mien ensiant iine vessie.
Mit einem anderen Ritter von Renti, Andrieu, war unser
Dichter anscheinend persönlich bekannt. Er widmet ihm ein Lied
in folgendem Envoi (IX. Vers 46 ff.):
Canclion a Renti te present
A Ändrin clievalier vaillant,
Di lui k'il ait euer desirant
D^amours servir et inain et soir;
Sans li ne puet ntis hons paroir.
Über Andrieu von Renti sind wir näher unterrichtet.-^) Er wurde
im Jahre 1267 durch einen gerichtlichen Erlaß Ludwigs IX. dazu
verurteilt, fünf Jahre im hl. Laude zuzubringen, weil er in einer Fehde
mit dem Ritter „Alenardus de Selingaham'- dessen Sohn Wilhelm
getötet hatte. Die erwähnte Urkunde berichtet : ..... dictus Andreas
prefatum Guillelmum percusserat cum quadam lancea et ad terram
proiecerat, et post multa convicia ipsi Guillelmo dicta. ipsuni vocando
pravum bastardum, postquam eciam se voluerat dictus Guillelmus
ei reddere cum ense suo, quidam miles, qui erat cum ipso Andrea,
prefatum Guillelmum percussit." Falls nun Andrieu seine Strafe
wirklich abgebüßt hat, woran zu zweifeln kein Grund vorliegt, fällt
die Abfassung des erwähnten Liedes vor 1267 oder nach 1272.
Eine fernere Zeitbestimmung liefert uns das Lied No. X.. dessen
Envoi lautet:
Chancons. saus deniours
Va fen, garde plus n'atarge,
Droit a Avions te nage,
A hon Jelian di:
,^Nus na joie, s'il n^a euer joli.''
-) Chans, ei Dits ariis, du XUl* s.: p. p. A. Jeanroy et H. Guy. Byrdeau.K
1898. No. XVI, Vers 144 ff.
3) Recueil des ..Olim'-, p. p. le comte Beugnot, Paris 1839—42; I. S. TIK
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de (a (ouroierie. 159
Wie Guesnon, der ausgezeichnete Kenner der artesischen Archive,
gelegentlich bemerkt,^) schloß Jehan von Avions im Jahre 1250
einen Vertrag mit der Abtei Anchin ab, der sich auf Ländereien
zwischen Salau, Avion und Mericourt bezog. 5)
Im Einklang hiermit steht eine weitere Zeitangabe, die wir der
Ch. VIII, einem jeu-parti, entnehmen können. Der Partner Jehans
ist der bekannte reiche Bürger und Dichter Jehan Bretel aus Arras,
der in Urkunden seit 1256 auftritt und dessen Tod durch das „Registre
des Jongleurs'* mit Sicherheit auf das Jahr 1272 festgelegt wird. 6)
Das Entstehen der drei besprochenen Lieder würde also vielleicht
in die fünfziger und sechziger Jahre des 13. Jahrhunderts, kaum höher
hinauf, zu verlegen sein. Diesem Resultate wiederspricht auf den ersten
Blick ein anderer Envoi, der des Liedes I:
Chancon, va t'ent ei si fai mon message
Au chastelain ki ßiaumes doit tenir etc.
Wie ich aus einer freundlichen Mitteilung des Herrn Professors Guesnon
ersehe, gehörten die Herren von ßiaumes (= Beaumetz-lez-Cambrai.
Dep. Pas -de -Calais, arr. Arras) dem höchsten Adel von Artois an.
Ein Ritter Guillaume de Biaumes (Bielmes), in dessen Gefolge sich
Ritter befanden, machte nach Henri von Valenciennes 7) den 4. Kreuz-
zug mit. Xun findet ein Chastelain de Biaumes Erwähnung in
dem Gonge Jehan Bodels,^) der, wie Guesnon bewiesen, 9) im Laufe
des Jahres 1200, oder wahrscheinlich früher gedichtet ist. Es fragt
sich nun, wie die beiden angeführten Daten zu vereinigen sind. Wenn
wir, w-as das Nächstliegende ist, annehmen, daß es sich um eine und
dieselbe Persönlichkeit handelt, so sind w'ir zu der Annahme genötigt,
daß der betreft'ende Chastelain de Biaumes zur Zeit der Abfassung
von Bodel's Cong«' noch in recht jugendlichem Alter stand. Das Gedicht
Jehans de Renti ist nach dem Bisherigen kaum vor die vierziger Jahre
des 13. Jahrhunderts zu verlegen, eine Zeit, in der also sein Adressat
mindestens 60 — 70 Jahre hätte zählen müssen. Nehmen wir, wie die
übrigen angeführten Daten über das Leben Jehans nahe legen, eine
spätere Abfassungszeit des Gedichtes an, so müssen wir das damalige
Alter des Chastelains natürlich entsprechend weiter erhöhen ^O). Die
*) Nouv. recherchts hioyr. siir les Irouvires arle.üens. Paris 190^. S. 13.
'") Demay, Scemix de Flandres. Paris 1873. No. 475.
^) Guesnon /. c S. 32 ff.
') Villehardouin und Henri de Val., p. p. Natalis de Waillv, Paris
1882. S. 396.
*) s. itomanla IX S. 236. Vers 121; mehrfach handschriftl. bezeugt ist
Biauves statt Biaumes, aber Raynaud hat sich mit Recht für letzteres ent-
schieden, da kein Ort des Namens Biauves in Betracht kommen kann.
">) l. c. S. 3.
"0 Innere Merkmale, die dem Gedicht im Verhältnis zu den übrigen
Liedern Jehans eine frühe Abfassungszeit zuzuschreiben berechtigen, enthalt
dasselbe nicht.
10 a*
] HO Johannes Spanke.
sicli so ergebende Schwierigkeit fülirt zu der Wahrscheinlichkeit, daß
es sich um zwei verschiedene Chastelains de Biaumes handelt, von denen
der erste der Vater oder Großvater des zweiten war. Bestätigt wird
diese Vermutung durcli ein Gedicht des berühmten artesischen Dichters
Gillebcrt de Bernevilleii), in dessen Geleit es heißt:
Chastelains^ venes moi aidier,
De Biaume, tost /eres paroir
Lou droit et le tort enchvoir.
Die beiden nahe verwandten Hss., die das Gedicht überliefern, bieten
die Lesart Biaurae; da aber unter den Orten, die diesen Namen
tragen, keiner ist, der den Anforderungen der Stelle genügt, ist eine
Verschreibung für Biaumes anzunehmen (was auch Guesnon, 1. c.
S. 17, stillschweigend zu tun scheint). Die dichterische Tätigkeit
Gillebert's von Berneville fällt nun in die Jahre 1255 — 80 1-); sein
Adressat ist also sicher derselbe wie der Jehan's de Renti.
Wie die angeführten Tatsachen übereinstimmend ergeben, lebte
und dichtete .Tehan de Eenti im dritten Viertel des dreizehnten Jahr-
liundcrts, der Blütezeit des Arraser Meistergesanges.. Was seinen
Wohnort betrifft, so deuten das mit Jehan Bretel gedichtete jeu-parti
sowie die Wohnorte seiner beiden Gönner, Avions und Beaumetz (beide
im Arrondissement Arras) auf Arras selbst hin; Renti kommt
wegen seiner verhältnismäßig weiten Entfernung von der literarischen
Centrale und seiner geringen IJedeutung weniger in Betracht. Daher
ist auch der im Lied Nr, 5 erwähnte Puy zweifellos der berühmte
Puy von Arras. Die betreffende Stelle lautet.
Se che nestoit pour ma danie honerer
Jamais au pui ne diroie chancon,
Car fen voi ciaus sovent Vo^ieur porter
Ki de chanter ne sevent un hoton;
IjI jnge fönt leur grant hontage
Ki pour parens ne pour graiit signorage
Donent a ciaus le courone et Vononr
Ki ne sevent trover ne ke pastour.
Ob Jehan Mitglied des Puy war, geht aus diesen Zeilen nicht mit
Sicherheit hervor, da wir die Verfassung der Puys nicht kennen. Jeden-
falls hat er aber zum Puy in Beziehung gestanden und öfter in seinen
Zusammenkünften Lieder vorgetragen. Wie schon bemerkt wurde, hatte
er sogar die Ehre, mit dem gefeierten prince del pui, Jehan Bretel, ein
jeu-parti zu dichten. Der Erfolg, den ihm seine Vorträge einbrachten,
scheint nach der zitierten Strophe recht gering gewesen zu sein. Wir
sind jedoch nicht berechtigt, den Grund hiervon in einer, wie P. Paris '3)
11) Ausg. von Waitz in den Beiträgen für G. Gröber, Halle iSOü. S. 94.
12) Gröbers GrundnfsU. 1. S. 950.
13) Hist, litt. XXIII. S. 04.").
Die Gedichte Jelians de Renti und Oede's de la Couroierie . 1 6 1
meint, gerechtfertigten geringen Einschätzung des literarischen Wertes
seiner Poesien zu suchen, da diese, wie wir unten noch genauer sehen
werden, nach Inhalt und Behandlung durchaus nicht unter dem Niveau
der damaligen poetischen Kultur liegen. Es liegt kein Grund vor, die
von Jehan selbst angedeutete Ursache seiner Zurücksetzung für fingiert
zu halten. Spielte doch zweifellos bei den Preisverteilungen im Puy
Herkunft und Vermögen der Bewerber eine Rolle. ^4) Jedenfalls geht
aus der Stelle hervor, daß Jehan weder selbst einen höheren Rang
noch einflußreiche Verwandte besaß. Daß er also ein Ritter von Renti
gewesen sei, ist durchaus unwahrscheinlich. Audi darauf, daß er,
wie so viele der zeitgenössischen Poeten, clerc gewesen sei, deutet
weder eine Stelle in seinen Gedichten noch die Bezeichnung seines
Namens in der Hs. hin; letztere lautet einfach Jehan de Renti
ohne vorgesetztes Maistre, das sich öfters in den Hss. vor den
Namen der Clercs findet. Auf die bescheidene Vermögenslage unseres
Dichters scheint sich die zweite Strophe derselben Chanson V
zu beziehen, in der er an die Reichen die Mahnung richtet, bei der Ver-
teilung ihrer Geschenke nur Würdige zu bedenken:
S'uns riches hom d aickes a doner,
Avoir, denier u autre pension,
11 doit tres bien tont partout remirer
U il le puist eniploier par raison etc.
Wir haben also vielleicht anzunehmen, daß der Lebensunterhalt Jehan's
in den Geschenken bestand, die ihm seine Muse bei freigebigen Rittern
(vgl. die Envoii^) oder den reichen Arraser Bürgern einbrachte, die
es in dieser Zeit bekanntlich den Rittern wie auf andern Gebieten
so auch auf dem der largesce gleich zu tun suchten, i^)
Das ist alles, was sich aus den Gedichten Jehans in Bezug auf
seine Lebensverhältnisse ergibt. Aus dem melancholischen Zuge, den
die meisten seiner Chansons tragen, auf einen dementsprechenden
Zug in seinem Charakter schließen zu wollen (was Herausgeber
anderer afrz. Lyriker getan haben), wäre ebenso unberechtigt als
wenn man die Pastorelle als Ausfluß einer derb sinnlichen Gemüts-
veranlagung betrachten wollte. El)enso ist es gut möglich, daß die
dame de grande valour, die er besingt, nur in seiner Phantasie
bestanden hat.
Zum Schluß sei noch bemerkt, daß über das Leben unseres
Dichters die reichste und wichtigste Quelle über die Biographie der
artesischen Dichter, die wir besitzen, leider versagt. Wie mir Herr
Prof. Guesnon gütigst mitteilte, findet sich im Registre des
Jongleurs (Bibl. nat. fr. 8541) keine Erwähnung Jehans von Renti;
daß jedoch eine Familie (vielleicht de) Renti zu Arras existierte,
^*) Vgl. Guy. Essai sur Adam de la Bale^ pg. L.
1') Vgl. Guy l. c. S. XX tf.
Ztschr. f. frz. Spr. u. LUt. XXXII ». 11
1 ()2 JoJumnes Spanke.
beweist die im Jahre 1243 erfolgte Aufzeichnung einer Juliane Renti
im genannten Register.
Inbeziig auf Inhalt und Form weichen die Dichtungen Jehans
von Renti im allgemeinen nicht von den Erzeugnissen der andern
damaligen Arraser Liederdichter ab. In den meisten Liebesliedern
überwiegt die Reflexion. In fast allen ist der Ton melancholisch
und entsagend: Der Dichter fühlt sich glücklich, wenn er nur den
Anblick seiner Dame genießen kann; mehr begehrt er nicht. Seine
Auffassung von der Liebe, die den wahr und verständig Liebenden
beseligt und bessert, den Falschen und Unverschämten aber ins
Verderben stürzt, ist durchaus konventionell. Recht pessimistisch
gehalten ist die Cli. II, die der Ausführung und Begründung des
Refrains dient: r^..,
Kit est ensi
Ke ja ferne namera sen vrai ami.
Allerdings entschuldigt sich Jehan in der letzten Strophe dieses
Liedes, daß er, von Zorn und Verzweiflung getrieben, Unbedachtes
verwogen ausgesprochen habe. Hoffnungsfroher ist Ch. IV, die er an-
geblich auf Geheiß seiner Dame gedichtet hat und derselben widmet.
Frei von Reflexionen ist auch das Lied III, dessen Inhalt auf den
Refrain: ,-, . . ^ ^ • /■
J ai euer tmgnot et joh
Et tout vestu cTamours
zugespitzt ist. Ähnlich das (anscheinend unvollendete) Lied VII.
Am ansprechendsten ist die in Kurzversen gedichtete Ch. VI; sie ist in
allen Teilen an die Dame gerichtet; ihr lebhafter, z. T. sogar
leidenschaftlicher Ausdruck scheint wahrer Empfindung entsprungen
zu sein. — Auch sein Wort- und Bilderschatz ist der herkömmliche;
doch die Komposition der einzelnen Gedichte ist sorgfältig und augen-
scheinlich eigenes Werk des Dichters. Jedes der Gedichte stellt nach
Inhalt und Stimmung ein abgerundetes Ganze dar. Das bestgelungene
Stück Jehans ist zweifellos die Pastorelle (XII). Obwohl aus den traditio-
nellen Motiven zusammengesetzt, ist sie in ihrer schlichten und klaren
Sprache und ihrer gedrängten, lebhaft fortschreitenden Darstellung
ein kleines Meisterwerk. Sie zeigt soviel Technik in innerer und
äußerer Form, daß es zu bedauern ist, daß sie das einzige erhaltene
derartige Stück unseres Dichters ist.
2. Oede de la Couroierie.
Auf andern Grundlagen wie bei Jehan de Renti beruhen die
Nachrichten, die wir über das Leben des zweiten Dichters, des Oede
de la Couroierie, besitzen. Seine Lieder bieten nicht den geringsten
Anhaltspunkt biographischer Art. Man wußte daher bis vor wenigen
Jahren nicht einmal, in welchem Zeitraum der Literatur er unter-
zubringen war. Paulin Paris ^6) bezeichnete ihn ohne jeden Grund
1«) l. c. S. 663.
Die Gedichte Jeliaris de Renü und Oede's de Ja Couroierie. 163
als Freund des bekannten Trouvere Gace Brüle, indem er ihn wahr-
scheinlich mit dem „Odin", an den dieser mehrere Gedichte richtet,
identifizierte. Mit sehr berechtigtem Vorbehalt gibt Gröber {l. c.
S. 663) diese Vermutung wieder. Erst Guesnons verdienstliche
Forschungen brachten aucli über Oede einiges Licht J'^) Das Folgende
stützt sich im Wesenthchen auf die von ihm benützten und an-
gegebenen Quellen.
Oede de la Couroierie war clerc und Sachwalter des
Grafen Robert IL von Artois. Die Urkunde, in der er uns zuerst
begegnet, ist vom 30. Juni 1270.18) Sie gibt einen von Ludwig
dem Heiligen für Odon de Paris, den clerc d§s Grafen von Artois
ausgestellten Geleitbrief wieder; der Inhaber desselben bcgiebt sich
im Auftrage seines Herrn in irgend einer Mission an den päpstlichen
Hof nach Rom. Daß es sich um wichtige, hochpolitische Aufträge
handelte, zeigt eine zweite Urkunde, die vom 4. März 1274 datiert
ist. 19) Aus ihr ist ersichtlich, daß der Graf von Artois dem clerc
Odon de Saint- Germain, seinem Sachwalter uad dem Überbringer
seiner Briefe, den Auftrag gab, an den Papst die Bitte zu richten,
seinem Herrn das durch den Tod des Grafen Alphons von Poitiers
erledigte Land „Fen^z«," über das der Papst Verfügungsrecht hatte,
zu geben und zum Entgelt hierfür einen jährlichen Zins zu empfangen.
Oede scheint sich seiner Aufgaben mit Geschick und Eifer entledigt
zu haben. Wie eine Urkunde vom 1. Juli desselben Jahres besagt,^»)
wies der Graf von Artois den hailii von Artois an, dem clerc Odon
de Saint-Germain 200 1, paris. auf AUei heiligen für seine guten
Dienste am römischen Hofe auszuzahlen. Daß nun der in diesen
Urkunden auftretende maistre Odon kein anderer ist als unser Dichter,
ist aus einem weiteren Schriftstück zu ersehen (ibid.). Es scheint
zu zeigen, daß Oede sich schon einen Monat nach Empfang der
genannten Summe in Geldverlegenheit befand: am 20. Dezember des-
selben Jahres wird notariell konstatiert, daß Meister Odo de Corigia-
ria, der Gesandte des Grafen von Artois beim hl. Stuhl, von Jehan von
Moflieres, dem Gesandten des Königs von Sizilien, 10 gute livres
tournois geliehen hat, die er ihm Lichtmeß in Paris oder Lyon
zurückzahlen wird.
Die folgenden Jahre zeigen Oede in der Verwaltung des Landes
tätig. Nur angeführt wird er als Sachwalter des Grafen im Jahre
1276.21) Weitere Urkunden (zwei von 1278 und eine von 1280)22)
berichten, wie er als Verwalter des bailliage de Bapaume^ bez.
") i. c. S. 14.
18) Invent. sommaire des arch. depart. du Pas-de-Calais. Arras 1878. Serie
I S. 32 a.
19) ib. S. 37 a.
2") ib. S. 38 a.
") ib. S. 39 a.
2^) ib. 40 b und 46 b.
1G4 Johannes Spanke.
Sachwalter seines Herrn dessen Interessen geschäftlich wahrnimmt.
Dazwischen fällt (1280) wicdiTum eine Geldzahlung des Grafen an
seinen treu^'n Diener. 23) 1285 sehen wir Oede als Vertreter der
gräfliclien Regierung in Boulogne24); Aprise faite a Boulongne, Van
de grasce viil ij c iiij XX et V, le diemence de le quinznine de
Pai<kes, sovs commandenient des maistres d'Artoys, par Miles de
Nangis, baillu (sie!) d'Artoys et inaistre Oede de ISaint-Gemiain,
clerc monsigneur d Artoys, apeles et pi^e-teiis GidUiaumes d'Anvin,
GuiUaiimes de JJoking/i ehern, sous-burllus d'Arras, ajournes et öis
le maire et les echevins de Boidonyne de ce que iL vaudront dire
et proposer pour eiis'-'- (Es handelt sich um eine Untersuchung
der Rechte, die den Graf von Artois in dieser Stadt besit/.t). Um
dieselbe Angelegenheit drelite sich vielleicht zwei Jahre später eine
Gerichtssitzung am gräflichen Hofe, zu der der Graf von Boulogne
sowie der Bürgermeister und die Schöffen dieser Stadt erschienenes)^
Mre. Oede de Saint-Germain funktionierte in derselben als
Richter. Verschiedene Urkunden von ]290, die ihn in der Ver-
waltung tätig zeigen, brauch -n bloß erwähnt zu werden 26). Eine
überlieferte Quittung Oedes für verschiedene Termine seines Gehaltes
stammt vom 25. September 1292. Einen neuen Beweis für seine
Tüchtigkeit und das von seinem Herrn in ihn gesetzte Vertrauen
liefert ein Brief des Grafen von Artois an Philipp den Schönen, in
dem er diesem mitteilt, daß er Mre. Odon de Saint-Germain
„zu seinem Hofsachwalter (procureur en sa court) gegenüber allen
Personen und in allen Geschäften" gemacht habe (August 1293)'-^).
Vom 10. Oktober desselben Jahres ist die Urkunde datiert, in der
Oede zum letzten Mal lebend auftritt 28); er bildet mit drei Kollegen
ein Komitee, das zur Untersuchung von Streitfragen eingesetzt ist,
die zwisclien den Grafen von Artois und von Flandern schweben:
wiederum ein Auftrag, der sicher viel Geschick und Erfahrung auf
Seiten der Ausführenden voraussetzte.
Bis kurz vor seinem Tode war maistre Oede ein treuer Diener
seines Herrn. Im Juni 1294 bestätigte der „official du siege vacanf*
von Arras das Testament des Odon 29) de Corrigiaria, clerc des
Grafen von Artois, „zu gunsten seiner Töchter Marie und Odine,
seines Enkels Jacques, des eure von Saint-Jean-en-Ronville in rotunda
villa Arra? etc." Soviel das Inventaire^O); Gue-non teilt außerdem
nach der Originalurkunde mit (1. c), daß Oede von seiner vor ihm
23) ib. 42 b.
2*) ib. 48 a.
25) ;. c. II S. 179 und 180.
") ib I. 54 a und b; 152 b.
2^) ib I. S. 59 b.
28) ib I. S. (iO a
29) „Adiim" im lav. ist falsch gelesen.
30) I. S. 62 b.
Die Gedichte Jehans de Renti und Oedes de la Couroierie. 165
verstorbenen Frau Emelina drei Kinder besaß; ferner daß er zwei
uneheliche Töchter und deren Mutter Jeanne de Goiiy mit Lebens-
renten bedachte. Der Exekutor des Testamentes war ein gewisser
Hue, Dekan von Asnieres; er bestätigte am 28. März 1295, vom
Grafen von Artois 100 1. paris. erhalten zu haben, die dieser dem
verstorbenen Eude de Carigis (so das Inv.!) schuldete 3').
Daß es sich in allen angeführten Urkunden um eine und die-
selbe Person handelt, steht außfr Zweifel. Die am häufigsten auf-
tretende Namensform Oede de St.-Germain in Verbindung mit der
seltenern Oede de Paris deutet darauf hin, daß unser Dicliter der
Ifle de France entstammte. Die Sprache seiner Gedichte bestätigt,
wie hier gleich bemerkt werde, diese Annahme; sie weist auf das
Zentrum hin und schlitßt mit Sicherheit den pikardischen Dialekt
aus. Sein Wohnort wird in den 23 Jahren, in denen er als Beamter
des Grafen von Artois wirkte, dessen Residenz Arras gewesen sein.
Da er im Testament als Großvater auftritt, wird er wohl in höherem
Alter gestorben sein. Wenn wir nun annehmen, daß er nicht lange
vor 1270 in die Dienste des Grafen von Artois getreten sei, zählte er zu
dieser Zeit schon 30 — 40 Jahre. Es ist leicht zu verstehen, daß er
in diesem Alter seinen Heimalsdialekt nicht mehr nach dem Pikar-
dischen modifizierte. Nehmen wir jedoch, was vielleiclit das
Wahrscheinlichere ist, an, diiß die uns erhaltenen fünf Gedichte aus
seiner Jugend stammen, bietet die DialeKtfrage überhaupt keine
Schwierigkeiten mehr. — Der Inhalt der Gedichte Oedes enthält, wie
schon bemerkt wurde, leider keinen Anhaltspunkt biographischer Art.
Nach allem Bisherigen scheint es, daß Oede sich nur in seinen
Mußestunden mit Poesie beschäftigt haben kann. In der Tat machen
die fünf unter seinem Namen überlieferten Liebeslieder entschieden
den Eindruck von Dilettantenarbeiten. Der Inhalt ist in allen Liedern
ungefähr derselbe: Klagen über die Erfolglosigkeit seines langen
Minnedienstes, Schelten über die „mesdisanz'-\ die ihm die Dame zu
entfremden suchen, Bitten um endliche Erhörung. Daß die öfter
maßlos heftigen Gefühlsausbrüche unecht sind, sieht man auf den
ersten Blick; es fragt sich nur, ob sie als Ausflüsse jugendlicher
Überschwänglichkeit oder des dilettantischen Y.OLY.6C,r^\ov zu betrachten
sind. Seine Sprache ist, ganz im Gegensatz zu der anmutigen, durch-
sichtigen Sprache Jehans von Renti, ungeschickt und öfter dunkel.
Von Stimmung und Kompositionskunst ist in seinen Liedern kaum
die Rede. Hierzu hat sein metrisches Unvermögen stark mitgewirkt.
Öfters ist zu beobachten, wie ein Reimwort den ganzen Gedankengang
auf Abwege leitet. Auffallend oft gebraucht er geistliche Ausdrücke,
darunter auch solche, die eigentlich der Lyrik fern liegen {Four
dien! III. 35, und öfter, pechie fera U. 35, se dieu plesi lY. 25, je
31) ib. S. 158 b.
JOf) Johannes Spankc.
pri dien IV. 36, se dex liest sorz V. 5). Darin könnte man
Rcminisccnzen aus der geistlichen Vorbildung; des Clerc zu erl)licken
geneigt sein. (Vgl. die Anm. zu V. 50).
II. Die Handschriften.
1.
Die zwölf Lieder des Jehan dcRenti sind nur in der Hand-
schrift T (nach Schwan, 32) = Raynauds') pbH.; Bibl. nat. tr. 12615)
erhalten. Die Handschrift besteht nach den Angaben Schwans — ab-
gesehen von einem vorgehefteten Liederbuch Thibauts von Navarra und
einem am Ende angehefteten Liederbuch Adans de le Haie — aus drei
von verschiedenen Schreibern angefertigten Teilen. Als von den
Schreibern benutzte Vorlage ist eine Handschrift anzusehen, die eng
mit der Vorlage der Hs. M (Rayn. Pb^'; Bibl. nat. fr. 844) verwandt
war. Der dritte Schreiber, dessen Schrift, wie ich mich selbst habe
überzeugen können, sich deutlich von der der in den vorhergehenden
Teilen tätigen Schreiber abhebt, setzt auf fol. 172 v** ein. Er beginnt
jedoch nicht mit der Fortsetzung der ihm vorliegenden Handschrift,
die an der entsprechenden Stelle eine Sammlung von Motetten enthielt,
sondern schiebt aus anderer Quelle die Lieder Jehans von Renti ein.
Diese reichen von fol. 172 vO bis 176 v^. Die letzte Hälfte dieser
Seite und die folgenden zwei Blätter 177 und 178 ließ er frei (die
auf ihnen stehenden Einträge stammen aus dem 15. Jahrb.), um
auf fol. 179 mit den erwähnten Motetten 34) die Kopie seiner Vorlage
fortzusetzen. Verschiedene Motette, die sich, was zu beachten ist,
teils auf Arras beziehen, fügte er aus anderer Quelle ein. Er schließt
seine Abschrift ab durch eine Sammlung von satirisch-moralischen
und satirischen Liedern und Dits, die sämtlich auf Arras bezng
nehmen (?. Anm. 2). 35) Das sprachliche Gewand sowohl des
dritten Teiles als auch der ganzen Handschrift weist auf die artesische
Mundart hin. Vielleicht ist also die ganze Handschrift, höchst-
wahrscheinlich aber der dritte Teil derselben in Arras geschrieben
worden. Nach Schrift und Ausstattung gehört die Handschrift dem
13. Jahrb. an. Da nun von den satirischen Stücken eins nicht vor
1268 entstanden sein kann, andere um 1269 geschrieben sein müssen,
da ferner, wie oben gezeigt wurde, auch die Lieder Jehans von Renti
im dritten Viertel des 13. Jahrb. gedichtet sind, ist überhaupt keine
vielgliedrige Tradition der vom dritten Schreiber eingeschobenen Stücke
anzunehmen. Auch diese Tatsache, vereint mit dem Umstände, daß
viele der eingeschobenen Stücke sich auf Arraser Verhältnisse bezogen
und nur für einen Arraser näheres Interesse hatten (auch Jehan de
32) Die altfrz. Liederhandschrißen. Berlin 1886.
33) Bibliogr. des chansonniers fr. Paris 1884.
3*») Herausgegeben von G. Eavnaud, Recueil de .Votets francais. Paris
1883 11. S. 68 ff.
35) Vgl. die Ausführungen Guesnons im Mo7jen A<je 1899 und 1900.
Die Gedichte Jehatis Je Renti und Oede's de la Couroierie. 167
Renti stand ja bekanntlich in Beziehung zum Puy) läßt darauf
schließen, daß der dritte Schreiber bez. sein Auftraggeber in Arras
ansässig war. Daß aber der dritte Schreiber wahrscheinlich auch der
Besitzer der Hs. war, glaubt Schwan mit Recht daraus entnehmen zu
können, daß dieser in den Abschriften der beiden ersten Schreiber
eine Menge von Verbesserungen angebracht hat. Der dritte Teil
selbst ist sehr sorgfältig geschrieben; ein Blick in den vorliegenden
Text der Lieder Jehans und in die Ausgabe der satirischen Gedichte
zeigt, daß verhältnismäßig nur selten Anlaß zu Verbesserungen geboten
war. "Wenn man zudem in Betracht zieht, daß der dritte Teil eine
ungewöhnlich große Anzahl Unica bietet, liegt der Schluß nicht fern,
daß der Besitzer der Handschrift eine lebhafte Fühlung zu Arraser
Dichterkreisen gehabt hat, ja vielleicht selbst ein Dichter gewesen
ist. Dem mit allem Vorbehalt von Schwanke) geäußerten Gedanken,
daß vielleicht Jehan de Renti selbst in diesem Dichter zu erblicken
sei, der also seine eigenen Gedichte an die Spitze des von ihm nach-
getragenen Teiles der Handschrift eingeschoben habe, stehen sachliche
oder zeitliche Bedenken nicht entgegen; aber er kann, da es an
direkten Beweisen fehlt, natürlich nur den Wert einer Vermutung
beanspruchen. Zu dieser Annahme würde allerdings der Umstand
stimmen, daß Jehan de Renti anscheinend auf die reichen Bürger
von Arras nicht gut zu sprechen war. Es wäre also durchaus nicht
unwahrscheinlich, daß er sich für die satirischen Stücke, die doch
eigentlich nur Tagesliteratur waren, besonders interessiert und sie an
die Liedertexte der Handschrift angereiht hätte. Behandelt doch
eines dieser Gedichte 37) ausschließlich einen Stoff, der Jehan besonders
am Herzen gelegen zu haben scheint^ nämlich die largesce der Reichen
und ihre richtige Anwendung. Vgl mit der oben (S. 169) besprochenen
Strophe Jehans folgendes Stück (Vers 69 ff.) aus der erwähnten, von
einem gew. Pierre le Camus verfaßten Satire:
A'' ente?ides mie
Que ce soit voirs, que que nus die,
C'on pulst par tout bien emploier
N''a cascun rendre sen loier;
Mais a Paris et a Biauvais
Rent tcns preudom por cerit malvais.
Da wir also in der Handschrift T^ vielleicht ein Autograpli
unseres Dichters, höchstwahrscheinlich aber die Niederschrift eines
Arraser s besitzen, werden wir in dem Text der Lieder Jehans keinen
durch den Schreiber vorgenommenen Umformungen des Original-
textes, sondern der Mundart des Dichters selbst zu begegnen erwarten
dürfen. In der Tat stimmen, wie schon hier bemerkt werde, die
36) l. c. S. 256.
3'') No. XX. bei Guy und Jeanroy.
168 Johannes Spanke.
durch Reim uml Metrum gesicherten Eigenarten der Sprache Jehans
aufs genaueste mit dor allgemeinen Gestaltung der Handschrift überein.
Genaueres über die sprachlichen Eigentümlichkeiten der Hs. s. unten.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist es selbstverständlich,
daß sich uusire Wiedergabe des Textes inbezug auf die sprachhchen
Formen auf einen Abdruck der Hs. zu beschränken hat. Unediert
waren bisher die Lieder Nr. I., IV., V., VI., VII., IX., XI.; gedruckt
bei Noack^s), der Slrophenausgang in seinem Verhältnis zum
Refrain etc. Marburg 1899: No. II. (S. 116) III. (S. 117) und X.
(S. 138), bei Dinaux, Les trouveres artesiens, Paris 184 3 (S. 302)
No. VIII. und XII., bei Bartsch, Romanzen und Pastorellen,
(1870) No. XII., in Eist. litt. XXIII. S. 646 die erste und zweite
Str. von V.
2.
Von den fünf sämtlich unedierten^o) Liedern des Oede de la
Couroierie sind No. I. und II. in drei Handschriften erhalten:
1. K (= Rayn. Pa; Paris, Bibl. de l'Arsenal 5198); die
Handschrift gehört nach Raynaud ^o) und neuerdings Huef*') dem
13. Jahrh, an. Schwanns) entscheidet sich genauer für die zweite
Hälfte des 13. Jahrb. Ihre Entstehung wird jedoch durch den Um-
stand, daß sie die Lieder unseres Dichters enthält, auf das letzte
Viertel des Jahrb., vielleicht auf noch spätere Zeit, festgelegt.
2. N (=Rayn. Pb'i; Bibl. nat. fr. 845) Raynaud und Schwan
nehmen als Entstehungszeit der Hs. das 13. Jahrh. an. Vielleicht
ist jedoch aus dem eben genannten Grunde di'^ Ansicht von Bartsch'*^)
und Huet richtiger, die sich für das 14. Jahrh. entscheiden.
3. P (=Rayn. Pb^; Bibl. nat. fr. 847). Auch sie wird von
Raynaud und Schwan (von diesem wenigstens der erste, die Lieder
Oedes enthaltende Teil pi) dem 13. Jahrh. überwiesen, von Huet
dagegen dem 14. Von ihr gilt das Gleiche wie von K und N.
Die Handschriften K N P sind, wie fast alle Herausgeber ah-
französischer Lieder, fußend auf Schwans Untersuchungen, gezeigt
haben, eng miteinander verwandt. Diese Verwandtschaft wird trotz
der Kürze der beiden Lieder durch mehrere Fälle bestätigt. Auf-
fallend ist zunächst, daß das erste Lied in allen drei Hss. nur drei
Strophen hat, während alle übrigen Lieder (wenigstens in N) fünf
3^) Nach einer Pufsnote auf S. 163 ist die Ausgabe der Lieder von
E. Stengel bearbeitet.
39) P. Paris druckte in Eist. litt. XXIII. S. 663 nur eine Str. des
Liedes I. ab.
*") /. c. S. 54.
♦1) Gace Bride, Paris 1902. S XXIV.
*-) l. c. S. 86.
«) /. c. s. vn.
Die Gedichte Jehans de Renii und Oede's de la Couroierie. 169
Strophen haben, von denen die letzte jedesmal das Geleit bildet.
Auch inhaltlich scheint das Lied eines rechten Abschlusses zu entbehren.
Vielleicht hat also der Archetypus von KPN die beiden letzten
Strophen nicht enthalten. Ähnliche Auslassungen finden sich in der
Gruppe, der KPN angehören, öfter; vgl. z. ß. Gace Brüle (Ausg.
Huet) Ch. IX, X, XI, XIV, XV, VII u. a., alles Lieder in denen
diese Gruppe (die Huet mit ß bezeichnet) am Schluß entweder
mehrere Strophen oder den Envoi ausläßt. — Ferner ist I. 13
schon im Archetypus der drei Hss. die Lesart ne que se fiisse ivre
durch Zusammenwürfelung mit dem kurz voihergt^hemlen ne sai que
je faz aus dem richtigen ne se je fusse ivre entstanden — eine
Art von Verschreibung, die sich bekanntlich oft in Hss. findet. —
Ebenso ist im folgenden Verse wohl anzunehmen, daß der Archetypus
statt des richtigen me tiengne a pris schon 77iel tiengne darbot, das
N bietet^); in K P wurde diese Lesart weiter zu nei tiengne a pris
verschlechtert.
Wie nun innerhalb der Gruppe K N P die einzelneu Hand-
schriften sich zu einander verhalten, soll die folgende Zusammenstellung
beleuchten :
1. ein Zusammengehen von K P gegen N zeigen folgende Fälle:
a) ein gemeinsamer Fehler von K P findet sich nur an der
citierten Stelle:
1.12 quel nel tiengne K P ; quel mel t. N ^'^)
b) Fehler von N, die K P nicht teilen:
1 . 1 Mult a longuement fer N,
Trop ai longuement fet K P;
1 . 2 De maus dire N, des m. d. KP;
1.17 nus sages N (syntaktisch richtig, aber des Reimes wegen un-
zulä>sig), nnl sage K P;
1.18 avrai N, avra K P;
II . 30 s'est s^amor N, cest s'amor K P. Nicht fehlerhaft in N ist,
aber doch auf eine verschiedene Überlieferung deutet:
11.32 onc mes N, ainz mes K (P fehlt);
il. 41 t'erit N, fen K P.
2. K N geht im Gegensatz zu P zusammen:
a) in P fehlt die vierte Strophe der Chanson II.
b) K N hat die falsche, P die richtige Lesart:
**) Das / an mel ist in N allerdings erst nachträglich von erster
Hand eingeschoben worden; doch gerade das beweist, wenn man nicht eine
auf einem dritten unbekannten Kodax fufsende Korrektur von N annehuien
will, dafs keine Verschreibung vorliegt.
*^) I . 21 sqfei-z N, sqffert K P ist hipr nicht heranzuziehen; s. unten;
ebenso sind natürlich die Fälle unberücksichtigt geblieben, die auf
orthographische Eigentümlichkeiten des Schreibers zurückzuführen sind.
170 Johannes Spatike.
II . 19 ma guei'ison K N; la g. P.
c) In P stehen die beiden Lieder unter den anonymen. K
N entlialten alle fünf Lieder und zwar unter dem Namen de-
Dichters.
d) P hat gegenüber K N die falsche Lesart:
II . 46 tote P, tout K N.
3. P N scheinen trotzdem gegenüber der Hs. K eine Gruppe
zu bilden:
a) gemeinschaftliche Fehler in P N im Gegen satze zu K sind
nicht nachzuweisen,
b) P N bieten aber im Gegensatz zu K das Richtige:
1 . 3 enfance K, vütance P N ;
1.16 ore en sui K, or en sui P N ;
II . 27 ne point K. que point P N.
c) wohl den Schreibern zuzuschreiben (vgl. Anm. 45)
sind Fälle wie II . 26 seete X P, saete K u. a.
Schwan und verschiedene Herausgeber altfranzösischer Lieder-
dichter sind zu dem Residtate gekommen, daß K P eine engere
Gruppe innerhalb der Gruppe KPN bilden. Nach der obigen
Zusammenstellung trifft dies für unsere beiden Lieder aus dem Grunde
nicht zu, weil nach 2 a), b) und c) mit noch größerer Berechtigung
die Existenz einer Gruppe K N angenommen werden könnte. Unsere
Lieder bestätigen daher lediglich die nahe Verwandtschaft von KPN
sowie die Tatsache, daß keine der Handschriften aus einer der beiden
andern abgeleitet werden kann.
Die Lieder III, IV und V sind nur in K N überliefert. Die
vierte Strophe in III und die fünfte in IV fehlen in K. Daß N dem
Originale näher gestanden habe, ist vielleicht auch aus der durch den
Reim geforderten Schreibart miroer (IV. 10: joer) in N zu schließen
(K hat mireoir); IV. 29 haben beide Hss. im Versinnern voer (=videre);
vgl. unten. Da jedoch, wie die Varianten zeigen, im übrigen
K von allen drei Hss. am sorgfältigsten geschrieben ist, stützt sich
der folgende Text in allen Liedern auf diese Handschrift.
111. Die Sprache der beiden Dichter.
1. Die Lieder Jehan's de Renti.
Obwohl die Lieder des Jehan de Renti, wie gezeigt wurde,
uns unter besonders günstigen Verhältnissen überliefert sind, werden
wir uns in der folgenden Untersuchung, um zu sicheren Resultaten
zu gelangen, zunächst auf die Reime und das Metrum beschränken.
Soweit es der beschränkte Text zubißt, werden, wo es nützlich erscheint,
die bis jetzt erschienenen Karten des Gillierou'schen Atlas
linguistique de la France (26 Lieferungen) zugezogen werden.
Die Gedichte Jehans de Renii und Oede's de la Couroierie. 171
A. Die Reime.
Dieselben liegen, da sämtliche Lieder durcligereimt sind, in
keiner großen Anzahl vor, Sie folgen alphabetisch geordnet mit
Angabe der Lieder, in denen sie auftreten:
-age (L 5. 10), -ai (6. 12), -aine (12), -anclie (2. 6. 10),
-ant (9." 12);
-e (1. 7), -ie (4), -ent (2. 3. 4. 8. 9. 10. 11), -er (3. 4. 5. 10),
-es (8. 10);
-i (2. 3. 10), -ie (7), -ir (1. 2. 9. 10), -ire (8), -is (ß. 10);
-oie (3), -071 (4. 5), -oir (9. 11), -oiir (1. 5); -om?"5 (10),
-ure (11. 12), -?<«/ (G).
Zur Lautlehre.
1. -age. Die Endung -age wird weder im Reim noch im Vers-
innern durch -aige ausgedrückt; (Gillieron's Kailen tirage (292) und
rage (1127) zeigen keine Spur von einer auf altes -aige zurückdeutenden
Aussprache). Bemerkenswert ist ferner, daß sich unter den Reimwörtern
auf -age auch atarge (X. 47) befindet; dieselbe Nichtberücksichtigung
des r vor g zeigt wohl auch atargie (IV. 46), das mit esragic (reich)
reimt. Es fragt sich, ob der Grund zu dieser Erscheinung in einer
metrischen Unvollkommenheit (wie Tobler Versbari^ S. 131 annimmt)
oder in der lautlichen Schwächung des vorkonsonantischen r zu suchen
ist. Für die letzte Erklärung spricht der Umstand, daß die Erscheinung
oft in alten pikardischen Texten auftritt. Daß allerdings heute r vor
g pikardisch keine Schwächung bez. Schwund erfährt, zeigt Gillieron
auberge (69) und berger (ere), 127 und 128.
2. -ai und -aine. Unter den Reim Wörtern auf -ai befindet
sich keins mit e, ebenso keins auf -oi. Das Vorkommen von esmai
(VL 8) hat nichts Auffallendes, da bekanntlich schon früh die beiden
Formen esmai und esmoi nebeneinander vorkommen ; wie Steffens
(Ferrin von Angicourt, Halle 1905, S. 155) bemerkt, bevorzugt
das Pikardische die Form auf -ai. Seine Behauptung (ib. S. 154),
„daß in esmai das -ai schon lange nicht mehr den diphthongischen
-az-Charakter hatte, ist bei der relativ vorgeschrittenen Zeit — etwa
Mitte des 13. Jahrhs. — ganz unzweifelhaft", ist für die pikardischen
Dichter — also auch für Perrin — nicht zutreffend ^6j_ wie Suchier'^')
nachgewiesen hat, besaß in den pikardischen Texten ai diphthongischen
Wert noch zu einer Zeit, wo es diesen im Franzischen und
Normannischen längst eingebüßt hatte"^^). Daß diese auffallend
altertümliche Erscheinung selbst in der Aussprache des heutigen
*8) Dafs Perrin esmai sowohl auf -al als auch auf -oi reimt, beweist
nur, dafs er beide Formen anwandte.
*'') Aucassin und Nicolete^, Paderborn 189;). S. 64.
*ä) Hinzufügen zu den Beweisen Suchiers liefsen sich noch im
Pikardischen häutig auftretende Reime wie messwje : trovai je (Gillcbert de
Bern ed. Waitz XII. G. 7); vgl. ferner die von Darmesteter [XV!« süde
S. 200) angeführte Notiz Palsgrave's.
172 Johannes Spanke.
Pikardisclien fortlebt, geht aus Gillieron mai (792j und geai (630) her-
vor. Beide Wörter werden auf dem für uns in Betracht kommenden
Gebiete49) (,^as isolierte geai überall, mai mit vier Ausnahmen) mit
einem fallenden Diplithonjxen gesprochen, dessen betonter Bestandteil
a ist. — Unter den 14 Reimwörtern auf -aine kommt auch plaine
(= plena) und paine (3. ps. praes. von pener) vor; es sind also ei
und ai vor n zusammengefallen, ein Vori^ang, der besonders in
pikardischen Texten auftritt^O). Daß er in der heutigen Aussprache
Spuren hinterlassen hat, deuten vielleicht die auf der Karte Gill.
piein (1031) in Pas-de-Calais überwiegenden Formen mit a an. Diese
Formen überwiegen in fileicher Weise hei pain (9G4), parrain (974),
paine (990; hier nur a-F.), plaindre (1025), bain (105), fontaine
(592; nur a-Formen), laine (744; ebenso), main (796). Daß diese
a-Formen mit den alten Formen in direkten Zusammenhang zu
bringen sind, folgt wohl aus der Tatsache, daß a4-Naaal und e -|- Nasal
im Pikardischen wie in der alten Sprache, so noch heute scharf
geschieden werden (s. u. S. 173). Diese Folgerung führt in Verbindung
mit der von Sucbier (J. c.) zitierten Notiz Beza's, daß man im
16. Jahrh. pikardisch aiyne mit diphthongischem ai sprach, zu dem
Schlüsse, daß auih das Altpikardische das ai vor Nasal ebenso wie
ai in offener Silbe (s. o) behandelte.
3. -anche, -ant und -ent. Die Bindung von blanche (branche,
franche) und dem Suftix -antia zeigt, daß der Dichter in beiden
Fällen ch sprach, -anche stellt bekanntlich im Pikardischen überall
für das franzische Suftix -ance. Daß auch heute im Pikardischen
französischt^s p (bez. ss) noch die alte Aussprache hat, zeigt Gill.:
celle-ci (208), ceux (209), cendre (210), cent (211), bossu (149);
alles Beispiele, in denen sämtliche in Pas-de-Cal. verzeichneten Orte
ch aussprechen. In Bezug auf blanche [branche, franche) variieren
die pikardischen Texte. Einige unterscheiden diese Wörter im Reime
sorgfältig vom Suffix -anche, d. h. sie sprechen blanke ^^). Andere,
wie auch unser Dichter, tun es nicht ^2). Diese „Zwitterreime" sind
*9) Für Renti sowohl als für Arras genügen, wie ein Blick auf die
Karte lehrt, die von Gillieron im Dep. Pas-de-Calais aufgf^zeichneten
Orte voUstäudig; das Departement ist sogar, wie manche Karten zeigen, in
sprachlicher Beziehung von einer Einheitlichkeit, die die angrenzenden
Departements nicht besitzen, d. h. es bildet örtlich das Zentrum der
pikardisch-artesischen Mundart,
^"j S. Wallensköld, Cmon de Bethune, Helsingfors 1891, S, 146 und die
dort angeführten Texte.
■'■^) Z. B. Renclus de Mniliens ed. van Hamel, Paris 1885; Conen de
Bethune (s. Wallensk. S. 136), Bodel in dem Con(je, die Verlasser der Remedes
d'Amour und Art d'Amour ed. Körting 1868, Adam de le Haie (Canchons ed.
Berger), Perrin von Angicoiirt ed. Steffens.
5-') Z. B. Blondel de Nesle ed. Wiese, die Chatelaine de St. Gille
(Schnitz -Gora, zwei nfrz. Dichtungen), Andrieu Contredit ed, R. Schmidt,
Halle 1903; Jean de Jonrny (im Arrond. St.-Oraer, nicht weit von Renti)
ed. Breymann, Dit du vrai aniel ed. 'l'obler - S. XXI.
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de la Couroierie. 173
wohl nicht auf dialektische Differenzen zurückzuführen, sondern
bezeugen lediglich das gegen Ende des 13. Jahrhs. schon deutlich
spürbare Einwirken der y.oivT] auf die Sprachformen der artesischen
Dichter. Bestätigung findet diese Annahme durch Gill.: attacher
(65), bouche (151), achete (6), chemin (262), chanter (232j, char
(235), franche (610), blanche (135), wo überall in P.-de-Calais k
gesproclien wird (nur ein Ort — 284 — kennt die Aussprache
achete mit ch). DnQ in der heutigen Aussprache sogar noch die
beiden c-Arten (p und ch) sorgfältig auseinander gehalten werden,
zeigen die Karten: chanson 231 (vgl. die alte Schreibung canchon)
und cest eher 268. — Der Endung -ant liegt stets primäres oder
durch Angleichung entstandenes lat. -ant- zu Grunde. Sie wird
im Reime stets von -ent unterschieden; in Ch. IX kommen die
Endungen -ant und -ent nebeneinander im Reime vor, werden aber scharf
auseinander gehalten. Duß die Erscheinung im heutigen Pikardischen
fortlebt, geht hervor aus Gill.: argent {bl A und B), cendre (210),
eent (211), gents (639), fen ai (83 A und B), (überall nas. e),
be-oniiers aber aus cent ans (212), enfant (461), avant de penser
(995), wo en- und an- in der Aussprache scharf geschieden werden. —
We^^en talant, das sowohl auf -ant (XII. 48) als auch auf -e7it (IV.
20, IX. 38) reimt, ist auf P. Meyer, in Mern. de la Soc. de linguist.
I S. 251 ff. hinzuweisen.
4. -e, -iS, -er und -ier. Auseinandergehalten werden stets die
Reime -e und ie, ebenso -er und -ier. Durch den Reim gesichert
werden pitie IV, 16 (die Nebf. pite kommt auch im Versinnern nicht
voi), irie IV. 34 (irer fehlt gleichfalls) und desirre VII. 7 (vgl. im
Versinnern -IX 20- den substantivierten Infin, desiriers). Unter den
Reimen auf -er befinden sich auch merchier (III. 29) und ouhlier
(IV. 3 und V. 33); -Her kommt also nicht vor. Bemerkenswert ist
das Reimwort covoitie (VII. 6) = covoitiee mit ie für iee, eine
Erscheinung, die sich in pikardischen Texten bekanntlich sehr häufig
findet. Üher ihre Erklärung ist noch keine Einigkeit erzielt. Die
einen führen sie auf den lautlichen Wandel von ie zu i zurück;
so zuerst Foerster {Chevalier as .11. espees 1877 S. 4l5), auf ihm
fußend neuerdings Steffens [I.e. S. 162 ff), der besonders die im
Pikardischen auftretenden Infinitive auf -ir statt -ier heranzieht;
einen weiteren Beleg wüide auch die Form moiti = moitie bieten,
die Goilefroy zweimal anführt '"'S). Die timlere Erklärung führt den
Wandel auf die pikardische Tendenz zur Zurückzii hung des Akzents
zurück 54j^ die alle Diphthonge zu fallenden, also auch iee zu lee
machte, das dann zu ie vereinfacht wurde. Vertreten wurde diese
Ansicht zuerst von Foerster (Richard li Biaus 1872, S. VIII), dann
'') Ob man pikardi>che Formen wie entire, manire als Belege betrachten
darf, ist zweifelhati, da sie auch anders erklärt werden können.
*t) at war yikardisch sicher fallender Diphthong; s. o. S. 171.
174 Jolumne^ S/'unke.
von ihm abgelehnt (s. o.), später aber anscheinend wieder angenommen
(Venus la deesse d'Amotir 1880, S. 51), nachdem sie von Neumann
(Zur Laut- und Flexionslehre des Afrz. 1878, S. 56) eingehend
begründet war. Letzterer erkannte richtig, daß die Erscheinung not-
wendig mit einer ähnlichen, allerdings seltener vertretenen Erscheinung
zusammenzubringen sei, von der unser Text ebenfalls einen Beleg
bietet, nämlich dem Wandel von U zu ie: vgl. moitie VII. 13. Der-
selbe findet sich in nur wenigen, teils schon von Foerster (Venus
1. c.) zitierten Texten: in Venus (pik.), dem sprachlich hiermit eng
verwandten Cristal (s. Gröbcrs Grundr. II 1. S. 791 ; Hs. von 12G8),
der Dirne de Penitance, gedichtet 1288 von Jean de Journi(s. Anm. 52),
in dem unedierten Lancelot Jehans (s. Gröbers Gr. S. 513;
Dialekt unb.), in Baudouin de Sebourg, ed. anon. Valenciennes 1847
(s. H. Breuer, Sprache und Heimat des Bald, von Seb. Bonn 1904
S. 9; Verfasser legt den Entstehungsort der Dichtung mit Hilfe von
Gillierons Atl. auf Bruille-Saint-Amand, Dep. du Nord fest), dem
Sone von Nausay (ed. Goldschmidt 1899; der Verfasser macht keinen
Versuch, den pikardischen Text näher zu lokalisieren), in Claris (ed.
Alton 1884, nach Grob. Gr. S. 788 vor 1268 begonnen, pikardisch)
und in Adam de le Haie, ferner vereinzelt in wenigen andern Texten.
Der Umstand, daß die angeführten Texte, soweit ihr Dialekt bekannt
ist, pikardisch sind, spricht gegen die Ansicht derer, die die Reime
ie : ie als „Augenreime" betrachten, wie z. B. Tobler Versbait'^ S. 142
und Alton, Claris S. 828 tun. Gillieron's Atlas gibt über die
Erscheinung keine positive Auskunft; er bestätigt nur, daß der Wandel
von ie zu i im Dep. Pas-de-Calais nirgends, sehr vereinzelt im Dep.
du Nord, öfter erst viel östlicher auftritt; vgl. die Karten osier 955,
charrier 245, fevrier 562, furnier 618, pied 1012, premier 1088.
5. -es, -ts, -i und -ir. -hs ist entstanden aus lat. -atus(os),
-atis, -atem-\-s, also — frz. -ez. Daß dieses s nicht nur graphisch,
sondern auch phonetisch war, zeigen Reime wie jolis : faintis VI. 1 8,
ajnis : escris VI. 36 — eine Erscheinung, die im Pikardischen
bekanntlich schon im 12. Jahrb., im Franzischen erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrh. auftrat 55). Auf den Schwund des isolierten t
im Auslaute weisen Reime wie träi : joli III. 43 hin. Unter den
Reimwörtern auf -f, -ir und -is befinden sich keine auf -r«, -uir, -uis^^).
6. -oie, -oir und -on. Das oi der Reimwörter auf -oie (nur
in HI vorkommend) geht entweder auf lat. e (i): febloie, ravoie,
voie, gucrroie, kerroie, moie, languissoie oder au-^i zurück: joie,
oie (= audiat). — Über die Reime auf -oir ist nur zu bemerken,
daß unter ihnen viioir (IX. 35) und eschäoir vorkommen. Die
pikardischen Formen veir, eschäir treten weder im Reime noch im
65) S. Schwan-Behrens, Afrz. Gr.^ S. 137.
56) Das Auftreten von languir (II. 22) hat natürlich nichts Auffallendes,
da das u nur graphisch ist; vgl. Steffens /. c. S. 16-3.
Die Gedichte Jelians de Renti und Oedes de la Couroierie. 17")
Versinnern auf. (Das Fortleben der alten Formen gebt aus Gill-
s'asseoir 62 hervor, wonacb in Pas-de-Calais ausscbließlich s'assir
gesprocben wird.) — Auf -on reimen auch Wörter auf -lon, das in
diesen Fällen natürlich stets zweisilbig ist: vis'ion IV. 2G, enteni'ion
IV. 44 und y. 36, pens'ion V. 10, peiiüon V. 28.
7, -oicr und -ours. Reime wie folour : amour l. 40, amour :
dolour V. 23 werden von den meisten Herausgebern altfranzösischer
Gedichte als beweiskräftig dafür angesehen, daß der betreffende Dicbter
t'olour, dolour und nicht foleur, doleur aussprach. Dieser Schluß
ist in einer solchen Ausdehnung sicher falsch. Zunächst zeigen zahl-
reiche Hss.57) und Urkunden 58) hinlänglich, daß zur Zeit unseres
Dichters Formen auf -eur im Pikardischen existierten (im Franzischen
werden sie schon für den Anfang des 13. Jahrhs. bezeugt; s. Suchier,
Afrz. Gr. S. 29). Das Nebeneinander der beiden Formen scheint
darauf hinzudeuten, daß zu dieser Zeit im Pikardischen die jüngere,
aus Isle de France eingeführte Form die ältere noch nicht vöUig
verdrängt hatte. Übrigens haben auch Dichter viel späterer Zeit, als
man sicher nur noch -eur aussprach, noch ähnliche Reime : Vgl.
<)thon de Gransou : amour : doidour, Froissart (Paradys d'amour in
Scheler, Bd. I der Fohies Vers 944): veneour : sejour, Vers 1521
cremour : amour etc., Christine de Pisan, Chemin de Long Estude,
ed. Püschel Vers 689 Iwnneur : meneur (s. d. Hss.), Vers 861 amour:
demour, Vers 5920 onnour : amour, aber 4730 euer : laheur. Die
späteren Dichter verwandten also die archaischen Formen nach Belieben
und Bequemlichkeit im Reime, während sie dieselben im Versinnern
natürlich vermieden.
8. -uel. Diesen von den afrz. Lyrikern sehr selten an-
gewandten =9) Reim haben die Wörter: suel (soleo), voel (1. Ps. Pr.
von vouloir), duel (doleo), orguel {= orgueil), acuel (= accueil),
hruel (vgl. prov. bruelhs), recuel (= recueil), suel (*>ölium, Schwelle),
muel (s. u.), fuel (folium). Die lateinische Unterlage ist überall
^Z+(epenth.) i; nur die Etymologie von muel macht Schwierigkeiten.
Godefroy fübrt zwei Belege für ein Verbum mueler a,n: 1. mueler=^
heuijler (Beleg: les vaches . . . mueloieni), 2. 7nüeler = cacher. Beleg:
ceus qui lors fais vont muelant
Pour avoir gloire et los au monde
{,,Fabl. d'Oi\, Ars. 5069. foh 148 b.")
5") Auch unsere Hs., s. u. ; der Arraser Kopist Jehau Mados.
der NeflFe Adan's de le Haie, schreibt selbst im Reime eur; s. Windahl, li
rers de le mort, Lund l.'-87, Str. 146.
5») S. De Waillv in Bibl. de VEcole des Charles XXXI S. 261 ff., Raynaud
ibidem XXXVI S. 193 ff.; Bonnier in Zts. f. rom. Phil. XIII S. 431 ff.: XIV
S. 66 ff;, 298 ff".
^^) Vgl. die Reime eines Gedichtes der Douce-Hs. (Rayn. Reo. de
Mot. II. S. 4): [je] suel, [fej duel, [Je] merveiil, orguel, [je] vuel, eul (oculi),
[je] ducl; und ib. S. 73: duel, suel, voll, orgoill, recoel, oel.
176 Johannes Spanke.
Die Etymologie von 1. ist unklar; 2. könnte als sekundäre verbale
Ableitung von dem bei Godefroy ol't belegten Adjektiv jjiuel = *muteUus
ange-<eben wcrilen. Doch vorlangen Metrum und Reim an unserer
Stelle ein einsilbiges ue, während müelant dreisilbig ist und eine
Ableitung müeler von müel (= müet) natürlich gleichfalls dreisilbig
sein müßte. Es läge daher vielleicht nicht fern, für muel eine ähnliche
lautliche Grundlage wie für suel etc. anzunehmen, d, h. es als 1 Ps.
S. Pr. eines Infinitivs mouloir zu betrachten. In der Tat belegt
Godefroy diesen Infinitiv mehrfach in der Bedeutung moudre (Gill.
moxidre 879 zeigt von mouloir keine Spur); doch mit dieser Bedeutung
scheint sich der Sinn, den unsere Stelle verlangt, nicht recht vereinbaren
zu lassen, s. u. Anm. — Jedenfalls beweist der Reim an unserer Stelle
nicht, ob das l in -uel mouilliert ist oder nicht. Auf letzteres deutet
vielleicht die auch im Versinnern auftretende Schreibung -uel (nie
ueil) sowie recuellir I, 20, voelle IX. 37 hin. Ähnliche Schreibungen
finden sich in pikardischen Texten sehr oft; Jehan Mados schreibt
ebenfalls -oel, -uel^^). Vgl. Gillieron: cercueil 214, cerfueü 216, deuil
395, ecureuü 450, fauteuü 544, oeil 932, (auch feuille 559); auf
einem ziemlich kleinen pikardischen Gebiete, das jedoch das ganze
Dep. Pas-de-Calais in sich faßt, werden alle angeführten Wörter mit
der Endung öl gesproclien. Welche Aussprache der Vokal in -uel
zur Zeit Jehans besaß, ist nicht zu ermitteln. Schreibungen in unserm
Texte wie veut u. a. (die jedoch wahrscheinlicher als franzische
Formen zu betrachten sind) weisen vielleicht auf die Aussprache öl
hin. Dagegen sprechen die oben erwähnte Tendenz des Pikardischen
zur Zurückziehung des Akzentes sowie der Umstand, daß sich wenigstens
an einem Orte der Pikardie (Gill. No. 171, Dep. du Nord) in dem
Worte deuil (395) die sehr alte Aussprache duel heute noch findet.
Zur Formenlehre.
1. Das Nomen. Der Nom. Sing, der 2. lat. Deklination hat
stets sein s bewahrt: senes VIII. 5, navres VIII. 21, jolis X. 1,
amis X. 12 etc; dem Obl. Sing, und dem Nom. Plur. fehlt stets
das s, wie die zahlreichen Reime auf -age, -ai, -S zeigen. Für den
Obl. Plur. fehlen Beispiele. Auch die Masc. der lat. 3. Dekl. haben
noch die alte Flexion; vgl. die -an<- Reime. Die F'em. der lat.
3. Dekl. haben im Nom. Sing, stets analoges s: debonairetes X. 18,
folours X. 14, doucours X. 23; der Obl Sing, hat stets die regel-
mäßige Form: volente^ I. 6, veriU I. 30, langour I. 32 u. a.; das
einzige Beispiel für den Obl, Plur. ist amours X. 5; für den Nom.
Plur. felilen Belege, Wie diese Angaben zeigen, ist Jehan in der
Beobncbtung der Flexionsregeln für seine Zeit recht strenge. Das
Bestreben, dieselben zu wahren, zwang ihn sogar, um durch ganze
6») S. Windahl l. c Str. 111.
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de la Couroierie. 177
Gedichte hindurch den gleichen Reim festzuhalten, zu einer gewissen
Einförmigkeit in seinen Konstruktionen, was sich besonders in den
die Reime -e und -ant enthaltenden Gedichten zeigt.
2. Das Pronomen. III. 25 verbürgt der Reim den Obl. li
zu eile (bet.)
3. Das Verb um. Die 1. Pers. Sing. Praes. der lat. Verben
auf -ere hat kein analogisches s: atrai VI. 39, so.i VI. 40, repent
II. 35, reiich IX. 4. Ebenso fehlt der 1. Ps. Sing. Praes. der lat,
1. Konj. noch das analogische e in present IX. 46, steht dagegen
in paine XII. 22. Durch den Reim gesichert wird die als 3. Pers.
Praes. Conj. von dire. Die Endung des Impf, ist -oie: languissoie
III. 41 (: joie III. 6). Die 1. Ps. Sing. Pr. der Verben souloir,
vouloir, douloir lautet: suel (VI. 1), voel (VI. 3), duel (VI. 9).
Diese Formen sind wohl nicht auf die Analogie der 2. Ps. zurück-
zuführen, sondern haben die Mouillierung des l durch lautliche
Entwicklung eingebüßt: s. o.
Zur Syntax.
Das Part. Perf. in Verbindung mit avoir stimmt im Genus
zuweilen mit dem zugehörigen direkten Objekt überein, zuweilen nicht;
vgl. VII. 6:
C'est la riens cai covoitie (: amie)
Plus toiis jours et desirre (: volenti).
B. Silbenzählung.
1. Elision findet statt stets bei den auf tonloses e endigenden
mehrsilbigen Wörtern: bone_a'mour 1. 1, dame honour 1.7 etc.; nur
einmal unterbleibt sie (in der lyr. Cäsur):
XI. 13 ke je niete amours en noncaloir.
Sie tritt in der Regel ein bei den bekannten einsilbigen, auf
tonl. e endigenden Wörtern; z. B. ^e: fail.ol etc.; ke: k'ele 1.21^
86 (lat. si): silNl. 28; seltener bei si (=sic): s'am IV. 27, s'en
V. 24, s'iere VI. 26; zweimal bei ki: c'autrement V. 16 und k'irh
XII. 28.
2. Hiat findet sich selten bei je: je amai IL 10, ke: ke a
IV. 8, öfter bei ki: ki est IV 47, si (sie): si a V. 17 (in der Cäsur),
si (= sui): si oel VI. 15, natürlich stets bei dem betonten li: li amer
V. 38, li aprent XII. 59. Innerhalb eines Wortes bezeugt das Metrum
den Hiat a) in den gelehrten Wörtern vis'ion IV. 26, petit'ion V, 28,
entention IV. 44, pension V. 10, b) nach Ausfall eines Konsonanten
entstanden in pöoir I. 2., eage I. 3, X. 42, obeir I. 10, füir I. 12,
fianche VI. 38, löis VIII. 6, häir I. 18, II. 37, }-)leusse II. 17, häanche
II. 25, crüelment III. 10; IV. 32; mercMer Ml. 29, ouhlier IN. '5\,
beer IV. 39, öir IV. 48, veu IX. 15, viJoir IX. 35, peust und eschäoir
XI. 27, räencon IV. 45, asseure XI. 31, — aber sure XI. 15 u. XII. 61,
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII •. 12
178 Johannes Spimke.
envolscure XI. 38, XII. 11, amhleure XII. 1, träinant XII. 45.
Graphisch getilgt wurde der Hiat durch Einscliiebuiig eines h (das
allerdiogs auch auf Einwirkung der lat. Form beruht) in Jehan
VIII. 1. 9. Wie diese Zusammenstellung zeigt, ist der alte Hiat mit
nur einer Ausnahme überall bewahrt. Daß das Pikardische den
Vortou-Hiat lange bewahrte, ist eine reich belegte Tatsache, die auch
durch zwei Karten Gillieron's bestätigt wird. Fklte 584 hat an der Mehr-
zahl der in Pas-de-Cal. verzeichneten Orte noch die alte Aussprache
fläüt^^). Mur 891 zeigt überall in Pas-de-Cal. die Aussprache mcer
(bzw. einmal 7ner), welche auf lange Erhaltung des vorton. Hiatus-g
hinweist.
3. Zu dem öfter vorkommenden vrai findet sich nicht die
Dublette verai; anderseits steht verite I. 30 ohne die Nebenform trete.
Neben encor XI. 37 kommt encore nicht vor, wohl aber ore V. 31
neben dem öfter auftretenden or.
4. Die Adjektive der lat. 3. Deklination haben im Fem. meist die
alte, e- lose Form bewahrt: grant viute 1.A7, grant pieclia IV. 1;
grant honte VII. lO u. a.; aber auch grande valour I. 39, V. 15,
tele natureXl.Q; das Fem. douche I. B2 zu douc (VI. 17) ist bek.
sehr alt. Das Wort lahour ist wegen des zugehörigen vrai V. 32
Masc. — ist also die von lahourer aus gebildete Form. Bei andern
Lyrikern^S) findet sich, allerdings seltener als le lahour^ die femininische,
von lahorem abgeleitete Form (Vgl. noch heute le labour: La laheur).
Auch die Adverbialbildung zeigt das alte Femininum: loiaument II. 11
und öfter, cruelment III. 10. IV. 32. Durch das Metrum verbürgt
wird die Form mens IV. 30 (= mundus).
5. Neben vostre (nur vor Vok.: vostre ami VI. 24, vostre
amour XI. 28) steht vor Kons, auch die pikardische Nebenform vo,
vos: vo plaisir ne vo commandement lY . 13, vo prison IV. 17, vo
non rV. 27, vo doucours X. 23; vos secours X. 32^'^). Einmal
kommt das betonte vostre vor: dti vostre VI. 28. Neben ele III. 32
(einziger Beleg) kommt das pikardische el nicht vor; wohl aber die
Obliquusform li zu bet. eile: li servir I. 2, li honerer V. 35, en li
amer XI. 7, unbet. la: je la remir IX. 7.
6. Der 1. Pers. Sing. Pr. der Verben auf -er fehlt das analogischc
e noch in folgenden Fällen: aim I. 35, port I. 7, chant VII. 4, demant
Vni. 6, desir IX. 7 (in sämtlichen Fällen vor Kons.); das e haben
schon emploie III. 28 und esmervelle III. 1 (vor Kons.). — Die
3. Pers. Sing, des Conj, Praes. hat ebenfalls noch kein e: puist
1.19 und öfter, laist 1.27 und öfter, esploitl. 2S. Habui erscheint
ßi) Altfrz. Belege s. bei God. im Compl.
92) z. B. bei Chrestien de Troyes.
63) Stengel {l. c S. 138) hat vos mit Unrecht in vo geändert, indem
er wohl einen leicht erklärlichen Schreibfehler annahm; die Nom.-Form vos
findet sich ölter, z. B. bei Conen de Bethune, Andrieu Contredit u. a.
Die Gedichte Jehan's de Renii tmd Oede's de la Couroierie. 179
iu der alten Form oi XII. 68 und der jüngeren euc IX. 3. Das
Futur zeigt die bekannten pikardischen Doppelformen: deveroit I. 22.
averoit I. 1 neben avrai IV. 8, avroie IV. 43 und 44 (aroie VII. 12);
die gekürzte Futurform haben wir vor uns in donrai XII. 43. Verbal-
formen, die den alten Hiat bewahren, sind: pleusse II. 12, veu IX. 15,
veoir IX.35, jjeust XI. 27; entsprechende kontrahierte Formen fehlen.
Die vorausgehende Betrachtung führt zu dem Ergebnis, daß der
Dialekt Jehans der pikardische war, wie es ja auch nach seiner
Biographie nicht andeis zu erwarten war. — Die gewonnenen Einzel-
resultate sollten, wenn die oben ausgesprochene Vermutung richtig sein
sollte, mit der Orthographie der Handschrift im Einklang stehen.
Ein Blick auf den Text lehrt, daß dies durchweg der Fall ist. Nur
tinden sich im Versinnern verschiedene jüngere Formen, die der Reim
ausschloß. Diese sowie andere in der Hs. vorkommende scheinbare
Inkonsequenzen begegnen ebenso oft in pikardischen Urkunden. Ihre
Erklärung wurde zuletzt von Bonnier, Gröbers Zts. XIII S. 431 und XIV
S. 66. 298 versucht; s. dort auch die übrige Literatur. — An
Einzelheiten über die Orthographie der Handschrift ist Folgendes zu
bemerken: 64)
1, Das oben über pikardisches ai Gesagte findet durch
die Orthographie unserer Hs. seine Bestätigung. Altes ai erscheint
sowohl in freier als in gedeckter Stellung stets als ai: laist I. 29,
fait H. 37, etc. Das lateinische durch Ausfall eines Konsonanten in
Hiat getretene vortonige a bez. e wird entweder durch e ausgedrückt :
eage I. 3, greer IV, 39, eskeanche II. 28, oder durch a: bäanche
1.25, eschäoir XI. 27 , räencon lY. 4b; Jehan Mados bedient sich
gleichfalls beider Schreibungen. 65) Daß auch das heutige Pikardische
Vortonvokale gern zu a macht, deuten Gillieron chevexix 270, maison
801 (in Pas-de-Cal überall 7na-), meunier 850 (ebenso üb. ma-) und
pays 983 an. Auf dieselbe Ursache ist wohl die Form aican II. 21
(=: frz. oan, oiian) zurückzuführen; daß sie auf pikardischer, heute
noch wirkender Lautgewöhnung beruht, beweist Gill. oui 958, wo
8 Orte in Pas-de-Calais axo- aussprechen, und entendu 466, wo ein
Ort des Dep. du Nord (No. 272) die alte Form awi (altfrz. oüi, öi)
bewahrt. Hierher gehören dann jedenfalls auch Gill. bobine 140 und
Omelette 940 (iu Pas-de-C. nur am-)- e und a vor n sind auch im
Vers- und Wortinnern sorgfältig auseinandergehalten: encor II. 38
und öfter, penser oft. räencon FV. 45 etc.; eine Ausnahme bilden nur
sanier' XU. 15, samblanche VL 13, samblant IV. 29. Neben sans
steht sains in demselben Verse X. 22; auch Jehan Mados hat beide
Formen. Zu der Reimform plaine vergl. im Innern des Verses
**) Die Orthogr. anderer Abschnitte der Hs. T untersuchten Engelcke
in Herr. Arch. Ib. S. 156 und Waitz in Gröbers Zts. XXIV. S. ;U5.
«6) Windahl l. c. S. XXXI.
12*
180 Johannes Spanke.
mainent VIII. 2 (zu mener). Noben -ieu (öfter miex und die.v) finden
sich das piliardisclie -iu in dius X. 9 und Andriu IX. 47. Tobler
glaubte (AnieP S. XXVIII) aus dem Umstände, daß -ieu und -iu in
denselben Texten nebeneinander vorkommen, schließen zu können, daß
die artesische Aussprache durch keine der beiden Schreibungen genau
wiedergegeben wurde und vielleicht in der Mitte zwischen ihnen lag.
Wallensköld (/. c. S, 187) hielt iü für das in Arras Gesprochene
und ieu für graphisch. Suchier (/. c. S. 69) erkannte, daß es sich
wahrscheinlich um dialektische Differenzen innerhalb des pikardischeu
Gebietes handelt (so daß man die iew- Formen nicht als . franzische
zu betracliten braucht). Gillieron's Atlas bestätigt diese Ansicht: iu
dl 287, le hon Dieu 404, yeux 932, mon fils 572 haben zwar alle
Orte in Pas-de-Calais die Aussprache -yü,^^) in den Nachbar-
departements findet sich jedoch -yö neben -yü\ vgl. auch die Karten
feu 558, jeu 719, moyeu 887, die ein ähuliches Verhältnis ergeben.
Für lateinisches bet. freies p steht ou oder eu: /'oweMr- V. 3, XI. 33,
leur V. 5, IX. 20 und öfter, milleur VIII. 16, savereus VI. 12, preu
XII. 15, cailleu XII 66 (das Fortleben der Form zeigt Gill. caillou),
amourous VI. 16 und XI. 12, häufig -cur; vgl. oben. Der
e-Laut vor mouilliertem Konsonant wird vortonig zu i in milleur
VIII. 18, signorage V. 6, signour V. 39, prisier lY. 30, ai zu e iu
travellie lY. 11; die Schreibungen traviller, iravailler finden sich
nicht. Vgl. hierzu Gill. araignee 50 und grosseillier 671 (überall in
Pas-de-C. ei zu i geworden). Frz. betontes freies o wird o oder ou
geschrieben: meist amour, nur X. 5 amors, jour öfter. Vortoniges
lat, 0 (m) wird in der Regel durch o ausgedrückt: onie VII. 16,
descovert und cortois I. 36, morir öfter, tornS I. 38; por III. 42,
pour ni. 43 und öfter; wie Gill. oublier 957, couper 335 und
moulin 882 lehren, zeigt das heutige Pikardische dieselbe Eigenheit.
Für hon tritt nie hoin ein (das Jehan Mados ständig schreibt).
Älteres ue wird durch eu wiedergegeben in seut (= solet) I. 18, veut
V. 22 etc.; aber puetd.2B) und öfter. — VorUonsonantisches / -j-
Konsonant wird in Verbindung mit i zu iu in viuU I. 46, mit a zu
al oder aw. malcais V. 39, mautalent XII' 69, mit o zu au (pik.
Besonderheit): faus 11.28 und öfter, taut (= tollit) HI. 21, vausist
II. 13, vaiic III. 38, mit e zu iau: hiau IV. 28, ciaus V. 3 und öfter,
hiautS IX. 6, BiamnSs I. 42 (= Beaumetz)^^). Für paucum steht
nur poi III. 11. Schreibungen wie esmervelle III. 1, travellie IV. 11,
66) ebenso in ß/e-dieu 557 (anfser No. 274) ; Suchier (1. c. S. 69) be-
hauptet dagpgen, dafs heute in Pas-de-Calais die Aussprache diö die
verbreit etere sei.
6'') Zu der (phonet.) Schreibung -m« (^ frz. eati) vgl. Gill. beau lll,
couteau 341 A unil B, eau 431, kameau ßS\, manteau 810, marteau 8'2'2, rideau
1157, roseau 1166. Die Karten zeigen überf-iustinimentl, dafs das ^o-Gebiet
(das bedeutend gröfser als das ö- Gebiet ist), ganz Pas de-Calais in sich
begreift.
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de la Couroierie. 181
vermelle VI. 5, oisellons VI. 19 (denen keine Schreibungen mit -ei'W-
ontgegenstehen), scheinen auf einen Schwund des palatalen Elements
hinzudeuten, für den im heut. Pikardischen Gill.: oreille 946, oseille
954, botiteille 164, grosseille 670 Belege bieten (vgl. auch knlle
523, grenouille 668, maille 794, rouille 1173). Sehr unregelmäßig
werden die Palatale wiedergegeben. Franzisches cli wird bald durch
c, bald durch ch ausgedrückt: cascMw I. 27, chanconl. A\^ escaper
III. 40, chiet I. 46, chanchon IV. 9, chanter IV. 7, changiS IV. 24,
can^z'er VIII. 19, wonca/ozV XI, 1 3, esc/iäoiV XI. 27, einmal durch k:
eskeanche II. 28; letzteres liefert den Beweis, daß es sich stets um
phon. k handelt. In der Konjunktion (bzw. Pron.) ke (bzw. ki) steht,
wenn sie vollständig gesetzt wird, immer k; bei den Abkürzungen
^teht c vor a und u. ; c'a III. 40, cune IV. 26, c'tms IX. 45, vor e stets k:
k'en und k'ele oft, vor i ebenso. Für pikardisches ch vor e und i wechseln
gleichfalls die Schreibungen c und ch: celui I. 18, guencirsl. 11,
c't7 oft (nie c/izV), facent II. 5, cjenV II. 13, merchier III. 29, ci'azfs
V. 3 und öfter (nie chiaus) celers VIII. 19 (ebenso coile = celat
VIII. 18), saciesXR. 68; für das Suifix-antia steht überall -anche.
Lat. ^M wird etym. durch qu wiedergegeben in quier III. 32, XII 35,
que quant XI. 7, ^m6 XII. 42, qui XII. 38. Gutturales g vor e und i
wird durch ^ oder gh^ einmal durch gu ausgedrückt: longhement
öfter, gille V. 30, languir II. 22; franzisches ^' durch g oder ^': ^'*
III. 11, girai XII. 25, gent IV. 23,;Me öfter, ser^an^ XII. 15.6»; Die
graphische Darstellung des mouillierten n ist schwankend: tesmoignage
V. 13, ensegnie VII. 9, dengne IX. 26, Konsonantische Angleichung
findet statt in em moi IV. 26, Dissimilation in kerroie III. 24^9).
Der Übergangslaut fehlt in sanier XII. 15, arnenrir I. 8, tenroie III.
42 (doch öfter samhlanche). Verflüssigung des h vor Z zu m findet
statt in honeraulement III. 39.
2. Der Artikel des Mask. ist li, Obl. /£, PI. les, Fem. /e, /ßs.
Die alte Deklination ist auch im Versinnern fast völlig intakt; von
den zwei Ausnahmen (VI. 9 und VIII. 24) ist die zweite durch mechanische
Verschreibung zu erklären. Neben mon, son steht öfter men, sen,
neben che öfter cou (nie chou), neben sa einmal se VIII. 24. Das
Futur von estre lautet iere VI. 26 und öfter. Die erste Person hat
öfter das pikardische c (bzw. ch): euc VII. 17, vauc III. 38, quic
n. 28, seuc EX. 1, rench IX. 4, j'och X. 2, Neben perchut XII. 53
(= 3. Ps. des passe def.) steht aperciut XII. 57 (= Part. Perf.) Der
Konj. von aller hat nur die alte Form mit voi-: voisent XII. 18 u. ö.
(in aille — Gillieron 30 — existieren heute noch in Pas-de-C. nur va-
Formen). Neben öfter auftretendem Impf, auf -oie steht ose^'e IV. 21,
*8) Sergant wurde im Pik. nach Suchier (1. c. S. 65. 66) mit gutt. y
gesprochen.
") Stengel verbessert krerroie-^ doch die dissimilierte Form kommt
in pik. Texten öfter vor; vgl. van Hamel l. c S. CXLl.
182 Johannes Spanke.
2. Die Lieder des Oede de la Couroierie.
Da die Handschriften, in denen uns die Lieder Oedes de la
Couroierie überliefert sind, inbezug auf ihren Entstehungsort nicht
näher zu bestimmen sind und in ihrer sprachlichen Gestaltung erhebliche
Divergenzen aufweisen, sind wir zur Charakterisierung der Sprache des
Dichters allein auf Reim und Metrum angewiesen.
A. Die Reime.
Die zwei wichtigen Unterschiede zwischen der Metrik Jehan's
und Oede's, nämlich des letzteren ausgesprochene Vorliebe für den
reichen Reim sowie der Umstand, daß er in jeder Strophe die Reime
wechselt, machen bei einer Untersuchung seiner Sprache die Reime
zu einer teils reicheren, teils ärmeren Fundgrube. Die Reim\vörter
folgen in alphabetischer Anordnung'^o ) ;
1. Der Vokal a.
-a : 11^ fera, plera; V" aidera^ sera, fera;
-age: I^ aage, saije, avaiUnge, asoage;
-ance: I^ consivvance, viltan^e, enfance, amaance; 11^ desesperance. pesance.
11''' esperance^ acointance, aiejance; IV ^ remenbrance, rccourrance^ esperance\ IIÜ
desesperance, pesance, desirrance^ pesance;
-aut: III ^ chantant, deschantant.
2. Der Diphthong a«.
-ai: 11^ verai, 7-etrerai; IP istrai, moi, amerai]
-aindre'. 11^ complaindre. Jaindre] III^ j^laindre, faindre. graindre^ remaindre:
-aine: JV* semaine, paine, paine;
-aing '. IV^ mespraing, espraing ;
ainte: IV^ complainte, tainte.
3. Der Diphthong au.
•auf. Fl aut, vaut.
4. Der Vokal e.
-e: IV '^ endure, dure;
-ee: ir^pensee hie;
-endre: IV'- prendre, vendre, atendre;
-eni: /3 commencement, longuement, debonairemenl\ 11^ loiaument, viranty prent]
11^ briement, sent; V^ autrement. alegement;
-er: IV ^ mirüer, Jöer; 111- grever, rrever, affiner ^ alever ; /['■' contralier,
crter; IV* consirrer^ desirrer.
5. Der Diphthong ie.
-ie: IV* delili^, püi^;
-iengne: IV ^ souviengne, viengne, tieiigne; V* souviengne, preng7i6\
-ient: II* souvietU, esciient; V* souvient, couvicnt;
-ier : III^ messagit-r, chier, assongier, engagier; /F' changier, dangier; IV ■^
essa'iier; V- esloignier, reprouvier;
-ieve: grieve^ crieve.
™) Die röm. Zahlen geben das Lied, die oben rechts angezeichneten
arab. Ziffern die Strophe an, in der der Reim auftritt.
Die Gedichte Jehan's de Renti und Oede's de la Couroierie. 183
6. Der Vokal i.
-i: 11" di\ oubliy II;
-in I^ regehir, soujf'rir, morir; III^ tenir, venir, avenir, maintenir: IV*
veriir, Souvenir; V- cotisentir, sentir, repentir;
-Ire: V^ martire, souspire, martire;
-is: I^ prisj apris, a pris; V* pramis. amis, 7nis ;
■isei H'^ faintise, devise, Jusiise ;
-ivre; I'^ vivre, delivre, livre, ivre;
-ie! 11^ vilanie^ servies, vie; 11^ amie ftlonif^ 111" amie, prie, iv'e, contralie;
V^ enviCj amie, amie; V- amie, mie, oublie; V^ lie, compnignie^ departie; V^ amie
mie, onie, servie^ mie.
7. Der Vokal o.
-on: IT^ no7i, gerison; IV^ mesprison, prison\
-ont: IP semont, fönt, on<;
-ors : IV^ amors^ ciamors.
8. Der Diphthong oi.
-oie: Jl* pori'oie, j'oie; 111- plorroie. j'oie, joie. guerroie: Hl* foie, gardoie,
essaient^ lessoie; V^ j'oie, ai'oie; V- guerroie, joie;
-oifit: IV* poini, point;
-oir: V^ povoir, apercevoir;
-Ott: IV* sai-roit, avroit.
9. Der Vokal n.
-W. 11^ aiendu, rendu^ tendu; 111^ aiendu, rendu, vendii, dej/endu; 111* aperceii,
meu, mescheu, recreu; IV^ tenu. venu; V^ cre'u, eu, neu;
-ue: 11^ ague, remue; II* ette, tresue, tue.
Zur Lautlehre.
1. a{e) -\- Nasal. Unter den 17 Reimwörteru auf -ance befindet
sich keins mit franzischem ch ; alle enden auf das Suffix -ance. Das
Fehlen jener „Zwitterreime" bildet einen Beweis ex silentio dafür,
daß Oede kein Pikarde war (vgl. oben). Einen direkten Beweis
hierfür bietet der Reim IP loiaument: vivant. Die Reimwörter
auf -ient, unter denen sich auch escient (also = esciient) befindet,
werden stets von denen auf -ent geschieden. Auf -iengne, einen von
den afrz. Lyrikern äußerst selten angewandten Reim, reimt auchprengne;
hieraus geht hervor, daß in der Sprache Oede's (b -f- palatal. Nasal
nicht mit a -f- pal. Nasal zusammenfiel (wie oft in pik. Texten;"')
anders l -}- einf. Nasal (s. o.). Mit souvient reimt (reich) couvient V*.
2. Die ai- und oi -Reime. Den Zusamraenfall von ei und ai
vor n zeigen die Reime plaindre: faindre lU^, complainte: tainte
IV 3, semaine: paineVf^. Die Erscheinung tritt nicht nurinpikardischen,
sondern auch in zentralen Texten auf, z. B. bei Gace Brüle (s. Huet
S. LIII), Rutebeuf: saine : plaine (Ausg. von Kreßner S. 27)^2)
Der offenbar reiche Reim esmoier: essaier beweist über die Qualität
des ai nichts, da sowohl das Franzische als das Pikardische die
Formen esmoier und esrnaier, wie esmoi und esmai nebeneinander
besaß (s. oben). Das Zusammenfallen von lat. g -j- epentli. i und
") z. B. bei Blondel de Nesle, vgl Wiese S. 91.
'^ Vgl. auch Rofsmann in Rom. Forsch. I. S. 161.
184 Johannes Spanke.
e -j- ep. i bezeugt der Reim joie: gardoie III"*. Näheren Aufschluß
über die Aussprache dieses oi erteilen zunächst die Reime moi: is-
trai II 2 und joie: gardoie: essaient: lessoie III 4. Daß hier der
nach Suchier (Afrz. Gr. S. 49) anglonormannische''3) Übergang von
oi zu ai vorliege, ist kaum anzunehmen. Jedenfalls deutet der Reim
zunächst darauf hin, daß ai zu t^ geworden war, eine Erscheinung,
die direkt gegen die pik. Herkunft des Dichters spricht (vgl. oben).
Für gardoie, lessoie kommen zwei Aussprachen in Betracht:
1. die des Vulgärpariserischen, in dem für oi in den Fällen, in denen
heute e gesprochen wird, schon am Ende des 13. Jhs. diese Aus-
sprache bestand '^^), 2, die allgemein franzische auf Of'., für die aus
dieser Zeit zahlreiche Belege vorliegen. ^4) Daß nun Oede in den
beiden Wörtern oe aussprach, geht daraus hervor, daß sie mit joie
reimen, das natürlich nie mit einfachem c gesprochen wurde '^4). Das
Gleiche gilt von moi in dem zitierten Reime. Einen schlagenden Beweis
für den Wandel von -oir zu -o^r liefert ferner der offenbar reiche
Reim miroer: joer (IV 2; die Handschriften schreiben miroer und
mireoir). Allerdings bringt die durchs Metrum gesicherte Drei-
silbigkeit von miröer eine gew. Schwierigkeit mit sich. Um diese zu
erklären, ist wohl auszugehen von der Schwierigkeit, welche die Aus-
sprache von mireoir (^ *miratorium) machte und die zu verschiedenen
von Godefroy belegten Entstellungen führte: '^5) mirreur (Ph. de Thaon),
merur (Horu), miroier (Gautier de Coinci), mirouoir (Rose), miraor
(Ph. de Blois) und anderes; auch zweisilbiges miroir ist mehrfach belegt,
von dem jedoch unsere Form wegen ihrer Dreisilbigkeit fernzuhalten
ist. Jedenfalls wurde nun in der Endung -eoir das Hiatus -e an oi
zu p angeglichen; vgl. das zitierte mirouoir und Formen wie pöon^
pöoir^ henöoit (Aue. u. Nie. 16. 2). Unsere Schreibung miröer ist daher
entweder als Haplographie für miröoer aufzufassen (v<:l. Schreibungen
wie prier, essaier für priier, essaiier) oder als Ausfluß der lautlichen
Vereinfachung von öoe zu ö/, das natürlich stets zweisilbig blieb.
3. -er, -ier und -i(^. Von der dritten Strophe der Ch. IV treten
nebeneinander die beiden Reimpaare cr'ier: contraller und esmoier:
essaier auf. Vielleicht hat hier der Dichter den leoninischen Reim
zur Grundlage für die durch das angewandte Strophenschema geforderte
Differenzierung zwischen den beiden Reimpaaren gemacht. '^6) Es ist
daher durch diesen Reim nicht festzustellen, ob in beiden Paaren ein
-er-Reim oder ein -igr-Reim, oder ob in dem einen ein -gr-Reim
^3) Andprs Rofsmann, l. c S. 160, der mai als eine Übergangsstufe von
mei zu moi betrachtet.
'^) s. Suchier l c S. 51.
") Es ist kaum anzunehmen, dafs hier allein dialektische Einflüsse
vorliegen.
■'ß) Eine ähnliche ansrheinende Verletzung des Strophenschemas liegt
vor in V^. Doch hier hat Oede vielleicht den reichen Reim dazu benutzt,
um die beiden ersten Reimwörter (a) von den 3 übrigen zu nnterscheiden (a^).
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede''s de la Couroierie. 185
imd in dem andern ein -ier-Jieim zu erblicken ist. — Der Reim
sichert die Form piiie. — Die Bindung von consirer und desirer
Y^'^ (die Hss. haben consierrer, consievrer, consievrrer) scheint bei
der Vorliebe des Dichters für leoninische Reime die Aussprache con-
drer zu sichern. Die Herkunft von consivrer etc. ist noch unauf-
geklärt; vielleicht ist eine infolge der doppelten Bedeutung des Wortes
(1. betrachten, 2. vermissen, entbehren 'i'^) entstandene, event. nur graphische
volksetymologische Zusammenwürfelung von considerare und separare
anzunehmen („Wortkreuzung"): die Anmerkung Bergers (1. c. S. 441),
der die Heranziehung von separare „ungeheuerlich" nennt, fördert die
Herleitung der Form nicht; daß sich aus considerare lautgesetzlich
nie consivrer etc. entwickeln konnte, beweist schon der Umstand, daß
bei desirer ähnliche Nebenformen nirgends vorhanden sind. "'S) Vgl.
consivrance I. 1.
4. -i, -ie. Unter den Reimwörtern auf -is und -ir befinden sich
keine auf -uis und -uir. Die Endung -is hat überall echtes s; pris
(I2r=rpretium) bildet keine Aufnahme, da schon früh pris und priz
nebeneinander vorkommen. ''9) Pn's steht selten im Reime; doch läßt
sich die von Steffens (1. c. S. 171) aufgestellte Liste leicht vermehren ^t)).
Unter den 22 ie- Reimwörtern hat keines aus iee entstandenes ie.
Der Reim vie: servies zeigt, daß das Schluß-s verstummt war.
5. -ors. Nur ciamors und amors kommen vor. S. oben.
Zur Formenlehre,
Die Zerrüttung der alten Deklination bezeugen vier Fälle (Nom.
Masc. Sing.) sage l. 17, ivre I. 13, atendu II. 22, rendu II. 24.
Der Reim sichert ferner den Komparativ ^razWr^, III. 18, sowie den
Obl. li von eile. Die 1. Pers. Sing. Pr. der Verben auf -er hat ana-
logisches e in folgenden Fällen: hee H. 13, prie III. 35, souspire
V. 27, tresüe II. 37. Das Futur von estre lautet sera., die 3. Ps.
(oni. Pr. von aller — aut V. 8, der Imperativ von dire — di II. 42. Die
Imperfekte gardoie, lessoie reimen mit joie III'*. Durch den (reiclien)
Reim in Verbindung mit der Silbenzähluiig werden die alten Part.
Pf. gesichert: aperem, meu (zu mouvoir), mescheu, recreu IH'*,
creu, eu, neu (zu nuisir) V 3. Das Part. Perf. zu promettre heißt pramis
(:amis) V. 32. Der Infinitiv remauere lautet remaindre; Schwan
Afrz. Gr. 6 S. 229. schreibt die Form dem Westen und Franzien zu.
Zur Syntax.
Das mit avoir verbundene Part. Perf. stimmt entweder mit seinem
direkten Objekt überein: servies II. 7, oder nicht: eu V. 24.
'') S. G. Paris, Alexis S. 184.
'^) Berger behauptet dafs die Formen pikardisch seien; doch sie stehen
Ott gerade in Hs., die sonst fa>t keine Pikardismen zeigen, wie z. B. unsere Hss.
'9) S. Mussafia in Ho. XVIlI. S. 549.
^) Aufser unserer Stelle z. ß. noch Gillebert de Berneville (ed. Waitz)
X. 6. 6; Raynaud, Bec. de Mot. II. S. 73 Vers 6; S. 123 Vers 2.
186 Johannes Spanke.
B. Die Silbenzählung.
1. Elision findet statt außer in den gewohnten Fällen einmal
bei si (sie) : s'a^ III, 19 und einmal bei qui: qu'eschapez IV. 40*'^).
Enklise zeigt ei {en le) II. 27. Als Hiatfall ist zu bemerken que il
IV, 35; Hiat im Wortinnern haben: amäance I. 6, üage I. 15, asöage
I. 20, eue IL 36, träi III. 27, miröei': jüer \N~, resjöir: jöir: vir
V^ Einmal findet sich verai (l. 8), kein vrai.
2. Zur Formenlehre: Das Fem. der lat. 3. Deklination hat
überall die alte Form bewahrt: grant (Fem.) I. 1, III. 1. u. ö.; tel
doleur I, 7, grief petisee II. 11; vgl. ferner loiaument II. 32, bri-
ement II, 48. Der Nom. homo lautet hotis II. 32. Neben öfter auf-
tretendem vostre kommt vo, vos nicht vor; öfter steht jedoch el neben
ele: qu'el I. 1 1 ; I. 20 quele und quel nebeneinander; el III. 29
etc. Die e-lose Form der 1. Ps. Sing. Pr. der Verben auf -er, die
im Reim fehlt, wird oft durchs Metrum gesichert: poiirpens I. 17^
souspir II. 37, chant III. 9, pri IV. 35, cri V. 16, be III. 24 u. a.
Neben sei^a kommen die von ero abgeleiteten Formen nicht vor. Die
pikardischen erweiterten Futurformen kommen nicht vor; vgl. avra I.
18, n. 17; avrai III. 28, devroit III. 31, savroit IV. 43, avroit IV.
44. Lat. debuisset, habuisset ergeben deust IV. 9 uud Sust IV. 18.
Auf die Orthographie der einzelnen Handschriften, die stark unter
sich abweichen, kann hier nicht näher eingegangen werden. Der
kritische Apparat enthält alle Varianten, auch die orthographischen.
Der Versuch, den Dialekt Oedes auf Grund vorstehender Tat-
sachen näher zu lokalisieren, führt, wie teils schon angedeutet wurde,
zu keinem Resultate. Die bei ihm beobachteten sprachlichen Er-
scheinungen entsprechen lediglich dem Zentrum oder vielmehr der
am Ende des 13. Jhs. schon weit verbreiteten xoivr^ (deren Einflüsse
wir auch bei Jehan de Renti beobachteten). Sie stimmen jedoch mit
der oben über seine Herkunft gemachten Angabe insofern über-
ein, als sie teils positiv, teils negativ das pikardische Gebiet aus-
schließen; folgende Zusammenstellung möge dies kurz beleuchten:
I. direkt gegen seine pik. Herkunft sprechen:
1. die Reime istrai: moi, essaient: lessoie, niiroer: joer.
2. die Bindung von -ant und -ent.,
3. die Form remaindre\
II. indirekt das Fehlen folgender in pik. Texten sehr häufigen
Erscheinungen.:
1. des Reimes anche: ance (antia),
2. des Reimes -is: -iz,
*i) qu'eschapez ist allerdings Konjektur für überliefertes sinnloses eszcAa/^es.
Die Gedichte Jehaiis de Renti und, Oede's de la Couvoierie. 187
3. der Form vo =■ votre,
4. der erweiterten Futurforraen {averai etc.),
5. der Endung te = iee.
IV. Metrisches.
1. Die Lieder Jehan's de Renti.
A. Der Vers.
1. Die vorkommenden Versarten: a) Cäsurlose Kurz-
verse: Es treten Achtsilbner auf in I. IV, V. VIII. und X.; die
beiden letztgenannten Lieder bestehen nur aus Achtsilbnern, in den
übrigen finden sie sich im Abgesang. Die Siebensilbuer sind die am
häufigsten von Jehan angewandte Versart. Sie bilden die ganze Strophe
in VI und VU, den Strophengrundstock in II. IIL XII, treten im
Stropheninnern neben anderen Versarten auf in I und X. Der Sechs-
silbner findet sich nur in dem Refrain von III: et tout vestu d''amours.
Obwohl diese Versart in der altfrz. Lyrik nicht häufig ist, dürfte die
Änderung des Verses in einen Fünfsilbner, wie sie Stengel ^2j durch
Streichung von et vorgenommen hat, bei der vorzüglichen handschrift-
lichen Überlieferung der Lieder Jehans nicht geboten erscheinen.
Sechssilbner finden sich z. B. bei Perrin von Angicourt (s. Steffens
S. 121) und Conon de Bethune (Wallensköld S. 111). Fünfsilbner
kommen nur als Übergangsverse vor; so in III zwischen Strophen-
grundstock und Refrain (als Teil des ersteren), in X als rims estramps
zwischen Stollen und Abgesang. Ebenso der Viersilbner: in II als
erster Vers des Refrains und in IV als erster Vers des Abgesangs.
b) Langverse: Zehnsilbner treten auf in der isometrisch gebauten
Ch. XI, neben anderen Versarten in I. IV und V; Zwölfsilbner als
Refrainverse in der Chanson avec des refrains X und als fioritura
musicale in XII: Sus sus au virellin, sus sus au virelai, der
Elfsilbner in dem wiederkehrenden Refrain von II.
2) Die Cäsur: die Kurzverse entbehren, wie gewöhnlich, einer
Cäsur nach der Definition Toblers^^), Die Zehnsilbner haben meist
die in der Lyrik übliche Cäsur nach der vierten, betonten Silbe, die
ein Wort schließt bez. bildet; Elision der fünften Silbe bei weiblicher
Cäsur findet statt:
I. 43 Di li k'il serv\e^mours en bon estage.
V. 16 C^autrement don\eAl fait trop graut folour.
V. 31 Che voit on or\e avenir cascun jour.
Oft tritt die lyrische Cäsur auf:
I. 34 Ki se painent des vrais amans träir.
82) S. Noack l. c. S. 117.
83) Versbau* S. 93.
188 Johannes Spanke.
IV. 2 Of ni'en done voloir novelement.
„ 28 ßone dame, quant je puis remirer.
„ 37 J^n vos dame, la u grans Mens apent.
„ 40 Ke vos puisse servir entirement.
„ 47 A ma dame ki est de grant renon.
V. 8 Ki ne sevent trover ne ke pastour.
„ 18 Ke ma dame ki in''a en sa prison.
„ 27 SHl nest dignes, kHl se j^f^ist bien roster.
„ 33 Se ma dame ne nie veut onhlier.
XL 2 J''arai joie, je le sai vraiement.
„ 15 Mais il mentent : amours n'est inie sure;
„ 13 Ke je mete amours en noncaloir.
„ 30 Dont je naie tres eitlere la pointure.
„ 39 Car ki aime dame de grant mesure.
Epische Cäsur zeigen die Verse:
I. 33 Or poront dire li felon piain de rage.
IV, 44 Ae je riavroie ja mais enteniion.
V. 23 Se je sui dignes de rechevoir s'amour.
„ 35 Mie.v ne puis faire ke de li honer er ^^).
Diese mehrfache Anwenrlung der im Allgemeinen von den altfrz.
Lyrikern gemiedenen epischen Cäsur stellt entweder eine metrische
Nachlässigkeit unseres Dichters oder ein volkstümliches Element oder
vielleicht beides dar. Von Noten sind in der Handschrift nur die
beiden Lieder IV und VI begleitet. Die Cäsur nach der fünften
betonten Silbe zeigt nur der Vers:
XI. 8 Pitts Voublie tost et legierement.
Cäsurlos sind die Verse:
IV. 9 Ke je fac par sa volente chanchon.
„ 22 Vostre amours ma travellie si griement.
Die Cäsur der übrigen, vereinzelt in Refrains auftretenden Langverse
ist, wie meist in Refrainversen, unregelmäßig.
B. Strophe und Reim.
1. Die refrainlosen Lieder:
a) in isometrisch gebauten Strophen. Aus Sieben-
silbnern bestehen:
VI: a b a b c'' c" d d (5 Str.) und
Vn: a" b a" b a" a" b a" (3 Str.),
Aus Achtsilbnern:
Vm: a b a b c c d^ d" (3 Str.) und
EX: ababbccdd; 5 Str. -|- Geleit : b c c d d.
84) Das in der Hs. überlieferte hontr (wohl für honer) ist mit Sicher-
heit in honerer zu verbessern.
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de la Couroierie. 189
Aus Zehnsilbnern:
XI: a b a b a c" c" b (5 Str.).
b) in metabolisch gebauten Strophen:
I: a (10") b (10) a b c (7) c d f8) d; 6 Strophen, von
denen die letzte das Geleit bildet.
IV: a (10) b (10) a b b' (8) c (4) c' (8) d (10) d; 5 Str.H-
Geleit c c' d d.
V: a (10) b (10) a b c (8) c' (10") d (10) d (5 Str.)
2. Die Refraiulieder:
a) mit wiederkehrendem Refrain (eh. ä refrains):
Nr. 11; der Refrain steht formell weder durch den Reim noch
durch die Silbenzahl in Beziehung zu dem aus Siebensilbnern bestehenden,
isometrisch gebauten Strophengrundstock:
a b" a b" c c -f- Re^- d (4) d^ (11); das Lied hat 5 Strophen.
Nr. ni: auch in diesem Liede besteht der Strophengrundstock
aus Siebensilbnern mit Ausnahme des letzten Verses, der nicht nur durch
seine Silbenzahl, sondern auch durch seinen Reim zum Refrain
überleitet:
a b a b c" c d (5) + Refr. d^ (7) e (6).
Das Lied hat gleichfalls 5 Strophen. In beiden Liedern steht der
Inhalt des Refrains in engster Beziehuug zum Inhalt der einzelnen
Strophen. Gleichwohl sind die Refrains höchstwahrscheinlich, wie
häufig, aus fremden Liedern, die nach Jeanroy meist Tanzlieder sind,
entlehnt. Zu dem Refrain von 11:
K^il est ensi
Ke ja ferne rtarnera sen vrai ami.
vergleiche Raynaud, Rec. de Mot. I Nr. 127 Vers 7 ff.:
S'ai trove . . .
Que ja ferne namera
Celui qui en loiaute
La servira.
Den Refrain von II:
J'ai euer mignot et joli
Et totit vestu d'amours.
ist mir nirgends aufzufinden gelungen.
Nr. XII. (die Pastorelle): der Strophengrundstock besteht aus
Siebensilbnern; der Refrain ist eine sogenannte Fioritura musicale:
Sus sus au virellin, sus sus au virelai. Er wird zu ersterem
formell dadurch in enge Beziehung gebracht, daß der letzte Vers
jeder Strophe auf das Wort virelai endet:
a" b" a" b" c c d c d (virelai) -[- Refr. d^ (12).
190 Johannes Spanke.
Das Lied hat sieben Strophen.
b) der Refrain wechselt mit jeder Stroiihe (Ch
avec des refrai ns):
Nr. X: a (7) b (7'^) a b c (5) d (7^) d e (5) + Refr. ei (12);
5 Str. -{- Geleit: c d d e e^. Der Refrain ist hier durch Reim und
Silbenzahl (Übergangsvers) zum Strophengrundstock in Beziehung
gebracht. Die Refrains kennzeichnen sich als solche, d. h. als Bruch-
stücke anderer Lieder durch ihre die übrigen Verse fast ums doppelte
übertreffende Länge sowie ihren Sentenzen- oder ausrufsartigeu
Charakter. Verschiedene von ihnen lassen sich, ohne daß der
gedankliche Zusammenhang des Liedes gestört wird, herausnehmen.
Anderseits sind sie formell dadurch besonders innig mit dem Ganzen
verbunden, daß jede Strophe mit dem Worte beginnt, mit dem die
vorhergehende, d. h. deren Refrain geschlossen hatte. In kausalen
Zusammenhang mit der Entnahme der Refrains aus fremden Liedern
ist sicher der Umstand zu bringen, daß die beiden letzten Verse
(e und ei) ihren Reim in jeder Strophe verändern, während die Reime
der übrigen Verse wie auch die aller übrigen Lieder durch alle
Strophen die gleichen sind. — Die Anzahl der bekannten Chansons
avec des refrains ist nicht besonders groß: sie beträgt nach Raynaud's
Liste, vermehrt um die Zusätze Jeanroy's und Noack's 75 Lieder,
eine Zahl, die sich jedoch wahrscheinlich vermehren ließe. Manche
von ihnen zeigen die Eigenart, daß die Refrains, die, wie aus ihrem
Wesen hervorgeht, einer regelmäßigen Cäsur entbehren, auch in Bezug
auf ihre Silbenzahl in den einzelnen Strophen wechseln '^S). Jedenfalls
war unser Dichter bestrebt, die aus fremden Liedern entlehnten Stücke
dem Versmaß des eigenen Liedes soweit wie möglich anzupassen: die
Refrains aller Strophen, mit Ausnahme der dritten, sind Zwölfsilbner.
Daß hier daher eine handschriftliche Verderbnis vorliege, hat Stengel
richtig vermutet. Er ergänzt:
Je ne puis [gaires] ensi vivre longhement.
Da nun das Wort gaires weder bei Jehan de R. vorkommt noch
auch den übrigen pikardischen Dichtern geläufig gewesen zu sein
scheint, auch den Ausdruck recht matt macht, habe ich ergänzt:
[Dame], je ne puis . . . Hat doch nachweislich Jehan in einem
andern Refrain, dem der Str. 5 desselben Liedes, dasselbe Wort da-
zu verwandt, aus zwei zusammengekoppelten Fünfsilbnern einen Zwölf-
silbner zu machen:
Dame, fatendrai dehonerement merci;
vgl. Raynaud I. c. I. Nr. 14 Vers 16 ff.:
Deboinerement
Atendrai merci.
^^) Z. B. Lieder des Perrin von Angicourt.
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de la Couroierie. 191
Eine Uuregelmäßigkeit bietet auch der letzte Vers des Envois des-
selben Liedes. Da er sowohl an Inhalt als durch seine Stellung den
Refrains der übrigen Strophen entspricht, und Jehan alle Envois
genau nach dem Metrum der ihnen entsprechenden letzten Strophen-
verse baute, sollte mau einen Zwölfsilbner erwarten. Es dürfte da-
her auch hier eine Änderung des überlieferten Neunsilbners vorzu-
nehmen sein. Wie sie zu geschehen habe, s. in den textkritischen
Anmerkungen. — Auch diese ziemlich ausgedehnte Verwendung des
Refrains, der sich nur in den aus Kurzversen bestehenden Gedichten
findet, trägt einen volkstümlichen Zug. Ob freilich die einzelnen
Refrains in der Regel aus den fürs Volk geschriebenen oder volks-
tümlich gewordenen Liedern oder auch aus Kunstliedern entnommen
wurden, ist zweifelhaft 86).
3. Der Reim.
Schon erwähnt wurde das Auftreten von rims estramps in X,
d. h. von Versen, deren Reim, in jeder Strophe nur einmal vorkommend,
in allen Strophen an der entsprechenden Stelle wiederkehrt. Die
Entstehung dieser „Körner" ist nach Stengel §'?) oft auf ältere Refrain-
worte zurückzuführen; vielleicht ist es kein Zufall, daß Jehan sie
gerade in einer Chanson avec des refrains angewandt hat. Es ist
zu bemerken, daß die Strophen dieses Liedes neunzeilig sind, während
nach Stengel {l. c.) verschiedene der von ihm zitierten „Körner'^
enthaltenden Lieder Strophen haben, die nie über acht (und nie unter
sechs) Verse aufweisen. Eine Assonanz statt des Reims findet sich
vielleicht (s. oben) in: atarge : nage X. 4. Reiche Reime (nach Toblers
Definition) hat Jehan ziemlich oft verwandt:
signorage : ouvrage P, sage : usage 1% rage : corage P, voellanche :
vaülanche VP, brauche : remenbranche X^, grietS : verite I-, fausete :
viuU 16, sante : grieU VII?', Reim Wörter auf -ment II 2, IH, IX 3, XL-,
durer : desesperer III 2, legier : dangier VIII '-, derves : provh VIII 3,
ensegnie : garnie VII^, savoir : esmovoir IX i, rechevoir : avoir IX.^,
valour : foloiir V^, estour : tour P, ravoie : voie IIP. In unsern
Liedern auftretende leoninische Reime (nach Toblers Definition) sind
folgende: bonte: conteNW-. ^scÄapt^'; a^rape 1 3, Reimwörter auf -ement
11 ■^, IIP, IV 2, IX 4, XII, XI 4, sentir : mentir II i, guerroie : kerroie IIP,
prison : träison IV 2^ aservir : servir II ^, vielleicht auch esragii :
atargie IV ^ und Geleit. Der Dichter hat das Prinzip befolgt, in
einem und demselben Liede nie dasselbe Wort im Reime zweimal zu
gebrauchen. Homonyme Reime liegen vor in: mire (medicus): mire
(3. Ps. S. V. medico) VIII^ und moie (mea): ?7ioie (audiat) IIP.
»«) Vgl. Schultz-Gora, Zn-ei afrz. Dichtungen 1899. S. 15 ff.
8') S. Gröbers Grundrifs II. 1. S. 83.
192 Johannes Spanke.
2. Die Lieder des Ocde de la Couroierie.
A. Der Vers.
1. Kurzverse: An Kurzversen verwendet Oede nur Sieben-
silbner (im Abgcsang von II und V) und Viersilbner (als Übergangs-
verse von Zehn- zu Siebensilbnern in II und V).
2. Langverse: Der einzige von Oede angewandte Langvers
ist der Zehnsilbner, der die Lieder I. III. IV ausschlitßlich, VI und
V in Verbindung mit den genannten Kurzversen zusammensetzt.
Besondere Erwähnung verdienen die Zehnsilbner von I. Sie haben
die Cäsur nach der fünften betonten Silbe — mit Elision der sechsten
Silbe in V. 9: bien voi que ma ddtn\e_en trop gros Va pris. Der
Vers zerfällt durch diese Cäsur in zwei gleiclie Hälften und erhält
dadurch ein von dem gewöhnlichen lyrischen Zehnsilbner völlig ver-
schiedenes Gepräge. Unter den von Tobler (/. c. S. 102) angeführten
Beispielen für diese in der altfrz. Lyrik recht seltene Versait sind
mindestens sechs volkstümlichen Charakters: eine von Tobler selbst
als volkstümlich bezeichnete Romanze sowie fünf balletes der Douce-
Handschrift. Außer in I findet sich ein solcher Zehnsilbner verstreut
in IV 33: Mes s'ensi Mau cors ne trouvoit pitie^^). Die in den
andern Liedern von Oede angewandten Zehnsilbner zeigen meist die
gewöhnliche Cäsur; Verschleifuiig der fünften Silbe liegt vor in II. 14:
Par sa franchis\e_^aii grani merci de moi. Die lyrische Cäsur
zeigen die Verse:
in. 5 iV'a la joie ne cuit ja avenir.
„ 11 Quant me voient clianter et mener joie.
„ 12 I)o7it leur fuz je les cuers de duel crever.
„ 13 Oest Ja guerre gut ne puet affiner.
IV. 19 Franclie dame, bien voi que je mespraing.
„ 27 Par den, dame, fort niest a consirrer.
„ 34 Je diroie que il n'en seroit point.
V. 11 31es cuers aime cele qui me guerroie.
Die epische Cäsur hat Oede in den überlieferten Liedern vermieden.
Weibliche Cä^ur mit betonter vierter Silbe und mit um eine Silbe
verkürztem zweiten Versgliede hat der Vers IV. 16:
Mes se ma dame daignoit souvenir^^).
B, Strophe und Reim.
1. Der Strophenbau: a) Isometrisch gebaute Lieder
sind I, III und IV. Alle drei Lieder bestehen aus Zchnsilbnern und
haben den Aufge-ang abab; sie unterscheiden sich im Bau nur durch
den Abgesang. Das Schema der einzelnen Lieder ist folgendes:
*8) Das überlieferte trouvoie mnfs zu trouvoit geändert werden.
89) Tobler /. c S. 99 fafst derartige Verse als cäsurlos auf.
Die Gedichte Jehayis de Hetdi und Oede's de la Coiiroierie. 193
I: a" b a" b a" a" b.
III: a" b a" b b a"" b a".
IV: a b"" a b"" b"" c c d d.
b) Metabolisch gebaute Strophen haben die Lieder II
und V, Beide zeigen den gleichen Aufbau:
a (10 ) b (10) a b b c (10^) c d (4) d' (7) c' (7).
Die Gleichheit im Aufbau der beiden Lieder braucht, obwohl bekannt-
lich die altfranzösischen Lyriker in der Regel vermieden, zweien ihrer
Lieder den gleichen Aufbau zu geben, nicht als Beweis für die
ünechtheit eines der beiden Lieder betrachtet zu ^Yerden. Wie
Wallensköld /. c. S. 117 bemerkt, unterscheiden sich mehrere im
strophischen Aufbau gleiche Gedichte des Conon de Bethune durch
die verschiedene Behandlung des Reimes. No. 11 ist, gleich den
isometrisch gebauten Liedern, nicht durchgereimt. Offenbar hat
Oede in No. V wenigstens den Vorsatz gehabt, das Lied durchzureimen ;
doch dieser Vorsatz scheiterte schon am Ende der zweiten Strophe
an der Schwierigkeit, ein Reimwort auf -aut zu finden, und der
Dichter führte das Lied in der bequemeren Form zu Ende. — Alle
Lieder außer I haben fünf Strophen, von denen die letzte das sich
meist an die dajne richtende Geleit bildet 90). "Wie oben gezeigt
wurde, hat das dreistrophige Lied I. vielleicht durch schlechte Über-
lieferung die zwei letzten Strophen verloren.
2. Der Reim. Wie schon erwähnt wurde, wechseln die Reime mit
jeder Strophe. Über die Vorliebe des Dichters für reiche und leoninische
Reime sowie verschiedene Künsteleien, in denen er sich gefällt, gibt
das Rimarium Auskunft. Manchmal ist allerdings nicht recht klar,
ob sie Produkt seiner Absicht oder seiner Armut an Reira-
wörtern waren. Letztere war jedenfalls die Ursache, daß er öfter in
einer und derselben Strophe dasselbe Wort zweimal im Reime
gebrauchte, ohne es, wie die afrz. Lyriker in der Regel taten, durch
eine doppelte Bedeutungsnüance zu differenzieren. Oede folgt dieser
Regel wenigstens in drei Fällem:
IV 4 paine (Subst.): paine (Verb),
ib. point (Neg.-Part.): point (Subst.),
12 Va pris (Verb): apris: a pris (pretium).
Eine solche Bedentungsverschiedenheit läßt sich jedoch nicht er-
kennen in: jjji pgsance: pesance,
Iir- joie: joie,
V^ mamie: ni'amie,
V^ mie: mie,
V "^ rnartire : martire.
^°) Alle Envois beginnen — ein Zeichen für das beschränkte poetisclie
Vermögen Oede's — mit der Phrase: Chanson va fent.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXU'. 13
194 Joliannes Spanke.
In allen diesen Fällen sind allerdings die gleichen Reimwörter durch
mindestens zwei Verse getrennt. — Zu erwähnen ist noch, daß in
Ch. I die Strophen II und III mit dem letzten Worte der vorher-
gehenden Strophen beginnen, ebenso vereinzelt die vierte Strophe
von Ch. III.
V. Die Texte.
1. Die Lieder des Jehan de Renti.
I.
Raynaud No. 28; Hs. fol. 173,
I. Kl n'averoit hone amour fait hommage
Et son pooir mis tout en li servir,
Ja ue saroit, je croi, en son eage
4 Comment on puet chancon ne chant furnir.
Pour cou m'en a sens done
Amours c'a sa volente
La serf et port ma dame honour
8 Sans poiut amenrir sa volour.
II. Cil a le euer et felon et salvage
Ki vers amours ne se veut obeir,
N'i vaut guencirs ne volentes ombrage,
12 Car devant li ne puet nus hom fuir;
Cil ki plus foat l'eschape
Sunt li Premier atrape
Et U plus tost pris en l'estour,
Ib Quant amors fait vers aus sen tour.
III. Puisc' amours est de si grant signorage
Ke celui euer ke ja le seut häir
Fait desirer k'i puist par bon ouvrage
20 Le riebe don avoir et recuellir
K'ele done au bieii sene,
On deveroit en bon gre
Proier pour chiaus et nuit et jour
24 Ki vivent en son gent labour.
IV. Bone amours est, dame, maistresse sage
Ki vrais amans set saner et garir;
Je proi cascun kMl laist sen fol usage
28 Et k'il s'e.-ploit k'il i puist avenir;
Nus ne le laist pour griete,
Car je sai par verite
Ke eil n'a de nul bien savour
32 Ki ne sent sa douche langour.
19 fait delurer (in rasura) ki puis . . . Hs. 23 chiaus nuit;
Die Gedichte Jehans de Renti und Oede's de la Couroierie. irTj
V, Or poront dire li feloii piain de rage
Ki se painent des vrais amans träir
Ke je n'aini point pour che ke men corage
36 N'ai descovert en mon cortois desir;
Mais j'ai cele men pense
Por che ke je voi torne
Le siecle a si grande folour
40 Ke li pluisour heent amour.
VI. Chancen, va t'ent et si fai mon message
Au chastelain ki Biaumes doit tenir,
Di li k'il serve araours en bon estage
44 Et k'il n'ait ja volente d'acomplir
Sen desir par fausete,
Car eil chiet en grant viute
Ki par parier a fause odour
48 Fait ke sa danie a deshonour.
IL
Rayn. No. 662; Hs. fol. 172 yO.
I. N'est pas sages qui emprent
A amer en esperanche
KMl ait ja alegement
4 De dolour ne de grevanche
C'amours li facent sentir,
Se che n'est par bien mentir;
K'il est ensi
8 Ke ja feme n'amera sen vrai anii.
II. Je cuidai premierement,
Quant je amai en m'enfanche
Ke pour amer loiaument
12 Pleusse a la bele franche
Et ke me vausist cierir;
Mais a che ne puis venir;
K'il est ensi
16 Ke ja feme n'amera sen vrai ami.
HI. Amers ne me vaut noient,
Car mis m'a en oublianche
Cele qui m'art et esprent;
20 Grans anuis et mescheance
Li pulst awan avenir;
Lie est ke me fait languir.
K'il est ensi
24 Ke ja feme n'amera sen vrai ami.
35 k je; nach k ist ein Buchstabe ausradiert.
13*
196 JoltLuines Spanke.
IV. J'ai servi si longhement
Ell pardon et ea bäanche
Que ja guerredonement
28 Ne quic avoir n'eskeaiiche;
Trop est faus ki aservir
Se laist por amour servir;
K'il est ensi
32 Ke ja ferne n'amera sen vrai ami.
V. Se j'ai parle folement
Ne dit nule outrequidanche
De ferne, je m'en repent;
36 Mais ire et desesperanche
M'a fait avoir cest a'ir
Dont encor ne puis issir.
K'il est ensi
40 Ke ja ferne n'amera sen vrai ami.
m.
Rayn. 676; Hs. fol. 176.
I. Je m'esmervelle forment,
Quel talent j'ai de chanter
Au mal d'amer ke je sent;
4 Et se n'i doi pas penser,
Ke pour mal ki me febloie
N'iert ja mes fins cuers sans joie;
Tout Ten ai garni;
8 J'ai euer mignot et joli
Et tout vestu d'amours.
IL Si m'estraint trop crüelment
Ca poi ke g'i puis durer;
12 Li maus ki au euer me prent,
Me feroit desesperer;
Mais bone amours me ravoie
Ke, pis ai, plus m'est en voie,
16 Ainc ne me guerpi.
J'ai euer mignot et joli
Et tout vestu d'amours.
III. Mout est faus ki se repent
20 A nul jour de bien amer;
Mais desespoirs taut sovent
Les biens c'amours puet doner;
II. 25 Stengel: j'ai für aDgeblich in der Hs. stehendes ja; die Hs.
hat jedoch j'ai. 34 Stengel: mule (wohl Druckfehler).
III. 1 Stengel: m'esmerveille. 9 (Et) Stengel. 15 ki pis ai Stengel.
JXe Gedichte JeJiani^ de Renti und Oede's de la Couroierie. 197
Si douchement nie guerroie
24 Amours ke ja ne kerroie
C'on ait mal pour li.
J'ai euer mignot et joli
Et tout vestu d'amours.
'2^ IV. J'emploie bien men torment,
Amour en voel merchier;
Quant de bone darae esprent
Men desir et men penser,
32 Pas ne quier k'ele soit moie
Ne mais ke par sen gre m'oie.
Che quierent ami.
J'ai euer mignot et joli
36 Et tout vestu d'amours.
V. Onkes d'amer hautement
Ne vauc men fin euer oster;
Miex aim honeraulement
40 Morir e'a honte escaper;
Dame, s'ades languissoie
Por vos, ja ne me tenroie
Pour cou a träi.
44 J'ai euer mignot et joli
Et tout vestu d'amours.
IV.
Rayn. No. 821; Hdschr. fol. 174 v^^;
I. J'ai grant piech'a delaie le chanter;
Or m'en done voloir novelement
Tres bone amours cui ne puet oublier
4 Mes jolis cuers ki tous a li se rent;
Ma dame au commenchement
M'en a proie;
Che me fait chanter de euer lie
8 Et esperer ke j'avrai garison,
Ke je fac par sa volente chanchon.
II. Combien e'amours m'ait fait mal endurer
Et travellie et pene longhement,
12 N'ai je voloir, darae, de refuser
Tout vo plaisir ne vo commandement;
S'il vos piaist ke si faitement
■24 krerroie Stengel. 30 espent Stengel. 32 kier St.
108 JoliaunP!< S/xnike.
Me soit jugi6
16 C'ad^s vos serve sans pitie,
S'aim asses miex languir en vo prison
Ke a jöir de vos par träison.
III, Ja ne me quier de vos servir oster,
20 Por tant morrai ke j'aie autre talent;
Helas, comment oseie a vos penser!
Vostre amours m'a travellie si griement
C'au siecle par devaut la gent
24 Me soDt changie
Soulas; tant m'aves travellie
K'em moi ne truis mais c'une vision
Ki nuit et jour rae ramentoit vo non.
28 IV. Bone dame, quaut je puis remirer
Vo douc sarablant, vo biau contenement
Ke tous li mons doit prisier et löer,
Tout me covieut oublier mon torment,
32 Se eis gries maus trop crüelment
M'a guerroie,
N'ai je pas pour cou euer irie,
Ains en vol bien endurer le fuison;
36 Et quant vos piaist m'en rendes guerredon.
V. Et s'en la fin ne puis merchi trover
En vos, dame, la u grans biens apent,
Voellies sans plus otroier et greer
40 Ke vos puisse servir entirement
Mon vivant, car je douc sovent
Don de congie;
Car j'avroie euer esragie
44 Ne je n'avroie ja mais entention
Fors de morir sans nule räencon.
VI. J'ai envoie
Mon chant, plus n'i ai atargie
48 A ma dame ki est de grant renon;
S'öir le violt, j'ai espoir de pardon.
V.
Rayii. No. 865; Hdschr. fol. 175 v».
1. Se che n'estoit pour ma dame houerer,
Jamals au pui ne diroie chancon;
Car j'en voi ciaus sovent l'oneur porter
Ki de chanter ne sevent un boten;
IV. 16 Hs: ades serve; 27 me fehlt in der Hdschr.
Die Gedichte Jehan' s de Rmti und Oede's de la Couroiei^ie. 199
Li juge fönt leur grant hontage
Ki pour parens ne pour grant signorage
Donent a ciaus le courone et l'onour
8 Ki ne sevent trover ne ke pastour.
II. S'uns riches hom a aukes a doner,
Avoir, denier u autre pens'ion,
II doit tres bien tout partout remirer
12 U 11 le puist emploier par raison,
Si k'il ait apres tesmoignage,
S'il a tres bien parti sen iretage;
Car eil kl l'a, est de grande valour;
16 C'autrement done, 11 fait trop grant folour.
III. Nus ne seit si a droiture esgarder
Ke ma dame ki m'a en sa prison;
J'ai en li mis tout men euer sans fauser
20 N'ainc ne requls envers 11 trälson;
Nencore n'a prls men bommage,
Alns veut ancois esprover par usage
Se je sul dlgnes de rechevolr s'amour;
24 Je Ten alm miex, s'eu oubli ma dolour.
lY. Je m'esraervel ke nus ose penser
A rechevolr avantage ne don
S'll n'est dignes k'il se puist bien roster
28 De che de coi 11 fait petition;
Mals li pleur, 11 sot volage
Conqulerent plus par glUe et par outrage —
Che voit on ore avenlr cascun jour —
32 Ke eil ki sont rete de vrai labour.
Y. Se ma dame ne me veut oublier,
J'avral par tans de mes maus garlson;
Miex ne puls faire ke de 11 honerer
36 Se ja vers moi torne s'entenfion ;
Et s'ades est vers moi salvage,
En 11 amer al fait men grant damage;
C'on dlst piech'a: ki sert malvais slgnour,
40 II conqulert plus tristreche ke baudour.
VI.
Raynaud No. 999 Hdschr. fol. 175.
I. Plus ke onkes mais ne suel,
Sul d'amours polns et sousprls;
Pour che plaindre ne me voel,
4 Ke dame kl a der vis,
V. 14 eil a Hs.; qu'il a Hist. litt.; 15 et eil qui l'a soit Hlst. litt.
35 honer Hs.
200 Johannes Spanke.
Joenete, verraelle et blanche,
M'a mis en une esperanche
K'encore s'araour avrai;
8 Che me soustient sans esmai.
II. D'une riens me doiit et duel
Ke n'en soie arriere mis,
K'il n'ait en son euer orguel
12 Couvert de savereus ris;
Mais sa tres douche sarablanche
Me retaut ceste doutauche
Et si oel riant et gai
16 Garni d'amourous apai.
III. Dame, de vo douc acuel
Sui plus baus et plus jolis
Ke n'est oisellons en bruel;
20 Je ne serai ja faintis
De faire vostre voellanche,
Dame de tres grant vaillanche;
J'ai de tout moi sans delai
24 Fait vostre ami fin et vrai.
l\. Ha, dame, faites recuel
De raon euer, s'iere garis;
II n'ose passer le suel,
28 S'il n'est du vostre saisis;
Faites des ij racordanche!
Si sera mis en en soufranche
Li maus dont je languirai.
32 Se de par vos confort n'ai.
V, Tous me desconfis et muel
Ke soie apeles amis,
Dame il n'a en mon euer fuel
36 Ki ne soit tous plains escris
Des biens de vos, dame franche;
Je n'ai en autrui fianche
K'en vos a cui je m'atrai
40 Car aillours merchi ne sai.
VII.
Rayn. No. 1123; Hs. fol. 172 vO;
I. Amours par sa courtoisie
M'a un mignot sens done
De faire chancon jolie;
Si chant par sa volente
VI. ö jovenete Hs.
Die Gedichte Jehan's de Renti und Oede''s de la Couroierie. 201
En espoir d'avoir aniie;
C'est la riens c'ai covoitie
Plus toiis jours et desirre
8 Sans nul voloir de folie.
11. _ J'aim dame bien ensegnie
Et plaine de grant bonte,
Tant est de valour garnie
12 Ke je n'aroie conte
Jamals ses biens a moitie;
Che me fait vivre a haskie
Ke n'a euer entalente
1(5 De nostre amour faire onie.
III. Si tost con je l'euc choisie
Me iist un assaut prive
De ses iex ki m' ont ravie
20 Si trestoute raa sante
Ke s'a moi ne s'umelie
Par pitie pour riens c'on die,
N'iere raais jour sans griete;
24 Tant Taim d'amour en asprie.
VIII.
Rayn. No. 1263: Hs. fol. 176 v»;
I. Jehan Bertel, .j. Chevalier
Sai c'amours mainent si grieraent
K'il n'ose sa darae proier
4 Ne descovrir sen grief torment.
On dist ke mout estes senes:
Je vos demant, se vos loes
K'il li fache par autrui dire,
5 ü il se tiegne en ce martyre.
II. Jehan de Renti, de legier
Vos en dirai mon escieut:
Je lo puis k'il est u dangier
12 D'amours et k'il les maus en sent
Ke ses affaires soit celes,
Si ke nus hom de mere nes
Ne Sache s'il a mal u ire;
16 Je n'i sai milleur raaaistire.
VII. 16 Vor onie ist in der Hdschr. ein h ausradiert worden.
VIII. 12 et ki les Hs. 16 j'en i Dinaux, jeni Hs.
202 Johannes Spanke.
III. Bertel, eil fait malvais mestier
Ki coile sen empirement;
Geiers d'amours fait sens cangier
20 Et entrer en despoirement ;
S'uns hom est ens u cors navres,
Je di k'il est plus ke derves,
S'il ne le mande errant au mire
24 En cui se garisons se mire.
IX.
Rayn. No. 1416; Hs. fol. 175 vO;
I. Onkes ne seuc chancon furnir
Ne commenchier joliement,
Se je n'euc aucun sovenir
4 De ma dame a cui je rae rench;
Quant bone amours nie fait present
De sa biaute, en remirant
Je la remir et desir tant
8 Ke j'ai par cel desir savoir
Dont ma chancon sai esmovoir.
II. Je n'ai pas voloir de träir
Amours ne ma dame ensement,
12 Ains voel bien pour s'amor languir,
Et si me dout encor sovent
C'amours ne me get de torment;
Gar on a veu maint amant
16 Ki de joie aloit empirant;
Et il ne me caut de doloir,
Mais c'amours me fache valoir.
III. Gil ki beent a acomplir •
20 Leur desiriers desloiaumenl
Par losengier et par meutir
Sont plus guerroie asprement
Ke eil ki aiment vraiement;
24 Nus tormens ne me va grevant,
Ains vois bone amour mereliiant
De che k'ele dengne voloir
Ke je la serf a mon pöoir.
28 IV. Ma dame est plaine sans faillir
De si grans biens parfaitement
K'en li veoir en li öir
En li regarder douchement
Pren je trestout l'alegement
23 si li Hs.
IHe Gedichte Jehans de Renti vnd Oede^s de la Couroierie. 203
De coi je me vois confortant;
Amis ki plus va covoitant
Ke sa dame souvent veoir.
36 La bee en fia a dechevoir.
V. Araours ne voelle ja soufrir
Ke j'aie en moi euer ne talent
Fors de ma dame bien servir
40 Sans nul autre covoiteraent;
Ke, plus m'art amours et espreut,
Tant ai je plus le euer joiant;
Je me vois ausi deduisant
44 As maus ke me fait rechevoir
C'uns autres des deduis avoir.
VI, Cancbon, a Renti te present
A Andriu Chevalier vaillant,
48 Di lui k'il ait euer desirant
D'amours servir et main et soir,
Sans li ne puet nus bons paroir.
X.
Raynaud No. 1558; Hs. fol. 173 vO.
I. Li rousignoles jolis
Ke j'och chanter sour la branche,
Ne m'a mie en voie mis
4 De la douche ramembrancbe
Ki me vient d'amors,
Mais uns desirs sans folage
Ke j'ai de ma dame sage
8 Servir sans faillir;
J'ai apris a bien amer; dius m'en laist jöir!
II. Jöir ne doit, che m'est vis
D'amours ki sains desevranche
12 Ne veut estre fins amis
Sains gille et sans dechevanche;
C'est trop grans folours
De kuer ki maintient oiitrage;
16 Puisc' amours a fait bomage;
Teus fais est provös:
En euer joli doit manoir debonairetes.
III. Debonairetes toudis
20 Sera en moi et souffranche;
X. 1 rossignolös Stengel; Ders,: 20 moy.
204 Johannes Spanke.
Dame, si m'a si souspris
Vostre amors sains deffianche
Ke, se vo doucours
■24 Men grief mal ne m'asouage
Et le dolor et le rage
Ke je por vos sent,
Dame, je ne puls ensi vivre loughement.
28 IV. Longhement me sui nourris
D'une jolie esperanche
Ki me disoit ke merchis
Estoit en vous, dame franche;
32 Trop est vos secours
En lontain pelerinage;
Amours par son signorage
M'i laist recourer
36 E diex ki set, raerchi! je ne la puis trorer.
V. Trover ne puis jou chaitis
En amour nule aleganche
Et si aim miex ke saisis
40 Soie de pesme atendanche
Ca penser aillours;
Ne ja en tout mon eage
Por nul petit avantage
-^4 N'arai euer failli;
Dame, j'atendrai debonairement merchi.
VI. Chancons, sans demours
Va t'ent, garde, plus n'atarge,
48 Droit a Avions te nage,
A bon Jehan di:
Nus n'avera ja joie, s'il na euer joli.
XI.
Raynaud No. 1807; Hs. fol. 174.
I. Se loiautes a en amour pöoir,
J'arai joie, je le sai vraiement,
Car j'ai ame toudis sans decbevoir
Ne ja nul jour n'amerai autrement;
Mais che me fait un petitet doloir
C'on dist c'amours est de tele nature
22 desfianche, 24 mon; 27 dame fehlt in Hs.; puis gaires ensi Stengel,
32 vo secours Stengel. 39 sais Hs.; Säis Stengel. 46 Ghancon Stengel,
Guesnon (/. c S. 13) trennt: Chancons, sans demours vat'ent
Garde plus n'atarge.
.50 Nus n'a joie Hs., Nus n'amere n'a joie Stengel.
Die Gedichte Jehaiis de Renti und Oedes de la Couroierie. 20o
Que, quant plus met li hom en li sa eure
8 Plus Toublie tost et legierement.
II. Et non por quant ne tien je mie a voir
Che c'oii m'a dit ass^s novelement;
Vilaine gent me fönt tous jours savoir
12 Ki ont perciut raen amourous torment,
Ke je mete amours en noncaloir,
K'ele destruit ciaus de sa nourreture;
Mais il mentent : amours n'est mie sure
16 Fors ke a ciaus ki aiment fausement.
III. Ki de euer sert et de loial voloir,
Tout si travail ne li grievent noient;
Mais eil ki bee amours a dechevoir,
20 Quant il en faut, c'est eil cui rage prent;
Ne d'autre gent ne me sai perehevoir
Ki ait d'amours fors ke bone aventure
Fors ke de eiaus ki par leur fole ardure
24 önt volente d'ovrer desloiaument.
IV. Dame, en eui j'ai mis men milleur espoir,
Verrai jou ja venir rajornement
Ke me peust vostre amour eschäoir
28 Ke je desir tant debonairement?
Ke je ne puis por vös mal reehevoir
Dont je n'aie tres ehiere la pointure
Car bone amors me dist et asseure
32 C'on a honeur par souffrir douehement.
Y. Tant a en vos courtoisie et savoir,
Pris et valour et bon entendement
Ke je n'en quier men penser removoir
36 De vos nul jour, bone dame au eors gent;
Et se ferai eucor por vos paroir
Mainte changon et mainte envoiseure,
Car ki aime dame de grant mesure,
40 II se doit bien tenir joliement.
XII.
Rayn. 2084; Hs. fol. 174.
I. L'autrier errai m'ambleure
Par d'ales une fontaine
Et vi par bone aventure
4 Pastoureaus en une plaine
XI. 29 pe je puis Hs. 40 joliemen Hs.
206 Johannes Spanke.
Ki aloient devisant
Une feste et pourparlant
K'il feront le jour de may;
8 Et Bernes se va vantant
K'il dira du virellai:
Sus sus au virellin, sus sus au virellai.
II. Herbers dist k'envoiseure
12 Fera ki pas ii'iert vilaine
Cote, mantel a parture
De burghie a tiretaine.
Pour miex sanier preu sergant
16 Portera un grant perchant
En ses .ij. niains u un rai
Ke eil ne voisent grouchant
Ki orront le virelai:
20 Sus sus au virelliu, sus sus au virelai.
III. „A defoi, malaventure
Aie je, se je me paine",
Dist Wales d'Achesneure,
24 „Faire de liu ne de laiue;
G'irai en .j, sach tumaiit;
On m'ira plus regardant,
Je le sai tout sans delai,
28 Ke vos k'ires cointoiant
Par amours le virellai:
Sus sus au virellin, sus sus au virelai.
IV. Quant j'euc öi leur murmure,
32 U tant ot parole vaine,
Par d'autre part a droiture
Trovai touse gente et saine;
S'amour li allai priant,
.36 Ele respont maintenant:
„Plus bei ami de vos ai,
Berne^on, qui va chantant
As danses le virelai:
40 Sus sus au virellin, sus sus au virelai'
V. „Ha, tres douche creature,
Plus gente que chastelaine.
Je vos donrai vesteure
44 D'escarlate, tainte en graine,
Et blanc cainse träinant" —
Tant li pramis en blangant
XII. 23 d'Achesineure Hs.; d'Achesneure Bartsch.
J)ie Gedichte Jehaiis de Renii und Oede's de Ja Coitroierie. 207
Ca terre la souvinai;
48 La li apris tout esrant
La note du virelai:
Sus sus au virellin, sus sus au virelai.
VL Baudiues a le grant hure
52 ~ K'u cor contrefait l'araine
Perchut toute la morsure
De moi et de Tribaudaiiie;
„Bernecon", va escr'iant,
56 „Tu vas t'amie perdant;
Maintenant aperciut ai
C'uns vassaus en sovinant
Li aprent le virellai:
('>0 Sus sus au virellin, sus sus au virelai",
Vn. Geste chose fut mout sure;
Bernet, quant le sot certaine
De raautalent et d'ardure
64 Devint plus vers d'iine raine;
Apres moi s'en vint courant,
D'un grant cailleu en ruant
Me fist voler ens ou brai;
68 Sacies c'adont n'oi talant
De chanter du virelai:
Sus sus au virellin, sus sus au virelai.
2. Die Lieder des Oede de la Couroierie.
I.
Rayn. No. 210; überliefert in K fol. 199, N fol. 95 und P
t'ol. 174. K ist dem Text zu Grunde gelegt.
I. Trop ai longueraent fet grant consivrance
Des maus que je sent, dire et regchir;
Mes gel faz pour ce que c'est grant viltance
4 De complaindre soi qui s'en puet souffrir;
Et ne pas pour quant je tieng a enfance
Et a nicete qui par amaance
De crier merci se lesse morir.
» II. Morir me vient melz qu'en tel doleur vivre,
Bien voi que ma dame en trop gros l'a pris;
Mult vilainement de moi se delivre,
Mes il ne Ten cliaut, car bien Ta apris;
I. 1 Mult a longuement fer grant consievrance N, consievrance P;
2 de maus N; 3 jel faz por N, jel fac por P, enfance K; 5 por NP,
esfanche P; 8 meuz N, dolor NP, viuvre K.
208 Johannes Spanke.
12 Et se je recort les maus qu'el me livre,
Ne sai que je faz ne se je fusse ivre;
Dont je li requier qu'el me tiengne a pris.
III. Apris ai d'amors trestout mon äage,
16 Or en sui plus fox qu'au commencement;
Mes je me pourpens qu'il n'en est nul sage,
Ja tant n'en avra apris longuement;
Or me face amors un tel avantage
20 Qu'ele me partut ou qu'el m'asöage
Les maus qu'ai soffert debonairement.
IL
Rayn. Nr. 215; überliefert in K fol. 201, N fol. 96 und P
fol. 174; die vierte Strophe fehlt in P; dem folgenden Text liegt K
zugrunde.
I. Tout soit mes cuers en grant desesperance;
Je chanterai, car amors m'i semont
Pour alegier mon euer et ma pesance
4 Et la dolor qu'amors trere mi fönt;
Si sachent bien amors que s'eles n'ont
De raoi merci, ce sera vilanie
Car je les ai trop longuement servies
8 De euer verai
Ne ja ne m'en retrerai
D'aus servir toute ma vie.
IL Amors m'ont mis en si tres grief pensee
12 Que je sai bien que james n'en istrai;
Se n'est ensi que cele a qui je bee,
Par sa franchise ait grant merci de moi ;
Que je l'aim tant et touz jorz l'amerai
16 De euer loial esprouve sanz faiutise
Que ja mes cuers n'avra ce qu'il devise
Si par li non
En qui gist la guerison
20 Du mal qui si me justise.
III. D'amors m'estuet et clamer et complaindre
Quant ce me faut, ou ra'estoie atendu;
Car j'ai ame de euer loial sanz faindre
24 Dont guerredon ne m'est one or rendu;
12 chiaut P; 13 fac P, ne que se fusse KNP, yvre NP; 14 quel nel
t. KP, quel mel N (das 1 in mel ist nachträglich eingeschoben), 15 trestot
NP; 16 ore K, folP, fouxN; ITnussagesN; 18 avrai N; 20 m'asouage
P; 21 max qu'ai sofferz debonerement N, soufert debonerement P.
II. 2 ge N, amorP; I. 3 por N P; 5 celes K, eles P; 9 recrerrai
N, repentirai P; 10 d'euls N, d'eus I, tote P; 13 enci P; 15 toz NP
jors P; 19 ma K N; 21 conplaindre N; 24 gueredon P.
Die Gedichte Jehmi's de Renti imd Oede^s de la Couroierie. 209
Amors si ont seur moi leur arc teadu,
Si mont navr^ d'une säete ague
Qui m'est el euer que point ne s'en remue;
28 Ne ne fera
Tant com ma dame plera;
C'est s'amor qui si m'argne.
IV. Las, je plaing plus que dire ue porroie,
32 Ainz mes nus hons n'ama si loiaument;
De li sanz plus me vient toute ma joie,
Que je ne pens a nule autre vivant;
Pechie fera, se pitie ne Ten prent,
36 Car j'ai pour li mainte dolor eue
Et si souspir nuit et jor et tresue,
Quant me souvient
De li qu'a son esc'lent
40 A son trop grant tort me tue.
V. Chancou, va t'en a ma tres douce amie,
Por qui je muir, et de par moi li di
Qu'ele fera trop mortel felonie
44 S'el met eusi ma dolor en oubli;
Que j'ai souffert et souffrerai pour li
Geste dolor tout en bone esperance
D'avoir s'amor et sa douce acointance,
48 Sanz qui briemeut
Des tres douz max que je sent
Ne puis avoir alejance.
III.
Raynaud No. 216; erhalten in K fol. 202 und N fol. 97; der
vorliegende Text stützt sich mit Ausnahme der vierten Strophe, die
nur in N steht, auf K.
I. Chancon ferai par grant desesperauce
Et ue pour quant ne m'en deüst tenir;
Car d'amors n'ai fors corot et pesance
4 N'avant u'apres ne m'en pout bien venir,
N'a la joie ne cuit ja uvenir
Dont j'ai touz jorz eu tel desirrauce;
Si grieve trop amors a maintenir
8 Dont Teil n'atent fors coroz et pesance.
25 sor moi lor N P; 26 seete N P; 27 ne point K; 29 con P
30 s'est N; IV fehlt in P; 32 onc N, hom N; 33 tote N; 36 per N
37 tressue N; 41 t'ent N; 4Ö soufferrai N, souflferaiP; per PN; 46 tote P;
49 maus P; 50 alegauce P.
III. 2 neporquant N; 3 coros N; 4 pot N; ö cuic N; 6 eue N;
8 coros N;
ZtBchr. f. frz. Spr. u. Litt, XXXII i. 14
210 Johannes Spanke.
II. Je chant souvent quo voleiitiers plorroie,
Mes je le faz pour niesdisanz grever,
Quant iiie voient chanter et mener joie,
12 Dont leur faz je les cuers de duel crever;
C'est la guerre qui ne puet affiner
Que de partir de bone araor la joie;
Mauves blasme en puet on alever:
16 Mult est eil fox qui vers araors guerroie.
III. Je me doi bien desconforter et plaindre
Quant ce me faut on ra'estoie atendu;
Et s'ai ame de loial euer sans faindre
20 Dont guerredon ne m'est onc or rendu,
Leur niautalent m'ont mesdisanz vendu,
Maiiit mal m'ont fet, ne sai li quels est graindre:
Mes puls que tant me sui d'aus deffendu
24 En leur dangier ne be plus a remaindre.
IV. Remaindre fönt mesdisanz mainte joie
Endroit de moi, Tai bien aperceu;
Ceus m'ont träi dont je ne me gardoie;
28 Mes ja por ce n'avrai le euer meu;
S'a ceste foiz m'est d'araors mescheu,
Amors Tont fet por ce que meuz m'essaient;
L'on me devroit tenir a recreii,
32 S'a bien amer por mesdisanz Ie?soie.
V. , Chanson, va t'en, salue moi m'amie,
A ceste foiz seras mon mesagier,
Pour dieu di li que je li mant et prie,
36 S'onques m'ama ne se de riens m'ot chier,
Ces granz dolors me face assoagier,
Ou autrement el n'aime pas ma vie;
Ele me puet et veudre et engagier,
40 Si fet pechie quant el me contralie.
IV.
Raynaud No. 321; das Lied steht in K fol. 200 und N fol.
96; die fünfte, schlecht überlieferte Strophe steht nur in N; dem
folgenden Text liegt in den andern vier Str. K zu Grunde.
I. Ma dcrreniere vuel fere en chantant.
Pour ce qu'amors l'aient en remenbrance,
10 por mesdisanz greve N: 12 dont lors faz je de duel les cuers N
14 fine amor N; IG foux N; 21 Lor N; 22 11 quex N; 23 mes ne puls N
24 lor dangier N; Str. IV steht nur in N; 33 Chancon N; 35 por de N
36 m'ont N.
IV. 1 vueil N.
Die Gedichte Jelion.s de Renti und Oede's de la Couroierie. 211
Que que je chant li cuers vet deschantant,
4 Com eil qui est alez sanz recouvrance;
Cele ou jai mis mon euer et m'esperance
Me fet morir; si fet graut mesprison,
Car hontes est d'ocire ?on prison,
8 Puisque du tout m"avoit en son daiigier,
Bien düast donc son euer vers moi ehangier.
n. Amors out fet de moi grant miröer:
Qui sages est, graut essample i puet prendre;
12 Au commeucier me cuidoie jöer,
Mes or me veut amors sou gieu eher veudre,
De jor eu jor me fet merci atendre;
S'est loing cc jour, quaut il ne puet venir,
IG Mes se ma dame daiguoit souvenir
Que j'ai pour li souffert et eudure,
Le mal que j'ai n'eust pas taut dure.
III. Frauche dame, bieu voi que je mespraing
20 Quant contre vous faz si aspre complaiute;
Mes li granz maus dont j'art touz et espraing
Et li sousis qui la chiere m'a tainte
Me fet ensi eomplaindre et esmoier;
24 Et se dieu plest jos ferai essaier
Qu'ainz recroirroiz de moi cantralier
Que je d'auier ne de merci crier.
lY. Par deu, dame, fort m'est a consirer
28 De vous vöer uu jour en la semaiue
Seur toutos riens me fetes desirrer
Yostre gent cors qui taut nra livre paiue;
Se g'en escbap ee sera a grant paine;
32 Petit ai pris et assez delitie;
Mes sensi biau eors ue trouvoit pitie,
Je diroie que il n'en seroit poiut;
Pour ee pri dieu qu'il vos mete a droit point,
36 V. Chaneou, va t'eu au marinier d'amors,
Et si li di que de moi li souviengne;
A li sont touz mes plainz et mes elamors,
Si est bien droiz qu'el au coufort m'en viengue;
40 Qu'eschapez est. gart soi qu'amors uel tieugne!
4 cou N; 9 vers moi son euer N; 10 mireoir K; 11 essanple N;
12 conmencier — jouer N • löloignN; 16 sovenir N: 17 por li soffert N;
20 dure complainde N: 21 tout et espraig N; 22 et sousis N; 23 eom-
plaindre N, esmaier N: 25 recrerrezW; 27 deu amors fort N, consierrer N,
consieurerK; 28 de vos voer un jor N; 29 toute riens K; 31 fehlt in N;
33 biau fehlt in N, trouvoie K N; 35 deu N. Str. V nur in N; Varianten
der Hs.: 39 qu'au confort: 40 eszchapez est.
li*
212 Johannes Spanke.
Car s^autre t'oiz Tont amors bieii teuu,
Porpense soi a quoi j'en sui venu;
Je sai de voir que qui bien le savioit,
44 James d'amer bon corage n'avroit.
V.
Rayu. No. 1740; überliefert in K fol. 203, N fol. 98; der folg.
Text stützt sieb auf K.
I. Desconfortez com eil qui est sauz joic
Ferai cbancou pour mon euer resjöir;
Si me merveil qui a ehanter m'avoie,
4 Quant je ne puis de mes amors jöir;
Se dex n'est sorz, bien me devroit öir
Qu'il me venjast de ceus qui par envie
Ont desevre a tort moi et m'amie;
8 Mes poi leur vaut
Quelque part que li cors aut
Li cuers reraaint a m'amie.
IL Mes cuers aime cele qui me guerroie,
12 Ne d'autre amer ne se puet consentir,
Mult m'a este de li corte la joie,
Por un seul bien m'a fet cent maus sentir;
Mes moi, qu'en chaut, ne m'en puis repentir,
16 Ainz cri merci a ma dame, m'amie,
S'onques m'araa qu'ele ne mi doit mie
Si esloignier;
Car Ten dit en reprouvier:
20 Qui bien aime a tart oublie.
IIL Dame, de vous a departir me grieve,
Mauves conseil avez vers moi creu;
Merveiües est que li cuers ne me crieve
24 Des granz deduis qu'avons ensenble eu;
Or sont eil lie qui vers vous mont neu,
Vivre mi fönt a duel et a martire,
Le jor longuis, la nuit plor et souspire;
28 Mes s'autrement
N'ai de vous alegement
Je sui mis a grant martire.
41 car autre.
V. 2 fere eh. por N ; 5 sortN; SlorN; lOremaitN; 11 mes euer
N; 12 mes d'autre . . . ses puet N; 14 max sentir N; 15 mes ra. . . qu'en
chaut (hinter dem m ist etwas ausradiert). 18 ne me doit N; 21 vos N;
22 moi eu N; 24 deduiz N, euz N; 25 vos N; 27 pleur N, soupire N;
29 vostre alegement N ; 30 sui a K.
I)ie Gedichte Jehayis de Renti und Oede's de la Couroierie. 213
IV. Dame, sachiez et bien vos en souviengne:
o2 Riens n'avez fet que m'eussiez pramis,
Et s'il vous plest, de moi pitie vous prengne,
Que je vous serf conme loiax amis.
Vostre gent cors en grant paiue m'a rais;
06 Pou m'a dure de vous la compaignie;
Li cuers me faut et la langne rae lie
Quant rae souvient,
Qu'a departir me couvient
40 Ci a dure departie.
V. Chanson, va t'en et demande m'aniie
As maus que j'ai se de riens m'aidera;
Et si li di qu'el ne m'ocie mie
44 Que, s'ensi muir, reprochie li sera,
A cest besoing verrai qu'el mi fera,
N'est pas amours qui touz jorz n'est onie;
Et nuit et jor Tai loiaument servie
48 A mon povoir ;
Or me fet apercevoir:
Por pou liGt qui n'aime mie.
31 sachez N, couvieuge (in rasura; N; 32 n"avez que u'eussiez IS;
33 vos N, praigne K; 34 vos serf comme N. 36 vos la compaigne N;
39 covient N; 41 Chancon N: 42 as max N; 44 reproucbie N; 46 amors
N; 48 pooir N: ÖO poi N.
VI. All 111 erklingen.
1. Zu Jehan de Renti.
I.
1. Ki ii'areroit hone aniour fall hommage ; bone amour ist als PerSOU
gedacht und steht daher als Dativ ohne Präposition; vgl. Vers 7 et port ma
dame honour.
10. hi ne se veid ohsir: obi'lv soi im Sinne von obeir ist bei Godefroy
nicht belegt; se ist daher wohl als Dat. eth. aufzufassen.
13. ki 2>lus fönt Veschape; trotz des pluralischen Subjekts steht der
durch Reim und Metrum gesicherte Singular eschape; Beispiele ähnlichen
Gebrauchs von faire = representer im Afrz. und Prov. und ihre Erklärung
siehe bei Tobler in seinen Verm. Beitr. I- 169 ff.
18. ke ja le . . . : ke = ki wie auch III. lö; ähnlich steht pikardisch
se für si; Vgl. die Anm. zu III. 4.
42. ki Biauvii's doit tenir; vgl. das von Godefroy im Compl. angeführte
. . a s'abaie qu'il dovoit maintenir. „Loh., Ms. Montp. fol. 88 a".
• II.
5. amours = Liebesempfindungen; vgl. die Anm. zu Oede IL 25.
7. Zu dem Refrain diosos Gedichts vgl. den Refrain eines Ijiedes
Adan's de le Haie:
Or est ensi
Ke fatenderai merci (Bcrger No. X).
214 Johannes Spanke.
20. fittuis et mtschüaitct 11 pulst . . . Das Vorb stebt im Singular, da
die beiden Subjekte synonj-me Bedeutung baben;^^) ebenso V. 36. 37.
26. en pardon = vergebens, obne Entgeld; vgl. die Friere Theophilus
(Groebers Z/s. I. 247) Vers 2:
Cor nti.t iie vovs slert, dame.^ longement cm pardon,
III.
4. se = si (sie) wie öfter in pik. Hss. des 13. und 14. Jhs. ; vgl.
XI. 37. Und doch darf ich nicht daran (d. li. an das mal d'amer) denken.
Ähnl. Rayn. Mot. I. L. 23.
Et s\ii hont rolente
D'ntendre le gueredon.
11. e ;*'»■;«//*• durer \ der Ausdruck scheint bei den Lyrikern des
13. Jhs. sehr beliebt gevresen zu sein; besonders oft findet er sich in den
von Raynaud herausgegebenen Motetten. Als Bestandteil eines Refrains
tritt er auf in dem Rec. de Mot. I. CXVII.
11, travellie hat hier nodi den seinem Etymon näherstehenden
Sinn „gequält"
12. N^ai je bekannte Inversion im nachstehenden Hauptsatz; ebenso
Vers 34.
20. Por iant = lieber, eher.
24. Me sont cliangic soulns; ähnlich wie hier, in der Bedeutung „ver-
ändern, verwirren" steht changier in VIII. 19: Cehrs d'amoursfait sens cangier=
„macht verrückt"; vgl. ferner Eust. Desch. ('ed. Rayn.) V. 3.'i7:
Trop in'cst changiez U temps et la maniere
Depuis le j'our que je nie deparli . . .
38. En vos, dame, la u . . . \ ähnlich Gillebert de Bern. (ed. Waitz in
Festsclir, für Gröber). V. 1. J/a dame., la oii je pens.
39. Sans plus = ohne weiteres; vgl. Gill. de Bern. XXIX. 1. 3:
(S'e ma tres doitce dame chiere
Me voloit sanz pluz Commander.
42. Don de coiigie; don hat die Bedeutung „action de donner";
Belege s. bei Godefroy im Comp}.
V.
8. w« ke pastour; der Vergleich zwischen der Unfähigkeit von Dichtern
mit der primitiven Kunstübung von Hirten findet sich auch in einem Spott-
gedichte des Peire d'Alvernhe (Appel's Chrest. S. 117):
.Mas tt rhautar lor er nlliors
Qii' entremetre naiig. c. pastors
Q'us no sap que' s montu o ■ s dissen,
10. pension = regelraäfsig in bestimmten Zeitabständen ausgezahlte
Summe; Belege s. bei God. im Compl.
If). Car eil hl Va := denn der, welcher es (richtig verteilt) hat. Uew
Gegensatz bringt der folgende Vers: C'nutrement done. Die von P. Paris
vorgenommene Veränderung zu •
Et dl qui Va solt de gr. v.
würde den Sinn cnt/^l eilen.
®i) Vgl. L. Kraftt, Person und Numerus des Verbs im Fi-anzö.s. Göttingen
1904, S. 80.
Die Gedichte Jehaiis de Renii und Oede's de la Couroierie. 215
22. par usage durch längeren Verkehr.
27. rosur sich bemächtigen.
32. rete = reputati. Die von God. angeführten Belege zeigen rete
stets in der Bedeutung ..(übel) beleumundet'-.
39. Con dist piech'a: vgl. Rayn. 1. C. I. CCIX. 28;
Si m'acort hien a ce k'eii dit bowiement
Que U kons qui mauvaU seigneur strt
Mauvais hier aient.
Eine andere Form des Sprichwoi-ts gibt der Roman du Renard 8. 410
(nach Le Roux de Lincv, Prov. fr. II. 98):
De iel seigneur lel louier.
Ähnlich der von Le Roux de L. nach den „Prov. Gallic." zitierte Spruch
Qiii bon seigneur sert, bon loier en aitmd.
VI.
oü ff. Das Leid, an dem der Dichter leidet, wird, wenn ihn die Dame
erhört, selbst in Leid versetzt werden — eine in ihrer Kühnheit an die
Abstraktionen der römischen Kunstdichter erinnernde Personifikation.
33. muel; wenn wir das Wort als 1. Ps. S. Pr. von mouloir auffassen
(s. 0. S. 35), bietet nur der Sinn eine gewisse Schwierigkeit. Me muel würde
heifsen „ich zeiTnahle, verzehre mich'-. Die Bedeutung pafste gut in den
Zusammenhang, läfst sich aber durch kein Beispiel belegen. Vielleicht
stellt der Gehrauch von mou/oir soi in abstrakter Bedeutung eine sprachliche
Lizenz unseres Dichters dar, deren Auftreten durch die Armut der Sprache
an Reimwörtern auf -uel ihre hinreichende Erklärung findet und auch sonst
Jehan de Renti leicht zuzutrauen ist.
VII.
6. Vgl. Raynaud /. --•. I. ;54. 6:
C'est la riens del mont que plus desir.
16. De ttosire umour faire onic: oni bedeutet gewöhnlich „gleich, ebea-
bürtig" (s. God. sowie ßerger 1. c. S. 450); von der Liebe gesagt, deutet es
wohl auf das auf beiden Seiten gleiche Entgegenkommen hin. Verfehlt
dürfte die Übersetzung mit ..modeste, simple" sein, für die .sich God. auf
folgenden Beleg stützt:
Amors doit estre toule ounie
Sans orgoil et sans mllonie.
18. prive = geheim: vgl. Rayn. I.e. I. 272. 14.
Que du prive larron ne se puet on garder.
VIII.
I. Die Form Bertel steht oft in pik. Texten neben Bretel wie hregtronmte
neben bergeronnete n. ä.
II. Ob das handschriftliche ii les eine Verschreibung oder eine aut
der Aussprache beruhende Haplographie darstellt, ist zweifelhaft.
16. mäaisüre (magisterium=Kunst, Rat) ; die durchs Metrum gesicherte
Form müaistire kommt nur an unserer Stelle vor; die gewöhnliche ist
maistire (dreisilbig). Mäaisüre ist vielleicht als Verschmelzung aus der bei
God. belegten halbgelehrten Form maiestire und der häufigeren mnittire auf-
zufassen. Vgl. Berger Lehnwörter S. 168.
216 Johannes Spanke.
17 flf. Zum Sinne vgl. das von Lc Roux de Lincy II. 472 zitierte
Sprichwort:
Amovr ne se puet celer.
20. wenn er es (das Herz) nicht schnell dem Arzte anvertraut.
IX.
14. </eter <h tormtut (von God. zweimal belegt) = aus dem Leid
entrinnen lassen. Der Dichter fürchtet sich also, sein Leid möge aufhören,
da er dessen erhebenden und veredelnden Einflufs nicht entbehren möchte.
30. h'en li veoir en U öir; vgl. Colin Muset (ed. Bedier) VI. 42:
Et U veoir et li öir.
o'}. vüoir = besuchen: s. Berger 1. c. S. 78.
42. Tant ai je vgl. Anm. zu IV. 12.
X.
21. Damt si ma si souspris; Vgl. Rayu. 1. C. XXXIII. 5:
Si ma souspris.
39. Der Sinn der Schreibung Stengels aim miex ke Suis soie ... ist
mir unverständlich.
40. Vgl. Gillebert de Berneville VII. 1. 8. Puisque la vi, ne seit aiUor
penser.
49. „bon Jehan^ ist vielleicht als ein Eigenname aufzufassen. Vgl. das
im Registre des Jongleurs auftretende „pro bono Bretel Jehan" (s. Guesnon,
Nouv. rech. S. 32).
50. Vgl. oben S. 61. Stengel's Ei'gänzung: Xus [amereja] rCa joie . .
scheint mir zu weit hergeholt; ich schlage die den Sinn des Überlieferten
weniger verändernde Ergänzung vor:
Nm n'afvera ja] joie.
XL
Der Sinn der zweiten Strophe ist in der überlieferten Form unklar.
Verständlicher würde er durch die Schreibung m'entent; allerdings bietet
God. für il mentmt = ^es leuchtet mir ein" keinen Beleg.
21 ff. Sinn : keinen andern kenne ich, der in der Liebe nur Glück
hat, als die, welche in ihrer tollen Brunst unehrenhaft bandeln wollen.
26. Verrat jou ja veuir l'ajornement. eine Phrase, die von den Arraser
Dichtern mit Vorliebe angewandt wurde. Besonders oft findet sie sich iu
den Motet's der Sammlung Raynaud's.
37. Et se . . . vgl. Anm' zu III. 4.
XII.
14. huryliier wird von God. übersetzt mit: faire subir au drap
une certaine preparation. Burghie ist also ein auf diese Weise behandelter
Stoff. Das Wort scheint mit borge verwandt zu sein, das nach God. eine
Stoffart bezeichnet. - Tireiaine ist nach God. ein halb aus Leinen halb aus
Wolle bestehendes Tuch.
15. Pour miex satiler preu sei-gant; sanier in der Bedeutung „gleichen,
darstellen" (= simulare aliquem) regiert im Afrz. teils den Dativ, teils
den Akkusativ. Vgl. Aiol 1085:
// le resamhlt miex qu'homt qui vive,
Yvain 646: Ne vuel pas sanbler le (/aig7ion.
18. (jroucher nach God. = murmurer.
25, „ich werde sacklaufen."
Die Gedichte Jehans Je Renti und Oedes de la Conroierie. 217
2. Zu Oede de la Couroierie.
I.
1. Ahnlich der Anfang eines Motetts (Rayn. I. 250):
3Iult ai longuement
Amt' de fin ctier hi'mment.
5. mfance hier = Torheit. Vgl. Gillebert de Bern. YlII. 4. 7.:
Trop fet fjrant enfance.
IL
9. Xe ja ne inen retrerai Vgl. Rayn. I. o4. 18 : Ne ja ne m'eii partirni.
'2b. Amors si ont seur mol lor arc iendu. Die Personifikation der Liebe
ist von Vers '> an durch das ganze Gedicht im Plural durchgeführt, was
an und für sich nicht auiFällig ist. Doch unser Vers legt den Gedanken
nahe, dafs dem Dichter die geflügelten und pfeilbewehrten Amores (Cupidines,
"EpcoTsc) der Alten vorgeschwebt haben. Diese Annahme erregt aber aus
dem Grunde Bedenken, weil dieses Bild der gesamten provenzalischen und
altfranzösischen Lyrik, soweit ich sie habe übersehen können, fremd ist.
Auch hat gerade der antike Dichter, der wohl für eine Übertragung des
Begriffes ins französische Mittelalter allein in Betracht käme, nämlich Ovid,
denselben nur selten und nur in formelhaften Wendungen gebraucht (\'gl.
den Artikel Amor im Thesaurus Jinr/uae Lat.). Catull und Properz waren
bekanntlich im Mittelalter so gut wie unbekannt. Es ist daher wohl an-
zunehmen, dafs an unsei'er Stelle eine rein zufällige Zusammenstellung der
Begriffe ..Liebesempfindungon" und „Verwundung des Herzens durch die
Liebe" vorliegt. Das ist um so wahrscheinlicher, weil das zweite dieser
Motive in der altfrz. Lyrik garnicht selten ist. Vgl. z. B. Rayn. II .XIjIV 8:
Mais eile (die Dame) niuit si navreit (Tun darf ou cors
Ke nuiis ne Tan puet oster.
Bartsch, Lanyue et Lilt.fr. S. ")16 (Sotte ch.):
An vous esgardeir
Fui d'un dairt navreis.
Clef d'Amors 520: . . . hs jolies pensees
Sont des dars amourous naffrees.
Von demselben Standpunkte aus ist nun natürlich auch der Vers
Amoiirs m'ont narrr d'un dort si crueument.
(Ro. VII. 102) zu beurteilen.
111.
7. 'jrieve ist als unpersönliches Verbum aufzufassen.
8. „von der einen nur Verdrufs und Kummer erwartet".
24. he ist die alte (e-lose) Form der 1 . Ps. Sing. Pr. von beer.
IV.
1. derreniere, wohl zu ergänzen: volente i.s. God.).
7. son prison seinen Häftling.
19. Zur dritten Strophe ist zu bemerken, dafs nach Vers 22 ein
Vers fehlt — wohl eine Nachlässigkeit des Dichters.
22. sousis = souci (s. God.): „die Sorge, die mein Antlitz gebleicht hat".
33. Der Grund des Verschreibens von trouvoit zu troucoie lag wohl iu
einer falschen Auffassung von sensi (s'en si statt des ri( htigen s'tnsi).
t> 1 8 Johannefi Spanke.
36. Der Sinn der A^'crse 36 39 ist im . Zusaumienhang mit dem
Übrigen unklar, wohl wegen dor mangelhaften Überlieferung. Was unter
marinier d'amors zu verstehen ist, bleibt unverständlich.
40. Das überlieferte eszchopez est ist wegen des Folgenden wohl zti
Quescfiapez (= Qni eschapez) eM zu verändern.
V.
5. 'S'e dex nest surz — vielleicht eiue Reminiszenz an eine bekannte
Erzählung der Bibel.
19. Das zitierte Sprüchwort tindet sich nach Le Rou de Lincy
(II. 472) in einem Manuskript des Corpus Christi-College von Cambridge
unter nProverbes de Fraunce" in der Form:
Chi bien aime tard oblie.
Es bildet den Anfang einer unedierten Chanson des Ms. ß. N. 847 fol. 194 v^'.
40. Ci a dtire departie; der Ausdruck ist vielleicht dem berühmten
Kreuzlicd des Hugues de Berze
S^onkes nus hom por Jure departie
entnommen.
46. onie vgl. die Anmerkung zu Jehan de Renti VII. 16.
50. Por pou het qui naiine m/'e - ebenfalls vielleicht eine biblische
Reminiszenz. Als Sprichwort wird der Vers von Le Rou de Lincy und
von Tobler, Prov. au. Vilain, nicht angeführt.
Meschede. Johannes Spanke.
Zur Textkritik von Rigoiiiers Schlussepisode.
Rigomer-Schlußepisorle und kein Endel kann mau füglich aus-
rufen. Der Hrsg. der „Turiner liigomerepisode" liat wohl nicht
geahnt, als er Feist's Abschrift herausgab, welche Folgen dies haben
würde. Um so verwunderlicher, als eine große Zahl anziehender,
wichtiger und gedruckter Texte noch immer einer Bearbeitung harrt.
Es erschien zuerst E. Brugger's lange Anzeige (Ztschr. f. franz. Spr. u.
Lit. XXX"- 129— 15G), die durch den Umstand veranlaßt war, daß
auch er s. Z. eine Abschrift des Textes genommen hatte. (Auch ich
hatte s. Z. eine solche genommen, aber verloren (1877)^ s. Rom. Ztschr.
II, 78, 21.) Dies veranlaßte mich, den Besitzer einer Abschrift des
Originals, zu einem textkritischen Exkurs (diese Zs. XXXII ^ 81 — 124),
dem ich im letzten Augenblick den Text der Urschrift selbst voran-
schickte, weil ihr bloßer Abdruck eine ganze Reihe von ott'eneu
Fragen und den gi'ößten Teil der unsicheren Textstellen sofort klar
stellte. Bevor ich mich zu diesem Abdruck entschloß, wandte ich
mich am 24. März 1907 nach Chantilly, ob nicht im letzten Jahre
der betreffende Teil der Hs. dort abgeschrieben oder eine Photographie
von ihm beschafft worden sei, wobei ich des Herrn stud. Pessen-
Berlin gedachte, der sich gleichfalls au H. Macon gewandt hatte.
Er hatte auch bei mir angefragt, ob ich „beabsichtige, den Rigonier-
roman herauszugeben" und ob ich ihm nicht meine Abschrift der
Schlußepisode, die er als Dissertation kritisch bearbeiten wolle, mit-
teilen wolle. Ich antwortete am 28. Februar d. J meine Ansicht
[darüber], die 1300 Zeilen zu einer Dissertation zu verarbeiten, d. h.
ein Bruchstück aus einem erhaltenen Roman von 1 7 000 und einigen
100 Zeilen — nach einer späten Abschrift, während da» Original
derselben erhalten ist (denn Tui-in ist aus Chantilly abgeschrieben i)
und zwar wie Sie sagen, kritisch, ist doch eine sonderbare Aufgabe.
Das würde ich als Aufnahniearbeit ins Sem. kaum annehmen, denn
es ist in einer Woche bequem zu machen. Noch dazu ein gew.
pik. Text, also eine Mundart, die wir am besten kennen. Zu einer
solchen Arbeit möchte ich meine Hand nicht geben. Haben Sie sich
denn mit Herrn Prof^ Tobler beraten? Hat er seine Zustimmung
^) Natürlich vom Sehr, etwas modernisiert in der Orthographie, in seine
Mundart unigp.schrieben und dann nnd wann paar leichte Besserungen Jiiid
ganz kleine Änderungen, die sich jeder Schreiber erlaubt.
220 * W. Foerster.
gegeben? 2) Überlegen Sic, daß so viele der schönsten und gedruckten
Texte noch nicht bearbeitet sind." Darauf gab ich ihm eine Reihe
von passenden Themen an mit dem Ersuchen, falls er eins davon
wählte, mir's mitzuteilen, damit ich es nicht auch hier bearbeiten
lasse, worauf Herr Pessen nichts mehr von sich hören ließ. Herr
Macon, Conservateur adjoint in Chantilly schrieb mir (Poststempel
Chantillj' 26. 3- 07.): .Tavoue que je ne me souviens plux du
tollt du genre de demande de M. P. ; il y a dSjä longtemps qu'il
ma 4crit, et comme la hesogne de bibliotMcaire est la moindre
partie des fonctions de ma lonrde charge, vous comprendrez sans
peine que le souvenir d\ine petite affaire ne reste pas tres net.
Darauf hin schickte ich meine im Jahre 1874 genommene und gleich
fertig gemachte Abschrift"^) an die Redaktion, mir die paar kleinen
etwa nötigen Änderungen für die Korrektur aufsparend. So erschien
der Text in dieser Zs., leider nicht in der von mir gewünschten
Form, da ich wider Erwarten die Druckkorreklur in den Ferien auf
der Reise erhielt und gerade die Korrektur des Textes ohne das
Manuskript und ohne T (Turiner Text) erledigen mußte."*) So sind
einige Kleinigkeiten stehen geblieben, die ich sonst geändert hätte,
und es fehlen ein paar Lesarten der Hs., die in meiner Abschrift am
Rand stehn und die ich s. Z. bei Aufstellen der Var. Lectio über-
sehen hatte. — Ich war daraufhin E. erstaunt, als ich in einer Biblio-
graphie „Possen E., die Schlußepisode des Rigomerromanes. Kri-
tischer Text nebst einer Einleitung und Anmerkungen. Berlin 1907,
2) Vgl. jetzt weiter unten meine Bemerkungen zu den Anm. (S. 222)
520, 820, 1196 und zum Text 397, 1182. — Ich mufste mein Schreiben hier
a.nziehen, da Herr Pessen selbst S. 9 Anm. 1 seiner gedenkt und daraus
den Satz „Turin ist aus Chantilly abgeschrieben" zitiert, den er im Folgenden
widerlegt zu haben vermeint. Die Anregung zu seiner Arbeit erhielt er
(S. 1) von Herrn Dr. G. Ebeling, dessen er dankend ebenda gedenkt.
3) Ich habe die Abschrift der 17 271 Zeilen des Roraanes am 20. August
1874 begonnen und am 7. Sept. vollendet, wobei zwei Sonntage in Abzug
zu bringen sind. Die Schlufsepisode habe ich am 6. (Nachmittag) und
7. Sept. abgeschrieben. Dabei ist nicht zu übersehen, dafs die Hs. schon
in aller Zeit stark benutzt und gelosen worden ist, sodafs nicht nur viele
einzelne Stellen, sondern auch ganze Seiten abgewetzt und mehr oder
weniger imleserlich sind. Auch in der Schlufsepisode gilit es viele solche
Stellen, die mir jetzt bei der Vornahme der Photographie recht in die
Augen fallen. T hat die Hs., wie seine Lesungen zeigen, noch in unver-
sehrtem Zustand vor sich gehabt, ich ihn damals natürlich nicht benutzen
können.
*) S. eine unvollständige, auf derselben Reise ohne Manuskript auf-
gestellte Druckfehlerliste S. 124. Unter anderem ist noch zu bessern
S. 81 Z. 1 V. u. Erstere, lies: Letztere. — S. 83, Z. 3 1. letzten. — Z. 5 v.
u. 1. I, 38.'). — S. lOfi V. L. 848 zu streichen. — S. 111 Z. \om streiche
Apostroph. — S. 114 Z. lir,9 lies: Diex! — Z. 1179 aparillies. — S. 116,
V. L. 1255 noniir. — S. 118, V. L. streiche erstes 1326 V. L. —
S. 124. Z. 12 v. u. : Der Text ist inzwischen ausgedruckt, kann aber freilich
erst nach Fertigstellung der Beigaben ausgegeben werden. Einige Kleinig-
keiten der V. L. trage ich in den textkritischen Pemerkungen nach.
Zur Textkritik von Rigomers Schlussepisode. 221
Mayer &. Müller, 75 S. 8, bar 2 M." vermerkt faud. Aus ihr er-
^fuhr ich auf S. 2, daß Herr Macon wenige Monate vorher die neun
Folioseiten des Textes hatte photographieren lassen und ein Exemplar
Herrn Pessen in großmütiger und nicht genug zur Nachahmung zu
empfehlender Weise geschickt hatte.
Ich kann nun, nachdem ich die Dissertation Pessens durch-
genommen habe, nicht sagen, daß ich meine, ihm gegenüber geäußerte
Ansiclit von der Unzweckmäßigkeit einer solchen Arbeit geändert
hätte — ich hätte es auch dann nicht getan, wenn die Dissertation,
die in allen ihren Teilen, sagen wir, eher schwach ist, anders aus-
gefallen wäre. Der Versuch, Turin als selbständig, und nicht aus
Chantilly abgeschrieben zu erweisen (S. 8 — 13), ist überhaupt nicht
ernst zu nehmen, die sprachlichen Bemerkungen (S. 14 — 19) sind
recht elementar und unvollständig und die Zuweisung des Verfassers
an die „südliche Pikardie, das Grenzgebiet der Isle de France"
(S. 20) nicht richtig. Am Schluß sind „Kritische und erklärende
Anmerkungen" (S. 67 — 74) angehängt, die neben manchem selbst-
verständlichem oder eig. fernliegendem oft gerade da fehlen, wo man
sie am ehesten gesucht hätte und daneben manch anfechtbares ent-
halten. 5) Mich beschäftigt hier bloß der Text, den ich voll-
*) Auch sonst enthalten sie wenig Brauchbares; vieles davon ist
weiter unten in meinen textkritischen Bemerkungen erledigt, das übrige
Anfechtbare (es bleibt dann kaum etwas übrig) gebe ich hier: 2. zu Estriguel
wird auf Outregaks Erec, wo Estreyaks Var. ist, verwiesen. Wie kommt das
her, da Estriguel eine Residenz (also Ortschaft) ist, Outre-Gales dagegen ein
Land! Diese Residenz kommt m. W. in keinem andern Artusroman wieder
vor. Nur in Rigomer steht sie nochmals 6598 als Esiringvel, wohin der
König zieht, während er die Königin nach Tintaguel schickt. — 24 lut/
T: „vielleicht fälschlich auf Artus bezogen?" Nein, T setzt, was auch C
kennt (z. B. 734), das spätere Fem. Im (= neufrz.) ein. — 61. 2. übersetzt
er richtig „dafs sie (die puceh von Qintefuelle) so <; besser : ebenso > tun
wird", was er dann durch: „der Gefahr ausgesetzt sind, von dem Usurpator
seinem Schwiu-e geniäfs getötet zu werden" erklärt. — Doch nicht, sondern:
von ihr!; s. dazu in dieser Zs. — 69. 70 „home hier in der Bedeutung^ Lehns-
mann, Vasall" (vgl. nf. kommage") — dazu ist hier kaum eine Veranlassung;
natürlicher ist das zunächstliegcnde: „irgend einen Menschen". — 108
zu streichen ! - 126 Comualle „viersilbig, wie es auch Erec^ — es
kommt überhaupt nie anders vor und hat auch nie anders lauten können. —
146 tos] „tost -j- adv. .? > toz, in unserer Mundart: tos"; nein, tost kommt
nie mit adv.-s vor, also auch nie als toz; dagegen ist das ausl. t vor fg.
Kons, verstummt. — 172. Aharies der Vorlage Latte T, der seine Artusromane
kannte, richtig in Kahariez gebessert; dazu P: „[Kjahariez mag vielleicht
durch Carahes 177 beeiufiufst sein oder auch das A' vom fg. Namen Cadonains
(sie, s. dazu weiter unten) hergenommen haben." Einen Artusritter Aharies
gibt es nämlich nicht, der Schreiber von C muls die kleine Iniziale seiner
Vorlage, die vielleicht unleserlich war, übersehen haben. Der aus vielen
Romauen wohlbekannte Ritter heifst immer Gakanet, Guheriei, Gah{i)eris^ Gahares
oder Cahariet, Caherihes, Chaherks (er ist der Bruder Gavams, Neffe des Königs)
und darf auch nicht mit dem berühmten Caradues, Caradis verwechselt werden. —
•J40 hält darnach einen Punkt für miiglich — lieber nicht! — 370—372.
Nein; erstes Jou sni ist = Jd sai. — 375. fois : moi Assonanz! Dies bei einem
'2'2'2 IV. Foersier.
ständig bebandle, um meine Rigomemusi^abe von all diesem Neben-
werke zu entlasten. Ich bin in der glücklichen Lage, alle zweifel-
haften Lesungen mit voller Sicherheit zu entscheiden, da auch icii.
Dichter, der nach den identischen Reimen solch erfolgreiche Jagd macht
und so gern reich reimt, anzunehmen, empfiehlt sich doch nicht; es
ist, wie so oft in unserm Text, ein Reim fürs Ohr und nicht fürs Auge —
.< war stumm. 470—474. Hier fehlen in T fünf Zeilen: „Die beiden
Reimpaai'e (avoUis : voücs und triue : miue) sind von T, falls sie in seiner
Vorlage nicht bereits fehlten!!), vielleicht deshalb ausgelassen, weil ihm die
mundartlichen Formen triue., miue unbekannt waren(I), vielleicht auch, weil
sie undeutlich geschrieben sind, wie auch mir deren Entzifferung viel
Mühe verursachte." Diese Formen gehören ja dem N. und NO. an, also
waren sie T wohl bekannt. Sonst aber könnte jemand einen Widerspruch
in dem von P Gesagten tinden : einmal sollen die Zeilen schon in seiner
Vorlage gestanden haben, dann wieder in ihr unleserlich gewesen sein,
„wie auch mir deren Entztfferung viel Mühe verursachte." Damit gibt ja
P zu, dafs T unsere Hs. vor sich hatte und abschrieb; denn die Annahme,
dafs gerade diese Stelle in C und in T' unleserlich gewesen sein soll, ist
doch etwas stark. Die Stolle in (' ist aber, wie die Photographie lehrt,
tadellos in schöner, unbeschädigter Schrift erhalten und dafs miue in Hs. »««"e ge-
schrieben ist, kann doch angesichts des vorausgehenden Reimes triue (so
Hs.) keine „Mühe" verursacht haben. — Aber auch so ist die Annahme,
dafs die Verse schon in der Vorlage von T gefehlt haben sollen, unhaltbar;
denn dann hätte er doch nicht unterlassen, dem zu 469 kvee fehlenden
Reimvers zu ergänzen, wie er es ja sonst stets bei einem fehlenden Vers
seiner Vorlage (unseres C) tut. — 519. 520 warum T.. die klare Vorlage
geändert, wissen wir nicht, aber sicher ist, dafs seine Änderung tourse (st,
fem.) falsch ist. — 520. „Das zweite und dritte Wort ist in C verwischt
und sehr undeutlich. Ich hatte ici prenent (-}- l) gelesen; Herrn Dr. Ebeling
verdanke ich die Lesart: i trueuent.'^ Die Photographie gibt Viande i tr(u)euent
se-l carc/ie | ganz deutlich und scharf; einzig der Rechtshaken des r ist etwas
verwischt; u selbst ist etwas blafs, aber ganz deutlich und klar sichtbar. —
804 £t Lanselot torna a preu (die Hilfe des Bogenschützen); P: „L. ist obl.
..ein solches Spiel, das er dem I.. zum Vorteil wendete'- — nein! tomer ist
hier, wie oft, absolut. — 805 fus/ P: „Baumstumpf". Das heUst fust nie,
sondern Holz, Baum, hier Baumstamm. — 820 (nous arotix taut) nostre cemin ensaucie
(exaltiare) dazu P: ..Herr Dr. Ebeling schlägt vor, encaucie zu lesen."
Dies empfiehlt sich nicht, man sagt altfz. wohl: encaucier eine Person, z. B.
renemi, aber nicht encaucier la voie. wie SChon die Ableitung lehrt. — 9ü3 „estait
(lat. stai) Anbildung au vait, s. Suchier Gr. 1,773." Aber vadit gibt ja selbst
nur va, hat also seni rdt selbst anderswoher, wohl von fait. — 973 toute laforiest
tentist P: „tentir, t:an3. = wiederhallen machen-. Es ist absolut ge-
braucht „widerhallen", traus. kann es nur ein te7it!r un mot u. ä. sein.
Vielleicht erwartete T fories; aber der Schreiber läfst bereis das fem. -s
öfter aus. — 1103. 4 will P umstellen; lieber nicht. — 1107 tout] P: „T:
tous, auf mervelles bezogen, wäre auch richtig, da mervelh zu den Subst. ge-
hört, die im NO. auch masc. begegnen." Schon dem Sinn nach wenig
passend, dazu kommt, dafs merveilh in unserm Text nie fem. ist, dies aber
auch für den NO. nicht belegt ist; siehe meine Anmerkung gr. und kl.
Cliges 836, und dazu Tobler Rom. Zs. 8, 294. Ein sicheres Beispiel hat bis jetzt
nur E. Herzog aus seinem Mace 291 cel m. beigebracht, also für Zentrum! —
1196. ^vasal, bemerkenswerte Anrede ; Artus betrachtet seinen Gegner schon
als besiegt (Ebeling)'- das ist doch nicht der Fall : rasal war damals die
allgemein übliche Anrede (= sire) unter den Rittern, so regelmäfsig im
ganzen Rigomer (z. B. knapp vorher 1574.!>. 15819. 16116) und sämtlichen
Abenteuerromanen.
Zur Textkritik von Rigomers Schlussepisode. 223
jetzt im Besitz der Photographie bin, da Herr Macon auf meine
Bitte um ihre leihweise Überlassung auf zwei Tage mich mit der
Dedikazion eines Abzugs der neun Folioseiten in liebenswürdigster
und liberalster Weise überrascht und hocherfreut hat. Ich ergreife
diese Gelegenheit, um ihm bereits hier (in ausführlicher Weise muß
ich es ja aus anderer Veranlassung in meiner Rigomerausgabe tun)
meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Zuvor einige kurze Bemerkungen über die Behandlung der
handschriftlichen Schreibungen. P (essen j hat den Text nach C
(Chantilly-Photographie) roh, ohne jeden Versuch einer Scheidung, ab-
gedruckt, also t', w, i wie in der Hs., kein Akzent, kein Trema, nur
Apostroph und Auflösung der Abkürzungen. Ebenso hat er (dies-
rait Recht) jede Regelang der Schreibung ausgeschlossen. Dabei löst er
alle n9, v9 oder u9 stets mit nous, vous auf; die Schreiber
(Rigomer ist von fünf (oder vier?) verschiedenen Schreibern geschrieben,
die Schlußepisode von zweien'^') schwanken zwischen nous, vous und
nos, vos] letzteres steht paarmal gerade im Reim; doch ist darauf
kein Gewicht zu legen, da sich hier ebenso auch 7wus. vous findet.
Ebenso schwanken alle Schreiber zwischen m und n beim Nasal vor
Labial; niVt ist einigemal (nicht in der Schlußepisode) aufgelöst
(stets mout, aber einmal mou(t): n und u (siehe weiter unten zu 48)
sind in vielen Fällen nicht zu unterscheiden, in andern scharf ge-
schieden, besonders der erste Schreiber der Episode (bchr nachlässig,
mit häßlicher, hölzerner Schrift) setzt nur zu oft deutliches n, wo der
Sinn sicher u verlangt, so daß man alle solche Fälle nur nach dem
Sinn entscheiden kann. Dasselbe gilt von e und o, vgl. veus, peoir,
1201, cenhatre 1208, pluisers 1314, so daß man bei vot und vetwichi-
weiß, ob er v(u)et oder vo(l)t schreiben wollte. Dasselbe gilt auch
von c und t. Fehlerhafte Interpunktionen in P. erwähne ich nicht.
Inwieweit sein Text „kritisch" ist, zeigen die folgenden Bemerkungen. ')
1. oiies] = C: oiiez P.
12. mangier] mengier P, C. — duront in V. L.] = Hs.;
durent P gerade der Schreiber dieses Teiles ist im Schreiben von e
und a so flüchtig, daß sie oft nicht zu scheiden sind und einzig der
Sinn entscheiden kann. Dasselbe gilt dann bei ihm von einer Form
des 0, die bei andern Schreibern a ist, nämlich a, z. B. has (st. hois)
öbb, wo aber der Sinn o sichert; sein a hat stets den oberen runden
^) S. 13 meint P mit Hinweis auf die Scblufszeilen des in demselben
Band enthaltenen Fergus, worin sich der Schreiber nennt [s. Martin S. 235] :
„Der Schreiber, dem wir das Ms. verdanken, hiefs also Colin h Fruitier"' —
dies ist nicht der Fall; doun der Fergus (t. 100 — 122) ist wieder von einem
andern Schreiber geschrieben, wie mir Herr Macon auf eine besondere
Anfrage bestätigt.
') Ich lege meinen Text dieser Zs. und dessen Verszähluug, die mit
P stimmt, zu Grunde. Wenn bei einer Lesart es heifst . . ] = C; . . P,
so heifst das, dafs P's Lesung falsch ist.
224 W. Foerster.
Bogen weit uach links gezogen: o. — Gerade bei unserm duront ist
furent Z. 10 in Hs. zu vergleiclien.
23. Chevaliers] = C; cheualier P.
42. [aj plus mal] plus [a] mal P. nach T.^)
43. Qintefuelle] = C; Quintefuelle P. nach T.
46. roiaume] = C; roianme P. nach eigener Auffassung, so auch
weiterhin im fg., bis gegen Schluß endlich das einzig mögliche
roiaume in seinem Text erscheint 1158. 1286. Paläographisch läßt
sich u und n in zahlreichen Fällen überhaupt nicht scheiden, was mau,
die Photographie vor sich, schön sehen kann, so gleich 49 deutliches
ontrage, 63 entr'ans, 125 tons^ 136 on, 147 conrans, 211 con
(fou)^ 224 desconlorees, 838 anra usf. — Ein roianme ist zudem
lautlich unmöglich. Es ist roid(u)me, der bekannte Pikardismus.
48. vout] ueut P.; Hs. nicht zu entscheiden; s. zu 12; doch
ist hier der rechte dicke Strich etwas gegen u gekrümmt, soll also
wohl e sein. Sonst findet sich vout 890 ganz deutliches o, von dem
folgenden u getrennt, außerdem noch vet und vot.
51. de li] cell P, T; Hs. (c)eli, c verwischt. In meiner
Abschrift steht am Rand: „oder cell {ce verwisclit)"; c und d sind
sehr schwer zu scheiden, so 1028 cou.
53. qil] = C; quHl P. nach T.
60. destraira) das von mir vermutete destruira steht schon
in Hs., freilich hat das u den großen nach links überhängenden a-
Bogen; s. zu 12.
62. ausi] ansi P; s. zu 46.
64. faitj faii P mit C (bei mir in der V. L. verdruckt),
das P. in der Anmerkung schützt: ,.fais {== fait + *) auf plus
bezogen" — unmöglich.
67. anui] = anuj C; a7mi/ P nach T; offenbar hat ihn
das j der Hs. irregeführt — es steht bekanntlich gern nach mehreren
senkrechten Balken, um eine Verlesung zu hindern, also derselbe Zweck
wie das Setzen des Akzönts in ähnlichen Fällen, so gleich 68 nului C.
72. q'autrui] :=^C; quautrui P.
76. El] C; fehlt P; — hones] = C; honnes P, homz T.
90. pleuroit] V. L. pleroit — ploroit P; Hs. hat ganz deut-
liches, unanfechtbares e\ s. o. zu 48.
102. qi]=zC\ qui P nach T.
106. qui' 71 a] V. L., qui na= C, qu'ent T, dagegen qui na
P mit folgender Begründung: „T quent = qui ent ist kaum
möglich. Nach C äußert die Königin im Gegensatz zu T keine
Freude über diesen Besuch, der die Veranlassung zur längeren Ent-
fernung ihres Gatten gibt." P hat die Stelle arg mißverstanden:
daß die Königin, was selbstverständhch ist, sie mit Freuden (wie jeden
*) Mit T mein ich immer Stengels Druck, da mir ja die Hs. selbst
nicht zu Gebote steht.
Zur Textkritik von Rigomers Sclilussepisode. 2"25
solchen Gast) empfangen hat, zeigt ja die folgende Zeile: Biel le
Jierhega cele nuit. — Qui na = qui'u a {= qui inde) ist eine beliebte
Schreibung vieler nördlicher Hss., auch der unsrigen, die ebenso ne
na = n'en a u. ä. bietet, also Satzphouetik. Falls P aber dann
quen erwartet, so sei auf das häufige ähnliche qui'stoit (= qui estoit)
u. a. hingewiesen.
107. BielJ = C; Bien P nach T.
111, £Jt conte le roi le mervelle] = G: 7 (2. m. an den
Rand vor die Zeile) 9te le roi le m.\ Et com cele le roi meruelle
P; fehlerhaft und sinnlos, da T fehlte und so nicht aus der Not
helfen konnte. T ließ das Verspaar aus, weil er die Stelle nicht
verstand. Es ist nämlich, wie so oft in C, eine Lücke vorhanden,
wie ich sie in meinem Text nach 110 angesetzt habe. Denn cele
HO ist die fremde Botin, 111 ist die Königin Subjekt. P dagegen
bemerkt: „111. 2 sind vielleicht Interpolation, zu der der Copist [d. h.
das Original von T, das zwar sehr oft ausläßt, aber nie interpoliert]
sich durch den ihm zu unvermittelt scheinenden Übergang leicht veran-
laßt sehen konnte".
114. conviientj = C Ouient: couient P.
116. ConJ=^G9\ Com F, so immer.
123. avousj V. L. auons — es mag auch deutliches auons
sein; au07is P sinnlos; es kann nur, wie schon Stengel mit T annahm
=: ecce vos sein. Vgl. Evous 181.
138. conJ= C 9; qu'on P nach T.
141. Vauberc] = C laubc (sicheres c); l'aubert P.
144. ne se sei faindre] = G\ fet P nach T, sinnlos.
154. tox] = C; tous P nach T.
159. 161. roiaume] roianme P, s. zu 46.
163. onqes] = C, onqices P nach T.
169. memiementj meimement P nach me'ismement T, me-
tinement C, was in den Zusammenhang noch besser paßt, wenn auch
meine Lesung einen guten Sinn gibt.
172. Cadovains] = C, Cadonains P nach T. Die Ax'tus-
romane kennen keinen Ritter dieses Namens (dreisilbig); wohl kommt
ein Cadorvain Erec 1727 vor, der in V steht, während die anderen
Hss. Cadöin, Gordevains, Gornevain und Gladorlin bieten. Ca-
droain le Rous kommt Atre 643 — 643 vor, der auch Codrovain
geschrieben wird und mit ihm identisch ist: Atre 428. 430. 441.
447. 450. 454. 478. 487.
173. Chevaliers] P fehlt in der V.L. : clCr C; d. h. Hs.: chevalier
176. LaisJ = C, auch P, der aber als Lesart von C lars
angibt ; i und r sind oft leicht zu verwechseln, besonders bei ri (ir),
was aber hier nicht der Fall ist.
178. desrees] ebenso P, aber C hat, wie meine V. L. angibt:
des fees.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt XXXII». 15
226 W. Foersier.
182. Yvaifi — YvainJ ebenso P nacb T. wo V. L. beidemal
Yain C fehlt, während P 183 Yains im Text stehen ließ.
201. .l.J d. h. 50 = sicher und deutlich C; P merkwürdiger
Weise .d., das er als 500 auffaßt, eine der altfz. Paläographie
ganz unbekannte Schreibung, die er offenbar in C zu lesen glaubte.
Er verteidigt seine falsche Lesung, da T43 bietet, in folgender Weise:-
^T gibt die Zahl der Ritter mit 43 an, die Zahl 503 kam ihm viel-
leicht zu groß vor; daß sie aber richtig ist, zeigt V. 170". Dort steht
nämlich, daß außer den Frauen auch mehr als 500 Ritter über den
Ehezwist weinten. Hier aber handelt es sich um die Ritter, welche
sich dem König zu seiner Ausfahrt als Knappen anboten, was natür-
lich nur die tüchtigsten und vornehmsten zu tun wagten. So ist 53
ohnedies schon eine sehr große Zahl.
205. Nes] V. L. Nel=C; P Nes ohne V. L.
213. streiche Le in V, L.
220. riesj V. L: /rei = C: P. ries als C, offenbar nach T riez.
233. moutrerj montrer P; die Hs. scheint hier n zu
bieten, doch ist, wie fast jede zweite Zeile zeigt, die Auffassung von
n als u oder n nur nach dem Sinn oder der Lautlehre zu treffen.
Nun ist rnontrer nicht altfz., dagegen ist s vor Konsonant nicht nur
beim Verf., wie viele Reime lehren, stumm, sondern ebenso auch bei
diesem Schreiber, der ebenso cacuns, hater u. a. vorher geschrieben
hat. Es ist also nur rnontrer hier möglich,
234. amentj V. L. ainientC (arment ist Druckfehler), was P fehlt.
236. Ich hatte darnach die offenbare Lücke im Druck ange-
deutet; P bemerkt: „Stengel nimmt nach diesem Vers eine Lücke
an, doch ist dies nicht erforderlich." Schade daß P den
Gedankengang, wie er ihn versteht, uns nicht mitgeteilt hat. Er
hat sogar 237 a mon tans „zu meiner Zeit'" mißverstanden und
als amontans „einer der Bedeutung hat, von Bedeutung ist" aufge-
faßt. Bei ihm hängt der Teil 236 ff', ganz in der Luft und seine Inter-
punktion ist einfach unmöglich. Was in der Lücke gestanden, ist
klar und die Königin wiederholt diesen ausgefallenen Gedanken in
ihrer Antwort 253. 4. — QueJ Q' C, sehr verwischt; da T noch
Qui gelesen hat, so wird es Q gewesen sein, was P nach T gibt.
Sicher ist es nicht, da wir nicht wissen, was vorausging.
244. toxj = C ; tous P nach T.
248. qHlJ = C; quHl P nach T.
250. le] = C\ se P nach T; Hs, sicheres l.
253. Chevaliers] V. L. c/i'r = C; cheualiers P nach T (V. L.
fehlt) — si] vous P! nach T; C hat sicheres fi (in kleinen Buch-
staben, da es ausgelassen worden, von erster Hand über der Zeile
nachgetragen) — buens] V. L. bues = C; buens P (V. L. schweigt),
267, Conqes] = C; Qu'onques P nach T; C: 9qe/.
Zur Textkritik von Rigotners Schlussepisode. 227
277 hat P den fehlenden Vers aus T eingesetzt: er paßt dem
Sinn nach, ist aber dem Reim nach unmöglich. Zwar P sagt in der
Anmerkung: „ungenauer Reim, Avie er selbst Chrestien (sie) begegnet
(s. Erec XI)." Dort steht bei mir nichts ähnliches.
279. sui jouj V. L. suioii = C; P sui iou (V. L. schweigt),
28ü. qij = C; 7«/ P nach T.
288. onqes] onqf C, onques P.
293. q'est] = C; qiCest P.
294. lo] V. L. loe {-\- 1) = C; loc P., wo sogar auch T
he gelesen hat.
297. ancoisj aroin (verlesenes äcois) V. L. = C; ancois P
(V. L. fehlt).
299. qelj = C; quel P.
o04. hat P den in C ausgelassenen Vers in der Konjektur
von T eingesetzt. Dabei steht loe, als Reimwort und zwar soll es
1. Präs. Konj. sein; dies wäre in der Sprache des Verf. nur für die
3. Person möglich.
313. convenra] = C (Vuenra)\ couenra P.
31(). evrej eure P. trotz wuvre T, das ich ja s. Z. nicht
kannte und das der Sinn empfiehlt. Das Wort ist in unserra Roman
oft so gebraucht.
318. ai ditej V. L. a dite = C; adite P. sogar gegen T!
Demnach hätte die 1. Präs. ein e, aber, was schlimmer, adite kommt
in dieser Bedeutung überhauj)! nicht vor; zur Wendung selbst vgl.
913 dont dit vos ai.
345. desfaitesj V. L. desfaces\ desfates P, desfaitez T; C
liat deutliches c, das natürlich verlesen ist.
348. qi] = C; qui P.
352. corecle] bei mir V. L. corecie( ausgelassen.
355. que que on die] V. L. qui usf., das P im Text gelassen
hat trotz richtigem coijque T, ist unmöglich. P erklärt zwar in der
Anmerkung: „gt«' que wer nur immer", aber dies paßt nicht in den
Sinn, da sich dann qui auf tel beziehen müßte, auf das doch cui
der nächsten Zeile sicher sich bezieht.
385. convenantj = C; couenant P.
368. Onqes] = C; 0?iques P. — despi] = C; despit P (V.
L. fohlt) nach T.
370. biel] hien C P; vgl. biel 108 P, wo C bien hat.
381. den] V. L. dorn oder dorn = C; den P (V. L. fehlt);
natürlich ist dorn gemeint, das der Schreiber öfter am Ende einer
Zeile statt n setzt, so gleich 389 pardom.
384. ires] V. L. dires bei mir ausgefallen.
397. Et s'ele -rüa mout] = C; P: „Ich habe n'amte [statt
ita mout] von ambitare gelesen, was falsch ist. Die Lesart n'a
mout verdanke ich der Güte meines Lehrers Herrn Dr. Ebeling"
— wie die Photographie zeigt, steht in Hs. ganz deutliches, klares
228 \V. Foerster.
na mVt (die bekannte lat. Abkürzung, die ins Altfr. übergegangen ist).
398. Si reseraj Sire, sera P (ganz sinnlos) trotz Si sera
T, da er sich durch die Photographie Si re fera verführen ließ.
401. otroierj otroiier C P.
408. Cehd que avec vous menresj = C ; Celui qiC avec vons
meneres P gegen Hs. und Grammatik nach Stengel.
415. qüj — C; qu'ü P, ebenso 423. 443.
424. cnj s'en P richtig mit T und C (f verwischt).
432. estraigne] V. L. estrenne, eftrene C; estreigne P.
436. faisoitj V. L. fasoit fehlt P.
443. s. zu 415.
445. Orent, das ich aus Lorent Hs. gebessert hatte, wie der
Sinn verlangt; Lorent P mit unmöglicher Satzverbindung und Inter-
punktion ohne jeden Sinn. Auch T hat Lorent, einer der vielen
Beweise, daß er gerade unsere Hs. abgeschrieben hat. Dasselbe gilt
von 449 forte (4- 1) T (+ 1) — C.
454. ,v.J = C; autre (Konjektur in T) P.
466. no2i] = C, P (dieser „Jiou = 7ie le'-'-) vergaß ich in
now. zu bessern, das in solchen Fällen, wo in der Antwort etAvas
abgewehrt wird, stets bei faire, das dann Verbum vicarium ist, steht.
471. Envers le roi s'est avoüSsJ, während P avanciSs liest,
sodaß jedermann, da T hier fünf Zeilen ausgelassen hat, darauf
verfallen muß, daß hier ein hourdon obwalte, da 475 bei ihm lautet:
Mais L. s'est avancics. Der Schreiber wäre also vom ersten avancies
auf dieses gesprungen. Aber die Hs. hat auoueX, wie ich drucke,
und ich kann nicht ahnen, wolier P seine falsche Lesung hat; denn
Konjektur ist es nicht, da die V. L. scliweigt. Sie wäre auch ab-
zuweisen, da der unserm Verf. so beliebte reiche Eeim (; voiies)
dann verloren ginge, ferner avoiies dem Sinne nach unanfechtbar ist.
Dagegen an der zweiten Stelle ist avancies ganz an seinem Platz.
485. quidej V. L. qiiite = C; quite P im Text trotz des
Sinnes und trotz T (quide).
486. 7. Äfais ains en fist Lanselos loide \ Lanselos que li
rois i uigne = C hatte ich in der ersten Zeile Lanselos in das
vom Sinn verlangte la siele gebessert; T (und P folgt ihm) führen
die Besserung in der zweiten Zeile ein. Ihre Wortstellung kommt
mir recht hart vor.
489. V. L. abatu andoi sind vor jedem Wort " (Verweisungs-
zeichen in der Hs.) ausgefallen.
491. diestrier] V. L. diesiriej = C; diestrier P (V. L. fehlt).
494. 497. mellier und melliersj C; P hat beidemal sl gegen
die Hs. ; / hat in unserer Hs. zweierlei Formen: l mit der Gabelung
oben und / ohne diese, wie man fast in jeder Zeile sehen kann; f hat
stets rechts oben den nach unten gezogenen Bogen.
502. pendans] V. L. q^endan, C; pedä; pendans P (V. L. fehlt).
Znr Te,vthitih von Riyomers Schlussepisode. 229
509. ens tintj V. L. en/tint = C; ensiint P, estint T, der
also die Stelle auch nicht verstanden hatte. Ich weiß nicht, was
sich P darunter gedacht hat. Das einzige mögliche ist aber ens tint
= intus tenuit .hing drin fest'; tenii' ist hier absolut „festhalten,
stecken bleiben" gebraucht. Vielleicht dachte P an estindre und
estint Pf. (dialektische Nebenform] im N. und NO.), dieses statt
estinst und obendrein noch absolut gebraucht (das kenne ich nicht).
Aber der König lacht nicht über seinen Tod, sondern daß er im
P)aum hängen blieb.
515. qu'il] eil P, chil T richtig; in Hs. geht das i tief unter die
Zeile, sodaß c] ein klares q bildet; doch fehlt das kleine e über ihm.
5.32. saij sa C P, smi T, sai richtig, sa bei mir in V. L.
ausgefallen.
536, danoisesj V. L. danoie ausgefallen.
542. convient/ Suient C; couient P. — outrerj = C; entrer
P(!); T hat dem Sinn nach gut geändert: oitrer. Outrer heißt u. a.
auch: „vollenden, fertig bringen", wie hier: doch steht es dann m.
\V. transitiv; hier aber: ., fertig werden".
543. prendent] Y. L. pendent = C; P behielt es im Text, was
kfinen Sinn gibt.
548. fotfj = C; ces P nach T cez und gibt ceu als Hs. an. —
Wegen reis : conroi s. zu 375; doch ist auch prendre conrois de
aucnne chose zulässig.
560. quij ebenso P; aber (' hat qi.
576. 7i^e7iJ =■ C, ebenso P; es muß wühl in ne gebessert
werden, vgl. 580 ne.
582. tax] = C; tous P nach T.
587. Qi] = C; Qui P.
602. es dos/ = C; el dos P gegen C T und gegen Sinn.
607. CassellesJ = (", ebenso T; ändert P in tasselies, das er
mit ta.xus , Dachs' du Gange verbindet. Ich kenne die casselles auch
nicht; aber P's Änderung ist ausgeschlossen, da die Tiere in be-
stimmten Kategorien aufgezäblt werden und darnach der Dachs nur
in der ersten Reihe auftreten konnte. In der vorliegenden paßt er
unter die Schildkröten, Nattern. Skoritionen und Vipern nicht. Die
laisson kommen 671 in richtiger Gesellschaft vor.
608. arestis] man erwartet eher arotes., angesammelt", was wohl
in den Text einzusetzen ist.
610. iJoncJ ^=^ V; JJont P T; c und t wechseln in unserer
Hs. in einer Weise, ilaß (wie bei ti und n) eigentlich nur der Sinn
entscheiden sollte. — toxj = C; tous PT.
621. Dementrues] = C (sicher und scharf); Dementnies
P, der ersteros nicht kennt (os steht God., kommt noch in Froissart
vor, eine dem N. eigentümliche Form).
643. Chevaliers/ V. L. cäV = (': chaualiers P.
648. lal lies le C P.
2r,(» W. Foerster.
650, pooirj poonr P, über dessen Bedeutung er sich nicht
äußert, es kann natürlich nur jjooir sein, wie T las; C hat ein
dentliches poenr, wobei ei verbnnden sind, ein mißglücktes in der
Kon-, übersehenes o.
655. hveril Y. L. hü; bon P; C hat deutliches bnn^ das im X.
nicht paßt, daher ich das durch Reim gesicherte huen einführte.
671. trygrej = C; iirgre P.
673. civreusj Y. L. ciuiireus ■= T; cexrevs P (obendrein ein
V in Hs. in solcher Stellung unmöglich).
674. Cil le trcspasent] Y. L. Cü lef repaij'etit = C; P
behält das sinnlose Hs., das schon T richtig gebessert hat. — tp'J
= C: qui P.
676. putesj V. L. pute = C; P behält die falsche Lesung,
die sich auch in T findet, der also hier gedankenlos unsere Hs.
abschrieb.
680. conuinej Ouine C; couinc P.
707. Qu'eleJ = C; Qu'elle P.
71Ö. tel] = C (deutlich nnd sicher); cel P nach T und dem
Sinn; vgl. zu 610.
718. qui] Y. Ij. q' =11 C; qni P.
720. pe^ifentj = C; was T und P falsch p)ensent lasen, wozu
Stengel die dann fehlende Silbe durch unmögliches penserent besserte,
was P in den Text setzt.
722. comenchie] V, L. comenchi = C; comenchie P.
734. lui P mit C gegen Sinn (li fem., auch T li/)
747. laj .^a C T P und Sinn.
748. qu'elej qle C; quelle P.
761. jel] ebenso P, ge le T (+ 1), aber C hat iei.
770. oltrajej oltrae P mit C.
775. estiesj Y. L. estiies = C, das P im Text läßt, wodurch -i - 1.
780. 1. läßt P unverändert, ändert dann mit T sogar 782
eslaise in eslaisent, was schon Stengel mit einem Fragezeichen
versah — der Sinn verlangt unbedingt, wie ich besserte, den Sing.;
es handelt sich hier nur um den fremden Ritter; die drei vallet
können gar nicht sich eslaisier, da sie nicht zu Pferd sind.
786. vallesj Y. L. vallet = G; valles P (Y. L. nichts), das-
selbe gilt von 791 sainte, C: saite.
791. Bride] = C (deutlich); Berde P (T hat die auch ihm
unbekannte Heilige ausgelassen): es handelt sich um die h. Brigitta,
während P (S. 17) darin die Berta erblickt hat.
796. A veu hanselos s'acorde] = C; Avuec Lanselot s'acorde
T ( — 1), Avuec L. {il\ s'ac. Stengel, da? P in den Text setzt.
Die Stelle ist reclit schwierig. Ich hatte die Überlieferung beibehalten,
wobei die Zeile bedeuten sollte : ,sah L. seine (des vallet) Abmachung',
dem Sinn nach := seinen Plan, wobei die vorausgehende Zeile, die
nach der Stellung sich auf L. beziehen sollte, zum vallet gehörte.
Zur Textkritik von Rigomers Schhissepisode. 231
Diese Härte wird durch St.'s Text behoben, da dann der vallet (il)
Subj. ist. Allein avuec ist T's Änderung, der unser C vor sich hatte
und demgemäß auch kein il hat; auch kommt mir die Stellung des
[il] sehr hart vor. Vielleicht kann mau, wie ich im vorausgehenden
Text ein parmal habe tun müssen Aueu(c) in ^1 oes (opus) ändern:
A oes Lanselot (Genit.) [fet] s'acorde oder auch [lyacorde, da faire
tacorde , etwas abmachen', ,eine Abmachung treffen' oft belegt ist.
Von einer ,Versöhnuug', was das Wort eigentlich heißt, ist ja hier
keine Rede. — Wen auch das nicht befriedigt, der muß zwischen
den zwei Zeilen eine Lücke ansetzen.
801, qelj V. L. qil = C, quHl le T, was Stengel behält,
während P qil behalten und als q'il gedeutet hat: „er preist die
Stunde (= jede Stunde), da jener lebt". Dazu paßt eure schlecht
und jedermann wird wohl die Stelle so auffassen, wie T, Stengel und ich.
823. rama?ie Hs., P dagegen ramaine.
828. Certes qi me donroit MaanteJ = C (maaHe)] Certes
qui me d. Manie T ( — 1), das St. durch CertQs [et] bessert =• P.
Es ist kein Grund, zu ändern: M. ist offenbar die Stadt Mantes
(Seine und Oise), lat. Medunta, also genau unserem Maanie (das
vortonige e dem fg. a angeglichen) entsprechend. Freilich erwartete
man Meonte, Maonte. Was das End-s anlangt, so schrieb man noch
vor zwei Jahrhunderten Manie, s. Moreri und Martiniere.^)
830. roiaumej = C; roianme P, s. zu 46.
834. raverions] = ('; Vaueriens P, wie diese Endung in
uuserm Text regelmäßig lautet; aber hier zeigt die Photographie
deutliches o.
833. Qiien arrier Vaveriens iiuej V. L.: ^Q nomer, könnte
auch namer sein; r ist verklext, könnte vielleicht auch e sein";
Que nomvier Var'iens eve T, Que nomer Vatieriens eue P und über-
setzt es so (S. 72): „Was sollte man in unserem Lande sagen, daß
wir sie nennen müßten als schon gehabt, und doch (et si)
sie weder gesehen hätten, noch verlangt, noch angegriffen," Ich
gestehe, daß ich das nicht versteh, ebensowenig wie ich die Über-
lieferung zu deuten weiß. Eine Änderung hatte ich deswegen vor-
geschlagen, die mich zwar nicht befriedigt. Die Photographie sichert
notner (o hat zwar die Form a, die aber hei diesem Schreiber nie
^) Nachträglich erhalte ich durch Prof. Ant. Thomas' Vermittlung
folgende wichtige Auskunft (der Band Seine et Oise des Dia. (ojjot/r. de la Frana
ist noch immer nicht erschienen) von Aug. Longnon:
La plus ancienne forme coniiue de Mantes est Med&nta^ que Von Irouve au
commtncement du IX* such dans le Pohjptyque de S. G. des Pres, ckap. XÄIV, ^ 4
<?' 75. Ces jours derniers^ je constafai encore Vemploi de la forme Medniiia atix
environs de Van 1080 (Recueil des chartes de VAbhaye de CluniJ). Contrairement et
ce que Von pourrait croire, Madunta an Medonta ne se renconire que posterieu-
rement, au Xle (f), au XII'', et meme encore au XIW et au XIV* siede (Pouilles de
la pr. de Sens). ■ — Ce nom de ,,Afante*\ Medanta, etait originairemenf le nom de
la rivürt de Vaucouleurs, qui ai'rose Mantes-la-Ville et se Jette dans la Seine, ii Mantes).
232 W. Foerster.
a ist, die nur a ist), daher jede Besserung davon auszugehen hat.
Auf dem richtigen Weg war Brugger, s. meine Bemerkung dazu in
dieser Zs. S. 122: ,,oie würde den Vers 821 halten und entspricht
wohl dem Sinn". Allein es widerspricht dem Reim veue^ da ich
Bruggers Besserung veie als unmöglich abweisen mußte. Es ist viel-
mehr die sonsther wohlbekannte und gerade dem N, eigentümliche
Nebenform öu einzusetzen, so daß dann <me und vhie richtig reimen.
836. asalie] = C; envaie T, das P in den Text setzt ohne
Begründung. Offenbar nahm er Anstoß an dem identischen Reim,
der gerade von unserem Verf. sehr gepflegt wird. T hat diese Vor-
liebe nicht, daher er, wo es leicht zu machen, sofort ändert, worin
P ihm folgt. Aber mit Unrecht; denn wozu den Dichter verbessern?
Zudem ist solch reicher Reim auch den strengsten Regeln entsprechend,
wenn das Wort stets in anderer Bedeutung oder wenigstens anderer
Konstruktion gebraucht ist; Ausnahmen sind auch zulässig bei Hilfs-
verben und ähnlichen Wörtern. An unserer Stelle ist der Reim tadel-
los und besonders glücklich; das erste Mal Part. Perf. fem., das
zweite Mal Subst. fem. Vgl. zu 1296. In unserm Bruchstück kommt
derselbe Fall noch öfter vor, z. B, pais 385 ,Friede : Stille', vit 801
,sab : erblickte', avant 1231 ,zuvor (zeitlich) : davor (örtlich)' und roi
1295, wo tatsächlich kein Unterschied vorliegt. Ähnliches kam schon
im früheren Teil auch vor. T hatte bereits eigenmächtig 836. 1232.
129G ausgemerzt, was P übernommen hat. Er hat dann auch nocii
801 durch eine kleine Änderung entfernen wollen, s. zu diesem Vers.
841. Comment] = C; Content P.
845. qu'ele] = C; qiielle P.
850. ceste voie] dafür leerer Raum (geflickte Xat) in C; ceUe
voie T P wird wohl auf dem abgeschnittenen Rand gestanden haben,
den T ja noch vor sich gehabt hat. Sachlich ist ceste ebenso be-
rechtigt, da ja der Sprechende hinweist.
851. Et si veres gue j'en ferai] V. L. Et fehlt = C; Sy
vere^ [chouj que jou f[e]ray T mit Stengels Änderung, die P in
den Text setzt. Die Hs. hat: Siueref (Nat) q len (Nat) ferai —
über die Ergänzung der fehlenden Silbe kann man streiten, sicher
steht j'en in Hs.
857. Que vos jeres, et je ferai] V. L. Se v. f. q ie f. = C;
Se vos f. et P, der offenbar an fenr, was nicht paßt, gedacht hat;
s. meine Bemerkung in dieser Zs. S. 132.
859. si] = C; sie V (Druckfehler).
869. acouvri] V. L. couuri ( — 1) = C; couvri [il] P nach
Stengel; il steht hier recht ungeschickt — acovrir kommt in unserem
Text öfter vor.
896. sorfait] forfait (T) P steht, wie die Photographie lehrt,
auch C; ich hatte beim xibschreiben (/ und f sind oft ebenso schwer
zu unterscheiden, wie l [, c t u. a.) unbewußt dem Sinn nach ge-
bessert: forfait gibt hier keinen guten Sinn.
Zur Textkritik von Rigomers Schlussepisode. 23o
897. pantrej Y. L. qautre, was P fehlt.
899. de Ja forge] = C; de force T, de sa f. P, In der Hs.
steht das l mit der oben massiv verbundenen Gabelung, sodaß es
einem f ähnlich sieht; sa ist sinnlos, Lancelot ist ja kein Schmied.
Der Verf. meint: .Holz und Schmiedeeisen (= Spitze)'.
902. Forment] V. L. Foment = C; F('^QX)oment Hs. ; P. Ferment.
910. quHl] = C; g'il P.
911. fehlt ("; T ergänzt aus eigenem: Que son espee ly a
eni'oie, was P in seinen Text aufnimmt: Que son espee ly envoie,
also ein grammatischer Schnitzer: unser Text kennt noch kein fem.
son vor Vokal. Das Schwert ist zudem ganz unpassend und wäre
auch hier zwecklos gewesen, da er hier stößt und nicht haut; man
vgl. auch 762 ff.; ich hatte deswegen vorgeschlagen: Que son espiS
Ines (besser noch droit) li envoie.
920. ValemiehJ lalemiele C; la leinelle T, was P zu seinem
la lemiele verführt. Ich selbst habe es im Altfr. nie angetroffen, nur
alemele: alle Stellen wo lalemele oder sal. u. a. vorkommen, be-
weisen natürlich garnichts; wo es vorkommt, haben die Hg. falsch
abgetrennt — erst spät (XIV. -Ihl. oder noch später) hat man den
Artikel la irrtümlich losgelöst.
921. Pui^ lij = C; P. si T P, Hs. sicher li, was der Sinn
allein zuläßt und vgl. obendrein 925.
922. Sei consivi] Sei pfiuj (/ korr.) C, wie auch T richtig
las: consivy\ Sei consiut P ( — I).
933. nuitj =ir C; 7mist P aus T; 934. cuist ist natürlich =
enit, da Perf. sinnlos, also auch miit im Reim.
939. Les fiiellef! argent, li rain hriscntj = C; = P. Ich
glaube, daß der Text nicht in Ordnung ist ; hrisent : issent ist kein
guter Reim, von rains war (s. 862 — und meine Bemerkung dazu
Zs. S. 123 — ) keine Rode, vielleicht hieß es ursprünglich: Les fuelles
argent et brüissent.
940. qij = C; qiii P. — li fehlt Hs., was P fehlt.
949. fehlt P die V. L. qil (— 1).
952. Qiianqu'eleJ = C; Quanqu'elle P., ebenso 969 (zweimal).
1059. 1131.
958. pantej = C T; panire P.
959. feruej V. L. ferie = C; ferne P ohne V. L.
961. — 967. ist unklar: welcher Satz hängt von den vielen
De ab? der Hs. nach nur 967, was dem Sinn nach unzulässig, da
dies bloß auf 965. 6 paßt. Entweder Lücke vor 965 oder es ist
ungeschickte Verbindung mit meiner Interpunktion anzunehmen, wo-
nach saiis zu 961—964 geht und cervele auf 965. 6.
965. qilj V. L. qi = C: qui P (dann decoiuent abs., sinnlos)
982. 1)90. sen] = C; son P.
983. Quant filj nel voit vers lui di^ecierj ich und ebenso
jetzt P, doch ist fenjvers passender, wie ich jetzt ergänze.
2;U W. Foerster.
992. ehevalierj ch'r C; ckeualiers P,
997. NeporqantJ = C; Neporquant V.
999. terrej t're C; <«re P, ebenso 1115.
1002. costet] = C; cosie P.
1003. L'iehne li ostent qi mie.v miexj = C, sodaß miex :
plourent (so C!) reimen müßte. T hatte dem Sinn nach geändert:
qui miex lyeurent : pleurent^ was P einfach abdruckt. Ich hatte
a. a. 0. S. 110 bemerkt: „^Yohl eher Lücke liinter taubere 1004."
Oder wenn man T's Reimkonjektur annimmt, muß qi auch noch
geändert werden, nämlich in con oder, was näher liegt, qe: „wie sie
es am besten zustande brachten"; denn qi hieße: , diejenigen zogen
ihm den Helm aus, die dies am besten konnten', als wenn das Helm-
ausziehen eine besondere Beschäftigung wäre.
1007. Gieresj = C; Ihut T, der also unser Wort (s. dazu
a. a. 0. S. 110) auch nicht verstand; FieresV^ der zu dieser Sinn-
losigkeit kein Wort verliert.
1010. Por] (PC; Par TP. — Hs. hat nicht ^y, das z.B. 1188
steht. Sonst findet sich noch P« 1262, sodaß also hier eigentlich
Pro steht; der Sinn verlangt qyar.
1013. Chevaliers] V, dir =. C; cheuaäers P.
1027. qi] = C; qui P.
1038. Me7iJ Mien T P. Was Hs. hat, ist schwer zu sagen:
M\ir^, das entweder Mon oder Mcn sein soll (beides ebenso richtig
wie mien); ein ie steht nicht in Hs.. es sei denn, daß der Schreiber
das e nur rudimentär angedeutet hat.
1044. comme] 9me ('; come P.
1059. s. zu 952.
1068. ert] = C; iert P nach T.
1075. s'en] = C T; s'ent P.
1081. ßretemiv] wie es früher einmal hieß; hHemiu C,
Bertemiu P.
1092. doniij ^=- C; donte (!) P, der dazu bemerkt: „Nicht
nur um leoninischen Reim zu erzielen [es geht nämlich : bonte
voraus] habe ich donte in den Text gesetzt, sondern auch, weil der
Sinn es zu erfordern ^schien. Die Frau gab Lanselot nicht ihr
Pferd, sondern zähmte das seinige, das nach Vers 943 scheu ge-
worden war (Berger)." Diese Bergersche Konjektur ist nichts weniger
denn glücklich und beruht auf einem argen Misverständnis dieser
Stelle und der Z. 943. Fangen wir mit dieser letzteren an: Das vom
Panter ausgespieene Feuer hatte zuerst die Laubgarnitur verbrannt,
und L. wurde so hart mitgenommen, daß (943!) sein Pferd ihm /m
estains, und er selbst so mitgenommen, daß er nicht weiß, was er aus
sich macheu soll." Es ist klar, daß das Pferd durch das Feuer
ausgelöscht, d. li. getötet worden ist, eine wohlbekannte Gebrauchs-
weise des estairdre, die schon vor Jahren Settegast in seinem Thuim
gebucht hat, Scheler in seinem Froissart, die sich im Mousket findet,
Zur Te.rikriiik von Rigomers Schlussppisode. 28.'>
bei God. mehrfach belegt ist, und was das schönste ist, sich schon
642 iu unserem Bruchstück vorgefunden hat. Dann ist's also mit der
pferdebändigenden Frau nichts, aber auch schon die Erinnerung
an die bekannte Stelle im Löwenritter, woher unsere Episode entlehnt
ist, hätte das überlieferte done sichern sollen; denn auch dort gibt
die Zofe dem Ivain ein Pferd.
1099. ristj V. L. dist^=C\ dist P, was keinen Sinn gibt.
1101. traitj V. L. traue, wo träte zu lesen ist; trau P (die
Lesung von C fehlt bei ihm).
1115. s. 999.
1129. V. L. fifmenepj = C; efmeuee P.
Hol. ?. zu 952.
1158. Qui] r= C; (i?/^ P.
11 67. connisoientj = fhiifoient C; conlsoient P.
1169. qi] = C; qid P. — ch'r] = C; Chevaliers P.
1170. V. L. pue siestre ^= C gibt P an: pue si estre: nein,
in der Hs. steht piie (= pnet mit verstummtem auslautendem t vor
fg. Kons.) und siestre = c'iesire, wie unsere Hs. oft ce, ci mit se,
si wiedergibt.
1182. J^ii cambres ert tote esmariej = 0; En camhre s'ert
t. e. P, der dazu sagt: „A (unser C): en cambres ert; die Lesart
en cambre s''ert verdanke ich Herrn Dr. Ebeling; s' = .s«." Ohne
auf die sonderbare Stellung des vermeintlichen si hinzuweisen (jeder-
mann wird es hier als Refl. nehmen, was unpassend ist), genügt es
die genau entsprechende Stelle aus Z. 1125 hier, wo dieselbe Sach-
lage vorliegt, anzuführen: En ses cambres sist esploiiree\
1192. plains V. L. plat = C; plains P.
1201. vous und pooirj ebenso P; aber in Hs. steht deutliches
veus und peoir; s. o. zu 48.
1204. sa terre et son roiaumej = C; la t. usf. P.
1210. esgarde] = C T P; der Sinn verlangt unbedingt die
Besserung s'eslaisse.
1216. c'est mesceancej V. L. /este »le/cace (Druckfehler statt
reste mejhjce = C); c'est rnescaance P.
1225. vuet] V. L. vet =^ C; vuet T; vot P; e und o ist oft
schwer zu scheiden, s. o. zu 48.
12.39. donne] = C; done P.
1242. ^1 tant que Dius U preste force] C T P, aber der
Sinn verlangt eher A tant con.
1245. eskivantj = C; esquivant T, ejhdant P.
1250. terre] = Vre C; tiere P.
1255. norrirj nourrir C P.
1257. ii'abace (der bekannte, unsorm Text eigentümliche Konj. I)]
= C; n'abate P.
1259. V. L. /ier = (', P: fiet.
286 yV. Foerster.
1268. guerrej :z=: g're C; gerre P.
1272. mainniej = mäinie C; mainie P.
1292. li vient] C T P; venir mit Dat. der Pers. ist bekanut:
gegen J. lüngehn, auftreten, was hier nicht recht paßt; glatt wäre i.
1296. Et L. aveuc le roij = C ändert T qui estoit o ssoi/
und nach ihm P (Anm. schweigt) in: qiiavoii o soi, offenbar aus
der oben (s. zu 836) bemerkten Scheu vor dem identischen Reim;
allein er steht selbst bei demselben Wort und derselben Bedeutung in
unserm Text, daß er dem Verf. nicht abgesprochen werden kann. S. zu
836 und vgl. meine Anmerkung zu Ille und Galeron Z. 3644.
1299. [EtJ puis fait(e) ort Vaiie conier] = C, ebenso ändert
schon T, dem P folgt ; vielleicht ist Puis ont falle Vauc corner besser.
1302. mangers P und 1303 manger (Hs. -g') muß natürlich
-gier lauten! Ebenso 1312.
1306. roiene] = C; roiine P. — apries] = aps C, apries T
ändert P in ariers: „Da nur der Kopist die wallonische Diphthongierung
des Pos.-e in ie kennt, dem Dichter aber diese Eigenheit abzu-
sprechen ist, hab ich statt des temporalen apries das local zu fassende
aHers in den Text gesetzt." Dadurch kommt die schiefe Auffassung
zu Stande, daß sich der König zuerst hinsetzt und die Königin sich
rückwärts, also hinter ihn setzt, was doch bei einiger Überlegung
auch P abweisen wird; premiers verlangt unbedingt apnes, und da
dies mit premiers reimt, so müssen wir die Tatsache einfach hinnehmen,
auch wenn wir nicht wissen, ob der Reim sich in dem über 17 000
Zeilen fassenden Roman sich sonst noch findet, da 1300 Zeilen da-
gegen nichts sagen. Nun ist dies tatsächlich der Fall und obendrein
kommt diese Diphthongierung nicht bloß in der Wallonie vor. Reime
mit xYußerachtlassung des r sind schon seit Richars li biaus, Fergus
so oft beigebracht worden, daß sie eigentlich als bekannt vorausgesetzt
werden könnten.
1312. s. zu 1302.
1315. G. Spezereien trugen .ii. puceles de renc en renc, Vin
aporterent et piument .iL autres = C T, ändert P unglücklich in
de rens en rens : piumens^ ohne darüber ein Wort zu verlieren.
Er nahm wohl an dem Reim renc : puiment Anstoß, der unserm
Text wohl entspricht und sich öfter findet.
1326. L. fu au descaiicierj V. L. Et L. fu au de \ (Rest
weggeschnitten) -j- 1 = C, was bei P fehlt,
1331. les] ses C T P.
1345. painne] = pdine C; paine P, ebenso 1346 fontaine
(st. -nne).
1347. Dont li ruissaus estoit plus clersj = C, wo T clere
haben soll (offenbar verlesenes s) ändert trotz des klaren Sinnes P:
est(oit) plus cler[6]s und begründet es S. 10 damit, daß clers :
esmeres den Reim vermissen läßt, ,,der wiederhergestellt werden kann,
Zur Textkritik von Rigomers Schlussepisode. 237
wenn man das Adj. clers in das Part. Präs. cleres ändert und estoit
in est . . Da T clere hat, ist wohl anzunehmen, daß in seiner Vor-
lage das richtige Reimwort clert^s stand.'- Dies ist aber, wie sein
estoit sicher zeigt, eben nicht der Fall, sondern T hatte unsere Hs.
vor sich und sein clere ist sicher ein (d. h. vom modernen Abschreiber)
verlesenes clers. Dazu kommt, daß ein ruissels cleres ein Unsinn
ist und daß die Lautlehre obendrein clarh verlangen müßte. Endlich
kommt ein Zeitwort derer oder selbst clarer überhaupt nicht vor —
man kennt nur den Würzwein clare. — Wegen des nicht gewöhnlichen,
aber wohlbekannten Reimes clers : esmeres vgl. das oben von mir
zu V. 1306 gesagte.
Bonn a. Rh. W. Foerster.
Beiträge zur Geschichte
der politischen Literatur Frankreichs in der
zweiten Hälfte des lii. Jahrhunderts.
I. Teil.
(Vgl. Bd. XXXI 1 S. 102 ff.).
111. Das Eiudringeu des politischeu Elements in die Hefor-
mationsliteratur. (1560).
Gegenüber der Ausdehnung und polemischen Schärfe, zu welcher
sich die religiöse Reformationsliteratur bereits in den ersten Jahr-
zehnten nacli dem Eindringen der Reformation in Frankreich erhebt,
bleibt die Betonung der abweichenden politischen Parteistellung der Be-
keunerschaft des neuen Glaubens noch lange im Rückstand, Der religiöse
Kampf um Luthers und Kalvins Lehre war schon lange entbrannt,
ehe noch die Partei des neuen Glaubens ihrer ängstlichen Enthaltung von
jedem politischen Hervortreten entsagt hatte, und der Gegensatz der
Glaubensmeinungen zu einer auch für das staatliche Leben bedeutungs-
vollen Frage geworden war. Trotz der Kühnheit, mit welcher die
Gelehrten und Dichter der Reformation in Traktaten und Poesieen
ihrem Eifer für die Sache des neuen Glaubens Ausdruck gaben, war
und blieb die Entfaltung einer den politischen Vorgängen gewidmeten
Literatur im Lager der Bekennerschaft des neuen Glaubens eine Un-
möglichkeit, so lange der Druck einer von fanatischem Verfolgungs-
eifer geleiteten Regierung auf der Reformationspartei lastete und alle
selbständigen Regungen unterdrückte.
Wie sehr die Herausbildung politischer Züge im Charakter der
Reformationsliteratur von dem öffentlichen Hervortreten der Bekenner-
schaft des neuen Glaubens bedingt ist, lehrt die kleine Gruppe der-
jenigen Poesieen, welche nicht bloß zuerst die der späteren Zeitliteratur
eigentümliche Verschmelzung und Verwechslung religiöser und politischer
Gegensätze aufweisen, sondern auch als die frühesten der unter den
Gegnern der Reformation entstandenen Dichtungen Beachtung ver-
dienen. Sie knüpfen an einen im Jahr des Bauernkriegs (1525) unter-
nommenen Aufstandsversuch der lothringischen Landbevölkerung au,
welcher von dem damaligen Herzog von Lothringen, Anton dem
„Guten", blutig niedergeschlagen wurde. An sich war die ganze
Unternehmung ebenso unbedeutend, wie ihre Unterdrückung blutig
Beiträge zur Geschichte der polit. lÄteratur Frankreichs. 239
und ruhmlos, und kaum einer dichteribchen A^erherrlichung wert
zu nennen. Aber das hinderte nicht, daß sich die Dichtung des
willkommenen Stoffes bemächtigte, um den Ruhm des Herzogs zu
besingen und den Hass gegen die aufrührerischen Bauern, in welchen
religiöser Eifer oder böswillige Absicht nichts anderes als lutherische
Ketzer erblickte, Luft zu machen. Nicolas Vollcyr de Geronville,
maistre es arts, secretaire et historien de M^" le duc de Lorraine,
machte die Unterdrückung des Bauernaufruhrs zum Gegenstand einer
ausführlichen Schilderung, in der ihn die Ruhmredigkeit nicht immer
die Parteilichkeit im Zaume halten ließ. i) Laurent Pillard, oder
wie er sich mit lateinischem Namen nannte, Pilladius, ein Kanoniker
von Saint-Die, widmete den Taten des Herzogs im Kampfe gegen die
aufrührerischen „Rustauds,'"' mit denen er, gerade wie Nicolas Vollcyr
de Geronville, mutwillig die „Lutheriens'-'' zusammenwarf, sogar ein um-
ständliches lateinisches Epos in sechs Gesängen, dem er den stolzen Titel
y^Rusticiade" beilegte.^) Den von Pilladius in weitschweifigem und pate-
tischem Stil ausgesprochenen Gefühlen des Hasses gegen die lutherischen
Ketzer gab ein anderer Kleriker, Jean Ledoux (Dulcis)^) Ausdruck in
einer kurzen, in französischer Sprache abgefaßten Dichtung,-*) in welcher
er der Stadt Straßburg, dem damaligen Sammelplatz der lothringischen
Lutheraner, und ihren ketzerischen, von dem JiSretique maudif-' Francois
Lambert bekehrten Bewohnern ins Gewissen redet und ihnen das Straf-
gericht Gottes und die härtesten Höllenqualen {,,furies infernalles'-)
durch Cerberus, Charon undRhadamanthus in Aussicht stellt, falls sie dem
Ketzerglauben zu entsagen säumen sollten. An Natürlichkeit und Wucht
der Sprache wird die Dichtung des Ledoux von zwei anonymen Poesieen
überragt, welche in markigen Strophen dem Hass gegen die neue Lehre
und der Freude über das Strafgericht an den Lutheranern Ausdruck
1) yV Hisioirc et recueil de la trlumphante^ et t/lorieusc victuire oblenue contre
ks seduyctz et abv.sez Lntkeriens mescreanls du pays d'Aulsays et autres par ires hault
ei ires puissant prince et seigneur Aiilhoine^ par la gräce de Dieu duc de Calabre, de
Lorraine et de Bar, etc., en deff'endant la foy catholique, iiostre nwre VEgHse et vraye
iwblesse. ü Vutilitc et projfit de la chose publique." Paris, chez Galliot du Pre.
1526 (in -40)
2) vgl. Bull. IL (1854) S. 638. Über den Verfasser vgl. auch Schmidt,
Bistoire literaire de VAlsace ä la fin du XV^ et au commencement du XVI ^ siede.
IL (Paris 1879) S. 131. 132.
') Der Verfasser nennt sich, das bekannte Verfahren volkstümlicher
Sänger nachahmend, am Schlüsse seiner Dichtung selbst, wenn er die Stadt
Strafsburg anredet:
,.,Kntens bien la trampelte,
„Ze chant de la chanson:
„ De celuy qtd Va faicte,
„S'en vetdx ncavoir le nom.
„L^a faicte ung clerc, des chartraines parties;
„Du surnoni Je te haite,
„II se nomme Dulcis.'"
*) „C'haiison nouvelle augurative de Strasbourg'^ (sur le chant: Reyrets, soucy
et peine'^) in Bull. IX (1860) S. 381. '
240 Kurt Glaser.
sieben, und unbedenklich das Beste sind, was jene Vorperiode politisclier
Reformationspoesie hervorgebracht hat. 5)
Mit der Hereinzielmng des politischen Moments in die Zeitliteratur
sind die im Anschluß an die lothringische Affäre entstandeneu Dichtungen
der Entwicklung vorangeeilt, welche die übrige Literatur genommen
hat. Die Enthaltung von politischer Parteinahme war und blieb ein
Kennzeichen der Refornuitionsliteratur in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts und ließ eine Betrachtung der Zeitereignisse nach ihrer
politischen Seite nicht zu ihrem Rechte kommen. Durch ihren frommen
Eifer bestimmt, gefallen sich die Dichter des Kalvinismus, in der
religiösen Würdigung der geschichtlichen Vorgänge. Matthieu
Malingres Lied*') auf Heinrichs II. Regierungsantritt kann dafür als
ein zugleich auch dichterisch beachtenswertes Muster dienen. Der
fromme Aufblick zu Gott, dem himmlischen Lenker der irdischen Könige,
und fromme Ratschlüge und Wünsche für das Wohlergehen der jungen
Regierung, in welcher sich Malingre ergeht, lassen die schüchterne
Bitte des Dichters um religiöse Freiheit, welche in den an den König
gerichteten Worten
.,7^ar/ guen tonte la terre tienne
,,Sa (näml. Gottes) parolle aye cours'"'
liegt, kaum als Anspielung auf die von den Kalvinisteu ersehnte
Duldung ihrer Lehre erkennen.
Zwei unmittelbar nach dem Tode von Franz IL (am 5. Dezember
1560) verfaßte Lieder zeigen gleichfalls einen durchaus religiösen
Ton: das eine bei Bordier S. 201 ^Cantique solennel de Veglise
d' Orleans sur la dSlivrance que Dieu feit de sonpeiiple le 5'' decemhre
J560 (sur le chant du pseaiune 73)" betitelt, gibt sich schon durch
seinen Titel als einen im Stil der Märtyrerlieder gehaltenen Auf-
schrei der Erleichterung über die durch den Tod von Franz II.
erhoffte Erlösung aus den Verfolgungen der irdischen Machthaber zu
erkennen; und auch das andere, einer „Damojjselle frayipoise"
zugeschriebene Lied auf den Tod von Franz II. "') bewegt sich in
frommen Betrachtmisen über Gottes Urteile, welche sich in dem Tod
*) Die eine iührt den Titel: Chanson de la dej/hicte des Lutheriens, faicte
par le noble duc de Lorraine et ses freres, avec Vayde de leurs amys francoys et
<juerdoys\ sur le chant: 0 bans Frangois, loyaulx et preux. in: „La Fleur des clian-
sons. Les grans chansons noureUcs etc., pet. in 8'', neuher. von Techener (1833);
abgedruckt bei Desnoyers, Bull, de la soc. de Vhistoire de France I. (1834) S.
268. 269 und bei Le Roux de Liucy IL S. 97—99, vgl. auch Picot, Revue
d'hist. lit. de /« France II. (1895) S. 43, nr. 48. — Die andere „Chanson contre
les Lutheriens" findet sich in : „La balade des Icutheriens avec sa clianson." S. 1.
n. d. (in-8"), wonach der Abdruck von Picot /. c
^) In : Recue'il de plusieurs chansons spirituelles taut vieilles que nouvelles M.
D L. V. (s. 0.) nr. 51. S. 123—125 (Bordier S. 199—201).
') „Chanson spirituelle sur le rhant du psau7ne 12^\ enthalten in: Monologue
de providence divine, parlant 'ä la France. EnverS MDLXI. (ßibl. Nat. Inv.
Res. Ye 4,430). Abdruck auch bei Bordier S. 204—207.
Beiträge zur Geschichte der polit. Literatur Frankreichs. 241
des jugendlichen Königs, in dem Leiden dei' kalvinistisclien Uekenuer und
vor allem in dem Schicksal des unschuldig in Gefangenschaft
schmachtenden Conde offenbaren; mit einem dem Stil der geistlichen
Lieder entsprechenden Aufblick zu Gott, dem Erlöser aus dem Elend
der Zeit und der Macht des Antichristen, als dessen häßiiclistcs
Attribut auch hier die Messe erscheint, schließt das Lied.
Nicht viel anders ist der Ton eines längeren Gedichts auf die
Regierungen Heinrichs II. und Franz' IL .„Sur les regnes de
Henri II et de Frangois 11' (in: Brdl. V (1856) S. 395—398),
dessen anonymen Verfasser wir noch mehrmals zu erwähnen haben
werden. Der Tod des schon in jugendlichem Alter entrissenen Königs
und seines so plötzlich verstorbenen Vaters läßt den Verfasser zurück-
blicken auf die Regierungen beider Fürsten; überall sieht er das
Walten Gottes und das Irren der Menschen. In dem plötzlichen
Tod Heinrichs IL, welcher eben noch die Gläubigen verfolgte, erblickt
der fromme Sänger die Hand Gottes, die den König hinwegraffte
.,a?< milieu de jeiix plaisans'-' . In der Schilderung der Leiden, welche
die Anhänger der neuen Lehre unter Franz II. zu erdulden hatten,
in der Schilderung der Standhaftigkeit, mit welcher sie alle Qualen
ertragen haben, stimmt der glaubenseifrige Kalvinist eine machtvolle
Sprache religiöser Glut an, welche gar manche Märtyrerlieder an
Wucht und Schwung übertrifft. ,,Xe flambeau que tv fay luire-' ,
r^o redet er die Rogierungszeit Franz' II. an,
„ Le flambcaii que tu fay luire,
,,Pour vous eclairer les joxirs,
.,A veu des tiens le martyre
..Pendant ses journaliers tours:
,.Il a veu la cruautc,
„La fausse delo'iaute,
.,D\me jeune adolescence
..Aiant rolallc puissance."
Der Tod des Königs wird wie eine Erlösiuig der Gläubigen
von ihren Leiden begrüßt. Die Dichtung klingt aus in ein Lob
Gottes, der die Qualen der Bekenner des neuen Glaubens beseitigt
hat, und in die Bitte, das Herz des neuen Königs zur Milde
zu stimmen.
Die auf dasselbe Ereignis bezüglichen „ Trois Sonnets au Tres-
Chrestien Roy de France Charles neufviesme'"''^) sind noch religiöser
und biblischer gehalten: sie beten um Weisheit für den neuen König,
der ein zweiter Josias werden soll, und halten dem König die Tugenden
eines wahren Regenten und den Segen, den ein Leben und Re.uieren
nach dem Willen Gottes einbringt, aber auch die traurigen Folgen
8) in: Mim. de Condc II. S. 220 -222. Vgl. auch L(!long, Blbl. hist. de
In France, S. 2,36. nr. 1779.').
Ztschr. f. frz. .Spr. u Litt. >CXXIIi. 16
24-2 Kurt Glaser.
ciuer etwaigen Vcnia.'hliissiguiig seiner hohen und erhabenen PHicht
vor Au^en.
Daß auch der Tod Kalvins die frommen Sänger seiner Lehre
zu religiösen Betrachtungen begeistern mußte, bedarf bei dem gleich-
mäßigen Eifer, mit welchem <-ich die frommen Sänger in der religiösen
Betrachtung der Zeitereignisse ergehen, kaum noch der Erwähnung.
Unter den Sängern, welche der Tod des Reformators erwickt hat,
verdient Antoine de la Roche- Chandieu, einor der ersten Geistlichen
der reformierten Gemeinde zu Paris (s. Bull. II (1854) S. 385),
genannt zu werden. Unter den dem Tode des Altmeisters gewidmeten
Sonetten, welche Chandieu unter dem Pseudonym Zamariel in einer
Au<;gabe von Bezas Gedichten („ Theod. Bezae pcpmata. Psalmi Davidici
XKX. Sijhae. Elegiae Epigrammta cum alia varii argumenti,
JSpitaphia et quae peculiari nomine Iconas inscripsit omnia, in
liic tertia editione, partim recognita, partim locupletata-'-) ver-
öffentlicht hat, hebt sich ein Sonett hervor^), in welchem Cliandieu
in aufrichtiger Trauer um den Tod des Reformators klagt und in
poetisch nicht . unwirksamer Weise den Gegensatz ausmalt, welcher
zwischen den Wohltaten des lieblichen und erquickenden Monats Mai
und dem Leid besteht, welches derselbe Monat durch den Tod Kalvins
der Sache der Christen gebracht hat. Der Ton von Chandieus
Dichtung ist noch ganz der der frommen Klage;, die Würdigung des
großen Reformators ist eine noch ausschließlich religiöse, bei der die
hohe politische Bedeutung seiner Wirksamkeit noch völlig zurücktritt.
Einen politischen Chra-akter kann man der Rpformationsliteratur
überhaupt erst zusprechen mit dem Hervortreten der kalvinistischen Partei
auf staatlichem Gebiete, wie es durch die mit dem Tode Heinrichs II.
in der Regierung des französischen Königreichs vorgehende Wandlung
bezeichnet wird. Die Erfassung und Betrachtung der zeitgeschichtlichen
Vorgänge nach ihrer politischen Seite gewinnt erst mit dem Augenblick
eine maßgebende Bedeutung, in welchem die Bekennerschafi des neuen
Glaubens als eine staatlich organisierte Partei in die durch den Tod
Heinrichs II. geschaffene Lage eingreift.
Der frühzeitige Tod Heinrichs II. lieferte seinen jugendlichen
Nachfolger Franz II. dem Einfluß der bei den Kalviiiisten als Führer
der katholischen Sache verhaßten Guisen aus, die, unbekümmert um die
Ansprüche des Königs von Navarra und des Prinzen Conde, die
Vormundschaft des Königs an sich rissen und ein machtvolles Regiment
am Hofe und im Lande zu führen begannen.
°) Abdruck in Bull. IV (ISäo) S. 327. — die anderen Dichtungen in
Bull. VII (1858). S. 14, V}. Im ganzen enthalten die „Theod. Bezae ixvmata'-
etwa 23 chansons auf Kalvins Tod, vgl. BuH. XXVIII (1879). IS. .-^78. Über
Chandieu vgl. La Croix du Maine I. S. 65; Du Verdior L S. 182-184;
Teissier, Eloqes des Savans, (1715.) IV. S. 139 — 144: Niceron, Memoires etc.
XXII. S. 281— 293: La H-ance prol. iIIL S. 327— 334,' -III. S. 1049—1058.-
Eine griechische Ode auf den Tod Kalvins von Florent Chrostien wird
erwähnt France prot. III.' S. 4^5.', -III S. 374.
Beiträge zur Geschicläe der poUt. lAteratur Fnuikreiclis. 243
Mit dem Eintritt der Giiisen iu die leitende Stelle am französischen
Hofe nimmt der Gegensatz zwischen Kalvinismus und Katholizismus
einen politischen Charakter an. Die Herrschaft der Guisen am Hofe, die
ZurücksetzuDs des eingestammten, dem kalvinistischen Bekenntnis er-
gebenen Prinzenpaars, Navarra undConde, und der Eifer, mit welchem sie
ihre Macht im Interesse ihres Hauses und der katholischen Sache aus-
beuteten, liefen in dem Lager der schreib- und streitlustigen Kalvinisten
lebluifte Miß-^timmung hervor, mit welcher sich ernste Besorgnisse um
die durch den Machtzuwachs des Guisenhauses bedrohte königliche
Autorität verbanden. Die Rückwirkung des Umschwungs, v>elcher sich
mit dem Tode Heinrichs H. in der Regierung Frankreichs vollzog, auf
die Richtung der politischen Literatur war unausbleiblich Während
sich bis dahin die Reformationsliteratur auf den Streit um religiöse
Fragen und Gegenstände beschränkt hatte, verlangt nunmehr die
staatliche Machtstellung der Bekennerschaft des neuen Glaubens eine
maßgebende Berücksichtigung in der Literatur. In der Feindschalt gegen
die am Hofe allmächtigen Guisen gewinnt die kalvinistisclie Polemik
ein handgreifliches Ziel und läßt die Gegnerschaft gegen die katholische
Partei zur Feindschaft gegen ihre ehrgeizigen Führer werden. Die
Literatur tritt in den Dienst beider Parteien und wird in dem Kampf um
die politische Macht'-telluug am Hofe und im Staate zu einer scharfen
Wafle, deren sich Kalvinisten wie Katholiken zum Angriff auf den
Gegner wie zur Wahrung der eigenen Rechte bedienen. Um den
stattlichen Baum, zu welchem der Same von Luthers und Kalvins
Lehre auf dem einer Parteibildiing so ergiebigen Boden des damaligen
Frankreich emporsproß, begann sich die politische Literatur empor-
zuranken und zu einer Blüte zu entfalten, wie sie noch keine Periode der
französischen Literatur gezeitigt hatte. Der Aufschwung, welchen die poli-
tische Literatur in den Jahren 1559 und 1560 nimmt, ist wesentlich durch
den Aufschwung der kalvinistischen Schriftstellerei und Dichtung bedingt.
Trotz der duldenden Rolle, zu welcher sich der Kalvinismus infolge
.seiner politischen Bedeutungslosigkeit verurteilt sah, war und blieb er
im Besitz der geistigen Überlegenheit und literarischen Regsamkeit. In
der Schule liarten Leidens war die Literatur im Lager der Bekenner-
schaft des neuen Glaubens entsprossen nnd zu einer Kühnheit der
Sprache und einer Wucht der Polemik gegen Kirche und Kirchenlehre
herangereift, welche nur der Übertragung auf andere Fragen der viel
bewegten Zeit bedurfte, um auch da Wirkung zu erzielen. Was dem
Kalvinismus an })olitischer Macht abging, ersetzte die Begeisterung
seiner Bekenner für die Sache des Glauljens und die Kühnheit, mit
welcher seine Woitführcr die Feiler und Presse im Dienst ihrer Partei
zu handhaben wußten.
Schon wagt sich die Unzufrieilenheit der Kalvinisten mit dem
Regiment der Guisen und das Mißtrauen iu ihre Absichten in ver-
einzelten Anzeichen hervor i*^), ehe noch die Yerschwörung von Ämboise
1") Bouille, I.es ducs de Gtdse. (Paris IN-IO) I]. S. 26ff.
16*
244 Knrf i^lafer.
im März löUO die Sclivit'tstcllcrei beider Parteien recht cigeiitlicli in
Fluß brachte und im kalvinistischen Laser eine Reihe von Schriften ins
Leben rief, wclclie mit der Darlegung des Verlaufs der Unternehmung
eine Darlegung ihrer Berechtigung verbanden und mit harten An-
klagen gegen die am Hofe allmächtigen Guisen in die Schranken
traten. Bereits auf dem Tage von Fontaincbleau konnte der Kardinal
von Guise, gegen welchen sich die Angriffe hauptsächlich richteten,
erklären, „qiiü en avoit snr sa table ringt deu,v [placards et (i-
helles diffamaioiresj faits contre luy, lesqueh il gardoit trl'.s-
soignetisement comme Je plns grand honneur quHl sanrott jamais
recevoir, qnc d'estre blasmc par tels me.tcha7is: esperani que re
iscroit le vray esloge de sa vie pour le rendre immortel.'-'- (La
Popeliniere, Lliist. de France depnis Jan 1550 jusqne ä ces temps.
1582. L S. 389), und auch an die Königin-Mutter gelangten, wie
Beza, Hist. ecd. L S. ir; l, berichtet „Cf^crits en rime franpoise,
faisant mention de Ja mort advenue au roi Henri par le jusie jugement
de Dien, dans lesqueh aiissi Jadite dame estoit fa.ree de frop d<'-
ferer au cardinaJ.^'-
Eine der Schriften, welche unmittelbar nacli der Verhaftung
der Hauptteilhaber an der Verschwörung von Amboisc erschien, sucht
in der Form einer Verteidigungsschrift, welche die unter dem Drucke
der Guisen leidenden Stände an den König richten i'\ die Unter-
nehmung von Amboiso als eine ausschließlich gegen das Gewalt-
regiment der Guisen gerichtete Unternehmung darzutun, die, weit
entfernt davon, den Sturz des Königs zu beabsichtigen, vielmehr die
Autorität des Königs und das Wohl des Landes und die Rechte der
Stände gegenüber den Anmaßungen seines Ministers halte schützen
wollen. Mit großer Vorsicht wird die religiöse Seite des Tumults
in den Hintergrund gerückt und der Nachdruck auf die Beteuerung
ehrlicher Absichten und auf die Angriffe und Verdächtigungen gegen
die Guisen gelegt. In einer Sprache, die Stimmung im Volke machon
soll, wird gegen die Guisen der Vorwurf erhoben, daß sie sich der
Herzogtümer Anjou und Provence bemächtigen wollen, daß sie unter
der letzten Regierung dem Lande Verluste zugefügt haben, .,et mes-
nies par Je dernier voyage d'ltaJie. par Jeqiiel J'nn prt'tendoit se
faire Fape. J'antre Roy de SiciJc et (Je NapJes'-, daß sie sogar auf
den französischen Königsthron Ansprüche erheben, welche sie aus ihrer
vermeintlichen Abstammung von Karl dem Großen gegenüber der aus dem
Kapetingerhause hervorgegangenen königlichen Familie herleiten zu
dürfen glauben, ,^comme si votis, Sire, et vos Pri'decessenrs n'en
estiez quusiirpateurs." Ihr Anrecht auf ihre leitende Stellung im
Staate wird ihnen als Fremden bestritten. Verluste, die sie dem
i^) _Zrۀ Eslals de Fruace opprimez pnr la lurwinie de Guisc, au Roy hur
Souverain Heiijnevr" . in Bibl. Nat. Ms. fr. 39.31, f. 48v. — öör. sowie in Mi'-ms
de Condr 1. S. 405— 410 und Mems de Condc VI. S. I.S3-18i^. Vgl. dazu auch
Lf^long, J5«6/. h!st. II. S. 234 nr. 177G2.
Beiträge zur Geschichte de?' polit. Literatur Frankreichs. 245
Laude durch ehrgeizige und selbstsüchtige Haudluugeu zugeftigt, werden
ihnen vorgehalten. Eine ganze Reihe von Maßregeln und willkürlichen
Rechtsverletzungen wird aufgezählt, die ihre auf den Sturz des Königs
gerichteten Bestrebungen kennzeichnen und die ernsten Besorgnisse
bei den au der Verschwörung von Amboise beteiligten, rechtlich und
königstrea denkenden Untertanen rechtfertigen soll.
Die „Histoire dxi tuniulte d' Amboise'' ^-), welche mit größerer
Ausführlichkeit auf den Hergang der für die Bekenner der neuen
Lehre unglücklichen Unternehmung eingeht, gibt denselben Anklagen
nochmals Ausdruck,
In derselben Richtung bewegen sich zwei weitere Schriften, die
^^Juste Complainte des fideles de France'' ^3) und „Jiemo7it7'ance a
tous estais'^^ ^^) welche von der Beteuerung der wahrhaft christlichen
Gesinnung der kalvinistischen Partei und von der Versicherung der
Gerechtigkeit ihrer Sache zur Rechtfertigung der politischen Haltung der
seit dem Tumult von Amboise als aufrührerisch verdächtigten kalvi-
nistischen Partei und zu harten Angriifen auf den verhaßten Kardinal über-
geben. Mit großer Entschiedenheit erheben beide Schriften Einspruch
gegen den Vorwurf rebellischer Gesinnung. „Quand oyijMrle d'u7i rebelle,
tun met incontinant cela sus nous, coinme si nous ne voulions obeir
au Roy: Ce quon a peu connoitre en ces personnages quioiitn'aguere^
este pns a Amboise, ausquels Von a mis sus, quHls vouloyent tuer
le Roy : ce qui est pure mensonge et calomnie, ainsi que plusieurs
d'eux ont inesme declare deuant luy. IJon a aussi irouuc sus Tun
d'iceux, la requeste quils luy vouloyent presenter : laquelle contenoit
eiL sustance qiiil luy pleut de faire jjrescher pui'ement et librement
VEuangile de JJieu par toute la France: reiuettre sus le vray seruice
de Dieu coinme il estoit au tenis de la primitive Eglise: et chasser
d'aupresf de luy quelques Tyrans qui usurpent le gouvernement du
Royaume : lesquels, si ran iiy prent garde, usurperontniesme sa courome,
veu que ils se dient estre issus de Charlemagne. Voila qu eile estoit
tiniention de ses personnages, qui estoit iuste et raisonnable^ et
grandement proufitable au Roy, ses freres, ä ceux de son sang,
et genei'alement ä tont le petipL:. Car il y a dangcr, apres que
^^) L^üistvcrc du iuiHulte. d'Aiubvijst udctna au luois de mars ,17. Jj. L. X.
Ensemhle uu autrlissemeul et unt complainte, au peyple Franqois, 1560. (auch ill
Mhihs dt Coiide I S. 320—334). Lateinische IJbersetzunjf unter dem Titel:
TamuUus Anbosianus, hoc est Uisloriu hujus Tumultäs. qui niqier in Guüia ad oppi-
dum AinhosiaiMiii propter Guijsiorum l'rincipun ijubei-uatiunem ii Xobildale Gallicu
txdlalus est mense Jlartio 1300. Adjuncti sunt Libdli ex Anijlid et GaWa advcrsus
Guysiorum gubernalionem promuhjati. l.jtiO. iD-4. vgl. auch Leloug, liibUolhequt.
hlsiorique de la Frauce. (Paris ]M. D CC L XIX.) II. S. 233-'. nr. 17 760.
'3j Juste Complaiiäe des Jidcles de France, t'ontre leurs adversaires Paplsles,
et untres. Sur Vufj'liction et imu-, crimen., dont vn les chart/e li rjrnnd tort. .\vigUOD
M. D. L. X.
1*) llemontraiicti a (uus estatn. l'ar laquelle est eu brief demonire la foij et
iniwcenct des crays Chi-estiens: Les abus ausquels sunt detenns leurs ennemis et perse-
(iiifeurs: Et le iugemenl que Dieu en fern. Paris 1560.
'}U) Kurt Glaser.
ces anibitieiw auront hien mis le pied dedann. (jiie diß'icüement
l'on les en puisse Icver"' (Remontr. S. 19. 20). Besonders berodl
ist die „Juste Compluinte^'' welche mit Eifer und Leidenschaft den
Verdachtaufiührerischerpolitischer Haltung zurückweist und über die Ein-
mischung der weltlichen Obrigkeit in Sachen der Religion und über
die Verfolgungen der Bekennerschaft des neuen Glaubens und namentlich
über ihren Urheber, den verhaßten Kardinal, Klage führt. „Ce Cardinal
l^pictirien^ honmie qui nc croit autre Dieu qiie soy mesme, se ?a?.y-
sant bailler pur ses ßateurs escriuains tous les tiltres dlionneirr
qu''on sauroit bailler ä Dien, {Viin Üappellant Le grand Dieu de
la mer^ et lui presentant le tableau de deuocion: lautre d'un autre
tiltre dlionneur divin) tient en France i^lace de Pape, et son frere
place de Roy^ u /in que tous ceux qui nous persecutent. entendenl,
qu^ä proprement parier, ce nest pas au Roy qiiHls obeissent en
ce faisant, ains servent de bourreaux au susdit Epicurien Cardinal,
et ä totis ceux de sa secte, (car s'il en y a d^entr'eit.v qui nous
favorisent ä bon escient, et il en pent estre auerty, ils sentent
incontinent que peut sa tyraymie) et ä son frere le grand tyran.
Car entre les mains de ces deux tyrans sont inis les deux glaives
de France, le Spirituel es mains du Cardinal: et le Maieriel, es
mains de son frere. De Cardinal ne pouvant plus rien faire de
son glaive ä Vencontre de nous {moqueur de Dieu qii'il est, et de
sa parole) ny trouve point de plus court clicmin, que de no'is
charger du crime de scdition, et 7ious bailler entre les mains de
son frere: auquel si vous voidez rendre raison de vostre fait, il
vous dira soudain que de lui il n''entend nen ä disputcr de Dieu,
mais quil spait fort bien faire coupper des testes. . . fS. 25. 26).
Die gelehrte theoretische Rechtfertigung der Unternehmung von
Amboise geht mit diesen zur Wahrung des Rechts unternommenen An-
klagen gegen die Guisen Hand in Hand; sie liegt uns vor in einer
im gleichen Jahre veröffentlichten „Response au Livre inscrit, povr
la Majoritc du Roy Francois second^'- ^'^) betitelten Widerlegung
des von Jean de Tillet, ,.,Pour la majorlte du roi tres-chrestien contre
les ccrits des rebelles"- '6), geführten Nachweises, daß die Münligkeit
des Königs mit dem 14. Jahr beginne, und darum Franz II. mit Fug
und Recht König von Frankreich sei und in der Wahl seiner Minister
seiner eigenen Entscheidung folgen könne.
Wirksamer und kraftvoller als die ziemlich scliwächliche Replik
der „Responce'', welche mit wenig Glück und geringer Wahrscheinlichkeit
für das 14. bis 25. Lebensjahr des Königs eine Zwischenzeit nach-
zuweisen unternahm, in welcher der König nur dem Namen nach regiert,
in Wahrheit aber sich von den ihm durch die Stände gegebenen Rat-
«) in: Mems de Conde I. S. 471—490.
^^ A Tours, pour GuUlaume Bowfjeat et Laurcvt Richard. M. D. LX. (auch
in: il/e'ms de Conde I. S. 437 — 448; im Auszug auch in Laurpnt Biiuchel, La
Bibliothrr/ue ou trcsor du droii franroi^. II. fParis M. D. CLXXI.) S. 034 — n;!7.
Beiträge zur Geschichte der polit. Literat^ir Frankreichs:. 247
gebtru leiten läßt, wai' die Sprache, welche andere kürzere und kühnere
Pamphlete führten. Ein r-Äclvertissement au peiiple de France^\
welches in dem Drucke der Histoire du tunnäte d'Amboise anhangs-
weise beigefügt ist, i^) wendet sich in kühnen "Worten an das ,,povre
peuple^, unter dem Vorgeben, es in Treue und Anhänglichkeit an den
französischen König zu bestärken, in Wahrheit aber, um sein Mißtrauen
gegen die Guisen zu wecken. In kecker Sprache sucht das „ÄdvertissemenV"
das französische Volk aufzuklären über die Berechtigung der Ansprüche,
welche die Guisen kraft ihrer angeblichen Abstammung von Karl dem
Großen auf die französische Königswürde erheben und gelangt in diesem
Zusammenhang zu einer bemerkenswerten Deutung des den Bekennern
des neuen Glaubens in jenen Tagen beigelegten Namens Huguenots,
welche mir für die Herleituug des vielumstrittcnen Wortes nicht hin-
reichend beachtet zu sein scheint, i?) Das ,,Adveriissemeni'- schließt
mit dem an das französische Volk gerichteten Aufruf, sich den Rechts-
verletzungen der Guisen zu widersetzen, „A cette cause peuple
Frangois, nostre deuoir est, par la fidelite que vous atiez ä vostre
Prince et Roy l'reschrestien, de tascher par tous moyens legitimes
ä nous opposer ä wie si mecliante et iiialheurense entreprinse:
demandans secours et ayde, premiereynent ä Dien, autew\ fondateur,
et conservateur de cette Monarchie : et en apres ä tous les Farlemens,
et Estats dn Royaume: ä fin que Vaage auquel est pour le present
nostre Roy: la bonte et douceur de noture dont il est douii: et
au contrairc la grande pidssance, les Mens et richesses dont ses
ennemis se sont tnunis de longue main^ pour paruenir ä leur
entreprinse, nc leur donnent occasion de mettre ce ßorissant
") S, 21— 24. (Mems de Cond,' 1. S. 4U2— 40o).
'*) v-fc' ^'ous donner ä entendre f entreprinse et machination qiiaucu7is ennemis
de JJieu oiit dressee h Pencontre de nostre Roy^ la Royne mere, Messeigneurs de France
les Princes du sang : et en general de tout ce poure Royaume. Sackez donc ijtie ceiix
de la maison de Guyse pretendent quereller la Couronne de France, snr iin droit en-
fumc que ils vculent debattre it raison de Hugue Capet : leqiicl ils disp.nt auoir occupe
/•e Royaume l'an mil neuf cens octantehuil apres le trespas du Roy Loziys qui deceda
.sans enfäns masles: au Heu que la succession en appartenoit li Charles Duc de Lorraine
hur predecesseur : pretendans estre desccndus de la droitle Ugne de Cliarlemagne. Et
comhien que le susdit Duc de Lorraine soit dccede saiis enjans masles, tellement que
c.eux de Lorraine ne peuuent nier qu'ils ne soytnt descendtis deßlles, nusquelle.i la cou-
ronne de France ne peut appartenir, neantmoins fönt en plusieurs endroils disputer
que les enfans et successeurs d\n voleur et nsurpaleur de Royaume, iels qu'ils pretendent
avoir este Ic susdit Hvgue Capet: y ont heaucoup moins le droit, que les enfans et
successeurs d'une ßlle legitime. En moniere quils ont de long tenips composc par en-
semhle un sohbriquet et mot <i jdaisir, par de.rision de ceux qu'ils disent estre dcsrendus
de la race de Hugue Capet, les appelans Huguenots ; enveloppans en une (eile contumelie,
71071 seulement ceux qui se ejforcent de maintenir le Jlorissnnt estat de ce Royaume.
mais aussi la personne du Roy nostre maistre^ Messeigneurs ses freres, et tous les
Princes du sang, ce que neantmoins ils veulent pour le present, et iusques ii ineilleure
opportunite, tellement insinuer aux cueurs ei oreilles tant de nostre peuple, que des nations
estranges, par la contumelie et scandale d'un tel mot en demeiire par cy apres un Heu
cu ils preicn/lent I'adresser', (S. 21 — 23).
248 ' Kurt Glaser.
lioyaume en proye et en pillage: et se saisir de la sainte Oouronne
de France: axi deshonneur du noni de Dieu et ä la ruine et
desolation de tous les subiects du Roy. Ce que nostre hon Dieu
par sa sainte inisencorde et clemence viieille bien tost empecher:
et nous donner o tous vertu et liardiesse de resister ä tani de maux,
et calamiiez qui nous sont prochaines, si Dieu par sa honte ny
donne remede."
Die ..^Complainie au peuple frangois-^ , die auf das „adver-
tissement-' folgt i-'j, fülirt die gleiche, Mißtrauen und Feindschaft
erweckende Sprache: „Peuple Frangois, VJieure est viaintenant venui':
tju'il faul montrer quelle foy et loyautS 7ious auons ä nostre hon
lloy. Uentreprinse est deconuertc: la conspiration est conneue: les
machinations de la maison de Guyse sont reuelces'". Aufforderungen
zur Treue gegen den König und Mahnrufe an das von den Guiseu
ausgebeutete, in seinen Rechten vergewaltigte und seinem Fürsten
entzogene Volk mischen sich mit harten Anklagen gegen die Guisen
und ihre Politik. „Z.cs ennemis du Roy chasscnt la nohlesse en
la mer pour estre viandc des poissons. lls suscitent les Anglois
ä faire nouuelle guerre, non pas contre le Roy, comme la R'iyne
d'Angleterre la proteste par son escrit imprime et diuulgue: mais
seulement ä Vencontre de leur ambitieuse tyrannie. lls rangonnent
le poure peuple de tailles, tributs et exactions intolerables. lls
possedent le Roy Treschrestien pour Vcmpecker d'entendre les ad-
vertisseinens qu'on iuy pourroit faire, lls amassent toutes les
jinances de France pour en payer les estrangers quils ont ä loage,
et Imsseni tonte la Gendarmerie, et Infanterie Frangoise sans
payer: et neantmoins sont si inipudens que de nous vouloir faire
cntendre, quHls fönt venir les estrangers pour la garde du Roy.
Ha poure nation Francoise! est-ee la Vestime que Von faxt de ta
fidelite? est-ce la la reputation que tu as acquise et maintenue
par si (ongtemps ä l'endroit de toutes les nations estrangeres,
d' estre si loyalle ä ton Prince? que il faille maintenant enuoyer
aax pais estranges, pour faire venir gens ä la defence et protection
de ton Roy'? Ei qu'est-ce qu^un Roy., sHl na des suiets qui le
gardent et defendentf Oa^ qui sont les suiets, s'ils ne gardent
leur Roy"^ 0 Dieu dement et debonnaire, est-ce maintenant quil
ie piaist venger le sang innocent espandu en ce Royaume'? Le
temps est il venu que les estrangers rauissent d''entre nos hras nos
poures enfans et masles et femelles, pour en abuser en tonte
rilainie et oj'dure? Fi que la Couronne soii transferee de ceux
que la maison de Guyse appelle Ilnguenots: comme estans descen-
dus de la race de llugue Capet, pour estre remise et restituee
(comme ils disent) ä ceux qui se renomment de Charlemagne?
Ou est ceiie sapience tant renommee des Fstats et Parlemens de
") S. 2')—2S (= Meias de Condc I. S. 404. 40.'>).
BeUräije zur Gescliichte der polif. Literatur Frankreiclis. 249
France, iiu'ils ne considei'ent la iustice de cette cause? . . . Que
■sl ccux qui sont en estat ou autoriie, soni tellement endormis par
les corrwpiions : ou effrayez par la cruaute d\m Cardinal, pour
le nioins que le jyoure peuple crie et se lamenie, et en troupe et
avsemblee de-femmes et petits enfans invoque si hautenient la bontc
et misericorde de Dien, que toute la terre connoisse la misere et
calamite d'une naiion, qui par estre irop fidelle et loyalle ä son
Frince, est oppnmee par la rage et ti/rannie de ses ennemis^'.
Eiue andere Schrift aus kalvinistischer Feder fülirt sich ein mit
dem langatmigen Titel: Response Chrestienne et deffensive sur aucuns
poincts calomnieux contenns en certaines Leitres envoy^es aux
Baillifs. Seneschaux, et Lieuienans du lioy; Par lesquelles Ic
Cardinal de Lorraine, et son Frere, avec leurs adht^rans, ennemis
morteh du genre Chi-estien^ traistres ä la Couronne, Tyrans et
Pyrates sus le peuple Fran^ois veident malicieusemeni et fausse-
■inent charger les Estats de France de rehellion, Confuration,
Conspiration. sedition, et autres crimes, desquelz le Ciel et la
Terre les congnoist, eux-viesmes estre infects et coulpahles (1560.
in: Mhis de Conde 1. S. 360—397).
Die Schrift, über deren Aufnahme bei den Guiscn De Thou-^'j
berichtet, erörtert das Thema der üblichen Anklagen gegen die Guisen
an Hand der „Lettres envoyees aux Baillifs, ou a leurs Lieutenans
daltees du dernier jour de Mars 1559 {== Idb'O) avant Pasques"",
die von dem uns unbekannt gebliebenen Autor der „Response Chres-
tienne'' als handgreifliche Beweise für ihre gegen die Autorität des
Königs und die Rechte des Landes gerichteten Bestrebungen
gedeutet werden. Mit unermüdlicher Dialektik wird scharf geschieden
zwischen den Absichten des Königs, mit dessen Namen die .^Lettres'"'
unterzeichnet sind, und den hinterlistigen Gedanken seiner Minister,
die das „beau cruel carnage faict ä Amboyse'"' auf dem Gewissen
haben und durch ihre Übergriffe freche Schmälerungen der bestehenden
Kechte bezwecken. Obwohl noch immer der religiöse Charakter der
Unternehmung von Amboise geleugnet wird, empfängt hier doch schon
zum ersten Mal der religiöse Standpunkt der Kalvinisten einen schärferen
Ausdruck: die lieinheit der neuen Lehre („nouvelle Boctriiie"-) und
die ihren Bekennern gebührenden Kechte (namentlich das nachmals
viel umstrittene Versammlungsrecht zu religiösen Zwecken) werden in
Schutz genommen, und ihre Absicht, die Kirche zu reformieren, als
berechtigt zugestanden und mit Nachdruck auf den zwisclien der
christlichen Kirche und der des Papstes {,^ceUe du Pape'') bestehenden
^''j nllts personnes inconnues la portereiU ii Paris ei a Uoueuy el trouverent
myijm d'en faire donner des Copies aux Parlementi de ccs deux Villes. Celui de Paria
en ayaiit fuil peu de cas, renvoi/a au Cardinal de Lorruine par tin I/uissier. Mais
le Parlemtnl de Rouen jugea ii jjrupos de deputer quelques Conseillers, pour la porter
^ut Roi, Les Guises craifjnant quu/ie teile deputoiion ne donnat de la reputation et
du cours au Libelle, el ne les rcndil plus odieu.i-, empicherent ces Maf/isirats de wir
le Roy, el hs rcnroi/erent". (Uistoire etc. Irad-fraiu;. 1734. III. S. -'»Ol).
250 Kmt Glaser.
Gegensatz hingewiesen. Mit Entfclnedenheit wird die aufrülirerisclie
Absiebt der Bekcnncr der neuen Lcbie in Abrede gestellt und das
Verlangen nach einer Entscbeiilung und Regelung der religiösen Streit-
frage durch den König ausgesprochen.
An Tiefe der Gedanken freilich lassen die Fhigschrifien mehr
zu wünschen übrig als an Kühnheit der Sprache. Die theoretische
Erörterung hält sich noch in bescheidenen Grenzen, und auch die
Polemik dringt noch niclit in ganzer Schärfe durch. Die Schriften,
so beredt sie ihre Anklagen get;en die Terliaßten Guisen zusammen-
fassen mögen, beschränken sich immerhin mehr auf eine mit Ausfällen
durchsetzte Veiteidigung und Rechtfertigung, als doß sie zu rück-
5ichts>losem Kampf und Angriff, zur ofl'enen Invektive, übersehen.
Satirische Züge fehlen ganz; nur vereinzelt lassen sich schwächliche
Ansätze dazu erkennen 21). Selbst die abenteuerliche Genealogie der
Guisen wird trotz allen Kopfsihüttelns immer noch mehr als eine
ernst zu nehmende Tatsache, denn als eine der Komik würdige Fabelei
behandelt, welche nach dem Vot bild Rabelais' zur satirischen Behandlung
hätte herausfordern müssen. Der unglücklicheAu-gangder Unternehmung
von Amboise lastete drückend auf der kalvinistischen Partei, welche sich
nicht einmal der Zustimmung und Billigung Kalvins rühmen konnte—).
Um so machtvoller und kühner ist die Sprache, welche eine
kleine als ,,Epistre envoyee au Tigre de la Fra^ice", oder kurzweg
als „Tigre de la France" bekannte Schrift gegen den verhaßten
Kardinal anschlägt. Die berühmte oder berüchtigte Streitsatire,
die erste weltlicher Natur aus kalvinistischem Lager, war lange Zeit nur
aus der Erwähnung der Legende de Charles, Cardijial de Lorraine -'■'),
-1) So, wenn die „Response Chrestienne'^ die bis ins Kleinste und
Kleinliche gehende Bevormundung und Überwachung des wie ein unmün-
diges Kind hehandelten Königs durch die Guisen kennzeichnet: „Qu'cst-ce
qui ignore quHl ne se manie, ciresso ne arresle cJiose teile qu'elle soii, que lout im
passe par la main de ceux de Guyse^ singvlierement du Cardinal? voire jusques c
attendre le com/e d'acliupter vne piece d'ouvi'n;/e de pierrerie^ d^or/evrerie, de hroderie,
de 3[onsieur le Cardinal: Qui en dernamhroil la, verite nux Marchands quifreqvenknt
la Cour^ et ils rosasseni dire je suis cer/ain qu'ils ne me dcmentiroi/ev.t pas" (Maus
■le Conde I. S. ;573. Ö74. vgl. auch S. 383).
2-) Vgl. Kalvin an Sturm unter dem ?3. November 1560 (Corpus Ref.
XVIIT nr. 3175) und an Coligny unter dem 16. April 1.561 (Corp. Ref. XVIII.
nr. 3374); s. auch Ranke. Franz. Gesch. \. S. 208. 248. Auch Coligny stand
der Verschwörung fern, s. Briintume, Hommes illustres, ed. Bücher, I. S. 447
und Martin, Historie de France IX. S. 3,'».
-■*) „La Legende de Charles, Cardinal de Lorraine^ et de ses freres. de la
viaison de Guise" Reims M. D. LXXVI. S 4ö r (= 21cms de Conde Vi. S. 44'-):
A ce lirre (nämlich du TilletS ,.Pour la viaiorite du roi')futfait nne :;iua 7'espon^e,
suyvie pvis apres de diuers aulres liureis en grand nomOre, pour lesquels fut fait fort
gran 'e recerche, iusques ii faire pendre Martin V Ilommet qui nuoit imprima le Tygre
de la France ou le Cardinal enlre ses autres freres estoii depaint de to'utes couleurs.
D^un costc le Cardinal faignoit d'e.sti-e bien ioyeu.c quon V immortalizoit ainsi, et de
Vautre il pratiquoit gens ajin de respondre a tels libelles qui descouuroyeni ses ruses,
et faisoyent desia .?« legende, immortalizans voirement les ordtire.f de luv et de toide
sa maison , . .
Beiträge zur Geschichte der jyolit. Literatur Frankreichs. 201
sowie aus den Angaben von Kegnier de la Planche ^^j^ jean de Serres^ä),
P>rant6me2»3), De Tliou-'-), Rieh. Dinoth28), Castelnau'^a), Maimbourg30;
und Baylc^') bekannt, deren Berichte die Schrift als eine kurze, im
Stil von Ciceros erster katilinarischer Rede gehaltene wuchtige
Invektive kennzeichneten und für eine genauere Würdigung ihres Inhalts
durch die Schilderung von der Wut des erzürnten Guisen und den
Bericht über die Hinrichtung des vermeintlichen Verlegers der Schrift,
Martin Lhoranio, und eines am Tage der Hinrichtung des letzteren
zufällig in Paris anwesenden Rouener Kaufmanns entschädigten, deren
beklaaenswertes Schicksal der Schritt eine traurige Berühmtheit vei'-
schafft bat. ,,^ Vencontre de tant de livrets puhliez contre CilU-
gitime gouvernenient de ceux de Guise'"', sagte Jean de Serres,
^Jean du Tillet, grefier de la cour du Parlement ä Paris, composa
im livre intitide: Ja Majorite du Roif . . . On lui fit plusieurs
response^ fermes et vehementes, ausguelles ni lui ni son frere,
evesqtie de Saint-ßriev. noserent repliquer, quoiqu'ils en fussent
mstamment sollicitez par le Cardinal, ponr le contenternent duqucl,
ä la sollicitation de nn certain conseiller nomine Du Lyon, lai
imprimeur de Paris, nommc Martin Lihom.met, fut jjendu et
estrangle j^our avoir mis cn lumiere xin livret intituU ,h Tygre',
tait contre ceux de Guise, Mesiiie traitement fut fait ci un notable
marchant de Ronen, qui, se trouvant ä texecntion, et voyant le
peuple esirangement anime contre VHomrnet, avoit exhorte. quelques-
nns ä se comporter ^/m.s viodestement. Ce fut un proces saus
forme ne figure, et pour contenter le Cardinal, comme Du Lyon
l'avoua depuis en une grande compagnie." Ebenso äußert sich
Brantöme: „7/ // ent force lihelles dijfamatoires contre ceux qui
gouvernoient alors le royaume; mais il riy eut aucun qui picquät
plus quune invective intitidee le Tigre (sur Vimitation de la -premiere
-^) IJisfoire de I'estat de France, tant de la RepuhJique que de lo. Jielü/ion:
Sous le Rcme de Franqois II. (M. D. LXXVI.) S. 38ö if.
^•') Rccueil des choses memorahles avenues cn France sous le regne de Henri II.,
Francoh II., Charles IX., Henri III. et Henri IV. 2e ed. M. D. XCVJII. S. 90.
-'•) Vie des dames (jalantes (Lfijde 16G6) II. S. 4G7.
-■') Hisioire etc., trad. fraiic. (Londros 17;)4) III. S. r)12.
'^) liichardi Ihnothi .Yornwnni Coasiintinatis Belh Clcili Galileo IleU<iionlf
causa suscepto. Lib. VI. (Basüeae M. D. XXCII). II. S. 74: „Odium autem eins
religionis causa in Reformalos concepium non Icuiter auxit quorundam insoleniia, qid
ut mulifbris ims inanihus verbis vlcisci, atque illius minas prornus contemnere vidtrentur^
aut (ut leuium hnmintim infjeninm eH) dicaces apud suo.t haherentur, Guysanum ducem
tigridem, C'ardinaleii mar/num marsupiiim (quo nomi?ie pecuniosum et auarum designahant)
norum matrein lupain, ut quae ludos pro^enuerat, nominnbant.'''
-^) Menioircs, 1G2I (in-4") S. 81 : .,Sjir quo// Ton print nn imprimeur qui avoit
imprime un petit livre intiluti; „La Tigre''', dont rauteiir prrfiume, e> vn marchand,
furetit pendus pour ceste catise.^'
"*") Histoire du Calrinisme S. MA fi'., cit, von Bavle. Dict. last, et crit. ')^
ed. III. S. 179, Anm.-II.
•'') BavlP, Dict. hi.<<t. I.e. — vgl. auch Lelong, Bibliothique historiquc. II.
S. 23.'), nv. 1778.-).
'2Iy2 Kurt Glaser.
iuoective de Ciceron contre Catüina), d'autant quelle parloü des
ainours d^une treu grande et helle Dame et d'un Grand son
proche: si le galant auteur eüt este apprehende, quand il eüt
eu cent mil vies, il les eilt toulcs perdues: cur et le Grand^ et
la Grande en furent si estomaquez, quils en cuidi^rent dhesperer."
Am ausführlichsten ist der Bericht von Eegnier de la Planche:
.,Nous avons dit que la cour de parlement faisoit de grandes
perquisitions ä Vencontre de ceux qui irnprimoyent ou exposoyent
en vente les escrits que Von senioyt contre ceux de Guise. En
quoy quelques jours se passcrent si accortenieni qiiils sceurent
enfin qui auoit imprime un certain Huret fort aigre intituU le
Tygre. Vn conseiller nomrnc du Lyon en eust la charge, quHl
accepta fort volontiers, pour la promesse d'un estat de president
au parlement de JBourdeaux, duquel il pourroit tirer deniers, si
hon luy semhloit. Ayant donc mis gens apres, on trouua
Vimprimeur nomme Martin VHommet qui cn estoit saisi. Enquis
qui le luy auoit haillc, il respond que cest un komme inconnu,
et finalement en accuse plusieurs de Vavoir veu et leu, contre
lesquels poursuites fusrent faites, mais ils le gagncrcnt au pied.
Ai7isi quon inenoit pcndre cest imprimeur, il se trouua un
marchant de Mouen, moyetinement riche et de honne apparence,
lequel voyant le peuple de Paris estre fort anime contre ce patient,
leur dit seulement, et quoi, mes amis, ne suffit-il pas qiiil
ineuref Laissez faire le hourreau. Le voidez-vous dauaniagc
tourmenter que sa sentence ne porte? (Or ne savait-ll pourquoy
ou le faisoit mourir, et descendoit encor de cheual ä itne hostellerie
prochaine) A ceste parole quelques prestres s'attachent ä lui,
fajjpellant IJuguenot et compagnon de cest homine, et ne fust ceste
question plustost esmeue que le peuple se iette sur sa malette et
le hat outrageusement. Sur ce hruit ceux qu'on nomine la iusticc
approchent. et pour le rafreschir Ic meinent imsonnier en lu
conciergerie du palais, ou il ne fut plustost arrivc que du Lyon
Vinterrogue sommairement sur le fait du Tygre, et des propoä
par luy tenus au peuple. Ce pauuj^e marchant ime de sauoir
que c^estoit ne Vauoir iamais veu, ni ouy parier de niessieurs de
Guise: dit quHl est marchant qui se niesle seulement de ses affaires.
Et quant aux propos par luy tenus, ils nauoyent du offenser aucun.
Car meu de pitie et compassion de voir mener au supplice un
komme (lequel toutesfois il ne reconnoissoit et ti auoit iamais veu) et
voyant que le peuple le vouloit oster des inains du hourreau pour
le faire mourir plus cruellement, il auoit seulement dit quHls
laissasseni Jaire au hourreau son ofjice, et que la-dessus il a estc
iniurie par des gens de robhe longue, pilÜ. vole et outragc par
le peuple, et mene prisonnier ignominieusement, sans avoir iamais
mejfait ne mesdit ä aucun, requerant ä ceste fin quon enquist de
.^'5 vie et conuersation. et quHl se soumctioit au iugement de tou
Beiträge zur Geschichte der pol it. Literatur Frankreichs. 'i5ö
le monde. Du Lyon sans autre forme et figiire de procez^ fait
son rapport ä la cour et au,t iuges deUgiiez par icelle, qui le
condamnent ä estre pendu et estrangU en la place Maubert, et au
lieu mesme ou auoit este attachc cest imprimeur. Quelques iours
apres, du Lyon se trouvant ä soupper en quelque grande compagnie,
se mit ä pkiisanter de ce pauvre marchant. On lui remonstra
Viniquite du iugement par ses propos mesmes. Que votdez-vousf
dit-il, il faloit hien contenter monsietir le cardinal de quelque
chose, puis que nons nnvons peu prendre Vautheur; car antrement
il ne nous cust iamais donn^ relasche.'''' Die sofort nach ihrer
Veröffentlichung im Auftrag des erzürnten Guise unterdrüclvtc und
seitdem zu einer bibliophilischen Kuriosität gewordene Schrift selbst
wurde zuerst im Jahre 1834 von Louis Paris in dem Büchermagazin
Techeners wieder aufgefundenes) und noch in demselben Jahr von
Charles Nodier in einem Artikel des Bulletin du Bibliophile für
seine Ausführungen über die Preßfreiheit vor Ludwig XIV.S'!) verwertet.
Duplessis hat den ursprünglichen ,, Tigre'' in einer handschriftlich
vorhandenen versifizierten Satire unter dem Titel „Xe Tygre. Satyre
sur les gestes memorahlefi des Guisards, 1561" (s. u.") wieder-
erkennen und in der von Paris aufgefundenen Prosafassung ein
Pasticcio der ursprünglichen Verssatire erblicken wollen 34). Dem-
gegenüber hat Xodier^'») Duplessis' Ansicht mit guten Argumenten
bekämpft und den Nachweis erbracht, daß der ursprüngliche „ Tigre''
in Prosafassung erschienen sein müsse und die von Duplessis heran-
gezogene versitizierte Redaktion nichts anderes als eine Ableitung
und Umdichtung aus jener darstelle.
Über die Zeit der Veröffentlichung der Schrift, weiche Nodier,
Bull, du bibliophile IV® serie S, 873 und 875, in das Jahr 1559
verlegte, ist durch das von Taillandier'^6) beigebrachte Aktenmaterial
neues Licht verbreitet werden. Taillandier hat auf Grund der in
den Registern des Pariser Parlaments aufbewahrten Gerichtsakte gegen
..Mariin Lhomme, maitre imprimeur, demeurant en cette ville de
32) Ygi_ Louis Paris' eigenen Bericht: ,r« pamphlel an A'F/« siixle"
in: La, Chrom'que de Champagne. (Reims IS"?) S. IGl — 173; besonders S. 171.
Das einzige durch Paris gerettete Exemplar befindet sich jetzt auf der
Nationalbibliothelr. Res. L-^V.^^- Eine Ausgabe besorgte Ch. Read, Paris 1875.
") ..De In Uhertii de In presse avant Louis XIV; n propos d^un pe/it /irre
intHule'. „Au tir/re de In Fj-ance" (Bulletin, du hihliophile, Ire serie. Paris 1834).
■") Einen Abdruck des versifizierten Tigre besorgte Duplessis, Douai
1842 (pet. in-8'\ lo S. S. 2.') Exemplare), Neudruck Stralsburg 1351 (in-S«.
18 S. S. <iO Exemplare); vgl. Read in seiner Ausgabe des Tsj/rc (Paris 1875)
S. 67 ff. Bereits Laboureur in den Additions nu.c Mhnoires de Michel de C'a.i(elnmi
1 (1731) S. 3!)7, 398 citierte eine Anzahl Verse des Tigro. Zwei mir bekannt
gewoideno Handschriften mit der versifizierten Fassung befinden sich auf
fler Nationalbibl. Fonds fr. nr. 2339, f. 1—8 und nr. 13764, f. 20— 25r.
^■') „Le Tiqre'' in: Bulletin du bibliophile^ IV' Serie, n"lft (Paris 1841)
S. ^72— 87G.
^'^) Quelf]ue!> mofe st/r le Tigre. Paris 1842.
i!äl Kurt (ilaser.
Pari^, rue du Murier, pres la nie Saint- Victor, aux trois niarche<^
de degrc, naiif de Rouen, prisonnier es prisons de la Consiergerye
da palais ä Paris" als Tag der Verhaftung des unglücklichen Buch-
liruckers den 23. Juni 1560 und als Tag si^iner Hinrichtung den
lö. Juli 1560 festgestellt. Weiter hat Taillandicr wahrscheinlich
gemacht, daß der „Tigre" .,vers le mois d'avril 15G0-' , also nach
der Verschwörung von Amboise entstanden ist und hat zur Begründung
auf die Tatsache hingewiesen, das gerade Ende April das Pariser
Parlament zu einer wichtigen Sitzung zusammentrat, ,,pour prendre
les mesures convenahles pour decouvrir les iniprimeurs de iibelles,
pour reprimer ceux qxd faisoient metier de les etablir et distribuer.
pour riduire sous la dipendance des viitgt-ipiatre libraires-jures,
les nouveaux imprimeurs qui s'eiaieut ctablis comine crees par le
roi, sans (tre obliges de preter serment ä l-universite" (Crevier,
Histoire de Viirdversite de Paris. VI. S. 82).
Mit der Frage nach dem Druckort der Schrift, welche Nodier,3^)
Dareste 3fe) und Schmidt 3i') zu Gunsten von Straßburg entschieden
haben, steht die Frage der Verfasserschaft der Schrift in engstei-
Berührung. Das fast einstimmige Urteil der Forscher geht dahin,
daß kein Geringerer als Fran^ois Hotraan der Autor des „Tigre""
sei. Den ersten Hinweis auf Hotmans Verfasserschaft verdanken
wir Bayle, Biet. last, et crit., b^ ed. IH. S. 180, Anm. J (Artikel
.Muise'*) und S. 415 (Artikel „Hotman"), der sich auf eine Stelle
in einem Brief Baudouins an Kalvin berief, welche Hotman als Ver-
fasser des ^Tigre" bezeichnete: ^Nonne ille (nämlich Hotman) est
qui superioribus aimis in Germania pinxit sive suiim si tuum
(d. h. Kalvins) tiimultum Arnbosianum, et Tigrim peperit, et ejus
generis fornmlas quotidie concipit novus inagister libellorwn, non
(ut jaciabat) siipplicum sed famosoriünf'' (Fr. Balduini Responsio
altera ad J. Calvinum, Paris 1562, S. 181. 18'2). Baudouins Be-
hauptung, die als eine der Denunziation verdächtige Äußerung eines
Feindes von Hotmnn immerhin mit Vorsicht und Rückhalt auf/.unehmen
ist, veranlaßte Nolier, De la libertc de la presse (s. o.) S. 11, zu
der Erörterung: „La meme inexactitude existe encore sur Vauteur
de Vouvrage qui a eu . . . d'excellentes raisons pour ne pas se
faire connottre. Bayle, qui ne parolt pas avoir vu ce rarissime
libelle, Vattribue ä Francois Hotman, et sHl Vavoit vu, il auroit
insiste sans doute avec une conviction mieux Stablie sur sa conjecture,
car je ne crains pas de dire quil i-Cy avoit peid-Hre que Francois
"-'•) l. c. S. 11. 12.
•■^5) Essai sur Fr. Hotman (S. 0.) S. 6. 42. -t.J.
39) Bull, du bilUnphile 1850, S. 773. 774. — Zu beachten ist, dafs Franz
von Guise am 6. Juli l.')Hl uerade gegen die in Straf>burg veröffentlichten
SchmähscbriftPn bei dorn Magistrat dieser Stadt Beschwerde erhob, s.
l^entzinger, Documents histoiiqites rdatiß ii Vhistoire de France, tiri's des arcMve.^
'h Strasbourg I. ÜSIS) S. 49.
JJeiträge zur Geschichte der polit. Literatur /Frankreichs. 255
Hotnian alors qui füt cajmhle de s'elever dans noire langue aux
hauteurs de cctte vehemente iloquence. La se trouvent, et presq^ie
pour la premiere fois^ quelques- unes de ces magnifiques tourmiref<
oratoires qxiun genie inventeur pouvoit seid dcroher d'avance au
genie de Corneille, de ßossuet et de Miraheau ..." Wührend
Labittc, De la dcmocratie chez les predicateurs de la Ligue (Paris
1841) S. LH und Dareste, Essai sur Fr. Botmann (Paris 1850) S. 45,
derMeiniujgNodiers beipflichteten, äußerte sicliDupont, ^Yelcher in seiner
„Histoire de Vimprimerie^- (Pai'is 1854) I. S. 203 der Schrift und ihres
Verfassers gedachte, in ablehnendem Sinne. Der endgültige Beweis für
Hotmans Verfasserschaft wurde erst von Ch. Schmidt, Bull, du bibliophile
(1850) S. 773. 774 erbraclit. Schmidt wies hin auf eine Stelle eines
Pamphlets aus dem Jahre 1562 „Religionis et Regis adversus e.ritiosas
Calvini, Bezae et Oltomani conjuratoruin factiones Defensio prima,
ad Senaticm Populumque Parisiensem'-' ,^''^) welche auf Hotmans Ver-
fasserschaft des ,, Tigre"" an-pielte, sowie auf einen Brief Sturms an
Hotman aus dem Juni 15G2, in welchen sich Sturm vor seinem ehe-
}naligen Freunde gegen den Vorwurf des Verrats an der Sache der
Verschwörer von Amboise mit den Worten rechtfertigt: ,,Ex hoc
genere . Tygris' immanis illa hellua quam tu hie contra cardinalis
existimatwneni diintlgari curasti, itnprudente magistratu nostro,
qua in audacia., quid te stultius aut impium magis? cum fratrem
Joanneni Hottomannum habeas apud cardinalem I^othai'ingae
quaesiorem, tu , Tygrim' divulgare audes et fratrem tuum certissimo
exitio objicerc .^ " ^ i^
Es ist schwer, sich dem Gewicht dieser Argumente zu entziehen
und der von Ehinger^^) im "Widerspruch mit der allgemein anerkannten
Meinung geäußerten Anschauung beizustimmen, daß die Autorschaft
Hutmans „ungeachtet gewisser Vermutnugsgründe nicht als erwiesene
Tatsache gelten" könne. ^3)
*'^) S. 17 B: .„nie te, OUomane^ excuiere incipio. Scis enim tx cujus officina
.'/iyris'' prodiit, Über cerle tigride parente^ id est homine barbaro, impuro, impio,
intjrato, malerolo, maledico dtgntssimus. Tu te isliiis libel/i auctorem. i;(neris Francici
propugnatorem, caedis bonorum machinatorem audes venrlitare?'' In der französischen
Fassung der Schrift (Defense premiere de la reliyion et du roi contre les perni-
cieuses factions et entreprises de Calvin, Beze et untres leurs complices, conj'itres et
rebelies. A la cour de parlcment et au peuple de Paris, par J.-V. do Saint-Amour.
Paris 1562) lautet die entsprechende Stelle: ..Jc>j, Othman, ie commeuce a parier
purticulierement a toy : Car tu scais de quelle boutique est party ce Tiyre, Hure certes
tres digne d'un pere Tigre, r^est adire driin homme plus barbare, cruel. ingrat ineschant,
et mescongnoissant Dieu qua le plus ßer et inhumaln Jigre d'Hirsamie. Et tu (oses
■venter auteur de, ce libelle diffamaloire, ennemy mortel da sang de France, conspirateur
de la mort de toutes gens de bien, qui y vivenf'?''^ (S. oO r.)
^^) Vgl. aucli Daredte Bibl. de Vecole des chart.es 1804, S. ."60—374.
*^) Franz llutmann, ein französischer Gelehrter, Stantsviann und Publicist des
XV' J. Jahrhunderts. S. 19. (in: Beiträge zur vaterländischen Geschichte, herausg.
von der histor. und antiq. Gesellschaft zu Basel. XIV. 1892).
*^) Für Hotmans Verfasserschaft sprechen sich noch aus die beiden
Brüder Haag, La France prot.^ V. S. 528. 532; Lenient S. 289; Dareste,
256 Kvrt Glaser.
Mehr als alle undoreii Flugscliriftcii jcuci' Tage cnitaltet der
., T/.gre" eine Leidenschaftlichkeit der Sprache und Gewandtheit und
Wucht der Tnvektive und Satire, welche die Feder eines verwegenen,
von Erregung und Haß überschäumenden Geistes erkennen läßt.
..L'Epitre au Tigre de la France'-', so charakterisiert ihr Entdecker,
L. Paris, Un pamphlet au XVl^ siede (in: „La Chronigue d*-
Champagne^'- I. 1837) S. 166 die Schrift, „est mi rhef d'amvre
d' Indignation, de fureur et de male cloquence . . . le style en est
passionne, brülant, cchevelS; Vironie en est cruelle et sanglante; le
reproche, horrible et fcroce: chaque mot^ le coup de poignard qul
Messe; chaque phrase. le coup de massue qui terrasse."" In oinoni
wahren Ausbruch von Wut und Haß fällt der Verfasser über den
Kardinal her, den er in den oft zitierten Eingangsworten mit der
wuchtigen Apostrophe anfährt: ..Tigre enrage, Vipere venimetise,
Sepulcre d'abomination, spectacle de malheur: iusques ä qicand
sera ce quc tu abuseras de la ieunesse de nostre Roi/? ne mdtras
tu iamais /in ä ton ambition demesuree, ä tes impostures, ä tes
larcins? Ne vois tu jms quc taut le monde les scait, les entend,
les congnoist? Qui pence tu qui Ignore ton detestable desseing.
et qui ne lise en ton visage le malheur de tous tes iours. la ruine
de ce Royaume, et la mort de Roy'?'" In diesem kurzen und knappen
Stil echt ciceronianischer Apostrophe geht es weiter her über den
Kardinal, dem die schier unerschöpfliche Fülle seiner Schandtaten
und die kleinen und kleinsten Künste und Schliche seiner falschen
und eigennützigen Politik vor Augen gehalten werden, von seiner
niedrigen Buhlerei um die Gunst und Huld von Heinrichs IL Maitresse,
Diana von Poitiers, bis zu den allein zur Vergrößerung der eigenen
Macht ins Werk gesetzten endlosen kriegerischen Unternehmungen,
namentlich der berüchtigten Expedition nach Italien, welche dem
Lande nichts als Verlu-t über Verlust gebracht, ohne den unruhigen
and rastlosen Ehrgeiz des Guiseu zu sättigen. Mit der in wuchtigen
Sätzen einherschreitenden Invektive, welche Tatsache auf Tatsache,
Vorwurf auf Vorwurf häuft, wechselt die spöttelnde Ironie, mit welcher
dem Guisen ein sich bis auf die delikatesten Einzelheiten seines
schändlichen Privatlebens erstreckendes Sündenregister vorgehalten
wird. „N'as tu. pas faif ung voyage a Rome, et deuer-^ tous les
Francois Hotman et Ja conjuraiion iPAmboise. in: ilib/. de Trcolc des charks 18')-!-.
S. 360 — 374. Francois Hotinann Sa ric et sa, correspomlance. in : Rente historiqta.
1876. S. 24. 25. und Schmidt, La rie et les trareavx de Jean Sturm. 185"}. S. 130.
131. ferner Baird, Tlistory of the risc nf Ihc Hngnenois nf France I (1879) 8. 44fi.
A. Tiliey, The Englhh äistorical Review XIV (1899) S 452 und The LUeralurc
of the Frtnch Renaissance 1904. II. S. 229. Mealy S. 87. 88. Elkan, A. T)!'
Ptihlizistil: der Bartholomäusnacht und Mornays Vtndiciae contra. Tfp'anK(k'. Heido!-
berg 1905. S. 20. Read in seiner Ausgabe des Ti//r>>. (Paris 1875 1, vgl. auc>!
Read, Notice sur un pamphlet politiquc du XVI' siicle in: Anmiaii-e-lmUetin de l<i
fociefc de Phistoire de France. 1868. S. KU— 137. Weniger entschieden Pinvert,
Jacques Grevin (1898) S. 38.
Beiträge zur Geschichte der jjolif. Literatur Frankreichs. 257
potentas d'ltalie, parmy les neiges et les glaces, ari plus grand
froid de Vi/uer? pour faire la guerre ä Naples, lors que les afaires
etoyent plus bouillans par deca entre V Emperexir Charles, le grand
guerroier, et le feu Roy Henryk Tu scauois hien que nos forces
unies luy pouuoyait hien resister? et tu les as voulu separer et
diuiser au milieu du p)lus grand danger, mais Von aperceut ta
malice et mechancete : car outre ce que tu Jus desauoue par le
ßu Roy, la Tresue fut arrestee sans attendre ton retour. Mais
'dy moy braue negociateur, (la diligence duquel ponr faire une
mcchancete n'est point retarde par neiges, par les glaces des Alpes^
ny de V Ap>enyn), as tu iamais fait demonsiratiun de vouloir la
Pai.v"? .... Mais que me respondras tu, quand ie te diray
qu'encores que le voyage de JSap)les fut une foys rompu, tu fis
tant par tes irnpostures^ que soubs Vamitie fardee d'un Rap>e
dissimulateur, ton frere aisnc fut fait chef de toute l'armee du
Roy, pour s'en seruir d se faire Roy luy mesmes^ ei si le Pape
fut mort ä te faire Pape. Quand ie te diray que pour auoir
diminuS la France de ses forces, tu as fait perdre au feu Roy
une bataille, et la ville de sainct Quenti?i. Quand ie te diray que
pour rornpre la force de la Justice de France, et pour auoir Les
iuges corrompus et semhlables ä toy, tu as introdidct ang semestre
ä la court de Parlement. Quand ie te diray que tu as fait venir
le feu Roy pour te seruir de ministre ä ta mechancete et impiete.
Quand ie te diray que les fautes des ßnances de France ne viennent
que de tes larcins. Quand ie te diray qxüung mary est plus
continent avec sa femnie que tu n'es avec tes propres parentes.
Si ie te dy encores que tu fes empare du gouvernement de la
France, et as desrobe cest honiieur aux Princes du sang, pour
mettre la couronne de France en ta maison: que pourras tu res-
pondre? Kii tu le confesses, te faut pendre et estrangler: si tu
le nye, ie te conuaincray Ta fais mourir ceiux qui conspirent
contre toy, et tu vis encores qui as conspire contre la couronne
de France, contre les biens des vefues et des orfelins, contre le
sang des tristes et des innocens .... T%i dis que ceux qui re-
prengnent les vices, medisent du Roy: tu veux doncques qu'on
t'estime Roy. Si Caesar fut occi pour auoir pretendu le Septre
ininstement, doit on jjermettre que tu viues toy qui le demandes
iniusteinenV^ Mais pourquoy dy ie cecy, afin que tu te corriges.
Je congnois ta ieunesse si enuiellie en son obstination, et tes meurs
si desprauez, que le redt de tes vices ne te scauroyent esmouuoir.
Tu n^es point de ceux lä que la honte de Icur vilainie, ny le
remors de leurs damnables intentions, puisse altirer d aucune
resipiscence et amendement. Mais si tu me veux croyre, tu Cen
iras cacher en quelque tanniere, ou hien en quelque desert si
loingtain, que Von noye ny vent ny nouuelles de toy Ft par ce
moyen tu pourras euiter la poincte de cent mille espees qui fattendent
Ztsclir. f. frz. Spr. ii. Utt. XXXII'. 17
258 Kurt Glaser.
tous les iours. Doiiques va ien, descharge nous de ta tyrannie,
euites la main du bourreau, qu attens tu encores"^ Ne vois tu
pas la patience des Princes du sang Roial qui te le permet'?
attens tu le commandement de leur parolle, puis que le silence t'a
declare leur voluntS en le souJf'^a7itf ils te le commandent, en se
taisant, ils te condamnent. Va doncqnes malheureux, et tu esuiteras
la punition digne de tes merites.^^)
Dank der Behendigkeit und Rücksiciitslosigkeit, mit welcher
der erzürnte Kardinal die verwegene Schrift sofort bei ihrem Er-
scheinen unterdrückte, hat der ^ Tigre" nicht diejenige Wirkung auf
die Öffentlichkeit und auf die Entwicklung der politischen Literatur
auszuüben vermocht, welche mau in der stürmischen Erregung jener
Tage, und mehr noch in dem Kriegsgetümmel der folgenden Jahre, von
der Leidenschaft und Wucht seiner luvektive hätte erwarten dürfen.
Über die Aufnahme und Verbreitung der Schrift in der Öffentlichkeit
wird uns nichts berichtet; es erscheint auch zweifelhaft, ob alle die
Gewährsmänner, und selbst Bajie, welche uns die Kunde von der
Schrift überliefert, die Schrift selbst jemals zu Gesicht bekommen
haben. Allein das Mißveihältnis zwischen der Ausführlichkeit, mit
welcher die genannten Historiker von so vielen Begleitumständen
berichten, und den Angaben, welche sie über den Inhalt der Schrift
selbst zu machen wissen, läßt das zur Genüge erkennen: die einzige
bestimmte Notiz ist der Hinweis Brantome's, daß der „Tigre'' ..par-
loit des amours d'une tres grande et belle Dame et d'un Grand
son proche'\ Daß die Schrift indessen bei ihrem Erscheinen nicht
unbekannt geblieben ist, beweist außer den Erwälmungen Baudouins,
Sturms und der Flugschrift von 1562 die noch voihandene versifizierte
Fassung des Tigre, welche kurz nach dem Prosatigre entstanden ist-*^)
und sich zu eng an jenen anlehnt, als daß man an eine von der
Prosafassung unal)liängiüe Verarbeitung dessell)en Stoffes denken könnte.
Im kalvinistischen Lager wird man Mittel und Wege genug au-findig ge-
macht haben, um sich trotz det Wachsamkeit der guisischen Späher
Kenntnis von der verbotenen Schrift zu verschaffen. Und tatsächlich
läßt sich, ganz abgesehen von der hinfort mehrfach auftauchenden Be-
zeichnung des Guise als „tigre'' ^^) und seines Geschlechts als „race de
**) Dpm „Tigre"' zur Seite stellt sich ein anderes „pamphlet en prose
et en fers", welches mir nur aus der Erwähnung von Bruuet II. S. 196 be-
kannt geworden ist, die ^Gomplainte a tous Jes e.itntz de France cruellement
brigandcs et lyrannises par les rrue/s bourreaii.r et snngui'iaires 1p cardiiinl de Lorraine.,
et son frere de Giiyse, deux hriyans non seidenent de an-ps ei bien^ mois (qui est plus
lamentable) des pciuvres nmes. in-H. d" 15 tf. Nach Brunet gegen 15ti2 gedruckt.
^^J Nach Angabe von Ms. 2339, f. 1 und Ms. 13764, f. 25r. im Jahre
1561, vgl. auch Diiplessis /. c.
*®) „Chanson spirituelle du siede (Vor avenu''^ (l.)62) Vers 5 :
y.,Fran<;ois, esjouissons nous tous,
„Puisque celuij cjuest la peste,
fUn t)/(jre au niUHeu de nous,
„Se rend confus baissant la teste.
Beiträge zu?' Geschichte der polit. Literatur Frankreichs. 259
Tigres"-' 47j^ eine Bekanntschaft des „ Tigre"^ aus Anklängen feststellen
wolche sich in der politischen Literatur jener Tage an einzelne dem
„Tigre" eigentümliche Stellen finden. Am deutlichsten ist die Ähnlichkeit
in den beiden folgenden Poesien, welche ich dem Anfang des versifizierten
Tigre gegenüberstelle.
Tigre, Ms. 2339, f. l. = Ms. 13764, f. 20.
„Mechant diahle acharne, Sepulchre abominahle
..Spectacle de Malheur, vipere Epouuentable,
^Monstre, Tygre Enrage, Jusqua quand par iorj,
„Verrons nous Ahuser le ieune aage du roy.
,,Ne cesseront jamais tes lourdes impostures.
,^Montreras tu touiours Tes Vilaines ordures,
^^Jamais Traitre Voleur, ne mettras iti fiii,
„j4 ta hriganderie^ et a tant de larrecins:
„Que tu fais dans ce regne, 6 malheureux achrisle,
„Epicure deux fois, et trois fois atheiste,
„Incestueiuv vilain, Ennemy de vertu,
„Bourreau de notre peuple, ores que penses Tu,
„Qui tes desseins nentend, et nayt bien connaissance
„De l'euident peril, que Tu promets la France,
„Du danger de la mort que nous voyons prochain,
,,Sur la. Tete du roy, Si dieu ny met Sa Main etc.
Ms. 22 560, f. 19
„Loup rauissant, Tygre irop inhumain,
.^Enfle d'orgueil, et de cent malefice,
„ Cessera point ta rauissante main
„A fourraiger la France, ta nourrice?
„Rega7'de ä toy et au futur sxippiice,
„Dond tu ne peux mdlement eschapper:
„Je te voy ia traisner, Her, hajyper.
„Ne crains-tu point, estant dessus Veschelle
yiAttens Uli peu: an te vient attraper.
„Eenfer aiissi est tout prest, qui fappelle.'"
Ms. 22 560 f. 17.
„I'aulse vipere, Aspic pernicieux,
„Qui en ayant au Diable ton seruice
„Plus nest le temps que ton s'arresle
„Par crainle Jaire son devoii-]
„Ains que louer Dieu Pon s'aitresic
y,Puisque las est inis son poucoir" . (Bordier S. 234. Reo.
^ III. S. 272). „Ce f/rand Tigre inhumain, ce monstre incesfneux !''■ wird der
Kardinal genannt in der „Seconde Response de F. de la Baronie ä Messire Pierre
dt Ronsard'', vgl. Bull. 1888, S. 649.
*') „Ädvertissemenl a. la Royne Mere du Roy etc." 1502: „Et quelque belle
mine quils facent au Roy de Navarre, aulant pensent-ils de luy, qui devoit rerjarder
le naturel de ceste rnce de Ti'jres . . ," (Mcms de Conde III. S. 367).
17*
260 Kurt Glaser.
„Du ioui noue, nas rien (jue l' Auarice,
.^Loup enraige, Renard avibitietix,
„Boiic, mais de tous le plus incesineux
„Älogtieiir de Dien, magazin de nialice,
.^Oii sa derniere espreiiue fait le vice^
„ Tygre affainc du sang des vertueux;
„Monstre hydeux, infect, insaiiohle,
„Sans foy^ sans loy, sans honte, abominäble,
„Fleau des Chrestiens, contraire ä verite,
„Qu''attends-tu plus? Ne voys-tn la tempesie,
.^Qui ia des ja foudroye sur ia teste,
.^JEt contre toy Dieu tres fort irritc-".
Mit der maßlosen Invektive des „ Tigre"- steht die packende
Wirkung der Polemik uml die zündende Wärme der Sprache, zu
welcher sich die .^Siipptication et remonsirancc adressee au Rou
de Navarre et autres Princes du Sang de France, poiir la deli-
vrance du Roy et du Royaume'^^^) im Dienste der kalvinistischen
Sache erhebt, in eigentümlichem Gegensatz. Regnier de laPlanchehatdie
„Supplication'-' in seiner Histoire de Vestat de France sous
Franfois II (1576. S. 406— 474.) 4^) überliefert, sodaß man dem
protestantischen Historiker selbst die Autorschaft der Schrift hat zu-
schreiben wollen. 50) Nicht die Maßlosigkeit und Gehässigkeit leiden-
schaftlicher Ergüsse, von welchen der „ Tigre'-' überschäumt, verleiht der
,^Supplication" ihre Wirkung, sondern die Kraft und Wucht der Sprache
und die Festigkeit der Gesinnung, mit welcher die Schrift die Führer der
kalvinistischen Partei zu mannhaftem Eintreten für ihre durch den un-
glücklichen Ausgang des Aufruhrs von Amboise noch nicht verlorene
Sache und zum Widerstand gegen die Übergriffe der Guisen ermutigt.
„Maintenajit donc comhien quil ?i'ait pleu ä Dien (usant de ses
secrets et inscrutahles Jugemens, et ä hon droict courrouce contre
HOS fautes et peehez) favoriser une teile entreprinse, toutesfois
tant s''en faut que pour cela nous soyons prests ä noiis souhmettre
au joug des Fslrangers du tout insupportahles, ou que nous perdions
courage : quau contraire cela nous a comme resveillez pour avoir
honte dl' nous-mesmes, et pour vous esveiller aussi, Tres-illustres
et magnaniines Princes Franfois, ä ce que ne sovffriez que cest
ancien hontieur de la Maison de France^ souhs la protection de
loquelle jusques ici la suhjection 7ions a estr plus agrcable, que
tonte la liberte de plusieurs autres A^aiions, ne vous soit ravie
d'entre les mains par les Estrangers : et que nons de nostre pari,
qui ne scaurions trouver rien plus amer que l'outraqe quon vous
^') Acheve (l'imprimer I'an de graca 15(J0. in-4".
*^) Auch in Mems de Condc I. S. 490—528. Vgl. dazu Leloiig, Bibl. hisi.
II. S. 234, nr. .7 769.
5'^> Mealy, Les Pullichles de la Riionne (1903) S. 93.
Beiträge zur Gese/nchie de?' polit. Literatur Frankreichs. 261
faict, ne soyons en proye ä ces malheureux Cadets d''une Maison
estrangere, qid ne vivent aujourd'huij en la Grandeur en laquelle
ils se sont eslevez, sinon de la moelle quHls ont tiree de nos povres
OS, et du sang quils ont succS de nos veines.'' 5i) Statt sich mit
der Wiederlioliuig der in den kalvinistischeu Flugschriften jeuer Tage
immer und immer wiederkehrenden Anklagen gegen die gewaltigen Macht-
haber und mit derüblichenVerteidi'jung der eigenen Sache und ihres Rechts
zu begnügen, unterzieht die ,,SuppUcation'' die Handlungen der
Guisen einer sich bis ins Einzelne erstreckenden selbständigen Kritik,
welche die Rechtlosigkeit und Staatsgefährlichkeit ihrer Machtan-
sprüche durch eine auf historische Tatsachen gestützte Beweisführung
erhärten soll. Mit aller wünschenswerten Ausführlichkeit wird den
Guisen der Nachweis geliefert, daß sie die bestehenden Thronfolge-
gesetze und die Rechte der Stände verletzt und als Fremde im Staate
keinen Anspruch auf Einfluß und Macht erheben können; selbst die
unleugbaren Verdienste, welche sie sich um den Staat erworben,
werden ihnen abgesprochen und mit einer schier endlosen Liste von
Sünden und Übergriffen aller Art beantwortet. Aber dies alles nicht im
Tone zügelloser Erregung, sondern in lang ausge^-ponnenen, mit logischer
Schärfe durchgeführten Erörterungen, unterbrochen von wuchtigen
Apostrophen, in welchen sich der Haß gegen die gefürchteten Macht-
haber Bahn bricht. „ Cent toy^ Cardinal., qui noiis as dornte ton
frere pour second Roy sous ombre de Lieutenant Ghieral, laquelle
ignominie et servitude il faut que tu saches que jamais la France
nouhliera. C'est ä toy que ce Royaume demande son Roy avec
31essieurs ses Freres et la Royne Alere que tu nous as ravis.
Cest toy qui pour donner authorite au.v Edicts que tu Jorges
chacun jour ä ton appetit, n''abuses pas seulement du Nom du
Roy. mais aussi des Princes du Song, comme sils avoyent esti;
presens ä V expedition des Edicts et Ljettres Patentes que tu bastis
avec tes comptices, estant assis au Heu duquel tu as deboute ceux
ausqels il appartient d'y estre devant nul autre. Cest ä toy quelle
demande la Couronne d'Escosse perdue par ton outrecuidance
desmesuree. Cest de toy que se plaignent les Cours et Parlemens
de Fi'ance, lesquels tu as deshonorez, desgradez et eschaffaudez
en toute sorte. Car dest toy qui as emniene en France ceste
horrible et barbare coustume de faire mourir les hommes secrette-
ment sans forme ni figure de procez : qui as change et recliange
toute police^ et remptli les Parlemens de plusieurs infames et des-
honnestes personnes attirez ä exScuter tes volontez: qui as desapoincte
les fideles serviteurs du Roy, pour apoincter tes complices. ßref,
c''est toy, mal-heureu.v, duquel nos ancesfres se plaignent aujourdliuy
en leurs s^pnlchres, de ce qiiil n'y a bonne Loy ni Ordonnance,
qui ne soit vilainement et effrontcmcnt foulee aux pieds jmr toy
") Hist. de l'estat de France S. 40d = ÄJvms de Cotidr I. S. 492.
262 Kurt Glaser.
et par ceiix de lafaciion . . . ■'-) Dem herrischen und verbrecherischen
Gebahren der Guisen stellt der Verfasser das unbestreitbare Recht
der kalvinistischen Prinzen gegenüber, in deren Untätigkeit er die
Hauptursaohe für das Emporkommen der Guisen erblickt. In macht-
vollen Worten rüttelt er sie aus ihrer Gleichgültigkeit auf, um ihnen
ihre Pflichten gegen ihren Glauben ins Bewußtsein zu rufen und ihnen
Zuversicht und Vertrauen auf die Gerechtigkeit der kalvinistischen
Sache einzuflößen. „Et de vostre part, Sire, que reste il phis,
sinon que voiis vous acheminiez ä une si saincte^ si jiiste, si
necessairef si belle et vertueuse enireprinse , ayant pour vostre guide
le Dieu Tout-pidssant vengeur de tant d'iniquitez, et Frotecteur
du Roy et de ce Royaume'? Pour vostre compagnie, les Princes
de vostre Sang et Grands Seigneurs de ce Royaume"? Pour
suyte et pour serviteurs, tous les Estats de France, crians miseri-
corde ä Dieu, et jettans Vadl sur vous^ Sire, comme liberateur
de leur Roy, de Messieurs ses Freres, et de la Royne 31ere,
defenseur des Ordonnances de nos ancestres: juste vengeur de tant
d' oppressions souffertes par la tyrannie de ces Estrangiers : appaiseur
par tous 7noyens licites, selon Dieu et raison, de tous les trouhles
survenus tant cn la Religion quen la Police, par faute de juste
et loyal Gouverneme7it? Car voila, Sire, oii nous pretendons,
voilä ce que nous requerons avec pleurs et gemissemens, et non
point ce que les meschans voudroyent faire ä croire, c'est assavoir
que nous inachinons contre le Roy ou contre le Royaume, ou que
nous sommes une poignee de gens qui voulons amener co7ifusion
en Vestat de la Religion, et untre Police de ce Royaume. Ce n'est
point cela, Sire, o?< nous pr/'tendons^ rnais plustost to2it le rehours.
En quoy faisaiit, et Dieu donnant accomplissement ä nos desirs,
nous esperons voir ce pauvre Royaume par la grace de Dieu, et
vostre moyen, plus ßeurissant que jamais, sinon, s'il piaist ä Dieu,
et si Dieu Va ainsi determine, pour le moins une saincte et honneste
mort de nous, de nos femmes et enfans pour nostre Roy et nostre
Patrie, frusirera üattente de ces Tyrans, en mettant fin tout
ensemhle ä nostre pauvre vie, et ä la, misSrable servitude quHl
nous est impossible de p>lus longuement porter "^).
52) Bist. etc. S. 464 ff. = Mems de Conde S. r)24 fif.
53) Eist. etc. S. 473 — Mems de Conde I. S. 528.
(Fortsetzung folgt.)
Kurt Glaser.
Balthazar Baro's „Le Priiice fiigitif"
und die Entstehungszeit von Rotrou's
„Don Lope de Cardone''.
In meiner Abhandlung „ Über die Chronologie von Jean
Rotrou's dramatischen Werken"^) habe ich (S. 47 ff.) auf Baro's
dramatisches Gediclit Le Prince fugitif bezüglich der Zeitbestimmung
von Rotrou's Don Lope de Cardone verwiesen, weil letzterer mit
jenem einige Motive gemein habe. Ich bemerkte dazu, daß die
Brüder Parfaict und die Bibliotheque du Th^atre franpois {Bresde
176) den Inhalt des Prince fugitif grundverschieden angehen, so daß
man glaubt, zwei Dramen vor sich zu haben. Um den Leser in
den Stand zu setzen, selber zu urteilen, will ich die beiden Inhalts-
angaben hier folgen lassen:
Ich beginne mit
Parfaict Bd. VII, S. 206f.:
AppoUonie, Roy de Tyr, detrone par S61euque, Roy d'Antioche
s'embarque avec un petit nombre de fideles fujets pour aller cher-
cher un azile a la Cour de quelqu'autre Roy. La tempete poufl'e
les vaiffeaux au port de Cyreine, oü il trouve une flotte qui affiege
cette Ville, il attaque les affiegeans, les defait, et delivre le Roy de
Cyreine d'un redoutable ennemi. Un öeigneur Tyrien vient apprendre
a, AppoUonie la mort de Seleuque, & que les Tyriens afpirent au
bonheur de le voir remonter für fon tröne. AppoUonie epoufe la
fille du roi de Cyreine, dont il eft devenu amoureuse, & fe prepare
ä retourner dans fes ötats.
Nun folgt die viel ausführlichere Inhaltsangabe der
Bibliotheque du Theatre francoisü, S. 54f.:
Le Prince Philoxandre, dont on a envahi les Etats, fe refugie
dans le Royaume de Cyrene, oü il vit incognito. II devient amou-
reux et eft aime d'Architrafte, fille du Roy. Deux autres Princes,
Orphife et Alcefte, fönt fes rivaux. Le Roi Ofmont, voifin et ennemi
du Roi de Cyrene, arrive avec une groffe armee, pour s'eraparer de
fes Etats. Le Roi fort ä la tete de fes troupes pour aller au-devant
1) Zsch. f. franz. Spr. u. Lit. 1893 S, 1—4!».
264 A. L. Stiefel.
d'Olmont, et dcclarc qiic cclui des Princcs, (iiii, dacs la bataille, lui
rcndra de plus grands l'ervices, fera Tepoux de la tille. II clioint
Pliiloxandro, pour veiller ü la defonl'e de la Ville et de la PrincelTe.
Quelque flate que foit ramoureiix Pliiloxaudre, qu'Architrarte loit
contiee a l'es loins; il fent cependant, qae s'il rcfte dans CjTene, il
ne pout pretendre au prix deftinö par le Ptoi a celui qui fe lera le
plus dirtiügue. II confie l'es inquietudes ä la PrincelTe, qui lui or-
donne de voler au fecours de Ion pere. II obeit avec joie. Des
qu'il eft arrive für le champ de bataille, la victoire fe decide bien-
tot pour le Iloi de Cyrene, et le Roi Ofinont eft tue dans le combat
par un inconnu. Orphife et Alcefte vantent leurs exploits au Roi;
et chacun d'eux croit devoir obtenir la preference. Le Roi leur
repond qu'ils doivent s'en rapporter ä la Princeffe; et que c'est ä
eile ä decider lequel des deux eile veut pour Ion epoux: II donne
fes tablettes ü Philoxandre, pour les porter ii Architrafte, et pour
lui dire qu'elle ccrive deffus le nom de celui qu'elle veut rendre
beureux. II les rapporte bientöt; et le Roi y lit, que c'eft Philo-
xandre qu'elle choifit. Ce Mouarque eft aiiffi fache que furpris de
ce choix. II cache cependant fon reffentimeut, et annonce que c'eft
Alcefte que la Princeffe a nomme. II Charge en nieme tems
Philoxandre de Ten aller avertir, qui, fans paroitre aucunement emu,
part pour executer cet ordre. Le Roi, etonne de fa tranquillite, le
rappelle; et ä force de queftions, il tire enfin l'aveii de fa paffion
pour la Princeffe. Lc Roi paroit forte irrite de fa temerite.
Philoxandre fort et reparoit bientöt apres, revetu des raemes armes
qu'il portoit lors de la bataille. On le reconnoit pour le vainqueur
d'Ofmont. II jette l'epee de cet ennemi au pieds du Roi, lui de-
couvre fa naiffance, et obtient la Princeffe en mariage.
Wie man sieht, schließen die beiden Inhaltsangaben die Mög-
tichkeit, daß es sich bei ihnen um eines und dasselbe Stück handeln
könne, so gut wie ganz aus. Umso merkwürdiger ist es daher, daß
die Parfaict sagen: „L'Auteur affure dans fon Epitre Dedicatoire
ä la Reine Christine de Suede, que ce Poeme Dramatique
a ete affez bien recu du Public", und daß die Bibllotheque du
Theatre frangois (II S. 48) das Stück beschreibt als „Poeme
Dramatique . . . dediee ä la» Reine de Suede Christine". Unmöglich
können zwei Dichtungen gleichen Titels gerade einer und derselben
hohen Persönlichkeit gewidmet worden sein. Dazu kommt noch, daß
oowohl die Parfaict wie der Verfasser der Bihliotheqiie du TMatre
frangois sonst so zuverlässig sind, daß ein solch grober Irrtum, wie
es der wäre, wenn einer von ihnen das Stück mit einem anderen
verwechselte, bei ihnen nicht denkbar ist.
Ich bin heute in der Lage, das dunkle Rätsel zu lösen. Die
Großherzoglicho Hof- und Landesbibliothek zu Karlsruhe besitzt den
Prince fugitif] der mir durch die Liebenswürdigkeit der Bibliotheks-
Balthasar Baro's ,.Le Prince fugitif". 265
Verwaltung zur Verfügung stand. 2) Ich steile fest, daß es nur einen
Prince fugitif gibt und daß — so seltsam es auch klingen mag —
die beiden Inhaltsangaben richtig sind und sich gegenseitig ergänzen.
Ihre Verschiedenheit rührt daher, daß die Parfaict das Stück von
rückwärts lasen, bzw. nur seine Schlußszene — ein bequemes Mittel
um rasch etwas über den Inhalt zu erfahren — während der Verfasser
der Bibliotheque du Theatre francois es gewissenhaft vom Anfang
an las, aber flüchtig über den Schluß wegging.
Le Prince fugitif ist eine freie Bearbeitung des ersten Teils
des Romans von Apollo nius von Tyrus mit geänderten Namen.
Apollonius veibirgt sich unter dem Namen Philoxandre, Lucina
heißt hier Archestrate, König Archist rates von Pentapolis
(Gyrene) — nachdem er senien Namen der Tochter hatte überlassen
müssen — schlechtweg le Roy usw. Außer den Namen, sind aber
auch mehrere Umstände geändert und mancherlei ist eingefügt, so z.
I). der Angriff des feindlichen Königs Osmont, der Preis des Sieges
— die Hand der Prinzessin — das heimliche Entweichen des mit
dem Schutze der Stadt betrauten verkleideten Apollonius — Philo-
xandre und seine siegreiche Teilnahme am Kampfe UsW. Für diese
Dinge scheint die Sage von Robert dem Teufel dem Verfasser
vorgeschwebt zu haben.
Wenn daher die Parfaict (1. c.) sagen: „le fiijet eft de
Tinvention de Baro", so irren sie sich und es bleibt zu verwundern,
daß weder sie noch der Verfasser der Bibliotheque du Thiatre fran-
fois die Herkunft des Stoffes erkannt haben.
Übrigens war Baro nicht der erste, der die Erzählung von
Apollonius von Tyrus auf die französische Bühne brachte. Bereits
1618 erschien in den Oeuvres poetiques du Sieur Bernier de la
Brousse (Poitiers, Julien Thoreau) eine Tragi-comedie Les Heu-
reuses Infortunes in zwei Teilen zu je 5 Akten, welche den ganzen
Roman dramatisierte. Ich muß es dahingestellt sein lassen, ob Baro
den Roman oder vielleicht nur dieses Stück kannte.
Um die Identität des Prince fugitif mit dem Stoif des alten
]{omans über jeden Zweifel klarzulegen, führe ich eine Stelle aus der
2) Le Prince ; Fugitif, Poeme Dramatique | De Baro i Wappen. |
A. Paris Chez Antoine De SommaviUe, au Palais, dans la petite Salle, ä
l'l'jrcu de France , ]\IDCXLIX. ' Aticc PrivHeije du Roy. — 8 nicht gezählte
und 88 gezählte Seiten 4". -
Rückseite des Titels leer. Auf der (ungezählten) 3. Seite beginnt das
Widmungsschreiben an Christine Reyne de Suede, welches .") Seiten umfafst,
die G. Seite enthält die „Acteurs". Das Priviloge du Roy, das sich nach
dem Text auf einer nicht gezählten (eigentlich 8'J.) Seite betindet, ist vom
23. November 1648 datiert. Das „Acheue dimprimer" hat das Datum
28. April 1649. — Ich danke der Verwaltung derGrofsh. Hof- u. Landes-
bibliothek auch an dieser Stelle für die gütige Überlassung dieses und
anderer seltener Bücher.
26(i A. L. Stiefel.
Sclilußsccnc au: Acante von den Tyrern ausgeschickt, den Apollonius
zu suchen, kommt zum König von Cyreinc und redet ihn folgender-
maßen an:
Acante.
Grand Roy, toute TAfie ä vos pieds fe prefente.
Et vient par noftre bouche offrir a vos vertus
üeux fceptres differents que deux Princes ont eus.
Quatre raois fönt paffez depuis l'heure fanefte
Que Seleuque foüille de l'horreur d'vn incefte,
De nos climats heureux contraignit de fortir
Le iufte poffeffeur du Royaume de Tyr,
Pour auoir decouuert et fa flame et fon crime.
Ce cruel le chaffa d'vn trofne legitime,
Et la force pour lors furmontant la valeur,
Porta ce ieune Prince ä fon dernier malheur.
Enfin le Ciel touche de cette violence
Arrefta du Tyran la coupable infolence.
Et fa foudre en deux corps per(,'a de mefmes coups
Et le pere et la fille, et la femme et Tespcux.
Nos peuples affranchis de cette tyrannie
Attendoient le retour du grand Appollonie,
Mais ils fceurent enfin que Neptune irrite
Dans l'Abyfme des eaux l'auoit precipite.
Ainfi n'esperans plus ce Prince legitime
Et preuenus pour vous et d'amour et d'eftime,
Ils nous ont deputez afin de vous offrir
Ces deux fceptres fameux d'Antioche et de Tyr.
Diese Verse düriten genügen, den letzten Zweifel zu beseitigen.
Daß zwischen Rotrou's Don Lope de Cardone und Baro's
Prince fugitif Beziehungen bestehen, scheint mir ziemlich sicher zu
sein. Hier wie dort ist der Preis der größten Heldentat im Kampfe
gegen den Feind die Hand einer Prinzessin, der Tochter des Landes-
herrn ; hier wie dort kommen zwei Nebenbuhler vor, welche die Sache
durch einen Zweikampf zum Austrag bringen wollen; bei beiden
Dichtern verbietet der König den "Waffengang und legt die Entschei-
dung in die Hand der Prinzessin, die dann schließlich den wählt,
den sie liebt. Wenn nun auch die Stücke sonst in der Fabel und,
abgesehen von einer Stelle, im Dialog wenig Übereinstimmung bieten,
so ist das Angeführte doch bedeutend genug um eine Entlehnung des
einen Dichters von dem andern wahrscheinlich zu machen. Wer ist
nun der Nachahmer?
Rotrou's Drama kam erst nach seinem Tode (27. Juni 1650)
zum Druck. Das Privilegium ist vom 26. August 1650, das acheu6
Balthazar Baro's „Le Prince fugitif'-'. 267
d'impriraer vom 15. Juli 1652 datiert, während das Privilegium des
Prince fugitif, wie wir oben sahen, das Datum 23. November 1648,
das acheve d'iraprimer dasjenige vom 28. April 1649 aufweist. Rotrou
konnte also noch recht wohl ein gedrucktes Exemplar des Prince fugitif,
Baro aber vor 1648 keines von Lope de Cardone zu Gesicht
bekommen. Freilich konnte er das Stück aufführen sehen. Da indeß
Rotrou, in den letzten Jahren seines Lebens beruflich sehr in An-
spruch genommen, nur wenig Dramen dichtete (von 1640 — 1650 nur
10 gegen 23 von 1631 — 1638), so ist es wahrscheinlicher daß Zope
de Cardone 1649 entstand, welches Jahr sonst ohne Drama wäre,
als 1646 oder 1647, welche Jahre dann 2 Dramen von ihm aufwiesen.
Ich glaube also das Jahr 1649 als Entstehungszeit des Don Lope
de Cardone festhalten zu dürfen. Hiernach ist meine Angabe in
obiger Arbeit (Zsch. für franz. Sp. und Lit. 1893 Seite 48 f.) zu
berichtigen.
München. A. L. Stiefel.
Zum 8ch\>'aiik von der Rache eines l)etrogenen
Ehemannes.
Johannes Bolte hat unter obigem Titel ein deutsches Ge-
dicht aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts veröffentlicht, i) das er
auf einem Flugblatte der Berliner Bibliothek (Bd. 7853, 37) gefunden
hatte und das er für die Quelle einer niederländischen Posse „Klucht
von de Schoester, of gelijke monniken gelijke Kappen^ (Dordr. 1660)
hält. Damit mag es seine Richtigkeit haben.
Diese Zeilen bezwecken auf eine ältere französische Farce des
1 6. Jahrhunderts hinzuweisen, die den gleichen Gegenstand behandelt.
Sie ist abgedruckt in Viollet-Le-Duc"s Ancien-Theatre frangais Bd. I
S. 250 — 270 unter dem Titel: Farce nouvelle tres borme et fort
joyeiise. A quatre personnaiges c'ej't affavoir Le Geniilhomme,
Jjison, Naudet, la JDamoyseUe. Imprime ä Rouen par Jehan
le Prest, demoiiranf audict Heu.
Das von Bolte abgedruckte Gedicht erzählt, wie ein Schuster,
von seinem Knecht aufmerksam gemacht, daß ein Edelmann mit seinem
Weibe buhlt, sich stellt, als ob er verreise, heimlich aber zurück-
kehrt, das Paar überrascht, indes anstatt die Schlafenden zu töten,
die schönen Kleider des Edelmannes anzieht, sich in dessen Wohnung
begibt und bei der Edelfrau schweigend die Rolle ihres Mannes
spielt. Des Morgens verläßt er sie heimlich, angetan mit des Junkers
besten Kleidern und begegnet unterwegs dem Edelmann, der sich gezwun-
gen gesehen hatte, des Schusters Kleider anzuziehen. Erschrocken fragt
der Junker den Schuster, wohin er wolle, und dieser sagt: „Da jhr
seid gesin da wolt ich hin. . . Wo jhr hin wolt da kom ich her".
Auf die weitere Frage des Junkers: „Warum hastu meine Kleider
an?" antwortet der Schalk: „Es verkert sich jetzund alle ding".
Der Dichter schließt: „Sie musten beyde lachen, dass sie einander
also betrogen hatten. Mancher der wil Bulen viel Thut sich selber
zu schänden machen."
In der französischen Farce ist alles viel roher und schamloser
gehalten als wie in dem deutschen Gedicht: Naudet, ein Tölpel, hat
bemerkt, daß der Gentilhomme mit seiner Frau Lison buhlt und hält
es ihr vor. Sie droht ihm mit der Rache des Edelmannes, wenn er
1) Zdtschr. für verrjl. Literaturgeschichte. N. F. 15. S. 1G4- — I(j7.
Zum Sclncanh von der Rache eines betrogenen Ehemannes. 269
nicht schweigt. Dieser kommt jetzt zu ihm zu Pferde, steigt ab, gibt
das Tier Naudet und begrüßt Lison zärtlich. Xaudet hatte inzwischen
das Pferd bestiegen und war von ihm abgeworfen worden. Auf Ge-
heiß des Edelmanns führt er es in den Stall und gebt fort, um Wein
für den Edelmann im Wirtshaus zu holen. Als Naudet fort ist, schlägt
Lison vor, den Tölpel unter irgend einem Vorwand fortzusenden, damit
sie beide umso ungestörter sein können. Der Gentilhomme hat
einen Einfall:
Ma femme ayme sur toute rien
A le veoir; tousjours la faict rire.
Une lettre luy voys escripre
Que vostre mary portera
Cependant prendrons nos esbatz.
Lison, damit einverstanden, ersucht ihn nur:
Doncques, pour euiter desbatz
Deffendez-luy sur toutes riens
De dire quo soyez ceans.
Er fordert dann Lison auf:
Ca nvamie allons parfournir
Nostre cntreprinsc, je vous prie
Lison begibt sich mit ihm ganz ungeniert ,,a ta chambre de
derriere'-'' und Naudet läßt zunächst das Pferd des Junkers allein seineu
Weg heim finden, dann sieht er „par ung treu'' was Lison und der
Edelmann tun, zuletzt erblickt er das prächtige Kleid, das letzterer
abgelegt hatte, bevor er sich ins Hinterzimmer begeben hatte. Naudet
zieht es an und geht fort.
Nun tritt la JJamoi/selle — die Frau des Edelmannes — auf.
Sie hat sich gewundert, daß das Pferd ihres Gatten ohne ihn heim-
gekommen ist. Da erscheint Naudet. Durch den Anzug getäuscht,
hält sie ihn für ihren Mann und redet ihn Monsieur an. Naudet sagt
zwar: „Je suis Monsiem\ ma D amoy seile'' , die Edelfrau erkennt aber
den Tölpel sofort. Er gibt den Brief ab und sie befragt ikn nach
ihrem Manne und will wissen, warum er dessen Kleid anhabe. Der
närrische Kerl sagt ihr den Grund, sagt ihr sogar, was der Gentilhomme
zur Zeit treibe. Damoijselle wird neugierig, sie möchte genau wissen
worin die Beschäftigung von Monsieur und Lison bestand. Naudet
erbietet sich, es ihr zu zeigen, denn mit Sagen „Je gasterois tout le
mistere'' . Und die Edelfrau, lüstern durch seine Aufschneidereien,
widerstrebt nicht und beide ziehen sich zurück.
Wir werden wieder zum Gentilhomme und zu Lison zurück-
versetzt, die sich das lange Ausbleiben Naudets nicht erklären können.
Jener bedauert den Tölpel zu seiner Frau geschickt zu haben und will
bchleunigst heim. Er kann aber „sa rohe"- nicht finden und ist daher
gezwungen, ohne diese fortzugehen.
270 A. L. Stiefel.
Damoyselle, zu der wir jetzt wieder geführt werden, lobt Naudet,
der ihr gezeigt hat „comment monsieur faict ä ma femme.^'' Sie
wünscht seufzend, Naudet wäre Monsieur., und Monsieur wäre Naudet.
Sie empfiehlt ihm Schweigen, verspricht ihm einen neuen Anzug und
ermahnt ihn, quand tu vcrras entrer
Monsieur de nuict en ta maison,
Accourt icy tost rae monstrer
Tout cela qu'il faict a Lison.
Da kommt schon Monsieur „en pourpoi?ict.'' Es kommt zur
Aussprache, zu Vorwürfen zwischen den beiden Ehegatten, wobei Naudet
in seiner schlauen Naivität zum Verräter an beiden wird. Naudet,
der zwischen Lison und DamoyseLle keinen Unterschied finden kann,
will dem Gentilhomme die Wahl zwischen beiden lassen:
Prenez la plus doulce ou plus belle
De Lison ou ma Damoyselle,
Monsieur, grausam für sein unsitthches Treiben gestraft meint, in
sich gehend: Tenir nie veulx ä la maison,
Puisqu'on vient ä ma Damoyselle
Pendant que suis ä Lison.
Und Naudet, der das letzte Wort behält, sagt zu ihm:
Ne venez plus naudetiser,
Je n'iray plus segneuriser.
und schließt mit der Moral:
A trompeur trorapeur et demi.
Diese Farce gehört einer äußerst seltenen Samraluug von einzeln
gedruckten Possen aus der Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts
an, die sich gegenwärtig im Britischen Museum zu London befindet.
Unser Stück ist jedenfalls viel älter als der Druck und geht
allem Anscheine nach auf ein altes Fablel zurück. Einem ähnlichen
Schwank bin ich einmal in der französischen Fazetienliteratur be-
gegnet, kann mich aber im Augenblick nicht mehr erinnern wo.
Der Stoff gehört jedenfalls in den Kreis von Erzählungen, zu
denen man Boccaccio Decamerone VIII 8, Masuccio 36 und Para-
boscos Diporti 5 rechnet.
Die Fabel weicht in der Farce nicht unwesentlich von dem
deutschen Gedichte ab. In der französischen Dichtung ist der Ehe-
mann ein Bauer, der als Tölpel gilt, so daß sich seine Frau und ihr
Galan gar nicht mehr vor ihm in Acht nehmen und ihren Liebes-
handel ganz offen betreiben. Im deutschen Gedicht dagegen ist der
Betrogene ein Schuster, der erst durch seinen Knecht auf die ver-
dächtig vielen Besuche des Edelmanns hingewiesen und über deren
Zweck aufgeklärt wird. Dort sendet der Edelmann den Betrogenen,
Zum Schwank von der Rache eines betrogenen Ehemannes. 271
um ihn aus dem Wege zu haben, selbst ins Schloß zur Gemahlin
und ebnet ihm dadurch den Weg zur Rache, die ihm mit Wissen
uud Willen der Edelfrau, die sich selber rächen will, zu teil wird.
Hier lockt der Schuster das Ehebrecherpaar in die Falle, überrascht
es, aber anstatt die Schlafenden zu töten, benutzt er die Kleider des
Edelmannes, um sich ins Schloß zn schleichen, und dort gleich dem
Stallknecht König Astulfs im Decamerone \ll, 2 zu verfahren. Dort
geht der Edelmann ohne „sa robe" nach Hause, findet seine Frau
noch im Gespräch mit dem Tölpel, durch dessen Indiskretion alles
an den Tag kommt; hier zieht der Edelmann des Schusters Kleider
an und trifft mit ihm unterwegs zusammen, bei welcher Gelegenheit
die Aussprache erfolgt.
Welche Version haben wir nun als die ältere anzusehen? Mit
Sicherheit läßt sich dies, so lange keine älteren Versionen aufgefunden
werden, wohl nicht sagen: ich vermute aber, daß die französische
Dichtung eine ältere Gestalt des Schwanks darstellt und daß das
deutsche Gedicht erst durch Verschmelzung mit älteren ähnlichen bzw.
verwandten Schwänken seine gegenwärtige Form gewonnen hat. In
der Tat findet man oft genug in der älteren Schwankliteratur, daß
ein Knecht erst den Meister auf die Vergehungen der Ehefrau auf-
merksam macht; ebenso häufig ist die Idee, daß man die untreue
Frau überführt, indem man eine Reise vorschützt und heimlich zu-
rückkehrt. Und was die Rache des Schusters anbelangt, so ist das
Verfahren des Schusters so ähnlich dem des Stallknechts in De-
camerone III, 2, daß man glauben möchte, es sei daraus entlehnt.
Andererseits ist es indess auch denkbar, daß die deutsche Dar-
stellung die ältere ist und daß die dramatische Form Aenderungen
der Fabel veranlaßte. Auffallend ist es jedenfalls, daß das Mitnehmen
der „robe" seitens Naudets in der Farce eigentlich zwecklos ist, nach-
dem dieser ja doch gleich erkannt wird und offen zu Werke geht.
Man kommt also über ein „non liquet''' nicht hinaus.
Vielleicht darf man mit der französischen Farce und dem deutschen
Gedichte noch eine kurze, äußerst rohe lateinische Anekdote in Ver-
bindung briugen,, die sich in den Facezien des Poggio Bracciolini
findet. Es ist die in der Londoner Ausgabe von 1798 unter der
Überschrift Talio (S. 164) gedruckte Anekdote, die ich, damit der
Leser besser urteilen kann, hier wiedergebe, aber nach der Straßburger 1513
gedruckten Ausgabe der Opera Poggios, weil die Londoner Ausgabe der
Facetiae nicht einmal den bescheidensten Anforderungen entspricht
De Medice qui uxorem futoris infirmam fubegit.
Sutor quispiä Florentie ad uxore nö recte valente | medicii sibi
notum rogauit adire. Die abseute viro domü profectus | uxorem' cius
licet reluctantem compressit in lectulo. Vir rediens j cum medicüabeunte
(qui se recte muliere curafse dixit) uxorem lachrymantcm capite dissoluto
inuenit. medici perfidia cognita 1 rem diffimulauit. Et post dies
'>?')
A. L. Stiefel.
octo sumpto preciosiori panno ad uxore medici profcctus | dixit &e
ab eo missiim, quo sibi intcrioi' timica (ea cocta vocatur) fieret. Opus
erat ut mulicr quae forma erat egregia ] maiori ex parte nudaretur:
quo rectius corporis meJ'ura capi posset ad vestem recte perficiendä.
Nudatam remotis arbitris futor comprimit, parem vicem medico reddens
quod & postea obiecit ei.
Diese Darstellung weicht freilich uicht unwesentlich von den
beiden anderen Versionen ab, denn einmal ist an Stelle des Edelmanns
ein Arzt getreten und dann ist die zurächende Tat keine Verführung
sondern ein Akt der Vergewaltigung, verübt an einer kranken Person
von einem Manne, der schändlich das in ihn gestzte Vertrauen ni'sbraucht.
Ferner ist bei Poggio weder das Dunkel der Nacht zur Tat gewählt,
wie bei dem Deutschen^ noch die Dreistigkeit des Beleidigers auf die
Schwachköpfigkeit des Ehemanns begründet, wie bei dem Franzosen.
Aber dennoch glaube ich, daß die Facetia hierher gehört und daß
sie mit den beiden anderen Versionen auf eine gemeinsame ältere
französische Quelle, am wahrscheiidichsten auf ein Fablel zurückgeht.
Hierzu bestimmt mich die Erwägung, daß Poggio oft aus älteren
französischen Dichtungen sich seine Stoffe holte, sie außerordentlich
verkürzte und sie umgestaltet und vergröbert in der Form einer scharf
pointierten Anekdote wiedergab. Das zeigt z. B. sein Annulus, der
gemeinsam mit UEncens au Diable der Cent nouveUes nouveV.es
auf eine ältere französische Dichtung zurückgelit.
Meine Vermutung wird im vorliegenden Falle noch dadurch unter-
stützt, daß Poggio ein paar Übereinstimmungen mit den beiden an-
deren Versionen darbietet. Wie im deutschen Gedicht, ist der beleidigte
und sich rächende Ehemann ein Schuster, wie beim Deutschen und
dem Franzosen, gesteht er die Rache nachher dem Beleidiger ein. Selbst
die vom Schuster zur Vermummuug angezogenen Kleider haben bei
Poggio noch eine Spur hinterlassen: sie haben offenbar dem Italiener
die Idee eingegeben seinen „sutor" mit „preciosiori panno" ausgerüstet
zu der Frau des Arztes gehen zu lassen; es wäre sonst unverständlich
und bleibt auch so auffallend, daß der Schuster auf den Gedanken
kam, zur Ausführung seiner Rache gerade die Rolle eines Schneiders
zu spielen. Warum hat Poggio überhaupt an Stelle eines Schusters
nicht gleich einen Schneider gesetzt?
München. A. L. Stiefel.
Les vocables eii -eiis, -eux
dans la seconde inoitif' du XVP siecle.
Poiir la premiere fois depuis trois cents ans, quinze ceiits
vocables, adjectifs pour la plupart, termiiies eu -eus ou -eucc se
tiouvent leunis dans lordre alphabetique. Leur grand uombre
s'explique par cette note que La Noue a placee ä la page 369 de
son Grand JJictionnaire des rimes fratifoises (Cologne, 1624):
<1\ faut noter que tous les jours quelque nouvel adjectif se peiit
former pour accompagner ceux des susdictos terminaisous en -eus
Selon que Tusage les rend doux. Le Poete de bon jugeraent en
pourra teile fois mettre en avant si a propos quelqu'un non encore
pratique, que les autrcs le recevront. Aussi par tel moyen prin-
cipalement nostre langue s'enrichit eile, raais il y faut estre avise.
Au reste od doit estre . adverti aussi, que les verbaux on -eur sc
peuvent prononcer de ceste terrainaison, selon qu'on parle aujourd'hui
et se peut dire, im Meiiteur, et Menteus. II est vray que les uns
s'y accommodent mieux que les autres. Partant aura-on le jugement
d'en faire election, et l'advis, de n'en user pas ä tous les jours,
reu que n'est pas leur terminaison naifve, tant que l'usage Tait encore
plus familiarise. Elle est plus estrange en l'escriture qu'au parier».
Cette mode semble avoir battu son plein dans le demi-siecle
qui s'ecoula de 1575 ä 1625: en effet, en 1565, l'editeur lyounais
de Calepiiius donne comme Fequivalent fran^ais de Araneosus:
Araigneur, plein d'araignes et, d'autre part, la troisieme edition
de La Noue, publiee en 1624, renferme quantite de vocables, tous
graphies -eus, inconnus ä Cotgrave dont la premiere edition est de 1611.
Les references sont pour la plupart tirees des dictionnaires
de La Porte, La Noue, Lc Gaygnard, Cotgrave, Meurier, Plantin,
et de Marty-Laveaux.
La presente liste peut servir de Supplement au Dictionnairc
FrauQois-Anglois de Cotgrave pour les vocables en -eiix^ car lesdits
vocables que le lexicographe a,nglais a recueillis dans son inestimable
travail se retrouvent tous ici avec plusieurs autrcs qu'il u'a pas
connus ou qu'il n'a pas juge ä propos de comprendre dans son
vocabulaire.
Zlschr. f. frz. Spr. u. l.itt. XXXII i. 18
274
llnqiies Vadanai/.
Les rcnvois aux öcrivains cux-rnrmcs iio sout qu' cxceptionnels:
püur les i)0('tcs de la Plöiade, \' Appendice de l'edition de Marty-
l.avcaux a ctc cousultr, mais non les auteurs eux-memes.
Abimeux. 1582. 1. E. Du Monin.
NovveUes Oeveres, 1S3.
Abrieux. 1584. Horacc o-ad. L.
De La Porte, 8G.
Abuseux. 1571. La Porte, 87b. —
Cütgrave.
Abj-smeus. 1571. La Porte, 2<.
Aceteux. 1542. Canappe. GuidoHy
75 b.
Actueux. — Adipeux. Cotgrave.
Adventnreus. 1571. La Porte. 55b.
— 1585. Le Gaygnard, 312.
Aerugineux. Cotgrave.
Acstueux. 1584. Horace. (rad. L.
De La Porte, 26.
Affaireux. Cotgrave. — Äff ec tuen s
1585. Le Gaygnard, 108.
Affereux. 1585. Le Gaygnard, 312.
Affieux. Cotgrave.
Affreus. 1571. La Porte, 7. — 1585.
Le Gaygnard, 108.
Ahanneus. 1571. La Porte. 142b.
— Cotgrave.
Aigueux, 1542. Canappe. Onidcm,
75 b. — Ronsard.
Airaigneiix. — Araigneux. Cot-
grave.
Alboroteux. 1584. G. Meurier.
AI bugin eux. Cotgrave.
Albumineux. — Alimenteux.
Cotgrave.
Alumineux. 1542. Canappe. Guidou,
82 b. — Alvineux. Cotgrave.
Amadoueux. 1599. Lasphrise. Pre-
mieres Oervres poetiques, 69.
Amandeus. 1571. La Porte, 178.
Ambageus. 1585. Le Gaygnard, 131.
Ambagieux. 1584. G. Meiiricr —
Cotgrave.
Ambicieux. Pelleau. Ronsard.
Ambitieux. 1571. La Porte, 21;.,
260. — 1585. Lo Gaygnard, 108.
Ambrosieux. 15... Helisenne de
Crenne, H. — 1554. Le Caron. l.a
Ciaire, 186 b.
Amoureus. 1571. La Porte, 3, —
1585. Le Gaygnard, 313.
Ancipiteus. 1584. G. Meurier.
Anfractueus. Cotgrave.
Angleux. 1584. G. Meurier — Cot-
grave.
Angoisscux. M. Sceve. — Du Bel-
lav. Jodelle. Ronsard.
Anguillonneux. Cotgrave.
Anguleus. 1571. La Porte, 250 b.
— Cotgrave.
Animeus. 1571. La Porte, 571). —
1584. G. Meurier. — Cotgrave.
Aousteus. 1571. La Porte, 169.
— Cotgrave.
Apostemeux. 1542. Canappe. Gw'-
don, 83 b.
Apostumeus. 1571. La Porte, 115b.
Appasteux. Cotgrave.
Aqueux. Belleau. — 1576. P. de
Brach. Poemes, 2 b. — 1582. L E.
Du Monin. Ä'orvelles Oemres, 155.
Araigneux. Cotgrave. — Arbales-
teus. 157L. La Porte, lUb.
Arbreux. Ba'if. Ronsard. — 1573.
C. Plantin, H 2 a.
Argouneux. Cotgrave. — Ardoi-
seux. 1571. La Porte, 62b.
Areneux. Ba'if . Ronsard. — 1563.
G. Meurier, K 6 b. — 1582. Du
Monin, 149.
Aren ul eux. Cotgrave.
Aresteus. 1571. La Porte, Ib, 31b,
47b, 172b, 212.
Argenteux. Ronsard. — 1565.
Calepinus, 96.
ArgiUeus. 1565. Calepinus, 96. —
1571. La Porte, 171, 259. — 1573.
C. Plantin, a 4 b, da. — 1585. Le
Gaygnard, 182.
A r g u i 1 1 0 n n e u X. Cotgrave. — A r-
menteux. 15S4. G. Meurier.
Arpilleux. Cotgrave.
Arterieux. Cotgrave.
Artificieux. 1565. Calepinus, 101.
— 1573. C. Plantin, ed. — Cot-
grave.
Aspr'epineux. 1583. Virgile, trad.
Le Chevalier, 70 b,
Attayneux. Cotgrave.
Attiueux. 1573. C. Plantin, G g,
Aubeus. La Noue, o90c. — Auda-
cieux. Du Bellay. Ronsard.
Avantageux. Cotgrave.
Avant-coureux. 1554. Amadis XI,
17 li. — Cotgrave.
Avantureux. Du Bellay. Jodelle.
Ronsard.
Avaricieux. Bai f. Du Bella v. —
1573. C. Plantin, T 2 a.
Avaritieux. Du Bellav.
Xfv vocabh's en -eiis, -eux.
275
Aveueux. Cotgrave.
Avertineiix. Ronsard. — löTo.
C. Plantin, Yd, b 2d. — 1584. G.
Meurier.
Avoineus. 1571. La Porte, 205.
Babilleux. -1583. Virgile, trad. Le
Chevalier, 72 b.
Bach evaleur eux. = Chevaleureux.
Cotgrave.
Bagueteus. Baguctteux. 1571.
La Porte, 275, — Cotgrave.
B a i g n e u x. Cotgrave.
Balafreux. Cotgrave.
Balanceus. Balanceux. 1571.
La Porte, 266 b — Cotgrave.
Banneus. Banneux. 1571. La
Porte, 191. — Cotgrave.
ßanqueteiis. Banqueteux. 1571.
La Porte, 19, 47, 88b, 216b, 220b.
— Cotgrave.
Barateux. Cotgrave.
Basauchieux. Cotgrave.
Baveux. Baif. Du Bellay. — 1584.
Horace, 146. — Cotgrave.
Bauracineux. Cotgrave.
Becheus. 1571. La Porte, 207 b.
Behistreus. 1571. LaPorte, 184b
— Cotgrave.
Belistreus. 1571. La Porte, 121.
B e 1 1 i q u e u X. Baif.Dorat. — Cotgrave.
Belliieux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 26. 125.
Beueficieus. 1571. La Porte, 181.
Besongueiix. 1571. La Porte, 142b.
Beiirreux. 1,573. C. Plantin, H 3a.
— Cotgrave.
Bioreux. 1573. C. Piantin, G3a.
Bilieux. 1565. Calepinus, 134. —
1571. lia Porte, 101 b. — Cotgrave.
Billonneus. 1571. La Porte, 160.
— 1582. Du Monin, 150.
Bitumineux. 1571. La Porte. 152b,
251. — Cotgrave.
Blocailleus. 1571. La Porte. 1(>4.
168 b.
Bloccageus. 1571. La Porte, 104,
168 b. — Cotgrave.
Bloccailleux. Cotgrave. — Bo-
l)elineus. 1571. La Porte, 32b.
Bocageus. 1571. La Porte, 20 b.
— 1573. C. Plantin, H 3a. — Cot-
grave.
Boisteux. 1573. C. Plantin, X4d.
— Cotgrave.
Boiteus. 1571. La Porte, 272b.
- 1573. C. Plantin, c a. — 1.585.
Le Gaygnard. 383. Cotgrave.
B 0 r d e ux. Cotgrave. — B o r d i e u x.
Cotgrave.
Boscageus ^= Bocageus. 1584.
Horace, trad. L. De La Porte, 90.
Bouchonneux. Cotgrave.
Bouconneus. 1571. La Porte, 87.
Boneux. Ronsard. — 1573. C.
Plantin, M 3 b. — Cotgrave.
Boufeux. Bouffeux. Cotgrave.
Bouillonneux. Cotgrave.
Boulieux. 1.584. G. Meurier. —
Cotgrave.
Bouqueteus. 1-571. La Porte, 232 b,
274 b.
Bouquineux. Ronsard.
Bourbeteus. 1571. La l'orte. 45.
— Cotgrave.
l'.ourbenx. Belleau. Ronsard. —
1585. Du Bartas, leSepmaine, 118.
Bourgeonneus. 1571. La Porte
190, 227 b. — Cotgrave.
Bourreus. 1571. La Porte, 69, 150b,
160. — Cotgrave.
Boursetcus. 1.571. La Porte. 114.
— Cotgrave.
Bourseus. 1571. La Porte. 114.
— Cotgrave.
Boutonneus. 1571. LaPorte, 240b.
Boyteux. = Boiteus. Du Bellay.
Brachieux. Cotgrave.
Brancheus. La Neue, 391b
Braneux. 1563. G. Meurier, L 3c.
Brav eux. Cotgrave.
Brazeux. Baif. 11, 12.
Breneux. 1571. LaPorte, 73, 84b.
— 1585. Le Gaygnard, 238. —
Cotgrave.
Brilleux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 45.
pjfiqueus. 1571. La Porte, 259. —
Cotgrave.
Bris eux. Cotgrave.
Brochereux. Cotgrave.
Bronchens. La .Noue. 391b.
Brosseus. 1571 La Porte, 272b.
Brouteus. 1571. La Porte, 34.
Bruineux. Belleau. — 1563. G.
Meurier, H 7 b. — Cotgrave.
Bruyereux. Cotgrave.
Bubeus. La Noue, 390b.
Bucoliqueus. 1571. La Porte.
260 b.
Bugleus. 1571. La Porte, 235b.
— Cotgrave.
Buissonncus. 1571. LaPorte. .50b,
I18b, 121. - Cotgrave.
Bnlbeux. Cotgrave.
18*
276
Jhujues I ^aganajj.
Burineiis. 1571. l^a Porto, ll(U)
Buscheus. 1571. La Porte, 149.
liuteus. l.')71. La Porte, 1911).
— Cotgrave.
Butineus. 1571. I^a Porte, 79b.
— Cotgrave.
Cabocheus. 1571. La Porte, 56,
259 b. — Cotgrave.
Cadavereus 1571. lia Porte, 130,
215 b. — Cadavreux. Cotgrave.
Cailleboteus. 1571. La Porte, 117,
170b. — 1585. Le Gaygnard, 383.
— Cotgrave.
Cailloeux. Cailloteux. Cotgrave.
Cailloueus. 1571. La Porte, 21b,
116b, 170 b. — Cotgrave.
Calamiteux. Baif. — 1.373. C.
Plantin, C4. — Cotgrave.
Calculeus. 1571, La Porte, 116b.
Caleux. 1584. G. Meurier.
Caligineus. 1571. La Porte, 9b,
91. — Cotgrave.
Calleux. 1582. I. E. Du Monin,
26. — Cotgrave.
Calomnieux. 1571. La Porte, 37,
80, 131. — 1573. C. Plautin, c 4a.
— Cotgrave.
Calumniateux. 1563. G. Meurier.
G4c.
Calumnieux. 1585. Le Gavgnard,
107.
Cancreux. Ronsard. — 1599. Ilorn-
kens, 390.
Canepineus. 1571. La Porte, 92.
— Cotgrave.
Capricieux. Cotgrave.
Captieus. 1571. La Porte. 8, 37,
88 b. — Cotgrave.
Captiveux. 1585. Le Gaygnard,
412. — Caqueteus. 1571. La
Porte, 29 b.
(ardeus. 1571. La Porte, 199.
Caresseus. 1571. La Porte, 3.
Carle ux. C'otgrave.
Cartilagineus. 1571. La Porte,
28, 177. — 1585. Le Gaygnard,
238. — Cotgrave.
Castagneux. Cotgrave.
Catarreux. 1571. La Porte, 2-5, 91.
Catarrheux. Cotgrave. —
('aterreus. La Noue, 394b.
Catharreux. 1573. C. Plantin, Y
3a. — Cathcrreux. Ronsard.
Catheux. Cotgrave.
Cauteleux. Belleau. Du ßellay.
Jodelle. Tyard. — 1573. C Plan-
tin, de. — Cotgrave.
(averueux. Baif. Belleau. JDu
Bellay. Ronsard. Tyard. Cot-
grave.
Caveux. 1584. Horace, trad. L. De
La Porte, 60. — 1.j85. Lc|, Gay-
gnard, 412.
Cavilleus. 1.563. G. Meurier, I8b.
— 1571. La Porte, 41b.
Cayreux. Cotgrave.
Cedreux. Bait. — 1582. Du Monin.
Novvelles ffiwres. 18.
Cendreux. Baif. Du Bellay. Jo-
delle. — Cotgrave.
Centreux. 1584. G. Meurier.
Cere monieus. 1571. La Porte,
31b, 93 b. — 1585. Le Gaygnard,
107. — Cotgrave.
Cerimonieux. 1584. G. Meurier.
— Cutgrave.
Ceruseus. 1571. La Porte, 99. —
Cotgrave.
Chacieus. 1571. La Porte, 277b-
— Cotgrave.
Cbagrineux. Belleau. Ronsard. —
Cotgrave.
Chaineus. 1571. La Porte, 177b,
Chalereux. 1584. G. Meurier.
Cbaleuroux. Belleau. Jodelle. —
1573. C. Plantin, Y a.
Chalumeus. 1571. La Porte, 270,
— Cotgrave.
Chambreux. Cotgrave.
Chance US 1571. La Porte, 80,
138 b. — Cotgrave.
Chancrcux. 1542. Canappe. Guidun,
82. — Cotgrave.
Chandeleus 1571. La Porte. 152b.^
— Cotgrave.
Chansonneus 1571. La Porto,
163. — Chanureus. 1571. La
Porte, 67 b, 245. — Cotgrave.
Charbonneus. 1571. La Porte,
37 b. 40 b. — Cotgrave.
Charmeus. 1584. Horace,* trad. 'L
Le La Porte, 138. La Noue, 392 a
Charneus. 1542. Canappe. Guidot,
107.
Charoingneux. Du Bellay.
Cliar 0 u g n e ux. Ronsard. -Cotgrave,
Chase reus. 1571. La Porte, 106,
— Cutgrave.
Chasseus. 1571. La Porte, lS2b,
272 b.
Chassieux. Belleau. — 1573. C.
Plantin, M 4 c, de. — Cotgrave.
Chatouilleux. Baif. — 1573.
C. Plantin, a 2 d, o 4 d. — Cotgrave,
Les vocables en -eus, -eiia\
•11 i
Chat tonneu-;. 1571. La Porte,
166. — Chemineus. 1571. La
Porte, 19G. — Cotgravc.
Chesneus. 1571. La Porte, 91b,
114 b. — ('otgravc.
Chevalereux. 1585. Le Gaygnard
312. — Cötgrave.
Chevaleureux. Belleau. Du Bellay.
Ronsard. — Cötgrave.
Chevestreus. 1571. La Porte,
148 b. — Co'grave.
Cheveus. 1571. La Porte, bi>.
Cheveux. 1585. Le Gaygnard, 41'.'.
<'hevreux. Ronsard. — Chic an eus.
1571. La Porte. 2fiS. — Coigrave.
Chiquenneus. 1.571. La Porte,
122. — Cholereux. Cötgrave.
Choliqueus. — 1.571. La Porte,
2G7. — Cötgrave.
<'ieux. 1585. Le Gaygnard, 58.
Cireus. 1571. La Porte, ?A). — 1584.
Horace, trad. L. De La Porte, 17.
— Cötgrave.
Cisterneus. 1571. La Porte, 143.
Clangueux. Cötgrave.
Oloissonneus. 1571. La Porte,
194. — Cötgrave.
Coeneux. Cötgrave.
Coigneus. 1571. La Porte, 155.
Co 1er eus. — La Noue, 393.
Coliqueus. 1573. C. Plantin K.
4 d. — 1584. G. Meurier. — Cöt-
grave. — La Noue, 393.
Colliqueus. 1585. Le Gaygnard,
100. — Cötgrave.
(olomneux. Cötgrave.
Colouneus. 1.571. La Porte, 2061,
258 b.
Combateux. 15(1;'.. G. Meurier,
N 3 b.
('omcdieus. 1571. La Porte, 163.
Commctteux. Cötgrave.
Coramodieux. — 1584. G. Meurier.
Compendieus. 1571. La Porte,
07 b, 248 b. — 1584. G. Meurier.
Comp! an t eus. 1571. La Porte,
278. — Comploteux. Cötgrave.
Compteus. 1571. La Porte, 146b.
• 'oncheus. 1571. La Porte, 32.
<oncientieus. l.')85. Le Gaygnard,
108. — Conscientieus. 1571.
La Porte, 146 b. — Cötgrave.
( onsequentieux. Cötgrave.
Contagieux. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 153. 1585. Le
Gaygnard, 107. — Cötgrave.
Contencieux. 1573. C. Plantin. Vd.
Contentieux. Du Bellay Ronsard
— Cötgrave.
Contumelieux. 1571. La Porte
lS7b. — 1585. Le Gaygnard. 107.
— Cötgrave.
Convitieux 1571. La Porte, 80,
131, 187 b. — Cötgrave.
Convoiteux. Du Bellay. — 1585.
Du Bartas, 306. — Cötgrave.
Copieux. Du Bellay. Ronsard. Ty-
ard. — Cötgrave.
Coquelineux. Cotgj'ave. — Co-
quilleus. 1571. La Porte, 149,
174 b, 181b, 212. — Cötgrave.
Corbeilleus. 1571. La Porte, 191.
— Cötgrave.
Corbineux. 1584. G. Meurier.
Cordeleus. 1571. La Porte, 53.
— Cötgrave.
Corneteus. 1571. La Porte, 27:'>b.
— Cötgrave.
Cosseus. 1571. La Porte, 38.
Costeus. 1571. La Porte, 29b.
Cotonneus. 1571. La Porte, 2,85 b.
Cottonneus. 1571. La Porte, 110.
— Cotgravc.
Coudreus. 1571. La Porte, 100,
178, 225b. — Coullevreux. 1.571.
La Porte, 72.
Coulomneus. 1571. La Porte. 53.
Coupeux. Cötgrave.
Courageux. 1571. La Porte, 126.
— 1585. Le Gaygnard, 13.]. —
Cötgrave.
Couragieux. 1573. C. Plantin,
b. 2 a.
Courbeus. La Koue, 390 c.
Courvcux. 1585. Le Gaygnard, 412.
Coussineux. 1571. La Porte, 57b.
85 b, 185. — Cötgrave.
Coustageux. 1573 C. Plantin, §2b.
Coustangeus. 1571. La Porte,
219. — Cötgrave.
Cousteleus. 1571. La Porte, 1 10b.
— Cötgrave.
Cousteux. Ronsard. — Cötgrave.
Cracheux. Baif. — Crasseux.
Baif. Belleau. — Cötgrave.
Cray eus. 1563. G. Meurier. Dict.
tiamen-fran^ois, D2a.
Cresmeus. 1571. La Porte, 106.
Creux. Baif. Du Bellaj. —Cötgrave.
Criblcux. Cötgrave.
Crimineux. Belleau. — 1584. Hp'-
racc. trad. L. De La Porte, 20,
104, 112, 141. — 1.584. G. Meurier.
— Cotgravc.
278
I luyues I 'aganaij.
Crineux. KonsarJ. — Cotgrave.
Croäceux. Cotgravo.
Croäilleus. 1571. La Porto. 67.
— Cotgrove.
Croceus. 1571. L:t Porte, Gi. —
Cotgrave.
Crotcuf. 1571. La Porte, ;5Sb.
Grotteus. 1585. Le Gaygnard.
383.
("rousteleus. 15(1. La Porte, 5(i.
— Cotgrave.
Crousteus. 1542. Ganappe. Gui-
don, 63. — 1571. La Porte, 18,56.
— Cotgrave.
Croyeiix. Cotgrave.
Crueux. Baif.
Cuirasseus. 1571. La Porte, 209.
— Cotgrave.
Cuisineus. 1571. La Porte, i)2b,
106 b, — Cotgrave.
Cuissineus. 1571. La Porte. 185.
Cuivreus. 1571. La Porte, 10, 87b,
15'J. — Cotgrave.
Cuniculeux. Cotgrave.
Ciirieux. 1585. Le Gaygnard, 108.
— Cot-grave.
Cuyvreux. Cotgrave.
Dameus. 1571. La Porte, '.)lb.
Dangereux. 1585. Le Gaygnard,
312. — Cotgrave.
Dartreus. 1571. La Porte, 1 10b.
Decaterreus. La Noiie, 394b.
Decendreus. La Noiie, 394c.
Decolere US. La Noue, 41)3 c.
Decrepiteux. Cotgrave.
Defangeus. La Noue, 391a.
Defascheu?. La Noue, o91b.
Defectucus. 1.585. Le Gavgnard,
108. — Cotgrave.
Deffectueux. Cotgrave.
Defievreus. La Noue, 394 c.
Defructueus. La Noue, 396 a.
De gen er e US. La Noue, .">94a.
Degouteux. Du Bell ay. — Dehai-
neus. La Noue, 392c. — Delici-
eux. Ronsard. — Cotgrave.
Deneigeus. La Noue, 391a.
Denombreus. La Noue, 394b.
Denoueus l^a Noue, 396b.
Denuageus. La Noue, 391a.
Depeineus. La Noue, 392c.
Depiteux. Baif. Du Bellay
Jodelle. — Cotgrave.
Depompcus. La Noue, 3".i3b.
Deporeus. La Noue, 393.
Depouilleux. 1576. P. de Brach.
Poemes, 102.
Desadvantagcus. 1571. La Porte.
216 b.
Desaffreus. La Noue, 394c.
Desangoisseus. La Noue, 395a.
Desareneus. La Noue, 392b.
Desargileus. La Noue, 391c.
Desastreus. 1571. La Porte,
219 b.
Desavantageus. La Noue, 391a.
Desavantureus. lia Noue, 3".>4a.
Desaventureux. Cotgrave.
Desavoureus. La Noue, 394 C.
Desbaveus. La Noue, 395c.
Desbelliqueus. La Noue, 39ob.
D e s b 0 u r g e 0 n n e u s. La Noue, 302 c.
Desbuissonneus. La Noue, 393a.
Descalamiteus. La Noue, 395a.
Descandaleus. La Noue, 391b.
Deschaleureus. La Noue, 394a.
Descharmeus. LaNoue, 392b.
Deschatouilleus. La Noue, 392a.
Descourageus. 1573. C. Plantin,
m4d. — La Noue, 391a.
Descraseus. La Noue, 395 a.
Descrupuleus. La Noue, 391c.
Desdaigneux. 1.585. Le Gaygnard.
238. — Cotgrave.
Desdangereus. La Noue, 393 c.
Desdefectueus. La Noue, 396a.
Desdizeteus. La Noue, 395a.
Desdoucereus. La Noue, 393c.
Desdouteus. LaNoue, 395c. De-
sennuyeus. La Noue, 396b.
Desescunieus. LaNoue, 392a.
Desespineus. La Noue, 392b.
Desfarincus. La Noue, 392b.
Desfluctueus. La Noue, 396a.
Desfroidureus. La Noue, 394a.
Desgaleus. La Noue, 391 b.
Desgommeus. LaNoue, 392a.
Desgouteus. La Noue, 395c.
Desgrateleus. La Noue, 391 b.
Desgrommeleus. LaNoue,.391b.
Deshargneus. La Noue, 393b.
Desidieux. Cotgrave.
Desillumineus. La Noue, 392b.
Desimpetueus. La Noue, 396a.
Desincestueus. La Noue, 396a.
Desireus. Ronsard. — Du Bartas,
ed. 1585, 580. — Cotgrave.
Deslimonneus. La Noue, 392c.
Desmatineus. La Noue, 392b.
Desmoiteus. La Noue, 395b.
Desmonstrueus. La Noue, 396b.
Desmontagneus. La Noue, 393a.
Desmorveus. La Noue, 395c.
Desnebulcus. La Noue. 391c.
Les vocahles en -eus, eii.r.
279
Desuecessitcns. La Noue, .'VJöb.
Desnervcus. La Noue, 39öc.
Desnoizeiis. La Noue, 39Gc.
Desoizeus. La Noue, 39Gc.
Desombvageus. La Noue, 391a.
Desorageus. La Noue, 391 a.
Desoufrcu?. La Noue, 394c.
Desoutrageus. La Noue, 391a.
De spare SS eus. La Noue. 39.5 a.
Despendeux. Cotgrave. — Dcs-
penseux. Ronsard.
Desperilleus. La Noue, 391c.
Despesneus. La Noue, o9"2c.
Despesteus. La Noue, 39.öb.
Despeui-eus. La Noue, 394a.
Despiteux. Belleau. Du Bellay.
Ronsard. Tyard. — Cotgrave.
Desplantureus. La Noue, 3941».
Despoissonneus. La Noue, 393a.
Desquorelleus. La Noue, 391c.
Dosquinteus. La Noue, 39.5 b.
Desray onneus. La Noue, 393a.
Desrespectueus. LaNoue,o96a.
Desrioteus. La Noue, 39.3 b.
Dessoifveux. l.'>8.3. Le Gavgnavd,
412.
Dessoigneus. La Noue, 393a.
Dessomptueus. La Noue, 396a.
Dessoufreteu s. La Noue, 395a.
D estempestueus. La Noue. o95c.
Des tuniultueus. La Noue, 395c.
De SU leer eus. La Noue. 393 c.
Desvaporeus. La Noue, .393c.
Desveneneus. La Noue, 392b.
Desvenimeus. La Noue, 392a.
Desventeus. La Noue, 395b.
Desvergongneus. La Noue, 393.
Desvisqueus. La Noue, 393b.
Deterreus, La Noue, 394b.
Detourbillonneus. La Noue,
392c. — Detrimenteus. 1571.
La Porte, 86 b. — Cotgrave.
Deux. 1.585. Le Gaygnard, SO. —
Cotgrave.
Devigoureus. La Noue, 394a.
Dfevitupereus. La Noue, .393c.
Devotieux. M. Sceve. — Du liellay.
Jodelle. Ronsard. — Cotgrave.
Dieux. Cotgrave.
Diffameus. La Noue, 392a.
Difficultueux. Cotgrave.
Direux. 1.584. Horace, trad. L.
De la Porte, 74, 110, 138.
Discordieux. 1-584. ü. Meurier.
Disetcux. 1.585. Du Bartas, 3.)4.
— Cotgrave. — 1584. G. Meurier.
Dispcndieux. 1.584. G. Meurier.
Disetteux. 1573. C. Piautin, E.
1. c. — 1563. G. Meurier, B. 4 d.
Dizeteus. La Noue, 395a.
Dodelineux. Cotgrave.
Dodineus. 1571. La Porte, .iS,
•2C,Q b.
Doleux. Cotgrave.
Dolorcux. Ba'if. Du Bellay.
Doloscux. 1584. G. Meurier.
Doloureux. 15S4. G. Meurier.
— Cotgrave.
Domageux. Ba'If.
Dormilleux. Cotgrave.
Doubteux. 15S4. 'G. ^leurier.
Cotgrave.
Doucercux. Belleau. Du Bellay. —
( otgrave.
Doulcereux. 1584. G. Meurier.
Doulereux. 1585. Le Gaygnard,
312.
Douloureux. Ba'if. — Cotgrave.
Douteux. Baif. Belleau. Du Bellay.
•lodelle. lioiisard. Tyard.
Drapeleux. 1571. LaPorte, 121.
Drappenx. Cotgrave.
Drillens. 1571. La Porte, 34. —
Cotgrave.
Drugeonneus. 1571. La l'orte,
251 b. — Cotgrave.
Duveteus. La Nour, 395a.
Ecailleux. Du Bellay.
p]cumeux. Belleau. Du Bellay.
Jodelle.
Effectueux. Cotgrave.
E f f i c a c i e u X . Cotgrave .
Enibucheux. Baif.
Ehontous. La Noue, 395b.
Em pl astreu 3. 1571. La Porte,
85. — Cotgrave.
Empoi sonn eus. 1571. La Porte,
4, 38 b, 273.
Encheux. Cotgrave. — Encom-
breus. La Noue, 390b, 394b.
Endesvcux, 1585. LeGaygnard,412.
E nerv eus. La Noue, 395 c.
Enfincetix. Cotgrave.
Enfleus. 1571. La Porte, 1471..
Enfractueux. Cotgrave.
Englueus. 1571. La Porte, 11,
182 b.
Engorgcus. 1571. La Porte,
106 b. — Cotgrave.
Ennuycux. Du B(^llay. 1.578.
Pionsard. 1, 574. — Cotgrave.
Entre-deux. 1585. Du Bartas,
316. — 1585. Le Gaygnard, 80. —
( otgrave.
2S0
] lugnes Vauamnj.
E 11 1 r e d 0 u c c r e 11 s. La Noue, o93 c.
Eutrefroidurens. La Noue, SO-Aa.
Entrerameus. La Noue, 392a.
Entreteignous. La Noue, 393 a.
Envenimeus. La Noue. 392a.
Entrevitupereus. La Noue, 393c.
Envieux. Du Lellay. — Cotgravo.
Epineux. Baif. t)u Bellay.
Equaillcux. Du Bellay.
Erugineux. 1542. Canappo. Guidon,
72. — Cotgrave.
Escacheus. 1571. La Porte, 207.
Escailleux. Du Bellay. — 1573.
Plantin, z. 1 c. — Cotgrave.
Eschaillieux. 1563. G. Meurier,
G. 5 a.
Escharpeus. 1571. La Porte,
150 b. — Cotgrave.
Eschauguetteus. 1571. La Porte,
252. — Escheleus. 1571. La
Porte, 158.
Eschineus. 1571. La Porte, 87. —
Cotgrave.
Esclandreux. Baif. — Cotgrave.
Escrolleus. 1563. G. Meurier,
H. 3 a.
Escumeus. 1571. La Porte, 11),
106 b. — La Noue, 392 a.
l'^.scHmeux. Du Bellay. Jodelle.
Eonsard. — Cotgrave.
Esmervei Ileus. La Noue, 391c.
Escurieus. La Noue. 397a.
Esperouneus. 1571. LaPorte, 9b.
Espieus. 1571. La Porte. 119b. —
La Noue, 397 a.
Espineus. 1571. La Porte, 37 b,
118b. — 1.58.5. Le Gaygnard,
238. — Cotgrave.
Espongeus. La Noue, 391a.
Espongieux. 1.584. G. Meurier. —
Cotgravo.
Espouventeux. Ronsard.
Esquilleux. Cotgrave.
Estaleus. 1571. La Porte, 38b.
Estamineus. 1571. La Porte,
239, — Cotgrave.
Estin celleux. 1584. Horace, 12.
Estoilleux. Belleau. ^ Cotgrave.
Estoupeux. Cotgrave.
Estriveus. 1571. La Porte, 178. —
1573. Plantin, Ee 3c. — Cotgrave.
Esventeus. 1571. La Porte,
271b. — Esveux. Cotgrave.
Rvertineux. 1563. G. ^Meurier.
Dict. flamen-fran^ois, F4a. — 157;'i.
C. Piantin, N4d.
Eveux. Baif. Cotgrave.
E v i 0 u X. Cotgrave. — Exalumineus.
1571. La Porte, 201 b. — Cotgrave.
l']xcremonteus. 1571. La Porte,
164b, 234b. — 1585. Le Gaygnard,
383. — Cotgrave.
Exitieux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 31.
Eableux. Jodelle. Ronsard. —
1582. L E. Du Monin. Novvelles
(Euvres, 6.
abuleux.
acecieux.
acetieus.
Ronsai'd.
F abuleux. Dorat.
F acecieux. Baif.
F acetieus. Cotgrave. — 1573.
C. Plantin, q c. — 1584. G. Meurier.
Facheus. 1585. Le Gaygnard, 108.
P'actious. 1571. La Porte, 64b. —
125 b. — 1585. Le Gaygnard, 108.
— Cotgrave.
Falacieux. 1571. I-a Porte, 265.
— 1573. C. Plantin, D 8 a. —
Cotgrave.
Farne illeus. 1571. LaPorte, 115,
151b, 272. — 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 20. — Cotgrave.
Faineus. 1571. La Porte, 34. —
Cotgrave.
Fanfareus. La Noue, 393b.
Fangeux. Belleau. Ronsard. Tyard.
— Cotgrave.
J'antasieux. 15 . . Ilelisenne de
Crenne, C 5.
Farceus. 1571. LaPorte, 32,38b,
44, 104.
Farcineus. 1571. La Porte, 34.
— 1-585. Le Gaygnard, 238. —
1606. Nicot. — Cotgrave.
Farineus. 1571. LaPorte, 37, 39.
— 1585. Le Gaygnard, 238. —
Cotgrave.
Fascheux. Cotgrave.
Fastidieux. 1559. Guevare. Epis-
tres dorees, trad. Guterry. II, 61.
Fastigieux. 15 . . Ilelisenne de
Crenne, G 4.
Fastueux. Cotgrave.
Faulseteux. Cotgrave.
Fauperdrieu X. Cotgrave.
Febveus. 1571. La Porte, 92. —
Cotgrave.
Febureus. 1571. La Porte, 160.
Felleux. Cotgrave.
Feneux. Cotgrave.
Ferreux. Cotgrave.
Fertileux. 1563. G.^^Ieurier. Dict.
flamen-franQ., 0 3 c.
Fermenteus. 1571. La Porte,
196 b.
Les vocahtes en -eus, -eux.
281
Fe st eux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 87.
Feuilieus. Du Bartas, ed. IJSö,
487.
Fibreux. Cotgrave.
Fiebvreux. 1.584. G. Meurier, —
1573. C. Plantin, b3b. — Cotgrave.
Fielleux. Ronsard, - 1573. ('.
Plantin, 0 3a. — Cotgrave.
Fienteus. 1571. La Porte, loiib,
264. — Cotgrave.
Fieureus. 1565. Calepinus, 411.
Fieuvreus. 1585. Lc Gayi^nard,
109.
Filamenteux. Cotgrave.
Firn eux. 1573. C. Plantiu, M3h.
Fistuleux. 1542. Canappe. Gvidon,
85. — 1571. La Porte,, 94b, 12 -ib.
— 1585. Le Gaygnard, 1S2. —
Cotgrave.
Flaconneus. 1571. La Porto, 40.
Flagoolleus. 1571. La Porte, 197.
Flagitieus. 1571. La Porte, 104b.
— 1584. G. Meurier.
Flambeus. La Noue, 390 b.
Flamm eux. Baif. Ronsard. — 156;i,
G. Meurier, N8b.
Flateus. 1571. La Porte, 12.
Flatneux. 1542. Cannappe. Guidon
75 b. — 1571. La Porte, 202 b.
273 b, 274. - Cotgrave.
Fleureux. Ronsard. — Cotgrave.
Fleus. 1585. Le Gaygnard, lOS. —
Flcxueux. Cotgrave.
Floureux. Baii.
Foarreus. 1571. La Porte, 56,
lUb. — Cotgrave.
Fluctuoux. Marot. Du ]5ellay. Ron-
sard.
Foireux. 1573. C. Plantin. Na. —
1585. LeGaygnard, 312. — Cotgrave.
Foisonneus. Cotgrave.
F 0 n g e ux ( 'otgrave.
Fontaineus. 1571. La Porte, 14;).
— (Jotgrave.
Forninleus. 1571. La Porte. 221.
Fortun eux. Ronsard.
Fo3 s teux. Cotgrave.
Fouarreus. 1571. La Porte, 37.
Foudreus. 1582. Du Monin, 180.
Foueteus. 1571 La Porte, 275.
Fouetteux. Cotgrave.
Foueux. Baif.
Fourageus. 1571. La Porte, 19i;b.
Fourmageus. 1571. La Porte, 48,
143. — Cotgrave.
Fournii 1 letis. 1571. La Porte, 44b.
Fourrageus. 1571. La Porte, 37.
Fourreus. 1571. La Porte, 191,
199 b. — Frareux. Cotgrave.
Frauduleus. 1.571. La Porte. 8,
182b. — 1585. LeGaygnard, 182.
— Cotgrave.
Frayeux. 15f;G. G. Meurier. —
Cotgrave.
Frileus. 1571. La Porte, 24 178b.
— 1585. Le Gavgnard, 182.
Frilleux. Baif. Du Bellay. - 1573.
C. Planlin. bob. Cotgrave.
Frissonneux. Ba'if.
Frivoleux. 1,573. C. Plantin, Oii.
Froidilleux. Cotgrave.
Froidureux. Belleau. Du Bellay.
Jodelle. Ronsard, Tyard. — Cot-
grave.
Fromenteux. Ronsard. — 1.584.
Horace, trad. L. De La Porte, 112.
F r 0 u m e n t e u x. Cotgrave.
Fructueux. Du Bellay. Ronsard.
Cotgrave.
Fruiteux. Baif.
Frumenteus. 1571. La Porte, 37.
94 b, IUI). — 1,585. Thevenin, dans
Du Bartas, .575.
Fueilleux. Baif. Du Bellay. Ron-
sard. — Cotgrave.
Fuligiueux. 15s5. Thevenin, dans
Du Bartas, 002. — Cotgrave.
Fulmincux. 1584. G. Meurier.
Fumeux. Baif. Belleau. Du Bellay.
Ronsard. — Cotgrave.
Fungueux. Cotgrave. — Furieux.
1585. Le Gaygnard, 108. — • Cot-
grave.
Gabgregeux. Cotgrave. — G a 1 e r-
neus, 1571. La Porte, 273b.
Galeus. 1585. Lc Gavgnard, 182.
— La Neue, .39 Ib.
Galleus. 1571 La Porte, 34, 233.
— 1.573. C. Plantin, b3d. - 1.584.
G. Meurier. — Cotgrave.
Gambadeus. 1571. La Porte, 76,
205 b. 2401), 251.
Garrenneus. 1571. La Porte, 149.
259. — Cotgrave.
Gascheux. Cotgrave.
Gazouilleus. 1571. La l'orte. 47,
.52b, — 1.584. Horace, trad. L. De
La Porte, 82. — Cotgrave.
Gehenneus. 1571. La Porte, 223b.
— Cotgrave.
Gel lux. 1573. C. Plautiu, e 4 d.
Gelineus. 1571. La Porte, 223b.
— Cotgrave.
Jluyues Va<iana>j.
Gcnnneus. Biüf. Bclleau. Ronsard.
— Cotgravc.
Geiiereus. l.')Tl. La Porte, 12G.
— l.")78. Konsard. 1, ■)44. — ].j8."i.
Le Gaygnard, 312. Cotgrave.
Genesteus. .')171 La Porte, VM.
— Cotgrave.
Geiiieux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 12.
Gernieux. Belleaii. Konsard. —
Cotgrave.
Gesneus l')71. La Porte, .'»O.
Gas tue US. l'tTl. La Porte, l.Vih.
l.')7.
Gibbeux. Cotgrave.
Gimbreteus. L")71. La Porte, l.")7.
196 b, 214 b, 272. — Cotgrave.
Glacieux. l.')73. C. Plantin, Z 2c.
Glaireus. l.")71. La Porte, 22. —
Cotgrave. Glaceus 1582. L E.
Du Moniu. Novelles Oeuvres, 35.
Glandeux. Ronsard. — Cotgrave.
Glanduleus. 1571, La Porte, 98,
115 b. — Cotgrave.
G 1 a s 0 n n c u X . Cotgrave .
G I a z e u x. Cotgrave.
Gletteux. Cotgrave.
Globeus. 1571. La Porte, 233. —
1584. Horace, trad. L. De La Porte,
31. — Cotgrave.
Globuleus. 1571. La Porte, 3'.),
233. — Cotgrave._
Glommereus. 15*1. La Porte, KiO.
Glorieus. Baif.
Glorieux. Ronsard. — Cotgrave.
Glueux. M. Seeve. — Belleau. Du
Bellay. Jodelle. Ronsard. — 1573.
C. Plautin, e 2a. — Cotgrave.
Glutineus. 1571. La Porte, 22, 66,
115. — 1584. G. Meuricr.
Goitereus. 1571. La Porte, 52 b.
Goitreus. 1584. G. Meurier. —
1585, Le Gaygnard, 108. — Cotgrave.
Gommeux. Belleau. Du Bellay.
— 1573. Plantin, T 3 a. — Cotgrave.
Gotereux. Cotgrave.
Gouffreux. 1576. P. de Brach.
Poemes, 7._ — 1583. Du Bartas. L
Sepmaine, (1. — Cotgrave.
Goufreus. 1582. Du Monin, 130.
— La Noue, 394 c.
Gouteus. 1571. La Porte, 14b, 96.
Goutteux. 1565, Calepinus. 102. —
1585. Le Gaygnard, 383. - Cot-
grave.
Gracieux. 1583. G. Meuricr. — Cot-
i^rave.
Graillous. 1571. La Porte, 67. —
Cotgrave.
Graisseux. 1563. G. Meurier, N 7
I) — Cotgrave.
Grancheus. 1571. La Porte, lo.
Grangcux. Cotgrave.
Granuleux. Cotgrave.
Grappeus. 1571. La Porte, 225.
— 1585. Le Gaygnard, 272.
Grateleux. Ronsard, — Cotgrave.
Gratieux. 1584. G.Meurier. — 1585.
Le Gaygnard, 108. — Cotgrave.
Gratteleux. 1573. C. Plantin, b. 3 d.
Graveleus. 1571. La Porte, 171.
227b, 236. — 1573. C. Plantin, a
2d. — 1585, Le Gaygnard, 182.
Gravelleux. 1584, G.Meurier. —
( otgrave.
Gremeleux. 1584. G. Meurier.
Gresleux. Belleau. Ronsard. —
1573. C. Plantin, V2c, — Cotgrave.
Greveux, 1585. Le Gaygnard, 412.
Greux 1584. G, Meurier. — Cotgrave.
Grillcus. 1571. La Porte, 266b.—
Cotgrave.
Gringoteus. 1571. La Porte, 234
Grommeleus. 1585. Le Gaygnard
182. — Cotgrave-
Grouetteux. Cotgrave. Grunie-
leux. Belleau. — Cotgrave.
Grumeux. Cotgrave. — Grumme-
leus. 1571. La Porte, 91.
Gruolleux, Cotgrave.
Guepillonneus. 1571. La Porte,
24. — Cotgrave.
Guesveux. Cotgrave.
Gueus. 15S4. G.Meurier. — 1585.
Le Gaygnard, 109. — Cotgrave.
Gypseux. 1.542. Canappe. Guidon,
75 b.
Gyroui'tteux. Cotgrave.
Ilaillouneux. Ronsard. — (ot-
grave.
llaineux. Belleau. Du Bellay. —
1.573. C. Plantin, V 4a — Cotgrave.
Haireux, Cotgi'ave.
Halcineux. 1563. G. Meurier. Dict.
riamen-fran^ois. A 6 b. — Cotgrave.
Hame^onneus. 1571. La Porte.
72 b, "
Hanseus. Baif._
Harceleux. 1573. Plantin, Cg,
Hardeus. 1571. La Porte, 30. 90.
156, 191b. — Cotgrave.
Hargneus. 1571. La Porte, 5b.
156. — 1585. Le Gaygnard. 140.
— Cotgrave.
Les vocables en -eus, -eu.i
283
Harmoniens. 1571. La Porte, 122b.
— 1583. Du Bartas, 145. — Cot-
grave.
Hasardeux. Jodelle. — Cotgrave.
Hasteleux. Cotgrave.
Hayneux. 1559 Guevarc. Epistres
Dorees, trad. Gutery. 11, 18G. Du
Bellay. — Cotgrave.
Hayreux. Cotgrave.
Hazardeus. 1558. Giievare. Epist-
res doriies, trad. Guterry. 1. 182.
1571. La Porte, 5b. 112b. — !5S;5.
Le Gaygnard, 80.
Hcrbageux. Cotgrave.
H erben X. Belleau, Du Bellay. Kou-
sard. Tyard. — 1573. C. Plantin,
cb. -- Cotgrave.
Hergneux. Ronsard. — 1.584.
G. Meurier. - Cotgrave.
Hernie ux. 1573. C. Plantin, Hoc.
Heureux. Belleau. — Cotgrave.
Hideux. 15S4. G. Meurier. 1.5<S5.
— Le Gaygnard, 80. — Cotgrave.
Hileux. Cotgrave. — Hobineus.
1571. La Porte, 2G5b. — Cotgrave.
Honteux. Cotgrave.
Horlogeus. 1571. La Porte. 43b.
Houssineus. 1571. La Porte, 30b,
275. — Cotgrave.
Huileux. Baif. — 1599. Horukens.
1573. < . Plantin, k3b. Cotgrave.
Iluilleus. 1571. La Porte, 99.
Huitreux. Belleau.
Humeux. Cotgrave.
Hutineus. 1.571. La Porto, 178. —
1584. G. Meurier. — Cotgrave.
lluyleux. 1.5G3. G. Meurier, H8c.
Huytreux. Belleau.
Hyverneux. 1583. Virgile, trad.
Le Chevalier, 153. 1584. Horace.
trad. L. De La Porte, 121. 13L
lambeus. 1571. La Porte, 111.
Jardineus. Godefroy. X, 39.
Ichoteux. < otgrave.
lesineux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 15G.
leuneus. 1571. La Porte, 47.
Ignominieus. 1571. La Porte, :!1,
79. — Cotgrave.
Illaborious. La Noue, 398a.
lllecebreux. 1584. G. Meurier.
rilumineus. La Noue, 392b.
Imagineux. 158."). Le Gaygnard,
238.
I m b e 1 1 i q u e u X. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 129.
Immelodieus. La Noue, 397 c.
1 m m i s e r i c 0 r d i e u X. 1 573. C. Plantin
X 2 a. — 1584. G. Meurier. - Cot-
grave. — La Noue, 397 c.
Immysterieus. La Noue 39Sa.
Imparesseux. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 125.
Impecunieus. La Noue, 398a.
Imperieus. 1571. La Porte, 86.
— 1584. Horace. 62. — Cotgrave.
Iraper nicieus. La Noue, 397b.
Impetueux. Du Bellay. -- Cot-
grave.
Impeureux. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 126.
Irapieteux. — Impieus. 1584.
Horace, 52. — La Noue, 397 a.
Impigreux. 1584. Horace, 117.
Imputeux. M. Sceve. — Baif. Du
Bellay. Jodelle. Ronsard. Tyard. —
Cotgrave.
Inambitieus. La Noue, 397b.
Incestueus. 1571. La Porte, 14,
141b. — 1584. Horace, 66. — 158-5.
Le Gaj^gnard, 108. — Cotgrave.
Inconsciencieus. La Noue, 397b.
Incurieux. Tyard. — 1584. G.
Meurier — La Noue, 398 a.
Indelicicus. La Noue, 397b.
Indeus. La Noue, 391a.
Indevocieus. La Noue, 397b.
Inducieus. 1571. La Porte, 266b.
Indulgentieus. 1-571. Ln Porte,
192 b, 250 b. — Cotgrave.
Industrieux. Belleau. Bonsard.
Tyard. — Cotgrave.
Infructueux. Ronsard — 1573
C. Plantin, X 4 a. — Cotgrave.
Ingenieux. Du Bellay. - Cotgrave.
Ingenueux. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 93.
Inglorieux. Cotgrave. — La Noue,
;;9S a.
Inharmonieus. La Noue, 397 c.
Injurieux. Du Bellay. Jodelle, —
Cotgrave. — Inobsequicus. 1571.
La Porte, 79 b.
Inofficieux. Cotgrave. — La Noue,
397 b.
Insidieux. 1584. G. Meurier. —
Cotgrave.
liisoucieus. La Noue, 397 c.
Instrumenteus. 1571. La Porto.
178 b.
In Studien s. La Noue, 397 c.
Intestineus. 1571. La Porte, 116b.
Invcctiveux. 1585. Le Gaygnard,
412.
L\S-1
lliU
Ines ) CK/illHC/.
Joncheus. 1571. La Porle, IUI.
Joiicseux. I'ü3. C. Plantin, A' Ic.
Joüeus. 1Ö71. La Porte, 138. -20711.
.lousteux. ('ot.nrave.
.loyoux. Bai't'. — Cotgrave.
Jrcnx. BaJf. Ronsard Tyard. —
Cotgravo.
Irroligieux. (otgravc. — LaNoup,
397 c.
Irruspectiieux. Cotgravo (cite par
Godefroy. X, 33).
Isloux. Eousard. — Cotgrave.
Jubeus. La Noue, 390b.
Juliilcux. 1Ö84. G. Meurier.
Judicieux. Montaigne, dans Gode-
froy. X, 52. — Cotgravo.
Jiiteux. Godefroy. X, 57.
L a 1) 0 r i e u X. Pton.sard. — Cotgravo.
Laboureux. 1563. G. Meurier, B 2b.
Labourieux. 1584. G. Meiirier.
Labyriutheux. Cotgrave.
Lachrymeulx. 15 . . . Helisenne
de Crenne, AA.\ 3.
Laicteux. Belleau.
Laictiieiis. 1571. La Porte, 237.
Laidangeux. Cotgrave. — Lai-
d.engeiis. 1571. La Porte, 188
Lainetix. Pionsard. — Du Bartas
ed. 1585, 53(j. — Cotgrave.
Lamanteus. Baif. — Lampeus.
1571. La Porte, 152 b. — Cotgrave.
Langoureux. Baif. Belleau.
Jodelle. Ronsard. — Cotgrave.
Lanterneus. 1571. La Porte,
98 b.
Lanugineux. Godefroy. X, (i3. —
Cotgrave.
Lauuleux. Cotgrave.
Larcineus. 1571. La Porte. 42b.
Larmeux. Ronsard. 1584. Horace.
trad. L. De La Porte, 22. — Cotgrave.
Larmoieux. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 27.
Larraoyeixx. Cotgrave.
Larrecineus. 1571. La Porte,
42 b. — Cotgrave.
Larrouneux. Cotgrave.
Lascivieux. 1584. G. Meurier.
Latrineus. 1571. La Porte, 93,
229 b. — Cotgrave.
Layneux. 1584. Le Gaygnard, 238.
Legumineux. Cotgrave.
Lendeux. Cotgrave.
Lendincux. 1583' G. Meurier.
H7b.
Lenteus. 1571. La Porte, 215. —
Cotgrave.
Lcntillous. 1573. C. Plantiu. 8c.
- 1584. G. Meurier. — 1585. Le
Gaygnard, 182. — Cotgrave.
Lepreus. Lepreux. 1584.
G. Meurier. — 15.S5. Le Gavgnard,
108, 280. — Cotgrave.
Lexiveus. 1571. La Porte, 55,
74. — Cotgrave.
Lexivieux. Cotgrave.
Libidineus. 1571. La Porte, 124,
189. — 1585. Le Gavgnard.
238. — Cotgrave.
Licentious. 1571. La Porte, 1. —
1584. G. Meurier.
Li cite US. 1571. La Porte. 871).
Lienterieux. Cotgrave.
Lieux. 1573. C. Plantin. T 2a. —
Cotgrave.
Ligamenteux. Cotgrave.
L ! g n e u x. Cotgrave .
Limaccux. Cotgrave.
Lirabeus. La Noue, 390 b.
Limeus. 1571. La Porte, 138.
Limite US. 1571. La Porte, 391),
138.
Limonneux. 1542. ( anappe.
(Juidon. 82. — Belleau. Ronsard.
Tyard. — Cotgrave.
Linceux. 1585. I>e Gaygnard, 47.
Lineus. 1571. La Porte, 245.
Lionneus. 1571. La Porte,
235 b. — Cotgrave.
Lisierous. 1571. La Porte, 39b. —
Cotgrave.
Litieux. 1.585. Le Gaygnard, 107.
Litigieux. 1571. La Porte, 3,
32, 219. -- Cotgrave.
Lizieux. Cotgrave.
Loquetcus. 1571. La Porte, 34,
126. — 1599. Hornkens. — Cot-
grave.
Louangeux. 1584. Horace, trad.
L. De La Porte, 158.
Loupeus. 1571. La Porte, 209. —
Cotgrave.
Luctueus. 1571. La Porte, 79,
85. — 1584. Horace, trad. L De
La Porte, 73.
Lue US. 1571. La Porte, 145,
167 b. -— Cotgrave.
Lumineux. Belleau. — 1573.
C. Plautin, d 4a. — Cotgrave.
Lustreux. Cotgrave.
Lustrueux. Cotgrave.
L Ute US. 1571. La Porte, 259.
liuxurieus. 1558 Guevara. Epistres
dorecs, trad. Guterry. I, 49. — 1565
Le^ vocahlcs cn -eus. -euv.
285
Calepinus, 137. — 1571. La Porte,
.'). — 1585. Le Gaygnard, JOS.
Cotgrave.
Maculeus. 1571. La Porte, 255. —
1573. C. PJantin, blb.
Magesteux. Baif.
Majesteux. Gotgravo.
Malencontreux. Baif. Judelle. —
1578. Ronsard. I, 137. — Cotgrave.
Malengineus. 1571. La Porte,
107 b. — Cotgrave.
Malgratieus. 1571. La Porte,
138 b, 277 b. — 1^84. G. Meurier.
Malheiireus. 1571. La Porte,
251. — 1585. Le Gaygnard,
312. — Cotgrave.
Malicieux. 1584. G. Meurier. —
1573. C. Plantin. sc- 1585. Le
Gaygnard, 107. — Cotgrave.
.M a li t i e u X. Du Bellay."— Malle-
teus. 1571. La Porte, 191 li.
Malpiteux. Baif.
-Mal- soigneux. 1573. C Phuitin,
Bb4b. — 1584. G. Meurier.
Mamelleus. 1571. La Porte, 143.
Mammeleus. 1571. La Porte,
52 b. — Cotgrave.
Mammeux. 1570. G. Hervet. Cite
de Dien. I, 123a, E.
Manneus. 1571. La Porte, UM.—
Cotgrave.
Maquerelleus. 1571. La Poi-to,
26 b. — Cotgrave.
Marbreux. Cotgrave.
Marescageus. 1571. LaPorte. 3b.—
1585, Le Gaygnard, 131. —
Cotgrave.
Marmiteux.Bai'f. - ].5S4.G.]Mcurier
— Cotgrave.
Marneux. Cotgrave. — Mas-
sacre ux. 1585. J;e Gaygnard, QG.
Mas SU eus. 1571. La Porte, 40.
Matelineux. Ronsard. — Mathe-
line ux. Cotgrave.
^[atineus. 1571. La Porte. 23 b,
52 b, 245 b. — 1.585. Le Gaygnard,
238. — Cotgrave.
Maucoeur eux. Cotgrave.
Maugracieux, — 1584. G. Meurier.
— löLty. Hornkens.
Maugratieus. 1585. Le Gavgnard
108. -- Cotgrave.
Maupiteux. ßa'if — 15li9. Hornkeus
— Cotgrave.
Mausoigneus. 1."j84. G. Meurier.
1585. Le Gaygnard. 140. — Cotgrave.
Medio am enteus. Cotgrave.
Medieux. 1584. G. Meurier.
M e d u 1 e u X. 15. Helisenne de Crenne,
EE 2 b. — Mednlleux. Cot-
grave.
M e l a n c 0 1 i e u s. Baif. - M e 1 o d i o u x.
Du Bellay. Ronsard. — Cotgrave.
Membran eux. Cotgrave.
Memoireux. Cotgrave.
Menaceux. Cotgrave. — Monda-
cieux. 15G3. G. Meurier, G 7a.
Mendeux. Cotgrave.
Menstrueux. Du Bellay.
Menteux. Cotgrave.
Merdeus. 1571. La Porte, 229 b.
— Cotgrave.
Merveilleux. 1584. G. Meurier. —
Cotgrave.
Me seil eux. Cotgrave.
Meselleus. 1571. La Porte, 14;i.
— Cotgrave.
Meticuleu.x. 1584. G. Meurier.
Miauleux. Ronsard. — Cotgrave.
Mielleux. Jodelle. Ronsard. Tyard.
— Cotgrave.
Miesureux. Cotgrave.
Mieuix. Cotgrave.
Mieux. 1584. G. Meurier. — 1585.
Le Gaygnard, 156. — Cotgrave.
M i n e u x. Cotgrave.
Miraculeux. 1584. G. Meurier. —
1585. Le Gaygnard, 182. — Cotgrave.
Mirteus. 1582. Du 3Ionin, 276.
Misericordieus. 1571. La Porte,
276, 82. — Cotgrave.
Misericordieux. 1585.Le Gaygnard
107.
M 0 e 1 1 e u s. 1 57 1 . La Porte, 23 b. —
Cotgrave.
Moienneus. 1571. La Porte. 70 b
Moileux. Cotgrave.
Moilleus. 1571. La Porte, 186 b,.
254.
Moillonneus. 1571. La Porte, 471),
205 b.
Moissonneux. Du Bartas, ed. 1585,
3.^5.
Moiteux. Baif. Belleau. Ronsard.
— 1584. Horaco, trad. L. De La
Porte, 34, 145.
Monstreux. Baif.
Monstrueux. Belleau. Ronsard.
— Cotgrave.
Montagneux. Baif.
.Montaigneus. 1563, G. Meurier,
B 5 d. — 1571. La Porte, 11. —
1573. C. Plantin, E 4 d. — 1584.
G. Meurier. — Cotgrave.
2S(;
//uaues Varianay.
Montueus. 1h1. La Porte. G b, 44.
— 1585. Lo üaygnard, 108. —
Cotgrave.
Morgueus. l.')71. La Porto, 280.
— Cotgrave.
Morveux. Baif. — 1573. C. Plantin,
sc. — Cotgrave.
INlotteus. l.')71. La Porte, 116 b.
— Cotgrave.
Mouche US. 1585. Le Gavgnard,
5G, 108.
Mousseux. Baif. — Cotgrave.
Moycux. 1584. G. Meurier. — 1585.
Lo Gaygnard, 15G.
Moyteux. Du Bellay.
Mucagincux. Cotgrave.
Mucqueux^ Cotgrave. — Murail-
leus. 1571. La Porte, 147 b,
194.
Murmureux. 1584. Horace, trad.
L De La Porte, GS.
Muscagineux. Cotgrave.
Muscillagineux. 1542. Canappe.
Guidon, 75 b.
Musculeus. 1.J71. La Porte. 211.
— Cotgrave.
Muscleux. Tyard. - 1584.
G. Meurier.
Museleus. 1571. La Porte, 148 b.
— Cotgrave.
Musqneux, Cotgrave.
Myrteux. Ronsard.
Mysterieux. 1584. G. Meurier. —
Cotgrave.
Nacnieux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 41.
N a p 1 e u X. Cotgrave.
Naucheux. Cotgrave.
Naufrageux. Ronsard. 1584.
Horace, trad. L. De La Porte
145. — Cotgrave.
Nebuleus. \')1\. La Porte, 28 b,
91. — 1584. Le Gaygnard, 182.
Cotgrave.
Necessiteux. 1584. G. Meurier.
1585. Du Bartas, 11. — 1585. Le
Gaygnard, 3G2. ~ Cotgrave.
Nectareux. Ronsard.
Negeus. 1582. Du Monin, 182.
Negocieus. l.")71. La Porte, ;;i,
bi b, 142 b. - Cotgrave.
Negotieus, 1571. La Porte, 97,
2i5b.
Neigeux. Ronsard. 1584, Horace
trad, L. De La Porte, 91. —
Cotgrave.
Neprunieux. 1571. La l'orte, 71.
Nerveus. 1571. La Porte, 10 b
.■)5, 105. — 1584. Horace, trad. L.
De La Porto, 146. Cotgrave.
Nidorcux. Cotgrave.
Nileux. 157G. P. de Brach, Po-
emes. 81.
Nitreux. l.>42, Canappe. Gindon,
75 b. - 1571. La Porte, 214.
Cotgrave.
Nodeux. Cotgrave.
Noiseus. 1571. La Porte, 41 \>.
76 b. — Cotgrave.
Noisi Ileus. 1561. La Porte, 69 b.
Noizeux. 1585. Le Gaygnard, 109.
Nombreux. Ba'if. Ronsard.
Cotgrave.
Non larmoieux. 1584. Horace,
trad. L. De La Porto, .54.
N 0 u a g e u X. Cotgrave.
Nouailleux. Baif. Belleau, Dn
Bellay. Ronsard. Cotgrave.
Noualleux. Du Bellay.
Noueus. 1571. La Porte. 2G8 b,
275. — 1573. C. Plantin, bd.
1585. Le Gaygnard, 108. — Cot-
grave.
Nouuilleux. 1584. G. Meurier.
^iuageus. 1571. La Porte, 9 b, 170,
218 b. - l.)85. Le Gaygnard, 131.'
— Cotgrave.
Nubileux. Du Bellay, Dorat, -
Cotgrave.
Nueux, Belleau, Ronsard, Tyard.
Cotgrave.
Nuicteux. 1584, Horace, trad. L.
De La Porte 13G. Cotgrave. Du
Bartas, ed. 1585, 397,
Nuiteux, Belleau, — 1576, P. de
Brach. Poemes, IGO b.
Nultteux. Belleau.
Numereux, Du Bellay, Cotgrave.
Nympheus, 1571. La Porte, 100,
— Cotgrave,
Oblivieux. Du Bellay. Jodelle
Ronsard. - Cotgrave.
Obsequieus. 1571. La Porte. 76 b,
103, 127 b, 139. — Cotgrave.
Ocieux. Baif. Du Bellay. Jodelle.
Ronsard. Tyard. — Cotgrave
Odieux. 1573. C. Plantin, V 4 a.
1585. Le Gaygnard, 107. — Cot-
grave.
Odoreux. Baif. Belleau. Ronsard.
— 1584. G. IMeurier.
Odoureux. Baif. Belleau.
Oedemateux. Cotgrave.
Offeux. Cotgrave.
Lcs vocables en -ens. -eit.r.
287
Officieus. 1571. La Porte, 33 b,
35, 97. — 1578. Ronsard. I, 52S.
— Cotgrave.
Oieus. 1571. La Porte, 676.
Oiseux. Ronsard. — 1584. Horace,
trad. L. de La Porte, 87. —
Cotgrave.
Oleagineux. Cotgrave.
Oleeux. Cotgrave.
Ombrageux. Baif. Ronsard.
Tyard. — Cotgrave.
Ombreux. Baif. Belleau. Jodelle.
Ronsard. Tyard. — Cotgrave.
O m i n e u X. 1 584. G. Meurier.
Onctueiis. 1571. La Porte, 162,
275 b. — Cotgrave.
Ondeux. Baiif. Ronsard' — La
Noue, 390 c.
Unereus. 1571. La Porte, 26 b. —
Cotgrave.
Onguenteux. 1573. C.Plantin,x 2c.
Oper eil X. 1584. G. Meurier. —
1584. Horace, trad. L. De La
Porte, 64, 106.
Oraculeus. 1571. La Porte, 23.
65 b, 164 b. — Cotgrave.
Orageux. Jodelle. — Cotgrave.
Orfebureus. 1571. La Porte,
160. — Orfevreux. Cotgrave.
Orgieux. Ronsard. — 1582. I. E.
DuMoniu. Nouvelles ffiuvres, 116.
Orgueilleiix. Baif. Belleau. —
Cotgrave. — Orguilleux. Tyard.
Orphevreus. 1571. La Porte, 861).
Osercux. Cotgrave. — Osiereux.
1571. La Porte, 44, 67 b, 191. —
<'otgrave.
Otieux. Ronsard.
Oablieus. 1571. La Porte, 147,
197. — 1585. Le Gaygnard, 107. —
Cotgrave.
Oultrageux. Ronsard. — Cotgrave.
Oultrepreux. 1584. G. Meurier. —
1584. Horace. trad. L. De La
Porte, 113. — Cotgrave.
Ou tragen X. Baif. Belleau. Dorat.
Outraigeux. Belleau.
Oyseux. Belleau.
Ozereus. 1571. La Porte, 4-1. —
Cotgrave.
Pactieus. 1571. La Porte, 3. -
Cotgrave.
Pailleus. 1571. La Porte, 28,
94 b, 101 b, 214 b. — 1573.
C. Plantin, a b. — Cotgrave.
Paineus. 1571. La Porte, 251.
Cotgrave.
l'aludeux. Cotgrave.
Pampineus. 1571. La Porte. 239.
Pampreux. Baif. Belleau.
Paneus. 1571. La Porte, 251.
Pantoufleus. 1571. La Porte,
148 b.
Paoureus. 15(1. La Porte. 8b,
35 b, 86.
Papilloteus. 1571. La Porte,
160. — Cotgrave.
Parangonneus. 1571. La Porte,
97 b. — Cotgrave.
Paresseux. Baif. Belleau. —
Cotgrave.
Parfumeus. 1571. La Porte, 13,
113, 182. - Cotgrave.
Parlementeus. 1571. La Porte.
140 b.
Passementeus. La Porte, 271 b.
Pasteus. 1571. La Porle, 112,
147 b, - 1573. Plantin, L. --
Cotgrave.
P asture US. 1571. La Porte, 35 b.
Patelineus. 1571. La Porte, 192.
Paureux. Du Bellay.
Pecunieux. 1571. La Porte, 31,
87. — 1585. Le Gaygnard, 107. ~
( otgrave.
Pedieux. Cotgrave.
Pelicieux. Cotgrave.
Pellicieus. 1571. La Porte, IDl.
Pelliculeux. Cotgrave.
Peneus. 1571. La Porte, 219. —
1.385. Le Gaygnard, 238. —
Cotgrave.
Penitencieux. Cotgrave. — Peni-
tentieux. 1571. La Porte,
227 b, 228.
Pepineux. Ronsard.
Percepceux. Cotgrave.
Perclieus. 1571. La Porte, 266b.
Cotgrave.
Peregrineus. 1571. La Porte,
95 b. — 1585. Le Gaygnard,
238. — Cotgrave.
Perilleux. Baif. Cotgrave.
Perleux. Belleau. Ronsard.
Pernicieux. 1584. G. Meurier.
1585. Le Gaygnard, 107. —
Cotgrave.
Posch eux. Cotgrave.
Pesteux. Ronsard. — Du Bartas,
ed. 1585, 368 — Cotgrave.
Pestilentieus. 1571. La Porte.
66, 95. — l.')73. C. Plantin, r 4d.
1585. Lc Gaygnard, 108. —
Cotgrave.
->88
J/iufues I 'aganai/.
Petilleus. l.')71. La Porto, lli'.
Petreux. Cotgrave.
Peupleux. Jiaif. Ronsard.
Peuroux. Ronsard.
Phlegmoncux. Cotgrave.
Pianeleiis. 1.371. La Porte.
148b. — Pianelleux. Cotgrave.
Pierreux. Baif. Belleau. Du
Jlellay. Ronsard. -~ Cotgrave,
Pieteux. Baif. Du Bellay. Ronsard.
Pietonneux. Cotgrave.
Pieux, Cotgrave.
Pineux. Ronsard. — Cotgrave-
Pinneus. 157 L La Porte, '212,
•229. - Cotgrave.
Piuseteus. 1571. La Porte, 182.
Pipeux. Jodelle. — Cotgrave.
Pirouette US. 1571. La Porte,
171 b, 23G, 265. — Cotgrave.
Pisseus. 1.571. La Porte, 64 b,
15'J. — Cotgrave.
Piteux. Belleau. Du Bellay.
Ronsard. — Cotgrave.
Pituiteux. 1571. La, Porte, 71,
96, 204. Cotgrave.
Pivoteus. 1571. La Porte, 115.
Plaideus. 1.371. La Porte, 2111 b.
220 b. - Cotgrave.
Plancheus. 1571. La Porte, 248 b,
Planteureux. Du Bellay.
Plantureux. Baif. Du Bellay.
Jodelle. Ronsard. — Cotgrave.
Plastreus. 1.571. La Porte, 117,
160 b, 172 b.
Pleureux. Baif. Ronsard. —
Cotgrave.
Pleuvieus. 1585. Le Gaygnard, 108.
Plombeux. Baif. — 1573. Plantin,
e. ~ 1584. G. Meurier. — 159',i.
Hornkens.
Ploureux. Ronsard.
Pluieux. 1.576. P. De Brach.
Poeme?, 8.
Plumeus. Belleau. Ronsard.
Tyard. — 1573. Plantin, s 2 c. -
Cotgrave.
Pluvieux. Du Bellay. Ronsard.
Tyard. - Cotgrave.
Pluyeux. Ronsard.
Podagreux. 1566. 1584. G. Meurier.
— Cotgrave.
Poeneux. 1.584. Ilorace, trad. L.
De La Porte, 106.
Poictreux. Cotgrave.
Poictrineux, Cotgrave.
Poinronneux. Cotgrave. Poin-
sonneu.s. 1571. La Porte, Ob.
Poisonueux. 1584. G. Meurier.
Du Bartas, ed. 1585, 35.5. Cotgrave.
Poisseux. Ronsard. — Cotgrave.
Poissonneux. Belleau. Ronsard.
Cotgrave.
Poitrineus. 1571. La Porte, GS.
Poizonneux. 1585. Le Gavgnard
238.
Polypeux. 1.584. G. Meurier. —
Cotgrave.
Ponieus. — 158."l. I. de La Jesseo,
.551.
Pommeux. Ronsard, Cotgrave.
Pompeux. Jodelle. Ronsard. —
Cotgrave.
Ponceux. 1563. G. Meuriei', I 8 b.
Pondereus. 1571. La Porte, '.»8 b.
— Cotgrave.
Ponneus. 1571, La Porte, 214 b,
Pontueus. 1.571. La Porte, .56, 203
b. — Cotgrave.
Populeux. Du Bellay. —Cotgrave.
Porcieus. 1582. Du Monin, 1.57.
Poreux. Cotgrave. — La Noue.
393.
Porreux. Cotgrave.
Portenteux. Cotgrave.
Portestrieux. Cotgrave.
Portueus, 1571. La Porte, 3b, 123.
— Cotgrave.
Posteus. 1.571. La Porte, 26b, 70.
165. — Cotgrave,
Postilleux. Cotgrave.
Postuleux. Cotgrave.
Potieus 1571, La Porte, 277 b. —
1.584. G. Meurier. — Cotgrave.
Poudreux. Baif. Belleau. Du Bel-
lay. Jodelle. Ronsard.
Pouilleux. Baif. — 1.584. G. Meu-
rier. — Cotgrave.
Pouldreux. Du Bellay. 1584. G.
Meurier. — 1573. C. Plantin, s 2 a.
Poulpeux. 1.584. G. Meurier. —
Cotgrave.
Poureux. Baif. Ronsard. — 1584.
G. Meurier,
Pourpreux. 1584. Horace. trad. L.
De la Porte, 119.
Poutieux. Cotgrave.
Precieux. Du Bellay. Ronsard. —
Cotgrave.
Precipiteus. 1571. La Porte, 2b,
15 b, 105 b, 115, ITO — Cotgrave.
Prefacieus. 1571, La Porte, 220,
Presagieux. Ronsard. — 1584.
G. Meurier. Cotgrave.
Prescheus. 1571. La Porte, S6b.
Les vocahles en -eiis, -eiix.
289
Presomptueux. löS-l. G. Meurier.
— Cotgrave.
Presteus. 1571. La Porte, 71 b.
— Cotgrave.
Presumptueux. Du Bellay. —
1.565. Calepinus, 101.
Presureus. 1571. La Porte, 110b.
Pretieux. 1584. G. ^ileurier. —
Cotgrave.
Preiix. Ronsard. 1584. G. Meurier.
— Cotgrave.
Prezagienx. 1585. Le Gaygnard
107. "
Prezomptueus. 1.585. Le Gaygnard,
108. — Processeux. Cotgrave.
Prodigieux. 1584. G. Meurier. —
1585. Le Gaygnard, 107. — Cot-
grave.
Pi'overbeus. La Noue, ol>0c.
Provisionneux. 1571. La Porte
111b.
Pruineus. 15(1. La Porte, 112b.
— 1573. C. Plantin, v 2 b.
Pruneus. 1.571. La Porte, 178.
Psalmodieus. 1571. LaPorte, 52b.
Pulceux. Cotgrave.
Pustuleus. 1571. La Porte, 7, 87,
142, 2fi9. — 1585. Le Gaygnard,
182. — Cotgrave.
Putredineux. Cotgrave.
Querelleux. Belleau. 1573. C.
Plantin, b 4 a. — 1584. G. Meurier.
— Cotgrave.
Questionneux. 1584. G. Meurier.
<i^uestueux. 1571. La Porte, 221.
1585. Le Gaygnard, lOs
Queus. Cotgrave.
(j>ueux. Cotgrave.
Quiutessencieux. Ronsard. —
Cotgrave.
(^»uinteus. 1571. La Porte, 52 b,
99 b. - Cotgrave.
Rabe US. La Noue, 390 b.
Kaboteux. Belieau. -- 15G5. Cale-
pinus, 10(5. — Cotgrave.
Rabouteux. ]5('i5. Calepinus, 157.
Racineux. Ba'if. Cotgrave.
Racleus. 1571. La Porte, 42b. —
1584. G. Meurier. — 1599. Horn-
kens.
Radieux. Du Bellay. Jodelle. Ron-
sard. Tyard. — Cotgrave.
Radoteux. Baif.
Rageus. 1571. La Porte, 1 b, 19 (ib.
— i 1599. Hornkens. Cotgrave.
Rai leus. 1571. La Porte, 197.
Raioinneus. 157 L La Porte, 248.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Lilt. XXXlIi.
Raisneus. 15 <1. La Porte, 50b,
75, 190, 267 b. — Cotgrave.
Raizineus. La Koue, 392c.
Ramageus. 1571. La Porte, 182.
Rameux. Ronsard. - Cotgrave. —
Godefroy. X, 479.
Ramonneus. 1571. La Porte, 30 b.
R'angoisseus. La Noue, 395a.
Rapeux. Belleau.
Raphileux. Cotgrave.
R a p i n e u s. 1 57 1 . La Porte, 79 b, 99 b.
-- 15S4. Horace, trad. L. De La
Porte, 151. — 1.585. Le Gaj^gnard,
238. — Cotgrave.
Raquetous. 1571. La Porte, 174b.
R a s p e u X . C otgrave.
Ratisseus. 1.571. La Porte, 42b.
Ravageux. Ronsard. — 1585. Du
Bartas, 251.
Ravineux. Cotgrave. — Rayon-
neux. Jodelle. — Cotgrave.
Rebaveus. La Noue, 395c. — Re-
belli queus. La Noue, 393b.
R e b 0 u r g e 0 n n e u s. La Noue, 392 c.
Rebuissonneus. La Noue, 392c.
Recaneus. 1571. La Porte, 24.
Recaterreus. La Noue, 394b.
Rec autele US. La Noue, 391b.
Recendreus. La Noue, 394c.
Rech al eure US. La Noue, 394 a.
Rechancreus. La Noue. 394c.
Recharmeus. La Noue, 392b.
RecbatouilJeux. La Noue, 392a.
Rechigneux. Ptonsard.
Rechineux. Jodelle.
Recolereus. La Noue, 393c.
Reco li queus. La Noue, 393b.
Reconvoiteus. La Noue, .395 b.
Recrasseus. La Noue, 395 a.
Rededaigneus. La Noue, 393a.
Redefectueus. La Noue 39(3 a.
Red ez Ire US. La Noue. 393 c.
Redizeteus. La Noue, 395a.
Redoucereus. La Noue, 393c.
Redouloureus. La Noue, 394a.
Redouteus. La Noue, 395c.
Refarcineus. La Noue, 392b.
Refarineus. La Noue, 392b.
Refascheus. La Noue, 391b.
Refievreus. La Noue, 394c.
Refluctueus. La Noue, 39(ia.
Refrauduleus. La Noue, 391c.
Refrilleus La Noue, 39 Ic.
Relroidureus. La Noue, 394a.
Ref ructueus. La Noue, 396a.
Refumcus. La Noue, 392a.
Refugieux. Cotgrave.
19
l>90
Iliigues Vayanay.
Kegermcus. La Nouc, o92 b.
Kegistreus. I.'jTI. La Porte, 137 b,
101 b.
Regommeus. La Noue, 392a.
Regoufreus. La Noue, 31)4 c.
Regüuteus. La Noue, 39'> c.
Regr^teleus. La Noue, 391 1).
Regrav'elc'us. La Noue, 391c.
Rehaineus. La Noue. 392 c.
Rehargneus. La Noue, 393b.
Rehazarileus. La Noue, 391.
Reineus. 1571. La Porte, S7, 232,
— Cotgrave.
Religieus. 1571. La Porte. 1 b.
- 1585. Le Gavgnard, 107. —
("otgrave.
Remiraculeus. La Noue, 591 c.
Remoiteus. La Noue, 39,') b.
Remoustrueus. La Noue, 396 a.
Remorveus. La Noue, 395 c.
Renaufrageus. 1571. La Porte,
391 a.
Renebuleus. La Noue, 391c.
Rencontreus. l.")71. La Porte,
32 b, 126 b, 2Glb. - l.-)8.). Le
Gavgnard, 109.
R'ennuyeus. La Noue, 396 b.
Renoizeus. La Noue, 39() c.
Re noue US. La Noue, 396 b.
Rente ux. Cotgrave.
Repeineus. La Noue, 392c.
Repesncus. La Noue, 392 c.
Repesteus. La Noue, 395b.
Repeureus. La Noue, 394a.
Replantureus. La Noue, 394 b.
Repoissorineus. La Noue, 393 a.
Repompeus. La Noue, 393b.
Repoudreus. La Noue, 394 c.
Repouilleus. La Noue. 392 a.
Represomptueus. La Noue, 396 a.
Requerelleus. La Noue, 391 c.
Requinteus. La Noue, .395 b.
Resablouneus. La Noue, 393.
Resavoureus. La Noue, 394b.
R'oscumeus. La Noue, 392a.
llesineus. 1571. La Porte, 20b.
207. 212. -^ 1585. Du Bartas. 284.
— Cotgrave.
Resoigneus. La Noue, 393.
Resombreus. La Noue, 394 c.
Resomm ei Ileus. La Noue, 391 c.
Re sonor eus. La Noue, 393 c.
Resoufreteus. La Noue, 395 a.
Resoufreus. La Noue, 394c.
Resoupronneux. La Noue, 392 c.
Resourcilieus. La Nouo, 391 c.
Respectueus. R'espineus. La
Noue, 392 b.
R'espongeus. La Noue, 391b.
Resveux. Ronsard
Reteigneus. La Noue, 393a.
Retempestueus. LaNoue,395c.
Rctortueus. La Noue, 396a.
Retourhillonneus. La Noue,
392 c.
Retumultueus. La Noue, 395 c.
Revapouveus. La Noue, 393 c.
Reveleus. 1571. La Porte, 1 b, 139.
l.")84. G. Meurier. - Cotgrave.
Reveneneus. La Noue, 392b.
Reventeus. La Noue, 395 b.
Revineus. La Noue, 392 c.
Revisqueus. La Noue, 393 b.
Revitupereus. La Noue, 393c.
Rezineux. 1.585. Le Gavgnard, 238.
Ricaneiix. Cotgrave.
Ridiculeux. 1584. G. Meurier.
Rieus. 1.571. La Porte, 30.
Rigoreux. Du Bellay. — Cotgrave.
Rigoureus. 1571. La Porte, 86.
R'impetueus. La Noue, 396a.
R'incestueus. La Noue, 396a.
Risteux. Ronsard. — 1.384.
G. Meurier. — 1.582. 1. E. Du
Monin. Nouvelles (Euvres, 62. —
Cotgrave.
Ripeilleux. Cotgrave.
Ripilleux. Cotgrave.
River eux. Cotgrave.
Riveux. 1585. Le Gavgnard, 212.
Rocheus. 1.571. La Porte, 12, 92 b.
•205 b, 220 b.
Roigneux. Cotgrave.
Rone eux. Baif. Ronsard. — 1.584.
G. Meurier. — Cotgrave.
Rongneux. Belleau. — 1.584. G.
Meurier. — Cotgrave.
Rosineus. 1571. La Porte. 25, 30b,
1.50 b, 166 b, 196 b. - Cotgrave.
Rossetteus. 1571. La Porte, 1591).
Rouilleus. 1563. G. Meurier, G 3
d. — 1573. C. Plantin, V 3 c.
Roupieus. 1571. La Porte. 36 b,
108 b. 130 b, 1.56, 277 b. — 1.585.
Le Gaygnard, 107. — Cotgrave.
R'outrageus. La Noue, 391.
Rüg u eux. Cotgrave.
Ruilleus. 1.571. La Porte. KiO b.
Ruin eux. Ronsard. — 1.584. Horace,
trad. L. De La Porte, 73. Cotgrave.
Sablonneux. Du Bellay. Ronsard.
" Cotgrave.
Les vocables en -eus, -eux.
291
•Saccageus. 1Ö71. La Porte, 264.
— Cotgrave.
Saigneux. Baif. Jodelle, iionsard.
— Cotgrave.
Saliveux, Cotgrave.
■Sallebreneux. Cotgrave.
Salpestreux. Cotgrave.
Salsa gineux. Cotgrave.
Sangloteus. l.')71. La Porte, 72,
227 1).
Sanieux. Cotgrave. -- Sapineus.
L')71. La Porte, 22: l. Cotgrave.
Sarmenteus. 1.J7L La Porte, 50b.
190. 195 b, 227 b, 278 b. — Cot-
grave,
Saupiqiieus. 1")71. La Porte, 27.'».
— Cotgrave.
Savonneux. l.')73. C. Plantin. z 2 d.
Savoureux. Belleau. Du Bellay.
— Cotgrave.
Scabieux. Lj84. G. Meurier. —
Cotgrave.
Scabreux. Belleau. — 1.384. G.
Meurier. — Cotgrave.
Scameux. 1542. Canappe. Guidon,
83 b. — Cotgrave.
Scandaleux. Ronsard. — l.")84.
G. Meurier. — Cotgrave.
Scelereux. l.'>84. G. Meurier.
Scionneus. 1571. La Porte, 30b.
— Cotgrave.
Scrupuleus. 1559. Guevare. Epis-
tres dorees, trad, Guterry, 11, 77.
— 1571. La Porte, (Ui. — 15.S5.
Le Gaygnard, 1S2.
Scyrrheux. Cotgrave.
Secoueus. 1571. La Porte, 271b.
273 b.
Sedicieux. Belleau.
Seditieux. Ronsard. - Cotgrave.
Seigneurieus. La Noue, 398a.
Serapi terneux. Cotgrave.
Sententieus. 1571. La Porte, 4b,
22L — Lj85. Le Gaygnard, 108.
— Cotgrave.
Sereus. 1571. La Porto, 276. --
Cotgrave.
Sergeanten X. Cotgrave,
Sergen teus. 15(1. La Porte, 41),
'.)7 b, 275.
Serieux. 1584. G. Meurier.
Sermenteus. Cotgrave.
Seveux- Baif. Cotgrave.
S e y e u X. Cotgrave.
Siffleus. 1571. La Porte, 182, 234.
Sifleus. 1571. La Porte, i;)4b.
Silentieux. Cotgrave.
Siuueux. Du Bollay. Ronsard. —
Cotgrave.
Sionneux. 1571. La Porte, 209.
Socieux. 1582. Du Monin, 134.
Soigneux. Du Bellay. — Cotgrave.
Soireux. Cotgrave.
Soiveux. Baif.
Solacieux. Baif. — Cotgrave.
Solatieus. 1571. La Porte, 37b.
52 b, 196 b.
Soleilleux. 1584. Horace, trad. L.
De La Porte, 12.
Solertieus. 1571. La Porte, 65b.
Soliciteux. Ronsard. — 15G3. G.
Meurier. Dkt. Flamen- Francois^'Q Id.
SoUiciteus. 1571. La Porte, 208b.
Sombreus. La Noue, 394c.
Sommeilleux. M. Sceve. — Baif.
Belleau. Du Bellay. Ronsard.
Cotgrave.
Somptueux. Baif. Dorat. -- Cot-
grave.
Songe-creux. 1582. L E. Du
Monin. Nouvelles (JCuvres, 168.
Songeus. 1563. G. Meurier. Dici.
j/amen-Frcmr:., M 8d.
Songneux. Belleau.
Sonneux. 1584. G. Meurier.
Sonniculeux. 1584. G. Meurier.
Sonoreux. Du Bellay. Ronsard.
Cotgrave.
Sorneteus. 1571. La Porte, 39b,
133 b.
Sornotteux. Cotgrave.
Soubresaulteux. Cotgrave.
Soubressauteus. 157L La Porte,
32 b.
So u che US. 1571. La Porte, 278.
— Cotgrave.
Soucieux. Du Bellay. — Cotgrave.
Souffle teus. 1571. La Porte, 38.
Cotgrave.
Souffleux. Cotgrave.
Souffreteus. 1571. La Porte, 71,
188. — 1573. Plantin. M 2 c. —
Cotgrave.
Souffreux. Baif. — 1576. P, de
Brach. Poemes, 74 b.
S 0 u f 1 e t e u s. 1571. La Porte, 273 b.
Soufreteux. Baif. Ronsard.
Soufreux. Baif La Noue, ;i94e.
Souhaiteux. 15G3. G. Meurier, 07 b.
Soulacieux. M. Sceve. — Baif.
Soulcieux. 1584. G. Meurier.
Cotgrave.
Soulfreux. 1584. G. Meurier.
1585. Du Bartas, 242. — Cotgrave.
19*
292
Hugues Vaganay.
Soul füre ux. 1584. G. Meurier.
Cotgrave.
Soupvouneux. Belloau. Cotgrave.
Souplireus. 1582. Du Moiiin, 155.
Sourceux. ßaif.
Sourcilleiix. Bclleau. Du Bellay.
•lodelle. Ronsard. Tyard. — Cot-
grave.
Souspeoouneux. 1584. G. Meurier.
— Cotgrave.
Souspireux. Muret, dan^ 1578.
Ronsard, ffiuvres. I, 28.
Soyeux. 1584. G. Meurier. — Cot-
grave.
Spacieux. Du Bellay. Jodelle.
Ronsard. — Spasmeux. Cotgrave.
Spatieux. Dorat. Jodelle. — Cot-
grave.
Specieux. 1.584. G. Meurier. —
Cotgrave. — La Noue, 397 b,
Spineux. Cotgrave.
Spiriteux. Cotgrave.
Spiritueux. 1542. Canappe Gui-
don, 50. - Cotgrave.
Spongeux. 1584. G. Meurier.
Spongieus. 1571. La Porte, 14."..
206. — 1585. Le Gaygnard, 107.
— Cotgrave.
Spumeux. 1542. Canappe Guidon^ 5(!.
Squameux. 1542. Canappe Guidon,
Stigieus = Stygieux. 1. 1582. Du
Monin. 33.
Stomaclienx. 1584. G. Meurier.
ytrineus. 1.571. La Porte, 197.
Studie ux. Du Bellay, Ronsard. -
Cotgrave.
Stygieux. Du Bellay. Ronsard. —
Cotgrave,
Substantieus. 15... Helisenne de
Crenne, AAA 4. — 1571. La Porte
11 1), 142, 143. — 1.584. G. Meurier.
— Cotgrave.
Substentieus. 1585, Le Gavgnard,
108.
Succenturieux Cotgrave. ~ Su-
eux. Baif. Ronsard. — Cotgrave.
Suifveux. 1585. Le Gaygnard, 412.
Suineus. 1.571. La Porte, ii8, 182,
— Cotgrave.
Sulfureus. 1585. Le Gaygnard, lOS.
Sulphureux. 1584. G. Meurier.
Cotgrave.
Sumptueux. Du Bellay.
Superstitieux. 1585, LeGaygnard,
108. - Cotgrave. -^ 1584. G.
Meurier.
Suramoureus. La Noue, 394 a. —
Surangoisseus. La Noue, 395 a.
Suraqucux, La Noue, 393 b.
S u r a u d a c i e u s. La Noue, 397 b.
Suravantureux. La Noue, 394 a.
Surbaveus. La Noue, 395 c.
Surbelliqueus. La Nouo, 39.') b.
Surboueus. La Noue, 39(; b.
Surbrancheus. La Noue, 391 b.
Surboissonueus. La Noue, 392 c.
Surcalamiteus. La Noue, 395 a.
Surcaterreus. La Noue, 394 b.
Surchaleureus. La Noue, 384 a
Surchancreus. La Noue, 394 c
Surchatouilleus. La Noue. .">92 a.
Surcrasseus. La Noue, 395 a.
Surculeus. 1571. La Porte, 61 b.
— Cotgrave.
Surdaugereus. La Noue, 393 c.
Surdedaigueus. La Noue, 393a.
Surdefectueus. La Noue, 39G a,
Surdeus. La Noue, 390 c.
Surdezireus. La Noue, 393c.
Surdizeteus. La Noue, 395a.
Surdoucereus. La Noue, 393 c.
Surdouteus. La Noue, 395b.
S u r e n n u y e u s. La Noue, 396 b
Surescumeas. La Noue, 392 a.
Surüevreus. La Noue, 394c.
Surfroidureus. La Noue, 394 a.
Surfumeus. La Noue, 392a.
Surgermeus. La Noue, 302b.
Suriiaineus. La Noue, 392 c,
S urbar gne US. La Noue, 393b.
Surüazardeus. La Noue, 391a.
Surbideus. La Noue, 390c.
Surhonteus. La Noue, 395 b.
Surimpetueus. La Noue 396 a.
Surincestueus. La Noue, 396 a.
Surireus, La Noue, 393 c.
Surlaugoureus. La Noue, 394 a.
Surlimonneus. La Noue. 392 c.
S u r m i e 1 1 e u s. La Noue, 391 c .
Surmoiteus. La Noue. 395 b.
Surmonstrueus, La Noue, 396' a.
S u r m 0 r v e u s. La Noue, 395c.
Surmysterieus. La Noue. 398 a.
Surnecessiteus. La Noue. 3'.>5 b.
Surnerveus. La Noue. 395c.
Suruoizeus. La Noue, 396 c.
Surodoreus. La Noue, 393 c.
Suroizeus. La Noue, 396 c.
Surombrageus. La Noue, 3'.>1 a.
Surombreus. La Noue, 394 b.
Surondeus. La Noue, 390 c.
Surorageus. La Noue, 391a.
Surorgueilleus. LaNoue, 392a.
Les vocahles en -eus, -eux.
293
Siiroutrageus. La Koue. 391 a.
Surpasreseus. La Noue. 395 a.
Surpesneus. La Noue, 39.'( b.
Surpesteus. La Noue, ;;9.') b.
Surpierreus. La Noue, 394 b.
Surpoissonneus. LaNoiie,;)93a.
SurpompeuS. La Noue, 393 b.
Surquinteus. La Noue, 39.") b.
Surraboteus. La Noue, 39."» b.
Surrayonneus. La Noue, 393 a.
Surre spec tu eu?. La Noue, 399 a.
Surrongneus. La Noue, 393 a.
Surruineus. La Noue, 392 c.
Sursabionneus. La Noue, 393 a.
Surscabreus. La Noue, 394 b.
S Urs eigne US. La Noue, 393 a.
Sursombreus. La Noue, 394 c.
Sursoufreteus. La Noue, 395a.
Sursubstancieus. La Noue, 397 o.
Surtempestueus. La Noue 36-") c.
Surterreus. Li; Noue, 394b.
Surtortueus. La Noue, 39(; a.
Surtumultueus. I^a Noue, 39.'')C.
Survaleureus. La Noue, 394a.
S u r V e n e n e u s. La Noue, 392 b.
Survenimeus. La Noue, 392a.
Surventeus. La Noue, 39.') b.
Survigoureus. La Noue, 394 a.
Survi Ileus. La Noue, 392 c.
Survisqueus. La Noue, 393b.
Survitupereus. La Noue, 393 c.
Sustantieux. l.")54. Amadis, XL
ä 4 b.
Suyeux. L")?:;. C. Plantin, B b 2 d.
Tabourineus. 1.571. La Porte,
27, 33 b.
Taillouneux. Cotgrave.
Talonneus. 1-")71. La Porte, 94.—
Cotgrave.
Tapineux. Cotgrave.
Taverne US. l.")71. La Porte, 38,
92 b. Cotgrave.
T a y e u X. Cotgrave.
Teigneus. l.")71. La Porte, .")4. 199.
2.3;;. — L')8'>. Le Gaygnard, 140.
— Cotgrave.
Terapcsteux. Laif. - Cotgrave.
Terapestueux. Ba'if. Du Belhiy.
— Cotgrave.
Tenipcteus. l.')S2. I. E. Du ^lonin,
173.
T e m p e t u e u X. Du Bellay.
Tenipariseux. Cotgrave.
Tendineu-x. Cotgrave.
Tendrineux. Cotgrave.
Tendronneux. Cotgrave.
Tenebreux. Du Bellay. Tyard. —
Cotgrave.
Terreux. Belleau. Du Bellaj-. —
Cotgrave.
Tetineux. Eonsard. — Cotgrave.
Theatreus. 1571. La Porte, 91 b.
Tigeux. Baif. — Tigneux. Cot-
grave.
Tilleux. Cotgrave. -- Toileus.
1571. La Porte. .'»G, 190 b.
Tombeus. La Noue, 390 b.
Toneus. 1-571. La Porte, 150 b.
Tonnereux. Cotgrave.
Torcheus. 1571. La Porte, 40 b,
85. — Cotgi-ave.
Torchonneus. 1571. LaPorte, 121.
Tort eux. Baif.
Tortueux. Belleau. Du Bellay.
Jodelle. — Cotgrave.
Toupieus. 1571. La Porte, 236. —
La Noue, 398 a.
Tourbillonneux. Ronsard. —
Cotgrave.
Tourteus. 1571. La Porte, 111 b.
Tousseux. Baif.
Tracasseus. 1571. LaPorte, 197,
272 b.
Traceus. 1571. La Porte, 61 b,
253 b. — Cotgrave.
Traineus. 1.371. La Porte, 253 b.
Traistreux. 1.5S4. G. Meurier.
Traitreux. Ronsard.
Travailleus. Baif.
Traverseux. Cotgrave.
Treilleus. 1571. La Porte, 278.
Triacleus. 1571. La Porte, 32.
Triompbeus. 1571. La Porte, 138.
Trompetteu?. 1.571. l,aPorte.272b.
Trompeux. Belleau.
Trongneus. 1471. La Porte, 280.
-~ Cotgrave.
Troubleux. Baif.
Truelleus. l.')71. LaPorte, 160 Ii.
Tuberculeux. Cotgrave.
Tubcreux. Cotgrave.
Tuileus. 1571. La Porte, 61. —
Cotgrave.
Tumultueux. Ronsard. Tyard. —
Cotgrave.
Ulcereux. Ronsard. — 1573.
C. Plantin, z 2 d.
Uligineux. Cotgrave.
Umbrageux. Tyard.
ümbraigeux. Du Bellay.
Umbreux. M. Sceve. Du Bellay.
Jodelle. Tyard.
Undeux. Jodelle.
i>94
JJuyues Vaganay.
Unguentciis. 1571. l^a Porte, .'.7 Ii.
— Cotgravo.
Uriueus. 1571. La Porto, 2.VJ.
— Cotgrave.
Vagcux. Cotgrave.
Vagueux. Baif - 158'2. E. DuMonin.
Novvelles Oevres, 42. — l.'xSt. Iloraco,
trad. L. De La Porte, ] 09.
Valeureux. Baif. Ronsard.
Cotgrave.
Vanteux. Du Bellay. - Cotgrave.
Vapoureus. 1571. La Porte, lü.
Vanteux. Du Bellay. Cotgrave.
V a r e n n e u X . v'otgräve.
Varicqueux. Cotgrave.
Yariqueux. Cotgrave.
Veautreus. 1571. La Porte, 21;! b.
Veineux. Konsard. Cotgrave.
Veleux. Cotgrave.
Veneneus. 1571. La Porte, 4, 87.
Veneneux. Jodelle. Eonsard. -
1584. G. Meurier.
Veneux. Ronsard.
Venimeux. Belleau. Du Bellay.
Jodelle. Ronsnrd. Cotgrave.
Venteux. 1542. Canappe. Oui(Lm,
75 b. Belleau. DulJellay. Ronsard.
— Cotgrave.
Ventreux. Ronsard. Tyard.
Ventueux. Ronsard. — L")84.
Horace, trad. L. De La Porte, (39.
Yerdureux. Ronsard. — Cotgrave.
Verecundeux. 15.. lielisenne de
C renne, II 5.
Vereux. 1584. G. Meurier. - 1585.
Le Gaygnard, 312. Cotgrave. —
1573. Plantin. T d.
Vergeteus. 1571. La Porte, 105 b.
— Cotgrave.
Vergeus. 1571. La Porte, 105 b.
— Cotgrave.
Vergogneux. Baif. - Vergoi-
gneus. 1571. La Porte, 227.
Vergongneux. Du Bellay. Ronsard.
— Cotgrave.
Verineux. Cotgrave.
Vermineux. 158i. G. Meurier. -
Cotgrave.
Yeroleus. 1571. La Porte, 116. -
Cotgrave.
Verolleux. 157.;. C. Plantin, 52 d.
Yerreux. l.")85. Le Gaygnard, 312.
— Cotgravo.
Verrueux. 15()3. G. Meurier, P 3 a.
— Cotgrave.
Vertigieux. ( otgrave.
A'ertineux. 1584. G. Meurier.
Vertueus. 1584. G. Meurier. 1585.
— Le Gaygnard, lOS. Cotgrave.
Verveleus. 1571. La Porte, 09 b.
— Cotgrave.
Yerveux. l.">84. llorace. trad. L. De
La Porte. 87. - 1585. Le Gaygnard.
412.
Vicieux. 1584. G. Meurier. — 15S5.
Le Gaygnard, F 3. Cotgrave.
" 1.58.".. Thevenin, daus Du Bartas
33.
Victimeux. l.'»84. llorace, trad. L.
De La Porte. 91.
Victorieux. 1584. G. Meurier. —
1585. Le Gaygnard, ION.
Yieux. 1585. Le Gaygnard, 156.
— Cotgrave.
Vigiieus. 1571. La Porte, 221.
Yigoreux. Du Bellay. — 1584
G. Meurier.
Vigoureux. Baif. Cotgrave.
Vinaigreux. - 157;'>.C. Plantin, C4d.
Yineux. Belleau. Du P)ellay. Ronsard.
Tyard. Cotgrave.
Vipereu.s. 1571. La Porte, 85 b.
Vireux. Cotgrave.
Virgineux. Cotgrave.
Yisqueux. l.')42. Canappe. Guidon^
75 b. Ronsard. — Cotgrave.
Yitieus. 1571. La Porte, 1 b.
1585. Le Gaygnard, 108. - Cot-
grave. _ .
Vitreux. l.')42. Canappe. Guidoit. (5b
— Belleau. Cotgrave.
Yitupereus. La Noue, .3!)3 c.
Yolenteux. 1584. G. Meurier.
Cotgrave.
Yoluptueux. Ronsard. — Cotgrave.
A'oulenteux. M. Sccve. - Ronsard.
— Cotgrave.
Yeux. 1584. G. Meurier. -Cotgrave.
Yraigneux. Du Bellay.
Zizanieus. 1571. La Porte, 141 1).
Lyon.
HuGUES Vaganay.
Wort<>escliiclitliclies.
Frz. Heu, bret, lec'h? J. Huber nimmt Suchiers Annahme,
daß sich das ie in frz. Heu aus einer Kreuzung von locus mit einem
gallischen Worte erkläre, das e im Stamme hatte, auf und fügt ein
zweites, nach seiner Ansicht gleichgeartetes Beispiel hinzu ds. Zs.
XXXn2 115. Es mag daher nicht unangebracht sein zu zeigen, daß
eine solche Auffassung schwerem Bedenken begegnet und außerdem nicht
nötig ist. Ein beliebiges neukeltisches Wort mit einem romanischen
zu vergleichen und, wenn Form und Bedeutung zusammen passen, einen
Zusammenhang anzunehmen, ist ein Vorgehen, gegen das man nicht
genug Einspruch erheben kann, so oft es auch wiederholt wird. Es
hteht im Grunde nicht höher, als wenn H. Stephanus frz. moi und
griech. 'sijloi' vergleicht, d. h. es ist die Negierung des historischen
Grundsatzes. Man muß das betreffende Wort ins Gallische umsetzen und
erst, wenn dann die Sache noch stimmt, darf man sie vortragen.
Jedem, der mit neukeltischen Sprachen vertraut ist, fällt, wenn er
bei Monti Vocab. comasco liest dren 'lampone, frutto del rovo ideo'
kymr. draen oder bret. drean 'Dorn' ein und es ist auch nebst
mancherlei anderem dem alten Monti eingefallen. Stellt man dazu
körn, drain, air. draigen, so führen uns diese Formen auf ein urkelt.
dragino und wir haben keinen Grund zur Annahme, daß im Gallischen
(las Wort anders gelautet habe. Da andererseits in den Alpen-
niundarten, die dren haben, traJiere tractus als tre erscheinen, hat
man allen Anlaß zur Annahme, daß 'dragino zu dren werden
muß, und man wird also diese Zusammenstellung als berechtigt
anerkennen dürfen.
Anders verhält es sich mit dem 'gallischen i/y/j' das nach Huber
die Verantwortung für das -f von frz. tref 'Zelt' tragen soll. Ein
solches gallisches Wort gibt es nicht und kann es nicht geben, da /
im Gallischen nur aus s vor r entstanden ist, sonst nicht vorkommt.
Tref ist vielmehr die kymrische Form eines Wortes, das im Gall.
*trebo lauten müßte. Dieses trebo würde nun die von ihm verlangten
Dienste nur dann leisten können, wenn nachgewiesen würde, daß im
Südfranzösischen gallisches zwischenvokalisches b bleibt, also im
Auslaut zu -]} wird (prov. irap 'Zelt'). Dieser Nachweis ist also
zunächst abzuwarten, bis man dem Gedanken wirkhch nahe tritt.
29(i W. Mej/er-Lübke.
Auch mit Suohiers lee'h stellt es schlecht. Wer bretouische
Simichentwickelung nicht kennt, mag allerdings eine große lautliche
Übereinstimmung finden. Allein bret. c'h ist nicht die Fortsetzung
eines alten c oder g, Lech kann also nicht auf einem gall. 'Hecos oder
Hegos beruhen, es geht vielmehr auf Hexos zurück, vgl. Stokes Urkelt.
Sprachsch. 246, Henry Lexique etyrn. du hreton moderne 181.
Zwischen *lexos und locus ist aber die Verschiedenheit doch schon
bedenklich groß, man dürfte nicht mehr von einer Umgestaltung von
locus, sondern von einer solchen von '■'le.ros sprechen, was freilich für
den Schlußeffekt sich gleich bleibt. Aber wir haben keine Ahnung,
ob dieses ■'iea'os, das seiner Etymologie nach ungefähr 'Lage' bedeutet
haben dürfte, schon im Gallischen sich begrifflich locus genähert hat,
oder ob erst später, wie uns ja auch der Weg, auf welchem diese
Annäherung erfolgt ist, völlig dunkel bleibt. Also man mul? zu einer
ganzen Reihe von unerweislichen Vorstufen seine Zuflucht nehmen.
Und wozu? Suchier hat afr. jieii auf lat. '^jecus statt jocus zurück-
geführt. Ich sehe davon ab, daß die IJewahrung einer solchen alt-
lateinischen Form gerade in Nordgallien und nur da kaum ihres-
gleichen hat, aber ich muß die Berechtigung einer solchen Form für
das Lateinische absprechen. Wenn wir jecus 'Leber' und jocus, hetno
und Jwmo, helus und holus im Lateinischen bezeugt haben, so folgt
daraus doch nicht, daß zu jedem ein o enthaltenden Worte eine e-
Form gehöre, wie ja daraus, daß neben ufr. roue ein älteres 7'uede
steht, noch nicht folgt, daß neben noue oder bone ein *miede, ''buede
gestanden habe. Die e- Formen von liemo, jecus 'Leber und von
dem allerdings auch nur erschlossenen (aber aus alb. rum. venez.
also aus mehreren Sprachen) glemus (Eint, in die rom. Sprache.
140) werden durch die Formen anderer indogermanischer Sprachen
gestützt, wogegen zu jocus 'Spiel, Scherz' si h lit. jukas gesellt, das
die ürsprünglichkeit des o beweist, vgl Walde Lat. eiyyn. Wb. 307.
Stellen wir nochmals alle in betracht kommenden Formen
nebeneinander. Unter Voraussetzung eines Triphthongen ueu haben wir
Hueu Heu
'■jueu jieu
*fueu feu
-■'sarcneu sargueu
'■'caeri queu
dann mit anderer Quelle des zweiten ^i
dueut dient
'■'sueut sieut
'■'ueus ieus
*vueiit veut
Daraus ergibt sich mit voller Deutlichkeit die IJegel, daß nach
labialen und velaren Lauten das erste u sich dem homorganeu
Konsonanten angleicht und schwindet, wogegen es nach Dentalen
WortgeschicJitliches. 297
bleibt uud weiter zu i dissimiliert wird. Man kommt also ganz gut
aus ohne galliscbe oder urlateiniscbe Formen. Man muß aber auch
damit auskommen, weil der Subjektivus des germ. EN Drogo im
Altfranz. Drieu lautet. Wo wollte man hier eine e-Form herholen?
Das Positive der obigen Ausführungen ist nicht neu; ich habe
es, wenn auch vielleicht nicht mit genügender Deutlichkeit, sclion
rom. Gramm. I § 19<J ausgeführt, nur die Konsequenz für reut nicht
gezogen. Natürlich baben beim Verbum dann vielfach Ausgleichungen
stattgefunden, auf die in dieser kurzen Notiz nicht eingegangen werden
kann. Vgl. außer der bekannten Erstlingsarbeit von Behrens
namentlich H. Ehrlicher Beiträge zur Eniwickhmgsgesc/iichte der
altfranz. stammab stufenden Verha aus Texten von 1200 — löOO
(Heidelberger Diss. 1905), wo S. 14 meine Auffassung richtig wieder-
gegeben ist und auch die letzten Konsequenzen aus ihr gezogen werden.
W. Meyer-Lübke.
Courtier. Das Wort kommt nicht von cnra wie Diez meinte,
ebensowenig von dem lautlich ebenso unstimmigen currere. das Horning
vorzieht; auch darf es nicht, wie der D. g. tut, dem Provenzalischen
lediglich deshalb zugeschoben werden, weil es dort (Peire Yidal) ein
wenig früher als im Norden belegt scheint. Daß bei seiner Ableitung
von courir die Bildung unerklärt bleibt, sagt Behrens selber Zts. f.
fr. Spr. 30, IGl; der Laufraum der Räder courtiere, das er danebeu-
stellt, dürfte zu courtil, courtine gehören, wallon. courtau Marbel
etwa zu crotte. Afr. courratier. prov. corratier^ sind mlat. corra-
tariufi, corraterius, das mit corraiagium, corrategare, corrateiare
etc. zu corrata gehört, für welches Duc. auf coroata^) verweist, die
bybride Form von corvee corrogata Pol. Rem. {coruada Cap. de
Villis o, caruada Pol. Irm. passim, wird durch curhada ib. fixiert,
lautgesch. bemerkenswert früh, ob man nun mit Diez enterver ver-
gleicht oder besser mit D. g. rovei' [das übrigens an prover von
der 1 Sg. Pr. Ind. aus angeglichen ist] heranzieht — auch lothr.
croee schon 950 in Metz croadä). Corrata ist dreimal"-) aus der
Diöccse von Avignoa belegt, Reduktion von xia zu a kann dialektisch
sein, vgl. Anm. 1, oder wäre aus p]inmischung von rata zn erklären,
das jedenfalls die Verschiebung der Bedeutung der Frohn zur Yer-
Icaufsabgabe bestimmt hätte. Das Simplex kann deshalb selten sein,
weil es durch corratagium ersetzt wurde. Der Makler war zugleich
Steuererheber, von dem was er pi'o rata des Verkaufswertes erhielt,
war die entspi'ccbende Quote an den Berechtigten abzuliefern, und
') Die Belöge aus der Daupliinee. mit der Bern, occun-it alibl non semd
dazu coroaca Brianron, coroada Genf, cvoata Lothr., aber auch coroeUi Cambrai.
-) Doch ist wahrscheinlich cwata Cremona SIG u. (^»aiersy sur Oise
curatura Italien u. Kaisorurkunden 11 — 12 Jh. dasselbe. Yg\. curatUa. cvrar/a,
cmaria, curalcrhis '2, aul jeden Fall mit Einmischung von rura.
298 G. Baut.
die letztere ist vorzugsweise mit corraiagium gemeint. Kurz, man
könnte sich mit den Schwierigkeiten teilweise abtiuden. Doch ver-
misse ich zwischen Frohn und Abgabe das Verbindungsglied und
glaube vielmehr an mlat. freie Neubildung aus con und rata, so,
daß corratarius, dann corratagium. erst auf corrata geführt hat.
Eine bei Duc. mehrfach belegte, bei Gdf. fehlende Nebenform ist
cou/etaige, couletier aus courtier coultier.
Ein Doppelsufix -atiei\ welches Ilorning annahm, liegt in clou-
atier bei Fiab. nicht vor. Den Belegen bei Gdf. gegenüber würde
auch er heute darin die Pariser Aussprache von cloeiier erkennen.
Daraus cloutier wie cordonnier. Der Nagelschmied verkaufte vor
allem die kleinen Nägel, die großen machte nach Dedarf auch der
Schmied. Die ferraterius., carraterins^ mandaterius bei Duc. scheinen
mir zu zeigen wie puisatier und die Lyoner Neubildung ferratie^
zu erklären sind.
Drogue. Die 1881 von mir gestellte Frage, ob nicht bei
der Suche nach dem dunkelen Etymon auch trochus, trochiscics
einige Beachtung beanspruchen dürfe, bezeichnet Körting in den drei
Auflagen seines Wörterbuches als „eine ganz müßige, weil selbstver-
ständlich zu verneinende." Unabhängig von meiner Anregung war
durch eine Angabe des 17. Jh. der damals beste Kenner der Ge-
schichte der Pharmakologie, Husemann in Göttingen, auf sie geführt
worden und zweifelte an der Identität wesentlich nur deshalb, weil
er dragee für das gleiche Wort hielt (Pharmaz. Ztg. 1885 No. 56
und 59). Wieder nahm sie verständiger Weise M. Goldschmidt in
der Zs. f. deutschen Unterricht 17, 446 auf; der Grund der ihn zur
Ablehnung bestimmte, ist, wie ich weiterhin zeigen werde, nicht
zwingend, sein eigener Hinweis auf franz. d7'oc nicht zu halten, weil
der Lolch wohl narkotisch-giftig wirken kann, aber nie ein Gift oder
Arzeneimittel war, ein lästiges Unkraut, in keinem Sinn eine Drogue
ist. 1) Ich selbst hatte schon vorher bei Kluge (ldO\) eine andere
Vermutung ausgesprochen und will nun, da das nötig scheint, zeigen,
warum die Frage früher eine otliene und notwendige war und warum
sie heute zu verneinen ist.
^) Die altfr. Form ist droe, norm, noch <h-0He. Grandgagnage hat zu
entsprechendem wallon. dratre, in Lüttich Jrau, schon auf ndl. di-ai-ic, wilden
Hafer, verwiesen. Drtfvee und draviire gehören dazu: franz. drave dagegen
und span. dmba sind einfach das griechische Eotanikerwort. L>as Bretonische
bietet dafür dmok und drrok., älter dreavL, zu welchen Henry kymrisch drei'->j
,.pavct blaue" stfllcH will, mit Ableitung von nur bret. f/z-cV-, lustig, angeheitert,
nicht so recht pnssend tür den Veri^iftungszustand. Ndl. -ic ist. wahrschein-
lich einheimisches Suflix (Franck), und I)ei der ausgedehnten Überlieferung
von droe bleibt es zweifelhaft, ob nicht in dem recht jungen droc Fehl-
schreibung und demnächst Fehlsprechung nach l>ra(c), fro(c) etc. vorliegt.
Die klaren Formen entsprechen einem Typus dram. Von kymrischen Mohn
zur Drogiie ist es fast eben so weit als vom Lolch, er ist ofhcinell, und
war als Ölpflanze angebaut, doch in viel zu geringem Mafs Handelsartikel,
als dafs eine so weitgehende IjogrittserweiteruDg wahrscheinlich wäre.
Worigeschichiliches. 299
Trochiscus, it. trocisco, fr. (seit 15. Jb.) irocldsque otc. war
das Apotliekerwort für die Pastille; der Frankfurter Hoernig, der
1646 die Frage der rechtlichen Stellung der (wie er durchweg schreibt)
.,Trochisten" oder Materialisten gegenüber den Apothekern erörtert,
behauptet, daß diese von den trochisci viperini, den Natteruküchlein,
die sie aus Italien importierten, so genannt worden seien. Yertauschung
von tenuis und media ist bei der Wanderung zunächst schlecht ge-
kannter technischer Worte schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil
der Lautunterschied nicht überall der gleiche ist. Was mir seiner
Zeit vorschwebte war niederdeutsch-hochdeutsche Lautierung, wie sie
mir plattdeutsch mehrfach begegnet war, und vielleicht in einem
Rückschlag in mhd. driakel Theriak entspr. vlämisch dryakel (bei
Meurier) vorliegt. Aber es müßte nicht gerade das sein, vgl. afr.
äragagant nfr. adragante, dragce, drogman, drosse: wie bei c be-
günstigt die Verbindung mit r das Ausweichen. Es können ferner
Abkürzungen der technischen Schriftsprache, wie trocli. schließlich
gesprochen werden, nachdem man aufgehört hat den Strich oder Punkt
zu schreiben : auch hierfür liegen aus romanischen und germanischen
Sprachen alte und neue Belege vor. Es wäre also durchaus verkehrt
Hoernigs Behauptung a priori abzulehnen. Die Entscheidung liegt
bei der Geschichte der Worte, die allmählich dokumentiert worden
ist, Trochiscus zeigt im Geschäftslatein und vulgär keinerlei Neigung
seinen Begriff zu erweitern; die Drogue, stets im Plural, englisch
seit 1327 (novem balas de drogges de spicene, s. b. Murray), nordfr.
in einem Gedicht des 14. Jh. bei Gdf., zu Ende des 14. Jh. in Süd-
frankreich, in Italien im 15. Jh., in Spanien in der zweiten Hälfte
des 16. Jh. belegt, hat von je den heutigen Begriffsinhalt im vollen
Umfang, insbesondere auch von den Farbmaterialien, vgl. b. Murray
und Levy s. v. Drogueria^ die trockenen Pflanzenpräparate, wie das
der sachlich immer verständige Frisch mit seiner von Diez rezipierten
Erklärung aus ndl. droog meinte. Die Bedeutungen von trochiscus
und drogue schließen sich auf der ganzen Linie aus.
Soweit die Chronologie bekannt ist, weist sie auf den Norden
als Ausgangspunkt. Husemann (S. 8 des SA), dem jene älteren
Belege nicht vorlagen, hebt bei den ältesten italienischen im Dispen-
sarium des Pseudonicolaus hervor, daß die Ausdrucksweise cdefanginae
sunt — drogas voco die Vermutung einer Neueinführung der Wörter
nahe lege, daß er in älteren, auf den Handel bezüglichen Schriften
Italiens, z. B. in Pegolottis Pratico (14. Jh.), es ebenso vergeblich
wie in den medizinischen gesacht hat. Es ist nicht wahrscheinlich,
daß das Gesamtverhältnis, England und Frankreich 14., Italien 15. Jh.,
sich später anders darstellen wird. Im Norden aber ist das nahezu einzige
Wort, das anklingt, eben das von Frisch vermutete niederdeutsche.
Zugleich paßt es zur Sache. Nur fehlte der Nachweis einer festen
Verbindung, aus welcher heraus das Adjektiv selbständig werden
konnte. Ich glaubte (Kluge 'J) eine solche in einer niederdeutschen
300 G. Baist.
Scliiffahrts- iiml Zollrubrik bei Stieda gefunden zu haben, das Handb.
der Staatswissenschaften G, 99G nennt als Güter, die Anfang des 16. Jii.
dem lübiscbcn Stapelrecbt unterworfen waren, nicht direkt vom Westen
in die Ostsee geführt werden sollten: englische Laken, Kram-
kisten, droge vate, Pfeffersäcke und dergleichen mehr. Die Bezeich-
nung ist seit dem 14. Jh. an der ganzen niederdeutschen Küste üb-
lich, so Lübisches Urkundeubuch IV, .■)54 Haag 1.389: Item van
allerliandc droghe vaten daer koiwiscap ynne is de hie voren niet
qescreven staet. Hans. Urkb. 4, 92 Haag 13G3; ib. 5, 198 Utrecht
1399 van elker drogher tonnen — van anderen droghen vaten;
5,50 Brügge 1392 van elken vate droghs goets; Lüb. Urkb. 4, 572
va7i ene tunnen droge eder nat; H. Urkb. G, 545 droege guet.
Ein Mißverständnis der Verbindung erscheint gerade in England
natürlich, wo das neue Wort zuerst auftaucht; vate war klar, droge
dunkel, alevat etc. schienen zu entsprechen. Weitere Verbreitung
konnte der damals kräftig aufsteigende englische Handel begünstigen,
der neugebildete Begriff stellte sich im Geschäftsleben erfolgreich
und bequem neben das engere species, das nur Gewürz und allenfalls
Arznei umfaßte. Da man Droguen auch in Ballen und auch andere
feste Waren in Fässern versandte, hätte allerdings eine Einengung
der Bedeutung stattgefunden, die aber kein Bedenken machen dürfte.
England und Frankreich hat im 13. u. 14. Jh. eine Reihe von Schiffarts-
worten aus dem Ndd. erhalten, vom Seehandel z. B. engl, crane
1244 in Utrecht belegt, frz. 1269 in Daniiette, unserem Fall besonders
nahestehend ^a/i;, 1199 in Gent, 1225 in England belegt (s. b. Murray). 2)
Gewiß ergibt das alles nicht den bestimmten Nachweis der angenommenen
Entlehnung, der sich überhaupt nie wird führen lassen, aber die Dinge
rücken so nahe zusammen, die historische Wahrscheinlichkeit ist eine
so große, daß wir ohne Hinzutreten neuer Tatsachen nicht weiter
suchen sollten.
Unbedingt abzulehnen ist eine orientalische Etymologie von
Saleman, auf welche Bartholomae in dieser Zs. 30, 354 hinweist.
Mitteliranisch (3 — 8 Jh.) därnk oder därök, Kraut, Arznei, neupers.
därü Arznei, Schießpulver stimmt im Vokalismus überhaupt nicht, in
der Bedeutung nur unvollkommen ; es fehlt arabisch, griechisch,
türkisch, weder im Mittelalter noch der Neuzeit findet sich dort seine
Spur. Gehörte es der arabischen Medizin an, die in erster Linie
als Vermittler in Betracht käme, so könnte es bei Dozy und Simonet
nicht fehlen. Wir könnten also selbst dann nichts damit anfangen,
wenn die Verbreitung des romanischen Worts umgekehrt läge als es
der Fall ist, und Italien voranstände. Es ist eben ein Irrtum zu
meinen, daß die Sache auf den Orient deute, ein großer Teil der
Droguen ist europäischer Provenienz, die wichtigsten Farbpflanzen z. B.,
■^) Franz. pnquet s. E. d. M Jh. steht für wallon. pak(j, im Hans. Urkb.
pakely pakiaus passim seit 1272 (Venlo). Ital. pacco spät aus England.
WortgescJiichtliches. 3 0 1
Krapp, Waid, Wau wurden massenhaft in Süddeutscliland und
Frankreich angebaut, Krapp kam sogar aus Brauuschweig. Unter
den verwandten Gattungsbenennungen, wie epice, mecine, poison, finden
sich überhaupt keine orientalischen, solche Worte werden in der Regel
daheim gemacht. Bei Körtings Hinweis auf slavisch dorog Feuer
brauche ich mich nicht aufzuhalten.
Anzumerken ist noch etwa, daß provenz. drogaria (Levy und
Ducange), frz. d.roguerie, dann auch udl. drogerij nach speciaria,
epicerie gebildet ist ; ferner daß Toblers Berichtigung des angeblichen
IH'Ov. Adjektivs drogidt bei Levy endgiltig sicher gestellt wird.
Andere Neuschöpfungen aus ndl. droog, genauer aus drogeii
Iiarinc sind 1. das von Jal einmal aus Maitre Guillaume de Marseilles
i. J. 1525 belegte „28 navires drogueurs^ cdlant ä la pesche des
härenes et macquereaux'-'' ; 2. droguerie „de la pcche et de la
preparation du harang'", bei Cotgrave, dann erst wieder bei St. Aubin
udl. drogerij nur droog plaais; 3. drogueur von der Person in der
Encyclopädie. Obwohl das Simplex nicht recipiert war, wird es zeugungs-
kräftig, wenn auch nur im Anschluß an hateau pvchew\ pecherie,
weil in der Fischerei Manschaften, Schiffe, Verfahren ausgetauscht
werden, nicht nur die Waren. Der Zufall will, daß auch hier Ablösung
aus einer festen Verbindung vorliegt.
Baist.
wall, clilliper wird von Grandgagnage Dict. I, 115 nach De-
Jaer verzeichnet, der es mit ..gaiicJnr'-'' übersetzt, der cUmjjeure mit
^gaucliisscment"' und in nicht verständlicher Weise ese fov climpeure
ebenfalls mit „gauchlr'' wiedergibt, Grandgagnage geht auf die Be-
deutung, die De Jaer den genannten Wörtern beilegt, mit folgender
Bemerkung ein: ,,1^. Dj entend par gauclnr: pencher, se detourner
de la bgne droite (il explique clincM par: pencher, gauchir); 2'\ si
climper signifie: gauchir, ese foü climpeure^ verb.: etre hors gau-
cliissement, devrait signifier: etre droit, — P, S, fise foü climpe (etre
hors plomb, hors de la verticale) B." In Ergänzung hierzu sei ver-
wiesen auf Albin Body's Vocahul. des charrons, cliarpentiers et
menuisiers, wo pg. 82 didimper wie folgt erläutert wird: „v. a.
(t.de charr,, charp. et men.) = degauchir, regarder si la surface
d'une piece de bois, ou d'une planche, forme un plan droit. — Dial.
arden. duclimper. Le wallon dit adverbialemeut d'un objet qu'il est
di climpeur ou foii climpeur, selon qu'il est ou non de niveau; se
dit aussi d'une surface dont le plan est ou n'est pas droit". Vgl.
hierzu u. a. noch desselben Autors Vocabidaire des ionneliers,
tourneurs, cbcnistes etc. p, 246 zu diJdaimpi: v. a. (t.de charp.).
Degauchir, öter Tirregularite du bois; gauchir, faire la face aux pa-
rements de quelques pieces de bois en ouvrage, lorsque toutes les
parties n'en sont pas dans un meme plan. Voy. voc. des charp. v"
302 I). Behrens.
dilarder\ Auf die Herkunft des Wortes ist keiner der genannten
Autoren cingeganizan. Mit einigen Worten tut das A. Thomas, der
Müanrjes d'etymol. franc. p. 53 Grandgagnage citiert und dann be-
merkt: „Le sens nous pousse ä voir dans climper le radical germani-
que qui se trouve dans le moj'en haut allemand slimp „oblique";
climpev doit rtre issu d'un ancien verbe wallon scUmper'-'. In einer
Fußnote hierzu verweist er auf altfrz. esclem und vergleicht, was den
Abfall des s von *sclimper angeht, wall, clinche („gauche'-), das er
(über *sclink) auf germ. slmk zurückfuhr .. Ich halte die Annahme,
climpei' habe sich aus '^sclimper mit Schwund von anlautendem 6?
entwickelt, für nicht ganz undedenklicli und auf keinen Fall durch
die Gleichung clinche < slink allein für ausreichend gestützt. Zu
beachten bleibt, daß ein wie auch immer zu erklärendes dtsch. glenh.
glink flink) bezeugt ist (vgl. u. a. Kluge Wth. ^ Uiik), das neben slink als
Vorstufe von wallonisch clinche in Betracht kommen und die An-
nahme des eigentümlichen s-Verlustes im Wortanlaut überflüssig
machen könnte. Daß der Übergang von wortanlautendem g in k,
wie ihn die Zurückführung von clinche auf glink voraussetzen würde,
zumal in Lehnwörtern aus dem Deutschen^ nicht ganz selten begegnet,
bezeugen wall. (Grandgagnage I, 142) und lothr. (Labourasse) crom-
bire (neben gromhire), pic. crache {gi'atia, Vermesse Uict. du pat.
de la Flandre fr.'), IMontbel. (Contejean) quenade (Gnade), guenögue
(genug) u. a. Kann somit die Richtigkeit der Th. 'sehen Herleitung
von wall, climioer aus älterem *sclimper < germ. slimp nicht als er-
wiesen gelten, so mag es gestattet sein, hier ein anderes Etymon
zur Erwägung zu stellen. Deutsch klimmen (mhd. klimvien, klimben)
begegnet nach Grimm's Wtb. V, Sp. 1166 in der Bedeutung ein-
schrumpfen, sich werfen (vom Holz), die derjenigen von wall, climper
nahe zu kommen scheint: holz ivelches gefällt wird in den zioeen
letzten feirtägen des merzes, das klimmet nimmer, da baio dein
zimmer (Fischart). Was die Form angeht, so ist zu beachten, daß
neben klimmen hd. klimpfen bezeugt ist. Ein letzterem entsprechen-
des niederdeutsches "klimpen ist die etymologische Grundlaue von
wall, climper. Auch das nur eine Hypothese!
(Irag'an bezeichnet nach Eöding, Französisch-deutscher Index
des Wörterbuchs der Marine, den „Hcckbalken" einer Galeere, d. i.
„der Hauptquerbalken, der die beiden Hauptteile des Achterschiffes
scheidet, den unteren Spiegel und den oberen oder das Heck".
Richelet erklärt, Dict. (1728), dragan als „le derriere de la poupe
qui en fait Textremite, et qui porte la divise des Galeres", eine
Definition, die sich dem Sinne nach u. a. bei Littre wieder findet.
Über die Etymologie des Wortes macht keiner der genannten Autoren
eine Angabe. Scheler und Körting erwähnen es überhaupt nicht.
Im Dict. general wird es irrtümlicher Weise mit „partie de üavant
d"une galere ou etaient iuserts le nom du navire et sa divise" erläutert,
WortgescJiichtlic/ies. oO?>
darauf zur Herkunft bemerkt: „Peut-etre de Tespagn. draganfe, tete
de dragon servant d'embleme*'. Mistral wirft dragan „extremite de
la poupe d'une galere" mit dragan „espece de räteau qu'on emploie
ä la peche" zusammen und stellt als gemeinschaftliches Etymon beider
b. lat. tragnm, traga, lat. tragula auf. Letztere Annahme bedarf
wohl einer "Widerlegung nicht. Aber auch die im Dict. gcneral
ausgesprochene Vermutung befriedigt schon deshalb wenig, weil nichts
davon bekannt ist. daß in der französischen Marine der Drachen-
und Schlangenkopf alz Heckverzierung eine Rolle gespielt haben.
Dieselben eignen sich vielmelir als Galionsbilder und haben als solche
Verwendung gefunden. Mir scheint es daher nicht zweifelhaft, daß
das franz. -prov. Wort mit Jal aus dem Italienischen herzuleiten ist,
wo sich mit gleicher Uedeutung dragante, tragante, trigante, triganto
nachweisen lassen. Röding verzeichnet /. c. ital.-deutscher Index
sämtliche vier Wortformen, die z. T. in Wörterbüchern der italieni-
schen Schriftsprache gleichfalls begegnen. Nach Boerio Dizionario
pg. 247 und 768 gehören dragante und triganto im Besonderen
auch der Venezianer Mundart an. Die Herkunft der italienischen
Wörter bleibt zu ermitteln. Daß dieselben nicht, wie Jal unter Bei-
fügung eines Fragezeichens annimmt, auf ^jv^zvia zurückgehen, liegt
auf der Hand, und wenn Rigutini u. Bulle Nuovo dizionario dra-
gante „Heckbalken'' zusammen mit dragante „Bocksdorn (Astragalus
verus), Bocksdornbarz etc." auf spätlateinisch dragantum zuzück-
führen, so bedarf eine solclio Auffassung näherer Begründung. Zu
den genannten Ausdrücken der Seemannssprache stelle ich noch span.
dragante in der Bedeutung „Klotz, auf dem das Bugspriet ruht'-
(Röding, Jal), obgleich es klar ist, daß für dieses eher als für das
französische Wort die von den Verfassern des Dict. gcneral vorge-
schlagene Erklärung zutreffen könnte.
esfoil wird Romania XXXHI, .351 von A. Delboulle als ohsmir
et rare aus Joubert's Vie privee en Anjou belegt: 1463. Et aussi
y ay receu, taut par les mains du dict recepveur, tout le proufict et
revenu de Vesfoil des bestes, tant aumailles que autres de la dicte
terre de Vaulx. Joubert erklärt, wie in der Romania 1. c. mitgeteilt
wird, das Wort als „Parturitioii des betes." Die Richtigkeit dieser
Erklärung hält A. Thomas für zweifelhaft und fügt derselben Romania
XXXVI, 267 ein Fragezeichen bei. Auch in dem Register der Romania
{Table des trente premiers volumes) wird esfoil mit einem Frage-
zeichen versehen. Es ist deshalb vielleicht nicht ganz überflüssig hier
kurz anszufühi'en, daß esfoil ein gutes und nicht gerade seltenes
französisches Wort ist, dessen Bedeutung von Joubert richtig wieder-
gegeben wurde. Belege aus der älteren Sprache findet man am
bequemsten bei Godefroy unter eß'oil.^ wonebeu hier die Formen eß'oueil,
effoeil und effoidl belegt werden. Vgl. weiter Ragueau Gloss. du
droit frangais (ed. L. Favre, Niort 1882) p. 189 effoidl, wo unter
304 D. Behrens.
Hinweis auf du Pineau bemerkt wird: .,11 y a difierence eiitre VEfoueil.
le revenu, et l'accroist du bostail. — Vejfoueü^ est le part ou
la portee du bestail ; ce niot vient peut-etre du latin efo'tus. Le
revenu est le profit provenant du bestail, comme le lait, la laine, etc.,
et l'accroist est Taugment du prix des cliefs ou souches des betes". S.
ferner Menage, der ef'öeil von ex folium ableitet (comme eflbuiller,
d'exfoliare) ; Richelet (1759) efoneil; Encijclopedie ou Dict. raisonnc
des sc, des arts et des metiers: effoueü ("hier mit Hinweis auf Brodeau
sur l'art. 48. n. 6. de la couiume de Paris); Scbmidtlin's Catholicon:
effouel) ej/'oel „neugezeugtes Vieh, Zuchtvieh" und ib. ejtouil „jährliche
Nutzung, die man von einer Heerde, an Wolle etc. hat"; Ch. Meniere
Glossaire angevhi p. 337 effoel .,Pour effouil, exfoliare (D. C). On
dit efi'ouil effouille (Seg.) L'effouils, produit de la vente du betail-'
und ib. p. 338 effouil „Fa?tus, exfolium; petits des animaux en-
leves ä la tin de Tannee (C. D.)." Was die Etymologie angeht, so
ist natürlich an das im Gloss. du droit fr. vorgeschlagene efaeius
als Grundwort nicht zu denken. Näher liegt es das von Menage
angenommene ea; folium als solches anzuerkennen. In Wirklichkeit
dürfte Verbalsubstantiv zu esfoillier (exfoliare) vorliegen. Interessant
ist in diesem Zusammenhange, daß das Patois von Maine heute ein
Verbum egouiller in entsprechender Bedeutung kennt. De Montesson
Voc. du Bas-Maine'~ bemerkt zu efouiller „Arracher des feuilles,
eclaircir un bois, un arbre ou uii fouillis. Au ligure, c'est se de-
barasser des choses inutiles ou bonnes ä vendre, et, par consequent,
tirer un benetice ou une effouille de ce qu'on a de trop, des bestiaux
principalement." Vgl. weiter Dottin Gloss. des parlers du Bas-
Maine p. 175 efouye „effeuiller, arracher les feuilles des plantes
herbacees et les menues branches des arbres, les fouillards; —
vendre (les bestiaux) . . .'• und p. 170 f. efou, efouy „effouil, bene-
fice obtenu par la vente de ce que l'on. a de trop en eclaircissant
un taillis; — benefice sur la vente du bois, des bestiaux (Erneo,
Landivy). . ."
esgalboclie wird von Delboullc Romania XXIII, 351 aus
Joubert Les miseres de C Anjou au.v XV^ et XVI' s. belegt:
„JcelluyLeMoyne gecta nn baston appelle esgalboche apres ce depposaiit.
et ce d'advantage luy gecta ungn poignard de gict". A. Thomas bemerkt
hierzu: „Peut-etre faut-il lire esgalboche et rattacher le mot ä hil-
hoquet et ä quilboquet ou equilhoquet, terme technique qu'on trouve
dans Littre et dans le Dict. general." Vgl. auch Romarda XXXVI,
267. Wesentlich näher als zwischen bilboquet, qidlboquet, cqidlboqiiet
und esgalboche einen Zusammenhang zu conslruieren, dürfte es hegen,
esgalboche in esgalloche zu ändern, das als cgaloche heute in der
Bedeutung ,, Stelze" (echassc) in Anjou (s. Ch. Meniere Glossaire
p. 338) und Maine (s. De Montesson Voc- p. 1S8 und Dottin Glossaire
p. 171) begegnet. Auch Sachs führt egaloche, Stelze, auf, das er als
Provinzialismus bezeichnet. Es ist aus galoche durch Agglutination
Wortgescliichtliches. 305
des bestimmten Artikels im Plural {l[es galoches) entstanden. Vgl.
Tarbe Recherches II, 50 egaloches = pantoufles. Der Bedeutungs-
übergang von galoches „Holzscliuh'" (nach Meniere /. c. galoches
anch= neige amassee sous la semelle des sabots) in „Stelze" ist ohne
^veiteres leicht verständlich.
ostfrz, girouailte ., Haspel". Horning stellt zu dem Wort
Rom. Zs. XVIII, S. 219: jalonde {Xdam), jalaude (Thiriat), y«/oM-
a7ide (Lorrain), jalcmde in den Ardennen (Grandgagn.) und bemerkt:
,,Girouante weist auf giranda von girare; s. Diez I. v. giro und
Scheler v. girande. Dunkel bleibt der oi^-Laut (vgl. girowettej."
Romania XXXIII, S.o61 belegt A. Delboulle aus Dehaisnes Histoire
de Vart en Flandre^ 320: „1337 Une paire de garloanes d'ivoire,
prisiet. VIII. s.", wozu A. Thomas Rom. XXXIII, S, 557 Anm. aus-
führt: ^^Garloane signifie probablement devidoir: cf. Godefroy, garlou-
vendier, et Horning dans Z. für vom. Phil. XVIII, 219, giroiiante.''''
Die Vermutung Thomas" bezüglich der Bedeutung von altfrz. garloanes
trifi't sicher das Richtige. Nur lag wohl noch näher als ein Hinweis
auf lothring. girouaiäe und auf altfrz. garlouvender eine Erwähnung
von garlouine .,petit devidoir dont toutes les i^ieces sc demontent ä
volonte, qu'on reraontc et qu'on posc sur une table pour s'en servir"
bei Hecart und von garlo'ine bei Sigait ((r/o5s."-, p. 193). Was die
Etymologie dieser Wörter angeht, so halte ich es für ganz unmöglich
dieselben sämtlich auf girare zurückzuführen. Von Godefroy ver-
zeichnetes und von A, Thomas verglichenes garlouvendier weist deutlich
genug auf deutsches „Garnwinde", woraus es mit dem Suffix -ier weiter-
gebildet wurde, und gewiß mit Recht hat bereits Sigart /, c. auf den
gleichen german. Ursprung von ihm verzeichnetes wall, garloine zurück-
geführt. Ich stehe nicht an, dieselbe Herleitung für alle im Vor-
stehenden noch genannten gleichbedeutenden Wörter in Anspruch zu
nehmen, soweit dieselben sich auch von ihrem Ursprung entfernt haben
mögen und so schwer es scheinen mag im einzelnen Falle festzustellen,
was in der vorliegenden romanischen Form auf Rechnung der abgebenden,
was auf Rechnung der aufnehmenden Sprache zu setzen, was darin
als lautmechanische Entwicklung und was als Angleichungserscheinung
in Anspruch zu nehmen ist. Für wall, garlo'ine., garlouine (garlidne)
ist niederd. garwinne (s. Grimms Wörierh. unter Garnwinde) oder
garnwinne die Vorstufe gewesen. Das l, welches ebenso in fast allen
anderen französischen Entsprechungen sich findet, beruht auf An-
gleichung, falls es nicht germanisches n, woraus es durch Dissimilation
entstanden wäre, retlectieit. Lothring. jalouande, jalande u. a. geben
deutsches Garmoinde wieder, wobei es dahingt stellt bleibe, ob das
wortanlautende / auf Angleichung beruht oder von früher Herüber-
nahme des germanischen Wortes Zeugnis gibt. Am weitesten von
seinem germanischen Ursprung hat sich girouante entfernt, das daran
nur noch durch sein sonst kaum zu erklärendes ou {ii) erinnert. Wie
girouanie zeigt von Littre im Supplement verzeichnetes und danach
ZtFchr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII '. "-'0
•\0{j Jf. ßelirens.
von A. Tliomas Romarda XXIV, 12(i S. 2 erwäliütes giroinde in
seiner ersten Silbe Beeinfiiißiiiig durch cfirer (lat. gyrare)^ während
-oinde {-'j^ß) noch deutlicli auf dtsch. loinde weist. Man vergleiche, was
die Wiedergabe von gerni. wi nach Kons, durch oi in garlo'ine,
giroinde und durch oui in garlouine angeht, altfrz. marsoin, nfrz.
marsouin < marsiviii.
ostfrz. mourve/, Leuchtkäfer, verzeichnet J. Graf Die ger-
manischen ßestandtcile des Patois messin p. 38 nach E. Rolland
Voc. dn patois messi7i (vgl. auch desselben Autors Faune pop. JH,
342). G. deutet den zweiten Bestandteil des Wortes, vey, richtig
als .,ver". Zu mour macht er ein Fragezeichen ohne eine Erklärung
zu versuchen. Dasselbe ist die lautkorrekte mundartliche Wiedergabe
von lat. mortuum (schritYfrz. niort). Mourvey bedeutet somit
„Totenwurm", eine Benennung, die ebenso wie das gleichbedeutende,
von Rolland Faune III, 342 mitgeteilte bürg, lanterne de moo
(lanterne des morts) im Volksglauben begründet ist. Vgl, P. Sebillot
Le Folk-Lore de France III, 333, wo auf eine in der Auvergne
verbreitete volkstümliche Vorstellung hingewiesen wird, nach der
Leuchtkäfer die Seele eines ungetauften Kindes repräsentieren. Zur
Wortbildung von mourve'/ sei auf das in dieser Zs. XXXI, S. 291
zu porfi Bemerkte verwiesen. Angemerkt sei hier nachträglich analog
gebildetes cerflangue (scolopcndia, id est lingua cervina) im lat.-franz.
Glossar von Tours (Altfrz. Ubungsh. lirsgb. von W. Foerster und
E. Koschwitz, 3. Aufl. Sp. 211).
norm, quarsonniei*, mesurc pour les grains, equivalant au
quart de boisseau. Nach Moisy JJict. p. .525 ist das Wort eine
„corruption" von quarto7inier^ das in gleicher Bedeutung früher in
der Normandie in Gebrauch gewesen sei. Romania XXXI, 368
belegt Delboulle zweimal carsonniere aus einem Text des 16. Jahr-
hunderts, wozu A. Thomas ib. XXXVI, S. 261 auf Moisy verweist,
ohne auf die Erklärung der Form einzugehen. Es sei deshalb an-
gemerkt, daß eine Angleicbuug an tiersonnier vorliegt^ welches von
Du Gange VIII, p. 81 unter tertiolum und von Godefroy VII, 712
belegt, darnach von K. Glaser diese Z.^. XXVI i, S. 159 verzeichnet
wurde. Daß es bei tiersonnier um eine speziell in der Normandie
früher gebräuchliche Maßbezeichnung für Getreide sich handelt, geht
aus einem von Du Cange und Godefroy mitgeteilten Beleg des
14. Jahrhunderts hervor: Une rente de deux cent trois quartiers, uu
boissel, un tiersonnier et un quartonnier de froment, mesme de
Coustance. In diesem Zitat Godefroy's ist mit Du Cange mesure
statt mcsnie zu lesen. Von Interesse ist, daß in demselben tier-
sonnier und quartonnier unmittelbar nebeneinander erscheinen.
lyon. zarnombille wird von Nizier du Puitspelu Dict. p. 435
aus einem handschriftlich erhaltenen Gedicht Reverony's V Äscension
aerostat., belegt, wo es eine Beteuerung bedeutet. Die betreffende
Wortgeschichiliches. 307
Textstelle uebst der Übersetzung und Worterläuterung Nizier du
Puitspelu's lautet: , .„. , .,,
'■ I sailli de sa coquille
Par s'inleva de noviau,
Mais zu vayan. Zarnombille !
Qui crevave den sa piau.
.,11 sortit de sa coquille — Pour s'enlever de nouveau, — Mais noiis voyions
pardieu! — Qu'il crevait dans sa peau."
ZamonibiUe est pour jarnombille. Le s daus Ic texte cite tient ä ce que
l'auteur fait zezayer celui qui raconte. Ce zezaiement devait etre assez
usite ä Lyon, car Reverony l'emploie souvent. Quant a jarnombille, c'est
un juron dont le type est jamidieu^ dont la Ire partie est ,,je renie". Au
mot dieu on a Substitut; un euphem. ombilh, fabriquc peut-etre par le
besoin de la rimc. En tous cas je n'ai jamais entendu le juron jarnombille.
Da keiner der Rezensenten des N. du P.'scben Wörterbuches
m. W an dieser Erklärung Anstoß genommen, und auch A. Thomas
dieselbe Romania XXXIII (1904), S. 209 ff. nicht beanstandet, so
sei hier auf die Unrichtigkeit derselben hingewiesen. K\c\il jarnidieu,
das durch sonst nicht nachgewiesenes, dem Reim zuliebe geschaffenes
omhille umgebildet wäre, liegt zarnombille zu gründe, sondern es
entspricht dasselbe der Beteuerung je renonce Dieu, wofür in fran-
zösischen Mundarten und in der Pariser Vulgärsprache zum Zweck
der Verschleierung geschaffene Umformungen, resp. Kürzungen wie
jarnonce, jarnon^ jarnongieu nicht ganz selten sich nachweisen lassen.
Belege hierfür findet man in R. Zockler's manches Treffliche ent-
haltenden Studie die Beteuerungsformeln im Französischen S. 144,
wo auch von N. du P. vermißtes jarnonbille wiederholt bezeugt wird.
ßille begegnet als Verschleierung eines ursprünglichen ,.Dieu" eben-
so in par la samhille (par Ic sang Dieu), morhille (mort Dieu),
ventrehille (ventre Dieu), ietehille (tete Dieu) und anderen Ausdrücken.
Ob sich dasselbe, wie Zöcklcr annimmt, über dille, das in pardille
(pardieu), cordilh (corps Dieu) vorliegt, entwickelt hat oder ob bleu
(bleu) in rnorbieu, sangbieu etc. die Durchgangsstufe biMete, wird
sich mit einiger Sicherheit schwer entscheiden lassen. Bezüglich des
anlautenden stimmhaften cS in zarnombille, das N. du P. als Lyoner
Dialekteigentümlichkeit aufzufassen scheint, sei bemerkt, daß in ana-
loger Weise mit jarni (je renie) gebildete Beteuerungsformen heute
in Südfrankreich in weiter Verbreitung mit z anlauten, welches hier
nicht sowohl in lautmechaniscber Entwickelung begründet sein dürfte
als vielmehr in dem Bestreben die betreffenden Ausdrücke durch
weitere Verschleierung ihrer ursprünglichen Form abzuschwächen.
Vgl. in Mistral's Tresor unter sarnibieu.
wall, zoeper begegnet in der Mundart von Naniur nach L.
Pirsoul Z)^■c/. II, 351 in der Bedeutung „fustiger, battrc ä coups de
verges". In dem Wort ist mudl. sioepen, nid. siceepen, ostfries.
swepen sioäpen etc. (hd. schiüeifen), peitschen, kaum zu verkennen.
Es sei hier verzeichnet als Beleg für die Wiedergabe der niedd. ndl.
Anlautgruppe sw im Wallonischen. Vgl. Zs. f. rom. Phil. XXVI
20*
308 K. Ettmaijer. Emil Hausknecht,
(1902), S. 247 zwere^ Grandgagnoge Dict. II, 198 zivai (udd, swart^
;4;egeuüber wall, olrselle, ivarscle, xvarsier. über die ich in der Fest-
schrift für Mussafia p. 84 f. gehandelt liabe. ^) Vgl. auch oben p. 305
unter giroiKinte (wall. gcirJoine).
I). Behrens.
Betterave. Da mir im Augenblicke, da ich den Artikel über
hetterave (diese Zs. XXXIP, S. 153 f.) zu Papier brachte, Cherubinis
Mailändisches Wörterbuch nicht unmittelbar zugänglich war, und ich
z. T. mündlichen Angaben einiger mailändischer Herrn folgte, möchte
ich nun, zur Vermeidung von Misverständnissen, Cherubini's Angaben
nachtragen. Nach diesem wäre die Form erbett speziell brianzolisch.
In Mailand nenne man die Keimlinge erb^ die Blätter bied. Es ist
Jdar, daß auch diese Thatsaclieu sich mit dem historischen Gesammt-
bilde, wie ich es entwarf, vollkommen decken.
Bozen. K. Ettmayer.
'Rlldervereill', 'Ruderklub' sind zwei im Deutscheu feststehende
Ausdrücke. Sachs in seinem großen Wörterbuche übersetzt lluder-
verein mit 'club des rameurs\ Dieser Ausdruck ist natürlich all-
gemein verständlich, aber nicht gebräuchlich. Gelegentlich der hier
kürzlich (auf dem Genfer See zwischen Ouchy und Üvian) abgehaltenen
internationalen Ruderregatta wurden Ausdrucksweisen für 'Ruderklub'
häufig in der Unterhaltung und in den Zeitungen gebraucht. Niemals
war es ''club des rameurs' ; und auf meine Erkundigung bei Franzosen
wie bei französischen Schweizern wurde mir stets die gleiche Antwort:
,,0n ne le dit pas." Einen ganz fest eingebürgerten Ausdruck gibt
es zur Zeit noch nicht. Die Einrichtung ist englischen Ursprungs
und die Bezeichnung 'rowing-club' ist auch im Französischen nicht
ungebräuchlich. Häufiger sind jedoch die französischen Ausdrücke:
socihe (vnion, chib) nanüque, societe de canotage und cercle (oder
club) de Vaviron. In all den von mir festgestellten Fällen bezog
sich die mit nantique zusammengesetzte Bezeichnung auf Rudervereine;
sprachlich ließe sich diese Bezeichnung allerdings auch auf Segelklubs
anwenden. Unter diesen verschiedenen Bezeichnungen für Ruderklub
sind nach meinen Beobachtungen und Erkundigungen in der Umgangs-
sprache bei weitem am häufigsten societe de canotage und cercle
de l'aviron. Diesen letzten Namen führten auch mehrere Vereine,
u. a. auch vier französische aus Frankreich (z.B. der Cercle de l'aviron de
Lyon). Strenggenommen entspricht von diesen beiden Ausdrücken
1) Zwischen dtsch. z{ts) und lu stellt sich als Gleitlaut ?/ ein in älterem
wall, zuwilisl; das Godefroy aus einpr Lütticher Urkunde des 16. Jahrhunderts
belegt und mit einem Fragezeichen versieht. Es ist dtsch. Zvnllkh, wie
Grandgagnage Dkt. II, 646 unter r.wrillkh richtig erkannte.
Wo rtyes cli ich tliclies. 309
nur ^cercle de Paviron' ganz genau dem deutschen 'Ruderverein", denn
societc de canotoge heißt eigentlich doch nur 'Kahnfahrtverein'; man
unterscheidet ja auch (aber eben nur \venn mau eine genaue Unter-
scheidung vornehmen will) zwischen canotage ä la volle und canotage
ä la rame (oder ä Vaviron). Gewöhnlich ist aber '•societe de canotage'
ein Ausdruck für 'Eudcrverein'.
Im Zusammenhange hiermit weise ich hin auf folgende Wen-
dungen. Organiser tine regate ä rames (ä voiles). Les courses
ont i'te tres discutees et ont presentc un vif interet. A noter Vex-
cellent style des equipes de Zürich. Des le dcpart Vexcellente
equipe de Milan prend la tele et triomphe facilement. L'equipe
de V., qui rame avcc beaticoiq» d'ensemble, gagne de S longueurs
(avrive 1/5 de seconde avant Vequipe de L.). Arrivee fort disputee
entre Genhve et Lausanne, qui coupent ensemble la ligne d^arrivee. —
Outriggers ä huit rameurs seniors, a quatre rameurs piniors. —
JLa circulation des hateaux de plaisance estinterdite dimanche
sur tout le parconrs des courses dts 1 h. apres-midi jusqu'u 7 IXr.
du soir.
Lausanne. Emil Hausknecht.
Beiträge zur Geschichte
der politischen Literatur Frankreichs in (\ev
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
I. Teil.
(VfTl. 1kl. XXXI 1 S. 102 if. imd Bd. XXXI I' S. 238 ff.)
IV. Die Weiterentwicklung des politischen Charakters der
Reformationsliteratur bis zum Ausbruch der Bürgerkriege. (1562)
Der Gegensatz zwischen Katholizismus und Kalvinismus, wie
er sich in dem sich mit wachsender Erhitterung entspinnenden Kampf
beider Religionsparteien um die Macht im Staate gestaltet, macht
sich in der politischen Literatur mit immer größerer lireitc und
Schärfe geltend. Zwar geht mit der Übertragung des religiösen
Gegensatzes auf die Zeitliteratur weltlicher Natur viel von der ur-
sprünglichen Heiuheit und religiösen Eigenart der Reformationsliteratur
verloren; aber gerade der Zusatz des religiösen Elements in der
politischen Literatur bewirkt eine Verschärfung der Gegensätze, wie
sie ganz den sich im Zusammenhang mit den immer deutlicher zu
Tage tretenden religiösen Meinungsverschiedenheiten stets schroffer
entwickelnden politischen Verhältnissen entspricht. Zu dem kühnen
Hohn der religiösen Lästerer von Kirche und Kirchenlehrc tritt der
Spott über die politische Parteisache des Gegners und die Pläne und
Absichten seiner Führer, der Guisen, Die Invektive und Polemik
gegen die Guisen, welcher Hotman's „Tigre'' die Bahn gebrochen.
wird vollends zum ergiebigsten und fruchtbarsten Thema der poli-
tischen Literatur, seitdem sich die Dichtung, mit größerem Geschick
und besserem Glück als die Prosaschriftstellerei, des willkommenen
Stoffes bemächtigt und ihren herben Spott in wuchtigen Versen über
die hochtrabenden Ansprüche und Absichten der ehrgeizigen Guisen
ergießt. Aller möglichen Formen bedienen sich die kalvinistischen
Poeten, um ihre Wirkungen zu erreichen und in dem Oberhaupt des
Feindes die Sache der feindlichen Partei zu treffen. In geistreicher oder
geistreich gewollter Spielerei sucht man in dem Anagraram aus dem
Namen des verhaßten Kardinals die Veiwcrflichkeit seiner Handlungen
und Absichten abzulesen und deutet seinen Namen bald als ,,//
eJierra, Casjie dort''', bald als „Hardi larron se cele", „Bade os
Beiträge zur Geschichte der polit. Literatur Frankrelclis. 311
Cor de Henry'\ bald, unter Anspielung auf die von den Kalvinisten
ersehnte Erlösung des Königs aus der Gefangenschaft des Kardinals,
als „Renard, lasche le Roy'-''^^), und sucht diese Auslegungen in
kurzen Gedichten zu erläutern Sj). Die Devise des Kardinals „te
stante virebo — te cadente periho^^ erfährt in einem kurzen Qua-
traiu die boshafte Umdeutung:
„Je stante virebo:
„Sire vaten hotte.
„Cadente periho:
„Robin, pete de fa. ''6)
Franz' von Lothringens Namen muß sich ähnliche boshafte Aus-
legungen als ..fiji larron es de ce roy'-'- oder .J,arron farcy de noise''
(nlarron de noyse farcy'' ^7) gefallen lassen. Der „ Cardinal de la
JLorraine'^ wird den spöttelnden Kalvinisten als „Cardinal de la
Ruine"^ zu einer stehenden Figur 5*^). Wieder einem anderen Spötter
legt der Name „Lorrains'" das Wortspiel mit Jarrons"- nahe und
bringt ihn auf den Einfall:
s*) Ms. 22560, f. 15. 122. vgl. auch Regnier de la Planche, llistoire de
l'eslut de France . . . sous le regne de Francois II. ed. Mennechet (Paris 1836).
I. S. 70. und die „Legende de Charles da Lorraine* M. D. L. XXVI. S. 2G r.
"') Ms. 22 560, f. 122. 208. Dazu gehört auch die zwölfstrophische
.^Chanson sur le nom toiirne le Charles de Lorraine, faitie avant la mort du rot
Francois (second), auquel est trouvij „Renard lasche le. Roy", in: „Monologue de
proridence divine, parlant u la France". Reims M. D. L XI. 32 S. S. in-8.
56) Ms. 22 560. f. 16.
") Ms. 22 5(50. f. 123 : ^
„Si tu pur ta ßmsse ., l^u ti'as eslc lontunf, o Franrois de Lorraine,
y,Le larron da Roy de Franre ,.En deit.r regnes sut/uans auoir taut buti'ne'.
y,Abttsant de sa sirnplesse .,Aijunt France reduit proche de xa ruyne.
„Et de sa jeune imiocence, „Mais de Charles aussi le regne as mntini'
„Ton nom parte hien en soy ,.Par guerre, dontchascunestentresgrantmul-ajjse
„Fin larron es de ce roy*. „ Ton nornfeconrient hie.n. Larron fa reu d'noise".
Ms. 22 560, f. 268: „Francois, le grand amhitieux
„Qui coidoit combatlre les Cieu.v,
,,Faisoif (t Dieu guerre cmeUe:
..Ayant eniply son escarcelle,
..Est mort confre Dicu endurcy,
„Et larron de noi/sc farcy.'*
•''*) auch ..Cardinal ruincux" luul ../'harles de l" Iluiue;" vgl. die folgende
Diclitung:
_ Ta Derise de Lierre est bien propre ponr fny.
„Cardinal ruineuj:, et rCy a qiie redire;
yCar si nous t^enti'ndons Lierre tu te ceux dire.
Et par la Pyramide est entendu Irt Roy, etC. (Laboureur, Addit.
I. S. 279 = Ms. 22560, f. 15); vgl. damit das „Dizain du Cardinal de la Ruine",
Reo. VIII. S. 276. Ähnlich äufsert sich ßeroald in seinem Tagebuch zu dem
Jahr 1562, dessen stürmische Ereignisse ihn aus seiner Ruhe in Paris auf-
scheuchten: ,,ll fahä quicter tont et gagner le kaut ii cause de la conspiralion, des
meschans desquels le cardinal de La ruine, qiCou appeloit de Lorraine, estoit le che/
' ( conductere et les autreh entreprenews et bourreaux des chrestiens.^ s. France prot.
11- S. 396.
312 Kmt (j'laser.
,.K>i vous vovlez OKI/r nouvelles
^.Certüines de vostre renom,
..Ostez un 1 de vostre norti
„Et transposez les deu.v royelles.'-'''-)
Der Name des Kanzlers L'Hosi)ital lag zu nahe, als daß die
Kalvinisten sicli nicht auch seiner zur Herstellung eines Wortspiels
bemächtigt hätten, in welchem sie ihn als Jiospital" für ihre Heilung
aus deu ihnen von den ,,deiuT Iarro7is'-'- bereiteten Nöten bezeichneten. ^O)
Auch das Wappen des Kardinals, welches eine von Epheu um-
rankte Pyramide darstellt, wird zum Gegenstand boshafter Deutungen,
welche in der Pyramide den von den Guisen umklammerten König
und in dem Epheu den Kardinal erblicken; in näherer Ausmalung
dieser Yergleichung wird das plötzliche Emporsprießen des Epheus
mit dem jähen und eigenmächtigen Eindringen der Guisen am
königlichen Hofe \ erglichen und unter Hinweis auf die Gefahr,
welche der Festigkeit und Haltbarkeit einer Mauer von dem um-
rankenden Epheu droht, die Schlußmoral aufgetischt, durch recht-
zeitige Beseitigung des die Mauer umrankenden Epheus die Mauer
zu schützen. „2w seras^\ so schließt das Gedicht^^),
„ Tu seras arrachc. cur miner on te void
„Des ja la pyramide, et un chascun j^v^voit
„Q^i'en vain tu n'es nommc Charles de Ja Bulne'''.
Mit diesen mehr boshaften als wirklich geistreichen Spötteleien
mischen sich offene und unverhohlene Invektiven gegen die verhaßten
Guisen.
Die Freude der Kalvinisten über die von ßobert Stuart im
Dezember 1559 vollbrachte hinterlistige Ermordung des Präsidenten
Autoinc Minard, welchen die Kalvinisten nächst deu Guisen für die
Verurteilung von Anne du Bourg verantwortlich machten, ließ einen
der Ihrigen dem verhaßten Kardinal das gleiche Schicksal wünschen
in der Warnung:
,, Garde toy Cardinal
„Quo tu ne sois trait^,
„Ä la Minarde
Uune Stxiarde.^'-)
Ein anderes Mal schleudert man ihm die im Stil des ^/figre"*
gehaltenen Apostrophen entgegen:
„Loujy rauissant, Tygre irop inhumain,
„Enfle d'orciueil, et de cent maleßce,
^^) in dieser Fassung ist das Quatrain „Aux Lorrains'' abgedruckt am
Ende der „Jnste Complainte des Fidchs de France'-^ von 1560 (S. 0.); mit geringer
textlicher Abweichung findet es sich wieder in Ms. 1662, f. 27 r. und Ms.
22Ö60, f. 17.
«0) Ms. 22560, f. 23.
") Laboureur, AddU. I. S. 27i» und JNls. 22560, f. 15. IG. (s. o.).
8-) Laboureur. Addit. I. S. ;'>55.
Beiträge zur Geschichte der ■polit. IJteratur Frankreichs. 313
„ Cessera point ta rauissante inain
„A fourraigcr la France, ta 7iourrice?
„Regarde ä toy et au futur supplice,
,,Dond tu ne peuw nullement eschapper:
,,,7e te voy ia traisner, Her, happer.
„Ne crains-tu point, estant dessiis Veschelle
„Ättens un peu : on te vient aiiraper
..Ijenfer aussi est tout prest, qui fappelle.'' ^■')
und „Faidse vipere, Aspic pernicieux,
„Qui en ayant au Diable ton service
„Du tout noue, nas ricn que J'Auarice,
,,Loup enraige, Renard, amhitieux,
,,Bouc, mais de tous le plus incestueux
„Moqueur de Dieu, magazin de malice,
„Oii sa derniere espreuue fait le vice,
„ Tygre affame du sang des vertiieiix ;
„Monstre hydeux, inject, insatiable,
..Sans foy, sa7is loy, sans honte, ahominable,
„FUau des Chrestieiis, contraire ä veriti,
„Qii'attends-iu plus'? Ne voys-tu la tempeste,
„Qui ia desja foudroye sur ta teste,
„Et contre toy Dieu tr es fort irrite.^'-^'^)
Die Form des Qiiatrains fand in jener Periode politischer
Reimerei mit Vorliebe Anwendung,
^Charles Lorrain, le cardinal
„Incestueux, ahominable
„S^est donne corps et ame au diable
„Si, tant qu'il vivra, ne fait mal."^'^)
„Le Lorrain, au rouge chapeau,
„Dessous le roy Henry grand veav,
„Et soubz Frangois petit Hon,
„A fait des maux un million.^' ^^' )
Am bekanntesten wurde ein anderes, ni. W. zum ersten Mal
in der „Histoire du tumulte d'Amboyse'-' 1560. S. 24 gedrucktes
und vermutlich kurz zuvor entstandenes Quatrain, welches die den
kalvinistischen Spöttern noch im rechten Augenblick in die Erinnerung
zurückgekommene Abneigung Franz I. gegen die Guisen in die
spöttelnden Verse brachte:
„Le feu Roy deuina ce point,
„Que ceux de la maison de Guyse
<5") Ms. 22.%0, f. 19. (s. 0.).
•w) Ms. 225fi0, f. 17. (s. 0.).
ö6) Ms. 22560, f. 17.
'«) Ms. 22.560, f. 17.
314 Kurt Glaser.
,y Mettroy e7it se$ enfans en pourpoint:
.,Et son poure peuple en chemise.'^ ^'')
Micht minder als die im Einzelnen schwankenden Faßungeu.
in welchen das Quatrain auf uns gekommen ist, lassen vielfache Er-
wähnungen und Anspielungen auf den kleinen Yers^^) sowie namentlicli
der Umstand, daß sich die Satire Menippee noch im Jahre 1593
des kleinen Verses, .jnaintenant tout vnlgaire'-", erinnerte, welchen
sie, boshaft genug, dem König selbst beilegte,'^''') auf eine weite Ver-
breitung und einen lebendigen Gel»raucli des Quatrains im Munde
des Volkes schließen.
Die Klagen und Beschwerden, welche die kalvinistischen Flug-
schriften auf das Haupt des Kardinals häufen, finden bei den
kalvinistischen Sängern ein bereitwilliges Ohr, Was die kalvinistischen
Gemüter bedrückte, gestaltete sich im Munde der sangeslustigeii
•*') vgl. auch Regnier de la Planche, llistoire dt Testat de France, ed.
Mennechet (Paris 1836) I. S. 149.
*^) ,,Tu scais bien que viuant le Roij Fraiicoys pre^nier {Je itigement duquel
litail admirahU) tu nosois comparoistre deuant luy, et qu'il dtfendit au feu Roy Etm^y
son ßls, que tot/ ntj les tiens n^eussiez aucune InteUlijence de .«es affaires. Tigre. Da-
zu die entsprechende Stelle de? versifizierten Tigre:
.,C'ar il est prouci que ta fausse cautelle
„Et secrette maVue ii toKJoxrs cfe teile,
„Qu aux >/eiix ilu Ri»f Frnnrois, peu decant son trepas,
..Pour ta mechuncete, montrer nc f'osois pas.
..Mesme an seaif Inen, durant sa meniorable rie,
,,Lui/ le connoissant hie», q/ril navoit pas envie
..De .SV- jier en toi/, nl t<- roir pres de luy,
„Prcrotjant Inen le mal que tu fais aujourd'hu//:
,,Ä Henri/, dernier mort, ne jit-il pas defense
„Que tii toi/, ni les tiens neussent intelligence
„Des affaires de France, et e/ue de trahisou
.,11 so'ipconnoit dijit ta mccltante maison?" (Ms. 2.jo9, f. 1 r. u. v.)
Ähnlich die „SuppUcation et Remonstrance adressce au Roy de Navarre" von
1560 (S. 0.): „0 prudent et e.rcellent roy Frangois, combicn s'en fault-il que tu n'ayes
este vray prophcte, qiiand tu predis ce que nous royons quasi a l'ml, e/ue si jamais
ceste meschante maison de Guise gouvernoit Je Roy ton Jils, eile le mettroit en cliemise.^
(Meins de Conde I. S. 500). Vgl. auch Bouille, llistoire des ducs de Guise I. S. 159
ff. Beachtenswert ist auch die Anspielung in einem vom März 1560 datierten
Brief der Katharina von Medici an den Herzog von Etampes, in welchem sie
von sich selbst sagt: „// n'a pas tenu II des fols qu'ils nc m'ayent mise en pour-
poinct et spoliee de ce que je pense justement innppar'cinr- (näml. der Regierung).
Ms. V. C. de Colbort. 27. f. 343.
*') „Quand vous veistes le roy Charles decede, qui autrement ne vous aymoit
pas beaucoup, et qui avoit plusienrs fois repett le dire du grand roy Francois, dont
luy-mesme avoit fnict ce quatrain^ maintenant tout vulgaire:
..Le Roy Francois ne ßtillit point,
„Quand il predit que ceu.r de Guy sc
..Mettroient ses erifants en pourpomrf.
„Et toiis ses si/h/ects en chemise." (Satyre Menippee . . .
auyimutie de notes . . . de du Puy et de Le Duchat; par V. Verger et Ch.
Kodier. II. Paris 1824. S. 27. — ed. Read. Paris 1876. 3. 193). Etwas ab-
weichend ist die Fassung des Quatrains in den Mems de Conde I. (1565) S. 13.
= I. (1743) S. 533.
Beiträge zur Geschichte der polit. Literatur Frankreichs. 315
Poeten zum Lied. Mit ciuem Eifer, welcbeu der Haß gegen die
Guiseu entflammt, ziehen die Dichter los über den Kardinal, der sich
die Herrschaft in Frankreich angemaßt und dem König nichts mehr
gelassen hat als seinen Namen.
,,Monsieur le cardinal, par j'orce et par outraige
„A le partagement de la France manie,
,.Et en faisant les parts, s'est tout approprie,
..Laissant au Roy le nom pour tout son aijpanaige.'''*^)
„Faux traistre furieu,i; ta puissance et la raige
..Rien ne te sQrviront^ apprester il te faut
„^4 rendre compte ä troys. Dien tout premier d'eii haut
,,iVe fen remettra rien^ cognoissant ton couraige,
,^Car tu l'as offense un million de foys,
„Or hlasfcmant son nom, or inesprisant ses loiv,
.^Invoquant autre Dien que luy en ton affaire,
^ Saccageant, meurtrissant ceux qui fönt contraire.
,.,D'autre pari, quand le Roy sera venu en eage,
„Et il sfaura commcnt toy et ton frere caidt
^^Uavez voidu priver d'un sceptre, qui tant vault,
„0! que je vois tomher sur ton chef grand oraige!
,,Recog}ioistre il te faut encores les grands maux;
^,Ravisse7nens de Mens et moris de ses vassaulx
,.Auxquels tu as mene loujours guerre cruelle.
„./a, ja, pour tout venger, Dieu prend la cause en main:
„Nous voyons contre toy s' armer un Prince humain
rEt son branc d' assier menacer ta ceruelle."'^)
Die kalvinistischen Dichter suchen dem betrogenen Volke die
Augen zu öffnen über die Leichtgläubigkeit, mit welcber es sich durch
die mit dem Namen Christi umkleideten selbstischen und nichts
weniger als christlichen Bestrebungen des Kardinals täuschen läßt;
sie spielten auf den fremden Ursprung des Lothringerhauses und
seine Ansprüche an, welche aus der von den Guison behaupteten
Herkunft ihres Geschlechts von Karl dem Großen abgeleitet sind
und in dem Streben nach der königlichen und päpstlichen Würde
gipfeln, *2) und bringen ihnen ihre ..Estrennes" dar in den spöttelnden
-0) Ms. 22560. f. 20.
'1) Ms. 225(50. f. .')9.
'-) yjCociir ile crajipau/ crerant il (imbition
„Et hrusloLTit fönt dun (li'xi'r (Vestre Roi/,
„AV Jcij-tii pas des frefres Jractio)i,
^Doiit France Jensf en tris ;/rand d^sarroy,
„Quant tu /len^ois \apl(-s prendre pour toy?
„Puls desirant exterminer la race
„Du Hui Cappet, rie j)n'».s tu pas Vuuduce
„De te uanter ejtrait de C'harlemaigne?
.. Uli ! Jiii reiiard, on descouurc ta trace,
^Et Oll si-ait hicii pour '/uiiy Jik laraigne." ("Ms. ■J2ö(:)0, f. 72).
316
KvH 0 lauer.
Versen: J^uelque mine que tu face.
,.Bien missi/ faseln' te voy,
„De mourir sans estre pape,
,,Qiie cestnij sans estre ro^/." '■')
und: „/Im cardinal de Lorroine
..Porte estreine
„Le saige Dieu tout puissant
y,D\ine foiddre, qui tout mine,
„U e.xtcrminc .,
y,De ses rnaux le punissant.
.,Luy oste aussi la himiere
..Journailliere,
.„Et le mette au plus has Heu
.„Des enfers. et de la sorte
y,Sa cohorte
,. Soit confondue Qn tout Heu. ^■*)
Auf die in allen möglicLeu Anzeichen zu Tage tretenden
Herrschgelüstc des Guisen spielt in spöttelnder Weise auch eine
Dichtung, der „Paradoxe du Carolus''' an, welche Rasse de Noeux-
iu seiner Sammlung kalvinistischer Poesien (Ms. 22 560. f. 22 b),
Eegnier de la Planche (ed. Mennechetj I. S. 38 — 48 und Laboureur,
Addit. I. S. 399, 400 überliefert haben.
1. ..,Amy tie troiivc point
estra.wje,
„Si qiiand tu vas au Pont
au Chanfie.,
„Pour Escus, Ducats ou
Saluts,
„On te präsente un Karolus.
9. ^Le Domesiique ou
Estranger,
„RacJiete de mort ou danger,
.Recouvre honneurs et Mens
tollus
y,Ai'ec le son d'un Karolus.
13. „Pour au Roy demander
Office,
y,Ou quelqii Estat ou
Benefice,
„11 n^ya rien qui serve plus,
„Qu'avoir en main mi
Karolus.
2. „ Car on peut voir llieur de
ee Regne,
,. Oii si honne Police regne,
„Que tel qui s'estime le plus
„aS<? dornte pour un Karolus.
12. .^Ne pensez point aller en
Cour.,
„Pour faire aux Grands
Seigneurs la Cour,
„ Car de faveurs serez exclus,
„Si vous navez un Karolus.
15. .,X« Loy, le Droit et V Or-
donnance,
„ N^ont plus de Heu en nostre
trance,
„Car mesme les Ai^rests
conclas
„ Se changentpour un Karolus.
") Laboureur, Addit. 1. S. 397. Ms. 22560, f. 17. unter dem Titel
„Les Eslvennes des liugenots au.i' dein- freres lorvains IhßP' in Ms. 1662, f. 27 r.
'«) Ms. 22560, f. 17.
Beiträge zur Geschichte ihr poUt. Literatur Frankreichs. 317
24. ,,Bref amy pour le faire court, 25. „ O'comhien sera grande joye,
^Je fasseure giiau temps ,./Ve voir plus de fausse
qui court, Monnoye,
Trois as ne fönt pas tant ,. Heureiix quand on ne verra
un flud-, plus,
Qiie fait en France un „Fn France un Rouge
Karolus. Karolusr
Vereinzelt nimmt die Invektive die vielleicht weniger in bos-
liafter als in vorsichtiger Weise verschleierte Form einer Versspiclerei
an, wie in einem zuerst dem Druck der „Histoire du tumulte
d'Amboi/se"- von 1560 anhangsweise beigefügten zehnsilbigen „Sonett",
welches, wenn man das Ganze liest, ein Lob des Kardinals enthält,
während die ersten Halbverse für sich das Gegenteil ausdrücken,
„Par Valiance — et amour miduelle
„Du Cardinal — faitte auecques le Roy,
,^0n veoid tout mal — ne trouver jylus de quoy
„Battre la France — et sa ßeur Immortelle.
^J^ui Dien deprise — il sent sa main cruelle:
„Luy., jusqu^au bout — aime et soutient la foy:
,,Qui inlle tont — et veut viure sans loy,
..Son frere Guyse — Vafflige de bon zele.
., Ces deu.v fort bien — ayans un cueur U7ii,
„ Gardent que rien, — demeurant impuni,
„iVe leur echappe: — ö tresheureuse France!
.^Car Vun, de soy, — conoissant combien craint
r,Veut estre un Boy, — sa iustice il aduance:
„Ft Vautre un Pape — imite tant est saint."-"^-'')
Umgekehrt in dem folgenden Huitain, dessen erste Halbverse
sowohl von oben nach unten, wie von unten nach oben gelesen, ein
Lob des Kardinals enthalten, während das Ganze eine scharfe In-
vektive bedeutet:
„Je n^ayme onc — Benard ton ailiance.
,,A te desjylaire — Je quiers incessamment.
y^Je ne veux donc — A toy prendre accointance.
„Ennuy te faire — Fst tout mon pensement.
„ Te donner blasme — Est mon ebatement.
,, Je ne jyry ame — -.4 te faire Service.
„Le diable entreine — Cil qui est ton amant.
nQui t'a en haine — Tousjours prosperer puisse."" ''^')
In anderen Fällen verfährt die kalvinistische Reimerei noch
künstlicher und freier, indem sie Lobverse auf Karl von Guise durch
Umkehrung der ganzen Wortfolge in ihr Gegenteil verwandelt:
T") auch in Ms. 25560, f. 21. Ms. 22565, f. 93 r.; Laboureur, Add. I.
S. 279: vgl. dazu auch Forneron. Les dncs de Gin'se et leur epoque I. (1877). S. 201
'<•■) Ms. 22 560. f. 48.
318 Kurt Glaser.
De Carolo I.otJiaringo Versus Antistropid:
„l^cclesiae bonus es Pastor, nee „Sunt bona quae mala sunt
sanguine gandes, multis, sed Carole coeptunt
„Carole, dum Gallis hoc parit .^Desifie, nc curae sit tibi Re-
invidiam, ligio,
„Religio tibi fit curae, nee desine .,Invidiatn paml hoc Gallis, duni
coeptum, Carole gaudes
„ Carole, sed multis sunt mala „ Sanguine, nee Pastor es bonus
quae bona sunt.-' Ecclesiae."
Ebenso das folgende Distichon:
„Pontificem bene non Regem scis fingere, paceni
,,Quaerere, non bellum quis modo conqucritur.'-
Der Tod Franz II., in welchem fromme kalvinistische Sänger
die Hand Gottes erblickten (s, o.), sowie der Regierungsantritt
Karls IX., welcher die allmächtig gewordenen Guisen ihres Einflußes
beraubte, gab den kalvinistischen Sängern -neuen Anlaß zum Spott
über die verhaßten Guisen. Des von den Kalvinisten mit Erwartung
und froher Hoffnung begrüßten Regierungswechsels bemächtigte sich
die kalvinistische Dichtung um so lieber, als die letzten Jahre wenig
Ermutigendes für die kalvinistische Sache gebracht hatten. Ein
kurzes „Huitain" deutete mit der dem 16. Jahrhundert so geläufigen
anagrammatischen Spielerei den Namen des neuen Königs „Charles
de Valois" in „va chasser Vidole'-'' um 7'^). Das „Pasquil de la
Cour, composi noutiellement par maistre P*ierre de Cognieres
resuscitd, jadis aduocat en la cour de Parlement ä Paris . . . •'
(Paris 1561)''') gibt nicht blos derselben Hoffnung zuversichtlichen
Ausdruck in den an den jungen König gerichteten Zeilen, sondern wendet
sich auch an die anderen, der hugenottischen Sache freund- und feindlichen
Persönlichkeiten des Hofes. Antoine de Bourbon, den König von
Navarra, den Prinzen von Conde, den er zu seiner Freilassung aus
••') Laboureur, Add. I. S. 399.
''^) in: Mems de Conde II, S. 222. Ebenso eine längere Dichtung,
welche der „Papimanie de France." M. D. L XVII. angefügt ist. Eine An-
spielung darauf enthält Antoine Du Piain, „De Vassislance que dieu a fatcte ii
son t'glise de Lyon" ].^62, Vers 38:
„Ce Roy ra chasser 1' Idole
,,Plaiti de dole
„Cognoissant un tel Jorfait:
„Selon la vertu Roi/ale,
..Et lot/ale.1
„Coiime Ji'sias <t fnif. (Bordier S. 239. 231. Reo.
XIII. S. 338); vgl. auch Forneron. Les ducs de Guise et leur cpoque I (1877)
S. 354.
•») Ms. 22565, f. 59— r.l.Bibl. Nat. L i^bss und Fonds Fontanieu, 299.
f. 68 — 75 (= nouv. acq. 7719). Abdruck auch in den Mems de Conde IT,
S. 657 ff. — vgl. ferner das Urteil von Lelong, ßibliotheque histor de la France.
II. S. 237, nr. 17801 : „le PasquU ou cetle SaUjre des prtncipanr de la Cour de
Charles: IX en ringt Qnalrains, ncst pas mal fake pour le temps.^'
Beiträge zur Geschichte der polit. Literatur Frankreichs. 319
der Gefangen Schaft der Guiseii beglückwünscht, die Königin-Mutter,
deren Trost und Verdienst in ihrem Kinderreichtum besteht, den
Prinzen von Navarra (den nachmaligen Heinrich IV.) und den Conne-
table Montmorency redet der Verfasser in wohlmeinenden und lobenden
Worten an. Von den Feinden der hugenottischen Sache dagegen
entrollt er eine ganze Reihe satirischer Porträts, namentlicli von dem
Papst, den er das Ende seiner weltlichen Herrlichkeit voraussagen
läßt, von dem Kardinal von Lothringen, diesem „Lucifer, aitache
au firmament du royaume mondain", der spöttisch an seine ver-
blichene Herrlichkeit erinnert wird. In scharfen Worten dringt er
auf den Kardinal von Guisc ein:
„Qui autre soin na qua i'einplir sa pance,
,.,Qui ä vertu ei soji Dieu poiiit ne pens<\
„Je dy qiCil est wie beste masqiiie,
„Qui plus Haltend que d'estre sußoquee".
Der „Monsieur de Guyse" wird in ähnlicher Spraclie angeredet:
„F(Si( questranger tu es de ce Royaume,
„Que tardes-tu de serrer ton bagagef
„Et que soudain faces place ä Vendosme (= Navarra).
„Que tu voidois detenir (Druck: dSlivrer) en ostage''.
Der Hoffnung der Hugenotten auf das Haus Bourbon und ihres
Hasses gegen das Geschlecht der Guisen wird in zwei weiteren Quatrains
noch besonders gedacht.
Eine scharfe Apostrophe au die Mönche („A tous les Moines'-'-)
beschließt das Pasquil:
..^Mal-heur siir vous, povres maladvisez;
,,Mal-heur sur vous, Antechrists desguisez,
„Puisque voyez ce que ne vouliez veoir,
„Et que chacun dhire de scavoir^'.
Der jähe Umschwung in der Macht der Guisen, welchen der
Regierungsantritt Karls IX. herbeiführte, gibt den kalvinistischen
Sängern noch wiederholt Gelegenheit zum Spott ab. Mit unverhohlener
Schadenfreude sehen die kalvinistischen Spötter die verhaßten Guisen
vom Hofe abziehen und geben sich dem Jubel über die durch ihren
Sturz herbeigeführte Veränderung hin:
„ Or do7ic, esprits de droite nature,
„Ja ne craignez de chanter la droiture.
„De vostre Dieu: Faites quen toutes parts
,,Soit son renorn et sa. grandeur espars.
„Le temps n'est plus qu^in rcuge enluminc
„Guidoit les pas d'un jeune couronnS'' ^^).
^f*) „Echo, sur Vadieti du Card, de Loi:" in: Cantiqve spirituel et consolatif
ä Monseigneur le Prince de Conde, auec Un Echo, sm- Vadieu du Card, de Lor.
Plus la decUnation des Papes, Contrepronostication a celle de Nostradamus. ReiQlS
M. D. LXI. (Coli, de Fontanieu. 299 = nouY. acq. 7719,f. 76 80v.).
320 Kurt Glaser.
Bald ruft man ihuen liöhniscb die Walirlieit der Worte det^
Magüiticat: Fecit potentiain in hracJdo sao et deposuit potentes
de sede etc. im Sonett nach und dankt Gott, der durch den Sturz
der verhaßten Machthaber Grosses gewirkt hat^^); bald erinnert man
die Guisen spöttisch an die ihnen von kalvinistischcr Seite schon so
oft vergeblich vorgehaltenen Warnungen:
„Tu as. cardindl rnaudit,
„Par ta sondaiue rwjne,
..De la puissance divine
„TJeffect quon favoit predit.
y^Pour tout ce qiion fen a dit,
„ Tu n'as point change de mine;
,,Ores que Diexi t'extermine.
„Moque toy dß son edit etc.^-J.
Die von den Kalvinisten an den Sturz der Guisen geknüpften
Hoffnungen waren indessen nur zu bald von bitteren Enttäuschungen
begleitet, welche den Jubel im kalvinistischen Lager verstummen ließen
und den aus der Unzufriedenheit hervorsprudelnden Spott der kalvi-
nistischen Sänger über Personen und Vorgänge des öffentlichen Lebens
auf Neue entfachten. Das IJeligionsgespräch von Poissy, welches mit
großen Erwartungen eröffnet wurde, aber schließlich nach endlosen
Disputationen kläglich scheiterte, bot den mißvergnügten hugenottischen
Spöttern ein geeignetes Thema, welches sie ihren Haß gegen die
Guisen für den Augenblick vergessen ließ.
Während sich ein Huitain, welches Le Laboureur in seinen
Additions aux Mem. de Castelnau I. S. 738 überliefert hat,^^) darauf
beschränkt, in kurzer und derber Fassung auf die beiderseits beteiligt
gewesenen Theologen und ihre Bestrebungen anzuspielen, unterwerfen
die y,Siv Sonnets de l'ÄssemhUe des Prelats de France^ et des
Ministres de la Parole de Dieu, temie ä Poissy, Van löäP'-^^)
die Geistlichkeit der katholischen Kirche und die in dem Religions-
gespräch zu Tage getretenen Schäden ihres Systems einer scharfen
und satirischen Kritik. Das 1. Sonett hält den „Fvesques assem-
blez ä Poissy^ die heuchlerischen und unlauteren Mittel (artifices)
81) Ms. 10;J04,f. 24.
82) Ms. 22560, f. 17.
*') auch in dem Mems de Condd I. S. ö4 und II. S. 504:
..Messieurs de Valence et de Seez
„Ont mis h-x papistes au.v ceps,
„Salif/nar, Bonf edler, Despeme,
„Pour sercir Dieu qiiittent la panre.
„Mariorat, de Beze, MarUp-
„Font mourir Je pape mrirtip;
„SauJ, Merlin. Saint- Pol, Spina
^Soiit marris '/ii'encore pis n'a." Vgl. ferner Le Roux
de Lincy II. S. 237. 2a8 und France prot. « V. S. 300, Anm, 3 (Art. Des Gallars).
5-») in: MMs de Conde II. S. 515—519.
Beiträge zur Gcscldclde der polii. Liieratur Frankreichs. ol'I
vor Augen, durch die sie sich in schamloser Weise mit den Gütern
und Besitzungen dieser Welt bereichert haben und sich mehr Königen
als dem Himmelreich zu nähern suchen. In dem 2. „Sonnet", der
, Confession de plusieurs des prelais assemhlez ä Poissy, lorsque
les Ministres de la Parole de Dien se 'prcsenierent pour disputer
contre eux"^ spricht sich in der Form eines den katholischen Prelaten
in den Mund gelegten Bekenntnisses der Kleinmut der kathohschen
Geistlichkeit aus, mit allem Aufwand weltlichen Prunks und weltlicher
Neigungen dem auf die Bibel gegründeten Glauben der Bekenner der
neuen Lehre nicht widerstehen zu können, ^'^j Das 3. „Sonnet" f„X>e
la dispute d'entre les prelats papistes assemblez ä Poissy, et des
Ministres de la Parole de DieW) stellt den Hochmut und die
Unwissenheit der Katholiken dem auf wahre Gottesliebc gegründeten
Wissen der Bekenner der neuen Lehre gegenüber und gelangt zu de;-
an die mutigen Bekenner des neuen Glaubens gerichteten scherzhaften
Aulforderung:
„Cessez ö Chevaliers des sacrez Evangilles,
.,D' attacquer nös Prelats et leiirs troitjyes servilles,
„Esprouvez auire pari vostre divin bon-hevr:
„ Car s'ils deineurent courts, ils diront par ordrage
„Que Cennemi vaincu avec tel advantage,
,,En pei'da7it le combat, ve perd point son honneiir.''
Die beiden folgenden Sonette wenden sich an die Königin -Mutter
sowie an den König und die Königin von Navarra mit der Aufforde-
rung, die Gelegenheit zu benutzen und ra'^cli die Idolatrie und ihre
Diener,
ces pipenrs cagots,
„Que s'engressoyent eCabiis ä l'ornbre des fagots,
..,Souillans thoimeur de JJieu de farces et de feintes„
aus dem Lande zu jagen. Das Schlußsonett greift nochmals au
das eigentliche Thenia des Colloque von Poissy zurück, um in satirischr
spitzfindiger, für die katholische Geistlichkeit nichts weniger als
schmeichelhafter Weise die Frage zu erörtern, ,,pour quelle raison
les prelats niereni seulenient ce qui avoit este dit par M. De Besze.,
sans vouloir disputer par la S. Escriptrire.""
^■>) vgl. dazu Ronsards Entgegnung in der „Responce de Pierre d
Rimsard anx iiijure.< et cnlomnies de je ne scay quels predlcantereaux etc, ceuvres
cd. Bianchemain VII. S. 118: '
..'J'ii (lis (jiie des JW.Ia/.i la troupe docie et saincle'
,.Au colloi/ue 11 Poissy tre.mhia f.oute de crainfe.
.. Voipint las predicans contre eile s'asseinhler?
,,Jc In rtf disjmt.er^ et ne la i'y tremhler,
„Fernie comine un rocher qui Jamals pour ourrai/e
„Soit de </resle oit de vent ne bou<je du rirage,
-Assenre de son poids; ainsi saus s'eshranler ;
..Je ri/ constantemenf cesie troupe parier. etC.
Ztschr. f. fi-z. Ppr. \i. Litt. XXXII'. 21
■{22 Kurt Glaser.
In den „Sonnets" und mehr noch in der ihnen im Druck der
Menioires de Condc anfjefügtcn ^Response anx Pasquins tirez de
la S. Escriptuj'e, et destonrnez de lenr vray sens par une Nonahi
de Poissy^ en faveur des Prelais de France''' klingt noch etwas
nach von dem gelehrten Ton, welchen die Wortführer der religiösen
Meinungen in ihren langatmigen Disputationen angeschlagen hatten.
Die Dichtung ist eine Antwort auf die weitschweifige und übertriebene
Lobrederei, mit welcher Anne De-Marquet>, die „nonne de Poissy"
das Religionsgesprnch von Poissy als Meisterwerk des Kardinals
gefeiert hatte.*''') Von dem nämlichen Zuge gelehrter Umständlichkeit
ist trotz aller satirischer Kraft auch eine andere Dichtung auf das
Religionsgespräch von Poissy nicht frei, welche aus katholischem
Lager hervorgepangen ist; es ist das die „Chanson satyrique sur
le coUoque de Poissy'-'', von Lancelot Charles, dem Bischof von Riez.
fortgesetzt von Ronsard und Baif.^'^) Die „Chanson'-' schlägt mit
behaglicher Breite ein von Gemeinplätzen durchsetztes Lob weltlicher
lind göttlicher Liebe an, indem sie aus den Kirchenvätern und
namentlich aus den Schriften und Reden der Theologen der zu Poissy
streitenden religiösen Parteien eine ganze Reihe auf die Liebe
bezüglicher, inhaltlich möglichst beziehungsloser und in ihrer
Aneinanderreihung komisch wirkender Äußerungen herausgreift, um
auf diesem etwas umständlichen Wege die Liebe zu der von den
Bekennern der neuen Lehre in den Mittelpunkt ihrer Behauptungen
gestellten Bibel zu verspotten.
Auch die politische Prosaschriftstellerei der Hugenotten, welche
das Gewaltregiment der Guisen hervorgerufen hatte, kommt mit der
durch den Tod von Franz II. herbeigeführten Wandlung in der Re-
gierung Frankreichs nicht zur Ruhe, Während die Dichtung, von«
politischer Leidenschaft erfüllt, unentwegt fortfährt, die Guisen mit
Spott und Hass zu verfolgen, dringt auch in der Pi-osaschrüftstellerei
nnter der neuen Ri^gierung Karls IX. eine kräftigere Sprache durch,
insofern sich nunmehr die Hervorhebung des religiösen Standpunktes der
kalvinistischen Partei, welchen die unter dem Eindrucke des Miß-
erfolges von Amboise entstandenen Schriften noch vorsichtig geleugnet, in
der politischen Schriftstellerei offen geltend zu machen beginnt. Mit der
*^) „SoBe/s, prieres et devises en forme de paaqtiiu.'f^potir l'asserublea de Messieurs
les prelats et docteurs, tenue ä Poissy. M. [X LXI. A Paris, Chez la vfufue Gull.
Morel. M. D. LXVI" Bibl. Nat. Inv. Res. Ye 4, 351). Der Widmungsbrief an
den Kardinal von Lothringen ist unterzeichnet: .,De Poissy, ce XIII iour
d'Aoust. M. D. LXII. Anne De-Marquets'". — In Protestant. Sinne gehalten
sind auch „Les Actes de Foissy., mis en ryme f'rancoyse par Tarander. Plus trois
cantiques, donl le premier est au novi des Fidelh'S de la France., les deux derniers,
sont f'nitz an nom d'un Prince Chrcstiin., estant en affliction.'' S. 1. S. d. Bibl. Nat.
Inv. Res. Ye 4, 880.
8-) Ms. I2fil6, f. 115-119; 22560, f. 173—174: 22561, t. 86— 89; auch
bei Le Roux de Lincy II. S 262-265; z. T. lerner in den Werken Ronsards,
ed. Blanchemain, VIII. S. 133—135.
Beiträae zur Gescinclite der polit. Literatur Frankreichs. 323
Hereinziehung der religiösen Meinungsverschiedenheiten in den Dienst
der in immer wachsendem Maße von weltlichen Elementen durch-
setzten Literatur, kommt der Gegensatz zwischen der katholischen
und kalvinistischen Parteisache zu stets vollerer Entfaltung und klarerer
Ausprägung. Die abweichende religiöse Stellungnahme beider Parteien
Jiatte in der bisher erschienenen Literatur der neuen Lehre nur in
Traktaten theologischen Inhalts und in Dichtungen reli^nösen Stils,
also ausschließlich in seiner religiösen Natur, Ausdruck gefunden.
Zwar hatten bereits auf dem Tage von Fontainebleau die Anhänger
<Ier kalvinistischen Lehre durch Vermittlung Colignys vor dem jungen
König Franz und der Königin-Mutter in einer Bekenntnisschrift, den
„Deux Requestes de la pari des Fideles de France" ^^) ein frei-
mütiges Geständnis abgelegt, in welchem sie auch politische Momente
streiften, indem sie sich mit großer Entschiedenheit gegen den Vor-
wurf aufrührerischer Gesinnungen verwahrten und sich zum Beweis
ihrer aufrichtigen Untertanentreue sogar zu Mehrleistungen an den
König bereit erklärten, faRs er ihnen Kirchen einräumen wolle ^9); aber
erst unter dem toleranten Regiment de L"Hospitals getraute sich das
Geständnis religiöser Sonderstellung im Znsammenhang mit der po-
litischen Parteinahme der Bekennerschaft des neuen Glaubens auch
in den Flugschriften der Hugenotten allgemein hervor. Der Ausdruck
welchen der religiöse Standpunkt in der hugenottischen Schriftstellerei
tindet, ist dem Charakter und Ziel einer für die öffentliche Meinung
bestimmten streitbaren Literaturgattuug angepaßt. Weit entfernt da-
von, sich auf theologische Erörterungen über das Wesen des Unter-
schiedes beider Religionsrichtungen einzulassen, sucht man den Unter-
schied in seiner Bedeutung für die politische Parteistellung und in
dem Gegensatz gegen die Kirche und ihre Diener zu fassen, über
welche die redseligen hugenottischen Schriftsteller mit derselben Kühn-
lieit losziehen, wie so viele ihrer dichtenden Glaubensgenossen. In
langatmigen, mit biblischen Belegen gespickten Ausführungen ergeht
sich die an den König, die Königin-Mutter, den König von Navarra,
„et autres du Conseit' gerichtete ^Complainte Apologelique des
Fglises de France, au Roij, Royne-viere^ Ron de Navarre,
8**) vollständiger Titel: .J)evx JieqmsUs de la pari des Fideles de France,
■f/in desirent viure sehn la refonnaüon de PEuarKjUe. donnees pour preseii'er au Conue'd
ienu (I Fontainebleau. au iiiois d\-io//st 1360, au lici.^- auch in Meins de Conde II.
.S. G45— 647 {^Av Roy") und S. (U7— 648 (,..1 La Raine. Mere Du lioy^y, vgl.
auch Lelong, Bibl. instor. II. S. 234, nr. 177G4. Vgl. dazu Baird, Ilistory of
the rise of the Hufpienots of France. I. (1879) ö 417.
''^) „ ■ . . U Evauyile duqud nnus faisons prqfession, nous enseigiie toul le contraire
et me.tmes nous ii'avons point honte de contes.ter que nous n' eiitendlsme.-i Jamals si bien
*]uel est nostre devoiv envers Vastre Majeste qu'avons entendu par le moyen de la saincte
doctrliie qui nous est preschee" (S. 04 j). . . „vivre sous vostre saincte chanje, en paix
et tranquiüte., ei vous rendant alaiyrement taut ce que les sublecis doi/vent ä leiir
.louverain Seitjneur. et mesmes si mestier estoit ne refuserions de payer de plus (jrands
Tribijts.1 pour faire cognoislre a Vostre Majeste que c^est h grand'' tort qn\>n nous-
aceuse de nons vouloir exempter des char/jes qtiil vous piaist nous im.poser'- (S. (i46. G47).
21*
324 Kurt Gloser.
et autres du i'onscU", ])ar J. des llaycs ilößl)""^) in harten Klagen
über die Geistlichkeit, ..Papes, Ca.rdinaux, Evcsijues. Moines^
Prestres, Vicairesj Of/iciaux, et ßniclhdcrz . . : lesquels pour
s'approprier la vigne thi Seigneur, ont tue ses aerviteurs et so)i
propra Pils: et conünuent tous les jours d meurtrir les Seciateurs-
de soll Kvangüe, inonstrant par tels aotes <pj'ih sont les vrais
ennemis de la Parole de Dieu et de nous, qui ne demandons que
vivre selon icelle . . "'. Ihrem Haß gegen die Vertreter der Kirche
macht die ..,Coiiiplainte" in der an Hand der Zeugnisse der Heiligen
Schrift durchgeführten Ycrgleichung der katholischen Geistlichen mit
den Schriftgelehrten und Pharisäern Luft, um mit die.>or für die ka-
tholische Geistlichkeit wenig schmeichelhaften Zusanmienstellung den
Nachweis einzuleiten, daß die Geistlichen von den ältesten Zeiten die
Feinde Gottes und seines Wortes gewesen und bis zur Gegenwart
geblieben sind. Der redselige und in der Heiligen Schrift wohl be-
wanderte Verfasser ist nicht in Verlegenheit, seine Anklagen gegen
die Geistlichkeit und Kirche seiner Zeit mit biblischen Belegen zu
decken. In unermüdlicher Dialektik und eindringlicher Sprache wird
dem König ein langes Sündenregister der katholischen Geistlichkeit
vorgehalten, in welchem der A'orwurf ruhestörender Umtriebe und
Gewalttätigkeiten immer und immer wiederkehrt. Der Gegensatz
zwischen den Dekennern der neuen Religion und den Anhängern des
alten Glaubens wird in der Verschiedenheit der Haltung beider
Parteien in politischer Beziehung noch schärfer gefaßt, und dem die
kirchliche und staatliche Buhe bedrohenden Gcbahren der Katholiken
die künigstreue und friedliche Gesinnung der Hugenotten mit Nach-
druck gegenübergestellt.
Den Avahren Ursachen der im Lande lierrschenden Unruhen,
„(ie.svyne/.s tixudtles pliisieurs sont spectateurs comme d.'uiie Tragedie".
nachzuspüren, hat eine „Apologie contre certaines calomnies niise&
sus ä la desfaueur et desaduantage de VEstat des ajfaires de ce
Roiaume" (in: Mems de Conde U. S. 579 — 600) unteriiommeu,
welche, wie aus der Schrift selbst hervorgeht, kurz vor der von dem
König im Januar 1561 zu St. Germain en Laye zwecks Feststellung
des sog. Januaredikts abgehaltenen Beratung entstanden ist. An Hand
eines historischen Rückblickes über die jüngsten Ereignisse der fran-
zösischen Geschichte führt der Verfasser den Nachweis, daß die im
Laude herrschenden Unruhen nicht erst durch die religiöse Spaltung
hervorgerufen worden sind und der Anhängerschaft der Reformation
nicht zugeschrieben werden können. Der Eifer, mit welchem die
kalvinistische Partei um Recht und Wahrheit kämpft, spricht aus
allen Zeilen r.nd läßt den Verfasser dem Glaubens- und Opfermut
seiner Partei und der Unmöglichkeit, die neue Lehre auf irgend eine
3") in: M^ms de Condc II. S. 2S8-?.19; vgl: auch Leiong, Bibl. hl^t..
II. S. 2:58, nr. 17S2(;.
Beiträge zur Geschichte der polit. Literatur Frauhreich.s. ;)25
Weise, sei es selbst auf gewaltsamem Wege, ausrotten zu künnen, mit
•einer Entschiedenheit Ausdruck geben, welche über das erstarkende Partei-
bewußtsein der Belcennerschaft des neuen Glaubens keinen Zweifel
meh;- läßt.
Der Eifer für die als sell)?tändige Parteiangelegcnheit erfaßte
luigenottische Sache veranlaßt eine andere, „Eemontrance en forme
de requeste, ä la Royne-Mcre dxi Roy, et au Roy de iSavarre'-'
■{Mems de Conde IL S. 424 — 433) betitelte, indessen mehr an die
Königin-Mutter als an den König von Navarra^') gerichtete Schrift,
mit der in den theologischen Traktaten genugsam erörterten JJekärapfung
der katholischen Kiichenlchrc den Angriff auf das von der Kirche
4)etriebene Ausbeutungssystem und die Herrsclibestrcbungen der Geist-
lichkeit zu verbinden und daran die in klaren Worten ausgesprochene,
an die Königin-Mutter gerichtete Aufforderung zu knüpfen, die ihr
von Gott anvertraute Obhut über den jugendlichen König in einer
Gott wohlgefälligen und dem Reiche, d. h. im Grunde der kaivini-
stischen Sache dienlichen Weise auszuüben und durch die Beseitigung
der in der Icatholischen Lehre und Kirche herrschenden Mißstände
den Frieden der Iicligionsparteien und die Wohlfahrt des Reiches
.zu sichern.
Dieselbe Mahnung richtet, wenngleich in matterer und in
biblisch gehaltenerer Fassung eine etwas kürzere ,^Removstrance aux
Princes du Saug, touchant les affaires de nostre temps'-' (imprime
nouuellement. 1561 in 8; in Mems de Conde IL S, 215 ff.), welche
den Prinzen von Geblüt angesichts der im Lande herrschenden ver-
wirrten Verhältnisse die ihnen von Gott gewordenen Pflichten ihrer
hohen Würde ins Gedächtiu- ruft und sie namentlich an die wich-
tigsten aller Pflichten erinnert, die Ausbreitung der wahren Religion
zu fördern und dem jungen König zum Heil von Christenheit und
Land eine fromme Erziehung zu teil werden zu lassen, „gu'estant
vestn non seulement d'habits Royaiuv; mais aussi de sagesse et
crainte de Dien, les suhjects en sentent allegeance, 'paix et consolatioit :
et luy ä la fin, [nässe apres cesie vie, ayant hien mainte/in le vray
Service de Dieu, passer en la vie ('temelle- (S. 218).
Selbst in Schriften durchaus frommen und belehrenden Charakters,
wie der „Exliortation Chrestienne au Roy de France Charles neufiesme
(u Vadvenement de sa Coxironne'' 156Ü in-S*^; auch in Mems de
Conde IL S. 222 — 266), welche sich in dem von ihrem anonym ge-
bliebenen Verfasser an die Königin-Mutter gerichteten Widmungsbrief
als eine Art biblisches Erziehungs- und Belehrungsbucli für den jungen
König ausgibt, drinut inmitten der langatmigen Ausführungen, welche
^V) an den Navarra allein wendet sich im besonderen noch die „Eimim
liHcoijee au roy de Navarre pur 'es ministres et f(jlise Asseinblde cu nom de Jesus - Chrtst
tn la vUle de Jiouen." (1561). Bibl. Nat. Lpb^-^ und Fonds Fontanieu, 2l>!)
f. 50-56 sowie in den Mems de Conde IL S. 325— 3-28. Vgl. auch Ijclong, BM.
Msi. II. S. 23S, nr. 17S2S.
o'26 Kurt Glaser.
dem König die Pflichten eines cliristliclien Herrschers vorhalten, der
Ausdruck der mit standhaftem Märtyi-ermnt abgegebenen Versicherung
durch, daß alle Verfolgungen der Kalvinisten nutzlos bleiben müßten
und auch die Furcht vor dem Scheiterhaufen die l>ekenner der neuen
Lehre nicht einschüchtern könne "2j
Seinen deutlichsten Ausdruck findet der Zusammenfluß politisclier
und religiöser Momente in einer an die Königin -Mutter gerichteten
Schrift, der „Maniere d'appaiser les troubles qui sont maintenant
en France, et pourront estre ci- apres. A la Roine Mere du Roy'-''
(1561). ^3) welche in freimütiger und kühner Sprache nicht bloß die
in Kirche und Staat bestehenden Schäden aufdeckt und sicli in
kräftiger, wenngleich, wie schon Lelong, Bibi. liist. II. S. 234, nr.
17770 liervorhebt, nicht maßloser Polemik ergeht, sondern zugleich
auch zum ersten Mal beachtenswerte Ratschläge für die Abstellung
jener Mißstände beibringt. Schon die klare Scheidung, mit welcher
der leider anonym gebliebene Verfasser gleich im Eingang seiner
Schrift die Übel seiner Zeit in solche, welche die Religion [,.,Service
spirituel de Dieu"" und ,.,ReligioiV') und solche, welche den Staat
(„/a Police civile'') betreffen, zerlegt, berührt angenehm gegenüber
der geringen Klarheit, mit v» elcher sich die kalvinistische Publizistik
bisher gerade in dieser Frage auszusprechen pflegte. An Kunst der
Dialektik und an Schärfe der Polemik steht unser Verfasser weit
über seinen schreibenden Parteigenossen, und nie wieder ist seit der
verwegenen Invektive de^i ..,T{cfre"- eine so kräftige Sprache der Polemik
geführt worden; lange nicht mehr hatte die Herschsucht der Kirche
eine so derbe Zurechtweisung erfahren als in den Worten: ., . . . le
^-) „Et nc devez doitter, ne craindre de chanr/er la Doctrine fausse et diahoJique
II Ja vraije et dwine, larjitelle Ic Seüjneur par sa misericorde, a de'puis quelque icmps
restüuee par le ministre de ses JidiJes servitenrs: combien t/ue tout le vionde se soit
handii contre eile, taschant Vopprimer et estreindre par emprisonnemcns, tortures, con-
nscations de biens, bannissemens, Jettz, et tonte sorte de tourmens: mais riayant en
la parfin fjaujnc aufre chose, sinon rjue par ce mnyen ils Iwj ont acquis un tel nc-
croissement, quil nest maintenant possible d' arrester soii coiirs: non plus que de
qarder une riviere desbord^e. de rompre et passer par dessus toi/tes les levces
et chaussees. Ce qui. peut assez servir de preuve siifjisaiüe, que ceste iJoctrtne
est la seule que Dien approui-e, et par laquelle il veut, mnugrd Satan et tous ses
ministres de mensomje, que Jesus- Christ son Fils r^gne en ccs derniers ttmps. es
r.fcnrs de r.r'>ix qn^il a eslens en icehri/, devant la Jondation du monde: de manicre
qiLc. facent les persecnteurs et tyrans du pis que pourront, si est-re qn ils tte pronteront
rien, sinon d'irriter et provoquer Vire de Dien qui condnit cest aurre a Vencontre. . .'^
(jS. 245. 240). ,^. . . Sirc, si vnus et costre Conseil ne roulez enfendrc ii une totale
et generale i-eformation de VEißise., on si pour le moins, ne leur permettez quelqne
Temple ou publiqaement ils pui^.^ent serrir ii Dieu, toutes vos prohibitions et de-
fenses, toutes ros conti scations. voire tous vos feuz, ne pourront einpescher Vesprit de
Dieu, quil ne les induise it s^assembler ii tout le moins en leurs chambres,
poiir invoquer Dien, pour onir sa Parole, et pour participer it ses Sairwts
Saaemens ..." (S. "258).
''^) in: Mems de Conde I. S. .'iSi -G19. — vgl. auch Lplong, Bit»],
bist. II. S. '238, nr. 1781.5. Die Schrift ist bei Lelong auch S. 234, nr. 17770
genannt und kurz analysiert.
Beitröge zur Geschichte der polit. Literatur Frankreichs. 327
Pape et les siens. <jui prenvent de heaux noms pour faire taut le
contraire de ce quHls signijient. lls se diront Serviteurs des
«erviteurs, pour maidriser et dominer sur tout le monde, voire
sur les Rois et Emperenrs : ils se nomment Evesques et Fasieurs,
pour estre lonps ravissans: Docteurs, pour ne rien enseigner, sinon
tout ce gui peut plus rendre le monde ignorant: Cardinaux Diacres,
pour estre les principaux jnllards despauvres: Fiuahlement ils se
nomment la Saincte Eglise universelle, pour abolir toute saine-
tete . . . '• (S. 590). An zahlreichen, den jüngsten Ereignissen in
Frankreich entnommenen Beispielen zeigt der Verfasser, wie das Ein-
greifen Gottes zu Gunsten der kalvinistischen Sache wiederholt die
von katholischer Seite gegen den Kalvinismus gerichteten Intrigueu
zu nichte gemacht hat. Im Interesse seiner Partei verwahit er sich
gegen den Vorwurf anfiührerischer Gesinnung und bemüht sich alle
Verdächtigungen, zu welchen das politische Verhalten der Kalviniiten,
namentlich der Tumult von Amboi^e, Anlaß bieten könnte, zu zer-
streuen und mit den üblichen Anklagen sregen die Guisen und ihre
Verleumdungen zu beantworten. „ . . . /e Cardinal de Lorraine
en a fait courir ses Edicts et Rhnonstrances sous le Nora du
Roy^ duquel il ahuse coustumierement pour divulguer ses menteries
et deslojjautez. donnant cntendre que tout cecy est procede d'aucims
Fredicans envoyez de Geneve, qui de longue inain avoyent fait
leurs preqjaratives, pour atlirer ä leur Parti ceux quils cognois-
soyent les plus propres ä leur menie, et na point honte de dire^
qu'on s'estoit armd contre le Roy. Or il y a pour le moins cent
mille hommes en France qui savent du contraire. Le Regnard
(d. h. der Kardinal) n'ignore pas que cestoit ä luy-mesme et ä son
ßrere., ä qui on en voufoit: parce que contre tout Droict et Cou-
stume, et au mespris de tous les Estats de France, ils se sont
saisis de la Personne du Roy, voire de tous les nerfs du Royaume,
et par nur et par terre" (S. 602). ..Quoy qu'il en soii, sil y eui
jamais entreprise de subjects qui meritast louenge envers leur
Prince, cestoit ceste-cy. Car voyans leur jeune Roy., sans qiiil y
pensast., estre prisonnier entre les mains des iyrans, au grarui
danger de perdre sa Couronne et sa vie: ne faisoyent-ils pas
Office de loyaux subjets, de s'ejforcer ä le delivrer., pour le raettrs
entre les rnains de ceux qui eussent este ordonnez par les Estats,
comme il y en a ä qui de Droit cela appartient., et desquels la
fidelite est cogneue?" (S, 603). ,.,Voilä, Madame pourquoy ou
avoit pris les armes: et non pour le faict de VEcangile seule-
ment ..." (S. 604). Die Verleumdungen, welche der Kardinal gegen
Genf, die Mutterstadt der neuen Lehre, und die von dort ausgegan-
genen Prediger gesclileudert hat, veranlassen den Verfasser zu einei'
nachdrücklichen Rechtfertigung der geschmähten Stadt: ,,Mais il
(d. h. der Kardinal) a hien pejisc rendre les Prcdicans de franrc
odieux, quand il a dit quHls estoyent envoyez de Geneve. D^'
358 Kurt Glaser.
faief, les capliarif que luy et ses semblable.-i ont a loage, ti'eforcent
tant qu'ils petirent de rendre ceste povre ViJle oäieuse^ luy imposant
mille faux crimes. comme ce sont instriimens du Diable totis faitx
a cela: mais il faut qu'ils s'addressent aux ignorans, s'ils veulent
qiion les croye. Car ceux qiii savent que s'en est., recognoisscnt
que cest wie Ville qui a faict heavcoup de Services au Roy,
ipieile a tousjours suyvi son Parti, et quelle a receu Jminaine-
vient ses gens allans et venans en Italie et ailleiirs., leur faisant
anssi hon traitemeut qu'il estoit possible. En oultre, il y a en
France trente mille hommes pour le nioins, qui ont este /a, qui
he se peuvent contenter de la logier: mais sont ravis en admiration,
quand ils considerent le bov. ordre qui y est, tant au faict de la
Heligion, qii'cs fJioses poliiiques. Qui voyent une die composee
de tant de Pays et diverses Nations si bien unic, qu'il rCy a bruit
sinon des marteaux et ontils des artisans. L,a oh il n'y apparoist
ue juremens, ne blnsphiimes, ne paillardise., ny yvrongnerie, ne
violence, ne noise. on eliose semblable. que taut incontinent cela
ne soit chastle et purgc. Brej\ quand il n'y auroit que les gens
de guerre, qui retournans du beau Voyage que Monsieur De Guise
fit d Naples.^ passerent par lü, ils tesmoigneront quil leur sembla
quand ils rerenoyent de voir Rome et les abommations Papales.
et qu'ils entrerent dans Genik-e, qu'ils sortoyent d'un Enfer pour
entrer en an petit Paradis. Parquoy celuy qui met le nom de
Geneve^ pour rendre les Pred.icans de France odieux, il faut qiiil
pense troucer des gens ou du tout ignorans. ou aussi enncmis de
tonte vertu comme il est. Au surplus, il n'est point sorti de
Predicans de la Ville de Geneve pour aller aucune pari, sans
quHls en fussent instamment requis par les povres Peuples qui
estoyent affamez de la Parolr de PHeu, Si lä-dessus on demande
pourquoy les subjets du Roy rCen. prenoyent plustost en France
que Id: je respon, que la cruaute barbare dont on a use en ce
Royaurne contre tontes gens de vertu et de scavoir, et les mes-
chancetez qui .s'y commettent. ont contraint les gens de bien de se
retirer ä Geneve, ei ailleurs. oi' ils pouvoyent mieux vivre en
Seurete servard ä Dieu" (S. 604, 605).
Mit der A'eiteicligung und Rechtfertigung der eigeuen Sache und
dem Angriö' auf den Gegner verbindet die Schrift i)Ositive Vorschläge
für eine Reform von Kirche und Staat in kalvinistischem Sinne.
Unter Berufung auf das altkirchliche Deisi)iel wird als erste Maß-
regel der Zusammentritt eines .^franc et libre Concilc.^ auquel la
Parole de Dieu presidast"- empfohlen. Mit Entschiedenheit geht die
Schrift gegen die Mißbräuche in der katholischen Kirche und gegen
die Pfründegier de- Klerus vor; sie unterbreitet ausführliche Maß-
i'cgeln gegen die Ausnutzung und Ausbeutung des Kirchenguts durch
die Geistlichkeit (S. 611, 612) und schlagt vor, daß man das über-
schüssige Gut verteilen soll an die gens de vertu, ou qui auroyent
Beiträrje zur Geschichte <hr polit. Liieratur FrankreicJis. 32'.)
j'aii Service a la Repuhlique, ou desquels on imroit honne, espe-
rance. Comme il y a tant dhonnestes Gentils-hommes et soldats,
<jui ont fait beaucoup de Services au Roy, et nen ont eu grande
röcompense. 11 y a aiissi d'honnestes gens de Justice, qui ont
hii'n fait leiLV devoir, et ne se sont point enrichis ä cause de leur
integrite: dfaiitres qiii ont fait particulierement service ä la Per-
sonne du Roy, ou de Messieurs ses Freres. ou ä la vostre, Ma-
dame. Ainsi que le Roy se monstrast liberal envers telles gens:
en condition toutesfois cC entretenir tant de Gens de cheval ou de
pied qiiil seroit avise, tousjours prests pour son service, ou de
■fe tenir en tel eipdjxige pour le mesme effect. 11 ne faudreit
aussi que le Roy leur donnast ces revenus, sinon pour leur vie
durant. Cur il pourroit advenir beaucoup d'inconvmiens s'il les
dotmoit pour eu.v et les leurs. Je vous p)uis dire, Madame, que
outre ce que le Roy auroit iine force incroyable tousjours preste,
il ne fut jamais mieux servi (S. 612). . . 11 y a beaucoup de
Ecesques, Abbez, Protenotaires et autres Gens d'Eglise, qui est
comme qui diroit (pour le prendre comme on en tise ä prcsent) qui
sont dediez ä oisivete. ä ne faire que chasser, jouer, paillarder,
et porter messages de rufiennerie, qui seroyent bien aises d'estre
emp>loyez pour le service du Roy et de la Republique, soit au
faict de la guerrc, soit pour quelque autre chose profitable. Or
estant lä ejigoujfrez, tout leur est ptermis, excepte de bien faire:
dont ceuw qui ont quelque conscience en gemissent. Sembtablement
beaucoup de Moines de bon naturel, de gentil esprit, et dextres
de leurs persomies, ont este jettez dans les 31onasteres, comme
dxmx des retraits. Car leiirs parens pour les priver de leurs
lieritages, se sont voulus deßaire d'eux. les rendans esclaves per-
pt'tuels. et qui ne peussent servir qua manger ^ jouer ^ paillaoxler
et infecter tout un monde d'ordure. . . Or il faudroit rnettre
ordre que liberte fust ä tous donne pour choisir quelque honneste
vocaiion, et que nul ne fust empesche de se marier, puis que la
Parole de Uieu laisse cela en la liberte d'un chacun, et qu'o7i
leur aidast sar les revenus EccUsiastiques. . . Par ce moyen il y
luroit une infinite de vices qui auroyent la gorge couppce. . . .
Quant amc Evesques. Abbez, et autres qui tiennent les Bemfices.
qu'on leur laissast de leurs revenus ce qui seroit pour les entre-
tenir könne stement : enseignant toutesfois une Saincte et Catholique
(Jonfession quon leur presenteroit. . . En somme, le Roy auroit
tousjours des Mens en main pour provoquer les gentils esprits ä
fi'rtu. 11 y a une infinite de povres Gentils-hommes qui ne peuvent
partir de leur maison par faute de moyen, qui pourroyent estre
araucez et entretenus. Et les enfans da ceu.r qui axiroi/eid jouy
des benefices du Roy. s'ejforceroycnt d'ensuyvre la vertu de leurs
peres., aßn que le Roy eust occasion de les faire succeder au.v
bi'ni'fices de leurs peres. . . En outre, le peuple par ce moyen
330 Kurt Glaser.
pourroit faire yrandement soulage d Impositioris^ (Tauiant que le
Roij auroit iousjours force gens de cheval et de pied, ^9rt;s^9 ä
»larcher ,sans qiiil luy constast rien. /'ose hien dire quen swjvant
cest ordre, il n'y auroit Prince qui quil soit, (jui ne craignit
autaiit de quereler nn Roy de France, que Roy qui soit au
monde. ... Or il n'y a doute, Madame, que cela ne se puisife
faire legitimement. . ." (S. 612 — 614). In derselben Richtung be-
wegen sich auch die Vorschlüge, welcbe der Verfasser für die Besse-
lung des ^Estat politiqiie'* beicit hält: ,.,Venojis donc maintenürd
ä l'auire e'-^pece des faiites qu'il faudroit corriger. (jui est tonchant
l'Estat politique'". Er empfiehlt, bei dem königlichen Hause an-
zufangen, des Beispiels für das Volk halber, und sagt (mit Be-
ziehung auf die Guisen): ,,si ceux qui s'estudieut ä plaisanter
devant le Roy et Messeigneurs ses Freres, et devant les Dames,
parlans tousjonrs de quelque paillardise, ou mesdisans de quelcun,
ou jurans et renians Dien, ou tenans propos qui sentent leurs
Epicurit'us et Athees, si ceu.i'-lä, dy-je, et leurs semblables avoyent
este hien chastiez, quand ce ne seroit que d'un mauvais visage
du Roy et de vous, vous verriez la France bien-iost changee en
mieuar (S. 615). Desgl. wird die Besserung der Gerichtsbarkeit
empfohlen: ..Sur tout que le Roy saclie que la vendition des Offices
de Judicature, est la. peste et destruction de tout le Royaurne.
Que le Roy donc ne sonjfre plus qu'ils soyent vendus, ny auasi
donnez par faceiir. Ceux qui sont introduits par la faveur, ou de
Monsieur le Connestable, ou de ceux De Guise, ou de la Duchesse
de Valentinois, ou du Mareschal S. Andre, ou de quelques autres,
ont leur conscience au commandement de ceux qui les ont avancez . . .
Mais il faudroit que tels sacrileges fussent publiquenient noiez d'i/n-
famie, et ceux qui les auroyent commis, declarez indignes de jauiais
tenir office pohtiqiie ou Ecclesiasiique: voire quelques favorisez qu'ils
fussent, afin que cliacun aprint de craindre Dieu et de garder Ics
Loix du Roy : et que les sujets ne jyensasseni estre privilegiez cn ce
que le Prince ne se voudroit permettre. Ap^^es il faudroit, ouire
le tesmoignage de preudhommie, et texperience des clioses poH-
tiques, que l'examen de ceux qui doivent presider sur tous, fust
faict ä liuiis ouverts; et quon ne fist point estudier son rolle ä
Monsieur le respondant trois mois devant, niais que de ioutes
matieres civiles il fust enquis, et quil respondit sur le chanip.
Pareillement ques le nonvuez des Presidens et Coiirs souveraines,
nefussent point receus sans estre interroguez, conirne on fait. Car
quelquefois, et le plus souvent,ils nomment des asniers leurs
parens, all'iez ou favoriz, et les avanceut, leur donnaut les Procez
de plus grande consequence. Dieu sait aussi comment ils s'en
escarmouchent. SHl est qustion d'opiner, ils ne laisseront pas de
parier d'un accent grave, et de hausser leur nez impudenf, et
d'opiniastrer en ce qu'ils n'entendent point. Je ne parleray pas
ßeiträge zur Geschichte der polif. Literatur Frankreichs. .331
de beaucoup d'autres ehoses qu^o» pourroit portrsuijcre sur ceste
matiere : rnais en 201 mot, vous devez estre assenreey Madame,
que si gens savans et de bonne conscience, ayans hon tesmoignage
de preudhomme, manient les affaires de la Justice., vous verrez en
un rnoinent une infinite de Proeez et scandale esteints, de sorle
que vostre j^euple demeurera en bonne paix."^ ..Quant a la Noblesse.,
eile sera encores plus aisee ä re/ormer, et toutes gens de guerre,
quand ils entendront leur devoir par la Parole de Dieu. I)e faict
iL y a des Capitaines qiii confessent que toutes les Ordonnances,
et toute la severite militaire rCa jamais si bien peu renger les
soldats, pour les garder de pilleries, forcement et autres niaux
accoustumez ä cest Estat., ne qui les ait rendus jjlus volontaires
pour s'acquitter de leurs factions, que C enseignement qiiils ont
pris var V Evangile. . ." ..Touchant les Marchans et Labour cur s,
ils se porter ont plus obeissans envers le Roy., et plus loyaitj; et
entiers les uns envers les autres, quand ils seront addressez par
C Evangile, et qu'une bonne Justice y tiendra la main. 11 est
vray quavec tout cela, il ne les faudroit pas traicter en clievaux
et asnes, leur imposant charges excessives: inais que le Roy les
traictast de teile sorte qu'ils exissent plus d'occasion de tainier, que
de le craindre: de lui souhaitter tout bien, que de le detester."
Zum Schlüsse weist der Verfasser nochmals darauf hin, daß sich die
Unruhen rechtfertigen aus dem reformbedürftigen Zustand Frank-
reichs und der unwürdigen Gewaltherrschaft der Guiscn, die zu den
schlimmsten Uebergriffen geführt hat und zu stets neuen Befürchtungen
Veranlassung gibt. ^Et pour vous en dire fidelement ce que fen
ay entendu, Madame, chacun trouve fort estrange que vous vous
soyez du tout foi'nialisee potcr ceux de Guise, desdaignant et
esloignant tous les Princes du Sang, ä qui de droict il appartient
de gouverner avecques vous, voire tous autres Grans Seigneurs qui
sont de long-temps exercez et entendus aux affaires de ce Royaume,
et que vous consentiez quon mette au Conseil des Pi'inces Estrangers,
plustost que ceux du pa'is: voire d'aucuns qui ne spavent que cest
ne de iJroict Divhi, ne de Droict humain" . Mit abermaligen
Warnungen vor den Absichten der Gnisen und den durch sie herbei-
geführten Unruhen im Lande und der Bitte: „s^ en icelle (d. h. der
Remonstrance) vous trouvez quelque chose qui vous seuible trop
rüde, esti?nez, Atadame, qiiaux maladies aspres et dangereuses,
les 3IedScines doufüstres ne sont point si utiles, que Celles qui
ont de U amertume'-'- schließt die interessante, an politischen Ideen
reichhaltige Schrift.
(Fortsetzung folgt.)
Marburg i. H. Kurt Glaser.
Haiidsclirit'tliclies
You dei' Gr>tti!iger Uiiiversitätsbibliothek.
All Handschriften, die französische Sprachdenkmäler entlialten, besitzt
die Königliche Universitätsbibliothek zu Goettingen nach Ausweis des ge-
druckten Katalogs folgende:
A. Edierte Texte.
1. Philol. 184, IV. Ein IJrucli.stück aus dtMii aitfr. Koman
Amadas et Ydoine. Bl. I entspricht den Versen 1110 — 124(1, Bl. 11 den
A'ersen 1791—1927 von Hippeaus Ausgabe flS63): also fehlen dazwischen
4 Blätter. Das Bruchstück ist von H. Andresen in der Zi. f. r. Phil. XHI,
85—97 herausgegeben worden.
2. Histor. 6.')7, V. :j7, liSb. Ein Gedicht zu Ehren Karls V,
von mir in der Z.^. /; frz. Spr. u. Litt. XX, 272 — 279 herausgegeben und
kritisch beleuchtet.
B. Unedierte Texte.
1. App. dipl. 10 E, XVII, 21. Prosafragment betreffend Pyramus
und Thisbe.
OvidsMotamor[)hosen und damit auch die Liebesgeschichte von Pyramus
und Thisbe sind in Frankreich, besonders während des Mittelalters, sehr
beliebt gewesen, was zunächst durch die häufigen Erwähnungen des
Stoffes bewiesen wird. Vgl. Dernedde, Über die <hit nfr. Bichlern bekannten
epischen Stoije aus dem Altertum (Erlangen, 1887); .Sudre, P. Oi-idü Xasanis
M etamorphoseou libros quomodo nostvutert medü aevl poetae imitati iiilerpretatique sint
(Paris, 189.']) ; Bartsch, Albrecht r. Halbr-rstadt und Ovid im Mittelalter (Quedlin-
burg u. Leipzig, 1861), S. G4; Wackeruagel, Alifranz. Lieder (Basel, 1846)
6, ö, .j: Hart, L'rsprunr/ -und Yerbreltunq der l'yrurnys- und Thlsbesar/e (Passau.
1889), S. 30; Histolre litleralre XIX, 498; XXX, 17 ii. 202; Cahier, Nouveavx
imianges d'arcki'olorjie, d'hisloire et de lltterature (Paris, 1874) I, 229; noch nicht
erwähnt sind in diesem Material folgende Stellen: Floris et Lirlope v. 971:
Christine de Pisan, Dehat de deiu amana V. (j(i2; V Escoujh V. 6360. Auch
in der altprovenzalischenLiteratur ist der vorliegende Stoff häufig erwähnt;
man vergleiche: Birch-Hirschfeld. Über ille den procenzallsdien Troubadours des
XIL und XIIL Jahrhunderts bekannten, epischen ülotje (Halle, 1878), S. 12 — 14;
Bartsch, Albrecht v. ffalherstadt., S. 64; Graf, Roma nella memoria e neue imaginazioni
del media evo (Turin, 1863), II, ."ION; Roman de Flamencu p. p. P. Mevcr, f).
281; Suchier, Z^■. /'. r. Phil. XXI, 124. Bei Graf. lioma II, 30S finden sich
auch die Erwähnungen des Stoffes in der alt italienischen Literatur ver-
zeichnet, wozu man noch vergleiche: Hart, Die Pi/r_amus- und Tldsbesaye in
Holland, Enijhmd, Italien und Spanien (Passau. 1890). Über bildliche Dar-
stellungen der Sage in 15asel und Italien spricht Cahier, NouvemLc mäumjes I, 228.
Hierzu treten nun die Bearbeitungen, die der Stoß" in Frankreich
gefunden hat, wozu man Hart, rrsjjrung und Verbreilunu der Pyramus- und
Thisbesage und Loykauff, /'/'. Habert und seine Übersetzung der Jfetamorpho.<ei!
Ovids (Leipzig. 1904) vergleiche. Zu den dort genannten Bearbeitungen,
llanilscliriftliclies. o 3 'S
fiie teils die ganzen Metamorphosen, teils nur die Pyramus- und Thisbesage
umfassen, treten noch:
a) La leijvndc de Pi/rame tfl Tliisbr:^ tu vers francais du XI II'' sUcle p. p.
ßonnard (Lausanne, 1892): \g]. lioma7iiaXXl, 6.")0; Petit de JiiUe-
ville, Histolrt de la laiicjuc et de la Htterature francaise ], 245, Anm. 1.
b) Moralite nouvelle de Pyramus et Tishee p.p. Picot (Paris. 1901).
c) Die 168-') veröffentlichte l^rzälilung der Schicksale von Pyramus
und Thisbe in Lafontaines FUJes de Jlinee ((Em-res p. p. 3Lirty-
Laveaux II, 44.')).
Hieran schliefst sich das obengenannte Prosafragment der Göttiuger
Universitätsbibliothek an. Die Handschrift besteht aus einem auf beiden
Seiten zweispaltig beschriebenem Blatte. Das Recto trägt rechts oben die
Bemerkung: Kornrechnung des Klosters Hilwerdeshausen [bei Einbeck] de
Ostern 155G/7, wodurch der terminus ante quem gegeben ist. Nach Schrift
und Sprache gehört das Bruchstück ins 1'). .Jahrhundert. Da der untere
Teil des Blattes weggeschnitten ist, fehlt eine Reihe von Zeilen: aber auch
in seiner ursprünglichen Breite ist das Blatt nicht erhalten, sodafs von der
linken Spalte des Recto unr die rechte Hälfte und von der rechten Spalte
des Verso nur die linke Hälfte vorhanden ist. Trotzdem läfst sich (iber
sagen, au welcher Stelle der ovidischen Erzählung unser Prosabericht ein-
setzt, nämlich da, wo die Löwin kommt, das Tuch Thisbes zerfetzt und mit
Blut besudelt. Metam. IV, 9G: renk ecce recenti
caede leoena houm spuinanits ohlila rict.us.
Weiterhin wird dann in der linken Ifecto-Spalte das Auftreten des Pyramus
und sein Selbstmord geschildert. In der letzten uns erhaltenen Zeile dieser
Spalte ist von der Rückkehr der vor der Löwin geflohenen Thisbe die Rede.
Wenn wir damit den Inhalt der ersten Zeile der rechten Recto-Spalte ver-
gleichen, sehen wir, dafs nur wenige Zeilen den Zwecken des Kornrechnungs-
buches zum Opfer gefallen sind. Jene rechte Spalte beginnt mit Metam.
IV, 137 [sed postfjiiiim vtDwraiit siios roynorit nmores): Thisbe erkennt in dem
vor ihr liegenden Leichnam den Geliebten. xVm Ende der Spalte kommt
sie zu dem Entschlufs, mit ihm zu sterben. Die linke Spalte des Verso
beginnt dann mit Thisbes Bitte, Pyramus möge sie doch noch einmal an-
schauen. Todesentschluls und die genannte Bitte der Jungfrau bringt der
Verfasser unserer Erzählung in umgekehrter Reihenfolge wie das lateinische
Vorbild, das er überhaupt frei nachgeahmt hat. In der linken Verso-Spalte
wird weiter Thisbes Ende erzählt: in den beiden letzten Zeilen beginnt die
moralisierende Betrachtung des Falles, die sich in der rechten Spalte fort-
setzt. Trotzdem letztere verstümmelt ist, läfst sich doch erkennen, dafs
der Verfasser warm für die Liebenden eintritt und den beiderseitigen Eltern
wegen ihrer Hartherzigkeit Vorwürfe macht. Der Schlufs dieser Ausführungen
fehlt. Als Probe des Fragments gebe ich den Schlufs der Liebestragödie
von dem Punkte an wieder, wo Pyramus die Bitte der Geliebten, die Augen
zu öifnen. erfüllt. Es heilst dort:
Merreilleuse cha^e est a dire: le defaiWint eHtendcmeui du mourant
senil/ et enfevdi le noiii de la rierge taut amee, ne point ne lul voll deiiier hi
derreniere refjuesie >juelle li/ jLil. Cnr il ouvri/ ses yeulx rji'evez de la mort
et regarda ce.lle que l'appeUoit. Et ce fait ficha tantost V espee du. jouvencel
mort en sa poitrine et se coucha s/ir hii et soii snn'j cspandti, 1^'ame
d'elle ensuy Farne du ja mort.
Der Versuch, vorliegende Handschrift mit der oben erwähnten um-
fangreichen Übersetzungsliteratur zu identifizieren, war von vornherein
ziemlich aussichtslos und ist auch nicht gelungen. Es handelt sich eben
bei unserer Erzählung um einen der unendlich vielen mittelalterlichen Ver
suche, ovidische Stoffe in Prosa wiederzugeben.
334 C. Frieslarid.
2. App. dipl. 10 E. XIX, :;.
Die Handschrift bestellt aus einem auf allen vier Seiten beschriebenen
Blatte und enthält Teile der Dialoge des Papstes Gregor. Letztere sind
ja von Fcerster 1876 in einer pikardischen P'assung des XII. Jahrhunderts
herausgegeben. Unser Bruchstück zeigt Schrift und Sprache des \'n. Jahr-
hunderts; es weist mehr zentralfranzösisches Gepräge auf und gibt eine von
Fccrsters Text abweichende Version des lateinischen Originals. Seite I
unseres Fragments beginnt im l.j. Dialog des dritten Buches = Fcerster S. 140.
Z. 15, reicht bis S. 141, Z. 22 und setzt sich inhaltlich in Seite II fort,
die ihrerseits den Text bis S. 143, .j gibt. Zwischen ihr und Seite III ist
eine Lücke. Es bat sich nun ergeben, dals hier ein. ebenfalls vierseitig
beschriebenes Blatt fehlt. Dieses enthielt gerade die Mitte des Textes der
ganzen Dialoge, woraus folgt, dals die einzelnen Blätter wie in einem Schul-
schreibheft ineinander gelegt waren und dals die Handschrift, welcher unser
Bruchstück entstammt, nur die Dialoge enthielt und nicht auch das andere,
was die Fcerstersche Handschrift noch gibt. Seite III geht S. 148, Z. Iß
weiter, reicht bis zum Schlufs von S. 149 uud setzt sich in Seite IV fort,
die den Text bis S. 151, 11 enthält. Ich lasse hier eine Probe unseres
Bruchstücks (Schlufs von Kap. XV) folgen und füge den Foersterschen Text
sowie das lateinische Original bei.
a) Foersters Text.
Gregoires. Mais Entices ki en la voie de deu avoit esteit cornjudits
ol deviinf dil Florence, il 1'ut conuz apres sa mort estre t/ranz pnr la vertut
de siyncs. Quar qnant U horiois de son bore suelenl raconteir plnisors mi-
rnc/cs de bii, nekedent eil miracles est li plus graiiz, cui ioskes a res tens
des I^uinhars li tot pvissnnz deiis parmei son vestiment pnr coustume den-
r;levff ovreir. Qiiar quanles fies jaloit la ploye et la lonye si'cherece par la
f/rande ckalre brulloit la terre. assembleit en un li boriois de son bore so-
loieiit sa cote leveir et ojfrir a proieres el rer/ard del sanior. Avoc la
quelle quant il alereiit en proiant par les chnns, manes asiail doneie la ploye,
Id plainement poist la terre sooleir. De la quelle ckose fut conut, quelle
vertut^ quell merite. s'anrme aroit dcvenz, cui vtsture defors demostreie des-
tornat la ire de nostre faiteor.
b) Text des Fragments.
Saint Gregoire respont: Eutice qvi en la voie dieu ot este compaiynoii
du devant dit Florent apparut yrant apres sa mort en la vertu des siynes
de miracles. Kt . , . que li citoiens de la cite en souloient raconter plusieurs
miracles,, et pourquant ce mirarle entre les autres est merveilleus el ylorieus
que nostre sire dieu le tout puissanl adeiyne faire et ouvrer par sa vesteure
iusques ou temps dds Lombars. Cur toute.s les fois qne pluye failloit et que
lonytie secherresse ardoit In terre par force de chaleur, les yens de la citc
s' ussemhloicnt et acoienl de coustume que il leroient eu hault sus itne perche
la coste qui avoit este au saint home et l'offroient a nostre seiynetir a yrans
priercs et s\.n aloient a toute celle cost'' par hs chavips en disant oroisnu.
Et tanlost dieu leur donnoit pluie soujfisaiif taut que la terre en avoit soitf-
ßsanment et par ceste raison npparoit que V'ime avoit este da yrant rert-u et
de grnnt raerile de cellui de qai la vesteure appaisolt dieu quant eile estoil
mostrce du dehors.
c) lateinischer — bei Foerster abgedruckter — Text.
Eutycliius vero, qui praedicti Florentii in via Domini socius fuerat, mayniis
post mortem claruit in vir tute xiynorum. Kam cum nmlta cives urbis illius
de eo soleant narrare miraculu, illud tarnen est praeclpuum, quod iisqiie ad
haec Lanyobardorum tempora omnipotens Deus per /•estimenium illius assi-
due diynabatur operari. Nam guoties pluvies deerat, et aestu nimio terrain
Innya siccitas exurebat. coUecti in vvum cives urbis illius. eius tunicam levare
Hau r/.v eil rift lieh es . 335
atque in conspectu Doruini cum precibus oj/crre c<>ns'jeverant. Cum qua dum
per agros pergerent exoron/es, repenfe plurla tribucbatur, quae plene ie.rram
satiare potuisset. Ex qua re pafuif, eius anima quid virtulis intus^ quid
rneriti haheret^ cuius foris osiensa vestis iram conditoris averteret.
Vorsiehende Proben (a-c) genügen, um den Text unseres, Fragments
(b) zu characterisieren. Unzweifelhaft zeigt er ein ganz anderes Aufsere wie
a, aber es wäre doch zu weit gegangen, deshalb für b ein anderes lateinisches
Original anzusetzen, als es in c vorliegt. Der Unterschied stammt von den
Übersetzern. Der Verfasser von a hat ganz wörtlich übersetzt und auch den
lateinischen Stil nachzuahmen versucht (relative Anknüpfung!), während h
viel freier übertragen und mit einer gewissen Behaglichkeit erzählt ist; der
Übersetzer scheut auch nicht kleine Zusätze, um anschaulich zu sein (vgl.
sus une perche), und geht mit dem lateinischen Satzgefüge recht ungeniert um.
3. Morbio 17.
Das Blatt entstammt dem 14. Jahrhundert und ist doppelseitig und
zwar zweispaltig beschrieben (viermal 49 Zeilen;. Wenngleirh es schlecht
erhaltenist, läfst siihdoch sagen, dafses eineProsatassung derLa«ce/o/erzählung
enthält. Sie genau zu fixieren, ist mir nicht gelungen; vielleicht geschieht
das von anderer Seite auf Grund folgender Angaben. Aus dem Recto, welches
Zusammenhängendes so gut wie garnicht bietet, erwähne ich in der linken
Spalte den Eigennamen Kex; aufserdem spri' ht dort mehrere Zeilen hindurch
„ta roine'^; in der rechten Spalte ist von ^Agremor h deß-ee'' die Rede. Da."
A'crso ist besser erhalten; in der linken Spalte fallen auf die Eigennamen:
Kamalotk, Artus, Lan(celot), roiaume de Logres\ als redend wird dort „/e rois"
eingeführt. Die rechte Spalte gibt das Meiste aus: abgesehen von dem Eigen-
namen Gau(vain) enthält sie von Zeile 9 ab mehr oder weniger zusammen-
hängende Stücke. Der König fragt, ob Lancelot noch nicht gekommen sei,
und besteigt, als das verneint wird, einen Turm, um nach dem Ersehnten
auszuschauen. Dann heifst es (Zeile 17-2.')):
Le rois reawde grant piece que il ne volt ne loins »e pref chevaiier
venir i^ers Kamaloth si s'en vierveille viovt^ ei il estoil de si grant aper-
cevance quil cuidast d'ofses loins conaistre im Chevalier pur coi il l'euft
reu. cheraiicer une /bis. Quar il voust descendre de la ior et il disoii a
soi meesmes : Ha diex, quant vendra eil que je desir a veoir sor ious autres ?
■Si regarde rers la foreste de Kamaloth si eii voit issir un Chevalier . . .
armen vermoilles.
Nun fehlen mehrere Zeilen. Aus dem Zeile 28 wiederbeginnenden
fragmentarischen Text ersehen wir, dafs der König in dem Kommenden
I.ancelot sicher zu erblicken meint und vom Turm hinunter zu seinen Baronen
eilt. Von da ab (Zeile 33) sind nur noch einzelne Wörter erhalten.
4. App. dipl. 10 E, XVII, 23.
Die Handschrift besteht aus zwei doppelseitig beschriebenen Blättern,
deren Text nur teilweise zu lesen ist. Der geschichtliche Inhalt des Frag-
ments und der kurze Hinweis des gedruckten Handschriftenkatalogs, dafs
es sich wohl um eine Chronik handele, liels mich die entsprechende
Literatur durchsehen, wobei es gelungen ist, das Bruchstück zu identifizieren.
Es handelt sich um die Chronique de Flondres. andennement composce par auteur
incertain et mmvellement mise ea lumicre par Deuis Sauvage. Lynn^ 1561, ein
Werk, das die Jahre von 792—1384 n. Chr. Geb. umfafst. Wir finden den
Text unseres Fragments auf den Seiten 1G3— 166 der Chronique de Flandres
wieder, aber so sehr sich die entsprechenden Partien inhaltlich gleichen,
unterscheiden sie sich doch sprachlich Sauvage hat das Werk des ^auteur
incertain-, wie er in der Vorrede auseinandersetzt, aus einer Privatbibliothek
handschriftlich zugestellt bekommen und davon eine Abschrift genommen,
die uns in obiger Ausgabe im Druck vorliegt. Er sogt /. c von jener
336 C Frie!<laud.
Handschritt: cd excmidaire, escript fit feuUhs de porcheiuiu et de gros pajjier
entremeslcs, moiistre une lettre assez antique, sam aucunemeiU ncmimer son autcur.
Er druckt dann, um dem I^eser einen Begriff von ..sftVe, lantjuage et po/ictva-
tion'' der Handschrift zu geben, den Anfang ihres ersten Kapitels ab und
tahrt fort: ce qiie se tust trouvc vude aux orellles de ce iemps, ei pource l'arons
nous aucunement adoucy, sans toutesfois iuy chnmjer ses ancimes phrases ou vianieres
de parier^ nsitces par autres semhlables antiques autears, ne mesmes plusieurs mots nnckm
de boiine signijication. Mit anderen Worten: der Text, von dem hier die Rede
ist und für den ja seines Inhalts wegen das Jahr 13.S I als terminus post
quem feststeht, ist auf Grund der erwähnten Probe als um 1400 nieder-
geschrieben zu denken. Ihn hat Sauvage für seine Zeitgenossen modernisiert.
so dal's uns also die ursprüngliche sprachliche Form der Chronique de Flandrus
— abgesehen von jenen einleitenden Sätzen — leider verloren gegangen
ist. Durch unser Fragment wird nun erfreulicherweise die Kenntnis jeuer
Vorlage des Sauvage vermehrt: es zeigt in seinen allerdings verstümmelten
Sätzen und einzelnen Worten die Gestalt des Urtextes. Das Recto des
ersten Blattes correspondiert mit Seite lß3, Zeile off. von Sauvages Ausgabe.
das Verso mit S. 164., Z. 5 ff., das Recto des zweiten Blattes mit S. IB-ö,
Z. 4 ff. und das Verso mit der letzten Zeile derselben Seite und den ersten
von Seite 16<). Ich gebe im folgenden eine Probe unseres Fragments mit
der entsprechenden Textfassung von Sanvage.
Sauvage (p. 1(!4).
(.luant 11 roys Garhus Vap)prochat. (^uand le roi Garhus les apperceut,
si fist sa (jent d' armes si feit nombrer ses gens-d'' armes et trou-
en avuit bien ra on quil en y aroit hien rint/t
a cJiCcal e grant mullltude mille ic cheval et grond' multitude
de gent de ;;/e', si ri'avoü mie de gens de lyiii. et si tiuvoit mie
en Ja cite vivres en la cite pour dix sept jovrs.
sa geut et leur dist Si manda taute sa geut et leur dll
que mieidx leur venoit comhatre qiie que mieux leur valoit combatre qtte
ajf'amez, et furent la estre affamcs, et fureni d^accord
les crestknz d'lssir coutre les Chrestiens et issirenf
une Heue loingz. Quant li cresticu unc Uene loing. Qtiand les Chreslien.s
virent ce, si reirent cf, si s'arrestrrent et ordonm -
leurs Ixttailles, el si lost qii'/l rent leurs hatailles, et si tost qu'ils
li roys Garhus s^assemhlirent cnsemble^ le Roy Garbus
s'enfuy en la cite et ses g<-ns xenjuit tantost en la cite et ses gens
aiissi, qii'il douhta le siege. aussi, et pource quil douta le siege.
pensa de li fuir En pensa de Iuy eiifuir pur iiier. En la
nrolt une purlant die avoit uue rii-iere portant navire
et y aroit et y avoit irois galees et une sagitaire.
enz et sa fem- Si entra dednns ii wymiict et sa fem-
me et si enfans plenie de tresor. me et ses infaus arec grand iresor.
5. Fragm. XVI II.
Die dem XIV. Jahrhundert entstammende Handschrift l)esteht aus
zwei schmalen, doppelseitig beschriebenen Streifen, die jedesmal nur ganz
wenige Worte enthalten. Trotz des fehlenden Satzzusammenhangs zeigen
die im Recto des einen Streifens erhaltenen P>uchstaben ..-S«Wro", dafs unser
Fragment der Encyclopädie des Philosophen Sidrach entstammt (Bist. litt.
XXXI, -JS.'j; GröbeVs Gr. II, 1, 1030). Da mir kein Druck zugänglich ist.
läfst sich die spezielle Stelle des Werkes, welcher unser Bruchstück ent-
stanimt. nicht angeben.
6. Fragm. XVIIl.
Die Handschrift besteht aus einem kleinen, doppelseitig und -spaltig
beschriebenen Blatt (13. saecj, dessen Inhalt einem bretonischen Epos an-
IJandschriftUches. 837
zugehören scheint, ohne dafs ich Genaueres habe ermitteln können. Ich setze
die wenigen Zeilen hierher; vielleicht vermag jemand die Verse zu
identifizieren. Sollte nicht „somegw'' (in der rechten Spalte des Ver?o),
offenbar ein Eigenname, das Suchen erleichtern?
Recto.
et se ne ficst la traisonx et fu losenge ijuan quil Jist
or ßst. mares ennsious et j)or lösende atorde quist
la ßn veiie de Veslour ei d'milre pari droh est sanz jnille
feissions an hnnnr or qvi fjarde chnmp emhatniUe
Verso.
de qarnnt e de selqnorie et eil li ont hien creanle
de son cnnseH et de .s'a/e Font de ses dons mercie
<>t de mares au parlir de [sornegvrj
nmmnr/de 11 est nris qu'n maloir.
7. Fragm. XVlIl.
Die Handschrift besteht aus einem doppelseitig und zweispaltig be-
schriebenen Blatt. Trotzdem eigentlich nur noch einzelne Werte zu lesen
sind, stellt sich der Text (XV. saec.) als medizinischer Traktat dar, der
Krankheitsfälle bespricht und angibt, wie dagegen zu verfahren ist.
8. Hist. nat. 75, 43b.
Das dem XV. Jahrhundert entstammende Blatt enthält ein alchemi-
stisches Rezept, welches, in Prosa geschrieben, beginnt ; Prendes orine hien
despmnee. Trotzdem es stark verstümmelt vorliegt, läfst sich der Gang der
verschiedenen Manipulationen ziemlich genau verfolgen, wie denn auch eine
Reihe von Bestandteilen der Mixtur leserlich sind. Zwischen dem Fragment
und den in Gröbers Or. TT, 1, 1178 genannten, zum Teil bei Meon, Roman
de la Rose IV, 12') ff, abgedruckten olchemistischen Schriften habe icli keine
Beziehungen entdecken können.
Was die Goettinger Universitätsbibliothek an französischen Hand-
schriiten besitzt, kann sich mit dem entsprechenden Bestand vieler anderer
Büchereien nicht messen. Aber auch die wenigen Blätter ti-eten mit Pro-
l)lemen an uns heran, die in vorstehenden Ausführungen nur zum Teil
gelöst sind.
Hannover. Cahi. Fuiksi. anp.
33« //. IhiKi'l.
(Zu Voltaires Aufenthalt in Frankfurt.)
R. Mahrenlioltz hat im „Kritischen Jahresberichte über die Fortschritte der
Romanischen Philologie-^ (Bd. VlII, Heft 1, 1906 S. II, 1." f.) meinen ersten
Artikel über „l'ototVe in Frankfurt 1753'' (in dieser Zeitschrift Bd. 27, Heft
1 und 3 S. 160-187) einer Besprechung unterzogen, die mich zu einigen
Worten der Entgegnung nötigt. Die Besprechung beginnt mit der /Yngabe,
dafs meine Abhandlung ..wenig Neues biete", unterrichtet aber die Leser
mit keinem Worte davon, dafs dem Berichterstatter nur der erste, einleitende
Teil meiner Untersuchung vorlag, der die Vorgeschichte der Frankfurter
Ereignisse und diese selbst nur bis zum 20. .luui behandelt. Trotzdem ich
in diesem ersten Teile naturgemäls nur einen verschwindenden Teil der von
mir erstmals benutzten neuen handschriftlichen Quellen verwerten konnte,
und erst in den weitereu Teilen ein Abdruck der bisher unbekannt gebliebenen
Briefe Voltaires, Colliuis, Senckenbergs, Friedrich des Grofsen u. a. sowie
der wichtigsten Frankfurter Akten folgt, so bringt es Mahrenholtz doch
über sich, über Wert und Unwert dieser ihm bis zur Stunde noch völlig
unbekannten Stücke apodiktisch abzuurteilen. So heilst es bei ihm, ich
wisse nur „einige Details mehr als Yarnhagen'-, und ,,die Ausnutzung des
Briefwechsels mit Senckenberg, so geringfügige und nebensächliche Umstände
er auch für das vorliegende Thema beibringt, sei vielleicht motiviert gewesen,
zu einer nochmaligen, durchaus nicht abschliefsenden und lückenlosen
Darlegung der Frankfurter Afifäre aber liege kein Grund vor". Die gleiche
Voreingenommenheit und Ungerechtigkeit zeigt jeder Satz des Referates.
So soll ich „das widerwärtige Verhalten der vor Preufsens König schweif-
wedelnden Frankfurter Behörden sehr wohlfeil beschönigt haben'-, während
ich in Wirklichkeit so hart wie bisher noch niemand über die Haltung der
Frankfurter unter Darlegung der dortigen verrotteten Zustände geurteik
habe. Wenn ich bemerke, dafs Desnoiresterres der Bedeutung Friedrichs
des Grofsen als deutscher Dichter nicht gerecht wird, so entgegnet
Mahrenholtz, „ein Franzose von der literarischen Bedeutung eines Des-
noiresterres sei in diesem Falle doch ungleich kompetenter", unterschlägt
es aber, dafs ich mich ausdrücklich auf das von Lemoine und Lichtenberger
in der Jtevue de Paris 1901 S. 287 ff. gefällte günstige Urteil über Friedrichs
Dichtungen bezogen habe. Während ich den König aus Irücklich für die
Ungenauigkeit der an Freytag ergangenen Befehle verantwortlich machte,
soll ich „des Königs Willkür verteidigt'* haben; und während ich Friedrichs
Weisungen an seinen Pariser Gesandten Lord Keith als gleichfalls ungenau
und völlig unverständlich bezeichnete, soll ich gesagt haben, Lord Keith
habe jene Weisungen, im Gegensatze zu Freytag, verstanden. Wenn ich
es ferner, worin mir jeder Sachkundige zustimmen wird, tadle, dafs der
von dem Abbe de Prades im März 17.53 an Voltaire geschriebene Brief
(Mol. nr. 2530) — Mahrenholtz nennt ihn ,.vernichtend'', während er doch
eine äufserst versöhnliche Stimmung des Königs erkennen läfst! — von den
Herausgebern Voltaires als ein ,, Brief König Friedrichs" bezeichnet wurde,
so bemerkt Mahrenholtz dazu geschmackvoll: „Was sollen derartige
Advokatenkünste bei einem Friedrich dem Grofsen?"
Da eine absichtliche durchgängige Entstellung des Sachverhalts durch
Mahrenholtz doch wohl ausgeschlossen ist, so kann ich nicht anders als
annehmen, dafs er meine Abhandlung kaum flüchtig gelesen und nachträglich
aus der Erinnerung und ohne jede genauere Prüfung des Sachverhalts seine
Auslassungen niedergeschrieben hat. Eine derartige Arbeitsweise ent-
spricht aber in keinem Falle der Würde wissenschaftlicher Kritik und
richtet sich selbst.
GiEssKN. Hi:r.MAN Haupt.
Zeitschrift
für
französisclie Sprache unä litteratur
begründet von
Dr. G. Kcerting nd Dr. E. Koschwitz
Professor a. d. Universität z. Kiel weil. Professor a.d.Univers.z. Königsberg i.Pr.
herausgegeben
Dr. D. Behrens,
Professor an der Universität zu Giessen.
Band XXXH.
Zweite Hälfte: Referate und Rezensionen.
Chemnitz und Leipzig.
Verlag" von Wilhelm Gronau.
1908.
Inhalt.
Referate und Rezensionen. g^-^^
Baldensperger, F. Bibliographie critique de Goethe en France (J. CoUin) 173
Bibliotheca Romanica (W. Küchler) . . . , 83
Bomecque, H. und Benno Botk/ers, Recueil de morceaux choisis d'auteurs
frangai^s (H. Schneegans) 200
Brebion, L Etüde philologique sur le Nord de la France (W. Meyer-
Lübke) 113
Brückner, G. Das Verhältnis des französischen Rolandsliedes zur Tur-
pinschen Chronik und zum Carmen de prodicione Guenonis
(W. Tavernier) 22
Brunetiere, F. Etudes critiques sur l'histoire de la litterature frangaise.
Huitieme serie (H. Schneegans) 145
Brusewitz, V. Etüde historique sur le syntaxe des pronoms personnels /
dans la langue des felibres (E. Herzog) 12^
Calippe, Abbe Ch. Balzac (J. Haas) 71
Cassagne, A. La theorie de Part pour l'art en France (W. Martini) 190
Contes et conteurs gaiUards du XVHIe siecle p. p. Ad. van Bever (W.
Küchler) 42
Coulei,J. Etüde sur l'office de Girone (Ph. Aug. Becker) .... 26
Belaruelle, L. Repertoire analytique et chronologique de la correspondance
de Guillaume Bude (K Glaser) 161
Etudes sur l'humanisme frangais. Guillaume Bude (K.Glaser) 161
Demacky, J. F. Histoire et contes p. L. G. Toraude (W. Küchler). . 43
Briesch, J. von den. Die Stellung des attributiven Adjektivs im Alt-
französischen (C. This) 8/
Bahren, E. Retif-Bibliothek. (J. Haas) 65
Durand., Esiienne, Le livre d'Amour d', pour Marie de Fourcy, Marquise
d'Etfiat, p.p. Fr. Lachevre (W. Küchler) 177
Ebeling, G. Probleme der romanischen Syntax I (E. Herzog) . . . 1
Esteve, E. Byron et le romantisme frangais (W.Martini) 184
Vestoire Josei'h hrsg. von Ernst Sass (E. Stengel) 34
Fletscher, E H. The Arthurian material in the chronicles (E. Brugger) 17
Fryklund, D. Les changements de signification des expressions de „droite"
et de „gauche" (D. Behrens) \^
Giraud, V. Livres et questions d'aujourd'hui (W. Küchler) . ... 75
Histoire Litteraire de la France t. XXXIII. (M. J. Minckwitz) . . . . 140
Buguet, E. Petit glossaire des Classiques Frangais du XVIIe siecle
(0. Bloch) 164
Koschwitz, E. Anleitung zum Studium der französ. Philologie. Dritte
Autl. von G. Thurau (D.Behrens) 85
Kraß, Fr. Rostands Princesse Lointaine als Schullektüre (0. ürstadt) 88
Küffner, G. M. Das unveränderliche Eigenschaftswort im Französischen
(C. This) 11 ^
Lachevre, Fr. J. V. des Barreaux (W. Küchler) 47
Seite
Lanson, G. Voltaire (P. Sakmann) 58
La Sal/e de Rochemaure, Duo de. RecitS Cardaleziens (M J. Minckwitz) 209
Le Breton, A. Balzac (.J. Haas) 67
Neue Lehrbücher der französischen Sprache (A. Sturmfels) .... 215
Magne, E. Scarron et son milieu. Deuxieme edition. (J.Frank) . . 165
Maupassant, Guy de. Quelques recherches sur sa langue p. 0. Bosson
(E. Walberg) 196
MoUtte. die alttranzös., der Bamberger Handschrift hrsgb. von A. Stimming
(E. Stengel) • 29
Mtisset, A.de. Correspondance p. p. L. Seche (E. Ritter) 74
Le Parnasse Saiyrique du quinzieme siecle p. p. Marcel Schwab
(W. Küchler) 42
Picot, E, Les frangais italianisauts au XVI« siecle (W. Küchler) . . 44
Restif de la Bretonne p.p. John Grand-Carteret (J. Haas) 66
Revue des Etudes Rah'.laisienne.i IV (H. Schneegans) 150
Ried, Gh. S'tphonisbe dans la tragedie italienne et frangaise
(A.L.Stiefel) 54
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Novitätenverzeichnis 90 — 221
Gerhardt, Jahn & Landt G. m. b. H., Berlin W.- Schöneberg.
Referate und Rezensionen.
Ebeling', Georp". Probleme der romanischen Syntax. Erster
Teil. Halle, M. Niemeyer 1905. 178 S. S».
Das Buch Ebelings bringt zehn Artikel über verschiedene, z. T,
weitverbreitete Erscheinungen der romanischen Syntax. Die meisten
dieser Erscheinungen haben das Merkmal, daß sie „überraschen"
und von dem abweichen, was man als Ausdruck des betreffenden
Gedankens von vornherein nach den Regeln der Logik erwartete.
Daß man die Sprache nicht mit dem logischen Maßstab messen
dürfe, ist zwar ein von den neuern Syntaktikern oft betontes und in
den Vordergrund gestelltes Prinziii; aber in der Praxis reizen sie zur
wissenschaftlichen Behandlung doch jene Punkte am meisten, wo die
Sprache den Gedanken anders gibt als derjenige, der die vorhandenen
spraclilichen Einzelelemente mehr oder minder gründlich kennen gelernt
hat, erwartet — erwartet eben nach den Regeln der Logik, die verlangt,
daß gleiche Gedankenelemente auch immer mit den gleichen sprachlichen
Elementen wiedergegeben werden. Dahin gehört denn auch die über-
wiegendeMehrzahl derEbeling interessierenden Probleme, die er — siehe
seine eigene Darstellung im Lhl. g. r. Phil. 1902 Sp. 116 — Monate
hindurch mit der Angst hütete, daß ihm durch Meyer-Lübkes Syntax
„vieles, ja alles" vorweggenommen werde und an deren Veröffent-
lichung er dann beruhigt denken konnte, als er sie bei Meyer-Lübke
nicht gefunden hatte. Die romanische Syntax gibt uns nämlich noch
andere Bissen zu kauen als die gewissen Feinschmeckersächelchen.
Die einzelnen Artikel sind übrigens sehr lehrreich, und ein
Grund zu der großen Angst ist nicht zu ersehen. Selbst wenn die
Erwähnung und Erklärung der Erscheinungen in dem glänzend groß-
zügigen Gesamtwcrk Meyer-Lübkes vorweggenommen wären (in einigen
Fällen trifft dies auch tatsäcljlich zu), so bliebe Ebcliug noch Gelegen-
heit genug, die Früchte seines Sarameltleißes zu verwerten: es muß noch
auf all die Einzelheiten eingegangen werden, die in dem Rahmen
einer die gesamte Syntax umfassenden Darstellung keinen Platz finden,
die näheren Umstände und Bedingungen, unter denen die Erscheinung
auftritt, die örtliche, zeitliche, manchmal auch soziale Begrenzung,
das Verhalten der verschiedenen Schriftsteller zu ihr etc. Wem freilich
Ztsclir. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII s. 1
2 Referate und Rezensionen. E. Herzog.
die wissenschaftliche Publikazion nur ein Vorwand ist seine Zettel-
kästen auszuleeren, für den freilich mag es bitter sein, wenn ihm der
Anlaß dazu genommen ist.
Das ist ja bei Ebeling im Ganzen nicht der Fall. Es steht ja
bei ihm doch die Erklärung und Auffassung der Erscheinung im
Vordergrund und wo sich dabei Schwierigkeiten ergeben, wird man
gewiß die Fülle der beweisenden Beispiele freudig begrüßen und sich
sagen, daß ein zu viel hierbei auch nicht schaden kann, wohl aber
ein zu wenig. Warum freilich Ebeling Beispiele nur deshalb anführt,
um von ihnen auszusagen, daß sie nichts beweisen, ist mir in
manchen Fällen nicht klar geworden. Und nur einer gewissen Freude
des Verfassers, mit der Reichhaltigkeit seiner Sammlungen zu prunken,
kann ich es zuschreiben, wenn für manche bereits hinlänglich bekannte
Erscheinungen neue Listen von Beispielen vorgeführt werden. Daß z.
B. für die von Tobler bereits genügend beleiite Erscheinung il a du
venir 'er muß gekommen sein', il a pu ouhlier 'er kann vergessen
haben' noch mehr als eine Seite neuer Beispiele hinzugefügt werden,
ist wohl recht überflüssig, da sie der Verf. nicht dazu benützt, uns
daran etwas Neues zu lehren, nicht dazu, die Auffassung der Er-
scheinung, wie es vielleicht möglich wäre, zu vertiefen.
Auch manches andre hätte der Verfasser sich wohl ohne
Schaden schenken können. So z. B. die persönlichen Gefühle, die ihn
bei der Auffindung der Beispiele und beim Ausdenken seiner Er-
klärungen begleiten. Daß Ebeling sich vergnügt die Hände reibt, wenn
er ein non la sta cosi findet, oder daß es ihm jedesmal „das Herz
abdrückt", wenn er Tobler widerspricht, scheint mir nicht wesentlich
zum Verständnis der syntaktischen Fragen beizutragen. Auch manche
Betrachtungen allgemeiner Art scheinen mir nicht am richtigen Platz.
Verf. nimmt z. B, des öftern die Gelegenheit wahr, die Leser zu
belehren, daß der Sprachforscher von heutzutage die Aufgabe hat,
die sprachlichen Erscheinungen zu beobachten und zu erklären, nicht
aber zu kritisieren. Das ist wohl recht überflüssig; denn von dem-
jenigen, der sein Buch liest, ist von vornherein anzunehmen, daß er
auf dem gleichen Standpunkt steht, und der, für den diese Belehrung
"Wert hätte, wird wohl schwerlich in die Lage kommen, sich aus
Ebelings Buch über den Konditionalis im Rumänischen Rats zu erholen.
Man kann ganz gut modern gesinnt sein, ohne diese Modernität
immer dick zu unterstreichen. Auch ist das Moderne nicht immer
das Wahre. Es ist beliebt geworden, von gewissen alten Erklärungs-
weisen wegwerfend zu sprechen, so von Ellipsen. In non che sa-
pesse gramatica, appena sapea leggere ist das non che erklärt
worden durch ein in Gedanken behaltenes non dirh che, non si
pensi che etc. Ebeling glaubt seinen Tribut an die herrschende
Strömung entrichtet zu haben, wenn er dies apodiktisch mit den
Worten abtut: „Zwischen non und che ist nichts zu ergänzen, wie man
wohl gemeint hat" (S. 89). Und doch begeht Ebeling dieselbe Ketzerei,
Georg JLbeling. Probleme der romanischen Syntax. 3
wenn er eine verwunderte Frage wie che fasse innamorata di me
S. 143 f. folgendermaßen erklärt: „Wenn nun auch . . . kein Verbum
dastelit, von welchem diese Nebensätze abhängen, so schwebt doch
ein solches, glaube ich, dem Sprechenden vor, wenigstens zur Zeit
als diese Ausdruck^weise ins Leben trat" (Ebeliiig nimmt ein e possibüe
als vorschwebend an). Gerade so schwebte gewiß dem Sprechenden
auch zur Zeit der Entstehung des erstangefülirten Ausdrucks ein
Zeitwort des Sasens oder Denkens, wenn auch nur unbestimmt, vor,
von dem der cAe-Satz abbängig ist; der beste Beweis ist, daß der
äquivalente deutsche Ausdruck geschweige, d. h. 'ich sage niclit' ist,
wo der Begriff des Sagens implizite in dem Konjunktion gewordenen
Verb enthalten ist. Was sollte denn auch bei diesen Sätzen mit
non che durch non verneint sein?
Im übiigen verdienen die Aufsätze Ebelings alles Lob. Daß
von ihm vorgebrachte Material ist ungemein reichhaltig, die Ver-
wertung und Ordnung desselben zeugt von scharfer Auffassung und
gutem Sprachverständnis, seine Deutungen sind immer gut durchdacht,
Avenn auch nicht immer überzeugend. —
In den Artikeln Ebelings sind alle romanischen Sprachen gleich-
mäßig herangezogen, so daß die frz. Sprache einen verhältnismäßig
geringen Raum einnimmt und nur in einem Artikel im Vordergrund
steht. Dem Namen dieser Zeitschrift entsprechend beschränke ich mich
im folgenden eine Übersicht über die das Frz. berührenden Probleme zu
gehen und verweise im übrigen auf die eingehende Rezension Meyer-
Lübkes im L. g. r. Fh. 1907 Sp. I4f.i).
Derjenige Artikel, der sich hauptsächlich mit Französisch
beschäftigt, ist der zehnte „irons tornoiier nioi et vos"-. Ebeling
handelt hier von dem Ersatz des betonten Rektus der Pronomina
durch den Obliquus und zeigt, daß diese Erscheinung im Altfrz. nur
dann eintritt, wenn das Pronomen mit einem andern oder einem
Substantiv koordiniert ist. Es ist eigentümlich, daß dieser Umstand
so lange verborgen blieb, und daß er nun von mehreren Seiten gleich-
zeitig und unabhängig beachtet wird: auch von Brunot, Hist. de la
l. frg. I. 227 „II est tres remarquable qu'en cas de rapprochement
de deux personnels sujets ... on voit des le XII^ siecle apparaitre
la forme moderne . . ." (vgl. auch die Beispiele auf S. 457); von
1) Mpyer-Lübke hat dort die m. E. richtige Erklärung der
spanischen Aiisrufsformel ;que ojos tan hermosos! (f. h. erklärender Zusatz
zu dem Ausruf ;quc ojos!) gt^gehcu und der von Eb. gebrachten gegenüber-
gestellt. Ich ni()chie hier nur hinzufügen, dafs auch die Ausdrücke von der
Form jCt'ie vmjer mas rica! niclit uiihediogt als Stütze für die Eb.'sche
Ansicht angefüiiit werden können, mos rica kann Superlativ sein (nicht Kom-
parativ), wie der Superlativ in prädikativer Stellung im Spanischen häutig
ohne Aitikel gebraucht wird. Ich verweise auf die von Wiggers^ S. ö3 ge-
gebenen Beispiele : Ya fo?i mas graves niis penas y confusiones und Los derechos
. . . sun 7nas laodevados,
1*
4 Referate und Rezensionen. E. Herzog.
Brusewitz, der sie allerdings nur für einen speziellen provenz, Autor des
16. Jalirh., Bellaudiere, erwähnt: „Cet auteur emploie souvent
l'accusatif my comme sujet absolu coordonne avec un substantif ou
un pronom par et ou comme (S. 84)". Auch Rydberg dürfte ver-
mutlich die richtige Auflassung vorgescbwebt haben, wenn er Zur
Gesch. des frz. d S. 721 auf Moi et Rolland, Moi et Girars im
Girart verweist; vgl. auch S. 744 „in diesem Fall beginnt jetzt moy,
resp. cecy mehr und mehr allgemein, bisweilen vorheri sehend zu werden,
z. B. bei kopulativer Verbindung". — Eb. bietet nun zu dieser Frage das
reichhaltigste Material. Freilich die Erklärung, die Ebeling dafür vor-
schlägt, daß die Konstruktion entre moi et lui von Einfluß gewesen
sei, bleibt zum mindesten so lange zweifelhaft als man nicht auch
für die Verbindung von zwei Substantiven, bei der ja dieselbe Aus-
drucksmöglichkeit daneben bestand (Eiitre Sone et le roy) die Er-
scheinung beobachtet, daß sie beide in Texten, die sonst die Deklinations-
regel streng durchführen, im Obliquus statt im Nominativ erscheinen;
der Salto, mit dem sich Ebeling über diesen Einwand hinweghebt, wenn
er S. 175 sagt: „man dürfe ... in solchem Fall le jaiant et le nain
auch bei einem sorgsam die Deklinationsregel beobachtenden Dichter
nicht beanstanden" statt eben dafür Beispiele zu geben oder aber zu
erwähnen, daß er keine Beispiele gefunden hat, ist etwas befremdlich.
Der zweite Aufsatz, der einen französischen Titel hat, No. 3:
il a dil venir bietet für das Französische nichts wesentliches Xeues,
sondern verfolgt die Erscheinung hauptsächlich in den andern romanischen
Sprachen, wo neben den zusammengesetzten Zeiten das Imperfekt und
Perfekt von debere und posse verwendet wird (wie übrigens gelegentlich
auch im Frz.), handelt weiter von der Vermischung dieser Konstruktion
mit dem vermutenden Futurum und Futurum exactum im Italienischen,
von dem Passiv des Hauptverbs statt dem des Infinitivs, wenn ein
solcher von Verben des Anfange ns und Aufhörens abhängt. Da
er hier für das Frz. nur eine bereits von Mussafia zitierte Stelle bei-
zubringen weiß, so möge hier noch eine andre Stelle aus den Et.
S. Louis I. LXVI li sires le (das Höh?) porroit bieii vayidre a ce meisme
fuer quil avroit este comariciez a vendre und eine aus dem Alt-
lyonesischen Davant que el (das Schloß) fust commencies a abatre
(Cled. Rev. XIX. 253) angeführt werden.
Aber auch die andern Aufsätze enthalten mancherlei auf das
Frz. bezügliches. In dem ersten Aufsatz z. B., der die Adverbialisierung
vou ital. aliro che behandelt, wird auch die richtige Deutung von
frz. rien que ,nur' gegeben. Eine Erklärung war bereits von Cledat,
Rev. Phil. XVI. 212, versucht worden, aber nicht in ganz richtiger
Weise. Die Konstruktion war dort mit der Adverbialisierung von ein-
fachem rien zusammengebracht worden, wie sie sich im Schiiftfrz. iu
einigen Fällen (vgl. Littre rien 23°), in den Dialekten in großer
Ausdehnung findet. In Wirklichkeit stellt die Konstruktion zwar eine
Adverbialisierung dar, wie wir sie bei vielen Quantitätsausdrückeu, z. B.
Georg Ebeiing. Probleme der romanischen Syntax. 5
frz. beaucoup, peu, tant, ital. altro che, schoQ lat. multum etc.
und also auch für frz. rien nachweisen können [d. h. in Fällen, wo
diese Ausdrücke zunächst in richtiger Weise im nominalen Gebrauch
als Objekt, (Prädikat, Subjekt) stehen, wird ihr wahrer Sinn miß-
verstanden (oder besser mißgefühlt), indem man darin einen das Verbum
näher bestimmenden adverbiellen Ausdruck nach der Art von satis
etc. sieht, und die Folge ist, daß man sie gebraucht, wo ein Objekt
etc. nicht stehen könnte (je mange beaucoup, dann je j^iais beau-
coup)], ist aber wohl von der xVdverbialisierung des einfachen rien
vollständig unabhängig. Es würde sich verlohnen, diesen ganzen
Vorgang der Adverbialisierung von Quantitätsbegriffen im Zusammen-
hang durch alle romanischen Sprachen zu verfolgen und dabei auch
auf die Kehrerscheinung zu achten, auf die Nominalisierung von
Adverbien, wie sie sich gelegentlich bereits im Lat. zeigt (durch die
Möglichkeit, einen Genitivus partitivus davon abhängig zu machen,
vgl. Skutsch ALL XV, 43), und wie sie im Frz. in einem klassischen
Beispiel vorliegt: avec bien du travail, ein Ausdruck der bekanntlich
von fai bien du travail ausgeht, wo bien ursprünglich Advetb zu
j'ai ist, während du travail als Partitiv-Objekt ebenfalls von j'ai
abhängt, woraus sich dann unter Verkennung des ursprünglichen
Sachverhalts, aber mit Beibehaltung des nun recht auffallenden
bestimmten Artikels bei tr., ein bien du travail in der Bedeutung
'viel Arbeit' losgelöst hat. — S. 18 rien quliier, tu as passS trois
fois wäre besser mit 'erst gestern', als mit 'schon allein gestern'
übersetzt worden, denn der Sinn ist offenbar: 'nicht früher als gestern'
('man muß nicht weiter zurückgehen als bis gestern'), nicht: 'nur
gestern' ('man muß bloß einen, den gestrigen Tag in Betracht ziehen').
Die Tendenz der frz. Sprache für den Begriff 'erst' die Ausdrücke,
die 'nur' besagen, eintreten zu lassen, zeigt sich also bei rie7i que
ebensogut wie bei ne . . . que und seulement.
Auch im 5. Artikel wird wiederholt aufs Frz. Bezug genommen.
Er ist der Verwendung des ital. tutto als Apposition gewidmet (der
Titel „tutto 'lauter'" ist irreführend, da sich ein gut Teil der
Beispiele ungezwungen nicht so übersetzen läßt) und befaßt sich mit
den Beeinflussungen, die dieses tutto in Geschlecht und Zahl vom
Prädikat-) erfährt, obwohl es logisch zum Subjekt 2) gehört. Es
wird fein und richtig ein Unterschied statuiert zwischen den Fällen,
wo es sich darum handelt, „daß ein Seiendes ... in seinem ganzen
Umfang in den Bereich dessen gehört, was das prädikative Substantiv
~) Diese Bezeichnung besteht auch dann zurecht, wfinn es sich um
Ausdrucksweisen wie piglierebbe un quarüerino . . . tutto aria e luce handelt. Aria
e luce ist in Bezug auf qu. Prädikat, rju. in Bezug auf aria e l. Subjekt. Um
für dieses Verhältnis entsprechende Ausdrücke im Rahmen der Elementar-
syntax zu finden, könnte man etwa von Subjekt und Prädikat zweiter
Ordnung sprechen, indem in sono tuita cuore ich und cuore als Subjekt und
Prädikat erster Ordnung zu bezeichnen wären.
6 Referate tind Rezensionen. E. Herzog.
angibt: una donna iutta cuore"" und jenen, wo hitto die einzelnen
Seienden oder Sachverhalte numerisch zusammenfaßt: charjminta . . .
crapenda . . . charjyenna . . . tutte forme date dal Palioppi^ und
gezeigt, daß der erste Fall jener Attraktion durch das Prädikat viel
weniger ausgesetzt ist. Verfasser beachtet allerdings nicht, daß der-
selbe Unterschied nicht nur für die Fälle zu machen ist, wo es sich
um Subjekt und Prädikat 2. Ordnung (vgl. S. 5, Anmerkung 2),
sondern bereits für solche mit Subjekt und Prädikat 1. Ordnung.
Grammatisch könnte man die Sache etwa so präzisieren, daß tutto
nur im ersten Fall eigentlich Ajiposition ist: 'als gaiize(r)', 'wenn
man ... als ganze(n) nimmt', im 2. Fall ist es identisch mit dem Sub-
jekt, dieses nur ein zweites Mal wiederholend gesetzt-^). — Die Erklärung
der häufigen Übereinstimmung mit dem Prädikat ist im 2. Fall durch
das Wort Attraktion nicht gegeben. Dieses ist im Grund nur ein
den Sachverhalt beschreibendes Gleichnis (das dann noch beliebig
durch „Fangarme", „branche" (S. 64) ausgeführt werden kann). Die
Erklärung dürfte vielmehr sein, daß ein andrer Gedanke sich einmischt,
in dem oben zitierten Fall z. B. tutte queste forme son date dal
Palioppi. Daß ein solcher sekundärer Gedanke sich nur in die Fälle
der zweiten Art einmischen kann, liegt auf der Hand. Die wenigen
Beispiele der ersten Art, die Attraktion aufweisen, — ich gebrauche
das Wort eben als abgekürzte Bezeichnung des Sachverhaltes, nicht
als Erklärung — , erklären sich jedenfalls anders. Vielleicht so: in
Fällen wie egli e tutto padre, ella e iidta. madre — solche Fälle,
wo Subjekt und Prädikat im Genus und Numerus übereinstimmen,
werden sich in der gewöhnlichen Umgangssprache naturgemäß am
häufigsten einstellen — wird der wahre Sachverhalt verkannt, und
tutto als ein Attribut gefühlt, etwa wie wenn es sich um ein perfetto,
ein puro oder dgl. handelte. Es ist das ungefähr dieselbe Erklärung,
die Ebeling mit recht für die vulg.-ital. Fälle /(?cß tutti maccheroni etc.
gibt. — Daß die altfrz. Ausdrücke mit tote peor, tote enor (es sind
nur Abstrakta nachgewiesen) auch hieiher gehören, ist mir sehr
zweifelhaft, ebenso das ital. Beispiel Barseg. 715.
No. 6: r^non che mit folgendem Infinitiv" geht aus von Fällen wie
non che fermarvi, ce la faremmo a correre und sucht den Infinitiv
durch Einwirkung von Fällen zu erklären, wo im Hauptsatz Hilfs-
verb-f Infinitiv steht: non potendolo non che cacciare, ma diminuire.
Dann kommt er auf die gleiche Konstruktion bei piuttosto che : 11
papä Vavrehbe arrostita piuttosto che darla a un liberale. Diese
hat ihre Verwandten im Frz.: je mourrais plutot que de lui faire
nne Observation und im Deutschen: ich gehe lieber als fahren,
was Ebeling — vorsichtiger als Goethe, der ähnliches im Faust
•■') Der Umstand, dafs es sich um das doppelt gesetzte Subjekt handelt,
erklärt auch den Numerus des Hilfszeitworts in den S. 54 angeführten Fällen
sono tutte ipolesi . . . USW.
Adolf Tohler. Vermischte Beiträge z. franz. Grammatik. 7
wagt — sich wohl in der Umgangssprache, nicht aber in der
Schriftsprache gestatten würde. Wenn nun Ebelings Erklärung:
Ausgangspunkt Hilfszeitwort+Infinitiv für diese zweite Konstruktion
ohne Zweifel das Richtige trifft, da sich hier der Gedanke j'aime
mieux mourir . . ., ich icill lieber gehen . . . leicht einmischt, so ist
sie mir für die erste Erscheinung keineswegs über alle Zweifel
erhaben. Da aber dieser erste Fall das Frz. nicht betrifft, gehe
ich hier nicht weiter darauf ein.
In No. 7 (dispiacere non mi dispiacete), bezüglich derer
ich auf Meyer-Lübkes angezogene Rezension verweise (die Erklärung
Ebelings ist von der Meyer-Lübkes vielleicht nicht so verschieden,
wie Eb. glaubt), kommen frz. Ausdrucksweisen mit pour, provenzalische
mit per zur Sprache : pour aller ca va, pour menteux je ne sieiis
point menteux usw., ohne daß auf die Natur des pour näher
eingegangen wird.
In No. 8: non la sta cost (besonders venezianisch) wird die
auffällige Stellung des Subjektpronomens als eine Beeinflussung von
Seiten des Objektpronomens erklärt, was vermutlich richtig ist, ohne
die Sache vollständig zu erledigen. Dagegen ist die gleiche Er-
klärung für prov. lai gai abzuweisen: non lai nac tan ardit, wo
Ebeling die Stellung des lai durch die Möglichkeit lai = la li hinter
non zu stellen erklären möchte. Die Behandlung von lai oder
gai als tonloses Objektspronomen ist auch heute im frankoprov.
und im angrenzenden prov. Gebiet weit verbreitet, z. T. auf Gebieten,
wo la li gewiß nicht durch lai ausgedrückt wird. Wenn im Frz.
die Adverbien hie und inde die — ursprünglich enklitische — Stellung
einnehmen, die uns für y und en bekannt ist, so ist nicht einzusehen,
warum in einem benachbarten Gebiet, wo ILLAC das y vertritt, dies
nicht dieselbe Stellung von Anbeginn konnte eingenommen haben.
Im Ganzen bedeutet Ebelings Buch eine hübsche Bereicherung
unseres syntaktischen Wissens,und wo auch Ebeling seine „Probleme"
nicht endgültig gelöst hat, wird ihm doch das Verdienst bleiben, zur
Lösung beigetragen zu haben, indem er das Material reichlich bei-
brachte und zum Widerspruch herausforderte.
Friedland b. Mistek (Mähren). E. Herzog.
Tobler, Adolf. Vermischte Beiträge zur französischen Grammatik.
Zweiter Teil. Zweite, vermehrte Auflage. Leipzig, S. Hirzel,
1907. 289 S. Gr. 8°.
Der Neuauflage der zweiten Reihe der Beiträge hat Tobler
einige Erweiterungen hinzugefügt, die sich zumeist auf ein reichlicheres
Beispielmaterial beziehen, selten hat er sicli auf neue Erörterungen
eingelassen. Nachdem wir in dieser Zeitschrift (XX-, 3 ff.) die erste
Auflage einer Würdigung unterzogen haben, wollen wir heute den
8 Referate und Rezensionen. C. This.
Leser nur auf die zu Artikel 5 „7^ a du venir" in der Zeitschrift
für romanische Philologie 1907, S. 453 — 467, erschienenen Aus-
führungen liinwoisen, in denen Th. Kalepky eine von der Toblerschen
zum Teil abweichende Meinung entwickelt. In den beiderseitigen
Erörterungen ist u, E. das Logische auf Kosten des Psychologischen
zu sehr in den Vordergrund gezogen. Wenn K. (S. 456/7) sans doute
für gleichsam identiscli mit devoir hält und dementsi)rechend S. 487
im dem Satze ,,Bon nonibre de paysans sans doute devaient avoir
entendu parier de cette affaire"" sagt, sans doute und devoir sollten
sich eigentlich gegenseitig ausschließen, bezeichneten eine Art von
Pleonasmus, so können wir uns dieser Auffassung nicht anschließen.
Markirch (Elsass). C. This.
von den Driesch, Johannes. Die Stellung des attributiven
Adjektivs im Altfranzösischen. [Romanische Forschungen
XIX, p. 641—908. Erlangen, Fr. Junge 1906].
Die Frage nach der Stellung des attributiven Adjektivs im
Französischen, die seit langer Zeit Gegenstand zahlreicher Unter-
suchungen gewesen ist, wurde ihrer endgültigen Lösung zugeführt,
nachdem Prof. Gröber im Grundrifs I die Anregung gegeben hatte,
zur Erklärung aller Erscheinungen der empirischen Syntax das
psychologische Motiv heranzuziehen, bei dessen Beachtung sich statt
einer Mense von äußerlichen Regeln allgemeine Formeln ergeben.
Zugleich formulierte er für die Stellung des attributiven Adjektivs
die Regel dahin, daß das dem Substantiv vorangestellte Adjektiv
affektisch attribuiert, das nachgestellte verstandesmäßig distinguiert.
Diese zuerst durch Cron in seiner Dissertation „Die Stellung
des attributiven Adjektivs im Altfranzösischen", Straßhurg 1891,
eingehender dargelegte Regel fand Widerspruch, besonders deshalb,
weil die Regel nicht richtig verstanden wurde und z. B. affekti>-che
Attribuierung als Attribuierung „im Affekt" aufgefaßt wurde, statt daß es
heißen soll, das Adjektiv wird dem Substantiv vorangestellt als
Ausdruck des Affekts, der Empfindung, die der Gedanke an einen
Gegenstand oder eine Person in uns hervorruft. Andere glaubten,
in den Betonungsverhältnissen eine Erklärung für die Stellung des
attributiven Adjektivs zu finden, ohne aber die Beweise für ihre
Behauptung zu erbringen.
Wenn die aufgestellten Regeln zur Erklärung der Stellung von
Substantiv und Adjektiv in allen in einem Literaturdenkmal vor-
kommenden Fällen nicht zu genügen schienen, so kam es wohl daher,
daß bisher nicht der Versuch gemacht worden war, die Regeln auf
die Gesamtheit der in einem Sprachdenkmal oder einer Sprachperiode
vorkommenden Fälle anzuwenden, oder aber aus einer solchen Betrachtung
eine neue Regel zu formulieren.
Joh. V. d. Driesch. D. Stellung d. attributiven Adjektivs. 9
Dies ist der Zweck der uns vorliegenden Arbeit, in der der
Verfasser es unternimmt, die Richtigkeit der von Prof. Gröber auf-
gestellten Regeln für einen begrenzten Zeitraum des Altfranzösischen
zu erweisen. Zum Ausgangspunkt für seine Untersuchungen nimmt
er die originalfranzösische Prosaliteratur des 13. Jbs., deren Sprache,
sich kaum von der mündlichen Erzählung und Berichterstattung
unterscheidend, ursprünglich ist, durch das Lateinische nicht beeinflußt,
durch eine poetische Form nicht gebunden, durch bewußte Sprachkunst
nicht bestimmt ist. Nach Feststellung des Stellungsprinzips in der
originalfranzösischen Prosaliteratur werden dieselben Untersuchungen
für die religiösen Übersetzungswerke des 12. Jhs. angestellt, um zu
sehen, ob und inwieweit das gefundene Stellungsprinzip von den
lateinischen Originalen stilistisch beeinflußt ist. Die Arbeit zerfällt
so in zwei Teile, In dem ersten wird die Stellung des attributiveu
Adjektivs bei Villehardouin, Henri de Valenciennes, Robert de Clary,
dem Menestrel de Reims, Joinville unter gelegentlicher Bei ücksichtigung
von Froissart behandelt; im zweiten Teil der Sprachgebrauch im
Oxforder und Cambridger Psalter, den Quatre livres des Reis, den
Dialoge Gregoire le Pape und den Predigten des h. Bernhard in der
Pariser und in der Berliner Handschrift. Daneben werden einige der
von Höpfner aus Allain Chartier und Gerson zur Stellung des
attributiven Adjektivs gesammelten Beispiele angeführt.
Der Verfasser behandelt in acht Kapiteln nacheinander das
nachgestellte Adjektiv, das vorangestellte Adjektiv, das Adjektiv in
beiden Stellungen, das Partizip, das adjektivische Pronomen, mehrere
attributive Adjektive, das steigernde Attribut und schließlich die
Wortzusammensetzungen aus Adjektiv und Substantiv. Eine Ver-
gleichung des Spracligebrauchs der religiösen Übersetzungswerke mit
dem im ersten Teile festgestellten Sprachgebrauch wird dadurch
wesentlich erleichtert, daß im zweiten Teil dieselbe Paragraphen-
cinteiluug und auch im übrigen dieselbe Anordnung beibehalten
worden ist.
Aus den Untersuchungen ergibt sich, daß das attributive Adjektiv
im Altfranzösischen hinter das Substantiv tritt, wenn es logisch
distinguieren soll, d. h. wenn es dazu dient, Gegenstände oder Personen
durch Angabe einer objektiven, von jedermann wahrnehmbaren
Eigenschaft von anderen ihrer Art zu unterscheiden. Das voran-
gestellte Adjektiv dient zum Ausdruck der subjektiven Bewertung
von Dingen und Personen durch den Sprechenden; es gibt der
Empfindung Ausdruck, die der Anblick eines Gegenstandes, das
Denken an eine Person in dem Redenden erwecken; kurz gesagt, das
vorangestellte Adjektiv dient zur affektischen Attribuierung. Die am
häufigsten gebrauchten Adjektive, nämlich diejenigen, die ganz
allgemeine Wert- und Gradangaben, oder räumlicbe und zeitliche
Größenangaben entlialten, wurden später infolge ihrer häufigen Ver-
wendung in derselben Stellung und in Verbindung mit demselben
10 Referate und Rezensionen. C. This.
Substantiv Aiialosiewirkungen unterworfen, die die unmittelbare Wirkuug
des Stellungsprinzips zwar störten, dabei aber doch in letzter Linie
in eben diesem Stellungsprinzip begründet erschienen. Der affektiscbe
Charakter der elativen Adjektive bringt es mit sich, daß derselbe
nicht immer durch die Stellung gekennzeichnet zu werden braucht,
da er bereits in ihrer Bedeutung und Form ausgedrückt liegt. Wenn
mehrere Adjektive zu einem Substantiv treten, richtet sich ibre
Stellung ganz nach der Art ihrer Beziehung zu dem Substantiv.
Auch in der Figur des Chiasmus handelt es sich nicht um einfache
Entgegensetzung von Adjektiven, sondern fast immer um Anreihung
einer affektischen und distinguierenden Attribuierung.
"Welche Art der Attribuierung in einem Texte vorherrscht, bannt
von dem Charakter des einzelnen Sprachdenkmals ab. Der Stil der
religiösen Werke ist weit sul)jektiver als der der historischen Prosa;
anderseits erleidet das Stellung-prinzip eine Einschränkung in den
religiösen Übersetzungswerken infolge der teilweise sklavischen Nach-
ahmung der lateinischen Vorlage, sogar in der Stellung des Partizips.
Doch ist das französische Stellungsprinzip insofern immer wirksam, als
es die Stellung des attributiven Adjektivs in fast allen den Fällen regelt,
wo Abweichung von der lateinischen Vorlage vorliegt.
Der Verfasser hat in seiner Untersuchung die Gesamtheit der in
seinen Vorlagen auftretenden Fälle berücksichtigt und ist dabei keiner
Schwierigkeit aus dem Wege gegangen. Seine Arbeit erweist in ihren
Ergebnissen die vollständige Richtigkeit des von Prof. Gröber auf-
gestellten Stellungsprinzips für die Verbindung von Adjektiv und
Substantiv, das in Zukunft die Grundlage für alle die Frage betreffenden
Untersuchungen bilden wird. Seit einer Reihe von Jahren behandelt
Referent in seinem Unterricht das Kapitel von der Stellung des attri-
butiven Adjektivs im Neufranzösischen nach diesem Stellungsprinzip
mit dem besten Erfolge. Natürlich darf bei einem derartigen Unter-
richt von rein mechanischer Arbeit nicht mehr die Rede sein.')
Markirch (Elsass). C. This.
') Die in den letzten Jahren erschienenen neuen Arbeiten über die
Stellung des attributiven Adjektivs haben auf Plattner so wenig Eindruck
gemacht, dafs er in dem 1907 erschienenen IV. Teile seiner „Ausführlichen
Grammatik der französischen Sprache^ sich immer fester noch auf seinen —
behaglichen — statistischen Standpunkt versteift, indem er schreibt: „Schon
öfter ist der Versuch gemacht worden, die scheinbar so regellose Stellung
des französischen Adjektivs unter einem gemeinsamen Grundprinzip zusammen-
zufassen. Ein solcher Versuch ist aber so aussichtslos, dafs, wer ihn
unternimmt, schon dadurch zeigt, wie wenig er in das Wesen der Sache ein-
gedrungen ist, und wie wenig er demnach befähigt ist, eine Klärung herbei-
zuführen." Mit Recht dürfen wir fragen, wer wohl tiefer in das Wesen der
G. M. Küffner. Das unveränderl. Eigenschaftsivori i. Franz. 1 1
Küffner, G. M. Das unveränderliche Eigenschaftswort im Fran-
zösischen. Beilage zum Jahresbericht der K. Realschule
Ludwigshafen am Rhein 1906. 40 S. Gr. %^.
Einleitend weist K. zunächst auf die Behandlung des unver-
änderlichen Eigenschaftswortes im Französischen in 4 Schulgrammatiken
(Plattner, Ohlert, Link, Weitzenböck) hin, von denen keine auf Wissen-
schaftlichkeit Anspruch erheben will. Alsdann gibt er in alphabetischer
Reihenfolge eine Liste der nach seiner Meinung unveränderlichen
Adjektive unter Anführung reichhaltiger Beispiele. Zum Schluß drückt
er das Ergebnis seiner Arbeit folgendermaßen aus: „Die unver-
änderlichen Eigenschaftswörter kommen vor als Adverb, Objekt und
Prädikatsnora inativ. Ursprünglich nur bei Zeitwörtern stehend,
haben sich viele ganz losgelöst von einem Zeitwort und können, allein
stehend, als Umstandswörter verwendet werden, z. B. bas, bref,
comptant, court, dru, expres, ferme^ fin, fort, frais, franc, gros,
haut, juste, plein, serre, siir, vrai. Zum mindesten hat sich der
Kreis der Zeitwörter, bei denen sie stehen können, bei allen diesen
Adjektiven sehr erweitert. Tout, das vor vielen dieser Eigenschafts-
wörter steht, ist oft ganz abgeschwächt und hat seine verstärkende
Wirkung eingebüßt, bedeutet zuletzt oft gar nichts mehr." Ein
Verzeichnis der angeführten Schriften schließt das Ganze.
Wir sehen von einer Kritik des in allen Punkten höchst an-
fechtbaren Ergebnisses ab und fragen uns, wie K. zu seinem Ergebnis
gelangt. In Wirklichkeit ist nirgends der Versuch einer Erklärung
nur angedeutet. Der Verfasser überläßt es ganz seinem Leser, aus
seiner alphabetischen Zusammenstellung von Adjektiven mit beigefügten
Beispielen sein Ergebnis herauszufinden. So wie die Arbeit vorliegt,
ist sie nur eine ungesichtete Sammlung. Da wären vor allen Dingen
die Fälle auszuscheiden, in denen das Adjektiv prädikativ gebraucht
ist. Dann wäre zu untersuchen, wie weit ein Adjektiv in Substantiv-
funktion auftritt, u. s. w. Bei einfacher Überlegung hätte K. über-
haupt manches in seine Liste nicht aufgenommen. Das Beispiel Vivons
cachS, aus Florian's Fabel Le Grillon, gehört nicht hierher; ebenso
wenig se conserver frais, on venait peu nombreux, le mayigeant
rassis, und vieles andere. In dem Satze „lls s'airnaient de cet
amour qui ne commence sur la terre que pour se continuer meilleur
au sein de Dieu'^ handelt es sich nicht um eine „bessere Fortsetzung",
sondern um eine Liebe, die sich im Himmel als eine bessere fortsetzt.
Wäre in dem Beispiel „lls me recomiaitront bieii sür pour une des
leurs"" das r,bien sur'' in Kommata eingeschlossen gewesen, so hätte
der Verfasser es in diesem Zusammenhang anders behandelt.
Sache, in das sprachliche Verständnis eindringt, derjenige, der — in gewissen-
hafter Notierung — die Erscheinungen nur statistisch feststellt ohne Rücksicht
auf den Zusammenhang der Rede, oder derjenige, der sich fragt, welche
psychologischen Motive den Redenden, den Schriftsteller zu der und der
Stellung veranlafst haben.
12 Referate und Rezensionen. E. Herzog.
Wir verzichten auf weitere Ausstellungen, legen aber dem Verf.
ans Herz, nun, wo er sein Material gesammelt hat, an die eigentliche
Ausarbeitung, eine höchst dankbare und verdienstliche Aufgabe, heran-
zutreten. Das über die Frage vorhandene wissenschaftliche Material
wird ihm bei seinem Studium sehr zustatten kommen.
Markirch(Elsass). C.This.
Brusewitz, Victor. Etüde Mstorique sur la syntaxe des pronoms
personnels dans la langue desfelibres (Upsalaer Dissertation),
Stockholm, Is. Marcus 1905. XIV und 122 S. 8 0.
Br. bietet uns eine sorgfältige historische Studie über die Syntax
des Personalpronomens in der neuprovenzalischen Schriftsprache
(Dialekt von Arles-Avignon). Obwohl die Quellen aus früheren Jahr-
hunderten nicht gerade reichlich fließen, genügen sie doch, um einzelne
Punkte, die sonst unklar bleiben würden, aufzuhellen und zu
kontrollieren, ob sich gewisse Vorgänge wirklich in der Weise und
Abfolge abgespielt haben, wie man es nach dem heutigen Stand der
Dinge vermuten würde. So hatte ich, durch eine Reihe analoger
Vorgänge in neufrz. Mundarten veranlaßt, angenommen, daß bei
der Herausbildung der Form nen (INDE) n' ursprünglich Negation
war. Die Prüfung der Denkmäler zeigt, daß diese Annahme unbaltbar
ist. Doch glaube ich noch immer nicht, daß dieses n'en einfach
eine Verdoppelung des Jie ■= INDE {ne -{- ^n) vorstellt, und auch
Brusewitz scheint die Sache nicht ohne weiters begreiflich zu sein;
denn er faßt es außerdem als Analogiebildung auf: m'a (me habet) :
n'a (inde habet) = m'en (rae inde): x; x = nen. Aber diese
Proportionsbilduug ist, wie bereits E Staaff i.^.r*. PA. 1907 Sp. 118f.
festgestellt hat, verfehlt, die beiden Glieder verhalten sich ja be-
griiflich nicht gleich: Im ersten Glied steht dem me 'mich' 'davon'
gegenüber, im zweiten Glied dem 'mich davon' ebenfalls nur ein
einfaches 'davon'. Das wäre begrifflich also so, wie wenn man eine
Proportion a : b = (a + b) : b aufstellen wollte. — Ich glaube vielmehr
noch immer, daß die Negation bei der Bildung beteiligt war, wenn
auch in andrer Weise. In unserer Gegend ist die vorkonsonantische
Form der Negation (altprv. no) frühzeitig durch non ersetzt. Die
Form no'n (non inde, vor Konson.) wurde dadurch undeutlich und
deshalb frühzeitig, wohl nach Analogie von me'n, vous en etc., durch
no7i en verdrängt (ren non en seniia Appel Chr. 11 9 1,9, ähnlich eben-
dai22, also non [nicht wo*w] la podian monre ebendayi). Vorvokalisch
bestanden nebeneinander nai (non habeo, oder inde habeo) und non
nai (non inde habeo). Das Nebeneinander von non en sentia
(phon. nönen s.) und non n'ai (ph. nönai) mußte notwendig dazu
führen, die erste Verbindung als nö \ nc \ s. zu fühlen, besonders
deshalb, weil es einfaches non vor Vokal nicht mehr gab.
H. Wendel. Die Entwicklung der Nachtonvokale. 13
Einige Berichtigungen sind schon von Vignon in Cledats Revue
XX S. 293 vorgebracht, vgl. auch Staaffs bereits erwähnte Rezension.
Hier noch ein paar Kleinigkeiten :
S. 27. Das Beispiel aus dem 15. Jahrh. für die moderne
Stellung der Fürwörter vos las scheint mir nicht beweisend zu sein.
In per vos las mostrar könnte vos betoute Form sein.
S. 35. Die Erklärung des Wandels le me > me le als Beein-
flußung seitens des Französischen ist kaum wahrscheinlich; es sind
dies doch Elemente, die in der täglichen Rede zu oft wiederkehren,
als daß ein solcher Einfluß sich geltend machen könnte. Lehnt man
dies aber ab, so sind die provenz. Verhältnisse ein starkes Argument
gegen die sonst sehr ansprechende Erklärung, daß die Umstellung
im Französischen besonders bei reflexiven Verben ihren Ursprung hat, wo
je me, tu te usw. eine feste Verbindung eingingen. Auch gegen das
sogenannte rhythmische Prinzip bei dieser Umstellung verhalte ich
mich skeptisch.
S. 58. Die Wiederaufnahme eines que durch ein Personalpronomen
ist bereits altprovenzalisch. Vgl. Schultz-Gora, Altprv. El. § 199.
Ein Beispiel mit deutlichem Kasus des Personalpronomens ist: als
M. d'Espanha, Guy, car foron bona companha . . . lur fon donatz . .
Abrils issi' .504.
Jedenfalls sind derartige ernste, eingehende Untersuchungen,
die in einem bestimmten eng umgrenzten romanischen Idiom einzelne
Erscheinungen historisch verfolgen, freudig zu begrüßen. Gerade im
Gebiet der Pronominalsyntax, die so viele schwer lösbare Probleme
enthält, werden sich manche Punkte erst aufhellen, wenn wir recht
viele solche Untersuchungen haben. Und wenn dabei auch manche
Lösung versucht wird, die deutlich den Stempel einer „vorläufigen"
trägt — z. B. die oben berührte des Stellungswandels oder die S. 90
vorgetragene des schwierigen Problems, warum im Provz. abweichend
vom Französischen der Nominativ des absoluten Personalpronomens
den Sieg davon getragen hat, was B. gewiß unrichtig durch den
Wunsch erklärt, als betonte Form eine spezielle, von der unbetonten
verschiedene Form zu haben — so schadet das auch nichts.
Friedland. E. Herzog.
Wendel, H. Die Entwicklung der Nachtonvokale aus dem
Lateinischen ins Altprovenzalische. Tübinger Dissertation.
Halle 1906. 122 S. 8».
Die Arbeit befaßt sich hauptsächlich mit zwei Problemen: der
Behandlung des lateinischen Vokals der Paenultima in den Proparo-
xytona und derjenigen der Endvokale. Die erste Frage ist die
anziehendere. Meyer- Lübke widmet ihr in seiner rom. Grammatik
einen vorläufigen Paragraph (337), der genauere Untersuchung als
14 Referate und Rezensionen. L. Gauchat.
notwendig hinstellt. Wendel hat mit Fleiß die Fälle in Wörterbüchern
und Chrestomathien zusammengesucht und methodisch geordnet, indem
er sie nach Konsonantengruppen vereinigt i), z. B. die <i- Verbindungen:
calidum, pallidum, viridem, etc. So wird konstatiert, daß die
Synkope unterbleibt z. B. vor n (jove^ fraisse, ase), vor r nach
Zischlauten und Palatal (venser, torser, teisser, sorzer; franher).
Nach dem Verfasser auch vor o (tebefoej), und vor / nach madio-
palataler Spirans {angel, fraget); aber ich kann nicht recht glauben,
daß in tebe[oeJ der interdentale Reibelaut die Synkope verhindert
habe, weil die vokalische Erscheinung verbreiteter ist, als der Wandel
d — 0, und die andere Regel wird nur durch die beiden un sichern
Beispiele 2) gestützt: angelus ist auch im Franz., Span, geleiirt, und
fragilis wird schon vulgärlateinisch sein g verloren haben. Daher
reduziert sich das Gesetz auf die Fälle, die schon Grandgent
{Outline etc.) § 49, in ähnlicher Weise zu einer Regel gefaßt hatte.
Die Ansicht Meyer- Lübke's, daß der Ausfall von -d- und -n- älter
sei, als die Synkope, wird durch Wendel richtiggestellt. Man darf
sich tehe, ase nicht als tebe(d)e, ase(n)e vorstellen. Die Behauptung,
daß -a- so gut fällt, wie andere Vokale (p. 78), halte ich nicht für
erwiesen (cf. Grandgent, § 48, 1).
Die Erklärung des Tonfalls naisser .^ frz. naistre wird mit dem
beliebten Schlagwort „un- oder schwersprechbare Konsonantengruppen "
abgetan, das ein recht unbefriedigender Notbehelf ist, wenn man bedenkt,
daß das Französische diese unspreckharen Gruppen ruhig überwunden
hat. Was konnte denn in einer Form wie asno oder asne Unliebsames
sein, die ja vom Franz., Span., .Port, ertragen wurde. Sagt der
Toskaner asino, weil ihm sn widersteht? Nein, denn er spricht
ohne Mühe snello, masnadüf etc. Unsprechhares gibt es überhaupt
nicht, nur Ungesprochenes. Und dieses wird durch die Gesamtver-
änderung der Sprache allmählich zum Gesprochenen. Die Synkope-
Erscheinungen wurzeln tief im Weseu der Sprache und müssen viel
feiner angepackt werden. Sorgfältige Untersuchungen lebender Sprachen
würden über die Grundbedingungen der Abstufung unbetonter Vokale bis
zum Schwund Auskunft, geben, z. B. das Neufranzösische. Daß die
umgebenden Konsonanten eine wichtige Rolle spielen, zeigen Beispiele
wie sott(e)ment, av(e)nir, rät(ejler, chayit(e)rons cv^ forteinent,
parvenir, batelier, chanterions ; aber gewisse Milieus sagen schon
fort(e)ment, das ja auch dem altfrz. forment zu gründe liegt. Populäre
Ausdrücke meportefaia;^ portemonnaie kann man schon synkopiert hören,
während seltenere noch in der rückständigeren Form po?'ig-w/rt«<ßaw,
porte-mouchette, etc. verwendet werden. Das Wort quatre biauchte
^) Man kann finden, dafs die Einteilung auf die Spitze getrieben ist,
wenn für ein einziges Wort ein Abichnittchen gemacht oder z. ^. *virginam
neben virginem besonders behandelt wird.
2) Aber Wörter, die Wendel als nicht volkstümlich ansieht, bestätigen
sie vielleicht: tremol, brujbl, etc.
H. Wendel. Die Entivichlung der Nachtonvokale. 15
einst ein Stütz-e; die Alltagssprache aller Schichten kann es heute
missen, nicht aber die feierliche Rede. Ist der Übergang katrd —
katr — kat derjenige vom Sagbaren zum Unsagbaren? Auch die
Satzstelle hat ibren Einfluß. Das Volk sagt: terribl(e)ment fort cv)
il jure terrihlement. Die Theorie von den unsprechbaien Gruppen
läßt besonders da im Stich, wo dasselbe Wort eine verschiedene
Behandlung erfährt, wenn z. B. porticus prov. ü.\s porge und porteghe
erscheint, neuprov. porge und pourteglie, mit einer Differenz der
Gebrauchssphäre, die ungefähr dem franz. porche und portiqice
entspricht.
In der Untersuchung dieser zahlreichen altprov. Doppelformen
zeigen sich am meisten die Mängel der Wendeischen Arheit, die über
rohem Schematismus das Feinere vernachlässigt. Wie erkläit sich
das Nebeneinander von nede — riet, clergue — clerc, songe — •
sonh, colbe — colp; comde — conde, oste — osde; hörnen —
hotnne, foldre — fouzer, sulvre — solver, etc.? Um colbe — colp
und ähnliche Fälle zu erklären, hilft sich der Verfasser damit, daß
er colp als in vorproveuzalischer oder „gemeingallischer " -^j Zeit synkopiert
und colbe als neuere Bildung, nach 500, als -p- zu -b- geworden war,
bezeichnet. Wenn aber der Vokal im „GemeinguUischen" ausgestoßen
worden war, wie konnte er dann wieder auftauchen, um sich einer
jüngeren Behandlung zu unterweifen? Der Verfasser wäre um ein
gutes Stück weiter gekommen, wenn er nicht den gesamten alt-
provenzalischen Wortvorrat gewissermaßen als eine gleichföimige Masse
betrachtet hätte. Er verwertet seltene Formen, wie messatgue^), neben
den gewöhuüchen, ohne sie in Distanz zu setzen. Gehört eine solche
Form der Literatursprache an, stammt sie aus einem Dialekt, aus
welchem, aus welcher Z-it, was stellt die Graphie gue im betreffenden
Schrifi stück dar? Lauter unheantwortete Fragen. Er scheidet nicht
sicher genug zwischen Erbwort und Bucliwort; z.B. schaut er fragil,
prinsi, milesme als populär an, während er teula als ein wenig
gelehrt, seguel (secale) als gelehrt betrachtet. Vor allem liätte er
viel mehr Gewicht auf die geographische Verbreitung der Formen
legen sollen. Das Wort fame z. B. gehört der Gascogne und an-
grenzenden Gebieten an, die zum Spanischen hinüberleiten. Der
Verfasser erkennt auch in diesem Falle richtig, daß das Etymon
*famine ist = span. hambre^). Durch das Studium von Urkunden
ließ-'U sich gewiß viele Formen lokalisieren und auf ihre syntaktische
Verwendung prüfen Die Untersuch unusart Wendel's ist die der reinen
Konstruktiousgrammatik, die das Material ohne lange nach Ächtheit
') Die Existenz einer solchen ist sehr problematisch.
■•) Es wäre gut gewesen bei solchen Formen die Fundstelle zu
verzeichnen.
*) Das Spanische, über dessen Synkopiorung^- und xVpnkopieruDgs-
verhältiiisse wir jetzt durch Por.-bowicz, Meneudez Pidal und Baist besser
aufgeklärt sind, hätte viele interessante Parallelen gebracht.
16 Referate und Rezensionen. D. Behrens.
und Provenienz, ohne Zusammenhang mit der lebenden Sprache
zurechtlegt. Methodisch nicht zu billigen ist die Ansetzung von Schul-
formen, wie '■^Rhodarum, *asirum, *moracum, '^sedere, ^calohrum
(für coliibnim)^ "^incalceum (im zweiten Teil, als scheraatisches Etymon
für das Verbalsubstantiv von encaussar), die nie gesprochen worden
sind. Auch über die phonetischen Entwicklungsreihen ließe sich
vieles sagen. Die Verwendnng von y statt y in der Transkription ist
ungebräuchlich und störend.
Auch der zweite Teil hat seine Mängel. Die Abwesenheit
sprachgeographischen Sinnes macht sich auch da fühlbar. Der Autor
glaubt z. B., daß die erste Person Präs. azori oder azore nur
graphische Varianten für azord seien. Ein Blick auf die Karte je
pense des Atlas linguistique würde ihm jetzt zeigen, daß die -i-
Formen ein bestimmtes Gebiet umfassen und wirklich -i gesprochen
wird. Azori ist eine speziell provenzalische Form; azore steht auf
einer Stufe mit franz. j'adore. Warum spricht Wendel überhaupt
immer von einem Ficduktionsvokal 3^)? Es wurde gewiß -c gesprochen.
Das -i von Adjektiven gewisser Texte (sali, pagadi, etc.) sieht er
mit Meyer-Lübke als Übertragung vom Artikel oder Pronomen an.
Nachdem nun Thomas seinen wichtigen Aufsatz über die Wirkung
des -i Pluralis auf den Stamm des Subst. und Adj. veröffentlicht hat
(Rom. XXXIV, 353 ff.) kann nicht mehr daran gezweifelt werden,
daß sich -i im Provenzalischen relativ lange hielt, wenn auch nur in
gewissen Wortgruppen.
Schade, daß Wendel trotz umfangreicher Belesenbeit und oft
dokumentierter Einsicht nicht tiefer in seinen Gegenstand ein-
gedrungen ist.
Zürich, L. Gauchat.
Fryklund, Daniel, f-^es changements de significaiion des ex-
pressions de „droüe'' et de ..gaucJie"- dans les langues
romanes et specialement en fran^ais. These pour le doc-
torat, Upsal 1907, imprimerie Almquist & Wiksell. VI,
165 S. 8".
Verfasser der vorliegenden nach Anlage und Ausführung recht
beachtenswerten Erstlingsarbeit analysiert die im Titel bezeichneten
Begriffe und untersucht die für dieselben in eigentlicher und meta-
phorischer Verwendung vorhandenen Ausdrucksmittel, zunächst der
AUgemeinsprache, darauf einzelner Berufssprachen. Außer den
romanischen hat er nicht selten, soweit sich analoge Erscheinungen
darbieten, die germanischen Sprachen in den Kreis der Untersuchung
gezogen. Seine Darlegungen sind anregend und lehrreich auch da,
^) Er nimmt sogar sofrm an = üs soufrent.
Roh. Huntington Fletcher. Tlie Arthurian material. 17
wo die Ergebnisse derselben im Einzelnen zum Widerspruch reizen.
Es ist das im Besonderen der Fall, wo sich Verfasser in etymologischen
Bctraclitungen über die Fuhrmannsausdrücke dia und hue ergeht, deren
Herleitung aus lat. de hac und liuc er trotz des Versuches ein-
gehender Begründung sicherlich zu Unrecht für sehr wahrscheinhch
erklärt.
D. Behrens.
Fletcher, Rob. Huntillg'ton: The Arthurian material in the
chronicles especialhj those of Great Britain and France
(Harvard Studies uml Notes in Phil, and Lit. X). ßoston
1906. X4- 313 pp. 8".
Das Buch füllt eine Lücke aus. Man wird allgemein als reclit
angenehm empfinden, einmal alles in den Chroniken enthaltene arthurische
Material, samt Bibliographie und kritischer Beleuchtung, beisammen
zu haben. Verf. hat die woitschweifige, trockene und undankbare
Sammelarbeit mit bewundernswertem Fleiß ausgeführt. Auch seine
Ki-itik zeichnet sich durch Gründlichkeit und Vorurteilslosiglceit ans
und weist das nötige Maß von Nüchternheit und Scepticismus auf.
Neues von Bedeutung bringt Verf. allerdings sehr wenig. D(jch ist
dies nicht sein Fehler; man wird wohl nie viel mehr herauspressen.
Die ältesten Chroniken werden mit ihren dürftigen Angaben über die
orthurische Zeit stets ein Tummelplatz für Hypothesen bleiben; die
spätem Chroniken (Verf. führt uns bis an'b Ende des 16. Jahrhunderts)
sind vom Standpunkte der Arthurforschung fast bedeutuitgslos und
— man kann wohl hinzufügen — fast interesselos; F.s Arbeit macht
('S uns recht klar, daß man kaum hoffen darf, aus diesen Quellen
etwas zu schöpfen, das sagen- und literaturgeschichtlichen Wert hätte.
Die einzelnen Chionisten sind gut charakterisiert, und die Historiker
werden manche Belehrung bei ¥. finden.
Für die Sagenforschung und die französische Literaturgeschichte
ist das Kapitel über Galfrid von Monmouth das weitaus wichtigste.
Folgendes sind nach F. die Quellen Galfrids l'iir seine Historia:
L Die Historiker Gildas, Baeda und Nennius (von ihnen, namentlich
dem letzteren, borgte er den Plan seines Werkes, die hauptsächlichsten
!!]reignisse und deren Reihenfolge; bald folgte er diesen Quellen bis
in die kleinsten Details, bald änderte er mit der größten Willkür);
"2. Wilhelm von Malmesbury und Heinrich von Huntington, deren in
Betracht kommende Werke kurz vor Galfrids Historia erschienen
(sie waren es wohl, die Galfrid reizten, sein Werk zu schreiben; ihnen
entnahm er die neue Manier, nämlich die Umbildung der trockenen
Ch'onik mit Hülfe der Phantasie und romantischen Sagenmaterials,
außerdem einige Einzelheiten, die ihm brauchbar erschienen);
3. keltische (speziell kymrische) Genealogien, Biographien und Legenden
Ztschr. f. fiv. Spr. u. Litt. XXXII 2. 2
18 Referate und Rezensionen. E. Brugger.
von Heiligen (besonders Dubricius, Sarason, Thelianus); 4. die Welt-
geschichte (hier mag Galfrid einige Motive gefunden haben für seine
Geschichte von Arthurs Eingreifen in die Verhältnisse der Völker
des Continents; doch ist dies nur eine Hypothese); 5. die volks-
tümliche Überlieferung, besonders keltische Mythen und Sagen; G.
die zeitgenössischen politischen und socialen Verhältnisse (die Galfrid
auf die älteren Perioden übertrug). Galfrid nun erwähnt keine einzige
von diesen Quellen, aber dafür quendam Britannici serrnonis librum,
welches ihm Archidiacoiius Walter von Oxford ex JBritannia gebracht
haben soll. Es ist nach meiner Meinung sicher, daß ßritanwa hier
die Bretatiue (Armorica), Britannicus sermo dagegen die altbritische
Sprache bedeutete (vgl. meine Begründung dieser Ansicht in dieser
Zeitschrift XX besonders p. 105, A. 33); aber ich halte mit F. da-
für, daß dieses Buch eine Fiktion ist. Zwar Quellen wie die unter
2 — 5 erwähnten hätte wohl kein einziger mittelalterlicher Chronist
angeführt. Mancher hätte sie nicht zu benutzen gewagt; aber wer
immer es übers Herz brachte, sie zu benutzen, hätte sich geschämt,
es zu gestehen. Aber anders verhält es sich mit dem Verschweigen
der unter 1 erwähnten Quellen. F. sucht alle möglichen Eventuali-
täten hervor, die allenfalls Galfrid entlasten könnten: die Existenz
eines Buches, in welchem jene Quellen bereits vereinigt gewesen wären,
eventuell auch Galfrids bona fides bei der Täuschung des Publikums.
Aber alles dies ist unglaublich, wenn man sieht, wie Galfrid mit
seinem Quelleiimaterial umgegangen ist, da, wo wir ihn beobachten
können. Es bleibt kein anderer plausibler Ausweg als die Annahme,
daß Galfrid mit vollem Bewußtsein Geschichte gefälscht hat. Man
erkläre nun, wie man will, das Mitwissen und die Mitschuld seiner
Gönner. Noch mehr als seinen Quellen verdankt wohl Galfrid seiner
lebhaften Phantasie, die ihn nie im Stich ließ. Zwar fand er ver-
mutlich in der Überheferung für alles Anknüpfungspunkte; aber
weniges genügte, um in seinen Händen sehr fruchtbar zu werden ;
Geoffreys creative genius manifested itself rather in development
ihan in sheer invention (p. 50). Vom literarischen Standpunkt ist
nun ]iamentlich dasjenige wichtig, was Galfrid der Volkstradition
entnommen hat. Daß er sein Rohmaterial auflas, wo er es gerade
finden konnte, geht aus F.'s Ausführungen klar hervor. Es ist da-
rum zweifellos, daß er auch Sagen benutzte; natürlich waren es vor-
zugsweise keltische. Die Frage, ob ihm diese aus der Bretagne
odi r aus Wales zukamen, kann jedenfalls summarisch nicht entschieden
werden; ihm war e^ offenbar ghichgültig, woher sie stammten, F.
sagt (p. 82): This problem ef Geoffreif s Breton [sie!] material is
a very dijficult one. It is essentially comiected icith ihe question
whether the Britannia tchicli he naines as the source of his liber
nieans Wales or Brittany, and this in turn involves the whoie
controversy over the matiere de Bretagne. Ich finde, daß, wenn
einmal das aus Britannia gebrachte Buch als eine Fiktion erwiesen
Roh. Huntington Ftetcher. The Arthurian materiaL 19
ist, CS für tlie Frage nach Galfrids Quellen gleichgültig sein kann,
was ßritannia hier bedeutete. Auch ist das Problem von der Her-
kunft der matiere de Bretagne ganz verschieden, je nachdem man von
den lais bretons oder von Galfrids Historia handelt. Bei Galfrid
muß man von Fall zu Fall unterschinden, ßretonischen Ursprungs
sind jedenfalls die Sagen von Mont-Saint-Michel, von Arthurs Ent-
lückung nach Avalon, die Fee Morguen, deren Namen Galfrid wohl
kannte, aber absichtlich unterdrückte, vermutlich auch die Auffassung
Arthurs als König (an Stelle des Arturus miles oder Imperator der
kymrischen Sage; vgl. p. 103). Der größte Teil des von Galfrid
verwerteten Sagenmaterials stammt aber jedenfalls aus seiner Heimat,
Wales, so die Figuren und Sasen von Uter Pendragon, Merlinus,
Hiderus, Cujus, Beduerus, Eventus etc. Betreffend Walgainus läßt
sich wohl kaum etwas sicheres sauen, indem einerseits die Identifikation
mit dem kymrischen Helden Givalc/unei höchst wahrscheinlich unur-
sprünglich ist, anderseits ein Walgainus in den so reichhaltigen kymrischen
Namenlisten noch nicht entdeckt worden ist. Immerhin ist kymrischer
oder dann kymrischer und bretonischer Ursprung für die Walgainus
(Walwen) -Sage das wahrscheinlichere; vielleicht war W. ein nord-
brittischerHeld. Seine Konnektion mitWalweitha ist aber kaum ursprüng-
lich. Wäre er derEponymus des Lande-;, so wäre er kein echter Sauenheld.
Aber zufällig ist die Verbindung auch kaum, sie beruht daher wahrschein-
lich auf gelehrter Etymologisiererei und findet sich denn ancli zuerst und
sicher nur in einem gelehrten Werk. In welcher Form Galfrid diese
kymrischen Sagen kennen lernte, werden wir wohl nie ausfindig machen.
Die Hypothese, daß sie in Lai-form cirkulieiten und von kymrischen
Sängern in England kolportiert wurden, schwebt vollständiti in der
Luft. Das Unangenehme ist nun bei Galfrid, daß man nie weiß,
wie viel von dem, was er berichtet, der Sage angehört und wie viel seiner
Erfindung und Kombination. Daß letztere einen großen Einfluß hatten,
ist aus der Behandlung der uns bekannten Quellen zu eikennen. So
glaube ich in dieser Zeitschrift (XXX 210 ff.) es als wahrscheinlich
erwiesen zu haben, daß Galfritl, der so vieles über Merlin berichtet,
aus der Sage weiter nichts eifuhr, als daß ein Prophet dieses Namens
existierte. Besonders interessant wäre es zu wissen, was er aus der
Sage über Arthur kennen lernte, oder wie weit die Ailhursaffe vor
seiner Historia entwickelt war. Diese Frage wird von F. ziemlich
eingehend behandelt (p. 97 — 108). Hier hätte aber zwischen Wales
und der Bretagne unterschieden werden sollen. F. gibt auch die Vita
Merlijn als Galfrids Werk aus, was ganz ungerechtfertigt ist (vgl.
diese Zeitschrift XXX 216. A 101).
Bei der Besprechung von Wace's Brut scheint mir F. etwas
zu weit zu gehen in der Annahme von Beeinflussung durch die Volks-
tradition. Daß er aithurische Volkssagen gekannt hat, bezeugt Wace
selbst; aber man sieht auch, wie skeptisch er sich ihnen gegenüber
verhält. Er erwähnt die berühmte Table Ronde^ geruht aber nicht.
20 Referate und Rezensionen. E. Brugger.
auch nur eine von den vielen fahles^ die ihm hierüber bekannt waren,
mitzuteilen (vgl. diese Zeitschrift XXIX- j). 24.3). Er kennt die Quelle
von ßerenton aus Volkssugen; aber indem er auf solche anspielt,
gibt er zugleich der Verachtung Ausdruck, mit der er sie ansieht.
Daß er von Sagen über Merlin, Gauvain etc. (tue vielleicht erst durch
Galfrid mit der Arthursage verknüpft worden waren) sich beeintlußi'n
ließ, um Galfrids Aussagen zu korrigieren, daß er überhaupt solche
Sagen kannte, erscheint mir sehr zweifelhaft. Noch weniger kann icli
glauben, daß der sonst unbekannte Romorec de Guenelande (vgl.
F. p. 141 — 143) von Wace eingeführt wurde, sondern halte dafür,
daß in dem Manuskript der Uistoria, das Wace vorlag, dieser Name
vorkam und daß dieses Manuskript sogar ursprünglicher war (vgl.
diese Zeitschrift XXIX -^ p. 247 — 249 A. 11). Es ist überhaupt kaum
denkbar, daß Wace kymrische Sagen kannte. Dasjenige Sagenmaterial,
das er als solches bezeichnet, ist bretonisch.
Martins Brut wird nur in einer Anmerkung (p. 144)
erwähnt. Das Werk scheint doch einige Bedeutung gehabt zu
haben (vgl. diese Zeitschrift XXX ^ p. 182 ff.). In der Bibliographie
zu dem kurzen Merlin - Gedicht der Aruudelhs (p. 144) ist Kölbing
vergessen worden, der in seiner Einleitung zur Ausgabe von Arthour
and Merlin (p. CIX f.) eine Liste von Verbesserungen zu Villemarque's
Ausgabe mitteilte.
Layamon hat, wie F. sagt, aus Wace's Brut ein sächsisches
Epos gemacht. Auch Layamon's Wichtgkeit für die Sagenforschuiig
wird in der Regel überschätzt, in geringem Maße wohl auch noch
von Y. Was die Episode von Rumareth of Winctlond betrifft, so
verweise ich wieder auf diese Zeitschrift XXIX'^ p. 247—49, A. 11 .
Ich möchte zur Illustration der Willkür, die Layamon nach meiner
Meinung bei der Behandlung dieser Episode an den Tag legt, auf
eine von F. (p. 150—151) angeführte Scene (Arthur erfährt von
Modred's Verrat) verweisen; er schuf hier eine neue Rolle, wie er
anderwärts häufig Namen erfand (vgl. p. 158 — 159). Über Layamon's
Verhältnis zu seineu Quellen wäre nun auch R. Imelmann, Layamon:
Versuche über seine Quellen^ Diss. Berl. 1906, zu vergleichen.
Über die Quellen des großen anglonormannischen Prosa-Brnt gibt
jetzt Friedr. W. D. Brie in seiner Marburger Hab.- Schrift betitelt
., Geschichte und Quellet), der mittel enpUschen Prosachronik The Brüte
of England^ I. 1906, (p. .32 ff.) geiuiuere Aufschlüsse, während F.
(p. 215) hierüber nur wenig zu sagen weiß und meint: To trace the
exact pedigree of the Brut is prohahly impossible.
Auf die Behandlung der übrigen Chroniken will ich nicht ein-
gehen. Ich kann nur F.'s Behauptung The history of the Arthurian
material in the chronicles after Geojfrey is the history ofthe treatmevt
to which Geoffrey''s version of the story loas subjected by later
writers (p. 116) unterschreiben. Es ist auflallend, daß die englischen
Rob. Huntington Fletcher. The Arthurian maierial. 21
Chronisten, die Nachkommen der Sachsen, die Feinde der letztern, vor
allem Arthur, mit einem Eifer rühmen, der selbst von den Kymren
nicht übei'trotfen werden konnte. Es kann doch kaum angenommen
werden, daß sie ebenso wie es etwa Ausländer taten, z, B. der
Italiener Gottfried von Viterbo und der Franzose Jehan de Wavrin,
den Unti^rschied zwischen Britten und Sachsen nicht mehr erkannten
und die Britten Anglois nannten, wohl nach Analogie von Bretagne =
Engleterre (vcl. F. p. 147, 228 und eine Bemerkung von mir in dieser
Zeitschrift XXX i \). 172, A. 8). Ich denke, daß sich jene Eigen-
tümlichkeit nur dadurch erklärt, daß die Engländer die Arthursage
eben hauptsächlich aus den Romanen der Continentalfranzosen kennen
lernten, die keinen Grund hatten, mit dem Lob der Britten zurück-
zuhalten. Bei einigen schottischen Chronisten findet man dagegen einen
unverhehlten Haß gegenüber den Briiten. Sie feierten vor allem die
piktischen Fürsten wie l.oth und Modred und entstellten in diesem
Sinn Galfrids Bericht (vgl. p. 241 ff).
Eine Vergleichung von F.'s Analysen und Urteilen mit den
Quellen war mir im allgemeinen nicht möglich. Ich kann auch nicht
beurteilen, ob in der langen Liste von Chroniken, die F. teils bespricht
teils ciwähnt, Lücken sind. Ich vermißte nur die Erwähnung der
Chronik des Helinand von Froidniont, die den berühmten Passus über
den großen Gralcyklus enthält. Es wäre wohl angemessen gewesen,
außer den Chroniken auch die übrigen gelehrten Werke, die arthurisches
Material aufgenommen haben (deren Zahl nicht groß sein kann),
wenigstens in einem Appendix zu besprechen. Ich erinnere an das
Reductorium Morale des Pierre Bersuire, das eine interessante, sonst
nicht bekannte Gauvainsage enthält (citiert von J. Weston, The legend
of Sir Gawain p. 28, 74). an Bale's Catalogus (citiert von J. Weston,
The legend of Sir Perceval p. 293; vgl. dazu diese Zs. XXXP
p. 155 — 156)^) und namentlich an den Traktat De amore des
Andreas Capellanus.
Endlich möchte ich noch zwei Einzelheiten anfiUiren. F. e-rwähnt
(p. 208) Robert Mannyng's Angabe, wonach Merlins Prophezeiungeu
autgCM.hrieben seien in the books of Blase, Tolomer and Sire Amy-
taifn, loho loere Merlin s masters, und bemerkt dazu nur: His know-
ledge of Blase must have corne directly or indirectly from the
prose Merlin. Mannyng spielt hier zweifellos auf Meister Richards
Prophesies Merlin an, welche, in ihrer voUstiindiiien Fassung, sich
als Exzerpte aus den Aufzeichnungen Blaise's, Tolomer s, Antoine's
(statt Aniytayn ist zu lesen Auntayn) und noch anderer clercs aus-
gaben. Daß auch der frater Laziardiis, Autor der Epitomata a
Primeva Muiuli Origine, welcher für seine Merlingeschichte als Gewährs-
mann a certain Ricardus (F. p. 239) nennt, den eben genannten
') Ich habe daselbst irrtümlich Morgano in Morgana korrigiert.
?2 Referate und Rezensionen. W. Tavernier.
Meister Richard meint, wage ich zu behaupten, ohne die (mir un-
zugängliche) Chronik gelesen zu haben. F. denkt an Richardus
Chiuiacensis (p. 282).
Der ausführliche Index ;im Schluß des Werkes verdient auch
erwähnt zu werden.
Zürich, F.. Rkugger.
Brückner, (üllStav. Bas Verhältnis des französischen Rolands-
liedes zur Turpinschen Chronik und zum Carmen de
prodicione Guenonis. Diss. Rostock, 1905. 8". 337 S.
Diese, von der Rostocker philosophischen Fakultät gekrönte
Preisschrift gibt auf S. 1 — 30 eine eingehende Geschichte der bis-
herigen Arbeiten über das Verhältnis des Rolandsliedes (R) zur
Chronik Turpins (T) und dem Carmen (C). S. 30 — 33 entwickelt
der Verf. die Grundsätze seiner Kritik, und es folgt dann in 200 Seiten
die Untersuchung selbst. Die einzelnen Züge werden nach der
Reihenfolge der Ereignisse, in vier große Episoden gegliedert, betrachtet
und bei jedem Punkt die bisher geäußerten Urteile ausführlich,
vielfach im Wortlaut aufgeführt, das Für und Wider mit Sachlichkeit
und nicht ohne Geschick abgewogen und danach die jeweilige
Entscheidung gefällt. Durch das weitläufige Zusammenstellen der
älteren Kritik wird B.'s Arbeit für die künftige Forschung auch deu
praktischen Wert haben, daß sie vieles Nachschlagen erspart. Nur eine
ausführliche Arbeit über den Gegenstand, des Ref. , Vorgeschichte
des all französischen Rolanddiedes^, 1903, z.T. schon 1901 erschienen,
ist dem Verf. unbekannt geblieben, und mit Befremden liest man,
daß er zwar die Bibliothek des Britischen Museums für seine Arbeit
benutzte, aber den Verfasser der Hallenser Dissertation von 1901,
die, wie er wußte (S. 332, Anm. 1), das Verhältnis von C zu R
behandelt hatte, nicht feststellen konnte.
Insofern bedauern wir B.'s, nur in diesem einen Punkt mangel-
hafte bibliographische Beratung nicht, als seine Untersuchung, ganz
unabhängig von der unsrigen durchgeführt, das Resultat bestätigt, zu
dem wir gelangt waren: dal5 G. Paris mit Recht in der Vorlage
von C eine ältere Stufe von R gesehen habe. Über diesen Punkt,
der u. E. für die Rolandskritik der wesentlichste ist, haben wir nns
also mit B. nicht auseinanderzusetzen.
Aber der Verf. kommt zu dem weiteren Ergebnis, daß auch
T eine ältere Stufe als R darstelle, auch hierin G. Paris' Ansicht
gegenüber Stengels Angriffen bestätigend. Es sind gegen 40 Einzel-
züge, aus denen B/s These über das Verhältnis von T zu R erwächst,
und es würde den Rahmen einer Besprechung weit überschreiten, wollte
man jedes einzelne Argument widerlegen. Es mag genügen, die
Fehler der Beweisführung im großen zu rubrizieren und auf ihre
Quellen zurückzuführen.
Gustav Brückner. Das Verhältnis d. franz. Rolandsliedes. 23
B. sagt in seinen methodischen Erwägungen sehr richtig (S. 32):
„Die allgemeine Tendenz einer Redaktion ist bei der Beurteilung
ihrer Einzelzüge zu berücksichtigen," Nur rächt es sich an dem
Verf., wie den meisten seiner Vorgänger, daß ihm die Kenntnis
der Literatur und der Geistesgeschiclitc jener Zeit abgeht, die er-
forderlich wäre, um die „allgemeinen Tendenzen" richtig würdigen zu
können. Für T. kommt der erschwerende Umstand hinzu, daß eine
kritische Ausgabe ebenso wie eine Einleitung, die die Quellen des
interessanten Werkes bis ins einzelne aufdeckte und seinen literarischen
Charakter feststellte, noch immer fehlt.
So ist es B. entgangen, daß T. vor allem das Märtyrer-
tum des seligen Roland erzählen will. Man hört weniger von tapferem
Dreinschlagen der Frankenhelden, als von ihrem bitteren Leiden.
.,Alii lanceis perforantur, alii spatis decollantur, alii securibus absci-
duntur, alii sagittis et ja culis perforantur, alii perticis verberando
perimuntur, alii cultellis vivi excoriantur, alii igne cremantur,
alii arboribus suspenduntur" (S. 202 f.) ist keineswegs „alte Schilde-
rung der sarazenischen Kampfesweise in der ersten Schlacht" und das
Ursprüngliche gegenüber der Erzählung in R, sondern reine Märtyrer-
.neschichte. — „Natürlicher und einfacher ist die Darstellung von T,
]iach der Roland selbst um einen Labetrunk bittet. R hat die
Situation effektvoller gestaltet" (S. 255). Augenscheinlich ist der
Martertod Jesu und sein ,Mich dürstet' hier für T Vorbild und
Grund für seine Änderung gewesen. — Nach T ist Roland schon von
vier Lanzen durchbohrt, gesteinigt (lapidibus graviter percu^sus et
attritus), dann springen ihm (wie auch bei R) Adern und Muskeln
infolge des starken Hornrufs, und zu alledem läßt ihn T noch vor
Durst verschmachten; eine furchtbare Häufung der Märtyrerqualen
zum höheren Ruhm des seligen Roland, nicht „entschieden die älteste
Überlieferung" (S. 235), vielmehr Ausgestaltung der Erzählung in
R mit deutlicher Absicht. — Hierher gehört denn auch, daß nach
T Ganelon den frommen Helden und die Seinen aus Habsucht schlecht-
hin verrät, v.'ie Judas den Herrn (gegen Brückner S. 94); gegenüber
der komplizierten Motivierung seiner Vorlage entschied sich T für
das einfachste und zugleich seinem Ideenkreis naheliegendste Motiv.
Der Verfasser des Pseudo-Turpin war ein Mönch, der für
Kleriker schrieb. Das Rolandslied ist zwar auch von einem Geist-
lichen gedichtet worden, aber für normannische Barone, und mindestens
drei Jahrzehnte vor T. In einer Zeit voll begeisterten Hochgefühls
hatte R so rührende und grandiose Züge in das alte Lied hinein-
gedichtet wie den des sterbenden Roland, der Gott seinen Handschuh
reicht. „Der Chronist hat diesen Zug jedenfalls nicht gekannt, sonst
würde er ihn wohl gern in soine geistliche Kompilation aufgenommen
haben", argumentiert B. (S. 277). Gekannt hat T den Zug schon,
nur konnte er ihn als Theologe nicht gebrauchen. So seltsames konnte
er seinen geisthchen Lesern nicht bieten; dergleichen stand noch in
24 Referate und Rezensionen. W. Taverniei\
keiner Märtyrergeschichte uud war von allzu bedeukliclier Eigenart.
— Und niclit anders steht es um die Reliquien im Knaufe Duren-
dals (S. 259). Reliquien im Panzerhemd oder im Helm, zum Schutz
des Kriegers, das mochte gehn, aber im Schwert, in einer Mordwaffe.
das war denn doch eine zu chevalereske und zu wenig kirchliche
Vorstellung, als daß sie T. hätte goutieren können. Übrigens ist
dergleichen bei Schwertern auch in Wirklichkeit, wie es scheint, nicht
vorgekommen.
B. erklärt S. 31: „Im allgemeinen darf man die Version, die
dem zugrunde liegenden geschichtlichen Berichte näher steht, auch
als die ursprünglichere betrachten. Doch ist dieses Kriterium nicht
uubedingt zuverlässig: auch ein späterer, gelehrter Interpolator kann
absichtlich die Annäherung an die geschichtlichen Tatsachen herbei-
geführt haben." Eine ganze Reihe von Fehlschlüssen entspringen
daraus, daß B. im Lauf seiner Untersuchung die im zweiten der obigen
Sätze ausgesprochene Erkenntnis außer Acht gelassen hat. Die An-
gabe in C und R, die Franken hätten 7 Jahre in Spanien verweilt,
fehlt in T; „da diese Angabe den historischen Tatsachen widerspricht,
scheint die Chronik hier die ältere Überlieferung bewahrt zu haben-
(S. 34). — T hat JPampilonia statt Morindia in C und Cordres in
R; „wir dürfen demnach wohl als sicher annehmen, daß der Chronist
geschichtlichen Erinnerungen folgt" (S. 40). — Dem geschichtlichen
Berichte „steht die Darstellung von T am nächsten," die auch zwei
Heidenkönige kennt (S. 45) und „ebensowenig wie die geschichtlichen
Bericlite Saragossa als ihre Residenz bezeichnet" (S. 47). — Die
Schilderung der Schlacht von Roncevaux sei am ursprünglichsten bei
T, denn hier sei der Charakter des Überfalls am meisten gewahrt,
und die Stärke des Heidenheeres sei viel geringer als bei R ange-
geben; „die Annahme, daß T die großen Zahlen von R schon gekannt
habe, ist in der Tat unhaltbar: es wäre nicht einzusehen, aus welchem
Grunde der Chronist sie reduziert haben sollte im Gegensatz zu andern
späteren Gedichten desselben Sagenkreises, wo die Zahlen noch über
das Muß von R hinauswachsen-' (S. 194). Hier wird vergessen, daß
T eben kein Gedicht ist, sondern eine Geschichte Karls des Großen
und Rolands sein will (Historia Karoli Magni), und daß ihr Verf.
allen Grund hatte, den übertriebenen Zahlenangaben des Epos kritisch
gegenüber zu stehn. Daß T die Wunder seiner Vorlage keineswegs
abgelehnt, vielmehr noch überboten und mit vielen Zügen aus Märtyrer-
geschichten ausgeschmückt hat, ist etwas ganz anderes. Soweit es seine
martyrologischen und erbaulichen Zwecke zuließen, hat sich T. in
erster Linie an die geschichtlichen Quellen, und erst wo sie schwiegen,
an das Rolandslied gehalten. Darum steht seine Darstellung allerdings
dem tatsächlichen Hergang der Ereignisse zumeist näher als die in
C und R; falsch aber sind die Folgerungen, die B. in den oben an-
geführten, als Beispiel aus einer größeren Zahl herausgegriffenen Punkten
aus diesem Verhältnis der drei Rezensionen zur Geschichte gezogen hat.
G. Brückner. Das Verhältnis des franz. Rolandsliedes. 25
B. hat ferner zu wenig den geringen Umfang berücksichtigt, den
die R entsprechenden Abschnitte T's haben; T behandelt äußerst sum-
marisch, was den frommen Zweck seiner Geschichte nicht fördert.
Die Einzelheiten der Gesandtschaften des Blancaudrin und des Ganelon
interessierten ihn wenig, und den Bericht über den Verlauf der Schlacht
stutzte er erheblich; er wird erst beredt, als das Märtyrerleiden der
Helden und insonderheit das des frommen Roland anhebt. Unter
diesen Umständen ist das Schweigen von T zumeist kein Argument
in der Frage nach dem Verhältnis der Rezensionen zueinander.
B. hat neues historisch - philologisches Material zur Beurteilung
von T, C, R nicht beigebracht, und er mußte, wie seine Vorgänger,
die Untersuchung über die gegenseitige Abhängigkeit jener drei Werke
im wesentlichen nach logischen Erwägungen führen. Er ist dabei
nicht immer der naheliegenden Gefaiir entgangen, zu scharfsinnig zu
sein; er gründet einigemal, wenn auch seltener als manche vor ihm,
auf wirklich belanglosen Divergenzen Schlüsse. So scheint ihm z. B.
S. 271 „bemerkenswert, dtiß die in R mehrfach gebrauchte Formel
„mga culpa'-'- in T nicht vorkommt;" er könne jedoch nicht eutscheiilen,
ob sie erst einer späteren Zeit angehöre. Wie wenig würde das Fehlen
solcher Formel beweisen! Obendrein kommt sie in R garnicht vor,
nur clamer sa culpe; denn in V. 2369 ist meie culpe nicht die Formel
des Confiteor, sondern gehört in den Zusammenhang des Satzes: Gott,
meine Schuld (durch den erhobenen Handscliuh versinnbildlicht) nimm
auf zu deinen Hulden, in deine Macht! Die Vorstellung des Lehns-
verhältnisses spielt übrigens hier nicht herein, wie gegenüber B. S. 276f.
wiederholt werden nmß, — Ndch ein letztes Beispiel zu weitgehenden
Spürsinns. „Auch die kurze Besihreibung des Marsirius „cmw equo
rufo et clipeo rotundo'-'- ^taInmt sicher aus einer volk>tümlichen Vor-
lage und nicht aus der Feder des Chronisten" (S. 202); T's Beschreibung
sei ursprünglicher als die in R. Es lohnt nicht, nach der Herkunft
des roten Pferdes zu suchen; tut man es schon, dann liegt wieder
die Bibel am nächsten (etwa Apoo. VI, 4: exivit. . . equus rufus,
et qui sedebat super ilhim, datum est ei, ut sumeret pacem de
terra, et ut inviceni se interficiant)^ nichts volUstümliches. —
Eine seit längerer Zeit vorliegende Besprechung der B.'schen
Arbeit {lAteraturbl. f. germ. u. rom. Phil. 27. 1 906, S. 22) ist
bei aller Anerkennung des Fleißes und der Gründlichkeit des Verf.
doch pessimistich gegenüber den Resultaten wie überhaupt der Methode,
die dahin führe, das wahre Ver>tändnis des Rolandsliedes zu ver-
schleiern. Wir können diesen Pessimismus nicht teilen. B. hat T's
Stellung falsch beurteilt, verzeihlich genu^'. nachdem G. Paris voran-
gegangen. Durch die falsche RT-Hypothese wird die Rolands-
kritik unnötig kompliziert und insofern leicht kompromittiert, als nicht
ohne Willkür zwischen der supponierten alten Vorlage des Chronisten
und seinen eigenen, späteren Zutaten geschieden werden kann. — ■ Die
Rolandsforschung ist weiter unnötig verwirrt worden dadurch, daß
26 Referate und Rezensionen. JPh. Aug. Becker.
man (seit Pakscher) Abweicliuugeii der uovdisclieu Version (ii) vou
R zur Feststellung einer älteren Fassung unseres Liedes verwerten
zu können glaubte, und auch 15. (S. 28) gibt diese Möglichkeit zu.
Nur dadurch, daß B.'s Untersuchung von jenen zwei falschen
Hypothesen (ein alter Kern in T und n) belastet wird, und weil er
für jeden einzelnen in Frage stehenden Punkt in übertriebenem Gerechtig-
keitsgefühl alle, auch die fernsten Zeugen für und wieder anführen
zu müssen glaubt, ist B.'s Arbeit so entmutigend umstämilich und
umfangieicli geworden. Sobald eine künftige Forschung den nun schon
durch Jahrzehnte mitgeführten Ballast obiger Hypothesen abgeworfen
haben wird, gestaltet sich die Kernfrage einfach genug: ein lateinisches
Gedicht, die stilvolle Übertragung einer französischen Vorlage, und
daneben unser Rolandslied: auf welcher Seite ist die Priorität?
Wir glauben, daß wie B.'s Dissertation so auch noch künftige Arbeiten
die Priorität von C gegenüber R bestätigen werden.
Stuttgart. W. Taveknier.
Coulet, Jules, charge de cours ä la Faculte des Lettres de
Montpellier, Etüde sur Voffice de Girone en Vlionneur de
Saint Charlemagne. 165 S. Groß 8", Montpellier, Coulet
et Fils. 1907. [Publications de la societe pour Tetude des
langues romanes XX.]
Die Stadt Gerona im Nordosten der spanischen Mark (Katalonien)
gehört zu den karolingischen Erwerbungen; 875 übergab sie sich den
Franken, während Karl im Sachsenland weilte. In Erinnerung an
die Befreiung vom Maurenjoch und an die Errichtung des Bistums
ordnete 1345 der Bischof Arnold von Montredon für die Diözese die
Feier des 28. Januars zu Ehren Karls des Großen an, und es wurde
zu dem Zweck ein eigenes Officium verfertigt. Dieses Officium haben
Florez in der Espana sagrada und Villanueva in seinem Viape
literario abgedruckt; sie schöpften beide, und zwar unabhängig von
einander, aus dem Brevier des Abtes von S. Viktor, Vitalis de Blanis.
Das Brevier wurde 1339 vollendet; deswegen ist aber das Officium
doch nicht älter als die Einsetzung des Festes, sondern wird in
glaubhafter Weise als späterer Eintrag im Brevier bezeugt. Nachdem
in neuester Zeit das alte Brevier verschollen ist, läßt sich ein
verläßlicher Text des Officiums nur durch die kritische Vergleichung
der beiden Drucke gewinnen. Dieser Aufgabe hat sich der Verf.
S. 57 — 59 in dankenswerter Weise entledigt, indem er nicht nur die
neun Lektionen des Officiums, in denen über Karls Beziehungen zu
Gerona berichtet wird (die 7. ist dem Evang. Lucae entnommen),
vollständig herstellt, sondern auch die übrigen liturgischen Stücke,
die größtenteils zu anderen Karlofficien stimmen, angibt.
In engem inhaltlichem Zusammenhang mit dem Officium steht
ein anderer Text, den man bisher als eine ausführlichere Fassung
obiger Lektionen betrachtete. Dem Verf. ist es nun gelungen an
Julei< Coulßt. Etüde sur 1'ofß.ce de Girone. 27
Stelle des bisher allein bekanuten Bruchstücks den vollständigen
Wortlaut eines Tractatus de captione Gerunde et de edificatione
ipsius cathedrülis ecelesie et quomodo heatus Karolus Magnus
Imperator eandem dotavit et in ea episcopum ordinavit im Kathedral-
archiv au-fimlig zu machen, und teilt ihn S. 77 — 82 mit. Gleich aus
den Anfangsworten (Tamquain in ista Sacra seda Gerunde celebratur
festum sanctissimi Karoli M. Imp.) ergibt sich, daß der Tractatus
verfiißt wurde, als das Fest zu Ehren Karls bereits fest eingebürgert
war; er ist also jünger als das Ufticium, und dies wird auch durch
andere Züge bestätigt.
Im großen und ganzen ist der Tractatus nur eine erweiternde
Paraphrase des Officiums. Am Schluß fällt jedoch die Angabe auf,
daß Karl einen Kanonikus von Notre-Dame du Puy zum ersten
Bischof von Gerona weihte und daß er noch andere Chorherrn von
dort hierher versetzte mit der Verfügung, quod, iste due sedes essent
germane et socie. Von dieser Konfraternität ist aber — nach Aus-
weis der Urkunden — erst spät im 15. Jahrh. die Rede. Gerona
übte damals für das Spital von N.-D. du Puy das Recht der Kollekte
in Katalonien aus. und außerdem hatte die Kirche von le Puy noch
andere census et redditus hier zu beanspruchen, über die wir nicht
genauer unterrichtet sind. Gegen diese lästigen Verpflichtungen
scheint man in Geiona die bis auf Karl zurückreichende Fraternität
ausgespielt zu haben. In einem Protokoll von 1469 bedauert das
Kapitel von Gerona wegen des kürzlich erfolgten Archivbrandes seine
Rechtstitel nicht produzieren zu können. 1479 bißt sich Pierre
Bouvier als Abgesandter von N.-D. du Puy die Legenda heati Karoli
vorlegen und nimmt eine Abschrift vom Schluß (secum portavit finem
ultime lectionis), wo es hieß, daß Karl den ersten Bi-chof und die
ersten Chorherrn dem Kapitel von le Puy entnahm und zwischen
beiden Kirchen die Fraternität anordnete. 1481 erschien Pierre
Bouvier abermals, und 1483 oder 84 ereignete es sich, daß Papst
Sixtus IV durch ein Breve die weitere Verwendung des Karlofficiums
untersagte. Vergeblich versuchte das Kaidtel 1493 den spanischen
Gesandten bei der Kurie, Lope de Haro, für ihre Sache zu inter-
essieren, das Breve wurde nicht widerrufen, und das Officium blieb
— nach 140 jährigem Gebrauch — untersagt und abgeschafft.
Mit großer Wahrscheinlichkeit bringt der Verf. die Entstehung
lies Tractatus mit diesen Ereignissen in Verbindung, nur vermutet
er, daß jene Legende, die P. Bouvier vorgelegt wurde, noch nicht
der Tractat, sondern eine im Sinne der neuen Prätensionen erweiterte
Fassung des Officiums war, und daß das päpstliche Breve die Ver-
fälschung dieses liturgischen Dokuments strafen wollte; der Tractatus
wäre erst später im Kampf um die Wiedereinsetzung des Officiums
augefertigt worden. Diese urkundlich nicht gestützte Vermutung
scheint mir übertiüssig; denn, wenn der Papst zu Gunsten der von
28 Referate wid Rezensionen, Ph. Aug. Becker.
ihm auch sonst geförderten und bevorzugten Kirche von N.-D. du
Puy eingreifen wollte, so konnte er Gerona eben nur durch die
Untersagung der Karlliturgie treffen; eine Erklärung über die Authen-
tizität der Legende lag nicht in der Kompetenz noch in der Rechts-
ühung der päpstlichen Kurie; mit dem Verstummen der Liturgie war
aber auch die Autorität der Legende untergraben. Wir haben also
in der Legtnda b. Karoii, die 1479 produziert wurde und 1469
augenscheinlich noch nicht vorlag, unseren Xractatus de captione
Gerunde zu sehen und können danach seine Entstehungszeit approxi-
mativ bestimmen; er ist etwa 130 Jahre jünger als das Officium
und inhaltlich nur eine Erweiterung desselben.
Welches ist nun aber die Quelle des Officiums? — Keine
andere als die um 1240 entstandenen Gesta Karoii Magni ad Car-
cassotiam et Narbonam (hgg. von F. Ed. Schneegans, Roman Bibl. 15)
und die lokale Tradition, die die Wiedereroberung Geronas Kar! dem
Großen zuschrieb. Für diese Auffassung bin ich bereits 1898 im
Literaturblatt f. germ. u. roman. Piniol. S. 136 ff. mit ausführlicher
Begründung eingetreten und freue mich, dieselbe hier neuerdings und
mit Kompetenz verfochten zu sehen. — Wie alt die Lokalsage sein
mochte, läßt sich nicht sagen; gewiß hat sie aber erst durch die
Fälschung der Gesta festen Gehalt gewonnen. Im Pseudoturpin
wird die Einnahme Geronas durch Kaiser Karl nur in einer inhalts-
leeren Aufzählung (c. III) erwähnt. Mehr findet sich im Clironicon
Rivipulense (Mon. Germ. hist. SS. I, 297), das den Gesta den
König Mahomed als Herrscher von Gerunda entlehnt, während
es einige allgemeine Wundererscheinungen neben dem Lokalwuiider
von der Erscheinung des feurigen Kreuzes an der Stelle, wo später
die Kathedrale errichtet wurde, seiner Hauptquclle, den Annales
Moissiac. zum Jahr 786 entnimmt. Die volle Ausbildung fand die
Legende erst im Officium von 1345, das später (um 1479) vom
Tractatus paraphrasierend ausgeschrieben wurde.
Diese ganze Tradition von Karls Beteiligung an der Wieder-
befreiung Geronas und von der Wiedereinführung des christlichen
Kultus hat nun aber rein kirchliciien Charakter und gehört in ihrer
ausgeführten Gestalt erst dem 14. und 15. Jahrb. an. Mit der
epischen Sagenüberlieferung von Ernaut de Gironde hat diese späte
kirchliche Legende nicht das geringste gemein, wie überhaupt von
der Ernautlegende in Gerona selbst weder früli noch spät eine Spur
zu finden ist. Im übrigen erhielt sich hier der fromme Glaube an
Karls Verdienste um Stadt und Kirche im Volke lebendig, wenn
auch wesenlos wie jede mündliche Überlieferung. Den stummen
Zeugen der ehemaligen Verehrung des großen Kaisers, ein hölzernes
Standbild, das früher auf dem Altar der vier Märtyrer in der Kathe-
drale stand, hat erst der jetzige Bischof 1883 in einem Wandschrank
verschwinden lassen, und anscheinend hat er auch das Breviar mit
dem Officium unberufenen Blicken entzogen. Die zuerst angefochtene
Die altfranzös. Motette der Bamberger Handschrift. 29
Tradition der Konfraternität zwischen Gerona und N.-D. du Puy
scheint aber bis zur französischen Revolution Bestand gehabt zu haben.
Dies die Ergebnisse der klar und sachlich geschriebenen und
auch in der Polemik maßvollen Abhandlung', deren wertvolle Beigaben,
die kritischen Texte des Ofßciums und des Tractatus de captione
Gerunde der Aufmerksamkeit der Forscher besonders zu empfehlen sind.
Wien. Ph. Aug. Becker.
Die altfranzösischen Motette der Bamberger Handschrift
nebst einem Anhang^ enthaltend altfranzösische Motette aus
anderen deutschen Handschriften mit Anmerkungen und
Glossar herausgegeben von Albert Stimraing, Dresden
1906 80 XXXVII und 231 S. (Gesellschaft für romanische
Literatur, Band 13).
Stimmings Ausgabe der altfranzösischen Motette, welche sich
in je einer Bamberger, Wolfenbütteler und Müncliener Hs. linden^
bildet eine wertvolle Ergänzung zu G. Raynauds 1882 — 84 erschienenem
Recueil de Motets fran^ais. Raynaud waren diese Hss. unbekannt
geblieben, obwohl wenigstens die 16 Lieder der 4 Müncheuer Blätter
(Mü) schon 1873 von K. Hofmann abgedruckt waren. Die Bamberger
Hs. und einige Darmstädter Bruchstücke, welche freilich nur einige
Zeilen eines französischen Motetts enthalten, wurden von Wilhelm
Meyer aufgefunden, die Wolfenbütteler Hs. ist in 0. v. Heinemanirs
Handschriftenkatalog dieser Bibliothek III (1888) S. 54 beschrieben.
Die Bamberger Sammlung (A) besteht aus 106, die Wolfenbütteler
(W) aus 142 französischen Liedern, von denen 16, bezw. 37, Unica
sind. Stimming hat sämtliche französischen Lieder von A und Mü
sowie die Unica von W abgedruckt und für die anderweit über-
lieferten zu A und Mü die Varia Lectio aus W hinzugefügt. Es
ergab sich, daß A meist die beste Textüberlieferung bietet. Die
Gedichte aus Mü sind von neuem nach der Hs. herausgegeben^ da
sich verschiedene Lesefehler in Hofnianns nicht sehr zugänglich'^n Text
eingeschlichen hatten und sich auch manche Besserung durcli Heran-
ziehung der anderen Hss, ergab. Leider hat er aber unterlassen,
von den 99 anderen Liedern in W wenigstens die Varianten zu
Raynauds Text mitzuteilen.
St.'s Ausgabe ist von langer Hand vorbereitet (s. Archiv 104,
345) und mit großer Akkuratesse hergestellt, ihr Wert wird überdies
noch durch umfangreiche Beigaben erhöht. In einer 37 Seiten um-
fassenden Einleitung erhalten wir zunächst einen orientierenden Über-
blick über Ursprung und Entwicklung des Motetts. Dieser fußt im
Wesentlichen auf W. Meyers Abhandlung über den Ursprung des
Motetts (neuerdings etwas erweitert in dessen Gesammelten Abhand-
lungen zur mittelalterlichen Rhytlimik Berlin 1905 II 305 if. wieder
abgedruckt). Der inzwischen (Juli 1906) erschienene Aufsatz von
30 Referate und Rezensionen. E. Stengel.
F. [Aidwis „ Über die Entstehung und die erste Entwicklung der
lateinischen und französischen Motette in nuisikalischer Beziehung'^
(Sammelbände der intctnatioiialeii Musikgesellschaft VII 517-28)
ging Stimniing- erst nacbträglich zu, doch konnte er S. 230 noch nach
ihm seine Erklärung des Ausdrucks conduit berichtigen. Es folgt
eine genaue Besclireibung der vier Hss. und eine Charakteristik ihres
französischen Inhalts nach textkritischen, literarischen, sprachlichen
und metrischen Gesichtspunkten. Ich beschränke mich hier auf einige
Bemerkungen zu den metrischen Ausführungen des Herausgebers. Stiniming
nimmt S. XXVIII nur an, daß der Verfasser wenigstens in einzelnen
Fällen für eine Motett-Stimme ein Lied verwandte, „welches vorher bei
einem Rondeau als Text gedient hatte". Ich würde lieber sagen, daß hier
und da ein Motettlied entweder ein richtiges Rondeau, Virelay, eine
Balladenstrophe darstellt, oder aus einem solchen hervorgegangen ist.
Nur ein einziges wirkliches Rondel ist freilich in Stimmiiigs Sammlung zu
konstatieren, das Triolet von No. 31 c. (Im Text tritt es infolge der Zeilen-
zerlegung nicht deutlich als solches heraus; vgl. aber S. 158). In Raynauds
Recueil habe ich aber zwei weitere gefunden (CXXV 2 und CCLVII 2.
Im letzten fehlt im Drnck nur die Wiederholung der ersten Retrainzeile
als Zeile 4. Die meisten der 6-, 8-, 11-, 13- und 16-zeilisen Rond^ls,
welche Raynaud im zweiten Bande aus verschiedenen Hss. mitteilt,
halte ich für gar keine Motettliedcr, da sie ja alle nur einstimmig
überliefert sind). No. 49 b ist, wie auch bereits S. 164 bemerkt ist,
nichts als die erste Strophe einer alten Bullade, No. 30c wird nach
Ausscheidung der textlich entbehrlichen Zeilen 7, 8 und nach Kürzung
von Z. 9 zu einem regelrecht gebauten einstrophigcn Virelay. Das
von Stimming weiter angeführte Lied 16a läßt seine Grundform gar-
nicht mehr erkennen. Wohl aber gehören hierher 48 a und 48 b
(St. erwähnt nur 48 a und meint, es sei wohl nicht hierher zu rechnen,
weil der Schlußvers mit dem zweiten, nicht aber mit dem ersten
übereinstimmt). Beide weisen auf ein regelrechtes Virelay als gemeinsame
Grundlage zurück. Das Virelay lautete nach meiner Meinung etwa:
Quant voi la rose espanie
L'frhe vert et le tens der
3 Et le roussignol chanter,
Adonc fine atnour nienvie
De joie faire et mener
6 Et de doucement chanter:
„Marion, poiir toi amer
Bien me doi asses pener
9 Et chapel de flors porter.''
Gar qui n'aimme, il ne vit m
Por ce se doit bien pener
12 Qui en joie vuelt durer
D'avoir amours et amie
Et servir et honoui'er.
= 48a (2),
48b 1
A'i
= 48a (2),
48b 2
Bi
= 48a 3,
48b 3
B2
= 48a (4),
48b 4
A'2
= 48b 5
B-^
=r 48a (5)
b
=-- 48a (6)
b
= 48a 7
h
= 48a 8
b
= 48b 6
a'
= 48b (7)
b
= 48b 10
b
= 48b 8
a'
= 48b 9
b
48a 10
A'i
48a 11
Bi
B2
A'2
B3
Jjie altfranzös. Motette der Bamherfjer Handschrift. 31
1.") Quant voi la rose espanie
L'erbe vert et le tens ehr
Et le roussignol chanter,
18 Adonc fine amour nienvie
De joie faire et mener.
Die überlieferten Texte lauteten:
48 a
En noD (lieu, queque nus die,
Quant voi l'erbe vert et le tens der
Et li roussignol chanter: 3
Adonc fine amour me jjrie
Doucement d'une jolivete chanter:
..Marions, laisse Robin pour moi 6
[amer !
Hien me doi ades pener
Et chapel de flours porter
Pour si bele dame.
<^uant voi la rose espanie,
L'erbe vert et le tens der."
48b
Quant voi la rose espanie,
L'erbe vert et le tens der
Et le roussignol chanter:
Adonc fine amour m'envie
De joie faire et mener;
Car qui n'aimme, il ne vit mie.
Por ce se doit on pener
D'avoir amours et araie
9 Et servir et honourer,
Qui en joie vuelt durer.
En non dieu qiieque nus die,
12 Au cur mi tient li maus d'amer^)
Es würde also den französischen Liedern beider oder auch der dre
Motett-Oberstimmen öfter ein und dasselbe selbständige ältere Lied
(Rondel, Virelay, Ballade, Chanson) zu Grunde liegen, die vorhandenen
Liedertexte würden dann formal wie inhaltlich ebenso als mehr oder
weniger freie Variationen eines Grundthemas anzusehen sein, wie die
ihnen zugehörigen Tonsätze nichts als musikalische Variationen ihres
Tenors darstellen. Daß es sich in der Tat so verhält, dafür sprechen
noch viele weitere gegenseitige Beziehungen, welche die zusammen-
gehörigen Rondel-Lieder aufweisen. Auf manche hat bereits Stimming
hingewiesen, doch läßt sich ihre Zahl bedeutend vermehren. Von
textlichen Berührungen führe ich an: 12a 8 = 121) 5 + 9, 16a 15.
16 :16b 15. 20, 21a .3. 4 = 21 b 2. 3, 23a 7 : 23b 5, 24a 4 = 24b
^, 24a 5 = 24b 1, 24a 15. IG = 24b 10. 11, 30a 20 : 30c 2 usw..
33a 12 :33b 12, 34a 19 : 34b 13, 35a 5 = 351. 9, 35a7:35bl2,
35a 8 4- 10: 35b 14, 35a 8:35b 6, 37a 18. 19.37b 15, 47a 1+4:
47 b 2. Auch der Gedankeninhalt ist oft ziemlich derselbe. Norh deutlicher
als in A No. 13, das St. S. XXVIl anführt, zeigt sich formale Über-
einstimmung wie correlater Inhalt in M 83a und b (Raynauil Rec. I 1 10):
83 a
Quant dofine la vcrdour
Que meurt la fuelle et la floiir
Et par pr(i et par hoscage
83b
Quant repaire la dolror
Que pert la fuille et la ßour
Et par pre et par hoscage
») 48a l = 48b 11. 12 = Mü 14. 15.
32
Referate und Rezensionen. E. Stengel.
Font li oisiel grant baudoiir.
Mon euer qu'est en grant trister
6 Et me met en mon corage:-)
Car j'ai mis tout mon aage
En fine arnor
9 Sanz uul retor,
Et nuit et jor
M'estuet penser:
12 Car j'ai done
Dieus quar j'ai donne
Cuer et cors pour bien amer.
Das Gleiche gilt in abgeschwächtem Maße für XCIII und XCIV der
Oxforder Sammlung (Eaynand II 34 fF.), die also, obwohl sie ols zv\'ei
selbständige einstimmige Eondels überliefert sind, doch wohl als Lieder-
texte der beiden Oberstimmen eines einzigen Motetts anzusehen sein
werden (was auch für die beiden Trioletts XCV und XCVI und wob!
noch für weitere Nummern derselben Sammlung zutrifft) :
Font eil oisel grant tristour
Qui n'i f(int point de sejour,
Lors ne me vient en courage
De servir en nul aage
Bone amour
Pour sa baudour,
Ne nuit ne jour
No puis penser.
Dieus qui m'a done
Cors pensant et cuer amer.
xcm
J'ai ameit et amerai
Trestout les jours de ma vie
Et plus jolive an serai,
J'ai bei amin cointe et gai
Fai ameit et amerai.
II m'aimme, de fi lou sai,
II ait droit, je suis s'amie
Et loialtei li ferai.
Fai ameit et amerai
Trestout les jors de ma vie
A'
B
A2
a
A'
a
A'
B
A2
XCIV
J'ai ameit, plus n'amerai:
Ke loiaulteit est faillie
Vers ma dame, bleu, lou sai.
Jamals ne m'i fierai;
J'ai ameit, plus xCamerai.
Fok est bons qui ait cuer \rin
Qui en teil feme se fie.
Et por tant m'an retrairai,
J'ai ameit, plus vi' amerai;
Ke loialteis est faillie
Vers ma dame, bleu lou ?ai.
Et plus jolive an serai.
Den Texten der Motette hat Stimming S. 114 — 140 wertvolle
Anmerkungen beigegeben. Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit der
Erklärung einer Anzahl Worte und Konstruktionen. S. 114 wird
die Verwendung des Ausspruchs amours vaint tout im Provenzalischen,
Lateinischen und im Prolog der „Canterbury Tales'' erwähnt. Später
(S. 144) wird dann von R. A. Meyer in: amours vaint tout fors
cuer de felon ein als Refrain verwandtes Sprichwort vermutet. Das
hätte allerdings als Tatsache einfach erwiesen werden köimen durcli
Hinweis auf meine Anm. hier XXI i S. 21 zu No. 361 der Oxforder
Sprichwörtersammlungen, dazu kommt noch die Variante in No. 39
der von E. Langlois veröffentlichen Vatikanischfn Sammlung; vgl.
überdies Otto, Die Sprichicörter der Römer Leipzig 1890 S. 17. —
Was S. 115 üb?r das Vireli gesagt wird, ist ungenau. Übersehen
sind meine darauf bezüglichen Darlegungen hier XVI S. 94 ff", und
-) Der Text dieser Zeile ist offenbar verderbt.
Die altfranzös. Motette der Bamberger Handschrift. 33
Jahresbericht B. III (1891-94) S. 8. Pfuhl's Angaben, auf die
verwiesen wird, sind gänzlich verworren. — A 16a. Wegen des ton-
malendeu Nachtigallrufes oci, oci vergleiche jetzt auch Nyiops „Etüde
sur les onotnatopSes'^ (Bullet, de l'Acad. de Danemark P'06
S. 337). — A 23a. Zur Form der Lieder von der Belle Aelis vgl.
noch hier XIX^ S. 10 f. — A 34b 19. Hier war doch auf Thurau's
Buch „Der Refrain in der französischen Chanson"' Berlin 1901
zu verweisen. — A 37a 1. Wegen des Sprichworts de si haut si bas
vgl. noch die Beleg-Sammlung bei P. Scliepp Altfrs. Sprichwörter
und Sentenzen, Borna-Leipzig 1906 S. 45 f. XIV. Eine weitere
Beigabe steuerte S. 141 — 184 Dr. Rud. Adelb. Meyer, ein ehe-
maliger Schüler Stimniing's, bei. Er will die in den mitgeteilten
Motetten enthalteneu Refrains nachweisen, hat aber auch die
Zeilen herausgehoben, die seiner Ansicht nach Refraincharakter tragen
oder die Stücke von Refrains zu enthalten scheinen. Ich würde es im
Gegenteil für nützlicher gehalten haben alles Unsichere auszuscheiden.
Da die in den Motett-Texten selbst in Refrainfunktion auftretenden
Zeilen sowohl populäre wie höfische Motive, wie Spiichwiirter und
Sentenzen aufweisen, Zeilen ähnlichen Ciiarakters aber natürlich auch
überall sonst in den Texien vorkommen, werden diese letzteren doch
nur dann als Refrain angesprochen werden können, wenn bestimmte
zweifellose Indizien dafür sprechen. Das trifft aber für viele Fälle,
in denen Meyer eine Refrainz^ile vermutet, durchaus nicht zn. Die
beigebrachten Parallelstellen allein sind dazu oft nicht ausreichend,
und nur, wenn sie sich mit dem Wortlaute der betreffenden Motett-
zeile genau decken, bedeutsam. Aufgefallen ist mir auch, daß die
Refrains der Oxt'order Ballettes so wenig zur Vergleichung herangezogen
sind (Lh finde überhaupt nur den von Bai. 155 auf S. 158 angeführt),
obwohl doch gerade von ihnen hier XXVIII ' (1905) S. 72 eine über-
sichtliche Zusammenstellung gegeben war, und obwohl sich aus dieser
zahlreiche recht auffällige Übereinstimmungen ohne weiteres ergaben.
Ich verweise für A la 37. 38 auf Ball. 46, für 6a 7. 8 auf Ball. 160,
für 81> 9. 10 auf Ball. 50, für 12a 6. 7 auf Dal!. 150, für 24a 5. 6
auf Ball. 179, für 26b auf Ball. 91, für 30c 7. 8 auf Bull. 83, für
541) 9- 12 auf Ball. 157, für W 3a 1 auf Ball. 96, für W 20a 6 auf
Ball. 15 und 55; für W 14a 1. 2 auf Ball. 114, — Der Refrain in
A 54a Deus! par ci va la mignotise Par la ou je vois findet sich
auch noch bii Rayn. Mot. I 95, bei Ailara de la Haie ed. Consemaker
S. 256, Die angeführte Stelle auf S. 333 eehört dem Jeu d'Adam
an, und habe ich sie dort kürzlich (hier XXXI 2 S. 18) mit d'-n vorauf-
gehenden Zeilen als späteres Einschiebsel bezeichnet. Wenn Meyer
bemerkt, in den Parallelstellen stehe im zweiten Verse überall ci statt
la, so trifft das doch nicht für die des Tournois de Chauvenci zu. —
S. 176 (vgl. auch S. 229) findet sich ein interessanter lateinischer
Cento abgedruckt, der sich hinsichtlich seines Strophenbaus als ein
fünfstrophiges Rondel darstellt, und zwar enthält jede Strophe wie
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXIls. 3
34 Referate und Rezensionen. E. Stengel.
auch die ältesten französischen Rondels im Roman de Dole nur K
Zeilen. Die Vetknüi)fung der Strophen ist hier folgende:
Str. 1: a'g Ag a^g b^g Ag Bg, Str. 2: a^g Ag a^g b^g Ag Bg usw.
Sie bietet also eine bedeutsame Variante zu den beiden Texten, welche
ich hier XIX^ S. 1 1 für das Lied von der Belle Aelis erschlossen
hatte, gibt, aber zugleich eine willkommene Bestätigung von der gleich-
zeitig angenommenen Mehrstropliigkeit des ältesten Rondels, Ein
ausführliches Glossar, ein Namen- und ein alphabetisches Ver-
zeichnis der in den Motetten verwandten Gedichte, sowie ein Index
zu den -\nmprkupgen beschheßen die sehr interessante und sorg-
fältige Publikation.
Greifswald. E. Stengel.
L'estoire Joseph herausu'b. von Ernst Sass. Berliner Disser-
tation. 1906, 120 S. 8«. [Gesellschaft für romanische
Literatur Bd. XII ]
Der „sermon''^ von der Gpschichte Josephs ist uns in drei Hss.
überliefert, von denen zwei (PR), eine ältere und kürzere, eine (A),
eine jüngere und stark erweiterte Fassung bieten. Beide Fassungen
haben aber dieselbe poetische Form, das 6-silbige Reimpaar. Inhaltlich
geben sie uns eine nicht ungeschickte Paraphrase von mehieren
Kapiteln der Genesis. Stil und Sprache weisen auf eine ziemlich
frühe Abfassung, zirka um 1165, Die erste Ausgabe des Textes
verdanken wir W. Steuer, der vor drei Jahren beide Redaktionen
abdruckte. Für die ältere legte er die Hs. R, von welcher ihm
Zenker eine Abschrift zur Verfügung gestellt hatte, zu Grunde und
fügte nach der Abschrift L. Pujots in Paris die Varianten von P
und A hinzu. Die Varianten von A, dessen Text er anhaiigweise
vollsiäiidig mitteilte, hat er allerilings nur von den Zeilen ausgehoben,
welche ihm mit RP deutlich zu korrespondieren schienen. Die am
Text-Rande beider Fassungen abgedruckte Konkordanzzählung macht
die in Frage kommenden Zeilen kenntlich. Eine im ganzen an-
erkennende Besprechung Mussatias und eine kürzere von Herzog
brachten neben einer Anzahl Einzelbesserungen auch prinzipielle
Einwendunsen gegen einige unnötige Änderungen des Giundtextes,
wie Wünsche nach Ausmerzung evident jüngerer Schreib- und Sprach-
formen. Die Varianten von P ließen Tobler diese als die richtitrere
Grundlage des Textes erkennen und veranlaßten ihn, Sass zu einer
neuen Ausgabe des Gedichts und zunächst zur Anfertigung einer
neuen Ab-chiift von P aufzufordern, da St. davon nur eine mangel-
hafte Abschrift vorgelegen haben müsse.
S. hat sich diesen Aufgaben unterzogen und, wie er angibt,
130 Abweichungen der Hs. P von der aus St. 's Ausgabe zu er-
schließenden Abschrift festgestellt, darunter 2 ausgelassene Zeilen
IJestoire Joseph. 35
1190 und 1298. Leider hat er es unterlassen, eine Zusammenstellung
•dieser Abweichungten zu geben, oder sie irgend wie hervorzuheben.
Es würde sich dann freilich auch herausge-^ teilt haben, daß es sich
doch in den bei weitem meisten Fällen nur um ganz geringfügige
Schreibfehler handelt. Auch die Hs. A hat S. mit St. 's Abdruck
teils selbst kollationiert, teils hat ihm eine Kollation von Frl. A von
Biilow vorgelegen. Hier soll sich eine noch weit größere Zahl von
Fehlern ergeben haben, allein 45 in dem Lied nach Z. 210 des
St. sehen Textes und 10 ausgelassene Zeilen. (Eine aufgefallene
Stelle von 8 Zeilen teilt S. in der Anm, zu Z. 855 seines Textes
mit, die beiden anderen Zeilen aber anzugeben hat er bedauerlicher-
weise ebenso unterlassen, wie die sonstigen Resultate seiner Kollation).
Trotzilem nimmt sich die ausfallemle Kritik gegen den Pariser
Abschreiber „der sich archiviste paleographe nennt" namentlich im
Munde eines Anfängers recht unschön aus und hätte nicht ausgesprochen
werden so len.
Auf Grund seiner neuen Kopie von P gibt nun S. eine neue
Ausgabe des Sermon. Sein Text hhnt sich eng an P an, ohne
indessen auch in der Schreibweise sich streng an die>e Hs. zu binden.
Die Fälle, wo er von P (R) in orthographischer Hinsicht abwich,
sind in < inem besonderen Corpus als Laut- (besser: Schreib-) Varianten
am Fnß.-nde jeder Seite zusammengestellt, darüber stehen getrennt
die ei_fentl:chen Sinnviirianten, der Hss. RA, eine zweifellos piakti>che
Scheidung, wenn auch hier und da ein Fall aus der einen in die
andere Gruppe zu setzen wäie. Die Sinnvarianten von A sind
ähnlich wie bei Steuer nur dann gegeben, „wenn Gruppen von zwei
oder mehreien Versen denselben Gedanken in ungefähr derselben
Form wie PR wiedergeben, auch wenn die beiden Bestamlteile eines
Versp;iares in A in umgekehrter Reihenfolge auftreten". Durch
Klammern neben dem Text sind die Stellen, wo A verglichen ist,
kennt Hell gemacht. Unter Berücksichtittung der Konkordanz in St.'s
Ablruclv von A lassen sie sich dort leicht kontioUieren und ergänzen.
Let/.teres ist, wie sich aus Nachstehemlein ergibt, allerdings sehr oft
nötig. St.'s Abdruck von A kann also bei der Beurteilung von S.'s
Ausgabe der älteren Fassung nicht entbehrt werden.
Das Hss. -Verhältnis faßt S. genau so auf, wie St.: PR gehen
auf eine gemeinsame Vorlage zuinck, A dagegen bietet den erweiterten
Text einer teilwise besseren Votlage. Die sich daraus ergebende
Konsequenz, daß alle von PA oder RA gestützten Lesarten der
ältesten erreichbaren Fassung des Textes angehört haben müssen,
wird aber weder von St. noch von S. streng beachtet, und noch
weniger die Möglichkeit stets genügend berücksichtigt, daß PR gegen-
über a'ich A allein das Richtige bieten kann. Schon ihr eklektisches
Verfahri-n in der Heranzich mg von A deutet darauf hin. Ich will
hier, was den letzteren Fall anlangt, zunächst nur auf die Stellen
von PR hinweisen, welche in A fehlen und, soweit entbehrlich, auch
3*
36 Referate und Rezensionen. E. Stengel.
im Original gefehlt haben können. In der Ausgabe von S. ist auf
diese vermutlichen Texterweiterungen von PR nirgends hingewiesen.
Für unentbehrlich halte ich nur 781 — 782, welche die Überantwortung
des verhafteten boteiUier und paneiier an den Kerkermeister ent-
halten, der sie dann erst weiter dem bereits im Gefängnis befindlichen
Joseph 0 se fia übergibt. In A übergibt Pliaraon selbst die
ungetreuen Diener an Joseph le sene, der danach zum Gefängniswärter
statt zum Gefangenen gemacht wird und dem Pharaon schon jetzt
bekannt sein müßte, während doch erst später durch den Mumischenken
des Herrschers Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt wird. Erforderlicli
scheinen auch 917 f. und 921 f. Alle übrigen Pluszeilen von PR
können aber ohne weiteres fehlen, hier und da freilich nur. wenn
gleichzeitig der sie umgebende Text nach dem Wortlaut von A
umgestaltet wi-'d. Es kommen folgende Stellen in Betracht: G5 f,
107 f., 125 f., 329 f., 347 f., 381 f., 401 f., 407 f., 467 f., 517 f.,
573f., 757—60, 771 f., 835f., 889 f., 913 f., 943^48, 975 f.. 1015 f.,
1033 f., 1037 f., 1067 f., 1117 f., 1225—28, 1281 f.. 1295 f..
1349 f., 1357 f., 1441 f., 1463 f., 1541 f., (man beachte die Vat.
zu 1539 f.), 1565— 70(?), 1573 f. Das wären 78 Zeilen (meist
einzelne Reimpaare), und würde ihre Unterdrückung die Gedrungenheit
des Stils unseres Sermon noch wesentlich verstärken. In manchen
andern Stellen, wo PR keinen befriedigenden Text bieten, läßt sich
ebenfalls aus A eine annehmbare Lesart entnehmen oder gewinnen,
jedenfalls mußte A dabei erwogen werden. Öfters hatte schon St.
derartige Besserungen vorgenommen, andere sind von S. eingeführt
oder in den Anmerkungen vorgeschlagen, für manche weitere Stellen
aber hat er, ohne die Lesart von A auch nur anzuführen, den Text
PR unverändert beibehalten. Ich führe nur folgende Fälle an, und
hebe durch vorgesetztes * die Fälle heraus, in denen die Lesart A
von S. dabei ganz unberücksichtigt blieb. *27 — 30 PR: Abraham
fu ses aives . . .]. Qui -H jjarleit (b.: parloit od. parlot) sovenf
0 deu V onipotent, Dameldeus Jurist ostal Chics icestni vassal
z= Q. si p. a de Com ans a son prive. ChiSs icel hon
vassal Frist diex. 1. hon ostal A 31 — 34. In der Anm. hebt S.
die Anstößigkeit des si in 27 hervor, wenn man mit St. einen Punkt
nach 28 setze, aber auch seine eigene Interpretation ist nicht
unbedenklich: „der sich so oft mit Gott besprach, so vertraut mit
ihm war, daß Gott bei ihm einkehrte"; denn dann würde doch si
einerseits besser unmittelbar vor sovent stehen, andererseits Abraham
nicht breitspurig durch icestui vassal und deu V onipotent durch
dameldeus aufgenommen sein. Nach der Lesart A li< gt si . . . com
vor und zerfällt die Stelle in zwei selbständige Sätze. Ich würde
nur A 34 durch PR 29 ersetzen, oder auch PR 29. 30 intakt
belassen. — 85 f.: JLia esteit la mere {l'ainsnee A) Mes il ne
Vameit [h.-moit) guere (M. n'estoitpas senee A). Mere in der Bedeutung
major natu ist wenigstens bei God. nicht belegt. — *93 — 98 fehlen
L'estoira Joseph. 37
A wegen einer Textlücke. Der normannische Reim ot : pesot 97 f.
ist daher nicht sicher, wie von Sass S. 12, 3 behauptet wird; das-
selbe gilt von dem dort nicht angeführten Reim esveillot : ot 891 f.,
sodaß der Dichter die Einheitsendung -oit ausschließlich verwendet
haben mag. Hybride Schreibungen wie parleit 27. ameit 86, alot :
haot 31 f., vencient : ma7ije{ent etc. (s. St. Seite 4*) deuten ebenfalls
auf erst nachträgliche Norniannisierung des Textes — *113 — 116:
Tant lYCel Ajaleta la heJe 0 sa blanche (A seinte A) mamels,
Tant qu (Quant fij il fu circoncis ; Joseph li fu nons mie
Die Lesart PR besagt mit lästiger Wiederholung von Tant, daß
Jesus von der Gottesmutter nur bis zur Beschneidung gesäuut wurde.
Der erste Satz würde überdies in das zweite Reimpaar übergreifen,
was sonst, wie schon Mussatia andeutete, vermieden wird. Man lese
wie A, natürlich unter Einfügung von sa in 114, und setze vor 115
einen Punkt und dahinter ein Komma! — *N;ich 144 PR scheinen
zwei Zeilen au-gefallen zu sein. Aaa fu apelee Et si fu s'espousee
lauten sie in A 155 f. und könnten entstellt sein aus Lea Ju a.
Sa premiere e. — *413 — 16: Pais lor [d. h. den marcheaiis]
out fei le pris [welchen sie für Joseph zahlen sollen] Po7' deniers
treis feiz dis. Judas dist: 'Nel vendron, Se itant neu avon =
Por d. .XX. et dis Tos en est fais li pris. -Se 7ios tant nen avons,
Ja nel vos mostrerons'' A 481 — 484. Beide Lesarten sind holprig.
Judas hat eben vorher den Knaben angepriesen. Ich möchte daher
lesen: Pais L out (od. ot)f. le p. Por . . Si lor dist Nel ü. Se . . —
'■'481 — 484 PR: La cote au jovencel Taingneni de sanc iiovel;
ein veel ont ocis Por le sanc qui ont mis [Et le s. en o. pris R)
= La gonele a l'enfant Moillent tote de saiic Mort en ont .1. chavrel
Por avoir sanc novei A 613 — 616. Die Lesart 484 P ist äußerst
ungeschickt, zumal i doch eher auf veel 483 als auf cote 481 bezogen
werden müßte, besser ist schon die Lesart R, doch steht ihr eine
teilweise Kombination PA gegenüber. Weit glatter ist die Lesart
A, in der wohl nur cnt>precl)end PR gonele durch cotele {= 186)
und chavrel durch veel zu ersetzen wären. — 768 Au mestre charterier
{chanceller PR) = A un maistre chartrier f^ 1072. Die dreisilbige
Schreibung charterier ist erst von S. eingeführt und zwar im
Widerspruch zu 781, wo auch er chartrier schreibt. Die längere
Form wird dem Dichter schwerlich zukommen, ebensowenig wie
menesterraus 775, menesteral 1227; vgl. auch das für unseren
Text unzulässige vivera 967. Wollte also S. das durch Ver-
wechselung von chartre = 'Kerker' mit chartre = 'Urkunde' ent-
standene chancelier von PR nicht beibehalten, so mußte er die voll-
ständige Lesart A in seinen Text setzen. — 891 f. Li reis s'en
esveillot {s'esperisoit Aj Le la poor quil ot (qiCavoit Aj. Vsd. das
zu 97 f. Bemerkte. — 915 PR El hres = Adonques A 1211 —
1125 f. PR Commanda les her Et en prison jeter ^= Qu'il les
face l. Et doner a chartrier A 14 53 f. Durch Einsctzum^ von A
38 Referate und Rezensionen. E. Stengel.
1454 für 1126 PR verj^chwindet der atistößige Reim von jeter:
-ie — 1183 f. PR: Por ce est em prison Benus chiers fiz (B. f.
eh. R) Symeon = F. coi e. en p. Mt^s eh. f. S. A 1521 — 22, Eist das
Mes von A macht die Konstruktion dnrcbsichtiir — 1229 PR
Vindrcnt = Vineni A 15ü5. Wenn 1225 — 28 PR, welclie eben-
falls Pröterita bieten, als Einschiebsel zu betrachten sind, so schließt
sich Vienent unmittelbar an entrent 1224 PRA an.
Die von S. ohne weiteres bevoivugten Lesarten P können als
gesichert erst gelten, wenn sie durch A ge>tützt werden. Das ist aber
auch öfter da der Fall, wo S. A nicht berücksichtigt hat, so 79 f, :
PR Cliascuns ot tant de (de t. Rj fei QuHflJ le cuideit de sei. =
Chasciws i ert por soi, Tant avoient de foi. A 85 f. Hier wird
tant de P 79 durch A 8fi gesichert. — 484 PA gegen R s, oben
— 619 PA Mut gegen Mnet R — 620 PA Par gegen Por R —
Wichtiger sind die vonS, unberücksiciitigt gelassenen Falle, wo eine
Kombination RA gegen P vorliegt, dieses also zu Gunsten jener aufge-
geben werden mußte. Praktisch läuft es hier meist auf eine Wieder-
herstellung des Steuerschen Textes hinaus. Dahin gehören; 35, 36 HA
Steuer: Por . . .por gegen Par . . .par P Sass — 50 en reniuiers
gegen a r. — 194 en meson gegen a m. — 344 tert gegen est — 380
R Steuer: avrons,/K: avons gegen avreiz P Sass — 580 en Ä«??iaincegen
soz sa m. — 606 R Steuer: Senz toute mesprison, A: «S. nule in.
gegen: Tote s. m. P Sass — 611 Jarsa grant tralson gegen Et.
par sa t. — 775 R Steuer: Pjt o ses meuestraus, A: Contre s.
m. gegen: 0 s. menesteiaus P Sass (vgl. 1027 und oben 768
ehartrierj — '"'•802 RA Steuer Sass: sor son chief gegen s. le eh.
P — 849 f. R Steuer: mout iis pres De mort, A 1152: Car ia
mort est moult pres gegen: mout ert pres De inort P Sass. Die
direkte Rede ist hier allein am Platze — 885 Tant (Si Pi) chaitives
et maigres gegen : T. eh. tant m. — 894 Autre vision gegen A
avision. Sass läßt in seinem Texte beide Formen zu, doch ist nur
vision sieher verbürgt. Auch 405 bietet A: cele vision gegen c.
avision PR, 786 i vision gegen avision. 193 umgekehrt une avision
gegen une vision, 1531 fehlt A get^en D\wision; gänzlich belanglos
sind natürlich 911. 1232: s'«^7^s^07^ gegen 971 : sa vision, 2\A. 938.
943: la vision. Da 814 gegenüber R: dous visions, P: leurs visions
in A (zu 8 13): la vision steht, b weist aucli dies-r Beleg nichts zu
Gui sten von insions, wohl aber tut dies 866 RPA vision — 906
ni avoit gegen n'aveient — 967 R: Que la gent ne vivra, A: De
ce vivra ta gens gegen: Que la gent vivera P Sass. Es wird zu
lesen sein: Que la gent en vivra, vielleicht mit Unterdrückung des
Qu' der Z, 966. — 9(58 Quant ge^en Que. — 1216 A: A(? set ahan
sosfrir, R: Ne puet a. s. gegen: Ahan ne s. s P Steuer Sass —
1283 R Steuer: Contre lui sont leve, A: Cil soyit vers lui ale
gegen: Cil sont contre leve P Sass. Man lese: Cil s. vers lui l. —
1320 Met el (ou R) sac al menor gegen M. ou s. du m.
Louis TJiomas. Les dernihres lecons de Marcel Schwob. 39
Interessant ist noch 1219, weil der unnützen Änderung Steuers
voo mon filz PR in mes f. auch von A 1557 widersprochen wi'd.
Alles in allem hat S. den Steuerschen Text in materieller Hin-
sicht nicht wesentlich verbessert; nur das sprachliche Kleid hat ein
altertümlicheres Aussehen erhalten, wobei es indessen mehr als zweifel-
haft bleibt, ob der ursprünglichen Dichtung das normanni-che Kolorit
zukam, welches sie in der von S. zu Grunde gelegten Hs. P erhalten
hat. Ich verweise dafür besonders auf das bezüjilich der Imi)erfekt-
Endung zu dem Reim ot: pesot 96 f. oben Bemerkte. Die Einleitung
bietet auch sonst nicht viel von Belanjr, wohl aber enthalten die reich-
haltigen Anmerkungen manches Beachtenswerte. Das angehängte
Wörterverzeichnis hätte aui^führlicher sein können, da selbst manches
in den Anmerkungen besprochene Wort keine Aufnahme darin ge-
funden hat,
Greifswald. E. Stengel.
Thomas, Louis. Les demüres lefons de Marcel Schioob sur
Frarifois Villon. Avec un facsimile d"uiie page du manuscrit
de Stockohlm [sie]. Paris, fiditions de Psyche, 1906. 47 S. 8^.
Der Name des vor einiger Zeit verstorbenen Marcel Schwob
ist jedem, der sich mit dem Studium Villons beschäftigt hat, geläufig,
denn unter allen jenen, welche ihre Aufmerksamkeit dem ersten modernen
Dichter Frankreichs zuwendeten, hat er zur Erforschung seiner
abenteuerlichen Lebensverhältnisse und zur Aufhellung des oft so
dunklen Sinnes seiner Dichtungen unstreitig am meisten beigetragen.
Ein umfas'^endes Werk über Villon und die Gesellschaft seiner Zeit
abzuschließen war ihm leider nicht veigönnt. Seine letzten Arbeiten
auf diesem Gebiete waren die Herausgabe des Parnasse satynque
und jene des Stockholmer Villon- Manuscripts (Lais u. Testament),
welche jedoch beide, infolge ihres exorbitant hohen Ladenpreises
weiteren Kreisen verschlossen bleiben werden. Zu zeigen mit welchem
Scharfsinn Schwob interpretierte und ihm als Kenner und Erläuterer
Villons ein Denkmal zu setzen, ist der Zweck der vorliegenden kleinen
Schrift, gegen welche man einwenden könnte, daß Schwob sich in
seinen Arbeiten bereits selbst ein genügendes Denkmal errichtet hat.
Thomas bietet auch in seiner Würdigung absolut nichts neues. ¥a-
scheint wohl hin und wieder einen Blick in die einschlägige Literatur
getan zu haben, zu selbstständigeu Resultaten gelangt er aber nicht.
Er beschränkt sich darauf, Schwobs Noten zum Parnasse saiyrique
durchzusehen, jene Stellen herauszuheben, welche bei Villon ein Gegen-
stück finden und sie dann zur Erläuterung der letzteren zu verwenden.
Die Varianten des Stockholmer Manuscripts hatte bereits Long nun
in seiner Villonausgabe mitgeteilt, und es ist nicht ersichtlich, warum
der Verfasser einem so verstümmelten Text, wie ihn diese Handschrift
von der Ballade des danies du iemps jadis bietet, solche große
Bedeutung beilegt.
40 Referate und Rezensionen. Wolfgang v. Wnrzbach.
Wäre der Verfasser in seinen Forschungeu über Schwob hinaus-
gegangen und hätte er sich ein wenig in der zeitgenössisciien und
zeitlich auf Villen folgenden Literatur umgesehen, so hätte er noch
manche interressante Parallele gefunden, die vielleicht dazu beitragen
könnte, uns dem Verständnis des Textes näherzubringen. Es sei uns
gestattet, im Anschlüsse an die vorliegende Schrift und an das in den
Noten unserer Villonausgabe gegebene Material hier noch auf foiijende
Einzellieiten hinzuweisen (L= Lais, Pttit Test.; T= Testament,
Grand Test.; PD= Poesies diverses).
L. 4. Le frain aux dens. — Vgl. Reprendre le frein aux
dens. Belleau, La reconnue, Aiic. Th. fran^. IV. 376.
L. 31, 32. Phinter me fault aut r es compla n s Et f rapper
en vng autre coing. Zu dieser Stelle ließen sich außer dem von
Th. angeführten Eondeau auch noch andere Parallelen herbeiziehen.
Die hier verwendete, verblümte Ausdrucksweise begegnet in der Poesie
jener Zeit häutig. Vgl. Veu qui frappoient si hon coing {Parn. satyr.
S. 14 8. ^' Si nest il que fraper en coing (Anc. j)oes. franp. VI. 200),
die Parn. satyr. S. 287 zitierten Verse von Moliiiet und die bei Byvauck,
Specimen (1«82) S. 138 angeführten Zitate. Ähnlich ist moudre sa
farine ailleurs (Belleau, La reconnue, Anc. Th. frang. IV. 369, 372.)
L. 72. Zu der vielumstrittenen Stelle, wo Villon seinem Oheim,
dem Kaplan Guillaume de Villun „mes tentes et mon pavillon"
vermacht, ist /u bemerken, daß di 'se beiden Ausdrücke in der
anzösischen Poesie wiederholt mit einander genannt werden. Schon
bei Chrestien de Troyes (Yvain V. 2803 f.) heißt es: Et il va tant
que il fut loing Des tantes et des paveillons.
L. 83. Zu dem Legat des „branc d'assier tranch ant" vgl.
man Parn. satyr. S. 269.
L. 149. Trou de la Porame de Pin. vgl. Tabarin (Ed. d'
Harmonville S, 169.): Vous mesme, lautre joitr en allant des jeuner
ä la P. de P.
L. 152. Zu planter = plaisantcr vgl. Parn. satyr. S. 125.
L. 186 Vng canart. Bailleurs oder donneurs des canarts
a moitie hießen die Vogelhämiler, welche ihre Waare angeblich sehr
billig, um den halben Preis verkauften. Dann kam der Ausdruck zu
der Bedeutung „B trüger" und canard hieß ..Lüge". Angidique luy
a baille ce canard ä moitiS (Fr. d'Amboise, Les neapoiitaines 1584.
Fournier, Le Th. frang. au XVI. et XV IL siede 1. 398. Vgl.
auch Comedie des proverhes III. 7). Doch war Caignard aiich der
Name einer kleinen Straße (Dufour, Rist, de la prostituiion. IV. 78).
L. 192. Houseaulx saus avantpiez. Man vgl. d;izu Chausses
semellees laillees chez mon cordouannier (L. 159) und Ou Psaul-
tier prens, quand suis a mestne Qui ii'est de beuf ne cordoen
(T. 46). Meiirere Zweideutigkeiten dieser Art enthält ein bei Campaux,
Villon S. 347 abgedrucktes Rondeau. Man vgl, Parn. satyr. S. 262 f.)
Louis Thomas. Les dernieres lepons de Marcel Sc/ncob. 41
T. 160. Valerc ]e grant (i. e. Maximus). Vgl. Anc. Tli.frang.
IX. 355, 356. {ComSdie des com6diens, 1633).
T. 179. Plus noir que meure. Yg\. fro7/er son trau qui est
plus noir que meure. (Parn. satt/r. S. 127.). Li 7yiaufe plus
?ioir que meure (Rutebuef 109).
T. 208. A peu que le euer ne me feiit. Mau vgl. hierzu
außer den beiden von mir zitierten völlig gleichlautendeu Versen
(Anc. poes. franc. VII. 212 und Anc. Tli. frang. III. 183) uoch
eine Stelle iu Trottereis Zes corrivaux (1612), wo es heißt: a peine
que mon coeur en deux ne s'est fendu. (Anc. Th. franf. VIII. 272.)
T. 313 ffg. Et meure Paris et H elaine, etc. Zu diesen Versen
vgl. man die ähnlichen in der Moralität L'homme p^cheur, aufgeführt
Tours c. 1490. (zitiert bei Petit de Julleville, La comedie et les moeurs
4. £d. S. 84 f.).
T. 316. Son fiel se creve sur son euer. Vgl. le fiel jusques
au coeur nous touche. Belleau, Lareconnue. Anc. Th.frang. IV. 359.
J. 392. Der Refrain der Ballade en viel langage francois:
Autant en empörte ly vens erscheint als sprichwörtlich in der
Comedie des chansons (1640), Anc. Tit. fr. IX. 225.
J. 669. Plus douces luy sont que civetes. Vgl. Anc. Th.
fr. VII. 123 (Tournebu, Les contens 1584): Tu trouverois la fumee
des canons et mousquetades plus doucc et aromatisante que la civete.
T. 697. Du ciel, une paelle d'arain. A un henoinonluy
feroit crolre que les nu4es sont des pO('slesd'airain(Com.desproverbes
1633 Anc. Th. fr. IX. 59).
T. 740. D'angoissemainte poire. Je veux leur faire manger
des poires d'angoisse (Com. des proverbes. 1633. Anc. Th.fr. IX. 76,)
T. 100611". (vgl. L. 89 ff.) Das dunkle Legat dieser Strophe
erklärt sich Thomas so, daß Villen, von der Frau Saint- Amants zurück-
gewiesen, dieser Rache schwört, indem er ihrem Gatten eine jüngere
Geliebte oder ihr selbst einen unangenehmen Liehhaber verspricht.
Von diesen beiden Auslegungen scheint uns keine besonders glaub-
würdig. Zu der obszönen Anspielung auf die Frau Saint-Amants, die
in dem Ausdruck L'asne raye (so ist nach Anc. poes. frang. VI. 177
in lesen) liegen soll, vgl. man Parn. satyr. S. 8.
T. 1591. Zur Ballade de la grosse Margot vgl. man das
Gedicht Parn. satyr. LXVIII., zu dem Namen, der mit Dirne synonym
ist Dufour. l. c. V. 79.
T. 1668. Beaux enfans, vous perdez la plus Belle rose
de V 0 c h a p p e a u . Vgl. : J'ai perdu la, plus belle rose de mon chapeau
(Sprichwörtlich in der Com. des proverbes, Anc. Th. fr. IX, 25.)
'Y. 1722. Gardez vous tous de ce mau hasle. Vgl. Gardez
vostre (eint du hasle (Com, des chansons. Anc. Th. fr. IX. 222.)
T. 1783. Aller ä la montarde. Vgl. Enfans qui vont ä la
inoustarde Chantent de vous aux carrefours (Parn. satyr. S. 81
s. Note S. 259.) und die anderen bei Littre 3. 654 angeführten Stellen.
42 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
T. 1782. üuvroz vostre huys, Guillemette. Vgl. Tant
rous allez doiux, Guillemette (Com. des chansons, Anc. Ih. frang.
IX. 123); Pour un doux baiser, Guitlernette, le refuseriez - vousf
(ib. 126); Ouvrez - moy vostre huys, ouvrez - vioy mignonne, H
nest pas minuict (ib. 200.)
PD. 62. Ou qu'il soit rais entre meules flotans En
vng moulin, comrae fut saint Victor. Das Mystere de S. Victor
wurde 1425 zu Metz, 1476 zu Triel aufgeführt (Petit de Julleville,
Les my Steves II. 185.)
PD. 11 2 ff. Zu der Ballade des menus propos, deren Refrain
lautet „Je congnois tout, fors que moy mesmes" vgl. man das
Gedicht XXXV des JParn. satyr. (V. 2: Je congnoys tout se je m,e
congnoissoye.)
PD. 112. Je congnois bien mouches en let. Yg\. Aprenez
moi ä cognoistre mouches en lait. Tournebu, Les contens. Anc. Th.
franc. VII. 168.)
PD. 140. ffg. Die Ballade des Contreverites ist eine Parodie
der damals sehr populiiren Ballade Chartiers „// n'est dangier
que de vilain^ . N]A. Parii. satyr. Nr. XCI: ,,ll nest aise qu*
avoir urgent.'-''
PD. 499. ffg Le quatrain. Der erste Vers Je suisFran^ois
dont ce nie poise, wird allerdings erst durch Marcel Schwobs
Auslegung verständlich. Villen ledauert, ein Franzose zu sein, weil
er daher nicht, wie sein Mitschuldiger, der Savoyarde Robin Dogis,
anlfißlirh des Einzuges des Herzogs von Savoyen in Paris (8. November
1463) Begnadigung findet. Zugleich liegt in Frangois ein Wortspiel
mit dem eigenen Namen des Dichters. — Wenij^er gelungen ist die
Deutung des zweiten Verses Ne de Paris empres Ponthoise, worin
eine Anspielung auf die Gerichtsbarkeit des Prevost Villiers de l'Isle
Adam liegen soll.
Wien. • Wolfgang v. Wurzbach.
Le Parnasse Satyriqiie du Quinzieme Siede. Anthologie de
pieces lihres, publiee par M. Marcel Schwob. Paris.
Welter. 1905 in 8" VIII -h 333 S.
Toutes et Coiiteiirs ^aillards du XVllP siede. Recueil de
Pieces rares ou inedites publiees sur les munuscrits ou les
textes originaux, preface et notes bio-bibliosrraphiques. Ouvrage
orne de huit planches hors texte. Herausgegeben von
Ad. van Bever. Paris H. Daragon i) 1906. in 80 VII -j-
314 S. Prix 15 fics.
') Der Verlag von H. Daragon bringt in seiner „BihUothrquc du vieux
Paris" interessante Veröffentlichungen über das Sittenleben des XVlIl. Jhdts.,
so z.B. in „Les Socivtes (Tamour au XVI 11^ such" von J. Hervez. Doch
Le Parnasse Satyrique du Qumzihne Siede. 43
Deniachy, »1. F. Histoires et contes. Precedes d'une etude
historique, anecdotique et critique sur sa vie et ses ceuvres
et accompagnes de notes et commentaires par L. G. Toraude.
Paris, Charles Carrington 1907. in 4« CVIII f 621 S. (Cet
ouvrage n'est pas mis en vente daiis le commerce).
Kurz hingewiesen sei auf diese drei Veröffentlichungen aus dorn
Gebiete der erotischen Literatur. Die von Marcel Schwob nach einem
bekannten Manuskript der frz. Nationalbibliothek herausgegebene
Anthologie schlägt in ein wichtiges Kapitel der Literaturgeschichte.
Sie enthält Beispiele jener roh -derben, übermütig- unflätigen, schon
sehr persönlichen erotischen Dichtung, aus der Francois Yillon und
später Mathurin Reguier ihre Inspiration zogen.
Weniger in das Gebiet der Literaturgeschichte, als in das der
Sittengeschichte gehören die erotischen Verscrzählungen desXVIIL Jhdts.,
die Van Bever herausgibt, sowie die Histoires et Contes des J. F.
Demachy. Diese beiden Veröffentlichungen zeigen so recht deutlich
die literarische Minderwertigkeit von Produktionen, die nichts anderes
sind als gereimte Unflätigkeiten, an denen nur der mittelmäßige
Durchschnittspliilister, der in sinnlicher Beziehung gemein veranlagte
Dutzendmensch seine Lust hat.
Die nur das Beste heraushebende Auswahl Van Bevers gibt
wenigstens ein nicht ganz uninteressantes Bild von dem Leben dieser
niedrigsten Unterbaltungsliteratur des XVIIL Jhs. Wir finden wenigstens
hier und da etwas Witz und Verve, eine etwas höhere Fähigkeit den
heiklen Stoff durch eine leicht graziöse Behandlung über das aller-
tiefste Niveau zu heben. Dagegen sind die bisher gänzlich unbekannten
Histoires et Contes des Apotiiekers, späteren Piofessors der Pharmazie
und königlichen Censors J. F. Demachy (1728 — 1803) absolut wert-
los und jedes Reizes und Interesses bar. Das einzige Interesse, das
sie gewähren, ist psychologischer Art. Sie zeigen uns in ihrem
Verfasser das Bild eines jämmerlichen, schmutzigen, ekelhaften, stumpfen
Menschen mit einer gemeinen, jeder Erhebung unfähigen Seele. Eines
Menschen, dem auch das allerbescheidenste Küustlertum abgeht, der
mit seiner verdorbenen erotischen Phantasie im Trivialsten und
Banalsten stecken bleibt, wie in Sumpf und Schlamm. Das Manu-
skript hätte ruhig weiter schlummern dürfen, die schwülstige Vorrede
wenden sich diese Schriften und Ausgaben weniger an den wissenschaftlich
Arbeitondpn. Das gilt besonders oueh von der im gleichen Verlag er-
scheinenden Sammhing: „Le Baiser^ Etude litteraire du bai>er ä travers les
äges", von der erschienen sind „Le baiser ä Bahuhne et a Sodome" und ,,Le
hniser en Grece^. Herausgeber ist Bagneux de Villeneuve. Preis jedes
Bandes 8 frcs. Der Verlag l)etätigt sich auch auf dem Gebiet der Gehcim-
wisseuschaften mit Verüflentlichungen wie „Uisfoire mythique de Shatati" und
„Le tema!re magique de Shatan.'' Beide Werke Sind von Charles Lancelin.
Preis 7,50 frcs.
44 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
des Herau>gebers hätte riiliig ungeboren bleiben dürfen, und die
schlechten Zeichnungen G. Grellets, welche die traurigen Machwerke
ebenso traurig illustrieren, hätten ruhig unterbleiben sollen.
GIESSEN. Walther Küchler.
Picot, Emile. Les Frangais italianisants au XVP siede, t. P''
Paris, Honore Champion 1906. 8^> XI -f 380 S. 7,50 frcs.
Der gelehrte Verfasser des vorliegenden Werkes beabsichtigt
ein umfassendes Werk über die Geschichte der italienischen Literatur
in Frankreich im sechszehnten Jahrhundert zusammenzustellen. Wie
er in dem Vorwort seines Buches angibt, will er diese Geschichte
in folgende Abschnitte zerfallen lassen:
1. Les Italiens en France au XVF siede (italienische Fürsten
Feldherrn, Diplomaten, ßanqniers und Künstler, die von Ludwig
XII — Heinrich IV in Frankreich gelebt und dem französischen
Staat Dienste geleistet haben), i)
2. Les Humanistes et les Jurisconsultes italiens en France au
XVF siede. (Anzahl von Nachrichten über eine Menge von
Gelehrten, Dichtern, Beamten, welche zu dem Aufschwung der
literarischen und juristischen Studien beigetragen, aber nur die
lateinische Sprache angewendet haben).
3. Fes traJuctions frangaises puhUees au XVF siede d'apres des
ouvrages italiens. Dieser Teil soll vorzugsweise eine biblio.uraphische
Studie sein, welche dartun wird, daß in Italien während des
16, Jhdts. kaum ein Werk von Bedeutung erschienen ist, das
nicht ins französische übersetzt wurde).
4. Les Comediens en France au X VF siede. (Wiederaufnahme
der Arbeiten von d'Ancona und Bascliet unter Hinzufügung einer
Reihe von neuen Tatsachen).
.5. Les Auteurs italiens en France au XVF siede. (Matteo Bandello,
Luigi Alamanni, Gabriel Sinieoni und viele andere weniger bekannte).
6. Les Francais italianisants au XVF siede. (2 Bände, von
denen der erste uns vorliegt. Viele Artikel sind bereits erschienen
in der Revue des Bibliotheques et des Archives, 1898 — 1901).
7. Les hnprimeurs et les Lihraires italiens en France, les Im.
2?riineurs et les Lihraires francais en Italic au XVF siecle-
Der bis jetzt in Buchform erschienene Teil des Unternehmens
gewährt ein verblüffendes Beispiel peinlichsten Fleißes in biblio-
graphischen und biograpliischen Studien, in entsagungsvoller Sannnler-
und Zuträgerarbeit, Aber doch auch nicht viel mehr. Der Verfasser
wollte zusammenstellen, was während des XVI, Jhdts. von italienischen
Leistungen französischer Schriftsteller, Diplomaten, Beamten, Prälaten
1) Dieser als Einleitung gedachte Abschnitt ist zu seinem gröfsten
Teil bereits erschienen im „Bulhün italien"- I — V (Bordeaux 1901 — 1905).
Emile Picot. Les Frangais italianisants au XVI' siede. 45
ihm bekannt geworden ist. Hier hat er ein par Sonette entdeckt,
dort einige Reden gefunden, dort ein par offizielle Briefe und freund-
schaftliche Widmungen, dann und wann standen ihm auch in seltenen
Ausgaben ganze, größere Dichtungen zur Verfügung. Manchmal muß
er sich mit Andeutungen, daß dieser und jener in italienisclier Sprache
gedichtet habe, begnügen. So ist es z. B. mit Lancelot de Carle,
von dem Du Bellay in einem Sonett berichtet, daß er lateinische,
italienische und französische Verse verfaßt habe. Nichts destoweniger
schreibt Picot eine fünfzehn Seiten lange Studie über Lancelot de
Carle's Leben und Werke.
In einem am 6. August 1550 Rabelais bewilligten Privileg
heißt es, daß der Bittsteller verschiedene Bücher in lateinischer,
griechischer, französischer, toskanischer Sprache habe drucken
lassen. Mit Recht fragt der Verfasser, welches Werk konnte
Rabelais in italienischer Sprache verfaßt haben. Er weiß es nicht.
Warum belastet er uns mit zehn Seiten, in denen er im w'esentlichen
doch nur wiederholt, was die Rabelaisbiographen uns bereits genügend
ausführlich gesagt haben. Zwar gelingt es ihm festzustellen, daß
Rabelais bei der Ende Juli 1538 in Lyon zu Stande gekommenen
Begegnung zwischen Kaiser und König anwesend war. Aber dieses
Faktum ist ja für sein eigentliches Thema unbedeutsam.
Eine ausführlichere Studie widmet Picot mit Recht dem italien-
freundlichen, in der protestantischen Bewegung hervortretenden Francois
Perrot. Bei der Gelegenheit gibt er uns genaue Daten über das Leben
eines Onkels. Warum wohl? Weil später dieser Onkel ohne Zweifel seinem
Neffen den Gedanken eingab, in Italien zu studieren. Bei der Be-
sprecliung des Ingenieurs und Mathematikers Jean Francois du Soleil
erfahren wir, daß er zweimal verheiratet war, daß er aber einmal,
in einer Urkunde, die Namen der beiden Schwiegerväter verwechselte,
daß er zwei Töchter hatte, Anna und Elisabetta, von denen eine
von Renee de France mit einer Mitgift ausgestattet wurde, daß er
vier Söhne besaß, von denen Antonio 1583 starb, Giovanni 1570, Fran-
cesco 1599; von Vincenzo wissen wir nichts. Die Methode Picots wird
nai'h diesen kurzen, beliebig herausgegriifenen Beispielen klar. In ein-
tönigem Wechsel ziehen 21 Persönlichkeiten an uns vorbei, mit deren
Leben und Schriften wir bekannt gemacht werden. D. h. wir lernen
jeden Lebensumstand dieser Männer, der dem Verfasser bekannt ge-
worden ist, kennen, mag er auch noch so unbedeutend gewesen sein,
und wir erlangen eine genaue Kenntnis des Titels und der inneren
Einriclitung und Ausstattung ihrer Werke. Ohne Zweifel, wir erhalten
hier und da auch ein interessantes Detail, das eine gewisse literarische
und kulturelle Bedeutung hat, wir erkennen die Beziehungen, die das
vielgestaltige Leben, Politik, Religion, Wissenschaft und Poesie zwischen
den beiden Ländern schufen. Abei' weswegen sollen wir ein par nütz-
licher Notizen wegen gänzlich unnützen Ballast mitaufnelimen und
bezahlen? Die in gewissenhafter Sammelarbeit zusammengetragenen.
46 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
unendlich vielen Zettelchen, Schnitzel und Streifen hätten nun zu
knapper, abgerundeter Darstellung verarbeitet werden sollen. So
hätten wir statt eines stattlichen Bandes von 380 Seiten vielleicht
ein 50 Seiten langes Bändchen erhalten, das wir mit Genuß und
Gewinn hätten lesen können; statt der in Aussicht gestellten bände-
rcichen Serie, die zusammen etwa 50 frcs. kosten würde, hätten wir
ein wertvolles Werk zu 7,50 frcs. erhalten. So wie dieser Band
mechanisch-monoton zusammengestellt ist, haben wir in ihm ein
Spezimen jener Art literar-historischer Werke, die den Gehalt des
darzustellenden Stoffes oder Themas ersticken in einem Wust von
bio-bibliographischen Notizen, in einer Ansammlung von rein äußer-
lichem Material, das nur zu seinem allergeringsten Teil von be-
scheidenem Nutzen für die wirkliche Erkenntnis ist. Daß innige
Beziehungen zwischen der italienischen und französischen Literatur
im 16. Jahrb. bestanden, weiß man längst, auch über die Intensität
des Verkehrs und über den Grad der Abhängigkeit ist man sich klar.
Was immer von Wert sein wird, ist das immer erneute Studium
der Texte, um zu untersuchen, wie sich Geist an Geist bildet,
wie sich Form an Form schmiegt, wie eine IJee sich aus der
andern loslöst oder ihr widerstreitet. Aus der Masse der Details
das Gesamtbild herauszuschälen, es in seinen vielfältigen Nuancen
und Besonderheiten, in seiner historisclien Wesenheit wieder neu auf-
leben zu lassen, das ist die Aufgabe der literarhistorischen Forschung.
Nicht interesselose Biographien, die ja doch nur lückenhaft bleiben
mi'tssen, mühselig zusammenzustellen. Einige typische Lebensläufe
würden in dem vorliegenden Falle vollauf genüijt haben, das Eigen-
artige in dem internationalen Verkehr der damaligen Welt hervorzu-
heben. Hätte Picot etwa die dreifache Anzahl von Persönliclikeiten,
die in Frankreich einmal ein par italienische Sonette geschrieben
haben, gefunden, so würde er uns wahrscheinlich dreimal so viele
mit mehr oder minder sicheren Hypothesen durchsetzte Biographien
gegeben haben und wäre docli noch unvollständig geblieben. Denn
wie viele werden italienische Sprache gelernt und sich in ihr brieflich,
rednerisch und dichterisch gelegentlich einmal ausgedrückt haben,
von denen wir nichts wissen. Was haben die vielen Namenlosen,
die mit den Großen gezogen sind, an italienischer Kultur mit nach
Hause gebracht, an Liedern und Schwänken, an Flüchen und Scherzen,
an Eindrücken und Erfahrungen? Was die Höhergebildeten für ihre
Kreise leisteten, haben diese vielen für ihre Schichten getan. Wenn
wir alle ihre Namen wüßten, so würden wir doch nicht in allen
möglichen Geburtsregistern und Stammrollen nach Daten und Er-
eignissen ihres Lebens suchen. Picot läßt eine große Masse von
Briefen in italienischer Sprache außer Acht. Mit Unrecht. Sie hätte
er durchlesen, die interessantesten heraussuchen und veröffentlichen
sollen oder aus dem in ihnen vielleicht enthaltenen kulturgeschicht-
Jichen Material eine zusammenfassende Darstellung der Wirkung geben
Des Barreaux, Jacques ValUe, sa vie et ses poesies. 47
sollen, welche die italiiniische Bildung auf die französische im 16.
Jahrhundert ausübte. So gibt er uns nur Namen und unvollkommene
Lebenslä'if*^ gii't nur sorgsam kopierte Büchertitel und neben viel
unnützem Text einige interessante Briefe und Urkunden, Er registriert
nur, ohne zu fragen, w.is ist wt^rtvoll uud was ist wertlos. Es gelten
für ihn keine Gesichtspunkte, nacli denen er etwa die verschiedenen
Leistungen unterschiede. Aber die Persönlichkeiten, die er behandelt,
stammen aus mannigfachen Berufen und Klassen. Ihre Kenntnis von
den italienischen Verhältnissen leitet sich von ganz verschiedenen
Um-'tän'ien ab. Die Verwendung der italienischen Sprache durch
sie beruht auf ganz verschiedenen Gründen und Absichten; ihre
literarischen Erzeugnisse liegen auf ganz verscliiedenen Gebieten.
Der Autor aber reiht willkürlich Namen au Namen und denkt an
keine orientierende, einteilende, sondernde und charakterisierende
Gruppierung. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn der in Italien
längst ansässige Jean Fran^ois Du Snleil in italienischer Sprache
mathematische Traktate schreibt oder wenn Du Bellay in rein künst-
lerischer Absicht Sonette auf italienisch zu dichten unternimmt,
Oder, um nur noch ein Beispiel anzufiüiren, wenn Frangois Perrot
italienischen Protestanten in Genf die Psalmen zugänglich machen
will, ind ra er eine italienische Übersetzung in Auswahl von ihnen
herausgibt, so ist an diese Arbeit mit ganz anderen Voraussetzungen
heranzutreten als etwa an die „Rune Toscane'" des Amomo, der in
Wirklichkeit vielleicht Jean de Maumont hieß.
Gerade in Hinblick auf die geplante, überaus breite Anlage
der Veröffentlichung Picots zur Geschichie des italienischen Einflusses
in Frankreich er-chien es notwendig, auf die unserer Ansicht nach
a\U\i äuß 'rliche, dabei die Frage kemeswegs erschöpfende Methode
der Beh.mdlung hinzuweisen. Um so mehr, da das zu einseitige
Betonen des Biographischen in der literarhistorischen Forschung und
Darsti'lluiig eine Gefahr ist, von der eine Anzahl moderner französischer
Kritiker bedroht zu sein scheint. Es S"i nur hingewiesen auf den
einleitenden Aufsatz „Xa methode hiographiqiie de crifique litteraire"
von Louis Arnould in seinem Buche „Quelques poetes" ^) und auf
das Iiieal literarhistorischer Schriftstellerei, das diesem für die bio-
graphische Methode begeisterten, dabei an die wissenschaftliche
Astrolo'iie glaubenden Gelehrten, vorschwelit.
GIESSEN. Walther Küchler.
Des Barreaux, Jacquos Vallee, sa vie et ses j)oesies par
Fr. Lachevre. Paris 1907, Henri Ledere, in 4^ 264 S.
gedruckt in 301 Exemplaren auf Kosten des Herausgebers.
Mit deibem Pinsel breit auttragend, mit kräftigen Strichen aus
dem Giol)en heraus, nicht unähnlich, nur eckig und obenhin hat uns
2j Paris 1907. H. Oudin.
48 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
Tallement des Reaux in eiuer seiner Historiettes das Bild von Des
Barreanx überliefert: i) Ein schöner Jüngling mit lebhaftem Geist,
von ziemlich reicher Bildung, vom Glück begünstigt, von Theophile
und aniieren ausschweifenden Libertins verdorben, der intime Freund
Theophiles, so intim, daß man ihn nach dem Tode des Dichters in
nicht mißzuverstehender Anspielung lachend nennen konnte Ja veuve
de Theophile'-'' . Ein leichtsinniger Beamter, der Verführer und erste
Liebhaber der schönen Marion de l'Orme. „Ce fut lui qiii mit
Marion ä mal.'* Ein Sybarit, stets auf der Jagd nach dem Genuß.
So reiste er einmal mit einigen gleich gesinnten Freunden durch
Frankreich, um an jedem Orte auszukosten, was die Jahreszeit an
besten Früchten und Erzeugnissen bot. „jLe nouveau Bacchus'"
habe ihn Balzac, den er auf dieser Reise besuchte, genannt. Ein
Trunkenbold und Gotteslästerer, dessen herausfordernde Spötteleien
und Ungezogenheiten ihn mehr als ein Mal in Lebensgefahr gebracht
hätten. Ein Lüstling, der in kraftlosem und schmutzigem Alter, der
einstigen geistigen Regsamkeit bar, schmählich dahingesiecht sei und
in den Tagen der Krankheit sich lediglicli aus finanziellen Interessen
bekehrt habe.
Diesem anekdotisch -verzerrten Bilde von dem prince des
libertins du XVII. siede, von dem roy de la dSbauche gibt
Frederic Lachevre seine wirklichen Züge und Farben wieder, indem
er aus zeitgenössisclien gedruckten und ungedruckten Quellen zusammen-
stellt, was er an Nachrichten über Des Barreanx' Leben, an Urteilen
über ihn und an Dichtungen, die er verfaßt hat, finden konnte.
Die Züge des Bildes werden weicher, die Farben schwächer, ein
lachender Philosoph, ein weltgewandter Epicuräer, ein schönheits-
durstiger Sinnenmensch, dem nur Ernst und Tiefe, Ruhe und Kraft
fehlten, ein Schlürfer des Weins, ein Bewunderer des Sonnenlichts
und der roten Rosen, ein Schüler Theophiles, dem er ein ungetreuer
Freund wurde in der Stunde der Gefahr, dem er die Haud entzog,
als er zu straucheln drohte, weil er schwach war und um sein Leben
bangte, so, feiner und schwächer zugleich, will uns nun Des Barreaux
erscheinen. Nicht als ein roher Wollüstling, ein würdeloser Verächter
des Göttlichen, ein blinder, niedriger Triebmensch erscheint er,
sondern als ein Jünger jener freien libertinistischen Denkweise und
Lebensanschauung, als deren glänzendster Vertreter Theophile de Viau
zu betrachten ist, der Meister einer veredelten sensualistischen Natur-
und Schönheitsbegeisterung, der fest davon überzeugt war. höhere
und reinere Empfindung, einen göttlicheren Geist in seiner Brust zu
tragen als die Masse der anderen Menschen: Gratulor fatis meis
quod eadem nota ingeniorum nostrorum divinos spiritos a coeteris
mortalibus discreverint.^) So schreibt er an seinen Freund Luillier,
1) Les Bistorieties, Paris Techener, 1855 t. IV p. 46 ff.
2) Cf. (Euvres completes de Theophile, Nouvelle edition par M. AUeaunie.
Paris 1855 t. IL p. 416f.
Des Barreaux, Jacques Vallee, sa vie et ses poesies. 49
den er mit dem geliebten Vallee zu diesen höher begabten Geistern
zählt. Freilich, viel irdisches Genießen, Freude an gut gewürzter
Speise und perlendem Wein, an behaglichem Faulenzertum, wechselnde
Liebe zu schönen und leichten Frauen mischte sich für diese „enfants
de la douce vie'* in ihr pliilosophisch-freies Anschauen der Schönheit,
in ihr brünstiges Versenken in die Natur, viel Schwäche und Klein-
mut und dilettantische Leicht herzigkeit. Ein solcher glücklicher,
nach Außen glänzender, innerlich leerer Dilettant, ohne den ernsten
Einschlag von Melancholie, der Theopliile eigen ist, war Des Barreaux.
In seiner lateinisch geschriebenen Lebensbeschreibung des Pierre de
Boissat (Grenoble 1680) erzählt Chorier von dem Eindruck, den die
Persönlichkeit Des Barreaux' bei Festen, die ihm zu Ehren ver-
anstaltet wurden, hinterlassen habe, folgendermaßen: „Quand, dans la
ßeur de ses annees, il vint ä Vienne pres de Boissat, son urbanitS
et son enjouenient etaient si grands, que ce n'est point sans gräce
et sans elegance quHl d^bitait sur la nature des choses des riens
et des bagalelles ineptes. On sctonnait de son ignorance, jusquä
la stupefaction. On aimait toutesfois ä l'entendre parier, tout
en s'indignant de le voir plein d'une cot/pable audace sefforcer
vers des idees auxquelles, etant donne le sujet, on ne pouvait
penser sans honte." Auch von der Hingabe Des Barreaux' an den
Genuß bat Chorier interessante Worte, die wie das vorhergehende
Zitat in der französischen Übersetzung Lachevres wiedergegeben
seien, da mir das lateinische Original nicht vorliegt. „Boissat lui
donna de grands fesiins, comprenant bien qiiil ne pouvait rien
faire de plus agreable pour cet komme si ami de la bonne
chere . . . Des Barreaux aimait surtout le bon vin. Autant de
gouttes dans son verre, autant, disait-il, de rayons de soleil
cristallises par un art de natur'e. II buvait ä petits coups, goutte
ä goutte., doucement par intervalles; il ne se laissaii jasmais aller
ä boire ä pleine coupe. 11 ne faut pas, disait-il, noyer la. soif
d'un seul coup, mais Vapaiser peu ä peu et par moments plutot
que l'etancher tout ä fait. L^un fait naitre le goilt de la volupt^,
Vautre le fatigue et en emousse le sentiment.'"''
Die Poesien Des Barreaux' wurden bisher stets als verloren
betrachtet. Nur ein einziges Sonett war bekannt. Es ist das Verdienst
Lachevres, eine Reihe seiner Dichtungen wiedergefunden zu haben.
Er nahm an. daß in den zahlreichen, im 17. Jahrhundert erschienenen
Gedichtsammlungen, welche Gedichte von fast allen Autoren, etwa
von tausend, enthalten, auch Poesien von Des Barreaux zu finden
sein müßten. Und er hat sich nicht getäuscht. In dem handschrift-
lichen Recueil de Conrart in der Bibliothek de l'Arsenal fand er
17 Sonette, Elegien und Chansons. Von diesen 17 Dichtungen sind
12 in Gedichtsammlungen zu Des Barreaux' Lebzeiten gedruckt
worden. Zehn von ihnen finden sich im zweiten Teil des Recueil de
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII-'. 4
bO Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
qiielques pii^ces nouvelles et galantes, tant en prose quen vers.
(Cologne, Pierre du Martcau 16i')7, in -12). Sie stehen nicht zusammen,
sondern sind zwischen 19 andere verteilt, und Lachevre glaubt, auch
diese Stücke dem Verfasser der 10 anderen, also Des Barreaux
zuteilen zu dürfen. Außer diesen 29 Geilichten schreibt er dann
noch einige in Manuskripten der Nationalbibliotliek und der Bibliothek
Sainte-Genevieve entdeckte Poesien seinem Dichter zu. Mit diesen
Gedichten, deren Ausgrabung wir so dem Forscherfleiß Laclievres zu
verdanken haben, ist natürlich die poetische Produktion Des Barreaux'
nicht erschöpft. Theophile z. B. spricht in einem Briefe an seinen
Freund von einer Elegie an eine Geliebte des Dichters, aber diese
Elegie ist uns nicht bekannt. Immerhin kann man an der Hand der
von Laclievre gefundenen Poesien ein einigermaßen deutliches Bild
von der dichterischen Persönlichkeit Des Barreaux' gewinnen.
Seine Liebesgedichte sind fast alle an Marion gerichtet. Seine
Liebe zu ihr stellt sich in seinen Versen wesentlich idealer dar als
in Tallemants trocknem und mokantem Bericht. Marion war von
Eltern und Geschwistern aufs sorgsamste bewacht, so daß jede
Annäherung der beiden Liebenden für lange Zeit unmöglich war. In
einer Elegie klagt der Liebende über die Härte der Eltern, die
trotz der Unschuld ihrer Tochter, trotz der Reinheit ihrer Liebe
keine Vereinigung dulden wollen. In beredten Worten beteuert er
die Heiligkeit seiner Liebe. Er fühle nichts Brutales oder Lasterhaftes,
mais im desir regle, qui san% exfravagance
porte tous mes desseins ä ton obS'issance.
Er rät ihr, wie sie geschickt die ihrer Liebe feindliche Überwachung
täuschen soll, aber er will nicht mit trügerischem Rat die ängstlichen
Empfindungen rauben, mit denen ihre junge Tugend sein Hoffen
bekämpft. Nur ein Gemälde von unschuldigen Gedanken bringt er
ihr dar, nur ein Bild, gemalt aus den heiligsten Farben der Liebe.
So zart und edel klingt alles, was er sagt, aber seine Sprache ist
fast zu süß und schmeichelnd, als daß sie echt sein könnte. Zu
engelhaft erscheint die Geliebte und zu göttlich das Feuer, das ihn
erleuchtet und verzehrt. Doch es mag daliingestellt bleiben, ob
ideale Leidenschaft erster wirklicher Liebe oder die Raffiniertheit des
berechnenden Verführers so redet. Der Zweifel bleibt, wenn man ein
anderes Gedicht, ,.,Jouissance imparfaite" betitelt, liest. Die Liebenden
haben sich allein getroffen, Umarmungen und Küsse getauscht. Die
Seele des Dichters schwebt in den höchsten Entzückungen über diese
heiligen Umarmungen, die zarten Beiühiungeu, die reinen und un-
schuldigen Küsse. In der Erinnerung genießt er Freuden, die keinem
Sterbliclien beschieden sein dürften, brennt er vor verlangenden
Wünschen, die sein Herz nicht hegen dürfte.
Ah! que ce desir limite
Menace mon coeur de marti/re,
Belle fleur de virginite.
Des Barreaux, Jacques ValUe, sa vie et ses poSsies. 51
Pour qui justement je soiipire;
Apres tant de felicite,
Est-il bonheur ou je naspire'?
Taisez- vous. profane vouloir,
Meurtrier de Vhonneur de ma Dame,
Son innocence, et mon devoir
M'ont mis tant de respect dans tarne,
Que je vous en defens l'espoir,
Sur peine de noircir ma fläme.
Voudriez-vous, 6 fureur estrange,
Corrompie tant d'iniegritef
Le Ciel iient un foudre qui vange
Une teile infidelite.
Non, non, gardez sa purete,
Spachez que vous aimez un Ange.
So schreibt er und ist doch wohl fest entschlossen die Reinheit
dieses Engels nicht zu wahren, sondern von der jonissance imparfaite
möglichst bald zur jouissance parfaite zu gelangen. Und wirklich kann
er denn auch nach einigen Stanzen, in denen er trauernd seine Trennung
von der Geliebten beklagt, in einem „Jouissance parfaite'' über-
schriebenen Gedichte triumphierend ausrufen:
Je suis vainqueur d'une maistresse
Que seule festimois digne de mes soupirs.
Aber allmählich entschlüpft ihm Marion. Mächtige Rivalen treten
auf. Dem mächtigsten, Richelieu, braucht er noch nicht zu weichen.
Cinq-Mars jedoch ersetzt ihn im Herzen der Ungetreuen. So wandelt
sieh die triumphierende Freude in Zweifel, Anklage und tiefen Schmerz:
7ion, tu n'es plus mon Ange,
Tu n'es plus cet objet si digne de loüange,
Je ne te connois plus, tu nes plus quune image,
Qu^un pjortrait efface de ce divin visage.
Immer noch ist sie so scliön und liebenswert, aber so falsch
und treulos. Wenn er zurückdenkt an die Augenblicke vergangenen
Glücks, dann zernagen Wut und Verachtuns:, Liebe und Trauer sein
gequältes Herz. Im Tode will er Ruhe suchen:
Je m'en vais ä la mort, ou ioute la nature,
linpuissante quelle est, se laisse evanoüir:
J'ay veu sous le soleil tont naistre et pirir,
Qui nie dispenseroit de la meme aventure?
J'aymai de deux beaux yeux la lumiere si pure.
Ces beaux yeux n'eurent pas ä dedain mon desir,
Un temps je fus heureux, eile devint parjure:
Que me reste-t-il plus ä faire qu'ä tnourir?
4*
52 Referate und Rezensionen. Walthcr KücJiler.
Einen ganz eiiienen Eindruck macht sie, diese Liebesgeschichte
von Marion de l'Orme und Des Barreaux. Wie das reine, erste Jugend-
glück zweier sich entfaltender Seelen, das dann zerstört wird durch
die Untreue des Mädchens, das zum leidenschaftliclien, berückenden
Weibe erweckt wurde. Der andere aber geht und klagt. So sieht
der kurze Roman in leidenschaftlichen Versen aus. In Wirklichkeit
war er vielleicht weniger poetisch und sentimental. Des Barreaux
hat sich jedenfalls bald getröstet. Aber so wie er uns in dichterischer
Verklärung seine Liebe überliefert hat, hat er sie allerdings in
eine höhere Sphäre gehoben. Seine Verse sind getragen von einer
echt klingenden Empfindung, von dem Ton schöner Leidenschaft,
die alle Stufen von Glück und Leid durchläuft. Wir haben in
ihnen eine persönliche, auf Erlebnissen beruhende Poesie, eine
Liebeslyrik, die zwar in ihrem Ausdruck sich häufig des konventionellen
Sprachgebrauchs bedient, aber der unmittelbare Niederschlag von
Stimmungen und Leidenschaften ist, die im Augenblicke wirklich
empfunden waren.
Die sinnenfrohe, materialistische Lebensanschauuug Des Barreaux',
die in den Liebesgedichten einer mehr leidenschaftlichen Sentimentalität
Platz gemacht hatte, tritt um so mehr in denen seiner Gedichte zu
tage, die Lachevre unter der Bezeichnung „Poesies libertines" zu-
sammengefaßt hat. Es sind flüssig geschriebene, von einem leichten,
graziösen Rhythmus getragene Sonette. Keine gedankliche Last beschwert
die kavaliermäßige Skepsis des fröhlichen Genießers. Scheinbar von
oben herab, mit einer königlichen Sicherheit schaut er tiuf Menschentum
und Leben herab. Wie nichtig ist doch der Mensch, der sich als
Herr fühlt und erhaben über die anderen Geschöpfe dünkt durch die
Vernunft, die ihm zu teil ward. Denn gerade die Vernunft ist es, die
ihn unglücklich macht durch die Leidenschaften, die sie in ihm erregt.
Hundertmal glücklicher als die vernunftbegabten Menschen sind die
wilden Tiere, hundertmal glücklicher die Vögel im Gebüsch. Ach,
daß die Natur uns nicht wie sie geboren werden ließ, ohne Vernunft,
so daß wir in den Tag liinein leben könnten. Er weiß einen Ausweg,
das Leben recht zu nehmen:
JEstudions-nous plus ä jouir qua connoistre,
Et nous servons des sens plus que de la raison:
Nach diesem Grundsatz hat er sein Dasein eingerichtet; er
verhalf ihm zu möglichst viel Lust und Vergnügen. Nur nichts denken,
nicht denken:
Pe^l de hon sens, point de sfavoir,
Nargue de la philosophie.
Ein Vogel möchte ich werden, mich retten in die Unwissenheit
und stets nur vom Besten trinken:
Celuy qui croit en connoissance
Ne fait quaccroistre sa douleur.
Des Barreaux, Jacques Vallee^ sa vie et ses pohies. 53
So stolz und sicher, so frei klingt das. Aber hinter dieser
vermeintlichen Sicherheit qiuält ihn geheime Angst: Der Tod, der ewige
Schlaf, die lange Nacht, das Nichts. Und das Nichtsein ist schreklich,
man muß es fürchten. Wie kann man es nicht fürchten! Nicht
daran denken, um alles unnütze Leid zu vermeiden.
Jette -to^ comvn' moy dans le sein des plaisirs.
Laßt uns greifen nach jeder Lust, so lange wir noch des Tages
Licht erblicken.
On ne boit point lä-has, on ne fait point l'amour,
Dans cette longue nuit qui suit la sepulture.
Der Gedanke an den Tod läßt ihn nicht los, er kann ihn nicht
zurückdrängen. Was nützt es zu Wasser und Land Reichtum und
Glück zu suchen, sich der Wollust mit solcher Begierde hinzugeben !
Ob man im Frieden lebt oder in den Krieg zieht, zu Schiflf steigt
oder zu Fuße wandert, keinen Schritt tut man, der nicht zum Tode
führte. Eine Verräterin und Wucherin ist die Natur, Sie leiht uns
das Leben, aber um allzu hohen Preis und Zins. Eine schwächliche
Furcht vor dem Tode, ein geheimes Grauen, das er nicht abschütteln
kann, das also ist der tiefere Grund für das lustige Genießen? Ein
Sich- Betäuben aus feiger Angst? Stärker und rauher war die Lebens-
lust und das Laster bei Maitre Francois Villon und seinen Kumpanen.
Des Barreaux, hinter seinen prächtig klingenden Worten ist ein zitternder
Schwächhng. Als er alt ward, schrieb er ein par fromme Sonette.
Er wurde bigott, weil das Genießen zu Ende ging und weil er vielleicht im
anderen Leben ein neues Genießen finden könnte. Sein zweifelnder,
fragender Glaube an die Unsterblichkeit ist eine Hoffnung auf ewigen
Genuß, ist eine Erleichterung der Leiden und Entbehrungen des Alters,
eine Zuversicht auf dauerndes, festes Glück nach den unsicheren
Vergnügungen dieser Welt:
Oest en Dieu quHl faul s'ejoüir,
Vivons, vivons pour Vautre vie.
Et puis mourons pour en joüir.
Ein Sonett, das einzige, das bisher bekannt war, klingt ernster
und zerknirschter. Es ist eine Ergebung auf Gnade und Ungnade
in den Willen des gerechten, zürnenden Gottes mit dem zuletzt scheu
sicli hervorwagenden Schimmer der Hoffnung. Das Gedicht ist wirkungs-
voll und zeigt die dicliterische Fähigkeit des alternden Lebenskünstlers
in hohem Grade. Der Aui^fluß einer dauernden frommen Gesinnung
ist es sicherlich nicht. Nur der Ausdruck einer augenblicklichen
zerknirschten Stimmung, einer schreckhaften Aufwallung, wie sie manchmal
wohl auch in der Weinlaune den innerlich Haltlosen überkommen mochte.
Das gesamte dichterische Werk Des Barreaux' haben wir nicht
durch die Veröffentlichung Lachevres erhalten. Voltaire hat Manuskripte
des Dichters in Händen gehabt, die nicht wieder aufgefunden worden
sind. Auch ein Drama soll er geschrieben haben, das aber ebenfalls
54 Referate und Rezensionen. A. L. Stiefel.
unbekannt geblieben ist. Ebenso ist es mit andern Poesien, auf die
hier und da sich Anspiehin<:en finden. Ein kleiner Irrtum Lachevres
sei bei dieser Gelegenheit erwähnt. Der Herausgeber gibt an, er habe
trotz seines Suchens ein Gedicht nicht entdecken können, auf das
Des Barreaux selbst in den folgenden Versen anspiele:
Tenant plus dti neant que Von ne fait de Vestre
Je Vay dit autrefois et bien moins en saison.
Laclievre bricht unrichtig hier ab. Er hätte noch mindestens
den folgenden Vers hinzusetzen müssen, welcher heißt:
£jStudions- nous plus ä joüir qu''ä connoistre.
Und mit diesem Verse spielt Des Barreaux auf ein Sonett an,
das sich im Recueil de Conrarf findet und dessen erste vier Verse lauten:
JS^'estre ni magistrat, ni marie, ni prestre,
Avoir un peu de bien^ l'appliguer tout ä soy,
Et Sans afecter d'estre un docteur de la Loy
S'ctudier bien plus ä jouir qua connoistre etc.
Dadurch, daß wir diese Anspielung in dem Des Barreaux sicher
zugehörigen Sonett des Recueil de Conrart kontrollieren können, wird
nun auch unumstößlich bewiesen, daß das namenlose Sonett des
Recueil de quelques pieces nouvelles et galantes Des Barreaux zum
Verfasser hat und dadurch wird zugleich im höchsten Grade wahrscheinlich,
daß auch die anderen 18 anonymen, von der gleichen Anschauung durch-
zogenen Poesien Des Barreaux' Eigentum sind. Absolut beweiskräftig
war nämlich Lachevres Vermutung ohne Weiteres nicht, aber dieses
Zusammentreffen der beiden fast gleichen Verse, das ihm merkwürdiger-
weise entgangen ist, macht seine äusserst gelungene und scharfsichtige
Hypothese fast zur Gewißheit.
GiE.ssEN. Walther KtTcHLER.
Ricci, Charles. Sophonisbe dans la TragMie classique italienne
et franpaise. Torino G. B. Paravia e C. 1904. XIX und
223 S. gr. 8 ".
An der Spitze des Buches steht ein A''erzeichnis der vom Ver-
fasser benutzten Hilfswerke. Sonderbarerweise fehlt aber darin neben
manchen andern Büchern, das für das Thema wichtigste, die als VI
Supplementheft dieser Zeitschrift erschienene Dissertation von A. A n d r a e
)> SopJionisbe in der französischen Tragödie mit Berücksichtigung
der Sophonisbebearbeitungen in anderen Ländern. « (Oppeln und
Leipzig 1891) Allerdings ist sie in der Arbeit selber ein paar
Male erwähnt, so z. B. S. 74, 80, 81 und 84, aber so, daß man
bezweifeln muß, ob der Verfasser das Büchlein wirklich vor sich
gehabt habe; denn einmal fehlt bei allen Hinweisen die Angabe der
Seitenzahlen und dann ist der Titel (S. 74) falsch angeführt:
Charles Ried. Sophotiisbe dans la Tragedie classique. r)5
August (?) An drae « SopJionishe 2> in der franzcesischen Tragcediej,
Oppeln 1880(?)'^. Anderseits, und das ist das Merkwürdigh>te an
der Sache, beruht Riccis Arbeit stofflich fast ganz auf Andrae:
Der Deutsche hat den Italiener beinahe der Mühe überhoben, selbst-
ständige Forschungen anzustellen. Mit Ausnahme von ein paar ita-
lienischen Sophonisbebearbeitungen (Ptpoli, Biamonti, Fabbri) sind
die Angaben Riccis, soweit sie Tatsachen betreifen, so ziemlich alle
bei Andrae zu finden. Wie soll man sich dieses Rätsel erklären?
Versteht Ricci kein Deutsch und ließ sich das Büchlein Andraes ins
Italienische oder Französische übersetzen? Indes sowohl in diesem,
wie in jedem andern Falle ist Riccis Schweigen unverzeihlich.
Das Verdienst seiner Arbeit besteht darin, daß er den Stoff"
besser ordnete als sein Vorgänger, daß er sich bei den einzelnen
Personen nicht wie dieser mit ein paar Bemerkungen begnügte, sondern
genau und ausführlich darauf einging, nachdem er in jedem einzelnen
Falle die Stücke in das Milieu gestellt, in dem sie entstanden waren,
ihr Verhältnis unter einander besser würdigte, daß er uns die ein-
zelnen Dichter durch passende bioizraphische und literarische Notizen
näher brachte und in einem Schlußworte die Ergebnisse seiner Unter-
suchung übersichtlich zusammen faßte. Auch die bibliographischen
Beschreibungen sind bei ihm etwas genauer.
Ricci geht von den römischen und griechischen Historikern
aus, welche die Geschichte der Sophonisbe überliefern: Livius,
Appian, Plutarch, Polybius; läßt dann Petraichas Africa und
Trionß folgen und hierauf der Reihe nach die dramatischen Bear-
beitungen des Stoffes von Carretto (1502), Trissino (1515) und
dessen Übersetzer und Nachnahmer: Melin de St. Gelais, Mermet,
(Mondat), Montchrestien, dann Montreux (1601), Mairet (1634),
Corneille (1663), Voltaire (1774), die Tragikomödie eines ital.
Anonymus (1681), eine zweite von Bonmattei Pioli (1714), dann
die Stücke von Pansuti (1725), Alfieri (1784—85), A. Pepoli
(1790), G. L. Biamonti (1805), Fabbri (1806—14), und Dalban
(1850). Ein Appendice behandelt „Sojyhonisbe dans C Opera
itdlien" [Silvani (1708), Perino (1718) Anonymus (1744), Tommasi
(1715), Zanetti (1746), del Mare (1803), Rossetti (1805), Marco
Marcello (1844)].
Ricci besitzt eine gute literarische Schulung. Er urteilt mit
Geschmack und V^erständnis über die einschlägigen Dichtungen und
findet ihre Vorzüge und Mängel mit sicherem Blick heraus. Man
kann im großen und ganzen seinen Anschauungen beipflichten; wenn
vielleicht im einzelnen sich auch vieles dagegen einwenden läßt.
In den literarischen Angaben indes tut er hin und wieder
des Guten zu viel, indem er bei seinen Lesern zu wenig voraussetzt.
So ist z. B. was er S. 69 — 71 über das französische Theater im
16. und 17. Jahrhundert, S. 113—115 über Voltaire, S. 147 — 150
5G Referate und Rezensionen. A. L. Stiefel.
über Altieri, S. 210 — 212 über den Ursprung der Oper in Italien
sagt, durchaus bekannt und daher entbehrlich. Auch sonst hätte ich
manchmal ^^ewünscht, daß er sich etwas kürzer gefaßt hätte. Seine
Darstellung verdient im allgemeinen Lob. Unbegreiflich ist mir nur.
daß er als Italiener für seine Arbeit die franzö>ische Sprache ver-
wendete. Es bleibt immer eine mißliche Sache, längere Abhandlungen
oder gar Bücher in einer anderen Sprache als in der heimatlichen
zu schreiben. Ich habe auch bei Pticci, wie bei vielen anderen, das
Gefühl, duß seine Arbeit, trotz unleugbarer Gewandtheit in dem
fremden Idiom, in mancher Beziehung gewonnen hätte, wenn er sich
darin der Muttersprache bedient hätte.
Im einzelnen wäre mancherlei zu berichtigen und zu ergänzen;
es betrifft aber, abgesehen von Urteilen, meist nur Nebensächliches.
So hat z. B. Ricci übersehen, daß Andrae (S. 56) eine Sophonisha
opera tragica in 111 atii (Modena 1710) von Luigi Riccoboni
namhaft macht. Ferner gehört vielleicht zum Thema die Tragödie
Massinissa des Ercole ßonacossi (1674) und die gleichnamige von
L. B. Salvoni (1744), die mir übrigens noch nicht zu Gesicht ge-
kommen sind.
S. 48 bemerkt Ricci: „On cite deux Sopkonishe anterieures ä
Celle de Del Carretto: l'une de Jacopo Castelliuo, l'autre d'Eustacchio
Romano (Roma ßenardo Lucchetta 1494) etc." Ricci hätte sich das
Sueben nach diesen vermeintlichen Sophonishen ersparen können.
Jacopo Castellini lebte viel später; von ihm erschienen 1562 ein
paar Dramen, darunter ein Asdrubale, und Eustachio Romano ist
gewiß der Titel einer Dichtung oder Legende, die den hl. Eustachius
behandelt, aber nicht der Name eines Autors. — S. 68 ist zu be-
richtigen, daß der spanische Dichter nicht Lopez, sondern Lope de
Vega heißt. — S, 70 übertreibt Ricci, wenn er von A. Hardy
sagt: „a le merite d'avoir sauve le theätre fran^ais dans un de ses
moments les plus critiques". — Das Urteil S. 80 über Nicolas de
Montreux ist zu streng. Ricci sagt: „U parait qu'il a ete un des
auteurs les plus insipides, les plus ennuyeux, les plus fastidieux qui
aient jamais existe. Tel est son trait caracteristique". Dieses ver-
nichtende Urteil ist um so weniger zu rechtfertigen, als Ricci, nach
eignem Geständnis, das Stück {Sophonisöe) nie gesehen und, wie es
scheint, auch die anderen Werke des Dichters nie in die Hand
bekommen hat. Das zeigen seine unrichtigen Angaben darüber. So
hält er z. B. Les Bergeries de Juliette für „une past orale" „en
France la premiere piece du genre. i) Bekanntlich sind die (auch
ins Deutsche übersetzten, gedr. 1595) Bergeries ein Roman und kein
Theaterstück. Ferner sagt Ricci: „Montreux vivait encore du teraps
1) Ricci gibt an, dafs die Bergeries 1588 erschienen seien. Das ist
nicht richtig. Das erste Buch erschien 1585, in 2. Aufl. 1587, in 3. 1588;
das zweite ßuch 1587, das fünfte und letzte 1598. —
Pletro Toldo. Di alcuni Scenari inediti della Commedia. 57
de Coi'neille qui semble cependant n'avoir connu ni l'auteur ni son
ceiivre". Da Montreux, gegen 1500 geboren, um 1608 — 1610
gestorben sein soll, als Corneille gerade 2 bzw. 4 Jahre alt war, so
hat er ihn freilich nicht persönlich gekannt. Ob er aber ^son
ceuvre" nicht gekannt habe, ist eine andere Frage, da die Bergeries
trotz der Astree auch im 17. Jahrhundert noch gelesen wurden, und
1625 noch eine Ausgabe in verkürzter Form erscheinen konnte. —
München. A. L. Stiefel.
Toldo, Pietro. JJi alcuni Scenari inediti della Commedia dell
Arte e delle loro relazioni cd Teatro del Moliere.
Torino, Clausen 1907. (Estr. dagli Atti della R. Accad.
delle Scienze di Torino, Adunanza del 17. Febbr. 1907).
25 Seiten 8 1'.
Der Verfasser, der sich schon viel mit dem Einfluß der ita-
lienischen Literatur auf die französische beschäftigt hat, weist im
vorliegenden Aufsatz auf die Beziehungen hin, die zwischen Moliere's
MMecin volant, Ecole des femmes und Monsieur de Pourceaugnac
und mehreren Soggetti einer von B. Croce der Bibliothek zu Neapel
geschenkten, außerordentlich reichhaltigen Sammlung von Scenarien
der Commedia dell'Arte bestehen. Die Verwandtschaft ist in der
Tat so groß, daß Beziehungen zwischen beiden unbedingt angenommen
werden müssen. Obwohl nun die Handschrift im günstigsten Falle
drei Jahre nach Moliere's Tod, z. T. sogar noch spater, geschrieben
worden ist, so glaubt Toldo doch, daß die betr. Scenarien älter als
die Stücke Moliere's seien, denn derartige Sammlungen wurden
gewöhnlich von noch älteren kopiert und auf diese Weise von Truppe
zu Truppe von früherer Zeit auf spätere Tage vererbt. Damit hat
es wohl seine Richtigkeit. Daß der Medecin volant einem italienischen
Scenariuni 11 Medice volante entlehnt sei, ist bekannt genug. Es
bleibt nur zu bedauern, daß Toldo nicht alles kennt, was die
Forschung darüber bereits ermittelt hat. Unter anderem wäre ihm
da die von August Kugel in dieser Zsch. (Bd. XX S. Iff.) veröifent-
lichte Abhandlung: Untersuchungen zu Moliere's Medecin malgre
lui von Nutzen gewesen. In dieser wird u. a. über die verschiedenen
Versionen des Stoffes gehandelt, und Toldo hätte daraus erfahren, daß
es neben den Scenarien über den Medico volante auch eine 1673,
wenn nicht schon früher, gedruckte Comedia sostenuta Trufaldino
Medico volante gibt und daß alle Versionen auf Lope de Vega's
Acero de Madrid in letzter Linie zurückgehen.
Was die Ecole des femmes anbetrifft, so dürfte bezüglich der
Schlüsse, die ihr Verhältnis zu dem Scenarium Astute semplicitä di
Angiola nahe legt, Vorsicht am Platze sein. Von Moliere's Lustspiel
kam schon 1680 zu Bologna eine italienische Übersetzung von
58 Referate und Rezensionen. Paul Sahnann.
Napoleon della Lima heraus und es besteht die Möglichkeit, daß
das So^etto des Neapolitanisclien Oodex von dieser beeinflußt war.
Dagt'geu glaube ich, daß für Molidre's Monsieur de Porir-
ceaugnac, wenn auch nicht ausschließlich, doch sehr stark, italienische
Quellen in Betracht kommen. Und so ist der Hinweis, daß in der
Scenariensanimlung zu Nenpel ein Soggetto FolicineUa 'pazzo 'per
forza und ein zweites Policinella burlafo vorkommen, welche beide
Übereinstimmungen mit Monsieur de Pourceaugnac zeigen, recht
dankenswert. Der erste Titel erinnert an ein dramma von G. A.
Moniglia: II Pazzo per forza^ das 1658 zu Florenz herauskam,
und das mir bis jetzt, leider, noch nicht zu Gesicht gekommen ist.
Solche Bezieliungen Moliere's zur Commedia dell'Arte lasseu
sich noch manche nachweisen. So hat 1901 Rosario Bonfanti^)
Motive des Malade imaginaire in einem Sosgetto des Basilio Loca-
telli, betitelt IL vecchio Avare, verfaßt „non piü tardi del 1618"
aufgefunden. Es wäre angezeigt das Verhältnis des französischen
Dichters zur Commedia dell'arte und zum italienischen Drama über-
haupt endlich einmal zum Gegenstand einer erschöpfenden Behandlung
zu machen.
MtJNCHEN. A. L. Stiefel.
LailSOU, Gustave. Voltaire. [Les grands ecrivains frangais.]
Paris, Hachette J906. 221 S.
Die zwei Kapitel über Voltaire in Lanson's Literaturgeschichte
sind bekanntermaßen eine Glanzleistung des ausgezeichneten Werks.
Mit hohen Erwartungen mußte man so seinem Buch über Voltaire
entgegensehen und mochte sich wohl fragen, ob er das, was er schon
in so klassischer Vollendung gesagt hatte, noch zu überbieten ver-
möchte. Der Gesamteindruck, um ihn gleich vorauszunehmen, wird
bei jedem Leser der sein, daß Lanson hier sich selbst übertroffen
und ein Werk geschaffen hat, dessen Lektüre ein erlesener Genuß
ist. wie er uns selten zu Teil wird. Neidlos wird insbesondere der
deutsche Leser anerkennen, daß die Ftähigkeit die Ergebnisse wissen-
schaftlicher Arbeit zu einem solchen Kunstwerk zu gestalten, eine
ureigene französische Gabe ist, die wir an dem Künstlervolk bewundern,
die wir begeistert genießen, in der wir es ihm aber nicht nachtun
können. Wie unnatürlich, wie preziös nehmen sich neben dieser zur
höchsten Natürlichkeit gewordenen französischen Darstellungskunst
gerade diejenigen unserer Litterarhistoriker aus, die sich auf ihre
künstlerisclie Form etwas zu gut tun. Einige Zeilen aus dem Buch
seien als Beispiel gestattet, das den Lesern dieser Zeitschrift über-
zeugender sein dürfte als alles Lob des Rezensenten und das zugleich
dieses Lob von jedem Verdacht der Überschwenglichkeit entlasten
wird. Lanson will die berühmte Freundin Voltaires, die Schloßherrin
') Uno Scenano di Basilio Locatelli. Noto, Fr. Lammit 1901.
Gustave Lanson. Voltaire. 5^
von Cirey cliarakteri>ieren und gibt zunächst der medisauten M™® du
Deffaud das Wort: „Representez-vous une femme grande et seche,
le Visage aigu, le nez pointu ; voilä la figure de la „belle Emilie'-'' :
figure dont eile est si contente, qnelle iiepargne rien pour la faire
valoir: frisure, pompons, pierrei'ies, verreries, iout est u profusion:
mais comme eile veut paraitre belle en depit de la nature, et
qu'elle veut etre magnifique en depit de la fortune, eile est oblige,
poitr se dormer le sitperßu, de se passei' du 7i^cessaire. contme
cheniises et autres bagatelles.'-' Lanson fährt nun fort: ..Oest une
femme qui parle ainsi, et c'est M"^^ du Deffand: deux raisons
d''en rabattre. Point du tout laide, et mcme fort agrSable, J/*"* du
Chätelet itait certainement coquette, aimant la parure, de tempS-
rament ardent, et hardvne7it, aristo er atiquement impudique, jusqu''ä
se baigner devant un valet de c/iambre, qui n'etait pas pour eile
un komme. Elle ctait assez joueuse. Elle savait le latin, Vitalien.
Vanglais. Elle etait jyassionn^e pour les matliematigues, la physique.
la metaphysique, et les comjyrenait. Elle lisait Leibnitz, et avait
pour amis Maupertuis et Clairaut. Elle „pensaif . Une autre
bonne langue du siede dit quelle faisait tous les ans la revue de
ses principes. Elle ecrivait sur des matieres de sciejice et de pJiilo-
sophie. On l'estimait pedante. Elle etait sincerement serieuse.
Elle preferait Vapplication de Vesprit aux bagaielles de la societe.
Elle nitait pas devote, ni meme croyante. Elle n etait ni tracassiere,
ni midisante ni mechante. Comme la maitresse de M. de Mopinot
eile eiU pu dire quelle entendait que, sauf au lit, on la traität
en komme. Elle avait Vesprit viril, le coeur viril: droite, süre,
capable d'actif devouement ; ä tout prendre, valant mieux que les
iemmes qui se moquaient d'elle."
Wem fallen bei diesen knappen Sätzen nicht die großen Porträt-
maler ein, bei denen jeder Kreidestrich oder jeder Farbfleck einen
Zug geistiger Wirklichkeit in unübertrefflicher Weise enthüllt. Und
nicht minder meisterhaft, wie diese Einzelporträts sind die großen
gesellschaftlichen Gruppen wiedergegeben, in denen Voltaires Loben
verläuft. Die Wahl tut einem weh, wenn man das Beste herausheben
will: die Welt, die das Kind im Vaterhause sieht, das Jesuitenkolleg,
das Treiben der Regence — in sechs Zeilen eine vollendete Definition
der Epoche und zugleich ein lebensprühendes Anschauungsbild —
das höchst originelle Leben in den Schlössern von Circy und Ferney.
Eine hohe historische Unparteilichkeit waltet in dem Buch.
Das Ziel, das Lanson sich gesteckt hat, von Voltaire zu reden, sans
apotkeose et sans caricature. hat er in schöner Weise erreicht; bei
dem Zustand der Geister in Frankreich gewiß ein Verdienst, das
wir würdigen müssen. Wie für uns Deutsche D. F. Strauß eine Höhe
erreicht hat, die wir nicht mehr verlassen dürfen, so wird Lanson's
Werk für Frankreich einen Markstein bilden, hinter den es kein
Zurück mehr gibt. Man vergleiche nur mit Lanson Faguet's Voltaire.
60 Referate und Rezensionen. Paul Sakmann.
Das war doch eine Karikatur, die ja gewiß dem feinsten Geist und
Witz ihre Entstehung verdankt und die ihrer komischen Wirkung
stets sicher sein wird, bei der wir aber doch keinen Augenblick ver-
gessen dürfen, daß es eine Lustspielfigur des Herrn Faguet ist, die
uns zum Lachen zwingt.
Ein sehr interessantes novuni des Buches, im Vergleich mit
dcrLitteraturge-chichte, ist das letzte Kapitel („Z-'zn/Z«e?2cecfe Voltaire"),
das Voltaire's Schicksale bei der Nachwelt behandelt, ein erster Ver-
such, der, wie der Verfasser selbst wohl weiß, nur eine Skizze sein
kann, deren dereinstige Vollendung noch viel neu zu beschaffendes
Material der historischen Forschung voraussetzt „Es wäre notwendig",
sagt Lanson mit Recht, „die Bildung und Entwicklung vieler, und
zwar berühmter wie unberühmter, hervorragender wie mittelmäßiger
Persönlichkeiten zu untersuchen. Man bat noch nicht genügend
Beobachtungen dieser Art gesammelt, um in der Lage zu sein all-
gemeine Schlüsse zu ziehen."' Jetzt schon könnte man übrigens ein
Kapitel über Voltaires Schicksale in Deutschland schreiben, das die
Ansicht unseres Verfassers von der Sachlage sehr wesentlich ergänzen
würde. Ganz richtig sieht Lanson, daß das Emporkommen der
deutschen Xationalliteratur Voltaire den Weg bei uns versperrt hat,
und daß die Romantik ihm einen weiteren Riegel vorschob. Aber
mit Wieland und Heine ist die positive Wirkung Voltaires noch
lange nicht erschöpft. Goethes hohe Meinung von ihm — Brunetiere
fühlte sich ja durch sie fast beunruhigt — ist doch sehr beachtens-
wert. Lessing hat seinen theologischen Feldzug — das ließe sich
nachweisen — nicht unbeeinflußt von Voltaire unternommen. D. F.
Strauß hat sich seine Waffen zwar nicht bei Voltaire geholt, aber
die Mission seines Religionskampfs war dieselbe, die Voltaire in Frank-
reich zugefallen war, und er ist sich dieses Verhältnisses später be-
wußt geworden. Auf Schopenhauer, auf Nietzsche hat Voltaire un-
gemein stark gewirkt.
An geeigneten Ruhepunkten unterbricht Lanson seine Biographie
durch systematische Abschnitte über Voltaire's Leistungen auf den
verschiedenen Gebieten der Geistes- und Naturwissenschaften, über
seine Weltanschauung und Lebensstimmung. Hier möchte ich nun
einige kritische Anmerkungen einfügen, die nicht das Verdienst des
klassischen Werks schmälern sollen, die vielmehr nur zeigen möchten,
wo noch Probleme sind, die diskutiert zu werden verdienen und auch
andere auf Arbeitsgebiete hinweisen, in denen zu wirken ein Genuß
ist, weil es sich um Ideen handelt, von denen Kopf und Herz jedes
lebendigen modernen Menschen voll ist und in denen man genau
so gut wissenschaftlichen Sinn und Methode betätigen kann, als an
dem corpus vile der Materien, die für uns bloß noch das sogenannte
„historische Interesse" haben. Hier scheint es mir nun ein Mangel der
französischen Litterarkritik überhaui)t, daß sie ihren Gegenstand
geistesgeschichtlich vereinzelt, daß sie den einzelnen Menschen mit
Gustave Lanson. Voltaire. 61
seinen Meinungen und Leistungen zu sehr bloß als Individuum faßt
und beurteilt. Bei ganz großen Menschen ist das eine mögliche
Methode. Aber, um gleich ins Konkrete zu gehen, bei einem Voltaii-e
ist ein volles Verständnis nicht möglich, wenn man bloß den gesell-
schaftlichen und nicht auch den ideengeschichtlichen Hintergrund zeichnet,
von dem er sich abhebt. Das 18. Jahrhundert ist, geistesgeschichtlich
angesehen, die Geschichte des natürlichen Systems (des jus naturale^
der lex naturae usf.), das seine Konsequenzen heraussetzt und das
sich zugleich zersetzt. Die Rolle des einzelnen Denkers in diesem
Prozeß bezeichnet seine philosophische Bedeutung. Hier müssen die
Franzosen sich bequemen von den neueren deutschen Forschungen
des Philosophen Dilthey und des Theologen Tröltsch zu lernen. Wir
müssen, was Voltaire betrifft, also einsetzen bei dem gemeineuropäisclien
Gut des natürlichen Systems und zwar in der Modifikation, die es
durch den Bund der französischen Spätrenaissanze mit der Kultur
der katholischen Restauration durchgemacht hat. Voltaire ist ein
Spätling dieser Renaissanze. Das Interesse an seiner geistigen Ge-
schichte besteht darin zu sehen, wie er die Elemente^ die sich in
der bourbonischen Kultur zu zeitweiligem Bund geeinigt hatten, teils
beibehält und weiterbildet, teils aus ihrem Bunde löst oder ganz
zersetzt. Mit diesem Gesichtspunkt wahren wir die Kontinuität der
geschichtlichen Kultur, die uns durch die Revolutionslegende verdunkelt
worden ist. Diese Legende hat uns das abstrakte und unwahre
Schema, „ancien regime — Revolution — moderner Geist" im Sinn
von gegensätzlichen Erscheinungen aufgedrängt, das ganz besonders
einen Mann wie Voltaire immer in ein falsches und schiefes Licht
rückt. Dieses zwar schon von Tocqueville überwundene Schema, das
aber so stark ist, daß trotz allen Bemühungen selbst ein Taine sich
nicht hat davon frei machen können, hat Lanson Sätze eingegeben
wie die: die Lettres philosophiques enthalten ein ganzes revolutionäres
Programm, sie seien die erste gegen das ancien regime geschleuderte
Bombe, Sätze, die diesem leichtbeschwingten Ideenschwarm eine Wucht
beilegen und eine Bedeutung, über die gewiß ihr Verfasser selbst
zuerst gestaunt oder gelächelt hätte. Dagegen kann ich Lanson nur
bestimmen, wenn er, im Gegensatz zu der Tradition der Voltaire-
biographien, den Einfluß Englands auf Voltaire maßvoll einschätzt.
Brunetiere hat hier das Verdienst, mit den herkömmlichen Übertreibungen
aufgeräumt zu haben. Lanson hat de:-halb schon seinem ersten Kapitel
(Jeunesse de Voltaire) einen philosophischen Abschnitt beigegeben,
wohl eben in der Absicht, den Gedankenvorrat festzustellen, über
den Voltaire vor dem englischen Aufenthalt verfügte. Ich meine nur,
wir müßten auch hier wieder mehr zeitgeschichtlich als individual-
geschichtlich vorgehen; wir müßten also statt aus den jugendlich
unreifen Erzeugnissen im Geschmack Chaulieu's eine Philosophie oder
eine Theologie abzuziehen, die Frage stellen: Was ist die Ge-
dankenwelt der französischen Libertins des 17. Jh. und was hat sich
6"2 Referate und Rezensionen. Paul Sakmann.
Voltaire von ihr an^'ceignet? Den naturwissenschaftlichen Einschlag
in Voltaires Idecnkoniplex schätze ich geringer ein, als Lanson. Ich
möchte die Behauptung wagen, daß man die gesamte naturwissen-
schaftliche Produktion Voltaires sich wegdenken könnte, ohne daß
etwas Wesentliches an seinem geistigen Bild sich ändern würde, eine
Operation, die man in gleicher Weise mit dem Sikcle de Louis XIV,
mit der Zaire, mit der Henriade und der Pucelle, mit dem Tratte
de Metaphysique und dem Pliilosoplie ignorant, ja selbst mit dem
Hornme aux quarante ecus nicht vornelimen könnte. Wir sind mit
Voltaire hier im gleichen Fall, wie auch sonst vielfach in der Geschichte
der Weltanschauungen. Was man als vermeintlichen Einfluß und
Beitrag der Naturwissenschaft in Anschlag bringt, ist in Wahrheit
der Einfluß eines philosophisclien Gedankens, der, der Naturwissen-
schaft nur scheinbar entnommen, in ihr vielmehr die lioUe eines
Axioms, eines Postulats, meinetwegen eines Vorurteils, spielt. Da-
gegen bin ich nun wieder der Meinung, daß Voltaires philosophische
Begabung und Leistung von Lanson stark unterschätzt wird. Er
sagt: In der Geschichte der Metaphysik zähle Voltaire nicht mit;
da sei er nur „amateur'\ Und in der Literaturgeschichte findet
sich der Satz, den er in der Monographie zwar nicht wiederholt,
aber auch nicht zurückgenommen hat: „Er hatte keinen metaphysischen
Kopf und den schlimmsten Streich, den man ihm spielen könnte,
wäre der, „d'exposer sa philosophie transcendentale.'' Ich habe
diesen Versuch gemacht (im Archiv für Geschichte der Philosophie
1905) und ich habe gute Gründe anzunehmen, daß ich damit im
Gegenteil dem Andenken Voltaires einen Dienst geleistet habe. Ge-
wiß ist Voltaire kein großer und kein tiefer Philosoph. Dazu fehlt
ihm die dichterische Fantasie und die Festigkeit des Charakter?.
Aber ein so wohlgeratener Verstand, wie er ihn mitbekommen hat,
ist doch auch keine schlechte Ausrüstung für die Diskussion philo-
sophischer Probleme, in die sich sein ganzes Leben lang sein nie
ra>tendes Interesse verbohrte. Die Literaten des 19. und 20. Jh.
dürften sich gratulieren, wenn sie so gute philosophische Dialektiker
wären wie Voltaire. Man macht sich das Spiel sehr leicht, wenn
man, wie Faguet, gleich Plato herbeiholt und ruft: „Wie klein ist
doch dieser Voltaire neben diesem Plato!'' Wissenschaftlich ist allein
die Frage: Bedeutet Voltaire etwas in der Bewegung der Probleme,
sowie sie seiner Zeit gestellt waren? Und in diesem Gericht besteht
er in der Tat besser, als in dem witzigen Kreuzverhör Faguet's, das
doch vielleicht noch Lanson zu stark beeinflußt hat. An diesem
Maßstab gemessen fallen wohl auch die geschichtlichen Leistungen
Voltaire's noch schwerer ins Gewicht als Lanson meint. Zwar hat
er für die profangeschichtlichen Erzeugnisse Voltaires Worte feiner
Würdigung und scharf erfaßt er die Nuancen, durch die sich z. B.
der Essai von dem Siede de Louis XIV abhebt, aber die Tragweita
der Bibelkritik Voltaires ist ihm nicht aufgegangen, wenn er in ihr
Robert Saitschick. Französische Skeptiker. 63
des Werk eines „Vulgarisators'' sieht. Die genialste Leistung der
Bibelkritik des 19. Jlis. ist nächst Strauß' Leben Jesu bekanntlich
die Wellhausen'sche Hypothese. Dieser Konstruktion der israelitischeu
Volks- und Religionsgesrhichte ist Voltaire so nahe gekommen, wie
CS für einen Mann des 18. Jh. nur immer möglich war. Und diese
glückliche Voransnalirae einer großen Entdeckung verdankt er nicht
fremden Forschungen, die er „vulgarisiert" hätte, sondern einem sehr
treffsicheren kritischen Vorstand und einem sehr intensiven Studium
der primären Quelle, der Bibel selbst. Die Gründe für diese Be-
hauptung kann ich hier allerdings nicht in extenso darlegen, ich muß
auf die Belege meiner Arl)eit in der Hilgenfeld'schen Zeitschrift für
zoissenschaftliche Theologie (N. F. XIV) verweisen.
Ich breche ab, um den Raum, der mir hier zur Verfügung steht,
nicht zu einer Debatte über Meinungsverschiedenheiten zu mißbrauchen.
Wer es unternimmt, uns eine Darstellung der Gedankenwelt Voltaires
zu geben, der wird sich ja auf Schritt und Tritt mit Lanson aus-
einandersetzen müssen. — Ob es jemand wagen wird, so bald nach
Lanson uns mit einer neuen Biographie Voltaires zu bedenkenV
Ich müßte ihn um seinen Mut bewundern.
Stuttgart. P. Sakmann.
Saitscllick, Robert. Französische Skeptiker. Voltaire. Merimee,
Renan. Zur Psychologie des neueren Individualismus.
Berlin. E. Hofniann. 1906. 304 S.
Man wird diese drei hier zusammengestellten Essais am besten
als eine Sammlung von Lesefrüchten bezeichnen, welche die im Titel
genannten Persönliclikeiten in interessanter Weise von verschiedenen
Seiten her beleuchten. Bei Voltaire wird un>^ in einem ersten Ab-
schnitt mit der Überschrift „Charakter" zunächst seine äußere Er-
scheinung vorgeführt; dann entfaltet sich vor uns sein Lehensfrang
und seine innere Entwicklung, nicht in fortlaufendem biographischem
Bericht, sondern in ausgewählten Teilstücken, erht-Ut durch die Schlag-
lichter charakti^ristischer Äußerungen. Wir erhalten einen Einblick
in Voltaires Arbeiten und Interessen, seine Tageseinteilung, seine
persönlichen Beziehunsen u. a. Die ethischen Züge seines Charakters
werden analysiert. Der Abschnitt endet mit einem Blick auf seine
Tätigkeit für die Opfer der Justizmorde und seine letzten Tage in
Paris. Ein zweites Kapitel handelt von Voltaires „Ansichten". Da
hier die Methode des Verfassers, interes'^ante Lesefrüchte zu sammeln
und ab und zu durch einige eingestreute eigene Bemerkungen zu
unterbrechen, nicht zureicht, so wfire dieser Abschnitt besser wohl
überliaupt weggeblieben, da er über Voltaires „Ansichten" doch nur
in unzulänglicher, manchmal geradezu irreführender Wei-e unterrichtet.
Ein letztes Kapitel ist überschrieben: Esprit und Stil, gibt aber nicht
64 Referate und Rezensionen. Paul Sahnann.
sowohl, wie man zunächst erwartet, eine Analyse von Voltaires Geist
und Stil, als vielmehr Ansichten und Äußerungen Voltaires über diese
Materien. Wir erfahren, was Voltaire sagt über verschiedene Philo-
sophen, Politiker. Literaten, über französischen und englischen National-
charakter, über die Alten, über Dante, Shakespeare, Ariost, Lafontaine
usf., schließlich über Bücher im Allgemeinen. Nun folgen einige
Urteile des Verfassers über einzelne Hauptwerke Voltaires, den Schluß
bilden Äußerungen Voltaires über Komposition und Stil.
Die beiden folgenden Aufsätze über Merimee und Renan tragen
mehr den Stilcharakter des Essai. Sie sind geschlossener, besser
komponiert, Stoff und Form durchdringen sich mehr, die Psychologie,
die im „Voltaire" etwas in den Zitaten zu ertrinken droht, tritt im
Gestalten des Stoffs und im Urteil, wie es sich gebührt, kräftiger
hervor. Diese Aufsätze lesen sich sehr angenehm und sind lehrreich.
Der Verfasser ist ein geistvoller, kenntnisreicher Mann, der seine
Studien an den Quellen gemacht liat, der aber, wenigstens in Bezug
auf den die Hälfte des Buchs füllenden Voltaire, doch wohl etwas zu
rasch gearbeitet hat. Nach dem Namen, den er sich in der literarischen
Welt erworben hat, durfte man Höheres erwarten. Der Gedanke,
solche Größen der Literatur einmal von der psychologischen Seite
anzufassen, ist gerade heute, da die biograpischen Studien zu einem
gewissen Höhepunkt und Abschluß gelangt sind, glücklich und fruchtbar.
Und der Verfasser wäre ganz der Mann dazu, wie einige feine Be-
merkungen deutlich zeigen. So beobachtet er z. B. sehr gut, wie
Voltaire der Hofatmosphäre des ancien regime angehört, wie er sich
nur im milieu des hohen französischen Adels recht zu Haus fühlte,
da hier auch etwas von seinem Geiste herrscht; wie Voltaires Charakter
sowohl, als auch der Friedrichs d. G., einen klaren, entschiedenen
Konflikt nicht zuließen, wie die Ungezwungenheit, mit der Voltaire,
bei aller Klugheit, seine eigenen Schwächen aufdeckt, einer der
sympathischen Züge seines Charakters ist. Aber das alles sind mehr
eingestreute Apergus. Es gibt gerade in psychologischer Hinsicht bei
Voltaire so außerordentlich viele Fragen, auf die wir bei Saitschick
keine Antwort finden. Schon die Einreihung unter die Typenbegriffe
des Titels ergäbe Probleme. In wieweit ist Voltaire „Skeptiker"?
Er ist nämlich auch Dogmatiker. In wiefern kann man ihn in
den „neueren Individualismus" einstellen. Warum hat der Verfasser
die psychologisch so fruchtbare Methode der Vergleicliung so wenig
angewendet. Warum hat er uns nicht auf diese Weise erklärt, ob
und wie und warum die drei Männer seines Buches Geistesverwandte
sind und wie dieselben Geistesäußerungen in ihnen, z. B. Ironie,
Relativismus, Pessimismus u. a. m. in charakteristisch verschiedener
Weise sich betätigen?
Stuttgart. Paul Sakmann.
E. Dähren. EStif- Bibliothek. 65
Walllund, Carl. Un acte inSdit dhm opSra de Voltaire.
Upsala 1905.
In den ..Studier i Modern Spräkvetenskap utgivna af Nyfilo-
logiska Sällskapet i Stockholm'* veröffentlicht Wablund einen
Voltairefund aus der K, Bibliothek in Stockholm. Es befinden sich
dort zwei, fast gleichlautende Manuskripte, die aus dem Besitz eines
Grafen von Tessin und eines Grafen von Ekeblad herrühren, die beide
die schwedische Regierung in diplomatischer Sendung in Paris ver-
treten haben, der eine von 1734 — 42, der andere i. J, 1742. Beide
Handschriften enthalten von der von Voltaire für Rameau verfaßten
Oper Samson einen Text, der von dem in den verschiedenen Mitions
und in den CEuvres gedruckten Text abweicht. Sie enthalten nämlich
den ersten Akt des gedruckten Textes nicht, dafür aber einen dritten,
bis jetzt unveröffentlichen Akt, der nun in den Studien vorliegt.
Der Herausgeber fügt seiner Publikation eine in französischer
Sprache geschriebene Abhandlung an, die zunächst Urteile von Zeit-
genossen Voltaires über seine Oper aufführt; La Harpe, Palissot u. a.
kommen zum Wort. Ein zweiter Paragraph gibt eine pünktliche,
gut kommentierte Zusammenstellung aller Äußerungen Voltaires über
seine Arbeit am Samson. Dann hören wir von den Schicksalen der Oper,
die infolge der Einsprache der Theaterzensur nie auf öffenthclier
Bühne zur Aufführung kam; nur auf den Brettern der Privattheater
durfte sich das gemeinsame Werk Voltaire's und Rameau's zeigen.
Ein letzter Abschnitt gibt eine Übersicht über die ältesten Ausgaben
des Samson: die beiden Stockholmer Handschriften sind älter auch
als die früheste gedruckte Ausgabe (von 1745).
Der hier veröffentlichte Opernakt gehört zu den Erzeugnissen
der Feder Voltaire's, in denen er gründlich der Vergangenheit an-
gehört; diese Reimereien des 18. Jahrhunderts haben in dem Staub
der Bibliotheken ihr wohlverdientes Begräbnis gefunden. Doch Voltaire
hat nun auch einmal' derartiges geschrieben und in der „Correspon-
dance'* den Lärm darüber geschlagen, mit dem er bekanntlich alle
seine Arbeiten begleitet. Und so schließt jenes Werturteil keineswegs
aus, daß der Historiker dem sorgfältigen, mit philologischer Akribie
arbeitenden Herausgeber den schuldigen Dank für seine Gabe abstattet.
Stuttgart. P, Sakmann.
Dühreu, E. Retif- Bibliothek. Verzeichnis der französischen und
deutschen Ausgaben und Schriften von und über Retif de
la ßretonne unter Mitwirkung von Max Harrwitz heraus-
gegeben von Dr. Eugen Dühren. Zugleich Supplement
zu des Verfassers Werk Retif, der Mcn'^ch, der Schriftsteller,
der Reformator. Berlin. Max Harrwitz XII u. 42 S. 8». 1906.
Außer einem Vorwort über Aufgabe und Einrichtung und einem
Namenindex — wofür dem Verfasser besonders gedankt sei — enthält
Ztschr, f. frz. Spr. u. Litt. XXXII a. 5
66 Referate und Rezensionen. J. Haas.
diese Broschüre die Aufzälilunj? 1. der Originalausgaben und Nachdrucke
der Werlie, 2. der deutschen Übersetzungen, 3. der Schriften über Retif.
Die Einrichtung ist derart getroffen, daß jedes Werk Retifs, sowie
jede Erstübersetzung eine besondere Nummer fidirt, die Neu- oder
Nachdrucke mit diese Nummer ergänzenden Buclistaben versehen sind.
Dadurch ist die Zusammenstellung sehr übersichtlich geworden. Die
„Retif- Bil)liothek" ist ein vortreffliches bibliographisches Werkchen
und hält durchaus, was der Titel verspricht.
Freiburg i. Br. J. Haas.
Restif de la Bretonne. Monsieur Nicolas ou Le Coeur humain
devoiU (Entauce et Jeunesse). Edition abregee avec In-
troduction, Notes et Index par John Grand - Carteret.
32 lUustrations. Louis Michaud, Editeur. Paris, o. J. XXIV
uud 288 Seiten. Frs. 3.50.
J. Grand- Carteret hat mit dieser Ausgabe einen sehr glücklicheu
Griff getan. Restifs Monsieur Nicolas ist bis auf den heutigen Tag
eine zwar nicht harmlose, aber immer noch interessante Lektüre. Ab-
gesehen aber von den orthographischen Wunderlichkeiten der Uraus-
gabe enthält diese, sowie der Neudruck von 1883, eine Menge von ein-
geschobenen Digtessionen, welche die an sich nicht sehr flüssige Lektüre
noch erschweren. Ohne nun an dem eigentlichen Charakter des Werkes
etwas zu ändern, hat Grand -Carteret, um das Werk lesbarer und auch
billiger zu machen, diese die Lektüre erschwerenden Digressionen
eliminiert und dadurch eine Ausgabe von Restifs hervorragendem Werk
Monsieur Nicolas — ich halte den Paysan und die Paysane pervertis
für weit bedeutender, — geschaffen^ die sich flott ließt, und die verdient,
einen größeren Leserkreis zu finden.
Sie verdient es um so mehr als die Ausstattung für den Preis gerade-
zu glänzend ist. Beigegeben sind 32 Illustrationen, ohne den Umschlag;
diese stellen teils einzelne Bilder von Anxerre dar, teils sind sie aus
dem inhaltlich ja verwandten Roman Le Paysan et la Paysane pervertis
entnommen, teils sind sie nach den Angaben Restifs i) vou einem moderneu
Künstler in dem Geschmack der Binetschen Illustrationen gemacht.
In der Einleitung sucht Grand -Carteret dem Leser Restifs Be-
deutung zu schildern. Ausgehend von den widersprechenden Urteilen,
die über ihn gefällt worden sind, hebt er die umfassende Tätigkeit
seines Autors hervor, und seine gewaltige Bedeutung, um nachher
darzustellen, daß Restifs Erzählungen nicht etwa wollüstige phantastische
Schilderungen seien, sondern daß seine erotischen Darstellungen des
kleinstädtischen Lebens durchaus der Wirklichkeit entsprachen. Ich
1) Rpslif hatte beabsichtigt, sein Werk zu illustrieren und für die Bilder
bestimmte Angaben gemacht, die uns erhalten sind. Die Bilder wurden aber
nicht ausgeführt.
Le Breton, Andre. Balzac. L'Homme et VO^Juvre. 67
möchte dies nicht im ganzen Umfang zugeben, und halte Grand- Carterets
Urteil über Monsieur Nicolas und Restif überhaupt für entschieden
zu günstig.
Die Ausgabe soll 3 Bände umfassen; der erste führt uns bis
in das Jahr 1754, das heißt bis zu der Zeit, wo Nicolas sich bei
M. Parangon in der Lehre befindet. In dieser gekürzten Gestalt liest
sich, wie gesagt, das Buch recht flott, eine ungefähre Kenntnis von
Restifs Monsieur Nicolas zu vermitteln, ist diese Ausgabe entschieden
geeignet, und da Grand -Carteret nichts anderes im Auge hatte, so
hat er seinen Zweck durchaus erreicht.
Freilich, wer den echten Monsieur Nicolas kennen lernen will, muß
zur Prinzepsausgabe oder zur fast vollständigen Ausgabe von Liseux,
Paris 1883, greifen.
Freiburg i. Br. J. Haas.
Le Breton, Andre. Balzac. L'Homme et rCEuvre. Armand
Colin. Paris. 1905. 294 S. S*\ Frs. 3,50.
Für sehr fruchtbar würde ich eine methodische Auseinander-
setzung mit dem gründlichen Kenner des französischen Romans
halten, der, nachdem er die Geschichte dieser Gattung von der
Astr^e bis zum Cinq-Mars verfolgt hat, uns vor einiger Zeit diese
Monographie über Balzac eegeben hat. Diese Auseinandersetzung
müßte notwendig über den Rahmen dieser Besprechung hinausgehen,
und darum, sowie mit Rücksicht auf den Raum, die für eine solche
Anzeige geboten ist, begnüge ich mich, darauf hinzuweisen, daß
die Frage nach dem Wesen des angewandten Kunstmittels, das Sprach-
mittel, wesentlich nur vom ästhetischen Standpunkt aus aufgeworfen
wird, aber eine Frage nach der Anwendung der Sprache als Mittel,
Anschauung zu erwecken und Seelenzustände vorzuführen, für Le
Breton nicht existiert.
Anderseits wird die Frage nach dem Zusammenhang der Literatur
mit der politischen und der sozialen Entwicklung zwar gestreift, aber
nicht genügend berücksichtigt. Nach diesen beiden Einschränkungen
darf die Schrift Le Bretons als eine sehr gewissenhafte Arbeit
bezeichnet werden; ob sie Paul Fiats Essais sur Balzac überholt,
scheint mir übrigens fraglich, obwohl letztere nirgends citiert sind.
Vorangeschickt ist eine Betrachtung über den Menschen Balzac,
in der an der Hand eines biographischen Abrisses eine Charakteristik
des Verfassers der Eugenie Grantlet und der Personen gegeben wird,
mit denen er in Verbindung gekommen ist; besonders klar ist der
Orund der zerrütteten Vermögensverhältnisse Balzacs dargestellt;
dieser lag nicht in den gewöhnlich angeführten Gründen, sondern in
dem Temperament des Dichters, — dans cette imagination dScorante,
pour laquelle le futur n'existe pas ... (p. 35).
68 Referate und Rezensionen. J. Haas.
Der folgende Abschnitt gilt den Origines du roman halzacien:
der Balzac'sche Roman ist aus dem volkstümlichen Roman hervor-
gegangen, der von Restif vorbereitet und durch Pigault-Lebrun
und Ducray-Duminil in die Mode gekommen ist, dazu das
Melodrame von Pixer ecourt; aus diesen Quellen schöpft nach Le
Breton Balzac zuerst, daneben ist er abhängig von Matuinn, Leicis,
J-/'-' Radcliffe, und zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, von
seinen Jugendromanen an; er lehnt sich vielfach an Nodier und
Hugo an. Später aber folgt er anderen Bahnen, Rickardson,
Goldsmith, Godtvin, Sterne, Walter Scott, Feniniore Cooper; von
1830 ab wendet er sich von der Romantik ab. Cuvier und Saint-
Hilaire hat er wohl nicht viel studiert, wohl aber Galh Lavater,
Brillat-Savarin; außerdem ist er beeinflußt von Scribe und Picard^
besonders von Henri ' Monnier, während eine Abhängigkeit von
Stendhal und Merimee nicht anzunehmen sei; nicht zu vergessen ist
natürlich Rabelais
All das mag nicht unrichtig sein, wenn mau davon absieht,
daß Stendhals Bedeutung mit Unrecht geleugnet wird. Aber genügt
es denn, irgend welche äußere Ähnlichkeiten oder gemeinsame Ideen
vorzufinden und zu erwähnen, um die origines eines Schriftstellers
aufzudecken? Müssen nicht zuerst die Technik seiner Werke, die
Art seiner Phantasie, die Grenzen seiner Gestaltungskraft sorgfältig
festgestellt und gegenüber den Vorgängern abgewogen sein? Das
scheint uns Le Breton ungenügend getan zu haben; außer für die
Jugendwerke.
Es ist zur Gewohnheit geworden, die Comedie Humaine als
eine grandiose Schöpfung zu betrachten, der nur die Vollendung
fehle; und auch Le Breton untersucht im dritten Abschnitt die
Genesis und den Plan der Coinidie Humaine', aber, wie seine
Vorgänger, so unterläßt auch er das Wesen des B alz a eschen
Romans mit dem Bestreben nach einer Synthese in Verbindung zu
bringen, und darum kommt er, obwohl er die Mängel dieser Synthese
wohl hervorhebt — vielleicht nicht alle — nicht zu dem Schluß,
daß die Comedie Humaine als Ganzes verfehlt sei, sondern zu dem
üblichen Lob, daß Balzac der größte Sittenmaler sei, den Frankreich
seit Meliere, La Bruyere und Saint-Simon hervorgebracht habe.
Ich kann in Balzac, so reich der kulturhistorische Gehalt seiner
Werke sein mag, weder einen Kultiirhistoriker noch einen Sittenmaler
sehen, sondern eben nur einen Romanschriftsteller: ich glaube damit
seinem Ruhme nicht im geringsten zu nahe zu treten ; aber daß seine
Bedeutung erfaßt wird, wenn man in ihm einen grand moraliste,
einen grand Chirurgien, grand naturaliste de la vie morale sieht
(p. 135), glaube ich nicht.
In dem folgenden Kapitel über die Observation in der Comklie
Humaine sucht Le Breton nachzuweisen, daß Observation, Imagi-
nation, pensee die 3 Elemente seien, aus denen der Balzacsciie
Le Breton, Andre. Balzac. L'Homme et VCEuvre. 69
Roman bestehe. Zunächst will er feststellen, was der Observation
zuzuschreiben sei: Kenntnis der verschiedenen Gegenden Frankreichs,
Beobachtung von Bekanntem und Verwandtem, vor allem, was das
Leben in der Alltäglichkeit bietet; er läßt Örtlichkeiten durch andere
nachsehen, macht Abstecher auf seinen Reisen, der Genauigkeit seiner
Schilderungen halber. Dabei hat er ungeheure, oft freilich sehr
oberflächliche Kenntnisse. Die übertriebene Genauigkeit seiner
Schilderungen hält Le Breton für pedantisch, oft für zwecklos, oder
vielmehr nicht für ein Roraanelement, sondern er hält sie für Selbstzweck.
In Balzacs Romanen spielt nicht nur die äußere Beobachtung
eine Rolle, sondern er hat vieles von sich darin mitgeteilt; viele
Stoffe freilich — vielleicht noch mehr als Le Breton annimmt —
hai Balzac der Wirklichkeit — Örtlichkeit und Personen — ent-
nommen. Darauf wird die Vielseitigkeit des Stoffes und der behan-
delten Konflickte und Probleme kurz gewürdigt. Hier vermisse ich
eine genaue Analysierung der Balzacschen Phantasie; daraus hätte
sich die Ei'klärung seiner Romantechnik und der Wahl der Stoff'e
und Probleme ergeben.
Nicht minder ungenügend ist das folgende Kapitel Les Chefs
d' Oeuvre tVArt rialiste. Anfangs wird hier eine wichtige Frage,
die Frage nach der Evolution des Balzacschen Talentes, gestellt. Le
Breton findet den Kulminationspunkt von 1832 — 1840, von da ab
den Verfall. Diese Bestimmung ist sehr weit, es fehlt aber vor allem
ein konkreter Beweis und eine methodische Feststellung. Darf als
Verfallszeichen gelten das da und dort von 1840 ab zu konstatierende
Auftreten einer ausschweifenden Phantasie, das schon vorher zwischen
1832—1840 konstatiert werden kann? Darf das als Verfall betrachtet
werden, was Le Breton Balzacs Pessimismus nennt, d. h. die
Neigung, häßliche Seiten der menschlichen Seele zur Darstellung zu
bringen? Es ist also diese Bestimmung durchaus willkürlich. Wenn
man von der Evolution des Balzacschen Talents sprechen will, so muß
man zunächst die charakteristischen Seiten dieses Talents im Zu-
sammenhang mit dem Temperament des Schriftstellers genau feststellen,
darauf untersuchen, wann und in wieweit diese Eigentümlichkeiten
sich zeigen, und sich entfalten.
Die Entfaltung des speziell Balzacschen Talents darzustellen
— ich rede hier nicht davon, daß Balzac sich von seiner Jugend-
manier abwandte, sondern von der Entwicklung von 1828 oder 1830
ab — hat sich aber Le Breton erspart, und er begnügt sich mit
einer genauen Analyse der JEugenie Grandet, die er mit Recht für
ein ganz hervorragendes Werk hält, Aber er irrt in doppelter Hin-
sicht: einmal ist es durchaus nicht gesagt, daß das Talent des
Romanschriftstellers in jeder Hinsicht nur in einem Werke, das als
Ganzes betrachtet lobenswert ist, sich in seiner ganzen Fülle zeigt;
es kann dieses Talent sich auch in Bezug auf mancherlei Elemente
der Darstellung in einzelnen Teilen eines Werkes zeigen, das in
70 Referate und Rezensionen. J. Haas.
anderen Teilen oder auch als Ganzes ästhetisch zu verwerfen wäre.
Dann aber hält er, was die Euginie Grandel anbetrifft, die Fest-
stellungen Andre llallays über die Quellen zu dem Roman für
unwichtig. Que de telles recherches sont hasardeuses, et, au fond,
comme elles sont dccevantes, comnme elles sont vaines! . . . Oui
je le sais hien, cest un hesoin de notre esprit ou de iiotre
cceur, quand nous lisons un beau roman, que d'y voir une rea-
lite. . . (p. li)l). Heißt das wissenschaftlicli verfahren? Reicht die
Analyse der Persönlichkeit zur Feststellung der Eigenart des Talents,
der literarischen Persönlichkeit des behandelten Dichters?
Und wenn Le Breton (p. 192) fortfährt: „Un roman qui ne
serait rien de plus que le r^cit d'ane aventure authentique, rien
de plus qu'une effigie individuelle, ah! le pauvre livre, et comme
nous nous garderions de le relire! . . . Disons nous donc bien,
rhignons-nous donc ä comprendre que Vart est une crSation veri-
table, quHl ne suffit pas qii'un personiiage ait vecu dans la realite
pour quHl soit vivant dans le roman ou dans le drame., et que
Vexistence ä Saumur, en 1820, d'un monsieur ou d'une mademoi-
seile JSiveleau n^explique ä peu pres rien de ce que nous admirons
dans Eugenie Grandet. Si Balzac les a connus, s'il a entendu
parier d'eux ä Saumur, il a pu leur emprunier quelques traits^
comme il en a emprunte ä un si grand nombre de ses coiitempo-
rains'\ so liegt hier eine grobe Verwechslung vor; denn ich leugne,
daß es für die Charakterisierung des Balzacschen Romans gleichgiltig
ist, ob Balzacs seine Stoffe erfunden hat, oder ob er sie der
Wirklichkeit entnommen hat, und in wie weit er sich dieser anschließt.
Ich behaupte damit natürlich nicht, daß die Befolgung und Beobachtung
der Wirklichkeit allein hinreiche, einem Roman ästhetischen Wert zu
verleihen. Aber wenn Balzac nie Örtlichkeiten erfunden hätte, wenn
er nur die Stoffe erfunden hätte, in denen seine ausschweifende
Phantasie uns unglaubliche, unmögliche, unwahrscheinliche Dinge vor-
führt, hätte das nicht für die che/s dUeuvre d'art realiste und für
die literarische Persönlichkeit eine außerordentlich weittragende Be-
deutung? Und wenn p. 192 f. die obigen Ausführungen niedergelegt
sind, warum im vorhergehenden Kapitel, freilich in ungenügender
Weise, weil in zu unbestimmter Weise, so lange Balzacs „Observation^''
rühmen? Die Würdigung der Eugenie Grandet, sowie die Analyse
des Romans sind freilich vortreff'lich gelungen.
Die Übertreibungen Balzacscher Phantasie führt Le Breton
auf die nächtliche Arbeit zurück und analysiert, um einen Beweis
von diesen Übertreibungen zu geben, die besonders in der Cousine
Bette und im Cousin Rons zu finden seien, den letzteren. Le
Breton befindet sich hier im vollständigen Gegensatze zu Brune-
tiöre, der diese beiden Werke außerordentlich hochschätzt und zwar
wegen ihrer Wahrheit. Wer hat Recht? Beide stellen Behauptungen
auf, für die Wahrscheinlichkeiten vorgebracht werden, aber den
AbbS Charles Calippe. Balzac. Ses idees sociales. 71
Beweis bleiben sie schuldig. Man vermißt eben, wie auch sonst, auch
hier die Exaktheit in der Methode; darum sind unanfechtbare Resultate
unmöglich oder nur ein Erzeugnis des Zufalls.
Ebenso ungenügend scheinen mir die Betrachtungen über den
Pessiraimus Balzacs. Wenn Balzac in den letzten 10 Jahren seines
Lebens vorwiegend häßliche Konflikte, widerliche, abstoßende Charaktere
geschildert hat, so war dies eben durch seine Stoffe, vielleicht auch
durch seine Fähigkeiten bedingt. Aber von einem Pessimismus
Balzacs zu sprechen halte ich für ebenso wenig berechtigt, als man
das Recht hat zu sagen, Balzac habe „seine Zeit" wiedergegeben,
oder „in seinen Werken spiegle sich seine Zeit", und wie die schönen
Worte alle heißen.
Das letzte Kapitel — das unvermeidliche Kapitel über den
Einfluß Balzacs — ist dem entsprechenden Kapitel von Brunetiere,
soweit dieser nicht das gleiche sagt, entschieden überlegen; Le Breton
stellt allerdings nicht viel anders fest, als daß Balzac auf das
Drama und den Roman des XIX Jahrhunderts von Einfluß gewesen
ist, und das ist kein großes Wunder und auch nicht viel Neues; nur
Labiche ist zu den Beeinflußten hinzugekommen.
Ein Index ist dem Buche nicht beigegeben. Der Wert des
inhaltreichen Buches wird dadurch vermindert. Dagegen ist am Ende
des Buches seine chronologische Liste der Werke aufgeführt, aus
denen die Comklie humaine besteht; sie scheint mir recht unnötig.
Freiburg i. Br. J. Haas.
€alippe, Abbe Charles. Balzac. Ses idSes sociales. Publications
de l'Action populaire, Paris V. Lecoffre o. J. 116 S. 8». Fr. 2,50.
Die „katholische Idee" hat im XIX Jahrhundert immer
die „sociale Idee" in sich gefaßt; in verschiedener Weise macht
sich der soziale Gedanke bei den einzelnen geltend; aber er findet sich
bei allen, auch bei Balzac.
Von den Bauern hat Balzac in den Paysans sehr düster gefärbte
Bilder gegeben. Er zeigt die Bauern in furchtbarem Elend und darum
dem Diebstahl und Verbrechen zugetan. Für dieses Elend sind die
oberen Khtssen verantwortlich zu machen; infolge ihrer Irreligiosität
ohne sittlichen Halt haben sie keine Achtung vor dem Volk und dem
kleinen Eigentum, sie verletzen leicht das Recht und finden oft bei
feilen Beamten und Riihtern Unterstützung; dieses Unrecht birgt schwere
Folgen in sich. Dazu kommt die verheerende Wirkung des Erbrechts
des Code Napoleon, das den Großgrundbesitz ruiniert oder unmöglich
macht, eine gesunde Landwirtschaft auf die Dauer unmöglich macht
und dann den Staat den schwersten Gefahren des sozialen Krieges
eutgegenführt.
!72 Referate und Rezensionen. J. Haas.
Diesen Gefahren gegenüber stellt Balzac als Heilmittel die
Tätigkeit der „superiorites sociales,"- das heißt die Mitglieder aller
Volksklassen, die sich infolge ihres religiösen Glaubens ihrer sozialen
Pflichten bewußt sind; diese Pflichten bestehen nicht nur in Werken
der Nächstenliebe, sondern auch darin, daß sie Arbeitsgelegenheit schaffen,
und zwar in allen Betätigungen menschlicher Arbeit.
Die Folgen der erteilten politischen Rechte, namentlich des Wahl-
rechts an die Nichtbesitzenden, muß den Kommunismus zur Folge haben,
vor dem es nach Balzac nur eine Rettung gebe, die Förderung des Erwerbs
von Grundbesitz durch die Bauern, wobei sich Balzac mit sich selbst
in Widerspruch setzt; denn hier erklärt er als soziales Mittel, was als
Folge des Code Napoleon nach seiner Ansicht der Nation volks-
wirtschaftlich zum Verderben gereicht.
Darauf gibt der Abbe Calippe Balzacs Ansicht über die
soziale Tätigkeit der Priester und führt drei Beispiele von Priester-
typen aus der ComSdie humaine an, den Ahbe Jauvier des MMecin
campagyie, Abbe Brosettes des Paysan, Abbe Bonnet des Cure de
Viliage. Zum Schluß folgen einige Belegstellen aus Der Comedie
Humaine als sogenannte Documents. Das Buch des Abbe Calippe,
dessen Gedankengang hier wiedergegeben ist, ist ein tendenziöses Werk,
das jeder Kritik entbehrt.
Freiburg i. Br. J. Haas.
RoilX, Fernand. Balzac, Jurisconsulte et Criminaliste. Paris
Dujarric et C« 1906. VH und 380 S. 80. Fr. 3.50.
Nach einem einleitenden — anerkennenswerten — Kapitel über
den Menschen, den Philosophen, den Künstler Balzac stellt Roux
Balzacs Ideen über Politik, Rechtswesen und soziale Verhältnisse dar,
soweit sie in seinen Werken zum Ausdruck kommen. Er zieht dabei
nicht nur die Comedie Humaine heran, sondern auch die meist ver-
schmähten, für die Kenntnis Balzacs aber unentbehrlichen Schriften,
die in der Ausgabe von Calmann-Levy Bd. XX — XXHI bilden.
Das fleißige Buch, das wohl erschöpfend Balzac's Ideen über
die erwähnten Gegenstände behandelt und sie mit den Anschauungen
moderner Piiilosophen und Rechtslehrer vergleicht, um nachher die ver-
schiedenen Typen zu charakterisieren, in denen Balzac seine Ideen
verkörpert hat, scheint mir trotz seiner Vorzüge auf einem großen
Irrtum zu beruhen.
Roux hält Balzacs Werk für ein einheitliches Werk — er ist
nicht der einzige, den der Titel Comedie Humaine in seinen Bann
zwingt — oder doch für das Erzeugnis eines einheitlichen Ideenkreises.
Meines P^rachtens liegt darin ein Irrtum; weder sind Balzacs Convictions
politiques immuables gewesen, wie der Verfasser p. 44 behauptet, noch
sind die Anschauungen Balzacs so einheitlich geblieben, wie Roux es an-
nimmt. Von diesem Punkte abgesehen, ist das Buch eine tüchtige Arbeit.
Claude Tillier. Pamphlets. 73
Roux bespricht zunächst Balzacs soziale Philosophie, seine
Ideen über Politik und Rechtswesen, über Familie und Eigentum, über
die väterliche Gewalt, das Erb- und Erstgeburtsrecht, über Ehe,
Grundeigentumsverhältnisse, über bewegliches Eigentum und Verträge
civilrechtlichen Charakters.
Nach diesen abstrakten Erörterungen kennzeichnet Roux die in
betracht kommenden Personen des Juristenstandes der ComMieHumaine;
die verschiedenen Typen von Gerichtsschreibern, avoues,Notaren, Agenten
und Geldvermittlern und avocats werden in ihrer Eigenart skizziert.
Sodann wendet sich Roux zur Charakterisierung der zwei Richtertypen
Popinot und Camusot, der hohen richterlichen Beamten und der Gerichts-
höfe der ComMie Humaine.
Zuletzt behandelt Roux die Verbrecher der Balzacschen Romane
ausgehend vom phantastischen Vautrin um sodann die einzelnen gewohn-
heitsmäßigen Verbrechergestalte!), die Verbrecherhöhle der Paysans und
die Gelegenheitsverbrecher einer kurzen Betrachtung zu unterziehen.
Freiburg i. Br. J. Haas.
Tillier, Claude. Pamphlets {l^^O — 1844). Edition critique publiee
avec introduction, notices historiques et notes par Marias
Ger in, Professeur au Lycee de Nevers, Paris A. Bertout und
Nevers Mazeron Freres 1906. XXVIII und 688 S. Frs. 12.
Marius Gerin hat sich das Studium Claude Tilliers zur Aufgabe
gestellt. Eine Reihe von kleineren Arbeiten über den Journalisten von
Clamecy und Nevers, sowie eine größere Arbeit hat er schon ver-
öffentUcht; in der Zeitschrift sind diese Arbeiten kurz nach Erscheinen an-
gezeigt worden. Besonders liegt Marius Gerin daran, seine Landsleute
für Cl. Tillier zu interessieren und ihnen seine Bedeutung vor Augen
zu führen. Aus diesem Bestreben heraus ist auch die vorliegende,
zunächst in 500 Exemplaren gedruckte Ausgabe entstanden, die die
politische Arbeit Tilliers, soweit sie literarischer Natur ist, enthält.
Auf den Inhalt der Pamphlete einzugehen und die Ideen Tilliers
kritisch zu beleuchten, erübrigt sich; es würde dies über den Rahmen
dieser kurzen Anzeige weit hinausgehen. Nur soviel sei gesagt, daß
die Lektüre dieser Pamphlete auf die Dauer trotz des lebendigen Stils
Tilliers doch etwas ermüdend wirkt. Es spiegelt sich freilich darin
ein Stück französischer Provinzialgeschichte wieder, das durchaus nicht
ohne Interesse ist. Die in diesen Aufsätzen entwickelten Gedanken
sind aber, soweit sie nicht Gemeinplätze geworden sind, so überholt
oder veraltet, daß die Lektüre nur einen geschichtlichen Wert hat.
Freilich beleuchten sie die politischen Kämpfe einer französischen Provinz
zur Zeit des Julikönigtums in ganz vortrefflicher Weise, und darum
werden Historiker und Romanisten diese Ausgabe immerhin freudig
begrüßen.
,74 Referate und Rezensionen. Eugene Ritter.
Sie werden sie aber um so freudiger begrüßen, weil sie mit
außerordentlichem Fleiß von sachkundigster Seite ausgeführt worden ist.
In einer Einleitung spricht sich Marius Gerin über die Quellen
aus und fügt einige Bemerkungen über das historische Interesse und
den literarischen Wert des Pamphlete Tilliers hinzu; hieran reiht sich
ein kurzes Kapitel über „Claude Tillier's Geist und Charakter."
Jedem einzelnen Pamphlet ist eine „Notice'-'' vorangeschickt,
die Auskunlt gibt über die geschichtliche Veranlassung der betreffenden
Schrift, sowie über die historischen Quellen und über den Text. Dem
Pamphlete folgen Anmerkungen zur Erklärung einzelner nicht allgemein
bekannter Tatsachen und lokaler Anspielungen.
Wie schon gesagt, will ich auf den Inhalt der Tillierschen
Schriften nicht eingehen. Marius Gerin wird vielleicht sich entschließen,
sein Arbeitsfeld etwas zu erweitern und uns eine Geschichte des
Pamphlets zur Zeit der Julirevolution zu geben; er wäre der richtige
Mann zu der Arbeit, die sehr verdienstlich wäre. Es sei hier vor-
läufig nur kurz auf Cornicelius Aufsatz Claude TiUier als Pamphletist
(Herrigs Archiv, Bd. 109 p. 34 S. ff) hingewiesen.
Die äußere Ausstattung der Ausgabe ist, was Druck und Pai)ier
betrifft, tadellos.
Freiburg I. Bb. J. Haas.
Alfred de Müsset. Correspondance (1827 — 1857) recueillie et
annotee par Leon Seche, avec un portrait de Musset en
hcliogravure, et des reproductions de dessins et d'autographes.
Paris. Societe du Mercure de France. 1907. 295 pages 8'\
De beaucoup d'ecrivains frangais du 19® siecle (Chateaubriand
et madame de Stael, Lamartine et Victor Hugo, Vigny, Merimee.
Sainte-Beuve, George Sa.f^d, Flaubert et Taine) on possede deja, soit
leur Correspondance generale, soit quelques recueils de lettres, Pour
la plupart d'entre eux, l'interet biographique de ces lettres l'em-
porte sur l'agrement litteraire: ils ont ecrit ä leurs correspondants.
comme ils auraient parle au premier venu ; ils reservaient leur talent
pour leurs ouvrages. Quelques- uns pourtant, entre autres Merimee
et Sainte-Beuve, tenaient ä bien ecrire tout ce qui portait leur
signature, quand meme ils ne seraient lus qne d'une seule personne.
Tout cn gardant le ton simple et aise qui convient ä une lettre,
ils avaient soin, comme Voltaire en son temps, de donner une bonne
tournure ä tout ce que tra^ait leur plume.
Alfred de Musset ne prenait pas cette peine, et ne craignait
pas d'ecrire ä la diable. Comme on l'a dit de madame de Stael,
il ne mettait dans ses lettres que Tesprit qu'il ne pouvait s'empcclier
d'avoir. Mais comme il en avait beaucoup, et aussi de grands elans
Victor Giraiid. Livres et Questions cVaujoiinTlmi. Ib
de passion, il y a, dans le recueil que vient de publier M. Seche,
un melange de pages agreables ä lire, et d'autres qui sont simplement
docuraentaires.
Musset est mort ä 46 ans ; et de cette courte vie, les dix ou
quinze dernieres annees ont ete quasi vides et steriles. Le recueil
de ses lettres, qui n'est nulle part bien touffu, y est encore plus
depouille qu'ailleurs. De rannee 1852, qui est celle de son election
ä l'Academie fran^aise, on n'a pas retrouve le plus petit billet; de
meme, pour 185o et 1855. M. Seche n'a pu reuuir en tont que
183 lettres, adressees ä une soixaiitaine de correspondants. Mais
d'autres lettres, dont rexisteuce est connue, sans qu'il ait pu en
obtenit communicatioii, perniettront un jour de doubler ä peu pres
son petit recueil. Tel qu'il est, il sera le bienvcnu de tous ceux
qui aimeut Alfred de Musset i).
Cinquante ans se sont ecoules depuis la mort du poete (2 mai
1857) en sorte que ses ceuvres viennent de tomber dans le domaine
public. C'est le momeut de dire qu'elles ont besoin d'un annotateur.
Le lecteur, pour comprendre certaiues poesies de Musset, a besoin
d'etre guide dans le dedale de sa vie agitee. Ces cris du cceur ont
ete proferes ä tels moments, ont ete adresses ä telles personnes,
qu'on peut, qu'on doit fixer. II y a gä et lä aussi des alhisions
qui se rapportent on ne sait ä quoi; 11 faudra chercher. Et par
exemple, je ne saurais dire (je Tavoue) ä quel poeme ou ä quel
roman pensait Alfred de Musset, quand il ecrivait dans Namouna:
Oh! oui, n'en doutez pas, c'est un plaisir perfide
Que d'enivrer son arae avec le vin des sens.
Et de laisser tomber, coimne la jeune Elfride,
La clef d'or de son coeur dans les eaux des torrents . . .
Geneve. Eugene Ritter.
Oiraild, Victor. Livres et Questions d'aujourdliui. Paris,
Hachette et C'«- 1907. XV + 283 S. 3.50 fr.
Der leitende Gedanke, der durch die in dem vorliegenden Buche
vereinigten Aufsätze hindurchgeht, die Inspiration maiti'esse, die dem
Verfasser die Consequenz seines Standpunktes vorschreibt, ist die
Überzeugung, daß man in der Geschichte Frankreichs, in der politischen
oder sozialen, in der philosophischen und selbst literarischen, sobald
man nur in die Tiefe gehe, das ewige und lebendige Problem des
1) Je n'ai que de menues observations ä presenter sur quelques dates.
La 4e lettre est datee du lundi 18 septenibre 1829; mais on 1829, le 18
septembre etait un vendredi. La .> lettre est datee du mercredi 20 octobre
1829; mais en 1829, le 20 octobre etait un mardi. La 85e lettre est datee
du jeudi 28 juiu 1837; mais en 1837, le 28 juin etait un mercredi. La 180«
lettre est datee du jeudi 9 fevrier 1857. Mais en 1857, le 9 fevrier etait
un lundi.
76 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
Glaubens antreffe. Die Goschiclite der französischen Literatur, so
glaubt der Verfasser, ist nur ein langes, ununterbrochenes Duell
zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen, zwischen denen, die
so glauben und denen, die anders glauben. Dem objektiven Historiker,
auch wenn er selbst jedes positiven Glaubens bar sei, müsse das
religiöse Prinzip als das den ganzen Gang der französischen Literatur
beherrschende erscheinen. Die meisten der großen Schriftsteller
Frankreiclis hätten sich kaum für andere Ding-e als die religiösen
interessiert, die bedeutendsten Werke der französischen Literatur
seien die, welche diese geistige Verfassung widerspiegeln. Daher müsse
man, wenn man in das Herz der Dinge gehen wolle, vor allem die
religiösen Gedanken unserer großen Schriftsteller studieren, durch-
dringen und kritisch beleuchten. „Puisque le jyoint de vue religieuse
est celui auquel ils se sont surtout places pour voir le monde et
pour juger la vie, cest au point de vue religieuse surtout quHl
faut se placer aussi pour les comprendre et p)our expliquer leur
ceuvre et leur action.'' Und diese Notwendigkeit gelte nicht nur
für das Studium der großen Schriftsteller, die zugleich Theologen
oder Religionsphilosophen gewesen sind, sie sei ebenso gut vorhanden,
wenn es sich handele um die Romanschriftsteller, Dramatiker, Mora-
listen und Poeten, welche in ihrem Leben und in ihren Werken den
religiösen Fragen gegenüber gleichgültig geblieben seien. Der Ver-
fasser geht noch weiter. Der grössere oder geringere Gehalt religiöser
Gedanken in einem Werke der Literatur wird ihm zum Maßstabe
der Wertschätzung. Wenn der Schriftsteller sich bis zu der höchsten
Frage aufschwingt, die der Mensch ins Auge fassen kann, wenn er
die sichtbare Welt und das Gebiet der Erscheinungen verläßt und
in den Bereich der Barmherzigkeit {Vordre de la »charite^) eintritt,
wenn er mit neuer, umfassender Geisteskraft das Problem des Glaubens
und des Geschickes aufstellt, dann, falls seine Kunst ihn nicht verrät,
falls sein Denken hell, kräftig und kühn bleibt, dann gelangt sein
Werk zu unvergleichlicher Bedeutung und Tragweite, und es scheint,
als ob die Fragen, die er aufrührt, ihm etwas von ihrer Größe und
Ewigkeit mitteilen. „ Voilä ce qui classe deßnitivement une ceuvre
litt^raire, et eleve un Scrivain au-dessus de ses rivaux, et parfois
au-dessus de lui-raeme.^ . . . Voilä ce qui, dans V ceuvre de
Corneille, eleve Polyeucte au-dessus du Cid, dans l'oeuvre de
Racine, Athalie au-dessus de Phedre, dans celle de Möllere,
Tartuffe au-dessus des Femmes savcmtes, — et le Port-Royal de
Sainte-ßeuve au-dessus des Nouveaux Lundis. Und wenn die
Maximen La RochefoucauUrs an Vollendung und Originalität der Form,
an Tiefe und Reichtum des Gedankens den PensSes Pascals gleich-
gestellt zu werden verdienten — dennoch bliebe eine unüberschreit-
bare Kluft zwischen diesen beiden Werken.
Wenn so der Kritiker aus den Werken der Literatur heraus-
hebt, was sie an Ewigkeitsgehalt in sich schließen, so hebt er auch
Victor Giraud. Livres et Quesiions d'aujourdlmi. 77
aus ihnen heraus, was wahrhaft ,,actuel'' ist. Frankreich macht
heute eine Zeit durch, in der die religiöse Frage auf das Heftigste
die Gemüter bewegt. Die Probleme und Kämpfe, die uns bewegen
und trennen, sie tragen augenscheinlich, so meint der Verfasser „une
origine religieuse''^ . Und darum suchen wir mit Eifer in den Werken
der Vergangenheit den religiösen Grund, auf dem sie sich aufbauen.
Unser Denken von heute mischt sich mit dem vergangenen, die alten
Werke verschmelzen mit dem moralischen Leben unserer Tage, sie
durchleuchten sich mit einem ganz neuen Licht, sie gewinnen erst jetzt
ihren wahren Sinn, der Schauer des Lebens durchwallt sie von neuem.
Der verehrte Meister des Verfassers der „Livres et quesiions
d'aujourd'/iui'\ Ferdinand Brunetiere, schärfte einmal in einer Vor-
lesung über die „Renaissance du Naturaiisme'^ ^) seinen Schülern
und Zuliörern ein: „Oui, faites-y bien attention, Messieurs: dans
toutes les discussions d'art, quelles viennent ä s'ilever sur la valeur
d'une toile ou sur celle d'une comedie, lorsque nous agiions la
question de savoir si la maniere de Titien est plus haute que
Celle de Rubens, ou pourquoi V Andromaque de Racine est au-
dessus de la Zaire de Voltaire, toujours, que nous le sachions
ou non, nous en appelons, si je puis ainsi dire, ä un tiers inter-
locuteur; et ce tiers c'est la naturel Quelle idSe, ou, si vous le
prSferez, quelle Sensation de la natvre et de la vie les Venus de
Titien ou les nymjjlies de Rubens nous procurenf-elles? Quel est
le degre de vraisemblance ou de verite de Pyrrhus et d' Andromaque,
d'Oreste et d'Hermione, de Zaire, d'Orosmane, de Lusignan?
Qu'expriment-ils d'humain'? Par ou sortent-ils peut-etre de la naiure
pour entrer dans le domaine de la cö7iventio7i? C'est l'eternel
Probleme . . . Also, faites-y bien attention, nur den Grad der künst-
lerischen Wiedergabe der Natur will da der vielgepriesene und ge-
schmähte „Literaturpapst" Brunetiere als Maßstab für die Einschätzung
der Werke der Kunst und Dichtung gelten lassen. Das Verhältnis
von Kunst und Natur ist ihm in Fragen des künstlerischen Schaffens
das „ewige Problem". Wo bleibt da der Glaube? Herr Giraud
wird vielleicht entgegnen, Brunetiere fordere aber doch die Wieder-
gabe, den reinen Ausdruck des Menschlichen, und das Göttliche, die
Sehnsucht nach dem Göttlichen, der Glaube sei ein Teil des Mensch-
lichen, mache die Tiefe des Menschlichen aus. Sicherlich, ein mensch-
liches Dasein, das stumpfsinnig in der niedrigen Enge brutaler Lebens-
instinkte auffzeht, das keinen Augenblick innehält in seinem gierigen
Zusammenraffen, um nachzudenken über den Sinn des Lebens, das
sich nicht manchmal aufschwingt in ahnungsvollem Staunen und
fragendem Erkennenwollen ist ein leeres Dasein, es fehlt ihm eine
Sehnsucht und eine Inbrunst, die wir in dem vollkommenen mensch-
') in VEvolution de la Poesie lyriqtte en France au dix-neuvieme siccle.
3. Ausgabe, t. II p. 118.
78 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
liehen Wesen suchen. Aber ist diese Tiefe des Menschlichen immer
der Glaube? Kann es nicht oft ein Verlangen nur nach Schönheit,
ein Aufgehen in Harmonie sein, ein Wille nach Erkenntnis der rein
physischen Lebensfunktionen sein, kann es nicht sein ein ideales
Aufgehen im Dienste der Menschheit, ein selbstloses Kämpfen um
den sozialen Fortschritt, ein Kämpfen, dem der Glaube an Göttliches
mangelt? Ist nicht die Liebe ein Teil des Menschlichen, der gewaltig,
tief und erhaben sein kann, ohne jede Beimischung des Glaubens?
Und ist ein Mensch, der glaubt, besser und schöner veranlagt, als
ein Mensch, der nicht glaubt, sondern auf Pfaden des Zweifels nach
Wahrheit sucht?
In Kunst und Literatur ist wirklich überall in der Tiefe das
Problem des Glaubens? Betrachtet man nicht, wenn man von einer
solchen Voraussetzung ausgebt, die Geschichte der Kunst und Literatur
unter einem schiefen Gesichtswinkel? Mir will scheinen, Herr Giraud
tut Unrecht seinen Schülern einzureden, die ganze französische
Literatur sei ein ununterbrochener Kampf zwischen Gläubigen und
Ungläubigen, bei allen Schriftstellern sei die Frage nach ihrem religiösen
Standpunkt aufzuwerfen. Es ist unrecht, seinen Schülern zu lehren:
Polyeiicte ist besser als Cid, Athalie besser als Phedre, und wenn die
Pensies den Maximes vollständig gleich wären, so wären sie doch
noch besser; denn der religiöse Gedanke ist in ihnen wirksam.
Wenn Giraud recht hätte mit seiner Behauptung, die ganze
französische Literatur sei ein ununterbrochener Kampf zwischen denen,
die glauben und denen, die nicht glauben, so müßte die eine Hälfte
der französischen Schriftsteller von religiöser Inspiration getragen
sein, die andere Hälfte von unreligiöser oder einer anders gearteten
religiösen In-ph-ation. Oder es müßten sich ganze Zeitalter in be-
wußtem religiösen Kampfe gegenüberstehen. Aber tatsächlich liegen
die Dinge so, daß in den weitaus meisten Fällen die Dichter und
Künstler zum Schaffen getrieben werden durch jenes eigentümliche,
dichterisch-künstlerische Genie, durch jene tiefere und feinere Auf-
fassung der Natur und des Menschlichen, durch jene geheimnisvolle
Gabe des rein formalen Könnens. Sie schaffen aus sich heraus,
nach ihren künstlerischen Idealen und je nach einer zu ihrem künst-
lerischen Genie hinzutretenden persönlichen Veranlagung, oder auch
nach Einflü>sen und Tendenzen, die in der Zeit, im Augenblicke liegen,
nehmen sie teil an den religiösen Fragen, so wie es Laien und Priester
und Forscher auch tun. Von einer durch die Jahrhunderte der
französischen Geschichte hindurchgehenden religiösen Inspiration bei
Schriftstellern und Künstlern, welche die erste und vornehmste Be-
dingung ihres Schaffens wäre, kann keine Rede sein. Natürlich ist
das Problem des Glaubens da. Zeitweilig waltet es vor, wie wohl
auch in anderer Zeit ein philosophisches System, das mit dem Glauben
an sich nichts zu tun hat, die Gemüter beherrscht. Es mischt sich
hinein in Fragen der Politik, des sozialen Fortschritts, der Kunst
Victor Giraud. Livres et Questions cC aujourd'hui. 79
und GS kotiimt wohl vor, daß die Künstler die Einmischung des
Glaubens in ihr freies Schaffen abwehren müssen.
Es ist unrichtig zu behaupten, wie es Herr Giraud tut, daß
das Verhältnis eines Ronsard, Leconte de Lisle, Racine, Augier,
La Rochefoucauld, Vauvenargues, Balzac oder Flaubert zur
Religion die- allgemeine Richtung und Bedeutung ihres Werkes
bestimmen. Es ist zum mindesten unnütz zu sagen: „Wer sieht
nicht ein, daß das Innerste von Leconte de liisle's Poesie von
Grund aus verändert wäre, wenn er Christ gewesen wäre." Nein,
wir müssen uns damit abfinden, die Poesie ungläubiger Dichter ledig-
lich nach den in ihr wohnenden, ihr eigentümlichen Werten zu
beurteilen und dürfen nicht zum Vergleiche nach der Poesie des
gläubigen Dichters hinüberschielen. Leconte de Lisle war ein Heide
mitten in der Christenheit, Paul Verlaine zu Zeiten ein inbrünstiger,
glaubensheißer Katholik und Bekenner. Wie kann man ihre Poesie
miteinander vergleichen, indem man von der Religiosität ausgeht.
Gewiß, man wird im Laufe einer vergleichenden Betrachtung auch
von den religiösen Empfindungen des einen und der indisch -pessi-
mistischen, griechisch-schönheitsuchenden Weltanschauung des andern
sprechen müssen, und man wird von dem Einflüsse dieser ihrer Gefühle
Stimmungen und Überzeugungen auf ihre Werke handeln. Aber man
wird, solange man unvoreingenommen bleibt und umfassend denkt,
ihr Verhältnis zur Religion nicht als bestimmend für die „orientation
gSnirale et la signißcation de leur oeuvre'* ansehen wollen. Tut man
es doch, so betrachtet man eben die Literaturgeschichte unter einem
falschen Gesichtswinkel.
Der Verfasser meint, wenn Ronsard an der Reformation teil-
genommen hätte, dann hätte er den „Discours sur les miseres de
ce temps" nicht geschrieben, und sein Vers würde nicht diese „sotiorite
joyeuse" gehabt haben, die so stark mit der „tristesse" des Stiles
Calvins kontrastiert. Dem ist zu erwidern, daß Ronsard aus innerer
Überzeugung, aus tiefer Religiosität die Reformation nicht abgelehnt
hat, daß ihn lediglich das bequeme Festhalten an der Tradition
leitete, nur sein künstlerisch-genießendes, etwas oberflächliches Dichter-
tum, die Scheu vor dem Eindringen in die Tiefe des Problems, die
Furcht vor der Unruhe. Gründe bestimmten ihn also, die alles
andere waren als der Glaube. Ich meine der wirkliche, überzeugte
Glaube, ni"ht der gedankenlose, mitlaufende, unfreie Glaube des
Jionnete komme''. Nicht der Glaube jener braven, arbeitsamen,
sparsamen Millionen der dunklen Masse, jeaer „ Troisihne France^'',
in deren Schoß nach dem Glauben der Gläubigen die Kräfte der
Zukunft liegen sollen, jener bedrohten Masse, auf der noch fest die
schwere Hand der katholischen Kirche ruht. Ihren bequemen Glauben,
den fort- und fortvererbteu besaß auch Ronsard. Wäre sein König
zu dem neuen Glauben übergetreten, so würde er ihm ohne Zweifel
gefolgt sein. Und ob dann wirklich die „sonorite joyeuse'''- seines
80 Referate und Rezensionen. Walther Küchler.
Verses gelitten hätte, mag dahingestellt bleiben. Ich weiß einen Mann,
der besaß sicher keinen tiefen Glauben, und er neigte ganz entschieden
zur Reformation liin, und seine Prosa hallt dennoch wider von einer
unvergleichlichen „so7iorite joyeiise'* — Rabelais.
Unsere Aufgabe liegt in anderer Richtung. Wenn wir im Laufe
unserer Betrachtung eine Bewegung vorwiegend religiösen Geistes, eine
Persönlichkeit von besonders religiöser Veranlagung finden, so werden wir
dem religiösen Problem unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Wenn
wir eine Zeit von besonders starken politischen Interessen erfüllt,
oder von sozialen Tendenzen durchsetzt sehen, so werden wir alle
diese einzelnen Faktoren, einen jeden für sich in seiner Bedeutung
für den Stand und die Entwicklung von Kultur und Literatur zu
würdigen haben. Wenn wir bei einem schaffenden Menschen erkennen,
daß er lebt und schafi't und Großes und Schönes leistet aus seinen
rein künstlerischen Träumen und Visionen heraus, so werden wir
versuchen in die Eigenart seiner künstlerischen Organisation einzu-
dringen. Wir werden bei Andre Chenier mit ganz anderen ursprüng-
lichen Qualitäten zu rechnen haben, als bei Chateaubriand. Wir
werden bei dem einen den sinnenfrohen, sinnlich-weichen Schönheits-
sinn bewundern und bei dem andern erstaunen über die großartige
Einseitigkeit, die ihm die Kraft gab ein Erneuerer des religiösen
Gefühls seines Jahrhunderts zu werden.
Wenn Giraud meint, der Grund für alle die Kämpfe, die
Frankreich zur Zeit durchzumachen habe, sei religiöser Natur, so
erfordert auch diese Formulierung des Gedankens eine kurze Aus-
einandersetzung. Wenn ich sage, daß eine Bewegung religiösen Ur-
sprungs sei (Giraud schreibt ,^origine foncieremcnt religieuse"), so
will ich damit andeuten, diese Bewegung erhielt ihren Anstoß aus
religiösen Motiven, tiefinnerliche Fragen über das Verhältnis des
Menschen zu Gott erregten sie. So will es der Sprachgebrauch und
der Sinn. Die heutige Bewegung in Frankreich aber, das schwerste
und gefahrvollste Problem, das dieser Staat seit langer Zeit durch-
zukämpfen hat, ist gerade aus antireligiösen, oder besser gesagt, anti-
kirchlichen Beweggründen hervorgegangen. Die Kirche aus sich heraus,
aus inneren Stürmen und Gärungen heraus hat den Kampf nicht
entfesselt. Wenn es auf sie allein angekommen wäre, gäbe es über-
haupt keine religiöse Frage. Die Kirchenfeinde haben die Verwirrung
erregt, gleichgültig, aus welchen Motiven, sicher nicht aus Motiven
des Glaubens. Aus religiösen Gründen werden Religionskriege herauf-
beschworen, Glaubenskämpfe, bei denen auf beiden Seiten etwa religiöser
Fanatismus waltet und heiliger Eifer; aber ein solcher Religionskrieg,
entstanden aus einer wirklichen ^origine religieuse"" ist doch die
^.antiklerikale" Bewegnng nicht. Das wirkliche, innere, persönliche
religiöse Bedürfnis läßt sie geflissentlich außer Acht.
Victor Giraud. Livres et Questions cVaujourcVhui. 81
Daß andere Leute anders über das Vorhandensein religiösen
Gehaltes in der Tiefe aller Probleme des kulturellen Lebens Frank-
reichs denken, lehrt ein Buch des unparteiischen Kritikers Emilo
Faguet „Ij'AnticlMcalisme", ein Buch, mit dem sich Giraud in
einem Aufsatz „AnticUricalisme et Catholicisme'-^ auseinandersetzt.
Der Leitgedanke von Faguets Buch ist die Behauptung, daß der Franzose
von Grund aus unreligiös sei. „Le fond de la race frangaise^ la
gemraliie des Frangais me semhle toiijours avoir ete peu capahle
d'emhrasser et d'entretenir Vesprit religieux et le sentiment religieiix.^
Faguet will nur innerhalb des Meeres der Religionslosigkeit eine Reihe
von Religionsinscln gelten lassen, nur einzelne Gruppen, die von
starkem, aus Oppositionsgeist entstandenem und genährtem religiösen
Sinn durchdrungen sind. Er berührt sich in dieser Auffassung mit
einem Worte Victor Hugo's, das dieser in der Vorrede zu seinen
„Ödes et Ballades'' im Jahre 1824 geschrieben hat. Hugo sagt
von den Dichtern Frankreichs: „Ses poetes nationan.v etaient
presque tous des poetes pai'ens; et notre littSrature Stait plutot
C expression d'une societe idoldtre et dhnocratique que d'une societe
monarchique et chretienne."" Ich stimme mit dieser Behauptung
V. Hugos nicht ganz überein, ich führe sie nur als interessantes
Zeugnis gegen Girauds These an. Wie verhält sich Giraud zu dieser
vielleicht übertriebenen Feststellung Faguets? Behauptet er seiner-
seits, daß der Franzose ,,essentiellement religieux'' gesinnt ist? Er
sagt es nicht, obwohl ihm diese Formel der Wahrheit näher zu kommen
scheint, als die entgegengesetzte. Er überschlägt sich höchst gewandt
und sagt: „le Frangais a, par nature, le goüt et la passion meme
de Uapostolat." Der Franzose ist ein äußerst soziales Wesen; er
kann nicht für sich allein leben und denken, er empfindet das leb-
hafteste Bedürfnis, seine Überzeugung auch anderen beizubringen. Er
ist der geborene Apostel. Daß er sich so leicht zum Katholizismus
bekehrt hat, kommt daher, daß er eine Art von innerem Zusammen-
hang fand zwischen seinen tiefsten Instinkten und einer Religion, die
das Aposteltum zur vornehmsten ihrer Pflichten machte. Und diese
Neigung Proselyten zu machen, ist so mächtig, daß sie selbst in der
Brust des Ungläubigen noch bestehen bleibt, „Quand le Frangais
devient incridule, son increduUte a un caradere presque religieux. '"'
Weil wir diese Leidenschaft der Propaganda besitzen, ist bei uns die
Frage der Religion stets d Vordre du jour. Auf der Tagesordnung,
meinetwegen, aber nicht im innersten Kern der Dinge.
Die allgemeine Voraussetzung, unter der die Aufsätze Girauds
geschrieben sind, die prinzipielle Erhebung des Glaubensproblems in
den Mittelpunkt auch der literaturgeschichtlichen Erscheinungen,
mußte von uns zurückgewiesen werden. Diese These widerspricht den
tatsächlichen Verhältnissen und zwingt die historische Befraclitung
in Bahnen, die ihr nicht ziemen. Ihre Anwendung in der Forschung
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII 2. 6
82 Referate und Rezensionen. Walther Knchler.
wahrt dem Forscher nicht die unbedingt notwendige Unbefangenheit
und Unparteilichkeit. Die Aufgaben der historisclien Wissenschaft,
auch der literarhistorischen Wissenscliaft, sind andere als die der
l)raktischen Morallehre. Die letztere mag unter den Persönlichkeiten
der Vergangenheit und ilircn Werken auswählen, was ihr für ihre
Zwecke dienlich ist, sie mag ihre Werturteile nach ihren Bedürfnissen
fällen. Der Historiker geht mit ganz anderen Voraussetzungen an seine
Zeit heran. Ihm ist es zunächst ganz gleichgültig, ob Pascal oder La
Rochefoucauld mehr für unsere Zeit bedeuten, ob im Anfange des
"20. Jahrhunderts Pascal auf der Tagesordnung steht und fünfzig
Jahre später etwa Vauvenargues mehr geschätzt wird. Er findet nicht
w'as er finden will, sondern er sucht und findet was da ist. Das so be-
triebene Geschichtsstudium ist kein enttäuschendes Geschäft und keine
alberne Belustigung, wie Herr Giraud meint, sondern eine Quelle edelsten
Genusses und eine Lehrmeisterin edelster Moral. Die Arbeit des
auf Erkenntnis der Wahrheit gerichteten Historikers erzieht ihn zu
immer größerer Freiheit und Selbständigkeit, und sie läßt ihn zugleich
immer inniger eindringen in das Verständnis des großen Zusammen-
hanges aller menschlichen Kräfte und Dinge; denn diese Verknüpfung
des Einzelnen mit der Gesamtheit zeigt ihm ja jedes Bild des großen
geschichtlichen Verlaufs. Darum soll gerade der Historiker seine
durch das voraussetzungslose Studium gewonnenen Kenntnisse verwerten
in den Kämpfen und Sorgen seiner Zeit, aber in seiner Forschung
selbst sollen diese Nöte schweigen. Es sollen sich der Historiker
und der Moralist nicht immer kreuzen. Der Historiker fragt nach
dem, was war, der Moralist nach dem, was sein soll. Nebeneinander
vertragen sich diese beiden Fragen nicht, nur nacheinander.
Unter dem Titel „Xe'yres et Questions cVaujourdliui sind
folgende Aufsätze, die z. Z, schon in der Revue des deux Mondes
erschienen sind, vereinigt: Pascal et la Criiique contemjwraine ;
Bossuet et son dernier historien; Les princijMux courants de la
litterature frangaise au XIK*^ siecle; iJceuvre de Samte- Beuve\
La troisihne France: Anticlericalisme et Catholicisme\ Notes sur
la litteratiire suisse contemporaine. Am gelungensten erscheint der
Artikel über Sainte-Beuve, durchaus zu billigen sind die Einschränkungen,
die der Verfasser der allzu enthusiastischen Beurteilung der Lundis
zu teil werden läßt. Bei allem Respekt vor der Leistung des großen
Kritikers, der die Kritik zu einer selbständigen literarischen Gattung
erhoben hat, ist es doch manchmal wahr, daß er an der Oberfläche
geblieben ist und schiefe Urteile gefällt hat. Manche Einzelheiten
aus den anderen Aufsätzen würden Gelegenheit zur Diskussion geben,
doch ich muß mir versagen näher auf sie einzugehen und kann nur
darauf hinweisen, daß der Verfasser stets dem ihn leitenden Grund-
gedanken treu bleibt und sich daher natürlich häufig in Gegensatz
Bibliotheca Ronianica. 83
setzen muß zu Ansicbteu, die auf grundsätzlich verscliiedenen Voraus-
setzungen beruhen. Durchaus anerkennenswert erscheint, das mag
zum Schluß noch betont werden, der stets courtoisievolle und sach-
liche Ton, den der Verfasser auch in den polemischen Teilen seines
Buches wahrt. Der Leser gewinnt den Eindruck, daß es dem Schrift-
steller ernst mit seiner Überzeugung ist, daß er seinen Standpunkt
mit dem Herzen vertritt; und diese deutliche, ernste Ehrlichkeit mag
den andersdenkenden Leser für den Mangel an historischer Unbefangen-
heit in etwas entschädigen.
GIESSEN Walther KtJcHLER.
Bibliotheca Romauica. Straßburg. J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) .
Von dieser Sammlung romanischer Texte, deren erste zehn
Bändchen bereits in dieser Zeitschrift besprochen wurden, liegen mir
folgende Neuerscheinungen vor:
Xo. 1 1 Jean Racine, Athalie (G. G.)
No. 12—15 Petrarca, Rime (G. G.)
No. 16 — 17 Dante, Divina Commedia II Purgatorio.
No. 18 — 20 Claude Tillier, Mon oncle Benjamin (G. G.)
No. 21 — 22 Boccaccio, Decameron Seconda Giornata (G. G.)
No. 23 — 2-i Beaumarchais, Le Barbier de Seville (G. G.)
No. 26 — 28 Alfred de Musset, Comedies et Proverbes (La nuit
venetienne; Andre del Sarto; Les Caprices de Mari-
anne; Fantasio ; On ne badine pas avec l'amonr (H. G.)
No. 29 Pierre Corneille, Horace (C. Th.)
No. 32 — 34 L"Abbe Prevost, Manon Lescaut (H. G.)
No, 35 — 86 Francois Villon, QÜuvres (F. Ed. Schneegansj
No, 37—39 Guillem de Castro, Las Mocedades del Cid I, U. (W. v. W.)
No. 40 Dante, La Vita Nuova (Federico Beck).
Das Unternehmen, das in demselben Geiste fortgeführt wird,
in dem es begonnen wurde, sollte im reichsten Maße die Unter-
stützung aller Freunde der romanischen Literaturen finden. Die Texte
sind mustergültig, die Einleitungen führen kurz und klar in das Ver-
ständnis der einzelnen Werke ein, der Preis der Bändchen ist sehr
niedrig. Der Druck ist zwar ziemlich klein, aber gut leserlich.
Allerdings an manchen Stellen etwas schwach, hier und da sind sogar
Buchstaben ganz ausgefallen. Wenn etwas mehr Sorgfalt in dieser
Hinsicht aufgewendet würde, so würde die Bibliothek ohne Zweifel
einer noch größeren Verbreitung sicher sein. Die Anschaffung der
billigen Bändchen (ä 40 Pf.) sei besonders auch den Studierenden
aufs Angelegentlichste empfohlen.
GIESSEN Walther Küchler.
6*
84 Referate und Rezensionen. Waliher Küchler.
Walch, G. Anthologie des PoUes frangais contemporains. Lc
Parnassc et les ecole posterieures au Parnasse (1866 — 1906).
Paris, Ch. Delagrave. 3 Bde in-«'^ ü 3,5ü frcs.
Der Herausgeber dieser Anthologie geht aus von der ohne
Zweifel richtigen Voraussetzung, daß das große Publikum nur in
geringem Maße vertraut sei mit den Bestrebungen der neueren Dichter
„vers la Pensie et V Harmonie.'''' Daher will er eine Auswahl aus
dem gesamten lyrischen Schaffen der letzten vier Jahrzehnte geben,
einen Überblick und eine Anregung Die Dichter selbst, soweit sie
noch leben, haben mitgeholfen und die auszuwählenden Stücke be-
zeichnet. Wenn ich richtig gezählt habe, so sind 239 Dichter in
der Anthologie vertreten. Eine stattliche Anzahl. Wie manch starker
Wille zum Ideal, wie mancher Träumer von Schönheit, wie mancher
Grübler um Wahrheit ist unter ihnen, aber auch wie viele Pseiido-
charaktere und Aftergenies, rein formale Talente mit geschickt ver-
wendetem Aneignungs- und Anpassungsvermögen sind mit in der großen
Menge. Von allen, die heute mit für würdig befunden wurden, dem
dichterischen Antlitz ihrer Zeit einen Zug hinzuzufügen, wie viele
mögen nach fünfzig Jahren vergessen sein, wenn vielleicht einer auf-
gestanden ist, der all die vielen kleinen Errungenschaften zu einem
großen Siege vereinigt. Fast ein wehmütiges Gefühl will uns über-
kommen, wenn wir in den Seiten der drei stattlichen Bände blättern,
so manche unbekannte Namen lesen, deren jeder eine Hoffnung birgt,
so manche stolze oder geheimnisvoll tiefe, bedeutungsschwere Titel
von Gedichtsammlungen. Wenn wir die kühnen und energischen,
oder feinen und zierlichen Schriftzüge der zahlreich beigefügten Auto-
gramme lesen. Wenn wir die mannigfach variierten. Äußerungen der
Dichter über ihre Auffassung von Poesie lesen und daran denken,
wie Härte der Zeit, Gleichgültigkeit der Menschen und Lärm des
Marktes die allermeisten von diesen leisen Sehnsüchten übertönen,
sodaß sie ungehört verhallen. Und aus dieser Wehmut löst sieb
ein Wunsch in uns los, ein Verlangen nach einem neuen großen
Dichtergenius, nach einem Dichter, der aus dem Sturm seines Innern
heraus, aus den Leidenschaften, die ihn bewegen, heraus uns eine
neue kraftvolle, tief innerhche Poesie geben könnte. Denn wohin
wir schauen, wir sehen fast nur blasse Lichter, wir hören nur weiche
Töne, wir erblicken nur immer sensitiv veranlagte Menschen, die auf
die zarten Melodien ilires Innern lauschen, die in den Dingen um
sie herum immer nur die fast unhörbaren Geräusche vernehmen,
ferne Winde, matte Düfte, die ihren an sich zwar schönen und inter-
essanten Sensationen allzu tiefe symbolische Bedeutung verleihen möchten,
die uns allzu häufig kalt lassen trotz der auserlesenen Pracht ihrer
Worte, trotz des verführerisch-schmeichelndcn Rhythmus ihrer Sätze.
Eine Anthologie ist wie ein großer Saal, dessen Wände ganz
behangen sind mit vielen, vielen, kleinen Gemälden, eins neben dem
andern, eins über dem andern. Alle möglichen „Sujets" von den
E. Koschioitz. Anleitung zum Studium d. franz. Philologie. 85
verschiedensten Künstlern genaalt, finden sich nebeneinander. Stillleben
und Historienbilder, Porträts und Seestücke, Genrebilder und Land-
schaften. Der Blick irrt über die vielfältige, verwirrende Masse und
bleibt nirgends haften. Es ist ein Gewoge von Farben und Formen,
das ihm den großen, einheitlichen Genuß raubt. Vielleicht ist in
einem kleineren Nebensaale ein großes Bild allein an einer Wand
aufgehängt. Eine \Yeite stille Landschaft, eine einsame Küste, an
die des Meeres ewige Brandung schlägt. Dort ruht das Auge sich
aus, dort ruht es lange in genießendem Schauen und Begreifen. So
ist auch das Verhältnis zwischen einer reichen, fast überreichen
Anthologie und dem einzelnen Werk eines einzigen Dichters. Statt
des. verwirrenden Überblickes der große Genuß und das Verstehen.
Aber die Anthologie kann anregen zu den Werken überzugehen. Je
besser sie ist, um so selbstloser wird sie sein und sich gerne aus
der Hand legen lassen zu Gunsten des Dichters, für dessen Werk
sie durch ihre Auswahl Interesse erregt hat.
Die uns vorliegende Anthologie ist in diesem Sinne verfaßt
worden. Sie ist äußerst anregend, sie erweckt in uns häufig genug den
Wunsch nach genauerem Kennenlernen, nach Mehr, und so erfüllt sie
wohl am besten ihren Zweck. Ihre Brauchbarkeit wird außerdem
noch sehr bedeutend dadurch erhöht, daß sie jedem Autor eine knappe,
aber gute biographische Notiz und eine ausführliche, zuverlässige
Bibliographie der von ihm veröffentlichten Werke, sowie die Angabe
über die Zeitschriften, an denen er mitgearbeitet hat, beifügt. Audi
die Vorrede von Sully Prudliomme ist eine angenehme Zugabe.
GIESSEN Walther KtJCHLER,
Koseliwitz, E. Anleitung zum Studium der französischen
Philologie für Studierende, Lehrer und Lehrerinne?!.
Dritte, vermehrte und verbeßerte Auflage von Dr. Gustav
Thurau. Marburg, N. G. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung.
1907. Vm, 268 S. 80.
..Diese Studienanleitung, die Koseliwitz im Jahre 1900 noch
Eduard Böhmer zum 7.3. Geburtstage widmen konnte, erscheint jetzt,
nachdem der Tod beide im Leben durch Freundschaft verbundene
Gelehite so überraschend schnell wieder vereint liat, in einer neuen
Auflage, die den Absichten des Autors und den Wünschen seiner
Rezensenten, sowie den Anforderungen der fortgeschrittenen Wissen-
schaft und Praxis gerecht zu werden sucht". Mit diesen Worten
leitet der Herausgeber der dritten Auflage des vorliegenden Buches
das Vorwort desselben ein, und man wird ihm die Anerkennung nicht
versagen, daß er des übernommenen Erbes in verständigem Sinne
gewartet hat. Die Anlage des Buches ist im Wesentlichen un-
verändert geblieben. Daß der das wissenschaftliche Studium behau-
86 Refei'ate und Uezensionen. 1). Belirens.
»leliide Abschnitt demjenigen, welcher das itraktische Studium zum
Gegenstände hat, vorangestellt wurde, verdient Beifall, ebenso daß
am Schluß des Ganzen, S. 24G — 26s, eine reichhaltige Zusammen-
stellung von Auslandadressen hinzugefügt wurde. Im Einzelnen weist
die neue Auflage zahlreiche Änderungen auf, die zumeist als Zusätze
zum Text der zweiten Auflage, weit seltener als Kürzungen und
Umformungen derselben sich darstellen. Die Zusätze sind in erster
Linie den bibliographischen Angaben, daneben aber auch dem dar-
stellenden Texte zu gute gekommen. So sind neu die Abschnitte
über das Studium der Volkskunde (S. 80 f.), der Philosophie (S. 15 f.),
der Paläographie (S. 18 f.), der bildenden Kunst und Musik (S. 15f.).
Leider enthält auch die vorliegende Auflage keinen besonderen Ab-
schnitt über das für die sprachwissenschaftliche Forschung so
wichtige Studium der lebenden Mundarten. Gelegentlich zwar wird
der Gegenstand gestreift, nirgends aber werden Gillioron's und Edmont's
monumentaler Atlas linguistique und die zur Einführung in das
Studium der Mundarten bestimmten Neufranzös. Dialekite.rte
E. Herzog's auch nur erwähnt.
Zu Einzelheiten mögen hier einige weitere Bemerkungen folgen:
S. 6ß war zu V. Hugo's Cromwellvorrede auf S. 70 zu verweisen
oder Souriau's lyitroduciion gleich hier zu erwähnen.
S. 70 wird unter den „deutschen" Arbeiten über Y. Hugo
versehentlich auch E. Rigal's V. Hngo poete cpiqiie (Paris 1900)
aufgeführt.
S. 79 konnte auch K. Sachs' in dieser Zeitsclir. XV, S. 24—60
erschienener Aufsatz Über die neueren französischen JJteraiur-
hestrebiinc/eji, besonders die DScadents erwähnt werden.
S. 82 fehlt die Bemerkung, daß die Melusine nicht mehr er-
scheint. Von den Arbeiten zur Volkskunde werden Sebillot's Le
Folk-Lore de la France und Frieslaud's Französische Sprichicörter-
bibliographie unter den Nachträgen (S. 244) genannt, der Name des
Verfassers der letzteren Arbeit aber unterdrückt. Auch auf E.
Rolland's Flore popidaire und Faune populaire konnte hingewiesen
werden. In vielen Fällen werden über eine zweckmäßige Auswahl
der bibliographischen Angaben, die in einem Einführungsbuch wie
dem vorliegenden zu machen sind, die Ansichten auseinander gehen.
Als eine starke Inkonsequenz in der Darstellung aber wird es auf
jeden Fall erscheinen, "wenn die Romania und einige andere wichtige
Fachzeitschriften zum ersten Mal im Anhang, v-d von der weiteren
Fortbildung des definitiv angestellten Lehrers geliandclt wird, Er-
wähnung finden, während gelegentliche Lektüre der Melusine und der
Revue des traditions populaires p. 91 bereits dem angehenden
Philologen ausdrücklich ans Herz gelegt wird. Überflüssig war es,
p. 24 unter den für das Studium des Provenzalischen heute in
Betracht kommenden r)üchern Mahn's Grammatik der altj^roven-
E. Koschioitz. Anleitung zum Studium d. franz. Philologie. 87
zalisclien Spruche mit aufzuführen, wenn auch nur, um sie als un-
zuverlässig bei Seite zu schieben. Eher hätte für die Erwähnung
derselben in einem besonderen Abschnitt über die Geschichte der
französischen Philologie neben anderen Literaturangaben ein ge-
eigneter Platz sich finden lassen,
S. 105 Beachte auch Panconcelli-Calzia's seit 1906 in der Medi-
zinisch-pädagogischen Wochenschrift für die gesamte Sprachheilhunde
erscheinende ßibliograplda phonetica.
S. 137. Für eine etwas zu weit gehende Forderung halte ich
es, wenn es hier in dem Kapitel „Studienreisen" heißt: „man soll
zu ernsthaften Sprachstudien in das Ausland erst gehen, wenn man
dessen Sprache (bis zu einer gewissen Fertigkeit) beherrscht . . . wer
nicht der Unterhaltung eines Franzosen mühelos zu folgen gelernt
hat, und nicht im stände ist, mit einiger Geläufigeit seine Gedanken
in der fremden Sprache auszudrücken und eine gewöhnliche Unter-
haltung zu führen, der soll getrost zu Hause bleiben. Es geholt
eine weitgebende Harmlosigkeit dazu, anzunehmen, daß sich Franzosen
dazu hergeben, die Sprachstümpereien wildfremder Ausländer geduldig
anzuhören ..." Demgegenüber wird p. 160 darauf hingewiesen, daß
französische Studierende, die selbst Umgang mit Deutschen suchen
und gerne mit ihnen auch Sprachunterricht austauschen, gegenwärtig
keine so große Seltenheit sind wie in früheren Tagen, und von der
Association generale des etudiants de Paris wird gesagt, es werde
dem Eingeführten, wenn er nicht aller Höflichkeit entbehre und nicht
„ein gar zu arger Sprachstümper" sei, leicht sein, hier allen
wünschenswerten Anschluß und reichliche Gelegenheit zur Unterhaltung
und Debatte zu finden.
S. 193 Nicht recht verständlich ist es mir, weshalb eine Bemerkung,
wonach „alle Deutsche, welche die Schweiz auf längere Zeit aufsuchen,
sich damit befreunden müssen, daß sich in der Presse des Ländchens
nicht selten ein albernes Liebäugeln mit dem Franzosentum auf
Kosten der Deutschen geltend macht" von dem Herausgeber der voi^-
liegenden Ausgabe gerade dort eingefühlt wurde, wo von dem Aus-
landstudiura weiblicher Studierender gehandelt wird.
Von störenden Druckfehlern seien angemerkt:
S. 13 Schulttess st. Schulthess, S. 37 Petit de Juleville st. Petit
de Julleville (ebenso S. 77), S. 38 A. Franrais st. A. Francois,
S. 52 Voretsch st. Voretzsch, S. 60 Völlmöller st. Vollmöller, s! 63
Desnoiresserres st. Desnoiresterres, S. (54 Grand- Garteret st. Grand-
Carteret, S. 76 Franrais Coppee st. Francois Coppee, S. 106 Sprach-
syntax st. Sprechsyntax, S. 134 Darmestetter st. Darmesteter,
S, 175 Boullier st. Bullier, S. 226 Gramont st. Grammont, S. 242
und 244 Vigetelly st. Vizetelly.
D. Behrens.
88 Referate und Rezensionen. 0. Urstadt.
Kraft, Fl*. Rostands Princesse Lointaine als SchuUektiire. Progr. Worms.
l'JOT. G2 S. 80.
Rostand, E. La Princesse Lointaine cd. Fr. Kraft et L. Marchand
[Franz. und engl. Schnll)ibliothek- Leipzig. Rengersche Buch-
handlung, Gebhardt & Wilisch].
Die Schrift von Kraft zerfällt in drei Teile. Den ersten bildet eine
ganz vorzügliche Inhaltsangabe des Dramas, die erkennen läCst, dafs sich
der Verfasser mit feinsinnigem Verständnis in die Schönheit der Dichtung
versenkt hat. Die zahlreichen Übersetzungsproben von Dialogstellen sind
der Verskunst v. Oppeln-Bronikowskis ebenbürtig, in dem Hauptliede ist
Kr. seinen Vorgängern überlegen. Er hat wirklich Stil und Ton getroffen.
Im zweiten Teil bespricht und rechtfertigt der Verfasser die besonderen
Eigentümlichkeiten seiner Schulausgabe und gibt Aufschlufs über die Art
und Weise ihrer Entstehung durch Zusammenarbeit mit Herrn Marchand.
Gleich hier sei auf die geradezu wunderbare Einheitlichkeit des Ganzen
hingewiesen. Nur zwei Freunde, die in Studien, Geschmack und Denkweise
ganz miteinander harmonieren, waren dazu imstande. Der dritte, rein
wissenschaftliche Teil gibt einen schönen kleinen Beitrag zur vergleichenden
Literaturgeschichte. Der Verfasser stellt aber nicht blols, wie er bescheiden
sagt, die zum Teil schwer zugänglichen Dichtungen der Vorgänger Rostands
zusammen, sondern gibt auch Andeutungen, wie die einzelnen Dichter den
Stoff nach ihrer Eigenart gestaltet haben. Auf die Abhängigkeit und die
Quellen der einzelnen Bearbeitungen wird nicht weiter eingegangen. Vielleicht
holt dies der Verfasser nach, wenn er, wie er in der Vorrede verspricht,
auf die Quellen der Geschichte von Joffroy Rudel und auf die Frage zurück-
kommt, ob es sich um Geschichte oder um Sage handelt. In den aufscr-
ordentlich zahlreichen, durchweg zuverlässigen bibliographischen Angaben
dieses Teils steckt eine grofse Arbeit
Die Schulausgabe ist eine einsprachige Reformausgabe. Es ist hier
nicht der Ort, sich über Wert und Berechtigung solcher Ausgaben aus-
einanderzusetzen. Jedenfalls ist die vorliegende eine vorzügliche Leistung
und ein glücklicher Griff. Franzosen schütteln oft den Kopf über die in
unseren Schulen beliebte französische Lektüre. Sie werten eben ganz anders
als wir. Diesmal stimmen sie wohl zu. Aber auch dem deutschen Päda-
gogen machen Inhalt und Form das Stück empfehlenswert. Es wird ihm
nicht schwer werden, das Interesse der Schüler zu erregen und wach zu
halten. Denn Geschichte, Deutsch und Literatur haben schon für zahlreiche
und wirksame Apperceptionsstützen gesorgt. Allerdings wird es nur einer
besonders guten Klasse geboten werden können, und nach der direkten
Methode nur von einem Lehrer, der die fremde Sprache gut beherrscht.
Namentlich dürfte es seine Schwierigkeit haben, trotz den zahlreichen Hin-
weisen in den Erläuterungen „durch Betrachtungen über die Feinheiten der
Sprache und des Stils Rostands den literarischen Geschmack der Schüler
zu vervollkommnen". Die einleitenden Aufsätzchen Le FoHe und La Piket
sind kleine Cabinetstücke des französischen Mitarbeiters, der den deutschen
Kollegen schon durch einen in der Zeilschrift für deutschen Unterricht erschie-
nenen Aufsatz über Schillers Balladen rühmlichst bekannt geworden ist.
Die beiden Aufsätzchen sind fein und geistreich, elegant geschriebru, aber
nichts für Schüler, wie Kraft in seinen Bemerkungen zur Schulausgabe ja
auch selber zugibt. Sie bieten stellenweise den Schülern mehr Schwierig-
keit als das Stück, dessen Verständnis sie fördern sollen. Auch der „Plan
de l'Action"', der dem Verfasser alle Ehre macht, ist mehr ein vortreffliches
Hilfsmittel für den Lehrer als eine ausreichende Unterstützung für den
Schüler, der etwa in französischer Sprache den Aufbau der Handlung
darstellen soll.
Die Ilauptneuerung bei der Ausgabe ist das Dictionnaire expUcatif.
Der Verfasser M. spricht sich in einer Vorrede eingehend darüber aus.
Fr. Kraft. Rostands Princesse Lointaine als SchuUektüre. 89
Jeder Lehrer hat wohl schon immer bei der Lektüre von Moliere oder einer
klassischen Tragödie den Schülern gesagt: „Die und die Ausdrücke prägt
euch nicht ein", aber keiner hat es konsequent getan. M. teilt nun schätzungs-
weise die in der Princesse Lointaine vorkommenden Vokabeln nach der
Häufigkeit ihrer Anwendung durch den gebildeten Franzosen in 10 Gruppen
und deutet dies durch beigesetzte Ziffern an. Die Gruppen 1—4 blieben
mit wenigen Ausnahmen aus dem Wörterbuch weg, weil sie den Gewährs-
schülern (Obersekundaner der Oberrealschule) bekannt waren. Über den
Wert dieser Einrichtung sagt M. selbst: ^Cest nn dassement pratique qui
guide Vctranger dans le chaos des expressions qu\l rencontre pour la jjremirre fois et
qui lui dise: apprenez d'abord ces mots-ci (5), vous en aurez plus souvent hesoin que
des autres\ quund vous les saui-ez, passez ii ceux-Ui (6), puis ii ceu.i-ld (7), puis ä
ceux-lli (8j, puis enfin, sHl vous resie du temps, aux deruiers.
Die Idee ist neu und zweifellos fruchtbar. Sie sollte nur recht bald
auf noch mehr Schulausgaben angewandt und praktisch erprobt werden.
Allerdings wäre eine Vereinfachung vorteilhaft. Es hat keinen Zweck,
10 Gruppen zu unterscheiden. Man könnte sich mit 3 Gruppen begnügen
und 1 — 4 zusammenfassen =^ Wörter, die ein Schüler der oberen Klassen
schon wissen mufs; 5—7 = Wörter, die er lernen mufs; 8 — 10 = Wörter,
die er nicht zu lernen braucht oder garnicht lernen soll. M. rechnet zu
letzteren nur 9 und 10, aber wenn ich zusammenstelle, was er mit dem
Coeffic. 8 versieht, dann mufs ich doch sagen: das einzuprägen mute ich
meinen Schülern nicht zu (z. B. ravauder, vasque, hure, heaume, jouvenceau). Die
in den Notes behandelten Wortverbindungen sind sehr praktisch nur in
2 Gruppen — allgemein übliche, stehende Redensarten und nicht einzuprä-
gende ßostandiaua — eingeteilt. Über die Art, wie er die unbekannten
Wörter französisch erklärt, spricht sich der Verfasser des Wörterbuchs sehr
schön in der Vorrede aus. Aber ich fürchte, dafs diese Erläuterungen dem
Schüler auch wieder manche Schwierigkeit bieten werden, gerade so, wie
die Notes. Dafs es der Fall ist, beweist die Tatsache, dafs gar manches
Wort der Notes ins Dictionnaire aufgenommen werden mufste.
Da die Ausgabe auch für lateinlose Schulen bestimmt ist, so konnte
die Etymologie bei der Worterklärung nur in sehr beschränktem Mafse
herangezogen werden. Aber oft hätte doch an das neufranzösische Grund-
wort angeknüpft werden können. Überhaupt konnten Wörter und Redens-
arten oft mehr aus sich heraus erläutert und der lebendige Vorstellungsgehalt
mehr herausgehoben werden, wie es Hildobrand fürs Deutsche gezeigt hat.
Das gibt dann Sprachgefühl, während durch viele Erklärungen Ms. die
Schüler nur mechanisch lernen: das hat den und den Sinn (z. B. echevilement
de cordages erklärt M. = cordes et cäbles en desordre, avoir mille ressources =
avoir mille moyens d'arriver ii son but, s'ecoeurer = eprouver du degoüt a faire qch.).
GiEssEx. 0. Urstadt,
Novitäteilverzeichnis.
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L'Esprit scientifiqiie et la critique litteraire. — I. Le Jansenisme des
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III. La Versification de Lamartine. — IV. Le Roman de Casimir
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Daupeley-Gouverneur. Paris, libr. Champion, 1907. ln-8, 23 p. et grav.
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par Louis Loviot. Nogent-lc-Rotrou, impr. Daupeley-Gouverneur.
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ceuvre, son influence. Documents inconnus ou inedits: par JoacAm Merhnt.
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William of Newburgh by H. E. Salter [In: The English bistorical Review. 1907,
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7. Ausgaben. Erläuterungsschriften. Übersetzungen.
Appel. C. Provenzalische Chrestomathie mit Abriss der Formenlehre und
Glossar. 3. Aufl. 1907. geb. M. 10.
Calmetie, J. et E.-G. flurtebise, Correspondance de la Ville de Perpignan de
1450 ä 1659 [In: Rev. d. 1. rom. L, 3. S. 193- 202]«
Cartulaires de Vahbaye de Molesme, ancien diocese de Langres (916 — 1250).
Recueil de documents sur le uord de la Bourgogne et le midi de la
Champagne, publie avec une introduction diplomatique, historique et
geographique; par Jacques Laurent. T. l^r: Introduction. Paris, Picard
et fils. 1907. In-4, XXXII -354 p. avec cartes et planches. [Collection
de documents publies avec le concours de la commission des antiquites
de la Cöte-d'Or. 1.]
C'oUijn, I. Deux feuillets frangais inconnus du XVe siecle appartenant ä la
Bibliotheque de l'Universite royale d'üpsala. Besannen, impr. Jacquin.
1907. In-8, 9 p.
Glossar. — Aron, Arnold'. Das hebräisch-alifranzösische Glossar der Leipziger
Universitäts-Bibliothok (Ms. 102). Zum ersten Male ausführlich besprochen.
(IV, 55 S.) gr. 8». Erlangen '07. (Leipzig, M. W. Kaufmann)
Leitres inedites de Melle Doze, de M me Dorval et de ßoulay-Paty ä Hippolite
Lucas [In: Annales romantiques VI, 3. S. 218—219].
Liebesbriefe, französische, aus acht Jahrhunderten. (Gesammelt u. m. e.
Einleitg. hrsg. v. Tony Kellen.) (Titelzeichnung u. Einbd. -Schmuck von
Walt. Tiemaiin.) (462 S.) 8«. Leipzig, J. Zeitler '07. 5—.
Liihinski, Fr. Die Unica der Jeux-partis der Oxforder Liederhandschrift
(Douce 308) mit P^inleitung und Anmerkungen herausgegeben. Königs-
berger Dissertation 1907. [Die vollständige .\rbcit erscheint voraussicht-
lich in den Romanischen Forschungen].
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Quhinon. IL Les Deux Cartulaires de Beanvais: AAl (1513) et son original
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Recettes mcdicales parisiennes du XVI e siecle. Nogent-le-Rotrou, impr. Daupe-
ley Gouverneur. 1907, In-8, 7 p.
AHscans. — S. oben p. 97 Klapötke.
— — P. Lorenz, das Handscliriftenverhältnis der Chanson de Geste „Alis-
cans". 31 S. Hallenser Diss. 1907. (vollständig in: Zs. f. rem. Piiil.
XXXI, S. 385—431)
Antoine de la Sah s. oben p. 94 Biederiuann.
Chevalier au Hon. S. oben p. 98 Setlegast.
Contenances de table en vers provengaux, (Revue XLVIII, 289). Corrections
p. C. C [In: Rev. d. 1. rom. L, 3. S. 267].
The Council of Rcmiremont by F. M. Warren [In: Mod. Lang. Notes XXII, 5-
S. 137—140].
Eneas. — S. oben p. 97 Dressier.
Enfances Roland. — H. Dammann, über das verlorene Epos „Enfances Roland"
nebst Textabdruck der Rollandin- Episode aus dem „Charlemagne" des
Girart d'Amiens. Greifswalder Diss. 87 S. 8".
Enfant sage. — II. Zenker., das proveuzalische Enfaut sage, Version B, kritisch
herausgegeben. Erlangen, Junge und Sohn 52 S. 8".
The eructavit, an Old French Poem: the Author's Environment, his Argument
and Materials, by Fitck Mckibben. Dissertat. der Uuivers. Chicago. Balti-
more, J. M. Fürst Company. 1907. 45 S. 8°.
Esche: amoureux. — J. JtJettlich, die Schachpartie in der Prosabearbeitung der
allegorisch didaktischen Dichtung „Les Eschez amoureux". Progr.
Münster 1907, 28 b. 4 Tab. 8°.
Eustache von Kent s. oben p. 92 Bauer.
Le Fabliau du Büffet p. p. A. Barth. Aus der Festschrift zur 49. Versammlung
deutscher Philologen und Schulmänner. Basel 1907. S. 148—180.
Faits des Romains. — Johannes Loesche, die Abfassung der Faits des Ro7nai7is.
Halleuser Dissertation. Halle a. S. 1907. 78 S, 8".
La fleur des hisioires. — C. Spreitzenhofer ., Notice de .,1a fleur des histoires''.
Progr. Wien 1907. 25 S. ra. 5 fiics. Taf. 8°.
Garcia de Guilhade. — 0. Nobiling, die Lieder des Troubadors D. Jean Garcia
de Guilhade (13. Jahrhundert). Kritische Ausgabe mit Anmerkungen und
Einleitung. Bonner Dissertation 1907, 36 S. 8".
Gattlier de Coincij. — Ä. Schinz L'Art dans les Contes Dh-nts de Gautier de
Coincy [In: Publications of the Mod. Lang. Ass. of America XXII, 3.
S. 465—520].
Sir Gawain and the lady of Lys translated by Jessie L. Weston, illustrated by
31. Williams, published by David Nutt at the Sign of the Phoenix 1907.
[Arthurian Roraances unrepresented iu Malory's „Morte d'Arthur" No. VII].
Girart d'Amiens. S. oben Enfances Roland,
hes ^Gloses franraises de Raschi dans la Bible p. L. Darmesteier [In; Rev. dos
Etudes Juives LIII, 1er avril et 1er juillet 1907 (ä suivre)].
Godin. — R. Toiirbier, Quellenuntersuchungen über die Chanson de Godin
nebst Textproben. Diss. Greifswald 1906. 63 S. 8°.
Gut V. Cambrai. Balaham und Josaphas. Nach den Handschriften von Paris
und Monte Cassino hrsg, v. Carl Appel. (LXXXIV, 468 S.) gr. 8". Halle,
M. Niemeyer '07.
Guillanme de Palerne. — S. oben p. 93 Delp.
Ilaimonskinder. — F. Castets. Les quatre Fils Aynion, appendice ä l'lntroduc-
tion [In: Rev. d. 1. röm. L, 3. S. 216],
Novitätenverzeichnis . 105
iJuon le Hol de Camhrai. Li regres Nostre Dame public d'apres tous les
manuscrits coiinus p. Artur Länfjjhrs. Paris, Honore Champion 1907.
CXLVII, 210 S. 80.
Kreusziigslied. — Wie Ludmig IX d. H. das Kreuz nahm. (Altfranzösisches Lied
in Cambridge) von Wilhelm Meyer aus Speyer. Mit einem Beitrag von
Prof. Albert Stimmiwj. [Aus den Nachrichten der K. Gesellschaft der
Wissenschaften zu Güttingen. Phil.-histor. Klasse 1907. S. 246 — 257].
Lecheor. — J. Loth. et E Philippot, Le lai du Lecheor et Gumbelauc [In: Rev.
Celt. XXVni, 3. S. 327—336].
Lion de Bourrjeg. — H Zeddies. Weitere Studien zur Chanson de Lion de
Bourges. Teil IV. Diss. Greifswald 1907. 8-3 S. 8^'.
Lothringer. — H. Oberländer. Über die Stellung der Bruchstücke Z 7, Z S
und Z ;» in der übrigen Überlieferung der Geste des Loherains. Greifs-
walder Dissert. 82 S. 8".
Marguerite de Nararre et le pape Paul III. Lettres inedites [In: Bibl. de
rficole des Chartes LXVIII, 320-338].
MandeviUe, Jean de. S. oben JX 90 Bertoni.
Marie de France. — Le Lai des deux amants, legende ueustrienne, de Marie
de France. Commentaire et adaptation, par A. L. Burdan. Mäcon, impr.
Protat freres. 1907. In-8, XI-42 p. avec 1 grav. et 1 carte.
Merlin. — S. oben p. 88 Sommer.
La Mort Ai/mei'i de Narbonne. II. Suchier. Die Grotten von Kochebrune [lu :
Zs. f. rora. Phil. XXXI, ('.07 f.]. ^
La Passion .\osire Dame s. oben p. 97 A. Jeanroy.
— La Passion Nostre Dame (Revue, t. XLIX, p. .')01 seq.) Correclious p. C.
C. [In: Rev. d. 1. rom. L, 3. S. 268].
La plainte d'amoitr, poeme anglo-normand publie pour la premierc fois par
Johan Vising. Göteborg 1907. 3G S. 8". [In: Inbjudning tili den offent-
liga föreläsning med hvilkeu . . . P^il. D^ Karl Johan Vilhelm Lundström
kommer att inställas i siit ämbete . . .]
Poesie pieuse en sixaines de vers octosylllabiques p. p. P. Meyer [In: Bulletin
de la soc. des anc. textes fraiiQais. 1907 No. 1].
Prieres a la Vierge en Proven^al p. p. L. E. Kastner [In: Rev. d. 1. r. L, 3.
S. 222—236].
Raoul de Camhrai. — J. Acher. Les archaismes apparents dans la chanson
de R. de C. [lu: Rev. d. 1. rom. L, 3. S. 237—266].
— Seitegast., Fr. Erde und Gras als Rechtssymbol im Kaoul de Cambrai
[In: Zs. f. rom. Phil. XXXI, 588—593. Vgl. ib. 124 Ford „To bite the
dust" and symbolical lay communion-'].
Reichenauer Glossen von W. Focr.^ler [In: Zs. f. roni. Phil. XXXI, 513 — 568].
Rigomer. — E. Pensen. Die Schlufsepisode des Rigomerromanes. Kritischer
Text nebst einer Einleitung und Anmerkungen. Heidelberger Dissertation.
75 S. 8'\
Roland. — La canzone d'Orlando. Testo antico francese tradotto per la
prima volta integralmente in versi italiani da L. F. Benedetto, con intro-
duzione di Rodoljo Renier. Torino, Lattes, 1907. LXVI-185 pages.
Chanson (la) de Roland, texte critique, traduction et commentaire,
grammaire et glossaire; par Leon Gautier, membre de l'Instiiut. Nou-
velle edition, revue avec soin. Edition classique ä l'usage des elevcs
de seconde. Tours, Mame et tils. In-18 Jesus. LII-606 \>.
Rosenroman, S. oben p. 101 Gui de Mori.
— ./. W. Bourdillon: Le Jaloux qid bat sa femme (Extract from the Roman dc
la Ro.se) [In: Romania XXXVI, 444].
— L. Cipriani. Studies in the Inüuence of the Romancc of the Rose upoii
Chaucer [In: Publications of the Mod. Lang. Assoc. of America XXII, 3.
S. 552—595].
Songe du vieux pelerin. S. oben p. 91 Prinet.
106 Novitätenverzeichnis.
Amyot. — Sturel, B. Uiic tradiiction manuscrite, de sept Vies de Plutarque
par Amyot, anterieiire de quinze ans ä TEdition originale [155!)] [In:
Rev. d'llist. litt. XIV, 2. S. 301-329].
liakac, IL de. S. p...!H V'e de Spoelbercü de Lovenjoul.
Der Succubus. Übersetzt und mit einem Vorwort versehen v. Dr. Hans
W. Fischer. (124 S.) ('07) 2,—. [Liebhaberbibliothek, kulturhistorische.
kl. so. Leipzig, F. Rothbarth.].
Haudelaire., Charles. (Euvres Posthumes, ies Pieces condamnees — Poesies.
Journaux intimes publies in extenso : Autobiographie, Fusees, Mon canir
mis ä nu — Theätre. Polemiques (Balzac, Villeraain, Hugo, Janin, etc.)
La Belgique (deux versions) — Baudelaire journaliste (Le Salut Public,
le Hibou philosophe). Notes sur Edgar Poe — Notes sur la LiUerature.
Notes sur Ies Beaux-Arts — Notes sur l'Amour — Projets et Ebauches.
Portrait en Heliogravüre. Paris, Mercure de France. 7 fr. "iO.
Beaumarchais. Lettres de l'exil p. p. Loids Thomas [In: Mercure de France.
16 juillet 1907. S. 278—289].
Beranyer. — A. V. Amadeo. Pierre Jean de Beranger, con un saggio di suoi
tradotti canti. Alba, tip. Sineo, 1907. 16^. p. 41. Cent. 75.
Dernardin de Saint-Pierre. — Paul et Virginy. Traduit en dilpok par A.
Marchand, Besan^on, Ies principaux libr. In-IG, VI-104 p. et l grav.
Bossuei. Sermons choisis. Avec des etudes preliminaires, des notices et
des notes par M. l'abbe Augustin Vialard. oe edition, revue et corrigce
Paris, Ve Poussielgue. 1906. In-18 Jesus, 620 p.
Champfleury. — Un autographe de Champfieury. Sa visite ä La Reole [In:
Annales Romantiques VI, 3. S. 222 ff.].
Charles d' Orleans. S. oben p. 91 Champion.
Chateavhriand. — Quatre lettres inconnues de Chateaubriand p. p. F. Balden-
sperger [In: Rev. d'Hist. litt, de la Fr. XVI, 3. S. .)59— 561].
— Deux fragments autographes du manuscrit des „Martyrs" (suite et tiu)
p. V. Giraud [In: Rev. d'Hist. litter. de la France XIV, 2 und 3].
Constant.^ B. Le :: Cahier rouge « public par L. Constant de Rebecque. Paris.
Calmann-Levy. In-16, 11-135 p. et portrait. 5 fr.
Corneille. — W. A. Xitze und Stanley L. Galpin. Lc Cid, Horace and Polyeucte
by Corneille. New York, Henry Holt & Co. XXVII, 3'.)3 S. S».
— G. Meregazzi. Le tragedie di Pierre Corneille nelle traduzioni e imitazioni.
del secolo XVIII. Bergamo, tip. Fagnani 1906].
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Spr. CXIX Vo- S. 196-199].
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Paris. Fayard. In-8, p. 25 ä 239. Un fascicule, 10 cent.
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29 S. '80.
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versale, Nr. 370].
Dumas, Alex.: Die drei Musketiere. Roman in 2 Tln. Vollständig neu ins
Deutsche übertr. u. m. einleit Worten versehen v. Philipp Wanderer.
(743 S m. Bildnis.) 8\ Berlin, A. Weichert ('07).
Fenelon. — Dialogue dcs morts. Suivi de quelques Dialogues de Boileau,
Fontenellc, d'AIembcrt. Avec une introdiiction et des notes par B. Juilien.
Paris, Hachette et Cie. 1907. In-16, XVI-351 p. 1 fr. 60.
Flaubert, Gust.: Erinnerungen e. Narren. (Deutsch, v. Rtul. Soomer.) (89 S.) gr.
8". Leipzig, J. Zeitler '07.
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— Frau Bovary. Provinzsitten. Mit e. Einleitg. v. Guv de Maupassant. Übertr.
V. Rene Schickele. (LIX, 461 S.) 8". München, G. Müller '07. ö — .
Gobineau. Nachgelassene Schriften, herausgegeben von L. Schemann. Prosa-
schriften. I. La troisieme republique fran^aise et ce qu'elle vaut. Strafsburg.
1907. 8°. XI, 125 pp. 2 M. 50 Pf.
Helvetius. — Notes de la maiu d'Helvetius, publiees, d'apres un manuscrit
inedit, avec üne introduction et des commentaires. par Albert Keim. Paris.
F. Alcan. 1907. In-8, VIII- 122 p. avec fac-simile de l'ecriture d'Helvetius'.
Uvfjo, V. — A. Seche et ./. Beriaut, Les grandes 'premieres' romantiques: 'Marion
Delorme' [In: Le Correspondant 1907. 25 fevr.].
Jodelle. — Les Amours et autres Poesies d'Estienne Jodelle Publiees sur les
editions originales et augmcntees de pieces rares ou inedites avec un
Portrait par Leonard Gaultier, une notice par GuillaumeColletet et des notes
par Ad. van Bever. Paris, E. Sansot & C'». 3 fr. 50.
Lamartine. — Lettre inedite de L. [In: Le Figaro, Supplement, 17 aoüt 1907J
— Historia de los Girondinos escrita en frances. Tomo seguudo. Paris.
Garnier freres. In-18 Jesus, 460 p.
— Harmonies poetiques et religieuses. Paris, Hachette et Cie. 1907. In-1
XXXIV-417 p. 2 fr. 50.
— Recueillements poetiques. Epitres et Poesies diverses. Paris, Kachelte
et Cie. 1907. In-16, XXXVI-379 p. 3 fr. 50.
Leconte de Lisle. — Les Sources de Leconte de Lisle par Josejih Vianey. Mont-
pellier. Coulet et fils. 1907. In-8, VI-403 p. [Publications de la Societe des
langues romanes, 21.]
Lesage, s. oben p. 100 Wolf.
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Marivaux. Commedie (II legato; II giuoco dell'aniore e del caso), con prefa-
zione di Felicina Sacchetil Parvis, Milano, Societä ed. Sonzogno, 1907. 93 S.
16'^. Cent. 25. [Bibliotheca universale, Nr. 372J.
Maupassant, Guy de: Gesammelte Werke, frei übertr. von Geo. Frhrn. v.
Ompteda. 8'\ Berlin, E. FleischelÄ Co. 1. Fräulein Fiti. Novellen 5. Taus. (VI.
287 S.) 07. 2. Die Schwestern ßondoli. 5. Taus. (VII, 234 S.) '07. 4. Das
Haus. Novellen. 4. Taus. (VII, 247 S.) '07. 9. Der Liebling. Roman. 5.
Taus. (338 S.) '07. jeder Bd. 2 — ; geb. 2.75.
Meliere. — P. Pichar:, Amphitrion. Comedie en 3 actes de Moliere. Avec
traduction allemande en vers rimes. Düsseldorf, Max Richarz. 107 S. S''
Montairjm M. de. — Essais precedes d'une lettre ä M. Villemain sur l'eloge de
Montaigne, par M. Christian. T. l^r, Paris, Hachottc et ('ie. 1907, In-l(i.
XII-387 p. 1 fr. 25
Montesquieu — Qiuvres completcs T. 2 : les Douze Derniers Livres de l'Esprit
des lois. Defense de l'Esprit des lois. Discours. Pensees. Poesies. Lettres.
Paris, Ilachettc et de. 1907. In-16, 463 p. 1 fr. 25.
— Lettres persanes; le Temple de Guide. Paris, Flamniarion. In- IS Jesus,
371 p. 95 cent.
Musset, A. de. — ÖMivres completes. Nouvellc editon, revue, corrigee et com-
pleteo de documents inedits, precedee d'une notice biographiquo sur
l'auteur et suivie de notes par Edmond Bire. II, Poesies nouvelles :
Rolla. Les Nuits. Poesies nouvelles. Contes en vers. Paris, Garnier
freres. In- 18 Jesus, 375 p. Edition sans gravures, 3 fr.
— Oeuvres. Poesies (1828—1833). Contes d'Espagne et d'ltalio; Poesies di-
verses; Spectacle daus un fauteuil; Namouna. Paris, Lemerre. 1907.
In-18 Jesus, 411 p. et illustrations de Henri Pille, gravees ä Teau-forte
par Louis Monzies. 3 fr. 50.
— (Euvres. Poesies (1833— 1852). Rolla; les Nuits; Poesies nouvelles; Contes
en vers. Püris, Lemerre. 1907. Iu-18 Jesus, 339 p. ot illustrations de
Honri Pille, gravees ü l'oau-forte par Louis Monzies. 3 fr. 50.
1 08 Novitäiennerzeichnis.
— Poesies nouvelles (1836-1852); Paris, I.arousse. Petit in-8, 192 p. avec
grav. 1 fr.
— Les Chefs-d'ceuvre lyriqucs. Choix ot iiotice d'Angiiste Dorchain. Sans
nom d'impr. Paris, Perchc. i;»07. Potit in-lG, XXVIII-127 p. 75 cent.
— Morceaux choisis: Picmieros poesies; Poesies nouvelles; Comedies et
Proverbes; la Confession d'nn enfant du siecle; (.'onles et Nouvelles;
Melanges de litterature et de critique; ffiuvres posthumes. Avec une
introduction et des notes par Jacques Porcher, profcsseur ä l'ecole J.-
B.-Say. Paris, Libr. d'education nationale, 11, ruc Soufflot. 1907. In-IG,
336 p. avec portrait. 3 fr. 50.
— ü'-uvres choisies (Poesie; Theatre; Koman et Critique), avec etudes et
analyses, par Paul Morillot. Paris, Delagrave. 1907. In- 18, 412 p. 3 fr. 50.
— Les Nuits; Rolla; le Säule; Don Paez; Conseils ä une Parisienne; Sur
trois marches de marbre rose; Paris, Nüssen. 1907. In-IG oblong, 128 p.
— Comedies et Proverbes. I, la Nuit venitienne: Andre del Sarto; les
Caprices de Marianne; Fantasio; On ne badine pas avec l'amour. Paris,
Calmann-Lcvy. In-18 Jesus, VIl-284 p. 1 fr.
Nodier, Ch. S. oben p. 99 Salomou.
railn, Gut. — Lettres de Gui Patin (1630 — 1672). Nouvelle edition collati-
onnee sur les manuscrits autographes, publiees avec addition des lettres
inedites, la restauration des textes retranches ou älteres, et des notes
biographiques, bibliograpliiques et historiques p. Paul Trlaive. 1. Paris,
H. Champion 1907. XX, 718 S. 8".
Peijronnet. — Lettres inedites da Comte de Peyronnet au Viconte de Bonald
[In: Annales Romant. VI, 3J.
Qiiinet. — //. Monin. Etüde critique sur le texte des „Lettres d'exil" d'Ed-
gar Quinet [In: Rev. d'Hist. litt, de la P'rance XIV, 3. (ä suivre)]
Rahelais. — A. Tillei/ Rabelais and geograpbical discovery I. The „Novus
Orbis" of Simon Grynaeus [In: The Mod. lang, review 11, 4 S. 316—326].
Racine. — G. Dulonq. Une sourcc possible de ..Mithridate" [Rev. universi-
taire, 15 juin 1907].
— La Berenice; par G. Mlchaut. Paris, Societe fran^aise d'impr. et de libr.
1907. ln-18 Jesus, XIlI-356 p.
Ronsard, P. de. Les Chefs-d'o3uvre lyriques de Ronsard et de son ecole.
Choix et Notice d'Auquste Dorchain. Sans nom d'impr. Paris, Perche.
1907. Petit in-16. LXIV-131 p. 75 cent.
— Livret de Folastrics. Pnblie sur l'edition originale de 15.53 et augmente
d'un choix de pieces d'expression satirique et gauloise tirees des editions
originales, avec une notice et des notes, par Ad. low Beyer. Paris,
Societe du Mercure de France, 26, rue de Conde, 1907. In-18 Jesus,
276 p. et Portrait de Pierre de Ronsard. '.) fr. 50.
Rostand. — s. Vistosi. L'Aiglon de Rostand et Thistoire. Veniso, impr.
Sorteni et Vidotti, 1907. 64 S. 8°. L. 1.50.
.S'. Vistosi. La Princesse lointaine d'Ldmond Rostand. Venise. inipr.
Sorteni et Vidotti, 1907. 27 S. 8«. L. 1.
Rotrous, .7., Saint Genest and Venceslas, edited with introduction and notes
by Th. Fr. Crane. Ginn & Company. Boston, New York, Chicago, London.
12mo. Cloth. 433 pages.
J. J. Rousseau-Worte. Ausgewählt u. m. Eiuleitg. versehen von Achim v.
Winterfeld. (124 S.). [Dietrich's Auswahl-Bibliothek. 8'\ Leipzig, Fei.
Dietrich.].
— E. Rundstroem das Naturgefühl J. J. Rousseaus im Zusammenhang mit
der Entwicklungsgeschichte des Naturgefühls überhaupt. Diss. Königs-
berg 1907. 106 S. 8".
Sainie- Beuve. — E. Griselle. Les lacunes du „Port -Royal" de Sainte-Beuve
[In: Etudes. Rev. fondee par les Peres de la Compagnie de Jesus. 1907,
20 mail.
Novitätenverzeichnis. 109
— P. B. Note de lecture de Sainte-Beiivc [In: Rev. d'Hist. litt, de la
France XIV, 3. S. 530—551].
— J. Trnubat, Un coin de litterature sous le Second Empire: Salute -Beuve
et Chamfleury, lettres inedites [In: Mercure de France ler et 16
sept. 1907].
Saint- Hillair e. — Memoircs. Publies, pour la Societe de l'histoire de France,
par Leon Lecestre. T. 2 : 1680—1697. Paris, Renouard. 1906. In-8, 461 p.
Saint- Si?non, de. — Memoires publies par MM. Ckeruet et Ad. Begnier fils et
coilatiouncs de nouveaii pour cette cdition sur le manuscrit autograpbe.
Avec une notice de M. Sainte-Beuve. T. (1. Paris. Hachette et Cie. 1907.
In- 16, 480 p. 2 fr. 50.
Scarron, P. Le Roman Comique publie par les soins de D. Jouaust avec
une preface par Paid Bourget. Paris, E. Flammarion. 2 Bde. in-16,
elzevir. Preis 6 fr.
A. L. Stiefel. Zu den Novellen Paul Scarrons [lu: Arcb. f. neuere
Sprachen CXIX V,. S, 100-109].
Scrihe. Das Glas Wasser. Lustspiel. Frei bearb. v. Max Grube. (77 S.
m. 1 Taf.) 80. Berlin, O. Eisner '07,
Stendhal. — F. Bei/le. Lettres ä Stendhal avec notes de M. Paul Arbalet
[In: Revue Bleue 6 juillet 1907].
Tkiophile. — Theophile (Ödes et Stances; Elegies et Sonnets; la Maison de
Sylvie; Fragments; Pyrame et Tysbe; Poesies diverses; Contes). Appen-
dice : Documents biographiques; Anecdotes; Jugeraents litteraires; le
Parnasse satirique et le Proces; Bibliographie. Avec le portrait de
Danet et une notice de Jieviy de Gourmont. Paris, Societe du Mercure de
France, 26, rue Conde. 1907. In-16, 272 p.
Tristan VHermite. — L'CEuvre dramatique de Tristan l'Hermite, sieur du
Solier (1601 — 1665). Paris, Maison des Poetes. Atelier typographique
de Mme Antonine Girard. Prix 50 fr. [I. Le Parasite, comedie. II. La
Mariane, tragedie. III. La Mort de Seneque, tragedie. IV. La Folie du
Sage, tragi-comedie. V. Panthee, tragedie. VI. La Mort de Crispe,
tragedie. VII. Osman, tragedie. VIII. Amarillis, pastorale. Les textes,
accompagnes de notices bibliographiques, ont ete soigueusement colla-
tionnes sur les editions publiees du vivant de l'auteur par M. Edmond
Girard. L'ouvrage se termine par une Postface de M. N. M. Bernardin.
Chaque volume (en feuilles) 6 fr. L'ouvrage complet (en feuilles) 50 fr.]
Vigny. S. oben p. 90 Claude-La/'ontaint .
Villon, Francois. — Essai de traductions avec le texte en regard par ./.
Bonfiglio.' Torino, G. B. Paravia (Caltanisetta, Petrantoni), 1907. 8".
p. 51. L. 1
— Kr. Nyrop. Note sur une ballade de Villon [Ac. royale des sc. et lettres
de Danmark. Extrait du Bull, de l'annee 1907, No. 2].
Voltnire. — Deux lottres inedites de Voltaire ä S'Gravesande p. p. C. Piiollet
[In: Rev. d'Hist. litt, de la France XIV, 3.].
— V. Pinoi, Les sources de „l'Orphelin de la Chine" [In: Rev. d'Hist. litt,
de la France XIV, 3].
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16 Sept. 1907. S. 218—233].
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Appens, W. Die Ferienkurse in Grenoblp, jährlich vom 1. 7. bis 31. 10
(23 S.) gr. 80. Minden, (('. Marowsky( ('07).
Baumann., F. Das Ende des Reformstreites [In: Zs. für Iranz. und engl.
Unterricht. VI, 4. S. 289—305].
Behrens, Dietr. Zur Geschichte des neusprachlichen Unterrichts an der
Universität Giessen. Giessen, A. Töpelmann. - ,80.
1 1 0 ^omtätenverzeichnis.
Krdeiibenjer, G. Ültor den Betrieb der toten und lohenden Sprachen an
unseren Gymnasien [In: Neue Jahrbücher f. d. Klass. Altert. 1907. 11, 2 |
Ilirschmann. Kanon französischer Gedichte. Progr. Warendorf l!)07. 32 S. 8".
llasi, A. Ratichius und die Reformen [In: Zs. f. franz. u. engl. Unterricht
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den österreichischen Realschulen zu bessern? [In: Zs. f. d. Realschul-
wesen XXXII, S. 385-392].
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und engl. Unterricht VI, 441—446].
JJiiliry, M. Praktische Einführung in den französischen Anfangsunterricht.
Frankfurt a. M., M. Diesterweg.
Rossmann, Pli. Handbuch f. e. Studienaufenthalt im französischen Sprach-
gebiet, unter Mitwirkung von A. Brunnemann verf. 3., umgearb. und be-
deutend verm. Aufl. v.: „Ein Studienaufenthalt in Paris''. (VIII, 194 S.)
kl. 8°. Marburg, N. G. Elwert's Verl. '07. 2,80.
Räckoklf, Der fremdsprachliche Aufsatz in den Mittelklassen. Progr. Sonne-
berg 1907. 11 S. 40.
Schumann, w. Das Diktat im französischen Unterricht [In: Zs. f. d. Gymnasial-
wesen LXl, S. 708—710].
Thuraii, G. Utopia paedagogica [In: Zs. f. franz. und engl. Unterricht VI]
428—440] (t)ber Eine pädagogische Studienreise nach Eldorado von Dr. Ai-nold
Schräg. Bern, Buchdruckerei Gustav Grünau 1906J.
— Nach fünf Jahren [In: Zs. für frz. und engl. Unterricht. VI, 446—466]
(Über die Reform in Frankreich).
Tuwe, C. Eine Studienreise nach Frankreich. Progr. Stendal 1907. 13 S. 8".
Werner, A. Die Anschauung im neusprachlichen Unterricht [In: Zs. f. das
Realschulwesen XXXII, S. .j13— 521].
Wi/msen. Sprechübungen im Französischen am Gymnasium [In: Zs. f. frz.
und engl. Unterricht. VI, 4. S. 305—311].
9. Lehrmittel für deu französischen Unterricht.
a) Grammatiken, Übnugsbücher etc.
Banderet, Paul, Prof., und Oberlehr. Philipp Reinhard. Lehrbuch der franz.
Sprache m. besonderer Berücksichtigung von Handwerk, Gewerbe, Handel
und Industrie. (VIII, 285 S.) 8^ Bern, A. Francko '07. 2,—.
Bergemann, R. Anleitung zur schnellen und sichern Erlernung der franzö-
sischen und englischen Sprache insbesondere der Vokabeln mit Hilfe
der Mnemotechnik. (52 S.) gr. 8". Brake, (Bültmann & Gerriets) '07. 2,50.
Brümel, K. u. 0. Keitel. Deutsche Vorschule für fremdsprachlichen Selbst-
unterricht. Rudolstadt 1907 im Selbstverlag der Verfasser.
■Carrey. Grammaire en trente-six le^ons sans maitre (Methode Carrey). Pour
les verbes. devoirs prcpares; Pour les verbes, devoirs corriges, Paris,
Libr. mondiale, 10, rue de l'Universite. 190(5. 2 cahiers in-8 de 40 p.
chaquo. Chaque, Chaque cahier, 50 cent.
Jhape. Exercices fran^ais du premier cours de grammaire. (71 S.) 8".
Strassburg, Strassburger Druckerei und Verlagsanstalt '07.
JJubrag, G. Fautes de fran^ais. Tableau des fautes les plus frequentes que
fönt les AUemands en parlant le fran^ais. 8. ed. Augmentee de tres
nombreux articles et modiflee dans ses parties. (179 S.) 8^. Wien,
Gerold & Co. ('07;.
.Ehrkart, Carl, und IJerm. Planck. Syntax der französischen Sprache für die
oberen Klassen von Realgymnasien u. Gymnasien. 2. Aufl. (XII, 214 S.)
8". Stuttgart, A. Bonz & Co. '07.
Novitäteiwerzeichnis. 111
Fischer, Herrn, und Geo. Dost. Französische Texthefte zu Ilirts Auschauungs-
bildern (Künstlersteinzeicbnungen von Walter Georgi) nach logisch-
Srammat. Gesichtspunkten bearb. 14X"2^,5 cm. Breslau, F. Hirt. 2. Heft.
Der Sommer v. F. (47 S. m. 1 färb. Taf.) '07. Kart. 1,—.
Frickc, nick. Lo langage de nos enfants. Cours primaire de frangais.
Französisch für Anfänger. II. Cours moyen. 2. Tl. (Für Quinta.) Mit
1 Münztafel und 39 Abbildungen. (I8G S.) gr. 8*'. Wien, F. Tempsky.
Leipzig, G. Freytag '07.
^- he langage de nos enfants. Cours primaire de fran^ais. Französisch
für Anfänger. III. Cours superieur. o. Tl. Für Quinta (u. Tertia)
(192 S.) gr. 8". Leipzig G. Frey tag. — Wien, F. Tempskv '07.
Geb. 2,40.
Grand., U. Leitfaden der französischen Sprache. I. Tl. (XII, 231 S.) 8".
Chur, F. Schuler '07. 2,20.
Haherlauds Unterrichts-Briefe. Leipzig, Ilaberland. Je — ,7.'>. Französisch.
34, u. 35. Brief. Ebd. Je —,75.
Ilecker's, Ose. Wortschatz für Reise und Unterricht. (A. In 2 Sprachen.)
kl. 80. Berlin, B. Behr's Verl. Geb. jeder Bd. 2,—. 3. Systematisch
geordneter deutsch-französischer Wortschatz, ins Französische übertr. v. P.
ßesson. (VII, 312 S.) '07. 10. Systematical vocabulary English-French,
according to the german text, translated into English by Hamann, M.
A., and into Freuch by P. Besson. (VII, 312 S.) '07. — dasselbe. (B.
In 3 Sprachen.) 17,.")X1''' cm. Ebd. 1. Bd. Systematisch geordneter Wort-
schatz deutsch-französisch englisch, ins Französische übertr. v. P. Besson,
ins Englische übertr. v. Hamann. M. A. (VII, 318 S.) '07. Geb. 2,50.
— dasselbe. (C. In 4 Sprachen.) kl. 8°. Ebd. 1. Bd. Systematisch ge-
ordneter Wortschatz deutsch-französisch-englisch-italienisch, ins Franzö-
sische übertr. von P. Besson, ins Englische übertr. von Hamann, M. A.
(XIII S., 300 Doppels, u. S. 301—324.) '07. Geb. 3.—.
Koch. Schlüssel zu den deutschen Übungssätzen und Übungsstücken im
praktischen Elementarbucb zur Erlernung der französischen Sprache.
(32 S.) gr. 8". Berlin, E. Goldschmidt '07. 2,—.
Labor, C. J. Grammaire simplitiee d'apres un plan nouveau et conforme
aux programmes de l'enseignement primaire, Regles generales (Texte
ä apprendre); Exercices en regard (orthographiques et d'invention);
Redactions par l'image. Cours elementaire. Paris, Garnier freres. In-18
Jesus, 127 p. avec grav.
ilanuel, G. Cent compositions frangaises du brevet elementaire, suivies de
plans, de developpements et de conseils aux candidats. Paris, Hachette
et Cie. 1907. In- 16, 87 p. 60 cent.
Metzger^ Fr. und 0. Ganzmann. Lehrbuch der französischen Sprache auf
Grundlage der Handlung und des Erlebnisses. Für Realanstalten, Reform -
und höhere Mädchenschulen. III. Stufe. Grammatik mit Übungen.
(XVIII, 204 S.) 8". Berlin, Reuther & Reichard '07. Geb. 2,-.
— — dasselbe. III. Stufe. (Für Tertia und Sekunda.) Lese- und Übungs-
buch. Mit Zeichnungen von Ilellm. Eichrodt und anderem Bilderschmuck,
sowie eine Karte von Frankreich. (XI, 347 S.) 8". Ebd. Geb. 3,40.
Pierre, A., A. Minei et .1/'^'' A. Marlin. Cours de langue frangaise (Grammaire
et Yocabulaire; 200 lectures et recitations; 250 causeries et compositions ;
plus de 1000 exercices varies). Li vre du maitre des cours moyen et
superieur. Paris, Nathau. In- 10, r>92 p. avec grav.
rommeret, Leon'. Langue fran^aise. Methode elementaire. Enseignement simultane
et ratiounel de la grammaire et de la conversation d'apres les tableaux
artistiques de J. F. Schreiber. (96 S.) 8^. Esslingen, J. F. Schreiber ('07).
Sauer, L.: Die unregelmälsigen Vcrbalformen im Französischen. (HI, 16 S.)
8". Frankfurt a/M., Kesselring ('07).
1 1 '2 Nomtätenverzeiclinis.
SokoU, Eduard, u. Ludw. ^Vijplel, Lehrbuch der französischen Sprache f. Real-
schulen u. verwandte Lehranstalten, IL Tl. (3. Schiilj.) (VL 187 S.) gr. 8".
Wien, F. Deuticke '07. 2.40.
Verbhefi, französisches. (32 S.) 18,5 X -4,5 cm. Osnabrück, G. Pillraeyer
("07). — 20.
Wilke u. Denervaud: Anschauungs-Unterricht im Französischen. IX. Vocabulaire.
3. verb. Aufl. (40 S.) S». Leipzig, R Gerhard '08. -60.
Würter, französische, f. die Klassen Ilt — VII der würtembergischen Gymnasien.
Im Anschlus an Plötz-Kareg, kurzer Lehrgang der französ. Sprache.
(74 S.) 80. Berlin, F. A. Herbig '07. L30.
b. Literaturgeschichte, Schulausgaben, Lesebücher.
Anieurs fran^ais. 8''. Trier J. Lintz. V. Taine, H. L'ancien regime. Napoleon
Bonaparte. Hrsg. u. erklärt v. F. J. Wershoven. Mit 2 Abbildgn. (103 S.)
'07. 1 — VI. Claretie, d'Herissou, Sarcey: Le siege de Paris. Hrsg. u.
erklärt v. F. J. Wershoven mit 1 Karte. (107 S.) '07. I — .
VII. Marbot, General Baron de: Memoires. I. Soreze — Genes — Austerlitz
— lena — Eylau — Tilsit. Hrsg. u. erklärt v. F. J. Wershofen. mit 2
Abildgn. u. 4 Karten. (92 S.) '07. VIll. Dasselbe. IL Campagne de 1S09
— Leipzig. Mit 3 Abbildgn. u. 2 Karten. (II, 110 S.) '07. 1.10.
Auteurs fran^ais. III. Kriegsnovellen. Wörterbuch. (26 S.) 8". Trier, J. Lintz
('07). — 20.
Barraw. Histoire de la revolution fran^aise (1789 — 1793). Für den Schul-
gebrauch hrsg. V. Max Pfeffer. (119 S.) 8°. Leipzig, G. Freytag. — Wien,
F. Tempsky '07. 1.20; Wörterbuch. (32 S.) —30.
i'ollection des auteurs celebres. A l'usage des classes snperiures. kl. 8". Karls-
ruhe, F. Gutsch. VIII. Courier, Paul Louis: Lettres ecrites de France
et d'Italie, publiees avec des notes explicatives par Fei. Rosenberg.
(116 S.) ('07.)
Coppee, Franqois. Auswahl. Für den Schulgebrauch hrsg. von Gerb. Franz.
1, Aufl. (2. Abdr.) (IX, 143 S.) 8°. Leipzig, G. Freytag. — Wien, F.'
Tempsky '07. Geb. 1,50.
Gerhardts französische Schulausgaben, kl. 8°. Leipzig, R. Gerhard. Nr. 22.
Mistral, Frederic: Souvenirs de jeunesse. Extraits de ses „Memoires
et recits". Für das ganze deutsche Sprachgebiet allein berecht. Schul-
ausgabe v. A. Mühlan. I. Tl. Einleitung, Text u. Anmerkungen. Nebst
Bildnis des Dichters mit seiner eigenhändigen Unterschrift und einem
Kärtchen der Provence. (VUT, 112 S.) '07. 1,50: geb. 1,60; H. Tl.
Wörterbuch. (38 S.) '07. —,30.
JMeux, E. — La Vie litteraire ä l'ecole. Lecture, Recitation, Redaction.
Cours moyen. Choix de 150 textes expliques et analyses, en vue de la
preparation ä la composition frangaise. Paris. Picard et Kaan. 1907.
In-18 Jesus, 378 p. avec 20 reproductions photographiques de tableaux
de maitre. 1 fr. 50.
Klassiker-BibUothel^ französisch-englische. Hrsg. von J. Bauer und Dr. Tb.
Link. 8°. München, J. Lindauer. No. 53. Sand, George. La raare au
diablo. Zum Schulgebrauch hrsg. v. Gymn.-Prof. Dr. A. Mühlan. Mit
Anmerkungen und Wörterverzeichnis. (VIII, 58 und 29 S.) '07. — ,80.
No. 54. La Fontaine. Fahles. (Les trois premiers livres.) Hrsg. v. Dr.
Ludwig Appel. (VIII, 58 und 42 S ) '07. —,80.
Margall, Henri. Vier Erzählungen aus En pleine vie. Für den Schulgebrauch
hrsg. von Benno Röttgers. 1 Aufl. 3. Abdr. (V, 79 S.) 8". Leipzig, G.
Freytag. — Wien, F. Tempsky '07. 1,—.
Peschier, A. Causeries parisiennes. Recueil de dialogues ä l'usage des
etrangers qui veulent se former ä la conversation fraucaise. 17e ed.,
entierement refondue par P. Banderet. (Vil, 133 S.) kl. 8°. Berliu-
Schöneberg, Laugenscheidt's Verl. '07. 1,25,
Referate und RezeDsioüeii.
Brebion, L. Etüde philologique sur le Nord de la France
(Pas-de-Calais, Nord, Somme). Paris H. Champion 1907.
XXV, 260 S. s. 80.
Das Buch zeigt mehr die Form der alten Grammatiken als die
der neueren linguistischen Untersuchungen, aber es bringt dankenswertes
Material aus allen lebenden Mundarten der Pikardie und des Verfassers
eigene Ausführungen bleiben zwar etwas an der Oberfläche, aber stören
doch nicht durch verkehrte Auffassungen, Mit einer Übersicht über
die Flexion wird begonnen, dann folgt etwas Wortbildungslehre, dann
der Konsonantismus, schließlich der Vokalismus. Mitteilungen über
die Flexion sind immer besonders wünschenswert, da hier die
Wtb., die uns für lautliche Fragen ja Material in Fülle bringen, meist
versagen und da bis auf einen gewissen Grad die Lebenskraft einer
Mundart daran abgemessen werden kann. In der Tat erführt man
denn auch hier mancherlei Neues oder erhält willkommene Bestätigung
für anderswo Beobachtetes oder als wahrscheinlich Angenommenes.
So ist das Subjektspronomen so fest mit dem Verbum verwachsen,
daß es auch bei nominalem Subjekt oder in der Frage bleibt: Pierre
il est parti; i saienie-ti (savent-ils). Ein eigentümliches Demon-
strativum ist leti, elti statt celui: leti qui dit cho (celui qui dit cela)
neben cheti. Soll man ille in dem le sehen, das hier eindringen konnte,
weil che als Artikel verwendet mit le gleichbedeutend ist, ja dieses
letztere stark verdrängt, so daß also zu cheti ein leti gebildet wurde,
wie le neben che stand? Oder ist nicht von elti auszugehen und dieses
als es-le-ti zu fassen, da ii ja die hier übliche Form des betonten
Pronomens der 2. Person ist? Beachtenswert ist auch, daß zu cheti
chi (celui-ci) das Femininum chale chile, zu cheti-lo ähnlich chale-
lale lautet. Exponent des Konj. ist für die Verba II III und für die
vokalisch auslautenden I.S, das ja schon aus dem Altpikardischen bekannt
ist*). Bemerkenswerter Weise lautet die I. Plur. ös, die
') In der Frage ob apik. senc mit ch oder /.- zu lesen sei, stelle ich
mich auf Suchiers Seite (Zs. XXX 516), wenn ich auch in der Erklärung von
ihm abweiche. Aber ich gehe darin weiter, dafs ich auch die Beweiskraft
der von ihm zu gunsten einer k Aussprache etwa in anderer Gegend bei-
gebrachten Formen bestreite. Der agn. Text, aus dem er senk beibringt,
Ztschr. f. frz. Sf)r. u. Litt. XXXII=. 8
114 Referate und Rezensionen. W. Meyer-Lühhe.
2. -«.^■, also Ind. par partö parte, Konj. pas 2)artö5, partes, dies nun
auch bei den Verben 1, die im Sing. 5 nicht haben. Sehr merkwürdig
ist der Plural des Imperfektums und entsprechend des Futur Prät. Er
lautet: 1. Pcrs. cm oder em oder im oder om oder oäm je nach
den Ortschaften, 2. Pers. et, bezvv. -iih,-iit,-et. Dazu vergleicht sich
Sem säm und et von vtre. Die Entstehung ist dunkel. Es scheint
z. T. ein Einfluß der alten Perfektendungen vorzuliegen, da nur diese
den Vokal ü, i rechtfertigen; wo zu Sg. oe der Plural oem oet lautet,
kann an 2. 3. Sg. e 2 Plu. et von ctre gedacht werden. Se auf
das alte esmes zurückzuführen geht nicht, da esmes nicht pik. ist,
eher kann sein statt söm nach et gebildet sein. In der Lautlehre
beanspruchen ein besonderes Interesse die Mitteilungen über das Ein-
dringen von sa- Wörtern in das alte ka- Gebiet: kolet weicht vor
ehou, kuke vor couche zurück, käb gilt als unfein, es wird durch sab
(nicht durch zäb) ersetzt usw. Wenn man die Geschichte des sa
im Süden und Norden des französischen Sprachgebietes überblickt,
so bekommt man den Eindruck, daß in kürzerer oder längerer Frist
dort das südlichere k, hier das reichssprachliche S zur Vorherrschaft
gelangen, die alte Form in ON oder in vereinzelten Wörtern sich halten
wird, etwa wie wir auf deutschem Gebiete dat noch vielfach finden,
wo sonst fast durchweg die zweite Lautverschiebung durchgeführt erscheint.
Dagegen erweist sich 5 für ce, z für sj, tj -, v^v usw. insofern als
fester, als es auch in Fremdwörtern wie chSder ausgesprochen wird.
Die Form iizä von lire zeigt wieder, daß das s von germ. lesan
an dem von frz. lisant nicht beteiligt ist. Aber auch hier dringt
die reicbssprachlichc Aussprache ein und zwar nicht nur in der Art,
daß einzelne Wörter übernommen werden, sondern auch so, daß ohne
sonstige Veränderung der Wortform ein s an Stelle von .s tritt: mazö
statt mazö, nicht maison usw.
Aus dem Vokalismus sind zwei Erscheinungen hervorzuheben.
Ein e existiert nicht, vielmehr tritt völliger Schwund oder aber c ein,
also arvenir, fenet (fenetre) usw.; ebenso larg rü aber im
Plural le large rü, so wenigstens scheint es nach § 211 der Fall
zu sein. Der Gedanke liegt nahe, daß es anders behandelt werde
als e, d. h. daß vor s das e nicht schwand, also als e gesprochen wurde.
Damit bringt der Verfasser die 3. Plur. i setete bö neben i seiet in
Verbindung. Wenn, wie es scheint, die _e-Form die im Satzinnern
bei konsonantisch anlautenden eng verbundenen Wörtern gebräuch-
liche ist, so wird man vielleicht in dem e besser den Trennungs-
vokal sehen: seictbö wird naturgemäß zu setebö, setete bö dagegen
schont die zwei Wörter, e aber kann in dieser Mundart nur e ge-
schreibt auch pUinh (plango)^ reimt es aber mit faint, teint, destreini, SO dafs also
pleink phonetisch pic, nicht piek bedeutet. Danach kann auch senk nur sa oder
se lauten. Und wenn Mousquet camberhnc: senc bindet, so müfste doch erst fest-
gestellt werden, dafs jenes eA, nicht e lautet, bevor man aus dem einen Reime
so weittragende Schlüsse zieht.
Michard Riegler. Das Tier im Spiegel der Sprache. 115
sprochen werden. Noch merkwürdiger ist, daß zwischeu ch, j, /, r,
d, t, und folgenden a, o ein e erscheint: f reo (front) ^ küiSeö (cuissot),
leO (long), ekmeö (ecusson)^ predeu (prenons) usw. d. li. also
zwischen dentalen Konsonanten und velarem Vokal entwickelt sich ein
dentaler vokalischer Gleitelaut. Gerade hier raiild man allerdings
genauere Angaben abwarten.
Eine Anzahl Sätze und Sprichwörter in der Mundart von Artois
schließen den Band, aus dem man mancherlei lernen kann und noch
mehr lernen könnte, wenn die Schreibung eine noch genauer pho-
netische wäre.
Wien. W. Mi^yer-Lübke.
Riegler, Richard, Das Tier im Spiegel der Sprache. Ein
Beitrag zur vergleichenden Bedeutungslehre. Dresden und
Leipzig C. A. Kochs Verlagsbuchhandlung (H. Ehlers). 1907.
XX, 284 S. 80. M. 7,20.
Sous ce titre Tauteur s'est propose de donner une suite au
remarquable ouvrage de Brinkmann sur Des Metaphores (1878).
Riegler s'en inspire comme methode et comme tendance, cest-ä-dire
que son point de vue est egalement plutot litteraire que linguistique.
Comme Brinkmann, il envisage les langues germaniques (allemand,
anglais) et romanes (franrais, Italien, espagnol), en tenant princi-
palement compte de leurs manifestations litteraires; et quant aux
images zoologiques, il en a fait un choix conformement au but special
que poursuit son livre ^). C'est ainsi qu'il ne cite qu'exceptionnelleraent
les applications techniques, tandis qu'il fait ressortir l'importancc de
la Phraseologie qui se rattache ä son sujet.
Le livre n'embrasse pas moins de 54 noms danimaux, ä com-
mencer par le singe et ä finir par le ver. L'espace est propor-
tionne ä l'importance de Tanimal: le singe, par exemple, compte dix
pages, tandis que les trois betes qui suivent — chauve-souris, taupe
€t herisson — n'en coutiennent que huit.
Ses sources etymologiques sont Kluge, Skeat et Körting. L'
autcur est au couiant de la bibliographie de son siijet; il a con-
sulte non seidement les ouvrages de Folklore, mais aussi (et ceci est
tres meritoire) ceux des naturalistes: Brehm, Naumann etc.
Certains rapprochements meritent d'etre cites: l'italien assiolo,
grand duc, tire du lat. axiolns, diminutif de axio, hibou (p. 117);
le fr. guiUeret (p. 172), mis en rapport avec guiUeri, moiiieau (cf.
€tre gai comme un pierrot) et Titalien grullo, sot (p. 182), avec
') II fait partie d'nne collection intitulee: „Neusprachliche Abhandlu7igen am
den GeMeten der Phraseologie^ Realien und Synonymik unter Berücksichtir/unfj der
JStymologie" .
8*
1 1 G Referate und Rezensionen. E. Brugger.
l'espagnol grullo, gruc, oiseau considere comnie type de la niaiserie.
L'expose est clair et se fait lire avoc plaisir. Le livre rendra
certainement service au public auquel il s'adresse, et les specialistes
ne le parcourront pas sans profit. Je releve tout particuliereraent
le chapitre sur les strigiens (p. 112 ii 124) qui contient des donnees
nouvelles puisees aux meilleurs sources.
Paris. Lazare Sainean.
Schofield, William Henry: English Literature from the
JS'orttian Conquest to Chaucer. (Macmillan's History of
English Literature vol. II). London, Macraillan and Co.
1906. XIV -{- 500 pp.
Bei einem Werke dieser Art muß man wohl zuerst die Frage
aufwerfen, ob es einem Bedürfnis entgegenkam, eine Lücke ausfüllt.
Da Seh. 's Buch ein Teil einer Serie ist, welche die gesamte englische
Literaturgeschichte umfaßt, sollte die betreffende Frage eigentlich nicht
auf den einzelnen Band, sondern auf die ganze Serie bezogen werden.
Doch hier darf die Frage nicht so allgemein gefaßt, sondern
muß auf den von Scli. übernommenen Abschnitt eingeschränkt werden.
Daß an Darstellungen über die mittelenglische Literatur gerade
Mangel herrschte, läßt sich nicht behaupten, Sie ist in neuerer Zeit
wiederholt mit großer Ausführlichkeit behandelt worden, und zwar
von hervorragenden Gelehrten, Trotzdem sind wir weit davon entfernt.
Seh. 's Buch als überflüssig zu betrachten. BrandFs Geschichte der
mittelenglischen Literatur in Pauls Grundriß verfolgte spezielle Zwecke.
Sie ist ein Handbuch für Studierende, und zwar nicht bloß für
Literarhistoriker, sondern auch für Linguisten, Für diesen Zweck
ist sie vortrefflich, doch eben nur für diesen Zweck. Ten Brink
wandte sich mit seiner Geschichte der englischen Literatur wohl
ungefähr an dasselbe Publikum wie Macmillan's Serie, d. h. in erster
Linie an alle Gebildeten. Mit Ten Brink's Werk deckt sich denn
auch unser Band am meisten. Doch, obschon vieles bei Ten Brink
unübertrefflich ist, so gibt es bei ihm auch Partien, welche der Revision
bedürftig sind, weil sie nicht mehr auf der Höhe der Forschung
stehen (so werden z. B. die arthurischen Prosaromane für älter denn
die Versromane erklärt). Auch ist seit dem Erscheinen von Ten
Brinks Werk manches neue zu Tage gefördert worden. Wir müssen
uns aber namentlich auf den Standpunkt des englischen Lesers stellen.
Wenn man über die mittelenglische Periode die bisherigen Literatur-
geschichten in englischer Sprache konsultiert, so wiid man mit Grausen
erfüllt über die sich darin noch breitmachende Ignoranz, namentlich
was romani^tische Fragen betrifft. Auch das neueste, dieser Periode
speziell gewidmete Werk des berühmten Professors Saintsbnry, Tlie
Flourishing of Romance and the Rise of Allegory 1897, in der
William Henri/ Schofield. English Literature. 117
Serie Periods of European Literature ist ein elendes Erzeugnis.
Der Verfasser desselben, der mit albernem Spott über die Spezialisten,
die keine Mühe scheuen, um in den Geist der mittelalterlichen Literatur
einzudringen, die Nase rümpft, steht demselben völlig fremd gegen-
über. Der Unterschied zwischen diesem und Sch.s Buch ist ein
himmelweiter. Das letztere, verfaßt von einem Gelehrten, der seinen
Gegenstand in der Regel vollständig beherrscht und in philologischer
Kritik vorzüglich geschult ist, gibt ein klares und meist zuverlässiges,
auch durch anziehende Darstellung gehobenes Gesamtbild von dem
betreffenden Literaturabschnitt und dürfte daher unter den gegebenen
Verhältnissen namentlich in England segensreich wirken, indem es
die englische Kritik in neue Bahnen lenkt i).
Seh. weist hin auf die peculiar historical conditions which
inake familiarity with Old French literature necessary to an under-
standing of almost everything in the Middle English vernacular
(p. VIII); er verlangt von dem Literarhistoriker, der sich mit dieser
Periode beschäftigt, tlie comparative method of inquiry und füll
familiarity tcith the sources from xchich it drew and some acquaintance
ivith the history of the themes it favoured (p. 6). Die Erfüllung
dieser Postulate und die Verlegung des Hauptgewichts auf die ver-
gleichende und stoffgeschichtliche Behandlung sind es, die dem vor-
liegenden Werk den Charakter geben. Auf diesem Gebiete läßt Seh.
nicht nur die in England erschienenen Literaturgeschichten weit hinter
sich, sondern auch, in geringerem Maße, die in Deutschland erschieneneu.
Diese Spezialität von Sch.'s Werk ist es auch, die es dem Romanisten
empfiehlt. Da die mittelenglische Periode but echoes in the main
the sentiments and tastes of an international society centralised in
France (p. 6), so ist nicht nur die Kenntnis der französischen
Literatur für das Verständnis der mittelenglischen erforderlich, sondern
die mittelenglische ergänzt auch in mancher Beziehung die uns
erhaltene französische Literatur.
Gerade weil die Lektüre von Sch.'s Werk sehr zu empfehlen
ist und ihm neue Auflagen zu wünschen sind, halte ich es für nützlich,
auf eine Anzahl von Mängeln, die dem Werke anhaften, aufmerksam
zu machen. Zunächst bekam ich die Empfindung, daß Seh. manchmal
des Guten fast zu viel bietet. Mit seiner Wertschätzung der Literatur
des Mittelalters kann icli mich zwar im großen ganzen einverstanden
erklären. Ich halte es auch für richtig, daß the Middle Ages . . .
constitute the most genuinely poetic era that Europe has hnown
(p. 454); aber es ist zu weit gegangen, wenn gleich nachher behauptet
wird, daß das Mittelalter das poetische Material erfunden, die spätere
1) Ten Brinks LiteraturgRSchichte ist zwar auch schon längst in
englischem Gewand erschienen,- aber als „fremdes" Werk und nicht in einer
grofsen populären Serie enthalten, konnte es wohl keinen bedeutenden Ein-
flufs ausüben.
118 Heferate und Rezensionen. E. Brugger.
Zeit es nur vervollkommnet habe-). Es ist auch zu begrüßen,
daß Seh., um dem Einfluß derer, die das Mittelalter in ein falsches
Ijicht stellten (vgl. p. 45.'5), entgegenzuwirken, es sich angelegen sein
ließ, ein ebenso vollständiges wie wahres Bild zu geben; aber es ist
doch sehr fraglich, ob in einer Ilistory of English JLiteraiure betitelten
Serie da? Mittelalter ebenso viel Raum beanspruchen darf wie die
ganze Neuzeit, die Zeit von der normannischen Eroberung bis Chaucer
(exclusive) ebenso viel wie die Periode von 15G0 — l(i65 [(mit
Shakespeare) oder wie die Periode von 1780 — 1900. Seh, gesteht
am Schluß (p. 4ö6), daß er sich in diesem Band more ivith the
matter than with the manner of poetry in the Middle Ages
beschäftigt habe; und er verspricht, von letzterer im folgenden Band
der Serie zu handeln. Dieser scheint, nach dem, was hie und da
über ihn verraten wird, eine Art Parallelband zu dem vorliegenden
zu werden, obschon er doch vermutlich die Zeit bis 1560 behandeln
und den merkwürdigen Titel ..Chaucer"^ bekommen soll. Wenn
auch eine nochmalige Behandlung der frühmittelenglischen Periode
die Disproportionalität noch größer erscheinen läßt, so habe ich doch
den Eindruck bekommen, daß in der Tat noch etwas fehlt. Dies
wird immer der Fall sein, wo, wie in dem vorliegenden Band, die
Entwicklung jeder Gattung (und es sind ihrer hier viele) für sich
dargestellt wird. Bei dieser Behandlung erfährt man nicht, was jeden
einzelnen kürzern Zeitabschnitt charakterisiert, was ein jeder an dem
Überkommenen geändert, was selbständig geschaffen hat 3), Eine
allgemeine Charakteristik der Jahrhunderte gibt Seh. in dem Abschnitt
Anglo-Latin Liieratiire (p. 28), wo er das 11., 12., 13., 14., Jahr-
hundert the oge of monasticism, the age of feudalism, the age of
scholasticism, the age of nationalism nennt (p. 2S), aber belegt
werden diese Charakteristika nur an der lateinischen Literatur"*).
Auch die chronologische Tabelle am Schluß, so verdienstvoll sie sonst
sein mag, ist etwas für sich und in keiner Weise ein Ersatz für das
Vermißte. Man wird eben eine Epoche der liiteratur nur dann
gründlich studieren und erklären können, wenn man sie von verschiedenen
Standpunkten aus besichtigt und beleuchtet. Eine chronologische
-) Das Mittelalter bat auch sehr viele Stoffe überkommen und nach-
geahmt, von den uralten Märchenmotiven gar nicht zu sprechen; anderseits
kann man der spätem Zeit doch die Ertiüdung noch lange nicht absprechen.
Wahr ist, dals das Mittelalter mehr geschaffen und weniger vervollkommnet
hat als die Neuzeit.
'■'') Seh. selbst erkennt den gewaltigen Unterschied zwischen Werken
des 11. und solchen des 14/1."». Jahrhunderts, z. B. Layamon's Brut und
(vhaucers Erzählungen (p. 24— "25); aber diese Evolution wird uns nicht vor
Augen geführt.
*) Es mutet auch etwas sonderbar an, wenn eine mittelenglische
Literaturgeschichte mit dem Rolandslied aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
beginnt, und Orm und Layamon, die wir sonst an erster Stelle zu finden
gewohnt sind, auf den Schilds verspart.
William Hennj Schoßeid. English Literaiure. 119
Gesammtübersicht hätte wolil ganz gut am Schluß des Baudes gebracht
werden können. Der Band hätte nicht dicker werden müssen, indem
dafür anderes ohne Nachteil etwas kürzer hätte behandelt werden
können.
Denn von dem Vorwurf der Weitschweitigkeit kann Seh. kaum
ganz freigesprochen werden. Ich erwähne z. B. die Mitteilungen über
die Entstehung der Mabinogion und besonders der Edda (p. 74—75),
die eine Seite lange Aufzählung der Werke, die Chaucer gekannt hat
(dies gehörte in den Chaucerbaud), die Erörterungen über den Zauber-
glauben des Mittelalters, die zum mindesten zu lang gediehen sind
(p. 87 — 93).
Die Anordnung ist auch nicht immer vollkommen. Es ist wohl
richtig, wenn Seh. (p. 96) sagt: Thirteentli Century vernacularliterature
in England zvas „eleric^'', ivhile that of France loas ,Jaic", was
dann an Beispielen erhärtet wird. Aber gehört dies in das Kapitel
y,Anglo-Latin litei^ature'-' ? In demselben Kapitel (und nur hier) ist
merkwürdigerweise ausführlich vom Einfluß der provenzalischen, kym-
rischen und nordischen Literatur auf die englische die Rede. Auch
der bereits angezogene Passus über die Zauberei, die doch in der
Volksliteratur mehr zum Ausdruck kommt als in der gelehrten, ist
ebenfalls in dem genannten Kapitel untergebracht. Alles dies wäre
besser in der Introductio?i behandelt worden.
Neben den 84 Seiten der anglolateinischen Literatur nehmen
sich die 29 Seiten deranglofranzösischen (anglonormannischen) Literatur
etwas mager aus. Immerhin kann man nicht behaupten, daß die letztere
im Vergleich zur ersteren zu kurz gekommen sei. Denn, abgesehen
von den Chroniken, ist es mit der anglonormannischen Literatur nicht
weit her, namentlich was Originalität betrifft. Allerdings mit Bezug
auf die Literatur über die Matter of Britain ist Seh. anderer An-
sicht. Die Liste, die er p. 116 — 117 anführt, scheint mir jedoch
außerordentlich kurz zu sein 5). Es mag zugegeben werden, daß wir nicht
mehr alles besitzen. Es muß sogar bemerkt werden, daß Seh. nicht
einmal alles angeführt hat: Walter Map hat er mit Absicht weggelassen,
weil er die evidence für die Ansicht, daß dieser einen großen Anteil
an der Entwickelung der Gralsage hatte, für exceedingly slight hält
(p. 58). Mit der Gralsage hatte Map zweifelsohne garnichts zu tun ;
aber es ist sehr wahrscheinlich, daß er der Verfasser eines französischen
Versromans von Lancelot war (vgl. J. Weston, Tliree days' tournament
und diese Zs. XXIX 92-93). Dagegen ist in Sch's Liste Marie
de France zu streichen. Auch vom Tristandichter Thomas wird mau
kaum mehr behaupten können als, daß er sich in Großbritannien auf-
hielt. Ich linde es zwar ganz am Platz, daß in einer englischen Literatur-
^) Was Bleheris betrifft (vgl. aucli schon p. 70), so wurd(; er unter
Einflufs von J. Weston's Artikel in Romanla XXXII 1 u. XXXIV viel zu früh
datirt (vgl. diese Zs. XXXP p. lö;; ff).
120 Referate und Rezensionen. E. Bnigger.
gcschichte auch diejcuigcn auslandischoii Dichter erwähnt werden, die
in England verweilten nud dichteten; aber sie sollten durchaus von
den anglonormannischen Dichtern getrennt werden. Nach meiner Meinung
sind sicher auch der Fergus, sehr wahrscheinlich der Meraugis und
Guiots Perceval in Großbritannien, oder wenigstens von Dichtern, die
sich längere Zeit in Großbritannien aufgehalten haben, verfaßt worden.
DaB der Ilof der anglonormannischen Könige, besonders Heinrichs IL,
ein wichtiger Anziehungspunkt, vielleicht der wichtigste, auch für die
Arthurdichter war, ist zweifellos. Um so auffälliger ist die Unproduk-
tivität der Anglonormannen auf diesem Gebiete: Bleheris war ein
Kompilator; Robert von Borron, den auch ich für einen Anglonormannen
halte (die Ansicht wird bestritten), war ein nüchterner remanieur^j;
Biket, der Verfasser des Lai del Cor, ist ebenfalls nicht originell;
er benutzte einen Caradocroraan (vgl, diese Zs. XX^ 140 ff.). Die
beiden La Folie Tristan betitelten „Lais"sind bloß Ausschnitte aus
Eomanen (vgl. ibid. p. 134 f, und jetzt auch Bedier, im zweiten Band
seiner Tristanausgabe). Selbst der berühmte Tristandichter Thomas,
der vielleicht ein Anglonormanne war, hat sich jetzt als remanieur
entpuppt und viel von seinem Nimbus verloren (vgl. Bedier). Es ist
zweifellos, daß auch die Kunstlyrik am anglonormannischen Hof sehr
geschätzt wurde; aber die Anglonormannen selbst erzeugten, von der
religiösen Dichtung abgesehen, so gut wie nichts in dieser Gattung,
Seh. mag Recht haben, wenn er sagt: Jhe Continental Normans
teere not a romantic people. Notiüithstanding the frequent Sta-
tements to the contrary, the fad is incontrovertible that they had
Utile share in the production of the romances of loar and adventure
lohich occupy so large a place in Old French literature. They loere
undouhtedly familiär loith them, read them ivith -pleasure, and,
helved in their distribution; hut they icere apparently too soher and
serious-minded to give themselves up to such unpractical composition
(p. 115). Daß aber die Normannen in England diese Eigenart auf-
gegeben hätten, daß the Anglo-Normans seem to have cultivated
Tomance loith more zest, kann ein unbefangener Kritiker gewiß nicht
behaupten. Abgesehen von ein paar Romanen über die Matter of
ßJngland, deren Material ihnen vielleicht auch schon ziemlich fertig
überliefert wurde, sind die romantischen Leistungen der Anglonormannen
sehr gering anzuschlagen. Am ehesten romantisch veranlagt waren
die anglonormannischen Kymren (Bledri, Galfrid, Map, Giraldus). Seh.
hätte auch die auffallende Tatsache nicht unerwähnt lassen sollen, daß
nur eine anglonormannische Handschrift eines eigentlichen Arthurromans
erhalten zu sein scheint, trotzdem sonst an anglonormannischen Hand-
schriften kein Mangel ist. Selbst Seh. hat aber die G. Paris'sche Theorie,
daß alle Arthurroniane eine anglonormannische Zwischenstufe passierten,
nicht sich anzueignen gewagt. Es ist zu merkwürdig, daß gerade
6) Für Joseph, Merlin und Mort Artur hatte er gelehrte Quellen.
William IJenn/ Schoßeid. Engiish Literature. 121
diejenige Pro\inz des französischen Sprachgebietes, deren Bewohner
den nüchternsten Geist verrieten, als Heimat derjenigen Poesie aus-
erkoren werden mußte, in der die Phantasie am meisten zur Geltung
kam. Die anglonormannische Literatur verhält sich zur kontinental-
französischen etwa wie die römische zur griechischen.
Die Litei'atur in englischer Sprache wird von Seh. gattuugsweise
behandelt, nach dem Muster von G. Paris' Manuel. So wird denn der
Leser zuerst mit den längern epischen Dichtungen {romances) bekannt
gemacht, und das betr. Kapital hat die LTnterabteilnngen : Matter of
France, Matter of ßritain, etc. Aber was für die altfrauzösische
Literatur gut ist, ist's nicht notwendig auch für die mittelenglische.
Der Bequemlichkeit halber mag ja die Einteilung in Matters noch
zulässig sein; aber man sollte darüber im Klaren sein und es auch
ausdrücklich hervorheben, daß diese Einteilung keine andere raison
d'etre mehr hat. Für den Engländer waren alle diese verschiedenen
Maliers ein und dasselbe, nämlich Matter of France^ nur mit einem
andern Sinn des Ausdrucks als dem von Seh. gebrauchten. Seh.
selbst sagt, daß die französische Nationalepik was transformed into
tke likeness of romance, and hy tlie tirne it tvas treated in Fnglish
tvas hardly distinguisliable tkerefrom; und: tliese various cycles
of narrative appear much the same in the end (in Frankreich).
Ich halte dies mit Bezug auf Frankreich für übertrieben. Hier wurden
der vorherrschenden matiere die übrigen matieres allmälig etwas an-
geglichen, aber unterschieden sich immer noch stark, schon äußerlich
durch Stil und Metrum. Für den Engländer aber, wie überhaupt für
den Nichtfranzosen, fiel jeder Unterschied weg; er weiß nicht mehr,
was eine Chanson de geste ist; darum spricht er auch von einer
Geste of Sir Gaicain, einer Geste of King Hörn und einer Geste
of Robin liood. Darum galten im Ausland gerade die französischen
Nationalepen noch als durchaus der guten Gesellschaft angemessen,
als sie in Frankreich schon längst den untern Klassen überlassen
worden waren. Selbst die Romane der Matter of England, die uns
in englischer Sprache erhalten sind, sind Übersetzungen aus dem
Französischen und wurden darum auch nie recht als national empfunden
(trotz Sch.'s gegenteiliger Behauptung). Es gab natürlich auch keine
innere Berechtigung, um unter den verschiedenen Matters die Matter
of France, d. h. die französische Nationalepik, zuerst zu behandeln,
da andere Matters in der englischen Literatur früher als diese
repräsentirt wurden.
Es hängt mit dem von Seh. durchgeführten Prinzip zusammen,
daß uns in der Regel mehr über die Vorgeschichte der in der mittel-
englischen Literatur verwendeten Stoffe als über deren Behandlung
im Mittelenglischen selbst, also gewöhnlich mehr über die französischen
als über die englischen Bearbeitungen derselben mitgeteilt wird. So
beansprucht z. B. die Besprechung des französischen Rolandsliedes
fast 2 Seiten, diejenige der englischen Bearbeitung nur etwa Y3 Seite.
122 Referate und Rezensioneti. E. Briigger.
Noch auffälliger ist es, daß fast 2 Seiten der französischen Karls-
reisc gewidmet sind, trotzdem diese in England gar nicht bearbeitet
wurde. Die Tatsache, daß der französische Text (zufällig!) in einer
anglonormannischen Handschrift erhalten ist (und daß diese Hand-
schrift die einzige erhaltene ist, ist erst recht Zufall), mochte ja ge-
legenthch erwähnt werden; aber eine Besprechung des französischen
Textes ist dadurch nicht gerechtfertigt, ganz besonders nicht unter
.. Vernacular literaüire". Die englische Ballade von King Arthur and
King Cormcall ist allerdings stoffverwandt mit der Karlsreise, aber
keineswegs von ihr abhängig (vgl. diese Zs. XXX^ p. 130 f.).
Schon bei der Besprechung der Matter of France (p. 147,
158), nachher aber noch manchmal (p. 173, 257, 258, 357; vgl.
auch schon p, 112, 113, 119), stellt Seh. die m. W. ganz neue,
aber bedeutungsvolle These auf, daß die Anglonormannen immer mehr
den Franzosen feindlich entgegentraten, sich dagegen mit den Kymren
und Sachsen als eine Nation fühlten und die Sagen dieser Völker
als ihre Nationalsagen betrachteten und nach dem Verluste der Nor-
mandie auch ihre Sprache aufgaben (French became a foreign
tonguej. Mir scheint Seh, auf falscher Fährte zu sein. Das wachsende
Unabhängigkeitsgefühl der Anglonormannen gegenüber den Franzosen
mag zugegeben werden; die politischen Ereignisse sprechen sehr da-
für. Sicheres allerdings können nur genaue historische Untersuchungen
ergeben, die wohl auch Seh. kaum unternommen haben dürfte. Die
Freundschaft der Anglonormannen mit den unterjochten Engländern
datiert wohl erst von der Zeit an, da der Bürgerstand, d. h. eben
die angelsächsische Bevölkerung mächtig wurde und die anglonor-
mannische Aristokratie ohne sie nichts mehr ausrichten konnte. Wenn
es anders war, so wäre dies erst zu beweisen. Seh. macht sodann
auf die Heiraten zwischen Anglonormannen und Kymren aufmerksam,
sagt aber kein Wort von der großen Revolte der Kymren unter
Heinrich IL, welche mehr auf Rassenkampf als auf nationale Einheit
schließen läßt. Daß der Untergang der französischen Sprache die
Folge des Nationalismus der Anglonormannen war, ist schon an und
für sich sehr unwahrscheinlich. Wenn die Beziehungen zu den
Franzosen noch so herzlich gewesen wären, wenn auch England seine
französischen Besitzungen behalten hätte, so wäre die französische
Sprache dennoch untergegangen, weil sie von Anfang an nicht im
Stande war, die englische Sprache auszurotten, und es immer weniger
wurde, als die anglonormannische Bevölkerung immer mehr dezimiert,
der angelsächsische Bürgerstand immer mächtiger und gebildeter wurde
und schließlich in höherem Maße als die Aristokratie die Nation
re])räsentierte. Die von Seh. selbst (p. 113) angeführten Daten be-
weisen das Gegenteil von dem, was er behauptet. Die Anglonor-
mannen hingen zäh an ihrer Sprache, so lange es nur irgend ging.
Noch lange nach dem Verlust der Normandie war Französisch, von
einigen Ausnahmen abgesehen, noch die einzige Sprache der Aristo-
William Henry Schoßeid. Englisk Literahtre. 123
kratie, d. li. der Anglonormannen, und selbst die reiclieren Angel-
sachsen gaben sich damals Mühe, französisch zu sprechen. Französisch
blieb noch lange die Sprache der Schulen und des Staates. Unter
diesen Verhältnissen das Französische a foreign tongue zu nennen
darf man nur wagen, wenn man auch die damaligen Anglonormannen
noch als fordgners behandeln will. Scb. würde der Beweis für
seine Behauptung, daß der Gebrauch der englischen Sprache als
ilie touchstone of a patrioi galt (p. 112), schwerlich gelingen.
Natürlich verhält es sich mit der Literatur genau so wie mit
der Sprache. For hut a man knoios French, he is esteemed hut
Utile, gilt noch für den Schluß des 13. Jahrhunderts (p. 113). Wie
sollten die Anglonormannen die englische Literatur achten, wenn sie
die englische Sprache verachteten? Seh. macht einen großen Fehler,
indem er aus der Politik auf Sprache und Literatur schließt. Der
Deutschschweizer hält seit seiner politischen Unabhängigkeit vom
deutschen Reich nicht weniger als vorher an der deutschen Sprache
und der deutschen Literatur fest.
Dafür, daß die Anglonormannen die Sagen der Angelsachsen
und gar der Kymren zu den ihrigen machten, spricht gar nichts.
Diejenigen Tatsachen, die uns Schlüsse erlauben, scheinen zu zeigen,
daß es ganz anders zugegangen ist. Recht interessant ist Layamons
Stellung zur britischen Sage. Der angelsächsische Patriot begeistert
sich in der Tat für Arthur, den Feind seines Stammes. Seh. gibt
(p. 357) verschiedene Gründe für diese apparent inconsistency
an: The Anglo-Saxons were invaders of England, and the poefs
patriotism was for his country, not for Ms race. Ich kann in der
ganzen Weltgeschichte keinen derartigen Fall finden; und ich halte
es darum einstweilen nicht für möglich, daß jemand vollbewußt aus
Patriotismus für sein Vaterland eintritt, aber nicht zugleich auch
für sein Volk, zumal wenn dieses die Mehrheit der Bevölkerung aus-
macht. Daß distinctions of blood von allen patriotischen Engländern
ignoriert wurden, wie Seh. meint, ist sehr zweifelhaft; aber wenn es
auch der Fall gewesen wäre, so steht es im Widerspruch zu der
Tatsache., daß Layamon für das eine Blut, für die Briten, wirklich
Partei nimmt. Wenn der Umstand, daß die Angelsachsen als Heiden
galten, für Layamon, wie Seh. meint, ins Gewicht gefallen wäre, so
hätte sein Werk sicher einen stark religiösen Anstrich bekommen;
ein solcher ist aber nicht zu entdecken. Mir scheint es zweifellos,
daß Layamon sich zu seinem Gewährsmann ebenso verhielt wie dieser
zu Galfrid. Galfrid, der Kymre, hatte einen großartigen Schwindel
aufgebauscht, auch nicht allein zun Ruhm seines weitem Vaterlandes,
sondern vor allem zum Ruhm seiner Rasse. Ihm folgte Wace gläubig,
und diesem folgte Layamon. Man mag es ja merkwürdig linden, daß
Layamon alles akzeptierte, was sein Gewährsmann Wacc ihm über-
lieferte. Er hätte ja ähnlich verfahren können, wie es nachlier die
schottischen Chronisten machten, welche für ihre Landesfürsten Loth
124 Referate und Rezensionen. E. Brugger.
und Mordred eintraten und Arthur verleumdeten (vgl. Fletcber in
Harvard Studies and Notes X, 240), wie die Spanier, welche die
französische Rolandsage in lokalpatriotisclier Richtung entstellten. Er
hätte gegeu Wace polemisieren und aus dessen Brut ein ganz anderes
Werk machen können; er hätte sogar den Brut ignorieren können.
Aber mußte er dies? Dem einen Schriftsteller kam es nicht darauf
an, die Überlieferung, die ihm nicht paßte, für falsch zu erklären
und nach eigenem Gutdünken umzumodeln; aber andere Autoren,
und gerade die ehrbareren, wagten es nicht, die Überlieferung anzu-
tasten und begeisterten sich für genau dasselbe wie der von ihnen
verehrte Gewährsmann^). Arthur war nach der Überlieferung- ein
Held, mit allen Tugenden geschmückt, überall geehrt und besungen;
dies genügte Layamon, um sich für ihn zu begeistern. Hätte er
Beneits Trojanergeschichte zu übersetzen gehabt, so hätte er sich für
die Trojaner begeistert, hätte er Homer selbst als Vorlage ge-
habt, für die Griechen. Es wäre etwas kleinlich gewesen, wenn er
sich nicht für die Briten begeistert hätte; aber er zählte sich selbst
keineswegs zu den Briten. Versichert er doch mit Wace: Bruttes
ileveth yete Thai he (ArthurJ hon on live . . . And lokieth evere
Bruttes yete Wkan Arthur cumen lithe. Was er selbst davon hält,
sagt er nicht. Britain wurde zwar schon im Mittelalter sehr häufig in
der Bedeutung England gebraucht; aber noch rechneten sich die
Angelsachsen nicht zu den Briten. Der Begründer von Arthurs Welt-
ruhm war kein echter Anglonormanne, kein Angelsachse, sondern ein
Brite: Galfrid von Monniouth. Beda und namentlich die Sachsen-
chronik konnten mit ihrer Version der Sachsenkriege gegen den ele-
ganten Geschichtsfälscher nicht mehr aufkommen, sie gerieten in Ver-
gessenheit. Alle Chronisten schlössen sich Galfrid in der Haupt-
sache an. Die französischen Lais und Romane, so weit sie nicht
bereits den bretonischen Arthur priesen, ließen sich durch Galfrid
beeinflussen. Konnten die Anglonormannen sich ausschließen? Nichts
deutet darauf hin, daß die Anglonormannen sich schon früher und
in höherem Maße für Arthur begeisterten als die Franzosen. Warum
soll man für ihre Begeisterung patriotische Motive voraussetzen, da
sie sich doch nicht anders äußert als diejenige der Franzosen? Seh.
behauptet von den Anglonoi'mannen (p. 147): they greio disposed to
regard Charlemagne as the hero of their opponents, and in course
of time ceased altogether to sing of him as their oicn. Arthur,
King of the Britons, they exalted instead — a rival to Charlemagne
in hrilliancy, Christian virtuos, and imperial sicay; and the Saxons
and Danes folloired their lead. Seh. wäre doch wohl in Verlegen-
heit, wenn er diese Behauptung begründen müßte. Nach der uns
erhaltenen Literatur zu schließen, wurde Arthur nicht bloß in England
■') Seh. selbst hebt hervor, dafs Layamon selten die überlieferten Tat-
sachen stark ändert. Wkere his individuality appears, ».s in the allered style of
his narrative, the infuiion of a nttc spirit.
William Henry Schoßeid. English lÄterature. 125
Karls des Großen erfolgreicher Rival, sondern nicht minder in Frankreich,
und in England eher später als in Frankreich S). Die Engländer
fanden noch Gefallen an den Karlsepen, als sich in Frankreich wenigstens
die Aristokratie schon längst von ihnen abge\Yandt hatte. Daß die
Anglonorraannen auch skandinavische und angelsächsische '&Xo^q {Matter
of England) aufgriffen und bearbeiteten, möchte ich auch nicht ihrem
Nationalismus zuschreiben, sondern dem Umstand, daß man damals
überhaupt zu allen romantischen Stoffen griff, deren man habhaft werden
konnte. Jedenfalls ist es Tatsache, daß diese Stoffe in den Händen
der Anglonormannen den nationalen Charakter verloren haben. Was
immer es auch mit dem Nationalismus der Anglonormannen für eine
Bewandtnis hat : auf literarischem Gebiet bekundete er sich jedenfalls nicht.
Eine eigentümliche auf die Karlssage bezügliche Ansicht äußert
Seh. p. 258: Kiyig Arthur occupies in the political Jiistory of
England a position somewhat parallel to Charlemagne's in that
of France. Arthur ivas not English, and Charlemagne was not
French (sie!). Solehe Paradoxa findet man hie und da bei Seh.;
aber dieses ist das schönste.
Auf die zwölf Seiten der Matter of France folgt die Matter
of Britain mit nicht weniger als 100 Seiten. Die einzelnen Unter-
abschnitte sind betitelt: Origin and Development, The Breton Lays
in English, Hie Cycle of Sir Tristram, The Cycle of Sir Gawain,
The Cycle of Sir Lancelot, The Quest of the Holy Grail, 2he
Cycle of Merlin, The Death of Arthur. Den Yvain, den Fercevaly
den Guinglain findet man unter The Cycle of Sir Gawain unter-
gebracht. Dies ist nichts anderes als Systemzwang. Das Wort
Cyklus wurde bisher in der altfranzösischen Literaturgeschichte in
einem andern Sinn gebraucht, nämlich wie Geste, aber mit Bezug
auf die Literatur, nicht die Sage. Man spricht vom Cyklus von
Garin de Monglane oder Guillaume d'Orange, vom Gralcyclus, auch
vom Tristancyklus (wenn man außer dem Tristanroman noch den
Palamedes und Guiron im Auge hat). Seh. bringt Verwirrung in die
Terminologie, indem er das Wort Cyklus einfach in dem Sinn „(vom
Kritiker zusammengestellte) Gruppe von Dichtungen über denselben
Helden" verwendet. Consequent bleibt er sich übrigens nicht; denn
er spi-ieht gelegentlich in dem bislier üblichen Sinn vom Grail-cycle
oder Grail- Lancelot- cycle (p. 240).
Im ersten Unterabschnitt wird namentlich auch die Frage von
der Herkunft der Lais und Romane besprochen. Seh. schließt sich
3) Die berühmte Stelle im Romanz des Franceis wurde von Seh. (p. 1 19)
nicht ganz richtig gedeutet; jedentalls berechtigt sie nicht zu seinen Folgerungen.
Andre de Coutances hält den arthurischen nugae der Franzosen die wahre
Geschichte (Galfrid!) entgegen. Dal's aber in den französischen nw//i7c Arthur
gewöhnlich verhöhnt wurde, d?von kann keine Rede sein. Die von Andre
angezogene französische Erzählung ist die einzige uns bekannte, in der dies
geschieht: und dieselbe ist auch mit einem für Arthur günstigen
Ausgang belegt.
12G Referate und Rezensionen. E. Bruriger.
im großen Ganzen G. Paris an, betont aber in weit höherem Maße
als dieser die Wichtigkeit des bretonischen Elements. But, sagt er,
it is itnreasonahle to maintain, as some do, that meanwhile the
insular Celts had either forgotten Arthur or ceascd to talk abont
Mm (p. 172), Mir sind keine Kritiker bekannt, die durch diesen
Vorwurf betroffen werden, Angesichts der definitiven Zeugnisse wäre
die Leugnung der Existenz von Arthursagen in Großbritannien unge-
fähr ebenso unvernünftig gewesen wie die Leugnung der Existenz von
Karlssageu in Frankreich. So unvernünftig war noch niemand. Was
müssen Sch.'s Leser, die nicht vom Fach sind, denken! Aber aus
der Tatsache, daß die Inselkelten im 12. Jahrhundert noch Arthur-
sagen hatten, folgt eben noch keineswegs, daß dieselben von den
Angelsachsen und Anglonormannen adoptiert wurden. Seh. weist auf
die Heiraten von Normannen mit Britinnen hin (sie dienten übrigens
nur dazu, für jene auf rechtmäßige Weise Land zu erwerben und
ihre Suprematie zu befestigen) ; aber er erwähnt nichts von jenen
blutigen Kämpfen zwischen Normannen und Briten unter Wilhelm I.
und Wilhelm II, und namentlich von jener nationalbritischen Erhebung
gegen Heinrich H, (an der sich auch britische Barden beteiligten),
Ereignisse, die doch ungleich schärfer die wirkliche Stimmung
wiederspiegeln als die vereinzelten Vernunftheiraten. Er meint, daß
zwei neben einander lebende Nationen, auch wenn sie einander direkt
feindlich gegenüberständen^ doch nicht ohne geselUgen Verkehr sein
könnten, der den Umtausch von Erzählungen zur Folge hätte. Aber
Franzosen und Deutsche lebten auch neben einander; dennoch war
es nur das kulturell weniger entwickelte Volk, das die Literatur
(übrigens nicht auch die Volkssagen!) des fortgeschrittenern nach-
ahmte. Die Anglonormannen aber betrachteten offenbar sich selbst
als die höher stehenden. Sogar die Angelsachsen adoptirten, soviel
uns bekannt ist, kaum keltische Sagen, trotzdem sie von den Kelten
Religion und Kultur übernahmen. Es sind offenbar ganz besonders
günstige Verhältnisse nötig, wenn Sagen, wenigstens Nationalsagen,
von einer Nation zu einer andern übergehen sollen. Diese Verhältnisse
waren in Großbritannien nicht vorhanden. Aber, wenn sie auch vor-
handen gewesen wären, wenn auch die Möglichkeit, daß kymri?che Sagen
sich unter den Anglonormannen und Angelsachsen verbreiteten, zu-
gegeben werden darf und muß, so folgt daraus noch lange nicht, daß
es tatsächlich geschah, duß die französischen Lais und Romane
kymrischer Herkunft sind. Seh. gibt selbst (p. 162 — 185) eine gute
Charakteristik der kymrischen Epik und speziell des kymrischen
Sagenhelden Arthur und seiner Gefährten. Ein größerer Unterschied
als der zwischen der kymrischen Epik und den französischen Lais
und Romanen ist gar nicht denkbar. Ich kann es mir nicht versagen,
hier eine Stelle aus dem oben genannten Werk Saintsbury's zu zitieren,
den ich zwar für einen sehr schlechten Kenner der mittelalterlichen
Literatur halte, der aber gerade wegen dieser Eigenschaft unbefangen
William Henri/ Schofield. English Liter ature. 127
und wie ein Laie urteilen kann ; und insofern hat sein Urteil in dieser
Frage mehr Wert als dasjenige eines in allen möglichen Theorien
verfangenen Fachmanns. Er sagt (p. 105 — 106): Let any one read,
witli as open a mmd as he can procure, the tliree Welsh-Frenck
or French-Welsh romances of Yvciin-Oivain, Erec-Geraint and
Percivale-Peredur, and then turn to those that are certainly and
purely Celtic, Kilkwch and Olwen, the Dream, of Rhiahioy (both
of these Arthurian after a fasldon, though quite apart from our
Arthurian legend), and the fourfold Mahinogi lohich teils the
adventures of Rhiannon and those of Math ap Matholwy. 1
cannot conceive this being done by any one loithout his feeling
that he has passed from one toorld into another entirely diß'erent
— that the tioo classes of story simply canyiot by any possibi-
lity he, in any more than the remotest Suggestion, the work of the
same people, or have been produced under the same literary
covenant. Hier ist einer der wundesten Punkte der kymrisch- anglo-
norniannischeu Theorie. Die Mabinogion repräsentieren die echt
kyrarische Epik. Dies waren Erzählungen, wie sie der kymrische
Barde vortrug. Dies waren Erzählungen, wie sie die Angelsachsen
und Anglonorraannen von ihnen hörten, falls sie Gelegenheit dazu
hatten. Aber aus ihnen hätten nie die französischen Lais und
Romane entstehen können, so wenig wie niedliche Tonvasen aus
Grauitblöcken gemacht werden können. Wie erklärt nun Seh. die
Überbrückuug des Abgrunds? Man kann nicht anders sagen als:
recht naiv. Galfrid von Monraouth war der Zauberkünstler. Ich
gehöre gewiß nicht zu denen, die die Bedeutung von Galfrids Historia
für die französischen Arthurromane unterschätzen. Ich gebe auch zu,
daß Galfrid die Verwandlungszauberei wie kein anderer verstand.
Aber unmöglich bleibt unmöglich. Galfrid kannte natürlich kymrische
Sagen; er entnahm manches der kymrischen Tradition, aber eigentlich
nur Namen, kaum Sagen, höchstens gibt er kurze Andeutungen von
solchen. Auch für ihn mit seiner anglonorraannischen Bildung waren
sie jedenfalls kaum verständlich und nicht reproduzierbar. Der
französischen Literatur gab er und konnte er nur geben: die
Namen und den sens, aber nicht die matiere. Diese war, besonders
in den Lais und den altern Romanen, nicht von Galfrid abhängig,
wie Seh. selbst gesteht. Diese matiere bestand, von ganz wenigen
Zügen abgesehen, nicht aus eigentlichen Sagen, sondern aus Märchen,
gewöhnlich mit charakteristischer keltischer Färbung; manche weisen
noch auf sehr primitive Zustände zurück. Aber nirgends ist etwas
Nationales, nirgends die entfernteste Ähnlichkeit mit den kymrischen
Mabinogion. Dazu kommt, daß positive Zeugnisse für altkymri sehen
Ursprung ganz fehlen. Der Stotf der fraglichen Lais und Romane
ist ganz verschieden von der kymrischen Epik; und etwa darin vor-
kommende Eigennamen haben, wo sich zwischen bretonisch und
kymrisch unterscheiden läßt, immer bretonische Form, mit Ausnahme
128 Referate tmd Rezensionen. E. Brugger.
ilerjeiiigen, die, auch in Galfrids Historia vorkommeml, von dort bezogen
wurden. Ich glaube, daß die meisten, welche Einfluß der kyrarischen
Literatur auf die französische annehmen, nur deshalb zu dieser An-
sicht gelangt sind, weil sie sich sagen: Warum sollten nicht, da die
Kymren Arthursagen hatten, solche auch zu den Anglonormannen
dringen! Aber, daß dies nicht geschah, ist keineswegs so wunder-
bar: 1. waren die politischen Verhältnisse für literarischen Austausch
nicht günstig; 2. konnten vom kulturellen Standpunkt aus die Anglo-^
normannen wohl nur die gebenden, nicht die empfangenden sein; 3.
war die kymrische Epik jedenfalls den Anglonormannen ganz unver-
ständlich; sie hätten gewiß, wenn sie die Eddalieder oder den
Beowulf gehört hätten, sich dieser Poesie gegenüber vollständig ab-
lehnend verhalten; noch ungenießbarer mußte aber für sie die
altkymrische Epik sein. 4. Die Normanneu, die (wenigstens geistigen)
Ahnen unserer „praktischen Engländer", der matt€r-of-fact-]^Sii\ox\.,
waren unter allen Franzosen das nüchternste Volk, das am aller-
wenigsten Verständnis für die wildpliantastische kymrische Poesie
haben konnte. Die kymrischen Barden werden wohl kaum die Grenzen
ihres Landes überschritten haben, aus dem einfachen Grund, weil sie
doch nirgends Verständnis gefunden hätten. Ich bestreite nieht, daß
die anglonormannischen und die in Großbritannien umherziehenden
französischen Trouveres auch etwa kymrische Sagen auflesen und in
ihre Dichtungen einflechten mochten. Ich halte dafür, daß Guiot de
Provins von Llewellyn (Lähelin), Guillaume le Clerc von Fergus und
Soumilloit in Großbritannien erzählen hörte. Aber es handelt sich
hier nicht um altbrittische, sondern um ganz junge Sagen (11. resp.
12. Jahrhundert); und nichts spricht dafür, daß diese Sa^cn von den
Kelten literarisch behandelt wurden. M^rlm-devinailles wird man
sich überall in Großbritannien erzählt haben; sie knüpfen an die
durch Galfrid berühmte Figur des Zauberers an, sind aber zumeist
orientalischen Ursprungs.
Seh, liebt es, Charakteristiken recht konzis, womöglich in
einem Wort oder Ausdruck abzufassen. Einige dieser Ausdrücke
sind recht gelungen, andere dagegen unglücklich gewählt. So erklärt
er (p. 177 — 178), daß die französischen Prosaromane die Bestimmung
hatten, anthologies of romantic folMore, j?otpourris of populär
themes zu sein. Nichts ist unrichtiger. Man liebte auch im Mittel-
alter eine Art Potpourris von Erzählungen; es waren die Sammlungen
orientalischen Ursprungs wie Dolopathos, Sept Sages. Aber die
Prosaromane waren etwas ganz anderes. Wie die alten Versromane
durch Erweiterung und Kombination von Lais enstaiiden, so bildeten
sich die späteren Ptomauungehcuer durch Erweiterung und Kombin'ation
von Romanen. Zwischen dem alten von Ulrich von Zatzikhofen
bearbeiteten Lancelet und dem großen Prosa-Lancelot ist in Bezug
auf Komposition und Zweck kein wesentlicher Unterschied zu finden.
Dasselbe Agens, welches jenen hervorgebracht hatte, hat einfach
William Henri/ Schofield. English Literatiire. 129
weiter gewirkt. Die Einheit der Prosaromane ist eher größer als
diejenige der alten Versromane; es ist eine kompliziertere Einheit;
aber die Autoren, weniger Sklaven ihres Stoffes, halten eine strengere
Aufsicht über die Funktionen der einzelnen Teile. Diese Teile
zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie in der Regel ihren folk-
loristischen Charakter ganz abgestreift haben. Die Episoden der
altern Versromane stehen dem Folklore, der oralen Tradition, noch
viel näher. In den großen Prosaromanen wurden alle über denselben
Leisten geschlagen, und darum einander ähnlich; neben zahlreichen
platten Nachahmungen sind ebenso zahlreiche ganz erfundene Episoden
zu treffen. Wenn die Autoren ein Potpourri hätten geben wollen,
so hätten sie Varietät angestrebt, nicht Ähnlichkeit. Daß der Grand-
Saint-Graal hauptsächlich eine Bearbeitung lateinischer Legenden,
die Merlinromane und die Mort Artur in ihrer Hauptsache Bearbei-
tungen von Partien von Galfrids Historia sind, also insofern rein
literarischen Charakter haben, mag noch hinzugefügt werden.
Woher weiß ferner Seh., daß diese Prosaromane icere not
intended for a continuous reading"? Woher weiß er, daß sie nur
in den Schloßhallen bei Versammlungen vorgelesen wurden, und zwar
jeweils nur ein Paar Episoden (so daß also z. B. der Vortrag des
großen Gralcyklus sich vielleicht über Monate erstrecken mußte)?
Gerade darin unterscheiden sich die großen Prosaromane von den
altern Versromanen, daß die darin auftretenden Ritter und Damen
des Lesens kundig sind (daher das Inschriftenunwesen); und daraus
ist zu schließen, daß auch die Ritter und Damen, für welche die
Romane geschrieben wurden, sie lesen konnten. Und wir dürfen uns
wohl vorstellen, daß ebenso wie heute namentlich verliebte oder
liebes(iurstige junge Damen und Herren Tage lang, wenn nicht auch
noch Nächte lang, über diesen Romanen saßen und sich, wie Paolo
und Francesca, durch diese anhaltende Lektüre den Kopf verdrehen
ließen. Wenn uns diese langen Ritterromane, fast ebenso wie die
Romane La Calprenede's und der Scu<iery, weitschweifig und ermüdend
vorkommen, so rührt dies daher, daß wir einen anderen Geschmack
haben. Wer weiß, ob es nicht nach Verfluß weiterer 700 Jahre
Literarhistoriker geben wird, die glauben, unsere modernen Romane
seien großenteils Potpourris gewesen, die von uns nur brockenweise
hätten genossen werden können! Gerade die zunehmende Verbreitung
der Lesekunst wird der Grund gewesen sein, weshalb die Arthur-
romane mehr und mehr anwuchsen; denn dem gierigen Leser waren
sie wohl stets zu kurz; die spätem Versromane (vgl. Perceval, Claris
et Laris, Escanor) nahmen ja auch einen gewaltigen Umfang an.
Daß die Abenteuer trotz des liasty ahsorhing der Romane nicht
vergessen wurden, dafür sorgte das intensive Interesse, das ihnen ent-
gegengebracht wurde, und die immer und immer wiederholte Lektüre-
Es hätte von Scli. auch auf die immerhin bemerkenswerte Tat-
sache hingewiesen werden dürfen, daß die Engländer bis fast auf
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII 2. 9
130 Referate und Rezensionen. E. ßrugger.
Malory die französischen Prosaromane in Verse übersetzten. In
Frankreich ling mau schon um die Wende des 12. Jahrhunderts au,
Arthurromane in Prosa zu übertragen; es war dies zweifellos ein
großer Fortschritt. Aber die Engländer, trotzdem sie das Vor-
bild der Franzosen hatten, brauchten noch über 2Vo Jahrhundertc,
bis sie dies begriffen. Man sieht, wie die beweglichen Franzosen den
schwcrfälHgen Engländern weit voraus waren. Holländer und Deutsche
verhielten sich übrigens ebenso wie die Engländer. Sehr befremdend
ist auch folgende Behauptung Sch.'s: men and roomen of all classes
assembled in tlie Middle Ages to listen to the e.rploits of Arthur and
his kniglits of tlie Round Table (p. 178). Bis jetzt war man, und
auf gute Gründe gestützt, m. W. allgemein der Ansicht, daß die
Arthurromane ausschließlich der ritterlichen Gesellschaft vorgetragen
wurden, und noch niemand hat an einen Vergleich mit the humble
audience of an Italian marionette gedacht.
Der .^Tristancyklus'-' wird von Seh. mit einer Ausführlichkeit
(14 Seiten) be>proclien, die der recht unbedeutende Sir Tristram
und die Auszüge Malory's aus dem Prosa-Tristan kaum rechtfertigen.
Die englische Tristandichtung ist besonders darum interessant, weil
man an ihr schön beobachten kann, wie ein sehr umfangreicher und
sehr höfischer Eoraan von dem englischen Bänkelsänger zu einer
recht volkstümlich aussehenden „Komanze" reduziert wird. Bei
der Beurteilung ähnlicher englischer Dichtungen wie Sir Percyvelle
und Libeaus Desconus ist es gut, dies im Auge zu behalten. Die
Volkstümlichkeit und Kürze der englischen Versionen braucht nicht
immer originell zu sein. Was den Prosa-Tristan betrifft, so unter-
scheidet Seh., offenbar im Anschluß an Sommer (Malonj III, 9,
279 ff.), eine Vulgata-Version mit Luces de Gast als angeblichem
Verfasser und eine enlarged version mit Helle de Borron als an-
geblichem Verfasser; Malory habe ein Manuskript der letzteren Version
benutzt. Die betreffenden Angaben Sommers sind aber kaum richtig.
Die älteste uns bekannte Version des Prosa- Tristan galt (vielleicht
mit Recht) als das Werk des Luces de Gast; sie ist aber nicht
erhalten. Auf ihr beruht die uns eriialteue Version des Helie, besser
Pseudo-Helie (Helie war nämlich der Verfasser des Conte del brait,
mit dem der Tristan verwechselt wurde); dies ist Löseths j^remiere
Version (Tristan p. XII), von Sommer unpassender Weise enlarged
Version genannt. Auf dieser beruht dann eine erweiterte Version.
Löseths seconde version oder version cyclique ou commune, Sommers
vulgate versio7i, an die sich auch Malory anschließt; dies ist die
jüngere von den zwei uns erhaltenen Versionen, nicht die ältere, wie
Sommer und Seh. glauben; sie würde den Namen enlarged version
eher verdienen (vgl. hierzu außer Löseth auch Wechssler, Redactionen
des Gral- Lancelot- Cyklus p. 17).
Die Resultate von Bediers Tristanforschuntjen sind leider von
Seh. nicht verwertet worden, obschon sie ihm bekannt waren (Bedier
William Henry Scho/ield. English Literaturc. 131
wird erwähnt in der Bibliographie). Scb. steht noch ganz auf dem
meiner Ansicht nach unhaltbaren G. Paris'schen Standpunkt. So meint
er, daß der Tristan de.-halb am besten gleich im Anschluß an die
Lais behandelt werde, weil in diesem Roman die einzelnen Lais noch
so leicht verbunden sind, daß sie ohne Zwang wieder abgelöst werden
könnten (p. 201). Aber gerade Bediers üntersuciiungen haben gezeigt,
wie (relativ) festgefügt schon der ursprüngliche Tristauroman war. Die
uns einzeln erhaltenen ,,Lais'' von Tristau sind keine echten Lais,
sondern nur losgetrennte Eomanepisoden. In keinem Arthurroman
sind die einzelnen Episoden so sehr der Grundidee untergeordnet wie
im Tristan. Älter als alle sog. Tristaidais ist der Tristanroman, ein
Roman, der ebenso von Anfang an ein Ganzes, wenn auch ein kürzeres
Ganzes, gewesen ist, wie die llias, das Rolaudslied, das Nibelungen-
lied, odiT, um einen nahen Verwandten des Tristanromans zu nennen.
der Roman von Hörn und Riraenhild. Die einzelnen Märchen des
Tristanromans hatten wohl zumeist nicht eher etwas mit Tristan zu
tun, als bis sie in den Tristanroman aufgenommen wurden. Ganz wie
G. Paris nennt Seh. den Thomas'schen Roman the English or Germanic
Version, den Vulgata-roman") the French or Breton version^^). Erstere
soll bekanntlich aus dem Kymrischen durch das Engli>che hindurch
zu dem Auglonormannen Tiioraas gelangt, letztere aus dem Bretonischen
in's Französische übertragen worden sein. Aber die bretonischen
Elemente sind eben beiden Versionen gemeinsam; und als Hauptunter-
schied wissen G. Paris und Seh. nur die Tatsache anzugeben, that
while the French group represents King Mark as reigning over
Cornwall alone and as contemporarg with Arthur, in the English
Arthur has alreadij j^assed aicay and Mark is king botJi of Corn-
wall and England (p. 20'2)ii). Welche Kluft! Es ist klar, d ß weder
Thomas nocli der Verfasser der Vulgata -Version in Bezug auf den
Stoff originell sind; es ist klar, daß sie eine gemeinsame Quelle hatten,
die bereits ein französischer Roman war (Bed er hat ihn zu rekon-
struiren versucht). Daß dieser Archetypus in Großbritannien verfaßt
wurde, hat noch niemand bewiesen. In beiden Versionen, also schon
im Archetypus, hat d^r Vater des Helden den ausschließlich bretonischen
Für>tennamen liivalin. Die Tristansage war dem ganzen brittischen
Stamm, vielleicht auch einem Teil des galischen Stammes, bekannt.
Aber alle brittischen Sasen wanderten, sofern sie übeihnupt wanderten,
vom Norden nach dem Süden. Es ist nicht denkbar, daß dir bretonische
Rivalin nach Cornwall oder V^^ales wanderte. Darum ist es kaum
anders möglich, als daß der Archetypus eine bretonische Quelle hatte.
Seh. aber sagt (p. 212): We clavn the immortal legend of Tristram
^) Seh. nennt ihn that of Beroul; aber Beroul war nur der Verfasser
einer Bearbeitung desselben.
'") Des Paralleliimus wegen hätte er für Germanic besser Vymrir gesetzt.
") G. Paris hat übrigens seine Ansicht zuletzt aufgegeben; vgl. Journal
des ISavants 1902 p. üOl und Bedier JI. :U4— 31.').
9*
132 Heferaie und Rezensionen. J^J, Brugger.
and Ysolt as peculiarly ours, not only hecause It loas formed in
its present shape in England, being a possession of our composite
race before and after the Conquest, but also because it is lo-
calised in Britain.. Dieser Umstand, daß er den Tristanroman
gewissermaßen als englisches Nationalepos betrachtet, war wohl der
Grund, weshalb er ihn so ausführlich besprach. Aber nicht einmal
das ist wahr, daß der Roman in Großbritannien lokalisiert ist. Vielmehr
spielt die Handlung teils in Großbritannien teils in Irland teils in der
Bretagne. Jeder andere Arthurroman wäre, wenn es auf dies ankänne,
eher ein englisches Nationalepos. Eine wichtige Rolle aber spielt
im Tristan, wie es schon G. Paris hervorgehoben hat, das Meer, das
die drei keltischen Gebiete verband; und einen großen Einfluß dürfte
auf die Entwicklung der Tristansage jenes Volk ausgeübt haben, das
Jahrhunderte lang jenes Meer und die angrenzenden Küstenstriche
beherrschte, die Wikinger. Der wichtigste Ausgangspunkt ihrer
Expeditionen war Schottland; und dies war, nach den Eigennamen
zu schließen, auch der Ausgangspunkt der Tristansage, die aus skandi-
navischen und keltischen Elementen gemischt ist. Die gründlichste
Darstellung der Tristansage, soweit sie gebt, ist ein kurzer Abschnitt
von Deutschbeins „Studien zur Sagengeschichte Englands I, 1906,
einer Arbeit, die allerdings Seh. noch nicht kennen konnte. Deutschbeins
Darstellung ist grundverschieden von der G. Paris'sihen, aber un-
gleich überzeugender. Er kommt zu dem Schluß, daß die Tristan-
sage „absolut unenglisch (englisch im nationalen-ethnographischen
Sinn gebraucht)" sei (p. 235). Wenn es einen englischen, aus dem
Kymrischen übersetzten Tristanroman gab, so muß er sich von dem
uns erhaltenen, der auf eine bretonische Quelle zurückzugehen scheint,
bedeutend unterschieden haben. Deutschbein hat auch sehr Recht
mit der Behauptung, daß ursprünglich nicht <lie ehebrecherische Liebe
Tristans und Iseuts das Centrum der Sage bildete, sondern daß Tristan
Iseut als Lohn für seine Taten zur Frau erhielt, und die Erzählung
damit abschloß''-). Der „Tristan-C7/c/e'' wäre von Seh. am besten
an den Schluß der Matter of Britain plaziert worden, so daß er den
andern Wikingerromanen unmittelbar vorausginge.
Auch in den folgenden Abschnitten wäre noch gegen manches
Einspruch zu erheben. Hier nur eine kleine Auswahl. Die Ab-
hängigkeit der englischen Gauvaindichtungeii von den französischen
wird viel zu wenig hervorgehoben. Morgain wird (p. 232) einfach
als die irische Kriegsgöttiu Morrigan ausgegeben (nach L. A. Paton:
Fairy Mythology), wie wenn man an der Richtigkeit dieser Identi-
fikation nicht zweifeln könnte. Sie ist aber ganz unannehmbar, wie
dies schon Jeanroy in seiner Besprechung der Fairy Mythology in
1'-) Deutschbein schreibt im allgemeinen den Normannen (incl. Anglo-
normannen) einen zu grofsen Einflufs auf die Ausbildung der Sagen zu ; er
ist eben als Germanist über romanistische P'ragen nur aus zweiter Hand
informiert. Seine Studien sind aber allen Romanisten zur Lektüre zu empfehlen.
William Henry Schofield. English Literature. 133
der Romania betont hat. Gringalet wird ohne weiteres als ein
magic horse ausgegeben (p. 234), eine höchst unwahrscheinliche An-
sicht, Die holländische Lancelotdichtung rechnet Seh. (p. 235) nicht
zu den Übertragungen des Prosa-Lancelot (-\- Queste + Mort Artur) ;
und doch ist sie dies zweifellos (allerdings mit gewaltigen Interpola-
tionen). Es ist ein unrichtiger Ausspruch: The prose Lancelot dealt
loith the later histo^^y of King Arthur (p. 235). Wenigstens gilt
dies nicht vom Hauptteil, dem Lancelot proper, sondern nur von
der Mort Artur; wenn man will, auch von der Queste. Der
Lancelot proper aber behandelt dieselbe Epoche wie alle Yersroraane
und wie der Prosatristan. Die zwei Merlinfortsetzungen sind die
einzigen Romane, die eine noch frühere Zeit von Arthurs Regierung
behandeln. Lancelot war nach der Ansicht der Kompilatoren der
Gralcyklen älter als Perceval. Wo werden die <lrei Lancelotbranchen
zusammen lAvre d' Artus giniannt (p. 236)? Daß eine Kompilation,
zu welcher keine der Merlinfortsetzungen gehörte, so genannt wurde,
scheint mir unbegreiflich. Die ausführliche Analyse des französischen
Karrenritters (p. 2360) halte ich für überflüssig. Dieser Roman ist
ja nur in Malory vertreten; aber die Quellen der übrigen mindestens
ebenso wichtigen Bestandteile von Malory's Kompilation werden bloß
erwähnt, teilweise nicht einmal das. Recht paradox klingen folgende
Phrasen („Phrasen" ist nämlich hier der richtige Ausdruck): Great
is the contrast betioeen the type of love ptresented in these tivo
poems (nämlich Chretien's Karrenritter und Yvain): the love of Pro-
vence coniruffts markcdly with the love of Wales (p. 238). Auch
Yvain ist durchaus ein amant courtois; nur sind seine Liebesabenteuer
keltischen Ursprungs {Wales ist Seh. 'sehe Liebhaberei^, während das
Liebesverhältnis zwischen Lancelot und Guenievre wahrscheinlich
Chretiens Erfindung ist, jedenfalls nicht auf eine keltische Quelle
zurückgeht. Der Dichter hatte also bei diesem Thema freiere Hand.
Die höfische Liebe erscheint schon bei Benoit de Sainte-More, bei
Gautier d'Arras, in Thomas' Tristan und in Chretiens Erec, nicht
erst im Lancelot, wie Seh. behauptet. Im letztern Roman zeigt sie
sich nur auf die Spitze getrieben, als regelrechte Wissenschaft; man
möchte fast sagen, als pathologische Erscheinung. Zu p. 242: Es
ist keineswegs sicher, daß Perceval der erste Gralheld war; wahr-
scheinlich ging ihm Gauvain als solcher voraus (vgl. J. Westen,
Jjegend of Sir PercevalJ; aber auch Gauvain war kaum der erste.
Sehr zweifelhaft sind folgende Behauptungen (p. 244): almost the
whole developed legend of the Grail Quest seems to have heen the
work of laymen. The Churcli uttered neither praise nor blame.
The legend greic of itself, at once secular and religious, ieaching
no important doctrine, hut subversive of none, tending to righte-
ousness and respect for Holy Church, but not scholuf^iic or dog-
inatic in tone. The Church let il alone. Ist es wirklich apriori
glaublich, daß der Klerus ruhig zusah, wenn über die heiligsten Dinge
134 Referate und Rezensionen. E. Brugger,
(Abendmahlskelcli, Lanze des Longinus, etc.) in trivolen Abenteuer-
romanen gehandelt wurde, in Werken, wekihe von der ganzen guten
Gesellschaft gelesen wurden, wenn weltliche, unkeusche Ritter wie
Perceval, oder gar Gauvain und Lancelot das Allerheili^ste sehen und
sogar iu dessen Besitz gelangen durften? Selbst nicht dem Klerus
angohörige Männer mögen sich darüber entsetzt haben. Ausrotten
konnte der Klerus die Romane nicht; aber daß er ihre Entwicklung
beeinflußt hat, glaube ich in dieser Zs. XXIX ^ p. 80 ff, 9') tf nach-
gewiesen zu haben. Seh. selbst spricht übrigens später von den
monastic conceptions der reinen Gralromane (p. 246). Sie können
doch nur von Mönchen herrühren. Wie fromme Laien den Gegen-
stand auffaßten, zeigt am besten Roberts Gralcyklus. Weiter als
Robert konnten Laien nicht wohl gehen. Was Blasphemien betrifft,
so haben allerdings die mönchischen Autoren die Laien noch über-
troffen. Robert beruft sich auf eine die Bibel ergänzende Quelle für
die heilige Geschichte, und schreibt sie dem Teufelssohn Merlin zu;
der mönchische Autor des Grand- Saint -Graal behauptet, daß seine
Vorlage von Gott selbst geschrieben wurde, wodurch sie offenbar an
Wichtigkeit und Authenticität die Bibel weit übertrifft. Daß ein
großer Teil des Klerus derartige mönchische Extravaganzen nicht
gebilligt hat, ist auch anzunehmen. iVolfram, sagt Seh. (p. 244),
teils US (hat he hased Ins icork on a Frenclt poem hy a Provenml
Guyot (Kijot) (Warum nicht Guiot?). 17*i Seiten vorher, wie er
vom Einfluß der proveuzalischen Literatur sprach, hatte Seh. einfach
behauptet: /;; tcas a Provencal icho lorote a poem on Perceval
ichich the German Wolfram von JEsclienbacli utilised (nicht einmal
etwas davon, daß das Werk in französischer Sprache abgefaßt war!).
Was muß der unschuldige Leser, der p. 244 noch nicht kennt, viel-
leicht nie liest, dabei denken! Wie rückständig! Schon der Name
des Dichters kann ja nicht provenzalisch sein. P. 245 spricht Seh.
von the exaltation of the previously insignificant Galahad
to the role of Grail hero und p. 246 sagt er weiter: At first Ga-
lahad. tcas represented as the direct descendent of Joseph oj
Arimathea, begotten in Britain hy the command öj God.
Liancelot was simphj his godfather vhen he icas dubhed at
Arthurs court. To enhance the reputation of boih, this connection
toas made more intimate, and Lancelot ivas represented as the
7'eal father of the saintly youth. Ich werde wohl nicht fehlgehen
mit der Vermutung, daß dies einfach aus Wechsslers ,,Sage vom
heiligen GraP^ abgeschrieben wurde ^-'j. Ich habe in dieser Zs.
") Dort heilst es z. B. p. 118 : ..Dagegen hat uns der Gralcyklus des
Map hier den ursprünglichen Gralhelden überliefert, Galaad. Bei Map wird
erzählt, wie Joseph von Arimathia in England auf Gottes Befehl einen Sohn
zeugt, den Galaad. Von diesem stammt in gerader Linie ein zweiter Galaad
ab, der Gralfinder und Erlöser des alten Gralkönigs. Dieser Galaad erhält
bei der Gralsuche als erster, weil älterer Gralheld, vor Perceval den Vor-
William Henru Schoßeid . English Literatur e. 135
XXIX 1 p. 73 — 74 (A. 32 ist dort Drucldehler für A. 23) gegen
Wechsslers Behauptungen Protest erhoben. Sein Gewährsmann, Flach,
ist mir leider nicht zugänglich. Aber in den Texten ist es mir un-
möglich, irgend ein Symptom zu finden, welches darauf schließen
ließe, daß Lancelots Vaterschaft eine Interpolation ist, nach deren
Ausmerzung Gralaad als ritterliches Pathenkind Lancelots zurückbliebe.
Galaad ist gleichzeitig Lancelots Sohn und Gralhold geworden. In
der Queste schlägt ihn allerdings Lancelot zum Ritter, ohne ihn zu
erkennen, weil er eben in der Einsamkeit aufgewachsen ist; aber
schon bei dieser Gelegenheit wird gesagt, daß Bohort die Ähnlichkeit
Galaads und Lancelots auftiel. Die bisherige Kritik hat, von
Wechssler abgesehen, noch nie diese nach W. so auftauende Tat-
sache der Interpolation entdeckt. Bei Wechssler basiert diese eigen-
tümliche Auffassung auf der Theorie, daß Galaad der erste Gralheld
war. Worauf beruht sie bei Seh., der in Perceval den ersten Gral-
helden erblickt? Nicht in Übereinstimmung mit den Tatsachen ist
auch Sch"s Behauptung (p. 245), daß Walter Map nur die Queste
zugeschrieben wird (vgl. darüber diese Zs. XXIX ^ p. 00 — 91). Von
wenig eingehendem Studium der Materie zeugt sodann die Behauptung,
daß Malory eine contractio7i des Grail-Laiicelot cycle still further
reduced to form Boohs XIII to XVII of ihe Mort Dartlmr
(p. 246). Die Quelle dieser Bücher war nicht der ganze Gral-Laucelot-
Cyklus, sondern nur die Queste; andere Brauches des Cyklus hat
Malory in andern Büchern bearbeitet. Die Queste selbst, die Malory
bearbeitete, war keine contractioii noch ein Teil einer solchen, und
sogar Malory hat sie wenig gekürzt, viel weniger als die andern
Brauches des Cyklus. Der Gralcyklus war auch in seinen letzten
Stadien keine Christian aUegory (p. 247) in dem Sinn wie z. B.
Dante's Commedia. Die einen Branches (aber nicht etwa alle)
waren zwar voll christlicher Symbolik: fast alle Handlungen und Er-
eignisse erhielten ihre symbolische Deutung; aber sie hörten deshalb
nicht etwa auf, wirkliche Handlungen und Ereignisse zu sein. Ein
Versuch, die Entwicklung des Gralcyklus darzustellen, wird nicht ge-
macht, trotzdem dieser Cyklus mehrfach in englischer Sprache bearbeitet
wurde, also für die englische Literatur größeres Interesse hatte als
so manches andere, das Seh. unnötig ausführlich behandelt. Seh.
begnügt sich damit zu sagen: The tangle of Grail material tliat
grew up in the thirteenth ceniurij is extremely bev'ildering . . . the
different versions are legion (p. 245). Davon ist keine Rede. Wem
rang ... In den erhaltenen Redaktionen des Map (Pseudo-Map und Pseudo-
Robert) ist in sofern Verwirrung anuerichtet, als Galaad, der in der alten
Fassung der Queste von Lancelot als seinem ritterlichen Pathen und Adoptiv-
vater zum Ritter geschlagen wird, von einem späten Redaktor zu dessen
Sohn gemacht wurde. (Vgl. Flach, Origines de Vanriame France II S. 063).
Doch läfst sich diese Interpolation leicht als solche erkennen und beseitigen".
Ähnlich nochmals p. 127— 12s.
loG Referate und Rezensionen. E. Brugger.
wird CS sonst einfallen, jede Handschrift oder Handschriftengruppe,
die einmal eine Episode ändert oder wegläßt oder hinzufügt, oder jede
Ühersetzung für eine besondere Version zu erklären I Gauvain hätte als
Gralheld in dem Gralkapitel wenigstens erwähnt werden dürfen, wenngleich
er in der englischen Literatur zufällig nicht in dieser Eigenschaft vor-
kommt. In der Bibliösraphie fehlt Wech>slers wichtige Schrift über die
Redaktionen des Gral-Lancelotcyklus, die Seh. viel bessere Dienste
hätte leisten können als desselben Autors „Sage vom heiligen Gral".
Die Morlinromane scheinen Seh. geradezu eine terra incognita zu sein.
Sonst würde er nicht (p. 250) sagen, daß in Roberts Merlin der Titel-
held Arthurs Heirat mit der Tochter des Königs Leodegan zu Stande
bringt. Nach diesem braucht man sich nicht zu wundern, wenn man
liest (p. 250): Froin some version of the French prose romance
(nach dem vorausgehenden und folgenden zu schließen, meint er eine
Handschrift resp. Handschriftengruppe des Merlin mit der pseudo-
bistorischen Fortsetzung) Malory ,,reducect' the interesting seetions
that make up his ßrst four books. Seh. scheint nicht zu wissen,
daß es zwei verschiedene Merlinromane resp. Merlinfortsetzungen (nicht
bloß versionsl) gibt, und daß Malory zunächst der einen, der pseudo-
historischeu (derjenigen, dieauch dem Ar thou?' and Alerl in, dem englischen
Prosa- Merlin und Lovelichs Dichtung zu Grunde lag), folgte, dann
plötzlich zur andern, der romantischen, überging. Diese letztere, der
Malory viel mehr entnahm als der ersteren^-*), wird von Seh. garuicbt
erwähnt. Auch das ist nicht richtig, daß Malory nur die interessanten
Stellen ausgezogen habe. Er befolgte ein anderes System bei seinen
Kürzungen: er kürzte oder ließ weg insbesondere das, was nicht direkt
Arthur und seine Umgebung anging, da er eben eine Vie d' Artus
geben wollte. Betr. die Quelle von Arthour and Merlin kann man
kaum sagen, daß sie not yet qidte determined sei (p. 251). Daß
unter diesen Umständen Sch's Ansichten betr. das Enserrement Merlin
(p. 251 — 252) auch sehr wenig Wert zukommt, wird niemand leugnen
wollen. Zu p. 252: Nicht nur in einer englischen, sondern auch schon
in einer französischen Version i-'') der Sieben iveisen Meister ersetzt
Merlin den Zauberer Virgil (vgl. diese Zs. XXX^ p. 205 und auch schon
P. Paris, R. T. R. H 45 ff.). Man sieht, daß der ganze The Matter
of Britain betitelte Abschnitt, wenn auch im allgemeinen mit Glück
behandelt, doch sehr revisionsbedürftig ist.
Der folgende Abschnitt handelt von The Matter of England.
Es ist sehr auffällig, daß alles Moterial dieser sogenannten englischen
Nationalepik nur teils in französischer, selten lateinischer Sprache,
teils in englischer Übersetzung aus dem Französischen, erhalten ist.
") Buch I, Kap. 1—7 aus Roberts Mprlin; Buch I, Kap. S— 18 aus
der pseudohistorischen Mfrlinfortsetzung; Buch I, Kap. 19—28, Buch II,
III, IV aus der romantischen Merlinfortsetzung. Alles dies ist in Sommers
Malory-Aiisgabe klar ersichtlich.
1*) Fiino solche bietet z. ß. die Berner IIs. 388.
William llenrij Schofield. Englisli JJteraiure. 137
Scb. nimmt trotzdem, ohne Zögern und als etwas Selbstverständliches,
an, daß alle diese Romane ursprünglich in englischer Sprache abgefaßt
waren; hierauf wären sie in's Französische und dann wieder in's
Englische übersetzt worden. Daß diese Annahme etwas sonderbar
ist und nicht ohne weiteres acceptiert werden kann, wird wohl
jederraan zugeben müssen. Es ist schade, daß Scb. Deutschbein's
.^Studien zur Sagengeschichte Englands"^ nicht mehr benutzen konnte.
Er hätte dann den hier zu besprechenden Abschnitt bedeutend ver-
bessern können, vorausgesetzt natürlich, daß er sich durch Deutschbeins
Argumente hätte bekehren lassen. Deutsch bein hat von allen in diesem
Abschnitt besprochenen Dichtungen (mit Ausnahme des noch unedierten
und ungenügend bekannten Waldef-Romans und der Outlaws-
Dichtungen) nachgewiesen, daß der Anteil der angelsächsischen
Bevölkerung an der Ausbildung der diesen Dichtungen zu Grunde
liegenden Sagen sehr gering war. Nach seiner wohlbegründeten
Ansicht mangelte es den Angelsachsen an Phantasie und Erfindungs-
gabe, den notwendigen Eigenschaften zur Sagenbildung; sie waren
wahrscheinlich rneii of fact (p. 236). Es ist ein merkwürdiger Zufall,
daß Großbritannien gerade von dem nüchternsten Volksstamm unter
den Germanen (den Angelsachsen) und nachher wieder von dem
nüchternsten Stamm unter den Franzosen (den Normannen) besiedelt
werden mußte. Glücklicherweise waren in Großbritannien noch zwei
Völker ansässig, die mit ganz besonders reicher Phantasie ausgerüstet
waren, die Skandinavier und namentlich die Kelten. Die beiden
wichtigsten Sagen der Matter of England, Hörn und Haveloc, sind
skandinavische Sagen aus dem 9./10. Jahrhundert. Hörn und
Haveloc sind Skandinavier ^6). Da der unursprüngliche Teil der Horn-
dichtung, der novellistische Teil, auch englische Namen (zwar in
französischer Form) enthält, so mag, muß aber nicht, hier eine englische
Zwischenstufe angenommen werden. Daß die Angelsachsen je den
Norweger Anlaf Cuaran (Haveloc) als ihren Helden besangen und
ihrem eigenen König Aethehtan {Edelsi im Haveloc) die Rolle des
Übeltäters zuwiesen, wird außer Seh. niemand glauben wollen. Die
Angelsachsen konnten die Haveloc-sage rcsp. -dichtung offenbar erst
aufnehmen, nachdem sie vollständig Roman geworden war und die
nationalen Elemente nicht mehr erkennbar waren i'). Gerade die
Havelocsage weist aber auf eine sichere kymrische Zwischenstufe hin;
denn sie enthält keltische Namen; und vor allem ist der Name des
1'') Was die Lokalisation der Hornsage betrifft, so halte ich zwar
Sch.'s Erklärung (ausführlich begründet in Publications of the Modem Language
Association of America 18) für ansprechender als diejenige Deutschbeins.
Speziell die Identifikation von Sudene mit Hud:reyjar (Sudreia) leuchtet mir
ein. Dafs aber unter den Sudrejijav speziell die Insel Man in Betracht
komme, scheint mir nicht genügend begründet worden zu sein. Mit jenem
Namen wurden doch in erster Linie die Uuhrides bezeichnet
") Seh. (Pull. 18 p. ho) gibt sogar vom englischen Hornroman zu:
Tkere is not the least show of English patriotic feeUiKj in „King Ilorn''''.
i;>8 Referate und Rezensionen. E. Brugger.
Helden selbst kymrisiert. Anstatt von der sehr zweifelhaften Freund-
schaft der K)'mren und Angelsachsen, der Angelsachsen und Normannen,
der Kymren und Normannen zu reden, hätte Seh. besser getan, die
lange Freundschaft und allmälige Verschmelzung der skandinavischen
Ansiedler mit den Kelten (Iren, Schotten, Pikten, Nordbritten) hervor-
zuheben; denn diese ist eine Tatsache und spiegelt sich auch in Sage
und Literatur wieder. Sie zeigt sich nicht nur, wie schon längst
bekannt ist, in Irland, sondern auch im Norden Großbritanniens
(vgl. Deutschbein p. 239 ff). Hier entstanden die Sagen von Hern,
Haveloc, Tristan, die alle ein intimes Freundschaftsverhältnis zwischen
Skandinaviern und Kelten voraussetzen und ihre Ausbildung der einen
wie der anderen Rasse, oder besser dieser Mischrasse, in der allerdings
das skandinavische Element den Ton angab, verdanken. Die Tristan-
sage verbreitete sich über das ganze keltische Gebiet, und wurde in
ihrer bretonischen Version von den Franzosen adoptiert. Den Horn-
roman lernten die Anglonormannen vermutlich durch englische Ver-
mittlung kennen. Die Havelocsage dürften die Anglonormannen direkt
aus ihrer skandinavitcli-keltischen Heimat geholt haben i^).
Der anglouormanuische £oeve-de-Ua7i7ntone-'Roman beruht nach
Deutschbein auf einer kontinentalfranzösischen Version einer fränkischen
Sage (Chanson de gestef). Der ebenfalls anglonormaunische Gut/-
de-Wai'ivicJc-Roman ist nach demselben Gelehrten eine Nachahmung
kontinentalfranzösischer Chansons de geste mit Einfügung einer Episode
aus den großbritannischen Wikingerkämpfeu, die einer Chronik
entnommen wurde. Deutschbein hat diese seine xVnsichten durch
überzeugende Gründe gestützt. Den berühmten IFaWg/"- Passus, den
schon G. Paris mit Bezug auf den Tristan geltend machte, halte ich
für ganz belanglos i'-^). Die Outlawssagen endlich sind zu unbedeutend
^^) Den mit Wilhelm dem Eroberer nach England gekommenen
Bretonen möchte ich einstweilen im Gegensatz zu Zimmer und Deutschbein
keinen grofsen Einflufs auf die Sagenbiidung zugestehen. Auch was
Deutschbein (p. 140, 148) über die Bretonisierung von Sagenstoffen spricht,
ist nach meiner Meinung zu modifizieren (es sind da verschiedene Tatsachen
durcheiuandergemengt). Im übrigen sind die von Deutschbein (p. 141 ff) bei-
gebrachten Belege über den Gebrauch der Ausdrücke Bi-itannia, Britones resp.
ihrer anderssprachlichen Aequivalente sehr interessant: aber eines fehlt
doch noch, um mich zu veranlassen, meine in dieser Zs. XX ausgesprochene
Ansicht zu modifizieren, das wichtigste: nämlich Belege in französischer
Sprache; auf diese kommt es allein an. Wenn im Haveloc Edelsi (d. h.
der Angelsachsenkönig Aethelstan) als Breton bezeichnet wird, so ist diese
Bezeichnung wohl nur ein falscher Rückschlufs aus der allgemein acceptierten
Gleichung Bretaigne = E?igle(erre, wobei auf die Chronologie nicht genau geachtet
wurde (vgl. umgekehrt Anglois für Breton in dem Ausdruck: Merlin, 7e propJietc
as Anglois, in dieser Zs. XXXl p. 172). Als „kurze höfische erzählende
Dichtung" wurde die Havelocdichtung lai, dann auch Im breton, genannt,
(vgl. in dieser Zs. XXX' p. 194 A. 70), worauf dann wohl die Ansicht auf-
kam, der Haveloc sei von Bretonen gedichtet worden.
'^) Es heilst zunächst: Ceste estoire fWaldef] tst moU amee E des Enghs
molt recordee. Des princes, des ducs e des reis. Offenbar kann man in den Fürsten.
Königen und Herzögen, also den Etiijlec, nur Anglonormannen erkennen, wenn
William Henri/ Scho/ield. English lAteratiire. 139
und unhistorisch, als daß sie einen Ersatz für nationalenglische
Sagen bieten würden.; Auch bei ihnen ist übrigens der skandinavische Ein-
tiluß kaum zu verkennen. Deutschbein, der erst im zweiten, noch
nicht erschienenen, Teil seiner „Studien" über diese Sagen handehi
wird, hält sie für größtenteils unenglisch (1. c. p. 237). Die von Seh,
unter dem Titel Malier of J^ngland besprochenen Sagen sind also
nicht nationalenglisch 20); sie sind aber, wenigstens in der uns er-
haltenen Form, größtenteils in Großbritannien lokalisiert und von
Anglonormannen bearbeitet worden. Darin gehe ich mit Deiitschbeiu
nicht einig, daß alle novellistischen Bestandteile erst von den Anglo-
normannen hinzugefügt wurden ; sie können sich auch bei den skandinavisch-
keltischen Bewohnern des nördlichen Großbritanniens allmälig an-
gegliedert habendi).
Bei der nicht-epischen Literatur geht Seh. auf die französischen
Vorbilder kaum näher ein. So gibt er z. B. keine Übersicht über die
französische Lyrik, Allerdings ist die Lyrik, mit Ausnahme der
religiösen, in der mittelenglischen Literatur schwach vertreten. Es
hätte dies von Seh. mehr betont und auf die Ursache dieser Er-
scheinung hingewiesen werden sollen. Matter- of-fact-inen, wie es die
Anglonormannen und Angelsachsen waren, haben eben im allgemeinen
wenig Anlage und Neigung zur LjTik. Aber der religiöse Sinn ist
oft gerade bei solchen Menschen stark entwickelt; denn der religiöse
Standpunkt ist oft nichts anderes als ein Nützlichkeitsstandpunkt.
Die chronologische Tabelle, die Bibliographie und das Sachregister»
am Schluß des Bandes, sind angenehme Zugaben. Die Bibliographie
nicht nachgewiesen wird, dafs ursprünglich ert an Stelle von e*; stand; dann
aber mufs die estoire französisch abgefafst sein. Sodann heifst es: MuU iert
nniee des Engleis, des petites <jens e des fjranz Jnsqiia la prise des Normanz. Kann
jemand glauben, dafs ein Anglonoraianne des l2/lo. Jahrhunderts wufste,
was für Literatur und Sagen England vor der normannischen Eroberung besafs?
Es ist offenbar, dafs unser Autor eine Hypothese in die Form einer Behauptung
gekleidet hat. Es war für ihn selbstverständlich, dafs eine „Geschichte",
die in Grofsbritannien, und offenbar in vornormannischer Zeit spielt, von
den Vorgängern der Anglonormannen, also den Angelsachsen, bearbeitet wurde.
Dafs er in dieser Weise folgerte, geht schon daraus hervor, dal's er beifügt:
Puis i ad assez translatees, Quimoli su7it de plusurs amees, Comeslde ßrtut,Comest Trlslram.
Niemand hat noch zn behaupten gewagt, dafs auch das Original des i>rw< in angel-
sächsischer Sprache abgefafst war. Warum schliefst man denn aus dieser
Stelle auf ein angelsächsisches Original des Tristan, des Wnldej\ des Aelofi
Offenbar mag John Bramis, ein Autor des 15. ( !) Jahrhunderts, welcher behauptet,
dafs die Geschichte von Waldef aus dem Englichen in's Französische über-
setzt wurdp, in derselben Weise gefolgert haben wie der Autor unserer
Waldef-Vprsion. Im 15. Jahrhundert wufste man über diesen Gegenstand
kaum mehr als im zwanzigsten.
*) Wie kühn Seh. drauf los behauptet, zeigt z. B. der Satz; Throurjh-
out ihe Middle Ages the stories of Snxon warriors irere repeated icith delüjht (p, 258).
2') Jordan (Ilerrigs Archiv 118 p. 94) mag Recht haben, wenn er sagt,
dafs das Lpos die Erzählung der reisigen Völker, die Novelle die Erzählung
der stillsitzenden Völker sei. Als die Wikingerbewegung zur Ruhe kam,
mag auch dieses Volk die Sage zum Roman umgeformt haben.
140 Referate und Rezensionen. M. J. Mlnchwüz.
dürfte für diejenigeü, für die der JJand bauptstächlicli bestimmt ist,
fast zu ausführlich sein (es wird sogar auf Anmerkungen in Zeitschriften
hingewiesen); anderseits ist sie für Spezialisten zu unvollständig. Seh.
hat leider nur allzu häutig eigene oder von ihm approbierte Hypothesen,
zum Teil sehr zweifelhafter Art, als Tatsachen hingestellt. Es geht
allerdings in einem Werke dieser Art nicht an, daß sich der Verfasser
auf Argumentationen einläßt. Aber mit dem einfachen Hinstellen von
Hypothesen, die die meisten Leser nicht kontroUiren können, als Tat-
sachen kann man nichts gutes stiften. Es scheint mir, daß es die
Gerechtigkeit verlangte, daß in der ] Bibliographie bei strittigen Fragen
die wichtigsten Ansichten anderer ganz kurz erwähnt würden, mit
Angabe der Schriften, wo sie begründet sind. Wenn dadurch der Band
um zwei Seiten dicker geworden wäre, so hätte es nichts geschadet 22).
Es ist zu wünchen, daß bei einer zweiten Ausgabe das Werk
zahlreiche Verbesserungen anfweise. Als Gesamturteil gilt immer-
hin, daß es Seh. gelungen ist, ein im Ganzen sehr zutreffendes Bild
von der von ihm gewählten Periode zu geben, zu reconsiruct ilie
intellectual and artistic Ute, wie er selbst sagt (p. 452); er ist in
den Geist des Mittelalters eingedrungen, und hat es vortrefflich ver-
standen zu zeigen, was für literarische Nahrung das mittelalterliche
England hatte.
E. J5RUGGER.
Histoire Lifteraire de la France. Tome xxxni. Suite du
Quatorzieme Siicle. Paris. Imprimerie Nationale. 1906.
XXin. 649 s. 40.
Der dreiunddreißigste Band der Histoire Litteraire Frankreichs
hat lange auf sich warten lassen. Seit dem Erscheinen des vorher-
gehenden Bandes war eine Pause von reichlich zehn Jahren eingetreten,
Band 25 — 31 hatten dagegen nur den Zeitraum von 18G9 — 1896
zu ihrer Publikation benötigt. Die Gründe dieser Verzögerung i)
sind, wie zumeist bei Kollektivarbeiten, zu mannigfacher Art, als daß
2'-) Für gewisse mindestens auf den ersten Blick etwas sonderbare
Behauptungen möchte man Angabe der Quellen wünschen: p. 79: Wo wird
Kaiser Friedrich II. „Weltwunder" genannt? „Weltspiegel" wurde Kaiser
Friedrich I. genannt (vgl. R. Köhler, Kl. ächrifien II 315). Liegt etwa Vei'-
wechsIuDg vor? P. 2.VJ: Wo erscheint Wade als Wielands Sohn? Nach der
Thidreksaga ist Wate Wielands Vater. Wielands Sohn heilst Witege. P. 315:
Wo galt Gottfried von Bouillon als Sohn ['] einer Schwanjtingfrau? P. 316:
Neu ist mir the Latin [!] pvose account of MHushte hrj Jean d'An-as.
1) Viele Mitglieder der Academie Frangaise stehen der langsam
aber stetig fortschreitenden Arbeit gründlicher P^rscher an der Bistoire
litteraire befremdet und völlig verständnifslos gegenüber. So hat bei der
feierlichen Aufnahme F. Brunetiere's (15. Februar 1894) der ihn empfangende
Directeur d'Haussonville es nachdrücklich beklagt, dafs die Histoire litteraire
nicht lieber der Fürsorge der vierzig Unsterblichen anvertraut sei, namentlich
um ihren Werdegang in beschleunigteres Tempo zu versetzen. Ob zum
Vorteil dieses gewaltigen Monumentes bleibe dahingestellt.
Histoire hüteraire de la France. 141
an dieser Stelle näher auf sie eingegangen werden könnte. Diesmal
handelt es sich um die achte Suite du. 14' Siede, natürlich mit den
unvermeidlichen Nachträgen zum 12. und 13. Jahrhundert. Die
summarische Anzeige der Romania (t. XXXVI, p. 471) enthält
deshalb den erläuternden Zusatz: Bien que le titre porie ..suite du
XI V^ siecle'^, le iome XXXlll traite de bien des oeuvres gut
furent composees au XIll'^ siecle et meme au XTl', mais ce fait
n'cst pas aussi contraire au plan du recueil qu^on pourrait le
croire de prime abord. I^a regle de ü Histoire litteraire est de
elasser les ecrivains d'aprrs la date de leur mort. Or cette date
est, dans beaucoup de cas, inconnue; eile Vest meme toujours
quand il s'agit d'ccrivains anonymes. Des Ecrivains de la seconde
moitiS du XllP siicle peuvent etre morts au XI V^. Enfin, il
est bien Svident que les articles collectifs ne peuvent avoir de date fixe.
Die Verfasser des vorliegenden Bandes haben viel spröden und
ästhetisch wenig anmutenden Stoff zu bewältigen gehabt. Für Band
XXXII lagen die Verhältnisse in mancher Beziehung günstiger; ent-
hielt derselbe doch vor allem die umfangreiche Notiz über Jean de
Joinville, den gewaltigen Beitrag, den Gaston Paris zur ^Historio-
graphie de la France'-'- gestiftet hat. Auch für die Vulgärliteratur
Südfrankreichs war interessanter Zustrom gespendet. Zwischen einigen
Veröffentlichungen der beiden Bände läßt sich jedoch in mehr als
einer Hinsicht ein gewisser Parallelismus konstatieren. Zunächst ist
die Autorschaft für die jeweilig vorausgeschickte Notice die gleiche.
Am 29. April 1896 war der um die Histoire litteraire so hoch ver-
diente Baithelemy Haureau zwar betagt aber in ungetrübter geistiger
Frische aus dem Leben geschieden. M. Paul Meyer hatte ihm kraft
seiner Eigenschaft als „editeur" einen warm empfundenen Nachruf
gewidmet, der überdies für dem Toten fernstehende Leser den
bleibenden Wert besitzt, daß er zur Enstehung einer ganzen Reihe
von Kapiteln der Histoire litteraire wichtigen Aufschluß bietet.
Vergleicht man mit diesem ausführlichen Nekrolog die diesmalige
Notice über Gaston Paris, die noch um einige Blätter reicher ist,
so staunt man, wie objektiv die Beurteilung des Jugendfreundes und
Altersgenossen ausgefallen ist. Auch nicht ein einziges Mal ist in
die Wagschale beschaulicher Abschätzung ein von intimsten persönlichen
Beziehungen beeinflußtes Gewicht gefallen: exegi monuraentum aere
perennius. Dank dieser objektiven Darstellung ist es auch gelungen,
Gaston Paiis' Studienaufenthalt in Deutschland knapp und klar in's
richtige Licht zu stellen , . . Son pere l'envoyn en Alleinagne^ sur-
tout en vue d'apprendre VaUemand . . . (p. VIII — IX,)-)
-) Der Sonderabdruck dipser Notice sur Gaston rarif: enthält auch ein
Portrait des Meisters aus der letzten Zeit (Heliog. Dujardin), das besonders
den Teilni^hiiiern an den Conferences du Dimaiiche der letzten Jahre bis
auf den schon schärfer ausgeprägten Leidenszug altvertraute liebe Erinne-
rungen weckt.
142 Referate und Rezensionen. M. J. Minchioüz.
In den Gcdenkworten für P>. Haureau (t. XXXII, p. XY) war
der Standpunkt gekennzeichnet, den die Kommission der Histoire
Liiteraire zu den jeweiligen, stets ergänzungsbedürftigen Publikationen
einnimmt: 7/ lui parut que. par suite de Vextension de plus en
plus grande que p7'ennent les etudes sur Ic moyen-äge, les travaux
quelle est cliargce d'acconiplir ne sauraient ä aucun moment etre
considcrh comme definitifs, et quelle doit borner son ambition ä
resumer Vctat de la science ä un moment donne et ä le faire
progresser dans la mesure de ses forces. Mit dieser nachdrücklichen
Erklärung ist sicher auch für den neuesten Band der einzig richtige
Wertmesser angezeigt, nur daß es sich diesmal um die Erörterung
von noch komplizierteren Verhältnissen handelt, da die Zaiil der
Mitarbeiter (allerdings unter Hinzurechnung der posthumen Veröffent-
lichung von Beiträgen aus der Feder von B. Haureau und Gaston
Paris) diesmal von vier (B. Haureau, G. Paris, L. Delisle,
P. Meyer, editeur) auf sechs (durch Paul Viollet und Noel
Valois) gestiegen ist. Dem Leser aber ist eine günstige Gelegenheit
geboten, einige verdienstliche französische Forscher in der individuellen
Eigenart ihrer Methoden nach ganz verschiedenen Richtungen hin
recht eingehend kennen zu lernen. Auf die kritische Schärfe der
Stoffbehandlung in ganz verschiedenen Phasen, wenigstens im Fluge
hinzuweisen, soll der Hauptzweck vorliegender Anzeige sein.
Die Inhaltsangabe des 33. Bandes läßt sich viel einfacher aus-
führen als diejenige des vorhergehenden: Außer dem Avertissement-')
und der bereits besprochenen Notice sur Gaston Paris haben
folgende Artikel Aufnahme gefunden: P. 1 — 40 Maitre Jean d'Anti-
oche., traducteur et frere Guillaume de Saint-Etienne (L. Delisle). —
p. 41 — 190: Les Coutumiers de Ncrmandie (P. Viollet) —
P. 191- — 253: Raimoyid de Beziers, traducteur et compilateur (G.
Pari;,). — P, 254 — 458: Versio7is en vers et en prose des Vies
des Rhres. — Legendes hagiopraphiques en francais I. Legendes
en vers. II. Legende en prose (P. Meyer). — P. 459 — 478:
Jacques de Lausanne, frcre Precheur (B. Haureau). — P. 479- —
623: Pierre Auriol, frere Mineur-Jean de Jandun et Marsile
de Padoue, auieurs du Defensor pacis (Noel Valois). — P. 624 —
632: Additions et Correciions. — P. 638—649: Table des Auieurs
et des Matieres.'^)
3) Hier wird auch eine rein äuferliche Neuerung angekündigt : (p. IV, V)
A partir du present tome, nons supprimons les manchettes, rejetant en note, suivant
Vusage le plus generalement adopte de nos j'ourSj les renvois aux ouvrages cites. D ou
resulte vn double avantage. D^une pari, nous elargissnns la justificaüon, et, d'autre
part, les renvois, formules d'une facon souvent trnp brive, loi-sqiiils etaient places dans
la marge, ont pu ctre donnes d^une faqon assez compUte pour nous permettre de
supprimer la table des ourrages cites, qui, jusqu'ici, a occupe dans nos volumes nne
place comiderable.
*) Man erinnere sich, dafs für Band XXXII bereits insofern eine neue
Anordnung getroffen wurde, als sich die Unmöglichkeit herausstellte, fernerhin
JRsioire Litteraire de la France. 143
Wie rastlos uneimüdliclie Forscher zu ein iiud demselben Gegen-
stand zurückzukehren pflegen, um ihn möglichst erschöpfi^nd zu
behandeln, beweist gleich der erste Artikel, der den greisen Gelehrten
M. L. Delisle zum Verfasser hat. Bereits 1899 erschien im 36. Bande
der JSotices et Extraits des Alaniiscrits publies par V Academie
des Inscriptions eine Notice sur la Rhetorique de Ciccron traduite
per Maltre Jean d'ÄJitioche, ms. 590 du Miisee Conde. M.
Delisle erteilte in dieser annähernd 60 Seiten umfassenden Notiz ^)
sorgsame Auskunft über eine 1282 in Saint-Jean-D'Acre verfaßte
Übersetzung von Cicero's: De Inventione und Rhetorica ad Herennium
„laquel maistre Johan d'' Anthioclie translata de laiin en romans,
a la requeste de frere Guillaume, frere de Vospital de Saint Johan
de Jherusaiem. Für das gleiche Thema sind nun in der Histoire
litieraire weitere wichtige Einzelheiten und beträchtliche Zusätze bei-
gebracht. Bt^sonderes Interesse erheischt der Umstand, daß diese
Übersetzung bald nach ihrer Entstehung von fremder kundiger Hand
berechtigte Verbesserungen in Form von gut leserlichen Rand-
bemerkungen und eingeschobenen Zeilen erhalten hat. Die angeführten
Proben von Emendationen lassen mit Sicherheit vermuten, daß hier
für die Kenntnis mittelalterlichen Übersetzerverfahrens mancher Finger-
zeig zu holen wäre. Ganz neu hinzugetreten ist die kurze Studie
über die ebenfalls Jean d'Antioche zugeschriebene Übersetzung der
Otia imperialia von Gervais de Tilbury. Die zweite Hälfte der
Abhandlung berichtet eingehender über frere Guillaume, der identisch
ist mit dem späteren „commaudeur de l'ordre de Saint- Jean" auf
Cypern. Seine umfangreiche Compilation, die in einem Manuskript
der Bibl. nat. (ms. fr. 6049) erhalten ist, wird von Delisle mit Recht
als ein äußerst wichtiges Dokument für die Geschichte des lateinischen
Orients bezeichnet.
Für M. VioUet's Couturniers de Normandie ist vorauszuschicken,
daß wegen der Fülle vorhandenen Materials nur die ,.,province de
Normandie" Berücksichtigung gefunden hat 6). Die Serie der notices
collectives (Avertissemetit, III), die bereits im 32. Bande für die
Zusammenstellung gewisser Typen von Klosterchroniken praktisch
schien, wird im 33. fortgesetzt: poicr les couturniers norinands,
ceuvres d'epoques diverses., dont il rieut guere ete possible d'etablir
les rapports en des notices s^parees, et jjoiir les innombrables vies
de saints traduites en prose franpaise au cours du Xlll' siede
et au commencement du XI V"^. Die streng methodische Prüfung
dieser in erster Linie für die Rechtsgelehrten in Betracht kommenden
für jedes Jahrhundert nur eine einzige table tjen^rah aufzustellen: (p. III) . . .
Cest pourquoi nous avons place it la Jin du present volume une table des articles
contenus dam les tomes XXV — XXXI f.
S) et R.mauia t. XXIX, 155.
«j Recht interessante Streiflichter fallen auf die Rechtspflege der
normannischen Inseln (p. 74 fi".).
144 Referate und Rezensionen. M. J. Minckwitz.
Coutumiers hat viel wichtige Ausblicke eröffnet. Konflikte werden
aufgerollt zwischen Staats- und Kirchenrecht, Duellverordnungeu
erörtert, ethnisch merkwürdige Besonderheiten festgestellt, die Ursachen
fürstlicher Erbstreitigkeiten für das Haus der Grafen v. Valois nach-
gewiesen usw. Für die umfangreichen Quellen, den Grand Coutuinier
de Normandie sowie die gereimte version en vers octosyllabiques
von Guillaume Chapu waren eingehende sprachliche Untei suchungen
unvermeidlich. Nur auf diesem Wege war es möglich, die von Tardif
und Brunner bekundeten Meinungsverschiedenheiten, teilweise zu
Ungunsten des Letzteren sorgsam zu revidieren. Die Lösung der
komplizierten Frage, ob dem Grand Coutumier in der Prosaversion
ursprünglich eine französische oder eine lateinische Textfassung zu
Grunde lag, ist von M. Yiollet mit ebensoviel Scharfsinn als Behutsam-
keit erneut in Angriff genommen worden. Er neigt zu der Annahme
der Anteriorität des Lateins (p. 87). Tardif^) war durch stilistische
Erwägungen zur gleichen Ansicht gelangt. Viollet kommt auf schärfer
kritischem Wege zu dem nämlichen Resultate: Aussi hien la com-
paraison attentive du texte latin et du texte francais conduit
directement aux memes conclusions. On sent que le mot propre
faxt parfois defaut au traducteur francais \ on retrotive dans le
frangais quelques tournures Latines ... (p. 86). Weitere Schluß-
folgerungen führen notwendig zur Kritik und Revision des erhaltenen
lateinischen Textes (p. 89): Si le texte frangais derive du texte
latin, il n'en resulte pas que les lepons du texte latin qui nous
est parvenu soient constamment prefirahles ä celles du texte
frangais. En effet, le texte frangais derive d'un mamiscrit ou de
manuscrits latins aujourdlmi perdus. Auch die Klassifikation der
Handschriften (p. 107 ff.) und die Stilbemerkungen (p. 106 — 107)
sind ungemein lehrreich. Die Raimond de Biziers gewidmete Studie
des toten Meisters Gaston Paris hat zum Ausgangspunkt die kritische
Untersuchung der 1899 in den Fahulistes latins depuis le siede
d' Auguste jusqu'ä la fin du moyen dge: .Jean de Capoue et ses
derives dargelegten Ansichten L. Hervieux' über die Quelle von
Raimond de Beziers' Liber Calile et Dine^^) sowie der editio princeps.
Bildet die Widerlegung der Hypothesen Hervieux' ein Hauptverdienst
der Abhandlung, so ist andrerseits die in großen Zügen entworfene
Geschichte ^du livre meme connu depuis longtemps saus le iitre
arabe de Kaltlah et Dimnah'' (p. 200) von sehr hohem Werte.
Die Übersichtlichkeit des klar geordneten Materials wirkt vorbildlich^).
") V. Summa de Legibus Normannie, p. CXXXVII ff.
8) Cf. Jiomania, XXVIII, 482.
5) Nach der Darlegung auf S. 249 enthält die covfession de J>ina politische
Anspielungen auf die Zeit Philipp des Schönen. "Vor>ichtshalber „Raimond
s'est avise de meitre la scrne en pays musulman. Montesquieu s „Lettres Persanes^
haben also bereits Jahrhunderte früher schon „Vorläufer" getunden.
F. Brunetiere, Etudes critiques. 145
Schon die summarische Anzeige der Romania (XXXVI,
p. 471 — 472) lenkt die Aufmerksamkeit auf die teilweise bisher in
der Histoire litteraire nicht übliche Form der diesmaligen Beiträge
Paul Meyer's. Aus dem ersten großen Abschnitt ist insbesondere
die Notiz über Henri d'Arci (p. 256 ss.) sowie die nähere Begründung
und Charakterisierung der vielseitigen Autorschaft (unter eingehender
Berücksichtigung des Manuscrit de Carpentras) Wauchier de Denain's
hervorzuheben. Für die Legendes hagiographiques en fran^ais macht
sich an verschiedenen Stellen, z. B. p. 328 — 329, ein erfreulicher Fort-
schritt bemerkbar, insofern für die ältesten Zeiträume eine gedrängte
Übersicht und Abschätzung der Früchte dieses vielgepflegten Zweiges
der mittelalterlichen Literatur in prägnanten Zügen geboten wird:
ein wichtiger Anfang zu dem lang erstrebten, gruudfesten Aufbau
mittelalterlicher Literarhistorie.
An dem posthumen Beitrag Haureau's über Jacques de Lausanne,
frere precheur (mit Ergänzungen von N. Valois) erfreuen die pikanten
Einzelheiten, die kulturhistorisches Interesse zu fördern geeignet sind.
In ernstem Kontraste steht dazu das Bild von Pierre Auriol, Frere
Mineur, dem unter den Theologen und Philosophen des 14. Jahrhundert's
ein beachtenswerter Platz gebührt, trotz Pierre Bayle's etwas ein-
schränkendem Lobspruche: Oetait un esprit subtil, mais trop avide,
de se distinguer par des opinions nouvelles. Mit dem Schlußstein
des Bandes erhalten wir einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der
religiösen Streitigkeiten unter Ludwig dem Baier, der zugleich aktuelles
Interesse beansprucht. Auf die Autoren des Defensor pacis, Marsile
de Padoue und Jean de Jandun fällt fast haarscharfe Beleuchtung.
Ein wichtiges Nebenverdienst bedeutet die Auskunft über den bisher
unedierten Defensor minor, die Ergänzungsschrift zum Defensor
pacis. Auch bei Laien wird die stellenweise geradezu anmutige
Stoffbehandlung lebhaftes Interesse für diese vorreformatorische 1°)
Bewegung zu wecken vermögen.
München. M. J. Minckwitz.
Bmnetiöre, F. Etudes critiques sur VMstoire de la litterature
frangaise. Huitihne serie. Paris, Hachette et C'® 1907.
Unter vorliegendem Titel veröffentlicht die Verlagsbuchhandlung
Hachette einige Aufsätze aus dem Nachlaß Brunetiere's. Es sei voraus-
zusehen, wird in einer Vorbemerkung mitgeteilt, daß diesem Bande
noch einige andere folgen werden. Abgesehen von zwei Artikeln
(l'Eloquence de Bourdaloue und Les transformations de la langue
frangaise au 18' siede), die das Datum des 15. Juni 1904 und 15. Nov.
1905 tragen, stammen die übrigen alle aus dem letzten Lebensjahr
1") Aus dem Defensor Pacis haben sicher u. a. Wicliff, Luther und Calvin
reformatorische Ideen geschöpft.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXH». 10
14G Referate imd Rezensionen. Heinrich Schneegans.
des Gelehrten und sind vom 1. Jauuar, 1. Mai, 1. August, 1. September
und 1. Oktober 1906 datiert. Die Aufsätze sind mit Ausnahme von
„La Maladie du Burlesque'-' und „Xes Epoques de la comedie de
Molicre" eigentlich Recensiouen, aber so ausführliche und eingehende
Artikel, daß sie die Bedeutung selbständiger, neuer Arbeiten wohl haben.
Im Anschluß an die von Fortunat Strowski in Angriff
genommene Ausgabe der Essais Montaigne's bietet uns zunächst
Brunetierc eine recht interessante Studie über diesen Schriftsteller.
Diese Ausgabe, von welcher bis jetzt der 1. Band vorliegt, will
bekanntlich den Werdegang des Montaigneschen "Werkes dem Leser
durch sinnvolle Nebeneinanderstellung der einzelnen Redactionen klar
vor Augen führen. Für das Verständnis von Montaignes schwankender
Natur, der seine Ansichten fortwährend wechselte, ist das Studium
der verschiedenen Hinzufügungen und Änderungen, die er an seinem
Werke vornahm, von größtem Interesse. Deshalb zollt Brunetiere,
der doch sonst vor philologischer Kleinarbeit nicht allzugroße Achtung
hat, dem Versuche Strowski's volle Anerkennung. Sind wir doch
von vorn herein viel zu sehr geneigt Montaigne System und Methode
zuzuschreiben, obgleich ihm die Idee ein abgeschlossenes Werk zu
liefern stets ganz ferne Ing. Kam es ihm doch nur darauf an, sich
selbst zu studieren; freilich tat er es nicht wie soviele Verfasser von
Selbstbekenntnissen, um das hervorzuheben, was bei ihm eigenartig
sei. Er suchte vielmehr das zu betonen, was bei ihm allgemein
menschlich war. In der Beobachtung und der Darstellung des all-
gemein Menschlichen liegt auch sein Hauptruhmestitel. In dieser
Hinsicht ist er mehr als irgend ein anderer der Vorläufer der großen
Klassiker des 17. Jahrhunderts.
Wenn wir mit diesen Ausführungen Brunetieres vollständig ein-
verstanden sind, müssen wir hinsichtlich des 2. Artikels über „Xa
maladie du Barlesque'''' p. 56 — 94 einige Einschränkungen machen.
Der französische Gelehrte behauptet zwar mit Recht, daß Th. Gautier,
Philarete Chasles, Morillot, Boislile, Emile Magne in ihren Schriften
über die burlesken Dichter und Scarron sich mit der Theorie des
Burlesken nicht oder kaum abgegeben hatten. Gibt es aber nicht
deutsche Arbeiten darüber? Bereits 1894 hatte Ref. in seiner Geschichte
der grotesken Satire versucht die Grenzen des Burlesken gegen Grotesk
und Possenhaft zu bestimmen. Und 1905 hatte Hanns Heiss in seinen
eingehenden „ Studien über die burleske Modedichtung Frankreichs
im 17. Jhrt."" in VoUmöller's Romanische Forschungen Bd. XXI
2, Heft, das Burleske auf seinen Ursprung, Charakter und Eigen-
tümlichkeiten hin untersucht. Es ist sehr schade, daß Brunetiere
von diesen Forschungen gar keine Kenntniss genommen hat. So ist
es auch nicht bloß sein Verdienst darauf hingewiesen zu haben, daß
das Burleske und Preziöse nicht im Gegensatz zu einander stehen,
sondern im Grunde genommen aus derselben Quelle stammen. Bereits
F. Brunetih'e. Etudes critiques. 147
Lanson hatte Mev. d'hist. lit. IE p. 331 darauf hingewiesen, das
Burleske sei nichts anderes als die unterhaltende Form des Preziöseu,
ebenso auch /. c. VIII 1901. p. 333, übrigens auch schon Faguet
(Revue des cours et Conferences Dez. 1895, p. 203.) Auch Heiss
ist an betreffender Stelle näher darauf eingegangen. Nichtsdestoweniger
ist anzuerkennen, daß Brunetiere in diesem Artikel die Ursprünge des
Burlesken in der berneskischen Poesie Italiens und der picaresken Spaniens
richtig erkannt hat. Die Geraeinheit preisen, sich in ihr wohl fühlen,
ein möglichst vollendeter Lump zu sein, das sind die Ideale dieser
Poesie, also gerade das Gegenteil dessen, was die Poesie sonst gewöhnlich
bezweckt. So kann denn Brunetiere ohne Mühe dazu kommen, im
Burlesken überhaupt eine Art Travestie oder Entstellung des Natürlichen
zu sehen. In dieser Hinsicht trifft das Burleske aber mit dem Preziösen
zusammen, das ja auch durch die Darstellung des Merkwürdigen,
Auffallenden in Erstaunen versetzen, verblüffen will. So werden wir
uns nicht wundern, daß die Preziösen weit entfernt am Burlesken
Anstand zu nehmen, vielmehr daran große Freude gefunden haben.
Der Klassizismus ist die Reaktion sowohl gegen das Burleske wie
gegen die Preziosität. Boileau, Lafontaine, Meliere, sie wollen Alle jetzt
die Natur befolgen, die Scudery oder Scarron sind ihnen in gleicher
Weise verhaßt. Charakteristisch sind im Hinblick darauf die Verse
Lafontaines, die er bei Gelegenheit der Aufführung der Frauenschule
geschrieben hat: „Nous avons changc de mSthode \ Jodelet (tl. h.
Scarron) nest plus ä la mode. | Et maintenant il ne faut pas
Quitter la nature d'im pas." Preziosität und Burleske nehmen
aber bereits am Ende des 17. Jhdts. ihre Revanche. Schriftsteller
wie Pradon oder die s. g. Modernen kennzeichnen diese Richtung,
4lie gegen die Klassiker wieder das Haupt erhebt. Doch dürfte
Brunetiere zu weit gehen, wenn er mit diesen preziösen und burlesken
Bestrebungen überhaupt alle literarischen Tendenzen identifiziert, die
vom Natürlichen nichts wissen wollen und in der Ausnahme von der
Regel ihre Hauptbefriedigung suchen. So kommt er sogar dazu die
Romantiker mit ihnen zu vergleichen, ebenso Autoren wie Labichc.
Ich will ja nicht leugnen, daß gewisse Analogien vorhanden sind;
wenn mau aber die Definition zu weit faßt, läuft man Gefahr gar
nichts mehr zu beweisen.
Eine eigenartige, aber auch etwas gesuchte Auffassung von
Molieres Wirken zeigt Br. dann in seinem Artikel „Les epoques de la
comedie de Moliere^ p. 95 — 120. Er vertritt die Ansicht, daß die
drei Meisterwerke Moliere's, der Don Juan, Tartuffe und Misanthrope
aus dem Grunde (hmkel und problematisch anmuten, weil der Verfasser
in diesen Werken die der Gattung des LustNpiels gesteckten Grenzen
überschritten habe. Moliere hätte eine neue Art Komödie schaffen
wollen, welche nicht bloß durch Vorführung sclt-amer Vorgänge unter-
halten, sondern auch durch genaue Nachahmung der Wirklichkeit die
Zuschauer ernst stimmen und zum Nachdenken bringen sollte. Das
10*
14.S Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
vertrüge aber die Komödie nicht. Deshnlb hinterließen diese Lust-
spiele beim Zuschauer eine zwiespältige Empfindung. Meliere hätte
das Unmögliche seines Versuches eingesehen und sei deshalb wieder
zu der nur unterhaltenden Komödie zurückgekehrt. Diese Auf-
fassung mag geistreich sein, den Tatsachen wird sie aber, soviel ich
sehe, nicht gerecht. Auch nach diesen drei Stücken hat Meliere —
wenn man will — Komödien geschrieben, die eine zwiespältige
Empfindung in uns hervorrufen können. Man denke nur an George
Dandin, an Amphitryon, an den Malade imaginaire. Ich sehe
nicht ein, weshalb der ,,Avare" lustiger sein sollte als der Tartuffe.
Goethe hatte bekanntlich bei dessen Lektüre die Empfindung des
Tragischen. Eine „ernste" Komödie sind doch gewiß auch die
„Fenimes savantes.'-'- Daß der Don Juan einen schillernden Ein-
druck macht, erklärt sich meines Erachtens nicht daraus, daß Meliere
die „der Gattung gesteckten Grenzen" überschritten habe, sondern
eher daraus, daß er wegen des Streites um den Tartuffe, um seinen
Feinden einen Hieb zu versetzen, den Wollüstling noch zum Heuchler
machte. Und der Misanthrope ist deshalb dunkel, weil hier Moliere's
Wahrheitsliebe mit seiner Scheu vor jeder Übertreibung in Kontrast
gerät, zugleich aber auch wegen der persönlichen Elemente, die gerade
hier — trotz aller Analogie mit Don Garde de Navarre und dem
grand Cyrus J/''"^ de Scudery's (cf p. 105 Brunetiere) bin ich davon
überzeugt — zu Grunde liegen, und mit der These, die Möllere
verteidigt, sich nicht recht vereinigen wollen. An Grenzen, die die
literarischen Gattungen gitterartig umzäumen, glaube ich nicht.
Eine sehr ansprechende Charakteristik Bourdaloue's gibt
uns Brunetiere in der darauf folgenden Studie „L'eloquence de
Bourdaloue"' p. 121 — 182. Die große Beliebtheit des Kanzelredners
bei seinen Zeitgenossen erklärt sich Br. durch die Aktualität, die
seine Predigten kennzeichnete, durch seine sich stets gleichbleibende
und aufs Praktische gerichtete Art, die den Zuhörer packen und
erschüttern mußte, durch seine allgemeine Verständlichkeit, durch
die rhythmische Bewegung seines Satzes. Er weiß ihn von Bossuet,
der mehr durch die phantasievolle Schilderung und den erhabenen
Flug seiner Gedanken die Zuhörer mit sich riß, in seinen Reden
aber außerordentlich ungleich war, recht wohl zu unterscheiden.
Das Urteil über Bourdaloue's Beredsamkeit dürfte, so meint Br., auch
durch die Herstellung einer sogenannten kritischen Ausgabe, die wegen
der Unsicherheit der Überlieferung überdies nur mit großer Vorsicht
vorgenommen werden könnte, kaum geändert werden.
In seinem Artikel „L' Orient dans la litterature frangaise'"''
p. 182 — 212, der durch Martino's Buch über das gleiche Thema
hervorgerufen worden ist, gibt Verfasser einen hübschen Überblick
über den Einfluß des Orients auf die französische Literatur des
18. Jhds. Während die Türkei in den Augen der damaligen Menschen
meistens als das Eldorado einer in geschlechtlich sittlicher Beziehung
F. Brunetihre. Etudes cmtiques. 149
vollständig freien Welt lebt, erblickte man damals seltsamerweise in
den chinesischen Verhältnissen vielfach ein Vorbild in Dingen der
Erziehung und des Unterrichts, Erblichkeit und Käuflichkeit der
Ämter gibt es dort nicht. Man erweist sich eines Amtes würdig
dadurch, daß man eine Prüfung auf dasselbe besteht. Die „chinesische
Examiniererei", die heutzutage so verpönt ist, begeisterte die Menschen
des 18. Jhds. Sie erblickten darin das Ideal der Gerechtigkeit.
Nach Br. wäre das Prüfungswesen unserer Zeit, das die „Philosophen"
des 18. Jhds. angepriesen hätten und die Revolution in die Sitten
eingeführt habe, in letzter Linie auf die Schwärmerei für das Chinesen-
tum zurückzuführen. Dagegen hätte das Studium Indiens namentlich
die religiöse Forschung begünstigt. So groß der Einfluß des Orients
aber auch zeitweise gewesen sei, mit dem italienischen, spanischen
oder englischen sei er natürlich nicht zu vergleichen. „jEW nous
devenant familieres'^ , sagt Br. „les choses d Orient ne nous sont
pas devenues interieures, il ny a pas eu de penetration" . Es
wäre interessant, diesen orientalischen Einflüssen, namentlich bei
Voltaire, noch ernster nachzuspüren. Auch wäre es wohl nicht un-
nütz, sich die Frage vorzulegen, ob nicht der Eokokostil z, T. auf
den Einfluß Chinas zurückzuführen sei.
Trotz seiner Länge p. 213 — 259 bietet der Artikel „Xes Trans-
formations de la langue francaise au 18^ siede'-' verhältnismäßig
am wenigsten Interessantes. Daß eine wirkliche Wandlung der Sprache
in damaliger Zeit vor sich gegangen sei, bestreitet Br., denn die bloße
Vermehrung des Wortschatzes bilde eine Sprache nicht um. Tief-
gehend seien überhaupt die Änderungen der Sprache des 18. Jhds.
nicht, das Französische sei nur durch die Bemühungen der Puristen
und Grammatiker immer klarer, durchsichtiger, unpersönlicher und
internationaler geworden. Zum Nutzen der weiteren Verbreitung des
Französischen hätte das sehr viel beigetragen, die Literatur hätte
aber dadurch nicht gewonnen, umsomehr als die Puristen hinsichtlich
der zu befolgenden Vorbilder außerordentlich zaghaft gewesen seien.
Im letzten Aufsatz r,Joseph de Maistre et son livre du Pape""'
p. 261 — 293, entwirft Br. ein von warmer Sympathie erfülltes Bild
des bekannten katholischen Streiters. Mit dem Hauptgedanken des
Schriftstellers, „Point de morale jiratique ni de caractere national
Sans religion, point de 7'eligion europeenne sans le christianisme,
point de christianisme sa7is le catholicismc, point de catholicisme
sans le Pape, point de Pape sans la Suprematie qui lui appar-
tienf", ist Br, selbstverständlich ganz einverstanden. Daß die päpstliche
Unfehlbarkeit die Freiheit unseres Denkens beeinträchtige, bestreitet
er; höchstens beschränke sie dieselbe r,en matiere doctrinale'^ , sonst
aber durchaus nicht. In dieser Hinsicht werden wohl die Ausführungen
Br.'s alle diejenigen, die auf anderm Standpunkt stehen, merkwürdig
spitzfindig anmuten. Schmerzlich dürften auch manche sehr gute
Katholiken die Schlußfolgerungen berühren, zu denen er in vollem
150 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
Einverständnis mit de Maistre kommt, wenn er ausführt, der Katholi-
zismus drohe stets zu entarten, wenn er sich lokalisiere; nur ein
universeller Katholizismus sei wirklich katholisch, sonst führe er zum
Anglicanismus oder zur russischen Orthodoxie. Ein speziell
französischer Katholizismus sei nichts anderes als die Negation des
Katholizismus. Blinde Unterwerfung unter Rom und damit
Ultramontanismus ist also — das muß man zwischen den Zeilen
lesen — Pflicht eines jeden guten Katholiken.
So verschiedenartig die eben besprochenen Skizzen im Einzelnen
sind, so wenig man auch einigen Ausführungen wird beipflichten
können, sie sind doch alle ein Zeugnis des glänzenden literarischen
Talents des französischen Gelehrten und lassen nur immer wieder
das aufrichtige Bedauern aufkommen, daß uns durch ein grausames
Schicksal ein so begabter Literat so früh entrissen wurde.
WtJRZBURG. Heinrich Schneegans
Revue des Etiides Rabelaisiennes; puhUcation trimestrielle
consacree ä Rabelais et ä son temps. Tome IV. Paris.
Honore Champion 1906.
Mit großer Befriedigung können die Rabelaisfreunde auch auf
das Jahr 1906 zurückblicken. Die kleine Rabelaisgemeinde konnte
am Beginn des Jahres einen Zuwachs von 54 neuen Mitgliedern
verzeichnen, sodaß sich die Gesamtzahl der „Rabelaisants" auf
350 erhob. Daß der Eifer der Rabelaisforscher weit entfernt ist zu
erlahmen, zeigt auch der 4. Band der Zeitschrift, über den wir im
Folgenden eingehend berichten. Freilich bietet die Revue diesmal
für die Biographie des Schriftstellers weniger Bedeutendes als die
früheren Bände. Immerhin verdienen einige Artikel Beachtung. So
lüftet die Untersuchung Henri Grimauds über die Genealogie de
la famille Rabelais p. 228—233 immer mehr den Schleier, der die
Vorfahren und Verwandten des Dichters umhüllte. Aus den Archiven
der Stadt Chinou und des Departements Indre et Loire, aus Rabelais'
Bemerkungen in seinen Büchern und Mitteilungen verschiedener Zeit-
genossen läßt sich der Stammbaum des Verfassers von Gargantua
bis auf seine Großeltern verfolgen. Rabelais hatte zwei Brüder,
Antoine und Jamet. Die Familie des ersteren läßt sich weiter ver-
folgen bis zum Jahre 1630. Sic zählt verschiedene Apotheker, ein
Umstand, der vielleicht dazu geführt hat, auch Rabelais' Vater zum
Apotheker zu machen, während er, wie wir wissen, ein angesehener
Jurist war. üeber Rabelais' Bruder Jamet teilt auch Louis de
Grandmaison einiges mit, p. 15 i. Wir erfahren, daß er zwei Jahre
liindurch als Lehrling bei Geoffroy Gaudete, Kaufmann in Tours,
tätig war und die Tochter seines Prinzipals heiratete. Da er 1518
Revue des Etudes Rahelaisiennes. 151
Lehrling war, wird er damals noch sehr jung gewesen sein. Um so
eher wäre man berechtigt, mit Lefranc die Geburt Franrois' in die
Zeit um 1495 statt 1482 oder 1483 zu verlegen, wie früher an-
genommen wurde.
Einen dunkeln Punkt in Rabelais' Leben, der das große Inter-
esse zeigt, welches unser Verfasser an politischen Angelegenheiten
nahm, suchen zwei Gelehrte aufzuhellen: zuerst Picot p. 45 ff.
(Rabelais ä Lyon en Aoüt 1540), dann Bourilly p. 103 — 134
;,Deux points ohscurs dans la vie de Rabelais. Rabelais ä Lyon
en Aoüt 1530, Rabelais et le sieitr de la Fosse 1540". —
Rabelais kam außerordentlich häufig nach Lyon. Vom Jahre 1532
bis 1542 können wir für mehr oder weniger lange Zeit seinen Auf-
enthalt im Mittelpunkt des damaligen Humanismus fast jedes Jahr
nachweisen. Auch wenn er in Italien war, scheint er für kurze Zeit
sein geliebtes Lyon immer wieder aufgesucht zu haben, wohl um im
Kreise der Gelehrten und Humanisten wieder geistige Auffrischung
und Anregung zu finden. Nun meint Em. Picot, daß er von dort
aus Anfang August 1540 die schwere Unvorsichtigkeit begangen
habe, an einen Freund in Rom gewisse Nachrichten mitzuteilen, die
er nur durch seine Beziehungen zum Gouverneur Guillaume du Bellay
wissen konnte. Der Brief sei konfisziert worden oder es hätten
Abschriften desselben zirkuliert und dem Dichter sei mit Verfolgungen
gedroht worden. Der Kardinal Tournon hätte den Brief dem Kanzler
gezeigt und sich über Rabelais sehr entrüstet geäußert. Der Freund,
an den Rabelais diese Mitteilungen gemacht hatte, wird Fossanus
genannt. Picot sucht ihn mit Antonio da Fossano zu identi-
fizieren, der Professor an der Universität Turin gewesen sei, oder
eher noch mit einem Augustiner Girolamo Negri aus Fossano,
der zuerst sehr freie Ansichten geäußert, nachher aber gegen die
Protestanten geeitert hätte. Durch den Kardinal Tournon verfolgt,
hätte Rabelais zuerst nicht gewußt, an wen er sich wenden sollte und
ob er wieder zu seinem Protektor Guillaume du Bellay zurückkehren
könnte. Die Gefahr sei aber beschworen worden und Rabelais sei
im März 1541 wieder nach Turin zurückgekehrt.
Mit dem von Em. Picot angenommenen Datum 1540 ist
Bourilly nicht einverstanden, da der Brief des Kardinals von
Tournon über Rabelais' Unvorsichtigkeit sicher an den Kanzler du
Bourg gerichtet sei, dieser aber 1538 gestorben sei. Aus dem Jahre
1536 kann er aber auch nicht stammen, da in diesem Jahre Kar-
dinal und Kanzler zusammen in Ia'ou waren und also einander nicht
hätten zu schreiben brauchen. Er tritt dagegen für das Jahr 1537
ein. Nach seinem Doktorat, Ende Mai, sei Rabelais in Lyon ge-
wesen; im September kehrte er nach Montpellier zurück. Vom
10. August 1537 sei der Brief des Kardinals zu datieren. Daraus
folgt aber, daß dieser Brief des Kardinals nicht dio Antielegenheit
mit Fossanus im Auge gehabt habe. Der Kardinal hatte bloß
152 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
geschrieben: ,,Je vous envoye une lettre que Rahelezus escripvoyt ä
Rome, imr oh vous verrez de quelles nouvelles il advertissoit uny
des plus maulvays paillards qui soit ä Rome.''" Den Namen dieses
„jyaillard''' hatte Picot aus einem vom 1. Dezember 1540 von Jean
de Boyssonnc au Guillaume Bi^ot in Turin gerichteten Brief er-
schlossen, und sich gedacht, daß er eben auf die Angelegenheit des
Si)ätsommcrs 1540 angespielt hätte. Bourilk ist der Ansicht, es
hätte sich da um etwas ganz anderes handeln müssen. Auch was
den Fossanus betrifft, der im Briefe des Boyssonne vorkommt, teilt
B. nicht die Meinung P.s. Er hält ihn nicht für den oben erwähnten
Augustiner, sondern für den Seigneur de la Fosse, Barnabe de Vorre,
der 1540 in Italien und zwar in Rom war, mit Guillaume du Bellay
sehr wohl bekannt und im Sinne einer Einigung in Glaubenssacheu
früher tätig gewesen sei. Später hätte er aber seine Gesinnung voll-
ständig gewechselt. Von dieser Wandlung hätte Rabelais nichts ge-
wußt und in der Meinung, den Brief au einen Gesinnungsgenossen
zu schreiben, hätte er ihm freimütig politische Geheimnisse seines
Herren, wahrscheinlich über die Angelegenheiten Deutschlands, mit-
geteilt. Barnabe hätte seine neuen Protektoren davon in Kenntnis
gesetzt, was Rabelais manche Unannehmlichkeiten verursacht hätte.
Er scheint einige Zeit nicht gewußt zu haben, wohin er sich wenden
sollte, doch wird ihm wahrscheinlich der Einfluß des Kardinals Jean
die Gunst des Gouverneurs Guillaume wieder verschafft haben. Aus
dieser Angelegenheit sehen wir wieder, wie sehr Rabelais in die
politischen Intriguen der Zeit eingeweiht war.
Auf Rabelais' Tätigkeit in Italien weist auch ein Vortrag hin,
den Victor Waille in der kuiisthistorischen Sektion des inter-
nationalen historischen Kongresses in Rom 1903 gehalten hat und
über den Henri Hauvette p. 192 — 194 ausführlich berichtet.
Waille weist darin die Vermutung zurück, Rabelais hätte sich auf
seiner italienischen Reise nur mit seltenen Hss. und mit botanischen
und Gärtnerstudien beschäftigt; er zitiert vielmehr alle Stellen in
seinem Buche, aus denen seine Bewunderung der xVrchitektur hervor-
geht und aus denen wir sehen, welch' offenes Auge er stets für die
Kunst gehabt habe.
Auf eine andere Periode in Rabelais' vielbewegtem Leben lenkt
die Aufmerksamkeit der Rabelaisfreunde ein Aufsatz von Henri
Clouzot „Un Portrait de Rabelais ä Nancy", p. 244 — 249, hin.
Der Arzt Antoine Le Poix in Nancy besaß jedenfalls ein Bild
Rabelais' mit einigen Versen, die nicht zu Ehren des Schriftstellers
sind. Wer weiß, ob Rabelais nicht auch zu Nancy einige bisher
unbekannt gebliebene Beziehungen gehabt hat? Von Metz aus kann
er sich möglicherweise dort aufgehalten haben. Mit lothringischen
Verhältnissen zeigt er sich in seinem Buche hie und da vertraut
Die Forschung müßte sich mit dieser Periode seines Lebens noch
näher befassen.
Revue des Etudes Rabelaisiennes. 153
Daß Rabelais den Doktortitel schon trug, als er offiziell noch
nicht dazu berechtigt war, hat schon manchmal Erstaunen erregt.
In zwei kleinen Artikeln weist nun Plattard p. 270/72 u. p. 396/97
^Licentiatus pro doctore an haheaturV'' auf Grund einer Stelle in
Tiraqueaus .^de legibus connubialibus'' und anderen Zeugnissen nach,
daß das Licenciatenexanien die wahre Prüfung war und „licentiatus
in favorabilibus habetur pro doctore, quia <jui est in potentia
propinqua actus videtur esse iii actu", der Doktortitel sei eine
Würde, die der Ijicenciat eo ipso, je nach Gelegenheit, früher oder
später erhielt. Diese Auffassung macht Rabelais' Usurpierung des
Doktortitels viel verständlicher, wenn sie ihn natürlich auch nicht
ganz rechtfertigt.
Zur Vervollständigung von Rabelais' Biographie tragen auch die
Arbeiten bei, welche sich mit Rabelais' Verhältnis zu seinen Freunden
oder Feinden befassen. Wie groß Rabelais' Verehrung für den
Richter Tiraqueau war, hat Barats Arbeit über die beiden Freunde
im dritten Bande der Rabelaiszeitschrift gezeigt, worüber wir seiner-
zeit referiert haben. Auf p. 384/89 des vorliegenden Bandes kommt
Platt ard s. t. Tiraqueau et Rabelais noch einmal auf die Sache
zurück. Wie sehr die Ansichten beider Männer hinsichtlich der
Renaissance übereinstimmten, zeigt ein Vergleich der Widmung der
Briefe Manardis an Tiraqueau durch Rabelais mit dem Vorwort de
legibus Tiraqueaus. Über die Renaissance drücken sich beide Schrift-
steller beinahe mit gleichen Worten aus. Daß Rabelais seinen
Freund geradezu drängte, eine neue Auflage seines großen Werkes
zu besorgen, wissen wir auch. Um so mehr fällt es auf, daß
Tiraqueau in dieser neuen, außerordentlich vermehrten und be-
reicherten Auflage, die freilich erst 1545 erschien, alle Stellen unter-
drückte, die sich auf Rabelais bezogen, so namentlich die Be-
merkung, in welcher er das allseitige Wissen des jungen Franzis-
kaners und seine Kenntnis des Lateinischen und Griechischen rühmte
und das griechische Epigramm Rabelais', das er 1524 an die Spitze
seines Buches gestellt hatte. Mindestens ebenso auffällig ist es, daß
Tiraqueau in seinem neuen Buche aus 1549 „c?e nobilitate'*^ in dem
€r die Frage erörterte „a/i ars medicinae nobilitati deroget?'"'' und
eine Liste aller älteren und jüngeren Ärzte mitteilt, Rabelais' Namen
nicht erwähnt. Sollte Tiraqueau mit seinem früheren Freunde zer-
fallen sein? Rabelais scheint ihn freilich stets verehrt zu haben.
Sogar im Vorworte des 4. Buches spricht er vom „ton, docte, sage,
tant humain, tant debonnaire et equitable Andre Tiraqueau'*.
Nichtsdestoweniger ist jetzt erwiesen, daß unter den zwölf Richtern
des Parlaments, die am 1. März 1551 auf Verlangen der theologischen
Fakultät den Verkauf des 4, Buches verboten, auch Tiraqueau sich
befand. Beim großen Ansehen, dessen er sich im französischen
Richterstande erfreute, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, diesen Be-
schluß zu hintertreiben, wenn er noch dieselbe Wertschätzung seinem
154 Referate und Rezensionen. JJemncIi Schneegans.
frühereil Schützling entgegengebracht hätte. Wer weiß, ob der ernste
.lurist sich nicht durch Kabelais' Beschäftigung mit Riesengeschichteu
verletzt fühlte? Wer weiß, ob die Kritik der Juristen im 3. Buche
nicht die Mißbilligung Tiraqueaus erregt hatte?
Daß Rabelais' Witz bei aller Gutmütigkeit doch sehr verletzen
konnte, das sehen wir auch aus sonstigen Anzeichen. Bekanntlich
hatte er im König Picrochole einen ehemaligen Feind seiner Familie,
Gaucher de Sainte Marthe, verspottet. Wie wir aus den
frühereu Artikeln Abel Lefrancs in dieser Zeitschrift wissen, stimmt
die Identifizierung des Königs mit dem Nachbarn von Rabelais' Vater
vorzüglich. Die Schlösser und Güter Picrocholes sind in Gütern
(HJer Besitzungen Gauchers wiederzufinden. Nur das Schloß des Bois
de Vede hatte Abel Lefranc nicht identifizieren können, bis er jetzt
im Ms. 530 der Institut sbibliothek in einer Urkunde, die die Ver-
teilung von Gauchers Gütern unter seine Kinder enthielt, auch den
Bois de Vede verzeichnet fand. Aus der Arbeit Abel Lefrancs
..Rabelais, les Sainte Marthe et ,.l' enraige'' Patkerhe p. 335 — 345",
die diese Entdeckung vorbringt, geht auch hervor, daß Gauchers
Familie dem Dichter seinen Angriff niemals verzieh. Einer der
ärgsten Feinde Rabelais', derjenige, der zuerst die Legende des
„Säufers und Fressers Rabelais" aufbrachte, war Gabriel de
Puy-Herbault, d. h. Putherbus aus der Touraine, der gegen ihn
jenen berüchtigten Theotimus schrieb. Dieses fanatische Buch fand
nun selbst bei einem feinsinnigen Dichter und Platoniker, der am
Hofe der Margarete von Navarra den Ideen der Renaissance hul-
digte und von Haus aus gewiß viel eher mit Rabelais' Ansichten als
mit denen eines fanatischen Mönches sympathisiert hätte, den
größten Beifall. Und warum? Bloß weil dieser Dichter, Charles
de Sainte Marthe, der Sohn des im ersten Buch karikierten Gaucher
de Sainte Marthe war. Er schrieb dem Putlierbus, der aus der-
selben Gegend stammte Avie seine Familie, sogar einen Brief, in dem
er ihm ausdrücklich gratulierte, daß er dem Atheisten und Epi-
kuräer einen so empfindlichen Schlag versetzt habe. So tiefe Wunden
hatte Rabelais' Spott aufgerissen.
Einen nicht minder leidenschaftlichen Feind hatte Rabelais in
seinem Kollegen, dem Arzte J. C. Scaliger. In einem Artikel der
letzten Rabelaiszeitschrift hatte bereits Dr. de Santi einige be-
merkenswerte Ausführungen über das Verhältnis der beiden Männer
vorgebracht. Auf p, 29 ff. des 4. Bandes bringt er s. t. „Rabelais
et J. C. Scaliger'' die Fortsetzung. Zuerst hält er seine Behaup-
tung, daß Rabelais auf seiner Durchreise durch Agen Scaliger
kennen gelernt habe, eine Behauptung, der in den Annales du
Midi widersprochen worden war, aufrecht, ohne sie freilich durch
wirkliche Beweise stützen zu können. Dann bringt er einiges
schätzenswerte Material vor. das auf die Beziehungen der beiden
Ärzte zueinander ein interessantes Licht wirft. So sehen wir, daß
Revue des Etudes Rahelaisiemies. 155
selbst ein Bewunderer Scaligers, Jean Faciot genannt, Voulte de
Heims, der 1532 — 1536 in Toulouse dozierte und in Lyon lateinische
Epigramme herausgab, unsern Schriftsteller gegen Scaliger, der ihn
als einen rasenden Menschen hingestellt hatte, in Schutz nimmt. Die
beiden Ärzte waren nicht bloß sehr verschieden von Charakter,
Sie gehörten beide auch in medizinischer Hinsicht zwei ganz verschiedenen
Dichtungen an. Scaliger war ein Neuerer, er stand unter dem Einfluß
der Arabisten, Rabelais dagegen achtete keine höheren Autoritäten als
Hippokrates und Galen. In seiner Widmung der Briefe Manardi's hatte
sichRabelais sehr deutlich gegen dieden arabischen Ansichten huldigenden
Ärzte gewandt, die ebenso schlimm seien als die Krankheiten selbst.
Scaliger war nicht der Mann, derartige Angriffe schweigend entgegenzu-
nehmen. In seiüeu „E.rercitationes'-'- und in seinem Dialog über die „Schlaf-
losigkeit" sparte er nicht mit Bemerkungen über denjenigen, den er
gei^ne einen „ Semijnonachus''' und Jiistrio'' schimpfte. Der Streit
der beiden Ärzte wird gewiß in weiten Kreisen bekannt gewesen
sein, sonst würde man sich nicht erklären, daß der Redaktor des
5. Buches, auch mehrere Jahre nach Rabelais' Tod auf die im Jahre
1557 erschienenen Ewercitaiiones des Scaliger, den er den „jeunes
haires esmouchetes^'- an die Seite stellt, angespielt hätte.
Es ist bekannt, daß man früher aus dieser Stelle unter anderem
schloß, daß Rabelais das 5. Buch nicht selbst geschrieben habe.
Jetzt ist man freilich zu anderer Überzeugung gekommen. Die
Akten sind aber darüber noch nicht geschlossen, und so bringt denn
auch dieser Band der Rabelaiszeitschrift einen Artikel über die
Komposition des 5. Buches ,,aSm/' le V. livre''^ von W. F. Smith
p. 235/43, Neues enthält dieser Aufsatz zwar sehr viel; ich kann
mir aber nicht helfen, mir erscheint das von Smith errichtete Ge-
bäude auf sehr schwachen Füßen zu stehen. Es sind Hypothesen
und weiter nichts. So spricht er die Ansicht aus, daß Rabelais
sein 5. Buch in umgekehrter Reihenfolge der Kapitel und zwar schon
in den 30er Jahren, zur Zeit, als er an seinem Gargantua, dem heutigen
ersten Buch, arbeitete verfaßt hätte. So hätte er denn schon 1535 den
Plan gehabt, Panurge eine Reise nach unbekannten Inseln unternehmen zu
lassen, um zu erforschen, ob er heiraten solle oder nicht. Er hätte
also sein 3. Buch schon in petto gehabt haben müssen. Diese Auf-
fassung widerspricht vollständig den neueren Forschungen, die ja den
Beweis erbracht haben, daß das 3. Buch seine Entstehung dem
Frauenstreit verdankt. Sie widerspricht auch der Systemlosigkeit,
mit der Rabelais stets gearbeitet hat. Und worauf stützt Smith
seine Annahme? Darauf, daß sowohl im 1. Buch, in den Tliele-
mitenkapiteln als auch im 5. Buch in den Kapiteln über das Schach-
turnier, das Laterneneiland, das Orakel der göttlichen Flasche sich
einige Entlehnungen aus der Hypnerotomachia Poiyphili finden.
Er müßte damals das Buch in Händen gehabt haben. Ganz recht,
aber ist es deshalb nötig, daß er es sofort für das 5, Buch selbst
156 Referate und Rezensionen. Heimicli Schneegans.
benutzt habe? Auch die Annahme, daß er die Kapitel über das
Läuteiland in Turin unter dem Eindruck eines Besuches in Rom
geschrieben habe, erscheint mir sehr schwach. Rabelais ist doch
sehr häufig in Rom gewesen, auch nach Franz' I, Tod. Ebenso un-
begründet kommt mir die Vermutung vor, daß die Kapitel über
Grippeminauld und die Chats fourres durch Clement Marots
Enfer hervorgerufen und darum gleich nach dessen Erscheinen
verfaßt sein müßten. Das sind alles Phantasien, die vor einer ernst-
haften Kritik nicht bestehen können.
Auch hinsichtlich der Datierung des 4. Buches sind wir noch
insofern nicht ganz genau unterrichtet, als das Verhältnis der zuerst
ed. Kapitel zu den späteren nicht ganz sicher feststeht. Aus einem
vor kurzem erschienenen Buche ,,Gigon, La Revolte et la Gabelle
en Gmjenne'-'- 1548 — 1549, Paris, Champion 1906, welches die
Chronologie der „Salzrevolte" in diesen Provinzen näher bestimmt,
ließen sich nach Plattards Meinung für die Entstehung von
Rabelais' 4. Buch sichere Gesichtspunkte gewinnen. So vor allem,
daß Kap. 66, welches eine Anspielung auf die Revolte enthält,, nicht
zur teilweisen Ausgabe von 1548, sondern zu der von 1552 gehört.
Von Rabelais redigiert ist bekanntlich die Chronique. Nach
einer Mitteilung Henri Omonts in der Acadimie des Inscriptions^
über welche J. Boulenger in der Chronique p. 289 referiert, hätte
nun der Bibliothekar der Universität Montpellier Fecamp eine bis-
her unbekannte Ausgabe dieser Chronique ausfindig gemacht, die
aus der Buchdruckerei Alain Lotrian und Denys Ja not herrührt.
Die Ausgabe läßt sich am besten derjenigen von Besanron an die
Seite stellen, weist aber doch einige Verschiedenheiten auf, die
p. 289/290 namhaft gemacht werden. Daß Rabelais mit der Be-
hauptung, die Chronique hätte außerordentlich großes Aufsehen er-
regt. Recht hatte, geht aus einer Mitteilung Abel Lefrancs am
Schlüsse unseres Bandes hervor, aus der wir erfahren, daß in der
Farce des Maistre Mimin le Goutteux eine ausdrückliche dies-
bezügliche Bemerkung sich findet.
Wie in den vorigen Bänden der Zeitschrift, so hat auch in
diesem die Deutung einiger Personen des Romans weitere Fortschritte
gemacht. Eine wichtige Streitfrage dreht sich schon lange um den
Punkt, ob der Riese Gargantua bereits vor Rabelais eine volkstüm-
liche Gestalt war, oder ob sie auf Rabelais' Erfindung beruht.
Früher stützte sich die erstere Annahme auf Charles de Bour-
dignes Legende de Pierre Faifeu, deren Entstehung man aus der
Zeit vor der Chronique ansah, und die von einem Gargantua qui
a chepueidx de plastre sprach. Seitdem aber Abel Lefranc nach-
gewiesen hatte, daß die LSgende erst am 1. März 1532 fertig ge-
worden ist, hatte man diese Annahme wieder fallen lassen. Mit
Recht macht nun A. Thomas p. 216 — 223 s. t. „Gargantua an
(sie) Limousin avant Rabelais"' darauf aufmerksam, daß trotz der
Revue des Etudes Rabelaisiennes. 157
späten Datierung die Erwähnung des gipshaarigen Riesen doch
auf eine Sage schließen läßt, die mit Rabelais' Darstellung nichts zu
tun hat. Er teilt auch eine Stelle aus einem Registre des comptes
du receveur de Veveque de Limoges ä S^ Leonard^ 1467 — 1475,
mit, wo von einem gewissen Gargantuas erzählt wird, daß er zwei
Tage, vom 4. bis 5. Februar 1471 in der „Säle'' d. h. im Palast
des Bischofs von Limoges wohnte. Gargantua wird wohl hier ein
Spitzname sein. Jedenfalls ist aber dadurch das Vorkommen des
Namens vor Rabelais erwiesen. Interessant ist auch, daß, wie
Pierre Champion p. 273/276 „Une mention inconnue du nom
de Gargantuas'^ sagt, in einer Sotie aus Rouen, die wohl gegen
1540 veröffentlicht wurde, ein Gargantuas erwähnt wird, von dem
es heißt „quant il trebuca axix enfers'^. Der Text stammt zwar
aus späterer Zeit als die Chronik, aber sowohl die Form auf -aSj
als auch die Erwähnung der Höllenfahrt weist auf eine von Rabelais
unabhängige Sage hin. Die Form auf -as könnte sehr gut die ur-
sprüngliche sein; sie könnte recht wohl, wie Lucien Pinvert in
der Chronique mitteilt, den Kalauer Rabelais' „Que grand tu as/'''
erleichtert haben. Da in as -s stumm war, konnte Rabelais um so
eher Gargantua annehmen. Diese Endung -as führt auch Dr.
Albarel p. 391/3 „Origine du mot Gargantua^'' zu recht be-
merkenswerten Vermutungen. In den Dialekten des Languedoc hat
-as augmentative Bedeutung (cf, homenas, fadas bei Rabelais selbst).
Die ursprüngliche Form des Namens könnte Gargantu sein, dem
dann ein Suffix -as hinzugefügt worden wäre. Was die Bedeutung
des Stammes betrifft, ist Albarel der Ansicht, es könnte sehr wohl
wie Grandgousier, Gargamelle = Gargamelo, Badehec (hadare
= ouvrir largemeni, hec = bouche) etwas mit „Kehle" zu tun haben.
Auch Gargantuas Vorfahren, die Riesen Gaioffe, Galafre^ Galehaut
= Galaliu oder Galagu tragen Namen, die im südlichen Patois die
Bedeutung goidu, goinfre haben. Südfranzösisch und spanisch heißt
garganto die Kehle. Ein südfranzösischer Ursprung ist aber wegen
des Verbleibens von g vor a wahrscheinlich, wie schon Thomas
vermutet hatte (wenn nicht etwa Ursprung aus der Picardie ange-
nommen werden soll). In zahlreichen volkstümliclien Sagen kommt
der Riese Gargantian oder Gargantuan übrigens in der Provence
vor. In Pierrelate (Petralata) im Departement der Dröme erkennt
die Volk&phantasie einen Kieselstein, den der Riese aus seinem
Schuh herausgenommen hatte. Es wäre merkwürdig, daß von
Rabelais' Helden nur Gargantua so populär geworden wäre; warum
nicht Pantagruel? Das Vorkommen des Namens vor Rabelais läßt
eine ältere Sage jedenfalls als sehr möalich erscheinen.
Neben Gargantua hat in vorliegendem Band der Rabelais-
zeitschrift namentlich Quaresmeprenant (IV 30—33) die Auf-
merksamkeit der Gelehrten auf sich gezogen. Während man früher
diesen Kapiteln ziemlich ratlos gegenüberstand, kann man sich docb
158 Referate und Rezensionen. Ueimich Schneegans.
jetzt dank den P'orschungen zweier Mediziner, des Anatomieprofessors
Le Double aus Tours und des Dr. Albarel etwas genauere Vor;
Stellungen von diesem merkwürdigen Wesen machen. Le Double in
seinem Buch „Rabelais anatotniste et physiologiste^ , dann in dieser
Zeitschrift p. 250/263 „Quelques contenances de QuaresmeprenanP'
und Albarel p. 49/59 ^La Fsycologie et le temperament de Quares-
meprenant" zeigen, daß dieses merkwürdige "Wesen einen Menschen
darstellt, der sich fortwährend mit seinen Sünden beschäftigt, sich
immerzu auf die Brust schlägt, meistens wegen seiner Fehler weint,
ohne Gedächtnis ist, unfähig ist, irgendein Urteil zu fällen, konfus,
indiskret, willenlos. Nach Vorbild der damaligen Ärzte, die sich
sehr viel mit den Temperamenten der Menschen abgaben, so z. B.
Ambroise Pare, macht Rabelais aus seinem Quaresmeprenant ein halb
melancholisch, halb phlegmatisch angelegtes Wesen. Nach Le Double
wäre er aber auf Grund von Rabelais' Beschreibung trotzdem für die
Reize der Frau Venus nicht unerapfänglifti. Aus der sehr schwer
verständlichen Schilderung Rabelais' wäre das Alles mit ziemlicher
Sicherheit zu erschließen. Die Artikel der beiden Mediziner werden
gewiß für den künftigen Kommentar Rabelais' von großem Wert
sein. Hoffentlich gelingt es der Forschung im Laufe der Zeit noch
Näheres über Quaresmeprenant festzustellen.
Von anderen Persönlichkeiten seines Buches sind überraschende
Deutungen gelungen. So hat es Abel Lefranc auch jetzt wieder ver-
mocht, auf Jamet Brahier^, den Lotsen von Pantagruels Flotte im
4. und 5. Buch helles Licht zu werfen. Er hatte ihn früher mit
Jacques Cartier identifiziert und sich den Vornamen Jamet
(Diminutiv von Jacques) aus dem des Vaters Cartiers, sowie den
Familiennamen Brahier aus dem bretonischen breizard, breihad
(qui porte des braiesj erklärt. Jetzt ist es ihm gelungen, engere
Beziehungen zwischen diesem Jamet Brahier und Rabelais zu finden.
Jamet Brahier ist nämlich ein Kaufmann aus der Touraine, der auf
der Loire und anderen Flüssen der Touraine Schiffahrt trieb und
obendrein mit Rabelais' Bruder Jamet, der gerade wie er eine
Gaudete geheiratet hatte, verwandt war. So hat denn Rabelais
auch hier wieder zwischen seinem phantastischen Roman und seiner
Familie Beziehungen herzustellen gewußt.
Auch die Erforschung der bei Rabelais vorkommenden Orts-
namen erfährt in unserem Band weitere Förderung. Gerade wie
Clouzot 1904 die Topographie des Poitou zusammengestellt,
bietet uns jetzt Patry p. 369 — 383 eine nach demselben sehr
praktisch angelegten Plane geordnete Topographie der Sain-
tonge. — Die zahlreichen Ausdrücke und Redensarten, die sonst
noch an zerstreuten Stellen der Zeitschrift erklärt werden, alle an-
zuführen, ist uns unmöglich. Für den künftigen Kommentator sind
alle diese Miszellen von größtem Wert. Auch in dem Artikel von
Henri Clouzot über „les commentaires de Perreau et V aiphabet
Revue des Etudes Rahelaisiennes. 159
de tauten?' fr anpais, p. 59 ff.", dessen Verhältnis zu der Amster-
damer Ausgabe erörtert wird, dürfte ein künftiger Kommentator
Rabelais' nicht vorübergehen, ohne es zu beachten.
Aber nicht bloß mit Rabelais selbst, auch mit Büchern, die
mit ihm im Zusammenhang stehen, gibt sich der 4. Band unserer
Zeitschrift ab. So erfahren wir aus W. F. Smith' Aufsatz „Ra-
belais et Servius p. 349 ff.", daß sich Rabelais, als er sich in
Saint-Maur befand, sehr eifrig mit dem Studium der Moralia des
Plutarch, mit Ovid, Plinius, besonders mit dem umfangreichen Kom-
mentar des Grammatikers Servius zu Virgil beschäftigt habe. Smith
bringt alle Stellen aus Servius zusammen, die Rabelais für sein
3. Buch benutzt haben konnte, freilich kommt es mir vor, als ob er
auch hier zu viel beweisen wollte.
Daß Rabelais in sehr engen Beziehungen zum Frauenstreit des
16. Jahrhunderts stand, haben wir aus Abel Lefrancs Forschungen
erfahren. So werden wir uns nicht wundern, in der Zeitschrift auch
einen sehr ausführlichen Aufsatz über einen Hauptkämpen in diesem
Streit zu finden, „Gratian du Pont, sieur de Drusac et les femmes,
von Charles Oulmont p. 1 ff., p. 135 ff. Zur Zeit als Jehan
Beuchet mit seinen „Trioiiiphes de la noble et amoureuse dame*^
in den Frauenstreit eingriff, stellte sich auch Drusac mit seinen
y,Controverses du sexe masculin et feminin^'' auf den Plan. Die
Geschwätzigkeit der Frauen, ihre Verleumdungssucht, ihren Hoch-
mut, ihre Neigung zu Lug und Trug satirisiert er äußerst scharf.
Den Frauen schiebt er alles mögliche Unglück in die Schuhe, so
den Verlust Trojas und Roms, ja er wirft sogar einer Römerin vor,
den Teufel betrogen zu haben. Sehr interessant ist die Liste der
von Drusac benutzten Quellen, die Oulmont anführt; er benutzte die
Werke von Juristen, Naturforschern, Encyclopädisten, Rhetoren,
Grammatikern, Humanisten, Dichtern, auch Theologen. Seine Haupt-
gewährsmänner sind aber neben dem bekannten Nevizan auch
Thomas Illyricus, ein berühmter Prediger, den Drusac in Tou-
louse gehört hatte und welcher gegen Luther und die Frauen ge-
wettert hatte, die durch ihre Sittenlosigkeit, ihre verbrecherische
Schwäche, sowie ihre Reize die Reformation ins Leben gerufen hätten.
Wie sehr Rabelais seine Zeitgenossen beschäftigte, wird uns
auch aus einigen Miszellen des vorliegenden Zeitschriftenbandes klar.
So sehen wir aus vier p. 73 von Paul Barbier fils zitierten
lateinischen Versen Pasquiers, auf welchen Standpunkt man sich
im 16. Jahrhundert stellte, um den großen Satiriker zu beurteilen.
Der Arzt Jean le Bon, f 1583, zitiert auch öfters Rabelais. Ein
anderer Mediziner, Paul Reneaume, der um die Wende des
16. zum 17. Jahrhundert in Blois lebte, versuchte einen Brief
Rabelais' zu erklären, in dem er Gargamelle mit der Mutter Franz' L
identifizierte und den Witz Rabelais' „Qwe grand tu as!" auf
Franz' L große Nase bezog. Ein Historiker der Basse Marche,
160 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
Robert du Dorat (cf. darüber Henri Clouzot p. 394/;3 „Za
Deviniere conire la Deviniere") machte sieb Rabelais' Berühmtheit
als Weinkenner zu Nutze, indem er den von ihm gerühmten Wein
der Deviniere mit seinem eigenen Wein aus der Gegend bei Availles
identifizierte. Daß Rabelais selbst aufs Ausland großen Einfluß
ausübte, zeigt Pirenne p. 224/5 s. t. „Rabelais dans les Rays
-Bas^', indem er auf die Art hinweist, wie ihn Philippe de
Marnix de Sainte-Aldegonde in seinem Tahleau des differends
de la Religion nachahmte. Übrigens ist das nicht so neu, wie V.
anzunehmen scheint. In meiner Geschichte der grotesken Satire
habe ich seiner Zeit schon ausführhch davon gesprochen.
Wie sich bis in die Neuzeit hinein die Verehrung Rabelais'
selbst bei Männern kundgibt, die unserem Dichter nur als Laien
gegenüberstehen, zeigt auch der Artikel ..Rabelais et Flauherf^
p. 77, aus dem Flauberts Liebe zum großen Erzähler hervorgeht.
Beim Kunstsinn Flaubert's wird uns das weniger wundern. Mehr
Aufsehen dürfte es dagegen erregen, daß selbst ein Beamter, der
Sousprefet von Gannat, Boulanger am 7. Januar 1906 in der
Mairie seiner Residenz einen Vortrag über Rabelais hielt. Freilich
machte er aus ihm — dem gegenwärtig in Frankreich wehenden
Winde zu Liebe — einen ..socialiste tres utilitaire, mais cependant
loyaliste''. Auch in Lüttich hielt Celestin Demblou eine Vor-
lesung über Rabelais.
In entfernterem Zusammenhang mit Rabelais stehen schließlich
noch zwei Artikel der Zeitschrift „Rabelais et les saints prSposes
aiix maladies'' von Dr. Folet p. 200 — 216 und „Les voyages
merveilleu.'v de Cyrano de Bergerac et de Steift et leurs rapports
avec Vwuvre de Rabelais"' p. 29.5 — 334 von Pietro Toldo 1. Teil.
Im ersten Teil knüpft V, an die bekannte Stelle im 45. Kapitel des
1. Buches an, in dem sich Rabelais darüber ereifert, daß von ge-
wissen Priestern gepredigt werde, diese oder jene Heiligen könnten
den Menschen, auf die sie wütend seien, Krankheiten zufügen.
Solche Priester sollte man bestrafen, sagt er, denn sie seien ein
wahrer Krebsschaden für die Seelen der armen Leute, denen sie
derartige Ansichten beibrächten. Um ein bloßes Phantasiegebilde
handelt es sich hier bei Rabelais nicht. Im 16. Jahrhundert war,
wie V. zeigt, die Ansicht weit verbreitet, daß die Heiligen die
Krankheiten zufügen können, von denen sie sonst heilen. Gegen
Aberglauben kämpften die Reformierten in Frankreich, so Calvin
im TraitS des reliques und Henricus Stephanus in der Apologie
pour HSrodote mit derselben Entrüstung wie die Protestanten in
Deutschland gegen den Ablaß. Wie diese merkwürdige Auffassung,
die übrigens nicht offiziell von der Kirche anerkannt wurde, aber
vollständig zum Volksglauben geworden war, von den heidnischen
Gebräuchen allmählich ins Christentum eingedrungen war, erhellt V.
an verschiedenen Beispielen.
Louis DelarneUe. Repertoire analyiigue et chronotogique. 161
Im 2. oben erwähnten Artikel bietet uns Toldo den Anfang
einer viel versprechenden Studie über die abenteuerlichen Eeisen
bei Cyrano de Bergerac und bei Swift. Nach einer ein-
gehenden Analyse von Cyrano's Werken zeigt er, wie dieser vielfach
auf Campanella's Civitas solis, auf Lucians Totendialoge, auf Ariost
und hie und da auf Rabelais zurückgehe. Swift's Beziehungen zu
Rabelais, die bisher nur in einem ungenügenden Programm behandelt
worden sind, hat V. in diesem Artikel noch kaum untersucht. Er
macht nur darauf aufmerksam, daß Swifts Reisen des Gulliver, die
mit Sindbad, des Seefahrers Geschichte in 1001 Nacht und mit
Philos tratus' Iconum über secundus manches Gemeinsame haben,
im Vergleich zu Gargantua und Pantagruel's Abenteuern den Ein-
druck des wohl Überlegten und bis ins Einzelne systematisch Aus-
geklügelten machen. Hoffentlich bringt der nächste Band der Zeit-
schrift die Fortsetzung der interessanten Arbeit.
Aus unseren Darlegungen wird wohl hervorgehen, wie reich und
mannigfaltig der Inhalt auch dieses vierten Bandes der Rabelais-
zeitschrift ist. Auch zahlreiche Rezensionen, auf die wir nur z. T.
haben hinweisen können, vervollständigen den vortrefflichen Eindruck,
den auch diese neue Publikation der Rabelaisgesellschaft macht.
WtJRZBURG. Heinrich Schneeganb.
Delariielle, Louis. Repertoire analytique et chronologique de
la correspondance de Guillaumeßudi. Toulouse, E. Privat. —
Paris, E. Cornely et C^«. 1907. XX- 251 S. 8".
— — Etudes sur Vhumanisme francais. Guillanme Bude, les
origines, les dihuts, les idies maitresses. Paris H. Champion
1907. XL-290 S. S^.
Beide Bücher sind als Ergänzungen gewollt und geben in
glücklicher Weise ein vortreffliches Bild von der Wirksamkeit Budes
und seinem Anteil an der humanistischen Bewegung i.i Frankreich.
Der Verfasser, der schon wiederholt mit der Behandlung von Einzel-
fragen aus der Geschichte des Humanismus hervorgetreten ist, hat
in seinem Repertoire de la correspondance de G. Bude die weit-
ausgedehnte Korrespondenz Budes in chronologischer Folge, Brief
für Brief, analysiert und ihre Benutzung durch einen reichhaltigen
ergänzenden Kommentar wesentlich erleichtert oder vielmehr über-
haupt erst ermöglicht. Denn bisher hat Budes Korrespondenz nur
wenig Beachtung und noch weniger Verwertung gefunden, ein Um-
stand, an dem die nur mühsam zu entziffernde Schreib- und Aus-
drucksweise Budes mit ihre Schuld trägt. Delaruelle hat mit einem
glücklichen Griff diese Schwierigkeit gehoben, indem er den Text
der Budeschen Korrespondenz durch genaue Aanlysen des Inhalts
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII 2. 11
162 Referate und Rezensionen. Kurt Glaser.
der einzelnen Briefe ersetzt und durch ausführliche Sacherläuterungen
der Benutzung zugänglich gemacht hat. Zugrunde gelegt hat De-
laruelle für seine Analysen die drei Briefsammlungen, welche Bude
in den Jahren 1520, 1522 und 1531 selbst besorgt hat. Die aus
den Budeschen Sammlungen gewonnenen 160 Briefe sind durch 15
anderen Quellen entnommene Briefe ergänzt worden. In dankens-
werter Weise hat sich Delaruelle auch der umständlichen und schwie-
rigen Aufgabe unterzogen, die Abfassungszeit der einzelnen Briefe —
soweit das Fehlen direkter Anhaltspunkte noch eine besondere Er-
mittlung notwendig machte — festzustellen.
Das Repertoire de Ja correspondance de G. Budi ist eine
wertvolle Materialergänzung zu der umfassenden literarischen und
kritischen Behandlung und Würdigung der schriftstellerischen Tätig-
keit Budes, welche die zweite, uns bis jetzt nur in ihrem ersten Teil
vorliegende Arbeit Delaruelles enthält. Delaruelles Buch, welches
aus den Anregungen von de Nolhac und Brunot hervorgegangen ist,
läßt seine älteren Vorgänger (s, Avant-propos S. XIII) weit hinter
sich und verdient wegen seiner Gründlichkeit und der Reichhaltigkeit
und Vielseitigkeit seines Inhalts die wärmste Empfehlung, und zwar
nicht bloß bei dem engen Kreis von Kennern und Forschern der
Geschichte des Humanismus, auf welche der Verfasser selbst in erster
Linie rechnet (s. Avant-jyropos S. IX). Die Darstellung, soweit sie
der erste Teil enthält, ist bis zum Erscheinen der „Institution du
Prince'-^ geführt, und in der Tat war der Verfasser berechtigt, bei
diesem Zeitpunkt anzuhalten, denn der kurz darauf erfolgte Eintritt
Budes an den Hof von Franz I. bezeichnet eine neue Periode seiner
Tätigkeit und, wenn man den Einfluß erwägt, den Bude in der
Folgezeit zugunsten des Humanismus auf den König ausgeübt hat,
zugleich auch einen neuen wichtigen Punkt in der Geschichte des
Humanismus. Mit Recht hat Delaruelle die Schilderung der Tätig-
keit Budes in Zusammenhang mit der Schilderung der humanistischen
Bewegung gestellt. Das erste Kapitel seines Buches, fast 60 Seiten
umfassend, ist den Vorläufern Budes, besonders G. Flehet, R. Ga-
guien, Guillaume Tardif und Lefevre d'Etaples, gewidmet. Das
2. Kapitel schildert Budes Familie, seine Jugend und sein erstes
literarisches Hervortreten. Wir erhalten hier ein klares und an-
schauliches, auf gründlicher Forschung beruhendes, bis in einzelne
und kleine Züge getreues Bild von dem Entwicklungs- und Werde-
gang Budes in der ersten Zeit. Das nächste Kapitel (S. 93 — 129)
zeigt Bude bereits in der vollen Entfaltung seiner Kräfte und auf
der Höhe seines Schaffens in den „Annotations aux Pandectes^', in
denen er den Kampf gegen das verderbte Juristenlatein seiner Zeit
siegreich aufnimmt und durch seine oft erstaunlich reichhaltigen
sprachlichen Erläuterungen zugleich der Erforschung der lateinischen
Sprache einen beachtenswerten Dienst geleistet hat. Delaruelle hebt
in Budes ,Annotations' mit Recht nicht bloß den philologischen
Louis Delarnelle. Repertoire analytique et chronologique. 163
Charakter hervor, sondern auch die Züge, die uns Bude als Kämpfer
für das humanistische Ideal naheführen und sein vielseitiges Interesse
zeigen, welches sich selbst bis auf praktische Fragen der Politik er-
streckt und ihn zu Angriffen auf die Verderbnis seiner Zeit, auf die
Schäden im Justizweseu, in der Geistlichkeit sowie in den Verhält-
nissen am Hofe und in den hohen Würden des Staates übergehen
und in echt humanistisclier Verehrung des Altertums für P'rankreich
sogar eine Verfassung nach dem Muster derjenigen von Plato und
Aristoteles wünsclien läßt. Man muß das Geschick anerkennen, mit
dem Delaruelle diese vielartigen Züge auseinandergesetzt hat, Züge,
die sich auch in Budes nächstem Werk, dem Münztraktat .De asse'
wiederfinden. Unter der Feder Budes gewinnen die trockenen Aus-
führungen über die antiken Münzen Leben und Frische und lassen
überall in zuweilen weitschweifigen, mit dem Gegenstand des Buchs
oft in keiner Beziehung stehenden Ausführungen die Anschauungen
des in humanistischem und patriotischem Eifer kämpfenden Literaten
zum Durchbruch kommen. Besonders hingewiesen sei hier nur auf
einen literarhistorisch besonders interessanten Punkt in den umfang-
reichen, sich auf zwei Kapitel erstreckenden Darlegungen Delaruelles,
nämlich auf das Verhältnis der Pleiade zu Bude (S. 161 ff. i) Wie
scharf Delaruelle Budes Vielseitigkeit zu fassen und zu würdigen weiß,
mag als Probe die das 5. Kapitel abschließende Charakteristik zeigen, in
die er sein Urteil über dieSchrift ,Z^g^sse'und ihren Verfasser zusammen-
faßt: ,Ce travaillexir infatigahle, qu'on se represente comme vivant
nniquement dans ses livres, a su garder tres vive en lui la pre-
occupation des choses de son temps. II nest pas de ceu.v qui
se fönt une äme antique ä force d'etre en contact avec les ecrivains
anciens. 11 a su rester un komme de son Spoque; iL en repre-
sente les idees et les sentiments essentiels, mais avec plus de pro-
fondeur et de generosite. Et il est aussi hon chretien qiion l'est
autour de lui, dans sa famille, parmi ses amis. II Vest meme
avec plus de ferveur, sa nature morose Vinclinant au repliement
sur soi-mnne et ä la meditation solitaire. Somme toute, il nous
reprhente tres hien tadaptation de la culture antique aux tra-
ditions de Vesprit franpais, aux hesoins de notre temperament
national. 11 y a la, cependant, une contradiction que nous avons
dejä dSnoncee et qui ruinait par avance Vwuvre ä laquelle s'etait
voue ßude. C'est en latin qu'il fait l'apologie de la nation fran-
cais\ c'est le latin qui sera, la langue des ecrivains francais quHl
souhaite de voir paraitre. Ses id^es allaient contre le cours
iiaturel des choses et faisaient violence ä un instinct qui Statt
alors general. 11 ne pouvait donc reussir ä fonder ce que
fappellerais un humanisme franrais. II a fait mieux: il a donnS
1) Vgl. auch Delaruelles P>emerkungen im Bnlkün de Vnniversi(>^ dt
Lille 1904, S. 137.
11*
164 Referate und Rezennonen. Oscar Bloch.
conscience ä ses compatriotes des sentiments divers qui sagitaieni
en eux, il leur a rendu confiance en eux-memes; c'itait les en-
courager ä redire en frangais ce qu'il avait dit en latin. A son
insu, il se faisait Vouvrier de cette lente evolution qui devait nous
donner enßn une littSrature ä la fois classique et nationale.'
Das letzte (6.) Kapitel behandelt den ,Recueil d'apophtegmes',
oder, wie der spätere und bekanntere Titel lautet, die ^Institution
du prince'. Delaruelle ist auf den noch unedierten und so gut wie
unbekannten Urtext zurückgegangen, welchen das Manuskr. 5103 der
Arsenalbibliothek zu Paris aufbewalirt. Je seul qui presente des
garanties d''aiithenticite et qu''on jndsse Studier comme itant vrai-
ment Vceuvre de Guillaume Bude' (S. 200), Die ausführliche
Analyse des Traktats und die mit ihr verbundene Würdigung geben
eine wichtige Ergänzung zu der jüngsten Abhandlung über den gleichen
Gegenstand.2)
Marburg. Kurt Glaser.
Hllguet, Edmond. Petit glossaire des Classiques Frangais du
XVIP siede, contenant les mots et locutions qui ont
vieilli ou dont le sens s'est modifie. Paris, Hachette 1907.
Vm, 409 pages, 5 F.
Le titre de ce petit glossaire indique quel en est le contenu.
M. H. s'est propose de mettre ä la disposition de ceux, qui lisent
les auteurs du XVIP siecle, un petit lexique commode et capable de
leur procurer des renseignements, qu'il leur serait difficile d'aller
chercher dans les dictionnaires de l'epoque ou les lexiques des auteurs.
Pour certains meme, auteurs de second ordre, le lexique n'existe pas:
M. Huguet a compris les ecrivains, allant de Malherbe exclusivement
ä Fenelon, en laissant de cote Saint-Simon. M. H. a elargi le sens du
mot Classique, et a incorpore avec raison les ceuvres d'auteurs qui
ne sont pas h proprement parier des classiques, mais dont la langue
fait comprendre celle de leurs grands contemporains. M. Huguet a
eu l'excellente idee de prendre le plus souvent la definition du sens
des mots dans les grands dictionnaires de l'epoque, ä savoir,
Eichelet, Furetiere et la P edition du dictionnaire de l'Academie.
Parfois il les fait preceder d'uue courte definition personnelle qu'il
met entre parentheses, et qui est une simplification utile, en laquelle
on peut avoir confiance. C'est proprement un lexique; cependant
M. Huguet n'a pas juge inutile d'introduire quelque indication
phonetique, morphologique, ou syntaxique, ä propos de quelques
mots oü ces faits sont particulierement interessants.
2) Triwunatz, Guillaume Budes De Vinstitution du prince. Ein Beitrag ZUr
Geschichte der Renaissancebewegung in Frankreich (Münchener Beiträge
zur rom. und engl. Phil. 28).
Emile Magne. Scarron et son milieu. 165
La courte preface placee eu tete du volurae, et le volume lui
raeme justifient le cboix de M, Huguet.
n y a-t-il des inutilites ou des omissioas? C'est possible,
meme probable. M. H. lui-meme le prevoit. Tel qu'il est, ce lexique
est un ouvraga qui rendra de grands Services aux amateurs du XVII "
siecle, et aux professeurs, qui expliquent des textes de cette epoque
dans leurs classes: C'est le but que se proposait M. H. et qu'il a atteint.
Orl^eans. Oscar Bloch.
Magne, Emllc. Scarron et son milieu. Deuxieme edition.
Paris 1905. Societe du Mercure de France. 381 Seiten
in kl. 8 0.
Man hat sich gewöhnt, die ganze politische Individualität
Scarrons mit der Bezeichnung als Dichter des Burlesken umspannen
zu wollen. Dagegen spricht schon der Umstand, daß gerade sein
auch als zeitgenössisches Kulturbild sehr beachtenswertes Hauptwerk,
der „Homan comique", von der den Dichter allerdings sonst be-
herrschenden burlesken Manier am meisten freigeblieben ist. Man
übersieht dabei ferner, daß am Rande seiner Dichtungen, besonders
in seiner trefflichen, nicht genug geschätzten Idylle „Hero et Le-
andr&'\ manche schöne lyrische Blüte sprießt und daß seine auch
heute noch sehr lesbaren „Nouvelles"^ neben ihrer tändelnden Erotik
nach eine reiche Erfindungsgabe und ein großes Erzählertalent auf-
weisen. Am meisten aber vernachlässigt man beim Gebrauche dieses
Stichworts den besonders von Morillot und Despois als zweifellos
nachgewiesenen mächtigen Einfluß Sc.s auf die Entwicklung des
französischen Lustspiels.
Allerdings, wenn nur der auf den Namen eines Dichters An-
spruch erheben darf, der ohne Rücksicht auf schnöden Sold als
Tröster der Menschheit die Himmelsbotschaft auf die Erde bringt,
der die Menschen erhebt, anstatt sie niederzudrücken in den Boden
des wesenlosen Nichts, dann hat Paul Scarron mit seiner öden
Herzensdürre, mit seinem schon so früh bodenlos ausgehöhlten, ent-
würdigten und entsittlichten Inneren auf diesen Ehrentitel kein An-
recht. Schon seine Naturanlage war eine skeptische und kritische:
ein scharfer Spürsinn für die Auffindung des Lächerlichen, weit ent-
fernt von jeder ahnungs- und hoffnungsvollen, träumerischen Schwär-
merei. Schon während seiner Kindheit boten die Verhältnisse im
freudlosen Elternhause einen guten Nährboden für diese seine Eigen-
art. Zur vollen Entfaltung gelangte dieselbe aber erst durch seine
so überaus traurigen weiteren Lebeusschicksale. Er war einer der allzu-
früheu und allzuschnellen gewesen, er hatte in einer Gesellschaft, in der die
Seele welkt und vertrocknet und vergißt, daß sie Flügel hat, allzu-
viel und allzurasch gelebt, und sein Herz hatte in der Jugend einen
J6t) Referate and Rezensionen. Joi^ef Frank.
Sprung bekonimeu, so daß es nur nielir falsche Töne von sich gab.
Mit keckem Zuge den Becher der Lust bis zur Neige leereu, auch
auf die Gefahr hin den bitteren Bodensatz mitzuschlürfen bildete den
Lebensinhalt seiner Jünglingszeit, und so \Yar er wohl auch infolge seines
wüsten Treibens mit 27 Jahren fast ganz gelähmt, zu ewigem überaus
schmerzhaften Siechtum verurteilt und ihm für die Folgezeit außer
einem stets gesegneten Appetit und einer guten Verdauung fast jede
Genußfähigkeit versagt; es blieb ihm als einzige Freude nur noch
die Schadenfreude. Bloß die Befriedigung seiner Bosheit schien ihm
einige Linderung seiner endlosen Qualen zu bereiten. „Weil mein
Fäßlein trübe läuft, so geht die Welt auch auf die Neige", sagt
Mephisto, und in diesem Sinne gefällt sich Sc. darin, alles auf der
Erde armselig zu finden, mit pessimistischer Schadenfreude die Decke
des schönen Scheines überall hinwegzuheben und in die Nebel der
Imagination, in die der Mensch seine Tierheit hüllt, seine grellen
Lichter hineinfallen zu lassen. Und so verfiel er auf den unfrucht-
barsten und gefährlichsten Beruf, auf den der Mensch verfallen
kann: die vollständige Nichtigkeit und Nichtswürdigkeit alles Irdi-
schen, besonders aber des Menschen, zu besingen. Die bei ihm unge-
achtet alles äußerlich tollen Übermuts doch unverkennbare Grund-
stimraung einer tiefen Schwermut beweist, wie bitter er es empfin-
det, daß ihn die echte Muse trotz allen Flehens und Beschwörens
spröde flieht und daß er sich dessen bewußt ist, der ihn erfüllende
Geist der Verneinung sei doch nur eine sehr untergeordnete Bega-
bung gegenüber dem schöpferischen höheren Gottesgeiste. Darum
ist auch sein Humor kein sonniger, befreiender, an dem man sich
gesund lachen kann, auch nicht ein solcher, der sich wie ein Regenbogen
über eine ungeheuere Resignation der Seele spannt, sondern
ein krampfhaft gezwungener, der sich mit mattem Flügelschlag nur
mühsam emporarbeitet, und sein Lachen ist nur eine häßliche, grin-
sende Grimasse. Die Welt ist ihm nur ein wirres Durcheinander
von Gefühlsrohheit und niedrigen Instinkten, von gemeiner Rüpelei
und grotesker Albernheit. Er gleicht dem kleinen Kay des Andersen-
scheu Märchens, dem ein Splitter des geborstenen Teufelsspiegels ins
Auge geflogen ist und der alles nur verzerrt sehen kann. Er will
nur die Lacher um jeden Preis auf seiner Seite haben und darum
persifliert er alles Göttliche und Irdische zum Entzücken der Höf-
linge. So wurden das Burleske, die Parodie und die Travestie seine
literarische Domäne und, da er damit der Geschmacksrichtung seiner
Zeit entgegenkam und Esprit genug besaß, ihr damit den er-
wünschten Nervenreiz zu verschaffen, überbot er sich selbst immer
mehr in diesem Genre, sowie der Clown durch immer stärkere
Gliederverrenkungen erhöhte Lacheffekte zu erzwingen sucht. Der
materielle Erfolg blieb nicht aus. Da er aber für seine verschwen-
derische Haushaltung nie genug Geld aufbringen konnte, wartete er
auch da nicht einmal, bis die frohe Stunde der Inspiration über ihn
Emile Magne. Scarron et son uiilieu. 167
gekommeri, um dann scbaffensfreudig an die Arbeit zu gelieu, son-
dern er mußte Tag für Tag seinen Geist anzapfen und massenhaft
produzieren, um nur zu erwerben. Dabei ist er von einer so klein-
lichen Eitelkeit, daß er einerseits in seinen Dichtungen, selbst in
den Theaterstücken, seine persönlichen Verhältnisse in störender auf-
dringlicher Weise immer wieder einzuflechten liebt ; andererseits aber ist
er so bar aller Selbstachtung, daß er um Mitleid zu erregen und
Geschenke zu erlangen, in seinen Werken seinen ganzen Leibes- und
Seelenjammer mit allen seinen widerlichen Einzelheiten immer von
neuem unter Wimmern und Winseln schildert, so wie gewisse Bettler
an Kirchenpforten ihre schwärenden Wunden und Eiterbeulen ge-
flissentlich zur Schau stellen, um eine milde Gabe zu erzielen.
Das ebenso fesselnde als gründliche Buch E. Magnes bietet
uns ein getreues und farbensattes Gemälde von Sc.s äußerem und
innerem Werdegange und läßt uns deutlich erkennen, wie gerade bei
diesem Dichter sich Erlebnis und Dichtung so eng verketten. Er
hat es meisterhaft verstanden, das Bild Sc.s naturgetreu auf dem
großen Hintergründe wiederzugeben, auf dem sein Leben sich abge-
spielt hat und dadurch die Brücke zu schlagen von diesem Einzel-
leben zur allgemeinen Entwicklung. Es geschieht dies mit einem so
außerordentlichem Fleiße und solcher Gewissenhaftigkeit, daß es
manchen, der die herkömmliche Phrase von der französischen Ober-
flächlichkeit und Flüchtigkeit nachzubeten gewöhnt ist, veranlassen
könnte, diese veraltete Anschauung zu berichtigen. Außer der so
überaus anziehenden und lebendigen Darstellungsweise bemerken wir
auch überall die besonnen nachprüfende Kritik des Ungeheuern Ma-
terials und so mögen, damit wir es nicht bei diesem allgemeinen Ur-
teile bewenden lassen, auch noch einige kurze Bemerkungen aus dem
so reichen Inhalte angereiht sein.
Es verdient Beachtung, daß Sc.s spätere Abneigung gegen alle
Gelehrsamkeit (eine Bestätigung des Baumarchais'schen Ausspruches:
far etat les gens de feuilles sont souvent ennemis des gens de
lettre!) wahrscheinlich schon auf seine pedantischen, einseitigen
Lehrer an der von ihm in seiner Kindheit besuchten Schule in
Charleville zuriickzuführen sei. — Die Mystifikation Sc.s durch
Madaillan, der ihn durch einen gefälschten Liebesbrief in eine Falle
lockte, wird von Morillot in die Zeit nach des Dichters Rückkehr
aus Le Maus verlegt und dessen „Epltre ä wie dame incoriniie",
die in einer Gedichtsammlung erschien, als aus derselben Zeit herrührend
und mit diesem Abenteuer zusammenhängend angegeben. Magne ist
anderer Ansicht, er bekämpft diese Datierung der „Epitre-' und
stellt jeden Connex des Briefes mit der Madaillanschen Affäre in Ab-
rede. Er hält es nämlich für unwahrscheinlich, daß der nach der
Rückkehr aus Le Mans schon so wenig mobile Sc. sich damals noch
in so verwegene Liebesabenteuer eingelassen habe. Auch der Um-
stand, daß Sc. in <'em fraglichen Briefe die ihm unbekannte Dame
168 Referate und Rezensionen. Josef Frank.
einladet, ihn zu besuchen, und daß er sich darin selbst als einen
häßlichen, morosen Alten bezeichnet, spreche doch deutlich dafür,
daß Brief und Abenteuer nichts mit einander zu tun haben. Es
wäre nun u. E. allerdings dagegen einzuwenden, daß sich Sc. selbst
im Zustande größter Unbeweglichkeit und Hilflosigkeit in einer
Sänfte sogar auf die Bälle tragen ließ und es nicht aufgab, allerhand
Liebeleien (selbstverständlich ganz platonischen Charakters) anzu-
knüpfen und zu flirten. Daß aber (wie eben erzählt wird) Sc. vier-
mal nacheinander diesem plumpen Manöver aufgesessen sei und sich
immer wieder erfolglos zum Rendez-vous habe locken lassen, steht
ja schon darum mit dem Inhalt des Briefes in Widerspruch, weil
Sc. in diesem die Dame ihn zu besuchen einladet. — Daß das
„Grand Flotte" beginnende Trinklied der Frühperiode Sc.s angehöre,
ist wohl eine ganz grundlose Annahme; im übrigen ist gerade die
Schilderung des Verkehrs Sc.s in den Kabarets mit den Dichter
Bohemiens seiner Zeit, die den Lorbeer entwürdigen, die Migräne
nicht los werden, und auf sicherem und raschestem Wege dem Lazaret
zueilen, ebenso trefflich wie die der damaligen Theaterzustände im
Theater du Marais und im Hotel de Bourgogne, wo sich Sc. weniger
für die Vorgänge auf dem Theater interessiert, als für das was
hinter und nach dem Theater in den Kulissen und Garderoben
vor sich geht, „wo die Aktrice ihre Rolle mit der Kurtisane wech-
selt, wo die Komödie aufhört und der fünffüßige Jambus in die vier-
füßige Unzucht übergeht." Ebenso lebendig malt er das bunte, zügellose
Treiben in den Nachtlokalen und auf dem Foire Saint Germain, wo
Beelzebub mit vollem Orchester musiziert und die flackernde Beleuchtung
die durcheinander wirbelnden Vertreter der Agiotage und Tripotage, des
Wuchers und der Prostitution, wie ein Höllenfeuer umspielt. Sc. ist
als junger Mann ein Stammgast in allen diesen Etablissements,
immer hinter den Schnelläuferinnen der Liebe her, und der Verkehr
mit einer anständigen Frau bildet eine seltene Unterbrechung seines
wüsten Treibens. — Es scheint uns auch wohlbegründet, daß Magne
(im Gegensatze zu Chardon) die erste Bekanntschaft Sc.s mit Rotrou
schon in die Zeit vor dem Aufenthalte des „petit abbe" in le Mans
verlegt, da Sc. als eifriger Besucher des Theaters im Hotel de Bour-
gogne, Rotrou, den Dichter-Stipendiaten desselben Theaters, kennen
gelernt haben mußte und sie auch beide mit Scudery eng befreundet
waren. Dagegen ist es etwas willkürlich, Madeleine Bejart mit diesem
Kreise in nähere Verbindung bringen zu wollen, da auch die an-
geblich intimeren Beziehungen dieser Dame zu Rotrou sehr fraghch
sind. — Eine interessante Episode von Sc.s Aufenthalt in Rom bilden
seine Beziehungen zum Maler Poussin, der in seinem hohen Idealis-
mus in dem übernüchternen Sc. sogar eine, allerdings nur flüchtige,
Anwandlung religiöser Schwärmerei hervorrufen konnte, und der ihm,
um seinen weiteren Belästigungen zu entgehen, eines seiner Meister-
gemälde zum Geschenke machte, das schließlich auch ins Leihhaus
Emile Mayne. Scarron et son milieu. 169
wanderte. — Das anonyme Pasquill Sc.s gegen Corneille war ein
schurkenhafter Banditenstreich und Magne tut sehr Umecht, ihn be-
schönigen zu wollen. — Sehr lebendig ist die Schilderung der klein-
städtischen Zustände von Le Mans, an die sich Sc. nur schwer ge-
wöhnen konnte, und die er erst erträglich fand, als ihn die feinsten
leckeren Kapaunen, die selten auf seiner Schüssel fehlten, für die
Damen mit der wenig sauberen Wäsche und ihrem unausstehlichen
Schweißgeruch versöhnten. — Der Schlüsselroman: J,e Roman co-
mique"^ erfährt eingehende Behandlung, und bezüglich der Deutungs-
versuche folgt Magne fast durchaus den Forschungsergebnissen
Chardons, in bezug auf den Dichter Roquebrune, den er am liebsten
mit dem Poeten Desfontaines identifiziert sehen will, wogegen er sich
für die Substitution durch M. de Montiere nicht einsetzen kann ,aber aus
chronologischen Gründen noch entschiedener die Annahme J. Clareties,
es sei unter diesem Decknamen der dichterische Pastetenbäcker
Ragueneau gemeint, ablehnt. — Als Fortsetzer des bekanntlich von
Sc. nicht abgeschlossenen „Homan comigue'-'- läßt Magne den Kanonikus
von le Mans, Girault gelten, von anderer Seite wird als solcher M. Offray
genannt. — Die in sein Leben und Wirken so tief einschneidende
Wirkung der so schrecklichen Krankheit Sc.s wird in allen ihren
Phasen eingehend besprochen. Wie man weiß, soll dieselbe nach
der gewöhnlichen Tradition infolge eines Karnevalulks, bei dem Sc.
ein unfreiwilliges, winterliches Bad im Huisneflusse nehmen mußte,
über ihn plötzlich hereingebrochen sein, Für diese Version ist
die Hauptquelle La Beaumelle, wogegen Tallement und auch Cyrano
(letzterer ein Hauptfeind Sc.s) diese Angabe für ein Märchen halten
und der Erkrankung einen galanten Ursprung und Charakter zu-
schreiben. Auch Gilles Boileau schlägt sich auf ihre Seite. E. Magne
hingegen hält daran fest, daß die Erzählung La Beaumellcs sehr
wohl wahrhaftig sein könne; wie wir meinen, mit Recht, denn, so
viel wir wissen, halten es die heutigen bedeutendsten Nervenpatho-
logen für ausgemacht, daß die größten Exzesse in Baccho et Venere
als Ursache der Rückenmarkserkrankungen (und Sc.s Leiden hatte
ja diesen Charakter!) auszuschalten seien, da ja selbst die schlimmsten
Venusjäger gerade von solchen nicht ergriffen zu werden pflegen.
Sehr interessant ist es, die unablässigen, aber fruchtlosen Be-
mühungen Sc.s zur Wiederherstellung seiner Gesundheit zu verfolgen:
seinen wiederholten Besuch der Heilquellen von Bourbon; seine Über-
siedlung nach dem Faubourg Saint-Germain, um daselbst ein ihm
als besonders heilkräftig empfohlenes Kuttelbad zu nehmen; seine
Befragung von allerhand Kurpfuschern und Quaksalbern, die ihm
mit ihren magischen und alchymistischen Gaukeleien Hilfe ver-
sprachen; seine kühnen Hoffnungen von einem Klimawechsel, zu
welchem Behufe er ernstlich an eine Übersiedlung nach den Antillen
und Amerika dachte; seine inbrünstige wenn auch rasch vorüber-
gehende Rückkehr zur Religion und seine Zuflucht zu Gnadenkircheu
170 Referate und Rezensionen, Jvsef Frank.
und wundertätigen Bildern. Wenn uns aber Magna glauben machen
will, Sc. habe seine unsäglichen Leiden wie ein großer Dulder mit
stoischer Seelengröße ertragen, so kann man ihm darin nicht folgen.
Zu Ehren Sc.s sei es gesagt, daß er es auch gar nicht versucht hat,
sich auf den Helden aufzuspielen und als solcher zu posieren. Seine
unausgesetzten, weinerlichen Klagen, seine verzweifelten Anstrengungen,
sich durch geräuschvolle Feste (zu denen er sich auf einer Tragbare
schleppen läßt) und durch maßlosen Opiumgenuß zu betäuben, seine
Produktionswut und nervöse Vielgeschäftigkeit, um über das tiefste
Elend den Schein einer befriedigten, gleichgültigen Alltäglichkeit zu
breiten, sind nichts weniger als heroisch.
Es wäre pharisäische Tugendprotzerei und Herzlosigkeit, dem
armen Menschen warmes Mitgefühl und Teilname zu versagen; im
übrigen aber muß man der Wahrheit gemäß feststellen, daß Sc.s
maßloses Unglück in ihm nicht einmal eine sittliche Läuterung her-
vorrief und daß sich bei ihm (wie dies sonst zu geschehen pflegt)
der innere Mensch auch dann nicht besserte, als der äußere schon
ganz schlecht und morsch geworden war. Er blieb bis an sein
Lebensende der ausgesprochendste Zyniker in Dichtung und Leben
und in seinem Charakter sucht man umsonst nach einer sittlichen
Fährte. Dieses strenge, aber gerechte Urteil kann, ja muß man
selbst dann unterschreiben, wenn Menages Mitteilung, Sc. habe, um
sich finanziell zu rangieren, ein Bordell aufmachen wollen, oder
Segrais Angabe, Sc. in seinem Unvermögen habe seinen Kammerdiener
Maugin förmlich eingeladen, seine Frau, die spätere Mad, de Main-
tenon, zur Mutter zu machen, pure Verleumdung sein sollten. — Daß
der mehr schöngeistige als berufstüchtige Arzt La Mesnardiere Sc.s
Zustand durch eine falsche Behandlung erst recht inkurabel gemacht
habe, werden wir mit Magne wohl bezweifeln dürfen. — Unter den
adhgen Damen, mit denen Sc. nach seiner Rückkehr aus le Mans
nach Paris verkehrte, wird auch eine Gräfin de la Suze genannt;
Magne erklärt sich außer Stande, sie unterzubringen, denn die Gräfin
Coligny wurde erst 1643 eine .,Gräfiü von Suze''. — Mit Recht
bekämpft Magne die Meinung Lacroix\ Sc. habe mit Cyrano ver-
kehrt, da ja Sc. behauptet, Cyrano nie gesehen zu haben. Wenn
aber Magne die heftige gegenseitige Abneigung zwischen Sc, und
Cyrano darauf zurückführen will, daß ersterer die Mode der
„Pointes"' als Poesie ebenso verabscheute, wie der letztere sie mit
Begeisterung pflegte, so leuchtet das um so weniger ein, als ja Magne
selbst erwähnt, daß auch Sc. die „Pointe" in früherer Zeit sehr vor-
gezogen hatte. — Dagegen möchten wir nicht mit Magne die Echt-
heit der von La Beaumelle gebrachten Korrespondenz zwischen Sc.
und Francoise d'Aubigne darum ganz rund abweisen, weil diese
Briefe sehr zotenhafte und schlüpfrige Stellen enthalten, denn, wie
wir wissen, tut sich Sc. in dieser Beziehung selbst in seinen an
Marie de Hautefort (eine Dame, die er hoch verehrte) gerichteten
Hugo P. Tldenw. Guide hibliographique. 171
Poesien keinerlei Zwang au. — Die Ehe zwischen Sc. und Francoise
d'Aubigne wird selbstverständlich sehr eingehend behandelt und wir
widerstehen nur schwer der Versuchung, auch hierüber Details wieder-
zugeben. Es sei hier nur mitgeteilt, daß Mme Scarrons weibliche
Tugend als Gattin durchaus nicht so ganz einwandfrei gewesen zu sein
scheint; besonders dürften ihre Beziehungen zu Villarceaux, der sie
als ganz nakte Gestalt malte und bei der Ninon de l'Enclos mit ihr
Znsammenküntte hatte, ebenso wenig harmloser Natur gewesen sein,
wie ihr Verhältnis zum Chevalier de Mere, der schon vor ihrer Ver-
ehelichuug ihr Lehrer und Liebhaber gewesen war. Wir müssen auf
das Buch selbst verweisen, das uns so viele Aufschlüsse gibt. Wir
lernen aus demselben nicht nur den ganzen Freundeskreis Sc.s
kennen, wir erfahren auch von allen seinen kühnen und skrupellosen
Plänen, um in den Besitz des Säckels Fostunas zu gelangen, wir
werden in seine Wohuung eingeführt und können jedes Einrichtungs-
stück betrachten, wir lernen seine ganze Haushaltung kenneu, wir
sehen seine ewigen Geldverlegenheiten, die ihn sogar zu wiederholten
Anleihen bei seinen diebischen Bedienten veranlassen, wir sehen dem
Dichter über die Schulter, in welche Bücher seiner Bibliothek er
sich am liebsten vertieft. Das Buch verdient, warm empfohlen zu
werden.
WiEN-HiTziNG. Josef Frank.
Thieme, Hugo P., professeur adjoiut de francais ä l'üniversite
du Michigan, Guide hibliograpldque de la litterature
franpaise de 1800 ä 1906. — Prosateurs, poetcs, auteurs
dramatiqucs et critiques, avec indicatiou: lO pour chaque
auteur, dji lieu et de l'anuee de sa naissance et, s'il y a
lieu, de sa mort; 2" pour chaque ouvrage, de sou format,
de sou editeur et de la date de sa premiere edition; 3^ ä
la Suite de chaque auteur, des references, des critiques
litteraires parues soit sous forme de livres soit dans les
revues et journaux, taut en France qu'ä l'etranger. —
Paris, H. Welter, 1907. XXII -f 510 S. gr. S^^.
„La bibliographie est aujou7'd'hui une science."' Dieses stolze
Apophthegma, mit dem das Avant-propos anhebt, verkündet einen
Irrtum; denn jede Wissenschaft ergründet gesetzmäßiges Walten oder
eruiert kausale Zusammenliänge und versucht Entwicklung ursächlich
zu verstehen; dies alles leistet die Bibliographie nicht. Natürlich
verlaugt die Arbeit der Bibliographen, je nachdem sie betrieben wird,
mehr oder minder umfassende allgemeine und und Spezialkenntnisse;
aber ihrem Wesen nach ist und bleibt die Bibliographie eine Kunst,
und auf niederer Stufe ein Handwerk. Darum muß auch der Kritiker,
wenn er gerecht sein will, ihr als Kunstkritiker nahen; er muß sie
als geschlossenes Kunstwerk begreifen und nachempHnden, und zu dem
172 Referate und Rezensionen, Rh. Aug. Becker.
Zweck muß er sie in seinem geistigen Inneren neu erstehen lassen.
Handelten die Berufsbibliographen so, wenn sie sich zu Richtern
ihrer Fachgenossen aufwerfen, so würden sie sich nicht in einem fort
gegenseitig als Stümper verrufen und sich selber etwas ganz besonderes
dünken, wenn sie zu einer abgeschlossenen bibliographischen Arbeit
aus dem Wust ihrer Zettelkasten noch vier oder fünf übersehene
Büchertitel herausfischen können.
Von diesem Standpunkt aus kann ich Thiemes bibliographischer
Leistung nur uneingeschränktes Lob zollen. In einem handlichen Band
sind von 833 Schriftstellern 23 840 Werke und dazu 10765 Bücher
und 10 275 Zeitscbriftenartikel, die über die einzelnen Verfasser
handeln, verzeichnet. Der mäßige Umfang, das bequeme Format, die
vortrefflichen Lettern, die geeignete Wahl der Typen, die Korrektheit
des Druckes paaren sich mit einer überaus zweckmäßigen Anlage:
Name des Verfassers mit Gebmts- und Todesjahr und Ort, die Titel
seiner Werke so knapp wie möglich mit dem Datum ihres ersten
Erscheinens, und als Anhang die Reihe der Nachschlagewerke und
kritischen Aufsätze. Was der Studierende oder der Forscher zur
ersten Orientierung braucht, findet er alles bequem und übersichtlich
zur Hand.
Wie ein architektonischer Bau Schönheil der Form mit zweck-
mäßiger Anordnung der Innenräume verbinden soll, so will auch die
Bibliographie nicht nur als Kunstwerk genossen, sondern auch hinsicht-
lich ihrer Brauchbarkeit erprobt werden. Hier treten natürlich
persönliche Wünsche stark in den Vordergrund. In der Auswahl der
Autoren scheint mir der Verf. im großen und ganzen allen billigen
Anforderungen entsprochen zu haben; sein Buch ist auch von der
ersten Auflage zur zweiten von 90 Seiten auf 510 angeschwollen, und
wird vermutlich, wenn es zu einer dritten kommt, noch weiter an-
wachsen. Die einzelnen Artikel werden gewiß auch noch fortgesetzter
Revision und Ergänzung bedürftig sein. Ich greife z. B. aufs gerade-
wohl den Artikel Pierrc-Antoine Lebrun heraus, den C. Voretzsch
seiner Zeit sich erwünscht hatte; hier wird wohl unter den Zeitschriften-
aufsätzen der von G. Brunet, Les manuserits du poete Lebrun
(Rindare), 1867, zu streichen sein als auf Fran^ois-Ponce-Ecouchard
und nicht auf Pierre- Antoine bezüglich; hingegen fehlt jeder Hinweis auf
die Beziehung des Cid d'Andalousie zu Lope de Vegas Estrella de
Sevilla und auf die Vorbemerkungen zu diesem Stücke in der großen
Lope-Ausgabe. Wie die Bibliographie angelegt ist, konnte man einen
solchen Hinweis nicht erwarten; für denjenigen, der sich au der Hand
unseres Buches über P.-A. Lebrun orientieren will, bildet diese^ Lücke
nichtsdestoweniger einen vielleicht unersetzlichen Mangel. Viele
wichtige Tatsachen stehen eben an versteckten Orten zerstreut. Auch
mit dem besten bibliographischen Wegweiser bleibt noch vieles mühsam
aufzuspüren. Oder, um einen andern Fall herauszugreifen, bei Vigny
erscheint zwischen 1842 RoSsies completes und 1864 Les destinees
Fernand JBaldensperger. Bibliographie critigue de Goethe. 173
ein vollständiger Stillstand in der Produktion des Dichters, während
in der Zwischenzeit sechs von seinen philosophischen Gedichten in
der Revue des deux Mondes erschienen. Natürlich versagt für solche
Feinheiten eine summarische Bibliographie Avie die hier gebotene;
aber ihr Vorzug liegt eben in ihrem summarischen Charakter und
der dadurch- gegebenen Übersichtlichkeit; so müssen \i\v denn die
kleineren Nachteile mit in den Kauf nehmen. Sie sollen auch nicht
als Tadel erwähnt sein, sondern nur zur Illustration.
Im letzten Augenblick hat sich der Verf. noch entschlossen,
seinem Werke eine Sammlung Parerga als zweiten Teil anzuhängen,
nämlich Titel von Büchern und Aufsätzen, welche allgemeine Fragen der
Literaturgeschichte und der Sittengeschichte Frankreichs behandeln.
Da findet sich vieles zusammen, was streng genommen nicht zur
Literatur des 19. Jahrhunderts gehört, sagen wir z. B. der reichhaltige
Abschnitt über „ Versißcation^^ , aus dem ich viel gelernt habe. Recht-
fertigen möchte ich den Verf. nicht, aber ich will ihm auch keinen
Vorwurf machen: was er geboten hat, nehme ich dankend hin; gewiß
hätte ich es hier nicht gesucht; da ich nun aber weiß, wo ich es
finde, möchte ich es nicht gerne missen.
Ich schließe mit den Worten: ein gutes, nützliches, praktisch
angelegtes und mit Fleiß, Liebe und Verständnis ausgearbeitetes
Buch! Allen wärrastens empfohlen!
Wien. Ph. Aug. Becker.
Baldensperger, Fernand. Bibliographie critique de Goethe
en France. Paris, Librairie Hachette et Cie. 1907. IX.
und 251 S. Gr. 8«.
Seinem vortrefflichen Buch, dem 1904 erschienenen Goethe en
France, hat Baldensperger eine sorgfältig gearbeitete Bibliographie
folgen lassen, die in 1892 Nummern das gewaltige Material aus-
breitet, das der Verfasser in seinem Werke mit glücklicher Hand
bewältigt hat und das von neuem seine große Sachkenntnis und Be-
lesenheit bewundern läßt. — Die Anordnung entspricht der Gliederung
seines Buches und ist innerhalb der einzelnen Abschnitte chronologisch.
Besonders dankenswert ist es, daß B. die Form der kritischen
Bibliographie gewählt hat. Er hat sich keine Mühe verdrießen lassen,
seinen Nachfolgern die Arbeit zu erleichtern. Wir erhalten nicht
bloß ein trockenes Verzeichnis von Büchertiteln, sondern das Ganze
ist belebt durch eine reiche Fülle kurzer Inhaltsangaben, knapper
Urteile über den Wert oder Unwert von Abhandlungen und Über-
setzungen, durch die Hervorhebung bemerkenswerter Äußerungen,
zeitgenössischer wie späterer Auffassungen, durch den Hinweis auf
die so vielfach in der schönen Literatur, in Denkwürdigkeiten und
Zeitschriften zerstreuten Bemerkungen über Goethe und seine Werke,
1 74 Referate und Rezendoven. J. CoUin.
auf die oft kaum merklichen Anklänge an die Goethische Dichtung
in der französischen Poesie. Es fehlt ferner nicht an kurzen Be-
schreibungen seltener Ausgaben, an Angaben über die Persönlichkeit
von weniger bekannten Verfassern, selbst nicht an Proben französi-
scher Übersetzungskunst. Keinen großen Namen Frankreichs ver-
missen wir in der langen Reihe derer, die zu dem deutschen Dichter
irgendwie Stellung genommen haben. Auf Schritt und Tritt bemerken
wir so, wie genau und gründlich B. die über einen weiten Raum
verteilten, oft versteckten oder abgelegenen Quellen seines Themas
kennt, aber auch wie anregend und fesselnd er die Fülle seines
Wissens darzubieten versteht.
GlESSEN. J. COLLIN.
Misz eilen.
Roger Bacou über die französischen Mundarten.
Au drei von K. Hofmann in den Rom. Forsch. I 4'27 mitgeteilten
Stellen erwähnt Roger Bacon die französischen Mundarten. Das eine Mal
spricht er von der Ungua yallicana quae apud Gallicos et Picardos et Xormannoi
et Burgundos multJplici variatur idiomate: das zweite Mal spricht er davon,
dafs eine Sprache in verschiedene Mundarten zerfällt und führt als Beispiel
an in Francia apvd Picardos et Normannos et puros Gallicos et Burgundos et alias,
endlich die dritte Stelle lautet Chaldaem sermo et Hebraeus differunt sicut
idiomata, uniiis linguae, ut Picnrdicum et Normannicum, Burgundicum, Parisiesse et
Gallicum, nna enim Ungua est oviuium, scilicet Gallicana, sed (amen in diversis par-tibus
diversificatvr accidentaliter Sicut in Ungua Gallicana^ quae est unn, sunt
multae diversitates seu idiomata^ ut Picardicum, Normannicum^ Burgtindicum et Parisiense
et hujvsmodi^ secundum quod est varietas regionum.
Im ganzen sind die Stellen klar. Der Verfasser unterscheidet, wie
wir heute z. T. auch noch, Pikardisch, Normannisch, Franzisch, Burgundisch.
Was soll aher Parisiense et Gallicum heissen? Hofmann meint, Bacon
scheide das Pariser vom Gallicum, dem Französischen im engeren Sinne,
(Isle de France), während er unter GalUcanum alle Mundarten begreift.
Dafs die verfeinerte Hof- und Reichssprache und der Pariser Vulgärdialekt
sich nicht decken und nie gedeckt haben, ist selbstverständlich, aber dafs
Bacon diesen Unterschied habe hervorheben wollen, ja, dafs er ihm auch
nur deutlich zum Bewufstsein gekommen sei, ganz unwahrscheinlich, auch
fällt auf, dafs nur dies eine Mal eine solche Unterscheidung gemacht wird,
nicht bei den andern Erwähnungen, auch nicht einmal bei der unmittelbar
folgenden, mit sicut angeschlossenen. Die Sache klärt sich aber sofort auf,
wenn wir Parisiense aut Gallicum lesen, was nach heutiger wissenschaftlicher
Ausdrucksweise mit: die Mundart der Ile de France oder das Franzische
wiederzugeben wäre. Damit stehen alle Stellen in schönster Ueberein-
stimmung und wird zugleich verständlich, warum bei der Wiederholung
das Gallicum weggelassen ist.
Wien. W. Meyer-Lübke.
ostfrz. damotte. Ch. ßeauquier verzeichnet das Wort Voc. etym. des
provincial. usites dans le drp. du Douhs p. 101 in der Bedeutung „espice de mesange
ä longue queue^ und bemerkt zur Etymologie: „damotte^ petite dame, saus doute
ä cause de sa longue queue." Weiter heifst es ib.: „C'est aussi le nom d'une
plante, de Vivrogne ou bec-d'oie . . , que les botanistes appelleut Cor>/dalis cava,
QU encore de VArum mucidatum, (L.), dit Pied de veau.'' Ich weils nicht, ob
es nötig ist darauf hinzuweisen, dafs damotte als Pflanzcnname nicht nur in
der Form, wie es Bcauquier anzunehmen scheint, mit der Vogelbezeichnung
damotte zusammentrifft, sondern auch etymologisch dasselbe Wort ist. Könnte
ein Zweifel an der Identität beider bestehen, so dürfte derselbe durch den
blofsen Hinweis darauf behoben werden, dafs im Deutschen für Arum ma-
culatum die Bezeichnung „Heckenpüppchen" (s. Pritzel u. Jessen Die deutsch.
Volksnamen der Pßanzen p. 46) und für fumaria officinalis, eine corydalis nahe
17f) Miszellen.
verwandte Pflanze, in der Normandie (s. Rolland Flore I, 204) der Name
demoiselles (mhd. shone vroice. Altmark fnl fjrci, d. i. faule Grete) im Gebrauch
ist. Das tertium comparationis, das zur Namengebung führte, liegt hier wohl
in der Zierlichkeit der Gestalt der in Frage stehenden Pflanzen. Ähnliche
Bezeichnungsweiseu sind, wovon man sich durch einen Blick in Rollands
Flore popul. überzeugen kann, auch sonst nicht eben selten. Ich erwähne:
damisele, Landes, für delphinium (Rittersporn).
d e m 0 i s e 1 1 e , Normandie, für annemone nemorosa(Busch-Windröschen.
Westfälisch naakte uneioken^ nacktes Weibchen).
demoi seile, JSormandie, für helleborus niger (Nieswurz).
demoeselle, Saint-Etienne (Vosges), für silene inflata (Taubenkropf).
Andere von Frauenbezeichnungen hergenommene Pflanzenbenennuugen
gibt es in grofser Zahl. Genannt seien:
belle pulcelle de France für ranunculus aconitifolius. Nach
Rolland l. c I, 36 handelt es sich hier um die französische Übersetzung
von engl, fair maid of France. Vgl. auch ib. engl, fair inaid of Kent und
deutsch, schönes Mädchen aus Frankreich.
dame d'once heures, Bessin, für nymphaea alba (weifse Seerose).
Deutsch mundartl. u-eiße Nymphe (Pommern), Seepuppen (Thüringen, Sachsen),
Föppelken (Münsterland) etc. Kleinrussisch babky (petites vieilles femmes).
bonne femme, Anjou, für aquilegia vulgaris (Akelei). Bain (Ille-et-
Vilaine): reiwes. In der Schriftsprache bezeichnet i'e?/re die violett- und weifs-
gestreifte Tulpe und eine Art Skabiose (vgl. dtsch. Wittwenblumen für Scabiosa
od. Knautia arvensis).
bonne dame, die Gartenmelde. Auch belledame, Melde und
(neben ital. belladone) Tollkraut.
noire feme, Valencienne, für rhamnus frangula (Faulbaum). Auch
b6 (bois) d'noire fime.
blanche putain, Sarthe und Mayenne, für viburnum opulus
(Schneeball).
mere de famille, mundartl. franz. für sempervivum tectorum
(Hauslauch), nach Rolland ;. c VI, 96 „parce qu'ä cöte du pied principal
poussent quantite de rejetous..,
religieuse, Centre, für nigella arvensis. Dafür mdtl. ital. damigella,
fanciullaccio, monaghela, mdtl. dtsch. Braut in Haaren., Grefchen im Busch, Jungfer
im Grünen etc., holl. ßijfertjes in't groen, schwed. junqfrun i det grötia, mdtl.
dänisch jomfruen i dett grönne, jomfrugrön, gret i e grönn, kleinrussisch net-
chessanij pannotschky (demoiselles non peignees) etc. Vgl. Rolland l. c. I. 72 fif.
raounjets, etc. in Südfrankreich, für phaseolus vulgaris (Bohne).
Rolland's Erklärung, wonach die gleichbedeutende Bezeichnung moundjo
daher stammt, dafs die Bohne in den Klöstern die hauptsächlichste Nahrung
bildet, triö't schwerlich das Richtige. Vgl. auch bei Rolland (IV, 170) für
phaseolus nanus (Zwergbohne) die südfranzösische Bezeichnung mounjo cnran-
tilhouno. Gegen die Richtigkeit der Rolland'schen Auftafsung spricht schon,
dafs die Bezeichnung „Nonne-' oder auch „Mönch" in den lebenden Sprachen
zahlreichen Pflanzen beigelegt wird, die als Nahrungsmittel in Klöstern nicht
in Betracht kommen. Vgl. oben unter religieuse und beachte ferner: dänisch
7nunke für eranthis hiemalis (Ackerwurz), polnisch lymniszeck (le moine mechant)
für aconitum napellus (Sturmhut; dtsch. auch Mönchshut) ; Anjou moine für
delphinium consolida (Ritterfporn) und für papaver rhroas: kleinrussisch
tchernetz für actaea spicata (St. Christophskraut).
Erwähnt seien auch Benennungen wie reine des bois, reine des pris,
reine de fontainc und Bildungen von weiblichen Personennamen wie marguerite,
j'eannetle, loniseUe, antoinette.
Von männlichen Personenbezeichnungen gebildete Pflauzennamen sind
demgegenüber in der Minderheit, wenngleich auch sie keineswegs sehr
selten begegnen. rw -o
* ^ D. Behrens.
Referate und Rezensionen.
Laeh^vre, Frederic. Le Livre d'Amour d'Estienne Durand
pour Marie de Fourcy, Marquise d'Efiai (Meditations de
E. D. reiniprimees sur l'unique exemplaire connu, precedöes
de la Vie du Poete, par Guillaume Colletet et d'une Notice
par Frederic Lachevre). Paris, Librairie H. Leclerc. 1907.
in 4" CVI i-271 S. Gedruckt in 801 Exemplaren auf Kosten
des Herausgebers.
Estienne Durand (1585—1618) war bisher so gut wie unbekannt.
Nur Guillaume Colletet, der ihn gegen Ende seines liebens kennen
gelernt hatte, berichtet ausführlicher von ihm in einem Kajiitel seiner
Vies des poetes franfxils. Va- stellt ihn dar als einen Maim von
schöner äußerer Erscheinung und von schönen innerlichen Eigen-
schaften, „i/ dansoit, chantoit et touchoit le luth ä merveiUe. San
entretien ctait fort agrmble et fort divertissant. Ses vers estoieni
esgallement ingmieu,v, doux et forts, sa prose estoit pleine d''esprit
et fort pat/v'tique^' Aber zu seinem T^nheil handelte er unüberlegt.
Er ließ sich zur Beteiligung an einem Komplott gegen den König,
Ludwig XII[.^ hinreißen, verfaßte gemeinsam mit den Gebrüdern Sitti
ein Pamphlet ^regen ihn und muBte seine Unbedachtsamkeit, seinen
Wunsch eine politische Rolle zu spielen oder vielleicht auch nur seine
allzu treue Anliänglichkeit an die Königin, Marie de Mi^licis, mit dem
Tode auf dem Rade büßen. ..Certes la France perdit en la personne
de Durand Vune de xes h/mih-es futures et Tun de ses plus grands
ornemens^ urteilt Colletet in übertriebener Bewunderung von den
Talenten des früh dem Tode verfallenen Dichters.
Zwei Werke sind von ihm erhalten, ein kleiner, aus Prosa und
Versen gemischter Roman „Des Espinea d'Amour oh sont traitees
les infortunees aniours de Fhüadon et CaulUee^'' (Paris 1604 und
Kouen 1608), und die Gedichtsammlung ..Meditations'^. Diese
Sammlung erschien nur in wenigen Exemplaren, ohne Namen des
Verfassers, nur mit den Initialen E. D.. ohne Angabe des Verlegers,
ohne Ortsname und Jahreszahl. Nach Colletet wurde sie im .lahre
1611 gedruckt. Ein Exemplar hat sich gerettet, Frederic Luclievre
hat es erworben und die vorliegende Neuausgube hergestellt.
Ztschr. f. frz, Spr. u. Litt. XXXIla. 12
178 Referate uml Rezensionch. Walther Kvchler.
Der Herausgeber hat zugleich in einer ,,Notice sur Eniienne
Durand" die Nachrichten über das Leben des Dichters, die CoUetet
uns gegeben hat, berichtigt und ergänzt. Er liat das Geburtsjahr,
das nach CoUetet 1590 war, mit Recht auf 1585 festgesetzt, er hat
die Beziehungen der Familie Durand zu der Familie derer von Fourcy
und damit zu Marie de Fourcy, der Frau, für welche Durand seine
Poesien schrieb, in das rechte Licht gerückt, und er hat Duiands Anteil
an dem Komplott gegen Ludwig XUL bestimmt. Er hat es wahr-
scheinlich gemacht, daß die üranie, an welche die „MSditationi^^
gerichtet sind, Durands Cousine, Marie de Fourcy war, dieselbe, welcher
sein Roman „Les Espines d'amour'-^ gewidmet war. Marie war die
Geliebte seiner Jugend. Sic heiratete im Jahre 1610 Antoine Coiffier,
dit Ruze, marquis d'Effiat und wurde dadurch an Rang beträchtlich
über ihren Vetter erhoben, welcher die Stelle eines „ Controleur provincial
des guerres"- innehatte und sich später zu einem Hofdichter der
Marie de Medicis aufschwang.
So weit bestehen die Angaben Lachevres zu Recht. Eine Reihe von
anderen Vermutungen und Hypothesen, die er aufstellt, sind dagegen nicht
ohne Weiteres annehmbar. Lachevre behauptet, die MSditatioiis stellten
getreulich die Geschichte der Liebe von Durand und Marie de Fourcy dar.
Das ist wohl nicht der Fall. An einer gewissen Stelle der Sammlung
steht die Angabe „i^m des MMitations.'^ Dort endet ein erster Teil
des Werkes, der aus einer Reihe von Gedichten besteht, die sich im
Ton alle gleichen. Sie enthalten die immerwährend wiederkehrende
Klage des unglücklich Liebenden über die Härte und Grausamkeit
einer Geliebten, die ihn nicht erhört. Sie sind alle an Uranie gerichtet.
Auf diesen ersten Teil folgen dann eine Übersetzung nach Ariost
„Joconde'''' und ein ziemlich wertloses, banales Gedicht ..L'Adveniure
de Sylvandre^'-' welches den Triumph eines Liebenden über die Geliebte,
die ihm lange widerstanden hatte, besingt. Lachevre glaubt in diesen
Versen eine verhüllte Darstellung des wirklichen Nachgebens der Marie
de Fourcy zu erkennen. Und zwar sei sie zur Hingabe bewogen
worden durch die Geschichte des Joconde, die Durand eigens zu diesem
Zwecke übersetzt habe. Der Übersetzung geht allerdings eine Widmung
von E. D. ä son LTranie voraus, eine Widmung, in der ausgesprochen
wird, die Geliebte solle sich das Beispiel der in dem Gedichte vor-
geführten ungetreuen Frauen zu Nutze machen und um des Geliebten
willen den Gatten betrügen, aber es ist psychologisch gänzlich un-
denkbar, daß sich eine Frau durch ein so frauenverachtendes Gedicht,
wie Joconde es ist, gewinnen lassen könnte. Die Geschichte des
Joconde ist eino der schärfsten Satiren, die je gegen die Unersättlichkeit
der Frau im Liebesgenuß geschrieben worden sind; durch eine derartige
Frivolität die Liebe der leidenschaftlich verehrten Dame erringen zu
wollen kann nicht in der Absicht eines zurechnungsfähigen Menschen
gelegen haben. Der Wunsch, die Geliebte möge so handeln wie die
Frau des Joconde und die Gattin des König«, war wohl vorhanden,
Fredenc I Mehrere. L( lAnf i/ Anioiir il'Ktiiienne DtiixauL ITI'
aber an die Möglichkeit sie durch diese Verse umstimmen zu können,
hat er sicher keinen Aucenlilick gedacht. Er war sich sogar, das
geht aus den Anfangsversen der Widmung hervor, klar darüber, daß
er die Geliebte beleidigte durch eine solche Herabsetzung ihres
Geschlechts. Schon aus diesen inneren, psychologischen Gründen kann
also von einem Treubrncli Mariens zu Gunsten Estieiine Durands
keine Rede sein. Außerdem entspricht auch die Darstellung in der
Adventure de Si/lvandre nicht den tatsächlichen Yerh.ältnissen. Es
ist die Erzählung einer faden Liebelei, die sicher ganz andere, wahrere
Formen angenommen hätte, ^venn sie auf einem wirklichen Erleben
beruhte. Denn wcini auch wirklich aus Gründen der Diskretion
Durand die Wahrheit zu verhüllen bestrebt gewesen wäre, so liätten
sich ihm sicherlich andere, stärkere, leidenschaftlichere Acceute
eingestellt, welche die Wirklichkeit von selbst verraten hätten.
Ohne Zweifel ist dann die Persönlichkeit Mariens aus dem dritten
Teil auszuschließen. In ihm waltet ein Ton, der nicht mehr viel mit
dem amonr parfait des ersten Teiles zu tun hat. Da finden sich
Gedichte erotisch sinnlichen Charakters, wie das im Ton recht glückliche
und flotte Gedicht ..Foh'strerie'-' oder das höchst derbe Lied von Colin
und Perrette, sowie eine Übersetzung und eine Nacliahmung aus der
ars amandi des Ovid. Dazwisclien finden sich wolil aucli Gedichte
ernsteren Ldialtes, die wieder Liebesklagen enthalten, also der Stimmung
des ersten Teiles entsprechen, es findet sicli da das merkwürdige
Gedicht ,,Stances d'une Dame'', das die Gefühle der verheirateten
Frau, die einen anderen liebt, vom Standpunkt der Frau aus enthält,
oder eine nicht üble Satire gegen einen mit dem Munde tapferen,
aber mit den Waffen feigen Höfling, der dem Dichter sein flatterhaftes
Wesen den Frauen gegenüber vorhält. Alles in Allem Gedichte, die
nur zum geringsten Teile sich auf die im ersten Abschnitt gefeierte
Geliebte beziehen können, so daß man also von Durand als Chistorien
ßdele seiner Liebe zu Marie de Fourcy in dem Sinne wie Lachevre
es auffaßt, nicht sprechen kann.
Ich würde nicht so lange bei dieser Frage von verhältnismäßig
untergeordneter P»edeutung verweilt haben (eigentlich geht uns die
Art der Beziehungen zwischen Estienne Durand und seiner Cousine
übei'haupt nichts anj, wenn Lachevre seine Hypothese nicht noch
weiter ausgesponnen hätte. Hj'pothesen dürfen sich nicht zu Phantasien,
denen jede tatsächliche Unterlage mangelt, auswachsen. Es fehlt aber
jeder Schimmer eines lieweises, wenn Lachevre behauptet, Durand
habe sich an dem Konijdott gegen Louis XIll und den allmächtigen
Connetable Luynes beteiligt, um die Marquise zu gewinnen, die er
nach Lachf'vres Autfassung bereits seit 6 — 7 Jahren heimlich besaß.
Er hätte sich eine Stellung gewinnen wollen, welche im Stamle gewesen
wäre, die des betrogenen Gatten zu verdunkeln. „Ce liest jias Vad-
versaire du Connetable qa'on a etrangle et hrüle, cest rmnant
decu dans} ses calcnls amhitieux^ c'est ie jo^ieur perdant la partim
12*
180 Referate wid Rezensionen. Waltlwr K Hehler.
dont l'enjeu etait la marquise d'Effiat et cette opinion a ('t/' celle
de la famille de Fourcy'"'. Das ist eine durch nichts zu beweisende,
nicht einmal wahrscheinlich zu machende Behauptung. Es ist ganz
unerfindlich, welcher Gewinn bei einem glücklichen Erfolge seiner
Verschwörung für seine Beziehungen zur Marquise hätte herausspringen
sollen? Er hätte denn die Absicht haben müssen, nach dem Gelingen
den Gatten bei Seite zu schaffen und als Ebenbürtiger etwa nach
einer Rangerhöhung die Marquise zu heiraten. Nein, wenn wir überhaupt
seine Beweggründe feststellen können, so war es rein persönlicher
Ehrgeiz, der ihn trieb, la table d'un grand seigneur. die ihn nach
CoUetet, der dieses Wort aus Durands eigenem Munde gehört hatte,
lockte. Ein so leicht zu erklärendes Verlangen in dieser Zeit der
pohtischen Intriguen und des skrupellosen Libertiuismus. Wenn schon
Durand das Glück besaß, Vater der Kinder seiner Cousine sein zu
können, aus welchem Grunde sollte er dann noch nötig gehabt haben
sein Leben für einen Rang aufs Spiel zu setzen.
Doch die Phantasie Lachevres hält noch immer nicht still. Im
Jahre 1642 verlor Cinq - Mars, der Sohn der Marquise d'Effiat, den
Kopf auf dem Schaffot, weil er auch den Besitz einer Höherstehenden
erstrebte, die Hand der Marie de Gonzague. Waltete nicht ein
Verhängnis über ihm? Mußte er nicht so handeln, weil das Gesetz
der Vererbung es so wollte? Vielleicht war Cinq - Mars gar der Sohn
von Estienne Durand und Uranie, Marie Marquise d'Effiat? Tag und
Jahr seiner Geburt steht nicht fest, so sei es wohl möglich, daß er
im Jahre 1618 geboren, also der Sohn des in diesem Jahre
geräderten Verschwörers gewesen ist. Wir meinen, ein Mann der
exakten Forschung, und als solcher hat sich doch Lachevre bewiesen,
sollte solche überflüssigen Vermutungen nicht zum Druck bringen.
Schön ist der Titel, den Durand seinen Versen au die Geliebte
gegeben hat: „Miditations^ . Man denkt an Brebeufs .^Entretiens
solitaires ou Prittres et Meditations pieuses en vers franpais'"' und
vor allem an Lamartine. Man glaubt wohl schon am Titel die Einführung
eines neuen Elementes in die lyrische Dichtung erkennen zu können:
Meditation, träumerisches Sichversenken in Gott und Welt, sinnendes
Träumen von Liebe und Tod, philosophisches Sichbefragen über die
Geheimnisse und Rätsel des Daseins, Enthüllung persönlichen, inneren
Lebens, Ausbreiten von seelischen Stimmungen, Solchen Inhalt zu
erwarten hat man wohl ein gewisses Recht nach dem so schön und
voll klingenden Titel ,.,MSditations'-\ Aber man findet ihn nicht.
Mögen auch die Verse der „Meditations'^ an ein Wesen von Fleisch
und Blut gerichtet sein, sie sind ganz und gar im Stile jener kon-
ventionellen Liebespoesie gehalten, wie sie in Frankreich um die
Wende des sechszehnten Jahrhunderts zum siebzehnten gedichtet
wurde. Eine ganz auffallende Berührung Durands mit Philippe
Desportes ist da zu konstatieren, eine so auffallende und deutliche
I^ reder ic Lachevre. Le Livre (VÄmour cVEsiienne Durand. 181
Berührung, daß man kaum fehlgehen dürfte, wenn man Durand als
einen Schüler Desportes' bezeichnet. Nicht nur die Inspiration des
Ganzen ist die gleiche bei beiden Dichtern, das Klagen und Jammern
über die Härte einer grausamen Geliebten, auch Ton und Wendung
im einzelnen, Vorstellung und Bild, Motive und Sprachgebrauch weisen
viele gemeinsame Züge auf. Nur ist Desportes wechselnder, erfindungs-
reicher, fast noch witziger und gekünstelter als Durand, dessen Schmerz
über die spröde Geliebte sich mit einer gewissen Monotonie entlädt.
Die Poesie Desportes' und Durands, ein letzter Ausläufer des
Petrarkismus in Frankreich, kennt eigentlich nur ein Motiv : die
Liebesklage, die Verzweiflung über das hartnäckige Widerstreben der
ersehnten Frau. Es handelt sich also nur um Variationen dieses
einzigen Themas, darum, in immer neuen Combinationen das gewaltige,
tränenreiche Leid zu besingen und so das Mitleid der Geliebten zu
erwecken. Der Dichter muß sich immer wieder selbst überbieten,
er muß immer suchen nach überraschenden Vergleichen. Er hascht
nach Effekten, nach Geist, nach Witz, der erschüttern soll. Er sucht
nach Antithesen, er verbindet das Ewig getrennte, Kälte und Glut,
Feuer und Wasser, Grausamkeit und Sanftheit. Er treibt ein
unablässiges Spiel mit seinem Leid, das ihn langsam verzehrt in
unerhörten Qualen und das er doch nicht missen möchte, da es
zugleich süßeste Lust ist:
Mon cruel iourment m'est si fort agreahle
Que je täche ä durer pour le faire durer
singt Desportes und unzählige Male fast rühmt sich klagend Durand:
faime mon martyre
Plus qu\in oyseau les champs ou quun Roy son empire.
oder
Je vis de mes douleurs, et nay rien de si doux
Que Vaigreiir que je souffre en mon ohSissance.
Oder: Mein Leid ist nicht so groß als der Ruhm, den es mir ein-
bringt. Sterbend werde ich mich würdiger des Leides als des Mit-
leides glauben. Wie ein Lamm lasse ich mich opfern, und ich
empfinde Lust zu sterben, ohne zu sprechen. Beide werden geplagt
von nächtelanger Schlaflosigkeit, sie sind in Stein verwandelt, sie
wandern hinaus in die Natur und rufen die Wälder zu Zeugen ihres
Leides au, die Vögel, die Felsen, das Echo. Sie verwundern sich
beide, daß sie noch leben, da sie kein Herz mehr haben, sondern es
der Geliebten geschenkt haben. Sie suchen mit allen Mitteln die
Geliebte zur Gegenliebe zu überreden, sie versuchen in plötzlichem,
energischem Entschlüsse von ihr loszukommen, um dann erschrocken
auszurufen: „Weh! was hab' ich gesagt" und dann von neuem den
Nacken unter das Joch zu beugen. Desportes versichert, es gebe
in der Hölle nicht so harte Strafen als er aushalten müsse. Durand
1<S2 lieferaic und Rczeudunoi. Waltlier Ki'iclder.
klagt, (laß seine Seele in ihrer Hölle unausgesetzt gequält werde,
während in der wirklichen Hülle docli noch der Fluß des
VcTgessens Hieße.
Es sei gestattet, an je einem Souuet Desportes" und Durands
die ÄhnHchkoit ihrer Manier zu verauschaulicheri. Ich wähle zwei
Sounete, in denen der Gedanke dargestellt wird, daß die Geliebte
nach Außen so kalt ist, aber doch im Stande i^t, Gluton zu
erzeugen. Desportes:
^S'^/ nn a rien si froid ne kI glacii ijue celle
Qui nie fait pa?' aes yeux sans piiie consowiner,
D'oü peilt eile en 7ios ccears tant de fiamiues seiner
Veu que le sien est pris d'une glace eternellef
("est un estrange cas que Vardeur hnmortelle,
Qui a soiirce en se.s yeux, ne la puisse albiiner:
Semblahle au heau Soleil qui peut tont enfiainuicr,
ßien qu'il n\dt 'point en soi/ de chaleur naturelle.
Seroif-ce point Amour le tyran sans merci,
Qui frapant de ses traits sur son cceur endun-i.
Fist saillir tont ce feu pour consonu/ier nos avicsf
Coni/ne on voit un caillou refrape maintes f'oi.i
Par foree avec du fer, servir d^aniorce au bois.
Et Sans deveidr chaud faire iaillir des ßamntesf ^)
Durand greift den Vergleich mit dem Kieselstein, der sich bei
Desportes erst zum Schlüsse einstellte, auf und behandelt ihn in
einem ganzen Sonnet :
Insensible caillou dont les reines secrettes
liennent un feu caclie, non pour toy^ niais pour nous,
Qui rends estant presse des ßanimes pour des coups,
Et n'es point eschauj/'i' par les Jena; que tu jettes.
Ma belle ainsi ipie tou soiis les douceurs parfaietes
Qu'elle a pour eile seule. a. des rigueurs pour tous,
En luy nionstrant moti mal fexcite son courroax,
Et na point de pitie des gehesnes <pfellc a faictes.
Pour vouloir de douleur vion esprit accubler,
Elle reut de tout poinct au mal te ressemhler.
Mais le bien ne snniroit t'n son ca'ur trouver place.
En froideur eile veut dessus toy triomplier :
Car estant pres du feu tu te laisses cscliauffer.
Mais taut plus fay de feu,r, et plus eile a de glace. -)
1) Oiucres ih I'tiiJij>/jr.< /v,v ['ortt.-<. Lyon löH.". (Amoms (rHippolyte.
Sonnet .")3).
-■) Lacbevre, p. o>s. yunnet 'll.
Frederic Liaclievre. L,e L,ivre d Ainour dEstienne Durand. 183
In einer Elegie entwickelt Desportes den Gedanken, daß er
trotz seines großen Leides sich nicht töten dürfe; denn er fürchte,
wenn er sich treffe, zugleich das Bild der Geliebten zu treffen, das
Amor in sein Herz gegraben hat. Durand in einem Sonnet fragt
die grausame Geliebte: Wo wirst du dich verbergen am jüngsten
Gericht? Wer verteidigt Dich für das Leid, das Du mir zugefügt
hast? Du wirst Deine Tyrannie leugnen wollen?
Mais mon cceur plein de traicts alors t'accusera;
Et monstrant ton portraict le Ciel te blasmera
D'avoir contre toy-meme addresse ta furie.
Die Vorstellung, daß der Liebende das Bild der Geliebten im
Herzen trägt, ist allgemein, gemeinsam unseren beiden Dichtern ist
die geistreichelnde Erweiterung, daß dieses Bild, wie ein wirkliches
Gemälde von wirklicher Waffe und den Pfeilen abweisender Liebe
getroffen werden könne, daß es zerstört werden könne durch den
Dolch, und daß es mit leiden müsse unter den Wunden des Herzens,
Die Geliebte klagt den Liebenden der Flatterhaftigkeit an:
„ Vous doutiez de nia foy et tout votre langage
Estoit de m'appeler inconstant et volage;'"
schreibt Desportes und Durand spricht vorwurfsvoll zu seiner Uranie:
,, Vous dites que je parle en terme gSneral
Quaux autres comme ä vous je tiens mesme langage.'"''
So könnten noch eine Reihe von gemeinsamen Zügen, ähnlichen
Vorstellungen und Ideenassoziazionen zwischen den beiden Dichtern
herbeigeholt werden. Sie würden die Abhängigkeit Durands von
jenen oberflächlichen, nur wortgewandten, mondänen Hofdichtern, die
das Erbe Ronsards und Du Bellays antraten, noch deutlicher erkennen
lassen. Nur noch ein Motiv, das einmal bei Desportes auftaucht und
dann bei Durand erweitert und variiert wird, sei noch angeführt. In
einem Sonnete des ersten Buches der „Amours de Diane'' behandelt
Desportes die Geburt Amors. Von wem wurdest du empfangen?
fragt er und antwortet:
D'une puissante ardeur,
Qu'oisevete lascive en soy mesmes enserre.
So einfach übernimmt Durand diesen Gedanken nicht. Er
fabriziert ein Sonnet des Inhalts: Man sagt, daß in der Kindheit der
Welt Loisir sich am Rande eines Wassers niederlegte und dort mit
Venus Amor erzeugte. Als Venus die Geburtsstunde herannahen
fühlte, nahm sie als Hebamme Jeunesse avecque la Folie. So hat
Amor die Reize seiner Mutter und will, daß wir die Trägheit seines
Vaters haben sollen, aber um in uns einzudringen, muß er noch
Folie an der Tür finden. Solcher allegorische Geburten von Amor
und die aus ihnen gezogenen Krlvläiungen seines Wesens hat Durand
184 Referate und Rezensionen. Wolfpang Martini.
nocli mehrere. Einmal ist Amor der Sohn der Venus und eines
Diebes, weil er sieh im Haube gefallt. Oder, da seine schaumgeborene
Mutter die Gattin des Vulkan und die Geliebte des Mars ist, so
vereinigt er in seinem Wesen den Trug der Welle, das Feuer des
Vulkan und die Grausand<eit des Kriegsgottes.
Nicht bloß Amors Geburt wird allegorisch verwertet. Eines
Tages trifft Boreas. nachdem er viele Schiffe im Meere hat untergehen
lassen, in einem dunklen Walde, bei einem alten Felsen VAhsence.
Er läßt seine Kälte beiseite, und auch sie ist nicht abweisend, sondern
schenkt ihm ihre Liebe. Sie beide erzeugen zusammen ein Kind,
VOnhliunce, das von da ab stets der Absence folgt und die Kälte
des Boreas in sich trägt. Man glaubt sich in das vierzehnte oder
fünfzehnte .Jahrhundert versetzt, wenn man eine derartige allegorische,
gekünstelte Poesie liest.
Was man von dem dichterischen Wert der Verse Durands zu
halten hat, ist wohl klar geworden. Die Sammlung trägt ihren Titel
.^MMitations" nicht zu recht. Durand fällt aus dem Stil herau>
daduroJi, daß er nicht schreibt „Amours d' Uranie"" wie Desportes,
t>bne sich den Schein des Neuen und Tiefen geben zu wollen ..^Amours
de J^ione^'nnd^Amours d'Hippolyte'' geschrieben hatte.
Um neue, selbständige Töne hat Durand die französische Poesie
nicht bereichert. Auch die Übersetzung eines Fragmentes aus Ariost
findet ihr Vorbild in gleichen Bestrebungen seines von ihm nur nicht
genannten Meisters Philippe Desportes.
GiEssKN. Walther Küchler.
E§te\e, Kdlliond. Byron et le romantisme frangais. Essai sur
la fortune et l'intiuence de Toeuvre de Byron en France de
1812 ä 1850. Paris, Hachette, 1907. 'XVI -f 560 S.
Dieses in jeder Hinsicht sehr beträchtliche Buch ist bis jetzt
die einzige vollständige Arbeit über das durch den Titel genau um-
schriebene Thema. Keine Spezialuntersuchung über die französische
Romantik wird dieses Werk künftighin unberücksichtigt lassen dürfen.
Es l)ehandelt in drei Büchern: I. Die in Frankreich seit Rousseau
vorhandenen Elemente des .,Byronismus" vor Byron (Kap. I — II.
p. 1 — 43^; II. Die einzelnen Etappen des Eindringens Byronscher
Einflüsse im Zusammenhang mit den Perioden der romantischen
Entwicklung von 1812— 50 (Kap. III— VII. p. 45—295); HI. Die
Einwirkungen Byrons auf die Führer der fianzösischen Romantik:
Hugo, Lamartiiu', Vigny, Musset, Dumas. G. Sand (Kap. VIII — XI
p. "297 — 514). So bietet es eine Art Geschichte iler französischen
Boraantik, von dem besonderen abseits liegenden Stiimlpunkte des
Themas aus gesehen. Die am Schluß (p. 515-524) gegebenen Re-
sultate möchte ich kurz dahin zusammenfassen, daß Byron die zu-
Edmoni Esfeve. Byron et le rornanfisme franr^ais. 185
nächst verworrenen Elemente der französischen Roraautik einigen und
klären half und einen richtunggebenden Einfluß ausübte, indem er
aus bereits vorhandenen Tendenzen den romantischen Typus scliuf und
in seiner Person verwirklichte.
Der Verfasser ist der naheliegenden Versuchung, Byrons Ein-
\vi)kungen zu überschätzen, nicht erlegen. Trotz der mühevoll bis in
die minutiösesten Einzelheiten dringenden Kleinarbeit, die durch alle
Dokumente jener Zeit hindurch jede Erwähnung, jedes Urteil, jeden
Anklang, soweit ihm ein hittorischer Wert zukommt, verfolgt und mit
reichlichen Zitaten belegt, ist überall das vorsichtige, klar abwägende
Urteil des beschreibenden Historikers gewahrt. Eine sehr reichhaltige
Bibliographie (p. 525 — 549) nnd ein Namenvoi'zcichnis sind für die
Benutzung des Werkes als Nachschlagebuch wichtig.
Die angewendete Methode ist im wesentlichen rein deskriptiv.
Hier liegen die Vorzüge, aber auch die Mängel des Buches. In
allen Einzelheiten lindet sich eine durch lebendigen Stil gehobene,
durch innige Vertrautheit des Verfassers mit der behandelten
Periode absolut zuverlässige, rein empirische Darstellung der litera-
rischen Zeitverhältnisse. Besonders die Zeit von 1819 — 30, als Haupt-
zeit des Byronismus ist mit eingehendster Gründlichkeit behandelt.
Hervorragend sind die einzelnen den großen Romantikern gewidmeten
Kapitel, besonders die über Lamartine und Alfred de Vigny. Der
Vergleich von Vignys metaphysischem Pessimismus mit dem Byrons
(Kap. IX Abschn. IV) ist vortrefflich. Der Verfasser ist bis in den
Kern der aristokratischen Persönlichkeit A. de Vignys eingedrungen.
Man merkt, daß er sich mit diesem Romantiker besonders liebevoll
beschäftigt hat, wie ja auch sein Neudruck der ..Helena" von 1822
mit Einleitung nnd Anmerkungen (Paris 1907) beweist.
Aber die reine Deskription hat auch ihre Schattenseiten. Es
mangelt vielfach das geistige Band, das die verwirrende Mannig-
faltigkeit der Tatsachen mit einander verbindet. Nicht im einzelnen;
dazu ist Esteve ein zu guter Stilist; er stellt überall eine mitunter
geistreiche und scharfsinnige Verbindung her. Aber er tut es oft
in widerspruchsvoller Weise, weil dem großen Ganzen der einende
Grundgedanke fehlt: Dus Buch bietet keine Entwicklungsgeschichte
im tieferen Sinne, ein Mangel, den es übrigens mit sehr vielen literar-
historischen Veröffentlichungen teilt. Der Verfasser stellt uns in die
frische Wirklichkeit der geschilderten Zeit mitten hinein, aber er
verzichtet damit zugleich auf die eigentlich wissenschaftlichen Vorteile,
die dem modernen Historiker die zeitliche Entfernung von der
geschilderten Periode bietet. Die Fixierung von Tatsachen i«t noch
keine Ge>chichte. Es kann nach den Fortschritten der modernen
psychologischen Wissenschaften nicht mehr zweifelhaft sein, daß sich
geistige Entwicklungen wie körperliche nach bestimmten immanenten
Gesetzen organisch vollziehen. Es scheint mir nun die Aufgabe des
Historikers zu sein, das waltende Gesetz in der Flucht der Er-
186 Eeferate aml Rezensionen. Wolfgantj Martini.
scheinungen zu cutdecken. Es muß für die geistige Entwicklung
dasselbe geleistet werden, was die Naturwissenschaft für die physischen
Erscheinungen bereits mit so großem Erfolge geleistet hat. Erst
dann kann von wirklich wissenschaftlicher Erklärung die Rede sein.
"Wir stehen jedoch hier noch durchaus in den Anfängen. Es
ist daher begrciHich und bis zu einem gewissen Grade berechtigt,
wenn viele Historiker den großen Schwierigkeiten und unvermeidlichen
Irrtümern auf diesem noch so dunklen Gebiete aus dem Wege gehen
und zunächt nur eine möglichst objektive Deskription zu bieten ver-
suchen, auf der dann die tiefer dringende Forschung mit Hilfe der
PsycJiologie weiter bauen kann. In diesem Sinne hat das vorliegende
Werk sein großes, unbestreitbares Verdienst.
Es ist jedoch nicht immer möglich, rein deskriptiv zu bleiben.
Die Auswahl und Gruppierung der Tatsachen, die Beleuchtung, in die
wir sie rücken, und vor allem ihre Verknüpfung ist immer abhängig
von der Gesamtanschauung, die sich der Darstellende von seinem
Gegenstande gebildet hat. Die oft scharfsinnigen Verbindungen der
Tatsachen bei Esteve bleiben meist auf der Oberfläche und sind oft
widerspruchsvoll, weil der leitende Grundgedanke, das Entwicklungs-
gesetz fehlt, durch das wir einen Einblick in die tiefer liegenden Wurzeln,
die primären Ursachen der Vorgänge gewinnen können. Durch diesen
Maugel werden die in der Literarhistorik so häufigen Verwechslungen
von Symptom und Ursache hervorgerufen, Gleichzeitiges wird, selbst wenn
es gegensätzlich ist, um der Chronologie willen als Gleichaitiges aufgefaßt.
Ein Beispiel. Der romantische, als mai oder maladie du siede,
WertMrisme etc. bekannte Pessimismus, der sich uns. kurz gesagt, als
eine krankhafte Gefühlsreaktion der modernen europäischen Kuitur-
meuscbheit kennzeichnet (vgl. darüber auch den Schluß der folgenden
Besprechung über Cassagne), ist für Esteve offenbar ganz unverständlich.
Die Erklärungsversuche dafür gehen einander widersprechend durch
das ganze Werk. Zunächst wird ohne den notwendigen kritischen
Zusatz die schon chronologisch unmögliche Meinung des Catulle Mendes
erwähnt, Byron sei der Erfinder der modernen Melancholie (p. X.
Anm. 1.). Dann leitet E. aus dem romantischen Individualismus die
aristokratische Weltauffassung und daraus wider den Weltschmerz jener
Zeit als eine Art logischer Folgerung ab: weil nämlich die böse Welt
offenbar nicht würdig sei, das eigene hohe Ich zu beherbergen (p.
28 f.). Wenn an anderer Stelle (32) die hohe Sensibilität der
Romantiker als Ursache des Pessimismus genannt wird, so kommt
«las der Wahrheit offenbar näher. Später (37 f.) soll sich derselbe
Gruudzug aus dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts erklären,
infolge der Einsicht, daß die rationalistische Perfektibilitätsidee sich
in dieser Welt nicht verwirklichen lasse. Weiterhin erscheint die
Melancholie als Folge der Revolutionskriege (41) oder nach Desmarais
des nationalen Unglücks der großen Revolution (1U2). Schließlich
ist sie sogar eine allgemeine Eigenschaft aller Poeten seit Uoraer,
Edimmt E.<<teve. Byron et le roinandstne fraiK^ais. 187
Piudar und Villon (ItU). An derselben Stelle werden aber besonders
Rousseau, Werther, lijron und Chateaubriand dafür verantwortlich
gemacht. Werther, Faust und Manfred erscheinen oft als Erregei'
dieser weltschmerzlichen Stimmung (38 und 201 f.). Der Meinung
einiger Epigonen, die den Mangel an Religion als Ursache nennen
(253. 259 f.), folgt E. nicht. Doch hält er schließlich gar die Skepsis
und den Pessimismus für eine Byron nachgeäffte Denkerpose (464).
Das Problem wird durch dieses vielfache Gemisch von Gründen
und Symptomen nur verschleiert. Es muß deutlich gesagt werden, daß
wir es hier nicht mit Ursachen, sondern mit einander koordinierten
Folgeerscheinungen der tragischen romantischen Grundstimmung zu
tun haben, die sich nach dem Gesetz der psychischen Relationen J)
auf allen Gebieten des geistigen Lebens gleichmäßig geltend macht.
Daß Erscheinungen wie Werther und Byron diese Richtung stark
förderten und in Mode brachten, ist gewiß. Aber die Grundstimmung
dafür ist das Primäre; ohne sie wäre der beispiellose Erfolg dieser
Erscheinungen ganz unerklärlich. Die meisten der angeführten
Erklärungen streifen als Sym})tome die Wahrheit wenigstens. Dagegen
ist es ganz unmöglich, den Rationalismus als Erklärungsgrund heran-
zuziehen (37 f.). Zum rationalistischen Klassizismus steht die Romantik
im denkbar schärfsten Gegensatze. Sie ist nach dem Gesetz der
liistorischen Kontraste direkt aus der Reaktion gegen ihn hervorgegangeu.
Wie in jeder Beziehung, so ist auch betreffs des Pessimismus der
Gegensatz unverkennbar. Es gibt in der Geschichte der Pliilosophie
kaum eine Periode, die mit gleichem Stolze und gleicher satter Selbst-
zufriedenheit auf ihre geistigen Errungenschaften geblickt hätte, wie
der Rationalismus, der den Gipfel aller Erkenntnis erklommen, die
absolute Wahrheit gcfauden zu haben vermeinte. Dagegen grub die
Romantik viel tiefer als die rationalistische Oberflächlichkeit hatte
ahnen können. Sie sah überall Rätst 1 und suchte mit ihrem unklaren
Gefühl die tiefen Geheimnisse des Daseins innerlich zu erfassen. Daß
aber dieser Erkenntnisdrang tragisch auftritt, ist eine Folge der düsteren
romantischen Grundstimniung, die ja gerade von allen Rationalisten
und Klassizisten jener Zeit als eine läclierlicht' „Mode" verspottet wird.
Es ist verfehlt, eine solche Gefühlsweise als eine logische Folgerung
aus logischen Prämissen herleiten zu wollen. Vom Rationalismus
wird der Erkenntnisdrang in keiner Weise tragisch genommen, und
es ist ganz unmöglich, den „Faust' etwa mit der Aufklärung (p; 38)
in Verbindung zu bringen.
Auch bei den anderen Begründungen liegt der Fehler deutlich
auf der Hand ; so, wenn jene Stimmung eine Folge der Revolutions-
kriege sein soll. Die kausale Vei'knüpfung ist genau umgekeliit. Der
^) Näherps über die hier in Betracht komuienden Entwickluugsgesetzo
öndoi sich in dieser Zeitschr. XXVIP p. ;-;07 ff. Über den Pessimismus rgl.
ebenda p. oll und 316.
188 Referate und Rezensionen. Woifgany Martini.
Sturz der alten absoluten Staatsform ist der konsequente politische
Ausdruck des romantischen Gegensatzes gegen die alte klassizistische
Zeit, wie die romantische Dichtung der poetische ist. Wie kann
außerdem für den „"Werthcrisme" des 19, Jahrhunderts irgend ein
wesentlicher Grund in den Revolutionskriegen gesucht werden, da
diese Richtung doch ziemlich unverändert bis auf Rousseau, Goethe
etc. zurückreicht!
Die Erkenntnis des in allen Einzelerscheinungen der romantischen
Zeit ausgeprägten Eutwicklungsprinzips hätte eine größere Einheitlichkeit
und Klarheit der Gesamtdarstellung zur Folge gehabt. Das zweite
Kapitel des ersten Buches, das die Entwicklung des „Byronismus'"
von Rousseau bis Byron darstellen soll, gibt uichts als lauter einzelne
romantische Eigenschaften, die Esteve ganz rationalistisch psychologi-
sierend jede aus der vorhergehenden hervorzuleiten sucht; Eigenschaften,
die Byron mit Rousseau (23 fi), Chateaubriand, Goethe, Schiller (29 ff).
Young (33 ff), Voltaire (36 f) und wieder Goethe (38 f) einzeln
gemeinsam hat. Es scheint danach beinahe, als seien solche Strömungen
rein persönliche Einzelschöpfungen, die der eine vom anderen einfach
übernehme, und die Byron nachahmend in sich vereinige. Die Hervor-
leitung der Einzelerscheinungen aus der gemeinsamen Wurzel ist bei
iler Darstellung von Entwicklungen unumgänglich, wenn dieser falsche
Eindruck nicht erweckt werden soll. Statt dessen stellt E. als Grund-
eigenschaft individualisnie und lyrisme auf (23), woraus aristocratisme
(28) und pesslmisme (32) hervorgehen müsse. Da aber die Rechnung
nicht aufgeht, (denn Aristokraten sind häufiger Optimisten), so wird
der Rationalismus als Ursache herangezogen (37 f), gegen den doch
die Romantiker im schärfsten Gegensatze standen. Dieser Gegensatz
wird au anderer Stelle (99 i) wohl gesehen, aber nicht hinreichend
erklärt. Rousseau wird ohne weiteres als Aristokrat angesprochen
(28), worunter E. jedoch hauptsächlich seine vom Gewöhnlichen ab-
weichenden Anschauungen und seine Liebe zur Einsamkeit zu verstehen
scheint. Nach dem üblichen Sprachgebrauch würde ich bei Rousseau
eher von einem demokratischen Grundzuge sprechen.
Auch der Abschnitt über die bildende Kunst (Chap. V. Nr. III)
leidet unter dem allgemeinen Mangel. E. glaubt die romantische
Malerei auf den Einfluß der Schriftsteller zurückführen zu sollen.
Ich kann dem nicht zustimmen. Es läßt sich deutlich eine gemeinsame
Grundtendenz aufweisen, die sich auf beiden Gebieten nahezu gleich-
zeitig äußert. Der vielgenannte Delacroix z. B. ist im Innersten
Romantiker, sekundäre Einflüsse reichen keinesfalls aus, um seine
Eigenart zu bestimmen. Die m. E. dafür so bezeichnenden Ansichten
Gautiers-), dieses Kronzeugen der damaligen Zeit, sucht E. zu
bekämpfen (192).
*) „Histoire du romuniisme" (2* ed. Paris 1874), von der aufser p, 93 und
18 noch p, 5 anzuziehen wäre,
Kdmont J^.sleve. ßf/rou et le rO)tiantisrne francais. 189
Der Verf. kommt dem romantischen Prinzip schon näher, wenn
er — freilich recht einseitig — an einer Stelle (220 f.) die roman-
tischen Eigentümlichkeiten aus dem gewollten Gegensatz gegen den
bourgeois hcrvorzuleiten sucht. Denn der l)ourgeois ist zu jener Zeit
Anhänger des alten klassizistischen Prinzips.
Die allgemeine gedankenlose Anschauung der meisten Historiker
der Romantik, daß die in den Vorreden der Dramen ausgesprochene
Theorie dem dramatischen Schaffen vorausgehe, teilt auch Esteve
(450). Tatsächlich sind diese Vorreden alle nach den betreffenden
Dramen geschrieben worden; die berühmteste, die preface zum „Crom-
welb\ ist sogar ein volles Jahr später als der ^Cromiuelb'- entstanden
(vgl. diese Zs. XXVIII ^ p. 89). Nur so viel ist zuzugeben, daß die
Theorie wie in allen Kampfperioden sehr früh beginnt, weil man
ihrer zur Verteidigung und zum Angriff bedarf. Theorie und Praxis
fließen aber deutlich aus einer Quelle : dem romantischen Prinzip.
Die größte und nachhaltigste, noch heute wirksame Errungen-
schait der romantischen Zeit ist das Erwachen des historischen
Sinnes, der sich auf allen geistigen Gebieten, von den Einzelwissen-
schaften bis zur Philosophie und Kunst, sieghaft geltend machte
(vgl. diese Zs. XXVIIP p. 227 f.). Esteve aber meint, das alles sei
nur eine Byron nachgeäffte Pose (460 und 465). Auch die von E.
nicht als solche erkannte Wurzel aller Romantik, die Hegemonie des
Gefühls, die passion (468) und den daraus hervorgehenden lyiisme
(465) sollen die Romantiker nur von Byron „erlernt' haben. Es
ist überhaupt, infolge dos erwähnten Grundmangels, eine sehr ver-
breitete literarhistorische Sitte, die Folgeerscheinungen eines historischen
Prinzips, die eine künstlerische Richtung ausmachen, einem einzelnen
zu vindizieren und die anderen Angehörigen derselben Richtung als
dessen Nachahmer zu bezeichnen. Der ganze Abschnitt über Dumas
(460 — 477) ist aus diesem Grunde mit Vorsicht aufzunehmen.
In dem historischen Zuge der Romantik, der sich literarisch
besonders in der Forderung der couleur locale aussprach, liegt bereits
der Keim des kommenden Realismus, der aber in seinem Weseu eine
erneute Kontrastbewegung gegen den Gefühlsüberschwang der Romantik
ist. Esteve deutet wohl einen solchen Zusammenhang an (291), ohne
ihn indeß näher zu begründen.
Zum Schluß noch einige Einzelheiten. Marian Chaworth, in
die sich Byron 1803 verliebte, ist seine Nachbarin, nicht seine
„Cousine" (6). Es ist das wohl eine Verwechslung mit der bei E.
nicht genannten Cousine Margarete Parker, zu der er als Knabe
(1800) eine Neigung faßte.
Zu dem Vergleich des „Marino Faliero'' Byrons mit dem Cas.
Delavignes (453 ff.) ist noch die Dissertation von Wetzig (SüuUe ühei'
die Tragödien Cas. Delavignes, Leipzig 1900) p. 39 ff", und 58 ff.
zu vergleichen, wo Genaueres und auch weitere Literatur angegeben ist.
19(1 Rcjeroie and Ke::ensu)ii<'ii. Wol/aiiiK/ Mnitini.
V. Hugo soll seine Betrachtiui<ieii über den Staub uroßer Männer
im großen Monolog des Don Carlo- {.,fJe7nam'" IV. -2, nicht „IV. 1"!)
von Byron {..Barold-' II. 4. — „Bon Juan'-'- 1, Jl.Sf. — Ode U*
Napoleon) oder gar von .luveual entlehnt haben (463 f.). Die sehr
geringe Ähnlichkeit dieser allzu zahlreichen Stellen mit Karls V.
Worten macht das an sich schon unwahrscheinlich. Dagegen ist es
zweifellos, daß dieser Gedanke Hugos (und wahrscheinlich auch
Byrons^ eine Reminiszenz aus seinem Lieblingswerk, dem .JJamlel''
(V. 1. Ende der berühmten Totengräber>cene) ist. Denn hier i'-t
Ähnlichkeit bis in Einzelheiten, sogar bis auf den angeführten Namen
(Caesar) vorhanden.
Der Hauptwert des vorliegenden Buches besteht in seiner voll-
kommen zuverlässigen und erschöpfenden kritischen Einzeldarstellung.
Die von mir gemachten Einschränkungen allgemeinerer Natur können
diesen Wert in keiner Weise beeinträchtigen, da in der Anordnung
des Werkes den allgemeineren Bemerkungen mehr die Bolle eines
nicht wesentlichen Beiwerks zukommt.
Leipzig. Wolf gang Martini.
Cassagne, Albort. Xa tkeorie de l'art pour Vart en France
chez les derniers romantiques et les premiers realistes.
Paris, Hachette. 1900. IX + 487 S. in-8. 3.50 fr.
Man könnte die Aufgabe, die sich der Verfasser gestellt hat.
und die er rein historisch zu lösen bemüht ist, auch so umschreiben :
Die Entwicklung des Realismus aus der Romantik mit besonderer
Berücksichtigung jener Kunstanschauung, die die Kunst als Selbst-
zweck betrachtet. Eine völlig adaequate Übersetzung für l'art pour
l'art (die Kunst um der Kunst willen) ist unmöglich, weil damit in
Frankreich zugleich eine bestimmte historische Gruppe von Dichtern
bezeichnet wird, als deren Chorführer der urspriuiglich romantische
Theophile Gantier gilt. Die p. VII gesteckten Grenzen 1848 — 1870
sind nach rückwärts etwas zu erweitern, da der Verf. sich mit Recht
allenthalben gezwungen sieht, zur Begründung auf die Generation von
1830 zurückzugreifen.
Der Inhalt gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil (1 — 144),
.^Histoirc de Ja theorie dr Vart pour Part,'' liefert die eigentliche
Eutwicklungsgeschichte, der zweite (145 — 465), „La tlu'orie de l'art
pour Vart^" gibt eine eingehende Darstellung aller einzelnen Charak-
teristika dieser ,.Theorie," die man auch als das literarische
Glaubensbekenntnis des Realismus bezeichnen könnte. Audi im
zweiten Teile ist die Begründung durchaus entwicklungsgeschichtlich.
Die Darstellung ist in allen Einzelheiten glänzend und zuver-
lässig, zeichnet ein charakteristisches Bild der realistischen Periode
in Frankreich und zeugt von eingehender und durchdringender
Albt'rL ('af<!<a(ine. Im thcorw de l'iirt ponr Vart ev France. 191
Kenntnis des umfassenden Materials. Wenn ich trotzdem einige Ein-
schränkungen zu machen habe, so liegt das, wie bei der vorher-
gehenden Besprechung (Esteve), liauptsächlicli in der prinzipiellen
Verschiedenheit meiner historischen Auftassung des Realismus begründet.
Ich muß daher kurz meinen Standpunkt klarstellen.
Der Realismus ist für mich im Grunde genau so eine nach dem
Kontrastgesetz (vgl. die vorige Besprechung und diese Zs. XXVII'
p. 307 ff.) erfolgende Reaktion der Verstaudesfunktionen auf den
Gefühlsüberschwang der Romantik, wie diese umgekehrt eine Reaktion
des Gefühls auf den Rationalismus der klassizistischen Periode war.
Der auf das Reale gerichtete, objektive, aller subjektiven Gefühls-
phantastik feindliche Geist der Zeit setzt sich nach dem Gesetz der
historischen Relationen (vgl. diese Zs. XXVII^ p. 312) seit den
1830®*' Jahren allmählich auf allen Gebieten des geistigen Lebens
durch und bestimmt sogar die führenden Geister der Romantik zum
Umschwenken. Auch die Realisten waren in ihrer Jugend alle mit
Romantik übersättigt: so hängt die allgemeine Reaktion mit der in-
dividuellen eng zusammen. Auf wirtschaftlichem Gebiete beginnt
bereits in der romantischen Zeit eine tüchtige, reale Ziele mit
nüchternem Verstände erstrebende Betriebsamkeit, die das Bürgertum
zu hohem Wohlstand und politischem Einfluß (Bürgerkönigtum) bringt.
Die auf das Tatsächliche gerichteten, empirischen Wissenschaften:
Geschichte und die beobachtenden und beschreibenden exakten Natur-
wissenschaften in praktischer Verbindung mit der Technik nehmen
einen raschen Aufschwung, der im Darwinismus gipfelt. Auch die
Philosophie bleibt, entgegen dem phantasievollen spekulativen Fluge
der Romantik, wesentlich auf das Tatsächliche gerichtet (Positivismus,
später Materialismus). In der Literatur wendet sich der Zeitgeschmack
wiederum den alten, von der Romantik so heftig bekämpften klassi-
zistischen Werken zu (Rachel seit 1838; Ponsard, Augier; „Eeole
du bon sens.-' „Bon sens'^ war das Schlagwort des Klassizismus
und des Rationalismus!). Und das höhere Kunstschaffen beginnt, die
Wirklichkeit objektiv wissenschaftlich zu beobachten und darzustellen
(Realismus, später Naturalismus).
Der Hinweis auf diese (liier nur kurz angedeutete) frappierende
Einheitlichkeit aller Kulturtendeuzen fehlt bei Cassagne, so treffend
und eindringend er das Zeitalter in allen Einzelheiten charakterisiert.
Ohne das Prinzip der historischen Kontraste ist aber der schroffe
Gegensatz des Realismus gegen alle Gefühlsromantik schlechterdings
nicht zu verstehen. Der oft wiederkehrende Ausdruck ^r}So-ro}nantiques,"
tler Cassagnes Auffassung des Realismus als einer Fortsetzung der
Romantik (14) entspricht, ist deshalb geradezu irreführend. C. hat
aus der Fülle der Ausdrucksformen des realistischen Prinzips vor
allem die sozialen Bedingungen herausgegriffen, die er (bes. am Anfang)
»länzend darstellt und zur Begründung des künstlerischen Realismus
\'.*'2 Ri'f'crate fnid Rezensionen. Wolfgana Alartini.
vorwiegeud verwertet. Nach moiueui oben kurz dargelegten Stand-
punkte ist es klar, daß dies eine der häufigen Vcrweclislungeu von
Symptom und Ursache ist. Zweifellos existiei't eine stete Wechsel-
wirkung zwischen den einzelnen Gebieten des geistigen Lebens, und
die sozialen Bedingungen spielen dabei eine Hauptrolle. Diese wechsel-
seitige Beeinflussung ist aber nur sekundär. ]Man kann nicht den
einen Bestandteil einer Entwicklung zur ausschließlichen Ursache
eines anderen Bestandteiles derselben Entwicklung stempeln.
In der Tat ist es dem Verf. trotz eingehendster Kenntnis der
Zeit und lichtvoller Darstellung nicht gelungen, die Entwicklung des
Realismus und seiner Theorie auf diese Weise ausreichend zu erklären.
Er muß immer wieder den Gegensatz gegen den Bourgeois als
Erkläruugsgrund heranziehen. Das ist aber sehr mißlich. Das
wirtschaftlich tätige Bürgertum, das, wie oben gesagt, auf seine Weise
ebenfalls dem Geiste der Zeit gehorcht, ist zu jeder Zeit den höchsten
und modernsten geistigen Bestrebungen unzugänglich gewesen. Sein
Kunstgeschmack ist daher immer von der geistigen Elite mißachtet
worden. Auch war derselbe Gegensatz gegen das reaktionäre Bürger-
tum bereits bei den Romantikern vorhanden, kann also zur Erklärung
der gegen die Eomantik gerichteten Kontrastentwicklung unmöglich
verwertet werden.
Über der eingehenden und an sich glänzenden Berücksichtigung
der sozialen Verhältnisse vernachlässigt der Verf. ein wenig die
Philosophie jener Zeit und vor allem die enorme allgemeine Bedeutung
des naturwissenschaftlichen Aufschwungs um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts. Beides hat aber ungefähr dieselbe symptomatisclie Bedeutung
wie die sozialen Verhältnisse, In der Philosophie beschränkt er sich
hauptsächlich auf die sozialistischen Theorien der St.-Simonisteu und
Fouriers. Auguste Conite, einer der charakteristischsten Vertreter
der Zeit, wird kaum gestreift. Es galt hier m. E., auf allen Gebieten
das Gleichartige aufzusuchen, daraus das Wesen der Zeit zu erkennen
und die Theorie de l'art pour l'art zu erklären. Benan, der einzige
Philosoph aus jener Gruppe, wird wohl vom Verf. i)ifolge mangelhaften
Überblicks über die philosophischen Erscheinungen der Zeit ein wenig
überschätzt. Er ist (ähnlich unserem Theologen D. F. Strauß) ein
ziemlich platter Eklektiker, dessen Destillate aus den Zeitströmungen
infolge ihrer Unselbständigkeit ein gutes Spiegelbild der Entwicklung
geben. Die von C. infolge seines Versuchs einer Systematisierung
(17G) unhistorisch zusammengestellten Gedanken Renans bedürfen
noch einer Erläuterung, die ich hier nur kurz andeuten kann. Man
n)uß eine Philosophie Renans vor und nach Darwin unterscheiden,
dessen 1859 zuerst veröffentlichte Theorie er er^t etwa 1870 verarbeitet
hat. Vorher reiner Rationalismus: Selbstherrlichkeit der Vernunft
(176), deren Vervollkommnung in der Wissenschaft der Zweck
menschlichen Strebens ist; schroffer Gegensatz gegen Fühlen und
Handeln (228 f.), d. h. Kontrast zum romantischen Prinzip, mit dem
Albert Cassagne. La theorie de l'art pour Vart en France. 193
auch er in der Jugend übersättigt wurde (75 f.); daher Anhänger-
schaft an die diesem Standpunkte adaequaten Lehren Spinozas, den
er auch im Leben nachahmen möchte (219): Vereinigung mit Gott
in der interesselosen Anschauung des Wahren, Guten, Schönen (228 f.)
mit dem „but unique de refleter la splendeur de l'univers,, — Gedanken,
die er mit geringer Modifikation von Spinoza übernimmt, was C.
nicht gemerkt zu haben scheint. Mit diesen Ideen verquickt Kenan
dann seit 1870 eine Art geistige Selektionstheorie ä la Darwin, die
er auf die noch 1848 mit geringem Vorbehalt gebilligten (196)
sozialistischen Theorien des Positivismus aufpfropft: Das Individuum
muß, nach dem Prinzip von der Erhaltung des Besten, in der
menschlichen Gesellschaft wie in der Natur der Gattung aufgeopfert
werden, d. h, das gewöhnliche Individuum den hervorragenden Geistern,
die den Fortschritt der Gattung herbeiführen; deshalb Aristokratie
des Genies (176—180).
Ich habe alle Einzelheiten durch Seitenzahlen aus Cassagnes
Buch belegen können, da der Verf. alle Charakteristika anführt und
durch Zitate stützt. Es fehlt aber in dem Buche der tiefere
Zusammenhang, d. h. der Hinweis auf Renans Entwicklung gemäß
dem rationalistisch-realistischen Kontrast gegen die Romantik, ferner
auf seine starke Abhängigkeit von Spinoza, später von Darwin.
Das ganze Kapitel vom „sentiment aristocratique" (147 — 200),
den C. zur Grundlage seiner gesamten Charakteristik macht, bedarf
ebenfalls der Einschränkung. Es ist die für alle rationalistischen
Perioden (vgl. das 18. Jahrb.) typische Selbstüberschätzung des
geistigen Arbeiters, also eine Begleiterscheinung, keine Ursache der
Bewegung. Die politische Überzeugung ist dagegen bei fast allen
Realisten um 1848 eher demokratisch, am schärfsten sogar bei dem
Geburtsaristokraten Leconte de Lisle.
Auch die dramatische Unfähigkeit jener Dichter (188 — 193)
rückt bei meiner Auffassung in eine klarere Beleuchtung. Unter den
p. 189 f. dafür angeführten Gründen fehlt m. E. der wesentlichste:
die Unfähigkeit des einseitigen Verstandesmenschen zu starken Affekten
und Willensimpulsen, in denen doch das Wesen des Dramatischen i)
besteht.
Auf demselben Mangel beruht die Zurückgezogenheit von jeder
praktischen Betätigung, insbesondere von der Politik. Die p. 2l2f.
angeführte Begründung durch die Ungunst der gleichzeitigen sozialen
Bedingungen ist nicht ausreichend. Denn die alten Romantiker
betätigten sich zur selben Zeit hervorragend politisch, Lamartine und
Hugo an der Spitze. Der Affektmensch Hugo schleuderte aus jahrzehnte-
langer Verbannung seinen politischen Riesenhaß in wuchtigen Streit-
schriften gegen „Napoleon den Kleinen" und seine Gesellschaft und
wies die Amnestie stolz zurück. Die Ungunst der Verhältnisse
1) Näheres darüber cf. diese Ztschr. XXVIIIi p. 106 ff.
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII s. 13
194 Referate und Rezensionen. Wolfgang Martini.
verstärkte also nur seinen wilden politischen Eifer. Deutlicher als
hier kann der fundamentale Gegensatz zwischen dem romantischen
Gefühls- und dem realistischen Verstandesmenschen nicht gedacht
werden. Man sieht aber zugleich deutlich, daß die Begründung immer
wieder auf dieses Prinzip zurückgreifen muß.
Von hier aus ist auch das Verhältnis der Vertreter des Grund-
satzes „l'art pour l'art" zur Moral zu verstehen. C. charakterisiert
es vollständig und klar (226 — 261). Die Gegenüberstellung der
romantischen Gefühls- und Leidenschaftsmoral und des realistischen
Amorahsmus (233 f.) ist höchst verständnisvoll. Aber wie immer
reicht die Begründung nicht aus, die er im wesentlichen auf die
Forderung der Unabhängigkeit der Kunst und den Gegensatz gegen
die Bourgeoismoral zurückzuführen sucht. Die scharfe Opposition der
Proudhon, Flaubert, Barbey d'Aurevilly etc. gegen die romantische
Gefühlsmoral (235) ist damit nicht erklärt. Überhaupt scheint mir
die Fragestellung nicht richtig. Ich meine, es handelt sich gerade
darum, zu wissen, warum denn diese Forderung einer von der Moral
unabhängigen Kunst erhoben wurde. Durch diese Fragestellung werden
wir wiederum auf den Kern der ganzen Untersuchung geführt. Das
Vorwiegen der objektiven, apperzeptiven Funktionen (des Denkens)
über die subjektiven (Willensvorgänge und ihre Elemente, die Gefühle
und Affekte) bestimmt von vorn herein die Stellung zu aller Erfahrung:
Reine Beobachtung und Beschreibung des Beobachteten. Es ist die
Stellung, die der parteilose Historiker und der Naturforscher zu ihrem
Stoffe einnehmen: beides Disziplinen, die, vom Zeitgeist begünstigt,
damals Großes leisteten. Moralische Urteile oder Tendenzen sind
hierbei (weil subjektiv und Willensstrebungen voraussetzend) von vorn
herein ausgeschlossen, wie überhaupt jeder Zweck, jede Tendenz.
Das wissenschaftliche Ideal der Wahrheit vertritt das des Guten
(Moral), wie es das des Schönen (Kunst) bei diesen Künstlern vertrat
(239. 248. etc.): eine für Dichter höchst auffallende, typisch ratio-
nalistische Anschauung. Die ganze Ästhetik ist rationalistisch (vgl.
419). Für den wissenschaftlich Denkenden hat jedes Objekt, jede
Erfahrungstatsache ihren Eigenwert, ihren Selbstzweck, die Kunst so
gut wie die Moral. Daher Cousins Wort: „^a morale pour la morale,
la religion pour la religion, l'art pour l'art'' (38). Für eine rein
verstandesmäßige, leidenschaftslose Weltanschauung ist auch die
spinozistische Überzeugung von einem universellen Determinismus
(230) charakteristisch, der sich mit moralischen Tendenzen kaum
verträgt. Auch hier fehlt der Hinweis auf Spinoza.
Die wenig in die Tiefe dringenden Erörterungen moral-ästhetischer
Art, die der Verfasser besonders in der zweiten Hälfte des Kapitels
gelegentlich einstreut, bedeuten m. E. eine der rein historischen Darstellung
nicht günstige Verschiebung des Standpunktes, der sonst streng ein-
gehalten wird. Die Abschnitte 248 — 250 und 253 — 258 leiden unter
einer gewissen moralischen Voreingenommenheit des Verfassers, die
Albert Cassagne. La theorie de Vart pour Vart en France. 195
den tieferen Sinn jener auf den Geist der Natur gegründeten freieren
Moral nicht vollkommen auszuschöpfen vermag. In dieser Moral wird
der Einfluß des naturwissenschaftlichen Geistes der Zeit deutlich, den
die folgenden viel zu allgemeinen Bemerkungen über die Wissenschaft
(262 — 294) nicht genügend berücksichtigen.
In dem Abschnitt über Literatur und bildende Künste (351 — 372)
wäre nach meinem Dafürhalten auf die gleichen Ursachen, die gleichen
Ausgangspunkte, die gleiche Richtung, kurz wieder auf den gemeinsamen
Geist mehr Wert zu legen als auf gegenseitige Beeinfllussung. Ansätze
zu dieser Auffassung finden sich (z. B. 354).
Ein besonderes Kapitel widmet der Verfasser dem „Pessimisme
de Vart pour Vart'-'' (328 — 350). Die Begründung besteht, wie üblich
(vgl. die vorige Besprechung), in lauter kleinen Einzelzügen, die das
Wesentliche nicht treffen: bei den Romantikern zu großer Idealismus,
Mangel an Anerkennung und sozialem Erfolg (329 f.); bei den „Neu-
romantikern" dieselben Motive und noch einige neue, wie die ungünstigen
Lebensverhältnisse (332 f.), wissenschaftliche und philosophische Ein-
flüsse (334 ff.), die Einsamkeit (338 ff.) etc. Wie sollen diese kleinen
Züge die nunmehr fast anderthalb Jahrhunderte 2) ununterbrochen in
ganz Europa wirksame melancholische Gefühlsdisposition erklären?
Sie sind zudem im einzelnen meist nicht stichhaltig. So wenn bei
den Romantikern Armut als Ursache angegeben wird (332); das trifft
nur für einige und nur im Anfang zu. Nun soll aber dieselbe Ursache
auch bei den sehr wohlhabenden, zum Teil reichen Vertretern des
l'art pour l'art, die ganz bedürfnislos und zurückgezogen lebten, wirksam
gewesen sein: nämlich durch die Betrachtung, daß die Industriellen
noch größere Vermögen hatten (333)! Das ist ungeheuerlich. Zweifellos
handelt es sich hier um eine größere, noch nicht vollkommen über-
sehbare Entwicklungswelle, die über die Zeitalter der Romantik und
des Realismus weit hinausreicht und daher auch nicht in einem einzelnen
Zeitalter und in einzelnen Menschen speziell begründet sein kann. Wie
beim Melancholiker die krankhafte Gemütsstimmung das Primäre ist,
er aber stets nebensächliche Einzelgründe aus seinem täglichen Leben
für seine Stimmung verantwortlich macht, so ist es auch im Leben
der Völker. Selbst in der Philosophie sind Pessimismus und Optimismus
nur Gefühlsweisen, für die der Philosoph nachträglich die Gründe in
der Außenwelt statt in sich selbst sucht. Das krankhafte Element
ist von Anfang an in dieser Strömung unverkennbar. Selbstmord und
Geisteskrankheiten spielen dabei seit Werther, Kleist, Hölderlin, Lenau,
Gcrard de Nerval etc. eine große Rolle. Die Vertreter des Grund-
satzes Part pour l'art sind alle schwer pathologisch. Gautier hallu-
ziniert, Flaubert leidet unter schweren, wahrscheinlich epileptischen
Neurosen, die Goncourt sind Neurastheniker, Baudelaire ist pervers
und leidet — wenigstens theoretisch — an moral insanity, was man
2) „Nouvelle Häoise" 1761, „Werther'' 1774 bis Zola, Maupassant etc.
13*
196 Referate und Rezensionen. JE. Walberg.
literarisch Satanisme genannt hat, alle sind hyperaesthetisch (im klinischen
Sinne). Von hier aus ist auch die Vorliebe für eine an Verrücktheit
grenzende Originalität zu verstehen, was C. outrance (304 ff.J und
t'trange (313 ff.) nennt. E. de Goncourt gibt es selbst zu (345).
Es ist klar, daß es sich bei dieser ganzen Richtung um eine zunehmende
krankhafte Reaktionsweise der Nerven in gewissen Schichten der
europäischen Kulturmeuschheit handelt. Eine Verfeinerung des
psychischen Lebens geht damit Hand in Hand. Es fehlt uns noch
eine Völkerpsychopathologie, die diese Frage wissenschaftlich zu lösen
hätte. Hier kam es nur darauf an, erst einmal das Problem richtig
zu sehen.
Da die Methode des Buches durchaus entwicklungsgeschichtlich
ist, so hielt ich es für notwendig, durch Gegenüberstellung meiner
hierin abweichenden Ansichten eine Art Ergänzung zur tieferen Erfassung
des historischen Gesamtbildes zu liefern. Die in jeder Hinsicht vor-
treffliche Charakteristik der Periode und ihrer Vertreter im einzelnen,
also der Hauptinhalt des Werkes, behält dabei ihren vollen Wert.
Die Schwierigkeit, die sich daraus ergab, daß eine Gruppe höchst
verschiedenartiger Dichterindividualitäten unter einem Gesichtspunkte
zusammengefaßt werden sollte, hat der Verfasser im ganzen durch
Anführung zahlreicher Einzelzüge glücklich überwunden. Höchstens
dominiert Flaubert allzu sehr, von dessen Übergangsstellung zwischen
romantischer couleur locale und Realismus bis zum Impressionismus
der Gebrüder Goncourt doch noch ein recht weiter Schritt ist.
Die ausführliche Bibliographie (467 — 475) und das zuverlässige
Namenverzeichnis sind dankenswert.
Leipzig. Wolf gang Martini.
Maupassant, Guy de. Quelques recherches sur sa langue.
These de doctorat presentee ä la Faculte des Lettres de
Lund par O. Bosson. Lund, Hakan Ohlsson, 1907.
168 pp. in-8.
II est difficile de se rendre un compte exact du but que s'est
propose l'auteur de ces recherches. Malgre le titre de sa these, il
ne peut avoir vise ä une caracteristique de la langue de Maupassant,
m§me au seul point de vue de la phraseologie et du choix des mots.
Dans ce cas-lä il aurait evidemment fallu 1 o ne pas ecarter a priori,
comme M. Bossen l'a fait, tous les mots et tournures enregistres
par les grands dictionnaires et parmi lesquels se trouvent naturelle-
ment un grand nombre de locutions pittoresques et caracteristiques;
2^ depouiller toutes les oeuvres de Maupassant. La these de M, Bosson
ne me semble, au fond, qu'un commentaire, en partie assez interessant
Guy de Maupassant. Quelques recher ches sur sa langue. 197
d'ailleurs, d'un certain nombre d'expressions ou idiotismes releves un
peu arbitrairement dans une dizaine d'ouvrages, choisis tant bien que
mal dans la production litteraire de Maupassant.
L'auteur ecarte, p. 5, quelques-unes des oeuvres de Maupassant,
avec une argumentation vrairaent bien specieuse. „II y en a, dit-il,
qui ne contiennent presque rien qui ne soit approuve de TAcademie,
et qu'il nous a fallu mettre de cote des le debut, ouvrages tels que
Mont Oriol, Fort comme la Mort, Sur l'eau, etc." Si cela etait vrai,
il eüt mieux valu se donner la peine legere de parcourir ces ouvrages
et d'en extraire les quelques faits intöressants qu'ils contiennent saus
doute malgre tout, pour en avoir le coeur net. Et, chose amüsante,
c'est ce que l'auteur parait en realite avoir fait pour Tun des livres
qu'il avait du ^mettre de cote;" je parle de Mont Oriol, qu'il cite
deux fois, pp. 33 et 122. J'ajoute que, ayant relu, ä la häte, deux
des oeuvres negligees par M. Bossen (Sur l'eau, Monsieur Parent),
j'y ai releve une petite serie de mots qui auraient bien merite une
mention.
M. Bosson ränge les mots et locutions qu'il etudie dans les
groupes suivants: Archaismes, Mots et tournures qui n'entrent dans
aucune categorie speciale, Langue familiere, Langue triviale, Mots et
tournures qui rentrent dans les deux categories familier-trivial, Argot,
Mots et tournures ä cheval sur les categories argot-familier ou
argot-trivial, Paysannismes. L'auteur se rend bien compte que les
Frangais meraes peuvent differer d'avis entre eux quant aux details
d'une teile Classification: il n'y a pas de limite fixe entre les diverses
categories; uu terme qui ä une certaine epoque appartient ä l'argot
sera plus tard simplement familier; teile expression peut etre consi-
deree comme familiere par un tel, comme triviale par tel autre. II
a raison, et nous n'insisterons pas lä-dessus.
M. Bosson exclut de sa liste tous les mots et expressions qui
figurent dans le Dictionnaire General, dans celui de l'Academie ou
chez Littre, sauf dans les cas oü il trouve quelque chose ä redire
ä leurs commentaires. Ce doit donc etre par erreur qu'il admet un
certain nombre de termes enregistres par un ou plusieurs des
dictionnaires mentionnes: P. 31. Blondin, -ine est dans le Z^e'ci. Gen.
(„jeune horame, jeune fiUe ä cheveux blonds"). — P. 37. Contrairement
ä ce que dit M. Bosson, le Dict. Gin. enregistre aussi bien discuter
sur que discuter une chose („discuter avec qqn sur la politique, sur
la religion"). — P. 38. S'effacer. M., Bosson n'ajoute rien ä ce que
dit l'Acad. sur ce verbe. — P. 43. Ereinter est dans le Dict. Gen.
et dans l'Acad. («fig. et fam."), avec la meme signification qu'ici,
c'est-ä-dire „exceder de fatigue." D'ailleurs la traduction suedoise
que donne M. Bosson du passage en question, est archi-fausse.
— P. 53. La locution trouver le Joint est citee tant par le Dict.
Gen. que par l'Acad. — P. 59 Piment, pimentS. Le sens prete par
le Dict. Gin. ä l'adj. pimentc {une histoire pimentee) est
198 Referate und Rezensionen. E, Walberg.
evidemment le meme que celui indique par M. Bosson. L'autcur
parait ignorer la valeur de l'expression „de haut goüt." — P. Ol.
A quoi bon citer cruel, dur, brutal pour gqn? Cela se dit tous
les jours, et le Dict. Gen. enregistre du moins dur pour. — Selon
M. Bosson, p. 65, le plur. de sens signifie en general ou „les cinq
sens," ou „sensualite, concupiscence," tandis que dans le passage qu'il
cite, le mot est synonyme de „signilications," „idees latentes." Cf.
le Dict. Gin.: „Des paroles qui out beaucoup de sens — oü il y a
beaucoup de choses, d'idees ä comprendre." Y a-t-il une difference?
(Du reste le mot s'emploie aussi au pluriel dans le sens de „directions":
parcourir en tous sens, etc.). — P. 88. Mourir de la poitrine (cf.
„malade de la poitrine") est dans Littre. — P. 156. Toper, mot
tres courant, comme le dit M. Bosson, est bien dans l'Acad. L'auteur
le cite ici comme un paysannisme. II est vrai que dans les exemples
qu'il en donne, le mot est place dans la bouche d'un paysan; mais
tont ce que disent les paysans n'est pas „paysannisme". La meme
remarque s'applique ä gars (p. 151), qui se trouve dans tous les
trois dictionnaires.
Voici encore quelques remarques de detail, d'un ordre un peu
different. — P. 29. L'article aimer est bien maigre. Cherir n'est pas
si rare que M. Bosson parait le croire; surtout le participe passe est
tres frequent. D'ailleurs la traduction de M. Bosson est inexacte;
cherir est beaucoup plus fort que le mot suedois indique („hälla
af). Cf. par exemple: „Elle savait seulement qu'elle l'adorerait de
toute son äme et qu'il la cherirait de toute sa force", Une Vie, 18. —
Apeure, qui indique un sentiment momentane, n'est pas synonyme
de „craintif". — P. 30. Attaches, dans l'exemple cite, peut se
traduire par „relations" tout simplement. — P. 42. Outre que
l'assertion de M. Bosson: „Je m'entends est un gallicisme", n'explique
rien, eile est fausse. L'italien dit egalement mHntend'io = „so ben
io quel che dico". — A propos de faillir l'auteur donne, p. 44, une
definition du sens du verbe trivial fauter qui ne concorde pas tout
ä fait avec celle de la p. 105. Au premier endroit M. Bosson
parait vouloir dire que fauter ne s'emploie qu'en parlant de femmes
non mariees. C'est une erreur. „II y a longtemps que Madame a
faute avec M. Limousin", lit-on dans Monsieur Parent, p. 14. —
P. 52. La traduction suedoise de horntne de consigne n'est pas tout
ä fait exacte; le mot frangais a un sens moins eleve que le sued.
pliktmännisha („homme de devoir"). — P. 53. Pour etre large =
„pour ne pas trop dire" doit etre une faute d'impression. Lire
„trop peu dire". — P. 65. Selon M. Bosson, les mots somnolence
et somnolent ne sont pas des neologismes, contrairement au verbe
somnoler (qui manque dans tous les trois dictionnaires). Le Dict.
Gen. est d'un autre avis, du moins en ce qui concerne l'adj. som-
nolent^ qu'il qualifie expressement de neologisme (admis Acad. 1835).
— P. 85. Grivoiserie, mot familier? Je dirais presque plutöt
Guy de Maupassant. Quelques recherches sur sa langue. 199
litteraire. De mßme il me parait exagere de dire (p. 97) que
l'expressioQ s' amener soit tres vulgaire. — P. 99. L'explication
^chapon . . . en langue triviale, par extension, = religieux (liomme
qui doit sabstenir de liaisons sexuelles)" est d'autant plus etonnante
que le mot en question se trouve dans le passage que voici: „Si
seulement on pouvait divorcer. Ca n'est pas agreable d'avoir epouse
un chapon" (Miss Harriet, 130). — P. 102 s. II est evident qu'ou
a dit d'abord dos vert, ensuite dos tout seul, dans le sens de
„souteneur, maquereau". — P. 108. ^Mätin = chien domestique"
est une definition trop large. — P. 112. „üoulure = prostituee de
basse extraction". L'extraction de la personne n'a rien ä y voir. —
Selon M. Bossen, p. 113, gris s'appliquerait ä un moindre degre
d'ivresse (= „ä demi ivre"). C'est lä une assertion qu'on retrouve
dans bien des dictionnaires mais qui, de nos jours, n'est guere
exacte. Cf. le passage suivant, oü il ne s'agit evidemment pas d'une
derai-ivresse: „Pour la premiere fois de sa vie il se grisa tout ä
fait, ce soir-lä, et on dut le rep orter chez lui", Monsieur Parent, 87.
Pour verifier, j'ai parcouru un des ouvrages de Maupassant
examines par M. Bosson, Bel-Ami, et j'y ai releve quelques mots qui,
ä mon avis, auraient merite d'etre enregistres par l'auteur. Ainsi,
portraiturer, p. 57, neologisme tire du subst. vieilli portraiture et
qui ne figure pas dans les dictionnaires; taper avec un regime direct:
„il sortit en tapant la porte", p. 420; „son Journal, qui est officieux,
catholique, liberal, republicain, orleaniste, tarte ä la eiserne et boutique
ä treize, n'a ete fonde que pour ses Operations de bourse et ses
entreprises de toute sorte", p. 75; demi-choix: „quelques fiUes de
demi-choix", p. 17; lever: „Est-ce que je l'aurais levee aussi celle-
lä?", p. 293, terme emprunte ä la chasse.
La Partie principale du travail de M. Bosson est precedee d'un
chapitre sommaire, mais qui ne manque pas d'interet, sur le style
de Maupassant.
On s'etonne de ne pas trouver de references ä dautres auteurs
du 19^ siecle dans la these de M. Bosson. A vrai dire, on a
Timpression que ce travail a ete fait un peu trop vite, et que
l'auteur n'avait peut-etre pas toute la preparation qu'il fallait pour
conduire ä bonne fin une entreprise pareille. Comme M. Bosson le
remarque avec raison dans son avant-propos, la langue moderne
offre un champ d'etudes encore bien peu defriche. 1\ est a desirer
que d'autres jeunes romanistes le suivent dans cette voie, sans toute-
fois se dissimuler les difficultes de la täche. Pour reussir pleinemeut
dans ce domaine, il faut une connaissance solide et intime du
frangais actuel, qu'un etranger n'acquiert pas sans beaucoup de
travail et de perseverance.
LuND. E. Walberg.
200 Referate und Rezensionen. Heinrieh Schneegans.
Henri Bornecque, docteur-es-lettres, professeur a l'Universite de
Lille und Benno Röttgers, Professeur, directeur de la
Victoriaschule ä Berlin: Recueil de morceaux choisis
d'auteurs franfais. Livre de lecture consacre plus speciale-
ment au 19" siede et destine ä Venseignement inductif de
la Litterature frangaise moderne et contemporaine. Berlin —
Librairie Weidmann 1907 514 p. ; daneben Commentaire
litteraire du Recueil — 116 p.
Wer jemals Gelegenheit gehabt hat bei Staatsprüfungen Kandidaten
in Literaturgeschichte zu prüfen, wird die traurige Erfahrung gemacht
haben, daß die meisten statt eines auf eigener umfassender Lektüre
fußenden Urteils nur die fertigen Urteile Anderer gedächtnismäßig
wiederzugeben im Stande sind. Unsere Studenten lesen viel zu wenig,
das ist die allgemeine, immer wiederkehrende Klage. Wenn wir dem
Vorworte obigen Buches Glauben schenken dürfen, wäre dieselbe
Klage auch schon auf der Schule vorhanden. Um diesem Übel vor-
zubeugen hätte Wätzoldt den Gedanken gehabt ein Buch ins Leben
zu rufen, welches sich vornähme inductiv französische Literatur-
geschichte zu lehren. Seine diesbezüglichen Gedanken hätte er
öfters dem Direktor der Kaiserin Augusta Victoria-Schule in Stettin,
Böddeker mitgeteilt, dieser hätte dann den französischen Universitäts-
professor Bornecque in Lille und Direktor Eöttgers in diese Pläne
eingeweiht. Dem vereinten Bemühen beider letztgenannten Herren
sei es nun gelungen, in vorliegendem Buche ein Werk zu schaffen,
dem die Erreichung dieses Zieles als Ideal vorschwebe.
Ich muß gestehen, daß ich selten mit so großer Freude das
Erscheinen eines Übungsbuches begrüßt habe, wie dieses. Es entspricht
dem lebhaftesten Bedürfnis. Daß man auf unseren Schulen Lektüre
treiben muß und will, das hört man zur Genüge. Über die Auf-
stellung eines Lektürecanons streiten sich die Neuphilologentage
genug. Welche Schriftsteller man lesen sollte, das erörtert man bis zum
Überdruß. Aber die Art und Weise, wie man sie lesen und auf
der Schule interpretieren soll, darüber hat man sich bis jetzt viel
zu wenig den Kopf zerbrochen. Zwar haben sich in letzter Zeit
einige Stimmen hörbar gemacht, welche näher auf die Frage eingehen,
wie man auf den neuerrichteten Oberrealschulen das Ideal des Ein-
dringens in die moderne Kulturwelt zu erreichen versuchen soll. Ich
verweise in dieser Beziehung vor Allem auf die bemerkenswerten
Artikel von Ruska in der Zeitschrift für französischen und
englischen Unterricht IV und V, „ Was hat der neusprachliche Unter-
richt in den Oberklassen zu leisten?'* und „Über den Anteil der
neueren Philologie im Ausbau des modernen Bildungsideals.'' In
einem vortrefflichen Schulprogramm hat Prof. Dr. Friedrich Seh wen d,
„Zum französischen Unterricht an Oberklassen," wissenschaftliche
Abhandlung zum Programm der K. Friedrich-Eugens-Realschule in
Henri Bornecque. Recueil de 7norceaux choisis. 201
Stuttgart zum Schlüsse des Schuljahres 1905/6, namentlich die
Methode der Lektüre französischer Schriftsteller einer eindringlichen,
höchst willkommenen Untersuchurg unterzogen. Die verschiedenen
Arten, wie man Schulautoren gewöhnlich auch in höheren Klassen
liest, unterwirft er einer schneidenden Kritik. Der eine Lehrer
benutzt seinen Text nur zur Einprägung grammatischer Regeln, ein
anderer treibt Etymologien oder historische Syntax, ein dritter legt
seinen Text Conversationsübungen zu Grunde, wieder ein anderer
sucht im Anschluß an den Text nur die Realien seinen Schülern bei-
zubringen. In den Geist des Textes suchen nur die allerwenigsten
einzudringen. Und doch ist es bei weitem das Wichtigste, den Ideen-
gehalt, die Weltanschauung, die hinter jedem Literaturwerk steht oder die
es hervorgerufen hat, zu studieren, die religiösen, philosophischen^ ästheti-
schen, politischen, sozialen Ideen zu erforschen, die ihnen zu Grunde liegen.
Der Autor steht nicht allein in der Welt. Sein Werk ist ein Ring in der
großen Kette ähnlicher Erscheinungen, die einander voraussetzen und be-
dingen. Man muß ihn aus seinerzeit heraus verstehen. Das ist das Bilden-
de im Unterricht der Literaturgeschichte. Faßt man sie so auf, so wird
man die häufig genug gehörte Meinung aufgeben, Literaturgeschichte
sei bloß Memorierstoff. An drei Beispielen, an einem Abschnitt aus
M.^^ de Stael's de V Allemagne, an einer Stelle aus Flaubert's
j^me ßovary, die der Romanschriftsteller sehr häufig umgearbeitet
hat und an einem Gedichte Frangois Coppees zeigt Schwend,
wie man, seiner Ansicht nach, lesen sollte, um wirklichen Nutzen daran
zu haben und den Geist der Schriftsteller zu verstehen. Freilich
verhehlt er sich nicht die Schwierigkeiten eines solchen Unterrichts.
Die meisten Lehrer sind darauf viel zu wenig vorbereitet. Sie müßten
als Studenten schon darauf aufmerksam gemacht worden sein, wie man
lesen muß, worauf es bei der Leetüre eigentlich ankommt. Das ist
Alles sehr richtig. Auf die Wichtigkeit der Frage hat Ref. in einem
Vortrage auf der 49. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer in Basel ,^Die neuere französische Literaturgeschichte im
Seminarbetrieb unserer Universitäten,'' im September 1907 auf-
merksam zu machen versucht. Es ist eine Frage, die für die Zukunft
unseres Faches, für seine Stellung an der Oberrealschule namentlich
von eminenter Bedeutung ist und von der Tagesordnung nicht mehr
verschwinden sollte. Das Erscheinen eines Buches wie das von
Bornecque und Röttgers ist ein äußerst willkommener Beitrag zur
Lösung dieser Frage.
Das Buch will vor Allem die nötigen Materialien zusammenstellen,
um die Entwickelung der Literatur begreiflich zu machen, um die
Geschichte der einzelnen Literaturgattungen zu veranschaulichen, um
die Kenntnis der großen Schriftsteller, ihrer Vorzüge und ihrer Fehler
zu vermitteln. Es geht das Buch nicht von ästhetischen und moralischen
Gesichtspunkten aus, sondern bringt nur Stücke vor, welche für den
Autor und seine Art charakteristisch sind. Dieser Standpunkt
202 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans,
erscheint mir sehr glücklieb. Ästhetisiercnde und moralisierende
Literaturgeschichte trägt in das literarische Studium ein heterogenes
Element hinein, das in ihm keinen Platz einnehmen sollte.
Bornecque's und Röttger's Buch will vor Allem dem Studium
des 19. Jhdts. dienen. Da in höheren Klassen aus dem 17. Jhdt.
meist ganze Werke gelesen werden — gewöhnlich Tragödien Corneilles
und Racines oder Komödien Moli^re's — bringt er aus dieser Zeit
fast nur Theorien Boileau's, um sie mit den Theorien der Schriftsteller
des 19. Jhdts. zu vergleichen. Auch die Stücke aus dem 18. Jhdt.
sind in Hinsicht auf das neunzehnte gewählt; teils sind es Stellen
aus Rousseau oder Bernadin de Saint- Pierre, die man als Vorläufer
der späteren literarischen Bewegung betrachten kann. Im Commentaire
litteraire werden die Gründe auseinandergesetzt, weshalb gerade solche
und keine andere Stücke gewählt worden sind. An der Spitze der
einem Autor entnommenen Stücke findet sich ein Hinweis auf den
Zug, der in seinem Leben besondere Beachtung verdienen dürfte.
Ganz mit Recht vertreten die Herausgeber die Meinung, daß nicht
jedes biographische Detail die gleiche Beachtung verdiene. Dem ganzen
Werke geht eine Einleitung über die Entwicklung der französischen
Sprache, über die Grundzüge der Metrik und die Geschichte der
Literatur in ihren Hauptlinien voraus. Am Schlüsse findet sich eine
synoptische Tafel, welche die literarischen Ereignisse im Vergleich zu
den politischen, zu den persönlichen biographischen Daten, zu den
literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Begebenheiten anderer
Länder und Frankreichs auf den ersten Blick veranschaulichen will.
Auch finden sich zu jedem Stücke sehr detaillirte Bemerkungen die
die Lektüre erleichtern sollen.
Sehen wir uns das Werk, dessen Hauptrichtung wir eben zu
charakterisieren versuchten, jetzt etwas genauer an. Der Abriß über
die französische Sprachgeschichte könnte eigentlich ebensogut ganz
wegfallen. Die Lautlehre betrifft er kaum, nur etwas den Vocalismus,
sonst meist nur den Wortschatz. So fragmentarische Bemerkungen
blieben aber besser ganz weg. Sie lehren einen kaum etwas Neues
und können höchstens in die Irre führen. Für das Verständnis der
Texte sind sie auch ganz unnötig. Dagegen ist es schon viel nötiger,
daß der Schüler von Verslehre etwas wisse. Deshalb ist der Abriß
über die Metrik ganz willkommen. Die Übersicht über die Literatur-
geschichte will nur verstanden sein als „une sorte de trame dans
laquelle se placent les 6crivains dont nous avons choisi les morceaux.''^
Als solche erfüllt sie auch ihren Zweck, Nur zu drei Bemerkungen
kann ich einige Fragezeichen nicht unterdrücken, Ist es richtig zu
sagen, daß das 15. Jhdt. fast ganz unfruchtbar ist, daß man nicht
1) Der Vortrag ist in der Februarnummer 19 OS der „Neueren Sprachen^
p. 513 ff erschienen.
Henri Bornecque. Recueil de morceanx choisis. 203
wisse, worin sich die Sottie von der Farce unterscheide, daß der
Übergang vom Realismus zum Symbolismus im Drama durch Alexandre
Dumas fils gekennzeichnet werde? Wohl kaum.
Als charakteristische Stücke aus dem 16. Jhdt. werden uns nur
drei Gedichte Ronsards geboten. Die Beschränkung auf Wenig versteht
sich wegen des Zweckes des ganzen Buches. Doch hätte ich es lieber
gehabt, wenn statt Ronsard ein anderer Schriftsteller gewählt worden
wäre. In der Plejade hat zwar Ronsard einen hervorragenden Platz
behauptet. Die Begeisterung für die Antike in jener Zeit spiegeln
seine Gedichte sehr wohl wieder. Für die Charakterisierung des 16.
Jhdts. ist dies aber nicht genügend. Das 16, Jhdt. ist eine besonders
unruhige Zeit wilder Gährung, schroffer Gegensätze, übertriebener
Hoffnungen auf die Zukunft einerseits, zähen Festhaltens an der mittel-
alterlichen Vergangenheit anderseits. Dies alles würde aus einem
Stück aus Rabelais besser hervorgehen. Natürlich ist nicht Alles und Jedes
bei Rabelais als Schullektüre geeignet. Die Kapitel über die pädagogische
Erziehung des Riesen Gargantua im 1. Buch wären dagegen bis auf
eine Stelle einwandfrei. Im Anschluß an sie ließen sich auch interessante
Vergleiche mit Rousseau's Emile anstellen, Vergleiche wie sie sonst
die Herausgeber in ihrem Buche besonders empfehlen.
Das 17. Jhdt. eröffnet mit vollem Rechte Malherbe, dem als
Gegenstück eine Stelle aus einer Satire Regni er's an die Seite gestellt
wird. Es kommt den Herausgebern darauf an, von vorn herein zu
zeigen, wie der Sinn für Vernunft und Ordnung die Literatur des
17. Jhdts. beherrscht. Statt in dieser Richtung gleich weiter zu gehen
und sofort Descartes' Discours de la meilwde und Boileau vor-
zunehmen, wird aber als Vertreter der preziösen Zeit noch lia Roche-
foucauld eingeschoben. Die Aphorismen, die von ihm zitiert werden,
haben aber meines Erachtens nichts speziell Preziöses an sich. In
einem Satze wie „les vertus se perdent dans Vintiret comme les
fleuves dans les mers'^ finde ich nichts Gesuchtes und Affectiertes,
sondern nur einen ganz treffenden Vergleich, in dem die „pr^cision
et proprete des termes," die „clartS de ces breves formules,'^ wie
Hg. sonst richtig sagen, klar zum Ausdruck kommt. Überhaupt
erscheint mir La Rochefoucauld als Vertreter der Preziosität nicht
gut gewählt. Wollte man einen solchen wählen, würde man eher die
Scudery oder Voiture haben wählen können. Auch chronologisch ist
La Rochefoucauld, der 1613—1689 lebte, nicht an seinem Platze
vor Descartes (1596 — 1650). Ebenso hätte Corneille nicht nach
Boileau und Bossuet gestellt werden sollen. Die Ideen Corneille's
über das Drama fallen in das Jahr 1644, diejenigen Boileaus in das
Jahr 1660. Läßt man Corneille auf Boileau folgen, so erweckt es
beim Schüler unwillkürlich die Vorstellung, daß Corneille von ihm
beeinflußt worden ist.
Daß die Herausgeber im Hinblick auf die Theorien des 19.
Jhdts. , auf die Mitteilung theoretischer Stellen aus Corneille, Boileau,
204 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
Racine und Moliere den größten Wert gelegt haben, ist durchaus zu
billigen. Im Anschluß an solche Stellen lassen sich sehr leicht recht
fruchtbringende Übungen veranstalten. Die vernunftmäßige Richtung
IJoileau's, sein Haß des Zuviels in jeder Beziehung, sein Rat der
Natur zu folgen und das zu schildern, was man sieht und was wirklich
existierte, ließen sich zum größten Nutzen für das Verständnis der
einzelnen Epochen vergleichen mit den Tendenzen der zweiten Hälfte
des 19. Jhdts. Was verstand man im 17, Jhdt. unter Nachahmung
der Natur, was im neunzehnten? Die Realität darf zu Boileau's
Zeiten nie in Trivialität ausarten. Das äußerlich Reale, das Pittoreske
interessiert damals wenig. Abstoßendes darstellen will man damals
noch nicht. Warum ist in dieser Hinsicht ein Wandel eingetreten?
Läßt sich anderseits das Verhalten Boileau's den exaltiert romanesken
Bestrebungen von Autoren wie der Scudery gegenüber nicht vergleichen
mit den Bestrebungen der Realisten den Romantikern gegenüber? —
Den eben erwähnten theoretischen Stellen folgen solche über die
Querelle des anciens et des modernes, Stellen aus Boileau und
Perrault, auch diese wiederum vorzüglich geeignet zum Studium der
einzelnen Perioden der Literaturgeschichte. Einem geschickten Leser
wäre es ein Leichtes derartige Stellen in Beziehung zu bringen zu
den Zwecken, welche die Plejade verfolgte. Überhaupt wäre es
lohnend die Ansichten über die Antike in den einzelnen Perioden der
Literaturgeschichte zu verfolgen und die Wandlungen, die in dieser
Hinsicht vorgegangen sind, in ihren Bedingungen zu verfolgen. Für
die Schule freilich eine zu schwere Aufgabe; Bornecque's und Röttger's
Buch wäre aber für Studenten im Seminar auch durchaus als Leit-
faden geeignet.
Der Gedanke, der die Auswahl der Stücke aus dem 18, Jhht.
bedingt hat, ist ebenso originell wie berechtigt. Es werden die Stücke
ausgewählt, welche die Bewegung kennzeichnen, die zur Revolution
führte. Montesquieu, Voltaire, die Encyclopädie, einige Stellen aus
Rousseau werden aus diesen Gründen vorgeführt. Im Commentaire
Utteraire wird mit großem Geschick aufmerksam gemacht auf die
Verwirklichung dieser Ideen in der Declaration des droits de Vhomme
von 1789, in der DSclaration des droits von 1793, auf Vorgänge
in der konstituierenden und gesetzgebenden Versammlung und im
Konvent. Ein eingehender Vergleich der geschichtlichen Vorgänge
der Revolution mit den Ideen der sog. Philosophen des 18. Jhrhs.
wäre zum Verständnis der Tragweite dieser ganzen Literatur von
recht großem Werte. Auch hier eröffnet das Buch einen weiten
Horizont. Rousseau hat aber nicht bloß die politische Revolution
vorbereitet, er ist auch der Vater der literarischen Rebellion, die in
der Romantik sich kund gibt. Einige Stellen aus den Confessions
zeigen das Erwachen des Ichgefühls, einige Abschnitte aus der
Nouvelle Heloise und dem Emile das Aufkommen lyrischer Empfindung
und des Sinnes für die Natur; auch Bernardin de Saint Pierre bringt
Henri Bornecque. Recueil de morceaux choisis. 205
als Vorläufer der Romantik mit Paul et Virginie und den Etudes
de la Nature höchst willkommene Beiträge. Aus Andre Chenier
werden ebenfalls einige Gedichte mitgeteilt, auf Grund deren es recht
interessant wäre zu untersuchen, was in diesem Dichter klassisch im
Sinne des 17. Jhds. ist, was aber schon das Herannahen einer neuen
Zeit in der Poesie ankündigt.
Mit Chateaubriand erreichen wir bereits die Anfänge der
Romantik. Mit Recht haben die beiden Redaktoren ihm gerade sehr
eingehende Aufmerksamkeit geschenkt. Das „Ich" in seinem Werke,
seine Melancholie und sein Weltschmerz treten uns aus seinem „72me"
entgegen, die Erneuerung des religiösen Gefühls, das sich aber stets
mit ästhetischen Empfindungen, namentlich mit der Bewunderung der
gotischen Kunst, die seit der Renaissance verachtet war, vereinigt,
wird uns auf Grund des Genie du Christianisme, aus dem einige
ausführliche Auszüge gebracht werden, recht klar gemacht. Der Sinn
für das Malerische kommt in einigen vorzüglich gewählten Stellen
aus den Martyrs, den Memoires d'ovtre iomhe, dem Essai sur les
Rh'olutions und einigen andern Werken sehr gut zur Geltung. Für
Übungen ausgezeichnet ist die Nebeneinanderstellung verschiedener
Redaktionen derselben Beschreibung, so einer durch Mondschein
erhellten Landschaft, die Chateaubriand zweimal — im Essai sur
les revolutions und im Genie du Christianisme — gebracht hat.
Die Herausgeber verfehlen nicht zum Vergleich ähnliche Beschreibungen
bei Flaubert und bei den de Goncourt heranzuziehen. Durch derartige
Nebeneinanderstellungen wird die Eigenart der einzelnen Schriftsteller
recht deutlich. Neben Chateaubriand wird auch M™« de Stael als
Vorläuferin der neuen Schule betrachtet. An der Spitze der eigentlichen
Romantik werden zuerst die Theorien Victor Hugo's mitgeteilt. Es
sind wohl pädagogische Gründe, welche diese Einteilung veranlaßt
haben. Die Herausgeber wollten die neuen Theorien ganz besonders
klar zum Ausdruck bringen. Ob es aber nicht falsche Vorstellungen
erweckt, wenn Lamartine erst nach V. Hugo kommt? Er ist von
seinen Theorien doch ebenso wenig abhängig wie Corneille von
Boileau's Art poetigue. In der biographischen Bemerkung, die
Lamartine vorausgeschickt wird, ist meines Erachtens auch nicht das
hervorgehoben, was für seine Eigenart charakteristisch ist. Wir
lesen p. 145: „A signaler dans sa vie: Eleve ä la campagne —
Chef veritable du gouvernement provisoire en 1848'^ — Letzteres
ist für sein poetisches Wirken ganz belanglos, dagegen wäre es
wichtig, zu bemerken, daß er in seiner Jugend in der verweichlichenden
Umgebung von Frauen aufwuchs, und daß seine Erziehung streng
religiös war. Das hat seinem Wirken mehr den Stempel aufgedrückt.
Ganz vorzüglich sind dagegen wiederum die Vergleiche, welche die
Herausgeber auf Grund der mitgeteilten Gedichte ermöglichen. So
findet sich p. L32 unter Hugos Gedichten eine Stelle aus den Feuilles
d'automne aus 1830 neben einer aus 1856 aus den Contemplations,
206 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
welche uns zeigen, wie V. Hugo zu verschiedenen Zeiten seines Lebens
seine Dichteraufgabe auffaßte. Beim Gedicht „La Tristesse cV Olympio'*
wird nicht versäumt, auf Lamartine s Lac und A. de Musset's
Souvenir zum Vergleiche aufmerksam zu machen. Wie verschieden
sind doch die Empfindungen dieser drei Dichter aus derselben Zeit,
wenn sie sich allein am Orte wiederfinden, wo sie einst geliebt haben!
Die Eigenart der drei Romantiker läßt sich an der Hand solcher
Gedichte den Schülern weit klarer begreiflich machen als durch noch
so eingehende Beschreibungen und Schilderungen. Ich erblicke einen
der Hauptvorzüge des vorliegenden Buches darin, daß es auf die
vergleichende Methode beim literarischen Unterricht so großen Wert
legt. Ich habe selbst im Seminar diese Methode früher angewandt,
und die Erfahrung zeigte mir, daß sie den Unterricht außerordentlich
anregend zu gestalten vermag. So hatte ich z. B. Lamartine's Gedicht
L'automne einem Gedichte Sully-Prudhomme's auch über den Herbst
an die Seite gestellt. Die grundverschiedene Richtung des Romantikers
und Realisten — wenn man Sully-Prudhomme so nennen will —
springt sofort in die Augen. Lamartine sieht im Herbst nur die
traurige Jahreszeit, in der die Blätter von den Bäumen fallen, die
Nebel sich auf die Wiese niedersenken und die Seele des Menschen
von Melancholie erfüllt wird. Er entwirft davon eine tief zu Herzen
gehende poetische Beschreibung, die die Herbststimraung vorzüglich
zum Ausdruck bringt, trotzdem einige Details in der herbstlichen
Natur vielleicht nicht so genau beobachtet sind. Sully-Prudhomme
ist viel vollständiger. Der Herbst ist für ihn nicht bloß die Zeit
des zu Ende gehenden Sommers, sondern auch die Zeit der Ernte,
in welcher sich die Scheunen füllen. Er gibt sich nicht wie Lamartine
der Traurigkeit seiner Simmung einfach hin; für ihn und den Menschen
überhaupt — denn er denkt nicht bloß an sich — lehrt die
Betrachtung des Herbstes, daß man im Sommer ordentlich arbeiten
müsse, um in der schlimmen Jahreszeit mit Allem wohl versehen zu
sein. Die Moral der „Cigale et la fourmi^' Lafontaine's, die
utilitaristische Nutzanwendung, das ist für den Mann der nüchternen
zweiten Hälfte des 1 9. Jhrds. die Hauptsache, während die melancholische
Stimmung, mochte sie noch so unbestimmt und vage sein, für die
Romantiker im Vordergrund stand.
Ich habe mich sehr gefreut zu sehen, daß Bornecque und
Röttgers in ihrem Buch soviel vortreffliches Material liefern, das
dem Lehrer ermöglicht, diese Methode zu gebrauchen. Um nur noch
einige Beispiele anzuführen, denn mit der gleichen Ausführlichkeit
kann ich das ganze Buch nicht durchsprechen. Vortrefflch ist die
Gegenüberstellung einer Stelle aus Michelet über Frankreich und die-
jenige einer aus Guizot. Michelet ist lyrisch, enthusiastisch, parteiisch,
aber nicht ganz genau, Guizot dagegen kalt, logisch, objektiv, gerecht.
Ebenso interessant ist die Art, wie einerseits Michelet, anderseits
Thiers den Tod Mirabeau's erzählen. Die Tatsachen sind im Großen
Henri Bornecque. Recueil de morceaux choisis. 207
und Ganzen die gleichen, aber bei Michelet herrscht immer die Em-
pfindsamkeit vor; Thiers kommt es nur darauf an, vollständig und,
genau zu sein, Michelet legt das Hauptgewicht darauf Mirabeau in
einem Lichte erscheinen zu lassen, das ihn uns sympathisch er-
scheinen läßt.
Es versteht sich, daß ein geschickter Lehrer sich nicht bloß
an die hier mitgeteilten Aufgaben und Stücke zu halten brauchte,
um die vergleichende Methode anzuwenden. Es ist ein Verdienst des
Buches, daß es überall und nach jeder Richtung anzuregen
versteht. Eine ganze Menge von Aufgaben der verschiedensten Art
schwebt einem sofort vor, wenn man die vergleichenden Beispiele
sich ansieht, die hier aufgeführt sind. So wäre es eine recht lohnende
Aufgabe zu untersuchen, ob die Theorien Victor Hugo's auch in der
Praxis befolgt worden sind, ob die Realisten oder Naturalisten auch
in ihren Werken so vorgegangen sind, wie ihre Wortführer es em-
pfahlen. Ein Vergleich von Stücken wie Molieres Femmes savantes
einerseits, Pailleron's Le monde oü Von s'ennuie anderseits, die beide
zu verschiedenen Zeiten die gleichen Torheiten im Auge hatten, sie
aber ganz verschieden geißelten, oder eine Gegenüberstellung von
Moliere's Bourgeois geniilhomme und Augier's Le gendre de Mr.
Poirier, die beide den für den Adel schwärmenden Spießbürger
satirisieren, aber wiederum auf ganz verschiedene Art. Warum sind
die Stücke so ganz anders gebaut? Worauf legen die einen, worauf
die andern deu Hauptnachdruck? Schließlich noch ein Beispiel.
Vergleich der beschreibendenArt Chateaubriand's mit derjenigen Balzac's.
Dem ersten kommt es auf das Hervorleuchtenlassen einer Vision an,
wenn sie auch im einzelnen nicht richtig ist, dem andern ist skrupu-
löse Genauigkeit die Hauptsache.
Neben diesen vergleichenden Aufgaben wären entwicklungs-
geschichtliche von großem Werte: Verfolgen der Empfindsamkeit vom
18. bis ins 19. Jahrb., Art und Weise der Charakterisierung bei
den Komikern von Moliere bis auf unsere Tage, Beschreibung der
Natur in den verschiedensten Perioden der Literatur. Wenn derartige
Aufgaben natürlich nur dann erschöpfenden, wissenschaftlichen Wert
hätten, wenn sie auf Grund sämtlicher vorhandener Texte unternommen
würden, so haben sie doch für Anfänger methodischen Wert, wenn
sie an der Hand auch nur einiger Texte versucht werden. Schon
so geben sie eine Ahnung von der Entwicklung der Literatur oder
von der Eigenart der Schriftsteller. Und das ist selbstverständlich
viel wichtiger als alles öde Compendienochsen, das leider so viel
getrieben wird.
Ich bin sicher, daß das Buch von Bornecque und Röttgers unserer
studierenden Jugend — denn nicht bloß für Schüler, auch für Studenten
ist es nützlich — die größten Dienste leisten wird. Zur Vervoll-
ständigung wäre auch die LittSrature frangaise d'apres les textes von
Ren6 Canat zu gebrauchen, ein ganz vorzügliches Buch, welches auch
208 Referate und Rezensionen. Heinrich Schneegans.
nach derselben Richtung hin arbeitet, aber viel detaillierter ist, wenn
auch die Texte nicht so zahlreich sind. Nur in einigen Punkten,
die in einer zweiten Auflage, die gewiß nicht lange auf sich warten
lassen wird, geändert werden könnten, bin ich mit der Einteilung,
Anordnung, Auffassung oder Auswahl der beiden Herausgeber nicht
einverstanden.
An die Spitze des Realismus wird p. 275 Renan gestellt. Ich
hätte lieber Taine an diesem Ort gesehn. Renan hat einen spiritua-
listischen und optimistischen Zug an sich, welcher den meisten Autoren
der Zeit abgeht und für die Richtung der Epoche nicht charakteristisch
ist. Renan's Vervollkommnungstheorien haben nur die Wenigsten
angenommen. Die meisten Autoren stehen unter dem Einfluß des
Positivismus. Von dem Gesichtspunkte aus wäre es sogar am
richtigsten gewesen einige Stellen aus Auguste Comte an die Spitze
des Abschnitts zu stellen. Comte ist weit wichtiger als Claude Bernard,
den die Herausgeber — wohl aus Rücksicht auf Zola — anzuführen
nicht für überflüssig hielten. Taine's Bedeutung wird aber nicht in
ihrem vollem Lichte gewürdigt, wenn er nur die Romanschriftsteller
einleitet. Er würde direkt nach Comte und vor Renan als Beherrscher
der ganzen realistischen Bestrebungen an seinem rechten Platze
stehen.
Warum Alexandre Dumas fils nicht mehr zum Realismus
gerechnet wird und nach Baudelaire und vor Alphonse Daudet ge-
stellt wird, als Einführer einer neuen dramatischen Periode, wird mir
nicht recht klar. Daß der Symbolismus schon bei ihm vorkommt,
glaube ich kaum. Ich würde ihn von Emile Augier nicht trennen.
Eher würde ich ihn für unter dem Einfluß der Romantik stehend
ansehen, wenn er „powr dSgager la legon morale . . . doit arranger
les faits de maniere ä la mettre en reliep^ (p. 104). Ob es über-
haupt nicht angezeigt gewesen wäre, neben Emile Augier und Dumas
noch andere dramatische Schriftsteller heranzuziehen? Gerade das
Drama hat in dieser Zeit des französischen Theaters einen so hervor-
ragenden Platz eingenommen und so großen Einfluß ausgeübt, auch
auf das Ausland, daß mir eine stärkere Betonung desselben wohl
richtiger erschienen wäre. Gerade das komische Theater hat ja die
ganze Welt erobert. Warum nicht aus Labiche einige Scenen bringen?
Was Rostand betrifft, wäre mir Cyrano de Bergerac viel sympathischer
gewesen als der Aiglon. Auch Brieux oder Hervieu hätten nicht über-
gangen zu werden brauchen.
Endlich hätte ich bezüglich Coppee's eine kleine Anmerkung zu
machen. Unter der Rubrik „a signaler dans sa ^•^e" wird bemerkt:
Ne ä Paris et veritable Parisien. Das ist zwar ganz richtig, aber
warum dann unter den Gedichten, die doch mit dieser Bemerkung
übereinstimmen sollten, solche anführen, die mit Paris gar nichts zu
tun haben: aux bains de mer, une legende'^ Gerade diese biblische
Legende ist für die Eigenart Coppee's durchaus nicht gut gewählt.
Duc de La Salle de Rochemaure. RScits Carladeziens. 209
Irgend eine Beschreibung aus der Banlieue von Paris wäre viel eher
am Platze.
Doch das sind alles nur geringfügige Ausstellungen, die den
Wert des Buches an sich durchaus nicht beeinträchtigen. Ich kann
am Schlüsse nur wiederholen, was ich im Laufe dieses Artikels schon
öfters andeutete. Das Buch entspricht einem lebhaften Bedürfnis.
Ich hoffe und wünsche, daß es dazu beitragen wird, eine neue Aera
im Betreiben der modernen französischen Literaturgeschichte an unsern
Schulen und auch auf unsern Seminarien einzuleiten. Es tut not,
daß in dieser Hinsicht etwas geschehe.
Würzburg. Heinrich Schneegans
La Salle de Rochemaure, Duc de. Recits Carladeziens.
Dialecte du Carladez. Preface de: A. Vermenouze. Aurillac.
Imprimerie Moderne. XV. 427 S. In-80.
Die neuprovenzalische Renaissance, insbesondere die Anerkennung,
die dem Verdienste Roumanille's und MistraPs in so reichen Maaße
zu teil geworden ist, hat schon frühzeitig andere Sprachgebiete Süd-
frankreichs zum Wetteifer angespornt. Bereits 1860 veröffentlichte
Veyre, der erste „FelibreCantalien" seine mit viel Beifall aufgenommenen :
Pioulats de rei-petit (Pepiements de Roitelet)^ noch bekannter
sind die anmutigen Dichtungen von Vermenouze, dem gegenwärtigen
Haupt (Capiscol) der Dichterschule der Auvergne: Flour de Brousso
(Fleurs de Bruyere), Moun Oubernhe (Mou Auvergne), En plen-
hen {Ell plein vent) und Jious lo Cloutchiado fSous le chaume)^
vier reichhaltige Sammelbände geworden. Im Jahre 1902 hat auch
noch der Abbe Four, Professor am Seminar von Pleaux (Cantal), der
gelehrte Grammatiker der Feliber der Auvergne, unter dem Titel
Elements de grammaire Languedocienne, beachtenswerte sprach-
historische Angaben über die „Langue Cantalienne et son Dialecte
Carladezien" veröffentlicht. Diesen und anderen wertvollen Publicationen
hat nun neuerdings, von gleicher Liebe für die engere Heimat beseelt,
der Herzog von la Salle de Rochemaure ein köstliches Bändchen
Prosa angereiht, zwölf kürzere Erzählungen, die in ihrem frischen
Erdgeschmack mit Roumanille und Daudet 's Erzählerkunst den Vergleich
aufnehmen können.
Auf den ausdrücklichen Wunsch des Verfassers hat A. Vermenouze
eine Vorrede zu den eigenartigen Erzählungen geschrieben, die in an-
heimelndem Plauderton den Leser bereits auf die ungezwungene
Munterkeit des „Carladez" vorbereitet. Vorausgeschickt sind überdies
zur besseren Orientierung einige wissenswerte Noticen über die Aus-
dehnung, die Geschichte und den sprachlichen Charakter des außer-
halb Frankreichs immer noch wenig beachteten Dialektes. Sein Sprach-
gebiet umfaßt heute die beiden Departements „da Cantal et de
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXXII 2. 14
210 Referate und Rezensionen. M. J. Minckwitz.
V Aveiiron^'"'' mit Ausbuchtungen nach den Bezirken von Murat, Aurillac
und Espalion, erstreckt sich über etwa 110 Quadratmeilen im Umkreis
und weist eine Bevölkerung von annähernd 80 000 Köpfen auf. Der
Hauptort der Gegend, das alte Vic-en-Carladez, heute Vic-sur-Chre,
ist zugleich der Mittelpunkt für alle Verwaltungsangelegenheiten und
Sitz der höchsten Justizbehörde. Vor dem Ausbruche der französischen
Revolution bezog der Fürst i) diese kleinen Ländercomplexes zwischen
sechs- und siebenhunderttausend Frank Einkünfte aus den Händen
stark unredlicher Verwalter.
Über die Geschichte dieses ehemaligen, im Herzen hoher Gebirgs-
ketten gelegenen Fürstentumes liegen sehr alte Dokumente vor. Die
ältesten Nachweise datieren aus der Römerzeit. Die gallo- romanische
Herrschaft im „ Cariat'-'- erreichte mit der Niederlage von Syagrius
bei Soissons (485) durch Chlodwig ihr Ende. Seit dem Erstarken
der fränkischen Herrschaft wechselten die regierenden Häuser im Cariat.
Die Jüngere Linie der Grafen von Toulouse, spanische Beziehungen
vorübergehender Art, der jüngste Sohn des Königs Johann des
Guten von Frankreich, daß Geschlecht der Connetable d' Armagnac,
das Haus Bourbon, schließhch (seit 1572) Wittwensitz der Königinnen
Frankreichs von Katharina von Medici bis zu Margarethe von Valois,
der Gemahlin Heinrichs IV, die hier in der Verbannung lebte. Seit
1643 war das Gebiet von Cariat als Grafschaft durch Ludwig XHL
an Honore de Grimaldi, den Fürsten von Monaco, als Entschädigung
für die Verluste im Mailändischen abgetreten. Die französische
Revolution macht auch dieser Feudalherrschaft ein Ende. Man
begreift aus dieser kurz gedrängten Übersicht, welche Schätze
für historische Novellen in den alten Pergamenten dieses Territoriums
aufgespeichert sind. An langen Winterabenden hat der Herzog de
la Salle in diesen Chroniken seiner engeren Heimat blätternd, Notizen
„en poiai'-'' aufgezeichnet und „cossi es noscut, sou que rnen tratchi,
oquel libron.""
Mit Ausnahme der pikanten, Mistral gewidmeten Erzählung:
TjOu Courseiet de lo Reyno (Le Corset de la Reine)^) und der
von grausigem Humor belebten Molhurs d'un Utchii (Les Mesa-
ventures d'un Huissier) sind hauptsächlich geschichtliche Momente
aus Schreckenszeiten, den Religionskriegen, Feudalkämpfen, der
Revolution von 1789, mit plastischer Anschaulichkeit wiedergegeben.
Persönliche Erinnerungen spiegelt der Bericht: Dous Princes en
Corlodes {Deux Princes en Carladez). Auf dem stark persönlichen
Gepräge beruht der Hauptreiz des zwar nicht kostbar aber ländlich-
sittlich ausgestatteten Büchleins. Der Leser muß diesen Verfasser
lieb gewinnen, der den Heimatsdialekt mit Meisterschaft handhabt
und, völlig frei von persönlicher Eitelkeit, dennoch seine eigenen
') Aus dem Geschlechte der Grimaldi, Fürsten von Monaco.
2) Gemeint ist die galante Gemahlin Heinrichs IV. von Frankreich.
Neue Schulausgaben französischer Schriftwerke. 211
Lebensanschauungen mit dem Faden des Berichtes verknüpfend, seiner
harmonischen Weltanschauung zu liebe, viel mehr über seine eigene
Persönlichkeit ausplaudert, als er selbst zu ahnen scheint.
Dieses anmutige kleine Denkmal der Dialektpflege möge den
Sprachforschern von neuem zum Anlaß werden, noch rechtzeitig an
dieser Quelle zu schöpfen, die trotz der tapferen Neubelebungsversuche,
über kurz oder lang unter dem Drucke der Centralisation zu versiegen
droht. Auch hier gilt die "Warnung Gaston Paris': Si nous ne pouvons
empccher La flore naturelle de nos champs de perir devant la culture
qui la remplace, nous devons, avant qu'elle disparaisse tout ä
faiti en recueillir avec soin les echantillons^ les decrire, les disse-
quer et les classer pieusement dans un grand herbier national.
MtJNCHEN. M. J. MiNCKWITZ.
Neue Schulausgaben französischer Schriftwerke.
1. Scribe, E. h Verre cfEau. Edition accompagnee d'un commentaire et
d'un questionnaire-repetiteur par J. D e 1 ä g e. Leipzig, B. G. Teubner,
1905. Preis 2 M. 1. Texte et Vocabulaire, X -f 141 S. II. Notes
et repetiteur, 83 S.
2. Loti, P. Pecheur d' Islande. Für den Schulgebrauch erklärt von 0. E. A.
Dick mann, Leipzig 1906, Renger. VIII + 103 S. Text + 9 S.
Anmerk. Preis 1,60 M. [= Franz. u. engl. Schulbibliothek,
herausgeg. v. 0. Dickmann, feand 150].
3. Chuquet. la Guerre 1870—71. Im Auszug. Für den Schulgebrauch
erklärt von K. Quossek. Leipzig 1906, Renger, VIII + 114 S.
Preis 1,40 M. [= ebenda Band 151].
4. Französische Lebensweisheit. Montaigne, Pascal, La Rochefoucauld., La ßruyere,
Vauvenargues. Ausgewählt und herausgeg. von M. Kuttner.
Bielefeld, Velhagen u. Klasing 1906. VI + 124 S. Text -f 11 S.
Anhang. Preis 1 M. [= Velhagen u. Klasings Samml., Prosateurs
frangais 162 B.j
5. Barrau, Th. H. EisUnre de la Revolution fran^aise depuis 1789 jusqu'ä
la mort de Robespierre. Für den Schulgebrauch ausgewählt und
erklärt von F. Petzold; ebenda 1906. 163 S. Text + 39 S.
Anhang. Preis 1,30 M. [= dslb. Samml. 165 B.]
6. Lame Fleury, M. VHistoire de France racontee ä lajeunesse. Im Auszüge
mit Anmerkungen zum Schulgebrauch herausgeg. v. W. Coordts;
ebenda 1906. 201 S. Text + 17 S. Anhang. Preis 1,40 M. [=
dies. Samml. 166 B.]
7. Meliere, le Bourgeois Oentilhomme. Mit Anmerkungen zum Schulgebrauch
herausgeg. von M. Waldmann. Mit einem Wörterverzeichnis.
München 1906, J. Lindauer. Vll -f 105 S. Preis 1 M. [= Franz.
u. engl. Klassiker-Bibliothek herausgeg. von Bauer u. Link No.49].
8. Saintine, Picciola. Herausgeg. mit Wörterbuch und Erläuterungen in
gekürzter Fassung von L. Appel. München, J Lindauer 1906.
IV + 118 S. [= dies. Samml. No. 50.)
9. Vigny, Ä. de, la Veillee de Vince?ines et Laurette ou le Cachet rouge. Mit
Anmerkungen und Wörterverzeichnis herausgeg. v. G. Buchner;
ebenda 1906. IV + 94 S. [= dies. Samml. No. 51].
14*
212 Referate und Rezensionen. A. Sturmfels.
10. Dutoit, M. Nocle. Herausgeg. v. E. Wasserziehcr u. E. Schild.
Leipzig R. Gerhard. 1906. I. Teil: Einleitung und Text, VII +
135 S. Preis 1,60 M. II. Teil: Anmerkungen und Wörterb. 48 S.
Preis 40 Pf. [= Gerhards franz. Schulausgaben No. 21].
11. Stolz. Mme. de, la Maison RouUmte. Mit Anmerkungen, Fragen und
Wörterb. nach der 9. Aufl. des Originals bearbeitet v. Dr. Rahn.
Dresden, G. Kühtmann, 1905. 94 S. Text, 35 S. Anmerkungen u.
Fragen, 34 S. Wtb. Preis 1,20 M.
1. Nachdem schon in den Sammlungen von Velbagen <& Klasing, Renger,
Perthes, Weidmann u. A. Schulausgaben dieses Lustspiels erschienen sind,
müfste diese Veröffentlichuntr sehr auffallen, wenn sie nicht als erste
Reformausgabe des Stückes in den Augen derjenigen Berechtigung hätte,
die Scribe's Verre d'Emi der Aufnahme in den Kanon der französischen
Schullektüre würdig erachten. Da ich mich in Band XXI II, S. 1.59 dieser
Ztschr. gelegentlich der Besprechung der Rengerschen Ausgabe über den
Wert des Stückes als Schullektüre geäufsert, will ich mich hier auf die
Beurteilung dieser neuesten Ausgabe beschränken. In ihrer Anlage stimmt
sie mit den früher in der gleichen „BihUotMque franqaise <> Vusaoe des classes"'
erschienenen Bändcheu überein. Der Kommentar ist sehr umfangreich und
mufs sehr häufig, um das Verständnis zu erleichtern, die Verdeutschung
seltenerer Wörter und Wendungen geben. Da jedoch noch sehr viele, im
Text nicht vorkommende Wörter desselben im beigegebenen französisch-
deutschen SpezialWörterbuch sich nicht finden, wird der Schüler bei Benutzung
desselben behufs häuslicher Vorbereitung oder Wiederholung oft in Verlegen-
heit kommen. Oder ist der Kommentar nur für den Lehrer bestimmt?
Von Einzelheiten sind mir folgende aufgefallen: Die englische Guinea (zu
S. 3,1) ist nicht mehr im Kurs und galt 21, nicht, wie behauptet ist,
20 Schilling. — Zu S. 16, 11 mufste die englische Form (rout) des Wortes
raout angegeben werden, das die Franzosen nebenbei bemerkt oft auch ra-ut
(mit lautendem tl) sprechen. — Vhomme ii la chiquenaHde, das sich S. 6, 22
zum ersten Male findet, ist erst zu S. 40, 5 erklärt. — Die Fragen des
Quesiionnaire sind wohl nur für junge, im Unterrichten noch nicht geübte
Lehrer bestimmt. Die Themata der Exercic.es de redncHon. die natürlich nur
zum geringsten Teil behandelt werden können, geben reiche Anregung und
dürften allgemein Anklang finden, während die drei Seiten Bemerkungen
über die Aussprache (S. 79—82) für die Stufe, auf der das Lustspiel gelesen
werden kann, zu spät kommen.
Druck und Ausstattung sind gut, doch scheint die Korrektur sehr
flüchtig erfolgt zu sein, da sich im Text und Kommentar noch viele Druck-
fehler finden. Text S. 14, 11 wigh (statt whig); S. 34, 11 te (statt le);
S. 88, 28 le (statt la); S. 89, 20 droits (statt droit); S. 103, 18 la (statt le);
Kommentar S. 21, 4 ist die Stelle aus Byron's Corsair (What lost a world,
and bade a hero fly? The timid tear in Cleopatra's eye.) falsch zitiert.
S. 33, 2 V. u. coainntre (statt counaitre); S. 39, Mitte dejä (statt dcjä); S. 43,
9 exagerent (statt exagere); S. 55, 3 Reton (statt Raton). — Autfallen mui's
ferner, dal's auf dem Titel der Name des Herausgebers unmittelbar neben
den des Verfassers gestellt ist, als ob J. Deläge einer der zahlreichen
Mitarbeiter Scribes gewesen wäre.
2. Nachdem der „Islandfischer" in den Sammlungen von Kühtmann,
Freytag und Velhagen- Klasing erschienen war, konnte die Aufnahme
desselben in die Rengersche Schulbibliothek bei der Gediegenheit und
Beliebtheit dieses Romans nicht fraglich sein. Die jetzt vorliegende Aus-
gabe braucht den Vergleich mit den erwähnten, sowohl in bezug auf die
Textgestaltnng als auch auf die Erklärung, nicht zu scheuen. Der Text
ist mit grofsem Geschick beschnitten, so dafs die Hauptgestalten und ihre
Beziehungen untereinander dem Leser lichtvoll und plastisch vor die Augen
I^eue Schulausgaben französischer Schriftwerke. 213
treten. Der Kommentar ist auf Grund des Studiums der einschlägigen
Literatur über Land und Leute verfafst. — Von Einzelheiten sind folgende
zu bemerken: Zu S. 1, 20 {en breion) mufste angegeben werden, dafs die
altbretonischen Dialekte keltischen, und nicht (wie das Französische)
romanischen Ursprungs sind. — Die Erklärung zu S. 11, 23 gibt keine
Definition von pardon, das Reuschel in der Freytagschen Ausgabe klargestellt
hat. — epave S. 15, 28 wäre besser gleich erklärt worden, da der Hinweis
auf eine spätere Stelle (hier auf S. 35, 25) doch keine Erleichterung
bedeutet. — Was ist cabotarje S. 18, 40? — Bei VInde (S. 44, Z. 36) ist doch
nicht an Westindien zu denken, wie die Anmerkung sagt, sondern nur an
Vorder- und Hinterindien im südlichen und südöstlichen Asien. — Von
Druckfehlern sind mir aufgefallen: Text S. 26, Z. 18 Marie (statt Marie);
Anmerkungen S. 3, L. 1 1 v. o. exerca (statt q) ; S. 4, L. 4 v. u. sure (statt ü)
3. Die Gründlichkeit und Unparteilichkeit Chuquets haben die Aufmerk-
samkeit deutscher Schulmänner schon mehrmals auf seine Geschichte des
Krieges 1870—71 gelenkt. So hat Hengesbach die Abschnitte über
Rezonville, Saint-Privat, les places fortes et la marine, Beaumont und Sedan
in sein Bäudchen la Guerre 1870—71 (Berlin, R. Gärtner, 1901) aufgenommen,
und A. Krause hat den Abschnitt über Sedan für seine Recits mixtes de la
Guerre 187(1—71 gewählt. Vorliegende Ausgabe ist lediglich Chuquet
gewidmet. Sie enthält — fast ohne jede Auslassung — die vier ersten
Kapitel, die die Vorgänge bis zur Schlacht bei Sedan darstellen. Skizzen
der Schlachtfelder und eine gute Übersichtskarte erleichtern bei den Schülern
das Verständnis für die Vorgänge und erhöhen ihre Anteilnahme an den
geschilderten Ereignissen. Der gröfste Teil der Anmerkungen wird durch
biographische Notizen über das Leben der im Text genannten Persönlichkeiten
gebildet. Dabei ist auffallenderweise Margueritte, der Vater der Schriftsteller
Paul et Victor Margueritte, (S. 78, 14) unbeachtet geblieben. — Doch sind
auch die militärischen Verhältnisse und vorkommenden Fachausdrücke
genügend erläutert. — Von Druckfehlern ist mir nur rententissait (S. 6, 36
statt retentissait) aufgefallen.
4. Diese Auswahl aus den grofsen französischen Moralisten wird von
den Neuphilologen freudig begrüfst werden, die mit Ruska-Heideiberg der
Ansicht sind, dafs Fragen der philosophischen Propädeutik und Moral im
neusprachlichen Unterricht behandelt werden sollen. Doch sind philosophisch
gerichtete Lehrer und gut beanlagte Schüler unerläfsliche Voraussetzung.
Die französisch geschriebenen biographischen und literarischen Einleitungen
zu den einzelnen Schriftstellern stammen aus der Feder eines Franzosen,
A. Rouques, berücksichtigen jedoch nicht immer den Standpunkt eines
deutschen Primaners, für den das Bändchen doch in erster Linie gedacht
ist. Das Verständnis der ausgewählten Texte selbst setzt auf jeden Fall
eine geistige Reife, praktische und gesellschaftliche Lebenserfahrung,
Beobachtungsgabe und Abstraktionsfähigkeit voraus, wie sie nur wenige
Primaner besitzen und besitzen können.
5. Theod. H. Barrau ist in verschiedenen Sammlungen vertreten ; bereits
1889 hat Lengnick in der Rengerschen „Schulbibliothek" einen gut
kommentierten Auszug veröffentlicht, der bis zum Sturz des Königtums
führt. Dann hat Wershoven in „üistoire de la revolution franqaise'^ (Berlin,
R. Gärtner 1900) Barrau in erster Linie berücksichtigt. Ferner enthält das
von Gafsmeyer herausgegebene Bändchen la Revolution fran^aise (Ve\ha.gen —
Klasing 1903) einen Abschnitt (Prise de la Bastille) aus Barrau. Die darin
liegende Anerkennung verdient der französische Historiker in vollstem Mafse.
Jünger als die Werke von Mignet und Thiers, vermeidet seine Darstellung
die Fehler und Übertreibungen der letzteren; und was die Sprache sowie
die Verständlichkeit der Erzählung der Hauptereignisse anlangt, so kann
sich dieselbe ebenbürtig neben die Darstellung von Duruy (Ausgabe von
M. Hartmann. Leipzig, P. Stolte) stellen, dessen Stil oft zu prägnant und
214 Referate und Rezensionen. A. Sturmfels.
schulmäfsig trocken ist. Die vorliegende Auswahl von Petzold sowie der
heigegebene Kommentar verdienen uneingeschränktes Lob. Eine schön
ausgeführte Karte von Paris beim Ausbruch der Revolution und ein Personen-
verzeichnis mit vollständiger Angabe ihres Vorkommens im Text und Anhang
seien besonders erwähnt.
fi. Diese Auszüge aus der Uistoire de France des bekannten Jugendschrift-
stellers können den Mittelklassen unserer Schulen als Anfangslektüre empfohlen
werden. Die schlichte, oft, wenn auch nicht aufdringlich religiös gehaltene
Darstellung erinnert an die in Deutschland allgemein bekannten Andrae'schen
.,Erzählungen aus der Weltgeschichte"; doch zeugen die letzteren von
gröfserem pädagogischen Geschick, insofern sie in richtiger Kenntnis der
Stufe, für die sie bestimmt, die Persönlichkeiten plastischer gestalten, die
Vorgänge lebendiger, dramatischer sich abspielen lassen. Multum, non
multa! Der Franzose hat sich in Bezug auf Namen und Ereignisse nicht
immer die gebotene Beschränkung auferlegen können. Vielleicht darf bei
dem Mangel an Zeit dem deutschen Herausgeber dieses Auszuges derselbe
Vorwurf gemacht werden. In seinem Anhang gibt er mit Recht nur kurze
sachliche oder historische Erklärungen in knappster Form. Warum ist aber
dem Text nicht ein die Überschriften der Auszüge enthaltendes, dem unter-
richtenden Lehrer unentbehrliches Inhaltsverzeichnis beigefügt?
7. Molieres Bowrjeois Gemilhomme verdient stets einen Ehrenplatz im
Kanon unserer französischen Schullektüre, da das Stück, eins der Meister-
werke des grofsen Dichters, wegen seines köstlichen Humors und wegen der
leichten Verständlichkeit der Charakteristik unsere Jugend ganz besonders
anspricht. Aber obgleich die Lektüre dieses Lustspiels, das man wohl
besonders der Unterprima zuweisen wird, den Lernenden verhältnismäl'sig
wenig Schwierigkeiten bietet, so ist die Wahl der Ausgabe doch nicht gleich-
giltig, da es sich immerhin um die genaue und vollständige Erklärung
verschiedener sprachlicher und sachlicher Schwierigkeiten handelt. Dafs diese
Forderung von dem Herausgeber der vorliegenden Ausgabe durchaus erfüllt
worden ist, kann nicht behauptet werden. Der Herausgeber gibt zunächst
mehrmals Erklärungen im Wörterbuch, die man im Anhang zu suchen berechtigt
ist: so zu S. 34, 25 (fai dine quand je le vois), S. 68, 23 (je rous le donnerais era
Uen des fois) u. ö. Dann fehlen unentbehrliche Erklärungen zu folgenden
Stellen: S. 28, L. 28 {eur. ai, die bald als Interjektionen der Freude, bald
als Wiederholungen der vorausgehenden Endungen von momieur, crlverai auf-
gefafst werden); S. 50, L. 14 {ne iti'en donnes — tu point h fjarder'^); S. 5l,
L. 29 {touchez In.'); S. 61, L. 29 (je le quitte ich kann mich vor Staunen nicht
fassen); S. 81, L. 28 {je Viral dire u Rovie). Quenssi queumi (S. 47, L. 21) ist
im Wörterbuch nicht erschöpfend erklärt. Die Erklärung zu S. 41, L. 24:
j'ai donnc pmir vous Vordre qu'il faut au cuinnier ist ganz hinfällig, da hier der
Artikel wegen des folgenden Relativsatzes auch nach heutigem Sprachgebrauch
nötig wäre. Ferner fehlen im Wörterbuch intermede,potage, die Grundbedeutung
von prerogative (Vorrecht!), die Form truchement, die der Text gibt, neben
der jetzt vorherrschenden Form trucheman Die Bedeutung „Mahl" für cadeau
neben „Geschenk" mufste der Vorsicht halber als Bedeutung des 17. Jahrb.,
carriau (neben carreau) als dialektische Form bezeichnet werden. Endlich
sind folgende Druckfehler festzustellen: Quais (S. 30, 3 statt ouais), querir
(S. 38, 12 statt querir), das Komma hinter curiosite (S. 41, 32), c'etait
(S. 64, 15 statt c'etait), paien (S. 86, 16 statt paien), embegouiner (S. 94
statt embeguiner). — Mit den bewährten Ausgaben von Fritsche (Weidmann),
Schefifler (Velhagen - Klasing) und Mangold (Renger) kann die von Waldmann
demnach einstweilen nicht wetteifern.
8. Diese Ausgabe des einst so beliebten Romanes Picciola, in dem die
Rückkehr eines mit sich und der Welt zerfallenen Zweiflers und Menschen-
feindes zu Gottvertrauen und Nächstenliebe unter dem Einflufs der
Neue Lehrbücher der französischen Sprache. 215
Beobachtung des Wachstums einer schlichten Pflanze in wirklich herz-
bewegender, zu ernstem Nachdenken anregender Weise geschildert ist, kann
neben der Ausgabe von Lengnick (Renger, Leipzig) unseren Schulen empfohlen
werden. Die Kürzung des Originals, das kaum in einem Jahre, geschweige
in einem Semester gelesen werden könnte, ist mit Geschick vorgenommen.
Nur wenige Einzelheiten sind zu beanstanden : Seite 20, L. ."0 ist h grand
air (die freie Xuft, wie S. 53, 5) fälschlich als les maniires du grand monde
erklärt. »Sa gracieuse nonchalance de creole (S. 52, 6) ist ungenügend erklärt.
Druckfehler sind : remedier (S.30, 10 statt remedier), etaies(S.58, 26 statt etais).
9. Diese beiden Erzählungen, der Sammlung „Servitude etgrandeur militaires'-'
entnommen, spielen in der Zeit der Republik und Restauration und ver-
herrlichen, dem Grundgedanken der ganzen Sammlung entsprechend,
militärische Tugenden. Sie können in den oberen Klassen zur Privatlektüre
empfohlen werden. — Eine Erklärung fehlt bei den lateinischen Wendungen
S. 4, Zeile 18 — 19 und bei Orcades S. 9, Z. 17. An Druckfehlern sind zu
verzeichnen: S. 61, Z. 1 das Fehlen des Kommas vor car; S.74, letzte Zeile 1802
statt 1822; S. 80 dessecher statt dessecher. Im Wörterbuch fehlen: aiguille (zur
Erklärung von S. 26, L. 23 aller defil en aiguille, das mit „ausführlich erzählen"
doch nur abstrakt wiedergegeben ist), duvet, ßorissant, frimas, hamac, herse,
dessen Grundbedeutung „Egge" vor allem zu geben war, Jone, par impossibk,
loup^ peau, Synthese.
10. Die Erzählung schildert die Besserung eines vernachlässigten und
verrohten Waisenkindes unter dem Einflufs des Verkehrs mit einer gleich-
alterigen Blinden, deren treue Mutter den beiden Kindern alle Fürsorge
widmet. Da der Text keine sprachlichen und sachlichen Schwierigkeiten
bietet, so kann das Buch den Oberklassen der Mädchenschulen als Privat-
lektüre empfohlen werden.
11. La Maison Roulante, die traurigen Folgen kindlichen Ungehorsams
vorführend, kann unseren Sekundanern als unschuldige Privatlektüre
empfohlen werden. Die Anmerkungen bestehen vorzugsweise aus Über-
setzungshilfen. Ganz verfehlt ist die Erklärung zu canton (S. 1, Z. 6): darnach
gäbe es heute keine cantons mehr, während der Herausgeber doch wohl wissen
dürfte, dafs die Arrondissements jetzt noch in cantons eingeteilt sind. — An
Druckfehlern sind mir aufgefallen: Text S. 7. L. 3 vas statt vais; Anhang
S. 2, zu 5-^, te statt de. — Wozu das Questionnaire dienen soll, ist mir nicht
ersichtlich: denn wird das Buch als Klassenlektüre gewählt — wozu ich es
nicht empfehlen kann, so lange wertvollere, klassische Werke zur Verfügung
stehen, — dann wird der jüngste und ungeübteste Lehrer solche Fragen
stellen können; und bei der Privatlektüre kommen die Fragen doch nicht
zur Verwendung.
Nene Lehrbücher der französischen Sprache.
1. Alge, S. et Rippmann, W. Lecons de franqals basces sur les tahleaux de
Hoehel. Neuviöme edition entierement refondue. I. avec 4 tahleaux.
194 pages. M. 1,80. IL 218 pages. M. 1,80. St. Gall. Librairie
Fehr 1905. Fr. Brandstetter, Leipzig.
2. Knörich, W. Franz. Lese- und Lehrbuch, IL Teil, 2. und 3. Unterrichts-
jahr. 2. Auflage M. 2,80. XV+279 Seiten. Hannover, Karl Meyer
(Gustav Prior).
3. A. Ohlert U. Luise John, Lese- u. Lehrbuch der franz. Sprache für höhere
Mädchenschulen. [Ausgabe B,] 6. Aufl. M. 2,40; 1906 Carl Meyer,
Hannover- Berlin.
4. Boerner, O. Freds de grammaire fran^aise a Vusage des classes de franqais
de l'enseignement secondaire en Allemagne. Traduit de l'allemand par
J. Deläge. X + 200 pages. 1906. M. 2,60. Leipzig -Berlin, B.
G. Teubner.
21 G Referate und Rezensionen. A. Sturm f eis.
5. Haberlands rnterrichtslriefe für das Selbststudium lebender Fremdsprachen
mit der Aussprachebezeichnung des Weltlauischriftvereins. Französisch von
H. Michaelis u. P. Passy. Kursus I. 20 Briefe. 428 Seiten.
M. 15. E. Haberland, Leipzig.
1. Ein vorzügliches Lehrbuch, würdig des tüchtigen Schweizer Pädagogen,
der zuerst als Verfasser genannt ist. Stoff, Wortschatz, Grammatik, kurz
alles, was zur Erlernung der fremden Sprache dienen soll, wird unter Ver-
meidung der Muttersprache und lediglich mit Hilfe der zu erlernenden
Sprache vermittelt und geübt. Dieser hier streng und meistens geschickt
durchgeführte Grundsatz der ausschliefslichen Verwendung der französischen
Sprache wird von vornherein viele Anhänger der alten Methode abstofsen
und bestimmen, das Buch ungeprüft bei Seite zu legen. Anhänger der ver-
mittelnden Methode werden ihm den Vorwurf machen, dafs es nur in kleinen
Klassen und bei Schülern mit gewissem Sprachtalent in Betracht kommen
könne. Doch wird jeder, der es vorurteilslos und eingehend prüft, das
grofse Geschick anerkennen müssen, mit dem die Gesichtspunkte verwendet
sind, die sich nach den Kämpfen der letzten zwanzig Jahre um die neu-
sprachliche Methode als richtig und fruchtbar erwiesen haben. Man beachte
u. a. die Konjugation in ganzen Sätzen, z. B. dire adieu ä smi plre etc. (I,
S. 113), die Umgestaltungen im Ausdruck desselben oder derselben Gedanken
(mon fröre a passe par le Ii/cee, aujourd'hui il est d runiversite = apres avoir passe
par le lycee, mon frere est a Vuniversite, U. a.), die Wortbildung {fm'mer, la forme
etc. I, S. 38; Her, liaison, lien I, 60), die geschickte Wiederholung früher be-
handelter Stoffe nach Form und Inhalt, die Fülle und Vielseitigkeit der
Übung [z. B. II, S. 34 u. 35: oü est le fauteuil? — qui est-ce qui est lerrible? —
contraire de mal, tn.de, se lever. — Synonymes de: couvrir d' habits, faire vite,
commencer u dormir etc. — De quoi chacune des choses suivanles est-elle une partie?
— Qu est-ce que: le singe? Vor? etc. — Derivez des mots de: ouvert, voler, courir
— ExpHquez: la cage^ le compagnon — Mettez Particle devant chaque substantif:
zele, rentree etc.], die Vorzüglichkeit der grammatischen Wiederholung in II,
S. 186 ff. — Was den Inhalt anlangt, so liegen im ersten Teil die Hölzel-
schen Bilder der vier Jahreszeiten, la joumie de Jules, lepays, laterre, le monde.
Ja France, le temps, le Systeme metrique zu Grunde. Im zweiten Teil wird zur
Vermittlung der Tempus- und Moduslehre zuerst eine Reihe kleinerer
Geschichten, dann la Täche du Petit Pierre par J. Mairet (Ouvrage couronne
de l'Academie frangaise) verwendet. — Dem ersten Teil ist aufserdem die
phonetische Darstellung der Lektionen 1 — 23 und ein Wörterbuch mit nur
französischen Definitionen beigegeben, während der zweite Teil mit einer
kurzen Grammatik, einem Wörterbuch (das nur Hinweise auf die betreffenden
Lektionen gibt) und einem Überblick über die unregelmäfsigen Verben ab-
schliefst. — An Ausstellungen hätten wir die folgenden zu machen: In
manchen Lektionen ist zu viel des Neuen auf einmal geboten, so in I 24
die Konjugationen der Verben auf -ir und -re, in I 25 jeter, venir, mettre, I 26
■peser, conduire, prendre, voir u. a. — Die Hinzufügung der einfachen Vokabel
in Klammern hinter ein neues Wort im Text stört den Zusammenhang und
kann oft verwirren; z. B. S. 16 le ruisseau a deux bords (le bord); S. 74 ils
marehent tris kntement (lent), u. ö. — Die französische Definition der Wörter
im ersten Teil (S. 164 ff. nach dem Schema admirer = on admire ce qui est
heau; aiguiser = le paysan aiguise la faux; attacher = Her ii une chose u. a.) läfst
die Sache oft unklar {la bicre, boisson — le beCy partie d''un oiseau — le canard,
oiseau qui nage) oder ist umständlich und schwer verständlich (acquerir, devenir
proprictaire d^une chose — essuyer, öter Peau en frottant avec un linge), besonders,
wenn die zur Erklärung verwendeten Begriffe und Wörter selbst den
Schülern nicht geläufig sind- — Skizzen zu bildender Sätze wie die folgenden :
fils demander argent parents (II, S. 25), woraus le fils demande de Pargent ä ses
parents gebildet werden soll; c\st dommage que tu ne pas voir fautes (lI, S. 43),
woraus c'est dommage que tu ne voies pas ies faules gebildet werden soll, U. a.
Neue Lehrbücher der französischen Sprache. 217
können leicht zu Irrtümern führen. — Als Grundlage des subjonctif du present
wird dem Schüler statt des participe present (II, S. 31) besser die 3. plur. de
l'indicatif angegeben, da in diesem Fall weniger Ausnahmen (wie que faule,
que je sacke, que je fasse, que je puisse) zu merken sind. — Die Fassung der
grammatischen Regeln läfst bisweilen zu wünschen übrig: so II S. 175 on
supprime Varticle partitf dans certaines locuüons oü le substantij' sert a former avec
le verbe une expression composee representant une idee unique: avoir raison, prendre
plaisir (umständlich und unklar!), — II S. 180 on emploie Vlnfinitif apres des
adjectifs tels que: content, (jai, jaloux, WO nicht gesagt ist, dafs es sich um den
Infinitif mit de handelt. — An Druckfehlern sind mir folgende aufgefallen:
Teil I, S. 67 la verre (statt le verre), S. 118 St. Petersbourg (statt Pet.),
S. 119 le Hafre (statt le Havre), S. 127 resume (statt resume), S. 147 kestö
(statt kestjö;, S. 176 foret (statt foret), Teil II S. 179 il ne comprenait
(fehlt pas!). Selbstverständlich können diese wenigen Ausstellungen an
unserem Gesamturteil nichts ändern, wonach dieses Lehrbuch von Alge als
ein vorzügliches Werk zu bezeichnen ist, das die Vertreter der neuen
Methode ihrem Unterricht gern zu Grunde legen werden, während die An-
hänger der alten und vermittelnden Richtung in ihm reiche Anregung finden
können.
2. Grundlage dieses Buches ist der Grundsatz: „der fremdsprachliche
Unterricht geht vom Lesestück aus". Von demselben ausgehend hat der
Verfasser sich zunächst besonders bemüht, von Franzosen verfafste franzö-
sische Lesestücke zusammenzustellen, die den Anschauungsstoff für den
grammatischen Unterricht liefern. Die Gebiete, denen dieselben entlehnt
sind, hat er durch Vecole, la nature, fables, vie pratique et morale, geographie,
histoire sainte, Jiistoire de France charakterisiert; dazu kommen noch /joewes und
musique, sieben Liedchen mit Melodien. Die vorliegende zweite Auflage
weist nur wenige Änderungen auf: die Mitteilungen aus der Bibel sind mit
Recht verringert, sodafs Raum für Erweiterung der erdkundlichen Abteilung
gewonnen wurde. Der grammatische Abrifs ist fast gleich geblieben.
Uebungsstücke zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Französische enthält
das Buch nicht.
3. Die Anlage dieses Buches ist im Ganzen dieselbe wie beim vorher-
gehenden ; nur ist es für die drei ersten Jahrgänge bestimmt. Der Verfasser
hat sich bemüht, die Mitte einzuhalten zwischen der Sprache des täglichen
Lebens und dem Wortschatz der geschichtlichen und abstrakten Prosa; doch
ist der letztere entschieden zu kurz gekommen.
4. Die durch einen Franzosen ausgeführte Übersetzung der „Eauptregdn
der französischen Grammatih^ , die bekanntlich einen Teil von Börners Neu-
sprachlichem Unterrichtswerk bilden. Wo die Behandlung der Grammatik
in der fremden Sprache vorgeschrieben ist, mag das Buch willkommen sein.
Über die Frage selbst, ob die französische Grammatik in deutscher oder
französischer Sprache zu behandeln sei, hat sich zuletzt unter Berücksich-
tigung der pro und contra G. Dobschall in den "Neueren Sprachen' Band XV,
S. 243 eingehender verbreitet.
5. Der vorliegende erste Kursus ist mit greisem Geschick und höchster
Sorgfalt abgefafst. Intelligente und fleifsige ältere Schüler vorausgesetzt,
die unter der Kontrolle eines Lehrers arbeiten, werden diese Unterrichts-
briefe gute praktische Ergebnisse ermöglichen. Nach dem Grundsatz „Erst
der Laut, dann die Schrift!" wird von der Sprachform ausgegangen und
die Orthographie daran angeschlossen. Die Mitarbeiterschaft des Franzosen
P. Passy bürgt für korrekte Angabe der Aussprache, für deren Darstellung
die Lautschrift des Weltlautschriftvereins verwendet worden ist. Nach einer
vorzüglichen Einführung in das deutsche und französische Lautsystem bildet
das Lustspiel la Joie fait Feur von Mme de Girardin die Grundlage der
Belehrung, deren Hauptergebnis die mündliche Beherrschung der Umgangs-
sprache sein soll. Die Wahl dieses Textes ist entschieden zu billigen, denn
218 Referate xmd Rezensionen. A. Sturmfels.
abgesehen von dem Interesse, das sein Inhalt bietet, besitzt er den Vorzug,
fast ausschliefslich aus lebendiger Rede und Gegenrede zu bestehen und
ein getreues Abbild der guten Umgangssprache zu sein. — Auf kleine
Abschnitte des Textes, der in phonetischer und orthographischer Gestalt
sowie in deutscher Übersetzung gegeben ist, folgen jedesmal zuerst Text-
erläuterungen, die jedoch des Guten oft zu viel bieten (z. B. S. 35, unten
zu ami, ßdele, vie; S. 107 ff.)j dann folgt eine Durcharbeitung in Frage und
Antwort derart, dafs die Antwort erst später gegeben ist; daran schliefst
sich der grammatische Gewinn, wobei jedoch die Grammatik nicht zu kurz
kommt und in einer Weise festgelegt und geübt wird, wie sie auch für den
Schulunterricht empfohlen werden.kann. Mannigfache Aufgaben über Sprache
und Inhalt sollen die allseitige Übung des Wortschatzes, der Aussprache,
der Grammatik und des behandelten Stoffes gewährleisten. — Als Neben-
stoff ist die phantasiemäfsig ausgeführte Reise eines jungen Deutschen nach
Paris und Frankreich gewählt, wodurch derWort- und Phrasenschatz erweitert
sowie die Kenntnis des fremden Landes, seiner Einrichtungen und Sitten
vermittelt wird. Zur Belebung dienen hie uud da Abschnitte aus der Tages-
presse (z. B. die Reden, die im Februar 1905 zwischen Kaiser Wilhelm II.
und dem Präsidenten des französischen Automobilklubs gewechselt wurden),
ferner Rätsel, Lieder, phonetische Kurzweil u. a. — Der Druck ist sehr
korrekt; nur ein Druckfehler ist mir aufgefallen: S. 35, L. 3 von unten
etemiz statt eternize. Bei der phonetischen Darstellung wäre m. E. der
Ton besser in der Weise bezeichnet worden, dafs der Akzent auf den betonten
Vokal, nicht vor die betonte Silbe getreten wäre, da die gewählte letztere
Art doch zu unüblich ist und immer wieder zu falschem Lesen führen kann.
Dakmstadt. A. Sturmfels.
Miszellen.
Ein ueues Datum ans J. F. Sarasins Leben.
S. Zeiuchr. 22 2, 155 £ u. 282, 100 ff.
Bei der Lektüre von Hiiets Memoiren fiel mir unlängst eine bisher
nicht verwertete Bemerkung über Jean-FranQois Sarasin auf, die nicht ohne
Interesse ist. Huet, der spätere Erzieher des Dauphin und Bischof von
Avranches, hat nämlich in seiner Jugend Sarasin persönlich in Caen kennen
gelernt, „cum primis lilleris operam darem in Collegio Cadomensi Societatis Jesu."
Da Huet am 8. Februar IGoO geboren wurde und seine ersten Studien vor
dem zurückgelegten 13. Lebensjahre beendete (nondum excesseram XlII. aetatis
annum), SO fällt die Begebenheit wahrscheinlich in das Jahr 1642, schwerlich
früher. Die Stelle lautet: „Sed et alium mihi tum videre contigit florentis ingenii
amoenitate et poeticis suavitatibus nobilem Johannem Franciscmn Sarasinum, cum patris
sui exsequiis interesset, qui fueral de Cadomensi Francicorum Quaestorum Collegio.
Tum vero andissimis oculis suspiciebam hominem exoriente jam fama percelebrem."
(Petr. Dan. Huetii, episcopi Abricensis, Commentarius de rebus ad eum pertinentibus.
Amst. 1718, p. 25). Sarasin war damals kaum über dreissig Jahre alt, kam
aber seinem jungen Bewunderer offenbar älter vor, da er ihn an anderem
Ort 1654 als Fünfziger sterben läfst. Beachtenswert ist es, dafs Huet seinen
berühmten Landsmann nicht als einen ebemaligen Schüler des Jesuiten-
gymnasiums bezeichnet, was doch nahe lag, wenn er es wirklich war.
Vermutlich schrieb Sarasin aus Anlafs dieser Reise in die* Normandie das
Fragment L'embarquement de Poissg. Das andere Fragment, Le Voyage, das
uns den Dichter nicht mehr in fröhlicher Liebesstimmung zeigt, sondern
verheiratet und mifsmutig, fällt dann vielleicht in den Herbst 1644. Im
April dieses Jahres heiratete er, im Juli erschien sein Bellum parasiticum und
Menage führte ihn bei Gondi ein, mit dem er den Sommer (das Jahr ist
nicht bestimmt, aber es pafste gut auf 1644) in Bourbon oder Bourbonnes-
les-Bains verbrachte ; auf der Hin- oder Rückfahrt dürfte in Marey-sur-Tille
(Cöte-d'Or) Halt gemacht worden sein.
Wien. Ph. Aug. Becker.
embrelin. In der Komödie AUzon (Anden theätre franqais "VTIl) sagt
Maistre Jeremie, ein alter Soldat, in einem Monolog des ersten Akte.s
(p. 406) von sich:
En ce temps je n'estois qu'im petit emhrelin,
Goujat suivant la cour, mais pourtant bien malin:
Car, trouvant un Corps mort entendu sur la plaine,
J'estois tout le premier ä luy tirer la laine ....
Godefroy verzeichnet das Wort, für welches er nur diesen einen
Beleg kennt, mit der Bemerkung „designe un petit domestique". Weiter
gibt er an, .dass in Reims embrelin „un petit enfant qui gene" bedeute.
Godefroy's Übersetzung des Wortes mit «petit domestique", die aus dem
Zusammenhang der einen von ihm zitierten Textstelle erschlossen scheint.
220 Miszeüen.
trifft kaam völlig zu, wenn man die Bedeutung des Grundwortes vergleicht.
Dass Godefroy letzteres nicht erkannte, ist auffallend, da er bereits im ersten
Bande seines Wörterbuches identische ambrelin, hambrelin in ihren etymolo-
gischen Beziehungen im Wesentlichen richtig festgestellt hatte. PjS kann
keinem Zweifel unterliegen, dass embreliu in der franz. Komödie des 17. Jahr*
hunderts deutschem HemerUn (Meister Hämmerlein) entspricht, worüber
M. Heyne im deutschen Wörterbuch IV, 2 s. V. Hämmerlein handelt. Nach Heyne
ist Hämmerlein als Eigenname eine verblasste Personifikation des Donner-
gottes, die auf den Teufel, dann auch auf den Henker und weiter auf den
Possenreisser übertragen wurde. Wie Namen eines solchen Possenreissers,
Hanswurst, Harlekin, als Scheltworte für unverständige Leute dienen, so wäre
auch Hämmerlein in dieser Bedeutung gebraucht. Ob und inwieweit die
Auffassung Heyne's von der Entwicklung der Wortbedeutung das Richtige
trifft, darüber mögen die Germanisten entscheiden. Worauf es hier an-
kommt, ist, dass die Bedeutung „unverständiger Mensch", wie sie für das
deutsche Wort bezeugt ist, in der oben genannten französischen Komödie
für franz. embrelin zutrifft.
ostfranz. jaoblan. J. Hingre erklärt das Wort Vocab. du patois de la
Bresse (Vosges) [Bulletin de la soc. phil. vosg. 32me annee (1906 — 1907) p. 66]
mit „le plus grand oiseau de proie de nos montagnes, de la famille des buses"
und führt es auf keltischen Ursprung zurück: ^Jrl. Jan oiseau; Gall. Blan,
Blaengva.nA, le plus grand". Es handelt sich offenbar um denselben Vogel,
der, in etymologisch durchsichtiger Bezeichnung, sonst als Jean-le-blan be-
gegnet. So bei Nemmich I, 1577 (Falco gallicus), Rolland Faime H, 24
(Circaetus gallicus). Vgl. auch Littre jean-le-Uanc und ebenso Sachs, der
dafür die deutsche Benennung „Schlangenbussard" gibt. Es könnte die
Frage aufgeworfen werden, ob es sich dabei etwa nur um Anlehnung an
den Personennamen, mit Umdeutung aus einem anderen Wort, also um eine
volksetymologische Bildung handelt. Erwägt man, wie häufig aus Personen-
namen nachweislich Vogelnamen gebildet wurden, so wird man eine der-
artige Annahme als überwiegend unwahrscheinlich zurückweisen und im
ostfrz. janblan nichts anderes als Jean blanc „der weisse Hans" sehen, eine
Benennung, die^sich aus der weisslichen P'arbe des Gefieders der betreffenden
Raubvogelart zur Genüge erklärt. Über „Hans" als Tiername im Deutschen
s. Deutsches Wörterb. s.v. 1 d. und vergl. aus dem Französischen 7>a!2-£Ze-G'arecZ
^oiseau de la grosseur et de la figure d'une cigogne" (Littre), jea« Voli die
Schleiereule (mdtl. deutsch Öldieb, Rolland Faune H, 46) u. a. ; andere hier
zu erwähnende Benennungen sind pierrot., Sperling (Rolland H, 156), jacques,
ricard, charlot etc., Elster (Rolland H, 143), colas., Dohle (Rolland H, 128;
vgl. Grandgagnage Dict. I, 121 s. colas). — Vgl. zu dem hier Ausgeführten
noch Romania XXXV, S. 407 Anm. 2 (A. Thomas).
D, Behrens.
Novitätenverzeichnis.
(Abgeschlossen am 10. März 1908.)
1. Bibliographie und Handschriftenknnde.
C'arore, P. Bibliographie des travaux publies de 1866 ä 1897 sur l'Histoire
de la France depuis 1789. Paris, E. Cornely et C'e. [Publication de la
Soc. d'histoire moderne]. Tome ler, fasc. 2. 7 fr. 50.
Catalogue de la Bibliotheque de l'üniversite de Paris, section des sciences et
des lettres (Sorbonne). II : Cartulaires. Paris, Klincksieck. 1907.
In-8 ä 2 col., ?)\ p.
Catalogue general des livres imprimes de la Bibliotheque national. Auteurs.
T ol : Colombi-Corbiot. Paris, Impr. nationale. 1907. In-8 ä 2 col.,
1264 col.
Chauvin, Vict.: Bibliographie des ouvrages arabes ou relatifs aux Arabes
publies dans l'Pkrope chretienne de 1810 ä 1885. X. Le Coran et la
tradition. (146 S.) Lex. 8". Liege '07. (Leipzig, O. Harrassowitz) 3.60.
Collignon, A. La bibliothöque du duc Antoine. Recherches bibliographiques
suivies de l'inventaire annote [In:Mem. de l'Acad. de Stanislas. 1906 —
1907. Nancy 1907. S. 1—135].
Cohon, O. Table generale systematique des publications de la Societe
liegeoise de Litterature wallonne (1856—1906). Ire partie 301 S. 8"
[Bulletin de la Soc. Liegeoise de litterature wallonne t. XLVIIJ.
Kirchner, M. A. Table generale recapitulative des Memoires de la Soc.
d'Emul. du Doubs 1841—1905. Besangon 1907. 127 S. [Memoires de
la Soc. d'Emulation du Doubs].
Lacombe, P. Catalogue des livres d'heures imprimes au XV« et au XVI»
siecle, conserves dans les bibliotheques publiques de Paris. Paris,
Champion. 1907. In-8, LXXXlV-439 p.
Martin, J. B. Incunables de bibliotheques privees ; 4e serie. Paris, Leclerc.
1907. In-8, 39 p.
Schiff, M. Editions et traductions italiennes des ceuvres de Jean -Jacques
Rousseau. [In : Rev. des Bibliotheques. XVII, 7—9. Juillet-sept. 1907.
S. 183— 216J.
Stael^ Mme de. — L'edition originale du livre „de l'Allemagne" p. ^f. Masson
[In: Rev. d'Hist. litt, de la Fr. XIV, 4. S. 729 f.].
Bertoni, G. Un manuscrit du „Roman des Sept Sages" en prose [In : Zs. f.
rom. Phil. XXXI, 713—715].
Catalogue des manuscrits de la collection des Cinq cents de Colbert; par
Charles de La Roncirre. Paris, Leroux. 1908. In-8, 388 p.
Borez, L. Les manuscrits a peintures de la Bibliotheque de Lord Leicester,
a Holkham Hall (Nortolk), choix de miniatures et de reliures (Xle — XV»
sifecles). Public sous les auspices de l'Academie des Inscriptions et
Belles-Lettres et de la Societe des Bibliophiles fran^ais. 60 planches en
heliogravure et phototypie, docnant environ 80 reproductions, avec texte
explicatif et descriptif. Paris, E. Leroux. ün volume in-folio, en un
cartonnage special 125 fr.
'222 Novitätenverzeichnis.
Drouhet^ Ch. Les manuscrits de Maynard conserves ü, la Bibliotheque de
Toulouse. Etüde bibliographique, accompagnee de piöces inedites. Paris,
H. Champion 1908. 40 S. 8° 2 frcs. [Der Verfasser des wertvollen
Schriftchens bemerkt in der Einleitung: „Cette etude a ete lue le 14
janvier 1907, ä l'Ecole des Hautes-fitudes, cours de M. Abel Lefranc
(Histoire litteraire de la Renaissance). Nous n'aurions pas voulu priver
la these, que depuis trois ans nous preparons sur le poete Fr. Maynard,
de l'un de ses elements d'interet. Mais nous venons d'apprendre qu'un
travailleur de province, qui, apres nous, s'est occupe des manuscrits de
Maynard conserves ä la bibliotheque de Toulouse, se propose d'en tirer
quelques poesies inedites. Le merite — si mince füt-il — d'avoir le
premier decouvert les pieces que nous reproduisons ici, et de les avoir
accompagnees d'un commentaire critique, nous revenant, nous n'avons
pas voulu renoncer ä nos droits de priorite. Les lecteurs accueilleront,
esperons-le avec indulgence cette etude provisoire, dans l'attente de
l'ouvrage plus etendu sur Maynard, que nous serons bientöt en mesure
de leur offrir"|.
Meyer, P. Les manuscrits frangais de Cambridge IV : Gonville et Caius
College [In:Romania XXXVI, 481—542].
Verdeyen^ J. La date de la Vision de Tondale et les manuscrits fran^ais de
ce texte [In:Rev. celtique. Octobre 1907].
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JBulletin de la Sociele de Litterature Wallonne. T. XLIX. Liege H. Vaillant
Carmanne 1907 [Darin: I. Litterature p. 5— 139. II. Philologie p. 143 —
365] (die Titel der hier veröffentlichten sehr schätzenswerten philologischen
Beiträge wurden bereits im Novitätenverzeichnis der Zeitschrift früher
mitgeteilt. Als besonders wertvoll ist hervorzuheben das ausführliche
Glossaire toponymique de la Commune de Jupille p. E. Jacquemotte et Jean
Lejeune^ edite p. Jean Haust).
Festschrift zur 49. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in
Basel im Jahre 1907. Basel 1907. Carl Beck, Verlag, Leipzig. 538 S.
S". [Darin u. a.: A. Barth, Le fabliau du Büffet S. 148—180; Ch. de Boches,
Une source des Tragiques S. 341—382; A. Eossat, La poesie religieuse
patoise dans le Jura bernois catholique S. 383—447; E. Tappokt, Zur
Agglutination in den französischen Mundarten S. 324 — 340].
Melanges et documents. Publies ä l'occasion du 2« Centenaire de la Mort de
Mabillon. Paris, H. Champion 10 fr. [Liste des travaux: L'Origine de D.
Mabillon ä Saint -Pierremont, sa naissance, ses etudes et sa profession
religieuse ä Reims, sa liaison avec Dom Thierry Ruinart, par M. Henry
Jadart, conservatsur de la Bibliotheque de Reims. Le premier Superieur
de la Congregation de Saint-Maur : Dom Gregoire Tarrisse (1575—1648),
par M. H. Stein. Dom Jean Mabillon, Sa probite d'historien, par M.
Leopold Delisle. Mabillon et la Bibliotheque du Roi ä la fin du XVIIe
siede, par M. H. Omont. Une expertise de Mabillon : La filiation des La
Tour d'Auvergne, par M. J. Depoin. Mabillon et Papebroch, par le R.
P. Alb. Poncelet, S. I., BoUandiste. Un document inedit sur la quereile de
Mabillon et de l'abbe de Rance, par M, Ingold. Mabillon et les Etudes
liturgiques, par le Rme p. Dom Cabrol. Le De re diplomatica, par M.
L. Levillain. La publication des Annales Ordinis Sancti Benedicti, par
M. Maurice Lecomte. Mabillon et la Belgique : Lettres inedites, par le R.
P. Dom Berliere. Dom Jean Mabillon et l'Academie des inscriptions,
par M. de BoisUsle. ün ami de Mabillon, dom Claude Estiennot, par
Vidier. Le premier ouvrage de Mabillon, par Dom Besse.'\
Paris, Gaston. Melanges linguistiques. Publies par 3fario Roques. Fascicule
III. Langue fran^aise et notes etymologiques, in-8. Paris, H. Champion 6 fr.
Novitätenverzeichnis. 223
Revue des JStudes Rabelaisiennes 1907 3e fascicule. [Sommaire. Le Cardinal
Jean du Bellay en Italie (juin 1535 — mars 1536), par V.-L. Bourrilly.
P. 233. Melanges : Notes de bibliographie rabelaisienne, ä propos d'un
ouvrage recent, par Seymour de Ricci. P. 286. — Cent vocables rabelaisi-
ennes avant Rabelais, par Hugues Vaganay. P. 310. — üne mention de
Tiraqueau en 1.546, par J. Plattard. P. 315. Compte-rendu. P. 316 :
Louis Delaruelle. Guillaume Bude. Les origines, les debuts, les idees
maitresses. — Repertoire analytique et chronologique de la corres-
pondance de Guillaume Bude. (J. Plattard.) Chronique. P. 322 — 328.]
Revue des Etudes Rabelaisiennes 1907. 4e fasc. [Sommaire: Le Cardinal Jean
du Bellay en Italie (juin 1535 — mars 1536) (suite et fin), par V.-L.
Bourrilly. P. 329. — Melanges : Notes linguistiques sur Rabelais, par
Lazare Sainean. P. 391. — Rabelais ä Fontenay-le-Comte et le pretendu
acte de 1519, par Henri Clouzot. P. 413. — Rabelais et Henri II, par
Arthur Tilley. P. 424. — Notes. I. La cure de Saint-Christophe-du-Jambet
en 1674, II. ChandeUes de noix, par Henri Clouzot. P. 426. — Dn nouvel
ex-libris de Rabelais, par Seymour de Ricci. P. 448. — Comptes-rendus.
P. 430 : Arthur Tilley. Frangois Rabelais. (J. Plattard.) — Lazare
Sainean. L'Argot ancien (1455—1850). {J. B.) — Ferdinand Brunot.
Histoire de la langue fran^aise des origines ä 1900. (J. Plattard.) —
Marcel Godet. Pedis admiranda ou les Merveilles du pied, de Jean
Dartis. (J. B.) — Pierre Rambaud. La Pharmacie en Poitou jusqu'ä
l'an XI. {H. C.) — Chronique. P. 446—455. — Table des matiöres.
P. 456. — Fac-simile. Commentarius de anima de Melanchton (ex-libris
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l'Institut; TAcademie frangaise; l'Academie des inscriptions et belles-
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— 12. W. porsome, 13. W. harke gaumaiS harke, harcot; W. coiibe; W. bricelet; 1-5.
Le prefixe be-; 16. W. ac'mwide; achnwesse; [ib. II, 3.4. S. 132 — 141].
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— 8. W. vicma] 9. montois juverne{?), rerne; 10. W. vessou, vesseye: 11. w. hoye,
houyl, houyot [ib. II, 3.4. S. 121—132].
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las fleiros de l'Ariejo, Aouto Garouno, Aoudo, etc. Foix, impr. Lafont
de Sentenac. 1908. ln-16, 64 p. avec grav. 15 cent.
Almanac patoues illustrat de l'Ariejo per l'annado bissextilo 1908 (Dese-
oueitiemo annado), countenen fieiros, coursos de la luno, etc. Foix, impr.
Gadrat aine. 1908. Petit in- 16, 96 p. avec grav. 15 cent.
Armana prouvengau per lou bei an de Dieu e dou bissest 1908, adouba e publica
de la man di telibre, porto joio, soulas e passotems en tout lou pople
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Ferdinand Brunetiere, de l'Academie fran^aise. 3e serie; Descartes; Pascal;
Le Sage. Marivaux; Prevost; Voltaire et Rousseau; Classiques et Roman-
tiques. Paris, Hachette et Cie. 1907. In-16, 331 p. 3 fr. 50.
— Discours de combat. Derniere serie : le Genie breton; la Modernite de Bossuet;
La Liberte d'enseignement; la Renaissance du paganisme dans la morale
contemporaine ; l'Action sociale du christianisme; les Difficultes de croire;
le Dogme et la Libre Pensee; l'Evolution du concept de science; la Reunion
des Eglises. Paris, Perrin et Cie. 1907. In- 16, 271 p. 3 fr. 50.
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Wyzewa, Teodor de. Quelques figures de femmes aimantes ou malheureuses.
Deux tragedies : La mort de Kcenigsmarck et l'aventiire de Struensee. —
Les six femmes de Henri VIII — Le mystere de Marie-Stuart. — üne
cause celebre anglaise au XVIIIe siecle. — Les prisons du marquis de
Castellane — üne «Inconnue de Chateaubriand». — üne aventuriere
italienne du XVlIe siecle. — La mere du feminisme. — Le menage de
Carlyle, etc., etc. Paris, Perrin et Cie. 5 fr.
b) Einzelne Autoren.
AUari de Meritens. — Leon Seche. Muses romantiques. Hortense Allart de
Meritens dans ses rapports avec Chateaubriand, Beranger, Lamennais,
Sainte-Beuve et M^e d'Agoult. Portrait d'Hortense Allart de Meritens
d'apres le tableau de Ducis; Portraits d'Antoine Arnault, de Chateaubriand,
de Beranger, de Mme d'Agoult, d'apres des tableaux ou gravures du
temps. Autographes de Talma, Marie,- Joseph Chenier, Chateaubriand,
Beranger et Mme d'Agoult. Paris, Ed. du Mercure de France. Un
volume in-8 — Prix. 7 fr. öO.
Amyot s. oben p. 230 Villey.
Balzac, weil. Honoratus Sieur de: Die 30 sehr drolligen und sehr kuriosen
Geschichten genannt Contes drolatiques, zum erstenmal treu und trutzig
verdeutscht und unsern ehrwürd. Kant- u. cant-ianern hochrespektvoll
zugeeignet v. Dr. Benno Rüttenauer, mit schönen Bildern des Meisters
Gust. Dore geschmückt und ausstaffiert. 2 Bde. (IX, XXI, 340 und V,
307 S. m. Vollbildern.) 8». München, R. Piper & Co. '08. Geb. 24—.
Balzac, la Mort de [In: Annales romantiques IV, 5. S. 393—398].
Barbey d'' Aurevilly critique p. Lasserre [In: Le Figaro, 21. sept. 1907].
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Boulay-Paiy. — Un romantique de la premiöre heure: Evariste Boulay-Paty.
Son Journal intime et sa correspoudance (1829—1831). Suivi d'une etude
sur «Carrier, ä Nantes», et de dix lettres de Fouche dit «Fouche de
Nantes», duc d'Otrante; par Dominique Caille. PariSjFicker. 1907. In-8. 48p.
Caylus, M>ne- de. — Souvenirs de Madame de Caylus. Preface par Voltaire.
Notice de M. de Lescure. Nouvelle edition illustree par Lionel Peraux.
Gravures au burin et ä l'eau-forte par Leon Boisson. Paris. Carteret.
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Hrsg. V. Geo. Brandes, kl. 8". Berlin, Marquard & Co. 29. u. 30. Bd.
Mayntal, Edouard: Maupassant. Mit 20 Beilagen. (134 S.) ('07) Kart. 3,- .
Maupassant. — ffiuvres completes de Guy de Maupassant Augmentees de la
Correspondance et de 35 nouvelles inedites, notes, variantes : üne vie, un
vol. grand in-18, imprlme a tirage limite sur papier Van Gelder de
Hollande, br. 5 fr. Paris, L Conard.
Mercier,L. — d'Hennezel. ün poete de la nature: Louis Mercier. Lyon, libr.
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Merimee. — Sur Merimee, ä propos d'une ceremonie recente; par Luden
Pmvert. Paris, Ledere. 1907. In-8 carre, 39 p.
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Paris, Colin. 1907. In-16, 273 p. 3 fr. 50,
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verständl. Darstellungen, 8°. Leipzig, B. G. Teubner. Hensel, Prof. Dr.
Paul: Rousseau. Mit 1 Bildnisse Rousseaus. (VI, 122 S.) '07.
Rottsseau. — Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen Ge-
bieten des Wissens. Hrsg. v. Priv.-Doz. Dr. Paul Herre. 8". Leipzig,
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Leben und seine Werke. (131 S. mit 1 Bildnis.) '07.
— Du pretendu individualisme de J.-J. Rousseau, ä propos de quelques
livres recents, par Roger Bonnard. Paris, V. Giard et E. Briere. 1 fr.
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zur Vossischen Zeitung 1907. 37].
— Ifavid Fnedrich Strauss, Voltaire. Sechs Vorträge. Neu horausgegeben
und mit Anmerkungen versehen von H. Landsbery. Leipzig, Alfred Kröner.
VI. Ifi4 S. 8°. 1 M.
Zola au Pantheon ; par Urhain Gokier. Paris, Impr. speciale Claude-Bernard ;
l'auteur, CA, rue Claude-Bernard et dans toutes les bonnes libr. 1907.
In-r2, 24 p. 1 fr.
— A la memoire d'Emile Zola; par le docteur Laupts. Lyon, Rey et Cie.
1907. In-8, 19 p.
— Brulat, P. Histoire populaire d'Emile Zola. Paris, 1907. 8. III. 2,50 M.
7. Ausgaben. Erläuterungsschriften. Übersetzungen.
Bartsch, Karl: Chrestomathie de l'ancien frangais (Vllle— XV« siecles),
accompagnee d'une grammaire et d'un glossaire. 9. ed., entierement revue
et corrigee par Leo Wiese. (X, 537 S.) Lex. 8-^. Leipzig, F. C. W Vogel
'08. 14—.
Bibliotheca romaLnica,. kl. 8°. Strassburg, J. H. E. Heitz. Jedes Heft 0,40 M.
41—44. Biblioteca espafiola. Cervantes Saavedra: Cinco novelas ejem-
plares. (258 S.) ('08.) 45. Biblioteca portuguesa. Camöes, Luis de:
Obras. Os Lusiadas. V. VI. ViL (80 S.) ('08.) 46. Bibliotheque fran^aise.
Moliere: Theätre. L'Avare. (90 S.) ('08.)
Bruchot, M. Le chäteau de Ripaille. Paris, Delagrave 1907, 648 S. 4".
(Darin p. 275—589 Pieces justificatives. Vgl. Romania XXXVI, 632).
Les ctnt meilleurs poemes (lyriques) de la langue frangaise. Choisis p. Auguste
Dorchain. Leipzig 1907, W. Weicher. Preis M. 0,75.
Consians, L. Les chapitres de paix et le Statut maritime de Marseille, texte
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Paris, Ch. Delagrave. 3 fr. .50.
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Schwanke, altfranzösische (120 Fabliaux, Contes, Novellen u. Schwanke von
Ruteboeuf bis Metel d'Ouville. Gesammelt u. hrsg. v. Emerich Lebus.)
(278 S.) kl. 8». Leipzig; J. Zeitler '07.
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[In: Arch. f. neuere Spr. CXIX, S. 372— 382].
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frangais. 1907. 448 S. 8«.
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Kemp- Welch. The French from the edition Raynaud. (New Media3val Library).
London, Chatto & Windus.
Christine de Pisan, The Book of the lovers. Translated from the Middle French
(New Mediseval Library). London, Chatto & Windus.
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Florence de Home, Chanson d'A venture du premier quart du Xllle siecle p. p.
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Novitätenverzeichnis. 235
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Gerard d'Euphrate. — K. Raders. Über den Prosaroman L'Histoire et ancienne
cronique de Gerard d'Euphrate. Paris 1549. Greifswalder Dissert. 78 S. 8"
Darmesteter, A. Les Gloses frangaises de Raschi dans la Bible (suite) [In:
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Graal. S. oben p. 229 Pauphilet und Sommer.
Born. — S. oben p. 228 W. Heuser.
.Teux-partis. — Die Unica der Jeux-partis der Oxforder Liederhandschrift
(Douce SOS) von Fr. LubinsM [In: Kom. Forsch. XXII, 2].
Kreuzlied. H. Suckier, Ein Kreuzlied von 1245 [In: Zs. f. rom. Phil. XXXI I,
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Kristian von Troi/es. — V. Schroedter, der Wortschatz Kristians von Troyes
bezüglich der Ausdrücke der Kampfeschilderung. Diss. Leipzig 1907.
196 S. S».
— S. oben p. 22G Borrmann.
Lion de Botirges. — W. Zorn, Sprache und Heimat des .,Lion de Bourges,"
eine Reimunters. Diss. Greifswald 1907. 37 S. 8°.
Lothringer. — E. Xitter, Beiträge zur Beurteilung der Redaktionen T und IN
der Geste des Loherains. Greifswalder Dissert. 63 S. 8°.
Marguerite de Navarre et le Pape Paul III. Lettres inedites; par Ch. Samaran
et B. Patry. Nogent-le-Rotrou, impr. Daupeley-Gouverneur. Paris. 1907.
In-8, 21 p.
Montage Guillaume. Les deux redactions en vers du, Chanson de geste du
Xlle siecle. Publiees d'apres tous les manuscrits connus par W. Ctoetia.
I. Texte. Paris, Firmin - Didot. Soc. des anciens textes fran^ais
392 S. 8».
Niecola da Casola. — Attila, poema franco-italiano di Niecola da Casola per
Giulio Bertoni. Collectanea Friburgensia. Publications de l'universite de
Fribourg (Suisse). Nouvelle Serie, fasc. IX.Friburgo, Libreria dell'üniversitä
LIX, 127 S. 8«.
NoUa Leicon — A de Stefano Un nuovo testo della Nobla Leigon [In: Studi
medievali II, 1. S. 83-92].
Passion, Valencienner. — B. Schreiner, Weitere Studien über die erste Valen-
cienner Passion. Manuscript der Bibl.Nat. zuParis f. fr. 12536. Greifswalder
Dissert. 82 S. 8°.
Pathelin. — Maistre Pierre Pathelin. Reproduction en facsiraile de l'editiou
impriraee vers 1485, par Guillaume le Roy, ä Lyon. Paris, Cornely et
C . 1907. In-8, non pagine. 3 fr. 50.
Pierre de Beauvais. — /;. L0seth. Sur quelques ouvrages de Pierre de Beauvais
[Sajrtryk. av „Mindeskrift over prof. dr. Sophus Bugge." S. 26—42].
Poeme Moral. — K Berzorj Ein Fragment des Poeme Moral [In: Zs. für rom.
Phil. XXXII, 50-72].
Raoul de Camhrai. — J. Bedier, La legende de Raoul de Cambrai; 1. article
[In: Revue Historique. Nov.-Dec. 1907. Jan-fevr. 1908J.
Roland. S. oben p. 228 Hart.
— Dalla Chanson de Roland (II tradimento di Gano, Orlando a Roncisvalle,
La morte di Alda): episodi ridotti in versi da G. L. Passerini. Firenze,
Stab. tip. Aldino, 1907. 13 S. 8*^ [Edizone di 100 esemplari. — Per le
nozze Keins-Olschki].
— Extraits de la «Chanson de Roland», publies avec une introduction litteraire,
des observatious grammaticales, des notes et un glossaire complet, par
Gaston Paris, 9« edition, revue et corrigee. Paris, Hachette et Cie, 1907
Petit in-16, XXXIV-166 p. 1 fr. .50.
Rosenroman. — A possible source of Chaucer, Canterbiiry Tales, A 4134 and
D. 415 by J. Derocquigny [In: The Mod. Lang. Review UI, 1. S. 72].
236 Novitätenverzeichnis.
Das Seerecht von Oleron nach der Handschrift Paris, Bibliotheque Nationale
Nr. ■')330. Diplomatischer Abdruck nebst Einleitung, Glossar und einer
llandschriftenprobe von H. L. Zeller. Mainz, J. Diemer. 20 S. 8° [Sammlung
älterer Seerechtsquellen Heft 2].
Sepl-Sages, roman de. S. oben p. 221 Bcrtoni.
Tondale. — J. Verdeyen, Le date de la vision de Tondale et les manuscrit
fran^ais de ce texte [In: Rev. celtique üct. 1907].
Yonec. - 0. J/. Johnston. The story of the Blue ßird and the Lay of Yonec
[In: Studi medievali H, 1. S. 1 — 10].
Allart de Miritens. — Lettres inedites d'Hortense Allart de Meritens ä Sainte
Beuve.Avec une introduction et des Notes de Leon Seche. Portrait d'Hortense
Allart de Meritens d'apres le medaillon de David d' Angers, et Autographe.
Paris, Ed. du Mercure de France. Un volume in-8 — Prix 7 fr. 50.
Aubigne, Agrippa d\ — S. oben p. 222 Festschrift.
Baudelaire's, Charles, Werke. Deutsche Ausgabe v. Max Bruns. V. Bd. 2 Tl.
Tagebücher nebst e. Anh. Übers, u. hrsg. v. Max Bruns. (I.ö9 S.) 8''.
Minden, J. C. C. Bruns ('07). 1.75.
— Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Umdichtungen v. Stef. George. 2.
Aufl. (197 S.) 80. Berlin, G. Bondi '08.
Beranger P. J. de. Chansons choisies ; Lettres. Choix, Notice biographique et
bibliographique par Alphonse Seche. Paris, Michaud. Petit in-16. XVHI
140 p. avec '■"> portraits de Beranger, autographe et plusieurs illustrations.
— Correspondance inedite intime et politique du chansonnier Beranger ä
Dupont - de - l'Eure 1820 — 1854. Annotee par Paul Hacquard et Pascal
Fortliuny. Paris, P. Douville.
Bernardin de Saint- Pierre, Notes SUr, p. G. Gazier [In: Mem. de la Soc. d'Emul.
du Doubs 1905. Besangon 1906. S. 178—186].
— Lettres inedites de Beranger p. p. A. Feugere [In: Rev. d'hist. lit, de la
Fr. XIV, 4. S. 731—736].
— La Vie et les Ouvrages de Jean- Jacques Rousseau; par Bernardin de
Saint-Pierre. Edition critique publiee, avec de nombreux fragments inedits,
par Maurice Souriau. Paris, Cornely et Cie, 1907. In-16, XVI;192 p. 3,.50.
Blasons anaiomiques du corps feminin, publies Sur l'edition de 1550, avec Un
avant-propos, des notes et un glossaire, par le bibliophile Ad. B***. 1 vol.
in-12. 4 frcs. [Erotica selecta].
Charles d'' Orleans. — A. Vidier, Jean Moreau enlumineur de Charles d'Orleans
[In : Le Moyen Age. Nov.-dec. 1907. S. 333—324].
Chateaubriand et l'emigration frangaise ä Londres ^. F. Baldensperger [In: Rev.
d'hist. litt, de la Fr. XIV, 4].
— Faiblesses et confession de Chateaubriand, d'apres des documents inedits
[In: Annales romantiques IV, 4 S. 257— 301].
Ckenier, Andre. Oeuvres poetiques completes par P. Dimoff. Paris, Ch, Delagrave.
Tome I. — Bucoliques.
— Bucoliques; Elegies; Pommes; Himnes; Ödes; lambes; par Andre Chenier.
Choix, Notice biographique et bibliographique par Alphonse Seche. Paris,
Michaud. Petit in-16, XII-147 p. avec 2 portraits de Chenier et 1 dessin 1 fr.
Constans, B. S. unten p. 238 Mme de Stael.
Corneille P. et T. ffiuvres completes suivies des ffiuvres choisies de Thomas
Corneille. T. 7. Paris, Hachette et C'e. 1907. In-16, 323 p. 1 fr. 25.
Diderot Denis: Der japanische Prinz. Übers, u. hrsg. v. Loth. Schmidt. Mit
5 Bildern von Frz. Bayros. (199 S.) kl. 80. München, G. Müller ('07).
Geb. in Leiuw. 12.
Flaubert, G. — La Tentation de saint Antoine. Paris, Ferroud. 1907. In-4,
219 p. avec compositions dans le texte et hors texte de Georges Rochegrosse,
gravees en couleurs par E. Decisy.
Novitätenverzeichnis. 237
Flaubert Gust., gesammelte Werke. Erste deutsche v. den Rechtsnachfolgern
Flauberts aut. Gesamt- Ausg. Hrsg. v. E. W. Fischer. (In 10 Bdn.) S". Minden,
I. C. C. Bruns. Die Versuchung des hl. Antonius. Deutsch v. F. P. Greve.
(Neue Ausg.) (V. 304 S.) ('07.) 4 — , Briefe an Zeit- u. Zunftgenossen.
Ins Deutsche übertr. v. F. P. Greve. Mit e. Einführg. v. Dr. Fischer.
(XXI, 399 S.) ('07.) 5.50; geb. 6.50.
Guttinguer. ^- M. Salomon. Une Correspondance d'ülric Guttinguer [In : Mercure
de Fr. 16 nov. 1907].
Grimm. — P, üsteri. La correspondance litteraire de Grimm [In : ßev. d'Hist.
litt, de la Fr. XIV, 4. S. 712].
Eurjo, V. Dernier jour d'un condamne [In: Figaro, 12 octobre 1907].
— Luchetti, Les. images dans les ceuvres de Victor Hugo: essai et biographie
du maitre et notes explicatives. Verdi, tip. Reali 1907. 155 S. con ritrattoL.2.
— Histoire d'un crime. Troisieme journee: le Massacre; Quatrieme journee:
la Victoire; Conclusion; la Chute; T. 2. Cahier complementaire. I. Notes
de Victor Hugo; II. Pieces justificatives. Paris. Ollendorf. 1907. In-8,
519 p. arec portrait, grav. et fac-similes. 10 fr.
— Hugo Victor. Selected poems Edited with Introduction and Notes by H.W. Eve.
Cambridge üniversity Press. 1907. [Pitt Press Series].
Jacquemont. — Lettres inedites de Victor Jacquemont ä Button Sharps [In:
Rev. d'Hist. litt, de la Fr. XIV, 4. S. 696—711].
La Bruyere. Le Chapitre „Des Esprits Forts" avec introduction, notes et
un commentaire p. J Calvet. Paris, Bloud et C»e, 1907.
La Fontaine J. de, Fables. Avec introduction et annotations de Remy Geant,
Paris, Libr. mondiale, 10, rue de l'üniversite. In-16, XlI-347 p.
— 30 Fabeln. Frei in deutsche Verse gebracht v. Rud. Schiö. Mit 20 Kunstdr.
nach Stichen der Orig.-Zeichngn. aus dem XVllI. Jahrb., im Besitze der
französ National-Bibliothek, u. e. neuen Abbild v. La Fontaine. (96 S.)
kl. 8«. Paris, Ch. Eitel ('07). 2.
J^amartine. — Le Veritable «Voyage on Orient» de Lamartine, d'apres les
manuscrits originaux de la Bibliotheque nationale (documents inedits);
par Christian Marechal. Paris Bloud et Cie. 1908. In-8, VIII-215 p.
Lesage, Alain-Rene, The Adventures of Gil Blas de Santillana. Translated
by Tobias Smollett. With an introduction and notes by James Fiizmaurice-
Kelly. 2 vols (The World's Classics). London ; H. Frowde.
Marseillaise. — A. Chuquet La „Marseillaise" en AUemagne [In: Revue Bleue
25 janv. 190bJ.
Maynard. S. oben p. 222 Droiichet.
Mercier, L. S. Tableau de Paris. Note et Preface de Luden Roy. Paris, Louis
Michaud. 3 fr. 50.
Mohere's Misanthrop und seine englischen Nachahmungen von H. Ferchlandt.
Diss. Halle lä07. 88 S. m. 1 Tab. 8».
Moliere Le misanthrope precede d'un Dialogue aux enfers par Anatole France
et suivi de la conversion d'Alceste par Georges Courteline decores de
26 Compositions de Jeanniot dont 12 gravees sur bois par Florian grand
et petit in-4, imprime, en trois Couleurs par l'imprimerie nationale, tirage
limite a 310 exemplaires numerotes a la presse. Paris, 1&. Pelletan.
Mvse {la) frangaise (1823-1824). Edition critique publiee par Jules Marsau.
T. 1er Toulouse, impr. Privat. Paris, Cornely et Cie. 1907. In-16 L-352 p.6fr.
Mtksset, A. de. — Les chefs-d'ceuvre lyriques de Alfred de Musset. Choix et
Notice de Auguste Dorchain. Leipzig, W. Weicher 1907 [Gowans's inter-
national Library. Nr. 10] Preis, M. 0,75.
— ffiuvres complötes. Nouvelle edition, revue, corrigee et augmentee de
documents inedits, precedee d'une notice biographiqne sur l'auteur et
suivie de notes par Edmond Bire. I, Premiöres poesies (1829 — 1835).
Contes d'Espagne et d'Italie; Spectacles dans un fauteuil; Poesies diverses
Namouna. Paris. Garnier fröres. In-8,LXX-382 p. Edition sans gravures, 3 fr.
238 Novitätenverzeichnis.
— CEuvres Comedies et Proverbes: la Nuit venitienne; Andre del Sarto;
les Caprices de Marianne; Fantasio; On ne badino pas avec l'amour;
Barberine. Paris, Lemerre. lt)07. In- 18 Jesus, 463 p. et iiliistrations de
Henri Pille, gravees ä Teau-torte par Louis Monzies. 3 fr. ')0.
Musstt A. de. Comedies et Proverbes d'AUred de Musset. II, Lorenzaccio;
Barberine. Paris, Calmann-Levy. In-18 Jesus, 251 p. 1 fr.
rasquier. — A'. Glaser Notes sur le texte de „la Congratulation" d'Estienne
Pasquier [In: Kev. de la Renaissance VIII, juin- octobre. 1907].
rerrault. — LesContesdePerrault, illustres par E. Courboin, Fraipont, GeofiFroy.
Gerbault, Job, L. Morin, Robida, Vimar, Vogel, Zier. Introduction par
M.Gustave Larroumet, de l'Institut. Paris, Laurens. In-4, IV- 11 9 p.
Prudhomme, Sully. Analyse de quelques-unes de.ses poesies p. E. Weber. 16 S.
4". Progr. Berlin. College royale frangais.
Racine. — Michaut, G. La Berenice de Racine. Paris, 1907. 18*. XIII, 356 pp.
Ronsard. — Les chefs d'ceuvre lyriques de Pierre de Ronsard et de son ecole.
Choix et Notice de Auguste Dorchain. Leipzig, W. Weicher [Gauvans's inter-
national Library]. Preis M. 0,75.
— XI sonnets de Pierre de Ronsard. Nouvellement recueillis pour quelques
lettres. Texte de 1552 et 1578. OflFert par Uugues Vaganay, Bibliothecaire
des Facultes Catholiques Lyon. 1 Janv. 1908. Paris, Philippe Renouard,
Imprimeur. 19, rue des Saints-Peres.
Rousseau J. J. Lettre ä M. d'Alembert sur les spectacles. Publice avec une
introduction, un sommaire, des appendices et dos notes historiques et
grammaticales, par L. Brunei 4» edition, revue. Paris, Hachette et C»e.
1907. Petit in- 16, XXXI-224 p. 1 fr, 50.
Sainte-Beuve. — Lettres de Sainte-Beuve ä une exilee (M. de Solms) [In:
Le Correspondant des 10 et 25 aoüt 1907].
Saint-Simon de. Memoires complets et authentiques sur le siecle de Louis
XIV et la Regence, collationnes sur le manuscrit original par M. Cheruel
et precedes d'une notice par M. Sainte-Beuve. Paris. Hachette et C»e.
1907. 2 vol. in-16. T. 3, 479 p. t. 6, 486 p. Le volume, 1 fr. 25.
Sand., George. Meine Lebensbeichte. Nach dem französischen (L'histoire de
ma vie) v. R, Johivicz. Mit Einleitung v. Ella Mensch. 152 S. 8°. Mit 6
Bildnissen. Berlin, H. Seemann Nachf. 1907. M. 2.
Scarron, P. A. L. Stiefel, Zu den Novellen Paul Scarrons [In: Arch. f. neuere
Spr. CXIX Va- S. 101—109 (Fortsetzung folgt).
— Poesies diverses; La Mazarinade. Virgile travesti,- Roman comique. Choix,
notice biographique et bibliographique par Alphonse Seche. Michaud. Petit
in-16, XV-142 p. avec 2 portraits de Paul Scarron et 1 portrait de M.
de Maintenon. 1 fr.
Scudery. — De la poesie fran^aise jusques ä Henry quatrieme, par Madeleine
de Scudery. Edition ornee d'un portrait frontispice, avec une introduction,
des notes, d'un index, p. G. Ißchaut. Paris, Sansot. 1 vol. in- 12.
2 francs.
Sevigne, M. de. Lettres choisies. Paris, Flammarion. In-18 Jesus, 359 p. 95 cent.
Sevin. — C. Ballu, Curiosites poetiques du XVIe siecle: Gervais Sepin ou
Sevin [In : Rev. de la Renaissance VIII (7e annee). Nov. - dec. 1907.
S. 239-243].
Siael, M. de. S. oben p. 221.
— Mme de Stael, and Benjamin Constant. ünpublished letters, together with
other mementos from the papers left by Mme. Charlotte de Constant.
306 S. 8». London, Putnam's Sons.
Stendhal. — C. Sryinski. L'Alambic de Stendhal [In: Rev. bleue 18. janv. 1908].
— V. Oppeln-Bronikoii'ski. Die Quellen zu Stendhals Renaissance-Novellen
[In: Zs. f. franz. u. engl. Unterricht VII, 1].
— P'in du Tour d'Italie en 1811. Cahier complementaire et inedit du
„Journal" p. p. A. Paupe [In: Mercure de Fr. 16. oct. 1907. S. 577—605].
Novitätenverzeicimis. 239
Kacine et Shakespeare; Promenades dans Rome; Histoire de la peinture
en Italie; Rome; Naples et Florence; Memoires d'un touriste, etc.; par
Stendhal. Biographie, bibliographie, pages choisies par Charles Simond.
Paris. Petit in-16. XXII- 136 p. avec portraits de Stendhal et caricature
par Alfred de Musset. 1 fr.
Taine. Hippolyte: Napoleon. Deutsch v. Luise Wolf. Hrsg. u. eingeleitet
V. Hans Landsberg. 2. Taus. (Napoleon -Bibliothek.) (VI. 102 S.) '07.
Kart. 2, — ; geb. in Leinw. 2,50. [In: Museum. 8". Berlin, Pan-Verlag].
Vigny, A. de. Helena poeme en trois chants reimprime en entier sur l'edition
de 1822 avec une introduction et des notes p. E. Estive. These. Paris,
Hachette et Cie. 1907.
— B. Alline. Deux sources inconnues des premiers poemes bibliques de
Vigny: l'abbe Fleury etdomCalmet [In: Rev. d'Hist. litt, de laFr. XIV, 4].
— Fragment d'une adaptation en vers, inedite, de Romeo et Juliette, de
Shakespeare, p. Alfred de Vigny [In: L'Italie et la France. Oct. 1907].
Villon, des Meisters Frangois, Werke. Ins Deutsche übertr. v. K. L. Ammer.
(V, 116 S.) gr. 80. Leipzig, J. Zeitler '07. 5,—.
Voltaire. (Euvres completes T. 10. Hachette et Cie. 1907. In-16, 507 p. 1 fr. 25.
— E. Bitter. Une lettre de Voltaire (Moland 179) [In: Rev. d'Hist. litt, de
la Fr. XIV, 4. S. 728].
— Une lettre inedite de Voltaire p. M. Bourdin [In : Mem. de la soc. d'emul.
du Doubs 1905. Besangon 1906. S. 67— 81J.
Zola, Emile. Der Zusammenbruch. (Der Krieg v. 1870/71.) Roman. Neue
Ausg. in 1 Bde. 11— 20. Taus. (578 S.) 8°. Stuttgart, Deutsche Verlags-
Anstalt ('08). 2, — ; geb. in Leinw. 3,—.
8. Geschichte und Theorie des Unterrichts.
Berlitz. — L'Enseignement des langues Vivantes d'apres la Methode intuitive
Berlitz. Paris, impr.Wellhoff et Roche; 27, avenue de l'Opera. 1907. In 8, 15p.
Hirschmann u. Kaesbach. Kanon französischer Gedichte f. Gymnasien und
Realgymnasien. (32 S.) 8^'. Warendorf, J. Schnell ('07). —,30.
ßrandl, AI. Neuere Sprachen [In: Universität und Schule. Vorträge auf
der Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner am 25. Sep-
tember 1907 gehalten von F. Klein, P. Wendland, AI. Brandl, Ad. Harnack.
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schaft deutscher Naturforscher und Ärzte betreffend die wissenschaftliche
Ausbildung der Lehramtskandidaten der Mathematik und Naturwissen-
schaften. 1907. Leipzig und Berlin, B. G. Teubner].
Budde, G. Pro domo ! [In : Zs. f. d. franz. u. engl. Unterricht VI, 6. S. 481—486].
Büttner, H. Die Muttersprache im fremdsprachlichen Unterricht [In: Die
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Hasl, A. Der neue bayerische Lehrplan für den neusprachlichen Unterricht
an Real- und Oberrealschulen [In: Zs. f. d. franz. und engl. Unterricht
VI, 6. S. 509 ff.J.
Kaluza., M. Zur Reform der Oberlehrerprüfung [In: Zs. für französischen
und englischen Unterricht VII, 1].
Söderhjelm, W. Die Langenscheidschen Hilfsmittel für den modernen Sprach-
unterricht pn: Neuphil. Mitteilungen 1907 No. V2 S. 27—31].
Werner, A. Bemerkungen zu den schriftlichen Arbeiten im Französischen
[In: Zs. f. d. Realschulwesen XXXII, 19. S. 646 ff.].
9. Lehrmittel für den französischen Unterricht.
a) Grammatiken, Übungsbücher etc.
Bechtel, A. u. Charles Glaitser. Französische Konversations -Grammatik für
kommerzielle Lehranstalten. (Mit abrege de grammaire.) 4., umgearb.,
m. e. abrege de grammaire verseh. Aufl. (XV, 304 u. 80 S.) 8". Wien,
Manz '07. Geb. 2,80.
240 Novitätenverzeichnis.
— Französisches Lese- und Übungsbuch für Handels- Akademien (höhere
Handelsschulen). Formenlehre, 2., rev. Aufl. (IX, 316 S.) S". Wien,
Manz '07. Geb. 2,ö0.
Berlitz, M. D. Les verbes en deux tableaux. (2 S. in Lex. 8 ° u. 2 S. Text.)
8». Berlin, S. Cronbach ('07). —,50.
Boei-ner, Otto. Lehrbuch der französischen Sprache. Mit besond. Berücksicht.
der Übgn. im mündl. und schriftl. Gebrauch der Sprache. Ausg. B, für
höhere Mädchenschulen (nach den Bestimmungen vom 31. V. 1894).
(Prof. Dr. Boerners neusprachliches ünterrichtswerk, nach den neuen
Lehrplänen bearb.) 8"^. Leipzig, B. G. Teubner. 3. Tl. (Neubearbeitung.)
Stoff für das 3. Unterrichtsjahr. Mit e. Vollbild: Der Winter. Hierzu
e. grammat. Anh. .3. Doppel-Aufl. (V, 142 u. 72 S.) '07. Geb. u. geh. 2, -•
Fink., S. Lehr- und Übungsbuch der französischen Sprache für Kellner- u.
Kücheulehrlinge. (75 S.) 8'^'. München, ßuchdruckerei u. Verlagsanstalt
C. Gerber '07. 1,25.
Fischer, Herrn, u. Geo Dost. lYanzösische Texthefte zu Hirts Anschauungs-
bildern (Künstlersteinzeichnungen v. Walter Georgi), nach logisch-grammal.
Gesichtspunkten bearb. 14X22,5 cm. Breslau, F. Hirt. 4. Heft. Dost,
Goo. Der Winter. (48 S.) '08. Kart. —,80.
Haberlands Unterr.- Briefe. Englisch. 37. Brief Leipzig, Haberland. — ,75.
— dasselbe. Französisch. 36. Brief. Ebd. — ,75.
Hüft, Gust. Französische Serien. Schnelle und naturgemässe Einführung in
die französische Sprache durch Unterscheidung zwischen objektiver und
subjektiver Sprache durch zeitl. Folge der Lebensvorgänge und durch
innere Anschauung. 1. Tl Französischer Sprachstoff nach den Grund-
sätzen Fr. Gouins. Mit Zeichngn. v. Adf. Maack. (VHI, 115 u. Anh.
SOS.) 80. Hamburg, 0. Meissners Verl. '07. 1,60; Anh. allein —,40.
Jarach et G. Mouchet. — La Composition fran^aise du brevet elementaire,
precedee d'une preface et d'une introduction sur 1' « art decomposer».
100 sujets traites, 100 plans, 300 sujets analogues. 3e edition, revue et
corrigee. Paris, Nathan. In-16, XXXV-312 p.
Kanzler, A. Hilfsbüchlein für den Gebrauch des Französischen als Unter-
richtssprache. Französische Wörter und Kedensarten, für die Hand des
Schülers zusammengestellt. 2. Aufl. (VI, 41 S.) kl. 8o. Karlsruhe, J.
Lang '07. —,60.
Lüching, Gust. Französische Grammatik für den Schulgebrauch. 3., verb.
Aufl. (X, 362 S.) 80. Berlin, Weidmann ('07). Geb. 4,—.
Meurer, Karl. Sachlich geordnetes französisches Vokabularium m. Phraseolo-
gie und Sprechübungen über Vorkommnisse des täglichen Lebens. An-
leitung zum französisch Sprechen. Mit besond. Berücksicht. des Wort-
schatzes der Ploetz'schen Unterrichtsbücher und nach den Forderungen
der neuen preuss. Lehrpläne für alle Klassen höherer Lehranstalten
bearb. 4. verb. Aufl. (XII, 180 S.) 8". Berlin, F. A. Herhig '07. 1,80.
Schidlofs. Dr. B. Sprechsystem „Praxis" z. Selbststudium fremder Sprachen
(1000 Worte-System). Französisch. (In 10 Lfgn.) 1. u. 2. Lfg. (S. 1—64.)
8». Berlin, J. Singer & Co. ('07). Je —,50.
Schaefer, Curt. Lehrgang für den französischen Unterricht. (Im Anschluss
an das Elementarbuch) 4. umgearb. Aufl. 11. Teil. (II. 233 S.) gr. 8**.
Berlin, Winckelmann & Söhne '07. 2, — .
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Weiss, Meto. Französische Grammatik f. Mädchen. II. Tl. Oberstufe. 4.,
verb. Aufl. (VIII, 343 S.) 8". Paderborn, F. Schöningh '07. 3,40.
b. Literaturgeschichte, Schulausgaben, Lesebücher.
Decker, R. Achille. Histoire abregee de la litterature fran^aise ä l'usage des
classes superieures des lycees de jeunes filles et ä l'usage prive. (II,
106 S.) 8°. Wien, Manz '07. 1,45; kart. 1,70.
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B. G. Teubner. 1907. VI, 30 S. 8°.
Loisch, Dr. Fr. Histoire de la litterature frangaise composee d'apres les
meilleurs auteurs frangais et adaptee ä l'usage des ecoles superieures.
2. ed. augmentee et corrigee. (XIV, 148 S.) 8°. Leipzig, Renger '07.
Geb. 2,40.
Auteurs frangais. 8". Trier, J. Lintz. Wershoven, Prof. Dr. F. J. Frangais
celebres. Biographien franz. Herrscher, Staatsmänner, Feldherren, Dichter,
Gelehrten, Entdecker, Erfinder der neuern Zeit. Für den Schulgebrauch
hrsg. (96 S.) '08. Geb. 1,—.
Beckmann, Karl. Französisches Lesebuch für Realschulen und die mittleren
Klassen realer Vollanstalten, Mit 3 Übersichtskarten und 31 in den
Text gedr. Abbildungen und Kartenskizzen. (X, 352 S.) 8». Bielefeld,
Velhagen & Klasing 'ü7. Geb. 3,—.
Bibliotheque frangaise. kl. 8". Dresden, G. Kühtmann. 82. Bd. Rahn, Choix
d^» poesies frangaises particulierement des poetes lyriques du XIX« siede.
Mit Vorwort, Anmerkungen und Wörterbuch hrsg. (XII 168, 70 u. 44 S.)
'08. 1.50. 83. Bd. Tkiers, A. La campagne d'Italie de Napoleon Bonaparte
en 1800. Auszug aus: „Histoire du consulat et de l'empire." Für den
Schulgebrauch hrsg. u. m. Wörterbuch, Questionnaire und Anmerkungen
versehen von 0. Glöde. (VIII, 142, 47 u. 44 S.) '07. Geb. u. geh. 1,20,
— dasselbe. (Neue Aufl.) kl. 8°. Ebd. 8. Bd. St Bilaire, E. M. de: Courage
et bon coeur, Anecdotes du temps de l'empire. Mit Anmerkgn., Fragen
u. e. Wörterbuch zum Schulgebrauch hrsg. v, C. Th. Lion. 9. Aufl (IV.
59, 22 u 32 S.) '07. —,80.
Francillon, Cyprien: Le Frangais de tous les jours. Verbes irreguliers ä
l'usage des ecoles et de l'enseignement prive, contenant 31 exercices de
conversation, 33 exercices sur homonymes et proverbes, — 45 exercices
divers, 105 recits ou anecdotes. (XVi, 356 S.) 8°. Köln, M. Du Mont-
Schauberg '08. Geb. 5,—.
Hartmann's, K. A. Mart. Schulausgaben (französischer Schriftsteller). Wörter-
buch. 80, Leipzig, Dr. P. Stolte. No. 5. Duruy. Histoire de France.
1789—1795.^ (39 S.) '07. —,30.
Krön. R. En France. Lectures et conversations frangaises sur tous les sujets
de la vie pratique. Ouvrage destine ä l'etude de la langue couiante,
des institutions, moeurs et coutumes de la France, et surtout de Paris.
Ed. speciale pour dames et jeunes filjps. 4. ed., revue et corrigee. (11—17.
mille.) Avec un plan de Paris. (IV, 192 S.) kl. 8». Freiburg i. B.,
J. Bielefeld '07. Geb. 2,50.
Martin et Lemoine. Premier livret de lecture. Prononciatinn ; Articulation;
Ecnture. Histoires sans paroles; Conversations sur Images; Petites
Lectures courantes ilhistrees, Methode Martin et Lemoine. Avec la
collaboration de MM. Baudrillard et Fenard. Paris, Picard et Kaan.
1907. In- 16, 40 p. avec 66 grav. 30 cent.
Perthes' Schulausgaben englischer und französischer Schriftsteller. 8°. Gotha,
F. A. Perthes, No 1. Rossoeuw de Saint Hilaire, Mlle. Cecile (J. de Veze).
La fille du braconnier. Für den Gebrauch an höheren Töchterschulen
bearb. v. Dr. Herrn. Soltmann. 4. Aufl. (IX, 114 S.) '08. Kart. 1,—.
Prosateurs frangais. Ausg. A m. Anmerkungen znm Schulgebraucb unter dem
Text. Ausg. B m. Anmerkungen in e. Anh kl. 8". Bi^-lt^feld, Velhagen &
Klasing. 173. Lfg. Durwj, Vict. Le siecie de Louis XIV. Ausgewählte
Abschnitte aus V. Duruys histoire de P>ance, bearb. v. Vict. Schliebitz.
Autoris. Ausg. Ausg. B. (X, 137 und 80 S.) '08. 1,50.
— dasselbe. Wörterbücher, kl. 8". Ebd. 167. Lfg. Chailley-Bert. Tu seras
commercant. Zusammengestellt v. Vikt. Dalheimer. (36 S ) ('07.) —.20.
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karte. Ausg. B, (Vlll. 162 U. 40 S.) '07. Geb. 1,10. 9. Lfg. Barante.
Histoire de Jeanne d'Arc. im Auszuge hrsg. v. Arnold Krause Ausg. B.
(XU, l31 u. 39 S.) '07. Geb. 1,10. 85. Lfg. Erckmann-Chatrian Waterloo,
suite du conscrit de 1813. Im Auszuge neu hrsg. v. F. Ost. Mit 2 Über-
sichtskarten. Ausg. B. (V, 130 u. 46 S.) '07. 1.20. 108. Lfg. d'Berisson,
Comte. Journal d'un officier d'ordonnance. Im Auszuge neu hrsg. v. Wilh.
Weisser Mit 2 Übersichtskarten. Ausg. B. (VIII. 134 u. 4.5 S.) '07.
Geb. 1,20. 150. Lfg. Fuchs, Max. Tableau de l'histoire de la litterature
frangaise. compose d'apres les meilleurs auteurs frangais. Avec 29 illustr.
et un appendice: Morceaux choisis de la litterature du moyen äge. 3. ed.,
revue et corrigee. Ausgabe B. (VII, 228 u. 32 S.) '07. Geb. 1,60.
Schriftsteller, englische und französische, der neueren Zeit. Wörterbuch z.
48. Bdchn. 8". Berlin, C. Flemming. 48. Mühlan. A, Conteurs de nos
jours. II. Reihe. (30 S.) '08. —,60.
Schriftsteller, englische und französische, der neueren Zeit. Für Schule und
Haus hrsg. v. J. Klapperich. (Ausg. A. Einleitung u. Anmerkungen in
deutscher, Ausg. B in engl. od. franz. Sprache.) 8°. Berlin, G. Flemming.
49. Bdchn. Chatelain, Dr. A. Ausgewählte Erzählungen. Für den Schul-
gebrauch erklärt von Prof. Dr. K. Sachs. (Ausg. A.) (VII, 74 S.) '08.
Geb. 1,30.
Schriftsteller, englische und französische, der neueren Zeit. Für Schule und
Haus hrsg. v. J. Klapperich. Ausg. A. Einleitung und Anmerkungen in
deutscher, Ausg. B in engl, od franz. Sprache.) S''. Berlin, C. Flemming.
46. Bdchn. Moliere. L'avare, Comedie. Mit e Einleitg. und Anmerkgn.
V. Ernst Wasserzieher und Jean Gontard. (Ausg. A.) (XVI, 87 S.) '07.
Geb. in Leinw. 1,50; Ausg. B. (XII, 88 S.) 1,50.
— französische, aus dem Gebiete der Philosophie, Kulturgeschichte und
Naturwissenschaft. 8°. Heidelberg, C. Winter. Verl. 1. JoufiFroy, Th.
Melanges philosophiques. Auswahl m. Anmorkungen v. Realsch.-Prof.
Dr. Ernst Dannheisser. (134 S.) '07. Geb. 1,60.
Schülerbibliothek, französische. I. Serie, kl. 8''. Paderborn, F. Schöningh.
6. Bdchn. Lavergne, Julie. Quatre nouvelles Mit Anmerkungen zum
Schulgpbrauch u. e. Wörterbuch versehen v. F. Mersmann. (78, 15 und
16 S.) ('07.) Geb. und geh. 1,20.
Schulbiblioihek französischer und englischer Prosaschriften aus der neueren
Zeit. Mit besoiid. Berücksicht. der Fordergn, der neuen Lehrpläne hrsg.
V. L. Bahlsen u. J. Hengesbach. I. Abtlg. : Französ. Schriften. Wörter-
bücher. 8°. Berlin, Weidmann. 14. Bdchn. Loti, Pierre. Aus fernen
Ländern und Meeren. Bearb. v. A. Hilka. (23 S.) '07. —,30. 36. Bdchn.
Desheaux. Les trois petits mousquetaires. Zusammengestellt v. E, Hegener.
3. Aufl. (32 S.) '07. —,30.
Schulbibliothek, französische und englische. Hrsg. v. Otto E. A. Dickmann.
Reihe A. Prosa. 8". Leipzig, Renger. 70. Bd. Vigny, Cte. Alfr. de. Cinq-
Mars ou une conjuration sous Louis XIII. P^'ür den Schulgpbrauch bearb.
u. erklärt v. Gast. Strien. 3. Aufl. (X, 118 S) '07. Geb. 1,20. 73. Bd.
Lame-Kleury. Histoire de France de 4' 6—1328. (Aus: Histoire de France.)
Für den Schulgebrauch bearb. v. J. Hengesbach. 4. Aufl. (IV, 98 S.)
'07. Geb. 1,—. 112. Bd. Wershoven, F. J. Euglish history. Für den
Novitätenverzeichnis. 243
Schulgebrauch ausgewählt und erklärt. Mit 4 Karten und 3 Plänen.
3. Aufl. (VI. 142 S.) '07. Geb. 1,40. 136. Bd. Porchat, Jean-Jacques.
Le berger et le proscrit. Bearb. v. Gisbert van Moll. (38 S.) ('07.) — ,30.
— dasselbe. Wörterbuch. 8^'. Ebd. 85. Bd. Passy, Frederic. Le petit poucet
du XIX e siecle. Georges Stephenson et la naissance des chemins de fer.
Bearb. v. Wilh. Gaedicke. (24 S.) '07. —,25.
— dasselbe. Reihe C. (Für Mädchenschulen.) kl. 8". Ebd. 18. Bd. Stahl,
P.-J. Maroussia. Für den Schulgebrauch bearb. v. M. Mühry. 2. Aufl.
(IV. 98 S.) '07. In Leinw. kart. —,90.
Scribe, E. Le verre d'eau. Für den Schulgebrauch herausgegeben v. Prof.
Dr. Friedrich. Leipzig. G. Freytag. Wien, F. Tempsky 1907, 1,20.
Hierzu ein Wörterbuch. — ,30. [Freytags Sammlung französischer und
englischer Schriftsteller.].
Textausgaben französischer und englischer Schriftsteller für den Schulgebrauch.
(Hrsg. unter Red. v. Prof. Ose. Schmager.) kl. 8°. Dresden, G. Küht-
mann. 37. Bd. Hugo, Vict. Morceaux choisis. Poesie et prose. Ausge-
wählt und erklärt v. F. J. Wershoven. (XV, 139 u. 29 S. m. Bildnis.)
'07. 1,20.
— dasselbe. (Neue Aufl.) kl. 8". Ebd. 5. Bd. Michand, Jos.-Franq. Les
croisades de Frederic Barberonsse et de Richard Coeur-de-Lion. In ge-
kürzter Fassung hrsg. v. Frz. Hummel. 2. Aufl. (IV, 109 S.) 08. Geb.
—,80; Wörterverzeichnis. (13 S.) 8". — ,15.
Weiizenböck, G. Lehrbuch der französischen Sprache. I. Siebente Aufl. Mit
einer Münztafel. Wien, F. Tempsky, Leipzig G.Freytag 1907. Geb. 2,50.
— Lehrbuch der .französischen Sprache. IL A. Übungsbuch. Mit 25 Ab-
bildungen, 1 Übersichtskärtchen von P'rankreich und 1 Plan von Paris.
Sechste Aufl. Geb. 2,50. Leipzig, G. Freytag. Wien, F. Tempsky 1908.
— Lehrbuch der französischen Sprache. IL Teil. B. Sprachlehre. Fünfte,
durchgesehene Aufl. Geb. 1,50. Leipzig, G. J'reytag 1906.
— Lehrbuch der französischen Sprache für höhere Mädchenschulen und
Lehrerinnen-Seminaren. IL B. Sprachlehre. 2. Aufl. Geb. 1,70. Leip-
zig, G. Frey tag. Wien, F. Tempsky. 1907.
Wever. C. Textes frangais. Lectures et Explications ä l'usage des l«"®, 2e
et 3e annees de l'enseignement primaire superieur. Avec iutroduction,
notes et commentaires. Paris, Masson et Cie. 1908. In-16, VII-473 p. 3 fr.
Wolter, E. Frankreich. Geschichte, Land und Leute. Ein Lese- und
Realienbuch für den französ. Unterricht, (in 2 Tln.) 1. Tl. Histoire et
biographies. Mit 3 in den Text gedr. Plänen und 2 Karten. 3. verb.
Aufl. (VlII. 230 S.) 8". Berlin, Weidmann '07. 2,80.
16*
-y
PC
2003
Z5
Bd. 32
Zeitschrift für französische
Sprache und Literatur
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