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Full text of "Zeitschrift für französische Sprache und Literatur"

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Toronto 


7 


Zeitschrift 


für 


französische  Sprack  und  Litteratur 


begründet  von 

Dr.  G.  KoBrting    und    Dr.  E.  Koschwitz 

Professor  a.  d.  Universität  z.  Kiel       weil.  Professor  a.d.  Univers.  z.  Königsberg  i.Pr. 

herausgegeben 


Dr.  D.  Behrens, 

Professor  an  der  Universität  zu  Giessen. 


1 

Band  XXXII. 


1 

9- 


0°/     MO 


Chemnitz  und  Leipzig. 

Verlag  von  Wilhelm  Gronau. 
1908. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Zeitsclirift 


für 


französlsclie  Sprache  unil  litteratur 

begründet  von 

Dr.  G.  Kcerting    und    Dr.  E.  Koschwitz 

Professor  a.  d.  Universität  z.  Kiel        weil.  Professor  a.d.  Univers.  z.  Königsberg  i.Pr. 

herausgegeben 


Dr.  D.  Behrens, 

Professor  an  der  Universität  zu  Giessen. 


Band  XXXII. 
Erste  Hälfte:  Abhandlung-en. 


Chemnitz  und  Leipzig. 

Verlag  von  Wilhelm  Gronau. 
1908. 


Paul  ScaiTon's  „Le  Marquis  ridicule"  und  seine 
spanische  Quelle. 

Ein  Beitrag  zur  Greschichte  der  Figuron-Comedia. 

Als  Paul  Scarron  im  Jahre  1644^)  auf  den  Gedanken  kam, 
für  das  Theater  zu  arbeiten,  war  die  spanische  Comedia  durch 
Dichter,  wie  Rotrou,  Corneille,  D'Ouville,  Bois-Robert  u.  a. 
bereits  so  auf  der  französischen  Bühne  eingebürgert,  daß  der  arme, 
auf  raschen  und  leichten  Verdienst  angewiesene  Dichter  ganz  von 
selbst  auf  den  gleichen  bequemen  Weg  zu  dramatischem  Ruhme  oder 
lohnender  Einnahme  kommen  mußte.  Ein  gut  unterrichteter  Biograph 
Jean  Rotrou-,  Dom  Liron,  sagt  allerdings  von  letzterem:"-)  ^11  fut  lU 
cVune  etroite  amitie  avec  M.  Scarron.'-^  Wenn  das  richtig  ist,  so  spricht 
große  Wahrscheinlichkeit  dafür,  daß  es  Rotrou  war,  der  Scarron  auf 
die  spanische  Literatur  hinwies,  der  er  bisher  ferngestanden  hatte, 
die  er  aber  von  da  ab  bis  an  sein  Lebensende  nicht  mehr  aufhörte 
auszubeuten. 

Daß  schon  die  Zeitgenossen,  wenigstens  zum  Teil,  über  die 
spanische  Herkunft  der  Lustspiele  Scarrons  unterrichtet  waren, 
bezeugt  eine  von  den  Brüdern  Parfaict^)  zitierte  Stelle  aus  einer 
Epistre  Sarrazins  an  den  Grafen  van  Fiesque,  die,  kurz  nach  der 
Aufführung  von  Scarrons  Erstlingslustspiel  Le  Jodelet  oit  le  M^  Valet 
geschrieben,  die  Quelle  folgendermaßen  bezeichnet: 

Dom  Francefco  de  Roxas  eft  l'Autheur 
Et  Paul  Scarron  comme  ay  dit  tranflateur. 


1)  Die  Brüder  Parfaict  setzen  (VI  B.,  S.  327,  357)  die  Aufführung 
von  Scarrons  Erstliugslustspiel  in  das  Jahr  164.3.  P.  Morillot  glaubt, 
(Scarron,  Etudebiogr.  und  litt.  1888,  S.  270),  dafs  es  erst  1645  verfafst  worden 
sei.  Nachdem  indes  das  Privileg  des  Druckes  vom  25.  April  1645,  das 
acheve  d'imprimer  vom  20.  Mai  datiert  ist,  kann  das  Stück  nicht  später 
als  1644  entstanden  sein;  der  Dichter  verkaufte  es  doch  zuerst  an  die 
Schauspieler,  die  es  lange  Zeit  allein  aufführten,  und  dann  erst  an  den 
Buchhändler,  denn  sobald  es  gedruckt  wurde,  durfte  es  jede  Truppe  auf- 
führen. 

-)  Singularites  kistor.  et  litteraires  Bd.  I,  S.  332. 

3)  Hist.  du  Tkeätre  franqois  Bd.  VI,  S.  341.  —  Die  Stelle  ist  von  ihnen 
dem  weiter  unten  genannten  de  la  Martiniere  {(Euvres  de  Scarron  Amst. 
1737  I.  Bd.,  S   48  49)  entlehnt. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII  i.  1 


2  Arthur  Ludicig  Stiefel. 

Natürlich  ist  es  sehr  zu  bezweifeln,  daß  die  Zeitgenossen  immer 
genau  unterriclitet  waren,  welche  spanischen  Coraedias  Scarron 
bearbeitete. 

Im  18.  Jahrb.  war  man  sich,  wie  es  scheint,  über  die 
Beziehungen  des  Dichters  zum  spanischen  Theater  meist  nicht  mehr 
im  Klaren.  Baillet,  Maupoint,  Beauchamps  La  Valliere, 
Mouhy,Leris,  der  Abbe  de  La  Porte,  Palissot  u.  a.,  seien  es  Literar- 
historiker oder  Theaterspezialisten,  deuten  mit  keinem  Worte  darauf 
hin.  Nur  de  la  Martiniere,  der  Biograph  Scarrous,^)  den  Parfaict^) 
undGoujetß)  kopieren,  sagt  von  seinen  Stücken:  ,,toutes  les  sieiuies 
sont  des  Sujets  Espagnols,'-'-  aber  auch  ohne  nähere  Angaben.  Erst 
gegen  Ende  des  18.  oder  anfangs  des  19.  Jahrh.  begegnet  man  hin 
und  wieder  einer  Notiz,  die  die  Verpflichtung  Scarrons  gegen  das 
spanische  Theater  auffrischt.'^)  So  erwähnt  z.  B.  Napoli-Signorelli 
in  seiner  Storia  Critica  de'  Teatri  Anticlii  e  moderni,^)  daß  Scarron 
die  Comedia  £11  Marques  del  Cigarral  ins  Französische  übertragen 
habe  „intitolandola  Don  Japket,  ma  iion  contcntaudosi  di  retenenie 
le  grazie,  la  caricö  fuor  di  proposito." 

Die  genauere  Kenntnis  der  Vorlagen  von  Scarrons  Lustspielen 
hebt  mit  Puibusque^)  an,  welcher  1843  alle  als  dem  spanischen 
Drama  entnommen  bezeichnet,  aber  freilich  nur  bei  vieren  nähere 
Angaben  macht,    die  dazu  noch  nicht  ganz  richtig  sind.     Er  nennt  für 

1.  Jodelet  Oll  le  Mmtre  valet  den  Arno  criado  des  Francisco 
de  Rojas 

2.  Jodelet  djielliste,  Donde  hay  agravios  no  hay  zelos,  meme 
auteur. 

3.  Do7i    Japhet  d'Armenie    den    Marqiiez    del    cigarral  des 
Moreto. 

4.  Le  Gardien  de  soi-meme  den  „  Gtiarda  de  si  mismo  Calderons 

Es  ist  längst  gezeigt  worden,  daß  das  zweite  spanische  Stück 
nur  der  zweite  Titel  des  ersten  spanischen  Stückes  ist,  daß  der 
Marques  del  Cigarral  nicht  von  Moreto,  sondern  von  Alonso  de 
Castillo  Solorzano  ist  und  daß  Calderons  Comedia  nicht  Guarda 
de  si  mismo,  sondern  El  Alcayde  de  si  mismo  lieißt. 


■*)  Hist.  de  Mr.  Scarron  et  de  ses  Ouvrages,  gedruckt  im  I.  Bde.  der  (Euvres 
Scarrons  (Amst,  1737).     Die  Stelle  findet  sich  S.  52. 

5)  Bd.  VI  S.  341,  3ö4ff.  — 

6)  BibUotheque  fronnaise  Bd.  XVI   S.  326  fi'. 

")  So  k'unt  z.  B.  Liuguet  in  seinem  Thnäre  Espngnol  (Paris  De  Hansy 
1770)  I.  Bd.  Avertissement  p.  XVI  bzw.  XXIIl  ausser  der  Quelle  des 
Me.  Valet  auch  die  von  La  fausse  apparence. 

8;  Ausgabo  Napoli  (V.  Orsino)  1787  ff.  BH.  IV  (1789)  S.  2öC^.  Ausgabe 
1813  (Napoli  V.  Orsino)  Bd.  VI  S.  89. 

^)  Histoire  comjyaree  des  Litt,  espagnole  et  fr<inqaise  CParis,  G.  A.  Dentu) 
1843.  II.  Bd.  S.  189  und  S.  444.  — 


Fmd  Scarro7i^s   ^Le  Marquis  ridicide".  3 

ünabhäugig  von  Puihusque  hatte  Graf  Schack  1846  die 
Quellen  von  zwei  Stücken  angegeben  lOj.  Le  Gaixiien  de  soi-meme 
(El  Alcayde  de  si  mismo)  und  Don  Japhet  d'Armenie  {Marques 
del  Cigarrai).  In  den  Nachträgen  zu  seinem  Buche,  die  1854 
erschienen,  gibt  er  noch  als  Quelle  von  Scarron's  Les  trois  Dorothees 
(Jodelet  duelliste)  Tirsos  No  liay  peor  sordo  und  für  dessen  La 
fausse  apparence  Calderons  No  siempre  lo  peor  es  cierto  an.  nj 
Durch  einen  naheliegenden  Schluß  war  zugleich  12)  als  Quelle  von 
Scarr ons  L' Efcolier  de  Salamanque  die  ComedisL  Ohligados  y  ofendidos 
von  Kojas  Zorilla  festgelegt. 

Seitdem  waren  diese  Angaben  immer  wiederholt  worden,  ohne 
daß  etwas  Neues  hinzugekommen  wäre,  bis  Morillot^^j  1887/88 
als  Quelle  für  Les  trois  Dorothees,  La  traycion  hiisea  el  castigo 
des  Rojas  Zorilla  angab,  wobei  ihm  indes  unbekannt  blieb,  daß  die 
Hauptquelle  Tirso's  No  hay  peor  sordo  war. 

Die  Arbeiten  von  Grohleri'*)  und  Petersi^)  brachten  die 
Quellenforschung  betreffs  Scarron's  Lustspiele  um  keinen  Schritt 
weiter.  Der  erstere  verglich  nur  Le  Maifire  Valet  mit  seiner 
längst  bekannten  Vorlage  und  der  letztere  hatte  das  seltsame  Finder- 
genie, die  drei  oben  an  letzter  Stelle  genannten  spanischen  Stücke 
nochmals  als  Quellen  des  burlesken  Dichters  zu  entdecken.  Verglichen 
mit  Scarron  hat  er  die  zwei,  die  nach  seiner  Meinung  die  einzigen 
Vorlagen  von  Les  trois  Dorothees  waren. 

Es  waren  sonach  1893,  nach  dem  Erscheinen  der  Dissertation 
von  Peters,  vor  wie  nach,  die  Quellen  von  sechs  Lustspielen  Scarrons 
bekannt,  nämlich  die  von 

1.  Le  Maistre  valet. 

2.  Les  trois  Dorothees  (Jodelet  duelliste), 

3.  Don  laphet  d'Armenie, 

4.  L'Efcolier  de  Salamanque, 

5.  Le  Gardien  de  foy-mefme, 

6.  La  fausse  apparence. 

hiervon  aber  nur  die  beiden  ersten  anf  ihr  Verhältnis  zur  Quelle 
geprüft  VN'orden.  Die  Vorlagen  der  beiden  noch  übrigen  Komödien 
Scarrons : 


^'^)  GeschicJite  der  dramat.  Lit.  u.  Kunst  in  Spanien  Bd.  III  (Frkf.  1846) 
S.  447  und  448. 

1')  S.  104. 

1-)  Ibid. 

1^)  Scarron,  Etüde  hiorj7:  et  Uiieraire  (These  pour  le  Doctorat)  Paris 
H.  Lecene  et  H.  Oudin  1888.  S.  279. 

'^)  Paul  Scarron  aJs  Komüdiendichter  (Zsch.  f,  /ranz.  Sjyr.  2t.  Litt.  Xll,  S. 
27,  66J. 

1^)  Paul  Scarrons  ,,Jodelei  Duelliste''^  u.  seine  Quellen  etc.  (Miinchener  Bei- 
träije  Helt  6). 

1* 


4  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

L'Hcriticr  ridicule  und 
Lc  Marquis  ridicule 

lagen  völlig  im  Dunkeln. 

Im  Jahre  1895/96  wies  ich  zum  ersten  Male  uachi^j: 
1.  Scarron  hatte  für  Les  3   Dorothees   ou   Jodelet  soufflete 
nicht  zwei  sondern  mindestens  drei  Vorlagen.     Die  Neben- 
handlung   des    Stückes,    die    Duellsache  Jodclets,    die    dem 
Lustpiel   in    der  jüngeren   Ausgabe   {Jodelet   duelliste)    den 
Namen  gegeben,  ist  nicht,  wie  Peters  angenommen,  „durch- 
aus Scarrons  eigene   Erfindung",    sondern    er    entnahm    sie 
dem    Lustspiel    des    Rojas  Zorilla,    betitelt:  No  hay  amigo 
para  amigo,    in   welchem    sie   ebenfalls   die  Nebenhandlung 
bildet.      Direkt    entlehnt   hat    er   allerdings   nur  die   zweite 
Scene  des  II.  Aktes,  den  ersten  Teil   der  achten  Scene   des 
IV.   Aktes   und    die   erste   und   zweite   Scene  des    V.  Aktes 
von  JLes  trois  Dorothees. 
Diese    Wahrnehmung,     daß   Scarron    gleich    seinem    Vorläufer 
und  Vorbild  Jean  Rotrou,  bei  seinen  Lustspielen,  zu  Contaminationen 
grifl',    mahnt    uns    zu  Vorsiclit    betreffs    der  Beurteilung  seiner  Selb- 
ständigkeit in  den  übrigen  Stücken. 

2.  Die  Quelle  für  Scarrons  L'Heritier  ridicule  ist  die 
Figuron-Comedia  El  Mayorazgo  figiira  des  Don  Alonso  de 
Casfillo  Solörzano^^). 

Von  der  Überzeugung  durchdrungen,  daß  über  kurz  oder  lang 
irgend  ein  strebsamer  junger  Gelehrter  das  Verhältnis  Scarrons  zum 
spanischen  Drama  in  eingehender  erschöpfender  Weise  darstellen  und 
dabei  von  selbst  auf  die  noch  unermittelte.  mir  aber  bekannte 
Quelle  des  letzten  Stückes,  des  Marquis  ridicide  stoßen  würde, 
hatte  ich  mich  mit  den  Lustspielen  des  Verfassers  des  Roman 
comique  nicht  mehr  beschäftigt.  Mehr  als  zehn  Jahre  sind  seitdem 
verflossen;  meine  Hoflnuiig  hat  sich  als  trügerisch  erwiesen;  mir  ist 
wenigstens  keine  neue  Arbeit  über  die  Quellen  der  Scarron'schen 
Lustspiele  bekannt  geworden.  Das  veranlaßt  mich,  aufs  neue  auf 
den  Lustspieldichter  Scarron  hinzuweisen,  dessen  Bedeutung  für 
die  Literaturgeschichte  in  den  letzten  Jahren  entschieden  gewachsen 
ist.  Mir  selbst  fehlt  die  Zeit,  die  angedeutete  Arbeit  in  ihrem 
ganzen  Umfange  auszuführen,  und  offen  gestanden  auch  die  rechte 
Lust,  weil  ich  nicht  gerne  Hand  anlege,  wo  es  sich  darum  handelt, 
über  bereits  bekannte  Tatsachen,  in  diesem  Falle  über  bereits  be- 
kannte Quellen,  zu  reden.  Lediglich  um  die  noch  unbekannte 
Quelle  des  Marquis  ridicule^  des  letzten  noch  zu  Lebzeiten  des 
Dichters  gedruckten  Lustspiels   aufzudecken,    ergreife    ich    heute    die 


J6j  Zsch.  für  franz.  Spr.  u.  Li/t.  B(1.  XVI 2  S.  96  if. 
^")  Literaturbl  f.  g.  n.  rom.  Piniol.    IS'Jß  S.   275.  — 


Paul  Scarroti's  „Ze  Marquis  ridicuh'-'.  5 

Feclri-.  Ich  will  dabei  etwas  au-führlicb  zu  "Werke  geben.  Es 
scheint  mir  von  Wichtigkeit,  an  einem  der  jüngsten  Erzeugnisse  der 
Scarronschen  komischen  Muse  sein  Verhalten  gegenüber  der  spa- 
nischen Comedia  zu  zeigen.  Zwischem  dem  ersten  Lustspiel 
Scarrons  Le  Jodelet  ou  ie  M^  Valet  und  dem  Maz:quis  ridicule 
liegen  fast  12  Jahre.  Hat  Scarron  sein  Nachahnmngsverfahren 
mittlerweile  geändert,  hat  er  Fortschritte  gemacht?  Wurde  er  freier, 
selbständiger?  Diese  Fragen  werden  uns  außer  dem  Forschen  nach 
der  Quelle  zu  beschäftigen  haben. 

Am  8.  Februar  1656  wurde  der  Druck  eines  Lustspiels  von 
Scarron  vollendet,  das  den  Titel 

Le  Marquis  Ridicule  ou  la  Comtesse  faite  ä  la  haste 

trug  und  dem  Abbe  Fouquet,  dem  Bruder  des  bekannten  Finanz- 
minister?, gewidmet  war.  Verfaßt  und  aufgeführt  muß  also  das  Stück 
schon  früh  im  Jahre  1655  worden  sein.  Der  Dichter  entnahm  den  Stoff 
einer  sehr  seltenen  spanischen  Comedia,  die  von  den  Historikern  des 
spanischen  Dramas  ganz  übersehen  worden  ist  und  sich  nur  in  den 
Katalogen  verzeichnet  findet.     Ich  meine  das  Lustspiel 

Peor  es  hurgallo 

welches  vom  gleichen  Verfasser  wie  der  vielgenannte  Conde  de  Sex 
nämlich    von    dem    Madrider    Dichter    Bon    Antonio    Coello^^) 

herrührt.  Da  dieser  Dichter  liereits  1652  starb,  so  ist  sein  Stück 
noch  einige  Zeit  früher  zu  datieren.  Gedruckt  wurde  dieses,  so  viel 
wir  wissen,  nur  als  Einzeldruck,  nicht  in  einer  Sammlung.  Ein  solcher 
Einzeldruck  (Suelta)  aus  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  befindet 
sich  in  der  Kgl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  München  ^S)  und  ein 
ähnlicher  wird  Scarron  als  Vorlage  gedient  haben.  Wie  fast  alle  Stücke 
jener  Zeit  ist  es  in  .3  jornadas  eingeteilt,  letztere  sind  aber  nicht  in 
Szenen  geschieden.     Beschäftigen  wir  uns  mit  seinem  Inhalt. 

Peor  es  hurgallo  (Es  ist  ratsamer  die  Sache  nicht  näher  zu  erforschen.) 

I.   Jornada. 

Dona  Antonia  mit  ihrer  Dienerin  Luisa  eröffnen  das  Stück. 
Wir  erfahren  ans  dem  Gespräche  der  beiden,  daß  die  erstere  eine 
portugiesische  Abenteuerin  ist,  die  sich  einen  distinguierten  Gemahl 
ergattern  will.  Nach  manchen  fehlgeschlagenen  Versuchen,  hatte  sie 
zuletzt    von   einem  Visconde  aus   Altkastilien   gehört,   der  in   Madrid 


18)  Wegen  biographischer  Einzelheiten  über  diesen  Dichter  verweise 
ich  auf  La  Barrera  y  LeiraJo  Catiilogo  Ubl.  y  Kogr.  del  Teatro  antiguo  espanol 
(Madr.  Rivadenoyra  1860)  S.  94ff. 

'^)  Eine  Beschreibung  dieses  Druckes  brachte  ich  in"  der  Zsch.  für 
romanische  Philologie  Jahrgang  11)07,  S.  487  f. 


6  Arthur  Lndioig  Stiefel. 

angekommen  sei  um  sich  in  Madrid  zu  vermählen.  Sofort  hatte  sie 
ihren  Escudero  ausgeschickt  „a  informarfe  de  la  cal'a  donde  viue." 
Rotiriguez,  so  heißt  der  Mann, 

de  Efpana 

el  nias  famofo  terceio, 

que  pafa  por  efcudero, 
kommt  jetzt  zurück  und  meldet,  daß  der  Ankömmling  in  demseihen 
Zimmer  wohne,  wie  .Don  Diego,  Dona  Antonia's  armer  Verehrer.  Er 
habe  diesen  selber  im  Reiseko^tüm  aus  dem  Hause  kommen  sehen. 
Dona  Antonia  mutmaßt,  daß  Don  Diego  der  Vifconde  sei,  der  seinen 
Stand  verheimliche.  Sie  sieht  ihn  mit  einem  Male  mit  seinem  Diener 
Calabagas  kommen  und  zieht  sich  schnell  zurück  mit  ihren  Leuten, 
um  ihn  zu  belauschen. 

Don  Diego  will  seinen  Bruder  empfangen,  Calabacas  belehrt 
ihn,  daß  der  Vifconde  schon  in  Madrid  sei.  Bei  dieser  Gelegenheit 
erfahren  wir,  daß  letzterer  auf  dem  Lande  in  Altkastilien  ohne  Bildung, 
ohne  höfische  Sitte  aufgewachsen,  ein  Original  sei.  Calabacas  meint  dazu: 

Eftä  Castilla  la  vieja 

tau  vieja  j-a,  que  le  nacen 

en  vez  de  frutos  y  trigo 

Don  Quixotes  y  Refranes. 
Wir  hören  ferner  aus  dem  Gespräche  der  beiden,  daß  Don  Diego 
der  Dona  Antonia,  der  Dame  „linajuda  y  dada  a  principe^  grandes," 
nur  zum  Zeitvertreib  den  Hof  mache  und  daß  die  Närrin  ihm  gleich- 
giltig  sei.  Übrigens  wisse  sie  von  ihm  weiter  nichts,  als  daß  er  Dou 
Diego  heiße,  „mas  no  fabe  mi  apellido  y  patria,  tanto  que  cree  que 
foy  Infaute  de  Aragon!'.' 

Don  Diego  entfernt  sich  und  die  Verborgenen  kommen  zum 
Vorschein.  Dona  Antonia  fragt  den  Diener  aus.  Dieser  spiegelt  ihr 
vor,  Don  Diego  sei  von  hoher  Abkunft;  aber  obwohl  sie  ihm  einen 
Diamanten  schenkt,  verrät  er  seinen  Namen  nicht.  Er  geht  und  läßt 
im  Gehen  einen  Brief  fallen.  Luisa  hebt  ihn  auf.  Es  zeigt  sich, 
daß  in  dem  Brief  noch  ein  anderer  eingeschlossen  ist  und  daß  der 
erstere  vom  25.  Mai  datiert  und  von  Visconde  Don  Blas  de  Villoria 
unterzeichnet  ist.  Für  den  Schreiber  hält  Doiia  Antonia  den  Don 
Diego  und  freut  sich,  daß  dieser  ein  so  hoher  Herr  sei.  Als  sie 
den  Brief  liest  und  daraus  ersieht,  daß  Don  Blas  nach  Madrid 
gekommen  um  sich  zu  verheiraten  und  daß  er  seinen  Bruder  beauf- 
tragt, den  inliegenden  Brief  an  seine  Braut  zu  befördern,  wird  sie 
von  Eifersucht  erfaßt.  Der  zweite  Brief  belehrt  sie,  daß  die  Erkorene 
Dona  Juana  de  Vargas  heißt.  Sein  alberner  Inhalt  und  bäurischer 
Stil  fällt  der  Dienerin  Luisa  sofort  auf,  aber  Dona  Antonia,  von  dem 
hohen  Titel  verblendet,  sieht  darin  nur  Bosheiten.  Sie  ist  außer 
sich  über  den,  wie  sie  glaubt,  von  Don  Diego  ihr  gespielten  Betrug 
und  beschließt,  sich  dafür  zu  rächen.     Plötzlich  ertönen  Rufe  hinter 


Paul  Scarrons   „Le  Marquis  ridiciile''\  7 

der  Szene.  Die  Pferde  eines  Wagens  sind  durchgegangen  und  haben 
ihn  umgeworfen.  Don  Diego  erscheint  alsbald  mit  der  ohnmächtigen 
Dona  Juana  in  den  Armen.  Er  hat  sie  gerettet  und  trägt  sie  in 
Begleitung  ihrer  Diener  und  der  seinigen  ins  Haus.  Dona  Antonia 
^aber  beschheßt  die  geplante  Ehe  zu  stören  und  zu  diesem  Zwecke 
die  Braut  -aufzusuchen. 

Szenenwechsel.  Don  Diego  setzt  die  ohnmächtige  Juana  auf 
einen  Stuhl,  die  Dienerschaft  läuft  fort  nach  einem  Arzt.  Inzwischen 
kommt  Dona  Juana  wieder  zu  sich  und  dankt  ihrem  Retter,  fordert 
ihn  aber  auf,  sie  jetzt  zu  verlassen,  denn  ihr  Vater  müsse  jeden 
Augenblick  kommen  und  sie  wolle  nicht,  daß  er  den  Fremden,  und 
sei  er  auch  ihr  Retter,  bei  ihr  finde.  Don  Diego,  der  sich  Knall 
und  Fall  in  die  von  ihm  Gerettete  verliebt  hat,  ist  sehr  ungehalten 
über  diese  kühle  Behandlung,  aber  Beatriz,  die  Dienerin  der  jungen 
Dame,  tröstet  ihn  und  verspricht  ihm  ihre  guten  Dienste  bei  der 
Herrin.  Don  Diego  geht.  Doiia  Juana  mit  ihrer  Zofe  allein, 
gesteht  ihr 

No  fe  que  nueua 
inquietud  tengo  en  el  alma 

Beatriz  meint,  das  sei  Liebe.  Von  dieser  will  indes  Dona 
Juana  nichts  wissen;  sie  sei  ehrenwert,  erklärt  sie,  und  wolle  für 
niemand  Zärtlichkeit  empfinden, 

eftoy  cafada  y  muy  cerca 
de  llegar  ya  rai  marido. 

Noch  diesen  Abend  solle  er  eintreffen.  Beatriz  wundert  sich, 
daß  die  Herrin,  ohne  zu  wissen,  wie  der  ihr  bestimmte  Gatte  heiße 
wer  er  sei  und  wie  er  aussehe,  ihr  Jawort  gegeben  habe.  Die  für 
ein  junges  Mädchen  etwas  gar  zu  vernünftig  denkende  Dona  Juana 
erwidert  hierauf: 

Mira  Beatri*,  las  mugeres, 
fi  algun  anior  no  las  ciega, 
CDU  los  ojos  de  fu  padre 
miran  raejor  lo  que  aciertan. 
La  que  fe  enamora,  fuple 
con  el  amor  la  nobleza, 
0  la  hazienda  de  fu  efpofo, 
y  cariüofa  atropella 
por  los  primeros  dias 
que  dura  de  amor  la  fueica, 
la  comodidad  continua 
de  la  vida  que  le  queda. 
Mas  los  padres,  como  nuuca 
fe  enaraoran  ni  fe  prendan 
de  fus  yeriios,  solo  miran 


8  Arthur  Lndivig  Stiefel. 

la  ajiiCtatla  couueniencia. 
Mi  el'poro  dizeii  que  es  rico 
y  noble,  no  ay  mas  que  fepa, 
que  a  mi  quo  no  me  ciiamora, 
baftame,  aunque  no  lo  vea 
riqueza  y  fangre, 

Beatriz  fragt  sie  nun,  was  sie  täte,  wenn  der  Bräutigam  ver- 
schiedene von  ihr  angeführte  Fehler  hätte.  Auf  alle  weiß  die  junge 
Herrin  eine  resignierte  Autwort. 

Jetzt  kommt  CalabaQas  mit  der  Arznei  und  bietet  sie  Juana  an, 
die  aber  keine  Verwendung  melir  dafür  hat  und  die  Zofe  fragt,  wer 
der  Mensch  sei,  „Con  el  otro  hidalgo  llegö  a  tu  focorro,"  anwortet 
letztere.  „Dann  schicke  ihn  fort!"  meint  Doiia  Juana  kalt.  Noch 
ehe  Beatriz  das  tun  kann,  erscheint  Don  Gutierre,  der  Herr  des 
Hauses  und  erkundigt  sich  nach  dem  Befinden  der  Tochter.  Er 
bemerkt  CalabaQas  und  fragt  ihn,  was  er  hier  wolle  und  wer  er  sei. 
Calabagas  in  seiner  Verlegenheit,  gibt  sich  für  einen  Apotheker 
(Boticario)  aus,  der  Arznei  für  die  Tochter  gebracht  habe.  Gutierre 
heißt  ihn  gehen.  Der  angebliclie  Apotheker  will  zuvor  noch  die 
Rechnung  bezahlt  haben.  Aber  Juana,  seine  Lüge  uunötig  findend, 
entdeckt  dem  Vater,  der  Hidalgo  sei  kein  Apotheker,  er  habe  gelogen; 
er  sei  mit  einem  anderen  Manne  bei  ihrer  Rettung  tätig  gewesen. 
Don  Gutierre  fragt  ihn,  warum  er  die  Lüge  ersonnen  habe.  Calabagas 
antwortet,  es  sei  dies  eine  alte  Gewohnheit  und  die  Zunge  sei  ihm 
durchgebrannt.  Um  die  Wahrheit  zu  gestehen,  sei  er  gerade  aus 
Altkastilien  mit  dem  Visconde  don  Blas  de  Villoria  angekommen,  der 
im  Begriffe  stehe,  sich  zu  verheiraten.  Freudige  Überraschung  des 
alten  Herren.  Auf  seine  Frage,  ob  er  dem  Vifconde  diene,  antwortet 
Calabagas,  er  diene  dessen  Bruder.  Don  Gutierre  verkündigt  alsbald 
der  Tochter  die  Ankunft  ihres  Bräutigams.  Er  ist  sehr  überrascht, 
daß  sie  sich  nicht  dazu  freut.  Dona  Juana  antwortet  ruhig:  yo  no 
lo  deffeo  ni  lo  rehufo."  Stolz  auf  die  Tochter,  ruft  der  Alte  entzückt  aus: 

Que  euer  da! 
aprendan  a  refponder 
defte  modo  las  donzcllas! 

Den  Calabagas  fragt  Don  Gutierre,  wo  der  Visconde  sei  und 
warum  er  nicht  in  seinem  Hause  abgestiegen.  Calabagas  meint:  Er 
sei  eben  ein  engherziger  Biscayer  (Es  Vizcaino  encogido).  Er  fügt 
hinzu,  daß  er  Schrullen  und  Launen  gerade  genug  habe.  Gutierre 
hat  davon  schon  gehört  und  wünscht  zu  wissen,  ob  er  sich  vielleicht 
in  irgend  einer  Beziehung  zu  bessern  habe  (tiene  acafo  algo  en  que 
enmendarfe  pueda?)  Calabagas  meint  ironisch,  er  habe  wohl  einige 
Fehlerchen,  aber  die  seien  unverbesserlich;  denn  jener  halte  sich  für 
unfehlbar  („en  nada  pienfa  que  yerra).     „Fehler  eines  Majoratserben!  " 


Paul  Scarron's   „Le  Marquis  ridicule''.  9 

iiioint  nachsichtig  Don  Gutierre.  Calabacas  schiLleit  nun  zuerst  des 
Yisconde  abgeschmackte  Tracht,  die  au  die  des  wahnsinnigen  Königs 
erinnere  (el  traxe  del  Rey  que  rabiö  le  acuerda).  „Dem,"  bemerkt 
der  Alte,  „helfe  ein  Schneider  ab."  „Dann,"  fährt  Calabagas  fort, 
ist  seine  Sprechweise  altvaterisch: 

Hablo  a  lo  antiguo, 
y  por  eiicima  les  echa 
vno3  pocos  de  refranes 
como  agucar  y  canela. 

Das  mache  nichts,  ist  die  Einrede,  er  werde  schon  durch  den 
Umgang  besser  sprechen  lernen.  Dann  sei  er  sehr  streitsüchtig, 
fährt  Calabagas  fort.  Das  gäbe  sich  mit  dem  ersten  Zweikampf  ver- 
setzt der  Greis.  Ferner  habe  er,  charakterisiert  der  Diener 
weiter,  eine  sehr  hohe  Meinung  von  seiner  Person  und  glaube, 
daß  jedes  Mädchen  sich  in  ihn  verliebe.  Das  rühre  daher, 
erläuterte  Don  Gutierre,  daß  er  unter  lauter  Häßlichen  gelebt 
habe.  Außerdem  sei  er  so  fürchterlich  eifersüchtig,  daß  er  Dona 
Juaua's  Bildnis,  damit  niemand  es  sehen  könne,  unter  Verschluß 
führe  und  auf  dem  Mantelsack,  in  dem  es  sei,  schlafe,  schließt 
Calabagas  seine  Charakterschilderung.  Die  letzte  Eigenschaft,  ver- 
sichert Don  Gutierre,  sei  die  einzige,  die  ihm  Besorgnis  einflöße. 
Seine   Tochter  jedoch,   immer   klug   und   weise,  meint: 

A  mi  no,  porque  fi  yo 
por  mi  fer  honrada  es  fuerga, 
no  he  menefter  para  nada 
yo  que  zelofo  no  fear 
y  defpues  que  el  aya  vifto 
lo  que  foy  cou  experiencias, 
fe  quietarä;  y  quaudo  no, 
que  el  fea  muy  centinela 
que  me  ha  de  importar,  fi  yo 
no  he  de  teuer  que  me  vea? 

Beatriz  bemerkt  mit  Recht: 

La  primer  muger  has  fido 
que  habla  afsi  en  efta  materia. 

Aber  der  Vater  ruft  wieder  mit  Stolz: 

„Ay  refpuefta  mas  prudente?"' 

Er  befiehlt  ein  Zimmer  für  den  Schwiegersohn  zu  richten  und 
geht  mit  Calabacas  foi-t,  um  ihn  zu  holen. 

Dona  Juana  ist  von  dem  Bilde,  daß  Calabagas  von  ihrem 
Zukünftigen  entworfen  hat,  wenig  entzückt.  Doch  tröstet  sie  sich  mit 
dem  Gedanken: 


10  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

que  vii  criado 
fiempre  que  murmura,  aumenta. 

Da  erscheint  Don  Diego  aufs  neue  und  richtet  flammende  Worte 
an  Dona  Juaua.  Sie  weist  ihn  energisch  zurück  und  fordert  ihn  auf, 
sich  zu  entfernen.  Sie  ähnle  nicht  gewissen  Frauen,  die  nur  aus 
Schrulle  tugcndliaft  seien,  sondern  sie  sei  es  wirklich,  weil  sie  es 
eben  sei;  und  selbst  wenn  das  nicht  der  Fall  wäre,  so  sei  sie  schon 
vergeben;  sie  erwarte  noch  zur  Nacht  ihren  Bräutigam.  Plötzlich 
ertönt  Geräusch  auf  der  Straße.  Dona  Juana  hat  die  Stimme  ihres 
Vaters  erkannt  und  fordert  den  Galan  nochmals  auf,  sich  zu  entfernen 
und  irgend  einen  Vorwand  für  seine  Anwesenheit  anszudenken.  Doch 
es  ist  zu  spät;  schon  naht  Don  Gutierre.  Beatriz  läßt  Don  Diego 
in  das  anstoßende  Zimmer  eintreten.  Kaum  ist  er  verschwunden,  so 
erscheint  der  Alte  gefolgt  von  Don  Blas  und  seinem  Diener  Ortuno, 
von  CalabaQas  und  dem  eigenen  Lakeien  Joachin.  Don  Blas  entspricht 
vollkommen  dem  Bilde,  das  Calabagas  von  ihm  entworfen  hat.  Es 
ist  der  dumme,  lächerliche,  aufgeblasene  Landjunker,  wie  er  später 
so  lange  auf  der  spanischen  Bühne  gespielt  worden  ist,  und  dieser 
Landtölpel  ist  maßlos  mißtrauisch  und  eifersüchtig.  Er  hält  an 
Dona  Juana  eine  lächerliche  Ansprache  und  ruft  seinen  Diener  Ortuno 
und  fragt  ihn,  ob  diese  nicht  gut  gewesen  sei.  Dona  Juana  antwortet 
ihm  im  übertrieben  höflichen  Stil,  bemerkt  aber  zu  ihrer  Zofe,  es  sei 
ein  großes  Unglück,  einen  albernen  Gatten  zu  haben;  doch  Geduld, 
fügt  sie  gleich  hinzu.  Wieder  ruft  Don  Blas  nach  Ortuno  und  fragt 
ihn,  was  er  von  der  Braut  halte.  Ortuno  findet  sie  schön  und  klug. 
Die  erstere  Eigenschaft  fürchtet  Don  Blas  und  sagt,  daß  ihm  das 
Haus  Mistrauen  einflöße.     Als  er  daher  zögert  und  Dona  Juana  sagt: 

Si  OS  he  parecido  fea, 
con  procurar  agradaros, 
tendra  aquosta  falta  enmienda 
so  platzt  er  heraus: 

Antes  es  el  fufpender 
culpa  de  vuestra  belleza, 
que  me  pareceis  tan  bien 
que  cafi,  cafi  me  pefa. 

Selbst  Don  Gutierre  findet:  „Brabas  necedades  dize!"  aber  er 
glaubt,  daß  dies  möglicherweise  nur  eine  vorübergehende  Verwirrung 
(turbacion)  sei.  Wer  von  einer  langen  Reise  kommt,  für  den  sei  es 
am  besten  auszuruhn: 

Quien  de  vna  jornada  llega 
la  mayor  lifonja  es 
que  descanfe. 
Er  befiehlt  also  der  Tochter  sich  in  ihr  Zimmer  zurückzuziehen. 
Dann   fragt  er  Don  Blas  nach  seinem  Bruder;   er  wolle  auch  diesen 


Paul  Scarron's   .,Le  Marquis  ridicule" .  11 

kommen  lasseu,  damit  er  im  Hause  wohne.  Aber  Don  Blas  verbittet 
sich  das;  er  will  weder,  daß  sein  Bruder,  noch  sein  Vater,  noch 
irgend  ein  Diener  innerhalb  gleicher  Türen  mit  seiner  Frau  weile. 
Don  Gutierre  bemerkt  darauf:  „Lo  que  vos  quifiereis  fea,"  weist  dem 
Schwiegersohn  sein  Zimmer  an  und  geht. 

Den  ganzen  Empfang  hat  der  in  Juana's  Zimmer  versteckte 
Don  Diego  mit  angehört  und  hin  und  wieder  sein  im  aparte  gesprochenes 
Helfen  und  Baugen  dazwischen  geworfen.  Juana,  die  sich  in  ihr 
Zimmer  begeben  will,  erinnert  sich  jetzt  mit  Schrecken  des  Gefangenen 
und  flüstert  ihrer  Zofe  leise  ins  Ohr,  was  sie  mit  ihm  beginnen  solle. 
Gleich  merkt  das  der  argwöhnische  Don  Blas  und  wittert  Verrat. 
Er  ruft  Ortuno  und  sagt  zu  ihm: 

Ann  que  el  mundo  fe  rebuelua, 
no  ha  de  teuer  mi  muger 
criadita  consegera. 

Hiermit  schließt  die  Jornada  primera. 

Segunda  Jornada. 

Die  Handlung  der  H.  jornada  schließt  sich  unmittelbar  an  die 
der  ersten  an.  Wir  brauchen  uns  nicht  einmal  einen  Szenenwechsel 
zu  denken.  Als  der  Visconde  und  Ortuno  sich  entfernt  haben, 
bleiben  Doüa  Juana  und  Beatriz  zurück.  Jene  befiehlt  der  Zofe 
„jenen  Mann"  (elTe  hombre)  aus  ihrem  Gemach  zu  entfernen,  während 
sie  sich  in  ein  Nebenzimmer  begibt,  um  sich  entkleiden  zu  lassen. 
Im  Gehen  jagt  die  junge  Dame: 

que  aya  muger  que  fe  nieta 
en  estos  fustos?  grau  dicha 
a  fido  que  no  lo  vean. 

Als  sie  verschwunden  ist,  ruft  Beatriz  Don  Diego  und  fordert 
ihn  auf  zu  gehen.  Seufzend  und  den  glücklichen  Bräutigam  beneidend, 
schickt  sich  jener  an,  das  Gemach  zu  verlassen.  Beatriz  erfährt 
von  ihm,  daß  er  der  Bruder  des  Don  Blas  sei.  Da  letzterer  aber 
plötzlich  mit  Ortuao  aus  seinem  Zimmer  herauskommt,  so  muß  sich 
Don  Diego  aufs  neue  verstecken,  Don  Blas  wird  von  einer  ver- 
zehrenden Unruhe  aus  seinem  Zimmer  getrieben.  Er  ist  erregt,  weil 
er,  von  seinem  Schwiegervater  kurz  nach  der  Ankunft  überrascht, 
nicht  erst  die  von  seinem  Bruder  erbetene  Auskunft  über  seine  Bi'aut 
hat  abwarten  können.  Er  erzählt  dem  Ortuno,  daß  er  seinem 
Bruder  geschrieben,  er  möge  Erkundigung  über  das  Mädchen  einziehen 
„pues  conocida  no  era";  eine  sehr  gebotene  Vorsicht, 

que  muger  en  Madrid  bella 
es  mucho  peligro,  aviendo 
tantos  ojos  que  la  vean. 


12  Art/mr  lAidiciff  Stiefel. 

Ortufio  sagt  bcscli\vicliti;aenrl  zu  seinem  Herrn,  daß  sein  Bruder 
vielleicht  sich  erkundigt  habe;  er  möge  doch  zur  Ruhe  gehen.  Aber 
Don  Blas  kann  keine  Ruhe  finden.     Er  meint: 

No  me  conuiene  esta  nobia, 
que  es  hermofa  y  bachillera, 
y  tambien  tiene  criada 
que  habla  en  fecreto  con  ella. 

Nochmals  fordert  ihn  Ortuno  auf,  sich  zu  Bette  zu  begeben; 
aber  Don  Blas  schickt  ihn  fort  nach  Licht;  er  will  zuvor  noch  das 
ganze  Haus  durchsuchen. 

Don  Diego,  der  in  seinem  Versteck  das  ganze  Gespräch  belauscht 
und  auch  von  dem  an  ihn  gerichteten  Brief  gehört,  der  von  Calabagas, 
wie  wir  wissen,  ja  verloren  worden  war,  fürchtet  von  seinem  Bruder 
entdeckt  zu  werden.  Als  daher  Ortuno  nach  Licht  gegangen,  will 
er  sich  in  der  Dunkelheit  schnell  aus  dem  Hause  schleichen,  Don 
Blas  hört  Schritte  und  ruft:  „Ists  Beatriz?"  Als  er  keine  Antwort 
erhält,  tappt  er  nach  Don  Diego.  Dieser,  rasch  entschlossen,  packt 
ihn  und  ringt  mit  ihm,  indem  er  ruft:  No  has  de  falir,  tente.  efpera! 
Don  Blas  schreit:  „Quien  eres,  hombre  atreuido?-'  Don  Diego  ant- 
wortet: 

Hombre,  qualquiera  que  feas, 
que  profanas  esta  cafa, 
yo  hare  que  en  mis  bragos  fepas 
como  castigo  ofadias. 

Da  erscheint  Ortuiio  mit  Licht,  und  Don  Diego  tut,  als  ob  er  erst 
jetzt  seineu  Bruder  erkenne.  Auf  des  letzteren  Frage,  wie  er  in  das 
Haus  seines  Schwiegervaters  komme,  macht  er  ihm  weis,  daß  er 
seinen  Brief  gelesen  und  sich  gleich  nach  der  jungen  Dame  erkundigt, 
aber  von  ihr  nur  das  Beste  gehört  habe.  Da  er  sie  jedoch  heute 
im  Arme  eines  Mannes  bewußtlos  in  das  Haus  tragen  gesehen  und 
erfahren  habe,  daß  jener  sie  bei  einem  Unfall  gerettet,  so  habe 
er  sich,  um  sich  Gewißheit  zu  verschaffen,  ob  diese  Rettung 
Zufall,  oder  ob  der  Retter  ein  Liebhaber  wäre,  in  ihr  Haus 
geschlichen,  um  sie  zu  beobachten.  Als  er  nun  Schritte  gehört,  so 
sei  er  um  Klarheit  zu  bekommen,  über  den  Mann  hergefallen,  bis 
dieser  sich  glücklicherweise  als  sein  Bruder  entpuppt  habe.  Auf  die 
argwöhnische  Frage  des  Don  Blas,  wer  ihn  denn  ins  Haus  eingelassen 
habe,  erwidert  Don  Diego  uugeschickterweise:  eine  Dienerin,  und 
gießt  damit  Öl  in  die  Flamme  der  Eifersucht,  die  schon  in  seinem 
Busen  lodert.  „Peor  esta  que  estaua!"  jammert  Don  Blas,  „Alarma 
honorl"  Seine  Zweifel  zu  heben,  schlägt  er  Don  Diego  vor,  mit 
ihm  die  Kleider  zu  wechseln,  damit  er  seine  (Diego's)  Rolle  spielen 
könne.  Don  Diego,  heftig  erschrocken,  erkennt  die  Gefahr,  in  die 
ihn  der  Rollentausch  versetzt: 


Paul  Scar^roti's   „Le  Marquis  ridicide'^ .  13 

que  es  fuerga  que  qnando  buelva 
por  mi  la  criada,  hable 
algo  contra  rai  cautela, 
penfando  que  habla  coumigo. 

aber  was  soll  er  tun?  er  findet  keinen  Ausweg  und  fügt  sieb  dem 
Ansinnen.     Don  Blas  befieblt  ihm: 

I'ube  y  en  mi  quarto  efpera! 

Don  Blas  seufzt:  Honor,  apenas  marido, 

y  ya  defuelos  me  ciieftas. 

Szenenwechsel.  Dona  Antonia,  Rodriguez  und  Luisa  treten  auf. 
Sie  nähern  sich  dem  Hause  Don  Gutierres.  Die  abenteuerlustige 
Schöne  hat  bereits  erfahren,  daß  der  Visconde  und  sein  Bruder  nicht 
zum  Schlafen  nach  Hause  gekommen  sind.  Da  öffnet  sich  die  Tür 
und  herauskommt,    von  Beatriz    geleitet,    der   vermummte  Don  Blas: 

„De  vos 
quedare  fienipre  obligado" 

flüstert  der  vermeintliche  Don  Diego  der  Zofe  zu. 

„Salid,  que  me  aneis  costado 
graude  fufto." 

antwortete  Beatriz  und  huscht  davon.  Don  Blas  überlegt,  wie 
er  wieder  ins  Haus  kommen  könne;  er  will  Ortuno  rufen,  der  den 
Schlüssel  zur  Haustüre  liat,  aber  er  bemerkt  mit  einem  Male  die 
drei  Anwesenden,  die  aui  ihn  losgehen  und  flüchtet  sich  daher  schnell 
um  die  Ecke.  Dona  Antonia,  welche  sehen  will,  wer  der  Vermummte 
gewesen,  ruft  ihn  an  und  als  sie  keine  Anwort  erhält,  eilt  sie  ihm 
mit  ihrer  Begleitung  nach. 

Szenenwechsel.  Diego  mit  Calahagas  im  Zimmer  des  Don  Blas. 
Der  Kavalier  kann  sich  nicht  in  den  Gedanken  finden,  die  von  ihm 
so  heiß  Geliebte  in  dem  Besitz  eines  anderen  zu  sehen.  Es  beginnt 
zu  dämmern.     Don  Diego  ruft: 

para  que  quiero  yo  el  dia 
pues  viuo  desta  manera? 

Plötzlich  ertönen  Rufe.  Sie  lausclien;  es  ist  Don  Blas,  der 
nach  Ortiuio  ruft.  Calabagas  geht  nach  dem  Schlüssel;  während 
dessen  äußert  Don  Diego  die  Befürchtung,  sein  Bruder  könnte  seinen 
Trug  entdeckt  haben.  Von  Calahagas  hereingeführt,  erscheint  der 
Landtölpel,  schickt  jenen  fort  und  antwortet  auf  die  ängstliche  Frage 
Don  Diegos,  was  er  entdeckt  habe:  „mas  cuidado!"'  Dann  erzählt 
er  in  fast  vier  Kolumnen  schwungvoll  poetischer  Rede,  die  man  von 
ihm  kaum  erwartet  hätte,  wie  er,  im  ganzen  Hause  umherspähend, 
in  das  Schlafgemach  Dona  Juana's  gekommen  sei:   Er  sieht  ein  Licht, 


14  ArÜuir  Ludwig  Stiefel. 

Voy  caminando  tras  ello, 
y  a  pocos  j^alTos  que  di. 
miro  entreabierta  viia  quadra, 
cuyas  rexas  a  vn  jardin 
cayeudo,  azechaivlo  fiemi)re, 
como  vezinos  en  fin, 
la  muda  conuerfacioii, 
que  tenian  eutre  fi, 
las  flores  —   —  —  —  —  — 

Y  qiiando  la  vifta  apenas 
empe^aua  a  introduzir, 
miro  a  mi  efpofa  .... 

Estaua  la  quadra  toda 
en  filencio,  y  por  alli 
defperdiciaua  la  nocbe 
quaiido  el  dia  ha  de  venir. 
Miro  bien  fi  ay  alguien  deutro 

foledad  reconoci 

Er  tritt  ein: 

Entro  en  la  quadra  en  efecto, 
y  en  cama  de  evano  vi 

fiada:  ya  no  bablo  yo, 

amor  babla  desde  aqui: 
Und    nun    folgt    eine    verliebte  Schilderung    der    schlafenden   jungen 
Dame,  deren  Anblick  indes  nur  seine  Eifersucht  noch  mehr  entfacht: 

Yo  desconfiado  y  loco, 

cmpezando  a  difcurrir 

Dixe:  Muger  tan  herniofa 

quien  dudarä  que  en  Madrid 

fera  Circe  .... 

quien  dudarä  que  ella  (ay  cielos) 

pueda  escuchar  o  adraitir? 
Er  will    gleich    eine  Probe    anstellen,    er    löscht  das  Licht    aus  und 
ergreift  ihre  Hand,  y  ella  afustada 

defpierta  y  dize:  Es  Beatriz? 

Gallo,  y  en  el  tacto  estrana 

la  mano,  y  buelve  a  dezir: 

Quien  es?  con  mas  alboroto: 

y  a  media  voz  dixe:  Aqui 

me  teneis,  yo  foy  fenora. 

no  me  conoeeis?  y  entin 

0  fueffe  honor,  o  estraneza, 

Padre,  efpofo,  Yne?,  Beatrix, 

empego  a,  dezir  a  voze«, 

ladroues  —  —  —  —   —  — 


Paul  Scarron's  ,,Le  Marquis  ridicule-' .  15 

Erschreckt  und  verwirrt  habe  er  sich  entfernt,  erzählt  Don  Blas 
weiter  und  sei  anf  Beatriz  gestoßen,  die  auf  der  Herrin  Hilferufen 
herbeigekommen  und  ihm  Vorwürfe  gemacht  habe: 

Mucho  aueis  errado 
en  atreueros  afsi, 
qiie  fi  amais,  como  efta  tarde 
aueis  dicho,  mal  fufris 
dilaciones,  que  aunque  fuera 
mi  ama  la  mas  ciuil, 
que  muger  quifo  ta  n  prefto? 
tened  animo,  y  falid 
no  OS  fienta  el  Vilconde. 

Beim  Scheiden  habe  ihm  die  Dienerin  noch  zugerufen: 

Fiad  de  mi, 
que  aunque  es  vn  angel  mi  ama, 
el  tiempo  fuele  reudir 
VII  raonte. 

Wütend  über  die  Dienerin,  hätte  er  sie  am  liebsten  umgebracht; 
aber  es  war  ihm  ein  Gedanke  gekommen,  bei  dessen  Ausführung  er 
sie  noch  braucht.  Der  unverbesserlich  eifersüchtige  Don  Blas  rückt 
sogleich  mit  diesem  Gedanken  heraus,  Um  sich  von  der  unerschütter- 
lichen Keuschheit  seiner  Braut  zu  vergewissern  soll  Don  Diego  ihr 
ernsthaft  den  Hof  machen,  ihre  Tugend  bestürmen: 

curiofidad  de  mi  amor 
es  effa,  yo  he  de  falir 
de  las  dudas,  y  he  de  ver 
fi  fe  fabe  refiftir. 

Vergebens  bekämpft  Don  Diego  den  Nvahnwitzigen  Plan,  vergebens 
eiinnert  er  ihn  an  den  curioso  impertinente,  vergebens  beteuert  er, 
daß  Dona  Juana  keusch  sei  und  daß,  wer  es  einmal  sei,  es  immer 
bleibe:  Don  Blas  besteht  auf  seinem  Vorhaben  und  Don  Diego,  dem 
es  mit  seinen  Einwänden  nnd  Abmahnungen  nicht  so  ganz  ernst  war, 
hat  Mühe  seine  innere  Herzensfreude  über  die  glücklichen  Aussichten 
seiner  Liebe  zu  bemeistern.  Er  fragt  sich,  ob  er  träume?  ob  das 
Gehörte  nur  eine  List  seines  Bruders  sei,  um  ihn  zu  fangen?  Aber 
nein,  „verdad  parece!''  Um  den  Bruder  noch  mehr  in  seinen  Ent- 
schluß zu  bestärken,  macht  er  neue  Einwände  gegen  den  Plan: 
„Bedenke  ruft  er  ihm  zu,  daß  die  Ehre  ein  Glas  ist  „que  al  primer 
lance  fe  quiebra"  daß  das  Schwert  nie  versucht  werden  darf,  außer 
zum  Streite  „que  fuele  en  las  experiencias 

la  mejor  faltar. 


16  Arthur  Ludioig  Stiefel. 

Aber  Don  Blas    bleibt  fest,      Don  Diego    bemerkt    nocb    vorsorglich 

Pues  no  te  quexes  de  mi, 

fi  te  fuccciiere  mal 

lo  que  intentas  confeguir. 

„Schlimmer  wäre  es  noch",  meint  Don  Blas,  „wenn  das,  was 
ich  fürclite,  nachher  geschehen  würde;  denn  jetzt  läßt  sich  noch  ab- 
helfen, si)äter  heißt  es  sterben."  „Aber",  behanptet  er,  „es  besteht 
noch  eine  Schwierigeit."  Wie  soll  ich  die  junge  Dame  überzeugen, 
daß  ich  sie  liebe,  wo  sie  doch  weiß,  daß  ich  dein  Bruder  bin?  Wird 
sie  nicht  merken,  doß  es  eine  List  (ardid)  ist?"  Auch  für  diese 
begründete  Befürchtung  hat  der  starrköpfige  Tor  einen  Ausweg.  Er 
besitzt  ein  Bildnis  Doiia  Juanas,  das  will  er  dem  Bruder  geben,  da- 
mit solle  er  ihr  vorspiegeln,  daß  er  sie  schon  lauge  kenne  und  liebe. 
„0,  Ärmster",  murmelt  Don  Diego  für  sich,  wie  beredt  bist  du, 
wenn  es  gegen  dich  geht!"  —  Während  Don  Blas  das  Bild  hervor- 
holt, erscheint  Dona  Antonia  mit  Luisa,  beide  „con  mantos".  Sie 
lauschen  und  hören,  wie  Don  Blas  zu  seinem  Bruder  sagt: 

Aquefta 
es  tu  dama,  defde  aqui 
la  puedes  llamar  tu  dueno 

Da  greift  Dona  Antonia  durch  das  Fenster  und  reißt  das  Bild  an 
sich  mit  den  Worten:  Undankbarer  das  soll  nicht  geschehen!  „Weib, 
was  hast  du  vor?"   schreit  Don  Diego.     Und  Luisa  antwortet: 

„  Pudiera 

bien  el  Vifcoude 

No  pagar  de  aquefta  fuerte 
a  quien  por  el  anda  afsi," 

Die  beiden  Abenteuerinnen  laufen  davon.  „Wer  mag  das  sein?" 
fragt  Don  Diego  noch  ganz  verblüfft.  „Kaum  bin  icli  recht  in  Madrid 
angekommen",  seufzt  der  Visconde,  „so  fangen  die  Frauenzimmer  be- 
reits an,  mir  nachzulaufen".  Übrigens  bleibt  beschlossene  Sache  was 
Don  Blas  mit  seinem  Bruder  verabredet  hat.     Sie  gehen  fort. 

Dona  Juana  und  Bcatriz  treten  auf.  Jene  hat  von  dieser  er- 
fahren, daß  Don  Diego  der  Bruder  des  Visconde  ist  und  daß  ihm 
unbekannt  gewesen,  daß  Juana  seines  Bruders  Braut  sei.  Beatriz 
redet  dem  Don  Diego  bei  ihrer  Herrin  mächtig  das  Wort.  Die 
wackere  junge  Dame  aber,  die  schon  ohnehin  mit  einer  mehr  und 
mehr  in  ihr  entkeimenden  Neigung  für  ihren  Lebensretter  kämpft, 
eine  Neigung,  die  ihr  zunächst  noch  als  unerklärliche  innere  Unruhe 
bewußt  wird,  die  sie  gern  als  Traurigkeit  über  die  ihr  so  nahe  be- 
vorstehende Standesveränderung  deuten  möchte,  heißtBeatriz  schweigen; 
sie  solle,  außer  ihrem  Bräutigam,  niemand   loben.     Dann    äußert  sie 


Paul  Scarroii's  .,Le  Marquis  ridicule".  17 

ihre  Entrüstung  über  die  Keckheit,  die  Diego  gezeigt,  als  er  nachts 
in  ihr  Schlafzimmer  eingedrungen  sei.  „Das  sei  Liebe,  sagt  Beatriz 
entschuldigend. 

„Que  Importe?"  versetzt  Juana, 

que  efta  noche 
con  el  Vifconde  rae  cafo, 
falga  fu  refpeto  al  paffo. 

Sie  hören  mit  einem  Male  eine  Kutsche  vorfahren,  und  gleich  darauf 
erscheinen  Doiia  Antonia  und  Luisa.  Die  erstere  weiß  sich  ins 
Vertrauen  Dona  Juanas  einzuschmeicheln,  zeigt  ihr  dann  das  dem 
Don  Diego  —  den  sie  für  den  Viscondo  hält  —  entrissene  Porträt 
und  spiegelt  ihr  vor,  daß  sie  mit  dem  Visconde  seit  sechs  Jahren 
ein  Verhältnis  unterhalte,  das  nicht  ohne  Folgen  geblieben  sei.  Sie 
fügt  hinzu,  der  Visconde  halte  trotz  seiner  nahe  bevorstehenden 
Heirat  noch  an  ihr,  der  Verratenen,  fest,  als  Beweis  dafür  spreche, 
daß  er  ihr  das  Porträt  seiner  Braut  geschenkt  habe.  Für  alles,  was 
Dona  Antonia  vorbringt  ruft  sie  Luisa  als  Zeugin  an,  die  sich  vor 
Erstaunen  über  die  kecken  Lügen  und  Schwindeleien  ihrer  Herrin 
kaum  zu  fassen  weiß.  Doüa  Antonia's  Kefrain  lautet:  „No  os  fiais 
del  Visconde,  que  es  vn  traidor,"  dagegen  lobt  sie  den  Don  Diego 
als  „hombre  honrado"  „buen  caballero",  „galan  und  cortes".  Juana, 
die  all  diese  Dinge  über  ihren  Bräutigam  ohne  sonderliche  Erregung 
angehört  hat,  sagt: 

Parece  que  con  industria 
da  el  amor  contra  ml  pecho 
alabangas  en  el  vno 
y  en  el  otro  vituperios. 

Da  tritt  Beatriz,  die  während  der  Unterredung  Schildwache 
gestanden,  ein  und  meldet  Juana  die  Ankunft  ihres  Vaters,  Bräutigams 
und  Schwagers.     „Ay  de  mi!"    flüstert  Doiia  Antonia    für    sich  hin, 

fi  me  ven,  todo  mi  enredo 
fe  auerigua. 

Juana  hat  die  Worte  gehört,  aber  nicht  verstanden  und  fragt  die 
Fremde,  was  sie  meine,  diese  antwortet: 

Que  el  Vifconde  es  tan  refuelto, 

que  fi  fabe  que  he  venido 

a  auifaros  fus  enredos, 

me  ha  de  matar. 

Juana  läßt  sie  und  Luisa  in  ein  anstoßendes  Gemach  eintreten. 
Die  Herren  kommen.  Don  Gutierre  will,  daß  die  Hochzeit 
sofort  vollzogen  werde.  Don  Blas,  der  erst  den  Erfolg  seines  Ex- 
periments abwarten  will,  sucht  Ausflüchte  und  geht  schließlich  mit 
dem  Bruder  hinaus.      Gutierre  im  Begriff  in   das  Zimmer   zu  gehen, 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXHi.  2 


18  Arthur  lAidwig  Stiefel. 

wo  die  beiden  fremden  Damen  weilen,  um  die  Heiratslizenz  zu  holen, 
erregt  dadurch  den  Schrecken  Juanas.  Sie  sagt  zu  ihm,  die  Sache 
habe  keine  solche  Eile: 

Yo  he  fabido  que  el  Vifconde 
anda  diuertido  y  ciogo 
per  vna  muger  y  es  bien 
aueriguarlo  primero: 

Das  macht  aber  dem  alten  Herrn  wunderwenig.  Zum  Schrecken  der 
lauschenden  Antonia  bemerkt  er: 

Ea  que  es  cofa  de  rifa 
quando  el  Vifconde  foltere 
aya  algun  amor  tenido, 
que  yo  no  me  efpanto  de  effo, 
en  llegando  vno  a  cafarfe 
fe  dexan  effos  empenos. 

War  er  doch  selbst  ein  recht  lockerer  Zeisig  gewesen: 

Ya  fe 
lo  que  ay  en  effos  empleos; 
que  en  mi  mocedad,  eftando 
yo  en  Portugal  algun  tiempo, 
por  auer  muerto  en  Caftilla 
mi  Capitan,  me  fui  huyendo 
a  Lisboa,  donde  el  nombre 
müde  en  Don  Luis  de  Viuero, 
por  fer  menos  conocido, 
y  tuue  alli  vn  galanteo 
de  vna  feiiora  tan  noble  .  .  . 
En  doiia  Ynes  de  Figueira, 
viuda  hermofa  en  eftremo 
tuue  vna  hija;  o  memorias! 
pero  viniendome  luego 
a  Castilla,  fue  forgofo 
olvidarme  con  el  tiempo: 
y  afsi  como  con  tu  madre 
me  cafe  (que  efte  en  el  cielo), 
me  olvide  por  acudir 
a  mi  obligacion,  auiendo 
vna  hija,  y  con  querer 
a  Dona  Y'nes  por  eftremo. 
En  cafandofe  no  ay  hombre 
que  no  procure  fer  quieto, 
yo  amaua  y  la  dexe  todo, 
y  el  Vifconde  harä  lo  mefmo. 


Paul  Scarron's   „Ze  Marquis  ridicrde^'.  19 

Diese  Erzählung  ist  für  Dona  Aiitonia  nicht  verloren.  Ein  neuer 
Plan  entspringt  ihrem  erfinderischem  Hirn.  Sie  erklärt  der  Luisa: 

el  mismo  viejo  ha  de  fer 

de  mi  bien  el  inftrumeuto. 
Da  treten  wieder  Don  Blas  und  sein  Bruder  herein.  Ersterer 
will  den  Alten  bei  Seite  nehmen,  damit  letzterer  Gelegenheit  habe, 
der  Doiia  Juana  seine  Liebe  zu  erklären.  Das  geschieht.  Juana 
weist  die  feurigen  Liebesworte  Diegos  zurück,  worüber  die  lauschende 
Antonia,  die  ihn  für  den  Vifconde  hält,  eine  mächtige  Freude  em- 
pfindet. Da  aber  D.  Gutierre  mit  Don  Blas  hinzutritt  und  laut  ver- 
kündet: 

Juana  todo  ha  fido  engano, 

y  ya  eftä  el  Conde  difpuefto 

a  cafarfe, 

so  glaubt  Antonia,  daß  "der  Bruder"  des  Vifconde  dem  Alten  ge- 
nügende Aufklärung  gegeben  habe  (que  el  hermano  ha  fatisfecho  al 
viejo)  und  um  ihnen  einen  neuen  Streich  zu  spielen,  tritt  sie  und 
Luisa  vermummt  aus  ihrem  Versteck  und  beide  eilen  an  allen  vorbei 
hinaus.  '-Frauen  in  Deinem  Gemache?"  herrscht  Don  Gutierre  seine 
Tochter  au.     Juana  erwidert: 

El  Vifconde 

da  ocasion  para  efte  exceffo: 

en  mi  apofendo  me  efconde 

mugeres,   bueno  por  cierto. 

Alle  wenden  sich  nun  mit  Vorwürfen  gegen  Don  Blas,  der  sich 
vergebens  verteidigt  und  behauptet  die  Frauenzimmer  nicht  zu  kennen 
und  nicht  zu  wissen,  wie  sie  in  das  Haus  gekommen  seien.  Juana 
erklärt,  sie  verschiebe  zunächst  die  Hochzeit  und  selbst  Diego  ruft 
dem  Bruder  zu:  „No  has  hecho  bien  en  ocafionar  tal  riefgo!"  Don 
Blas,  erst  sprachlos,  faßt  sich   und  findet  an  der  Sache  das  eine  Gute 

en  parte  lo  agradezco, 
pues  fufpcndiendo  la  boda, 
fe  cumple  todo  mi  intento. 
Hiermit  schließt  die  H.  jornada. 

Jornada  Tercera. 

Von  der  einen  Seite  tritt  Diego  mit  Calabagas  und  von  der 
anderen  Seite  Juana  mit  Beatriz  auf;  sie  bleiben  an  den  Kulissen 
stehen  und  können  einander  nicht  sehen.  "Dieses  Weib  bringt  mich 
noch  um,  Calabagas!"  stöhnt  Don  Diego.  "Dieser  Mensch  ist  noch 
mein  Tod,  Beatriz!'-  seufzt  auf  der  anderen  Seite  Doiia  Juana.  — 
"Ich  bete  sie  an  und  täglich  wächst  ihre  Kälte,"  ruft  Diego.  — 
"Ich  fürchte,  seine  Hartnäckigkeit  bekommt  mich  noch  herum",  sagt 
Juana.    —    "Kehre   ihrer  Liebe   den  Rücken!«    rät  Calabacas    dem 

2* 


20  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

Herrn.  —  "Das  Mittel  wäre  ja  gut,  aber  mein  Ucärrischer  Bruder 
locI>t  mich  immer  wieder  lieran."  —  "Dann  kläre  ihn  ein  für  alle 
Male  auf!"  rät  die  Zofe  ihrer  Herrin,  Schließlich  sprechen  sich  die 
jungen  Leute  und  Juana  weist  den  Don  Diego  energisch  zurück. 
Sie  sei  die  Braut  seines  Bruders.  Wenn  er  sich  nicht  entferne,  so 
werde  sie  diesen  rufen.     Diego  antwortet  hierauf: 

Si  muero  a  vueftro  desden, 

que  importa  fi  muera  a  fus  manos? 

Vergebens  hält  ihm  Juana  vor,  Rücksicht  auf  ihren  Ruf  und  auf 
seines  Binders  Argwohn  zu  nehmen.  Diego  erklärt,  es  bleibe  ihm 
nichts  übrig,  als  zu  sterben.     Da  sagt  Juana: 

Pues  morid 
fin  que  a  mi  me  cuefta  caro, 
porque  en  Uegando  a  mi  honor, 
fahre  yo  fin  hazer  cafo 
de  nada,  veros  morir, 
y  aun  fahre  tambien  mataros. 

Damit  entfernt  sie  sich.  Don  Diego,  allein  bleibend  und  ohne 
Hoffnung  die  Schöne  anderen  Sinnes  zu  machen,  entschließt  sich,  ab- 
zureisen. Er  stürzt  fort,  da  tritt  ihm  der  Vifconde  entgegen  und 
fragt  ihn  nach  dem  Ausgang  seiner  Liebeswerbung.  Davon  hänge 
ab,  ob  er  heirate  oder  nicht.  Don  Diego  ist  in  einer  verzweifelten 
Lage:  Sagt  er  dem  Bruder  die  Wahrheit,  dann  ist  Juana  auf  ewig 
für  ihn  verloren;  lügt  er  aber  und  behauptet,  daß  sie  "no  es  tan 
honrada",  so  verläumdet  er  schmählich  den  Ruf  seiner  Herzensdame. 
Aber  nur  einen  Augenblick  ist  er  ungewiß.  Die  Ehrenhaftigkeit 
trägt  den  Sieg  in  ihm  davon  und  er  berichtet  von  der  Erfolglosigkeit 
seiner  Liebesmühen.  Da  aber  Don  Blas  an  der  Wahrheit  seiner 
Mitteilung  zweifelt,  so  schlägt  ihm  Don  Diego  vor,  selbst  Ohrenzeuge 
zu  sein.  Dona  Juana  erscheint,  der  Visconde  lauscht  verborgen.  Mit 
hoher  Befriedigung  nimmt  der  Eifersüchtige  wahr,  wie  abweisend 
Dona  Juana  den  Bruder  begegnet.  Als  aber  Diego  davon  spricht 
abreisen  zu  wollen  und  ihr  zuruft: 

Dame  licencia,  enemiga 
de  mi  bien  y  de  mi  daiio, 
porque  aufeute  de  effos  ojos 
dulcilTimos  y  tiranos, 
vaya  a  morir  de  no  verlos 
pues  me  muero  de  mirarlos. 

so  fühlt  Juana  erst,  daß  ihr  Diego  nicht  gleichgiltig  ist;  sie  macht 
sich  in  einem  aparte  Vorwürfe,  daß  sie  ihn  vertreibe  und  zum  ersten 
Male  zieht  sie  mildere  Seiten  auf,  zum  ersten  Male  läßt  sie  durch- 
bhcken,  daß  sein  Weggang  ihr  nicht  gleichgiltig  sei.     Mit  Entzücken 


Paul  Scarrons  „Ze  Marquis  ridicule".  21 

hört  es  Diego,  freilich  mvß  er  zugleich  voll  Angst  daran  denken, 
daß  sein  Bruder  die  Worte  auch  gehört  habe  und  darum  fügt  er, 
schnell  gefaßt  hinzu: 

yo  si  me  aufento, 

es  porque  

yo  .  .  fiempre  tan  firme 

y  tan  honrada  os  he  hallado 

a  mis  quexas,  por  morir. 

Sie  wisse  das,  versetzt  jene  und  wisse  es  zu  schätzen,  darum 
habe  sie  jetzt  das  Stillschweigen  gebrochen.  Indessen  jammert  Don 
Blas  in  seinem  Versteck: 

esto  es  honra  y  refiftirfe! 
viue  Dios !  quo  ha  fido  cngaiio. 

Als  Juana  schließt: 

No  foy  tan  cruel  que  ignoro 
lo  que  os  debo,  y  lo  que  gano, 
yo  lo  eftimo,  y  lo  conozco, 
y  fi  quereis  escucharlo, 
bolued  defpues.  porque  agora. 
tengo  el  pecho  tan  turbado, 
corao  es  la  primera  vez 
que  me  desboco  y  que  os   hablo, 
y  el  recato  me  enmudece, 
efto  bafta,  a  Dios  quedaos 
—  —  —  porque  hafta  agora 
aun  uo  foy  de  vueftro  hermano. 

Mit  diesen  Worten  geht  sie.  Don  Blas  aber  tritt  mit  gezücktem 
Dolch  hervor  um  sie  zu  töten.  Er  läßt  ihn  jedoch  auf  den  Boden 
fallen;  denn  er  sagt  sich:  "aun  no  es  mia."  Er  faßt  den  Entschluß 
die  Heirat  nicht  zu  vollziehen  und  wirft  Diego  vor,  er  habe  ihn  be- 
trogen. Dieser  rechtfertigt  sich  damit,  daß  er  sagt,  er  habe  nur 
seinen  Befehl  ausgeführt.  Don  Blas  behauptet  aber,  er  sei  zu  weit 
darin  gegangen: 

yo  os  mande  enamorarla, 
mas  no  enamorarla  tanto. 

Durch  das  Geschrei  der  beiden  aufgeschreckt,  war  Juana  wieder, 
unbemerkt  von  den  anderen,  zurückgekehrt  und  belauscht  ihr  Ge- 
spräch.    Entsetzt  ruft  sie  aus: 

Que  es  efto  que  eseucho, 
viue  el  cielo  que  fue  eugaiio 
todo  el  amor  de  Don  Diego, 
que  es  efto?  fi  eftoy  fonando? 


22  Arthur  Liidioig  Stiefel. 

Dou  Blas  wütend,  nennt  seinen  Bruder  verächtlicb:  „fegundon, 
ei'cuderillo!"     Dieser  aber  ruft  ihm  würdevoll  zu: 

De  mi  te  quexas  en  vano, 
que  todo  ha  fido  fingido 
por  hazer  de  fu  recato 
experienca,  ya  lo  has  visto; 
fi  fuiste  necio  en  pensarlo, 
quexate  de  ti  y  no  quieras 
que  te  fufra  por  hermano 
demafias:  tu  lo  hizifte, 
ya  te  auife,  fufre  el  dano, 
y  no  hagas  mas  experiencias 
en  muger,  que  no  es  de  fabios, 
viendo  que  el  val'o  es  de  vidrio, 
probar  con  golpes  el  vafo. 

Mit  den  frohlockenden  Worten 

Vitoria,  amor,  yo  venci 

ella  me  quiere,  que  aguardo? 

geht  er  fort.     Don  Blas   aber  hat  das  Heiraten  überhaupt   satt;    er 
sagt: 

Quien  quifiere  fer  calado, 

cafese  a  Dios  y  a  Ventura, 

porque  peor  CS  hurgallo. 

Zu  Ortuno  sagt  er:  „ya  no  me  cafo!"  und  geht  mit  ihm  fort. 

Nun  tritt  Juana  hervor.  Sie  ist  außer  sich.  Sie  kann  sich 
nicht  beruhigen,  daß  D.  Diego  nur  Liebe  heuchelte  um  ihre  Tugend 
auf  die  Probe  zu  stellen: 

Pofsible  est  que  fue  fingido 
el  ruego,  la  quexa,  el  llanto? 
Tambien  fe  llora  mintiendo? 
las  lagrimas   del  engano 
fe  pareceu  a  las  mias  (veras?). 
0  Cocodrillo!  que  falso! 

Sie  findet  den  Dolch  des  Don  Blas  auf  dem  Boden.  Soll  sie 
sich  damit  töten?  Ist  es  die  Ehre,  die  das  Werkzeug  in  ihre  Hand 
führt?  Nein,  es  ist  noch  zu  früh;  sie  hat  sich  noch  nichts  vorzu- 
werfen. Was  sie  sagte,  waren  nur  Worte  „que  apenas  a  efperan^as 
fe  affomaron."     Wie  gut  tat  sie,  daß  sie  ihm  nicht  glaubte: 

Coliremos  pues  recato, 
que  a  buen  tiempo  convalece, 
quien  apenas  ha  enfermado. 
Y  pues  el  tan  baxamente 
me  engaiiö,  por  remediarlo 


Paul  Scarron's   ^Le  Marquis  ridicule'*.  23 

tornemos  a  deshazer 
fii  efperan^a  con  eftragos 
de  palabras,  pues  que  fueron 
palabras  no  mas  el  dano, 

Diego  naht  hoffnungsfreudig  und  siegesstolz  jetzt  mit  seinem 
Diener:  „Eftoy  loco"  ruft  er. 

Las  favores  foberanos 
de  fu  boca  fueron  vida 
de  mi  amor. 

Er  sieht  Juana  stehen;  sie  hat  ihn  bestellt,  offenbar  wartet  sie 
auf  ihn.  Er  nähert  sich  ihr  und  fordert  Calaba^as  auf,  zu  horchen : 
„Du  wirst  sehen,  was  ich  erreiche",  bemerkt  er  zuversichtlich.  „Du 
hast  aber  auch  verdammtes  Glück  bei  den  Frauen!"  meint  bewun- 
dernd der  Diener.  Inzwischen  ist  auch  Don  Blas  mit  Ortuno  herein- 
gekommen und  im  Hintergrunde  unbemerkt  stehen  geblieben.  Diego 
spricht  Juana  an.  Sie  kämpft  noch  mit  sich.  Soll  sie  es  wirklich 
glauben,  daß  Diego  nur  Liebe  heuchelte.  Doch  schließHch  übermannt 
sie  der  Zorn.  Es  empört  sie  die  Gemeinheit,  daß  der  Mensch  sich 
verstellte,  um  sie  auf  die  Probe  zu  stellen  und  nun  wettert  sie  los 
gegen  ihn.  Sie  habe  die  freundlichen  Worte  nur  zu  ihm  gesprochen, 
um  ihn  an  sich  zu  locken  und  an  ihm  für  die  gemeine  Beschimpfung, 
die  er  "ihrer  und  seines  Bruders  Ehre  durch  seine  Liebeswerbung  zu- 
gefügt, blutige  Rache  zu  nehmen  mit  einem  Dolche,  den  der  Himmel 
in  ihre  Hände  gelegt  habe.  Aber  sie  habe  sich  inzwischen  beruhigt 
und  begnüge  sich  damit,  ihm  ihre  Absicht  und  den  Dolch  zu  zeigen 

y  fabed  que  a  aquefte  fin 
OS  anime  con  enganos, 
que  yo  foy  roca,  foy  monte 
y  en  mi  pecho  limpio  y  cafto 
no  ay  amor,  no  ay  rafgo,  o  fena 
de  algun  afecto  bastardo. 

So  sprechend,  entfernt  sie  sich  mit  verächtlichem  Blick  und  er- 
hobenen Hauptes. 

Aus  allen  seinen  Himmeln  gerissen,  steht  der  arme  Diego  ver- 
nichtet  da,  während  der  glückliche  Don  Blas  frohlockend  ausruft: 

Ortuno,  viuen  los  cielos, 

que  es  vn  alTombro,  vn  milagro. 

Das  Sprichwort  Peor  eshurgallo  lüge,  behauptet  der  Vifconde 
es  müsse  heißen  Mejor  es  hur  gallo.  Während  Diego  verzweifelt, 
meint  sein  Bruder  voll  Entzücken: 

Porcia  fue  cofa  de  burlas, 

Lucrecia  fe  dio  al  foflayo, 

el'ta  muger  me  conuiene! 


24  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

Ortuno  ruft  er  zu: 

Ya  me  cufo,  no  defpides  las  libreas! 

Don  Blas  geht  fort  und  Diego  folgt  ihm   „a  morir". 

Szenenwechsel.  Don  Gutierre,  von  Luisa  gerufen,  kommt  in  die 
Wohnung  Dona  Antonia's,  die  sich  als  Portugiesin  ausgibt  und  ein 
Gemisch  von  Portugiesisch  und  Spanisch  radebrecht.  Sie  erzählt 
dem  alten  Herrn,  sie  sei  die  Witwe  des  Grafen  Alentexo  und  habe 
gehört,  der  Vifconde  wolle  D.  Gutierres  Tochter  heiraten,  sie  habe 
aber  ältere  Rechte  auf  seinen  Besitz.  Sie  gibt  ihm  als  Beweis  den  Brief, 
welchen  D.  Blas  an  Juana  geschrieben  und  den  Calabagas  verloren  hatte,  in 
die  Hände.  D.  Gutierre  erkennt  die  Schrift  des  Vifconde,  liest  den 
Brief,  vermißt  aber,  wie  er  sagt,  darin  den  Namen  der  Braut.  Er 
fragt  also,  welche  weitere  Stütze  sie  habe  um  die  Heirat  zu  verhin- 
dern.    Die  Abenteuerin  antwortet: 

Naon  ya  mas  que  vna  minina 
que  todo  fe  le  femeja 
a  fu  pay. 

Diese  Enthüllungen,  welche  das  bestätigen,  was  seine  Tochter  ihm 
bereits  berichtet  hatte,  versetzen  den  Greis  in  schlechte  Laune.  Er 
macht  der  Fremden  Vorwürfe,  daß  sie  ihre  Ehre  so  leicht  in  die 
Schanze  geschlagen  habe.  Sie  kann  nichts  zur  Entschuldigung  anführen, 
als  daß  die  Liebe  sie  verblendet  habe.  Ihr  Efcudero  wirff  ein  — 
ein  Seitenhieb  auf  die  Portugiesen  — : 

Y  es  culpa  de  la  nacion 
tambien  fer  vn  poco  tiernas. 

Die  „Condefa"  fleht  den  Schutz  des  alten  Herrn  an.  Einen  be- 
sonderen Anspruch  darauf  glaube  sie  schon  deshalb  zu  haben,  weil 
kastilianisches  Blut  in  ihren  Adern  rolle.     Ihr  Vater  sei  Kastilier. 

Que  de  Castela 
fe  fue  a  Lisboa  vn  fidalgo 
fugiendo  de  vna  pendencia. 

Ach,  Dona  Ynes  de  Figueyra,  fügt  die  Schlaue  hinzu, 

quien  dixera  que  tua  filla 
andara  mezquina  en  eftas 
andä^as ! 

Don  Gutierre  bei  dem  Namen  stutzig,  fragt  nach  dem  Namen 
ihres  Vaters,  Don  Luis  de  Viuero,  ist  die  prompte  Antwort.  Der 
Greis,  der  nicht  zweifeln  kann,  die  eigene  Tochter  vor  sich  zu  haben, 
umarmt  sie  freudig  und  bemerkt: 

no  en  vano  cl  alma  con  nueua 

inquietud  me  lo  dezia; 

la  fangre  tiene  gran  fuerza. 


Paul  Scarroii's   „Le  Alarquis  ridicide-' .  25 

Er  verspricht  ihr,  daß  der  Vifconde  sie  heiraten  müsse  und 
nimmt  sie  gleich  mit  sich  unter  dem  Versprechen,  daß  sie  zunächst 
von  niemand  gesehen  werden  solle  als  von  seiner  Tochter  Juana. 

Szenenwechsel.  Beatriz  meldet  ilirer  Herrin,  der  Vifconde 
kleide  sich  mit  großer  Eile  zur  Hochzeit  an.  „Sage  mir,"  fragt 
sie,  „willst  du  denn  Hochzeit  machen?"  Juana  heißt  sie  schweigen 
und  gehen.  „Qiie  mi  padre  a  eftas  lioras  no  parezca?"  seufzt  die 
junge  Dame  für  sich  hin.  „Ist  Don  Diego  da?"  fragt  sie  plötzlich 
die  Zofe.  „Ja";  antwortet  diese  „aber  wenn  du  ihn  verschmälist, 
warum  fragst  du  nach  ihm?" 

He  menefter  fu  prefencia 
para  mi  intento. 

ist  die  Antwort. 

Jetzt  erscheint  Don  Blas  „de  nobio"  mit  Bruder  und  Bedienten. 
Der  eitle  Geck  fragt  Ortuno,  ob  er  gut  gekleidet  sei.  „Galan 
vienes"  versetzt  der  Diener.  Diego,  der  mittlerweile  durch  Beatriz 
erfahren  hat,  daß  Juanens  plötzliche  Sinnesänderung  hervorgerufen 
worden,  weil  sie  glaubte,  seine  Liebe  sei  erdichtet  um  sie  zu  täuschen, 
will  ihr  beweisen,  daß  sie  wahr  und  echt  sei.  Er  hat  gleich 
Gelegenheit  dazu.  Der  Vifconde,  der  mit  der  Hochzeit  uicht  einmal 
so  lange  warten  will,  bis  sein  Schwiegervater  nach  Hause  kommt, 
fordert  Diego  auf,  dies  der  Braut  zu  sagen.  „Gerne",  sagt  Diego, 
„aber  wo  ist  sie  denn,  ich  sehe  sie  ja  gar  nicht."  —  ,,Wie",  bemerkt 
Blas,  „du  siehst  sie  nicht?  no  es  aquefta?"  „Diese?  diese  ist  meine 
Dame!"  ruft  Diego  mit  lauter  Stimme,  ,.quieres  cafarte  con  ella?  — 
„Willst  du  denn  immer  noch  den  Betrug  fortsetzen?"  entgegnet 
ihm  der  Vifconde,  „mein  Herz  ist  schon  befriedigt,  es  bedarf  keiner 
Verstellung  mehr!"  —  „Verstellung"?  schreit  Don  Diego, 

no  es  tan  cierta 

la  luz  en  medio  del  dia 

como  amarla! 

Don  Blas  erglüht  vor  Zorn  über  seinen  Bruder.  Dieser  aber 
erklärt 

que  fi  me  hazes  mil  pedagos, 
no  te  has  de  cafar  con  ella. 

Entzücken  Juanas.    So  liebt  Don  Diego  sie  denn  doch.    Sie  ruft: 

Amor,  albricias:     Don  Diego 
me  adora. 

Es  hat  den  Anschein,  als  ob  es  zwischen  den  Brüdern  zu 
heftigem  Streite  kommen  solle.  Glücklicherweise  erscheint  in  diesem 
Augenblicke  Don  Gutierre.  Er  hält  dem  Vifconde  seinen  Brief  hin; 
dieser  leugnet  nicht,  ihn  geschrieben  zu  haben.  „Wohlan",  versetzt 
der  alte  Herr 


26  Arthur  Ludwig  Stiefel, 

aqui  efta  la  Coudefa, 
q  uoxofa  de  vuel'tro  amor, 
y  no  es  bien  que  caufa  fea 
Doiia  Juana  a  que  fe  falte 
a  obligaciones  como  e  ftas. 

„Welche  Gräfin?"  fragt  verblüfft  Don  Blas.  Mit  finsterem  Ge- 
sicht entgegnet  D.  Gutierre:  „La  Condefa  de  Aleutexo" 

y  porque  no  lo  negueis 
efperad,  ire  per  ella. 

Er  geht  hinaus.  Juana  und  Diego  schöpfen  Hoffnung  auf  ein 
für  sie  glückliches  Ende.     Der  Viconde  aber  brummt  ärgerlich: 

efta  fin  duda 
es  la  dama  Portuguefa 
que  anda  de  mi  enamorada. 

Da  führt  der  Greis  die  Abenteurerin  herein.  Juana  erkennt 
in  ihr  ihren  Besuch,  Diego  und  Calabagas  die  ihnen  wohlbekannte 
Dona  Antonia,  Don  Blas  die  Portugiesin.  Letzterer  behauptet,  daß 
er  den  Brief  nicht  der  Fremden,  sondern  Juana  geschrieben  und 
ruft  Diego  zum  Zeugen  an;  doch  dieser  fragt  ihn,  ob  er  vielleicht 
träume.  „Erinnerst  Du  Dich  nicht,  Calabagas?"  fragt  Don  Blas 
weiter.  —  „Yo  no  me  acuerdo  de  nada"  erklärt  der  Diener.  — 
D.  Guiterre  fordert  die  Condefa  jetzt  zum  Sprechen  auf.  Diese  be- 
merkt aber  schüchtern: 

Eu  naon  pofo 

parlar,  que  a  faudes  mefmas 

de  mi  amor  me  derritaon 

0  corazaon. 

Nochmals  leugnet  Don  Blas  jede  Bekanntschaft  mit  der  Fremden, 
nochmals  macht  er  seine  Kechte  auf  Juana  geltend,  doch  die  junge 
Dame  ^Yeist  ihn  zurück: 

Bueno  fera! 
yo  no  teugo  de  cafarme 
con  quien  con  viles  cautelas 
encargo  a  fu  mifmo  hermano 
que  por  hazer  experiencia 
de  mi  honor,  me  folicite. 

Auch  Don  Diego  legt  Verwahrung  ein  und  Don  Gutierre  macht 
aafs  neue  die  Rechte  der  Condefa  geltend, 

So  in  die  Enge  getrieben,  entschließt  sich  der  Vifcoude, 
Madrid  den  Rücken  zu  kehren  und  überhaupt  nicht  zu  heiraten. 
Damit  die  Condefa  ihn  in  Ruhe  lasse,  will  er  ihr  2000  Dukaten 
geben.  Luisa  rät  der  Herria  die  Summe  anzunehmen.  Don  Gutierre 
ruft  zwar  entrüstet: 


Paul  ScarroiLS  ,,Xe  Marquis  ridicule"'.  27 

Dos  rail  ducados  la  houra 
de  mi  hija?   bueno  fuera! 

Aber  Dona  Aiitonia,  der  es  sichtlich  vor  der  Verwandtschaft 
zu  grauen  beginnt,  nimmt  das  Geld  an  und  gesteht  dem  Alten,  daß 
sie  seine  Tochter  nicht  sei,  daß  „todo  es  fingido".  Jetzt  fordert 
Don  Blas  selber  seinen  Bruder  auf,  sich  mit  Juana  zu  vermählen. 
Er  selber  entsagt  dem  Ehestaude  und  zieht  aus  seiner  Erfahrung 
die  Lehre: 

ya  ninguno  fe  meta 
en  probar  las  mugeres, 
que  es  peligrofa  experieucia 

Calaba(;as  ruft  ihm  zu:     Don  Blas,  peor  es  hur  gallo. 
Er  schließt  sodann  das  Stück  mit  den  Worten: 

aqui  acaba  la  Comedia; 
fi  huuiera  tenido  faltas, 
Don  Antonio  Coello  ruega 
que  el  deffeo  de  feruiros 
perdon  y  piedad  merezca. 


Die  Comedia,  deren  Inhalt  wir  soeben  kennen  gelernt  haben, 
gehört  zur  Klasse  jeuer  Stücke,  die  man,  zwar  nicht  zur  Zeit  ihrer 
Niederschrift,  aber  später  als  Comedias  de  figuron  bezeichnete,' 
„solcher  nämlich,  die  eine  im  Karikaturstil  gezeichnete  Figur  zum 
Mittelpunkt  haben  und  in  ihr  irgend  ein  Laster  oder  eine  lächerliche 
Gewohnheit  geißeln"20).  Durch  die  Gestalt  der  embustera  Dona 
Antonia  spielt  sie  zugleich  in  die  pikareske  Gattung  hinüber. 
Während  letztere  schon  im  16.  Jahrhundert  gepflegt  wurde  —  ich 
erinnere  nur  an  Gil  Vicente,  Lope  de  Eueda,  L.  de  Miranda,  Palau 
u.  a.  —  zeigt  sich  das  Figurou-Lustspiel  zunächst  in  schwachen 
Anfängen  erst  im  2.  Dezennium  des  17.  Jahrhunderts.  Zu  den  älter  n 
Versuchen  gehören  z.  B.  Guillen  de  Castro's  El  Narciso  en  su 
opinion  und  Gongora's  El  Doctor  Carlino.  Um  das  4.  Dezenniu  m 
des  17.  Jahrhunderts  tritt  die  Gattung  deutlicher  hervor.  Zu  ihren 
Vertretern  zählen  Don  Antonio  Hurtado  de  Mendoza,  Don  Alonzo 
de  Castillo  Solörzano,  Don  Francisco  de  Rojas  Zorilla  und  etwas 
später  Moreto,  Canizares  u.  a. 

Unter  diesen  Dichtern  haben  wir  nun  auch  unserem  Coello 
einen  Platz  anzuweisen.  Um  den  Grad  der  Originalität,  der  ihm 
dabei  zukommt,  festzustellen,  wäre  erst  zu  ermitteln,  in  welchem 
Jahre  sein  Stück  verfaßt  worden  ist.  Das  erfordert  eine  ziemlich 
verwickelte  Untersuchung,  bei   der  ich  etwas  weiter  ausgreifeu  muß. 


^")  Schack   Geschichte  der  dramat.  Likratuv  und  Kunst  in  Spanien.     Bd.  II, 
S.    101.  - 


28  Arthur  Lndwig  Stiefel, 

Die  Scliaffenszeit  des  Dramatikers  Antonio  de  Coello  zerfällt, 
wie  A.  Scbaett'er  ganz  richtig  herausgefunden  hat^i),  in  zwei  deutlich 
erkennbare  Perioden,  in  eine  ältere,  wo  er  der  einfachen  natürlichen 
Weise  Lope  de  Vega's  folgte  und  in  eine  jüngere,  kultistische,  wo 
er  sich  Calderon  anschloß  und  sogar  mit  ihm  zusammen  arbeitete. 
Da  sein  poetischer  Nachlaß  ein  sehr  bescheidener  ist,  so  sind  seine 
Dramen  bald  eingeteilt.  In  der  ungekünstelten,  schlichten  und  durch 
schöne  poetische  Sprache  ausgezeichneten  ScbaÖensweise  bewegen 
sich  El  celoso  Extremem,  Lo  que  puede  la  porfia  und  Peor  es 
hurgallo.  Kultistisch  ist,  abgesehen  vom  Concle  de  Sex,  den  ich 
aus  Gründen,  die  ich  einmal  gelegentlich  darzulegen  gedenke,  ent- 
schieden ihm  zuschreibe,  Coello  in  allen  Stücken,  die  er  mit  anderen 
Dichtern  verfaßte  und  namentlich  in  den  dreien,  die  er  gemein- 
schaftlich mit  Calderon  und  noch  einem  dritten  Dichter  schrieb: 
El  Privilegio  de  las  mugeres,  La  fingida  Arcadia-'^)  und  El 
Pastor  fido.  Das  au  erster  Stelle  genannte  Stück  sowie  El  Catalan 
Ser7'alo7iga,  das  er  zusammen  mit  Don  Francisco  de  Rojas  Zorilla 
und  Luis  de  Guevara  dichtete,  erschienen  schon  163623)  im  Druck, 
sie  sind  also  sicherlich  schon  ein  paar  Jahre  vorher,  spätestens  1634, 
wenn  nicht  gar  schon  1633  entstanden.  Los  dos  Fernandos  de 
Austritt,  ebenfalls  in  Calderous  Manier,  das  die  Schlacht  bei  Nörd- 
lingen  zum  historischen  Hintergrund  hat,  ist  unmittelbar  nach  diesem 
Ereignis  (Sept.  1634)  verfaßt  worden.  Die  Comedia  Yerros  de 
naturaleza  y  aciertos  de  la  fortuna,  deren  preziöser  Titel  schon 
den  kultistischen  Stil  ankündigt,  nach  La  Barrera24)  von  Antonio 
Coello  und  seinem  Bruder  Juan,  nach  Paz  y  Melia25)  von  ersterem 
gemeinsam  mit  Calderon  verfaßt,  hat  die  Aufführungserlaubnis  vom 
4.  Mai    1634   in    der   Handschrift   der   Madrider  Nationalbibliothek. 

Aus  allem  diesem  ergibt  sich  mit  Sicherheit,  daß  anfangs  1634 
Coello  vollkommen  im  Zauberbanu  Calderons  und  des  Cultismus 
stand.  Wir  haben  uns  also  Peor  es  hurgallo,  da  das  Stück  frei 
von  Cultismen  ist,  älter  vorzustellen. 

Ein  weiterer  Umstand  gestattet  uns  seine  Entstehung  mindestens 
in  das  Jahr  1632  hinaufzurücken.  Montalvan  in  seinem  1632  ge- 
druckten Para  todos  sagt  über  unseren  Dichter  folgendes: 


^1)    Geschichte  des  spanischen  Nationaldramas   II,  88  fF. 

--)  Hartenbusch  veröffentlichte  dieses  Stück  im  IV.  Bande  der  Comedias 
des  Calderon  S.  .537 — 556  und  bemerkte:  Ignoramos  quien  escriUo  el  acto  fegundo 
de  efta  comedia.  Auch  La  Barrera  und  A.  Schaeffer  (II,  284)  wufsten  den 
Verfasser  der  zweiten  jornada  nicht  anzugeben.  Ich  habe  in  der  Ztschr.  f. 
rom.  Philologie  1907,  S.  361  gezeigt,  dafs  Coello  der  Verfasser  ist.  — 

'^^)  In  der  XXX.  parte  de  Comedias  de  diferenies  autores,  gedr.   163G. 

2*)  CMlogo  S.  95. 

25)  Catdlogo  de  las  jnezas  de  Teatro  que  se  conservan  en  el  Departemento  de 
Manuscritos  de  la  Biblioteca  National.     Madr.  1899,  S.  547. 


Paul  Scarrons   „Le  Marquis  ridicule-' .  29 

.,Dou  Antonio  Coello,  cuyos  pocos  anos  desmienten  sus  muchos 
aciertos,  y  de  quien  se  paede  decir  con  veidad  que  empiega  por 
donde  otros  acabau,  ha  efcrito  .  .  .  dos  6  tres  comedias."2ü) 
Da  Coello  im  Stile  Lope  de  Vegas  begann  und  die  oben  erwähnten 
drei  Comedias  die  einzigen  sind,  die  diesem  Criterium  entsprechen, 
so  wii-ti  man  mit  der  Annahme,  daß  Montalvan  sie  im  Auge  gehabt 
habe,  nicht  fehlgehen. 

Noch  einen  Schritt  weiter  führt  uns  der  Vergleich  von  Peor  es  hur- 
gallo  mit  anderen  damaligen  Figuron-Stücken.  Zu  den  ältesten  Dichtern 
die  sich  damit  befaßten,  gehörte  Don  Antonio  de  Hurtado  Mendoza. 
Er  schrieb  zwei  Figuron-Comedias  El  galan  si7i  dama-"^)  und  Gada 
loco  con  SU  tema  (o  el  Montanes  Indiano).  Nur  die  letztere  liegt 
mir  vor.  Aus  der  vom  Dichter  geschriebenen  Handschrift  in  der 
Biblioteca  Nacioual  zu  Madrid  wissen  wir,  daß  sie  am  21.  August 
1630  beendigt  wurde.  Sowohl  Coello  wie  Mendoza  haben  die  Figur 
des  lacherlichen  Montanes,  ferner  noch  einige  Punkte  gemeinsam,  so 
z.  B.  daß  eine  Dienerin  Luisa  heißt,  daß  das  tema  (die  Schrulle, 
die  fixe  Idee)  durch  das  Drama  immer  wiederkehrt  usw.  Genug, 
der  eine  Dichter  kannte  den  andern;  wer  ist  der  ältere?  In  einem 
weiteren  Stücke  Mendoza's  Los  Empeflos  del  mentir  zeigt  Mendoza 
ebenfalls  Übereinstimmungen  mit  Coello's  Peor  es  Imrgallo.  So  heißt 
z.  B.  bei  ihm  eine  der  Personen  Luis  de  Vivero,  ein  Name,  den 
D.  Gutierre,  wie  wir  oben  sahen,  in  Portugal  führte,  und  es  ist  doch 
kaum  glaublich,  daß  beide  Dichter  zufällig  auf  den  ungewöhnlichen 
Namen  (des  eines  spanischen  Dichters  des  Mittelalters)  verfielen. 
Da  aber  Los  Empeilos  del  mentir  nach  dem  darin  befindlichen 
Bericht  über  die  Schlacht  bei  Nördlingen,  nicht  vor  Ende  163-1 
verfaßt  worden  sein  kann,  so  gebührt  die  Priorität  in  diesem 
Falle  unbedingt  unserem  Coello.  Das  legt  aber  den  Gedanken 
nahe,    daß   sein  Peor  es  hurgallo  auch  älter   als   Gada  loco  con  su 


-^)  Zitien  bei  La  Barrera  Catälogo  S.  95.  — 

-')  Ob  dieses  Lustspiel  wirklich  von  Mendoza  ist,  bedarf  noch  der 
Untersuchung.  lu  der  1728  veröifenthchen  Sammlung  seiner  Obras  fehlt  es; 
der  erste  bekannte  Druck  (El  mejor  de  los  mejores  libros  Madr.  16.51)  gibt 
keinen  Verfasser  an,  erst  der  zweite  Druck  de?  mejor  de  los  mejores  libros 
(Madr.  16.53)  nennt  Mendoza  als  Dichter.  Schack  (Bd.  II,  377)  wollte  dem 
Stücke  das  Jahr  1620  als  p]nt3tehungszeit  zuweisen,  weil  Lope  de  Vega 
darin  als  Verfasser  von  900  Comedias  angegeben  wird  und  Lope  diese  Zahl 
1620  erreichte.  Das  würde  auch  gegen  Mendoza  als  Verfasser  des  Stückes 
sprechen,  dessen  andord  Lustspiele  alle  später  falbu.  Ich  halte  übrigens 
Schacks  Vermutung  auf  Grund  des  einen  Oriteriums  nicht  für  beweiskräftig. 
Denn  mufste  du-  Dichter  so  genau  mit  der  Zahl  der  von  Lope  um  eine 
bestimmte  Zeit  verfafsten  Comedias  vertraut  sein?  Vielleicht  schöpfte  er 
seine  Kenntnis  lediglich  aus  dem  14.  Band  der  Comedias  des  Fenix  de  los 
ingeniös,  wo  die  Zahl  900  angegeben  wird,  und  las  die  Notiz  erst  viele 
Jahre  später?  Nach  der  Inhaltsandeutung  des  Stückes  bei  Schaofifer  (I,  408  f.) 
ist  der  Titelheld  eine  stark  übertriebene  Karikatur;  schon  der  Umstand 
weist  ihn  in  eine  spätere  Zeit.  — 


30  Ärilair  Ludwig  Stiefel. 

tema  ist,  sonst  müßte  man  annehmen,  daß  Coello  zuerst  den  Mendoza 
und  dann  letzterer  wieder  ihn  nachgeahmt  habe,  was  doch  nicht  sehr 
walirsclieinlich  wäre. 

Die  Priorität  von  Peor  es  hurgallo  wird  glücklicherweise  durch 
einen  scheinbar  geringfügigen  Umstand  im  Stück  bestätigt  und  zu- 
gleich hierdurch  die  Zeit  der  Niederschrift  genau  fixiert. 

In  dem  Briefe,  den  der  Vifconde  in  der  I.  joruada  an  seinen 
Bruder  Don  Diego  richtet,  heißt  es: 

De  Madrid  y  Mayo,  oy  Hartes 
a  veinte  y  tres. 

Die  Jahreszahl  wird  im  Briefe  niclit  genannt,  aber  der  23.  Mai  fiel 
auf  Dienstag  in  den  Jahren  1623,  1658  und  dann  wieder  1634.28) 
Letzteres  Jahr  kommt  nicht  in  Betracht,  nachdem,  wie  wir  gesehen 
hallen,  Peor  es  hurgallo  unter  allen  Umständen  vor  1634  und  sogar 
noch  vor  1632  fällt.  Bleibt  also  nur  1628;  denn  noch  weiter  es 
zurückzudatieren,  auf  1623  etwa,  geht  nicht,  weil  Montalvan  der 
1632  selbst  erst  30  Jahre  alt  war,  in  diesem  Jahre  die  „pocos  anos" 
des  Coello  erwähnt,  so  daß  dieser  sicher  einige  Jahre  jünger  als  er 
selbst  gewesen  sein  mußte,  also  etwa  1608 — 1610  geboren,  im  Jahre 
1623  13 — 15  jährig,  unmöglich  unser  Stück  geschrieben  haben  könnte, 
das  eine  so  geschickte  Behandlung  der  Charaktere  darbietet. 

Steht  demnach  fest,  daß  Coello's  Stück  1628  entstanden  ist, 
dann  kommt  dem  Dichter  in  der  Figuron-Comedia  gewissermaßen 
eine  führende  Rolle  zu,  dann  ist  er  für  Mendoza,  Castillo  Solörzano, 
Rojas  Zorilla  u.  a.  ein  Vorbild  gewesen.  Er  hat  zuerst  den  aufge- 
blasenen lächerlichen  Landjunker  auf  die  Bühne  gebracht,  eine  Figur 
die  ihre  Wanderung  über  ganz  Spanien,  ja  sogar  über  ganz  Europa 
machen  sollte.  Nun  werden  allerdings  manche  behaupten,  das  dies 
ein  recht  zweifelhaftes  Verdienst  sei,  indem  die  Figuron-Comedia  ja 
ein  Zeichen  beginnenden  Verfalls  der  spanischen  Bühne  sei,  allein 
ich  glaube,  das  ist  nicht  richtig.  Nicht  die  Figuron-Comedia  an  und 
für  sich  und  in  ihrer  poetischen  Gestaltung,  sondern  ihr  Mißbrauch, 
ihre  fratzenhafte  Übertreibung  bedeutet  den  Verfall.  Und  da  muß 
man  die  erste  Zeit  ihres  deutlichen  Hervortretens,  die  Zeit  der  oben 
erwähnten  Dichter,  von  der  späteren  Zeit,  in  der  Dichter  wie  Fernandez 
de  Leon,  Caiiizares,    Ant.  Zamora  u.  a.    gegen  Ende    des  17.  Jahr- 


es) Für  die  Feststellung  dieser  Daten  bin  ich  Herrn  Bibliothekar  Dr. 
H.  Wolff  an  der  Universitätsbibliothek  zu  München  verpflichtet,  der  mich 
auf  Grotefend  Zeitrechnung  des  deutschen  Mütelnlters  und  der  Neuzeit,  (Hannover 
18D1)  hinwies,  wo  ich  die  Daten  leicht  ermittelte.  Ich  benutze  die  Gelegenheit, 
um  dem  ebenso  gefälligen  wie  kenntnisreichen  Bibliotheksbeamten  für  sein- 
unermüdhches  liebenswürdiges  Entgegenkommen  bei  der  Benutzung  der 
Universitätsbibliothek,  sowie  für  zahlreiche  sachdienliche  bibliographische 
Aufschlüsse  öfifentlich  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen.  —  Aufser 
Grotefend  zog  ich  zur  Kontrolle  der  Daten  noch  heran:  A.  J.  Weidenbach 
Calendarium  historico-christianum  medii  e^«oe'ae  «€f«etC.(Regensburg  H.  J.Manz  1855.) 


Paul  Scarrons   „Le  Marquis  ridicuh'-' .  31 

hunderts  auftreten,  scharf  auseinanderhalten;  denn  wie  Schack  richtig 
sagt, 29)  bei  jenen  „wurde  doch  noch  immer  der  Adel  der  Poesie  auf- 
recht erhalten,  das  Kleinliche,  Engherzige  und  Verkehrte  wurde  im 
Sinne  der  echten  komischen  Dichtung  als  mit  dem  Höheren,  mit  der 
unendlichen  Freiheit  und  Bewegung  des  Daseins  im  Widerspruch 
stehend,  aufgefaßt;  bei  den  hier  in  Rede  stehenden  Comödienschreibern 
dagegen  hat  das  Fratzenhafte  ganz  das  Übergewicht,  wir  werden  in 
eine  Welt  von  Narren  geführt  und  das  Lustpiel  geht  ganz  und  gar 
in  die  Farce  über,'' 

Wie  sehr  Coello  in  der  glücklichen  Zeit  des  Anfangs  der 
Figuren -Comedia  steht,  das  zeigt  sich  in  dem  Umstand,  daß  er 
mehr  noch  wie  seine  unmittelbaren  Nachfolger,  es  verstand,  in  den 
Zügen,  die  er  seinem  komischen  Helden  lieh,  Maß  zu  halten.  Sein 
Vifconde  ist  noch  nicht  die  Karikatur,  wie  es  der  Montanes  später  wurde. 
Doch  wenden  wir  uns  jetzt  den  Quellen  des  Dichters  zu.  Die 
wichtigste  hat  er  uns  selbst  angedeutet.  Es  ist  jene  Novelle  des 
Cervantes,  die  er  als  Episode  in  seinem  unsterblichen  Don  Quixote 
verwoben  hat,  El  curioso  iiripertinente. 

Sowohl    der  Erzcähler    wie    der    Dramatiker    zeigen    uns    einen 
Toren,  der   im  Besitz   eines   herrlichen   getreuen  Weibes   (bzw.  einer 
Braut^,  von  der  unseligen  Neugierde  geplagt  wird,  ihre  Tugend,  ihre 
Treue  auf  die  Probe  zu  stellen.     Beide  zwingen  einen  Nahestehenden 
(Freund    oder  Bruder)    sich    der  Schönen    zum  Schein    mit    Liebas- 
werbungen  zu  nahen.     Der  Betreffende  versteht  sich  nur  nach  langem 
Sträuben,    nach    ernsten    Abmahnungen    zu    der    Sache,    betreibt    sie 
aber  schließlich  mit  solchem  Erfolg,  daß  er  die  Dame  für  sich  erobert. 
Daß  Cervantes  wirklich  die  Vorlage  für  Coello  gewesen  war,  be- 
weisen noch  eine  Anzahl  Stellen  des  Dramas.    Don  Diego  ruft  seinen 
Bruder,  als  er  ihm  den  Vorschlag  macht,  warnend  zu: 
YA  curiofo  impertinente 
te  llamaran  desde  aqui. 
Don  Blas  —  der  curiofo  impertinente  Coellos  —  sagt: 
yo  he  de  mirar  y  batir 
efta  fuerza  de  mi  efpofa, 
y  efta  criada  ciuil 
ha  de  fer  crifol  por  donde 
quilates  me  ha  de  aöadir: 
Bei  Cervantes  sagt  der  curiofo  impertinente  (Anselmo): 
—  —  deseo  que  Camila  mi  esposa  pase  por  estas  dificulta- 
des  y  se  acrifole  y  quilate  en  el  fuego  de  verse  requerida. 
Bei  Coello  sagt  D.  Diego  zu  seinem  Bruder: 
no  hagas  mas  experiencias 
en  muger,  que  no  es  de  fabios 


2^)  Bd.  III,  S.  465. 


32  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

vieiido  que  el  vafo  es  de  vidrio, 
probar  con  golpes  el  vafo. 

Bei  Cervaates  sagt  Lothario  zu  Anselmo: 
.  .  .  seria  justo  que  te  viniese  en  deseo  de  tomar  aquel  dia- 
mante  .  .  .  y  alli  a  pura  fuerza  de  golpes  .  .  .  probar  etc. 

Ferner  sagt  D.  Diego: 

Mira  que  el  honor  es  vidrio 

y  guardado  ha  de  viuir, 

que  al  primer  lance  fe  quiebra. 

Hierauf  D.  Blas: 

Para  que  quiero  elegir 
mnger  de  vidrio 

Wir  lesen  bei  Cervantes: 

Es  de  vidrio  la  muger 
Pero  no  fe  ha  de  probar 
Si  se  puede  o  no  quebrar 
Porque  todo  podria  fer. 

D.  Blas  sagt  später  von  Dona  Juana: 

Porcia  fue  —  ihr  gegenüber  —  cofa  de  burlas. 
Cervantes  sagt: 

Cofideraba   cuan   entorado    habia   de   quedar  Anselmo  de  que 

tenia  por  muger  a  una  fegiioda  Porcia. 

Coello  war  übrigens  nicht  der  erste,  der  die  Novelle  des  Cer- 
vantes dramatisierte.  Lope  de  Vega  hat  sie  in  sein  Lustspiel  La 
Necedad  del  Discreto  (bereits  in  der  II.  Liste  seiner  Comedias 
verzeichnet,  also  vor  1618  geschrieben)  verwebt,  und  Guillen  de 
Castro  hat  ein  sehr  wirkungsvolles  Drama  daraus  geschaffen.  Ob 
Coello  eines  dieser  beiden  Stücke  benutzte,  will  ich  dahin  gestellt 
sein  lassen,  da  sie  mir  nicht  vorliegen.  Sicherlich  hat  aber  Coello 
ein  anderes  Stück  des  Guillen  de  Castro  nämlich  seine  1625  gedruckte 
Comedia  El  Narciso  en  sie  opinion  benutzt.  Vielleicht  war  es  diese 
sogar,  die  ihn  zu  seiner  Schöpfung  anregte. 

Castros  Stück,  das  Vorbild  zu  Moreto's  Lindo  Don  Diego,^^) 
bietet  bereits  einen  lächerlichen  Junker,  nur  besteht  dessen 
Schrulle,  wie  der  Titel  andeutet,  hauptsächlich  in  seiner  maßlosen 
Eitelkeit  und  Selbstvergötterung.  Don  Giitierre  —  so  heißt  Castro's 
Held  —  ein  Name,  wie  wir  sehen,  den  Coello  für  eine  andere  Per- 


30)  Der  sprichwörtliche  Gebrauch  dieses  Titels  wird  manchmal  auf 
Moretos  1662  gedrucktes  Stück  zurückgeführt,  das  ist  indes  unrichtig.  Ich 
gedenke  anderwärts  zu  zeigen,  dafs  die  Bezeichnung  schon  lauge  vorher 
sprichwörtlich  war. 


Paul  Scarron's   ^Le  Marquis  ridicule".  33 

sönlichkeit  übernahm,  hält  sich  für  unwiderstehlich  und  glaubt,  daß 
alle  Mädchen  in  ihn  vernarrt  seien.  Wir  fanden  oben,  daß  auch 
der  Vifconde  ähnlich  von  sich  denkt.  Dann  hat  Coello  einen  Teil 
der  Handlung  des  älteren  Lustspiels  verwertet.  Bei  Castro  will  Don 
Pedro,  ein  alter  adliger  Herr,  einen  seiner  Neffen  mit  seiner  Tochter 
vermählen  und  lädt  sie  beide  ein,  zu  ihm  zu  kommen.  Don  Gutierre 
ist  der  eine  davon.  Sein  Diener  Tadeo  verkündet  seine  Anwesenheit 
in  Madrid.  Der  alte  Herr  ist  beleidigt,  daß  die  Neffen  nicht  bei 
ihm  abgestiegen  sind: 

Eftä  enojado 
de  no  auernos  apeado 
en  fu  cafa. 

Wir  fanden  das  alles  oben  bei  Coello.  Bei  diesem  sagt  der 
alte  Herr  zu  Calabacas:  „no  fe  apea  en  mi  cafa."  Wie  letzterer 
eine  Charakterschilderung  vom  Vifconde,  so  entwirft  dort  Tadeo  eine 
von  D.  Gutierre,  aber,  was  durchaus  verwerflich  istj  gegenüber  einem 
Fremden,  einem  Nebenbuhler  seines  Dienstgebers.  Es  findet  ferner 
ein  Zusammentreffen  zwischen  D.  Gutierre  und  seiner  Base  im  Bei- 
sein ihres  Vaters  statt,  das  zur  Entfaltung  des  lächerlichen  Charak- 
ters des  Freiers  führt.  Außerdem  wendet  die  für  den  Gecken  be- 
stimmte junge  Dame  ihr  Herz  einem  anderen  zu,  den  sie  am  Ende 
durch  eine  lutrigue,  bei  der  eine  als  Condefa  verkleidete  Person  eine 
Rolle  spielt,  auch  wirklich  erhält,  während  D.  Gutierre  leer  ausgeht 
und  von  allen  Personen  des  Stückes  verhöhnt  wird. 

Diese  den  beiden  Dichtern  gemeinsamen  Motive  sind  aber  von 
ihnen  so  verschieden  behandelt,  daß  man  von  dem  jüngeren  Dichter 
sagen  kann,  er  habe  sich  seine  Selbständigkeit  gewahrt. 

Für  den  Cliarakter  der  Portugiesin  Coellos  dürfte  Lope  de  Vegas 
La  Portuguesa  y  la  dicha  del  Forastero  gesessen  sein,  wo  Celia 
sich  einem  Fremden  förmlich  an  den  Kopf  wirft  und  gleich  Dona 
Antonia  portugiesisch  radebrecht.  Lopes  Lustspiel  befindet  sich  auf 
seiner  zweiten  Liste,  ist  also  vor  1618  geschrieben. 

Ferner  hat  Coello,  wie  es  scheint,  Tirso  de  Molinas  heiteres 
Lustspiel  Por  el  sotano  y  el  torno  gekannt:  In  der  1.  Szene  dieses 
Stückes  wird  Dona  Bernarda,  wie  Dona  Juana,  bei  einem  Wagen- 
unglück ohnmächtig  und  von  einem  Galan,  den  sie  später  die  Hand 
reicht,  in  den  Armen  in  ein  Haus  getragen.  Dona  Jusepa,  ihre 
Schwester,  gibt  sich  für  eine  Portugiesin,  für  die  Condefa  de  Ficallo, 
aus.  Da  nach  Cotarelo  y  Moris  Vermutung  (Tirso  de  Molina.  In- 
vesiigaciones  bibihliograficos  Madrid  1893  S.  IGO)  das  Stück 
Tirsos  aus  dem  Jahre  1622  stammt,  was  ich  nicht  sowohl  aus 
dem  von  ihm  angeführten  Grunde,  als  aus  verschiedenen  anderen  für 
wahrscheinlich  halte,  so  steht  einer  Entlehnung  seitens  Coellos  chro- 
nologisch nichts  im  Wege. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXHi.  3 


34  Artliur  Ludwig  Stiefel. 

Keine  dieser  Entlehnungen  zwingt  uns,  Coellos  Comedia  später 
zu  datieren,  weil  alle  vor  1625  geschrieben  worden  sind.  Keine 
zwingt  uns  aber  auch  die  Originalität  des  Dichters  wesentlich 
herabzusetzen:  Mag  er  in  der  Fabel  sich  an  Cervantes,  in  einzelnen 
Motiven  an  Guillen  de  Castro,  Lope  de  Vega  und  Tirso  de  Mo- 
lina anlehnen,  so  hat  er  doch  alles  zu  einem  neuen  durchaus  ein- 
heitlichen wirkungsvollen  Ganzen  herausgearbeitet.  Die  wenigen  wört- 
lichen Anlehnungen,  die  oben  Erwähnung  fanden,  können  seinen  Ansprucli 
auf  selbständige  Behandlung  nicht  erheblich  beeinträchtigen.  Die  Haupt- 
sache bleibt,  daß  er  in  der  Auffassung,  Dramatisierung  und  Entwicklung 
der  Fabel  und  in  der  Darstelhing  der  Charaktere  ganz  seine  eigenen  Wege 
ging  und  daß,  abgesehen  von  wenigen  vielleicht  unwillkürlich  über- 
nommenen Ideen   und  Bildern,   der  ganze  Dialog   sein  Eigentum   ist. 

In  der  Tat  ist  seine  Auffassung  der  Fabel  eine  durchaus  origi- 
nelle von  Cervantes  und  Guillen  de  Castro  grundverschiedene.  Jene 
beiden  betrachteten  die  Handlung  als  ernst  und  gaben  ihr  einen  hoch- 
tragischen Ausgang.  Coello  scheint  gedacht  zu  haben,  daß  ein  Mann, 
der  die  Erwählte  seines  Herzens,  in  deren  beneidetem  Besitze  er  sich 
befindet,  einer  aberwitzigen  Probe  unterzieht,  wie  es  der  Cnriofo 
impertinente  tut,  nur  ein  vollendeter  Narr  sein  könne.  Ein  solcher 
aber  eigne  sich  nicht  zum  Helden  einer  tragischen  Handlung.  Daher 
gestaltete  er  die  Fabel  rein  komisch  und  machte  aus  dem  Curiofo 
impertinente  eine  Karikatur.  Während  wir  bei  Cervantes  und  Guillen 
de  Castro  ein  erschütterndes  Ehebruchsdrama  sich  zutragen  sehen, 
bewegt  sich  bei  Coello  die  ganze  Handlung  in  den  Schranken  der 
guten  Sitte.  Bei  ihm  ist  nicht  eine  Frau,  sondern  eine  Braut  die 
Heldin.  Und  diese  —  Dona  Juana,  die  der  Camila  der  beiden 
älteren  Dichter  entspricht  —  ist  von  ihm  mit  großer  Sorgfalt  und 
Liebe  behandelt  worden.  Er  schildert  sie  als  ein  unverdorbenes 
durch  nichts  vom  Pfade  der  Tugend  abzulenkendes  musterhaftes 
Mädchen,  die  den  Gatten  aus  der  Hand  des  Vaters  unbesehen 
hinnimmt,  die  herb  und  spröde  jedes  Liebeswerben  anderer 
Verehrer  abweist  und,  sogar  unter  der  Verpflichtung  der  Dankbarkeit 
gegen  einen  Lebensretter,  nicht  anders  handelt.  Wie  sehr  verdiente 
sie  also  das  Vertrauen  ihres  Bräutigams,  wie  wenig  war  sein  belei- 
digender Argwohn  ihr  gegenüber  gerechtfertigt.  Wenn  also  Don 
Diego  auf  sein  Geheiß  nach  langem  Sträuben  die  Rolle  des  Ver- 
suchers übernimmt  und  in  Juanas  Herzen,  das  ihm  schon  von  Anbe- 
ginn mehr  als  sie  sich  selbst  eingestand,  zugetan  war,  immer  grössere 
Fortschritte  macht,  so  empfinden  wir,  daß  Don  Blas  dieses  Schicksal 
vordient.  Wir  zittern  in  der  H.  jornada,  als  Juana  über  Don  Diego 
zürnt,  sie  könnte  noch  die  Beute  des  Landtölpels  werden  und  wir 
freuen  uns,  daß  die  Intriguen  der  Portuguesa  den  unwürdigen 
Bräutigam  endgiltig  aus  dem  Felde  sclilagen. 

Es  bedarf  keiner  Erwähnung,  daß  Coello  diesen  Charakter  bei 
Cervantes  oder  G.  de  Castro  nicht  fand;   ich  füge  gleich  hinzu,  daß 


Paul  Scarrons   „Le  Marqnis  ridicide'-',  35 

er  auch  die  übrigen  Charaktere  ihm  nicht  entnahm.  Ob  er  aber 
nicht  Guillen  de  Castro  den  Umstand  entlehnte,  daß  Ceatriz  ihre 
Herrin  für  Don  Diego  einzunehmen  sucht  und  den  weiteren,  daß 
dieser  schon,  bevor  er  von  seinem  Bruder  den  Auftrag  erhält,  die 
junge  Dame  in  Versuchung  zu  führen,  in  sie  verliebt  war  —  beide 
Momente  fehlen  bei  Cervantes,  finden  sich  jedocli,  wie  ich  A.  Schaeffer 
entnehme,  beim  Yalenzianer  —  ist  eine  andere  Frage.  Da  indessen 
diese  Züge  auch  zufällige  Übereinstimmungen  sein  können,  so  muß 
ich  die  Sache,  zumal  Castros  Drama  mir  nicht  vorliegt,  unentschieden 
sein  lassen. 

In  der  Durchführung  und  Gliederung  der  Haupthandlung  und 
in  der  psychologischen  Entwicklung  des  eigenartigen  Charakters  der 
Dona  Juana  zeigt  der  jugendliche  Coello  ein  entschieden  bedeutendes 
dramatisches  Talent.  Auch  den  Haupthelden,  den  Don  Blas,  ver- 
stand er  geschickt  zu  zeichnen  und  folgericlitig  handeln  zu  lassen. 
Er  hielt  sich  dabei  von  Übertreibung  vollkommen  frei.  Don  Blas 
ist  ein  naturwahrer  Charakter,  den  der  Dichter  dem  Leben  abge- 
lauscht haben  mag,  wenn  vielleicht  auch  Guillen  de  Castros  Don 
Gutierre  nicht  ganz  ohne  Einfluß  darauf  blieb.  Hatte  ich  doch 
selbst  einmal  Gelegenheit,  ein  ähnliches  Original  vor  Jahren  zu 
beobachten.  Don  Blas  verbindet  eben  das  maßlos  mißtrauische  Wesen 
des  ungebildeten  Landbewohners  dem  überlegenen  Städter  gegenüber, 
mit  der  Aufgeblasenheit  und  dem  Gefühl  der  Unwiderstehlichkeit  des 
reichen  Majoratsherrn.  In  der  Vereinigung  dieser  entgegengesetzten 
Eigenschaften  liegt  sein  komischer  Charakter,  sein  „tema"  und  zu- 
gleich sein  Unglück.  Daraus  fließt  ganz  naturgemäß  sein  seltsames 
Verhalten  Doüa  Juana  und  den  übrigen  Personen  gegenüber,  und  es 
wirkt  unwiderstehlich  komisch,  wie  er  gerade  durch  seine  dumme 
Pfiffigkeit,    das  Unglück   das   er  vermeiden  möchte,    heraufbeschwört. 

Hinter  diese  beiden  Hauptgestalten  treten  alle  anderen  zurück. 
Don  Diego  ist  der  gewöhnliche  Galan  des  Lustspiels,  dessen  Rolle 
indes  durch  den  komischen  Konflikt  zwischen  Liebe  zu  seiner  Dame 
und  Rücksichten  für  seinen  Bruder  einen  originellen  Reiz  erhält.  Die 
beiden  criados  Calabagas  und  Ortuiio  sind  noch  nicht  die  gracioscs 
der  späteren  Zeit,  d.  h.  Diener,  „welche  die  Handlungen  der  Haupt- 
personen parodieren",  sondern  schlichte  Bedienten;  Calabacas  ist  der 
wichtigere,  gelungenere.  Ebenso  ist  Beatriz  die  gewöhnliche  Zofe,  die 
sich  von  Galanen  zu  Liebesintriguen  bei  ihrer  Herrin  verwenden 
läßt,  und  keine  graciosa.  Luisa  und  Rodriguez  sind  zu  unbedeutend, 
als  daß  sich  viel  von  ihnen  sagen  ließe. 

Don  Gutierre  und  Dona  Antonia  sind  unter  den  Neben- 
personen wohl  die  originellsten.  Freilich  insofern  der  alte  Herr, 
wie  jeder  Hidalgo,  streng  über  Ruf  und  Ehre  der  Tochter  wacht 
und  insofern  er  bei  der  Wahl  eines  Bräutigams  für  sie  mehr  auf 
Vermögen  als  auf  treflliche  Eigenschaften  sieht,  ist  er  ein  gewöhn- 
licher Lustspielvater;   aber  der  Dichter  hat  ihm  den  originellen  Zug 

3* 


36  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

verlieben,  daß  er,  streng  für  die  Tochter,  für  die  eigene  Person  und 
betreffs  junger  Herrn  in  sittlicber  Hinsicht  sehr  leichtfertigen  Grund- 
sätzen huldigt.  Und  diese  Eigenschaft  war,  wie  wir  oben  sahen,  für 
die  Lösung  des  Lustspielknotens  von  entscheidender  Bedeutung. 

Eine  eigentümliche  Gestalt  ist  Dona  Anton ia,  Coello  be- 
zeichnete sie  in  der  Personenliste  als  „Dama".  Aber  kann  man  ein 
Wesen  noch  so  nennen,  daß  einen  gefundenen  an  eine  bestimmte 
Dame  gerichteten  Brief  für  sich  zu  einem  groben  Schwindel  ausnutzt, 
das  frech  von  der  Straße  aus  durch  das  offene  Fenster  eines  Hauses 
hineingreifend,  einem  Herrn  ein  Frauenbildnis  entreißt  um  es  in  be- 
trügerischer Absicht  zu  verwenden,  das  ohne  Scham  vorgibt,  von 
einem  Manne,  den  es  nie  gesehen  hat,  ein  Töchterchen  zu  haben, 
um  sich  dadurch  seine  Hand  zu  ergattern  und  das,  als  der  Verfolgte 
sich  sträubt  und  wehrt  in  der  ihm  gelegten  Schlinge,  rasch  mit  einer 
Abfindungssumme  zufrieden  ist?  Verdient  eine  solche  Person  nicht 
vielmehr  den  Namen  einer  Hochstaplerin?  Der  Dichter  hat  ihr  auf 
der  anderen  Seite  große  Schönheit  und  den  Charakterzug  verliehen, 
daß  sie  linajuda  ist,  d.  h.  daß  sie  es  auf  einen  hocbadligen  Gatten 
in  allen  Ehren  abgesehen  hat  und  daß  sie,  um  zu  einem  solchen  zu 
kommen,  in  allen  Hotels  und  Pensionen  ihre  Spione  hält,  die  sie  von 
der  Ankunft  eines  jeden  vornehmen  Fremden  unterrichten.  Faßte  er 
sie  als  „erabustera",  „picara"  oder  als  „loca"  auf?  Mich  will  es 
bedünken,  daß  Coello  sie  zunächst  als  Närrin,  als  ein  passendes 
Seitenstück  zu  dem  Narren  Don  Blas  dachte,  dann  aber  als  eine 
Kontrastfigur  zur  Hauptheldin,  zu  der  innerhalb  der  Schranken  des 
Hauses  weilenden  züchtigen  schönen  Dona  Juana,  während  jene  die 
nicht  minder  schöne,  aber  freche  auf  pikareske  Abwege  geratende 
Abenteurerin  ist.  Sympatisch  ist  der  Charakter  nicht,  so  wenig  wie 
der  des  Don  Blas,  aber  ich  glaube  nicht,  daß  wir  dramatisch  etwas 
dagegen  einwenden  dürfen.  Haben  doch  Lope  de  Vfga,  Tirso  de 
Molina,  Montalvan  u.  a.  junge  Damen,  die  sich  einen  treulosen  Ge- 
liebten wieder  erobern  oder  einen  von  ihnen  verehrten  Galan  erringen 
wollen,  auch  oft  zu  recht  bedenklichen  Mitteln  greifen  lassen.  Der 
einzige  Vorwurf,  der  allen  diesen  unternehmungslustigen  jungen 
Mädoben  mit  Recht  gemacht  werden  kann,  ist  der  der  Unwabrscliein- 
lichkeit. 

Die  Sprache  von  Peor  es  hurgallo  ist  einfach,  natürlich, 
fließend.  Freilich  reicht  sie  nicht  an  die  Diktion  Lope  de  Vegas, 
Tirso  de  Molinas  und  selbst  noch  nicht  an  die  Don  Antonio  de 
Mendozas  heran,  aber  sie  ist  frei  von  kultistischen  Auswüchsen  und 
der  Dialog  verrät  Gewandtheit. 

Merkwürdig  ist  es,  daß  in  unserem  Lustspiel  die  drei  Ein- 
heiten beobachtet  sind.  Die  Ereignisse  umfassen  noch  nicht  eine 
Zeit  von  24  Stunden,  sie  tragen  sich  in  Madrid  in  den  Wohnungen 
der  Dona  Antonia  und  des  Don  Gutierrc,  bezw.  in  den  Straßen  vor 
denselben  zu,    und    die  Handlung    ist    streng    einheitlich.     Ist   diese 


Paul  Scarro7is   „Le  Marquis  ridicule'^ .  37 

Beobachtung  „der  Regeln"  das  Werk  des  Zufalls,  oder  wollte  Coello, 
vielleicht  angeregt  durch  Lopa  de  Vega's  Arte  nuevo  de  hazer 
Comedias  oder  irgend  eine  Poetik,  den  Versuch  machen,  den  An- 
forderungen der  Gelehrten  zu  entsprechen?  Ich  muß  die  Frage  un- 
beantwortet lassen. 

Fasse  ich  mein  Urteil  über  Peor  es  hurgallo  kurz  zusammen, 
so  muß  ich  sagen,  daß  Coello  die  Novelle  des  Cervantes  El  Curioso 
hnpertinente  in  durchaus  origineller  Weise  zu  einer  wirkungsvollen 
komischen  Handlung  ausgebildet  hat,  deren  Entwickeluug  und  Lösung 
Spannung,  deren  Charaktere  Interesse  erregen.  Den  Grundgedanken 
der  Novelle,  von  ihm  im  Titel  seines  Stückes  durch  das  Sprichwort 
Peor  es  hurgallo,  und  gegen  Schluß  durch  die  Verse 

ya  ninguno  fe  meta 
en  probar  a  las  mugeres, 
que  es  peligrosa  cxperiencia 

wiedergegeben,  hat  er  konsequent  durchgeführt  und  ein  recht  artiges 
Lustspiel  geschaffen. 

Mit  diesem  Stück  hat  er  die  maßvolle  Figuron-Coraedia  auf 
der  Bühne  heimisch  gemacht  und  rasch  zahlreiche  Nachahmer  3i) 
gefunden,  die  ihn  allerdings  zum  teil  an  Bedeutung  und  Ruf  über- 
treffen sollten.  Merkwürdiges  Schicksal!  Seine  Figuron-Comedia, 
welche  anderen  spanischen  Komikern  den  Weg  zeigte,  geriet  in  voll- 
kommene Vergessenheit,  während  eine  darauf  beruhende  französische 
Nachahmung  fast  bis  in  unsere  Tage  wenigstens  in  den  Ausgaben 
der  Werke  des  Dichters  fortleben  konnte.  Ich  meine  Scarrons  Lust- 
spiel. Wir  kommen  jetzt  zu  dem  französischen  Stücke.  Durch 
seineu  Titel 

Le  Marquis  Ridicule  ou  la  Comtesse  faite  ä  la  haste 3-) 

verrät  er  seine  Quelle  nicht.     Ob  Scarron   die  Absicht  hatte,    sie  zu 


31)  Wir  haben  bereits  oben  gesehen,  wie  dazu  als  erster  D.  A.  Mendoza 
gehört.  Don  A.  dal  Castillo  Solörzano  mit  seinen  beiden  Stücken 
El  Mwjorazgo  Figura  (geschr.  1637)  und  El  Marques  del  Cigarral  —  beide  von 
Scarron  nachgeahmt  — folgte  ihm.  Als  dritten  möchte  ich  Rojas  Zorilla 
anführen,  der  in  seinem  1638  verfafsten  Lustspiel  Entre  bohos  anda  el  juego 
in  vielen  Dingen  sich  an  Coello  anlehnt.  Da  letzteres  Stück  von  Thomas 
Corneille  IGÖO  unter  dem  Titel  Don  Bertrand  de  Cigarral  nachgebildet  wurde, 
so  ist  dieser  Dichter  auch  mittelbar  Coello  verpflichtet. 

^'^)  Über  die  verschiedenen  Ausgaben  des  Stückes  werde  ich  weiter 
unten  handeln.  Die  ziemlich  seltene  editio  princeps  Paris  Quinet  1656  lag 
mir  leider  nicht  vor,  sondern  folgende  Elzevier-Ausgabe:  LE  ||  MARQUIS  || 
RIDICULE  II  ou  la  ||  COMTESSE  ||  faite  a  la  haste  |[  Comedie.  ||  Par 
Mr.  Scarron.  \\  (Buclihändlerzeichen).  ||  Sniuant  la  Copie  imprimee  |  A 
PAKIS  I  MDCLN.  —  93  Seiten  16".  Rückseite  des  Titelblattes  frei. 
Auf  Seite  3—5  die  Dedikation  A  Monsieur  L'Abbe  Fovoquet.  Auf 
S.  G  die  Liste  der  Schauspieler.  Der  Text  beginnt  S.  7.  —  Exemplar  im 
Besitze  des  Antiquars  Jacques  Rosenthal  dahier,  dem  ich  auch  an  dieser 
Stelle  für  die  freundliche  Überlassung  danke.  — 


38  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

verbergen,  läßt  sich  mit  voller  Bestimmtheit  nicht  sagen;  denn  wenn 
er  einen  anderen  Titel  \Yählte,  so  konnte  der  Grund  ja  sein,  weil 
ihm  der  spanische  nicht  gefiel,  oder  weil  er  ein  Sprichwort  war, 
das  schwer  durch  ein  ähnliches  französisches  wiederzugeben  war  oder, 
richtiger  gesagt,  weil  Sprichwörter  als  Comödien-Titel  auf  der  franzö- 
isischen  Büime  nicht  üblich  waren.  Jedenfalls  läßt  die  Wahl  seines 
Titels  deutlich  erkennen,  daß  es  ihm  in  seinem  Stücke  nicht  sowohl 
;um  die  leitende  Idee  Coellos,  „peor  es  hurgallo'-^,  als  vielmehr 
;Um  die  burlesken  Gestalten  des  lächerlichea  Landtölpels  und  der 
heiratslustigen  Abenteurerin  zu  tun  war. 

Weniger  ängstlich  war  Scarron  auf  Beseitigung  der  Namen 
seiner  Vorlage  bedacht.  Er  behielt  mehrere  davon  bei,  wie  aus  der 
nachfolgenden  Zusammenstellung  der  Personenlisten  ersichtlich  ist. 

Coello  Scarron 

Don  Diego,  galan  Dom  Sanche 

Don  Blas  de  Yilloria  Dom  Blaize-Pol,  Marquis  de  la 

Victoire 

Don  Gutierre  (de  Varcas),  viejo  Dom  Cosme  de   Varcas 

Dona  Antonia,  Daraa  Stefanie,  Dame  Portugaize 

Doiia  Juana,  Dama  Blanche,  fille  de  Dom  Cosme 

Luisa,   ciiada   de  Dona  Antonia  Louize,  fuiuante  de  Stefanie 

Beatriz,  criada  de  Dona  Juana  Lizctte,  fuiuante  de  Blanche 

Merlin,     valet     de     Dom     Blaize 
Calaba^as,    criado   de  Don  Diego  feruant  Dom  Sanche 

loachin,    criado  de  Don  Gutierre  —   —   —   — —  —  — 

Ortuüo,  criado  de  Don  Blas  Ordugno,  Efcuyer  de  Dom  Blaize 

Rodriguez,  efcudero  Olivares,  Efcuyer  de  Stefanie 

Acompanamiento  (Gens  de  Dom  Blaize) 

Von  den  Namen  hat  also  Scarron  drei:  Don  Blas  (Blaize), 
Luisa  (Louize)  und  Ortuiio  (Ordugno)  ganz  beibehalten;  außerdem 
den  Familiennamen  des  Don  Gutierre.  de  Varcas.  Aus  de  Villoria 
hat  er  das  lautlich  ähnliche  de  la  Victoire  gemacht.  Weggelassen 
hat  er  den  in  der  Tat  überflüssigen  Joachin.  Seine  Änderungen 
lassen  sich  meist  begreifen:  Sanche  und  Cosme  klingen  für  franzö- 
sische Ohren  annehmbarer  als  Diegue  und  Gutierre.  Blanche, 
Stefanie  und  Merlin  fügen  sich  besser  in  den  Vers  als  Jeanne, 
Antoinette  und  Calabagas;  Lizette  ist  ein  in  Frankreich  ver- 
breiteter Bedientennamen,  Beatriz  dagegen  niclit.  Ob  Scarron  au 
den  Conde-Duque  dachte,  als  er  den  efcudero  Rodriguez  in  Olivares 
umtaufte,  will  ich  dahingestellt  sein  lassen.  Vielleicht  auch  änderte 
Scarron  jene  Namen  ohne  jeden  Grund,  rein  willkürlich;  denn  Diegue 
kommt  in  seinem  Heriiier  ridicule  vor  und  Beatriz  für  eine  „servante" 
findet  sich  in  seinem  Maistre  Valet^  in  seinem  Jodelet  soufßete  und 
in  L'H^riiier  ridicule. 


Paul  Scarrons  ,,Le  Marquis  ridicule''.  39 

Was  die  im  Texte  vorkommendeu  Namen  anbelangt,  so  hat  sie 
Scarron  alle  geändert.     Es  entsprechen  sich  bei 

Coello:  Scarron: 

Don  Luis   de  Vivero  Dom  Juan  Palomeque 

Dona  Ynes  de  Figueyra  Elvire  de  Pacheque 

la  Condefa  de  Alentexo  Comteffe  Alcala 

Der  Schauplatz  der  Handlung  ist  in  Original  und  Nachahmung  Madrid. 
Mit  den  Charakteren  hat  der  Nachahmer  nicht  unwesentliche 
Vei'änderungen  vorgenommen.  Alle  Personen  sind  derber,  realistischer 
geworden.  Die  feinen  Nuanzen  in  den  einzelnen  Rollen  sind  ver- 
schwunden. Alle  weisen  nunmehr  eine  gewisse  Familienähnlichkeit 
auf.  Besonders  zeichnen  sich  die  Bedienten  durch  große  Keckheit 
ihren  Herrschaften  gegenüber  aus,  was  sich  von  den  Bediensteten  bei 
Coello  nicht  sagen  läßt.  Dementsprechend  müssen  bei  Scarron  wieder 
die  Herrschaften  gröber  gegen  die  Diener  sein,  aber  auch  unter  ein- 
ander schlagen  jene  oft  einen  Ton  an,  wie  er  in  der  guten  Gesellschaft 
nicht  üblich  ist.  Wie  das  alles  sich  im  Einzelnen  verhält,  ersieht 
man  am  besten  aus  der  Vergleichung  der  französischen  Nachahmung 
mit  dem  spanischen  Original. 

Acte  I. 

Wie  bei  Coello  eröffnet  die  portugiesische  Abenteurerin  mit 
ihrer  Dienerin  das  Lustspiel.  Die  ganze  erste  Scene  entspricht 
inhaltlich  und  vielfach  wörtlich  dem  Anfang  des  spanischen  Stückes. 
Indes  führten  ein  paar  Änderungen,  die  Scarron  anzubringen  für  gut 
fand,  zu  verschiedenen  Abweichungen  im  Dialog.  So  benimmt  sich 
z.  B.  Louise  (Luisa)  ziemlich  naseweis  ihrer  Herrin  gegenüber. 
Dann  spielt  die  Handlung,  im  spanischen  Lustspiel,  wie  oben  erwähnt, 
im  Monat  Mai,  bei  den  Franzosen  dagegen  im  heißen  Sommer. 
Doiia  Antonia  spricht  mit  ihrer  Dienerin  im  Hause  bezw.  unmittelbar 
vor  ihrem  Hause,  während  Scarron  das  Gespräch  auf  freier  Straße 
vor  sich  gehen  läßt.  Auf  diese  Weise  sind  die  Anfänge  bei  beiden 
Dichtern  grundverschieden, 

Doiia  Antonia  bei  Coello  hatte  Luisa,  wie  es  scheint,  fortgejagt 
und  empfängt  zu  Beginn  des  Stückes  die  Wiederkehrende  mit  offenen 
Armen.     Die  Comedia  hebt  mit  ihren  Worten  an: 

Buelua  a  cafa,  pan  perdito, 
que  fin  ti  no  valgo  nada; 
la  mas  effencial  criada 
eres  que  en  el  mundo  ha  auido. 
Dame  los  bragos. 

Antonia  sagt  ferner: 

Mira,  las  cofas  de  dentro 
folo  las  fio  de  ti. 


40  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

De  aueite  echado  me  pefa, 

Mas  yo  lo  enmiendo,  que  quieres? 

Und  die  Dienerin  erwidert  darauf: 

Que  braua  heclüzera  eres! 
en  efeto  Portuguefa. 

worauf  sie  zu  Antonias  Verhältnis  zu  Don  Diego  übergebt: 

quieres  bien   todavia 
al  encubierto  don  Diego? 

Anders  Scarron.  Er  läßt  die  Dienerin  anfangen  und  das 
Gespräch  verläuft  folgendermaßen: 

Louize: 
Madame  excuzes-moy,  fi  ie  vous  interromp(s); 
Mais  le  Soleil  icy  donne  für  nous  ä  plomb. 
Sans  parafol,  fans  mante,  au  Soleil  ä  teile  heure, 
Eftre  au  cours,  c'eft  ioüer  ä  fe  perdre,  ou  ie  me  meure. 
Voulez-vous  faire  icy  de  Taftre  radieux 
Et  de  voftre  bei  oeil  morguer  celuy  des  Cieux? 
Sauf  l'honneur  que  ie  doy  ä  voftre  noble  effence, 
Co  deffein  Romanefque  a  de  Textrauagance. 

Stefanie: 
Tu  me  parles  toüjours  auecque  liberte 

Louize: 
Mais  Madame  apres  tout,  ie  dis  la  verite; 
Car  au  cours,  a  midy,   que  voulez-vous  donc  faire? 

Stefanie: 
Ignorant  mon  deffein,  tu  n'as  rien  qu'a  te  taire. 

Louize: 
Au  moins,  m'auouerez-vous  que  Ton  n'y  vient  que  tard 
Et  qu'on  n'y  laiffe  point  fon  caroffe  ä  Tecart, 

I  Von  allem  dem  findet  sich  kein  Wort  in  der  spanischen  Vorlage. 

Jetzt  offenbart  Stefanie  ihren  heißen  Wunsch,  sich  hochadlig 
zu  verheiraten.  Dieser  Gedanke  kommt  schon  bei  Coello  vor,  ist 
'  aber  bei  Scarron  stärker  betont.  Abweichend  von  jenem  wittert  die 
Dame  auch  noch  bevor  ihr  Efcuyer  mit  der  Meldung  kommt,  daß 
Don  Sanche  (Diego)  und  der  Marquis  (Visconde)  eine  und  dieselbe 
Person  sei,  daß  jener  von  hoher  Abkunft  sein  müsse. 

Sur  ce  qu'en  l'approchant  mon  ame  m'aduertit 

Qu'il  est  ne  graiid  Seigneur;  mais  qu'il  fe  traueftit. 

Ebenso  gehört  dem  Franzosen  der  Zug,  daß  Stefanie  den 
Kavalier  auch   ohne  diese  Eigenschaft  liebe,  sowie  der  weitere,  daß 


Paul  Scarrons  ,.Le  Marquis  ridicule'-'-. 


41 


ihr  die  „suiuante"  rät,  ihre  Neigung  für  Don  Sanche  zu  verbergen, 
da  dieser  ihr  noch  keinen  Beweis  gegeben  habe,  daß  er  ihre  Liebe 
erwidere:  „II  est  temps  qu'a  fon  tour  il  faffe  quelque  auauce"! 
Habe  er  das,  was  sie  brauche,  dann  rasch  einen  Notar  und  einen 
Pfarrer,  wonicht 

Fermez-luy  voftre  porte,  &  m'en  cherchcz  vn  autre. 

Stefanie  will  Don  Sanche  —  ein  weiterer,  nicht  bei  Coello 
vorkommender  Zug  —  hier  erwarten  und  ihn  zwingen,  sich  zu 
erklären. 

Und  so  wären  noch  einige  Kleinigkeiten  zu  erwähnen,  worin 
Scarron  seine  eigenen  Wege  ging.  Übrigens  finden  sich  selbst  in 
diesem  noch  ziemhch  selbständig  gehaltenen  ersten  Teile  der  Scene 
Gedanken  und  Yerse,  die  fast  wörtlich  dem  spanischen  Original 
entlehnt  sind.     So  z.  B. 


Scarron. 

Stefanie: 

Je  te  difois  tout  ä  Theure,  Louize, 

Qu'a    moins    que    d'vn    Seigneur, 

ie  ne  puis  eftre  eprife. 

Stefanie : 
II   est  vray  que  ie  dis  ce  que  ie 
ne  fais  pas 


Coello: 
Dona  Antonia: 
Mira,  a  toda  ley,  quifiera 
para  emplear  fauores 
fi  ay  en  que  efcoger,  fenores. 

Doiia  Antonia: 
Yo  predico  la  dotrina, 
mas  no  la  fe  executar. 


Schließlich  läuft  alles  doch  auf  dasselbe,  wie  in  der  spanischen 
Comedia  hinaus.  So  gesteht  Stefanie,  gleich  Antonia,  daß  sie  ihre 
Netze  auch  noch  auf  andere  Männer  auswerfe  und  daß  sie  es 
namentlich  auf  Fremde  abgesehen  habe.    Man  vergleiche  beide  Dichter: 


Scarron. 
Stefanie: 


Pour  cet  effect,  ie  vole  aux  oifeaux 

paffagers 

Et   noftre  politique   en   veut  aux 

etrangers. 

Tay  de  bons  efpions  dans  les 

hoftelleries, 

Dans  les  poftes,  bureaux,  coches, 

meffageries, 

Tu  m'es  vn  bou  fecond,  &  noftre 

Oliuares, 

Pour  nos  nobles  deffeins  eft 

comme  fait  expres; 


Coello. 
Dona  Antonia: 

Ya  fabes  que  fue 
gran  politica  entre  fueros 
desfrutar  los  forasteros. 

Luisa: 

Y  yo  te  lo  aconfeje. 

Doiia  Antonia'. 

Y  que  para  aquefta  treta 
tengo  con  cuenta  y  razon 
efpia  en  todo  mefon, 
centinela  en  la  eftafeta. 


42 


Arthur  Ludwig  Stiefel. 


Aux  yeux  de  cent  jaloux,  il  frait 
faire  vn  mclTage. 

Louize: 
Bref  Yoftre  Oliuares  cl't  vn  grand 
perfounage. 

Stefanie : 

II  a  fi^'BU  decouurir,  qu'vn  certain 

vrai  Marquis 

Arriue  dans  Madrid,  &  fgait  bien 

fon  logis. 

Ce  feigneur  etranger,  fi  i'ay  bonne 

memoire 

A  nom  Dom  Blaize  Pol  Marquis 

de  la  Victoire. 


Liiifa: 
—  el  buea  Rodriguez,  de  Efpana 
el  mas  lamofa  tercero  —  —  — 
Es  hombre  honrado. 

Doiia  Antonia: 
Sabe  meter  vu  recato 

por  el  üjo  de  vna  fuegra   .... 

*  * 

Pues  de  Castilla  la  vieja 
diz  que  ha  venido  vu  Vifconde, 
que  grande  faufto  apercibe ; 
porque  viene  aqui  a  cafarfe. 
Rodriguez  fue  ya  in  informarfe 
de  la  cafa  donde  viue. 


Die  zweite,  sehr  kleine  Szene  --  Olivares  kommt  zu  den  vorigen 
—  entspricht  Coello  vorwiegend  wörtlich,  aber  mit  Kürzungen;  man 
vergleiche: 


Scarron. 
Olivares : 


le    me  fuis  informe,    comme  vous 

m'auiez  dit, 

Du  logis   de  Dom   Sanche,    &  ie 

f^^ay  comme  il  vit, 

Et  que  pour  le  feruir,  il  n'a 

qu'vne  perfonne. 

Mais  on  m'a  dit  de  plus,  &  c'eft  ce 

qui  m'efionne, 

Que,    fon    appartement,    dont    ie 

me  fuis  enquis, 

Eftoit  l'appartement  de  ce  mefme 

Marquis 

De  ce  Dom  Blaize  Pol  qu'on 

attend  de  Ca  fülle. 

Stefanie; 
He  bien !  c'eft  vn  Matois,  vn  petit 
noble,  vn  drille. 

Olivares: 
En  fortant  de  chez  luv,  ie  Tay 
trouue  botte! 


Coello. 
Dona  Antonia : 
Hafe  informado? 


Modriguei 
mas  con   duda. 


Con  prifa, 


Dona  Antonia: 

Pues  que  ha  auido 

Rodriguez: 
Que  andando  bufcando  ciego, 
donde  el  Vifconde  fe  paffa, 
enfeiiandome  la  cafa, 
es  la  mifma  del  don  Diego, 
tu  galan,  y  aueriguando 
mas,  por  falir  de  efte  abyfmo, 
dixeron,  el  quarto  mifmo 
de  don  Diego,  feiialando 
que  era  en  el  que  el  tal  Vifconde 
viuia. 

Dona  Antonia: 

Non  paede  fer. 


Paul  Scarrons  y.Le  Marquis  ridicule" 


43 


Loiiize: 
Et  moy  ie  TapperijOi. 


Rodriguez: 
Y  despues  que  deterniino 
boluerme,  al  quererme  ir, 
vi  al  tal  don  Diego  falir 
con  veftido  de  Camino 
de  cafa. 


Luisa: 


mas  el  viene  por  el  Prado. 

Bei    der    dritten    Szene   —  Don    Sanclie    (Diego)    und    Merlin 
(Calaba^as)    —    herrscht    abermals   Anschluß   an    Coello.     Hier    eine 
Probe: 

Scarron,  Coello: 

Don  Satiche:  Calabapas: 

Tu   dis    donc    que   mon   frere  eft  —   —   —  —   —   —  —  —   — 

venu?  ya  el  Vifconde  tu  hermano 

—  —  —   —   —  —  —   —   —  efta  en  Madrid. 

Don  Diego: 

erro  mi  Padre  en  criarle 
fiempre  en  Caftilla  vieja 
—  —  fiü  el  arte 
de  la  Corte  etc. 


Que  les  Peres   ont  tort  de  tenir 

leurs  enfants 

Eloignez  de  la  Cour  ä  fe  roüiller 

aux  champs 


Äf erlin : 


Mais  vous,  mon  eher  Seigneur, 

qu'il  ne  vous  en  deplaife, 

Comment   vont  vos   amours   auec 

la  Portugaize? 

Don  Sanche: 
Stephanie  ? 

Merlin : 
Elle  mefme. 

Don  Sanclie: 
Elles  vont  affez  bien; 
Car  eile  me  careffe,  &  ne  demande 

rien. 
Merlin : 
Tant  mieux. 

Don  Sanche: 
Ie  la  vay  voir,  parce  que  fa 
demeiire 


Calahagas: 


Pero  agora  que  me  acuerdo, 

como  te  va  con  el  Angel 

de  Dona  Autonia  Maria, 

que  ha  dado  en  que  ha  de  adorarte 

los  penfamientos? 


Don  Diego 


Muy  bien. 


Mira,  yo  voy  a  Tu  cal'a 


44 


Arthur  Ludioig  Stiefel. 


Eft  proche  de  la  mieiiue  &  qu'on 

m'ouure  ä  tonte  heure. 

El  Ton  m'y  voit   fouuent  n'ayant 

que  faire  ailleurs. 

Et  manque  auffi  d'auoir  des  palTe- 

teinps  meilleurs. 

I'y  demeure  par  fois  pour  changer 

moins  de  place: 

Ten  fors  pour  en  cbacger,  quand 

la  mieuue  me  laffe; 

I'y  reuay^)  par  couftume,  & 

iamais  par  araour; 
Ma  pareffe  roiuient  m'y  retient 
tout  vn  iour. 

* 
le  lui  dis  des  doaceurs,  qui  ne 

nie  couftent  guere, 

Et  fouuent  ie  me  plays  de  luy 

rompre  en  vifiere 

Pour  diuerfifier  la  conuerfation, 

Ou    faifaut    le  ialoux  par   often- 

tation, 

Tay  le  plaifir  de  voir  com"hient 

eile  s'efforce 

D'appaifer  vn  aniant  qui  parle  de 

diuorce, 

le  paye  fes  faueurs  de  vers    bien 

ou  mal  faits  etc. 

Merlin. 

Voftre  relatiou  me  la  rend  toute 

aymable; 

N'auez   vous   point   a(p)pris  ä  fa 

rare  beaute 

Voftre  nom? 

Don  Sanclie. 
Ouy  Merlin,  uon  pas  ma  qualite, 
Xon  plus  que  mou  pais:  mais  eile 
s'imagine 


no  mas  de  porque  me  abren, 
fientorae  vn  rato  no  mas 
de  porque  quiero  fentarme, 
afsifto  porque  no  tengo 
que  afsiftir  en  otra  parte, 
eftoyme  de  peregofo, 
y  voyme  por  orearme: 
bueluo  otra  vez  de  coftumbre, 
y  ella  pieufa  que  es  de 

araante; 
requiebro  por  refponder, 
porque   ya   que   aya    de  hablarfe 
tanta  faliua  me  cuefta 
vn  requiebro  que  vn  defayre: 

enojome  por  mudar 
conuerfacion  y  lenguaje, 
pido  zelos  por  oirla 
del  modo  que  fatisfaze: 
regalola  con  fonetos, 
feiias,  promeffas,  vifages  etc. 


Cahagas. 
Por  Dies,  que  me  ha  enamorado 
la  relacion  que  me  hazes: 
que  linda  muger!    por  cierto 
que  fe  haze  querer  de  balde, 
Sabe  tu  nombre? 

Don  Diego. 

Don  Diego 
fabe  que  foy,  mas  no  fabe 
mi  apellido  y  patria,  tanto 


1)  Spätere  Ausgaben  wie  z.  B.  Paris  1782  (Demieres  (Euvres  de  Scarron, 
tome  II,  S.  224,  haben  hier:  .,I'y  rive  par  coutume  &  iamais  par  amour. 

Es  ist  dies  eine  sinnlose  Entstellung,  die  ihren  Grund  darin  hatte, 
dafs  der  Herausgeber  nichts  von  dem  damals  schon  veralteten  Verbum  mller  = 
retoumer  wufste  und  das  Praesens  fy  re-vais  {reuay)  in  fy  reve  änderte  im 
Glauben,  das  Perf.  revay  sei  ein  Druckfehler. 


Paul  Scarron's   „Le  Marqids  ridicule'"'' .  45 

Que    ie    fuis    pour    le   moins   de      que  cree  que  foy  Infante 

Royale  origine      de  Aragon. 
Un  Infant  d'Aragon  etc. 

Indes  läßt  uns  Scarron  schon  jetzt  manches  erfahren,  was 
Coello  auf  später  verschiebt.  So  sagt  z,  B.  Merlin  gleich  zu  Anfang 
der  Szene  zu  D.  Sanche  über  den  Marquis,  er  sei  gekommen: 

craignaut  fort  d'eftre  animal  cornu, 
Et  que  cette  beaute  qu'icy  l'on  luy  deftine, 
Nc  foit  pour  fon  repos  trop  aymable  et  trop  fine. 

Während  bei  Coello  Calaba^as  des  vom  D.  Blas  empfangenen  Briefes 
nur  ganz  flüchtig  gedenkt 

mando  que  nie  adelantaffe 
con  efta  carta,  fenor, 
sagt  Merlin: 

Sa  lettre  qu'il  m'a  leue  &  que  vous  apporte, 
Vous  fera  voir  comment  fon  Marqnifat  fe  porte. 
II  pretend  fe  cacher  quelque  temps  dans  Madrid, 
Faifant  la  guerre  ä  l'oeil,  s'eclairciffant  l'esprit 
Du  renom  &  des  moeurs  de  Tepouze  promife, 
Qui  payera  bien  eher  le  tiltre  de  Marquize. 

Geändert  hat  Scarron  ferner  den  Grund,  warum  sich  Don  Sanche 
plötzlich  entfernt.  Bei  ihm  geschieht  es,  weil  der  Kavalier  einer 
„jeune  beaute",  die  er  kurz  zuvor  gesehen,  nachlaufen  will.  Bei 
Coello  dagegen,  will  Don  Diego  gerade  den  Brief  seines  Bruders 
lesen,  als  er  den  Alcalde  vorüberziehen  sieht  und  vermutend,  daß 
dies  „por  una  miierte"  sei,  ihm  nachläuft. 

Nach  seinem  Weggang  stürzen,  wie  bei  Coello,  die  drei  Ver- 
borgenen die  von  dem  Gespräche  nichts  hatten  verstehen  können, 
auf  den  zurückgebliebenen  Diener,  dem  Scarron  abstoßende  Derbheiten 
in  den  Mund  legt,  wofür  er  bei  dem  Spanier  keine  Vorbilder  fand. 
So  ruft  z.  B.  Merlin  der  suiuante  Louise  zu: 

Adieu  moule  adorable  ä  faire  des  enfants. 

Auch  Merlin  wird,  wie  Calabagas,  von  der  jungen  Dame  mit  einem 
Diamanten  bestochen,  damit  er  ihr  über  seinen  Herrn  Auskunft  erteile, 
und  auch  er  rückt  trotzdem  nicht  mit  der  Wahrheit  heraus.  Auch 
er  flieht  und  läßt  im  Fliehen  den  Brief  des  Marquis  fallen,  der  auf- 
gehoben und  von  der  jungen  Abenteuerin  gelesen  wird.  Wie  bei 
Coello  befindet  sich  in  dem  Briefe  eine  Einlage,  ein  Brief  des  Schreibers 
an  die  Braut,  kurz  es  herrscht  fast  durchweg  Übereinstimmung 
zwischen  Original,  und  Nachahmung.  Ich  stelle  hier  wieder  zur 
Veranschaulichung  Stellen  aus  beiden  nebeneinander: 


46 


Arilmr  Ludwig  Stiefel. 


öcarron. 
Olivares : 
Oll   c'en   fönt  deiix  en  vn  mefme 
paquet. 

Stephanie : 


Coello. 
Dona  Antonia: 

Otra  trae  dentro. 


Lee  aqueffa. 


Luifa'. 


La    datte    eft    d'aujourd'huy,    la  Dona  Antonia: 

lettre  eft  tVaicbe  faite.  Desta  tarde 

• —   —   —   —  —   —  -—  —  —      es  la  fecba  —   —   —  —  —   — 


Lettre 
Mon  frere. 

le  fiiis  dans  Madrid,  &  qui  pis 
eft,  i'y  fuis  pour  me  marier. 
Tay  grand  peur,  qu'vu  bourreau 
de  beau-pere  ne  m'aille  tromper, 
&  ne  m'ait  promis  plus  de  beurre 
que  de  pain.  le  ne  me  mouclie 
pas  für  ma  manche,  comme  vous 
fgauez,  &  il  en  faudroit  venir 
au  coupe  gorge.  le  vai  donc 
faire  la  guerre  a  l'oei!,  car  de 
deux  accidents,  11  faut  euiter  le 
pire.  Informez  vous  de  fes  vies 
&  moeurs  de  voftre  cofte,  comme 
ie  feray  du  mien  &  me  fyachez 
bon  gre  de  la  confidence.  Ie  vous 
addreffe  une  lettre  que  i'efcris 
ä  ma  future  epouze  afin  qu'elle 
ne  me  foup(;onne  pas  d'eftre  ä 
Madrid.  Le  deffus  de  la  lettre 
vous  apprendra  fa  demeure. 

Douize : 

A-t-on   iamais  efcrit  plus   extra- 

uagamment, 

En    des    termes    plus    bas,    avec 

moins  d'agrement? 

Le    style   refpond   mal  a   l'efprit 

de  Dom  Sanche. 

Auez   vous   remarque   ce  mouclie 

sur  la  manche? 


—   —    —  —  oy   le   ha  efcrito, 

Dize  afsi: 

Hermano  yo  eftoy  en  Madrid, 
donde  he  venido  a  cafarme,  por- 
que  me  ha  enganado  cl  Diablo 
de  mi  fuegro;  el  faber  que  mi 
efposa  es  moca  y  hermofa  me  ha 
dado  tan  mala  efpina,  que  me 
obliga  a  que  auerigue  efcondido 
la  opinion  que  tiene:  afsi  tu  entre- 
tanto  que  ncs  vemos,  puedes  a- 
ueriguar  fi  anda  a  derechas  y 
agradeceme  la  fineza  de  defcu- 
brirme  a  ti  que  no  penfaua  hazer 
mas  con  vn  hermano  mio.  Para 
quitar  la  fofpecha  de  que  eftoy  en 
Madrid,  has  de  Ueuar  effa  carta 
a  la  que  ha  de  fer  miefpofa  por- 
que  pienfen  que  no  he  llegado 
y  yo  confeguire  el  affegurarme 
de  lo  que  temo  delante  de  Dios. 
El  te  guarde. 

Luifa : 
Yo  no  eftrano  tanto    effo 
como  el   eftiln  y   lengiiage: 
yo  no  tenia  a  Don  Diego 
por  menguado.  ay  difparates 
como  los  que  efcriue  aqui? 

Rodrigiiez: 
Ay  algunos  que  no  faben 
mas  de  parlar  la  cartilla 


Paul  Scarroii's  „Le  Marqnis  ridicule'* .  47 

Stephanie:  y  fi  Hegau  a  apurarles 

On    ecrit    mal    parfois,    quoiqne  defcubren  aquesta  hilaza. 

Ton  parle  bien.  *           ^           * 

Dona  Antonia: 

Louize:          ^  a^t^  ^^  quien 

le    n'eiiffe    iamais   cru   qu  il   euft  ^^  j^^q^  ^^  menpuado  efcape: 

efcnt  fi  mal.  ^^j^  ^^^^  ^^  diferencia 

II   nous   deguifoit  bien  fon  efpnt  ^^  ^^^^^  ^^^^^  ^^^^^^^ 

de  cheval.  ^a  tema,  que  todos  tienen, 

Stephanie:  una  tema  en  que  difparen 

Perfonne     n'eft     exempt     d'avoir  y   en   Uegando    a   hablar  en  ella 

quelque  foibleffe,  deliran,  como  efte  liazc, 

Quelque  tendre,  oü  d'abord  qu'on  que  debe  de  fer  zelofo 

le  touche  on  le  bleffe.  fin  prudencia,  y  al  tocarle 

II  est  ialoux  fans  doute  &  quand  en  efta  tecla,  diffuena. 

fon  mal  le  prend,  *           *           * 
D'agreable    qu'il    eft,    ridicule    il 

fe  rend.  Dona  Antonia: 

II   verra   fi   ie  fiiis  de  mon  cofte  ' 

ialouze.  Veamos  pues  lo  que  efcrlue, 

Yoyons    comment   il    parle   a    fa  a  fu  efpofa  que  Dios  guarde: 

diuiue  Efpouze.  A  dona  luana  de  Vargas 

L'adreffe   oft:    A  Madrid   pour  mi   muger,    viue    en   la   calle 

Blanche  de  Vargas  del  Prado,  en  una  cafa 

Dont   la  Maifon   contient  vn  de  tres  rexas. 

appartement  bas 

Peint    de  neuf  et  grille,   qui 

donne  cn  la  grande  rve. 

Wie  man  sieht,  hat  Scarron  die  lächerliche  Adresse  noch  läclierlicher 
gestaltet,  wie  er  schon  oben  den  Brief  des  Don  Blas  vergröbert  und 
alberner  gemacht  hat.  Dagegen  hat  er  den  Brief  des  Don  Blas  an 
seine  Braut  nur  gekürzt,  sonst  aber  wörtlich  übersetzt.   Man  vergleiche: 

Scarron.  Coello. 

Ma  chere  Efpouze.  Efpofa    mia,    unos   pocos   de   in- 

Quelques  affaires  m'empefchent  de  conuenientes    uo    me    dexan    que 

vous    appeller    de    plus    pres   de  te    Harne    defde    tan   cerca   como 

ce    doux   nom,     Receuez-le    d'ou  yo  quifiera,  y  afsi  oyelo  tu  defde 

vous  eftes,  ie  vous  le  donne  d'ou  donde    tu    eftä^,    pues    yo   te   lo 
ic   puis,   &  cependant  ie  confens,-    Hämo  defde  donde  lepuedo.  Entre- 

&  ma  volonte  eft  que  cette  lettre  tanto   que  yo  voy  a  cumplir  con 

ait    la    force    d'une   promcffe  de  mi    conciencia,    va    efta   carta   a 

mariage,    en  attendant   que   nous  affegurar  las  obligaciones  que  te 

le  confommions  dans  Madrid  apres  tengo,  como  bueno  y  fiel  marido: 

la  benediction  du  Prestre.  y  porque  no  parezca  que  lo  que 


48  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

Dom    Blaise    Pol    Marquis      la  dilato  es  que  no  quiero  ferlo, 
de  la  Yictoirc.  quiero  y  es  mi  voluntad  pue  efta 

firua  y  tenga  fuerza  de  cedula 
de  cafamiento,  por  donde  nie 
Obligo  a  fer  tu  marido  para  con 
el  Yicario,  pues  lo  foy  yo  para 
con  Dios. 

Im  spanischen  Original  hat  die  junge  Dame  kaum  Zeit  ihren 
Wunsch  nach  Rache  über  den  vermeintlichen  Trug  des  Diego-Blas 
/  zu  äußern,  als  der  Unfall  der  Dona  Juana  hinter  der  Bühne  sich 
ereignet  und  ein  Geschrei  verursacht,  das  ihre  Rede  unterbricht. 
Scarron  ließ  diesen  Zwischenfall  nicht  auf  der  Bühne  vor  sich  gehen, 
sondern  —  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden  —  später  erzählen. 
Bei  ihm  schließt  sich  daher  an  die  Rachedrohung  der  Abenteurerin 
ununterbrochen  ihre  Aufforderung  an  ihre  Begleiter  an,  ihr  dabei  zu 
helfen,  worin  der  französische  Dichter  übrigens  oft  anch  im  Ausdruck 
Coello  folgt.     Nachstehende  Zusammenstellung  bezeugt  dies: 

Scarron.  Coello. 

Stepliani:  Doüa  Antonia: 

—   —    —   —    —    _    —  —   —  Viue  Dios!  que  he  de  vengarme. 
— ■   —  je   veux  tout  faire,   afin  *  _^  * 

de  me  vanger, 
Ouy  perfide,  ouy  meschant  i'irav  liuisa: 

chez  ta  Maift reffe,  P"es  que  intentas? 

Luy    faire   le   recit   de  ta  fauffe  jj^-^  Antonia: 

huelle.  Ygj,    ^^   efposa,  y  con  vltragcs 

Louize,  Olivares,  ilfautmeseconder  jeshazer  con  mis  noticias, 

A  rompre  cet  hymen  quanto  el  con  finezas  gane. 


Qu'il  en  meure  le  traiftre! 

Louize  : 
Ouy,  qu'il  meure!   etc. 


Rompere  entonces  con  todo. 
Louize:  .  .  .  entonces  ....  matarle. 


Luisa : 
Pues  mueraelfalso  Visconde!  etc 

Mit  dieser  Szene  schließt  der  I.  Akt. 


Acte  II. 

In  der  ersten  Szene  dieses  Aktes  erfahren  wir  aus  dem  Gespräche 
zwischen  Blanche  (Dona  Juana)  und  ihrer  Dienerin  Lisette  (Beatriz) 
zunächst  einiges  über  den  üniall,  den  Coello  so  dramatisch  wirksam 
teils  hinter,  teils  auf  der  Bühne  sich  hatte  abspielen  lassen.  Dann  knüpft 
Scarron  sofort  wieder  an  die  spanische  Comedia  da  an,  wo  er  sie 
am  Schlüsse  des  I.  Aktes   gelassen   hatte,  nämlich  in  der  Mitte  der 


Paul  Scarrons  ,,Le    Marquis  ridicule^^.  49  . 

L  Jornada:  Dona  Juana  von  Diego  ins  Haus  getragen,  erwacht, 
Dou  Diego  macht  ihr  eine  Liebeserklärung,  wird  aber  von  ihr  ab- 
gewiesen und  geht;  Beatriz  spricht  mit  ihrer  Herrin  über  das 
Heiraten.  Diese  Szene,  welche  5  lange  Kolumnen  Druckes  bei  Coello 
umfaßt,  hat  Scarron  auf  noch  nicht  2  Seiten  zusammengedrängt.  Er  , 
erreichte  dies  dadurch,  daß  er  Don  Diego-Sanche  nicht  auftreten  läßt. 
So  fiel  das  Gespräch  des  Kavaliers  mit  der  von  ihm  Geretteten  fort. 
Bei  ihm  ist  letztere  zu  Beginn  des  Aktes  nicht  mehr  ohnmächtig, 
sondern  hat  sich  bereits  ziemlich  erholt  und  spricht  mit  Lisette  über 
ihren  Unfall.  Letztere  gibt  ihr  eine  Schilderung  des  Vorgangs,  wo- 
bei Scarron,  da  Coello  ihn  nicht  erzählen  läßt  und  sehr  knapp  in 
der  Angabe  der  einzelnen  Umstände  ist,  einiges  erfinden  zu  müssen 
glaubte:  Der  Franzose  motiviert  das  Scheuwerden  und  Durchgehen 
der  Pferde  durch  das  plötzliche  Bellen  eines  Hundes.  Da  der 
Kutscher  —  nach  Scarrons  weiterer  Erfindung  —  total  betrunken, 
die  Zügel  nicht  festhielt,  die  Lakeien  nicht  mitgekommen  waren,  so 
galoppierten  die  rasenden  Pferde  auf  das  steile  Ufer  des  nahen 
Flusses  zu.  Niemand  nahte  zur  Rettung,  bis  der  fremde  Kavalier 
„ou  pluftoft  ce  bon  ange" 

Vola  vers  vos  cheuaux  d'vne  viteffe  eftrange 
Et  coupa  leur  harnois  de  fon  acier  tranchant. 

Die  junge  Dame  lag  indessen  ohnmächtig  in  den  Armen  ihrer 
Dienerin,  die  jetzt  ihren  Bericht  mit  den  "Worten  schließt: 

Vous  reuintes  apres  de  voftre  pämoifon, 

Et  lors  vos  yeux  ingrats  par  grande  trahifon, 

Firent  au  caualier  vne  amoureufe  playe. 

Weggeblieben    mit    der    Person    des  Retters    in    dieser  Scene  ■ 
ist  sein  Liebeswerben  bei  seinem  Schützling.    Er  hat  die  junge  Dame 
nicht   ins  Haus   getragen   und   ihr  bis  jetzt  das  Haus  nicht  betreten,    i 
Der  französische  Dichter  begnügt  sich,   Lisette  zur  Herrin  sagen  zu 
lassen : 

Je  croirois  bien  auffi  qu'il  vous  trouua  bien. 

Scarron,  der  den  bei  Coello  so  fein,  so  sorgfältig  gezeichneten  \ 
Charakter  der  Doiia  Juana  nicht  wiedergeben  wollte,  oder  vielleicht,  \ 
richtiger  gesagt,  nicht  wiedergeben  konnte,  läßt  Blanche  daraufsagen: 

Comme  j'eftois,  Lizette? 
Und  Lisette  versetzt: 

Ouy,  comme  vous  eftiez, 
Toute  pafle,  ä  fes  yeux  autant  yous  eclattiez 
Qu'il  eclattoit  alors  aux  voftres  par  fa  mine, 

Vorher  hatte  Blanche  schon,  ganz   gegen   den  Charakter  Juanas  bei 
Coello,  von  ihrem  Retter  gesagt: 

Qu'il  me  parut  ciuil!  qu'il  eft  bien  fait! 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII i.  4 


50 


Arilnir  Ludwic/  Stiefel. 


Schließlich  kommt  Scarron  nach  dieseu  Abweichungen  von  seinem 
spanischen  Vorbild  Avieder  auf  es  zurück,  wie  die  nachfolgenden 
Parallelen  zeigen. 


Scarron; 
Blanche: 


Le    plaifir   qu'on   m'a   fait   m'in- 

quietie  ä  tel  point, 

Par  la  ciainte  que  i'ay  de  ne  le 

pouuoir  rendre, 

Que    de   m'en    attrifter  ie  ne   nie 

puis  deffendre. 

Lizette : 
le  croy  cette  trifteffe  vne  naiffante 

amour, 

Qui   paroit  dans   vos  yeux   claire 

comme  le  iour. 

Blanche  : 
Amour?  raoy? 

Lizette  : 
Vous?  amour?  eftes  vous 
une  fouchc? 

Blanche: 
Non,  mais  i"ay  de  l'houneur. 

Lizette : 
Qui  vous  rend  bien  farouche. 

Blanche : 

Quand  i'aurois  repugnance  ä  viure 

fous  fes  loix, 

Vne  fiUe  prend-elle  vn  Efpoux  ä 

fon  choix? 

N"attens-ie  pas  le  mien  auiourd'- 

huy? 

Lizette : 

Mais  Madame, 

ö"il   eft    mal  fait   de   corps    auffi 

bien  que  de  l'ame? 

Blanche: 
Si  mon  Pere  me  donne  vn  Efpoux 
odieux. 


Co  eil  o; 
Dona  Juana: 

No  fe  que  nueua 
inquietud  tengo  en  el  alma 
que  va  a  padecer  trifteza, 
y  otro  efecto  no  cnteudido 
no  dexa  que  lo  parezca. 


Beatriz: 


Es  amor? 


I).  Juana: 

Amor!  que  dizes? 
que  es  amor? 

Beatriz: 

Pucs  eres  piedra? 

D.  Juana: 
No,  fino  honrada,  que  es  mas. 

Beatriz: 
No  todo  amor  es  flaqueza, 
bien  pudieras  inclinarte 
y  fer  honrada. 

D.  Juana: 

Las  penas 
en  mi  condicion  eftudian 
a  no  fentir  yo  ternezas: 
fuera  de  que,  como  fabes, 
eftoy  cafada,  y  muy  cerca 
de  Uegar  ya  mi  marido, 
que  aquefta  noche  le  efpera 

mi  padre. 

*  * 

Beatriz : 

pero  dime  fi  faliera 
al  rebes  efte  marido? 

D.  Juana: 
Echar  la  cupla  a  mi  eftrella. 


Paul  Scarron's   ,.Le  Marquis  ridicule". 


51 


PoLir   de   niieux   faits   que  luy  ie 
fermerai  les  yeux. 

Lizette : 
Si    quelque    amour  fccret  Foblige 
a  la  depenfe? 

Blanche: 
Ie  regleray  la  mienne  &  prendray 
patience. 

Lizette: 

S'il  eft  ialoux,  auare,  impertinent, 

railleur, 

S'il     eft     facheux,     mal -propre, 

yurogne  oii  grand  parleur, 

S'il  eft  joüeur,  s'il  perd  fes  terres 

&  les  voftres? 

Si   cagot,   iour   &  nuit  il  dit  fes 

patenoftres? 

S'il  eft  chauue,  gaucher,  rouffeau. 

louclie,  ou  cagneux? 

Blanche: 
Le  Ciel  ne  fera  pas  pour  moy  fi 
rigoureux: 


Beatriz: 
Si  fueffe  necio? 

D.  Juana: 

Sufrirle, 
que  para  aquefto  foy  cuerda. 

Beatriz: 
Si  rezelofo? 

D.  Juana: 

Qiiietarle, 
que  para  effo  foy  honefta. 

Beatrit: 

Si  es  mugerico? 

D.  Juana: 

Halagarle 
mucho,  per  ver  fi  lo  dexa. 

Beatriz: 
Si  es  de  mal  talle? 


D.  Juana: 
otro  que  mejor  Ie  tenga. 


No  ver 


Beatriz . 


Si  es  tahur? 


D.  Juana: 

Jugar  con  el. 


Beatriz: 
Si  es  caluo? 

D.  Juana: 

Teuer  paciencia. 

Beatriz : 
Si  es  zurdo? 

D.  Juaua : 

No  quiera  Dies, 
que  tan  desdicbada  fea: 

Diese  Zusammenstellung  spricht  deutlich:  Scarron  erscheint  hier  ' 
als    bloßer  Übersetzer.     Weggelassen    hat  er  nur  die  Rede  Juanas 
über    das  Verhalten    eines  jungen   Mädchens,    wenn   es   sich   um   die 
Wahl  eines  Gatten  handle: 

4* 


52  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

Mira  Beatriz,  las  mugeres, 
si  algun  amor  uo  las  ciega, 
con  los  ojos  de  su  padre 
miran  mejor  etc. 

In  der  2.  Szene  tritt  Dom  Cosme  (Don  Gutierre)  auf  und 
erkundigt  sich  nach  dem  Befinden  seiner  Tochter.  In  der  3.  Szene 
kommt  Merlin  (Calabacas),  von  seinem  Herren  gesandt,  dazu.  Bei 
Coello  erscheint  zuerst  der  letztere,  dann  der  erstere.  Im  übrigen 
schließen  sich  beide  Szenen  eng  in  allen  Einzelheiten  an  die  spanische 
Vorlage  an.  Nur  verbreitet  sich  Merlin  nicht  ausführlich  über  den 
Charakter  des  Dom  Blaize  seinem  Schwiegervater  gegenüber,  wie  es 
Calabacas  (s.  oben  S,  9)  zwei  Kolummen  lang  tut;  er  begnügt  sich, 
als  Cosme  sein  Erstaunen  bekundet,  daß  der  Schwiegersohn  nicht 
bei  ihm  abgestiegen  sei,  doppeldeutig  zu  sagen: 

II  est  d'vn  naturel  surprenant. 

Nachdem  sich  Dom  Cosme  mit  Merlin  entfernt  hatte,  um  Dom 
Blaize  aufzusuchen  und  Blanche  nachdenklich  zurückgeblieben  war, 
erscheint  wie  in  Peor  es  hurgallo  ihr  Lebensretter  (4.  Szene),  um 
seine  Liebeserklärung  zu  wiederholen,  wird  aber  wie  dort  aufgefor- 
dert, das  Haus  zu  verlassen.  Die  Dienerin  tröstet  den  über  die 
Kälte  und  Grausamkeit  der  jungen  Dame  Trostlosen  und  will  ihn 
hinausgeleiten,  als  sie  durch  die  plötzliche  Ankunft  des  Dom  Cosme 
und  Dom  Blaize  gezwungen  wird,  ihn  zu  verstecken.  Sachlich  findet 
auch  hier  volle  Übereinstimmung  mit  dem  Original  statt,  aber  im 
Ausdruck  hat  sich  Scarron  dieses  Mal  weniger  genau  daran  gehalten. 
Wenn  Don  Diego  bei  Coello  sich  für  einen  Sklaven  erklärt,  der  zu 
den  Ketten  zurückkehrt  oder  sich  mit  dem  Schmetterling  ver- 
gleicht, der  der  Flamme  zufliegt  und  wenn  es  ihm  auch 
das  Leben  koste,  so  begnügt  sich  Dom  Sanche  beim  Franzosen 
damit,  den  schönen  Augen,  die  er  um  jeden  Preis  wiedersehen  mußte, 
sein  Herz  anzubieten  „comme  ä  mes  Dieux".  Ein  paar  kleine 
Stellen  sind  indessen  auch  hier  herübergenomraen,   so  z.  B.  folgende: 

Scarron:  Coello: 

Blanche:  D.  Juana: 

II  eft  vrai,  ie  vous   dois  la  vie,      que  ya  que  la  vida  os  deba 

&  ie  confesse     con  todo  el  honor  la  pague  etc. 
Qne  mon  coeur  genereux    me    Ie 
redit  fans  cesse. 

In  der  5.  Szene  bringt  Scarron  im  genauen  Anschluß  au  die 
Szeuenfolge  des  spanischen  Stückes  deu  Laudjunker,  den  Marquis 
Dom  Blaize  Pol,  im  Gefolge  des  Dom  Cosme  auf  die  Bühne.  Es 
war  von  vornherein  von  dem  burlesken  Dichter  Scarron  zu  erwarten 


Paul  Scarrons   „Le  Marquis  ridicule''.  53 

daß  er  die  vom  spanischen  Dichter  noch  innerhalb  weiser  Grenzen 
gehaltene  lächerliche  Figur  zum  vollendeten  Narren,  zur  überladenen 
grotesken  Maske  herausputzen  würde.  Und  so  ist  es  in  der  Tat. 
An  keiner  Person  des  Stückes  hat  Scarron  mehr  gearbeitet  als  an 
dieser,  und  doch  verschmähte  er  es  nicht,  auch  alle  vom  spanischen 
Dichter  bei  seinem  Charaktergemälde  verwendeten  Farben  bis  in  die 
kleinsten  Nuancen  für  seine  karrikierte  Nachahmung  zu  verwerten. 

Neu  ist  z.  B.,  daß  Dom  Blaize,   eintretend,    seine  Dienerschar 
anschnauzt: 

Ne  vous  difpenfez  pas,  ma  fotte  valetaille 

En  vn  iour  important  comme  vn  iour  de  bataille 


Ne  vous  difpenfez  pas,  dis-ie,  mes  fottes  gens, 
D'eftre  au  moindre  clin  d'oeil,  a  ma  voix  diligens, 
Afiii  que  la  Deeffe  ä  qui  mon  coeur  encenfe 
luge  de  mon  efprit  par  voftre  obeiffance. 

Neu  ist  ferner,  daß  Dom  Blaize  nach  dem  Abendessen  verlangt 
und  Wünsche  betreffs  desselben  äußert.      Neu  ist  auch,  und  burlesk! 
wirksam,    daß    der   Diener  des  Landjiinkers,    der    schon    in   Peor  es] 
hurgallo  von  seinem  Herrn  bei  allen  Anlässen    und   zwar  unter  An-; 
rufung  seines  Namens  gefragt  wird,    hier    so   viel  gerufen  wird,    daßj 
er   ärgerlich  wird,   verdrießlich  antwortet  und  deshalb  eine  Strafredel 
vor  allen  Anwesenden    von   seinem  Herrn    hinnehmen   muß.     Neu  ist' 
endlich   die    bald  aufgeblasen   herablassende,    bald   unverschämte  Art: 
mit  der  Dom  Blaize  gleich   anfangs   seinen  Schwiegervater  behandelt. , 
Und    so    hat  Scarron    noch   manches   hinzugetan,    was   den   Figuron- 
charakter  des  Marquis    verstärken    mußte.     Im   übrigen   verläuft   die  \ 
Szene  genau  wie  bei  Coello,  und  Scarron  hat  sich  jenen  wieder  stark 
wörtlich  zu  Nutzen  gemacht.     Hier  einige  Proben: 

Scarron:  Coello: 

Dom  Blaize:  Don  Blas: 

—  —  —  —  —  —  —  —  —  Mas  vale  paxaro  en  mano, 

Mieux  vaut  vn  oifillon  qu'on  tient  dixo  vn  antiguo  problema, 

doffus  le  poin  que  bueytre  volando,  aplico: 

Qu'vn  grand  oifeau  de  prix  volant  Vos  nacil'teis  para  Reyna 

dans  l'air  bleu  loing.  por  vueftras  partes,  y  el  cielo 

Vous    meritiez   vn   Roy,    mereille  baze  que  vn  Vifcondo  os  tenga. 

fans  egalle,  *  ^  * 

Vous  n'aurez  qu'vn  Marquis  foubs  Ortuno !   —    —   — 

la  loy  coniugale.  No  ha  eftado  buena  la  arenga? 


Ordugno!    quo   dis-tu   de  Tappli- 
cation? 


Oriufio. 
Famofo. 


54 


Arthur  Tjudwig  Stiefel. 


Ordugno : 
Qu'elle  eft  digne  de  vous. 

D.  Blaize: 

Elle  el't  dlnuention 

Et   fans   doute  eile  aura  la  don- 

zelle  attendrie. 


Madame. 


Lizette : 

Quelle  Pedanterie 


D.  Blas: 

Ya  nie  parcce 
que  eltaiä  la  nouia  ticrno. 

ßeatriz: 

Que  terrible  necedad! 

*  ^  * 

D.  Juana: 

Quando  huuiera, 
que  no  es  pofsiblc,  en  el  mundo 
mas  que  fer  efpofa  vueftra, 
lo  ajüstado  que  yo  viuo 
de  mi  padre  ä  la  obediencia 
no  me  dexara  penfar 
que  fubir  a  mas  pudiera. 
Y  afsi  de  fer  vuefta  digo 
que  eftoy  dos  vezes  contenta, 
por  fer  vos  a  quien  elige, 
y  por  fer  el  quien  lo  ordena. 


Blanche: 

Quand  bien  on  m'offriroit,  ce  qui 

ue  fe  peut  pas, 

Vn  Efpoux  plus  que  vous  ä  mes 

yeux  plein  d'appas 

Et  dont  la  qualite  fuft  plus  cou- 

fiderable, 

Ce  qui  n'eft  pas  poffible,  encore 

moins  croyable; 

Quand  au  lieu  de  Marquis,  vous 

feriez  vn  grand  Roy, 

Le  pouuoir  que  mon  Pere  a  tou- 

fiours  eu  für  nioy. 


M'auroit    fait    confentir    au    bon 

choix  de  mon  Pere 

Ainfi    pour    deux  raifons    i'ayrae 

vn  fi  digne  Efpoux 

Et  parce  qu'il  le  veut,   &  parce 

que  c'eft  vous. 

Ein    paar    Verse    hat    Scarron    aus    einer    früheren    Szene    des 

Spaniers  entlehnt.     Dom  Blaize  sagt  zu  Ordugno: 

Pay  grand  peur  qu'une  femme  si  belle 
De  moy  son  papillon  deuiendra  la  chandelle. 
Scarron   erinnerte   sich  hier  des  oben  (S.  52)  angeführten  von 
Diego  gebrauchten  Vergleichs  mit  einem  Schmetterling: 
Que  culpa,  dulcc  homizida, 
tiene  maripofa  ciega, 
fi  cl  nacer  la  llama  hermofa 
le  cuefta  morir  en  ella? 

Manche  Züge  des  Spaniers  hat  Scarron  verstärkt.  So  will  z.  B. 
Don  Gutierre  den  Bruder  des  Vifcomle  auch  ins  Haus  aufnehmen. 
Der  eifersüchtige  Don  Blas  widersetzt  sich  dem  mit  den  Worten: 


Paul  Scarrons  „Xe  Marquis  ridicnle'' .  55- 

Como  es  effo?  ni  iiii  bermaiio 
ni  mi  padre  que  viuicra 
ni  ningnn  criado  es  bien 
que  viua  y  more  de  puertas 
adentro  con  mi  rauger. 

Scarroo  aber,  der  diese  Stelle  übernommeii  bat,  läßt  den  Mar- 
quis folgendermaßen  protestieren: 

C'eft  fort  mal  pretendu,  mon  beau  pere. 

Dom  Cosme: 

Et  pourquoy. 

Dom  ßlaize: 
Parce  qu'en  vu  legis  oü  dormira  ma  ferame 
De  mon  confentement  ne  dormira  corps  d'anie; 
Par  corps  d'ame,  i'entends  tous  pareus,  toiis  amis 
Tons  valets,  mefme  auffi,  s'il  m'eft  ainfi  permis 
Tous  cbieus,  cbats,  &  cbeuaux  mafles,  toute  peinture 
Qui  reprefente  au  vif  mafculine  figure, 
Sans  doute,  vous  direz,  &  vous  direz  bien  vray, 
Que  ie  fuis  fort  ialoux;  mais  ie  m'en  fgay  bou  gre. 

Hinzugefügt  hat  Scarron  noch,  daß  der  Marquis  dem  Orduguo 
den  Auftrag  gibt,  ordentlich  das  Haus  zu  durchsuchen  und  daß  auch 
die  übrigen  Diener  des  Toren  „tous  les  paffages  tiennent,'"  als  ob 
sie  dafür  bezahlt  würden. 

Weggelassen  hat  Scarron,  hier  wenigstens,  dagegen  den  Umstand, 
daß  die  junge  Dame  mit  ihrer  Zofe  leise  spricht  und  daß  Dom 
Blaize  darüber  eine  wütende  Äußerung  macht.  "Wir  werden  weiter 
unten  sehen,  daß  Scarron  den  Umstand  nachholt.  , 

Endlich  verdient  noch  eine  Abweichung  Scarrons  von  der  spa-/ 
nischen  Vorlage  Erwähnung.     Während  Coello  den  verborgenen  Don 
Diego,    sehr  wirksam,    in  ä  partes  die  Vorgänge  der  Szene  verfolgeii 
läßt,  hat  Scarron  Dom  Sanche  ganz  beseitigt. 

Nachdem  Dom  Cosme  mit  dem  Marquis  und  seinem  Gefolge 
das  Zimmer  verlassen  bat,  seufzt  Blanche  laut:  „Ha  Lizette!"  Diese 
will  ihrer  Entrüstung  über  die  entsetzliche  Heirat  mit  jenem  „Mar- 
quis campagnard  fantasque  en  cramoisy"  Ausdruck  verleihen,  aber 
Blanche  verweist  ihr  das  und  verlangt,  daß  sie  mit  Respekt  von 
ihrem  Bräutigam  rede: 

encore  qu'il  me  mal-traitte 
Quelques  cruels  tourmens  qu'il  me  faffe  endurer, 
II  ne  m'eft  pas  permis  mefme  d'en  murmurer. 

Dann  gibt  sie  der  Dienerin  den  Auftrag,  den  Kavalier  schleu- 
nigst liinauszulassen;  sie  zittere,  es  könnte  ihn  jemand  sehen.  Sie 
fügt  hinzu: 


56  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

Di(s)  luy  que  ie  reftime  autant  que  ie  le  doy 

Et  que  de  l'Action  qu'il  a  faitte  pour  moy 

La  memoire  en  mon  coeur  par  le  deuoir  tracee, 

Par  la  longueur  du  temps  ne  peut  eftre  efifacee;  etc. 

Dies  alles  und  die  sechs  Verse  umfassende  Antwort  Lisettes, 
welche  den  Auftrag  der  Herrin  zu  vollziehen  verspricht,  hat  Scarron 
aus  einem  einzigen  Verse  Coellos  entwickelt,  welcher  lautet: 

D.  Juana:  Oyes  Beatriz  [sie  flüstert  ihr  etwas  zu]. 
Beatriz'.  Ya  te  entiendo. 

Mit  dieser  Szene  schließt  der  II.  Akt,  gerade  wie  die  ent- 
sprechende spanische  den  Schluß  der  Primera  Jornada  bildet.  Aus 
einer  Jornada  hat  also  Scarron  gerade  zwei  Akte  geformt. 

Fassen  wir  nochmals  zusammen ,  was  die  Vergleichung  des 
IL  Aktes  mit  der  spanischen  Comedia  ergeben  hat,  so  haben  wir  ein 
ähnliches  Verhältnis  wie  schon  im  ersten  Akte  zu  konstatieren,  nur 
mit  dem  Unterschied,  daß,  während  hier  die  bedeutendsten  Ab- 
weichungen von  der  Quelle  am  Anfang,  in  der  ersten  Szene,  zu  finden 
sind,  sie  dort  am  Schlüsse,  in  der  letzten  Szene  sich  zeigen. 

Auch  in  den  Charakteren  lassen  sich  bereits  Abweichungen  von 
den  spanischen  Vorbildern  beobachten:  Dom  Blaize  ist  närrischer, 
roher  und  frecher  als  Don  Blas,  Ordugno  kecker  als  Ortuno  und 
Blanche  lange  nicht  so  abweisend,  herb  und  spröde  wie  Dona  Juana. 

III.  Akt. 

Diesen  Akt  eröffnet  die  „Soubrette"  Lisette.  Die  Diener  des 
Marquis,  die  überall  Schildwache  stehen,  haben  es  ihr  unmöglich 
gemacht,  selbst  während  des  Abendbrotes,  den  Don  Sanche  aus  seinem 
Gefängnis  zu  befreien.  Nun  kommt  sie,  holt  ihn  heraus  und  erfährt 
aus  seinem  Munde,  daß  der  Bräutigam  sein  Bruder  ist. 

Scarron  klärt  uns  nicht  darüber  auf,  wie  Dom  Sanche  erfahren 
habe,  daß  der  Bräutigam  mit  seinem  Bruder  Dom  Blaize  identisch 
sei;  ob  er  etwa  von  seinem  Verstecke  aus  gelauscht  und  ihn  an  der 
Stimme  erkannt  oder  ob  er  ihn  unbemerkt  gesehen  hat.  Es  ist  dies 
unbedingt  ein  Fehler. 

Im  Begriffe  zu  gehen,  werden  Lisette  und  Dom  Sanche  durch 
Dom  Blaize,  der  3  mal  nach  Ordugno  ruft  (2.  Szene),  zurückge- 
schreckt und  D,  Sanche  sucht  wieder  seinen  Versteck  auf.  Es  folgt 
eine  11  Seiten  lange  Sceue,  die  längste  des  Stückes,  in  der  sich 
Scarron  bald  aufs  engste,  auch  sprachlich,  an  sein  Vorbild  anschloß, 
bald  seine  eigenen  Wege  ging,  stets  bedacht,  den  Charakter  des 
Dom  Blaize  mit  neuen  Zügen  auszurüsten,  ihn  noch  mißtrauischer, 
beschränkter,  ungebildeter  zu  gestalten  als  bei  dem  Spanier.  Die 
Länge  der  Szene  hat  ihren  Grund  darin,  daß  Scarron  —  wie  wir 
weiter  unten  sehen  werden  —  mehrere  des  Spaniers  vereinigte. 


Paul  Scarron's  „Le  Marquis  ridicuW-'. 


57 


Zunächst  haben  wir  eine  ziemlich  getreue  "Wiedergabe  der  ent- 
sprechenden spanischen  Szene  —  letztere  ließe  sich  als  die  dritte  be- 
zeichnen — .    Man  vergleiche: 


Scarron : 
Ordugno: 
Pourquoy  dohc    fortir    de  voftre 
chambre? 

D.  Blaize: 

Mes    amoureux    soüpirs    en    ont 

echauffe  l'air 

Et  pourroient  ä  la  tin  moy-mefme 

m'y  bruler. 

Ordugno : 
Que  ne  repofez-vous   voftre  per- 
fonne  laffe? 

D.  Blaize: 
le  ne  puis    demeurer   long-tcmps 
en  vne  place 
Triste  comme  ie  fuis. 

Ordugno : 

Pourquoy  trifte? 

D.  Blaize: 

Pourquoy? 
Quel   mortel   icy   bas   doit   l'eftre 
plus  que  moy? 
Ie    veux    abfoluraent    me    cacher 
d'vn  beau-pere, 
Qui   me  trouue  d'abord,   grace  a 
mon  fot  de  frere: 
Qui   contre  l'ordre   expres   ä   luy 
par  moy  donne, 
A  luy  frere  cadet   par  moy   son 
frere  aifne; 
Qui    contre    l'ordre    donc,    porte 
dans  ma  miffiue 
De    ne  reueler    pas    ä    personne 
qui  viue 
Que   ie  fuis  dans  Madrid,  a  d'a- 
bord decouuert 
L'infaillible  moyen  de  me  prcndre 
Sans  verd. 


Coello: 

Ort: 
Senor  que  inquietud  te  obliga 
a  falir  de  aquella  pieQa 
a  elta  quadra? 

B.  Blas: 

Es  que  iio  caben 
ya  mis  fufpiros  en  ella. 

Ort: 
Sofsiega,  que  has  caminado. 

I).  Blas: 
Vn  trifte  quando  fofsiega? 
Amigo. 

Ort.: 
Pues  que  te  quexas? 

B.  Blas: 
Quexome  de  mi  defdicha 

Que  me  huuieffe  de  topar 
mi  fuegro  efta  tarde  niefma, 
para  no  auerme  iuformado 
como  penfe,  con  cautela 
de  la  opinion  de  mi  efpofa 
antes  que  me  defcubriera 
como  le  efcriui  a  mi  hermano. 


Ort: 
Que   le  efcriuifte  a  tu  hermano? 

B.  Blas: 
Que  el  hizieffe  diligencia 

de  la  opinion  de  mi  efpofa  etc. 


58  Arthur  Ludtoig  Stiejel. 

Ordugno : 
Et  qu'ordonniez-voiis  donc  ä  Dom 
Sauche? 

D.  Blaize: 

De  faire 

Inuestigatiou    de    Blauclie,   et    de 

son  Pere  etc. 

In  diesem  Stile  geht  es  weiter:  Dom  Sanche  hört  in  seinem 
Versteck  von  dem  Brief,  den  sein  Bruder  an  ihn  geschrieben  nnd 
den  Merlin,  wie  wir  sahen,  verloren  hat,  und  merkt  sich  den  Inhalt. 
Dom  Blaize  holt  vom  Schluß  der  Primera  Jornoda  des  spanischen 
Stückes  den  Umstand  nach,  daß  Lizette  ihrer  Herrin  ins  Ohr  ge- 
sprochen. Er  hegt  Mistrauen  gegen  Braut  und  „Soubrette",  er 
fürchtet,  es  möchte  irgendwo  ein  Galan  versteckt  sein  und  befiehlt 
daher  dem  Orduguo,  eine  Lampe  zu  holen,  damit  er  jeden  Winkel 
des  Hauses  durchsuchen  könne.  Dom  Sanche  will  die  Abwesenheit 
des  Dieners  und  die  Dunkelheit  —  wir  haben  uns  die  Handlung 
in  vorgerückter  Abendstunde,  ganz  wie  im  spanischen  Original  zu 
denken  —  benützen,  um  sich  zu  entfernen;  aber  der  Marquis  hört 
Schritte  und  nähert  sich  ihm.  Zornige  Worte.  Dom  Sanche  packt 
und  würgt  den  Bruder  bis  Ordugno  mit  Licht  erscheint.  Von  da  ab 
hat  Scarron  die  einfache  Übersetzung  wieder  satt,  er  flicht  eigenes 
burleskes  Gut  ein,  oder  vielmehr,  er  erinnert  sich  der  Lazzi  des 
Th^ätre  Italien,  ohne  indes  Coello  ganz  fahren  zu  lassen.  „Ordugno", 
belehrt  uns  die  Bühnenweisung,  „en  entrant  efteint  fa  chandelle 
coutre  le  vifage  de  fon  Maiftre".     Letzterer  schreit: 

Ordugno!     L'eftourdy  m'a  brule  le  visage. 

Ordugno : 
Qui  diable  vous  croyoit  auffi  dans  mou  paffage? 

Dom  Sanche  tut  jetzt,  als  ob  er  seinen  Bruder  erkenne.  Bei 
Coello  sprechen  die  Brüder  freundschaftlich,  liebreich  mit  einander. 
Don  Blas  hebt  an: 

Que  miro? 
mi  hermauo:   el  alma  efta  ciega. 

Don  Diego  versetzt: 

Que  miro?  es  fueno?  es  engano? 
tu,  hermano.  tu,  hermano,  eras? 
Mncho  agradezco  a  la  luz 
efte  defengano,  llega, 
dame  los  bra^os  etc. 

Don  Blas: 

Que  hazes  dentro  de  efta  cafa? 


Faul  Scarron's   ^Le  Marquis  ridicule''- .  59 

D.  Diego: 

Ser  tu  liermano. 

D.  Blas: 
En  que  le  muestras'? 

D.  Diego\ 
Eu  mostrarme  de  tu  amor 
cuidadosa  centinela. 

D.  Blas: 
Leifte  nii  carta? 

D.  Diego: 

No 
vss  scnas  de  tu  obidieiicia?  etc. 

Dagegen  bei  Scarron  verläuft  das  Gespräch  folgendermaßen: 

D.  Sanche: 
Ha,  mon  frere!  est-ce  vous?  ä  la  voix  d'Ordugno 
le  vous  ay  reconnu. 

D.  Blaize: 

Frere,  ou  pluftost  Bourreau 
A  quoy  bon  m'eftrangler? 

D.  Sanche: 

A  dclfein  de  vous  plaire. 

D.  Blaize: 
La  belle  invention  pour  beriter  d'vn  frere! 

D.  Sanche: 
Vous  nie  l'auiez  efcrit. 

Don  Blaize: 

Ouy,  de  vous  informer 
De  Blanche,  &  de  fes  moeurs,  non  de  vous  enfermer 
Dans  fon  logis  de  nuit:  niou  cadet!  c'eft  trop  faire, 
C'eft  traufg-relTer  mon  ordre,  enfin  c'eft  me  deplaire. 

Don  Sanche: 
le  n'ay  point  eu  deffein  que  de  vous  obeir. 

Don  Blaize: 
Mais  n'auez  vous  point  eu  celuy  de  me  trahir? 

Don  Sanche: 
Voftre  lettre  en  mes  mains,  ne  fut  pas  pluftoft  mifo, 
Qu'  affin  d'  executer  vos  ordres  fans  remife, 
Tentray  dans  cc  logis. 


60  Arthur  Ludioig  Stiefel. 

Der  Miirquis  fährt  fort,  Don  Sanche  zuzusetzen.  Wie  bei 
Coello,  gesteht  letzterer,  er  habe  sich,  um  sichere  Auskunft  zu  erhalten, 
ins  Haus  der  Braut  eingeschlichen.  Als  aber  Don  Blaize  ihn  fragt, 
wie  er  denn  in  die  Wohnung  gelangt  sei,  kratzt  sich  Don  Sanche 
verlegen  den  Kopf  und  sagt,  auf  das  Drängen  des  Bruders,  daß  er 
durch  eine  Dienerin  ins  Haus  gekommen  sei  „Feignant  pour  fa 
maiftreffe  vne  amour  violente".  Nun  wettert  Don  Blaize  los  gegen 
die  ., Soubrette",  deren  Treue  er  ja  ohnehin  schon  angezweifelt  hatte. 
Um  sich  aber  über  die  Sache  zu  vergewissern,  ersucht  er  Don 
Sauche,  mit  ihm  den  Überrock  zu  tauschen.  Während  er  die  Dienerin 
als  Don  Sanche  erwarte,  solle  sich  dieser  mit  Ordugno  in  seinem 
(des  Marquis)  Zimmer  aufhalten.  Don  Sanche  erkennt  zu  spät  die 
Dummheit,  die  er  begangen  hat,  aber  er  muß  sich  fügen. 

Soweit  stimmt  Scarron  mit  Coello  überein,  nur  daß  er  ein  paar 
Kleinigkeiten  ausgelassen  hat.  So  z.  B.  die  gute  Auskunft,  die  Don 
Diego  über  die  Braut  erhalten  haben  will;  ferner  die  Erzählung  von 
dem  Unfälle  der  Braut,  bei  welcher  Gelegenheit  ein  Unbekannter  — 
wie  Diego  erzählt  —  die  ohnmächtige  junge  Dame  ins  elterliche 
Haus  getragen  habe,  was  ihn  (Diego)  veranlaßte,  um  Klarheit  über 
die  Beziehungen  zwischen  Retter  und  Gerettete  zu  erhalten,  sich  in 
die  Wohnung  der  letzteren  zu  schleichen. 

Im  spanischen  Original  tritt  hier  Szenenwechsel  ein.  Dona 
Antonia  erscheint  (4.  Szene)  mit  ihrem  Gefolge.  Dann  wird  (5.  Szene) 
der  verhüllte  Visconde  von  Beatriz  aus  dem  Hause  gelassen  und  von 
der  Abenteurerin  und  ihren  Leuten  verfolgt.  Hierauf  haben  wir 
wieder  einen  Szenenwechsel.  Wir  befinden  uns  (6.  Szene)  im  Zimmer 
des  Visconde  und  belauschen  ein  Gespräch  zwischen  Don  Diego  und 
Calaba^as,  bis  der  Nachtschwärmer  zurückkommt,  Einlaß  begehrt, 
von  Calaba(;as  hereingeholt  wird  und  dann  (7.  Szene)  in  ausführlicher 
Erzählung  von  seinen  nächtlichen  Nachforschungen,  besonders  von 
seinem  Aufenthalt  in  Juanas  Schlafzimmer  den  beiden  Rechenschaft 
gibt.  Das  alles  hat  Scarron  beseitigt,  oder,  wenn  er  davon  etwas 
beibehielt,  es  gründlich  geändert.  Bei  ihm  findet  ein  Szenenwechsel 
bezw.  eine  Unterbrechung  der  Szene  nicht  statt.  Zunächst  erfindet 
er:  Lisette  kommt,  hält  ihn  für  Don  Sanche,  nennt  den  Marquis 
„vn  fot  homme,  vn  Fantafque"  und  will  den  falschen  Don  Sanche 
zum  Haus  hinausgeleiten.  Da  kommt  plötzlich  Don  Sanche  zurück. 
Lisette,  im  Glauben,  es  sei  der  Marquis,  entflieht.  Don  Blaize, 
ärgerlich  über  die  Störung,  fragt  den  Bruder,  warum  er  so  rasch 
zurückkehre.  „Le  defir  de  fgauoir  le  fecret  d'vne  affaire  Oü  noftre 
honneur  commun  peut  eftre  intereffe  En  eft  la  caufe"  lautet  die 
Antwort.  Don  Blaize  findet,  daß  es  der  Bruder  sehr  eilig  habe  und 
berichtet,  daß  ihn  die  Dienerin  als  ,,sot"  und  „fantasquc"  bezeichnet 
habe;  aber  sie  soll  es  büßen. 

Das  alles  ist  Erfindung  Scarrons.  Mit  dem  Folgenden  schließt 
er    sich   dagegen  an   Coello   an  und  zwar  an   die  zweite  Hälfte  der 


Paul  Scarron''s  „Le  Marquis  i'idicule" 


61 


7.  Szene:  Der  Marquis  verlangt  mit  einem  Male,  daß  Don  Sanche, 
um  die  Tugend  Blanches  zu  erproben,  sich  in  sie  verliebt  stelle. 
Hier  benutzt  Scarron  die  Vorlage  wieder  wörtlich,  wie  folgende 
Zusammenstellungen  bezeugen: 

Scarron:  Coello: 

Don  Blaize:  Don  Blas: 

—  —  —     -^ —  —  —      —   —   —  —  —  has  de  lingir 

le  veux  que  vous  feigniez  d'eftre      que  eres  fu  amante  de  veras, 

amoureux  de  Blanche.  *         ,t         * 

le  veux  par  voftre  amour  adroite- 

raent  joüe, 

Decouurir  fi  Ion   coeur  vous  peut 

eftre  voüe; 

Et  ie  pourray  peut  cftre  auec  la 

mefme  feinte 

Decouurir  fi  ce  coeur  n'a  point 

eu  d'autre  atteinte. 


Don  Sanche: 
Ce  Mary  curieux,  qu'on  nomme 
impertinent 

N'en  a  iamais  tant  fait. 

*  * 

Mais  que  peut-on  penfer  dVn 

homme  qui  s'ingere 
D'aymer  vne  beaute  deftinee 

ä  fon  frere? 


curiofidad  de  mi  amor 
es  effa,  yo  he  de  falir 
de  las  dudas,  y  he  de  ver 
fi  fe  fabe  resistir. 

Don  Diego: 

El   curioso   impertinente 

te  llaraarän  desde  aqui, 
*  * 

Como  se  ha  de  perfuadir, 
fabiendo  que  foy  tu  hermano, 
a  que  a  amarla  me  atreui. 

.1:  * 

* 

Don  Dias: 

puedes  dezirla  que  ha  mucho 
que  la  amauas,  y   ella  afsi 
no  penfara  que  la  enganas. 


Don  Blaize: 
Et  n'est-ce  pas  de  quoy 
Donner  vne  couleur  ä  pareille 

entreprife, 

Que  feindre  que  voftre  amour  eft 

des  long-temps  eprife? 

Hieran  reiht  Scarron  gleich  wieder  Zusätze:  Don  Sanche 
behauptet,  er  habe  Blanche  noch  nie  gesehen.  Darauf  bemerkt 
Don  Blaize: 

Et  n'auez  vous  pas  veu  fon  portrait  ä  mon  cou? 

Er  vermißte  es  aber  gleich  selber;  er  hat  es  im  Hotel|,liegen 
lassen  und  will  fort,  um  es  zu  holen.  Don  Sanche  |erbietet  sich 
zwar,  den  Gang  für  ihn  zu  tun,  allein  der  Mißtrauische  lehnt  das  ab 
mit  den  Worten: 

Vous  iriez  fureter  ma  malle  &  mes  papiers 
Renguainez,  renguainez  voftre  öftre  officieufe. 


62  Artlnir  Luthcig  Stiefel. 

Que  cos  frcres  cadets  ont  Tarne  cnrieufe! 
le  fuis  des  curieux  Tennerny  capital. 

Es  scheint  fast,  als  ob  Scarroii  mit  den  beiden  letzten  Versen 
einen  lächerlichen  Kontrast  im  Charakter  des  Don  Blaize  hervor- 
heben wollte,  der  die  „curieux"  haßte,  während  die  von  ihm 
gewünschte  Tagendprobe  ihn  selber  zum  „curieux  impertinent" 
stempelte. 

Wiederum  ruft  Don  Blaize  drei  mal  Ordugno  und  schimpft, 
daß  die  Schlafmütze  (dormeur)  wohl  antworte,  aber  nicht  komme. 
Er  befiehlt  ihm  den  Degen  zu  holen,  für  sich  Laterne,  Degen  und 
Dolch  zu  besorgen  und  zu  folgen.  Er  geht  fort.  Merlin  erscheint 
und  erzählt  Don  Sanche,  er  habe  Stefanie  mit  ihren  Begleitern  um 
das  Haus  streichen  sehen;  sie  laure  allen  auf,  die  aus  dem  Hause 
kämen,  und  auch  er  sei  in  ihre  Hände  gefallen;  sie  habe  es  aber 
jetzt,  wie  er  glaube,  auf  „das  Marquisat"  abgesehen.  Gegen  diese 
Neigung  hat  Don  Sanche  nichts  einzuwenden  und  er  wünscht  sehnlich, 
daß  sie  von  seinem  Bruder  erwiedert  würde. 

Mit  dem  letzten  Zusatz  wollte  Scarron  offenbar  die  von  ihm 
ausgelassene  Szene  Coello's,  in  der  Antonia  mit  Gefolge  auftritt, 
ersetzen. 

Im  ersten  Zusatz  vermißt  man  die  heimlichen  Ausrufe  der 
Freude  bei  Don  Sanche  über  die  ihm  gebotene  Gelegenheit,  seiner 
Liebe  zu  der  Angebeteten  nachgehen  zu  dürfen.  Auch  nimmt  Don 
Sanche  etwas  zu  rasch  den  Vorschlag  seines  Bruders  an,  was 
Scarron  allerdings  damit  zu  motivieren  suchte,  daß  der  Marquis 
gleich  den  ersten  Einwand  des  Bruders  schimpfend  niederkämpft: 

Vous  me  voulez  inftruire 
Vous  mal-heureux  cadet,  qu'vn  aifne  peut  deftruire. 
Vous  m'ofez  confeiller:  vous  me  traitez  de  fot, 
Moy  tout  fens,  tout  efprit,  moy  Don  Blaize  en  vn  mot. 

Die  lange  Szene  schheßt  mit  einem  weiteren  Zusatz:  Don 
Sanche  will  Merlin  von  dem  Wunsche  seines  Bruders  erzählen,  da 
aber  jemand  kommt,  verschiebt  er  es  auf  später. 

Es  ist  Lisette,  welche  (3.  Szene)  zu  den  beiden  stößt.  Sie  ist 
erstaunt,  Don  Sanche  so  ruhig  in  der  Nähe  des  Marquis  zu  finden. 
Der  Kavalier  berichtet  ihr,  der  Bruder  sei  ausgegangen;  sie  ständen 
beide  sehr  gut  zusammen.  Lisette  ihrerseits,  berichtet  von  ihrer 
Herrin: 

lamais  efprit  ne  fut  moins  ferme  que  le  fien, 

0  le  füt  animal  qu'vne  fiUe  timide! 

A  force  de  pleurer,  eile  a  la  tefte  vuide, 

Mais  lors  que  la  pauurette  a  fceu  qui  vous  eftiez, 

D'aize  eile  m'a  baifee  &  fait  cent  amitiez. 


Panl  Scarrons   ,,Le  Marquis  ridicule.  63 

Don  Sanclie  fragt,  ob  Blanclie  wisse,  daß  er  des  Marqui« 
Bruder  sei.     Hierauf  antwortet  Liesette: 

Elle  fe  defefpere 
De  n'auoir  pas  le  choix  de  Dom  Blaize,  &  de  vous 
Et  de  fe  voir  reduitte  ä  prendre  vn  tel  Efpoux. 

Mit  diesen  Zügen  entstellt  Scarron  vollends  den  von  Coello  mit 
so  viel  Sorgfalt  gezeichneten  eigenartigen  herben,  streng  korrekten 
Charakter  der  Protagonistin  und  macht  eine  Dutzendfigur  daraus,  wie 
sie  die  französische  Bühne  der  Zeit  oft  genug  darbot. 

Plötzlich  pfeift  es  hinter  der  Bühne.  Es  ist  das  von  Dom  Blaize 
mit  seinem  Bruder  verabredete  Zeichen,  daß  mau  ihn  ins  Haus  lasse. 
Merlin  geht  hinaus  um  zu  öffnen.  Lisette  flächtet  sich,  nachdem  sie 
nochmals  das  Versprechen  wiederholt,  D.  Sanche  in  seiner  Liebe 
zu  unterstützen. 

Dom  Blaize  tritt  auf  (4.  Szene)  und  erzählt  schimpfend  und 
wetternd,  wie  es  ihm  in  den  Straßen  von  Madrid  ergangen,  wie  eine 
Dame  mit  Dienerin  und  „Efcuyer"  ihm  auf  Schritt  und  Tritt  gefolgt, 
ihm  keck  unter  die  Nase  geschaut  und  ihm  auf  diese  Weise  auf  dem 
Hin-  und  Herwege  niclit  von  der  Seite  gewichen  seien. 

Et  de  lä  ie  conclus,  que  ie  ferois  peu  fage, 
Si  i'allois  dans  Madrid  me  ioindre  en  mariage, 
Oü  d'abord  que  i'arrive,  on  me  court  nuit  &  jour, 
Ou  rhomme  eft  le  cruel,  la  femme  y  fait  l'amour. 

Et  que  feroit-ce  donc,  fi  fejournant  icy, 
Quelqu'autre  chaque  iour  m'entreprenoit  ainfi? 
Quoy!  fi  ie  me  trouuois  au  milieu  de  cent  d'elles 
Et  qu'eftant  couvoite  de  ces  cent  Demoifelles, 
Mon  Corps  de  cent  coftez  fuft  ä  la  fois  tire  etc. 

Drum  fort  von  Madrid,  sobald  es  tage.  Der  Einwand  Ordugnos, 
was  mit  ihren  schönen  Kleidern  geschehen  solle,  mißachtet  der 
Marquis.     Er  ruft: 

Veux-tu  que  ie  me  iette  en  vne  foffe  ouuerte? 

Et  qu'eftant  marie,  ie  fois  encornaille? 
Jetzt   gelte   es  D.  Cosme   gegenüber   eine    Entscliuldigung   zu  finden, 
dessen  verteufelt  sanfter  Charakter  zu  allem  zwar  ja  sage,  der  aber 
doch  das,  was  er  wolle,  durchsetze. 

Mais  la  nuit  la-deffus  nous  donnera  conseil 
meint  er,  abbrechend. 

Die  3.  Szene  ist  ganz,  die  4.  bis  hierher  Erfindung  Scarrons, 
allerdings  nicht  ohne,  daß  ihn  Stellen  seines  Vorbildes  angeregt  hätten. 
So  verläßt  auch  D.  Blas  das  Haus  und  wird  von  Calabac^-as  wieder 
hereingelassen;  auch  ihm  läuft  Dona  Antonia  mit  ihrem  Gefolge 
nach  usw. 


64  Arthur  Ludioig  Stiefel. 

Nun  greift  D.  Blaize  das  herbeigeholte  Porträt  seiner  Braut  aus 
der  Tasche  und  nähert  sich  mit  D.  Sanche  dem  Fenster,  um  es  beim 
Schein  des  Mondes  zu  betrachten.  Da  geht  Stephanie  gerade  am 
Fenster  vorbei  —  das  Zimmer  liegt  zur  ebenen  Erde  --  entreißt 
dem  Marquis  das  Bild  nnd  entflieht,  Dom  Blaize,  der  bei  der 
Gelegenheit  eine  Kratzwunde  (vne  grande  ecorcheure)  erhalten,  hat  in 
der  Diebin  (larronnesse)  die  Dame  wiedererkannt,  die  ihm  durch  die 
Straßen  Madrids  nachgelaufen  ist.  Er  ist  außer  sich  vor  Erstaunen 
und  Wut;  aber  was  soll  er  tun? 

la  larronneffe 
En  viteffe  de  pieds  furpaffe  vne  Tygreffe. 

Er    will    daher   schlafen  gehen.     Die  Szene  und  zugleich   der  Akt 
schließen  ganz  opernmäßig  in  folgender  "Weise: 

D.  Blaize: 
0  Dom  Cofme!  6  Madrid! 
0  maudit  mariage!  6  Marquis  fans  efprit,     (II  fort). 

D.  Sanche: 
0  defiin!  6  amour!  6  toute  aymable  Blanche! 
Pourrez-vous  rendre  heureux  vn  autre  que  Dom  Sanche?  {21  /ort). 

Merlin : 
0  Dom  Blaize!  6  Dom  Sanche!  6  eher  couple  de  fous! 
Que  le  paunre  Merlin  va  fouflfrir  auec  vous!     (II  fort). 

Ordugno : 
0  eher  aniy  Merlin!  que  les  fievres  quartaines 
Puiffent  ferrer  bien  fort  ces  deux  teftes  mal  faines. 
Fin  du  troisieme  acte. 

Die  Porträtszene  hat  Scarrou  aus  Coello  entlehnt,  der  Schluß 
ist  aber  sein  Eigentum. 

Im  III.  Akt  entfernte  sich  der  französische  Dichter  mehr  als 
in  den  beiden  ersten  in  der  Handlung,  in  den  Charakteren  und 
namentlich  im  Dialog  und  sprachlichen  Ausdruck  von  seiner  spanischen 
Vorlage,  ohne  sich  indes,  zu  wirklich  entscheidenden  selbständigen 
Änderungen  aufzuschwingen. 


IV.  Akt. 

Die  1.  Szene  dieses  Aktes  —  ein  kurzes  Gespräch  zwischen 
Blanche  und  Lisette  —  schließt  sich  an  diejenige  spanische  an,  die 
auf  die  Porträtszene  folgt.  Das  Verhältnis  zwischen  Nachbildung 
und  Original  sei  hier  durch  Gegentiberstellungen  veranschaulicht: 


Paul  ScarrorCs  „Xe  Marquis  ridicule. 


Scarron: 

Blanche : 
II  ne   fgauoit   donc  pas  mon 
futur  Himenee, 
Et  qu'a  fon  frere  aifnel'on 

m'auoit  deftinee? 

lÄzette : 

II  ne  le  fgauolt  pas:  vous  n'auriez 

iamais  cru 

Quelle    fut    fa    douleur   auffi-toft 

qu'il  l'a  fgeu. 

Si  vous  euffiez  oüy  fes  araoureufes 

plaintes 

Voftre     cceur     en     euft    eu     de 

fenfibles  atteiutes. 

Iamais  vn  malheureux  au  fort  de 

fon  tourment, 

N'a      maudit     fon      deftin     plus 

pitoyablement 

le  n'ay  pas  pour  autruy  le  cceur 

autrement  tendre, 

Mais    quand    ie    fonge   ä  luy,    ie 

fens  le  mien  fe  fendre; 

Son  frere  eft  bien  lieureux. 

Blanche : 

Son  frere  eft  ce 
qu'il  efr, 
Puis    qu'il   eft   approuue   de  mon 
Pere  11  me  plaifr. 
Mais  j'entends  vn  caroffe, 
Lisette   regarde  par  la  feneftre 
de  la  falle. 
II  eft  vray,  qu'il  s'arrefte 
Cliez  nous. 

Blanche: 

Eft-ce  pour  moy? 

Lizeite : 

Feignez  vn  mal 

de  tefte 

Sl   ce   fönt   des  facheux  :  ie   vay 

les  reccuoir, 

Et    vous   iray    querir   fi   ce   fönt 

gens  ä  voir. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII '. 


Coello: 
D.  Juana: 
Qua  dizes,  Beatriz  ?  quehermano 
era  del  Vifconde  y  no 
fabia  que  fueffe  yo 
del  Vifconde  efpofa? 

Beatriz: 

Es  llano. 
Mas  dichofa  huuiera  fido, 
en  que  naciera  el  raayor 
don  Diego. 

D.  Juana: 

Nada  es  mcjor 
que  lo  que  el  cielo  ha  querido. 

Beatriz  ; 
Prometote  que  le  vi 
auoche  al  irle  a  facar, 
con  tal  amor  fufpirar, 
que  fi  le  vieras  alli 
tan  tierno  y  tan  entendido, 
aunque  finezas  no  fabes  .  .  . 

D.  Juana: 
Calla,  Beatriz,  no  me  alabes 

Sino  folo  mi  marido  etc. 

*  _  * 

Beatriz: 
Yo  folo  quifiera  hazer 
tu  efpofo  al  que  amante  efta. 

D.  Juana: 

mas  eye,   no  paro  vn  coche? 

Beatriz: 
SJ,  y  apeandofc  eftan 
n)ugeres,  a  lo  que  creo. 

D.  Juana. 

Dos  fon,  defde  aqui  las  veo. 

*  * 
* 

Mira  quien  fon,  fi  es  vi  Tita 
a  buen  ticmpo  efta  nii  pciia, 
efta  feru  norabuena. 

5 


66  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

Blanche  sort.  sube  Beatriz: 

ä  pari.    Cette  raadame  icy  vien-  Vna  muger  solicita 

drait-elle  ä  la  nopce?      hablarte. 

Wie  man  sieht,  lehnte  sich  Scarron  an  den  Spanier  an,  aber  indem 
er  sich  im  Ausdruclve  möglichst  von  ihm  freizumachen  suchte. 
Manches  hat  er  gekürzt,  anderes  erweitert;  auch  hat  er  Kleinigkeiten 
geändert. 

Die  2.  Szene  —  Stephanie  und  ihr  Gefolge  wird  von  Lisette 
empfangen,  die  sofort  weggeht  um  ihre  Herrin  zu  benachrichtigen  — 
ist  aus  5  Versen  des  Originals  zum  fünffachen  Umfang  verbreitert; 
einen  Zweck  hat  sie  nicht,  Stephanie  spricht  mit  ihren  Begleitern 
über  die  Aussichten  ihrer  Intrigue. 

Die  3«  Szene  wiederholt  das  Gespräch  zwischen  Dona  Antonia 
und  Dona  Juana,  wobei  Scarron  auf  der  einen  Seite  kürzt,  auf  der 
anderen  Seite  breit  ausführt.  Im  ganzen  läuft  die  Nachahmung  auf 
dasselbe  hinaus  wie  die  Originalszeue:  Stephanie  und  Blanche  sagen 
sich  Artigkeiten  über  ihr  Äußeres;  dann  rückt  erstere  mit  ihrer 
Intrigue  gegen  den  Marquis  heraus,  zeigt  das  Bild  vor,  das  ihr  an- 
geblich der  Treulose  geschenkt  hat,  erzählt  von  ihrem  Liebesverhältnis 
zu  ihm,  das  allerdings  nicht  wie  bei  Coello  schon  sechs  Jahre,  sondern 
nur  zwei  Jahre  währt,  dessen  Frucht  aber  zwei  Kinder  (statt  eines 
bei  Coello)  ist  usw.  Plötzlich  erscheint  Lisette  und  meldet  das  Her- 
annahen Dom  Cosme's  und  des  Marquis.  Schrecken  Stephanies. 
Man    läßt    sie  in  das  Zimmer  des  Dom  Blaize   (bei  Coello  in   das 

j  Zimmer  des  Don  Gutierre)  eintreten. 

1  Die   4.  Szene   des  IV.  Aktes   ist  aus   ein  par  Dutzend  kleinen 

Versen  des  Originals  zu  einem  lustigen  Dialog  von  3  Seiten  entwickelt. 
Dom  Cosme  möclite  die  Hochzeit  seiner  Tochter  sofort  abhalten, 
D.  Blaize  wünscht  sie,  wie  wir  wissen,  zu  verschieben.  Dom  Cosme, 
den  Scarron  mit  sichtlichem  Behagen  zu  einem  weit  komischeren 
Charakter  ausgearbeitet  hat,  als  es  D.  Gutierre  bei  Coello  ist,  hat 
zwar  keinen  anderen  Willen  als  sein  Schwiegersohn,  er  ist  mit  allem 

i  zufrieden,   was   dieser   wünscht,   er   will  also  verschieben,   wenn  jener 
darauf  besteht,  aber,  wie  Blaize  ganz  richtig  und  vernünftig  bemerkt, 

II  ne  contefte  plus,  il  veut  bleu  differer. 

Et  dans  le  mefme  temps  qu'il  accorde  la  chofe, 

Le  drole  la  refufe  &  mefme  en  dit  la  caufe, 

'  Nun   entspinnt   sich   ein   lebhafter  Wortwechsel  zwischen   dem   Land- 
junker und  dem  Alten.     Jener  erklärt  grob: 

le  veux  abfolument  differer  Thimenee 
Deuffiez-vous  enrager  en  voftre  ame  obftinee. 

und  dieser  antwortet  auf  alle  Bemerkungen  des  Schwiegersohnes 
mit  den  4  Worten 

Je  ne  puis  differer, 


Paul  Scarrons   „Le  Marquis  ridicule''^.  67 

die  er  im  ganzen  ohne  jeden  Zusatz  6  mal  wiederholt.  Je  mehr  sich 
indes  Cosme  weigert  zu  verschieben,  desto  mehr  wächst  der  Verdacht 
des  Marquis,  daß  etwas  Faules  an  der  Sache  sein  müsse.  Hierin 
bestärkt  ihn  D.  Sanche,  indem  er  sagt: 

Puis  qu'il  vous  preffe  tant,  c'eft  fort  mauvais  figne. 
Und  Blaize  stimmt  bei: 

C'en  eft  vn  tres  certain  qu'il  eft  vn  fourbe  infigne. 
Er  geht  mit  Sanche  hinaus  um,  wie  er  sagt,  sein  glühendes  Gesieht 
zu  kühlen.  Man  kann  nicht  leugnen,  daß  Scarron  mit  Geschick  die 
Andeutungen  Coellos  in  eine  recht  wirksam  komische  Szene  um- 
zuwandeln verstand,  die  den  Charakter  der  beiden  komischen  Figuren 
in  helles  Licht  setzte. 

Blanche    hat    sich    mittlerweile  ihrem   Vater   genähert;    sie  ist 
auch  fürs  Verschieben;  denn  sie  sagt: 

Je  f^ay  que  le  Marquis  ayme  depuis  deux  ans 

Vne  Dame  &  de  plus  qu'il  en  a  deux  enfants. 
Hiermit  kommt  Scarron  wieder  auf  Coello  zurück.  Auch  das  Folgende 
ist  getreu  nach  Coello  wiedergegeben.  D.  Cosme  hegt  in  seiner 
Antwort  auf  die  Bemerkung  der  Tochter  so  laxe  Anschauungen  in 
moralischer  Hinsicht  wie  Dona  Juanas  Vater  und  erzählt  von  sich 
die  gleiche  wenig  erbauliche  Geschichte  wie  jener.  Unter  dem  Namen 
eines  Don  Juan  Palomeque  in  Portngal  v/egen  eines  Duellmords  sich 
aufhaltend,  hat  er  eine  Liebesaffäre  mit  einer  Elvire  de  Pacheque, 
die  auch  nicht  ohne  Folgen  blieb.  Dieses  Geständnis  hört,  wie  bei 
Coello,  die  verborgene  Abenteurerin  und  findet  darin  das  unfehlbare 
Mittel  in  den  Besitz  der  Dom  Blaize  und  seines  Vermögens  zu  kommen. 
Das  Verhältnis  dieser  Szene  zum  spanischen  Vorbild,  soweit 
Scarron  sich  ihm  anschließt,  sei  an  einer  Stelle  veranschaulicht: 

Scarron.  Coello. 

Dom  Cosme:  Don  Gutierre: 

Tous    les    gens    comme  luy   n'en  Ya  se 

font-ils  pas  de  mefme?  lo  que  ay  en  effos  empleos, 

Eftant  en  Portugal,   par  vn  bon-  que  en  mi  mocedad  eftando 

heur  extreme,  yo  en  Portugal  algun  tiempo 

le    pus    gagner    le    coeur    d'vne  por  auer  muerto  en  Castilla 

ieune  beaute,  mi  Capitan,  me  fui  huyendo 

Aymable   pour  l'cfprit,    riebe,    &  a  Lifboa,  donde  el  nombre 

de  qualite,  müde  en  Don  Luis  de  Viuero, 

Je   deguifois   mon   nom,    ä   caufe  por  ser  menos   conocido 

qu'en  Caftille  y  tuue  alli  vn  galanteo 

l'auois    l'inimitic    de    toute    vne  de  vna  senora  tan  noble. 

famille,  —    —   —  —  —   —  —   —   — 

Pour  auoir  fait  perir  ä  mes  pieds  En  doiia  Ynes  de  Figueira 

vn  Riual,  viuda  hermofa  en  eftremo 


68 


Arthur  Ludwig  Stiefel. 


tuue  vna  hija;  o  raemorias! 
pero  viniendome  luego 
a  Caftilla,  fue  foirofo 
olvidarme  con  el  tierapo: 
y  afsi  como  con  tu  madre 
me  cafe  —  —  —  —   —  - 
me  oluide  por  acudir 
a  mi  obligacion,  auiendo 
vna  liija,  y  con  querer 
ä  Dona  Ynes  por  eftrcmo. 


Dout  la  mort  me  retint  deux  ans 

en  Portugal. 

Cette  belle  auoit  nom  Eluiro  de 

Pacheque 

Moy  i'auois   pris  celuy  de  Dom 

Juan  Palomeque. 

Nous    nous    aymions    tous    deux 

auecque  paffion, 

Mais  ayant  obtenu  mon  abolition, 

le   fortis    de  Lifbonne,    &  reuins 

en  Caftille, 

Laiffant  Eluire  en  pleurs  &  groffe 

d'vne  fille  (siel). 

le     deuois     retourner    l'epouzer; 

mais  la  Cour 

Bannit   de   mon    efprit  Eluire   & 

mon  amour. 

A  quelque  temps  de  lä,  i'epouzay 

voftre  Mere. 

In  der  5.  Szene  kommt  D.  Blaize  mit  seinem  Bruder  zurück. 
Er  befiehlt  ihm,  mit  Blanche  zu  sprechen  und  will  unterdessen  den 
Alten  aufs  Korn  nehmen.  Hierin  folgte  Scarron  wiederum  Coello. 
Während  uns  dieser  aber  das  Gespräch  zwischen  Don  Gutierre  und 
D.  Blas  schenkt,  glaubte  Scarron  es  uns  wenigstens  zum  Teil  hören 
lassen  zu  müssen.  Der  Schwiegersohn  schlägt  konsequent  den  un- 
verschämten Ton  gegen  den  Schwiegervater  an  und  letzterer  bleibt 
seinem  geschmeidigen,  scheinbar  gefügigen  Wesen  treu.     Man  höre: 

Dona  Blaize: 
He  bien!  noftre  ayraable  beau-pere 
Confentez-vous  enfin  que  l'liymen  fe  differe 
Ou  m'entendray-ie  encor  l'oreille  penetrer 
Par  cet  impertinent,  ie  ne  puis  differer. 

Dona  Cosme : 


le  ne  feray  iamais  que  ce  que  vous  voudrez. 

Dona  Blaize: 
0  que  les  hommes  doux  fönt  fouples  &  madrez. 

Inzwischen  klagt  D.  Sanche  „ä  l'autre  bout  du  Theatre"  Blanche 
sein  Liebesleid,  wird  aber  von  ihr  zurückgewiesen.  Stephanie  belauscht 
mit  steigender  Wut  die  Vorgänge  und  als  Blaize,  rasend  über  das 
Wesen  seines  Schwiegervaters,  in  schneidiger  Rede  ihm  Vorwürfe 
darüber  macht,  tritt  sie,  nach  Coello'schem  Rezept,  mit  ihren  Begleitern 
verhüllt    hervor,    und    sie    eilen    mit    herausfordernden    Blicken    auf 


Paul  Scaorons   „Le  Marquis  ridicule'''. 


69 


D.  Blaize  und  ihn  anrempelnd  an  ihm  vorbei  und  hinaus.  Erstaunen 
der  Anwesenden.  Es  kommt  zu  einer  heftigen  Ansprache  zwischen 
D.  Cosme  und  D.  Blaize.  Blanche  mischt  sich  darein,  indem  sie 
ihren  Vater  auf  die  Identität  der  Fremden  mit  der  „efpouse"  des 
D.  Blaize  aufmerksam  macht.  Der  Alte  wirft  letzterem  vor,  daß  er 
„de  femblarble  gibier"  bei  sich  aufnehme.  Der  Marquis,  der  sich 
frei  von  jeder  Schuld  weiß,  läßt  sich  aber  nicht  einschüchtern;  er 
weist  den  Vorwurf  nachdrücklich  zurück  und  erteilt  Blanche  eine 
nichts  weniger  als  zärtlich  gehaltene  Zurechtweisung: 

—  —   —    —  —   —   —  —  bei  Ange,  vous  fcaurez 

Que  vous  me  plairez  fort  lors  que  vous  vous  tairez. 

Dann  schickt  er  seinen  Bruder  der  Abenteurerin,  nach  und  wendet  sich 
an  Ordugno.  Braut  und  Schwiegervater  entfernen  sich  jetzt,  von 
den  ironischen  Zurufen  des  gekränkten  Landjunkers  verfolgt.  Zurück- 
bleibend sagt  dieser  zu  Ordugno: 

II  faut  affurement 
Que  le  Ciel  m'ait  donne  de  fes  biens  largement. 

Je  n'ay  pas  pluftoft  fait  mon  merite  reluire 
Dans  Madrid,  &  i'y  suis,  ä  grand  peine  arrive, 
Qu'on  m'y  court,  que  i'y  fuis,  peu  s'en  faut  enleue. 
II  n'eft,  ma  foy,  rien  tel  que  d'eftre  ne  bei  homrae. 

Und  dieser  Eigenschaft,  die  ihm  jene  „gens  masquez  auf  den  Hals 
geladen  habe,  verdanke  er  das  was  er  sonst  bei  dem  halsstarrigen 
Greis  nie  erreicht  hätte:  Das  Verschieben  der  Hochzeit.  „Beaute" 
beschließt  er  seine  Rede  und  zugleich  den  IV.  Akt,  „que  tu  m'es 
falutaire." 

Auch  in  der  5.  Szene  vermengen  sich  bei  Scarron  Entlehnungen 
aus  Coello  harmonisch  mit  eigenen  Zutaten.  Im  Ausdruck  ist  er 
etwas  selbständiger  im  IV.  Akte  als  in  den  3  vorhergehenden.  Aber 
auch  in  jenem  fehlen  wörtliche  Anlehnungen  nicht  ganz,  so  z.  B. 
in  der  letzten  Szene: 

Scarron.  Coello. 

Stefanie  sort  auec  Louize  toutes  Saleu    dona    Atonia,    y  Luisa. 

deux  voilees  .  .  .  tapadas  .   .  . 

Mes  yeux  ont  veu  fa  trahifon  Ya  lo   catei   con  mis   oUos  .  .  . 


Dom  Cosme:  ^^^^  Gutierre- 

Vous  manquez  de  refpect^ä  ma  fille.  genor  Vifconde,  en  verdad 

*  que  guardais  bien  el  refpeto 

Dom  Blaize:  de  vueftra  efpofa. 


70  Arthur  Ludivig  Stiefel. 

Mon  frere,  allez  apres!  Don  Blas: 


Dom  Sandte  {a  pari):  :{c     *  * 

0  Amour!   si   rbymen  par   lä  ne  * 

fe  fait  pas!  Don  Diego: 

Todo  aquefto 
es  en  fauor  de  mi  amor! 

Selbst   der  Schlußgedauke  des  D.  Blaize  ist  nur  eine  Umschreibung 
der  Worte  des  D.  Blas  am  Schluß  der  IL  Jornada: 

Quien  fera  aquefta  muger? 
pero  en  parte  lo  agradezco, 
pues  fufpendiendo  la  boda, 
fe  cumple  todo  mi  iutento. 
Brabo  trabajo  es  el  mio, 
en  Uegando  luego  pego: 
valgate  el  diablo  por  talle 
lo  que  cueftas  de  defvelos. 


V.  Akt. 

Nachdem  Scarron  aus  den  beiden  ersten  Jornadas  4  Akte  seines 
Lustspiels  gewebt,  verblieb  ihm  für  seinen  5.  Akt  die  ganze  lU.  Jor- 
nada. Um  diesen  überreichen  Stoif  in  einen  Akt  hineinzuzwängen, 
war  er  genötigt,  zu  gewaltigen  Streichungen  seine  Zuflucht  zu  nehmen. 
Da  er  gleichwohl  auf  selbständige  Zusätze  nicht  ganz  verzichten 
wollte,  so  kann  man  sich  vorstellen,  in  welch  verkümmerter  Gestalt 
die  Szenen  des  Spaniers  in  sein  Stück  übergingen. 

Gleich  der  Anfang  des  Aktes  zeigt  das.  Don  Sanche  tritt  mit 
Merlin  auf.  Die  Szene  entspricht  dem  Anfang  der  IIL  Jornada  bei 
Coello.  Während  aber  bei  letzterem  auf  der  einen  Seite  Diego  mit 
Calabagas,  auf  der  anderen  Dona  Juana  und  Beatriz  auftreten  und 
bald  der  Kavalier  über  die  Grausamkeit  der  jungen  Dame,  bald 
letztere  über  die  Aufdringlichkeit  des  Liebhabers,  dem  zu  wider- 
stehen ihr  immer  schwerer  wird,  den  Bediensteten  gegenüber 
klagen,  bis  Diego  den  Mut  findet,  sich  Juana  zu  nähern,  aber  von 
ihr  unerbittlich  zurückgewiesen  wird:  läßt  Scarron  Dom  Sanche  mit 
Merlin  allein  erscheinen.  Ihr  Gespräch  ist  ein  kurzes  Extrakt  aus 
Coello,  wobei  Saft  und  Kraft  verloren  ging.  Kein  Wunder  auch, 
aus  etwa  160  Versen  des  Spaniers  sind  44  bei  Scarron  geworden 
mit  dem  dürftigen  Inhalt:  D.  Sanche  will  sterben,  da  Blanche  für 
ihn  verloren  ist,  Merlin  findet  das  Sterben  aus  diesem  Grunde 
töricht;  trotzdem  beharrt  D.  Sanche  darauf  zu  sterben.  Da  sieht 
er  mit  einem  Mal  seinen  Bruder  kommen  und  schließt  die  Szene  im 
engen  Aoschluß  an  Coello: 


Paul  Scarrons  „Z-e  Marquis  ridicule''. 


71 


Coello. 

Otro  erabarago! 

que  aun  la  muerte  (fi  le  importa) 

no  ha  de  hallar  vn  desdichado? 
*  * 

Ay  tal  fuerte?  fi  le  digo 

que  es  honrada  y  que  lo  es  tanto, 

fe  ha  de  cafar,  y  la  pierdo, 

quando  la  adoro  y  me  abrafo. 

pues  si  niintiendo  le  digo, 

que  HO  es  tan  honrada  agrauio 

a  mi  dama  infamemente: 

Que  he  de  hazer,  cielos  fagrados  ? 

—  —  —  Mas  que  dudo? 

morir  yo  no  importa  tanto. 


Scarron. 

Mais  ce  frere  odieux,  ä  mon  repos 

funefte, 

Ne   vient-il    pas  m'ofter    le    feul 

bien  qui  me  refie? 

Ne  vient-il  pas  encor  mon  trepas 

empefcher 

Apres    m'auoir   rauy   ce    qui    me 

fut  plus  eher? 

Helas!  si  ie  luy  dis  que  Blanche 

eft  vertueufe, 

N'eft-ce  pas  augmenter  fon  ardeur 

amoureufe? 

Si  ie   luy   dis   auffi   que   Blanche 

ne  l'eft  pas, 

N'eft-ce  pas  offencer  vn  Ange  plein 

d'appas? 

Et  ne  fera-ce  point  par  vne  action 

lache 

A    l'honeftete    mefme    auoir    fait 

vne  tache? 

Ha!     n'offen^ons     iamais     cette 

Diuinite 

Et    iusqu'au   dernier   iour   difons 

la  verite. 

Die  zweite  Szene  ist  eine  fortgesetzte  Nachahmung  Coellos 


Que 


Scarron: 

Coello: 

jD.  Blaize: 

J).  Blas: 

difiez-vous    tout    feul   mon 

No  respondes? 

frere  ? 

D.  Diego: 

D. 


Sandte: 

Que  vous  eftßs 

Le  plus  heureux  du  monde  en  tout 

ce  que  vous  faites 

Et   que   le  Ciel  vous   donne    vne 

chere  moitic 

Digne  de  voftre  choix  &  de  voftre 

amitie  etc. 


D.  Blaize: 
Ne  me  trompez    vous  point  mon 
diffimule  frere? 


Tu  eres  dichofo,  tu  efpofa 

es  quien  es,  no  fon  tan  claros 

effos  atomos  del  dia, 

menos  pureza  los  rayos 

del  sol  tienen,  que  su  honor  etc. 

D.  Blas: 

me  enganas  aqui. 

D.  Diego: 

Te  engano? 

aguarda,  quieres  oirlo? 

*  * 

* 


72 


Arthur  Ludwig  Stiefel. 


D.  Sanchei 

Envoyes  la  qiierir  .  .  . 

Et  vous   tenez  cacbe,   quand   eile 

paffera, 

Vous  verrez  de   quel  air  eile  me 

parlera. 

D.  Blaize : 

L'inuention  me  plaift:  ^-a  ^a  que 

ie  me  gifte. 

Das  Gleiche  gilt  von  der  3. 
Scarron: 
Blanche : 
0  Dieu!  ie  vois  Dom  Sanche. 

D.  Sanchex 

Ie   vous    obeirai,    trop   inhumaine 

Blanche. 

Vous  n'aurez   pas  pluftost  rendu 

mon  frere  heureux. 

Que  i'executeroy  voftre  arreft  ri- 

goureux : 

Oui,  ie  conteuteray  voftre  cruelle 

enuie, 

I'irai  loin  de  vos  yeux,  les  aftres 

de  ma  vie: 

Mes  veritables  Dieux;    mais    des 

Dieux  ennemis 

Qui   me   vont  tout  öfter,    &  m'a- 

uoient  tout  promis. 

D.  Blaize  (cache): 

II  la  presse  vn  peu  trop  Ie  frippon 

&  ie  gage 

Qu'apres  vn  autre  assaut  la  Dame 

n'eft  plus  fage. 


Pues  retirate,  que  prefto 
Veras  efto  que  has  dudado. 

D.  Blas: 
No  me  engana,  pues  me  pone 
en  lance  de  auerigaarlo. 


Szene.     Man  vergleiche: 
Coello: 
B.  Juana: 
Aqui  estä  Don  Diego,   ay  cielos! 

D.  Diego: 

Exhalacion  diuina, 

.  .  .  quedaos  donde  os  merece 

mas  venturofo  mi  bermano: 
*  * 

* 
Dame  licencia  enemiga 
de  mi  bien,  y  de  mi  dano, 
porque  aufente  de  effos  ojos 
dulciffimos  y  tiranos 
vaya  a  morir  de  no  verlos, 
pues  me  muero  de  mirarlos. 

D.  Blas: 
Por  Dios,  que  ha  apretado  mucho 
para  fer  efto  burlando  etc. 


Blanche: 
Dom   Sanche!    6    ma    vertu    que 
vay-ie  dire  icy? 
Qui  vous  oblige  donc  ä  nous  quit- 
ter ainfi? 

D.  Sanche: 
Qui  Ie  fgait  mieux  que  vous  trop 
cruelle  perfonne! 


B.  Juana: 


Don  Diego  (yo  foy  confufa) 
ya    que   os   vais    (yo   eftoy   tem- 
blando), 
fabed,  que  antes  que  mi  pecho 
quede  tan  calificado 
de  ingrato,  que  me  debeis 
algo  mas  —  —  — 


Paul  Scarron's  y,Le  Marquis  ridicule''^. 


73 


Qui   le  peut    mieux    f^auoir    que      en  fentir  de  vueftra  aiifencia 
Celle  qui  l'ordonne?      las  nueuas  triftes  etc. 


Blajiclie: 
Celle  dont  la  rigueur  voiis  afflige 

fi  fort 

N'a  guere  moins    que  vous   ä  fe 

plaindre  du  sort. 

Elle    n'erapefche    point    que    D. 

Sanche  n'efpere, 

Elle  le  fgaura  bien  diftinguer  de 

fon  frere, 

Quand  par  vn   iufte   choix,    d'ou 

depend  fon  bonbeur, 

Sa  bouche  publiera  ce  que  cacbe 

fon   coeur 

Elle  veut  bien  encor  qu'il  fcacbe 

qu'vne  abfence 

Peut  nuire  a  ses   deffeins   beau- 

coup  plus  qu'il  ne  penfe 

Nous  nous  verrons  D.  Sanche. 


D.  Diego. 


Mirad  que  yo  fi  rae  aufento 
es  porque  vos  .  .  . 


D.  Juana: 
No  foy  tan  cruel  que  ignoro 
lo  que  OS  dabo,  y  lo  que  gano, 
yo  lo  eftimo,  y  lo  conozco, 
y  fi  quifiereis  efcucbarlo, 
bolved  defpues,  porque  agora 
tengo  el  pecho  tan  turbado, 

esto  bafta,  a  Dios  quedaos, 
—  —  —  porque  hasta  agoro 
aun  no   foy  de  vuestro  hermano. 


Der  Rest  der  Szene  verläuft  in  ähnlicher  Weise.  Blanche  geht 
fort,  D.  Blaize  macht  seinem  Bruder  Vorwürfe,  daß  er  seine  Braut 
verführt  habe,  dieser  verteidigt  sich,  daß  er  alles  nur  in  seinem 
Auftrag  erdichtet  habe.  Hierauf  erklärt  Blaize  seine  Absicht  die 
Heirat  aufzugeben  und  entfernt  sich.  Zwei  Dinge  hat  Scarron  in 
dieser  Szene  weggelassen,  den  Dolch,  den  D.  Blaize  zieht  und  fallen 
läßt  und  das  Lauschen  der  jungen  Dame.  Was  letzteres  anbelangt, 
so  erfahren  wir  weiter  unten,  daß  es  doch  stattgefunden,  Scarron 
hat  aber,  entschieden  ein  Verstoß  gegen  die  dramatische  Kunst, 
unterlassen  es  anzudeuten. 

Die  beiden  folgenden  spanischen  Szenen,  den  Monolog  Juanas 
und  das  Gespräch  zwischen  D.  Diego  und  Calabacas  hat  Scarron 
unterdrückt.  Er  läßt  zu  Ende  der  3.  Szene  Blanche  erscheinen  und 
von  D.  Diego  begrüßen,  die  ihm  aber  (4.  Szene)  gründlich  den  Text 
liest,  den  Laufpaß  gibt  und  sich  dann  sofort  entfernt.  Die  Straf- 
rede Blanche's  ähnelt  inhaltlich  derjenigen  Juanas,  wenn  auch  nicht 
im  Ausdruck. 

D.  Blaize  hat  die  Worte  Blanches  belauscht  und  tritt  triumphie- 
rend hervor  zu  D.  Sanche,  der  wie  vernichtet  dasteht.  Seine  Worte 
erinnern  wieder  stark  an  Coello;  man  vergleiche: 


Don  Blaize: 


D.  Blas: 
Porcia  fue  cosa  de  burlas 


74  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

0  la  maiftressc  fille!    &  Porcie     Lucrecia  se  dio  al  soslayo, 

&  Lucreffe  *  ^ 

Nc    Tont    iamais    valuö    auecque  Ya  mc  caso. 

leur  proüeffe: 
Lucrece   auec  Tarquin    se   donna 

du  bon  temps 
Et  l'autre    se    brula    la  gorge  ä 

contre  teraps. 


Ma  fciy  ie  me  marie  .  .  . 

Auch  die  Worte  Merlins  sind  Coello  entlehnt: 

Merlin  (par  Ironie):  Calabapas: 

Que   D.  Sanche   est   heureux!    fa      Dichofiffimo  es  mi  arao 
Maistreffe  l'adore.      en  mugeres,  ya  Ie  quiere 
Dona  Juana,  mas  matallo. 

Die  5.  Szene  ist  Erfindung  Scarrons.  Lizette  kommt  zu 
D.  Sanche  und  erzählt  ihm,  daß  ihre  Herrin  sein  Gespräch  mit 
D,  Blaize  belauscht  habe  und  nicht  bezweifeln  konnte, 

Que  par  vn  feint  amour,  vne  lasche  fineffe, 
Vous  n'ayez  attente  d'eprouuer  ma  maiftreffe. 

1).  Sanche    rechtfertigt  sich   und   Lizette   verspricht,    sich  weiter  für 
ihn  zu  verwenden. 

Die  6.  Szene  bringt  in  stark  verkürzter  Form  die  Unterredung 
zwischen  der  Abenteurerin  und  dem  Vater  der  Braut;  Scarron  ist 
sachlich  im  ganzen  seiner  Vorlage  treu  geblieben  und  hat  auch 
wörtliche  Annäherungen  nicht  vermieden: 

Scarron:  Coello: 

Louise:  Luise: 

C'eft  ce  papier  que  Merlin  laiffa  •  De  la  carta 

choir,      del  Vifcondo  fe  aprouecha. 


Le  valet  de  Dom  Sanche. 


I).  GuiieiTe: 


Dom  Cosme:  Pues    dezid,    para   efta  empreffa 

—  —  —  —  —  —  —    —   —  que  mas  empenos  teneis. 

Quant  ä  fa  Lettre,  eile  eft  pour  que  el  defta  carta. 

vous  de  peu  d'appuy.  *  ^^^  * 


—  —  —  —  —  —  —   —   —  ay  empeno  —  —  —  —  —  - 

Vous  auez  deux  enfants?  en  que  vueftro  honor  padezca? 

Stephanie:  D.  Antonia: 

Deux  petits  miferables,  Naon  ya  mas  que  vna  minina 


Faul  Scarrons  „Le  Marquis  ridicule".  75 

Tous    deux  des  plus  iolis  &  les      que  todo  fe  le  femeja 

viuans  portraits      a  fu  pay. 
Du  pere. 

In  der  7.  und  Schlußszene  setzte  der  französische  Dichter  seine 
Nachahmung  Coellos  in  ähnlicher  Weise  fort.  Neben  vielen  wörtlich 
übertragenen  Stellen  hat  er  indes  auch  selbständige  Züge.  So  beginnt 
Don  Blas,  der  zu  der  Szene  im  Brautstaat  auftritt,  damit  den 
Alten  zu  necken,  indem  er  sagt,  er  sei  nicht  mehr  fürs  Verschieben. 
Cosme  meint,  jetzt  sei  er  dafür  und  reizt  dadurch  den  Marquis  zu 
wütenden  Bemerkungen.  Doch  D.  Cosrae  hält  ihm  den  von  der 
Portugiesin  ihm  übergebenen  Brief  hin  und  die  Szene  nimmt  den 
Gang  wie  im  spanischen  Original,  nur  läßt  Scarron  die  Abenteurerin 
und  ihre  suiuante  in  Tränen  ausbrechen,  worauf  Dom  Cosme  und 
alsbald  auch  D.  Blaize  weint.  Da  aber  Stephanie  sieht,  daß  ihre  Tränen 
nichts  fruchten,  so  springt  sie  dem  Bräutigam  ins  Gesicht,  so  daß 
der  also  Angegriffene  seine  Bedienten  zu  Hilfe  ruft.  Dieser  rohe 
widerliche  Auftritt  ist  ganz  das  Eigentum  des  Franzosen,  der  aber 
darauf  durchaus  nicht  stolz  zu  sein  braucht. 

Der  übrige  Teil  der  Szene  bewegt  sich  dann  wieder  ganz  im 
Geleise  des  Spaniers:  D.  Blaize  will  Blanche's  Hand  ergreifen,  doch 
D.  Manche  wirft  sich  dazwischen  und  erklärt,  daß  die  junge  Dame 
die  seine  sei.  Blanche  hat  nichts  dagegen,  falls  ihr  Vater  es  billige. 
Cosme  verlangt,  daß  der  Marquis  seine  Hand  der  anderen  Tochter, 
„der  Gräfin'-,  reiche.  Der  Landjunker,  der  Blanche  für  sich  verloren 
sieht,  zieht  es  vor,  sich  von  der  Portugiesin  durch  eine  Summe  los- 
zukaufen, um  den  verhängnisvollen  Brief  zurückzubekommen.  Der 
Vorschlag  wird  von  Cosme  —  bei  Coello  von  der  Portugiesin  — 
angenommen.  D.  Sanche  und  Blanche  werden  ein  Paar  und  D.  Blaize 
will  —  Braut  und  Bruder  aufgebend  —  sofort  abreisen. 

Ich  will  an  einigen  Proben  zeigen,  daß  Scarron  auch  in  dieser 
Szene  vielfach  wörtlich  seiner  Quelle  verpflichtet  ist: 

Scarron:  -  Coello: 

Z).  Cosme:  D.  Gutierre: 

Reconnoiffez-vous       bien      cette  conoceis  aquefta  letra? 
efcriture.  *  *  * 

D.  Blaize:  D.  Blas: 

Ouy-da  Digo,  que  es  mia  la  letra, 

Pefcrluis  cette  lettre  a  voftre  fiUe  mas  efta  fe  la  embie 

Blanche,  yo  a  mi  efpofa. 


J?.  Blaize:  D.  Blas: 

La  Dame  eft  affez  belle.  Viue  Dios   que  es  rauy  hermofa. 


76 


Arthur  Ludxoig  Stiefel. 


Merlin ! 


D.  Sanche: 

Et  c'eft  la  Portugaife, 


Merlin : 
Sur   mon   houneur,   on  en  veut  ä 
D.  Blaize. 

D.  Blaize: 


D.  Diego: 
Calaba(,'as,  no  es  aquella 
dona  Antonia? 

Calabapas : 

pues  que  intenta 
cou  tu  hermano  efta  mu^er? 


n.  Blas. 


—  —  pour  r'auoir  ma    maudite 

proraeffe  —   —  —  —  —   —   —    - 

Et  pour  n'epoufer  pas  la  fille  ou  y  ansi  porque  la  Condefa 

la  Comteffe,  me  dese  en  paz,  y  porque 

—  —  —   —   —  —  —  —    —  efta  cedula  me  buelua 

Pour  m'en  deliurer  donc,  &  partir  fin  aiierlo  yo  comido 

ä    rinftant  ni  beuido,  por  no  verla, 

le  veux  bien  qu'il  m'en  coufte  vn  la  dare  dos  mil  ducados. 
peu  d'argent  contant. 


Nach  der  vorangegangenen  ausführlichen  Betrachtung,  die  ich 
dem  Verhältnis  zwischen  Scarron  und  seiner  spanischen  Vorlage 
gewidmet  habe,  kann  ich  mich,  das  Ganze  nochmals  überblickend, 
kurz  fassen. 

Scarron  hatte  zur  alleinigen  Vorlage  für  seinen  Marquis  ridicule 
Coellos  Peor  es  hurgallo.  Jener  bietet  also  nicht,  wie  Les  trois 
Dorothees  ein  Beispiel  von  Contamination.  Scarron  schloß  sich  dem 
spanischen  Stück  in  der  Fabel  vollkommen,  in  der  Szenenfolge  fast 
ganz  an  und  machte  sich  seinen  Dialog  in  zahllosen  Fällen  zu  nutzen. 
Die  Charaktere  hat  er  durchgängig  vergröbert  und  verschlechtert. 
Die  von  Coello  so  liebevoll  gezeichnete  Gestalt  der  jungen  Dame  ist 
zu  einer  gewöhnlichen,  farblosen  Liebhaberin,  Don  Gutierre  zu  einem 
burlesken,  bockbeinigen  Alten  und  der  Visconde  zu  einem  überladenen 
Zerrbild  hei  ihm  geworden.  Auch  bei  den  übrigen  Personen  hat 
er  alle  feinen  Züge  verwischt.  Seine  Bedienten  sind  frech,  der  eine 
sogar  zotenhaft,  die  Abenteurerin  benimmt  sich  aufdringlich  wie  eine 
Dirne  und  in  der  Schlußszene  wie  eine  Megäre. 

Die   mit    der    Vorlage    vorgenommenen    sonstigen    Änderungen 

sind     bald    Auslassungen,     Vereinfachungen     und    Kürzungen,     bald 

■  Szenenverschiebungen   oder  Zusammenziehungen,    bald  Zutaten    d.  h. 

Szenenerweiterungen,   Einschiebsel  usw.   oder  neue  Szenen,  meist  von 

sehr  zweifelhaftem  Wert. 

Diese  Änderungen  beweisen  zwar,  daß  Scarron  einen  Versuch 
machte,  sich  zur  selbständigen  Behandlung  des  spanischen  Stückes 
aufzuraffen,  aber  man  kann  leider  nicht  sagen,  daß  ihm  seine  Absicht 


Paul  Scarroii's  „X(?  Marquis  ridicule'-'- .  77 

irgendwie  geglückt  wäre.  Er  ist  beim  bloßen  Anlauf  stehen  geblieben. 
Wäre  es  ihm  ernstlich  um  Selbständigkeit  zu  tun  gewesen,  so  hätte 
er  damit  beginnen  müssen,  das  spanische  Kolorit  abzustreifen  und 
die  Handlung  auf  französischen  Boden  zu  verlegen,  wie  es  z.  B. 
D'Ouville  in  seinem  „Esprit  fotlet'*  getan  hat.  Daraus  hätten  sich 
eine  Reihe  von  weiteren  Änderungen  ergeben,  die  den  Charakter  des 
Stückes  nicht  unwesentlich  geändert  haben  würden.  Allein  solch 
mächtiger  Mühe  wollte  oder  konnte  der  fürs  Brot  arbeitende  Dichter 
sich  nicht  unterziehen.  Und  so  bleibt  es  zu  bedauern,  daß  er  nicht' 
gleich  eine  Übersetzung  des  spanischen  Stückes  unternahm.  Seine' 
burlesken  Änderungen  wischen  Duft  und  Poesie  von  der  spanischen 
Comedia  ab  und  beeinträchtigen  die  Wirkung  der  Handlung.  Die 
leitende  Idee  des  Spaniers:  Peor  es  kurgallo  ging  bei  Scarron  ganz 
verloren  und  trotz  der  von  ihm  herübergenommenen  Anspielung  aut 
den  Curieux  impertinent  würde  ein  Leser  des  französischen  Stücks 
schwerlich  auf  den  Gedanken  kommen,  daß  er  im  Alarquis  ridicule 
eigentlich   eine  Bearbeitung   dieser  berühmten  Novelle  vor  sich  habe. 

Das  Beste  unter  seinen  Zusätzen  ist  noch  die  Szene  zwischen 
dem  Marquis  und  Dom  Cosme,  wo  es  sich  ums  Verschieben  der 
Hochzeit  handelt.  Was  sonst  an  dem  Stücke  gut  ist,  geht  auf 
Coello   zurück. 

Nach  allem  diesen    kann    mein  Urteil    über  Scarrons  Lustspiel 
kein  sehr  günstiges  sein.     Es  hält  keinen  Vergleich  mit  der  spanischen  | 
Vorlage  aus.     Unter  den  Händen  des  burlesken  Dichters  ist  bei  aller  ) 
Abhängigkeit  des  letzteren  etwas  anderes,  etwas  Schlechteres   daraus  ' 
geworden. 

Leider  muß  ich  auch  die  Frage,  ob  Scarron  in  diesem  letzten 
noch  zu  seinen  Lebzeiten  aufgeführten  Stücke  gegenüber  seinen  früheren 
Fortschritte  gemacht  habe,  entschieden  verneinen.  Man  mag  sagen, 
daß  in  seinen  ältesten  Lustspielen  im  Me  Valet  und  in  Les  trois 
Dorothees  viel  von  ihrem  ungewöhnlichen  Erfolg  auf  die  meisterhaften 
Vorlagen  —  Rojas  Zorilla,  Tirso  de  Molina  —  zurückgehe,  aber  es 
ist  doch  nicht  zu  leugnen,  daß  Scarron  in  ihnen,  trotz  seiner 
Inferiorität  jenen  beiden  gegenüber,  noch  eine  gewisse  Frische  und 
oft  einen  glücklichen  komischen  Ton  fand,  den  man  zwölf  Jahre 
später  bei  ihm  vermißt. 

Am  schlimmsten  fährt  Scarron,  wenn  man  ihn  in  Bezug  auf 
die  Diktion  mit  seinen  spanischen  Vorbildern  vergleicht.  Und  da 
ist  kein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  älteren  und  jüngeren  Stücken. 
Man  hat  bei  allen  das  Gefühl,  daß  er  die  poesiereichen,  farben- 
prächtigen Schöpfungen  Spaniens  gerade  so  behandelte,  wie  die  Aeneis 
des  Vergil,  er  travestierte  sie.  Es  gilt  heute  noch  im  ganzen  zu 
Recht,  was  vor  mehr   als    135  Jahren  Linguet34)  über  zwei  Nach- 


3*)  Theatre  Espagnol  I.  Bd.  pref.  XVII  ff.   —  Die  Stellen  hat  bereits 
Schack  (III  S.  445—447)  in  Übersetzung  angeführt. 


78  Arthur  Ludioig  Stiefel. 

alimungen  spanischer  Comedias  durch  Scarron  gesagt  hat:  „Scarron 
a  doniie  Jodelet  Maltre  <^  Valet.  C'est  VArno  Criado  de  Francisco 
de  jRojas.  On  n'imagineroit  pas  les  bassesses,  los  vilenies  dout  le 
Traducteur  a  souille  sa  miserable  imitation."  Nachdem  er  einige 
Übersetzungsproben  gegeben,  fährt  er  fort:  „Ces  horreurs  ne  sont 
qu'un  echantillon  de  celles  dont  la  piece  Frangaise  est  remplie.  La 
suite  est  encore  plus  degoütante.  Par-tout  oü  Rojas  est  familier, 
Scarron  est  bas:  par-tout  oü  le  premier  est  naturel,  le  second  de- 
vient  rampant,  ordurier  et  quelque  chose  de  pis."  Ferner:  „on 
n'auroit  qu'ä  comparer  la  piece  de  Calderou  que  je  donne  ici  sous 
le  titre  de  se  de/ier  des  apparences,  avec  la  maniere  dont  Scarron 
Fa  traduite  en  vers  sous  celui  de  la  fausse  apparence,  on  verra 
combien  ce  cruel  homme,  avoit  l'art  de  gäter  tout  ce  qu'il  touchoit 
et  d'avilir  l'original  a  qui  il  faisoit  l'affront  de  le  choisir  pour  l'imiter." 
Um  wieder  auf  den  Marquis  ridicide  zurückzukommen,  so 
hegte  Scarron  selber  von  ihm  eine  sehr  günstige  Meinung.  In  seinem 
Widmungsschreiben  an  der  Spitze  des  Stückes,  an  den  Abbe  Foucquet, 
sagt  er: 

„Je  vous  fupplie  de  lire  ma  Comedie:  c'eft,  ä  mon  gre,  la 
mieux  efcrite  de  toutes  celles  quo  i'ay  donnees  au 
Public  depuis  que  mon  malheur  m'a  roduict  ä  n'auoir  rien 
de  meilleur  ä  faire,  et  ce  fera  celle  qui  m'aura  le  mieux 
reuffi,  fi  eile  a  voftre  approbation,  que  ie  prefere  ä  tous 
les  applaudiffements  de  Theatres  etc." 

Die  letzten  Worte  lassen  eher  auf  einen  Mißerfolg  auf  der 
Bühne  schließen,  obwohl  uns  sichere  Nachrichten  darüber  fehlen; 
denn  wenn  der  Chevalier  de  MouhySS)  behauptet;  „eile  eut  assez  de 
succes,"  so  ist  das,  bei  der  bekannten  Unzuverlässigkeit  dieses  Theater- 
historikers, ohne  Bedeutung.  Der  buchhändlerische  Erfolg  des  Stückes 
stand  jedenfalls  hinter  demjenigen  mehrerer  früherer  Lustspiele  weit 
zurück.  Außer  der  editio  princeps  von  1656  und  dem  oben  er- 
wähnten Elzevierdnick  finde  ich  als  Einzeldrucke  nur  einen  Pari?, 
J.  B.  Loyson  1670  12^*,  und  einen  weiteren  Paris,  G.  de  Luynes 
1688  12°  erwähnt,  während  z,  B.  Le  Jodelet  ou  le  Me  Valet  1645, 
1646,  1648  (bis),  1652,  1653,  1654,  1659,  1664,  1665,  1668, 
1684,   1688,   1700  und  noch  öfter  einzeln  gedruckt  wurde. 

Auch  das  Urteil  der  Kritiker  ist,  soweit  sie  das  Lustspiel  über- 
haupt würdigen,  nicht  günstig.  Maupoint,  Beaucharaps,  Abbe 
de  la  Porte,  La  Valliere  und  andere  hüllen  sich  in  Schweigen. 
Leris^ßj  meint  sachkundig:  „On  pretend  que  c'est  la  meme  chose 
que   son  Heritier  ridicule.'^      Mouhy-*^'^)   bezeichnet    das  Stück    als 


3^)  Abrege  de  V Hist.  du   Thcatre  francois  I,  305. 

36)  Diel,  portatif  hist.  et  Htt.   des   Theatres  (1763)   S.   283. 

3')   ].  C. 


Paul  Scarrons  „Xß  Marquis  ridicule'^ .  7.9 

„faible".  Die  Brüder  Parfaict^^)  äußern  sich  folgendermaßen:  Cette 
Comedie,  malgre  la  preuention  de  l'Autheur,  est  peu  de  chose.  Le 
personnage  de  Dom  Blaise  est  trop  fou  &  trop  bas;  les  autres  ne 
sont  pas  mieux  rendus;  Fentrigue  est  mal  conduite,  et  les  fourberies 
de  la  Portugaise  Stefanie,  peu  vraisemblables:  en  general  cette  Piece 
est  peu  comlque.  II  y  a  cependant  des  endroits  qui  caracterisent 
toujours  Scarron."  Morillot39)  der  Biograph  Scarrons,  hegt  ebenfalls 
keine  hohe  Meinung  von  dem  Stücke:  „A  part  ce  caractere  (Don 
Blaise)  d'un  comique  outre",  sagt  er,  „les  autres  personnages,  u'ont  rien 
de  bleu  rejouissant;  seul  le  vieux  don  Cosme  ä  la  fois  doux  et  tetu, 
merite  d'etre  distingue.  Le  Marquis  ridicule  .  .  .  c'est  peut-etre, 
comme  le  pretend  ingenuement  Scarron,  la  mieux  ecrite,  ou  plutot 
la  moins  mal  ecrite  de  toutes  les  comedies  qu'il  a  composees;  mais 
c'est  aussi  la  moins  interessante  et  la  moins  originale.  Le  comique 
n'y  vaut  pas  celui  des  Jodelets  et  du  Japhet,  ni  meme  celui  de 
VHeritier  ridicule.'''' 

Mit  dieser  Ansicht  deckt  sich  so  ziemlich  die  eines  der  jüngsten 
Beurteiler,  die  Martineuohes,'^^)  welcher  sagt:  „Scarron  se  vante  d'en 
avoir  soigne  le  style.  Et  il  est  vrai  que  quelques  vers  n'en  sout 
pas  trop  mal  venus.  Mais  quo  le  rire  y  est  contraint  et  penible! 
Don  Blaise  Pol  est  loin  d'etre  une  caricature  aussi  amüsante  que 
Don  Pedro  de  Buffalos,  C'est  un  butor  pedant  qui  parle  un  langage 
grossierement  precieux  et  qui  n'a  de  raisonnable  que  sa  peur  horrible 

d'un    accident    qui    lui    est  du Don  Cosme  est  un  peu  plus 

dröle.  C'est  un  doux  gäteux  qui,  tout  en  disant  oui,  ne  se  depait 
point  de  sa  ridicule  obstination.  Mais  ni  son  entetement  de  vieille 
mule,  ni  l'egoisme  brutal  de  Merlin  .  .  .  n'empechent  le  degout  de 
nous  venir  aux  levres." 

Doch  genug  der  Kritiken,  die  ja  im  ganzen  auf  das  Gleiche 
binauslaufen.  Es  fragt  sich  nun,  kommt  dem  Marquis  ridicide, 
wenn  er  auch  als  Kunstwerk  einen  höheren  Wert  nicht  beanspruchen 
kann,  nicht  gleichwohl  eine  gewisse  Bedeutung  zu.  Ich  glaube, 
diese  Frage  ist  zu  bejahen.  Ich  will  kein  Gewicht  darauf  legen, 
daß  der  Marquis  ridicule  die  Gestalt  des  Gentilhomme  Compagnard 
auf  der  französischen  Bühne  einbürgerte,  denn  es  könnte  geltend 
gemacht  werden,  daß  Scarron  bereits  sechs  Jahre  früher  mit  seinem 
Hiritier  ridicule  durch  die  Rolle  Filipin-Bufallos  den  Landjunker, 
wenn    auch    nur    den    fingierten,  auf  das  Theater  gebracht  hatte ;"*') 


38)  Eist,  du   Theaire  franc.  Bd.  VIII  S.  170. 

39)  S.  305. 

*»)  La  Comedia  Espagnoh  Paris,  Hachctte  1900  S.  389  f.  —  Über  seine 
seltsame  Vermutung  betreffs  der  Quelle  des  Marquis  ridicule  habe  ich  mich 
bereits  in  meiner  Rezension  dieses  Buches  {Zsch.  Bd.  26^  S.  47)  geäufsert. 

*i)  Verwandt  damit  ist  Thomas  Corneilles  ein  Jahr  später  auf  die 
Bühne  gebrachter  D.  Bertrand  de  Cigarral.  Zu  den  unmittelbaren  Nach- 
folgern Scarrons  gehört  Gillet  de  la  Tessonnerie  mit  seinem  Campagnard 
(gedr.  1657). 


80  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

aber  der  Marquis  ridicule  blieb  gleich  anderen  Stücken  Scarrons  auf 
den  größten  Komiker  Frankreichs  und  spätere  Lustspieldichter  nicht 
ohne  Einfluß.  Scarron  ebnete  Moliere  u.  a.  den  Weg,  indem  er  an 
Stelle  der  Tragi-comedies  wirkliche  Lustspiele  setzte,  indem  er  einen 
Anlauf  zur  Charakterkomödie  nahm,  obgleich  seine  Charaktere  mehr 
Grotesken  als  Typen  des  Alltagslebens  waren.  Dann  verschaifte  der 
Marquis  Don  Blaise  den  lächerlichen  Marquis  und  Edelleuten  Moliere's 
gewissermaßen  das  Recht,  auf  der  Bühne  erscheinen  zu  dürfen.  Wenn 
ferner  der  Landjunker  Mr.  de  Pourceaugnac  durch  das  Erscheinen 
zweier  Frauen,  die  mit  ihm  verheiratet  zu  sein  vorgaben,  von  seinem 
Heiratsprojekte  mit  Julie  abgeschreckt  wird,  so  ist  es  vielleicht  ge- 
stattet, an  die  Abenteurerin  Stefanie  zu  denken,  die  die  gleiche  List 
anwandte.  Endlich  zeigen  die  kecken  Diener  und  die  hilfsbereite 
Soubrette  Lisette  eine  gewisse  Geistesverwandschaft  mit  ähnlichen 
Moliere'schen  Figuren.  Der  preziöse  Stil  Merlins  kündigt  bereits 
denjenigen  des  Marquis  Mascarille  und  des  Vicomte  Jodelet  in  den 
Precieuses  ridicules  an. 

Ich  will  die  Darlegung  der  Beziehungen  zwischen  Scarron  und 
dem  späteren  Lustspiel  nicht  weiter  verfolgen.  Mir  genügt  es  heute^ 
den  Grad  der  Abhängigkeit  des  Marquis  ridicule  von  der  spanischen 
Comedia,  die  seine  Vorlage  war,  bestimmt  und  gleichzeitig  festgestellt 
zu  haben,  daß  ein  stetiger  Fortschritt,  eine  künstlerische  Entwicke- 
luug  im  Lustspielschaffen  Scarrons  nicht  stattgefunden  hat.  Wenn 
ich  in  meiner  Arbeit  etwas  ausführlicher  zu  Werke  gegangen  bin,, 
so  lag  der  Grund  darin,  daß  es  sich  dabei  für  mich  um  die  bisher 
noch  wenig  bekannten  Anfänge  der  Figuron-Comedia  und  ihre  Ein- 
führung in  Frankreich  handelte. 

München.  Arthur  Ludwig  Stiefel. 


Die  Vorlage  der  Turiner  Rigomer-Episode. 


Der  unheilvolle  Brand  der  Turiner  Universitätsbibliothek  und 
die  Nachricht,  daß  unter  den  vielen  verbrannten  oder  doch  schwer 
beschädigten  Handschriften  sich  auch  L,  IV.  33  befinde,  veranlaßte 
E.  Stengel  eine  in  seinem  Besitz  befindliche  Abschrift  der  Nummer 
23  dieser  Hs.,  die  der  leider  zu  früh  verstorbene  Dr.  A.  Feist  seiner 
Zeit  genommen  hatte,  1905  abzudrucken.  Aus  dem  Abschnitt  von 
G.  Paris  über  den  Artusroman  Rigomer  wußte  er,  daß  dieser  Turiner 
Text  eine  bloße  Abschrift  des  betreifenden  Abschnittes  in  der  damals 
in  Privatbesitz  des  Herzogs  von  Auraale  befindlichen  Handschrift  von 
Chantilly  ist.  Stengel  selbst  bemerkt  hierüber:  „Der  Turiner  Text 
ist  sogar  nach  G.  Paris  eine  direkte  Kopie  der  einzigen  sonst  be- 
kannten Hs.  des  Romans  in  Chantilly.  Er  erschloß  das  daraus,  daß 
einerseits  die  Chantilly-Hs.  mitten  in  der  Erzählung  mit  Blatt  55  f 
abbricht,  also  ihre  Schlußblätter  verloren  hat,  und  andererseits  auch 
der  Turiner  Text  mit  der  gleichen  Zeile,  aber  inmitten  von  59  d 
aufhört.  Obwohl  der  Chantilly-Text  mir  nicht  zur  Hand  ist,  glaube 
ich  den  Turiner  Text  schon  deshalb  abdrucken  zu  sollen,  weil  er 
dadurch  vielleicht  allein  vor  endgiltiger  Zerstörung  geschützt  wird. 
Gleichzeitig  wird  die  Stelle  als  Probe  von  Jehans  Dichtweise  dienen 
können,  da  eine  Ausgabe  des  in  der  Chantilly-Hs.  17  459  Zeilen 
zählenden  Gedichtes  m.  "W.  noch  von  keiner  Seite  geplant  ist." 
Stengel  konnte  nicht  wissen,  daß  G.  Paris,  was  er  einer  besonderen 
Mitteilung  nicht  einmal  für  nötig  erachtete,  den  Text  aus  beiden 
Hss.  kannte  1),  was  aber  ganz  überflüssig  war,  da  das  von  Paris  an- 
geführte die  Frage  u.  a.  U.  entschieden  hatte.  Wohl  aber  konnte 
Stengel  wissen,  daß  ich  eine  Ausgabe  von  Rigomer  seit  1888  immer 
wieder  ankündige  (auf  dem  gelben  Umschlag  meiner  Romanischen 
Bibliothek),  und  in  meinem  Karrenroman  S.  XXIV  bemerkt  hatte, 
daß  ich  eine  Abschrift  davon  besitze  und  sie  bald  herausgeben  wollte.^) 

*)  Die  Hs.  von  Turin  hatte  er  damals  ausgeliehen..  Den  betreffenden 
Abschnitt  der  Chantilly-Hs.,  die  er  für  seine  Inhaltsangabe  früher  gleich- 
falls entlehnt  hatte,  kannte  er  durch  mich,  dem  er  seiner  Zeit  (1874) 
die  Erlaubnis  zur  Abschrift  und  Ausgabe  Rigomers  vom  Herzog  erwirkt  hatte, 

-)  Ich  habe  beides  sofort  nach  Empfang  von  St. 's  Druck  dem  Verf., 
dem  ich  auch  hier  für  seine  Zusendung  bestens  danke,  mitgeteilt:  das 
Erstere  wenigstens  bat  er  darauf  im  Litbl.  1905,  Sp.  182  b  bemerkt. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXIIi.  6 


82  W.  Foerster. 

G.  Paris  hatte  von  dem  Turiner  Text  —  en  pleine  connaissance 
de  cause  —  schon  rundweg  erklärt  (Hist.  Litt.  XXX  (1887)  S.  95): 
Cette  copie  n'a  donc  aucune  valeur.  Wenn  unter  diesen  Umständen 
schon  die  Zweckmäßigkeit  des  St.'schen  Abdrucks  fraglich  erscheint, 
so  ist  dies  noch  viel  mehr  der  Fall  bei  der  langen  und  ausführlichen 
Anzeige,  welche  E.  Bruggerin  dieser  Zs.  (XXX 2  S.  129 — 156)  dem- 
selben auf  26  Seiten  gewidmet  hat.  Anlaß  dazu  war  der  Besitz  einer  Ab- 
schrift desselben  Turiner  Stückes,  die  auch  B.  seiner  Zeit  abgeschrieben 
hatte,  sowie  die  Entdeckung,  daß  seine  Abschrift  von  dem  St.'schen 
Druck  oft  abweicht  und  gerade  an  Stellen,  wo  B.'s  Abschrift  offenbar 
das  Richtige  bot.  Brugger  schreibt  Seite  129  darüber:  „G.  Paris' 
Ansicht,  daß  die  Hs.  von  Chantilly  selbst  die  Vorlage  der  Turiner 
Hs.  war,  ist  in  sehr  einleuchtender  "Weise  begründet  worden. 
Immerhin  sollte  sich  jetzt,  da  der  Turiner  Text  veröffentlicht  ist, 
einer  der  in  Paris  3)  sich  aufhaltenden  Romanisten  die  kleine  Mühe  nicht 
verdrießen  lassen,  hierüber  Sicherheit  zu  verschaffen.  Sollte  sich, 
was  kaum  zu  bezweifeln  ist,  Paris' Ansicht  bewahrheiten^), 
so  ist  natürlich  der  Wert  des  Turiner  Textes  gering,  voraussichtlich 
auf  die  Linguistik  eingeschränkt.  Der  Kopist  hat  der  Hs.  den  Stempel 
seines  eigenen  Dialekts  (wallonisch)  stark  aufgedrückt." 

Da  der  Herr  Rezensent  all  dieses  weiß,  fragt  man  sich,  was 
er  denn  mit  seinem  langen  Aufsatz  eigentlich  bezweckt,  umsoraehr 
als  G.  Paris,  der  beide  Texte  vor  sich  gehabt,  bereits  klipp  und  klar 
gesagt  hatte,  was  auch  B,  seinerseits  wieder  zitiert:  Cette  copie  n'a 
donc  aucune  valeur.  Eine  Darstellung  der  Eigenheiten  der  uns 
übrigens  in  massenhaftem  Material  überlieferten  Mundart  des  Turiner 
Schreibers  ließ  sich  auf  2 — 3  Seiten  veranstalten  und  diese  uns  zu 
geben,  daran  hat  der  Rezensent  nicht  einmal  gedacht. 

Ich  habe  mich  nun  entschlossen,  die  Vorlage  C  des  Turiner 
Textes  im  folgenden  abzudrucken,  um  alle  vielleicht  noch  bestehenden, 
aber  jedenfalls  unberechtigten  Zweifel  an  dem  eigentlichen  Sachbestand 
endgültig  zu  beheben  5).  Der  bloße  Abdruck,  ohne  ein  einziges  Wort 
irgend  einer  Begründung,  erledigt  die  Sache  ein  für  allemal.  In  einem 
einzigen  Punkte,  der  freilich  von  untergeordneter  Bedeutung  ist, 
könnte  man  die  schroffe  Behauptung  von  der  Wertlosigkeit  des  Turiner 
Textes  in  Etwas  einschränken.  Die  (übrigens  überaus  flüchtig  geschriebene, 


3)  Die  Rigomer-Hs.  ist  nicht  in  Paris,  sondern  in  Chantilly.  Von 
meiner  Abschrift  und  meinen  stets  wiederholten  Ankündigungen  (ebensowenig 
von  Stengels  Notiz  im  Litbl.)  hat  auch  Brugger  nichts  gewufst. 

*)  Wie  B.  darüber  überhaupt  noch  einen  Zweifel  haben  kann,  da  er 
selbst  paar  Zeilen  vorher  zugegeben,  dafs  P.  seine  Behauptung  Chantilly 
(C)  sei  die  unmittelbare  Vorlage  von  Turin  (T),  insehr  einleuchtender 
Weise  begründet  hat,  ist  nicht  recht  klar. 

^)  Der  ganze  Abenteuerroman  von  Rigomer  erscheint  in  der  Dresdener 
Sammlung  der  Vol Im öll ersehen  Gesellschaß  für  romanische  Texte,  welche 
meine  Ausgabe  angenommen  hat.  Der  Druck  des  sehr  langen  Textes  hat 
eben  begonnen. 


Die   Vorlage  der  Tunner  Rigomer- Episode.  83 

auf  mehrere  Seiten  abgewetzte,  und  von  sehr  dunkeln  und  sehr 
schwierigen  Stellen  wimmelnde)  Hs.  von  C.  ist  unter  anderen  auch  da- 
durch schon  unbequem  herauszugeben,  daß  beim  etzten  Einbinden  das 
vernuuftlose  Messer  des  Buchbinders  mehreremal  halbe  oder  fast  ganze 
Worte  der  Verszeilen  abgeschnitten  hat.  Dies  geschieht  auch  zweimal 
(f.  bZ^ ^  und  f.  54 "^3)  in  dem  von  T.  abgeschriebenem  Stück,  dessen  Vor- 
lage damals  noch  unbeschnitten  war.  Nun  ließen  sich  zwar,  ohne  Kenntnis 
von  T  sämtliche  Stellen  (bis  auf  zwei,  V.  548,  wo  ich  an  provees 
gedacht  hatte,  und  V.  834,  wo  ich  mir  keinen  Rat  wußte)  ergänzen. 

Sonst  lehrt  uns  die  Tiiriner  Abschrift  all  das,  was  sich  ein 
altfranzösischer  Schreiber  beim  Abschreiben  seiner  Vorlage  erlaubt, 
und  insofern  ist  ein  Vergleich  der  beiden  Texte  von  C  und  T  z.  B. 
in  Seminarübungen  wohl  zu  empfehlen.  Es  sind  Dinge,  welche  jeder, 
der  einen  Text  nach  mehreren  Hss.  herausgeben  mußte,  ganz  genau 
kennt  und  die  jeder,  der  an  die  Bearbeitung-  eines  einhandschriftlichen 
Textes  herantritt,  wissen  sollte.  Abgesehen  von  den  unbeabsichtigten 
Flüchtigkeitsfehlern  beim  Abschreiben,  Auslassen  einzelner  Wörter,  finden 
sich  auch  eigenmächtige  Änderungen,  Ersetzen  anderer  Wörter,  geringere 
und  stärkere  Änderungen  des  Textes,  Auslassen  von  einzelnen  Zeilen  oder 
von  Verspaaren,  Umstellen  einzelner  Verspaare,  Einschub  von  Vers- 
paaren, Ersatz  für  in  der  Vorlage  fehlende  Silben,  Wörter  und  ganze 
Zeilen,  Besserungen  (schlechte,  aber  auch  sehr  gute)  von  Fehlern 
der  Vorlage  und  vieles  andere,  was  hier  nicht  erwähnt  werden  kann. 
Aus  einem  solchen  vergleichenden  Studium  ergeben  sich  für  den 
Herausgeber  eine  Reihe  von  Erfahrungssätzen,  die  auch  anderen  be- 
kannt sein  sollten.  Wer  so  sieht,  wie  so  leicht  Verspaare  ausgelassen 
werden  (und  gerade  C  hat  deren  viele  ausgelassen,  andere  noch 
obendrein  seinerseits  T),  wird  dann  nicht  die  mir  stets  unverständliche 
Scheu  vor  Annahme  von  Lücken  haben,  wie  man  mir  sie  z.  B.  beim 
Aufdecken  von  solchen  im  Kristian  immer  wieder  entgegengetragen 
hat,  natürlich  von  solchen,  die  eben  ähnliche  Arbeiten  nie  unternommen 
haben.  Selbst  vor  der  Heiligkeit  des  Reimes,  die  man  gern  von 
vornherein  annehmen  möchte,  macht  der  Schreiber  keinen  Halt,  und  wenn 
er  nur  Reime  änderte,  die  gegen  seine  Mundart  gehnl^)  Aber  er  (ge- 
rade dafür  gibt  T  drastische  Proben)  ändert  auch  solche,  wo  kein 
Anlaß  dazu  vorhanden  izt. 

Eine  andere  Verlegenheit,  in  die  ein  Herausgeber  eines  Textes 
nach  mehreren  Hss.  oft  gerät,  betrifft  die  reichen  Reime  von  geringeren 


*)  So  sei  besonders  auf  Z.  47-48  oir  (,Erbe'):  tenoir  in  C  hingewiesen, 
das  T  sehr  einfach  ohne  jedes  Kopfzerbrechen  in  avoir  geändert  hat.  Diese 
laiitgerechte  Entwickelung  des  lat.  tenere  verdient  nicht,  wie  es  Burguy 
II,  385  tat,  angezweifelt  zu  werden.  Aufser  seinen  zwei  Stellen  kommt 
tenoir  noch  oft  genug  vor,  wenn  auch  God.  blofs  die  erste  Burguy'sche  Stelle 
hat.  Schon  Rad.  v.  Cambr.  hats  noch  226.  258,  dann  Aioi  (s.  Anm.  zu 
3433),  Renaut  v.  M.,  Ogier,  Image  du  M.  und  schon  der  altehrwürdige 
Leodegar,  der  teuer  mit  aver  reimt. 

6* 


84  IV.  Foerster. 

Hs.,  die  mau  versucht  ist,  statt  der  geringeren  Reime  der  besseren 
Überlieferung  einzuführen.  Man  vergleiche  meine  Auslassungen  hierüber 
an  verschiedenen  Stellen  meiner  Kristianausgaben.  Ich  habe,  da 
es  sich  um  keine  eklektischen  Texte  handeln  kann,  dieser  Ver- 
suchung stets  widerstanden.  Auch  hier  ist  T  lehrreich,  da  er  reiche 
Reime  gegen  seine  Vorlage  einführt;  beachte  besonders  871.  872, 
wo  C  si:fali  reimt,  das  T  geschickt  in  si:issy  besserte.  Da  nun 
der  Dichter  eine  entschiedene  Vorliebe  für  reiche  Reime  hat,  wäre 
Jedermann  versucht,  hier  issi  für  ursprünglich  zu  halten,  was  aber 
nicht  der  Fall  ist. 

Viele  Fehler  der  Vorlage  hat  auch  T  übernommen,  und  natür- 
lich andere  aus  eigenem  eingeführt.  Eine  Aufzählung  der  einzelnen 
Fälle  kann  ich  mir  wohl  schenken. 

Ich  drucke  nun  im  folgenden  den  Text  von  C  ab  und  zwar 
ohne  an  der  Schreibung  des  Schreibers  etwas  zu  ändern.  Nur  die 
notwendigsten  Änderungen  habe  ich  eingeführt.  Die  Ziffern  links 
geben  die  fortlaufende  Zählung  der  Zeilen,  wie  sie  in  C  stehn'); 
die  Ziffern  rechts  geben  die  Zählung  des  Turiner  Textes,  wie  er 
gedruckt  ist,  und  im  folgenden  (dies  muß  eigens  bemerkt  werden) 
sind  alle  Zeilenzitate  in  dieser  zweiten,  rechts  stehenden  Zählung 
gegeben.  Dies  war  nötig,  weil  B.'s  Aufsatz  diese  Zählung  hat  und 
daher  nur  durch  deren  Beibehaltung  der  Text  leicht  und  ohne  Zeit- 
verlust eingesehen  werden  kann. 

f.  5P'2]  Wegnor,  oiies  que   dire  voel: 

^  .i.  jour  estoit  a  Estriguel 

Li  rois  Artus  et  ses  barnages, 

Ases  i  ot  et  fols  et  sages, 
5  Mout  i  ot  rois  et  dus  et  contes. 

Ce  nous  tiesmoigne  eis  acoutes 

Que  par  .i.  jour  de  venredi 

Apres  eure  de  miedi 

—  Gel  jor  avoit  on  jeune  — 
10  Por  mangier  furent  äune. 

Auques  estoit  avant  le  soir, 

AI  maugier  durent  aseoir. 

Encor  n'i  avoit  main  lavee 

Quant  par  une  rue  cavee 
15  Virent  venir  encontreval 

Une  damoisiele  a  ceval. 

Mout  ert  travellie  et  lasee. 


'')  Warum  ich  nicht  die  Zeilenzählung  Rigomers,  die  mit  15  923 
begänne,  gebe,  erklärt  sich  aus  dem  Zweifel,  ob  ich  in  meiner  Zählung 
nicht  irgendwo  gefehlt  habe,  was  erst  im  Druck  des  ganzen  Textes  sich 
herausstellen  kann. 

12  duront  Hs. 


Die   Vorlage  der  Turiner  Rigomer-Episode.  85 

De  .1.  et  une  jornee 

Venoit  la  pucele  de  lonc 
20  A  le  cort  por  mout  grant  besoig. 

Mout  fu  travellie  et  estraite: 

Por  descendre  est  al  peron  traite. 

Li  Chevalier  encontre  vont, 

Qiii  por  li  mout  grant  joie  fönt. 
25  Mise  Tont  fors  de  la  sanbue. 

Gavains  le  prist  par  le  main  nue, 

Qui  grant  joio  en  a  demenee; 

Devant  le  roi  Ten  a  menee. 

Le  roi  salue  en  son  langage 
30  Et  le  röine  et  le  barnage, 

Et  puis  si  parole  mout  brief. 

Fors  de  son  sain  a  trait  .i.  brief, 

Le  roi  l'a  mis  ens  en  le  main. 

II  le  livra  .i.  capelain, 
35  Puis  dist:  „Clers,  or   vos  convient  lire, 

Si  sarons  que  eis  bries  veut  dire." 


B 


'laus  fu  li  bries  et  li  saiaus. 
Et  li  clers  fu  de  lire  isniaus. 
Quant  il  ot  le  letre  veue, 

40  >,Sire,"  dist  il,  Ja  vos  salue 

La  pucele  de  Quintefuelle, 
Qui  a  plus  mal  qu'ele  ne  voelle. 
Qintefuelle  est  une  cites, 
S'i  apent  une  roiautes. 

45  Une  damoisiele  en  est  dame, 

Le  citet  tient  et  le  roiaume. 
Mors  est  ses  peres  sans  autre  oir, 
Por  Qou  le  vout  cuite  tenoir. 
Uns  Chevaliers  par  son  outrage 

50  Li  fait  grant  paine  et  grant  damage. 

Li  peres  de  li  fu  ses  oncles, 
Pruec  veut  dire  q'il  n'avint  onques 
Ca  fame  remasist  la  tiere. 
f.  öP'g]  Por  tant  le  veut  sor  li  conqerre. 

55  Jure  en  a  se  loiaute 

Sor  tous  ciaiis  de  le  roiaute, 
Qui  contre  lui  en  esteront 
Et  le  pucele  en  aideront, 

18  .1.  =  cinquante  —  19  1.  loig  —  22  ch'rs  Hs. 
26  .G.  Hs. 
42  a  fehlt  Hs. 
49  chr's.    Hs. 


86  W.  Foerster. 

S'il  em  puet  venir  au  deseure, 
60  II  les  destraira  a  une  eure. 

Or  ont  autel  paor  de  li 

Qu'ele  De  velle  faire  ausi. 

Por  ^ou  ont  esgarde  entr'aus, 

Ains  que  plus  en  soit  fait  de  maus, 
65  Que  par  .ii.  homes  sera  fait, 

Qui  desrainier  le  puet,  si  l'ait. 

Mais  li  pucele  a  grant  anui: 

Cil  ne  veut  respondre  nului, 

Ne  home  respondre  ne  daigne  70 

70  Fors  le  roi  Artu  de  Bertaine.  69 

Par  gentelise  et  par  son  droit 

Dist  q'autrui  respondre  ne  doit. 

Or  vos  mande  por  Diu  äie 

Cele  qi  mout  est  esbahie. 
75  Sire  gantius,  li  rois  des  rois, 

En  cui  cort  sont  les  bones  lois 

Et  toutes  les  bones  coustumes, 

Et  les  mauvaises  en  escumes. 

Ja  vos  proie  toute  se  cors, 
80  Per  Diu,  que  li  facies  secors, 

Car  se  vous  n'em  prendes  conroi, 

N'avra  garant  contre  le  roi, 

Ne  soit  tornee  en  descepline. 

Ja  n'iert  contesse  ne  roiine. 
85  De  loDC  vous  a  reqis  ici 

Que  vos  aiies  de  li  merci, 

Que  li  haus  pere  le  vos  mire, 

Qui  de  tous  les  segnors  est  sire," 

Endementiers  que  eil  lisoit, 
90  La  pucele  forment  pleuroit, 

De  ses  vairs  iex  rians  et  biaus 

Ceurent  les  larmes  a  ruisiaus, 

Aval  li  descendent  de  haut 

Sor  l'entrepan  de  son  bl'iaut. 
95  Li  rois  Artus  l'a  regardee: 

Quant  il  le  vit  si  esploree, 

Si  Tapiela:  „Suer,  douce  amie, 

Biele,"   dist  il,  „ne  plores  mie, 

Car  vostre  dame  iert  secorue. 


60  destraira]  so  Hs.,  wohl  destruira  zu  bessern. 

64  de  fauf. 

76  En]  E  1  Hs.     78  en  ef  cumef. 

85  v^  are  qis  Hs. 

90  pleroit  Hs. 


Die   Vorlage  der   Turiner  Jligomer-£Jpisode.  87 

100  Ales  anoncier  me  veuue. 

Con  hien  a  jusc'a  l'asenee?" 

Et  cele  qi  est  esploree 

Li  dist:  „Biaus  sire,  en  .vij.  semaines 

I  poroit  on  venir  a  paines." 

]05  T   ^  ^^^^  ^^^  ^^^^  ^  ^^^^^  traite 

JLi   Chies  la  roiine  quin  a  faite 
f.  52'',]  Mout  grant  joie  et  mout  grant  deduit, 

Biel  le  herbega  cele  nuit. 

Ens  el  demain  la  raatinee 
110  Est  cele  tempre  aceminee  ...  110 

Et  conte  le  roi  le  mervelle,  * 

Mout  durement  s'en  esmervolle,  * 

Dont  li  raenbre  de  Eigoraer.  111 

„Lors  me  convient,"   fait  il,  „aler 
1  ]  5  Ausi  bien  aventure  querre 

Con  les  autres  fors  de  ma  terre." 

„Sire,"  gou  dist  se  baronie,  115 

„Par  no  consel  n'ires  vos  raie! 

Por  vos  i  voist  li  uns  de  nos," 
120  „Dont  soie  jou  honis  et  cous," 

Dist  li  rois,  „se  ja  i  envoi 

Nul  autre  Chevalier  que  moi."  120 

Lors  avous  .i.  tempore  voir 

C'au  jor  que  li  rois  dut  movoir 
125  Manda  tous  ses  barons  sans  fale 

A  Tintaguel  en  Cornualle. 

La  fu  mout  grans  li  baronie  ,  125 

Et  fiere  li  chevalerie. 

La  veist  on  dames  plorer, 
130  Puius  tordre  et  gimples  descirer, 

Et  li  Chevalier  de  valor 

Pleurent  et  mainent  grant  dolor.  130 

De  duel  faire  i  ot  grant  desroi 

Por  Tamistie  del  noble  roi. 
135  Ses  armes  fait  on  aporter, 

Les  mellors  que  on  puet  torver. 

Quant  les  cauces  lacies  ot  135 

Au  miex  et  au  plus  biel  c'on  sot, 

Uns  esperons  trencans  d'acier 


106  qui  ua  Hs.  —  110  Hs.  keine  Lücke. 

122  131  ch'r.  Hs. 

123  auoiis  (entweder  avous  =  es  vos  oder  in  avint  zu  ändern);  T:  a  vous. 
136  toruer  so  Hs.  (!),  ist  aber  keine  Stütze  für  turbau,  da  solche 

Umstellungen  des  /•  unserm  Schreiber  ganz  geläufig  sind.  139  ünes. 


88  W.  Foerster. 

140  Li  fönt  sor  les  cauccs  lacicr. 

Apries  li  ont  Taubere  viesti 

Et  lacent  l'elme  resclaci.  140 

Plus  li  fönt  une  espee  gaindre, 

Qlü  de  trencier  ne  se  set  faindre. 
145  On  li  amaine  .i.  ceval  vair: 

Si  tos  ne  vole  oisiaus  en  air, 

Con  li  cevaus  estoit  courans,  145 

Fors  et  hardis  et  encontran«. 

Quant  li  cevaus  fu  amenes, 
150  N'ot  encor  mie  tout  son  ses 

Li  gentius  rois,  li  de  bon'  aire, 

Ne  set,  de  cui  escuier  faire.  150 

Sacies  que  mesire  Gavains 

S'era  presenta  tox  premerains. 
155  „Sire,"   dist  il,  „o  vos  irai 

Et  vostres  escuiiers  serai." 

„Nies",  dist  li  rois,  „n'i  venres  mie,  155 

f.  52 ''o]  Ains  garderes  le  baronie 

Et  la  röine  et  le  roiaume. 
160  Et  se  je  muir,  par  le  moie  ame, 

Jou  veul  que  le  roiaume  aies: 

En  vos  iert  il  bien  emploiies.  160 

Mais  onqes  ne  laisies  tort  faire 

La  röine  de  son  doaire." 
165  A  cest  mot  est  recommencies 

Li  cris  et  li  deus  enforcies. 

Des  gentius  dames  äirees  165 

I  I  ot  maintes  treces  tirees. 

Des  Chevaliers  menüement 
170  I  ploroient  plus  de  .v.  cent. 

Dont  se  presenta  Engrevains, 

Gaharies  et  Cadovains,  170 

Et  puis  li  Chevaliers  al  Cor 

Et  li  Valles  al  Cercle  d'or. 
175  Puis  se  presenta,  ce  m'est  vis, 

Li  Biaus  Mavais,  li  Lais  Hardis. 

Dont  se  presenta  Carahes  175 

Et  Saigremors,  li  Desrees, 

Et  apres  Melians  de  Lis, 
180  Cliges  et  Bliobleheris. 

E  vous  Yvain  del  Lioniel, 


1Ö3  .G. 

172  Aharies. 

173  ch'r. 

175  cest  mest  uis..     178  li  des  fees. 


Die   Vorlage  der  Turiner  Rigomer-Episode.  89 

Yvain  l'avoltre,  Yvain  le  biel, 

Yvain,  le  fil  a  le  Somiere, 

Cil  s'i  prosentent,  ce  m'est  viere.  182 

185  Yvains,  fius  le  roi  Eurien,  * 

S'i  presenta  autresi  bien.  * 

Et  mesire  Gaudins,  li  Bruus,  183 

Et  apres  lui  en  i  vint  uns 

Qui  se  prousente  con  preudom,  185 

190  Erec,  li  fius  Lac,  ot  a  non. 

Apres  en  i  ot  un  venu, 

Qui  ot  non  Itiers,  li  tiex  Nu. 

Cil  fu  bons  Chevaliers  loiaus, 

Si  se  prousente  cou  vasaus.  190 

195  „Sire,"   dist  il,  „en  ceste  voie 

Mout  voleutiers   vos  serviroie." 

A   tant  iestes  vos   lonet 

Et  Germion  et  Dodinet! 

Cil  se  prousenterent  ensamble,  1 95 

200  Et  tant  des  autres,  ce  me  samble, 

Que  bien  furent  .1.  et  .iii. 

Tous  li  pires  valoit  .i.  roi 

Por  desfendre  et  por  asalir 

Et  por  fort  estor  maintenir.  200 

205  Nes  voel  or  mie  tos  nomer, 

Car  trop  aroit  a  aconter. 

Quant  cascuns  se  fu  prosentes, 

Li  rois  les  a  tous  refuses. 
52^3  De  cascun  a  moustre  raison,  205 

210  S'il  le  devoit  mener  ou  non. 

Mais  ne  vous  voel  tout  gou  descrire, 

Car  trop  i  averoit  a  dire. 

Li  rois  monta  sor  le  destrier, 

Gavains,  ses  nies,  li  tint  l'estrier.  210 

215  Quant  en  le  siele  fu  asis, 

Son  pie  regarde,  si  a  ris. 

„Sire",  dist  mesire  Gavains 

Qui  de  tous  biens  estoit  certains, 

„Pecie  faites  et  tort  aves:  215 


182  Yain  le  oltre  yain. 

183  Yains  li  fius. 

184  Si  prosenterent  ce;  vgl.  199. 
]8.")  Yoains. 

188  Et  pres. 

•20.")  Nel. 

211  descri  |    Kest  abgeschnitten. 

213  Le 

214  .G. 


90  W.  Foerster. 

220  Ma  dame  pleure  et  vos  ries. 

En  ne  vees  le  baronie, 

Qui  si  est  por  vos  esmarie? 

Ces  bieles  dames  esplorees 

Sont  pales  et  descoulorees."  220 

225  Et  la  ro'ine  a  respondu: 

„Gavains,  vos  aves  bien  veu 

Que  mesires  m'a  en  despit, 

Quant  por  lui  pleur  et  il  s'en  rit." 

Dame",  ^ou  dist  li  rois  Artus,  225 

„Si  m'äit  Diex  et  se  vertus, 

Se  jou  ai  ris,  jou  ai  bon  droit, 

Si  vos  mousterai  or  endroit, 

Et  se  moutrer  nel  puis  briement, 

Pres  sui  que  jou  le  vos  ament."  230  ^ 

235  „Sire,  vos  dires  vo  voloir." 

„Dame,  si  vous  dirai  tot  voir.  .  . 

Que  el  monde  soit  a  mon  tans 

Armes  et  courone  portans. 

De  celui  roi  ne  di  jou  mie,  235 

240  Qui  tous  nos  a  en  se  bailie, 

Mais  jou  di  des  rois  terriens 

Et  sarasins  et  crestiiens. 

Se  nus  se  prent  a  moi  de  gerre, 

Jou  sui  tox  fis  de  lui  conquerre,  240 

245  Et  seul  a  seul  et  cors  a  cors, 

N'iert  il  ja  si  fiers  ne  si  fors, 

Que  jou  me  volente  n'en  face. 

AnQois  qu'il  isse  de  la  place, 

En  ferai  jou  nie  volente  245 

250  Et  il  avra  le  dolente." 

Et  la  roiine  respondi: 

„Sire,  jou  tiesmoig  bien  et  di, 

Que  Chevaliers  estes  si  buens, 

Miudres  de  vous  u'est  rois  ne  cuens.  250 

255  Se  vos  por  tel  cose  aves  ris, 

Vous  n'i  aves  nient  mespris." 

„Dame,"  dist  il,  „ains  i  a  plus: 

220  uos  ires 

226  .G. 

228  pleure. 

234  arment. 

236  In  Hs.  keine  Lücke. 

246  fiert. 

253  ch'r  —  bues. 

254  rois  ne  c  1    Rest  abgeschnitten. 


Die   Vorlage  der  Turiner  Rigomer-Episode.  91 

Car  jou  vos  di  sans  nul  refus: 

Jou  siec  sor  le  mellor  destrier,  255 

f.  52'i]  Qui  onques  portast  Chevalier; 

Car  maintes  fois  Tai  esprove 

Et  tous  jors  Tai  si  bon  trove. 
,Miudres  cevaus  ne  ausi  bons 

Ne  senti  onques  esperons."  260 

265  „Sire,"  dist  ele,   „bien  le  sai, 

Maintes  fois  oi  dire  Tai, 

C'onqes  miudres  n'isi  d'estable, 

Ne  miudres  rois  ne  sist  a  table, 

Que  vos  estes  fors  celui  roi,  265 

270  Cui  jou  aour  et  cuit  et  croi 

Et  qui  pri  de  vo  revenue." 

„Dame,"  dist  il,  „clere  veue, 

Encor  i  a  .1.  autre  point 

Que  jou  ne  vos  celerai  point.  270 

275  Trestous  li  miudres  Chevaliers, 

Li  plus  vaillans  et  li  plus  fiers, 

Me  tint  mon  estrier  au  monter 


Por  Qou  sui  jou  si  esjöis,  275 

280  Que  mout  en  esforgal  mon  ris. 

Por  tant  que  de  lui  me  sovigne 

Et  jou  m'espee  en  mon  poig  tigne, 

Ne  perderai  piain  pie  de  tiere, 

Ains  vaurai  sor  autrui  conqueire."  280 

285  Quant  li  rois  ot  dit  son  voloir 

De  celui  qi  tant  dut  valoir, 

La  roiine  bien  Tentendi, 

Mais  onqes  mot  ne  respondi. 

Li  rois  forment  se  courega,  285 

290  Par  raautalent  li  demanda: 

„Dame,"   dist  il,   „par  cele  foi 

Que  vos  deves  le  cors  de  moi, 

Por  q'est  ^ou  que  vos  ne  löes 

Qou  que  jou  lo,  quant  vos  l'öes?"  290 

295  La  röine  l'a  entendu, 

Del  respondre  n'a  atendu, 

Se  tant  non  qu'ele  angois  ne  pot. 


270  aoure. 

278  Keine  Lücke  in  Hs.  —  T.  ergänzt  auf  eigne  Faust  vor  27S:  Quy 
soit  en  cest  siecle  mortel. 

279  sulou. 

294  loe  quant  (+  1). 
297  quele  arois  ne. 


92  W.  Foerster. 

Et  dist  au  roi  ^ou  que  li  plot : 

„Rois,"   dist  ele,  „par  qel  raison  295 

300  Diroic  jou  so  le  voir  non? 

*  Ne  jou  por  coi  tiesmoigneroie 

Cose  que  de  voir  ne  saroie? 

Ja  n'eu  seroit  miudre  .1.  aloe 

300 

305  N'a  pas  lonc  tans  que  jou  apris 

Que  teus  n'est  pas  de  si  haut  pris, 

Qui  ne  feroit  ne  gaires  mains 

D'armes  que  niesires  Gavains. 

Bons  Chevaliers  est  il  por  voir,  805 

oU)  Mais  ausi  bon  i  puet  avoir." 

Li  rois  s'en  äira  forment, 
52^2]  J^^re  en  a  ireement: 

„Trover  vos  convenra  ancui 

Le  mellor  Chevalier  de  lui,  310 

315  Ou  le  teste  en  avres  trencie. 

Mar  fu  ceste  evre  comraencie, 

Ne  mar  i  aves  contredite 

Le  parole  que  jou  ai  dite. 

Se  vos  ne  troves  a  par  main  315 

320  Mellor  Chevalier  de  Gavain, 

Bien  em  pöes  perdre  la  teste." 

Dont  n"i  ot  il  ne  ju  ne  feste, 

Ains   m  li  grans  dius  redobles 

Et  cascuns  des  barons  torbles.  320 

'^  I     i  rois  la  röine  manace 

J— ^   Et  a  talent  que  mal  li  face. 

Tout  a  ceval  vers  li  s'adrece, 

Ja  Tevust  prise  par  le  trece 

Et  si  l'eust  vers  lui  tiree  325 

330  Et  de  son  cors  mal  atiree, 

Se  ne  fusent  li  haut  baron, 

Qui  sont  entor  et  environ. 

„Sire,"  fönt  il,  „^ou  n'i  a  mie, 

Car  trop  seroit  grans  vilonie.  330 

335  Por  tel  mesfait  comme  ci  monte 

N'avra  ja  la  roiine  honte; 


303  miudres  .i.  aloe. 

304  Keine  Lücke  in  Hs.—  T.  hat  eigenmächtig  ergänzt:    Volez  vous 
ore  que  je  loe. 

31G  oeuure  T. 
318  iou  a 
334  grant 


Die   Vorlage  der   Turiner  Rigomer- Episode.  93 

Car  rou  seroit  vilaine  cose." 

Mout  le  laidist  cascuns  et  cose.  334 

Quant  il  Torent  ases  cose  * 

340  Et  Gavains  Tot  bien  escoute,  335 

Lors  a  parle  si  hautement,  337 

■Que  tous  li  barnages  Tentent, 

Et  si  en  a  jure  se  vie: 

„Ne  rai  qui  m'en  portra  envie,  340 

34,")  Mais  se  la  noise  ne  desfaites, 

Ja  i  avra  espees  traites." 

A  cest  mot  acoise  la  place, 

N'i  a  celui  qi  noise  face. 

Et  mesires  Gavains  parole  345 

350  A  la  röine  et  si  l'acole. 

„Dame,"  fait  il,  „joians  et  lie 

Soiies  ne  mie  corecie; 

Car,  par  la  foi  que  jou  vos  doi, 

Bien  vos  acorderai  au  roi.  350 

355  Car  tel  i  a,  que  que  on  die, 

Par  cui  seres  bien  garandie; 

Car  tel  i  sai  et  tel  i  voi, 

Qui  mout  est  plus  vaillans  de  moi." 

„Sire,"  dist  la  röine  a  lui,  355 

360  „Se  Diex  me  jet  de  cest  jor  d'ui, 

Se  vous  acorder  me  pöes, 
52^3]  Mesire  et  mes  amis  seres. 

Jamals  nul  jor  ne  vos  fauroie, 

De  quanque  faire  vos  poroie,  360 

365  Et  si  vos  ai  en  convenent 

Sor  m'arme  et  sor  mon  savement, 

Que  de  tout  gou  que  jou  i  dis 

Onqes  por  vo  despi  nel  fis." 

Dist  mesire  Gavains:  „Par  m'ame,  365 

370  Jou  sai  mout  biel,  me  biele  dame! 

Onques  ne  vos  en  escondites, 

Que  jüu  sai  bien  que  voir  me  dites." 


G' 


_2_avains  le  roi  em  apiela, 

Onques  li  rois  nel  regarda.  370 

375  II  le  rapiela  autre  fois. 


339  fehlt  T,  der  dafür  nach  340  einschiebt:  Ens  en  la  presse  avant 

se  boute. 
340.    34'j  I  .G. 
345  desfaces 
355  qui  q  on 
369  .G. 


94  W.  Foerster. 

„Sirc,"   dist  il,  „entendes  moi! 

As6s  vos  ai  lonc  tans  servi, 

Onqes  vo  gueredon  ne  vi; 

Car  ne  vos  ai  gaires  rouve  375 

380  Et  vos  petit  m'aves  done, 

Mais  or  vos  vel  requerre  .i.  don 

Par  amor  et  par  gueredon. 

Vers  la  roiine  iestes  ires, 

Et  a  parmain  vos  en  ires;  380 

385  Mais  angois  vel  faire  le  pais." 

„Nies,"   dist  li  rois,  „soiies  em  pais! 

Tant  m'a  mesfait  outreeraent, 

Ne  li  pardonroie  nient." 

„Sire,"   dist  il,   „quant  del  pardon  385 

390  Ne  puis  avoir  otroi  ne  don, 

N'en  voel  estre  contre  vo  dit. 

Dones  la  roiine  .i.  respit 

Dessi  a  vostre  revenue! 

Dout  iert  madame  porveue,  390 

395  Que  bien  vos  rendera  raison 

Outreement  sans  ocoison. 

Et  s'ele  n'a  moiit  bon  garant, 

Si  resera  a  vo   comraant." 

Dont  s'escrie  tous  li  barnages:  395 

400  „Bien  dist  Gavains,  li  preus,  li  sages! 

Bien  le  pöes  si  otroier,  398 

Si  vos  en  volons  tout  proiier."  397 

Li  rois  a  graut  paine  l'otroie, 

Et  la  roiine  en  ot  tel  joie,  400 

405  Qu'ele  li  dist  tout  en  riant: 

„Sire,  c'iert  par  .i.  covenant, 

Que  vos  a  mon  cois  prenderes 

Celui  que  avec  vous  menres." 

„Dame,"  dist  il,  „or  n'i  a  plus,  405 

410  Jou  le  ferai  sans  nul  refus." 

Dont  est  la  cors  si  resbaudie, 
f.  öo']^]  N'i  a  celui  que  il  n'en  rie, 

En  tel  maniere  Gavains  fine 

Envers  le  roi  de  le  roiine.  410 

415  Bien  i  a  fait  gou  q'il  devise; 

Car  entr'aus  .ii.  a  tel  pais  mise, 


381  .1.  don  (doin  dialektisch  oder  dorn). 

388  oder  pardouroie  (Hs.  ii). 

396  (Outree)ment  und  397  (fel)e  abgewetzt. 

400  .G. 

413  .G. 


Die    Vorlage  der  Turiner  Rigomer- Episode.  95 

Que  toute  lor  ire  abaisierent, 

Au  departir  s'entrebaisiereiit. 

La  roiine  a  cou  qu'ele  rueve,  415 

42U  Mout  vaillant  escuiier  li  trueve, 

C'est  Lanselos  del  Lac  por  voir; 

Car  n'i  püust  mellor  avoir. 

Dont  prent  congie,  q'il  angois  pot. 

Li  rois  en  maine  Lanselot,  420 

425  Jon  n'ai  mie  bien  lor  jornees 

Eetenues  ne  erabrievees; 

Car  il  en  i  ot  mainte  dure; 

Mais  ceste  premiere  aventure 

Qui  lor  avint  vous  conterai  425 

430  Ensi  comme  oi  dire  Tai, 


Vi 


ait  s'ent  li  rois  et  sa  corapaigne 
Et  entre  en  une  terre  estraigne 

En  une  grant  foricst  ramee. 

Ja  ert  li  sietime  jornee,  430 

435  Quant  il  troverent  .i.  manoir, 

Ou  il  faisoit  mal  reraanoir; 

Haut  mur  i  ot  et  forte  tor. 

En  demie  jornee  entor 

N'avoit  ne  castiel  ne  doignon,  435 

440  Borde  ne  vile  ne  maison. 

Ja  dis  fu  mes  a  .i.  rice  liome, 

Or  estoit  mors,  ^ou  est  la  some. 

Mout  i  mest  bien  tant  q'il  fu  vis; 

Apres  se  mort,  ce  m'est  avis,  440 

445  Ürent  robeor  essillie 

Se  fame  et  toute  se  mainie; 

Pris  avoieut  le  remanaut 

Et  s'estoient  laiens  manant. 

Por  le  fort  tor  et  le  haut  mur  445 

450  I  manoient  tout  a  seur. 

De  ces  larons  dont  je  vos  dis 

Mien  ess'ient  i  avoit  .x.  . 

Li  .V.  n'estoient  mie  el  mes, 

Mais  li  .V.  estoient  remes.  450 

455  Quant  il  virent  venir  le  roi 

Et  Lanselot  a  tel  conroi, 


417  =  abaissierent. 
432  estrenne. 
445  Lorent. 
449  forte  (+  1). 
451  di. 


465  moura  (—1  ). 

474  ioust  ert  m"ie. 

485  q'te. 

486  tist  Lanselos  wide 

488  auino. 

489  abatii  andoi. 
491  destrie. 


96  W.  Foerster. 

Li  uns  dist  a  Tautre  en  riant: 

„Ci  nous  vienent  .ii.  marceant, 

Qui  cevauceut  .ii.  biaus  poutriaus.  455 

460  Alons  partir  a  lor  torsiausi" 

Tout  sollt  de  lor  armes  garni. 

Li  uns  fors  del  castiel  issi 

Et  dist  as  autres:    „Soiies  coi! 
f.  53'2]  Ja  por  ces  ,ii.,  comme  ci  voi,  460 

465  Mar  se  mouvera  nus  de  vous.-* 

„Voir,"  dient  il,  „nou  ferons  nos, 

Se  nous  ne  veons  grant  besoig." 

„Mar  en  avres,"  ce  dist,   „nul  soig." 

A  tant  s'en  ist  lance  levee,  465 

470  Mout  avoit  bien  le  tieste  armee,  * 

Envers  le  roi  s'est  avoiies.  * 

„Lanselot,"   dist  Ii  rois,  „voiies!  * 

Cist  n'aporte  ne  pais  ne  triue.  * 

Geste  premiere  jouste  ert  miue."  * 

475  A  tant  s'est  vers  lui  adrecies;  468 

Mais  Lanselos  s'est  avancies:  467 

Aius  que  Ii  rois  i  puist  venir,  469 

Le  vait  Lanselos  si  ferir,  470 

Que  del  ceval  l'a  abatu 
480  Contre  tiere  tout  estendu, 

Si  qu'il  Ii  a  le  cuise  fraite. 

Quant  eil  voient  le  jouste  faite, 

Uns  autres  s'en  issi  esrant  475 

Annes  sor  .i.  ceval  ferrant. 
485  Et  Ii  rois  encontrer  le  quide, 

Mais  ains  en  tist  la  sele  vuide 

Lanselos,  que  Ii  rois  i  vigne. 

Comment  que  des  autres  avigne,  480 

Or  sont  il  andoi  abatu: 
490  Li  troi  sont  del  castiel  issu, 

Cascuns  armes  sor  son  diestrier. 

Lanselos  feri  le  premier, 

Que  jus  del  ceval  le  convoie,  485 

Sor  .i.  mellier  dales  le  voie 
495  L'en  a  porte  plaine  se  lance, 


Die  Vorlage  der  Turiner  Rigomer- Episode.  97 

Et  eil  cäi  sor  une  brance. 

Li  melliers  ert  bas  et  brancus: 

Entre  .ii.  brances  fiert  Tescus,  490 

Dont  eil  avoit  le  guige  au  col. 
500  Or  se  puet  eil  tenir  por  fol, 

Qu'il  ne  l'ot  ostee  par  taus; 

Par  le  guige  i  remest  pendans. 

Et  Lanselos  lance  sor  fautre 

Guencist,  si  vint  ferir  .i.  autre.  495 

505  Abatu  l'a  si  malement, 

L'arme  s'en  vait,  li  cors  s'estent. 

Et  quant  li  rois  voit  celui  pendre, 

Qui  sa  lance  ne  puet  reprendre, 

Grant  ris  en  ot,  ear  eil  ens  tint.  500 

510  Et  Lauselos  feri  le  quiut, 

Abatu  l'a  si  qu'il  l'afole, 

Le  brag  li  brise  et  le  cauole, 

Li  cuers  el  ventre  li  parti. 

Or  sont  li  torsiel  departi.  505 

515  Que  qu'il  avoient  devise, 

f.  53 '^q]  ^^  sont  il  tout  mal  eonfesse, 

Et  li  Berton  biel  se  maintinrent, 

Jusqu'a  la  tor  lor  voie  tinrent; 

Bien  fönt,  quant  il  la  s'adrecierent.  510 

Viande  i  truevent,  sei  cargierent, 
520  Lors  se  departent,  si  s'en  vont. 

Tant  cevaucent  que  trovö  ont 

AI  tierg  jor  le  Male  Gaudine, 

Ou  trop  avoit  de  sauvecine.  515 

De  singes,  d'ors  et  de  lions 
525  I  avoit  mout  grans  legions, 

Serpens,  lupars  et  autres  bestes 

A  trencans  dens,  a  grosses  testes. 

Maint  preudome  ont  trait  a  essil,  520 

Or  est  li  rois  en  grant  peril 
530  Quant  el  bos  durent  par  entrer. 

De  ciaus  vos  sai  dire  et  eonter, 


499  le  guise. 

502  pendan. 

Ö09  eustint. 

517  maintirent. 

')18  tirent. 

ö27  autres  be  |  Rest  weggeschnitten,  ebenso 

ö28  grosses  t  |  und 

529  trait  | 

')31  entre  | 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXX lI'. 


98  W.  Foerster. 

Que  li  preudome  tresi)asant, 

Qui  el  päis  furent  manant,  525 

Avoient  as  caisiies  pendues 
535  Haces  danoises  et  ma^ues, 

Por  ciaus  garir,  qi  la  pasoient 

Et  de  lontains  päis  venoient. 

Quaut  eil  qi  de  Qa  sont,  les  prendent,  530 

540  Outre  s'en  votit,  de  la  les  pendent, 

Se  le  bos  pueent  trespaser. 

Eusi  les  en  convient  outrer.  534 

Et  eil  qi  les  prendent  de  la,  * 

Ausi  les  rependent  de  ga.  * 

545  Ensi  estoient  coustumier,  536 

A  maint  preudome  avoit  mestier.  535 

Mais  ja  Lanselos  nc  li  rois  537 

N'öussent  pris  de  qou  conrois, 

Ains  s'en  aloient  tot  amblant. 
550  Quant  el  bois  furent  par  entrant,  540 

S'encontrerent  .i.  Chevalier 

Mout  bien  arme  sor  son  destrier. 

Cil  n'ot  menbre,  ou  n'eust  plaie 

Grande  ou  petita,  dont  san  raie. 

555  /^uant  del  bos  le  virent  issant,  545 

\jL  Bien  fu  a  lui  aparisant, 
Qu'il  avoit  les  biestes  trovees, 
Qai  mal  furent  vers  lui  privees. 
Quant  Lanselos  venir  le  voit, 


532  sa. 
535  penduf. 

537  paso  I  Rest  weggeschnitten,  ebenso 

538  venoien  | 

539  pren  | 

540  p  I 

542  outre  |    Rest  weggeschnitten  (T:  ourer). 

543  pendent 

546  auoit  |    Rest  abgeschnitten,  ebenso: 

548  conro  | 

549  aml  | 

550  ent  | 

552  de  I 

553  neust  | 

554  sa  I 

555  de  —  \irent  | 

556  aparisa  | 

557  trou  I 

558  lui  I 

559  le  u  I 


Die   Vorlage  der'    Turiner  Rigomei'-Episode.  99 

560  Celui  qui  taute  plaie  avoit,  550 

II  le  saliie,  et  eil  respont: 

„Sire,"   fait  il,   „ves  ci  .i.  pont, 

Pres  de  ci  sort  une  riviere; 

Mais  bien  sacies  q'il  m'est  aviere, 
565  Se  vos  outre  le  pont  pases,  555 

Vos  avres  de  le  honte  ases." 

Lanselos  voit  celui  sangleut, 

Del  demander  ne  se  fist  lent, 
f.  53 ^i]  Ains  le  regarde  et  dist  a  lui: 

570  rSire,  que  Diex  vos  gart  d'auui!  560 

Dites  moi,  qi  gou  vos  a  fait, 

Et  Tocoison  et  le  forfait!" 

„Sire,"  fait  il,  „se  vos  passes 

Le  pont,  vos  le  savres  ases, 
575  Bien  troveres  qi  vos  dira,  565 

Mais  ja  a  vos  n'en  parlera." 

„Comment?"    qou  dist  li  rois  Artus, 

„Sont  gou  miracles  ou  vertus, 

Que  nous  troverons,  qi  diroit 
580  Et  puis  a  nous  ne  parleroit?"  570 


,.S' 


^ire,"  dist  eil,  „icis  boseages 
Est  tox  plains  de  biestes  sauvages, 

Que  nus  ne  puet  outre  paser, 

Que  Jamals  puise  repasser, 
585  Qu'il  ne  soit  mors  ou  si  navres  575 

Comme  jou  sui,  que  ci  vees, 

Qi  tant  ai  plaies  tot  par  tout, 

Ca  paines  pus  aler  atout. 

Mais  or  prendes  de  ees  raagues 
590  Et  de  ces  haces  esmolues,  580 

Dont  vos  aideres  al  besoig. 

Les  biestes  ne  sont  mie  loig; 

Que  en  espee  ne  en  lance 

Ne  pöes  vos  avoir  fianee." 
595  Dist  Lanselos:     „Car  me  nomes  585 

Les  biestes,  se  vos  les  saves!" 


560 

au  1 

563 

riu  1 

564  mest  | 

565 

pase  1 

567 

fangl 

368  fift  1 

587 

tant  a 

592 

lonc 

7* 


100  W.  Foersier. 

„0  je,"   dist  il,   „partie  en  sai, 

Que  Yolentiers  vos  nomcrai. 

Ours   et  lions,  pors  et  lupars 
600  I  a  graiiment  de  toutes  pars.  590 

Singes  i  a  et  boteriaus, 

Qui  es  dos  et  es  hateriaus 

Morgent  le  gent  a  grant  fuison ; 

Mout  lor  temprent  malle  puison. 
605  Tortues  i  a  et  culuevres,  595 

Qui  mout  fönt  de  mavaisses  evres, 

Casselles  et  sierpens  crestes, 

De  ces  i  a  mout  arestes, 

Et  si  a  corpiuDS  et  wivres, 
610  Donc  Diex  nous  face  tox  delivres!  600 

Deseure  tous  i  est  la  pante, 

Qui  par  toutes  les  fories  ante 

Et  fu  et  flambe  jete  fors 

Parmi  la  goule  de  son  cors 
615  Et  parmi  cascune  narine;  605 

Tant  par  est  de  mavaise  orine. 

Cele  bieste  dont  jou  vos  conte, 

Ele  n'esparne  roi  ne  conte, 

S'ele  le  puet  teuir  nule  eure, 
620  Qu'ele  erranment  ne  le  deveure.  610 

f.  53^'2]  Dementrues  qe  de  ^ou  parloient, 

Tout  .i.  cemin  gardent,  si  voient 

Venir  a  pie  .iiij.  sergans. 

Saietes  et  bons  ars  jetans 
625  Portoit  cascuns  por  lui  defendre,  615 

Et  bien  sacies,  sans  plus  atendre, 

Voloient  le  foriest  i^aser. 

Et  quant  il  viurent  a  l'entrer, 

Sacies  que  mout  grant  joie  avoient 
630  Des  Chevaliers  que  illuec  voient.  620 

Or  furent  ,vij.  en  lor  compaine, 

Li  .iiij.  et  li  doi  de  Bertaine, 

Et  li  Chevaliers  fu   sietimes, 

Qui  tout  estoit  sanglens  meiraes 
635  Et  qui  del  bien  faire  s'afaite;  625 

Car  n'avoit  pas  sc  voie  faite, 

Ains  estoit  ses  escuiiers  mors. 

En  la  foriest  gisoit  li  cors, 


605  culuerures 
621  parolent. 
62S  uirent. 


Die   Vorlage  der   Turiner  Rigomer-Episode.  101 

Dont  li  arme  estoit  fors  alee. 
640  Tout  droit  el  fons  d'nne  valee  630 

I/avoient  les  biestes  ataint, 

Devoiire  l'orent  et  estaint; 

Mais  li  Chevaliers  escapa. 
"  Mainte   bieste  apres  lui  hapa, 
645  Par  cui  ongles  et  par  cui  dens  635 

Estoit  par  tout  le  cors  sanglens. 

Mais  s'il  fust  en  la  grant  gaudine 

En  la  naive  parfondine, 

Ja  mais  escaper  ne  peust 
650  Per  nul  pooir  que  11  eust.  640 

Mais  or  est  si,  ce  m'est  avis, 

Que  il  ne  puet  escaper  vis. 

Lors  sont  tout  .vij.  a  .i.  acort, 

Et  j'ai  talent  que  je  recort, 
655  Que  Tuns  fait  l'autre  buen  samblant.  645 

Vers  le  foriest  s'en  vont  amblant 

Taut  que  il  ont  pase  le  pont. 

Li  escriture  nous  despont, 

Quant  pasee  orent  le  riviere, 
660  Qu'il  troverent,  ce  lor  fu  viere,  650 

Uue  mervelle  ens  el  boscage, 

Qui  mout  lor  pot  Sambier  savage. 

Mout  fu  grande  cele  mervelle. 

Cascuns  formeut  s'en  esmervelle, 
665  Car  auques  lor  sambla  diverse.  655 

Tres  parmi  le  foriest  traverse 

Une  route  de  biesteletes 

A  mout  petites  testeletes, 

Escuiriel  et  connin  et  lievre, 
670  Vairet  et  erminet  et  bievre,  660 

Leu  et  liouplil,  trygre  et  taisou, 

De  ciaus  i  ot  mout  grant  fuson; 
53^3]  Cierges  et  ciers,  civreus  et  dains, 

Cil  le  trepasenr,  qi  ains  ains; 
675  Pore  sau  vage  et  ors  et  lupars  665 


641  bieste. 

643  ch'r. 

648  parfondinee. 

650  poeur. 

65.')  bü  samblant. 

667  routes  de  biestesletes. 

673  ciuureus. 

674  Cil  lef  repaifent. 

675  erstes  et  fehlt  (—1). 


102  ^V.   Fo erster. 

Et  li  singe  de  putes  pars; 

De  ciaus  i  ot  il  si  grant  route 

Qu'ele  ne  pot  estre  desroute; 

Et  mout  i  ot  de  Serpentine, 
680  Ne  sai  tot  dire  le  convine.  070 

Deriere  venoient  lion, 

Dont  il  i  ot  grant  legion. 

Cil  faisoient  Tariere  garde, 

Cacuus  sovent  ariere  garde; 
685  Car  li  pante  venoit  deriere  675 

Plus  de  liue  et  demie  ariere, 

Qui  gete  flame  a  grans  mervelles 

Des  nariues  et  des  oreilles, 

Et  par  le  bouce  si  grant  fu, 
690  C'ainc  de  bieste  si  grans  ne  fu.  680 

Les  biestes  ont  senti  l'alaine, 

Por  Qou  metent  al  füir  paine; 

Qu'eles  n'ont  soig  de  son  apiel, 

Cascune  a  paor  de  se  piel; 
695  Car  li  pantre  estoit  famelieuse.  685 

N'i  a  bieste  tant  orguelleuse, 

Se  a  cele  eure  le  tenist, 

Nel  devorast  et  englotist. 

Or  vos  dirai  une  partie, 
700  Comment  estoit  grans  et  furnie:  690 

Ses  cors  et  ses  cols  et  scs  cies 

Ot  bien  de  lonc  .1.  pies; 

Eucontre  estoit  grosc  et  pleutiue. 

Q'a  rien  en  le  foriest  antiue, 
705  Quant  cele  pante  fain  avoit,  695  \ 

Nule  bieste  n'aconsivoit, 

Qu'ele  ne  tust  lues  devouree. 

Uns  cevaus  n'ert  c'une  goulee. 

A  tout  le  Chevalier  arme 
710  L'avoit  lues  mort  et  devore.  700 

Por  Qou  vos  voel  faire  a  entendre  702 

Que  ne  l'osoient  plus  atendre  701 

Les  biestes,  que  ne  s'en  fuiisent,  703 

AnQois  que  eles  Taten disent. 
715  Et  si  vos  di,  por  tel  afaire  705 


676  nicht  fingro.  wie  der  zu  weit  abstehende  linke  Balken  des  g  leicht 
zu  lesen  vci leiten  könnte;  vgl.  wirkliches  gr  Z.  671  trygre.  —  pute. 

680  tot]  toit. 

685  paute  Hs.,  ebenso  stehts  im  fg.,  so  dafs  897  der  Schreiber  pantre 
seiner  Vorlage  sogar  als  qautre  gelesen  hat. 

687  grant  meruelle. 


Die    Vorlage  der   Turiner  Eigomer-Episode.  103 

N'osoicnt  les  Westes  mal  faire 

As  Chevaliers  qi  par  la  vont, 

Ne  as  sergaus  qui  a  pie  sont. 

Li  pautre  le  cemin  acuite. 
720  Ja  s'en  peusent  aler  quite,  710 

-  Quant  Lanselos  par  son  desroi 

A  coraenchie  devaut  le  roi 

Mout  grant  orguel  et  grant  otraje, 
f.  hA^i]  Qui  lor  torna  a  grant  damage. 

725  Dist  Lanselos:   „A  ces  lions,  715 

Que  nous  ici  paser  veons, 

Vaurai  ja  faire  une  enväie. 

Ensi  n'en  paseront  il  raie." 

^Sire",  Qou  dist  li  Chevaliers, 
730  Cui  escus  n'estoit  mie  entiers,  720 

„Por  Diu,  aiies  de  vos  merci! 

Car  li  pantre  venra  ja  ei, 

Mien  essient,  que  il  n'a  mie, 

Desi  a  li  liue  et  deraie. 
735  Ja  venra  ei  par  grant  pöeste,  725 

Car  trop  i  a  isnele  beste. 

Por  mangier  les  Westes  porsiut, 

Et  s'ele  ci  nous  aconsuit, 

Ele  fera  de  nous  autant 
740  Con  des  biestes,  jou  vos  creant;  730 

Et  si  soiies  bien  a  fiance, 

Que,  se  ne  fust  par  se  doutance,  732 

Des  biestes  fusies  ore  ocis,  * 

N'en  escapast  ne  eil  ne  eis,  * 

745  Que  nous  ne  fusons  devoure.  * 

A  hon  Diu  avons  hui  oure.  734 

Or  nous  metons  fors  de  la  voic  735 

En  tel  liu  qu'ele  ne  nos  voie." 

Quant  il  ot  dite  sa  raison, 
750  Trespase  furent  li  lion; 

Et  Lanselos  les  escria, 

Onques  uns  seus  nel  regarda:  740 

De  le  pante  orent  tel  paor, 

C'ainc  n'i  garderent  lor  honor; 
755  Car  plus  le  doutent,  ce  ra'est  vis, 

Que  mil  Chevaliers  fierviestis. 


716  Noseut  (—1)  —  mal  faire. 
718  qui]  q. 
7'22  comenchi, 
734  a  lui. 
740  creanc. 


104  W.  Foerster. 

Et  Lanselos  ot  le  maniere  745 

De  le  pantre  qi  vient  ariere, 

Qui  tant  est  fiere  et  orgaellose 
760  A  Teure  qu'ele  est  faraelleuse. 

„Talent  ai",  fait  il,  „que  jel  voie 

Et  que  men  espiel  li  envoie  750 

Parmi  les  costes  ens  el  cors. 

Et  se  li  espius  est  tant  fors, 
765  Que  le  cuir  li  puist  trespaser, 

Jamals  nel  veres  respaser, 

Que  jou  ne  l'ocie  a  raes  mains."  755 

Dist  li  Chevaliers:  „C'est  del  malus! 

Vous  ne  dites  pas  vaselage, 
770  Mais  grant  orguel  et  graut  oltraje. 

Le  pante  n'ocires  vos  mie, 

Li  pante  n'est  nullui  amic,  700 

Ains  liet  toutes  les  riens  del  mont, 

Qu'ele  voit,  qi  en  vie  sout. 
775  Et  se  vos  esties  .i.  raillier, 

Si  vos  vauroit  eile  essillier. 
f.  54''2]  Certes  jou  ne  l'os  mais  atendre,  765 

A  moi  garir  vauroie  entendre. 

Jou  ra'en  vois,  a  Diu  vos  commant." 
780  A  tant  s'em  parti  maintenant 

De  Lanselot  et  si  le  laise, 

Le  cemin  son  ceval  eslaise,  770 

Et  li  .iii.  vallet  avec  lui, 

Qui  grant  paor  orent  d'anui. 
785  Saves  vos  que  li  quars  devint 

Des  valles  qui  avec  aus  vint? 

II  esgarda  .i.  caisne  gros,  775 

Le  grenor  que  il  vit  el  bos, 

Vers  cel  caisne  s'est  acostes 
790  Et  jure  Diu  par  grans  fiertes 

Et  sainte  Bride  et  saint  Andriu,  780 

Qu'il  ne  partira  de  cel  liu  779 

Desci  a  dont  que  il  vera, 

Con  Lanselos  se  contenra. 
795  Are  tendu  et  saiete  en  corde 

A  veu  Lanselos  s'acorde. 


775  estiies. 

779  commanc 

780  partent 

781  laisent 
786  uallet. 
791  saite. 


Die    Vorlage  der   Turiner  Rigomer- Episode.  105 

Et  quant  Lanselos  Ta  veu,  785 

Sacies,  grant  joie  en  a  eu. 

Ce  n'est  mie  por  le  fiance, 
800  Qu'il  ait  en  lui  n'en  se  poisanse, 

Mais  por  qou  que  liardi  le  vit, 

Si  beneist  Teure  qel  vit.  790 

Et  puis  li  basti  eil  tel  jeu, 

Que  Lanselot  torna  a  preu; 
805  Car  ne  fust  ci  dales  le  fust, 

Ocis  et  devoures  i  fust, 

Donc  a  parle  li  rois  Artus,  795 

Qui  longement  s'estoit  teus. 

Bien  a  öie  le  noviele 
810  De  le  pantre  qi  se  reviele, 

Et  voit  mout  bien  que  Lanselos 

Vora  a  li  combatre  el  bos.  800 

Douceraent  l'a  a  raison  mis: 

„Lanselot",  dist  il,   „biaus  amis", 
815  Laisies  ester  ceste  esredie! 

Or  nel  lairai  que  nel  vos  die: 

Faus  est  qi  se  met  en  essil,  805 

Qui  oster  se  puet  de  peril. 

Et  nous  avons  tant  cevacie 
820  Et  nostre  cemin  ensaucie, 

Que  bien  nous  em  poons  partir. 

Et  quant  ce  vient  al  revenir,  810 

Se  Diex  ci  par  ent  nous  ramaine, 

Ains  i  seriens  une  semaine, 
825  Que  le  pantre  ne  veissiens 

Et  a  li  nous  combatisiens," 


D 


|ist  Lanselos:  „Ainc  ne  vi  pante.  815 

Certes  qi  me  donroit  Maante 
f.  54''3]  Et  .i.  quartier  de  vo  roiaume, 

830  N'en  irai  jou,  desque  le  dame 

Avrai  veue  et  encontree, 
Que  diriens  nos  en  no  contree,  820 


798  eue 

802  qil.    Entweder  qel  =  que  le  oder  ben('e)ist  l'e.qil[le] 

803  iu 

804  priu 
806  Ocist 
823  ramane 

820  lui;  besser  Ne  statt  Et. 
828  maäte 


106  W.  Foerster. 

Qu'en  arrier  Paveriens  eue 

Et  si  ne  ravcrions  veue 
835  Ne  reqise  ne  asalie? 

Jou  li  ferai  ime  asalie 

Et  temperrai  cele  puison,  825 

Dont  ele  avra  male  fuison. 

Jou  acuiterai  le  pasage, 
840  Ja  mais  n'i  prendra  guionaje, 

Corament  ele  mengue  geus, 

Nes  puet  garir  ors  ne  argens,  830 

Ne  armeure  que  on  port. 

Ce  soit  ore  a  son  mal  deport 
845  Que  ja  mais  en  doie  mengier! 

Jes  metrai  fors  de  son  dangier. 

Bien  voi  qu'ele  est  fole  et  estoute,  835 

Et  si  voi  que  eis  gars  nel  dote, 

Et  jou  por  coi  le  doteroie? 
850  Tornes  vous  fors  de  ceste  voie, 

Et  si  veres  que  j'en  ferai." 

„Voir",  dist  li  rois,   „bien  le  verai,  840 

Car  jou  serrai  en  vo  compaine. 

Ja  ne  rentre  jou  en  Bertaine, 
855  Se  vos  n'iestes  ensamble  o  moi. 

Et  une  cose  vos  otroi, 

Que  vos  feres,  et  je  ferai,  845 

Se  vous  mores,  et  g'i  morai." 

Quant  si  orent  parle  andui, 
860  Lauselot  garde  jouste  lui, 

Si  Vit  ,i.  grant  bot  de  tilleus, 

Garni  de  fuelles  et  de  feus.  850 

Saves,  comment  a  esploitie? 

Trencie  en  a  une  moitie; 
865  Tant  fist  que  bien  en  fu  covers 

Et  ses  hauraes  et  ses  baubers 


833  Q'nouier,  könnte  auch  namer  sein;  r  ist  verklext,  könnte  vielleicht 
auch  e  sein;  doch  las  Turin  auch  nommer.  Sinn:  „so  nahe," 
s.  die  Aum. 

844  dep  I  Rest  abgeschnitten,  ebenso  845  mei  | 

846  de  son  | 

847  fole  7  ef  | 

848  Et  fehlt  (—1) 

850  fors  de  | 

851  Et  fehlt 

852  Voir  dist  li  roif  li  rof  bn  1  I    Rest  abgeschnitten;  ebenso 

853  en  vo  | 

854  Berta  | 

857  Se  —  que  ie 
862  flours  T. 


Die   Vorlage  der   Turiner  Rigomer- Episode.  107 

Et  ses  cevaus  des  en  le  eiere  855 

Desci  en  le  curpe  deriere. 

Et  bien  en  acoavri  se  face, 
870  Que  li  calors  mal  ne  li  face. 

Quant  Qou  ot  fait,  ens  en  cele  eure 

Vint  li  pantre  qi  ne  demenre.  860 

Lanselos  va  a  l'encootriere, 

Et  li  rois  va  a  le  costiere, 
875  Et  li  valles  a  l'arc  tendu, 

Qui  en  l'autre  costiere  fu. 

Or  ne  sai  jou  comment  s'en  aille  865 

Li  pantre  sans  faire  bat  aille; 

Car  fu  et  flambe  vient  jetant 
880  Et  Lanselos  li  vient  devant, 

f.  54^J  Grant  cop  li  done  a  bone  estrine. 

Ens  en  le  senestre  narine  870 

L'a  asenee  et  feri  si 

Que  li  Sans  vermaus  en  sali. 
885  Poi  le  blega  et  neporquant 

En  fist  li  pante  lait  sanblant. 

Se  il  dont  s'en  vansist  retraire,  875 

Encor  le  peust  il  bien  faire; 

Mais  il  na  soig  de  tele  guere: 
890  Par  fine  force  vout  conquerre 

Toutes  les  coses  de  cest  mont, 

Que  il  voit  que  contre  lui  sont,  880 

N'onques  niais  tant  d'engien  ne  qist 

Con  del  buison  que  sor  lui  mist. 
895  Mais  s'il  ne  l'eust  ensi  fait, 

Tous  i  fust  mors  par  son  sorfait. 

Encor  reqiert  le  pantre  fiere  885 

Et  a  talent  q'il  le  refiere, 

Le  fust  et  le  fier  de  la  forge 
900  Li  met  el  cors  par  mi  le  gorge. 

Donc  fu  la  pante  plus  blecie; 

Forment  s'en  est  esmervellie  890 

De  Qou  que  si  mal  li  estait, 

Et  si  ne  set,  qui  qou  li  fait. 

869  couuri  (—1) 

877  aill  I    (abgeschnitten) 

884  yssy  T. 

887  Sil  (—  1) 

897  reqert  le  qautre 

900  cols 

902  Foment 

903  estoit 


108  W.  Foerster. 

905  Par  devant  li  a  regarde: 

Ja  l'eust  mort  et  devoure, 

Mais  bien  li  sainble  par  raison  895 

Qii'ele  ne  voit  fors  le  buison.  i 

Et  li  rois  Artus  se  ratorne, 
910  Le  pantre  Hert,  q'il  ne  sejorne, 


Parmi  le  cors  desi  el  foie.  90() 

Et  del  vallet,  dont  dit  vos  ai, 

Encor  avant  vos  en  dirai. 
915  II  ot  mis  le  saiete  en  Tarc, 

Qui  le  fier  ot  trencaut  et  larc; 

Le  pante  trait  par  grant  orguel  905 

Si  qu'il  le  consivi  en  l'uel, 

Tres  parmi  l'uel  en  le  cervele 
920  Li  met  le  flece  et  Talemiele. 

Puis  li  retrait  une  autre  fie, 

Sei  consivi  ens  en  l'öie.  910 

Cis  cos  ne  refist  niie  mains 

De  mal,  que  fist  li  premeraius. 
925  Puis  li  retrait  le  tierce  fois: 

Dont  ot  ele  de  ses  cous  .iii.. 

Li  caisnes  fu  et  grans  et  les,  915 

Et  li  valles  estoit  dales. 

II  n'avoit  de  le  pantre  garde; 
930  Car  li  caisnes  le  vee  et  garde. 

Ne  li  pante  nel  puet  veir: 

A  mervelles  li  puet  venir,  920 

f.  54^2]  Dont  gou  li  vient,  qui  si  li  nuit 

Et  en  le  cervelle  li  cait. 
935  Dont  fu  ele  mout  courecie, 

Le  tieste  a  coutremont  drecie, 

Ne  set  que  avenu  li  fu.  925 

A  grant  mervelle  gete  fu: 


905  lui 

911  fehlt.  Die  Hs.  hat  aus  Versehen  die  vorige  Zeile  (910)  wieder- 
holt (diesmal  quil).  T  hat:  Que  son  espee  ly  a  enuoie,  das  sich 
leicht  als  Ersatz  des  Abschreibers  verrät.  Vielleicht:  Que  son 
espie  Ines  li  envoie. 

918  ens  uel  Hs.;  en  luel  T. 

922  en  en 

930  le  veer  garde  T 

933  (Diese  Spalte  ist  abgewetzt  und  manches  schwer  leserlich.)  qui] 
abgewetzt,  scheint  eher  et  (7)  zu  sein. 

934  li  cuist  T;  ][i  -i|uist  abgewetzt,  es  scheint  noch  ein  Buchstabe 
vor  c  gestanden  zu  haben,  ich  habe  li  bruist  noch  zu  erkennen 
geglaubt. 


Die   Vorlage  der   Turiner  Rigomer-Episode.  109 

Les  fuelles  argent,  li  rain  briseiit, 
940  Des  grans  calors  qi  de  li  issent 

Sont  li  buison  entor  espris. 

Et  Lanselos  fu  si  soupris,  930 

Que  ses  cevaus  li  fu  estains, 
,  Et  il  meismes  si  atains, 
945  Que  il  ne  set  que  de  lui  face. 

Li  cols  li  escaude  et  la  face. 

S'il  ne  par  fust  si  bien  Covers,  935 

Tous  i  fust  ars  desi  es  niers. 

Ne  quidies  pas  que  il  fust  aise; 
950  Car  plus  caude  d'uiie  fornaise 

Est  Talaine  qui  de  li  ist. 

Quanqu'ele  ataint,  art  et  brüist.  940 

Li  fiers  escaufe  et  art  li  cars. 

Or  a  Lanselos  a  escars, 
955  Ce  m'est  avis,  ne  bleu  ne  aise, 

Ne  autre  cose  qi  li  plaise. 

Ja  fusent  tout  mort  sans  atente;  945 

Mais  li  paute  avoit  grant  entente 

De  gou  que  ele  estoit  ferue 
960  En  l'öie  et  en  le  veue; 

Et  del  grant  cop  de  le  narine 

Et  del  grant  cop  desous  l'escine  950 

Et  del  fier  qi  li  ert  el  cors, 

Dont  li  tron^ons  ert  grans  et  fors, 
965  Et  des  saietes  qil  degcivent 

Et  en  le  cervelle  li  boivent, 

Espant  li  sans  et  li  cervelle.  955 

Li  pante  estordist  et  cancele, 

Qu'ele  ne  set  que  ele  fait. 
970  A  haute  vois  s'escrie  et  brait; 

Tant  durement  brait  et  henist, 

Que  toute  la  foriest  tentist.  960 

Tel  noise  deraaine  la  bieste, 

Par  tout  samble,  90U  soit  tempeste. 
975  On  n'alast  pas  une  hucie, 

Quant  ele  est  morte  trebucie. 


940  Les  —  li  fehlt  (—  1) 

949  qil  fust  aise  (—  1) 

950  fornase. 

951  qui  d 
957  mo  I 
959  ferie 

962  Et  de  celuy  T. 
965  qi 


110  W.  Foersfer. 

Et  Lanselos  est  trais  ariere,  965 

Dalös  .i.  buison  de  bruiiere 

Sc  gut  estendus  et  pasmes 
980  Con  eil  qi  tous  ert  escaudes. 

Li  rois  Artus  i  vient  errant, 

Qui  raout  en  ot  sen  euer  dolant,  970 

Quant  il  uel  voit  vers  lui  drecier. 
f.  54^3]  Dont  n'i  ot  il  que  corecier, 

985  Dont  cuide  que  il  soit  sans  vie. 

De  grant  duel  faire  se  renvie. 

Et  li  valles  qi  la  estoit  975 

Mout  graut  dolor  en  remenoit. 

Entre  lui  et  le  roi  Artu 
990  L'en  porterent  sor  sen  escu 

Dessi  as  autres  compaignous. 

Li  Chevalier  et  li  gargons,  980 

Qui  d'aus  estoient  departi, 

II  orent  bien  öi  le  cri, 
995  Mais  il  ne  vaurent  mie  acore; 

Car  il  nes  oserent  secoure. 

Neporquant  furent  areste.  985 

Dales  .i.  grant  caisne  rame 

Ont  Lanselot  a  terre  mis. 
1000  Del  desarmer  sont  entrerais. 

Premier  li  ont  le  brant  oste, 

Qu'il  avoit  gaint  a  son  costet.  990 

L'ielme  li  ostent,  qi  raiex  raiex, 

Et  a  Taubere  crient  et  ploureut; 
1005  Car  il  n'en  peurent  preu  oster. 

Dont  n'i  ot  que  desconforter. 

Gieres  li  osterent  a  paines.  995 

Li  rois  sent  le  pous  et  les  vaiiies, 

Qui  encor  li  batent  el  cors. 
1010  „Por  Diu",  fait  il,   „n'est  mie  mors 

Mes  dous  amis,  mes  dous  compaing! 

Lanselot  frere,  mout  vous  plaing!  1000 

Gentius  Chevaliers  et  vasaus, 

983"Ü" fehlt  (-  1)_ 

985  Bien  c.  T  —  q  i-  soit. 

986  f(eren)ui(e)  abgewischt. 
995  il  n-  -aurent 

1003  qui   miex   peurent  T    (eigene   Besserung).      Wohl    eher   Lücke 

hinter  l'auberc  Z.  1004. 
1007  Gieres  (erstes  e  undeutlich)  Hs.,  tout  T  (—  1).    Es  heilst  hier 

„dann,  darnach". 
9 

1012  ml't  -g  ----g 

1013  chl'r 


Die    Vorlage  der   Turiner  Rigomer-Episode.  111 

Com'  esties  preudom  et  loiaus! 
1015  Com'  esties  Chevaliers  adrois 

Et  preus  et  larges  et  cortois! 

Seul  me  laires  en  autre  terre!  1005 

Or  ne  sai  compaignon  u  querre. 

Ja  mais  n'avrai  tel  compagnon, 
1020  Qui  si  port  lance  ne  pignon. 

Et  se  jou  revois  em  Bertaine, 

Et  vos  n'iestes  en  me  compaigue,  1010 

II  diront  tout,  si  avront  tort, 

Qua  meimes  vos  avrai  mort." 

1025  I     i  rois  forment  se  desconforte, 

-■— ^  Mais  on  set  bien  que  mout  est   forte 

Fortune  qi  em  petit  d'eure  1015 

Retorne  qou  desous  deseure. 

La  ou  li  rois  plus  se  demente, 
1030  Dales  .i.  buisoncel  de  mente 

Estoient  tout  mu  et  taisant. 

Adont  lor  vint  biel'  et  plaisant  1020 

Une  dame  blance  viestue 

(Ainc  plus  biele  n'orent  veue,) 
1035  Et  sist  sor  .i,  ceval  tout  blanc: 

Forment  li  batoient  li  flanc; 

Car  tos  venoit  et  d'auques  loig  1025 

Men  essient  por  tel  besoig; 

Et  aportoit  ens  en  sa  main 
1040  .i.  ongement  vaillant  et  sain 

Dedens  une  boiste  d'ivoire 

Ouvree  a  or  et  a  trifoire.  1030 

La  dame  descendi  entr'aus 

Clere  comme  estoile  jornaus, 
104  5  Le  roi  et  les  autres  salue: 

Li  rois  fu  lies,  quant  Tot  veue. 

La  dame  parla  comme  sage:  1035 

.,Diex",  fait  ele,  „croise  barnage 

A  cel  Chevalier  qi  la  gist!" 
1050  Li  rois  l'entent  et  se  li  dist: 

„Ahi!"   dist  il,  „ma  bielle  dame, 

Por  l'amor  Diu,  proiies  por  l'arae!  1040 

Car  li  cors  n'a  mestier  d'äie, 

Ne  jou  ne  voi  que  respast  mie." 

1014.  1015  estes  (esties  T) 
1019  naura 
1037  lonc 
1053  daiue 


112  W.  Foerster. 

1055  Et  li  dame  en  avant  se  trait, 

Fors  de  le  boiste  a  mis  rentrait. 

Une  paue  ot  aparellie;  1045 

Car  ele  estoit  bien  ensaignie 

De  Qou  que  ele  a  faire  avoit; 
1060  Bien  a  cief  venir  en  savoit. 

De  rongement  qi  souef  flaire 

A  Lanselot  oint  le  viaire  1050 

Et  le  cief  et  le  col  entor, 

Et  puis  apres  reprist  son  tor 
1065  As  espaules  et  puis  as  bras. 

Tout  ensi  com'  il  estoit  las, 

Le  cors,  les  ganbes  et  les  pies;  1055 

Tout  si  com'  il  ert  mehaignies, 

L'a  mout  bien  oint  de  Fongement. 
1070  N'atendi  gares  longement, 

Quant  Lanselos  fu  tous  sanes: 

De  cors,  de  membres  et  de  les  1060 

En  est  tous  li  cuirs  jus  ceus 

Et  li  nouviaus  est  revenns. 
1075  Cil  qui  la  sont,  s'en  esmervellent, 

Basement  dient  et  consellent: 

„eist  est  garis  a  poi  de  paine!  1065 

C'est  ci  Marie  Madelaine, 

S'a  aporte  de  rongement, 
1080  Dont  ele  tist  a  Diu  present." 

Auquant  jurent  saint  Bretemiu: 

„Ains  est  la  biele  mere  Diu,  1070 

Car  autre  n'en  peust  finer." 

Ne  sevent  nient  adeviner, 
1085  Car  ce  fu  medame  Lorie, 

Li  mousegnor  Gavain  amie; 

Mais  adonc  ne  le  sot  nus  hon;  1075 

Car  ainc  n'i  vaut  nomer  son  non. 
f.  55'^'2]  Mais  puis  ala  li  cose  tant, 

1090  Que  le  seurent  petit  et  grant. 

A  Lanselot  fist  grant  bonte, 

Car  sen  ceval  li  a  done.  1080 

Puis  prist  congie,  s'en  est  ralee 

Ausi  come  blance  nuee. 
1095  Ainc  ne  sorent,  dont  ele  vint, 

Ne  ou  ala  ne  que  devint, 

Et  Lanselos  remest  tous  sains  1085 

De  cors,  de  menbres  et  de  mains. 

1086  .G. 

1090  Que  i  sen  uent  p.  ne  g.  Hs. ;  auch  T  hat  so  gebessert 


Die   Vorlage  der  Turiner  Rigomer-Episode.  113 

Li  rois  en  fu  joians,  si  rist, 
1 1 00  Et  Lanselos  ses  armes  prist. 


D 


|e  le  pante  avons  trait  a  fin: 
Lors  se  remetent  al  cemin.  lOOO 

Ne  vos  aroit  on  aconte 

En  tout  le  plus  lonc  jor  d'este 
110^  Les  mervelles,  que  puis  troverent 

Et  qu'il  virent  et  encontrerent; 

Mais  tout  vos  laiserai  ariere,  1095 

Si  vos  conterai  la  maniere, 

Por  ^ou  que  Diex  l'otroit  et  velle, 
1110  Com'  il  vinrent  a  Quintefuele 

A  cel  puint  et  a  cel  termine, 

Que  tout  estoit  mis  en  la  mine.  IIOO 

S'a  cel  jor  ne  fusent  venu, 

Li  Chevaliers  eust  eu 
1115  Le  terre  qi  mout  fu  prisie, 

Que  ja  n'en  fust  lance  brisie 

Ne  cos  ferus  ne  escus  frais.  1105 

Ja  estoit  si  menes  li  plais 

Et  par  force  et  par  jugement, 
11 '20  Que  il  eust  outreement 

La  grant  tiere,  et  par  son  desroi 

Ja  nel  tenist  li  fiUe  au  roi,  1110 

Qui  mout  estoit  cortoise  et  biele 

Et  preus  et  sage  damoisiele. 
1125  En  ses  cambres  sist  esplouree 

Et  courecie  et  tormentee, 

Car  ne  cuidoit  avoir  secors.  1115 

Toute  ert  amatie  le  cors 

Et  li  vile  si  esmeue, 
1130  N'i  avoit  si  petite  rue 

Qu'ele  ne  fust  plaine  de  plors 

Et  de  tristece  et  de  dolors.  '  1120 

Cascuns  estoit  si  corecies, 

Grant  duel  demaine  li  plus  lies; 
1135  Mais  ja  lor  iert  biens  avenus, 

Quant  lor  campions  iert  venus. 

Cil  qi  le  sevent  et  entendent,  1125 

Vers  Damediu  lor  mains  en  tendent. 


1009  dist  Hs.  und  T. 
1101  traite 
1110  cante  fuele. 

1129  esmence 

1130  rue]  r  ausradiert. 

Ztscbr.  f.  frz.  Spr.  a.  Litt.  XXXIH. 


114  \V.  Foerster. 

N'i  a  celui  qi  dire  Toie, 
1140  Que  ne  retort  son  duel  a  joie, 

f.  55'"3]  Fors  le  Chevalier  senlcment, 

Qui  por  avoir  le  tenement  11 3U 

Ebtoit  de  bataille  aatis; 

Mais  eil  ea  fu  mout  amatis 
1145  Et  cascuns  qui  a  lui  se  tint; 

Dolant  furent  quant  li  rois  vint. 

Encor  n'ert  m'iedis  d'asses,  1135 

Quant  li  vasaus  s'est  präsentes. 

Bien  ert  aparellies  li  pars 
1150  Et  li  baron  de  toutes  pars 

De  fors  le  vile  en  une  plaine 

El  plus  biel  liu  de  le  campaine.  1140 


L 


i  rois  cevauce  et  Lanselos 
Pres  de  le  vile  les  .i.  bos. 
1155  La  unt  .i.  vallet  encontre, 

Qui  tout  lor  a  dit  et  conte  1144 

Del  Chevalier  et  de  la  darae,  ^ 

Qui  tolir  li  veut  son  roiaume.  ^ 

Li  rois  en  fu  mout  corecies:  1145 

1160  Envers  le  parc  s'est  adrecies; 

Quant  il  la  vint,  s'est  descendus. 

Ases  i  a  contes  et  dus, 

Qui  bien  le  furent  connisant. 

Ce  furent  li  plus  florissant,  1150 

1165  Car  a  sa  cort  orent  este 

Aucuns  et  ivier  et  este; 

Mais  tout  nel  conuisoient  pas. 

Li  uns  deniande  l'autre  em  bas: 

„Dien!  qi  puet  eis  Chevaliers  estre?  1155 

1170  II  se  combatera  puet  c'iestre." 

Auquant  dient:  „Ains  est  venus 

Mien  essient  li  rois  Artus. 

Pieg'a  avons  öi  retraire, 

Qu'il  doit  ceste  bataille  faire.  1660 

1175  Se  c'est  il,  ja  porons  savoir, 

Qu'il  vaura  le  bataille  avoir." 

Bien  fu  li  pars  aperellies 

Et  tous  li  pules  arengies. 


1139  loe 

1169  chl'r 

1170  pue  fiestre 


Die   Vorlage  der  Tunner  Rigomer-Episode.  115 

Li  Chevaliers  se  represente,  1165 

1180  Con  drois  fu  et  lui  atalente. 

Li  pucele  n'i  estoit  mie, 

En  cambres  ert  tote  esmarie. 

De  par  sa  mere  .i.  oncle  avoit, 

Qui  se  parole  maintenoit.  1170 

1185  Et  li  Chevaliers  est  venus 

La  ou  estoit  li  rois  Artus. 

>Sire",  fait  il,  „qi  estes  vous? 

Par  vo  merci,  dites  le  nousl" 

„Jou  sui",  fait  il,  „Artus  li  rois".  1175 

1190  „Por  ^ou",  fait  eil,   „soit  maleois, 

Qui  vos  araena  en  cest  estre! 

Miex  vos  venist  estre  a  Vincestre 
f.  55^1  ]  ü  el  päis,  dont  vous  venistes. 

Vous  sares  bien,  que  vos  qesistes,  1180 

1195  An^ois  que  vos  en  revoisies." 

^Yasal,  trop  estes  envoisies 

Et  orguelleus  et  trop  plains  d'ire. 

Ce  ne  deusies  vos  pas  dire! 

Ancui  pora  bien  avenir,  1185 

1 200  Quant  mis  serons  al  coaveuir, 

Que  vous  feres  vostre  pooir, 

Et  jüu,  se  Diu  piaist,  mon  voloir; 

Car  a  tort  calengies  le  dame. 

Toute  sa  terre  et  son  roiaume  1190 

1205  Ci  sui  venus  por  desrainier." 

Dont  u'orent  soig  de  plus  plaidier, 

Ains  les  mist  on,  si  con  nioi  samblc, 

Ens  el  parc  por  conbatre  ensamble. 

Lors  tint  cascuns  lance  sor  fautre:  1195 

1210  Li  uns  esgarde  contre  l'autre. 

Lors  s'entrefierent  par  vertu. 

Mais  tant  vos  di  del  roi  xVrtu, 

Que  il  abati  le  vasal 

Plaine  se  lance  del  ceval  1200 

1215  Par  merveleuse  mesestance. 

Lors  dient  tout:   „Cest  mesceance, 


1187  Si  rofait 

1190  fait  11 

1192  uicesie. 

1197  piain. 

1201  Q.  veus. 

1208  cenbatre. 

12 IG  lefte  mefcace. 


1 1  f>  W.  Foerster. 

Quant  cheus  est  li  preus,  li  fors. 

Ancui  iert  aparans  li  tors!" 

Quant  li  rois  voit  celui  ceu  1205 

1220  Del  grant  cop  qu'il  ot  receu, 

Dont  li  ramembre  main  a  main 

De  Lanselot  et  de  Gavain, 

Qui  sen  estrier  tint  al  monter. 

La  fist  li  rois  Artus  quc  ber,  1210 

1225  Qu'il  nel  vuet  pas  montes  requerre; 

De  son  ceval  descent  a  terra. 

Et  eil  redrece,  ce  saci6s. 

Or  ont  andoi  les  brans  sacies, 

Ensamble  vont  a  rescremie.  1215 

1230  L'uns  fiert  et  l'autres  ne  faut  mie, 

Mais  li  rois  Artus  fiert  avant 

En  l'escu,  qu'il  li  mist  avant, 

Qu'il  li  a  fendu  a  moitie. 

Et  eil  le  ra  si  pres  coitie,  1220 

1235  Qa'il  li  jeta  une  retraite, 

Se  ne  fust  la  targe  a  or  faite, 

Feru  l'eust  parmi  le  cief; 

Mais  il  recuevre  de  recief: 

.ii.  cauls  li  donne  et  puis  Tempaint.  1225 

12-10  Mais  li  rois  Artus  ne  se  faint 

De  lui  repaier,  puis  s'esforce, 

A  tant  que  Dius  li  preste  force, 

Le  fiert  .ii.  caus  en  .i.  taille. 
f.  55^2]  Fendu  l'eust  dusqu'en  l'entraille,  1230 

1'245  Se  li  brans  n'alast  eskivaut. 

Sor  l'espaulle  descent  ruiant, 

.0.  mailies  trence  dou  hauberc 

Et  en  la  car  li  fait  tel  merc, 

Petit  s'en  faut,  n'est  afoles.  ]"2o5 

1250  Dusqu'en  terre  est  li  brans  coles 

Si  parfont,  qu'a  paines  Ten  trait. 

Cil  ki  niestier  aroit  d'entrait, 

Se  trait  ennii  le  parc  ariere. 

„Rois,"  fait  il,  .,il  m'est  bien  aviere,  ]2'10 

1255  Que  ne  me  voles  pas  norrir. 


1217  prcus  et  li.  (+1) 

1222  .G. 

1225  nel  uet. 

1232  deuant  T. 

1238  recuurp. 

1254  bn  uiero  (—1) 

1255  noiiiir;  T;  nonir. 


Die   Vorlage  der   Turiner  Rigomer- Episode.  117 

Certes,  je  aim  mius  a  morir 

Que  je  n'abace  vo  posuee." 

A  tant  li  vient  brace  levee, 

Grant  cop  le  fier  en  l'aume  amont,  1245 

126U  Le  cercle  dore  li  desront, 

Tres  qu'a  la  coife  l'a  fendu. 

Por  .i.  poi  n'a  trop  atendu 

Li  rois,  qui  dou  branc  si  le  haste, 

Que  tot  ausi,  con  se  fust  paste,  1250 

1265  Le  fent  dusqu'en  la  poiterine. 

Et  eil  ciet  mors  pance  sovinne 

Tos  estendus  encoutre  terre. 

De  lui  est  finee  la  guerre 

Vers  la  dame  de  Qiiintefoille.  1255 

1270  Cui  que  soit  grief  ne  cui  que  doUe, 

Cele  en  est  et  joians  et  lie; 

Corant  s'eu  vient  o  sa  maiunie 

Par  mi  le  parc,  as  pies  le  roi 

Se  laist  cäir  par  tel  desroi,  1260 

1275  Por  poi  ne  fu  tote  froisie. 

Mais  li  bons  rois  l'a  redrecie 

Entre  ses  bras  mout  docement, 

Et  cele  li  dist  en  plourant : 

„Sire,  li  rois  de  mäiste,  1265 

1280  Qui  en  lui  a  tote  bont6, 

Vos  renge,  bons  rois,  entresait 

Le  gent  secors  que  m'aves  fait.  1268  *) 

Car  se  vos  ne  fuisies  et  Dius,  1271 

Qui  as  siens  est  amis  et  pius, 
1285  Je  fuisse  hui  morte  et  escillie 

U  fors  dou  roiaume  cacie." 

Et  li  rois  li  dist  en  riant:  1275 

„Amie,  u'ales  souspirant! 

Cil  est  aidies,  cui  Dius  regarde, 
1290  De  cestui  n'ares  vos  mais  garde." 

Lors  s'entreprisent  par  les  mains, 

Et  Lanselos  li  vient  a  l'ains  1280 

QuMl  pot,  si  montent  en  la  sale, 

Qui  n'estoit  ne  laide  ne  sale. 
1295  Puis  ont  fait  desarmer  le  roi 

Et  Lanselot  aveuc  le  roi. 


1284  Qui  a  siens. 

1290  naies  Hs,;  narez  T. 

1293  II  —  en  lale  (-1). 

*)  hier  hat  T  zwei  Verse  eignen  Fabrikates  eingeschoben. 


118  W.  Foerster. 

f.  0^2]  A  cascun  .i.  valles  aporte  1285 

D'efkerlate  mantiel  et  cote, 

Et  puis  fait  on  l'aue  corner: 
1300  Le  roi  Artu  fait  on  laver, 

Et  li  autre  levent  apres; 

Car  li  mangiers  estoit  tos  pres.  1290 

AI  mangier  s'asient  ensamble: 

Li  rois  Artus,  si  con  moi  samble, 
1305  Si  con  drois  fu,  trestous  premiers 

S'asist  et  la  roiene  apries, 

Por  cui  il  ot  fait  la  bataille.  1295 

Devant  aus  deus  Lanselos  taille, 

Et  .i.  autres  servoit  dou  vin, 
1310  Bien  sacies,  se  je  n'adevin, 

Qiie  ne  sai  los  nies  acunter. 

Apres  mangier  si  fönt  oster  1300 

Les  napes,  et  puls  si  laverent, 

Pluisors  espeses  aporterent 
1315  .ii.  puceles  de  renc  en  renc. 

Vin  aporterent  et  piument 

.ii.  autres,  qui  sanbloient  fees,  1305 

En  nes  et  en  coupes  dorees. 

Apres  s'en  vont  esbanoier 
1320  Tres  que  ce  vint  a  l'anuitier. 

Dou  souper  ne  fa^  mension: 

Ases  i  orent  par  raison.  1310 

Quant  tans  fu,  si  fisent  .i.  lit 

.ii.  puceles  par  grant  delit, 
1325  Et  li  bons  rois  i  vait  coucier; 

Lanselos  fu  au  descaucier. 

Puis  se  recouca  Lanselos  1315 

En  .i.  autre  lit  a  repos. 

Tres  que  ce  vint  a  l'ajornee, 
1330  Que  li  solaus  par  la  contree 

A  espandues  les  clartes, 

Dont  s'est  li  rois  Artus  leves  1320 

Et  Lanselos,  puis  s'atornerent, 

Congie  prisent,  si  s'en  alerent. 


1297  cascuns. 

1299  Puis  faite  on  ).  c.  (— 1). 

1306  aps. 

1314  Plusers. 

1315  derec  enrenc. 
1326  Et  L.  (—1) 
132fi  7  L.  (-1-1). 


Die   Vorlage  der  Turiner  Rigomer-Episode.  119 

1335  X  i  cuntes  nos   dist,  ce  me  sanble, 

-Li  Qu'il  oDt  tant  cevaucie  ensanble 

A  csperon  sans  nul  arest,  1 325' 

Qu'il  entrent  en  .i.  forest 

Qui  mout  estoit  et  grans  et  lee. 
1340  '     Tant  oirent  qu'en  .i.  valee 

SoDt  enbatu  li  doi  vasal, 

Et  quant  vinrent  el  fons  d'un  val,  1330 

Si  trovent  .i.  praerie 

De  totes  flors  si  bien  florie, 
1345  Qu'ainc  iius  ne  vit  si  biele  a  painue. 

Enmi  avoit  .i.  fontainne, 

Dont  li  ruissaus  estoit  plus  clers  1335 

Que  ne  soit  cristau3  esmeres. 

Li  rois  a  coisi  le  ruissel  .  .  . 

(Rest  feblt.) 

• 

Wenn  man  C  mit  T  in  St. 's  Druck  und  mit  B.'s  Glossen  S. 
144 — 147  (das  vorausgehende  —  Schreibweisen  von  T,  S.  133—144 
—  kann  ich  ganz  außer  Acht  lassen)  genau  vergleicht,  so  sieht  man, 
daß  auch  B.'s  Abschrift,  wie  er  ja  selbst  von  vornherein  zugibt,  nicht 
felilerfrei  ist;  denn  wenn  St.  mit  C  gegen  B.  stimmt,  so  ist  doch  anzu- 
nehmen, daß  St.'s  mit  C  übereinstimmende  Lesung  auch  in  T  stehen 
muß.  Es  lehrt  dies,  was  ohnedies  jeder,  der  viel  Hss,  abgeschrieben 
hat,  leider  nur  zu  gut  weiß,  daß  auch  bei  größter  Aufmerksamkeit 
und  genügender  Übung  doch  immer  wieder  kleine  Versehen,  Flüchtig- 
keiten unterlaufen,  die  auch  einer  Nachkollation  nicht  immer  vollständig 
weichen,  wie  denn  überhaupt  die  Aufgabe  des  ein  laeditum  Ab- 
schreibenden eine  unvergleichlich  schwierigere  ist  als  die  des  diese 
Abschrift  kollationierenden  Nachfolgers. 

In  folgenden  Stellen   hat,  wie  hier  eigens  bemerkt  sei,  Stengel- 
Feist  gegen  Brugger  Recht: 
14  cavee 
89  lisoit 

122  Cau 

125  li 

137  esperonz 

181  Yvain 

303  Qui  ne 

397  tout 

453  En  riant  (freilich  auch  St.  falsch.) 

856  crupe 

Der  Herr  Rezensent  knüpft  an  die  Vergleichung  seiner  Abschrift 
mit  St.'s  Ab'lruck  auch  andere  Bemerkungen  an,  die  sich  mit  der 
Textkritik  gelegentlich  beschäftigen  und  auf  die  ich  daher  kurz,  soweit 


120  W.  Foerster. 

sie  es  verlangen,  hier  eingehe.  Zu  dieser  B.'schen  Kritik  des  St'schcn 
Textes  sei  bemerkt,  daß  (zu  453)  der  von  B.  gewollte  Hiatus 
nicht  erlaubt  ist;  428  hat  die  Vorlage:  Et  entre  en  une  terre 
estrenne.  1061  ist  natürlich  nur  St's  jus  für  den  Text  möglich;  ein 
Reim  viex  (vetulus)  :  vis  ist  ausgeschlossen;  auch  439  steht  vis,  das 
nur  vivus  sein  kann,  wie  der  Sinn  sichert.  1087  ein  Adj.  joial  ist 
undenkbar;  Go^.^  joiaument  ist  ebenso  wie  das  so  häufige  esraument 
nichts  anderes  als  ursprüngliches  -anment.  1149.  Was  Turin  hat, 
kann  ich  ja  nicht  wissen;  aber  St's  furent^  wofür  B.  firent  las,  steht 
auch  in  der  Vorlage  und  ist  so  gesichert.  Zwar  B.  bemerkt:  „furent 
gibt  kaum  einen  Sinn"  —  allein  es  ist  der  einzig  mögliche  Sinn, 
dagegen  B.'s  firent  c.  ist  ausgeschlossen:  „es  gab  dort  genug  Grafen 
und  Herzöge,  die  den  König  kannten  (die  bekannte  Umschreibung 
mit  estre  und  dem  Part.  Präs.);  denn  sie  waren  an  seinem  Hof  ge- 
wesen. Aber  alle  kannten  ihn  nicht,  diese  frugen  daher"  usf.  — 
Endlich  S.  147  (Mitte)  wird  behauptet,  daß  der  Text  das  Nom.-i- 
bei  pere,  sire,  meldre  nicht  kennt;  die  Reime  beweisen  das  Gegenteil. 
Freilich  debonnaires  hat  s  nicht;  für  ihn  ist  es  noch  de  bone  aire^ 
trotzdem  er  schon  ein  debonairement  hat. 

Allein  der  Herr  Rezensent  begnügt  sich  nicht  damit,  den 
Stengeischen  Abdruck  zu  besprechen;  er  wendet  sich  am  Schluß  seines 
Aufsatzes  S.  148 — 155  zu  einer  Besprechung  von  an  sich  schwierigen 
oder  dunklen  Stellen.  Wenn  schon  der  erste  Teil  seiner  Ausführungen 
keinen  rechten  Zweck  hatte,  so  begreift  man  noch  weniger,  was  er 
mit  diesem  Schluß  eigentlich  will.  Denn  da  er  nur  die  Abschrift, 
nicht  die  Vorlage  (die  Chantilly-Hs.),  vor  sich  hat,  so  ist  ja  eine 
solche  Behandlung  zwecklos,  da  ja  die  behandelten  Stellen  in  der 
Vorlage  klar  und  verständlich  sein  können.  Nun  trifft  es  sich  aber, 
daß  dies  letztere  nur  zu  oft  nicht  der  Fall  ist,  wie  denn  nicht  nur 
die  Schlußepisode,  sondern  ganz  Rigomer  in  der  Chantilly-Hs.  in 
recht  fraglicher  Weise  uns  überliefert  worden  ist.  Der  Text  bietet 
immer  wieder  kleinere  und  größere  Schwierigkeiten,  auch  solche, 
deren  Lösung  sehr  unsicher  oder  ganz  unmöglich  ist.  Nun  entwickelt 
aber  der  Rezensent  in  diesen  seinen  kritischen  Bemerkungen  zum 
Text  mehrfach  ein  scharfes  Urteil  und  einen  gewissen  Scharfblick  sowie 
Emendationsgabe,  so  daß  dieser  Teil  für  das  Übrige  entschädigt  und 
man  wünschen  mag,  daß  er,  der,  wenn  ich  nicht  irre,  hier  zum 
erstenmal  dieses  Gebiet  betritt,  sich  auf  demselben  noch  öfter  mit 
wachsendem  Erfolg  versuchen  möge. 

Da  dieser  Teil  seiner  Besprechung  mir  Anlaß  gibt,  eine  Reihe 
von  Stellen,  die  ich  ebenso  in  meiner  Rigomerausgabe  zu  besprechen 
hätte,  zu  bebandeln,  so  laß  ich  hier,  auch  um  meine  Ausgabe  zu 
entlasten,    einige    kurze  Glossen    folgen: 

62.  Auch  in  der  Vorlage  (C)  steht:  Quele  ne  uelle  faire  ausi, 
von  dem  B.  sagt:  „was  keinen  guten  Sinn  gibt";  weshalb  er  QuHl 
ne  le  vuelle  ffaire  ausy  ändern   will.     Allein    die  Überlieferung    ist 


Die   Vorlage  der  Turiner  Riyomer-Episode.  121 

tadellos.  Der  Beansprucher  der  Erbschaft  bedroht  jeden,  der  zur 
Tochter  hält,  mit  dem  Tod.  „Nun  haben  die  Leute  eine  ebensolche 
Furcht  vor  ihr,  daß  sie  nicht  ebenso  handeln  wolle",  d.  h.  anderer- 
seits fürchten  die  Einwohner,  daß  sie  nicht  ebenso  jeden,  der  zu  ihm 
hält,  behandele. 

77,  78  ist  in  T  unverständlich;  auch  C:  Et  les  mauvaises  en 
£scumes  ist  nicht  besonders  glatt,  da  ein  Subjektswechsel  und  ein 
Wechsel  in  der  Anrede  (hier  ,I)u',  in  der  nächsten  Zeile  ,Ihr') 
eintritt.  Dies  hat  die  Sucht  nach  einem  seltenen  Reim  verbrochen: 
„0  König,  an  dessen  Hof  die  guten  Gesetze  herrschen  und  <  von 
wo  >  du  die  schlechten  entfernst."  Wegen  des  escumer  vergleiche 
die  Formen  mit  n  in  Baud.  von  Conde  S.  396  und  Z.  f.  r.  P.  I,  258. 
Es  heißt  .den  Schaum  entfernen'.  179 — 182  will  B.  zögernd 
alle  vier  Yvaine  zugleich  Objekt  zu  voua  und  Subjekte  von  presenterent 
in  182  sein  lassen,  was  in  einer  Anmerkung  als  aj^r^ixa  dizo  xo'.voö 
erklärt  wird.  Dagegen  spricht  aber  deutlich  der  Nom.  (y  fiex  in 
181  =  C,  der  also  gesichert  ist  und  diese  Zeile  zum  Subjekt  macht. 
Darnach  wäre  also  nur  179.  180  von  Es  vos  abhängig.  Allein  was 
soll  dann  der  Plural  presenterent?  Er  hängt  ganz  in  der  Luft,  und 
so  nützt  eine  Änderung  181  Yvain  le  ßl  gar  nichts.  Man  muß 
dann  179  allein  von  es  vos  abhängen  lassen  und  180.  181  als 
Nominative  folgen  lassen,  zu  denen  dann  der  Plural  presenterent  an- 
standslos paßt;  dem  widerspricht  aber  der  durch  Reim  gesicherte  und  nicht 
zu  entfernende  Akkusativ  180  Y.  le  bei.  Es  ist  klar,  daß  hier  ein 
stärkerer  Eingriff  nötig  ist.  Ich  mache  179.  180.  181  abhängig  von 
Es  vos  und  ändere  182  [CilJ  s'i  present(er)ent.  201.  B.  will  gegen 
St.  den  Hiatus  mie  oi  halten  —  unmöglich;  der  Hinweis  auf  702 
ist  hinfällig  (C  anderer  Wortlaut)  und  692.  781  sind  ganz  ver- 
schieden, da  es  sich  hier  um  que  il  handelt,  die  immer  erlaubt  waren. 
Ebenso  falsch,  was  B.  340  sagt.  Weder  Rigomer  noch  die  Episode 
läßt  einen  solchen  Hiatus  (wie  mie  usf.)  zu.  232 — 4.  St.  hatte 
hier  nach  232  eine  Lücke  angesetzt,  wogegen  sich  B.  wendet. 
Aber  seine  Erklärung  ist  keine  Erklärung  und  hat  die  Schwierigkeit 
gar  nicht  begriffen.  Die  Lücke,  die  sich  schon  in  C  findet,  ist  ganz 
sicher;  in  derselben  muß  der  Begriff  roi  (König)  gestanden  haben. 
Ohne  ein  solches  roi  ist  die  ganze  Stelle  unverständlich.  Der  eigent- 
liche Gedanke,  daß  Artus  keinen  mächtigeren  oder  tüchti- 
geren König  als  er  ist  kennt,  fehlt  jetzt  gänzlich  im  Text,  und 
doch  ist  er  der  Schlüssel  der  ganzen  Episode.  In  dieser  Lücke  hat 
also  gestanden:  ,[Ich  habe  volles  Recht,  zu  lachen;  denn  es  gibt 
keinen  mächtigeren  König,  als  ich  es  bin]',  der  jetzt  zu  meinen 
Lebzeiten  regiert.  Natürlich  Sprech  ich  nicht  vom  Himmelskönig,  sondern 
nur  von  irdischen  Königen  usf.'  419.  qui  angois  pot  T  ist  eine  gute 
Besserung  des  unverständlichen  C  und  ist  gegen  B.  im  Text  zu  be- 
lassen; denn  das  von  B.  in  420  verlangte  Ei  rois  en  maine  L.  steht 
in  C.     394.    Der  Text    wendet    unterschiedslos    die    pik.    (vo)  oder 


122  W.  Foerster. 

franz.  Form  (vostre)  an.  612  (lies  Gll)  C  gibt  St.  gegen  R.  Recht 
612.  St.'s  si  ist  ebenso  gut.  tout  wi  cemin  steht  auch  in  C:  ,über 
die  ganze  (sichtbare)  Länge  eines  (sich  vor  ihnen  öffnenden)  Weges 
blicken  sie  hin  und  gewahren  .  .  .'.  629.  U  ame  ist  tadellos I 
Auch  C  hat  li  arme.  Nicht  nur  der  Schreiber,  auch  der  Dichter  ist 
Nordfranzose  und  gebraucht  den  Nominativ  des  Fem.  (li)  neben 
dem  franz.  la  oder  mundartlichen  le  ohne  Unterschied.  Nach  Li  ist 
natürlich,  wie  bekannt,  der  Hiatus  berechtigt.  Dasselbe  gilt  von  648! 
744.  A  hon  iJieu  (das  auch  in  C  steht)  bessert  B.  in  Au,  und  da 
es  ja  nach  christlicher  Auffassung  nur  einen  Gott  gibt,  scheint  die 
Besserung  einleuchtend.  Ich  möchte  gleichwohl  lieber  mit  St.  A  stehen 
lassen.  Wie  oft  betet  man  zu  demselben  einen  Gott,  ohne  das  Er- 
flehte zu  erreichen!  Ich  würde  also  erklären:  .Da  haben  wir  heute 
zu  einem  gut  gestimmten  Gott  gobetet.'  744  nein;  rad  ist  verlesenes 
mii.  768-771.  B.'s  Besserung  (Sing.  768).  9)  ist  durch  den  Sinn  geboten 
und  ist  durch  den  Sing,  eslaise  110  in  C  gesichert.  Die  Änderung 
Le  cemin  (so  auch  C)  in  Au  c.  aber  ist  abzuweisen,  einmal  wegen 
des  von  Dichter  nicht  sehr  beliebten  Enjambement  (723  ist  deshalb 
verdächtig),  dann  weil  le  cemin  (die  Wegerichtung)  in  ihrer  Ausdehnung 
nicht  anzufechten  ist.  790.  Si,  das  B.  slreiclien  will,  darf  nicht 
fehlen,  denn  die  Zeile  789  gehört  als  Gegensatz  zu  787-8;  daran 
reiht  sich  der  Satz  790  selbständig  an,  daher  si  nötig.  St.'s  Besserung 
h€n(e)y  wird  durch  C  (Si  be^ieist  teure  gel  vit)  nicht  gestützt,  ist 
aber  an  sich  zulässig.  Der  Dichter  verwendet  nach  Belieben  die 
ältere  oder  die  spätere  Form.  820-822.  Sehr  scharfsinnige  Besserung 
B.'s;  und  öie  würde  den  Vers  821  halten  und  entspricht  wohl  dem 
Sinn.  .Allein  sein  erschlossenes  Partie,  veie  vom  nordfranzösischen 
veir  hab  ich  nie  und  nirgends  gefunden,  wenn  auch  von  vornherein 
dagegen  nichts  einzuwenden  wäre.  Dasselbe  gilt  von  si'ir,  cäir  u.  a. 
Vielleicht  wird  mir  B.  aus  seinen  Sammlungen  tiew  Desc.  3911  (sogar 
durch  Reim  mit  aj7iie  gesichert)  entgegenhalten  wollen;  allein  er 
täte  nicht  gut  daran;  denn  dies  ist  eine  bloße  Phanfasieform  Hippeau's, 
der  zwischen  den  beiden  Zeilen  eine  ganze  Spalte  der  Hs.  au-gelassen 
hat  und  dann  veue  der  Hs.  (reimend  mit  conneue,  während  amie 
mit  compaignie  reimt)  in  veie  schlimmbessert  hat.  —  Das  Schlimmste 
ist,  daß  unser  Text  auch  in  der  Vorlage  unklar  i>t;  denn  die  Zeile 
821  lautet  dort:  Q'naiiier,  wobei  a  auch  o  und  r  ebenso  e  sein 
kann.  Der  Turiner  Schreiber  las  es  nomer,  ich  hatte  seiner  Zeit 
nomee  gelesen,  das  mich  aber  wenig  befriedigte.  Es  sollte  dann 
soviel  etwa  bedeuten  können,  wie:  Que  an  la  nos  avroit  nomee,  also 
gleichsam:  „daß  wir  dieselbe  genannt  d.  h.  als  eine  uns  genannte 
{beste)  gehabt  hätten",  d.  h.  dem  Sinn  nach,  was  B.  hineinemen- 
dieren  wollte.  Ich  habe  nun  glücklicherweise  ein  genaues  Faksimile 
hingemalt  (was  leider  nur  an  zu  vielen  Stellen  der  sehr  nachlässig 
geschriebenen  Hs.  nötig  gewesen  ist!).  Dieses  Faksimile  erlaubt  auch 
QxCen    arrier    zu    lesen,    das   dann   ,zeitlich    zurück',    d.   h.    ,vorhei', 


Die  Vorlage  der   Turiner  Rigomer-Episode.  123 

,el)emals'  heißen  müsste.  845-846  ist  auch  in  der  B.'schen  Erklärung 
nicht  zu  halten  (abgesehen  von  dem  selbstverstcändlichen  Komma  vor 
et;  auch  das  i  in  qH  ist  nicht  so  arg,  wenn  es  auch  im  Vordersatz 
fehlt).  Denn  was  B.  in  Klammern  [  ]  hinzudenkt,  kann  vom  Leser 
nie  vorausgesetzt  werden.  Die  Verderbnis  steht  schon  in  C  und 
steckt  in  der  Zeile  845.  Die  Symmetrie  mit  846  lehrt  doch  sofort, 
daß  dort  stehen  muß:  Se  vos  /eres,  et  je  ferai,  falls  damit  ferir 
(nämlich  die  pante)  genannt  ist,  vgl.  823-4.  Ist  aber /a^Ve  gemeint, 
das  aus  839  herübergenommen  wäre,  dann  muß  es  heißen:  Que  vos 
feres,  et  je  ferai.  849.  Gegen  den  Reim  tilleus  :  fleurs,  der  in  T 
steht,  wäre  an  sich  nichts  einzuwenden,  wenn  auch  die  Erwähnung 
der  so  unscheinbaren  Blüten  bei  der  Linde  auffallen  könnte.  Nun 
ist  aber  ßeurs  (oder  in  der  Turiner  Schreibung  flours)  bloß  eine 
Konjektur  von  T;  denn  C  hat:  feiis!  Dieses  kann  aber  richtig  sein 
und  heißt  dann  ,B!ätter';  denn  feiiil  (folium)  ist  im  Altfranzösischen 
ganz  gewöhnlich.  Es  schiene  dann,  Adi2i  fuelles  et  fens  (d.  h.  fueus) 
neben  einander  eine  unnütze  Wiederholung  wäre.  Allein  man  ver- 
mißt doch  dem  Sinn  nach  neben  den  ,Blättern',  mit  denen  sich  L. 
bedeckt,  E.  anderes  als  die  ,BIüten',  namentlich  die  ,Äste  oder  Zweige'. 
Nun  zeigen  mehrfach  Stellen  (4  Stellen  schon  bei  God.)  daß  fueil 
dies  wirklich  bedeuten  kann,  wie  denn  umgekehrt  nach  der  von 
Lacurne  aus  dem  Modus  zitierten  Stelle  fueillet  dieselbe  Bedeutung 
hatte,  sodaß  man  dann  nur  fuelUs  zu  lesen  hat.  Aber  auch  fiieille 
S'^lbst  findet  sich  in  dem  Sinn  von  (belaubtem)  , Zweig'  oder  ,Ast', 
vgl.  Heraklius  434.  Ich  hatte  zuerst  dem  Sinn  nach  rameis  oder 
raincels  bessern  wollen;  dann  dachte  ich  an  /rasches,  das  ich  aber 
bisher  im  Altfranzösischen  nicht  belegen  konnte.  899  Die  Zeile  fehlt 
in  C  und  ist  von  T  eingeschoben  worden.  Für  die  Zeit  des  Schreibers 
ist  dann  so7i  beim  Fem.  nichts  auffälliges.  937.  An  sich  ist 
gegen  B.'s  ., evidente"  Besserung,  die  fehlende  Silbe  durch  [aj  aise 
zu  ersetzen,  nichts  einzuwenden;  aber  estre  aise  ist  so  ganz  gewöhn- 
lich, daß  die  Besserung  qrie  il  statt  qil  viel  natürlicher  ist.  953. 
qui  la  =  pik.  qidl  ist  ganz  gewöhnlich  und  nicht  anzuzweifeln.  Es  ist 
freilich  eine  (sichere)  Besserung  T's,  da  C  nur  qi  hat  und  degoivre  (abs.) 
hier  kaum  paßt.  961-2.  St.'s  Besserung  ist  trotz  dem,  was 
B.  sagt,  tadellos  und  wird  durch  C  gesichert.  1017-8.  Die 
von  B.  verlangte  Parenthese  versteh  ich  nicht.  1020-8  hatte  ich 
genau  so  aufgefaßt  wie  St.  und  tu'  es  B.'s  Bemängelung  gegenüber 
auch  jetzt.  Nur  hatte  ich  in  meinem  Text  nach  1023  ein  :  gesetzt, 
da  das  folgende  sich  auf  ceval  bezieht;  ferner  habe  ich  1026 
nach  besoig  ein  Semikolon  gesetzt.  1040  Vame  hat  auch  C  und  ist 
nicht  anzutasten.  Gegen  B.'s,  „man  erfährt  nicht,  für  wessen  Seek 
gebetet  werden  soll",  sei  bemerkt,  daß  dies  angesichts  des  leblos 
hier  vor  ihnen  liegenden  Ij.  selbstverständlich  ist.  Dazu  kommt,  daß 
tarne,  der  Artikel  (und  nicht  das  B.'sche  Poss.-Pron.)  sogar  vom  Sinn 
verlangt  wird  als  Gegensatz  zu  li  cors  1041.  1041-2.  Die  Schwierigkeit 


124  W.  Fo erster. 

löst  der  Text  von  C.  1072.  Der  Dichter  gebraucht  iiient  (noient) 
und  nient  (einsilbig)  nach  Belieben.  1138.  Jede  Änderung  unnütz, 
und  gar  1180!  Hier  ist  nichts  ironisch,  sondern  es  ist  eine  unver- 
blümte Drohung:  „Ihr  werdet  dann  wissen,  was  Ihr  hier  suchtet!-' 
nämlich  ,Euer  Verderben'!  B.  hat  die  Stelle  mißverstanden,  wie 
seine  Bemerkung:  „A.  wußte  ja  schon  längst,  was  er  suchte,  oder 
weshalb  er  kam'  zeigt.  Davon  sprich  tsein  Gegner  hier  nicht,  sondern 
vom  Ausgang  des  Kampfes  und  den  konnte  keiner  von  den  beiden 
voraus  wissen.  1202.  1226.  Die  Schwierigkeit  und  Lösung  liegen 
anderswo,  s.  C.  1229.  Auch  ich  hatte  dies  le  seiner  Zeit  in  li 
ändern  wollen,  gab  es  aber  angesichts  von  1245,  der  in  C  genau  so 
sagt:  Grant  cop  lefier  en  laume  amont  auf.  1235  hat  St.  wieder 
recht  gegen  B.,  ebenso  1291-1295.  Der  Reim  premiers  :  apnes  ist 
nicht  anzutasten,  da  er  durch  die  Analogie  anderer  Reime  gesichert 
wird.  Damit  ist  B.'s  Anzeige  endlich  zu  Ende,  leider  aber  nicht  zu- 
gleich das  Ende  der  Unebenheiten,  Härten  oder  Unsicherheiten  in  dem 
Text,  deren  einen  Teil  ich  in  meiner  Ausgabe  behandle  und  wolil 
auch  löse,  während  ioh  das  Übrige  der  Mitarbeit  der  Fachgenossen  über- 
lassen muß. 

Eine  letzte  Frage  könnte  man  hier  noch  aufwerfen.  Bereits  G. 
Paris  hatte  gefragt,  ob  diese  Episode  noch  zu  Rigomer  gehört  oder  nicht 
vielmehr  ein  selbständiges  Gedicht  sei,  das  erst  später  dem  ersteren 
augehängt  worden  wäre  a,  a.  0.  S.  94;  man  lese  besonders  die  von 
G.  Paris  dort  zitierten  Übergangsverse  nach.  Diese  interessante 
Frage  hat  weder  St.  noch  B.  berührt.  Sie  läßt  sich  einmal  durch 
einen  Vergleich  der  beiden  Gedichte,  sicher  aber  nur  durch  eine  ver- 
gleichende Untersuchung  der  Sprache,  besonders  der  Reime,  entscheiden. 
Diese  Untersuchung  halte  ich  für  meine  Rigomerausgabe,  wohin  sie 
gehört,  zurück. 

W.    FOBRSTER. 


Berichtigungen  zu  S.  81  ff.  S.  82  Anm.  5.  Der  Druck  ist  inzwischen 
bis  Bogen  24  vorgeschritten.  —  S.  83  Z.  1  /.  mehreren;  Z.  3  l.  letzten;  Z.  8 
Komma  hinter  T.  —  S.  85  V.  L.  22]  l.  23.  —  S.  87  V.  101.  Vielleicht  besser 
la  senee  zu  trennen;  V.  L.  136  turbau]  /.  turbare.  —  S.  93.  V.  L.  349 
streiche  |  .  —  S.  94  V.  L.  381  /.  doni.  —  S.  97  Die  linken  Randziffern  sind 
von  520  bis  S.  98.  535  um  eine  Zeile  hinaufzurücken;  V.  515.  Vielleicht 
Que  il  zu  bessern.  —  S.  98  V.  554  l.  sans.  —  S.  99  V.  574  Punkt!  V.  577 
Komma  nach  Comment?  —  S.  102  V.  704  l.  N'a;  V.  709  l.  Atout.  —  S.  103 
V.  733  streiche  Komma  nach  raie.  —  S.  104  rechte  Randzählung  700]  l.  760; 
V.  793  l.  adont;  V.  L.  791]  l.  795.  —  S.  105  V.  L.  802  /.  l'e.  q'il  [le].  — 
S.  106  V.  L  833.  /.  s.  die  Bemerkung  S.  122  zu  820—822.  —  S.  107  V.  879 

Punkt.  —  S.  110  V.  L.  1007  hiefs]  l.  hiefse;  V.  L.  1012  -g]  /.  .u» .  —  S.  112  V. 
1065  Komma;  1067  Komma. 

W.  F. 


Syntaktisches. 


I.  Mais,  pourquoi  lä,  jiistement,  ä  deux  pas  de 
l'Eeole  Militaire,  oü  soii  regiment  est  caserne,  ä  l'autre? 

schreibt  Coppee  in  seiner  bekannten  Novelle  La  vieille  tunique,  die 
unter  anderen  auch  G.  Franz  mit  einer  Reihe  weiterer  Erzählungen 
desselben  Verfassers  für  deutsche  Schulen  ausgewählt  und  trefflich 
kommentiert  hat  (Leipzig,  Stolte,  1895;  S.  26).  Der  ungewöhnliche- 
Zusatz  ä  Vautre,  der  sich  an  son  regiment  anschließt,  ist  auch  dem 
deutschen  Herausgeber  nicht  entgangen.  Seinem  Erklärungsversuche 
(Änm.  S.  14)  wird  man  aber  wohl  nur  teilweise  zustimmen  können. 
Gewiß  handelt  es  sich  um  eine  volkstümliche  Ausdrucksweise;  sie 
findet  aber  schwerlich  ihre  Erläuterung  durch  Ergänzung  eines  celui. 

Auf  den  richtigen  Weg  führt  W.  Kramer,  Die  Syntax  de.^ 
Possessivpronomens  im  Französischen,  Göttingen  1905.  Seite  37 
trennt  dieser  von  der  gewöhnlichen  Art  der  Verstärkung  des  Possessivs 
durch  angefügte  betonte  Formen  des  persönlichen  Fürworts  (le  camr 
a  sa  memoire  ä  lui)  eine  zweite  Art  von  Verstärkung,  die  formell 
zwar  ganz  gleich  geartet,  inhaltlich  aber  mehr  dazu  bestimmt  ist, 
dem  possessiven  Verhältnis  besonderen  Nachdruck  zu  verleihen  (mon- 
malheur,  ä  moi,  cest  cfetre  ta  femme).  In  den  gedruckten  Texten 
erscheinen  solche  Zusätze  gewöhnlich  durch  Kommata  von  der  Um- 
gebung abgetrennt. 

Eine  Weiterentwickelung  von  7n07i  malheur,  ä  moi,  zu  son 
regiment,  ä  Vautre,  lag  um  so  näher,  als  Wendungen  wie  notre 
maitre  ä  tous  schon  länger  geläufig  waren  (Kramer  S.  38)  und  eine 
pleonastische  Ausdrucksweise  der  Pariser  Volkssprache  nach  der  Form 
son  fils  ä  M.  Sanson  (Siede,  St/nt.  Eigent.  S.  25)  ihren  Weg  bereits- 
seit  Sardou  und  Gonco  irt  in  die  Schriftsprache  gefunden  hatten 
(Belege,  von  Prof.  Stimming  beigesteuert,  bei  Kramer,  S.  71). 

Coppee  bedient  sich  übrigens  der  besprochenen  Verstärkung  mit 
ä  Vautre  bald  nach  der  oben  hervorgehobenen  Stelle  noch  einmal: 
Ah!  d'abord,  je  ne  peux  pas  vous  dire  son  nom,  ä  Vautre, 
puisquHl  Vit  encore  (Franz,  S.  26).  Es  scheint  überhaupt,  als  ob 
verstärkende  Zusätze  dieser  und  ähnlicher  Art  in  der  Literatur- 
sprache der  neuesten  Zeit  in  weiterem  Umfange  Bürgerrecht  erlangten: 
Je  n''ai  pas  envie  d'attraper   ses  petits   sermons,  ä  cette  pauvre- 


126  E.   Uhlemann. 

rnaman  (Gyp,  Autour  du  mar.  182).  —  Apres  pa,  pidsque 
cetaient  ses  iiUes,  ä  ce  bon  Jac(]ues,  il  eilt  pu  tomber  moiiis 
bien  (2  Margueritte,  Le  Prisme,  RM.,  15  Dec.  1904,  S.  793).  — 
Nos  bätemix\  ä  nons  Japonais,  en  ont-ils  Je  pareils  (=zcanons)f 
(P.  Loti,  La  trois.  Jeun.  201).  —  Sa  cuve  etait  enorme,  ä  celui-lä, 
et  eile  devait  peser  lourd  (1.  c.  317).  —  Par  bonheur,  son  Lunois, 
ä  ma  chere  Djavide,  son  Lxinois  si  imprSvu  me  fait  rire 
comme  eile  (P.  Loti,  Pes  Desenchanths  86).  —  Le  soir,  il  refut 
iine  lettre  de  Zeyneb  .  .  .  jamais  aucune  amertume  dans  ses 
plaintes,  ä  Zeyneb  (l.  c.  351). 

Als  eine  Art  Vermischung  der  älteren  und  der  neueren  eigen- 
artigen Ausdrucksvveise  möchte  man  es  ansehen,  wenn  man  in  einem 
Artikel  der  R.M.  liest:  (Jean  de  Gassion)  resolut  d'offrir  son 
epee  au  roi  de  Suede  .  .  .  et  de  lui  conduire  ses  trovpes,  ä  lui, 
Jean  de  Gassioji,  car  il  n'entendait  pas  se  presenter  seul  (nach 
Beschnidt,  Hervorhebung  von  Satzteilen,  Progr.  Breslau  1904,  S.  21), 
—  oder  wenn  Loti  in  seinem  neusten  Romane  schreibt:  cest  leur 
röle,  ä  elles  et  ä  leurs  milliers  de  steurs,  .  .  .  d'apporter 
dans  la  vieille  ville  fatiguee,  le  tresor  de  leur  sang  pur  (Les 
Lesench.     S.  87). 

Es  soll  übrigens  nicht  verschwiegen  werden,  daß  das  erste  und 
das  letzte  der  den  Lesenchantees  entnommenen  Beispiele  in  einem 
Briefe  der  türkischen  Heldin  begegnen.  Diese  aber  verdankt  ihre 
Kenntnis  des  Französischen  einer  alten  Gouvernante:  qui  lui  avait 
oppris  le  franpais,  en  y  ajoutant  meine,  pour  rire,  sur  la  fin  de 
■ses  cours,  un  peu  d'^argot  cuedli  dans  les  livres  de  Gyp 
(Desencli.     S.  17). 

II.   Des  enfants  puisaient  Veau  d^tine  foniaine  et  la 
\ersaieut  sur  les  vieux  iiaves  autour  des  iumeurs. 

Wie  soll  man  in  der  vorgedruckten  Stelle,  —  sie  ist  aus  Loti, 
Jjes  Dhenchantees,  Paris  1906,  S.  242  entnommen,  —  den  Genitiv 
d'une  fontaine  verstehen?  Ist  es,  um  mit  der  Schulgrammatik  zu 
reden,  ein  genitivus  possessivus  oder  ein  genit.  separativus.  oder  anders 
gesagt,  deckt  sich  puisaient  Veau  d'une  fontaijie  grammatisch  mit 
hauriebant  aquam  fontis  oder  mit  hauriebant  aquam  ex  fönte '^  Ist 
aber  letzteres  der  Fall,  sollte  man  da  nicht  vielmehr  erwarten  Les 
enfants  puisaient  Veau  ä  (dans)  utie  fo7itaine?  Wörterbücher  und 
Grammatiken  verzeichnen  und  fordern  ja  gerade  bei  piciser  wie  bei 
anderen  Verben  des  „Entnehmens"  Ortsbestimmungen  mit  d  oder 
dans  und  warnen  vor  dem  Gebrauche  der  Präposition  de^  die  nach 
unserem  Sprachgefühl  gerade  als  das  Naturgemäße  erscheinen 
möchte. 

Freilich  sind  ihre  Angaben  recht  kurz,  und  beschränken  sich 
meist   auf  eine  Zusammenstellung    bestimmter    Wendungen,    wo    der 


Syntaktisches.  127 

eben  charakterisierte  eigenartige  Sprachgebrauch  zu  beachten  sei. 
Will  man  über  die  oben  aufgeworfene  Frage  zu  einiger  Klarheit 
gelangen,  so  wird  man  eigenen  Erwägungen  nicht  aus  dem  "Wege 
gehen  können. 

So  viel  sieht  man  leicht:  der  Franzose  denkt  bei  den  Verben 
pidser,  böire  (c\  dans)  usw.  an  den  Ort,  wo  die  Tätigkeit  des  Ent- 
nehmens  sich  vollzieht,  wir  betonen  den  Punkt,  von  wo  aus  das 
Schöpfen,  Trinken  usw.  erfolgt. 

Aber  woher  kommt  diese  eigenartige  Verschiedenheit?  Maetzner 
erklärt  sie,  indem  er  eine  nicht  ausgesprochene  aber  deutlich  gefühlte 
Vorstellung  des  Eindringens  in  den  umschlossenen  Gegenstand  für 
den  Franzosen  ausschlaggebend  sein  läßt  {Synt.  I  280  und 
besonders  deutlich  Gramß  428).  Ganz  neuerdings  findet  G.  Dubray 
(Fautes  de  francais\  Wien  1906,  S.  35  f.)  mit  Berufung  auf  Aus- 
führungen M.  Draals  die  Erklärung  in  der  Analogie  des  Gegensatzes: 
weil  man  sage  mettre  du  linge  dans  üarmoire,  habe  man  auch  bei 
der  entgegengesetzten  Tätigkeit  dans  beibehalten  (prendre  du 
linge  dans  Carmoire).  —  Wer  aber  die  Verhältnisse  vom  sprach- 
geschichtlichen Standpunkte  aus  betrachtet  hat,  ist  gewiß  zu  einer 
anderen  Erklärung  gelangt,  die  größere  Wahrscheinlichkeit  für  sich 
hat.     Ihr  soll  zunächst  etwas  weiter  nachgegangen  werden. 

Mätzncr  bezeichnet  {Synt.  I  280)  als  mit  dans  (ä)  zu  ver- 
bindende Verba  des  „Hervorholens",  Entnehmens  zunächst  puiser, 
manger,  boire  und  prendre,  um  ihnen  bald  darauf  fumer  und 
choisir  anzufügen.  Aus  dieser  Zahl  scheidet  bei  einer  historischen 
Betrachtung  sehr  bald  fuyner  als  Analogiebildung  aus;  bei  puiser  ergeht 
es  nicht  besser,  wenn  es  auch  bereits  im  Afz.  volles  Bürgerrecht 
erworben  hat.  Als  germanisches  Element,  ganz  abgesehen  von 
seiner  eigenartigen  Bedeutungsentwickelung,  muß  ferner  choisir  aus- 
geschaltet werden.  Lateinischen  Ursprungs  ist  ja  allerdings  manger, 
der  Ersatz  für  das  klassische  edere;  die  Übernahme  ins  Französische 
ist  aber  nur  unter  ganz  erheblicher  Modifikation  der  Bedeutung 
erfolgt  und  bietet  auch  in  dem  lateinischen  Gebrauche  des  Etymons 
keinerlei  Anhalt  für  die  französische  Konstruktion  mit  dans.  So 
schrumpft  das  halbe  Dutzend  der  Verba  des  Entnehmens  schließlich 
zusammen  zu  den  beiden  Verben  prendre  uud  boire.  Ihre 
lateinischen  Vorlagen  allein  können  also  ein  französisches  da7is  (ä) 
bedingt  haben. 

Nun  bedeutet  ja  aber  prehendere  im  Lateinischen  zunächst 
immer  nur  erfassen,  ergreifen,  sich  zu  eigen  machen  =  saisir.  Der 
Ort,  wo  solche  Tätigkeiten  sich  vollzogen,  mußte  naturgemäß  durch 
die  Präposition  m»  mit  dem  Ablativ  näher  bestimmt  werden.  Das 
Französische  setzte  also  nur  den  regelrechten  lateinischen  Sprach- 
gebrauch   fort,    wenn    es    einem   prendre   Ortsbestimmungen  mit    en 


128  E.   Uhlemann. 

(dans),  ä  anfügte,  wo  es  galt  die  Stelle  zu  bestimmen,  an  (in)  der 
die  Verbaltätigkeit  sich  äußerte  i). 

Die  französische  Konstruktion  prendre  dansist  also  historisch 
durchaus  begründet  und  wohlberechtigt.  Für  uns  Deutsche  erhält 
sie  nur  dadurch  einen  fremdartigen  Charakter,  daß  wir  als  Über- 
setzung statt  „ergreifen  in"  gewohnt  sind  „nehmen  aus"  einzu- 
setzen und  das  Bewußtsein  für  die  ursprüngliche  Bedeutung  von 
pretidre  völlig  verloren  haben.  Man  pflegt  wohl  auch  aller  (venir) 
chercher  dans  mit  „holen  aus"  zu  übertragen,  empfindet  dabei  aber 
die  Verschiedenheit  der  Ortsanschauung,  die  die  verschiedenen 
Präpositionen  zum  Ausdruck  bringen,  bei  weitem  nicht  in  so  hohem 
Grade.  Hier  schwebt  eben  die  ursprüngliche  Bedeutung  von  chercher 
auch  in  der  Verknüpfung  mit  aller  und  venir  noch  lebhaft  genug 
vor,  um  den  scheinbaren  Widerspruch  in  der  Art  der  Ortsbestimmung 
genügend  zu  begründen.  — 

Nun  aber  zurück  zu  puiser  und  manger  und  weiter  zu  hoire 
dans.  Sieht  man  diese  auf  ihren  Bedeutungsgehalt  etwas  genauer 
an,  so  erweisen  sie  sich  doch  nur  als  Träger  einer  Modifikation  des 
Bedeutungsgehaltes  von  j^'i^endre  dans.  Wie  für  uns  schöpfen  aus 
einem  Flusse  .  . .  doch  nur  sagen  will  =  nehmen  aus  einem  Flusse  . . . 
vermittels  eines  Hohlgefäßes,  —  essen  aus  einem  Teller  .  .  .  =- 
nehmen  aus  einem  Teller  .  .  .  vermittels  Messer,  Gabel  usw.,  — 
trinken  aus  einem  Glase  .  .  .  =z  nehmen  aus  einem  Glase  .  .  . 
vermittels  der  Lippen,  so  ist  für  französisches  Empfinden  puiser 
(qclij  dans  une  riviere  offenbar  =  prendre  (geh)  dans  une  riviere 
au  moyen  d'un  vase,  —  mang  er  (qch)  dans  une  assiette  .  .  .  = 
prendre  dans  une  assiette  .  .  .  au  moyen  de  la  fourchette,  de  la 
cuiller  etc.,  —  boire  (qch)  dans  un  verre  .  .  .  =  prendre  dans 
n?i  verre  au  moyen  des  levres. 

Läßt  man  diese  Erklärung  gelten,  so  kann  es  nicht  weiter 
Wunder  nehmen,  daß  wir  Deutschen  mit  den  Verben  „schöpfen,  essen, 
trinken*^^  nach  Analogie  von  „nehmen  aus"  Ortsbestimmungen  mit 
raus"  verbinden,  der  Franzose  dagegen  an  puiser,  manger,  boire 
unter  dem  starken  Einfluß  von  prendre  dans  Ortsangaben  mit  dans 
(ä,  en)  anfügt.  Für  boire  wurde  übrigens  diese  Analogiewirkung  um 
so  leichter,  als  sie  im  Lateinischen,  wohl  unter  dem  Einflüsse  von 
prehendere,  schon  vorbereitet  war.  Wie  schon  Mätzner  hervorhebt, 
erscheint  bibere  im  klassischen  Latein  nicht  selten  mit  in  und 
Ablativ  verbunden,  wo  wir  ex  oder  de  erwarten  würden.  Die  all- 
mähliche Weiterverbreitung  dieses  Sprachgebrauches  in  der  späteren 
Latinität  kann  man  jetzt  an  der  Hand  des  Tfiesaurus  linguae  latinae 
unter  bibere  bequem  verfolgen. 


')  Ebenso  konnte  naturgemäfs  der  Ort,  auf  welchem  die  Aneignung 
erfolgte,  im  Französischen  nur  mit  sur  bestimmt  werden;  daher  noch  nfrz.: 

prendre  im  verre  sur  la  table,  la  cheminee;  — •  des  fenetres  prenneni  Vair  et  le  j'our 
sur  des  rues  ou  des  places,  Boissier,  Prom.  Archeol.  314. 


Syntaktisches.  129 

Übrigens  darf  nicht  versäumt  werden  darauf  hinzuweisen,  daß 
das  Altfranzösische  mit  seinem  regelmäßigen  Gebrauche  von  ä,  eri 
(sur)  oder  entsprechenden  Ortsadverbien  bei  den  Verben  des  „Ent- 
nehmens"'  das  natürliche  Bindeglied  zwischen  lateinischem  und  neu- 
französischem Sprachgebrauch  darstellt.  Littre  und  Godefroy  bieten 
allerdings  nur  wenig  Belege.  Eine  willkommene  Ergänzung  liefern 
aber  kulturgeschichtliche  Werke  und  Abhandlungen,  wie  A.  Schultz, 
Das  höfische  Lehen  etc..  Zeller,  Die  täglicheji  Lebensgeivohnheiten 
im  altfranzösischen  Karls-Epos^  AA  42,  Müller,  Die  täglichen 
Lehensgewohnheiten  in  den  altfranzösischen  Artusromanen,  Mar- 
burg 1889,  Oschinsky,  Der  Ritter  unterioegs,  Halle  1900,  und 
soweit  boire  in  Betracht  kommt,  besonders  Klauenberg,  Getränke 
tind  Trinken  in  altfranzösischer  Zeit,  Göttingen  1904.  Unter 
Benutzung  des  in  den  genannten  Werken  beigebrachten  Materials 
und  bescheidener  eigener  Lektüre  möge  der  altfranzösische  Gebrauch 
im  folgenden  kurz  skizziert  werden. 

1.  prendre.  Wenn  hier  die  Quellen  nicht  so  reichlich  fließen, 
wie  man  bei  der  Bedeutung  des  Wortes  wohl  erwarten  könnte,  so 
liegt  dies  wohl  an  der  großen  Zahl  von  Synonyma,  die  im  Alt- 
französischen für  „nehmen  aus^  zur  Verfügung  standen.  Man  liest 
aber  doch  auch:  Prisent  faigue  en  dores  bacins,  Part.  10846 
(Müller),  —  De  Veave  prent  en  I  bocler,  Si  fait  les  chevaliers 
laver,  Durm.  2193,  —  Plus  be  a  penre  en  Vevangile  Qu  en  Juvenal 
ne  qu'en  Virgile,  Coincy,  Mir.  377,  16.  —  Dans  Vautel  prise 
a  l'oublee  Que  le  prestre  avoii  sacree,  Coincy  283,  31.  —  La 
viaride  prent  sus  la  table  .  .  .  Ciaris  271  (Müller),  —  Mais  se 
sa  fille  li  plaiseit,  11  li  dunreit,  plus  7ii  prendreit,  Wace,  Brut, 
Bartsch^  104,  16,  —  Sont  eil  qui  plus  y  veulent  prendre, 
Coincy  413,  611.  — fuir  nes  celes  choses  ou  te  sens  ke  ta  propre 
volenteiz  puet  penre  deleit  St.  Bernard,  B^  197,  8,  —  Fait  li 
prestres,  •»tout  ni'en  merceil  Ou  vous  avez  si  grant  sens  j)ris,< 
Coincy  433,   194. 

2.  boire.  —  Man  begegnet  Verbindungen  wie  boire  ä  la  sor&e, 
Marie  de  Fr.,  B3  265,  18,  ä  la  peiiie  fonieniele,  Perc.  26559 
(Oschinsky),  ä  un  rossel,  Marie  de  Fr.,  B3  263,  16,  au  rocher, 
Villen,  B^459,  28.  ä  la  coupe,  Violete  3551  (Kiauenberg)  u.  ö., 
ä  granz  henas,  Guiart  6935  (Klauenberg)  u.  ö.,  —  ou  ruissel  troble, 
Guiot,  Bible,  B^  244,  9,  en  man  breviaire,  Rab.  Garg.  I  5,  en  son 
pantouße,  Ptab.  Garg.  19;  —  fig. :  el  cors,  el  piz,  el  sanc  Kex 
(Klauenberg). 

3.  mang  er:  d  des  escuelles,  Godefr.,  a  une  esquiele,  Duini. 
2200,  u.  ö,  ä  une  escuele,  Perc.  2755  (Schultz)  u.  ö.,  d  son  ecuelle, 
Rab.  Garg.  111. 

4.  puisev.  au  hault  puis,  Godefr.,  ä  la  riviere,  Godefr.,  ä 
la  mer,  Froiss.  (Littre),  —  en  la  fontaine,  Claris  2730  (Müller), 
u.  ö,,  en  grant  livre,  Coincy   146,  2,   la  folie   ou  seit,  Coincy  2-i4, 

Zlschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.   XXXII".  9 


130  -E.    Uhlemann. 

15;  —  li  puis  la  ou  Ven  puise,  Rusteb.  (Littre),  Seiiremeni  iouz 
i  puisiez,   Coincy  105,   1285,  — 

Oben  ist  der  Gebraucb  von  en,  dans  (a)  bei  Verben  des 
„Entnebmens"  in  der  Hauptsaclie  auf  den  ausschlaggebenden  Einfluß 
von  prehendere  {prendre)  zurückgeführt.  Wie  erklärt  sich  aber, 
daß  gerade  dieses  Verbum  gegenüber  seinen  lateinischen  Konkur- 
renten ein  solches  Übergewicht  erlangt  hat?  Das  Lateinische  ver- 
fügte ja  noch  über  soviel  gebrauchte  Verba  wie  capere  und  sumere, 
deren  Grundbedeutung  auch  heute  noch  die  französischen  Lexiko- 
graphen gerade  so  mit  prendre  und  saisir  bestimmen  wie  bei 
prehendere.  Die  beiden  zuerst  genannten  Verba,  als  Simplicia 
wenigstens,  sind  eben  vom  Französischen  überhaupt  nicht  übernommen 
worden,  sodaß  j^^ßhendere  in  deren  Bereich  eindringen  konnte  und 
mußte,  ja  geradezu  eine  Art  Alleinherrschaft  gewann.  Diese  wurde 
dadurch  noch  umfassender,  daß  selbst  die  eigentlichen  lateinischen 
Träger  des  „Entnebmens",  gleich  den  alten  Simplicia,  mit  denen  sie 
gebildet  waren,  im  Französischen  abgelehnt  wurden:  eximere,  promer e, 
demere,  excipere  sucht  man  vergebens  auf  französischem  Sprachgebiet; 
auch  auferre,  proferre^  educere,  producere  u.  a.  erscheinen  garnicht 
oder  höchstens  in  gelehrten  späteren  Neubildungen. 

So  blieb  zunächst  aus  dem  reichen  Schatze  des  Lateinischen 
pr^ekendere  das  einzige  lexikalische  Mittel  zum  Ausdruck  der  Tätigkeit, 
die  wir  mit  ,, nehmen"  und  auch  mit  „entnehmen'-  zu  bezeichnen  ge- 
wohnt sind. 

Um  so  dringender  war  es  nötig,  daß  die  neu  sich  bildende 
Tochtersprache  Ersatz  für  diese  ungewöhnlichen  Verluste  schaffte. 
Und  sie  hat  ihn  früh  und  in  reichem  Maße  gefunden.  Neben  prendre  = 
ergreifen,  erfassen  stellt  sich  sehr  bald  mit  ähnlicher  Bedeutung  und 
gleicher  Konstruktion  saisir.  Für  „entnehmen"  wurden  dem  Latei- 
nischen entlehnt  die  sinnverwandten  traire,  tollir,  lever.  Dazu  treten 
seit  den  ältesten  Zeiten  oster,  sachier  und  tirer,  deren  Etymologie 
leider  immer  noch  Schwierigkeiten  bereitet.  In  einem  Punkte  aber 
stimmen  alle  diese  letzten  sechs  Verba  des  „Entnebmens"  überein: 
sie  verbinden  sich  regelmäßig  mit  Ortsbestimmungen  mit  de. 

Im  Laufe  der  Jahrhunderte  hat  ja  allerdings  das  Französische 
sachier  und  tollir  wieder  fallen  lassen  und  traire  in  seiner  Bedeutung 
so  verengt,  daß  es  als  allgemeines  Verbum  des  „Entnebmens"  nicht 
mehr  in  Betracht  kommt. 

So  steht  also  zum  Ausdruck  dieser  Tätigkeit  im  Nfrz.  auf  der 
einen  Seite  prendre  mit  seinen  Modifikationen  puiser,  manger  und 
hoire,  denen,  gleich  saisir,  Ortsbestimmungen  mit  dajis  (ä)  angefügt 
werden,  auf  der  anderen  Seite  tirer,  öter  und  lever,  an  die  sich 
entsprechende  Lokalangaben  ausnahmslos  mit  de  anschließen. 

Für  das  Lotische  des  enfants  pttiisaient  l'eau  d^une 
fontaine  ist  also  die  Erklärung  noch  nicht  gefunden. 


Syntaktisches.  131 

Nun  liegt  es  ja  nahe,  sie  in  einer  Vermischung  der  beiden 
Konstruktionsarten  zu  suchen,  die  eben  als  getrennt  nebeneinander 
liingeliend  charakterisiert  worden  sind.  So  abweichend  die  beiden 
Wortgruppen  auch  der  Etymologie  und  folglich  auch  der  Grund- 
anschauung  nach  sind,  in  ihrer  Bedeutung  erscheinen  sie  uns  jetzt 
oft  nur  als  verschiedene  stilistische  Hilfsmittel  zum  Ausdruck  desselben 
tatsächlichen  Vorgangs.  Und  in  der  Tat  fehlt  es  nicht  an  solchen 
Übergängen: 

Plattner  verzeichnet  in  seiner  Franz.  Schulgramm afik^  (S.  153) 
unter  der  Gruppe  prendre  dans  auch  enlever  und  weist  hin  auf 
Wendungen  wie  enlever  qn  dans  son  lit.  Ein  so  feiner  Kenner  des 
nfrz.  Sprachgebrauches  wie  E.  Rhode  erklärt  aber  mit  Rücksicht  auf 
diese  Redensart:  Remarquons  en  passant  quon  peut  dire  aussi 
„enlever  qn  de  son  lit''.  Sein  französischer  Gewälirsmann  macht 
dazu  freilich  die  Bemerkung:  Je  ne  dirais  pas  cela  (E,  Rhode, 
Essais  de  Fhilol.  moderne  I  125  bezw.  11  139).  Die  Ac.  verzeichnet 
aber  doch  auch  Wendungen  wie  lever  qn  de  terre;  on  Va  enleve  de 
sa  maison.  Je  nachdem  man  in  dem  Kompositionsclement  en  (inde) 
mehr  die  Bewegung  nach  oben  oder  nach  der  Seite  empfindet,  läßt 
sich  recht  wohl  die  eine  wie  die  andere  Präposition  (dans  :  de) 
verstehn.  —  Von  Knebel,  Frz.  GramA"^  229,  wird  recueillir  der 
^^re/u/rg- Gruppe  zugerechnet,  auf  Grund  von  Sätzen  wie  Ces  notices 
ont  ete  recueillies  dans  les  meilleures  sources.  Daneben  verweisen 
aber  französische  Lexikographen  auch  auf  Verbindungen  wie  Les 
fruits  qiCil  a  recueillis  de  son  jardin,  und  im  übertragenen  Sinn 
recueillir  du  fruit  de  qch  =  en  tirer  de  Vutilite,  du  fruit  (HD.  = 
Darmesteter  &  Hatzfeld,  Diclionnaire  General);  —  il  a  compose 
sa  biographie  sur  les  renseignements  recueillis  de  la  houche  des 
amis  schreibt  G.  Paris,  Litt.frg.^  216  — Das  allerdings  verhältnis- 
mäßig moilerne  voler  erscheint  nach  Ac.  und  Sachs  bald  mit  dans, 
bald  mit  de  :  il  a  \ole  cela  dans  tel  livre  ou  de  tel  livre  (Ac); 
voler  la  hoite  de  la  poche  de  qn  neben  voler  dans  Varmoire  de 
qn  (Sachs  unter  „herausstehlcn"). 

Sollten  ähnliche  Schwankungen  nicht  auch  zu  beobachten  sein 
bei  der  alten  pre/u/re-Gruppe,  bei  manger,  Loire  und  auch  bei  puiserf 

Für  mang  er  vermag  ich  keinerlei  Beleg  beizubringen.  Bei 
boire  fehlt  aber  schon  afrz.  de  neben  gewöhnlichem  e7i  (ä)  nicht: 
Quant  la  poison  fut  destempree,  D'une  molt  grant  cope  doree 
En  boit  mesire  Durmars  lors,  Durm.  3174;  —  A  petite  fontaine 
boit  on  souef,  Prov.  Vill.  (Klauenberg  S.  75),  wechselt  mit  I)e  jyetite 
fontaine  tout  son  saol  boit  on,  Trouv.  Brab.  352,  2;  —  A  douce 
fontaine  a  beic,  Meraug.  504  mit  Car  je  beu  de  forde  fontaine, 
Durm.  13799;  weitere  Belege  bei  Klauenberg  a.  a.  0.  S.  145  f.  — 
Nach  Sachs  (boire)  sagt  man  auch  jetzt  noch  im  familiären  Ausdruck: 
boire  des  rouges  bords  neben  a  7Vuge  bord. 

9* 


132  E.   UhLemann. 

Für  prendre  fehlt  es  von  den  ältesten  Zeiten  an  nicht  an 
Übergängen.  Du  Gange  verweist  unter  preliendei'e  =  exigere,  tollere 
auf  Ut  nullus  de  victualio  et  carris  .  .  .  teloneiim ]jrehendat  (Capit. 
Pippini  anni  755).  Godefroy  hebt  besonders  hervor:  De  laz  la  croz 
e stet  Marie  De  cui  Jhesus  vera  carn  presdre,  Passion,  13 3  13,  1. 
Spätere  Texte  gebrauchen  freilicli  in  diesem  Sinn  prendre  mit  en, 
^Yie  aus  zahlreichen  Stellen  bei  Coincy,  Miracles  zu  ersehen  ist,  am 
deutlichsten  wohl  S.  462,  1  in  einem  der  Passion  nahe  verwandten 
Gedankengang:  Cele  en  qui  p)rist  Immanite  Li  puissantz  Roys  de 
verite.  —  Neben  der  Stelle  aus  der  Passion  bringt  allerdings  Godefroy 
nur  noch  zwei  afz.  Belege  für  pirendre  de  im  Sinne  von  „entnehmen." 
Auch  afz.  überwiegt  gewiß  ä,  dans  (parrin,  chez)  in  Verl)indung  mit 
dem  gleichen  Verbum.  Aber  die  Ac.  weist  doch  hin  auf  prendre  = 
emprunter  in  der  Verbindung:  C'est  un  mot  que  nous  avons  pris 
du  latin.  Einen  andeicn  Belog  vermag  auch  PJattner,  Ausfülirl. 
Gr.  d.  fz.  Spr.  II  2,  S.  171  nicht  beizubringen  (im  proverhe  pris 
du  laiin).  —  G.  Boissier  bietet  in  seinen  zahlreichen  Werken  un- 
gemein häufig  prendre  mit  den  oben  genannten  Präpositionen,  sagt 
auch  Oest  encore  dans  les  Antiquites  .  .  .  qu'il  a  pris  le  sujet 
du  De  vita,  Varr.  188.  Daneben  fließt  ihm  aber  doch  gelegentlich 
aus  der  Feder  c'est  bien  des  Antiquites  divines  qii'Aulu-Gelle  avait 
pris  ce  fragment,  Varr.  230  Anm.  Auch  wo  Personen  die  Quelle 
sind,  der  etwas  entnommen  wird,  bestimmt  Boissier  sie  gewöhnlich 
mit  dans  (ä,  chez),  vereinzelt  erscheint  aber  doch  auch  de  :  ce  quil 
a  pris  de  Varron,  Varr.  227  Anm. 

Uud  endlich  puiser,  von  dem  ja  die  ganze  Untersuchung  aus- 
gegangen ist.  Für  das  Afrz.  bieten  Belege  für  den  Gebrauch  voa 
de  (st.  en)  in  Verbindung  mit  la,  les  fontaine(s)  Littre  und  nocli 
zahlreicher  Godefr.,  Complem.  Wir  finden  de  dann  wieder  bei  Calvin: 
Cette  fontaine  de  vie,  de  laquelle  il  nous  estoit  aise puiser  Godefr. 
Complem,  und  wenigstens  mit  sinnverwandtem  Substantiv  bei  La 
Bruyere:  Pour  paraitre  ne  devoir  rien  aux  autres,  mais  puiser 
tout  de  voire  fonds.  Littre  und  IID. 

Es  kann  also,  wie  bei  anderen  Verben  des  „Entnehmens,"  so 
auch  bei  puiser  die  Möglichkeit  der  Anfügung  einer  Ortsbestimmung 
mit  der  Präposition  de  nicht  geleugnet  werden.  Man  sieht  auch 
leicht,  daß  in  den  beigebrachten  Belegen  dieses  de  kein  anderes  als 
ein  separatives  Verhältnis  zum  Ausdruck  bringen  kann.  Aber  voll 
und  ganz  deckt  sich  keines  der  vielen  Beispiele  mit  Lotis  des  enfants 
puisaient  Veau  d'une  fontaine.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  fehlt  bei 
den  Verben  des  Entnehmens  neben  der  Ortsbestimmung  ein  Sach- 
objekt überhaupt,  oder  falls  es  vorhanden  ist,  wird  es  von  dieser 
Bestimmung  durch  andere  Satzteile  getrennt,  und  in  der  Lotis  Worten 
am  nächsten  kommenden  Stelle  aus  I-a  Bruyere  ist  die  Ortsangabe 
bildlich  zu  verstehn,  bietet  auch  gar  nicht  das  uns  besonders 
interessierende  Wort  la  fontaine. 


Syntaktisches.  133 

So  erheben  sicli  also  zu  schwere  Bedenken,  als  daß 
man  ernstlich  versuchen  könnte,  die  in  Frage  stehende 
Redeweise  Lotis  in  dem  Sinn  zu  erklären,  daß  dem  de  la 
fontaine  nach  Analogie  des  Sprachgebrauchs  der  tirer- 
Gruppe  ein  separativer  Sinn  unterzulegen  sei. 

Dann  bleibt  nur  noch  eine  Möglichkeit:  de  la  fontaine  ist 
attributiver  Genetiv,  wie  ihn  viele  Yerba  der  Trennung,  wenn  auch 
nicht  die  des  „Entnelimens",  in  zahlreichen  Fällen  neben  dem  Objekt 
otVenbar  zu  sich  nehmen.  Halten  wir  uns  einmal  an  zwei  der  geläufigsten, 
an  öter  und  enlever.  Wie  soll  mau  verstehen:  öter  une  branche 
(Tun  arbre,  enlever  la  croiUe  cCun  ijate  (Ac.)?  Gebührt  dem  mit 
de  eingeleiteten  Satzteile  attributiver  oder  separativer  Sinn?  Der 
Form  nach  ist  beides  möglich.  Ausschlaggebend  kann  nur  die  Ab- 
sicht des  Eedenden  sein,  der  Sinn  des  Satzes.  Wie  soll  man  diese 
aber  ergründen?^  Man  prüfe  einmal  unbefangen  einen  Satz  wie  den 
nachstehenden:  Otez  la  sante  et  la  paix  de  Väme,  vous  otez  tous 
les  plaisirs  de  la  vie  (Ac).  Die  Objekte  und  die  Genitivsbestimmungen 
sind  offenbar  gleich  stark  belastete  Träger  eines  beabsichtigten  Nach- 
drucks, das  Genitivverhältnis  ist  das  possessive.  Oder  man  nehme 
folgende  Verbindungen:  07i  lui  a  öte  un  coin  de  son  jardin,  on  lui 
a  öte  la  moitie  de  ses  appointements  (Ac).  Nicht  etwa  de  son 
jardin,  de  ses  appointements  stehen  für  sich  als  Gegensätze  einander 
gegenüber,  sondern  die  Objekte  zusammen  mit  den  folgenden  Genitiven, 
mit  gleicher  Betonung  beider  Teile,  bilden  offenbar  die  Gegensätze, 
die  hervorgehoben  werden  sollen.  Oder  aber  man  lese  nacheinander 
folgende  Verbindungen,  die  die  Ac.  zusammengestellt:  enlever  la  croiUe 
dhm  päte,  la  peau  d'une  partie  du  corps,  Vecorce  d'u7i  afbre, 
d'une  branche,  la  couleur  d'une  Stoffe.  Es  scheint  mir,  auch  in 
allen  diesen  Fällen  schwebt  der  Ton  gleichartig  über  dem  Objekt 
und  den  mit  de  angefügten  Bestimmungen.  Es  darf  nicht  iire  machen, 
daß  die  Ac.  in  den  drei  ersten  Fällen  enlever  erklärt  mit  detaclier 
une  chose  de  celle  sur  laquelle  eile  est  appliquee,  ou  ä  laquelle 
eile  est  adlürente;  im  vierten  Falle  kommentiert  sie  dasselbe  enlever 
mit  öter,  faire  disparaäre,  und  für  das  erste  Beispiel  gibt  HD  unter 
enlever  die  Interpretation  ,.^lever  pour  retirer  de  sa  place."' 

Eine  solche  gleichmäßige  Verteilung  des  Betonungsgehaltes  auf 
zwei  Satzteile  scheint  mir  nun  auch  vorzuliegen  in  Lotis  Worten 
Des  enfants  jouisaient  Veau  d\ine  fontaine.  Man  betraclite  doch 
nur  den  Zusammenhang.  Der  Veifasser  schildert  mit  gewohnter 
Meisterschaft  die  Eindrücke,  die  er  beim  Wiederbesuclien  eines  alt- 
bekannten öffentlichen  Platzes  mit  seinem  obligaten  Kaffeehaus  erhält: 
Des  imans  .  .  .  lui  firent  grand  accueil  .  .  .  le  cafedji  .  .  .  lui 
apporta  .  .  .  la  chatte  de  la  maison  ...  les  murs  de  la  mosquSe 
eblouissaient  .  .  .  Des  enfants  puisaient  Veau  d'urie  fon- 
taine et  la  versaient  sur  les  vieux  paves  .  .  .  Des  feuilles 
jaunes   cependant  tombaient  dejä  .  .  .     Natürlich  würden  wir  über- 


134  E.   ülilcmann. 

setzen:  „Kinder  schöpften  Wasser  aus  einem  Brunnen"  .  .  .;  der 
französische  Schriftsteller  aber  cmiDfindet:  faßten,  machten  sich  das 
Wasser  eines  Brunnens  zu  eigen  (man  gestatte  einmal  die  harten 
Ausdrücke),  oder :  schöpften  das  Wasser  eines  Brunnens  in  Gefilße 
ein  und  gössen  es  aus  .  .  .  Puiser  erscheint  also  hier  ganz  ebenso 
mit  Objekt  und  qualitativem  Genetiv  verbunden  wie  epuiser  in  der 
Erklärung:  Spuise-volante  =  un  moulin  ä  vent  dont  on  se  sert  pour 
epuiser  les  eaux  d'un  endroit  que  Von  veut  mettre  ä  sec  (Complem. 
du  Dict.  de  VAc.  fr.,  Brux.   1843  unter  epuise-volanie). 

Liegt  der  Nachdruck  in  ähnlichen  Verbindungen  mit  uter,  en- 
lever,  reiirer  usw.  auf  dem  mit  de  angeknüpften  Satzstück  allein,  so 
wird  dieser  im  separativeu  Sinne  zu  verstehen  sein.  Zweideutigkeiten 
lassen  sich  bei  einer  solchen  Ausdrucksweise  nicht  immer  vermeiden. 
Kein  Wunder  daher,  wenn  ihnen  der  Franzose  lieber  durch  eine  andere 
Ordnung  der  Satzteile  oder  sonstige  Hilfsmittel  zu  begegnen  sucht: 
ötez  de  cette  somme  ce  que  vous  avez  paye;  Vappareil  doit  vtre 
enleve  de  la  blessure,  also  passivisch;  ötez  cet  enfant  d'aujyres 
du  feu;  enlevez  cela  de  dessxis  la  table;  retirez  de  l'argent  de 
chez  un  avouS  (Ac.)  u.  ä. 

Einfacher  liegt  der  Fall,  wenn  bei  puiser  und  seiner  Gruppe 
der  Hauptton  der  Ortsbestimmung  zufällt.  Dann  trat  eben  statt  de 
ein  dans  oder  ä  ein.  Daher  liest  man  denn  auch:  La  pompe  ä 
incendie  ordinaire  est  forme  de  deux  pompes  accouplees  et  puisant 
l'eau  dans  une  meme  häclie  oii  ce  liquide  est  deverse  (Poire, 
JS'ouv.  Dict.  des  sciences,  S.  2519). 

So  erklären  sich  dann  ohne  Schwierigkeiten,  selbst  in  dem  Falle, 
wo  beim  Objekt  statt  einer  begrenzten  Menge  nur  ein  Teilverhältnis 
zum  Ausdruck  gelangt,  neben  dem  gewöhnlichen  prendre  un  liquide 
dans  un  puits  (mit  einseitig  betonter  Ortsbestimmung)  Ausdrucksweisen 
wie  remplir  (un  vase)  en  prenant  avec  ce  vase  du  liquide  d 'u7i  p u its, 
d'unesource,  etc.,  Godefroy,  CompUm.  unter  puisier.  Schon  der  Wechsel 
der  Ortsbezeichnung,  und  nochmehr  das  beigefügte  etc.  legen  klar,  daß 
dem  Ort  als  solchem  keine  ausschlaggebende  Bedeutung  beigemessen 
ist,  wenn  der  Zusatz  auch  nicht  als  völlig  belanglos  empfunden  wird. 

Das  Gleiche  gilt  von  boire  de,  wo  man  sonst  boire  dans  zu 
lesen  gewohnt  ist.  Quicherat-Daveluy,  Dict.  Latin- Francais,  Paris 
1882,  unter  trahere,  konnte  daher  trahere  pocula,  trahere  amneni 
übertragen  mit  boire  U7i  breuvoge,  boire  de  Veau  d'un  ßeuve 
(=  von  dem  Wasser  eines  Flusses),  Nicht  minder  ist  schwebende 
Betonung  der  Grund  für  die  Wahl  eines  sonst  auffallenden  de,  also 
einer  qualitativen  Genitivsbestimmung,  in  den  bekannten  Wendungen: 
boire  des  eaux  du  Lethe  (von  dem  Wasser  des  Lethe),  il  a  bu 
de   Veau  de   la  fontaine   de  Jouvence^).     Besonders   deutlich   tritt 


-)  Vergl.    auch    Boire   la    vie   De    ce   calice   amer   ^ue   Von  nomme    la    vie, 

A.  Chenier,  £1.  I  29  (HD). 


Syntaktisches.  135 

der  wirkliche  grammatische  Sachverhalt  zu  Tage  in  längeren  Stellen 
wie  die  folgende:  Je  mis  pied  ä  terre  pour  saluer  ie  fleuve  et 
pour  boire  de  son  eau  (also  beide  gleichmäßig  betont).  Je  me 
suis  toujours  fait  un  plaisir  de  boire  de  leau  des  rivieres 
celebres  que  ^ai  passees  dans  ina  vie;  ainsi  fai  bu  des  eaux 
du  Mississipi,  de  la  Tamise^  du  Rhin,  du  Po,  .  .  .  du  Nil,  du 
Tage  et  de  VEbre,  Chateaubriand,  liinir..,  Paris   1811,  I  171. 

III.  On  apprenait  dans  l'essai  de  Taiiie  que  le  bon 
style  est  Tart  de  se  faire  ecouter  et  de  se  faire  entendre. 

Mätzner,  Sy7it.  I  280,  verzeichnet  als  Verba,  die  sich  gleich 
puiser,  manger,  boire  und  prendre  in  bestimmten  Fällen  mit  dans 
(ä)  verbinden,  fumer  und  choisir;  ein  beigesetztes  „u.  a."  zeigt  aber, 
daß  er  ihre  Anzahl  damit  noch  keineswegs  für  abgeschlossen  hält. 
Spätere  Grammatiker  folgen  mehr  oder  weniger  Mätzuer,  fügen  dabei 
bald  das  eine  Verbum  hinzu,  bald  übergehen  sie  das  andere.  Keiner 
aber  hatte  Anlaß  ihre  Zahl  zu  erschöpfen.  Auch  die  folgende  Sammlung 
ist  weit  davon  entfernt  einen  solchen  Anspruch  zu  erheben.  Sie 
möchte  nur  ein  bescheidenes  Teil  dazu  beitragen,  die  bestehende 
Lücke  auszufüllen. 

1.  apprendre  qc  dans  wird  neben  prendre  nicht  Wunder 
nehmen.  Sachs  verzeichnet  unter  „lernen":  apprendre  dans  les 
livres  =  aus  den  Büchern  lernen.  —  On  apprenait  ä  lire  dans 
des  livres  tont  pleins  de  la  vieille  mytliologie,  Boiss.  Fin  I  234;  — 
on  apprenait  dans  Vessai  de  Taine  que  .  .  .,  Brunetiere  in  RM. 
32,  318;  —  ähnlich  apprendre  dans  la  nature,  dans  nos 
institutions. 

Natürlich  bietet  schon  das  Altfranzösische  dieselbe  Konstruktion: 
eil  sont  malement  bestorne  Qui  ou  sen  puisent  la  folie,  Es  lois 
aprennent  tricherie,  Guiot,  Bible,  B3  244,  15;  —  En  un  roman 
list  et  aprent,   So7i  damisel  voit  si  se  lieve,  Durm.  236. 

2a.  choisir  dans.  Mätzner  erklärt  das  (/a?is  durch  Analogie; 
vielleicht  reicht  das  Zurückgehen  auf  die  ältere  Bedeutung  „erblicken" 
dafür  schon  aus.  Choisir  ses  nouveaux  ministres  dans  le  parti 
victorieux,  Mignet  nach  Mätzner;  il  choisit  dans  le  panier 
les  plus  belles  cerises,  Li.,  und  so  sonst  neufrz.  ungewöhnlich  häufig. — 
Den  entsprechenden  altfrz.  Gebrauch  belegt  Godefr.,  Complem.,  bereits 
aus  dem  13.   und   14.  Jahrhundert. 

6.  elire  wird  neufrz.  kaum  noch  im  Sinne  von  choisir  gebraucht; 
deshalb  fehlen  wohl  auch  neuere  Belege  für  elire  qn  dans.  Im 
Altfrz.  liest  man  aber:  eslisez  trois  messages  en  ceste  votre  gent, 
Sax.,  Li.;  —  Tu  en  avras  tel  guerredun  Que  tut  le  plus  prisie 
barun,  Que  tu  en  mun  renne  esliras,  Si  jo  puis,  a  seignur 
avras,  Wace,  Brut,  B3  101,  9. 


136  E.    Uhlemann. 

3.  copier  qcli.  dans  im  Uwe,  Neubildung,  in  ihrer  Konstruktion 
offenbar  durcli  ])rcndre  beeinflußt,  verzeichnet  Plattner,  Franz.  Sclndgr} 
153;  Sarcey,  Siege  de  Paris  (Paris,  Flammarion),  S,  30:  Je  copie 
dans   Uli  Journal  du  4  octohre  cette  note  d'origine  ofßcieuse  .  .  . 

4.  cueitlir  dans  kann  bei  der  Etymologie  des  Wortes  nicht 
auffallen:  Rien  ne  lui  eüt  etS  plus  facile  que  de  cueillir  dans  ses 
discours,  dans  ses  letires,  des  traits  dhin  comique  acheve,  Boissier, 
Tac.  99;  —  U7i  p>eu  d'argot  cueilli  dans  les  livres  de  Gyp,  Loti, 
Les  DcsenchanUes^  17.  —  Altfrz.  creson  cuilli  en  fontaine,  Meon, 
Fahl.  IV  427   (n.  Schultz,  Höf.  Leb.). 

recueillir  :  Ces  notices  ont  etS  recueillies  daiis  les  meilleurs 
auteurs  zitiert  Knebel,  Frz.  Gram.^'^  229;  über  AnknüiDfung  ganz 
ähnlicher  Ortsangaben  mit  de  s.  unter  II. 

5.  fumer  (du  tabac)  dans  une  pipe,  dans  un  calumet, 
schon  bei  Mätzner  besprochen;  die  Neubildung  folgte  offenbar  der 
Analogie  von  hoire;  auch  im  Deutschen  sagte  man  anfangs  „Tabak 
trinken"  (Grimm,  u.  „rauchen"). 

6.  lever,  im  juristischen  Sinn,  wohl  von  prendre  oder  copier 
beeinflußt:  11  en  est  d''autres  (Hindous),  enfin,  qui  me  confiejit  des 
copies  levSes  dans  leurs  papiers  de  famille.     RM.  33,  858. 

relever:    C'est    le    rnot    le  plus   amer  qiion  releve  dans 
toute  sa  correspondance,  Boissier,  Fin  II  314. 
enlever  qn  dans  son  lit. 

7.  p  eck  er  =  „preiidre  du  poisson  en  le  tirant  hors  de 
l'eau  ä  faide  de  la  ligne'"''  :  pecher  du  poisson  dans  la  mer, 
une  riviere,  un  etang ;  oü  avez-vous  peche  cela''^  —  pecher  au 
plat  =  prendre  dans  le  plat  ce  quon  veut,  Ac.  —  Afz.:  Ft 
peschent  es  rivieres  et  viviers  et  es  dois,  Ren.  de  Montaub. 
(Zeller,  Die  täglichen  Leheiisgeivohnheiten,  AA  42,  69). 

8.  ramasser  une  nouoelle  dans  le  ruisseau  ==  prendre 
dans  les  rues,  dans  le  has  j^eujjle,  Ac.  unter  ruisseau;  les  epis 
dans  les  chanips,  Ac.  unter  ramasser;  man  vergleiche  une  feuille 
de  chou  ramassde  par  terre,  2  Gonc,  Germ.  Lacerteux  187.  Die 
Detinition  der  Ac.  erklärt  dans  zur  Genüge:  faire  un  amas,  un 
assemhlage,  une  collection  de  plusieurs  choses. 

9.  (se)  recruter  dans,  gewiß  au  prendre  und  choisir  an- 
geglichen, denen  es  ja  erst  seit  dem  17.  Jahrhundert  zur  Seite  tritt: 
Ce  regiment  s'est  recrutS  dans  teile  p)rovince;  (les  Romains)  se 
recrutaient  dans  Vesclavage;  il  recrute  partout  des  associes,  Ac. 
Allerdings  verzeichnet  Ac.  daneben  Ce  parti  se  recrute  de  gens 
malintentionnh.  Außerhalb  des  Zusammenhangs  aber  bleibt  der 
Sinn  dieser  Stelle  zweifelhaft.  Hält  man  daneben:  {les  barbares)  se 
recrutaient,  ä  Voccasion,  des  mecontents  qui  ne  voulaient  ou  ne 
pouvaient  plus  (payer)  Vimpot,  et  tous  ensemble  couraient  les 
provinces,  Boissier,  Fin  II  440,  so  dürfte  wohl  im  einen  wie  im 
andern  Fall  für  se  recruter  de   gar  nicht    „sich  ergänzen  aus," 


Syntaktisches.  137 

sondern  „sieb  vermehren  um,"  „sich  verstärken  durch"  als 
Übersetzung  in  Betracht  kommen. 

10a.  servir  =  donner  ä  diner,  ä  manger  dans  in  Wendungen 
wie:  mille  convives  sassirent  ä  table  servis  ä  profusion  dans 
des  vases  d'or  qu^on  cliangeait  ä  cliaque  mets  nouveau,  Boissier, 
Varr.  8;  —tu  es  libre  .  .  .  quand  tu  as  faim,  .  .  .  qu''on  te  serve 
dans  des  plats  d'argent  et  d'or,  Boi>s.   Tac.  .327. 

So  auch  schon  afz.  neben  häufigerem  de:  Ens  granz  escueles 
d'argent  Furent  commiinaument  servi,  Perc.  (Schultz  I  315);  — 
[vielleicht  beides  nebeneinander:  eil  baron  .  .  .  servent  eil  mareschal 
D' esquieles  d\t7'gent  non  en  autre  metal,  Hörn  4099  (Zeller, 
AA.  42,  55)]. 

b.  alimenter  =  speisen,  im  technischen  Sinn,  darf  hier 
vielleicht  auch  eine  Stätte  finden :  alimenter  les  bauches  d'incendie  . . . 
en  eau  de  source,  La   Grande  Encycl.     27,  221   und  öfter. 

11.  tailler  dans,  wohl  beeinflußt  ([mch.  prendre:  On  voit 
aussi  des  petits  garcons  habilles  de  vetements  neufs  tailles  ä  la 
maniere  de  ceux  de  leur  pere,  dans  des  pieces  de  drap  sombre 
EM.  34,  78. 

12.  voler,  Neubildung  des  16.  Jahrb.  (s.  Körting  u.  volare), 
folgt  wenigstens  teilweise  der  Analogie  von  i:)rendre:  il  a  voU  cela 
dans  tel  livre,  Ac;  voler  dans  Varmoire  (Sachs  u.  „heraus- 
stehlen"). 

lY.   Noiis  ne  prenons  au  deJiors  quo  ce  qiii  repond  au 

besoiii   de   uos  eonseiences  et  de  nos  pensees,  quand 

notre  litterature  nationale  . .  .  ne  correspond  plus  ä 

l'etat  present  de  nos  ames. 

Wie  das  au  dehors  des  vorstehenden  Satzes  (Lanson,  Eist, 
de  la  litt.  fr.  9  1089)  lehrt,  wird  auch  die  Wahl  der  Ortsadverbien 
durch  die  Konstruktion  der  Verba  des  „Entnehmens"  eigenartig 
beeinflußt.  Vielleicht  darf  eine  kurze  Zusammenstellung  von  in 
Betraclit  kommenden  Fällen,  auch  wenn  sie  keineswegs  erschöpfend 
ist,  auf  ein  gewisses  Interesse  rechnen. 

Für  y,  lä,  oit  sind  die  Beispiele  so  alltäglich,  daß  nur  der 
Vollständigkeit   halber   einige  Verbindungen   angeführt  werden  sollen: 

Si  vous  cassez  la  bouteille,  vous  w'?/  boirez  plus;  Piaton 
y  puisait  tout;  on  y  prend  cette  impression  que  .  .  .;  noiis  n''y 
prendrons  pas  de  lecons. 

cest  la  quelle  puisait  ces  impressions ;  s'est  lä  quil  allait 
prendre  ses  victimes. 

la  tasse  oic  j'ai  bu;  un  livre  ou  tout  le  inoyen-äge  a  p)uise 
la  connaissance  du  passe;  les  libraires  o  ii  les  curieux  pourront  le 
prendre  (=:  un  livre);  on  ne  savait  ou  prendre  Vargent;  oii 
a-t-il  pris  ce  rJiumef 


138  E.    Uhlemann. 

Es  tintlen  sich  aber  tmcli  weiter  Verbindungen  wie: 
im    auteur   qni  j^zcise  partout;   ü  prend  S07i  bien  partout;    il 
prit  une  fenime  aiileurs,  Boissier,  Fin  II  386 

on  les  prenait  (=  les  siijets)  .  .  .  en  dehors  de  la  realite, 
Boiss.  Fin.  I  222;  7}ous  ne  prenons  au  dehors  que  ce  qui  repond 
au  besoin  de  uos  consciences,  Lanson,  /.  c. 

il  nHra  pas  prendre  ses  sujets  si  loi7i,  Boiss.,  Opp.  349  — 
und  bei  dem  verwandten  aller  chercher  :  on  ri'a  pas  besoin  d' aller 
eher  eher  si  loin  les  motifs,  Boiss.  Tac.  42;  des  navires  vont 
le  chercher  (:=:  le  vin)  au  loin,   Boiss.    Varr.   359. 

V.   II  piiisa  de  l'eau  dans  la  fontaiiie,  ä  la  riviere. 

Für  die  in  der  Überschrift  abgedruckten  Ortsbestimmungen 
i)ezeichnet  die  Ac.  das  eine  Mal  die  Präposition  dans,  das  andere 
Mal  ä  als  den  gegenwärtigen  Spracligebrauch.  HD.  im  Gegenteil  gibt 
gerade  umgekehrt  als  die  gebräuchliche  Ausdrucksweise  puiser  ä  la 
fontaine,  aber  dans  la  riviere.  Littre  endlich  befindet  sich  teils 
mit  der  einen  teils  mit  der  anderen  Autorität  im  Einldang,  wenn  er 
lehrt,  man  sage  puiser  ä  une  fontaine,  aber  auch  ä  la  riviere. 
Wer  hat  nun  recht? 

Wenn  deutsche  Grammatiker  die  Verba  des  „Entnehmens" 
behandeln,  so  geschieht  dies  in  erster  Linie,  um  die  ihnen  folgenden 
Ortsbestimmungen  der  Ruhe  in  ihrer  Eigentümlichkeit  gebührend  zu 
erörtern.  Natürlich  bezeichnen  sie  als  in  Betracht  kommende 
Präposition  meist  daiis,  daneben  aber  auch  ä  (s.  Mätzner,  Synt. 
I  280  bezw.  233).  Auf  eine  genaue  Unterscheidung  zwischen  beiden 
einzugehn,  lag  für  sie  dabei  kein  Anlaß  vor.  Plattner  bietet  in  seiner 
Nfz.  Gram..,  S.  153,  statt  vieler  Worte  gleich  eine  größere  Anzahl 
stehender  Redensarten,  wo  bei  Verben  des  „Entnehmens"  dayis  oder 
gelegentlich  auch  ä  zu  gebrauchen  sei.  Leider  fehlt  aber  hier  gerade 
puiser  in  den  oben  angegebenen  Verbindungen,  und  dann  erheben 
sich  doch  auch  noch  weitere  Zweifel.  Nach  ihm  sagt  man  wohl  hoire 
dans  im  verre,  manger  dans  imeassiette^  prendre  qch  dans  une armoire, 
puiser  ä  des  sources  dißerentes.  Folgen  nun  aber  verwandte 
Wendungen  genau  dieser  Analogie?  sagt  man  auch  boire  da7is 
une  houteille;  ist  manger  ä  une  assiette  nicht  zulässig;  und 
wie  steht  es  um  prendre  de  Veau  ä  un  puits,  puiser  dans 
des  sources  grecques? 

Gewiß  werden  bei  Ortsbestimmungen  auf  die  Frage  wo?,  wie 
sie  ja  die  Sprache  in  Hülle  und  Fülle  bietet,  gewisse  Schwankungen 
zwischen  dans  und  ä  immer  bestehen.  Teilvvei.^e  werden  sie  durch 
die  Wahl  des  unmittelbar  folgenden  Wortes  (Form  des  Artikels,  Art 
des  Pronomens)  bedingt;  dann  gelangt  ja  auch  gewiß  mit  der  Präposition 
dans  eine  andere  Nuanze  des  Gedankens  zum  Ausdruck  als  mit  ä. 
Über  die  allgemeinen  Gesichtspunkte,  nach  denen  die  Wahl  im  letzteren 


Syntaktisch  es.  139 

Falle  erfolgen  muß,  sind  die  Grammatiker  längst  einig,  und  nicn)and 
bat  sie  wohl  schärfer  hervorgehoben  als  Mätzner,  Syiü.  I  273 
bezw.  232. 

Um  aber  die  eben  angedeuteten  Zweifel  nach  Möglichkeit  zu 
heben,  lohnt  es  sich  vielleicht  doch  der  Frage  in  engen  Grenzen 
einmal  näher  zu  treten.  Ein  positives  Ergebnis  ist  bei  den  Verben 
des  „Entnehmcns"  wenigstens  teilweise  zu  erhoffen,  da  es  sich  hier- 
bei um  eine  fest  umschlossene  Reihe  handelt  und  die  etwa  beizu- 
fügenden Ortsbestimmungen  sich  in  der  Hauptsache  begrenzen  und 
leicht  gruppieren  lassen. 

Die  nachfolgende  Untersuchung  befaßt  sich  eingehender  nur  mit 
den  vier  geläufigsten  Verben  manger,  boire,  puiser  und  prendre; 
verwandte  Ausdrücke  können  und  sollen  nebenbei  kurz  erledigt 
werden.  Für  den  altfranzösischen  Sprachgebrauch  dürfte  ein  kurzer 
Überblick  ausreichen  (vergl.  übrigens  oben  unter  II),  Der  Ort, 
wo  die  Tätigkeit  sich  vollzieht,  wird  je  nach  seiner  besonders 
charakteristischen  Eigentümlichkeit  unterschieden  a.  als  Hohlraum, 
b.    als  Fläche,  c.    als  Linie,  d.    als  Punkt. 

1.  mang  er. 

Altfranzösisch  stehen  unterschiedslos  neben  einander  mangier 
a.  wie  esqniele,  ä  s''esquele\  en  une  esquiele,  en  s'escuele.  cn  son 
ecueile. 

Neufranzösisch  begegnet  man  manger  a.  mit  dans  im  jylat,  dans 
une  assietie,  dans  une  ecuelle,  daiis  Vauge,  dans  la  main,  dans 
sa  poche,  dans  son  sac. 

Verbindungen  mit  Ortsangaben  der  Gruppe  b,  c  und  d  sind 
der  Natur  der  Sache  nach  ausgeschlossen. 

Schwankungen:  Sachs  verzeichnet  unter  ecuelle  bezw,  essen: 
inanger  ä  (la)  meme  Scuelle^  nianger  avec  qn  ä  (oder  dans)  la 
meme  ecuelle,  fig,,  =  „mit  jem.  aus  derselben  Schüssel  essen",  wir 
dürfen  wohl  auch  setzen :  mit  jem.  an  demselben  Tische  essen.  Eben- 
so unter  gamelle  :  manger  ä  la  gamelle  =  mit  Soldatenkost  fürlieb 
nehmen  (müssen).  Daß  auch  manger  ä  l'assiette  in  ähnlich  über- 
tragener Bedeutung  gebraucht  wird,  zeigt  2  Gonconrt,  Geiern. 
Lacerteux  (Paris,  Charpentier  S,  67):  Elle  le  gäte  (=  einen 
Knaben)  ainsi  . , ,  lui  adouclssant  les  privations  et  les  diiretes  de 
cette  ecole  professionnelle  qui  forme  ä  la  vie  ouvriere,  porte  la 
hlouse,  mange  ä  V assiette  de  fa'ience  hrune,  et  trempe 
ä  son  male  ajyprentissage  le  peuple  pour  le  travail. 
Summa:    Im  eigentlichen  Sinne  wird  manger  mit  daiis  konstruiert; 

im  figürlichen  Sinne  tritt  gewöhnlich  ä  zur  Ortsbestimmung. 

2,  boire. 

Afrz.  a)  a  la  coupe,  a  copes  dorees,  a  ta  cope  doree;  a 
hanap  d'abc,  a  granz  henas,   a  voit  lianap,  an  hanajj,  a  nn  hanap; 


140  E.   Uhlemann, 

a  mon  esciiele,  Perccf.,  B.  ^  483,  4;  en  son  pantoitfle,  en  mon  hrevi- 
aire,  Rabel.  Garg.  I,j,  bzw,  5;  völlig  übertragen:  Car  li  gleives  el 
cors  li  but,  les  fers  Boivent  el  piz,  Klauenberg,  Getränke  und 
Trinket},  141  f. 

b)  es  fehlen  mir  Belege. 

c)  boire  a  un  rossel,  Mar.  de  Fr.,  B^  263,  16,  neben  boire  ou 
ruissel  troble,  Guiot,  Bible,  B3  249,   19. 

d)  li  lox  a  la  sorse  bevait^  Mar.  de  Fr.,  B-^  263,  17;  boire  ä 
peilte  fontaine,  a  la  petite  foyitenielle,  Klauenberg,  l.  c. ;  über 
gelegentliches  de  bei  fontaine  ebenda  u.  hier  unter  II. 

Nfrz.  a)  boire  dans  un  {le)  verre,  un  gobelet,  une  coupe,  une 
ecuelle,  leurs  ccuelles,  une  tasse,  dans  des  pots  de  terre,  une 
gargouillette,  les  mains^  dans  le  creux  de  la  main. 

b)  au  seau,  Ac,  Sa.,  Poire  I  I04q;  ä  Vabreuvoir  Ac.,  d 
l'auge,  Sa.  (aber  manger  dans  tauge),  ä  la  grande  tasse  =  la  mer, 
se  not/er  dans  la  mer  HD. 

c)  3j  an  Rhone  ou  ä  VOronte^  Boissier,  Fin  II  280. 

d)  ä  la  source,  Li.,  Sa.,  HD,  ä  la  fontaine,  Ac.  Sa.  HD.; 
nur  ä  la  bouteille,  Sa;  d'auires  faisaient  halte  pour  boire  ä  la 
bouteille  de  leur  goüter,  2  Gonc,  G.  Lacevteux,  Charpent.  S.  187. 

Schwankungen:  Neben  dem  gewöhnlichen  dans  une  coupe 
citiert  Mätzner,  Gr.  407,  aus  Chateaubriand:  boire  ä  cette  coupe 
enchanth.  —  Li.  verzeichnet  im  fig.  Sinn:  en  mesme  temps 
conimence  la  tranchee,  qui  vint  percer  la  contrescarpe  et  boire 
dans  le  Josse  (aus  D'Aubigne).  —  Dazu  fügt  Sa.  im  technischen 
Sinne:  le  Josse  boit  en  riviere.  —  Malherbe  schreibt:  11  demande 
en  quel  verre  ils  avaient  bu,  Holfeld,  Sprache  des  Fr.  de  Malh., 
und  Lafontaine:  Le  scrupule  nous  prit  ä  tons  .  .  .  de  boire 
en  meme  verre,  Siegert,  Sprache  Laf.'s,  S.  76. 
Summa:  a.)  Bei  „trinken"  aus  bestimmt  begrenzten  Körperu  von 
einer  gewissen  Tiefe  aber  geringem  Umfang  steht  regelmäßig 
datis. 

b.)  bei  größeren  Gefäßen  und  überhaupt  bei  Ortsbe- 
stimmungen, wo  die  Fläche  gegenüber  der  Tiefe  zunimmt, 
steht  d. 

c.)  bei  Lokalangaben,  wo  die  Flächenausdehnung  in  der 
Längsrichtung  verläuft  und  die  körperliche  Ausdehnung  zurück- 
tritt steht  ä  (daneben  dans). 

d.)  bei  boiäeille,  source,  fontaine  ist  ä  die  gebräuchliche 
Präposition. 


^)  Für  boire  in  Verbindung  mit  riviere,  n/isseau  u.  a.  fehlen  mir 
literarische  und  lexikalische  Belege.  Versuche,  die  Lücke  durch  Nach- 
frage bei  geborenen  Franzosen  auszufüllen,  haben  zu  keinem  sicheren 
Ergebnis  geführt,  konnten  es  wohl  auch  nicht.  Nach  der  einen  Autorität 
ist  (hins  und  a  in  solchen  Verbindungen  gleich  geläufig,  die  andere  zog 
dans  vor,  ohne  a  abzulehnen. 


Syntaktisches.  141 

Bemerkungen:  Übergänge  von  a  zu  b  sind  natürlich,  wenn 
die  Oberfläcbenausdehnung  als  charakteristisches  Element  des  Körpers 
empfunden  wird,  daher  howe  ä  La  coupe  neben  dem  gewöhnlichen 
dans  la  coupe.  — 

Wird  bei  c  die  körperliche  Ausdehnung  gegenüber  der  Flächen- 
oder LinieneutwickluDg  betont,  also  an  ein  mögliches  Eindringen  in 
den  Ort  gedacht,  so  ist  dans  la  riviere,  le  fosse  zu  erwarten. 

Auch  source  und  fontaine  können  als  Linie  oder  Fläche,  selbst 
als  Hohlräume  vorgestellt  werden;  in  solchen  Fällen  könnte  auch  ein 
dans  sich  zu  ihnen  gesellen;  bei  bouteille  ist  das  kaum  möglich,  da 
der  Ort,  wo  das  Entnehmen  erfolgt,  die  Ausflußstelle  sein  muß. 

Das  gelegentlich  im  17.  Jahrh.  noch  auftretende  en  ist  letzter 
Rest  einer  mittelalterlichen  Ausdrucksweise. 

Daß  der  Stoff,  wovon  getrunken  wird,  mit  de  eingeführt  wird, 
ist  ja  selbstverständlich.  Übergänge  in  räumliche  Anschauungen  sind 
allerdings  aber  auch  da  zu  verzeichnen: 

So  im  t.  t.  U7i  cheval  qui  hoitdans  son  hlanc,  Li.  Sa.,  oder  in 
der  Dichtersprache:  La  Celeste  troupe  Dans  ce  jus  vantS  JBoit  ä pleine 
coupe  L'immortalite,  J.-B.  Rousseau  (Li.).  Belegt  doch  Klauenberg, 
S.  124,  denselben  Gebrauch  auch  schon  für  das  Afrz.:  Frist  lalance 
au  hlanc   lyoncel    Qui  el  sanc  Kex  boire  devoit,   Percev.   39022. 

Auffallend  ist  das  Fehlen  jeglicher  Präposition,  wenn  das  Gefäß 
woraus  getrunken  wird,  durch  das  eigenartige  Gebilde  ä  meine  nach- 
drücklich determiniert  wird:  les  dames.  .  .  enjanibaient  les  obstacles 
et  vioniraient,  en  buvant  ä  meme  le  gobelet  de  bois,  leurs  jolies 
dents  Manches,  Sarcey,  Siege  de  Paris.,  Flammarion,  S.  .31.  Aus 
der  reichen  Sammlung  bei  Robert,  Quesiions,  S.  209,  entnehme  ich 
ergänzend:  boire  de  Ceau  ä  meine  la  cruche,  boire  ä  meme 
le  goulot.  Dient  ä  meme  zur  Verstärkung  anderer  Satzteile,  so 
stellt  sich  dans  vor  der  Ortsbestimmung  wieder  ein:  7/  biivait  ä 
meme  un  peu  d'eaii  douce  dans  iine  parpouillette  ä  rafralchir .  .  ., 
lls  boivent  tous  ä  meine  dans  la  meme  tasse.  Sachs  verzeichnet 
allerdings  neben  boire  ä  meine  {la  bouteille)  das  gelegentliche  Auf- 
treten von  ä  meme  de  (la  bouteille).  Mir  ist  dieser  Gebrauch  nicht 
entgegengetreten ;  nach  den  obigen  Ausführungen  würde  man  auch 
statt  de  viel  eher  ä  oder  dans  erwarten. 

3.  jyuiser. 

Afrz,:  a)  puisier  au  hault  puis,  Godefr. 

b)  puisier  a  la  mer,   Froiss.   (Li.) 

c)  puisier  a  la  riviere,  Godefr. 

d)  puisier  en  la  fontaine,  allerdings  in  der  Bedeutung 
von  remplir:  Sont  en  enfer  en  si  grant  paine  Que 
tousjours  en  une  fontaine  Cuident  vessiaus  sarisfons 
pucier,  Godefr.;  Son  hiaume  puise  en  la  fontaine., 
Ciaris   2730   (Müller,   Tägl.  Lebensgeivohnh.,  S.  31.) 


142  E.    Uhhmann. 

Figürlich  immer  en:  Se  fai  loisir  et  se  je  puis  Encor  vour- 
rai  puis  er  ou  puis  {^=  der  Legende)  Qui  tant  est  larges  et  par- 
fons,  Coincy,  128,  865;  il  puisent  malvaise  science  En  fontaine 
de  sapiejice,  Guiot,  B^  24  5,  5;  —  eil  sont  malenunt  besiorne 
Qui  ou  sen  puisent  la  folie,  Godefr.  So  auch  noch  gelegentlich 
bei  den  Klassikern  des  17.  Jahrb.:  puiser  des  honheurs  souverains 
En  cette  inepuisahle  source,  Corn.  X  221;  —  puisant  la  lu'riiS  pis- 
qu'en  son  origine,  Rac.  IV  192. 

Nfrz.  a)  Für  puiser  in  Verbindung  mit  kleinen  Hohlkörpern 
fehlt  es  naturgemäß  an  Beispielen;  man  „schöpft"  eben  nicht  aus 
Gläsern  und  Tassen  (vgl.  aber  boire);  wohl  aber  sagt  man:  puiser 
de  Veau  dans  un  puits,  Sa.  —  puiser  du  vin  (de  Veau)  duns  la 
cuve^  Li.,  Ac.  - —  du  vin  dans  le  tonneau,  absolut  auch  au  ionneau, 
HD.  —  deux  pompes.  .  .  puisant  Veau  dans  une  meme  backe, 
Poire  2519. 

b)  puiser  au  bassin  de  la  fontaine,  Ac.  ^) 

c)  puiser  ä  la  riviere,  Ac.  Li.  Sa.  —  dans  la  rivi'ere,  HD.  —  aux 
ruisseaux  (Gegensatz  ä  la  source),  Li.  Ac. ,  au'^)  courant  de 
Veau,  Ac. 

d)  ä  la  source^  ä  U7ie  (la)  fontaine,  Li.  HD.  —  dans  la  fontaine,  Ac. 
Schwankungen:  puiser  du  vin  dans  le  tonneau,  au  tonneau, 

—  ä  la  riviere,  dans  la  riviere;  —  ä  la  Jontaine,  dans  la  fontaine. 
Summa:    a)    Bei    fest  umgrenzten   größeren   Räumen:   puiser  dans 

b)  bei  Flächenausdehnuug   gewöhnlich:  ä 

c)  bei  in  der  Längsrichtung  verlaufender  räumlicher  Aus- 
dehnung gewöhnlich  ä,  seltener  da7is 

d)  bei     source     steht     ä;     bei    fontaine    gewöhnlich    ä, 
seltener  dans. 

Bemerkungen:  Die  Schwankungen,  besonders  unter  c  und  d,  erklären 

sich  wie  bei  boire. 

Älteres  en  reicht  herab  bis  in  das   17.  Jahrb.  — 

Einem  älteren  en  entspricht  regelmäßig  modernes  dans,  sobald 
puiser  in  seiner  Bedeutung  zu  prendre  tjcrblaßt,  sich  also  der  bihllichen 
Verwendung  nähert.  So  liest  man  denn:  puiser  dans  la  bourse,  une 
bonbonniere,  le  sucrier,  S07i  coffre,  ma  caisse,  dans  son  sac  en  toile  ä 
voile,  Loti,  Pecheurs,  S.  70;  c/iacun  vient  piuiser  dans  le  vase  (plein 
de  riz  sec),  EM.  33,848. 

Noch  viel  zalilreicher  sind  Verbindungen  von  puiser  mit  dans, 
wenn  nicht  nur  puiser,  sondern  auch  die  Ortsbestimmung  selbst  figürlich 
verstanden  werden.  Man  kann  ja  aus  allen  möglichen  bildlich  vor- 
gestellten Rauminhalten  „schöpfen".    Hier  nur  eine  kleine  Blumenlese: 


*)  Für  Ortsbestimmungen  bei  Flächen  fehlen  mir  weitere  literarische 
Belege.  Eingeborene  PYanzosen  entschieden  sich  mehr  für  ptnser  «  l'abreu- 
voir,  ä  Vetani/,  au  lac,  ä  la  mer,  ohne  dans  ganz  auszuschliefsen. 

*)  Man  vergl.  aber:  Un  arjneau  se  desall^raü  Dans  le  courant  d'une  onde 
pure,  —  je  nie  vais  desaüerant  dans  le  courant,  Lafont.,  Le  Loup  et  VAijneau. 


Syntaktisches.  143 

jniiser  cette  Jiumeur  somhre  dans  le  cloitre,  des  connaissances 
dans  ses  voyages,  un  principe  dans  la  natiire,  le  courage 
dans  la  religion,  des  consolations  dans  son  entretien,  les 
plus  grandes  beautes  dans  les  anciens,  —  aucli  puiser  dans 
Tite-Live,  Plutarqxie,  Lucain  usw. 

Nur  iu  Verbiu düngen  mit  source  wird  auch  in  übertragener 
Bedeutung  der  Präposition  ä  der  Vorzug  gegeben:  Ac.  verzeichnet 
allerdings  neben  ä  la  source,  aux  sources  in  diesem  Sinn  auch 
dans  la  source,  dans  les  sources.  Li.  stellt  nur  daiis  les  sources 
neben  aiuv  sources,  HD  schweigt  ganz.  —  Ein  Klassiker  wie 
G.  Boissier  entscheidet  sich  ganz  und  gar  für  ä  la  source.  Gelegentliches 
da7is  bei  Dichtern  wird  durch  das  Metrum  bedingt,  wie  in  JHrai 
puiser  sur  ta  trace  Dans  les  sources  de  ta  gräce,  J.-B.  Rousseau, 
Ödes  sacrees  II;  bei  Prosaikern  findet  es  leicht  seine  Erklärung  durch 
Übertragung  jenes  dans,  das  figürlichen  Ortsangaben  regelmäßig  bei- 
gefügt ist:  lls  (=  des  recits)  sont  emprunth  ä  des  livres  latins, 
qui  eiLV-memes  puisaient  dans  des  sources  grecques  oii  orientales 
(sources  ==  recits,  livres;  G.  Paris,  Litt,  fr.^  218).  Umgekehrter 
Einfluß  machte  sich  geltend  in  Wendungen  wie:  je  puiserai  ä  des 
chants  comme  ä  une  source  d'eau  qui  rafraicldt  (Boissier,  Fin  II 
100),  oder  fai  puise  ä  tout  monient  aux  notes  (aux  sources)  de 
la  grande  Miiion  des  Memoires  (Boiss.,  S.  Simon,   10). 

4.  jprendre. 

Ai'rz.  a)  prisent  Vaigue  en  dores  hacins,  Part.  10846  (Müller).   — 
de  Veave  prent  en  I  bocler,  Durm.  2193. 
b)  c)  d)    Es  fehlen  mir  sichere  Belege. 

Figürlich:  Plus  he  a  penre  en  Vevangile  Quen  Juvenal  ne 
quen  Virgile,  Coincy,  Mir.  "ill ,  16,  —  Char  precieuse  en  tes 
jians  prist,  Coincy  13,  VI.  —  So  noch  bei  Marot:  Quil  sernhle  au 
vray  que  plaisir  preignent  En  nies  propos,  Li. 

Nfrz.  a)  prendre  le  dernier  feuillet  dans  la  main  gauche  qui  le 
ienait,  crispSe  .  .  .,  un  fruit  dayis  un  plaf,  une  prise  (pincee)  de 
tahac  dans  une  tahatiere,  vingt  francs  dans  la  cassette,  des  pieces 
iimhrves  dans  un  casier,  du  linge  dans  une  armoire,  une  clef  dans 
sa  poche,  de  Vargent  dans  le  tiroir,  Vencens  dans  la  navelle,  un 
verre  dans  le  huffet,  un  livre  dans  la  bibliotheque;  auch  Vempereur 
vient  souvent  prendre  des  rheteurs  dans  leurs  chaires,  Boissier, 
Fin  I  206,  —  deux  petits  houddha,  pris  dans  une  pagode  pour 
etre  donnes  ä   Gaud,  Loti,  Pech.  161. 

prendre  Veau  ...  aux  puits,  aux  citernes,  La  Grande 
Encycl  27,  220  — 

dagegen  prendre  dans  un  puits  (une  source,  une  fontaine 
etc.)  du  liquide  qui  y  est  contenu,  Godefr.,  Conqyl.,  unter 
puisier;  prendre  dans  un  puits,  (une  source),  un  tonneau 
etc.,  du  liquide  qui  y  est  contenu,  HD  unter  puiser. 


144  E.   Uklemann. 

b)  prendre    Veau    aux    etangs   .    .  .,  Encycl.    27,   220   —    aber 
prendre  du  poissou  dans  un  vivier,  Poire  2284. 

c)  prendre  de  Veau  ä  la  riviere,  Ac.  —  aux  ruisseaux,  Encycl. 
27,  220,  a  Vaqueduc,  Boiss.   Tac.  324. 

d)  für  prendre  in  Verbindung  mit  source  und  fontame  fehlen  mir 
sichere  Beispiele^);  in  HD's  Erklärung  von  2^^'^^^^  =  prendre 
dans  un  puits,  une  source,  un  ionneau  etc.,  du  liquide  qui  y  est 
contenu  ist  dans  la  fontaine  offenbar  durch  die  Umgebung  be- 
einflußt. — 

Seh  wankunge  ui/^rent^re  de  l'eau  aux p^iits,  dans  xm  puits; 
—   aux  etangs^  prendre  du  poisson  dans  un  vivier. 
Summa:  a)    Bei    festunigrenzten  kleinen   und  größeren  Hohlräumen: 
prendre  dans;  gelegentlich  ä 

b)  Bei  Flächeiiausdehnuiig:  ä,  auch  dans 

c)  Bei    Ortsbestimmungen,   die   in    der   Längsrichtung 
auslaufen:  ä 

d)  (bei  source  \xnA  fontaine:  ä,  seltener  dans). 
Bemerkung:  Die  Schwankungen    unter   a  und   b   erklären    sich  wie 

bei  hoire. 

Älteres  en  tiudet  sich  bis  in  friihklassische  Zeit;  auch  in  der 
neusten  Zeit  begegnet  —  allerdings  modernes  —  en  vor  Eigen- 
namen, im  figürlichen  Sinn:  le  machiavelisme  de  Machiavel,  ptris 
dircctemetit  ä  sa  source,  en  Machiavel  meme  RM.  33,  522. 

Sonst  entspricht  dem  afz.  en  in  übertragenen  Ortsbestimmungen 
regelmäßig  und  sehr  häufig  dans:  le  feu  qu'il  a  pris  dans  ses  yeux, 
prendre  un  discours  dans  un  Journal,  xine  citation  dans  T Essai, 
des  impressions  dans  une  eiude,  des  sentences  dans  ces  Uwes,  une 
Idee  dans  un  vieux  vornan,  dans   Ciceron,    Virgile,  Horace,  usw. 

Nur  bei  source  wird  auch  im  übertragenen  Sinne  die  Präposition 
a  bevorzugt:  il  prend  des  rejiseignements  ä  des  sources  differentesy 
Boissier,  Rel.  319,  —  cet  air  .  .  .  ils  en  prenaient  plein  leur  poitrine, 
ä  la  source  meme  de  toute  vigueur  et  de  toute  existence,  Loti, 
Pech.  62,  —  le  mucliiavelisme  de  Machiavel,  pris  direciement  ä 
sa  source,  RM.  33.  522. 


Sonstige  Verba,  die  durch  Etymologie  oder  Analogie  beeinflußt 
den  eigentlichen  Verben  des  Entnehmens  in  der  Auffassung  der  Orts- 
bestimmung folgen,  wählen,  soweit  ich  ihren  Gebrauch  habe  verfolgen 
können,  ausnahmslos  dans.,  um  den  Ort  zu  bezeichnen,  wo  die  Handlung 
sich  vollzieht.  Dieser  ist  aber  derart  oder  der  Sinn  des  Verbums  ist  so 
beschaffen,  daß  auch  die  jore^ic/re- Gruppe  im  gleichen  Falle  dans 
bevorzugen  würde.     Zum  Belege  folge  hier  eine  kurze  Übersicht: 


S)  Eingeborene  Franzosen  gaben  ä  la  source,  it  la  fontaine  den  Vorzug, 
ohne  prendre  de  Veau  dans  la  source,  la  fontaine  völlig  auszuschliefsen. 


Si/ntaktisches.  145 

A.  Im  eigentlichen  Sinne: 

1.  choisir  dans  le  panier  les  plus  heiles  cerises 

2.  fumer  dans  une  pipe 

3.  pecJier   dans  la  mer,  xine  rlviere,   tin  etang;   lig.  au  plat 

4.  ramasser  les  epis  dans  les  champs 

5.  servir  qn  dans  des  vases  d'or 
G.  voler  dans  Varmoire. 

B.  Im  figürlichen  Sinne: 

1.  apprendre  geh  dans  les  livres,  la  nature,  nos  institutions 

2.  choisir  ses  ministres  dans  le  parti  victorienx 

3.  copier  qch  dans  un  jommal 

4.  cueillir  qch  dans  les  livres 

5.  lever  une  copie  dans  leurs  papiers 

6.  ramasser  une  nouvelle  dans  le  ruisseau 

7.  se  recruter  dans  une  province 

•6.    tailler  des  vetements  dans  des  pieces  de  drap  sombre 
9.    voler  cela  dans  tel  livre. 

Will  man  schließlich  für  praktische  Zwecke  den  Sprachgebrauch 
der  Verba  des  „Entnehmens"  kurz  zusammenfassen,  so  dürfte  man 
etwa  sagen: 

Man  konstruiere: 

A.  Im  eigentlichen  Sinne: 

a)  manger  stets  mit  dans 

b)  boire,  puiser  und  prendre 

1.  stets  mit  dans  bei  Anfügung  von  kleineren  fest  um- 
schlossenen Hohlräumen. 

2.  gewöhnlich  mit  ä  bei  größeren  Raumgebilden,  die  in  der 
Hauptsache  ihrer  Flächen-  oder  Längsausdehnung  nach  angeschaut 
werden. 

Nur  bei  energischer  Betonung  der  Innerlichkeit  und  bestimmter 
Umgrenzung  (Mätzner  Sijnt.  1 273)  ist  dans  in  diesem  Falle  vor- 
zuziehen. 

B.  Im  bildlichen  Sinne: 

a)  mayiger  stets  mit  ä 

b)  hoire,  puiser  und  p)rendre  mit  dans. 

Bemerkung:    Bei   boire^  puiser  und  prendre   wähle   man  stets  «, 
wenn  der  Ort  mit  la  source  {la  bouteille)  bestimmt  wird. 
Ortsangaben    der   Ruhe,    soweit    sie    bei    anderen   Verben    des 

„Enhiehmeus     aus"     überhaupt     zulässig     sind,     determiniere    man 

mit  dans. 

GöTTJNGEN.  E.    ÜHLEMANN. 

Ztschr.  f.  ivi.  Spr.  u.  Litt.  XXXII'.  ^^ 


Wortoescbichtliches. 


arrimer  „schichten,  stauen"  begegnet  heute  als  Terminus  der 
Seeraannssprache  neben  arrimeur  „Schichter,  Stauer"  und  arrimage 
..Schichtung,  Stauung;  Stauerlohu".  In  älteren  Wörterbüchern,  wie 
J.  H.  Rödings  Allgem.  I4^tb.  der  Marine  (III,  33),  findet  man 
gleichbedeutende  arrtuner  und  arrwnage.  Vgl.  damit  bei  Godefroy 
altfrz,  ariner,  arrimer,  aruner  etc.  in  der  allgemeinen  Bedeutung 
„arranger,  disposer,  mettre  en  ordre"  und  aus  den  heutigen  Patois 
u.  a.  norm.  (Moisy,  Dict.  p.  37)  aruner  „arranger,  mettre  en  ordre 
par  rangs,  en  bon  etat",  ib.  p.  200  deruner  „deranger,  causer  du 
desordre",  la  Hague  (Fleury  Essai)  arrunde  „mettre  dans  un 
certain  ordre,  placer  une  chose  ä  son  rang",  derrunde  „deplacer, 
priver  de  son  tour",  cancal.  (Dagnet  et  Mathurin  Le  parier.  .  . 
cancalais  p.  5)  ainnmer  et  aruner  „entasser,  mais  avec  ordre  et 
Sans  perdre  de  place",  boulonnais  (Haignere)  ariimer  „arranger". 
Auch  rumer,  demenager,  in  Berry  (Jaubert)  dürfte  hierher  gehören. 
Aus  anderen  romanischen  Sprachen  sind  anzumerken  prov.  (Mistral) 
arrima  „arrimer,  arranger  la  cargaison",  arrimage  arrimägi  „arri- 
mage", arrimaire  rimaire  „arrimeur",  span.  arrimar  „stauen"  und 
„anlehnen,  annähern  etc.",  arrumar  „stauen,  verstauen",  arrumage 
„Stauung",  arrimiador  „Stauer",  etc. 

Was  die  Herleitung  der  genannten  Wörter  angeht,  so  begegnet 
man  ziemlich  allgemein  der  Ansicht,  daß  diejenigen  mit  dem  Stamm- 
vokal u  auf  germ.  rum  (nhd.  Raum)  zurückgehen,  das  in  dieser 
nicht  abgeleiteten  Form  begegnet  in  franz.  (Sachs)  rum  „Ladungs-, 
Waarenraum  in  einem  Schiffe",  wall,  rume  „t.  de  bat.  ^coutiUe"- 
und  „espace  entre  deux  murs"  (Grandgagnage),  Guernesey  (Metivier) 
rtim  und  run  „place,  espace"  auch  „appartement",  afrz.  run  (Gode- 
froy), prov.  (Mistral)  rum  „espace  que  Ton  raenage  ä  fond  de  cale 
pour  la  cargaison".  In  Bezug  auf  die  Wörter  mit  i  als  Stammvokal 
gehen  die  Ansichten  auseinander.  Während  einige  Etymologen  die- 
selben mit  arriimer  etc.  auf  das  gleiche  Grundwort  zurückführen, 
nehmen  andere  verschiedenen  Ursprung  an.  So  bemerktDiez,  Etym. 
Wth.  I,  271  s.  rima:  „Eine  zss.  ist  altsp.  adrimar  Bc,  nsp.  cat. 
arrimar  zusammenstellen,  anlehnen,  frz.  arrimer  schichten,  vgl.  ahd. 
r/m,  in  der  bed.  reihe,  die  auch  dem  sp.  rima  zusteht,  fr.  (in 
Berry)   enrimer  symmetrisch   ordnen  ..."  und  ib.  p.  275  s.  romho: 


WorfgeschicJitliches.  1 47 

„Aber  fr.  arricmer,  sp.  arrumar  die  Schitfsladung  verteilen  und 
ordnen,  pg.  arrumar  überb.  ordnen,  werden  aus  dem  ndl.  ruim 
Schiffsraum  erklärt  .  .  ."  Die  gleiche  Auffassung  begegnet  bei  Körting 
Lat.-rovian.  Wth.  unter  No.  887  und  8195.  Mackel,  Die 
germanischen  Elemente,  erwähnt  arrumer  nicht  und  stellt  arrimer 
(schichten)  pg.  108  zu  germ.  rim  (Reihe,  Reihenfolge,  Zahl).  Die 
Verfasser  des  Diciionn.  general  bezeichnen  die  Herkunft  von  arrimer 
als  nicht  bekannt  und  bemerken:  „On  trouve  dans  Füret,  arrumer 
et  arruner.  Anc.  fr.  aruner  et  arnner,  mettre  en  ordre".  Ihre 
Auffassung  dürfte  demnach  sein,  daß  die  Wörter  mit  i  und  u  als 
Stammvokal  etymologisch  nicht  zu  trennen  sind.  Diese  Ansicht  ver- 
treten u.  a.  auch  Littre  und  Scheler.  Letzterer  bemerkt  s.  arrimer: 
„  . .  .  alteration  de  vfr.  arrumer^  esp.  arrumar.  Or,  ce  dernier  derive  du 
subst.  vfr.  rum,  fond  de  cale,  lequel  respresente  le  nl.  ruim,  all.  rum, 
auj.  räum,  espace  (en  termes  de  marine:  entrepont),  ?ii\^\.room. Arrimer 
repond  pour  le  sens  ä  all.  ein-räumen^  emmenager  (desmeubles)^.  Keiner 
der  zuletzt  genannten  Autoren  geht  auf  dieSchwierigkeitein,diebei  der  An- 
nahme gleichen  Ursprungs  beider  Wörter  in  dem  Wechsel  des  Stammvokals 
besteht.  Meinerseits  halte  ich  es  für  außerordentlich  wahrscheinlich,  daß 
die  in  der  Bedeutung  übereinstimmenden  und  in  der  Form  sehr  ähnlichen 
Wörter  etymologisch  zusammen  gehören.  Was  die  Verschiedenheit 
in  der  Lautung  des  Stammvokals  angeht,  so  vermute  ich,  daß  frz. 
arrimer,  prov.  arrima,  span.  cat.  arrimar  auf  mittelengl.  rime(nj 
zurückgehen,  frz.  arrumer,  span.  pg.  arrumar  aus  mittelengl.  rume(n), 
woneben  an.  ryma,  mnd.  rumen,  ndl.  ruimeu  eingewirkt  haben  mögen, 
sich  erklären.  Mittelengl.  rime(n)  und  ruine{n)  sind  neben  kentisch 
reme{n)  dialektische  Differenzierungen  auf  der  Grundlage  von  altengl. 
ryman  in  der  Weise,  daß  rume(n)  dem  Südwesten  des  Sprachgebietes, 
rimefn)  als  die  verbreitetste  Form  dem  Norden,  dem  Mittellande  und 
einem  Teil  des  Südens  angehört.  Ein  aus  mittelengl.  Texten  eben- 
falls nachgewiesenes  roume  weist  auf  altengl.  rumiaji  zurück.  Der 
Wechsel  von  tu  mit  n  in  den  franz.  Formen  arruner  neben  arrumer, 
ariner  neben  arrimer  dürfte  auf  Einwirkung  des  Substantivums 
ruu  neben  rum  beruhen  und  hier  jils  romanische  Lautgebung  aufzu- 
fassen sein.  Beachte  auch  mhd.  run,  das  Kluge  Ktyml.  Wth.  unter 
Raum  notiert. 

Auf  nd.  ruitn  beruht  nfrz.  reun,  Tragfähigkeit,  Lästigkeit  eines 
Schiffes. 

boilgar  begegnet  nach  G.-A.  Mindcrs  Glossaire  de  Bray  et 
de  Papignie  (Extr.  du  Bulletin  de  la  Societe  licgeoise  de  Lilierature 
wallonne)  p.  2  in  Bray  in  adjektivischer  Verwendung  mit  der  Bedeutung 
„hermaphrodite".  J.  Haust  bemerkt  dazu  a.  a.  0.  „Id.  ä  Carabron- 
St-V.  —  A.  Flobecq,  on  dit  janete;  ä  Iowumxx  janot-janete.  —  D'apres 
Sigart,  houga  ou  hougar  =.  animal  fantastique.  Cependant,  ä  Mons, 
d'apres  M.  Talaupe,  hougar  =  hermaphrodite."  Eine  Bemerkung 
über  Herkunft  und  Bildung  des  Wortes  habe  ich  nirgends  gefunden. 

10* 


148  D.  Behrens. 

Ich  sehe  darin  eine  Umformung  von  *bougat(e),  das  durch  Zusammen- 
setzung aus  bouc  +  ff'^^iß  (ndl.  geit,  hd.  Geiss)  analog  westfranz, 
houhique  (Dottin,  Dagnet)  gebildet  wurde.  Vgl.  die  gleichbedeutenden 
völlig  durchsichtigen  Verbindungen  hoc-et-gate  Grandgagnage  Dic\. 
I,  59  und  bique-et-houke  ib.  p.  54.  Die  Annahme,  bouga(r)  sei 
aus  hoiigai{e)  durch  Umformung  entstanden,  setzt  voraus,  daß  letzteres 
in  seiner  ursprünglichen  Bildungsweise  nicht  mehr  verstanden  wurde, 
wie  dies  offenbar  ebenso  bei  gatte-et-boc  und  heibike-et-bouk dortdev Fall 
war,  wo  sich  dafür  gatte-et-bot  (A.  Body  Voc.  des  Poissards)  und 
briquebouc  (Remacle)  finden.^) 

clieilique,  Branntwein,  sei  hier  trotz  seiner  im  allgemeinen 
durchsichtigen  etymologischen  Beziehung  kurz  erörtert,  schon  weil 
man  gelegentlich  ganz  falscher  Auffassung  von  der  Herkunft  des 
Wortes  begegnet.  So  setzt  es  L.  Guillemaut  T>ict.  pat.  de  la  Bresse 
Loiihannaise  zu  clienu  in  Beziehung,  das  in  volkstümlicher  Ausdrucks- 
weise die  Bedeutung  bon,  excellent,  fort  annimmt  und  auf  lat.  camitus 
zurückgeht:  Voilä  du  vin  qui  est  chenu.  Neben  chenique  erwähnt 
Guillemaut  /.  c.  cheniqueur,  buveur  d'eau  de  vie.  Auch  Toubin 
bezeichnet  Dictionnaire  etymologique  p.  202  chenique  als  Ableitung 
von  chenu  und  führt  es  p.  X  zusammen  mit  prussien  (derriere)  und 
zahlreichen  anderen  "Wörtern  auf  das  Sanscrit  zurück!  Sachs,  der 
chenique  und  cheniqueur  als  der  Volkssprache  angehörig  bezeichnet, 
bemerkt  nichts  über  die  Herkunft.  Francisque  Michel  verzeichnet 
£!tudes  de  phil.  comparh  sur  Vargot  p,  107  nur  cheniqueur  und 
bemerkt  dazu  „Terme  d'argot  maritime,  par  lequel  on  designe  un 
honime  qui  s'adonne  ä  la  boisson  des  liqueurs  fprts  {Dictionnaire 
de  7?iarine  ä  voiles,  p.  192)".  Bei  Hamdorf,  Über  die  Bestand- 
teile des  modernen  Pariser  Argots  (Greifswalder  Dissert.  1886) 
fehlt  es.  Einen  Hinweis  auf  deutschen  Ursprung  hat  u.  a.  A.  Ledieu, 
Petit  glossaire  du  patois  de  Demuin  p.  43:  „chenique  ou  chenape, 
s.  m.,  eau-de-vie,  le  plus  sonvent  de  qualite  iuferieure;  ces  mots 
viennent  des  invasions  de  1815  et  1870".  Vgl.  von  Mundartwörter- 
büchern des  Pikardischen  und  Wallonischen  noch  Recai  t  Bict.^  p.  109: 
chenique,    ch'nique    „Le    meme    que    chenape,"    cheniquer     „boire 

0  Andere  gallo-romanische  Bezeichnungen  für  „Zwitter"   sind  prov. 

(Mistral)  gau-rjahn,  gau-gaht,  jau-jalin,  Jau-geli^  vendom.  (Martelliere)  brumi'ile 
und  wall.  (Grandgagnage,  Remacle)  boc-et-henin,  bohcin-Hemvi,  bokeheleinn.  Von 
diesen  sind  prov.  gau-galin  etc.  leicht  zu  deuten.  Vendom.  brumäh  ist  in 
seinem  zweiten  Bestandteil  male  =  masculum,  während  bru,  das  iu  der 
Schriftsprache  die  Schwiegertochter,  im  Normannischen  (s.  Moisy,  Robin) 
die  Jungverheiratete  Frau  bedeutet,  hier  allgemein  für  weibliches  Wesen  zu 
stehen  scheint.  Sehr  undurchsichtig  sind  die  wallonischen  Wörter,  die  trotz 
der  verschiedenartigen  Form  ihres  letzten  Kompositionselementes  wohl  den 
gleichen  Ursprung  haben.  S.  den  Versuch  einer  Erklärung  bei  Grand- 
gagnage Biet.  I,  334  s.  boc-et-henin.  Mit  dem  von  Grandgagnage  hier  an- 
gezogenen wall,  heline  (vache  qui  ne  peut  avoir  de  veau)  vgl.  Jouancoux  Etüde  II, 
54  halainiere,  ib.  p.  116  lanicre  und  dazu  Festgabe  für  A.  Mussaßa  p.  83  f. 
pic.  leuniere  etc. 


Worf geschichtliches.  149 

beaucoup  d'eau-de-vie  de  grain-,  cheniquerie  „distillerie  de  chenique", 
cheniqueux  „buveur  de  chenique";  Vermesse  Dict.  du  pat.  de  la 
Fiandre  frang.  p.  460:  schlich  „Genie vre.  On  dit  aussi  schnap" , 
schnikeu  „ivrogne  qui  boit  habituellement  du  schnick,  schnicker 
„boire  du  schnick",  schnikerie  „fabrique  ou  debit  de  schuick";  Sigart 
Glossß  p.  122:  chnik  „genievre",  chnikeur  chnikeu  „s.  et  adj.  buveur 
de  chnik.  Cheniqxier  est  coanu  dans  les  ports  de  mer  de  France'-; 
Haignere  Voc.  du  pat.  hoidonnais  p,  551:  schnick  „liqueur  forte,  en 
gener al.  En  verre  de  schnick.  En  Roncbi,  le  mot  cKnique  signifie  : 
eau-de-vie  de  genievre".  Schon  die  Verbreitung  des  Wortes  weist 
auf  Entlehnung  aus  dem  Germanischen.  Es  gehört  zum  Verbum 
schnicken,  das  in  Grimm's  Wib.  IX,  1327  mit  der  Bedeutung  „eine 
schnelle  Bewegung  mit  den  Fingern,  Beinen  u.  a.  ausführen"  aus 
hochdeutschen  Mundarten  nachgewiesen  wird.  Zu  „schnickeyi"'  ver- 
hält sich,  was  die  Entwicklung  der  Bedeutung  angeht,  mdtl,  frz. 
chenique,  wie  dtsch.  „Schnapps'',  mdtl  frz.  ch(e)nap,  zu  „schnappen". 
Auffällig  ist,  daß  deutsche  Wörterbücher  neben  „Schnapps"  gleich- 
bedeutendes „Schnick"  nur  in  geringer  Verbreitung  zu  kennen  scheinen. 
Ich  finde  Schnick,  Schlickes,  (schlechter)  Branntwein,  Fusel,  aus- 
schließlich in  elsässischen  Mundarten  (s.  Martin  und  Lienhardt,  Elsäss. 
Wtb.  II,  499)  und  in  der  Luxemburger  Umgangssprache  (Gangler 
p.  405),  wo  Rückentlehnung  des  Wortes  in  der  angegebenen  Bedeutung 
aus  dem  Französischen  nicht  ausgeschlossen  wäre.  —  Neben  ch(e)nique 
und  ch(e)nap  begegnet  in  ostfranzösischen  Mundarten  chnip  (Thiriat 
Vallee  de  Cleurie  p.  420),  das  gleichbedeutendem  deutschen  Schnipps 
(s.  Grimm  Wtb.  unter  Schnipps  und  Schiajjps)  entspricht,  falls 
es  nicht  auf  romanischem  Boden  unter  Einfluß  von  entlehntem  chnique 
aus  chnap  selbständig  gebildet  worden  ist.^) 

COqueret  bezeichnet  eine  Pflanze,  nach  dem  Diciionnaire 
general:  genre  du  solanee  ä  fruits  rouges,  dont  Tespece  la  plus  re- 
marquable  est  l'alkekenge.  Zur  Etymologie  wird  ebeuda  in  Überein- 
stimmung mit  Littre  bemerkt:  „Derive  de  coq .  .  .  par  comparaison 
de  l'alkekenge  ä  un  coq,  ä  cause  de  ses  fruits  rouges  (Cf.  coqueUcot).'- 
Diese  Erklärung  befriedigt  wenig.  Da  die  rote  Mohnblume  an  den 
Kamm  des  Hahns  tatsächlich  erinnert,  so  ist  ohne  weiteres  verständlich, 


-)  Kaum  der  Erwähnung  bedarf  es,  dafs  nicht  in  diesen  Zusammen- 
hang gehören  ostfrz.  chenpquer  fureter,  etre  importun  und  cheiieqtieur,  qui 
cheneque,  qui  furete,  fourre  son  nez  partout  (Beauquier  p.  82.  Vgl.  auch 
Contejean  Gloss.  p.  287  chenique,  chenequai),  die  nach  Form  und  Bedeutung 
deutlich  auf  deutsch  (s.  Grimm  U'ib.)  schnökern,  schneihm  etc.  weisen.  —  An- 
gemerkt sei  auch  chenucher,  pleurer  comme  un  enfant,  im  Patois  von  Tonne 
(Jossier  Dict.  p.  30),  das  dtsch.  sclmuchen,  sclinüclcen  (Grimm  Wtb.  IX,  1381)  zu 
entsprechen  scheint,  indem  vielleicht  das  die  letzte  Silbe  anlautende  s  dem 
Wortanlaut  angeglichen  wurde.  Keine  Elrklärung  weifs  ich  für  norm,  chemichei-, 
plenrnicher,  geiudre,  das  neben  gleichbedeutendem  micher  vorkommt  und  von 
Delestang    Vucab.    de   Mortagne   (3.  L.  Duval  Venquete  j'hiloloijique  Je   läli)  und 

Moisy  Dict.  (hier  Hinweis  auf  Cotgrave)  verzeichnet  wird. 


150  D.  Behrens. 

wie  die  französische  Bezeichnung  coquelicot  entstehen  konnte.  Daß 
die  roten  Früchte  der  Judenkirsche  (Physalis  Alkekengi)  eine  ent- 
sprechende V'orstcllung  auszulösen  vermögen,  ist  Schwer  zuzugeben. 
Beachtet  man  weiter,  daß  dieselbe  Pflanze  im  Neuprovenzalischen 
nach  Mistral  esquiloun  heißt,  weil  die  Frucht  derselben  einer  Schelle 
gleicht,  und  daß  'SQmmch  Polyglotten' Lexicon  der  Naturgeschichte 
dafür  die  Bezeichnung  herbes  ä  cloqnes  kennt,  so  wird  man  nicht 
anstehen  in  coqueret  nicht  eine  Ableitung  von  coq  „Hahn",  sondern 
von  cloque^  das  mundartlich  „Glocke",  in  der  Volkssprache  nach 
Saclis  auch  „Blase"  bedeutet,  zu  sehen,  „Die  Kelche  blasen  sich 
auf,  wenn  die  Frucht  reift,  und  bekommen  eine  schöne  rote  Farbe; 
daher  führt  die  Pflanze  den  Namen  Physalis,  nach  dem  Griechischen 
phxjsa,  i,  e.  vesica",  bemerkt  Neranicli  l.  c.  Ob  bei  der  Namen- 
gebung  des  Französischen  mehr  die  Vorstellung  der  „Schelle"  oder 
der  „Blase"  vorgeherrscht  hat,  bleibe  dahingestellt.  Bemerkt  sei  nur, 
daß  das  Holländische  für  die  gleiche  Pflanze  die  Bezeichnung  Blaas- 
cruid,  das  Spanische  vcjiga  de  jierro  hat.  —  Was  bie  Form  des 
französischen  Wortes  angeht,  so  denke  ich  sie  mir  aus  le  *cloque(et 
durch  Differenzierung  der  drei  Liquiden  entstanden.  Eine  andere  Bildung 
ist  coquerelle,  das  Sachs  außer  in  der  Bedeutung  „Judenkirsche"  auch 
in  derjenigen  von  „Küchen-,  Kühe-  schelle  (Pulsatilla)"  und  (im 
Plural)  „grüne  Haselnüße,  je  drei  an  einem  Stiel"  verzeichnet. 

wall,  jugelot  (Papignies),  chetron,  layette,  lieg,  scrine  (petit 
coffret  ä  couvercle,  fixe  ä  l'interieur  d'un  coffre,  dans  le  sens  de  la 
largeur).  [A  Tournai  luzieau,  qui  sign,  aussi  qqf.  cercueil].  Die 
vorstehende  Bemerkung  habe  ich  dem  Glossaire  de  ßray  et  de  Pa- 
pig7i{es  (Hainaut)  par  G.-A.  Minders  [Extrait  An  Bidletin  liegeoise 
de  Litterature  wallonne,  t.  XLIX]  entnommen  und  hierher  gesetzt, 
v.'eil  es  vielleicht  nicht  überflüßig  ist,  darauf  hinzuweisen,  ([üQ  jugelot 
mit  luzieau  nicht  nur  in  der  Bedeutung  zusammentrifft,  sondern  auch 
seiner  Abstammung  nach  daßelbe  Wort  ist,  d.  h.  wohl  auf  löcellus 
(vgl.  Gröber  Arch.  f.  l.  Lexicogr.  u.  Grammatik.  HI,  514)  zurück- 
geht. Jugelot  ist  durch  Angleichung  des  Wortanlautes  an  den  Anlaut 
der  zweiten  Silbe  aus  higelot  entstanden,  lugelot  aus  lugel  durch  An- 
fügung des  Suffixes  -oi  erweitert.  Über  die  Entwicklung,  die  löcellus 
im  nördlichsten  Teil  des  Gebietes  der  langue  d'oil  erfahren  hat,  ver- 
gleiche man  Blatt  214  des  Atlas  ling.  (cercueil),  wo  für  Godarville 
(Hainaut)  luja^  für  Templeuve-en-Pevele  und  Saint.  Pol  (beide  im  Dcp. 
du  Nord)  hige,  für  Linselies  (Nord)  lijoe  angegeben  ist.  Nicht  durch- 
gichtig ist  die  Entwicklung  des  Stammvokals  in  luzieau  luge  etc. 

poit.  sigOllillae,  sigouillai  wird  von  Laianne  Glossaire  du 
patois  q)oitevin  p.  240  in  den  Bedeutungen  „secouer"  (Vend.,  Maillezais) 
und  „tripoter,  hacher"  (Vend.,  Dcux-Sevres)  verzeichnet.  Als  gascog- 
nische  Entsprechung  wird  sargouilla  angeführt.  Vgl.  damit  Rousseau 
Glossaire  poiteviu"^  p.  84  sagouiller,  sigouiller  (v.  a.  et  n.,  patrouiller, 
agitcr  l'eau  de  maniere  ä  la  troubler)  und  L.  Favre  Gloss.  du  Poitou, 


Wortgeschichtliches.  151 

de  la  Sainionge  et  de  l'Auni6  p.  318  sigouiller:  ,,v.  a,  Coiiper  un 
objet  avec  un  mauvais  couteau  en  faisant  des  dechirures  comme  avec 
une  scie:  I  v'Ja  coper  in  suhlet  de  fragne,  o  l'adounit  qui  n'avas 
qu"ine  godelle,  o  me  fallit  sigouiller  iue  liure  de  toras"  (C.  P.).  Zu 
den  genannten  Wörtern  hat  mau  gelegentlich  andere,  die  in  der 
Bedeutung  übereinstimmen,  in  der  Form  dagegen  stark  abweichen, 
in  Beziehung  gesetzt.  So  verzeichnet  Chambure  GIoss.  du  Morvaiul 
p.  795  unter  sigölai  (agiter  par  saccade,  secouerj  außer  poit.  sigouiller 
auch  lyonn.  sigroler,  Forez  segrolä,  Dauphine  segrola  (secousse) 
und  bemerkt  dazu  „IV  parait  etre  organique  et  il  Pest  en  effet  si 
le  mot  represente  croler  avec  le  changement  du  c  en  g.  Le  bas  1. 
grollare  est  identique  a  l'ital.  crollare,  ebranler,  secouer.  Quant 
au  prefixe  se  ou  si  il  pourrait  repondre  au  1.  suh,  comme  dans 
le  fr.  secouer  qui  est  suhcutere  (Voy.  Crölery-,  Ich  lasse  es  dahin 
gestellt  sein,  ob  es  möglich  sein  wird,  alle  die  hier  genannten  Wörter 
auf  den  gleichen  Ursprung  zurückzuführen.  Auf  keinen  Fall  scheint 
es  mir  richtig,  sigouiller  aus  croler  zu  erklären.  Ich  sehe  in  sigouiller 
eine  auf  Angleichung  an  patrouiller,  barbouiller  u.  a.  beruhende 
Umbildung  von  mundartlich  in  Süd-  und  Nordfrankreich  weit  ver- 
breitetem, in  der  Bedeutung  übereinstimmendem  cigougner.  Dieses 
ist  eine  etymologisch  durchsichtige  Bildung  aus  ciconia  und  als  solche 
meist  richtig  aufgefaßt  worden.  Daß  sagouiller  mit  sigouiller 
etymologisch  identisch  ist,  halte  ich  schon  deshalb  für  sehr  wahr- 
scheinlich, weil  auch  neben  cigougna  südfranz.  sagougna  begegnet, 
wie  auch  das  a  der  ersten  Silbe  sich  erklären  mag.  Cigogner  hat 
Umbildungen  auch  sonst  in  größerer  Zahl  erfahren.  Ich  erwähne  aus 
MistraFs  Tresor  außer  sagougna  noch  gigougna  (Hm.),  saganha, 
sangagna  (rh.),  jagigna,  aus  nordfranzösischen  Mundarten: 

signoguer,  rcmuer,  agiter  in  Bresse  Louhannaise,  mitgeteilt 
von  L,  Guillemot  Dictionnairc  p.  289.  Die  Form  ist  in  durch- 
sichtiger Weise  mit  reziproker  Metathese  aus  cigogner,  sigogner 
(tirailler,  secouer  une  personne  ou  une  chose  en  lui  imprimant  un 
mouvement  de  va  et  vieut),  das  daneben  vorkommt,  entstanden. 
Vgl.  auch  Bresse  Louh.  zigougner  (gigotter,  remuer  vivement  ses 
gigues,  ses  jambes),  das  Guillemaut  1.  c.  p.  .333  ungerechtfertigter 
Weise  von  sigogner  etymologisch  trennt  und  mit  gigoner  zu 
giguer,  gigues  (jambes)   stellt. 

gigougner,  das  Mistral  als  limousiuisch  anführt,  begegnet 
neben  gleichbedeutendem  zigougner  (secouer,  remuer  par  secousses, 
avec  un  mouvement  de  scie)  nach  L.-E.  Meyer  Glossaire  p.  63 
auch  im  Patois  von  Aunis.  Vgl.  damit  gigogner  in  Bresse 
Louhannaise  (Guillemaut  l.  c.  p.  150),  gigoigner  (executer  un 
travail  avec  maladresse,  se  livrer  ä  des  occupatious  pcu  utiles) 
neben  gigouner  (gigotter,  remuer  les  jambes  avec  vivacite)  in 
Morvand  (Chambure  p.  406  f.).  In  wieweit  diese  Wörter,  die 
deutlich  auf  cigoigner  zurückweisen,  in  Form  und  Bedeutung  durch 


152  D.  Behrens. 

gigue,  giguer  beeinflußt  worden'  sind,  bleibe  dahingestellt.  Sicher 
auf  falscher  Fährte  befindet  sich  A.  Baudouin,  wenn  er  Gloss.  du 
pat.  de  la  ForH  de  Clairvaux  p,  152  fragt,  ob  engigoinner,  en- 
gigoingner  (enmeler,  entortiller,  mettre  äl'envers;  arranger,  disposer, 
agencer  maladroitement)  mit  engin  (Ingenium)  etymologisch  zu- 
sammenhängen. Auch  halte  ich  es  nicht  für  angängig  gigogne 
mit  Sainean  Zs,  für  rom.  Phil.  XXX,  562  aus  einer  pikardischen 
Form  chigogne  zu  erklären. 

pic.  gogner,  das  Jouancoux  und  Devauchelle  Etudes  p. 
serv.  ä  un  gloss.  etym,  du  pat.  pic.  II,  28  nachweisen,  weicht 
in  der  Bedeutung  ,,loucher,  bigler"  von  den  vorhin  genannten 
Wörtern  stark  ab,  da  aber  daneben  in  gleicher  Bedeutung  gigogner 
(jeter  des  regards  furtifs,  indiscrets,  regarder  de  tres  pres)  vor- 
kommt, scheint  mir  etymologische  Zugehörigkeit  zum  mindesten 
wahrscheinlich  zu  sein. 

Über  den  Bedeutungswandel  von  ciconia  zu  cigogner  sind  ver- 
schiedene Auffassungen  geäußert  worden.  So  meint  Guillemaut  l.  c. 
p.  71  s,  cigogner  „l'origine  du  nom  est  dans  le  cou  de  la  cigogne''. 
Chambure  l.  c.  p.  406  s.  gigoigner  knüpft  an  die  Bedeutung  von 
span.  cigonal,  Brunuenschwengel,  altfrz.  soignole  (vgl,  A.  Thomas 
Essais  p.  265  f.)  an  und  fragt:  „L'usage  d'aller  ä  tout  moment  et 
ä  tout  propos  manceuvrer  ce  bruyant  appareil  nous  aurait-il  donne 
le  verbe  „gigogner'"?  Nicht  zweifelhaft  scheint  es  mir,  daß  es  solcher 
Vermittelung  nicht  bedarf,  die  Bedeutung  von  cigogner  vielmehr 
direkt  an  diejenige  von  cigogne  (ciconia)  anknüpft,  sei  es  daß  charak- 
teristische Bewegungen,  die  der  Vogel  mit  dem  Halse  ausführt  oder 
solche,  die  in  seiner  Gangart  liegen,  das  tertium  comparationis  ab- 
gegeben haben.  Am  durchsichtigsten  wohl  ist  die  Entstehung  der 
Bedeutung  von  pic.  gigogner  :  jeter  des  regards  furtifs  etc.  Aus 
deutschen  Mundarten  erwähne  ich  von  Schmeller  Bayer.  Wörterh.  II, 
Sp.  781  und  782  verzeichnete  auf  anderer  Auffassung  beruhende 
storchein  stürcheln  straucheln,  sto'*'gen  im  Lande  herumfahren,  storkeln 
störheln  mit  langen  Beinen  einherschreiten,  storgg'hi,  stolpern:  „Der 
truncken  starhelt  auf  den  Füßen,  ebrius  titubat  podibus." 

bourb.  Simon  bedeutet  nach  P.  Duchon  Grammaire  et  dic- 
tionnaire  du  patois  hourhonnais  (Canton  de  Varennes)  p,  105 
„mannequin,  epouvantail".  Über  die  Herkunft  bemerkt  derselbe  nichts 
und  führt  keine  Parallelformen  aus  anderen  Mundarten  au.  Man 
wird,  auch  ohne  einen  solchen  Bedeutungswandel  erklären  zu  können, 
zunächst  geneigt  sein,  in  dem  Wort  den  Eigennamen  Simon  zu  sehen 
und  wird  eine  Stütze  für  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  in  einer 
Angabe  des  Wörterbuchs  der  elsässischen  Mundarten  II,  358  finden, 
wonach  in  Straßburg  der  Eigenname  Simon  die  Bedeutung  „dummer 
Mensch"  angenommen  hat.  Unentschieden  würde  bleiben,  ob  die 
verwandten  Bedeutungsübergänge  in  der  Elsässer  Mundart  und  im 
Patois   bourbounais  sich  unabhängig  von  einander  vollzogen  oder  ob 


Wortgeschichtliches.  153 

gegenseitige  Beeinflussung  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  statt- 
gefunden hat.  Meinerseits  bin  ich  zweifelhaft  geworden,  ob  es  sich 
von  Haus  aus  um  den  Eigennamen  überhaupt  handelt  und  möchte 
auf  folgendes  hinweisen.  In  Grimms  Wörterb.  X,  Sp.  958  ff.  wird 
eine  Bezeichnung  siernann,  d.  i.  „Sie-3Iann^',  behandelt.  Das  Wort 
bedeutet  vom  Mann  gesagt,  einen  „weibischen  mann,  besonders  einen 
unter  dem  pantoffel  stehenden  ehemann  :  uxorius  .  .  .",  dann  auch 
„hermaphroditus,  semivir,  halbmann"  und  ist  in  bayerisch-österreichischen 
Mundarten  noch  heute  lebendig.  Nach  Schnieller  (in  Grimms  Wörterb. 
l.  c.  zitiert)  begegnet  simd  im  Fränkischen  auch  in  der  abgeblaßten 
Bedeutung  „ein  tölpischer,  beschränkter  Mensch".  Weiter  ergibt  sich 
aus  den  Darlegungen  in  Grimms  Wtb.,  daß  eine  Vermengung  des 
Wortes  mit  dem  Eigennamen  Simon  unzweifelhaft  stattgefunden  hat: 
,^Simon  .  .  .ist  der  große  patron  der  simannlbrüderschafi,  der 
ehemänner  nämlich,  welche  unter  dem  regiment  ihrer  wciber  stehen" 
(Leoprechting)  usw.  Um  den  Nachweis  zu  erbringen,  daß  ostfrz. 
Simon  in  der  von  Duchon  angegebenen  Bedeutung,  ebenso  wie  Straßb. 
simon  „dummer  Mensch"  mit  den  genannten  Ausdrücken  etymologisch 
in  Zusammenbang  stehen,  bedarf  es  weiterer  Untersuchung  an  der 
Hand  eines  ausgiebigeren  Materials  als  es  mir  zur  Verfügung  steht. 
Die  Möglichkeit  eines  solchen  Zusammenhangs  wird  man  auch  auf 
Grund  vorstehender  Konstatierungen  nicht  von  der  Hand  weisen  wollen. 

D.  Behrens. 

frz.  betterave.  Von  den  mannigfachen  Schwierigkeiten,  die 
sich  an  dieses  Wort  knüpfen,  [dem  leider  bei  Gillicron  kein  Blatt 
gewidmet  ist  und  das  auch  in  den  Dialektwörterbüchern  vielfach 
vergessen  wird],  ist  eine  bereits  gelöst.  Im  ganzen  Süden  von  Frankreich 
(nprov.  bleto,  bhdo,  bleo)  wird  ein  l  eingeschoben,  welches  von  Ascoli 
zögernd  (Arch.  Glott.  I  515),  dann  von  Meyer-Lübke  {Z.  f.  öst. 
Gymn.  1891)  aus  der  Einwirkung  des  griechischen  Lehnwortes  blitum 
(auch  oXibletum  belegt)  gedeutet  wurde^).  Soweit  XaX.beta  im  romanischen 
Süden  verbreitet  ist,  sind  diese  beiden  Formen  zusammengeworfen 
worden.  Nur  beda  in  Parma  könnte  ein  direkter  Abkömmling  von  beta 
sein,  —  vorausgesetzt,  daß  mall,  erbett^  auf  das  ich  noch  zu  sprechen 
komme,  wirklich  von  herba  beta"^)  und  nicht  einfach  von  herbittae  ab- 
zuleiten wäre.  Andrerseits  wird  das  zentral-emilianische  beda  im  Osten 
und  Westen  von  der  Form  Stcfa  (Bologna,  Piacenza)  eingekreist,  die  sicher 
auf  *bleda  —  *bleida  *bjeida  zurückgeht,  so  daß  vielleicht  auch  beda  auf 
diesem  oder  jenem  Wege  von  der  kontaminierten  und  nicht  von  der  reinen 
Grundform  aus  gebildet  wurde.  Gegen  alle  diese  Formen  (von  erbett 
abgesehen)  bildet  nun  nordfranzösisch  bette  (s.  bei  Dottin  und  ander- 

1)  Eben  stellt  Salvioni  p/e/n.  d.  ist.  Comb.  XXI  p.  278  u.  3)  *betla  als 
mögliche  Grundform  auf,  worin  ich  ihm  nicht  folgen  kann. 

-j  Also  parallel  zu  tosk.  larba  hietola,  dessen  erster  Teil  ebenfalls  aus 
herba  entstellt  ist. 


154  K.  Ettmayer. 

wärts)  einen  merkwürdigen  Gegensatz.  Bevor  ich  aber  auf  diese  Form 
mit  der  seltsamen  Tenuis  eingehe,  möchte  ich  noch  liurz  das  Wie -so 
der  erwähnten  Wortmengung  besprechen.  Zunächst  scheinen  ja  »Runkel- 
rübe" und  „Melde,"  dieses  Salat  und  Suppenkraut,  das  kulinarisch 
als  der  direkte  Vorläufer  des  erst  im  Mittelalter  verbreiteten  Spinates 
gilt,  wenig  gemeinsam  zu  haben.  Daß  die  beta^  also  doch  wohl  die 
Runkelrübe,  als  Rübe  im  Altertum  genossen  wurde,  und  dies  nicht 
bloß  bei  den  Barbaren,  sondern  auch  bei  den  feinschmeckerischen  Griechen, 
scheint  aus  einem  bei  Plinius  überlieferten  Orakelspruch  aus  Delphos 
hervorzugehen,  in  welchem  der  Rettich  mit  Gold,  unsere  heta  mit 
Silber,  die  eigentliche  Rübe  aber  mit  Blei  verglichen  wird.  Daß 
andrerseits  in  Italien  die  Runkelrübe  im  Altertum  nicht  so  allgemein 
geschätzt  wurde,  deutet  Cicero  an.  Ein  anderer  Ausspruch,  diesmal 
des  Hieronymus3),  deutet  auf  eine  Zubereitungsweise  hin,  welche 
offenbar  den  Blättern  und  nicht  der  Wurzelrübe  galt,  da  ich  die 
Bezeichnung:  genus  holeris  est  vilissimmn  et  fragilissimum{^^  nicht 
anders  deuten  kann.  Auf  diesen  Genuß  der  Blätter  deutet  auch 
süddeutsch  Biesskolil.  In  wie  weit  die  beiden  Hauptvarietäten  der 
heta  vulgaris^  welche  auf  die  Rübenveredluug  (Runkelrübe,  Zucker- 
rübe, rote  Rübe)  und  auf  die  Blätterverwertung  (Futterrübe,  Beete, 
Mangold)  abzielen,  in  der  Gartenkunst  des  Altertums  ausgebildet 
waren,  wüßte  ich  nicht  zu  sagen.  Jedenfalls  ist  heute  der  Gegen- 
satz der  Beiworte  in  frz.  bette-rave  und  ital.  ^ar6a-6iVto/a  ein  wohl- 
begründet sachlicher  und  daß  gelegentlich  beide  vereint  erscheinen 
ändert  an  der  Sache  nichts.  Er  erklärt  aber  auch  gleichzeitig  sehr 
schön  die  Wortmengung  mit  blUum  im  zweiten  Falle,  zumal  die  Melde 
nicht  bloß  in  der  Küche  dieselbe  Verwendung  findet,  sondern  auch 
ihre  Blätter,  wie  Kollege  Ursprung  die  Freundlichkeit  hatte  mir  dar- 
zutun, mit  denen  der  Beete  eine  entfernte  Ähnlichkeit  besitzen. 

Und  nun  zu  bette.  Wie  bereits  angedeutet,  kommt  hier  noch 
außer  Nordfrankreich  auch  Oberitalien  in  Betracht.  Besonders  schön 
ist  neben  mail.  erbett  das  venez.  erbeite-rave,  das  formell  unmittel- 
bar zur  nfrz.  Form  überleitet.  Die  hier  scheinbar  anzusetzende 
Grundform  .j^betta  wurde  weiterhin  mit  ^^bleta  kontaminiert,  so 
besonders  im  Frankoprovenzalischen  (lyon,  bieta  sav.  bletc)^  aber  auch 
in  Oberitalien  {bieta  im  lomb.  Teil  Südtirols),  Die  Erklärung  dieses 
tt  ergibt  sich  nun  scheinbar  wie  von  selbst  aus  dem  Romanischen, 
Ich  kann  augenblicklich  nicht  feststellen,  ob  sie  schon  irgendwo  aus- 
gesprochen wurde,  —  jedenfalls  ist  es  nicht  meine  Absicht,  einen 
Namen  zu  verschweigen.  Die  Blätter  der  beta  werden  nur  ganz  jung 
und  zart  als  Salat  genossen.  Später  bereitet  man  nur  mehr  die 
Blattrippen  (in  Mailand  cost)  als  Gemüse  zu.  Gesetzt  nun  man  habe 
in  Oberitalien  die  beta  als  Salatpflanze  kurzweg  herba  (semasiologisch 
wie   dtsch.   „hraut'^)   genannt,  so  lag   auch    das  Diminutiv  *herhitta 


3)  Dieses  und  die  andern  Zitate  aus  dem  Thesaurus 


Wortgeschiclitliches.  155 

(wie  ita].  fioretto.  frz.  violette)  saclilich  nahe.  Der  Abfall  des  er- 
im  Nordfrz.  ließe  sich  aus  der  Satzphonetik  {veyidr[e]-erhettes  mit 
r — r  Dissimilation)  unschwer  deuten.  Nun  kommen  aber  die  Be- 
denken. Gerade  in  Mailand,  auf  das  ich  mich  doch  besonders 
stützen  müßte,  heißen  just  die  jungen  Keimlinge,  resp.  noch  genieß- 
baren Blätter  nicht  erbett,  sondern  sie  führen  den  uns  bereits  Avohl- 
bekannten  Namen  bied  =  blitum  und  zwar  mit  Recht,  denn  nur  in 
diesem  Stadium  kann  beta  und  blitum  sachlich  zusammen  geworfen 
werden.  Nicht  der  Keimling  sondern  die  ganze  Pflanze  mit  samt 
der  Rübe  heißt  erbett,  und  diese  ist  nichts  weniger  als  klein.  Wenn 
man  auf  Künsteleien  verzichtet,  muß  man  *herbUta  fallen  lassen  und 
herba-beta  als  Grundform  aufstellen.  Damit  fällt  aber  auch  die 
Erklärung  des  Doppel-i's  aus  dem  Romanischen.  Eher  könnte  man 
nun  an  einen  gelehrten  Latinismus  im  Nordfrz.  denken.  Doch  auch 
diese  Deutung  wird  man  nicht  aufrecht  halten  können. 

Im  Altertum  führt  Cicero  die  beta  als  eine  typische  Vertreterin 
derber,  bäuerlicher  Kost  an,  und  auch  der  Ausdruck  ist  wohl  vom 
Anbeginn  bäuerhch.  Nun  haben  wir  zwar  Fälle,  in  denen  Ausdrücke 
der  Bauernsprache  seltsamerweise  das  Gewand  gelehrter  Bildung  nicht 
verleugnen.  Ich  erinnere  nur  an  prov.  ordi  für  hordeum.  Gerade 
dieser  Fall  ist  aber  ziemlich  klar.  Wie  heutige  Mundarten  der 
Auvergne  und  anderwärts  zeigen,  waren  in  Südfrankreich  für  „Gerste" 
ursprünglich  wohl  Ausdrücke  verbreitet,  die  zum  Erbworte  brasser 
zustellen  sind,  also  indirekt  auf  das  Keltische  zurückgehen.  Erst 
spät,  nachdem  hordeum  in  Nordfrankreich  und  Italien  längst  zu 
orge  resp.  orzo  geworden  waren,  fand  der  eigentliche  lateinische 
Ausdruck  durch  Schulen  oder  Kaufleute  in  der  Provence  Eingang, 
und  nun  natürlich  in  latinisierender  Form.  Diese  Deutung, 
welche  mir  für  prov.  ordi  die  wahrscheinlichste  scheint,  läßt 
für  bette  auch  nicht  den  geringsten  Anhaltspunkt  entdecken.  Eine 
vorlateinische  oder  provinziell  ältere  Bezeichnung  für  diese  Pflanze  als 
beta  ließe  sich  höchstens  für  Sicilien  erschließen.  Der  Mangel  eines  l 
Einschubes  (vereinzelt  ist  biete,  später  blette,  übrigens  auch  im 
Nfrz.  nachweisbar)  könnte  zwar  zunächst  für  die  Geltendmachung 
einer  Buchform  einnehmen.  Doch  steht  dem  entgegen,  daß  das  Wort 
beta  —  ohne  U  —  schon  vor  dem  VIII.  Jahrb.  nach  Süddeutschland 
verpflanzt  wurde.-^)  Auch  der  Umstand  spricht  dagegen,  daß  die 
mittelalterlichen  Botaniker  früherer  und  späterer  Zeit  (wenigstens 
jene,  in  welche  ich  Einsicht  nehmen  konnte:  Walahfridus  Strabo, 
S.  Hildegaris,  Albertus  Magnus  5)  die  Beete  mit  Schweigen  über- 
gehen, da  diese,  so  viel  ich  glaube,  im  Gegensatz  zum  Retticli  keine 
medizinische   oder  magische   Verwendung   fand.     Wohl  aber  ist   die 


*)  Kluge  Etym.  Wth.'''  unter  Beete. 

^J  Isidor  V.  S.  und  spätere  Encyklopädisten  sind  mir  leider  augen- 
blicklich nicht  zugänglidi. 


156  K.  Eümayer. 

beta  auch  nach  dem  VIII.  Jahrb.  gerade  in  Nordfrankreich  ein  wohl- 
bekanntes Küchengewächs  gewesen,  da  Karl  der  Große  im  cap.  70 
seines  für  das  karolingische  Latein  wie  für  die  karolingische  Kultur 
so  überaus  wichtigen  Capitulare  de  villis,^-')  unsere  beta  (vom 
blitum  sorgsam  unterschieden!)  anführt,  mit  dem  Auftrage:  Volumus 
quod  in  horto  omnes  herbas  habeant:  (d.  i.  auf  den  königlichen 
Domänen).  Aus  denselben  sachlichen  Gründen  ist  mit  einer  Latinismus- 
hypothese auch  eine  Entlehnung  aus  tosk.  bieta  abzulehnen. 

Woher  stammt  aber  nun  die  Tenuis?  Sehen  wir  uns  doch  das 
lateinische  "Wort  näher  an.  Es  steht  im  lateinischen  Wortschatz 
vereinzelt,  man  kann  es  weder  mit  lat.  Wortsippen,  noch  mit  ent- 
sprechenden Formen  der  italischen  oder  indogermanischen  Verwandt- 
schaft mit  einiger  Sicherheit  verbinden. 7)  In  solchen  Fällen  hat 
immer  die  Vermutung,  daß  ein  lateinisches  Fremdwort  vorliegt,  einen 
gewissen  Spielraum.  Der  Umstand,  daß  beta  schon  bei  Plautus 
belegt  ist,  ändert  wenig  an  der  Sache,  denn  die  Entlehnung  kann 
eben  alt  sein.  Nun  wird  im  ps.  Apul.  eine  Pflanze  als  „britannisch" 
bezeichnet,  welche  außerdem  bibo  und  beta  plantaginis  genannt 
wird.  Das  nur  an  dieser  Stelle  belegte  bibo  ist  dunkel,  zu  beta 
plantaginis  ist  aber  zu  vermerken,  daß  die  Pflanze  jjlantago^  der 
„Wegerich,"  der  in  der  Küche  wieder  dieselbe  Verwendung  wie  beta 
und  blitum  findet,  obwohl  er  beiden  garnicht  ähnlich  ist,  heute  in 
Piemont  bii  genannt  wird.  Dieser  Passus  würde  also  beta  ziemlich 
deutlich  ins  Keltenland  verweisen.  Die  weitere  Lösung  der  Frage 
muß  nun  der  Romanist  dem  Indogermanisten  überlassen,  nur  andeuten 
möchte  ich,  wie  bestechend  sich  eine  solche  Hypothese  darstellen 
kann.  Die  Runkelrübe  wäre  nach  einer  solchen  Annahme  eine 
spezifisch  keltische  Kulturpflanze,  die  frühzeitig  (ähnlich  wie  cattus  unter 
den  Tieren  den  benachbarten  Germanen  und  Italikern  übermittelt  wurde. 
Aus  nfz.  bette  wäre  vielleicht  am  ehesten  (auch  wegen  kelt.  betidla^)  eine 
Grundform  *betua  anzusetzen,  welche  (wegen  beta  plantaginis)  vielleicht 
ursprünglich  gar  nicht  die  Runkel  „rübe",  sondern  deren  kulinarisch 
verwertete  Blätter  bedeutete.  Daß  der  Weg  von  einem  solchen  gall. 
betxia  zu  lat.  beta  seine  Bedenken  hat,  weiß  ich  wohl.  Aber  wie 
dem  auch  sei,  ich  hatte  die  Geschichte  von  beiterave  als  Romanist 
aufzuhellen,  —  mögen  andere  mich  weiter  führen. 

K.  Ettmayer. 


^)  Karl    Gareis.      Die  Landgüterordnung  Kaiser  Karls   des   Grofsen.     1895. 

Cap.  70  No.  48. 

')  Vgl.  Thurneysen  im  Thesaurus  oder  Walde  Etym.  Wtb.  der  lateinischen 
Sprache. 

8)  Zu  betuUa  resp.  der  Orthographie  baetuUa  führt  vielleicht  auch  der 
Umstand,  dafs  das  e  in  bette  möglicherweise  als  f  anzusetzen  ist.  Diese 
Frage  würde  mich  auf  Gebiete  führen,  über  die  ich  mir  jetzt  kein  Urteil 
anmafse.    Belege  für  afrz.  biete  bei  Godefroy  Comp!. 


Die  Gedichte  Jeliaii's  de  Reiiti  und 
Oede's  de  la  Coiiroierie. 

Die  vorliegende  Ausgabe  vereinigt  zwei  altfranzösische  poetae 
minores  des  ausgehenden  13.  Jahrhunderts,  deren  Lieder  zum  größten 
Teil  noch  der  Veröffentlichung  harrten.  Beide  sind  zu  dem  damals  als 
wirtschaftliches  und  poetisches  Zentrum  bedeutsamen  Arras  in 
Beziehung  zu  'bringen.  Der  eine,  Jehan  de  Renti,  hat  dort  wahr- 
scheinlicli  gewohnt,  siclier  aber  Beziehungen  zu  dem  berühmten  Puy 
und  dessen  „König"  Jehan  Bretel  gehabt.  Der  andere,  Oede  de  la 
Couroierie.  hat  sich  nachweislich  als  tüchtiger  Diplomat  und  Ver- 
waltungsbeamter in  den  Diensten  des  Grafen  von  Artois  befunden 
und  in  Arras  aufgehalten. 

Die  Handschriften  hatte  ich  während  meines  Aufenthaltes  in 
Paris  selbst  Gelegcnbeit  zu  kopieren.  —  Besonderen  Dank  schulde 
ich  Herrn  Prof.  Guesnon,  der  sich  für  meine  Arbeit  lebhaft  interessierte 
und  sie  durch  verschiedene  Mitteilungen  bereitwillig  förderte.  Auch 
allen  übrigen,  die  sie  in  irgend  einer  Weise  unterstützten,  besonders 
meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Prof.  Gröber,  der  mir  stets  aufs 
freundlichste  seinen  wertvollen  Rat  zur  Verfügung  stellte,  spreche  ich 
auch  an  dieser  Stelle  meinen  wärmsten  Dank  aus. 

I.    Biographisches. 

L  Jehan  de  Renti. 

Über  das  Leben  des  Jehan  de  Renti  besitzen  wir,  wie  bei 
den  meisten  afz.  Lyrikern,  recht  wenige  Nachrichten.  In  der  Literatur 
seiner  Zeit  und  den  bis  jetzt  veröffentlichten  artesischen  Urkunden 
findet  er  keine  Erwähnung.  Wir  sind  daher  für  seine  Biographie 
lediglich  auf  die  Aufschlüsse  angewiesen,  die  uns  seine  Lieder  bieten. 

Vielleicht  ist  aus  seinem  uns  in  der  Handschrift,  in  der  seine 
Lieder  stehen,  überlieferten  Namen  zu  schließen,  daß  er  aus  dem 
Dorfe  Renti  (Dep.  Pas-dc-Calais,  arr.  St.-Omer,  ungefähr  60  km 
westnordwestlich  von  Arras)  stammt.  Mit  Sicherheit  diesen  Schluß 
zu  ziehen,  verwehrt  die  Tatsache,  daß  ähnliche  Ortsnamen  oft  bei 
den  Nachkommen   ihres   ersten  Trägers  zu  Familiennamen  wurden. i). 

')  S.  Guesnon  in  />//!/.  Ilist.  et  pkUol.  du  Comüc  des  Trov.  hif!t.  et  scletil. 
1894.     S.  422. 

Zlec)ir.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII'.  10a 


158  Johannes  Spanke. 

Der  einst  stark  befestigte  Ort  Kenti  besaß  ein  Rittergesclilccht  gleichen 
Namens,  das  auch  den  Arraser  Dichterkreisen  bekannt  gewesen  zu 
sein  scheint.  Ein  Ritter  Ernoui  de  Renti  wird  erwähnt  in  der 
sicher  in  Arras  entstandenen  Sammlung  satirischer  Gedichte,  die  in 
derselben  Hs.  wie  die  Lieder  Jehans  auf  uns  gekommen  sind.  2) 

Es  heißt  dort  von  ihm: 

Me  sire  Engherans  de  IJestt'us 
Cil  a  le  vent  tout  arenti. 
Et  me  sire  Ernous  de  Renti, 
Et  me  sire  de  Le  Houssoie, 
Je  di  pour  voir,  u  que  je  voie, 
Ke  entr'aus  trois  ne  poisent  mie 
Mien  ensiant  iine  vessie. 

Mit  einem  anderen  Ritter  von  Renti,  Andrieu,  war  unser 
Dichter  anscheinend  persönlich  bekannt.  Er  widmet  ihm  ein  Lied 
in  folgendem  Envoi  (IX.  Vers  46  ff.): 

Canclion  a  Renti  te  present 

A  Ändrin  clievalier  vaillant, 

Di  lui  k'il  ait  euer  desirant 

D^amours  servir  et  inain  et  soir; 

Sans  li  ne  puet  ntis  hons  paroir. 

Über  Andrieu  von  Renti  sind  wir  näher  unterrichtet.-^)  Er  wurde 
im  Jahre  1267  durch  einen  gerichtlichen  Erlaß  Ludwigs  IX.  dazu 
verurteilt,  fünf  Jahre  im  hl.  Laude  zuzubringen,  weil  er  in  einer  Fehde 
mit  dem  Ritter  „Alenardus  de  Selingaham'-  dessen  Sohn  Wilhelm 
getötet  hatte.  Die  erwähnte  Urkunde  berichtet :  .....  dictus  Andreas 
prefatum  Guillelmum  percusserat  cum  quadam  lancea  et  ad  terram 
proiecerat,  et  post  multa  convicia  ipsi  Guillelmo  dicta.  ipsuni  vocando 
pravum  bastardum,  postquam  eciam  se  voluerat  dictus  Guillelmus 
ei  reddere  cum  ense  suo,  quidam  miles,  qui  erat  cum  ipso  Andrea, 
prefatum  Guillelmum  percussit."  Falls  nun  Andrieu  seine  Strafe 
wirklich  abgebüßt  hat,  woran  zu  zweifeln  kein  Grund  vorliegt,  fällt 
die  Abfassung  des  erwähnten  Liedes  vor  1267  oder  nach   1272. 

Eine  fernere  Zeitbestimmung  liefert  uns  das  Lied  No.  X..  dessen 
Envoi  lautet: 

Chancons.  saus  deniours 
Va  fen,  garde  plus  n'atarge, 
Droit  a  Avions  te  nage, 
A  hon  Jelian  di: 
,^Nus  na  joie,  s'il  n^a  euer  joli.'' 


-)  Chans,  ei  Dits  ariis,  du  XUl*  s.:  p.  p.  A.  Jeanroy  et  H.  Guy.  Byrdeau.K 
1898.    No.  XVI,  Vers  144  ff. 

3)  Recueil  des  ..Olim'-,  p.  p.  le  comte  Beugnot,  Paris  1839—42;  I.  S.  TIK 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  (a  (ouroierie.     159 

Wie  Guesnon,  der  ausgezeichnete  Kenner  der  artesischen  Archive, 
gelegentlich  bemerkt,^)  schloß  Jehan  von  Avions  im  Jahre  1250 
einen  Vertrag  mit  der  Abtei  Anchin  ab,  der  sich  auf  Ländereien 
zwischen  Salau,  Avion  und  Mericourt  bezog. 5) 

Im  Einklang  hiermit  steht  eine  weitere  Zeitangabe,  die  wir  der 
Ch.  VIII,  einem  jeu-parti,  entnehmen  können.  Der  Partner  Jehans 
ist  der  bekannte  reiche  Bürger  und  Dichter  Jehan  Bretel  aus  Arras, 
der  in  Urkunden  seit  1256  auftritt  und  dessen  Tod  durch  das  „Registre 
des  Jongleurs'*    mit  Sicherheit  auf  das  Jahr  1272  festgelegt  wird. 6) 

Das  Entstehen  der  drei  besprochenen  Lieder  würde  also  vielleicht 
in  die  fünfziger  und  sechziger  Jahre  des  13.  Jahrhunderts,  kaum  höher 
hinauf,  zu  verlegen  sein.  Diesem  Resultate  wiederspricht  auf  den  ersten 
Blick  ein  anderer  Envoi,  der  des  Liedes  I: 

Chancon,  va  t'ent  ei  si  fai  mon  message 
Au  chastelain  ki  ßiaumes  doit  tenir    etc. 

Wie  ich  aus  einer  freundlichen  Mitteilung  des  Herrn  Professors  Guesnon 
ersehe,  gehörten  die  Herren  von  ßiaumes  (=  Beaumetz-lez-Cambrai. 
Dep.  Pas -de -Calais,  arr.  Arras)  dem  höchsten  Adel  von  Artois  an. 
Ein  Ritter  Guillaume  de  Biaumes  (Bielmes),  in  dessen  Gefolge  sich 
Ritter  befanden,  machte  nach  Henri  von  Valenciennes  7)  den  4.  Kreuz- 
zug mit.  Xun  findet  ein  Chastelain  de  Biaumes  Erwähnung  in 
dem  Gonge  Jehan  Bodels,^)  der,  wie  Guesnon  bewiesen, 9)  im  Laufe 
des  Jahres  1200,  oder  wahrscheinlich  früher  gedichtet  ist.  Es  fragt 
sich  nun,  wie  die  beiden  angeführten  Daten  zu  vereinigen  sind.  Wenn 
wir,  w-as  das  Nächstliegende  ist,  annehmen,  daß  es  sich  um  eine  und 
dieselbe  Persönlichkeit  handelt,  so  sind  w'ir  zu  der  Annahme  genötigt, 
daß  der  betreft'ende  Chastelain  de  Biaumes  zur  Zeit  der  Abfassung 
von  Bodel's  Cong«'  noch  in  recht  jugendlichem  Alter  stand.  Das  Gedicht 
Jehans  de  Renti  ist  nach  dem  Bisherigen  kaum  vor  die  vierziger  Jahre 
des  13.  Jahrhunderts  zu  verlegen,  eine  Zeit,  in  der  also  sein  Adressat 
mindestens  60  — 70  Jahre  hätte  zählen  müssen.  Nehmen  wir,  wie  die 
übrigen  angeführten  Daten  über  das  Leben  Jehans  nahe  legen,  eine 
spätere  Abfassungszeit  des  Gedichtes  an,  so  müssen  wir  das  damalige 
Alter  des  Chastelains  natürlich  entsprechend  weiter  erhöhen  ^O).     Die 

*)  Nouv.   recherchts  hioyr.  siir  les  Irouvires  arle.üens.      Paris    190^.      S.  13. 

'")  Demay,  Scemix  de  Flandres.    Paris  1873.     No.  475. 

^)   Guesnon  /.  c  S.  32  ff. 

')  Villehardouin  und  Henri  de  Val.,  p.  p.  Natalis  de  Waillv,  Paris 
1882.    S.  396. 

*)  s.  itomanla  IX  S.  236.  Vers  121;  mehrfach  handschriftl.  bezeugt  ist 
Biauves  statt  Biaumes,  aber  Raynaud  hat  sich  mit  Recht  für  letzteres  ent- 
schieden, da  kein  Ort  des  Namens  Biauves  in  Betracht  kommen  kann. 

">)   l.  c.   S.  3. 

"0  Innere  Merkmale,  die  dem  Gedicht  im  Verhältnis  zu  den  übrigen 
Liedern  Jehans  eine  frühe  Abfassungszeit  zuzuschreiben  berechtigen,  enthalt 
dasselbe  nicht. 

10  a* 


]  HO  Johannes  Spanke. 

sicli  so  ergebende  Schwierigkeit  fülirt  zu  der  Wahrscheinlichkeit,  daß 
es  sich  um  zwei  verschiedene  Chastelains  de  Biaumes  handelt,  von  denen 
der  erste  der  Vater  oder  Großvater  des  zweiten  war.    Bestätigt  wird 
diese  Vermutung  durcli  ein  Gedicht  des  berühmten  artesischen  Dichters 
Gillebcrt  de  Bernevilleii),  in  dessen  Geleit  es  heißt: 
Chastelains^  venes  moi  aidier, 
De  Biaume,  tost  /eres  paroir 
Lou  droit  et  le  tort  enchvoir. 
Die  beiden  nahe  verwandten  Hss.,  die  das  Gedicht  überliefern,  bieten 
die  Lesart  Biaurae;     da   aber  unter   den  Orten,   die   diesen  Namen 
tragen,  keiner  ist,  der   den  Anforderungen  der  Stelle  genügt,  ist  eine 
Verschreibung  für  Biaumes   anzunehmen   (was   auch  Guesnon,  1.  c. 
S.    17,   stillschweigend   zu    tun   scheint).      Die    dichterische    Tätigkeit 
Gillebert's  von  Berneville  fällt  nun  in  die  Jahre  1255  —  80 1-);    sein 
Adressat  ist  also  sicher  derselbe  wie  der  Jehan's  de  Renti. 

Wie  die  angeführten  Tatsachen  übereinstimmend  ergeben,  lebte 
und  dichtete  .Tehan  de  Eenti  im  dritten  Viertel  des  dreizehnten  Jahr- 
liundcrts,  der  Blütezeit  des  Arraser  Meistergesanges..  Was  seinen 
Wohnort  betrifft,  so  deuten  das  mit  Jehan  Bretel  gedichtete  jeu-parti 
sowie  die  Wohnorte  seiner  beiden  Gönner,  Avions  und  Beaumetz  (beide 
im  Arrondissement  Arras)  auf  Arras  selbst  hin;  Renti  kommt 
wegen  seiner  verhältnismäßig  weiten  Entfernung  von  der  literarischen 
Centrale  und  seiner  geringen  IJedeutung  weniger  in  Betracht.  Daher 
ist  auch  der  im  Lied  Nr,  5  erwähnte  Puy  zweifellos  der  berühmte 
Puy  von  Arras.     Die  betreffende  Stelle  lautet. 

Se  che  nestoit  pour  ma  danie  honerer 

Jamais  au  pui  ne  diroie  chancon, 

Car  fen  voi  ciaus  sovent  Vo^ieur  porter 

Ki  de  chanter  ne  sevent  un  hoton; 

IjI  jnge  fönt  leur  grant  hontage 

Ki  pour  parens  ne  pour  graiit  signorage 

Donent  a  ciaus  le  courone  et  Vononr 

Ki  ne  sevent  trover  ne  ke  pastour. 
Ob  Jehan  Mitglied  des  Puy  war,  geht  aus  diesen  Zeilen  nicht  mit 
Sicherheit  hervor,  da  wir  die  Verfassung  der  Puys  nicht  kennen.  Jeden- 
falls hat  er  aber  zum  Puy  in  Beziehung  gestanden  und  öfter  in  seinen 
Zusammenkünften  Lieder  vorgetragen.  Wie  schon  bemerkt  wurde,  hatte 
er  sogar  die  Ehre,  mit  dem  gefeierten  prince  del  pui,  Jehan  Bretel,  ein 
jeu-parti  zu  dichten.  Der  Erfolg,  den  ihm  seine  Vorträge  einbrachten, 
scheint  nach  der  zitierten  Strophe  recht  gering  gewesen  zu  sein.  Wir 
sind  jedoch  nicht  berechtigt,  den  Grund  hiervon  in  einer,  wie  P.  Paris '3) 


11)  Ausg.  von  Waitz  in  den  Beiträgen  für  G.  Gröber,  Halle  iSOü.  S.  94. 

12)  Gröbers  GrundnfsU.  1.  S.  950. 

13)  Hist,  litt.  XXIII.    S.  04."). 


Die  Gedichte  Jelians  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie .     1 6 1 

meint,  gerechtfertigten  geringen  Einschätzung  des  literarischen  Wertes 
seiner  Poesien  zu  suchen,  da  diese,  wie  wir  unten  noch  genauer  sehen 
werden,  nach  Inhalt  und  Behandlung  durchaus  nicht  unter  dem  Niveau 
der  damaligen  poetischen  Kultur  liegen.  Es  liegt  kein  Grund  vor,  die 
von  Jehan  selbst  angedeutete  Ursache  seiner  Zurücksetzung  für  fingiert 
zu  halten.  Spielte  doch  zweifellos  bei  den  Preisverteilungen  im  Puy 
Herkunft  und  Vermögen  der  Bewerber  eine  Rolle.  ^4)  Jedenfalls  geht 
aus  der  Stelle  hervor,  daß  Jehan  weder  selbst  einen  höheren  Rang 
noch  einflußreiche  Verwandte  besaß.  Daß  er  also  ein  Ritter  von  Renti 
gewesen  sei,  ist  durchaus  unwahrscheinlich.  Audi  darauf,  daß  er, 
wie  so  viele  der  zeitgenössischen  Poeten,  clerc  gewesen  sei,  deutet 
weder  eine  Stelle  in  seinen  Gedichten  noch  die  Bezeichnung  seines 
Namens  in  der  Hs.  hin;  letztere  lautet  einfach  Jehan  de  Renti 
ohne  vorgesetztes  Maistre,  das  sich  öfters  in  den  Hss.  vor  den 
Namen  der  Clercs  findet.  Auf  die  bescheidene  Vermögenslage  unseres 
Dichters  scheint  sich  die  zweite  Strophe  derselben  Chanson  V 
zu  beziehen,  in  der  er  an  die  Reichen  die  Mahnung  richtet,  bei  der  Ver- 
teilung ihrer  Geschenke  nur  Würdige  zu  bedenken: 

S'uns  riches  hom  d  aickes  a  doner, 
Avoir,  denier  u  autre  pension, 
11  doit  tres  bien  tont  partout  remirer 
U  il  le  puist  eniploier  par  raison  etc. 

Wir  haben  also  vielleicht  anzunehmen,  daß  der  Lebensunterhalt  Jehan's 
in  den  Geschenken  bestand,  die  ihm  seine  Muse  bei  freigebigen  Rittern 
(vgl.  die  Envoii^)  oder  den  reichen  Arraser  Bürgern  einbrachte,  die 
es  in  dieser  Zeit  bekanntlich  den  Rittern  wie  auf  andern  Gebieten 
so  auch  auf  dem  der  largesce  gleich  zu  tun  suchten,  i^) 

Das  ist  alles,  was  sich  aus  den  Gedichten  Jehans  in  Bezug  auf 
seine  Lebensverhältnisse  ergibt.  Aus  dem  melancholischen  Zuge,  den 
die  meisten  seiner  Chansons  tragen,  auf  einen  dementsprechenden 
Zug  in  seinem  Charakter  schließen  zu  wollen  (was  Herausgeber 
anderer  afrz.  Lyriker  getan  haben),  wäre  ebenso  unberechtigt  als 
wenn  man  die  Pastorelle  als  Ausfluß  einer  derb  sinnlichen  Gemüts- 
veranlagung betrachten  wollte.  El)enso  ist  es  gut  möglich,  daß  die 
dame  de  grande  valour,  die  er  besingt,  nur  in  seiner  Phantasie 
bestanden  hat. 

Zum  Schluß  sei  noch  bemerkt,  daß  über  das  Leben  unseres 
Dichters  die  reichste  und  wichtigste  Quelle  über  die  Biographie  der 
artesischen  Dichter,  die  wir  besitzen,  leider  versagt.  Wie  mir  Herr 
Prof.  Guesnon  gütigst  mitteilte,  findet  sich  im  Registre  des 
Jongleurs  (Bibl.  nat.  fr.  8541)  keine  Erwähnung  Jehans  von  Renti; 
daß   jedoch   eine   Familie    (vielleicht   de)   Renti   zu  Arras   existierte, 

^*)    Vgl.  Guy.   Essai  sur  Adam  de  la  Bale^  pg.  L. 
1')  Vgl.  Guy  l.  c.  S.  XX  tf. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  LUt.  XXXII ».  11 


1  ()2  JoJumnes  Spanke. 

beweist  die  im  Jahre  1243  erfolgte  Aufzeichnung  einer  Juliane  Renti 

im  genannten  Register. 

Inbeziig   auf  Inhalt   und  Form    weichen  die  Dichtungen  Jehans 

von   Renti    im   allgemeinen   nicht   von   den   Erzeugnissen   der  andern 

damaligen   Arraser   Liederdichter   ab.     In   den   meisten  Liebesliedern 

überwiegt    die   Reflexion.      In   fast    allen   ist    der   Ton   melancholisch 

und   entsagend:    Der  Dichter  fühlt    sich  glücklich,   wenn  er  nur  den 

Anblick  seiner  Dame  genießen  kann;    mehr  begehrt  er  nicht.     Seine 

Auffassung  von    der  Liebe,   die   den   wahr   und  verständig  Liebenden 

beseligt    und    bessert,    den    Falschen    und  Unverschämten    aber    ins 

Verderben    stürzt,    ist   durchaus   konventionell.      Recht   pessimistisch 

gehalten    ist   die   Cli.   II,    die   der   Ausführung    und   Begründung   des 

Refrains   dient:    r^.., 

Kit   est  ensi 

Ke  ja  ferne  namera  sen  vrai  ami. 
Allerdings  entschuldigt  sich  Jehan  in  der  letzten  Strophe  dieses 
Liedes,  daß  er,  von  Zorn  und  Verzweiflung  getrieben,  Unbedachtes 
verwogen  ausgesprochen  habe.  Hoffnungsfroher  ist  Ch.  IV,  die  er  an- 
geblich auf  Geheiß  seiner  Dame  gedichtet  hat  und  derselben  widmet. 
Frei   von   Reflexionen   ist   auch    das    Lied  III,  dessen  Inhalt  auf  den 

Refrain:  ,-,    .  .       ^     ^   •  /■ 

J  ai  euer  tmgnot  et  joh 

Et  tout  vestu  cTamours 
zugespitzt  ist.  Ähnlich  das  (anscheinend  unvollendete)  Lied  VII. 
Am  ansprechendsten  ist  die  in  Kurzversen  gedichtete  Ch.  VI;  sie  ist  in 
allen  Teilen  an  die  Dame  gerichtet;  ihr  lebhafter,  z.  T.  sogar 
leidenschaftlicher  Ausdruck  scheint  wahrer  Empfindung  entsprungen 
zu  sein.  —  Auch  sein  Wort-  und  Bilderschatz  ist  der  herkömmliche; 
doch  die  Komposition  der  einzelnen  Gedichte  ist  sorgfältig  und  augen- 
scheinlich eigenes  Werk  des  Dichters.  Jedes  der  Gedichte  stellt  nach 
Inhalt  und  Stimmung  ein  abgerundetes  Ganze  dar.  Das  bestgelungene 
Stück  Jehans  ist  zweifellos  die  Pastorelle  (XII).  Obwohl  aus  den  traditio- 
nellen Motiven  zusammengesetzt,  ist  sie  in  ihrer  schlichten  und  klaren 
Sprache  und  ihrer  gedrängten,  lebhaft  fortschreitenden  Darstellung 
ein  kleines  Meisterwerk.  Sie  zeigt  soviel  Technik  in  innerer  und 
äußerer  Form,  daß  es  zu  bedauern  ist,  daß  sie  das  einzige  erhaltene 
derartige  Stück  unseres  Dichters  ist. 

2.  Oede  de  la  Couroierie. 
Auf  andern  Grundlagen  wie  bei  Jehan  de  Renti  beruhen  die 
Nachrichten,  die  wir  über  das  Leben  des  zweiten  Dichters,  des  Oede 
de  la  Couroierie,  besitzen.  Seine  Lieder  bieten  nicht  den  geringsten 
Anhaltspunkt  biographischer  Art.  Man  wußte  daher  bis  vor  wenigen 
Jahren  nicht  einmal,  in  welchem  Zeitraum  der  Literatur  er  unter- 
zubringen  war.     Paulin   Paris  ^6)   bezeichnete  ihn   ohne  jeden  Grund 

1«)  l.  c.  S.  663. 


Die  Gedichte  Jeliaris  de  Renü  und  Oede's  de  Ja  Couroierie.      163 

als  Freund  des  bekannten  Trouvere  Gace  Brüle,  indem  er  ihn  wahr- 
scheinlich mit  dem  „Odin",  an  den  dieser  mehrere  Gedichte  richtet, 
identifizierte.  Mit  sehr  berechtigtem  Vorbehalt  gibt  Gröber  {l.  c. 
S.  663)  diese  Vermutung  wieder.  Erst  Guesnons  verdienstliche 
Forschungen  brachten  aucli  über  Oede  einiges  Licht  J'^)  Das  Folgende 
stützt  sich  im  Wesenthchen  auf  die  von  ihm  benützten  und  an- 
gegebenen Quellen. 

Oede  de  la  Couroierie  war  clerc  und  Sachwalter  des 
Grafen  Robert  IL  von  Artois.  Die  Urkunde,  in  der  er  uns  zuerst 
begegnet,  ist  vom  30.  Juni  1270.18)  Sie  gibt  einen  von  Ludwig 
dem  Heiligen  für  Odon  de  Paris,  den  clerc  d§s  Grafen  von  Artois 
ausgestellten  Geleitbrief  wieder;  der  Inhaber  desselben  bcgiebt  sich 
im  Auftrage  seines  Herrn  in  irgend  einer  Mission  an  den  päpstlichen 
Hof  nach  Rom.  Daß  es  sich  um  wichtige,  hochpolitische  Aufträge 
handelte,  zeigt  eine  zweite  Urkunde,  die  vom  4.  März  1274  datiert 
ist.  19)  Aus  ihr  ist  ersichtlich,  daß  der  Graf  von  Artois  dem  clerc 
Odon  de  Saint- Germain,  seinem  Sachwalter  uad  dem  Überbringer 
seiner  Briefe,  den  Auftrag  gab,  an  den  Papst  die  Bitte  zu  richten, 
seinem  Herrn  das  durch  den  Tod  des  Grafen  Alphons  von  Poitiers 
erledigte  Land  „Fen^z«,"  über  das  der  Papst  Verfügungsrecht  hatte, 
zu  geben  und  zum  Entgelt  hierfür  einen  jährlichen  Zins  zu  empfangen. 
Oede  scheint  sich  seiner  Aufgaben  mit  Geschick  und  Eifer  entledigt 
zu  haben.  Wie  eine  Urkunde  vom  1.  Juli  desselben  Jahres  besagt,^») 
wies  der  Graf  von  Artois  den  hailii  von  Artois  an,  dem  clerc  Odon 
de  Saint-Germain  200  1,  paris.  auf  AUei heiligen  für  seine  guten 
Dienste  am  römischen  Hofe  auszuzahlen.  Daß  nun  der  in  diesen 
Urkunden  auftretende  maistre  Odon  kein  anderer  ist  als  unser  Dichter, 
ist  aus  einem  weiteren  Schriftstück  zu  ersehen  (ibid.).  Es  scheint 
zu  zeigen,  daß  Oede  sich  schon  einen  Monat  nach  Empfang  der 
genannten  Summe  in  Geldverlegenheit  befand:  am  20.  Dezember  des- 
selben Jahres  wird  notariell  konstatiert,  daß  Meister  Odo  de  Corigia- 
ria,  der  Gesandte  des  Grafen  von  Artois  beim  hl.  Stuhl,  von  Jehan  von 
Moflieres,  dem  Gesandten  des  Königs  von  Sizilien,  10  gute  livres 
tournois  geliehen  hat,  die  er  ihm  Lichtmeß  in  Paris  oder  Lyon 
zurückzahlen  wird. 

Die  folgenden  Jahre  zeigen  Oede  in  der  Verwaltung  des  Landes 
tätig.  Nur  angeführt  wird  er  als  Sachwalter  des  Grafen  im  Jahre 
1276.21)  Weitere  Urkunden  (zwei  von  1278  und  eine  von  1280)22) 
berichten,    wie    er    als   Verwalter  des   bailliage   de   Bapaume^    bez. 


")  i.  c.  S.  14. 

18)  Invent.  sommaire  des  arch.  depart.  du  Pas-de-Calais.     Arras   1878.  Serie 
I  S.  32  a. 

19)  ib.  S.  37  a. 
2")  ib.  S.  38  a. 
")  ib.  S.  39  a. 

2^)  ib.  40  b  und  46  b. 


1G4  Johannes  Spanke. 

Sachwalter  seines  Herrn  dessen  Interessen  geschäftlich  wahrnimmt. 
Dazwischen  fällt  (1280)  wicdiTum  eine  Geldzahlung  des  Grafen  an 
seinen  treu^'n  Diener. 23)  1285  sehen  wir  Oede  als  Vertreter  der 
gräfliclien  Regierung  in  Boulogne24);  Aprise  faite  a  Boulongne,  Van 
de  grasce  viil  ij  c  iiij  XX  et  V,  le  diemence  de  le  quinznine  de 
Pai<kes,  sovs  commandenient  des  maistres  d'Artoys,  par  Miles  de 
Nangis,  baillu  (sie!)  d'Artoys  et  inaistre  Oede  de  ISaint-Gemiain, 
clerc  monsigneur  d Artoys,  apeles  et  pi^e-teiis  GidUiaumes  d'Anvin, 
GuiUaiimes  de  JJoking/i ehern,  sous-burllus  d'Arras,  ajournes  et  öis 
le  maire  et  les  echevins  de  Boidonyne  de  ce  que  iL  vaudront  dire 
et  proposer  pour  eiis'-'-  (Es  handelt  sich  um  eine  Untersuchung 
der  Rechte,  die  den  Graf  von  Artois  in  dieser  Stadt  besit/.t).  Um 
dieselbe  Angelegenheit  drelite  sich  vielleicht  zwei  Jahre  später  eine 
Gerichtssitzung  am  gräflichen  Hofe,  zu  der  der  Graf  von  Boulogne 
sowie  der  Bürgermeister  und  die  Schöffen  dieser  Stadt  erschienenes)^ 
Mre.  Oede  de  Saint-Germain  funktionierte  in  derselben  als 
Richter.  Verschiedene  Urkunden  von  ]290,  die  ihn  in  der  Ver- 
waltung tätig  zeigen,  brauch -n  bloß  erwähnt  zu  werden 26).  Eine 
überlieferte  Quittung  Oedes  für  verschiedene  Termine  seines  Gehaltes 
stammt  vom  25.  September  1292.  Einen  neuen  Beweis  für  seine 
Tüchtigkeit  und  das  von  seinem  Herrn  in  ihn  gesetzte  Vertrauen 
liefert  ein  Brief  des  Grafen  von  Artois  an  Philipp  den  Schönen,  in 
dem  er  diesem  mitteilt,  daß  er  Mre.  Odon  de  Saint-Germain 
„zu  seinem  Hofsachwalter  (procureur  en  sa  court)  gegenüber  allen 
Personen  und  in  allen  Geschäften"  gemacht  habe  (August  1293)'-^). 
Vom  10.  Oktober  desselben  Jahres  ist  die  Urkunde  datiert,  in  der 
Oede  zum  letzten  Mal  lebend  auftritt  28);  er  bildet  mit  drei  Kollegen 
ein  Komitee,  das  zur  Untersuchung  von  Streitfragen  eingesetzt  ist, 
die  zwisclien  den  Grafen  von  Artois  und  von  Flandern  schweben: 
wiederum  ein  Auftrag,  der  sicher  viel  Geschick  und  Erfahrung  auf 
Seiten  der  Ausführenden  voraussetzte. 

Bis  kurz  vor  seinem  Tode  war  maistre  Oede  ein  treuer  Diener 
seines  Herrn.  Im  Juni  1294  bestätigte  der  „official  du  siege  vacanf* 
von  Arras  das  Testament  des  Odon 29)  de  Corrigiaria,  clerc  des 
Grafen  von  Artois,  „zu  gunsten  seiner  Töchter  Marie  und  Odine, 
seines  Enkels  Jacques,  des  eure  von  Saint-Jean-en-Ronville  in  rotunda 
villa  Arra?  etc."  Soviel  das  Inventaire^O);  Gue-non  teilt  außerdem 
nach  der  Originalurkunde  mit    (1.  c),  daß  Oede  von  seiner  vor  ihm 


23)  ib.  42  b. 

2*)  ib.  48  a. 

25)    ;.  c.  II  S.  179  und  180. 

")    ib  I.  54  a  und  b;  152  b. 

2^)   ib  I.  S.  59  b. 

28)  ib  I.  S.  (iO  a 

29)  „Adiim"  im  lav.  ist  falsch  gelesen. 

30)  I.  S.  62  b. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oedes  de  la  Couroierie.     165 

verstorbenen  Frau  Emelina  drei  Kinder  besaß;  ferner  daß  er  zwei 
uneheliche  Töchter  und  deren  Mutter  Jeanne  de  Goiiy  mit  Lebens- 
renten bedachte.  Der  Exekutor  des  Testamentes  war  ein  gewisser 
Hue,  Dekan  von  Asnieres;  er  bestätigte  am  28.  März  1295,  vom 
Grafen  von  Artois  100  1.  paris.  erhalten  zu  haben,  die  dieser  dem 
verstorbenen  Eude  de  Carigis  (so  das  Inv.!)  schuldete 3'). 

Daß  es  sich  in  allen  angeführten  Urkunden  um  eine  und  die- 
selbe Person  handelt,  steht  außfr  Zweifel.  Die  am  häufigsten  auf- 
tretende Namensform  Oede  de  St.-Germain  in  Verbindung  mit  der 
seltenern  Oede  de  Paris  deutet  darauf  hin,  daß  unser  Dicliter  der 
Ifle  de  France  entstammte.  Die  Sprache  seiner  Gedichte  bestätigt, 
wie  hier  gleich  bemerkt  werde,  diese  Annahme;  sie  weist  auf  das 
Zentrum  hin  und  schlitßt  mit  Sicherheit  den  pikardischen  Dialekt 
aus.  Sein  Wohnort  wird  in  den  23  Jahren,  in  denen  er  als  Beamter 
des  Grafen  von  Artois  wirkte,  dessen  Residenz  Arras  gewesen  sein. 
Da  er  im  Testament  als  Großvater  auftritt,  wird  er  wohl  in  höherem 
Alter  gestorben  sein.  Wenn  wir  nun  annehmen,  daß  er  nicht  lange 
vor  1270  in  die  Dienste  des  Grafen  von  Artois  getreten  sei,  zählte  er  zu 
dieser  Zeit  schon  30 — 40  Jahre.  Es  ist  leicht  zu  verstehen,  daß  er 
in  diesem  Alter  seinen  Heimalsdialekt  nicht  mehr  nach  dem  Pikar- 
dischen modifizierte.  Nehmen  wir  jedoch,  was  vielleiclit  das 
Wahrscheinlichere  ist,  an,  diiß  die  uns  erhaltenen  fünf  Gedichte  aus 
seiner  Jugend  stammen,  bietet  die  DialeKtfrage  überhaupt  keine 
Schwierigkeiten  mehr.  —  Der  Inhalt  der  Gedichte  Oedes  enthält,  wie 
schon  bemerkt  wurde,  leider  keinen  Anhaltspunkt  biographischer  Art. 

Nach  allem  Bisherigen  scheint  es,  daß  Oede  sich  nur  in  seinen 
Mußestunden  mit  Poesie  beschäftigt  haben  kann.  In  der  Tat  machen 
die  fünf  unter  seinem  Namen  überlieferten  Liebeslieder  entschieden 
den  Eindruck  von  Dilettantenarbeiten.  Der  Inhalt  ist  in  allen  Liedern 
ungefähr  derselbe:  Klagen  über  die  Erfolglosigkeit  seines  langen 
Minnedienstes,  Schelten  über  die  „mesdisanz'-\  die  ihm  die  Dame  zu 
entfremden  suchen,  Bitten  um  endliche  Erhörung.  Daß  die  öfter 
maßlos  heftigen  Gefühlsausbrüche  unecht  sind,  sieht  man  auf  den 
ersten  Blick;  es  fragt  sich  nur,  ob  sie  als  Ausflüsse  jugendlicher 
Überschwänglichkeit  oder  des  dilettantischen  Y.OLY.6C,r^\ov  zu  betrachten 
sind.  Seine  Sprache  ist,  ganz  im  Gegensatz  zu  der  anmutigen,  durch- 
sichtigen Sprache  Jehans  von  Renti,  ungeschickt  und  öfter  dunkel. 
Von  Stimmung  und  Kompositionskunst  ist  in  seinen  Liedern  kaum 
die  Rede.  Hierzu  hat  sein  metrisches  Unvermögen  stark  mitgewirkt. 
Öfters  ist  zu  beobachten,  wie  ein  Reimwort  den  ganzen  Gedankengang 
auf  Abwege  leitet.  Auffallend  oft  gebraucht  er  geistliche  Ausdrücke, 
darunter  auch  solche,  die  eigentlich  der  Lyrik  fern  liegen  {Four 
dien!  III.  35,  und  öfter,  pechie  fera  U.  35,  se  dieu  plesi  lY.  25,  je 

31)  ib.  S.  158  b. 


JOf)  Johannes   Spankc. 

pri  dien  IV.  36,  se  dex  liest  sorz  V.  5).  Darin  könnte  man 
Rcminisccnzen  aus  der  geistlichen  Vorbildung;  des  Clerc  zu  erl)licken 
geneigt  sein.     (Vgl.   die  Anm.  zu  V.  50). 

II.  Die  Handschriften. 

1. 

Die  zwölf  Lieder  des  Jehan  dcRenti  sind  nur  in  der  Hand- 
schrift T  (nach  Schwan, 32)  =  Raynauds')  pbH.;    Bibl.  nat.  tr.  12615) 
erhalten.    Die  Handschrift  besteht  nach  den  Angaben  Schwans  —  ab- 
gesehen von  einem  vorgehefteten  Liederbuch  Thibauts  von  Navarra  und 
einem  am  Ende  angehefteten  Liederbuch  Adans  de  le  Haie  —  aus  drei 
von    verschiedenen    Schreibern    angefertigten    Teilen.      Als    von    den 
Schreibern  benutzte  Vorlage  ist  eine  Handschrift  anzusehen,    die  eng 
mit  der  Vorlage  der  Hs.  M  (Rayn.  Pb^';   Bibl.  nat.  fr.  844)  verwandt 
war.     Der  dritte  Schreiber,  dessen  Schrift,  wie  ich  mich  selbst  habe 
überzeugen  können,  sich  deutlich  von  der  der  in  den  vorhergehenden 
Teilen  tätigen  Schreiber  abhebt,  setzt  auf  fol.  172  v**  ein.    Er  beginnt 
jedoch   nicht   mit  der  Fortsetzung  der  ihm  vorliegenden  Handschrift, 
die  an  der  entsprechenden  Stelle  eine  Sammlung  von  Motetten  enthielt, 
sondern  schiebt  aus  anderer  Quelle  die  Lieder  Jehans  von  Renti  ein. 
Diese  reichen  von  fol.  172  vO  bis  176  v^.    Die  letzte  Hälfte  dieser 
Seite   und   die  folgenden  zwei  Blätter  177  und   178  ließ  er  frei  (die 
auf   ihnen  stehenden   Einträge    stammen    aus    dem   15.  Jahrb.),   um 
auf  fol.   179  mit  den  erwähnten  Motetten  34)  die  Kopie  seiner  Vorlage 
fortzusetzen.      Verschiedene   Motette,    die   sich,   was   zu  beachten   ist, 
teils  auf  Arras  beziehen,  fügte  er  aus  anderer  Quelle  ein.    Er  schließt 
seine  Abschrift    ab    durch    eine   Sammlung  von   satirisch-moralischen 
und    satirischen   Liedern    und   Dits,    die    sämtlich    auf  Arras   bezng 
nehmen     (?.    Anm.    2).  35)      Das     sprachliche    Gewand    sowohl    des 
dritten  Teiles  als  auch  der  ganzen  Handschrift  weist  auf  die  artesische 
Mundart    hin.      Vielleicht    ist    also    die    ganze    Handschrift,    höchst- 
wahrscheinlich  aber   der   dritte  Teil   derselben   in  Arras    geschrieben 
worden.     Nach  Schrift    und  Ausstattung  gehört  die  Handschrift  dem 
13.  Jahrb.  an.     Da   nun  von  den  satirischen  Stücken  eins  nicht  vor 
1268  entstanden  sein  kann,  andere  um  1269  geschrieben  sein  müssen, 
da  ferner,  wie  oben  gezeigt  wurde,  auch  die  Lieder  Jehans  von  Renti 
im  dritten  Viertel  des   13.  Jahrb.  gedichtet  sind,  ist  überhaupt  keine 
vielgliedrige  Tradition  der  vom  dritten  Schreiber  eingeschobenen  Stücke 
anzunehmen.     Auch  diese  Tatsache,   vereint  mit  dem  Umstände,  daß 
viele  der  eingeschobenen  Stücke  sich  auf  Arraser  Verhältnisse  bezogen 
und   nur  für  einen  Arraser  näheres  Interesse  hatten  (auch  Jehan  de 


32)  Die  altfrz.  Liederhandschrißen.     Berlin   1886. 

33)  Bibliogr.  des  chansonniers  fr.    Paris   1884. 

3*»)  Herausgegeben  von  G.  Eavnaud,  Recueil  de  .Votets  francais.    Paris 
1883  11.  S.  68  ff. 

35)  Vgl.  die  Ausführungen  Guesnons  im  Mo7jen  A<je  1899  und  1900. 


Die  Gedichte  Jehatis  Je  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     167 

Renti  stand  ja  bekanntlich  in  Beziehung  zum  Puy)  läßt  darauf 
schließen,  daß  der  dritte  Schreiber  bez.  sein  Auftraggeber  in  Arras 
ansässig  war.  Daß  aber  der  dritte  Schreiber  wahrscheinlich  auch  der 
Besitzer  der  Hs.  war,  glaubt  Schwan  mit  Recht  daraus  entnehmen  zu 
können,  daß  dieser  in  den  Abschriften  der  beiden  ersten  Schreiber 
eine  Menge  von  Verbesserungen  angebracht  hat.  Der  dritte  Teil 
selbst  ist  sehr  sorgfältig  geschrieben;  ein  Blick  in  den  vorliegenden 
Text  der  Lieder  Jehans  und  in  die  Ausgabe  der  satirischen  Gedichte 
zeigt,  daß  verhältnismäßig  nur  selten  Anlaß  zu  Verbesserungen  geboten 
war.  "Wenn  man  zudem  in  Betracht  zieht,  daß  der  dritte  Teil  eine 
ungewöhnlich  große  Anzahl  Unica  bietet,  liegt  der  Schluß  nicht  fern, 
daß  der  Besitzer  der  Handschrift  eine  lebhafte  Fühlung  zu  Arraser 
Dichterkreisen  gehabt  hat,  ja  vielleicht  selbst  ein  Dichter  gewesen 
ist.  Dem  mit  allem  Vorbehalt  von  Schwanke)  geäußerten  Gedanken, 
daß  vielleicht  Jehan  de  Renti  selbst  in  diesem  Dichter  zu  erblicken 
sei,  der  also  seine  eigenen  Gedichte  an  die  Spitze  des  von  ihm  nach- 
getragenen Teiles  der  Handschrift  eingeschoben  habe,  stehen  sachliche 
oder  zeitliche  Bedenken  nicht  entgegen;  aber  er  kann,  da  es  an 
direkten  Beweisen  fehlt,  natürlich  nur  den  Wert  einer  Vermutung 
beanspruchen.  Zu  dieser  Annahme  würde  allerdings  der  Umstand 
stimmen,  daß  Jehan  de  Renti  anscheinend  auf  die  reichen  Bürger 
von  Arras  nicht  gut  zu  sprechen  war.  Es  wäre  also  durchaus  nicht 
unwahrscheinlich,  daß  er  sich  für  die  satirischen  Stücke,  die  doch 
eigentlich  nur  Tagesliteratur  waren,  besonders  interessiert  und  sie  an 
die  Liedertexte  der  Handschrift  angereiht  hätte.  Behandelt  doch 
eines  dieser  Gedichte  37)  ausschließlich  einen  Stoff,  der  Jehan  besonders 
am  Herzen  gelegen  zu  haben  scheint^  nämlich  die  largesce  der  Reichen 
und  ihre  richtige  Anwendung.  Vgl  mit  der  oben  (S.  169)  besprochenen 
Strophe  Jehans  folgendes  Stück  (Vers  69  ff.)  aus  der  erwähnten,  von 
einem  gew.  Pierre  le  Camus  verfaßten  Satire: 

A'' ente?ides  mie 
Que  ce  soit  voirs,  que  que  nus  die, 
C'on  pulst  par  tout  bien  emploier 
N''a  cascun  rendre  sen  loier; 
Mais  a  Paris  et  a  Biauvais 
Rent  tcns  preudom  por  cerit  malvais. 

Da  wir  also  in  der  Handschrift  T^  vielleicht  ein  Autograpli 
unseres  Dichters,  höchstwahrscheinlich  aber  die  Niederschrift  eines 
Arraser s  besitzen,  werden  wir  in  dem  Text  der  Lieder  Jehans  keinen 
durch  den  Schreiber  vorgenommenen  Umformungen  des  Original- 
textes, sondern  der  Mundart  des  Dichters  selbst  zu  begegnen  erwarten 
dürfen.     In   der   Tat   stimmen,    wie   schon    hier   bemerkt   werde,    die 


36)  l.  c.  S.  256. 

3'')  No.  XX.  bei  Guy  und  Jeanroy. 


168  Johannes  Spanke. 

durch  Reim  uml  Metrum  gesicherten  Eigenarten  der  Sprache  Jehans 
aufs  genaueste  mit  dor  allgemeinen  Gestaltung  der  Handschrift  überein. 
Genaueres  über  die  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  der  Hs.  s.  unten. 

Nach  den  vorstehenden  Ausführungen  ist  es  selbstverständlich, 
daß  sich  uusire  Wiedergabe  des  Textes  inbezug  auf  die  sprachhchen 
Formen  auf  einen  Abdruck  der  Hs.  zu  beschränken  hat.  Unediert 
waren  bisher  die  Lieder  Nr.  I.,  IV.,  V.,  VI.,  VII.,  IX.,  XI.;  gedruckt 
bei  Noack^s),  der  Slrophenausgang  in  seinem  Verhältnis  zum 
Refrain  etc.  Marburg  1899:  No.  II.  (S.  116)  III.  (S.  117)  und  X. 
(S.  138),  bei  Dinaux,  Les  trouveres  artesiens,  Paris  184  3  (S.  302) 
No.  VIII.  und  XII.,  bei  Bartsch,  Romanzen  und  Pastorellen, 
(1870)  No.  XII.,  in  Eist.  litt.  XXIII.  S.  646  die  erste  und  zweite 
Str.  von  V. 

2. 

Von  den  fünf  sämtlich  unedierten^o)  Liedern  des  Oede  de  la 
Couroierie  sind  No.  I.  und  II.  in  drei  Handschriften  erhalten: 

1.  K  (=  Rayn.  Pa;  Paris,  Bibl.  de  l'Arsenal  5198);  die 
Handschrift  gehört  nach  Raynaud ^o)  und  neuerdings  Huef*')  dem 
13.  Jahrh,  an.  Schwanns)  entscheidet  sich  genauer  für  die  zweite 
Hälfte  des  13.  Jahrb.  Ihre  Entstehung  wird  jedoch  durch  den  Um- 
stand, daß  sie  die  Lieder  unseres  Dichters  enthält,  auf  das  letzte 
Viertel  des  Jahrb.,  vielleicht  auf  noch  spätere  Zeit,  festgelegt. 

2.  N  (=Rayn.  Pb'i;  Bibl.  nat.  fr.  845)  Raynaud  und  Schwan 
nehmen  als  Entstehungszeit  der  Hs.  das  13.  Jahrh.  an.  Vielleicht 
ist  jedoch  aus  dem  eben  genannten  Grunde  di'^  Ansicht  von  Bartsch'*^) 
und  Huet  richtiger,  die  sich  für  das  14.  Jahrh.  entscheiden. 

3.  P  (=Rayn.  Pb^;  Bibl.  nat.  fr.  847).  Auch  sie  wird  von 
Raynaud  und  Schwan  (von  diesem  wenigstens  der  erste,  die  Lieder 
Oedes  enthaltende  Teil  pi)  dem  13.  Jahrh.  überwiesen,  von  Huet 
dagegen  dem   14.     Von  ihr  gilt  das  Gleiche  wie  von  K  und  N. 

Die  Handschriften  K  N  P  sind,  wie  fast  alle  Herausgeber  ah- 
französischer  Lieder,  fußend  auf  Schwans  Untersuchungen,  gezeigt 
haben,  eng  miteinander  verwandt.  Diese  Verwandtschaft  wird  trotz 
der  Kürze  der  beiden  Lieder  durch  mehrere  Fälle  bestätigt.  Auf- 
fallend ist  zunächst,  daß  das  erste  Lied  in  allen  drei  Hss.  nur  drei 
Strophen   hat,    während   alle  übrigen    Lieder   (wenigstens  in  N)    fünf 


3^)  Nach  einer  Pufsnote  auf  S.  163  ist  die  Ausgabe  der  Lieder  von 
E.  Stengel  bearbeitet. 

39)  P.  Paris  druckte  in  Eist.  litt.  XXIII.  S.  663  nur  eine  Str.  des 
Liedes  I.  ab. 

*")  /.  c.  S.  54. 

♦1)  Gace  Bride,  Paris  1902.    S  XXIV. 

*-)  l.  c.  S.  86. 

«)  /.  c.  s.  vn. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renii  und  Oede's  de  la  Couroierie.     169 

Strophen  haben,  von  denen  die  letzte  jedesmal  das  Geleit  bildet. 
Auch  inhaltlich  scheint  das  Lied  eines  rechten  Abschlusses  zu  entbehren. 
Vielleicht  hat  also  der  Archetypus  von  KPN  die  beiden  letzten 
Strophen  nicht  enthalten.  Ähnliche  Auslassungen  finden  sich  in  der 
Gruppe,  der  KPN  angehören,  öfter;  vgl.  z.  ß.  Gace  Brüle  (Ausg. 
Huet)  Ch.  IX,  X,  XI,  XIV,  XV,  VII  u.  a.,  alles  Lieder  in  denen 
diese  Gruppe  (die  Huet  mit  ß  bezeichnet)  am  Schluß  entweder 
mehrere  Strophen  oder  den  Envoi  ausläßt.  —  Ferner  ist  I.  13 
schon  im  Archetypus  der  drei  Hss.  die  Lesart  ne  que  se  fiisse  ivre 
durch  Zusammenwürfelung  mit  dem  kurz  voihergt^hemlen  ne  sai  que 
je  faz  aus  dem  richtigen  ne  se  je  fusse  ivre  entstanden  —  eine 
Art  von  Verschreibung,  die  sich  bekanntlich  oft  in  Hss.  findet.  — 
Ebenso  ist  im  folgenden  Verse  wohl  anzunehmen,  daß  der  Archetypus 
statt  des  richtigen  me  tiengne  a  pris  schon  77iel  tiengne  darbot,  das 
N  bietet^);  in  K  P  wurde  diese  Lesart  weiter  zu  nei  tiengne  a  pris 
verschlechtert. 

Wie  nun  innerhalb  der  Gruppe  K  N  P  die  einzelneu  Hand- 
schriften sich  zu  einander  verhalten,  soll  die  folgende  Zusammenstellung 
beleuchten : 

1.  ein  Zusammengehen  von  K  P  gegen  N  zeigen  folgende  Fälle: 

a)  ein  gemeinsamer  Fehler  von  K  P  findet  sich  nur  an  der 
citierten  Stelle: 

1.12  quel  nel  tiengne  K  P ;    quel  mel  t.  N ^'^) 

b)  Fehler  von  N,  die  K  P  nicht  teilen: 
1 .  1      Mult  a  longuement  fer  N, 

Trop  ai  longuement  fet  K  P; 
1 .  2     De  maus  dire  N,  des  m.  d.  KP; 

1.17  nus  sages  N  (syntaktisch  richtig,  aber  des  Reimes  wegen  un- 
zulä>sig),  nnl  sage  K  P; 

1.18  avrai  N,  avra  K  P; 

II .  30  s'est  s^amor  N,  cest  s'amor  K  P.    Nicht  fehlerhaft  in  N  ist, 

aber  doch  auf  eine  verschiedene  Überlieferung  deutet: 
11.32  onc  mes  N,  ainz  mes  K  (P  fehlt); 
il.  41   t'erit  N,  fen  K  P. 

2.  K  N  geht  im  Gegensatz  zu  P  zusammen: 

a)  in  P  fehlt  die  vierte  Strophe  der   Chanson  II. 

b)  K  N  hat  die  falsche,  P  die  richtige  Lesart: 


**)  Das  /  an  mel  ist  in  N  allerdings  erst  nachträglich  von  erster 
Hand  eingeschoben  worden;  doch  gerade  das  beweist,  wenn  man  nicht  eine 
auf  einem  dritten  unbekannten  Kodax  fufsende  Korrektur  von  N  annehuien 
will,  dafs  keine  Verschreibung  vorliegt. 

*^)  I  .  21  sqfei-z  N,  sqffert  K  P  ist  hipr  nicht  heranzuziehen;  s.  unten; 
ebenso  sind  natürlich  die  Fälle  unberücksichtigt  geblieben,  die  auf 
orthographische  Eigentümlichkeiten  des  Schreibers  zurückzuführen  sind. 


170  Johannes  Spatike. 

II .  19  ma  guei'ison  K  N;    la  g.  P. 

c)  In  P  stehen  die  beiden  Lieder  unter  den  anonymen.  K 
N  entlialten  alle  fünf  Lieder  und  zwar  unter  dem  Namen  de- 
Dichters. 

d)  P  hat  gegenüber  K  N  die  falsche  Lesart: 
II .  46  tote  P,  tout  K  N. 

3.  P  N  scheinen  trotzdem  gegenüber  der  Hs.  K  eine  Gruppe 
zu  bilden: 

a)  gemeinschaftliche  Fehler  in  P  N  im  Gegen satze  zu  K  sind 
nicht  nachzuweisen, 

b)  P  N  bieten  aber  im  Gegensatz  zu  K  das  Richtige: 
1 .    3  enfance  K,  vütance  P  N ; 

1.16  ore  en  sui  K,  or  en  sui  P  N ; 
II .  27  ne  point  K.  que  point  P  N. 

c)  wohl  den  Schreibern  zuzuschreiben  (vgl.  Anm.  45) 
sind  Fälle  wie  II .  26  seete  X  P,  saete  K  u.  a. 

Schwan  und  verschiedene  Herausgeber  altfranzösischer  Lieder- 
dichter sind  zu  dem  Residtate  gekommen,  daß  K  P  eine  engere 
Gruppe  innerhalb  der  Gruppe  KPN  bilden.  Nach  der  obigen 
Zusammenstellung  trifft  dies  für  unsere  beiden  Lieder  aus  dem  Grunde 
nicht  zu,  weil  nach  2  a),  b)  und  c)  mit  noch  größerer  Berechtigung 
die  Existenz  einer  Gruppe  K  N  angenommen  werden  könnte.  Unsere 
Lieder  bestätigen  daher  lediglich  die  nahe  Verwandtschaft  von  KPN 
sowie  die  Tatsache,  daß  keine  der  Handschriften  aus  einer  der  beiden 
andern  abgeleitet  werden  kann. 

Die  Lieder  III,  IV  und  V  sind  nur  in  K  N  überliefert.  Die 
vierte  Strophe  in  III  und  die  fünfte  in  IV  fehlen  in  K.  Daß  N  dem 
Originale  näher  gestanden  habe,  ist  vielleicht  auch  aus  der  durch  den 
Reim  geforderten  Schreibart  miroer  (IV.  10:  joer)  in  N  zu  schließen 
(K  hat  mireoir);  IV.  29  haben  beide  Hss.  im  Versinnern  voer  (=videre); 
vgl.  unten.  Da  jedoch,  wie  die  Varianten  zeigen,  im  übrigen 
K  von  allen  drei  Hss.  am  sorgfältigsten  geschrieben  ist,  stützt  sich 
der  folgende  Text  in  allen  Liedern  auf  diese  Handschrift. 

111.   Die  Sprache  der  beiden  Dichter. 

1.    Die  Lieder   Jehan's   de  Renti. 

Obwohl  die  Lieder  des  Jehan  de  Renti,  wie  gezeigt  wurde, 
uns  unter  besonders  günstigen  Verhältnissen  überliefert  sind,  werden 
wir  uns  in  der  folgenden  Untersuchung,  um  zu  sicheren  Resultaten 
zu  gelangen,  zunächst  auf  die  Reime  und  das  Metrum  beschränken. 
Soweit  es  der  beschränkte  Text  zubißt,  werden,  wo  es  nützlich  erscheint, 
die  bis  jetzt  erschienenen  Karten  des  Gillierou'schen  Atlas 
linguistique  de  la  France  (26  Lieferungen)  zugezogen  werden. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renii  und  Oede's  de  la  Couroierie.      171 

A.    Die  Reime. 

Dieselben  liegen,  da  sämtliche  Lieder  durcligereimt  sind,  in 
keiner  großen  Anzahl  vor,  Sie  folgen  alphabetisch  geordnet  mit 
Angabe  der  Lieder,  in  denen  sie  auftreten: 

-age  (L  5.  10),  -ai  (6.  12),  -aine  (12),  -anclie  (2.  6.  10), 
-ant  (9."  12); 

-e  (1.  7),  -ie  (4),  -ent  (2.  3.  4.  8.  9.  10.  11),  -er  (3.  4.  5.  10), 
-es  (8.  10); 

-i  (2.   3.   10),  -ie  (7),  -ir  (1.   2.  9.   10),  -ire  (8),  -is  (ß.   10); 

-oie  (3),  -071  (4.  5),  -oir  (9.  11),  -oiir  (1.  5);  -om?"5  (10), 
-ure  (11.   12),  -?<«/  (G). 

Zur  Lautlehre. 

1.  -age.  Die  Endung  -age  wird  weder  im  Reim  noch  im  Vers- 
innern  durch  -aige  ausgedrückt;  (Gillieron's  Kailen  tirage  (292)  und 
rage  (1127)  zeigen  keine  Spur  von  einer  auf  altes  -aige  zurückdeutenden 
Aussprache).  Bemerkenswert  ist  ferner,  daß  sich  unter  den  Reimwörtern 
auf  -age  auch  atarge  (X.  47)  befindet;  dieselbe  Nichtberücksichtigung 
des  r  vor  g  zeigt  wohl  auch  atargie  (IV.  46),  das  mit  esragic  (reich) 
reimt.  Es  fragt  sich,  ob  der  Grund  zu  dieser  Erscheinung  in  einer 
metrischen  Unvollkommenheit  (wie  Tobler  Versbari^  S.  131  annimmt) 
oder  in  der  lautlichen  Schwächung  des  vorkonsonantischen  r  zu  suchen 
ist.  Für  die  letzte  Erklärung  spricht  der  Umstand,  daß  die  Erscheinung 
oft  in  alten  pikardischen  Texten  auftritt.  Daß  allerdings  heute  r  vor 
g  pikardisch  keine  Schwächung  bez.  Schwund  erfährt,  zeigt  Gillieron 
auberge  (69)  und  berger  (ere),  127  und   128. 

2.  -ai  und  -aine.  Unter  den  Reim  Wörtern  auf  -ai  befindet 
sich  keins  mit  e,  ebenso  keins  auf  -oi.  Das  Vorkommen  von  esmai 
(VL  8)  hat  nichts  Auffallendes,  da  bekanntlich  schon  früh  die  beiden 
Formen  esmai  und  esmoi  nebeneinander  vorkommen ;  wie  Steffens 
(Ferrin  von  Angicourt,  Halle  1905,  S.  155)  bemerkt,  bevorzugt 
das  Pikardische  die  Form  auf  -ai.  Seine  Behauptung  (ib.  S.  154), 
„daß  in  esmai  das  -ai  schon  lange  nicht  mehr  den  diphthongischen 
-az-Charakter  hatte,  ist  bei  der  relativ  vorgeschrittenen  Zeit  —  etwa 
Mitte  des  13.  Jahrhs.  —  ganz  unzweifelhaft",  ist  für  die  pikardischen 
Dichter  —  also  auch  für  Perrin  —  nicht  zutreffend ^6j_  wie  Suchier'^') 
nachgewiesen  hat,  besaß  in  den  pikardischen  Texten  ai  diphthongischen 
Wert  noch  zu  einer  Zeit,  wo  es  diesen  im  Franzischen  und 
Normannischen  längst  eingebüßt  hatte"^^).  Daß  diese  auffallend 
altertümliche   Erscheinung    selbst    in    der   Aussprache    des    heutigen 


*8)  Dafs  Perrin  esmai  sowohl  auf  -al  als  auch  auf  -oi  reimt,  beweist 
nur,  dafs  er  beide  Formen  anwandte. 

*'')  Aucassin  und  Nicolete^,  Paderborn  189;).     S.  64. 

*ä)  Hinzufügen  zu  den  Beweisen  Suchiers  liefsen  sich  noch  im 
Pikardischen  häutig  auftretende  Reime  wie  messwje  :  trovai  je  (Gillcbert  de 
Bern  ed.  Waitz  XII.  G.  7);  vgl.  ferner  die  von  Darmesteter  [XV!«  süde 
S.  200)  angeführte  Notiz  Palsgrave's. 


172  Johannes  Spanke. 

Pikardisclien  fortlebt,  geht  aus  Gillieron  mai  (792j  und  geai  (630)  her- 
vor. Beide  Wörter  werden  auf  dem  für  uns  in  Betracht  kommenden 
Gebiete49)  (,^as  isolierte  geai  überall,  mai  mit  vier  Ausnahmen)  mit 
einem  fallenden  Diplithonjxen  gesprochen,  dessen  betonter  Bestandteil 
a  ist.  —  Unter  den  14  Reimwörtern  auf  -aine  kommt  auch  plaine 
(=  plena)  und  paine  (3.  ps.  praes.  von  pener)  vor;  es  sind  also  ei 
und  ai  vor  n  zusammengefallen,  ein  Vori^ang,  der  besonders  in 
pikardischen  Texten  auftritt^O).  Daß  er  in  der  heutigen  Aussprache 
Spuren  hinterlassen  hat,  deuten  vielleicht  die  auf  der  Karte  Gill. 
piein  (1031)  in  Pas-de-Calais  überwiegenden  Formen  mit  a  an.  Diese 
Formen  überwiegen  in  fileicher  Weise  hei  pain  (9G4),  parrain  (974), 
paine  (990;  hier  nur  a-F.),  plaindre  (1025),  bain  (105),  fontaine 
(592;  nur  a-Formen),  laine  (744;  ebenso),  main  (796).  Daß  diese 
a-Formen  mit  den  alten  Formen  in  direkten  Zusammenhang  zu 
bringen  sind,  folgt  wohl  aus  der  Tatsache,  daß  a4-Naaal  und  e  -|- Nasal 
im  Pikardischen  wie  in  der  alten  Sprache,  so  noch  heute  scharf 
geschieden  werden  (s.  u.  S.  173).  Diese  Folgerung  führt  in  Verbindung 
mit  der  von  Sucbier  (J.  c.)  zitierten  Notiz  Beza's,  daß  man  im 
16.  Jahrh.  pikardisch  aiyne  mit  diphthongischem  ai  sprach,  zu  dem 
Schlüsse,  daß  auih  das  Altpikardische  das  ai  vor  Nasal  ebenso  wie 
ai  in  offener  Silbe  (s.  o)  behandelte. 

3.  -anche,  -ant  und  -ent.  Die  Bindung  von  blanche  (branche, 
franche)  und  dem  Suftix  -antia  zeigt,  daß  der  Dichter  in  beiden 
Fällen  ch  sprach,  -anche  stellt  bekanntlich  im  Pikardischen  überall 
für  das  franzische  Suftix  -ance.  Daß  auch  heute  im  Pikardischen 
französischt^s  p  (bez.  ss)  noch  die  alte  Aussprache  hat,  zeigt  Gill.: 
celle-ci  (208),  ceux  (209),  cendre  (210),  cent  (211),  bossu  (149); 
alles  Beispiele,  in  denen  sämtliche  in  Pas-de-Cal.  verzeichneten  Orte 
ch  aussprechen.  In  Bezug  auf  blanche  [branche,  franche)  variieren 
die  pikardischen  Texte.  Einige  unterscheiden  diese  Wörter  im  Reime 
sorgfältig  vom  Suffix  -anche,  d.  h.  sie  sprechen  blanke ^^).  Andere, 
wie  auch  unser  Dichter,  tun  es  nicht  ^2).     Diese  „Zwitterreime"  sind 

*9)  Für  Renti  sowohl  als  für  Arras  genügen,  wie  ein  Blick  auf  die 
Karte  lehrt,  die  von  Gillieron  im  Dep.  Pas-de-Calais  aufgf^zeichneten 
Orte  voUstäudig;  das  Departement  ist  sogar,  wie  manche  Karten  zeigen,  in 
sprachlicher  Beziehung  von  einer  Einheitlichkeit,  die  die  angrenzenden 
Departements  nicht  besitzen,  d.  h.  es  bildet  örtlich  das  Zentrum  der 
pikardisch-artesischen  Mundart, 

^"j  S.  Wallensköld,  Cmon  de  Bethune,  Helsingfors  1891,  S,  146  und  die 
dort  angeführten  Texte. 

■'■^)  Z.  B.  Renclus  de  Mniliens  ed.  van  Hamel,  Paris  1885;  Conen  de 
Bethune  (s.  Wallensk.  S.  136),  Bodel  in  dem  Con(je,  die  Verlasser  der  Remedes 
d'Amour  und  Art  d'Amour  ed.  Körting  1868,  Adam  de  le  Haie  (Canchons  ed. 
Berger),  Perrin  von  Angicoiirt  ed.  Steffens. 

5-')  Z.  B.  Blondel  de  Nesle  ed.  Wiese,  die  Chatelaine  de  St.  Gille 
(Schnitz -Gora,  zwei  nfrz.  Dichtungen),  Andrieu  Contredit  ed,  R.  Schmidt, 
Halle  1903;  Jean  de  Jonrny  (im  Arrond.  St.-Oraer,  nicht  weit  von  Renti) 
ed.  Breymann,  Dit  du  vrai  aniel  ed.  'l'obler  -  S.  XXI. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.      173 

wohl  nicht  auf  dialektische  Differenzen  zurückzuführen,  sondern 
bezeugen  lediglich  das  gegen  Ende  des  13.  Jahrhs.  schon  deutlich 
spürbare  Einwirken  der  y.oivT]  auf  die  Sprachformen  der  artesischen 
Dichter.  Bestätigung  findet  diese  Annahme  durch  Gill.:  attacher 
(65),  bouche  (151),  achete  (6),  chemin  (262),  chanter  (232j,  char 
(235),  franche  (610),  blanche  (135),  wo  überall  in  P.-de-Calais  k 
gesproclien  wird  (nur  ein  Ort  —  284  —  kennt  die  Aussprache 
achete  mit  ch).  DnQ  in  der  heutigen  Aussprache  sogar  noch  die 
beiden  c-Arten  (p  und  ch)  sorgfältig  auseinander  gehalten  werden, 
zeigen  die  Karten:  chanson  231  (vgl.  die  alte  Schreibung  canchon) 
und  cest  eher  268.  —  Der  Endung  -ant  liegt  stets  primäres  oder 
durch  Angleichung  entstandenes  lat.  -ant-  zu  Grunde.  Sie  wird 
im  Reime  stets  von  -ent  unterschieden;  in  Ch.  IX  kommen  die 
Endungen  -ant  und  -ent  nebeneinander  im  Reime  vor,  werden  aber  scharf 
auseinander  gehalten.  Duß  die  Erscheinung  im  heutigen  Pikardischen 
fortlebt,  geht  hervor  aus  Gill.:  argent  {bl  A  und  B),  cendre  (210), 
eent  (211),  gents  (639),  fen  ai  (83  A  und  B),  (überall  nas.  e), 
be-oniiers  aber  aus  cent  ans  (212),  enfant  (461),  avant  de  penser 
(995),  wo  en-  und  an-  in  der  Aussprache  scharf  geschieden  werden.  — 
We^^en  talant,  das  sowohl  auf  -ant  (XII.  48)  als  auch  auf  -e7it  (IV. 
20,  IX.  38)  reimt,  ist  auf  P.  Meyer,  in  Mern.  de  la  Soc.  de  linguist. 
I  S.  251  ff.  hinzuweisen. 

4.  -e,  -iS,  -er  und  -ier.  Auseinandergehalten  werden  stets  die 
Reime  -e  und  ie,  ebenso  -er  und  -ier.  Durch  den  Reim  gesichert 
werden  pitie  IV,  16  (die  Nebf.  pite  kommt  auch  im  Versinnern  nicht 
voi),  irie  IV.  34  (irer  fehlt  gleichfalls)  und  desirre  VII.  7  (vgl.  im 
Versinnern  -IX  20-  den  substantivierten  Infin,  desiriers).  Unter  den 
Reimen  auf  -er  befinden  sich  auch  merchier  (III.  29)  und  ouhlier 
(IV.  3  und  V.  33);  -Her  kommt  also  nicht  vor.  Bemerkenswert  ist 
das  Reimwort  covoitie  (VII.  6)  =  covoitiee  mit  ie  für  iee,  eine 
Erscheinung,  die  sich  in  pikardischen  Texten  bekanntlich  sehr  häufig 
findet.  Üher  ihre  Erklärung  ist  noch  keine  Einigkeit  erzielt.  Die 
einen  führen  sie  auf  den  lautlichen  Wandel  von  ie  zu  i  zurück; 
so  zuerst  Foerster  {Chevalier  as  .11.  espees  1877  S.  4l5),  auf  ihm 
fußend  neuerdings  Steffens  [I.e.  S.  162  ff),  der  besonders  die  im 
Pikardischen  auftretenden  Infinitive  auf  -ir  statt  -ier  heranzieht; 
einen  weiteren  Beleg  wüide  auch  die  Form  moiti  =  moitie  bieten, 
die  Goilefroy  zweimal  anführt '"'S).  Die  timlere  Erklärung  führt  den 
Wandel  auf  die  pikardische  Tendenz  zur  Zurückzii  hung  des  Akzents 
zurück  54j^  die  alle  Diphthonge  zu  fallenden,  also  auch  iee  zu  lee 
machte,  das  dann  zu  ie  vereinfacht  wurde.  Vertreten  wurde  diese 
Ansicht  zuerst  von  Foerster  (Richard  li  Biaus  1872,  S.  VIII),  dann 


'')  Ob  man  pikardi>che  Formen  wie  entire,  manire  als  Belege  betrachten 
darf,  ist  zweifelhati,  da  sie  auch  anders  erklärt  werden  können. 

*t)  at  war  yikardisch  sicher  fallender  Diphthong;  s.  o.  S.  171. 


174  Jolumne^   S/'unke. 

von  ihm  abgelehnt  (s.  o.),  später  aber  anscheinend  wieder  angenommen 
(Venus  la  deesse  d'Amotir  1880,  S.  51),  nachdem  sie  von  Neumann 
(Zur  Laut-  und  Flexionslehre  des  Afrz.  1878,  S.  56)  eingehend 
begründet  war.  Letzterer  erkannte  richtig,  daß  die  Erscheinung  not- 
wendig mit  einer  ähnlichen,  allerdings  seltener  vertretenen  Erscheinung 
zusammenzubringen  sei,  von  der  unser  Text  ebenfalls  einen  Beleg 
bietet,  nämlich  dem  Wandel  von  U  zu  ie:  vgl.  moitie  VII.  13.  Der- 
selbe findet  sich  in  nur  wenigen,  teils  schon  von  Foerster  (Venus 
1.  c.)  zitierten  Texten:  in  Venus  (pik.),  dem  sprachlich  hiermit  eng 
verwandten  Cristal  (s.  Gröbcrs  Grundr.  II  1.  S.  791 ;  Hs.  von  12G8), 
der  Dirne  de  Penitance,  gedichtet  1288  von  Jean  de  Journi(s.  Anm.  52), 
in  dem  unedierten  Lancelot  Jehans  (s.  Gröbers  Gr.  S.  513; 
Dialekt  unb.),  in  Baudouin  de  Sebourg,  ed.  anon.  Valenciennes  1847 
(s.  H.  Breuer,  Sprache  und  Heimat  des  Bald,  von  Seb.  Bonn  1904 
S.  9;  Verfasser  legt  den  Entstehungsort  der  Dichtung  mit  Hilfe  von 
Gillierons  Atl.  auf  Bruille-Saint-Amand,  Dep.  du  Nord  fest),  dem 
Sone  von  Nausay  (ed.  Goldschmidt  1899;  der  Verfasser  macht  keinen 
Versuch,  den  pikardischen  Text  näher  zu  lokalisieren),  in  Claris  (ed. 
Alton  1884,  nach  Grob.  Gr.  S.  788  vor  1268  begonnen,  pikardisch) 
und  in  Adam  de  le  Haie,  ferner  vereinzelt  in  wenigen  andern  Texten. 
Der  Umstand,  daß  die  angeführten  Texte,  soweit  ihr  Dialekt  bekannt 
ist,  pikardisch  sind,  spricht  gegen  die  Ansicht  derer,  die  die  Reime 
ie  :  ie  als  „Augenreime"  betrachten,  wie  z.  B.  Tobler  Versbait'^  S.  142 
und  Alton,  Claris  S.  828  tun.  Gillieron's  Atlas  gibt  über  die 
Erscheinung  keine  positive  Auskunft;  er  bestätigt  nur,  daß  der  Wandel 
von  ie  zu  i  im  Dep.  Pas-de-Calais  nirgends,  sehr  vereinzelt  im  Dep. 
du  Nord,  öfter  erst  viel  östlicher  auftritt;  vgl.  die  Karten  osier  955, 
charrier  245,   fevrier  562,  furnier  618,  pied  1012,  premier  1088. 

5.  -es,  -ts,  -i  und  -ir.  -hs  ist  entstanden  aus  lat.  -atus(os), 
-atis,  -atem-\-s,  also  —  frz.  -ez.  Daß  dieses  s  nicht  nur  graphisch, 
sondern  auch  phonetisch  war,  zeigen  Reime  wie  jolis  :  faintis  VI.  1 8, 
ajnis  :  escris  VI.  36  —  eine  Erscheinung,  die  im  Pikardischen 
bekanntlich  schon  im  12.  Jahrb.,  im  Franzischen  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrh.  auftrat  55).  Auf  den  Schwund  des  isolierten  t 
im  Auslaute  weisen  Reime  wie  träi  :  joli  III.  43  hin.  Unter  den 
Reimwörtern  auf -f,  -ir  und  -is  befinden  sich  keine  auf -r«,  -uir,  -uis^^). 

6.  -oie,  -oir  und  -on.  Das  oi  der  Reimwörter  auf  -oie  (nur 
in  HI  vorkommend)  geht  entweder  auf  lat.  e  (i):  febloie,  ravoie, 
voie,  gucrroie,  kerroie,  moie,  languissoie  oder  au-^i  zurück:  joie, 
oie  (=  audiat).  —  Über  die  Reime  auf  -oir  ist  nur  zu  bemerken, 
daß  unter  ihnen  viioir  (IX.  35)  und  eschäoir  vorkommen.  Die 
pikardischen  Formen   veir,    eschäir  treten  weder  im  Reime  noch  im 


65)  S.  Schwan-Behrens,  Afrz.  Gr.^  S.  137. 

56)  Das  Auftreten  von  languir  (II.  22)  hat  natürlich  nichts  Auffallendes, 
da  das  u  nur  graphisch  ist;  vgl.  Steffens  /.  c.  S.  16-3. 


Die  Gedichte  Jelians  de  Renti  und  Oedes  de  la  Couroierie.      17") 

Versinnern  auf.  (Das  Fortleben  der  alten  Formen  gebt  aus  Gill- 
s'asseoir  62  hervor,  wonacb  in  Pas-de-Calais  ausscbließlich  s'assir 
gesprocben  wird.)  —  Auf  -on  reimen  auch  Wörter  auf  -lon,  das  in 
diesen  Fällen  natürlich  stets  zweisilbig  ist:  vis'ion  IV.  2G,  enteni'ion 
IV.  44  und  y.   36,  pens'ion  V.   10,  peiiüon  V.  28. 

7,  -oicr  und  -ours.  Reime  wie  folour  :  amour  l.  40,  amour  : 
dolour  V.  23  werden  von  den  meisten  Herausgebern  altfranzösischer 
Gedichte  als  beweiskräftig  dafür  angesehen,  daß  der  betreffende  Dicbter 
t'olour,  dolour  und  nicht  foleur,  doleur  aussprach.  Dieser  Schluß 
ist  in  einer  solchen  Ausdehnung  sicher  falsch.  Zunächst  zeigen  zahl- 
reiche Hss.57)  und  Urkunden 58)  hinlänglich,  daß  zur  Zeit  unseres 
Dichters  Formen  auf  -eur  im  Pikardischen  existierten  (im  Franzischen 
werden  sie  schon  für  den  Anfang  des  13.  Jahrhs.  bezeugt;  s.  Suchier, 
Afrz.  Gr.  S.  29).  Das  Nebeneinander  der  beiden  Formen  scheint 
darauf  hinzudeuten,  daß  zu  dieser  Zeit  im  Pikardischen  die  jüngere, 
aus  Isle  de  France  eingeführte  Form  die  ältere  noch  nicht  vöUig 
verdrängt  hatte.  Übrigens  haben  auch  Dichter  viel  späterer  Zeit,  als 
man  sicher  nur  noch  -eur  aussprach,  noch  ähnliche  Reime  :  Vgl. 
<)thon  de  Gransou  :  amour  :  doidour,  Froissart  (Paradys  d'amour  in 
Scheler,  Bd.  I  der  Fohies  Vers  944):  veneour  :  sejour,  Vers  1521 
cremour  :  amour  etc.,  Christine  de  Pisan,  Chemin  de  Long  Estude, 
ed.  Püschel  Vers  689  Iwnneur  :  meneur  (s.  d.  Hss.),  Vers  861  amour: 
demour,  Vers  5920  onnour  :  amour,  aber  4730  euer  :  laheur.  Die 
späteren  Dichter  verwandten  also  die  archaischen  Formen  nach  Belieben 
und  Bequemlichkeit  im  Reime,  während  sie  dieselben  im  Versinnern 
natürlich  vermieden. 

8.  -uel.  Diesen  von  den  afrz.  Lyrikern  sehr  selten  an- 
gewandten =9)  Reim  haben  die  Wörter:  suel  (soleo),  voel  (1.  Ps.  Pr. 
von  vouloir),  duel  (doleo),  orguel  {=  orgueil),  acuel  (=  accueil), 
hruel  (vgl.  prov.  bruelhs),  recuel  (=  recueil),  suel  (*>ölium,  Schwelle), 
muel  (s.  u.),  fuel  (folium).  Die  lateinische  Unterlage  ist  überall 
^Z+(epenth.)  i;  nur  die  Etymologie  von  muel  macht  Schwierigkeiten. 
Godefroy  fübrt  zwei  Belege  für  ein  Verbum  mueler  a,n:  1.  mueler=^ 
heuijler  (Beleg:  les  vaches  .  .  .  mueloieni),  2.  7nüeler  =  cacher.   Beleg: 

ceus  qui  lors  fais  vont  muelant 
Pour  avoir  gloire  et  los  au  monde 

{,,Fabl.  d'Oi\,  Ars.  5069.  foh   148  b.") 

5")  Auch  unsere  Hs.,  s.  u. ;  der  Arraser  Kopist  Jehau  Mados. 
der  NeflFe  Adan's  de  le  Haie,  schreibt  selbst  im  Reime  eur;  s.  Windahl,  li 
rers  de  le  mort,  Lund    l.'-87,   Str.  146. 

5»)  S.  De  Waillv  in  Bibl.  de  VEcole  des  Charles  XXXI  S.  261  ff.,  Raynaud 
ibidem  XXXVI  S.  193  ff.;  Bonnier  in  Zts.  f.  rom.  Phil.  XIII  S.  431  ff.:  XIV 
S.  66  ff;,  298  ff". 

^^)  Vgl.  die  Reime  eines  Gedichtes  der  Douce-Hs.  (Rayn.  Reo.  de 
Mot.  II.  S.  4):  [je]  suel,  [fej  duel,  [Je]  merveiil,  orguel,  [je]  vuel,  eul  (oculi), 
[je]  ducl;  und  ib.  S.  73:  duel,  suel,  voll,  orgoill,  recoel,  oel. 


176  Johannes  Spanke. 

Die  Etymologie  von  1.  ist  unklar;  2.  könnte  als  sekundäre  verbale 
Ableitung  von  dem  bei  Godefroy  ol't  belegten  Adjektiv  jjiuel  =  *muteUus 
ange-<eben  wcrilen.  Doch  vorlangen  Metrum  und  Reim  an  unserer 
Stelle  ein  einsilbiges  ue,  während  müelant  dreisilbig  ist  und  eine 
Ableitung  müeler  von  müel  (=  müet)  natürlich  gleichfalls  dreisilbig 
sein  müßte.  Es  läge  daher  vielleicht  nicht  fern,  für  muel  eine  ähnliche 
lautliche  Grundlage  wie  für  suel  etc.  anzunehmen,  d,  h.  es  als  1  Ps. 
S.  Pr.  eines  Infinitivs  mouloir  zu  betrachten.  In  der  Tat  belegt 
Godefroy  diesen  Infinitiv  mehrfach  in  der  Bedeutung  moudre  (Gill. 
moxidre  879  zeigt  von  mouloir  keine  Spur);  doch  mit  dieser  Bedeutung 
scheint  sich  der  Sinn,  den  unsere  Stelle  verlangt,  nicht  recht  vereinbaren 
zu  lassen,  s.  u.  Anm.  —  Jedenfalls  beweist  der  Reim  an  unserer  Stelle 
nicht,  ob  das  l  in  -uel  mouilliert  ist  oder  nicht.  Auf  letzteres  deutet 
vielleicht  die  auch  im  Versinnern  auftretende  Schreibung  -uel  (nie 
ueil)  sowie  recuellir  I,  20,  voelle  IX.  37  hin.  Ähnliche  Schreibungen 
finden  sich  in  pikardischen  Texten  sehr  oft;  Jehan  Mados  schreibt 
ebenfalls  -oel,  -uel^^).  Vgl.  Gillieron:  cercueil  214,  cerfueü  216,  deuil 
395,  ecureuü  450,  fauteuü  544,  oeil  932,  (auch  feuille  559);  auf 
einem  ziemlich  kleinen  pikardischen  Gebiete,  das  jedoch  das  ganze 
Dep.  Pas-de-Calais  in  sich  faßt,  werden  alle  angeführten  Wörter  mit 
der  Endung  öl  gesproclien.  Welche  Aussprache  der  Vokal  in  -uel 
zur  Zeit  Jehans  besaß,  ist  nicht  zu  ermitteln.  Schreibungen  in  unserm 
Texte  wie  veut  u.  a.  (die  jedoch  wahrscheinlicher  als  franzische 
Formen  zu  betrachten  sind)  weisen  vielleicht  auf  die  Aussprache  öl 
hin.  Dagegen  sprechen  die  oben  erwähnte  Tendenz  des  Pikardischen 
zur  Zurückziehung  des  Akzentes  sowie  der  Umstand,  daß  sich  wenigstens 
an  einem  Orte  der  Pikardie  (Gill.  No.  171,  Dep.  du  Nord)  in  dem 
Worte  deuil  (395)  die  sehr  alte  Aussprache  duel  heute  noch  findet. 

Zur  Formenlehre. 

1.  Das  Nomen.  Der  Nom.  Sing,  der  2.  lat.  Deklination  hat 
stets  sein  s  bewahrt:  senes  VIII.  5,  navres  VIII.  21,  jolis  X.  1, 
amis  X.  12  etc;  dem  Obl.  Sing,  und  dem  Nom.  Plur.  fehlt  stets 
das  s,  wie  die  zahlreichen  Reime  auf  -age,  -ai,  -S  zeigen.  Für  den 
Obl.  Plur.  fehlen  Beispiele.  Auch  die  Masc.  der  lat.  3.  Dekl.  haben 
noch  die  alte  Flexion;  vgl.  die  -an<- Reime.  Die  F'em.  der  lat. 
3.  Dekl.  haben  im  Nom.  Sing,  stets  analoges  s:  debonairetes  X.  18, 
folours  X.  14,  doucours  X.  23;  der  Obl  Sing,  hat  stets  die  regel- 
mäßige Form:  volente^  I.  6,  veriU  I.  30,  langour  I.  32  u.  a.;  das 
einzige  Beispiel  für  den  Obl,  Plur.  ist  amours  X.  5;  für  den  Nom. 
Plur.  felilen  Belege,  Wie  diese  Angaben  zeigen,  ist  Jehan  in  der 
Beobncbtung  der  Flexionsregeln  für  seine  Zeit  recht  strenge.  Das 
Bestreben,  dieselben    zu   wahren,   zwang  ihn   sogar,   um   durch  ganze 


6»)  S.  Windahl  l.  c  Str.  111. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     177 

Gedichte  hindurch  den  gleichen  Reim  festzuhalten,  zu  einer  gewissen 
Einförmigkeit  in  seinen  Konstruktionen,  was  sich  besonders  in  den 
die  Reime  -e  und  -ant  enthaltenden  Gedichten  zeigt. 

2.  Das  Pronomen.  III.  25  verbürgt  der  Reim  den  Obl.  li 
zu  eile  (bet.) 

3.  Das  Verb  um.  Die  1.  Pers.  Sing.  Praes.  der  lat.  Verben 
auf  -ere  hat   kein  analogisches  s:   atrai  VI.  39,   so.i  VI.  40,   repent 

II.  35,  reiich  IX.  4.  Ebenso  fehlt  der  1.  Ps.  Sing.  Praes.  der  lat, 
1.  Konj.  noch  das  analogische  e  in  present  IX.  46,  steht  dagegen 
in  paine  XII.  22.  Durch  den  Reim  gesichert  wird  die  als  3.  Pers. 
Praes.  Conj.   von  dire.     Die  Endung  des  Impf,  ist  -oie:   languissoie 

III.  41  (:  joie  III.  6).  Die  1.  Ps.  Sing.  Pr.  der  Verben  souloir, 
vouloir,  douloir  lautet:  suel  (VI.  1),  voel  (VI.  3),  duel  (VI.  9). 
Diese  Formen  sind  wohl  nicht  auf  die  Analogie  der  2.  Ps.  zurück- 
zuführen, sondern  haben  die  Mouillierung  des  l  durch  lautliche 
Entwicklung  eingebüßt:  s.  o. 

Zur  Syntax. 

Das  Part.  Perf.  in  Verbindung  mit  avoir  stimmt  im  Genus 
zuweilen  mit  dem  zugehörigen  direkten  Objekt  überein,  zuweilen  nicht; 
vgl.  VII.  6: 

C'est  la  riens  cai  covoitie  (:  amie) 
Plus  toiis  jours  et  desirre  (:  volenti). 

B.    Silbenzählung. 

1.  Elision  findet  statt  stets  bei  den  auf  tonloses  e  endigenden 
mehrsilbigen  Wörtern:  bone_a'mour  1.  1,  dame  honour  1.7  etc.;  nur 
einmal  unterbleibt  sie  (in  der  lyr.  Cäsur): 

XI.  13  ke  je  niete  amours  en  noncaloir. 
Sie  tritt  in  der  Regel  ein  bei  den  bekannten  einsilbigen,  auf 
tonl.  e  endigenden  Wörtern;  z.  B.  ^e:  fail.ol  etc.;  ke:  k'ele  1.21^ 
86  (lat.  si):  silNl.  28;  seltener  bei  si  (=sic):  s'am  IV.  27,  s'en 
V.  24,  s'iere  VI.  26;  zweimal  bei  ki:  c'autrement  V.  16  und  k'irh 
XII.  28. 

2.  Hiat  findet    sich  selten    bei  je:  je  amai  IL  10,   ke:   ke  a 

IV.  8,  öfter  bei  ki:  ki  est  IV  47,  si  (sie):  si  a  V.  17  (in  der  Cäsur), 
si  (=  sui):  si  oel  VI.  15,  natürlich  stets  bei  dem  betonten  li:  li  amer 

V.  38,  li  aprent  XII.  59.  Innerhalb  eines  Wortes  bezeugt  das  Metrum 
den  Hiat  a)  in  den  gelehrten  Wörtern  vis'ion  IV.  26,  petit'ion  V,  28, 
entention  IV.  44,  pension  V.  10,  b)  nach  Ausfall  eines  Konsonanten 
entstanden  in  pöoir  I.  2.,  eage  I.  3,  X.  42,  obeir  I.  10,  füir  I.  12, 
fianche  VI.  38,  löis  VIII.  6,  häir  I.  18,  II.  37,  }-)leusse  II.  17,  häanche 
II.  25,  crüelment  III.  10;  IV.  32;  mercMer  Ml.  29,  ouhlier  IN. '5\, 
beer  IV.  39,  öir  IV.  48,  veu  IX.  15,  viJoir  IX.  35,  peust  und  eschäoir 
XI.  27,  räencon  IV.  45,  asseure  XI.  31,  —  aber  sure  XI.  15  u.  XII.  61, 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII  •.  12 


178  Johannes  Spimke. 

envolscure  XI.  38,  XII.  11,  amhleure  XII.  1,  träinant  XII.  45. 
Graphisch  getilgt  wurde  der  Hiat  durch  Einscliiebuiig  eines  h  (das 
allerdiogs  auch  auf  Einwirkung  der  lat.  Form  beruht)  in  Jehan 
VIII.  1.  9.  Wie  diese  Zusammenstellung  zeigt,  ist  der  alte  Hiat  mit 
nur  einer  Ausnahme  überall  bewahrt.  Daß  das  Pikardische  den 
Vortou-Hiat  lange  bewahrte,  ist  eine  reich  belegte  Tatsache,  die  auch 
durch  zwei  Karten  Gillieron's  bestätigt  wird.  Fklte  584  hat  an  der  Mehr- 
zahl der  in  Pas-de-Cal.  verzeichneten  Orte  noch  die  alte  Aussprache 
fläüt^^).  Mur  891  zeigt  überall  in  Pas-de-Cal.  die  Aussprache  mcer 
(bzw.  einmal  7ner),  welche  auf  lange  Erhaltung  des  vorton.  Hiatus-g 
hinweist. 

3.  Zu  dem  öfter  vorkommenden  vrai  findet  sich  nicht  die 
Dublette  verai;  anderseits  steht  verite  I.  30  ohne  die  Nebenform  trete. 
Neben  encor  XI.  37  kommt  encore  nicht  vor,  wohl  aber  ore  V.  31 
neben  dem  öfter  auftretenden  or. 

4.  Die  Adjektive  der  lat.  3.  Deklination  haben  im  Fem.  meist  die 
alte,  e-  lose  Form  bewahrt:  grant  viute  1.A7,  grant  pieclia  IV.  1; 
grant  honte  VII.  lO  u.  a.;  aber  auch  grande  valour  I.  39,  V.  15, 
tele  natureXl.Q;  das  Fem.  douche  I.  B2  zu  douc  (VI.  17)  ist  bek. 
sehr  alt.  Das  Wort  lahour  ist  wegen  des  zugehörigen  vrai  V.  32 
Masc.  —  ist  also  die  von  lahourer  aus  gebildete  Form.  Bei  andern 
Lyrikern^S)  findet  sich,  allerdings  seltener  als  le  lahour^  die  femininische, 
von  lahorem  abgeleitete  Form  (Vgl.  noch  heute  le  labour:  La  laheur). 
Auch  die  Adverbialbildung  zeigt  das  alte  Femininum:  loiaument  II.  11 
und  öfter,  cruelment  III.  10.  IV.  32.  Durch  das  Metrum  verbürgt 
wird  die  Form  mens  IV.  30  (=  mundus). 

5.  Neben  vostre  (nur  vor  Vok.:  vostre  ami  VI.  24,  vostre 
amour  XI.  28)  steht  vor  Kons,  auch  die  pikardische  Nebenform  vo, 
vos:  vo  plaisir  ne  vo  commandement  lY .  13,  vo  prison  IV.  17,  vo 
non  rV.  27,  vo  doucours  X.  23;  vos  secours  X.  32^'^).  Einmal 
kommt  das  betonte  vostre  vor:  dti  vostre  VI.  28.  Neben  ele  III.  32 
(einziger  Beleg)  kommt  das  pikardische  el  nicht  vor;  wohl  aber  die 
Obliquusform  li  zu  bet.  eile:  li  servir  I.  2,  li  honerer  V.  35,  en  li 
amer  XI.  7,  unbet.  la:  je  la  remir  IX.  7. 

6.  Der  1.  Pers.  Sing.  Pr.  der  Verben  auf  -er  fehlt  das  analogischc 
e  noch  in  folgenden  Fällen:  aim  I.  35,  port  I.  7,  chant  VII.  4,  demant 
Vni.  6,  desir  IX.  7  (in  sämtlichen  Fällen  vor  Kons.);  das  e  haben 
schon  emploie  III.  28  und  esmervelle  III.  1  (vor  Kons.).  —  Die 
3.  Pers.  Sing,  des  Conj,  Praes.  hat  ebenfalls  noch  kein  e:  puist 
1.19  und  öfter,  laist  1.27  und  öfter,  esploitl.  2S.    Habui  erscheint 


ßi)    Altfrz.  Belege  s.  bei  God.  im  Compl. 

92)   z.  B.  bei  Chrestien  de  Troyes. 

63)  Stengel  {l.  c  S.  138)  hat  vos  mit  Unrecht  in  vo  geändert,  indem 
er  wohl  einen  leicht  erklärlichen  Schreibfehler  annahm;  die  Nom.-Form  vos 
findet  sich  ölter,  z.  B.  bei  Conen  de  Bethune,  Andrieu  Contredit  u.  a. 


Die  Gedichte  Jehan's  de  Renii  tmd  Oede's  de  la  Couroierie.     179 

iu  der  alten  Form  oi  XII.  68  und  der  jüngeren  euc  IX.  3.  Das 
Futur  zeigt  die  bekannten  pikardischen  Doppelformen:  deveroit  I.  22. 
averoit  I.  1  neben  avrai  IV.  8,  avroie  IV.  43  und  44  (aroie  VII.  12); 
die  gekürzte  Futurform  haben  wir  vor  uns  in  donrai  XII.  43.  Verbal- 
formen, die  den  alten  Hiat  bewahren,  sind:  pleusse  II.  12,  veu  IX.  15, 
veoir  IX.35,  jjeust  XI.  27;  entsprechende  kontrahierte  Formen  fehlen. 


Die  vorausgehende  Betrachtung  führt  zu  dem  Ergebnis,  daß  der 
Dialekt  Jehans  der  pikardische  war,  wie  es  ja  auch  nach  seiner 
Biographie  nicht  andeis  zu  erwarten  war.  —  Die  gewonnenen  Einzel- 
resultate sollten,  wenn  die  oben  ausgesprochene  Vermutung  richtig  sein 
sollte,  mit  der  Orthographie  der  Handschrift  im  Einklang  stehen. 
Ein  Blick  auf  den  Text  lehrt,  daß  dies  durchweg  der  Fall  ist.  Nur 
tinden  sich  im  Versinnern  verschiedene  jüngere  Formen,  die  der  Reim 
ausschloß.  Diese  sowie  andere  in  der  Hs.  vorkommende  scheinbare 
Inkonsequenzen  begegnen  ebenso  oft  in  pikardischen  Urkunden.  Ihre 
Erklärung  wurde  zuletzt  von  Bonnier,  Gröbers  Zts.  XIII  S.  431  und  XIV 
S.  66.  298  versucht;  s.  dort  auch  die  übrige  Literatur.  —  An 
Einzelheiten  über  die  Orthographie  der  Handschrift  ist  Folgendes  zu 
bemerken:  64) 

1,  Das  oben  über  pikardisches  ai  Gesagte  findet  durch 
die  Orthographie  unserer  Hs.  seine  Bestätigung.  Altes  ai  erscheint 
sowohl  in  freier  als  in  gedeckter  Stellung  stets  als  ai:  laist  I.  29, 
fait  H.  37,  etc.  Das  lateinische  durch  Ausfall  eines  Konsonanten  in 
Hiat  getretene  vortonige  a  bez.  e  wird  entweder  durch  e  ausgedrückt : 
eage  I.  3,  greer  IV,  39,  eskeanche  II.  28,  oder  durch  a:  bäanche 
1.25,  eschäoir  XI.  27 ,  räencon  lY.  4b;  Jehan  Mados  bedient  sich 
gleichfalls  beider  Schreibungen.  65)  Daß  auch  das  heutige  Pikardische 
Vortonvokale  gern  zu  a  macht,  deuten  Gillieron  chevexix  270,  maison 
801  (in  Pas-de-Cal  überall  7na-),  meunier  850  (ebenso  üb.  ma-)  und 
pays  983  an.  Auf  dieselbe  Ursache  ist  wohl  die  Form  aican  II.  21 
(=:  frz.  oan,  oiian)  zurückzuführen;  daß  sie  auf  pikardischer,  heute 
noch  wirkender  Lautgewöhnung  beruht,  beweist  Gill.  oui  958,  wo 
8  Orte  in  Pas-de-Calais  axo-  aussprechen,  und  entendu  466,  wo  ein 
Ort  des  Dep.  du  Nord  (No.  272)  die  alte  Form  awi  (altfrz.  oüi,  öi) 
bewahrt.  Hierher  gehören  dann  jedenfalls  auch  Gill.  bobine  140  und 
Omelette  940  (iu  Pas-de-C.  nur  am-)-  e  und  a  vor  n  sind  auch  im 
Vers-  und  Wortinnern  sorgfältig  auseinandergehalten:  encor  II.  38 
und  öfter,  penser  oft.  räencon  FV.  45  etc.;  eine  Ausnahme  bilden  nur 
sanier'  XU.  15,  samblanche  VL  13,  samblant  IV.  29.  Neben  sans 
steht  sains  in  demselben  Verse  X.  22;  auch  Jehan  Mados  hat  beide 
Formen.     Zu    der  Reimform   plaine   vergl.    im   Innern    des  Verses 


**)    Die  Orthogr.  anderer  Abschnitte  der  Hs.  T  untersuchten  Engelcke 
in  Herr.  Arch.  Ib.  S.  156  und  Waitz  in  Gröbers  Zts.  XXIV.  S.  ;U5. 
«6)   Windahl  l.  c.  S.  XXXI. 

12* 


180  Johannes  Spanke. 

mainent  VIII.  2  (zu  mener).  Noben  -ieu  (öfter  miex  und  die.v)  finden 
sich  das  piliardisclie  -iu  in  dius  X.  9  und  Andriu  IX.  47.  Tobler 
glaubte  (AnieP  S.  XXVIII)  aus  dem  Umstände,  daß  -ieu  und  -iu  in 
denselben  Texten  nebeneinander  vorkommen,  schließen  zu  können,  daß 
die  artesische  Aussprache  durch  keine  der  beiden  Schreibungen  genau 
wiedergegeben  wurde  und  vielleicht  in  der  Mitte  zwischen  ihnen  lag. 
Wallensköld  (/.  c.  S,  187)  hielt  iü  für  das  in  Arras  Gesprochene 
und  ieu  für  graphisch.  Suchier  (/.  c.  S.  69)  erkannte,  daß  es  sich 
wahrscheinlich  um  dialektische  Differenzen  innerhalb  des  pikardischeu 
Gebietes  handelt  (so  daß  man  die  iew- Formen  nicht  als .  franzische 
zu  betracliten  braucht).  Gillieron's  Atlas  bestätigt  diese  Ansicht:  iu 
dl  287,  le  hon  Dieu  404,  yeux  932,  mon  fils  572  haben  zwar  alle 
Orte  in  Pas-de-Calais  die  Aussprache  -yü,^^)  in  den  Nachbar- 
departements findet  sich  jedoch  -yö  neben  -yü\  vgl.  auch  die  Karten 
feu  558,  jeu  719,  moyeu  887,  die  ein  ähuliches  Verhältnis  ergeben. 
Für  lateinisches  bet.  freies  p  steht  ou  oder  eu:  /'oweMr- V.  3,  XI.  33, 
leur  V.  5,  IX.  20  und  öfter,  milleur  VIII.  16,  savereus  VI.  12,  preu 
XII.  15,  cailleu  XII  66  (das  Fortleben  der  Form  zeigt  Gill.  caillou), 
amourous  VI.  16  und  XI.  12,  häufig  -cur;  vgl.  oben.  Der 
e-Laut  vor  mouilliertem  Konsonant  wird  vortonig  zu  i  in  milleur 
VIII.  18,  signorage  V.  6,  signour  V.  39,  prisier  lY.  30,  ai  zu  e  iu 
travellie  lY.  11;  die  Schreibungen  traviller,  iravailler  finden  sich 
nicht.  Vgl.  hierzu  Gill.  araignee  50  und  grosseillier  671  (überall  in 
Pas-de-C.  ei  zu  i  geworden).  Frz.  betontes  freies  o  wird  o  oder  ou 
geschrieben:  meist  amour,  nur  X.  5  amors,  jour  öfter.  Vortoniges 
lat,  0  (m)  wird  in  der  Regel  durch  o  ausgedrückt:  onie  VII.  16, 
descovert  und  cortois  I.  36,  morir  öfter,  tornS  I.  38;  por  III.  42, 
pour  ni.  43  und  öfter;  wie  Gill.  oublier  957,  couper  335  und 
moulin  882  lehren,  zeigt  das  heutige  Pikardische  dieselbe  Eigenheit. 
Für  hon  tritt  nie  hoin  ein  (das  Jehan  Mados  ständig  schreibt). 
Älteres  ue  wird  durch  eu  wiedergegeben  in  seut  (=  solet)  I.  18,  veut 
V.  22  etc.;  aber  puetd.2B)  und  öfter.  —  VorUonsonantisches  / -j- 
Konsonant  wird  in  Verbindung  mit  i  zu  iu  in  viuU  I.  46,  mit  a  zu 
al  oder  aw.  malcais  V.  39,  mautalent  XII'  69,  mit  o  zu  au  (pik. 
Besonderheit):  faus  11.28  und  öfter,  taut  (=  tollit)  HI.  21,  vausist 
II.  13,  vaiic  III.  38,  mit  e  zu  iau:  hiau  IV.  28,  ciaus  V.  3  und  öfter, 
hiautS  IX.  6,  BiamnSs  I.  42  (=  Beaumetz)^^).  Für  paucum  steht 
nur  poi  III.  11.     Schreibungen  wie  esmervelle  III.  1,  travellie  IV.  11, 


66)  ebenso  in  ß/e-dieu  557  (anfser  No.  274) ;  Suchier  (1.  c.  S.  69)  be- 
hauptet dagpgen,  dafs  heute  in  Pas-de-Calais  die  Aussprache  diö  die 
verbreit etere  sei. 

6'')  Zu  der  (phonet.)  Schreibung -m«  (^  frz.  eati)  vgl.  Gill.  beau  lll, 
couteau  341  A  unil  B,  eau  431,  kameau  ßS\,  manteau  810,  marteau  8'2'2,  rideau 
1157,  roseau  1166.  Die  Karten  zeigen  überf-iustinimentl,  dafs  das  ^o-Gebiet 
(das  bedeutend  gröfser  als  das  ö- Gebiet  ist),  ganz  Pas  de-Calais  in  sich 
begreift. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     181 

vermelle  VI.  5,  oisellons  VI.  19  (denen  keine  Schreibungen  mit -ei'W- 
ontgegenstehen),  scheinen  auf  einen  Schwund  des  palatalen  Elements 
hinzudeuten,  für  den  im  heut.  Pikardischen  Gill.:  oreille  946,  oseille 
954,  botiteille  164,  grosseille  670  Belege  bieten  (vgl.  auch  knlle 
523,  grenouille  668,  maille  794,  rouille  1173).  Sehr  unregelmäßig 
werden  die  Palatale  wiedergegeben.  Franzisches  cli  wird  bald  durch 
c,  bald  durch  ch  ausgedrückt:  cascMw  I.  27,  chanconl.  A\^  escaper 
III.  40,  chiet  I.  46,  chanchon  IV.  9,  chanter  IV.  7,  changiS  IV.  24, 
can^z'er  VIII.  19,  wonca/ozV  XI,  1 3,  esc/iäoiV  XI.  27,  einmal  durch  k: 
eskeanche  II.  28;  letzteres  liefert  den  Beweis,  daß  es  sich  stets  um 
phon.  k  handelt.  In  der  Konjunktion  (bzw.  Pron.)  ke  (bzw.  ki)  steht, 
wenn  sie  vollständig  gesetzt  wird,  immer  k;  bei  den  Abkürzungen 
^teht  c  vor  a  und  u. ;  c'a  III.  40,  cune  IV.  26,  c'tms  IX.  45,  vor  e  stets  k: 
k'en  und  k'ele  oft,  vor  i  ebenso.  Für  pikardisches  ch  vor  e  und  i  wechseln 
gleichfalls  die  Schreibungen  c  und  ch:  celui  I.  18,  guencirsl.  11, 
c't7  oft  (nie  c/izV),  facent  II.  5,  cjenV  II.  13,  merchier  III.  29,  ci'azfs 
V.  3  und  öfter  (nie  chiaus)  celers  VIII.  19  (ebenso  coile  =  celat 
VIII.  18),  saciesXR.  68;  für  das  Suifix-antia  steht  überall  -anche. 
Lat.  ^M  wird  etym.  durch  qu  wiedergegeben  in  quier  III.  32,  XII  35, 
que  quant  XI.  7,  ^m6  XII.  42,  qui  XII.  38.  Gutturales  g  vor  e  und  i 
wird  durch  ^  oder  gh^  einmal  durch  gu  ausgedrückt:  longhement 
öfter,  gille  V.  30,  languir  II.  22;  franzisches  ^'  durch  g  oder  ^':  ^'* 
III.  11,  girai  XII.  25,  gent  IV.  23,;Me  öfter,  ser^an^  XII.  15.6»;  Die 
graphische  Darstellung  des  mouillierten  n  ist  schwankend:  tesmoignage 
V.  13,  ensegnie  VII.  9,  dengne  IX.  26,  Konsonantische  Angleichung 
findet  statt  in  em  moi  IV.  26,  Dissimilation  in  kerroie  III.  24^9). 
Der  Übergangslaut  fehlt  in  sanier  XII.  15,  arnenrir  I.  8,  tenroie  III. 
42  (doch  öfter  samhlanche).  Verflüssigung  des  h  vor  Z  zu  m  findet 
statt  in  honeraulement  III.  39. 

2.  Der  Artikel  des  Mask.  ist  li,  Obl.  /£,  PI.  les,  Fem.  /e,  /ßs. 
Die  alte  Deklination  ist  auch  im  Versinnern  fast  völlig  intakt;  von 
den  zwei  Ausnahmen  (VI.  9  und  VIII.  24)  ist  die  zweite  durch  mechanische 
Verschreibung  zu  erklären.  Neben  mon,  son  steht  öfter  men,  sen, 
neben  che  öfter  cou  (nie  chou),  neben  sa  einmal  se  VIII.  24.  Das 
Futur  von  estre  lautet  iere  VI.  26  und  öfter.  Die  erste  Person  hat 
öfter  das  pikardische  c  (bzw.  ch):  euc  VII.  17,  vauc  III.  38,  quic 
n.  28,  seuc  EX.  1,  rench  IX.  4,  j'och  X.  2,  Neben  perchut  XII.  53 
(=  3.  Ps.  des  passe  def.)  steht  aperciut  XII.  57  (=  Part.  Perf.)  Der 
Konj.  von  aller  hat  nur  die  alte  Form  mit  voi-:  voisent  XII.  18  u.  ö. 
(in  aille  —  Gillieron  30  —  existieren  heute  noch  in  Pas-de-C.  nur  va- 
Formen).   Neben  öfter  auftretendem  Impf,  auf  -oie  steht  ose^'e  IV.  21, 


*8)  Sergant  wurde  im  Pik.  nach  Suchier  (1.  c.  S.  65.  66)  mit  gutt.  y 
gesprochen. 

")  Stengel  verbessert  krerroie-^  doch  die  dissimilierte  Form  kommt 
in  pik.  Texten  öfter  vor;  vgl.  van  Hamel  l.  c  S.  CXLl. 


182  Johannes  Spanke. 

2.     Die  Lieder  des  Oede   de   la  Couroierie. 

Da  die  Handschriften,  in  denen  uns  die  Lieder  Oedes  de  la 
Couroierie  überliefert  sind,  inbezug  auf  ihren  Entstehungsort  nicht 
näher  zu  bestimmen  sind  und  in  ihrer  sprachlichen  Gestaltung  erhebliche 
Divergenzen  aufweisen,  sind  wir  zur  Charakterisierung  der  Sprache  des 
Dichters  allein  auf  Reim  und  Metrum  angewiesen. 

A.    Die  Reime. 

Die  zwei  wichtigen  Unterschiede  zwischen  der  Metrik  Jehan's 
und  Oede's,  nämlich  des  letzteren  ausgesprochene  Vorliebe  für  den 
reichen  Reim  sowie  der  Umstand,  daß  er  in  jeder  Strophe  die  Reime 
wechselt,  machen  bei  einer  Untersuchung  seiner  Sprache  die  Reime 
zu  einer  teils  reicheren,  teils  ärmeren  Fundgrube.  Die  Reim\vörter 
folgen  in  alphabetischer  Anordnung'^o ) ; 

1.   Der  Vokal  a. 

-a :  11^  fera,  plera;    V"  aidera^  sera,  fera; 

-age:    I^  aage,  saije,  avaiUnge,  asoage; 

-ance:  I^  consivvance,  viltan^e,  enfance,  amaance;  11^  desesperance.  pesance. 
11'''  esperance^  acointance,  aiejance;  IV ^  remenbrance,  rccourrance^  esperance\  IIÜ 
desesperance,  pesance,  desirrance^  pesance; 

-aut:    III ^  chantant,  deschantant. 

2.  Der  Diphthong  a«. 

-ai:    11^  verai,  7-etrerai;    IP  istrai,  moi,   amerai] 

-aindre'.    11^  complaindre.  Jaindre]    III^  j^laindre,  faindre.  graindre^  remaindre: 

-aine:  JV*  semaine,  paine,  paine; 

-aing  '.    IV^  mespraing,   espraing ; 

ainte:     IV^  complainte,  tainte. 

3.  Der  Diphthong  au. 

•auf.     Fl  aut,   vaut. 

4.    Der  Vokal  e. 

-e:    IV '^  endure,  dure; 

-ee:    ir^pensee  hie; 

-endre:    IV'-  prendre,  vendre,  atendre; 

-eni:  /3  commencement,  longuement,  debonairemenl\  11^  loiaument,  viranty  prent] 
11^  briement,  sent;     V^  autrement.  alegement; 

-er:  IV ^  mirüer,  Jöer;  111-  grever,  rrever,  affiner ^  alever ;  /['■'  contralier, 
crter;  IV*  consirrer^  desirrer. 

5.   Der  Diphthong  ie. 

-ie:    IV*  delili^,  püi^; 

-iengne:  IV ^  souviengne,  viengne,  tieiigne;     V*  souviengne,  preng7i6\ 
-ient:    II*  souvietU,  esciient;     V*  souvient,  couvicnt; 

-ier  :    III^  messagit-r,  chier,  assongier,  engagier;    /F'  changier,  dangier;  IV ■^ 
essa'iier;     V-  esloignier,  reprouvier; 
-ieve:    grieve^  crieve. 


™)  Die  röm.  Zahlen  geben  das  Lied,  die  oben  rechts  angezeichneten 
arab.  Ziffern  die  Strophe  an,  in  der  der  Reim  auftritt. 


Die  Gedichte  Jehan's  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     183 

6.  Der  Vokal  i. 

-i:     11"  di\  oubliy  II; 

-in  I^  regehir,  soujf'rir,  morir;  III^  tenir,  venir,  avenir,  maintenir:  IV* 
veriir,  Souvenir;     V-  cotisentir,  sentir,  repentir; 

-Ire:     V^    martire,  souspire,  martire; 

-is:    I^  prisj  apris,  a  pris;     V*  pramis.  amis,  7nis ; 

■isei    H'^  faintise,  devise,  Jusiise ; 

-ivre;    I'^  vivre,  delivre,  livre,  ivre; 

-ie!  11^  vilanie^  servies,  vie;  11^  amie  ftlonif^  111"  amie,  prie,  iv'e,  contralie; 
V^  enviCj  amie,  amie;  V-  amie,  mie,  oublie;  V^  lie,  compnignie^  departie;  V^  amie 
mie,  onie,  servie^  mie. 

7.  Der  Vokal  o. 

-on:    IT^  no7i,  gerison;  IV^  mesprison,  prison\ 
-ont:  IP  semont,  fönt,  on<; 
-ors :  IV^  amors^  ciamors. 

8.  Der  Diphthong  oi. 

-oie:  Jl*  pori'oie,  j'oie;   111-  plorroie.  j'oie,  joie.    guerroie:    Hl*   foie,  gardoie, 
essaient^  lessoie;    V^  j'oie,  ai'oie;    V-  guerroie,  joie; 
-oifit:  IV*  poini,  point; 
-oir:    V^  povoir,  apercevoir; 
-Ott:    IV*  sai-roit,  avroit. 

9.   Der  Vokal  n. 

-W.    11^  aiendu,  rendu^  tendu;  111^  aiendu,  rendu,  vendii,  dej/endu;   111*  aperceii, 
meu,  mescheu,  recreu;    IV^  tenu.  venu;     V^  cre'u,  eu,  neu; 
-ue:  11^  ague,  remue;  II*  ette,  tresue,  tue. 

Zur  Lautlehre. 

1.  a{e)  -\-  Nasal.  Unter  den  17  Reimwörteru  auf  -ance  befindet 
sich  keins  mit  franzischem  ch ;  alle  enden  auf  das  Suffix  -ance.  Das 
Fehlen  jener  „Zwitterreime"  bildet  einen  Beweis  ex  silentio  dafür, 
daß  Oede  kein  Pikarde  war  (vgl.  oben).  Einen  direkten  Beweis 
hierfür  bietet  der  Reim  IP  loiaument:  vivant.  Die  Reimwörter 
auf  -ient,  unter  denen  sich  auch  escient  (also  =  esciient)  befindet, 
werden  stets  von  denen  auf  -ent  geschieden.  Auf  -iengne,  einen  von 
den  afrz.  Lyrikern  äußerst  selten  angewandten  Reim,  reimt  auchprengne; 
hieraus  geht  hervor,  daß  in  der  Sprache  Oede's  (b  -f-  palatal.  Nasal 
nicht  mit  a  -f-  pal.  Nasal  zusammenfiel  (wie  oft  in  pik.  Texten;"') 
anders  l  -}-  einf.  Nasal  (s.  o.).  Mit  souvient  reimt  (reich)  couvient  V*. 

2.  Die  ai-  und  oi -Reime.  Den  Zusamraenfall  von  ei  und  ai 
vor  n  zeigen  die  Reime  plaindre:  faindre  lU^,  complainte:  tainte 
IV  3,  semaine:  paineVf^.  Die  Erscheinung  tritt  nicht  nurinpikardischen, 
sondern  auch  in  zentralen  Texten  auf,  z.  B.  bei  Gace  Brüle  (s.  Huet 
S.  LIII),  Rutebeuf:  saine  :  plaine  (Ausg.  von  Kreßner  S.  27)^2) 
Der  offenbar  reiche  Reim  esmoier:  essaier  beweist  über  die  Qualität 
des  ai  nichts,  da  sowohl  das  Franzische  als  das  Pikardische  die 
Formen  esmoier  und  esrnaier,  wie  esmoi  und  esmai  nebeneinander 
besaß  (s.  oben).     Das  Zusammenfallen   von  lat.   g  -j-  epentli.  i  und 


")  z.  B.  bei  Blondel  de  Nesle,  vgl  Wiese  S.  91. 
'^  Vgl.  auch  Rofsmann  in  Rom.  Forsch.  I.  S.  161. 


184  Johannes  Spanke. 

e  -j-  ep.  i  bezeugt  der  Reim  joie:  gardoie  III"*.  Näheren  Aufschluß 
über  die  Aussprache  dieses  oi  erteilen  zunächst  die  Reime  moi:  is- 
trai  II 2  und  joie:  gardoie:  essaient:  lessoie  III 4.  Daß  hier  der 
nach  Suchier  (Afrz.  Gr.  S.  49)  anglonormannische''3)  Übergang  von 
oi  zu  ai  vorliege,  ist  kaum  anzunehmen.  Jedenfalls  deutet  der  Reim 
zunächst  darauf  hin,  daß  ai  zu  t^  geworden  war,  eine  Erscheinung, 
die  direkt  gegen  die  pik.  Herkunft  des  Dichters  spricht  (vgl.  oben). 
Für  gardoie,  lessoie  kommen  zwei  Aussprachen  in  Betracht: 
1.  die  des  Vulgärpariserischen,  in  dem  für  oi  in  den  Fällen,  in  denen 
heute  e  gesprochen  wird,  schon  am  Ende  des  13.  Jhs.  diese  Aus- 
sprache bestand '^^),  2,  die  allgemein  franzische  auf  Of'.,  für  die  aus 
dieser  Zeit  zahlreiche  Belege  vorliegen.  ^4)  Daß  nun  Oede  in  den 
beiden  Wörtern  oe  aussprach,  geht  daraus  hervor,  daß  sie  mit  joie 
reimen,  das  natürlich  nie  mit  einfachem  c  gesprochen  wurde '^4).  Das 
Gleiche  gilt  von  moi  in  dem  zitierten  Reime.  Einen  schlagenden  Beweis 
für  den  Wandel  von  -oir  zu  -o^r  liefert  ferner  der  offenbar  reiche 
Reim  miroer:  joer  (IV 2;  die  Handschriften  schreiben  miroer  und 
mireoir).  Allerdings  bringt  die  durchs  Metrum  gesicherte  Drei- 
silbigkeit von  miröer  eine  gew.  Schwierigkeit  mit  sich.  Um  diese  zu 
erklären,  ist  wohl  auszugehen  von  der  Schwierigkeit,  welche  die  Aus- 
sprache von  mireoir  (^  *miratorium)  machte  und  die  zu  verschiedenen 
von  Godefroy  belegten  Entstellungen  führte: '^5)  mirreur  (Ph.  de  Thaon), 
merur  (Horu),  miroier  (Gautier  de  Coinci),  mirouoir  (Rose),  miraor 
(Ph.  de  Blois)  und  anderes;  auch  zweisilbiges  miroir  ist  mehrfach  belegt, 
von  dem  jedoch  unsere  Form  wegen  ihrer  Dreisilbigkeit  fernzuhalten 
ist.  Jedenfalls  wurde  nun  in  der  Endung  -eoir  das  Hiatus  -e  an  oi 
zu  p  angeglichen;  vgl.  das  zitierte  mirouoir  und  Formen  wie  pöon^ 
pöoir^  henöoit  (Aue.  u.  Nie.  16.  2).  Unsere  Schreibung  miröer  ist  daher 
entweder  als  Haplographie  für  miröoer  aufzufassen  (v<:l.  Schreibungen 
wie  prier,  essaier  für  priier,  essaiier)  oder  als  Ausfluß  der  lautlichen 
Vereinfachung    von   öoe  zu   ö/,   das   natürlich   stets   zweisilbig   blieb. 

3.  -er,  -ier  und  -i(^.  Von  der  dritten  Strophe  der  Ch.  IV  treten 
nebeneinander  die  beiden  Reimpaare  cr'ier:  contraller  und  esmoier: 
essaier  auf.  Vielleicht  hat  hier  der  Dichter  den  leoninischen  Reim 
zur  Grundlage  für  die  durch  das  angewandte  Strophenschema  geforderte 
Differenzierung  zwischen  den  beiden  Reimpaaren  gemacht. '^6)  Es  ist 
daher  durch  diesen  Reim  nicht  festzustellen,  ob  in  beiden  Paaren  ein 
-er-Reim    oder  ein    -igr-Reim,   oder   ob  in  dem  einen  ein  -gr-Reim 


^3)  Andprs  Rofsmann,  l.  c  S.  160,  der  mai  als  eine  Übergangsstufe  von 
mei  zu  moi  betrachtet. 

'^)  s.  Suchier  l  c  S.  51. 

")  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  hier  allein  dialektische  Einflüsse 
vorliegen. 

■'ß)  Eine  ähnliche  ansrheinende  Verletzung  des  Strophenschemas  liegt 
vor  in  V^.  Doch  hier  hat  Oede  vielleicht  den  reichen  Reim  dazu  benutzt, 
um  die  beiden  ersten  Reimwörter  (a)  von  den  3  übrigen  zu  nnterscheiden  (a^). 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede''s  de  la  Couroierie.     185 

imd  in  dem  andern  ein  -ier-Jieim  zu  erblicken  ist.  —  Der  Reim 
sichert  die  Form  piiie.  —  Die  Bindung  von  consirer  und  desirer 
Y^'^  (die  Hss.  haben  consierrer,  consievrer,  consievrrer)  scheint  bei 
der  Vorliebe  des  Dichters  für  leoninische  Reime  die  Aussprache  con- 
drer  zu  sichern.  Die  Herkunft  von  consivrer  etc.  ist  noch  unauf- 
geklärt; vielleicht  ist  eine  infolge  der  doppelten  Bedeutung  des  Wortes 
(1.  betrachten,  2.  vermissen,  entbehren 'i'^)  entstandene,  event.  nur  graphische 
volksetymologische  Zusammenwürfelung  von  considerare  und  separare 
anzunehmen  („Wortkreuzung"):  die  Anmerkung  Bergers  (1.  c.  S.  441), 
der  die  Heranziehung  von  separare  „ungeheuerlich"  nennt,  fördert  die 
Herleitung  der  Form  nicht;  daß  sich  aus  considerare  lautgesetzlich 
nie  consivrer  etc.  entwickeln  konnte,  beweist  schon  der  Umstand,  daß 
bei  desirer  ähnliche  Nebenformen  nirgends  vorhanden  sind.  "'S)  Vgl. 
consivrance  I.   1. 

4.  -i,  -ie.  Unter  den  Reimwörtern  auf  -is  und  -ir  befinden  sich 
keine  auf  -uis  und  -uir.  Die  Endung  -is  hat  überall  echtes  s;  pris 
(I2r=rpretium)  bildet  keine  Aufnahme,  da  schon  früh  pris  und  priz 
nebeneinander  vorkommen. ''9)  Pn's  steht  selten  im  Reime;  doch  läßt 
sich  die  von  Steffens  (1.  c.  S.  171)  aufgestellte  Liste  leicht  vermehren ^t)). 
Unter  den  22  ie-  Reimwörtern  hat  keines  aus  iee  entstandenes  ie. 
Der  Reim  vie:  servies  zeigt,  daß  das  Schluß-s  verstummt  war. 

5.  -ors.    Nur  ciamors  und  amors  kommen  vor.    S.  oben. 

Zur  Formenlehre, 
Die  Zerrüttung  der  alten  Deklination  bezeugen  vier  Fälle  (Nom. 
Masc.  Sing.)  sage  l.  17,  ivre  I.  13,  atendu  II.  22,  rendu  II.  24. 
Der  Reim  sichert  ferner  den  Komparativ  ^razWr^,  III.  18,  sowie  den 
Obl.  li  von  eile.  Die  1.  Pers.  Sing.  Pr.  der  Verben  auf  -er  hat  ana- 
logisches e  in  folgenden  Fällen:  hee  H.  13,  prie  III.  35,  souspire 
V.  27,  tresüe  II.  37.  Das  Futur  von  estre  lautet  sera.,  die  3.  Ps. 
(oni.  Pr.  von  aller  —  aut  V.  8,  der  Imperativ  von  dire  —  di  II.  42.  Die 
Imperfekte  gardoie,  lessoie  reimen  mit  joie  III'*.  Durch  den  (reiclien) 
Reim  in  Verbindung  mit  der  Silbenzähluiig  werden  die  alten  Part. 
Pf.  gesichert:  aperem,  meu  (zu  mouvoir),  mescheu,  recreu  IH'*, 
creu,  eu,  neu  (zu  nuisir)  V  3.  Das  Part.  Perf.  zu  promettre  heißt  pramis 
(:amis)  V.  32.  Der  Infinitiv  remauere  lautet  remaindre;  Schwan 
Afrz.  Gr. 6  S.  229.  schreibt  die  Form  dem  Westen  und  Franzien  zu. 

Zur  Syntax. 
Das  mit  avoir  verbundene  Part.  Perf.  stimmt  entweder  mit  seinem 
direkten  Objekt  überein:    servies  II.  7,  oder  nicht:    eu  V.  24. 


'')  S.  G.  Paris,  Alexis  S.  184. 

'^)  Berger  behauptet  dafs  die  Formen  pikardisch  seien;  doch  sie  stehen 
Ott  gerade  in  Hs.,  die  sonst  fa>t  keine  Pikardismen  zeigen,  wie  z.  B.  unsere  Hss. 

'9)  S.  Mussafia  in  Ho.  XVIlI.  S.  549. 

^)  Aufser  unserer  Stelle  z.  ß.  noch  Gillebert  de  Berneville  (ed.  Waitz) 
X.  6.  6;   Raynaud,  Bec.  de  Mot.  II.  S.  73  Vers  6;    S.  123  Vers  2. 


186  Johannes  Spanke. 

B.    Die  Silbenzählung. 

1.  Elision  findet  statt  außer  in  den  gewohnten  Fällen  einmal 
bei  si  (sie) :  s'a^  III,  19  und  einmal  bei  qui:  qu'eschapez  IV.  40*'^). 
Enklise  zeigt  ei  {en  le)  II.  27.  Als  Hiatfall  ist  zu  bemerken  que  il 
IV,  35;  Hiat  im  Wortinnern  haben:  amäance  I.  6,  üage  I.  15,  asöage 
I.  20,  eue  IL  36,  träi  III.  27,  miröei':  jüer  \N~,  resjöir:  jöir:  vir 
V^     Einmal  findet  sich  verai  (l.  8),  kein  vrai. 

2.  Zur  Formenlehre:  Das  Fem.  der  lat.  3.  Deklination  hat 
überall  die  alte  Form  bewahrt:  grant  (Fem.)  I.  1,  III.  1.  u.  ö.;  tel 
doleur  I,  7,  grief  petisee  II.  11;  vgl.  ferner  loiaument  II.  32,  bri- 
ement  II,  48.  Der  Nom.  homo  lautet  hotis  II.  32.  Neben  öfter  auf- 
tretendem vostre  kommt  vo,  vos  nicht  vor;  öfter  steht  jedoch  el  neben 
ele:  qu'el  I.  1 1 ;  I.  20  quele  und  quel  nebeneinander;  el  III.  29 
etc.  Die  e-lose  Form  der  1.  Ps.  Sing.  Pr.  der  Verben  auf  -er,  die 
im  Reim  fehlt,  wird  oft  durchs  Metrum  gesichert:  poiirpens  I.  17^ 
souspir  II.  37,  chant  III.  9,  pri  IV.  35,  cri  V.  16,  be  III.  24  u.  a. 
Neben  sei^a  kommen  die  von  ero  abgeleiteten  Formen  nicht  vor.  Die 
pikardischen  erweiterten  Futurformen  kommen  nicht  vor;  vgl.  avra  I. 
18,  n.  17;  avrai  III.  28,  devroit  III.  31,  savroit  IV.  43,  avroit  IV. 
44.     Lat.  debuisset,  habuisset  ergeben  deust  IV.  9  uud  Sust  IV.  18. 


Auf  die  Orthographie  der  einzelnen  Handschriften,  die  stark  unter 
sich  abweichen,  kann  hier  nicht  näher  eingegangen  werden.  Der 
kritische  Apparat   enthält  alle  Varianten,  auch  die  orthographischen. 

Der  Versuch,  den  Dialekt  Oedes  auf  Grund  vorstehender  Tat- 
sachen näher  zu  lokalisieren,  führt,  wie  teils  schon  angedeutet  wurde, 
zu  keinem  Resultate.  Die  bei  ihm  beobachteten  sprachlichen  Er- 
scheinungen entsprechen  lediglich  dem  Zentrum  oder  vielmehr  der 
am  Ende  des  13.  Jhs.  schon  weit  verbreiteten  xoivr^  (deren  Einflüsse 
wir  auch  bei  Jehan  de  Renti  beobachteten).  Sie  stimmen  jedoch  mit 
der  oben  über  seine  Herkunft  gemachten  Angabe  insofern  über- 
ein, als  sie  teils  positiv,  teils  negativ  das  pikardische  Gebiet  aus- 
schließen; folgende  Zusammenstellung  möge  dies  kurz  beleuchten: 

I.  direkt  gegen  seine  pik.  Herkunft  sprechen: 

1.  die  Reime  istrai:    moi,  essaient:    lessoie,  niiroer:    joer. 

2.  die  Bindung  von  -ant  und  -ent., 

3.  die  Form  remaindre\ 

II.  indirekt  das  Fehlen  folgender  in  pik.  Texten  sehr  häufigen 
Erscheinungen.: 

1.  des  Reimes  anche:    ance  (antia), 

2.  des  Reimes  -is:    -iz, 

*i)  qu'eschapez  ist  allerdings  Konjektur  für  überliefertes  sinnloses  eszcAa/^es. 


Die  Gedichte  Jehaiis  de  Renti  und,  Oede's  de  la  Couvoierie.      187 

3.  der  Form  vo  =■  votre, 

4.  der  erweiterten  Futurforraen  {averai  etc.), 

5.  der  Endung  te  =  iee. 

IV.   Metrisches. 

1.    Die  Lieder  Jehan's  de  Renti. 
A.    Der  Vers. 

1.  Die  vorkommenden  Versarten:  a)  Cäsurlose  Kurz- 
verse: Es  treten  Achtsilbner  auf  in  I.  IV,  V.  VIII.  und  X.;  die 
beiden  letztgenannten  Lieder  bestehen  nur  aus  Achtsilbnern,  in  den 
übrigen  finden  sie  sich  im  Abgesang.  Die  Siebensilbuer  sind  die  am 
häufigsten  von  Jehan  angewandte  Versart.  Sie  bilden  die  ganze  Strophe 
in  VI  und  VU,  den  Strophengrundstock  in  II.  IIL  XII,  treten  im 
Stropheninnern  neben  anderen  Versarten  auf  in  I  und  X.  Der  Sechs- 
silbner  findet  sich  nur  in  dem  Refrain  von  III:  et  tout  vestu  d''amours. 
Obwohl  diese  Versart  in  der  altfrz.  Lyrik  nicht  häufig  ist,  dürfte  die 
Änderung  des  Verses  in  einen  Fünfsilbner,  wie  sie  Stengel ^2j  durch 
Streichung  von  et  vorgenommen  hat,  bei  der  vorzüglichen  handschrift- 
lichen Überlieferung  der  Lieder  Jehans  nicht  geboten  erscheinen. 
Sechssilbner  finden  sich  z.  B.  bei  Perrin  von  Angicourt  (s.  Steffens 
S.  121)  und  Conon  de  Bethune  (Wallensköld  S.  111).  Fünfsilbner 
kommen  nur  als  Übergangsverse  vor;  so  in  III  zwischen  Strophen- 
grundstock und  Refrain  (als  Teil  des  ersteren),  in  X  als  rims  estramps 
zwischen  Stollen  und  Abgesang.  Ebenso  der  Viersilbner:  in  II  als 
erster  Vers   des  Refrains   und  in  IV  als  erster  Vers  des  Abgesangs. 

b)  Langverse:  Zehnsilbner  treten  auf  in  der  isometrisch  gebauten 
Ch.  XI,  neben  anderen  Versarten  in  I.  IV  und  V;  Zwölfsilbner  als 
Refrainverse  in  der  Chanson  avec  des  refrains  X  und  als  fioritura 
musicale  in  XII:  Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virelai,  der 
Elfsilbner  in  dem  wiederkehrenden  Refrain  von  II. 

2)  Die  Cäsur:  die  Kurzverse  entbehren,  wie  gewöhnlich,  einer 
Cäsur  nach  der  Definition  Toblers^^),  Die  Zehnsilbner  haben  meist 
die  in  der  Lyrik  übliche  Cäsur  nach  der  vierten,  betonten  Silbe,  die 
ein  Wort  schließt  bez.  bildet;  Elision  der  fünften  Silbe  bei  weiblicher 
Cäsur  findet  statt: 

I.  43  Di  li  k'il  serv\e^mours  en  bon  estage. 

V.  16   C^autrement  don\eAl  fait  trop  graut  folour. 

V.  31   Che  voit  on  or\e  avenir  cascun  jour. 

Oft  tritt  die  lyrische  Cäsur  auf: 

I.  34  Ki  se  painent  des  vrais  amans  träir. 


82)  S.  Noack  l.  c.  S.  117. 

83)  Versbau*  S.  93. 


188  Johannes  Spanke. 

IV.  2    Of  ni'en  done  voloir  novelement. 

„  28  ßone  dame,  quant  je  puis  remirer. 

„  37  J^n  vos  dame,  la  u  grans  Mens  apent. 

„  40  Ke  vos  puisse  servir  entirement. 

„  47  A  ma  dame  ki  est  de  grant  renon. 

V.  8  Ki  ne  sevent  trover  ne  ke  pastour. 
„  18   Ke  ma  dame  ki  in''a  en  sa  prison. 

„   27   SHl  nest  dignes,  kHl  se  j^f^ist  bien  roster. 
„  33  Se  ma  dame  ne  nie  veut  onhlier. 
XL    2  J''arai  joie,  je  le  sai  vraiement. 
„    15  Mais  il  mentent :  amours  n'est  inie  sure; 
„   13  Ke  je  mete  amours  en  noncaloir. 
„   30  Dont  je  naie  tres  eitlere  la  pointure. 
„  39    Car  ki  aime  dame  de  grant  mesure. 
Epische  Cäsur  zeigen  die  Verse: 

I.    33   Or  poront  dire  li  felon  piain  de  rage. 

IV,  44  Ae  je  riavroie  ja  mais  enteniion. 

V.  23   Se  je  sui  dignes  de  rechevoir  s'amour. 
„    35  Mie.v  ne  puis  faire  ke  de  li  honer  er  ^^). 

Diese  mehrfache  Anwenrlung  der  im  Allgemeinen  von  den  altfrz. 
Lyrikern  gemiedenen  epischen  Cäsur  stellt  entweder  eine  metrische 
Nachlässigkeit  unseres  Dichters  oder  ein  volkstümliches  Element  oder 
vielleicht  beides  dar.  Von  Noten  sind  in  der  Handschrift  nur  die 
beiden  Lieder  IV  und  VI  begleitet.  Die  Cäsur  nach  der  fünften 
betonten  Silbe  zeigt  nur  der  Vers: 

XI.  8  Pitts  Voublie  tost  et  legierement. 
Cäsurlos  sind  die  Verse: 

IV.     9  Ke  je  fac  par  sa  volente  chanchon. 
„    22    Vostre  amours  ma  travellie  si  griement. 
Die  Cäsur  der  übrigen,  vereinzelt  in  Refrains  auftretenden  Langverse 
ist,  wie  meist  in  Refrainversen,  unregelmäßig. 

B.    Strophe  und  Reim. 
1.    Die  refrainlosen  Lieder: 

a)    in    isometrisch    gebauten    Strophen.      Aus    Sieben- 
silbnern  bestehen: 

VI:  a  b  a  b  c''  c"  d  d  (5  Str.)  und 
Vn:  a"  b  a"  b  a"  a"  b  a"  (3  Str.), 
Aus  Achtsilbnern: 

Vm:  a  b  a  b  c  c  d^  d"  (3  Str.)  und 
EX:  ababbccdd;  5  Str.  -|-  Geleit :  b  c  c  d  d. 


84)  Das  in  der  Hs.  überlieferte  hontr  (wohl  für  honer)  ist  mit  Sicher- 
heit in  honerer  zu  verbessern. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     189 

Aus  Zehnsilbnern: 

XI:  a  b  a  b  a  c"  c"  b  (5  Str.). 
b)    in  metabolisch  gebauten  Strophen: 

I:  a  (10")  b  (10)   a  b  c  (7)   c  d  f8)  d;   6  Strophen,   von 
denen  die  letzte  das  Geleit  bildet. 

IV:  a  (10)  b  (10)  a  b  b'  (8)  c  (4)  c'  (8)  d  (10)  d;  5  Str.H- 
Geleit  c  c'  d  d. 

V:  a  (10)  b  (10)  a  b  c  (8)  c'  (10")  d  (10)  d  (5  Str.) 

2.    Die  Refraiulieder: 
a)    mit  wiederkehrendem  Refrain  (eh.  ä  refrains): 
Nr.  11;   der  Refrain   steht  formell   weder  durch  den  Reim  noch 
durch  die  Silbenzahl  in  Beziehung  zu  dem  aus  Siebensilbnern  bestehenden, 
isometrisch  gebauten  Strophengrundstock: 

a  b"  a  b"  c  c  -f-  Re^-  d  (4)  d^  (11);  das  Lied  hat  5  Strophen. 

Nr.  ni:  auch  in  diesem  Liede  besteht  der  Strophengrundstock 
aus  Siebensilbnern  mit  Ausnahme  des  letzten  Verses,  der  nicht  nur  durch 
seine  Silbenzahl,  sondern  auch  durch  seinen  Reim  zum  Refrain 
überleitet: 

a  b  a  b  c"  c    d  (5)  +  Refr.  d^  (7)  e  (6). 

Das  Lied  hat  gleichfalls  5  Strophen.  In  beiden  Liedern  steht  der 
Inhalt  des  Refrains  in  engster  Beziehuug  zum  Inhalt  der  einzelnen 
Strophen.  Gleichwohl  sind  die  Refrains  höchstwahrscheinlich,  wie 
häufig,  aus  fremden  Liedern,  die  nach  Jeanroy  meist  Tanzlieder  sind, 
entlehnt.     Zu  dem  Refrain  von  11: 

K^il  est  ensi 
Ke  ja  ferne  rtarnera  sen  vrai  ami. 

vergleiche  Raynaud,  Rec.  de  Mot.  I  Nr.  127  Vers  7  ff.: 

S'ai  trove  .  .  . 
Que  ja  ferne  namera 
Celui  qui  en  loiaute 
La  servira. 
Den  Refrain  von  II: 

J'ai  euer  mignot  et  joli 
Et  totit  vestu  d'amours. 
ist  mir  nirgends  aufzufinden  gelungen. 

Nr.  XII.  (die  Pastorelle):  der  Strophengrundstock  besteht  aus 
Siebensilbnern;  der  Refrain  ist  eine  sogenannte  Fioritura  musicale: 
Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virelai.  Er  wird  zu  ersterem 
formell  dadurch  in  enge  Beziehung  gebracht,  daß  der  letzte  Vers 
jeder  Strophe  auf  das  Wort  virelai  endet: 

a"  b"  a"  b"  c  c  d  c  d  (virelai)  -[-  Refr.  d^  (12). 


190  Johannes  Spanke. 

Das  Lied  hat  sieben  Strophen. 

b)  der  Refrain  wechselt  mit  jeder  Stroiihe  (Ch 
avec  des  refrai  ns): 

Nr.  X:  a  (7)  b  (7'^)  a  b  c  (5)  d  (7^)  d  e  (5)  +  Refr.  ei  (12); 
5  Str.  -{-  Geleit:  c  d  d  e  e^.  Der  Refrain  ist  hier  durch  Reim  und 
Silbenzahl  (Übergangsvers)  zum  Strophengrundstock  in  Beziehung 
gebracht.  Die  Refrains  kennzeichnen  sich  als  solche,  d.  h.  als  Bruch- 
stücke anderer  Lieder  durch  ihre  die  übrigen  Verse  fast  ums  doppelte 
übertreffende  Länge  sowie  ihren  Sentenzen-  oder  ausrufsartigeu 
Charakter.  Verschiedene  von  ihnen  lassen  sich,  ohne  daß  der 
gedankliche  Zusammenhang  des  Liedes  gestört  wird,  herausnehmen. 
Anderseits  sind  sie  formell  dadurch  besonders  innig  mit  dem  Ganzen 
verbunden,  daß  jede  Strophe  mit  dem  Worte  beginnt,  mit  dem  die 
vorhergehende,  d.  h.  deren  Refrain  geschlossen  hatte.  In  kausalen 
Zusammenhang  mit  der  Entnahme  der  Refrains  aus  fremden  Liedern 
ist  sicher  der  Umstand  zu  bringen,  daß  die  beiden  letzten  Verse 
(e  und  ei)  ihren  Reim  in  jeder  Strophe  verändern,  während  die  Reime 
der  übrigen  Verse  wie  auch  die  aller  übrigen  Lieder  durch  alle 
Strophen  die  gleichen  sind.  —  Die  Anzahl  der  bekannten  Chansons 
avec  des  refrains  ist  nicht  besonders  groß:  sie  beträgt  nach  Raynaud's 
Liste,  vermehrt  um  die  Zusätze  Jeanroy's  und  Noack's  75  Lieder, 
eine  Zahl,  die  sich  jedoch  wahrscheinlich  vermehren  ließe.  Manche 
von  ihnen  zeigen  die  Eigenart,  daß  die  Refrains,  die,  wie  aus  ihrem 
Wesen  hervorgeht,  einer  regelmäßigen  Cäsur  entbehren,  auch  in  Bezug 
auf  ihre  Silbenzahl  in  den  einzelnen  Strophen  wechseln '^S).  Jedenfalls 
war  unser  Dichter  bestrebt,  die  aus  fremden  Liedern  entlehnten  Stücke 
dem  Versmaß  des  eigenen  Liedes  soweit  wie  möglich  anzupassen:  die 
Refrains  aller  Strophen,  mit  Ausnahme  der  dritten,  sind  Zwölfsilbner. 
Daß  hier  daher  eine  handschriftliche  Verderbnis  vorliege,  hat  Stengel 
richtig  vermutet.     Er  ergänzt: 

Je  ne  puis  [gaires]  ensi  vivre  longhement. 

Da  nun  das  Wort  gaires  weder  bei  Jehan  de  R.  vorkommt  noch 
auch  den  übrigen  pikardischen  Dichtern  geläufig  gewesen  zu  sein 
scheint,  auch  den  Ausdruck  recht  matt  macht,  habe  ich  ergänzt: 
[Dame],  je  ne  puis  .  .  .  Hat  doch  nachweislich  Jehan  in  einem 
andern  Refrain,  dem  der  Str.  5  desselben  Liedes,  dasselbe  Wort  da- 
zu verwandt,  aus  zwei  zusammengekoppelten  Fünfsilbnern  einen  Zwölf- 
silbner  zu  machen: 

Dame,  fatendrai  dehonerement  merci; 
vgl.  Raynaud  I.  c.  I.  Nr.  14  Vers  16  ff.: 

Deboinerement 

Atendrai  merci. 


^^)  Z.  B.  Lieder  des  Perrin  von  Angicourt. 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     191 

Eine  Uuregelmäßigkeit  bietet  auch  der  letzte  Vers  des  Envois  des- 
selben Liedes.  Da  er  sowohl  an  Inhalt  als  durch  seine  Stellung  den 
Refrains  der  übrigen  Strophen  entspricht,  und  Jehan  alle  Envois 
genau  nach  dem  Metrum  der  ihnen  entsprechenden  letzten  Strophen- 
verse baute,  sollte  mau  einen  Zwölfsilbner  erwarten.  Es  dürfte  da- 
her auch  hier  eine  Änderung  des  überlieferten  Neunsilbners  vorzu- 
nehmen sein.  Wie  sie  zu  geschehen  habe,  s.  in  den  textkritischen 
Anmerkungen.  —  Auch  diese  ziemlich  ausgedehnte  Verwendung  des 
Refrains,  der  sich  nur  in  den  aus  Kurzversen  bestehenden  Gedichten 
findet,  trägt  einen  volkstümlichen  Zug.  Ob  freilich  die  einzelnen 
Refrains  in  der  Regel  aus  den  fürs  Volk  geschriebenen  oder  volks- 
tümlich gewordenen  Liedern  oder  auch  aus  Kunstliedern  entnommen 
wurden,  ist  zweifelhaft 86). 

3.    Der  Reim. 

Schon  erwähnt  wurde  das  Auftreten  von  rims  estramps  in  X, 
d.  h.  von  Versen,  deren  Reim,  in  jeder  Strophe  nur  einmal  vorkommend, 
in  allen  Strophen  an  der  entsprechenden  Stelle  wiederkehrt.  Die 
Entstehung  dieser  „Körner"  ist  nach  Stengel  §'?)  oft  auf  ältere  Refrain- 
worte zurückzuführen;  vielleicht  ist  es  kein  Zufall,  daß  Jehan  sie 
gerade  in  einer  Chanson  avec  des  refrains  angewandt  hat.  Es  ist 
zu  bemerken,  daß  die  Strophen  dieses  Liedes  neunzeilig  sind,  während 
nach  Stengel  {l.  c.)  verschiedene  der  von  ihm  zitierten  „Körner'^ 
enthaltenden  Lieder  Strophen  haben,  die  nie  über  acht  (und  nie  unter 
sechs)  Verse  aufweisen.  Eine  Assonanz  statt  des  Reims  findet  sich 
vielleicht  (s.  oben)  in:  atarge  :  nage  X.  4.  Reiche  Reime  (nach  Toblers 
Definition)  hat  Jehan  ziemlich  oft  verwandt: 

signorage  :  ouvrage  P,  sage  :  usage  1%  rage  :  corage  P,  voellanche  : 
vaülanche  VP,  brauche  :  remenbranche  X^,  grietS :  verite  I-,  fausete  : 
viuU  16,  sante  :  grieU  VII?',  Reim  Wörter  auf  -ment  II 2,  IH,  IX  3,  XL-, 
durer  :  desesperer  III 2,  legier  :  dangier  VIII '-,  derves  :  provh  VIII 3, 
ensegnie  :  garnie  VII^,  savoir  :  esmovoir  IX i,  rechevoir  :  avoir  IX.^, 
valour  :  foloiir  V^,  estour  :  tour  P,  ravoie  :  voie  IIP.  In  unsern 
Liedern  auftretende  leoninische  Reime  (nach  Toblers  Definition)  sind 
folgende:  bonte:  conteNW-.  ^scÄapt^';  a^rape  1 3,  Reimwörter  auf  -ement 
11  ■^,  IIP,  IV  2,  IX 4,  XII,  XI 4,  sentir  :  mentir  II  i,  guerroie  :  kerroie  IIP, 
prison  :  träison  IV  2^  aservir  :  servir  II  ^,  vielleicht  auch  esragii : 
atargie  IV  ^  und  Geleit.  Der  Dichter  hat  das  Prinzip  befolgt,  in 
einem  und  demselben  Liede  nie  dasselbe  Wort  im  Reime  zweimal  zu 
gebrauchen.  Homonyme  Reime  liegen  vor  in:  mire  (medicus):  mire 
(3.  Ps.  S.  V.   medico)  VIII^  und  moie  (mea):    ?7ioie  (audiat)  IIP. 


»«)  Vgl.   Schultz-Gora,  Zn-ei  afrz.  Dichtungen  1899.  S.  15  ff. 
8')  S.  Gröbers  Grundrifs  II.  1.  S.  83. 


192  Johannes  Spanke. 

2.    Die  Lieder    des  Ocde   de   la   Couroierie. 
A.    Der  Vers. 

1.  Kurzverse:  An  Kurzversen  verwendet  Oede  nur  Sieben- 
silbner  (im  Abgcsang  von  II  und  V)  und  Viersilbner  (als  Übergangs- 
verse von  Zehn-  zu  Siebensilbnern  in  II  und  V). 

2.  Langverse:  Der  einzige  von  Oede  angewandte  Langvers 
ist  der  Zehnsilbner,  der  die  Lieder  I.  III.  IV  ausschlitßlich,  VI  und 
V  in  Verbindung  mit  den  genannten  Kurzversen  zusammensetzt. 
Besondere  Erwähnung  verdienen  die  Zehnsilbner  von  I.  Sie  haben 
die  Cäsur  nach  der  fünften  betonten  Silbe  —  mit  Elision  der  sechsten 
Silbe  in  V.  9:  bien  voi  que  ma  ddtn\e_en  trop  gros  Va  pris.  Der 
Vers  zerfällt  durch  diese  Cäsur  in  zwei  gleiclie  Hälften  und  erhält 
dadurch  ein  von  dem  gewöhnlichen  lyrischen  Zehnsilbner  völlig  ver- 
schiedenes Gepräge.  Unter  den  von  Tobler  (/.  c.  S.  102)  angeführten 
Beispielen  für  diese  in  der  altfrz.  Lyrik  recht  seltene  Versait  sind 
mindestens  sechs  volkstümlichen  Charakters:  eine  von  Tobler  selbst 
als  volkstümlich  bezeichnete  Romanze  sowie  fünf  balletes  der  Douce- 
Handschrift.  Außer  in  I  findet  sich  ein  solcher  Zehnsilbner  verstreut 
in  IV  33:  Mes  s'ensi  Mau  cors  ne  trouvoit  pitie^^).  Die  in  den 
andern  Liedern  von  Oede  angewandten  Zehnsilbner  zeigen  meist  die 
gewöhnliche  Cäsur;  Verschleifuiig  der  fünften  Silbe  liegt  vor  in  II.  14: 
Par  sa  franchis\e_^aii  grani  merci  de  moi.  Die  lyrische  Cäsur 
zeigen  die  Verse: 

in.    5  iV'a  la  joie  ne  cuit  ja  avenir. 

„    11  Quant  me  voient  clianter  et  mener  joie. 

„    12  I)o7it  leur  fuz  je  les  cuers  de  duel  crever. 

„    13  Oest  Ja  guerre  gut  ne  puet  affiner. 

IV.  19  Franclie  dame,  bien  voi  que  je  mespraing. 

„    27  Par  den,  dame,  fort  niest  a  consirrer. 

„    34  Je  diroie  que  il  n'en  seroit  point. 

V.   11  31es  cuers  aime  cele  qui  me  guerroie. 

Die  epische  Cäsur  hat  Oede  in  den  überlieferten  Liedern  vermieden. 
Weibliche  Cä^ur  mit  betonter  vierter  Silbe  und  mit  um  eine  Silbe 
verkürztem  zweiten  Versgliede  hat  der  Vers  IV.  16: 

Mes  se  ma  dame  daignoit  souvenir^^). 

B,    Strophe  und  Reim. 

1.  Der  Strophenbau:  a)  Isometrisch  gebaute  Lieder 
sind  I,  III  und  IV.  Alle  drei  Lieder  bestehen  aus  Zchnsilbnern  und 
haben  den  Aufge-ang  abab;  sie  unterscheiden  sich  im  Bau  nur  durch 
den  Abgesang.    Das  Schema  der  einzelnen  Lieder  ist  folgendes: 


*8)  Das  überlieferte  trouvoie  mnfs  zu  trouvoit  geändert  werden. 
89)  Tobler  /.  c  S.  99  fafst  derartige  Verse  als  cäsurlos  auf. 


Die  Gedichte  Jehayis  de  Hetdi  und  Oede's  de  la  Coiiroierie.      193 

I:    a"  b  a"  b  a"  a"  b. 
III:    a"  b  a"  b  b  a""  b  a". 
IV:    a  b""  a  b""  b""  c  c  d  d. 

b)    Metabolisch    gebaute   Strophen    haben    die  Lieder  II 
und  V,     Beide  zeigen  den  gleichen  Aufbau: 

a  (10  )  b  (10)  a  b  b  c  (10^)  c  d  (4)  d'  (7)  c'  (7). 

Die  Gleichheit  im  Aufbau  der  beiden  Lieder  braucht,  obwohl  bekannt- 
lich die  altfranzösischen  Lyriker  in  der  Regel  vermieden,  zweien  ihrer 
Lieder  den  gleichen  Aufbau  zu  geben,  nicht  als  Beweis  für  die 
ünechtheit  eines  der  beiden  Lieder  betrachtet  zu  ^Yerden.  Wie 
Wallensköld  /.  c.  S.  117  bemerkt,  unterscheiden  sich  mehrere  im 
strophischen  Aufbau  gleiche  Gedichte  des  Conon  de  Bethune  durch 
die  verschiedene  Behandlung  des  Reimes.  No.  11  ist,  gleich  den 
isometrisch  gebauten  Liedern,  nicht  durchgereimt.  Offenbar  hat 
Oede  in  No.  V  wenigstens  den  Vorsatz  gehabt,  das  Lied  durchzureimen ; 
doch  dieser  Vorsatz  scheiterte  schon  am  Ende  der  zweiten  Strophe 
an  der  Schwierigkeit,  ein  Reimwort  auf  -aut  zu  finden,  und  der 
Dichter  führte  das  Lied  in  der  bequemeren  Form  zu  Ende.  —  Alle 
Lieder  außer  I  haben  fünf  Strophen,  von  denen  die  letzte  das  sich 
meist  an  die  dajne  richtende  Geleit  bildet 90).  "Wie  oben  gezeigt 
wurde,  hat  das  dreistrophige  Lied  I.  vielleicht  durch  schlechte  Über- 
lieferung die  zwei  letzten  Strophen  verloren. 

2.  Der  Reim.  Wie  schon  erwähnt  wurde,  wechseln  die  Reime  mit 
jeder  Strophe.  Über  die  Vorliebe  des  Dichters  für  reiche  und  leoninische 
Reime  sowie  verschiedene  Künsteleien,  in  denen  er  sich  gefällt,  gibt 
das  Rimarium  Auskunft.  Manchmal  ist  allerdings  nicht  recht  klar, 
ob  sie  Produkt  seiner  Absicht  oder  seiner  Armut  an  Reira- 
wörtern  waren.  Letztere  war  jedenfalls  die  Ursache,  daß  er  öfter  in 
einer  und  derselben  Strophe  dasselbe  Wort  zweimal  im  Reime 
gebrauchte,  ohne  es,  wie  die  afrz.  Lyriker  in  der  Regel  taten,  durch 
eine  doppelte  Bedeutungsnüance  zu  differenzieren.  Oede  folgt  dieser 
Regel  wenigstens  in  drei  Fällem: 

IV  4   paine  (Subst.):  paine  (Verb), 

ib.  point  (Neg.-Part.):  point  (Subst.), 
12    Va  pris  (Verb):  apris:  a  pris  (pretium). 

Eine    solche    Bedentungsverschiedenheit    läßt    sich    jedoch    nicht    er- 
kennen in:  jjji    pgsance:  pesance, 

Iir-  joie:  joie, 

V^    mamie:  ni'amie, 

V^    mie:  mie, 

V  "^    rnartire :  martire. 


^°)  Alle  Envois  beginnen  —  ein  Zeichen  für  das  beschränkte  poetisclie 
Vermögen  Oede's  —  mit  der  Phrase:  Chanson  va  fent. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXU'.  13 


194  Joliannes  Spanke. 

In  allen  diesen  Fällen  sind  allerdings  die  gleichen  Reimwörter  durch 
mindestens  zwei  Verse  getrennt.  —  Zu  erwähnen  ist  noch,  daß  in 
Ch.  I  die  Strophen  II  und  III  mit  dem  letzten  Worte  der  vorher- 
gehenden Strophen  beginnen,  ebenso  vereinzelt  die  vierte  Strophe 
von  Ch.  III. 

V.   Die  Texte. 

1.    Die  Lieder  des  Jehan  de  Renti. 
I. 
Raynaud  No.  28;  Hs.  fol.  173, 

I.  Kl  n'averoit  hone  amour  fait  hommage 

Et  son  pooir  mis  tout  en  li  servir, 
Ja  ue  saroit,  je  croi,  en  son  eage 
4  Comment  on  puet  chancon  ne  chant  furnir. 

Pour  cou  m'en  a  sens  done 
Amours  c'a  sa  volente 
La  serf  et  port  ma  dame  honour 
8  Sans  poiut  amenrir  sa  volour. 

II.  Cil  a  le  euer  et  felon  et  salvage 
Ki  vers  amours  ne  se  veut  obeir, 

N'i  vaut  guencirs  ne  volentes  ombrage, 
12  Car  devant  li  ne  puet  nus  hom  fuir; 

Cil  ki  plus  foat  l'eschape 
Sunt  li  Premier  atrape 
Et  U  plus  tost  pris  en  l'estour, 
Ib  Quant  amors  fait  vers  aus  sen  tour. 

III.  Puisc'  amours  est  de  si  grant  signorage 
Ke  celui  euer  ke  ja  le  seut  häir 

Fait  desirer  k'i  puist  par  bon  ouvrage 
20  Le  riebe  don  avoir  et  recuellir 

K'ele  done  au  bieii  sene, 
On  deveroit  en  bon  gre 
Proier  pour  chiaus  et  nuit  et  jour 
24  Ki  vivent  en  son  gent  labour. 

IV.  Bone  amours  est,  dame,  maistresse  sage 
Ki  vrais  amans  set  saner  et  garir; 

Je  proi  cascun  kMl  laist  sen  fol  usage 
28  Et  k'il  s'e.-ploit  k'il  i  puist  avenir; 

Nus  ne  le  laist  pour  griete, 
Car  je  sai  par  verite 
Ke  eil  n'a  de  nul  bien  savour 
32  Ki  ne  sent  sa  douche  langour. 

19  fait  delurer  (in  rasura)  ki  puis  .  . .  Hs.    23  chiaus  nuit; 


Die  Gedichte  Jehans  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.      irTj 

V,  Or  poront  dire  li  feloii  piain  de  rage 

Ki  se  painent  des  vrais  amans  träir 
Ke  je  n'aini  point  pour  che  ke  men  corage 
36  N'ai  descovert  en  mon  cortois  desir; 

Mais  j'ai  cele  men  pense 
Por  che  ke  je  voi  torne 
Le  siecle  a  si  grande  folour 
40  Ke  li  pluisour  heent  amour. 

VI.  Chancen,  va  t'ent  et  si  fai  mon  message 

Au  chastelain  ki  Biaumes  doit  tenir, 
Di  li  k'il  serve  araours  en  bon  estage 
44  Et  k'il  n'ait  ja  volente  d'acomplir 

Sen  desir  par  fausete, 
Car  eil  chiet  en  grant  viute 
Ki  par  parier  a  fause  odour 
48  Fait  ke  sa  danie  a  deshonour. 


IL 

Rayn.  No.  662;  Hs.  fol.   172  yO. 

I.  N'est  pas  sages  qui  emprent 
A  amer  en  esperanche 

KMl  ait  ja  alegement 
4  De  dolour  ne  de  grevanche 

C'amours  li  facent  sentir, 
Se  che  n'est  par  bien  mentir; 
K'il  est  ensi 
8  Ke  ja  feme  n'amera  sen  vrai  anii. 

II.  Je  cuidai  premierement, 
Quant  je  amai  en  m'enfanche 
Ke  pour  amer  loiaument 

12  Pleusse  a  la  bele  franche 

Et  ke  me  vausist  cierir; 

Mais  a  che  ne  puis  venir; 

K'il  est  ensi 

16  Ke  ja  feme  n'amera  sen  vrai  ami. 

HI.  Amers  ne  me  vaut  noient, 

Car  mis  m'a  en  oublianche 
Cele  qui  m'art  et  esprent; 
20  Grans  anuis  et  mescheance 

Li  pulst  awan  avenir; 
Lie  est  ke  me  fait  languir. 
K'il  est  ensi 
24  Ke  ja  feme  n'amera  sen  vrai  ami. 

35  k  je;    nach  k  ist  ein  Buchstabe  ausradiert. 


13* 


196  JoltLuines  Spanke. 

IV.  J'ai  servi  si  longhement 

Ell  pardon  et  ea  bäanche 
Que  ja  guerredonement 
28  Ne  quic  avoir  n'eskeaiiche; 

Trop  est  faus  ki  aservir 
Se  laist  por  amour  servir; 
K'il  est  ensi 
32  Ke  ja  ferne  n'amera  sen  vrai  ami. 

V.  Se  j'ai  parle  folement 

Ne  dit  nule  outrequidanche 
De  ferne,  je  m'en  repent; 
36  Mais  ire  et  desesperanche 

M'a  fait  avoir  cest  a'ir 
Dont  encor  ne  puis  issir. 
K'il  est  ensi 
40  Ke  ja  ferne  n'amera  sen  vrai  ami. 


m. 

Rayn.  676;  Hs.  fol.   176. 

I.  Je  m'esmervelle  forment, 

Quel  talent  j'ai  de  chanter 
Au  mal  d'amer  ke  je  sent; 
4  Et  se  n'i  doi  pas  penser, 

Ke  pour  mal  ki  me  febloie 
N'iert  ja  mes  fins  cuers  sans  joie; 
Tout  Ten  ai  garni; 
8  J'ai  euer  mignot  et  joli 

Et  tout  vestu  d'amours. 

IL  Si  m'estraint  trop  crüelment 

Ca  poi  ke  g'i  puis  durer; 

12  Li  maus  ki  au  euer  me  prent, 

Me  feroit  desesperer; 
Mais  bone  amours  me  ravoie 
Ke,  pis  ai,  plus  m'est  en  voie, 

16  Ainc  ne  me  guerpi. 

J'ai  euer  mignot  et  joli 
Et  tout  vestu  d'amours. 

III.  Mout  est  faus  ki  se  repent 

20  A  nul  jour  de  bien  amer; 

Mais  desespoirs  taut  sovent 
Les  biens  c'amours  puet  doner; 


II.  25   Stengel:  j'ai  für  aDgeblich  in  der  Hs.  stehendes  ja;   die  Hs. 
hat  jedoch  j'ai.    34   Stengel:  mule  (wohl  Druckfehler). 

III.  1    Stengel:  m'esmerveille.     9  (Et)  Stengel.      15  ki  pis  ai  Stengel. 


JXe  Gedichte  JeJiani^  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     197 

Si  douchement  nie  guerroie 
24  Amours  ke  ja  ne  kerroie 

C'on  ait  mal  pour  li. 
J'ai  euer  mignot  et  joli 
Et  tout  vestu  d'amours. 

'2^       IV.  J'emploie  bien  men  torment, 

Amour  en  voel  merchier; 

Quant  de  bone  darae  esprent 

Men  desir  et  men  penser, 
32  Pas  ne  quier  k'ele  soit  moie 

Ne  mais  ke  par  sen  gre  m'oie. 
Che  quierent  ami. 

J'ai  euer  mignot  et  joli 
36  Et  tout  vestu  d'amours. 

V.  Onkes  d'amer  hautement 

Ne  vauc  men  fin  euer  oster; 
Miex  aim  honeraulement 
40  Morir  e'a  honte  escaper; 

Dame,  s'ades  languissoie 
Por  vos,  ja  ne  me  tenroie 
Pour  cou  a  träi. 
44  J'ai  euer  mignot  et  joli 

Et  tout  vestu  d'amours. 


IV. 

Rayn.  No.  821;    Hdschr.  fol.   174  v^^; 

I.  J'ai  grant  piech'a  delaie  le  chanter; 

Or  m'en  done  voloir  novelement 
Tres  bone  amours  cui  ne  puet  oublier 
4  Mes  jolis  cuers  ki  tous  a  li  se  rent; 

Ma  dame  au     commenchement 

M'en  a  proie; 
Che  me  fait  chanter  de  euer  lie 
8  Et  esperer  ke  j'avrai  garison, 

Ke  je  fac  par  sa  volente  chanchon. 

II.  Combien  e'amours  m'ait  fait  mal  endurer 

Et  travellie  et  pene  longhement, 
12  N'ai  je  voloir,  darae,  de  refuser 

Tout  vo  plaisir  ne  vo  commandement; 
S'il  vos  piaist  ke  si  faitement 


■24  krerroie  Stengel.    30   espent  Stengel.    32   kier  St. 


108  JoliaunP!<   S/xnike. 

Me  soit  jugi6 
16  C'ad^s  vos  serve  sans  pitie, 

S'aim  asses  miex  languir  en  vo  prison 
Ke  a  jöir  de  vos  par  träison. 

III,  Ja  ne  me  quier  de  vos  servir  oster, 

20  Por  tant  morrai  ke  j'aie  autre  talent; 

Helas,  comment  oseie  a  vos  penser! 
Vostre  amours  m'a  travellie  si  griement 
C'au  siecle  par  devaut  la  gent 
24  Me  soDt  changie 

Soulas;  tant  m'aves  travellie 
K'em  moi  ne  truis  mais  c'une  vision 
Ki  nuit  et  jour  rae  ramentoit  vo  non. 

28        IV.  Bone  dame,  quaut  je  puis  remirer 

Vo  douc  sarablant,  vo  biau  contenement 
Ke  tous  li  mons  doit  prisier  et  löer, 
Tout  me  covieut  oublier  mon  torment, 
32  Se  eis  gries  maus  trop  crüelment 

M'a  guerroie, 
N'ai  je  pas  pour  cou  euer  irie, 
Ains  en  vol  bien  endurer  le  fuison; 
36  Et  quant  vos  piaist  m'en  rendes  guerredon. 

V.  Et  s'en  la  fin  ne  puis  merchi  trover 
En  vos,  dame,  la  u  grans  biens  apent, 
Voellies  sans  plus  otroier  et  greer 

40  Ke  vos  puisse  servir  entirement 

Mon  vivant,  car  je  douc  sovent 

Don  de  congie; 
Car  j'avroie  euer  esragie 
44  Ne  je  n'avroie  ja  mais  entention 

Fors  de  morir  sans  nule  räencon. 

VI.  J'ai  envoie 

Mon  chant,  plus  n'i  ai  atargie 
48  A  ma  dame  ki  est  de  grant  renon; 

S'öir  le  violt,  j'ai  espoir  de  pardon. 


V. 

Rayii.  No.  865;  Hdschr.   fol.   175  v». 

1.  Se  che  n'estoit  pour  ma  dame  houerer, 

Jamals  au  pui  ne  diroie  chancon; 
Car  j'en  voi  ciaus  sovent  l'oneur  porter 
Ki  de  chanter  ne  sevent  un  boten; 


IV.  16  Hs:  ades  serve;  27  me  fehlt  in  der  Hdschr. 


Die  Gedichte  Jehan' s  de  Rmti  und  Oede's  de  la  Couroiei^ie.     199 

Li  juge  fönt  leur  grant  hontage 
Ki  pour  parens  ne  pour  grant  signorage 
Donent  a  ciaus  le  courone  et  l'onour 
8  Ki  ne  sevent  trover  ne  ke  pastour. 

II.  S'uns  riches  hom  a  aukes  a  doner, 

Avoir,  denier  u  autre  pens'ion, 
II  doit  tres  bien  tout  partout  remirer 
12  U  11  le  puist  emploier  par  raison, 

Si  k'il  ait  apres  tesmoignage, 
S'il  a  tres  bien  parti  sen  iretage; 
Car  eil  kl  l'a,  est  de  grande  valour; 
16  C'autrement  done,  11  fait  trop  grant  folour. 

III.  Nus  ne  seit  si  a  droiture  esgarder 

Ke  ma  dame  ki  m'a  en  sa  prison; 
J'ai  en  li  mis  tout  men  euer  sans  fauser 
20  N'ainc  ne  requls  envers  11  trälson; 

Nencore  n'a  prls  men  bommage, 
Alns  veut  ancois  esprover  par  usage 
Se  je  sul  dlgnes  de  rechevolr  s'amour; 
24  Je  Ten  alm  miex,  s'eu  oubli  ma  dolour. 

lY.  Je  m'esraervel  ke  nus  ose  penser 

A  rechevolr  avantage  ne  don 
S'll  n'est  dignes  k'il  se  puist   bien  roster 
28  De  che  de  coi  11  fait  petition; 

Mals  li  pleur,  11  sot  volage 
Conqulerent  plus  par  glUe  et  par  outrage  — 
Che  voit  on  ore  avenlr  cascun  jour  — 
32  Ke  eil  ki  sont  rete  de  vrai  labour. 

Y.  Se  ma  dame  ne  me  veut  oublier, 

J'avral  par  tans  de  mes  maus  garlson; 
Miex  ne  puls  faire  ke  de  11  honerer 
36  Se  ja  vers  moi  torne  s'entenfion ; 

Et  s'ades  est  vers  moi  salvage, 
En  11  amer  al  fait  men  grant  damage; 
C'on  dlst  piech'a:  ki  sert  malvais  slgnour, 
40  II  conqulert  plus  tristreche  ke  baudour. 


VI. 

Raynaud  No.  999    Hdschr.  fol.  175. 
I.  Plus  ke  onkes  mais  ne  suel, 

Sul  d'amours  polns  et  sousprls; 
Pour  che  plaindre  ne  me  voel, 
4  Ke  dame  kl  a  der  vis, 

V.   14  eil  a  Hs.;  qu'il  a  Hist.  litt.;    15  et  eil  qui  l'a  soit  Hlst.  litt. 
35  honer  Hs. 


200  Johannes  Spanke. 

Joenete,  verraelle  et  blanche, 
M'a  mis  en  une  esperanche 
K'encore  s'araour  avrai; 
8  Che  me  soustient  sans  esmai. 

II.  D'une  riens  me  doiit  et  duel 

Ke  n'en  soie  arriere  mis, 
K'il  n'ait  en  son  euer  orguel 

12  Couvert  de  savereus  ris; 

Mais  sa  tres  douche  sarablanche 
Me  retaut  ceste  doutauche 
Et  si  oel  riant  et  gai 

16  Garni  d'amourous  apai. 

III.  Dame,  de  vo  douc  acuel 

Sui  plus  baus  et  plus  jolis 
Ke  n'est  oisellons  en  bruel; 

20  Je  ne  serai  ja  faintis 

De  faire  vostre  voellanche, 
Dame  de  tres  grant  vaillanche; 
J'ai  de  tout  moi  sans  delai 

24  Fait  vostre  ami  fin  et  vrai. 

l\.  Ha,  dame,  faites  recuel 

De  raon  euer,  s'iere  garis; 
II  n'ose  passer  le  suel, 

28  S'il  n'est  du  vostre  saisis; 

Faites  des  ij  racordanche! 
Si  sera  mis  en  en  soufranche 
Li  maus  dont  je  languirai. 

32  Se  de  par  vos  confort  n'ai. 

V,  Tous  me  desconfis  et  muel 

Ke  soie  apeles  amis, 
Dame  il  n'a  en  mon  euer  fuel 

36  Ki  ne  soit  tous  plains  escris 

Des  biens  de  vos,  dame  franche; 
Je  n'ai  en  autrui  fianche 
K'en  vos  a  cui  je  m'atrai 

40  Car  aillours  merchi  ne  sai. 


VII. 

Rayn.  No.   1123;  Hs.  fol.   172  vO; 
I.  Amours  par  sa  courtoisie 

M'a  un  mignot  sens  done 
De  faire  chancon  jolie; 
Si  chant  par  sa  volente 

VI.  ö  jovenete  Hs. 


Die  Gedichte  Jehan's  de  Renti  und  Oede''s  de  la  Couroierie.     201 

En  espoir  d'avoir  aniie; 
C'est  la  riens  c'ai  covoitie 
Plus  toiis  jours  et  desirre 
8  Sans  nul  voloir  de  folie. 

11.  _         J'aim  dame  bien  ensegnie 

Et  plaine  de  grant  bonte, 

Tant  est  de  valour  garnie 
12  Ke  je  n'aroie  conte 

Jamals  ses  biens  a  moitie; 

Che  me  fait  vivre  a  haskie 

Ke  n'a  euer  entalente 
1(5  De  nostre  amour  faire  onie. 

III.  Si  tost  con  je  l'euc  choisie 

Me  iist  un  assaut  prive 

De  ses  iex  ki  m'  ont  ravie 
20  Si  trestoute  raa  sante 

Ke  s'a  moi  ne  s'umelie 

Par  pitie  pour  riens  c'on  die, 

N'iere  raais  jour  sans  griete; 
24  Tant  Taim  d'amour  en  asprie. 


VIII. 

Rayn.  No.   1263:  Hs.  fol.  176  v»; 

I.  Jehan  Bertel,  .j.  Chevalier 

Sai  c'amours  mainent  si  grieraent 
K'il  n'ose  sa  darae  proier 

4  Ne  descovrir  sen  grief  torment. 
On  dist  ke  mout  estes  senes: 
Je  vos  demant,  se  vos  loes 
K'il  li  fache  par  autrui  dire, 

5  ü  il  se  tiegne  en  ce  martyre. 

II.  Jehan  de  Renti,  de  legier 

Vos  en  dirai  mon  escieut: 

Je  lo  puis  k'il  est  u  dangier 
12  D'amours  et  k'il  les  maus  en  sent 

Ke  ses  affaires  soit  celes, 

Si  ke  nus  hom  de  mere  nes 

Ne  Sache  s'il  a  mal  u  ire; 
16  Je  n'i  sai  milleur  raaaistire. 

VII.  16  Vor  onie  ist  in  der  Hdschr.  ein  h  ausradiert  worden. 

VIII.  12  et  ki  les  Hs.     16  j'en  i  Dinaux,  jeni  Hs. 


202  Johannes  Spanke. 

III.  Bertel,  eil  fait  malvais  mestier 

Ki  coile  sen  empirement; 
Geiers  d'amours  fait  sens  cangier 

20  Et  entrer  en  despoirement ; 

S'uns  hom  est  ens  u  cors  navres, 
Je  di  k'il  est  plus  ke  derves, 
S'il  ne  le  mande  errant  au  mire 

24  En  cui  se  garisons  se  mire. 


IX. 
Rayn.  No.   1416;  Hs.  fol.   175  vO; 

I.  Onkes  ne  seuc  chancon  furnir 

Ne  commenchier  joliement, 
Se  je  n'euc  aucun  sovenir 
4  De  ma  dame  a  cui  je  rae  rench; 

Quant  bone  amours  nie  fait  present 
De  sa  biaute,  en  remirant 
Je  la  remir  et  desir  tant 
8  Ke    j'ai  par  cel  desir  savoir 

Dont  ma  chancon  sai  esmovoir. 

II.  Je  n'ai  pas  voloir  de  träir 

Amours  ne  ma  dame  ensement, 

12  Ains  voel  bien  pour  s'amor  languir, 

Et  si  me  dout  encor  sovent 
C'amours  ne  me  get  de  torment; 
Gar  on  a  veu  maint  amant 

16  Ki  de  joie  aloit  empirant; 

Et  il  ne  me  caut  de  doloir, 
Mais  c'amours  me  fache  valoir. 

III.  Gil  ki  beent  a  acomplir       • 

20  Leur  desiriers  desloiaumenl 

Par  losengier  et  par  meutir 
Sont  plus  guerroie  asprement 
Ke  eil  ki  aiment  vraiement; 
24  Nus  tormens  ne  me  va  grevant, 

Ains  vois  bone  amour  mereliiant 
De  che  k'ele  dengne  voloir 
Ke  je  la  serf  a  mon  pöoir. 

28        IV.  Ma  dame  est  plaine  sans  faillir 

De  si  grans  biens  parfaitement 
K'en  li  veoir  en  li  öir 
En  li  regarder  douchement 
Pren  je  trestout  l'alegement 

23  si  li  Hs. 


IHe  Gedichte  Jehans  de  Renti  vnd  Oede^s  de  la   Couroierie.     203 

De  coi  je  me  vois  confortant; 
Amis  ki  plus  va  covoitant 
Ke  sa  dame  souvent  veoir. 
36  La  bee  en  fia  a  dechevoir. 

V.  Araours  ne  voelle  ja  soufrir 
Ke  j'aie  en  moi  euer  ne  talent 
Fors  de  ma  dame  bien  servir 

40  Sans  nul  autre  covoiteraent; 

Ke,  plus  m'art  amours  et  espreut, 

Tant  ai  je  plus  le  euer  joiant; 

Je  me  vois  ausi  deduisant 
44  As  maus  ke  me  fait  rechevoir 

C'uns  autres  des  deduis  avoir. 

VI,  Cancbon,  a  Renti  te  present 
A  Andriu  Chevalier  vaillant, 

48  Di  lui  k'il  ait  euer  desirant 

D'amours  servir  et  main  et  soir, 
Sans  li  ne  puet  nus  bons  paroir. 


X. 

Raynaud  No.  1558;  Hs.  fol.  173  vO. 
I.  Li  rousignoles  jolis 

Ke  j'och  chanter  sour  la  branche, 

Ne  m'a  mie  en  voie  mis 
4  De  la  douche  ramembrancbe 

Ki  me  vient  d'amors, 

Mais  uns  desirs  sans  folage 

Ke  j'ai  de  ma  dame  sage 
8  Servir  sans  faillir; 

J'ai  apris  a  bien  amer;  dius  m'en  laist  jöir! 

II.  Jöir  ne  doit,  che  m'est  vis 

D'amours  ki  sains  desevranche 
12  Ne  veut  estre  fins  amis 

Sains  gille  et  sans  dechevanche; 

C'est  trop  grans  folours 

De  kuer  ki  maintient  oiitrage; 
16  Puisc'  amours  a  fait  bomage; 

Teus  fais  est  provös: 

En  euer  joli  doit  manoir  debonairetes. 

III.  Debonairetes  toudis 

20  Sera  en  moi  et  souffranche; 


X.  1   rossignolös  Stengel;  Ders,:  20  moy. 


204  Johannes  Spanke. 

Dame,  si  m'a  si  souspris 
Vostre  amors  sains  deffianche 
Ke,  se  vo  doucours 
■24  Men  grief  mal  ne  m'asouage 

Et  le  dolor  et  le  rage 
Ke  je  por  vos  sent, 
Dame,  je  ne  puls  ensi  vivre  loughement. 

28       IV.  Longhement  me  sui  nourris 

D'une  jolie  esperanche 

Ki  me  disoit  ke  merchis 

Estoit  en  vous,  dame  franche; 
32  Trop  est  vos  secours 

En  lontain  pelerinage; 

Amours  par  son  signorage 

M'i  laist  recourer 
36  E  diex  ki  set,  raerchi!  je  ne  la  puis  trorer. 

V.  Trover  ne  puis  jou  chaitis 

En  amour  nule  aleganche 

Et  si  aim  miex  ke  saisis 
40  Soie  de  pesme  atendanche 

Ca  penser  aillours; 

Ne  ja  en  tout  mon  eage 

Por  nul  petit  avantage 
-^4  N'arai  euer  failli; 

Dame,  j'atendrai  debonairement  merchi. 

VI.  Chancons,  sans  demours 

Va  t'ent,  garde,  plus  n'atarge, 
48  Droit  a  Avions  te  nage, 

A  bon  Jehan  di: 
Nus  n'avera  ja  joie,  s'il  na  euer  joli. 


XI. 

Raynaud  No.  1807;  Hs.  fol.  174. 

I.  Se  loiautes  a  en  amour  pöoir, 

J'arai  joie,  je  le  sai  vraiement, 
Car  j'ai  ame  toudis  sans  decbevoir 
Ne  ja  nul  jour  n'amerai  autrement; 
Mais  che  me  fait  un  petitet  doloir 
C'on  dist  c'amours  est  de  tele  nature 


22  desfianche,  24  mon;  27  dame  fehlt  in  Hs.;  puis  gaires  ensi  Stengel, 
32  vo  secours  Stengel.  39  sais  Hs.;  Säis  Stengel.  46  Ghancon  Stengel, 
Guesnon  (/.  c  S.  13)  trennt:  Chancons,  sans  demours  vat'ent 

Garde  plus  n'atarge. 

.50  Nus  n'a  joie  Hs.,  Nus  n'amere  n'a  joie  Stengel. 


Die  Gedichte  Jehaiis  de  Renti  und  Oedes  de  la  Couroierie.     20o 

Que,  quant  plus  met  li  hom  en  li  sa  eure 
8  Plus  Toublie  tost  et  legierement. 

II.  Et  non  por  quant  ne  tien  je  mie  a  voir 

Che  c'oii  m'a  dit  ass^s  novelement; 

Vilaine  gent  me  fönt  tous  jours  savoir 
12  Ki  ont  perciut  raen  amourous  torment, 

Ke  je  mete  amours  en  noncaloir, 

K'ele  destruit  ciaus  de  sa  nourreture; 

Mais  il  mentent  :  amours  n'est  mie  sure 
16  Fors  ke  a  ciaus  ki  aiment  fausement. 

III.  Ki  de  euer  sert  et  de  loial  voloir, 
Tout  si  travail  ne  li  grievent  noient; 
Mais  eil  ki  bee  amours  a  dechevoir, 

20  Quant  il  en  faut,  c'est  eil  cui  rage  prent; 

Ne  d'autre  gent  ne  me  sai  perehevoir 
Ki  ait  d'amours  fors  ke  bone  aventure 
Fors  ke  de  eiaus  ki  par  leur  fole  ardure 

24  önt  volente  d'ovrer  desloiaument. 

IV.  Dame,  en  eui  j'ai  mis  men  milleur  espoir, 
Verrai  jou  ja  venir  rajornement 

Ke  me  peust  vostre  amour  eschäoir 
28  Ke  je  desir  tant  debonairement? 

Ke  je  ne  puis  por  vös  mal  reehevoir 

Dont  je  n'aie  tres  ehiere  la  pointure 

Car  bone  amors  me  dist  et  asseure 
32  C'on  a  honeur  par  souffrir  douehement. 

Y.  Tant  a  en  vos  courtoisie  et  savoir, 

Pris  et  valour  et  bon  entendement 

Ke  je  n'en  quier  men  penser  removoir 
36  De  vos  nul  jour,  bone  dame  au  eors  gent; 

Et  se  ferai  eucor  por  vos  paroir 

Mainte  changon  et  mainte  envoiseure, 

Car  ki  aime  dame  de  grant  mesure, 
40  II  se  doit  bien  tenir  joliement. 


XII. 

Rayn.  2084;  Hs.  fol.   174. 

I.  L'autrier  errai  m'ambleure 

Par  d'ales  une  fontaine 
Et  vi  par  bone  aventure 
4  Pastoureaus  en  une  plaine 


XI.  29  pe  je  puis  Hs.    40  joliemen  Hs. 


206  Johannes  Spanke. 

Ki  aloient  devisant 
Une  feste  et  pourparlant 
K'il  feront  le  jour  de  may; 
8  Et  Bernes  se  va  vantant 

K'il  dira  du  virellai: 
Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virellai. 

II.  Herbers  dist  k'envoiseure 
12                 Fera  ki  pas  ii'iert  vilaine 

Cote,  mantel  a  parture 

De  burghie  a  tiretaine. 

Pour  miex  sanier  preu  sergant 
16  Portera  un  grant  perchant 

En  ses  .ij.  niains  u  un  rai 

Ke  eil  ne  voisent  grouchant 

Ki  orront  le  virelai: 
20  Sus  sus  au  virelliu,  sus  sus  au  virelai. 

III.  „A  defoi,  malaventure 
Aie  je,  se  je  me  paine", 
Dist  Wales  d'Achesneure, 

24  „Faire  de  liu  ne  de  laiue; 

G'irai  en  .j,  sach  tumaiit; 

On  m'ira  plus  regardant, 

Je  le  sai  tout  sans  delai, 
28  Ke  vos  k'ires   cointoiant 

Par  amours  le  virellai: 

Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virelai. 

IV.  Quant  j'euc  öi  leur  murmure, 
32                 U  tant  ot  parole  vaine, 

Par  d'autre  part  a  droiture 
Trovai  touse  gente  et  saine; 
S'amour  li  allai  priant, 

.36  Ele  respont  maintenant: 

„Plus  bei  ami  de  vos  ai, 
Berne^on,  qui  va  chantant 
As  danses  le  virelai: 

40  Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virelai' 

V.  „Ha,  tres  douche  creature, 
Plus  gente  que  chastelaine. 

Je  vos  donrai  vesteure 
44  D'escarlate,  tainte  en  graine, 

Et  blanc  cainse  träinant"    — 
Tant  li  pramis  en  blangant 


XII.  23  d'Achesineure  Hs.;  d'Achesneure  Bartsch. 


J)ie  Gedichte  Jehaiis  de  Renii  und  Oede's  de  Ja  Coitroierie.     207 

Ca  terre  la  souvinai; 
48  La  li  apris  tout  esrant 

La  note  du  virelai: 
Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virelai. 

VL  Baudiues  a  le  grant  hure 

52  ~  K'u  cor  contrefait  l'araine 

Perchut  toute  la  morsure 

De  moi  et  de  Tribaudaiiie; 

„Bernecon",  va  escr'iant, 
56  „Tu  vas  t'amie  perdant; 

Maintenant  aperciut  ai 

C'uns  vassaus  en  sovinant 

Li  aprent  le  virellai: 
('>0  Sus  sus  au  virellin,  sus  sus  au  virelai", 

Vn.  Geste  chose  fut  mout  sure; 

Bernet,  quant  le  sot  certaine 

De  raautalent  et  d'ardure 
64  Devint  plus  vers  d'iine  raine; 

Apres  moi  s'en  vint  courant, 

D'un  grant  cailleu  en  ruant 

Me  fist  voler  ens  ou  brai; 
68  Sacies  c'adont  n'oi  talant 

De  chanter  du  virelai: 

Sus  sus  au  virellin,    sus  sus  au  virelai. 


2.    Die  Lieder  des  Oede  de  la  Couroierie. 

I. 

Rayn.  No.  210;  überliefert  in  K  fol.  199,  N  fol.  95  und  P 
t'ol.   174.     K  ist  dem  Text  zu  Grunde  gelegt. 

I.  Trop  ai  longueraent  fet  grant  consivrance 

Des  maus  que  je  sent,  dire  et  regchir; 
Mes  gel  faz  pour  ce  que  c'est  grant  viltance 
4  De  complaindre  soi  qui  s'en  puet  souffrir; 

Et  ne  pas  pour  quant  je  tieng  a  enfance 
Et  a  nicete  qui  par  amaance 
De  crier  merci  se  lesse  morir. 

»        II.  Morir  me  vient  melz  qu'en  tel  doleur  vivre, 

Bien  voi  que  ma  dame  en  trop  gros  l'a  pris; 
Mult  vilainement  de  moi  se  delivre, 
Mes  il  ne  Ten  cliaut,  car  bien  Ta  apris; 

I.  1  Mult  a  longuement  fer  grant  consievrance  N,  consievrance  P; 
2  de  maus  N;  3  jel  faz  por  N,  jel  fac  por  P,  enfance  K;  5  por  NP, 
esfanche  P;  8  meuz  N,  dolor  NP,  viuvre  K. 


208  Johannes  Spanke. 

12  Et  se  je  recort  les  maus  qu'el  me  livre, 

Ne  sai  que  je  faz  ne  se  je  fusse  ivre; 
Dont  je  li  requier  qu'el  me  tiengne  a  pris. 
III.  Apris  ai  d'amors  trestout  mon  äage, 

16  Or  en  sui  plus  fox  qu'au  commencement; 

Mes  je  me  pourpens  qu'il  n'en  est  nul  sage, 
Ja  tant  n'en  avra  apris  longuement; 
Or  me  face  amors  un  tel  avantage 

20  Qu'ele  me  partut  ou  qu'el  m'asöage 

Les  maus  qu'ai  soffert  debonairement. 


IL 
Rayn.  Nr.  215;  überliefert  in  K   fol.   201,  N   fol.  96  und  P 
fol.  174;  die  vierte  Strophe  fehlt  in  P;  dem  folgenden  Text  liegt  K 
zugrunde. 

I.  Tout  soit  mes  cuers  en  grant  desesperance; 

Je  chanterai,  car  amors  m'i  semont 
Pour  alegier  mon  euer  et  ma  pesance 
4  Et  la  dolor  qu'amors  trere  mi  fönt; 

Si  sachent  bien  amors  que  s'eles  n'ont 
De  raoi  merci,  ce  sera  vilanie 
Car  je  les  ai  trop  longuement  servies 
8  De  euer  verai 

Ne  ja  ne  m'en  retrerai 
D'aus  servir  toute  ma  vie. 
IL  Amors  m'ont  mis  en  si  tres  grief  pensee 

12  Que  je  sai  bien  que  james  n'en  istrai; 

Se  n'est  ensi  que  cele  a  qui  je  bee, 
Par  sa  franchise  ait  grant  merci  de  moi  ; 
Que  je  l'aim  tant  et  touz  jorz  l'amerai 
16  De  euer  loial  esprouve  sanz  faiutise 

Que  ja  mes  cuers  n'avra  ce  qu'il  devise 
Si  par  li  non 
En  qui  gist  la  guerison 
20  Du  mal  qui  si  me  justise. 

III.  D'amors  m'estuet  et  clamer  et  complaindre 

Quant  ce  me  faut,  ou  ra'estoie  atendu; 
Car  j'ai  ame  de  euer  loial  sanz  faindre 
24  Dont  guerredon  ne  m'est  one  or  rendu; 


12  chiaut  P;  13  fac  P,  ne  que  se  fusse  KNP,  yvre  NP;  14  quel  nel 
t.  KP,  quel  mel  N  (das  1  in  mel  ist  nachträglich  eingeschoben),  15  trestot 
NP;  16  ore  K,  folP,  fouxN;  ITnussagesN;  18  avrai  N;  20  m'asouage 
P;    21  max  qu'ai  sofferz  debonerement  N,  soufert  debonerement  P. 

II.  2  ge  N,  amorP;  I.  3  por  N  P;  5  celes  K,  eles  P;  9  recrerrai 
N,  repentirai  P;  10  d'euls  N,  d'eus  I,  tote  P;  13  enci  P;  15  toz  NP 
jors  P;     19   ma  K  N;    21    conplaindre  N;    24   gueredon  P. 


Die  Gedichte  Jehmi's  de  Renti  imd  Oede^s  de  la  Couroierie.     209 

Amors  si  ont  seur  moi  leur  arc  teadu, 
Si  mont  navr^  d'une  säete  ague 
Qui  m'est  el  euer  que  point  ne  s'en  remue; 
28  Ne  ne  fera 

Tant  com  ma  dame  plera; 
C'est  s'amor  qui  si  m'argne. 
IV.  Las,  je  plaing  plus  que  dire  ue  porroie, 

32  Ainz  mes  nus  hons  n'ama  si  loiaument; 

De  li  sanz  plus  me  vient  toute  ma  joie, 
Que  je  ne  pens  a  nule  autre  vivant; 
Pechie  fera,  se  pitie  ne  Ten  prent, 
36  Car  j'ai  pour  li  mainte  dolor  eue 

Et  si  souspir  nuit  et  jor  et  tresue, 
Quant  me  souvient 
De  li  qu'a  son  esc'lent 
40  A  son  trop  grant  tort  me  tue. 

V.  Chancou,  va  t'en  a  ma  tres  douce  amie, 

Por  qui  je  muir,  et  de  par  moi  li  di 
Qu'ele  fera  trop  mortel  felonie 
44  S'el  met  eusi  ma  dolor  en  oubli; 

Que  j'ai  souffert  et  souffrerai  pour  li 
Geste  dolor  tout  en  bone  esperance 
D'avoir  s'amor  et  sa  douce  acointance, 
48  Sanz  qui  briemeut 

Des  tres  douz  max  que  je  sent 
Ne  puis  avoir  alejance. 


III. 

Raynaud  No.  216;  erhalten  in  K  fol.  202  und  N  fol.  97;  der 
vorliegende  Text  stützt  sich  mit  Ausnahme  der  vierten  Strophe,  die 
nur  in  N  steht,  auf  K. 

I.  Chancon  ferai  par  grant  desesperauce 

Et  ue  pour  quant  ne  m'en  deüst  tenir; 
Car  d'amors  n'ai  fors  corot  et  pesance 
4  N'avant  u'apres  ne  m'en  pout  bien  venir, 

N'a  la  joie  ne  cuit  ja  uvenir 
Dont  j'ai  touz  jorz  eu  tel  desirrauce; 
Si  grieve  trop  amors  a  maintenir 
8  Dont  Teil  n'atent  fors  coroz  et  pesance. 

25  sor  moi  lor  N  P;  26  seete  N  P;  27  ne  point  K;  29  con  P 
30  s'est  N;  IV  fehlt  in  P;  32  onc  N,  hom  N;  33  tote  N;  36  per  N 
37  tressue  N;  41  t'ent  N;  4Ö  soufferrai  N,  souflferaiP;  per  PN;  46  tote  P; 
49  maus  P;    50  alegauce  P. 

III.  2  neporquant  N;  3  coros  N;  4  pot  N;  ö  cuic  N;  6  eue  N; 
8  coros  N; 

ZtBchr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt,  XXXII  i.  14 


210  Johannes  Spanke. 

II.  Je  chant  souvent  quo  voleiitiers  plorroie, 

Mes  je  le  faz  pour  niesdisanz  grever, 
Quant  iiie  voient  chanter  et  mener  joie, 

12  Dont  leur  faz  je  les  cuers  de  duel  crever; 

C'est  la  guerre  qui  ne  puet  affiner 
Que  de  partir  de  bone  araor  la  joie; 
Mauves  blasme  en  puet  on  alever: 

16  Mult  est  eil  fox  qui  vers  araors  guerroie. 

III.  Je  me  doi  bien  desconforter  et  plaindre 
Quant  ce  me  faut  on  ra'estoie  atendu; 

Et  s'ai  ame  de  loial  euer  sans  faindre 
20  Dont  guerredon  ne  m'est  onc  or  rendu, 

Leur  niautalent  m'ont  mesdisanz  vendu, 
Maiiit  mal  m'ont  fet,  ne  sai  li  quels  est  graindre: 
Mes  puls  que  tant  me  sui  d'aus  deffendu 
24  En  leur  dangier  ne  be  plus  a  remaindre. 

IV.  Remaindre  fönt  mesdisanz  mainte  joie 
Endroit  de  moi,  Tai  bien  aperceu; 

Ceus  m'ont  träi  dont  je  ne  me  gardoie; 
28  Mes  ja  por  ce  n'avrai  le  euer  meu; 

S'a  ceste  foiz  m'est  d'araors  mescheu, 

Amors  Tont  fet  por  ce  que  meuz  m'essaient; 

L'on  me  devroit  tenir  a  recreii, 
32  S'a  bien  amer  por  mesdisanz  Ie?soie. 

V.    ,       Chanson,  va  t'en,  salue  moi  m'amie, 
A  ceste  foiz  seras  mon  mesagier, 
Pour  dieu  di  li  que  je  li  mant  et  prie, 

36  S'onques  m'ama  ne  se  de  riens  m'ot  chier, 

Ces  granz  dolors  me  face  assoagier, 
Ou  autrement  el  n'aime  pas  ma  vie; 
Ele  me  puet  et  veudre  et  engagier, 

40  Si  fet  pechie  quant  el  me  contralie. 


IV. 

Raynaud  No.  321;  das  Lied  steht  in  K  fol.  200  und  N  fol. 
96;  die  fünfte,  schlecht  überlieferte  Strophe  steht  nur  in  N;  dem 
folgenden  Text  liegt  in  den  andern  vier  Str.  K  zu  Grunde. 

I.  Ma  dcrreniere  vuel  fere  en  chantant. 

Pour  ce  qu'amors  l'aient  en  remenbrance, 

10  por  mesdisanz  greve  N:  12  dont  lors  faz  je  de  duel  les  cuers  N 
14  fine  amor  N;  IG  foux  N;  21  Lor  N;  22  11  quex  N;  23  mes  ne  puls  N 
24  lor  dangier  N;  Str.  IV  steht  nur  in  N;  33  Chancon  N;  35  por  de  N 
36    m'ont  N. 

IV.  1   vueil  N. 


Die  Gedichte  Jelion.s  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     211 

Que  que  je  chant  li  cuers  vet  deschantant, 
4  Com  eil  qui  est  alez  sanz  recouvrance; 

Cele  ou  jai  mis  mon  euer  et  m'esperance 

Me  fet  morir;  si  fet  graut  mesprison, 

Car  hontes  est  d'ocire  ?on  prison, 
8  Puisque  du  tout  m"avoit  en  son  daiigier, 

Bien  düast  donc  son  euer  vers  moi  ehangier. 

n.  Amors  out  fet  de  moi  grant  miröer: 

Qui  sages  est,  graut  essample  i  puet  prendre; 

12  Au  commeucier  me  cuidoie  jöer, 

Mes  or  me  veut  amors  sou  gieu  eher  veudre, 
De  jor  eu  jor  me  fet  merci  atendre; 
S'est  loing  cc  jour,  quaut  il  ne  puet  venir, 

IG  Mes  se  ma  dame  daiguoit  souvenir 

Que  j'ai  pour  li  souffert  et  eudure, 
Le  mal  que  j'ai  n'eust  pas  taut  dure. 

III.  Frauche  dame,  bieu  voi  que  je  mespraing 

20  Quant  contre  vous  faz  si  aspre  complaiute; 

Mes  li  granz  maus  dont  j'art  touz  et  espraing 

Et  li  sousis  qui  la  chiere  m'a  tainte 

Me  fet  ensi  eomplaindre  et  esmoier; 
24  Et  se  dieu  plest  jos  ferai  essaier 

Qu'ainz  recroirroiz  de  moi  cantralier 

Que  je  d'auier  ne  de  merci  crier. 

lY.  Par  deu,  dame,  fort  m'est  a  consirer 

28  De  vous  vöer  uu  jour  en  la  semaiue 

Seur  toutos  riens  me  fetes  desirrer 

Yostre  gent  cors  qui  taut  nra  livre  paiue; 

Se  g'en  escbap  ee  sera  a  grant  paine; 
32  Petit  ai  pris  et  assez  delitie; 

Mes  sensi  biau  eors  ue  trouvoit  pitie, 

Je  diroie  que  il  n'en  seroit  poiut; 

Pour  ee  pri  dieu  qu'il  vos  mete  a  droit  point, 

36         V.  Chaneou,  va  t'eu  au  marinier  d'amors, 

Et  si  li  di  que  de  moi  li  souviengne; 
A  li  sont  touz  mes  plainz  et  mes  elamors, 
Si  est  bien  droiz  qu'el  au  coufort  m'en  viengue; 

40  Qu'eschapez  est.  gart  soi  qu'amors  uel  tieugne! 


4  cou  N;  9  vers  moi  son  euer  N;  10  mireoir  K;  11  essanple  N; 
12  conmencier  —  jouer  N •  löloignN;  16  sovenir  N:  17  por  li  soffert  N; 
20  dure  complainde  N:  21  tout  et  espraig  N;  22  et  sousis  N;  23  eom- 
plaindre N,  esmaier  N:  25  recrerrezW;  27  deu  amors  fort  N,  consierrer  N, 
consieurerK;  28  de  vos  voer  un  jor  N;  29  toute  riens  K;  31  fehlt  in  N; 
33  biau  fehlt  in  N,  trouvoie  K  N;  35  deu  N.  Str.  V  nur  in  N;  Varianten 
der  Hs.:    39  qu'au  confort:    40  eszchapez  est. 

li* 


212  Johannes  Spanke. 

Car  s^autre  t'oiz  Tont  amors  bieii  teuu, 
Porpense  soi  a  quoi  j'en  sui  venu; 
Je  sai  de  voir  que  qui  bien  le  savioit, 
44  James  d'amer  bon  corage  n'avroit. 


V. 

Rayu.  No.  1740;  überliefert  in  K  fol.  203,  N  fol.  98;  der  folg. 
Text  stützt  sieb  auf  K. 

I.  Desconfortez  com  eil  qui  est  sauz  joic 

Ferai  cbancou  pour  mon  euer  resjöir; 
Si  me  merveil  qui  a  ehanter  m'avoie, 
4  Quant  je  ne  puis  de  mes  amors  jöir; 

Se  dex  n'est  sorz,  bien  me  devroit  öir 
Qu'il  me  venjast  de  ceus  qui  par  envie 
Ont  desevre  a  tort  moi  et  m'amie; 
8  Mes  poi  leur  vaut 

Quelque  part  que  li  cors  aut 
Li  cuers  reraaint  a  m'amie. 

IL  Mes  cuers  aime  cele  qui  me  guerroie, 

12  Ne  d'autre  amer  ne  se  puet  consentir, 

Mult  m'a  este  de  li  corte  la  joie, 
Por  un  seul  bien  m'a  fet  cent  maus  sentir; 
Mes  moi,  qu'en  chaut,  ne  m'en  puis  repentir, 
16  Ainz  cri  merci  a  ma  dame,  m'amie, 

S'onques  m'araa  qu'ele  ne  mi  doit  mie 
Si  esloignier; 
Car  Ten  dit  en  reprouvier: 
20  Qui  bien  aime  a  tart  oublie. 

IIL  Dame,  de  vous  a  departir  me  grieve, 

Mauves  conseil  avez  vers  moi  creu; 
Merveiües  est  que  li  cuers  ne  me  crieve 
24  Des  granz  deduis  qu'avons  ensenble  eu; 

Or  sont  eil  lie  qui  vers  vous  mont  neu, 
Vivre  mi  fönt  a  duel  et  a  martire, 
Le  jor  longuis,  la  nuit  plor  et  souspire; 
28  Mes  s'autrement 

N'ai  de  vous  alegement 

Je  sui  mis  a  grant  martire. 


41  car  autre. 

V.  2  fere  eh.  por  N ;  5  sortN;  SlorN;  lOremaitN;  11  mes  euer 
N;  12  mes  d'autre  .  .  .  ses  puet  N;  14  max  sentir  N;  15  mes  ra.  . .  qu'en 
chaut  (hinter  dem  m  ist  etwas  ausradiert).  18  ne  me  doit  N;  21  vos  N; 
22  moi  eu  N;  24  deduiz  N,  euz  N;  25  vos  N;  27  pleur  N,  soupire  N; 
29  vostre  alegement  N ;    30  sui  a  K. 


I)ie  Gedichte  Jehayis  de  Renti  und  Oede's  de  la  Couroierie.     213 

IV.  Dame,  sachiez  et  bien  vos  en  souviengne: 

o2  Riens  n'avez  fet  que  m'eussiez  pramis, 

Et  s'il  vous  plest,  de  moi  pitie  vous  prengne, 
Que  je  vous  serf  conme  loiax  amis. 
Vostre  gent  cors  en  grant  paiue  m'a  rais; 
06  Pou  m'a  dure  de  vous  la  compaignie; 

Li  cuers  me  faut  et  la  langne  rae  lie 
Quant  rae  souvient, 
Qu'a  departir  me  couvient 
40  Ci  a  dure  departie. 

V.  Chanson,  va  t'en  et  demande  m'aniie 

As  maus  que  j'ai  se  de  riens  m'aidera; 
Et  si  li  di  qu'el  ne  m'ocie  mie 
44  Que,  s'ensi  muir,  reprochie  li  sera, 

A  cest  besoing  verrai  qu'el  mi  fera, 
N'est  pas  amours  qui  touz  jorz  n'est  onie; 
Et  nuit  et  jor  Tai  loiaument  servie 
48  A  mon  povoir ; 

Or  me  fet  apercevoir: 

Por  pou  liGt  qui  n'aime  mie. 


31  sachez  N,  couvieuge  (in  rasura;  N;  32  n"avez  que  u'eussiez  IS; 
33  vos  N,  praigne  K;  34  vos  serf  comme  N.  36  vos  la  compaigne  N; 
39  covient  N;    41  Chancon  N:    42  as  max  N;    44  reproucbie  N;    46  amors 

N;     48  pooir  N:    ÖO  poi  N. 

VI.   All  111  erklingen. 

1.    Zu   Jehan    de  Renti. 
I. 

1.       Ki  ii'areroit    hone    aniour    fall    hommage ;    bone    amour    ist    als    PerSOU 

gedacht  und  steht  daher  als  Dativ  ohne  Präposition;  vgl.  Vers  7  et  port  ma 
dame  honour. 

10.  hi  ne  se  veid  ohsir:  obi'lv  soi  im  Sinne  von  obeir  ist  bei  Godefroy 
nicht  belegt;  se  ist  daher  wohl  als  Dat.  eth.  aufzufassen. 

13.  ki  2>lus  fönt  Veschape;  trotz  des  pluralischen  Subjekts  steht  der 
durch  Reim  und  Metrum  gesicherte  Singular  eschape;  Beispiele  ähnlichen 
Gebrauchs  von  faire  =  representer  im  Afrz.  und  Prov.  und  ihre  Erklärung 
siehe  bei  Tobler  in  seinen  Verm.  Beitr.  I-  169  ff. 

18.  ke  ja  le  .  .  .  :  ke  =  ki  wie  auch  III.  lö;  ähnlich  steht  pikardisch 
se  für  si;  Vgl.  die  Anm.  zu  III.  4. 

42.  ki  Biauvii's  doit  tenir;  vgl.  das  von  Godefroy  im  Compl.  angeführte 
.  .  a  s'abaie  qu'il  dovoit  maintenir.     „Loh.,  Ms.   Montp.  fol.  88  a". 

•  II. 

5.    amours  =  Liebesempfindungen;  vgl.  die  Anm.  zu  Oede  IL  25. 
7.    Zu  dem  Refrain  diosos  Gedichts   vgl.  den  Refrain   eines  Ijiedes 
Adan's  de  le  Haie: 

Or  est  ensi 
Ke  fatenderai  merci  (Bcrger  No.  X). 


214  Johannes  Spanke. 

20.  fittuis  et  mtschüaitct  11  pulst .  .  .  Das  Vorb  stebt  im  Singular,  da 
die  beiden  Subjekte  synonj-me  Bedeutung  baben;^^)  ebenso  V.  36.  37. 

26.  en  pardon  =  vergebens,  obne  Entgeld;  vgl.  die  Friere  Theophilus 
(Groebers  Z/s.  I.  247)  Vers  2: 

Cor  nti.t  iie   vovs  slert,   dame.^   longement  cm  pardon, 
III. 

4.  se  =  si  (sie)  wie  öfter  in  pik.  Hss.  des  13.  und  14.  Jhs. ;  vgl. 
XI.  37.  Und  doch  darf  ich  nicht  daran  (d.  li.  an  das  mal  d'amer)  denken. 
Ähnl.  Rayn.  Mot.  I.  L.  23. 

Et  s\ii  hont  rolente 
D'ntendre  le  gueredon. 

11.  e  ;*'»■;«//*•  durer  \  der  Ausdruck  scheint  bei  den  Lyrikern  des 
13.  Jhs.  sehr  beliebt  gevresen  zu  sein;  besonders  oft  findet  er  sich  in  den 
von  Raynaud  herausgegebenen  Motetten.  Als  Bestandteil  eines  Refrains 
tritt  er  auf  in  dem  Rec.  de  Mot.  I.  CXVII. 

11,  travellie  hat  hier  nodi  den  seinem  Etymon  näherstehenden 
Sinn  „gequält" 

12.  N^ai  je  bekannte  Inversion  im  nachstehenden  Hauptsatz;  ebenso 
Vers  34. 

20.     Por  iant  =  lieber,  eher. 

24.     Me  sont  cliangic  soulns;  ähnlich  wie  hier,  in  der  Bedeutung  „ver- 
ändern, verwirren"   steht  changier  in  VIII.  19:   Cehrs  d'amoursfait  sens  cangier= 
„macht  verrückt";    vgl.  ferner  Eust.  Desch.  ('ed.  Rayn.)  V.  3.'i7: 
Trop   in'cst  changiez  U  temps  et  la  maniere 
Depuis  le  j'our  que  je  nie  deparli  .  .  . 

38.  En  vos,  dame,  la  u  .  .  .  \  ähnlich  Gillebert  de  Bern.  (ed.  Waitz  in 
Festsclir,  für  Gröber).     V.  1.     J/a  dame.,  la  oii  je  pens. 

39.  Sans  plus  =  ohne  weiteres;  vgl.  Gill.  de  Bern.  XXIX.  1.  3: 

(S'e  ma  tres  doitce  dame  chiere 
Me  voloit  sanz  pluz  Commander. 
42.     Don    de    coiigie;    don    hat    die   Bedeutung    „action    de    donner"; 
Belege  s.  bei  Godefroy  im  Comp}. 

V. 

8.  w«  ke  pastour;  der  Vergleich  zwischen  der  Unfähigkeit  von  Dichtern 
mit  der  primitiven  Kunstübung  von  Hirten  findet  sich  auch  in  einem  Spott- 
gedichte des  Peire  d'Alvernhe  (Appel's  Chrest.  S.  117): 

.Mas  tt  rhautar  lor  er  nlliors 

Qii' entremetre  naiig.  c.  pastors 

Q'us  no  sap  que'  s  montu  o  ■  s  dissen, 

10.  pension  =  regelraäfsig  in  bestimmten  Zeitabständen  ausgezahlte 
Summe;  Belege  s.  bei  God.  im  Compl. 

If).  Car  eil  hl  Va  :=  denn  der,  welcher  es  (richtig  verteilt)  hat.  Uew 
Gegensatz  bringt  der  folgende  Vers:  C'nutrement  done.  Die  von  P.  Paris 
vorgenommene  Veränderung  zu  • 

Et  dl  qui  Va  solt  de  gr.  v. 

würde  den  Sinn  cnt/^l  eilen. 

®i)  Vgl.  L.  Kraftt,  Person  und  Numerus  des  Verbs  im  Fi-anzö.s.  Göttingen 
1904,  S.  80. 


Die  Gedichte  Jehaiis  de  Renii  und  Oede's  de  la  Couroierie.     215 

22.    par  usage  durch  längeren  Verkehr. 
27.    rosur  sich  bemächtigen. 

32.  rete  =  reputati.  Die  von  God.  angeführten  Belege  zeigen  rete 
stets  in  der  Bedeutung  ..(übel)  beleumundet'-. 

39.      Con  dist  piech'a:  vgl.  Rayn.  1.  C.  I.   CCIX.  28; 

Si  m'acort  hien  a  ce  k'eii  dit  bowiement 
Que  U  kons  qui  mauvaU  seigneur  strt 
Mauvais  hier  aient. 

Eine    andere   Form    des   Sprichwoi-ts   gibt   der   Roman    du   Renard  8.  410 
(nach  Le  Roux  de  Lincv,  Prov.  fr.  II.  98): 

De  iel  seigneur  lel  louier. 

Ähnlich   der  von  Le  Roux  de  L.  nach  den  „Prov.  Gallic."  zitierte  Spruch 

Qiii  bon  seigneur  sert,  bon  loier  en  aitmd. 

VI. 

oü  ff.  Das  Leid,  an  dem  der  Dichter  leidet,  wird,  wenn  ihn  die  Dame 
erhört,  selbst  in  Leid  versetzt  werden  —  eine  in  ihrer  Kühnheit  an  die 
Abstraktionen  der  römischen  Kunstdichter  erinnernde  Personifikation. 

33.  muel;  wenn  wir  das  Wort  als  1.  Ps.  S.  Pr.  von  mouloir  auffassen 
(s.  0.  S.  35),  bietet  nur  der  Sinn  eine  gewisse  Schwierigkeit.  Me  muel  würde 
heifsen  „ich  zeiTnahle,  verzehre  mich'-.  Die  Bedeutung  pafste  gut  in  den 
Zusammenhang,  läfst  sich  aber  durch  kein  Beispiel  belegen.  Vielleicht 
stellt  der  Gehrauch  von  mou/oir  soi  in  abstrakter  Bedeutung  eine  sprachliche 
Lizenz  unseres  Dichters  dar,  deren  Auftreten  durch  die  Armut  der  Sprache 
an  Reimwörtern  auf  -uel  ihre  hinreichende  Erklärung  findet  und  auch  sonst 
Jehan  de  Renti  leicht  zuzutrauen  ist. 

VII. 
6.     Vgl.  Raynaud  /.  --•.  I.  ;54.  6: 

C'est  la  riens  del  mont  que  plus  desir. 

16.  De  ttosire  umour  faire  onic:  oni  bedeutet  gewöhnlich  „gleich,  ebea- 
bürtig"  (s.  God.  sowie  ßerger  1.  c.  S.  450);  von  der  Liebe  gesagt,  deutet  es 
wohl  auf  das  auf  beiden  Seiten  gleiche  Entgegenkommen  hin.  Verfehlt 
dürfte  die  Übersetzung  mit  ..modeste,  simple"  sein,  für  die  .sich  God.  auf 
folgenden  Beleg  stützt: 

Amors  doit  estre  toule  ounie 
Sans   orgoil  et  sans  mllonie. 

18.    prive  =  geheim:  vgl.  Rayn.  I.e.  I.  272.  14. 

Que  du  prive  larron  ne  se  puet  on  garder. 

VIII. 

I.  Die  Form  Bertel  steht  oft  in  pik.  Texten  neben  Bretel  wie  hregtronmte 

neben  bergeronnete  n.  ä. 

II.  Ob  das  handschriftliche  ii  les  eine  Verschreibung  oder  eine  aut 
der  Aussprache  beruhende  Haplographie  darstellt,  ist  zweifelhaft. 

16.  mäaisüre  (magisterium=Kunst,  Rat) ;  die  durchs  Metrum  gesicherte 
Form  müaistire  kommt  nur  an  unserer  Stelle  vor;  die  gewöhnliche  ist 
maistire  (dreisilbig).  Mäaisüre  ist  vielleicht  als  Verschmelzung  aus  der  bei 
God.  belegten  halbgelehrten  Form  maiestire  und  der  häufigeren  mnittire  auf- 
zufassen.    Vgl.  Berger  Lehnwörter     S.  168. 


216  Johannes  Spanke. 

17  flf.  Zum  Sinne  vgl.  das  von  Lc  Roux  de  Lincy  II.  472  zitierte 
Sprichwort: 

Amovr  ne  se  puet  celer. 

20.  wenn  er  es  (das  Herz)  nicht  schnell  dem  Arzte  anvertraut. 

IX. 

14.  </eter  <h  tormtut  (von  God.  zweimal  belegt)  =  aus  dem  Leid 
entrinnen  lassen.  Der  Dichter  fürchtet  sich  also,  sein  Leid  möge  aufhören, 
da  er  dessen  erhebenden  und  veredelnden  Einflufs  nicht  entbehren  möchte. 

30.     h'en  li  veoir  en  U  öir;  vgl.  Colin  Muset  (ed.  Bedier)  VI.  42: 

Et  U  veoir  et  li  öir. 

o'}.    vüoir  =  besuchen:  s.  Berger  1.  c.  S.  78. 
42.     Tant  ai  je  vgl.  Anm.  zu  IV.  12. 

X. 

21.  Damt  si  ma  si  souspris;  Vgl.   Rayu.   1.  C.   XXXIII.  5: 

Si  ma  souspris. 

39.  Der  Sinn  der  Schreibung  Stengels  aim  miex  ke  Suis  soie  ...  ist 
mir  unverständlich. 

40.  Vgl.  Gillebert  de  Berneville  VII.  1.  8.  Puisque  la  vi,  ne  seit  aiUor 
penser. 

49.  „bon  Jehan^  ist  vielleicht  als  ein  Eigenname  aufzufassen.  Vgl. das 
im  Registre  des  Jongleurs  auftretende  „pro  bono  Bretel  Jehan"  (s.  Guesnon, 
Nouv.  rech.  S.  32). 

50.  Vgl.  oben  S.  61.  Stengel's  Ei'gänzung:  Xus  [amereja]  rCa  joie  .  . 
scheint  mir  zu  weit  hergeholt;  ich  schlage  die  den  Sinn  des  Überlieferten 
weniger  verändernde  Ergänzung  vor: 

Nm  n'afvera  ja]  joie. 

XL 

Der  Sinn  der  zweiten  Strophe  ist  in  der  überlieferten  Form  unklar. 
Verständlicher  würde  er  durch  die  Schreibung  m'entent;  allerdings  bietet 
God.  für  il  mentmt  =  ^es  leuchtet  mir  ein"  keinen  Beleg. 

21  ff.  Sinn :  keinen  andern  kenne  ich,  der  in  der  Liebe  nur  Glück 
hat,  als  die,  welche  in  ihrer  tollen  Brunst  unehrenhaft  bandeln  wollen. 

26.  Verrat  jou  ja  veuir  l'ajornement.  eine  Phrase,  die  von  den  Arraser 
Dichtern  mit  Vorliebe  angewandt  wurde.  Besonders  oft  findet  sie  sich  iu 
den  Motet's  der  Sammlung  Raynaud's. 

37.     Et  se  .  .  .  vgl.  Anm'  zu  III.  4. 

XII. 

14.  huryliier  wird  von  God.  übersetzt  mit:  faire  subir  au  drap 
une  certaine  preparation.  Burghie  ist  also  ein  auf  diese  Weise  behandelter 
Stoff.  Das  Wort  scheint  mit  borge  verwandt  zu  sein,  das  nach  God.  eine 
Stoffart  bezeichnet.  -  Tireiaine  ist  nach  God.  ein  halb  aus  Leinen  halb  aus 
Wolle  bestehendes  Tuch. 

15.  Pour  miex  satiler  preu  sei-gant;  sanier  in  der  Bedeutung  „gleichen, 
darstellen"  (=  simulare  aliquem)  regiert  im  Afrz.  teils  den  Dativ,  teils 
den  Akkusativ.     Vgl.  Aiol  1085: 

//  le  resamhlt  miex  qu'homt  qui  vive, 
Yvain  646:  Ne  vuel  pas  sanbler  le  (/aig7ion. 

18.     (jroucher  nach  God.  =  murmurer. 
25,     „ich  werde  sacklaufen." 


Die  Gedichte  Jehans  Je  Renti  und  Oedes  de  la  Conroierie.     217 

2.    Zu  Oede  de  la  Couroierie. 

I. 

1.    Ahnlich  der  Anfang  eines  Motetts  (Rayn.  I.  250): 

3Iult  ai  longuement 

Amt'  de  fin  ctier  hi'mment. 

5.    mfance  hier  =  Torheit.     Vgl.  Gillebert   de  Bern.     YlII.   4.   7.: 

Trop  fet  fjrant  enfance. 

IL 

9.     Xe  ja   ne  inen  retrerai  Vgl.  Rayn.   I.   o4.   18  :    Ne  ja  ne  m'eii  partirni. 

'2b.  Amors  si  ont  seur  mol  lor  arc  iendu.  Die  Personifikation  der  Liebe 
ist  von  Vers  '>  an  durch  das  ganze  Gedicht  im  Plural  durchgeführt,  was 
an  und  für  sich  nicht  auiFällig  ist.  Doch  unser  Vers  legt  den  Gedanken 
nahe,  dafs  dem  Dichter  die  geflügelten  und  pfeilbewehrten  Amores  (Cupidines, 
"EpcoTsc)  der  Alten  vorgeschwebt  haben.  Diese  Annahme  erregt  aber  aus 
dem  Grunde  Bedenken,  weil  dieses  Bild  der  gesamten  provenzalischen  und 
altfranzösischen  Lyrik,  soweit  ich  sie  habe  übersehen  können,  fremd  ist. 
Auch  hat  gerade  der  antike  Dichter,  der  wohl  für  eine  Übertragung  des 
Begriffes  ins  französische  Mittelalter  allein  in  Betracht  käme,  nämlich  Ovid, 
denselben  nur  selten  und  nur  in  formelhaften  Wendungen  gebraucht  (\'gl. 
den  Artikel  Amor  im  Thesaurus  Jinr/uae  Lat.).  Catull  und  Properz  waren 
bekanntlich  im  Mittelalter  so  gut  wie  unbekannt.  Es  ist  daher  wohl  an- 
zunehmen, dafs  an  unsei'er  Stelle  eine  rein  zufällige  Zusammenstellung  der 
Begriffe  ..Liebesempfindungon"  und  „Verwundung  des  Herzens  durch  die 
Liebe"  vorliegt.  Das  ist  um  so  wahrscheinlicher,  weil  das  zweite  dieser 
Motive  in  der  altfrz.  Lyrik  garnicht  selten  ist.    Vgl.  z.  B.  Rayn.  II  .XIjIV  8: 

Mais  eile  (die  Dame)    niuit  si  navreit  (Tun  darf  ou  cors 
Ke  nuiis  ne  Tan  puet  oster. 

Bartsch,  Lanyue  et  Lilt.fr.  S.  ")16  (Sotte  ch.): 

An  vous  esgardeir 
Fui  d'un  dairt  navreis. 
Clef  d'Amors  520:  .  .  .  hs  jolies  pensees 
Sont  des  dars  amourous  naffrees. 

Von  demselben  Standpunkte  aus  ist  nun  natürlich  auch  der  Vers 

Amoiirs  m'ont  narrr  d'un  dort  si  crueument. 
(Ro.  VII.  102)  zu  beurteilen. 

111. 

7.  'jrieve  ist  als  unpersönliches  Verbum  aufzufassen. 

8.  „von  der  einen  nur  Verdrufs  und  Kummer  erwartet". 

24.     he  ist  die  alte  (e-lose)  Form  der  1 .  Ps.  Sing.  Pr.  von  beer. 

IV. 

1.     derreniere,  wohl  zu  ergänzen:  volente  i.s.  God.). 

7.    son  prison  seinen  Häftling. 

19.  Zur  dritten  Strophe  ist  zu  bemerken,  dafs  nach  Vers  22  ein 
Vers  fehlt  —  wohl  eine  Nachlässigkeit  des  Dichters. 

22.    sousis  =  souci  (s.  God.):  „die  Sorge,  die  mein  Antlitz  gebleicht  hat". 

33.  Der  Grund  des  Verschreibens  von  trouvoit  zu  troucoie  lag  wohl  iu 
einer  falschen  Auffassung  von  sensi  (s'en  si  statt  des  ri(  htigen  s'tnsi). 


t>  1  8  Johannefi   Spanke. 

36.  Der  Sinn  der  A^'crse  36  39  ist  im  .  Zusaumienhang  mit  dem 
Übrigen  unklar,  wohl  wegen  dor  mangelhaften  Überlieferung.  Was  unter 
marinier  d'amors  zu  verstehen  ist,  bleibt  unverständlich. 

40.     Das  überlieferte  eszchopez  est  ist  wegen  des  Folgenden  wohl  zti 

Quescfiapez  (=  Qni  eschapez)   eM  zu   verändern. 

V. 

5.  'S'e  dex  nest  surz  —  vielleicht  eiue  Reminiszenz  an  eine  bekannte 
Erzählung  der  Bibel. 

19.  Das  zitierte  Sprüchwort  tindet  sich  nach  Le  Rou  de  Lincy 
(II.  472)  in  einem  Manuskript  des  Corpus  Christi-College  von  Cambridge 
unter  nProverbes  de  Fraunce"  in  der  Form: 

Chi  bien  aime  tard  oblie. 

Es  bildet  den  Anfang  einer  unedierten  Chanson  des  Ms.  ß.  N.  847  fol.  194  v^'. 
40.     Ci  a  dtire  departie;  der  Ausdruck  ist  vielleicht  dem  berühmten 
Kreuzlicd  des  Hugues  de  Berze 

S^onkes  nus  hom  por  Jure  departie 

entnommen. 

46.    onie  vgl.  die  Anmerkung  zu  Jehan  de  Renti  VII.  16. 

50.  Por  pou  het  qui  naiine  m/'e  -  ebenfalls  vielleicht  eine  biblische 
Reminiszenz.  Als  Sprichwort  wird  der  Vers  von  Le  Rou  de  Lincy  und 
von  Tobler,  Prov.  au.  Vilain,  nicht  angeführt. 

Meschede.  Johannes  Spanke. 


Zur  Textkritik  von  Rigoiiiers  Schlussepisode. 

Rigomer-Schlußepisorle  und  kein  Endel  kann  mau  füglich  aus- 
rufen. Der  Hrsg.  der  „Turiner  liigomerepisode"  liat  wohl  nicht 
geahnt,  als  er  Feist's  Abschrift  herausgab,  welche  Folgen  dies  haben 
würde.  Um  so  verwunderlicher,  als  eine  große  Zahl  anziehender, 
wichtiger  und  gedruckter  Texte  noch  immer  einer  Bearbeitung  harrt. 
Es  erschien  zuerst  E.  Brugger's  lange  Anzeige  (Ztschr.  f.  franz.  Spr.  u. 
Lit.  XXX"-  129— 15G),  die  durch  den  Umstand  veranlaßt  war,  daß 
auch  er  s.  Z.  eine  Abschrift  des  Textes  genommen  hatte.  (Auch  ich 
hatte  s.  Z.  eine  solche  genommen,  aber  verloren  (1877)^  s.  Rom.  Ztschr. 
II,  78,  21.)  Dies  veranlaßte  mich,  den  Besitzer  einer  Abschrift  des 
Originals,  zu  einem  textkritischen  Exkurs  (diese  Zs.  XXXII  ^  81  —  124), 
dem  ich  im  letzten  Augenblick  den  Text  der  Urschrift  selbst  voran- 
schickte, weil  ihr  bloßer  Abdruck  eine  ganze  Reihe  von  ott'eneu 
Fragen  und  den  gi'ößten  Teil  der  unsicheren  Textstellen  sofort  klar 
stellte.  Bevor  ich  mich  zu  diesem  Abdruck  entschloß,  wandte  ich 
mich  am  24.  März  1907  nach  Chantilly,  ob  nicht  im  letzten  Jahre 
der  betreffende  Teil  der  Hs.  dort  abgeschrieben  oder  eine  Photographie 
von  ihm  beschafft  worden  sei,  wobei  ich  des  Herrn  stud.  Pessen- 
Berlin  gedachte,  der  sich  gleichfalls  au  H.  Macon  gewandt  hatte. 
Er  hatte  auch  bei  mir  angefragt,  ob  ich  „beabsichtige,  den  Rigonier- 
roman  herauszugeben"  und  ob  ich  ihm  nicht  meine  Abschrift  der 
Schlußepisode,  die  er  als  Dissertation  kritisch  bearbeiten  wolle,  mit- 
teilen wolle.    Ich  antwortete  am  28.  Februar  d.  J meine  Ansicht 

[darüber],  die  1300  Zeilen  zu  einer  Dissertation  zu  verarbeiten,  d.  h. 
ein  Bruchstück  aus  einem  erhaltenen  Roman  von  1 7  000  und  einigen 
100  Zeilen  —  nach  einer  späten  Abschrift,  während  da»  Original 
derselben  erhalten  ist  (denn  Tui-in  ist  aus  Chantilly  abgeschrieben i) 
und  zwar  wie  Sie  sagen,  kritisch,  ist  doch  eine  sonderbare  Aufgabe. 
Das  würde  ich  als  Aufnahniearbeit  ins  Sem.  kaum  annehmen,  denn 
es  ist  in  einer  Woche  bequem  zu  machen.  Noch  dazu  ein  gew. 
pik.  Text,  also  eine  Mundart,  die  wir  am  besten  kennen.  Zu  einer 
solchen  Arbeit  möchte  ich  meine  Hand  nicht  geben.  Haben  Sie  sich 
denn  mit  Herrn  Prof^  Tobler   beraten?     Hat   er    seine  Zustimmung 

^)  Natürlich  vom  Sehr,  etwas  modernisiert  in  der  Orthographie,  in  seine 
Mundart  unigp.schrieben  und  dann  nnd  wann  paar  leichte  Besserungen  Jiiid 
ganz   kleine  Änderungen,  die  sich  jeder  Schreiber  erlaubt. 


220  *  W.  Foerster. 

gegeben?  2)  Überlegen  Sic,  daß  so  viele  der  schönsten  und  gedruckten 
Texte  noch  nicht  bearbeitet  sind."  Darauf  gab  ich  ihm  eine  Reihe 
von  passenden  Themen  an  mit  dem  Ersuchen,  falls  er  eins  davon 
wählte,  mir's  mitzuteilen,  damit  ich  es  nicht  auch  hier  bearbeiten 
lasse,  worauf  Herr  Pessen  nichts  mehr  von  sich  hören  ließ.  Herr 
Macon,  Conservateur  adjoint  in  Chantilly  schrieb  mir  (Poststempel 
Chantillj'  26.  3-  07.):  .Tavoue  que  je  ne  me  souviens  plux  du 
tollt  du  genre  de  demande  de  M.  P.  ;  il  y  a  dSjä  longtemps  qu'il 
ma  4crit,  et  comme  la  hesogne  de  bibliotMcaire  est  la  moindre 
partie  des  fonctions  de  ma  lonrde  charge,  vous  comprendrez  sans 
peine  que  le  souvenir  d\ine  petite  affaire  ne  reste  pas  tres  net. 
Darauf  hin  schickte  ich  meine  im  Jahre  1874  genommene  und  gleich 
fertig  gemachte  Abschrift"^)  an  die  Redaktion,  mir  die  paar  kleinen 
etwa  nötigen  Änderungen  für  die  Korrektur  aufsparend.  So  erschien 
der  Text  in  dieser  Zs.,  leider  nicht  in  der  von  mir  gewünschten 
Form,  da  ich  wider  Erwarten  die  Druckkorreklur  in  den  Ferien  auf 
der  Reise  erhielt  und  gerade  die  Korrektur  des  Textes  ohne  das 
Manuskript  und  ohne  T  (Turiner  Text)  erledigen  mußte."*)  So  sind 
einige  Kleinigkeiten  stehen  geblieben,  die  ich  sonst  geändert  hätte, 
und  es  fehlen  ein  paar  Lesarten  der  Hs.,  die  in  meiner  Abschrift  am 
Rand  stehn  und  die  ich  s.  Z.  bei  Aufstellen  der  Var.  Lectio  über- 
sehen hatte.  —  Ich  war  daraufhin  E.  erstaunt,  als  ich  in  einer  Biblio- 
graphie „Possen  E.,  die  Schlußepisode  des  Rigomerromanes.  Kri- 
tischer Text  nebst  einer  Einleitung  und  Anmerkungen.     Berlin   1907, 


2)  Vgl.  jetzt  weiter  unten  meine  Bemerkungen  zu  den  Anm.  (S.  222) 
520,  820,  1196  und  zum  Text  397,  1182.  —  Ich  mufste  mein  Schreiben  hier 
a.nziehen,  da  Herr  Pessen  selbst  S.  9  Anm.  1  seiner  gedenkt  und  daraus 
den  Satz  „Turin  ist  aus  Chantilly  abgeschrieben"  zitiert,  den  er  im  Folgenden 
widerlegt  zu  haben  vermeint.  Die  Anregung  zu  seiner  Arbeit  erhielt  er 
(S.  1)  von  Herrn  Dr.  G.  Ebeling,  dessen  er  dankend  ebenda  gedenkt. 

3)  Ich  habe  die  Abschrift  der  17  271  Zeilen  des  Roraanes  am  20.  August 
1874  begonnen  und  am  7.  Sept.  vollendet,  wobei  zwei  Sonntage  in  Abzug 
zu  bringen  sind.  Die  Schlufsepisode  habe  ich  am  6.  (Nachmittag)  und 
7.  Sept.  abgeschrieben.  Dabei  ist  nicht  zu  übersehen,  dafs  die  Hs.  schon 
in  aller  Zeit  stark  benutzt  und  gelosen  worden  ist,  sodafs  nicht  nur  viele 
einzelne  Stellen,  sondern  auch  ganze  Seiten  abgewetzt  und  mehr  oder 
weniger  imleserlich  sind.  Auch  in  der  Schlufsepisode  gilit  es  viele  solche 
Stellen,  die  mir  jetzt  bei  der  Vornahme  der  Photographie  recht  in  die 
Augen  fallen.  T  hat  die  Hs.,  wie  seine  Lesungen  zeigen,  noch  in  unver- 
sehrtem Zustand  vor  sich  gehabt,  ich  ihn  damals  natürlich  nicht  benutzen 
können. 

*)  S.  eine  unvollständige,  auf  derselben  Reise  ohne  Manuskript  auf- 
gestellte Druckfehlerliste  S.  124.  Unter  anderem  ist  noch  zu  bessern 
S.  81  Z.  1  V.  u.  Erstere,  lies:  Letztere.  —  S.  83,  Z.  3  1.  letzten.  —  Z.  5  v. 
u.  1.  I,  38.').  —  S.  lOfi  V.  L.  848  zu  streichen.  —  S.  111  Z.  \om  streiche 
Apostroph.  —  S.  114  Z.  lir,9  lies:  Diex!  —  Z.  1179  aparillies.  —  S.  116, 
V.  L.  1255  noniir.  —  S.  118,  V.  L.  streiche  erstes  1326  V.  L.  — 
S.  124.  Z.  12  v.  u. :  Der  Text  ist  inzwischen  ausgedruckt,  kann  aber  freilich 
erst  nach  Fertigstellung  der  Beigaben  ausgegeben  werden.  Einige  Kleinig- 
keiten der  V.  L.  trage  ich  in  den  textkritischen  Pemerkungen  nach. 


Zur  Textkritik  von  Rigomers  Schlussepisode.  221 

Mayer  &.  Müller,  75  S.  8,  bar  2  M."  vermerkt  faud.  Aus  ihr  er- 
^fuhr  ich  auf  S.  2,  daß  Herr  Macon  wenige  Monate  vorher  die  neun 
Folioseiten  des  Textes  hatte  photographieren  lassen  und  ein  Exemplar 
Herrn  Pessen  in  großmütiger  und  nicht  genug  zur  Nachahmung  zu 
empfehlender  Weise  geschickt  hatte. 

Ich  kann  nun,  nachdem  ich  die  Dissertation  Pessens  durch- 
genommen habe,  nicht  sagen,  daß  ich  meine,  ihm  gegenüber  geäußerte 
Ansiclit  von  der  Unzweckmäßigkeit  einer  solchen  Arbeit  geändert 
hätte  —  ich  hätte  es  auch  dann  nicht  getan,  wenn  die  Dissertation, 
die  in  allen  ihren  Teilen,  sagen  wir,  eher  schwach  ist,  anders  aus- 
gefallen wäre.  Der  Versuch,  Turin  als  selbständig,  und  nicht  aus 
Chantilly  abgeschrieben  zu  erweisen  (S.  8 — 13),  ist  überhaupt  nicht 
ernst  zu  nehmen,  die  sprachlichen  Bemerkungen  (S.  14 — 19)  sind 
recht  elementar  und  unvollständig  und  die  Zuweisung  des  Verfassers 
an  die  „südliche  Pikardie,  das  Grenzgebiet  der  Isle  de  France" 
(S.  20)  nicht  richtig.  Am  Schluß  sind  „Kritische  und  erklärende 
Anmerkungen"  (S.  67  —  74)  angehängt,  die  neben  manchem  selbst- 
verständlichem oder  eig.  fernliegendem  oft  gerade  da  fehlen,  wo  man 
sie  am  ehesten  gesucht  hätte  und  daneben  manch  anfechtbares  ent- 
halten. 5)      Mich    beschäftigt    hier     bloß    der    Text,    den    ich    voll- 


*)  Auch  sonst  enthalten  sie  wenig  Brauchbares;  vieles  davon  ist 
weiter  unten  in  meinen  textkritischen  Bemerkungen  erledigt,  das  übrige 
Anfechtbare  (es  bleibt  dann  kaum  etwas  übrig)  gebe  ich  hier:  2.  zu  Estriguel 
wird  auf  Outregaks  Erec,  wo  Estreyaks  Var.  ist,  verwiesen.  Wie  kommt  das 
her,  da  Estriguel  eine  Residenz  (also  Ortschaft)  ist,  Outre-Gales  dagegen  ein 
Land!  Diese  Residenz  kommt  m.  W.  in  keinem  andern  Artusroman  wieder 
vor.  Nur  in  Rigomer  steht  sie  nochmals  6598  als  Esiringvel,  wohin  der 
König  zieht,  während  er  die  Königin  nach  Tintaguel  schickt.  —  24  lut/ 
T:  „vielleicht  fälschlich  auf  Artus  bezogen?"  Nein,  T  setzt,  was  auch  C 
kennt  (z.  B.  734),  das  spätere  Fem.  Im  (=  neufrz.)  ein.  —  61.  2.  übersetzt 
er  richtig  „dafs  sie  (die  puceh  von  Qintefuelle)  so  <;  besser  :  ebenso  >  tun 
wird",  was  er  dann  durch:  „der  Gefahr  ausgesetzt  sind,  von  dem  Usurpator 
seinem  Schwiu-e  geniäfs  getötet  zu  werden"  erklärt.  —  Doch  nicht,  sondern: 
von  ihr!;  s.  dazu  in  dieser  Zs.  —  69.  70  „home  hier  in  der  Bedeutung^  Lehns- 
mann, Vasall"  (vgl.  nf.  kommage")  —  dazu  ist  hier  kaum  eine  Veranlassung; 
natürlicher  ist  das  zunächstliegcnde:  „irgend  einen  Menschen".  —  108 
zu  streichen !  -  126  Comualle  „viersilbig,  wie  es  auch  Erec^  —  es 
kommt  überhaupt  nie  anders  vor  und  hat  auch  nie  anders  lauten  können.  — 
146  tos]  „tost  -j-  adv.  .?  >  toz,  in  unserer  Mundart:  tos";  nein,  tost  kommt 
nie  mit  adv.-s  vor,  also  auch  nie  als  toz;  dagegen  ist  das  ausl.  t  vor  fg. 
Kons,  verstummt.  —  172.  Aharies  der  Vorlage  Latte  T,  der  seine  Artusromane 
kannte,  richtig  in  Kahariez  gebessert;  dazu  P:  „[Kjahariez  mag  vielleicht 
durch  Carahes  177  beeiufiufst  sein  oder  auch  das  A'  vom  fg.  Namen  Cadonains 
(sie,  s.  dazu  weiter  unten)  hergenommen  haben."  Einen  Artusritter  Aharies 
gibt  es  nämlich  nicht,  der  Schreiber  von  C  muls  die  kleine  Iniziale  seiner 
Vorlage,  die  vielleicht  unleserlich  war,  übersehen  haben.  Der  aus  vielen 
Romauen  wohlbekannte  Ritter  heifst  immer  Gakanet,  Guheriei,  Gah{i)eris^  Gahares 
oder  Cahariet,  Caherihes,  Chaherks  (er  ist  der  Bruder  Gavams,  Neffe  des  Königs) 
und  darf  auch  nicht  mit  dem  berühmten  Caradues,  Caradis  verwechselt  werden. — 
•J40  hält  darnach  einen  Punkt  für  miiglich  —  lieber  nicht!  —  370—372. 
Nein;  erstes  Jou  sni  ist  =  Jd  sai.  —  375.  fois  :  moi  Assonanz!  Dies  bei  einem 


'2'2'2  IV.  Foersier. 

ständig  bebandle,  um  meine  Rigomemusi^abe  von  all  diesem  Neben- 
werke zu  entlasten.  Ich  bin  in  der  glücklichen  Lage,  alle  zweifel- 
haften Lesungen    mit    voller  Sicherheit    zu  entscheiden,    da  auch  icii. 

Dichter,  der  nach  den  identischen  Reimen  solch  erfolgreiche  Jagd  macht 
und  so  gern  reich  reimt,  anzunehmen,  empfiehlt  sich  doch  nicht;  es 
ist,  wie  so  oft  in  unserm  Text,  ein  Reim  fürs  Ohr  und  nicht  fürs  Auge  — 
.<  war  stumm.  470—474.  Hier  fehlen  in  T  fünf  Zeilen:  „Die  beiden 
Reimpaai'e  (avoUis :  voücs  und  triue :  miue)  sind  von  T,  falls  sie  in  seiner 
Vorlage  nicht  bereits  fehlten!!),  vielleicht  deshalb  ausgelassen,  weil  ihm  die 
mundartlichen  Formen  triue.,  miue  unbekannt  waren(I),  vielleicht  auch,  weil 
sie  undeutlich  geschrieben  sind,  wie  auch  mir  deren  Entzifferung  viel 
Mühe  verursachte."  Diese  Formen  gehören  ja  dem  N.  und  NO.  an,  also 
waren  sie  T  wohl  bekannt.  Sonst  aber  könnte  jemand  einen  Widerspruch 
in  dem  von  P  Gesagten  tinden  :  einmal  sollen  die  Zeilen  schon  in  seiner 
Vorlage  gestanden  haben,  dann  wieder  in  ihr  unleserlich  gewesen  sein, 
„wie  auch  mir  deren  Entztfferung  viel  Mühe  verursachte."  Damit  gibt  ja 
P  zu,  dafs  T  unsere  Hs.  vor  sich  hatte  und  abschrieb;  denn  die  Annahme, 
dafs  gerade  diese  Stelle  in  C  und  in  T'  unleserlich  gewesen  sein  soll,  ist 
doch  etwas  stark.  Die  Stolle  in  ('  ist  aber,  wie  die  Photographie  lehrt, 
tadellos  in  schöner,  unbeschädigter  Schrift  erhalten  und  dafs  miue  in  Hs.  »««"e  ge- 
schrieben ist,  kann  doch  angesichts  des  vorausgehenden  Reimes  triue  (so 
Hs.)  keine  „Mühe"  verursacht  haben.  —  Aber  auch  so  ist  die  Annahme, 
dafs  die  Verse  schon  in  der  Vorlage  von  T  gefehlt  haben  sollen,  unhaltbar; 
denn  dann  hätte  er  doch  nicht  unterlassen,  dem  zu  469  kvee  fehlenden 
Reimvers  zu  ergänzen,  wie  er  es  ja  sonst  stets  bei  einem  fehlenden  Vers 
seiner  Vorlage  (unseres  C)  tut.  —  519.  520  warum  T.. die  klare  Vorlage 
geändert,  wissen  wir  nicht,  aber  sicher  ist,  dafs  seine  Änderung  tourse  (st, 
fem.)  falsch  ist.  —  520.  „Das  zweite  und  dritte  Wort  ist  in  C  verwischt 
und  sehr  undeutlich.  Ich  hatte  ici prenent  (-}-  l)  gelesen;  Herrn  Dr.  Ebeling 
verdanke  ich  die  Lesart:  i  trueuent.'^  Die  Photographie  gibt  Viande  i  tr(u)euent 
se-l  carc/ie  |  ganz  deutlich  und  scharf;  einzig  der  Rechtshaken  des  r  ist  etwas 
verwischt;  u  selbst  ist  etwas  blafs,  aber  ganz  deutlich  und  klar  sichtbar.  — 
804  £t  Lanselot  torna  a  preu  (die  Hilfe  des  Bogenschützen);  P:  „L.  ist  obl. 
..ein  solches  Spiel,  das  er  dem  I..  zum  Vorteil  wendete'-  —  nein!  tomer  ist 
hier,  wie  oft,  absolut.  —  805  fus/  P:  „Baumstumpf".  Das  heUst  fust  nie, 
sondern  Holz,  Baum,  hier  Baumstamm.  —  820  (nous  arotix  taut)  nostre  cemin  ensaucie 
(exaltiare)  dazu  P:  ..Herr  Dr.  Ebeling  schlägt  vor,  encaucie  zu  lesen." 
Dies  empfiehlt  sich  nicht,  man  sagt  altfz.  wohl:  encaucier  eine  Person,  z.  B. 
renemi,  aber  nicht  encaucier  la  voie.  wie  SChon  die  Ableitung  lehrt.  —  9ü3  „estait 
(lat.  stai)  Anbildung  au  vait,  s.  Suchier  Gr.  1,773."  Aber  vadit  gibt  ja  selbst 
nur  va,  hat  also  seni  rdt  selbst  anderswoher,  wohl  von  fait.  —  973  toute  laforiest 
tentist  P:  „tentir,  t:an3.  =  wiederhallen  machen-.  Es  ist  absolut  ge- 
braucht „widerhallen",  traus.  kann  es  nur  ein  te7it!r  un  mot  u.  ä.  sein. 
Vielleicht  erwartete  T  fories;  aber  der  Schreiber  läfst  bereis  das  fem.  -s 
öfter  aus.  —  1103.  4  will  P  umstellen;  lieber  nicht.  —  1107  tout]  P:  „T: 
tous,  auf  mervelles  bezogen,  wäre  auch  richtig,  da  mervelh  zu  den  Subst.  ge- 
hört, die  im  NO.  auch  masc.  begegnen."  Schon  dem  Sinn  nach  wenig 
passend,  dazu  kommt,  dafs  merveilh  in  unserm  Text  nie  fem.  ist,  dies  aber 
auch  für  den  NO.  nicht  belegt  ist;  siehe  meine  Anmerkung  gr.  und  kl. 
Cliges  836,  und  dazu  Tobler  Rom.  Zs.  8,  294.  Ein  sicheres  Beispiel  hat  bis  jetzt 
nur  E.  Herzog  aus  seinem  Mace  291  cel  m.  beigebracht,  also  für  Zentrum!  — 
1196.  ^vasal,  bemerkenswerte  Anrede ;  Artus  betrachtet  seinen  Gegner  schon 
als  besiegt  (Ebeling)'-  das  ist  doch  nicht  der  Fall  :  rasal  war  damals  die 
allgemein  übliche  Anrede  (=  sire)  unter  den  Rittern,  so  regelmäfsig  im 
ganzen  Rigomer  (z.  B.  knapp  vorher  1574.!>.  15819.  16116)  und  sämtlichen 
Abenteuerromanen. 


Zur   Textkritik  von  Rigomers  Schlussepisode.  223 

jetzt  im  Besitz  der  Photographie  bin,  da  Herr  Macon  auf  meine 
Bitte  um  ihre  leihweise  Überlassung  auf  zwei  Tage  mich  mit  der 
Dedikazion  eines  Abzugs  der  neun  Folioseiten  in  liebenswürdigster 
und  liberalster  Weise  überrascht  und  hocherfreut  hat.  Ich  ergreife 
diese  Gelegenheit,  um  ihm  bereits  hier  (in  ausführlicher  Weise  muß 
ich  es  ja  aus  anderer  Veranlassung  in  meiner  Rigomerausgabe  tun) 
meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

Zuvor  einige  kurze  Bemerkungen  über  die  Behandlung  der 
handschriftlichen  Schreibungen.  P (essen j  hat  den  Text  nach  C 
(Chantilly-Photographie)  roh,  ohne  jeden  Versuch  einer  Scheidung,  ab- 
gedruckt, also  t',  w,  i  wie  in  der  Hs.,  kein  Akzent,  kein  Trema,  nur 
Apostroph  und  Auflösung  der  Abkürzungen.  Ebenso  hat  er  (dies- 
rait  Recht)  jede  Regelang  der  Schreibung  ausgeschlossen.  Dabei  löst  er 
alle  n9,  v9  oder  u9  stets  mit  nous,  vous  auf;  die  Schreiber 
(Rigomer  ist  von  fünf  (oder  vier?)  verschiedenen  Schreibern  geschrieben, 
die  Schlußepisode  von  zweien'^')  schwanken  zwischen  nous,  vous  und 
nos,  vos]  letzteres  steht  paarmal  gerade  im  Reim;  doch  ist  darauf 
kein  Gewicht  zu  legen,  da  sich  hier  ebenso  auch  7wus.  vous  findet. 
Ebenso  schwanken  alle  Schreiber  zwischen  m  und  n  beim  Nasal  vor 
Labial;  niVt  ist  einigemal  (nicht  in  der  Schlußepisode)  aufgelöst 
(stets  mout,  aber  einmal  mou(t):  n  und  u  (siehe  weiter  unten  zu  48) 
sind  in  vielen  Fällen  nicht  zu  unterscheiden,  in  andern  scharf  ge- 
schieden, besonders  der  erste  Schreiber  der  Episode  (bchr  nachlässig, 
mit  häßlicher,  hölzerner  Schrift)  setzt  nur  zu  oft  deutliches  n,  wo  der 
Sinn  sicher  u  verlangt,  so  daß  man  alle  solche  Fälle  nur  nach  dem 
Sinn  entscheiden  kann.  Dasselbe  gilt  von  e  und  o,  vgl.  veus,  peoir, 
1201,  cenhatre  1208,  pluisers  1314,  so  daß  man  bei  vot  und  vetwichi- 
weiß,  ob  er  v(u)et  oder  vo(l)t  schreiben  wollte.  Dasselbe  gilt  auch 
von  c  und  t.  Fehlerhafte  Interpunktionen  in  P.  erwähne  ich  nicht. 
Inwieweit  sein  Text  „kritisch"  ist,  zeigen  die  folgenden  Bemerkungen. ') 

1.    oiies]  =  C:  oiiez  P. 

12.  mangier]  mengier  P,  C.  —  duront  in  V.  L.]  =  Hs.; 
durent  P  gerade  der  Schreiber  dieses  Teiles  ist  im  Schreiben  von  e 
und  a  so  flüchtig,  daß  sie  oft  nicht  zu  scheiden  sind  und  einzig  der 
Sinn  entscheiden  kann.  Dasselbe  gilt  dann  bei  ihm  von  einer  Form 
des  0,  die  bei  andern  Schreibern  a  ist,  nämlich  a,  z.  B.  has  (st.  hois) 
öbb,  wo  aber  der  Sinn  o  sichert;  sein  a  hat  stets  den  oberen  runden 


^)  S.  13  meint  P  mit  Hinweis  auf  die  Scblufszeilen  des  in  demselben 
Band  enthaltenen  Fergus,  worin  sich  der  Schreiber  nennt  [s.  Martin  S.  235] : 
„Der  Schreiber,  dem  wir  das  Ms.  verdanken,  hiefs  also  Colin  h  Fruitier"'  — 
dies  ist  nicht  der  Fall;  doun  der  Fergus  (t.  100 — 122)  ist  wieder  von  einem 
andern  Schreiber  geschrieben,  wie  mir  Herr  Macon  auf  eine  besondere 
Anfrage  bestätigt. 

')  Ich  lege  meinen  Text  dieser  Zs.  und  dessen  Verszähluug,  die  mit 
P  stimmt,  zu  Grunde.  Wenn  bei  einer  Lesart  es  heifst  .  .  ]  =  C;  .  .  P, 
so  heifst  das,  dafs  P's  Lesung  falsch  ist. 


224  W.  Foerster. 

Bogen  weit  uach  links  gezogen:  o.  —  Gerade  bei  unserm  duront  ist 
furent  Z.  10  in  Hs.  zu  vergleiclien. 

23.    Chevaliers]  =  C;  cheualier  P. 

42.  [aj  plus  mal]  plus  [a]  mal  P.  nach  T.^) 

43.  Qintefuelle]  =  C;  Quintefuelle  P.  nach  T. 

46.  roiaume]  =  C;  roianme  P.  nach  eigener  Auffassung,  so  auch 
weiterhin  im  fg.,  bis  gegen  Schluß  endlich  das  einzig  mögliche 
roiaume  in  seinem  Text  erscheint  1158.  1286.  Paläographisch  läßt 
sich  u  und  n  in  zahlreichen  Fällen  überhaupt  nicht  scheiden,  was  mau, 
die  Photographie  vor  sich,  schön  sehen  kann,  so  gleich  49  deutliches 
ontrage,  63  entr'ans,  125  tons^  136  on,  147  conrans,  211  con 
(fou)^  224  desconlorees,  838  anra  usf.  —  Ein  roianme  ist  zudem 
lautlich  unmöglich.     Es  ist  roid(u)me,  der  bekannte  Pikardismus. 

48.  vout]  ueut  P.;  Hs.  nicht  zu  entscheiden;  s.  zu  12;  doch 
ist  hier  der  rechte  dicke  Strich  etwas  gegen  u  gekrümmt,  soll  also 
wohl  e  sein.  Sonst  findet  sich  vout  890  ganz  deutliches  o,  von  dem 
folgenden  u  getrennt,  außerdem  noch  vet  und  vot. 

51.  de  li]  cell  P,  T;  Hs.  (c)eli,  c  verwischt.  In  meiner 
Abschrift  steht  am  Rand:  „oder  cell  {ce  verwisclit)";  c  und  d  sind 
sehr  schwer  zu  scheiden,  so   1028  cou. 

53.    qil]  =  C;  quHl  P.  nach  T. 

60.  destraira)  das  von  mir  vermutete  destruira  steht  schon 
in  Hs.,  freilich  hat  das  u  den  großen  nach  links  überhängenden  a- 
Bogen;  s.  zu  12. 

62.    ausi]  ansi  P;  s.  zu  46. 

64.  faitj  faii  P  mit  C  (bei  mir  in  der  V.  L.  verdruckt), 
das  P.  in  der  Anmerkung  schützt:  ,.fais  {==  fait  +  *)  auf  plus 
bezogen"  —  unmöglich. 

67.  anui]  =  anuj  C;  a7mi/  P  nach  T;  offenbar  hat  ihn 
das  j  der  Hs.  irregeführt  —  es  steht  bekanntlich  gern  nach  mehreren 
senkrechten  Balken,  um  eine  Verlesung  zu  hindern,  also  derselbe  Zweck 
wie  das  Setzen  des  Akzönts  in  ähnlichen  Fällen,  so  gleich  68  nului  C. 

72.    q'autrui]  :=^C;  quautrui  P. 

76.    El]  C;  fehlt  P;  —  hones]  =  C;  honnes  P,  homz  T. 

90.  pleuroit]  V.  L.  pleroit  —  ploroit  P;  Hs.  hat  ganz  deut- 
liches, unanfechtbares  e\  s.  o.  zu  48. 

102.    qi]=zC\  qui  P  nach  T. 

106.  qui' 71  a]  V.  L.,  qui  na=  C,  qu'ent  T,  dagegen  qui  na 
P  mit  folgender  Begründung:  „T  quent  =  qui  ent  ist  kaum 
möglich.  Nach  C  äußert  die  Königin  im  Gegensatz  zu  T  keine 
Freude  über  diesen  Besuch,  der  die  Veranlassung  zur  längeren  Ent- 
fernung ihres  Gatten  gibt."  P  hat  die  Stelle  arg  mißverstanden: 
daß  die  Königin,  was  selbstverständhch  ist,  sie  mit  Freuden  (wie  jeden 


*)   Mit  T  mein  ich   immer  Stengels  Druck,   da  mir  ja  die  Hs.  selbst 
nicht  zu  Gebote  steht. 


Zur   Textkritik  von  Rigomers  Sclilussepisode.  2"25 

solchen  Gast)  empfangen  hat,  zeigt  ja  die  folgende  Zeile:  Biel  le 
Jierhega  cele  nuit.  —  Qui  na  =  qui'u  a  {=  qui  inde)  ist  eine  beliebte 
Schreibung  vieler  nördlicher  Hss.,  auch  der  unsrigen,  die  ebenso  ne 
na  =  n'en  a  u.  ä.  bietet,  also  Satzphouetik.  Falls  P  aber  dann 
quen  erwartet,  so  sei  auf  das  häufige  ähnliche  qui'stoit  (=  qui  estoit) 
u.  a.  hingewiesen. 

107.    BielJ  =  C;  Bien  P  nach  T. 

111,  £Jt  conte  le  roi  le  mervelle]  =  G:  7  (2.  m.  an  den 
Rand  vor  die  Zeile)  9te  le  roi  le  m.\  Et  com  cele  le  roi  meruelle 
P;  fehlerhaft  und  sinnlos,  da  T  fehlte  und  so  nicht  aus  der  Not 
helfen  konnte.  T  ließ  das  Verspaar  aus,  weil  er  die  Stelle  nicht 
verstand.  Es  ist  nämlich,  wie  so  oft  in  C,  eine  Lücke  vorhanden, 
wie  ich  sie  in  meinem  Text  nach  110  angesetzt  habe.  Denn  cele 
HO  ist  die  fremde  Botin,  111  ist  die  Königin  Subjekt.  P  dagegen 
bemerkt:  „111.  2  sind  vielleicht  Interpolation,  zu  der  der  Copist  [d.  h. 
das  Original  von  T,  das  zwar  sehr  oft  ausläßt,  aber  nie  interpoliert] 
sich  durch  den  ihm  zu  unvermittelt  scheinenden  Übergang  leicht  veran- 
laßt sehen  konnte". 

114.    conviientj  =  C  Ouient:  couient  P. 

116.     ConJ=^G9\   Com  F,  so  immer. 

123.  avousj  V.  L.  auons  —  es  mag  auch  deutliches  auons 
sein;  au07is  P  sinnlos;  es  kann  nur,  wie  schon  Stengel  mit  T  annahm 
=:  ecce  vos  sein.     Vgl.  Evous  181. 

138.    conJ=  C  9;  qu'on  P  nach  T. 

141.    Vauberc]  =  C  laubc  (sicheres  c);  l'aubert  P. 

144.    ne  se  sei  faindre]  =  G\  fet  P  nach  T,  sinnlos. 

154.    tox]  =  C;  tous  P  nach  T. 

159.   161.    roiaume]  roianme  P,  s.  zu  46. 

163.    onqes]  =  C,  onqices  P  nach  T. 

169.  memiementj  meimement  P  nach  me'ismement  T,  me- 
tinement  C,  was  in  den  Zusammenhang  noch  besser  paßt,  wenn  auch 
meine  Lesung  einen  guten  Sinn  gibt. 

172.  Cadovains]  =  C,  Cadonains  P  nach  T.  Die  Ax'tus- 
romane  kennen  keinen  Ritter  dieses  Namens  (dreisilbig);  wohl  kommt 
ein  Cadorvain  Erec  1727  vor,  der  in  V  steht,  während  die  anderen 
Hss.  Cadöin,  Gordevains,  Gornevain  und  Gladorlin  bieten.  Ca- 
droain  le  Rous  kommt  Atre  643 — 643  vor,  der  auch  Codrovain 
geschrieben  wird  und  mit  ihm  identisch  ist:  Atre  428.  430.  441. 
447.  450.  454.  478.  487. 

173.  Chevaliers]  P  fehlt  in  der  V.L. :  clCr  C;  d.  h.  Hs.:  chevalier 
176.  LaisJ  =  C,  auch  P,    der   aber   als  Lesart  von  C  lars 

angibt ;  i  und  r  sind  oft  leicht  zu  verwechseln,  besonders  bei  ri  (ir), 
was  aber  hier  nicht  der  Fall  ist. 

178.  desrees]  ebenso  P,  aber  C  hat,  wie  meine  V.  L.  angibt: 
des  fees. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt  XXXII».  15 


226  W.  Foersier. 

182.  Yvaifi  —  YvainJ  ebenso  P  nacb  T.  wo  V.  L.  beidemal 
Yain  C  fehlt,  während  P   183    Yains  im  Text  stehen  ließ. 

201.  .l.J  d.  h.  50  =  sicher  und  deutlich  C;  P  merkwürdiger 
Weise  .d.,  das  er  als  500  auffaßt,  eine  der  altfz.  Paläographie 
ganz  unbekannte  Schreibung,  die  er  offenbar  in  C  zu  lesen  glaubte. 
Er  verteidigt  seine  falsche  Lesung,  da  T43  bietet,  in  folgender  Weise:- 
^T  gibt  die  Zahl  der  Ritter  mit  43  an,  die  Zahl  503  kam  ihm  viel- 
leicht zu  groß  vor;  daß  sie  aber  richtig  ist,  zeigt  V.  170".  Dort  steht 
nämlich,  daß  außer  den  Frauen  auch  mehr  als  500  Ritter  über  den 
Ehezwist  weinten.  Hier  aber  handelt  es  sich  um  die  Ritter,  welche 
sich  dem  König  zu  seiner  Ausfahrt  als  Knappen  anboten,  was  natür- 
lich nur  die  tüchtigsten  und  vornehmsten  zu  tun  wagten.  So  ist  53 
ohnedies  schon  eine  sehr  große  Zahl. 

205.  Nes]  V.  L.  Nel=C;  P  Nes  ohne  V.  L. 

213.  streiche  Le  in  V,  L. 

220.  riesj  V.  L:  /rei  =  C:  P.  ries  als  C,  offenbar  nach  T  riez. 

233.  moutrerj  montrer  P;  die  Hs.  scheint  hier  n  zu 
bieten,  doch  ist,  wie  fast  jede  zweite  Zeile  zeigt,  die  Auffassung  von 
n  als  u  oder  n  nur  nach  dem  Sinn  oder  der  Lautlehre  zu  treffen. 
Nun  ist  rnontrer  nicht  altfz.,  dagegen  ist  s  vor  Konsonant  nicht  nur 
beim  Verf.,  wie  viele  Reime  lehren,  stumm,  sondern  ebenso  auch  bei 
diesem  Schreiber,  der  ebenso  cacuns,  hater  u.  a.  vorher  geschrieben 
hat.     Es  ist  also  nur  rnontrer  hier   möglich, 

234.  amentj  V.  L.  ainientC  (arment  ist  Druckfehler),  was  P  fehlt. 

236.  Ich  hatte  darnach  die  offenbare  Lücke  im  Druck  ange- 
deutet; P  bemerkt:  „Stengel  nimmt  nach  diesem  Vers  eine  Lücke 
an,  doch  ist  dies  nicht  erforderlich."  Schade  daß  P  den 
Gedankengang,  wie  er  ihn  versteht,  uns  nicht  mitgeteilt  hat.  Er 
hat  sogar  237  a  mon  tans  „zu  meiner  Zeit'"  mißverstanden  und 
als  amontans  „einer  der  Bedeutung  hat,  von  Bedeutung  ist"  aufge- 
faßt. Bei  ihm  hängt  der  Teil  236  ff',  ganz  in  der  Luft  und  seine  Inter- 
punktion ist  einfach  unmöglich.  Was  in  der  Lücke  gestanden,  ist 
klar  und  die  Königin  wiederholt  diesen  ausgefallenen  Gedanken  in 
ihrer  Antwort  253.  4.    —    QueJ  Q'  C,    sehr  verwischt;   da  T  noch 

Qui  gelesen  hat,    so    wird  es  Q   gewesen  sein,    was  P  nach  T  gibt. 

Sicher  ist  es  nicht,  da  wir  nicht  wissen,  was  vorausging. 

244.  toxj  =  C ;  tous  P  nach  T. 

248.  qHlJ  =  C;  quHl  P  nach  T. 

250.  le]  =  C\  se  P  nach  T;  Hs,  sicheres  l. 

253.  Chevaliers]  V.  L.  c/i'r  =  C;  cheualiers  P  nach  T  (V.  L. 
fehlt)  —  si]  vous  P!  nach  T;  C  hat  sicheres  fi  (in  kleinen  Buch- 
staben, da  es  ausgelassen  worden,  von  erster  Hand  über  der  Zeile 
nachgetragen)  —  buens]  V.  L.  bues  =  C;  buens  P  (V.  L.  schweigt), 

267,   Conqes]  =  C;  Qu'onques  P  nach  T;  C:  9qe/. 


Zur   Textkritik  von  Rigotners  Schlussepisode.  227 

277  hat  P  den  fehlenden  Vers  aus  T  eingesetzt:  er  paßt  dem 
Sinn  nach,  ist  aber  dem  Reim  nach  unmöglich.  Zwar  P  sagt  in  der 
Anmerkung:  „ungenauer  Reim,  Avie  er  selbst  Chrestien  (sie)  begegnet 
(s.  Erec  XI)."     Dort  steht  bei  mir  nichts  ähnliches. 

279.  sui  jouj   V.  L.  suioii  =  C;   P  sui  iou    (V.  L.  schweigt), 

28ü.  qij  =  C;  7«/  P  nach  T. 

288.  onqes]  onqf  C,  onques  P. 

293.  q'est]  =  C;  qiCest  P. 

294.  lo]  V.  L.  loe  {-\-  1)  =  C;  loc  P.,  wo  sogar  auch  T 
he  gelesen  hat. 

297.  ancoisj  aroin  (verlesenes  äcois)  V.  L.  =  C;  ancois  P 
(V.  L.  fehlt). 

299.  qelj  =  C;  quel  P. 

o04.  hat  P  den  in  C  ausgelassenen  Vers  in  der  Konjektur 
von  T  eingesetzt.  Dabei  steht  loe,  als  Reimwort  und  zwar  soll  es 
1.  Präs.  Konj.  sein;  dies  wäre  in  der  Sprache  des  Verf.  nur  für  die 
3.  Person  möglich. 

313.  convenra]  =  C  (Vuenra)\  couenra  P. 

31().  evrej  eure  P.  trotz  wuvre  T,  das  ich  ja  s.  Z.  nicht 
kannte  und  das  der  Sinn  empfiehlt.  Das  Wort  ist  in  unserra  Roman 
oft  so  gebraucht. 

318.  ai  ditej  V.  L.  a  dite  =  C;  adite  P.  sogar  gegen  T! 
Demnach  hätte  die  1.  Präs.  ein  e,  aber,  was  schlimmer,  adite  kommt 
in  dieser  Bedeutung  überhauj)!  nicht  vor;  zur  Wendung  selbst  vgl. 
913  dont  dit  vos  ai. 

345.  desfaitesj  V.  L.  desfaces\  desfates  P,  desfaitez  T;  C 
liat  deutliches  c,  das  natürlich  verlesen  ist. 

348.  qi]  =  C;  qui  P. 

352.  corecle]  bei  mir  V.  L.  corecie(  ausgelassen. 

355.  que  que  on  die]  V.  L.  qui  usf.,  das  P  im  Text  gelassen 
hat  trotz  richtigem  coijque  T,  ist  unmöglich.  P  erklärt  zwar  in  der 
Anmerkung:  „gt«'  que  wer  nur  immer",  aber  dies  paßt  nicht  in  den 
Sinn,  da  sich  dann  qui  auf  tel  beziehen  müßte,  auf  das  doch  cui 
der  nächsten  Zeile  sicher  sich  bezieht. 

385.  convenantj  =  C;  couenant  P. 

368.  Onqes]  =  C;  0?iques  P.  —  despi]  =  C;  despit  P  (V. 
L.  fohlt)  nach  T. 

370.  biel]  hien  C  P;  vgl.  biel  108  P,  wo  C  bien  hat. 

381.  den]  V.  L.  dorn  oder  dorn  =  C;  den  P  (V.  L.  fehlt); 
natürlich  ist  dorn  gemeint,  das  der  Schreiber  öfter  am  Ende  einer 
Zeile  statt  n  setzt,  so  gleich  389  pardom. 

384.  ires]  V.  L.  dires  bei  mir  ausgefallen. 

397.  Et  s'ele  -rüa  mout]  =  C;  P:  „Ich  habe  n'amte  [statt 
ita  mout]  von  ambitare  gelesen,  was  falsch  ist.  Die  Lesart  n'a 
mout  verdanke  ich  der  Güte  meines  Lehrers  Herrn  Dr.  Ebeling" 
—  wie   die  Photographie   zeigt,   steht   in  Hs.  ganz   deutliches,  klares 


228  \V.  Foerster. 

na  mVt  (die  bekannte  lat.  Abkürzung,  die  ins  Altfr.  übergegangen  ist). 

398.  Si  reseraj  Sire,  sera  P  (ganz  sinnlos)  trotz  Si  sera 
T,    da    er    sich    durch    die   Photographie  Si  re  fera  verführen  ließ. 

401.  otroierj  otroiier  C  P. 

408.  Cehd  que  avec  vous  menresj  =  C ;  Celui  qiC  avec  vons 
meneres  P  gegen  Hs.  und  Grammatik  nach  Stengel. 

415.  qüj  —  C;  qu'ü  P,  ebenso  423.  443. 

424.  cnj  s'en  P  richtig  mit  T  und  C  (f  verwischt). 

432.  estraigne]  V.  L.  estrenne,  eftrene  C;  estreigne  P. 

436.  faisoitj  V.  L.  fasoit  fehlt  P. 

443.  s.  zu  415. 

445.  Orent,  das  ich  aus  Lorent  Hs.  gebessert  hatte,  wie  der 
Sinn  verlangt;  Lorent  P  mit  unmöglicher  Satzverbindung  und  Inter- 
punktion ohne  jeden  Sinn.  Auch  T  hat  Lorent,  einer  der  vielen 
Beweise,  daß  er  gerade  unsere  Hs.  abgeschrieben  hat.  Dasselbe  gilt 
von  449  forte  (4-  1)  T  (+  1)  —  C. 

454.  ,v.J  =  C;  autre  (Konjektur  in  T)  P. 

466.  no2i]  =  C,  P  (dieser  „Jiou  =  7ie  le'-'-)  vergaß  ich  in 
now.  zu  bessern,  das  in  solchen  Fällen,  wo  in  der  Antwort  etAvas 
abgewehrt  wird,  stets  bei  faire,  das  dann  Verbum  vicarium  ist,  steht. 

471.  Envers  le  roi  s'est  avoüSsJ,  während  P  avanciSs  liest, 
sodaß  jedermann,  da  T  hier  fünf  Zeilen  ausgelassen  hat,  darauf 
verfallen  muß,  daß  hier  ein  hourdon  obwalte,  da  475  bei  ihm  lautet: 
Mais  L.  s'est  avancics.  Der  Schreiber  wäre  also  vom  ersten  avancies 
auf  dieses  gesprungen.  Aber  die  Hs.  hat  auoueX,  wie  ich  drucke, 
und  ich  kann  nicht  ahnen,  wolier  P  seine  falsche  Lesung  hat;  denn 
Konjektur  ist  es  nicht,  da  die  V.  L.  scliweigt.  Sie  wäre  auch  ab- 
zuweisen, da  der  unserm  Verf.  so  beliebte  reiche  Eeim  (;  voiies) 
dann  verloren  ginge,  ferner  avoiies  dem  Sinne  nach  unanfechtbar  ist. 
Dagegen    an    der    zweiten  Stelle    ist  avancies  ganz  an  seinem  Platz. 

485.  quidej  V.  L.  qiiite  =  C;  quite  P  im  Text  trotz  des 
Sinnes  und  trotz  T  (quide). 

486.  7.  Äfais  ains  en  fist  Lanselos  loide  \  Lanselos  que  li 
rois  i  uigne  =  C  hatte  ich  in  der  ersten  Zeile  Lanselos  in  das 
vom  Sinn  verlangte  la  siele  gebessert;  T  (und  P  folgt  ihm)  führen 
die  Besserung  in  der  zweiten  Zeile  ein.  Ihre  Wortstellung  kommt 
mir  recht  hart  vor. 

489.  V.  L.  abatu  andoi  sind  vor  jedem  Wort  "  (Verweisungs- 
zeichen in  der  Hs.)  ausgefallen. 

491.  diestrier]  V.  L.  diesiriej  =  C;  diestrier  P  (V.  L.  fehlt). 

494.  497.  mellier  und  melliersj  C;  P  hat  beidemal  sl  gegen 
die  Hs. ;  /  hat  in  unserer  Hs.  zweierlei  Formen:  l  mit  der  Gabelung 
oben  und  /  ohne  diese,  wie  man  fast  in  jeder  Zeile  sehen  kann;  f  hat 
stets  rechts  oben  den  nach  unten  gezogenen  Bogen. 

502.  pendans]  V.  L.  q^endan,  C;  pedä;  pendans  P  (V.  L.  fehlt). 


Znr   Te,vthitih  von  Riyomers  Schlussepisode.  229 

509.  ens  tintj  V.  L.  en/tint  =  C;  ensiint  P,  estint  T,  der 
also  die  Stelle  auch  nicht  verstanden  hatte.  Ich  weiß  nicht,  was 
sich  P  darunter  gedacht  hat.  Das  einzige  mögliche  ist  aber  ens  tint 
=  intus  tenuit  .hing  drin  fest';  tenii'  ist  hier  absolut  „festhalten, 
stecken  bleiben"  gebraucht.  Vielleicht  dachte  P  an  estindre  und 
estint  Pf.  (dialektische  Nebenform]  im  N.  und  NO.),  dieses  statt 
estinst  und  obendrein  noch  absolut  gebraucht  (das  kenne  ich  nicht). 
Aber  der  König  lacht  nicht  über  seinen  Tod,  sondern  daß  er  im 
P)aum  hängen  blieb. 

515.  qu'il]  eil  P,  chil  T  richtig;  in  Hs.  geht  das  i  tief  unter  die 
Zeile,  sodaß  c]  ein  klares  q  bildet;  doch  fehlt  das  kleine  e  über  ihm. 

5.32.  saij  sa  C  P,  smi  T,  sai  richtig,  sa  bei  mir  in  V.  L. 
ausgefallen. 

536,  danoisesj  V.  L.  danoie  ausgefallen. 

542.  convient/  Suient  C;  couient  P.  —  outrerj  =  C;  entrer 
P(!);  T  hat  dem  Sinn  nach  gut  geändert:  oitrer.  Outrer  heißt  u.  a. 
auch:  „vollenden,  fertig  bringen",  wie  hier:  doch  steht  es  dann  m. 
\V.  transitiv;  hier  aber:   ., fertig  werden". 

543.  prendent]  Y.  L.  pendent  =  C;  P  behielt  es  im  Text,  was 
kfinen  Sinn  gibt. 

548.  fotfj  =  C;  ces  P  nach  T  cez  und  gibt  ceu  als  Hs.  an.  — 
Wegen  reis  :  conroi  s.  zu  375;  doch  ist  auch  prendre  conrois  de 
aucnne  chose  zulässig. 

560.  quij  ebenso  P;  aber  ('  hat  qi. 

576.  7i^e7iJ  =■  C,  ebenso  P;  es  muß  wühl  in  ne  gebessert 
werden,  vgl.  580  ne. 

582.  tax]  =  C;  tous  P  nach  T. 

587.  Qi]  =  C;  Qui  P. 

602.  es  dos/  =  C;  el  dos  P  gegen  C  T  und  gegen  Sinn. 

607.  CassellesJ  =  (",  ebenso  T;  ändert  P  in  tasselies,  das  er 
mit  ta.xus  , Dachs'  du  Gange  verbindet.  Ich  kenne  die  casselles  auch 
nicht;  aber  P's  Änderung  ist  ausgeschlossen,  da  die  Tiere  in  be- 
stimmten Kategorien  aufgezäblt  werden  und  darnach  der  Dachs  nur 
in  der  ersten  Reihe  auftreten  konnte.  In  der  vorliegenden  paßt  er 
unter  die  Schildkröten,  Nattern.  Skoritionen  und  Vipern  nicht.  Die 
laisson  kommen  671   in  richtiger  Gesellschaft  vor. 

608.  arestis]  man  erwartet  eher  arotes.,  angesammelt",  was  wohl 
in  den  Text  einzusetzen  ist. 

610.  iJoncJ  ^=^  V;  JJont  P  T;  c  und  t  wechseln  in  unserer 
Hs.  in  einer  Weise,  ilaß  (wie  bei  ti  und  n)  eigentlich  nur  der  Sinn 
entscheiden  sollte.  —  toxj  =  C;  tous  PT. 

621.  Dementrues]  =  C  (sicher  und  scharf);  Dementnies 
P,  der  ersteros  nicht  kennt  (os  steht  God.,  kommt  noch  in  Froissart 
vor,  eine  dem  N.  eigentümliche  Form). 

643.  Chevaliers/  V.  L.  cäV  =  (':  chaualiers  P. 

648.  lal  lies  le  C  P. 


2r,(»  W.  Foerster. 

650,  pooirj  poonr  P,  über  dessen  Bedeutung  er  sich  nicht 
äußert,  es  kann  natürlich  nur  jjooir  sein,  wie  T  las;  C  hat  ein 
dentliches  poenr,  wobei  ei  verbnnden  sind,  ein  mißglücktes  in  der 
Kon-,  übersehenes  o. 

655.  hveril  Y.  L.  hü;  bon  P;  C  hat  deutliches  bnn^  das  im  X. 
nicht  paßt,  daher  ich  das  durch  Reim  gesicherte  huen  einführte. 

671.  trygrej  =  C;  iirgre  P. 

673.  civreusj  Y.  L.  ciuiireus  ■=  T;  cexrevs  P  (obendrein  ein 
V  in  Hs.  in  solcher  Stellung  unmöglich). 

674.  Cil  le  trcspasent]  Y.  L.  Cü  lef  repaij'etit  =  C;  P 
behält  das  sinnlose  Hs.,  das  schon  T  richtig  gebessert  hat.  —  tp'J 
=  C:  qui  P. 

676.  putesj  V.  L.  pute  =  C;  P  behält  die  falsche  Lesung, 
die  sich  auch  in  T  findet,  der  also  hier  gedankenlos  unsere  Hs. 
abschrieb. 

680.  conuinej  Ouine  C;  couinc  P. 

707.  Qu'eleJ  =  C;  Qu'elle  P. 

71Ö.  tel]  =  C  (deutlich  nnd  sicher);  cel  P  nach  T  und  dem 
Sinn;  vgl.  zu  610. 

718.   qui]  Y.  Ij.  q'  =11  C;  qni  P. 

720.  pe^ifentj  =  C;  was  T  und  P  falsch  p)ensent  lasen,  wozu 
Stengel  die  dann  fehlende  Silbe  durch  unmögliches  penserent  besserte, 
was  P  in  den  Text  setzt. 

722.  comenchie]  V,  L.  comenchi  =  C;  comenchie  P. 

734.  lui  P  mit  C  gegen  Sinn  (li  fem.,  auch  T  li/) 

747.  laj  .^a  C  T  P  und  Sinn. 

748.  qu'elej  qle  C;  quelle  P. 

761.  jel]  ebenso  P,  ge  le  T  (+  1),  aber  C  hat  iei. 

770.  oltrajej  oltrae  P  mit  C. 

775.  estiesj  Y.  L.  estiies  =  C,  das  P  im  Text  läßt,  wodurch  -i  - 1. 

780.  1.  läßt  P  unverändert,  ändert  dann  mit  T  sogar  782 
eslaise  in  eslaisent,  was  schon  Stengel  mit  einem  Fragezeichen 
versah  —  der  Sinn  verlangt  unbedingt,  wie  ich  besserte,  den  Sing.; 
es  handelt  sich  hier  nur  um  den  fremden  Ritter;  die  drei  vallet 
können  gar  nicht  sich  eslaisier,  da  sie  nicht  zu  Pferd  sind. 

786.  vallesj  Y.  L.  vallet  =  G;  valles  P  (Y.  L.  nichts),  das- 
selbe gilt  von  791  sainte,  C:  saite. 

791.  Bride]  =  C  (deutlich);  Berde  P  (T  hat  die  auch  ihm 
unbekannte  Heilige  ausgelassen):  es  handelt  sich  um  die  h.  Brigitta, 
während  P  (S.  17)  darin  die  Berta  erblickt  hat. 

796.  A  veu  hanselos  s'acorde]  =  C;  Avuec  Lanselot  s'acorde 
T  ( —  1),  Avuec  L.  {il\  s'ac.  Stengel,  da?  P  in  den  Text  setzt. 
Die  Stelle  ist  reclit  schwierig.  Ich  hatte  die  Überlieferung  beibehalten, 
wobei  die  Zeile  bedeuten  sollte :  ,sah  L.  seine  (des  vallet)  Abmachung', 
dem  Sinn  nach  :=  seinen  Plan,  wobei  die  vorausgehende  Zeile,  die 
nach    der  Stellung    sich    auf  L.  beziehen   sollte,    zum  vallet  gehörte. 


Zur   Textkritik  von  Rigomers  Schhissepisode.  231 

Diese  Härte  wird  durch  St.'s  Text  behoben,  da  dann  der  vallet  (il) 
Subj.  ist.  Allein  avuec  ist  T's  Änderung,  der  unser  C  vor  sich  hatte 
und  demgemäß  auch  kein  il  hat;  auch  kommt  mir  die  Stellung  des 
[il]  sehr  hart  vor.  Vielleicht  kann  mau,  wie  ich  im  vorausgehenden 
Text  ein  parmal  habe  tun  müssen  Aueu(c)  in  ^1  oes  (opus)  ändern: 
A  oes  Lanselot  (Genit.)  [fet]  s'acorde  oder  auch  [lyacorde,  da  faire 
tacorde  , etwas  abmachen',  ,eine  Abmachung  treffen'  oft  belegt  ist. 
Von  einer  ,Versöhnuug',  was  das  Wort  eigentlich  heißt,  ist  ja  hier 
keine  Rede.  —  Wen  auch  das  nicht  befriedigt,  der  muß  zwischen 
den  zwei  Zeilen  eine  Lücke  ansetzen. 

801,  qelj  V.  L.  qil  =  C,  quHl  le  T,  was  Stengel  behält, 
während  P  qil  behalten  und  als  q'il  gedeutet  hat:  „er  preist  die 
Stunde  (=  jede  Stunde),  da  jener  lebt".  Dazu  paßt  eure  schlecht 
und  jedermann  wird  wohl  die  Stelle  so  auffassen,  wie  T,  Stengel  und  ich. 

823.  rama?ie  Hs.,  P  dagegen  ramaine. 

828.  Certes  qi  me  donroit  MaanteJ  =  C  (maaHe)]  Certes 
qui  me  d.  Manie  T  ( —  1),  das  St.  durch  CertQs  [et]  bessert  =•  P. 
Es  ist  kein  Grund,  zu  ändern:  M.  ist  offenbar  die  Stadt  Mantes 
(Seine  und  Oise),  lat.  Medunta,  also  genau  unserem  Maanie  (das 
vortonige  e  dem  fg.  a  angeglichen)  entsprechend.  Freilich  erwartete 
man  Meonte,  Maonte.  Was  das  End-s  anlangt,  so  schrieb  man  noch 
vor   zwei  Jahrhunderten  Manie,  s.  Moreri  und  Martiniere.^) 

830.  roiaumej  =  C;  roianme  P,  s.  zu   46. 

834.  raverions]  =  (';  Vaueriens  P,  wie  diese  Endung  in 
uuserm  Text  regelmäßig  lautet;  aber  hier  zeigt  die  Photographie 
deutliches  o. 

833.  Qiien  arrier  Vaveriens  iiuej  V.  L.:  ^Q  nomer,  könnte 
auch  namer  sein;  r  ist  verklext,  könnte  vielleicht  auch  e  sein"; 
Que  nomvier  Var'iens  eve  T,  Que  nomer  Vatieriens  eue  P  und  über- 
setzt es  so  (S.  72):  „Was  sollte  man  in  unserem  Lande  sagen,  daß 
wir  sie  nennen  müßten  als  schon  gehabt,  und  doch  (et  si) 
sie  weder  gesehen  hätten,  noch  verlangt,  noch  angegriffen,"  Ich 
gestehe,  daß  ich  das  nicht  versteh,  ebensowenig  wie  ich  die  Über- 
lieferung zu  deuten  weiß.  Eine  Änderung  hatte  ich  deswegen  vor- 
geschlagen, die  mich  zwar  nicht  befriedigt.  Die  Photographie  sichert 
notner  (o  hat  zwar  die  Form  a,   die   aber  hei  diesem  Schreiber  nie 

^)  Nachträglich  erhalte  ich  durch  Prof.  Ant.  Thomas'  Vermittlung 
folgende  wichtige  Auskunft  (der  Band  Seine  et  Oise  des  Dia.  (ojjot/r.  de  la  Frana 
ist  noch  immer  nicht  erschienen)  von  Aug.  Longnon: 

La  plus  ancienne  forme  coniiue  de  Mantes  est  Med&nta^  que  Von  Irouve  au 
commtncement  du  IX*  such  dans  le  Pohjptyque  de  S.  G.  des  Pres,  ckap.  XÄIV,  ^  4 
<?'  75.  Ces  jours  derniers^  je  constafai  encore  Vemploi  de  la  forme  Medniiia  atix 
environs  de  Van  1080  (Recueil  des  chartes  de  VAbhaye  de  CluniJ).  Contrairement  et 
ce  que  Von  pourrait  croire,  Madunta  an  Medonta  ne  se  renconire  que  posterieu- 
rement,  au  Xle  (f),  au  XII'',  et  meme  encore  au  XIW  et  au  XIV*  siede  (Pouilles  de 
la  pr.  de  Sens).  ■ —  Ce  nom  de  ,,Afante*\  Medanta,  etait  originairemenf  le  nom  de 
la  rivürt  de  Vaucouleurs,  qui  ai'rose  Mantes-la-Ville  et  se  Jette  dans  la  Seine,  ii  Mantes). 


232  W.  Foerster. 

a  ist,  die  nur  a  ist),  daher  jede  Besserung  davon  auszugehen  hat. 
Auf  dem  richtigen  Weg  war  Brugger,  s.  meine  Bemerkung  dazu  in 
dieser  Zs.  S.  122:  ,,oie  würde  den  Vers  821  halten  und  entspricht 
wohl  dem  Sinn".  Allein  es  widerspricht  dem  Reim  veue^  da  ich 
Bruggers  Besserung  veie  als  unmöglich  abweisen  mußte.  Es  ist  viel- 
mehr die  sonsther  wohlbekannte  und  gerade  dem  N,  eigentümliche 
Nebenform  öu  einzusetzen,  so  daß  dann  <me  und  vhie  richtig  reimen. 

836.  asalie]  =  C;  envaie  T,  das  P  in  den  Text  setzt  ohne 
Begründung.  Offenbar  nahm  er  Anstoß  an  dem  identischen  Reim, 
der  gerade  von  unserem  Verf.  sehr  gepflegt  wird.  T  hat  diese  Vor- 
liebe nicht,  daher  er,  wo  es  leicht  zu  machen,  sofort  ändert,  worin 
P  ihm  folgt.  Aber  mit  Unrecht;  denn  wozu  den  Dichter  verbessern? 
Zudem  ist  solch  reicher  Reim  auch  den  strengsten  Regeln  entsprechend, 
wenn  das  Wort  stets  in  anderer  Bedeutung  oder  wenigstens  anderer 
Konstruktion  gebraucht  ist;  Ausnahmen  sind  auch  zulässig  bei  Hilfs- 
verben und  ähnlichen  Wörtern.  An  unserer  Stelle  ist  der  Reim  tadel- 
los und  besonders  glücklich;  das  erste  Mal  Part.  Perf.  fem.,  das 
zweite  Mal  Subst.  fem.  Vgl.  zu  1296.  In  unserm  Bruchstück  kommt 
derselbe  Fall  noch  öfter  vor,  z.  B,  pais  385  ,Friede  :  Stille',  vit  801 
,sab  :  erblickte',  avant  1231  ,zuvor  (zeitlich)  :  davor  (örtlich)'  und  roi 
1295,  wo  tatsächlich  kein  Unterschied  vorliegt.  Ähnliches  kam  schon 
im  früheren  Teil  auch  vor.  T  hatte  bereits  eigenmächtig  836.  1232. 
129G  ausgemerzt,  was  P  übernommen  hat.  Er  hat  dann  auch  nocii 
801  durch  eine  kleine  Änderung  entfernen  wollen,  s.  zu  diesem  Vers. 

841.   Comment]  =  C;  Content  P. 

845.  qu'ele]  =  C;  qiielle  P. 

850.  ceste  voie]  dafür  leerer  Raum  (geflickte  Xat)  in  C;  ceUe 
voie  T  P  wird  wohl  auf  dem  abgeschnittenen  Rand  gestanden  haben, 
den  T  ja  noch  vor  sich  gehabt  hat.  Sachlich  ist  ceste  ebenso  be- 
rechtigt, da  ja  der  Sprechende  hinweist. 

851.  Et  si  veres  gue  j'en  ferai]  V.  L.  Et  fehlt  =  C;  Sy 
vere^  [chouj  que  jou  f[e]ray  T  mit  Stengels  Änderung,  die  P  in 
den  Text  setzt.  Die  Hs.  hat:  Siueref  (Nat)  q  len  (Nat)  ferai  — 
über  die  Ergänzung  der  fehlenden  Silbe  kann  man  streiten,  sicher 
steht  j'en  in  Hs. 

857.  Que  vos  jeres,  et  je  ferai]  V.  L.  Se  v.  f.  q  ie  f.  =  C; 
Se  vos  f.  et  P,  der  offenbar  an  fenr,  was  nicht  paßt,  gedacht  hat; 
s.  meine  Bemerkung  in  dieser  Zs.  S.  132. 

859.  si]  =  C;  sie  V  (Druckfehler). 

869.  acouvri]  V.  L.  couuri  ( —  1)  =  C;  couvri  [il]  P  nach 
Stengel;  il  steht  hier  recht  ungeschickt  —  acovrir  kommt  in  unserem 
Text  öfter  vor. 

896.  sorfait]  forfait  (T)  P  steht,  wie  die  Photographie  lehrt, 
auch  C;  ich  hatte  beim  xibschreiben  (/  und  f  sind  oft  ebenso  schwer 
zu  unterscheiden,  wie  l  [,  c  t  u.  a.)  unbewußt  dem  Sinn  nach  ge- 
bessert: forfait  gibt  hier  keinen  guten  Sinn. 


Zur   Textkritik  von  Rigomers  Schlussepisode.  23o 

897.  pantrej  Y.  L.  qautre,  was  P  fehlt. 

899.  de  Ja  forge]  =  C;  de  force  T,  de  sa  f.  P,  In  der  Hs. 
steht  das  l  mit  der  oben  massiv  verbundenen  Gabelung,  sodaß  es 
einem  f  ähnlich  sieht;  sa  ist  sinnlos,  Lancelot  ist  ja  kein  Schmied. 
Der  Verf.  meint:  .Holz  und  Schmiedeeisen  (=  Spitze)'. 

902.  Forment] V. L. Foment  =  C; F('^QX)oment  Hs. ;  P.  Ferment. 

910.  quHl]  =  C;  g'il  P. 

911.  fehlt  (";  T  ergänzt  aus  eigenem:  Que  son  espee  ly  a 
eni'oie,  was  P  in  seinen  Text  aufnimmt:  Que  son  espee  ly  envoie, 
also  ein  grammatischer  Schnitzer:  unser  Text  kennt  noch  kein  fem. 
son  vor  Vokal.  Das  Schwert  ist  zudem  ganz  unpassend  und  wäre 
auch  hier  zwecklos  gewesen,  da  er  hier  stößt  und  nicht  haut;  man 
vgl.  auch  762  ff.;  ich  hatte  deswegen  vorgeschlagen:  Que  son  espiS 
Ines  (besser  noch  droit)  li  envoie. 

920.  ValemiehJ  lalemiele  C;  la  leinelle  T,  was  P  zu  seinem 
la  lemiele  verführt.  Ich  selbst  habe  es  im  Altfr.  nie  angetroffen,  nur 
alemele:  alle  Stellen  wo  lalemele  oder  sal.  u.  a.  vorkommen,  be- 
weisen natürlich  garnichts;  wo  es  vorkommt,  haben  die  Hg.  falsch 
abgetrennt  —  erst  spät  (XIV.  -Ihl.  oder  noch  später)  hat  man  den 
Artikel  la  irrtümlich  losgelöst. 

921.  Pui^  lij  =  C;  P.  si  T  P,  Hs.  sicher  li,  was  der  Sinn 
allein  zuläßt  und  vgl.  obendrein  925. 

922.  Sei  consivi]  Sei  pfiuj  (/  korr.)  C,  wie  auch  T  richtig 
las:  consivy\  Sei  consiut  P  ( —  I). 

933.  nuitj  =ir  C;  7mist  P  aus  T;  934.  cuist  ist  natürlich  = 
enit,  da  Perf.  sinnlos,  also  auch  miit  im  Reim. 

939.  Les  fiiellef!  argent,  li  rain  hriscntj  =  C;  =  P.  Ich 
glaube,  daß  der  Text  nicht  in  Ordnung  ist ;  hrisent  :  issent  ist  kein 
guter  Reim,  von  rains  war  (s.  862  —  und  meine  Bemerkung  dazu 
Zs.  S.  123  — )  keine  Rode,  vielleicht  hieß  es  ursprünglich:  Les  fuelles 
argent  et  brüissent. 

940.  qij  =  C;  qiii  P.  —  li  fehlt  Hs.,  was  P  fehlt. 
949.  fehlt  P  die  V.  L.  qil  (—  1). 

952.  Qiianqu'eleJ  =  C;  Quanqu'elle  P.,  ebenso  969  (zweimal). 
1059.   1131. 

958.  pantej  =  C  T;  panire  P. 

959.  feruej  V.  L.  ferie  =  C;  ferne  P  ohne  V.  L. 

961.  —  967.  ist  unklar:  welcher  Satz  hängt  von  den  vielen 
De  ab?  der  Hs.  nach  nur  967,  was  dem  Sinn  nach  unzulässig,  da 
dies  bloß  auf  965.  6  paßt.  Entweder  Lücke  vor  965  oder  es  ist 
ungeschickte  Verbindung  mit  meiner  Interpunktion  anzunehmen,  wo- 
nach saiis  zu  961—964   geht  und  cervele  auf  965.  6. 

965.  qilj  V.  L.  qi  =  C:  qui  P  (dann  decoiuent  abs.,  sinnlos) 

982.  1)90.  sen]  =  C;  son  P. 

983.  Quant  filj  nel  voit  vers  lui  di^ecierj  ich  und  ebenso 
jetzt  P,  doch  ist  fenjvers  passender,  wie  ich  jetzt  ergänze. 


2;U  W.  Foerster. 

992.  ehevalierj  ch'r  C;   ckeualiers  P, 
997.  NeporqantJ  =  C;  Neporquant  V. 
999.  terrej  t're  C;  <«re  P,  ebenso  1115. 

1002.  costet]  =  C;  cosie  P. 

1003.  L'iehne  li  ostent  qi  mie.v  miexj  =  C,  sodaß  miex  : 
plourent  (so  C!)  reimen  müßte.  T  hatte  dem  Sinn  nach  geändert: 
qui  miex  lyeurent  :  pleurent^  was  P  einfach  abdruckt.  Ich  hatte 
a.  a.  0.  S.  110  bemerkt:  „^Yohl  eher  Lücke  liinter  taubere  1004." 
Oder  wenn  man  T's  Reimkonjektur  annimmt,  muß  qi  auch  noch 
geändert  werden,  nämlich  in  con  oder,  was  näher  liegt,  qe:  „wie  sie 
es  am  besten  zustande  brachten";  denn  qi  hieße:  , diejenigen  zogen 
ihm  den  Helm  aus,  die  dies  am  besten  konnten',  als  wenn  das  Helm- 
ausziehen eine  besondere  Beschäftigung  wäre. 

1007.  Gieresj  =  C;  Ihut  T,  der  also  unser  Wort  (s.  dazu 
a.  a.  0.  S.  110)  auch  nicht  verstand;  FieresV^  der  zu  dieser  Sinn- 
losigkeit kein  Wort  verliert. 

1010.  Por]  (PC;  Par  TP.  —  Hs.  hat  nicht  ^y,  das  z.B.  1188 
steht.  Sonst  findet  sich  noch  P«  1262,  sodaß  also  hier  eigentlich 
Pro  steht;  der  Sinn  verlangt  qyar. 

1013.   Chevaliers]  V,  dir  =.  C;  cheuaäers  P. 

1027.  qi]  =  C;  qui  P. 

1038.  Me7iJ  Mien  T  P.  Was  Hs.  hat,  ist  schwer  zu  sagen: 
M\ir^,  das  entweder  Mon  oder  Mcn  sein  soll  (beides  ebenso  richtig 
wie  mien);  ein  ie  steht  nicht  in  Hs..  es  sei  denn,  daß  der  Schreiber 
das  e  nur  rudimentär  angedeutet  hat. 

1044.  comme]  9me  (';  come  P. 

1059.  s.  zu  952. 

1068.  ert]  =  C;  iert  P  nach  T. 

1075.  s'en]  =  C  T;  s'ent  P. 

1081.  ßretemiv]  wie  es  früher  einmal  hieß;  hHemiu  C, 
Bertemiu  P. 

1092.  doniij  ^=-  C;  donte  (!)  P,  der  dazu  bemerkt:  „Nicht 
nur  um  leoninischen  Reim  zu  erzielen  [es  geht  nämlich  :  bonte 
voraus]  habe  ich  donte  in  den  Text  gesetzt,  sondern  auch,  weil  der 
Sinn  es  zu  erfordern  ^schien.  Die  Frau  gab  Lanselot  nicht  ihr 
Pferd,  sondern  zähmte  das  seinige,  das  nach  Vers  943  scheu  ge- 
worden war  (Berger)."  Diese  Bergersche  Konjektur  ist  nichts  weniger 
denn  glücklich  und  beruht  auf  einem  argen  Misverständnis  dieser 
Stelle  und  der  Z.  943.  Fangen  wir  mit  dieser  letzteren  an:  Das  vom 
Panter  ausgespieene  Feuer  hatte  zuerst  die  Laubgarnitur  verbrannt, 
und  L.  wurde  so  hart  mitgenommen,  daß  (943!)  sein  Pferd  ihm /m 
estains,  und  er  selbst  so  mitgenommen,  daß  er  nicht  weiß,  was  er  aus 
sich  macheu  soll."  Es  ist  klar,  daß  das  Pferd  durch  das  Feuer 
ausgelöscht,  d.  li.  getötet  worden  ist,  eine  wohlbekannte  Gebrauchs- 
weise des  estairdre,  die  schon  vor  Jahren  Settegast  in  seinem  Thuim 
gebucht  hat,  Scheler  in  seinem  Froissart,  die  sich  im  Mousket  findet, 


Zur   Te.rikriiik  von  Rigomers  Schlussppisode.  28.'> 

bei  God.  mehrfach  belegt  ist,  und  was  das  schönste  ist,  sich  schon 
642  iu  unserem  Bruchstück  vorgefunden  hat.  Dann  ist's  also  mit  der 
pferdebändigenden  Frau  nichts,  aber  auch  schon  die  Erinnerung 
an  die  bekannte  Stelle  im  Löwenritter,  woher  unsere  Episode  entlehnt 
ist,  hätte  das  überlieferte  done  sichern  sollen;  denn  auch  dort  gibt 
die  Zofe  dem  Ivain  ein  Pferd. 

1099.  ristj  V.  L.  dist^=C\    dist  P,    was    keinen   Sinn    gibt. 

1101.  traitj  V.  L.  traue,  wo  träte  zu  lesen  ist;  trau  P  (die 
Lesung  von  C  fehlt  bei  ihm). 

1115.  s.  999. 

1129.  V.  L.  fifmenepj  =  C;  efmeuee  P. 

Hol.  ?.  zu  952. 

1158.  Qui]  r=  C;    (i?/^  P. 

11 67.   connisoientj  =  fhiifoient  C;  conlsoient  P. 

1169.  qi]  =  C;  qid  P.  —  ch'r]  =  C;  Chevaliers  P. 

1170.  V.  L.  pue  siestre  ^=  C  gibt  P  an:  pue  si  estre:  nein, 
in  der  Hs.  steht  piie  (=  pnet  mit  verstummtem  auslautendem  t  vor 
fg.  Kons.)  und  siestre  =  c'iesire,  wie  unsere  Hs.  oft  ce,  ci  mit  se, 
si  wiedergibt. 

1182.  J^ii  cambres  ert  tote  esmariej  =  0;  En  camhre  s'ert 
t.  e.  P,  der  dazu  sagt:  „A  (unser  C):  en  cambres  ert;  die  Lesart 
en  cambre  s''ert  verdanke  ich  Herrn  Dr.  Ebeling;  s'  =  .s«."  Ohne 
auf  die  sonderbare  Stellung  des  vermeintlichen  si  hinzuweisen  (jeder- 
mann wird  es  hier  als  Refl.  nehmen,  was  unpassend  ist),  genügt  es 
die  genau  entsprechende  Stelle  aus  Z.  1125  hier,  wo  dieselbe  Sach- 
lage vorliegt,  anzuführen:  En  ses  cambres  sist  esploiiree\ 

1192.  plains  V.  L.  plat  =  C;  plains  P. 

1201.  vous  und  pooirj  ebenso  P;  aber  in  Hs.  steht  deutliches 
veus  und  peoir;  s.  o.  zu  48. 

1204.  sa  terre  et  son  roiaumej  =  C;  la  t.  usf.  P. 

1210.  esgarde]  =  C  T  P;  der  Sinn  verlangt  unbedingt  die 
Besserung  s'eslaisse. 

1216.  c'est  mesceancej  V.  L.  /este  »le/cace  (Druckfehler  statt 
reste  mejhjce  =  C);  c'est  rnescaance  P. 

1225.  vuet]  V.  L.  vet  =^  C;  vuet  T;  vot  P;  e  und  o  ist  oft 
schwer  zu  scheiden,  s.  o.  zu  48. 

12.39.  donne]  =  C;  done  P. 

1242.  ^1  tant  que  Dius  U  preste  force]  C  T  P,  aber  der 
Sinn  verlangt  eher  A   tant  con. 

1245.  eskivantj  =  C;  esquivant  T,  ejhdant  P. 

1250.  terre]  =  Vre  C;  tiere  P. 

1255.  norrirj  nourrir  C  P. 

1257.  ii'abace  (der  bekannte,  unsorm  Text  eigentümliche  Konj.  I)] 
=  C;  n'abate  P. 

1259.  V.  L.  /ier  =  (',  P:  fiet. 


286  yV.  Foerster. 

1268.  guerrej  :z=:  g're  C;  gerre  P. 

1272.  mainniej  =  mäinie  C;  mainie  P. 

1292.  li  vient]  C  T  P;  venir  mit  Dat.  der  Pers.  ist  bekanut: 
gegen  J.  lüngehn,  auftreten,  was  hier  nicht  recht  paßt;  glatt  wäre  i. 

1296.  Et  L.  aveuc  le  roij  =  C  ändert  T  qui  estoit  o  ssoi/ 
und  nach  ihm  P  (Anm.  schweigt)  in:  qiiavoii  o  soi,  offenbar  aus 
der  oben  (s.  zu  836)  bemerkten  Scheu  vor  dem  identischen  Reim; 
allein  er  steht  selbst  bei  demselben  Wort  und  derselben  Bedeutung  in 
unserm  Text,  daß  er  dem  Verf.  nicht  abgesprochen  werden  kann.  S.  zu 
836  und  vgl.  meine  Anmerkung  zu  Ille  und  Galeron  Z.  3644. 

1299.  [EtJ  puis  fait(e)  ort  Vaiie  conier]  =  C,  ebenso  ändert 
schon  T,  dem  P  folgt ;  vielleicht  ist  Puis  ont  falle  Vauc  corner  besser. 

1302.  mangers  P  und  1303  manger  (Hs.  -g')  muß  natürlich 
-gier  lauten!  Ebenso   1312. 

1306.  roiene]  =  C;  roiine  P.  —  apries]  =  aps  C,  apries  T 
ändert  P  in  ariers:  „Da  nur  der  Kopist  die  wallonische  Diphthongierung 
des  Pos.-e  in  ie  kennt,  dem  Dichter  aber  diese  Eigenheit  abzu- 
sprechen ist,  hab  ich  statt  des  temporalen  apries  das  local  zu  fassende 
aHers  in  den  Text  gesetzt."  Dadurch  kommt  die  schiefe  Auffassung 
zu  Stande,  daß  sich  der  König  zuerst  hinsetzt  und  die  Königin  sich 
rückwärts,  also  hinter  ihn  setzt,  was  doch  bei  einiger  Überlegung 
auch  P  abweisen  wird;  premiers  verlangt  unbedingt  apnes,  und  da 
dies  mit  premiers  reimt,  so  müssen  wir  die  Tatsache  einfach  hinnehmen, 
auch  wenn  wir  nicht  wissen,  ob  der  Reim  sich  in  dem  über  17  000 
Zeilen  fassenden  Roman  sich  sonst  noch  findet,  da  1300  Zeilen  da- 
gegen nichts  sagen.  Nun  ist  dies  tatsächlich  der  Fall  und  obendrein 
kommt  diese  Diphthongierung  nicht  bloß  in  der  Wallonie  vor.  Reime 
mit  xYußerachtlassung  des  r  sind  schon  seit  Richars  li  biaus,  Fergus 
so  oft  beigebracht  worden,  daß  sie  eigentlich  als  bekannt  vorausgesetzt 
werden  könnten. 

1312.  s.  zu  1302. 

1315.  G.  Spezereien  trugen  .ii.  puceles  de  renc  en  renc,  Vin 
aporterent  et  piument  .iL  autres  =  C  T,  ändert  P  unglücklich  in 
de  rens  en  rens  :  piumens^  ohne  darüber  ein  Wort  zu  verlieren. 
Er  nahm  wohl  an  dem  Reim  renc  :  puiment  Anstoß,  der  unserm 
Text  wohl  entspricht  und  sich  öfter  findet. 

1326.  L.  fu  au  descaiicierj  V.  L.  Et  L.  fu  au  de  \  (Rest 
weggeschnitten)  -j-  1  =  C,  was  bei  P  fehlt, 

1331.  les]  ses  C  T  P. 

1345.  painne]  =  pdine  C;  paine  P,  ebenso  1346  fontaine 
(st.  -nne). 

1347.  Dont  li  ruissaus  estoit  plus  clersj  =  C,  wo  T  clere 
haben  soll  (offenbar  verlesenes  s)  ändert  trotz  des  klaren  Sinnes  P: 
est(oit)  plus  cler[6]s  und  begründet  es  S.  10  damit,  daß  clers  : 
esmeres  den  Reim  vermissen  läßt,  ,,der  wiederhergestellt  werden  kann, 


Zur   Textkritik  von  Rigomers  Schlussepisode.  237 

wenn  man  das  Adj.  clers  in  das  Part.  Präs.  cleres  ändert  und  estoit 
in  est  .  .  Da  T  clere  hat,  ist  wohl  anzunehmen,  daß  in  seiner  Vor- 
lage das  richtige  Reimwort  clert^s  stand.'-  Dies  ist  aber,  wie  sein 
estoit  sicher  zeigt,  eben  nicht  der  Fall,  sondern  T  hatte  unsere  Hs. 
vor  sich  und  sein  clere  ist  sicher  ein  (d.  h.  vom  modernen  Abschreiber) 
verlesenes  clers.  Dazu  kommt,  daß  ein  ruissels  cleres  ein  Unsinn 
ist  und  daß  die  Lautlehre  obendrein  clarh  verlangen  müßte.  Endlich 
kommt  ein  Zeitwort  derer  oder  selbst  clarer  überhaupt  nicht  vor  — 
man  kennt  nur  den  Würzwein  clare.  —  Wegen  des  nicht  gewöhnlichen, 
aber  wohlbekannten  Reimes  clers  :  esmeres  vgl.  das  oben  von  mir 
zu  V.   1306  gesagte. 

Bonn  a.  Rh.  W.  Foerster. 


Beiträge  zur  Geschichte 

der  politischen  Literatur  Frankreichs  in  der 

zweiten  Hälfte  des  lii.  Jahrhunderts. 

I.  Teil. 

(Vgl.  Bd.  XXXI 1  S.  102  ff.). 

111.    Das    Eiudringeu  des   politischeu   Elements    in    die    Hefor- 
mationsliteratur.  (1560). 

Gegenüber  der  Ausdehnung  und  polemischen  Schärfe,  zu  welcher 
sich  die  religiöse  Reformationsliteratur  bereits  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten nacli  dem  Eindringen  der  Reformation  in  Frankreich  erhebt, 
bleibt  die  Betonung  der  abweichenden  politischen  Parteistellung  der  Be- 
keunerschaft  des  neuen  Glaubens  noch  lange  im  Rückstand,  Der  religiöse 
Kampf  um  Luthers  und  Kalvins  Lehre  war  schon  lange  entbrannt, 
ehe  noch  die  Partei  des  neuen  Glaubens  ihrer  ängstlichen  Enthaltung  von 
jedem  politischen  Hervortreten  entsagt  hatte,  und  der  Gegensatz  der 
Glaubensmeinungen  zu  einer  auch  für  das  staatliche  Leben  bedeutungs- 
vollen Frage  geworden  war.  Trotz  der  Kühnheit,  mit  welcher  die 
Gelehrten  und  Dichter  der  Reformation  in  Traktaten  und  Poesieen 
ihrem  Eifer  für  die  Sache  des  neuen  Glaubens  Ausdruck  gaben,  war 
und  blieb  die  Entfaltung  einer  den  politischen  Vorgängen  gewidmeten 
Literatur  im  Lager  der  Bekennerschaft  des  neuen  Glaubens  eine  Un- 
möglichkeit, so  lange  der  Druck  einer  von  fanatischem  Verfolgungs- 
eifer geleiteten  Regierung  auf  der  Reformationspartei  lastete  und  alle 
selbständigen  Regungen  unterdrückte. 

Wie  sehr  die  Herausbildung  politischer  Züge  im  Charakter  der 
Reformationsliteratur  von  dem  öffentlichen  Hervortreten  der  Bekenner- 
schaft des  neuen  Glaubens  bedingt  ist,  lehrt  die  kleine  Gruppe  der- 
jenigen Poesieen,  welche  nicht  bloß  zuerst  die  der  späteren  Zeitliteratur 
eigentümliche  Verschmelzung  und  Verwechslung  religiöser  und  politischer 
Gegensätze  aufweisen,  sondern  auch  als  die  frühesten  der  unter  den 
Gegnern  der  Reformation  entstandenen  Dichtungen  Beachtung  ver- 
dienen. Sie  knüpfen  an  einen  im  Jahr  des  Bauernkriegs  (1525)  unter- 
nommenen Aufstandsversuch  der  lothringischen  Landbevölkerung  au, 
welcher  von  dem  damaligen  Herzog  von  Lothringen,  Anton  dem 
„Guten",  blutig  niedergeschlagen  wurde.  An  sich  war  die  ganze 
Unternehmung   ebenso    unbedeutend,    wie  ihre    Unterdrückung   blutig 


Beiträge  zur  Geschichte  der  polit.  lÄteratur  Frankreichs.        239 

und  ruhmlos,  und  kaum  einer  dichteribchen  A^erherrlichung  wert 
zu  nennen.  Aber  das  hinderte  nicht,  daß  sich  die  Dichtung  des 
willkommenen  Stoffes  bemächtigte,  um  den  Ruhm  des  Herzogs  zu 
besingen  und  den  Hass  gegen  die  aufrührerischen  Bauern,  in  welchen 
religiöser  Eifer  oder  böswillige  Absicht  nichts  anderes  als  lutherische 
Ketzer  erblickte,  Luft  zu  machen.  Nicolas  Vollcyr  de  Geronville, 
maistre  es  arts,  secretaire  et  historien  de  M^"  le  duc  de  Lorraine, 
machte  die  Unterdrückung  des  Bauernaufruhrs  zum  Gegenstand  einer 
ausführlichen  Schilderung,  in  der  ihn  die  Ruhmredigkeit  nicht  immer 
die  Parteilichkeit  im  Zaume  halten  ließ. i)  Laurent  Pillard,  oder 
wie  er  sich  mit  lateinischem  Namen  nannte,  Pilladius,  ein  Kanoniker 
von  Saint-Die,  widmete  den  Taten  des  Herzogs  im  Kampfe  gegen  die 
aufrührerischen  „Rustauds,'"'  mit  denen  er,  gerade  wie  Nicolas  Vollcyr 
de  Geronville,  mutwillig  die  „Lutheriens'-''  zusammenwarf,  sogar  ein  um- 
ständliches lateinisches  Epos  in  sechs  Gesängen,  dem  er  den  stolzen  Titel 
y^Rusticiade"  beilegte.^)  Den  von  Pilladius  in  weitschweifigem  und  pate- 
tischem  Stil  ausgesprochenen  Gefühlen  des  Hasses  gegen  die  lutherischen 
Ketzer  gab  ein  anderer  Kleriker,  Jean  Ledoux  (Dulcis)^)  Ausdruck  in 
einer  kurzen,  in  französischer  Sprache  abgefaßten  Dichtung,-*)  in  welcher 
er  der  Stadt  Straßburg,  dem  damaligen  Sammelplatz  der  lothringischen 
Lutheraner,  und  ihren  ketzerischen,  von  dem  JiSretique  maudif-'  Francois 
Lambert  bekehrten  Bewohnern  ins  Gewissen  redet  und  ihnen  das  Straf- 
gericht Gottes  und  die  härtesten  Höllenqualen  {,,furies  infernalles'-) 
durch  Cerberus,  Charon  undRhadamanthus  in  Aussicht  stellt,  falls  sie  dem 
Ketzerglauben  zu  entsagen  säumen  sollten.  An  Natürlichkeit  und  Wucht 
der  Sprache  wird  die  Dichtung  des  Ledoux  von  zwei  anonymen  Poesieen 
überragt,  welche  in  markigen  Strophen  dem  Hass  gegen  die  neue  Lehre 
und  der  Freude  über  das  Strafgericht  an  den  Lutheranern  Ausdruck 


1)  yV Hisioirc  et  recueil  de  la  trlumphante^  et  t/lorieusc  victuire  oblenue  contre 
ks  seduyctz  et  abv.sez  Lntkeriens  mescreanls  du  pays  d'Aulsays  et  autres  par  ires  hault 
ei  ires  puissant  prince  et  seigneur  Aiilhoine^  par  la  gräce  de  Dieu  duc  de  Calabre,  de 
Lorraine  et  de  Bar,  etc.,  en  deff'endant  la  foy  catholique,  iiostre  nwre  VEgHse  et  vraye 
iwblesse.  ü  Vutilitc  et  projfit  de  la  chose  publique."  Paris,  chez  Galliot  du  Pre. 
1526  (in -40) 

2)  vgl.  Bull.  IL  (1854)  S.  638.  Über  den  Verfasser  vgl.  auch  Schmidt, 
Bistoire  literaire  de  VAlsace  ä  la  fin  du  XV^  et  au  commencement  du  XVI ^  siede. 
IL  (Paris  1879)  S.  131.  132. 

')  Der  Verfasser  nennt  sich,  das  bekannte  Verfahren  volkstümlicher 
Sänger  nachahmend,  am  Schlüsse  seiner  Dichtung  selbst,  wenn  er  die  Stadt 
Strafsburg  anredet: 

,.,Kntens  bien  la  trampelte, 
„Ze  chant  de  la  chanson: 
„  De  celuy  qtd  Va  faicte, 
„S'en  vetdx  ncavoir  le  nom. 
„L^a  faicte  ung  clerc,  des  chartraines  parties; 
„Du  surnoni  Je  te  haite, 
„II  se  nomme  Dulcis.'" 
*)  „C'haiison  nouvelle  augurative  de  Strasbourg'^  (sur  le  chant:  Reyrets,  soucy 
et  peine'^)  in  Bull.  IX  (1860)  S.   381.  ' 


240  Kurt   Glaser. 

sieben,  und  unbedenklich  das  Beste  sind,  was  jene  Vorperiode  politisclier 
Reformationspoesie  hervorgebracht  hat.  5) 

Mit  der  Hereinzielmng  des  politischen  Moments  in  die  Zeitliteratur 
sind  die  im  Anschluß  an  die  lothringische  Affäre  entstandeneu  Dichtungen 
der  Entwicklung  vorangeeilt,  welche  die  übrige  Literatur  genommen 
hat.  Die  Enthaltung  von  politischer  Parteinahme  war  und  blieb  ein 
Kennzeichen  der  Refornuitionsliteratur  in  der  ersten  Hälfte  des  16. 
Jahrhunderts  und  ließ  eine  Betrachtung  der  Zeitereignisse  nach  ihrer 
politischen  Seite  nicht  zu  ihrem  Rechte  kommen.  Durch  ihren  frommen 
Eifer  bestimmt,  gefallen  sich  die  Dichter  des  Kalvinismus,  in  der 
religiösen  Würdigung  der  geschichtlichen  Vorgänge.  Matthieu 
Malingres  Lied*')  auf  Heinrichs  II.  Regierungsantritt  kann  dafür  als 
ein  zugleich  auch  dichterisch  beachtenswertes  Muster  dienen.  Der 
fromme  Aufblick  zu  Gott,  dem  himmlischen  Lenker  der  irdischen  Könige, 
und  fromme  Ratschlüge  und  Wünsche  für  das  Wohlergehen  der  jungen 
Regierung,  in  welcher  sich  Malingre  ergeht,  lassen  die  schüchterne 
Bitte  des  Dichters  um  religiöse  Freiheit,  welche  in  den  an  den  König 
gerichteten  Worten 

.,7^ar/  guen  tonte  la  terre  tienne 

,,Sa  (näml.   Gottes)  parolle  aye  cours'"' 

liegt,   kaum    als    Anspielung    auf    die   von    den    Kalvinisteu    ersehnte 
Duldung  ihrer  Lehre  erkennen. 

Zwei  unmittelbar  nach  dem  Tode  von  Franz  IL  (am  5.  Dezember 
1560)  verfaßte  Lieder  zeigen  gleichfalls  einen  durchaus  religiösen 
Ton:  das  eine  bei  Bordier  S.  201  ^Cantique  solennel  de  Veglise 
d' Orleans  sur  la  dSlivrance  que  Dieu  feit  de  sonpeiiple  le  5''  decemhre 
J560  (sur  le  chant  du  pseaiune  73)"  betitelt,  gibt  sich  schon  durch 
seinen  Titel  als  einen  im  Stil  der  Märtyrerlieder  gehaltenen  Auf- 
schrei der  Erleichterung  über  die  durch  den  Tod  von  Franz  II. 
erhoffte  Erlösung  aus  den  Verfolgungen  der  irdischen  Machthaber  zu 
erkennen;  und  auch  das  andere,  einer  „Damojjselle  frayipoise" 
zugeschriebene  Lied  auf  den  Tod  von  Franz  II. "')  bewegt  sich  in 
frommen  Betrachtmisen  über  Gottes  Urteile,  welche  sich  in  dem  Tod 


*)  Die  eine  iührt  den  Titel:  Chanson  de  la  dej/hicte  des  Lutheriens,  faicte 
par  le  noble  duc  de  Lorraine  et  ses  freres,  avec  Vayde  de  leurs  amys  francoys  et 
<juerdoys\  sur  le  chant:  0  bans  Frangois,  loyaulx  et  preux.  in:  „La  Fleur  des  clian- 
sons.  Les  grans  chansons  noureUcs  etc.,  pet.  in  8'',  neuher.  von  Techener  (1833); 
abgedruckt  bei  Desnoyers,  Bull,  de  la  soc.  de  Vhistoire  de  France  I.  (1834)  S. 
268.  269  und  bei  Le  Roux  de  Liucy  IL  S.  97—99,  vgl.  auch  Picot,  Revue 
d'hist.  lit.  de  /«  France  II.  (1895)  S.  43,  nr.  48.  —  Die  andere  „Chanson  contre 
les  Lutheriens"  findet  sich  in  :  „La  balade  des  Icutheriens  avec  sa  clianson."  S.  1. 
n.  d.  (in-8"),  wonach  der  Abdruck  von  Picot  /.  c 

^)  In :  Recue'il  de  plusieurs  chansons  spirituelles  taut  vieilles  que  nouvelles  M. 
D   L.  V.  (s.  0.)  nr.  51.  S.  123—125  (Bordier  S.  199—201). 

')  „Chanson  spirituelle  sur  le  rhant  du  psau7ne  12^\  enthalten  in:  Monologue 
de  providence  divine,  parlant  'ä  la  France.  EnverS  MDLXI.  (ßibl.  Nat.  Inv. 
Res.  Ye  4,430).    Abdruck  auch  bei  Bordier  S.  204—207. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  polit.  Literatur  Frankreichs.        241 

des  jugendlichen  Königs,  in  dem  Leiden  dei'  kalvinistisclien  Uekenuer  und 
vor  allem  in  dem  Schicksal  des  unschuldig  in  Gefangenschaft 
schmachtenden  Conde  offenbaren;  mit  einem  dem  Stil  der  geistlichen 
Lieder  entsprechenden  Aufblick  zu  Gott,  dem  Erlöser  aus  dem  Elend 
der  Zeit  und  der  Macht  des  Antichristen,  als  dessen  häßiiclistcs 
Attribut  auch  hier  die  Messe  erscheint,  schließt  das  Lied. 

Nicht  viel  anders  ist  der  Ton  eines  längeren  Gedichts  auf  die 
Regierungen  Heinrichs  II.  und  Franz'  IL  .„Sur  les  regnes  de 
Henri  II  et  de  Frangois  11'  (in:  Brdl.  V  (1856)  S.  395—398), 
dessen  anonymen  Verfasser  wir  noch  mehrmals  zu  erwähnen  haben 
werden.  Der  Tod  des  schon  in  jugendlichem  Alter  entrissenen  Königs 
und  seines  so  plötzlich  verstorbenen  Vaters  läßt  den  Verfasser  zurück- 
blicken auf  die  Regierungen  beider  Fürsten;  überall  sieht  er  das 
Walten  Gottes  und  das  Irren  der  Menschen.  In  dem  plötzlichen 
Tod  Heinrichs  IL,  welcher  eben  noch  die  Gläubigen  verfolgte,  erblickt 
der  fromme  Sänger  die  Hand  Gottes,  die  den  König  hinwegraffte 
.,a?<  milieu  de  jeiix  plaisans'-' .  In  der  Schilderung  der  Leiden,  welche 
die  Anhänger  der  neuen  Lehre  unter  Franz  II.  zu  erdulden  hatten, 
in  der  Schilderung  der  Standhaftigkeit,  mit  welcher  sie  alle  Qualen 
ertragen  haben,  stimmt  der  glaubenseifrige  Kalvinist  eine  machtvolle 
Sprache  religiöser  Glut  an,  welche  gar  manche  Märtyrerlieder  an 
Wucht  und  Schwung  übertrifft.  ,,Xe  flambeau  que  tv  fay  luire-' , 
r^o  redet  er  die  Rogierungszeit  Franz'  II.  an, 

„  Le  flambcaii  que  tu  fay  luire, 
,,Pour  vous  eclairer  les  joxirs, 
.,A  veu  des  tiens  le  martyre 
..Pendant  ses  journaliers  tours: 
,.Il  a  veu  la  cruautc, 
„La  fausse  delo'iaute, 
.,D\me  jeune  adolescence 
..Aiant  rolallc  puissance." 

Der  Tod  des  Königs  wird  wie  eine  Erlösiuig  der  Gläubigen 
von  ihren  Leiden  begrüßt.  Die  Dichtung  klingt  aus  in  ein  Lob 
Gottes,  der  die  Qualen  der  Bekenner  des  neuen  Glaubens  beseitigt 
hat,  und  in  die  Bitte,  das  Herz  des  neuen  Königs  zur  Milde 
zu  stimmen. 

Die  auf  dasselbe  Ereignis  bezüglichen  „  Trois  Sonnets  au  Tres- 
Chrestien  Roy  de  France  Charles  neufviesme'"''^)  sind  noch  religiöser 
und  biblischer  gehalten:  sie  beten  um  Weisheit  für  den  neuen  König, 
der  ein  zweiter  Josias  werden  soll,  und  halten  dem  König  die  Tugenden 
eines  wahren  Regenten  und  den  Segen,  den  ein  Leben  und  Re.uieren 
nach   dem   Willen  Gottes   einbringt,   aber   auch    die   traurigen  Folgen 


8)  in:    Mim.  de  Condc  II.  S.  220   -222.   Vgl.  auch  L(!long,  Blbl.  hist.  de 
In  France,  S.  2,36.  nr.  1779.'). 

Ztschr.  f.  frz.  .Spr.  u    Litt.  >CXXIIi.  16 


24-2  Kurt   Glaser. 

ciuer   etwaigen  Vcnia.'hliissiguiig   seiner  hohen  und  erhabenen  PHicht 
vor  Au^en. 

Daß  auch  der  Tod  Kalvins  die  frommen  Sänger  seiner  Lehre 
zu  religiösen  Betrachtungen  begeistern  mußte,  bedarf  bei  dem  gleich- 
mäßigen Eifer,  mit  welchem  <-ich  die  frommen  Sänger  in  der  religiösen 
Betrachtung  der  Zeitereignisse  ergehen,  kaum  noch  der  Erwähnung. 
Unter  den  Sängern,  welche  der  Tod  des  Reformators  erwickt  hat, 
verdient  Antoine  de  la  Roche- Chandieu,  einor  der  ersten  Geistlichen 
der  reformierten  Gemeinde  zu  Paris  (s.  Bull.  II  (1854)  S.  385), 
genannt  zu  werden.  Unter  den  dem  Tode  des  Altmeisters  gewidmeten 
Sonetten,  welche  Chandieu  unter  dem  Pseudonym  Zamariel  in  einer 
Au<;gabe  von  Bezas  Gedichten  („  Theod.  Bezae  pcpmata.  Psalmi  Davidici 
XKX.  Sijhae.  Elegiae  Epigrammta  cum  alia  varii  argumenti, 
JSpitaphia  et  quae  peculiari  nomine  Iconas  inscripsit  omnia,  in 
liic  tertia  editione,  partim  recognita,  partim  locupletata-'-)  ver- 
öffentlicht hat,  hebt  sich  ein  Sonett  hervor^),  in  welchem  Cliandieu 
in  aufrichtiger  Trauer  um  den  Tod  des  Reformators  klagt  und  in 
poetisch  nicht .  unwirksamer  Weise  den  Gegensatz  ausmalt,  welcher 
zwischen  den  Wohltaten  des  lieblichen  und  erquickenden  Monats  Mai 
und  dem  Leid  besteht,  welches  derselbe  Monat  durch  den  Tod  Kalvins 
der  Sache  der  Christen  gebracht  hat.  Der  Ton  von  Chandieus 
Dichtung  ist  noch  ganz  der  der  frommen  Klage;,  die  Würdigung  des 
großen  Reformators  ist  eine  noch  ausschließlich  religiöse,  bei  der  die 
hohe  politische  Bedeutung  seiner  Wirksamkeit  noch  völlig  zurücktritt. 
Einen  politischen  Chra-akter  kann  man  der  Rpformationsliteratur 
überhaupt  erst  zusprechen  mit  dem  Hervortreten  der  kalvinistischen  Partei 
auf  staatlichem  Gebiete,  wie  es  durch  die  mit  dem  Tode  Heinrichs  II. 
in  der  Regierung  des  französischen  Königreichs  vorgehende  Wandlung 
bezeichnet  wird.  Die  Erfassung  und  Betrachtung  der  zeitgeschichtlichen 
Vorgänge  nach  ihrer  politischen  Seite  gewinnt  erst  mit  dem  Augenblick 
eine  maßgebende  Bedeutung,  in  welchem  die  Bekennerschafi  des  neuen 
Glaubens  als  eine  staatlich  organisierte  Partei  in  die  durch  den  Tod 
Heinrichs  II.  geschaffene  Lage  eingreift. 

Der  frühzeitige  Tod  Heinrichs  II.  lieferte  seinen  jugendlichen 
Nachfolger  Franz  II.  dem  Einfluß  der  bei  den  Kalviiiisten  als  Führer 
der  katholischen  Sache  verhaßten  Guisen  aus,  die,  unbekümmert  um  die 
Ansprüche  des  Königs  von  Navarra  und  des  Prinzen  Conde,  die 
Vormundschaft  des  Königs  an  sich  rissen  und  ein  machtvolles  Regiment 
am  Hofe  und  im  Lande  zu  führen  begannen. 


°)  Abdruck  in  Bull.  IV  (ISäo)  S.  327. —  die  anderen  Dichtungen  in 
Bull.  VII  (1858).  S.  14,  V}.  Im  ganzen  enthalten  die  „Theod.  Bezae  ixvmata'- 
etwa  23  chansons  auf  Kalvins  Tod,  vgl.  BuH.  XXVIII  (1879).  IS.  .-^78.  Über 
Chandieu  vgl.  La  Croix  du  Maine  I.  S.  65;  Du  Verdior  L  S.  182-184; 
Teissier,  Eloqes  des  Savans,  (1715.)  IV.  S.  139 — 144:  Niceron,  Memoires  etc. 
XXII.  S.  281— 293:  La  H-ance  prol.  iIIL  S.  327— 334,'  -III.  S.  1049—1058.- 
Eine  griechische  Ode  auf  den  Tod  Kalvins  von  Florent  Chrostien  wird 
erwähnt  France  prot.  III.'  S.  4^5.',  -III  S.  374. 


Beiträge  zur   Geschicläe  der  poUt.  lAteratur  Fnuikreiclis.         243 

Mit  dem  Eintritt  der  Giiisen  iu  die  leitende  Stelle  am  französischen 
Hofe  nimmt  der  Gegensatz  zwischen  Kalvinismus  und  Katholizismus 
einen  politischen  Charakter  an.  Die  Herrschaft  der  Guisen  am  Hofe,  die 
ZurücksetzuDs  des  eingestammten,  dem  kalvinistischen  Bekenntnis  er- 
gebenen Prinzenpaars,  Navarra  undConde,  und  der  Eifer,  mit  welchem  sie 
ihre  Macht  im  Interesse  ihres  Hauses  und  der  katholischen  Sache  aus- 
beuteten, liefen  in  dem  Lager  der  schreib-  und  streitlustigen  Kalvinisten 
lebluifte  Miß-^timmung  hervor,  mit  welcher  sich  ernste  Besorgnisse  um 
die  durch  den  Machtzuwachs  des  Guisenhauses  bedrohte  königliche 
Autorität  verbanden.  Die  Rückwirkung  des  Umschwungs,  v>elcher  sich 
mit  dem  Tode  Heinrichs  H.  in  der  Regierung  Frankreichs  vollzog,  auf 
die  Richtung  der  politischen  Literatur  war  unausbleiblich  Während 
sich  bis  dahin  die  Reformationsliteratur  auf  den  Streit  um  religiöse 
Fragen  und  Gegenstände  beschränkt  hatte,  verlangt  nunmehr  die 
staatliche  Machtstellung  der  Bekennerschaft  des  neuen  Glaubens  eine 
maßgebende  Berücksichtigung  in  der  Literatur.  In  der  Feindschalt  gegen 
die  am  Hofe  allmächtigen  Guisen  gewinnt  die  kalvinistisclie  Polemik 
ein  handgreifliches  Ziel  und  läßt  die  Gegnerschaft  gegen  die  katholische 
Partei  zur  Feindschaft  gegen  ihre  ehrgeizigen  Führer  werden.  Die 
Literatur  tritt  in  den  Dienst  beider  Parteien  und  wird  in  dem  Kampf  um 
die  politische  Macht'-telluug  am  Hofe  und  im  Staate  zu  einer  scharfen 
Wafle,  deren  sich  Kalvinisten  wie  Katholiken  zum  Angriff  auf  den 
Gegner  wie  zur  Wahrung  der  eigenen  Rechte  bedienen.  Um  den 
stattlichen  Baum,  zu  welchem  der  Same  von  Luthers  und  Kalvins 
Lehre  auf  dem  einer  Parteibildiing  so  ergiebigen  Boden  des  damaligen 
Frankreich  emporsproß,  begann  sich  die  politische  Literatur  empor- 
zuranken und  zu  einer  Blüte  zu  entfalten,  wie  sie  noch  keine  Periode  der 
französischen  Literatur  gezeitigt  hatte.  Der  Aufschwung,  welchen  die  poli- 
tische Literatur  in  den  Jahren  1559  und  1560  nimmt,  ist  wesentlich  durch 
den  Aufschwung  der  kalvinistischen  Schriftstellerei  und  Dichtung  bedingt. 
Trotz  der  duldenden  Rolle,  zu  welcher  sich  der  Kalvinismus  infolge 
.seiner  politischen  Bedeutungslosigkeit  verurteilt  sah,  war  und  blieb  er 
im  Besitz  der  geistigen  Überlegenheit  und  literarischen  Regsamkeit.  In 
der  Schule  liarten  Leidens  war  die  Literatur  im  Lager  der  Bekenner- 
schaft des  neuen  Glaubens  entsprossen  nnd  zu  einer  Kühnheit  der 
Sprache  und  einer  Wucht  der  Polemik  gegen  Kirche  und  Kirchenlehre 
herangereift,  welche  nur  der  Übertragung  auf  andere  Fragen  der  viel 
bewegten  Zeit  bedurfte,  um  auch  da  Wirkung  zu  erzielen.  Was  dem 
Kalvinismus  an  })olitischer  Macht  abging,  ersetzte  die  Begeisterung 
seiner  Bekenner  für  die  Sache  des  Glauljens  und  die  Kühnheit,  mit 
welcher  seine  Woitführcr  die  Feiler  und  Presse  im  Dienst  ihrer  Partei 
zu   handhaben  wußten. 

Schon  wagt  sich  die  Unzufrieilenheit  der  Kalvinisten  mit  dem 
Regiment  der  Guisen  und  das  Mißtrauen  iu  ihre  Absichten  in  ver- 
einzelten Anzeichen  hervor  i*^),  ehe  noch  die  Yerschwörung  von  Ämboise 

1")    Bouille,  I.es  ducs  de  Gtdse.     (Paris  IN-IO)  I].  S.  26ff. 

16* 


244  Knrf  i^lafer. 

im  März  löUO  die  Sclivit'tstcllcrei  beider  Parteien  recht  cigeiitlicli  in 
Fluß  brachte  und  im  kalvinistischen  Laser  eine  Reihe  von  Schriften  ins 
Leben  rief,  wclclie  mit  der  Darlegung  des  Verlaufs  der  Unternehmung 
eine  Darlegung  ihrer  Berechtigung  verbanden  und  mit  harten  An- 
klagen gegen  die  am  Hofe  allmächtigen  Guisen  in  die  Schranken 
traten.  Bereits  auf  dem  Tage  von  Fontaincbleau  konnte  der  Kardinal 
von  Guise,  gegen  welchen  sich  die  Angriffe  hauptsächlich  richteten, 
erklären,  „qiiü  en  avoit  snr  sa  table  ringt  deu,v  [placards  et  (i- 
helles  diffamaioiresj  faits  contre  luy,  lesqueh  il  gardoit  trl'.s- 
soignetisement  comme  Je  plns  grand  honneur  quHl  sanrott  jamais 
recevoir,  qnc  d'estre  blasmc  par  tels  me.tcha7is:  esperani  que  re 
iscroit  le  vray  esloge  de  sa  vie  pour  le  rendre  immortel.'-'-  (La 
Popeliniere,  Lliist.  de  France  depnis  Jan  1550  jusqne  ä  ces  temps. 
1582.  L  S.  389),  und  auch  an  die  Königin-Mutter  gelangten,  wie 
Beza,  Hist.  ecd.  L  S.  ir;  l,  berichtet  „Cf^crits  en  rime  franpoise, 
faisant  mention  de  Ja  mort  advenue  au  roi  Henri  par  le  jusie  jugement 
de  Dien,  dans  lesqueh  aiissi  Jadite  dame  estoit  fa.ree  de  frop  d<'- 
ferer  au  cardinaJ.^'- 

Eine  der  Schriften,  welche  unmittelbar  nacli  der  Verhaftung 
der  Hauptteilhaber  an  der  Verschwörung  von  Amboisc  erschien,  sucht 
in  der  Form  einer  Verteidigungsschrift,  welche  die  unter  dem  Drucke 
der  Guisen  leidenden  Stände  an  den  König  richten  i'\  die  Unter- 
nehmung von  Amboiso  als  eine  ausschließlich  gegen  das  Gewalt- 
regiment der  Guisen  gerichtete  Unternehmung  darzutun,  die,  weit 
entfernt  davon,  den  Sturz  des  Königs  zu  beabsichtigen,  vielmehr  die 
Autorität  des  Königs  und  das  Wohl  des  Landes  und  die  Rechte  der 
Stände  gegenüber  den  Anmaßungen  seines  Ministers  halte  schützen 
wollen.  Mit  großer  Vorsicht  wird  die  religiöse  Seite  des  Tumults 
in  den  Hintergrund  gerückt  und  der  Nachdruck  auf  die  Beteuerung 
ehrlicher  Absichten  und  auf  die  Angriffe  und  Verdächtigungen  gegen 
die  Guisen  gelegt.  In  einer  Sprache,  die  Stimmung  im  Volke  machon 
soll,  wird  gegen  die  Guisen  der  Vorwurf  erhoben,  daß  sie  sich  der 
Herzogtümer  Anjou  und  Provence  bemächtigen  wollen,  daß  sie  unter 
der  letzten  Regierung  dem  Lande  Verluste  zugefügt  haben,  .,et  mes- 
nies  par  Je  dernier  voyage  d'ltaJie.  par  Jeqiiel  J'nn  prt'tendoit  se 
faire  Fape.  J'antre  Roy  de  SiciJc  et  (Je  NapJes'-,  daß  sie  sogar  auf 
den  französischen  Königsthron  Ansprüche  erheben,  welche  sie  aus  ihrer 
vermeintlichen  Abstammung  von  Karl  dem  Großen  gegenüber  der  aus  dem 
Kapetingerhause  hervorgegangenen  königlichen  Familie  herleiten  zu 
dürfen  glauben,  ,^comme  si  votis,  Sire,  et  vos  Pri'decessenrs  n'en 
estiez  quusiirpateurs."  Ihr  Anrecht  auf  ihre  leitende  Stellung  im 
Staate    wird    ihnen    als   Fremden   bestritten.    Verluste,    die   sie  dem 

i^)  _Zrۀ  Eslals  de  Fruace  opprimez  pnr  la  lurwinie  de  Guisc,  au  Roy  hur 
Souverain  Heiijnevr" .  in  Bibl.  Nat.  Ms.  fr.  39.31,  f.  48v.  —  öör.  sowie  in  Mi'-ms 
de  Condr  1.  S.  405— 410  und  Mems  de  Condc  VI.  S.  I.S3-18i^.  Vgl.  dazu  auch 
Lf^long,  J5«6/.  h!st.  II.  S.  234  nr.  177G2. 


Beiträge  zur  Geschichte  de?'  polit.  Literatur  Frankreichs.        245 

Laude  durch  ehrgeizige  und  selbstsüchtige  Haudluugeu  zugeftigt,  werden 
ihnen  vorgehalten.  Eine  ganze  Reihe  von  Maßregeln  und  willkürlichen 
Rechtsverletzungen  wird  aufgezählt,  die  ihre  auf  den  Sturz  des  Königs 
gerichteten  Bestrebungen  kennzeichnen  und  die  ernsten  Besorgnisse 
bei  den  au  der  Verschwörung  von  Amboise  beteiligten,  rechtlich  und 
königstrea  denkenden  Untertanen  rechtfertigen  soll. 

Die  „Histoire  dxi  tuniulte  d' Amboise''  ^-),  welche  mit  größerer 
Ausführlichkeit  auf  den  Hergang  der  für  die  Bekenner  der  neuen 
Lehre  unglücklichen  Unternehmung  eingeht,  gibt  denselben  Anklagen 
nochmals  Ausdruck, 

In  derselben  Richtung  bewegen  sich  zwei  weitere  Schriften,  die 
^^Juste  Complainte  des  fideles  de  France''  ^3)  und  „Jiemo7it7'ance  a 
tous  estais'^^  ^^)  welche  von  der  Beteuerung  der  wahrhaft  christlichen 
Gesinnung  der  kalvinistischen  Partei  und  von  der  Versicherung  der 
Gerechtigkeit  ihrer  Sache  zur  Rechtfertigung  der  politischen  Haltung  der 
seit  dem  Tumult  von  Amboise  als  aufrührerisch  verdächtigten  kalvi- 
nistischen Partei  und  zu  harten  Angriifen  auf  den  verhaßten  Kardinal  über- 
geben. Mit  großer  Entschiedenheit  erheben  beide  Schriften  Einspruch 
gegen  den  Vorwurf  rebellischer  Gesinnung.  „Quand  oyijMrle d'u7i  rebelle, 
tun  met  incontinant  cela  sus  nous,  coinme  si  nous  ne  voulions  obeir 
au  Roy:  Ce  quon  a  peu  connoitre  en  ces personnages  quioiitn'aguere^ 
este  pns  a  Amboise,  ausquels  Von  a  mis  sus,  quHls  vouloyent  tuer 
le  Roy :  ce  qui  est  pure  mensonge  et  calomnie,  ainsi  que  plusieurs 
d'eux  ont  inesme  declare  deuant  luy.  IJon  a  aussi  irouuc  sus  Tun 
d'iceux,  la  requeste  quils  luy  vouloyent  presenter :  laquelle  contenoit 
eiL  sustance  qiiil  luy  pleut  de  faire  jjrescher  pui'ement  et  librement 
VEuangile  de  JJieu  par  toute  la  France:  reiuettre  sus  le  vray  seruice 
de  Dieu  coinme  il  estoit  au  tenis  de  la  primitive  Eglise:  et  chasser 
d'aupresf  de  luy  quelques  Tyrans  qui  usurpent  le  gouvernement  du 
Royaume :  lesquels,  si  ran  iiy prent  garde,  usurperontniesme  sa  courome, 
veu  que  ils  se  dient  estre  issus  de  Charlemagne.  Voila  qu  eile  estoit 
tiniention  de  ses  personnages,  qui  estoit  iuste  et  raisonnable^  et 
grandement  proufitable  au  Roy,  ses  freres,  ä  ceux  de  son  sang, 
et  genei'alement  ä  tont  le  petipL:.      Car  il  y  a  dangcr,  apres  que 

^^)  L^üistvcrc  du  iuiHulte.  d'Aiubvijst  udctna  au  luois  de  mars  ,17.  Jj.  L.  X. 
Ensemhle  uu    autrlissemeul   et  unt  complainte,  au  peyple    Franqois,    1560.      (auch    ill 

Mhihs  dt  Coiide  I    S.  320—334).    Lateinische  IJbersetzunjf  unter  dem  Titel: 

TamuUus  Anbosianus,  hoc  est  Uisloriu  hujus  Tumultäs.  qui  niqier  in  Guüia  ad  oppi- 
dum  AinhosiaiMiii  propter  Guijsiorum  l'rincipun  ijubei-uatiunem  ii  Xobildale  Gallicu 
txdlalus  est  mense  Jlartio  1300.  Adjuncti  sunt  Libdli  ex  Anijlid  et  GaWa  advcrsus 
Guysiorum  gubernalionem  promuhjati.  l.jtiO.  iD-4.  vgl.  auch  Leloug,  liibUolhequt. 
hlsiorique  de  la  Frauce.     (Paris  ]M.  D  CC  L  XIX.)  II.  S.  233-'.  nr.  17  760. 

'3j  Juste  Complaiiäe  des  Jidcles  de  France,  t'ontre  leurs  adversaires  Paplsles, 
et  untres.      Sur  Vufj'liction  et  imu-,  crimen.,  dont  vn  les  chart/e  li  rjrnnd  tort.  .\vigUOD 

M.  D.  L.  X. 

1*)  llemontraiicti  a  (uus  estatn.  l'ar  laquelle  est  eu  brief  demonire  la  foij  et 
iniwcenct  des  crays  Chi-estiens:  Les  abus  ausquels  sunt  detenns  leurs  ennemis  et  perse- 
(iiifeurs:  Et  le  iugemenl  que  Dieu  en  fern.  Paris   1560. 


'}U)  Kurt   Glaser. 

ces  anibitieiw  auront  hien  mis  le  pied  dedann.  (jiie  diß'icüement 
l'on  les  en  puisse  Icver"'  (Remontr.  S.  19.  20).  Besonders  berodl 
ist  die  „Juste  Compluinte^''  welche  mit  Eifer  und  Leidenschaft  den 
Verdachtaufiührerischerpolitischer  Haltung  zurückweist  und  über  die  Ein- 
mischung der  weltlichen  Obrigkeit  in  Sachen  der  Religion  und  über 
die  Verfolgungen  der  Bekennerschaft  des  neuen  Glaubens  und  namentlich 
über  ihren  Urheber,  den  verhaßten  Kardinal,  Klage  führt.  „Ce  Cardinal 
l^pictirien^  honmie  qui  nc  croit  autre  Dieu  qiie  soy  mesme,  se  ?a?.y- 
sant  bailler  pur  ses  ßateurs  escriuains  tous  les  tiltres  dlionneirr 
qu''on  sauroit  bailler  ä  Dien,  {Viin  Üappellant  Le  grand  Dieu  de 
la  mer^  et  lui  presentant  le  tableau  de  deuocion:  lautre  d'un  autre 
tiltre  dlionneur  divin)  tient  en  France  i^lace  de  Pape,  et  son  frere 
place  de  Roy^  u  /in  que  tous  ceux  qui  nous  persecutent.  entendenl, 
qu^ä  proprement  parier,  ce  nest  pas  au  Roy  qiiHls  obeissent  en 
ce  faisant,  ains  servent  de  bourreaux  au  susdit  Epicurien  Cardinal, 
et  ä  totis  ceux  de  sa  secte,  (car  s'il  en  y  a  d^entr'eit.v  qui  nous 
favorisent  ä  bon  escient,  et  il  en  pent  estre  auerty,  ils  sentent 
incontinent  que  peut  sa  tyraymie)  et  ä  son  frere  le  grand  tyran. 
Car  entre  les  mains  de  ces  deux  tyrans  sont  inis  les  deux  glaives 
de  France,  le  Spirituel  es  mains  du  Cardinal:  et  le  Maieriel,  es 
mains  de  son  frere.  De  Cardinal  ne  pouvant  plus  rien  faire  de 
son  glaive  ä  Vencontre  de  nous  {moqueur  de  Dieu  qii'il  est,  et  de 
sa  parole)  ny  trouve  point  de  plus  court  clicmin,  que  de  no'is 
charger  du  crime  de  scdition,  et  7ious  bailler  entre  les  mains  de 
son  frere:  auquel  si  vous  voidez  rendre  raison  de  vostre  fait,  il 
vous  dira  soudain  que  de  lui  il  n''entend  nen  ä  disputcr  de  Dieu, 
mais  quil  spait  fort  bien  faire  coupper  des  testes.  .  .  fS.  25.  26). 

Die  gelehrte  theoretische  Rechtfertigung  der  Unternehmung  von 
Amboise  geht  mit  diesen  zur  Wahrung  des  Rechts  unternommenen  An- 
klagen gegen  die  Guisen  Hand  in  Hand;  sie  liegt  uns  vor  in  einer 
im  gleichen  Jahre  veröffentlichten  „Response  au  Livre  inscrit,  povr 
la  Majoritc  du  Roy  Francois  second^'- ^'^)  betitelten  Widerlegung 
des  von  Jean  de  Tillet,  ,.,Pour  la  majorlte  du  roi  tres-chrestien  contre 
les  ccrits  des  rebelles"-  '6),  geführten  Nachweises,  daß  die  Münligkeit 
des  Königs  mit  dem  14.  Jahr  beginne,  und  darum  Franz  II.  mit  Fug 
und  Recht  König  von  Frankreich  sei  und  in  der  Wahl  seiner  Minister 
seiner  eigenen  Entscheidung  folgen  könne. 

Wirksamer  und  kraftvoller  als  die  ziemlich  scliwächliche  Replik 
der  „Responce'',  welche  mit  wenig  Glück  und  geringer  Wahrscheinlichkeit 
für  das  14.  bis  25.  Lebensjahr  des  Königs  eine  Zwischenzeit  nach- 
zuweisen unternahm,  in  welcher  der  König  nur  dem  Namen  nach  regiert, 
in  Wahrheit  aber  sich  von  den  ihm  durch  die  Stände  gegebenen  Rat- 


«)  in:  Mems  de  Conde  I.  S.  471—490. 

^^  A  Tours,  pour  GuUlaume  Bowfjeat  et  Laurcvt  Richard.  M.  D.  LX.  (auch 
in:  il/e'ms  de  Conde  I.  S.  437 — 448;  im  Auszug  auch  in  Laurpnt  Biiuchel,  La 
Bibliothrr/ue   ou   trcsor   du  droii  franroi^.  II.  fParis  M.   D.    CLXXI.)  S.  034  — n;!7. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  polit.  Literat^ir  Frankreichs:.        247 

gebtru  leiten  läßt,  wai'  die  Sprache,  welche  andere  kürzere  und  kühnere 
Pamphlete  führten.  Ein  r-Äclvertissement  au  peiiple  de  France^\ 
welches  in  dem  Drucke  der  Histoire  du  tunnäte  d'Amboise  anhangs- 
weise beigefügt  ist,  i^)  wendet  sich  in  kühnen  "Worten  an  das  ,,povre 
peuple^,  unter  dem  Vorgeben,  es  in  Treue  und  Anhänglichkeit  an  den 
französischen  König  zu  bestärken,  in  Wahrheit  aber,  um  sein  Mißtrauen 
gegen  die  Guisen  zu  wecken.  In  kecker  Sprache  sucht  das  „ÄdvertissemenV" 
das  französische  Volk  aufzuklären  über  die  Berechtigung  der  Ansprüche, 
welche  die  Guisen  kraft  ihrer  angeblichen  Abstammung  von  Karl  dem 
Großen  auf  die  französische  Königswürde  erheben  und  gelangt  in  diesem 
Zusammenhang  zu  einer  bemerkenswerten  Deutung  des  den  Bekennern 
des  neuen  Glaubens  in  jenen  Tagen  beigelegten  Namens  Huguenots, 
welche  mir  für  die  Herleituug  des  vielumstrittcnen  Wortes  nicht  hin- 
reichend beachtet  zu  sein  scheint,  i?)  Das  ,,Adveriissemeni'-  schließt 
mit  dem  an  das  französische  Volk  gerichteten  Aufruf,  sich  den  Rechts- 
verletzungen der  Guisen  zu  widersetzen,  „A  cette  cause  peuple 
Frangois,  nostre  deuoir  est,  par  la  fidelite  que  vous  atiez  ä  vostre 
Prince  et  Roy  l'reschrestien,  de  tascher  par  tous  moyens  legitimes 
ä  nous  opposer  ä  wie  si  mecliante  et  iiialheurense  entreprinse: 
demandans  secours  et  ayde,  premiereynent  ä  Dien,  autew\  fondateur, 
et  conservateur  de  cette  Monarchie :  et  en  apres  ä  tous  les  Farlemens, 
et  Estats  dn  Royaume:  ä  fin  que  Vaage  auquel  est  pour  le  present 
nostre  Roy:  la  bonte  et  douceur  de  noture  dont  il  est  douii:  et 
au  contrairc  la  grande  pidssance,  les  Mens  et  richesses  dont  ses 
ennemis  se  sont  tnunis  de  longue  main^  pour  paruenir  ä  leur 
entreprinse,    nc    leur    donnent    occasion    de    mettre    ce  ßorissant 


")  S,  21— 24.  (Mems  de  Cond,'  1.  S.  4U2— 40o). 

'*)  v-fc'  ^'ous  donner  ä  entendre  f  entreprinse  et  machination  qiiaucu7is  ennemis 
de  JJieu  oiit  dressee  h  Pencontre  de  nostre  Roy^  la  Royne  mere,  Messeigneurs  de  France 
les  Princes  du  sang :  et  en  general  de  tout  ce  poure  Royaume.  Sackez  donc  ijtie  ceiix 
de  la  maison  de  Guyse  pretendent  quereller  la  Couronne  de  France,  snr  iin  droit  en- 
fumc  que  ils  vculent  debattre  it  raison  de  Hugue  Capet :  leqiicl  ils  disp.nt  auoir  occupe 
/•e  Royaume  l'an  mil  neuf  cens  octantehuil  apres  le  trespas  du  Roy  Loziys  qui  deceda 
.sans  enfäns  masles:  au  Heu  que  la  succession  en  appartenoit  li  Charles  Duc  de  Lorraine 
hur  predecesseur :  pretendans  estre  desccndus  de  la  droitle  Ugne  de  Cliarlemagne.  Et 
comhien  que  le  susdit  Duc  de  Lorraine  soit  dccede  saiis  enjans  masles,  tellement  que 
c.eux  de  Lorraine  ne  peuuent  nier  qu'ils  ne  soytnt  descendtis  deßlles,  nusquelle.i  la  cou- 
ronne de  France  ne  peut  appartenir,  neantmoins  fönt  en  plusieurs  endroils  disputer 
que  les  enfans  et  successeurs  d\n  voleur  et  nsurpaleur  de  Royaume,  iels  qu'ils  pretendent 
avoir  este  Ic  susdit  Hvgue  Capet:  y  ont  heaucoup  moins  le  droit,  que  les  enfans  et 
successeurs  d'une  ßlle  legitime.  En  moniere  quils  ont  de  long  tenips  composc  par  en- 
semhle  un  sohbriquet  et  mot  <i  jdaisir,  par  de.rision  de  ceux  qu'ils  disent  estre  dcsrendus 
de  la  race  de  Hugue  Capet,  les  appelans  Huguenots ;  enveloppans  en  une  (eile  contumelie, 
71071  seulement  ceux  qui  se  ejforcent  de  maintenir  le  Jlorissnnt  estat  de  ce  Royaume. 
mais  aussi  la  personne  du  Roy  nostre  maistre^  Messeigneurs  ses  freres,  et  tous  les 
Princes  du  sang,  ce  que  neantmoins  ils  veulent  pour  le  present,  et  iusques  ii  ineilleure 
opportunite,  tellement  insinuer  aux  cueurs  ei  oreilles  tant  de  nostre  peuple,  que  des  nations 
estranges,  par  la  contumelie  et  scandale  d'un  tel  mot  en  demeiire  par  cy  apres  un  Heu 
cu  ils  preicn/lent  I'adresser',  (S.  21 — 23). 


248  '  Kurt  Glaser. 

lioyaume  en  proye  et  en  pillage:  et  se  saisir  de  la  sainte  Oouronne 
de  France:  axi  deshonneur  du  noni  de  Dieu  et  ä  la  ruine  et 
desolation  de  tous  les  subiects  du  Roy.  Ce  que  nostre  hon  Dieu 
par  sa  sainte  inisencorde  et  clemence  viieille  bien  tost  empecher: 
et  nous  donner  o  tous  vertu  et  liardiesse  de  resister  ä  tani  de  maux, 
et  calamiiez  qui  nous  sont  prochaines,  si  Dieu  par  sa  honte  ny 
donne  remede." 

Die  ..^Complainie  au  peuple  frangois-^ ,  die  auf  das  „adver- 
tissement-'  folgt  i-'j,  fülirt  die  gleiche,  Mißtrauen  und  Feindschaft 
erweckende  Sprache:  „Peuple  Frangois,  VJieure  est  viaintenant  venui': 
tju'il  faul  montrer  quelle  foy  et  loyautS  7ious  auons  ä  nostre  hon 
lloy.  Uentreprinse  est  deconuertc:  la  conspiration  est  conneue:  les 
machinations  de  la  maison  de  Guyse  sont  reuelces'".  Aufforderungen 
zur  Treue  gegen  den  König  und  Mahnrufe  an  das  von  den  Guiseu 
ausgebeutete,  in  seinen  Rechten  vergewaltigte  und  seinem  Fürsten 
entzogene  Volk  mischen  sich  mit  harten  Anklagen  gegen  die  Guisen 
und  ihre  Politik.  „Z.cs  ennemis  du  Roy  chasscnt  la  nohlesse  en 
la  mer  pour  estre  viandc  des  poissons.  lls  suscitent  les  Anglois 
ä  faire  nouuelle  guerre,  non  pas  contre  le  Roy,  comme  la  R'iyne 
d'Angleterre  la  proteste  par  son  escrit  imprime  et  diuulgue:  mais 
seulement  ä  Vencontre  de  leur  ambitieuse  tyrannie.  lls  rangonnent 
le  poure  peuple  de  tailles,  tributs  et  exactions  intolerables.  lls 
possedent  le  Roy  Treschrestien  pour  Vcmpecker  d'entendre  les  ad- 
vertisseinens  qu'on  iuy  pourroit  faire,  lls  amassent  toutes  les 
jinances  de  France  pour  en  payer  les  estrangers  quils  ont  ä  loage, 
et  Imsseni  tonte  la  Gendarmerie,  et  Infanterie  Frangoise  sans 
payer:  et  neantmoins  sont  si  inipudens  que  de  nous  vouloir  faire 
cntendre,  quHls  fönt  venir  les  estrangers  pour  la  garde  du  Roy. 
Ha  poure  nation  Francoise!  est-ee  la  Vestime  que  Von  faxt  de  ta 
fidelite?  est-ce  la  la  reputation  que  tu  as  acquise  et  maintenue 
par  si  (ongtemps  ä  l'endroit  de  toutes  les  nations  estrangeres, 
d' estre  si  loyalle  ä  ton  Prince?  que  il  faille  maintenant  enuoyer 
aax  pais  estranges,  pour  faire  venir  gens  ä  la  defence  et  protection 
de  ton  Roy'?  Ei  qu'est-ce  qu^un  Roy.,  sHl  na  des  suiets  qui  le 
gardent  et  defendentf  Oa^  qui  sont  les  suiets,  s'ils  ne  gardent 
leur  Roy"^  0  Dieu  dement  et  debonnaire,  est-ce  maintenant  quil 
ie  piaist  venger  le  sang  innocent  espandu  en  ce  Royaume'?  Le 
temps  est  il  venu  que  les  estrangers  rauissent  d''entre  nos  hras  nos 
poures  enfans  et  masles  et  femelles,  pour  en  abuser  en  tonte 
rilainie  et  oj'dure?  Fi  que  la  Couronne  soii  transferee  de  ceux 
que  la  maison  de  Guyse  appelle  Ilnguenots:  comme  estans  descen- 
dus  de  la  race  de  llugue  Capet,  pour  estre  remise  et  restituee 
(comme  ils  disent)  ä  ceux  qui  se  renomment  de  Charlemagne? 
Ou   est  ceiie  sapience  tant  renommee  des  Fstats  et  Parlemens  de 

")    S.  2')—2S  (=  Meias  de  Condc  I.  S.  404.  40.'>). 


BeUräije  zur  Gescliichte  der  polif.  Literatur  Frankreiclis.        249 

France,  iiu'ils  ne  considei'ent  la  iustice  de  cette  cause?  .  .  .  Que 
■sl  ccux  qui  sont  en  estat  ou  autoriie,  soni  tellement  endormis  par 
les  corrwpiions :  ou  effrayez  par  la  cruaute  d\m  Cardinal,  pour 
le  nioins  que  le  jyoure  peuple  crie  et  se  lamenie,  et  en  troupe  et 
avsemblee  de-femmes  et  petits  enfans  invoque  si  hautenient  la  bontc 
et  misericorde  de  Dien,  que  toute  la  terre  connoisse  la  misere  et 
calamite  d'une  naiion,  qui  par  estre  irop  fidelle  et  loyalle  ä  son 
Frince,  est  oppnmee  par  la  rage  et  ti/rannie  de  ses  ennemis^'. 

Eiue  andere  Schrift  aus  kalvinistischer  Feder  fülirt  sich  ein  mit 
dem  langatmigen  Titel:  Response  Chrestienne  et  deffensive  sur  aucuns 
poincts  calomnieux  contenns  en  certaines  Leitres  envoy^es  aux 
Baillifs.  Seneschaux,  et  Lieuienans  du  lioy;  Par  lesquelles  Ic 
Cardinal  de  Lorraine,  et  son  Frere,  avec  leurs  adht^rans,  ennemis 
morteh  du  genre  Chi-estien^  traistres  ä  la  Couronne,  Tyrans  et 
Pyrates  sus  le  peuple  Fran^ois  veident  malicieusemeni  et  fausse- 
■inent  charger  les  Estats  de  France  de  rehellion,  Confuration, 
Conspiration.  sedition,  et  autres  crimes,  desquelz  le  Ciel  et  la 
Terre  les  congnoist,  eux-viesmes  estre  infects  et  coulpahles  (1560. 
in:  Mhis  de   Conde  1.  S.  360—397). 

Die  Schrift,  über  deren  Aufnahme  bei  den  Guiscn  De  Thou-^'j 
berichtet,  erörtert  das  Thema  der  üblichen  Anklagen  gegen  die  Guisen 
an  Hand  der  „Lettres  envoyees  aux  Baillifs,  ou  a  leurs  Lieutenans 
daltees  du  dernier  jour  de  Mars  1559  {==  Idb'O)  avant  Pasques"", 
die  von  dem  uns  unbekannt  gebliebenen  Autor  der  „Response  Chres- 
tienne'' als  handgreifliche  Beweise  für  ihre  gegen  die  Autorität  des 
Königs  und  die  Rechte  des  Landes  gerichteten  Bestrebungen 
gedeutet  werden.  Mit  unermüdlicher  Dialektik  wird  scharf  geschieden 
zwischen  den  Absichten  des  Königs,  mit  dessen  Namen  die  .^Lettres'"' 
unterzeichnet  sind,  und  den  hinterlistigen  Gedanken  seiner  Minister, 
die  das  „beau  cruel  carnage  faict  ä  Amboyse'"'  auf  dem  Gewissen 
haben  und  durch  ihre  Übergriffe  freche  Schmälerungen  der  bestehenden 
Kechte  bezwecken.  Obwohl  noch  immer  der  religiöse  Charakter  der 
Unternehmung  von  Amboise  geleugnet  wird,  empfängt  hier  doch  schon 
zum  ersten  Mal  der  religiöse  Standpunkt  der  Kalvinisten  einen  schärferen 
Ausdruck:  die  lieinheit  der  neuen  Lehre  („nouvelle  Boctriiie"-)  und 
die  ihren  Bekennern  gebührenden  Kechte  (namentlich  das  nachmals 
viel  umstrittene  Versammlungsrecht  zu  religiösen  Zwecken)  werden  in 
Schutz  genommen,  und  ihre  Absicht,  die  Kirche  zu  reformieren,  als 
berechtigt  zugestanden  und  mit  Nachdruck  auf  den  zwisclien  der 
christlichen  Kirche  und  der  des  Papstes  {,^ceUe  du  Pape'')  bestehenden 

^''j  nllts  personnes  inconnues  la  portereiU  ii  Paris  ei  a  Uoueuy  el  trouverent 
myijm  d'en  faire  donner  des  Copies  aux  Parlementi  de  ccs  deux  Villes.  Celui  de  Paria 
en  ayaiit  fuil  peu  de  cas,  renvoi/a  au  Cardinal  de  Lorruine  par  tin  I/uissier.  Mais 
le  Parlemtnl  de  Rouen  jugea  ii  jjrupos  de  deputer  quelques  Conseillers,  pour  la  porter 
^ut  Roi,  Les  Guises  craifjnant  quu/ie  teile  deputoiion  ne  donnat  de  la  reputation  et 
du  cours  au  Libelle,  el  ne  les  rcndil  plus  odieu.i-,  empicherent  ces  Maf/isirats  de  wir 
le  Roy,  el  hs  rcnroi/erent".     (Uistoire  etc.  Irad-fraiu;.   1734.   III.   S.  -'»Ol). 


250  Kmt   Glaser. 

Gegensatz  hingewiesen.  Mit  Entfclnedenheit  wird  die  aufrülirerisclie 
Absiebt  der  Bekcnncr  der  neuen  Lcbie  in  Abrede  gestellt  und  das 
Verlangen  nach  einer  Entscbeiilung  und  Regelung  der  religiösen  Streit- 
frage durch  den  König  ausgesprochen. 

An  Tiefe  der  Gedanken  freilich  lassen  die  Fhigschrifien  mehr 
zu  wünschen  übrig  als  an  Kühnheit  der  Sprache.  Die  theoretische 
Erörterung  hält  sich  noch  in  bescheidenen  Grenzen,  und  auch  die 
Polemik  dringt  noch  niclit  in  ganzer  Schärfe  durch.  Die  Schriften, 
so  beredt  sie  ihre  Anklagen  get;en  die  Terliaßten  Guisen  zusammen- 
fassen mögen,  beschränken  sich  immerhin  mehr  auf  eine  mit  Ausfällen 
durchsetzte  Veiteidigung  und  Rechtfertigung,  als  doß  sie  zu  rück- 
5ichts>losem  Kampf  und  Angriff,  zur  ofl'enen  Invektive,  übersehen. 
Satirische  Züge  fehlen  ganz;  nur  vereinzelt  lassen  sich  schwächliche 
Ansätze  dazu  erkennen 21).  Selbst  die  abenteuerliche  Genealogie  der 
Guisen  wird  trotz  allen  Kopfsihüttelns  immer  noch  mehr  als  eine 
ernst  zu  nehmende  Tatsache,  denn  als  eine  der  Komik  würdige  Fabelei 
behandelt,  welche  nach  dem  Vot  bild  Rabelais'  zur  satirischen  Behandlung 
hätte  herausfordern  müssen.  Der  unglücklicheAu-gangder Unternehmung 
von  Amboise  lastete  drückend  auf  der  kalvinistischen  Partei,  welche  sich 
nicht  einmal  der  Zustimmung  und  Billigung  Kalvins  rühmen  konnte—). 

Um  so  machtvoller  und  kühner  ist  die  Sprache,  welche  eine 
kleine  als  ,,Epistre  envoyee  au  Tigre  de  la  Fra^ice",  oder  kurzweg 
als  „Tigre  de  la  France"  bekannte  Schrift  gegen  den  verhaßten 
Kardinal  anschlägt.  Die  berühmte  oder  berüchtigte  Streitsatire, 
die  erste  weltlicher  Natur  aus  kalvinistischem  Lager,  war  lange  Zeit  nur 
aus  der  Erwähnung  der  Legende  de  Charles,  Cardijial  de  Lorraine -'■'), 


-1)  So,  wenn  die  „Response  Chrestienne'^  die  bis  ins  Kleinste  und 
Kleinliche  gehende  Bevormundung  und  Überwachung  des  wie  ein  unmün- 
diges Kind  hehandelten  Königs  durch  die  Guisen  kennzeichnet:  „Qu'cst-ce 
qui  ignore  quHl  ne  se  manie,  ciresso  ne  arresle  cJiose  teile  qu'elle  soii,  que  lout  im 
passe  par  la  main  de  ceux  de  Guyse^  singvlierement  du  Cardinal?  voire  jusques  c 
attendre  le  com/e  d'acliupter  vne  piece  d'ouvi'n;/e  de  pierrerie^  d^or/evrerie,  de  hroderie, 
de  3[onsieur  le  Cardinal:  Qui  en  dernamhroil  la,  verite  nux  Marchands  quifreqvenknt 
la  Cour^  et  ils  rosasseni  dire  je  suis  cer/ain  qu'ils  ne  me  dcmentiroi/ev.t  pas"  (Maus 
■le  Conde  I.  S.  ;573.  Ö74.  vgl.  auch  S.  383). 

2-)  Vgl.  Kalvin  an  Sturm  unter  dem  ?3.  November  1560  (Corpus  Ref. 
XVIIT  nr.  3175)  und  an  Coligny  unter  dem  16.  April  1.561  (Corp.  Ref.  XVIII. 
nr.  3374);  s.  auch  Ranke.  Franz.  Gesch.  \.  S.  208.  248.  Auch  Coligny  stand 
der  Verschwörung  fern,  s.  Briintume,  Hommes  illustres,  ed.  Bücher,  I.  S.  447 
und  Martin,  Historie  de  France  IX.  S.  3,'». 

-■*)  „La  Legende  de  Charles,  Cardinal  de  Lorraine^  et  de  ses  freres.  de  la 
viaison  de  Guise"  Reims  M.  D.  LXXVI.  S  4ö  r  (=  21cms  de  Conde  Vi.  S.  44'-): 
A  ce  lirre  (nämlich  du  TilletS  ,.Pour  la  viaiorite  du  roi')futfait  nne  :;iua  7'espon^e, 
suyvie  pvis  apres  de  diuers  aulres  liureis  en  grand  nomOre,  pour  lesquels  fut  fait  fort 
gran  'e  recerche,  iusques  ii  faire  pendre  Martin  V Ilommet  qui  nuoit  imprima  le  Tygre 
de  la  France  ou  le  Cardinal  enlre  ses  autres  freres  estoii  depaint  de  to'utes  couleurs. 
D^un  costc  le  Cardinal  faignoit  d'e.sti-e  bien  ioyeu.c  quon  V immortalizoit  ainsi,  et  de 
Vautre  il  pratiquoit  gens  ajin  de  respondre  a  tels  libelles  qui  descouuroyeni  ses  ruses, 
et  faisoyent  desia  .?«  legende,  immortalizans  voirement  les  ordtire.f  de  luv  et  de  toide 
sa  maison  ,   .  . 


Beiträge  zur   Geschichte  der  jyolit.  Literatur  Frankreichs.         201 

sowie  aus  den  Angaben  von  Kegnier  de  la  Planche  ^^j^  jean  de  Serres^ä), 
P>rant6me2»3),  De  Tliou-'-),  Rieh.  Dinoth28),  Castelnau'^a),  Maimbourg30; 
und  Baylc^')  bekannt,  deren  Berichte  die  Schrift  als  eine  kurze,  im 
Stil  von  Ciceros  erster  katilinarischer  Rede  gehaltene  wuchtige 
Invektive  kennzeichneten  und  für  eine  genauere  Würdigung  ihres  Inhalts 
durch  die  Schilderung  von  der  Wut  des  erzürnten  Guisen  und  den 
Bericht  über  die  Hinrichtung  des  vermeintlichen  Verlegers  der  Schrift, 
Martin  Lhoranio,  und  eines  am  Tage  der  Hinrichtung  des  letzteren 
zufällig  in  Paris  anwesenden  Rouener  Kaufmanns  entschädigten,  deren 
beklaaenswertes  Schicksal  der  Schritt  eine  traurige  Berühmtheit  vei'- 
schafft  bat.  ,,^  Vencontre  de  tant  de  livrets  puhliez  contre  CilU- 
gitime  gouvernenient  de  ceux  de  Guise'"',  sagte  Jean  de  Serres, 
^Jean  du  Tillet,  grefier  de  la  cour  du  Parlement  ä  Paris,  composa 
im  livre  intitide:  Ja  Majorite  du  Roif  .  .  .  On  lui  fit  plusieurs 
response^  fermes  et  vehementes,  ausguelles  ni  lui  ni  son  frere, 
evesqtie  de  Saint-ßriev.  noserent  repliquer,  quoiqu'ils  en  fussent 
mstamment  sollicitez  par  le  Cardinal,  ponr  le  contenternent  duqucl, 
ä  la  sollicitation  de  nn  certain  conseiller  nomine  Du  Lyon,  lai 
imprimeur  de  Paris,  nommc  Martin  Lihom.met,  fut  jjendu  et 
estrangle  j^our  avoir  mis  cn  lumiere  xin  livret  intituU  ,h  Tygre', 
tait  contre  ceux  de  Guise,  Mesiiie  traitement  fut  fait  ci  un  notable 
marchant  de  Ronen,  qui,  se  trouvant  ä  texecntion,  et  voyant  le 
peuple  esirangement  anime  contre  VHomrnet,  avoit  exhorte.  quelques- 
nns  ä  se  comporter  ^/m.s  viodestement.  Ce  fut  un  proces  saus 
forme  ne  figure,  et  pour  contenter  le  Cardinal,  comme  Du  Lyon 
l'avoua  depuis  en  une  grande  compagnie."  Ebenso  äußert  sich 
Brantöme:  „7/  //  ent  force  lihelles  dijfamatoires  contre  ceux  qui 
gouvernoient  alors  le  royaume;  mais  il  riy  eut  aucun  qui  picquät 
plus  quune  invective  intitidee  le  Tigre  (sur  Vimitation  de  la  -premiere 

-^)  IJisfoire  de  I'estat  de  France,  tant  de  la  RepuhJique  que  de  lo.  Jielü/ion: 
Sous  le  Rcme  de  Franqois   II.     (M.  D.  LXXVI.)   S.  38ö  if. 

^•')  Rccueil  des  choses  memorahles  avenues  cn  France  sous  le  regne  de  Henri  II., 
Francoh  II.,  Charles  IX.,  Henri  III.  et  Henri  IV.  2e  ed.   M.  D.  XCVJII.   S.  90. 

-'•)    Vie  des  dames  (jalantes  (Lfijde  16G6)  II.  S.  4G7. 

-■')  Hisioire  etc.,  trad.  fraiic.  (Londros  17;)4)  III.  S.  r)12. 

'^)  liichardi  Ihnothi  .Yornwnni  Coasiintinatis  Belh  Clcili  Galileo  IleU<iionlf 
causa  suscepto.  Lib.  VI.  (Basüeae  M.  D.  XXCII).  II.  S.  74:  „Odium  autem  eins 
religionis  causa  in  Reformalos  concepium  non  Icuiter  auxit  quorundam  insoleniia,  qid 
ut  mulifbris  ims  inanihus  verbis  vlcisci,  atque  illius  minas  prornus  contemnere  vidtrentur^ 
aut  (ut  leuium  hnmintim  infjeninm  eH)  dicaces  apud  suo.t  haherentur,  Guysanum  ducem 
tigridem,  C'ardinaleii  mar/num  marsupiiim  (quo  nomi?ie  pecuniosum  et  auarum  designahant) 
norum  matrein  lupain,  ut  quae  ludos  pro^enuerat,  nominnbant.''' 

-^)  Menioircs,  1G2I  (in-4")  S.  81  :  .,Sjir  quo// Ton  print  nn  imprimeur  qui  avoit 
imprime  un  petit  livre  intiluti;  „La  Tigre''',  dont  rauteiir  prrfiume,  e>  vn  marchand, 
furetit  pendus  pour  ceste  catise.^' 

"*")  Histoire    du  Calrinisme  S.   MA  fi'.,    cit,   von  Bavle.  Dict.   last,   et  crit.    ')^ 

ed.  III.  S.  179,  Anm.-II. 

•'')  BavlP,  Dict.  hi.<<t.  I.e.  —  vgl.  auch  Lelong,  Bibliothique  historiquc.  II. 
S.  23.'),  nv.  1778.-). 


'2Iy2  Kurt   Glaser. 

iuoective  de  Ciceron  contre  Catüina),  d'autant  quelle  parloü  des 
ainours  d^une  treu  grande  et  helle  Dame  et  d'un  Grand  son 
proche:  si  le  galant  auteur  eüt  este  apprehende,  quand  il  eüt 
eu  cent  mil  vies,  il  les  eilt  toulcs  perdues:  cur  et  le  Grand^  et 
la  Grande  en  furent  si  estomaquez,  quils  en  cuidi^rent  dhesperer." 
Am  ausführlichsten  ist  der  Bericht  von  Eegnier  de  la  Planche: 
.,Nous  avons  dit  que  la  cour  de  parlement  faisoit  de  grandes 
perquisitions  ä  Vencontre  de  ceux  qui  irnprimoyent  ou  exposoyent 
en  vente  les  escrits  que  Von  senioyt  contre  ceux  de  Guise.  En 
quoy  quelques  jours  se  passcrent  si  accortenieni  qiiils  sceurent 
enfin  qui  auoit  imprime  un  certain  Huret  fort  aigre  intituU  le 
Tygre.  Vn  conseiller  nomrnc  du  Lyon  en  eust  la  charge,  quHl 
accepta  fort  volontiers,  pour  la  promesse  d'un  estat  de  president 
au  parlement  de  JBourdeaux,  duquel  il  pourroit  tirer  deniers,  si 
hon  luy  semhloit.  Ayant  donc  mis  gens  apres,  on  trouua 
Vimprimeur  nomme  Martin  VHommet  qui  cn  estoit  saisi.  Enquis 
qui  le  luy  auoit  haillc,  il  respond  que  cest  un  komme  inconnu, 
et  finalement  en  accuse  plusieurs  de  Vavoir  veu  et  leu,  contre 
lesquels  poursuites  fusrent  faites,  mais  ils  le  gagncrcnt  au  pied. 
Ai7isi  quon  inenoit  pcndre  cest  imprimeur,  il  se  trouua  un 
marchant  de  Mouen,  moyetinement  riche  et  de  honne  apparence, 
lequel  voyant  le  peuple  de  Paris  estre  fort  anime  contre  ce  patient, 
leur  dit  seulement,  et  quoi,  mes  amis,  ne  suffit-il  pas  qiiil 
ineuref  Laissez  faire  le  hourreau.  Le  voidez-vous  dauaniagc 
tourmenter  que  sa  sentence  ne  porte?  (Or  ne  savait-ll  pourquoy 
ou  le  faisoit  mourir,  et  descendoit  encor  de  cheual  ä  itne  hostellerie 
prochaine)  A  ceste  parole  quelques  prestres  s'attachent  ä  lui, 
fajjpellant  IJuguenot  et  compagnon  de  cest  homine,  et  ne  fust  ceste 
question  plustost  esmeue  que  le  peuple  se  iette  sur  sa  malette  et 
le  hat  outrageusement.  Sur  ce  hruit  ceux  qu'on  nomine  la  iusticc 
approchent.  et  pour  le  rafreschir  Ic  meinent  imsonnier  en  lu 
conciergerie  du  palais,  ou  il  ne  fut  plustost  arrivc  que  du  Lyon 
Vinterrogue  sommairement  sur  le  fait  du  Tygre,  et  des  propoä 
par  luy  tenus  au  peuple.  Ce  pauuj^e  marchant  ime  de  sauoir 
que  c^estoit  ne  Vauoir  iamais  veu,  ni  ouy  parier  de  niessieurs  de 
Guise:  dit  quHl  est  marchant  qui  se  niesle  seulement  de  ses  affaires. 
Et  quant  aux  propos  par  luy  tenus,  ils  nauoyent  du  offenser  aucun. 
Car  meu  de  pitie  et  compassion  de  voir  mener  au  supplice  un 
komme  (lequel  toutesfois  il  ne  reconnoissoit  et  ti  auoit  iamais  veu)  et 
voyant  que  le  peuple  le  vouloit  oster  des  inains  du  hourreau  pour 
le  faire  mourir  plus  cruellement,  il  auoit  seulement  dit  quHls 
laissasseni  Jaire  au  hourreau  son  ofjice,  et  que  la-dessus  il  a  estc 
iniurie  par  des  gens  de  robhe  longue,  pilÜ.  vole  et  outragc  par 
le  peuple,  et  mene  prisonnier  ignominieusement,  sans  avoir  iamais 
mejfait  ne  mesdit  ä  aucun,  requerant  ä  ceste  fin  quon  enquist  de 
.^'5   vie   et  conuersation.  et  quHl  se  soumctioit  au  iugement  de  tou 


Beiträge  zur  Geschichte  der  pol  it.  Literatur  Frankreichs.        'i5ö 

le  monde.  Du  Lyon  sans  autre  forme  et  figiire  de  procez^  fait 
son  rapport  ä  la  cour  et  au,t  iuges  deUgiiez  par  icelle,  qui  le 
condamnent  ä  estre  pendu  et  estrangU  en  la  place  Maubert,  et  au 
lieu  mesme  ou  auoit  este  attachc  cest  imprimeur.  Quelques  iours 
apres,  du  Lyon  se  trouvant  ä  soupper  en  quelque  grande  compagnie, 
se  mit  ä  pkiisanter  de  ce  pauvre  marchant.  On  lui  remonstra 
Viniquite  du  iugement  par  ses  propos  mesmes.  Que  votdez-vousf 
dit-il,  il  faloit  hien  contenter  monsietir  le  cardinal  de  quelque 
chose,  puis  que  nons  nnvons  peu  prendre  Vautheur;  car  antrement 
il  ne  nous  cust  iamais  donn^  relasche.''''  Die  sofort  nach  ihrer 
Veröffentlichung  im  Auftrag  des  erzürnten  Guise  unterdrüclvtc  und 
seitdem  zu  einer  bibliophilischen  Kuriosität  gewordene  Schrift  selbst 
wurde  zuerst  im  Jahre  1834  von  Louis  Paris  in  dem  Büchermagazin 
Techeners  wieder  aufgefundenes)  und  noch  in  demselben  Jahr  von 
Charles  Nodier  in  einem  Artikel  des  Bulletin  du  Bibliophile  für 
seine  Ausführungen  über  die  Preßfreiheit  vor  Ludwig  XIV.S'!)  verwertet. 
Duplessis  hat  den  ursprünglichen  ,,  Tigre''  in  einer  handschriftlich 
vorhandenen  versifizierten  Satire  unter  dem  Titel  „Xe  Tygre.  Satyre 
sur  les  gestes  memorahlefi  des  Guisards,  1561"  (s.  u.")  wieder- 
erkennen und  in  der  von  Paris  aufgefundenen  Prosafassung  ein 
Pasticcio  der  ursprünglichen  Verssatire  erblicken  wollen  34).  Dem- 
gegenüber hat  Xodier^'»)  Duplessis'  Ansicht  mit  guten  Argumenten 
bekämpft  und  den  Nachweis  erbracht,  daß  der  ursprüngliche  „  Tigre'' 
in  Prosafassung  erschienen  sein  müsse  und  die  von  Duplessis  heran- 
gezogene versitizierte  Redaktion  nichts  anderes  als  eine  Ableitung 
und  Umdichtung  aus  jener  darstelle. 

Über  die  Zeit  der  Veröffentlichung  der  Schrift,  weiche  Nodier, 
Bull,  du  bibliophile  IV®  serie  S,  873  und  875,  in  das  Jahr  1559 
verlegte,  ist  durch  das  von  Taillandier'^6)  beigebrachte  Aktenmaterial 
neues  Licht  verbreitet  werden.  Taillandier  hat  auf  Grund  der  in 
den  Registern  des  Pariser  Parlaments  aufbewahrten  Gerichtsakte  gegen 
..Mariin  Lhomme,  maitre  imprimeur,   demeurant  en  cette  ville  de 

32)  Ygi_  Louis  Paris'  eigenen  Bericht:  ,r«  pamphlel  an  A'F/«  siixle" 
in:  La,  Chrom'que  de  Champagne.  (Reims  IS"?)  S.  IGl  — 173;  besonders  S.  171. 
Das  einzige  durch  Paris  gerettete  Exemplar  befindet  sich  jetzt  auf  der 
Nationalbibliothelr.  Res.  L-^V.^^-  Eine  Ausgabe  besorgte  Ch.  Read,  Paris  1875. 

")  ..De  In  Uhertii  de  In  presse  avant  Louis  XIV;  n  propos  d^un  pe/it  /irre 
intHule'.    „Au  tir/re  de  In  Fj-ance"   (Bulletin,  du  hihliophile,  Ire  serie.  Paris   1834). 

■")  Einen  Abdruck  des  versifizierten  Tigre  besorgte  Duplessis,  Douai 
1842  (pet.  in-8'\  lo  S.  S.  2.')  Exemplare),  Neudruck  Stralsburg  1351  (in-S«. 
18  S.  S.  <iO  Exemplare);  vgl.  Read  in  seiner  Ausgabe  des  Tsj/rc  (Paris  1875) 
S.  67  ff.  Bereits  Laboureur  in  den  Additions  nu.c  Mhnoires  de  Michel  de  C'a.i(elnmi 
1  (1731)  S.  3!)7,  398  citierte  eine  Anzahl  Verse  des  Tigro.  Zwei  mir  bekannt 
gewoideno  Handschriften  mit  der  versifizierten  Fassung  befinden  sich  auf 
fler  Nationalbibl.  Fonds  fr.  nr.  2339,  f.  1—8  und  nr.  13764,  f.  20— 25r. 

^■')  „Le  Tiqre''  in:  Bulletin  du  bibliophile^  IV'  Serie,  n"lft  (Paris  1841) 
S.  ^72— 87G. 

^'^)   Quelf]ue!>  mofe  st/r  le   Tigre.     Paris   1842. 


i!äl  Kurt   (ilaser. 

Pari^,  rue  du  Murier,  pres  la  nie  Saint-  Victor,  aux  trois  niarche<^ 
de  degrc,  naiif  de  Rouen,  prisonnier  es  prisons  de  la  Consiergerye 
da  palais  ä  Paris"  als  Tag  der  Verhaftung  des  unglücklichen  Buch- 
liruckers  den  23.  Juni  1560  und  als  Tag  si^iner  Hinrichtung  den 
lö.  Juli  1560  festgestellt.  Weiter  hat  Taillandicr  wahrscheinlich 
gemacht,  daß  der  „Tigre"  .,vers  le  mois  d'avril  15G0-' ,  also  nach 
der  Verschwörung  von  Amboise  entstanden  ist  und  hat  zur  Begründung 
auf  die  Tatsache  hingewiesen,  das  gerade  Ende  April  das  Pariser 
Parlament  zu  einer  wichtigen  Sitzung  zusammentrat,  ,,pour  prendre 
les  mesures  convenahles  pour  decouvrir  les  iniprimeurs  de  iibelles, 
pour  reprimer  ceux  qxd  faisoient  metier  de  les  etablir  et  distribuer. 
pour  riduire  sous  la  dipendance  des  viitgt-ipiatre  libraires-jures, 
les  nouveaux  imprimeurs  qui  s'eiaieut  ctablis  comine  crees  par  le 
roi,  sans  (tre  obliges  de  preter  serment  ä  l-universite"  (Crevier, 
Histoire  de  Viirdversite  de  Paris.     VI.    S.  82). 

Mit  der  Frage  nach  dem  Druckort  der  Schrift,  welche  Nodier,3^) 
Dareste  3fe)  und  Schmidt  3i')  zu  Gunsten  von  Straßburg  entschieden 
haben,  steht  die  Frage  der  Verfasserschaft  der  Schrift  in  engstei- 
Berührung.  Das  fast  einstimmige  Urteil  der  Forscher  geht  dahin, 
daß  kein  Geringerer  als  Fran^ois  Hotraan  der  Autor  des  „Tigre"" 
sei.  Den  ersten  Hinweis  auf  Hotmans  Verfasserschaft  verdanken 
wir  Bayle,  Biet.  last,  et  crit.,  b^  ed.  IH.  S.  180,  Anm.  J  (Artikel 
.Muise'*)  und  S.  415  (Artikel  „Hotman"),  der  sich  auf  eine  Stelle 
in  einem  Brief  Baudouins  an  Kalvin  berief,  welche  Hotman  als  Ver- 
fasser des  ^Tigre"  bezeichnete:  ^Nonne  ille  (nämlich  Hotman)  est 
qui  superioribus  aimis  in  Germania  pinxit  sive  suiim  si  tuum 
(d.  h.  Kalvins)  tiimultum  Arnbosianum,  et  Tigrim  peperit,  et  ejus 
generis  fornmlas  quotidie  concipit  novus  inagister  libellorwn,  non 
(ut  jaciabat)  siipplicum  sed  famosoriünf''  (Fr.  Balduini  Responsio 
altera  ad  J.  Calvinum,  Paris  1562,  S.  181.  18'2).  Baudouins  Be- 
hauptung, die  als  eine  der  Denunziation  verdächtige  Äußerung  eines 
Feindes  von  Hotmnn  immerhin  mit  Vorsicht  und  Rückhalt  auf/.unehmen 
ist,  veranlaßte  Nolier,  De  la  libertc  de  la  presse  (s.  o.)  S.  11,  zu 
der  Erörterung:  „La  meme  inexactitude  existe  encore  sur  Vauteur 
de  Vouvrage  qui  a  eu  .  .  .  d'excellentes  raisons  pour  ne  pas  se 
faire  connottre.  Bayle,  qui  ne  parolt  pas  avoir  vu  ce  rarissime 
libelle,  Vattribue  ä  Francois  Hotman,  et  sHl  Vavoit  vu,  il  auroit 
insiste  sans  doute  avec  une  conviction  mieux  Stablie  sur  sa  conjecture, 
car  je  ne  crains  pas  de  dire  quil  i-Cy  avoit  peid-Hre  que  Francois 

"-'•)  l.  c.  S.  11.  12. 

•■^5)  Essai  sur  Fr.  Hotman  (S.  0.)  S.   6.  42.  -t.J. 

39)  Bull,  du  bilUnphile  1850,  S.  773.  774.  —  Zu  beachten  ist,  dafs  Franz 
von  Guise  am  6.  Juli  l.')Hl  uerade  gegen  die  in  Straf>burg  veröffentlichten 
SchmähscbriftPn  bei  dorn  Magistrat  dieser  Stadt  Beschwerde  erhob,  s. 
l^entzinger,  Documents  histoiiqites  rdatiß  ii  Vhistoire  de  France,  tiri's  des  arcMve.^ 
'h  Strasbourg  I.  ÜSIS)  S.  49. 


JJeiträge  zur  Geschichte  der  polit.  Literatur  /Frankreichs.        255 

Hotnian  alors  qui  füt  cajmhle  de  s'elever  dans  noire  langue  aux 
hauteurs  de  cctte  vehemente  iloquence.  La  se  trouvent,  et  presq^ie 
pour  la  premiere  fois^  quelques-  unes  de  ces  magnifiques  tourmiref< 
oratoires  qxiun  genie  inventeur  pouvoit  seid  dcroher  d'avance  au 
genie  de  Corneille,  de  ßossuet  et  de  Miraheau  ..."  Wührend 
Labittc,  De  la  dcmocratie  chez  les  predicateurs  de  la  Ligue  (Paris 
1841)  S.  LH  und  Dareste,  Essai  sur  Fr.  Botmann  (Paris  1850)  S.  45, 
derMeiniujgNodiers  beipflichteten,  äußerte  sicliDupont,  ^Yelcher  in  seiner 
„Histoire  de  Vimprimerie^-  (Pai'is  1854)  I.  S.  203  der  Schrift  und  ihres 
Verfassers  gedachte,  in  ablehnendem  Sinne.  Der  endgültige  Beweis  für 
Hotmans  Verfasserschaft  wurde  erst  von  Ch.  Schmidt,  Bull,  du  bibliophile 
(1850)  S.  773.  774  erbraclit.  Schmidt  wies  hin  auf  eine  Stelle  eines 
Pamphlets  aus  dem  Jahre  1562  „Religionis  et  Regis  adversus  e.ritiosas 
Calvini,  Bezae  et  Oltomani  conjuratoruin  factiones  Defensio  prima, 
ad  Senaticm  Populumque  Parisiensem'-' ,^''^)  welche  auf  Hotmans  Ver- 
fasserschaft des  ,,  Tigre""  an-pielte,  sowie  auf  einen  Brief  Sturms  an 
Hotman  aus  dem  Juni  15G2,  in  welchen  sich  Sturm  vor  seinem  ehe- 
}naligen  Freunde  gegen  den  Vorwurf  des  Verrats  an  der  Sache  der 
Verschwörer  von  Amboise  mit  den  Worten  rechtfertigt:  ,,Ex  hoc 
genere  .  Tygris'  immanis  illa  hellua  quam  tu  hie  contra  cardinalis 
existimatwneni  diintlgari  curasti,  itnprudente  magistratu  nostro, 
qua  in  audacia.,  quid  te  stultius  aut  impium  magis?  cum  fratrem 
Joanneni  Hottomannum  habeas  apud  cardinalem  I^othai'ingae 
quaesiorem,  tu  ,  Tygrim'  divulgare  audes  et  fratrem  tuum  certissimo 
exitio  objicerc  .^ "  ^  i^ 

Es  ist  schwer,  sich  dem  Gewicht  dieser  Argumente  zu  entziehen 
und  der  von  Ehinger^^)  im  "Widerspruch  mit  der  allgemein  anerkannten 
Meinung  geäußerten  Anschauung  beizustimmen,  daß  die  Autorschaft 
Hutmans  „ungeachtet  gewisser  Vermutnugsgründe  nicht  als  erwiesene 
Tatsache  gelten"  könne.  ^3) 


*'^)  S.  17  B:  .„nie  te,  OUomane^  excuiere  incipio.  Scis  enim  tx  cujus  officina 
.'/iyris''  prodiit,  Über  cerle  tigride  parente^  id  est  homine  barbaro,  impuro,  impio, 
intjrato,  malerolo,  maledico  dtgntssimus.  Tu  te  isliiis  libel/i  auctorem.  i;(neris  Francici 
propugnatorem,  caedis  bonorum  machinatorem  audes  venrlitare?''  In  der  französischen 
Fassung  der  Schrift  (Defense  premiere  de  la  reliyion  et  du  roi  contre  les  perni- 
cieuses  factions  et  entreprises  de  Calvin,  Beze  et  untres  leurs  complices,  conj'itres  et 
rebelies.  A  la  cour  de  parlcment  et  au  peuple  de  Paris,  par  J.-V.  do  Saint-Amour. 
Paris  1562)  lautet  die  entsprechende  Stelle:  ..Jc>j,  Othman,  ie  commeuce  a  parier 
purticulierement  a  toy :  Car  tu  scais  de  quelle  boutique  est  party  ce  Tiyre,  Hure  certes 
tres  digne  d'un  pere  Tigre,  r^est  adire  driin  homme  plus  barbare,  cruel.  ingrat  ineschant, 
et  mescongnoissant  Dieu  qua  le  plus  ßer  et  inhumaln  Jigre  d'Hirsamie.  Et  tu  (oses 
■venter  auteur  de,  ce  libelle  diffamaloire,  ennemy  mortel  da  sang  de  France,  conspirateur 
de  la  mort  de  toutes  gens  de  bien,  qui  y  vivenf'?''^  (S.  oO  r.) 

^^)  Vgl.  aucli  Daredte    Bibl.  de  Vecole  des  chart.es   1804,  S.  ."60—374. 

*^)  Franz  llutmann,  ein  französischer  Gelehrter,  Stantsviann  und  Publicist  des 
XV' J.  Jahrhunderts.  S.  19.  (in:  Beiträge  zur  vaterländischen  Geschichte,  herausg. 
von  der  histor.  und  antiq.  Gesellschaft  zu  Basel.    XIV.    1892). 

*^)  Für  Hotmans  Verfasserschaft  sprechen  sich  noch  aus  die  beiden 
Brüder  Haag,   La   France  prot.^  V.  S.  528.  532;     Lenient  S.   289;    Dareste, 


256  Kvrt  Glaser. 

Mehr  als  alle  undoreii  Flugscliriftcii  jcuci'  Tage  cnitaltet  der 
.,  T/.gre"  eine  Leidenschaftlichkeit  der  Sprache  und  Gewandtheit  und 
Wucht  der  Tnvektive  und  Satire,  welche  die  Feder  eines  verwegenen, 
von  Erregung  und  Haß  überschäumenden  Geistes  erkennen  läßt. 
..L'Epitre  au  Tigre  de  la  France'-',  so  charakterisiert  ihr  Entdecker, 
L.  Paris,  Un  pamphlet  au  XVl^  siede  (in:  „La  Chronigue  d*- 
Champagne^'-  I.  1837)  S.  166  die  Schrift,  „est  mi  rhef  d'amvre 
d' Indignation,  de  fureur  et  de  male  cloquence  .  .  .  le  style  en  est 
passionne,  brülant,  cchevelS;  Vironie  en  est  cruelle  et  sanglante;  le 
reproche,  horrible  et  fcroce:  chaque  mot^  le  coup  de  poignard  qul 
Messe;  chaque  phrase.  le  coup  de  massue  qui  terrasse.""  In  oinoni 
wahren  Ausbruch  von  Wut  und  Haß  fällt  der  Verfasser  über  den 
Kardinal  her,  den  er  in  den  oft  zitierten  Eingangsworten  mit  der 
wuchtigen  Apostrophe  anfährt:  ..Tigre  enrage,  Vipere  venimetise, 
Sepulcre  d'abomination,  spectacle  de  malheur:  iusques  ä  qicand 
sera  ce  quc  tu  abuseras  de  la  ieunesse  de  nostre  Roi/?  ne  mdtras 
tu  iamais  /in  ä  ton  ambition  demesuree,  ä  tes  impostures,  ä  tes 
larcins?  Ne  vois  tu  jms  quc  taut  le  monde  les  scait,  les  entend, 
les  congnoist?  Qui  pence  tu  qui  Ignore  ton  detestable  desseing. 
et  qui  ne  lise  en  ton  visage  le  malheur  de  tous  tes  iours.  la  ruine 
de  ce  Royaume,  et  la  mort  de  Roy'?'"  In  diesem  kurzen  und  knappen 
Stil  echt  ciceronianischer  Apostrophe  geht  es  weiter  her  über  den 
Kardinal,  dem  die  schier  unerschöpfliche  Fülle  seiner  Schandtaten 
und  die  kleinen  und  kleinsten  Künste  und  Schliche  seiner  falschen 
und  eigennützigen  Politik  vor  Augen  gehalten  werden,  von  seiner 
niedrigen  Buhlerei  um  die  Gunst  und  Huld  von  Heinrichs  IL  Maitresse, 
Diana  von  Poitiers,  bis  zu  den  allein  zur  Vergrößerung  der  eigenen 
Macht  ins  Werk  gesetzten  endlosen  kriegerischen  Unternehmungen, 
namentlich  der  berüchtigten  Expedition  nach  Italien,  welche  dem 
Lande  nichts  als  Verlu-t  über  Verlust  gebracht,  ohne  den  unruhigen 
and  rastlosen  Ehrgeiz  des  Guiseu  zu  sättigen.  Mit  der  in  wuchtigen 
Sätzen  einherschreitenden  Invektive,  welche  Tatsache  auf  Tatsache, 
Vorwurf  auf  Vorwurf  häuft,  wechselt  die  spöttelnde  Ironie,  mit  welcher 
dem  Guisen  ein  sich  bis  auf  die  delikatesten  Einzelheiten  seines 
schändlichen  Privatlebens  erstreckendes  Sündenregister  vorgehalten 
wird.      „N'as   tu.   pas  faif  ung  voyage  a  Rome,   et  deuer-^  tous  les 

Francois  Hotman  et  Ja  conjuraiion  iPAmboise.  in:  ilib/.  de  Trcolc  des  charks  18')-!-. 
S.  360 — 374.  Francois  Hotinann  Sa  ric  et  sa,  correspomlance.  in :  Rente  historiqta. 
1876.  S.  24.  25.  und  Schmidt,  La  rie  et  les  trareavx  de  Jean  Sturm.  185"}.  S.  130. 
131.  ferner  Baird,  Tlistory  of  the  risc  nf  Ihc  Hngnenois  nf  France  I  (1879)  8.  44fi. 
A.  Tiliey,  The  Englhh  äistorical  Review  XIV  (1899)  S  452  und  The  LUeralurc 
of  the  Frtnch  Renaissance  1904.  II.  S.  229.  Mealy  S.  87.  88.  Elkan,  A.  T)!' 
Ptihlizistil:  der  Bartholomäusnacht  und  Mornays  Vtndiciae  contra.  Tfp'anK(k'.  Heido!- 
berg  1905.  S.  20.  Read  in  seiner  Ausgabe  des  Ti//r>>.  (Paris  1875 1,  vgl.  auc>! 
Read,  Notice  sur  un  pamphlet  politiquc  du  XVI'  siicle  in:  Anmiaii-e-lmUetin  de  l<i 
fociefc  de  Phistoire  de  France.  1868.  S.  KU— 137.  Weniger  entschieden  Pinvert, 
Jacques  Grevin  (1898)  S.  38. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  jjolif.  Literatur  Frankreichs.         257 

potentas  d'ltalie,  parmy  les  neiges  et  les  glaces,  ari  plus  grand 
froid  de  Vi/uer?  pour  faire  la  guerre  ä  Naples,  lors  que  les  afaires 
etoyent  plus  bouillans  par  deca  entre  V Emperexir  Charles,  le  grand 
guerroier,  et  le  feu  Roy  Henryk  Tu  scauois  hien  que  nos  forces 
unies  luy  pouuoyait  hien  resister?  et  tu  les  as  voulu  separer  et 
diuiser  au  milieu  du  p)lus  grand  danger,  mais  Von  aperceut  ta 
malice  et  mechancete :  car  outre  ce  que  tu  Jus  desauoue  par  le 
ßu  Roy,  la  Tresue  fut  arrestee  sans  attendre  ton  retour.  Mais 
'dy  moy  braue  negociateur,  (la  diligence  duquel  ponr  faire  une 
mcchancete  n'est  point  retarde  par  neiges,  par  les  glaces  des  Alpes^ 
ny  de  V Ap>enyn),  as  tu  iamais  fait  demonsiratiun  de  vouloir  la 
Pai.v"?  ....  Mais  que  me  respondras  tu,  quand  ie  te  diray 
qu'encores  que  le  voyage  de  JSap)les  fut  une  foys  rompu,  tu  fis 
tant  par  tes  irnpostures^  que  soubs  Vamitie  fardee  d'un  Rap>e 
dissimulateur,  ton  frere  aisnc  fut  fait  chef  de  toute  l'armee  du 
Roy,  pour  s'en  seruir  d  se  faire  Roy  luy  mesmes^  ei  si  le  Pape 
fut  mort  ä  te  faire  Pape.  Quand  ie  te  diray  que  pour  auoir 
diminuS  la  France  de  ses  forces,  tu  as  fait  perdre  au  feu  Roy 
une  bataille,  et  la  ville  de  sainct  Quenti?i.  Quand  ie  te  diray  que 
pour  rornpre  la  force  de  la  Justice  de  France,  et  pour  auoir  Les 
iuges  corrompus  et  semhlables  ä  toy,  tu  as  introdidct  ang  semestre 
ä  la  court  de  Parlement.  Quand  ie  te  diray  que  tu  as  fait  venir 
le  feu  Roy  pour  te  seruir  de  ministre  ä  ta  mechancete  et  impiete. 
Quand  ie  te  diray  que  les  fautes  des  ßnances  de  France  ne  viennent 
que  de  tes  larcins.  Quand  ie  te  diray  qxüung  mary  est  plus 
continent  avec  sa  femnie  que  tu  n'es  avec  tes  propres  parentes. 
Si  ie  te  dy  encores  que  tu  fes  empare  du  gouvernement  de  la 
France,  et  as  desrobe  cest  honiieur  aux  Princes  du  sang,  pour 
mettre  la  couronne  de  France  en  ta  maison:  que  pourras  tu  res- 
pondre?  Kii  tu  le  confesses,  te  faut  pendre  et  estrangler:  si  tu 
le  nye,  ie  te  conuaincray  Ta  fais  mourir  ceiux  qui  conspirent 
contre  toy,  et  tu  vis  encores  qui  as  conspire  contre  la  couronne 
de  France,  contre  les  biens  des  vefues  et  des  orfelins,  contre  le 
sang  des  tristes  et  des  innocens  ....  T%i  dis  que  ceux  qui  re- 
prengnent  les  vices,  medisent  du  Roy:  tu  veux  doncques  qu'on 
t'estime  Roy.  Si  Caesar  fut  occi  pour  auoir  pretendu  le  Septre 
ininstement,  doit  on  jjermettre  que  tu  viues  toy  qui  le  demandes 
iniusteinenV^  Mais  pourquoy  dy  ie  cecy,  afin  que  tu  te  corriges. 
Je  congnois  ta  ieunesse  si  enuiellie  en  son  obstination,  et  tes  meurs 
si  desprauez,  que  le  redt  de  tes  vices  ne  te  scauroyent  esmouuoir. 
Tu  n^es  point  de  ceux  lä  que  la  honte  de  Icur  vilainie,  ny  le 
remors  de  leurs  damnables  intentions,  puisse  altirer  d  aucune 
resipiscence  et  amendement.  Mais  si  tu  me  veux  croyre,  tu  Cen 
iras  cacher  en  quelque  tanniere,  ou  hien  en  quelque  desert  si 
loingtain,  que  Von  noye  ny  vent  ny  nouuelles  de  toy  Ft  par  ce 
moyen  tu  pourras  euiter  la  poincte  de  cent  mille  espees  qui  fattendent 

Ztsclir.  f.  frz.  Spr.  ii.  Utt.  XXXII'.  17 


258  Kurt  Glaser. 

tous  les  iours.  Doiiques  va  ien,  descharge  nous  de  ta  tyrannie, 
euites  la  main  du  bourreau,  qu  attens  tu  encores"^  Ne  vois  tu 
pas  la  patience  des  Princes  du  sang  Roial  qui  te  le  permet'? 
attens  tu  le  commandement  de  leur  parolle,  puis  que  le  silence  t'a 
declare  leur  voluntS  en  le  souJf'^a7itf  ils  te  le  commandent,  en  se 
taisant,  ils  te  condamnent.  Va  doncqnes  malheureux,  et  tu  esuiteras 
la  punition  digne  de  tes  merites.^^) 

Dank  der  Behendigkeit  und  Rücksiciitslosigkeit,  mit  welcher 
der  erzürnte  Kardinal  die  verwegene  Schrift  sofort  bei  ihrem  Er- 
scheinen unterdrückte,  hat  der  ^  Tigre"  nicht  diejenige  Wirkung  auf 
die  Öffentlichkeit  und  auf  die  Entwicklung  der  politischen  Literatur 
auszuüben  vermocht,  welche  mau  in  der  stürmischen  Erregung  jener 
Tage,  und  mehr  noch  in  dem  Kriegsgetümmel  der  folgenden  Jahre,  von 
der  Leidenschaft  und  Wucht  seiner  luvektive  hätte  erwarten  dürfen. 
Über  die  Aufnahme  und  Verbreitung  der  Schrift  in  der  Öffentlichkeit 
wird  uns  nichts  berichtet;  es  erscheint  auch  zweifelhaft,  ob  alle  die 
Gewährsmänner,  und  selbst  Bajie,  welche  uns  die  Kunde  von  der 
Schrift  überliefert,  die  Schrift  selbst  jemals  zu  Gesicht  bekommen 
haben.  Allein  das  Mißveihältnis  zwischen  der  Ausführlichkeit,  mit 
welcher  die  genannten  Historiker  von  so  vielen  Begleitumständen 
berichten,  und  den  Angaben,  welche  sie  über  den  Inhalt  der  Schrift 
selbst  zu  machen  wissen,  läßt  das  zur  Genüge  erkennen:  die  einzige 
bestimmte  Notiz  ist  der  Hinweis  Brantome's,  daß  der  „Tigre''  ..par- 
loit  des  amours  d'une  tres  grande  et  belle  Dame  et  d'un  Grand 
son  proche'\  Daß  die  Schrift  indessen  bei  ihrem  Erscheinen  nicht 
unbekannt  geblieben  ist,  beweist  außer  den  Erwälmungen  Baudouins, 
Sturms  und  der  Flugschrift  von  1562  die  noch  voihandene  versifizierte 
Fassung  des  Tigre,  welche  kurz  nach  dem  Prosatigre  entstanden  ist-*^) 
und  sich  zu  eng  an  jenen  anlehnt,  als  daß  man  an  eine  von  der 
Prosafassung  unal)liängiüe  Verarbeitung  dessell)en  Stoffes  denken  könnte. 
Im  kalvinistischen  Lager  wird  man  Mittel  und  Wege  genug  au-findig  ge- 
macht haben,  um  sich  trotz  det  Wachsamkeit  der  guisischen  Späher 
Kenntnis  von  der  verbotenen  Schrift  zu  verschaffen.  Und  tatsächlich 
läßt  sich,  ganz  abgesehen  von  der  hinfort  mehrfach  auftauchenden  Be- 
zeichnung des  Guise  als  „tigre'' ^^)  und  seines  Geschlechts  als  „race  de 

**)  Dpm  „Tigre"'  zur  Seite  stellt  sich  ein  anderes  „pamphlet  en  prose 
et  en  fers",  welches  mir  nur  aus  der  Erwähnung  von  Bruuet  II.  S.  196  be- 
kannt geworden  ist,  die  ^Gomplainte  a  tous  Jes  e.itntz  de  France  cruellement 
brigandcs  et  lyrannises  par  les  rrue/s  bourreaii.r  et  snngui'iaires  1p  cardiiinl  de  Lorraine., 
et  son  frere  de  Giiyse,  deux  hriyans  non  seidenent  de  an-ps  ei  bien^  mois  (qui  est  plus 
lamentable)  des  pciuvres  nmes.  in-H.  d"  15  tf.  Nach  Brunet  gegen  15ti2  gedruckt. 
^^J  Nach  Angabe  von  Ms.  2339,  f.  1  und  Ms.  13764,  f.  25r.  im  Jahre 
1561,  vgl.  auch  Diiplessis  /.  c. 

*®)    „Chanson  spirituelle  du  siede  (Vor  avenu''^  (l.)62)   Vers  5 : 
y.,Fran<;ois,  esjouissons  nous  tous, 
„Puisque  celuij  cjuest  la  peste, 
fUn  t)/(jre  au  niUHeu  de  nous, 
„Se  rend  confus  baissant  la  teste. 


Beiträge  zu?'  Geschichte  der  polit.  Literatur  Frankreichs.        259 

Tigres"-'  47j^  eine  Bekanntschaft  des  „  Tigre"^  aus  Anklängen  feststellen 
wolche  sich  in  der  politischen  Literatur  jener  Tage  an  einzelne  dem 
„Tigre"  eigentümliche  Stellen  finden.  Am  deutlichsten  ist  die  Ähnlichkeit 
in  den  beiden  folgenden  Poesien,  welche  ich  dem  Anfang  des  versifizierten 
Tigre  gegenüberstelle. 

Tigre,  Ms.  2339,  f.   l.  =  Ms.   13764,  f.  20. 

„Mechant  diahle  acharne,   Sepulchre  abominahle 
..Spectacle  de  Malheur,  vipere  Epouuentable, 
^Monstre,    Tygre  Enrage,  Jusqua  quand  par  iorj, 
„Verrons  nous  Ahuser  le  ieune  aage  du  roy. 
,,Ne  cesseront  jamais  tes  lourdes  impostures. 
,^Montreras  tu  touiours   Tes    Vilaines  ordures, 
^^Jamais   Traitre    Voleur,  ne  mettras  iti  fiii, 
„j4  ta  hriganderie^  et  a  tant  de  larrecins: 
„Que  tu  fais  dans  ce  regne,  6  malheureux  achrisle, 
„Epicure  deux  fois,  et  trois  fois  atheiste, 
„Incestueiuv  vilain,  Ennemy  de  vertu, 
„Bourreau  de  notre  peuple,  ores  que  penses   Tu, 
„Qui  tes  desseins  nentend,  et  nayt  bien  connaissance 
„De  l'euident  peril,  que   Tu  promets  la  France, 
„Du  danger  de  la  mort  que  nous  voyons  prochain, 
,,Sur  la.   Tete  du  roy,  Si  dieu  ny  met  Sa  Main  etc. 
Ms.  22  560,  f.  19 

„Loup  rauissant,    Tygre  irop  inhumain, 
.^Enfle  d'orgueil,  et  de  cent  malefice, 
„  Cessera  point  ta  rauissante  main 
„A  fourraiger  la  France,  ta  nourrice? 
„Rega7'de  ä  toy  et  au  futur  sxippiice, 
„Dond  tu  ne  peux  mdlement  eschapper: 
„Je  te  voy  ia  traisner,  Her,  hajyper. 
„Ne  crains-tu  point,  estant  dessus  Veschelle 
yiAttens   Uli  peu:  an  te  vient  attraper. 
„Eenfer  aiissi  est  tout  prest,  qui  fappelle.'" 
Ms.  22  560  f.  17. 

„I'aulse  vipere,  Aspic  pernicieux, 
„Qui  en  ayant  au  Diable  ton  seruice 

„Plus  nest  le  temps  que  ton  s'arresle 

„Par  crainle  Jaire  son  devoii-] 

„Ains  que  louer  Dieu  Pon  s'aitresic 

y,Puisque  las  est  inis  son  poucoir" .  (Bordier  S.  234.  Reo. 
^  III.  S.  272).  „Ce  f/rand  Tigre  inhumain,  ce  monstre  incesfneux !''■  wird  der 
Kardinal  genannt  in  der  „Seconde  Response  de  F.  de  la  Baronie  ä  Messire  Pierre 
dt  Ronsard'',   vgl.   Bull.   1888,   S.  649. 

*')  „Ädvertissemenl  a.  la  Royne  Mere  du  Roy  etc."  1502:  „Et  quelque  belle 
mine  quils  facent  au  Roy  de  Navarre,  aulant  pensent-ils  de  luy,  qui  devoit  rerjarder 
le  naturel  de  ceste  rnce  de    Ti'jres  .  .  ,"   (Mcms  de  Conde  III.   S.  367). 

17* 


260  Kurt  Glaser. 

„Du  ioui  noue,  nas  rien  (jue  l' Auarice, 
.^Loup  enraige,  Renard  avibitietix, 
„Boiic,  mais  de  tous  le  plus  incesineux 
„Älogtieiir  de  Dien,  magazin  de  nialice, 
.^Oii  sa  derniere  espreiiue  fait  le  vice^ 
„  Tygre  affainc  du  sang  des  vertueux; 
„Monstre  hydeux,  infect,  insaiiohle, 
„Sans  foy^  sans  loy,  sans  honte,  abominäble, 
„Fleau  des   Chrestiens,   contraire  ä  verite, 
„Qu''attends-tu  plus?     Ne  voys-tn  la  tempesie, 
.^Qui  ia  des  ja  foudroye  sur  ia  teste, 
.^JEt  contre  toy  Dieu  tres  fort  irritc-". 

Mit  der  maßlosen  Invektive  des  „  Tigre"-  steht  die  packende 
Wirkung  der  Polemik  uml  die  zündende  Wärme  der  Sprache,  zu 
welcher  sich  die  .^Siipptication  et  remonsirancc  adressee  au  Rou 
de  Navarre  et  autres  Princes  du  Sang  de  France,  poiir  la  deli- 
vrance  du  Roy  et  du  Royaume'^^^)  im  Dienste  der  kalvinistischen 
Sache  erhebt,  in  eigentümlichem  Gegensatz.  Regnier  de  laPlanchehatdie 
„Supplication'-'  in  seiner  Histoire  de  Vestat  de  France  sous 
Franfois  II  (1576.  S.  406— 474.)  4^)  überliefert,  sodaß  man  dem 
protestantischen  Historiker  selbst  die  Autorschaft  der  Schrift  hat  zu- 
schreiben wollen.  50)  Nicht  die  Maßlosigkeit  und  Gehässigkeit  leiden- 
schaftlicher Ergüsse,  von  welchen  der  „  Tigre'-'  überschäumt,  verleiht  der 
,^Supplication"  ihre  Wirkung,  sondern  die  Kraft  und  Wucht  der  Sprache 
und  die  Festigkeit  der  Gesinnung,  mit  welcher  die  Schrift  die  Führer  der 
kalvinistischen  Partei  zu  mannhaftem  Eintreten  für  ihre  durch  den  un- 
glücklichen Ausgang  des  Aufruhrs  von  Amboise  noch  nicht  verlorene 
Sache  und  zum  Widerstand  gegen  die  Übergriffe  der  Guisen  ermutigt. 
„Maintenajit  donc  comhien  quil  ?i'ait  pleu  ä  Dien  (usant  de  ses 
secrets  et  inscrutahles  Jugemens,  et  ä  hon  droict  courrouce  contre 
HOS  fautes  et  peehez)  favoriser  une  teile  entreprinse,  toutesfois 
tant  s''en  faut  que  pour  cela  nous  soyons  prests  ä  noiis  souhmettre 
au  joug  des  Fslrangers  du  tout  insupportahles,  ou  que  nous  perdions 
courage  :  quau  contraire  cela  nous  a  comme  resveillez  pour  avoir 
honte  dl'  nous-mesmes,  et  pour  vous  esveiller  aussi,  Tres-illustres 
et  magnaniines  Princes  Franfois,  ä  ce  que  ne  sovffriez  que  cest 
ancien  hontieur  de  la  Maison  de  France^  souhs  la  protection  de 
loquelle  jusques  ici  la  suhjection  7ions  a  estr  plus  agrcable,  que 
tonte  la  liberte  de  plusieurs  autres  A^aiions,  ne  vous  soit  ravie 
d'entre  les  mains  par  les  Estrangers :  et  que  nons  de  nostre  pari, 
qui  ne  scaurions  trouver  rien  plus  amer  que  l'outraqe  quon  vous 


^')  Acheve  (l'imprimer  I'an  de  graca  15(J0.  in-4". 
*^)  Auch  in  Mems  de  Condc  I.  S.  490—528.  Vgl.  dazu  Leloiig,  Bibl.  hisi. 
II.  S.  234,  nr.  .7  769. 

5'^>  Mealy,  Les  Pullichles  de  la  Riionne  (1903)  S.  93. 


Beiträge  zur  Gese/nchie  de?'  polit.  Literatur  Frankreichs.        261 

faict,  ne  soyons  en  proye  ä  ces  malheureux  Cadets  d''une  Maison 
estrangere,  qid  ne  vivent  aujourd'huij  en  la  Grandeur  en  laquelle 
ils  se  sont  eslevez,  sinon  de  la  moelle  quHls  ont  tiree  de  nos  povres 
OS,  et  du  sang  quils  ont  succS  de  nos  veines.''  5i)  Statt  sich  mit 
der  Wiederlioliuig  der  in  den  kalvinistischeu  Flugschriften  jeuer  Tage 
immer  und  immer  wiederkehrenden  Anklagen  gegen  die  gewaltigen  Macht- 
haber und  mit  derüblichenVerteidi'jung  der  eigenen  Sache  und  ihres  Rechts 
zu  begnügen,  unterzieht  die  ,,SuppUcation''  die  Handlungen  der 
Guisen  einer  sich  bis  ins  Einzelne  erstreckenden  selbständigen  Kritik, 
welche  die  Rechtlosigkeit  und  Staatsgefährlichkeit  ihrer  Machtan- 
sprüche durch  eine  auf  historische  Tatsachen  gestützte  Beweisführung 
erhärten  soll.  Mit  aller  wünschenswerten  Ausführlichkeit  wird  den 
Guisen  der  Nachweis  geliefert,  daß  sie  die  bestehenden  Thronfolge- 
gesetze und  die  Rechte  der  Stände  verletzt  und  als  Fremde  im  Staate 
keinen  Anspruch  auf  Einfluß  und  Macht  erheben  können;  selbst  die 
unleugbaren  Verdienste,  welche  sie  sich  um  den  Staat  erworben, 
werden  ihnen  abgesprochen  und  mit  einer  schier  endlosen  Liste  von 
Sünden  und  Übergriffen  aller  Art  beantwortet.  Aber  dies  alles  nicht  im 
Tone  zügelloser  Erregung,  sondern  in  lang  ausge^-ponnenen,  mit  logischer 
Schärfe  durchgeführten  Erörterungen,  unterbrochen  von  wuchtigen 
Apostrophen,  in  welchen  sich  der  Haß  gegen  die  gefürchteten  Macht- 
haber Bahn  bricht.  „  Cent  toy^  Cardinal.,  qui  noiis  as  dornte  ton 
frere  pour  second  Roy  sous  ombre  de  Lieutenant  Ghieral,  laquelle 
ignominie  et  servitude  il  faut  que  tu  saches  que  jamais  la  France 
nouhliera.  C'est  ä  toy  que  ce  Royaume  demande  son  Roy  avec 
31essieurs  ses  Freres  et  la  Royne  Alere  que  tu  nous  as  ravis. 
Cest  toy  qui  pour  donner  authorite  au.v  Edicts  que  tu  Jorges 
chacun  jour  ä  ton  appetit,  n''abuses  pas  seulement  du  Nom  du 
Roy.  mais  aussi  des  Princes  du  Song,  comme  sils  avoyent  esti; 
presens  ä  V expedition  des  Edicts  et  Ljettres  Patentes  que  tu  bastis 
avec  tes  comptices,  estant  assis  au  Heu  duquel  tu  as  deboute  ceux 
ausqels  il  appartient  d'y  estre  devant  nul  autre.  Cest  ä  toy  quelle 
demande  la  Couronne  d'Escosse  perdue  par  ton  outrecuidance 
desmesuree.  Cest  de  toy  que  se  plaignent  les  Cours  et  Parlemens 
de  Fi'ance,  lesquels  tu  as  deshonorez,  desgradez  et  eschaffaudez 
en  toute  sorte.  Car  dest  toy  qui  as  emniene  en  France  ceste 
horrible  et  barbare  coustume  de  faire  mourir  les  hommes  secrette- 
ment  sans  forme  ni  figure  de  procez  :  qui  as  change  et  recliange 
toute  police^  et  remptli  les  Parlemens  de  plusieurs  infames  et  des- 
honnestes  personnes  attirez  ä  exScuter  tes  volontez:  qui  as  desapoincte 
les  fideles  serviteurs  du  Roy,  pour  apoincter  tes  complices.  ßref, 
c''est  toy,  mal-heureu.v,  duquel  nos  ancesfres  se  plaignent  aujourdliuy 
en  leurs  s^pnlchres,  de  ce  qiiil  n'y  a  bonne  Loy  ni  Ordonnance, 
qui  ne  soit  vilainement    et  effrontcmcnt   foulee   aux  pieds  jmr  toy 

")  Hist.  de  l'estat  de  France  S.  40d  =  ÄJvms  de  Cotidr  I.  S.  492. 


262  Kurt  Glaser. 

et  par  ceiix  de  lafaciion  .  .  .  ■'-)  Dem  herrischen  und  verbrecherischen 
Gebahren  der  Guisen  stellt  der  Verfasser  das  unbestreitbare  Recht 
der  kalvinistischen  Prinzen  gegenüber,  in  deren  Untätigkeit  er  die 
Hauptursaohe  für  das  Emporkommen  der  Guisen  erblickt.  In  macht- 
vollen Worten  rüttelt  er  sie  aus  ihrer  Gleichgültigkeit  auf,  um  ihnen 
ihre  Pflichten  gegen  ihren  Glauben  ins  Bewußtsein  zu  rufen  und  ihnen 
Zuversicht  und  Vertrauen  auf  die  Gerechtigkeit  der  kalvinistischen 
Sache  einzuflößen.  „Et  de  vostre  part,  Sire,  que  reste  il  phis, 
sinon  que  voiis  vous  acheminiez  ä  une  si  saincte^  si  jiiste,  si 
necessairef  si  belle  et  vertueuse  enireprinse ,  ayant  pour  vostre  guide 
le  Dieu  Tout-pidssant  vengeur  de  tant  d'iniquitez,  et  Frotecteur 
du  Roy  et  de  ce  Royaume'?  Pour  vostre  compagnie,  les  Princes 
de  vostre  Sang  et  Grands  Seigneurs  de  ce  Royaume"?  Pour 
suyte  et  pour  serviteurs,  tous  les  Estats  de  France,  crians  miseri- 
corde  ä  Dieu,  et  jettans  Vadl  sur  vous^  Sire,  comme  liberateur 
de  leur  Roy,  de  Messieurs  ses  Freres,  et  de  la  Royne  31ere, 
defenseur  des  Ordonnances  de  nos  ancestres:  juste  vengeur  de  tant 
d' oppressions  souffertes  par  la  tyrannie  de  ces  Estrangiers :  appaiseur 
par  tous  7noyens  licites,  selon  Dieu  et  raison,  de  tous  les  trouhles 
survenus  tant  cn  la  Religion  quen  la  Police,  par  faute  de  juste 
et  loyal  Gouverneme7it?  Car  voila,  Sire,  oii  nous  pretendons, 
voilä  ce  que  nous  requerons  avec  pleurs  et  gemissemens,  et  non 
point  ce  que  les  meschans  voudroyent  faire  ä  croire,  c'est  assavoir 
que  nous  inachinons  contre  le  Roy  ou  contre  le  Royaume,  ou  que 
nous  sommes  une  poignee  de  gens  qui  voulons  amener  co7ifusion 
en  Vestat  de  la  Religion,  et  untre  Police  de  ce  Royaume.  Ce  n'est 
point  cela,  Sire,  o?<  nous  pr/'tendons^  rnais  plustost  to2it  le  rehours. 
En  quoy  faisaiit,  et  Dieu  donnant  accomplissement  ä  nos  desirs, 
nous  esperons  voir  ce  pauvre  Royaume  par  la  grace  de  Dieu,  et 
vostre  moyen,  plus  ßeurissant  que  jamais,  sinon,  s'il  piaist  ä  Dieu, 
et  si  Dieu  Va  ainsi  determine,  pour  le  moins  une  saincte  et  honneste 
mort  de  nous,  de  nos  femmes  et  enfans  pour  nostre  Roy  et  nostre 
Patrie,  frusirera  üattente  de  ces  Tyrans,  en  mettant  fin  tout 
ensemhle  ä  nostre  pauvre  vie,  et  ä  la,  misSrable  servitude  quHl 
nous  est  impossible  de  p>lus  longuement  porter  "^). 

52)  Bist.  etc.  S.  464  ff.  =  Mems  de  Conde  S.  r)24  fif. 

53)  Eist.  etc.  S.  473  —  Mems  de  Conde  I.  S.  528. 


(Fortsetzung  folgt.) 


Kurt  Glaser. 


Balthazar  Baro's  „Le  Priiice  fiigitif" 

und  die  Entstehungszeit  von  Rotrou's 

„Don  Lope  de  Cardone''. 

In  meiner  Abhandlung  „  Über  die  Chronologie  von  Jean 
Rotrou's  dramatischen  Werken"^)  habe  ich  (S.  47 ff.)  auf  Baro's 
dramatisches  Gediclit  Le  Prince  fugitif  bezüglich  der  Zeitbestimmung 
von  Rotrou's  Don  Lope  de  Cardone  verwiesen,  weil  letzterer  mit 
jenem  einige  Motive  gemein  habe.  Ich  bemerkte  dazu,  daß  die 
Brüder  Parfaict  und  die  Bibliotheque  du  Th^atre  franpois  {Bresde 
176)  den  Inhalt  des  Prince  fugitif  grundverschieden  angehen,  so  daß 
man  glaubt,  zwei  Dramen  vor  sich  zu  haben.  Um  den  Leser  in 
den  Stand  zu  setzen,  selber  zu  urteilen,  will  ich  die  beiden  Inhalts- 
angaben hier  folgen  lassen: 

Ich  beginne  mit 

Parfaict  Bd.  VII,  S.  206f.: 

AppoUonie,  Roy  de  Tyr,  detrone  par  S61euque,  Roy  d'Antioche 
s'embarque  avec  un  petit  nombre  de  fideles  fujets  pour  aller  cher- 
cher  un  azile  a  la  Cour  de  quelqu'autre  Roy.  La  tempete  poufl'e 
les  vaiffeaux  au  port  de  Cyreine,  oü  il  trouve  une  flotte  qui  affiege 
cette  Ville,  il  attaque  les  affiegeans,  les  defait,  et  delivre  le  Roy  de 
Cyreine  d'un  redoutable  ennemi.  Un  öeigneur  Tyrien  vient  apprendre 
a,  AppoUonie  la  mort  de  Seleuque,  &  que  les  Tyriens  afpirent  au 
bonheur  de  le  voir  remonter  für  fon  tröne.  AppoUonie  epoufe  la 
fille  du  roi  de  Cyreine,  dont  il  eft  devenu  amoureuse,  &  fe  prepare 
ä  retourner  dans  fes  ötats. 

Nun  folgt  die  viel  ausführlichere  Inhaltsangabe  der 
Bibliotheque  du  Theatre  francoisü,  S.  54f.: 

Le  Prince  Philoxandre,  dont  on  a  envahi  les  Etats,  fe  refugie 
dans  le  Royaume  de  Cyrene,  oü  il  vit  incognito.  II  devient  amou- 
reux  et  eft  aime  d'Architrafte,  fille  du  Roy.  Deux  autres  Princes, 
Orphife  et  Alcefte,  fönt  fes  rivaux.  Le  Roi  Ofmont,  voifin  et  ennemi 
du  Roi  de  Cyrene,  arrive  avec  une  groffe  armee,  pour  s'eraparer  de 
fes  Etats.    Le  Roi  fort  ä  la  tete  de  fes  troupes  pour  aller  au-devant 

1)    Zsch.  f.  franz.  Spr.  u.  Lit.   1893  S,  1—4!». 


264  A.  L.  Stiefel. 

d'Olmont,  et  dcclarc  qiic  cclui  des  Princcs,  (iiii,  dacs  la  bataille,  lui 
rcndra  de  plus  grands  l'ervices,  fera  Tepoux  de  la  tille.  II  clioint 
Pliiloxandro,  pour  veiller  ü  la  defonl'e  de  la  Ville  et  de  la  PrincelTe. 
Quelque  flate  que  foit  ramoureiix  Pliiloxaudre,  qu'Architrarte  loit 
contiee  a  l'es  loins;  il  fent  cependant,  qae  s'il  rcfte  dans  CjTene,  il 
ne  pout  pretendre  au  prix  deftinö  par  le  Ptoi  a  celui  qui  fe  lera  le 
plus  dirtiügue.  II  confie  l'es  inquietudes  ä  la  PrincelTe,  qui  lui  or- 
donne  de  voler  au  fecours  de  Ion  pere.  II  obeit  avec  joie.  Des 
qu'il  eft  arrive  für  le  champ  de  bataille,  la  victoire  fe  decide  bien- 
tot  pour  le  Iloi  de  Cyrene,  et  le  Roi  Ofinont  eft  tue  dans  le  combat 
par  un  inconnu.  Orphife  et  Alcefte  vantent  leurs  exploits  au  Roi; 
et  chacun  d'eux  croit  devoir  obtenir  la  preference.  Le  Roi  leur 
repond  qu'ils  doivent  s'en  rapporter  ä  la  Princeffe;  et  que  c'est  ä 
eile  ä  decider  lequel  des  deux  eile  veut  pour  Ion  epoux:  II  donne 
fes  tablettes  ü  Philoxandre,  pour  les  porter  ii  Architrafte,  et  pour 
lui  dire  qu'elle  ccrive  deffus  le  nom  de  celui  qu'elle  veut  rendre 
beureux.  II  les  rapporte  bientöt;  et  le  Roi  y  lit,  que  c'eft  Philo- 
xandre qu'elle  choifit.  Ce  Mouarque  eft  aiiffi  fache  que  furpris  de 
ce  choix.  II  cache  cependant  fon  reffentimeut,  et  annonce  que  c'eft 
Alcefte  que  la  Princeffe  a  nomme.  II  Charge  en  nieme  tems 
Philoxandre  de  Ten  aller  avertir,  qui,  fans  paroitre  aucunement  emu, 
part  pour  executer  cet  ordre.  Le  Roi,  etonne  de  fa  tranquillite,  le 
rappelle;  et  ä  force  de  queftions,  il  tire  enfin  l'aveii  de  fa  paffion 
pour  la  Princeffe.  Lc  Roi  paroit  forte  irrite  de  fa  temerite. 
Philoxandre  fort  et  reparoit  bientöt  apres,  revetu  des  raemes  armes 
qu'il  portoit  lors  de  la  bataille.  On  le  reconnoit  pour  le  vainqueur 
d'Ofmont.  II  jette  l'epee  de  cet  ennemi  au  pieds  du  Roi,  lui  de- 
couvre  fa  naiffance,  et  obtient  la  Princeffe  en  mariage. 


Wie  man  sieht,  schließen  die  beiden  Inhaltsangaben  die  Mög- 
tichkeit,  daß  es  sich  bei  ihnen  um  eines  und  dasselbe  Stück  handeln 
könne,  so  gut  wie  ganz  aus.  Umso  merkwürdiger  ist  es  daher,  daß 
die  Parfaict  sagen:  „L'Auteur  affure  dans  fon  Epitre  Dedicatoire 
ä  la  Reine  Christine  de  Suede,  que  ce  Poeme  Dramatique 
a  ete  affez  bien  recu  du  Public",  und  daß  die  Bibllotheque  du 
Theatre  frangois  (II  S.  48)  das  Stück  beschreibt  als  „Poeme 
Dramatique  .  .  .  dediee  ä  la»  Reine  de  Suede  Christine".  Unmöglich 
können  zwei  Dichtungen  gleichen  Titels  gerade  einer  und  derselben 
hohen  Persönlichkeit  gewidmet  worden  sein.  Dazu  kommt  noch,  daß 
oowohl  die  Parfaict  wie  der  Verfasser  der  Bihliotheqiie  du  TMatre 
frangois  sonst  so  zuverlässig  sind,  daß  ein  solch  grober  Irrtum,  wie 
es  der  wäre,  wenn  einer  von  ihnen  das  Stück  mit  einem  anderen 
verwechselte,  bei  ihnen  nicht  denkbar  ist. 

Ich  bin  heute  in  der  Lage,  das  dunkle  Rätsel  zu  lösen.  Die 
Großherzoglicho  Hof-  und  Landesbibliothek  zu  Karlsruhe  besitzt  den 
Prince  fugitif]  der  mir  durch  die  Liebenswürdigkeit  der  Bibliotheks- 


Balthasar  Baro's  ,.Le  Prince  fugitif".  265 

Verwaltung  zur  Verfügung  stand. 2)  Ich  steile  fest,  daß  es  nur  einen 
Prince  fugitif  gibt  und  daß  —  so  seltsam  es  auch  klingen  mag  — 
die  beiden  Inhaltsangaben  richtig  sind  und  sich  gegenseitig  ergänzen. 
Ihre  Verschiedenheit  rührt  daher,  daß  die  Parfaict  das  Stück  von 
rückwärts  lasen,  bzw.  nur  seine  Schlußszene  —  ein  bequemes  Mittel 
um  rasch  etwas  über  den  Inhalt  zu  erfahren  —  während  der  Verfasser 
der  Bibliotheque  du  Theatre  francois  es  gewissenhaft  vom  Anfang 
an  las,  aber  flüchtig  über  den  Schluß  wegging. 

Le  Prince  fugitif  ist  eine  freie  Bearbeitung  des  ersten  Teils 
des  Romans  von  Apollo nius  von  Tyrus  mit  geänderten  Namen. 
Apollonius  veibirgt  sich  unter  dem  Namen  Philoxandre,  Lucina 
heißt  hier  Archestrate,  König  Archist rates  von  Pentapolis 
(Gyrene)  —  nachdem  er  senien  Namen  der  Tochter  hatte  überlassen 
müssen  —  schlechtweg  le  Roy  usw.  Außer  den  Namen,  sind  aber 
auch  mehrere  Umstände  geändert  und  mancherlei  ist  eingefügt,  so  z. 
I).  der  Angriff  des  feindlichen  Königs  Osmont,  der  Preis  des  Sieges 
—  die  Hand  der  Prinzessin  —  das  heimliche  Entweichen  des  mit 
dem  Schutze  der  Stadt  betrauten  verkleideten  Apollonius  —  Philo- 
xandre und  seine  siegreiche  Teilnahme  am  Kampfe  UsW.  Für  diese 
Dinge  scheint  die  Sage  von  Robert  dem  Teufel  dem  Verfasser 
vorgeschwebt  zu  haben. 

Wenn  daher  die  Parfaict  (1.  c.)  sagen:  „le  fiijet  eft  de 
Tinvention  de  Baro",  so  irren  sie  sich  und  es  bleibt  zu  verwundern, 
daß  weder  sie  noch  der  Verfasser  der  Bibliotheque  du  Thiatre  fran- 
fois  die  Herkunft  des  Stoffes  erkannt  haben. 

Übrigens  war  Baro  nicht  der  erste,  der  die  Erzählung  von 
Apollonius  von  Tyrus  auf  die  französische  Bühne  brachte.  Bereits 
1618  erschien  in  den  Oeuvres  poetiques  du  Sieur  Bernier  de  la 
Brousse  (Poitiers,  Julien  Thoreau)  eine  Tragi-comedie  Les  Heu- 
reuses  Infortunes  in  zwei  Teilen  zu  je  5  Akten,  welche  den  ganzen 
Roman  dramatisierte.  Ich  muß  es  dahingestellt  sein  lassen,  ob  Baro 
den  Roman  oder  vielleicht  nur  dieses  Stück  kannte. 

Um  die  Identität  des  Prince  fugitif  mit  dem  Stoif  des  alten 
]{omans  über  jeden  Zweifel  klarzulegen,  führe  ich  eine  Stelle  aus  der 


2)  Le  Prince  ;  Fugitif,  Poeme  Dramatique  |  De  Baro  i  Wappen.  | 
A.  Paris  Chez  Antoine  De  SommaviUe,  au  Palais,  dans  la  petite  Salle,  ä 
l'l'jrcu  de  France  ,  ]\IDCXLIX.  '  Aticc  PrivHeije  du  Roy.  —  8  nicht  gezählte 
und  88  gezählte  Seiten  4".  - 

Rückseite  des  Titels  leer.  Auf  der  (ungezählten)  3.  Seite  beginnt  das 
Widmungsschreiben  an  Christine  Reyne  de  Suede,  welches  .")  Seiten  umfafst, 
die  G.  Seite  enthält  die  „Acteurs".  Das  Priviloge  du  Roy,  das  sich  nach 
dem  Text  auf  einer  nicht  gezählten  (eigentlich  8'J.)  Seite  betindet,  ist  vom 
23.  November  1648  datiert.  Das  „Acheue  dimprimer"  hat  das  Datum 
28.  April  1649.  —  Ich  danke  der  Verwaltung  derGrofsh.  Hof-  u.  Landes- 
bibliothek auch  an  dieser  Stelle  für  die  gütige  Überlassung  dieses  und 
anderer  seltener  Bücher. 


26(i  A.  L.  Stiefel. 

Sclilußsccnc  au:  Acante  von  den  Tyrern  ausgeschickt,  den  Apollonius 
zu  suchen,  kommt  zum  König  von  Cyreinc  und  redet  ihn  folgender- 
maßen an: 

Acante. 

Grand  Roy,  toute  TAfie  ä  vos  pieds  fe  prefente. 

Et  vient  par  noftre  bouche  offrir  a  vos  vertus 

üeux  fceptres  differents  que  deux  Princes  ont  eus. 

Quatre  raois  fönt  paffez  depuis  l'heure  fanefte 

Que  Seleuque  foüille  de  l'horreur  d'vn   incefte, 

De  nos  climats  heureux  contraignit  de  fortir 

Le  iufte  poffeffeur  du  Royaume  de  Tyr, 

Pour  auoir  decouuert  et  fa  flame  et  fon  crime. 

Ce  cruel  le  chaffa  d'vn  trofne  legitime, 

Et  la  force  pour  lors  furmontant  la  valeur, 

Porta  ce  ieune  Prince  ä  fon  dernier  malheur. 

Enfin  le  Ciel  touche  de  cette  violence 

Arrefta  du  Tyran  la  coupable  infolence. 

Et  fa  foudre  en  deux  corps  per(,'a  de  mefmes  coups 

Et  le  pere  et  la  fille,  et  la  femme  et  Tespcux. 

Nos  peuples  affranchis  de  cette  tyrannie 

Attendoient  le  retour  du  grand  Appollonie, 

Mais  ils  fceurent  enfin  que  Neptune  irrite 

Dans  l'Abyfme  des  eaux  l'auoit  precipite. 

Ainfi  n'esperans  plus  ce  Prince  legitime 

Et  preuenus  pour  vous  et  d'amour  et  d'eftime, 

Ils  nous  ont  deputez  afin  de  vous  offrir 

Ces  deux  fceptres  fameux  d'Antioche  et  de  Tyr. 

Diese  Verse  düriten  genügen,  den  letzten  Zweifel  zu  beseitigen. 


Daß  zwischen  Rotrou's  Don  Lope  de  Cardone  und  Baro's 
Prince  fugitif  Beziehungen  bestehen,  scheint  mir  ziemlich  sicher  zu 
sein.  Hier  wie  dort  ist  der  Preis  der  größten  Heldentat  im  Kampfe 
gegen  den  Feind  die  Hand  einer  Prinzessin,  der  Tochter  des  Landes- 
herrn ;  hier  wie  dort  kommen  zwei  Nebenbuhler  vor,  welche  die  Sache 
durch  einen  Zweikampf  zum  Austrag  bringen  wollen;  bei  beiden 
Dichtern  verbietet  der  König  den  "Waffengang  und  legt  die  Entschei- 
dung in  die  Hand  der  Prinzessin,  die  dann  schließlich  den  wählt, 
den  sie  liebt.  Wenn  nun  auch  die  Stücke  sonst  in  der  Fabel  und, 
abgesehen  von  einer  Stelle,  im  Dialog  wenig  Übereinstimmung  bieten, 
so  ist  das  Angeführte  doch  bedeutend  genug  um  eine  Entlehnung  des 
einen  Dichters  von  dem  andern  wahrscheinlich  zu  machen.  Wer  ist 
nun  der  Nachahmer? 

Rotrou's  Drama  kam  erst  nach  seinem  Tode  (27.  Juni  1650) 
zum  Druck.     Das  Privilegium  ist  vom  26.  August  1650,  das  acheu6 


Balthazar  Baro's  „Le  Prince  fugitif'-'.  267 

d'impriraer  vom  15.  Juli  1652  datiert,  während  das  Privilegium  des 
Prince  fugitif,  wie  wir  oben  sahen,  das  Datum  23.  November  1648, 
das  acheve  d'iraprimer  dasjenige  vom  28.  April  1649  aufweist.  Rotrou 
konnte  also  noch  recht  wohl  ein  gedrucktes  Exemplar  des  Prince  fugitif, 
Baro  aber  vor  1648  keines  von  Lope  de  Cardone  zu  Gesicht 
bekommen.  Freilich  konnte  er  das  Stück  aufführen  sehen.  Da  indeß 
Rotrou,  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  beruflich  sehr  in  An- 
spruch genommen,  nur  wenig  Dramen  dichtete  (von  1640 — 1650  nur 
10  gegen  23  von  1631  — 1638),  so  ist  es  wahrscheinlicher  daß  Zope 
de  Cardone  1649  entstand,  welches  Jahr  sonst  ohne  Drama  wäre, 
als  1646  oder  1647,  welche  Jahre  dann  2  Dramen  von  ihm  aufwiesen. 
Ich  glaube  also  das  Jahr  1649  als  Entstehungszeit  des  Don  Lope 
de  Cardone  festhalten  zu  dürfen.  Hiernach  ist  meine  Angabe  in 
obiger  Arbeit  (Zsch.  für  franz.  Sp.  und  Lit.  1893  Seite  48  f.)  zu 
berichtigen. 

München.  A.  L.  Stiefel. 


Zum  8ch\>'aiik  von  der  Rache  eines  l)etrogenen 
Ehemannes. 


Johannes  Bolte  hat  unter  obigem  Titel  ein  deutsches  Ge- 
dicht aus  dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  veröffentlicht,  i)  das  er 
auf  einem  Flugblatte  der  Berliner  Bibliothek  (Bd.  7853,  37)  gefunden 
hatte  und  das  er  für  die  Quelle  einer  niederländischen  Posse  „Klucht 
von  de  Schoester,  of  gelijke  monniken  gelijke  Kappen^  (Dordr.  1660) 
hält.     Damit  mag  es  seine  Richtigkeit  haben. 

Diese  Zeilen  bezwecken  auf  eine  ältere  französische  Farce  des 
1 6.  Jahrhunderts  hinzuweisen,  die  den  gleichen  Gegenstand  behandelt. 
Sie  ist  abgedruckt  in  Viollet-Le-Duc"s  Ancien-Theatre  frangais  Bd.  I 
S.  250 — 270  unter  dem  Titel:  Farce  nouvelle  tres  borme  et  fort 
joyeiise.  A  quatre  personnaiges  c'ej't  affavoir  Le  Geniilhomme, 
Jjison,  Naudet,  la  JDamoyseUe.  Imprime  ä  Rouen  par  Jehan 
le  Prest,  demoiiranf  audict  Heu. 

Das  von  Bolte  abgedruckte  Gedicht  erzählt,  wie  ein  Schuster, 
von  seinem  Knecht  aufmerksam  gemacht,  daß  ein  Edelmann  mit  seinem 
Weibe  buhlt,  sich  stellt,  als  ob  er  verreise,  heimlich  aber  zurück- 
kehrt, das  Paar  überrascht,  indes  anstatt  die  Schlafenden  zu  töten, 
die  schönen  Kleider  des  Edelmannes  anzieht,  sich  in  dessen  Wohnung 
begibt  und  bei  der  Edelfrau  schweigend  die  Rolle  ihres  Mannes 
spielt.  Des  Morgens  verläßt  er  sie  heimlich,  angetan  mit  des  Junkers 
besten  Kleidern  und  begegnet  unterwegs  dem  Edelmann,  der  sich  gezwun- 
gen gesehen  hatte,  des  Schusters  Kleider  anzuziehen.  Erschrocken  fragt 
der  Junker  den  Schuster,  wohin  er  wolle,  und  dieser  sagt:  „Da  jhr 
seid  gesin  da  wolt  ich  hin. . .  Wo  jhr  hin  wolt  da  kom  ich  her". 
Auf  die  weitere  Frage  des  Junkers:  „Warum  hastu  meine  Kleider 
an?"  antwortet  der  Schalk:  „Es  verkert  sich  jetzund  alle  ding". 
Der  Dichter  schließt:  „Sie  musten  beyde  lachen,  dass  sie  einander 
also  betrogen  hatten.  Mancher  der  wil  Bulen  viel  Thut  sich  selber 
zu  schänden  machen." 

In  der  französischen  Farce  ist  alles  viel  roher  und  schamloser 
gehalten  als  wie  in  dem  deutschen  Gedicht:  Naudet,  ein  Tölpel,  hat 
bemerkt,  daß  der  Gentilhomme  mit  seiner  Frau  Lison  buhlt  und  hält 
es  ihr  vor.    Sie  droht  ihm  mit  der  Rache  des  Edelmannes,  wenn  er 


1)  Zdtschr.  für  verrjl.  Literaturgeschichte.     N.   F.   15.      S.   1G4- — I(j7. 


Zum  Sclncanh  von  der  Rache  eines  betrogenen  Ehemannes.        269 

nicht  schweigt.  Dieser  kommt  jetzt  zu  ihm  zu  Pferde,  steigt  ab,  gibt 
das  Tier  Naudet  und  begrüßt  Lison  zärtlich.  Xaudet  hatte  inzwischen 
das  Pferd  bestiegen  und  war  von  ihm  abgeworfen  worden.  Auf  Ge- 
heiß des  Edelmanns  führt  er  es  in  den  Stall  und  gebt  fort,  um  Wein 
für  den  Edelmann  im  Wirtshaus  zu  holen.  Als  Naudet  fort  ist,  schlägt 
Lison  vor,  den  Tölpel  unter  irgend  einem  Vorwand  fortzusenden,  damit 
sie  beide  umso  ungestörter  sein  können.  Der  Gentilhomme  hat 
einen  Einfall: 

Ma  femme  ayme  sur  toute  rien 

A  le  veoir;  tousjours  la  faict  rire. 

Une  lettre  luy  voys  escripre 

Que  vostre  mary  portera 

Cependant  prendrons  nos  esbatz. 
Lison,  damit  einverstanden,  ersucht  ihn  nur: 

Doncques,  pour  euiter  desbatz 

Deffendez-luy  sur  toutes  riens 

De  dire  quo  soyez  ceans. 
Er  fordert  dann  Lison  auf: 

Ca  nvamie  allons  parfournir 

Nostre  cntreprinsc,  je  vous  prie 
Lison  begibt  sich  mit  ihm  ganz  ungeniert  ,,a  ta  chambre  de 
derriere'-''  und  Naudet  läßt  zunächst  das  Pferd  des  Junkers  allein  seineu 
Weg  heim  finden,  dann  sieht  er  „par  ung  treu''  was  Lison  und  der 
Edelmann  tun,  zuletzt  erblickt  er  das  prächtige  Kleid,  das  letzterer 
abgelegt  hatte,  bevor  er  sich  ins  Hinterzimmer  begeben  hatte.  Naudet 
zieht  es  an  und  geht  fort. 

Nun  tritt  la  JJamoi/selle  —  die  Frau  des  Edelmannes  —  auf. 
Sie  hat  sich  gewundert,  daß  das  Pferd  ihres  Gatten  ohne  ihn  heim- 
gekommen ist.  Da  erscheint  Naudet.  Durch  den  Anzug  getäuscht, 
hält  sie  ihn  für  ihren  Mann  und  redet  ihn  Monsieur  an.  Naudet  sagt 
zwar:  „Je  suis  Monsiem\  ma  D amoy seile'' ,  die  Edelfrau  erkennt  aber 
den  Tölpel  sofort.  Er  gibt  den  Brief  ab  und  sie  befragt  ikn  nach 
ihrem  Manne  und  will  wissen,  warum  er  dessen  Kleid  anhabe.  Der 
närrische  Kerl  sagt  ihr  den  Grund,  sagt  ihr  sogar,  was  der  Gentilhomme 
zur  Zeit  treibe.  Damoijselle  wird  neugierig,  sie  möchte  genau  wissen 
worin  die  Beschäftigung  von  Monsieur  und  Lison  bestand.  Naudet 
erbietet  sich,  es  ihr  zu  zeigen,  denn  mit  Sagen  „Je  gasterois  tout  le 
mistere'' .  Und  die  Edelfrau,  lüstern  durch  seine  Aufschneidereien, 
widerstrebt  nicht  und  beide  ziehen  sich  zurück. 

Wir  werden  wieder  zum  Gentilhomme  und  zu  Lison  zurück- 
versetzt, die  sich  das  lange  Ausbleiben  Naudets  nicht  erklären  können. 
Jener  bedauert  den  Tölpel  zu  seiner  Frau  geschickt  zu  haben  und  will 
bchleunigst  heim.  Er  kann  aber  „sa  rohe"-  nicht  finden  und  ist  daher 
gezwungen,  ohne  diese  fortzugehen. 


270  A.  L.  Stiefel. 

Damoyselle,  zu  der  wir  jetzt  wieder  geführt  werden,  lobt  Naudet, 
der  ihr  gezeigt  hat  „comment  monsieur  faict  ä  ma  femme.^''  Sie 
wünscht  seufzend,  Naudet  wäre  Monsieur.,  und  Monsieur  wäre  Naudet. 
Sie  empfiehlt  ihm  Schweigen,  verspricht  ihm  einen  neuen  Anzug  und 
ermahnt  ihn,  quand  tu  vcrras  entrer 

Monsieur  de  nuict  en  ta  maison, 

Accourt  icy  tost  rae  monstrer 

Tout  cela  qu'il  faict  a  Lison. 

Da  kommt  schon  Monsieur  „en  pourpoi?ict.''  Es  kommt  zur 
Aussprache,  zu  Vorwürfen  zwischen  den  beiden  Ehegatten,  wobei  Naudet 
in  seiner  schlauen  Naivität  zum  Verräter  an  beiden  wird.  Naudet, 
der  zwischen  Lison  und  DamoyseLle  keinen  Unterschied  finden  kann, 
will  dem  Gentilhomme  die  Wahl  zwischen  beiden  lassen: 
Prenez  la  plus  doulce  ou  plus  belle 
De  Lison  ou  ma  Damoyselle, 

Monsieur,   grausam   für   sein   unsitthches   Treiben  gestraft   meint,   in 
sich  gehend:  Tenir  nie  veulx  ä  la  maison, 

Puisqu'on  vient  ä  ma  Damoyselle 

Pendant  que  suis  ä  Lison. 

Und  Naudet,  der  das  letzte  Wort  behält,  sagt  zu  ihm: 
Ne  venez  plus  naudetiser, 
Je  n'iray  plus  segneuriser. 

und  schließt  mit  der  Moral: 

A  trompeur  trorapeur  et  demi. 


Diese  Farce  gehört  einer  äußerst  seltenen  Samraluug  von  einzeln 
gedruckten  Possen  aus  der  Zeit  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
an,   die  sich  gegenwärtig  im  Britischen  Museum  zu  London  befindet. 

Unser  Stück  ist  jedenfalls  viel  älter  als  der  Druck  und  geht 
allem  Anscheine  nach  auf  ein  altes  Fablel  zurück.  Einem  ähnlichen 
Schwank  bin  ich  einmal  in  der  französischen  Fazetienliteratur  be- 
gegnet,  kann  mich  aber  im  Augenblick  nicht  mehr  erinnern  wo. 

Der  Stoff  gehört  jedenfalls  in  den  Kreis  von  Erzählungen,  zu 
denen  man  Boccaccio  Decamerone  VIII  8,  Masuccio  36  und  Para- 
boscos  Diporti  5  rechnet. 

Die  Fabel  weicht  in  der  Farce  nicht  unwesentlich  von  dem 
deutschen  Gedichte  ab.  In  der  französischen  Dichtung  ist  der  Ehe- 
mann ein  Bauer,  der  als  Tölpel  gilt,  so  daß  sich  seine  Frau  und  ihr 
Galan  gar  nicht  mehr  vor  ihm  in  Acht  nehmen  und  ihren  Liebes- 
handel ganz  offen  betreiben.  Im  deutschen  Gedicht  dagegen  ist  der 
Betrogene  ein  Schuster,  der  erst  durch  seinen  Knecht  auf  die  ver- 
dächtig vielen  Besuche  des  Edelmanns  hingewiesen  und  über  deren 
Zweck  aufgeklärt  wird.     Dort  sendet  der  Edelmann  den  Betrogenen, 


Zum  Schwank  von  der  Rache  eines  betrogenen  Ehemannes.       271 

um  ihn  aus  dem  Wege  zu  haben,  selbst  ins  Schloß  zur  Gemahlin 
und  ebnet  ihm  dadurch  den  Weg  zur  Rache,  die  ihm  mit  Wissen 
uud  Willen  der  Edelfrau,  die  sich  selber  rächen  will,  zu  teil  wird. 
Hier  lockt  der  Schuster  das  Ehebrecherpaar  in  die  Falle,  überrascht 
es,  aber  anstatt  die  Schlafenden  zu  töten,  benutzt  er  die  Kleider  des 
Edelmannes,  um  sich  ins  Schloß  zn  schleichen,  und  dort  gleich  dem 
Stallknecht  König  Astulfs  im  Decamerone  \ll,  2  zu  verfahren.  Dort 
geht  der  Edelmann  ohne  „sa  robe"  nach  Hause,  findet  seine  Frau 
noch  im  Gespräch  mit  dem  Tölpel,  durch  dessen  Indiskretion  alles 
an  den  Tag  kommt;  hier  zieht  der  Edelmann  des  Schusters  Kleider 
an  und  trifft  mit  ihm  unterwegs  zusammen,  bei  welcher  Gelegenheit 
die  Aussprache  erfolgt. 

Welche  Version  haben  wir  nun  als  die  ältere  anzusehen?  Mit 
Sicherheit  läßt  sich  dies,  so  lange  keine  älteren  Versionen  aufgefunden 
werden,  wohl  nicht  sagen:  ich  vermute  aber,  daß  die  französische 
Dichtung  eine  ältere  Gestalt  des  Schwanks  darstellt  und  daß  das 
deutsche  Gedicht  erst  durch  Verschmelzung  mit  älteren  ähnlichen  bzw. 
verwandten  Schwänken  seine  gegenwärtige  Form  gewonnen  hat.  In 
der  Tat  findet  man  oft  genug  in  der  älteren  Schwankliteratur,  daß 
ein  Knecht  erst  den  Meister  auf  die  Vergehungen  der  Ehefrau  auf- 
merksam macht;  ebenso  häufig  ist  die  Idee,  daß  man  die  untreue 
Frau  überführt,  indem  man  eine  Reise  vorschützt  und  heimlich  zu- 
rückkehrt. Und  was  die  Rache  des  Schusters  anbelangt,  so  ist  das 
Verfahren  des  Schusters  so  ähnlich  dem  des  Stallknechts  in  De- 
camerone III,  2,    daß   man  glauben  möchte,    es  sei  daraus  entlehnt. 

Andererseits  ist  es  indess  auch  denkbar,  daß  die  deutsche  Dar- 
stellung die  ältere  ist  und  daß  die  dramatische  Form  Aenderungen 
der  Fabel  veranlaßte.  Auffallend  ist  es  jedenfalls,  daß  das  Mitnehmen 
der  „robe"  seitens  Naudets  in  der  Farce  eigentlich  zwecklos  ist,  nach- 
dem dieser  ja  doch  gleich  erkannt  wird  und  offen  zu  Werke  geht. 
Man  kommt  also  über  ein  „non  liquet'''  nicht  hinaus. 

Vielleicht  darf  man  mit  der  französischen  Farce  und  dem  deutschen 
Gedichte  noch  eine  kurze,  äußerst  rohe  lateinische  Anekdote  in  Ver- 
bindung briugen,,  die  sich  in  den  Facezien  des  Poggio  Bracciolini 
findet.  Es  ist  die  in  der  Londoner  Ausgabe  von  1798  unter  der 
Überschrift  Talio  (S.  164)  gedruckte  Anekdote,  die  ich,  damit  der 
Leser  besser  urteilen  kann,  hier  wiedergebe,  aber  nach  der  Straßburger  1513 
gedruckten  Ausgabe  der  Opera  Poggios,  weil  die  Londoner  Ausgabe  der 
Facetiae  nicht  einmal   den  bescheidensten  Anforderungen  entspricht 

De  Medice  qui  uxorem  futoris  infirmam  fubegit. 

Sutor  quispiä  Florentie  ad  uxore  nö  recte  valente  |  medicii  sibi 
notum  rogauit  adire.  Die  abseute  viro  domü  profectus  |  uxorem' cius 
licet  reluctantem  compressit  in  lectulo.  Vir  rediens  j  cum  medicüabeunte 
(qui  se  recte  muliere  curafse  dixit)  uxorem  lachrymantcm  capite  dissoluto 
inuenit.     medici    perfidia    cognita  1  rem    diffimulauit.      Et   post   dies 


'>?') 


A.  L.  Stiefel. 


octo  sumpto  preciosiori  panno  ad  uxore  medici  profcctus  |  dixit  &e 
ab  eo  missiim,  quo  sibi  intcrioi'  timica  (ea  cocta  vocatur)  fieret.  Opus 
erat  ut  mulicr  quae  forma  erat  egregia  ]  maiori  ex  parte  nudaretur: 
quo  rectius  corporis  meJ'ura  capi  posset  ad  vestem  recte  perficiendä. 
Nudatam  remotis  arbitris  futor  comprimit,  parem  vicem  medico  reddens 
quod  &  postea  obiecit  ei. 

Diese  Darstellung  weicht  freilich  uicht  unwesentlich  von  den 
beiden  anderen  Versionen  ab,  denn  einmal  ist  an  Stelle  des  Edelmanns 
ein  Arzt  getreten  und  dann  ist  die  zurächende  Tat  keine  Verführung 
sondern  ein  Akt  der  Vergewaltigung,  verübt  an  einer  kranken  Person 
von  einem  Manne,  der  schändlich  das  in  ihn  gestzte  Vertrauen  ni'sbraucht. 
Ferner  ist  bei  Poggio  weder  das  Dunkel  der  Nacht  zur  Tat  gewählt, 
wie  bei  dem  Deutschen^  noch  die  Dreistigkeit  des  Beleidigers  auf  die 
Schwachköpfigkeit  des  Ehemanns  begründet,  wie  bei  dem  Franzosen. 
Aber  dennoch  glaube  ich,  daß  die  Facetia  hierher  gehört  und  daß 
sie  mit  den  beiden  anderen  Versionen  auf  eine  gemeinsame  ältere 
französische  Quelle,  am  wahrscheiidichsten  auf  ein  Fablel  zurückgeht. 
Hierzu  bestimmt  mich  die  Erwägung,  daß  Poggio  oft  aus  älteren 
französischen  Dichtungen  sich  seine  Stoffe  holte,  sie  außerordentlich 
verkürzte  und  sie  umgestaltet  und  vergröbert  in  der  Form  einer  scharf 
pointierten  Anekdote  wiedergab.  Das  zeigt  z.  B.  sein  Annulus,  der 
gemeinsam  mit  UEncens  au  Diable  der  Cent  nouveUes  nouveV.es 
auf  eine  ältere  französische  Dichtung  zurückgelit. 

Meine  Vermutung  wird  im  vorliegenden  Falle  noch  dadurch  unter- 
stützt, daß  Poggio  ein  paar  Übereinstimmungen  mit  den  beiden  an- 
deren Versionen  darbietet.  Wie  im  deutschen  Gedicht,  ist  der  beleidigte 
und  sich  rächende  Ehemann  ein  Schuster,  wie  beim  Deutschen  und 
dem  Franzosen,  gesteht  er  die  Rache  nachher  dem  Beleidiger  ein.  Selbst 
die  vom  Schuster  zur  Vermummuug  angezogenen  Kleider  haben  bei 
Poggio  noch  eine  Spur  hinterlassen:  sie  haben  offenbar  dem  Italiener 
die  Idee  eingegeben  seinen  „sutor"  mit  „preciosiori  panno"  ausgerüstet 
zu  der  Frau  des  Arztes  gehen  zu  lassen;  es  wäre  sonst  unverständlich 
und  bleibt  auch  so  auffallend,  daß  der  Schuster  auf  den  Gedanken 
kam,  zur  Ausführung  seiner  Rache  gerade  die  Rolle  eines  Schneiders 
zu  spielen.  Warum  hat  Poggio  überhaupt  an  Stelle  eines  Schusters 
nicht  gleich  einen  Schneider  gesetzt? 

München.  A.  L.  Stiefel. 


Les  vocables  eii  -eiis,  -eux 
dans  la  seconde  inoitif'  du  XVP  siecle. 

Poiir  la  premiere  fois  depuis  trois  cents  ans,  quinze  ceiits 
vocables,  adjectifs  pour  la  plupart,  termiiies  eu  -eus  ou  -eucc  se 
tiouvent  leunis  dans  lordre  alphabetique.  Leur  grand  uombre 
s'explique  par  cette  note  que  La  Noue  a  placee  ä  la  page  369  de 
son  Grand  JJictionnaire  des  rimes  fratifoises  (Cologne,  1624): 
<1\  faut  noter  que  tous  les  jours  quelque  nouvel  adjectif  se  peiit 
former  pour  accompagner  ceux  des  susdictos  terminaisous  en  -eus 
Selon  que  Tusage  les  rend  doux.  Le  Poete  de  bon  jugeraent  en 
pourra  teile  fois  mettre  en  avant  si  a  propos  quelqu'un  non  encore 
pratique,  que  les  autrcs  le  recevront.  Aussi  par  tel  moyen  prin- 
cipalement  nostre  langue  s'enrichit  eile,  raais  il  y  faut  estre  avise. 
Au  reste  od  doit  estre  .  adverti  aussi,  que  les  verbaux  on  -eur  sc 
peuvent  prononcer  de  ceste  terrainaison,  selon  qu'on  parle  aujourd'hui 
et  se  peut  dire,  im  Meiiteur,  et  Menteus.  II  est  vray  que  les  uns 
s'y  accommodent  mieux  que  les  autres.  Partant  aura-on  le  jugement 
d'en  faire  election,  et  l'advis,  de  n'en  user  pas  ä  tous  les  jours, 
reu  que  n'est  pas  leur  terminaison  naifve,  tant  que  l'usage  Tait  encore 
plus  familiarise.     Elle  est  plus  estrange  en  l'escriture  qu'au  parier». 

Cette  mode  semble  avoir  battu  son  plein  dans  le  demi-siecle 
qui  s'ecoula  de  1575  ä  1625:  en  effet,  en  1565,  l'editeur  lyounais 
de  Calepiiius  donne  comme  Fequivalent  fran^ais  de  Araneosus: 
Araigneur,  plein  d'araignes  et,  d'autre  part,  la  troisieme  edition 
de  La  Noue,  publiee  en  1624,  renferme  quantite  de  vocables,  tous 
graphies  -eus,  inconnus  ä  Cotgrave  dont  la  premiere  edition  est  de  1611. 

Les  references  sont  pour  la  plupart  tirees  des  dictionnaires 
de  La  Porte,  La  Noue,  Lc  Gaygnard,  Cotgrave,  Meurier,  Plantin, 
et  de  Marty-Laveaux. 

La  presente  liste  peut  servir  de  Supplement  au  Dictionnairc 
FrauQois-Anglois  de  Cotgrave  pour  les  vocables  en  -eiix^  car  lesdits 
vocables  que  le  lexicographe  a,nglais  a  recueillis  dans  son  inestimable 
travail  se  retrouvent  tous  ici  avec  plusieurs  autrcs  qu'il  u'a  pas 
connus  ou  qu'il  n'a  pas  juge  ä  propos  de  comprendre  dans  son 
vocabulaire. 

Zlschr.  f.  frz.  Spr.  u.  l.itt.  XXXII  i.  18 


274 


llnqiies    Vadanai/. 


Les  rcnvois  aux  öcrivains  cux-rnrmcs  iio  sout  qu'  cxceptionnels: 
püur  les  i)0('tcs  de  la  Plöiade,  \' Appendice  de  l'edition  de  Marty- 
l.avcaux  a  ctc  cousultr,  mais  non  les  auteurs  eux-memes. 


Abimeux.     1582.   1.  E.  Du  Monin. 

NovveUes  Oeveres,   1S3. 
Abrieux.      1584.    Horacc    o-ad.   L. 

De  La  Porte,  8G. 
Abuseux.     1571.  La  Porte,  87b.  — 

Cütgrave. 
Abj-smeus.     1571.    La   Porte,  2<. 
Aceteux.     1542.   Canappe.   GuidoHy 

75  b. 
Actueux.  —  Adipeux.     Cotgrave. 
Adventnreus.   1571.  La  Porte.  55b. 

—  1585.  Le  Gaygnard,  312. 
Aerugineux.    Cotgrave. 
Acstueux.     1584.  Horace.  (rad.  L. 

De  La  Porte,  26. 
Affaireux.  Cotgrave.  — Äff ec tuen s 

1585.  Le  Gaygnard,  108. 
Affereux.    1585.  Le  Gaygnard,  312. 
Affieux.     Cotgrave. 
Affreus.   1571.  La  Porte,  7.  —  1585. 

Le  Gaygnard,  108. 
Ahanneus.     1571.  La  Porte.  142b. 

—  Cotgrave. 

Aigueux,  1542.  Canappe.  Onidcm, 
75  b.  —  Ronsard. 

Airaigneiix.  —  Araigneux.  Cot- 
grave. 

Alboroteux.    1584.  G.  Meurier. 

AI  bugin  eux.     Cotgrave. 

Albumineux.  —  Alimenteux. 
Cotgrave. 

Alumineux.  1542.  Canappe.  Guidou, 
82  b.  —  Alvineux.     Cotgrave. 

Amadoueux.  1599.  Lasphrise.  Pre- 
mieres  Oervres  poetiques,  69. 

Amandeus.     1571.  La  Porte,  178. 

Ambageus.  1585.  Le  Gaygnard,  131. 

Ambagieux.  1584.  G.  Meiiricr  — 
Cotgrave. 

Ambicieux.    Pelleau.  Ronsard. 

Ambitieux.  1571.  La  Porte,  21;., 
260.   —   1585.  Lo  Gaygnard,  108. 

Ambrosieux.  15...  Helisenne  de 
Crenne,  H.  —  1554.  Le  Caron.  l.a 
Ciaire,   186  b. 

Amoureus.  1571.  La  Porte,  3,  — 
1585.  Le  Gaygnard,  313. 

Ancipiteus.     1584.  G.  Meurier. 

Anfractueus.     Cotgrave. 

Angleux.  1584.  G.  Meurier  —  Cot- 
grave. 

Angoisscux.  M.  Sceve.  —  Du  Bel- 
lav.  Jodelle.  Ronsard. 


Anguillonneux.    Cotgrave. 
Anguleus.     1571.  La  Porte,  250  b. 

—  Cotgrave. 

Animeus.     1571.  La  Porte,  571). — 

1584.  G.  Meurier.  —  Cotgrave. 
Aousteus.      1571.    La   Porte,  169. 

—  Cotgrave. 
Apostemeux.    1542.  Canappe.  Gw'- 

don,  83  b. 
Apostumeus.  1571.  La  Porte,  115b. 
Appasteux.     Cotgrave. 
Aqueux.     Belleau.  —   1576.  P.  de 

Brach.   Poemes,  2  b.  —  1582.  L  E. 

Du    Monin.    Ä'orvelles    Oemres,   155. 
Araigneux.  Cotgrave.  —  Arbales- 

teus.     157L.  La  Porte,  lUb. 
Arbreux.    Ba'if.    Ronsard.  —  1573. 

C.  Plantin,  H  2  a. 
Argouneux.    Cotgrave.  —  Ardoi- 

seux.     1571.  La  Porte,  62b. 
Areneux.    Ba'if .   Ronsard.  —  1563. 

G.  Meurier,  K  6  b.   —  1582.     Du 

Monin,  149. 
Aren  ul  eux.     Cotgrave. 
Aresteus.    1571.  La  Porte,  Ib,  31b, 

47b,  172b,  212. 
Argenteux.      Ronsard.     —     1565. 

Calepinus,  96. 
ArgiUeus.     1565.  Calepinus,  96. — 

1571.  La  Porte,  171,  259.  —  1573. 

C.  Plantin,  a  4  b,  da.  —  1585.  Le 

Gaygnard,  182. 
A  r  g  u  i  1 1 0  n  n  e  u  X.     Cotgrave.  —  A  r- 

menteux.     15S4.  G.  Meurier. 
Arpilleux.  Cotgrave. 
Arterieux.     Cotgrave. 
Artificieux.     1565.  Calepinus,  101. 

—  1573.   C.  Plantin,  ed.  —  Cot- 
grave. 

Aspr'epineux.    1583.  Virgile,  trad. 

Le  Chevalier,  70  b, 
Attayneux.  Cotgrave. 
Attiueux.     1573.  C.  Plantin,  G  g, 
Aubeus.   La  Noue,  o90c.  —  Auda- 

cieux.     Du  Bellay.    Ronsard. 
Avantageux.     Cotgrave. 
Avant-coureux.     1554.  Amadis  XI, 

17  li.  —  Cotgrave. 
Avantureux.     Du  Bellay.  Jodelle. 

Ronsard. 
Avaricieux.     Bai  f.   Du  Bella  v.  — 

1573.  C.  Plantin,  T  2  a. 
Avaritieux.     Du  Bellav. 


Xfv  vocabh's  en  -eiis,  -eux. 


275 


Aveueux.    Cotgrave. 
Avertineiix.      Ronsard.    —    löTo. 

C.  Plantin,  Yd,  b  2d.  —  1584.  G. 

Meurier. 
Avoineus.     1571.  La  Porte,  205. 
Babilleux.    -1583.  Virgile,  trad.  Le 

Chevalier,  72  b. 
Bach  evaleur  eux.  =  Chevaleureux. 

Cotgrave. 
Bagueteus.    Baguctteux.     1571. 

La  Porte,  275,  —  Cotgrave. 
B  a  i  g  n  e  u  x.  Cotgrave. 
Balafreux.     Cotgrave. 
Balanceus.      Balanceux.      1571. 

La  Porte,  266  b   —  Cotgrave. 
Banneus.      Banneux.      1571.   La 

Porte,  191.  —  Cotgrave. 
ßanqueteiis.  Banqueteux.  1571. 

La  Porte,  19,  47,  88b,  216b,  220b. 

—  Cotgrave. 
Barateux.     Cotgrave. 
Basauchieux.     Cotgrave. 
Baveux.    Baif.  Du  Bellay.  —  1584. 

Horace,  146.  —  Cotgrave. 
Bauracineux.  Cotgrave. 
Becheus.     1571.     La  Porte,  207  b. 
Behistreus.    1571.    LaPorte,  184b 

—  Cotgrave. 

Belistreus.  1571.  La  Porte,  121. 
B  e  1 1  i  q u  e  u X.  Baif.Dorat. —  Cotgrave. 
Belliieux.     1584.  Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  26.  125. 
Beueficieus.     1571.  La  Porte,  181. 
Besongueiix.  1571.  La  Porte,  142b. 
Beiirreux.     1,573.  C.  Plantin,  H  3a. 

—  Cotgrave. 

Bioreux.     1573.  C.  Piantin,  G3a. 

Bilieux.     1565.    Calepinus,    134.  — 

1571.  lia  Porte,  101  b.  —  Cotgrave. 

Billonneus.     1571.  La  Porte,  160. 

—  1582.  Du  Monin,  150. 
Bitumineux.   1571.  La  Porte.  152b, 

251.  —  Cotgrave. 
Blocailleus.    1571.  La  Porte.  1(>4. 

168  b. 
Bloccageus.     1571.  La  Porte,  104, 

168  b.  —  Cotgrave. 
Bloccailleux.      Cotgrave.    —  Bo- 

l)elineus.     1571.  La  Porte,  32b. 
Bocageus.     1571.  La  Porte,    20  b. 

—  1573.  C.  Plantin,  H  3a.  —  Cot- 
grave. 

Boisteux.     1573.  C.  Plantin,  X4d. 

—  Cotgrave. 

Boiteus.      1571.    La    Porte,   272b. 
-    1573.  C.  Plantin,  c  a.  —  1.585. 
Le  Gaygnard.  383.     Cotgrave. 


B  0  r  d  e  ux.    Cotgrave.  —  B  o  r  d  i  e  u  x. 

Cotgrave. 
Boscageus  ^=  Bocageus.     1584. 

Horace,  trad.  L.  De  La  Porte,  90. 
Bouchonneux.    Cotgrave. 
Bouconneus.     1571.  La  Porte,  87. 
Boneux.      Ronsard.     —    1573.    C. 

Plantin,  M  3  b.  —  Cotgrave. 
Boufeux.      Bouffeux.      Cotgrave. 
Bouillonneux.     Cotgrave. 
Boulieux.      1.584.    G.   Meurier.    — 

Cotgrave. 
Bouqueteus.    1-571.  La  Porte,  232 b, 

274  b. 
Bouquineux.    Ronsard. 
Bourbeteus.     1571.   La   l'orte.  45. 

—  Cotgrave. 

l'.ourbenx.  Belleau.  Ronsard.  — 
1585.  Du  Bartas,  leSepmaine,  118. 

Bourgeonneus.  1571.  La  Porte 
190,  227  b.  —  Cotgrave. 

Bourreus.  1571.  La  Porte,  69,  150b, 
160.  —  Cotgrave. 

Boursetcus.     1.571.  La  Porte.  114. 

—  Cotgrave. 

Bourseus.      1571.    La  Porte.    114. 

—  Cotgrave. 

Boutonneus.  1571.  LaPorte,  240b. 
Boyteux.  =  Boiteus.    Du  Bellay. 
Brachieux.     Cotgrave. 
Brancheus.     La  Neue,  391b 
Braneux.     1563.  G.  Meurier,  L  3c. 
Brav  eux.     Cotgrave. 
Brazeux.    Baif.  11,  12. 
Breneux.     1571.  LaPorte,  73,  84b. 

—  1585.   Le    Gaygnard,   238.  — 
Cotgrave. 

Brilleux.     1584.  Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  45. 
pjfiqueus.     1571.  La  Porte,  259. — 

Cotgrave. 
Bris  eux.    Cotgrave. 
Brochereux.    Cotgrave. 
Bronchens.     La   .Noue.    391b. 
Brosseus.    1571  La  Porte,  272b. 
Brouteus.     1571.  La  Porte,  34. 
Bruineux.      Belleau.    —    1563.   G. 

Meurier,  H  7  b.  —  Cotgrave. 
Bruyereux.     Cotgrave. 
Bubeus.     La  Noue,  390b. 
Bucoliqueus.       1571.     La    Porte. 

260  b. 
Bugleus.      1571.    La    Porte,  235b. 

—  Cotgrave. 
Buissonncus.    1571.  LaPorte.  .50b, 

I18b,  121.     -  Cotgrave. 
Bnlbeux.     Cotgrave. 

18* 


276 


Jhujues    I  ^aganajj. 


Burineiis.     1571.    l^a  Porto,    ll(U) 
Buscheus.     1571.  La  Porte,  149. 
liuteus.     l.')71.   La  Porte,  1911). 

—  Cotgrave. 

Butineus.      1571.    I^a  Porte,  79b. 

—  Cotgrave. 

Cabocheus.      1571.   La  Porte,  56, 

259  b.  —  Cotgrave. 
Cadavereus     1571.  lia  Porte,  130, 

215  b.  —  Cadavreux.     Cotgrave. 
Cailleboteus.    1571.  La  Porte,  117, 

170b.  —  1585.  Le  Gaygnard,  383. 

—  Cotgrave. 

Cailloeux.  Cailloteux.  Cotgrave. 
Cailloueus.     1571.  La  Porte,  21b, 

116b,  170  b.  —  Cotgrave. 
Calamiteux.      Baif.    —    1.373.    C. 

Plantin,  C4.  —  Cotgrave. 
Calculeus.     1571,  La  Porte,  116b. 
Caleux.     1584.  G.  Meurier. 
Caligineus.     1571.   La  Porte,  9b, 

91.  —  Cotgrave. 
Calleux.      1582.    I.  E.   Du  Monin, 

26.  —  Cotgrave. 
Calomnieux.     1571.  La  Porte,  37, 

80,  131.  —  1573.  C.  Plautin,  c  4a. 

—  Cotgrave. 
Calumniateux.     1563.  G.  Meurier. 

G4c. 
Calumnieux.     1585.  Le  Gavgnard, 

107. 
Cancreux.  Ronsard.  —  1599.  Ilorn- 

kens,  390. 
Canepineus.     1571.    La  Porte,  92. 

—  Cotgrave. 
Capricieux.     Cotgrave. 
Captieus.     1571.   La  Porte.  8,  37, 

88  b.  —  Cotgrave. 
Captiveux.      1585.    Le   Gaygnard, 

412.   —   Caqueteus.      1571.   La 

Porte,  29  b. 
(ardeus.     1571.  La  Porte,  199. 
Caresseus.     1571.   La  Porte,   3. 
Carle  ux.     C'otgrave. 
Cartilagineus.      1571.    La  Porte, 

28,    177.    —   1585.   Le   Gaygnard, 

238.  —  Cotgrave. 
Castagneux.    Cotgrave. 
Catarreux.   1571.  La  Porte,  2-5,  91. 
Catarrheux.    Cotgrave.  — 
('aterreus.     La  Noue,  394b. 
Catharreux.     1573.  C.  Plantin,  Y 

3a.  —  Cathcrreux.    Ronsard. 
Catheux.    Cotgrave. 
Cauteleux.      Belleau.    Du    ßellay. 

Jodelle.  Tyard.  —  1573.  C  Plan- 
tin, de.  —  Cotgrave. 


(averueux.  Baif.  Belleau.  JDu 
Bellay.  Ronsard.  Tyard.  Cot- 
grave. 

Caveux.  1584.  Horace,  trad.  L.  De 
La  Porte,  60.  —  1.j85.  Lc|,  Gay- 
gnard, 412. 

Cavilleus.     1.563.  G.  Meurier,  I8b. 

—  1571.  La  Porte,  41b. 
Cayreux.    Cotgrave. 
Cedreux.    Bait.  —  1582.  Du  Monin. 

Novvelles  ffiwres.  18. 

Cendreux.  Baif.  Du  Bellay.  Jo- 
delle. —  Cotgrave. 

Centreux.     1584.  G.  Meurier. 

Cere  monieus.  1571.  La  Porte, 
31b,  93  b.  —  1585.  Le  Gaygnard, 
107.  —  Cotgrave. 

Cerimonieux.     1584.    G.  Meurier. 

—  Cutgrave. 

Ceruseus.    1571.  La  Porte,  99.  — 

Cotgrave. 
Chacieus.     1571.   La  Porte,  277b- 

—  Cotgrave. 

Cbagrineux.    Belleau.  Ronsard.  — 

Cotgrave. 
Chaineus.     1571.  La  Porte,  177b, 
Chalereux.     1584.  G.  Meurier. 
Cbaleuroux.    Belleau.  Jodelle.   — 

1573.  C.  Plantin,  Y  a. 
Chalumeus.     1571.  La  Porte,  270, 

—  Cotgrave. 
Chambreux.     Cotgrave. 
Chance  US       1571.    La    Porte,    80, 

138  b.  —  Cotgrave. 
Chancrcux.   1542.  Canappe.  Guidun, 

82.  —  Cotgrave. 
Chandeleus    1571.  La  Porte.  152b.^ 

—  Cotgrave. 
Chansonneus       1571.    La    Porto, 

163.    —    Chanureus.     1571.   La 

Porte,  67  b,  245.  —  Cotgrave. 
Charbonneus.       1571.    La    Porte, 

37  b.  40  b.  —  Cotgrave. 
Charmeus.     1584.  Horace,*  trad. 'L 

Le  La  Porte,  138.  La  Noue,  392  a 
Charneus.     1542.  Canappe.  Guidot, 

107. 
Charoingneux.      Du    Bellay. 
Cliar 0 u  g n e ux.  Ronsard. -Cotgrave, 
Chase reus.     1571.    La  Porte,  106, 

—  Cutgrave. 

Chasseus.     1571.     La  Porte,  lS2b, 

272  b. 
Chassieux.     Belleau.    —   1573.  C. 

Plantin,  M  4  c,  de.  —  Cotgrave. 
Chatouilleux.      Baif.     —      1573. 

C.  Plantin,  a  2  d,  o  4  d.  —  Cotgrave, 


Les  vocables  en  -eus,  -eiia\ 


•11  i 


Chat  tonneu-;.      1571.      La    Porte, 

166.   —  Chemineus.     1571.    La 

Porte,  19G.  —  Cotgravc. 
Chesneus.     1571.    La  Porte,  91b, 

114  b.  —  ('otgravc. 
Chevalereux.    1585.   Le  Gaygnard 

312.  —  Cötgrave. 
Chevaleureux.  Belleau.  Du  Bellay. 

Ronsard.  —  Cötgrave. 
Chevestreus.      1571.      La    Porte, 

148  b.  —  Co'grave. 
Cheveus.     1571.    La  Porte,  bi>. 
Cheveux.    1585.  Le  Gaygnard,  41'.'. 
<'hevreux.  Ronsard.  —  Chic  an  eus. 

1571.    La  Porte.  2fiS.  — Coigrave. 
Chiquenneus.      1.571.     La  Porte, 

122.  —  Cholereux.    Cötgrave. 
Choliqueus.  —   1.571.     La  Porte, 

2G7.  —  Cötgrave. 
<'ieux.     1585.    Le  Gaygnard,  58. 
Cireus.  1571.  La  Porte,  ?A).  —  1584. 

Horace,  trad.  L.   De  La  Porte,  17. 

—  Cötgrave. 
Cisterneus.    1571.    La  Porte,  143. 
Clangueux.     Cötgrave. 
Oloissonneus.      1571.     La  Porte, 

194.  —  Cötgrave. 
Coeneux.    Cötgrave. 
Coigneus.     1571.    La  Porte,  155. 
Co  1er eus.  —  La  Noue,  393. 
Coliqueus.      1573.     C.  Plantin  K. 

4  d.   —  1584.    G.  Meurier.  —  Cöt- 
grave. —  La  Noue,  393. 
Colliqueus.     1585.     Le  Gaygnard, 

100.  —  Cötgrave. 
(olomneux.    Cötgrave. 
Colouneus.    1.571.    La  Porte,  2061, 

258  b. 
Combateux.      15(1;'..      G.  Meurier, 

N  3  b. 
('omcdieus.     1571.    La  Porte,  163. 
Commctteux.     Cötgrave. 
Coramodieux.  —  1584.  G.  Meurier. 
Compendieus.     1571.     La  Porte, 

07  b,  248  b.  —  1584.    G.  Meurier. 
Comp! an t eus.      1571.     La   Porte, 

278.  —  Comploteux.     Cötgrave. 
Compteus.    1571.   La  Porte,  146b. 
•  'oncheus.     1571.     La  Porte,  32. 
<oncientieus.   l.')85.  Le  Gaygnard, 

108.    —    Conscientieus.     1571. 

La  Porte,  146  b.  —  Cötgrave. 
(  onsequentieux.    Cötgrave. 
Contagieux.     1584.     Horace,  trad. 

L.  De  La  Porte,    153.     1585.  Le 

Gaygnard,  107.  —  Cötgrave. 
Contencieux.  1573.  C.  Plantin.  Vd. 


Contentieux.   Du  Bellay    Ronsard 

—  Cötgrave. 
Contumelieux.     1571.     La  Porte 

lS7b.  —  1585.  Le  Gaygnard.  107. 

—  Cötgrave. 

Convitieux     1571.     La  Porte,  80, 

131,  187  b.  —  Cötgrave. 
Convoiteux.     Du  Bellay.   —  1585. 

Du  Bartas,  306.  —  Cötgrave. 
Copieux.   Du  Bellay.   Ronsard.   Ty- 

ard.  —  Cötgrave. 
Coquelineux.     Cotgj'ave.    —    Co- 

quilleus.     1571.    La  Porte,  149, 

174  b,  181b,  212.  —  Cötgrave. 
Corbeilleus.     1571.  La  Porte,  191. 

—  Cötgrave. 
Corbineux.     1584.     G.  Meurier. 
Cordeleus.     1571.    La   Porte,    53. 

—  Cötgrave. 

Corneteus.    1571.   La  Porte,  27:'>b. 

—  Cötgrave. 

Cosseus.     1571.    La  Porte,  38. 
Costeus.     1571.     La  Porte,  29b. 
Cotonneus.    1571.  La  Porte,  2,85  b. 
Cottonneus.    1571.    La  Porte,  110. 

—  Cotgravc. 

Coudreus.  1571.  La  Porte,  100, 
178,  225b.  — Coullevreux.  1.571. 
La  Porte,  72. 

Coulomneus.    1571.    La  Porte.  53. 

Coupeux.     Cötgrave. 

Courageux.     1571.   La  Porte,  126. 

—  1585.     Le   Gaygnard,   13.].   — 
Cötgrave. 

Couragieux.      1573.      C.    Plantin, 

b.  2  a. 
Courbeus.     La  Koue,  390  c. 
Courvcux.    1585.  Le  Gaygnard,  412. 
Coussineux.   1571.  La  Porte,  57b. 

85  b,  185.  —  Cötgrave. 
Coustageux.  1573  C.  Plantin,  §2b. 
Coustangeus.      1571.     La  Porte, 

219.  —  Cötgrave. 
Cousteleus.   1571.  La  Porte,  1 10b. 

—  Cötgrave. 

Cousteux.     Ronsard.  —  Cötgrave. 
Cracheux.    Baif.     —    Crasseux. 

Baif.    Belleau.  —  Cötgrave. 
Cray  eus.     1563.    G.  Meurier.    Dict. 

tiamen-fran^ois,  D2a. 
Cresmeus.     1571.     La  Porte,   106. 
Creux.  Baif.  Du  Bellaj. —Cötgrave. 
Criblcux.     Cötgrave. 
Crimineux.   Belleau.  —  1584.  Hp'- 

racc.   trad.   L.  De  La  Porte,  20, 

104,  112,  141.  —  1.584.  G.  Meurier. 

—  Cotgravc. 


278 


I luyues    I  'aganaij. 


Crineux.     KonsarJ.    —    Cotgrave. 
Croäceux.    Cotgravo. 
Croäilleus.     1571.     La  Porto.  67. 

—  Cotgrove. 

Croceus.     1571.     L:t  Porte,  Gi.  — 

Cotgrave. 
Crotcuf.      1571.     La   Porte,    ;5Sb. 
Grotteus.      1585.     Le     Gaygnard. 

383. 
("rousteleus.    15(1.    La  Porte,  5(i. 

—  Cotgrave. 

Crousteus.     1542.    Ganappe.    Gui- 
don, 63.  —  1571.   La  Porte,  18,56. 

—  Cotgrave. 
Croyeiix.     Cotgrave. 
Crueux.    Baif. 

Cuirasseus.     1571.  La  Porte,  209. 

—  Cotgrave. 

Cuisineus.     1571.  La  Porte,   i)2b, 

106  b,  —  Cotgrave. 
Cuissineus.    1571.  La  Porte.   185. 
Cuivreus.    1571.  La  Porte,  10,  87b, 

15'J.  —  Cotgrave. 
Cuniculeux.     Cotgrave. 
Ciirieux.    1585.    Le  Gaygnard,  108. 

—  Cot-grave. 
Cuyvreux.     Cotgrave. 
Dameus.     1571.  La  Porte,  '.)lb. 
Dangereux.     1585.     Le  Gaygnard, 

312.  —  Cotgrave. 
Dartreus.     1571.     La  Porte,  1 10b. 
Decaterreus.   La  Noiie,  394b. 
Decendreus.     La  Noiie,  394c. 
Decolere  US.     La  Noue,  41)3  c. 
Decrepiteux.     Cotgrave. 
Defangeus.    La  Noue,  391a. 
Defascheu?.     La  Noue,  o91b. 
Defectucus.    1.585.    Le  Gavgnard, 

108.  —  Cotgrave. 
Deffectueux.     Cotgrave. 
Defievreus.     La  Noue,  394 c. 
Defructueus.    La  Noue,  396  a. 
De  gen  er  e  US.    La  Noue,  .">94a. 
Degouteux.   Du  Bell ay.  —  Dehai- 

neus.   La  Noue,  392c.  —  Delici- 

eux.     Ronsard.  —  Cotgrave. 
Deneigeus.     La   Noue,   391a. 
Denombreus.    La  Noue,  394b. 
Denoueus     l^a  Noue,  396b. 
Denuageus.     La  Noue,  391a. 
Depeineus.      La   Noue,    392c. 
Depiteux.        Baif.       Du     Bellay 

Jodelle.  —  Cotgrave. 
Depompcus.     La  Noue,   3".i3b. 
Deporeus.    La  Noue,  393. 
Depouilleux.     1576.  P.  de  Brach. 

Poemes,  102. 


Desadvantagcus.    1571.  La  Porte. 

216  b. 
Desaffreus.     La   Noue,    394c. 
Desangoisseus.   La  Noue,  395a. 
Desareneus.     La  Noue,  392b. 
Desargileus.      La   Noue,    391c. 
Desastreus.       1571.       La     Porte, 

219  b. 
Desavantageus.    La  Noue,   391a. 
Desavantureus.     lia  Noue,  3".>4a. 
Desaventureux.     Cotgrave. 
Desavoureus.    La  Noue,  394  C. 
Desbaveus.    La  Noue,  395c. 
Desbelliqueus.     La   Noue,  39ob. 
D  e  s  b  0  u  r  g  e  0  n  n  e  u  s.  La  Noue,  302  c. 
Desbuissonneus.   La  Noue,  393a. 
Descalamiteus.     La  Noue,  395a. 
Descandaleus.     La   Noue,   391b. 
Deschaleureus.    La  Noue,  394a. 
Descharmeus.   LaNoue,  392b. 
Deschatouilleus.  La  Noue,  392a. 
Descourageus.     1573.  C.  Plantin, 

m4d.  —  La  Noue,  391a. 
Descraseus.    La  Noue,  395  a. 
Descrupuleus.    La  Noue,  391c. 
Desdaigneux.   1.585.  Le  Gaygnard. 

238.  —  Cotgrave. 
Desdangereus.     La   Noue,    393  c. 
Desdefectueus.     La  Noue,  396a. 
Desdizeteus.     La  Noue,  395a. 
Desdoucereus.    La  Noue,  393c. 
Desdouteus.   LaNoue,  395c.   De- 

sennuyeus.    La  Noue,  396b. 
Desescunieus.    LaNoue,  392a. 
Desespineus.     La  Noue,  392b. 
Desfarincus.    La  Noue,  392b. 
Desfluctueus.     La  Noue,  396a. 
Desfroidureus.     La  Noue,  394a. 
Desgaleus.     La  Noue,  391  b. 
Desgommeus.     LaNoue,  392a. 
Desgouteus.    La  Noue,  395c. 
Desgrateleus.     La  Noue,  391  b. 
Desgrommeleus.  LaNoue,.391b. 
Deshargneus.    La  Noue,  393b. 
Desidieux.     Cotgrave. 
Desillumineus.     La  Noue,  392b. 
Desimpetueus.      La    Noue,  396a. 
Desincestueus.     La  Noue,  396a. 
Desireus.    Ronsard.  —  Du  Bartas, 

ed.  1585,  580.  —  Cotgrave. 
Deslimonneus.     La   Noue,    392c. 
Desmatineus.     La  Noue,  392b. 
Desmoiteus.    La  Noue,  395b. 
Desmonstrueus.     La  Noue,  396b. 
Desmontagneus.   La  Noue,  393a. 
Desmorveus.     La  Noue,  395c. 
Desnebulcus.     La  Noue.  391c. 


Les  vocahles  en  -eus,  eii.r. 


279 


Desuecessitcns.     La  Noue,  .'VJöb. 
Desnervcus.     La  Noue,  39öc. 
Desnoizeiis.    La  Noue,  39Gc. 
Desoizeus.     La  Noue,  39Gc. 
Desombvageus.     La  Noue,  391a. 
Desorageus.    La  Noue,  391  a. 
Desoufrcu?.     La  Noue,  394c. 
Desoutrageus.     La   Noue,    391a. 
De  spare  SS  eus.      La   Noue.    39.5  a. 
Despendeux.     Cotgrave.   —   Dcs- 

penseux.     Ronsard. 
Desperilleus.     La  Noue,  391c. 
Despesneus.     La  Noue,  o9"2c. 
Despesteus.    La  Noue,  39.öb. 
Despeui-eus.     La  Noue,  394a. 
Despiteux.     Belleau.     Du  Bellay. 

Ronsard.     Tyard.  —  Cotgrave. 
Desplantureus.     La  Noue,  3941». 
Despoissonneus.    La  Noue,  393a. 
Desquorelleus.  La  Noue,  391c. 
Dosquinteus.  La  Noue,  39.5  b. 
Desray  onneus.  La  Noue,  393a. 
Desrespectueus.  LaNoue,o96a. 
Desrioteus.     La  Noue,    39.3  b. 
Dessoifveux.    l.'>8.3.  Le  Gavgnavd, 

412. 
Dessoigneus.     La  Noue,  393a. 
Dessomptueus.    La  Noue,  396a. 
Dessoufreteu  s.  La  Noue,  395a. 
D  estempestueus.  La  Noue.  o95c. 
Des  tuniultueus.  La  Noue,  395c. 
De  SU  leer  eus.     La  Noue.  393  c. 
Desvaporeus.    La  Noue,  .393c. 
Desveneneus.     La  Noue,   392b. 
Desvenimeus.     La  Noue,  392a. 
Desventeus.     La  Noue,  395b. 
Desvergongneus.    La  Noue,  393. 
Desvisqueus.    La  Noue,  393b. 
Deterreus,    La  Noue,  394b. 
Detourbillonneus.       La     Noue, 

392c.  —  Detrimenteus.     1571. 

La  Porte,  86  b.  —  Cotgrave. 
Deux.     1.585.    Le  Gaygnard,  SO.  — 

Cotgrave. 
Devigoureus.     La  Noue,  394a. 
Dfevitupereus.     La  Noue,  .393c. 
Devotieux.  M.  Sceve.  —  Du  liellay. 

Jodelle.    Ronsard.  —  Cotgrave. 
Dieux.     Cotgrave. 
Diffameus.    La  Noue,  392a. 
Difficultueux.     Cotgrave. 
Direux.      1.584.     Horace,   trad.    L. 

De  la  Porte,   74,  110,  138. 
Discordieux.     1-584.  ü.  Meurier. 
Disetcux.     1.585.     Du  Bartas,  3.)4. 

—  Cotgrave.  —  1584.    G.  Meurier. 
Dispcndieux.     1.584.     G.  Meurier. 


Disetteux.      1573.     C.  Piautin,   E. 

1.  c.  —  1563.  G.  Meurier,  B.  4  d. 
Dizeteus.     La  Noue,  395a. 
Dodelineux.     Cotgrave. 
Dodineus.      1571.      La  Porte,    .iS, 

•2C,Q  b. 
Doleux.     Cotgrave. 
Dolorcux.     Ba'if.  Du  Bellay. 
Doloscux.     1584.     G.  Meurier. 
Doloureux.       15S4.      G.  Meurier. 

—  Cotgrave. 
Domageux.     Ba'If. 
Dormilleux.     Cotgrave. 
Doubteux.        15S4.      'G.  ^leurier. 

Cotgrave. 
Doucercux.  Belleau.  Du  Bellay. — 

(  otgrave. 
Doulcereux.     1584.   G.  Meurier. 
Doulereux.     1585.     Le  Gaygnard, 

312. 
Douloureux.     Ba'if.   —   Cotgrave. 
Douteux.  Baif.  Belleau.  Du  Bellay. 

•lodelle.     lioiisard.  Tyard. 
Drapeleux.   1571.  LaPorte,  121. 
Drappenx.     Cotgrave. 
Drillens.     1571.     La  Porte,  34.  — 

Cotgrave. 
Drugeonneus.      1571.     La  l'orte, 

251  b.  —  Cotgrave. 
Duveteus.    La  Nour,  395a. 
Ecailleux.  Du  Bellay. 
p]cumeux.      Belleau.      Du     Bellay. 

Jodelle. 
Effectueux.     Cotgrave. 
E  f  f i  c  a  c  i  e  u  X .     Cotgrave . 
Enibucheux.    Baif. 
Ehontous.     La  Noue,  395b. 
Em pl astreu 3.      1571.      La   Porte, 

85.  —  Cotgrave. 
Empoi  sonn  eus.     1571.    La  Porte, 

4,  38  b,  273. 
Encheux.     Cotgrave.    —   Encom- 

breus.     La  Noue,  390b,  394b. 
Endesvcux,  1585.  LeGaygnard,412. 
E  nerv  eus.     La  Noue,  395  c. 
Enfincetix.    Cotgrave. 
Enfleus.     1571.     La   Porte,   1471.. 
Enfractueux.     Cotgrave. 
Englueus.      1571.     La  Porte,    11, 

182  b. 
Engorgcus.        1571.       La     Porte, 

106  b.  —  Cotgrave. 
Ennuycux.       Du     B(^llay.       1.578. 

Pionsard.     1,  574.  —  Cotgrave. 
Entre-deux.      1585.      Du    Bartas, 

316.  —  1585.  Le  Gaygnard,  80.  — 

(  otgrave. 


2S0 


] lugnes   Vauamnj. 


E 11 1  r  e  d  0  u  c  c  r  e  11  s.    La  Noue,  o93  c. 
Eutrefroidurens.   La  Noue,  SO-Aa. 
Entrerameus.    La  Noue,  392a. 
Entreteignous.    La  Noue,  393  a. 
Envenimeus.    La  Noue.  392a. 
Entrevitupereus.   La  Noue,  393c. 
Envieux.     Du  Lellay.  —  Cotgravo. 
Epineux.      Baif.      t)u    Bellay. 
Equaillcux.     Du  Bellay. 
Erugineux.  1542.  Canappo.  Guidon, 

72.  —  Cotgrave. 
Escacheus.     1571.    La  Porte,  207. 
Escailleux.    Du    Bellay.  —  1573. 

Plantin,  z.  1  c.  —  Cotgrave. 
Eschaillieux.     1563.     G.  Meurier, 

G.  5  a. 
Escharpeus.       1571.      La    Porte, 

150  b.  —  Cotgrave. 
Eschauguetteus.    1571.   La  Porte, 

252.   —   Escheleus.      1571.     La 

Porte,  158. 
Eschineus.    1571.   La  Porte,  87. — 

Cotgrave. 
Esclandreux.     Baif.   —  Cotgrave. 
Escrolleus.       1563.      G.  Meurier, 

H.  3  a. 
Escumeus.     1571.     La  Porte,   11), 

106  b.  —  La  Noue,  392  a. 
l'^.scHmeux.     Du   Bellay.     Jodelle. 

Eonsard.  —  Cotgrave. 
Esmervei Ileus.     La  Noue,  391c. 
Escurieus.     La  Noue.  397a. 
Esperouneus.   1571.  LaPorte,  9b. 
Espieus.    1571.    La  Porte.  119b. — 

La  Noue,  397  a. 
Espineus.     1571.     La  Porte,  37 b, 

118b.     —    1.58.5.      Le    Gaygnard, 

238.  —  Cotgrave. 
Espongeus.    La  Noue,  391a. 
Espongieux.    1.584.   G.  Meurier. — 

Cotgravo. 
Espouventeux.     Ronsard. 
Esquilleux.     Cotgrave. 
Estaleus.     1571.    La  Porte,  38b. 
Estamineus.       1571.      La    Porte, 

239,  —  Cotgrave. 

Estin  celleux.     1584.    Horace,  12. 
Estoilleux.     Belleau.  ^   Cotgrave. 
Estoupeux.     Cotgrave. 
Estriveus.    1571.  La  Porte,  178. — 

1573.    Plantin,  Ee  3c.  —  Cotgrave. 
Esventeus.       1571.       La     Porte, 

271b.  —  Esveux.     Cotgrave. 
Rvertineux.      1563.      G.   ^Meurier. 

Dict.  flamen-fran^ois,  F4a.  —  157;'i. 

C.  Piantin,  N4d. 
Eveux.    Baif.    Cotgrave. 


E v i 0 u X.  Cotgrave.  —  Exalumineus. 

1571.   La  Porte,  201  b.  —  Cotgrave. 
l']xcremonteus.     1571.     La  Porte, 

164b,  234b.  —  1585.  Le  Gaygnard, 

383.  —  Cotgrave. 
Exitieux.     1584.     Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  31. 
Eableux.      Jodelle.      Ronsard.   — 

1582.     L  E.  Du   Monin.  Novvelles 

(Euvres,  6. 

abuleux. 

acecieux. 

acetieus. 


Ronsai'd. 


F  abuleux.      Dorat. 

F  acecieux.    Baif. 

F  acetieus.       Cotgrave.    —     1573. 

C.  Plantin,  q  c.  —  1584.  G.  Meurier. 
Facheus.  1585.  Le  Gaygnard,  108. 
P'actious.     1571.  La  Porte,  64b.  — 

125  b.  —  1585.  Le  Gaygnard,  108. 

—  Cotgrave. 

Falacieux.     1571.  I-a  Porte,   265. 

—  1573.     C.  Plantin,    D  8  a.    — 
Cotgrave. 

Farne illeus.  1571.  LaPorte,  115, 
151b,  272.  —  1584.  Horace,  trad. 
L.  De  La  Porte,  20.  —  Cotgrave. 

Faineus.  1571.  La  Porte,  34.  — 
Cotgrave. 

Fanfareus.     La  Noue,  393b. 

Fangeux.   Belleau.  Ronsard.  Tyard. 

—  Cotgrave. 

J'antasieux.      15  .  .   Ilelisenne   de 

Crenne,  C  5. 
Farceus.     1571.  LaPorte,  32,38b, 

44,  104. 
Farcineus.      1571.   La   Porte,  34. 

—  1-585.   Le    Gaygnard,   238.    — 
1606.  Nicot.  —  Cotgrave. 

Farineus.     1571.  LaPorte,  37,  39. 

—  1585.    Le    Gaygnard,    238.   — 
Cotgrave. 

Fascheux.     Cotgrave. 
Fastidieux.     1559.  Guevare.  Epis- 

tres  dorees,  trad.  Guterry.  II,  61. 
Fastigieux.      15  .  .    Ilelisenne   de 

Crenne,  G  4. 
Fastueux.     Cotgrave. 
Faulseteux.     Cotgrave. 
Fauperdrieu  X.     Cotgrave. 
Febveus.     1571.  La  Porte,   92.  — 

Cotgrave. 
Febureus.      1571.    La   Porte,   160. 
Felleux.    Cotgrave. 
Feneux.     Cotgrave. 
Ferreux.     Cotgrave. 
Fertileux.     1563.  G.^^Ieurier.  Dict. 

flamen-franQ.,  0  3  c. 
Fermenteus.       1571.     La    Porte, 

196  b. 


Les  vocahtes  en  -eus,  -eux. 


281 


Fe  st  eux.      1584.    Horace,    trad.   L. 

De  La  Porte,  87. 
Feuilieus.     Du  Bartas,   ed.   IJSö, 

487. 
Fibreux.     Cotgrave. 
Fiebvreux.     1.584.  G.  Meurier,  — 

1573.  C.  Plantin,  b3b.  —  Cotgrave. 
Fielleux.     Ronsard,    -      1573.    ('. 

Plantin,  0  3a.  —  Cotgrave. 
Fienteus.     1571.  La  Porte,  loiib, 

264.  —  Cotgrave. 
Fieureus.      1565.    Calepinus,   411. 
Fieuvreus.      1585.    Lc    Gayi^nard, 

109. 
Filamenteux.     Cotgrave. 
Firn  eux.     1573.     C.  Plantiu,  M3h. 
Fistuleux.     1542.  Canappe.  Gvidon, 

85.  —  1571.  La  Porte,,  94b,  12 -ib. 

—  1585.    Le    Gaygnard,    1S2.    — 
Cotgrave. 

Flaconneus.  1571.  La  Porto,  40. 
Flagoolleus.  1571.  La  Porte,  197. 
Flagitieus.     1571.  La  Porte,  104b. 

—  1584.  G.  Meurier. 
Flambeus.     La  Noue,  390  b. 
Flamm  eux.  Baif.  Ronsard.  —  156;i, 

G.  Meurier,  N8b. 

Flateus.     1571.  La  Porte,  12. 

Flatneux.  1542.  Cannappe.  Guidon 
75  b.  —  1571.  La  Porte,  202  b. 
273  b,  274.  -     Cotgrave. 

Fleureux.     Ronsard.  —  Cotgrave. 

Fleus.     1585.  Le  Gaygnard,  lOS.  — 

Flcxueux.     Cotgrave. 

Floureux.     Baii. 

Foarreus.  1571.  La  Porte,  56, 
lUb.  —  Cotgrave. 

Fluctuoux.  Marot.  Du  ]5ellay.  Ron- 
sard. 

Foireux.  1573.  C.  Plantin.  Na.  — 
1585.  LeGaygnard,  312.  —  Cotgrave. 

Foisonneus.     Cotgrave. 

F  0  n  g  e  ux     ( 'otgrave. 

Fontaineus.     1571.  La  Porte,  14;). 

—  (Jotgrave. 

Forninleus.     1571.  La  Porte.  221. 
Fortun  eux.    Ronsard. 
Fo3  s     teux.     Cotgrave. 
Fouarreus.     1571.     La  Porte,  37. 
Foudreus.     1582.    Du  Monin,  180. 
Foueteus.     1571  La  Porte,  275. 
Fouetteux.     Cotgrave. 
Foueux.     Baif. 

Fourageus.  1571.  La  Porte,  19i;b. 
Fourmageus.    1571.  La  Porte,  48, 

143.  —  Cotgrave. 
Fournii  1  letis.   1571.  La  Porte,  44b. 


Fourrageus.    1571.    La  Porte,  37. 
Fourreus.     1571.    La   Porte,    191, 

199  b.  —  Frareux.     Cotgrave. 
Frauduleus.      1.571.   La  Porte.  8, 

182b.  —  1585.  LeGaygnard,  182. 

—  Cotgrave. 

Frayeux.      15f;G.    G.    Meurier.    — 

Cotgrave. 
Frileus.     1571.  La  Porte,  24  178b. 

—  1585.  Le  Gavgnard,  182. 
Frilleux.   Baif.  Du  Bellay.  -  1573. 

C.  Planlin.  bob.        Cotgrave. 

Frissonneux.     Ba'if. 

Frivoleux.     1,573.    C.  Plantin,  Oii. 

Froidilleux.     Cotgrave. 

Froidureux.  Belleau.  Du  Bellay. 
Jodelle.  Ronsard,  Tyard.  —  Cot- 
grave. 

Fromenteux.  Ronsard.  —  1.584. 
Horace,  trad.  L.  De  La  Porte,  112. 

F  r  0  u  m  e  n  t  e  u  x.     Cotgrave. 

Fructueux.  Du  Bellay.  Ronsard. 
Cotgrave. 

Fruiteux.     Baif. 

Frumenteus.  1571.  La  Porte,  37. 
94  b,  IUI).  —  1,585.  Thevenin,  dans 
Du  Bartas,  .575. 

Fueilleux.  Baif.  Du  Bellay.  Ron- 
sard. —  Cotgrave. 

Fuligiueux.  15s5.  Thevenin,  dans 
Du  Bartas,  002.  —  Cotgrave. 

Fulmincux.     1584.  G.  Meurier. 

Fumeux.  Baif.  Belleau.  Du  Bellay. 
Ronsard.  —  Cotgrave. 

Fungueux.  Cotgrave.  —  Furieux. 
1585.  Le  Gaygnard,  108.  — •  Cot- 
grave. 

Gabgregeux.  Cotgrave.  —  G a  1  e r- 
neus,     1571.  La  Porte,  273b. 

Galeus.     1585.  Lc  Gavgnard,   182. 

—  La  Neue,  .39 Ib. 

Galleus.     1571   La  Porte,  34,  233. 

—  1.573.  C.  Plantin,  b3d.  -  1.584. 
G.  Meurier.  —  Cotgrave. 

Gambadeus.     1571.   La  Porte,  76, 

205  b.  2401),  251. 
Garrenneus.     1571.  La  Porte,   149. 

259.  —  Cotgrave. 
Gascheux.     Cotgrave. 
Gazouilleus.     1571.   La  l'orte.  47, 

.52b,  —  1.584.  Horace,  trad.  L.  De 

La  Porte,  82.  —  Cotgrave. 
Gehenneus.    1571.  La  Porte,  223b. 

—  Cotgrave. 

Gel  lux.     1573.     C.  Plautiu,  e  4  d. 
Gelineus.     1571.    La  Porte,  223b. 

—  Cotgrave. 


Jluyues    Va<iana>j. 


Gcnnneus.   Biüf.  Bclleau.  Ronsard. 

—  Cotgravc. 

Geiiereus.     l.')Tl.    La   Porte,    12G. 

—  l.")78.  Konsard.  1,  ■)44.  —  ].j8."i. 
Le  Gaygnard,  312.        Cotgrave. 

Genesteus.     .')171    La  Porte,    VM. 

—  Cotgrave. 

Geiiieux.     1584.    Horace,    trad.   L. 

De  La  Porte,  12. 
Gernieux.      Belleaii.    Konsard.    — 

Cotgrave. 
Gesneus      l')71.  La  Porte,  .'»O. 
Gas  tue  US.     l'tTl.     La  Porte,  l.Vih. 

l.')7. 
Gibbeux.     Cotgrave. 
Gimbreteus.     L")71.  La  Porte,  l.")7. 

196  b,  214  b,  272.  —  Cotgrave. 
Glacieux.     l.')73.  C.  Plantin,  Z  2c. 
Glaireus.     l.")71.  La  Porte,  22.  — 

Cotgrave.     Glaceus     1582.  L  E. 

Du  Moniu.  Novelles  Oeuvres,  35. 
Glandeux.    Ronsard.   —  Cotgrave. 
Glanduleus.     1571,  La  Porte,  98, 

115  b.  —  Cotgrave. 
G 1  a  s  0  n  n  c  u  X .     Cotgrave . 
G I  a  z  e  u  x.     Cotgrave. 
Gletteux.     Cotgrave. 
Globeus.     1571.  La  Porte,  233.  — 

1584.  Horace,  trad.  L.  De  La  Porte, 
31.  —  Cotgrave. 

Globuleus.      1571.    La   Porte,    3'.), 

233.  —  Cotgrave._ 
Glommereus.    15*1.  La  Porte,  KiO. 
Glorieus.     Baif. 

Glorieux.     Ronsard.  —  Cotgrave. 
Glueux.     M.  Seeve.  —  Belleau.  Du 

Bellay.  Jodelle.  Ronsard.  —  1573. 

C.  Plautin,  e  2a.  —  Cotgrave. 
Glutineus.     1571.  La  Porte,  22,  66, 

115.  —  1584.  G.  Meuricr. 
Goitereus.     1571.   La  Porte,  52  b. 
Goitreus.     1584.     G.  Meurier.    — 

1585,  Le  Gaygnard,  108.  —  Cotgrave. 
Gommeux.     Belleau.     Du   Bellay. 

—  1573.  Plantin,  T  3  a.  —  Cotgrave. 
Gotereux.     Cotgrave. 
Gouffreux.     1576.     P.    de   Brach. 

Poemes,  7._ —  1583.  Du  Bartas.  L 
Sepmaine,  (1.  —  Cotgrave. 
Goufreus.     1582.   Du  Monin,   130. 

—  La  Noue,  394  c. 

Gouteus.     1571.  La  Porte,  14b,  96. 
Goutteux.   1565,  Calepinus.  102.  — 

1585.    Le  Gaygnard,  383.    -  Cot- 

grave. 
Gracieux.  1583.  G.  Meuricr.  —  Cot- 

i^rave. 


Graillous.     1571.  La  Porte,  67.  — 

Cotgrave. 
Graisseux.     1563.  G.  Meurier,  N  7 

I)  —  Cotgrave. 
Grancheus.     1571.    La  Porte,    lo. 
Grangcux.     Cotgrave. 
Granuleux.     Cotgrave. 
Grappeus.     1571.    La   Porte,  225. 

—  1585.  Le  Gaygnard,  272. 
Grateleux.     Ronsard,  — Cotgrave. 
Gratieux.  1584.  G.Meurier.  —  1585. 

Le  Gaygnard,  108.  —  Cotgrave. 
Gratteleux.  1573.  C.  Plantin,  b.  3 d. 
Graveleus.     1571.     La  Porte,  171. 

227b,   236.  —  1573.  C.  Plantin,  a 

2d.  —  1585,  Le  Gaygnard,  182. 
Gravelleux.     1584,  G.Meurier.  — 

(  otgrave. 
Gremeleux.     1584.  G.  Meurier. 
Gresleux.      Belleau.    Ronsard.    — 

1573.  C.  Plantin,  V2c,  —  Cotgrave. 
Greveux,  1585.  Le  Gaygnard,  412. 
Greux  1584.  G,  Meurier.  —  Cotgrave. 
Grillcus.    1571.  La  Porte,  266b.— 

Cotgrave. 
Gringoteus.     1571.  La  Porte,  234 
Grommeleus.     1585.  Le  Gaygnard 

182.  —  Cotgrave- 
Grouetteux.     Cotgrave.     Grunie- 

leux.     Belleau.  —  Cotgrave. 
Grumeux.   Cotgrave.  —  Grumme- 

leus.     1571.  La  Porte,  91. 
Gruolleux,     Cotgrave. 
Guepillonneus.     1571.    La  Porte, 

24.  —  Cotgrave. 
Guesveux.     Cotgrave. 
Gueus.     15S4.  G.Meurier.  —  1585. 

Le  Gaygnard,  109.  —  Cotgrave. 
Gypseux.     1.542.   Canappe.    Guidon, 

75  b. 
Gyroui'tteux.     Cotgrave. 

Ilaillouneux.  Ronsard.  —  (ot- 
grave. 

llaineux.  Belleau.  Du  Bellay.  — 
1.573.  C.  Plantin,  V  4a  —  Cotgrave. 

Haireux,     Cotgi'ave. 

Halcineux.  1563.  G.  Meurier.  Dict. 
riamen-fran^ois.  A  6  b.  —  Cotgrave. 

Hame^onneus.  1571.  La  Porte. 
72  b, " 

Hanseus.     Baif._ 

Harceleux.     1573.  Plantin,  Cg, 

Hardeus.  1571.  La  Porte,  30.  90. 
156,  191b.  —  Cotgrave. 

Hargneus.  1571.  La  Porte,  5b. 
156.   —   1585.  Le  Gaygnard.   140. 

—  Cotgrave. 


Les  vocables  en  -eus,  -eu.i 


283 


Harmoniens.   1571.  La  Porte,  122b. 

—  1583.   Du  Bartas,   145.  —  Cot- 
grave. 

Hasardeux.    Jodelle.  —  Cotgrave. 
Hasteleux.     Cotgrave. 
Hayneux.    1559   Guevarc.  Epistres 

Dorees,  trad.  Gutery.  11,  18G.   Du 

Bellay.  —  Cotgrave. 
Hayreux.     Cotgrave. 
Hazardeus.     1558.  Giievare.  Epist- 
res doriies,  trad.   Guterry.  1.  182. 

1571.  La  Porte,  5b.  112b.  —  !5S;5. 

Le  Gaygnard,  80. 
Hcrbageux.     Cotgrave. 
H erben X.  Belleau,  Du  Bellay.  Kou- 

sard.  Tyard.   —   1573.  C.  Plantin, 

cb.  --  Cotgrave. 
Hergneux.       Ronsard.    —     1.584. 

G.  Meurier.    -   Cotgrave. 
Hernie ux.     1573.  C.  Plantin,  Hoc. 
Heureux.     Belleau.   —  Cotgrave. 
Hideux.     15S4.   G.   Meurier.   1.5<S5. 

—  Le  Gaygnard,  80.  —  Cotgrave. 
Hileux.     Cotgrave.   —  Hobineus. 

1571.  La  Porte,  2G5b.  —  Cotgrave. 
Honteux.     Cotgrave. 
Horlogeus.     1571.   La  Porte.  43b. 
Houssineus.  1571.  La  Porte,  30b, 

275.  —  Cotgrave. 
Huileux.   Baif.  —  1599.  Horukens. 

1573.    <  .   Plantin,  k3b.  Cotgrave. 
Iluilleus.     1571.  La  Porte,  99. 
Huitreux.     Belleau. 
Humeux.     Cotgrave. 
Hutineus.     1.571.  La  Porto,  178.  — 

1584.     G.   Meurier.    —    Cotgrave. 
lluyleux.  1.5G3.    G.  Meurier,  H8c. 
Huytreux.    Belleau. 
Hyverneux.      1583.    Virgile,    trad. 

Le  Chevalier,   153.    1584.   Horace. 

trad.  L.  De  La  Porte,    121.   13L 
lambeus.     1571.  La  Porte,  111. 
Jardineus.     Godefroy.  X,  39. 
Ichoteux.     <  otgrave. 
lesineux.     1584.     Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  15G. 
leuneus.     1571.   La  Porte,  47. 
Ignominieus.    1571.  La  Porte,  :!1, 

79.  —  Cotgrave. 
Illaborious.     La  Noue,   398a. 
lllecebreux.     1584.  G.  Meurier. 
rilumineus.     La  Noue,    392b. 
Imagineux.     158.").    Le    Gaygnard, 

238. 
I  m  b  e  1 1  i  q  u  e  u  X.    1584.  Horace,  trad. 

L.  De  La  Porte,  129. 
Immelodieus.      La    Noue,     397  c. 


1  m  m  i  s  e  r  i  c  0  r  d  i  e  u  X.  1 573.  C.  Plantin 

X  2  a.  —  1584.  G.  Meurier.    -  Cot- 
grave. —  La  Noue,  397  c. 
Immysterieus.      La    Noue    39Sa. 
Imparesseux.     1584.  Horace,  trad. 

L.  De  La  Porte,   125. 
Impecunieus.    La  Noue,  398a. 
Imperieus.      1571.    La   Porte,   86. 

—   1584.  Horace.  62.  —  Cotgrave. 
Iraper nicieus.     La  Noue,  397b. 
Impetueux.     Du   Bellay.    --   Cot- 
grave. 
Impeureux.      1584.    Horace,    trad. 

L.  De  La  Porte,  126. 
Irapieteux.     —    Impieus.     1584. 

Horace,  52.  —  La  Noue,  397  a. 
Impigreux.  1584.  Horace,  117. 
Imputeux.    M.  Sceve.  —  Baif.  Du 

Bellay.  Jodelle.  Ronsard.  Tyard.  — 

Cotgrave. 
Inambitieus.    La  Noue,  397b. 
Incestueus.     1571.    La    Porte,  14, 

141b.  —  1584.  Horace,  66.  —  158-5. 

Le  Gaj^gnard,  108.  —  Cotgrave. 
Inconsciencieus.    La  Noue,  397b. 
Incurieux.      Tyard.    —    1584.    G. 

Meurier  —  La  Noue,  398  a. 
Indelicicus.     La  Noue,  397b. 
Indeus.     La  Noue,  391a. 
Indevocieus.    La  Noue,  397b. 
Inducieus.     1571.  La  Porte,  266b. 
Indulgentieus.     1-571.     Ln    Porte, 

192  b,  250  b.  —  Cotgrave. 
Industrieux.     Belleau.      Bonsard. 

Tyard.  —  Cotgrave. 
Infructueux.      Ronsard    —    1573 

C.  Plantin,  X  4  a.  —  Cotgrave. 
Ingenieux.  Du  Bellay.  -  Cotgrave. 
Ingenueux.     1584.     Horace,    trad. 

L.   De  La  Porte,  93. 
Inglorieux.    Cotgrave.  —  La  Noue, 

;;9S  a. 
Inharmonieus.      La  Noue,    397  c. 
Injurieux.    Du  Bellay.  Jodelle,  — 

Cotgrave.  —  Inobsequicus.  1571. 

La  Porte,  79  b. 
Inofficieux.  Cotgrave.  — La  Noue, 

397  b. 
Insidieux.     1584.    G.  Meurier.  — 

Cotgrave. 
liisoucieus.     La  Noue,  397  c. 
Instrumenteus.    1571.    La   Porto. 

178  b. 
In  Studien  s.     La    Noue,   397  c. 
Intestineus.  1571.  La  Porte,  116b. 
Invcctiveux.    1585.   Le  Gaygnard, 

412. 


L\S-1 


lliU 


Ines      )   CK/illHC/. 


Joncheus.     1571.     La  Porle,    IUI. 
Joiicseux.    I'ü3.    C.  Plantin,  A'    Ic. 
Joüeus.   1Ö71.   La  Porte,  138. -20711. 
.lousteux.     ('ot.nrave. 
.loyoux.     Bai't'.  —  Cotgrave. 
Jrcnx.     BaJf.    Ronsard     Tyard.    — 

Cotgravo. 
Irroligieux.  (otgravc.  —  LaNoup, 

397  c. 
Irruspectiieux.    Cotgravo  (cite  par 

Godefroy.   X,  33). 
Isloux.    Eousard.  —  Cotgrave. 
Jubeus.     La  Noue,  390b. 
Juliilcux.     1Ö84.     G.  Meurier. 
Judicieux.    Montaigne,  dans  Gode- 
froy.   X,  52.  —  Cotgravo. 
Jiiteux.       Godefroy.     X,     57. 
L  a  1)  0  r  i  e  u  X.  Pton.sard.  —  Cotgravo. 
Laboureux.  1563.  G.  Meurier,  B  2b. 
Labourieux.      1584.     G.  Meiirier. 
Labyriutheux.     Cotgrave. 
Lachrymeulx.     15  .  .  .     Helisenne 

de  Crenne,  AA.\  3. 
Laicteux.     Belleau. 
Laictiieiis.     1571.    La  Porte,  237. 
Laidangeux.     Cotgrave.    —    Lai- 

d.engeiis.     1571.     La  Porte,  188 
Lainetix.     Pionsard.   —  Du  Bartas 

ed.  1585,  53(j.  —  Cotgrave. 
Lamanteus.     Baif.  —  Lampeus. 

1571.   La  Porte,  152  b.  —  Cotgrave. 
Langoureux.         Baif.        Belleau. 

Jodelle.    Ronsard.  —  Cotgrave. 
Lanterneus.       1571.      La    Porte, 

98  b. 
Lanugineux.    Godefroy.   X,  (i3. — 

Cotgrave. 
Lauuleux.     Cotgrave. 
Larcineus.     1571.     La  Porte.  42b. 
Larmeux.   Ronsard.   1584.   Horace. 

trad.  L.  De  La  Porte,  22.  —  Cotgrave. 
Larmoieux.     1584.     Horace,  trad. 

L.  De  La  Porte,  27. 
Larraoyeixx.     Cotgrave. 
Larrecineus.      1571.      La    Porte, 

42  b.  —  Cotgrave. 
Larrouneux.     Cotgrave. 
Lascivieux.     1584.     G.  Meurier. 
Latrineus.     1571.     La  Porte,   93, 

229  b.  —  Cotgrave. 
Layneux.   1584.   Le  Gaygnard,  238. 
Legumineux.     Cotgrave. 
Lendeux.     Cotgrave. 
Lendincux.       1583'      G.  Meurier. 

H7b. 
Lenteus.     1571.    La  Porte,  215. — 

Cotgrave. 


Lcntillous.    1573.    C.  Plantiu.    8c. 
-  1584.    G.  Meurier.  —  1585.    Le 

Gaygnard,  182.  —  Cotgrave. 
Lepreus.  Lepreux.  1584. 

G.  Meurier.  —  15.S5.   Le  Gavgnard, 
108,  280.  —  Cotgrave. 
Lexiveus.      1571.     La   Porte,    55, 

74.  —  Cotgrave. 
Lexivieux.     Cotgrave. 
Libidineus.     1571.    La  Porte,  124, 

189.     —     1585.       Le     Gavgnard. 

238.  —  Cotgrave. 
Licentious.    1571.    La  Porte,  1. — 

1584.     G.  Meurier. 
Li  cite  US.     1571.     La  Porte.  871). 
Lienterieux.     Cotgrave. 
Lieux.     1573.     C.  Plantin.  T  2a. — 

Cotgrave. 
Ligamenteux.     Cotgrave. 
L !  g  n  e  u  x.     Cotgrave . 
Limaccux.     Cotgrave. 
Lirabeus.      La    Noue,     390  b. 
Limeus.     1571.     La  Porte,  138. 
Limite  US.     1571.     La  Porte,  391), 

138. 
Limonneux.         1542.        (  anappe. 

(Juidon.  82.   —  Belleau.     Ronsard. 

Tyard.  —  Cotgrave. 
Linceux.     1585.    I>e  Gaygnard,  47. 
Lineus.    1571.    La  Porte,  245. 
Lionneus.        1571.        La      Porte, 

235  b.  —  Cotgrave. 
Lisierous.   1571.  La  Porte,  39b. — 

Cotgrave. 
Litieux.    1.585.    Le  Gaygnard,  107. 
Litigieux.      1571.      La    Porte,    3, 

32,  219.  --  Cotgrave. 
Lizieux.     Cotgrave. 
Loquetcus.     1571.    La  Porte,   34, 

126.   —  1599.     Hornkens.  —  Cot- 
grave. 
Louangeux.     1584.     Horace,    trad. 

L.  De  La  Porte,  158. 
Loupeus.    1571.    La  Porte,  209.  — 

Cotgrave. 
Luctueus.      1571.     La   Porte,    79, 

85.  —  1584.    Horace,  trad.  L    De 

La  Porte,  73. 
Lue  US.       1571.       La    Porte,     145, 

167  b.  -—  Cotgrave. 
Lumineux.        Belleau.     —     1573. 

C.  Plautin,  d  4a.  —  Cotgrave. 
Lustreux.     Cotgrave. 
Lustrueux.    Cotgrave. 
L  Ute  US.     1571.     La  Porte,  259. 
liuxurieus.  1558  Guevara.  Epistres 

dorecs,  trad.  Guterry.  I,  49.  —  1565 


Le^  vocahlcs  cn  -eus.  -euv. 


285 


Calepinus,  137. —  1571.   La  Porte, 

.').  —  1585.    Le  Gaygnard,  JOS. 

Cotgrave. 
Maculeus.    1571.   La  Porte,  255. — 

1573.     C.  PJantin,  blb. 
Magesteux.    Baif. 
Majesteux.    Gotgravo. 
Malencontreux.    Baif.   Judelle. — 

1578.  Ronsard.  I,  137.  —  Cotgrave. 
Malengineus.      1571.      La   Porte, 

107  b.  —  Cotgrave. 
Malgratieus.       1571.      La    Porte, 

138  b,  277  b.  —  1^84.   G.  Meurier. 
Malheiireus.       1571.      La    Porte, 

251.     —     1585.       Le     Gaygnard, 

312.  —  Cotgrave. 
Malicieux.     1584.     G.  Meurier.  — 

1573.   C.  Plantin.    sc-  1585.    Le 

Gaygnard,  107.   —  Cotgrave. 
.M a li t i e u X.    Du  Bellay."—  Malle- 

teus.     1571.     La  Porte,  191  li. 
Malpiteux.    Baif. 
-Mal- soigneux.     1573.    C  Phuitin, 

Bb4b.  —  1584.     G.  Meurier. 
Mamelleus.    1571.    La  Porte,  143. 
Mammeleus.       1571.      La    Porte, 

52  b.  —  Cotgrave. 
Mammeux.     1570.     G.  Hervet.     Cite 

de  Dien.    I,  123a,  E. 
Manneus.    1571.    La  Porte,  UM.— 

Cotgrave. 
Maquerelleus.     1571.    La  Poi-to, 

26  b.  —  Cotgrave. 
Marbreux.     Cotgrave. 
Marescageus.  1571.  LaPorte.  3b.— 

1585,      Le     Gaygnard,     131.     — 

Cotgrave. 
Marmiteux.Bai'f.  -  ].5S4.G.]Mcurier 

—  Cotgrave. 

Marneux.  Cotgrave.  —  Mas- 
sacre ux.   1585.  J;e  Gaygnard,  QG. 

Mas  SU  eus.    1571.   La  Porte,  40. 

Matelineux.  Ronsard.  —  Mathe- 
line ux.    Cotgrave. 

^[atineus.  1571.  La  Porte.  23  b, 
52  b,  245  b.  —  1.585.  Le  Gaygnard, 
238.  —  Cotgrave. 

Maucoeur  eux.    Cotgrave. 

Maugracieux,  —  1584.  G.  Meurier. 

—  löLty.  Hornkens. 
Maugratieus.    1585.    Le  Gavgnard 

108.  --  Cotgrave. 
Maupiteux.  ßa'if  —  15li9.  Hornkeus 

—  Cotgrave. 
Mausoigneus.     1."j84.    G.  Meurier. 

1585.  Le  Gaygnard.  140.  —  Cotgrave. 
Medio  am  enteus.    Cotgrave. 


Medieux.    1584.    G.  Meurier. 

M  e  d  u  1  e  u  X.  15.  Helisenne  de  Crenne, 
EE  2  b.  —  Mednlleux.  Cot- 
grave. 

M e  l  a  n  c  0 1  i  e  u  s.  Baif.  -  M  e  1  o  d  i  o  u x. 
Du  Bellay.   Ronsard.  —  Cotgrave. 

Membran  eux.     Cotgrave. 

Memoireux.    Cotgrave. 

Menaceux.  Cotgrave.  —  Monda- 
cieux.     15G3.     G.  Meurier,  G  7a. 

Mendeux.     Cotgrave. 

Menstrueux.    Du  Bellay. 

Menteux.   Cotgrave. 

Merdeus.    1571.    La  Porte,  229  b. 

—  Cotgrave. 
Merveilleux.  1584.  G.  Meurier.  — 

Cotgrave. 
Me  seil  eux.   Cotgrave. 
Meselleus.     1571.     La  Porte,   14;i. 

—  Cotgrave. 
Meticuleu.x.    1584.    G.  Meurier. 
Miauleux.     Ronsard.  —  Cotgrave. 
Mielleux.  Jodelle.  Ronsard.  Tyard. 

—  Cotgrave. 
Miesureux.    Cotgrave. 
Mieuix.     Cotgrave. 

Mieux.    1584.   G.  Meurier.  —  1585. 

Le  Gaygnard,    156.    —    Cotgrave. 
M i  n  e  u x.   Cotgrave. 
Miraculeux.    1584.   G.  Meurier.  — 

1585.  Le  Gaygnard,  182.  —  Cotgrave. 
Mirteus.    1582.    Du  3Ionin,  276. 
Misericordieus.     1571.   La  Porte, 

276,  82.  —  Cotgrave. 
Misericordieux.  1585.Le  Gaygnard 

107. 
M  0  e  1 1  e  u  s.    1 57 1 .  La  Porte,  23  b.  — 

Cotgrave. 
Moienneus.    1571.    La  Porte.  70  b 
Moileux.     Cotgrave. 
Moilleus.    1571.    La  Porte,  186  b,. 

254. 
Moillonneus.   1571.  La  Porte,  471), 

205  b. 
Moissonneux.  Du  Bartas,  ed.  1585, 

3.^5. 
Moiteux.    Baif.    Belleau.    Ronsard. 

—  1584.  Horaco,  trad.  L.  De  La 
Porte,  34,  145. 

Monstreux.    Baif. 

Monstrueux.     Belleau.     Ronsard. 

—  Cotgrave. 
Montagneux.    Baif. 
.Montaigneus.     1563,  G.  Meurier, 

B  5  d.  —  1571.  La  Porte,  11.  — 
1573.  C.  Plantin,  E  4  d.  —  1584. 
G.  Meurier.    —  Cotgrave. 


2S(; 


//uaues    Varianay. 


Montueus.    1h1.  La  Porte.  G  b,  44. 

—  1585.    Lo    üaygnard,    108.   — 
Cotgrave. 

Morgueus.    l.')71.    La   Porto,    280. 

—  Cotgrave. 

Morveux.   Baif.  —  1573.  C.  Plantin, 

sc.  —   Cotgrave. 
INlotteus.    l.')71.    La   Porte,    116  b. 

—  Cotgrave. 

Mouche  US.     1585.     Le    Gavgnard, 

5G,  108. 
Mousseux.    Baif.  —  Cotgrave. 
Moycux.    1584.  G.  Meurier.  —  1585. 

Lo  Gaygnard,  15G. 
Moyteux.    Du  Bellay. 
Mucagincux.    Cotgrave. 
Mucqueux^   Cotgrave.  —  Murail- 

leus.     1571.     La    Porte,     147  b, 

194. 
Murmureux.    1584.    Horace,  trad. 

L   De  La  Porte,  GS. 
Muscagineux.    Cotgrave. 
Muscillagineux.     1542.    Canappe. 

Guidon,  75  b. 
Musculeus.    1.J71.    La  Porte.   211. 

—  Cotgrave. 

Muscleux.       Tyard.        -        1584. 

G.  Meurier. 
Museleus.    1571.   La  Porte,   148  b. 

—  Cotgrave. 
Musqneux,     Cotgrave. 
Myrteux.     Ronsard. 
Mysterieux.    1584.   G.  Meurier.  — 

Cotgrave. 
Nacnieux.    1584.    Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  41. 
N  a  p  1  e  u X.    Cotgrave. 
Naucheux.     Cotgrave. 
Naufrageux.     Ronsard.  1584. 

Horace,    trad.    L.    De   La   Porte 

145.  —  Cotgrave. 
Nebuleus.    \')1\.   La   Porte,  28  b, 

91.  —  1584.  Le  Gaygnard,  182. 

Cotgrave. 
Necessiteux.      1584.    G.   Meurier. 

1585.  Du  Bartas,  11.  —  1585.    Le 

Gaygnard,  3G2.    ~   Cotgrave. 
Nectareux.   Ronsard. 
Negeus.  1582.   Du  Monin,  182. 
Negocieus.      l.")71.    La   Porte,    ;;i, 

bi  b,  142  b.  -   Cotgrave. 
Negotieus,     1571.     La   Porte,    97, 

2i5b. 
Neigeux.  Ronsard.        1584,  Horace 

trad,    L.     De    La    Porte,    91.    — 

Cotgrave. 
Neprunieux.    1571.    La  l'orte,  71. 


Nerveus.  1571.  La  Porte,  10  b 
.■)5,  105.  —  1584.  Horace,  trad.  L. 
De    La  Porto,    146.  Cotgrave. 

Nidorcux.    Cotgrave. 

Nileux.  157G.  P.  de  Brach,  Po- 
emes.  81. 

Nitreux.     l.>42,    Canappe.     Gindon, 

75  b.   -    1571.    La   Porte,  214. 
Cotgrave. 

Nodeux.     Cotgrave. 

Noiseus.     1571.     La   Porte,   41    \>. 

76  b.  —  Cotgrave. 

Noisi Ileus.  1561.  La  Porte,  69  b. 
Noizeux.  1585.  Le  Gaygnard,  109. 
Nombreux.     Ba'if.     Ronsard. 

Cotgrave. 
Non    larmoieux.      1584.     Horace, 

trad.  L.  De  La  Porto,  .54. 
N  0  u  a  g  e  u  X.    Cotgrave. 
Nouailleux.      Baif.     Belleau,     Dn 

Bellay.    Ronsard.         Cotgrave. 
Noualleux.    Du  Bellay. 
Noueus.     1571.   La    Porte.   2G8  b, 

275.    —   1573.  C.  Plantin,   bd. 

1585.  Le  Gaygnard,    108.  —  Cot- 
grave. 
Nouuilleux.    1584.  G.  Meurier. 
^iuageus.    1571.  La  Porte,  9  b,  170, 

218  b.    -  l.)85.  Le  Gaygnard,  131.' 

—  Cotgrave. 

Nubileux.     Du   Bellay,    Dorat,     - 

Cotgrave. 
Nueux,  Belleau,  Ronsard,  Tyard. 

Cotgrave. 
Nuicteux.     1584,  Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte   13G.    Cotgrave.    Du 

Bartas,  ed.  1585,  397, 
Nuiteux,    Belleau,   —   1576,  P.  de 

Brach.  Poemes,  IGO  b. 
Nultteux.     Belleau. 
Numereux,  Du  Bellay,       Cotgrave. 
Nympheus,     1571.    La  Porte,   100, 

—  Cotgrave, 

Oblivieux.  Du  Bellay.  Jodelle 
Ronsard.  -     Cotgrave. 

Obsequieus.  1571.  La  Porte.  76  b, 
103,  127  b,  139.  —  Cotgrave. 

Ocieux.  Baif.  Du  Bellay.  Jodelle. 
Ronsard.    Tyard.  —  Cotgrave 

Odieux.  1573.  C.  Plantin,  V  4  a. 
1585.  Le  Gaygnard,  107.  —  Cot- 
grave. 

Odoreux.    Baif.    Belleau.   Ronsard. 

—  1584.    G.  IMeurier. 
Odoureux.    Baif.    Belleau. 
Oedemateux.    Cotgrave. 
Offeux.    Cotgrave. 


Lcs  vocables  en  -ens.  -eit.r. 


287 


Officieus.    1571.    La   Porte,  33  b, 

35,  97.   —   1578.  Ronsard.  I,  52S. 

—  Cotgrave. 
Oieus.    1571.    La  Porte,  676. 
Oiseux.    Ronsard.  —  1584.   Horace, 

trad.     L.    de    La    Porte,    87.    — 

Cotgrave. 
Oleagineux.    Cotgrave. 
Oleeux.     Cotgrave. 
Ombrageux.        Baif.         Ronsard. 

Tyard.  —  Cotgrave. 
Ombreux.    Baif.   Belleau.   Jodelle. 

Ronsard.     Tyard.  —  Cotgrave. 
O  m  i  n  e  u  X.     1 584.    G.  Meurier. 
Onctueiis.     1571.     La  Porte,   162, 

275  b.  —  Cotgrave. 
Ondeux.     Baiif.      Ronsard'    —    La 

Noue,  390  c. 
Unereus.    1571.    La  Porte,  26  b. — 

Cotgrave. 
Onguenteux.  1573.  C.Plantin,x  2c. 
Oper  eil  X.      1584.     G.  Meurier.   — 

1584.      Horace,    trad.    L.    De   La 

Porte,  64,  106. 
Oraculeus.     1571.     La  Porte,  23. 

65  b,  164  b.  —  Cotgrave. 
Orageux.    Jodelle.  —  Cotgrave. 
Orfebureus.       1571.      La    Porte, 

160.  —  Orfevreux.     Cotgrave. 
Orgieux.    Ronsard.  —  1582.    I.  E. 

DuMoniu.  Nouvelles  ffiuvres,  116. 
Orgueilleiix.     Baif.     Belleau.   — 

Cotgrave.  —  Orguilleux.  Tyard. 
Orphevreus.  1571.  La  Porte,  861). 
Osercux.    Cotgrave.  —  Osiereux. 

1571.    La  Porte,  44,  67  b,  191.  — 

<'otgrave. 
Otieux.    Ronsard. 
Oablieus.     1571.     La  Porte,    147, 

197.  —  1585.   Le  Gaygnard,  107.  — 

Cotgrave. 
Oultrageux.   Ronsard.  —  Cotgrave. 
Oultrepreux.   1584.   G.  Meurier. — 

1584.      Horace.    trad.    L.    De    La 

Porte,  113.  —  Cotgrave. 
Ou tragen X.  Baif.  Belleau.  Dorat. 
Outraigeux.    Belleau. 
Oyseux.     Belleau. 
Ozereus.     1571.     La  Porte,  4-1.  — 

Cotgrave. 
Pactieus.     1571.     La  Porte,  3.     - 

Cotgrave. 
Pailleus.      1571.      La    Porte,    28, 

94  b,     101  b,     214  b.     —     1573. 

C.  Plantin,  a  b.  —  Cotgrave. 
Paineus.    1571.    La  Porte,  251. 

Cotgrave. 


l'aludeux.     Cotgrave. 
Pampineus.    1571.   La  Porte.  239. 
Pampreux.    Baif.    Belleau. 
Paneus.     1571.     La  Porte,  251. 
Pantoufleus.       1571.      La    Porte, 

148  b. 
Paoureus.     15(1.     La  Porte.    8b, 

35  b,  86. 
Papilloteus.       1571.      La    Porte, 

160.  —  Cotgrave. 
Parangonneus.     1571.     La  Porte, 

97  b.  —  Cotgrave. 
Paresseux.       Baif.      Belleau.     — 

Cotgrave. 
Parfumeus.     1571.     La  Porte,   13, 

113,  182.     -  Cotgrave. 
Parlementeus.     1571.     La  Porte. 

140  b. 
Passementeus.     La  Porte,  271  b. 

Pasteus.      1571.     La  Porle,    112, 

147  b,    -      1573.      Plantin,   L.   -- 

Cotgrave. 
P  asture  US.    1571.    La  Porte,  35  b. 
Patelineus.    1571.    La  Porte,  192. 
Paureux.    Du  Bellay. 
Pecunieux.     1571.     La  Porte,  31, 

87.  —  1585.    Le  Gaygnard,  107.   ~ 

(  otgrave. 
Pedieux.     Cotgrave. 
Pelicieux.     Cotgrave. 
Pellicieus.     1571.     La  Porte,  IDl. 
Pelliculeux.     Cotgrave. 
Peneus.     1571.    La  Porte,  219.  — 

1.385.      Le     Gaygnard,     238.     — 

Cotgrave. 
Penitencieux.   Cotgrave.  —  Peni- 

tentieux.       1571.       La     Porte, 

227  b,  228. 
Pepineux.    Ronsard. 
Percepceux.    Cotgrave. 
Perclieus.  1571.  La  Porte,  266b. 

Cotgrave. 
Peregrineus.      1571.      La    Porte, 

95  b.    —     1585.      Le    Gaygnard, 

238.  —  Cotgrave. 
Perilleux.     Baif.        Cotgrave. 
Perleux.    Belleau.     Ronsard. 
Pernicieux.      1584.      G.   Meurier. 

1585.       Le    Gaygnard,     107.     — 

Cotgrave. 
Posch  eux.     Cotgrave. 
Pesteux.     Ronsard.  —  Du  Bartas, 

ed.  1585,  368    —  Cotgrave. 
Pestilentieus.     1571.     La  Porte. 

66,  95.  —  l.')73.  C.  Plantin,  r  4d. 

1585.       Lc    Gaygnard,     108.     — 

Cotgrave. 


->88 


J/iufues    I  'aganai/. 


Petilleus.     l.')71.     La  Porto,   lli'. 
Petreux.     Cotgrave. 
Peupleux.     Jiaif.    Ronsard. 
Peuroux.    Ronsard. 
Phlegmoncux.     Cotgrave. 
Pianeleiis.       1.371.       La     Porte. 

148b.    —  Pianelleux.    Cotgrave. 
Pierreux.      Baif.      Belleau.       Du 

Jlellay.    Ronsard.  -~  Cotgrave, 
Pieteux.  Baif.  Du  Bellay.  Ronsard. 
Pietonneux.    Cotgrave. 
Pieux,    Cotgrave. 
Pineux.    Ronsard.  —  Cotgrave- 
Pinneus.      157 L     La   Porte,    '212, 

•229.     -  Cotgrave. 
Piuseteus.    1571.  La  Porte,  182. 
Pipeux.    Jodelle.  —  Cotgrave. 
Pirouette  US.       1571.      La    Porte, 

171  b,  23G,  265.  —  Cotgrave. 
Pisseus.      1.571.     La   Porte,    64  b, 

15'J.  —  Cotgrave. 
Piteux.       Belleau.       Du     Bellay. 

Ronsard.  —  Cotgrave. 
Pituiteux.      1571.     La,  Porte,    71, 

96,  204.        Cotgrave. 
Pivoteus.     1571.    La  Porte,  115. 
Plaideus.     1.371.    La  Porte,  2111  b. 

220  b.    -  Cotgrave. 
Plancheus.    1571.  La  Porte,  248  b, 
Planteureux.       Du     Bellay. 
Plantureux.      Baif.      Du    Bellay. 

Jodelle.    Ronsard.  —  Cotgrave. 
Plastreus.     1.571.     La  Porte,   117, 

160  b,  172  b. 
Pleureux.       Baif.       Ronsard.     — 

Cotgrave. 
Pleuvieus.  1585.  Le  Gaygnard,  108. 

Plombeux.  Baif.  —  1573.  Plantin, 

e.  ~    1584.     G.  Meurier.  —  159',i. 

Hornkens. 
Ploureux.    Ronsard. 
Pluieux.       1.576.      P.     De    Brach. 

Poeme?,  8. 
Plumeus.        Belleau.        Ronsard. 

Tyard.  —  1573.  Plantin,  s  2  c.  - 

Cotgrave. 
Pluvieux.     Du   Bellay.     Ronsard. 

Tyard.    -  Cotgrave. 
Pluyeux.     Ronsard. 
Podagreux.  1566.  1584.  G. Meurier. 

—  Cotgrave. 
Poeneux.     1.584.    Ilorace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  106. 
Poictreux.     Cotgrave. 
Poictrineux,    Cotgrave. 
Poinronneux.   Cotgrave.       Poin- 

sonneu.s.     1571.     La  Porte,  Ob. 


Poisonueux.    1584.    G.  Meurier. 

Du  Bartas,  ed.  1585,  35.5.  Cotgrave. 
Poisseux.  Ronsard.  —  Cotgrave. 
Poissonneux.  Belleau.  Ronsard. 

Cotgrave. 
Poitrineus.     1571.     La  Porte,  GS. 
Poizonneux.    1585.    Le  Gavgnard 

238. 
Polypeux.     1.584.     G.  Meurier.   — 

Cotgrave. 
Ponieus.  —  158."l.    I.  de  La  Jesseo, 

.551. 
Pommeux.     Ronsard,        Cotgrave. 
Pompeux.      Jodelle.    Ronsard.    — 

Cotgrave. 
Ponceux.    1563.  G.  Meuriei',  I  8  b. 
Pondereus.    1571.  La  Porte,  '.»8  b. 

—  Cotgrave. 

Ponneus.    1571,  La  Porte,  214   b, 
Pontueus.    1.571.  La  Porte,  .56,  203 

b.  —  Cotgrave. 
Populeux.    Du  Bellay.  —Cotgrave. 
Porcieus.    1582.    Du   Monin,    1.57. 
Poreux.     Cotgrave.    —    La    Noue. 

393. 
Porreux.    Cotgrave. 
Portenteux.     Cotgrave. 
Portestrieux.     Cotgrave. 
Portueus,    1571.  La  Porte,  3b,  123. 

—  Cotgrave. 

Posteus.  1.571.  La  Porte,  26b,  70. 
165.  —  Cotgrave, 

Postilleux.    Cotgrave. 

Postuleux.     Cotgrave. 

Potieus  1571,  La  Porte,  277 b. — 
1.584.    G.  Meurier.  —  Cotgrave. 

Poudreux.  Baif.  Belleau.  Du  Bel- 
lay.  Jodelle.   Ronsard. 

Pouilleux.  Baif.  —  1.584.  G.  Meu- 
rier. —  Cotgrave. 

Pouldreux.  Du  Bellay.  1584.  G. 
Meurier.  —  1573.  C.  Plantin,  s  2  a. 

Poulpeux.  1.584.  G.  Meurier.  — 
Cotgrave. 

Poureux.  Baif.  Ronsard.  —  1584. 
G.  Meurier, 

Pourpreux.  1584.  Horace.  trad.  L. 
De  la  Porte,  119. 

Poutieux.    Cotgrave. 

Precieux.  Du  Bellay.  Ronsard.  — 
Cotgrave. 

Precipiteus.  1571.  La  Porte,  2b, 
15  b,  105  b,  115,  ITO   —  Cotgrave. 

Prefacieus.    1571,    La  Porte,  220, 

Presagieux.  Ronsard.  —  1584. 
G.  Meurier.    Cotgrave. 

Prescheus.     1571.    La  Porte,  S6b. 


Les  vocahles  en  -eiis,  -eiix. 


289 


Presomptueux.    löS-l.  G.  Meurier. 

—  Cotgrave. 

Presteus.     1571.     La  Porte,    71  b. 

—  Cotgrave. 
Presumptueux.     Du    Bellay.     — 

1.565.    Calepinus,  101. 
Presureus.    1571.    La  Porte,  110b. 
Pretieux.     1584.     G.  ^ileurier.     — 

Cotgrave. 
Preiix.  Ronsard.   1584.  G.  Meurier. 

—  Cotgrave. 

Prezagienx.     1585.    Le  Gaygnard 

107.  " 

Prezomptueus.  1.585.  Le  Gaygnard, 

108.  —    Processeux.    Cotgrave. 
Prodigieux.    1584.    G.  Meurier.  — 

1585.  Le  Gaygnard,  107.  —  Cot- 
grave. 

Pi'overbeus.    La  Noue,  ol>0c. 

Provisionneux.  1571.  La  Porte 
111b. 

Pruineus.    15(1.    La  Porte,   112b. 

—  1573.    C.  Plantin,  v  2  b. 
Pruneus.    1.571.    La  Porte,  178. 
Psalmodieus.  1571.  LaPorte,  52b. 
Pulceux.    Cotgrave. 
Pustuleus.    1571.  La  Porte,  7,  87, 

142,  2fi9.   —   1585.   Le  Gaygnard, 

182.  —  Cotgrave. 
Putredineux.    Cotgrave. 
Querelleux.     Belleau.     1573.     C. 

Plantin,  b  4  a.  —  1584.  G.  Meurier. 

—  Cotgrave. 
Questionneux.    1584.    G.  Meurier. 
<i^uestueux.    1571.   La  Porte,  221. 

1585.    Le  Gaygnard,  lOs 

Queus.     Cotgrave. 

(j>ueux.    Cotgrave. 

Quiutessencieux.  Ronsard.  — 
Cotgrave. 

(^»uinteus.  1571.  La  Porte,  52  b, 
99  b.  -    Cotgrave. 

Rabe  US.    La  Noue,  390  b. 

Kaboteux.  Belieau.  --  15G5.  Cale- 
pinus, 10(5.   —    Cotgrave. 

Rabouteux.    ]5('i5.    Calepinus,  157. 

Racineux.    Ba'if.        Cotgrave. 

Racleus.  1571.  La  Porte,  42b.  — 
1584.  G.  Meurier.  —  1599.  Horn- 
kens. 

Radieux.  Du  Bellay.  Jodelle.  Ron- 
sard.   Tyard.  —  Cotgrave. 

Radoteux.    Baif. 

Rageus.  1571.  La  Porte,  1  b,  19 (ib. 
— i  1599.   Hornkens.         Cotgrave. 

Rai  leus.    1571.   La  Porte,  197. 

Raioinneus.    157 L    La  Porte,  248. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Lilt.  XXXlIi. 


Raisneus.    15 <1.    La  Porte,  50b, 
75,  190,  267  b.  —  Cotgrave. 

Raizineus.    La  Koue,  392c. 

Ramageus.    1571.    La  Porte,    182. 

Rameux.  Ronsard.     -  Cotgrave.  — 
Godefroy.    X,  479. 

Ramonneus.   1571.  La  Porte,  30  b. 

R'angoisseus.    La  Noue,  395a. 
Rapeux.    Belleau. 
Raphileux.     Cotgrave. 
R  a  p  i  n  e  u  s.  1 57 1 .  La  Porte,  79  b,  99  b. 

--  15S4.    Horace,   trad.  L.  De  La 

Porte,  151.  —  1.585.   Le  Gaj^gnard, 

238.  —  Cotgrave. 
Raquetous.    1571.    La  Porte,  174b. 
R  a  s  p  e  u  X .     C  otgrave. 
Ratisseus.     1.571.    La  Porte,  42b. 
Ravageux.   Ronsard.  —   1585.   Du 

Bartas,  251. 
Ravineux.    Cotgrave.    —   Rayon- 

neux.    Jodelle.  —  Cotgrave. 
Rebaveus.    La  Noue,  395c.  —  Re- 

belli queus.   La  Noue,  393b. 
R  e  b  0  u r  g e  0  n  n  e  u  s.  La  Noue,  392  c. 
Rebuissonneus.    La  Noue,  392c. 
Recaneus.    1571.   La  Porte,  24. 
Recaterreus.    La  Noue,  394b. 
Rec  autele  US.    La  Noue,  391b. 
Recendreus.    La  Noue,  394c. 
Rech  al  eure  US.    La  Noue,  394  a. 
Rechancreus.    La  Noue.  394c. 
Recharmeus.    La  Noue,  392b. 
RecbatouilJeux.   La  Noue,  392a. 
Rechigneux.    Ptonsard. 
Rechineux.    Jodelle. 
Recolereus.    La  Noue,  393c. 
Reco li queus.    La  Noue,  393b. 
Reconvoiteus.   La  Noue,  .395 b. 
Recrasseus.    La  Noue,  395  a. 
Rededaigneus.   La  Noue,  393a. 
Redefectueus.    La  Noue   39(3 a. 
Red  ez  Ire  US.    La  Noue.  393  c. 
Redizeteus.    La  Noue,  395a. 
Redoucereus.   La  Noue,  393c. 
Redouloureus.    La  Noue,  394a. 
Redouteus.    La  Noue,  395c. 
Refarcineus.   La  Noue,  392b. 
Refarineus.    La  Noue,  392b. 
Refascheus.    La  Noue,  391b. 
Refievreus.    La  Noue,  394c. 
Refluctueus.    La  Noue,  39(ia. 
Refrauduleus.    La  Noue,  391c. 
Refrilleus     La  Noue,  39 Ic. 
Relroidureus.    La  Noue,  394a. 
Ref  ructueus.    La  Noue,  396a. 
Refumcus.     La  Noue,  392a. 
Refugieux.     Cotgrave. 

19 


l>90 


Iliigues    Vayanay. 


Kegermcus.    La  Nouc,  o92  b. 
Kegistreus.    I.'jTI.  La  Porte,  137  b, 

101  b. 
Regommeus.     La  Noue,  392a. 
Regoufreus.    La  Noue,  31)4  c. 
Regüuteus.     La   Noue,    39'>  c. 
Regr^teleus.     La  Noue,  391  1). 
Regrav'elc'us.     La  Noue,  391c. 
Rehaineus.    La  Noue.  392  c. 
Rehargneus.     La  Noue,  393b. 
Rehazarileus.    La  Noue,  391. 
Reineus.     1571.  La  Porte,  S7,  232, 

—  Cotgrave. 

Religieus.      1571.    La   Porte.   1  b. 
-    1585.     Le  Gavgnard,    107.  — 

("otgrave. 
Remiraculeus.    La  Noue,  591  c. 
Remoiteus.     La  Noue,  39,')  b. 
Remoustrueus.     La  Noue,  396  a. 
Remorveus.    La  Noue,  395  c. 
Renaufrageus.      1571.    La   Porte, 

391  a. 
Renebuleus.     La  Noue,  391c. 
Rencontreus.       l.")71.    La    Porte, 

32  b,    126  b,    2Glb.     -    l.-)8.).    Le 

Gavgnard,  109. 
R'ennuyeus.    La  Noue,  396  b. 
Renoizeus.    La  Noue,  39()  c. 
Re  noue  US.     La   Noue,   396  b. 
Rente  ux.     Cotgrave. 
Repeineus.     La   Noue,   392c. 
Repesncus.    La  Noue,  392  c. 
Repesteus.    La   Noue,   395b. 
Repeureus.    La  Noue,  394a. 
Replantureus.     La   Noue,  394  b. 
Repoissorineus.    La  Noue,  393  a. 
Repompeus.     La  Noue,  393b. 
Repoudreus.     La   Noue,    394  c. 
Repouilleus.     La  Noue.  392  a. 
Represomptueus.  La  Noue,  396  a. 
Requerelleus.    La  Noue,  391  c. 
Requinteus.    La  Noue,  .395  b. 
Resablouneus.    La  Noue,  393. 
Resavoureus.    La  Noue,  394b. 
R'oscumeus.    La  Noue,  392a. 
llesineus.      1571.    La   Porte,  20b. 

207.  212.  -^  1585.  Du  Bartas.  284. 

—  Cotgrave. 
Resoigneus.      La   Noue,    393. 
Resombreus.     La  Noue,  394  c. 
Resomm ei  Ileus.     La  Noue,  391  c. 
Re  sonor  eus.     La  Noue,  393  c. 
Resoufreteus.    La  Noue,  395  a. 
Resoufreus.    La  Noue,  394c. 
Resoupronneux.    La  Noue,  392  c. 
Resourcilieus.     La   Nouo,  391  c. 


Respectueus.       R'espineus.  La 

Noue,  392  b. 
R'espongeus.     La  Noue,  391b. 
Resveux.     Ronsard 
Reteigneus.     La  Noue,   393a. 
Retempestueus.  LaNoue,395c. 
Rctortueus.     La  Noue,  396a. 

Retourhillonneus.       La     Noue, 

392  c. 
Retumultueus.     La   Noue,  395  c. 
Revapouveus.     La  Noue,  393  c. 
Reveleus.    1571.  La  Porte,  1  b,  139. 

l.")84.  G.  Meurier.     -  Cotgrave. 
Reveneneus.    La  Noue,  392b. 
Reventeus.    La  Noue,  395  b. 
Revineus.      La    Noue,    392  c. 
Revisqueus.     La    Noue,   393  b. 
Revitupereus.      La   Noue,   393c. 

Rezineux.  1.585.  Le  Gavgnard,  238. 
Ricaneiix.     Cotgrave. 
Ridiculeux.     1584.  G.  Meurier. 
Rieus.     1.571.  La  Porte,  30. 
Rigoreux.    Du  Bellay.  —  Cotgrave. 
Rigoureus.     1571.  La  Porte,  86. 
R'impetueus.    La  Noue,  396a. 
R'incestueus.    La  Noue,  396a. 
Risteux.       Ronsard.       —       1.384. 

G.   Meurier.    —    1.582.    1.    E.  Du 

Monin.    Nouvelles  (Euvres,  62.  — 

Cotgrave. 
Ripeilleux.     Cotgrave. 
Ripilleux.     Cotgrave. 
River  eux.     Cotgrave. 
Riveux.     1585.  Le  Gavgnard,   212. 
Rocheus.    1.571.  La  Porte,  12,  92  b. 

•205  b,  220  b. 
Roigneux.     Cotgrave. 
Rone  eux.     Baif.  Ronsard.  —  1.584. 

G.  Meurier.  —  Cotgrave. 
Rongneux.      Belleau.  —    1.584.   G. 

Meurier.  —  Cotgrave. 
Rosineus.    1571.  La  Porte.  25,  30b, 

1.50  b,  166  b,  196  b.  -  Cotgrave. 
Rossetteus.  1571.  La  Porte,  1591). 
Rouilleus.     1563.  G.  Meurier,  G  3 

d.  —  1573.  C.  Plantin,  V  3  c. 
Roupieus.      1571.   La  Porte.   36  b, 

108  b.   130  b,    1.56,  277  b.  —  1.585. 

Le  Gaygnard,  107.  —  Cotgrave. 
R'outrageus.     La  Noue,   391. 
Rüg  u  eux.     Cotgrave. 
Ruilleus.     1.571.   La  Porte.   KiO  b. 
Ruin  eux.  Ronsard.  —  1.584.  Horace, 

trad.  L.  De  La  Porte,  73.  Cotgrave. 
Sablonneux.     Du  Bellay.  Ronsard. 

"  Cotgrave. 


Les  vocables  en  -eus,  -eux. 


291 


•Saccageus.     1Ö71.  La  Porte,  264. 

—  Cotgrave. 

Saigneux.     Baif.  Jodelle,  iionsard. 

—  Cotgrave. 
Saliveux,  Cotgrave. 
■Sallebreneux.    Cotgrave. 
Salpestreux.     Cotgrave. 
Salsa gineux.    Cotgrave. 
Sangloteus.    l.')71.    La  Porte,   72, 

227 1). 

Sanieux.  Cotgrave.  --  Sapineus. 
L')71.    La  Porte,  22: l.        Cotgrave. 

Sarmenteus.  1.J7L  La  Porte,  50b. 
190.  195  b,  227  b,  278  b.  —  Cot- 
grave, 

Saupiqiieus.    1")71.    La  Porte,  27.'». 

—  Cotgrave. 

Savonneux.  l.')73.  C.  Plantin.  z  2 d. 
Savoureux.    Belleau.    Du  Bellay. 

—  Cotgrave. 

Scabieux.     Lj84.     G.  Meurier.    — 

Cotgrave. 
Scabreux.     Belleau.    —   1.384.     G. 

Meurier.  —  Cotgrave. 
Scameux.     1542.    Canappe.    Guidon, 

83  b.  —  Cotgrave. 
Scandaleux.      Ronsard.    —    l.")84. 

G.  Meurier.  —  Cotgrave. 
Scelereux.    l.'>84.    G.  Meurier. 
Scionneus.    1571.    La  Porte,  30b. 

—  Cotgrave. 

Scrupuleus.  1559.  Guevare.  Epis- 
tres  dorees,  trad,  Guterry,    11,  77. 

—  1571.    La  Porte,  (Ui.   —   15.S5. 
Le  Gaygnard,  1S2. 

Scyrrheux.    Cotgrave. 
Secoueus.    1571.    La  Porte,  271b. 

273  b. 
Sedicieux.     Belleau. 
Seditieux.     Ronsard.      -  Cotgrave. 
Seigneurieus.    La  Noue,  398a. 
Serapi terneux.    Cotgrave. 
Sententieus.    1571.    La  Porte,  4b, 

22L   —    Lj85.    Le  Gaygnard,  108. 

—  Cotgrave. 

Sereus.    1571.    La   Porto,    276.    -- 

Cotgrave. 
Sergeanten X.    Cotgrave, 
Sergen teus.     15(1.    La  Porte,  41), 

'.)7  b,  275. 
Serieux.    1584.    G.  Meurier. 
Sermenteus.    Cotgrave. 
Seveux-    Baif.        Cotgrave. 
S  e  y  e  u  X.     Cotgrave. 
Siffleus.  1571.  La  Porte,  182,  234. 
Sifleus.    1571.    La  Porte,   i;)4b. 
Silentieux.    Cotgrave. 


Siuueux.    Du  Bollay.    Ronsard.  — 

Cotgrave. 
Sionneux.    1571.    La  Porte,  209. 
Socieux.    1582.    Du  Monin,  134. 
Soigneux.   Du  Bellay.  —  Cotgrave. 
Soireux.     Cotgrave. 
Soiveux.    Baif. 
Solacieux.    Baif.  —  Cotgrave. 
Solatieus.     1571.    La  Porte,    37b. 

52  b,   196  b. 
Soleilleux.    1584.  Horace,  trad.  L. 

De  La  Porte,  12. 
Solertieus.     1571.    La  Porte,  65b. 
Soliciteux.    Ronsard.  —    15G3.    G. 

Meurier.  Dkt. Flamen- Francois^'Q  Id. 

SoUiciteus.   1571.  La  Porte,  208b. 

Sombreus.    La  Noue,  394c. 

Sommeilleux.    M.  Sceve.   —  Baif. 
Belleau.    Du  Bellay.    Ronsard. 
Cotgrave. 

Somptueux.    Baif.    Dorat.   --   Cot- 
grave. 

Songe-creux.      1582.     L    E.     Du 
Monin.    Nouvelles   (JCuvres,  168. 

Songeus.    1563.    G.  Meurier.    Dici. 

j/amen-Frcmr:.,  M  8d. 
Songneux.    Belleau. 
Sonneux.    1584.    G.  Meurier. 
Sonniculeux.    1584.    G.  Meurier. 
Sonoreux.     Du   Bellay.     Ronsard. 

Cotgrave. 
Sorneteus.     1571.    La  Porte,  39b, 

133  b. 
Sornotteux.  Cotgrave. 
Soubresaulteux.     Cotgrave. 
Soubressauteus.    157L  La  Porte, 

32  b. 
So  u  che  US.     1571.     La  Porte,    278. 

—  Cotgrave. 
Soucieux.    Du  Bellay.  —  Cotgrave. 
Souffle  teus.    1571.    La  Porte,  38. 

Cotgrave. 
Souffleux.    Cotgrave. 
Souffreteus.    1571.    La  Porte,  71, 

188.  —  1573.    Plantin.     M  2  c.  — 

Cotgrave. 
Souffreux.    Baif.    —    1576.    P,  de 

Brach.    Poemes,  74  b. 
S  0  u  f  1  e  t  e  u  s.    1571.  La  Porte,  273  b. 
Soufreteux.    Baif.    Ronsard. 
Soufreux.    Baif        La  Noue,  ;i94e. 
Souhaiteux.  15G3.  G.  Meurier,  07  b. 
Soulacieux.    M.  Sceve.  —  Baif. 
Soulcieux.    1584.    G.  Meurier. 

Cotgrave. 
Soulfreux.    1584.    G.   Meurier. 

1585.  Du  Bartas,  242.  —  Cotgrave. 
19* 


292 


Hugues   Vaganay. 


Soul  füre  ux.    1584.    G.  Meurier. 
Cotgrave. 

Soupvouneux.  Belloau.     Cotgrave. 

Souplireus.    1582.    Du  Moiiin,  155. 

Sourceux.    ßaif. 

Sourcilleiix.  Bclleau.  Du  Bellay. 
•lodelle.  Ronsard.  Tyard.  —  Cot- 
grave. 

Souspeoouneux.  1584.  G.  Meurier. 

—  Cotgrave. 

Souspireux.  Muret,  dan^  1578. 
Ronsard,    ffiuvres.    I,  28. 

Soyeux.  1584.  G.  Meurier.  —  Cot- 
grave. 

Spacieux.  Du  Bellay.  Jodelle. 
Ronsard.  —  Spasmeux.  Cotgrave. 

Spatieux.  Dorat.  Jodelle.  —  Cot- 
grave. 

Specieux.  1.584.  G.  Meurier.  — 
Cotgrave.  —  La  Noue,  397  b, 

Spineux.   Cotgrave. 

Spiriteux.     Cotgrave. 

Spiritueux.  1542.  Canappe  Gui- 
don,  50.     -  Cotgrave. 

Spongeux.    1584.    G.  Meurier. 

Spongieus.  1571.  La  Porte,  14.".. 
206.   —   1585.    Le  Gaygnard,  107. 

—  Cotgrave. 

Spumeux.  1542.  Canappe  Guidon^  5(!. 
Squameux.    1542.  Canappe  Guidon, 

Stigieus  =  Stygieux.  1.    1582.   Du 

Monin.  33. 
Stomaclienx.    1584.    G.  Meurier. 
ytrineus.    1.571.   La  Porte,  197. 
Studie ux.    Du  Bellay,  Ronsard.     - 

Cotgrave. 
Stygieux.  Du  Bellay.  Ronsard.  — 

Cotgrave, 
Substantieus.  15...    Helisenne  de 

Crenne,  AAA  4.  —  1571.  La  Porte 

11  1),  142,  143.  —  1.584.  G.  Meurier. 

—  Cotgrave. 
Substentieus.  1585,  Le  Gavgnard, 

108. 
Succenturieux     Cotgrave.  ~  Su- 

eux.  Baif.  Ronsard.  —  Cotgrave. 
Suifveux.  1585.  Le  Gaygnard,  412. 
Suineus.    1.571.    La  Porte,  ii8,  182, 

—  Cotgrave. 

Sulfureus.  1585.  Le  Gaygnard,  lOS. 
Sulphureux.      1584.     G.    Meurier. 

Cotgrave. 
Sumptueux.    Du  Bellay. 
Superstitieux.  1585,  LeGaygnard, 

108.    -    Cotgrave.    -^     1584.    G. 

Meurier. 


Suramoureus.    La  Noue,  394  a. — 
Surangoisseus.  La  Noue,  395  a. 
Suraqucux,    La  Noue,  393  b. 
S  u r  a u d  a c  i e u  s.  La  Noue,  397  b. 
Suravantureux.  La  Noue,  394  a. 
Surbaveus.   La  Noue,  395  c. 
Surbelliqueus.   La  Nouo,  39.')  b. 
Surboueus.    La  Noue,  39(;  b. 
Surbrancheus.  La  Noue,  391  b. 
Surboissonueus.  La  Noue, 392  c. 
Surcalamiteus.  La  Noue,  395  a. 
Surcaterreus.    La  Noue,  394  b. 
Surchaleureus.    La  Noue,  384  a 
Surchancreus.     La    Noue,  394  c 
Surchatouilleus.  La  Noue.  .">92  a. 
Surcrasseus.     La  Noue,  395  a. 
Surculeus.     1571.  La  Porte,   61  b. 

—  Cotgrave. 
Surdaugereus.     La  Noue,    393  c. 
Surdedaigueus.    La  Noue,  393a. 
Surdefectueus.     La  Noue,   39G  a, 
Surdeus.     La  Noue,  390  c. 
Surdezireus.     La  Noue,  393c. 
Surdizeteus.     La  Noue,    395a. 
Surdoucereus.      La  Noue,    393  c. 
Surdouteus.    La  Noue,  395b. 
S  u  r  e  n  n  u  y  e  u  s.     La  Noue,  396  b 
Surescumeas.     La  Noue,  392  a. 
Surüevreus.     La   Noue,   394c. 
Surfroidureus.    La  Noue,  394  a. 
Surfumeus.      La    Noue,  392a. 
Surgermeus.     La  Noue,  302b. 
Suriiaineus.     La  Noue,  392  c, 
S urbar gne US.     La  Noue,  393b. 
Surüazardeus.    La  Noue,  391a. 
Surbideus.    La  Noue,  390c. 
Surhonteus.     La  Noue,  395  b. 
Surimpetueus.     La  Noue  396  a. 
Surincestueus.     La  Noue,  396  a. 
Surireus,    La  Noue,  393  c. 
Surlaugoureus.     La  Noue,  394  a. 
Surlimonneus.      La    Noue.    392  c. 
S  u  r  m  i  e  1 1  e  u  s.     La  Noue,  391  c . 
Surmoiteus.     La  Noue.  395  b. 
Surmonstrueus,     La  Noue,  396' a. 
S u r m  0  r  v  e  u  s.    La  Noue,  395c. 
Surmysterieus.    La  Noue.  398  a. 
Surnecessiteus.    La  Noue.  3'.>5  b. 
Surnerveus.     La  Noue.    395c. 
Suruoizeus.     La  Noue,  396  c. 
Surodoreus.     La  Noue,   393  c. 
Suroizeus.    La  Noue,  396  c. 
Surombrageus.     La  Noue,   3'.>1  a. 
Surombreus.    La  Noue,  394  b. 
Surondeus.     La  Noue,  390  c. 
Surorageus.     La  Noue,  391a. 
Surorgueilleus.  LaNoue,  392a. 


Les  vocahles  en  -eus,  -eux. 


293 


Siiroutrageus.     La  Koue.   391  a. 
Surpasreseus.      La  Noue.    395  a. 
Surpesneus.     La  Noue,  39.'(  b. 
Surpesteus.     La  Noue,  ;;9.')  b. 
Surpierreus.     La  Noue,  394  b. 
Surpoissonneus.  LaNoiie,;)93a. 
SurpompeuS.    La  Noue,  393  b. 
Surquinteus.     La  Noue,   39.")  b. 
Surraboteus.     La  Noue,  39."»  b. 
Surrayonneus.   La  Noue,  393  a. 
Surre spec tu eu?.    La  Noue,  399  a. 
Surrongneus.     La    Noue,    393  a. 
Surruineus.     La  Noue,   392  c. 
Sursabionneus.  La  Noue,  393  a. 
Surscabreus.    La  Noue,  394  b. 
S  Urs  eigne  US.     La  Noue,  393  a. 
Sursombreus.     La  Noue,  394  c. 

Sursoufreteus.     La  Noue,  395a. 
Sursubstancieus.  La  Noue,  397  o. 
Surtempestueus.    La  Noue  36-")  c. 
Surterreus.     Li;  Noue,  394b. 
Surtortueus.     La  Noue,  39(;  a. 
Surtumultueus.  I^a  Noue,  39.'')C. 
Survaleureus.     La  Noue,  394a. 
S  u  r  V  e  n  e  n  e  u  s.    La  Noue,  392  b. 
Survenimeus.    La  Noue,  392a. 
Surventeus.     La  Noue,  39.')  b. 
Survigoureus.    La  Noue,  394  a. 
Survi Ileus.     La   Noue,   392  c. 
Survisqueus.     La  Noue,  393b. 
Survitupereus.     La  Noue,  393  c. 
Sustantieux.      l.")54.  Amadis,  XL 

ä  4  b. 
Suyeux.     L")?:;.  C.  Plantin,  B  b  2  d. 

Tabourineus.       1.571.     La    Porte, 

27,  33  b. 
Taillouneux.     Cotgrave. 
Talonneus.    1-")71.  La  Porte,  94.— 

Cotgrave. 
Tapineux.     Cotgrave. 
Taverne  US.     l.")71.  La   Porte,  38, 

92  b.  Cotgrave. 
T  a  y  e  u  X.  Cotgrave. 
Teigneus.    l.")71.  La  Porte,  .")4.  199. 

2.3;;.   —   L')8'>.   Le  Gaygnard,   140. 

—  Cotgrave. 
Terapcsteux.     Laif.     -   Cotgrave. 
Terapestueux.      Ba'if.    Du    Belhiy. 

—  Cotgrave. 

Tenipcteus.    l.')S2.  I.  E.  Du  ^lonin, 

173. 
T  e  m  p  e  t  u  e  u  X.    Du  Bellay. 
Tenipariseux.  Cotgrave. 
Tendineu-x.      Cotgrave. 
Tendrineux.    Cotgrave. 
Tendronneux.     Cotgrave. 


Tenebreux.   Du  Bellay.  Tyard.  — 

Cotgrave. 
Terreux.    Belleau.    Du  Bellaj-.  — 

Cotgrave. 
Tetineux.    Eonsard.  —  Cotgrave. 
Theatreus.    1571.    La  Porte,  91  b. 
Tigeux.     Baif.  —  Tigneux.    Cot- 
grave. 
Tilleux.     Cotgrave.    --    Toileus. 

1571.  La  Porte.  .'»G,  190  b. 
Tombeus.   La  Noue,  390  b. 
Toneus.    1-571.  La  Porte,  150  b. 
Tonnereux.    Cotgrave. 
Torcheus.    1571.    La   Porte,  40  b, 

85.  —  Cotgi-ave. 
Torchonneus.  1571.  LaPorte,  121. 
Tort  eux.    Baif. 
Tortueux.     Belleau.     Du    Bellay. 

Jodelle.  —  Cotgrave. 
Toupieus.    1571.  La  Porte,  236.  — 

La  Noue,  398  a. 
Tourbillonneux.       Ronsard.     — 

Cotgrave. 
Tourteus.     1571.   La  Porte,    111  b. 
Tousseux.   Baif. 
Tracasseus.    1571.    LaPorte,  197, 

272  b. 
Traceus.     1571.    La    Porte,    61  b, 

253  b.  —  Cotgrave. 
Traineus.    1.371.   La  Porte,  253  b. 
Traistreux.  1.5S4.  G.  Meurier. 
Traitreux.    Ronsard. 
Travailleus.    Baif. 
Traverseux.     Cotgrave. 
Treilleus.    1571.  La  Porte,  278. 
Triacleus.    1571.  La  Porte,  32. 
Triompbeus.    1571.  La  Porte,  138. 
Trompetteu?.  1.571.  l,aPorte.272b. 
Trompeux.    Belleau. 
Trongneus.    1471.    La  Porte,   280. 

-~   Cotgrave. 
Troubleux.    Baif. 
Truelleus.   l.')71.    LaPorte,   160  Ii. 
Tuberculeux.  Cotgrave. 
Tubcreux.    Cotgrave. 
Tuileus.     1571.    La   Porte,    61.  — 

Cotgrave. 
Tumultueux.    Ronsard.    Tyard.  — 

Cotgrave. 
Ulcereux.      Ronsard.      —      1573. 

C.  Plantin,     z  2  d. 
Uligineux.    Cotgrave. 
Umbrageux.    Tyard. 
ümbraigeux.    Du  Bellay. 
Umbreux.   M.  Sceve.        Du  Bellay. 

Jodelle.    Tyard. 
Undeux.    Jodelle. 


i>94 


JJuyues    Vaganay. 


Unguentciis.  1571.  l^a  Porte,  .'.7  Ii. 

—  Cotgravo. 

Uriueus.    1571.    La  Porto,    2.VJ. 

—  Cotgrave. 
Vagcux.   Cotgrave. 

Vagueux.  Baif  -  158'2.  E. DuMonin. 

Novvelles  Oevres,  42.  —  l.'xSt.  Iloraco, 

trad.  L.  De  La  Porte,   ]  09. 
Valeureux.      Baif.     Ronsard. 

Cotgrave. 
Vanteux.   Du  Bellay.    -  Cotgrave. 
Vapoureus.    1571.  La  Porte,  lü. 
Vanteux.  Du  Bellay.      Cotgrave. 
V  a  r  e  n  n  e  u  X .    v'otgräve. 
Varicqueux.    Cotgrave. 
Yariqueux.    Cotgrave. 
Veautreus.    1571.  La  Porte,  21;!  b. 
Veineux.    Konsard.        Cotgrave. 
Veleux.    Cotgrave. 
Veneneus.    1571.    La  Porte,  4,  87. 
Veneneux.    Jodelle.    Eonsard.      - 

1584.  G.  Meurier. 
Veneux.  Ronsard. 
Venimeux.      Belleau.    Du    Bellay. 

Jodelle.  Ronsnrd.        Cotgrave. 
Venteux.     1542.    Canappe.    Oui(Lm, 

75  b.      Belleau.  DulJellay.  Ronsard. 

—  Cotgrave. 
Ventreux.    Ronsard.    Tyard. 
Ventueux.       Ronsard.      —      L")84. 

Horace,  trad.  L.  De  La  Porte,  (39. 
Yerdureux.  Ronsard.  —  Cotgrave. 
Verecundeux.    15..   lielisenne  de 

C renne,  II  5. 
Vereux.  1584.  G.  Meurier.  -     1585. 

Le  Gaygnard,  312.        Cotgrave.  — 

1573.  Plantin.  T  d. 
Vergeteus.    1571.  La  Porte,  105  b. 

—  Cotgrave. 

Vergeus.     1571.    La  Porte,   105  b. 

—  Cotgrave. 

Vergogneux.     Baif.     -    Vergoi- 

gneus.    1571.  La  Porte,  227. 
Vergongneux.  Du  Bellay.  Ronsard. 

—  Cotgrave. 
Verineux.    Cotgrave. 
Vermineux.    158i.   G.  Meurier.    - 

Cotgrave. 
Yeroleus.    1571.  La  Porte,  116.    - 
Cotgrave. 


Verolleux.    157.;.   C.  Plantin,  52  d. 
Yerreux.    l.")85.  Le  Gaygnard,  312. 

—  Cotgravo. 

Verrueux.  15()3.  G.  Meurier,  P  3  a. 

—  Cotgrave. 
Vertigieux.    (  otgrave. 
A'ertineux.    1584.  G.  Meurier. 
Vertueus.    1584.  G.  Meurier.  1585. 

—  Le  Gaygnard,  lOS.       Cotgrave. 
Verveleus.    1571.   La  Porte,  09  b. 

—  Cotgrave. 

Yerveux.    l.">84.  llorace.  trad.  L.  De 

La  Porte.  87.    - 1585.  Le  Gaygnard. 

412. 
Vicieux.  1584.  G.  Meurier.  —  15S5. 

Le    Gaygnard,   F  3.         Cotgrave. 

"  1.58."..  Thevenin,  daus  Du  Bartas 

33. 
Victimeux.    l.'»84.  llorace,  trad.  L. 

De  La  Porte.  91. 
Victorieux.     1584.   G.  Meurier.  — 

1585.  Le  Gaygnard,  ION. 
Yieux.     1585.    Le    Gaygnard,    156. 

—  Cotgrave. 

Vigiieus.    1571.  La  Porte,  221. 

Yigoreux.     Du    Bellay.    —    1584 
G.  Meurier. 

Vigoureux.    Baif.         Cotgrave. 

Vinaigreux.  -  157;'>.C. Plantin, C4d. 

Yineux.  Belleau. Du P)ellay. Ronsard. 
Tyard.        Cotgrave. 

Vipereu.s.    1571.  La  Porte,  85  b. 

Vireux.    Cotgrave. 

Virgineux.   Cotgrave. 

Yisqueux.    l.')42.   Canappe.   Guidon^ 
75  b.        Ronsard.   —  Cotgrave. 

Yitieus.    1571.    La  Porte,   1  b. 
1585.    Le  Gaygnard,    108.  -   Cot- 
grave. _     . 

Vitreux.  l.')42.  Canappe.  Guidoit.  (5b 

—  Belleau.        Cotgrave. 
Yitupereus.    La  Noue,  .3!)3  c. 
Yolenteux.     1584.  G.  Meurier. 

Cotgrave. 
Yoluptueux.  Ronsard.  —  Cotgrave. 
A'oulenteux.  M.  Sccve.  -    Ronsard. 

—  Cotgrave. 

Yeux.  1584.  G.  Meurier.  -Cotgrave. 
Yraigneux.    Du  Bellay. 
Zizanieus.    1571.  La  Porte,  141  1). 


Lyon. 


HuGUES  Vaganay. 


Wort<>escliiclitliclies. 


Frz.  Heu,  bret,  lec'h?  J.  Huber  nimmt  Suchiers  Annahme, 
daß  sich  das  ie  in  frz.  Heu  aus  einer  Kreuzung  von  locus  mit  einem 
gallischen  Worte  erkläre,  das  e  im  Stamme  hatte,  auf  und  fügt  ein 
zweites,  nach  seiner  Ansicht  gleichgeartetes  Beispiel  hinzu  ds.  Zs. 
XXXn2  115.  Es  mag  daher  nicht  unangebracht  sein  zu  zeigen,  daß 
eine  solche  Auffassung  schwerem  Bedenken  begegnet  und  außerdem  nicht 
nötig  ist.  Ein  beliebiges  neukeltisches  Wort  mit  einem  romanischen 
zu  vergleichen  und,  wenn  Form  und  Bedeutung  zusammen  passen,  einen 
Zusammenhang  anzunehmen,  ist  ein  Vorgehen,  gegen  das  man  nicht 
genug  Einspruch  erheben  kann,  so  oft  es  auch  wiederholt  wird.  Es 
hteht  im  Grunde  nicht  höher,  als  wenn  H.  Stephanus  frz.  moi  und 
griech.  'sijloi'  vergleicht,  d.  h.  es  ist  die  Negierung  des  historischen 
Grundsatzes.  Man  muß  das  betreffende  Wort  ins  Gallische  umsetzen  und 
erst,  wenn  dann  die  Sache  noch  stimmt,  darf  man  sie  vortragen. 
Jedem,  der  mit  neukeltischen  Sprachen  vertraut  ist,  fällt,  wenn  er 
bei  Monti  Vocab.  comasco  liest  dren  'lampone,  frutto  del  rovo  ideo' 
kymr.  draen  oder  bret.  drean  'Dorn'  ein  und  es  ist  auch  nebst 
mancherlei  anderem  dem  alten  Monti  eingefallen.  Stellt  man  dazu 
körn,  drain,  air.  draigen,  so  führen  uns  diese  Formen  auf  ein  urkelt. 
dragino  und  wir  haben  keinen  Grund  zur  Annahme,  daß  im  Gallischen 
(las  Wort  anders  gelautet  habe.  Da  andererseits  in  den  Alpen- 
niundarten,  die  dren  haben,  traJiere  tractus  als  tre  erscheinen,  hat 
man  allen  Anlaß  zur  Annahme,  daß  'dragino  zu  dren  werden 
muß,  und  man  wird  also  diese  Zusammenstellung  als  berechtigt 
anerkennen  dürfen. 

Anders  verhält  es  sich  mit  dem  'gallischen  i/y/j'  das  nach  Huber 
die  Verantwortung  für  das  -f  von  frz.  tref  'Zelt'  tragen  soll.  Ein 
solches  gallisches  Wort  gibt  es  nicht  und  kann  es  nicht  geben,  da  / 
im  Gallischen  nur  aus  s  vor  r  entstanden  ist,  sonst  nicht  vorkommt. 
Tref  ist  vielmehr  die  kymrische  Form  eines  Wortes,  das  im  Gall. 
*trebo  lauten  müßte.  Dieses  trebo  würde  nun  die  von  ihm  verlangten 
Dienste  nur  dann  leisten  können,  wenn  nachgewiesen  würde,  daß  im 
Südfranzösischen  gallisches  zwischenvokalisches  b  bleibt,  also  im 
Auslaut  zu  -]}  wird  (prov.  irap  'Zelt').  Dieser  Nachweis  ist  also 
zunächst  abzuwarten,  bis  man  dem  Gedanken  wirkhch  nahe  tritt. 


29(i  W.  Mej/er-Lübke. 

Auch  mit  Suohiers  lee'h  stellt  es  schlecht.  Wer  bretouische 
Simichentwickelung  nicht  kennt,  mag  allerdings  eine  große  lautliche 
Übereinstimmung  finden.  Allein  bret.  c'h  ist  nicht  die  Fortsetzung 
eines  alten  c  oder  g,  Lech  kann  also  nicht  auf  einem  gall.  'Hecos  oder 
Hegos  beruhen,  es  geht  vielmehr  auf  Hexos  zurück,  vgl.  Stokes  Urkelt. 
Sprachsch.  246,  Henry  Lexique  etyrn.  du  hreton  moderne  181. 
Zwischen  *lexos  und  locus  ist  aber  die  Verschiedenheit  doch  schon 
bedenklich  groß,  man  dürfte  nicht  mehr  von  einer  Umgestaltung  von 
locus,  sondern  von  einer  solchen  von  '■'le.ros  sprechen,  was  freilich  für 
den  Schlußeffekt  sich  gleich  bleibt.  Aber  wir  haben  keine  Ahnung, 
ob  dieses  ■'iea'os,  das  seiner  Etymologie  nach  ungefähr  'Lage'  bedeutet 
haben  dürfte,  schon  im  Gallischen  sich  begrifflich  locus  genähert  hat, 
oder  ob  erst  später,  wie  uns  ja  auch  der  Weg,  auf  welchem  diese 
Annäherung  erfolgt  ist,  völlig  dunkel  bleibt.  Also  man  mul?  zu  einer 
ganzen  Reihe  von  unerweislichen  Vorstufen  seine  Zuflucht  nehmen. 
Und  wozu?  Suchier  hat  afr.  jieii  auf  lat.  '^jecus  statt  jocus  zurück- 
geführt. Ich  sehe  davon  ab,  daß  die  IJewahrung  einer  solchen  alt- 
lateinischen  Form  gerade  in  Nordgallien  und  nur  da  kaum  ihres- 
gleichen hat,  aber  ich  muß  die  Berechtigung  einer  solchen  Form  für 
das  Lateinische  absprechen.  Wenn  wir  jecus  'Leber'  und  jocus,  hetno 
und  Jwmo,  helus  und  holus  im  Lateinischen  bezeugt  haben,  so  folgt 
daraus  doch  nicht,  daß  zu  jedem  ein  o  enthaltenden  Worte  eine  e- 
Form  gehöre,  wie  ja  daraus,  daß  neben  ufr.  roue  ein  älteres  7'uede 
steht,  noch  nicht  folgt,  daß  neben  noue  oder  bone  ein  *miede,  ''buede 
gestanden  habe.  Die  e- Formen  von  liemo,  jecus  'Leber  und  von 
dem  allerdings  auch  nur  erschlossenen  (aber  aus  alb.  rum.  venez. 
also  aus  mehreren  Sprachen)  glemus  (Eint,  in  die  rom.  Sprache. 
140)  werden  durch  die  Formen  anderer  indogermanischer  Sprachen 
gestützt,  wogegen  zu  jocus  'Spiel,  Scherz'  si  h  lit.  jukas  gesellt,  das 
die  ürsprünglichkeit  des  o  beweist,  vgl  Walde  Lat.  eiyyn.  Wb.  307. 
Stellen  wir  nochmals  alle  in  betracht  kommenden  Formen 
nebeneinander.    Unter  Voraussetzung  eines  Triphthongen  ueu  haben  wir 

Hueu  Heu 

'■jueu  jieu 

*fueu  feu 

-■'sarcneu  sargueu 

'■'caeri  queu 

dann  mit  anderer  Quelle  des  zweiten  ^i 

dueut  dient 

'■'sueut  sieut 

'■'ueus  ieus 

*vueiit  veut 

Daraus  ergibt  sich  mit  voller  Deutlichkeit  die  IJegel,  daß  nach 
labialen  und  velaren  Lauten  das  erste  u  sich  dem  homorganeu 
Konsonanten    angleicht    und    schwindet,    wogegen    es    nach   Dentalen 


WortgeschicJitliches.  297 

bleibt  uud  weiter  zu  i  dissimiliert  wird.  Man  kommt  also  ganz  gut 
aus  ohne  galliscbe  oder  urlateiniscbe  Formen.  Man  muß  aber  auch 
damit  auskommen,  weil  der  Subjektivus  des  germ.  EN  Drogo  im 
Altfranz.  Drieu  lautet.  Wo  wollte  man  hier  eine  e-Form  herholen? 
Das  Positive  der  obigen  Ausführungen  ist  nicht  neu;  ich  habe 
es,  wenn  auch  vielleicht  nicht  mit  genügender  Deutlichkeit,  sclion 
rom.  Gramm.  I  §  19<J  ausgeführt,  nur  die  Konsequenz  für  reut  nicht 
gezogen.  Natürlich  baben  beim  Verbum  dann  vielfach  Ausgleichungen 
stattgefunden,  auf  die  in  dieser  kurzen  Notiz  nicht  eingegangen  werden 
kann.  Vgl.  außer  der  bekannten  Erstlingsarbeit  von  Behrens 
namentlich  H.  Ehrlicher  Beiträge  zur  Eniwickhmgsgesc/iichte  der 
altfranz.  stammab stufenden  Verha  aus  Texten  von  1200 — löOO 
(Heidelberger  Diss.  1905),  wo  S.  14  meine  Auffassung  richtig  wieder- 
gegeben ist  und  auch  die  letzten  Konsequenzen  aus  ihr  gezogen  werden. 

W.  Meyer-Lübke. 


Courtier.  Das  Wort  kommt  nicht  von  cnra  wie  Diez  meinte, 
ebensowenig  von  dem  lautlich  ebenso  unstimmigen  currere.  das  Horning 
vorzieht;  auch  darf  es  nicht,  wie  der  D.  g.  tut,  dem  Provenzalischen 
lediglich  deshalb  zugeschoben  werden,  weil  es  dort  (Peire  Yidal)  ein 
wenig  früher  als  im  Norden  belegt  scheint.  Daß  bei  seiner  Ableitung 
von  courir  die  Bildung  unerklärt  bleibt,  sagt  Behrens  selber  Zts.  f. 
fr.  Spr.  30,  IGl;  der  Laufraum  der  Räder  courtiere,  das  er  danebeu- 
stellt,  dürfte  zu  courtil,  courtine  gehören,  wallon.  courtau  Marbel 
etwa  zu  crotte.  Afr.  courratier.  prov.  corratier^  sind  mlat.  corra- 
tariufi,  corraterius,  das  mit  corraiagium,  corrategare,  corrateiare 
etc.  zu  corrata  gehört,  für  welches  Duc.  auf  coroata^)  verweist,  die 
bybride  Form  von  corvee  corrogata  Pol.  Rem.  {coruada  Cap.  de 
Villis  o,  caruada  Pol.  Irm.  passim,  wird  durch  curhada  ib.  fixiert, 
lautgesch.  bemerkenswert  früh,  ob  man  nun  mit  Diez  enterver  ver- 
gleicht oder  besser  mit  D.  g.  rovei'  [das  übrigens  an  prover  von 
der  1  Sg.  Pr.  Ind.  aus  angeglichen  ist]  heranzieht  —  auch  lothr. 
croee  schon  950  in  Metz  croadä).  Corrata  ist  dreimal"-)  aus  der 
Diöccse  von  Avignoa  belegt,  Reduktion  von  xia  zu  a  kann  dialektisch 
sein,  vgl.  Anm.  1,  oder  wäre  aus  p]inmischung  von  rata  zn  erklären, 
das  jedenfalls  die  Verschiebung  der  Bedeutung  der  Frohn  zur  Yer- 
Icaufsabgabe  bestimmt  hätte.  Das  Simplex  kann  deshalb  selten  sein, 
weil  es  durch  corratagium  ersetzt  wurde.  Der  Makler  war  zugleich 
Steuererheber,  von  dem  was  er  pi'o  rata  des  Verkaufswertes  erhielt, 
war    die    entspi'ccbende  Quote    an    den  Berechtigten  abzuliefern,  und 


')  Die  Belöge  aus  der  Daupliinee.  mit  der  Bern,  occun-it  alibl  non  semd 
dazu  coroaca  Brianron,  coroada  Genf,  cvoata  Lothr.,  aber  auch  coroeUi  Cambrai. 

-)  Doch  ist  wahrscheinlich  cwata  Cremona  SIG  u.  (^»aiersy  sur  Oise 
curatura  Italien  u.  Kaisorurkunden  11  — 12  Jh.  dasselbe.  Yg\.  curatUa.  cvrar/a, 
cmaria,  curalcrhis  '2,  aul  jeden  Fall  mit  Einmischung  von  rura. 


298  G.  Baut. 

die  letztere  ist  vorzugsweise  mit  corraiagium  gemeint.  Kurz,  man 
könnte  sich  mit  den  Schwierigkeiten  teilweise  abtiuden.  Doch  ver- 
misse ich  zwischen  Frohn  und  Abgabe  das  Verbindungsglied  und 
glaube  vielmehr  an  mlat.  freie  Neubildung  aus  con  und  rata,  so, 
daß  corratarius,  dann  corratagium.  erst  auf  corrata  geführt  hat. 
Eine  bei  Duc.  mehrfach  belegte,  bei  Gdf.  fehlende  Nebenform  ist 
cou/etaige,  couletier  aus  courtier  coultier. 

Ein  Doppelsufix  -atiei\  welches  Ilorning  annahm,  liegt  in  clou- 
atier  bei  Fiab.  nicht  vor.  Den  Belegen  bei  Gdf.  gegenüber  würde 
auch  er  heute  darin  die  Pariser  Aussprache  von  cloeiier  erkennen. 
Daraus  cloutier  wie  cordonnier.  Der  Nagelschmied  verkaufte  vor 
allem  die  kleinen  Nägel,  die  großen  machte  nach  Dedarf  auch  der 
Schmied.  Die  ferraterius.,  carraterins^  mandaterius  bei  Duc.  scheinen 
mir  zu  zeigen  wie  puisatier  und  die  Lyoner  Neubildung  ferratie^ 
zu  erklären  sind. 

Drogue.  Die  1881  von  mir  gestellte  Frage,  ob  nicht  bei 
der  Suche  nach  dem  dunkelen  Etymon  auch  trochus,  trochiscics 
einige  Beachtung  beanspruchen  dürfe,  bezeichnet  Körting  in  den  drei 
Auflagen  seines  Wörterbuches  als  „eine  ganz  müßige,  weil  selbstver- 
ständlich zu  verneinende."  Unabhängig  von  meiner  Anregung  war 
durch  eine  Angabe  des  17.  Jh.  der  damals  beste  Kenner  der  Ge- 
schichte der  Pharmakologie,  Husemann  in  Göttingen,  auf  sie  geführt 
worden  und  zweifelte  an  der  Identität  wesentlich  nur  deshalb,  weil 
er  dragee  für  das  gleiche  Wort  hielt  (Pharmaz.  Ztg.  1885  No.  56 
und  59).  Wieder  nahm  sie  verständiger  Weise  M.  Goldschmidt  in 
der  Zs.  f.  deutschen  Unterricht  17,  446  auf;  der  Grund  der  ihn  zur 
Ablehnung  bestimmte,  ist,  wie  ich  weiterhin  zeigen  werde,  nicht 
zwingend,  sein  eigener  Hinweis  auf  franz.  d7'oc  nicht  zu  halten,  weil 
der  Lolch  wohl  narkotisch-giftig  wirken  kann,  aber  nie  ein  Gift  oder 
Arzeneimittel  war,  ein  lästiges  Unkraut,  in  keinem  Sinn  eine  Drogue 
ist.  1)  Ich  selbst  hatte  schon  vorher  bei  Kluge  (ldO\)  eine  andere 
Vermutung  ausgesprochen  und  will  nun,  da  das  nötig  scheint,  zeigen, 
warum  die  Frage  früher  eine  otliene  und  notwendige  war  und  warum 
sie  heute  zu  verneinen  ist. 

^)  Die  altfr.  Form  ist  droe,  norm,  noch  <h-0He.  Grandgagnage  hat  zu 
entsprechendem  wallon.  dratre,  in  Lüttich  Jrau,  schon  auf  ndl.  di-ai-ic,  wilden 
Hafer,  verwiesen.  Drtfvee  und  draviire  gehören  dazu:  franz.  drave  dagegen 
und  span.  dmba  sind  einfach  das  griechische  Eotanikerwort.  L>as  Bretonische 
bietet  dafür  dmok  und  drrok.,  älter  dreavL,  zu  welchen  Henry  kymrisch  drei'->j 
,.pavct  blaue"  stfllcH  will,  mit  Ableitung  von  nur  bret.  f/z-cV-,  lustig,  angeheitert, 
nicht  so  recht  pnssend  tür  den  Veri^iftungszustand.  Ndl.  -ic  ist.  wahrschein- 
lich einheimisches  Suflix  (Franck),  und  I)ei  der  ausgedehnten  Überlieferung 
von  droe  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  nicht  in  dem  recht  jungen  droc  Fehl- 
schreibung und  demnächst  Fehlsprechung  nach  l>ra(c),  fro(c)  etc.  vorliegt. 
Die  klaren  Formen  entsprechen  einem  Typus  dram.  Von  kymrischen  Mohn 
zur  Drogiie  ist  es  fast  eben  so  weit  als  vom  Lolch,  er  ist  ofhcinell,  und 
war  als  Ölpflanze  angebaut,  doch  in  viel  zu  geringem  Mafs  Handelsartikel, 
als  dafs  eine  so  weitgehende  IjogrittserweiteruDg  wahrscheinlich  wäre. 


Worigeschichiliches.  299 

Trochiscus,  it.  trocisco,  fr.  (seit  15.  Jb.)  irocldsque  otc.  war 
das  Apotliekerwort  für  die  Pastille;  der  Frankfurter  Hoernig,  der 
1646  die  Frage  der  rechtlichen  Stellung  der  (wie  er  durchweg  schreibt) 
.,Trochisten"  oder  Materialisten  gegenüber  den  Apothekern  erörtert, 
behauptet,  daß  diese  von  den  trochisci  viperini,  den  Natteruküchlein, 
die  sie  aus  Italien  importierten,  so  genannt  worden  seien.  Yertauschung 
von  tenuis  und  media  ist  bei  der  Wanderung  zunächst  schlecht  ge- 
kannter technischer  Worte  schon  deshalb  nicht  ausgeschlossen,  weil 
der  Lautunterschied  nicht  überall  der  gleiche  ist.  Was  mir  seiner 
Zeit  vorschwebte  war  niederdeutsch-hochdeutsche  Lautierung,  wie  sie 
mir  plattdeutsch  mehrfach  begegnet  war,  und  vielleicht  in  einem 
Rückschlag  in  mhd.  driakel  Theriak  entspr.  vlämisch  dryakel  (bei 
Meurier)  vorliegt.  Aber  es  müßte  nicht  gerade  das  sein,  vgl.  afr. 
äragagant  nfr.  adragante,  dragce,  drogman,  drosse:  wie  bei  c  be- 
günstigt die  Verbindung  mit  r  das  Ausweichen.  Es  können  ferner 
Abkürzungen  der  technischen  Schriftsprache,  wie  trocli.  schließlich 
gesprochen  werden,  nachdem  man  aufgehört  hat  den  Strich  oder  Punkt 
zu  schreiben :  auch  hierfür  liegen  aus  romanischen  und  germanischen 
Sprachen  alte  und  neue  Belege  vor.  Es  wäre  also  durchaus  verkehrt 
Hoernigs  Behauptung  a  priori  abzulehnen.  Die  Entscheidung  liegt 
bei  der  Geschichte  der  Worte,  die  allmählich  dokumentiert  worden 
ist,  Trochiscus  zeigt  im  Geschäftslatein  und  vulgär  keinerlei  Neigung 
seinen  Begriff  zu  erweitern;  die  Drogue,  stets  im  Plural,  englisch 
seit  1327  (novem  balas  de  drogges  de  spicene,  s.  b.  Murray),  nordfr. 
in  einem  Gedicht  des  14.  Jh.  bei  Gdf.,  zu  Ende  des  14.  Jh.  in  Süd- 
frankreich, in  Italien  im  15.  Jh.,  in  Spanien  in  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jh.  belegt,  hat  von  je  den  heutigen  Begriffsinhalt  im  vollen 
Umfang,  insbesondere  auch  von  den  Farbmaterialien,  vgl.  b.  Murray 
und  Levy  s.  v.  Drogueria^  die  trockenen  Pflanzenpräparate,  wie  das 
der  sachlich  immer  verständige  Frisch  mit  seiner  von  Diez  rezipierten 
Erklärung  aus  ndl.  droog  meinte.  Die  Bedeutungen  von  trochiscus 
und  drogue  schließen  sich  auf  der  ganzen  Linie  aus. 

Soweit  die  Chronologie  bekannt  ist,  weist  sie  auf  den  Norden 
als  Ausgangspunkt.  Husemann  (S.  8  des  SA),  dem  jene  älteren 
Belege  nicht  vorlagen,  hebt  bei  den  ältesten  italienischen  im  Dispen- 
sarium  des  Pseudonicolaus  hervor,  daß  die  Ausdrucksweise  cdefanginae 
sunt  —  drogas  voco  die  Vermutung  einer  Neueinführung  der  Wörter 
nahe  lege,  daß  er  in  älteren,  auf  den  Handel  bezüglichen  Schriften 
Italiens,  z.  B.  in  Pegolottis  Pratico  (14.  Jh.),  es  ebenso  vergeblich 
wie  in  den  medizinischen  gesacht  hat.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
daß  das  Gesamtverhältnis,  England  und  Frankreich  14.,  Italien  15.  Jh., 
sich  später  anders  darstellen  wird.  Im  Norden  aber  ist  das  nahezu  einzige 
Wort,  das  anklingt,  eben  das  von  Frisch  vermutete  niederdeutsche. 
Zugleich  paßt  es  zur  Sache.  Nur  fehlte  der  Nachweis  einer  festen 
Verbindung,  aus  welcher  heraus  das  Adjektiv  selbständig  werden 
konnte.     Ich    glaubte    (Kluge 'J)   eine   solche  in  einer  niederdeutschen 


300  G.  Baist. 

Scliiffahrts-  iiml  Zollrubrik  bei  Stieda  gefunden  zu  haben,  das  Handb. 
der  Staatswissenschaften  G,  99G  nennt  als  Güter,  die  Anfang  des  16.  Jii. 
dem  lübiscbcn  Stapelrecbt  unterworfen  waren,  nicht  direkt  vom  Westen 
in  die  Ostsee  geführt  werden  sollten:  englische  Laken,  Kram- 
kisten, droge  vate,  Pfeffersäcke  und  dergleichen  mehr.  Die  Bezeich- 
nung ist  seit  dem  14.  Jh.  an  der  ganzen  niederdeutschen  Küste  üb- 
lich, so  Lübisches  Urkundeubuch  IV,  .■)54  Haag  1.389:  Item  van 
allerliandc  droghe  vaten  daer  koiwiscap  ynne  is  de  hie  voren  niet 
qescreven  staet.  Hans.  Urkb.  4,  92  Haag  13G3;  ib.  5,  198  Utrecht 
1399  van  elker  drogher  tonnen  —  van  anderen  droghen  vaten; 
5,50  Brügge  1392  van  elken  vate  droghs  goets;  Lüb.  Urkb.  4,  572 
va7i  ene  tunnen  droge  eder  nat;  H.  Urkb.  G,  545  droege  guet. 
Ein  Mißverständnis  der  Verbindung  erscheint  gerade  in  England 
natürlich,  wo  das  neue  Wort  zuerst  auftaucht;  vate  war  klar,  droge 
dunkel,  alevat  etc.  schienen  zu  entsprechen.  Weitere  Verbreitung 
konnte  der  damals  kräftig  aufsteigende  englische  Handel  begünstigen, 
der  neugebildete  Begriff  stellte  sich  im  Geschäftsleben  erfolgreich 
und  bequem  neben  das  engere  species,  das  nur  Gewürz  und  allenfalls 
Arznei  umfaßte.  Da  man  Droguen  auch  in  Ballen  und  auch  andere 
feste  Waren  in  Fässern  versandte,  hätte  allerdings  eine  Einengung 
der  Bedeutung  stattgefunden,  die  aber  kein  Bedenken  machen  dürfte. 
England  und  Frankreich  hat  im  13.  u.  14.  Jh.  eine  Reihe  von  Schiffarts- 
worten  aus  dem  Ndd.  erhalten,  vom  Seehandel  z.  B.  engl,  crane 
1244  in  Utrecht  belegt,  frz.  1269  in  Daniiette,  unserem  Fall  besonders 
nahestehend ^a/i;,  1199  in  Gent,  1225  in  England  belegt  (s.  b.  Murray). 2) 
Gewiß  ergibt  das  alles  nicht  den  bestimmten  Nachweis  der  angenommenen 
Entlehnung,  der  sich  überhaupt  nie  wird  führen  lassen,  aber  die  Dinge 
rücken  so  nahe  zusammen,  die  historische  Wahrscheinlichkeit  ist  eine 
so  große,  daß  wir  ohne  Hinzutreten  neuer  Tatsachen  nicht  weiter 
suchen  sollten. 

Unbedingt  abzulehnen  ist  eine  orientalische  Etymologie  von 
Saleman,  auf  welche  Bartholomae  in  dieser  Zs.  30,  354  hinweist. 
Mitteliranisch  (3 — 8  Jh.)  därnk  oder  därök,  Kraut,  Arznei,  neupers. 
därü  Arznei,  Schießpulver  stimmt  im  Vokalismus  überhaupt  nicht,  in 
der  Bedeutung  nur  unvollkommen ;  es  fehlt  arabisch,  griechisch, 
türkisch,  weder  im  Mittelalter  noch  der  Neuzeit  findet  sich  dort  seine 
Spur.  Gehörte  es  der  arabischen  Medizin  an,  die  in  erster  Linie 
als  Vermittler  in  Betracht  käme,  so  könnte  es  bei  Dozy  und  Simonet 
nicht  fehlen.  Wir  könnten  also  selbst  dann  nichts  damit  anfangen, 
wenn  die  Verbreitung  des  romanischen  Worts  umgekehrt  läge  als  es 
der  Fall  ist,  und  Italien  voranstände.  Es  ist  eben  ein  Irrtum  zu 
meinen,  daß  die  Sache  auf  den  Orient  deute,  ein  großer  Teil  der 
Droguen  ist  europäischer  Provenienz,  die  wichtigsten  Farbpflanzen  z.  B., 


■^)  Franz.  pnquet  s.  E.  d.  M  Jh.  steht  für  wallon.  pak(j,  im  Hans.  Urkb. 
pakely  pakiaus  passim  seit  1272  (Venlo).  Ital.  pacco  spät  aus  England. 


WortgescJiichtliches.  3  0 1 

Krapp,  Waid,  Wau  wurden  massenhaft  in  Süddeutscliland  und 
Frankreich  angebaut,  Krapp  kam  sogar  aus  Brauuschweig.  Unter 
den  verwandten  Gattungsbenennungen,  wie  epice,  mecine,  poison,  finden 
sich  überhaupt  keine  orientalischen,  solche  Worte  werden  in  der  Regel 
daheim  gemacht.  Bei  Körtings  Hinweis  auf  slavisch  dorog  Feuer 
brauche  ich  mich  nicht  aufzuhalten. 

Anzumerken  ist  noch  etwa,  daß  provenz.  drogaria  (Levy  und 
Ducange),  frz.  d.roguerie,  dann  auch  udl.  drogerij  nach  speciaria, 
epicerie  gebildet  ist ;  ferner  daß  Toblers  Berichtigung  des  angeblichen 
IH'Ov.  Adjektivs  drogidt  bei  Levy  endgiltig  sicher  gestellt  wird. 

Andere  Neuschöpfungen  aus  ndl.  droog,  genauer  aus  drogeii 
Iiarinc  sind  1.  das  von  Jal  einmal  aus  Maitre  Guillaume  de  Marseilles 
i.  J.  1525  belegte  „28  navires  drogueurs^  cdlant  ä  la  pesche  des 
härenes  et  macquereaux'-'' ;  2.  droguerie  „de  la  pcche  et  de  la 
preparation  du  harang'",  bei  Cotgrave,  dann  erst  wieder  bei  St.  Aubin 
udl.  drogerij  nur  droog  plaais;  3.  drogueur  von  der  Person  in  der 
Encyclopädie.  Obwohl  das  Simplex  nicht  recipiert  war,  wird  es  zeugungs- 
kräftig, wenn  auch  nur  im  Anschluß  an  hateau  pvchew\  pecherie, 
weil  in  der  Fischerei  Manschaften,  Schiffe,  Verfahren  ausgetauscht 
werden,  nicht  nur  die  Waren.  Der  Zufall  will,  daß  auch  hier  Ablösung 
aus  einer  festen  Verbindung  vorliegt. 

Baist. 


wall,  clilliper  wird  von  Grandgagnage  Dict.  I,  115  nach  De- 
Jaer  verzeichnet,  der  es  mit  ..gaiicJnr'-''  übersetzt,  der  cUmjjeure  mit 
^gaucliisscment"'  und  in  nicht  verständlicher  Weise  ese  fov  climpeure 
ebenfalls  mit  „gauchlr''  wiedergibt,  Grandgagnage  geht  auf  die  Be- 
deutung, die  De  Jaer  den  genannten  Wörtern  beilegt,  mit  folgender 
Bemerkung  ein:  ,,1^.  Dj  entend  par  gauclnr:  pencher,  se  detourner 
de  la  bgne  droite  (il  explique  clincM  par:  pencher,  gauchir);  2'\  si 
climper  signifie:  gauchir,  ese  foü  climpeure^  verb.:  etre  hors  gau- 
cliissement,  devrait  signifier:  etre  droit,  —  P,  S,  fise  foü  climpe  (etre 
hors  plomb,  hors  de  la  verticale)  B."  In  Ergänzung  hierzu  sei  ver- 
wiesen auf  Albin  Body's  Vocahul.  des  charrons,  cliarpentiers  et 
menuisiers,  wo  pg.  82  didimper  wie  folgt  erläutert  wird:  „v.  a. 
(t.de  charr,,  charp.  et  men.)  =  degauchir,  regarder  si  la  surface 
d'une  piece  de  bois,  ou  d'une  planche,  forme  un  plan  droit.  —  Dial. 
arden.  duclimper.  Le  wallon  dit  adverbialemeut  d'un  objet  qu'il  est 
di  climpeur  ou  foii  climpeur,  selon  qu'il  est  ou  non  de  niveau;  se 
dit  aussi  d'une  surface  dont  le  plan  est  ou  n'est  pas  droit".  Vgl. 
hierzu  u.  a.  noch  desselben  Autors  Vocabidaire  des  ionneliers, 
tourneurs,  cbcnistes  etc.  p,  246  zu  diJdaimpi:  v.  a.  (t.de  charp.). 
Degauchir,  öter  Tirregularite  du  bois;  gauchir,  faire  la  face  aux  pa- 
rements  de  quelques  pieces  de  bois  en  ouvrage,  lorsque  toutes  les 
parties   n'en  sont  pas  dans  un  meme  plan.     Voy.  voc.  des  charp.  v" 


302  I).  Behrens. 

dilarder\  Auf  die  Herkunft  des  Wortes  ist  keiner  der  genannten 
Autoren  cingeganizan.  Mit  einigen  Worten  tut  das  A.  Thomas,  der 
Müanrjes  d'etymol.  franc.  p.  53  Grandgagnage  citiert  und  dann  be- 
merkt: „Le  sens  nous  pousse  ä  voir  dans  climper  le  radical  germani- 
que  qui  se  trouve  dans  le  moj'en  haut  allemand  slimp  „oblique"; 
climpev  doit  rtre  issu  d'un  ancien  verbe  wallon  scUmper'-'.  In  einer 
Fußnote  hierzu  verweist  er  auf  altfrz.  esclem  und  vergleicht,  was  den 
Abfall  des  s  von  *sclimper  angeht,  wall,  clinche  („gauche'-),  das  er 
(über  *sclink)  auf  germ.  slmk  zurückfuhr ..  Ich  halte  die  Annahme, 
climpei'  habe  sich  aus  '^sclimper  mit  Schwund  von  anlautendem  6? 
entwickelt,  für  nicht  ganz  undedenklicli  und  auf  keinen  Fall  durch 
die  Gleichung  clinche  <  slink  allein  für  ausreichend  gestützt.  Zu 
beachten  bleibt,  daß  ein  wie  auch  immer  zu  erklärendes  dtsch.  glenh. 
glink  flink)  bezeugt  ist  (vgl.  u.  a.  Kluge  Wth.  ^  Uiik),  das  neben  slink  als 
Vorstufe  von  wallonisch  clinche  in  Betracht  kommen  und  die  An- 
nahme des  eigentümlichen  s-Verlustes  im  Wortanlaut  überflüssig 
machen  könnte.  Daß  der  Übergang  von  wortanlautendem  g  in  k, 
wie  ihn  die  Zurückführung  von  clinche  auf  glink  voraussetzen  würde, 
zumal  in  Lehnwörtern  aus  dem  Deutschen^  nicht  ganz  selten  begegnet, 
bezeugen  wall.  (Grandgagnage  I,  142)  und  lothr.  (Labourasse)  crom- 
bire  (neben  gromhire),  pic.  crache  {gi'atia,  Vermesse  Uict.  du  pat. 
de  la  Flandre  fr.'),  IMontbel.  (Contejean)  quenade  (Gnade),  guenögue 
(genug)  u.  a.  Kann  somit  die  Richtigkeit  der  Th. 'sehen  Herleitung 
von  wall,  climioer  aus  älterem  *sclimper  <  germ.  slimp  nicht  als  er- 
wiesen gelten,  so  mag  es  gestattet  sein,  hier  ein  anderes  Etymon 
zur  Erwägung  zu  stellen.  Deutsch  klimmen  (mhd.  klimvien,  klimben) 
begegnet  nach  Grimm's  Wtb.  V,  Sp.  1166  in  der  Bedeutung  ein- 
schrumpfen, sich  werfen  (vom  Holz),  die  derjenigen  von  wall,  climper 
nahe  zu  kommen  scheint:  holz  ivelches  gefällt  wird  in  den  zioeen 
letzten  feirtägen  des  merzes,  das  klimmet  nimmer,  da  baio  dein 
zimmer  (Fischart).  Was  die  Form  angeht,  so  ist  zu  beachten,  daß 
neben  klimmen  hd.  klimpfen  bezeugt  ist.  Ein  letzterem  entsprechen- 
des niederdeutsches  "klimpen  ist  die  etymologische  Grundlaue  von 
wall,  climper.     Auch   das  nur  eine  Hypothese! 

(Irag'an  bezeichnet  nach  Eöding,  Französisch-deutscher  Index 
des  Wörterbuchs  der  Marine,  den  „Hcckbalken"  einer  Galeere,  d.  i. 
„der  Hauptquerbalken,  der  die  beiden  Hauptteile  des  Achterschiffes 
scheidet,  den  unteren  Spiegel  und  den  oberen  oder  das  Heck". 
Richelet  erklärt,  Dict.  (1728),  dragan  als  „le  derriere  de  la  poupe 
qui  en  fait  Textremite,  et  qui  porte  la  divise  des  Galeres",  eine 
Definition,  die  sich  dem  Sinne  nach  u.  a.  bei  Littre  wieder  findet. 
Über  die  Etymologie  des  Wortes  macht  keiner  der  genannten  Autoren 
eine  Angabe.  Scheler  und  Körting  erwähnen  es  überhaupt  nicht. 
Im  Dict.  general  wird  es  irrtümlicher  Weise  mit  „partie  de  üavant 
d"une  galere  ou  etaient  iuserts  le  nom  du  navire  et  sa  divise"  erläutert, 


WortgescJiichtlic/ies.  oO?> 

darauf  zur  Herkunft  bemerkt:  „Peut-etre  de  Tespagn.  draganfe,  tete 
de  dragon  servant  d'embleme*'.  Mistral  wirft  dragan  „extremite  de 
la  poupe  d'une  galere"  mit  dragan  „espece  de  räteau  qu'on  emploie 
ä  la  peche"  zusammen  und  stellt  als  gemeinschaftliches  Etymon  beider 
b.  lat.  tragnm,  traga,  lat.  tragula  auf.  Letztere  Annahme  bedarf 
wohl  einer  "Widerlegung  nicht.  Aber  auch  die  im  Dict.  gcneral 
ausgesprochene  Vermutung  befriedigt  schon  deshalb  wenig,  weil  nichts 
davon  bekannt  ist.  daß  in  der  französischen  Marine  der  Drachen- 
und  Schlangenkopf  alz  Heckverzierung  eine  Rolle  gespielt  haben. 
Dieselben  eignen  sich  vielmelir  als  Galionsbilder  und  haben  als  solche 
Verwendung  gefunden.  Mir  scheint  es  daher  nicht  zweifelhaft,  daß 
das  franz. -prov.  Wort  mit  Jal  aus  dem  Italienischen  herzuleiten  ist, 
wo  sich  mit  gleicher  Uedeutung  dragante,  tragante,  trigante,  triganto 
nachweisen  lassen.  Röding  verzeichnet  /.  c.  ital.-deutscher  Index 
sämtliche  vier  Wortformen,  die  z.  T.  in  Wörterbüchern  der  italieni- 
schen Schriftsprache  gleichfalls  begegnen.  Nach  Boerio  Dizionario 
pg.  247  und  768  gehören  dragante  und  triganto  im  Besonderen 
auch  der  Venezianer  Mundart  an.  Die  Herkunft  der  italienischen 
Wörter  bleibt  zu  ermitteln.  Daß  dieselben  nicht,  wie  Jal  unter  Bei- 
fügung eines  Fragezeichens  annimmt,  auf  ^jv^zvia  zurückgehen,  liegt 
auf  der  Hand,  und  wenn  Rigutini  u.  Bulle  Nuovo  dizionario  dra- 
gante „Heckbalken''  zusammen  mit  dragante  „Bocksdorn  (Astragalus 
verus),  Bocksdornbarz  etc."  auf  spätlateinisch  dragantum  zuzück- 
führen,  so  bedarf  eine  solclio  Auffassung  näherer  Begründung.  Zu 
den  genannten  Ausdrücken  der  Seemannssprache  stelle  ich  noch  span. 
dragante  in  der  Bedeutung  „Klotz,  auf  dem  das  Bugspriet  ruht'- 
(Röding,  Jal),  obgleich  es  klar  ist,  daß  für  dieses  eher  als  für  das 
französische  Wort  die  von  den  Verfassern  des  Dict.  gcneral  vorge- 
schlagene Erklärung  zutreffen  könnte. 

esfoil  wird  Romania  XXXHI,  .351  von  A.  Delboulle  als  ohsmir 
et  rare  aus  Joubert's  Vie  privee  en  Anjou  belegt:  1463.  Et  aussi 
y  ay  receu,  taut  par  les  mains  du  dict  recepveur,  tout  le  proufict  et 
revenu  de  Vesfoil  des  bestes,  tant  aumailles  que  autres  de  la  dicte 
terre  de  Vaulx.  Joubert  erklärt,  wie  in  der  Romania  1.  c.  mitgeteilt 
wird,  das  Wort  als  „Parturitioii  des  betes."  Die  Richtigkeit  dieser 
Erklärung  hält  A.  Thomas  für  zweifelhaft  und  fügt  derselben  Romania 
XXXVI,  267  ein  Fragezeichen  bei.  Auch  in  dem  Register  der  Romania 
{Table  des  trente  premiers  volumes)  wird  esfoil  mit  einem  Frage- 
zeichen versehen.  Es  ist  deshalb  vielleicht  nicht  ganz  überflüssig  hier 
kurz  anszufühi'en,  daß  esfoil  ein  gutes  und  nicht  gerade  seltenes 
französisches  Wort  ist,  dessen  Bedeutung  von  Joubert  richtig  wieder- 
gegeben wurde.  Belege  aus  der  älteren  Sprache  findet  man  am 
bequemsten  bei  Godefroy  unter  eß'oil.^  wonebeu  hier  die  Formen  eß'oueil, 
effoeil  und  effoidl  belegt  werden.  Vgl.  weiter  Ragueau  Gloss.  du 
droit  frangais   (ed.  L.  Favre,  Niort  1882)  p.  189  effoidl,  wo  unter 


304  D.  Behrens. 

Hinweis  auf  du  Pineau  bemerkt  wird:  .,11  y  a  difierence  eiitre  VEfoueil. 
le  revenu,  et  l'accroist  du  bostail.  —  Vejfoueü^  est  le  part  ou 
la  portee  du  bestail ;  ce  niot  vient  peut-etre  du  latin  efo'tus.  Le 
revenu  est  le  profit  provenant  du  bestail,  comme  le  lait,  la  laine,  etc., 
et  l'accroist  est  Taugment  du  prix  des  cliefs  ou  souches  des  betes".  S. 
ferner  Menage,  der  ef'öeil  von  ex  folium  ableitet  (comme  eflbuiller, 
d'exfoliare) ;  Richelet  (1759)  efoneil;  Encijclopedie  ou  Dict.  raisonnc 
des  sc,  des  arts  et  des  metiers:  effoueü  ("hier  mit  Hinweis  auf  Brodeau 
sur  l'art.  48.  n.  6.  de  la  couiume  de  Paris);  Scbmidtlin's  Catholicon: 
effouel)  ej/'oel  „neugezeugtes  Vieh,  Zuchtvieh"  und  ib.  ejtouil  „jährliche 
Nutzung,  die  man  von  einer  Heerde,  an  Wolle  etc.  hat";  Ch.  Meniere 
Glossaire  angevhi  p.  337  effoel  .,Pour  effouil,  exfoliare  (D.  C).  On 
dit  efi'ouil  effouille  (Seg.)  L'effouils,  produit  de  la  vente  du  betail-' 
und  ib.  p.  338  effouil  „Fa?tus,  exfolium;  petits  des  animaux  en- 
leves  ä  la  tin  de  Tannee  (C.  D.)."  Was  die  Etymologie  angeht,  so 
ist  natürlich  an  das  im  Gloss.  du  droit  fr.  vorgeschlagene  efaeius 
als  Grundwort  nicht  zu  denken.  Näher  liegt  es  das  von  Menage 
angenommene  ea;  folium  als  solches  anzuerkennen.  In  Wirklichkeit 
dürfte  Verbalsubstantiv  zu  esfoillier  (exfoliare)  vorliegen.  Interessant 
ist  in  diesem  Zusammenhange,  daß  das  Patois  von  Maine  heute  ein 
Verbum  egouiller  in  entsprechender  Bedeutung  kennt.  De  Montesson 
Voc.  du  Bas-Maine'~  bemerkt  zu  efouiller  „Arracher  des  feuilles, 
eclaircir  un  bois,  un  arbre  ou  uii  fouillis.  Au  ligure,  c'est  se  de- 
barasser  des  choses  inutiles  ou  bonnes  ä  vendre,  et,  par  consequent, 
tirer  un  benetice  ou  une  effouille  de  ce  qu'on  a  de  trop,  des  bestiaux 
principalement."  Vgl.  weiter  Dottin  Gloss.  des  parlers  du  Bas- 
Maine  p.  175  efouye  „effeuiller,  arracher  les  feuilles  des  plantes 
herbacees  et  les  menues  branches  des  arbres,  les  fouillards;  — 
vendre  (les  bestiaux)  .  .  .'•  und  p.  170  f.  efou,  efouy  „effouil,  bene- 
fice  obtenu  par  la  vente  de  ce  que  l'on.  a  de  trop  en  eclaircissant 
un  taillis;  —  benefice  sur  la  vente  du  bois,  des  bestiaux  (Erneo, 
Landivy).  .  ." 

esgalboclie  wird  von  Delboullc  Romania  XXIII,  351  aus 
Joubert  Les  miseres  de  C Anjou  au.v  XV^  et  XVI'  s.  belegt: 
„JcelluyLeMoyne  gecta  nn  baston  appelle  esgalboche  apres  ce  depposaiit. 
et  ce  d'advantage  luy  gecta  ungn  poignard  de  gict".  A.  Thomas  bemerkt 
hierzu:  „Peut-etre  faut-il  lire  esgalboche  et  rattacher  le  mot  ä  hil- 
hoquet  et  ä  quilboquet  ou  equilhoquet,  terme  technique  qu'on  trouve 
dans  Littre  et  dans  le  Dict.  general."  Vgl.  auch  Romarda  XXXVI, 
267.  Wesentlich  näher  als  zwischen  bilboquet,  qidlboquet,  cqidlboqiiet 
und  esgalboche  einen  Zusammenhang  zu  conslruieren,  dürfte  es  hegen, 
esgalboche  in  esgalloche  zu  ändern,  das  als  cgaloche  heute  in  der 
Bedeutung  ,, Stelze"  (echassc)  in  Anjou  (s.  Ch.  Meniere  Glossaire 
p.  338)  und  Maine  (s.  De  Montesson  Voc-  p.  1S8  und  Dottin  Glossaire 
p.  171)  begegnet.  Auch  Sachs  führt  egaloche,  Stelze,  auf,  das  er  als 
Provinzialismus   bezeichnet.     Es  ist  aus  galoche  durch  Agglutination 


Wortgescliichtliches.  305 

des  bestimmten  Artikels  im  Plural  {l[es  galoches)  entstanden.  Vgl. 
Tarbe  Recherches  II,  50  egaloches  =  pantoufles.  Der  Bedeutungs- 
übergang von  galoches  „Holzscliuh'"  (nach  Meniere  /.  c.  galoches 
anch=  neige  amassee  sous  la  semelle  des  sabots)  in  „Stelze"  ist  ohne 
^veiteres  leicht  verständlich. 

ostfrz,  girouailte  ., Haspel".  Horning  stellt  zu  dem  Wort 
Rom.  Zs.  XVIII,  S.  219:  jalonde  {Xdam),  jalaude  (Thiriat),  y«/oM- 
a7ide  (Lorrain),  jalcmde  in  den  Ardennen  (Grandgagn.)  und  bemerkt: 
,,Girouante  weist  auf  giranda  von  girare;  s.  Diez  I.  v.  giro  und 
Scheler  v.  girande.  Dunkel  bleibt  der  oi^-Laut  (vgl.  girowettej." 
Romania  XXXIII,  S.o61  belegt  A.  Delboulle  aus  Dehaisnes  Histoire 
de  Vart  en  Flandre^  320:  „1337  Une  paire  de  garloanes  d'ivoire, 
prisiet.  VIII.  s.",  wozu  A.  Thomas  Rom.  XXXIII,  S,  557  Anm.  aus- 
führt: ^^Garloane  signifie  probablement  devidoir:  cf.  Godefroy,  garlou- 
vendier,  et  Horning  dans  Z.  für  vom.  Phil.  XVIII,  219,  giroiiante.'''' 
Die  Vermutung  Thomas"  bezüglich  der  Bedeutung  von  altfrz.  garloanes 
trifi't  sicher  das  Richtige.  Nur  lag  wohl  noch  näher  als  ein  Hinweis 
auf  lothring.  girouaiäe  und  auf  altfrz.  garlouvender  eine  Erwähnung 
von  garlouine  .,petit  devidoir  dont  toutes  les  i^ieces  sc  demontent  ä 
volonte,  qu'on  reraontc  et  qu'on  posc  sur  une  table  pour  s'en  servir" 
bei  Hecart  und  von  garlo'ine  bei  Sigait  ((r/o5s."-,  p.  193).  Was  die 
Etymologie  dieser  Wörter  angeht,  so  halte  ich  es  für  ganz  unmöglich 
dieselben  sämtlich  auf  girare  zurückzuführen.  Von  Godefroy  ver- 
zeichnetes und  von  A,  Thomas  verglichenes  garlouvendier  weist  deutlich 
genug  auf  deutsches  „Garnwinde",  woraus  es  mit  dem  Suffix  -ier  weiter- 
gebildet wurde,  und  gewiß  mit  Recht  hat  bereits  Sigart  /,  c.  auf  den 
gleichen  german.  Ursprung  von  ihm  verzeichnetes  wall,  garloine  zurück- 
geführt. Ich  stehe  nicht  an,  dieselbe  Herleitung  für  alle  im  Vor- 
stehenden noch  genannten  gleichbedeutenden  Wörter  in  Anspruch  zu 
nehmen,  soweit  dieselben  sich  auch  von  ihrem  Ursprung  entfernt  haben 
mögen  und  so  schwer  es  scheinen  mag  im  einzelnen  Falle  festzustellen, 
was  in  der  vorliegenden  romanischen  Form  auf  Rechnung  der  abgebenden, 
was  auf  Rechnung  der  aufnehmenden  Sprache  zu  setzen,  was  darin 
als  lautmechanische  Entwicklung  und  was  als  Angleichungserscheinung 
in  Anspruch  zu  nehmen  ist.  Für  wall,  garlo'ine.,  garlouine  (garlidne) 
ist  niederd.  garwinne  (s.  Grimms  Wörierh.  unter  Garnwinde)  oder 
garnwinne  die  Vorstufe  gewesen.  Das  l,  welches  ebenso  in  fast  allen 
anderen  französischen  Entsprechungen  sich  findet,  beruht  auf  An- 
gleichung,  falls  es  nicht  germanisches  n,  woraus  es  durch  Dissimilation 
entstanden  wäre,  retlectieit.  Lothring.  jalouande,  jalande  u.  a.  geben 
deutsches  Garmoinde  wieder,  wobei  es  dahingt stellt  bleibe,  ob  das 
wortanlautende  /  auf  Angleichung  beruht  oder  von  früher  Herüber- 
nahme des  germanischen  Wortes  Zeugnis  gibt.  Am  weitesten  von 
seinem  germanischen  Ursprung  hat  sich  girouante  entfernt,  das  daran 
nur  noch  durch  sein  sonst  kaum  zu  erklärendes  ou  {ii)  erinnert.  Wie 
girouanie  zeigt  von  Littre  im  Supplement  verzeichnetes  und  danach 

ZtFchr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII '.  "-'0 


•\0{j  Jf.  ßelirens. 

von  A.  Tliomas  Romarda  XXIV,  12(i  S.  2  erwäliütes  giroinde  in 
seiner  ersten  Silbe  Beeinfiiißiiiig  durch  cfirer  (lat.  gyrare)^  während 
-oinde  {-'j^ß)  noch  deutlicli  auf  dtsch.  loinde  weist.  Man  vergleiche,  was 
die  Wiedergabe  von  gerni.  wi  nach  Kons,  durch  oi  in  garlo'ine, 
giroinde  und  durch  oui  in  garlouine  angeht,  altfrz.  marsoin,  nfrz. 
marsouin  <  marsiviii. 

ostfrz.  mourve/,  Leuchtkäfer,  verzeichnet  J.  Graf  Die  ger- 
manischen ßestandtcile  des  Patois  messin  p.  38  nach  E.  Rolland 
Voc.  dn  patois  messi7i  (vgl.  auch  desselben  Autors  Faune  pop.  JH, 
342).  G.  deutet  den  zweiten  Bestandteil  des  Wortes,  vey,  richtig 
als  .,ver".  Zu  mour  macht  er  ein  Fragezeichen  ohne  eine  Erklärung 
zu  versuchen.  Dasselbe  ist  die  lautkorrekte  mundartliche  Wiedergabe 
von  lat.  mortuum  (schritYfrz.  niort).  Mourvey  bedeutet  somit 
„Totenwurm",  eine  Benennung,  die  ebenso  wie  das  gleichbedeutende, 
von  Rolland  Faune  III,  342  mitgeteilte  bürg,  lanterne  de  moo 
(lanterne  des  morts)  im  Volksglauben  begründet  ist.  Vgl,  P.  Sebillot 
Le  Folk-Lore  de  France  III,  333,  wo  auf  eine  in  der  Auvergne 
verbreitete  volkstümliche  Vorstellung  hingewiesen  wird,  nach  der 
Leuchtkäfer  die  Seele  eines  ungetauften  Kindes  repräsentieren.  Zur 
Wortbildung  von  mourve'/  sei  auf  das  in  dieser  Zs.  XXXI,  S.  291 
zu  porfi  Bemerkte  verwiesen.  Angemerkt  sei  hier  nachträglich  analog 
gebildetes  cerflangue  (scolopcndia,  id  est  lingua  cervina)  im  lat.-franz. 
Glossar  von  Tours  (Altfrz.  Ubungsh.  lirsgb.  von  W.  Foerster  und 
E.  Koschwitz,  3.  Aufl.  Sp.  211). 

norm,  quarsonniei*,  mesurc  pour  les  grains,  equivalant  au 
quart  de  boisseau.  Nach  Moisy  JJict.  p.  .525  ist  das  Wort  eine 
„corruption"  von  quarto7inier^  das  in  gleicher  Bedeutung  früher  in 
der  Normandie  in  Gebrauch  gewesen  sei.  Romania  XXXI,  368 
belegt  Delboulle  zweimal  carsonniere  aus  einem  Text  des  16.  Jahr- 
hunderts, wozu  A.  Thomas  ib.  XXXVI,  S.  261  auf  Moisy  verweist, 
ohne  auf  die  Erklärung  der  Form  einzugehen.  Es  sei  deshalb  an- 
gemerkt, daß  eine  Angleicbuug  an  tiersonnier  vorliegt^  welches  von 
Du  Gange  VIII,  p.  81  unter  tertiolum  und  von  Godefroy  VII,  712 
belegt,  darnach  von  K.  Glaser  diese  Z.^.  XXVI  i,  S.  159  verzeichnet 
wurde.  Daß  es  bei  tiersonnier  um  eine  speziell  in  der  Normandie 
früher  gebräuchliche  Maßbezeichnung  für  Getreide  sich  handelt,  geht 
aus  einem  von  Du  Cange  und  Godefroy  mitgeteilten  Beleg  des 
14.  Jahrhunderts  hervor:  Une  rente  de  deux  cent  trois  quartiers,  uu 
boissel,  un  tiersonnier  et  un  quartonnier  de  froment,  mesme  de 
Coustance.  In  diesem  Zitat  Godefroy's  ist  mit  Du  Cange  mesure 
statt  mcsnie  zu  lesen.  Von  Interesse  ist,  daß  in  demselben  tier- 
sonnier und  quartonnier  unmittelbar  nebeneinander  erscheinen. 

lyon.  zarnombille  wird  von  Nizier  du  Puitspelu  Dict.  p.  435 
aus  einem  handschriftlich  erhaltenen  Gedicht  Reverony's  V Äscension 
aerostat.,   belegt,   wo   es   eine  Beteuerung  bedeutet.     Die   betreffende 


Wortgeschichiliches.  307 

Textstelle    uebst    der    Übersetzung    und    Worterläuterung    Nizier    du 

Puitspelu's  lautet:       ,     .„.  ,  .,, 

'■  I  sailli  de  sa  coquille 

Par  s'inleva  de  noviau, 

Mais  zu  vayan.  Zarnombille ! 

Qui  crevave  den  sa  piau. 

.,11  sortit  de  sa  coquille  —  Pour  s'enlever  de  nouveau,  —  Mais  noiis  voyions 
pardieu!  —  Qu'il  crevait  dans  sa  peau." 

ZamonibiUe  est  pour  jarnombille.  Le  s  daus  Ic  texte  cite  tient  ä  ce  que 
l'auteur  fait  zezayer  celui  qui  raconte.  Ce  zezaiement  devait  etre  assez 
usite  ä  Lyon,  car  Reverony  l'emploie  souvent.  Quant  a  jarnombille,  c'est 
un  juron  dont  le  type  est  jamidieu^  dont  la  Ire  partie  est  ,,je  renie".  Au 
mot  dieu  on  a  Substitut;  un  euphem.  ombilh,  fabriquc  peut-etre  par  le 
besoin  de  la  rimc.    En  tous  cas  je  n'ai  jamais  entendu  le  juron  jarnombille. 

Da  keiner  der  Rezensenten  des  N.  du  P.'scben  Wörterbuches 
m.  W  an  dieser  Erklärung  Anstoß  genommen,  und  auch  A.  Thomas 
dieselbe  Romania  XXXIII  (1904),  S.  209  ff.  nicht  beanstandet,  so 
sei  hier  auf  die  Unrichtigkeit  derselben  hingewiesen.  K\c\il  jarnidieu, 
das  durch  sonst  nicht  nachgewiesenes,  dem  Reim  zuliebe  geschaffenes 
omhille  umgebildet  wäre,  liegt  zarnombille  zu  gründe,  sondern  es 
entspricht  dasselbe  der  Beteuerung  je  renonce  Dieu,  wofür  in  fran- 
zösischen Mundarten  und  in  der  Pariser  Vulgärsprache  zum  Zweck 
der  Verschleierung  geschaffene  Umformungen,  resp.  Kürzungen  wie 
jarnonce,  jarnon^  jarnongieu  nicht  ganz  selten  sich  nachweisen  lassen. 
Belege  hierfür  findet  man  in  R.  Zockler's  manches  Treffliche  ent- 
haltenden Studie  die  Beteuerungsformeln  im  Französischen  S.  144, 
wo  auch  von  N.  du  P.  vermißtes  jarnonbille  wiederholt  bezeugt  wird. 
ßille  begegnet  als  Verschleierung  eines  ursprünglichen  ,.Dieu"  eben- 
so in  par  la  samhille  (par  Ic  sang  Dieu),  morhille  (mort  Dieu), 
ventrehille  (ventre  Dieu),  ietehille  (tete  Dieu)  und  anderen  Ausdrücken. 
Ob  sich  dasselbe,  wie  Zöcklcr  annimmt,  über  dille,  das  in  pardille 
(pardieu),  cordilh  (corps  Dieu)  vorliegt,  entwickelt  hat  oder  ob  bleu 
(bleu)  in  rnorbieu,  sangbieu  etc.  die  Durchgangsstufe  biMete,  wird 
sich  mit  einiger  Sicherheit  schwer  entscheiden  lassen.  Bezüglich  des 
anlautenden  stimmhaften  cS  in  zarnombille,  das  N.  du  P.  als  Lyoner 
Dialekteigentümlichkeit  aufzufassen  scheint,  sei  bemerkt,  daß  in  ana- 
loger Weise  mit  jarni  (je  renie)  gebildete  Beteuerungsformen  heute 
in  Südfrankreich  in  weiter  Verbreitung  mit  z  anlauten,  welches  hier 
nicht  sowohl  in  lautmechaniscber  Entwickelung  begründet  sein  dürfte 
als  vielmehr  in  dem  Bestreben  die  betreffenden  Ausdrücke  durch 
weitere  Verschleierung  ihrer  ursprünglichen  Form  abzuschwächen. 
Vgl.  in  Mistral's   Tresor  unter  sarnibieu. 

wall,  zoeper  begegnet  in  der  Mundart  von  Naniur  nach  L. 
Pirsoul  Z)^■c/.  II,  351  in  der  Bedeutung  „fustiger,  battrc  ä  coups  de 
verges".  In  dem  Wort  ist  mudl.  sioepen,  nid.  siceepen,  ostfries. 
swepen  sioäpen  etc.  (hd.  schiüeifen),  peitschen,  kaum  zu  verkennen. 
Es  sei  hier  verzeichnet  als  Beleg  für  die  Wiedergabe  der  niedd.  ndl. 
Anlautgruppe   sw  im   Wallonischen.     Vgl.    Zs.  f.  rom.   Phil.  XXVI 

20* 


308  K.  Ettmaijer.     Emil  Hausknecht, 

(1902),  S.  247  zwere^  Grandgagnoge  Dict.  II,  198  zivai  (udd,  swart^ 
;4;egeuüber  wall,  olrselle,  ivarscle,  xvarsier.  über  die  ich  in  der  Fest- 
schrift für  Mussafia  p.  84  f.  gehandelt  liabe.  ^)  Vgl.  auch  oben  p.  305 
unter  giroiKinte  (wall.  gcirJoine). 

I).  Behrens. 


Betterave.  Da  mir  im  Augenblicke,  da  ich  den  Artikel  über 
hetterave  (diese  Zs.  XXXIP,  S.  153  f.)  zu  Papier  brachte,  Cherubinis 
Mailändisches  Wörterbuch  nicht  unmittelbar  zugänglich  war,  und  ich 
z.  T.  mündlichen  Angaben  einiger  mailändischer  Herrn  folgte,  möchte 
ich  nun,  zur  Vermeidung  von  Misverständnissen,  Cherubini's  Angaben 
nachtragen.  Nach  diesem  wäre  die  Form  erbett  speziell  brianzolisch. 
In  Mailand  nenne  man  die  Keimlinge  erb^  die  Blätter  bied.  Es  ist 
Jdar,  daß  auch  diese  Thatsaclieu  sich  mit  dem  historischen  Gesammt- 
bilde,  wie  ich  es  entwarf,  vollkommen  decken. 

Bozen.  K.  Ettmayer. 


'Rlldervereill',  'Ruderklub'  sind  zwei  im  Deutscheu  feststehende 
Ausdrücke.  Sachs  in  seinem  großen  Wörterbuche  übersetzt  lluder- 
verein  mit  'club  des  rameurs\  Dieser  Ausdruck  ist  natürlich  all- 
gemein verständlich,  aber  nicht  gebräuchlich.  Gelegentlich  der  hier 
kürzlich  (auf  dem  Genfer  See  zwischen  Ouchy  und  Üvian)  abgehaltenen 
internationalen  Ruderregatta  wurden  Ausdrucksweisen  für  'Ruderklub' 
häufig  in  der  Unterhaltung  und  in  den  Zeitungen  gebraucht.  Niemals 
war  es  ''club  des  rameurs' ;  und  auf  meine  Erkundigung  bei  Franzosen 
wie  bei  französischen  Schweizern  wurde  mir  stets  die  gleiche  Antwort: 
,,0n  ne  le  dit  pas."  Einen  ganz  fest  eingebürgerten  Ausdruck  gibt 
es  zur  Zeit  noch  nicht.  Die  Einrichtung  ist  englischen  Ursprungs 
und  die  Bezeichnung  'rowing-club'  ist  auch  im  Französischen  nicht 
ungebräuchlich.  Häufiger  sind  jedoch  die  französischen  Ausdrücke: 
socihe  (vnion,  chib)  nanüque,  societe  de  canotage  und  cercle  (oder 
club)  de  Vaviron.  In  all  den  von  mir  festgestellten  Fällen  bezog 
sich  die  mit  nantique  zusammengesetzte  Bezeichnung  auf  Rudervereine; 
sprachlich  ließe  sich  diese  Bezeichnung  allerdings  auch  auf  Segelklubs 
anwenden.  Unter  diesen  verschiedenen  Bezeichnungen  für  Ruderklub 
sind  nach  meinen  Beobachtungen  und  Erkundigungen  in  der  Umgangs- 
sprache bei  weitem  am  häufigsten  societe  de  canotage  und  cercle 
de  l'aviron.  Diesen  letzten  Namen  führten  auch  mehrere  Vereine, 
u.  a.  auch  vier  französische  aus  Frankreich  (z.B.  der  Cercle  de  l'aviron  de 
Lyon).     Strenggenommen    entspricht    von    diesen  beiden  Ausdrücken 

1)  Zwischen  dtsch.  z{ts)  und  lu  stellt  sich  als  Gleitlaut  ?/  ein  in  älterem 
wall,  zuwilisl;  das  Godefroy  aus  einpr  Lütticher  Urkunde  des  16.  Jahrhunderts 
belegt  und  mit  einem  Fragezeichen  versieht.  Es  ist  dtsch.  Zvnllkh,  wie 
Grandgagnage  Dkt.  II,  646  unter  r.wrillkh  richtig  erkannte. 


Wo  rtyes  cli  ich  tliclies.  309 

nur  ^cercle  de  Paviron'  ganz  genau  dem  deutschen  'Ruderverein",  denn 
societc  de  canotoge  heißt  eigentlich  doch  nur  'Kahnfahrtverein';  man 
unterscheidet  ja  auch  (aber  eben  nur  \venn  mau  eine  genaue  Unter- 
scheidung vornehmen  will)  zwischen  canotage  ä  la  volle  und  canotage 
ä  la  rame  (oder  ä  Vaviron).  Gewöhnlich  ist  aber  '•societe  de  canotage' 
ein  Ausdruck  für  'Eudcrverein'. 

Im  Zusammenhange  hiermit  weise  ich  hin  auf  folgende  Wen- 
dungen. Organiser  tine  regate  ä  rames  (ä  voiles).  Les  courses 
ont  i'te  tres  discutees  et  ont  presentc  un  vif  interet.  A  noter  Vex- 
cellent  style  des  equipes  de  Zürich.  Des  le  dcpart  Vexcellente 
equipe  de  Milan  prend  la  tele  et  triomphe  facilement.  L'equipe 
de  V.,  qui  rame  avcc  beaticoiq»  d'ensemble,  gagne  de  S  longueurs 
(avrive  1/5  de  seconde  avant  Vequipe  de  L.).  Arrivee  fort  disputee 
entre  Genhve  et  Lausanne,  qui  coupent  ensemble  la  ligne  d^arrivee.  — 
Outriggers  ä  huit  rameurs  seniors,  a  quatre  rameurs  piniors.  — 

JLa  circulation  des  hateaux  de  plaisance  estinterdite  dimanche 
sur  tout  le  parconrs  des  courses  dts  1  h.  apres-midi  jusqu'u  7  IXr. 
du  soir. 

Lausanne.  Emil  Hausknecht. 


Beiträge  zur  Geschichte 

der  politischen  Literatur  Frankreichs  in  (\ev 

zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 

I.   Teil. 

(VfTl.  1kl.  XXXI 1  S.  102  if.  imd  Bd.  XXXI I'  S.  238  ff.) 

IV.     Die    Weiterentwicklung    des   politischen    Charakters    der 
Reformationsliteratur  bis  zum  Ausbruch  der  Bürgerkriege.  (1562) 

Der  Gegensatz  zwischen  Katholizismus  und  Kalvinismus,  wie 
er  sich  in  dem  sich  mit  wachsender  Erhitterung  entspinnenden  Kampf 
beider  Religionsparteien  um  die  Macht  im  Staate  gestaltet,  macht 
sich  in  der  politischen  Literatur  mit  immer  größerer  lireitc  und 
Schärfe  geltend.  Zwar  geht  mit  der  Übertragung  des  religiösen 
Gegensatzes  auf  die  Zeitliteratur  weltlicher  Natur  viel  von  der  ur- 
sprünglichen Heiuheit  und  religiösen  Eigenart  der  Reformationsliteratur 
verloren;  aber  gerade  der  Zusatz  des  religiösen  Elements  in  der 
politischen  Literatur  bewirkt  eine  Verschärfung  der  Gegensätze,  wie 
sie  ganz  den  sich  im  Zusammenhang  mit  den  immer  deutlicher  zu 
Tage  tretenden  religiösen  Meinungsverschiedenheiten  stets  schroffer 
entwickelnden  politischen  Verhältnissen  entspricht.  Zu  dem  kühnen 
Hohn  der  religiösen  Lästerer  von  Kirche  und  Kirchenlehrc  tritt  der 
Spott  über  die  politische  Parteisache  des  Gegners  und  die  Pläne  und 
Absichten  seiner  Führer,  der  Guisen,  Die  Invektive  und  Polemik 
gegen  die  Guisen,  welcher  Hotman's  „Tigre''  die  Bahn  gebrochen. 
wird  vollends  zum  ergiebigsten  und  fruchtbarsten  Thema  der  poli- 
tischen Literatur,  seitdem  sich  die  Dichtung,  mit  größerem  Geschick 
und  besserem  Glück  als  die  Prosaschriftstellerei,  des  willkommenen 
Stoffes  bemächtigt  und  ihren  herben  Spott  in  wuchtigen  Versen  über 
die  hochtrabenden  Ansprüche  und  Absichten  der  ehrgeizigen  Guisen 
ergießt.  Aller  möglichen  Formen  bedienen  sich  die  kalvinistischen 
Poeten,  um  ihre  Wirkungen  zu  erreichen  und  in  dem  Oberhaupt  des 
Feindes  die  Sache  der  feindlichen  Partei  zu  treffen.  In  geistreicher  oder 
geistreich  gewollter  Spielerei  sucht  man  in  dem  Anagraram  aus  dem 
Namen  des  verhaßten  Kardinals  die  Veiwcrflichkeit  seiner  Handlungen 
und  Absichten  abzulesen  und  deutet  seinen  Namen  bald  als  ,,// 
eJierra,   Casjie  dort''',   bald  als  „Hardi  larron  se  cele",    „Bade  os 


Beiträge  zur  Geschichte  der  polit.  Literatur  Frankrelclis.       311 

Cor  de  Henry'\  bald,  unter  Anspielung  auf  die  von  den  Kalvinisten 
ersehnte  Erlösung  des  Königs  aus  der  Gefangenschaft  des  Kardinals, 
als  „Renard,  lasche  le  Roy'-''^^),  und  sucht  diese  Auslegungen  in 
kurzen  Gedichten  zu  erläutern  Sj).  Die  Devise  des  Kardinals  „te 
stante  virebo  —  te  cadente  periho^^  erfährt  in  einem  kurzen  Qua- 
traiu  die  boshafte  Umdeutung: 

„Je  stante  virebo: 

„Sire  vaten  hotte. 

„Cadente  periho: 

„Robin,  pete  de  fa.  ''6) 

Franz'  von  Lothringens  Namen  muß  sich  ähnliche  boshafte  Aus- 
legungen als  ..fiji  larron  es  de  ce  roy'-'-  oder  .J,arron  farcy  de  noise'' 
(nlarron  de  noyse  farcy''  ^7)  gefallen  lassen.  Der  „  Cardinal  de  la 
JLorraine'^  wird  den  spöttelnden  Kalvinisten  als  „Cardinal  de  la 
Ruine"^  zu  einer  stehenden  Figur  5*^).  Wieder  einem  anderen  Spötter 
legt  der  Name  „Lorrains'"  das  Wortspiel  mit  Jarrons"-  nahe  und 
bringt  ihn  auf  den  Einfall: 


s*)  Ms.  22560,  f.  15.  122.  vgl.  auch  Regnier  de  la  Planche,  llistoire  de 
l'eslut  de  France  .  .  .  sous  le  regne  de  Francois  II.  ed.  Mennechet  (Paris  1836). 
I.  S.  70.  und  die   „Legende  de  Charles  da  Lorraine*  M.  D.  L.  XXVI.  S.  2G  r. 

"')  Ms.  22  560,  f.   122.  208.     Dazu  gehört  auch  die  zwölfstrophische 
.^Chanson    sur    le    nom   toiirne   le  Charles   de  Lorraine,  faitie   avant   la    mort   du   rot 
Francois    (second),    auquel   est   trouvij    „Renard   lasche   le.  Roy",     in:  „Monologue  de 
proridence  divine,  parlant  u  la  France".     Reims  M.  D.  L  XI.  32  S.  S.  in-8. 
56)  Ms.  22  560.  f.  16. 
")  Ms.  22  5(50.  f.  123 :  ^ 

„Si  tu  pur  ta  ßmsse  .,  l^u  ti'as  eslc  lontunf,  o  Franrois  de  Lorraine, 

y,Le  larron  da  Roy  de  Franre        ,.En    deit.r   regnes    sut/uans  auoir  taut  buti'ne'. 
y,Abttsant  de  sa  sirnplesse  .,Aijunt  France  reduit  proche  de  xa  ruyne. 

„Et  de  sa  jeune  imiocence,  „Mais  de  Charles  aussi  le  regne  as  mntini' 

„Ton  nom  parte  hien  en  soy  ,.Par guerre,  dontchascunestentresgrantmul-ajjse 

„Fin  larron  es  de  ce  roy*.  „  Ton  nornfeconrient  hie.n.  Larron  fa  reu  d'noise". 

Ms.   22  560,   f.   268:      „Francois,  le  grand  amhitieux 

„Qui  coidoit  combatlre  les  Cieu.v, 
,,Faisoif  (t  Dieu  guerre  cmeUe: 
..Ayant  eniply  son  escarcelle, 
..Est  mort  confre  Dicu  endurcy, 
„Et  larron  de  noi/sc  farcy.'* 
•''*)   auch  ..Cardinal  ruincux"   luul  ../'harles  de  l"  Iluiue;"   vgl.   die   folgende 
Diclitung: 

_  Ta  Derise  de  Lierre  est  bien  propre  ponr  fny. 
„Cardinal  ruineuj:,  et  rCy  a  qiie  redire; 
yCar  si  nous  t^enti'ndons  Lierre  tu  te  ceux  dire. 
Et  par  la  Pyramide  est  entendu  Irt  Roy,  etC.    (Laboureur,  Addit. 
I.  S.  279  =  Ms.  22560,  f.    15);   vgl.  damit  das  „Dizain  du  Cardinal  de  la  Ruine", 
Reo.  VIII.  S.  276.  Ähnlich  äufsert  sich  ßeroald  in  seinem  Tagebuch  zu  dem 
Jahr  1562,  dessen  stürmische  Ereignisse  ihn  aus  seiner  Ruhe  in  Paris  auf- 
scheuchten:  ,,ll  fahä   quicter   tont   et  gagner  le  kaut  ii  cause  de  la  conspiralion,  des 
meschans  desquels   le   cardinal  de  La  ruine,  qiCou  appeloit  de  Lorraine,  estoit  le  che/ 
'  (  conductere  et  les  autreh  entreprenews  et  bourreaux  des  chrestiens.^  s.  France  prot. 
11-  S.  396. 


312  Kmt  (j'laser. 

,.K>i  vous  vovlez  OKI/r  nouvelles 
^.Certüines  de  vostre  renom, 
..Ostez  un  1  de  vostre  norti 
„Et  transposez  les  deu.v  royelles.'-'''-) 
Der  Name  des  Kanzlers  L'Hosi)ital  lag  zu   nahe,  als   daß  die 
Kalvinisten  sicli   nicht  auch  seiner   zur  Herstellung  eines  Wortspiels 
bemächtigt  hätten,  in  welchem  sie  ihn  als  Jiospital"  für  ihre  Heilung 
aus  deu  ihnen  von  den  ,,deiuT  Iarro7is'-'-  bereiteten  Nöten  bezeichneten. ^O) 
Auch  das  Wappen  des  Kardinals,  welches  eine  von  Epheu  um- 
rankte Pyramide  darstellt,  wird  zum  Gegenstand  boshafter  Deutungen, 
welche  in  der  Pyramide   den   von   den  Guisen  umklammerten  König 
und  in   dem  Epheu   den  Kardinal  erblicken;  in   näherer  Ausmalung 
dieser  Yergleichung   wird   das  plötzliche  Emporsprießen  des  Epheus 
mit    dem    jähen    und    eigenmächtigen    Eindringen    der    Guisen    am 
königlichen    Hofe    \  erglichen    und    unter    Hinweis    auf   die    Gefahr, 
welche    der  Festigkeit   und  Haltbarkeit  einer  Mauer   von   dem   um- 
rankenden  Epheu   droht,   die  Schlußmoral  aufgetischt,   durch   recht- 
zeitige Beseitigung    des  die  Mauer  umrankenden   Epheus  die  Mauer 
zu  schützen.     „2w  seras^\  so  schließt  das  Gedicht^^), 
„  Tu  seras  arrachc.  cur  miner  on  te  void 
„Des ja  la  pyramide,   et  un  chascun  j^v^voit 
„Q^i'en  vain  tu  n'es  nommc  Charles  de  Ja  Bulne'''. 
Mit  diesen  mehr  boshaften  als  wirklich  geistreichen  Spötteleien 
mischen  sich  offene  und  unverhohlene  Invektiven  gegen  die  verhaßten 
Guisen. 

Die  Freude  der  Kalvinisten  über  die  von  ßobert  Stuart  im 
Dezember  1559  vollbrachte  hinterlistige  Ermordung  des  Präsidenten 
Autoinc  Minard,  welchen  die  Kalvinisten  nächst  deu  Guisen  für  die 
Verurteilung  von  Anne  du  Bourg  verantwortlich  machten,  ließ  einen 
der  Ihrigen  dem  verhaßten  Kardinal  das  gleiche  Schicksal  wünschen 
in  der  Warnung: 

,,  Garde  toy  Cardinal 
„Quo  tu  ne  sois  trait^, 
„Ä  la  Minarde 
Uune  Stxiarde.^'-) 
Ein  anderes  Mal  schleudert  man  ihm  die  im  Stil  des  ^/figre"* 
gehaltenen  Apostrophen  entgegen: 

„Loujy  rauissant,   Tygre  irop  inhumain, 
„Enfle  d'orciueil,  et  de  cent  maleßce, 

^^)  in  dieser  Fassung  ist  das  Quatrain  „Aux  Lorrains''  abgedruckt  am 

Ende  der  „Jnste  Complainte  des  Fidchs  de  France'-^  von  1560  (S.  0.);  mit  geringer 
textlicher  Abweichung  findet  es  sich  wieder  in  Ms.  1662,  f.  27  r.  und  Ms. 
22Ö60,  f.  17. 

«0)  Ms.  22560,  f.  23. 

")  Laboureur,  AddU.  I.  S.  27i»  und  JNls.  22560,  f.  15.  IG.  (s.  o.). 

8-)  Laboureur.  Addit.  I.  S.  ;'>55. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  ■polit.  IJteratur  Frankreichs.        313 

„  Cessera  point  ta  rauissante  inain 
„A  fourraigcr  la  France,  ta  7iourrice? 
„Regarde  ä  toy  et  au  futur  supplice, 
,,Dond  tu  ne  peuw  nullement  eschapper: 
,,,7e  te  voy  ia  traisner,  Her,  happer. 
„Ne  crains-tu  point,  estant  dessiis  Veschelle 
„Ättens  un  peu  :  on  te  vient  aiiraper 
..Ijenfer  aussi  est  tout  prest,  qui  fappelle.''  ^■') 

und  „Faidse  vipere,  Aspic  pernicieux, 

„Qui  en  ayant  au  Diable  ton  service 
„Du  tout  noue,  nas  ricn  que  J'Auarice, 
,,Loup  enraige,  Renard,  amhitieux, 
,,Bouc,  mais  de  tous  le  plus  incestueux 
„Moqueur  de  Dieu,  magazin  de  malice, 
„Oii  sa  derniere  espreuue  fait  le  vice, 
„  Tygre  affame  du  sang  des  vertiieiix ; 
„Monstre  hydeux,  inject,  insatiable, 
..Sans  foy,  sa7is  loy,  sans  honte,  ahominable, 
„FUau  des  Chrestieiis,  contraire  ä  veriti, 
„Qii'attends-iu  plus'?     Ne  voys-tu  la  tempeste, 
„Qui  ia  desja  foudroye  sur  ta  teste, 
„Et  contre  toy  Dieu  tr es  fort  irrite.^'-^'^) 

Die  Form  des  Qiiatrains  fand  in  jener  Periode  politischer 
Reimerei  mit  Vorliebe  Anwendung, 

^Charles  Lorrain,  le  cardinal 
„Incestueux,  ahominable 
„S^est  donne  corps  et  ame  au  diable 
„Si,  tant  qu'il  vivra,  ne  fait  mal."^'^) 

„Le  Lorrain,  au  rouge  chapeau, 
„Dessous  le  roy  Henry  grand  veav, 
„Et  soubz  Frangois  petit  Hon, 
„A  fait  des  maux  un  million.^' ^^' ) 

Am  bekanntesten  wurde  ein  anderes,  ni.  W.  zum  ersten  Mal 
in  der  „Histoire  du  tumulte  d'Amboyse'-'  1560.  S.  24  gedrucktes 
und  vermutlich  kurz  zuvor  entstandenes  Quatrain,  welches  die  den 
kalvinistischen  Spöttern  noch  im  rechten  Augenblick  in  die  Erinnerung 
zurückgekommene  Abneigung  Franz  I.  gegen  die  Guisen  in  die 
spöttelnden  Verse  brachte: 

„Le  feu  Roy  deuina  ce  point, 
„Que  ceux  de  la  maison  de  Guyse 

<5")  Ms.  22.%0,  f.  19.  (s.  0.). 

•w)  Ms.  225fi0,  f.  17.  (s.  0.). 

ö6)  Ms.  22560,  f.  17. 

'«)  Ms.  22.560,  f.  17. 


314  Kurt   Glaser. 

,y Mettroy e7it  se$  enfans  en  pourpoint: 

.,Et  son  poure  peuple  en  chemise.'^  ^'') 
Micht  minder  als  die  im  Einzelnen  schwankenden  Faßungeu. 
in  welchen  das  Quatrain  auf  uns  gekommen  ist,  lassen  vielfache  Er- 
wähnungen und  Anspielungen  auf  den  kleinen  Yers^^)  sowie  namentlicli 
der  Umstand,  daß  sich  die  Satire  Menippee  noch  im  Jahre  1593 
des  kleinen  Verses,  .jnaintenant  tout  vnlgaire'-",  erinnerte,  welchen 
sie,  boshaft  genug,  dem  König  selbst  beilegte,'^''')  auf  eine  weite  Ver- 
breitung und  einen  lebendigen  Gel»raucli  des  Quatrains  im  Munde 
des  Volkes  schließen. 

Die  Klagen  und  Beschwerden,  welche  die  kalvinistischen  Flug- 
schriften auf  das  Haupt  des  Kardinals  häufen,  finden  bei  den 
kalvinistischen  Sängern  ein  bereitwilliges  Ohr,  Was  die  kalvinistischen 
Gemüter    bedrückte,    gestaltete    sich    im    Munde    der    sangeslustigeii 


•*')  vgl.  auch  Regnier  de  la  Planche,  llistoire  dt  Testat  de  France,  ed. 
Mennechet  (Paris  1836)  I.  S.  149. 

*^)  ,,Tu  scais  bien  que  viuant  le  Roij  Fraiicoys  pre^nier  {Je  itigement  duquel 
litail  admirahU)  tu  nosois  comparoistre  deuant  luy,  et  qu'il  dtfendit  au  feu  Roy  Etm^y 
son  ßls,  que  tot/  ntj  les  tiens  n^eussiez  aucune  InteUlijence  de  .«es  affaires.  Tigre.  Da- 
zu die  entsprechende  Stelle  de?  versifizierten  Tigre: 

.,C'ar  il  est  prouci   que  ta  fausse  cautelle 

„Et  secrette  maVue  ii  toKJoxrs  cfe  teile, 

„Qu    aux  >/eiix  ilu  Ri»f  Frnnrois,  peu  decant  son  trepas, 

..Pour  ta  mechuncete,  montrer  nc  f'osois  pas. 

..Mesme  an  seaif  Inen,  durant  sa  meniorable  rie, 

,,Lui/  le  connoissant  hie»,  q/ril  navoit  pas  envie 

..De  .SV-  jier  en  toi/,  nl  t<-  roir  pres  de  luy, 

„Prcrotjant  Inen  le  mal  que  tu  fais  aujourd'hu//: 

,,Ä  Henri/,  dernier  mort,  ne  jit-il  pas  defense 

„Que  tii  toi/,  ni  les  tiens  neussent  intelligence 

„Des  affaires  de  France,  et  e/ue  de  trahisou 

.,11  so'ipconnoit  dijit  ta  mccltante  maison?"  (Ms.  2.jo9,  f.  1  r.  u.  v.) 
Ähnlich  die  „SuppUcation  et  Remonstrance  adressce  au  Roy  de  Navarre"  von 
1560  (S.  0.):  „0  prudent  et  e.rcellent  roy  Frangois,  combicn  s'en  fault-il  que  tu  n'ayes 
este  vray  prophcte,  qiiand  tu  predis  ce  que  nous  royons  quasi  a  l'ml,  e/ue  si  jamais 
ceste  meschante  maison  de  Guise  gouvernoit  Je  Roy  ton  Jils,  eile  le  mettroit  en  cliemise.^ 
(Meins  de  Conde  I.  S.  500).  Vgl.  auch  Bouille,  llistoire  des  ducs  de  Guise  I.  S.  159 
ff.  Beachtenswert  ist  auch  die  Anspielung  in  einem  vom  März  1560  datierten 
Brief  der  Katharina  von  Medici  an  den  Herzog  von  Etampes,  in  welchem  sie 
von  sich  selbst  sagt:  „//  n'a  pas  tenu  II  des  fols  qu'ils  nc  m'ayent  mise  en  pour- 
poinct  et  spoliee  de  ce  que  je  pense  justement  innppar'cinr-  (näml.  der  Regierung). 
Ms.  V.  C.  de  Colbort.  27.  f.  343. 

*')  „Quand   vous   veistes   le  roy   Charles  decede,    qui  autrement  ne  vous  aymoit 
pas    beaucoup,   et  qui   avoit  plusienrs  fois  repett  le  dire  du  grand  roy  Francois,  dont 
luy-mesme  avoit  fnict  ce  quatrain^  maintenant  tout  vulgaire: 
..Le  Roy  Francois  ne  ßtillit  point, 
„Quand  il  predit  que  ceu.r  de   Guy  sc 
..Mettroient  ses  erifants  en  pourpomrf. 

„Et  toiis  ses  si/h/ects  en  chemise."  (Satyre  Menippee  .  .  . 
auyimutie  de  notes  .  .  .  de  du  Puy  et  de  Le  Duchat;  par  V.  Verger  et  Ch. 
Kodier.  II.  Paris  1824.  S.  27.  —  ed.  Read.  Paris  1876.  3.  193).  Etwas  ab- 
weichend ist  die  Fassung  des  Quatrains  in  den  Mems  de  Conde  I.  (1565)  S.  13. 
=  I.  (1743)  S.  533. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  polit.  Literatur  Frankreichs.        315 

Poeten  zum  Lied.  Mit  ciuem  Eifer,  welcbeu  der  Haß  gegen  die 
Guiseu  entflammt,  ziehen  die  Dichter  los  über  den  Kardinal,  der  sich 
die  Herrschaft  in  Frankreich  angemaßt  und  dem  König  nichts  mehr 
gelassen  hat  als  seinen  Namen. 

,,Monsieur  le  cardinal,  par  j'orce  et  par  outraige 
„A  le  partagement  de  la  France  manie, 
,.Et  en  faisant  les  parts,  s'est  tout  approprie, 
..Laissant  au  Roy  le  nom  pour  tout  son  aijpanaige.'''*^) 
„Faux  traistre  furieu,i;  ta  puissance  et  la  raige 
..Rien  ne  te  sQrviront^  apprester  il  te  faut 
„^4  rendre  compte  ä  troys.     Dien  tout  premier  d'eii  haut 
,,iVe  fen  remettra  rien^  cognoissant  ton  couraige, 
,^Car  tu  l'as  offense  un  million  de  foys, 
„Or  hlasfcmant  son  nom,  or  inesprisant  ses  loiv, 
.^Invoquant  autre  Dien  que  luy  en  ton  affaire, 
^  Saccageant,  meurtrissant  ceux  qui  fönt  contraire. 
,.,D'autre  pari,  quand  le  Roy  sera  venu  en  eage, 
„Et  il  sfaura  commcnt  toy  et  ton  frere  caidt 
^^Uavez  voidu  priver  d'un  sceptre,  qui  tant  vault, 
„0!  que  je  vois  tomher  sur  ton  chef  grand  oraige! 
,,Recog}ioistre  il  te  faut  encores  les  grands  maux; 
^,Ravisse7nens  de  Mens  et  moris  de  ses  vassaulx 
,.Auxquels  tu  as  mene  loujours  guerre  cruelle. 
„./a,  ja,  pour  tout  venger,  Dieu  prend  la  cause  en  main: 
„Nous  voyons  contre  toy  s' armer  un  Prince  humain 
rEt  son  branc  d' assier  menacer  ta  ceruelle."'^) 
Die  kalvinistischen  Dichter  suchen   dem  betrogenen  Volke   die 
Augen  zu  öffnen  über  die  Leichtgläubigkeit,  mit  welcber  es  sich  durch 
die    mit    dem    Namen  Christi    umkleideten    selbstischen    und    nichts 
weniger  als  christlichen  Bestrebungen    des   Kardinals  täuschen   läßt; 
sie    spielten    auf    den    fremden  Ursprung    des  Lothringerhauses    und 
seine  Ansprüche    an,    welche    aus    der  von    den  Guison    behaupteten 
Herkunft    ihres    Geschlechts    von  Karl  dem   Großen    abgeleitet    sind 
und   in   dem  Streben    nach   der  königlichen  und  päpstlichen  Würde 
gipfeln, *2)  und  bringen  ihnen  ihre  ..Estrennes"  dar  in  den  spöttelnden 


-0)  Ms.  22560.  f.  20. 
'1)  Ms.  225(50.  f.  .')9. 

'-)  yjCociir  ile  crajipau/   crerant  il  (imbition 

„Et  hrusloLTit  fönt  dun  (li'xi'r  (Vestre  Roi/, 

„AV  Jcij-tii  pas  des  frefres  Jractio)i, 

^Doiit  France  Jensf  en  tris  ;/rand  d^sarroy, 

„Quant  tu  /len^ois  \apl(-s  prendre  pour  toy? 

„Puls  desirant  exterminer  la  race 

„Du  Hui  Cappet,  rie  j)n'».s  tu  pas  Vuuduce 

„De  te  uanter  ejtrait  de   C'harlemaigne? 

..  Uli !  Jiii  reiiard,  on  descouurc  ta  trace, 

^Et  Oll  si-ait  hicii  pour  '/uiiy  Jik  laraigne."     ("Ms.  ■J2ö(:)0,  f.  72). 


316 


KvH    0 lauer. 


Versen:  J^uelque  mine  que  tu  face. 

,.Bien  missi/  faseln'  te  voy, 

„De  mourir  sans  estre  pape, 

,,Qiie  cestnij  sans  estre  ro^/." '■') 
und:  „/Im  cardinal  de  Lorroine 

..Porte  estreine 

„Le  saige  Dieu  tout  puissant 

y,D\ine  foiddre,  qui  tout  mine, 

„U  e.xtcrminc ., 

y,De  ses  rnaux  le  punissant. 

.,Luy  oste  aussi  la  himiere 

..Journailliere, 

.„Et  le  mette  au  plus  has  Heu 

.„Des  enfers.  et  de  la  sorte 

y,Sa  cohorte 

,.  Soit  confondue  Qn   tout  Heu.  ^■*) 

Auf  die  in  allen  möglicLeu  Anzeichen  zu  Tage  tretenden 
Herrschgelüstc  des  Guisen  spielt  in  spöttelnder  Weise  auch  eine 
Dichtung,  der  „Paradoxe  du  Carolus'''  an,  welche  Rasse  de  Noeux- 
iu  seiner  Sammlung  kalvinistischer  Poesien  (Ms.  22  560.  f.  22  b), 
Eegnier  de  la  Planche  (ed.  Mennechetj  I.  S.  38 — 48  und  Laboureur, 
Addit.  I.  S.  399,  400  überliefert  haben. 


1.    ..,Amy    tie    troiivc   point 

estra.wje, 
„Si  qiiand  tu  vas  au  Pont 

au   Chanfie., 
„Pour  Escus,  Ducats  ou 

Saluts, 
„On  te  präsente  un  Karolus. 
9.    ^Le  Domesiique  ou 

Estranger, 

„RacJiete  de  mort  ou  danger, 

.Recouvre  honneurs  et  Mens 

tollus 

y,Ai'ec  le  son  d'un  Karolus. 

13.  „Pour  au  Roy  demander 

Office, 
y,Ou  quelqii    Estat  ou 

Benefice, 
„11  n^ya  rien  qui  serve  plus, 
„Qu'avoir  en  main  mi 

Karolus. 


2.    „  Car  on  peut  voir  llieur  de 

ee  Regne, 

,.  Oii  si   honne  Police  regne, 

„Que  tel  qui  s'estime  le  plus 

„aS<?  dornte  pour  un  Karolus. 
12.  .^Ne   pensez  point   aller  en 

Cour., 
„Pour  faire  aux  Grands 

Seigneurs  la   Cour, 
„  Car  de  faveurs  serez  exclus, 
„Si  vous  navez  un  Karolus. 
15.  .,X«  Loy,  le  Droit  et  V  Or- 
donnance, 
„  N^ont  plus  de  Heu  en  nostre 
trance, 
„Car  mesme  les  Ai^rests 

conclas 
„  Se  changentpour  un  Karolus. 


")  Laboureur,  Addit.  1.  S.  397.   Ms.  22560,  f.  17.  unter  dem  Titel 
„Les  Eslvennes   des  liugenots  au.i'  dein-  freres  lorvains  IhßP'  in  Ms.   1662,  f.  27  r. 
'«)  Ms.  22560,  f.  17. 


Beiträge  zur  Geschichte  ihr  poUt.  Literatur  Frankreichs.        317 

24. ,,Bref  amy pour  le faire  court,      25.  „  O'comhien  sera grande  joye, 

^Je  fasseure  giiau  temps  ,./Ve  voir  plus  de  fausse 

qui  court,  Monnoye, 

Trois  as  ne  fönt  pas  tant  ,.  Heureiix  quand  on  ne  verra 

un  flud-,  plus, 

Qiie  fait  en  France  un  „Fn  France  un  Rouge 

Karolus.  Karolusr 

Vereinzelt    nimmt    die  Invektive   die  vielleicht  weniger  in  bos- 
liafter  als  in  vorsichtiger  Weise  verschleierte  Form  einer  Versspiclerei 
an,    wie    in    einem    zuerst    dem    Druck    der    „Histoire  du  tumulte 
d'Amboi/se"-  von  1560  anhangsweise  beigefügten  zehnsilbigen  „Sonett", 
welches,   wenn  man  das  Ganze  liest,   ein  Lob  des  Kardinals  enthält, 
während  die  ersten  Halbverse  für  sich  das  Gegenteil  ausdrücken, 
„Par  Valiance  —  et  amour  miduelle 
„Du   Cardinal  —  faitte  auecques  le  Roy, 
,^0n  veoid  tout  mal  —  ne  trouver  jylus  de  quoy 
„Battre  la  France  —  et  sa  ßeur  Immortelle. 
^J^ui  Dien  deprise  —  il  sent  sa  main  cruelle: 
„Luy.,  jusqu^au  bout  —  aime  et  soutient  la  foy: 
,,Qui  inlle  tont  —   et  veut  viure  sans  loy, 
..Son  frere   Guyse  —  Vafflige  de  bon  zele. 
.,  Ces  deu.v  fort  bien  —  ayans  un  cueur  U7ii, 
„  Gardent  que  rien,  —  demeurant  impuni, 
„iVe  leur  echappe:  —  ö  tresheureuse  France! 
.^Car  Vun,  de  soy,  —  conoissant  combien  craint 
r,Veut  estre  un  Boy,  —  sa  iustice  il  aduance: 
„Ft  Vautre  un  Pape  —   imite  tant  est  saint."-"^-'') 
Umgekehrt   in  dem  folgenden  Huitain,    dessen   erste   Halbverse 
sowohl  von  oben  nach  unten,  wie  von  unten  nach  oben  gelesen,    ein 
Lob    des  Kardinals    enthalten,    während    das  Ganze  eine  scharfe  In- 
vektive bedeutet: 

„Je  n^ayme  onc  —  Benard  ton  ailiance. 
,,A  te  desjylaire  —  Je  quiers  incessamment. 
y^Je  ne  veux  donc  —  A   toy  prendre  accointance. 
„Ennuy  te  faire  —  Fst  tout  mon  pensement. 
„  Te  donner  blasme  —  Est  mon  ebatement. 
,,  Je  ne  jyry  ame  —  -.4  te  faire  Service. 
„Le  diable  entreine  —   Cil  qui  est  ton  amant. 
nQui  t'a  en  haine  —    Tousjours  prosperer  puisse."" ''^') 
In    anderen  Fällen    verfährt    die    kalvinistische  Reimerei    noch 
künstlicher  und  freier,  indem  sie  Lobverse  auf  Karl  von  Guise  durch 
Umkehrung  der  ganzen  Wortfolge  in  ihr  Gegenteil  verwandelt: 

T")  auch  in  Ms.   25560,  f.  21.  Ms.  22565,  f.  93  r.;  Laboureur,  Add.  I. 
S.  279:  vgl.  dazu  auch  Forneron.  Les  dncs  de  Gin'se  et  leur  epoque  I.  (1877).  S.  201 
'<•■)    Ms.  22  560.  f.  48. 


318  Kurt   Glaser. 

De  Carolo  I.otJiaringo    Versus  Antistropid: 

„l^cclesiae  bonus  es  Pastor,  nee      „Sunt    bona    quae    mala    sunt 

sanguine  gandes,  multis,  sed  Carole  coeptunt 

„Carole,    dum   Gallis  hoc  parit      .^Desifie,    nc  curae  sit  tibi  Re- 

invidiam,  ligio, 

„Religio  tibi  fit  curae,  nee  desine      .,Invidiatn  paml  hoc  Gallis,  duni 

coeptum,  Carole  gaudes 

„  Carole,    sed   multis   sunt  mala      „  Sanguine,  nee  Pastor  es  bonus 

quae  bona  sunt.-'  Ecclesiae." 

Ebenso  das  folgende  Distichon: 

„Pontificem  bene  non  Regem  scis  fingere,  paceni 
,,Quaerere,  non  bellum  quis  modo  conqucritur.'- 

Der  Tod  Franz  II.,  in  welchem  fromme  kalvinistische  Sänger 
die  Hand  Gottes  erblickten  (s,  o.),  sowie  der  Regierungsantritt 
Karls  IX.,  welcher  die  allmächtig  gewordenen  Guisen  ihres  Einflußes 
beraubte,  gab  den  kalvinistischen  Sängern  -neuen  Anlaß  zum  Spott 
über  die  verhaßten  Guisen.  Des  von  den  Kalvinisten  mit  Erwartung 
und  froher  Hoffnung  begrüßten  Regierungswechsels  bemächtigte  sich 
die  kalvinistische  Dichtung  um  so  lieber,  als  die  letzten  Jahre  wenig 
Ermutigendes  für  die  kalvinistische  Sache  gebracht  hatten.  Ein 
kurzes  „Huitain"  deutete  mit  der  dem  16.  Jahrhundert  so  geläufigen 
anagrammatischen  Spielerei  den  Namen  des  neuen  Königs  „Charles 
de  Valois"  in  „va  chasser  Vidole'-''  um 7'^).  Das  „Pasquil  de  la 
Cour,  composi  noutiellement  par  maistre  P*ierre  de  Cognieres 
resuscitd,  jadis  aduocat  en  la  cour  de  Parlement  ä  Paris  .  .  .  •' 
(Paris  1561)''')  gibt  nicht  blos  derselben  Hoffnung  zuversichtlichen 
Ausdruck  in  den  an  den  jungen  König  gerichteten  Zeilen,  sondern  wendet 
sich  auch  an  die  anderen,  der  hugenottischen  Sache  freund- und  feindlichen 
Persönlichkeiten  des  Hofes.  Antoine  de  Bourbon,  den  König  von 
Navarra,  den  Prinzen  von  Conde,   den  er  zu  seiner  Freilassung  aus 


••')   Laboureur,  Add.  I.  S.  399. 

''^)  in:  Mems  de  Conde  II,  S.  222.  Ebenso  eine  längere  Dichtung, 
welche  der  „Papimanie  de  France."  M.  D.  L  XVII.  angefügt  ist.  Eine  An- 
spielung darauf  enthält  Antoine  Du  Piain,  „De  Vassislance  que  dieu  a  fatcte  ii 
son  t'glise  de  Lyon"  ].^62,  Vers  38: 

„Ce  Roy  ra  chasser  1' Idole 

,,Plaiti  de  dole 

„Cognoissant  un  tel  Jorfait: 

„Selon  la  vertu  Roi/ale, 

..Et  lot/ale.1 

„Coiime  Ji'sias  <t  fnif.  (Bordier  S.  239.  231.  Reo. 
XIII.  S.  338);  vgl.  auch  Forneron.  Les  ducs  de  Guise  et  leur  cpoque  I  (1877) 
S.  354. 

•»)  Ms.  22565,  f.  59— r.l.Bibl.  Nat.  L  i^bss  und  Fonds  Fontanieu,  299. 
f.  68 — 75  (=  nouv.  acq.  7719).  Abdruck  auch  in  den  Mems  de  Conde  IT, 
S.  657  ff.  —  vgl.  ferner  das  Urteil  von  Lelong,  ßibliotheque  histor  de  la  France. 
II.  S.  237,  nr.  17801 :  „le  PasquU  ou  cetle  SaUjre  des  prtncipanr  de  la  Cour  de 
Charles:  IX  en  ringt  Qnalrains,  ncst  pas  mal  fake  pour  le  temps.^' 


Beiträge  zur  Geschichte  der  polit.  Literatur  Frankreichs.        319 

der  Gefangen  Schaft  der  Guiseii  beglückwünscht,  die  Königin-Mutter, 
deren  Trost  und  Verdienst  in  ihrem  Kinderreichtum  besteht,  den 
Prinzen  von  Navarra  (den  nachmaligen  Heinrich  IV.)  und  den  Conne- 
table  Montmorency  redet  der  Verfasser  in  wohlmeinenden  und  lobenden 
Worten  an.  Von  den  Feinden  der  hugenottischen  Sache  dagegen 
entrollt  er  eine  ganze  Reihe  satirischer  Porträts,  namentlicli  von  dem 
Papst,  den  er  das  Ende  seiner  weltlichen  Herrlichkeit  voraussagen 
läßt,  von  dem  Kardinal  von  Lothringen,  diesem  „Lucifer,  aitache 
au  firmament  du  royaume  mondain",  der  spöttisch  an  seine  ver- 
blichene Herrlichkeit  erinnert  wird.  In  scharfen  Worten  dringt  er 
auf  den  Kardinal  von  Guisc  ein: 

„Qui  autre  soin  na  qua  i'einplir  sa  pance, 
,.,Qui  ä  vertu  ei  soji  Dieu  poiiit  ne  pens<\ 
„Je  dy  qiCil  est  wie  beste  masqiiie, 
„Qui  plus  Haltend  que  d'estre  sußoquee". 

Der  „Monsieur  de  Guyse"  wird  in  ähnlicher  Spraclie  angeredet: 
„F(Si(  questranger  tu  es  de  ce  Royaume, 
„Que  tardes-tu  de  serrer  ton  bagagef 
„Et  que  soudain  faces  place  ä   Vendosme  (=  Navarra). 
„Que  tu  voidois  detenir  (Druck:  dSlivrer)  en  ostage''. 
Der  Hoffnung  der  Hugenotten  auf  das  Haus  Bourbon  und  ihres 
Hasses  gegen  das  Geschlecht  der  Guisen  wird  in  zwei  weiteren  Quatrains 
noch  besonders  gedacht. 

Eine  scharfe  Apostrophe  au  die  Mönche  („A  tous  les  Moines'-'-) 
beschließt  das  Pasquil: 

..^Mal-heur  siir  vous,  povres  maladvisez; 
,,Mal-heur  sur  vous,  Antechrists  desguisez, 
„Puisque  voyez  ce  que  ne  vouliez  veoir, 
„Et  que  chacun  dhire  de  scavoir^'. 
Der    jähe  Umschwung   in  der  Macht  der  Guisen,    welchen  der 
Regierungsantritt    Karls  IX.    herbeiführte,    gibt    den    kalvinistischen 
Sängern  noch  wiederholt  Gelegenheit  zum  Spott  ab.    Mit  unverhohlener 
Schadenfreude  sehen  die  kalvinistischen  Spötter  die  verhaßten  Guisen 
vom  Hofe  abziehen  und  geben  sich  dem  Jubel  über  die  durch  ihren 
Sturz  herbeigeführte  Veränderung  hin: 

„  Or  do7ic,  esprits  de  droite  nature, 
„Ja  ne  craignez  de  chanter  la  droiture. 
„De  vostre  Dieu:  Faites  quen  toutes  parts 
,,Soit  son  renorn  et  sa.  grandeur  espars. 
„Le  temps  n'est  plus  qu^in  rcuge  enluminc 
„Guidoit  les  pas  d'un  jeune  couronnS'' ^^). 


^f*)  „Echo,  sur  Vadieti  du  Card,  de  Loi:"  in:  Cantiqve  spirituel  et  consolatif 
ä  Monseigneur  le  Prince  de  Conde,  auec  Un  Echo,  sm-  Vadieu  du  Card,  de  Lor. 
Plus   la   decUnation   des  Papes,    Contrepronostication  a  celle  de  Nostradamus.     ReiQlS 

M.  D.  LXI.    (Coli,  de  Fontanieu.    299  =  nouY.  acq.  7719,f.  76    80v.). 


320  Kurt  Glaser. 

Bald  ruft  man  ihuen  liöhniscb  die  Walirlieit  der  Worte  det^ 
Magüiticat:  Fecit  potentiain  in  hracJdo  sao  et  deposuit  potentes 
de  sede  etc.  im  Sonett  nach  und  dankt  Gott,  der  durch  den  Sturz 
der  verhaßten  Machthaber  Grosses  gewirkt  hat^^);  bald  erinnert  man 
die  Guisen  spöttisch  an  die  ihnen  von  kalvinistischcr  Seite  schon  so 
oft  vergeblich  vorgehaltenen  Warnungen: 

„Tu  as.  cardindl  rnaudit, 
„Par  ta  sondaiue  rwjne, 
..De  la  puissance  divine 
„TJeffect  quon  favoit  predit. 
y^Pour  tout  ce  qiion  fen  a  dit, 
„  Tu  n'as  point  change  de  mine; 
,,Ores  que  Diexi  t'extermine. 
„Moque  toy  dß  son  edit  etc.^-J. 
Die  von  den  Kalvinisten   an  den  Sturz  der  Guisen  geknüpften 
Hoffnungen  waren  indessen  nur  zu  bald  von  bitteren  Enttäuschungen 
begleitet,  welche  den  Jubel  im  kalvinistischen  Lager  verstummen  ließen 
und  den  aus  der  Unzufriedenheit  hervorsprudelnden  Spott  der  kalvi- 
nistischen Sänger  über  Personen  und  Vorgänge  des  öffentlichen  Lebens 
auf  Neue  entfachten.    Das  IJeligionsgespräch  von  Poissy,  welches  mit 
großen  Erwartungen   eröffnet   wurde,  aber  schließlich  nach  endlosen 
Disputationen  kläglich  scheiterte,  bot  den  mißvergnügten  hugenottischen 
Spöttern    ein    geeignetes  Thema,    welches    sie    ihren  Haß    gegen    die 
Guisen  für  den  Augenblick  vergessen  ließ. 

Während  sich  ein  Huitain,  welches  Le  Laboureur  in  seinen 
Additions  aux  Mem.  de  Castelnau  I.  S.  738  überliefert  hat,^^)  darauf 
beschränkt,  in  kurzer  und  derber  Fassung  auf  die  beiderseits  beteiligt 
gewesenen  Theologen  und  ihre  Bestrebungen  anzuspielen,  unterwerfen 
die  y,Siv  Sonnets  de  l'ÄssemhUe  des  Prelats  de  France^  et  des 
Ministres  de  la  Parole  de  Dieu,  temie  ä  Poissy,  Van  löäP'-^^) 
die  Geistlichkeit  der  katholischen  Kirche  und  die  in  dem  Religions- 
gespräch zu  Tage  getretenen  Schäden  ihres  Systems  einer  scharfen 
und  satirischen  Kritik.  Das  1.  Sonett  hält  den  „Fvesques  assem- 
blez   ä  Poissy^    die   heuchlerischen   und   unlauteren  Mittel  (artifices) 

81)  Ms.  10;J04,f.  24. 

82)  Ms.  22560,  f.  17. 

*')  auch  in  dem  Mems  de  Condd  I.  S.  ö4  und  II.  S.  504: 
..Messieurs  de    Valence  et  de  Seez 
„Ont  mis  h-x  papistes  au.v  ceps, 
„Salif/nar,  Bonf edler,  Despeme, 
„Pour  sercir  Dieu  qiiittent  la  panre. 
„Mariorat,  de   Beze,  MarUp- 
„Font  mourir  Je  pape  mrirtip; 
„SauJ,  Merlin.  Saint- Pol,  Spina 

^Soiit  marris  '/ii'encore  pis  n'a."     Vgl.    ferner    Le    Roux 
de  Lincy  II.  S.  237.  2a8  und  France  prot.  « V.  S.  300,  Anm,  3  (Art.  Des  Gallars). 
5-»)  in:  MMs  de  Conde  II.  S.  515—519. 


Beiträge  zur   Gcscldclde  der  polii.  Liieratur  Frankreichs.         ol'I 

vor  Augen,  durch  die  sie  sich  in  schamloser  Weise  mit  den  Gütern 
und  Besitzungen  dieser  Welt  bereichert  haben  und  sich  mehr  Königen 
als  dem  Himmelreich  zu  nähern  suchen.  In  dem  2.  „Sonnet",  der 
,  Confession  de  plusieurs  des  prelais  assemhlez  ä  Poissy,  lorsque 
les  Ministres  de  la  Parole  de  Dien  se  'prcsenierent  pour  disputer 
contre  eux"^  spricht  sich  in  der  Form  eines  den  katholischen  Prelaten 
in  den  Mund  gelegten  Bekenntnisses  der  Kleinmut  der  kathohschen 
Geistlichkeit  aus,  mit  allem  Aufwand  weltlichen  Prunks  und  weltlicher 
Neigungen  dem  auf  die  Bibel  gegründeten  Glauben  der  Bekenner  der 
neuen  Lehre  nicht  widerstehen  zu  können,  ^'^j  Das  3.  „Sonnet"  f„X>e 
la  dispute  d'entre  les  prelats  papistes  assemblez  ä  Poissy,  et  des 
Ministres  de  la  Parole  de  DieW)  stellt  den  Hochmut  und  die 
Unwissenheit  der  Katholiken  dem  auf  wahre  Gottesliebc  gegründeten 
Wissen  der  Bekenner  der  neuen  Lehre  gegenüber  und  gelangt  zu  de;- 
an  die  mutigen  Bekenner  des  neuen  Glaubens  gerichteten  scherzhaften 
Aulforderung: 

„Cessez  ö   Chevaliers  des  sacrez  Evangilles, 

.,D' attacquer  nös  Prelats  et  leiirs  troitjyes  servilles, 

„Esprouvez  auire  pari  vostre  divin  bon-hevr: 

„  Car  s'ils  deineurent  courts,  ils  diront  par  ordrage 

„Que  Cennemi  vaincu  avec  tel  advantage, 

,,En  pei'da7it  le  combat,  ve  perd  point  son  honneiir.'' 

Die  beiden  folgenden  Sonette  wenden  sich  an  die  Königin -Mutter 
sowie  an  den  König  und  die  Königin  von  Navarra  mit  der  Aufforde- 
rung, die  Gelegenheit  zu  benutzen  und  ra'^cli  die  Idolatrie  und  ihre 
Diener, 

ces  pipenrs  cagots, 

„Que  s'engressoyent  eCabiis  ä  l'ornbre  des  fagots, 
..,Souillans  thoimeur  de  JJieu  de  farces  et  de  feintes„ 
aus  dem  Lande  zu  jagen.  Das  Schlußsonett  greift  nochmals  au 
das  eigentliche  Thenia  des  Colloque  von  Poissy  zurück,  um  in  satirischr 
spitzfindiger,  für  die  katholische  Geistlichkeit  nichts  weniger  als 
schmeichelhafter  Weise  die  Frage  zu  erörtern,  ,,pour  quelle  raison 
les  prelats  niereni  seulenient  ce  qui  avoit  este  dit  par  M.  De  Besze., 
sans  vouloir  disputer  par  la  S.  Escriptrire."" 


^■>)   vgl.    dazu    Ronsards  Entgegnung    in   der  „Responce   de  Pierre   d 

Rimsard    anx    iiijure.<    et    cnlomnies    de  je  ne  scay  quels  predlcantereaux  etc,  ceuvres 

cd.  Bianchemain  VII.  S.  118:  ' 

..'J'ii  (lis  (jiie  des  JW.Ia/.i  la  troupe  docie  et  saincle' 
,.Au  colloi/ue  11  Poissy  tre.mhia  f.oute  de  crainfe. 
..  Voipint  las  predicans  contre  eile  s'asseinhler? 
,,Jc  In  rtf  disjmt.er^  et  ne  la  i'y  tremhler, 
„Fernie  comine  un  rocher  qui  Jamals  pour  ourrai/e 
„Soit  de  </resle  oit  de  vent  ne  bou<je  du  rirage, 
-Assenre  de  son  poids;  ainsi  saus   s'eshranler  ; 

..Je  ri/  constantemenf  cesie  troupe  parier.  etC. 
Ztschr.  f.  fi-z.  Ppr.  \i.  Litt.  XXXII'.  21 


■{22  Kurt   Glaser. 

In  den  „Sonnets"  und  mehr  noch  in  der  ihnen  im  Druck  der 
Menioires  de  Condc  anfjefügtcn  ^Response  anx  Pasquins  tirez  de 
la  S.  Escriptuj'e,  et  destonrnez  de  lenr  vray  sens  par  une  Nonahi 
de  Poissy^  en  faveur  des  Prelais  de  France'''  klingt  noch  etwas 
nach  von  dem  gelehrten  Ton,  welchen  die  Wortführer  der  religiösen 
Meinungen  in  ihren  langatmigen  Disputationen  angeschlagen  hatten. 
Die  Dichtung  ist  eine  Antwort  auf  die  weitschweifige  und  übertriebene 
Lobrederei,  mit  welcher  Anne  De-Marquet>,  die  „nonne  de  Poissy" 
das  Religionsgesprnch  von  Poissy  als  Meisterwerk  des  Kardinals 
gefeiert  hatte.*''')  Von  dem  nämlichen  Zuge  gelehrter  Umständlichkeit 
ist  trotz  aller  satirischer  Kraft  auch  eine  andere  Dichtung  auf  das 
Religionsgespräch  von  Poissy  nicht  frei,  welche  aus  katholischem 
Lager  hervorgepangen  ist;  es  ist  das  die  „Chanson  satyrique  sur 
le  coUoque  de  Poissy'-'',  von  Lancelot  Charles,  dem  Bischof  von  Riez. 
fortgesetzt  von  Ronsard  und  Baif.^'^)  Die  „Chanson'-'  schlägt  mit 
behaglicher  Breite  ein  von  Gemeinplätzen  durchsetztes  Lob  weltlicher 
lind  göttlicher  Liebe  an,  indem  sie  aus  den  Kirchenvätern  und 
namentlich  aus  den  Schriften  und  Reden  der  Theologen  der  zu  Poissy 
streitenden  religiösen  Parteien  eine  ganze  Reihe  auf  die  Liebe 
bezüglicher,  inhaltlich  möglichst  beziehungsloser  und  in  ihrer 
Aneinanderreihung  komisch  wirkender  Äußerungen  herausgreift,  um 
auf  diesem  etwas  umständlichen  Wege  die  Liebe  zu  der  von  den 
Bekennern  der  neuen  Lehre  in  den  Mittelpunkt  ihrer  Behauptungen 
gestellten  Bibel  zu  verspotten. 

Auch  die  politische  Prosaschriftstellerei  der  Hugenotten,  welche 
das  Gewaltregiment  der  Guisen  hervorgerufen  hatte,  kommt  mit  der 
durch  den  Tod  von  Franz  II.  herbeigeführten  Wandlung  in  der  Re- 
gierung Frankreichs  nicht  zur  Ruhe,  Während  die  Dichtung,  von« 
politischer  Leidenschaft  erfüllt,  unentwegt  fortfährt,  die  Guisen  mit 
Spott  und  Hass  zu  verfolgen,  dringt  auch  in  der  Pi-osaschrüftstellerei 
nnter  der  neuen  Ri^gierung  Karls  IX.  eine  kräftigere  Sprache  durch, 
insofern  sich  nunmehr  die  Hervorhebung  des  religiösen  Standpunktes  der 
kalvinistischen  Partei,  welchen  die  unter  dem  Eindrucke  des  Miß- 
erfolges von  Amboise  entstandenen  Schriften  noch  vorsichtig  geleugnet,  in 
der  politischen  Schriftstellerei  offen  geltend  zu  machen  beginnt.   Mit  der 

*^)  „SoBe/s,  prieres  et  devises  en  forme  de  paaqtiiu.'f^potir  l'asserublea  de  Messieurs 
les  prelats  et  docteurs,  tenue  ä  Poissy.  M.  [X  LXI.  A  Paris,  Chez  la  vfufue  Gull. 
Morel.  M.  D.  LXVI"  Bibl.  Nat.  Inv.  Res.  Ye  4,  351).  Der  Widmungsbrief  an 
den  Kardinal  von  Lothringen  ist  unterzeichnet:  .,De  Poissy,  ce  XIII  iour 
d'Aoust.  M.  D.  LXII.  Anne  De-Marquets'".  —  In  Protestant.  Sinne  gehalten 
sind  auch  „Les  Actes  de  Foissy.,  mis  en  ryme  f'rancoyse  par  Tarander.  Plus  trois 
cantiques,  donl  le  premier  est  au  novi  des  Fidelh'S  de  la  France.,  les  deux  derniers, 
sont  f'nitz    an    nom  d'un  Prince   Chrcstiin.,  estant  en  affliction.''   S.   1.   S.   d.  Bibl.  Nat. 

Inv.  Res.  Ye  4,  880. 

8-)  Ms.  I2fil6,  f.  115-119;  22560,  f.  173—174:  22561,  t.  86— 89;  auch 
bei  Le  Roux  de  Lincy  II.  S  262-265;  z.  T.  lerner  in  den  Werken  Ronsards, 
ed.  Blanchemain,  VIII.  S.  133—135. 


Beiträae  zur   Gescinclite  der  polit.  Literatur  Frankreichs.        323 

Hereinziehung  der  religiösen  Meinungsverschiedenheiten  in  den  Dienst 
der  in  immer  wachsendem  Maße  von  weltlichen  Elementen  durch- 
setzten Literatur,  kommt  der  Gegensatz  zwischen  der  katholischen 
und  kalvinistischen  Parteisache  zu  stets  vollerer  Entfaltung  und  klarerer 
Ausprägung.  Die  abweichende  religiöse  Stellungnahme  beider  Parteien 
Jiatte  in  der  bisher  erschienenen  Literatur  der  neuen  Lehre  nur  in 
Traktaten  theologischen  Inhalts  und  in  Dichtungen  reli^nösen  Stils, 
also  ausschließlich  in  seiner  religiösen  Natur,  Ausdruck  gefunden. 
Zwar  hatten  bereits  auf  dem  Tage  von  Fontainebleau  die  Anhänger 
<Ier  kalvinistischen  Lehre  durch  Vermittlung  Colignys  vor  dem  jungen 
König  Franz  und  der  Königin-Mutter  in  einer  Bekenntnisschrift,  den 
„Deux  Requestes  de  la  pari  des  Fideles  de  France"  ^^)  ein  frei- 
mütiges Geständnis  abgelegt,  in  welchem  sie  auch  politische  Momente 
streiften,  indem  sie  sich  mit  großer  Entschiedenheit  gegen  den  Vor- 
wurf aufrührerischer  Gesinnungen  verwahrten  und  sich  zum  Beweis 
ihrer  aufrichtigen  Untertanentreue  sogar  zu  Mehrleistungen  an  den 
König  bereit  erklärten,  faRs  er  ihnen  Kirchen  einräumen  wolle ^9);  aber 
erst  unter  dem  toleranten  Regiment  de  L"Hospitals  getraute  sich  das 
Geständnis  religiöser  Sonderstellung  im  Znsammenhang  mit  der  po- 
litischen Parteinahme  der  Bekennerschaft  des  neuen  Glaubens  auch 
in  den  Flugschriften  der  Hugenotten  allgemein  hervor.  Der  Ausdruck 
welchen  der  religiöse  Standpunkt  in  der  hugenottischen  Schriftstellerei 
tindet,  ist  dem  Charakter  und  Ziel  einer  für  die  öffentliche  Meinung 
bestimmten  streitbaren  Literaturgattuug  angepaßt.  Weit  entfernt  da- 
von, sich  auf  theologische  Erörterungen  über  das  Wesen  des  Unter- 
schiedes beider  Religionsrichtungen  einzulassen,  sucht  man  den  Unter- 
schied in  seiner  Bedeutung  für  die  politische  Parteistellung  und  in 
dem  Gegensatz  gegen  die  Kirche  und  ihre  Diener  zu  fassen,  über 
welche  die  redseligen  hugenottischen  Schriftsteller  mit  derselben  Kühn- 
lieit  losziehen,  wie  so  viele  ihrer  dichtenden  Glaubensgenossen.  In 
langatmigen,  mit  biblischen  Belegen  gespickten  Ausführungen  ergeht 
sich  die  an  den  König,  die  Königin-Mutter,  den  König  von  Navarra, 
„et  autres  du  Conseit'  gerichtete  ^Complainte  Apologelique  des 
Fglises    de    France,    au    Roij,    Royne-viere^     Ron    de    Navarre, 

8**)  vollständiger  Titel:  .J)evx  JieqmsUs  de  la  pari  des  Fideles  de  France, 
■f/in  desirent  viure  sehn  la  refonnaüon  de  PEuarKjUe.  donnees pour  preseii'er  au  Conue'd 
ienu  (I  Fontainebleau.  au  iiiois  d\-io//st  1360,  au  lici.^-  auch  in  Meins  de  Conde  II. 
.S.  G45— 647  {^Av  Roy")  und  S.  (U7— 648  (,..1  La  Raine.  Mere  Du  lioy^y,  vgl. 
auch  Lelong,  Bibl.  instor.  II.  S.  234,  nr.  177G4.  Vgl.  dazu  Baird,  Ilistory  of 
the  rise  of  the  Hufpienots  of  France.  I.  (1879)  ö   417. 

''^)  „  ■  .  .  U Evauyile  duqud  nnus  faisons  prqfession,  nous  enseigiie  toul  le  contraire 
et  me.tmes  nous  ii'avons  point  honte  de  contes.ter  que  nous  n' eiitendlsme.-i  Jamals  si  bien 
*]uel  est  nostre  devoiv  envers  Vastre  Majeste  qu'avons  entendu  par  le  moyen  de  la  saincte 
doctrliie  qui  nous  est  preschee"  (S.  04  j).  .  .  „vivre  sous  vostre  saincte  chanje,  en  paix 
et  tranquiüte.,  ei  vous  rendant  alaiyrement  taut  ce  que  les  sublecis  doi/vent  ä  leiir 
.louverain  Seitjneur.  et  mesmes  si  mestier  estoit  ne  refuserions  de  payer  de  plus  (jrands 
Tribijts.1  pour  faire  cognoislre  a  Vostre  Majeste  que  c^est  h  grand''  tort  qn\>n  nous- 
aceuse  de  nons  vouloir  exempter  des  char/jes  qtiil  vous  piaist  nous  im.poser'-  (S.  (i46.  G47). 

21* 


324  Kurt    Gloser. 

et  autres  du  i'onscU",  ])ar  J.  des  llaycs  ilößl)""^)  in  harten  Klagen 
über  die  Geistlichkeit,  ..Papes,  Ca.rdinaux,  Evcsijues.  Moines^ 
Prestres,  Vicairesj  Of/iciaux,  et  ßniclhdcrz  .  .  :  lesquels  pour 
s'approprier  la  vigne  thi  Seigneur,  ont  tue  ses  aerviteurs  et  so)i 
propra  Pils:  et  conünuent  tous  les  jours  d  meurtrir  les  Seciateurs- 
de  soll  Kvangüe,  inonstrant  par  tels  aotes  <pj'ih  sont  les  vrais 
ennemis  de  la  Parole  de  Dieu  et  de  nous,  qui  ne  demandons  que 
vivre  selon  icelle  .  .  "'.  Ihrem  Haß  gegen  die  Vertreter  der  Kirche 
macht  die  ..,Coiiiplainte"  in  der  an  Hand  der  Zeugnisse  der  Heiligen 
Schrift  durchgeführten  Ycrgleichung  der  katholischen  Geistlichen  mit 
den  Schriftgelehrten  und  Pharisäern  Luft,  um  mit  die.>or  für  die  ka- 
tholische Geistlichkeit  wenig  schmeichelhaften  Zusanmienstellung  den 
Nachweis  einzuleiten,  daß  die  Geistlichen  von  den  ältesten  Zeiten  die 
Feinde  Gottes  und  seines  Wortes  gewesen  und  bis  zur  Gegenwart 
geblieben  sind.  Der  redselige  und  in  der  Heiligen  Schrift  wohl  be- 
wanderte Verfasser  ist  nicht  in  Verlegenheit,  seine  Anklagen  gegen 
die  Geistlichkeit  und  Kirche  seiner  Zeit  mit  biblischen  Belegen  zu 
decken.  In  unermüdlicher  Dialektik  und  eindringlicher  Sprache  wird 
dem  König  ein  langes  Sündenregister  der  katholischen  Geistlichkeit 
vorgehalten,  in  welchem  der  A'orwurf  ruhestörender  Umtriebe  und 
Gewalttätigkeiten  immer  und  immer  wiederkehrt.  Der  Gegensatz 
zwischen  den  Dekennern  der  neuen  Religion  und  den  Anhängern  des 
alten  Glaubens  wird  in  der  Verschiedenheit  der  Haltung  beider 
Parteien  in  politischer  Beziehung  noch  schärfer  gefaßt,  und  dem  die 
kirchliche  und  staatliche  Buhe  bedrohenden  Gcbahren  der  Katholiken 
die  künigstreue  und  friedliche  Gesinnung  der  Hugenotten  mit  Nach- 
druck gegenübergestellt. 

Den  Avahren  Ursachen  der  im  Lande  lierrschenden  Unruhen, 
„(ie.svyne/.s  tixudtles  pliisieurs  sont  spectateurs  comme  d.'uiie  Tragedie". 
nachzuspüren,  hat  eine  „Apologie  contre  certaines  calomnies  niise& 
sus  ä  la  desfaueur  et  desaduantage  de  VEstat  des  ajfaires  de  ce 
Roiaume"  (in:  Mems  de  Conde  U.  S.  579  —  600)  unteriiommeu, 
welche,  wie  aus  der  Schrift  selbst  hervorgeht,  kurz  vor  der  von  dem 
König  im  Januar  1561  zu  St.  Germain  en  Laye  zwecks  Feststellung 
des  sog.  Januaredikts  abgehaltenen  Beratung  entstanden  ist.  An  Hand 
eines  historischen  Rückblickes  über  die  jüngsten  Ereignisse  der  fran- 
zösischen Geschichte  führt  der  Verfasser  den  Nachweis,  daß  die  im 
Laude  herrschenden  Unruhen  nicht  erst  durch  die  religiöse  Spaltung 
hervorgerufen  worden  sind  und  der  Anhängerschaft  der  Reformation 
nicht  zugeschrieben  werden  können.  Der  Eifer,  mit  welchem  die 
kalvinistische  Partei  um  Recht  und  Wahrheit  kämpft,  spricht  aus 
allen  Zeilen  r.nd  läßt  den  Verfasser  dem  Glaubens-  und  Opfermut 
seiner  Partei  und  der  Unmöglichkeit,  die  neue  Lehre  auf  irgend  eine 

3")  in:  M^ms  de  Condc  II.  S.  2S8-?.19;  vgl:  auch  Leiong,  Bibl.  hl^t.. 
II.  S.  2:58,  nr.  17S2(;. 


Beiträge  zur   Geschichte  der  polit.  Literatur  Frauhreich.s.         ;)25 

Weise,  sei  es  selbst  auf  gewaltsamem  Wege,  ausrotten  zu  künnen,  mit 
•einer  Entschiedenheit  Ausdruck  geben,  welche  über  das  erstarkende  Partei- 
bewußtsein der  Belcennerschaft  des  neuen  Glaubens  keinen  Zweifel 
meh;-  läßt. 

Der  Eifer  für  die  als  sell)?tändige  Parteiangelegcnheit  erfaßte 
luigenottische  Sache  veranlaßt  eine  andere,  „Eemontrance  en  forme 
de  requeste,  ä  la  Royne-Mcre  dxi  Roy,  et  au  Roy  de  iSavarre'-' 
■{Mems  de  Conde  IL  S.  424 — 433)  betitelte,  indessen  mehr  an  die 
Königin-Mutter  als  an  den  König  von  Navarra^')  gerichtete  Schrift, 
mit  der  in  den  theologischen  Traktaten  genugsam  erörterten  JJekärapfung 
der  katholischen  Kiichenlchrc  den  Angriff  auf  das  von  der  Kirche 
4)etriebene  Ausbeutungssystem  und  die  Herrsclibestrcbungen  der  Geist- 
lichkeit zu  verbinden  und  daran  die  in  klaren  Worten  ausgesprochene, 
an  die  Königin-Mutter  gerichtete  Aufforderung  zu  knüpfen,  die  ihr 
von  Gott  anvertraute  Obhut  über  den  jugendlichen  König  in  einer 
Gott  wohlgefälligen  und  dem  Reiche,  d.  h.  im  Grunde  der  kaivini- 
stischen  Sache  dienlichen  Weise  auszuüben  und  durch  die  Beseitigung 
der  in  der  Icatholischen  Lehre  und  Kirche  herrschenden  Mißstände 
den  Frieden  der  Iicligionsparteien  und  die  Wohlfahrt  des  Reiches 
.zu  sichern. 

Dieselbe  Mahnung  richtet,  wenngleich  in  matterer  und  in 
biblisch  gehaltenerer  Fassung  eine  etwas  kürzere  ,^Removstrance  aux 
Princes  du  Saug,  touchant  les  affaires  de  nostre  temps'-'  (imprime 
nouuellement.  1561  in  8;  in  Mems  de  Conde  IL  S,  215  ff.),  welche 
den  Prinzen  von  Geblüt  angesichts  der  im  Lande  herrschenden  ver- 
wirrten Verhältnisse  die  ihnen  von  Gott  gewordenen  Pflichten  ihrer 
hohen  Würde  ins  Gedächtiu-  ruft  und  sie  namentlich  an  die  wich- 
tigsten aller  Pflichten  erinnert,  die  Ausbreitung  der  wahren  Religion 
zu  fördern  und  dem  jungen  König  zum  Heil  von  Christenheit  und 
Land  eine  fromme  Erziehung  zu  teil  werden  zu  lassen,  „gu'estant 
vestn  non  seulement  d'habits  Royaiuv;  mais  aussi  de  sagesse  et 
crainte  de  Dien,  les  suhjects  en  sentent  allegeance,  'paix  et  consolatioit : 
et  luy  ä  la  fin,  [nässe  apres  cesie  vie,  ayant  hien  mainte/in  le  vray 
Service  de  Dieu,  passer  en  la  vie  ('temelle-   (S.  218). 

Selbst  in  Schriften  durchaus  frommen  und  belehrenden  Charakters, 
wie  der  „Exliortation  Chrestienne  au  Roy  de  France  Charles  neufiesme 
(u  Vadvenement  de  sa  Coxironne''  156Ü  in-S*^;  auch  in  Mems  de 
Conde  IL  S.  222 — 266),  welche  sich  in  dem  von  ihrem  anonym  ge- 
bliebenen Verfasser  an  die  Königin-Mutter  gerichteten  Widmungsbrief 
als  eine  Art  biblisches  Erziehungs-  und  Belehrungsbucli  für  den  jungen 
König  ausgibt,  drinut  inmitten  der  langatmigen  Ausführungen,  welche 


^V)  an  den  Navarra  allein  wendet  sich  im  besonderen  noch  die  „Eimim 

liHcoijee  au  roy  de  Navarre  pur  'es  ministres  et  f(jlise  Asseinblde  cu  nom  de  Jesus  -  Chrtst 

tn  la  vUle  de  Jiouen."  (1561).  Bibl.  Nat.  Lpb^-^  und  Fonds  Fontanieu,  2l>!) 
f.  50-56  sowie  in  den  Mems  de  Conde  IL  S.  325—  3-28.  Vgl.  auch  Ijclong,  BM. 
Msi.  II.  S.  23S,  nr.   17S2S. 


o'26  Kurt   Glaser. 

dem  König  die  Pflichten  eines  cliristliclien  Herrschers  vorhalten,  der 
Ausdruck  der  mit  standhaftem  Märtyi-ermnt  abgegebenen  Versicherung 
durch,  daß  alle  Verfolgungen  der  Kalvinisten  nutzlos  bleiben  müßten 
und  auch  die  Furcht  vor  dem  Scheiterhaufen  die  l>ekenner  der  neuen 
Lehre  nicht  einschüchtern  könne  "2j 

Seinen  deutlichsten  Ausdruck  findet  der  Zusammenfluß  politisclier 
und  religiöser  Momente  in  einer  an  die  Königin -Mutter  gerichteten 
Schrift,  der  „Maniere  d'appaiser  les  troubles  qui  sont  maintenant 
en  France,  et  pourront  estre  ci- apres.  A  la  Roine  Mere  du  Roy'-'' 
(1561). ^3)  welche  in  freimütiger  und  kühner  Sprache  nicht  bloß  die 
in  Kirche  und  Staat  bestehenden  Schäden  aufdeckt  und  sicli  in 
kräftiger,  wenngleich,  wie  schon  Lelong,  Bibi.  liist.  II.  S.  234,  nr. 
17770  liervorhebt,  nicht  maßloser  Polemik  ergeht,  sondern  zugleich 
auch  zum  ersten  Mal  beachtenswerte  Ratschläge  für  die  Abstellung 
jener  Mißstände  beibringt.  Schon  die  klare  Scheidung,  mit  welcher 
der  leider  anonym  gebliebene  Verfasser  gleich  im  Eingang  seiner 
Schrift  die  Übel  seiner  Zeit  in  solche,  welche  die  Religion  [,.,Service 
spirituel  de  Dieu""  und  ,.,ReligioiV')  und  solche,  welche  den  Staat 
(„/a  Police  civile'')  betreffen,  zerlegt,  berührt  angenehm  gegenüber 
der  geringen  Klarheit,  mit  v» elcher  sich  die  kalvinistische  Publizistik 
bisher  gerade  in  dieser  Frage  auszusprechen  pflegte.  An  Kunst  der 
Dialektik  und  an  Schärfe  der  Polemik  steht  unser  Verfasser  weit 
über  seinen  schreibenden  Parteigenossen,  und  nie  wieder  ist  seit  der 
verwegenen  Invektive  de^i  ..,T{cfre"-  eine  so  kräftige  Sprache  der  Polemik 
geführt  worden;  lange  nicht  mehr  hatte  die  Herschsucht  der  Kirche 
eine  so  derbe  Zurechtweisung  erfahren  als  in  den  Worten:    .,  .  .  .  le 


^-)  „Et  nc  devez  doitter,  ne  craindre  de  chanr/er  la  Doctrine  fausse  et  diahoJique 
II  Ja  vraije  et  dwine,  larjitelle  Ic  Seüjneur  par  sa  misericorde,  a  de'puis  quelque  icmps 
restüuee  par  le  ministre  de  ses  JidiJes  servitenrs:  combien  t/ue  tout  le  vionde  se  soit 
handii  contre  eile,  taschant  Vopprimer  et  estreindre  par  emprisonnemcns,  tortures,  con- 
nscations  de  biens,  bannissemens,  Jettz,  et  tonte  sorte  de  tourmens:  mais  riayant  en 
la  parfin  fjaujnc  aufre  chose,  sinon  rjue  par  ce  mnyen  ils  Iwj  ont  acquis  un  tel  nc- 
croissement,  quil  nest  maintenant  possible  d' arrester  soii  coiirs:  non  plus  que  de 
qarder  une  riviere  desbord^e.  de  rompre  et  passer  par  dessus  toi/tes  les  levces 
et  chaussees.  Ce  qui.  peut  assez  servir  de  preuve  siifjisaiüe,  que  ceste  iJoctrtne 
est  la  seule  que  Dien  approui-e,  et  par  laquelle  il  veut,  mnugrd  Satan  et  tous  ses 
ministres  de  mensomje,  que  Jesus- Christ  son  Fils  r^gne  en  ccs  derniers  ttmps.  es 
r.fcnrs  de  r.r'>ix  qn^il  a  eslens  en  icehri/,  devant  la  Jondation  du  monde:  de  manicre 
qiLc.  facent  les  persecnteurs  et  tyrans  du  pis  que  pourront,  si  est-re  qn  ils  tte  pronteront 
rien,  sinon  d'irriter  et  provoquer  Vire  de  Dien  qui  condnit  cest  aurre  a  Vencontre.  .  .'^ 
(jS.  245.  240).  ,^.  .  .  Sirc,  si  vnus  et  costre  Conseil  ne  roulez  enfendrc  ii  une  totale 
et  generale  i-eformation  de  VEißise.,  on  si  pour  le  moins,  ne  leur  permettez  quelqne 
Temple  ou  publiqaement  ils  pui^.^ent  serrir  ii  Dieu,  toutes  vos  prohibitions  et  de- 
fenses,  toutes  ros  conti scations.  voire  tous  vos  feuz,  ne  pourront  einpescher  Vesprit  de 
Dieu,  quil  ne  les  induise  it  s^assembler  ii  tout  le  moins  en  leurs  chambres, 
poiir  invoquer  Dien,  pour  onir  sa  Parole,  et  pour  participer  it  ses  Sairwts 
Saaemens  ..."  (S.  "258). 

''^)  in:  Mems  de  Conde  I.  S.  .'iSi  -G19.  —  vgl.  auch  Lplong,  Bit»], 
bist.  II.  S.  '238,  nr.  1781.5.  Die  Schrift  ist  bei  Lelong  auch  S.  234,  nr.  17770 
genannt  und  kurz  analysiert. 


Beitröge  zur   Geschichte  der  polit.  Literatur  Frankreichs.         327 

Pape  et  les  siens.  <jui  prenvent  de  heaux  noms  pour  faire  taut  le 
contraire  de  ce  quHls  signijient.  lls  se  diront  Serviteurs  des 
«erviteurs,  pour  maidriser  et  dominer  sur  tout  le  monde,  voire 
sur  les  Rois  et  Emperenrs :  ils  se  nomment  Evesques  et  Fasieurs, 
pour  estre  lonps  ravissans:  Docteurs,  pour  ne  rien  enseigner,  sinon 
tout  ce  gui  peut  plus  rendre  le  monde  ignorant:  Cardinaux  Diacres, 
pour  estre  les  principaux  jnllards  despauvres:  Fiuahlement  ils  se 
nomment  la  Saincte  Eglise  universelle,  pour  abolir  toute  saine- 
tete  .  .  .  '•  (S.  590).  An  zahlreichen,  den  jüngsten  Ereignissen  in 
Frankreich  entnommenen  Beispielen  zeigt  der  Verfasser,  wie  das  Ein- 
greifen Gottes  zu  Gunsten  der  kalvinistischen  Sache  wiederholt  die 
von  katholischer  Seite  gegen  den  Kalvinismus  gerichteten  Intrigueu 
zu  nichte  gemacht  hat.  Im  Interesse  seiner  Partei  verwahit  er  sich 
gegen  den  Vorwurf  anfiührerischer  Gesinnung  und  bemüht  sich  alle 
Verdächtigungen,  zu  welchen  das  politische  Verhalten  der  Kalviniiten, 
namentlich  der  Tumult  von  Amboi^e,  Anlaß  bieten  könnte,  zu  zer- 
streuen und  mit  den  üblichen  Anklagen  sregen  die  Guisen  und  ihre 
Verleumdungen  zu  beantworten.  „  .  .  .  /e  Cardinal  de  Lorraine 
en  a  fait  courir  ses  Edicts  et  Rhnonstrances  sous  le  Nora  du 
Roy^  duquel  il  ahuse  coustumierement  pour  divulguer  ses  menteries 
et  deslojjautez.  donnant  cntendre  que  tout  cecy  est  procede  d'aucims 
Fredicans  envoyez  de  Geneve,  qui  de  longue  inain  avoyent  fait 
leurs  preqjaratives,  pour  atlirer  ä  leur  Parti  ceux  quils  cognois- 
soyent  les  plus  propres  ä  leur  menie,  et  na  point  honte  de  dire^ 
qu'on  s'estoit  armd  contre  le  Roy.  Or  il  y  a  pour  le  moins  cent 
mille  hommes  en  France  qui  savent  du  contraire.  Le  Regnard 
(d.  h.  der  Kardinal)  n'ignore  pas  que  cestoit  ä  luy-mesme  et  ä  son 
ßrere.,  ä  qui  on  en  voufoit:  parce  que  contre  tout  Droict  et  Cou- 
stume,  et  au  mespris  de  tous  les  Estats  de  France,  ils  se  sont 
saisis  de  la  Personne  du  Roy,  voire  de  tous  les  nerfs  du  Royaume, 
et  par  nur  et  par  terre"  (S.  602).  ..Quoy  qu'il  en  soii,  sil  y  eui 
jamais  entreprise  de  subjects  qui  meritast  louenge  envers  leur 
Prince,  cestoit  ceste-cy.  Car  voyans  leur  jeune  Roy.,  sans  qiiil y 
pensast.,  estre  prisonnier  entre  les  mains  des  iyrans,  au  grarui 
danger  de  perdre  sa  Couronne  et  sa  vie:  ne  faisoyent-ils  pas 
Office  de  loyaux  subjets,  de  s'ejforcer  ä  le  delivrer.,  pour  le  raettrs 
entre  les  rnains  de  ceux  qui  eussent  este  ordonnez  par  les  Estats, 
comme  il  y  en  a  ä  qui  de  Droit  cela  appartient.,  et  desquels  la 
fidelite  est  cogneue?"  (S,  603).  ,.,Voilä,  Madame  pourquoy  ou 
avoit  pris  les  armes:  et  non  pour  le  faict  de  VEcangile  seule- 
ment ..."  (S.  604).  Die  Verleumdungen,  welche  der  Kardinal  gegen 
Genf,  die  Mutterstadt  der  neuen  Lehre,  und  die  von  dort  ausgegan- 
genen Prediger  gesclileudert  hat,  veranlassen  den  Verfasser  zu  einei' 
nachdrücklichen  Rechtfertigung  der  geschmähten  Stadt:  ,,Mais  il 
(d.  h.  der  Kardinal)  a  hien  pejisc  rendre  les  Prcdicans  de  franrc 
odieux,    quand    il    a  dit   quHls    estoyent  envoyez  de  Geneve.     D^' 


358  Kurt   Glaser. 

faief,  les  capliarif  que  luy  et  ses  semblable.-i  ont  a  loage,  ti'eforcent 
tant  qu'ils  petirent  de  rendre  ceste  povre  ViJle  oäieuse^  luy  imposant 
mille  faux  crimes.  comme  ce  sont  instriimens  du  Diable  totis  faitx 
a  cela:  mais  il  faut  qu'ils  s'addressent  aux  ignorans,  s'ils  veulent 
qiion  les  croye.  Car  ceux  qiii  savent  que  s'en  est.,  recognoisscnt 
que  cest  wie  Ville  qui  a  faict  heavcoup  de  Services  au  Roy, 
ipieile  a  tousjours  suyvi  son  Parti,  et  quelle  a  receu  Jminaine- 
vient  ses  gens  allans  et  venans  en  Italie  et  ailleiirs.,  leur  faisant 
anssi  hon  traitemeut  qu'il  estoit  possible.  En  oultre,  il  y  a  en 
France  trente  mille  hommes  pour  le  nioins,  qui  ont  este  /a,  qui 
he  se  peuvent  contenter  de  la  logier:  mais  sont  ravis  en  admiration, 
quand  ils  considerent  le  bov.  ordre  qui  y  est,  tant  au  faict  de  la 
Heligion,  qii'cs  fJioses  poliiiques.  Qui  voyent  une  die  composee 
de  tant  de  Pays  et  diverses  Nations  si  bien  unic,  qu'il  rCy  a  bruit 
sinon  des  marteaux  et  ontils  des  artisans.  L,a  oh  il  n'y  apparoist 
ue  juremens,  ne  blnsphiimes,  ne  paillardise.,  ny  yvrongnerie,  ne 
violence,  ne  noise.  on  eliose  semblable.  que  taut  incontinent  cela 
ne  soit  chastle  et  purgc.  Brej\  quand  il  n'y  auroit  que  les  gens 
de  guerre,  qui  retournans  du  beau  Voyage  que  Monsieur  De  Guise 
fit  d  Naples.^  passerent  par  lü,  ils  tesmoigneront  quil  leur  sembla 
quand  ils  rerenoyent  de  voir  Rome  et  les  abommations  Papales. 
et  qu'ils  entrerent  dans  Genik-e,  qu'ils  sortoyent  d'un  Enfer  pour 
entrer  en  an  petit  Paradis.  Parquoy  celuy  qui  met  le  nom  de 
Geneve^  pour  rendre  les  Pred.icans  de  France  odieux,  il  faut  qiiil 
pense  troucer  des  gens  ou  du  tout  ignorans.  ou  aussi  enncmis  de 
tonte  vertu  comme  il  est.  Au  surplus,  il  n'est  point  sorti  de 
Predicans  de  la  Ville  de  Geneve  pour  aller  aucune  pari,  sans 
quHls  en  fussent  instamment  requis  par  les  povres  Peuples  qui 
estoyent  affamez  de  la  Parolr  de  PHeu,  Si  lä-dessus  on  demande 
pourquoy  les  subjets  du  Roy  rCen.  prenoyent  plustost  en  France 
que  Id:  je  respon,  que  la  cruaute  barbare  dont  on  a  use  en  ce 
Royaurne  contre  tontes  gens  de  vertu  et  de  scavoir,  et  les  mes- 
chancetez  qui  .s'y  commettent.  ont  contraint  les  gens  de  bien  de  se 
retirer  ä  Geneve,  ei  ailleurs.  oi'  ils  pouvoyent  mieux  vivre  en 
Seurete  servard  ä  Dieu"  (S.  604,  605). 

Mit  der  A'eiteicligung  und  Rechtfertigung  der  eigeuen  Sache  und 
dem  Angriö'  auf  den  Gegner  verbindet  die  Schrift  i)Ositive  Vorschläge 
für  eine  Reform  von  Kirche  und  Staat  in  kalvinistischem  Sinne. 
Unter  Berufung  auf  das  altkirchliche  Deisi)iel  wird  als  erste  Maß- 
regel der  Zusammentritt  eines  .^franc  et  libre  Concilc.^  auquel  la 
Parole  de  Dieu  presidast"-  empfohlen.  Mit  Entschiedenheit  geht  die 
Schrift  gegen  die  Mißbräuche  in  der  katholischen  Kirche  und  gegen 
die  Pfründegier  de-  Klerus  vor;  sie  unterbreitet  ausführliche  Maß- 
i'cgeln  gegen  die  Ausnutzung  und  Ausbeutung  des  Kirchenguts  durch 
die  Geistlichkeit  (S.  611,  612)  und  schlagt  vor,  daß  man  das  über- 
schüssige Gut  verteilen  soll  an  die  gens  de  vertu,  ou  qui  auroyent 


Beiträrje  zur   Geschichte  <hr  polit.  Liieratur  FrankreicJis.        32'.) 

j'aii  Service  a  la  Repuhlique,  ou  desquels  on  imroit  honne,  espe- 
rance.  Comme  il  y  a  tant  dhonnestes  Gentils-hommes  et  soldats, 
<jui  ont  fait  beaucoup  de  Services  au  Roy,  et  nen  ont  eu  grande 
röcompense.  11  y  a  aiissi  d'honnestes  gens  de  Justice,  qui  ont 
hii'n  fait  leiLV  devoir,  et  ne  se  sont  point  enrichis  ä  cause  de  leur 
integrite:  dfaiitres  qiii  ont  fait  particulierement  service  ä  la  Per- 
sonne du  Roy,  ou  de  Messieurs  ses  Freres.  ou  ä  la  vostre,  Ma- 
dame. Ainsi  que  le  Roy  se  monstrast  liberal  envers  telles  gens: 
en  condition  toutesfois  cC entretenir  tant  de  Gens  de  cheval  ou  de 
pied  qiiil  seroit  avise,  tousjours  prests  pour  son  service,  ou  de 
■fe  tenir  en  tel  eipdjxige  pour  le  mesme  effect.  11  ne  faudreit 
aussi  que  le  Roy  leur  donnast  ces  revenus,  sinon  pour  leur  vie 
durant.  Cur  il  pourroit  advenir  beaucoup  d'inconvmiens  s'il  les 
dotmoit  pour  eu.v  et  les  leurs.  Je  vous  p)uis  dire,  Madame,  que 
outre  ce  que  le  Roy  auroit  iine  force  incroyable  tousjours  preste, 
il  ne  fut  jamais  mieux  servi  (S.  612).  .  .  11  y  a  beaucoup  de 
Ecesques,  Abbez,  Protenotaires  et  autres  Gens  d'Eglise,  qui  est 
comme  qui  diroit  (pour  le  prendre  comme  on  en  tise  ä  prcsent)  qui 
sont  dediez  ä  oisivete.  ä  ne  faire  que  chasser,  jouer,  paillarder, 
et  porter  messages  de  rufiennerie,  qui  seroyent  bien  aises  d'estre 
emp>loyez  pour  le  service  du  Roy  et  de  la  Republique,  soit  au 
faict  de  la  guerrc,  soit  pour  quelque  autre  chose  profitable.  Or 
estant  lä  ejigoujfrez,  tout  leur  est  ptermis,  excepte  de  bien  faire: 
dont  ceuw  qui  ont  quelque  conscience  en  gemissent.  Sembtablement 
beaucoup  de  Moines  de  bon  naturel,  de  gentil  esprit,  et  dextres 
de  leurs  persomies,  ont  este  jettez  dans  les  31onasteres,  comme 
dxmx  des  retraits.  Car  leiirs  parens  pour  les  priver  de  leurs 
lieritages,  se  sont  voulus  deßaire  d'eux.  les  rendans  esclaves  per- 
pt'tuels.  et  qui  ne  peussent  servir  qua  manger ^  jouer ^  paillaoxler 
et  infecter  tout  un  monde  d'ordure.  .  .  Or  il  faudroit  rnettre 
ordre  que  liberte  fust  ä  tous  donne  pour  choisir  quelque  honneste 
vocaiion,  et  que  nul  ne  fust  empesche  de  se  marier,  puis  que  la 
Parole  de  Uieu  laisse  cela  en  la  liberte  d'un  chacun,  et  qu'o7i 
leur  aidast  sar  les  revenus  EccUsiastiques.  .  .  Par  ce  moyen  il  y 
luroit  une  infinite  de  vices  qui  auroyent  la  gorge  couppce.  .  .  . 
Quant  amc  Evesques.  Abbez,  et  autres  qui  tiennent  les  Bemfices. 
qu'on  leur  laissast  de  leurs  revenus  ce  qui  seroit  pour  les  entre- 
tenir  könne stement :  enseignant  toutesfois  une  Saincte  et  Catholique 
(Jonfession  quon  leur  presenteroit.  .  .  En  somme,  le  Roy  auroit 
tousjours  des  Mens  en  main  pour  provoquer  les  gentils  esprits  ä 
fi'rtu.  11  y  a  une  infinite  de  povres  Gentils-hommes  qui  ne  peuvent 
partir  de  leur  maison  par  faute  de  moyen,  qui  pourroyent  estre 
araucez  et  entretenus.  Et  les  enfans  da  ceu.r  qui  axiroi/eid  jouy 
des  benefices  du  Roy.  s'ejforceroycnt  d'ensuyvre  la  vertu  de  leurs 
peres.,  aßn  que  le  Roy  eust  occasion  de  les  faire  succeder  au.v 
bi'ni'fices   de   leurs  peres.  .  .     En   outre,    le  peuple  par  ce  moyen 


330  Kurt   Glaser. 

pourroit  faire  yrandement  soulage  d Impositioris^  (Tauiant  que  le 
Roij  auroit  iousjours  force  gens  de  cheval  et  de  pied,  ^9rt;s^9  ä 
»larcher  ,sans  qiiil  luy  constast  rien.  /'ose  hien  dire  quen  swjvant 
cest  ordre,  il  n'y  auroit  Prince  qui  quil  soit,  (jui  ne  craignit 
autaiit  de  quereler  nn  Roy  de  France,  que  Roy  qui  soit  au 
monde.  ...  Or  il  n'y  a  doute,  Madame,  que  cela  ne  se  puisife 
faire  legitimement.  .  ."  (S.  612 — 614).  In  derselben  Richtung  be- 
wegen sich  auch  die  Vorschlüge,  welcbe  der  Verfasser  für  die  Besse- 
lung  des  ^Estat  politiqiie'*  beicit  hält:  ,.,Venojis  donc  maintenürd 
ä  l'auire  e'-^pece  des  faiites  qu'il  faudroit  corriger.  (jui  est  tonchant 
l'Estat  politique'".  Er  empfiehlt,  bei  dem  königlichen  Hause  an- 
zufangen, des  Beispiels  für  das  Volk  halber,  und  sagt  (mit  Be- 
ziehung auf  die  Guisen):  ,,si  ceux  qui  s'estudieut  ä  plaisanter 
devant  le  Roy  et  Messeigneurs  ses  Freres,  et  devant  les  Dames, 
parlans  tousjonrs  de  quelque  paillardise,  ou  mesdisans  de  quelcun, 
ou  jurans  et  renians  Dien,  ou  tenans  propos  qui  sentent  leurs 
Epicurit'us  et  Athees,  si  ceu.i'-lä,  dy-je,  et  leurs  semblables  avoyent 
este  hien  chastiez,  quand  ce  ne  seroit  que  d'un  mauvais  visage 
du  Roy  et  de  vous,  vous  verriez  la  France  bien-iost  changee  en 
mieuar  (S.  615).  Desgl.  wird  die  Besserung  der  Gerichtsbarkeit 
empfohlen:  ..Sur  tout  que  le  Roy  saclie  que  la  vendition  des  Offices 
de  Judicature,  est  la.  peste  et  destruction  de  tout  le  Royaurne. 
Que  le  Roy  donc  ne  sonjfre  plus  qu'ils  soyent  vendus,  ny  auasi 
donnez  par  faceiir.  Ceux  qui  sont  introduits  par  la  faveur,  ou  de 
Monsieur  le  Connestable,  ou  de  ceux  De  Guise,  ou  de  la  Duchesse 
de  Valentinois,  ou  du  Mareschal  S.  Andre,  ou  de  quelques  autres, 
ont  leur  conscience  au  commandement  de  ceux  qui  les  ont  avancez  .  .  . 
Mais  il  faudroit  que  tels  sacrileges  fussent  publiquenient  noiez  d'i/n- 
famie,  et  ceux  qui  les  auroyent  commis,  declarez  indignes  de  jauiais 
tenir  office pohtiqiie  ou  Ecclesiasiique:  voire  quelques  favorisez  qu'ils 
fussent,  afin  que  cliacun  aprint  de  craindre  Dieu  et  de  garder  Ics 
Loix  du  Roy :  et  que  les  sujets  ne  jyensasseni  estre  privilegiez  cn  ce 
que  le  Prince  ne  se  voudroit  permettre.  Ap^^es  il  faudroit,  ouire 
le  tesmoignage  de  preudhommie,  et  texperience  des  clioses  poH- 
tiques,  que  l'examen  de  ceux  qui  doivent  presider  sur  tous,  fust 
faict  ä  liuiis  ouverts;  et  quon  ne  fist  point  estudier  son  rolle  ä 
Monsieur  le  respondant  trois  mois  devant,  niais  que  de  ioutes 
matieres  civiles  il  fust  enquis,  et  quil  respondit  sur  le  chanip. 
Pareillement  ques  le  nonvuez  des  Presidens  et  Coiirs  souveraines, 
nefussent  point  receus  sans  estre  interroguez,  conirne  on  fait.  Car 
quelquefois,  et  le  plus  souvent,ils  nomment  des  asniers  leurs 
parens,  all'iez  ou  favoriz,  et  les  avanceut,  leur  donnaut  les  Procez 
de  plus  grande  consequence.  Dieu  sait  aussi  comment  ils  s'en 
escarmouchent.  SHl  est  qustion  d'opiner,  ils  ne  laisseront  pas  de 
parier  d'un  accent  grave,  et  de  hausser  leur  nez  impudenf,  et 
d'opiniastrer    en    ce    qu'ils  n'entendent  point.    Je  ne  parleray  pas 


ßeiträge  zur   Geschichte  der  polif.  Literatur   Frankreichs.        .331 

de  beaucoup  d'autres  ehoses  qu^o»  pourroit  portrsuijcre  sur  ceste 
matiere :  rnais  en  201  mot,  vous  devez  estre  assenreey  Madame, 
que  si  gens  savans  et  de  bonne  conscience,  ayans  hon  tesmoignage 
de  preudhomme,  manient  les  affaires  de  la  Justice.,  vous  verrez  en 
un  rnoinent  une  infinite  de  Proeez  et  scandale  esteints,  de  sorle 
que  vostre  j^euple  demeurera  en  bonne  paix."^  ..Quant  a  la  Noblesse., 
eile  sera  encores  plus  aisee  ä  re/ormer,  et  toutes  gens  de  guerre, 
quand  ils  entendront  leur  devoir  par  la  Parole  de  Dieu.  I)e  faict 
iL  y  a  des  Capitaines  qiii  confessent  que  toutes  les  Ordonnances, 
et  toute  la  severite  militaire  rCa  jamais  si  bien  peu  renger  les 
soldats,  pour  les  garder  de  pilleries,  forcement  et  autres  niaux 
accoustumez  ä  cest  Estat.,  ne  qui  les  ait  rendus  jjlus  volontaires 
pour  s'acquitter  de  leurs  factions,  que  C enseignement  qiiils  ont 
pris  var  V Evangile.  .  ."  ..Touchant  les  Marchans  et  Labour cur s, 
ils  se  porter  ont  plus  obeissans  envers  le  Roy.,  et  plus  loyaitj;  et 
entiers  les  uns  envers  les  autres,  quand  ils  seront  addressez  par 
C Evangile,  et  qu'une  bonne  Justice  y  tiendra  la  main.  11  est 
vray  quavec  tout  cela,  il  ne  les  faudroit  pas  traicter  en  clievaux 
et  asnes,  leur  imposant  charges  excessives:  inais  que  le  Roy  les 
traictast  de  teile  sorte  qu'ils  exissent  plus  d'occasion  de  tainier,  que 
de  le  craindre:  de  lui  souhaitter  tout  bien,  que  de  le  detester." 
Zum  Schlüsse  weist  der  Verfasser  nochmals  darauf  hin,  daß  sich  die 
Unruhen  rechtfertigen  aus  dem  reformbedürftigen  Zustand  Frank- 
reichs und  der  unwürdigen  Gewaltherrschaft  der  Guiscn,  die  zu  den 
schlimmsten  Uebergriffen  geführt  hat  und  zu  stets  neuen  Befürchtungen 
Veranlassung  gibt.  ^Et  pour  vous  en  dire  fidelement  ce  que  fen 
ay  entendu,  Madame,  chacun  trouve  fort  estrange  que  vous  vous 
soyez  du  tout  foi'nialisee  potcr  ceux  de  Guise,  desdaignant  et 
esloignant  tous  les  Princes  du  Sang,  ä  qui  de  droict  il  appartient 
de  gouverner  avecques  vous,  voire  tous  autres  Grans  Seigneurs  qui 
sont  de  long-temps  exercez  et  entendus  aux  affaires  de  ce  Royaume, 
et  que  vous  consentiez  quon  mette  au  Conseil  des  Pi'inces  Estrangers, 
plustost  que  ceux  du  pa'is:  voire  d'aucuns  qui  ne  spavent  que  cest 
ne  de  iJroict  Divhi,  ne  de  Droict  humain" .  Mit  abermaligen 
Warnungen  vor  den  Absichten  der  Gnisen  und  den  durch  sie  herbei- 
geführten Unruhen  im  Lande  und  der  Bitte:  „s^  en  icelle  (d.  h.  der 
Remonstrance)  vous  trouvez  quelque  chose  qui  vous  seuible  trop 
rüde,  esti?nez,  Atadame,  qiiaux  maladies  aspres  et  dangereuses, 
les  3IedScines  doufüstres  ne  sont  point  si  utiles,  que  Celles  qui 
ont  de  U amertume'-'-  schließt  die  interessante,  an  politischen  Ideen 
reichhaltige  Schrift. 

(Fortsetzung  folgt.) 

Marburg  i.  H.  Kurt  Glaser. 


Haiidsclirit'tliclies 
You  dei'  Gr>tti!iger  Uiiiversitätsbibliothek. 

All  Handschriften,  die  französische  Sprachdenkmäler  entlialten,  besitzt 
die  Königliche  Universitätsbibliothek  zu  Goettingen  nach  Ausweis  des  ge- 
druckten Katalogs  folgende: 

A.  Edierte  Texte. 

1.  Philol.  184,  IV.  Ein  IJrucli.stück  aus  dtMii  aitfr.  Koman 
Amadas  et  Ydoine.  Bl.  I  entspricht  den  Versen  1110 — 124(1,  Bl.  11  den 
A'ersen  1791—1927  von  Hippeaus  Ausgabe  flS63):  also  fehlen  dazwischen 
4  Blätter.  Das  Bruchstück  ist  von  H.  Andresen  in  der  Zi.  f.  r.  Phil.  XHI, 
85—97  herausgegeben  worden. 

2.  Histor.  6.')7,  V.  :j7,  liSb.  Ein  Gedicht  zu  Ehren  Karls  V, 
von  mir  in  der  Z.^.  /;  frz.  Spr.  u.  Litt.  XX,  272 — 279  herausgegeben  und 
kritisch  beleuchtet. 

B.  Unedierte  Texte. 

1.  App.  dipl.  10  E,  XVII,  21.     Prosafragment  betreffend  Pyramus 

und  Thisbe. 
OvidsMotamor[)hosen  und  damit  auch  die  Liebesgeschichte  von  Pyramus 
und  Thisbe  sind  in  Frankreich,  besonders  während  des  Mittelalters,  sehr 
beliebt  gewesen,  was  zunächst  durch  die  häufigen  Erwähnungen  des 
Stoffes  bewiesen  wird.  Vgl.  Dernedde,  Über  die  <hit  nfr.  Bichlern  bekannten 
epischen  Stoije  aus  dem  Altertum  (Erlangen,  1887);  .Sudre,  P.  Oi-idü  Xasanis 
M etamorphoseou  libros  quomodo  nostvutert  medü  aevl  poetae  imitati  iiilerpretatique  sint 
(Paris,  189.']) ;  Bartsch,  Albrecht  r.  Halbr-rstadt  und  Ovid  im  Mittelalter  (Quedlin- 
burg u.  Leipzig,  1861),   S.  G4;    Wackeruagel,   Alifranz.  Lieder   (Basel,   1846) 

6,  ö,  .j:  Hart,  L'rsprunr/  -und  Yerbreltunq  der  l'yrurnys-  und  Thlsbesar/e  (Passau. 
1889),  S.  30;  Histolre  litleralre  XIX,  498;  XXX,  17  ii.  202;  Cahier,  Nouveavx 
imianges  d'arcki'olorjie,  d'hisloire  et  de  lltterature  (Paris,  1874)  I,  229;  noch  nicht 
erwähnt  sind  in  diesem  Material  folgende  Stellen:  Floris  et  Lirlope  v.  971: 
Christine  de  Pisan,  Dehat  de  deiu  amana  V.  (j(i2;  V Escoujh  V.  6360.  Auch 
in  der  altprovenzalischenLiteratur  ist  der  vorliegende  Stoff  häufig  erwähnt; 
man  vergleiche:  Birch-Hirschfeld.  Über  ille  den  procenzallsdien  Troubadours  des 
XIL  und  XIIL  Jahrhunderts  bekannten,  epischen  ülotje  (Halle,  1878),  S.  12 — 14; 
Bartsch,  Albrecht  v.  ffalherstadt.,  S.  64;  Graf,  Roma  nella  memoria  e  neue  imaginazioni 
del  media  evo    (Turin,    1863),    II,    ."ION;    Roman    de   Flamencu  p.   p.   P.  Mevcr,  f). 

281;  Suchier,  Z^■.  /'.  r.  Phil.  XXI,  124.  Bei  Graf.  lioma  II,  30S  finden  sich 
auch  die  Erwähnungen  des  Stoffes  in  der  alt  italienischen  Literatur  ver- 
zeichnet, wozu  man  noch  vergleiche:  Hart,  Die  Pi/r_amus-  und  Tldsbesaye  in 
Holland,  Enijhmd,  Italien  und  Spanien  (Passau.  1890).  Über  bildliche  Dar- 
stellungen der  Sage  in  15asel  und  Italien  spricht  Cahier,  NouvemLc  mäumjes  I,  228. 
Hierzu  treten  nun  die  Bearbeitungen,  die  der  Stoß"  in  Frankreich 

gefunden  hat,  wozu  man  Hart,  rrsjjrung  und  Verbreilunu  der  Pyramus-  und 
Thisbesage    und  Loykauff,     /'/'.  Habert    und    seine    Übersetzung    der    Jfetamorpho.<ei! 

Ovids  (Leipzig.   1904)   vergleiche.     Zu   den    dort   genannten   Bearbeitungen, 


llanilscliriftliclies.  o  3  'S 

fiie  teils  die  ganzen  Metamorphosen,  teils  nur  die  Pyramus-  und  Thisbesage 
umfassen,  treten  noch: 

a)  La  leijvndc  de  Pi/rame  tfl  Tliisbr:^  tu  vers  francais  du  XI II''  sUcle  p.  p. 
ßonnard  (Lausanne,  1892):  \g].  lioma7iiaXXl,  6.")0;  Petit  de  JiiUe- 
ville,   Histolrt  de  la  laiicjuc  et  de  la  Htterature  francaise  ],  245,  Anm.  1. 

b)  Moralite  nouvelle  de  Pyramus  et   Tishee  p.p.  Picot  (Paris.   1901). 

c)  Die  168-')  veröffentlichte  l^rzälilung  der  Schicksale  von  Pyramus 
und  Thisbe  in  Lafontaines  FUJes  de  Jlinee  ((Em-res  p.  p.  3Lirty- 
Laveaux  II,  44.')). 

Hieran  schliefst  sich  das  obengenannte  Prosafragment  der  Göttiuger 
Universitätsbibliothek  an.  Die  Handschrift  besteht  aus  einem  auf  beiden 
Seiten  zweispaltig  beschriebenem  Blatte.  Das  Recto  trägt  rechts  oben  die 
Bemerkung:  Kornrechnung  des  Klosters  Hilwerdeshausen  [bei  Einbeck]  de 
Ostern  155G/7,  wodurch  der  terminus  ante  quem  gegeben  ist.  Nach  Schrift 
und  Sprache  gehört  das  Bruchstück  ins  1').  .Jahrhundert.  Da  der  untere 
Teil  des  Blattes  weggeschnitten  ist,  fehlt  eine  Reihe  von  Zeilen:  aber  auch 
in  seiner  ursprünglichen  Breite  ist  das  Blatt  nicht  erhalten,  sodafs  von  der 
linken  Spalte  des  Recto  unr  die  rechte  Hälfte  und  von  der  rechten  Spalte 
des  Verso  nur  die  linke  Hälfte  vorhanden  ist.  Trotzdem  läfst  sich  (iber 
sagen,  au  welcher  Stelle  der  ovidischen  Erzählung  unser  Prosabericht  ein- 
setzt, nämlich  da,  wo  die  Löwin  kommt,  das  Tuch  Thisbes  zerfetzt  und  mit 
Blut  besudelt.      Metam.  IV,  9G:  renk  ecce  recenti 

caede  leoena   houm  spuinanits  ohlila  rict.us. 

Weiterhin  wird  dann  in  der  linken  Ifecto-Spalte  das  Auftreten  des  Pyramus 
und  sein  Selbstmord  geschildert.  In  der  letzten  uns  erhaltenen  Zeile  dieser 
Spalte  ist  von  der  Rückkehr  der  vor  der  Löwin  geflohenen  Thisbe  die  Rede. 
Wenn  wir  damit  den  Inhalt  der  ersten  Zeile  der  rechten  Recto-Spalte  ver- 
gleichen, sehen  wir,  dafs  nur  wenige  Zeilen  den  Zwecken  des  Kornrechnungs- 
buches zum  Opfer  gefallen  sind.  Jene  rechte  Spalte  beginnt  mit  Metam. 
IV,  137  [sed  postfjiiiim  vtDwraiit  siios  roynorit  nmores):  Thisbe  erkennt  in  dem 
vor  ihr  liegenden  Leichnam  den  Geliebten.  xVm  Ende  der  Spalte  kommt 
sie  zu  dem  Entschlufs,  mit  ihm  zu  sterben.  Die  linke  Spalte  des  Verso 
beginnt  dann  mit  Thisbes  Bitte,  Pyramus  möge  sie  doch  noch  einmal  an- 
schauen. Todesentschluls  und  die  genannte  Bitte  der  Jungfrau  bringt  der 
Verfasser  unserer  Erzählung  in  umgekehrter  Reihenfolge  wie  das  lateinische 
Vorbild,  das  er  überhaupt  frei  nachgeahmt  hat.  In  der  linken  Verso-Spalte 
wird  weiter  Thisbes  Ende  erzählt:  in  den  beiden  letzten  Zeilen  beginnt  die 
moralisierende  Betrachtung  des  Falles,  die  sich  in  der  rechten  Spalte  fort- 
setzt. Trotzdem  letztere  verstümmelt  ist,  läfst  sich  doch  erkennen,  dafs 
der  Verfasser  warm  für  die  Liebenden  eintritt  und  den  beiderseitigen  Eltern 
wegen  ihrer  Hartherzigkeit  Vorwürfe  macht.  Der  Schlufs  dieser  Ausführungen 
fehlt.  Als  Probe  des  Fragments  gebe  ich  den  Schlufs  der  Liebestragödie 
von  dem  Punkte  an  wieder,  wo  Pyramus  die  Bitte  der  Geliebten,  die  Augen 
zu  öifnen.  erfüllt.     Es  heilst  dort: 

Merreilleuse  cha^e  est  a  dire:  le  defaiWint  eHtendcmeui  du  mourant 
senil/  et  enfevdi  le  noiii  de  la  rierge  taut  amee,  ne  point  ne  lul  voll  deiiier  hi 
derreniere  refjuesie  >juelle  li/  jLil.  Cnr  il  ouvri/  ses  yeulx  rji'evez  de  la  mort 
et  regarda  ce.lle  que  l'appeUoit.  Et  ce  fait  ficha  tantost  V espee  du.  jouvencel 
mort  en  sa  poitrine  et  se  coucha  s/ir  hii  et  soii  snn'j  cspandti,  1^'ame 
d'elle  ensuy  Farne  du  ja  mort. 

Der  Versuch,    vorliegende  Handschrift    mit    der  oben  erwähnten  um- 
fangreichen  Übersetzungsliteratur   zu   identifizieren,    war    von    vornherein 
ziemlich  aussichtslos   und    ist   auch   nicht  gelungen.    Es  handelt  sich  eben 
bei  unserer  Erzählung  um  einen  der  unendlich  vielen  mittelalterlichen  Ver 
suche,  ovidische  Stoffe  in  Prosa  wiederzugeben. 


334  C.  Frieslarid. 

2.  App.  dipl.  10  E.  XIX,  :;. 
Die  Handschrift  bestellt  aus  einem  auf  allen  vier  Seiten  beschriebenen 
Blatte  und  enthält  Teile  der  Dialoge  des  Papstes  Gregor.  Letztere  sind 
ja  von  Fcerster  1876  in  einer  pikardischen  P'assung  des  XII.  Jahrhunderts 
herausgegeben.  Unser  Bruchstück  zeigt  Schrift  und  Sprache  des  \'n.  Jahr- 
hunderts; es  weist  mehr  zentralfranzösisches  Gepräge  auf  und  gibt  eine  von 
Fccrsters  Text  abweichende  Version  des  lateinischen  Originals.  Seite  I 
unseres  Fragments  beginnt  im  l.j.  Dialog  des  dritten  Buches  =  Fcerster  S.  140. 
Z.  15,  reicht  bis  S.  141,  Z.  22  und  setzt  sich  inhaltlich  in  Seite  II  fort, 
die  ihrerseits  den  Text  bis  S.  143,  .j  gibt.  Zwischen  ihr  und  Seite  III  ist 
eine  Lücke.  Es  bat  sich  nun  ergeben,  dals  hier  ein.  ebenfalls  vierseitig 
beschriebenes  Blatt  fehlt.  Dieses  enthielt  gerade  die  Mitte  des  Textes  der 
ganzen  Dialoge,  woraus  folgt,  dals  die  einzelnen  Blätter  wie  in  einem  Schul- 
schreibheft ineinander  gelegt  waren  und  dals  die  Handschrift,  welcher  unser 
Bruchstück  entstammt,  nur  die  Dialoge  enthielt  und  nicht  auch  das  andere, 
was  die  Fcerstersche  Handschrift  noch  gibt.  Seite  III  geht  S.  148,  Z.  Iß 
weiter,  reicht  bis  zum  Schlufs  von  S.  149  uud  setzt  sich  in  Seite  IV  fort, 
die  den  Text  bis  S.  151,  11  enthält.  Ich  lasse  hier  eine  Probe  unseres 
Bruchstücks  (Schlufs  von  Kap.  XV)  folgen  und  füge  den  Foersterschen  Text 
sowie  das  lateinische  Original  bei. 

a)  Foersters  Text. 

Gregoires.  Mais  Entices  ki  en  la  voie  de  deu  avoit  esteit  cornjudits 
ol  deviinf  dil  Florence,  il  1'ut  conuz  apres  sa  mort  estre  t/ranz  pnr  la  vertut 
de  siyncs.  Quar  qnant  U  horiois  de  son  bore  suelenl  raconteir  plnisors  mi- 
rnc/cs  de  bii,  nekedent  eil  miracles  est  li  plus  graiiz,  cui  ioskes  a  res  tens 
des  I^uinhars  li  tot  pvissnnz  deiis  parmei  son  vestiment  pnr  coustume  den- 
r;levff  ovreir.  Qiiar  quanles  fies  jaloit  la  ploye  et  la  lonye  si'cherece  par  la 
f/rande  ckalre  brulloit  la  terre.  assembleit  en  un  li  boriois  de  son  bore  so- 
loieiit  sa  cote  leveir  et  ojfrir  a  proieres  el  rer/ard  del  sanior.  Avoc  la 
quelle  quant  il  alereiit  en  proiant  par  les  chnns,  manes  asiail  doneie  la  ploye, 
Id  plainement  poist  la  terre  sooleir.  De  la  quelle  ckose  fut  conut,  quelle 
vertut^  quell  merite.  s'anrme  aroit  dcvenz,  cui  vtsture  defors  demostreie  des- 
tornat  la  ire  de  nostre  faiteor. 

b)  Text  des  Fragments. 

Saint  Gregoire  respont:  Eutice  qvi  en  la  voie  dieu  ot  este  compaiynoii 
du  devant  dit  Florent  apparut  yrant  apres  sa  mort  en  la  vertu  des  siynes 
de  miracles.  Kt  .  ,  .  que  li  citoiens  de  la  cite  en  souloient  raconter  plusieurs 
miracles,,  et  pourquant  ce  mirarle  entre  les  autres  est  merveilleus  el  ylorieus 
que  nostre  sire  dieu  le  tout  puissanl  adeiyne  faire  et  ouvrer  par  sa  vesteure 
iusques  ou  temps  dds  Lombars.  Cur  toute.s  les  fois  qne  pluye  failloit  et  que 
lonytie  secherresse  ardoit  In  terre  par  force  de  chaleur,  les  yens  de  la  citc 
s' ussemhloicnt  et  acoienl  de  coustume  que  il  leroient  eu  hault  sus  itne  perche 
la  coste  qui  avoit  este  au  saint  home  et  l'offroient  a  nostre  seiynetir  a  yrans 
priercs  et  s\.n  aloient  a  toute  celle  cost''  par  hs  chavips  en  disant  oroisnu. 
Et  tanlost  dieu  leur  donnoit  pluie  soujfisaiif  taut  que  la  terre  en  avoit  soitf- 
ßsanment  et  par  ceste  raison  npparoit  que  V'ime  avoit  este  da  yrant  rert-u  et 
de  grnnt  raerile  de  cellui  de  qai  la  vesteure  appaisolt  dieu  quant  eile  estoil 
mostrce  du  dehors. 

c)  lateinischer  —  bei  Foerster  abgedruckter  —  Text. 

Eutycliius  vero,  qui  praedicti  Florentii  in  via  Domini  socius  fuerat,  mayniis 
post  mortem  claruit  in  vir  tute  xiynorum.  Kam  cum  nmlta  cives  urbis  illius 
de  eo  soleant  narrare  miraculu,  illud  tarnen  est  praeclpuum,  quod  iisqiie  ad 
haec  Lanyobardorum  tempora  omnipotens  Deus  per  /•estimenium  illius  assi- 
due  diynabatur  operari.  Nam  guoties  pluvies  deerat,  et  aestu  nimio  terrain 
Innya  siccitas  exurebat.  coUecti  in  vvum  cives  urbis  illius.  eius  tunicam  levare 


Hau  r/.v eil rift lieh  es .  335 

atque  in  conspectu  Doruini  cum  precibus  oj/crre  c<>ns'jeverant.  Cum  qua  dum 
per  agros  pergerent  exoron/es,  repenfe  plurla  tribucbatur,  quae  plene  ie.rram 
satiare  potuisset.  Ex  qua  re  pafuif,  eius  anima  quid  virtulis  intus^  quid 
rneriti  haheret^  cuius  foris  osiensa  vestis  iram  conditoris  averteret. 

Vorsiehende  Proben  (a-c)  genügen,  um  den  Text  unseres, Fragments 
(b)  zu  characterisieren.  Unzweifelhaft  zeigt  er  ein  ganz  anderes  Aufsere  wie 
a,  aber  es  wäre  doch  zu  weit  gegangen,  deshalb  für  b  ein  anderes  lateinisches 
Original  anzusetzen,  als  es  in  c  vorliegt.  Der  Unterschied  stammt  von  den 
Übersetzern.  Der  Verfasser  von  a  hat  ganz  wörtlich  übersetzt  und  auch  den 
lateinischen  Stil  nachzuahmen  versucht  (relative  Anknüpfung!),  während  h 
viel  freier  übertragen  und  mit  einer  gewissen  Behaglichkeit  erzählt  ist;  der 
Übersetzer  scheut  auch  nicht  kleine  Zusätze,  um  anschaulich  zu  sein  (vgl. 
sus  une  perche),  und  geht  mit  dem  lateinischen  Satzgefüge  recht  ungeniert  um. 

3.  Morbio  17. 
Das  Blatt  entstammt  dem  14.  Jahrhundert  und  ist  doppelseitig  und 
zwar  zweispaltig  beschrieben  (viermal  49  Zeilen;.  Wenngleirh  es  schlecht 
erhaltenist,  läfst  siihdoch  sagen,  dafses  eineProsatassung  derLa«ce/o/erzählung 
enthält.  Sie  genau  zu  fixieren,  ist  mir  nicht  gelungen;  vielleicht  geschieht 
das  von  anderer  Seite  auf  Grund  folgender  Angaben.  Aus  dem  Recto,  welches 
Zusammenhängendes  so  gut  wie  garnicht  bietet,  erwähne  ich  in  der  linken 
Spalte  den  Eigennamen  Kex;  aufserdem  spri'  ht  dort  mehrere  Zeilen  hindurch 
„ta  roine'^;  in  der  rechten  Spalte  ist  von  ^Agremor  h  deß-ee''  die  Rede.  Da." 
A'crso  ist  besser  erhalten;  in  der  linken  Spalte  fallen  auf  die  Eigennamen: 

Kamalotk,  Artus,  Lan(celot),  roiaume  de  Logres\  als  redend  wird  dort  „/e  rois" 
eingeführt.  Die  rechte  Spalte  gibt  das  Meiste  aus:  abgesehen  von  dem  Eigen- 
namen Gau(vain)  enthält  sie  von  Zeile  9  ab  mehr  oder  weniger  zusammen- 
hängende Stücke.  Der  König  fragt,  ob  Lancelot  noch  nicht  gekommen  sei, 
und  besteigt,  als  das  verneint  wird,  einen  Turm,  um  nach  dem  Ersehnten 
auszuschauen.     Dann  heifst  es  (Zeile  17-2.')): 

Le    rois    reawde   grant  piece    que   il  ne  volt  ne  loins  »e  pref  chevaiier 

venir   i^ers  Kamaloth    si   s'en    vierveille   viovt^  ei  il  estoil  de  si  grant  aper- 

cevance    quil   cuidast    d'ofses    loins   conaistre    im    Chevalier  pur  coi  il  l'euft 

reu.  cheraiicer   une  /bis.      Quar   il  voust   descendre    de  la  ior  et  il  disoii  a 

soi  meesmes :  Ha  diex,  quant  vendra  eil  que  je  desir  a  veoir  sor  ious  autres  ? 

■Si   regarde    rers    la    foreste   de  Kamaloth  si  eii  voit  issir  un  Chevalier  .  .  . 

armen   vermoilles. 

Nun   fehlen   mehrere  Zeilen.     Aus  dem   Zeile   28  wiederbeginnenden 

fragmentarischen  Text    ersehen    wir,   dafs    der  König    in  dem  Kommenden 

I.ancelot  sicher  zu  erblicken  meint  und  vom  Turm  hinunter  zu  seinen  Baronen 

eilt.     Von  da  ab  (Zeile  33)  sind  nur  noch  einzelne  Wörter  erhalten. 

4.  App.  dipl.  10  E,  XVII,  23. 
Die  Handschrift  besteht  aus  zwei  doppelseitig  beschriebenen  Blättern, 
deren  Text  nur  teilweise  zu  lesen  ist.  Der  geschichtliche  Inhalt  des  Frag- 
ments und  der  kurze  Hinweis  des  gedruckten  Handschriftenkatalogs,  dafs 
es  sich  wohl  um  eine  Chronik  handele,  liels  mich  die  entsprechende 
Literatur  durchsehen,  wobei  es  gelungen  ist,  das  Bruchstück  zu  identifizieren. 
Es  handelt  sich  um  die  Chronique  de  Flondres.  andennement  composce  par  auteur 
incertain  et  mmvellement  mise  ea  lumicre  par  Deuis  Sauvage.  Lynn^  1561,  ein 
Werk,  das  die  Jahre  von  792—1384  n.  Chr.  Geb.  umfafst.  Wir  finden  den 
Text  unseres  Fragments  auf  den  Seiten  1G3— 166  der  Chronique  de  Flandres 
wieder,  aber  so  sehr  sich  die  entsprechenden  Partien  inhaltlich  gleichen, 
unterscheiden  sie  sich  doch  sprachlich  Sauvage  hat  das  Werk  des  ^auteur 
incertain-,  wie  er  in  der  Vorrede  auseinandersetzt,  aus  einer  Privatbibliothek 
handschriftlich  zugestellt  bekommen  und  davon  eine  Abschrift  genommen, 
die    uns    in    obiger  Ausgabe  im   Druck    vorliegt.     Er  sogt  /.  c   von  jener 


336  C  Frie!<laud. 

Handschritt:  cd  excmidaire,  escript  fit  feuUhs  de  porcheiuiu  et  de  gros  pajjier 
entremeslcs,  moiistre  une  lettre  assez  antique,  sam  aucunemeiU  ncmimer  son  autcur. 
Er  druckt  dann,  um  dem  I^eser  einen  Begriff  von  ..sftVe,  lantjuage  et  po/ictva- 
tion''  der  Handschrift  zu  geben,  den  Anfang  ihres  ersten  Kapitels  ab  und 
tahrt  fort:  ce  qiie  se  tust  trouvc  vude  aux  orellles  de  ce  iemps,  ei  pource  l'arons 
nous  aucunement  adoucy,  sans  toutesfois  iuy  chnmjer  ses  ancimes  phrases  ou  vianieres 
de  parier^  nsitces  par  autres  semhlables  antiques  autears,  ne  mesmes  plusieurs  mots  nnckm 
de  boiine  signijication.  Mit  anderen  Worten:  der  Text,  von  dem  hier  die  Rede 
ist  und  für  den  ja  seines  Inhalts  wegen  das  Jahr  13.S  I  als  terminus  post 
quem  feststeht,  ist  auf  Grund  der  erwähnten  Probe  als  um  1400  nieder- 
geschrieben zu  denken.  Ihn  hat  Sauvage  für  seine  Zeitgenossen  modernisiert. 
so  dal's  uns  also  die  ursprüngliche  sprachliche  Form  der  Chronique  de  Flandrus 
—  abgesehen  von  jenen  einleitenden  Sätzen  —  leider  verloren  gegangen 
ist.  Durch  unser  Fragment  wird  nun  erfreulicherweise  die  Kenntnis  jeuer 
Vorlage  des  Sauvage  vermehrt:  es  zeigt  in  seinen  allerdings  verstümmelten 
Sätzen  und  einzelnen  Worten  die  Gestalt  des  Urtextes.  Das  Recto  des 
ersten  Blattes  correspondiert  mit  Seite  lß3,  Zeile  off.  von  Sauvages  Ausgabe. 
das  Verso  mit  S.  164.,  Z.  5  ff.,  das  Recto  des  zweiten  Blattes  mit  S.  IB-ö, 
Z.  4  ff.  und  das  Verso  mit  der  letzten  Zeile  derselben  Seite  und  den  ersten 
von  Seite  16<).  Ich  gebe  im  folgenden  eine  Probe  unseres  Fragments  mit 
der  entsprechenden  Textfassung  von  Sanvage. 

Sauvage  (p.  1(!4). 

(.luant  11  roys    Garhus  Vap)prochat.  (^uand  le  roi   Garhus  les  apperceut, 

si  fist  sa  (jent  d' armes  si  feit  nombrer  ses  gens-d'' armes  et  trou- 

en  avuit  bien  ra    on    quil    en   y    aroit   hien    rint/t 

a   cJiCcal  e  grant  mullltude  mille    ic    cheval    et  grond'    multitude 

de  gent  de  ;;/e',  si  ri'avoü  mie  de    gens     de    lyiii.    et   si   tiuvoit   mie 

en   Ja  cite  vivres  en  la  cite  pour  dix  sept  jovrs. 

sa  geut  et  leur  dist  Si   manda    taute    sa  geut  et  leur  dll 

que  mieidx  leur  venoit  comhatre  qiie  que    mieux    leur    valoit   combatre  qtte 

ajf'amez,  et  furent  la    estre    affamcs,    et  fureni  d^accord 

les  crestknz  d'lssir  coutre  les  Chrestiens  et  issirenf 

une  Heue  loingz.      Quant  li  cresticu  unc  Uene  loing.    Qtiand  les  Chreslien.s 

virent  ce,  si  reirent  cf,  si  s'arrestrrent  et  ordonm  - 

leurs  Ixttailles,   el  si  lost  qii'/l  rent    leurs    hatailles,    et  si  tost  qu'ils 

li  roys    Garhus  s^assemhlirent  cnsemble^  le  Roy  Garbus 

s'enfuy  en  la  cite   et  ses  g<-ns  xenjuit  tantost  en  la  cite  et  ses  gens 

aiissi,                              qii'il  douhta  le  siege.  aussi,    et  pource  quil  douta  le  siege. 

pensa    de  li  fuir                      En  pensa  de  Iuy  eiifuir  pur  iiier.    En  la 

nrolt  une       purlant  die    avoit  uue  rii-iere  portant  navire 

et  y  aroit  et  y  avoit  irois  galees  et  une  sagitaire. 

enz                               et  sa  fem-  Si  entra  dednns  ii  wymiict  et  sa  fem- 

me  et  si  enfans                   plenie  de  tresor.  me    et   ses  infaus  arec  grand  iresor. 

5.  Fragm.  XVI II. 

Die  dem  XIV.  Jahrhundert  entstammende  Handschrift  l)esteht  aus 
zwei  schmalen,  doppelseitig  beschriebenen  Streifen,  die  jedesmal  nur  ganz 
wenige  Worte  enthalten.  Trotz  des  fehlenden  Satzzusammenhangs  zeigen 
die  im  Recto  des  einen  Streifens  erhaltenen  P>uchstaben  ..-S«Wro",  dafs  unser 
Fragment  der  Encyclopädie  des  Philosophen  Sidrach  entstammt  (Bist.  litt. 
XXXI,  -JS.'j;  GröbeVs  Gr.  II,  1,  1030).  Da  mir  kein  Druck  zugänglich  ist. 
läfst  sich  die  spezielle  Stelle  des  Werkes,  welcher  unser  Bruchstück  ent- 
stanimt.  nicht  angeben. 

6.  Fragm.  XVIIl. 

Die  Handschrift  besteht  aus  einem  kleinen,  doppelseitig  und  -spaltig 
beschriebenen  Blatt  (13.  saecj,  dessen  Inhalt  einem  bretonischen  Epos  an- 


IJandschriftUches.  837 

zugehören  scheint,  ohne  dafs  ich  Genaueres  habe  ermitteln  können.  Ich  setze 
die  wenigen  Zeilen  hierher;  vielleicht  vermag  jemand  die  Verse  zu 
identifizieren.  Sollte  nicht  „somegw''  (in  der  rechten  Spalte  des  Ver?o), 
offenbar  ein  Eigenname,  das  Suchen  erleichtern? 

Recto. 

et  se  ne  ficst  la  traisonx  et  fu  losenge  ijuan   quil  Jist 

or  ßst.  mares        ennsious  et  j)or  lösende  atorde  quist 

la  ßn       veiie  de  Veslour  ei  d'milre  pari  droh  est  sanz  jnille 

feissions  an  hnnnr  or  qvi  fjarde  chnmp  emhatniUe 

Verso. 

de    qarnnt  e  de  selqnorie  et    eil    li  ont  hien  creanle 

de  son   cnnseH  et  de  .s'a/e  Font    de   ses    dons  mercie 

<>t  de  mares  au  parlir  de    [sornegvrj 

nmmnr/de  11    est    nris    qu'n    maloir. 

7.    Fragm.  XVlIl. 
Die  Handschrift  besteht  aus   einem  doppelseitig  und  zweispaltig  be- 
schriebenen Blatt.     Trotzdem   eigentlich  nur  noch  einzelne  Werte  zu  lesen 
sind,   stellt   sich  der  Text  (XV.   saec.)   als  medizinischer  Traktat  dar,  der 
Krankheitsfälle  bespricht  und  angibt,  wie  dagegen  zu  verfahren  ist. 

8.    Hist.  nat.  75,  43b. 

Das  dem  XV.  Jahrhundert  entstammende  Blatt  enthält  ein  alchemi- 
stisches  Rezept,  welches,  in  Prosa  geschrieben,  beginnt ;  Prendes  orine  hien 
despmnee.  Trotzdem  es  stark  verstümmelt  vorliegt,  läfst  sich  der  Gang  der 
verschiedenen  Manipulationen  ziemlich  genau  verfolgen,  wie  denn  auch  eine 
Reihe  von  Bestandteilen  der  Mixtur  leserlich  sind.  Zwischen  dem  Fragment 
und  den  in  Gröbers  Or.  TT,  1,  1178  genannten,  zum  Teil  bei  Meon,  Roman 
de  la  Rose  IV,  12')  ff,  abgedruckten  olchemistischen  Schriften  habe  icli  keine 
Beziehungen  entdecken  können. 

Was  die  Goettinger  Universitätsbibliothek  an  französischen  Hand- 
schriiten  besitzt,  kann  sich  mit  dem  entsprechenden  Bestand  vieler  anderer 
Büchereien  nicht  messen.  Aber  auch  die  wenigen  Blätter  ti-eten  mit  Pro- 
l)lemen  an  uns  heran,  die  in  vorstehenden  Ausführungen  nur  zum  Teil 
gelöst  sind. 

Hannover.  Cahi.  Fuiksi.  anp. 


33«  //.  IhiKi'l. 

(Zu  Voltaires  Aufenthalt  in  Frankfurt.) 

R.  Mahrenlioltz   hat  im   „Kritischen  Jahresberichte  über  die  Fortschritte  der 

Romanischen  Philologie-^  (Bd.  VlII,  Heft  1,  1906  S.  II,  1."  f.)  meinen  ersten 
Artikel  über  „l'ototVe  in  Frankfurt  1753''  (in  dieser  Zeitschrift  Bd.  27,  Heft 
1  und  3  S.  160-187)  einer  Besprechung  unterzogen,  die  mich  zu  einigen 
Worten  der  Entgegnung  nötigt.  Die  Besprechung  beginnt  mit  der  /Yngabe, 
dafs  meine  Abhandlung  ..wenig  Neues  biete",  unterrichtet  aber  die  Leser 
mit  keinem  Worte  davon,  dafs  dem  Berichterstatter  nur  der  erste,  einleitende 
Teil  meiner  Untersuchung  vorlag,  der  die  Vorgeschichte  der  Frankfurter 
Ereignisse  und  diese  selbst  nur  bis  zum  20.  .luui  behandelt.  Trotzdem  ich 
in  diesem  ersten  Teile  naturgemäls  nur  einen  verschwindenden  Teil  der  von 
mir  erstmals  benutzten  neuen  handschriftlichen  Quellen  verwerten  konnte, 
und  erst  in  den  weitereu  Teilen  ein  Abdruck  der  bisher  unbekannt  gebliebenen 
Briefe  Voltaires,  Colliuis,  Senckenbergs,  Friedrich  des  Grofsen  u.  a.  sowie 
der  wichtigsten  Frankfurter  Akten  folgt,  so  bringt  es  Mahrenholtz  doch 
über  sich,  über  Wert  und  Unwert  dieser  ihm  bis  zur  Stunde  noch  völlig 
unbekannten  Stücke  apodiktisch  abzuurteilen.  So  heilst  es  bei  ihm,  ich 
wisse  nur  „einige  Details  mehr  als  Yarnhagen'-,  und  ,,die  Ausnutzung  des 
Briefwechsels  mit  Senckenberg,  so  geringfügige  und  nebensächliche  Umstände 
er  auch  für  das  vorliegende  Thema  beibringt,  sei  vielleicht  motiviert  gewesen, 
zu  einer  nochmaligen,  durchaus  nicht  abschliefsenden  und  lückenlosen 
Darlegung  der  Frankfurter  Afifäre  aber  liege  kein  Grund  vor".  Die  gleiche 
Voreingenommenheit  und  Ungerechtigkeit  zeigt  jeder  Satz  des  Referates. 
So  soll  ich  „das  widerwärtige  Verhalten  der  vor  Preufsens  König  schweif- 
wedelnden Frankfurter  Behörden  sehr  wohlfeil  beschönigt  haben'-,  während 
ich  in  Wirklichkeit  so  hart  wie  bisher  noch  niemand  über  die  Haltung  der 
Frankfurter  unter  Darlegung  der  dortigen  verrotteten  Zustände  geurteik 
habe.  Wenn  ich  bemerke,  dafs  Desnoiresterres  der  Bedeutung  Friedrichs 
des  Grofsen  als  deutscher  Dichter  nicht  gerecht  wird,  so  entgegnet 
Mahrenholtz,  „ein  Franzose  von  der  literarischen  Bedeutung  eines  Des- 
noiresterres sei  in  diesem  Falle  doch  ungleich  kompetenter",  unterschlägt 
es  aber,  dafs  ich  mich  ausdrücklich  auf  das  von  Lemoine  und  Lichtenberger 
in  der  Jtevue  de  Paris  1901  S.  287  ff.  gefällte  günstige  Urteil  über  Friedrichs 
Dichtungen  bezogen  habe.  Während  ich  den  König  aus  Irücklich  für  die 
Ungenauigkeit  der  an  Freytag  ergangenen  Befehle  verantwortlich  machte, 
soll  ich  „des  Königs  Willkür  verteidigt'*  haben;  und  während  ich  Friedrichs 
Weisungen  an  seinen  Pariser  Gesandten  Lord  Keith  als  gleichfalls  ungenau 
und  völlig  unverständlich  bezeichnete,  soll  ich  gesagt  haben,  Lord  Keith 
habe  jene  Weisungen,  im  Gegensatze  zu  Freytag,  verstanden.  Wenn  ich 
es  ferner,  worin  mir  jeder  Sachkundige  zustimmen  wird,  tadle,  dafs  der 
von  dem  Abbe  de  Prades  im  März  17.53  an  Voltaire  geschriebene  Brief 
(Mol.  nr.  2530)  —  Mahrenholtz  nennt  ihn  ,.vernichtend'',  während  er  doch 
eine  äufserst  versöhnliche  Stimmung  des  Königs  erkennen  läfst!  —  von  den 
Herausgebern  Voltaires  als  ein  ,, Brief  König  Friedrichs"  bezeichnet  wurde, 
so  bemerkt  Mahrenholtz  dazu  geschmackvoll:  „Was  sollen  derartige 
Advokatenkünste  bei  einem  Friedrich  dem  Grofsen?" 

Da  eine  absichtliche  durchgängige  Entstellung  des  Sachverhalts  durch 
Mahrenholtz  doch  wohl  ausgeschlossen  ist,  so  kann  ich  nicht  anders  als 
annehmen,  dafs  er  meine  Abhandlung  kaum  flüchtig  gelesen  und  nachträglich 
aus  der  Erinnerung  und  ohne  jede  genauere  Prüfung  des  Sachverhalts  seine 
Auslassungen  niedergeschrieben  hat.  Eine  derartige  Arbeitsweise  ent- 
spricht aber  in  keinem  Falle  der  Würde  wissenschaftlicher  Kritik  und 
richtet  sich  selbst. 

GiEssKN.  Hi:r.MAN  Haupt. 


Zeitschrift 


für 


französisclie  Sprache  unä  litteratur 

begründet  von 

Dr.  G.  Kcerting     nd    Dr.  E.  Koschwitz 

Professor  a.  d.  Universität  z.  Kiel         weil. Professor  a.d.Univers.z.  Königsberg  i.Pr. 

herausgegeben 


Dr.  D.  Behrens, 

Professor  an  der  Universität  zu  Giessen. 


Band  XXXH. 
Zweite  Hälfte:  Referate  und  Rezensionen. 


Chemnitz  und  Leipzig. 

Verlag"  von  Wilhelm  Gronau. 
1908. 


Inhalt. 

Referate  und  Rezensionen.  g^-^^ 

Baldensperger,  F.  Bibliographie  critique  de  Goethe  en  France  (J.  CoUin)  173 

Bibliotheca  Romanica  (W.  Küchler)     .     .     .     , 83 

Bomecque,  H.  und  Benno  Botk/ers,  Recueil  de  morceaux  choisis  d'auteurs 

frangai^s  (H.  Schneegans) 200 

Brebion,  L     Etüde  philologique  sur  le  Nord  de  la  France  (W.  Meyer- 

Lübke) 113 

Brückner,  G.    Das  Verhältnis  des  französischen  Rolandsliedes  zur  Tur- 

pinschen    Chronik   und   zum   Carmen   de   prodicione   Guenonis 

(W.  Tavernier) 22 

Brunetiere,  F.    Etudes  critiques  sur  l'histoire  de  la  litterature  frangaise. 

Huitieme  serie  (H.  Schneegans) 145 

Brusewitz,  V.    Etüde  historique  sur  le  syntaxe  des  pronoms  personnels  / 

dans  la  langue  des  felibres  (E.  Herzog) 12^ 

Calippe,  Abbe  Ch.    Balzac  (J.  Haas) 71 

Cassagne,  A.    La  theorie  de  Part  pour  l'art  en  France  (W.  Martini)  190 
Contes   et   conteurs    gaiUards    du   XVHIe    siecle   p.  p.  Ad.    van  Bever  (W. 

Küchler) 42 

Coulei,J.    Etüde  sur  l'office  de  Girone  (Ph.  Aug.  Becker)     ....  26 
Belaruelle,  L.  Repertoire  analytique  et  chronologique  de  la  correspondance 

de  Guillaume  Bude  (K  Glaser) 161 

Etudes  sur  l'humanisme  frangais.  Guillaume  Bude  (K.Glaser)  161 

Demacky,  J.  F.    Histoire   et  contes  p.  L.  G.  Toraude  (W.  Küchler).     .  43 
Briesch,  J.  von  den.    Die  Stellung   des  attributiven  Adjektivs  im  Alt- 
französischen (C.  This) 8/ 

Bahren,  E.    Retif-Bibliothek.  (J.  Haas) 65 

Durand.,  Esiienne,  Le  livre  d'Amour  d',  pour  Marie  de  Fourcy,  Marquise 

d'Etfiat,   p.p.   Fr.  Lachevre   (W.  Küchler) 177 

Ebeling,  G.    Probleme  der  romanischen  Syntax  I  (E.  Herzog)     .     .     .  1 

Esteve,  E.    Byron  et  le  romantisme  frangais  (W.Martini) 184 

Vestoire  Josei'h  hrsg.  von   Ernst  Sass  (E.  Stengel) 34 

Fletscher,  E  H.    The  Arthurian  material  in  the  chronicles  (E.  Brugger)  17 
Fryklund,  D.  Les  changements  de  signification  des  expressions  de  „droite" 

et  de  „gauche"  (D.  Behrens) \^ 

Giraud,  V.    Livres  et  questions  d'aujourd'hui  (W.  Küchler) .     ...  75 

Histoire  Litteraire   de  la  France  t.  XXXIII.  (M.  J.  Minckwitz)  .     .      .     .  140 
Buguet,  E.     Petit   glossaire   des  Classiques  Frangais  du  XVIIe  siecle 

(0.  Bloch) 164 

Koschwitz,  E.    Anleitung  zum  Studium  der  französ.  Philologie.    Dritte 

Autl.  von  G.  Thurau  (D.Behrens) 85 

Kraß,  Fr.    Rostands  Princesse  Lointaine  als  Schullektüre  (0.  ürstadt)  88 
Küffner,  G.  M.    Das  unveränderliche  Eigenschaftswort  im  Französischen 

(C.  This) 11  ^ 

Lachevre,  Fr.    J.  V.  des  Barreaux  (W.  Küchler) 47 


Seite 

Lanson,  G.    Voltaire  (P.  Sakmann) 58 

La  Sal/e  de  Rochemaure,  Duo  de.     RecitS  Cardaleziens  (M  J.  Minckwitz)  209 

Le  Breton,  A.     Balzac  (.J.  Haas) 67 

Neue  Lehrbücher  der  französischen  Sprache  (A.  Sturmfels)     ....  215 

Magne,  E.    Scarron  et  son  milieu.    Deuxieme  edition.  (J.Frank)    .     .  165 
Maupassant,   Guy  de.     Quelques  recherches  sur  sa  langue  p.  0.  Bosson 

(E.  Walberg) 196 

MoUtte.  die  alttranzös.,  der  Bamberger  Handschrift  hrsgb.  von  A.  Stimming 

(E.  Stengel) • 29 

Mtisset,  A.de.     Correspondance  p.  p.  L.  Seche  (E.  Ritter) 74 

Le     Parnasse     Saiyrique     du     quinzieme     siecle     p.    p.     Marcel     Schwab 

(W.  Küchler) 42 

Picot,  E,    Les  frangais  italianisauts  au  XVI«  siecle  (W.  Küchler)  .     .  44 

Restif  de  la  Bretonne  p.p.  John  Grand-Carteret  (J.  Haas) 66 

Revue  des  Etudes  Rah'.laisienne.i  IV  (H.  Schneegans) 150 

Ried,    Gh.      S'tphonisbe     dans     la     tragedie    italienne    et    frangaise 

(A.L.Stiefel) 54 

Riegler,  R.    Das  Tier  im  Spiegel  der  Sprache  (L.  Sainean)  ....  115 
Rostand,    E.      La    Princesse    Lointaine    ed.    Fr.   Kraft    et    L.   Marchand 

(0.  ürstadt) 88 

Roux,  F.    Balzac  jurisconsulte  et  criminaliste  (J.Haas) 72 

Saüschick,    R.      Französische    Skeptiker.    Voltaire,    Merimee,    Renan 

(P.  Sakmann) • 63 

Scho/ield,  W.  H.  English  Literature  from  the  Norman  Conquest  to  Chaucer 

(E.  Brugger) 116 

Neue  Schulausgabtn  französischer  Schriftwerke  (A.  Sturmfels)    .    .     .  211 
Thieme,  Hugo,  P.     Guide   bibliographique  de  la  litterature  frangaise  de 

1800  ä  1906  (Ph.  Aug.  Becker) 171 

Thomas,  L.      Les    dernieres    legons    de    Marcel   Schwab    sur   Fr.    Villon 

(W.  V.  Wurzbach) 39 

Tillier,  Gl.    Pamphlets  p.p.  J/.  GeVm  (J.  Haas) 73 

Tobler,  A.    Vermischte  Beiträge  zur  franz.  Grammatik.  H.  Zweite  Aufl. 

(C.  This) 

Toldo,    P.      Di     alcuni    Scenari    inediti    della    Commedia    dell'Arte 

(A.  L.  Stiefel) 57 

Walch,  G.  Anthologie  des  poetes  frangais  contemporains  (W.  Küchler)  84 

Wahlund,  C.     ün  acte  inedit  d'un  opera  de  Voltaire    (P.  Sakmann)  65 
Wendel,  E.    Die  Entwicklung  der  Nachtonvokale  aus  dem  Lateinischen 

ins  Altprovenzalische  (L.  Gauchat) 13 

MiSZELLEN. 

Becker,  Ph.  Aug.    Ein  neues  Datum  aus  J.  F.  Sarasins  Leben    .    .    .  219 

Behrens,  D.  OStfrz.  damotte 175 

—  —  embrelin 2 1 9 

—  —  janblan 220 

Meyer -Lübke,  W.  Roger  Bacon  über  die  französischen  Mundarten    .    .  175 

Novitätenverzeichnis 90 — 221 


Gerhardt,  Jahn  &  Landt  G.  m.  b.  H.,  Berlin  W.- Schöneberg. 


Referate  und  Rezensionen. 


Ebeling',    Georp".      Probleme  der  romanischen   Syntax.      Erster 
Teil.     Halle,  M.  Niemeyer  1905.     178  S.  S». 

Das  Buch  Ebelings  bringt  zehn  Artikel  über  verschiedene,  z.  T, 
weitverbreitete  Erscheinungen  der  romanischen  Syntax.  Die  meisten 
dieser  Erscheinungen  haben  das  Merkmal,  daß  sie  „überraschen" 
und  von  dem  abweichen,  was  man  als  Ausdruck  des  betreffenden 
Gedankens  von  vornherein  nach  den  Regeln  der  Logik  erwartete. 
Daß  man  die  Sprache  nicht  mit  dem  logischen  Maßstab  messen 
dürfe,  ist  zwar  ein  von  den  neuern  Syntaktikern  oft  betontes  und  in 
den  Vordergrund  gestelltes  Prinziii;  aber  in  der  Praxis  reizen  sie  zur 
wissenschaftlichen  Behandlung  doch  jene  Punkte  am  meisten,  wo  die 
Sprache  den  Gedanken  anders  gibt  als  derjenige,  der  die  vorhandenen 
spraclilichen  Einzelelemente  mehr  oder  minder  gründlich  kennen  gelernt 
hat,  erwartet  —  erwartet  eben  nach  den  Regeln  der  Logik,  die  verlangt, 
daß  gleiche  Gedankenelemente  auch  immer  mit  den  gleichen  sprachlichen 
Elementen  wiedergegeben  werden.  Dahin  gehört  denn  auch  die  über- 
wiegendeMehrzahl  derEbeling  interessierenden  Probleme,  die  er  —  siehe 
seine  eigene  Darstellung  im  Lhl.  g.  r.  Phil.  1902  Sp.  116  —  Monate 
hindurch  mit  der  Angst  hütete,  daß  ihm  durch  Meyer-Lübkes  Syntax 
„vieles,  ja  alles"  vorweggenommen  werde  und  an  deren  Veröffent- 
lichung er  dann  beruhigt  denken  konnte,  als  er  sie  bei  Meyer-Lübke 
nicht  gefunden  hatte.  Die  romanische  Syntax  gibt  uns  nämlich  noch 
andere   Bissen   zu   kauen   als   die   gewissen   Feinschmeckersächelchen. 

Die  einzelnen  Artikel  sind  übrigens  sehr  lehrreich,  und  ein 
Grund  zu  der  großen  Angst  ist  nicht  zu  ersehen.  Selbst  wenn  die 
Erwähnung  und  Erklärung  der  Erscheinungen  in  dem  glänzend  groß- 
zügigen Gesamtwcrk  Meyer-Lübkes  vorweggenommen  wären  (in  einigen 
Fällen  trifft  dies  auch  tatsäcljlich  zu),  so  bliebe  Ebcliug  noch  Gelegen- 
heit genug,  die  Früchte  seines  Sarameltleißes  zu  verwerten:  es  muß  noch 
auf  all  die  Einzelheiten  eingegangen  werden,  die  in  dem  Rahmen 
einer  die  gesamte  Syntax  umfassenden  Darstellung  keinen  Platz  finden, 
die  näheren  Umstände  und  Bedingungen,  unter  denen  die  Erscheinung 
auftritt,  die  örtliche,  zeitliche,  manchmal  auch  soziale  Begrenzung, 
das  Verhalten  der  verschiedenen  Schriftsteller  zu  ihr  etc.    Wem  freilich 

Ztsclir.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII s.  1 


2  Referate  und  Rezensionen.     E.  Herzog. 

die  wissenschaftliche  Publikazion  nur  ein  Vorwand  ist  seine  Zettel- 
kästen auszuleeren,  für  den  freilich  mag  es  bitter  sein,  wenn  ihm  der 
Anlaß  dazu  genommen  ist. 

Das  ist  ja  bei  Ebeling  im  Ganzen  nicht  der  Fall.  Es  steht  ja 
bei  ihm  doch  die  Erklärung  und  Auffassung  der  Erscheinung  im 
Vordergrund  und  wo  sich  dabei  Schwierigkeiten  ergeben,  wird  man 
gewiß  die  Fülle  der  beweisenden  Beispiele  freudig  begrüßen  und  sich 
sagen,  daß  ein  zu  viel  hierbei  auch  nicht  schaden  kann,  wohl  aber 
ein  zu  wenig.  Warum  freilich  Ebeling  Beispiele  nur  deshalb  anführt, 
um  von  ihnen  auszusagen,  daß  sie  nichts  beweisen,  ist  mir  in 
manchen  Fällen  nicht  klar  geworden.  Und  nur  einer  gewissen  Freude 
des  Verfassers,  mit  der  Reichhaltigkeit  seiner  Sammlungen  zu  prunken, 
kann  ich  es  zuschreiben,  wenn  für  manche  bereits  hinlänglich  bekannte 
Erscheinungen  neue  Listen  von  Beispielen  vorgeführt  werden.  Daß  z. 
B.  für  die  von  Tobler  bereits  genügend  beleiite  Erscheinung  il  a  du 
venir  'er  muß  gekommen  sein',  il  a  pu  ouhlier  'er  kann  vergessen 
haben'  noch  mehr  als  eine  Seite  neuer  Beispiele  hinzugefügt  werden, 
ist  wohl  recht  überflüssig,  da  sie  der  Verf.  nicht  dazu  benützt,  uns 
daran  etwas  Neues  zu  lehren,  nicht  dazu,  die  Auffassung  der  Er- 
scheinung, wie  es  vielleicht  möglich  wäre,  zu  vertiefen. 

Auch  manches  andre  hätte  der  Verfasser  sich  wohl  ohne 
Schaden  schenken  können.  So  z.  B.  die  persönlichen  Gefühle,  die  ihn 
bei  der  Auffindung  der  Beispiele  und  beim  Ausdenken  seiner  Er- 
klärungen begleiten.  Daß  Ebeling  sich  vergnügt  die  Hände  reibt,  wenn 
er  ein  non  la  sta  cosi  findet,  oder  daß  es  ihm  jedesmal  „das  Herz 
abdrückt",  wenn  er  Tobler  widerspricht,  scheint  mir  nicht  wesentlich 
zum  Verständnis  der  syntaktischen  Fragen  beizutragen.  Auch  manche 
Betrachtungen  allgemeiner  Art  scheinen  mir  nicht  am  richtigen  Platz. 
Verf.  nimmt  z.  B,  des  öftern  die  Gelegenheit  wahr,  die  Leser  zu 
belehren,  daß  der  Sprachforscher  von  heutzutage  die  Aufgabe  hat, 
die  sprachlichen  Erscheinungen  zu  beobachten  und  zu  erklären,  nicht 
aber  zu  kritisieren.  Das  ist  wohl  recht  überflüssig;  denn  von  dem- 
jenigen, der  sein  Buch  liest,  ist  von  vornherein  anzunehmen,  daß  er 
auf  dem  gleichen  Standpunkt  steht,  und  der,  für  den  diese  Belehrung 
"Wert  hätte,  wird  wohl  schwerlich  in  die  Lage  kommen,  sich  aus 
Ebelings  Buch  über  den  Konditionalis  im  Rumänischen  Rats  zu  erholen. 
Man  kann  ganz  gut  modern  gesinnt  sein,  ohne  diese  Modernität 
immer  dick  zu  unterstreichen.  Auch  ist  das  Moderne  nicht  immer 
das  Wahre.  Es  ist  beliebt  geworden,  von  gewissen  alten  Erklärungs- 
weisen wegwerfend  zu  sprechen,  so  von  Ellipsen.  In  non  che  sa- 
pesse gramatica,  appena  sapea  leggere  ist  das  non  che  erklärt 
worden  durch  ein  in  Gedanken  behaltenes  non  dirh  che,  non  si 
pensi  che  etc.  Ebeling  glaubt  seinen  Tribut  an  die  herrschende 
Strömung  entrichtet  zu  haben,  wenn  er  dies  apodiktisch  mit  den 
Worten  abtut:  „Zwischen  non  und  che  ist  nichts  zu  ergänzen,  wie  man 
wohl  gemeint  hat"  (S.  89).    Und  doch  begeht  Ebeling  dieselbe  Ketzerei, 


Georg  JLbeling.     Probleme  der  romanischen  Syntax.  3 

wenn  er  eine  verwunderte  Frage  wie  che  fasse  innamorata  di  me 
S.  143 f.  folgendermaßen  erklärt:  „Wenn  nun  auch  .  .  .  kein  Verbum 
dastelit,  von  welchem  diese  Nebensätze  abhängen,  so  schwebt  doch 
ein  solches,  glaube  ich,  dem  Sprechenden  vor,  wenigstens  zur  Zeit 
als  diese  Ausdruck^weise  ins  Leben  trat"  (Ebeliiig  nimmt  ein  e  possibüe 
als  vorschwebend  an).  Gerade  so  schwebte  gewiß  dem  Sprechenden 
auch  zur  Zeit  der  Entstehung  des  erstangefülirten  Ausdrucks  ein 
Zeitwort  des  Sasens  oder  Denkens,  wenn  auch  nur  unbestimmt,  vor, 
von  dem  der  cAe-Satz  abbängig  ist;  der  beste  Beweis  ist,  daß  der 
äquivalente  deutsche  Ausdruck  geschweige,  d.  h.  'ich  sage  niclit'  ist, 
wo  der  Begriff  des  Sagens  implizite  in  dem  Konjunktion  gewordenen 
Verb  enthalten  ist.  Was  sollte  denn  auch  bei  diesen  Sätzen  mit 
non  che  durch  non  verneint  sein? 

Im  übiigen  verdienen  die  Aufsätze  Ebelings  alles  Lob.  Daß 
von  ihm  vorgebrachte  Material  ist  ungemein  reichhaltig,  die  Ver- 
wertung und  Ordnung  desselben  zeugt  von  scharfer  Auffassung  und 
gutem  Sprachverständnis,  seine  Deutungen  sind  immer  gut  durchdacht, 
Avenn  auch  nicht  immer  überzeugend.  — 

In  den  Artikeln  Ebelings  sind  alle  romanischen  Sprachen  gleich- 
mäßig herangezogen,  so  daß  die  frz.  Sprache  einen  verhältnismäßig 
geringen  Raum  einnimmt  und  nur  in  einem  Artikel  im  Vordergrund 
steht.  Dem  Namen  dieser  Zeitschrift  entsprechend  beschränke  ich  mich 
im  folgenden  eine  Übersicht  über  die  das  Frz.  berührenden  Probleme  zu 
gehen  und  verweise  im  übrigen  auf  die  eingehende  Rezension  Meyer- 
Lübkes  im  L.  g.  r.  Fh.   1907  Sp.  I4f.i). 

Derjenige  Artikel,  der  sich  hauptsächlich  mit  Französisch 
beschäftigt,  ist  der  zehnte  „irons  tornoiier  nioi  et  vos"-.  Ebeling 
handelt  hier  von  dem  Ersatz  des  betonten  Rektus  der  Pronomina 
durch  den  Obliquus  und  zeigt,  daß  diese  Erscheinung  im  Altfrz.  nur 
dann  eintritt,  wenn  das  Pronomen  mit  einem  andern  oder  einem 
Substantiv  koordiniert  ist.  Es  ist  eigentümlich,  daß  dieser  Umstand 
so  lange  verborgen  blieb,  und  daß  er  nun  von  mehreren  Seiten  gleich- 
zeitig und  unabhängig  beachtet  wird:  auch  von  Brunot,  Hist.  de  la 
l.  frg.  I.  227  „II  est  tres  remarquable  qu'en  cas  de  rapprochement 
de  deux  personnels  sujets  ...  on  voit  des  le  XII^  siecle  apparaitre 
la  forme   moderne  .  .  ."  (vgl.   auch   die    Beispiele  auf  S.  457);    von 

1)  Mpyer-Lübke  hat  dort  die  m.  E.  richtige  Erklärung  der 
spanischen  Aiisrufsformel  ;que  ojos  tan  hermosos!  (f.  h.  erklärender  Zusatz 
zu  dem  Ausruf  ;quc  ojos!)  gt^gehcu  und  der  von  Eb.  gebrachten  gegenüber- 
gestellt. Ich  ni()chie  hier  nur  hinzufügen,  dafs  auch  die  Ausdrücke  von  der 
Form  jCt'ie  vmjer  mas  rica!  niclit  uiihediogt  als  Stütze  für  die  Eb.'sche 
Ansicht  angefüiiit  werden  können,  mos  rica  kann  Superlativ  sein  (nicht  Kom- 
parativ), wie  der  Superlativ  in  prädikativer  Stellung  im  Spanischen  häutig 
ohne  Aitikel  gebraucht  wird.  Ich  verweise  auf  die  von  Wiggers^  S.  ö3  ge- 
gebenen Beispiele  :  Ya  fo?i  mas  graves  niis  penas  y  confusiones  und  Los  derechos 
.   .   .  sun  7nas  laodevados, 

1* 


4  Referate  und  Rezensionen.     E.  Herzog. 

Brusewitz,  der  sie  allerdings  nur  für  einen  speziellen  provenz,  Autor  des 
16.  Jalirh.,  Bellaudiere,  erwähnt:  „Cet  auteur  emploie  souvent 
l'accusatif  my  comme  sujet  absolu  coordonne  avec  un  substantif  ou 
un  pronom  par  et  ou  comme  (S.  84)".  Auch  Rydberg  dürfte  ver- 
mutlich die  richtige  Auflassung  vorgescbwebt  haben,  wenn  er  Zur 
Gesch.  des  frz.  d  S.  721  auf  Moi  et  Rolland,  Moi  et  Girars  im 
Girart  verweist;  vgl.  auch  S.  744  „in  diesem  Fall  beginnt  jetzt  moy, 
resp.  cecy  mehr  und  mehr  allgemein,  bisweilen  vorheri sehend  zu  werden, 
z.  B.  bei  kopulativer  Verbindung".  —  Eb.  bietet  nun  zu  dieser  Frage  das 
reichhaltigste  Material.  Freilich  die  Erklärung,  die  Ebeling  dafür  vor- 
schlägt, daß  die  Konstruktion  entre  moi  et  lui  von  Einfluß  gewesen 
sei,  bleibt  zum  mindesten  so  lange  zweifelhaft  als  man  nicht  auch 
für  die  Verbindung  von  zwei  Substantiven,  bei  der  ja  dieselbe  Aus- 
drucksmöglichkeit daneben  bestand  (Eiitre  Sone  et  le  roy)  die  Er- 
scheinung beobachtet,  daß  sie  beide  in  Texten,  die  sonst  die  Deklinations- 
regel streng  durchführen,  im  Obliquus  statt  im  Nominativ  erscheinen; 
der  Salto,  mit  dem  sich  Ebeling  über  diesen  Einwand  hinweghebt,  wenn 
er  S.  175  sagt:  „man  dürfe  ...  in  solchem  Fall  le  jaiant  et  le  nain 
auch  bei  einem  sorgsam  die  Deklinationsregel  beobachtenden  Dichter 
nicht  beanstanden"  statt  eben  dafür  Beispiele  zu  geben  oder  aber  zu 
erwähnen,  daß  er  keine  Beispiele  gefunden  hat,  ist  etwas  befremdlich. 

Der  zweite  Aufsatz,  der  einen  französischen  Titel  hat,  No.  3: 
il  a  dil  venir  bietet  für  das  Französische  nichts  wesentliches  Xeues, 
sondern  verfolgt  die  Erscheinung  hauptsächlich  in  den  andern  romanischen 
Sprachen,  wo  neben  den  zusammengesetzten  Zeiten  das  Imperfekt  und 
Perfekt  von  debere  und  posse  verwendet  wird  (wie  übrigens  gelegentlich 
auch  im  Frz.),  handelt  weiter  von  der  Vermischung  dieser  Konstruktion 
mit  dem  vermutenden  Futurum  und  Futurum  exactum  im  Italienischen, 
von  dem  Passiv  des  Hauptverbs  statt  dem  des  Infinitivs,  wenn  ein 
solcher  von  Verben  des  Anfange ns  und  Aufhörens  abhängt.  Da 
er  hier  für  das  Frz.  nur  eine  bereits  von  Mussafia  zitierte  Stelle  bei- 
zubringen weiß,  so  möge  hier  noch  eine  andre  Stelle  aus  den  Et. 
S.  Louis  I.  LXVI  li  sires  le  (das  Höh?)  porroit  bieii  vayidre  a  ce  meisme 
fuer  quil  avroit  este  comariciez  a  vendre  und  eine  aus  dem  Alt- 
lyonesischen  Davant  que  el  (das  Schloß)  fust  commencies  a  abatre 
(Cled.  Rev.  XIX.  253)  angeführt  werden. 

Aber  auch  die  andern  Aufsätze  enthalten  mancherlei  auf  das 
Frz.  bezügliches.  In  dem  ersten  Aufsatz  z.  B.,  der  die  Adverbialisierung 
vou  ital.  aliro  che  behandelt,  wird  auch  die  richtige  Deutung  von 
frz.  rien  que  ,nur'  gegeben.  Eine  Erklärung  war  bereits  von  Cledat, 
Rev.  Phil.  XVI.  212,  versucht  worden,  aber  nicht  in  ganz  richtiger 
Weise.  Die  Konstruktion  war  dort  mit  der  Adverbialisierung  von  ein- 
fachem rien  zusammengebracht  worden,  wie  sie  sich  im  Schiiftfrz.  iu 
einigen  Fällen  (vgl.  Littre  rien  23°),  in  den  Dialekten  in  großer 
Ausdehnung  findet.  In  Wirklichkeit  stellt  die  Konstruktion  zwar  eine 
Adverbialisierung  dar,  wie  wir  sie  bei  vielen  Quantitätsausdrückeu,  z.  B. 


Georg  Ebeiing.     Probleme  der  romanischen  Syntax.  5 

frz.  beaucoup,  peu,  tant,  ital.  altro  che,  schoQ  lat.  multum  etc. 
und  also  auch  für  frz.  rien  nachweisen  können  [d.  h.  in  Fällen,  wo 
diese  Ausdrücke  zunächst  in  richtiger  Weise  im  nominalen  Gebrauch 
als  Objekt,  (Prädikat,  Subjekt)  stehen,  wird  ihr  wahrer  Sinn  miß- 
verstanden (oder  besser  mißgefühlt),  indem  man  darin  einen  das  Verbum 
näher  bestimmenden  adverbiellen  Ausdruck  nach  der  Art  von  satis 
etc.  sieht,  und  die  Folge  ist,  daß  man  sie  gebraucht,  wo  ein  Objekt 
etc.  nicht  stehen  könnte  (je  mange  beaucoup,  dann  je  j^iais  beau- 
coup)], ist  aber  wohl  von  der  xVdverbialisierung  des  einfachen  rien 
vollständig  unabhängig.  Es  würde  sich  verlohnen,  diesen  ganzen 
Vorgang  der  Adverbialisierung  von  Quantitätsbegriffen  im  Zusammen- 
hang durch  alle  romanischen  Sprachen  zu  verfolgen  und  dabei  auch 
auf  die  Kehrerscheinung  zu  achten,  auf  die  Nominalisierung  von 
Adverbien,  wie  sie  sich  gelegentlich  bereits  im  Lat.  zeigt  (durch  die 
Möglichkeit,  einen  Genitivus  partitivus  davon  abhängig  zu  machen, 
vgl.  Skutsch  ALL  XV,  43),  und  wie  sie  im  Frz.  in  einem  klassischen 
Beispiel  vorliegt:  avec  bien  du  travail,  ein  Ausdruck  der  bekanntlich 
von  fai  bien  du  travail  ausgeht,  wo  bien  ursprünglich  Advetb  zu 
j'ai  ist,  während  du  travail  als  Partitiv-Objekt  ebenfalls  von  j'ai 
abhängt,  woraus  sich  dann  unter  Verkennung  des  ursprünglichen 
Sachverhalts,  aber  mit  Beibehaltung  des  nun  recht  auffallenden 
bestimmten  Artikels  bei  tr.,  ein  bien  du  travail  in  der  Bedeutung 
'viel  Arbeit'  losgelöst  hat.  —  S.  18  rien  quliier,  tu  as  passS  trois 
fois  wäre  besser  mit  'erst  gestern',  als  mit  'schon  allein  gestern' 
übersetzt  worden,  denn  der  Sinn  ist  offenbar:  'nicht  früher  als  gestern' 
('man  muß  nicht  weiter  zurückgehen  als  bis  gestern'),  nicht:  'nur 
gestern'  ('man  muß  bloß  einen,  den  gestrigen  Tag  in  Betracht  ziehen'). 
Die  Tendenz  der  frz.  Sprache  für  den  Begriff  'erst'  die  Ausdrücke, 
die  'nur'  besagen,  eintreten  zu  lassen,  zeigt  sich  also  bei  rie7i  que 
ebensogut  wie  bei  ne  .  .  .  que  und  seulement. 

Auch  im  5.  Artikel  wird  wiederholt  aufs  Frz.  Bezug  genommen. 
Er  ist  der  Verwendung  des  ital.  tutto  als  Apposition  gewidmet  (der 
Titel  „tutto  'lauter'"  ist  irreführend,  da  sich  ein  gut  Teil  der 
Beispiele  ungezwungen  nicht  so  übersetzen  läßt)  und  befaßt  sich  mit 
den  Beeinflussungen,  die  dieses  tutto  in  Geschlecht  und  Zahl  vom 
Prädikat-)  erfährt,  obwohl  es  logisch  zum  Subjekt 2)  gehört.  Es 
wird  fein  und  richtig  ein  Unterschied  statuiert  zwischen  den  Fällen, 
wo  es  sich  darum  handelt,  „daß  ein  Seiendes  ...  in  seinem  ganzen 
Umfang  in  den  Bereich  dessen  gehört,  was  das  prädikative  Substantiv 


~)  Diese  Bezeichnung  besteht  auch  dann  zurecht,  wfinn  es  sich  um 

Ausdrucksweisen  wie  piglierebbe  un  quarüerino  .  .  .  tutto  aria  e  luce  handelt.  Aria 
e  luce  ist  in  Bezug  auf  qu.  Prädikat,  rju.  in  Bezug  auf  aria  e  l.  Subjekt.  Um 
für  dieses  Verhältnis  entsprechende  Ausdrücke  im  Rahmen  der  Elementar- 
syntax zu  finden,  könnte  man  etwa  von  Subjekt  und  Prädikat  zweiter 
Ordnung  sprechen,  indem  in  sono  tuita  cuore  ich  und  cuore  als  Subjekt  und 
Prädikat  erster  Ordnung  zu  bezeichnen  wären. 


6  Referate  tind  Rezensionen.     E.  Herzog. 

angibt:  una  donna  iutta  cuore""  und  jenen,  wo  hitto  die  einzelnen 
Seienden  oder  Sachverhalte  numerisch  zusammenfaßt:  charjminta  . .  . 
crapenda  .  .  .  charjyenna  .  .  .  tutte  forme  date  dal  Palioppi^  und 
gezeigt,  daß  der  erste  Fall  jener  Attraktion  durch  das  Prädikat  viel 
weniger  ausgesetzt  ist.  Verfasser  beachtet  allerdings  nicht,  daß  der- 
selbe Unterschied  nicht  nur  für  die  Fälle  zu  machen  ist,  wo  es  sich 
um  Subjekt  und  Prädikat  2.  Ordnung  (vgl.  S.  5,  Anmerkung  2), 
sondern  bereits  für  solche  mit  Subjekt  und  Prädikat  1.  Ordnung. 
Grammatisch  könnte  man  die  Sache  etwa  so  präzisieren,  daß  tutto 
nur  im  ersten  Fall  eigentlich  Ajiposition  ist:  'als  gaiize(r)',  'wenn 
man  ...  als  ganze(n)  nimmt',  im  2.  Fall  ist  es  identisch  mit  dem  Sub- 
jekt, dieses  nur  ein  zweites  Mal  wiederholend  gesetzt-^).  —  Die  Erklärung 
der  häufigen  Übereinstimmung  mit  dem  Prädikat  ist  im  2.  Fall  durch 
das  Wort  Attraktion  nicht  gegeben.  Dieses  ist  im  Grund  nur  ein 
den  Sachverhalt  beschreibendes  Gleichnis  (das  dann  noch  beliebig 
durch  „Fangarme",  „branche"  (S.  64)  ausgeführt  werden  kann).  Die 
Erklärung  dürfte  vielmehr  sein,  daß  ein  andrer  Gedanke  sich  einmischt, 
in  dem  oben  zitierten  Fall  z.  B.  tutte  queste  forme  son  date  dal 
Palioppi.  Daß  ein  solcher  sekundärer  Gedanke  sich  nur  in  die  Fälle 
der  zweiten  Art  einmischen  kann,  liegt  auf  der  Hand.  Die  wenigen 
Beispiele  der  ersten  Art,  die  Attraktion  aufweisen,  —  ich  gebrauche 
das  Wort  eben  als  abgekürzte  Bezeichnung  des  Sachverhaltes,  nicht 
als  Erklärung  — ,  erklären  sich  jedenfalls  anders.  Vielleicht  so:  in 
Fällen  wie  egli  e  tutto  padre,  ella  e  iidta.  madre  —  solche  Fälle, 
wo  Subjekt  und  Prädikat  im  Genus  und  Numerus  übereinstimmen, 
werden  sich  in  der  gewöhnlichen  Umgangssprache  naturgemäß  am 
häufigsten  einstellen  —  wird  der  wahre  Sachverhalt  verkannt,  und 
tutto  als  ein  Attribut  gefühlt,  etwa  wie  wenn  es  sich  um  ein  perfetto, 
ein  puro  oder  dgl.  handelte.  Es  ist  das  ungefähr  dieselbe  Erklärung, 
die  Ebeling  mit  recht  für  die  vulg.-ital.  Fälle /(?cß  tutti  maccheroni  etc. 
gibt.  —  Daß  die  altfrz.  Ausdrücke  mit  tote  peor,  tote  enor  (es  sind 
nur  Abstrakta  nachgewiesen)  auch  hieiher  gehören,  ist  mir  sehr 
zweifelhaft,  ebenso  das  ital.  Beispiel  Barseg.  715. 

No.  6:  r^non  che  mit  folgendem  Infinitiv"  geht  aus  von  Fällen  wie 
non  che  fermarvi,  ce  la  faremmo  a  correre  und  sucht  den  Infinitiv 
durch  Einwirkung  von  Fällen  zu  erklären,  wo  im  Hauptsatz  Hilfs- 
verb-f  Infinitiv  steht:  non  potendolo  non  che  cacciare,  ma  diminuire. 
Dann  kommt  er  auf  die  gleiche  Konstruktion  bei  piuttosto  che  :  11 
papä  Vavrehbe  arrostita  piuttosto  che  darla  a  un  liberale.  Diese 
hat  ihre  Verwandten  im  Frz.:  je  mourrais  plutot  que  de  lui  faire 
nne  Observation  und  im  Deutschen:  ich  gehe  lieber  als  fahren, 
was   Ebeling   —   vorsichtiger    als   Goethe,    der    ähnliches    im    Faust 


•■')  Der  Umstand,  dafs  es  sich  um  das  doppelt  gesetzte  Subjekt  handelt, 
erklärt  auch  den  Numerus  des  Hilfszeitworts  in  den  S.  54  angeführten  Fällen 

sono  tutte  ipolesi  .  .  .  USW. 


Adolf  Tohler.     Vermischte  Beiträge  z.  franz.  Grammatik.     7 

wagt  —  sich  wohl  in  der  Umgangssprache,  nicht  aber  in  der 
Schriftsprache  gestatten  würde.  Wenn  nun  Ebelings  Erklärung: 
Ausgangspunkt  Hilfszeitwort+Infinitiv  für  diese  zweite  Konstruktion 
ohne  Zweifel  das  Richtige  trifft,  da  sich  hier  der  Gedanke  j'aime 
mieux  mourir  .  .  .,  ich  icill  lieber  gehen  .  .  .  leicht  einmischt,  so  ist 
sie  mir  für  die  erste  Erscheinung  keineswegs  über  alle  Zweifel 
erhaben.  Da  aber  dieser  erste  Fall  das  Frz.  nicht  betrifft,  gehe 
ich  hier  nicht  weiter  darauf  ein. 

In  No.  7  (dispiacere  non  mi  dispiacete),  bezüglich  derer 
ich  auf  Meyer-Lübkes  angezogene  Rezension  verweise  (die  Erklärung 
Ebelings  ist  von  der  Meyer-Lübkes  vielleicht  nicht  so  verschieden, 
wie  Eb.  glaubt),  kommen  frz.  Ausdrucksweisen  mit  pour,  provenzalische 
mit  per  zur  Sprache :  pour  aller  ca  va,  pour  menteux  je  ne  sieiis 
point  menteux  usw.,  ohne  daß  auf  die  Natur  des  pour  näher 
eingegangen  wird. 

In  No.  8:  non  la  sta  cost  (besonders  venezianisch)  wird  die 
auffällige  Stellung  des  Subjektpronomens  als  eine  Beeinflussung  von 
Seiten  des  Objektpronomens  erklärt,  was  vermutlich  richtig  ist,  ohne 
die  Sache  vollständig  zu  erledigen.  Dagegen  ist  die  gleiche  Er- 
klärung für  prov.  lai  gai  abzuweisen:  non  lai  nac  tan  ardit,  wo 
Ebeling  die  Stellung  des  lai  durch  die  Möglichkeit  lai  =  la  li  hinter 
non  zu  stellen  erklären  möchte.  Die  Behandlung  von  lai  oder 
gai  als  tonloses  Objektspronomen  ist  auch  heute  im  frankoprov. 
und  im  angrenzenden  prov.  Gebiet  weit  verbreitet,  z.  T.  auf  Gebieten, 
wo  la  li  gewiß  nicht  durch  lai  ausgedrückt  wird.  Wenn  im  Frz. 
die  Adverbien  hie  und  inde  die  —  ursprünglich  enklitische  —  Stellung 
einnehmen,  die  uns  für  y  und  en  bekannt  ist,  so  ist  nicht  einzusehen, 
warum  in  einem  benachbarten  Gebiet,  wo  ILLAC  das  y  vertritt,  dies 
nicht    dieselbe   Stellung    von   Anbeginn    konnte    eingenommen    haben. 

Im  Ganzen  bedeutet  Ebelings  Buch  eine  hübsche  Bereicherung 
unseres  syntaktischen  Wissens,und  wo  auch  Ebeling  seine  „Probleme" 
nicht  endgültig  gelöst  hat,  wird  ihm  doch  das  Verdienst  bleiben,  zur 
Lösung  beigetragen  zu  haben,  indem  er  das  Material  reichlich  bei- 
brachte und  zum  Widerspruch  herausforderte. 

Friedland  b.  Mistek  (Mähren).  E.  Herzog. 


Tobler,  Adolf.  Vermischte  Beiträge  zur  französischen  Grammatik. 
Zweiter  Teil.  Zweite,  vermehrte  Auflage.  Leipzig,  S.  Hirzel, 
1907.     289  S.  Gr.  8°. 

Der  Neuauflage  der  zweiten  Reihe  der  Beiträge  hat  Tobler 
einige  Erweiterungen  hinzugefügt,  die  sich  zumeist  auf  ein  reichlicheres 
Beispielmaterial  beziehen,  selten  hat  er  sicli  auf  neue  Erörterungen 
eingelassen.  Nachdem  wir  in  dieser  Zeitschrift  (XX-,  3  ff.)  die  erste 
Auflage    einer   Würdigung   unterzogen  haben,    wollen   wir   heute  den 


8  Referate  und  Rezensionen.     C.  This. 

Leser  nur  auf  die  zu  Artikel  5  „7^  a  du  venir"  in  der  Zeitschrift 
für  romanische  Philologie  1907,  S.  453 — 467,  erschienenen  Aus- 
führungen liinwoisen,  in  denen  Th.  Kalepky  eine  von  der  Toblerschen 
zum  Teil  abweichende  Meinung  entwickelt.  In  den  beiderseitigen 
Erörterungen  ist  u,  E.  das  Logische  auf  Kosten  des  Psychologischen 
zu  sehr  in  den  Vordergrund  gezogen.  Wenn  K.  (S.  456/7)  sans  doute 
für  gleichsam  identiscli  mit  devoir  hält  und  dementsi)rechend  S.  487 
im  dem  Satze  ,,Bon  nonibre  de  paysans  sans  doute  devaient  avoir 
entendu  parier  de  cette  affaire""  sagt,  sans  doute  und  devoir  sollten 
sich  eigentlich  gegenseitig  ausschließen,  bezeichneten  eine  Art  von 
Pleonasmus,   so   können  wir  uns  dieser  Auffassung  nicht  anschließen. 

Markirch  (Elsass).  C.  This. 


von  den  Driesch,  Johannes.  Die  Stellung  des  attributiven 
Adjektivs  im  Altfranzösischen.  [Romanische  Forschungen 
XIX,  p.  641—908.     Erlangen,  Fr.  Junge   1906]. 

Die  Frage  nach  der  Stellung  des  attributiven  Adjektivs  im 
Französischen,  die  seit  langer  Zeit  Gegenstand  zahlreicher  Unter- 
suchungen gewesen  ist,  wurde  ihrer  endgültigen  Lösung  zugeführt, 
nachdem  Prof.  Gröber  im  Grundrifs  I  die  Anregung  gegeben  hatte, 
zur  Erklärung  aller  Erscheinungen  der  empirischen  Syntax  das 
psychologische  Motiv  heranzuziehen,  bei  dessen  Beachtung  sich  statt 
einer  Mense  von  äußerlichen  Regeln  allgemeine  Formeln  ergeben. 
Zugleich  formulierte  er  für  die  Stellung  des  attributiven  Adjektivs 
die  Regel  dahin,  daß  das  dem  Substantiv  vorangestellte  Adjektiv 
affektisch    attribuiert,   das   nachgestellte  verstandesmäßig  distinguiert. 

Diese  zuerst  durch  Cron  in  seiner  Dissertation  „Die  Stellung 
des  attributiven  Adjektivs  im  Altfranzösischen",  Straßhurg  1891, 
eingehender  dargelegte  Regel  fand  Widerspruch,  besonders  deshalb, 
weil  die  Regel  nicht  richtig  verstanden  wurde  und  z.  B.  affekti>-che 
Attribuierung  als  Attribuierung  „im  Affekt"  aufgefaßt  wurde,  statt  daß  es 
heißen  soll,  das  Adjektiv  wird  dem  Substantiv  vorangestellt  als 
Ausdruck  des  Affekts,  der  Empfindung,  die  der  Gedanke  an  einen 
Gegenstand  oder  eine  Person  in  uns  hervorruft.  Andere  glaubten, 
in  den  Betonungsverhältnissen  eine  Erklärung  für  die  Stellung  des 
attributiven  Adjektivs  zu  finden,  ohne  aber  die  Beweise  für  ihre 
Behauptung  zu  erbringen. 

Wenn  die  aufgestellten  Regeln  zur  Erklärung  der  Stellung  von 
Substantiv  und  Adjektiv  in  allen  in  einem  Literaturdenkmal  vor- 
kommenden Fällen  nicht  zu  genügen  schienen,  so  kam  es  wohl  daher, 
daß  bisher  nicht  der  Versuch  gemacht  worden  war,  die  Regeln  auf 
die  Gesamtheit  der  in  einem  Sprachdenkmal  oder  einer  Sprachperiode 
vorkommenden  Fälle  anzuwenden,  oder  aber  aus  einer  solchen  Betrachtung 
eine  neue  Regel  zu  formulieren. 


Joh.  V.  d.  Driesch.     D.  Stellung  d.  attributiven  Adjektivs.      9 

Dies  ist  der  Zweck  der  uns  vorliegenden  Arbeit,  in  der  der 
Verfasser  es  unternimmt,  die  Richtigkeit  der  von  Prof.  Gröber  auf- 
gestellten Regeln  für  einen  begrenzten  Zeitraum  des  Altfranzösischen 
zu  erweisen.  Zum  Ausgangspunkt  für  seine  Untersuchungen  nimmt 
er  die  originalfranzösische  Prosaliteratur  des  13.  Jbs.,  deren  Sprache, 
sich  kaum  von  der  mündlichen  Erzählung  und  Berichterstattung 
unterscheidend,  ursprünglich  ist,  durch  das  Lateinische  nicht  beeinflußt, 
durch  eine  poetische  Form  nicht  gebunden,  durch  bewußte  Sprachkunst 
nicht  bestimmt  ist.  Nach  Feststellung  des  Stellungsprinzips  in  der 
originalfranzösischen  Prosaliteratur  werden  dieselben  Untersuchungen 
für  die  religiösen  Übersetzungswerke  des  12.  Jhs.  angestellt,  um  zu 
sehen,  ob  und  inwieweit  das  gefundene  Stellungsprinzip  von  den 
lateinischen  Originalen  stilistisch  beeinflußt  ist.  Die  Arbeit  zerfällt 
so  in  zwei  Teile,  In  dem  ersten  wird  die  Stellung  des  attributiveu 
Adjektivs  bei  Villehardouin,  Henri  de  Valenciennes,  Robert  de  Clary, 
dem  Menestrel  de  Reims,  Joinville  unter  gelegentlicher  Bei  ücksichtigung 
von  Froissart  behandelt;  im  zweiten  Teil  der  Sprachgebrauch  im 
Oxforder  und  Cambridger  Psalter,  den  Quatre  livres  des  Reis,  den 
Dialoge  Gregoire  le  Pape  und  den  Predigten  des  h.  Bernhard  in  der 
Pariser  und  in  der  Berliner  Handschrift.  Daneben  werden  einige  der 
von  Höpfner  aus  Allain  Chartier  und  Gerson  zur  Stellung  des 
attributiven  Adjektivs  gesammelten  Beispiele  angeführt. 

Der  Verfasser  behandelt  in  acht  Kapiteln  nacheinander  das 
nachgestellte  Adjektiv,  das  vorangestellte  Adjektiv,  das  Adjektiv  in 
beiden  Stellungen,  das  Partizip,  das  adjektivische  Pronomen,  mehrere 
attributive  Adjektive,  das  steigernde  Attribut  und  schließlich  die 
Wortzusammensetzungen  aus  Adjektiv  und  Substantiv.  Eine  Ver- 
gleichung  des  Spracligebrauchs  der  religiösen  Übersetzungswerke  mit 
dem  im  ersten  Teile  festgestellten  Sprachgebrauch  wird  dadurch 
wesentlich  erleichtert,  daß  im  zweiten  Teil  dieselbe  Paragraphen- 
cinteiluug  und  auch  im  übrigen  dieselbe  Anordnung  beibehalten 
worden  ist. 

Aus  den  Untersuchungen  ergibt  sich,  daß  das  attributive  Adjektiv 
im  Altfranzösischen  hinter  das  Substantiv  tritt,  wenn  es  logisch 
distinguieren  soll,  d.  h.  wenn  es  dazu  dient,  Gegenstände  oder  Personen 
durch  Angabe  einer  objektiven,  von  jedermann  wahrnehmbaren 
Eigenschaft  von  anderen  ihrer  Art  zu  unterscheiden.  Das  voran- 
gestellte Adjektiv  dient  zum  Ausdruck  der  subjektiven  Bewertung 
von  Dingen  und  Personen  durch  den  Sprechenden;  es  gibt  der 
Empfindung  Ausdruck,  die  der  Anblick  eines  Gegenstandes,  das 
Denken  an  eine  Person  in  dem  Redenden  erwecken;  kurz  gesagt,  das 
vorangestellte  Adjektiv  dient  zur  affektischen  Attribuierung.  Die  am 
häufigsten  gebrauchten  Adjektive,  nämlich  diejenigen,  die  ganz 
allgemeine  Wert-  und  Gradangaben,  oder  räumlicbe  und  zeitliche 
Größenangaben  entlialten,  wurden  später  infolge  ihrer  häufigen  Ver- 
wendung   in    derselben    Stellung    und   in   Verbindung    mit   demselben 


10  Referate  und  Rezensionen.     C.  This. 

Substantiv  Aiialosiewirkungen  unterworfen,  die  die  unmittelbare  Wirkuug 
des  Stellungsprinzips  zwar  störten,  dabei  aber  doch  in  letzter  Linie 
in  eben  diesem  Stellungsprinzip  begründet  erschienen.  Der  affektiscbe 
Charakter  der  elativen  Adjektive  bringt  es  mit  sich,  daß  derselbe 
nicht  immer  durch  die  Stellung  gekennzeichnet  zu  werden  braucht, 
da  er  bereits  in  ihrer  Bedeutung  und  Form  ausgedrückt  liegt.  Wenn 
mehrere  Adjektive  zu  einem  Substantiv  treten,  richtet  sich  ibre 
Stellung  ganz  nach  der  Art  ihrer  Beziehung  zu  dem  Substantiv. 
Auch  in  der  Figur  des  Chiasmus  handelt  es  sich  nicht  um  einfache 
Entgegensetzung  von  Adjektiven,  sondern  fast  immer  um  Anreihung 
einer  affektischen  und  distinguierenden  Attribuierung. 

"Welche  Art  der  Attribuierung  in  einem  Texte  vorherrscht,  bannt 
von  dem  Charakter  des  einzelnen  Sprachdenkmals  ab.  Der  Stil  der 
religiösen  Werke  ist  weit  sul)jektiver  als  der  der  historischen  Prosa; 
anderseits  erleidet  das  Stellung-prinzip  eine  Einschränkung  in  den 
religiösen  Übersetzungswerken  infolge  der  teilweise  sklavischen  Nach- 
ahmung der  lateinischen  Vorlage,  sogar  in  der  Stellung  des  Partizips. 
Doch  ist  das  französische  Stellungsprinzip  insofern  immer  wirksam,  als 
es  die  Stellung  des  attributiven  Adjektivs  in  fast  allen  den  Fällen  regelt, 
wo  Abweichung  von  der  lateinischen  Vorlage  vorliegt. 

Der  Verfasser  hat  in  seiner  Untersuchung  die  Gesamtheit  der  in 
seinen  Vorlagen  auftretenden  Fälle  berücksichtigt  und  ist  dabei  keiner 
Schwierigkeit  aus  dem  Wege  gegangen.  Seine  Arbeit  erweist  in  ihren 
Ergebnissen  die  vollständige  Richtigkeit  des  von  Prof.  Gröber  auf- 
gestellten Stellungsprinzips  für  die  Verbindung  von  Adjektiv  und 
Substantiv,  das  in  Zukunft  die  Grundlage  für  alle  die  Frage  betreffenden 
Untersuchungen  bilden  wird.  Seit  einer  Reihe  von  Jahren  behandelt 
Referent  in  seinem  Unterricht  das  Kapitel  von  der  Stellung  des  attri- 
butiven Adjektivs  im  Neufranzösischen  nach  diesem  Stellungsprinzip 
mit  dem  besten  Erfolge.  Natürlich  darf  bei  einem  derartigen  Unter- 
richt von  rein  mechanischer  Arbeit  nicht  mehr  die  Rede  sein.') 

Markirch  (Elsass).  C.  This. 


')  Die  in  den  letzten  Jahren  erschienenen  neuen  Arbeiten  über  die 
Stellung  des  attributiven  Adjektivs  haben  auf  Plattner  so  wenig  Eindruck 
gemacht,  dafs  er  in  dem  1907  erschienenen  IV.  Teile  seiner  „Ausführlichen 
Grammatik  der  französischen  Sprache^  sich  immer  fester  noch  auf  seinen  — 
behaglichen  —  statistischen  Standpunkt  versteift,  indem  er  schreibt:  „Schon 
öfter  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  die  scheinbar  so  regellose  Stellung 
des  französischen  Adjektivs  unter  einem  gemeinsamen  Grundprinzip  zusammen- 
zufassen. Ein  solcher  Versuch  ist  aber  so  aussichtslos,  dafs,  wer  ihn 
unternimmt,  schon  dadurch  zeigt,  wie  wenig  er  in  das  Wesen  der  Sache  ein- 
gedrungen ist,  und  wie  wenig  er  demnach  befähigt  ist,  eine  Klärung  herbei- 
zuführen."   Mit  Recht  dürfen  wir  fragen,  wer  wohl  tiefer  in  das  Wesen  der 


G.  M.  Küffner.    Das  unveränderl.  Eigenschaftsivori  i.  Franz.     1 1 

Küffner,  G.  M.  Das  unveränderliche  Eigenschaftswort  im  Fran- 
zösischen. Beilage  zum  Jahresbericht  der  K.  Realschule 
Ludwigshafen  am  Rhein   1906.  40  S.  Gr.  %^. 

Einleitend  weist  K.  zunächst  auf  die  Behandlung  des  unver- 
änderlichen Eigenschaftswortes  im  Französischen  in  4  Schulgrammatiken 
(Plattner,  Ohlert,  Link,  Weitzenböck)  hin,  von  denen  keine  auf  Wissen- 
schaftlichkeit Anspruch  erheben  will.  Alsdann  gibt  er  in  alphabetischer 
Reihenfolge  eine  Liste  der  nach  seiner  Meinung  unveränderlichen 
Adjektive  unter  Anführung  reichhaltiger  Beispiele.  Zum  Schluß  drückt 
er  das  Ergebnis  seiner  Arbeit  folgendermaßen  aus:  „Die  unver- 
änderlichen Eigenschaftswörter  kommen  vor  als  Adverb,  Objekt  und 
Prädikatsnora inativ.  Ursprünglich  nur  bei  Zeitwörtern  stehend, 
haben  sich  viele  ganz  losgelöst  von  einem  Zeitwort  und  können,  allein 
stehend,  als  Umstandswörter  verwendet  werden,  z.  B.  bas,  bref, 
comptant,  court,  dru,  expres,  ferme^  fin,  fort,  frais,  franc,  gros, 
haut,  juste,  plein,  serre,  siir,  vrai.  Zum  mindesten  hat  sich  der 
Kreis  der  Zeitwörter,  bei  denen  sie  stehen  können,  bei  allen  diesen 
Adjektiven  sehr  erweitert.  Tout,  das  vor  vielen  dieser  Eigenschafts- 
wörter steht,  ist  oft  ganz  abgeschwächt  und  hat  seine  verstärkende 
Wirkung  eingebüßt,  bedeutet  zuletzt  oft  gar  nichts  mehr."  Ein 
Verzeichnis  der  angeführten  Schriften  schließt  das  Ganze. 

Wir  sehen  von  einer  Kritik  des  in  allen  Punkten  höchst  an- 
fechtbaren Ergebnisses  ab  und  fragen  uns,  wie  K.  zu  seinem  Ergebnis 
gelangt.  In  Wirklichkeit  ist  nirgends  der  Versuch  einer  Erklärung 
nur  angedeutet.  Der  Verfasser  überläßt  es  ganz  seinem  Leser,  aus 
seiner  alphabetischen  Zusammenstellung  von  Adjektiven  mit  beigefügten 
Beispielen  sein  Ergebnis  herauszufinden.  So  wie  die  Arbeit  vorliegt, 
ist  sie  nur  eine  ungesichtete  Sammlung.  Da  wären  vor  allen  Dingen 
die  Fälle  auszuscheiden,  in  denen  das  Adjektiv  prädikativ  gebraucht 
ist.  Dann  wäre  zu  untersuchen,  wie  weit  ein  Adjektiv  in  Substantiv- 
funktion auftritt,  u.  s.  w.  Bei  einfacher  Überlegung  hätte  K.  über- 
haupt manches  in  seine  Liste  nicht  aufgenommen.  Das  Beispiel  Vivons 
cachS,  aus  Florian's  Fabel  Le  Grillon,  gehört  nicht  hierher;  ebenso 
wenig  se  conserver  frais,  on  venait  peu  nombreux,  le  mayigeant 
rassis,  und  vieles  andere.  In  dem  Satze  „lls  s'airnaient  de  cet 
amour  qui  ne  commence  sur  la  terre  que  pour  se  continuer  meilleur 
au  sein  de  Dieu'^  handelt  es  sich  nicht  um  eine  „bessere  Fortsetzung", 
sondern  um  eine  Liebe,  die  sich  im  Himmel  als  eine  bessere  fortsetzt. 
Wäre  in  dem  Beispiel  „lls  me  recomiaitront  bieii  sür  pour  une  des 
leurs""  das  r,bien  sur''  in  Kommata  eingeschlossen  gewesen,  so  hätte 
der  Verfasser  es  in  diesem  Zusammenhang  anders  behandelt. 


Sache,  in  das  sprachliche  Verständnis  eindringt,  derjenige,  der  —  in  gewissen- 
hafter Notierung  —  die  Erscheinungen  nur  statistisch  feststellt  ohne  Rücksicht 
auf  den  Zusammenhang  der  Rede,  oder  derjenige,  der  sich  fragt,  welche 
psychologischen  Motive  den  Redenden,  den  Schriftsteller  zu  der  und  der 
Stellung  veranlafst  haben. 


12  Referate  und  Rezensionen.     E.   Herzog. 

Wir  verzichten  auf  weitere  Ausstellungen,  legen  aber  dem  Verf. 
ans  Herz,  nun,  wo  er  sein  Material  gesammelt  hat,  an  die  eigentliche 
Ausarbeitung,  eine  höchst  dankbare  und  verdienstliche  Aufgabe,  heran- 
zutreten. Das  über  die  Frage  vorhandene  wissenschaftliche  Material 
wird  ihm  bei  seinem  Studium  sehr  zustatten  kommen. 

Markirch(Elsass).  C.This. 


Brusewitz,  Victor.  Etüde  Mstorique  sur  la  syntaxe  des  pronoms 
personnels  dans  la  langue  desfelibres  (Upsalaer  Dissertation), 
Stockholm,  Is.  Marcus  1905.  XIV  und  122  S.  8  0. 

Br.  bietet  uns  eine  sorgfältige  historische  Studie  über  die  Syntax 
des  Personalpronomens  in  der  neuprovenzalischen  Schriftsprache 
(Dialekt  von  Arles-Avignon).  Obwohl  die  Quellen  aus  früheren  Jahr- 
hunderten nicht  gerade  reichlich  fließen,  genügen  sie  doch,  um  einzelne 
Punkte,  die  sonst  unklar  bleiben  würden,  aufzuhellen  und  zu 
kontrollieren,  ob  sich  gewisse  Vorgänge  wirklich  in  der  Weise  und 
Abfolge  abgespielt  haben,  wie  man  es  nach  dem  heutigen  Stand  der 
Dinge  vermuten  würde.  So  hatte  ich,  durch  eine  Reihe  analoger 
Vorgänge  in  neufrz.  Mundarten  veranlaßt,  angenommen,  daß  bei 
der  Herausbildung  der  Form  nen  (INDE)  n'  ursprünglich  Negation 
war.  Die  Prüfung  der  Denkmäler  zeigt,  daß  diese  Annahme  unbaltbar 
ist.  Doch  glaube  ich  noch  immer  nicht,  daß  dieses  n'en  einfach 
eine  Verdoppelung  des  Jie  ■=  INDE  {ne  -{-  ^n)  vorstellt,  und  auch 
Brusewitz  scheint  die  Sache  nicht  ohne  weiters  begreiflich  zu  sein; 
denn  er  faßt  es  außerdem  als  Analogiebildung  auf:  m'a  (me  habet) : 
n'a  (inde  habet)  =  m'en  (rae  inde):  x;  x  =  nen.  Aber  diese 
Proportionsbilduug  ist,  wie  bereits  E  Staaff  i.^.r*.  PA.  1907  Sp.  118f. 
festgestellt  hat,  verfehlt,  die  beiden  Glieder  verhalten  sich  ja  be- 
griiflich  nicht  gleich:  Im  ersten  Glied  steht  dem  me  'mich'  'davon' 
gegenüber,  im  zweiten  Glied  dem  'mich  davon'  ebenfalls  nur  ein 
einfaches  'davon'.  Das  wäre  begrifflich  also  so,  wie  wenn  man  eine 
Proportion  a  :  b  =  (a  +  b)  :  b  aufstellen  wollte.  —  Ich  glaube  vielmehr 
noch  immer,  daß  die  Negation  bei  der  Bildung  beteiligt  war,  wenn 
auch  in  andrer  Weise.  In  unserer  Gegend  ist  die  vorkonsonantische 
Form  der  Negation  (altprv.  no)  frühzeitig  durch  non  ersetzt.  Die 
Form  no'n  (non  inde,  vor  Konson.)  wurde  dadurch  undeutlich  und 
deshalb  frühzeitig,  wohl  nach  Analogie  von  me'n,  vous  en  etc.,  durch 
no7i  en  verdrängt  (ren  non  en  seniia  Appel  Chr.  11 9 1,9,  ähnlich  eben- 
dai22,  also  non  [nicht  wo*w]  la podian  monre  ebendayi).  Vorvokalisch 
bestanden  nebeneinander  nai  (non  habeo,  oder  inde  habeo)  und  non 
nai  (non  inde  habeo).  Das  Nebeneinander  von  non  en  sentia 
(phon.  nönen  s.)  und  non  n'ai  (ph.  nönai)  mußte  notwendig  dazu 
führen,  die  erste  Verbindung  als  nö  \  nc  \  s.  zu  fühlen,  besonders 
deshalb,  weil  es  einfaches  non  vor  Vokal  nicht  mehr  gab. 


H.    Wendel.     Die  Entwicklung  der  Nachtonvokale.  13 

Einige  Berichtigungen  sind  schon  von  Vignon  in  Cledats  Revue 
XX  S.  293  vorgebracht,  vgl.  auch  Staaffs  bereits  erwähnte  Rezension. 
Hier  noch  ein  paar  Kleinigkeiten : 

S.  27.  Das  Beispiel  aus  dem  15.  Jahrh.  für  die  moderne 
Stellung  der  Fürwörter  vos  las  scheint  mir  nicht  beweisend  zu  sein. 
In  per  vos  las  mostrar  könnte  vos  betoute  Form  sein. 

S.  35.  Die  Erklärung  des  Wandels  le  me  >  me  le  als  Beein- 
flußung seitens  des  Französischen  ist  kaum  wahrscheinlich;  es  sind 
dies  doch  Elemente,  die  in  der  täglichen  Rede  zu  oft  wiederkehren, 
als  daß  ein  solcher  Einfluß  sich  geltend  machen  könnte.  Lehnt  man 
dies  aber  ab,  so  sind  die  provenz.  Verhältnisse  ein  starkes  Argument 
gegen  die  sonst  sehr  ansprechende  Erklärung,  daß  die  Umstellung 
im  Französischen  besonders  bei  reflexiven  Verben  ihren  Ursprung  hat,  wo 
je  me,  tu  te  usw.  eine  feste  Verbindung  eingingen.  Auch  gegen  das 
sogenannte  rhythmische  Prinzip  bei  dieser  Umstellung  verhalte  ich 
mich  skeptisch. 

S.  58.  Die  Wiederaufnahme  eines  que  durch  ein  Personalpronomen 
ist  bereits  altprovenzalisch.  Vgl.  Schultz-Gora,  Altprv.  El.  §  199. 
Ein  Beispiel  mit  deutlichem  Kasus  des  Personalpronomens  ist:  als 
M.  d'Espanha,  Guy,  car  foron  bona  companha  .  .  .  lur  fon  donatz  .  . 
Abrils  issi'  .504. 

Jedenfalls  sind  derartige  ernste,  eingehende  Untersuchungen, 
die  in  einem  bestimmten  eng  umgrenzten  romanischen  Idiom  einzelne 
Erscheinungen  historisch  verfolgen,  freudig  zu  begrüßen.  Gerade  im 
Gebiet  der  Pronominalsyntax,  die  so  viele  schwer  lösbare  Probleme 
enthält,  werden  sich  manche  Punkte  erst  aufhellen,  wenn  wir  recht 
viele  solche  Untersuchungen  haben.  Und  wenn  dabei  auch  manche 
Lösung  versucht  wird,  die  deutlich  den  Stempel  einer  „vorläufigen" 
trägt  —  z.  B.  die  oben  berührte  des  Stellungswandels  oder  die  S.  90 
vorgetragene  des  schwierigen  Problems,  warum  im  Provz.  abweichend 
vom  Französischen  der  Nominativ  des  absoluten  Personalpronomens 
den  Sieg  davon  getragen  hat,  was  B.  gewiß  unrichtig  durch  den 
Wunsch  erklärt,  als  betonte  Form  eine  spezielle,  von  der  unbetonten 
verschiedene  Form  zu  haben  —  so  schadet  das  auch  nichts. 

Friedland.  E.  Herzog. 


Wendel,  H.  Die  Entwicklung  der  Nachtonvokale  aus  dem 
Lateinischen  ins  Altprovenzalische.  Tübinger  Dissertation. 
Halle  1906.     122  S.  8». 

Die  Arbeit  befaßt  sich  hauptsächlich  mit  zwei  Problemen:  der 
Behandlung  des  lateinischen  Vokals  der  Paenultima  in  den  Proparo- 
xytona  und  derjenigen  der  Endvokale.  Die  erste  Frage  ist  die 
anziehendere.  Meyer- Lübke  widmet  ihr  in  seiner  rom.  Grammatik 
einen   vorläufigen  Paragraph   (337),   der   genauere  Untersuchung  als 


14  Referate  und  Rezensionen.     L.  Gauchat. 

notwendig  hinstellt.  Wendel  hat  mit  Fleiß  die  Fälle  in  Wörterbüchern 
und  Chrestomathien  zusammengesucht  und  methodisch  geordnet,  indem 
er  sie  nach  Konsonantengruppen  vereinigt i),  z.  B.  die  <i- Verbindungen: 
calidum,  pallidum,  viridem,  etc.  So  wird  konstatiert,  daß  die 
Synkope  unterbleibt  z.  B.  vor  n  (jove^  fraisse,  ase),  vor  r  nach 
Zischlauten  und  Palatal  (venser,  torser,  teisser,  sorzer;  franher). 
Nach  dem  Verfasser  auch  vor  o  (tebefoej),  und  vor  /  nach  madio- 
palataler  Spirans  {angel,  fraget);  aber  ich  kann  nicht  recht  glauben, 
daß  in  tebe[oeJ  der  interdentale  Reibelaut  die  Synkope  verhindert 
habe,  weil  die  vokalische  Erscheinung  verbreiteter  ist,  als  der  Wandel 
d  —  0,  und  die  andere  Regel  wird  nur  durch  die  beiden  un sichern 
Beispiele 2)  gestützt:  angelus  ist  auch  im  Franz.,  Span,  geleiirt,  und 
fragilis  wird  schon  vulgärlateinisch  sein  g  verloren  haben.  Daher 
reduziert  sich  das  Gesetz  auf  die  Fälle,  die  schon  Grandgent 
{Outline  etc.)  §  49,  in  ähnlicher  Weise  zu  einer  Regel  gefaßt  hatte. 
Die  Ansicht  Meyer- Lübke's,  daß  der  Ausfall  von  -d-  und  -n-  älter 
sei,  als  die  Synkope,  wird  durch  Wendel  richtiggestellt.  Man  darf 
sich  tehe,  ase  nicht  als  tebe(d)e,  ase(n)e  vorstellen.  Die  Behauptung, 
daß  -a-  so  gut  fällt,  wie  andere  Vokale  (p.  78),  halte  ich  nicht  für 
erwiesen  (cf.  Grandgent,  §  48,   1). 

Die  Erklärung  des  Tonfalls  naisser  .^  frz.  naistre  wird  mit  dem 
beliebten  Schlagwort  „un-  oder  schwersprechbare  Konsonantengruppen " 
abgetan,  das  ein  recht  unbefriedigender  Notbehelf  ist,  wenn  man  bedenkt, 
daß  das  Französische  diese  unspreckharen  Gruppen  ruhig  überwunden 
hat.  Was  konnte  denn  in  einer  Form  wie  asno  oder  asne  Unliebsames 
sein,  die  ja  vom  Franz.,  Span.,  .Port,  ertragen  wurde.  Sagt  der 
Toskaner  asino,  weil  ihm  sn  widersteht?  Nein,  denn  er  spricht 
ohne  Mühe  snello,  masnadüf  etc.  Unsprechhares  gibt  es  überhaupt 
nicht,  nur  Ungesprochenes.  Und  dieses  wird  durch  die  Gesamtver- 
änderung der  Sprache  allmählich  zum  Gesprochenen.  Die  Synkope- 
Erscheinungen  wurzeln  tief  im  Weseu  der  Sprache  und  müssen  viel 
feiner  angepackt  werden.  Sorgfältige  Untersuchungen  lebender  Sprachen 
würden  über  die  Grundbedingungen  der  Abstufung  unbetonter  Vokale  bis 
zum  Schwund  Auskunft,  geben,  z.  B.  das  Neufranzösische.  Daß  die 
umgebenden  Konsonanten  eine  wichtige  Rolle  spielen,  zeigen  Beispiele 
wie  sott(e)ment,  av(e)nir,  rät(ejler,  chayit(e)rons  cv^  forteinent, 
parvenir,  batelier,  chanterions ;  aber  gewisse  Milieus  sagen  schon 
fort(e)ment,  das  ja  auch  dem  altfrz.  forment  zu  gründe  liegt.  Populäre 
Ausdrücke  meportefaia;^  portemonnaie  kann  man  schon  synkopiert  hören, 
während  seltenere  noch  in  der  rückständigeren  Form  po?'ig-w/rt«<ßaw, 
porte-mouchette,   etc.  verwendet  werden.     Das  Wort   quatre  biauchte 


^)  Man  kann  finden,  dafs  die  Einteilung  auf  die  Spitze  getrieben  ist, 
wenn  für  ein  einziges  Wort  ein  Abichnittchen  gemacht  oder  z.  ^.  *virginam 
neben  virginem  besonders  behandelt  wird. 

2)  Aber  Wörter,  die  Wendel  als  nicht  volkstümlich  ansieht,  bestätigen 
sie  vielleicht:  tremol,  brujbl,  etc. 


H.  Wendel.     Die  Entivichlung  der  Nachtonvokale.  15 

einst  ein  Stütz-e;  die  Alltagssprache  aller  Schichten  kann  es  heute 
missen,  nicht  aber  die  feierliche  Rede.  Ist  der  Übergang  katrd  — 
katr  —  kat  derjenige  vom  Sagbaren  zum  Unsagbaren?  Auch  die 
Satzstelle  hat  ibren  Einfluß.  Das  Volk  sagt:  terribl(e)ment  fort  cv) 
il  jure  terrihlement.  Die  Theorie  von  den  unsprechbaien  Gruppen 
läßt  besonders  da  im  Stich,  wo  dasselbe  Wort  eine  verschiedene 
Behandlung  erfährt,  wenn  z.  B.  porticus  prov.  ü.\s  porge  und  porteghe 
erscheint,  neuprov.  porge  und  pourteglie,  mit  einer  Differenz  der 
Gebrauchssphäre,  die  ungefähr  dem  franz.  porche  und  portiqice 
entspricht. 

In  der  Untersuchung  dieser  zahlreichen  altprov.  Doppelformen 
zeigen  sich  am  meisten  die  Mängel  der  Wendeischen  Arheit,  die  über 
rohem  Schematismus  das  Feinere  vernachlässigt.  Wie  erkläit  sich 
das  Nebeneinander  von  nede  —  riet,  clergue  —  clerc,  songe  — • 
sonh,  colbe  —  colp;  comde  —  conde,  oste  —  osde;  hörnen  — 
hotnne,  foldre  —  fouzer,  sulvre  —  solver,  etc.?  Um  colbe  —  colp 
und  ähnliche  Fälle  zu  erklären,  hilft  sich  der  Verfasser  damit,  daß 
er  colp  als  in  vorproveuzalischer  oder  „gemeingallischer "  -^j  Zeit  synkopiert 
und  colbe  als  neuere  Bildung,  nach  500,  als  -p-  zu  -b-  geworden  war, 
bezeichnet.  Wenn  aber  der  Vokal  im  „GemeinguUischen"  ausgestoßen 
worden  war,  wie  konnte  er  dann  wieder  auftauchen,  um  sich  einer 
jüngeren  Behandlung  zu  unterweifen?  Der  Verfasser  wäre  um  ein 
gutes  Stück  weiter  gekommen,  wenn  er  nicht  den  gesamten  alt- 
provenzalischen  Wortvorrat  gewissermaßen  als  eine  gleichföimige  Masse 
betrachtet  hätte.  Er  verwertet  seltene  Formen,  wie  messatgue^),  neben 
den  gewöhuüchen,  ohne  sie  in  Distanz  zu  setzen.  Gehört  eine  solche 
Form  der  Literatursprache  an,  stammt  sie  aus  einem  Dialekt,  aus 
welchem,  aus  welcher  Z-it,  was  stellt  die  Graphie  gue  im  betreffenden 
Schrifi stück  dar?  Lauter  unheantwortete  Fragen.  Er  scheidet  nicht 
sicher  genug  zwischen  Erbwort  und  Bucliwort;  z.B.  schaut  er  fragil, 
prinsi,  milesme  als  populär  an,  während  er  teula  als  ein  wenig 
gelehrt,  seguel  (secale)  als  gelehrt  betrachtet.  Vor  allem  liätte  er 
viel  mehr  Gewicht  auf  die  geographische  Verbreitung  der  Formen 
legen  sollen.  Das  Wort  fame  z.  B.  gehört  der  Gascogne  und  an- 
grenzenden Gebieten  an,  die  zum  Spanischen  hinüberleiten.  Der 
Verfasser  erkennt  auch  in  diesem  Falle  richtig,  daß  das  Etymon 
*famine  ist  =  span.  hambre^).  Durch  das  Studium  von  Urkunden 
ließ-'U  sich  gewiß  viele  Formen  lokalisieren  und  auf  ihre  syntaktische 
Verwendung  prüfen  Die  Untersuch unusart  Wendel's  ist  die  der  reinen 
Konstruktiousgrammatik,   die    das  Material  ohne  lange  nach  Ächtheit 


')   Die  Existenz  einer  solchen  ist  sehr  problematisch. 

■•)  Es  wäre  gut  gewesen  bei  solchen  Formen  die  Fundstelle  zu 
verzeichnen. 

*)  Das  Spanische,  über  dessen  Synkopiorung^-  und  xVpnkopieruDgs- 
verhältiiisse  wir  jetzt  durch  Por.-bowicz,  Meneudez  Pidal  und  Baist  besser 
aufgeklärt  sind,  hätte  viele  interessante  Parallelen  gebracht. 


16  Referate  und  Rezensionen.     D.  Behrens. 

und  Provenienz,  ohne  Zusammenhang  mit  der  lebenden  Sprache 
zurechtlegt.  Methodisch  nicht  zu  billigen  ist  die  Ansetzung  von  Schul- 
formen, wie  '■^Rhodarum,  *asirum,  *moracum,  '^sedere,  ^calohrum 
(für  coliibnim)^  "^incalceum  (im  zweiten  Teil,  als  scheraatisches  Etymon 
für  das  Verbalsubstantiv  von  encaussar),  die  nie  gesprochen  worden 
sind.  Auch  über  die  phonetischen  Entwicklungsreihen  ließe  sich 
vieles  sagen.  Die  Verwendnng  von  y  statt  y  in  der  Transkription  ist 
ungebräuchlich  und  störend. 

Auch  der  zweite  Teil  hat  seine  Mängel.  Die  Abwesenheit 
sprachgeographischen  Sinnes  macht  sich  auch  da  fühlbar.  Der  Autor 
glaubt  z.  B.,  daß  die  erste  Person  Präs.  azori  oder  azore  nur 
graphische  Varianten  für  azord  seien.  Ein  Blick  auf  die  Karte  je 
pense  des  Atlas  linguistique  würde  ihm  jetzt  zeigen,  daß  die  -i- 
Formen  ein  bestimmtes  Gebiet  umfassen  und  wirklich  -i  gesprochen 
wird.  Azori  ist  eine  speziell  provenzalische  Form;  azore  steht  auf 
einer  Stufe  mit  franz.  j'adore.  Warum  spricht  Wendel  überhaupt 
immer  von  einem  Ficduktionsvokal  3^)?  Es  wurde  gewiß  -c  gesprochen. 
Das  -i  von  Adjektiven  gewisser  Texte  (sali,  pagadi,  etc.)  sieht  er 
mit  Meyer-Lübke  als  Übertragung  vom  Artikel  oder  Pronomen  an. 
Nachdem  nun  Thomas  seinen  wichtigen  Aufsatz  über  die  Wirkung 
des  -i  Pluralis  auf  den  Stamm  des  Subst.  und  Adj.  veröffentlicht  hat 
(Rom.  XXXIV,  353  ff.)  kann  nicht  mehr  daran  gezweifelt  werden, 
daß  sich  -i  im  Provenzalischen  relativ  lange  hielt,  wenn  auch  nur  in 
gewissen  Wortgruppen. 

Schade,  daß  Wendel  trotz  umfangreicher  Belesenbeit  und  oft 
dokumentierter  Einsicht  nicht  tiefer  in  seinen  Gegenstand  ein- 
gedrungen ist. 

Zürich,  L.  Gauchat. 


Fryklund,  Daniel,  f-^es  changements  de  significaiion  des  ex- 
pressions  de  „droüe''  et  de  ..gaucJie"-  dans  les  langues 
romanes  et  specialement  en  fran^ais.  These  pour  le  doc- 
torat,     Upsal  1907,   imprimerie   Almquist    &  Wiksell.     VI, 

165  S.  8". 

Verfasser  der  vorliegenden  nach  Anlage  und  Ausführung  recht 
beachtenswerten  Erstlingsarbeit  analysiert  die  im  Titel  bezeichneten 
Begriffe  und  untersucht  die  für  dieselben  in  eigentlicher  und  meta- 
phorischer Verwendung  vorhandenen  Ausdrucksmittel,  zunächst  der 
AUgemeinsprache,  darauf  einzelner  Berufssprachen.  Außer  den 
romanischen  hat  er  nicht  selten,  soweit  sich  analoge  Erscheinungen 
darbieten,  die  germanischen  Sprachen  in  den  Kreis  der  Untersuchung 
gezogen.     Seine  Darlegungen   sind   anregend   und  lehrreich   auch  da, 


^)  Er  nimmt  sogar  sofrm  an  =  üs  soufrent. 


Roh.  Huntington  Fletcher.      Tlie  Arthurian  material.        17 

wo  die  Ergebnisse  derselben  im  Einzelnen  zum  Widerspruch  reizen. 
Es  ist  das  im  Besonderen  der  Fall,  wo  sich  Verfasser  in  etymologischen 
Bctraclitungen  über  die  Fuhrmannsausdrücke  dia  und  hue  ergeht,  deren 
Herleitung  aus  lat.  de  hac  und  liuc  er  trotz  des  Versuches  ein- 
gehender Begründung  sicherlich  zu  Unrecht  für  sehr  wahrscheinhch 
erklärt. 

D.  Behrens. 


Fletcher,  Rob.  Huntillg'ton:  The  Arthurian  material  in  the 
chronicles  especialhj  those  of  Great  Britain  and  France 
(Harvard  Studies  uml  Notes  in  Phil,  and  Lit.  X).  ßoston 
1906.    X4-  313  pp.  8". 

Das  Buch  füllt  eine  Lücke  aus.  Man  wird  allgemein  als  reclit 
angenehm  empfinden,  einmal  alles  in  den  Chroniken  enthaltene  arthurische 
Material,  samt  Bibliographie  und  kritischer  Beleuchtung,  beisammen 
zu  haben.  Verf.  hat  die  woitschweifige,  trockene  und  undankbare 
Sammelarbeit  mit  bewundernswertem  Fleiß  ausgeführt.  Auch  seine 
Ki-itik  zeichnet  sich  durch  Gründlichkeit  und  Vorurteilslosiglceit  ans 
und  weist  das  nötige  Maß  von  Nüchternheit  und  Scepticismus  auf. 
Neues  von  Bedeutung  bringt  Verf.  allerdings  sehr  wenig.  D(jch  ist 
dies  nicht  sein  Fehler;  man  wird  wohl  nie  viel  mehr  herauspressen. 
Die  ältesten  Chroniken  werden  mit  ihren  dürftigen  Angaben  über  die 
orthurische  Zeit  stets  ein  Tummelplatz  für  Hypothesen  bleiben;  die 
spätem  Chroniken  (Verf.  führt  uns  bis  an'b  Ende  des  16.  Jahrhunderts) 
sind  vom  Standpunkte  der  Arthurforschung  fast  bedeutuitgslos  und 
—  man  kann  wohl  hinzufügen  —  fast  interesselos;  F.s  Arbeit  macht 
('S  uns  recht  klar,  daß  man  kaum  hoffen  darf,  aus  diesen  Quellen 
etwas  zu  schöpfen,  das  sagen-  und  literaturgeschichtlichen  Wert  hätte. 
Die  einzelnen  Chionisten  sind  gut  charakterisiert,  und  die  Historiker 
werden  manche  Belehrung  bei  ¥.  finden. 

Für  die  Sagenforschung  und  die  französische  Literaturgeschichte 
ist  das  Kapitel  über  Galfrid  von  Monmouth  das  weitaus  wichtigste. 
Folgendes  sind  nach  F.  die  Quellen  Galfrids  l'iir  seine  Historia: 
L  Die  Historiker  Gildas,  Baeda  und  Nennius  (von  ihnen,  namentlich 
dem  letzteren,  borgte  er  den  Plan  seines  Werkes,  die  hauptsächlichsten 
!!]reignisse  und  deren  Reihenfolge;  bald  folgte  er  diesen  Quellen  bis 
in  die  kleinsten  Details,  bald  änderte  er  mit  der  größten  Willkür); 
"2.  Wilhelm  von  Malmesbury  und  Heinrich  von  Huntington,  deren  in 
Betracht  kommende  Werke  kurz  vor  Galfrids  Historia  erschienen 
(sie  waren  es  wohl,  die  Galfrid  reizten,  sein  Werk  zu  schreiben;  ihnen 
entnahm  er  die  neue  Manier,  nämlich  die  Umbildung  der  trockenen 
Ch'onik  mit  Hülfe  der  Phantasie  und  romantischen  Sagenmaterials, 
außerdem  einige  Einzelheiten,  die  ihm  brauchbar  erschienen); 
3.  keltische  (speziell  kymrische)  Genealogien,  Biographien  und  Legenden 

Ztschr.  f.  fiv.  Spr.  u.  Litt.  XXXII 2.  2 


18  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

von  Heiligen  (besonders  Dubricius,  Sarason,  Thelianus);  4.  die  Welt- 
geschichte (hier  mag  Galfrid  einige  Motive  gefunden  haben  für  seine 
Geschichte  von  Arthurs  Eingreifen  in  die  Verhältnisse  der  Völker 
des  Continents;  doch  ist  dies  nur  eine  Hypothese);  5.  die  volks- 
tümliche Überlieferung,  besonders  keltische  Mythen  und  Sagen;  G. 
die  zeitgenössischen  politischen  und  socialen  Verhältnisse  (die  Galfrid 
auf  die  älteren  Perioden  übertrug).  Galfrid  nun  erwähnt  keine  einzige 
von  diesen  Quellen,  aber  dafür  quendam  Britannici  serrnonis  librum, 
welches  ihm  Archidiacoiius  Walter  von  Oxford  ex  JBritannia  gebracht 
haben  soll.  Es  ist  nach  meiner  Meinung  sicher,  daß  ßritanwa  hier 
die  Bretatiue  (Armorica),  Britannicus  sermo  dagegen  die  altbritische 
Sprache  bedeutete  (vgl.  meine  Begründung  dieser  Ansicht  in  dieser 
Zeitschrift  XX  besonders  p.  105,  A.  33);  aber  ich  halte  mit  F.  da- 
für, daß  dieses  Buch  eine  Fiktion  ist.  Zwar  Quellen  wie  die  unter 
2 — 5  erwähnten  hätte  wohl  kein  einziger  mittelalterlicher  Chronist 
angeführt.  Mancher  hätte  sie  nicht  zu  benutzen  gewagt;  aber  wer 
immer  es  übers  Herz  brachte,  sie  zu  benutzen,  hätte  sich  geschämt, 
es  zu  gestehen.  Aber  anders  verhält  es  sich  mit  dem  Verschweigen 
der  unter  1  erwähnten  Quellen.  F.  sucht  alle  möglichen  Eventuali- 
täten hervor,  die  allenfalls  Galfrid  entlasten  könnten:  die  Existenz 
eines  Buches,  in  welchem  jene  Quellen  bereits  vereinigt  gewesen  wären, 
eventuell  auch  Galfrids  bona  fides  bei  der  Täuschung  des  Publikums. 
Aber  alles  dies  ist  unglaublich,  wenn  man  sieht,  wie  Galfrid  mit 
seinem  Quelleiimaterial  umgegangen  ist,  da,  wo  wir  ihn  beobachten 
können.  Es  bleibt  kein  anderer  plausibler  Ausweg  als  die  Annahme, 
daß  Galfrid  mit  vollem  Bewußtsein  Geschichte  gefälscht  hat.  Man 
erkläre  nun,  wie  man  will,  das  Mitwissen  und  die  Mitschuld  seiner 
Gönner.  Noch  mehr  als  seinen  Quellen  verdankt  wohl  Galfrid  seiner 
lebhaften  Phantasie,  die  ihn  nie  im  Stich  ließ.  Zwar  fand  er  ver- 
mutlich in  der  Überheferung  für  alles  Anknüpfungspunkte;  aber 
weniges  genügte,  um  in  seinen  Händen  sehr  fruchtbar  zu  werden  ; 
Geoffreys  creative  genius  manifested  itself  rather  in  development 
ihan  in  sheer  invention  (p.  50).  Vom  literarischen  Standpunkt  ist 
nun  ]iamentlich  dasjenige  wichtig,  was  Galfrid  der  Volkstradition 
entnommen  hat.  Daß  er  sein  Rohmaterial  auflas,  wo  er  es  gerade 
finden  konnte,  geht  aus  F.'s  Ausführungen  klar  hervor.  Es  ist  da- 
rum zweifellos,  daß  er  auch  Sagen  benutzte;  natürlich  waren  es  vor- 
zugsweise keltische.  Die  Frage,  ob  ihm  diese  aus  der  Bretagne 
odi  r  aus  Wales  zukamen,  kann  jedenfalls  summarisch  nicht  entschieden 
werden;  ihm  war  e^  offenbar  ghichgültig,  woher  sie  stammten,  F. 
sagt  (p.  82):  This  problem  ef  Geoffreif  s  Breton  [sie!]  material  is 
a  very  dijficult  one.  It  is  essentially  comiected  icith  ihe  question 
whether  the  Britannia  tchicli  he  naines  as  the  source  of  his  liber 
nieans  Wales  or  Brittany,  and  this  in  turn  involves  the  whoie 
controversy  over  the  matiere  de  Bretagne.  Ich  finde,  daß,  wenn 
einmal  das  aus  Britannia  gebrachte  Buch  als  eine  Fiktion  erwiesen 


Roh.  Huntington  Ftetcher.      The  Arthurian  materiaL         19 

ist,  CS  für  tlie  Frage  nach  Galfrids  Quellen  gleichgültig  sein  kann, 
was  ßritannia  hier  bedeutete.  Auch  ist  das  Problem  von  der  Her- 
kunft der  matiere  de  Bretagne  ganz  verschieden,  je  nachdem  man  von 
den  lais  bretons  oder  von  Galfrids  Historia  handelt.  Bei  Galfrid 
muß  man  von  Fall  zu  Fall  unterschinden,  ßretonischen  Ursprungs 
sind  jedenfalls  die  Sagen  von  Mont-Saint-Michel,  von  Arthurs  Ent- 
lückung  nach  Avalon,  die  Fee  Morguen,  deren  Namen  Galfrid  wohl 
kannte,  aber  absichtlich  unterdrückte,  vermutlich  auch  die  Auffassung 
Arthurs  als  König  (an  Stelle  des  Arturus  miles  oder  Imperator  der 
kymrischen  Sage;  vgl.  p.  103).  Der  größte  Teil  des  von  Galfrid 
verwerteten  Sagenmaterials  stammt  aber  jedenfalls  aus  seiner  Heimat, 
Wales,  so  die  Figuren  und  Sasen  von  Uter  Pendragon,  Merlinus, 
Hiderus,  Cujus,  Beduerus,  Eventus  etc.  Betreffend  Walgainus  läßt 
sich  wohl  kaum  etwas  sicheres  sauen,  indem  einerseits  die  Identifikation 
mit  dem  kymrischen  Helden  Givalc/unei  höchst  wahrscheinlich  unur- 
sprünglich ist,  anderseits  ein  Walgainus  in  den  so  reichhaltigen  kymrischen 
Namenlisten  noch  nicht  entdeckt  worden  ist.  Immerhin  ist  kymrischer 
oder  dann  kymrischer  und  bretonischer  Ursprung  für  die  Walgainus 
(Walwen)  -Sage  das  wahrscheinlichere;  vielleicht  war  W.  ein  nord- 
brittischerHeld.  Seine  Konnektion  mitWalweitha  ist  aber  kaum  ursprüng- 
lich. Wäre  er  derEponymus  des  Lande-;,  so  wäre  er  kein  echter  Sauenheld. 
Aber  zufällig  ist  die  Verbindung  auch  kaum,  sie  beruht  daher  wahrschein- 
lich auf  gelehrter  Etymologisiererei  und  findet  sich  denn  ancli  zuerst  und 
sicher  nur  in  einem  gelehrten  Werk.  In  welcher  Form  Galfrid  diese 
kymrischen  Sagen  kennen  lernte,  werden  wir  wohl  nie  ausfindig  machen. 
Die  Hypothese,  daß  sie  in  Lai-form  cirkulieiten  und  von  kymrischen 
Sängern  in  England  kolportiert  wurden,  schwebt  vollständiti  in  der 
Luft.  Das  Unangenehme  ist  nun  bei  Galfrid,  daß  man  nie  weiß, 
wie  viel  von  dem,  was  er  berichtet,  der  Sage  angehört  und  wie  viel  seiner 
Erfindung  und  Kombination.  Daß  letztere  einen  großen  Einfluß  hatten, 
ist  aus  der  Behandlung  der  uns  bekannten  Quellen  zu  eikennen.  So 
glaube  ich  in  dieser  Zeitschrift  (XXX  210  ff.)  es  als  wahrscheinlich 
erwiesen  zu  haben,  daß  Galfritl,  der  so  vieles  über  Merlin  berichtet, 
aus  der  Sage  weiter  nichts  eifuhr,  als  daß  ein  Prophet  dieses  Namens 
existierte.  Besonders  interessant  wäre  es  zu  wissen,  was  er  aus  der 
Sage  über  Arthur  kennen  lernte,  oder  wie  weit  die  Ailhursaffe  vor 
seiner  Historia  entwickelt  war.  Diese  Frage  wird  von  F.  ziemlich 
eingehend  behandelt  (p.  97 — 108).  Hier  hätte  aber  zwischen  Wales 
und  der  Bretagne  unterschieden  werden  sollen.  F.  gibt  auch  die  Vita 
Merlijn  als  Galfrids  Werk  aus,  was  ganz  ungerechtfertigt  ist  (vgl. 
diese  Zeitschrift  XXX  216.  A  101). 

Bei  der  Besprechung  von  Wace's  Brut  scheint  mir  F.  etwas 
zu  weit  zu  gehen  in  der  Annahme  von  Beeinflussung  durch  die  Volks- 
tradition. Daß  er  aithurische  Volkssagen  gekannt  hat,  bezeugt  Wace 
selbst;  aber  man  sieht  auch,  wie  skeptisch  er  sich  ihnen  gegenüber 
verhält.     Er  erwähnt  die  berühmte   Table  Ronde^  geruht  aber  nicht. 


20  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

auch  nur  eine  von  den  vielen  fahles^  die  ihm  hierüber  bekannt  waren, 
mitzuteilen  (vgl.  diese  Zeitschrift  XXIX-  j).  24.3).  Er  kennt  die  Quelle 
von  ßerenton  aus  Volkssugen;  aber  indem  er  auf  solche  anspielt, 
gibt  er  zugleich  der  Verachtung  Ausdruck,  mit  der  er  sie  ansieht. 
Daß  er  von  Sagen  über  Merlin,  Gauvain  etc.  (tue  vielleicht  erst  durch 
Galfrid  mit  der  Arthursage  verknüpft  worden  waren)  sich  beeintlußi'n 
ließ,  um  Galfrids  Aussagen  zu  korrigieren,  daß  er  überhaupt  solche 
Sagen  kannte,  erscheint  mir  sehr  zweifelhaft.  Noch  weniger  kann  icli 
glauben,  daß  der  sonst  unbekannte  Romorec  de  Guenelande  (vgl. 
F.  p.  141 — 143)  von  Wace  eingeführt  wurde,  sondern  halte  dafür, 
daß  in  dem  Manuskript  der  Uistoria,  das  Wace  vorlag,  dieser  Name 
vorkam  und  daß  dieses  Manuskript  sogar  ursprünglicher  war  (vgl. 
diese  Zeitschrift  XXIX -^  p.  247 — 249  A.  11).  Es  ist  überhaupt  kaum 
denkbar,  daß  Wace  kymrische  Sagen  kannte.  Dasjenige  Sagenmaterial, 
das  er  als  solches  bezeichnet,  ist  bretonisch. 

Martins  Brut  wird  nur  in  einer  Anmerkung  (p.  144) 
erwähnt.  Das  Werk  scheint  doch  einige  Bedeutung  gehabt  zu 
haben  (vgl.  diese  Zeitschrift  XXX  ^  p.  182  ff.).  In  der  Bibliographie 
zu  dem  kurzen  Merlin  -  Gedicht  der  Aruudelhs  (p.  144)  ist  Kölbing 
vergessen  worden,  der  in  seiner  Einleitung  zur  Ausgabe  von  Arthour 
and  Merlin  (p.  CIX  f.)  eine  Liste  von  Verbesserungen  zu  Villemarque's 
Ausgabe  mitteilte. 

Layamon  hat,  wie  F.  sagt,  aus  Wace's  Brut  ein  sächsisches 
Epos  gemacht.  Auch  Layamon's  Wichtgkeit  für  die  Sagenforschuiig 
wird  in  der  Regel  überschätzt,  in  geringem  Maße  wohl  auch  noch 
von  Y.  Was  die  Episode  von  Rumareth  of  Winctlond  betrifft,  so 
verweise  ich  wieder  auf  diese  Zeitschrift  XXIX'^  p.  247—49,  A.  11 . 
Ich  möchte  zur  Illustration  der  Willkür,  die  Layamon  nach  meiner 
Meinung  bei  der  Behandlung  dieser  Episode  an  den  Tag  legt,  auf 
eine  von  F.  (p.  150—151)  angeführte  Scene  (Arthur  erfährt  von 
Modred's  Verrat)  verweisen;  er  schuf  hier  eine  neue  Rolle,  wie  er 
anderwärts  häufig  Namen  erfand  (vgl.  p.  158 — 159).  Über  Layamon's 
Verhältnis  zu  seineu  Quellen  wäre  nun  auch  R.  Imelmann,  Layamon: 
Versuche  über  seine  Quellen^  Diss.  Berl.  1906,  zu  vergleichen. 

Über  die  Quellen  des  großen  anglonormannischen  Prosa-Brnt  gibt 
jetzt  Friedr.  W.  D.  Brie  in  seiner  Marburger  Hab.- Schrift  betitelt 
.,  Geschichte  und  Quellet),  der  mittel enpUschen  Prosachronik  The  Brüte 
of  England^  I.  1906,  (p.  .32  ff.)  geiuiuere  Aufschlüsse,  während  F. 
(p.  215)  hierüber  nur  wenig  zu  sagen  weiß  und  meint:  To  trace  the 
exact  pedigree  of  the  Brut  is  prohahly  impossible. 

Auf  die  Behandlung  der  übrigen  Chroniken  will  ich  nicht  ein- 
gehen. Ich  kann  nur  F.'s  Behauptung  The  history  of  the  Arthurian 
material  in  the  chronicles  after  Geojfrey  is  the  history  ofthe  treatmevt 
to  which  Geoffrey''s  version  of  the  story  loas  subjected  by  later 
writers  (p.  116)  unterschreiben.    Es  ist  auflallend,  daß  die  englischen 


Rob.  Huntington  Fletcher.      The  Arthurian  maierial.        21 

Chronisten,  die  Nachkommen  der  Sachsen,  die  Feinde  der  letztern,  vor 
allem  Arthur,  mit  einem  Eifer  rühmen,  der  selbst  von  den  Kymren 
nicht  übei'trotfen  werden  konnte.  Es  kann  doch  kaum  angenommen 
werden,  daß  sie  ebenso  wie  es  etwa  Ausländer  taten,  z,  B.  der 
Italiener  Gottfried  von  Viterbo  und  der  Franzose  Jehan  de  Wavrin, 
den  Unti^rschied  zwischen  Britten  und  Sachsen  nicht  mehr  erkannten 
und  die  Britten  Anglois  nannten,  wohl  nach  Analogie  von  Bretagne  = 
Engleterre  (vcl.  F.  p.  147,  228  und  eine  Bemerkung  von  mir  in  dieser 
Zeitschrift  XXX  i  \).  172,  A.  8).  Ich  denke,  daß  sich  jene  Eigen- 
tümlichkeit nur  dadurch  erklärt,  daß  die  Engländer  die  Arthursage 
eben  hauptsächlich  aus  den  Romanen  der  Continentalfranzosen  kennen 
lernten,  die  keinen  Grund  hatten,  mit  dem  Lob  der  Britten  zurück- 
zuhalten. Bei  einigen  schottischen  Chronisten  findet  man  dagegen  einen 
unverhehlten  Haß  gegenüber  den  Briiten.  Sie  feierten  vor  allem  die 
piktischen  Fürsten  wie  l.oth  und  Modred  und  entstellten  in  diesem 
Sinn  Galfrids  Bericht  (vgl.  p.  241  ff). 

Eine  Vergleichung  von  F.'s  Analysen  und  Urteilen  mit  den 
Quellen  war  mir  im  allgemeinen  nicht  möglich.  Ich  kann  auch  nicht 
beurteilen,  ob  in  der  langen  Liste  von  Chroniken,  die  F.  teils  bespricht 
teils  ciwähnt,  Lücken  sind.  Ich  vermißte  nur  die  Erwähnung  der 
Chronik  des  Helinand  von  Froidniont,  die  den  berühmten  Passus  über 
den  großen  Gralcyklus  enthält.  Es  wäre  wohl  angemessen  gewesen, 
außer  den  Chroniken  auch  die  übrigen  gelehrten  Werke,  die  arthurisches 
Material  aufgenommen  haben  (deren  Zahl  nicht  groß  sein  kann), 
wenigstens  in  einem  Appendix  zu  besprechen.  Ich  erinnere  an  das 
Reductorium  Morale  des  Pierre  Bersuire,  das  eine  interessante,  sonst 
nicht  bekannte  Gauvainsage  enthält  (citiert  von  J.  Weston,  The  legend 
of  Sir  Gawain  p.  28,  74).  an  Bale's  Catalogus  (citiert  von  J.  Weston, 
The  legend  of  Sir  Perceval  p.  293;  vgl.  dazu  diese  Zs.  XXXP 
p.  155  — 156)^)  und  namentlich  an  den  Traktat  De  amore  des 
Andreas  Capellanus. 

Endlich  möchte  ich  noch  zwei  Einzelheiten  anfiUiren.  F.  e-rwähnt 
(p.  208)  Robert  Mannyng's  Angabe,  wonach  Merlins  Prophezeiungeu 
autgCM.hrieben  seien  in  the  books  of  Blase,  Tolomer  and  Sire  Amy- 
taifn,  loho  loere  Merlin  s  masters,  und  bemerkt  dazu  nur:  His  know- 
ledge  of  Blase  must  have  corne  directly  or  indirectly  from  the 
prose  Merlin.  Mannyng  spielt  hier  zweifellos  auf  Meister  Richards 
Prophesies  Merlin  an,  welche,  in  ihrer  voUstiindiiien  Fassung,  sich 
als  Exzerpte  aus  den  Aufzeichnungen  Blaise's,  Tolomer  s,  Antoine's 
(statt  Aniytayn  ist  zu  lesen  Auntayn)  und  noch  anderer  clercs  aus- 
gaben. Daß  auch  der  frater  Laziardiis,  Autor  der  Epitomata  a 
Primeva  Muiuli  Origine,  welcher  für  seine  Merlingeschichte  als  Gewährs- 
mann  a  certain  Ricardus    (F.  p.  239)   nennt,   den   eben    genannten 


')  Ich  habe  daselbst  irrtümlich  Morgano  in  Morgana  korrigiert. 


?2  Referate  und  Rezensionen.      W.  Tavernier. 

Meister  Richard  meint,  wage  ich  zu  behaupten,  ohne  die  (mir  un- 
zugängliche) Chronik  gelesen  zu  haben.  F.  denkt  an  Richardus 
Chiuiacensis  (p.  282). 

Der  ausführliche  Index  ;im  Schluß  des  Werkes  verdient  auch 
erwähnt  zu  werden. 

Zürich,  F..  Rkugger. 

Brückner,  (üllStav.  Bas  Verhältnis  des  französischen  Rolands- 
liedes zur  Turpinschen  Chronik  und  zum  Carmen  de 
prodicione    Guenonis.     Diss.   Rostock,    1905.     8".    337  S. 

Diese,  von  der  Rostocker  philosophischen  Fakultät  gekrönte 
Preisschrift  gibt  auf  S.  1 — 30  eine  eingehende  Geschichte  der  bis- 
herigen Arbeiten  über  das  Verhältnis  des  Rolandsliedes  (R)  zur 
Chronik  Turpins  (T)  und  dem  Carmen  (C).  S.  30 — 33  entwickelt 
der  Verf.  die  Grundsätze  seiner  Kritik,  und  es  folgt  dann  in  200  Seiten 
die  Untersuchung  selbst.  Die  einzelnen  Züge  werden  nach  der 
Reihenfolge  der  Ereignisse,  in  vier  große  Episoden  gegliedert,  betrachtet 
und  bei  jedem  Punkt  die  bisher  geäußerten  Urteile  ausführlich, 
vielfach  im  Wortlaut  aufgeführt,  das  Für  und  Wider  mit  Sachlichkeit 
und  nicht  ohne  Geschick  abgewogen  und  danach  die  jeweilige 
Entscheidung  gefällt.  Durch  das  weitläufige  Zusammenstellen  der 
älteren  Kritik  wird  B.'s  Arbeit  für  die  künftige  Forschung  auch  deu 
praktischen  Wert  haben,  daß  sie  vieles  Nachschlagen  erspart.  Nur  eine 
ausführliche  Arbeit  über  den  Gegenstand,  des  Ref.  ,  Vorgeschichte 
des  all  französischen  Rolanddiedes^,  1903,  z.T.  schon  1901  erschienen, 
ist  dem  Verf.  unbekannt  geblieben,  und  mit  Befremden  liest  man, 
daß  er  zwar  die  Bibliothek  des  Britischen  Museums  für  seine  Arbeit 
benutzte,  aber  den  Verfasser  der  Hallenser  Dissertation  von  1901, 
die,  wie  er  wußte  (S.  332,  Anm.  1),  das  Verhältnis  von  C  zu  R 
behandelt  hatte,  nicht  feststellen  konnte. 

Insofern  bedauern  wir  B.'s,  nur  in  diesem  einen  Punkt  mangel- 
hafte bibliographische  Beratung  nicht,  als  seine  Untersuchung,  ganz 
unabhängig  von  der  unsrigen  durchgeführt,  das  Resultat  bestätigt,  zu 
dem  wir  gelangt  waren:  dal5  G.  Paris  mit  Recht  in  der  Vorlage 
von  C  eine  ältere  Stufe  von  R  gesehen  habe.  Über  diesen  Punkt, 
der  u.  E.  für  die  Rolandskritik  der  wesentlichste  ist,  haben  wir  nns 
also  mit  B.  nicht  auseinanderzusetzen. 

Aber  der  Verf.  kommt  zu  dem  weiteren  Ergebnis,  daß  auch 
T  eine  ältere  Stufe  als  R  darstelle,  auch  hierin  G.  Paris'  Ansicht 
gegenüber  Stengels  Angriffen  bestätigend.  Es  sind  gegen  40  Einzel- 
züge, aus  denen  B/s  These  über  das  Verhältnis  von  T  zu  R  erwächst, 
und  es  würde  den  Rahmen  einer  Besprechung  weit  überschreiten,  wollte 
man  jedes  einzelne  Argument  widerlegen.  Es  mag  genügen,  die 
Fehler  der  Beweisführung  im  großen  zu  rubrizieren  und  auf  ihre 
Quellen  zurückzuführen. 


Gustav  Brückner.     Das  Verhältnis  d.  franz.  Rolandsliedes.     23 

B.  sagt  in  seinen  methodischen  Erwägungen  sehr  richtig  (S.  32): 
„Die  allgemeine  Tendenz  einer  Redaktion  ist  bei  der  Beurteilung 
ihrer  Einzelzüge  zu  berücksichtigen,"  Nur  rächt  es  sich  an  dem 
Verf.,  wie  den  meisten  seiner  Vorgänger,  daß  ihm  die  Kenntnis 
der  Literatur  und  der  Geistesgeschiclitc  jener  Zeit  abgeht,  die  er- 
forderlich wäre,  um  die  „allgemeinen  Tendenzen"  richtig  würdigen  zu 
können.  Für  T.  kommt  der  erschwerende  Umstand  hinzu,  daß  eine 
kritische  Ausgabe  ebenso  wie  eine  Einleitung,  die  die  Quellen  des 
interessanten  Werkes  bis  ins  einzelne  aufdeckte  und  seinen  literarischen 
Charakter  feststellte,  noch  immer  fehlt. 

So  ist  es  B.  entgangen,  daß  T.  vor  allem  das  Märtyrer- 
tum  des  seligen  Roland  erzählen  will.  Man  hört  weniger  von  tapferem 
Dreinschlagen  der  Frankenhelden,  als  von  ihrem  bitteren  Leiden. 
.,Alii  lanceis  perforantur,  alii  spatis  decollantur,  alii  securibus  absci- 
duntur,  alii  sagittis  et  ja culis  perforantur,  alii  perticis  verberando 
perimuntur,  alii  cultellis  vivi  excoriantur,  alii  igne  cremantur, 
alii  arboribus  suspenduntur"  (S.  202  f.)  ist  keineswegs  „alte  Schilde- 
rung der  sarazenischen  Kampfesweise  in  der  ersten  Schlacht"  und  das 
Ursprüngliche  gegenüber  der  Erzählung  in  R,  sondern  reine  Märtyrer- 
.neschichte.  —  „Natürlicher  und  einfacher  ist  die  Darstellung  von  T, 
]iach  der  Roland  selbst  um  einen  Labetrunk  bittet.  R  hat  die 
Situation  effektvoller  gestaltet"  (S.  255).  Augenscheinlich  ist  der 
Martertod  Jesu  und  sein  ,Mich  dürstet'  hier  für  T  Vorbild  und 
Grund  für  seine  Änderung  gewesen.  —  Nach  T  ist  Roland  schon  von 
vier  Lanzen  durchbohrt,  gesteinigt  (lapidibus  graviter  percu^sus  et 
attritus),  dann  springen  ihm  (wie  auch  bei  R)  Adern  und  Muskeln 
infolge  des  starken  Hornrufs,  und  zu  alledem  läßt  ihn  T  noch  vor 
Durst  verschmachten;  eine  furchtbare  Häufung  der  Märtyrerqualen 
zum  höheren  Ruhm  des  seligen  Roland,  nicht  „entschieden  die  älteste 
Überlieferung"  (S.  235),  vielmehr  Ausgestaltung  der  Erzählung  in 
R  mit  deutlicher  Absicht.  —  Hierher  gehört  denn  auch,  daß  nach 
T  Ganelon  den  frommen  Helden  und  die  Seinen  aus  Habsucht  schlecht- 
hin verrät,  v.'ie  Judas  den  Herrn  (gegen  Brückner  S.  94);  gegenüber 
der  komplizierten  Motivierung  seiner  Vorlage  entschied  sich  T  für 
das   einfachste   und    zugleich  seinem  Ideenkreis  naheliegendste  Motiv. 

Der  Verfasser  des  Pseudo-Turpin  war  ein  Mönch,  der  für 
Kleriker  schrieb.  Das  Rolandslied  ist  zwar  auch  von  einem  Geist- 
lichen gedichtet  worden,  aber  für  normannische  Barone,  und  mindestens 
drei  Jahrzehnte  vor  T.  In  einer  Zeit  voll  begeisterten  Hochgefühls 
hatte  R  so  rührende  und  grandiose  Züge  in  das  alte  Lied  hinein- 
gedichtet wie  den  des  sterbenden  Roland,  der  Gott  seinen  Handschuh 
reicht.  „Der  Chronist  hat  diesen  Zug  jedenfalls  nicht  gekannt,  sonst 
würde  er  ihn  wohl  gern  in  soine  geistliche  Kompilation  aufgenommen 
haben",  argumentiert  B.  (S.  277).  Gekannt  hat  T  den  Zug  schon, 
nur  konnte  er  ihn  als  Theologe  nicht  gebrauchen.  So  seltsames  konnte 
er   seinen  geisthchen  Lesern  nicht  bieten;    dergleichen  stand  noch  in 


24  Referate  und  Rezensionen.     W.  Taverniei\ 

keiner  Märtyrergeschichte  uud  war  von  allzu  bedeukliclier  Eigenart. 
—  Und  niclit  anders  steht  es  um  die  Reliquien  im  Knaufe  Duren- 
dals  (S.  259).  Reliquien  im  Panzerhemd  oder  im  Helm,  zum  Schutz 
des  Kriegers,  das  mochte  gehn,  aber  im  Schwert,  in  einer  Mordwaffe. 
das  war  denn  doch  eine  zu  chevalereske  und  zu  wenig  kirchliche 
Vorstellung,  als  daß  sie  T.  hätte  goutieren  können.  Übrigens  ist 
dergleichen  bei  Schwertern  auch  in  Wirklichkeit,  wie  es  scheint,  nicht 
vorgekommen. 

B.  erklärt  S.  31:  „Im  allgemeinen  darf  man  die  Version,  die 
dem  zugrunde  liegenden  geschichtlichen  Berichte  näher  steht,  auch 
als  die  ursprünglichere  betrachten.  Doch  ist  dieses  Kriterium  nicht 
uubedingt  zuverlässig:  auch  ein  späterer,  gelehrter  Interpolator  kann 
absichtlich  die  Annäherung  an  die  geschichtlichen  Tatsachen  herbei- 
geführt haben."  Eine  ganze  Reihe  von  Fehlschlüssen  entspringen 
daraus,  daß  B.  im  Lauf  seiner  Untersuchung  die  im  zweiten  der  obigen 
Sätze  ausgesprochene  Erkenntnis  außer  Acht  gelassen  hat.  Die  An- 
gabe in  C  und  R,  die  Franken  hätten  7  Jahre  in  Spanien  verweilt, 
fehlt  in  T;  „da  diese  Angabe  den  historischen  Tatsachen  widerspricht, 
scheint  die  Chronik  hier  die  ältere  Überlieferung  bewahrt  zu  haben- 
(S.  34).  —  T  hat  JPampilonia  statt  Morindia  in  C  und  Cordres  in 
R;  „wir  dürfen  demnach  wohl  als  sicher  annehmen,  daß  der  Chronist 
geschichtlichen  Erinnerungen  folgt"  (S.  40).  —  Dem  geschichtlichen 
Berichte  „steht  die  Darstellung  von  T  am  nächsten,"  die  auch  zwei 
Heidenkönige  kennt  (S.  45)  und  „ebensowenig  wie  die  geschichtlichen 
Bericlite  Saragossa  als  ihre  Residenz  bezeichnet"  (S.  47).  —  Die 
Schilderung  der  Schlacht  von  Roncevaux  sei  am  ursprünglichsten  bei 
T,  denn  hier  sei  der  Charakter  des  Überfalls  am  meisten  gewahrt, 
und  die  Stärke  des  Heidenheeres  sei  viel  geringer  als  bei  R  ange- 
geben; „die  Annahme,  daß  T  die  großen  Zahlen  von  R  schon  gekannt 
habe,  ist  in  der  Tat  unhaltbar:  es  wäre  nicht  einzusehen,  aus  welchem 
Grunde  der  Chronist  sie  reduziert  haben  sollte  im  Gegensatz  zu  andern 
späteren  Gedichten  desselben  Sagenkreises,  wo  die  Zahlen  noch  über 
das  Muß  von  R  hinauswachsen-'  (S.  194).  Hier  wird  vergessen,  daß 
T  eben  kein  Gedicht  ist,  sondern  eine  Geschichte  Karls  des  Großen 
und  Rolands  sein  will  (Historia  Karoli  Magni),  und  daß  ihr  Verf. 
allen  Grund  hatte,  den  übertriebenen  Zahlenangaben  des  Epos  kritisch 
gegenüber  zu  stehn.  Daß  T  die  Wunder  seiner  Vorlage  keineswegs 
abgelehnt,  vielmehr  noch  überboten  und  mit  vielen  Zügen  aus  Märtyrer- 
geschichten ausgeschmückt  hat,  ist  etwas  ganz  anderes.  Soweit  es  seine 
martyrologischen  und  erbaulichen  Zwecke  zuließen,  hat  sich  T.  in 
erster  Linie  an  die  geschichtlichen  Quellen,  und  erst  wo  sie  schwiegen, 
an  das  Rolandslied  gehalten.  Darum  steht  seine  Darstellung  allerdings 
dem  tatsächlichen  Hergang  der  Ereignisse  zumeist  näher  als  die  in 
C  und  R;  falsch  aber  sind  die  Folgerungen,  die  B.  in  den  oben  an- 
geführten, als  Beispiel  aus  einer  größeren  Zahl  herausgegriffenen  Punkten 
aus  diesem  Verhältnis  der  drei  Rezensionen  zur  Geschichte  gezogen  hat. 


G.  Brückner.     Das  Verhältnis  des  franz.  Rolandsliedes.         25 

B.  hat  ferner  zu  wenig  den  geringen  Umfang  berücksichtigt,  den 
die  R  entsprechenden  Abschnitte  T's  haben;  T  behandelt  äußerst  sum- 
marisch, was  den  frommen  Zweck  seiner  Geschichte  nicht  fördert. 
Die  Einzelheiten  der  Gesandtschaften  des  Blancaudrin  und  des  Ganelon 
interessierten  ihn  wenig,  und  den  Bericht  über  den  Verlauf  der  Schlacht 
stutzte  er  erheblich;  er  wird  erst  beredt,  als  das  Märtyrerleiden  der 
Helden  und  insonderheit  das  des  frommen  Roland  anhebt.  Unter 
diesen  Umständen  ist  das  Schweigen  von  T  zumeist  kein  Argument 
in  der  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  Rezensionen  zueinander. 

B.  hat  neues  historisch  -  philologisches  Material  zur  Beurteilung 
von  T,  C,  R  nicht  beigebracht,  und  er  mußte,  wie  seine  Vorgänger, 
die  Untersuchung  über  die  gegenseitige  Abhängigkeit  jener  drei  Werke 
im  wesentlichen  nach  logischen  Erwägungen  führen.  Er  ist  dabei 
nicht  immer  der  naheliegenden  Gefaiir  entgangen,  zu  scharfsinnig  zu 
sein;  er  gründet  einigemal,  wenn  auch  seltener  als  manche  vor  ihm, 
auf  wirklich  belanglosen  Divergenzen  Schlüsse.  So  scheint  ihm  z.  B. 
S.  271  „bemerkenswert,  dtiß  die  in  R  mehrfach  gebrauchte  Formel 
„mga  culpa'-'-  in  T  nicht  vorkommt;"  er  könne  jedoch  nicht  eutscheiilen, 
ob  sie  erst  einer  späteren  Zeit  angehöre.  Wie  wenig  würde  das  Fehlen 
solcher  Formel  beweisen!  Obendrein  kommt  sie  in  R  garnicht  vor, 
nur  clamer  sa  culpe;  denn  in  V.  2369  ist  meie  culpe  nicht  die  Formel 
des  Confiteor,  sondern  gehört  in  den  Zusammenhang  des  Satzes:  Gott, 
meine  Schuld  (durch  den  erhobenen  Handscliuh  versinnbildlicht)  nimm 
auf  zu  deinen  Hulden,  in  deine  Macht!  Die  Vorstellung  des  Lehns- 
verhältnisses spielt  übrigens  hier  nicht  herein,  wie  gegenüber  B.  S.  276f. 
wiederholt  werden  nmß,  —  Ndch  ein  letztes  Beispiel  zu  weitgehenden 
Spürsinns.  „Auch  die  kurze  Besihreibung  des  Marsirius  „cmw  equo 
rufo  et  clipeo  rotundo'-'-  ^taInmt  sicher  aus  einer  volk>tümlichen  Vor- 
lage und  nicht  aus  der  Feder  des  Chronisten"  (S.  202);  T's  Beschreibung 
sei  ursprünglicher  als  die  in  R.  Es  lohnt  nicht,  nach  der  Herkunft 
des  roten  Pferdes  zu  suchen;  tut  man  es  schon,  dann  liegt  wieder 
die  Bibel  am  nächsten  (etwa  Apoo.  VI,  4:  exivit.  .  .  equus  rufus, 
et  qui  sedebat  super  ilhim,  datum  est  ei,  ut  sumeret  pacem  de 
terra,  et  ut  inviceni  se  interficiant)^  nichts  volUstümliches.  — 

Eine  seit  längerer  Zeit  vorliegende  Besprechung  der  B.'schen 
Arbeit  {lAteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  Phil.  27.  1 906,  S.  22)  ist 
bei  aller  Anerkennung  des  Fleißes  und  der  Gründlichkeit  des  Verf. 
doch  pessimistich  gegenüber  den  Resultaten  wie  überhaupt  der  Methode, 
die  dahin  führe,  das  wahre  Ver>tändnis  des  Rolandsliedes  zu  ver- 
schleiern. Wir  können  diesen  Pessimismus  nicht  teilen.  B.  hat  T's 
Stellung  falsch  beurteilt,  verzeihlich  genu^'.  nachdem  G.  Paris  voran- 
gegangen. Durch  die  falsche  RT-Hypothese  wird  die  Rolands- 
kritik unnötig  kompliziert  und  insofern  leicht  kompromittiert,  als  nicht 
ohne  Willkür  zwischen  der  supponierten  alten  Vorlage  des  Chronisten 
und  seinen  eigenen,  späteren  Zutaten  geschieden  werden  kann.  — ■  Die 
Rolandsforschung   ist   weiter   unnötig   verwirrt   worden    dadurch,    daß 


26  Referate  und  Rezensionen.     JPh.  Aug.  Becker. 

man  (seit  Pakscher)  Abweicliuugeii  der  uovdisclieu  Version  (ii)  vou 
R  zur  Feststellung  einer  älteren  Fassung  unseres  Liedes  verwerten 
zu  können  glaubte,  und  auch  15.  (S.  28)  gibt  diese  Möglichkeit  zu. 
Nur  dadurch,  daß  B.'s  Untersuchung  von  jenen  zwei  falschen 
Hypothesen  (ein  alter  Kern  in  T  und  n)  belastet  wird,  und  weil  er 
für  jeden  einzelnen  in  Frage  stehenden  Punkt  in  übertriebenem  Gerechtig- 
keitsgefühl alle,  auch  die  fernsten  Zeugen  für  und  wieder  anführen 
zu  müssen  glaubt,  ist  B.'s  Arbeit  so  entmutigend  umstämilich  und 
umfangieicli  geworden.  Sobald  eine  künftige  Forschung  den  nun  schon 
durch  Jahrzehnte  mitgeführten  Ballast  obiger  Hypothesen  abgeworfen 
haben  wird,  gestaltet  sich  die  Kernfrage  einfach  genug:  ein  lateinisches 
Gedicht,  die  stilvolle  Übertragung  einer  französischen  Vorlage,  und 
daneben  unser  Rolandslied:  auf  welcher  Seite  ist  die  Priorität? 
Wir  glauben,  daß  wie  B.'s  Dissertation  so  auch  noch  künftige  Arbeiten 
die  Priorität  von  C  gegenüber  R  bestätigen  werden. 

Stuttgart.  W.  Taveknier. 

Coulet,  Jules,  charge  de  cours  ä  la  Faculte  des  Lettres  de 
Montpellier,  Etüde  sur  Voffice  de  Girone  en  Vlionneur  de 
Saint  Charlemagne.  165  S.  Groß  8",  Montpellier,  Coulet 
et  Fils.  1907.  [Publications  de  la  societe  pour  Tetude  des 
langues  romanes  XX.] 
Die  Stadt  Gerona  im  Nordosten  der  spanischen  Mark  (Katalonien) 
gehört  zu  den  karolingischen  Erwerbungen;  875  übergab  sie  sich  den 
Franken,  während  Karl  im  Sachsenland  weilte.  In  Erinnerung  an 
die  Befreiung  vom  Maurenjoch  und  an  die  Errichtung  des  Bistums 
ordnete  1345  der  Bischof  Arnold  von  Montredon  für  die  Diözese  die 
Feier  des  28.  Januars  zu  Ehren  Karls  des  Großen  an,  und  es  wurde 
zu  dem  Zweck  ein  eigenes  Officium  verfertigt.  Dieses  Officium  haben 
Florez  in  der  Espana  sagrada  und  Villanueva  in  seinem  Viape 
literario  abgedruckt;  sie  schöpften  beide,  und  zwar  unabhängig  von 
einander,  aus  dem  Brevier  des  Abtes  von  S.  Viktor,  Vitalis  de  Blanis. 
Das  Brevier  wurde  1339  vollendet;  deswegen  ist  aber  das  Officium 
doch  nicht  älter  als  die  Einsetzung  des  Festes,  sondern  wird  in 
glaubhafter  Weise  als  späterer  Eintrag  im  Brevier  bezeugt.  Nachdem 
in  neuester  Zeit  das  alte  Brevier  verschollen  ist,  läßt  sich  ein 
verläßlicher  Text  des  Officiums  nur  durch  die  kritische  Vergleichung 
der  beiden  Drucke  gewinnen.  Dieser  Aufgabe  hat  sich  der  Verf. 
S.  57 — 59  in  dankenswerter  Weise  entledigt,  indem  er  nicht  nur  die 
neun  Lektionen  des  Officiums,  in  denen  über  Karls  Beziehungen  zu 
Gerona  berichtet  wird  (die  7.  ist  dem  Evang.  Lucae  entnommen), 
vollständig  herstellt,  sondern  auch  die  übrigen  liturgischen  Stücke, 
die  größtenteils  zu  anderen  Karlofficien  stimmen,  angibt. 

In  engem  inhaltlichem  Zusammenhang  mit  dem  Officium  steht 
ein  anderer  Text,  den  man  bisher  als  eine  ausführlichere  Fassung 
obiger  Lektionen    betrachtete.     Dem  Verf.    ist    es    nun   gelungen  an 


Julei<  Coulßt.     Etüde  sur  1'ofß.ce  de  Girone.  27 

Stelle  des  bisher  allein  bekanuten  Bruchstücks  den  vollständigen 
Wortlaut  eines  Tractatus  de  captione  Gerunde  et  de  edificatione 
ipsius  cathedrülis  ecelesie  et  quomodo  heatus  Karolus  Magnus 
Imperator  eandem  dotavit  et  in  ea  episcopum  ordinavit  im  Kathedral- 
archiv au-fimlig  zu  machen,  und  teilt  ihn  S.  77 — 82  mit.  Gleich  aus 
den  Anfangsworten  (Tamquain  in  ista  Sacra  seda  Gerunde  celebratur 
festum  sanctissimi  Karoli  M.  Imp.)  ergibt  sich,  daß  der  Tractatus 
verfiißt  wurde,  als  das  Fest  zu  Ehren  Karls  bereits  fest  eingebürgert 
war;  er  ist  also  jünger  als  das  Ufticium,  und  dies  wird  auch  durch 
andere  Züge  bestätigt. 

Im  großen  und  ganzen  ist  der  Tractatus  nur  eine  erweiternde 
Paraphrase  des  Officiums.  Am  Schluß  fällt  jedoch  die  Angabe  auf, 
daß  Karl  einen  Kanonikus  von  Notre-Dame  du  Puy  zum  ersten 
Bischof  von  Gerona  weihte  und  daß  er  noch  andere  Chorherrn  von 
dort  hierher  versetzte  mit  der  Verfügung,  quod,  iste  due  sedes  essent 
germane  et  socie.  Von  dieser  Konfraternität  ist  aber  —  nach  Aus- 
weis der  Urkunden  —  erst  spät  im  15.  Jahrh.  die  Rede.  Gerona 
übte  damals  für  das  Spital  von  N.-D.  du  Puy  das  Recht  der  Kollekte 
in  Katalonien  aus.  und  außerdem  hatte  die  Kirche  von  le  Puy  noch 
andere  census  et  redditus  hier  zu  beanspruchen,  über  die  wir  nicht 
genauer  unterrichtet  sind.  Gegen  diese  lästigen  Verpflichtungen 
scheint  man  in  Geiona  die  bis  auf  Karl  zurückreichende  Fraternität 
ausgespielt  zu  haben.  In  einem  Protokoll  von  1469  bedauert  das 
Kapitel  von  Gerona  wegen  des  kürzlich  erfolgten  Archivbrandes  seine 
Rechtstitel  nicht  produzieren  zu  können.  1479  bißt  sich  Pierre 
Bouvier  als  Abgesandter  von  N.-D.  du  Puy  die  Legenda  heati  Karoli 
vorlegen  und  nimmt  eine  Abschrift  vom  Schluß  (secum  portavit  finem 
ultime  lectionis),  wo  es  hieß,  daß  Karl  den  ersten  Bi-chof  und  die 
ersten  Chorherrn  dem  Kapitel  von  le  Puy  entnahm  und  zwischen 
beiden  Kirchen  die  Fraternität  anordnete.  1481  erschien  Pierre 
Bouvier  abermals,  und  1483  oder  84  ereignete  es  sich,  daß  Papst 
Sixtus  IV  durch  ein  Breve  die  weitere  Verwendung  des  Karlofficiums 
untersagte.  Vergeblich  versuchte  das  Kaidtel  1493  den  spanischen 
Gesandten  bei  der  Kurie,  Lope  de  Haro,  für  ihre  Sache  zu  inter- 
essieren, das  Breve  wurde  nicht  widerrufen,  und  das  Officium  blieb 
—  nach   140  jährigem  Gebrauch  —  untersagt  und  abgeschafft. 

Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  bringt  der  Verf.  die  Entstehung 
lies  Tractatus  mit  diesen  Ereignissen  in  Verbindung,  nur  vermutet 
er,  daß  jene  Legende,  die  P.  Bouvier  vorgelegt  wurde,  noch  nicht 
der  Tractat,  sondern  eine  im  Sinne  der  neuen  Prätensionen  erweiterte 
Fassung  des  Officiums  war,  und  daß  das  päpstliche  Breve  die  Ver- 
fälschung dieses  liturgischen  Dokuments  strafen  wollte;  der  Tractatus 
wäre  erst  später  im  Kampf  um  die  Wiedereinsetzung  des  Officiums 
augefertigt  worden.  Diese  urkundlich  nicht  gestützte  Vermutung 
scheint  mir  übertiüssig;   denn,   wenn    der  Papst   zu  Gunsten    der   von 


28  Referate  wid  Rezensionen,     Ph.  Aug.  Becker. 

ihm  auch  sonst  geförderten  und  bevorzugten  Kirche  von  N.-D.  du 
Puy  eingreifen  wollte,  so  konnte  er  Gerona  eben  nur  durch  die 
Untersagung  der  Karlliturgie  treffen;  eine  Erklärung  über  die  Authen- 
tizität der  Legende  lag  nicht  in  der  Kompetenz  noch  in  der  Rechts- 
ühung  der  päpstlichen  Kurie;  mit  dem  Verstummen  der  Liturgie  war 
aber  auch  die  Autorität  der  Legende  untergraben.  Wir  haben  also 
in  der  Legtnda  b.  Karoii,  die  1479  produziert  wurde  und  1469 
augenscheinlich  noch  nicht  vorlag,  unseren  Xractatus  de  captione 
Gerunde  zu  sehen  und  können  danach  seine  Entstehungszeit  approxi- 
mativ bestimmen;  er  ist  etwa  130  Jahre  jünger  als  das  Officium 
und  inhaltlich  nur  eine  Erweiterung  desselben. 

Welches  ist  nun  aber  die  Quelle  des  Officiums?  —  Keine 
andere  als  die  um  1240  entstandenen  Gesta  Karoii  Magni  ad  Car- 
cassotiam  et  Narbonam  (hgg.  von  F.  Ed.  Schneegans,  Roman  Bibl.  15) 
und  die  lokale  Tradition,  die  die  Wiedereroberung  Geronas  Kar!  dem 
Großen  zuschrieb.  Für  diese  Auffassung  bin  ich  bereits  1898  im 
Literaturblatt  f.  germ.  u.  roman.  Piniol.  S.  136  ff.  mit  ausführlicher 
Begründung  eingetreten  und  freue  mich,  dieselbe  hier  neuerdings  und 
mit  Kompetenz  verfochten  zu  sehen.  —  Wie  alt  die  Lokalsage  sein 
mochte,  läßt  sich  nicht  sagen;  gewiß  hat  sie  aber  erst  durch  die 
Fälschung  der  Gesta  festen  Gehalt  gewonnen.  Im  Pseudoturpin 
wird  die  Einnahme  Geronas  durch  Kaiser  Karl  nur  in  einer  inhalts- 
leeren Aufzählung  (c.  III)  erwähnt.  Mehr  findet  sich  im  Clironicon 
Rivipulense  (Mon.  Germ.  hist.  SS.  I,  297),  das  den  Gesta  den 
König  Mahomed  als  Herrscher  von  Gerunda  entlehnt,  während 
es  einige  allgemeine  Wundererscheinungen  neben  dem  Lokalwuiider 
von  der  Erscheinung  des  feurigen  Kreuzes  an  der  Stelle,  wo  später 
die  Kathedrale  errichtet  wurde,  seiner  Hauptquclle,  den  Annales 
Moissiac.  zum  Jahr  786  entnimmt.  Die  volle  Ausbildung  fand  die 
Legende  erst  im  Officium  von  1345,  das  später  (um  1479)  vom 
Tractatus  paraphrasierend  ausgeschrieben  wurde. 

Diese  ganze  Tradition  von  Karls  Beteiligung  an  der  Wieder- 
befreiung Geronas  und  von  der  Wiedereinführung  des  christlichen 
Kultus  hat  nun  aber  rein  kirchliciien  Charakter  und  gehört  in  ihrer 
ausgeführten  Gestalt  erst  dem  14.  und  15.  Jahrb.  an.  Mit  der 
epischen  Sagenüberlieferung  von  Ernaut  de  Gironde  hat  diese  späte 
kirchliche  Legende  nicht  das  geringste  gemein,  wie  überhaupt  von 
der  Ernautlegende  in  Gerona  selbst  weder  früli  noch  spät  eine  Spur 
zu  finden  ist.  Im  übrigen  erhielt  sich  hier  der  fromme  Glaube  an 
Karls  Verdienste  um  Stadt  und  Kirche  im  Volke  lebendig,  wenn 
auch  wesenlos  wie  jede  mündliche  Überlieferung.  Den  stummen 
Zeugen  der  ehemaligen  Verehrung  des  großen  Kaisers,  ein  hölzernes 
Standbild,  das  früher  auf  dem  Altar  der  vier  Märtyrer  in  der  Kathe- 
drale stand,  hat  erst  der  jetzige  Bischof  1883  in  einem  Wandschrank 
verschwinden  lassen,  und  anscheinend  hat  er  auch  das  Breviar  mit 
dem  Officium  unberufenen  Blicken  entzogen.     Die  zuerst  angefochtene 


Die  altfranzös.  Motette  der  Bamberger  Handschrift.  29 

Tradition  der  Konfraternität  zwischen  Gerona  und  N.-D.  du  Puy 
scheint  aber  bis  zur  französischen  Revolution  Bestand  gehabt  zu  haben. 
Dies  die  Ergebnisse  der  klar  und  sachlich  geschriebenen  und 
auch  in  der  Polemik  maßvollen  Abhandlung',  deren  wertvolle  Beigaben, 
die  kritischen  Texte  des  Ofßciums  und  des  Tractatus  de  captione 
Gerunde  der  Aufmerksamkeit  der  Forscher  besonders  zu  empfehlen  sind. 

Wien.  Ph.  Aug.  Becker. 


Die  altfranzösischen  Motette  der  Bamberger  Handschrift 

nebst  einem  Anhang^  enthaltend  altfranzösische  Motette  aus 
anderen  deutschen  Handschriften  mit  Anmerkungen  und 
Glossar  herausgegeben  von  Albert  Stimraing,  Dresden 
1906  80  XXXVII  und  231  S.  (Gesellschaft  für  romanische 
Literatur,  Band  13). 
Stimmings  Ausgabe  der  altfranzösischen  Motette,  welche  sich 
in  je  einer  Bamberger,  Wolfenbütteler  und  Müncliener  Hs.  linden^ 
bildet  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  G.  Raynauds  1882 — 84  erschienenem 
Recueil  de  Motets  fran^ais.  Raynaud  waren  diese  Hss.  unbekannt 
geblieben,  obwohl  wenigstens  die  16  Lieder  der  4  Müncheuer  Blätter 
(Mü)  schon  1873  von  K.  Hofmann  abgedruckt  waren.  Die  Bamberger 
Hs.  und  einige  Darmstädter  Bruchstücke,  welche  freilich  nur  einige 
Zeilen  eines  französischen  Motetts  enthalten,  wurden  von  Wilhelm 
Meyer  aufgefunden,  die  Wolfenbütteler  Hs.  ist  in  0.  v.  Heinemanirs 
Handschriftenkatalog  dieser  Bibliothek  III  (1888)  S.  54  beschrieben. 
Die  Bamberger  Sammlung  (A)  besteht  aus  106,  die  Wolfenbütteler 
(W)  aus  142  französischen  Liedern,  von  denen  16,  bezw.  37,  Unica 
sind.  Stimming  hat  sämtliche  französischen  Lieder  von  A  und  Mü 
sowie  die  Unica  von  W  abgedruckt  und  für  die  anderweit  über- 
lieferten zu  A  und  Mü  die  Varia  Lectio  aus  W  hinzugefügt.  Es 
ergab  sich,  daß  A  meist  die  beste  Textüberlieferung  bietet.  Die 
Gedichte  aus  Mü  sind  von  neuem  nach  der  Hs.  herausgegeben^  da 
sich  verschiedene  Lesefehler  in  Hofnianns  nicht  sehr  zugänglich'^n  Text 
eingeschlichen  hatten  und  sich  auch  manche  Besserung  durcli  Heran- 
ziehung der  anderen  Hss,  ergab.  Leider  hat  er  aber  unterlassen, 
von  den  99  anderen  Liedern  in  W  wenigstens  die  Varianten  zu 
Raynauds  Text  mitzuteilen. 

St.'s  Ausgabe  ist  von  langer  Hand  vorbereitet  (s.  Archiv  104, 
345)  und  mit  großer  Akkuratesse  hergestellt,  ihr  Wert  wird  überdies 
noch  durch  umfangreiche  Beigaben  erhöht.  In  einer  37  Seiten  um- 
fassenden Einleitung  erhalten  wir  zunächst  einen  orientierenden  Über- 
blick über  Ursprung  und  Entwicklung  des  Motetts.  Dieser  fußt  im 
Wesentlichen  auf  W.  Meyers  Abhandlung  über  den  Ursprung  des 
Motetts  (neuerdings  etwas  erweitert  in  dessen  Gesammelten  Abhand- 
lungen zur  mittelalterlichen  Rhytlimik  Berlin  1905  II  305  if.  wieder 
abgedruckt).     Der    inzwischen    (Juli    1906)    erschienene   Aufsatz  von 


30  Referate  und  Rezensionen.     E.  Stengel. 

F.  [Aidwis  „  Über  die  Entstehung  und  die  erste  Entwicklung  der 
lateinischen  und  französischen  Motette  in  nuisikalischer  Beziehung'^ 
(Sammelbände  der  intctnatioiialeii  Musikgesellschaft  VII  517-28) 
ging  Stimniing-  erst  nacbträglich  zu,  doch  konnte  er  S.  230  noch  nach 
ihm  seine  Erklärung  des  Ausdrucks  conduit  berichtigen.  Es  folgt 
eine  genaue  Besclireibung  der  vier  Hss.  und  eine  Charakteristik  ihres 
französischen  Inhalts  nach  textkritischen,  literarischen,  sprachlichen 
und  metrischen  Gesichtspunkten.  Ich  beschränke  mich  hier  auf  einige 
Bemerkungen  zu  den  metrischen  Ausführungen  des  Herausgebers.  Stiniming 
nimmt  S.  XXVIII  nur  an,  daß  der  Verfasser  wenigstens  in  einzelnen 
Fällen  für  eine  Motett-Stimme  ein  Lied  verwandte,  „welches  vorher  bei 
einem  Rondeau  als  Text  gedient  hatte".  Ich  würde  lieber  sagen,  daß  hier 
und  da  ein  Motettlied  entweder  ein  richtiges  Rondeau,  Virelay,  eine 
Balladenstrophe  darstellt,  oder  aus  einem  solchen  hervorgegangen  ist. 
Nur  ein  einziges  wirkliches  Rondel  ist  freilich  in  Stimmiiigs  Sammlung  zu 
konstatieren,  das  Triolet  von  No.  31  c.  (Im  Text  tritt  es  infolge  der  Zeilen- 
zerlegung nicht  deutlich  als  solches  heraus;  vgl.  aber  S.  158).  In  Raynauds 
Recueil  habe  ich  aber  zwei  weitere  gefunden  (CXXV  2  und  CCLVII  2. 
Im  letzten  fehlt  im  Drnck  nur  die  Wiederholung  der  ersten  Retrainzeile 
als  Zeile  4.  Die  meisten  der  6-,  8-,  11-,  13-  und  16-zeilisen  Rond^ls, 
welche  Raynaud  im  zweiten  Bande  aus  verschiedenen  Hss.  mitteilt, 
halte  ich  für  gar  keine  Motettliedcr,  da  sie  ja  alle  nur  einstimmig 
überliefert  sind).  No.  49  b  ist,  wie  auch  bereits  S.  164  bemerkt  ist, 
nichts  als  die  erste  Strophe  einer  alten  Bullade,  No.  30c  wird  nach 
Ausscheidung  der  textlich  entbehrlichen  Zeilen  7,  8  und  nach  Kürzung 
von  Z.  9  zu  einem  regelrecht  gebauten  einstrophigcn  Virelay.  Das 
von  Stimming  weiter  angeführte  Lied  16a  läßt  seine  Grundform  gar- 
nicht  mehr  erkennen.  Wohl  aber  gehören  hierher  48  a  und  48  b 
(St.  erwähnt  nur  48  a  und  meint,  es  sei  wohl  nicht  hierher  zu  rechnen, 
weil  der  Schlußvers  mit  dem  zweiten,  nicht  aber  mit  dem  ersten 
übereinstimmt).  Beide  weisen  auf  ein  regelrechtes  Virelay  als  gemeinsame 
Grundlage   zurück.     Das  Virelay  lautete  nach  meiner  Meinung  etwa: 

Quant  voi  la  rose  espanie 

L'frhe  vert  et  le  tens  der 
3       Et  le  roussignol  chanter, 

Adonc  fine  atnour  nienvie 

De  joie  faire  et  mener 
6  Et  de  doucement  chanter: 

„Marion,  poiir  toi  amer 

Bien  me  doi  asses  pener 
9       Et  chapel  de  flors  porter.'' 

Gar  qui  n'aimme,  il  ne  vit  m 

Por  ce  se  doit  bien  pener 
12      Qui  en  joie  vuelt  durer 

D'avoir  amours  et  amie 

Et  servir  et  honoui'er. 


=  48a  (2), 

48b  1 

A'i 

=  48a  (2), 

48b  2 

Bi 

=  48a  3, 

48b  3 

B2 

=  48a  (4), 

48b  4 

A'2 

=  48b  5 

B-^ 

=r  48a  (5) 

b 

=--  48a  (6) 

b 

=  48a  7 

h 

=  48a  8 

b 

=  48b  6 

a' 

=  48b  (7) 

b 

=  48b  10 

b 

=  48b  8 

a' 

=  48b  9 

b 

48a  10 

A'i 

48a  11 

Bi 

B2 

A'2 

B3 

Jjie  altfranzös.  Motette  der  Bamherfjer  Handschrift.  31 


1.")  Quant  voi  la  rose  espanie 
L'erbe  vert  et  le  tens  ehr 
Et  le  roussignol  chanter, 

18  Adonc  fine  amour  nienvie 
De  joie  faire  et  mener. 

Die  überlieferten  Texte  lauteten: 

48  a 
En   noD    (lieu,   queque  nus  die, 
Quant  voi  l'erbe  vert  et  le  tens  der 
Et  li  roussignol  chanter:  3 

Adonc  fine  amour  me  jjrie 
Doucement  d'une  jolivete  chanter: 
..Marions,  laisse  Robin  pour  moi     6 

[amer ! 
Hien  me  doi  ades  pener 
Et  chapel  de  flours  porter 

Pour  si  bele  dame. 
<^uant  voi  la  rose  espanie, 
L'erbe  vert  et  le  tens  der." 


48b 
Quant  voi  la  rose  espanie, 
L'erbe  vert  et  le  tens  der 
Et  le  roussignol  chanter: 
Adonc  fine  amour  m'envie 
De  joie  faire  et  mener; 
Car  qui  n'aimme,   il  ne  vit  mie. 


Por  ce  se  doit  on  pener 

D'avoir  amours  et  araie 
9     Et  servir  et  honourer, 

Qui  en  joie  vuelt  durer. 

En    non  dieu  qiieque  nus  die, 
12    Au  cur  mi  tient  li  maus  d'amer^) 

Es  würde  also  den  französischen  Liedern  beider  oder  auch  der  dre 
Motett-Oberstimmen  öfter  ein  und  dasselbe  selbständige  ältere  Lied 
(Rondel,  Virelay,  Ballade,  Chanson)  zu  Grunde  liegen,  die  vorhandenen 
Liedertexte  würden  dann  formal  wie  inhaltlich  ebenso  als  mehr  oder 
weniger  freie  Variationen  eines  Grundthemas  anzusehen  sein,  wie  die 
ihnen  zugehörigen  Tonsätze  nichts  als  musikalische  Variationen  ihres 
Tenors  darstellen.  Daß  es  sich  in  der  Tat  so  verhält,  dafür  sprechen 
noch  viele  weitere  gegenseitige  Beziehungen,  welche  die  zusammen- 
gehörigen Rondel-Lieder  aufweisen.  Auf  manche  hat  bereits  Stimming 
hingewiesen,  doch  läßt  sich  ihre  Zahl  bedeutend  vermehren.  Von 
textlichen  Berührungen  führe  ich  an:  12a  8  =  121)  5  +  9,  16a  15. 
16  :16b  15.  20,  21a  .3.  4  =  21  b  2.  3,  23a  7  :  23b  5,  24a  4  =  24b 
^,  24a  5  =  24b  1,  24a  15.  IG  =  24b  10.  11,  30a  20  :  30c  2  usw.. 
33a  12  :33b  12,  34a  19  :  34b  13,  35a  5  =  351.  9,  35a7:35bl2, 
35a  8  4- 10:  35b  14,  35a  8:35b  6,  37a  18.  19.37b  15,  47a  1+4: 
47  b  2.  Auch  der  Gedankeninhalt  ist  oft  ziemlich  derselbe.  Norh  deutlicher 
als  in  A  No.  13,  das  St.  S.  XXVIl  anführt,  zeigt  sich  formale  Über- 
einstimmung wie  correlater  Inhalt  in  M  83a  und  b  (Raynauil  Rec.  I  1 10): 


83  a 
Quant  dofine  la  vcrdour 
Que  meurt  la  fuelle  et  la  floiir 
Et  par  pr(i  et  par  hoscage 


83b 
Quant  repaire  la  dolror 
Que   pert   la   fuille  et  la  ßour 
Et  par  pre  et  par  hoscage 


»)  48a  l  =  48b  11.  12  =  Mü  14.  15. 


32 


Referate  und  Rezensionen.     E.  Stengel. 


Font  li  oisiel  grant  baudoiir. 
Mon  euer  qu'est  en  grant  trister 
6     Et  me   met   en   mon  corage:-) 
Car  j'ai  mis  tout  mon  aage 
En  fine  arnor 
9  Sanz  uul  retor, 

Et  nuit  et  jor 
M'estuet  penser: 
12  Car  j'ai  done 

Dieus  quar  j'ai  donne 
Cuer  et   cors  pour  bien  amer. 

Das  Gleiche  gilt  in  abgeschwächtem  Maße  für  XCIII  und  XCIV  der 
Oxforder  Sammlung  (Eaynand  II  34  fF.),  die  also,  obwohl  sie  ols  zv\'ei 
selbständige  einstimmige  Eondels  überliefert  sind,  doch  wohl  als  Lieder- 
texte der  beiden  Oberstimmen  eines  einzigen  Motetts  anzusehen  sein 
werden  (was  auch  für  die  beiden  Trioletts  XCV  und  XCVI  und  wob! 
noch  für  weitere  Nummern  derselben  Sammlung  zutrifft)  : 


Font  eil  oisel  grant  tristour 
Qui  n'i  f(int  point  de  sejour, 
Lors  ne  me  vient  en  courage 
De  servir  en  nul  aage 

Bone  amour 

Pour  sa  baudour, 

Ne  nuit  ne  jour 

No  puis  penser. 

Dieus  qui  m'a  done 
Cors  pensant  et  cuer  amer. 


xcm 

J'ai  ameit  et  amerai 
Trestout  les  jours  de  ma  vie 
Et  plus  jolive  an  serai, 

J'ai  bei  amin  cointe  et  gai 
Fai  ameit  et  amerai. 

II  m'aimme,  de  fi  lou  sai, 
II  ait  droit,  je  suis  s'amie 
Et  loialtei  li  ferai. 
Fai  ameit  et  amerai 
Trestout  les  jors  de  ma  vie 


A' 

B 

A2 

a 

A' 


a 

A' 
B 
A2 


XCIV 

J'ai  ameit,  plus  n'amerai: 
Ke  loiaulteit  est  faillie 
Vers  ma  dame,  bleu, lou  sai. 

Jamals  ne  m'i  fierai; 
J'ai  ameit,  plus  xCamerai. 

Fok  est  bons  qui  ait  cuer  \rin 
Qui  en  teil  feme  se  fie. 
Et  por  tant  m'an  retrairai, 
J'ai  ameit,   plus  vi' amerai; 
Ke  loialteis  est  faillie 
Vers  ma  dame,  bleu  lou  ?ai. 


Et  plus  jolive  an  serai. 

Den  Texten  der  Motette  hat  Stimming  S.  114 — 140  wertvolle 
Anmerkungen  beigegeben.  Sie  beschäftigen  sich  hauptsächlich  mit  der 
Erklärung  einer  Anzahl  Worte  und  Konstruktionen.  S.  114  wird 
die  Verwendung  des  Ausspruchs  amours  vaint  tout  im  Provenzalischen, 
Lateinischen  und  im  Prolog  der  „Canterbury  Tales''  erwähnt.  Später 
(S.  144)  wird  dann  von  R.  A.  Meyer  in:  amours  vaint  tout  fors 
cuer  de  felon  ein  als  Refrain  verwandtes  Sprichwort  vermutet.  Das 
hätte  allerdings  als  Tatsache  einfach  erwiesen  werden  köimen  durcli 
Hinweis  auf  meine  Anm.  hier  XXI  i  S.  21  zu  No.  361  der  Oxforder 
Sprichwörtersammlungen,  dazu  kommt  noch  die  Variante  in  No.  39 
der  von  E.  Langlois  veröffentlichen  Vatikanischfn  Sammlung;  vgl. 
überdies  Otto,  Die  Sprichicörter  der  Römer  Leipzig  1890  S.  17.  — 
Was  S.  115  üb?r  das  Vireli  gesagt  wird,  ist  ungenau.  Übersehen 
sind   meine   darauf   bezüglichen    Darlegungen  hier  XVI   S.  94  ff",   und 


-)  Der  Text  dieser  Zeile  ist  offenbar  verderbt. 


Die  altfranzös.  Motette  der  Bamberger  Handschrift.  33 

Jahresbericht  B.  III  (1891-94)  S.  8.  Pfuhl's  Angaben,  auf  die 
verwiesen  wird,  sind  gänzlich  verworren.  — A  16a.  Wegen  des  ton- 
malendeu  Nachtigallrufes  oci,  oci  vergleiche  jetzt  auch  Nyiops  „Etüde 
sur  les  onotnatopSes'^  (Bullet,  de  l'Acad.  de  Danemark  P'06 
S.  337).  —  A  23a.  Zur  Form  der  Lieder  von  der  Belle  Aelis  vgl. 
noch  hier  XIX^  S.  10  f.  —  A  34b  19.  Hier  war  doch  auf  Thurau's 
Buch  „Der  Refrain  in  der  französischen  Chanson"'  Berlin  1901 
zu  verweisen.  —  A  37a  1.  Wegen  des  Sprichworts  de  si  haut  si  bas 
vgl.  noch  die  Beleg-Sammlung  bei  P.  Scliepp  Altfrs.  Sprichwörter 
und  Sentenzen,  Borna-Leipzig  1906  S.  45  f.  XIV.  Eine  weitere 
Beigabe  steuerte  S.  141 — 184  Dr.  Rud.  Adelb.  Meyer,  ein  ehe- 
maliger Schüler  Stimniing's,  bei.  Er  will  die  in  den  mitgeteilten 
Motetten  enthalteneu  Refrains  nachweisen,  hat  aber  auch  die 
Zeilen  herausgehoben,  die  seiner  Ansicht  nach  Refraincharakter  tragen 
oder  die  Stücke  von  Refrains  zu  enthalten  scheinen.  Ich  würde  es  im 
Gegenteil  für  nützlicher  gehalten  haben  alles  Unsichere  auszuscheiden. 
Da  die  in  den  Motett-Texten  selbst  in  Refrainfunktion  auftretenden 
Zeilen  sowohl  populäre  wie  höfische  Motive,  wie  Spiichwiirter  und 
Sentenzen  aufweisen,  Zeilen  ähnlichen  Ciiarakters  aber  natürlich  auch 
überall  sonst  in  den  Texien  vorkommen,  werden  diese  letzteren  doch 
nur  dann  als  Refrain  angesprochen  werden  können,  wenn  bestimmte 
zweifellose  Indizien  dafür  sprechen.  Das  trifft  aber  für  viele  Fälle, 
in  denen  Meyer  eine  Refrainz^ile  vermutet,  durchaus  nicht  zn.  Die 
beigebrachten  Parallelstellen  allein  sind  dazu  oft  nicht  ausreichend, 
und  nur,  wenn  sie  sich  mit  dem  Wortlaute  der  betreffenden  Motett- 
zeile genau  decken,  bedeutsam.  Aufgefallen  ist  mir  auch,  daß  die 
Refrains  der  Oxt'order  Ballettes  so  wenig  zur  Vergleichung  herangezogen 
sind  (Lh  finde  überhaupt  nur  den  von  Bai.  155  auf  S.  158  angeführt), 
obwohl  doch  gerade  von  ihnen  hier  XXVIII '  (1905)  S.  72  eine  über- 
sichtliche Zusammenstellung  gegeben  war,  und  obwohl  sich  aus  dieser 
zahlreiche  recht  auffällige  Übereinstimmungen  ohne  weiteres  ergaben. 
Ich  verweise  für  A  la  37.  38  auf  Ball.  46,  für  6a  7.  8  auf  Ball.  160, 
für  81>  9.  10  auf  Ball.  50,  für  12a  6.  7  auf  Dal!.  150,  für  24a  5.  6 
auf  Ball.  179,  für  26b  auf  Ball.  91,  für  30c  7.  8  auf  Bull.  83,  für 
541)  9-  12  auf  Ball.  157,  für  W  3a  1  auf  Ball.  96,  für  W  20a  6  auf 
Ball.  15  und  55;  für  W  14a  1.  2  auf  Ball.  114,  —  Der  Refrain  in 
A  54a  Deus!  par  ci  va  la  mignotise  Par  la  ou  je  vois  findet  sich 
auch  noch  bii  Rayn.  Mot.  I  95,  bei  Ailara  de  la  Haie  ed.  Consemaker 
S.  256,  Die  angeführte  Stelle  auf  S.  333  eehört  dem  Jeu  d'Adam 
an,  und  habe  ich  sie  dort  kürzlich  (hier  XXXI 2  S.  18)  mit  d'-n  vorauf- 
gehenden Zeilen  als  späteres  Einschiebsel  bezeichnet.  Wenn  Meyer 
bemerkt,  in  den  Parallelstellen  stehe  im  zweiten  Verse  überall  ci  statt 
la,  so  trifft  das  doch  nicht  für  die  des  Tournois  de  Chauvenci  zu.  — 
S.  176  (vgl.  auch  S.  229)  findet  sich  ein  interessanter  lateinischer 
Cento  abgedruckt,  der  sich  hinsichtlich  seines  Strophenbaus  als  ein 
fünfstrophiges   Rondel   darstellt,   und   zwar   enthält  jede  Strophe   wie 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXIls.  3 


34  Referate  und  Rezensionen.     E.  Stengel. 

auch   die   ältesten   französischen   Rondels   im  Roman    de  Dole   nur   K 

Zeilen.     Die  Vetknüi)fung  der  Strophen  ist  hier  folgende: 

Str.  1:   a'g   Ag   a^g   b^g  Ag  Bg,  Str.  2:   a^g   Ag   a^g   b^g  Ag   Bg   usw. 

Sie  bietet  also  eine  bedeutsame  Variante  zu  den  beiden  Texten,  welche 
ich  hier  XIX^  S.  1 1  für  das  Lied  von  der  Belle  Aelis  erschlossen 
hatte,  gibt,  aber  zugleich  eine  willkommene  Bestätigung  von  der  gleich- 
zeitig angenommenen  Mehrstropliigkeit  des  ältesten  Rondels,  Ein 
ausführliches  Glossar,  ein  Namen-  und  ein  alphabetisches  Ver- 
zeichnis der  in  den  Motetten  verwandten  Gedichte,  sowie  ein  Index 
zu  den  -\nmprkupgen  beschheßen  die  sehr  interessante  und  sorg- 
fältige Publikation. 

Greifswald.  E.  Stengel. 


L'estoire  Joseph  herausu'b.  von  Ernst  Sass.  Berliner  Disser- 
tation. 1906,  120  S.  8«.  [Gesellschaft  für  romanische 
Literatur  Bd.  XII  ] 

Der  „sermon''^  von  der  Gpschichte  Josephs  ist  uns  in  drei  Hss. 
überliefert,  von  denen  zwei  (PR),  eine  ältere  und  kürzere,  eine  (A), 
eine  jüngere  und  stark  erweiterte  Fassung  bieten.  Beide  Fassungen 
haben  aber  dieselbe  poetische  Form,  das  6-silbige  Reimpaar.  Inhaltlich 
geben  sie  uns  eine  nicht  ungeschickte  Paraphrase  von  mehieren 
Kapiteln  der  Genesis.  Stil  und  Sprache  weisen  auf  eine  ziemlich 
frühe  Abfassung,  zirka  um  1165,  Die  erste  Ausgabe  des  Textes 
verdanken  wir  W.  Steuer,  der  vor  drei  Jahren  beide  Redaktionen 
abdruckte.  Für  die  ältere  legte  er  die  Hs.  R,  von  welcher  ihm 
Zenker  eine  Abschrift  zur  Verfügung  gestellt  hatte,  zu  Grunde  und 
fügte  nach  der  Abschrift  L.  Pujots  in  Paris  die  Varianten  von  P 
und  A  hinzu.  Die  Varianten  von  A,  dessen  Text  er  anhaiigweise 
vollsiäiidig  mitteilte,  hat  er  allerilings  nur  von  den  Zeilen  ausgehoben, 
welche  ihm  mit  RP  deutlich  zu  korrespondieren  schienen.  Die  am 
Text-Rande  beider  Fassungen  abgedruckte  Konkordanzzählung  macht 
die  in  Frage  kommenden  Zeilen  kenntlich.  Eine  im  ganzen  an- 
erkennende Besprechung  Mussatias  und  eine  kürzere  von  Herzog 
brachten  neben  einer  Anzahl  Einzelbesserungen  auch  prinzipielle 
Einwendunsen  gegen  einige  unnötige  Änderungen  des  Giundtextes, 
wie  Wünsche  nach  Ausmerzung  evident  jüngerer  Schreib-  und  Sprach- 
formen. Die  Varianten  von  P  ließen  Tobler  diese  als  die  richtitrere 
Grundlage  des  Textes  erkennen  und  veranlaßten  ihn,  Sass  zu  einer 
neuen  Ausgabe  des  Gedichts  und  zunächst  zur  Anfertigung  einer 
neuen  Ab-chiift  von  P  aufzufordern,  da  St.  davon  nur  eine  mangel- 
hafte Abschrift  vorgelegen  haben  müsse. 

S.  hat  sich  diesen  Aufgaben  unterzogen  und,  wie  er  angibt, 
130  Abweichungen  der  Hs.  P  von  der  aus  St. 's  Ausgabe  zu  er- 
schließenden   Abschrift    festgestellt,    darunter    2    ausgelassene   Zeilen 


IJestoire  Joseph.  35 

1190  und  1298.  Leider  hat  er  es  unterlassen,  eine  Zusammenstellung 
•dieser  Abweichungten  zu  geben,  oder  sie  irgend  wie  hervorzuheben. 
Es  würde  sich  dann  freilich  auch  herausge-^ teilt  haben,  daß  es  sich 
doch  in  den  bei  weitem  meisten  Fällen  nur  um  ganz  geringfügige 
Schreibfehler  handelt.  Auch  die  Hs.  A  hat  S.  mit  St. 's  Abdruck 
teils  selbst  kollationiert,  teils  hat  ihm  eine  Kollation  von  Frl.  A  von 
Biilow  vorgelegen.  Hier  soll  sich  eine  noch  weit  größere  Zahl  von 
Fehlern  ergeben  haben,  allein  45  in  dem  Lied  nach  Z.  210  des 
St. sehen  Textes  und  10  ausgelassene  Zeilen.  (Eine  aufgefallene 
Stelle  von  8  Zeilen  teilt  S.  in  der  Anm,  zu  Z.  855  seines  Textes 
mit,  die  beiden  anderen  Zeilen  aber  anzugeben  hat  er  bedauerlicher- 
weise ebenso  unterlassen,  wie  die  sonstigen  Resultate  seiner  Kollation). 
Trotzilem  nimmt  sich  die  ausfallemle  Kritik  gegen  den  Pariser 
Abschreiber  „der  sich  archiviste  paleographe  nennt"  namentlich  im 
Munde  eines  Anfängers  recht  unschön  aus  und  hätte  nicht  ausgesprochen 
werden  so  len. 

Auf  Grund  seiner  neuen  Kopie  von  P  gibt  nun  S.  eine  neue 
Ausgabe  des  Sermon.  Sein  Text  hhnt  sich  eng  an  P  an,  ohne 
indessen  auch  in  der  Schreibweise  sich  streng  an  die>e  Hs.  zu  binden. 
Die  Fälle,  wo  er  von  P  (R)  in  orthographischer  Hinsicht  abwich, 
sind  in  <  inem  besonderen  Corpus  als  Laut-  (besser:  Schreib-)  Varianten 
am  Fnß.-nde  jeder  Seite  zusammengestellt,  darüber  stehen  getrennt 
die  ei_fentl:chen  Sinnviirianten,  der  Hss.  RA,  eine  zweifellos  piakti>che 
Scheidung,  wenn  auch  hier  und  da  ein  Fall  aus  der  einen  in  die 
andere  Gruppe  zu  setzen  wäie.  Die  Sinnvarianten  von  A  sind 
ähnlich  wie  bei  Steuer  nur  dann  gegeben,  „wenn  Gruppen  von  zwei 
oder  mehreien  Versen  denselben  Gedanken  in  ungefähr  derselben 
Form  wie  PR  wiedergeben,  auch  wenn  die  beiden  Bestamlteile  eines 
Versp;iares  in  A  in  umgekehrter  Reihenfolge  auftreten".  Durch 
Klammern  neben  dem  Text  sind  die  Stellen,  wo  A  verglichen  ist, 
kennt  Hell  gemacht.  Unter  Berücksichtittung  der  Konkordanz  in  St.'s 
Ablruclv  von  A  lassen  sie  sich  dort  leicht  kontioUieren  und  ergänzen. 
Let/.teres  ist,  wie  sich  aus  Nachstehemlein  ergibt,  allerdings  sehr  oft 
nötig.  St.'s  Abdruck  von  A  kann  also  bei  der  Beurteilung  von  S.'s 
Ausgabe  der  älteren  Fassung  nicht  entbehrt  werden. 

Das  Hss. -Verhältnis  faßt  S.  genau  so  auf,  wie  St.:  PR  gehen 
auf  eine  gemeinsame  Vorlage  zuinck,  A  dagegen  bietet  den  erweiterten 
Text  einer  teilwise  besseren  Votlage.  Die  sich  daraus  ergebende 
Konsequenz,  daß  alle  von  PA  oder  RA  gestützten  Lesarten  der 
ältesten  erreichbaren  Fassung  des  Textes  angehört  haben  müssen, 
wird  aber  weder  von  St.  noch  von  S.  streng  beachtet,  und  noch 
weniger  die  Möglichkeit  stets  genügend  berücksichtigt,  daß  PR  gegen- 
über a'ich  A  allein  das  Richtige  bieten  kann.  Schon  ihr  eklektisches 
Verfahri-n  in  der  Heranzich  mg  von  A  deutet  darauf  hin.  Ich  will 
hier,  was  den  letzteren  Fall  anlangt,  zunächst  nur  auf  die  Stellen 
von  PR  hinweisen,  welche  in   A  fehlen   und,  soweit  entbehrlich,  auch 

3* 


36  Referate  und  Rezensionen.     E.  Stengel. 

im  Original  gefehlt  haben  können.  In  der  Ausgabe  von  S.  ist  auf 
diese  vermutlichen  Texterweiterungen  von  PR  nirgends  hingewiesen. 
Für  unentbehrlich  halte  ich  nur  781  —  782,  welche  die  Überantwortung 
des  verhafteten  boteiUier  und  paneiier  an  den  Kerkermeister  ent- 
halten, der  sie  dann  erst  weiter  dem  bereits  im  Gefängnis  befindlichen 
Joseph  0  se  fia  übergibt.  In  A  übergibt  Pliaraon  selbst  die 
ungetreuen  Diener  an  Joseph  le  sene,  der  danach  zum  Gefängniswärter 
statt  zum  Gefangenen  gemacht  wird  und  dem  Pharaon  schon  jetzt 
bekannt  sein  müßte,  während  doch  erst  später  durch  den  Mumischenken 
des  Herrschers  Aufmerksamkeit  auf  ihn  gelenkt  wird.  Erforderlicli 
scheinen  auch  917  f.  und  921  f.  Alle  übrigen  Pluszeilen  von  PR 
können  aber  ohne  weiteres  fehlen,  hier  und  da  freilich  nur.  wenn 
gleichzeitig  der  sie  umgebende  Text  nach  dem  Wortlaut  von  A 
umgestaltet  wi-'d.  Es  kommen  folgende  Stellen  in  Betracht:  G5  f, 
107  f.,  125  f.,  329  f.,  347  f.,  381  f.,  401  f.,  407  f.,  467  f.,  517  f., 
573f.,  757—60,  771  f.,  835f.,  889  f.,  913  f.,  943^48,  975  f..  1015  f., 
1033  f.,  1037  f.,  1067  f.,  1117  f.,  1225—28,  1281  f..  1295  f.. 
1349  f.,  1357  f.,  1441  f.,  1463  f.,  1541  f.,  (man  beachte  die  Vat. 
zu  1539  f.),  1565— 70(?),  1573  f.  Das  wären  78  Zeilen  (meist 
einzelne  Reimpaare),  und  würde  ihre  Unterdrückung  die  Gedrungenheit 
des  Stils  unseres  Sermon  noch  wesentlich  verstärken.  In  manchen 
andern  Stellen,  wo  PR  keinen  befriedigenden  Text  bieten,  läßt  sich 
ebenfalls  aus  A  eine  annehmbare  Lesart  entnehmen  oder  gewinnen, 
jedenfalls  mußte  A  dabei  erwogen  werden.  Öfters  hatte  schon  St. 
derartige  Besserungen  vorgenommen,  andere  sind  von  S.  eingeführt 
oder  in  den  Anmerkungen  vorgeschlagen,  für  manche  weitere  Stellen 
aber  hat  er,  ohne  die  Lesart  von  A  auch  nur  anzuführen,  den  Text 
PR  unverändert  beibehalten.  Ich  führe  nur  folgende  Fälle  an,  und 
hebe  durch  vorgesetztes  *  die  Fälle  heraus,  in  denen  die  Lesart  A 
von  S.  dabei  ganz  unberücksichtigt  blieb.  *27 — 30  PR:  Abraham 
fu  ses  aives  .  .  .].  Qui  -H  jjarleit  (b.:  parloit  od.  parlot)  sovenf 
0  deu  V onipotent,  Dameldeus  Jurist  ostal  Chics  icestni  vassal 
z=  Q.  si  p.  a  de  Com  ans  a  son  prive.  ChiSs  icel  hon 
vassal  Frist  diex.  1.  hon  ostal  A  31 — 34.  In  der  Anm.  hebt  S. 
die  Anstößigkeit  des  si  in  27  hervor,  wenn  man  mit  St.  einen  Punkt 
nach  28  setze,  aber  auch  seine  eigene  Interpretation  ist  nicht 
unbedenklich:  „der  sich  so  oft  mit  Gott  besprach,  so  vertraut  mit 
ihm  war,  daß  Gott  bei  ihm  einkehrte";  denn  dann  würde  doch  si 
einerseits  besser  unmittelbar  vor  sovent  stehen,  andererseits  Abraham 
nicht  breitspurig  durch  icestui  vassal  und  deu  V onipotent  durch 
dameldeus  aufgenommen  sein.  Nach  der  Lesart  A  li<  gt  si  .  .  .  com 
vor  und  zerfällt  die  Stelle  in  zwei  selbständige  Sätze.  Ich  würde 
nur  A  34  durch  PR  29  ersetzen,  oder  auch  PR  29.  30  intakt 
belassen.  —  85  f.:  JLia  esteit  la  mere  {l'ainsnee  A)  Mes  il  ne 
Vameit  [h.-moit)  guere  (M.  n'estoitpas  senee  A).  Mere  in  der  Bedeutung 
major  natu  ist  wenigstens  bei  God.  nicht  belegt.  —  *93  —  98  fehlen 


L'estoira  Joseph.  37 

A  wegen  einer  Textlücke.  Der  normannische  Reim  ot  :  pesot  97  f. 
ist  daher  nicht  sicher,  wie  von  Sass  S.  12,  3  behauptet  wird;  das- 
selbe gilt  von  dem  dort  nicht  angeführten  Reim  esveillot :  ot  891  f., 
sodaß  der  Dichter  die  Einheitsendung  -oit  ausschließlich  verwendet 
haben  mag.  Hybride  Schreibungen  wie  parleit  27.  ameit  86,  alot  : 
haot  31  f.,  vencient :  ma7ije{ent  etc.  (s.  St.  Seite  4*)  deuten  ebenfalls 
auf  erst  nachträgliche  Norniannisierung  des  Textes  —  *113 — 116: 
Tant  lYCel  Ajaleta  la  heJe  0  sa  blanche  (A  seinte  A)  mamels, 
Tant  qu  (Quant  fij  il  fu  circoncis ;  Joseph  li  fu  nons  mie 
Die  Lesart  PR  besagt  mit  lästiger  Wiederholung  von  Tant,  daß 
Jesus  von  der  Gottesmutter  nur  bis  zur  Beschneidung  gesäuut  wurde. 
Der  erste  Satz  würde  überdies  in  das  zweite  Reimpaar  übergreifen, 
was  sonst,  wie  schon  Mussatia  andeutete,  vermieden  wird.  Man  lese 
wie  A,  natürlich  unter  Einfügung  von  sa  in  114,  und  setze  vor  115 
einen  Punkt  und  dahinter  ein  Komma!  —  *N;ich  144  PR  scheinen 
zwei  Zeilen  au-gefallen  zu  sein.  Aaa  fu  apelee  Et  si  fu  s'espousee 
lauten  sie  in  A  155  f.  und  könnten  entstellt  sein  aus  Lea  Ju  a. 
Sa  premiere  e.  —  *413 — 16:  Pais  lor  [d.  h.  den  marcheaiis] 
out  fei  le  pris  [welchen  sie  für  Joseph  zahlen  sollen]  Po7'  deniers 
treis  feiz  dis.  Judas  dist:  'Nel  vendron,  Se  itant  neu  avon  = 
Por  d.  .XX.  et  dis  Tos  en  est  fais  li  pris.  -Se  7ios  tant  nen  avons, 
Ja  nel  vos  mostrerons''  A  481 — 484.  Beide  Lesarten  sind  holprig. 
Judas  hat  eben  vorher  den  Knaben  angepriesen.  Ich  möchte  daher 
lesen:  Pais  L  out  (od.  ot)f.  le  p.  Por  .  .  Si  lor  dist  Nel  ü.  Se  .  .  — 
'■'481 — 484  PR:  La  cote  au  jovencel  Taingneni  de  sanc  iiovel; 
ein  veel  ont  ocis  Por  le  sanc  qui  ont  mis  [Et  le  s.  en  o.  pris  R) 
=  La  gonele  a  l'enfant  Moillent  tote  de  saiic  Mort  en  ont  .1.  chavrel 
Por  avoir  sanc  novei  A  613  —  616.  Die  Lesart  484  P  ist  äußerst 
ungeschickt,  zumal  i  doch  eher  auf  veel  483  als  auf  cote  481  bezogen 
werden  müßte,  besser  ist  schon  die  Lesart  R,  doch  steht  ihr  eine 
teilweise  Kombination  PA  gegenüber.  Weit  glatter  ist  die  Lesart 
A,  in  der  wohl  nur  cnt>precl)end  PR  gonele  durch  cotele  {=  186) 
und  chavrel  durch  veel  zu  ersetzen  wären.  —  768  Au  mestre  charterier 
{chanceller  PR)  =  A  un  maistre  chartrier  f^  1072.  Die  dreisilbige 
Schreibung  charterier  ist  erst  von  S.  eingeführt  und  zwar  im 
Widerspruch  zu  781,  wo  auch  er  chartrier  schreibt.  Die  längere 
Form  wird  dem  Dichter  schwerlich  zukommen,  ebensowenig  wie 
menesterraus  775,  menesteral  1227;  vgl.  auch  das  für  unseren 
Text  unzulässige  vivera  967.  Wollte  also  S.  das  durch  Ver- 
wechselung von  chartre  =  'Kerker'  mit  chartre  =  'Urkunde'  ent- 
standene chancelier  von  PR  nicht  beibehalten,  so  mußte  er  die  voll- 
ständige Lesart  A  in  seinen  Text  setzen.  —  891  f.  Li  reis  s'en 
esveillot  {s'esperisoit  Aj  Le  la  poor  quil  ot  (qiCavoit  Aj.  Vsd.  das 
zu  97  f.  Bemerkte.  —  915  PR  El  hres  =  Adonques  A  1211  — 
1125  f.  PR  Commanda  les  her  Et  en  prison  jeter  ^=  Qu'il  les 
face  l.    Et  doner  a  chartrier  A  14  53  f.     Durch  Einsctzum^  von  A 


38  Referate  und  Rezensionen.     E.  Stengel. 

1454  für  1126  PR  verj^chwindet  der  atistößige  Reim  von  jeter: 
-ie  —  1183  f.  PR:  Por  ce  est  em  prison  Benus  chiers  fiz  (B.  f. 
eh.  R)  Symeon  =  F.  coi  e.  en p.  Mt^s  eh.  f.  S.  A  1521 — 22,  Eist  das 
Mes  von  A  macht  die  Konstruktion  dnrcbsichtiir  —  1229  PR 
Vindrcnt  =  Vineni  A  15ü5.  Wenn  1225 — 28  PR,  welclie  eben- 
falls Pröterita  bieten,  als  Einschiebsel  zu  betrachten  sind,  so  schließt 
sich    Vienent  unmittelbar  an  entrent  1224  PRA  an. 

Die  von  S.  ohne  weiteres  bevoivugten  Lesarten  P  können  als 
gesichert  erst  gelten,  wenn  sie  durch  A  ge>tützt  werden.  Das  ist  aber 
auch  öfter  da  der  Fall,  wo  S.  A  nicht  berücksichtigt  hat,  so  79  f, : 
PR  Cliascuns  ot  tant  de  (de  t.  Rj  fei  QuHflJ  le  cuideit  de  sei.  = 
Chasciws  i  ert  por  soi,  Tant  avoient  de  foi.  A  85  f.  Hier  wird 
tant  de  P  79  durch  A  8fi  gesichert.  —  484  PA  gegen  R  s,  oben 
—  619   PA  Mut  gegen  Mnet  R  —   620  PA  Par  gegen  Por  R  — 

Wichtiger  sind  die  vonS,  unberücksiciitigt  gelassenen  Falle,  wo  eine 
Kombination  RA  gegen  P  vorliegt,  dieses  also  zu  Gunsten  jener  aufge- 
geben werden  mußte.  Praktisch  läuft  es  hier  meist  auf  eine  Wieder- 
herstellung des  Steuerschen  Textes  hinaus.  Dahin  gehören;  35,  36  HA 
Steuer:  Por  .  .  .por  gegen  Par  .  .  .par  P  Sass  —  50  en  reniuiers 
gegen  a  r.  —  194  en  meson  gegen  a  m.  —  344  tert  gegen  est  —  380 
R  Steuer:  avrons,/K:  avons  gegen  avreiz  P  Sass  —  580  en  Ä«??iaincegen 
soz  sa  m.  —  606  R  Steuer:  Senz  toute  mesprison,  A:  «S.  nule  in. 
gegen:  Tote  s.  m.  P  Sass  —  611  Jarsa  grant  tralson  gegen  Et. 
par  sa  t.  —  775  R  Steuer:  Pjt  o  ses  meuestraus,  A:  Contre  s. 
m.  gegen:  0  s.  menesteiaus  P  Sass  (vgl.  1027  und  oben  768 
ehartrierj  —  '"'•802  RA  Steuer  Sass:  sor  son  chief  gegen  s.  le  eh. 
P  —  849  f.  R  Steuer:  mout  iis  pres  De  mort,  A  1152:  Car  ia 
mort  est  moult  pres  gegen:  mout  ert  pres  De  inort  P  Sass.  Die 
direkte  Rede  ist  hier  allein  am  Platze  —  885  Tant  (Si  Pi)  chaitives 
et  maigres  gegen :  T.  eh.  tant  m.  —  894  Autre  vision  gegen  A 
avision.  Sass  läßt  in  seinem  Texte  beide  Formen  zu,  doch  ist  nur 
vision  sieher  verbürgt.  Auch  405  bietet  A:  cele  vision  gegen  c. 
avision  PR,  786  i  vision  gegen  avision.  193  umgekehrt  une  avision 
gegen  une  vision,  1531  fehlt  A  get^en  D\wision;  gänzlich  belanglos 
sind  natürlich  911.  1232:  s'«^7^s^07^  gegen  971 :  sa  vision,  2\A.  938. 
943:  la  vision.  Da  814  gegenüber  R:  dous  visions,  P:  leurs  visions 
in  A  (zu  8 13):  la  vision  steht,  b  weist  aucli  dies-r  Beleg  nichts  zu 
Gui  sten  von  insions,  wohl  aber  tut  dies  866  RPA  vision  —  906 
ni  avoit  gegen  n'aveient  —  967  R:  Que  la  gent  ne  vivra,  A:  De 
ce  vivra  ta  gens  gegen:  Que  la  gent  vivera  P  Sass.  Es  wird  zu 
lesen  sein:  Que  la  gent  en  vivra,  vielleicht  mit  Unterdrückung  des 
Qu'  der  Z,  966. —  9(58  Quant  ge^en  Que.  —  1216  A:  A(?  set  ahan 
sosfrir,  R:  Ne  puet  a.  s.  gegen:  Ahan  ne  s.  s  P  Steuer  Sass  — 
1283  R  Steuer:  Contre  lui  sont  leve,  A:  Cil  soyit  vers  lui  ale 
gegen:  Cil  sont  contre  leve  P  Sass.  Man  lese:  Cil  s.  vers  lui  l.  — 
1320  Met  el  (ou  R)  sac  al  menor  gegen  M.  ou  s.  du  m. 


Louis  TJiomas.     Les  dernihres  lecons  de  Marcel  Schwob.      39 

Interessant  ist  noch  1219,  weil  der  unnützen  Änderung  Steuers 
voo  mon  filz  PR  in  mes  f.  auch    von    A   1557    widersprochen  wi'd. 

Alles  in  allem  hat  S.  den  Steuerschen  Text  in  materieller  Hin- 
sicht nicht  wesentlich  verbessert;  nur  das  sprachliche  Kleid  hat  ein 
altertümlicheres  Aussehen  erhalten,  wobei  es  indessen  mehr  als  zweifel- 
haft bleibt,  ob  der  ursprünglichen  Dichtung  das  normanni-che  Kolorit 
zukam,  welches  sie  in  der  von  S.  zu  Grunde  gelegten  Hs.  P  erhalten 
hat.  Ich  verweise  dafür  besonders  auf  das  bezüjilich  der  Imi)erfekt- 
Endung  zu  dem  Reim  ot:  pesot  96  f.  oben  Bemerkte.  Die  Einleitung 
bietet  auch  sonst  nicht  viel  von  Belanjr,  wohl  aber  enthalten  die  reich- 
haltigen Anmerkungen  manches  Beachtenswerte.  Das  angehängte 
Wörterverzeichnis  hätte  aui^führlicher  sein  können,  da  selbst  manches 
in  den  Anmerkungen  besprochene  Wort  keine  Aufnahme  darin  ge- 
funden hat, 

Greifswald.  E.  Stengel. 

Thomas,  Louis.  Les  demüres  lefons  de  Marcel  Schioob  sur 
Frarifois  Villon.  Avec  un  facsimile  d"uiie  page  du  manuscrit 
de  Stockohlm  [sie].  Paris,  fiditions  de  Psyche,  1906.  47  S.  8^. 
Der  Name  des  vor  einiger  Zeit  verstorbenen  Marcel  Schwob 
ist  jedem,  der  sich  mit  dem  Studium  Villons  beschäftigt  hat,  geläufig, 
denn  unter  allen  jenen,  welche  ihre  Aufmerksamkeit  dem  ersten  modernen 
Dichter  Frankreichs  zuwendeten,  hat  er  zur  Erforschung  seiner 
abenteuerlichen  Lebensverhältnisse  und  zur  Aufhellung  des  oft  so 
dunklen  Sinnes  seiner  Dichtungen  unstreitig  am  meisten  beigetragen. 
Ein  umfas'^endes  Werk  über  Villon  und  die  Gesellschaft  seiner  Zeit 
abzuschließen  war  ihm  leider  nicht  veigönnt.  Seine  letzten  Arbeiten 
auf  diesem  Gebiete  waren  die  Herausgabe  des  Parnasse  satynque 
und  jene  des  Stockholmer  Villon- Manuscripts  (Lais  u.  Testament), 
welche  jedoch  beide,  infolge  ihres  exorbitant  hohen  Ladenpreises 
weiteren  Kreisen  verschlossen  bleiben  werden.  Zu  zeigen  mit  welchem 
Scharfsinn  Schwob  interpretierte  und  ihm  als  Kenner  und  Erläuterer 
Villons  ein  Denkmal  zu  setzen,  ist  der  Zweck  der  vorliegenden  kleinen 
Schrift,  gegen  welche  man  einwenden  könnte,  daß  Schwob  sich  in 
seinen  Arbeiten  bereits  selbst  ein  genügendes  Denkmal  errichtet  hat. 
Thomas  bietet  auch  in  seiner  Würdigung  absolut  nichts  neues.  ¥a- 
scheint  wohl  hin  und  wieder  einen  Blick  in  die  einschlägige  Literatur 
getan  zu  haben,  zu  selbstständigeu  Resultaten  gelangt  er  aber  nicht. 
Er  beschränkt  sich  darauf,  Schwobs  Noten  zum  Parnasse  saiyrique 
durchzusehen,  jene  Stellen  herauszuheben,  welche  bei  Villon  ein  Gegen- 
stück finden  und  sie  dann  zur  Erläuterung  der  letzteren  zu  verwenden. 
Die  Varianten  des  Stockholmer  Manuscripts  hatte  bereits  Long  nun 
in  seiner  Villonausgabe  mitgeteilt,  und  es  ist  nicht  ersichtlich,  warum 
der  Verfasser  einem  so  verstümmelten  Text,  wie  ihn  diese  Handschrift 
von  der  Ballade  des  danies  du  iemps  jadis  bietet,  solche  große 
Bedeutung  beilegt. 


40  Referate  und  Rezensionen.      Wolfgang  v.  Wnrzbach. 

Wäre  der  Verfasser  in  seinen  Forschungeu  über  Schwob  hinaus- 
gegangen und  hätte  er  sich  ein  wenig  in  der  zeitgenössisciien  und 
zeitlich  auf  Villen  folgenden  Literatur  umgesehen,  so  hätte  er  noch 
manche  interressante  Parallele  gefunden,  die  vielleicht  dazu  beitragen 
könnte,  uns  dem  Verständnis  des  Textes  näherzubringen.  Es  sei  uns 
gestattet,  im  Anschlüsse  an  die  vorliegende  Schrift  und  an  das  in  den 
Noten  unserer  Villonausgabe  gegebene  Material  hier  noch  auf  foiijende 
Einzellieiten  hinzuweisen  (L=  Lais,  Pttit  Test.;  T=  Testament, 
Grand   Test.;     PD=  Poesies  diverses). 

L.  4.  Le  frain  aux  dens.  —  Vgl.  Reprendre  le  frein  aux 
dens.     Belleau,   La  reconnue,  Aiic.  Th.  fran^.  IV.  376. 

L.  31,  32.  Phinter  me  fault  aut r es  compla n s  Et  f rapper 
en  vng  autre  coing.  Zu  dieser  Stelle  ließen  sich  außer  dem  von 
Th.  angeführten  Eondeau  auch  noch  andere  Parallelen  herbeiziehen. 
Die  hier  verwendete,  verblümte  Ausdrucksweise  begegnet  in  der  Poesie 
jener  Zeit  häutig.  Vgl.  Veu  qui  frappoient  si  hon  coing  {Parn.  satyr. 
S.  14 8. ^'  Si  nest  il  que  fraper  en  coing  (Anc.  j)oes.  franp.  VI.  200), 
die  Parn.  satyr.  S.  287  zitierten  Verse  von  Moliiiet  und  die  bei  Byvauck, 
Specimen  (1«82)  S.  138  angeführten  Zitate.  Ähnlich  ist  moudre  sa 
farine  ailleurs  (Belleau,  La  reconnue,  Anc.  Th.  frang.  IV.  369,  372.) 

L.  72.  Zu  der  vielumstrittenen  Stelle,  wo  Villon  seinem  Oheim, 
dem  Kaplan  Guillaume  de  Villun  „mes  tentes  et  mon  pavillon" 
vermacht,  ist  /u  bemerken,  daß  di 'se  beiden  Ausdrücke  in  der 
anzösischen  Poesie  wiederholt  mit  einander  genannt  werden.  Schon 
bei  Chrestien  de  Troyes  (Yvain  V.  2803  f.)  heißt  es:  Et  il  va  tant 
que  il  fut  loing  Des  tantes  et  des  paveillons. 

L.  83.  Zu  dem  Legat  des  „branc  d'assier  tranch  ant"  vgl. 
man  Parn.  satyr.  S.  269. 

L.  149.  Trou  de  la  Porame  de  Pin.  vgl.  Tabarin  (Ed.  d' 
Harmonville  S,  169.):  Vous  mesme,  lautre  joitr  en  allant  des  jeuner 
ä  la  P.  de  P. 

L.  152.     Zu   planter  =  plaisantcr   vgl.  Parn.  satyr.  S.    125. 

L.  186  Vng  canart.  Bailleurs  oder  donneurs  des  canarts 
a  moitie  hießen  die  Vogelhämiler,  welche  ihre  Waare  angeblich  sehr 
billig,  um  den  halben  Preis  verkauften.  Dann  kam  der  Ausdruck  zu 
der  Bedeutung  „B  trüger"  und  canard  hieß  ..Lüge".  Angidique  luy 
a  baille  ce  canard  ä  moitiS  (Fr.  d'Amboise,  Les  neapoiitaines  1584. 
Fournier,  Le  Th.  frang.  au  XVI.  et  XV IL  siede  1.  398.  Vgl. 
auch  Comedie  des  proverhes  III.  7).  Doch  war  Caignard  aiich  der 
Name  einer  kleinen  Straße  (Dufour,  Rist,  de  la  prostituiion.   IV.  78). 

L.  192.  Houseaulx  saus  avantpiez.  Man  vgl.  d;izu  Chausses 
semellees  laillees  chez  mon  cordouannier  (L.  159)  und  Ou  Psaul- 
tier  prens,  quand  suis  a  mestne  Qui  ii'est  de  beuf  ne  cordoen 
(T.  46).  Meiirere  Zweideutigkeiten  dieser  Art  enthält  ein  bei  Campaux, 
Villon  S.  347  abgedrucktes  Rondeau.  Man  vgl,  Parn.  satyr.  S.  262  f.) 


Louis   Thomas.     Les  dernieres  lepons  de  Marcel  Sc/ncob.      41 

T.  160.  Valerc  ]e  grant  (i.  e.  Maximus).  Vgl.  Anc.  Tli.frang. 
IX.   355,  356.  {ComSdie  des  com6diens,  1633). 

T.  179.  Plus  noir  que  meure.  Yg\.  fro7/er  son  trau  qui  est 
plus  noir  que  meure.  (Parn.  satt/r.  S.  127.).  Li  7yiaufe  plus 
?ioir  que  meure  (Rutebuef  109). 

T.  208.  A  peu  que  le  euer  ne  me  feiit.  Mau  vgl.  hierzu 
außer  den  beiden  von  mir  zitierten  völlig  gleichlautendeu  Versen 
(Anc.  poes.  franc.  VII.  212  und  Anc.  Tli.  frang.  III.  183)  uoch 
eine  Stelle  iu  Trottereis  Zes  corrivaux  (1612),  wo  es  heißt:  a  peine 
que  mon  coeur  en  deux  ne  s'est  fendu.   (Anc.  Th.  franf.  VIII.  272.) 

T.  313  ffg.  Et  meure  Paris  et  H  elaine,  etc.  Zu  diesen  Versen 
vgl.  man  die  ähnlichen  in  der  Moralität  L'homme  p^cheur,  aufgeführt 
Tours  c.  1490.  (zitiert  bei  Petit  de  Julleville,  La  comedie  et  les  moeurs 
4.  £d.   S.  84  f.). 

T.  316.  Son  fiel  se  creve  sur  son  euer.  Vgl.  le  fiel  jusques 
au  coeur  nous  touche.  Belleau,  Lareconnue.  Anc.  Th.frang.  IV.  359. 

J.  392.  Der  Refrain  der  Ballade  en  viel  langage  francois: 
Autant  en  empörte  ly  vens  erscheint  als  sprichwörtlich  in  der 
Comedie  des  chansons  (1640),  Anc.   Tit.  fr.  IX.  225. 

J.  669.  Plus  douces  luy  sont  que  civetes.  Vgl.  Anc.  Th. 
fr.  VII.  123  (Tournebu,  Les  contens  1584):  Tu  trouverois  la  fumee 
des  canons  et  mousquetades  plus  doucc  et  aromatisante  que  la  civete. 

T.  697.  Du  ciel,  une  paelle  d'arain.  A  un  henoinonluy 
feroit  crolre  que  les  nu4es  sont  des pO('slesd'airain(Com.desproverbes 
1633  Anc.   Th.  fr.  IX.  59). 

T.  740.  D'angoissemainte  poire.  Je  veux  leur  faire manger 
des  poires  d'angoisse  (Com.  des  proverbes.  1633.  Anc.  Th.fr.  IX.  76,) 

T.  100611".  (vgl.  L.  89  ff.)  Das  dunkle  Legat  dieser  Strophe 
erklärt  sich  Thomas  so,  daß  Villen,  von  der  Frau  Saint- Amants  zurück- 
gewiesen, dieser  Rache  schwört,  indem  er  ihrem  Gatten  eine  jüngere 
Geliebte  oder  ihr  selbst  einen  unangenehmen  Liehhaber  verspricht. 
Von  diesen  beiden  Auslegungen  scheint  uns  keine  besonders  glaub- 
würdig. Zu  der  obszönen  Anspielung  auf  die  Frau  Saint-Amants,  die 
in  dem  Ausdruck  L'asne  raye  (so  ist  nach  Anc.  poes.  frang.  VI.  177 
in  lesen)  liegen  soll,    vgl.  man  Parn.  satyr.  S.  8. 

T.  1591.  Zur  Ballade  de  la  grosse  Margot  vgl.  man  das 
Gedicht  Parn.  satyr.  LXVIII.,  zu  dem  Namen,  der  mit  Dirne  synonym 
ist  Dufour.  l.  c.  V.  79. 

T.  1668.  Beaux  enfans,  vous  perdez  la  plus  Belle  rose 

de  V 0  c h a p p e a u .  Vgl. :  J'ai perdu  la, plus  belle  rose  de  mon  chapeau 

(Sprichwörtlich   in   der   Com.  des  proverbes,  Anc.    Th.  fr.  IX,  25.) 

'Y.  1722.  Gardez  vous  tous  de  ce  mau  hasle.    Vgl.  Gardez 

vostre  (eint  du  hasle    (Com,  des  chansons.  Anc.  Th.  fr.  IX.  222.) 

T.  1783.  Aller  ä  la  montarde.  Vgl.  Enfans  qui  vont  ä  la 
inoustarde  Chantent  de  vous  aux  carrefours  (Parn.  satyr.  S.  81 
s.  Note  S.  259.)  und  die  anderen  bei  Littre  3.  654  angeführten  Stellen. 


42  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Küchler. 

T.  1782.  üuvroz  vostre  huys,  Guillemette.  Vgl.  Tant 
rous  allez  doiux,  Guillemette  (Com.  des  chansons,  Anc.  Ih.  frang. 
IX.  123);  Pour  un  doux  baiser,  Guitlernette,  le  refuseriez  -  vousf 
(ib.  126);  Ouvrez  -  moy  vostre  huys,  ouvrez  -  vioy  mignonne,  H 
nest  pas  minuict  (ib.   200.) 

PD.  62.  Ou  qu'il  soit  rais  entre  meules  flotans  En 
vng  moulin,  comrae  fut  saint  Victor.  Das  Mystere  de  S.  Victor 
wurde  1425  zu  Metz,  1476  zu  Triel  aufgeführt  (Petit  de  Julleville, 
Les  my Steves  II.  185.) 

PD.  11 2  ff.  Zu  der  Ballade  des  menus  propos,  deren  Refrain 
lautet  „Je  congnois  tout,  fors  que  moy  mesmes"  vgl.  man  das 
Gedicht  XXXV  des  JParn.  satyr.  (V.  2:  Je  congnoys  tout  se  je  m,e 
congnoissoye.) 

PD.  112.  Je  congnois  bien  mouches  en  let.  Yg\.  Aprenez 
moi  ä  cognoistre  mouches  en  lait.  Tournebu,  Les  contens.  Anc.  Th. 
franc.  VII.    168.) 

PD.  140.  ffg.  Die  Ballade  des  Contreverites  ist  eine  Parodie 
der  damals  sehr  populiiren  Ballade  Chartiers  „//  n'est  dangier 
que  de  vilain^ .  N]A.  Parii.  satyr.  Nr.  XCI:  ,,ll  nest  aise  qu* 
avoir  urgent.'-'' 

PD.  499.  ffg  Le  quatrain.  Der  erste  Vers  Je  suisFran^ois 
dont  ce  nie  poise,  wird  allerdings  erst  durch  Marcel  Schwobs 
Auslegung  verständlich.  Villen  ledauert,  ein  Franzose  zu  sein,  weil 
er  daher  nicht,  wie  sein  Mitschuldiger,  der  Savoyarde  Robin  Dogis, 
anlfißlirh  des  Einzuges  des  Herzogs  von  Savoyen  in  Paris  (8.  November 
1463)  Begnadigung  findet.  Zugleich  liegt  in  Frangois  ein  Wortspiel 
mit  dem  eigenen  Namen  des  Dichters.  —  Wenij^er  gelungen  ist  die 
Deutung  des  zweiten  Verses  Ne  de  Paris  empres  Ponthoise,  worin 
eine  Anspielung  auf  die  Gerichtsbarkeit  des  Prevost  Villiers  de  l'Isle 
Adam  liegen  soll. 

Wien.  •  Wolfgang  v.  Wurzbach. 


Le  Parnasse  Satyriqiie  du  Quinzieme  Siede.  Anthologie  de 
pieces  lihres,  publiee  par  M.  Marcel  Schwob.  Paris. 
Welter.    1905  in  8"  VIII  -h  333  S. 

Toutes  et  Coiiteiirs  ^aillards  du  XVllP  siede.  Recueil  de 
Pieces  rares  ou  inedites  publiees  sur  les  munuscrits  ou  les 
textes  originaux,  preface  et  notes  bio-bibliosrraphiques.  Ouvrage 
orne  de  huit  planches  hors  texte.  Herausgegeben  von 
Ad.  van  Bever.  Paris  H.  Daragon i)  1906.  in  80  VII -j- 
314  S.    Prix  15  fics. 


')  Der  Verlag  von  H.  Daragon  bringt  in  seiner  „BihUothrquc  du  vieux 
Paris"  interessante  Veröffentlichungen  über  das  Sittenleben  des  XVlIl.  Jhdts., 
so  z.B.  in    „Les  Socivtes  (Tamour  au  XVI 11^  such"   von   J.  Hervez.     Doch 


Le  Parnasse  Satyrique  du  Qumzihne  Siede.  43 

Deniachy,  »1.  F.  Histoires  et  contes.  Precedes  d'une  etude 
historique,  anecdotique  et  critique  sur  sa  vie  et  ses  ceuvres 
et  accompagnes  de  notes  et  commentaires  par  L.  G.  Toraude. 
Paris,  Charles  Carrington  1907.  in  4«  CVIII  f  621  S.  (Cet 
ouvrage  n'est  pas  mis  en  vente  daiis  le  commerce). 

Kurz  hingewiesen  sei  auf  diese  drei  Veröffentlichungen  aus  dorn 
Gebiete  der  erotischen  Literatur.  Die  von  Marcel  Schwob  nach  einem 
bekannten  Manuskript  der  frz.  Nationalbibliothek  herausgegebene 
Anthologie  schlägt  in  ein  wichtiges  Kapitel  der  Literaturgeschichte. 
Sie  enthält  Beispiele  jener  roh -derben,  übermütig- unflätigen,  schon 
sehr  persönlichen  erotischen  Dichtung,  aus  der  Francois  Yillon  und 
später  Mathurin  Reguier  ihre  Inspiration  zogen. 

Weniger  in  das  Gebiet  der  Literaturgeschichte,  als  in  das  der 
Sittengeschichte  gehören  die  erotischen  Verscrzählungen  desXVIIL  Jhdts., 
die  Van  Bever  herausgibt,  sowie  die  Histoires  et  Contes  des  J.  F. 
Demachy.  Diese  beiden  Veröffentlichungen  zeigen  so  recht  deutlich 
die  literarische  Minderwertigkeit  von  Produktionen,  die  nichts  anderes 
sind  als  gereimte  Unflätigkeiten,  an  denen  nur  der  mittelmäßige 
Durchschnittspliilister,  der  in  sinnlicher  Beziehung  gemein  veranlagte 
Dutzendmensch  seine  Lust  hat. 

Die  nur  das  Beste  heraushebende  Auswahl  Van  Bevers  gibt 
wenigstens  ein  nicht  ganz  uninteressantes  Bild  von  dem  Leben  dieser 
niedrigsten  Unterbaltungsliteratur  des  XVIIL  Jhs.  Wir  finden  wenigstens 
hier  und  da  etwas  Witz  und  Verve,  eine  etwas  höhere  Fähigkeit  den 
heiklen  Stoff  durch  eine  leicht  graziöse  Behandlung  über  das  aller- 
tiefste  Niveau  zu  heben.  Dagegen  sind  die  bisher  gänzlich  unbekannten 
Histoires  et  Contes  des  Apotiiekers,  späteren  Piofessors  der  Pharmazie 
und  königlichen  Censors  J.  F.  Demachy  (1728 — 1803)  absolut  wert- 
los und  jedes  Reizes  und  Interesses  bar.  Das  einzige  Interesse,  das 
sie  gewähren,  ist  psychologischer  Art.  Sie  zeigen  uns  in  ihrem 
Verfasser  das  Bild  eines  jämmerlichen,  schmutzigen,  ekelhaften,  stumpfen 
Menschen  mit  einer  gemeinen,  jeder  Erhebung  unfähigen  Seele.  Eines 
Menschen,  dem  auch  das  allerbescheidenste  Küustlertum  abgeht,  der 
mit  seiner  verdorbenen  erotischen  Phantasie  im  Trivialsten  und 
Banalsten  stecken  bleibt,  wie  in  Sumpf  und  Schlamm.  Das  Manu- 
skript hätte  ruhig  weiter  schlummern  dürfen,  die  schwülstige  Vorrede 


wenden  sich  diese  Schriften  und  Ausgaben  weniger  an  den  wissenschaftlich 
Arbeitondpn.  Das  gilt  besonders  oueh  von  der  im  gleichen  Verlag  er- 
scheinenden Sammhing:  „Le  Baiser^  Etude  litteraire  du  bai>er  ä  travers  les 
äges",  von  der  erschienen  sind  „Le  baiser  ä  Bahuhne  et  a  Sodome"  und  ,,Le 
hniser  en  Grece^.  Herausgeber  ist  Bagneux  de  Villeneuve.  Preis  jedes 
Bandes  8  frcs.  Der  Verlag  l)etätigt  sich  auch  auf  dem  Gebiet  der  Gehcim- 
wisseuschaften  mit  Verüflentlichungen  wie  „Uisfoire  mythique  de  Shatati"  und 
„Le  tema!re  magique  de  Shatan.''  Beide  Werke  Sind  von  Charles  Lancelin. 
Preis  7,50  frcs. 


44  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Küchler. 

des  Herau>gebers  hätte  riiliig  ungeboren  bleiben  dürfen,  und  die 
schlechten  Zeichnungen  G.  Grellets,  welche  die  traurigen  Machwerke 
ebenso  traurig  illustrieren,  hätten  ruhig  unterbleiben  sollen. 

GIESSEN.  Walther  Küchler. 


Picot,  Emile.  Les  Frangais  italianisants  au  XVP  siede,  t.  P'' 
Paris,  Honore  Champion  1906.  8^>  XI  -f  380  S.  7,50  frcs. 
Der  gelehrte  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes  beabsichtigt 
ein  umfassendes  Werk  über  die  Geschichte  der  italienischen  Literatur 
in  Frankreich  im  sechszehnten  Jahrhundert  zusammenzustellen.  Wie 
er  in  dem  Vorwort  seines  Buches  angibt,  will  er  diese  Geschichte 
in  folgende  Abschnitte  zerfallen  lassen: 

1.  Les  Italiens  en  France  au  XVF  siede  (italienische  Fürsten 
Feldherrn,  Diplomaten,  ßanqniers  und  Künstler,  die  von  Ludwig 
XII  —  Heinrich  IV  in  Frankreich  gelebt  und  dem  französischen 
Staat  Dienste  geleistet  haben),  i) 

2.  Les  Humanistes  et  les  Jurisconsultes  italiens  en  France  au 
XVF  siede.  (Anzahl  von  Nachrichten  über  eine  Menge  von 
Gelehrten,  Dichtern,  Beamten,  welche  zu  dem  Aufschwung  der 
literarischen  und  juristischen  Studien  beigetragen,  aber  nur  die 
lateinische  Sprache  angewendet  haben). 

3.  Fes  traJuctions  frangaises  puhUees  au  XVF  siede  d'apres  des 
ouvrages  italiens.  Dieser  Teil  soll  vorzugsweise  eine  biblio.uraphische 
Studie  sein,  welche  dartun  wird,  daß  in  Italien  während  des 
16,  Jhdts.  kaum  ein  Werk  von  Bedeutung  erschienen  ist,  das 
nicht  ins  französische  übersetzt  wurde). 

4.  Les  Comediens  en  France  au  X  VF  siede.  (Wiederaufnahme 
der  Arbeiten  von  d'Ancona  und  Bascliet  unter  Hinzufügung  einer 
Reihe  von  neuen  Tatsachen). 

.5.  Les  Auteurs  italiens  en  France  au  XVF  siede.  (Matteo  Bandello, 
Luigi  Alamanni,  Gabriel  Sinieoni  und  viele  andere  weniger  bekannte). 

6.  Les  Francais  italianisants  au  XVF  siede.  (2  Bände,  von 
denen  der  erste  uns  vorliegt.  Viele  Artikel  sind  bereits  erschienen 
in   der   Revue   des   Bibliotheques   et   des  Archives,    1898 — 1901). 

7.  Les  hnprimeurs  et  les  Lihraires  italiens  en  France,  les  Im. 
2?riineurs   et   les  Lihraires  francais   en  Italic   au  XVF  siecle- 

Der  bis  jetzt  in  Buchform  erschienene  Teil  des  Unternehmens 
gewährt  ein  verblüffendes  Beispiel  peinlichsten  Fleißes  in  biblio- 
graphischen und  biograpliischen  Studien,  in  entsagungsvoller  Sannnler- 
und  Zuträgerarbeit,  Aber  doch  auch  nicht  viel  mehr.  Der  Verfasser 
wollte  zusammenstellen,  was  während  des  XVI,  Jhdts.  von  italienischen 
Leistungen  französischer  Schriftsteller,  Diplomaten,  Beamten,  Prälaten 


1)  Dieser  als  Einleitung    gedachte  Abschnitt    ist    zu   seinem  gröfsten 
Teil   bereits    erschienen    im  „Bulhün  italien"-  I — V    (Bordeaux    1901 — 1905). 


Emile  Picot.     Les  Frangais  italianisants  au  XVI'  siede.      45 

ihm  bekannt  geworden  ist.  Hier  hat  er  ein  par  Sonette  entdeckt, 
dort  einige  Reden  gefunden,  dort  ein  par  offizielle  Briefe  und  freund- 
schaftliche Widmungen,  dann  und  wann  standen  ihm  auch  in  seltenen 
Ausgaben  ganze,  größere  Dichtungen  zur  Verfügung.  Manchmal  muß 
er  sich  mit  Andeutungen,  daß  dieser  und  jener  in  italienisclier  Sprache 
gedichtet  habe,  begnügen.  So  ist  es  z.  B.  mit  Lancelot  de  Carle, 
von  dem  Du  Bellay  in  einem  Sonett  berichtet,  daß  er  lateinische, 
italienische  und  französische  Verse  verfaßt  habe.  Nichts  destoweniger 
schreibt  Picot  eine  fünfzehn  Seiten  lange  Studie  über  Lancelot  de 
Carle's  Leben  und  Werke. 

In  einem  am  6.  August  1550  Rabelais  bewilligten  Privileg 
heißt  es,  daß  der  Bittsteller  verschiedene  Bücher  in  lateinischer, 
griechischer,  französischer,  toskanischer  Sprache  habe  drucken 
lassen.  Mit  Recht  fragt  der  Verfasser,  welches  Werk  konnte 
Rabelais  in  italienischer  Sprache  verfaßt  haben.  Er  weiß  es  nicht. 
Warum  belastet  er  uns  mit  zehn  Seiten,  in  denen  er  im  w'esentlichen 
doch  nur  wiederholt,  was  die  Rabelaisbiographen  uns  bereits  genügend 
ausführlich  gesagt  haben.  Zwar  gelingt  es  ihm  festzustellen,  daß 
Rabelais  bei  der  Ende  Juli  1538  in  Lyon  zu  Stande  gekommenen 
Begegnung  zwischen  Kaiser  und  König  anwesend  war.  Aber  dieses 
Faktum  ist  ja  für  sein  eigentliches  Thema  unbedeutsam. 

Eine  ausführlichere  Studie  widmet  Picot  mit  Recht  dem  italien- 
freundlichen, in  der  protestantischen  Bewegung  hervortretenden  Francois 
Perrot.  Bei  der  Gelegenheit  gibt  er  uns  genaue  Daten  über  das  Leben 
eines  Onkels.  Warum  wohl?  Weil  später  dieser  Onkel  ohne  Zweifel  seinem 
Neffen  den  Gedanken  eingab,  in  Italien  zu  studieren.  Bei  der  Be- 
sprecliung  des  Ingenieurs  und  Mathematikers  Jean  Francois  du  Soleil 
erfahren  wir,  daß  er  zweimal  verheiratet  war,  daß  er  aber  einmal, 
in  einer  Urkunde,  die  Namen  der  beiden  Schwiegerväter  verwechselte, 
daß  er  zwei  Töchter  hatte,  Anna  und  Elisabetta,  von  denen  eine 
von  Renee  de  France  mit  einer  Mitgift  ausgestattet  wurde,  daß  er 
vier  Söhne  besaß,  von  denen  Antonio  1583  starb,  Giovanni  1570,  Fran- 
cesco 1599;  von  Vincenzo  wissen  wir  nichts.  Die  Methode  Picots  wird 
nai'h  diesen  kurzen,  beliebig  herausgegriifenen  Beispielen  klar.  In  ein- 
tönigem Wechsel  ziehen  21  Persönlichkeiten  an  uns  vorbei,  mit  deren 
Leben  und  Schriften  wir  bekannt  gemacht  werden.  D.  h.  wir  lernen 
jeden  Lebensumstand  dieser  Männer,  der  dem  Verfasser  bekannt  ge- 
worden ist,  kennen,  mag  er  auch  noch  so  unbedeutend  gewesen  sein, 
und  wir  erlangen  eine  genaue  Kenntnis  des  Titels  und  der  inneren 
Einriclitung  und  Ausstattung  ihrer  Werke.  Ohne  Zweifel,  wir  erhalten 
hier  und  da  auch  ein  interessantes  Detail,  das  eine  gewisse  literarische 
und  kulturelle  Bedeutung  hat,  wir  erkennen  die  Beziehungen,  die  das 
vielgestaltige  Leben,  Politik,  Religion,  Wissenschaft  und  Poesie  zwischen 
den  beiden  Ländern  schufen.  Abei'  weswegen  sollen  wir  ein  par  nütz- 
licher Notizen  wegen  gänzlich  unnützen  Ballast  mitaufnelimen  und 
bezahlen?     Die  in  gewissenhafter  Sammelarbeit  zusammengetragenen. 


46  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Küchler. 

unendlich  vielen  Zettelchen,  Schnitzel  und  Streifen  hätten  nun  zu 
knapper,  abgerundeter  Darstellung  verarbeitet  werden  sollen.  So 
hätten  wir  statt  eines  stattlichen  Bandes  von  380  Seiten  vielleicht 
ein  50  Seiten  langes  Bändchen  erhalten,  das  wir  mit  Genuß  und 
Gewinn  hätten  lesen  können;  statt  der  in  Aussicht  gestellten  bände- 
rcichen  Serie,  die  zusammen  etwa  50  frcs.  kosten  würde,  hätten  wir 
ein  wertvolles  Werk  zu  7,50  frcs.  erhalten.  So  wie  dieser  Band 
mechanisch-monoton  zusammengestellt  ist,  haben  wir  in  ihm  ein 
Spezimen  jener  Art  literar-historischer  Werke,  die  den  Gehalt  des 
darzustellenden  Stoffes  oder  Themas  ersticken  in  einem  Wust  von 
bio-bibliographischen  Notizen,  in  einer  Ansammlung  von  rein  äußer- 
lichem Material,  das  nur  zu  seinem  allergeringsten  Teil  von  be- 
scheidenem Nutzen  für  die  wirkliche  Erkenntnis  ist.  Daß  innige 
Beziehungen  zwischen  der  italienischen  und  französischen  Literatur 
im  16.  Jahrb.  bestanden,  weiß  man  längst,  auch  über  die  Intensität 
des  Verkehrs  und  über  den  Grad  der  Abhängigkeit  ist  man  sich  klar. 
Was  immer  von  Wert  sein  wird,  ist  das  immer  erneute  Studium 
der  Texte,  um  zu  untersuchen,  wie  sich  Geist  an  Geist  bildet, 
wie  sich  Form  an  Form  schmiegt,  wie  eine  IJee  sich  aus  der 
andern  loslöst  oder  ihr  widerstreitet.  Aus  der  Masse  der  Details 
das  Gesamtbild  herauszuschälen,  es  in  seinen  vielfältigen  Nuancen 
und  Besonderheiten,  in  seiner  historisclien  Wesenheit  wieder  neu  auf- 
leben zu  lassen,  das  ist  die  Aufgabe  der  literarhistorischen  Forschung. 
Nicht  interesselose  Biographien,  die  ja  doch  nur  lückenhaft  bleiben 
mi'tssen,  mühselig  zusammenzustellen.  Einige  typische  Lebensläufe 
würden  in  dem  vorliegenden  Falle  vollauf  genüijt  haben,  das  Eigen- 
artige in  dem  internationalen  Verkehr  der  damaligen  Welt  hervorzu- 
heben. Hätte  Picot  etwa  die  dreifache  Anzahl  von  Persönliclikeiten, 
die  in  Frankreich  einmal  ein  par  italienische  Sonette  geschrieben 
haben,  gefunden,  so  würde  er  uns  wahrscheinlich  dreimal  so  viele 
mit  mehr  oder  minder  sicheren  Hypothesen  durchsetzte  Biographien 
gegeben  haben  und  wäre  docli  noch  unvollständig  geblieben.  Denn 
wie  viele  werden  italienische  Sprache  gelernt  und  sich  in  ihr  brieflich, 
rednerisch  und  dichterisch  gelegentlich  einmal  ausgedrückt  haben, 
von  denen  wir  nichts  wissen.  Was  haben  die  vielen  Namenlosen, 
die  mit  den  Großen  gezogen  sind,  an  italienischer  Kultur  mit  nach 
Hause  gebracht,  an  Liedern  und  Schwänken,  an  Flüchen  und  Scherzen, 
an  Eindrücken  und  Erfahrungen?  Was  die  Höhergebildeten  für  ihre 
Kreise  leisteten,  haben  diese  vielen  für  ihre  Schichten  getan.  Wenn 
wir  alle  ihre  Namen  wüßten,  so  würden  wir  doch  nicht  in  allen 
möglichen  Geburtsregistern  und  Stammrollen  nach  Daten  und  Er- 
eignissen ihres  Lebens  suchen.  Picot  läßt  eine  große  Masse  von 
Briefen  in  italienischer  Sprache  außer  Acht.  Mit  Unrecht.  Sie  hätte 
er  durchlesen,  die  interessantesten  heraussuchen  und  veröffentlichen 
sollen  oder  aus  dem  in  ihnen  vielleicht  enthaltenen  kulturgeschicht- 
Jichen  Material  eine  zusammenfassende  Darstellung  der  Wirkung  geben 


Des  Barreaux,  Jacques   ValUe,  sa  vie  et  ses  poesies.        47 

sollen,  welche  die  italiiniische  Bildung  auf  die  französische  im  16. 
Jahrhundert  ausübte.  So  gibt  er  uns  nur  Namen  und  unvollkommene 
Lebenslä'if*^  gii't  nur  sorgsam  kopierte  Büchertitel  und  neben  viel 
unnützem  Text  einige  interessante  Briefe  und  Urkunden,  Er  registriert 
nur,  ohne  zu  fragen,  w.is  ist  wt^rtvoll  uud  was  ist  wertlos.  Es  gelten 
für  ihn  keine  Gesichtspunkte,  nacli  denen  er  etwa  die  verschiedenen 
Leistungen  unterschiede.  Aber  die  Persönlichkeiten,  die  er  behandelt, 
stammen  aus  mannigfachen  Berufen  und  Klassen.  Ihre  Kenntnis  von 
den  italienischen  Verhältnissen  leitet  sich  von  ganz  verschiedenen 
Um-'tän'ien  ab.  Die  Verwendung  der  italienischen  Sprache  durch 
sie  beruht  auf  ganz  verschiedenen  Gründen  und  Absichten;  ihre 
literarischen  Erzeugnisse  liegen  auf  ganz  verscliiedenen  Gebieten. 
Der  Autor  aber  reiht  willkürlich  Namen  au  Namen  und  denkt  an 
keine  orientierende,  einteilende,  sondernde  und  charakterisierende 
Gruppierung.  Es  ist  doch  etwas  ganz  anderes,  wenn  der  in  Italien 
längst  ansässige  Jean  Fran^ois  Du  Snleil  in  italienischer  Sprache 
mathematische  Traktate  schreibt  oder  wenn  Du  Bellay  in  rein  künst- 
lerischer Absicht  Sonette  auf  italienisch  zu  dichten  unternimmt, 
Oder,  um  nur  noch  ein  Beispiel  anzufiüiren,  wenn  Frangois  Perrot 
italienischen  Protestanten  in  Genf  die  Psalmen  zugänglich  machen 
will,  ind  ra  er  eine  italienische  Übersetzung  in  Auswahl  von  ihnen 
herausgibt,  so  ist  an  diese  Arbeit  mit  ganz  anderen  Voraussetzungen 
heranzutreten  als  etwa  an  die  „Rune  Toscane'"  des  Amomo,  der  in 
Wirklichkeit  vielleicht  Jean  de  Maumont  hieß. 

Gerade  in  Hinblick  auf  die  geplante,  überaus  breite  Anlage 
der  Veröffentlichung  Picots  zur  Geschichie  des  italienischen  Einflusses 
in  Frankreich  er-chien  es  notwendig,  auf  die  unserer  Ansicht  nach 
a\U\i  äuß  'rliche,  dabei  die  Frage  kemeswegs  erschöpfende  Methode 
der  Beh.mdlung  hinzuweisen.  Um  so  mehr,  da  das  zu  einseitige 
Betonen  des  Biographischen  in  der  literarhistorischen  Forschung  und 
Darsti'lluiig  eine  Gefahr  ist,  von  der  eine  Anzahl  moderner  französischer 
Kritiker  bedroht  zu  sein  scheint.  Es  S"i  nur  hingewiesen  auf  den 
einleitenden  Aufsatz  „Xa  methode  hiographiqiie  de  crifique  litteraire" 
von  Louis  Arnould  in  seinem  Buche  „Quelques  poetes"  ^)  und  auf 
das  Iiieal  literarhistorischer  Schriftstellerei,  das  diesem  für  die  bio- 
graphische Methode  begeisterten,  dabei  an  die  wissenschaftliche 
Astrolo'iie  glaubenden  Gelehrten,  vorschwelit. 

GIESSEN.  Walther   Küchler. 


Des    Barreaux,   Jacquos  Vallee,   sa   vie  et  ses  j)oesies  par 

Fr.  Lachevre.     Paris   1907,     Henri  Ledere,  in  4^  264  S. 

gedruckt   in   301    Exemplaren  auf  Kosten  des  Herausgebers. 

Mit  deibem  Pinsel  breit  auttragend,  mit  kräftigen  Strichen  aus 

dem  Giol)en  heraus,  nicht  unähnlich,  nur  eckig  und  obenhin  hat  uns 

2j  Paris  1907.     H.  Oudin. 


48  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Küchler. 

Tallement  des  Reaux  in  eiuer  seiner  Historiettes  das  Bild  von  Des 
Barreanx  überliefert:  i)  Ein  schöner  Jüngling  mit  lebhaftem  Geist, 
von  ziemlich  reicher  Bildung,  vom  Glück  begünstigt,  von  Theophile 
und  aniieren  ausschweifenden  Libertins  verdorben,  der  intime  Freund 
Theophiles,  so  intim,  daß  man  ihn  nach  dem  Tode  des  Dichters  in 
nicht  mißzuverstehender  Anspielung  lachend  nennen  konnte  Ja  veuve 
de  Theophile'-'' .  Ein  leichtsinniger  Beamter,  der  Verführer  und  erste 
Liebhaber  der  schönen  Marion  de  l'Orme.  „Ce  fut  lui  qiii  mit 
Marion  ä  mal.'*  Ein  Sybarit,  stets  auf  der  Jagd  nach  dem  Genuß. 
So  reiste  er  einmal  mit  einigen  gleich  gesinnten  Freunden  durch 
Frankreich,  um  an  jedem  Orte  auszukosten,  was  die  Jahreszeit  an 
besten  Früchten  und  Erzeugnissen  bot.  „jLe  nouveau  Bacchus'" 
habe  ihn  Balzac,  den  er  auf  dieser  Reise  besuchte,  genannt.  Ein 
Trunkenbold  und  Gotteslästerer,  dessen  herausfordernde  Spötteleien 
und  Ungezogenheiten  ihn  mehr  als  ein  Mal  in  Lebensgefahr  gebracht 
hätten.  Ein  Lüstling,  der  in  kraftlosem  und  schmutzigem  Alter,  der 
einstigen  geistigen  Regsamkeit  bar,  schmählich  dahingesiecht  sei  und 
in  den  Tagen  der  Krankheit  sich  lediglicli  aus  finanziellen  Interessen 
bekehrt  habe. 

Diesem  anekdotisch -verzerrten  Bilde  von  dem  prince  des 
libertins  du  XVII.  siede,  von  dem  roy  de  la  dSbauche  gibt 
Frederic  Lachevre  seine  wirklichen  Züge  und  Farben  wieder,  indem 
er  aus  zeitgenössisclien  gedruckten  und  ungedruckten  Quellen  zusammen- 
stellt, was  er  an  Nachrichten  über  Des  Barreanx'  Leben,  an  Urteilen 
über  ihn  und  an  Dichtungen,  die  er  verfaßt  hat,  finden  konnte. 
Die  Züge  des  Bildes  werden  weicher,  die  Farben  schwächer,  ein 
lachender  Philosoph,  ein  weltgewandter  Epicuräer,  ein  schönheits- 
durstiger Sinnenmensch,  dem  nur  Ernst  und  Tiefe,  Ruhe  und  Kraft 
fehlten,  ein  Schlürfer  des  Weins,  ein  Bewunderer  des  Sonnenlichts 
und  der  roten  Rosen,  ein  Schüler  Theophiles,  dem  er  ein  ungetreuer 
Freund  wurde  in  der  Stunde  der  Gefahr,  dem  er  die  Haud  entzog, 
als  er  zu  straucheln  drohte,  weil  er  schwach  war  und  um  sein  Leben 
bangte,  so,  feiner  und  schwächer  zugleich,  will  uns  nun  Des  Barreaux 
erscheinen.  Nicht  als  ein  roher  Wollüstling,  ein  würdeloser  Verächter 
des  Göttlichen,  ein  blinder,  niedriger  Triebmensch  erscheint  er, 
sondern  als  ein  Jünger  jener  freien  libertinistischen  Denkweise  und 
Lebensanschauung,  als  deren  glänzendster  Vertreter  Theophile  de  Viau 
zu  betrachten  ist,  der  Meister  einer  veredelten  sensualistischen  Natur- 
und  Schönheitsbegeisterung,  der  fest  davon  überzeugt  war.  höhere 
und  reinere  Empfindung,  einen  göttlicheren  Geist  in  seiner  Brust  zu 
tragen  als  die  Masse  der  anderen  Menschen:  Gratulor  fatis  meis 
quod  eadem  nota  ingeniorum  nostrorum  divinos  spiritos  a  coeteris 
mortalibus  discreverint.^)    So  schreibt  er  an  seinen  Freund  Luillier, 

1)  Les  Bistorieties,  Paris  Techener,  1855  t.  IV  p.  46  ff. 

2)  Cf.  (Euvres  completes  de  Theophile,  Nouvelle  edition  par  M.  AUeaunie. 
Paris  1855  t.  IL  p.  416f. 


Des  Barreaux,  Jacques   Vallee,  sa  vie  et  ses  poesies.  49 

den  er  mit  dem  geliebten  Vallee  zu  diesen  höher  begabten  Geistern 
zählt.  Freilich,  viel  irdisches  Genießen,  Freude  an  gut  gewürzter 
Speise  und  perlendem  Wein,  an  behaglichem  Faulenzertum,  wechselnde 
Liebe  zu  schönen  und  leichten  Frauen  mischte  sich  für  diese  „enfants 
de  la  douce  vie'*  in  ihr  pliilosophisch-freies  Anschauen  der  Schönheit, 
in  ihr  brünstiges  Versenken  in  die  Natur,  viel  Schwäche  und  Klein- 
mut und  dilettantische  Leicht  herzigkeit.  Ein  solcher  glücklicher, 
nach  Außen  glänzender,  innerlich  leerer  Dilettant,  ohne  den  ernsten 
Einschlag  von  Melancholie,  der  Theopliile  eigen  ist,  war  Des  Barreaux. 
In  seiner  lateinisch  geschriebenen  Lebensbeschreibung  des  Pierre  de 
Boissat  (Grenoble  1680)  erzählt  Chorier  von  dem  Eindruck,  den  die 
Persönlichkeit  Des  Barreaux'  bei  Festen,  die  ihm  zu  Ehren  ver- 
anstaltet wurden,  hinterlassen  habe,  folgendermaßen:  „Quand,  dans  la 
ßeur  de  ses  annees,  il  vint  ä  Vienne  pres  de  Boissat,  son  urbanitS 
et  son  enjouenient  etaient  si  grands,  que  ce  n'est  point  sans  gräce 
et  sans  elegance  quHl  d^bitait  sur  la  nature  des  choses  des  riens 
et  des  bagalelles  ineptes.  On  sctonnait  de  son  ignorance,  jusquä 
la  stupefaction.  On  aimait  toutesfois  ä  l'entendre  parier,  tout 
en  s'indignant  de  le  voir  plein  d'une  cot/pable  audace  sefforcer 
vers  des  idees  auxquelles,  etant  donne  le  sujet,  on  ne  pouvait 
penser  sans  honte."  Auch  von  der  Hingabe  Des  Barreaux'  an  den 
Genuß  bat  Chorier  interessante  Worte,  die  wie  das  vorhergehende 
Zitat  in  der  französischen  Übersetzung  Lachevres  wiedergegeben 
seien,  da  mir  das  lateinische  Original  nicht  vorliegt.  „Boissat  lui 
donna  de  grands  fesiins,  comprenant  bien  qiiil  ne  pouvait  rien 
faire  de  plus  agreable  pour  cet  komme  si  ami  de  la  bonne 
chere  .  .  .  Des  Barreaux  aimait  surtout  le  bon  vin.  Autant  de 
gouttes  dans  son  verre,  autant,  disait-il,  de  rayons  de  soleil 
cristallises  par  un  art  de  natur'e.  II  buvait  ä  petits  coups,  goutte 
ä  goutte.,  doucement  par  intervalles;  il  ne  se  laissaii  jasmais  aller 
ä  boire  ä  pleine  coupe.  11  ne  faut  pas,  disait-il,  noyer  la.  soif 
d'un  seul  coup,  mais  Vapaiser  peu  ä  peu  et  par  moments  plutot 
que  l'etancher  tout  ä  fait.  L^un  fait  naitre  le  goilt  de  la  volupt^, 
Vautre  le  fatigue  et  en  emousse  le  sentiment.'"'' 

Die  Poesien  Des  Barreaux'  wurden  bisher  stets  als  verloren 
betrachtet.  Nur  ein  einziges  Sonett  war  bekannt.  Es  ist  das  Verdienst 
Lachevres,  eine  Reihe  seiner  Dichtungen  wiedergefunden  zu  haben. 
Er  nahm  an.  daß  in  den  zahlreichen,  im  17.  Jahrhundert  erschienenen 
Gedichtsammlungen,  welche  Gedichte  von  fast  allen  Autoren,  etwa 
von  tausend,  enthalten,  auch  Poesien  von  Des  Barreaux  zu  finden 
sein  müßten.  Und  er  hat  sich  nicht  getäuscht.  In  dem  handschrift- 
lichen Recueil  de  Conrart  in  der  Bibliothek  de  l'Arsenal  fand  er 
17  Sonette,  Elegien  und  Chansons.  Von  diesen  17  Dichtungen  sind 
12  in  Gedichtsammlungen  zu  Des  Barreaux'  Lebzeiten  gedruckt 
worden.    Zehn  von  ihnen  finden  sich  im  zweiten  Teil  des  Recueil  de 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII-'.  4 


bO  Referate  und  Rezensionen.     Walther  Küchler. 

qiielques  pii^ces  nouvelles  et  galantes,  tant  en  prose  quen  vers. 
(Cologne,  Pierre  du  Martcau  16i')7,  in  -12).  Sie  stehen  nicht  zusammen, 
sondern  sind  zwischen  19  andere  verteilt,  und  Lachevre  glaubt,  auch 
diese  Stücke  dem  Verfasser  der  10  anderen,  also  Des  Barreaux 
zuteilen  zu  dürfen.  Außer  diesen  29  Geilichten  schreibt  er  dann 
noch  einige  in  Manuskripten  der  Nationalbibliotliek  und  der  Bibliothek 
Sainte-Genevieve  entdeckte  Poesien  seinem  Dichter  zu.  Mit  diesen 
Gedichten,  deren  Ausgrabung  wir  so  dem  Forscherfleiß  Laclievres  zu 
verdanken  haben,  ist  natürlich  die  poetische  Produktion  Des  Barreaux' 
nicht  erschöpft.  Theophile  z.  B.  spricht  in  einem  Briefe  an  seinen 
Freund  von  einer  Elegie  an  eine  Geliebte  des  Dichters,  aber  diese 
Elegie  ist  uns  nicht  bekannt.  Immerhin  kann  man  an  der  Hand  der 
von  Laclievre  gefundenen  Poesien  ein  einigermaßen  deutliches  Bild 
von  der  dichterischen  Persönlichkeit  Des  Barreaux'  gewinnen. 

Seine  Liebesgedichte  sind  fast  alle  an  Marion  gerichtet.  Seine 
Liebe  zu  ihr  stellt  sich  in  seinen  Versen  wesentlich  idealer  dar  als 
in  Tallemants  trocknem  und  mokantem  Bericht.  Marion  war  von 
Eltern  und  Geschwistern  aufs  sorgsamste  bewacht,  so  daß  jede 
Annäherung  der  beiden  Liebenden  für  lange  Zeit  unmöglich  war.  In 
einer  Elegie  klagt  der  Liebende  über  die  Härte  der  Eltern,  die 
trotz  der  Unschuld  ihrer  Tochter,  trotz  der  Reinheit  ihrer  Liebe 
keine  Vereinigung  dulden  wollen.  In  beredten  Worten  beteuert  er 
die  Heiligkeit  seiner  Liebe.  Er  fühle  nichts  Brutales  oder  Lasterhaftes, 
mais  im  desir  regle,  qui  san%  exfravagance 
porte  tous  mes  desseins  ä  ton  obS'issance. 
Er  rät  ihr,  wie  sie  geschickt  die  ihrer  Liebe  feindliche  Überwachung 
täuschen  soll,  aber  er  will  nicht  mit  trügerischem  Rat  die  ängstlichen 
Empfindungen  rauben,  mit  denen  ihre  junge  Tugend  sein  Hoffen 
bekämpft.  Nur  ein  Gemälde  von  unschuldigen  Gedanken  bringt  er 
ihr  dar,  nur  ein  Bild,  gemalt  aus  den  heiligsten  Farben  der  Liebe. 
So  zart  und  edel  klingt  alles,  was  er  sagt,  aber  seine  Sprache  ist 
fast  zu  süß  und  schmeichelnd,  als  daß  sie  echt  sein  könnte.  Zu 
engelhaft  erscheint  die  Geliebte  und  zu  göttlich  das  Feuer,  das  ihn 
erleuchtet  und  verzehrt.  Doch  es  mag  daliingestellt  bleiben,  ob 
ideale  Leidenschaft  erster  wirklicher  Liebe  oder  die  Raffiniertheit  des 
berechnenden  Verführers  so  redet.  Der  Zweifel  bleibt,  wenn  man  ein 
anderes  Gedicht,  ,.,Jouissance  imparfaite"  betitelt,  liest.  Die  Liebenden 
haben  sich  allein  getroffen,  Umarmungen  und  Küsse  getauscht.  Die 
Seele  des  Dichters  schwebt  in  den  höchsten  Entzückungen  über  diese 
heiligen  Umarmungen,  die  zarten  Beiühiungeu,  die  reinen  und  un- 
schuldigen Küsse.  In  der  Erinnerung  genießt  er  Freuden,  die  keinem 
Sterbliclien  beschieden  sein  dürften,  brennt  er  vor  verlangenden 
Wünschen,  die  sein  Herz  nicht  hegen  dürfte. 
Ah!  que  ce  desir  limite 
Menace  mon  coeur  de  marti/re, 
Belle  fleur  de  virginite. 


Des  Barreaux,  Jacques   ValUe,  sa  vie  et  ses  poSsies.       51 

Pour  qui  justement  je  soiipire; 

Apres  tant  de  felicite, 

Est-il  bonheur  ou  je  naspire'? 

Taisez-  vous.  profane  vouloir, 
Meurtrier  de  Vhonneur  de  ma  Dame, 
Son  innocence,  et  mon  devoir 
M'ont  mis  tant  de  respect  dans  tarne, 
Que  je  vous  en  defens  l'espoir, 
Sur  peine  de  noircir  ma  fläme. 

Voudriez-vous,  6  fureur  estrange, 
Corrompie  tant  d'iniegritef 
Le   Ciel  iient  un  foudre  qui  vange 
Une  teile  infidelite. 
Non,  non,  gardez  sa  purete, 
Spachez  que  vous  aimez  un  Ange. 

So  schreibt  er  und  ist  doch  wohl  fest  entschlossen  die  Reinheit 
dieses  Engels  nicht  zu  wahren,  sondern  von  der  jonissance  imparfaite 
möglichst  bald  zur  jouissance  parfaite  zu  gelangen.  Und  wirklich  kann 
er  denn  auch  nach  einigen  Stanzen,  in  denen  er  trauernd  seine  Trennung 
von  der  Geliebten  beklagt,  in  einem  „Jouissance  parfaite''  über- 
schriebenen  Gedichte  triumphierend  ausrufen: 

Je  suis  vainqueur  d'une  maistresse 

Que  seule  festimois  digne  de  mes  soupirs. 

Aber  allmählich  entschlüpft  ihm  Marion.  Mächtige  Rivalen  treten 

auf.    Dem  mächtigsten,  Richelieu,  braucht  er  noch  nicht  zu  weichen. 

Cinq-Mars  jedoch  ersetzt  ihn  im  Herzen  der  Ungetreuen.    So  wandelt 

sieh  die  triumphierende  Freude  in  Zweifel,  Anklage  und  tiefen  Schmerz: 

7ion,  tu  n'es  plus  mon  Ange, 
Tu  n'es  plus  cet  objet  si  digne  de  loüange, 

Je  ne  te  connois  plus,   tu  nes  plus  quune  image, 
Qu^un  pjortrait  efface  de  ce  divin  visage. 
Immer   noch    ist   sie   so    scliön  und  liebenswert,  aber  so  falsch 
und  treulos.     Wenn  er  zurückdenkt  an  die  Augenblicke  vergangenen 
Glücks,  dann  zernagen  Wut  und  Verachtuns:,  Liebe  und  Trauer  sein 
gequältes  Herz.     Im  Tode  will  er  Ruhe  suchen: 

Je  m'en  vais  ä  la  mort,  ou  ioute  la  nature, 
linpuissante  quelle  est,  se  laisse  evanoüir: 
J'ay  veu  sous  le  soleil  tont  naistre  et  pirir, 
Qui  nie  dispenseroit  de  la  meme  aventure? 
J'aymai  de  deux  beaux  yeux  la  lumiere  si  pure. 
Ces  beaux  yeux  n'eurent  pas  ä  dedain  mon  desir, 
Un  temps  je  fus  heureux,  eile  devint  parjure: 
Que  me  reste-t-il  plus  ä  faire  qu'ä  tnourir? 

4* 


52  Referate  und  Rezensionen.      Walthcr  KücJiler. 

Einen  ganz  eiiienen  Eindruck  macht  sie,  diese  Liebesgeschichte 
von  Marion  de  l'Orme  und  Des  Barreaux.  Wie  das  reine,  erste  Jugend- 
glück zweier  sich  entfaltender  Seelen,  das  dann  zerstört  wird  durch 
die  Untreue  des  Mädchens,  das  zum  leidenschaftliclien,  berückenden 
Weibe  erweckt  wurde.  Der  andere  aber  geht  und  klagt.  So  sieht 
der  kurze  Roman  in  leidenschaftlichen  Versen  aus.  In  Wirklichkeit 
war  er  vielleicht  weniger  poetisch  und  sentimental.  Des  Barreaux 
hat  sich  jedenfalls  bald  getröstet.  Aber  so  wie  er  uns  in  dichterischer 
Verklärung  seine  Liebe  überliefert  hat,  hat  er  sie  allerdings  in 
eine  höhere  Sphäre  gehoben.  Seine  Verse  sind  getragen  von  einer 
echt  klingenden  Empfindung,  von  dem  Ton  schöner  Leidenschaft, 
die  alle  Stufen  von  Glück  und  Leid  durchläuft.  Wir  haben  in 
ihnen  eine  persönliche,  auf  Erlebnissen  beruhende  Poesie,  eine 
Liebeslyrik,  die  zwar  in  ihrem  Ausdruck  sich  häufig  des  konventionellen 
Sprachgebrauchs  bedient,  aber  der  unmittelbare  Niederschlag  von 
Stimmungen  und  Leidenschaften  ist,  die  im  Augenblicke  wirklich 
empfunden  waren. 

Die  sinnenfrohe,  materialistische  Lebensanschauuug  Des  Barreaux', 
die  in  den  Liebesgedichten  einer  mehr  leidenschaftlichen  Sentimentalität 
Platz  gemacht  hatte,  tritt  um  so  mehr  in  denen  seiner  Gedichte  zu 
tage,  die  Lachevre  unter  der  Bezeichnung  „Poesies  libertines"  zu- 
sammengefaßt hat.  Es  sind  flüssig  geschriebene,  von  einem  leichten, 
graziösen  Rhythmus  getragene  Sonette.  Keine  gedankliche  Last  beschwert 
die  kavaliermäßige  Skepsis  des  fröhlichen  Genießers.  Scheinbar  von 
oben  herab,  mit  einer  königlichen  Sicherheit  schaut  er  tiuf  Menschentum 
und  Leben  herab.  Wie  nichtig  ist  doch  der  Mensch,  der  sich  als 
Herr  fühlt  und  erhaben  über  die  anderen  Geschöpfe  dünkt  durch  die 
Vernunft,  die  ihm  zu  teil  ward.  Denn  gerade  die  Vernunft  ist  es,  die 
ihn  unglücklich  macht  durch  die  Leidenschaften,  die  sie  in  ihm  erregt. 
Hundertmal  glücklicher  als  die  vernunftbegabten  Menschen  sind  die 
wilden  Tiere,  hundertmal  glücklicher  die  Vögel  im  Gebüsch.  Ach, 
daß  die  Natur  uns  nicht  wie  sie  geboren  werden  ließ,  ohne  Vernunft, 
so  daß  wir  in  den  Tag  liinein  leben  könnten.  Er  weiß  einen  Ausweg, 
das  Leben  recht  zu  nehmen: 

JEstudions-nous  plus  ä  jouir  qua  connoistre, 
Et  nous  servons  des  sens  plus  que  de  la  raison: 

Nach  diesem  Grundsatz  hat  er  sein  Dasein  eingerichtet;  er 
verhalf  ihm  zu  möglichst  viel  Lust  und  Vergnügen.  Nur  nichts  denken, 
nicht  denken: 

Pe^l  de  hon  sens,  point  de  sfavoir, 
Nargue  de  la  philosophie. 

Ein  Vogel  möchte  ich  werden,  mich  retten  in  die  Unwissenheit 
und  stets  nur  vom  Besten  trinken: 

Celuy  qui  croit  en  connoissance 
Ne  fait  quaccroistre  sa  douleur. 


Des  Barreaux,  Jacques   Vallee^  sa  vie  et  ses  pohies.        53 

So  stolz  und  sicher,  so  frei  klingt  das.  Aber  hinter  dieser 
vermeintlichen  Sicherheit  qiuält  ihn  geheime  Angst:  Der  Tod,  der  ewige 
Schlaf,  die  lange  Nacht,  das  Nichts.  Und  das  Nichtsein  ist  schreklich, 
man  muß  es  fürchten.  Wie  kann  man  es  nicht  fürchten!  Nicht 
daran  denken,  um  alles  unnütze  Leid  zu  vermeiden. 

Jette -to^  comvn'  moy  dans  le  sein  des  plaisirs. 

Laßt  uns  greifen  nach  jeder  Lust,  so  lange  wir  noch  des  Tages 
Licht  erblicken. 

On  ne  boit  point  lä-has,  on  ne  fait  point  l'amour, 
Dans  cette  longue  nuit  qui  suit  la  sepulture. 

Der  Gedanke  an  den  Tod  läßt  ihn  nicht  los,  er  kann  ihn  nicht 
zurückdrängen.  Was  nützt  es  zu  Wasser  und  Land  Reichtum  und 
Glück  zu  suchen,  sich  der  Wollust  mit  solcher  Begierde  hinzugeben ! 
Ob  man  im  Frieden  lebt  oder  in  den  Krieg  zieht,  zu  Schiflf  steigt 
oder  zu  Fuße  wandert,  keinen  Schritt  tut  man,  der  nicht  zum  Tode 
führte.  Eine  Verräterin  und  Wucherin  ist  die  Natur,  Sie  leiht  uns 
das  Leben,  aber  um  allzu  hohen  Preis  und  Zins.  Eine  schwächliche 
Furcht  vor  dem  Tode,  ein  geheimes  Grauen,  das  er  nicht  abschütteln 
kann,  das  also  ist  der  tiefere  Grund  für  das  lustige  Genießen?  Ein 
Sich- Betäuben  aus  feiger  Angst?  Stärker  und  rauher  war  die  Lebens- 
lust und  das  Laster  bei  Maitre  Francois  Villon  und  seinen  Kumpanen. 
Des  Barreaux,  hinter  seinen  prächtig  klingenden  Worten  ist  ein  zitternder 
Schwächhng.  Als  er  alt  ward,  schrieb  er  ein  par  fromme  Sonette. 
Er  wurde  bigott,  weil  das  Genießen  zu  Ende  ging  und  weil  er  vielleicht  im 
anderen  Leben  ein  neues  Genießen  finden  könnte.  Sein  zweifelnder, 
fragender  Glaube  an  die  Unsterblichkeit  ist  eine  Hoffnung  auf  ewigen 
Genuß,  ist  eine  Erleichterung  der  Leiden  und  Entbehrungen  des  Alters, 
eine  Zuversicht  auf  dauerndes,  festes  Glück  nach  den  unsicheren 
Vergnügungen  dieser  Welt: 

Oest  en  Dieu  quHl  faul  s'ejoüir, 
Vivons,  vivons  pour  Vautre  vie. 
Et  puis  mourons  pour  en  joüir. 

Ein  Sonett,  das  einzige,  das  bisher  bekannt  war,  klingt  ernster 
und  zerknirschter.  Es  ist  eine  Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade 
in  den  Willen  des  gerechten,  zürnenden  Gottes  mit  dem  zuletzt  scheu 
sicli  hervorwagenden  Schimmer  der  Hoffnung.  Das  Gedicht  ist  wirkungs- 
voll und  zeigt  die  dicliterische  Fähigkeit  des  alternden  Lebenskünstlers 
in  hohem  Grade.  Der  Aui^fluß  einer  dauernden  frommen  Gesinnung 
ist  es  sicherlich  nicht.  Nur  der  Ausdruck  einer  augenblicklichen 
zerknirschten  Stimmung,  einer  schreckhaften  Aufwallung,  wie  sie  manchmal 
wohl  auch  in  der  Weinlaune  den  innerlich  Haltlosen  überkommen  mochte. 

Das  gesamte  dichterische  Werk  Des  Barreaux'  haben  wir  nicht 
durch  die  Veröffentlichung  Lachevres  erhalten.  Voltaire  hat  Manuskripte 
des  Dichters  in  Händen  gehabt,  die  nicht  wieder  aufgefunden  worden 
sind.    Auch  ein  Drama  soll  er  geschrieben  haben,  das  aber  ebenfalls 


54  Referate  und  Rezensionen.     A.  L.  Stiefel. 

unbekannt  geblieben  ist.  Ebenso  ist  es  mit  andern  Poesien,  auf  die 
hier  und  da  sich  Anspiehin<:en  finden.  Ein  kleiner  Irrtum  Lachevres 
sei  bei  dieser  Gelegenheit  erwähnt.  Der  Herausgeber  gibt  an,  er  habe 
trotz  seines  Suchens  ein  Gedicht  nicht  entdecken  können,  auf  das 
Des  Barreaux  selbst  in  den  folgenden  Versen  anspiele: 

Tenant  plus  dti  neant  que  Von  ne  fait  de  Vestre 
Je  Vay  dit  autrefois  et  bien  moins  en  saison. 
Laclievre   bricht  unrichtig  hier   ab.  Er   hätte    noch  mindestens 
den  folgenden  Vers  hinzusetzen  müssen,  welcher  heißt: 
£jStudions-  nous  plus  ä  joüir  qu''ä  connoistre. 
Und   mit  diesem  Verse  spielt  Des  Barreaux  auf  ein  Sonett  an, 
das  sich  im  Recueil  de  Conrarf  findet  und  dessen  erste  vier  Verse  lauten: 
JS^'estre  ni  magistrat,  ni  marie,  ni  prestre, 
Avoir  un  peu  de  bien^  l'appliguer  tout  ä  soy, 
Et  Sans  afecter  d'estre  un  docteur  de  la  Loy 
S'ctudier  bien  plus  ä  jouir  qua  connoistre  etc. 
Dadurch,  daß  wir  diese  Anspielung  in  dem  Des  Barreaux  sicher 
zugehörigen  Sonett  des  Recueil  de  Conrart  kontrollieren  können,  wird 
nun    auch    unumstößlich    bewiesen,   daß    das    namenlose   Sonett    des 
Recueil  de  quelques  pieces  nouvelles  et  galantes  Des  Barreaux  zum 
Verfasser  hat  und  dadurch  wird  zugleich  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich, 
daß  auch  die  anderen  18  anonymen,  von  der  gleichen  Anschauung  durch- 
zogenen Poesien  Des  Barreaux'  Eigentum  sind.    Absolut  beweiskräftig 
war  nämlich  Lachevres  Vermutung  ohne  Weiteres  nicht,  aber  dieses 
Zusammentreffen  der  beiden  fast  gleichen  Verse,  das  ihm  merkwürdiger- 
weise entgangen  ist,  macht  seine  äusserst  gelungene  und  scharfsichtige 
Hypothese  fast  zur  Gewißheit. 

GiE.ssEN.  Walther  KtTcHLER. 


Ricci,  Charles.    Sophonisbe  dans  la  TragMie  classique  italienne 
et  franpaise.     Torino  G.  B.  Paravia  e  C.   1904.    XIX  und 

223  S.  gr.  8 ". 
An  der  Spitze  des  Buches  steht  ein  A''erzeichnis  der  vom  Ver- 
fasser benutzten  Hilfswerke.  Sonderbarerweise  fehlt  aber  darin  neben 
manchen  andern  Büchern,  das  für  das  Thema  wichtigste,  die  als  VI 
Supplementheft  dieser  Zeitschrift  erschienene  Dissertation  von  A.  A  n  d  r  a  e 
)>  SopJionisbe  in  der  französischen  Tragödie  mit  Berücksichtigung 
der  Sophonisbebearbeitungen  in  anderen  Ländern.  «  (Oppeln  und 
Leipzig  1891)  Allerdings  ist  sie  in  der  Arbeit  selber  ein  paar 
Male  erwähnt,  so  z.  B.  S.  74,  80,  81  und  84,  aber  so,  daß  man 
bezweifeln  muß,  ob  der  Verfasser  das  Büchlein  wirklich  vor  sich 
gehabt  habe;  denn  einmal  fehlt  bei  allen  Hinweisen  die  Angabe  der 
Seitenzahlen    und    dann    ist    der    Titel    (S.    74)    falsch    angeführt: 


Charles  Ried.     Sophotiisbe  dans  la   Tragedie  classique.       r)5 

August  (?)  An  drae  «  SopJionishe  2>  in  der  franzcesischen  Tragcediej, 
Oppeln  1880(?)'^.  Anderseits,  und  das  ist  das  Merkwürdigh>te  an 
der  Sache,  beruht  Riccis  Arbeit  stofflich  fast  ganz  auf  Andrae: 
Der  Deutsche  hat  den  Italiener  beinahe  der  Mühe  überhoben,  selbst- 
ständige Forschungen  anzustellen.  Mit  Ausnahme  von  ein  paar  ita- 
lienischen Sophonisbebearbeitungen  (Ptpoli,  Biamonti,  Fabbri)  sind 
die  Angaben  Riccis,  soweit  sie  Tatsachen  betreifen,  so  ziemlich  alle 
bei  Andrae  zu  finden.  Wie  soll  man  sich  dieses  Rätsel  erklären? 
Versteht  Ricci  kein  Deutsch  und  ließ  sich  das  Büchlein  Andraes  ins 
Italienische  oder  Französische  übersetzen?  Indes  sowohl  in  diesem, 
wie  in  jedem  andern  Falle  ist  Riccis  Schweigen  unverzeihlich. 

Das  Verdienst  seiner  Arbeit  besteht  darin,  daß  er  den  Stoff" 
besser  ordnete  als  sein  Vorgänger,  daß  er  sich  bei  den  einzelnen 
Personen  nicht  wie  dieser  mit  ein  paar  Bemerkungen  begnügte,  sondern 
genau  und  ausführlich  darauf  einging,  nachdem  er  in  jedem  einzelnen 
Falle  die  Stücke  in  das  Milieu  gestellt,  in  dem  sie  entstanden  waren, 
ihr  Verhältnis  unter  einander  besser  würdigte,  daß  er  uns  die  ein- 
zelnen Dichter  durch  passende  bioizraphische  und  literarische  Notizen 
näher  brachte  und  in  einem  Schlußworte  die  Ergebnisse  seiner  Unter- 
suchung übersichtlich  zusammen  faßte.  Auch  die  bibliographischen 
Beschreibungen  sind  bei  ihm  etwas  genauer. 

Ricci  geht  von  den  römischen  und  griechischen  Historikern 
aus,  welche  die  Geschichte  der  Sophonisbe  überliefern:  Livius, 
Appian,  Plutarch,  Polybius;  läßt  dann  Petraichas  Africa  und 
Trionß  folgen  und  hierauf  der  Reihe  nach  die  dramatischen  Bear- 
beitungen des  Stoffes  von  Carretto  (1502),  Trissino  (1515)  und 
dessen  Übersetzer  und  Nachnahmer:  Melin  de  St.  Gelais,  Mermet, 
(Mondat),  Montchrestien,  dann  Montreux  (1601),  Mairet  (1634), 
Corneille  (1663),  Voltaire  (1774),  die  Tragikomödie  eines  ital. 
Anonymus  (1681),  eine  zweite  von  Bonmattei  Pioli  (1714),  dann 
die  Stücke  von  Pansuti  (1725),  Alfieri  (1784—85),  A.  Pepoli 
(1790),  G.  L.  Biamonti  (1805),  Fabbri  (1806—14),  und  Dalban 
(1850).  Ein  Appendice  behandelt  „Sojyhonisbe  dans  C  Opera 
itdlien"  [Silvani  (1708),  Perino  (1718)  Anonymus  (1744),  Tommasi 
(1715),  Zanetti  (1746),  del  Mare  (1803),  Rossetti  (1805),  Marco 
Marcello  (1844)]. 

Ricci  besitzt  eine  gute  literarische  Schulung.  Er  urteilt  mit 
Geschmack  und  V^erständnis  über  die  einschlägigen  Dichtungen  und 
findet  ihre  Vorzüge  und  Mängel  mit  sicherem  Blick  heraus.  Man 
kann  im  großen  und  ganzen  seinen  Anschauungen  beipflichten;  wenn 
vielleicht  im  einzelnen  sich  auch  vieles  dagegen  einwenden  läßt. 

In  den  literarischen  Angaben  indes  tut  er  hin  und  wieder 
des  Guten  zu  viel,  indem  er  bei  seinen  Lesern  zu  wenig  voraussetzt. 
So  ist  z.  B.  was  er  S.  69 — 71  über  das  französische  Theater  im 
16.   und    17.  Jahrhundert,   S.  113—115  über  Voltaire,  S.  147  —  150 


5G  Referate  und  Rezensionen.     A.  L.  Stiefel. 

über  Altieri,  S.  210 — 212  über  den  Ursprung  der  Oper  in  Italien 
sagt,  durchaus  bekannt  und  daher  entbehrlich.  Auch  sonst  hätte  ich 
manchmal  ^^ewünscht,  daß  er  sich  etwas  kürzer  gefaßt  hätte.  Seine 
Darstellung  verdient  im  allgemeinen  Lob.  Unbegreiflich  ist  mir  nur. 
daß  er  als  Italiener  für  seine  Arbeit  die  franzö>ische  Sprache  ver- 
wendete. Es  bleibt  immer  eine  mißliche  Sache,  längere  Abhandlungen 
oder  gar  Bücher  in  einer  anderen  Sprache  als  in  der  heimatlichen 
zu  schreiben.  Ich  habe  auch  bei  Pticci,  wie  bei  vielen  anderen,  das 
Gefühl,  duß  seine  Arbeit,  trotz  unleugbarer  Gewandtheit  in  dem 
fremden  Idiom,  in  mancher  Beziehung  gewonnen  hätte,  wenn  er  sich 
darin  der  Muttersprache  bedient  hätte. 

Im  einzelnen  wäre  mancherlei  zu  berichtigen  und  zu  ergänzen; 
es  betrifft  aber,  abgesehen  von  Urteilen,  meist  nur  Nebensächliches. 
So  hat  z.  B.  Ricci  übersehen,  daß  Andrae  (S.  56)  eine  Sophonisha 
opera  tragica  in  111  atii  (Modena  1710)  von  Luigi  Riccoboni 
namhaft  macht.  Ferner  gehört  vielleicht  zum  Thema  die  Tragödie 
Massinissa  des  Ercole  ßonacossi  (1674)  und  die  gleichnamige  von 
L.  B.  Salvoni  (1744),  die  mir  übrigens  noch  nicht  zu  Gesicht  ge- 
kommen sind. 

S.  48  bemerkt  Ricci:  „On  cite  deux  Sopkonishe  anterieures  ä 
Celle  de  Del  Carretto:  l'une  de  Jacopo  Castelliuo,  l'autre  d'Eustacchio 
Romano  (Roma  ßenardo  Lucchetta  1494)  etc."  Ricci  hätte  sich  das 
Sueben  nach  diesen  vermeintlichen  Sophonishen  ersparen  können. 
Jacopo  Castellini  lebte  viel  später;  von  ihm  erschienen  1562  ein 
paar  Dramen,  darunter  ein  Asdrubale,  und  Eustachio  Romano  ist 
gewiß  der  Titel  einer  Dichtung  oder  Legende,  die  den  hl.  Eustachius 
behandelt,  aber  nicht  der  Name  eines  Autors.  —  S.  68  ist  zu  be- 
richtigen, daß  der  spanische  Dichter  nicht  Lopez,  sondern  Lope  de 
Vega  heißt.  —  S,  70  übertreibt  Ricci,  wenn  er  von  A.  Hardy 
sagt:  „a  le  merite  d'avoir  sauve  le  theätre  fran^ais  dans  un  de  ses 
moments  les  plus  critiques".  —  Das  Urteil  S.  80  über  Nicolas  de 
Montreux  ist  zu  streng.  Ricci  sagt:  „U  parait  qu'il  a  ete  un  des 
auteurs  les  plus  insipides,  les  plus  ennuyeux,  les  plus  fastidieux  qui 
aient  jamais  existe.  Tel  est  son  trait  caracteristique".  Dieses  ver- 
nichtende Urteil  ist  um  so  weniger  zu  rechtfertigen,  als  Ricci,  nach 
eignem  Geständnis,  das  Stück  {Sophonisöe)  nie  gesehen  und,  wie  es 
scheint,  auch  die  anderen  Werke  des  Dichters  nie  in  die  Hand 
bekommen  hat.  Das  zeigen  seine  unrichtigen  Angaben  darüber.  So 
hält  er  z.  B.  Les  Bergeries  de  Juliette  für  „une  past orale"  „en 
France  la  premiere  piece  du  genre.  i)  Bekanntlich  sind  die  (auch 
ins  Deutsche  übersetzten,  gedr.  1595)  Bergeries  ein  Roman  und  kein 
Theaterstück.    Ferner  sagt  Ricci:    „Montreux  vivait  encore  du  teraps 


1)  Ricci  gibt  an,  dafs  die  Bergeries  1588  erschienen  seien.  Das  ist 
nicht  richtig.  Das  erste  Buch  erschien  1585,  in  2.  Aufl.  1587,  in  3.  1588; 
das  zweite  ßuch  1587,  das  fünfte  und  letzte  1598.  — 


Pletro    Toldo.     Di  alcuni  Scenari  inediti  della  Commedia.     57 

de  Coi'neille  qui  semble  cependant  n'avoir  connu  ni  l'auteur  ni  son 
ceiivre".  Da  Montreux,  gegen  1500  geboren,  um  1608  — 1610 
gestorben  sein  soll,  als  Corneille  gerade  2  bzw.  4  Jahre  alt  war,  so 
hat  er  ihn  freilich  nicht  persönlich  gekannt.  Ob  er  aber  ^son 
ceuvre"  nicht  gekannt  habe,  ist  eine  andere  Frage,  da  die  Bergeries 
trotz  der  Astree  auch  im  17.  Jahrhundert  noch  gelesen  wurden,  und 
1625    noch   eine  Ausgabe  in  verkürzter  Form  erscheinen  konnte.  — 

München.  A.  L.  Stiefel. 


Toldo,  Pietro.    JJi  alcuni  Scenari  inediti  della  Commedia  dell 

Arte    e    delle    loro     relazioni    cd    Teatro    del    Moliere. 

Torino,   Clausen    1907.      (Estr.   dagli   Atti   della   R.  Accad. 

delle   Scienze   di    Torino,   Adunanza  del    17.  Febbr.    1907). 

25  Seiten  8 1'. 
Der  Verfasser,  der  sich  schon  viel  mit  dem  Einfluß  der  ita- 
lienischen Literatur  auf  die  französische  beschäftigt  hat,  weist  im 
vorliegenden  Aufsatz  auf  die  Beziehungen  hin,  die  zwischen  Moliere's 
MMecin  volant,  Ecole  des  femmes  und  Monsieur  de  Pourceaugnac 
und  mehreren  Soggetti  einer  von  B.  Croce  der  Bibliothek  zu  Neapel 
geschenkten,  außerordentlich  reichhaltigen  Sammlung  von  Scenarien 
der  Commedia  dell'Arte  bestehen.  Die  Verwandtschaft  ist  in  der 
Tat  so  groß,  daß  Beziehungen  zwischen  beiden  unbedingt  angenommen 
werden  müssen.  Obwohl  nun  die  Handschrift  im  günstigsten  Falle 
drei  Jahre  nach  Moliere's  Tod,  z.  T.  sogar  noch  spater,  geschrieben 
worden  ist,  so  glaubt  Toldo  doch,  daß  die  betr.  Scenarien  älter  als 
die  Stücke  Moliere's  seien,  denn  derartige  Sammlungen  wurden 
gewöhnlich  von  noch  älteren  kopiert  und  auf  diese  Weise  von  Truppe 
zu  Truppe  von  früherer  Zeit  auf  spätere  Tage  vererbt.  Damit  hat 
es  wohl  seine  Richtigkeit.  Daß  der  Medecin  volant  einem  italienischen 
Scenariuni  11  Medice  volante  entlehnt  sei,  ist  bekannt  genug.  Es 
bleibt  nur  zu  bedauern,  daß  Toldo  nicht  alles  kennt,  was  die 
Forschung  darüber  bereits  ermittelt  hat.  Unter  anderem  wäre  ihm 
da  die  von  August  Kugel  in  dieser  Zsch.  (Bd.  XX  S.  Iff.)  veröifent- 
lichte  Abhandlung:  Untersuchungen  zu  Moliere's  Medecin  malgre 
lui  von  Nutzen  gewesen.  In  dieser  wird  u.  a.  über  die  verschiedenen 
Versionen  des  Stoffes  gehandelt,  und  Toldo  hätte  daraus  erfahren,  daß 
es  neben  den  Scenarien  über  den  Medico  volante  auch  eine  1673, 
wenn  nicht  schon  früher,  gedruckte  Comedia  sostenuta  Trufaldino 
Medico  volante  gibt  und  daß  alle  Versionen  auf  Lope  de  Vega's 
Acero  de  Madrid  in  letzter  Linie  zurückgehen. 

Was  die  Ecole  des  femmes  anbetrifft,  so  dürfte  bezüglich  der 
Schlüsse,  die  ihr  Verhältnis  zu  dem  Scenarium  Astute  semplicitä  di 
Angiola  nahe  legt,  Vorsicht  am  Platze  sein.  Von  Moliere's  Lustspiel 
kam    schon     1680    zu    Bologna    eine    italienische    Übersetzung    von 


58  Referate  und  Rezensionen.     Paul  Sahnann. 

Napoleon  della  Lima  heraus  und  es  besteht  die  Möglichkeit,  daß 
das   So^etto   des  Neapolitanisclien  Oodex   von    dieser   beeinflußt  war. 

Dagt'geu  glaube  ich,  daß  für  Molidre's  Monsieur  de  Porir- 
ceaugnac,  wenn  auch  nicht  ausschließlich,  doch  sehr  stark,  italienische 
Quellen  in  Betracht  kommen.  Und  so  ist  der  Hinweis,  daß  in  der 
Scenariensanimlung  zu  Nenpel  ein  Soggetto  FolicineUa  'pazzo  'per 
forza  und  ein  zweites  Policinella  burlafo  vorkommen,  welche  beide 
Übereinstimmungen  mit  Monsieur  de  Pourceaugnac  zeigen,  recht 
dankenswert.  Der  erste  Titel  erinnert  an  ein  dramma  von  G.  A. 
Moniglia:  II  Pazzo  per  forza^  das  1658  zu  Florenz  herauskam, 
und   das   mir  bis  jetzt,   leider,   noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist. 

Solche  Bezieliungen  Moliere's  zur  Commedia  dell'Arte  lasseu 
sich  noch  manche  nachweisen.  So  hat  1901  Rosario  Bonfanti^) 
Motive  des  Malade  imaginaire  in  einem  Sosgetto  des  Basilio  Loca- 
telli,  betitelt  IL  vecchio  Avare,  verfaßt  „non  piü  tardi  del  1618" 
aufgefunden.  Es  wäre  angezeigt  das  Verhältnis  des  französischen 
Dichters  zur  Commedia  dell'arte  und  zum  italienischen  Drama  über- 
haupt endlich  einmal  zum  Gegenstand  einer  erschöpfenden  Behandlung 
zu  machen. 

MtJNCHEN.  A.  L.  Stiefel. 


LailSOU,  Gustave.  Voltaire.  [Les  grands  ecrivains  frangais.] 
Paris,  Hachette  J906.  221  S. 
Die  zwei  Kapitel  über  Voltaire  in  Lanson's  Literaturgeschichte 
sind  bekanntermaßen  eine  Glanzleistung  des  ausgezeichneten  Werks. 
Mit  hohen  Erwartungen  mußte  man  so  seinem  Buch  über  Voltaire 
entgegensehen  und  mochte  sich  wohl  fragen,  ob  er  das,  was  er  schon 
in  so  klassischer  Vollendung  gesagt  hatte,  noch  zu  überbieten  ver- 
möchte. Der  Gesamteindruck,  um  ihn  gleich  vorauszunehmen,  wird 
bei  jedem  Leser  der  sein,  daß  Lanson  hier  sich  selbst  übertroffen 
und  ein  Werk  geschaffen  hat,  dessen  Lektüre  ein  erlesener  Genuß 
ist.  wie  er  uns  selten  zu  Teil  wird.  Neidlos  wird  insbesondere  der 
deutsche  Leser  anerkennen,  daß  die  Ftähigkeit  die  Ergebnisse  wissen- 
schaftlicher Arbeit  zu  einem  solchen  Kunstwerk  zu  gestalten,  eine 
ureigene  französische  Gabe  ist,  die  wir  an  dem  Künstlervolk  bewundern, 
die  wir  begeistert  genießen,  in  der  wir  es  ihm  aber  nicht  nachtun 
können.  Wie  unnatürlich,  wie  preziös  nehmen  sich  neben  dieser  zur 
höchsten  Natürlichkeit  gewordenen  französischen  Darstellungskunst 
gerade  diejenigen  unserer  Litterarhistoriker  aus,  die  sich  auf  ihre 
künstlerisclie  Form  etwas  zu  gut  tun.  Einige  Zeilen  aus  dem  Buch 
seien  als  Beispiel  gestattet,  das  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  über- 
zeugender sein  dürfte  als  alles  Lob  des  Rezensenten  und  das  zugleich 
dieses  Lob  von  jedem  Verdacht  der  Überschwenglichkeit  entlasten 
wird.     Lanson  will  die  berühmte  Freundin  Voltaires,  die  Schloßherrin 


')    Uno  Scenano  di  Basilio  Locatelli.     Noto,  Fr.  Lammit  1901. 


Gustave  Lanson.      Voltaire.  5^ 

von  Cirey  cliarakteri>ieren  und  gibt  zunächst  der  medisauten  M™®  du 
Deffaud  das  Wort:  „Representez-vous  une  femme  grande  et  seche, 
le  Visage  aigu,  le  nez  pointu ;  voilä  la  figure  de  la  „belle  Emilie'-'' : 
figure  dont  eile  est  si  contente,  qnelle  iiepargne  rien  pour  la  faire 
valoir:  frisure,  pompons,  pierrei'ies,  verreries,  iout  est  u  profusion: 
mais  comme  eile  veut  paraitre  belle  en  depit  de  la  nature,  et 
qu'elle  veut  etre  magnifique  en  depit  de  la  fortune,  eile  est  oblige, 
poitr  se  dormer  le  sitperßu,  de  se  passei'  du  7i^cessaire.  contme 
cheniises  et  autres  bagatelles.'-'  Lanson  fährt  nun  fort:  ..Oest  une 
femme  qui  parle  ainsi,  et  c'est  M"^^  du  Deffand:  deux  raisons 
d''en  rabattre.  Point  du  tout  laide,  et  mcme  fort  agrSable,  J/*"*  du 
Chätelet  itait  certainement  coquette,  aimant  la  parure,  de  tempS- 
rament  ardent,  et  hardvne7it,  aristo  er  atiquement  impudique,  jusqu''ä 
se  baigner  devant  un  valet  de  c/iambre,  qui  n'etait  pas  pour  eile 
un  komme.  Elle  ctait  assez  joueuse.  Elle  savait  le  latin,  Vitalien. 
Vanglais.  Elle  etait  jyassionn^e  pour  les  matliematigues,  la  physique. 
la  metaphysique,  et  les  comjyrenait.  Elle  lisait  Leibnitz,  et  avait 
pour  amis  Maupertuis  et  Clairaut.  Elle  „pensaif .  Une  autre 
bonne  langue  du  siede  dit  quelle  faisait  tous  les  ans  la  revue  de 
ses  principes.  Elle  ecrivait  sur  des  matieres  de  sciejice  et  de  pJiilo- 
sophie.  On  l'estimait  pedante.  Elle  etait  sincerement  serieuse. 
Elle  preferait  Vapplication  de  Vesprit  aux  bagaielles  de  la  societe. 
Elle  nitait  pas  devote,  ni  meme  croyante.  Elle  n  etait  ni  tracassiere, 
ni  midisante  ni  mechante.  Comme  la  maitresse  de  M.  de  Mopinot 
eile  eiU  pu  dire  quelle  entendait  que,  sauf  au  lit,  on  la  traität 
en  komme.  Elle  avait  Vesprit  viril,  le  coeur  viril:  droite,  süre, 
capable  d'actif  devouement ;  ä  tout  prendre,  valant  mieux  que  les 
iemmes  qui  se  moquaient  d'elle." 

Wem  fallen  bei  diesen  knappen  Sätzen  nicht  die  großen  Porträt- 
maler ein,  bei  denen  jeder  Kreidestrich  oder  jeder  Farbfleck  einen 
Zug  geistiger  Wirklichkeit  in  unübertrefflicher  Weise  enthüllt.  Und 
nicht  minder  meisterhaft,  wie  diese  Einzelporträts  sind  die  großen 
gesellschaftlichen  Gruppen  wiedergegeben,  in  denen  Voltaires  Loben 
verläuft.  Die  Wahl  tut  einem  weh,  wenn  man  das  Beste  herausheben 
will:  die  Welt,  die  das  Kind  im  Vaterhause  sieht,  das  Jesuitenkolleg, 
das  Treiben  der  Regence  —  in  sechs  Zeilen  eine  vollendete  Definition 
der  Epoche  und  zugleich  ein  lebensprühendes  Anschauungsbild  — 
das  höchst  originelle  Leben  in  den  Schlössern  von  Circy  und  Ferney. 

Eine  hohe  historische  Unparteilichkeit  waltet  in  dem  Buch. 
Das  Ziel,  das  Lanson  sich  gesteckt  hat,  von  Voltaire  zu  reden,  sans 
apotkeose  et  sans  caricature.  hat  er  in  schöner  Weise  erreicht;  bei 
dem  Zustand  der  Geister  in  Frankreich  gewiß  ein  Verdienst,  das 
wir  würdigen  müssen.  Wie  für  uns  Deutsche  D.  F.  Strauß  eine  Höhe 
erreicht  hat,  die  wir  nicht  mehr  verlassen  dürfen,  so  wird  Lanson's 
Werk  für  Frankreich  einen  Markstein  bilden,  hinter  den  es  kein 
Zurück  mehr  gibt.     Man  vergleiche  nur  mit  Lanson  Faguet's  Voltaire. 


60  Referate  und  Rezensionen.     Paul  Sakmann. 

Das  war  doch  eine  Karikatur,  die  ja  gewiß  dem  feinsten  Geist  und 
Witz  ihre  Entstehung  verdankt  und  die  ihrer  komischen  Wirkung 
stets  sicher  sein  wird,  bei  der  wir  aber  doch  keinen  Augenblick  ver- 
gessen dürfen,  daß  es  eine  Lustspielfigur  des  Herrn  Faguet  ist,  die 
uns  zum  Lachen  zwingt. 

Ein  sehr  interessantes  novuni  des  Buches,  im  Vergleich  mit 
dcrLitteraturge-chichte,  ist  das  letzte  Kapitel  („Z-'zn/Z«e?2cecfe  Voltaire"), 
das  Voltaire's  Schicksale  bei  der  Nachwelt  behandelt,  ein  erster  Ver- 
such, der,  wie  der  Verfasser  selbst  wohl  weiß,  nur  eine  Skizze  sein 
kann,  deren  dereinstige  Vollendung  noch  viel  neu  zu  beschaffendes 
Material  der  historischen  Forschung  voraussetzt  „Es  wäre  notwendig", 
sagt  Lanson  mit  Recht,  „die  Bildung  und  Entwicklung  vieler,  und 
zwar  berühmter  wie  unberühmter,  hervorragender  wie  mittelmäßiger 
Persönlichkeiten  zu  untersuchen.  Man  bat  noch  nicht  genügend 
Beobachtungen  dieser  Art  gesammelt,  um  in  der  Lage  zu  sein  all- 
gemeine Schlüsse  zu  ziehen."'  Jetzt  schon  könnte  man  übrigens  ein 
Kapitel  über  Voltaires  Schicksale  in  Deutschland  schreiben,  das  die 
Ansicht  unseres  Verfassers  von  der  Sachlage  sehr  wesentlich  ergänzen 
würde.  Ganz  richtig  sieht  Lanson,  daß  das  Emporkommen  der 
deutschen  Xationalliteratur  Voltaire  den  Weg  bei  uns  versperrt  hat, 
und  daß  die  Romantik  ihm  einen  weiteren  Riegel  vorschob.  Aber 
mit  Wieland  und  Heine  ist  die  positive  Wirkung  Voltaires  noch 
lange  nicht  erschöpft.  Goethes  hohe  Meinung  von  ihm  —  Brunetiere 
fühlte  sich  ja  durch  sie  fast  beunruhigt  —  ist  doch  sehr  beachtens- 
wert. Lessing  hat  seinen  theologischen  Feldzug  —  das  ließe  sich 
nachweisen  —  nicht  unbeeinflußt  von  Voltaire  unternommen.  D.  F. 
Strauß  hat  sich  seine  Waffen  zwar  nicht  bei  Voltaire  geholt,  aber 
die  Mission  seines  Religionskampfs  war  dieselbe,  die  Voltaire  in  Frank- 
reich zugefallen  war,  und  er  ist  sich  dieses  Verhältnisses  später  be- 
wußt geworden.  Auf  Schopenhauer,  auf  Nietzsche  hat  Voltaire  un- 
gemein stark  gewirkt. 

An  geeigneten  Ruhepunkten  unterbricht  Lanson  seine  Biographie 
durch  systematische  Abschnitte  über  Voltaire's  Leistungen  auf  den 
verschiedenen  Gebieten  der  Geistes-  und  Naturwissenschaften,  über 
seine  Weltanschauung  und  Lebensstimmung.  Hier  möchte  ich  nun 
einige  kritische  Anmerkungen  einfügen,  die  nicht  das  Verdienst  des 
klassischen  Werks  schmälern  sollen,  die  vielmehr  nur  zeigen  möchten, 
wo  noch  Probleme  sind,  die  diskutiert  zu  werden  verdienen  und  auch 
andere  auf  Arbeitsgebiete  hinweisen,  in  denen  zu  wirken  ein  Genuß 
ist,  weil  es  sich  um  Ideen  handelt,  von  denen  Kopf  und  Herz  jedes 
lebendigen  modernen  Menschen  voll  ist  und  in  denen  man  genau 
so  gut  wissenschaftlichen  Sinn  und  Methode  betätigen  kann,  als  an 
dem  corpus  vile  der  Materien,  die  für  uns  bloß  noch  das  sogenannte 
„historische  Interesse"  haben.  Hier  scheint  es  mir  nun  ein  Mangel  der 
französischen  Litterarkritik  überhaui)t,  daß  sie  ihren  Gegenstand 
geistesgeschichtlich  vereinzelt,   daß   sie  den   einzelnen  Menschen    mit 


Gustave  Lanson.      Voltaire.  61 

seinen  Meinungen  und  Leistungen  zu  sehr  bloß  als  Individuum  faßt 
und  beurteilt.  Bei  ganz  großen  Menschen  ist  das  eine  mögliche 
Methode.  Aber,  um  gleich  ins  Konkrete  zu  gehen,  bei  einem  Voltaii-e 
ist  ein  volles  Verständnis  nicht  möglich,  wenn  man  bloß  den  gesell- 
schaftlichen und  nicht  auch  den  ideengeschichtlichen  Hintergrund  zeichnet, 
von  dem  er  sich  abhebt.  Das  18.  Jahrhundert  ist,  geistesgeschichtlich 
angesehen,  die  Geschichte  des  natürlichen  Systems  (des  jus  naturale^ 
der  lex  naturae  usf.),  das  seine  Konsequenzen  heraussetzt  und  das 
sich  zugleich  zersetzt.  Die  Rolle  des  einzelnen  Denkers  in  diesem 
Prozeß  bezeichnet  seine  philosophische  Bedeutung.  Hier  müssen  die 
Franzosen  sich  bequemen  von  den  neueren  deutschen  Forschungen 
des  Philosophen  Dilthey  und  des  Theologen  Tröltsch  zu  lernen.  Wir 
müssen,  was  Voltaire  betrifft,  also  einsetzen  bei  dem  gemeineuropäisclien 
Gut  des  natürlichen  Systems  und  zwar  in  der  Modifikation,  die  es 
durch  den  Bund  der  französischen  Spätrenaissanze  mit  der  Kultur 
der  katholischen  Restauration  durchgemacht  hat.  Voltaire  ist  ein 
Spätling  dieser  Renaissanze.  Das  Interesse  an  seiner  geistigen  Ge- 
schichte besteht  darin  zu  sehen,  wie  er  die  Elemente^  die  sich  in 
der  bourbonischen  Kultur  zu  zeitweiligem  Bund  geeinigt  hatten,  teils 
beibehält  und  weiterbildet,  teils  aus  ihrem  Bunde  löst  oder  ganz 
zersetzt.  Mit  diesem  Gesichtspunkt  wahren  wir  die  Kontinuität  der 
geschichtlichen  Kultur,  die  uns  durch  die  Revolutionslegende  verdunkelt 
worden  ist.  Diese  Legende  hat  uns  das  abstrakte  und  unwahre 
Schema,  „ancien  regime  —  Revolution  —  moderner  Geist"  im  Sinn 
von  gegensätzlichen  Erscheinungen  aufgedrängt,  das  ganz  besonders 
einen  Mann  wie  Voltaire  immer  in  ein  falsches  und  schiefes  Licht 
rückt.  Dieses  zwar  schon  von  Tocqueville  überwundene  Schema,  das 
aber  so  stark  ist,  daß  trotz  allen  Bemühungen  selbst  ein  Taine  sich 
nicht  hat  davon  frei  machen  können,  hat  Lanson  Sätze  eingegeben 
wie  die:  die  Lettres  philosophiques  enthalten  ein  ganzes  revolutionäres 
Programm,  sie  seien  die  erste  gegen  das  ancien  regime  geschleuderte 
Bombe,  Sätze,  die  diesem  leichtbeschwingten  Ideenschwarm  eine  Wucht 
beilegen  und  eine  Bedeutung,  über  die  gewiß  ihr  Verfasser  selbst 
zuerst  gestaunt  oder  gelächelt  hätte.  Dagegen  kann  ich  Lanson  nur 
bestimmen,  wenn  er,  im  Gegensatz  zu  der  Tradition  der  Voltaire- 
biographien, den  Einfluß  Englands  auf  Voltaire  maßvoll  einschätzt. 
Brunetiere  hat  hier  das  Verdienst,  mit  den  herkömmlichen  Übertreibungen 
aufgeräumt  zu  haben.  Lanson  hat  de:-halb  schon  seinem  ersten  Kapitel 
(Jeunesse  de  Voltaire)  einen  philosophischen  Abschnitt  beigegeben, 
wohl  eben  in  der  Absicht,  den  Gedankenvorrat  festzustellen,  über 
den  Voltaire  vor  dem  englischen  Aufenthalt  verfügte.  Ich  meine  nur, 
wir  müßten  auch  hier  wieder  mehr  zeitgeschichtlich  als  individual- 
geschichtlich  vorgehen;  wir  müßten  also  statt  aus  den  jugendlich 
unreifen  Erzeugnissen  im  Geschmack  Chaulieu's  eine  Philosophie  oder 
eine  Theologie  abzuziehen,  die  Frage  stellen:  Was  ist  die  Ge- 
dankenwelt der  französischen  Libertins  des  17.  Jh.  und  was  hat  sich 


6"2  Referate  und  Rezensionen.     Paul  Sakmann. 

Voltaire  von  ihr  an^'ceignet?  Den  naturwissenschaftlichen  Einschlag 
in  Voltaires  Idecnkoniplex  schätze  ich  geringer  ein,  als  Lanson.  Ich 
möchte  die  Behauptung  wagen,  daß  man  die  gesamte  naturwissen- 
schaftliche Produktion  Voltaires  sich  wegdenken  könnte,  ohne  daß 
etwas  Wesentliches  an  seinem  geistigen  Bild  sich  ändern  würde,  eine 
Operation,  die  man  in  gleicher  Weise  mit  dem  Sikcle  de  Louis  XIV, 
mit  der  Zaire,  mit  der  Henriade  und  der  Pucelle,  mit  dem  Tratte 
de  Metaphysique  und  dem  Pliilosoplie  ignorant,  ja  selbst  mit  dem 
Hornme  aux  quarante  ecus  nicht  vornelimen  könnte.  Wir  sind  mit 
Voltaire  hier  im  gleichen  Fall,  wie  auch  sonst  vielfach  in  der  Geschichte 
der  Weltanschauungen.  Was  man  als  vermeintlichen  Einfluß  und 
Beitrag  der  Naturwissenschaft  in  Anschlag  bringt,  ist  in  Wahrheit 
der  Einfluß  eines  philosophisclien  Gedankens,  der,  der  Naturwissen- 
schaft nur  scheinbar  entnommen,  in  ihr  vielmehr  die  lioUe  eines 
Axioms,  eines  Postulats,  meinetwegen  eines  Vorurteils,  spielt.  Da- 
gegen bin  ich  nun  wieder  der  Meinung,  daß  Voltaires  philosophische 
Begabung  und  Leistung  von  Lanson  stark  unterschätzt  wird.  Er 
sagt:  In  der  Geschichte  der  Metaphysik  zähle  Voltaire  nicht  mit; 
da  sei  er  nur  „amateur'\  Und  in  der  Literaturgeschichte  findet 
sich  der  Satz,  den  er  in  der  Monographie  zwar  nicht  wiederholt, 
aber  auch  nicht  zurückgenommen  hat:  „Er  hatte  keinen  metaphysischen 
Kopf  und  den  schlimmsten  Streich,  den  man  ihm  spielen  könnte, 
wäre  der,  „d'exposer  sa  philosophie  transcendentale.''  Ich  habe 
diesen  Versuch  gemacht  (im  Archiv  für  Geschichte  der  Philosophie 
1905)  und  ich  habe  gute  Gründe  anzunehmen,  daß  ich  damit  im 
Gegenteil  dem  Andenken  Voltaires  einen  Dienst  geleistet  habe.  Ge- 
wiß ist  Voltaire  kein  großer  und  kein  tiefer  Philosoph.  Dazu  fehlt 
ihm  die  dichterische  Fantasie  und  die  Festigkeit  des  Charakter?. 
Aber  ein  so  wohlgeratener  Verstand,  wie  er  ihn  mitbekommen  hat, 
ist  doch  auch  keine  schlechte  Ausrüstung  für  die  Diskussion  philo- 
sophischer Probleme,  in  die  sich  sein  ganzes  Leben  lang  sein  nie 
ra>tendes  Interesse  verbohrte.  Die  Literaten  des  19.  und  20.  Jh. 
dürften  sich  gratulieren,  wenn  sie  so  gute  philosophische  Dialektiker 
wären  wie  Voltaire.  Man  macht  sich  das  Spiel  sehr  leicht,  wenn 
man,  wie  Faguet,  gleich  Plato  herbeiholt  und  ruft:  „Wie  klein  ist 
doch  dieser  Voltaire  neben  diesem  Plato!''  Wissenschaftlich  ist  allein 
die  Frage:  Bedeutet  Voltaire  etwas  in  der  Bewegung  der  Probleme, 
sowie  sie  seiner  Zeit  gestellt  waren?  Und  in  diesem  Gericht  besteht 
er  in  der  Tat  besser,  als  in  dem  witzigen  Kreuzverhör  Faguet's,  das 
doch  vielleicht  noch  Lanson  zu  stark  beeinflußt  hat.  An  diesem 
Maßstab  gemessen  fallen  wohl  auch  die  geschichtlichen  Leistungen 
Voltaire's  noch  schwerer  ins  Gewicht  als  Lanson  meint.  Zwar  hat 
er  für  die  profangeschichtlichen  Erzeugnisse  Voltaires  Worte  feiner 
Würdigung  und  scharf  erfaßt  er  die  Nuancen,  durch  die  sich  z.  B. 
der  Essai  von  dem  Siede  de  Louis  XIV  abhebt,  aber  die  Tragweita 
der  Bibelkritik  Voltaires   ist   ihm  nicht   aufgegangen,  wenn  er  in  ihr 


Robert  Saitschick.     Französische  Skeptiker.  63 

des  Werk  eines  „Vulgarisators''  sieht.  Die  genialste  Leistung  der 
Bibelkritik  des  19.  Jlis.  ist  nächst  Strauß'  Leben  Jesu  bekanntlich 
die  Wellhausen'sche  Hypothese.  Dieser  Konstruktion  der  israelitischeu 
Volks-  und  Religionsgesrhichte  ist  Voltaire  so  nahe  gekommen,  wie 
CS  für  einen  Mann  des  18.  Jh.  nur  immer  möglich  war.  Und  diese 
glückliche  Voransnalirae  einer  großen  Entdeckung  verdankt  er  nicht 
fremden  Forschungen,  die  er  „vulgarisiert"  hätte,  sondern  einem  sehr 
treffsicheren  kritischen  Vorstand  und  einem  sehr  intensiven  Studium 
der  primären  Quelle,  der  Bibel  selbst.  Die  Gründe  für  diese  Be- 
hauptung kann  ich  hier  allerdings  nicht  in  extenso  darlegen,  ich  muß 
auf  die  Belege  meiner  Arl)eit  in  der  Hilgenfeld'schen  Zeitschrift  für 
zoissenschaftliche   Theologie  (N.  F.  XIV)  verweisen. 

Ich  breche  ab,  um  den  Raum,  der  mir  hier  zur  Verfügung  steht, 
nicht  zu  einer  Debatte  über  Meinungsverschiedenheiten  zu  mißbrauchen. 
Wer  es  unternimmt,  uns  eine  Darstellung  der  Gedankenwelt  Voltaires 
zu  geben,  der  wird  sich  ja  auf  Schritt  und  Tritt  mit  Lanson  aus- 
einandersetzen müssen.  —  Ob  es  jemand  wagen  wird,  so  bald  nach 
Lanson  uns  mit  einer  neuen  Biographie  Voltaires  zu  bedenkenV 
Ich  müßte  ihn  um  seinen  Mut  bewundern. 

Stuttgart.  P.  Sakmann. 


Saitscllick,  Robert.  Französische  Skeptiker.  Voltaire.  Merimee, 
Renan.  Zur  Psychologie  des  neueren  Individualismus. 
Berlin.    E.  Hofniann.    1906.   304  S. 

Man  wird  diese  drei  hier  zusammengestellten  Essais  am  besten 
als  eine  Sammlung  von  Lesefrüchten  bezeichnen,  welche  die  im  Titel 
genannten  Persönliclikeiten  in  interessanter  Weise  von  verschiedenen 
Seiten  her  beleuchten.  Bei  Voltaire  wird  un>^  in  einem  ersten  Ab- 
schnitt mit  der  Überschrift  „Charakter"  zunächst  seine  äußere  Er- 
scheinung vorgeführt;  dann  entfaltet  sich  vor  uns  sein  Lehensfrang 
und  seine  innere  Entwicklung,  nicht  in  fortlaufendem  biographischem 
Bericht,  sondern  in  ausgewählten  Teilstücken,  erht-Ut  durch  die  Schlag- 
lichter charakti^ristischer  Äußerungen.  Wir  erhalten  einen  Einblick 
in  Voltaires  Arbeiten  und  Interessen,  seine  Tageseinteilung,  seine 
persönlichen  Beziehunsen  u.  a.  Die  ethischen  Züge  seines  Charakters 
werden  analysiert.  Der  Abschnitt  endet  mit  einem  Blick  auf  seine 
Tätigkeit  für  die  Opfer  der  Justizmorde  und  seine  letzten  Tage  in 
Paris.  Ein  zweites  Kapitel  handelt  von  Voltaires  „Ansichten".  Da 
hier  die  Methode  des  Verfassers,  interes'^ante  Lesefrüchte  zu  sammeln 
und  ab  und  zu  durch  einige  eingestreute  eigene  Bemerkungen  zu 
unterbrechen,  nicht  zureicht,  so  wfire  dieser  Abschnitt  besser  wohl 
überliaupt  weggeblieben,  da  er  über  Voltaires  „Ansichten"  doch  nur 
in  unzulänglicher,  manchmal  geradezu  irreführender  Wei-e  unterrichtet. 
Ein  letztes  Kapitel  ist  überschrieben:  Esprit  und  Stil,  gibt  aber  nicht 


64  Referate  und  Rezensionen.     Paul  Sahnann. 

sowohl,  wie  man  zunächst  erwartet,  eine  Analyse  von  Voltaires  Geist 
und  Stil,  als  vielmehr  Ansichten  und  Äußerungen  Voltaires  über  diese 
Materien.  Wir  erfahren,  was  Voltaire  sagt  über  verschiedene  Philo- 
sophen, Politiker.  Literaten,  über  französischen  und  englischen  National- 
charakter, über  die  Alten,  über  Dante,  Shakespeare,  Ariost,  Lafontaine 
usf.,  schließlich  über  Bücher  im  Allgemeinen.  Nun  folgen  einige 
Urteile  des  Verfassers  über  einzelne  Hauptwerke  Voltaires,  den  Schluß 
bilden  Äußerungen  Voltaires  über  Komposition  und  Stil. 

Die  beiden  folgenden  Aufsätze  über  Merimee  und  Renan  tragen 
mehr  den  Stilcharakter  des  Essai.  Sie  sind  geschlossener,  besser 
komponiert,  Stoff  und  Form  durchdringen  sich  mehr,  die  Psychologie, 
die  im  „Voltaire"  etwas  in  den  Zitaten  zu  ertrinken  droht,  tritt  im 
Gestalten  des  Stoffs  und  im  Urteil,  wie  es  sich  gebührt,  kräftiger 
hervor.  Diese  Aufsätze  lesen  sich  sehr  angenehm  und  sind  lehrreich. 
Der  Verfasser  ist  ein  geistvoller,  kenntnisreicher  Mann,  der  seine 
Studien  an  den  Quellen  gemacht  liat,  der  aber,  wenigstens  in  Bezug 
auf  den  die  Hälfte  des  Buchs  füllenden  Voltaire,  doch  wohl  etwas  zu 
rasch  gearbeitet  hat.  Nach  dem  Namen,  den  er  sich  in  der  literarischen 
Welt  erworben  hat,  durfte  man  Höheres  erwarten.  Der  Gedanke, 
solche  Größen  der  Literatur  einmal  von  der  psychologischen  Seite 
anzufassen,  ist  gerade  heute,  da  die  biograpischen  Studien  zu  einem 
gewissen  Höhepunkt  und  Abschluß  gelangt  sind,  glücklich  und  fruchtbar. 
Und  der  Verfasser  wäre  ganz  der  Mann  dazu,  wie  einige  feine  Be- 
merkungen deutlich  zeigen.  So  beobachtet  er  z.  B.  sehr  gut,  wie 
Voltaire  der  Hofatmosphäre  des  ancien  regime  angehört,  wie  er  sich 
nur  im  milieu  des  hohen  französischen  Adels  recht  zu  Haus  fühlte, 
da  hier  auch  etwas  von  seinem  Geiste  herrscht;  wie  Voltaires  Charakter 
sowohl,  als  auch  der  Friedrichs  d.  G.,  einen  klaren,  entschiedenen 
Konflikt  nicht  zuließen,  wie  die  Ungezwungenheit,  mit  der  Voltaire, 
bei  aller  Klugheit,  seine  eigenen  Schwächen  aufdeckt,  einer  der 
sympathischen  Züge  seines  Charakters  ist.  Aber  das  alles  sind  mehr 
eingestreute  Apergus.  Es  gibt  gerade  in  psychologischer  Hinsicht  bei 
Voltaire  so  außerordentlich  viele  Fragen,  auf  die  wir  bei  Saitschick 
keine  Antwort  finden.  Schon  die  Einreihung  unter  die  Typenbegriffe 
des  Titels  ergäbe  Probleme.  In  wieweit  ist  Voltaire  „Skeptiker"? 
Er  ist  nämlich  auch  Dogmatiker.  In  wiefern  kann  man  ihn  in 
den  „neueren  Individualismus"  einstellen.  Warum  hat  der  Verfasser 
die  psychologisch  so  fruchtbare  Methode  der  Vergleicliung  so  wenig 
angewendet.  Warum  hat  er  uns  nicht  auf  diese  Weise  erklärt,  ob 
und  wie  und  warum  die  drei  Männer  seines  Buches  Geistesverwandte 
sind  und  wie  dieselben  Geistesäußerungen  in  ihnen,  z.  B.  Ironie, 
Relativismus,  Pessimismus  u.  a.  m.  in  charakteristisch  verschiedener 
Weise  sich  betätigen? 

Stuttgart.  Paul  Sakmann. 


E.  Dähren.     EStif- Bibliothek.  65 

Walllund,  Carl.  Un  acte  inSdit  dhm  opSra  de  Voltaire. 
Upsala  1905. 

In  den  ..Studier  i  Modern  Spräkvetenskap  utgivna  af  Nyfilo- 
logiska  Sällskapet  i  Stockholm'*  veröffentlicht  Wablund  einen 
Voltairefund  aus  der  K,  Bibliothek  in  Stockholm.  Es  befinden  sich 
dort  zwei,  fast  gleichlautende  Manuskripte,  die  aus  dem  Besitz  eines 
Grafen  von  Tessin  und  eines  Grafen  von  Ekeblad  herrühren,  die  beide 
die  schwedische  Regierung  in  diplomatischer  Sendung  in  Paris  ver- 
treten haben,  der  eine  von  1734 — 42,  der  andere  i.  J,  1742.  Beide 
Handschriften  enthalten  von  der  von  Voltaire  für  Rameau  verfaßten 
Oper  Samson  einen  Text,  der  von  dem  in  den  verschiedenen  Mitions 
und  in  den  CEuvres  gedruckten  Text  abweicht.  Sie  enthalten  nämlich 
den  ersten  Akt  des  gedruckten  Textes  nicht,  dafür  aber  einen  dritten, 
bis    jetzt    unveröffentlichen  Akt,    der    nun    in    den   Studien    vorliegt. 

Der  Herausgeber  fügt  seiner  Publikation  eine  in  französischer 
Sprache  geschriebene  Abhandlung  an,  die  zunächst  Urteile  von  Zeit- 
genossen Voltaires  über  seine  Oper  aufführt;  La  Harpe,  Palissot  u.  a. 
kommen  zum  Wort.  Ein  zweiter  Paragraph  gibt  eine  pünktliche, 
gut  kommentierte  Zusammenstellung  aller  Äußerungen  Voltaires  über 
seine  Arbeit  am  Samson.  Dann  hören  wir  von  den  Schicksalen  der  Oper, 
die  infolge  der  Einsprache  der  Theaterzensur  nie  auf  öffenthclier 
Bühne  zur  Aufführung  kam;  nur  auf  den  Brettern  der  Privattheater 
durfte  sich  das  gemeinsame  Werk  Voltaire's  und  Rameau's  zeigen. 
Ein  letzter  Abschnitt  gibt  eine  Übersicht  über  die  ältesten  Ausgaben 
des  Samson:  die  beiden  Stockholmer  Handschriften  sind  älter  auch 
als  die  früheste  gedruckte  Ausgabe  (von  1745). 

Der  hier  veröffentlichte  Opernakt  gehört  zu  den  Erzeugnissen 
der  Feder  Voltaire's,  in  denen  er  gründlich  der  Vergangenheit  an- 
gehört; diese  Reimereien  des  18.  Jahrhunderts  haben  in  dem  Staub 
der  Bibliotheken  ihr  wohlverdientes  Begräbnis  gefunden.  Doch  Voltaire 
hat  nun  auch  einmal' derartiges  geschrieben  und  in  der  „Correspon- 
dance'*  den  Lärm  darüber  geschlagen,  mit  dem  er  bekanntlich  alle 
seine  Arbeiten  begleitet.  Und  so  schließt  jenes  Werturteil  keineswegs 
aus,  daß  der  Historiker  dem  sorgfältigen,  mit  philologischer  Akribie 
arbeitenden  Herausgeber  den  schuldigen  Dank  für  seine  Gabe  abstattet. 
Stuttgart.  P,  Sakmann. 


Dühreu,  E.  Retif-  Bibliothek.  Verzeichnis  der  französischen  und 
deutschen  Ausgaben  und  Schriften  von  und  über  Retif  de 
la  ßretonne  unter  Mitwirkung  von  Max  Harrwitz  heraus- 
gegeben von  Dr.  Eugen  Dühren.  Zugleich  Supplement 
zu  des  Verfassers  Werk  Retif,  der  Mcn'^ch,  der  Schriftsteller, 
der  Reformator.  Berlin.  Max  Harrwitz  XII  u.  42  S.  8».  1906. 
Außer  einem  Vorwort  über  Aufgabe  und  Einrichtung  und  einem 

Namenindex  —  wofür  dem  Verfasser  besonders  gedankt  sei  —  enthält 

Ztschr,  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII  a.  5 


66  Referate  und  Rezensionen.     J.  Haas. 

diese  Broschüre  die  Aufzälilunj?  1.  der  Originalausgaben  und  Nachdrucke 
der  Werlie,  2.  der  deutschen  Übersetzungen,  3.  der  Schriften  über  Retif. 

Die  Einrichtung  ist  derart  getroffen,  daß  jedes  Werk  Retifs,  sowie 
jede  Erstübersetzung  eine  besondere  Nummer  fidirt,  die  Neu-  oder 
Nachdrucke  mit  diese  Nummer  ergänzenden  Buclistaben  versehen  sind. 
Dadurch  ist  die  Zusammenstellung  sehr  übersichtlich  geworden.  Die 
„Retif- Bil)liothek"  ist  ein  vortreffliches  bibliographisches  Werkchen 
und  hält  durchaus,  was  der  Titel  verspricht. 

Freiburg  i.  Br.  J.  Haas. 


Restif  de  la  Bretonne.  Monsieur  Nicolas  ou  Le  Coeur  humain 
devoiU  (Entauce  et  Jeunesse).  Edition  abregee  avec  In- 
troduction,  Notes  et  Index  par  John  Grand  -  Carteret. 
32  lUustrations.  Louis  Michaud,  Editeur.  Paris,  o.  J.  XXIV 
uud  288  Seiten.  Frs.  3.50. 

J.  Grand- Carteret  hat  mit  dieser  Ausgabe  einen  sehr  glücklicheu 
Griff  getan.  Restifs  Monsieur  Nicolas  ist  bis  auf  den  heutigen  Tag 
eine  zwar  nicht  harmlose,  aber  immer  noch  interessante  Lektüre.  Ab- 
gesehen aber  von  den  orthographischen  Wunderlichkeiten  der  Uraus- 
gabe  enthält  diese,  sowie  der  Neudruck  von  1883,  eine  Menge  von  ein- 
geschobenen Digtessionen,  welche  die  an  sich  nicht  sehr  flüssige  Lektüre 
noch  erschweren.  Ohne  nun  an  dem  eigentlichen  Charakter  des  Werkes 
etwas  zu  ändern,  hat  Grand -Carteret,  um  das  Werk  lesbarer  und  auch 
billiger  zu  machen,  diese  die  Lektüre  erschwerenden  Digressionen 
eliminiert  und  dadurch  eine  Ausgabe  von  Restifs  hervorragendem  Werk 
Monsieur  Nicolas  —  ich  halte  den  Paysan  und  die  Paysane  pervertis 
für  weit  bedeutender,  —  geschaffen^  die  sich  flott  ließt,  und  die  verdient, 
einen  größeren  Leserkreis  zu  finden. 

Sie  verdient  es  um  so  mehr  als  die  Ausstattung  für  den  Preis  gerade- 
zu glänzend  ist.  Beigegeben  sind  32  Illustrationen,  ohne  den  Umschlag; 
diese  stellen  teils  einzelne  Bilder  von  Anxerre  dar,  teils  sind  sie  aus 
dem  inhaltlich  ja  verwandten  Roman  Le  Paysan  et  la  Paysane  pervertis 
entnommen,  teils  sind  sie  nach  den  Angaben  Restifs  i)  vou  einem  moderneu 
Künstler  in  dem   Geschmack  der  Binetschen  Illustrationen  gemacht. 

In  der  Einleitung  sucht  Grand -Carteret  dem  Leser  Restifs  Be- 
deutung zu  schildern.  Ausgehend  von  den  widersprechenden  Urteilen, 
die  über  ihn  gefällt  worden  sind,  hebt  er  die  umfassende  Tätigkeit 
seines  Autors  hervor,  und  seine  gewaltige  Bedeutung,  um  nachher 
darzustellen,  daß  Restifs  Erzählungen  nicht  etwa  wollüstige  phantastische 
Schilderungen  seien,  sondern  daß  seine  erotischen  Darstellungen  des 
kleinstädtischen  Lebens  durchaus  der  Wirklichkeit  entsprachen.     Ich 


1)  Rpslif  hatte  beabsichtigt,  sein  Werk  zu  illustrieren  und  für  die  Bilder 
bestimmte  Angaben  gemacht,  die  uns  erhalten  sind.  Die  Bilder  wurden  aber 
nicht  ausgeführt. 


Le  Breton,  Andre.     Balzac.     L'Homme  et  VO^Juvre.        67 

möchte  dies  nicht  im  ganzen  Umfang  zugeben,  und  halte  Grand- Carterets 
Urteil  über  Monsieur  Nicolas  und  Restif  überhaupt  für  entschieden 
zu  günstig. 

Die  Ausgabe  soll  3  Bände  umfassen;  der  erste  führt  uns  bis 
in  das  Jahr  1754,  das  heißt  bis  zu  der  Zeit,  wo  Nicolas  sich  bei 
M.  Parangon  in  der  Lehre  befindet.  In  dieser  gekürzten  Gestalt  liest 
sich,  wie  gesagt,  das  Buch  recht  flott,  eine  ungefähre  Kenntnis  von 
Restifs  Monsieur  Nicolas  zu  vermitteln,  ist  diese  Ausgabe  entschieden 
geeignet,  und  da  Grand -Carteret  nichts  anderes  im  Auge  hatte,  so 
hat  er  seinen  Zweck  durchaus  erreicht. 

Freilich,  wer  den  echten  Monsieur  Nicolas  kennen  lernen  will,  muß 
zur  Prinzepsausgabe  oder  zur  fast  vollständigen  Ausgabe  von  Liseux, 
Paris  1883,  greifen. 

Freiburg  i.  Br.  J.  Haas. 


Le  Breton,  Andre.  Balzac.  L'Homme  et  rCEuvre.  Armand 
Colin.     Paris.     1905.     294  S.  S*\  Frs.  3,50. 

Für  sehr  fruchtbar  würde  ich  eine  methodische  Auseinander- 
setzung mit  dem  gründlichen  Kenner  des  französischen  Romans 
halten,  der,  nachdem  er  die  Geschichte  dieser  Gattung  von  der 
Astr^e  bis  zum  Cinq-Mars  verfolgt  hat,  uns  vor  einiger  Zeit  diese 
Monographie  über  Balzac  eegeben  hat.  Diese  Auseinandersetzung 
müßte  notwendig  über  den  Rahmen  dieser  Besprechung  hinausgehen, 
und  darum,  sowie  mit  Rücksicht  auf  den  Raum,  die  für  eine  solche 
Anzeige  geboten  ist,  begnüge  ich  mich,  darauf  hinzuweisen,  daß 
die  Frage  nach  dem  Wesen  des  angewandten  Kunstmittels,  das  Sprach- 
mittel, wesentlich  nur  vom  ästhetischen  Standpunkt  aus  aufgeworfen 
wird,  aber  eine  Frage  nach  der  Anwendung  der  Sprache  als  Mittel, 
Anschauung  zu  erwecken  und  Seelenzustände  vorzuführen,  für  Le 
Breton  nicht  existiert. 

Anderseits  wird  die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  der  Literatur 
mit  der  politischen  und  der  sozialen  Entwicklung  zwar  gestreift,  aber 
nicht  genügend  berücksichtigt.  Nach  diesen  beiden  Einschränkungen 
darf  die  Schrift  Le  Bretons  als  eine  sehr  gewissenhafte  Arbeit 
bezeichnet  werden;  ob  sie  Paul  Fiats  Essais  sur  Balzac  überholt, 
scheint   mir   übrigens   fraglich,  obwohl   letztere   nirgends   citiert  sind. 

Vorangeschickt  ist  eine  Betrachtung  über  den  Menschen  Balzac, 
in  der  an  der  Hand  eines  biographischen  Abrisses  eine  Charakteristik 
des  Verfassers  der  Eugenie  Grantlet  und  der  Personen  gegeben  wird, 
mit  denen  er  in  Verbindung  gekommen  ist;  besonders  klar  ist  der 
Orund  der  zerrütteten  Vermögensverhältnisse  Balzacs  dargestellt; 
dieser  lag  nicht  in  den  gewöhnlich  angeführten  Gründen,  sondern  in 
dem  Temperament  des  Dichters,  —  dans  cette  imagination  dScorante, 
pour  laquelle  le  futur  n'existe  pas  ...  (p.  35). 


68  Referate  und  Rezensionen.     J.  Haas. 

Der  folgende  Abschnitt  gilt  den  Origines  du  roman  halzacien: 
der  Balzac'sche  Roman  ist  aus  dem  volkstümlichen  Roman  hervor- 
gegangen, der  von  Restif  vorbereitet  und  durch  Pigault-Lebrun 
und  Ducray-Duminil  in  die  Mode  gekommen  ist,  dazu  das 
Melodrame  von  Pixer ecourt;  aus  diesen  Quellen  schöpft  nach  Le 
Breton  Balzac  zuerst,  daneben  ist  er  abhängig  von  Matuinn,  Leicis, 
J-/'-'  Radcliffe,  und  zwar  hauptsächlich,  aber  nicht  ausschließlich,  von 
seinen  Jugendromanen  an;  er  lehnt  sich  vielfach  an  Nodier  und 
Hugo  an.  Später  aber  folgt  er  anderen  Bahnen,  Rickardson, 
Goldsmith,  Godtvin,  Sterne,  Walter  Scott,  Feniniore  Cooper;  von 
1830  ab  wendet  er  sich  von  der  Romantik  ab.  Cuvier  und  Saint- 
Hilaire  hat  er  wohl  nicht  viel  studiert,  wohl  aber  Galh  Lavater, 
Brillat-Savarin;  außerdem  ist  er  beeinflußt  von  Scribe  und  Picard^ 
besonders  von  Henri  '  Monnier,  während  eine  Abhängigkeit  von 
Stendhal  und  Merimee  nicht  anzunehmen  sei;  nicht  zu  vergessen  ist 
natürlich  Rabelais 

All  das  mag  nicht  unrichtig  sein,  wenn  mau  davon  absieht, 
daß  Stendhals  Bedeutung  mit  Unrecht  geleugnet  wird.  Aber  genügt 
es  denn,  irgend  welche  äußere  Ähnlichkeiten  oder  gemeinsame  Ideen 
vorzufinden  und  zu  erwähnen,  um  die  origines  eines  Schriftstellers 
aufzudecken?  Müssen  nicht  zuerst  die  Technik  seiner  Werke,  die 
Art  seiner  Phantasie,  die  Grenzen  seiner  Gestaltungskraft  sorgfältig 
festgestellt  und  gegenüber  den  Vorgängern  abgewogen  sein?  Das 
scheint  uns  Le  Breton  ungenügend  getan  zu  haben;  außer  für  die 
Jugendwerke. 

Es  ist  zur  Gewohnheit  geworden,  die  Comedie  Humaine  als 
eine  grandiose  Schöpfung  zu  betrachten,  der  nur  die  Vollendung 
fehle;  und  auch  Le  Breton  untersucht  im  dritten  Abschnitt  die 
Genesis  und  den  Plan  der  Coinidie  Humaine',  aber,  wie  seine 
Vorgänger,  so  unterläßt  auch  er  das  Wesen  des  B alz a eschen 
Romans  mit  dem  Bestreben  nach  einer  Synthese  in  Verbindung  zu 
bringen,  und  darum  kommt  er,  obwohl  er  die  Mängel  dieser  Synthese 
wohl  hervorhebt  —  vielleicht  nicht  alle  —  nicht  zu  dem  Schluß, 
daß  die  Comedie  Humaine  als  Ganzes  verfehlt  sei,  sondern  zu  dem 
üblichen  Lob,  daß  Balzac  der  größte  Sittenmaler  sei,  den  Frankreich 
seit  Meliere,  La  Bruyere  und  Saint-Simon  hervorgebracht  habe. 
Ich  kann  in  Balzac,  so  reich  der  kulturhistorische  Gehalt  seiner 
Werke  sein  mag,  weder  einen  Kultiirhistoriker  noch  einen  Sittenmaler 
sehen,  sondern  eben  nur  einen  Romanschriftsteller:  ich  glaube  damit 
seinem  Ruhme  nicht  im  geringsten  zu  nahe  zu  treten ;  aber  daß  seine 
Bedeutung  erfaßt  wird,  wenn  man  in  ihm  einen  grand  moraliste, 
einen  grand  Chirurgien,  grand  naturaliste  de  la  vie  morale  sieht 
(p.  135),  glaube  ich  nicht. 

In  dem  folgenden  Kapitel  über  die  Observation  in  der  Comklie 
Humaine  sucht  Le  Breton  nachzuweisen,  daß  Observation,  Imagi- 
nation,   pensee    die    3  Elemente    seien,    aus    denen    der  Balzacsciie 


Le  Breton,  Andre.     Balzac.     L'Homme  et  VCEuvre.        69 

Roman  bestehe.  Zunächst  will  er  feststellen,  was  der  Observation 
zuzuschreiben  sei:  Kenntnis  der  verschiedenen  Gegenden  Frankreichs, 
Beobachtung  von  Bekanntem  und  Verwandtem,  vor  allem,  was  das 
Leben  in  der  Alltäglichkeit  bietet;  er  läßt  Örtlichkeiten  durch  andere 
nachsehen,  macht  Abstecher  auf  seinen  Reisen,  der  Genauigkeit  seiner 
Schilderungen  halber.  Dabei  hat  er  ungeheure,  oft  freilich  sehr 
oberflächliche  Kenntnisse.  Die  übertriebene  Genauigkeit  seiner 
Schilderungen  hält  Le  Breton  für  pedantisch,  oft  für  zwecklos,  oder 
vielmehr  nicht  für  ein  Roraanelement,  sondern  er  hält  sie  für  Selbstzweck. 

In  Balzacs  Romanen  spielt  nicht  nur  die  äußere  Beobachtung 
eine  Rolle,  sondern  er  hat  vieles  von  sich  darin  mitgeteilt;  viele 
Stoffe  freilich  —  vielleicht  noch  mehr  als  Le  Breton  annimmt  — 
hai  Balzac  der  Wirklichkeit  —  Örtlichkeit  und  Personen  —  ent- 
nommen. Darauf  wird  die  Vielseitigkeit  des  Stoffes  und  der  behan- 
delten Konflickte  und  Probleme  kurz  gewürdigt.  Hier  vermisse  ich 
eine  genaue  Analysierung  der  Balzacschen  Phantasie;  daraus  hätte 
sich  die  Ei'klärung  seiner  Romantechnik  und  der  Wahl  der  Stoff'e 
und  Probleme  ergeben. 

Nicht  minder  ungenügend  ist  das  folgende  Kapitel  Les  Chefs 
d' Oeuvre  tVArt  rialiste.  Anfangs  wird  hier  eine  wichtige  Frage, 
die  Frage  nach  der  Evolution  des  Balzacschen  Talentes,  gestellt.  Le 
Breton  findet  den  Kulminationspunkt  von  1832  — 1840,  von  da  ab 
den  Verfall.  Diese  Bestimmung  ist  sehr  weit,  es  fehlt  aber  vor  allem 
ein  konkreter  Beweis  und  eine  methodische  Feststellung.  Darf  als 
Verfallszeichen  gelten  das  da  und  dort  von  1840  ab  zu  konstatierende 
Auftreten  einer  ausschweifenden  Phantasie,  das  schon  vorher  zwischen 
1832—1840  konstatiert  werden  kann?  Darf  das  als  Verfall  betrachtet 
werden,  was  Le  Breton  Balzacs  Pessimismus  nennt,  d.  h.  die 
Neigung,  häßliche  Seiten  der  menschlichen  Seele  zur  Darstellung  zu 
bringen?  Es  ist  also  diese  Bestimmung  durchaus  willkürlich.  Wenn 
man  von  der  Evolution  des  Balzacschen  Talents  sprechen  will,  so  muß 
man  zunächst  die  charakteristischen  Seiten  dieses  Talents  im  Zu- 
sammenhang mit  dem  Temperament  des  Schriftstellers  genau  feststellen, 
darauf  untersuchen,  wann  und  in  wieweit  diese  Eigentümlichkeiten 
sich  zeigen,  und  sich  entfalten. 

Die  Entfaltung  des  speziell  Balzacschen  Talents  darzustellen 
—  ich  rede  hier  nicht  davon,  daß  Balzac  sich  von  seiner  Jugend- 
manier abwandte,  sondern  von  der  Entwicklung  von  1828  oder  1830 
ab  —  hat  sich  aber  Le  Breton  erspart,  und  er  begnügt  sich  mit 
einer  genauen  Analyse  der  JEugenie  Grandet,  die  er  mit  Recht  für 
ein  ganz  hervorragendes  Werk  hält,  Aber  er  irrt  in  doppelter  Hin- 
sicht: einmal  ist  es  durchaus  nicht  gesagt,  daß  das  Talent  des 
Romanschriftstellers  in  jeder  Hinsicht  nur  in  einem  Werke,  das  als 
Ganzes  betrachtet  lobenswert  ist,  sich  in  seiner  ganzen  Fülle  zeigt; 
es  kann  dieses  Talent  sich  auch  in  Bezug  auf  mancherlei  Elemente 
der  Darstellung    in    einzelnen   Teilen    eines   Werkes    zeigen,    das    in 


70  Referate  und  Rezensionen.     J.  Haas. 

anderen  Teilen  oder  auch  als  Ganzes  ästhetisch  zu  verwerfen  wäre. 
Dann  aber  hält  er,  was  die  Euginie  Grandel  anbetrifft,  die  Fest- 
stellungen Andre  llallays  über  die  Quellen  zu  dem  Roman  für 
unwichtig.  Que  de  telles  recherches  sont  hasardeuses,  et,  au  fond, 
comme  elles  sont  dccevantes,  comnme  elles  sont  vaines!  .  .  .  Oui 
je  le  sais  hien,  cest  un  hesoin  de  notre  esprit  ou  de  iiotre 
cceur,  quand  nous  lisons  un  beau  roman,  que  d'y  voir  une  rea- 
lite.  .  .  (p.  li)l).  Heißt  das  wissenschaftlicli  verfahren?  Reicht  die 
Analyse  der  Persönlichkeit  zur  Feststellung  der  Eigenart  des  Talents, 
der  literarischen  Persönlichkeit  des  behandelten  Dichters? 

Und  wenn  Le  Breton  (p.  192)  fortfährt:  „Un  roman  qui  ne 
serait  rien  de  plus  que  le  r^cit  d'ane  aventure  authentique,  rien 
de  plus  qu'une  effigie  individuelle,  ah!  le  pauvre  livre,  et  comme 
nous  nous  garderions  de  le  relire!  .  .  .  Disons  nous  donc  bien, 
rhignons-nous  donc  ä  comprendre  que  Vart  est  une  crSation  veri- 
table,  quHl  ne  suffit  pas  qii'un  personiiage  ait  vecu  dans  la  realite 
pour  quHl  soit  vivant  dans  le  roman  ou  dans  le  drame.,  et  que 
Vexistence  ä  Saumur,  en  1820,  d'un  monsieur  ou  d'une  mademoi- 
seile  JSiveleau  n^explique  ä  peu  pres  rien  de  ce  que  nous  admirons 
dans  Eugenie  Grandet.  Si  Balzac  les  a  connus,  s'il  a  entendu 
parier  d'eux  ä  Saumur,  il  a  pu  leur  emprunier  quelques  traits^ 
comme  il  en  a  emprunte  ä  un  si  grand  nombre  de  ses  coiitempo- 
rains'\  so  liegt  hier  eine  grobe  Verwechslung  vor;  denn  ich  leugne, 
daß  es  für  die  Charakterisierung  des  Balzacschen  Romans  gleichgiltig 
ist,  ob  Balzacs  seine  Stoffe  erfunden  hat,  oder  ob  er  sie  der 
Wirklichkeit  entnommen  hat,  und  in  wie  weit  er  sich  dieser  anschließt. 
Ich  behaupte  damit  natürlich  nicht,  daß  die  Befolgung  und  Beobachtung 
der  Wirklichkeit  allein  hinreiche,  einem  Roman  ästhetischen  Wert  zu 
verleihen.  Aber  wenn  Balzac  nie  Örtlichkeiten  erfunden  hätte,  wenn 
er  nur  die  Stoffe  erfunden  hätte,  in  denen  seine  ausschweifende 
Phantasie  uns  unglaubliche,  unmögliche,  unwahrscheinliche  Dinge  vor- 
führt, hätte  das  nicht  für  die  che/s  dUeuvre  d'art  realiste  und  für 
die  literarische  Persönlichkeit  eine  außerordentlich  weittragende  Be- 
deutung? Und  wenn  p.  192  f.  die  obigen  Ausführungen  niedergelegt 
sind,  warum  im  vorhergehenden  Kapitel,  freilich  in  ungenügender 
Weise,  weil  in  zu  unbestimmter  Weise,  so  lange  Balzacs  „Observation^'' 
rühmen?  Die  Würdigung  der  Eugenie  Grandet,  sowie  die  Analyse 
des  Romans  sind  freilich  vortreff'lich  gelungen. 

Die  Übertreibungen  Balzacscher  Phantasie  führt  Le  Breton 
auf  die  nächtliche  Arbeit  zurück  und  analysiert,  um  einen  Beweis 
von  diesen  Übertreibungen  zu  geben,  die  besonders  in  der  Cousine 
Bette  und  im  Cousin  Rons  zu  finden  seien,  den  letzteren.  Le 
Breton  befindet  sich  hier  im  vollständigen  Gegensatze  zu  Brune- 
tiöre,  der  diese  beiden  Werke  außerordentlich  hochschätzt  und  zwar 
wegen  ihrer  Wahrheit.  Wer  hat  Recht?  Beide  stellen  Behauptungen 
auf,    für    die    Wahrscheinlichkeiten    vorgebracht    werden,    aber    den 


AbbS  Charles  Calippe.     Balzac.     Ses  idees  sociales.         71 

Beweis  bleiben  sie  schuldig.  Man  vermißt  eben,  wie  auch  sonst,  auch 
hier  die  Exaktheit  in  der  Methode;  darum  sind  unanfechtbare  Resultate 
unmöglich  oder  nur  ein  Erzeugnis  des  Zufalls. 

Ebenso  ungenügend  scheinen  mir  die  Betrachtungen  über  den 
Pessiraimus  Balzacs.  Wenn  Balzac  in  den  letzten  10  Jahren  seines 
Lebens  vorwiegend  häßliche  Konflikte,  widerliche,  abstoßende  Charaktere 
geschildert  hat,  so  war  dies  eben  durch  seine  Stoffe,  vielleicht  auch 
durch  seine  Fähigkeiten  bedingt.  Aber  von  einem  Pessimismus 
Balzacs  zu  sprechen  halte  ich  für  ebenso  wenig  berechtigt,  als  man 
das  Recht  hat  zu  sagen,  Balzac  habe  „seine  Zeit"  wiedergegeben, 
oder  „in  seinen  Werken  spiegle  sich  seine  Zeit",  und  wie  die  schönen 
Worte  alle  heißen. 

Das  letzte  Kapitel  —  das  unvermeidliche  Kapitel  über  den 
Einfluß  Balzacs  —  ist  dem  entsprechenden  Kapitel  von  Brunetiere, 
soweit  dieser  nicht  das  gleiche  sagt,  entschieden  überlegen;  Le  Breton 
stellt  allerdings  nicht  viel  anders  fest,  als  daß  Balzac  auf  das 
Drama  und  den  Roman  des  XIX  Jahrhunderts  von  Einfluß  gewesen 
ist,  und  das  ist  kein  großes  Wunder  und  auch  nicht  viel  Neues;  nur 
Labiche  ist  zu  den  Beeinflußten  hinzugekommen. 

Ein  Index  ist  dem  Buche  nicht  beigegeben.  Der  Wert  des 
inhaltreichen  Buches  wird  dadurch  vermindert.  Dagegen  ist  am  Ende 
des  Buches  seine  chronologische  Liste  der  Werke  aufgeführt,  aus 
denen  die  Comklie  humaine  besteht;    sie  scheint  mir  recht  unnötig. 

Freiburg  i.  Br.  J.  Haas. 


€alippe,  Abbe  Charles.    Balzac.  Ses  idSes  sociales.  Publications 
de  l'Action  populaire,  Paris  V.  Lecoffre  o.  J.  116  S.  8».  Fr.  2,50. 

Die  „katholische  Idee"  hat  im  XIX  Jahrhundert  immer 
die  „sociale  Idee"  in  sich  gefaßt;  in  verschiedener  Weise  macht 
sich  der  soziale  Gedanke  bei  den  einzelnen  geltend;  aber  er  findet  sich 
bei  allen,  auch  bei  Balzac. 

Von  den  Bauern  hat  Balzac  in  den  Paysans  sehr  düster  gefärbte 
Bilder  gegeben.  Er  zeigt  die  Bauern  in  furchtbarem  Elend  und  darum 
dem  Diebstahl  und  Verbrechen  zugetan.  Für  dieses  Elend  sind  die 
oberen  Khtssen  verantwortlich  zu  machen;  infolge  ihrer  Irreligiosität 
ohne  sittlichen  Halt  haben  sie  keine  Achtung  vor  dem  Volk  und  dem 
kleinen  Eigentum,  sie  verletzen  leicht  das  Recht  und  finden  oft  bei 
feilen  Beamten  und  Riihtern  Unterstützung;  dieses  Unrecht  birgt  schwere 
Folgen  in  sich.  Dazu  kommt  die  verheerende  Wirkung  des  Erbrechts 
des  Code  Napoleon,  das  den  Großgrundbesitz  ruiniert  oder  unmöglich 
macht,  eine  gesunde  Landwirtschaft  auf  die  Dauer  unmöglich  macht 
und  dann  den  Staat  den  schwersten  Gefahren  des  sozialen  Krieges 
eutgegenführt. 


!72  Referate  und  Rezensionen.     J.  Haas. 

Diesen  Gefahren  gegenüber  stellt  Balzac  als  Heilmittel  die 
Tätigkeit  der  „superiorites  sociales,"-  das  heißt  die  Mitglieder  aller 
Volksklassen,  die  sich  infolge  ihres  religiösen  Glaubens  ihrer  sozialen 
Pflichten  bewußt  sind;  diese  Pflichten  bestehen  nicht  nur  in  Werken 
der  Nächstenliebe,  sondern  auch  darin,  daß  sie  Arbeitsgelegenheit  schaffen, 
und  zwar  in  allen  Betätigungen  menschlicher  Arbeit. 

Die  Folgen  der  erteilten  politischen  Rechte,  namentlich  des  Wahl- 
rechts an  die  Nichtbesitzenden,  muß  den  Kommunismus  zur  Folge  haben, 
vor  dem  es  nach  Balzac  nur  eine  Rettung  gebe,  die  Förderung  des  Erwerbs 
von  Grundbesitz  durch  die  Bauern,  wobei  sich  Balzac  mit  sich  selbst 
in  Widerspruch  setzt;  denn  hier  erklärt  er  als  soziales  Mittel,  was  als 
Folge  des  Code  Napoleon  nach  seiner  Ansicht  der  Nation  volks- 
wirtschaftlich zum  Verderben  gereicht. 

Darauf  gibt  der  Abbe  Calippe  Balzacs  Ansicht  über  die 
soziale  Tätigkeit  der  Priester  und  führt  drei  Beispiele  von  Priester- 
typen aus  der  ComSdie  humaine  an,  den  Ahbe  Jauvier  des  MMecin 
campagyie,  Abbe  Brosettes  des  Paysan,  Abbe  Bonnet  des  Cure  de 
Viliage.  Zum  Schluß  folgen  einige  Belegstellen  aus  Der  Comedie 
Humaine  als  sogenannte  Documents.  Das  Buch  des  Abbe  Calippe, 
dessen  Gedankengang  hier  wiedergegeben  ist,  ist  ein  tendenziöses  Werk, 
das  jeder  Kritik  entbehrt. 

Freiburg  i.  Br.  J.  Haas. 


RoilX,  Fernand.  Balzac,  Jurisconsulte  et  Criminaliste.  Paris 
Dujarric  et  C«   1906.  VH  und  380  S.    80.  Fr.   3.50. 

Nach  einem  einleitenden  —  anerkennenswerten  —  Kapitel  über 
den  Menschen,  den  Philosophen,  den  Künstler  Balzac  stellt  Roux 
Balzacs  Ideen  über  Politik,  Rechtswesen  und  soziale  Verhältnisse  dar, 
soweit  sie  in  seinen  Werken  zum  Ausdruck  kommen.  Er  zieht  dabei 
nicht  nur  die  Comedie  Humaine  heran,  sondern  auch  die  meist  ver- 
schmähten, für  die  Kenntnis  Balzacs  aber  unentbehrlichen  Schriften, 
die  in  der  Ausgabe  von  Calmann-Levy  Bd.  XX  — XXHI  bilden. 

Das  fleißige  Buch,  das  wohl  erschöpfend  Balzac's  Ideen  über 
die  erwähnten  Gegenstände  behandelt  und  sie  mit  den  Anschauungen 
moderner  Piiilosophen  und  Rechtslehrer  vergleicht,  um  nachher  die  ver- 
schiedenen Typen  zu  charakterisieren,  in  denen  Balzac  seine  Ideen 
verkörpert  hat,  scheint  mir  trotz  seiner  Vorzüge  auf  einem  großen 
Irrtum  zu  beruhen. 

Roux  hält  Balzacs  Werk  für  ein  einheitliches  Werk  —  er  ist 
nicht  der  einzige,  den  der  Titel  Comedie  Humaine  in  seinen  Bann 
zwingt  —  oder  doch  für  das  Erzeugnis  eines  einheitlichen  Ideenkreises. 
Meines  P^rachtens  liegt  darin  ein  Irrtum;  weder  sind  Balzacs  Convictions 
politiques  immuables  gewesen,  wie  der  Verfasser  p.  44  behauptet,  noch 
sind  die  Anschauungen  Balzacs  so  einheitlich  geblieben,  wie  Roux  es  an- 
nimmt. Von  diesem  Punkte  abgesehen,  ist  das  Buch  eine  tüchtige  Arbeit. 


Claude   Tillier.     Pamphlets.  73 

Roux  bespricht  zunächst  Balzacs  soziale  Philosophie,  seine 
Ideen  über  Politik  und  Rechtswesen,  über  Familie  und  Eigentum,  über 
die  väterliche  Gewalt,  das  Erb-  und  Erstgeburtsrecht,  über  Ehe, 
Grundeigentumsverhältnisse,  über  bewegliches  Eigentum  und  Verträge 
civilrechtlichen  Charakters. 

Nach  diesen  abstrakten  Erörterungen  kennzeichnet  Roux  die  in 
betracht  kommenden  Personen  des  Juristenstandes  der ComMieHumaine; 
die  verschiedenen  Typen  von  Gerichtsschreibern,  avoues,Notaren,  Agenten 
und  Geldvermittlern  und  avocats  werden  in  ihrer  Eigenart  skizziert. 
Sodann  wendet  sich  Roux  zur  Charakterisierung  der  zwei  Richtertypen 
Popinot  und  Camusot,  der  hohen  richterlichen  Beamten  und  der  Gerichts- 
höfe der  ComMie  Humaine. 

Zuletzt  behandelt  Roux  die  Verbrecher  der  Balzacschen  Romane 
ausgehend  vom  phantastischen  Vautrin  um  sodann  die  einzelnen  gewohn- 
heitsmäßigen Verbrechergestalte!),  die  Verbrecherhöhle  der  Paysans  und 
die  Gelegenheitsverbrecher  einer  kurzen  Betrachtung  zu  unterziehen. 

Freiburg  i.  Br.  J.  Haas. 


Tillier,  Claude.  Pamphlets  {l^^O — 1844).  Edition  critique  publiee 
avec  introduction,  notices  historiques  et  notes  par  Marias 
Ger  in,  Professeur  au  Lycee  de  Nevers,  Paris  A.  Bertout  und 
Nevers  Mazeron  Freres   1906.  XXVIII  und  688  S.  Frs.  12. 

Marius  Gerin  hat  sich  das  Studium  Claude  Tilliers  zur  Aufgabe 
gestellt.  Eine  Reihe  von  kleineren  Arbeiten  über  den  Journalisten  von 
Clamecy  und  Nevers,  sowie  eine  größere  Arbeit  hat  er  schon  ver- 
öffentUcht;  in  der  Zeitschrift  sind  diese  Arbeiten  kurz  nach  Erscheinen  an- 
gezeigt worden.  Besonders  liegt  Marius  Gerin  daran,  seine  Landsleute 
für  Cl.  Tillier  zu  interessieren  und  ihnen  seine  Bedeutung  vor  Augen 
zu  führen.  Aus  diesem  Bestreben  heraus  ist  auch  die  vorliegende, 
zunächst  in  500  Exemplaren  gedruckte  Ausgabe  entstanden,  die  die 
politische  Arbeit  Tilliers,    soweit    sie  literarischer  Natur   ist,   enthält. 

Auf  den  Inhalt  der  Pamphlete  einzugehen  und  die  Ideen  Tilliers 
kritisch  zu  beleuchten,  erübrigt  sich;  es  würde  dies  über  den  Rahmen 
dieser  kurzen  Anzeige  weit  hinausgehen.  Nur  soviel  sei  gesagt,  daß 
die  Lektüre  dieser  Pamphlete  auf  die  Dauer  trotz  des  lebendigen  Stils 
Tilliers  doch  etwas  ermüdend  wirkt.  Es  spiegelt  sich  freilich  darin 
ein  Stück  französischer  Provinzialgeschichte  wieder,  das  durchaus  nicht 
ohne  Interesse  ist.  Die  in  diesen  Aufsätzen  entwickelten  Gedanken 
sind  aber,  soweit  sie  nicht  Gemeinplätze  geworden  sind,  so  überholt 
oder  veraltet,  daß  die  Lektüre  nur  einen  geschichtlichen  Wert  hat. 
Freilich  beleuchten  sie  die  politischen  Kämpfe  einer  französischen  Provinz 
zur  Zeit  des  Julikönigtums  in  ganz  vortrefflicher  Weise,  und  darum 
werden  Historiker  und  Romanisten  diese  Ausgabe  immerhin  freudig 
begrüßen. 


,74  Referate  und  Rezensionen.     Eugene  Ritter. 

Sie  werden  sie  aber  um  so  freudiger  begrüßen,  weil  sie  mit 
außerordentlichem  Fleiß  von  sachkundigster  Seite  ausgeführt  worden  ist. 

In  einer  Einleitung  spricht  sich  Marius  Gerin  über  die  Quellen 
aus  und  fügt  einige  Bemerkungen  über  das  historische  Interesse  und 
den  literarischen  Wert  des  Pamphlete  Tilliers  hinzu;  hieran  reiht  sich 
ein  kurzes  Kapitel  über  „Claude  Tillier's  Geist  und  Charakter." 

Jedem  einzelnen  Pamphlet  ist  eine  „Notice'-''  vorangeschickt, 
die  Auskunlt  gibt  über  die  geschichtliche  Veranlassung  der  betreffenden 
Schrift,  sowie  über  die  historischen  Quellen  und  über  den  Text.  Dem 
Pamphlete  folgen  Anmerkungen  zur  Erklärung  einzelner  nicht  allgemein 
bekannter  Tatsachen  und  lokaler  Anspielungen. 

Wie  schon  gesagt,  will  ich  auf  den  Inhalt  der  Tillierschen 
Schriften  nicht  eingehen.  Marius  Gerin  wird  vielleicht  sich  entschließen, 
sein  Arbeitsfeld  etwas  zu  erweitern  und  uns  eine  Geschichte  des 
Pamphlets  zur  Zeit  der  Julirevolution  zu  geben;  er  wäre  der  richtige 
Mann  zu  der  Arbeit,  die  sehr  verdienstlich  wäre.  Es  sei  hier  vor- 
läufig nur  kurz  auf  Cornicelius  Aufsatz  Claude  TiUier  als  Pamphletist 
(Herrigs  Archiv,  Bd.  109  p.  34  S.  ff)  hingewiesen. 

Die  äußere  Ausstattung  der  Ausgabe  ist,  was  Druck  und  Pai)ier 
betrifft,  tadellos. 

Freiburg  I.  Bb.  J.  Haas. 


Alfred  de  Müsset.  Correspondance  (1827 — 1857)  recueillie  et 
annotee  par  Leon  Seche,  avec  un  portrait  de  Musset  en 
hcliogravure,  et  des  reproductions  de  dessins  et  d'autographes. 
Paris.    Societe  du  Mercure  de  France.    1907.   295  pages  8'\ 

De  beaucoup  d'ecrivains  frangais  du  19®  siecle  (Chateaubriand 
et  madame  de  Stael,  Lamartine  et  Victor  Hugo,  Vigny,  Merimee. 
Sainte-Beuve,  George  Sa.f^d,  Flaubert  et  Taine)  on  possede  deja,  soit 
leur  Correspondance  generale,  soit  quelques  recueils  de  lettres,  Pour 
la  plupart  d'entre  eux,  l'interet  biographique  de  ces  lettres  l'em- 
porte  sur  l'agrement  litteraire:  ils  ont  ecrit  ä  leurs  correspondants. 
comme  ils  auraient  parle  au  premier  venu ;  ils  reservaient  leur  talent 
pour  leurs  ouvrages.  Quelques- uns  pourtant,  entre  autres  Merimee 
et  Sainte-Beuve,  tenaient  ä  bien  ecrire  tout  ce  qui  portait  leur 
signature,  quand  meme  ils  ne  seraient  lus  qne  d'une  seule  personne. 
Tout  cn  gardant  le  ton  simple  et  aise  qui  convient  ä  une  lettre, 
ils  avaient  soin,  comme  Voltaire  en  son  temps,  de  donner  une  bonne 
tournure  ä  tout  ce  que  tra^ait  leur  plume. 

Alfred  de  Musset  ne  prenait  pas  cette  peine,  et  ne  craignait 
pas  d'ecrire  ä  la  diable.  Comme  on  l'a  dit  de  madame  de  Stael, 
il  ne  mettait  dans  ses  lettres  que  Tesprit  qu'il  ne  pouvait  s'empcclier 
d'avoir.    Mais  comme  il  en  avait  beaucoup,  et  aussi  de  grands  elans 


Victor  Giraiid.     Livres  et  Questions  cVaujoiinTlmi.  Ib 

de  passion,  il  y  a,  dans  le  recueil  que  vient  de  publier  M.  Seche, 
un  melange  de  pages  agreables  ä  lire,  et  d'autres  qui  sont  simplement 
docuraentaires. 

Musset  est  mort  ä  46  ans ;  et  de  cette  courte  vie,  les  dix  ou 
quinze  dernieres  annees  ont  ete  quasi  vides  et  steriles.  Le  recueil 
de  ses  lettres,  qui  n'est  nulle  part  bien  touffu,  y  est  encore  plus 
depouille  qu'ailleurs.  De  rannee  1852,  qui  est  celle  de  son  election 
ä  l'Academie  fran^aise,  on  n'a  pas  retrouve  le  plus  petit  billet;  de 
meme,  pour  185o  et  1855.  M.  Seche  n'a  pu  reuuir  en  tont  que 
183  lettres,  adressees  ä  une  soixaiitaine  de  correspondants.  Mais 
d'autres  lettres,  dont  rexisteuce  est  connue,  sans  qu'il  ait  pu  en 
obtenit  communicatioii,  perniettront  un  jour  de  doubler  ä  peu  pres 
son  petit  recueil.  Tel  qu'il  est,  il  sera  le  bienvcnu  de  tous  ceux 
qui  aimeut  Alfred  de  Musset  i). 

Cinquante  ans  se  sont  ecoules  depuis  la  mort  du  poete   (2  mai 
1857)  en  sorte  que  ses  ceuvres  viennent  de  tomber  dans  le  domaine 
public.    C'est  le  momeut  de  dire  qu'elles  ont  besoin  d'un  annotateur. 
Le   lecteur,   pour   comprendre  certaiues   poesies   de  Musset,   a  besoin 
d'etre  guide  dans  le  dedale  de  sa  vie  agitee.    Ces  cris  du  cceur  ont 
ete   proferes   ä   tels  moments,    ont   ete  adresses  ä   telles  personnes, 
qu'on   peut,   qu'on   doit   fixer.     II  y   a  gä   et   lä   aussi  des  alhisions 
qui   se  rapportent   on   ne   sait   ä   quoi;   11    faudra  chercher.     Et  par 
exemple,   je    ne   saurais   dire   (je   Tavoue)   ä   quel   poeme   ou   ä   quel 
roman   pensait  Alfred  de  Musset,   quand  il  ecrivait  dans  Namouna: 
Oh!  oui,  n'en  doutez  pas,  c'est  un  plaisir  perfide 
Que  d'enivrer  son  arae  avec  le  vin  des  sens. 
Et  de  laisser  tomber,  coimne  la  jeune  Elfride, 
La  clef  d'or  de  son  coeur  dans  les  eaux  des  torrents  .  .  . 

Geneve.  Eugene  Ritter. 


Oiraild,  Victor.  Livres  et  Questions  d'aujourdliui.  Paris, 
Hachette  et  C'«-  1907.  XV  +  283  S.  3.50  fr. 
Der  leitende  Gedanke,  der  durch  die  in  dem  vorliegenden  Buche 
vereinigten  Aufsätze  hindurchgeht,  die  Inspiration  maiti'esse,  die  dem 
Verfasser  die  Consequenz  seines  Standpunktes  vorschreibt,  ist  die 
Überzeugung,  daß  man  in  der  Geschichte  Frankreichs,  in  der  politischen 
oder  sozialen,  in  der  philosophischen  und  selbst  literarischen,  sobald 
man  nur   in   die  Tiefe   gehe,    das   ewige   und   lebendige  Problem  des 


1)  Je  n'ai  que  de  menues  observations  ä  presenter  sur  quelques  dates. 
La  4e  lettre  est  datee  du  lundi  18  septenibre  1829;  mais  on  1829,  le  18 
septembre  etait  un  vendredi.  La  .>  lettre  est  datee  du  mercredi  20  octobre 
1829;  mais  en  1829,  le  20  octobre  etait  un  mardi.  La  85e  lettre  est  datee 
du  jeudi  28  juiu  1837;  mais  en  1837,  le  28  juin  etait  un  mercredi.  La  180« 
lettre  est  datee  du  jeudi  9  fevrier  1857.  Mais  en  1857,  le  9  fevrier  etait 
un  lundi. 


76  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Küchler. 

Glaubens  antreffe.  Die  Goschiclite  der  französischen  Literatur,  so 
glaubt  der  Verfasser,  ist  nur  ein  langes,  ununterbrochenes  Duell 
zwischen  den  Gläubigen  und  den  Ungläubigen,  zwischen  denen,  die 
so  glauben  und  denen,  die  anders  glauben.  Dem  objektiven  Historiker, 
auch  wenn  er  selbst  jedes  positiven  Glaubens  bar  sei,  müsse  das 
religiöse  Prinzip  als  das  den  ganzen  Gang  der  französischen  Literatur 
beherrschende  erscheinen.  Die  meisten  der  großen  Schriftsteller 
Frankreiclis  hätten  sich  kaum  für  andere  Ding-e  als  die  religiösen 
interessiert,  die  bedeutendsten  Werke  der  französischen  Literatur 
seien  die,  welche  diese  geistige  Verfassung  widerspiegeln.  Daher  müsse 
man,  wenn  man  in  das  Herz  der  Dinge  gehen  wolle,  vor  allem  die 
religiösen  Gedanken  unserer  großen  Schriftsteller  studieren,  durch- 
dringen und  kritisch  beleuchten.  „Puisque  le  jyoint  de  vue  religieuse 
est  celui  auquel  ils  se  sont  surtout  places  pour  voir  le  monde  et 
pour  juger  la  vie,  cest  au  point  de  vue  religieuse  surtout  quHl 
faut  se  placer  aussi  pour  les  comprendre  et  p)our  expliquer  leur 
ceuvre  et  leur  action.''  Und  diese  Notwendigkeit  gelte  nicht  nur 
für  das  Studium  der  großen  Schriftsteller,  die  zugleich  Theologen 
oder  Religionsphilosophen  gewesen  sind,  sie  sei  ebenso  gut  vorhanden, 
wenn  es  sich  handele  um  die  Romanschriftsteller,  Dramatiker,  Mora- 
listen und  Poeten,  welche  in  ihrem  Leben  und  in  ihren  Werken  den 
religiösen  Fragen  gegenüber  gleichgültig  geblieben  seien.  Der  Ver- 
fasser geht  noch  weiter.  Der  grössere  oder  geringere  Gehalt  religiöser 
Gedanken  in  einem  Werke  der  Literatur  wird  ihm  zum  Maßstabe 
der  Wertschätzung.  Wenn  der  Schriftsteller  sich  bis  zu  der  höchsten 
Frage  aufschwingt,  die  der  Mensch  ins  Auge  fassen  kann,  wenn  er 
die  sichtbare  Welt  und  das  Gebiet  der  Erscheinungen  verläßt  und 
in  den  Bereich  der  Barmherzigkeit  {Vordre  de  la  »charite^)  eintritt, 
wenn  er  mit  neuer,  umfassender  Geisteskraft  das  Problem  des  Glaubens 
und  des  Geschickes  aufstellt,  dann,  falls  seine  Kunst  ihn  nicht  verrät, 
falls  sein  Denken  hell,  kräftig  und  kühn  bleibt,  dann  gelangt  sein 
Werk  zu  unvergleichlicher  Bedeutung  und  Tragweite,  und  es  scheint, 
als  ob  die  Fragen,  die  er  aufrührt,  ihm  etwas  von  ihrer  Größe  und 
Ewigkeit  mitteilen.  „  Voilä  ce  qui  classe  deßnitivement  une  ceuvre 
litt^raire,  et  eleve  un  Scrivain  au-dessus  de  ses  rivaux,  et  parfois 
au-dessus  de  lui-raeme.^  .  .  .  Voilä  ce  qui,  dans  V ceuvre  de 
Corneille,  eleve  Polyeucte  au-dessus  du  Cid,  dans  l'oeuvre  de 
Racine,  Athalie  au-dessus  de  Phedre,  dans  celle  de  Möllere, 
Tartuffe  au-dessus  des  Femmes  savcmtes,  —  et  le  Port-Royal  de 
Sainte-ßeuve  au-dessus  des  Nouveaux  Lundis.  Und  wenn  die 
Maximen  La  RochefoucauUrs  an  Vollendung  und  Originalität  der  Form, 
an  Tiefe  und  Reichtum  des  Gedankens  den  PensSes  Pascals  gleich- 
gestellt zu  werden  verdienten  —  dennoch  bliebe  eine  unüberschreit- 
bare  Kluft  zwischen  diesen  beiden  Werken. 

Wenn   so  der  Kritiker  aus  den  Werken  der  Literatur  heraus- 
hebt, was  sie  an  Ewigkeitsgehalt  in  sich  schließen,   so  hebt  er  auch 


Victor  Giraud.     Livres  et  Quesiions  d'aujourdlmi.  77 

aus  ihnen  heraus,  was  wahrhaft  ,,actuel''  ist.  Frankreich  macht 
heute  eine  Zeit  durch,  in  der  die  religiöse  Frage  auf  das  Heftigste 
die  Gemüter  bewegt.  Die  Probleme  und  Kämpfe,  die  uns  bewegen 
und  trennen,  sie  tragen  augenscheinlich,  so  meint  der  Verfasser  „une 
origine  religieuse''^ .  Und  darum  suchen  wir  mit  Eifer  in  den  Werken 
der  Vergangenheit  den  religiösen  Grund,  auf  dem  sie  sich  aufbauen. 
Unser  Denken  von  heute  mischt  sich  mit  dem  vergangenen,  die  alten 
Werke  verschmelzen  mit  dem  moralischen  Leben  unserer  Tage,  sie 
durchleuchten  sich  mit  einem  ganz  neuen  Licht,  sie  gewinnen  erst  jetzt 
ihren  wahren  Sinn,  der  Schauer  des  Lebens  durchwallt  sie  von  neuem. 
Der  verehrte  Meister  des  Verfassers  der  „Livres  et  quesiions 
d'aujourd'/iui'\  Ferdinand  Brunetiere,  schärfte  einmal  in  einer  Vor- 
lesung über  die  „Renaissance  du  Naturaiisme'^  ^)  seinen  Schülern 
und  Zuliörern  ein:  „Oui,  faites-y  bien  attention,  Messieurs:  dans 
toutes  les  discussions  d'art,  quelles  viennent  ä  s'ilever  sur  la  valeur 
d'une  toile  ou  sur  celle  d'une  comedie,  lorsque  nous  agiions  la 
question  de  savoir  si  la  maniere  de  Titien  est  plus  haute  que 
Celle  de  Rubens,  ou  pourquoi  V Andromaque  de  Racine  est  au- 
dessus  de  la  Zaire  de  Voltaire,  toujours,  que  nous  le  sachions 
ou  non,  nous  en  appelons,  si  je  puis  ainsi  dire,  ä  un  tiers  inter- 
locuteur;  et  ce  tiers  c'est  la  naturel  Quelle  idSe,  ou,  si  vous  le 
prSferez,  quelle  Sensation  de  la  natvre  et  de  la  vie  les  Venus  de 
Titien  ou  les  nymjjlies  de  Rubens  nous  procurenf-elles?  Quel  est 
le  degre  de  vraisemblance  ou  de  verite  de  Pyrrhus  et  d' Andromaque, 
d'Oreste  et  d'Hermione,  de  Zaire,  d'Orosmane,  de  Lusignan? 
Qu'expriment-ils  d'humain'?  Par  ou  sortent-ils  peut-etre  de  la  naiure 
pour  entrer  dans  le  domaine  de  la  cö7iventio7i?  C'est  l'eternel 
Probleme  .  .  .  Also,  faites-y  bien  attention,  nur  den  Grad  der  künst- 
lerischen Wiedergabe  der  Natur  will  da  der  vielgepriesene  und  ge- 
schmähte „Literaturpapst"  Brunetiere  als  Maßstab  für  die  Einschätzung 
der  Werke  der  Kunst  und  Dichtung  gelten  lassen.  Das  Verhältnis 
von  Kunst  und  Natur  ist  ihm  in  Fragen  des  künstlerischen  Schaffens 
das  „ewige  Problem".  Wo  bleibt  da  der  Glaube?  Herr  Giraud 
wird  vielleicht  entgegnen,  Brunetiere  fordere  aber  doch  die  Wieder- 
gabe, den  reinen  Ausdruck  des  Menschlichen,  und  das  Göttliche,  die 
Sehnsucht  nach  dem  Göttlichen,  der  Glaube  sei  ein  Teil  des  Mensch- 
lichen, mache  die  Tiefe  des  Menschlichen  aus.  Sicherlich,  ein  mensch- 
liches Dasein,  das  stumpfsinnig  in  der  niedrigen  Enge  brutaler  Lebens- 
instinkte auffzeht,  das  keinen  Augenblick  innehält  in  seinem  gierigen 
Zusammenraffen,  um  nachzudenken  über  den  Sinn  des  Lebens,  das 
sich  nicht  manchmal  aufschwingt  in  ahnungsvollem  Staunen  und 
fragendem  Erkennenwollen  ist  ein  leeres  Dasein,  es  fehlt  ihm  eine 
Sehnsucht  und  eine  Inbrunst,  die  wir  in  dem  vollkommenen  mensch- 


')  in  VEvolution    de    la    Poesie    lyriqtte    en   France    au    dix-neuvieme    siccle. 
3.  Ausgabe,    t.  II  p.  118. 


78  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Küchler. 

liehen  Wesen  suchen.  Aber  ist  diese  Tiefe  des  Menschlichen  immer 
der  Glaube?  Kann  es  nicht  oft  ein  Verlangen  nur  nach  Schönheit, 
ein  Aufgehen  in  Harmonie  sein,  ein  Wille  nach  Erkenntnis  der  rein 
physischen  Lebensfunktionen  sein,  kann  es  nicht  sein  ein  ideales 
Aufgehen  im  Dienste  der  Menschheit,  ein  selbstloses  Kämpfen  um 
den  sozialen  Fortschritt,  ein  Kämpfen,  dem  der  Glaube  an  Göttliches 
mangelt?  Ist  nicht  die  Liebe  ein  Teil  des  Menschlichen,  der  gewaltig, 
tief  und  erhaben  sein  kann,  ohne  jede  Beimischung  des  Glaubens? 
Und  ist  ein  Mensch,  der  glaubt,  besser  und  schöner  veranlagt,  als 
ein  Mensch,  der  nicht  glaubt,  sondern  auf  Pfaden  des  Zweifels  nach 
Wahrheit  sucht? 

In  Kunst  und  Literatur  ist  wirklich  überall  in  der  Tiefe  das 
Problem  des  Glaubens?  Betrachtet  man  nicht,  wenn  man  von  einer 
solchen  Voraussetzung  ausgebt,  die  Geschichte  der  Kunst  und  Literatur 
unter  einem  schiefen  Gesichtswinkel?  Mir  will  scheinen,  Herr  Giraud 
tut  Unrecht  seinen  Schülern  einzureden,  die  ganze  französische 
Literatur  sei  ein  ununterbrochener  Kampf  zwischen  Gläubigen  und 
Ungläubigen,  bei  allen  Schriftstellern  sei  die  Frage  nach  ihrem  religiösen 
Standpunkt  aufzuwerfen.  Es  ist  unrecht,  seinen  Schülern  zu  lehren: 
Polyeiicte  ist  besser  als  Cid,  Athalie  besser  als  Phedre,  und  wenn  die 
Pensies  den  Maximes  vollständig  gleich  wären,  so  wären  sie  doch 
noch  besser;  denn  der  religiöse  Gedanke  ist  in  ihnen  wirksam. 

Wenn  Giraud  recht  hätte  mit  seiner  Behauptung,  die  ganze 
französische  Literatur  sei  ein  ununterbrochener  Kampf  zwischen  denen, 
die  glauben  und  denen,  die  nicht  glauben,  so  müßte  die  eine  Hälfte 
der  französischen  Schriftsteller  von  religiöser  Inspiration  getragen 
sein,  die  andere  Hälfte  von  unreligiöser  oder  einer  anders  gearteten 
religiösen  In-ph-ation.  Oder  es  müßten  sich  ganze  Zeitalter  in  be- 
wußtem religiösen  Kampfe  gegenüberstehen.  Aber  tatsächlich  liegen 
die  Dinge  so,  daß  in  den  weitaus  meisten  Fällen  die  Dichter  und 
Künstler  zum  Schaffen  getrieben  werden  durch  jenes  eigentümliche, 
dichterisch-künstlerische  Genie,  durch  jene  tiefere  und  feinere  Auf- 
fassung der  Natur  und  des  Menschlichen,  durch  jene  geheimnisvolle 
Gabe  des  rein  formalen  Könnens.  Sie  schaffen  aus  sich  heraus, 
nach  ihren  künstlerischen  Idealen  und  je  nach  einer  zu  ihrem  künst- 
lerischen Genie  hinzutretenden  persönlichen  Veranlagung,  oder  auch 
nach  Einflü>sen  und  Tendenzen,  die  in  der  Zeit,  im  Augenblicke  liegen, 
nehmen  sie  teil  an  den  religiösen  Fragen,  so  wie  es  Laien  und  Priester 
und  Forscher  auch  tun.  Von  einer  durch  die  Jahrhunderte  der 
französischen  Geschichte  hindurchgehenden  religiösen  Inspiration  bei 
Schriftstellern  und  Künstlern,  welche  die  erste  und  vornehmste  Be- 
dingung ihres  Schaffens  wäre,  kann  keine  Rede  sein.  Natürlich  ist 
das  Problem  des  Glaubens  da.  Zeitweilig  waltet  es  vor,  wie  wohl 
auch  in  anderer  Zeit  ein  philosophisches  System,  das  mit  dem  Glauben 
an  sich  nichts  zu  tun  hat,  die  Gemüter  beherrscht.  Es  mischt  sich 
hinein  in  Fragen  der   Politik,    des    sozialen  Fortschritts,    der   Kunst 


Victor  Giraud.     Livres  et  Questions  cC aujourd'hui.  79 

und  GS  kotiimt  wohl  vor,  daß  die  Künstler  die  Einmischung  des 
Glaubens  in  ihr  freies  Schaffen  abwehren  müssen. 

Es  ist  unrichtig  zu  behaupten,  wie  es  Herr  Giraud  tut,  daß 
das  Verhältnis  eines  Ronsard,  Leconte  de  Lisle,  Racine,  Augier, 
La  Rochefoucauld,  Vauvenargues,  Balzac  oder  Flaubert  zur 
Religion  die-  allgemeine  Richtung  und  Bedeutung  ihres  Werkes 
bestimmen.  Es  ist  zum  mindesten  unnütz  zu  sagen:  „Wer  sieht 
nicht  ein,  daß  das  Innerste  von  Leconte  de  liisle's  Poesie  von 
Grund  aus  verändert  wäre,  wenn  er  Christ  gewesen  wäre."  Nein, 
wir  müssen  uns  damit  abfinden,  die  Poesie  ungläubiger  Dichter  ledig- 
lich nach  den  in  ihr  wohnenden,  ihr  eigentümlichen  Werten  zu 
beurteilen  und  dürfen  nicht  zum  Vergleiche  nach  der  Poesie  des 
gläubigen  Dichters  hinüberschielen.  Leconte  de  Lisle  war  ein  Heide 
mitten  in  der  Christenheit,  Paul  Verlaine  zu  Zeiten  ein  inbrünstiger, 
glaubensheißer  Katholik  und  Bekenner.  Wie  kann  man  ihre  Poesie 
miteinander  vergleichen,  indem  man  von  der  Religiosität  ausgeht. 
Gewiß,  man  wird  im  Laufe  einer  vergleichenden  Betrachtung  auch 
von  den  religiösen  Empfindungen  des  einen  und  der  indisch -pessi- 
mistischen, griechisch-schönheitsuchenden  Weltanschauung  des  andern 
sprechen  müssen,  und  man  wird  von  dem  Einflüsse  dieser  ihrer  Gefühle 
Stimmungen  und  Überzeugungen  auf  ihre  Werke  handeln.  Aber  man 
wird,  solange  man  unvoreingenommen  bleibt  und  umfassend  denkt, 
ihr  Verhältnis  zur  Religion  nicht  als  bestimmend  für  die  „orientation 
gSnirale  et  la  signißcation  de  leur  oeuvre'*  ansehen  wollen.  Tut  man 
es  doch,  so  betrachtet  man  eben  die  Literaturgeschichte  unter  einem 
falschen  Gesichtswinkel. 

Der  Verfasser  meint,  wenn  Ronsard  an  der  Reformation  teil- 
genommen hätte,  dann  hätte  er  den  „Discours  sur  les  miseres  de 
ce  temps"  nicht  geschrieben,  und  sein  Vers  würde  nicht  diese  „sotiorite 
joyeuse"  gehabt  haben,  die  so  stark  mit  der  „tristesse"  des  Stiles 
Calvins  kontrastiert.  Dem  ist  zu  erwidern,  daß  Ronsard  aus  innerer 
Überzeugung,  aus  tiefer  Religiosität  die  Reformation  nicht  abgelehnt 
hat,  daß  ihn  lediglich  das  bequeme  Festhalten  an  der  Tradition 
leitete,  nur  sein  künstlerisch-genießendes,  etwas  oberflächliches  Dichter- 
tum,  die  Scheu  vor  dem  Eindringen  in  die  Tiefe  des  Problems,  die 
Furcht  vor  der  Unruhe.  Gründe  bestimmten  ihn  also,  die  alles 
andere  waren  als  der  Glaube.  Ich  meine  der  wirkliche,  überzeugte 
Glaube,  ni"ht  der  gedankenlose,  mitlaufende,  unfreie  Glaube  des 
Jionnete  komme''.  Nicht  der  Glaube  jener  braven,  arbeitsamen, 
sparsamen  Millionen  der  dunklen  Masse,  jeaer  „  Troisihne  France^'', 
in  deren  Schoß  nach  dem  Glauben  der  Gläubigen  die  Kräfte  der 
Zukunft  liegen  sollen,  jener  bedrohten  Masse,  auf  der  noch  fest  die 
schwere  Hand  der  katholischen  Kirche  ruht.  Ihren  bequemen  Glauben, 
den  fort-  und  fortvererbteu  besaß  auch  Ronsard.  Wäre  sein  König 
zu  dem  neuen  Glauben  übergetreten,  so  würde  er  ihm  ohne  Zweifel 
gefolgt  sein.     Und  ob  dann  wirklich   die   „sonorite  joyeuse'''-    seines 


80  Referate  und  Rezensionen.     Walther  Küchler. 

Verses  gelitten  hätte,  mag  dahingestellt  bleiben.  Ich  weiß  einen  Mann, 
der  besaß  sicher  keinen  tiefen  Glauben,  und  er  neigte  ganz  entschieden 
zur  Reformation  liin,  und  seine  Prosa  hallt  dennoch  wider  von  einer 
unvergleichlichen  „so7iorite  joyeiise'*   —  Rabelais. 

Unsere  Aufgabe  liegt  in  anderer  Richtung.  Wenn  wir  im  Laufe 
unserer  Betrachtung  eine  Bewegung  vorwiegend  religiösen  Geistes,  eine 
Persönlichkeit  von  besonders  religiöser  Veranlagung  finden,  so  werden  wir 
dem  religiösen  Problem  unsere  Aufmerksamkeit  zuwenden.  Wenn 
wir  eine  Zeit  von  besonders  starken  politischen  Interessen  erfüllt, 
oder  von  sozialen  Tendenzen  durchsetzt  sehen,  so  werden  wir  alle 
diese  einzelnen  Faktoren,  einen  jeden  für  sich  in  seiner  Bedeutung 
für  den  Stand  und  die  Entwicklung  von  Kultur  und  Literatur  zu 
würdigen  haben.  Wenn  wir  bei  einem  schaffenden  Menschen  erkennen, 
daß  er  lebt  und  schafi't  und  Großes  und  Schönes  leistet  aus  seinen 
rein  künstlerischen  Träumen  und  Visionen  heraus,  so  werden  wir 
versuchen  in  die  Eigenart  seiner  künstlerischen  Organisation  einzu- 
dringen. Wir  werden  bei  Andre  Chenier  mit  ganz  anderen  ursprüng- 
lichen Qualitäten  zu  rechnen  haben,  als  bei  Chateaubriand.  Wir 
werden  bei  dem  einen  den  sinnenfrohen,  sinnlich-weichen  Schönheits- 
sinn bewundern  und  bei  dem  andern  erstaunen  über  die  großartige 
Einseitigkeit,  die  ihm  die  Kraft  gab  ein  Erneuerer  des  religiösen 
Gefühls  seines  Jahrhunderts  zu  werden. 


Wenn  Giraud  meint,  der  Grund  für  alle  die  Kämpfe,  die 
Frankreich  zur  Zeit  durchzumachen  habe,  sei  religiöser  Natur,  so 
erfordert  auch  diese  Formulierung  des  Gedankens  eine  kurze  Aus- 
einandersetzung. Wenn  ich  sage,  daß  eine  Bewegung  religiösen  Ur- 
sprungs sei  (Giraud  schreibt  ,^origine  foncieremcnt  religieuse"),  so 
will  ich  damit  andeuten,  diese  Bewegung  erhielt  ihren  Anstoß  aus 
religiösen  Motiven,  tiefinnerliche  Fragen  über  das  Verhältnis  des 
Menschen  zu  Gott  erregten  sie.  So  will  es  der  Sprachgebrauch  und 
der  Sinn.  Die  heutige  Bewegung  in  Frankreich  aber,  das  schwerste 
und  gefahrvollste  Problem,  das  dieser  Staat  seit  langer  Zeit  durch- 
zukämpfen hat,  ist  gerade  aus  antireligiösen,  oder  besser  gesagt,  anti- 
kirchlichen Beweggründen  hervorgegangen.  Die  Kirche  aus  sich  heraus, 
aus  inneren  Stürmen  und  Gärungen  heraus  hat  den  Kampf  nicht 
entfesselt.  Wenn  es  auf  sie  allein  angekommen  wäre,  gäbe  es  über- 
haupt keine  religiöse  Frage.  Die  Kirchenfeinde  haben  die  Verwirrung 
erregt,  gleichgültig,  aus  welchen  Motiven,  sicher  nicht  aus  Motiven 
des  Glaubens.  Aus  religiösen  Gründen  werden  Religionskriege  herauf- 
beschworen, Glaubenskämpfe,  bei  denen  auf  beiden  Seiten  etwa  religiöser 
Fanatismus  waltet  und  heiliger  Eifer;  aber  ein  solcher  Religionskrieg, 
entstanden  aus  einer  wirklichen  ^origine  religieuse""  ist  doch  die 
^.antiklerikale"  Bewegnng  nicht.  Das  wirkliche,  innere,  persönliche 
religiöse  Bedürfnis  läßt  sie  geflissentlich  außer  Acht. 


Victor  Giraud.     Livres  et  Questions  cVaujourcVhui.  81 

Daß  andere  Leute  anders  über  das  Vorhandensein  religiösen 
Gehaltes  in  der  Tiefe  aller  Probleme  des  kulturellen  Lebens  Frank- 
reichs denken,  lehrt  ein  Buch  des  unparteiischen  Kritikers  Emilo 
Faguet  „Ij'AnticlMcalisme",  ein  Buch,  mit  dem  sich  Giraud  in 
einem  Aufsatz  „AnticUricalisme  et  Catholicisme'-^  auseinandersetzt. 
Der  Leitgedanke  von  Faguets  Buch  ist  die  Behauptung,  daß  der  Franzose 
von  Grund  aus  unreligiös  sei.  „Le  fond  de  la  race  frangaise^  la 
gemraliie  des  Frangais  me  semhle  toiijours  avoir  ete  peu  capahle 
d'emhrasser  et  d'entretenir  Vesprit  religieux  et  le  sentiment  religieiix.^ 
Faguet  will  nur  innerhalb  des  Meeres  der  Religionslosigkeit  eine  Reihe 
von  Religionsinscln  gelten  lassen,  nur  einzelne  Gruppen,  die  von 
starkem,  aus  Oppositionsgeist  entstandenem  und  genährtem  religiösen 
Sinn  durchdrungen  sind.  Er  berührt  sich  in  dieser  Auffassung  mit 
einem  Worte  Victor  Hugo's,  das  dieser  in  der  Vorrede  zu  seinen 
„Ödes  et  Ballades''  im  Jahre  1824  geschrieben  hat.  Hugo  sagt 
von  den  Dichtern  Frankreichs:  „Ses  poetes  nationan.v  etaient 
presque  tous  des  poetes  pai'ens;  et  notre  littSrature  Stait  plutot 
C expression  d'une  societe  idoldtre  et  dhnocratique  que  d'une  societe 
monarchique  et  chretienne.""  Ich  stimme  mit  dieser  Behauptung 
V.  Hugos  nicht  ganz  überein,  ich  führe  sie  nur  als  interessantes 
Zeugnis  gegen  Girauds  These  an.  Wie  verhält  sich  Giraud  zu  dieser 
vielleicht  übertriebenen  Feststellung  Faguets?  Behauptet  er  seiner- 
seits, daß  der  Franzose  ,,essentiellement  religieux''  gesinnt  ist?  Er 
sagt  es  nicht,  obwohl  ihm  diese  Formel  der  Wahrheit  näher  zu  kommen 
scheint,  als  die  entgegengesetzte.  Er  überschlägt  sich  höchst  gewandt 
und  sagt:  „le  Frangais  a,  par  nature,  le  goüt  et  la  passion  meme 
de  Uapostolat."  Der  Franzose  ist  ein  äußerst  soziales  Wesen;  er 
kann  nicht  für  sich  allein  leben  und  denken,  er  empfindet  das  leb- 
hafteste Bedürfnis,  seine  Überzeugung  auch  anderen  beizubringen.  Er 
ist  der  geborene  Apostel.  Daß  er  sich  so  leicht  zum  Katholizismus 
bekehrt  hat,  kommt  daher,  daß  er  eine  Art  von  innerem  Zusammen- 
hang fand  zwischen  seinen  tiefsten  Instinkten  und  einer  Religion,  die 
das  Aposteltum  zur  vornehmsten  ihrer  Pflichten  machte.  Und  diese 
Neigung  Proselyten  zu  machen,  ist  so  mächtig,  daß  sie  selbst  in  der 
Brust  des  Ungläubigen  noch  bestehen  bleibt,  „Quand  le  Frangais 
devient  incridule,  son  increduUte  a  un  caradere  presque  religieux. '"' 
Weil  wir  diese  Leidenschaft  der  Propaganda  besitzen,  ist  bei  uns  die 
Frage  der  Religion  stets  d  Vordre  du  jour.  Auf  der  Tagesordnung, 
meinetwegen,  aber  nicht  im  innersten  Kern  der  Dinge. 


Die  allgemeine  Voraussetzung,  unter  der  die  Aufsätze  Girauds 
geschrieben  sind,  die  prinzipielle  Erhebung  des  Glaubensproblems  in 
den  Mittelpunkt  auch  der  literaturgeschichtlichen  Erscheinungen, 
mußte  von  uns  zurückgewiesen  werden.  Diese  These  widerspricht  den 
tatsächlichen  Verhältnissen  und  zwingt  die  historische  Befraclitung 
in  Bahnen,  die  ihr  nicht  ziemen.     Ihre  Anwendung  in  der  Forschung 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII 2.  6 


82  Referate  und  Rezensionen.      Walther  Knchler. 

wahrt  dem  Forscher  nicht  die  unbedingt  notwendige  Unbefangenheit 
und  Unparteilichkeit.  Die  Aufgaben  der  historisclien  Wissenschaft, 
auch  der  literarhistorischen  Wissenscliaft,  sind  andere  als  die  der 
l)raktischen  Morallehre.  Die  letztere  mag  unter  den  Persönlichkeiten 
der  Vergangenheit  und  ilircn  Werken  auswählen,  was  ihr  für  ihre 
Zwecke  dienlich  ist,  sie  mag  ihre  Werturteile  nach  ihren  Bedürfnissen 
fällen.  Der  Historiker  geht  mit  ganz  anderen  Voraussetzungen  an  seine 
Zeit  heran.  Ihm  ist  es  zunächst  ganz  gleichgültig,  ob  Pascal  oder  La 
Rochefoucauld  mehr  für  unsere  Zeit  bedeuten,  ob  im  Anfange  des 
"20.  Jahrhunderts  Pascal  auf  der  Tagesordnung  steht  und  fünfzig 
Jahre  später  etwa  Vauvenargues  mehr  geschätzt  wird.  Er  findet  nicht 
w'as  er  finden  will,  sondern  er  sucht  und  findet  was  da  ist.  Das  so  be- 
triebene Geschichtsstudium  ist  kein  enttäuschendes  Geschäft  und  keine 
alberne  Belustigung,  wie  Herr  Giraud  meint,  sondern  eine  Quelle  edelsten 
Genusses  und  eine  Lehrmeisterin  edelster  Moral.  Die  Arbeit  des 
auf  Erkenntnis  der  Wahrheit  gerichteten  Historikers  erzieht  ihn  zu 
immer  größerer  Freiheit  und  Selbständigkeit,  und  sie  läßt  ihn  zugleich 
immer  inniger  eindringen  in  das  Verständnis  des  großen  Zusammen- 
hanges aller  menschlichen  Kräfte  und  Dinge;  denn  diese  Verknüpfung 
des  Einzelnen  mit  der  Gesamtheit  zeigt  ihm  ja  jedes  Bild  des  großen 
geschichtlichen  Verlaufs.  Darum  soll  gerade  der  Historiker  seine 
durch  das  voraussetzungslose  Studium  gewonnenen  Kenntnisse  verwerten 
in  den  Kämpfen  und  Sorgen  seiner  Zeit,  aber  in  seiner  Forschung 
selbst  sollen  diese  Nöte  schweigen.  Es  sollen  sich  der  Historiker 
und  der  Moralist  nicht  immer  kreuzen.  Der  Historiker  fragt  nach 
dem,  was  war,  der  Moralist  nach  dem,  was  sein  soll.  Nebeneinander 
vertragen  sich  diese  beiden  Fragen  nicht,  nur  nacheinander. 


Unter  dem  Titel  „Xe'yres  et  Questions  cVaujourdliui  sind 
folgende  Aufsätze,  die  z.  Z,  schon  in  der  Revue  des  deux  Mondes 
erschienen  sind,  vereinigt:  Pascal  et  la  Criiique  contemjwraine ; 
Bossuet  et  son  dernier  historien;  Les  princijMux  courants  de  la 
litterature  frangaise  au  XIK*^  siecle;  iJceuvre  de  Samte- Beuve\ 
La  troisihne  France:  Anticlericalisme  et  Catholicisme\  Notes  sur 
la  litteratiire  suisse  contemporaine.  Am  gelungensten  erscheint  der 
Artikel  über  Sainte-Beuve,  durchaus  zu  billigen  sind  die  Einschränkungen, 
die  der  Verfasser  der  allzu  enthusiastischen  Beurteilung  der  Lundis 
zu  teil  werden  läßt.  Bei  allem  Respekt  vor  der  Leistung  des  großen 
Kritikers,  der  die  Kritik  zu  einer  selbständigen  literarischen  Gattung 
erhoben  hat,  ist  es  doch  manchmal  wahr,  daß  er  an  der  Oberfläche 
geblieben  ist  und  schiefe  Urteile  gefällt  hat.  Manche  Einzelheiten 
aus  den  anderen  Aufsätzen  würden  Gelegenheit  zur  Diskussion  geben, 
doch  ich  muß  mir  versagen  näher  auf  sie  einzugehen  und  kann  nur 
darauf  hinweisen,  daß  der  Verfasser  stets  dem  ihn  leitenden  Grund- 
gedanken treu  bleibt   und   sich  daher  natürlich  häufig  in  Gegensatz 


Bibliotheca  Ronianica.  83 

setzen  muß  zu  Ansicbteu,  die  auf  grundsätzlich  verscliiedenen  Voraus- 
setzungen beruhen.  Durchaus  anerkennenswert  erscheint,  das  mag 
zum  Schluß  noch  betont  werden,  der  stets  courtoisievolle  und  sach- 
liche Ton,  den  der  Verfasser  auch  in  den  polemischen  Teilen  seines 
Buches  wahrt.  Der  Leser  gewinnt  den  Eindruck,  daß  es  dem  Schrift- 
steller ernst  mit  seiner  Überzeugung  ist,  daß  er  seinen  Standpunkt 
mit  dem  Herzen  vertritt;  und  diese  deutliche,  ernste  Ehrlichkeit  mag 
den  andersdenkenden  Leser  für  den  Mangel  an  historischer  Unbefangen- 
heit in  etwas  entschädigen. 

GIESSEN  Walther  KtJcHLER. 


Bibliotheca  Romauica.  Straßburg.  J.  H.  Ed.  Heitz  (Heitz  &  Mündel) . 

Von  dieser  Sammlung  romanischer  Texte,  deren  erste  zehn 
Bändchen  bereits  in  dieser  Zeitschrift  besprochen  wurden,  liegen  mir 
folgende  Neuerscheinungen  vor: 

Xo.  1 1  Jean  Racine,  Athalie  (G.  G.) 

No.  12—15  Petrarca,  Rime  (G.  G.) 
No.  16  — 17  Dante,  Divina   Commedia  II  Purgatorio. 
No.  18 — 20  Claude  Tillier,  Mon  oncle  Benjamin  (G.  G.) 
No.  21  —  22  Boccaccio,  Decameron  Seconda  Giornata  (G.   G.) 
No.  23 — 2-i  Beaumarchais,  Le  Barbier  de  Seville  (G.  G.) 
No.  26 — 28  Alfred  de  Musset,    Comedies    et    Proverbes    (La    nuit 
venetienne;  Andre  del  Sarto;  Les   Caprices  de  Mari- 
anne; Fantasio ;  On  ne  badine  pas  avec  l'amonr  (H.  G.) 
No.  29  Pierre  Corneille,  Horace  (C.  Th.) 

No.  32 — 34  L"Abbe  Prevost,  Manon  Lescaut  (H.  G.) 
No,  35 — 86  Francois  Villon,  QÜuvres  (F.  Ed.  Schneegansj 
No,  37—39  Guillem  de  Castro,  Las  Mocedades  del  Cid  I,  U.  (W.  v.  W.) 
No.  40  Dante,  La    Vita  Nuova  (Federico  Beck). 

Das  Unternehmen,  das  in  demselben  Geiste  fortgeführt  wird, 
in  dem  es  begonnen  wurde,  sollte  im  reichsten  Maße  die  Unter- 
stützung aller  Freunde  der  romanischen  Literaturen  finden.  Die  Texte 
sind  mustergültig,  die  Einleitungen  führen  kurz  und  klar  in  das  Ver- 
ständnis der  einzelnen  Werke  ein,  der  Preis  der  Bändchen  ist  sehr 
niedrig.  Der  Druck  ist  zwar  ziemlich  klein,  aber  gut  leserlich. 
Allerdings  an  manchen  Stellen  etwas  schwach,  hier  und  da  sind  sogar 
Buchstaben  ganz  ausgefallen.  Wenn  etwas  mehr  Sorgfalt  in  dieser 
Hinsicht  aufgewendet  würde,  so  würde  die  Bibliothek  ohne  Zweifel 
einer  noch  größeren  Verbreitung  sicher  sein.  Die  Anschaffung  der 
billigen  Bändchen  (ä  40  Pf.)  sei  besonders  auch  den  Studierenden 
aufs  Angelegentlichste  empfohlen. 

GIESSEN  Walther  Küchler. 


6* 


84  Referate  und  Rezensionen.      Waliher  Küchler. 

Walch,  G.  Anthologie  des  PoUes  frangais  contemporains.  Lc 
Parnassc  et  les  ecole  posterieures  au  Parnasse  (1866 — 1906). 
Paris,  Ch.  Delagrave.     3  Bde  in-«'^  ü  3,5ü  frcs. 

Der  Herausgeber  dieser  Anthologie  geht  aus  von  der  ohne 
Zweifel  richtigen  Voraussetzung,  daß  das  große  Publikum  nur  in 
geringem  Maße  vertraut  sei  mit  den  Bestrebungen  der  neueren  Dichter 
„vers  la  Pensie  et  V Harmonie.''''  Daher  will  er  eine  Auswahl  aus 
dem  gesamten  lyrischen  Schaffen  der  letzten  vier  Jahrzehnte  geben, 
einen  Überblick  und  eine  Anregung  Die  Dichter  selbst,  soweit  sie 
noch  leben,  haben  mitgeholfen  und  die  auszuwählenden  Stücke  be- 
zeichnet. Wenn  ich  richtig  gezählt  habe,  so  sind  239  Dichter  in 
der  Anthologie  vertreten.  Eine  stattliche  Anzahl.  Wie  manch  starker 
Wille  zum  Ideal,  wie  mancher  Träumer  von  Schönheit,  wie  mancher 
Grübler  um  Wahrheit  ist  unter  ihnen,  aber  auch  wie  viele  Pseiido- 
charaktere  und  Aftergenies,  rein  formale  Talente  mit  geschickt  ver- 
wendetem Aneignungs-  und  Anpassungsvermögen  sind  mit  in  der  großen 
Menge.  Von  allen,  die  heute  mit  für  würdig  befunden  wurden,  dem 
dichterischen  Antlitz  ihrer  Zeit  einen  Zug  hinzuzufügen,  wie  viele 
mögen  nach  fünfzig  Jahren  vergessen  sein,  wenn  vielleicht  einer  auf- 
gestanden ist,  der  all  die  vielen  kleinen  Errungenschaften  zu  einem 
großen  Siege  vereinigt.  Fast  ein  wehmütiges  Gefühl  will  uns  über- 
kommen,  wenn  wir  in  den  Seiten  der  drei  stattlichen  Bände  blättern, 
so  manche  unbekannte  Namen  lesen,  deren  jeder  eine  Hoffnung  birgt, 
so  manche  stolze  oder  geheimnisvoll  tiefe,  bedeutungsschwere  Titel 
von  Gedichtsammlungen.  Wenn  wir  die  kühnen  und  energischen, 
oder  feinen  und  zierlichen  Schriftzüge  der  zahlreich  beigefügten  Auto- 
gramme lesen.  Wenn  wir  die  mannigfach  variierten. Äußerungen  der 
Dichter  über  ihre  Auffassung  von  Poesie  lesen  und  daran  denken, 
wie  Härte  der  Zeit,  Gleichgültigkeit  der  Menschen  und  Lärm  des 
Marktes  die  allermeisten  von  diesen  leisen  Sehnsüchten  übertönen, 
sodaß  sie  ungehört  verhallen.  Und  aus  dieser  Wehmut  löst  sieb 
ein  Wunsch  in  uns  los,  ein  Verlangen  nach  einem  neuen  großen 
Dichtergenius,  nach  einem  Dichter,  der  aus  dem  Sturm  seines  Innern 
heraus,  aus  den  Leidenschaften,  die  ihn  bewegen,  heraus  uns  eine 
neue  kraftvolle,  tief  innerhche  Poesie  geben  könnte.  Denn  wohin 
wir  schauen,  wir  sehen  fast  nur  blasse  Lichter,  wir  hören  nur  weiche 
Töne,  wir  erblicken  nur  immer  sensitiv  veranlagte  Menschen,  die  auf 
die  zarten  Melodien  ilires  Innern  lauschen,  die  in  den  Dingen  um 
sie  herum  immer  nur  die  fast  unhörbaren  Geräusche  vernehmen, 
ferne  Winde,  matte  Düfte,  die  ihren  an  sich  zwar  schönen  und  inter- 
essanten Sensationen  allzu  tiefe  symbolische  Bedeutung  verleihen  möchten, 
die  uns  allzu  häufig  kalt  lassen  trotz  der  auserlesenen  Pracht  ihrer 
Worte,  trotz  des  verführerisch-schmeichelndcn  Rhythmus  ihrer  Sätze. 

Eine  Anthologie  ist  wie  ein  großer  Saal,  dessen  Wände  ganz 
behangen  sind  mit  vielen,  vielen,  kleinen  Gemälden,  eins  neben  dem 
andern,    eins    über    dem    andern.     Alle    möglichen  „Sujets"   von  den 


E.  Koschioitz.     Anleitung  zum  Studium  d.  franz.  Philologie.     85 

verschiedensten  Künstlern  genaalt,  finden  sich  nebeneinander.  Stillleben 
und  Historienbilder,  Porträts  und  Seestücke,  Genrebilder  und  Land- 
schaften. Der  Blick  irrt  über  die  vielfältige,  verwirrende  Masse  und 
bleibt  nirgends  haften.  Es  ist  ein  Gewoge  von  Farben  und  Formen, 
das  ihm  den  großen,  einheitlichen  Genuß  raubt.  Vielleicht  ist  in 
einem  kleineren  Nebensaale  ein  großes  Bild  allein  an  einer  Wand 
aufgehängt.  Eine  \Yeite  stille  Landschaft,  eine  einsame  Küste,  an 
die  des  Meeres  ewige  Brandung  schlägt.  Dort  ruht  das  Auge  sich 
aus,  dort  ruht  es  lange  in  genießendem  Schauen  und  Begreifen.  So 
ist  auch  das  Verhältnis  zwischen  einer  reichen,  fast  überreichen 
Anthologie  und  dem  einzelnen  Werk  eines  einzigen  Dichters.  Statt 
des.  verwirrenden  Überblickes  der  große  Genuß  und  das  Verstehen. 
Aber  die  Anthologie  kann  anregen  zu  den  Werken  überzugehen.  Je 
besser  sie  ist,  um  so  selbstloser  wird  sie  sein  und  sich  gerne  aus 
der  Hand  legen  lassen  zu  Gunsten  des  Dichters,  für  dessen  Werk 
sie  durch  ihre  Auswahl  Interesse  erregt  hat. 

Die  uns  vorliegende  Anthologie  ist  in  diesem  Sinne  verfaßt 
worden.  Sie  ist  äußerst  anregend,  sie  erweckt  in  uns  häufig  genug  den 
Wunsch  nach  genauerem  Kennenlernen,  nach  Mehr,  und  so  erfüllt  sie 
wohl  am  besten  ihren  Zweck.  Ihre  Brauchbarkeit  wird  außerdem 
noch  sehr  bedeutend  dadurch  erhöht,  daß  sie  jedem  Autor  eine  knappe, 
aber  gute  biographische  Notiz  und  eine  ausführliche,  zuverlässige 
Bibliographie  der  von  ihm  veröffentlichten  Werke,  sowie  die  Angabe 
über  die  Zeitschriften,  an  denen  er  mitgearbeitet  hat,  beifügt.  Audi 
die  Vorrede  von  Sully  Prudliomme  ist  eine  angenehme  Zugabe. 

GIESSEN  Walther  KtJCHLER, 


Koseliwitz,     E.       Anleitung    zum    Studium    der    französischen 
Philologie   für    Studierende,    Lehrer    und    Lehrerinne?!. 
Dritte,  vermehrte  und  verbeßerte  Auflage  von  Dr.    Gustav 
Thurau.     Marburg,  N.  G.  Elwert'sche  Verlagsbuchhandlung. 
1907.    Vm,  268  S.    80. 
..Diese    Studienanleitung,    die   Koseliwitz   im  Jahre    1900   noch 
Eduard  Böhmer  zum  7.3.  Geburtstage  widmen  konnte,  erscheint  jetzt, 
nachdem    der   Tod   beide  im   Leben    durch  Freundschaft   verbundene 
Gelehite   so   überraschend  schnell  wieder  vereint  liat,   in  einer  neuen 
Auflage,    die    den   Absichten   des   Autors   und   den   Wünschen    seiner 
Rezensenten,   sowie    den  Anforderungen  der  fortgeschrittenen  Wissen- 
schaft   und   Praxis  gerecht   zu   werden   sucht".     Mit    diesen   Worten 
leitet   der  Herausgeber  der   dritten  Auflage  des   vorliegenden  Buches 
das  Vorwort  desselben  ein,  und  man  wird  ihm  die  Anerkennung  nicht 
versagen,    daß    er    des   übernommenen   Erbes   in   verständigem   Sinne 
gewartet    hat.      Die    Anlage    des    Buches    ist    im    Wesentlichen    un- 
verändert geblieben.     Daß   der  das  wissenschaftliche  Studium  behau- 


86  Refei'ate  und  Uezensionen.     1).  Belirens. 

»leliide  Abschnitt  demjenigen,  welcher  das  itraktische  Studium  zum 
Gegenstände  hat,  vorangestellt  wurde,  verdient  Beifall,  ebenso  daß 
am  Schluß  des  Ganzen,  S.  24G — 26s,  eine  reichhaltige  Zusammen- 
stellung von  Auslandadressen  hinzugefügt  wurde.  Im  Einzelnen  weist 
die  neue  Auflage  zahlreiche  Änderungen  auf,  die  zumeist  als  Zusätze 
zum  Text  der  zweiten  Auflage,  weit  seltener  als  Kürzungen  und 
Umformungen  derselben  sich  darstellen.  Die  Zusätze  sind  in  erster 
Linie  den  bibliographischen  Angaben,  daneben  aber  auch  dem  dar- 
stellenden Texte  zu  gute  gekommen.  So  sind  neu  die  Abschnitte 
über  das  Studium  der  Volkskunde  (S.  80  f.),  der  Philosophie  (S.  15 f.), 
der  Paläographie  (S.  18 f.),  der  bildenden  Kunst  und  Musik  (S.  15f.). 
Leider  enthält  auch  die  vorliegende  Auflage  keinen  besonderen  Ab- 
schnitt über  das  für  die  sprachwissenschaftliche  Forschung  so 
wichtige  Studium  der  lebenden  Mundarten.  Gelegentlich  zwar  wird 
der  Gegenstand  gestreift,  nirgends  aber  werden  Gillioron's  und  Edmont's 
monumentaler  Atlas  linguistique  und  die  zur  Einführung  in  das 
Studium  der  Mundarten  bestimmten  Neufranzös.  Dialekite.rte 
E.  Herzog's  auch  nur  erwähnt. 

Zu  Einzelheiten  mögen  hier  einige  weitere  Bemerkungen  folgen: 

S.  6ß  war  zu  V.  Hugo's  Cromwellvorrede  auf  S.  70  zu  verweisen 
oder  Souriau's  lyitroduciion  gleich  hier  zu  erwähnen. 

S.  70  wird  unter  den  „deutschen"  Arbeiten  über  Y.  Hugo 
versehentlich  auch  E.  Rigal's  V.  Hngo  poete  cpiqiie  (Paris  1900) 
aufgeführt. 

S.  79  konnte  auch  K.  Sachs'  in  dieser  Zeitsclir.  XV,  S.  24—60 
erschienener  Aufsatz  Über  die  neueren  französischen  JJteraiur- 
hestrebiinc/eji,  besonders  die  DScadents  erwähnt  werden. 

S.  82  fehlt  die  Bemerkung,  daß  die  Melusine  nicht  mehr  er- 
scheint. Von  den  Arbeiten  zur  Volkskunde  werden  Sebillot's  Le 
Folk-Lore  de  la  France  und  Frieslaud's  Französische  Sprichicörter- 
bibliographie  unter  den  Nachträgen  (S.  244)  genannt,  der  Name  des 
Verfassers  der  letzteren  Arbeit  aber  unterdrückt.  Auch  auf  E. 
Rolland's  Flore  popidaire  und  Faune  populaire  konnte  hingewiesen 
werden.  In  vielen  Fällen  werden  über  eine  zweckmäßige  Auswahl 
der  bibliographischen  Angaben,  die  in  einem  Einführungsbuch  wie 
dem  vorliegenden  zu  machen  sind,  die  Ansichten  auseinander  gehen. 
Als  eine  starke  Inkonsequenz  in  der  Darstellung  aber  wird  es  auf 
jeden  Fall  erscheinen,  "wenn  die  Romania  und  einige  andere  wichtige 
Fachzeitschriften  zum  ersten  Mal  im  Anhang,  v-d  von  der  weiteren 
Fortbildung  des  definitiv  angestellten  Lehrers  geliandclt  wird,  Er- 
wähnung finden,  während  gelegentliche  Lektüre  der  Melusine  und  der 
Revue  des  traditions  populaires  p.  91  bereits  dem  angehenden 
Philologen  ausdrücklich  ans  Herz  gelegt  wird.  Überflüssig  war  es, 
p.  24  unter  den  für  das  Studium  des  Provenzalischen  heute  in 
Betracht    kommenden    r)üchern   Mahn's    Grammatik    der    altj^roven- 


E.  Koschioitz.     Anleitung  zum  Studium  d.  franz.  Philologie.      87 

zalisclien  Spruche  mit  aufzuführen,  wenn  auch  nur,  um  sie  als  un- 
zuverlässig bei  Seite  zu  schieben.  Eher  hätte  für  die  Erwähnung 
derselben  in  einem  besonderen  Abschnitt  über  die  Geschichte  der 
französischen  Philologie  neben  anderen  Literaturangaben  ein  ge- 
eigneter Platz  sich  finden  lassen, 

S.  105  Beachte  auch  Panconcelli-Calzia's  seit  1906  in  der  Medi- 
zinisch-pädagogischen Wochenschrift  für  die  gesamte  Sprachheilhunde 
erscheinende  ßibliograplda  phonetica. 

S.  137.  Für  eine  etwas  zu  weit  gehende  Forderung  halte  ich 
es,  wenn  es  hier  in  dem  Kapitel  „Studienreisen"  heißt:  „man  soll 
zu  ernsthaften  Sprachstudien  in  das  Ausland  erst  gehen,  wenn  man 
dessen  Sprache  (bis  zu  einer  gewissen  Fertigkeit)  beherrscht  .  .  .  wer 
nicht  der  Unterhaltung  eines  Franzosen  mühelos  zu  folgen  gelernt 
hat,  und  nicht  im  stände  ist,  mit  einiger  Geläufigeit  seine  Gedanken 
in  der  fremden  Sprache  auszudrücken  und  eine  gewöhnliche  Unter- 
haltung zu  führen,  der  soll  getrost  zu  Hause  bleiben.  Es  geholt 
eine  weitgebende  Harmlosigkeit  dazu,  anzunehmen,  daß  sich  Franzosen 
dazu  hergeben,  die  Sprachstümpereien  wildfremder  Ausländer  geduldig 
anzuhören  ..."  Demgegenüber  wird  p.  160  darauf  hingewiesen,  daß 
französische  Studierende,  die  selbst  Umgang  mit  Deutschen  suchen 
und  gerne  mit  ihnen  auch  Sprachunterricht  austauschen,  gegenwärtig 
keine  so  große  Seltenheit  sind  wie  in  früheren  Tagen,  und  von  der 
Association  generale  des  etudiants  de  Paris  wird  gesagt,  es  werde 
dem  Eingeführten,  wenn  er  nicht  aller  Höflichkeit  entbehre  und  nicht 
„ein  gar  zu  arger  Sprachstümper"  sei,  leicht  sein,  hier  allen 
wünschenswerten  Anschluß  und  reichliche  Gelegenheit  zur  Unterhaltung 
und  Debatte  zu  finden. 

S.  193  Nicht  recht  verständlich  ist  es  mir,  weshalb  eine  Bemerkung, 
wonach  „alle  Deutsche,  welche  die  Schweiz  auf  längere  Zeit  aufsuchen, 
sich  damit  befreunden  müssen,  daß  sich  in  der  Presse  des  Ländchens 
nicht  selten  ein  albernes  Liebäugeln  mit  dem  Franzosentum  auf 
Kosten  der  Deutschen  geltend  macht"  von  dem  Herausgeber  der  voi^- 
liegenden  Ausgabe  gerade  dort  eingefühlt  wurde,  wo  von  dem  Aus- 
landstudiura  weiblicher  Studierender  gehandelt  wird. 

Von  störenden  Druckfehlern  seien  angemerkt: 

S.  13  Schulttess  st.  Schulthess,  S.  37  Petit  de  Juleville  st.  Petit 
de  Julleville  (ebenso  S.  77),  S.  38  A.  Franrais  st.  A.  Francois, 
S.  52  Voretsch  st.  Voretzsch,  S.  60  Völlmöller  st.  Vollmöller,  s!  63 
Desnoiresserres  st.  Desnoiresterres,  S.  (54  Grand- Garteret  st.  Grand- 
Carteret,  S.  76  Franrais  Coppee  st.  Francois  Coppee,  S.  106  Sprach- 
syntax st.  Sprechsyntax,  S.  134  Darmestetter  st.  Darmesteter, 
S,  175  Boullier  st.  Bullier,  S.  226  Gramont  st.  Grammont,  S.  242 
und  244  Vigetelly  st.  Vizetelly. 

D.  Behrens. 


88  Referate  und  Rezensionen.     0.  Urstadt. 

Kraft,     Fl*.       Rostands    Princesse    Lointaine    als    SchuUektiire.      Progr.    Worms. 

l'JOT.  G2  S.  80. 
Rostand,  E.  La  Princesse  Lointaine  cd.  Fr.  Kraft  et  L.  Marchand 
[Franz.  und  engl.  Schnll)ibliothek- Leipzig.  Rengersche  Buch- 
handlung, Gebhardt  &  Wilisch]. 
Die  Schrift  von  Kraft  zerfällt  in  drei  Teile.  Den  ersten  bildet  eine 
ganz  vorzügliche  Inhaltsangabe  des  Dramas,  die  erkennen  läCst,  dafs  sich 
der  Verfasser  mit  feinsinnigem  Verständnis  in  die  Schönheit  der  Dichtung 
versenkt  hat.  Die  zahlreichen  Übersetzungsproben  von  Dialogstellen  sind 
der  Verskunst  v.  Oppeln-Bronikowskis  ebenbürtig,  in  dem  Hauptliede  ist 
Kr.  seinen  Vorgängern  überlegen.  Er  hat  wirklich  Stil  und  Ton  getroffen. 
Im  zweiten  Teil  bespricht  und  rechtfertigt  der  Verfasser  die  besonderen 
Eigentümlichkeiten  seiner  Schulausgabe  und  gibt  Aufschlufs  über  die  Art 
und  Weise  ihrer  Entstehung  durch  Zusammenarbeit  mit  Herrn  Marchand. 
Gleich  hier  sei  auf  die  geradezu  wunderbare  Einheitlichkeit  des  Ganzen 
hingewiesen.  Nur  zwei  Freunde,  die  in  Studien,  Geschmack  und  Denkweise 
ganz  miteinander  harmonieren,  waren  dazu  imstande.  Der  dritte,  rein 
wissenschaftliche  Teil  gibt  einen  schönen  kleinen  Beitrag  zur  vergleichenden 
Literaturgeschichte.  Der  Verfasser  stellt  aber  nicht  blols,  wie  er  bescheiden 
sagt,  die  zum  Teil  schwer  zugänglichen  Dichtungen  der  Vorgänger  Rostands 
zusammen,  sondern  gibt  auch  Andeutungen,  wie  die  einzelnen  Dichter  den 
Stoff  nach  ihrer  Eigenart  gestaltet  haben.  Auf  die  Abhängigkeit  und  die 
Quellen  der  einzelnen  Bearbeitungen  wird  nicht  weiter  eingegangen.  Vielleicht 
holt  dies  der  Verfasser  nach,  wenn  er,  wie  er  in  der  Vorrede  verspricht, 
auf  die  Quellen  der  Geschichte  von  Joffroy  Rudel  und  auf  die  Frage  zurück- 
kommt, ob  es  sich  um  Geschichte  oder  um  Sage  handelt.  In  den  aufscr- 
ordentlich  zahlreichen,  durchweg  zuverlässigen  bibliographischen  Angaben 
dieses  Teils  steckt  eine  grofse  Arbeit 

Die  Schulausgabe  ist  eine  einsprachige  Reformausgabe.  Es  ist  hier 
nicht  der  Ort,  sich  über  Wert  und  Berechtigung  solcher  Ausgaben  aus- 
einanderzusetzen. Jedenfalls  ist  die  vorliegende  eine  vorzügliche  Leistung 
und  ein  glücklicher  Griff.  Franzosen  schütteln  oft  den  Kopf  über  die  in 
unseren  Schulen  beliebte  französische  Lektüre.  Sie  werten  eben  ganz  anders 
als  wir.  Diesmal  stimmen  sie  wohl  zu.  Aber  auch  dem  deutschen  Päda- 
gogen machen  Inhalt  und  Form  das  Stück  empfehlenswert.  Es  wird  ihm 
nicht  schwer  werden,  das  Interesse  der  Schüler  zu  erregen  und  wach  zu 
halten.  Denn  Geschichte,  Deutsch  und  Literatur  haben  schon  für  zahlreiche 
und  wirksame  Apperceptionsstützen  gesorgt.  Allerdings  wird  es  nur  einer 
besonders  guten  Klasse  geboten  werden  können,  und  nach  der  direkten 
Methode  nur  von  einem  Lehrer,  der  die  fremde  Sprache  gut  beherrscht. 
Namentlich  dürfte  es  seine  Schwierigkeit  haben,  trotz  den  zahlreichen  Hin- 
weisen in  den  Erläuterungen  „durch  Betrachtungen  über  die  Feinheiten  der 
Sprache  und  des  Stils  Rostands  den  literarischen  Geschmack  der  Schüler 
zu  vervollkommnen".  Die  einleitenden  Aufsätzchen  Le  FoHe  und  La  Piket 
sind  kleine  Cabinetstücke  des  französischen  Mitarbeiters,  der  den  deutschen 
Kollegen  schon  durch  einen  in  der  Zeilschrift  für  deutschen  Unterricht  erschie- 
nenen Aufsatz  über  Schillers  Balladen  rühmlichst  bekannt  geworden  ist. 
Die  beiden  Aufsätzchen  sind  fein  und  geistreich,  elegant  geschriebru,  aber 
nichts  für  Schüler,  wie  Kraft  in  seinen  Bemerkungen  zur  Schulausgabe  ja 
auch  selber  zugibt.  Sie  bieten  stellenweise  den  Schülern  mehr  Schwierig- 
keit als  das  Stück,  dessen  Verständnis  sie  fördern  sollen.  Auch  der  „Plan 
de  l'Action"',  der  dem  Verfasser  alle  Ehre  macht,  ist  mehr  ein  vortreffliches 
Hilfsmittel  für  den  Lehrer  als  eine  ausreichende  Unterstützung  für  den 
Schüler,  der  etwa  in  französischer  Sprache  den  Aufbau  der  Handlung 
darstellen  soll. 

Die  Ilauptneuerung  bei  der  Ausgabe  ist  das  Dictionnaire  expUcatif. 
Der  Verfasser  M.    spricht   sich  in  einer  Vorrede  eingehend  darüber  aus. 


Fr.  Kraft.    Rostands  Princesse  Lointaine  als  SchuUektüre.     89 

Jeder  Lehrer  hat  wohl  schon  immer  bei  der  Lektüre  von  Moliere  oder  einer 
klassischen  Tragödie  den  Schülern  gesagt:  „Die  und  die  Ausdrücke  prägt 
euch  nicht  ein",  aber  keiner  hat  es  konsequent  getan.  M.  teilt  nun  schätzungs- 
weise die  in  der  Princesse  Lointaine  vorkommenden  Vokabeln  nach  der 
Häufigkeit  ihrer  Anwendung  durch  den  gebildeten  Franzosen  in  10  Gruppen 
und  deutet  dies  durch  beigesetzte  Ziffern  an.  Die  Gruppen  1—4  blieben 
mit  wenigen  Ausnahmen  aus  dem  Wörterbuch  weg,  weil  sie  den  Gewährs- 
schülern (Obersekundaner  der  Oberrealschule)  bekannt  waren.  Über  den 
Wert  dieser  Einrichtung  sagt  M.  selbst:  ^Cest  nn  dassement  pratique  qui 
guide  Vctranger  dans  le  chaos  des  expressions  qu\l  rencontre  pour  la  jjremirre  fois  et 
qui  lui  dise:  apprenez  d'abord  ces  mots-ci  (5),  vous  en  aurez  plus  souvent  hesoin  que 
des  autres\  quund  vous  les  saui-ez,  passez  ii  ceux-Ui  (6),  puis  ii  ceu.i-ld  (7),  puis  ä 
ceux-lli  (8j,  puis  enfin,  sHl  vous  resie  du  temps,  aux  deruiers. 

Die  Idee  ist  neu  und  zweifellos  fruchtbar.  Sie  sollte  nur  recht  bald 
auf  noch  mehr  Schulausgaben  angewandt  und  praktisch  erprobt  werden. 
Allerdings  wäre  eine  Vereinfachung  vorteilhaft.  Es  hat  keinen  Zweck, 
10  Gruppen  zu  unterscheiden.  Man  könnte  sich  mit  3  Gruppen  begnügen 
und  1 — 4  zusammenfassen  =^  Wörter,  die  ein  Schüler  der  oberen  Klassen 
schon  wissen  mufs;  5—7  =  Wörter,  die  er  lernen  mufs;  8 — 10  =  Wörter, 
die  er  nicht  zu  lernen  braucht  oder  garnicht  lernen  soll.  M.  rechnet  zu 
letzteren  nur  9  und  10,  aber  wenn  ich  zusammenstelle,  was  er  mit  dem 
Coeffic.  8  versieht,  dann  mufs  ich  doch  sagen:  das  einzuprägen  mute  ich 
meinen  Schülern  nicht  zu  (z.  B.  ravauder,  vasque,  hure,  heaume,  jouvenceau).  Die 
in  den  Notes  behandelten  Wortverbindungen  sind  sehr  praktisch  nur  in 
2  Gruppen  —  allgemein  übliche,  stehende  Redensarten  und  nicht  einzuprä- 
gende ßostandiaua  —  eingeteilt.  Über  die  Art,  wie  er  die  unbekannten 
Wörter  französisch  erklärt,  spricht  sich  der  Verfasser  des  Wörterbuchs  sehr 
schön  in  der  Vorrede  aus.  Aber  ich  fürchte,  dafs  diese  Erläuterungen  dem 
Schüler  auch  wieder  manche  Schwierigkeit  bieten  werden,  gerade  so,  wie 
die  Notes.  Dafs  es  der  Fall  ist,  beweist  die  Tatsache,  dafs  gar  manches 
Wort  der  Notes  ins  Dictionnaire  aufgenommen  werden  mufste. 

Da  die  Ausgabe  auch  für  lateinlose  Schulen  bestimmt  ist,  so  konnte 
die  Etymologie  bei  der  Worterklärung  nur  in  sehr  beschränktem  Mafse 
herangezogen  werden.  Aber  oft  hätte  doch  an  das  neufranzösische  Grund- 
wort angeknüpft  werden  können.  Überhaupt  konnten  Wörter  und  Redens- 
arten oft  mehr  aus  sich  heraus  erläutert  und  der  lebendige  Vorstellungsgehalt 
mehr  herausgehoben  werden,  wie  es  Hildobrand  fürs  Deutsche  gezeigt  hat. 
Das  gibt  dann  Sprachgefühl,  während  durch  viele  Erklärungen  Ms.  die 
Schüler  nur  mechanisch  lernen:  das  hat  den  und  den  Sinn  (z.  B.  echevilement 
de  cordages  erklärt  M.  =  cordes  et  cäbles  en  desordre,  avoir  mille  ressources  = 
avoir  mille  moyens  d'arriver  ii  son  but,  s'ecoeurer  =  eprouver  du  degoüt  a  faire  qch.). 

GiEssEx.  0.  Urstadt, 


Novitäteilverzeichnis. 

(Abgeschlossen  am  6.  Nov.  1907.) 

1.  Bibliographie  und  Haudschriftenkunde. 

Rhamm.  A.  Verzeichnis  der  bis  zum  Jahre  1815  erschienenen  Drucksachen 
und  der  Handschriften  der  landschaftlichen  Bibliothek  zu  Braunschweig. 
Braunschweig,  Meyer,  1907.     VIII,  205  S.  S^. 


Bertoni,  G.  Intorno  al  codice  dei  „Viaggi"  di  Jean  de  Mandeville  posseduto 
da  Valentina  Visconti  [In:  Giornale  storico  della  letteratura  italiana. 
Vol.  XLIX,  S.  :]58-366]. 

Bibliographie  du  departement  de  la  Somme;  par  M.  Henri  Macqueron.  T.  2. 
Amiens,  impr.  Yvert  et  Tellier.  1907.  In-4  ä  2  col,  619  p.  et  planches 
des  tomes  1  et  2.  [Memoires  de  la  Societe  des  antiquaires  de  Picardie. 
Documents  inedits  concernant  la  province.     T.  16]. 

Bohnita,  FI.:  Versuch  e.  Bibliographie  der  Livres  d'heures  (Horae  b.  m,  v., 
Horas,  Getijden)  des  XV.  u.  XVI.  Jahrb.  m.  Ausnahme  der  f.  Salisbury 
u.  York  gedruckten.  [Aus:  .Mittlgn.  d.  öst.  Ver.  f.  Bibliothekswesen"]. 
(48  S.)  gr.  8".     Wien,  (Gerold  &  Co.)  '07.  1,—. 

BraunhoUz,  A.  Bibliographie  1904  [Supplementheft  XXIX  (XVIX.  Bd.  7.  Heft) 
der  Zs.  f.  roman.  Phil.]  Pr.  6  M. 

Catalogue  general  des  livres  imprimes  de  la  Bibliotheque  nationale.  Auteurs. 
T.  30 :  Clias-Colombey.  Paris,  Impr.  nationale.  1907.  In -8  ä  2  col., 
1264  col. 

Claude-Lafontaine.  Essai  de  bibliographie  des  editions  originales  des  poesies 
d'Alfred  de  Vigny.  Societe  des  amis  des  livres.  Annuaii'e  28.  1907. 
S.  41-56. 

CoUij7i,  Isak:  Kataloge  der  Inkunabeln  der  schwedischen  öffentlichen  Biblio- 
theken. Lex.  8°.  Uppsala.  (Leipzig,  R.  Haupt.)  II.  Katalog  der  In- 
kunabeln der  kgl.  Universitäts-Bibliothek  zu  Uppsala.  (XXXVIII,  507  S.) 
'07.     15,—. 

Labadie,  E.  Additious  et  rectitications  ä  la  bibliographie  de  quelques  ecrivains 
agenais  [In:  ßev.  de  l'Agenais  XXXHI.     1906.     S.  21  ff.  154  ff]. 

Lackcvre,  F.  Bibliographie  des  recueils  collectifs  de  poesies,  publies  de  1.597 
ä  1700.  T.  4  :  Supplement  (Additions;  Corrections;  Tables  generales). 
Paris,  Leclerc.     In -4,  VIII -3 10  p. 

Lacombe,  P.  Les  livres  d'Heures  imprimes  au  XVe  et  an  XVIe  siecle  [In: 
Bulletin  du  Bibliophile.     15  mai  1907]. 

Lasteyrie  (R.  de)  et  A.  Vidier.  Bibliographie  des  travaux  historiques  et 
archeologiques  publies  par  les  Societes  savantes  de  la  France,  dressee 
sous  les  auspiccs  du  ministere  de  Instruction  publique.  T.  5.  2?  livraison 
(no3  89398  ä  95412).  Paiis,  Impr.  nationale.  1907.  In-4  ä2  col.,  p.  201 
ä  400.     La  livraison,  4  fr. 

Leßvre,  E.  Bibliographie  sommaire  des  oeuvres  de  Camille  Chabaneau. 
Fr.  Junge,  Erlangen  1907.    [Aus:  Melanges  Chabaneau.  Roman.  Forsch. 

xxni]. 


JS'ovitätenverzeichnis.  9 1 

Leviy  C.  Saggio  sulla  bibliographia  italiana  di  Molierc.  [In:  Rivista  d. 
biblioteche  17.     1906.     S.  153—160]. 

Stein,  II.  Bibliographie  generale  des  cartulaires  fran^ais  ou  relatifs  ä 
l'histoire  de  France.  Paris,  Picard  et  fils.  1907.  In-8,  XV-627  p. 
[Manuels  de  bibliographie  historique.   IV]. 

Tables  des  tomes  21  ä52  (annees  1897—1904)  du  Mercnre  de  France  (serie 
moderne),  precedees  d'une  table  de  concordance  entre  les  annees,  les 
tomeSj  les  mois,  les  numeros  et  la  pagination.  I,  Table  par  noms  a'au- 
teurs  des  articles  publies  dans  la  revue:  II,  Table  systematique  des 
matieres;  III,  Table  des  principaux  noms  cites.  Paris,  Societc  du  Mer- 
cure  de  France,  26,  rue  de  Conde.    1907.    In-8,  ä  2  col.,  VII- 169  p.  7  fr. 

Tkieme,  H.  P.  Guide  bibiiographique  de  la  litterature  fran^aise  de  1800  i\ 
1906.     Paris,  H.  Welter.    XXIV,  512  S.    Grofs  8'\     Preis  2.")  fr. 

Vaganat/,  II.  Le  Rosaire  dans  la  poesie.  Essai  de  bibliographie.  Mäcon, 
impr.  Protat  freres.    1907.     ln-8  carre,  56  p. 

F'«  de  Spoelberch  de  Lovenjoul.  Les  „Etudes  philosophiques"  de  Honore  de 
Balzac  (Edition  V\'erdel)  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  France.  XIV,  3. 
S.  393—441].  

Catalogne  of  additioiis  to  the  manuscripts  in  the  British  Museum  in  the  years 
MDCCCC— MDCCCCV.  London:  Museum,  Longmans  1907.  XV,  924  8. 
geb.  30  Sh. 

Champion,  P.  Le  Manuscrit  autographe  des  poesies  de  Charles  d'Orleans. 
Etüde.    Paris.     Champion.    1907.    In-8,  98  p.  avec  18  facsimiles. 

Dei-ille,  E.  Les  manuscrits  de  l'ancienne  bibliotheque  de  l'abbaye  de  Bonport 
(suite)  [In:  Ilev.  des  Bibliotheques  17  aunee  No.  4-6,  S.  128  —  136]. 

Lirre  des  merveilles.  Marco  Polo,  Odoric  de  Pordenone,  Mandeville,  Hayton 
otc.  Keprod.  des  20')  miniatures  du  ms.  fran^.  2810  de  la  Bibliotheque 
nationale  p.  p.  H.  0[mont].  T  1.  2.  Paris  1907:  Berthaud.  28  S.,  2120  Taf.: 
19  S.,  Taf.  121—265.  .'30  Fr.  [Dep.  des  manuscrits]. 

Omont,  II.  Nouvelles  acquisitions  du  departement  des  manuscrits  de  la 
Bibliotheque  nationale  [In:  Bibl.  de  l'Ecole  des  Chartes  LXVIII,  5  —  74]. 

Prinet,  M.  Uu  manuscrit  armorie  du  ;;Songe  du  vienx  pelerin»:  Besanron. 
impr.  Jacquin.  1007.  In-8,  11  p. 

}'alerws  Maximus.  Miniatures  of  the  school  of  Jean  Fouquet  illustrating  the 
French  version  by  Simon  de  Hesdin  and  Nicholas  de  Gonesse,  contained 
in  a  ms.  writteu  about  A.  D,  1475  for  Philippe  de  Comines,  reprod.  in 
photogravure  with  frontispice  in  colour  for  Henry  Yates  Thompson,  witL 
an  introd.  by  Georye  F.  Warmr.   London  B.  Quaritch  1:107.  17  S.  10  Taf.  2°. 

van  den  Gheijn,  J.  Catalogue  des  manuscrits  de  la  Bibliotheque  royale  de 
Belgique.  Tome  VI.  Bruxelles,  1907.  8°.  XI,  778  pp.  12  M. 

DeMain,  P,  Les  Libraires  et  Imprimeurs  de  L'academie  francaise  de  1G34 
ä  1793  Notices  Biograpbiques,  Paris  A.  Picard  et  Fils.  Preis  5  fr. 

2.  Enzyklopädie,  Sammelwerke,  Oelehrtengeschichte. 

Bulletin  du  dictiommire  gcneral  de  la  lavi/tie  vallonne  2e  auneC.  1907  Nr.  1  [darin: 
J.  Feller  Comment  faut-il  faire  la  toponymie  d'une  commune?  —  J.  Haust 
Un  projet  de  glossaire  de  la  Toponymie  wallonne.  —  <S'.  Ilanda.vhe  Les 
Haies  (bial.  de  Clermont-Thimister,  arr.  de  Verviers).  —  //.  Smo?«  Fenä- 
meiis  (Dial.  de  Lince-Spriraont).  —  -V.  Lequarrc  Li  Fenähe  (Dial.  de 
Retinne).  —  Questionnaires.  —  J.  Bastin  Note  sur  le  Dictionnaire  malme- 
dicn  de  Hubert  Scius  (1893).  --  Avis]. 

Mvlanges  Chahaneau.  Festschrift,  Camille  Chabaneau  zur  Vollendung  seines 
75.  Lebensjahres,  4.  III.  1906,  dargebracht  v.  seinen  Schülern,  P'reunden. 
und  Verehrern.  (XVI,  1117  S.  m.  "l  Bildnis  und  2  P.l.  in  Fksm.)  Lex.  S«* 
Erlangen,  F.Junge  '97.    40  M. 


<)2  Novitätenverzeichnis. 

litruc  des  Etudes  liabelaisiennes  V,  2  [Somniairc:  Lc  chat  et  lo  siiigc  (lans  Rabelais 
d'aprös  l'ouvrage  de  M.  Sainöan,  par  E.  Pliilipot.  p.  121.  3{elanf/es:  Notes 
pour  le  commcntaire,  par  IJenri  Poiez.  p.  152.  —  De  Rabelais  ä  Montaigne. 
Les  adverbes  tcrmines  en  -ment,  par  llugues  Vaganay.  p.  160.  —  Un  livre 
rare.  Entretien  de  Rabelais  et  de  Mostradamus  (1690),  par  Louis  Loviot. 
p.  176.  —  Tiraqueau  et  Rabelais  et  le  conte  de  Seigny  Joan,  par  W.-F. 
Smith,  p.  185.  —  Un  parent  de  Rabelais  ä  determiner,  par  Henri  Clouzot. 
p.  189.  —  La  geuealogie  de  Pantagruel,  par  Ahd  Lefranc.  p.  193.  —  La 
Brosse  en  Xantonge,  par  Benri  Clouzot.  p.  19.j.  —  Au  pays  de  Rabelais, 
par  Louis  Loviot.  p.  197  (avcc  des  plancbes  dans  le  texte  et  hors  texte). 
Comptes-Rendus:  p.  218:  Edmond  Cabie.  üuerres  de  leligion  dans  le  sud- 
onest  de  la  Frauce  et  principalement  dans  le  Qiiercy.  —  p.  220  :  L.-V. 
Gofflot.  Le  theatre  au  College,  du  moyen  äge  ä  nos  jours. (Henri  Clouzot.] 


Brunetiere,  F.,  von  M.  J.  Minchintz  [In:  Grenzboten  18.  Juli  1907]. 

Chabaneau,  C.    s.  oben  p.  90  Lefcvre. 

Haussonville.    A  l'Academie  fran(;aise  et  autour  de  TAcadeniie ;  Paris,  Hachette 

et  Cie.  1907.  In-16,  VII-292  p.  3  fr.  ÖO. 
Diez  Fr.  —  Tobkr,  A.    Friedrich  Diez'  Gedicht  an  Karl  Ebenau  [In:  Archiv 

f.   neuere  Spr.  CXIXi/-,,  S.  lGO-168]. 
Hofmann,  Konrad.  —  Ä'.   VollmOlkr.-  Briete  Konrad  Hofmanns  an  Eduard  von 

Kausler  aus  den  Jahren  1848  bis  1873  mit  Einleitung  und  Anmerkungen. 

Nebst  zwei  Beilagen:   1.   das  Geusenliederbuch  von   1611,  2.  Dr.  Karl 

Friedrich  Wilhelm  Lauz  und  zwei  Tafeln.  Erlangen  1907.  [Aus:  Melanges 

Chabaneau.  Rom.  Forsch.  XXIII]. 

3.  Sprachgeschichte,  Grammatik,  Lexikographie. 

Boudet  M.     Foulholes,  ses  coseigneurs   et  sa  chapelenie.    La  langue  usuelle 

de  la  haute  societe  des  Montagnes  au  XV  siecle  (suite)  [In:  Rev.  de  la 

Ilaute -Auvergne  t.  VIII,  1906.  S.  50-89,  199-210]. 
Bruchei,  M.    Notes  sur  l'emploi  du  frangais  dans  les  actes  publics  en  Savoie 

[In:  Revue  savoisieune  1906.  S.  41—46]. 
Rösener,  Fr.    Die  französischen  Lehnwörter  im  Frühneuenglischen.  Marburger 

Dissert.  59  S.  S*-. 
Traccomarjlia,  Giov.     Contributo  allo  Studio  dell'  italianismo  in  Francia.  Vol. 

I  (Henri  Estienne,  e  gli  italianismi).  Lodi,  tip.  C.  Del  l'Avo.  1907.  198  S.  8". 
Holder,  Alfr.:  Alt-celtischer  Sprachschatz.  17.  Lfg.  (III.  Bd.  Sp.  1—2.56.)  Lex. 

89  Leipzig,  B.  G.  Teubner  '07. 

Jullian,  C.  Histoire  de  la  Gaule.  I.  Les  invasions  gauloises  et  la  colonisation 
grecque.  II.  La  Gaule  indcpendante.  Paris,  Hachette  et  C'e.  Chaque  volume 
10  fraucs.  (En  Preparation:  III.  La  Conquete  romaine  et  les  Premieres 
Invasions  gormaniques.  IV.  Le  Gouvernement  de  Rome.  V.  La  Civili- 
sation  gallo-romaine.    VI.  Le  Bas  Empire.) 

Lösstedt,  E.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  späteren  Latinität.  Diss.  Upsala  1907. 
130  S.  8^. 

Pieri,  I  diminutivi  latini  in  -Uu  -IIa  [In:  Supplimenti  periodic!  all'  Arch, 
glott.  ital.  Ottava  dispensa,  1907,  S.  51~71J. 

Zimmermann,  A.     Kurzformen:  v\g\sX.firmus  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  494]. 

Herzog,  K.  Das  mechanische  Element  in  der  Sprachentwicklung  (Vortrag, 
gehalten  am  7.  Juni  1906  beim  XII.  deutschen  Neuphilologentag  in 
München)  [In:  Zs.  f.  d.  österr.  Gymn.  1907.    Heft  7,  S.  577—589]. 

Bauiv,  A.  Die  Sprache  des  Fuerre  de  Gadres  im  Alexandorroman  des  Eustache 
von  Kent.     Progr.  des  Gymnasiums  Freising.     Freising  1907.    36  S.  8°. 


Novitätenverzeiclinis.  9  3 

Delp^  W.  E.  Etüde  sur  la  langue  de  Guillaume  de  Palerne,  suivie  d'un 
glossaire;  par  W.  E.  Delp.  Publie  avec  le  concours  du  Girton  coUege 
publication  Fand.    Paris.    1907.  Iu-8,  VI-107  p. 

Baut,  G.    Das  germanische  Suffix  -ingö  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  616]. 
Bourciez^  E,    Precis  historique  de  phonetique  frangaise;  3e  edition,  revue  et 

corrigee.    Paris.   Klincksieck.    1907.   Ia-12,  XXXVII-265  p.   3  fr.  ÖO. 
Gassmann,  W.    Die   Vokalqnantität   des  Französischen   im    16.  Jahrhundert. 

Dissertation,  Halle  1906.     82  S.  8". 
Gauchat,  L.     R  anorganique  en  franco-provengal.     HS.  8".    Erlangen,   Fr. 

Junge.      [Sonderabdruck    aus    den   Melanges    Chabaneau.     Romanische 

Forschungen  Bd.  XXIII]. 
Herford,  H.    Die  lateinischen  Proparoxytona  im  Altprovenzalischen.    Königs- 
berger Dissertation.     94  S.  8". 
Lancaster,  H.  Carrinrjton,    The    date    of    ai   in  connaUre  and  paralire  [In:  Müd. 

Lang.  Notes  XXII,  2.    S.  54—56]. 
Seitegast,  Fr.    Franz.   hors   und   Verwandtes    [In:    Zs.    f.    rom.  Phil.    XXXI. 

594-607]. 
Tappolet,  E.    Zur  Agglutination  in  den  französischen   Mundarten  [Aus  der 

Festschrift  zur  49.  Versammlung  deutscher  Philologen  nnd  Schulmänner. 

Basel  19071. 
Voretisch,  C.    Einführung  in  das  Studium  der  alt  französischen  Sprache.    Zum 

Selbstunterricht  für  den  Anfänger.    3.  Aufl.    Halle,   M.  Niemeyer  1907. 

XVI,  306  S.  8  [Sammlung  kurzer  Lehrbücher  der  roman.  Sprachen  und 

Literaturen  1]. 
Zettl,  J.    Auslautverkennung  in  der  französischen  Wortbildung.    Progr.  der 

Staats-Realschule  iu  Eger.     27  S. 


(VArbois  de  Jubainville,  Etymologie  de  l'allemand  „beute"  et  du  fran9.  „butia" 
[In:  Ac.  des  Inscr.  et  Belles-Lettres.     Coroptes-Rendus  S.  171  tf.J. 

—  Origiue  de  l'allemand  beute  „btäin''  [In:  Rev.  Celtique  XXVIII,  2.    S.  130  f,]. 

Behrens,  D.  Wortgeschichtliches  [Aus:  Melanges  Chabaneau.  Romanische 
Forschungen  Bd.  XXIII  .547 — 555]. 

Body,  A.  Le  sployon  [In:  Wallonia  XV^e  annee.  No.  6]  (Beschreibung  des 
„sployon"   genannten  Schlittensports.     Vergl.   diese  Zs.  XXXI',  p.   294 

zu  luge). 
Foerster,   W.     altfrz.  estra!er^[ln:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  608— 610J. 
GUUeron  J.   et  M.  Roques,   Etudes   de    geographie   linguistique    (suite):   VII. 

plumer  =  pder,   VIII.  Mirages   phonetiques    [In:  Rev.    de   phil.  fr.  et  de 

litt.  XXI,  107-118]. 
Bim,  J.    Lat.  carrus  und   seine  Wortsippe  im  Französischen.    Ein  Beitrag 

zur  französischen  W^ortgcschichte.   Rostocker  Dissertation  1907.  141  S.  8^. 
Jouveau,  M.  Elements  de  grammaire  provengale  et  Petit  Manuel  de  l'instituteur 

provenQal  pour  la  correction  des  provengalismes.    Marseille.   Ruat.   1907. 

ln-16,  48  p. 
Körting,  G.    Lateinisch-romanisches  Wörterbuch  (Etymologisches  Wörterbucli 

der   romanischen  Hauptsprachen).    3.    vermehrte   und   verbesserte  Aul!. 

Paderborn,  Schöningh.     VII,  1374  S.  8«.   M.  26. 
La>iglois,  E.    hez  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  496]. 

Marteaux.    Note   sur  le  mot  marron  [In:  Rev.  savoisienne  190G.     S.  186  f.]. 
Merlo,  Cl.    Note  etimologiche   e  lessicali    [In:   Atti  della  R.  Acc.  delle  sc. 

di  Torino.    A'ol.  XLH.  Disp.  4»  e  5a,   1906-1907.    S.  296—316]  (Ge- 
handelt  wird   u.  a.   von   fr.-prov.,   prov.    ko-,  coupd,  Heremence  (valles.) 

arbema,  fr.  touselle). 
^fel/er- Lübke,    W.     rum.    uripä,    frz.    aube,    sp.  alabe,    pg.   uba    [In:     Zs.  f.  rom. 

Phil.  XXXI,  582-586]. 
Prov.  aranhon  „Schlehe"  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  586  f.] . 


■94  Novitätenverzeiclinis. 

Mosemilki;  C.  .1.     Etymologies    frangaises:    Cotret  =  cort  -f-  eret  {<z  -aricius), 

(liehe  <*  distica  (o'jjt'j/ot),  pnUei\  <*  pedalariiim,  snhUn-e  <z*  sappinaria 

[In:  Mod.  Lang.  Notes  XXII,  ö.     S.  141  -1-U]. 
Petersson,  H.    Zur  EtvBooIogie  des  frz.  //um/jois   [In:  Zs.  f.  roni.  Phil.  XXXI, 

49SJ. 
Pächter,  K.     Französ.    chez  —  Chlze  —  Chaise    [In:    Zs.  f.  rorn.  Pliil.    XXXI, 

:)69— 578]. 

—  Altprovenz.  harra  „Kiefer"?  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  (UOf.j. 

—  jumpare  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  S.  432—453]. 

.iainean,  Lazare.  La  creation  metaphoriquo  en  frangais  et  en  ronian.  Images 
tirees  du  monde  des  animaux  domestiques:  Le  chien  et  le  porc  avec  des 
appendices  sur  le  loup,  le  renard  et  les  batraciens.  (VII,  174  S )  '07. 
Subskr.-Pr.  4,40;  Einzelpr.  5,50.  [Zs.  f.  rom.  Phil.  Hrsg.  v.  Gast.  Gröber. 
Beihefte,    gr.  8«.    Halle,  M.  Niemeyer.   X.  Heft]. 

Thfomas],  A.  Mots  obscurs  et  rares  de  l'ancienne  langue  fraucaise  (Supple- 
ment) [In:  Romania  XXXVI,  442-444]. 

—  frg.  yuede  [In:  Romania  XXXVI,  436 — 441].  (Vgl.  von  Bahder  im  Deutsch. 
Wtb.   S.  V.    Waid). 

—  anc.  frauQ.  m/e«,  vigean,  place  publique  [In:  Romania  XXXVJ,  441  f]. 

—  prov.  ?iofialh  [In :  Romania  XXXVI,  442]. 

Biedermann,  A.  Zur  Syntax  des  Verbums  bei  Antoine  de  la  Säle.  Beitrag 
zur  französischen  Syntax  des  XV.  Jahrhunderts.  Baseler  Diss.  Erlangen 
1907  [Aus:  Rom.  Forsch.  XXH,  3]. 

Fahrenhamp,  P.  Die  Syntax  der  substantivischen  Interrogativpronomina  qui, 
que,  quoi  im  Französischen.     Göttinger  Dissertation.     1907.     64  S.  8". 

Gai/,  Lucy  M.  Studies  in  Middle  French  [In:  Mod.  Lang.  Notes  XXII,  4 
104—109]. 

Hoepner,  J.  Die  Syntax  der  mit  2mus  zusammengesetzten  Pronomina  im 
Französischen.  (Teil  I:  aucun).  Göttinger  Dissert.  1907.  (Die  voll- 
ständige Arbeit  erscheint  als  Heft  8  der  „Romanischen  Studien-). 

Jäger.,  E.  Die  Syntax  der  unbestimmten  Fürwörter  tel,  autre  und  7iul.  Diss. 
Göttingen  1906.   117  S.  8°. 

John,  A.  Zum  Gebrauch  des  Artikels  in  den  Fabeln  La  Fontaines.  Progr. 
der  Staats-Realschule  in  Teplitz-Schönau.  13  S. 

Kalephij,  Th.    Zur  französ.  Syntax  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  S.  454—472]. 

Klein.,  B.  Beiträge  zur  Geschichte  des  bestimmten  Artikels  im  Altprovenza- 
lischen.    Progr.  Wien  1907.     35  S.  8». 

(Jounson,  A.     „Ceci  tuera  cela"   [In:  Arcb.  f.  n.  Spr.  CXIX  Vo,   S.  199—205]. 


Baudnj,  J.    Etude  sur  les  origines  du  nom  de  Saint-Mars-la-Jaille.     Paris, 

Champion.     Nanterre.     Le  Dault.     1907.     In -8,  23  p. 
Belloc.  E.    Deformations  des  noms  de  lieux  pyreneens.    Paris,  Impr.  nationale, 

1907.     In -8,   124  p. 
Biisson,   G.    Notes  sur  les  noms  de   lieux  anciens  contenus  dans  les  Actus 

pontificum   Cenomannis  in  urbe  degentum  (suite  et  tin)    [In:   Soc.   des 

arch.  hist.  du  Maine.    La  Province  du  Maine  t.  XIV.  1906.  S.  290— 295j. 
Feller,  J.    Comment  faut-il  faire  la  topouymie  d'une  commune?    [In:  Bull. 

du  dict.  general  de  la  langue  wall.  II,  3—12]. 
Gougand,  L.    Les  noms  anciens  des  iles  britanniques  [In:  Rev.  des  questions 

histor.  Octobre  1907.     S.  537—546]. 
Haust.,  J.    Un  projet  de  glossaire  de  la  Toponymie  wallonne    [In:  Bull,  du 

dict.  general  de  la  langue  wall.  II,  13 — 18]. 
nivet.,    Etymologie  de  Chalandry  (arrond.  de  Laouj  [lu:  Bulletin  de  la  Soc. 

archeol.,    histor.    et   scient.   de   Soissons,   t.  XII,  3e    serie,    1903—1904. 

Soissons,  1907.    433  und  26  S.  8«.] 


Novitätenverzeichnis.  9  5 

Etymologies  des  noms  des  eveques  de  Soissous  [ib.  p.  75—83]. 

—  —  jßtymologie  du  mot  Clouise  [ib.  p.  139  f.]. 

—  —  Etymologie  de  Larriä  et  de  Mailly  [ib.  p.  247  f.J. 

Jacquekt,   Le  uom  de  Vauxbuin    [In:  Bulletin  de  la   soc.  arcbeol.,  bist,  et 

scientif.  de  Soissons,  t.  XII,  3©  serie.     S.  233—239]. 

Topograpbie    ancienne    et  moderne   de  Vauxbuin    [ib.  p.  292— 303], 

Loik,  J.    Jura  [In:  Kev.  Celt.  XXVIII,  3.  S.  339—341]. 

^fazel,  F.    L'histoire  et  les  rues  de  Nimes  [In:  Rev.  du  Midi  1906  No.  7  u.  9J. 

P.  de  C.     Sens  (toponymie)  du  mot  „Ton"    [In:  Rev.   de  Gascogne.     Nouv. 

Serie  VI.     Auch   1906.  S.  329j  (Vgl.  ib.  p.  .524  J.  Bourdette,  Sens  du  mot 

.,Tou").  

Bavi's,  J.  S.  La  öimplification  orthographique.  Paris,  editions  du  «Censeur 
politique  et  litteraire»,  13,  rue  Lafayette.  1907.  In-8  ä  2  col.,  20  p. 
50  Cent. 

Breal,  M.  De  la  tolerance  en  matiere  d'orthographe  [In:  Revue  Bleue 
29  juin  1907].  

Frisoni,  G.    Dizionario  commerciale  in  sei  lingue  (italiano,  ledesco,  francese, 

inglese,  spaguuolo,  portogbese)  Milano,   1907.  8".  XVI,  788  pp.   15  M. 
ffuguei,  E.    Petit  Glossaire  des  classiques  frangais  du  XVIIe  siecle,  contenant 

les  mots  et  locutions  qui  ont  vieilli  ou  dont  le  sens  s'est  modifie.    Paris, 

Hacbette  et  Cie.     1907.    Petit  in-8,  VlI-411  p.  5  fr. 
hart,    J.      Dictionnaire-Vocabulaire    de    rAutomobile,    fran^ais,    allemaud, 

anglais.  italien,  suivi  d'un  Manuel  pratique   de  Tourisme  international. 

Paris,  Dunot  et  Pinat.     1907.     In- 16,  Vll-340  p.  avec  fig.  8  fr. 
J"cobi,  C.    Forstwörterbuch.    Deutscb-französiscb-dänisch.    Kopenhagen  und 

Leipzig.    1907.    8".    VI,  78  pp.    5  M. 
Leci/.   Emil.     Provenzalisches  Supplement -Wörterbuch.     21.  Heft.     Leipzig, 

1907.     8".    4  M. 
liel-o,  Viktor  A.   Zur  französisch-deutschen  Terminologie  der  Sprechmaschinen. 

[In:  Zs.  f.  d.  Realschulwesen  XXXII,  449—453]. 

4.  Metrik,  Stilistik,  Poetik,  Rhetorik. 

Stronij,  C.  History  and  relations  of  the  tail-rhyme  Strophe  in  Latin, 
French,  and  English  [In:  Publications  of  the  Mod.  I;ang.  Assoc.  of 
America  XXII,  3  S.  371—420]. 

5.  Moderne  Dialekte  und  Volkskunde. 

Bastin,   J.     Note    sur   le    dictionnaire    malmedien   de  Hubert  Scius   (1893). 

Liege,  impr.  H.  Vaillant-Carmanne  1907.    13  S.  8«.    [Extrait  du  Bulletin 

du  Dict.  general  de  la  Langue  M'allonne.     2e  annee   1907]. 
BrMon,  L.     Etude  philologique  sur  le  nord   de  la  P'rance  (Pas-de-Calais; 

Nord;   Somme).     Introduction;  Notious   sur  les  dix  parties  du  discours; 

Prefixes  :  principaux  prefixes;  Remarques;   ba,  bar;   ca,  car;  cali,  cari,- 

ga,  gar;    fer;   ma,  mar;    tri,  tre,  ter,  tar;    wa,  war.    Suffixes  :  Suffixes 

latins;   Suffixes  savants;   Suffixes  gerraaniques;   Suffixes  redoubles,   etc. 

Paris,  Champion.    1907.    In-8,  XXV-267  p. 
CoUon,  L.    Mots  wallons  divers  [Extrait  du  Bull,  de  la  Soc.  litt,  liegoise  de 

Litteraturc  wallonne,  t.  XLIX,  p.  359—361]. 
Guerlin  de  Guer,  Ck.    Notes  sur  les  parlers  populaires  de  la  region  de  Pont- 

l'Eveque-Honfleur   (Calvados)    [In:   Rev.    de   phil.   fr.    et    de   litt.  XXI, 

81-106]. 
Gony,  P.     Les  patois  vivarois  [In:  Revue  du  Vivarois,  XIV,   1906.     S.  231 

-273]. 
JacquemoUe  Edm.    et  Jean  Le/eune.     Mots  wallons  divers  recueillis  ä  Jupille 

[Extrait  du  Bull,   de  la  Soc.  liegeoise  de  Litterature  wallonne  t.  XLIX, 

S.  363-365]. 


96  Novitäienverzeichnis. 

Sarrian,  F.  De  la  ilisparitioD  de  quelques  mots  du  gascon  de  Gers  [In : 
Rev.  de  Gaseogne.    Nouv.  serie  VI  Auch  190r,.     S    161  —  165]. 

l'crriei;  A.-J.  Explication  de  quelques  mots  du  patois  angevin  [In:  Mem. 
de  la  soc.  nationale  d'agriculture,  sciences  et  arts  d'Angers,  ancienne 
Acad.  d'Angers,  5"  serie,  t.  IX.    Angers  1906.     S.  75—83]. 

France,  H.  Dictionnaire  de  la  langue  verte.  Archaismes,  Neologismes,  Lo- 
cutions  etrangeres,  Patois.    Paris,  Lihrairie  du  Progrös.     10  tr. 

Sainean,  L.  L'argot  ancien  (1455—1850).  Ses  elements  constitutifs,  ses 
rapports  avec  les  langues  secrötes  de  l'Europe  Meridionale  et  l'argot 
moderne,  avec  un  apendice  sur  l'argot  juge  par  Victor  Hugo  et  Balzac. 
Paris,  H.  Champion  1907.     VII,  350  S. 


Homere.  —   L'Oudisseio  d'Oumero,  revirado   au  Prouvengau;   par  Charloun 

Rieu,    döu  Paradou.     Marseille,  Ruat.  1907.    In-16,  V-383  p. 
.loumu,  A.     Gran  de  Beuta.     52  sounet  prouvengau.     Avignon,  Roumanille. 

1907.   In-8,  62  p.  1  fr. 
—    —   La  Pochi   de   darrie,   conte,   retra,    sourneto  e  galejado   en  proso. 

Avignon,  Roumanille.    1907.     Iu-8,  63  p.  1  fr. 
.yetivier,  A.    Un  voyage  ä,  Paris,  saynöte  eu  patois  poitevin.    Melle  (Deux- 

Sevres).    l'auteur.    In-16,  31  p. 
Monne,  J.    Mentino,  pouemo  prouven^au  eu  douge  cant.    Marseille,  Ruat. 

1907.    In-16,  164  p. 
Thomas,  Ä.    Deux  quatrains  en  patois  de  la  Haute  Marche  [In:   Romania 

XXXVI,  403—419].  

Amade,  J.    Etudes  de  litterature  meridionale.     Toulouse,  Privat.     Paris,  Pi- 

card  et  fils.     1907.    In-16,  315  p.  3  fr.  50. 
C.  J.    La  renaisssnce  meridionale  au  XIX«  siecle  d'apres  un  ouvrage  recent 

(L'universite  Catholiqne,    15  juillet    1907).     Lyon  imprimerie   E.  Vitte 

1907.     19  S.  80. 
Portal^  E.    Letteratura  provenzale.    I  moderni  trovatori.    Mailand,  Hoepli. 

L.  1,  50.  

Bolte,   J.     Charles  Perrault   über   französischen  Aberglauben    [In:    Zs.   des 

Vereins  f.  Volkskunde  XVII,  4.    S.  452-454J. 
Cohon,  0.    Les  sortileges  et  malefices  dans   la  tradition  populaire  wallonue 

actuelle  (tin)  [In:  Wallonia  XV,  3  et  4]. 
Dambiel/e.     La   Sorcellerie   en    Gaseogne.     Auch,    impr.    Cocharaux.     1907. 

In-8,  30  p. 
Uetcert,  J.    Le  hanneton  dans  nos  traditions  populaires  [In:  Wallonia  XV,  5]. 
fsabel,  F.    Legendes  religieuses  de  la  contree  d'Ollon  [In:  Schweiz.  Arch.  f. 

Volkskunde  Xl%.    ö.  121—131]. 
Madelaine,  A.    Au  bon  vicux  temps.     Recits,  contes  et  legendes  de  l'ancien 

ßocage  Normand.     Jeux.  Vieillos  Chansons.    Vingt  airs  notes.     I.  Paris 

Houore  Champion.     XIV,  384  S. 
F/istev,  0.    Nicolas  Remy   et   la  Sorcellerie    en  Lorraine    a   la  fin  du  XVIe 

siecle.    Paris.     1907.    In-8,  34  p. 
SebiUot,  P.    Le  Folk-lore  de  France.    Tome  IV  et  dernier.  —  Le  Peuple  et 

l'histoire.     Avec  une  Table  analytique  et  alphabetique.     Paris,  E.  Guil- 

moto.     16  fr. 
Veshj^L.de.  Legendes  et  Vieilles  Coutumes.  Ronen,  impr.  Gy.    1907.   In-8,  6  p, 

6.  Literatur aescliichte. 
a)  Gesamtdarstellungen. 

Baher,  E.  Alb.    Hlstory  in  Fiction:  A  Guide  to  the  best  historical  Romances. 
Sagas,  Novels  and  Tales.    2  vols.    New  York,  1907.    12".   7,  288,  253  pp. 


Novitätenverzeiclinis.  9  7 

Gotzes,  P.   Heinr.:    Die  Tiersage  in  der  Dichtung.    Literarische  Studie.   (42  S.) 

'07.    [Broschüren,  Frankfurter  zeitgemäfse.    Gegründet  von  Paul  Haffner, 

Johs.  Janssen  u.  E.  Th.  Thissen.     Neue  Folge.     26.  Bd.  gr.  8".    Hamm, 

Breer  &  Thiemann.    Jedes  Heft  —,50]. 
La  Borderie,  Arthur  de.    Archives  du  bibliophile  breton.    Notices  et  documents 

pour    servir   ä   l'histoire    litteraire   et   bibliographique   de   la  Bretagne. 

T.  IV.    Rennes,  Plihon  et  Hommay,  1907.   VI,  189  S.  18°. 
Möller.  Geo.  Eerm.    Beiträge  zur  dramatischen  Cleopatra-Literatur.     Progr. 

(39  S.)    8".    Schweinfurt,  (E.  Stoer)  '07. 
Quelques  poeies.     l'e  partie  :  les  Angoumoisins;  les  Cogna^ais  (1480  ä  1870). 

Cognac,  L.  P.  Conraud,  1907.  4.5  S.  18 ». 


Appel,  C.     Deutsche  Geschichte  in  der  provenzalischeu  Dichtung.    Eede  bei 

Übernahme   des  Rektorats  gehalten  in  der  Aula  der  Kgl.  Universität  zu 

Breslau  am  15.  Oktober  1907.    Sonderabdruck  aus  No.  733  und  736  der 

Schlesischen  Zeitung.     Breslau  1907.     16  S.  8». 
Auhry,  P.    Recherches  sur  les  «  Tenors  »  frangais  dans  les  motets  du  Xllle 

siecle,    Paris,  Champion.    1907.   Grand  in-8,  40  p.  avec  musique. 
Auhry.,  P.  et  A.  Gastoiie.    R^cherches  sur  les  „Tenors"  latins  dans  les  motets 

du   treizieme    siecle   d'apres   le   manuscrit   de  Montpellier  Bibliothöque 

Universitaire  H.  196.    Paris,  H.  Champion  1907.     20  S.  grofs  8».  Fr.  2,50. 
Beck,  .Jean,  B.    Die   modale   Interpretation   der   mittelalterlichen    Melodien, 

bes.  der  Troubadours  und  Trouveres.    Strafsburg,  F.  X.    Le  Roux  et  C'ie. 

[In:  Caecilia,  juillet  1907J. 
Becker,  Ph.  Aug.     Grundfiss    der   altfranzösischen   Literatur.    1.  Tl.    Älteste 

Denkmäler.    Nationale  Heldendichtung.   (VI,   144  S.)  '07.    3, — ;  geb.  in 

Leinw.  3,60.   [Sammlung  romanischer  Elementar-  und  Handbücher.  Hrsg. 

V.  W.  Meyer-Lübke.   8".   Heidelberg,  C.  Winter,  Verl.    II.  Reihe  1.]. 
Bedier,  J.    Les  chansons  de  gestes  et  les  routes  d'Italie  (suite)  [In:  Romania 

XXXVI,  337—360]. 
Cipriani,  L.    Studies  in  the  Influence  of  the  Romance  of  the  Rose  upon  Chaucer 

[In :  Publications  of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of  America  XXII,  3.  S.  552— 595]. 
Cohen,  Gust.     Geschichte    der    Inszenierung    im    geistlichen    Schauspiele    des 

Mittelalters  in  Frankreich.    Verm.  u.  verb.  Ausg.     Ins  Deutsche  übertr. 

V.  Dr.  Const.  Bauer.     (XV,    256  S.    m.  8  Taf.j   gr.  8«,     Leipzig,    Dr.  W. 

Klinkhardt  '07. 
Dressier,  A.    Der  Einflufs    des   altfranzösischen  Eneas-Romans   auf   die  alt- 
französische Literatur.     Göttinger  Dissertation  1907.     171  S.  8°. 
Easter,  De  la  Warr  B.,   A  study  of  the  magic  elements  in  the  romans  d'aven- 

ture  and  the  romans  bretons,  pt.  1.  Baltimore,  Johns  Hopkins  Universitv, 

1906.    IX,  56  S.  8°. 
Jeanroy,  Ä.     La   Passion   Nostre   Dame   et   le    „Pelerinage   de   l'ame"    de 

Guillaume  de  Digulleville  [In:  Romania  XXXVI,  361  ff.]. 
Klapöike,  A.     Das    Verhältnis    von   Aliscans    zur    Chanson    de    Guillaume. 

Hallenser  Dissert.  1907.    .50  S.  8". 
Kruse,  K.    Jehan  Michel:  ..Das  Mystere  de  la  Passion  Jesu  Christ  jouee  a 

Paris  et  Angiers"  und  sein  Verhältnis  zu  der  Passion  von  Arnould  Greban 

und  zu  den  beiden  Valencienner  Passionen.  Diss.  Greifs wald  1907.  110  S.  8'^'. 
Loth,  J.  et  E.  Philippoi,   Le   lai   du  Locheor   et  Gumbelauc    [In:    Rev.   Celt. 

XXVIII,  3.     S.  327—336]. 
Nickel,  Wilh.    Sirventes  u.  Spruchdichtung.     VII,  124  S.  '07.   3,60.    [Palaestra 

LXHI], 
Novati,  F.    Studi  e  profili.    Bergamo,  Istituto  italiano  d'arti  graphiche,   1907. 

260  S.  8",  con  quarantadue  tavole  e  quattro  facsimili  [darin:  3.  L'epopea 

Itrettone  nel   medio  ovo.     4.  La   leggenda    di  Tristano    e  d'Isotta.    5.  I 

Goliardi  e  la  jjoesia  latina  medievale.    8.  11  Virgilio  cristiano]. 
Schuck,  II.  Mittelalterliche  Sagenstoffe  und  byzantinischer  Einflufs  [In:  Neuphii. 

Mitteilungen  1907.    No.  5/6]  (Übersetzt  aus  H.  Schuck  Verdenskulturen.j. 

Ztschr.  j,  frz.  Spr.  u.  Litt,  XXXII2.  7 


98  Noüitätenverzeichnis. 

SeUeijast,  F.    Antike  Elemente  im  altfranzösischen  Merowingerzyklus  nebst 

einem  Anhang   über   den  Chevalier   au  Hon.     Leipzig,  0.  Harrassowitz 

1907.    86  S.  8».     3  M. 
Sommer,  U.  0.    The  Queste  of  the  Holy  Grail  forming  the  third  part  of  the 

trilogy  indicated  in  the  suite  du  Merlin  Huth  Ms  [In:  Komania  XXXVI, 

S.  369—402  (ä  suivre)]. 
Thompson,  J.  IT.    Vergil  in  mediaeval  culture  [In:  American  Journal  of  theo- 

logy.     Oct.  1906]. 
Toldo,  P.    Dali'   Alphabetum   narratiomtm   (Fortsetzung)    [In:    Arch.    f.   n.  Spr. 

CXVIIl,  S.  329-351]. 
TorcU,  L.    I  monumenti  dell'  antica  musica  francese  a  Bologna  [In:  Rivista 

musicale  italiano  XIII,  3]. 
Weston,  J.  L.    The  Grail  and  the  rites  of  Adonis  (In:  Folk-Lore  30tiie  Sept. 

1907.     S.  283-30.')]. 


Antona-Traversi,  Cum.    Piccole  note  sul  teatro  di  prosa  a  Parigi.    Castrocaro, 

E.  Poggiolini.     182  S.  8». 
Armaingaud,   La  Boetie,  Montaigne  et  le  Gontr'un.  Reponse  ä.  M.  P.  Strowski. 

Bordeaux,  impr.  Gounouilhou.     1907.     Iu-8,  30  p. 
Arudi,  R.    „Le  Rouge  et  le  Noir"  par  Beyle-Stendhal  et  „Le  Disciple"  par 

Paul  Bourget.    Essai  de  philosophie.    Progr.  Langendreer  1907.    24  S.  4". 
Baldensperger,   F.     Etudes    d'histoire    litteraire:  comment   le    XVIIIe   sifecle 

expliquait  l'universalite  de  la  langue  fran§aise,  Young  et  ses  „nuits"  en 

France,  le  genre  „Troubadour",  „Lenore"  de  Bürger  dans  la  litterature 

frangaise,   les   definitions  de   l'humour.     Paris.  Hachette  et  Cie.    in  16". 

Prix  3  fr.  50. 
Bouyer,  ü.    Le  caractere   fran^ais  juge   par  l'ideal  romantique    [In:  Revue 

Bleue.     19.  oct.  1907]. 
Brancour,  R.    Les  maitres   musiciens    de   la  Renaissance   frangaise    et  leur 

historien  [In:  Sammelbände  der  internationalen  Musikgesellschaft  VIII. 

1.  S.  115—135]  (Im  Anschlufs  an:  Les  maitres  musiciens  de  la  Renaissance 

frangaise,    editions  p.  p.  M.  H.  Expert.   d'apr&s    les   manuscrits   les  plus 

authentiques  et  les  meilleurs  imprimes  du  XVIe  siecle,   avec  variantes, 

notes  historiques,  critiques,  transcriptions  en  notation  moderne,  etc.) 
Brandes,   G.     Main    Currents   in   Nineteenth   Century   Literature.     6   vols. 

Cheaper  reissue.    London,  Heinemann. 
Cadeddu,  H.    La  tragedie  francaise  au  XVII  sieclo.    Cagliari,  tip.  Commerciale, 

1907.    80.  p.  33. 
Chauvin,  A,  et  G.  Le  Bidois.    La  litterature   francaise   par  les  critiques  con- 

temporains.     Choix  de  jugements.     Du  moyen  äge  au  XVIIe  siecle  (Ville- 

main;  Sainte-Beuve;  Saint-Marc  Girardin;  Prevost-Paradol;  Nisard;  G. 

Boissier;  S.  de  Sacy;  Cousin;  G.  Paris;  Brunetiere;  Faguet;  Lanson,  etc.). 

Nouvelle  edition,   completement  refondue.     Paris,  librairie  Belin  freres. 

1907.    In-18  Jesus,  XII-558  p.  3  fr.  50 
CoUignon  A.    La  Bibliotheque  du  duc  Antoine.     Recherches  bibliographiques, 

suivies   de   l'Inventaire   annote.     Nancy,    impr.  Berger-Levrault  et  Cie. 

1907.    In-8,  140  p.  et  planche. 
Claretie,  J.    La  „Liberte  reconquise"   ä  la  Comedie-Frangaise,  en  1791  [In: 

La  Revolution  frang.  1907  mai]. 
Ci-ane,  Th.  Fred.    La  societe  fran^aise  au  dix-septieme  siecle.     2.  Ed.  LXXI, 

350  S.  12°.     New  York,  G.  P.  Putnams'  Sons. 
Des  Granges,  C.  M.    Le  Romantisme  et  la  Critique.    La  Presse  litteraire  sous 

la  Restauration   (1815-1830).     Paris,   Societe   du  Mercure   de   France, 

26,  rue  de  Conde.     1907.    In-8,  387  p. 
Edtoards,    B.     Literary   Rambles    in   France.     London,    1907.   8"  284  pp. 

14  M  20  Pf. 


Novitätenverzeichnis.  99 

Enist-Charles,  J.    Les  samedis  litteraires.  5  Serie.  Avec  un  index  alphabetique 

de  tous  les  noms  cites  dans  les  cinq  series  publiees  et  dans  la  Lüierature 

f'ranqaise  d'aujourdliui.  Paris,  E.   Sansot  et  C'e.  3  fr.  ÖO. 
Fwjutt,  E.    Propos  litteraires.    4e  serie.    Paris,  1907.    18^  3  M  50  Pf. 
Gajo,  A.    Influsso  della  letteratura  snlla  rivoluzione  francese:  note.  Tempio, 

tip.  G.  Tortu,  1907.  18  S.  S«. 
Gendarme  de  Bevotte.    Festin  (le)  de  Pierre  avant  Moliöre.  Dorimon;  de  Vil- 

liers;  Scenario  des  Italiens;  Cicognini.  Textes  pnblies  avec  introduction, 

lexiquc  et  notes;  Paris.  Cornely  et  C'e.  1907.  In-16,  VIII-24.')  p. 
Halden,  C.    Ab  der  —  Nouvelles  Etudes  de  litterature  canadienne  frangaise 

Paris,  Rudeval.  1907  In-18  Jesus,  XVI-384  p.  4  fr. 
lla-^ard,  P.    Tendances  romantiques  dans  la  litterature  de  la  Revolution  [In: 

Rev.  d'Hist.  lit.  de  la  France  XIV,  3  S.  ööö-ööSJ. 
IJoffmann,  A.  Das  Freundschaftsverhältnis  zwischen  Jean  Louis  Guez  de  Balzac 

und  Rene  Descartes  [In:  Sonntagsbeilage  zur  Vossischen  Zeitung  1907. 

Nr.  31]. 
Joiihanneaud,  C.    Notes   pour  servir  ä  l'histoire  de  la  musique  et  du  theätre 

a  Limoges  au  XIX  siecle  [In:  Bull  de  la  soc.   archeol.   et  bist,  de  Li- 

mousin,  t.  LVI,  1906.  S.  48-108]. 
Kleuker,  Ji.    Samuel  Johnsons  Verhältnis  zur  französischen  Literatur.  Diss. 

Strassburg  1907.  165  S.  8. 
Lache ci-e,  Fr.  Des  Barreaux  et  Theophile  de  Viau  (fin)  [In:  Bull,  du  Bibliophile 

15  avril  1907]. 
Lan^lais,  J.  —  L'Education  avant  Montaigne  et  le  Chapitre  '<De  l'Institutioii 

des  enfants»  Paris,  Croville-Morant.  1907.  Iu-I2,  88  p.  2  fr. 
MaVlard.  F.    La  Cite  des  intellectuels,  scenes  cruellcs  et  plaisaiitos  do  la  vie 

litteraire  des  gens  de  lettres  au  XIXe  siecle.     Paris,  Daragon, 
Jlarechal,  C.  —  Lamennais  et  Lamartine.   Paris,  Bloud  et  Cie.  1907.  In-IG, 

VII 1-380  p. 
Morel,  L.     Werther   au  theätre  en  France  [In:  Arch.  f.  n.  Spr.  CXVIII,  S. 

352—370].  ^ 

—    Les  principales  traductions  de  Werther  et  les  jugements  de  la  critique 

(177G— 1872)  [In:  Arch.  f.  n.  Spr.  CXIX'/o  S.  139-159]. 
Normand,  Ch.    La  Bourgeoisie  Frangaise   au  XVIIe  siöcle:  la  vie  publique, 

les  idees  et  les  actions  politiques,  Paris,  F.  Alcan  12  fr. 
Plcot,  E.  —  Les  Fran^ais  italianisants  au  XVI e  siecle  T.  2.  Paris  Champion. 

1J07.  In  8,  400  p. 
Poinsoi,    M.-C.      Litterature    sociale.      Paris,     1907.       18".     VI,    243    pp. 

3  M.  50  Pf. 
Salomon,  .][.    Charles  Nodier  et  le  Groupe  Romanti(iue  d'apres  des  documents 

inedits.  Paris,  Perrin  et  Cie.  3  fi-,  ')0.   Un  volume  in- IG  avec  portraits.  — 

Prix  3  fr.  50. 
Schneegans,  H.    Der  Frauenstreit  in   der   französischen  Renaissanceliteratur 

[In:  Deutsche  Rundschau.    Juli  1907.  S.  99-108]. 
Seche,  L.    Beranger,  Chateaubriand,  Lamennais  [In:  Rev.  de  Paris  XIV,  Nr 

14  und  15]. 
Seche.  L.    Ilortense  Allard,  Sainte-Beuve  et  Mmo  d'Agoult  [In :  Rev.  de  Paris 

XIV,  Nr.  18.] 
Seilliere,  E.     Die  Romantische  Krankheit  Fourier  —  Beyle-Stendhal.  Autoris. 

Übers,    von  Fr.   v.   Oppeln-Bronikowski.    Berlin.    Barsdorf.  Gr  8''.  M.  7. 
Si/Alia,  A.    Les  Italiens  dans  l'ancieune  comedie  fran^aise.  Versailles,  Aubert. 

61  S.  8". 
Si'ccardi,    Vesta.     Les  Don  Juan  celöbre:   influence  de  l'Italie  sur  le  theätre 

de  Moliere.    Asti,  tip.  Paglieri  e  Raspi,  1907.     61  S.    8«. 
Sichel,  J.     Die  englische  Literatur  im  Journal  Etranger.     P^in  Beitrag  zur 

Geschichte  der  literarischen  Beziehungen  zwischen  England  und  Frank- 
reich im  18.  Jahrh.  Diss.  Heidelberg.     1907.     74  S.  8". 


1 00  Novitätenverzeichnis. 

Soiiriau,  M.  Moralistcs  et  poötes  (Pascal,  Lamartine,  Casimir  Delavigne, 
Alfred  de  Vigny,  Ren§  Bazin,  etc.)  Paris,  A^uibert  et  Nony.  Volume 
18  i  12  de  XlI-300  pages,  breche  3  fr.  50  [Sommairo.  —  Avant-Propos: 
L'Esprit  scientifiqiie  et  la  critique  litteraire.  —  I.  Le  Jansenisme  des 
Pensees  de  Pascal.  -  II.  La  Fille  de  Bernardin  de  Saint-Pierre.  — 
III.  La  Versification  de  Lamartine.  —  IV.  Le  Roman  de  Casimir 
Pelavigne.  —  V.  Les  Cahiers  d'ecolier  de  Brizeux.  —  VI.  Le  Roman- 
tisme  juge  par  Alfred  de  Vigny.  —  VII.  La  Fete  des  poetes  normands. 
—  VIII.   M.  Rene  Bazin  et  le  roman  social.] 

llmasne,  L.  —  Rabelais  et  Villon.     Paris,  Champion.     1907.    In-8,  55  p. 

Torri,  Marta.  Roma  uella  poesia  francese  e  tedesca  del  sec.  XIX.  Parma, 
tip.  E.  Ferrari.  1906.     154  S.    L.  1,25. 

ühlif,  Ant.    Montaigne  et  Pascal  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  France  XIV,  3j. 

Visan,  Tancrede  de,  L'Ideal  symboliste.  Essai  sur  la  mentalite  lyrique  con- 
temporaine  [In:  Mercure  de  France  16  juillet  1907]. 

}Volf.  Jf.  Avellanedas  Don  Quijote,  sein  Verhältnis  zu  Cervantes  und  seine 
Bearbeitung  durch  Lesage  [In:  Zs.  f.  vergl.  Litt.-Gesch.  N.  F.  XVII, 
1—70]. 

Zimmermann,   A.     Die   moderne  französische  Literatur  und  die  katholische 
Kirche  [In:  Hist.-polit.  Blätter.     CIL,  1.    S.  49-61]. 
b.   Einzelue  Autoren. 

Barris,  Maurice  p.  E.  Vierung  [In:  Zs.  f.  franz.  und  engl.  •Unterricht  VI,  4. 
S.  311—325]. 

Baude.  —  A.  Thfomas]  Henri  Baude  a  TuUe  en  145.")  [In:  Romania  XXXVI, 
435  f.]. 

Beranger  p.  P.-F.  I)ubois[lü:  Revue  Bleue  21  et  28  Sept.,  5  et  12  oct.  1907]. 

—  Beranger  anecdotique  p.  A.  Seche  et  Jules  Btiinut  [In:  Mercure  de  France 
16  juillet  1907  S.  254-269]. 

Btyle- Stendhal.  —  S.  oben  p.  98  Arndt. 

Boisrobert,    Fr.^e  Metel  de.,  als  Dramatiker  und   Nachahmer  des  spanischen 

Dramas.    V  Die  Tragikomödien  von  Fr.  Tenncr.    Leipziger  Dissertation 

1907.    X,  178  S.  8°. 
Bourget,  P.  —  S.  oben  p.  98  Arndt. 
Calvin.,  J.   et  la  reforme  protestante  ä  Geneve  [In :  Merc.  de  France  1  oct. 

1907.     S.  405—426]. 
Chateaubriand.  —  Une  lettre  de  Boissonnade  sur  Chateaubriand  [In:  Aunalos 

Romantiques  VI,  3.     S.  220]. 

—  Chateaubriand  professeur  de  frangais  p.  Anatole  de  Braz  [In:  Rev.  de  Paris. 
XIV,  No.  16]. 

Condorcet.   —  Catalogiie  des  ouvrages  de  Condorcet-    Paris,  impr.  nationale. 

1907.    In-8,   26  col.     [Extrait  du  t.  31  du  «  Catalogue  general  des  livres 

imprimes  de  la  Bibliotheque  nationale  ».] 
konstant,  Benjamin  von  Walther  Küchler  \ln:  Frankfurter  Zeitung.    2.  Juli  1907. 

Erstes  Morgenblatt]. 

—  E.  Tambour,  Benjamin  Constant  ä  Luzarches.  Versailles,  Bernard. 
100  S.  8'^. 

Coppee.  —  Catalogue  des  ouvrages  de  F.   Coppee.    Paris,   Impr.  nationale. 

1907.    In-8,  34  col.     [Extrait  du  t.  31  de  «Catalogue  general  des  livres 

imprimes  de  la  Bibliotheque  nationale  ».] 
Corneille.  —  Frye.  Corneille:  the  neo-classic  tragedy  and  the  Greek.    Lincoln 

1907.    M.  5. 
Corbiere,  Tristan.  —  R.  Martineau,    Autour  de  Tristan  Corbiere  [In:  Mercure 

de  France  16  sept.  1907  S.  267—274]. 
Des  Barreaux.     S.   oben  p.   99   Lachcvre. 

Descartes  et  la  musique  p.  A.  Pirro.  Paris,  Fischbacher  128  S.  8°.  Fr.  5._ 
D  mahis.  —  BasseriUe.    Un  poete  orleanais.  De  Corsembleu  Desmahis  (1722- 

1761)  Orleans,  impr.  Gout  et  de.  1006.  In-8,  14  p. 


Novitätenverzeichnis.  101 

Dfsportes,  Aug..,  litterateur  (1797—1866)  p.  H.  Vaschahk  [In:  Bull  de  la  Soc 

archeol.  et  de  staust,  de  la  Drome,  A.  XL,  1906.  S.  5—15]. 
Fontanes.  —  E.  Faguei.  Poetes  fraiiQais  du  XlXe  siecle  qui  continuent  la  tradition 

du  XVlIle;  Fontanes  [In:  Revue  des  cours  et  Conferences  XV,  32.  33.  34.  35]. 
Giii  de  Mori  et  le  roman  de  la  rose  p.  E.  Langhis.  [In:  Bibl.  de  l'ecole  des 

chartes  LXVIII,  249—271]. 
Ilelcetius.    Sa  vie   et    son   ceuvre,  d'apres  ses  ouvrages,  des  ecrits  divers  et 

des  documents  inedits;  par  Albert  Keim,  Paris,  F.  Alcan  et  Guillaumin. 

1907.  ln-8,  YIIl-728  p.  avec  portrait.  10  fr. 
Hugo.,   Victor.    Sa  vie;  Ses  oäuvres;  ^iv^v  Paul  Bondois,  9e  edition,  revue  et  con- 

siderablemeut  augmentee.  Paris,  Picard  et  Kaan.  1907.  In-4,  334  p.  avec 

SG  illustrations  d'apres  Bonnat,  L.  Boulanger,  Brion,  Chiffard,  Daubigny, 

Flameng,  etc.  G.  fr. 

—  Hugo,  V.  ä  vingt  aus,  d'apres  des  documeuts  inedits,  p.  P.  Dufay  [In: 
Aunales    Romantiques  VI,  3]. 

—  F.  BaUenperger.  Goethe  et  Hugo,  juges  et  parties  [In :  Mercure  de  France 
1er  sept.  1907]. 

—  V.  et  Byron  p.  E.  Rigal  [In:  Rev.  d'Hist.  lit.  de  la  France  XIV,  3]. 

—  V.  A.  Arullnni.    Victor  Hugo  lirico.  Napoli,  T.  Pironti.  181  S.  8°.  L.  1  ,2 
Jodelle  —    Ad.   ran   Berer,   Vie    d'Etienne   Jodelle,   par    Guillaume   Colktet    [In 

Bulletia  du  Bibliophile  1907  avril,  mai  et  juin]. 
La  Fagette,  Madame  de,  et  Louvois  p.  J.  Lemoine  [In  :  Rev.  de  Paris  XIV,  Nr  1 
La  Fayelle,  Olirier  de,  p.  L.  Bauzin  [In:  Mercurc  de  France    1er  sept.  1907] 
Lamartine  et  la  Politique  etrangere  de  la  Revolution  de  Fevrier  (24  fevrier 

—  24  juin   1848)  p.  P.  Quentiu-Bauchari,  Paris  F.  Jouven.  460  S.  5,  fr. 

—  Pour  Elvire.  Le  sejour  de  L.  ä  Aix-lcs-Bains  ii.  L.  Seche  [In:  Annales 
Romantiques  VI,  3.  S.  22G— 228]. 

JJainteiwn,  —  Vie  et  Caractere  de  Madame  de  Maintenon.  d'apres  les  oeuvres 
du  duc  de  Saint-Simou  et  des  documents  ancious  ou  receuts,  avec  une 
introduction  et  des  notes  ;  par  E.  Pilastre.  Paris,  F.  Alcan.  1907.  In-8, 
187  p.  avec  reproductions  de  portraits,  vues  et  autographes.  5  fr. 

Marivanx;  par  Gaston  Deschumps.  2'-  edition.  Paris,  Hachettc  et  C«e.  1907,  In 
-16,  192  p.  et  Portrait.  2  fr. 

Martial  d'Auvei'gne  etait-il  d'Auvergne?  [In:  Bull,  histor.  et  scientif.  de  l'Au- 
vergne  1907,  janv.-fevr.j. 

Maupassnnt.  Q<]vres  completes  augmentees  de  Notes,  de  la  Correspondance 
et  de  ;;5  Nouvelles  inedites  ecrites  de  1881  ä  1892.  29  Bd.  gr.  18 ».  Paris 
L.  Conrad.  Pr.  ä  Band  5  fr. 

Merimee,  Prosper.  L'Homme,  l'Ecrivain,  l'Artiste.  Paris,  Librairie  du  „Journal 
des  Debats".    Prix  de  souscription  59  fr. 

—  Merimee  critique  d'art  en  \'^o'2  (suite)  p.  Albert  Pauphiht  [In:  Annales 
romant.  VI,  3]. 

—  En  l'honneur  de  Prosper  Merimee  (Paris  et  Cannes,  28  avril  1907).  Paris. 
bur<^aux  du  «Journal  des  Debats;;  17,  rue  des  Pretres-Saint-Germain. 
l'Auxerrois.  1 907.  In-4  ä  2  col.,  48  p.  avec  grsv.,  portrait  et  autographes  1  fr. 

—  F.  Matic,  Prosper  Merimees  Mystification  kroatischer  Volkslieder  [In : 
Arch.  für  slav.  Phil.     29,  IJ. 

Miclot,  Jean.    L'un  des  traducteurs  de  Philippe  le  Bon  p.  /'.  Perdrizet.     [In: 

Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  France  XIV,  3], 
Moliire  —  S.  oben  p.  91   Levi. 

—  Iluszar,  G.  Etudes  critiques  de  littcraturo  comparee;  par  Guillaume  Huszür. 
II,  Moliere  et  l'Espagne.     Paris,  Champion.     1907.     ln-16,  lX-334  p. 

F.   Veziuct,  Moralin  et  Moliere  (Moliere  en  Espagne)  [In :  Rev.  d'Hist. 

litt,  de  la  Fr.  XIV,  2.     S.  193-250  (ä  suivre)]. 

—  A.  Lefranc.  La  vie  et  les  oeuvres  de  Moliere  [In:  Rev.  des  cours  et  Confe- 
rences XV,  33.   34.   35.], 

Mo,  'aigne.     S.  oben   p.   98-  Armaingaud  und  p.   100    Uhlir. 


102  Novitätenverzeichnis. 

—  Montaigne^  sa  vie  ct  son  (Buvre  d'apres  des  travaux  recents  p.  Bourilly. 
[In:  Rev.  d'hist.  mod.  et  contemporainc  VIII,  7  u.  8]. 

Montesquieu,  ses  idees  et  ses  ceuvres.    D'apres  les  papiers  de  la  Brede  p.  //. 

Barckhausen.    Paris,  Hachette  &  C'e,     Pr.  3  fr.  50. 
Musset  (1810—1857),     La   vie    de   Musset.     L'G<]uvre   et   son   temps;   par 

Gauihier-Ferriires.    Paris.    Larousse.    Petit  in-8,   104  p.  avec  fac-simile 

hors  texte  et  portraits.     75  cent. 

E.  J.  Dotibedout.    Edgar  Poe  et  Alfred  de  Miisset  [In :  Mod.  Lang.  Notes 

XXII,  3.    S.  71-76). 
Xodier.  —  (Charles  Kodier  et  le  Groupe  romantique  d'apres  des  documeuts 

inedits:  par  Michel  Salomon.    Paris,  Perrin  et  Cie.    1908.    In- 16,  XII-322 

p.  avec  2  portraits. 
Pascal.  —  S.  oben  p.  100   Ukliv. 

Pascal  et  son  temps  par  Fortunat  Strows/ci,  deuxieme  Partie:  L'Histoire 

de  Pascal.    Paris,  Plon-Nourrit  &  Cie,    3  fr.  .50, 

—  F.  Strowski.    La  lettre  de  Blaise  Pascal  ä  Florin  Perier  [In  Rev.  Bleue 

5  oct.  1007]. 

^  E.  Jalousti-e,  Reponse  ä  une  accusation  de  faux  portee  contre  Pascal 
[In:  Bull,  histor.  et  sc.  de  l'Auvergne.     1907,  avril-mai]. 

—  Pascal  a-t-il  cte  amoureux?  A  propos  d'un  nouveau  manuscrit  du 
discours  sur  les  passions  de  l'amour  p.  F.  Giraud  [In:  Rev.  des  deux 
mondes  15  octobre  1907]. 

Passerai,  J.    Sein  Leben  und  seine  Persönlichkeit  von  Edgar  voo  Mojsisovics. 

Halle  a.  S.  M.  Niemeyer  1907.    IX,  72  S.  8^ 
PerrauU,   Cli.  S.   oben  p.  9G  Bolte. 
Pi'udhomme,  S.  —  Baudler,  SuUv  Prudhommes  philosophische  Anschauungen. 

Progr.  Ohligs-Wald  1907,   "30  S.  40. 

—  Ji.  Doumic,  Le  poete  de  la  vie  interieure  [In:  Rev.  des  deux  mondes 
1.').  oct.  1907J. 

Quinet.  —  J.  Gay.    Edgar  Quinct  et  l'Italie  (1832—1851)  [In:  Revue  Bleue 

6  juillet  1907]. 

Bahelais,  Fr.  by  Arthur  Tillen.  French  Men  of  Letters  cd,  by  A.  Jessup. 
London,  i.  B.  Lippincott  Company,    388  S.  8*^. 

—  G.  Conti.  Rabelais  (1495? — 15.^3).  Brescia,  tip.  fratelli  Gerold!,  1907. 
25  S.  8». 

—  Au  pays  de  Rabelais,  par  Louis  Loviot.  Nogent-le-Rotrou,  impr. 
Daupeley-Gouverneur.    Paris,  libr.  Champion,    1907.    ln-8,  23  p.  et  grav. 

—  Un  livre  rare:  Entretieu  de  Rabelais  et  de  Nostradamus  (1690); 
par  Louis  Loviot.  Nogent-lc-Rotrou,  impr.  Daupeley-Gouverneur. 
ln-8,  9  p.  .  " 

Racine.  —  A.  Gazter.  R.  et  le  thcätre  fran^ais  [In :  Rev,  des  cours  et  Con- 
ferences XV,  32.   33    34.]. 

Ber/nard.  —  Le  poete  J.  Fr.  Regnard  en  son  chasteau  de  Grillon.  Etüde 
topograpbique,  litteraire  et  morale,  suivie  de  la  publication  des  actes 
originaux  de  scelles  et  inventaire  apres  dccös,  p.  J.  Gwjoi.  Paris,  A. 
Picard  et  fils  1907.    YlII,  208  S.  4«. 

Bostand,  E.  von  /.'.  Kiessmann  [In:  Die  Grenzbolen.     lü.  Oktober  1907]. 

Rowjet  de  Lisle,  Conference  faite  au  theatre  de  Besan^on.  le  7.  mars  1907: 
par  Andre  Lanier.  Suivi  de  :  Roland  ä  Ronccvaux,  C'hant  national  et 
Montaigu,  paroles  et  musiquc  de  Kouset  de  Lisle.  Besannen,  impr. 
Cariage.    1907.    Petit  in-8,  34  p. 

Rousseau  ä  Montmorency  p.  E.  Pilon.    [In:  Rev.  IJleue.     12  oct.  1907]. 

—  L.  Roure,  La  religion  de  J.  J.  Rousseau  [In:  Etudes;  rcvue  fonde  p.  des 
Peres  de  la  Compagnie  de  Jesus.     1907,  5  juin]. 

—  L.  Dumur.  Les  detracteurs  de  Jean-Jacquos  [In:  .Alercure  de  France. 
15  juin  1907]. 

Sainte-Beuve.     S.  oben  p.  9}  Seche,  • 


Novitätenverzeichnis.  103 

Saint-  Evreniond  en  Angleterre  p.  W.  Melvilk- Daniels.    These,  Versailles,  impr. 

Luce.     1907.     183  S.  8°. 
Sedaine  ses  protecteurs  et  ses  amis  p.  p.  E.  Guieysse  Frere  preface  de  Michel 

Breal,  de  1' Institut.    Paris,  E.  Flammarion.    3  fr.  ")0. 
Senancour  (1770—1846),  poete,  penseur  religieux  et  publiciste.    Sa  vie,  son 

ceuvre,  son  influence.    Documents  inconnus  ou  inedits:  par  JoacAm  Merhnt. 

Paris,  Fischl)acher.    1907.    In-8,  IV-351  p. 
Sorbiere,  Samuel   (1610—1670)    et   son    „Voyage    en  Angleterre   (1664)    p.  A. 

Morke.     [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  Fr.  XIV,  2.     S.  231—275]. 
SU'iel,  3fadame  de   —   C.  Benzon  Madame  de  Stäel  og  theatret.     Kjobenbavn, 

Emil  Wienes  Boghandel.    V,  257  S.  8°. 
Sue,  E.  ä  Annecy  p.   Max  Brücket.     [In:  Annales  Romautiques.    VI.  3.    S. 

229—233]. 
Tarne,  historien  de  la  Revolution  frangaise  p.  A.  ^«fert/ (suite)  [In :  La  Revo- 
lution franQ.  1907  avril]. 
Tressan,  Le  comte  de.  —  L.  Basconl,  Petites  etudes  d'un  ignorant.    Le  comte 

de  Tressan  [In:  Rev.  du  Midi.     1906  No.  10  u.  11]. 
Viau,   Th.  de  s.  oben  p.  99  Lachevre. 
Vigny,  A.  de,  p.  F.  Roz.    Paris,  Sansot.     1  fr.  50, 

—  J.  Langlais.  Un  point  obscur  de  la  vie  d'Alfred  de  Vigny  [In :  Annales 
romant.     VI,  3]. 

Voltaire  seigneur  feodal:  Ferney.  Par  E.  Caussy  [In:  Revue  de  Paris.  XIV, 
No.  15]. 

—  S.  Fassini  Paolo  Rolli  contro  il  Voltaire  [In:  Giorn.  stör,  della  letterat. 
ital.  XLIX,  1.  ..S.  83— 99J. 

Voltaire  als  Ästhetiker  und  Literarkritiker  von  P.  Sakmann  [In :  Arch. 

f.  n.  Spr.     CXIX  Va-    S.  110—138]. 
William  of  Newburgh  by  H.  E.  Salter  [In:  The  English  bistorical  Review.  1907, 

July,  S.  510-514.] 

7.  Ausgaben.    Erläuterungsschriften.   Übersetzungen. 

Appel.  C.  Provenzalische  Chrestomathie  mit  Abriss  der  Formenlehre  und 
Glossar.    3.  Aufl.  1907.  geb.  M.  10. 

Calmetie,  J.  et  E.-G.  flurtebise,  Correspondance  de  la  Ville  de  Perpignan  de 
1450  ä  1659  [In:  Rev.  d.  1.  rom.  L,  3.     S.  193- 202]« 

Cartulaires  de  Vahbaye  de  Molesme,  ancien  diocese  de  Langres  (916 — 1250). 
Recueil  de  documents  sur  le  uord  de  la  Bourgogne  et  le  midi  de  la 
Champagne,  publie  avec  une  introduction  diplomatique,  historique  et 
geographique;  par  Jacques  Laurent.  T.  l^r:  Introduction.  Paris,  Picard 
et  fils.  1907.  In-4,  XXXII -354  p.  avec  cartes  et  planches.  [Collection 
de  documents  publies  avec  le  concours  de  la  commission  des  antiquites 
de  la  Cöte-d'Or.   1.] 

C'oUijn,  I.  Deux  feuillets  frangais  inconnus  du  XVe  siecle  appartenant  ä  la 
Bibliotheque  de  l'Universite  royale  d'üpsala.  Besannen,  impr.  Jacquin. 
1907.     In-8,  9  p. 

Glossar.  —  Aron,  Arnold'.  Das  hebräisch-alifranzösische  Glossar  der  Leipziger 
Universitäts-Bibliothok  (Ms.  102).  Zum  ersten  Male  ausführlich  besprochen. 
(IV,  55  S.)  gr.  8».    Erlangen '07.     (Leipzig,  M.  W.  Kaufmann) 

Leitres  inedites  de  Melle  Doze,  de  M  me  Dorval  et  de  ßoulay-Paty  ä  Hippolite 
Lucas  [In:  Annales  romantiques  VI,  3.    S.  218—219]. 

Liebesbriefe,  französische,  aus  acht  Jahrhunderten.  (Gesammelt  u.  m.  e. 
Einleitg.  hrsg.  v.  Tony  Kellen.)  (Titelzeichnung  u.  Einbd. -Schmuck  von 
Walt.  Tiemaiin.)  (462  S.)   8«.    Leipzig,  J.  Zeitler  '07.     5—. 

Liihinski,  Fr.  Die  Unica  der  Jeux-partis  der  Oxforder  Liederhandschrift 
(Douce  308)  mit  P^inleitung  und  Anmerkungen  herausgegeben.  Königs- 
berger Dissertation  1907.  [Die  vollständige  .\rbcit  erscheint  voraussicht- 
lich in  den  Romanischen  Forschungen]. 


1 04  Novitätenverzeichnis. 

Quhinon.  IL  Les  Deux  Cartulaires  de  Beanvais:  AAl  (1513)  et  son  original 
le  Livre  Velu  (XIV  e  siecle).     Paris,  Impr.  nationale.  1907.    In-8,  15  p. 

Recettes  mcdicales  parisiennes  du  XVI e  siecle.  Nogent-le-Rotrou,  impr.  Daupe- 
ley  Gouverneur.    1907,    In-8,  7  p. 


AHscans.  —  S.  oben  p.  97  Klapötke. 

—  —   P.  Lorenz,  das  Handscliriftenverhältnis  der  Chanson  de  Geste  „Alis- 
cans".   31  S.   Hallenser  Diss.    1907.    (vollständig  in:    Zs.  f.  rem.  Piiil. 

XXXI,  S.  385—431) 
Antoine  de  la   Sah  s.   oben  p.  94  Biederiuann. 
Chevalier  au  Hon.     S.  oben  p.  98  Setlegast. 
Contenances  de  table  en  vers  provengaux,     (Revue  XLVIII,  289).    Corrections 

p.  C.  C  [In:  Rev.  d.  1.  rom.  L,  3.    S.  267]. 
The  Council  of  Rcmiremont  by  F.  M.    Warren  [In:    Mod.  Lang.  Notes  XXII,    5- 

S.  137—140]. 
Eneas.  —  S.  oben  p.  97  Dressier. 
Enfances  Roland.  —  H.  Dammann,  über  das  verlorene  Epos  „Enfances  Roland" 

nebst  Textabdruck  der  Rollandin- Episode  aus  dem  „Charlemagne"  des 

Girart  d'Amiens.     Greifswalder  Diss.   87  S.    8". 
Enfant  sage.  —  II.  Zenker.,  das  proveuzalische  Enfaut  sage,  Version  B,  kritisch 

herausgegeben.     Erlangen,  Junge  und  Sohn  52  S.    8". 
The  eructavit,  an  Old  French  Poem:  the  Author's  Environment,  his  Argument 

and  Materials,  by  Fitck  Mckibben.    Dissertat.  der  Uuivers.  Chicago.  Balti- 
more, J.  M.  Fürst  Company.     1907.    45  S.  8°. 
Esche:  amoureux.  —  J.  JtJettlich,  die  Schachpartie  in  der  Prosabearbeitung  der 

allegorisch    didaktischen    Dichtung    „Les    Eschez    amoureux".      Progr. 

Münster  1907,  28  b.  4  Tab.  8°. 
Eustache  von  Kent  s.  oben  p.  92  Bauer. 
Le  Fabliau  du  Büffet  p.  p.  A.  Barth.    Aus  der  Festschrift  zur  49.  Versammlung 

deutscher  Philologen  und  Schulmänner.    Basel  1907.     S.  148—180. 
Faits   des   Romains.    —  Johannes  Loesche,    die  Abfassung    der  Faits    des  Ro7nai7is. 

Halleuser  Dissertation.    Halle  a.  S.  1907.     78  S,   8". 
La   fleur   des   hisioires.  —   C.  Spreitzenhofer .,   Notice    de   .,1a  fleur  des  histoires''. 

Progr.  Wien  1907.    25  S.  ra.  5  fiics.  Taf.  8°. 
Garcia  de  Guilhade.  —  0.  Nobiling,  die  Lieder  des  Troubadors  D.  Jean  Garcia 

de  Guilhade  (13.  Jahrhundert).    Kritische  Ausgabe  mit  Anmerkungen  und 

Einleitung.    Bonner  Dissertation  1907,    36  S.  8". 
Gattlier   de    Coincij.   —   Ä.    Schinz   L'Art   dans   les    Contes  Dh-nts   de  Gautier   de 

Coincy  [In:   Publications  of  the  Mod.  Lang.  Ass.   of  America  XXII,  3. 

S.  465—520]. 
Sir  Gawain  and  the  lady  of  Lys  translated  by  Jessie  L.  Weston,  illustrated  by 

31.  Williams,  published  by  David  Nutt  at  the  Sign  of  the  Phoenix  1907. 

[Arthurian  Roraances  unrepresented  iu  Malory's  „Morte  d'Arthur"  No.  VII]. 
Girart  d'Amiens.     S.  oben  Enfances  Roland, 
hes ^Gloses  franraises  de  Raschi  dans  la  Bible  p.  L.  Darmesteier  [In;  Rev.  dos 

Etudes  Juives  LIII,  1er  avril  et  1er  juillet  1907  (ä  suivre)]. 
Godin.  —  R.  Toiirbier,    Quellenuntersuchungen   über   die    Chanson   de  Godin 

nebst  Textproben.     Diss.  Greifswald  1906.     63  S.  8°. 
Gut  V.  Cambrai.    Balaham  und  Josaphas.    Nach  den  Handschriften  von  Paris 

und  Monte  Cassino  hrsg,  v.  Carl  Appel.    (LXXXIV,  468  S.)  gr.  8".    Halle, 

M.  Niemeyer  '07. 
Guillanme  de  Palerne.  —  S.  oben  p.  93  Delp. 
Ilaimonskinder.  —  F.  Castets.     Les  quatre  Fils  Aynion,  appendice  ä  l'lntroduc- 

tion  [In:  Rev.  d.  1.  röm.    L,  3.    S.  216], 


Novitätenverzeichnis .  105 

iJuon  le  Hol  de  Camhrai.    Li    regres   Nostre   Dame    public   d'apres   tous   les 

manuscrits    coiinus    p.    Artur  Länfjjhrs.      Paris,    Honore  Champion    1907. 

CXLVII,  210  S.  80. 
Kreusziigslied.  —    Wie  Ludmig  IX  d.  H.  das  Kreuz  nahm.     (Altfranzösisches  Lied 

in  Cambridge)   von  Wilhelm  Meyer   aus  Speyer.    Mit   einem  Beitrag   von 

Prof.  Albert  Stimmiwj.      [Aus   den   Nachrichten   der   K.    Gesellschaft   der 

Wissenschaften  zu  Güttingen.     Phil.-histor.  Klasse  1907.     S.  246 — 257]. 
Lecheor.  —  J.  Loth.  et  E  Philippot,    Le  lai  du  Lecheor  et  Gumbelauc  [In:  Rev. 

Celt.     XXVni,  3.     S.  327—336]. 
Lion  de  Bourrjeg.  —  H  Zeddies.     Weitere    Studien    zur  Chanson    de    Lion    de 

Bourges.    Teil  IV.  Diss.  Greifswald  1907.    8-3  S.  8^'. 
Lothringer.  —  H.  Oberländer.     Über    die  Stellung    der    Bruchstücke  Z  7,  Z  S 

und  Z  ;»  in  der  übrigen  Überlieferung  der  Geste  des  Loherains.    Greifs- 

walder  Dissert.    82  S.  8". 
Marguerite  de  Nararre   et   le   pape  Paul  III.     Lettres   inedites    [In:   Bibl.  de 

rficole  des  Chartes  LXVIII,  320-338]. 
MandeviUe,  Jean  de.  S.  oben  JX  90  Bertoni. 
Marie  de  France.  —  Le  Lai  des  deux  amants,  legende  ueustrienne,  de  Marie 

de  France.    Commentaire  et  adaptation,  par  A.  L.  Burdan.    Mäcon,  impr. 

Protat  freres.    1907.    In-8,  XI-42  p.  avec  1  grav.  et  1  carte. 
Merlin.  —  S.  oben  p.  88  Sommer. 
La  Mort  Ai/mei'i  de  Narbonne.     II.  Suchier.     Die  Grotten  von  Kochebrune  [lu  : 

Zs.  f.  rora.  Phil.  XXXI,  ('.07  f.].  ^ 
La  Passion  .\osire  Dame  s.   oben  p.  97   A.  Jeanroy. 

—  La  Passion  Nostre  Dame  (Revue,  t.  XLIX,  p.  .')01  seq.)  Correclious  p.  C. 
C.     [In:  Rev.  d.  1.  rom.     L,  3.     S.  268]. 

La  plainte  d'amoitr,  poeme  anglo-normand  publie  pour  la  premierc  fois  par 
Johan  Vising.  Göteborg  1907.  3G  S.  8".  [In:  Inbjudning  tili  den  offent- 
liga  föreläsning  med  hvilkeu  .  .  .  P^il.  D^  Karl  Johan  Vilhelm  Lundström 
kommer  att  inställas  i  siit  ämbete  .  .  .] 

Poesie  pieuse  en  sixaines  de  vers  octosylllabiques  p.  p.  P.  Meyer  [In:  Bulletin 
de  la  soc.  des  anc.  textes  fraiiQais.     1907  No.  1]. 

Prieres  a  la  Vierge  en  Proven^al  p.  p.  L.  E.  Kastner  [In:  Rev.  d.  1.  r.  L,  3. 
S.  222—236]. 

Raoul  de  Camhrai.  —  J.  Acher.  Les  archaismes  apparents  dans  la  chanson 
de  R.  de  C.     [lu:  Rev.  d.  1.  rom.    L,  3.     S.  237—266]. 

—  Seitegast.,  Fr.  Erde  und  Gras  als  Rechtssymbol  im  Kaoul  de  Cambrai 
[In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  588—593.  Vgl.  ib.  124  Ford  „To  bite  the 
dust"  and  symbolical  lay  communion-']. 

Reichenauer  Glossen    von    W.  Focr.^ler    [In:    Zs.   f.  roni.  Phil.  XXXI,  513 — 568]. 

Rigomer.  —  E.  Pensen.  Die  Schlufsepisode  des  Rigomerromanes.  Kritischer 
Text  nebst  einer  Einleitung  und  Anmerkungen.  Heidelberger  Dissertation. 
75  S.  8'\ 

Roland.  —  La  canzone  d'Orlando.  Testo  antico  francese  tradotto  per  la 
prima  volta  integralmente  in  versi  italiani  da  L.  F.  Benedetto,  con  intro- 
duzione  di  Rodoljo  Renier.    Torino,  Lattes,  1907.     LXVI-185  pages. 

Chanson  (la)  de   Roland,  texte  critique,  traduction  et  commentaire, 

grammaire  et  glossaire;  par  Leon  Gautier,  membre  de  l'Instiiut.  Nou- 
velle  edition,  revue  avec  soin.  Edition  classique  ä  l'usage  des  elevcs 
de  seconde.     Tours,  Mame  et  tils.    In-18  Jesus.     LII-606  \>. 

Rosenroman,     S.  oben  p.  101    Gui  de  Mori. 

—  ./.  W.  Bourdillon:  Le  Jaloux  qid  bat  sa  femme  (Extract  from  the  Roman  dc 
la  Ro.se)  [In:  Romania  XXXVI,  444]. 

—  L.  Cipriani.  Studies  in  the  Inüuence  of  the  Romancc  of  the  Rose  upoii 
Chaucer  [In:  Publications  of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of  America  XXII,  3. 
S.  552—595]. 

Songe  du  vieux  pelerin.     S.   oben  p.   91   Prinet. 


106  Novitätenverzeichnis. 

Amyot.  —  Sturel,  B.     Uiic  tradiiction  manuscrite,  de   sept  Vies  de  Plutarque 

par  Amyot,   anterieiire   de    quinze   ans  ä  TEdition  originale  [155!)]  [In: 

Rev.  d'llist.  litt.  XIV,  2.    S.  301-329]. 
liakac,  IL  de.     S.  p...!H  V'e  de  Spoelbercü  de  Lovenjoul. 

Der  Succubus.     Übersetzt  und  mit  einem  Vorwort  versehen  v.  Dr.  Hans 

W.  Fischer.     (124  S.)  ('07)  2,—.  [Liebhaberbibliothek,  kulturhistorische. 

kl.  so.     Leipzig,  F.  Rothbarth.]. 
Haudelaire.,  Charles.    (Euvres  Posthumes,  ies  Pieces  condamnees  —  Poesies. 

Journaux  intimes  publies  in  extenso :  Autobiographie,  Fusees,  Mon  canir 

mis  ä  nu  —  Theätre.  Polemiques  (Balzac,  Villeraain,  Hugo,  Janin,  etc.) 

La  Belgique  (deux  versions)  —  Baudelaire  journaliste  (Le  Salut  Public, 

le  Hibou  philosophe).  Notes  sur  Edgar  Poe  —  Notes  sur  la  LiUerature. 

Notes  sur  Ies  Beaux-Arts  —  Notes  sur  l'Amour  —  Projets  et  Ebauches. 

Portrait  en  Heliogravüre.     Paris,  Mercure  de  France.     7  fr.  "iO. 
Beaumarchais.    Lettres  de  l'exil  p.  p.  Loids  Thomas  [In:  Mercure  de  France. 

16  juillet  1907.     S.  278—289]. 
Beranyer.  —  A.  V.  Amadeo.    Pierre  Jean  de  Beranger,  con  un  saggio  di  suoi 

tradotti  canti.     Alba,  tip.  Sineo,  1907.     16^.  p.  41.  Cent.  75. 
Dernardin  de  Saint-Pierre.    —    Paul  et  Virginy.     Traduit   en   dilpok   par  A. 

Marchand,   Besan^on,   Ies   principaux    libr.     In-IG,   VI-104  p.   et  l  grav. 
Bossuei.    Sermons  choisis.     Avec   des    etudes   preliminaires,    des   notices  et 

des  notes  par  M.  l'abbe  Augustin  Vialard.     oe  edition,   revue  et   corrigce 

Paris,  Ve  Poussielgue.    1906.    In-18  Jesus,  620  p. 
Champfleury.  —  Un  autographe  de  Champfieury.     Sa  visite  ä  La  Reole  [In: 

Annales  Romantiques  VI,  3.  S.  222  ff.]. 
Charles  d' Orleans.     S.  oben  p.  91   Champion. 
Chateavhriand.  —  Quatre  lettres  inconnues  de  Chateaubriand  p.  p.  F.  Balden- 

sperger  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  Fr.     XVI,  3.     S.  .)59— 561]. 

—  Deux  fragments   autographes  du  manuscrit  des  „Martyrs"   (suite  et  tiu) 
p.    V.  Giraud  [In:  Rev.  d'Hist.  litter.  de  la  France  XIV,  2  und  3]. 

Constant.^  B.     Le  ::  Cahier  rouge  «   public  par  L.  Constant  de  Rebecque.    Paris. 

Calmann-Levy.     In-16,  11-135  p.  et  portrait.   5  fr. 
Corneille.  —    W.  A.  Xitze  und  Stanley  L.  Galpin.     Lc  Cid,  Horace  and  Polyeucte 

by  Corneille.     New  York,  Henry  Holt  &  Co.     XXVII,  3'.)3  S.   S». 

—  G.  Meregazzi.    Le  tragedie  di  Pierre  Corneille  nelle  traduzioni  e  imitazioni. 
del  secolo  XVIII.    Bergamo,  tip.  Fagnani  1906]. 

Courier.    —    F.  Rosenherg.     Zu  Paul-Louis  Couriers   Briefen  [In:  Arch.  f.  u. 

Spr.    CXIX  Vo-    S.  196-199]. 
Daudet,  A.    ffiuvres  completes.     Numa  Roumestan,  Fascicules  ."»4  a  62  (Fin). 

Paris.  Fayard.    In-8,  p.  25  ä  239.     Un  fascicule,  10  cent. 

—  Dobritz,     Die    Heimatkunst    Alphonse    Daudets.      Progr.    Cöthon     1907. 
29  S.  '80. 

—  T.  Aikinson  Jenhins  Three  notcs   to  A.  Daudet's  stories    [In:    Med  Long. 
Notes  XXII,5,  S.  152]. 

Delille,  I.  —  L.  Maigron  Un  manuscrit  inedit  de  Remaid  sur  Delille  [In:  Kev. 

d'Hist.  litt.  XIV   2.  S.  330  f.]. 
Diderot.  —  11  nepotc  di  Rameau.  Traduzione  e  prefazione  di  Silvio  Fagaui. 

Milano,  Sccietä   ed.   Sonzogno,  1907.   93  S.   16.  Cent.  25  Biblioteca  uni- 
versale, Nr.  370]. 
Dumas,  Alex.:  Die   drei  Musketiere.  Roman  in  2  Tln.  Vollständig  neu  ins 

Deutsche  übertr.   u.  m.   einleit    Worten  versehen   v.  Philipp  Wanderer. 

(743  S   m.  Bildnis.)  8\  Berlin,  A.  Weichert  ('07). 
Fenelon.   —   Dialogue  dcs  morts.    Suivi    de  quelques  Dialogues  de  Boileau, 

Fontenellc,  d'AIembcrt.  Avec  une  introdiiction  et  des  notes  par  B.  Juilien. 

Paris,  Hachette  et  Cie.  1907.  In-16,  XVI-351  p.  1  fr.  60. 
Flaubert,  Gust.:  Erinnerungen  e.  Narren.  (Deutsch,  v.  Rtul.  Soomer.)  (89  S.)  gr. 

8".  Leipzig,  J.  Zeitler  '07. 


Novitätenverzeichnis.  107 

—  Frau  Bovary.  Provinzsitten.  Mit  e.  Einleitg.  v.  Guv  de  Maupassant.  Übertr. 
V.  Rene  Schickele.  (LIX,  461  S.)  8".  München,  G.  Müller  '07.  ö  — . 

Gobineau.  Nachgelassene  Schriften,  herausgegeben  von  L.  Schemann.  Prosa- 
schriften. I.  La  troisieme  republique  fran^aise  et  ce  qu'elle  vaut.  Strafsburg. 
1907.  8°.  XI,  125  pp.  2  M.  50  Pf. 

Helvetius.  —  Notes  de  la  maiu  d'Helvetius,  publiees,  d'apres  un  manuscrit 
inedit,  avec  üne  introduction  et  des  commentaires.  par  Albert  Keim.  Paris. 
F.  Alcan.  1907.  In-8,  VIII-  122  p.  avec  fac-simile  de  l'ecriture  d'Helvetius'. 

Uvfjo,  V.  —  A.  Seche  et ./.  Beriaut,  Les  grandes  'premieres'  romantiques:  'Marion 
Delorme'  [In:  Le  Correspondant  1907.  25  fevr.]. 

Jodelle.  —  Les  Amours  et  autres  Poesies  d'Estienne  Jodelle  Publiees  sur  les 
editions  originales  et  augmcntees  de  pieces  rares  ou  inedites  avec  un 
Portrait  par  Leonard  Gaultier,  une  notice  par  GuillaumeColletet  et  des  notes 
par  Ad.  van  Bever.  Paris,  E.  Sansot  &  C'».  3  fr.  50. 

Lamartine.  —  Lettre  inedite  de  L.   [In:  Le  Figaro,  Supplement,  17  aoüt  1907J 

—  Historia  de  los  Girondinos  escrita  en  frances.  Tomo  seguudo.  Paris. 
Garnier  freres.  In-18  Jesus,  460  p. 

—  Harmonies  poetiques  et  religieuses.  Paris,  Hachette   et  Cie.  1907.  In-1 
XXXIV-417  p.  2  fr.  50. 

—  Recueillements  poetiques.  Epitres  et  Poesies  diverses.  Paris,  Kachelte 
et  Cie.  1907.  In-16,  XXXVI-379  p.  3  fr.  50. 

Leconte  de  Lisle.  —  Les  Sources  de  Leconte  de  Lisle  par  Josejih  Vianey.  Mont- 
pellier. Coulet  et  fils.  1907.  In-8,  VI-403  p.  [Publications  de  la  Societe  des 

langues  romanes,  21.] 
Lesage,  s.  oben   p.  100    Wolf. 
Malherbe.  --  E.  Griselle,  Un  billet  autographe  de  M.  [In :  Bull,  du  Bibliophile 

15  Mai  1907]. 
Marivaux.  Commedie  (II  legato;  II  giuoco  dell'aniore  e  del  caso),  con  prefa- 

zione  di  Felicina  Sacchetil  Parvis,  Milano,  Societä  ed.  Sonzogno,  1907.  93  S. 

16'^.  Cent.  25.  [Bibliotheca  universale,  Nr.  372J. 
Maupassant,   Guy   de:   Gesammelte  Werke,   frei   übertr.    von  Geo.  Frhrn.   v. 

Ompteda.  8'\  Berlin,  E.  FleischelÄ  Co.  1. Fräulein Fiti.  Novellen  5. Taus.  (VI. 

287  S.)    07.  2.  Die  Schwestern  ßondoli.  5.  Taus.  (VII,  234  S.)  '07.  4.  Das 

Haus.  Novellen.   4.  Taus.  (VII,  247  S.)   '07.  9.  Der  Liebling.  Roman.  5. 

Taus.  (338  S.)  '07.  jeder  Bd.  2  — ;  geb.  2.75. 
Meliere.   —  P.  Pichar:,  Amphitrion.   Comedie  en  3   actes   de  Moliere.  Avec 

traduction  allemande  en  vers  rimes.  Düsseldorf,  Max  Richarz.  107  S.  S'' 
Montairjm  M.  de.  —  Essais  precedes  d'une  lettre  ä  M.  Villemain  sur  l'eloge  de 

Montaigne,  par  M.  Christian.  T.  l^r,  Paris,  Hachottc  et  ('ie.  1907,  In-l(i. 

XII-387  p.  1  fr.  25 
Montesquieu   —  Qiuvres  completcs  T.  2  :  les  Douze  Derniers  Livres  de  l'Esprit 

des  lois.  Defense  de  l'Esprit  des  lois.  Discours.  Pensees.  Poesies.  Lettres. 

Paris,  Ilachettc  et  de.  1907.  In-16,  463  p.  1  fr.  25. 

—  Lettres  persanes;  le  Temple  de  Guide.  Paris,  Flamniarion.  In- IS  Jesus, 
371  p.  95  cent. 

Musset,  A.  de.  —  ÖMivres  completes.  Nouvellc  editon,  revue,  corrigee  et  com- 
pleteo  de  documents  inedits,  precedee  d'une  notice  biographiquo  sur 
l'auteur  et  suivie  de  notes  par  Edmond  Bire.  II,  Poesies  nouvelles : 
Rolla.  Les  Nuits.  Poesies  nouvelles.  Contes  en  vers.  Paris,  Garnier 
freres.    In- 18  Jesus,  375  p.  Edition  sans  gravures,  3  fr. 

—  Oeuvres.  Poesies  (1828—1833).  Contes  d'Espagne  et  d'ltalio;  Poesies  di- 
verses; Spectacle  daus  un  fauteuil;  Namouna.  Paris,  Lemerre.  1907. 
In-18  Jesus,  411  p.  et  illustrations  de  Henri  Pille,  gravees  ä  Teau-forte 
par  Louis  Monzies.   3  fr.  50. 

—  (Euvres.  Poesies  (1833— 1852).  Rolla;  les  Nuits;  Poesies  nouvelles;  Contes 
en  vers.  Püris,  Lemerre.  1907.  Iu-18  Jesus,  339  p.  ot  illustrations  de 
Honri  Pille,  gravees  ü  l'oau-forte  par  Louis  Monzies.    3  fr.  50. 


1 08  Novitäiennerzeichnis. 

—  Poesies  nouvelles  (1836-1852);  Paris,  I.arousse.  Petit  in-8,  192  p.  avec 
grav.    1  fr. 

—  Les  Chefs-d'ceuvre  lyriqucs.  Choix  ot  iiotice  d'Angiiste  Dorchain.  Sans 
nom  d'impr.  Paris,   Perchc.     i;»07.     Potit  in-lG,  XXVIII-127  p.    75  cent. 

—  Morceaux  choisis:  Picmieros  poesies;  Poesies  nouvelles;  Comedies  et 
Proverbes;  la  Confession  d'nn  enfant  du  siecle;  (.'onles  et  Nouvelles; 
Melanges  de  litterature  et  de  critique;  ffiuvres  posthumes.  Avec  une 
introduction  et  des  notes  par  Jacques  Porcher,  profcsseur  ä  l'ecole  J.- 
B.-Say.  Paris,  Libr.  d'education  nationale,  11,  ruc  Soufflot.  1907.  In-IG, 
336  p.  avec  portrait.     3  fr.  50. 

—  ü'-uvres  choisies  (Poesie;  Theatre;  Koman  et  Critique),  avec  etudes  et 
analyses,  par  Paul  Morillot.    Paris,  Delagrave.    1907.  In- 18,  412  p.  3  fr.  50. 

—  Les  Nuits;  Rolla;  le  Säule;  Don  Paez;  Conseils  ä  une  Parisienne;  Sur 
trois  marches  de  marbre  rose;  Paris,  Nüssen.  1907.  In-IG  oblong,  128  p. 

—  Comedies  et  Proverbes.  I,  la  Nuit  venitienne:  Andre  del  Sarto;  les 
Caprices  de  Marianne;  Fantasio;  On  ne  badine  pas  avec  l'amour.  Paris, 
Calmann-Lcvy.     In-18  Jesus,  VIl-284  p.  1  fr. 

Nodier,  Ch.     S.  oben  p.  99  Salomou. 

railn,   Gut.  —  Lettres  de  Gui  Patin  (1630  —  1672).     Nouvelle  edition  collati- 

onnee  sur  les  manuscrits  autographes,  publiees  avec  addition  des  lettres 

inedites,  la  restauration  des   textes  retranches  ou  älteres,  et  des  notes 

biographiques,  bibliograpliiques     et  historiques  p.  Paul  Trlaive.    1.  Paris, 

H.  Champion  1907.     XX,  718  S.  8". 
Peijronnet.  —  Lettres  inedites  da  Comte  de  Peyronnet  au  Viconte  de  Bonald 

[In:  Annales  Romant.    VI,  3J. 
Qiiinet.  —  //.  Monin.    Etüde  critique  sur  le  texte  des  „Lettres  d'exil"  d'Ed- 

gar  Quinet  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  P'rance  XIV,  3.     (ä  suivre)] 
Rahelais.  —  A.   Tillei/  Rabelais  and  geograpbical  discovery  I.   The   „Novus 

Orbis"  of  Simon  Grynaeus  [In:  The  Mod.  lang,  review  11,  4  S.  316—326]. 
Racine.  —   G.  Dulonq.    Une   sourcc  possible  de  ..Mithridate"  [Rev.  universi- 

taire,  15  juin  1907]. 

—  La  Berenice;  par  G.  Mlchaut.  Paris,  Societe  fran^aise  d'impr.  et  de  libr. 
1907.    ln-18  Jesus,  XIlI-356  p. 

Ronsard,  P.  de.  Les  Chefs-d'o3uvre  lyriques  de  Ronsard  et  de  son  ecole. 
Choix  et  Notice  d'Auquste  Dorchain.  Sans  nom  d'impr.  Paris,  Perche. 
1907.    Petit  in-16.  LXIV-131  p.    75  cent. 

—  Livret  de  Folastrics.  Pnblie  sur  l'edition  originale  de  15.53  et  augmente 
d'un  choix  de  pieces  d'expression  satirique  et  gauloise  tirees  des  editions 
originales,  avec  une  notice  et  des  notes,  par  Ad.  low  Beyer.  Paris, 
Societe  du  Mercure  de  France,  26,  rue  de  Conde,  1907.  In-18  Jesus, 
276  p.  et  Portrait  de  Pierre  de  Ronsard.    '.)  fr.  50. 

Rostand.    —    s.   Vistosi.     L'Aiglon   de  Rostand  et  Thistoire.     Veniso,  impr. 

Sorteni  et  Vidotti,  1907.    64  S.  8°.     L.  1.50. 
.S'.   Vistosi.    La  Princesse  lointaine  d'Ldmond  Rostand.     Venise.  inipr. 

Sorteni  et  Vidotti,  1907.     27  S.  8«.  L.  1. 
Rotrous,  .7.,  Saint  Genest  and  Venceslas,  edited  with  introduction  and  notes 

by  Th.  Fr.  Crane.  Ginn  &  Company.  Boston,  New  York,  Chicago,  London. 

12mo.     Cloth.    433  pages. 
J.  J.  Rousseau-Worte.     Ausgewählt  u.  m.   Eiuleitg.   versehen   von   Achim  v. 

Winterfeld.     (124  S.).     [Dietrich's  Auswahl-Bibliothek.     8'\  Leipzig,  Fei. 

Dietrich.]. 

—  E.  Rundstroem  das  Naturgefühl  J.  J.  Rousseaus  im  Zusammenhang  mit 
der  Entwicklungsgeschichte  des  Naturgefühls  überhaupt.  Diss.  Königs- 
berg 1907.     106  S.  8". 

Sainie- Beuve.  —  E.  Griselle.  Les  lacunes  du  „Port -Royal"  de  Sainte-Beuve 
[In:  Etudes.  Rev.  fondee  par  les  Peres  de  la  Compagnie  de  Jesus.  1907, 
20  mail. 


Novitätenverzeichnis.  109 

—  P.  B.  Note  de  lecture  de  Sainte-Beiivc  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la 
France  XIV,  3.    S.  530—551]. 

—  J.  Trnubat,  Un  coin  de  litterature  sous  le  Second  Empire:  Salute -Beuve 
et  Chamfleury,  lettres  inedites  [In:  Mercure  de  France  ler  et  16 
sept.  1907]. 

Saint- Hillair e.  —  Memoircs.  Publies,  pour  la  Societe  de  l'histoire  de  France, 
par  Leon  Lecestre.    T.  2  :  1680—1697.  Paris,  Renouard.  1906.  In-8,  461  p. 

Saint- Si?non,  de.  —  Memoires  publies  par  MM.  Ckeruet  et  Ad.  Begnier  fils  et 
coilatiouncs  de  nouveaii  pour  cette  cdition  sur  le  manuscrit  autograpbe. 
Avec  une  notice  de  M.  Sainte-Beuve.  T.  (1.  Paris.  Hachette  et  Cie.  1907. 
In- 16,  480  p.  2  fr.  50. 

Scarron,  P.  Le  Roman  Comique  publie  par  les  soins  de  D.  Jouaust  avec 
une  preface  par  Paid  Bourget.  Paris,  E.  Flammarion.  2  Bde.  in-16, 
elzevir.    Preis  6  fr. 

A.  L.  Stiefel.    Zu   den   Novellen  Paul  Scarrons    [lu:    Arcb.    f.  neuere 

Sprachen  CXIX  V,.     S,  100-109]. 

Scrihe.  Das  Glas  Wasser.  Lustspiel.  Frei  bearb.  v.  Max  Grube.  (77  S. 
m.  1  Taf.)  80.     Berlin,  O.  Eisner  '07, 

Stendhal.  —  F.  Bei/le.  Lettres  ä  Stendhal  avec  notes  de  M.  Paul  Arbalet 
[In:  Revue  Bleue  6  juillet  1907]. 

Tkiophile.  —  Theophile  (Ödes  et  Stances;  Elegies  et  Sonnets;  la  Maison  de 
Sylvie;  Fragments;  Pyrame  et  Tysbe;  Poesies  diverses;  Contes).  Appen- 
dice  :  Documents  biographiques;  Anecdotes;  Jugeraents  litteraires;  le 
Parnasse  satirique  et  le  Proces;  Bibliographie.  Avec  le  portrait  de 
Danet  et  une  notice  de  Jieviy  de  Gourmont.  Paris,  Societe  du  Mercure  de 
France,  26,  rue  Conde.     1907.    In-16,  272  p. 

Tristan  VHermite.  —  L'CEuvre  dramatique  de  Tristan  l'Hermite,  sieur  du 
Solier  (1601  —  1665).  Paris,  Maison  des  Poetes.  Atelier  typographique 
de  Mme  Antonine  Girard.  Prix  50  fr.  [I.  Le  Parasite,  comedie.  II.  La 
Mariane,  tragedie.  III.  La  Mort  de  Seneque,  tragedie.  IV.  La  Folie  du 
Sage,  tragi-comedie.  V.  Panthee,  tragedie.  VI.  La  Mort  de  Crispe, 
tragedie.  VII.  Osman,  tragedie.  VIII.  Amarillis,  pastorale.  Les  textes, 
accompagnes  de  notices  bibliographiques,  ont  ete  soigueusement  colla- 
tionnes  sur  les  editions  publiees  du  vivant  de  l'auteur  par  M.  Edmond 
Girard.  L'ouvrage  se  termine  par  une  Postface  de  M.  N.  M.  Bernardin. 
Chaque  volume  (en  feuilles)  6  fr.    L'ouvrage  complet  (en  feuilles)  50  fr.] 

Vigny.      S.   oben  p.   90   Claude-La/'ontaint . 

Villon,  Francois.  —  Essai  de  traductions  avec  le  texte  en  regard  par  ./. 
Bonfiglio.'  Torino,  G.  B.  Paravia  (Caltanisetta,  Petrantoni),  1907.  8". 
p.  51.  L.  1 

—  Kr.  Nyrop.  Note  sur  une  ballade  de  Villon  [Ac.  royale  des  sc.  et  lettres 
de  Danmark.     Extrait  du  Bull,  de  l'annee  1907,   No.  2]. 

Voltnire.  —  Deux  lottres  inedites  de  Voltaire  ä  S'Gravesande  p.  p.  C.  Piiollet 
[In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  France  XIV,  3.]. 

—  V.  Pinoi,  Les  sources  de  „l'Orphelin  de  la  Chine"  [In:  Rev.  d'Hist.  litt, 
de  la  France  XIV,  3]. 

Zola.  —  Paradis  laiques:  Le  Paradis  de  Zola  (Travail)  [In:  Mercure  de  France 
16  Sept.  1907.     S.  218—233]. 

8.  Geschichte  und  Theorie  des  Unterrichts. 

Appens,  W.    Die  Ferienkurse    in   Grenoblp,    jährlich    vom    1.  7.    bis    31.  10 

(23  S.)  gr.  80.    Minden,  (('.  Marowsky(  ('07). 
Baumann.,  F.     Das  Ende   des  Reformstreites    [In:    Zs.    für    Iranz.   und  engl. 

Unterricht.     VI,  4.     S.  289—305]. 
Behrens,  Dietr.     Zur    Geschichte    des   neusprachlichen   Unterrichts    an    der 

Universität  Giessen.     Giessen,  A.  Töpelmann.     -  ,80. 


1 1 0  ^omtätenverzeichnis. 

Krdeiibenjer,  G.  Ültor  den  Betrieb  der  toten  und  lohenden  Sprachen  an 
unseren  Gymnasien  [In:  Neue  Jahrbücher  f.  d.  Klass.  Altert.  1907.  11,  2  | 

Ilirschmann.   Kanon  französischer  Gedichte.    Progr.  Warendorf  l!)07.  32  S.  8". 

llasi,  A.  Ratichius  und  die  Reformen  [In:  Zs.  f.  franz.  u.  engl.  Unterricht 
VI,  385-412]. 

J/ord/c,  W.  Was  wäre  an  dem  Betrieb  des  französischen  Unterrichtes  an 
den  österreichischen  Realschulen  zu  bessern?  [In:  Zs.  f.  d.  Realschul- 
wesen XXXII,  S.  385-392]. 

■lacohy,  G.  Ein  Aufenthalt  als  assistant  etranger  in  Paris  [In:  Zs.  f.  frz. 
und  engl.  Unterricht  VI,  441—446]. 

JJiiliry,  M.  Praktische  Einführung  in  den  französischen  Anfangsunterricht. 
Frankfurt  a.  M.,  M.  Diesterweg. 

Rossmann,  Pli.  Handbuch  f.  e.  Studienaufenthalt  im  französischen  Sprach- 
gebiet, unter  Mitwirkung  von  A.  Brunnemann  verf.  3.,  umgearb.  und  be- 
deutend verm.  Aufl.  v.:  „Ein  Studienaufenthalt  in  Paris''.  (VIII,  194  S.) 
kl.  8°.    Marburg,  N.  G.  Elwert's  Verl.  '07.     2,80. 

Räckoklf,  Der  fremdsprachliche  Aufsatz  in  den  Mittelklassen.  Progr.  Sonne- 
berg 1907.     11  S.  40. 

Schumann,  w.  Das  Diktat  im  französischen  Unterricht  [In:  Zs.  f.  d.  Gymnasial- 
wesen LXl,  S.  708—710]. 

Thuraii,  G.  Utopia  paedagogica  [In:  Zs.  f.  franz.  und  engl.  Unterricht  VI] 
428—440]  (t)ber  Eine  pädagogische  Studienreise  nach  Eldorado  von  Dr.  Ai-nold 
Schräg.    Bern,  Buchdruckerei  Gustav  Grünau  1906J. 

—  Nach  fünf  Jahren  [In:  Zs.  für  frz.  und  engl.  Unterricht.  VI,  446—466] 
(Über  die  Reform  in  Frankreich). 

Tuwe,  C.    Eine  Studienreise  nach  Frankreich.    Progr.  Stendal  1907.    13  S.  8". 

Werner,  A.  Die  Anschauung  im  neusprachlichen  Unterricht  [In:  Zs.  f.  das 
Realschulwesen  XXXII,  S.  .j13— 521]. 

Wi/msen.  Sprechübungen  im  Französischen  am  Gymnasium  [In:  Zs.  f.  frz. 
und  engl.  Unterricht.     VI,  4.     S.  305—311]. 

9.  Lehrmittel  für  deu  französischen  Unterricht. 

a)  Grammatiken,  Übnugsbücher  etc. 

Banderet,  Paul,  Prof.,  und  Oberlehr.  Philipp  Reinhard.  Lehrbuch  der  franz. 
Sprache  m.  besonderer  Berücksichtigung  von  Handwerk,  Gewerbe,  Handel 
und  Industrie.     (VIII,  285  S.)  8^     Bern,  A.  Francko  '07.     2,—. 

Bergemann,  R.  Anleitung  zur  schnellen  und  sichern  Erlernung  der  franzö- 
sischen und  englischen  Sprache  insbesondere  der  Vokabeln  mit  Hilfe 
der  Mnemotechnik.   (52  S.)  gr.  8".   Brake,  (Bültmann  &  Gerriets)  '07.   2,50. 

Brümel,  K.  u.  0.  Keitel.  Deutsche  Vorschule  für  fremdsprachlichen  Selbst- 
unterricht.    Rudolstadt  1907  im  Selbstverlag  der  Verfasser. 

■Carrey.  Grammaire  en  trente-six  le^ons  sans  maitre  (Methode  Carrey).  Pour 
les  verbes.  devoirs  prcpares;  Pour  les  verbes,  devoirs  corriges,  Paris, 
Libr.  mondiale,  10,  rue  de  l'Universite.  190(5.  2  cahiers  in-8  de  40  p. 
chaquo.     Chaque,     Chaque  cahier,  50  cent. 

Jhape.  Exercices  fran^ais  du  premier  cours  de  grammaire.  (71  S.)  8". 
Strassburg,  Strassburger  Druckerei  und  Verlagsanstalt  '07. 

JJubrag,  G.  Fautes  de  fran^ais.  Tableau  des  fautes  les  plus  frequentes  que 
fönt  les  AUemands  en  parlant  le  fran^ais.  8.  ed.  Augmentee  de  tres 
nombreux  articles  et  modiflee  dans  ses  parties.  (179  S.)  8^.  Wien, 
Gerold  &  Co.  ('07;. 

.Ehrkart,  Carl,  und  IJerm.  Planck.  Syntax  der  französischen  Sprache  für  die 
oberen  Klassen  von  Realgymnasien  u.  Gymnasien.  2.  Aufl.  (XII,  214  S.) 
8".    Stuttgart,  A.  Bonz  &  Co.  '07. 


Novitäteiwerzeichnis.  111 

Fischer,  Herrn,  und  Geo.  Dost.  Französische  Texthefte  zu  Ilirts  Auschauungs- 
bildern  (Künstlersteinzeicbnungen  von  Walter  Georgi)  nach  logisch- 
Srammat.  Gesichtspunkten  bearb.  14X"2^,5  cm.  Breslau,  F.  Hirt.  2.  Heft. 
Der  Sommer  v.  F.  (47  S.  m.  1  färb.  Taf.)  '07.    Kart.   1,—. 

Frickc,  nick.  Lo  langage  de  nos  enfants.  Cours  primaire  de  frangais. 
Französisch  für  Anfänger.  II.  Cours  moyen.  2.  Tl.  (Für  Quinta.)  Mit 
1  Münztafel  und  39  Abbildungen.  (I8G  S.)  gr.  8*'.  Wien,  F.  Tempsky. 
Leipzig,  G.  Freytag  '07. 

^-  he  langage  de  nos  enfants.  Cours  primaire  de  fran^ais.  Französisch 
für  Anfänger.  III.  Cours  superieur.  o.  Tl.  Für  Quinta  (u.  Tertia) 
(192  S.)  gr.  8".  Leipzig  G.  Frey  tag.  —  Wien,  F.  Tempskv  '07. 
Geb.  2,40. 

Grand.,  U.  Leitfaden  der  französischen  Sprache.  I.  Tl.  (XII,  231  S.)  8". 
Chur,  F.  Schuler  '07.     2,20. 

Haherlauds  Unterrichts-Briefe.  Leipzig,  Ilaberland.  Je  — ,7.'>.  Französisch. 
34,  u.  35.  Brief.  Ebd.     Je  —,75. 

Ilecker's,  Ose.  Wortschatz  für  Reise  und  Unterricht.  (A.  In  2  Sprachen.) 
kl.  80.  Berlin,  B.  Behr's  Verl.  Geb.  jeder  Bd.  2,—.  3.  Systematisch 
geordneter  deutsch-französischer  Wortschatz,  ins  Französische  übertr.  v.  P. 
ßesson.  (VII,  312  S.)  '07.  10.  Systematical  vocabulary  English-French, 
according  to  the  german  text,  translated  into  English  by  Hamann,  M. 
A.,  and  into  Freuch  by  P.  Besson.  (VII,  312  S.)  '07.  —  dasselbe.  (B. 
In  3  Sprachen.)  17,.")X1'''  cm.  Ebd.  1.  Bd.  Systematisch  geordneter  Wort- 
schatz deutsch-französisch  englisch,  ins  Französische  übertr.  v.  P.  Besson, 
ins  Englische  übertr.  v.  Hamann.  M.  A.  (VII,  318  S.)  '07.  Geb.  2,50. 
—  dasselbe.  (C.  In  4  Sprachen.)  kl.  8°.  Ebd.  1.  Bd.  Systematisch  ge- 
ordneter Wortschatz  deutsch-französisch-englisch-italienisch,  ins  Franzö- 
sische übertr.  von  P.  Besson,  ins  Englische  übertr.  von  Hamann,  M.  A. 
(XIII  S.,  300  Doppels,  u.  S.  301—324.)  '07.     Geb.  3.—. 

Koch.  Schlüssel  zu  den  deutschen  Übungssätzen  und  Übungsstücken  im 
praktischen  Elementarbucb  zur  Erlernung  der  französischen  Sprache. 
(32  S.)  gr.  8".     Berlin,  E.  Goldschmidt  '07.     2,—. 

Labor,  C.  J.  Grammaire  simplitiee  d'apres  un  plan  nouveau  et  conforme 
aux  programmes  de  l'enseignement  primaire,  Regles  generales  (Texte 
ä  apprendre);  Exercices  en  regard  (orthographiques  et  d'invention); 
Redactions  par  l'image.  Cours  elementaire.  Paris,  Garnier  freres.  In-18 
Jesus,  127  p.  avec  grav. 

ilanuel,  G.  Cent  compositions  frangaises  du  brevet  elementaire,  suivies  de 
plans,  de  developpements  et  de  conseils  aux  candidats.  Paris,  Hachette 
et  Cie.     1907.     In- 16,  87  p.  60  cent. 

Metzger^  Fr.  und  0.  Ganzmann.  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  auf 
Grundlage  der  Handlung  und  des  Erlebnisses.  Für  Realanstalten,  Reform - 
und  höhere  Mädchenschulen.  III.  Stufe.  Grammatik  mit  Übungen. 
(XVIII,  204  S.)  8".     Berlin,  Reuther  &  Reichard  '07.     Geb.  2,-. 

—  —  dasselbe.  III.  Stufe.  (Für  Tertia  und  Sekunda.)  Lese-  und  Übungs- 
buch. Mit  Zeichnungen  von  Ilellm.  Eichrodt  und  anderem  Bilderschmuck, 
sowie    eine  Karte  von   Frankreich.     (XI,  347   S.)   8".    Ebd.     Geb.  3,40. 

Pierre,  A.,  A.  Minei  et  .1/'^''  A.  Marlin.  Cours  de  langue  frangaise  (Grammaire 
et  Yocabulaire;  200  lectures  et  recitations;  250  causeries  et  compositions ; 
plus  de  1000  exercices  varies).  Li  vre  du  maitre  des  cours  moyen  et 
superieur.    Paris,  Nathau.     In- 10,  r>92  p.  avec  grav. 

rommeret,  Leon'.  Langue fran^aise. Methode  elementaire.  Enseignement  simultane 
et  ratiounel  de  la  grammaire  et  de  la  conversation  d'apres  les  tableaux 
artistiques  de  J.  F.  Schreiber.  (96  S.)  8^.  Esslingen,  J.  F.  Schreiber  ('07). 

Sauer,  L.:  Die  unregelmälsigen  Vcrbalformen  im  Französischen.  (HI,  16  S.) 
8".  Frankfurt  a/M.,  Kesselring  ('07). 


1 1  '2  Nomtätenverzeiclinis. 

SokoU,  Eduard,  u.  Ludw.  ^Vijplel,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  f.  Real- 
schulen u.  verwandte  Lehranstalten,  IL  Tl.  (3.  Schiilj.)  (VL  187  S.)  gr.  8". 
Wien,  F.  Deuticke  '07.  2.40. 

Verbhefi,  französisches.  (32  S.)  18,5  X  -4,5  cm.  Osnabrück,  G.  Pillraeyer 
("07).     —  20. 

Wilke  u.  Denervaud:  Anschauungs-Unterricht  im  Französischen.  IX.  Vocabulaire. 
3.  verb.  Aufl.  (40  S.)  S».  Leipzig,  R  Gerhard  '08.   -60. 

Würter,  französische,  f.  die  Klassen  Ilt — VII  der  würtembergischen  Gymnasien. 
Im  Anschlus  an  Plötz-Kareg,  kurzer  Lehrgang  der  französ.  Sprache. 
(74  S.)  80.  Berlin,  F.  A.  Herbig  '07.  L30. 

b.  Literaturgeschichte,  Schulausgaben,  Lesebücher. 

Anieurs  fran^ais.  8''.  Trier  J.  Lintz.  V.  Taine,  H.  L'ancien  regime.  Napoleon 
Bonaparte.  Hrsg.  u.  erklärt  v.  F.  J.  Wershoven.  Mit  2  Abbildgn.  (103  S.) 
'07.   1  —  VI.  Claretie,  d'Herissou,  Sarcey:  Le  siege   de  Paris.  Hrsg.    u. 
erklärt  v.  F.  J.  Wershoven  mit  1  Karte.  (107  S.)  '07.  I  — . 
VII.  Marbot,  General  Baron  de:  Memoires.  I.  Soreze  —  Genes  —  Austerlitz 

—  lena  —  Eylau  —   Tilsit.  Hrsg.   u.  erklärt  v.  F.  J.  Wershofen.  mit  2 
Abildgn.  u.  4  Karten.  (92  S.)  '07.  VIll.  Dasselbe.  IL  Campagne  de  1S09 

—  Leipzig.  Mit  3  Abbildgn.  u.  2  Karten.  (II,  110  S.)  '07.  1.10. 

Auteurs  fran^ais.  III.  Kriegsnovellen.  Wörterbuch.  (26  S.)  8".  Trier,  J.  Lintz 
('07).  —  20. 

Barraw.  Histoire  de  la  revolution  fran^aise  (1789 — 1793).  Für  den  Schul- 
gebrauch hrsg.  V.  Max  Pfeffer.  (119  S.)  8°.  Leipzig,  G.  Freytag.  —  Wien, 
F.  Tempsky  '07.  1.20;  Wörterbuch.  (32  S.)  —30. 

i'ollection  des  auteurs  celebres.  A  l'usage  des  classes  snperiures.  kl.  8".  Karls- 
ruhe, F.  Gutsch.  VIII.  Courier,  Paul  Louis:  Lettres  ecrites  de  France 
et  d'Italie,  publiees  avec  des  notes  explicatives  par  Fei.  Rosenberg. 
(116  S.)  ('07.) 

Coppee,  Franqois.  Auswahl.  Für  den  Schulgebrauch  hrsg.  von  Gerb.  Franz. 
1,  Aufl.  (2.  Abdr.)  (IX,  143  S.)  8°.  Leipzig,  G.  Freytag.  —  Wien,  F.' 
Tempsky  '07.     Geb.  1,50. 

Gerhardts  französische  Schulausgaben,  kl.  8°.  Leipzig,  R.  Gerhard.  Nr.  22. 
Mistral,  Frederic:  Souvenirs  de  jeunesse.  Extraits  de  ses  „Memoires 
et  recits".  Für  das  ganze  deutsche  Sprachgebiet  allein  berecht.  Schul- 
ausgabe v.  A.  Mühlan.  I.  Tl.  Einleitung,  Text  u.  Anmerkungen.  Nebst 
Bildnis  des  Dichters  mit  seiner  eigenhändigen  Unterschrift  und  einem 
Kärtchen  der  Provence.  (VUT,  112  S.)  '07.  1,50:  geb.  1,60;  H.  Tl. 
Wörterbuch.  (38  S.)  '07.  —,30. 

JMeux,  E.  —  La  Vie  litteraire  ä  l'ecole.  Lecture,  Recitation,  Redaction. 
Cours  moyen.  Choix  de  150  textes  expliques  et  analyses,  en  vue  de  la 
preparation  ä  la  composition  frangaise.  Paris.  Picard  et  Kaan.  1907. 
In-18  Jesus,  378  p.  avec  20  reproductions  photographiques  de  tableaux 
de  maitre.     1  fr.  50. 

Klassiker-BibUothel^  französisch-englische.  Hrsg.  von  J.  Bauer  und  Dr.  Tb. 
Link.  8°.  München,  J.  Lindauer.  No.  53.  Sand,  George.  La  raare  au 
diablo.  Zum  Schulgebrauch  hrsg.  v.  Gymn.-Prof.  Dr.  A.  Mühlan.  Mit 
Anmerkungen  und  Wörterverzeichnis.  (VIII,  58  und  29  S.)  '07.  — ,80. 
No.  54.  La  Fontaine.  Fahles.  (Les  trois  premiers  livres.)  Hrsg.  v.  Dr. 
Ludwig  Appel.     (VIII,  58  und  42  S )  '07.  —,80. 

Margall,  Henri.  Vier  Erzählungen  aus  En  pleine  vie.  Für  den  Schulgebrauch 
hrsg.  von  Benno  Röttgers.  1  Aufl.  3.  Abdr.  (V,  79  S.)  8".  Leipzig,  G. 
Freytag.  —  Wien,  F.  Tempsky  '07.     1,—. 

Peschier,  A.  Causeries  parisiennes.  Recueil  de  dialogues  ä  l'usage  des 
etrangers  qui  veulent  se  former  ä  la  conversation  fraucaise.  17e  ed., 
entierement  refondue  par  P.  Banderet.  (Vil,  133  S.)  kl.  8°.  Berliu- 
Schöneberg,  Laugenscheidt's  Verl.  '07.     1,25, 


Referate  und  RezeDsioüeii. 


Brebion,  L.  Etüde  philologique  sur  le  Nord  de  la  France 
(Pas-de-Calais,  Nord,  Somme).  Paris  H.  Champion  1907. 
XXV,  260  S.  s.  80. 
Das  Buch  zeigt  mehr  die  Form  der  alten  Grammatiken  als  die 
der  neueren  linguistischen  Untersuchungen,  aber  es  bringt  dankenswertes 
Material  aus  allen  lebenden  Mundarten  der  Pikardie  und  des  Verfassers 
eigene  Ausführungen  bleiben  zwar  etwas  an  der  Oberfläche,  aber  stören 
doch  nicht  durch  verkehrte  Auffassungen,  Mit  einer  Übersicht  über 
die  Flexion  wird  begonnen,  dann  folgt  etwas  Wortbildungslehre,  dann 
der  Konsonantismus,  schließlich  der  Vokalismus.  Mitteilungen  über 
die  Flexion  sind  immer  besonders  wünschenswert,  da  hier  die 
Wtb.,  die  uns  für  lautliche  Fragen  ja  Material  in  Fülle  bringen,  meist 
versagen  und  da  bis  auf  einen  gewissen  Grad  die  Lebenskraft  einer 
Mundart  daran  abgemessen  werden  kann.  In  der  Tat  erführt  man 
denn  auch  hier  mancherlei  Neues  oder  erhält  willkommene  Bestätigung 
für  anderswo  Beobachtetes  oder  als  wahrscheinlich  Angenommenes. 
So  ist  das  Subjektspronomen  so  fest  mit  dem  Verbum  verwachsen, 
daß  es  auch  bei  nominalem  Subjekt  oder  in  der  Frage  bleibt:  Pierre 
il  est  parti;  i  saienie-ti  (savent-ils).  Ein  eigentümliches  Demon- 
strativum  ist  leti,  elti  statt  celui:  leti  qui  dit  cho  (celui  qui  dit  cela) 
neben  cheti.  Soll  man  ille  in  dem  le  sehen,  das  hier  eindringen  konnte, 
weil  che  als  Artikel  verwendet  mit  le  gleichbedeutend  ist,  ja  dieses 
letztere  stark  verdrängt,  so  daß  also  zu  cheti  ein  leti  gebildet  wurde, 
wie  le  neben  che  stand?  Oder  ist  nicht  von  elti  auszugehen  und  dieses 
als  es-le-ti  zu  fassen,  da  ii  ja  die  hier  übliche  Form  des  betonten 
Pronomens  der  2.  Person  ist?  Beachtenswert  ist  auch,  daß  zu  cheti 
chi  (celui-ci)  das  Femininum  chale  chile,  zu  cheti-lo  ähnlich  chale- 
lale  lautet.  Exponent  des  Konj.  ist  für  die  Verba  II III  und  für  die 
vokalisch  auslautenden  I.S,  das  ja  schon  aus  dem  Altpikardischen  bekannt 
ist*).       Bemerkenswerter     Weise     lautet     die     I.     Plur.     ös,      die 


')  In  der  Frage  ob  apik.  senc  mit  ch  oder  /.-  zu  lesen  sei,  stelle  ich 
mich  auf  Suchiers  Seite  (Zs.  XXX  516),  wenn  ich  auch  in  der  Erklärung  von 
ihm  abweiche.  Aber  ich  gehe  darin  weiter,  dafs  ich  auch  die  Beweiskraft 
der  von  ihm  zu  gunsten  einer  k  Aussprache  etwa  in  anderer  Gegend  bei- 
gebrachten Formen    bestreite.     Der  agn.   Text,  aus  dem  er  senk  beibringt, 

Ztschr.  f.  frz.  Sf)r.  u.  Litt.  XXXII=.  8 


114  Referate  und  Rezensionen.      W.  Meyer-Lühhe. 

2.  -«.^■,  also  Ind.  par  partö  parte,  Konj.  pas  2)artö5,  partes,  dies  nun 
auch  bei  den  Verben  1,  die  im  Sing.  5  nicht  haben.  Sehr  merkwürdig 
ist  der  Plural  des  Imperfektums  und  entsprechend  des  Futur  Prät.  Er 
lautet:  1.  Pcrs.  cm  oder  em  oder  im  oder  om  oder  oäm  je  nach 
den  Ortschaften,  2.  Pers.  et,  bezvv.  -iih,-iit,-et.  Dazu  vergleicht  sich 
Sem  säm  und  et  von  vtre.  Die  Entstehung  ist  dunkel.  Es  scheint 
z.  T.  ein  Einfluß  der  alten  Perfektendungen  vorzuliegen,  da  nur  diese 
den  Vokal  ü,  i  rechtfertigen;  wo  zu  Sg.  oe  der  Plural  oem  oet  lautet, 
kann  an  2.  3.  Sg.  e  2  Plu.  et  von  ctre  gedacht  werden.  Se  auf 
das  alte  esmes  zurückzuführen  geht  nicht,  da  esmes  nicht  pik.  ist, 
eher  kann  sein  statt  söm  nach  et  gebildet  sein.  In  der  Lautlehre 
beanspruchen  ein  besonderes  Interesse  die  Mitteilungen  über  das  Ein- 
dringen von  sa-  Wörtern  in  das  alte  ka-  Gebiet:  kolet  weicht  vor 
ehou,  kuke  vor  couche  zurück,  käb  gilt  als  unfein,  es  wird  durch  sab 
(nicht  durch  zäb)  ersetzt  usw.  Wenn  man  die  Geschichte  des  sa 
im  Süden  und  Norden  des  französischen  Sprachgebietes  überblickt, 
so  bekommt  man  den  Eindruck,  daß  in  kürzerer  oder  längerer  Frist 
dort  das  südlichere  k,  hier  das  reichssprachliche  S  zur  Vorherrschaft 
gelangen,  die  alte  Form  in  ON  oder  in  vereinzelten  Wörtern  sich  halten 
wird,  etwa  wie  wir  auf  deutschem  Gebiete  dat  noch  vielfach  finden, 
wo  sonst  fast  durchweg  die  zweite  Lautverschiebung  durchgeführt  erscheint. 
Dagegen  erweist  sich  5  für  ce,  z  für  sj,  tj  -,  v^v  usw.  insofern  als 
fester,  als  es  auch  in  Fremdwörtern  wie  chSder  ausgesprochen  wird. 
Die  Form  iizä  von  lire  zeigt  wieder,  daß  das  s  von  germ.  lesan 
an  dem  von  frz.  lisant  nicht  beteiligt  ist.  Aber  auch  hier  dringt 
die  reicbssprachlichc  Aussprache  ein  und  zwar  nicht  nur  in  der  Art, 
daß  einzelne  Wörter  übernommen  werden,  sondern  auch  so,  daß  ohne 
sonstige  Veränderung  der  Wortform  ein  s  an  Stelle  von  .s  tritt:  mazö 
statt  mazö,  nicht  maison  usw. 

Aus  dem  Vokalismus  sind  zwei  Erscheinungen  hervorzuheben. 
Ein  e  existiert  nicht,  vielmehr  tritt  völliger  Schwund  oder  aber  c  ein, 
also  arvenir,  fenet  (fenetre)  usw.;  ebenso  larg  rü  aber  im 
Plural  le  large  rü,  so  wenigstens  scheint  es  nach  §  211  der  Fall 
zu  sein.  Der  Gedanke  liegt  nahe,  daß  es  anders  behandelt  werde 
als  e,  d.  h.  daß  vor  s  das  e  nicht  schwand,  also  als  e  gesprochen  wurde. 
Damit  bringt  der  Verfasser  die  3.  Plur.  i  setete  bö  neben  i  seiet  in 
Verbindung.  Wenn,  wie  es  scheint,  die  _e-Form  die  im  Satzinnern 
bei  konsonantisch  anlautenden  eng  verbundenen  Wörtern  gebräuch- 
liche ist,  so  wird  man  vielleicht  in  dem  e  besser  den  Trennungs- 
vokal sehen:  seictbö  wird  naturgemäß  zu  setebö,  setete  bö  dagegen 
schont   die  zwei  Wörter,    e  aber  kann  in  dieser  Mundart  nur  e  ge- 


schreibt auch  pUinh  (plango)^  reimt  es  aber  mit  faint,  teint,  destreini,  SO  dafs  also 
pleink  phonetisch  pic,  nicht  piek  bedeutet.  Danach  kann  auch  senk  nur  sa  oder 
se  lauten.  Und  wenn  Mousquet  camberhnc:  senc  bindet,  so  müfste  doch  erst  fest- 
gestellt werden,  dafs  jenes  eA,  nicht  e  lautet,  bevor  man  aus  dem  einen  Reime 
so  weittragende  Schlüsse  zieht. 


Michard  Riegler.     Das   Tier  im  Spiegel  der  Sprache.       115 

sprochen  werden.  Noch  merkwürdiger  ist,  daß  zwischeu  ch,  j,  /,  r, 
d,  t,  und  folgenden  a,  o  ein  e  erscheint:  f reo  (front) ^  küiSeö  (cuissot), 
leO  (long),  ekmeö  (ecusson)^  predeu  (prenons)  usw.  d.  li.  also 
zwischen  dentalen  Konsonanten  und  velarem  Vokal  entwickelt  sich  ein 
dentaler  vokalischer  Gleitelaut.  Gerade  hier  raiild  man  allerdings 
genauere  Angaben  abwarten. 

Eine  Anzahl  Sätze  und  Sprichwörter  in  der  Mundart  von  Artois 
schließen  den  Band,  aus  dem  man  mancherlei  lernen  kann  und  noch 
mehr  lernen  könnte,  wenn  die  Schreibung  eine  noch  genauer  pho- 
netische wäre. 

Wien.  W.  Mi^yer-Lübke. 


Riegler,  Richard,  Das  Tier  im  Spiegel  der  Sprache.  Ein 
Beitrag  zur  vergleichenden  Bedeutungslehre.  Dresden  und 
Leipzig  C.  A.  Kochs  Verlagsbuchhandlung  (H.  Ehlers).  1907. 
XX,  284  S.  80.  M.  7,20. 

Sous  ce  titre  Tauteur  s'est  propose  de  donner  une  suite  au 
remarquable  ouvrage  de  Brinkmann  sur  Des  Metaphores  (1878). 
Riegler  s'en  inspire  comme  methode  et  comme  tendance,  cest-ä-dire 
que  son  point  de  vue  est  egalement  plutot  litteraire  que  linguistique. 
Comme  Brinkmann,  il  envisage  les  langues  germaniques  (allemand, 
anglais)  et  romanes  (franrais,  Italien,  espagnol),  en  tenant  princi- 
palement  compte  de  leurs  manifestations  litteraires;  et  quant  aux 
images  zoologiques,  il  en  a  fait  un  choix  conformement  au  but  special 
que  poursuit  son  livre  ^).  C'est  ainsi  qu'il  ne  cite  qu'exceptionnelleraent 
les  applications  techniques,  tandis  qu'il  fait  ressortir  l'importancc  de 
la  Phraseologie  qui  se  rattache  ä  son  sujet. 

Le  livre  n'embrasse  pas  moins  de  54  noms  danimaux,  ä  com- 
mencer  par  le  singe  et  ä  finir  par  le  ver.  L'espace  est  propor- 
tionne  ä  l'importance  de  Tanimal:  le  singe,  par  exemple,  compte  dix 
pages,  tandis  que  les  trois  betes  qui  suivent  —  chauve-souris,  taupe 
€t  herisson  —  n'en  coutiennent  que  huit. 

Ses  sources  etymologiques  sont  Kluge,  Skeat  et  Körting.  L' 
autcur  est  au  couiant  de  la  bibliographie  de  son  siijet;  il  a  con- 
sulte  non  seidement  les  ouvrages  de  Folklore,  mais  aussi  (et  ceci  est 
tres  meritoire)  ceux  des  naturalistes:  Brehm,  Naumann  etc. 

Certains  rapprochements  meritent  d'etre  cites:  l'italien  assiolo, 
grand  duc,  tire  du  lat.  axiolns,  diminutif  de  axio,  hibou  (p.  117); 
le  fr.  guiUeret  (p.  172),  mis  en  rapport  avec  guiUeri,  moiiieau  (cf. 
€tre   gai   comme  un  pierrot)  et  Titalien  grullo,    sot  (p.  182),    avec 

')  II  fait  partie  d'nne  collection  intitulee:  „Neusprachliche  Abhandlu7igen  am 
den  GeMeten  der  Phraseologie^  Realien  und  Synonymik  unter  Berücksichtir/unfj  der 
JStymologie" . 

8* 


1 1 G  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

l'espagnol  grullo,  gruc,  oiseau  considere  comnie  type  de  la  niaiserie. 

L'expose  est  clair  et  se  fait  lire  avoc  plaisir.  Le  livre  rendra 
certainement  service  au  public  auquel  il  s'adresse,  et  les  specialistes 
ne  le  parcourront  pas  sans  profit.  Je  releve  tout  particuliereraent 
le  chapitre  sur  les  strigiens  (p.  112  ii  124)  qui  contient  des  donnees 
nouvelles  puisees  aux  meilleurs  sources. 

Paris.  Lazare  Sainean. 


Schofield,  William  Henry:  English  Literature  from  the 
JS'orttian  Conquest  to  Chaucer.  (Macmillan's  History  of 
English  Literature  vol.  II).  London,  Macraillan  and  Co. 
1906.  XIV -{-  500  pp. 
Bei  einem  Werke  dieser  Art  muß  man  wohl  zuerst  die  Frage 
aufwerfen,  ob  es  einem  Bedürfnis  entgegenkam,  eine  Lücke  ausfüllt. 
Da  Seh. 's  Buch  ein  Teil  einer  Serie  ist,  welche  die  gesamte  englische 
Literaturgeschichte  umfaßt,  sollte  die  betreffende  Frage  eigentlich  nicht 
auf  den  einzelnen  Band,  sondern  auf  die  ganze  Serie  bezogen  werden. 
Doch  hier  darf  die  Frage  nicht  so  allgemein  gefaßt,  sondern 
muß  auf  den  von  Scli.  übernommenen  Abschnitt  eingeschränkt  werden. 
Daß  an  Darstellungen  über  die  mittelenglische  Literatur  gerade 
Mangel  herrschte,  läßt  sich  nicht  behaupten,  Sie  ist  in  neuerer  Zeit 
wiederholt  mit  großer  Ausführlichkeit  behandelt  worden,  und  zwar 
von  hervorragenden  Gelehrten,  Trotzdem  sind  wir  weit  davon  entfernt. 
Seh. 's  Buch  als  überflüssig  zu  betrachten.  BrandFs  Geschichte  der 
mittelenglischen  Literatur  in  Pauls  Grundriß  verfolgte  spezielle  Zwecke. 
Sie  ist  ein  Handbuch  für  Studierende,  und  zwar  nicht  bloß  für 
Literarhistoriker,  sondern  auch  für  Linguisten,  Für  diesen  Zweck 
ist  sie  vortrefflich,  doch  eben  nur  für  diesen  Zweck.  Ten  Brink 
wandte  sich  mit  seiner  Geschichte  der  englischen  Literatur  wohl 
ungefähr  an  dasselbe  Publikum  wie  Macmillan's  Serie,  d.  h.  in  erster 
Linie  an  alle  Gebildeten.  Mit  Ten  Brink's  Werk  deckt  sich  denn 
auch  unser  Band  am  meisten.  Doch,  obschon  vieles  bei  Ten  Brink 
unübertrefflich  ist,  so  gibt  es  bei  ihm  auch  Partien,  welche  der  Revision 
bedürftig  sind,  weil  sie  nicht  mehr  auf  der  Höhe  der  Forschung 
stehen  (so  werden  z.  B.  die  arthurischen  Prosaromane  für  älter  denn 
die  Versromane  erklärt).  Auch  ist  seit  dem  Erscheinen  von  Ten 
Brinks  Werk  manches  neue  zu  Tage  gefördert  worden.  Wir  müssen 
uns  aber  namentlich  auf  den  Standpunkt  des  englischen  Lesers  stellen. 
Wenn  man  über  die  mittelenglische  Periode  die  bisherigen  Literatur- 
geschichten in  englischer  Sprache  konsultiert,  so  wiid  man  mit  Grausen 
erfüllt  über  die  sich  darin  noch  breitmachende  Ignoranz,  namentlich 
was  romani^tische  Fragen  betrifft.  Auch  das  neueste,  dieser  Periode 
speziell  gewidmete  Werk  des  berühmten  Professors  Saintsbnry,  Tlie 
Flourishing  of  Romance   and  the  Rise  of  Allegory  1897,   in  der 


William  Henri/  Schofield.     English  Literature.  117 

Serie  Periods  of  European  Literature  ist  ein  elendes  Erzeugnis. 
Der  Verfasser  desselben,  der  mit  albernem  Spott  über  die  Spezialisten, 
die  keine  Mühe  scheuen,  um  in  den  Geist  der  mittelalterlichen  Literatur 
einzudringen,  die  Nase  rümpft,  steht  demselben  völlig  fremd  gegen- 
über. Der  Unterschied  zwischen  diesem  und  Sch.s  Buch  ist  ein 
himmelweiter.  Das  letztere,  verfaßt  von  einem  Gelehrten,  der  seinen 
Gegenstand  in  der  Regel  vollständig  beherrscht  und  in  philologischer 
Kritik  vorzüglich  geschult  ist,  gibt  ein  klares  und  meist  zuverlässiges, 
auch  durch  anziehende  Darstellung  gehobenes  Gesamtbild  von  dem 
betreffenden  Literaturabschnitt  und  dürfte  daher  unter  den  gegebenen 
Verhältnissen  namentlich  in  England  segensreich  wirken,  indem  es 
die  englische  Kritik  in  neue  Bahnen  lenkt  i). 

Seh.  weist  hin  auf  die  peculiar  historical  conditions  which 
inake  familiarity  with  Old  French  literature  necessary  to  an  under- 
standing  of  almost  everything  in  the  Middle  English  vernacular 
(p.  VIII);  er  verlangt  von  dem  Literarhistoriker,  der  sich  mit  dieser 
Periode  beschäftigt,  tlie  comparative  method  of  inquiry  und  füll 
familiarity  tcith  the  sources  from  xchich  it  drew  and  some  acquaintance 
ivith  the  history  of  the  themes  it  favoured  (p.  6).  Die  Erfüllung 
dieser  Postulate  und  die  Verlegung  des  Hauptgewichts  auf  die  ver- 
gleichende und  stoffgeschichtliche  Behandlung  sind  es,  die  dem  vor- 
liegenden Werk  den  Charakter  geben.  Auf  diesem  Gebiete  läßt  Seh. 
nicht  nur  die  in  England  erschienenen  Literaturgeschichten  weit  hinter 
sich,  sondern  auch,  in  geringerem  Maße,  die  in  Deutschland  erschieneneu. 
Diese  Spezialität  von  Sch.'s  Werk  ist  es  auch,  die  es  dem  Romanisten 
empfiehlt.  Da  die  mittelenglische  Periode  but  echoes  in  the  main 
the  sentiments  and  tastes  of  an  international  society  centralised  in 
France  (p.  6),  so  ist  nicht  nur  die  Kenntnis  der  französischen 
Literatur  für  das  Verständnis  der  mittelenglischen  erforderlich,  sondern 
die  mittelenglische  ergänzt  auch  in  mancher  Beziehung  die  uns 
erhaltene  französische  Literatur. 

Gerade  weil  die  Lektüre  von  Sch.'s  Werk  sehr  zu  empfehlen 
ist  und  ihm  neue  Auflagen  zu  wünschen  sind,  halte  ich  es  für  nützlich, 
auf  eine  Anzahl  von  Mängeln,  die  dem  Werke  anhaften,  aufmerksam 
zu  machen.  Zunächst  bekam  ich  die  Empfindung,  daß  Seh.  manchmal 
des  Guten  fast  zu  viel  bietet.  Mit  seiner  Wertschätzung  der  Literatur 
des  Mittelalters  kann  icli  mich  zwar  im  großen  ganzen  einverstanden 
erklären.  Ich  halte  es  auch  für  richtig,  daß  the  Middle  Ages  .  .  . 
constitute  the  most  genuinely  poetic  era  that  Europe  has  hnown 
(p.  454);  aber  es  ist  zu  weit  gegangen,  wenn  gleich  nachher  behauptet 
wird,  daß  das  Mittelalter  das  poetische  Material  erfunden,  die  spätere 


1)  Ten  Brinks  LiteraturgRSchichte  ist  zwar  auch  schon  längst  in 
englischem  Gewand  erschienen,-  aber  als  „fremdes"  Werk  und  nicht  in  einer 
grofsen  populären  Serie  enthalten,  konnte  es  wohl  keinen  bedeutenden  Ein- 
flufs  ausüben. 


118  Heferate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

Zeit  es  nur  vervollkommnet  habe-).  Es  ist  auch  zu  begrüßen, 
daß  Seh.,  um  dem  Einfluß  derer,  die  das  Mittelalter  in  ein  falsches 
Ijicht  stellten  (vgl.  p.  45.'5),  entgegenzuwirken,  es  sich  angelegen  sein 
ließ,  ein  ebenso  vollständiges  wie  wahres  Bild  zu  geben;  aber  es  ist 
doch  sehr  fraglich,  ob  in  einer  Ilistory  of  English  JLiteraiure  betitelten 
Serie  da?  Mittelalter  ebenso  viel  Raum  beanspruchen  darf  wie  die 
ganze  Neuzeit,  die  Zeit  von  der  normannischen  Eroberung  bis  Chaucer 
(exclusive)  ebenso  viel  wie  die  Periode  von  15G0 — l(i65  [(mit 
Shakespeare)  oder  wie  die  Periode  von  1780 — 1900.  Seh,  gesteht 
am  Schluß  (p.  4ö6),  daß  er  sich  in  diesem  Band  more  ivith  the 
matter  than  with  the  manner  of  poetry  in  the  Middle  Ages 
beschäftigt  habe;  und  er  verspricht,  von  letzterer  im  folgenden  Band 
der  Serie  zu  handeln.  Dieser  scheint,  nach  dem,  was  hie  und  da 
über  ihn  verraten  wird,  eine  Art  Parallelband  zu  dem  vorliegenden 
zu  werden,  obschon  er  doch  vermutlich  die  Zeit  bis  1560  behandeln 
und  den  merkwürdigen  Titel  ..Chaucer"^  bekommen  soll.  Wenn 
auch  eine  nochmalige  Behandlung  der  frühmittelenglischen  Periode 
die  Disproportionalität  noch  größer  erscheinen  läßt,  so  habe  ich  doch 
den  Eindruck  bekommen,  daß  in  der  Tat  noch  etwas  fehlt.  Dies 
wird  immer  der  Fall  sein,  wo,  wie  in  dem  vorliegenden  Band,  die 
Entwicklung  jeder  Gattung  (und  es  sind  ihrer  hier  viele)  für  sich 
dargestellt  wird.  Bei  dieser  Behandlung  erfährt  man  nicht,  was  jeden 
einzelnen  kürzern  Zeitabschnitt  charakterisiert,  was  ein  jeder  an  dem 
Überkommenen  geändert,  was  selbständig  geschaffen  hat  3),  Eine 
allgemeine  Charakteristik  der  Jahrhunderte  gibt  Seh.  in  dem  Abschnitt 
Anglo-Latin  Liieratiire  (p.  28),  wo  er  das  11.,  12.,  13.,  14.,  Jahr- 
hundert the  oge  of  monasticism,  the  age  of  feudalism,  the  age  of 
scholasticism,  the  age  of  nationalism  nennt  (p.  2S),  aber  belegt 
werden  diese  Charakteristika  nur  an  der  lateinischen  Literatur"*). 
Auch  die  chronologische  Tabelle  am  Schluß,  so  verdienstvoll  sie  sonst 
sein  mag,  ist  etwas  für  sich  und  in  keiner  Weise  ein  Ersatz  für  das 
Vermißte.  Man  wird  eben  eine  Epoche  der  liiteratur  nur  dann 
gründlich  studieren  und  erklären  können,  wenn  man  sie  von  verschiedenen 
Standpunkten    aus    besichtigt    und    beleuchtet.      Eine    chronologische 


-)  Das  Mittelalter  bat  auch  sehr  viele  Stoffe  überkommen  und  nach- 
geahmt, von  den  uralten  Märchenmotiven  gar  nicht  zu  sprechen;  anderseits 
kann  man  der  spätem  Zeit  doch  die  Ertiüdung  noch  lange  nicht  absprechen. 
Wahr  ist,  dals  das  Mittelalter  mehr  geschaffen  und  weniger  vervollkommnet 
hat  als  die  Neuzeit. 

'■'')  Seh.  selbst  erkennt  den  gewaltigen  Unterschied  zwischen  Werken 
des  11.  und  solchen  des  14/1."».  Jahrhunderts,  z.  B.  Layamon's  Brut  und 
(vhaucers  Erzählungen  (p.  24— "25);  aber  diese  Evolution  wird  uns  nicht  vor 
Augen  geführt. 

*)  Es  mutet  auch  etwas  sonderbar  an,  wenn  eine  mittelenglische 
Literaturgeschichte  mit  dem  Rolandslied  aus  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
beginnt,  und  Orm  und  Layamon,  die  wir  sonst  an  erster  Stelle  zu  finden 
gewohnt  sind,  auf  den  Schilds  verspart. 


William  Hennj  Schoßeid.     English  Literaiure.  119 

Gesammtübersicht  hätte  wolil  ganz  gut  am  Schluß  des  Baudes  gebracht 
werden  können.  Der  Band  hätte  nicht  dicker  werden  müssen,  indem 
dafür  anderes  ohne  Nachteil  etwas  kürzer  hätte  behandelt  werden 
können. 

Denn  von  dem  Vorwurf  der  Weitschweitigkeit  kann  Seh.  kaum 
ganz  freigesprochen  werden.  Ich  erwähne  z.  B.  die  Mitteilungen  über 
die  Entstehung  der  Mabinogion  und  besonders  der  Edda  (p.  74—75), 
die  eine  Seite  lange  Aufzählung  der  Werke,  die  Chaucer  gekannt  hat 
(dies  gehörte  in  den  Chaucerbaud),  die  Erörterungen  über  den  Zauber- 
glauben des  Mittelalters,  die  zum  mindesten  zu  lang  gediehen  sind 
(p.  87  —  93). 

Die  Anordnung  ist  auch  nicht  immer  vollkommen.  Es  ist  wohl 
richtig,  wenn  Seh.  (p.  96)  sagt:  Thirteentli  Century  vernacularliterature 
in  England  zvas  „eleric^'',  ivhile  that  of  France  loas  ,Jaic",  was 
dann  an  Beispielen  erhärtet  wird.  Aber  gehört  dies  in  das  Kapitel 
y,Anglo-Latin  litei^ature'-' ?  In  demselben  Kapitel  (und  nur  hier)  ist 
merkwürdigerweise  ausführlich  vom  Einfluß  der  provenzalischen,  kym- 
rischen  und  nordischen  Literatur  auf  die  englische  die  Rede.  Auch 
der  bereits  angezogene  Passus  über  die  Zauberei,  die  doch  in  der 
Volksliteratur  mehr  zum  Ausdruck  kommt  als  in  der  gelehrten,  ist 
ebenfalls  in  dem  genannten  Kapitel  untergebracht.  Alles  dies  wäre 
besser  in  der  Introductio?i  behandelt  worden. 

Neben  den  84  Seiten  der  anglolateinischen  Literatur  nehmen 
sich  die  29  Seiten  deranglofranzösischen  (anglonormannischen)  Literatur 
etwas  mager  aus.  Immerhin  kann  man  nicht  behaupten,  daß  die  letztere 
im  Vergleich  zur  ersteren  zu  kurz  gekommen  sei.  Denn,  abgesehen 
von  den  Chroniken,  ist  es  mit  der  anglonormannischen  Literatur  nicht 
weit  her,  namentlich  was  Originalität  betrifft.  Allerdings  mit  Bezug 
auf  die  Literatur  über  die  Matter  of  Britain  ist  Seh.  anderer  An- 
sicht. Die  Liste,  die  er  p.  116  — 117  anführt,  scheint  mir  jedoch 
außerordentlich  kurz  zu  sein  5).  Es  mag  zugegeben  werden,  daß  wir  nicht 
mehr  alles  besitzen.  Es  muß  sogar  bemerkt  werden,  daß  Seh.  nicht 
einmal  alles  angeführt  hat:  Walter  Map  hat  er  mit  Absicht  weggelassen, 
weil  er  die  evidence  für  die  Ansicht,  daß  dieser  einen  großen  Anteil 
an  der  Entwickelung  der  Gralsage  hatte,  für  exceedingly  slight  hält 
(p.  58).  Mit  der  Gralsage  hatte  Map  zweifelsohne  garnichts  zu  tun ; 
aber  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  er  der  Verfasser  eines  französischen 
Versromans  von  Lancelot  war  (vgl.  J.  Weston,  Tliree  days'  tournament 
und  diese  Zs.  XXIX  92-93).  Dagegen  ist  in  Sch's  Liste  Marie 
de  France  zu  streichen.  Auch  vom  Tristandichter  Thomas  wird  mau 
kaum  mehr  behaupten  können  als,  daß  er  sich  in  Großbritannien  auf- 
hielt. Ich  linde  es  zwar  ganz  am  Platz,  daß  in  einer  englischen  Literatur- 

^)  Was  Bleheris  betrifft  (vgl.  aucli  schon  p.  70),  so  wurd(;  er  unter 
Einflufs  von  J.  Weston's  Artikel  in  Romanla  XXXII 1  u.  XXXIV  viel  zu  früh 
datirt  (vgl.  diese  Zs.  XXXP  p.  lö;;  ff). 


120  Referate  und  Rezensionen.     E.  Bnigger. 

gcschichte  auch  diejcuigcn  auslandischoii  Dichter  erwähnt  werden,  die 
in  England  verweilten  nud  dichteten;  aber  sie  sollten  durchaus  von 
den  anglonormannischen  Dichtern  getrennt  werden.  Nach  meiner  Meinung 
sind  sicher  auch  der  Fergus,  sehr  wahrscheinlich  der  Meraugis  und 
Guiots  Perceval  in  Großbritannien,  oder  wenigstens  von  Dichtern,  die 
sich  längere  Zeit  in  Großbritannien  aufgehalten  haben,  verfaßt  worden. 
DaB  der  Ilof  der  anglonormannischen  Könige,  besonders  Heinrichs  IL, 
ein  wichtiger  Anziehungspunkt,  vielleicht  der  wichtigste,  auch  für  die 
Arthurdichter  war,  ist  zweifellos.  Um  so  auffälliger  ist  die  Unproduk- 
tivität  der  Anglonormannen  auf  diesem  Gebiete:  Bleheris  war  ein 
Kompilator;  Robert  von  Borron,  den  auch  ich  für  einen  Anglonormannen 
halte  (die  Ansicht  wird  bestritten),  war  ein  nüchterner  remanieur^j; 
Biket,  der  Verfasser  des  Lai  del  Cor,  ist  ebenfalls  nicht  originell; 
er  benutzte  einen  Caradocroraan  (vgl,  diese  Zs.  XX^  140  ff.).  Die 
beiden  La  Folie  Tristan  betitelten  „Lais"sind  bloß  Ausschnitte  aus 
Eomanen  (vgl.  ibid.  p.  134  f,  und  jetzt  auch  Bedier,  im  zweiten  Band 
seiner  Tristanausgabe).  Selbst  der  berühmte  Tristandichter  Thomas, 
der  vielleicht  ein  Anglonormanne  war,  hat  sich  jetzt  als  remanieur 
entpuppt  und  viel  von  seinem  Nimbus  verloren  (vgl.  Bedier).  Es  ist 
zweifellos,  daß  auch  die  Kunstlyrik  am  anglonormannischen  Hof  sehr 
geschätzt  wurde;  aber  die  Anglonormannen  selbst  erzeugten,  von  der 
religiösen  Dichtung  abgesehen,  so  gut  wie  nichts  in  dieser  Gattung, 
Seh.  mag  Recht  haben,  wenn  er  sagt:  Jhe  Continental  Normans 
teere  not  a  romantic  people.  Notiüithstanding  the  frequent  Sta- 
tements to  the  contrary,  the  fad  is  incontrovertible  that  they  had 
Utile  share  in  the  production  of  the  romances  of  loar  and  adventure 
lohich  occupy  so  large  a  place  in  Old  French  literature.  They  loere 
undouhtedly  familiär  loith  them,  read  them  ivith  -pleasure,  and, 
helved  in  their  distribution;  hut  they  icere  apparently  too  soher  and 
serious-minded  to  give  themselves  up  to  such  unpractical  composition 
(p.  115).  Daß  aber  die  Normannen  in  England  diese  Eigenart  auf- 
gegeben hätten,  daß  the  Anglo-Normans  seem  to  have  cultivated 
Tomance  loith  more  zest,  kann  ein  unbefangener  Kritiker  gewiß  nicht 
behaupten.  Abgesehen  von  ein  paar  Romanen  über  die  Matter  of 
ßJngland,  deren  Material  ihnen  vielleicht  auch  schon  ziemlich  fertig 
überliefert  wurde,  sind  die  romantischen  Leistungen  der  Anglonormannen 
sehr  gering  anzuschlagen.  Am  ehesten  romantisch  veranlagt  waren 
die  anglonormannischen  Kymren  (Bledri,  Galfrid,  Map,  Giraldus).  Seh. 
hätte  auch  die  auffallende  Tatsache  nicht  unerwähnt  lassen  sollen,  daß 
nur  eine  anglonormannische  Handschrift  eines  eigentlichen  Arthurromans 
erhalten  zu  sein  scheint,  trotzdem  sonst  an  anglonormannischen  Hand- 
schriften kein  Mangel  ist.  Selbst  Seh.  hat  aber  die  G.  Paris'sche  Theorie, 
daß  alle  Arthurroniane  eine  anglonormannische  Zwischenstufe  passierten, 
nicht  sich   anzueignen   gewagt.     Es   ist  zu   merkwürdig,    daß   gerade 


6)  Für  Joseph,  Merlin  und  Mort  Artur  hatte  er  gelehrte  Quellen. 


William  IJenn/  Schoßeid.     Engiish  Literature.  121 

diejenige  Pro\inz  des  französischen  Sprachgebietes,  deren  Bewohner 
den  nüchternsten  Geist  verrieten,  als  Heimat  derjenigen  Poesie  aus- 
erkoren werden  mußte,  in  der  die  Phantasie  am  meisten  zur  Geltung 
kam.  Die  anglonormannische  Literatur  verhält  sich  zur  kontinental- 
französischen  etwa  wie  die  römische  zur  griechischen. 

Die  Litei'atur  in  englischer  Sprache  wird  von  Seh.  gattuugsweise 
behandelt,  nach  dem  Muster  von  G.  Paris'  Manuel.  So  wird  denn  der 
Leser  zuerst  mit  den  längern  epischen  Dichtungen  {romances)  bekannt 
gemacht,  und  das  betr.  Kapital  hat  die  LTnterabteilnngen :  Matter  of 
France,  Matter  of  ßritain,  etc.  Aber  was  für  die  altfrauzösische 
Literatur  gut  ist,  ist's  nicht  notwendig  auch  für  die  mittelenglische. 
Der  Bequemlichkeit  halber  mag  ja  die  Einteilung  in  Matters  noch 
zulässig  sein;  aber  man  sollte  darüber  im  Klaren  sein  und  es  auch 
ausdrücklich  hervorheben,  daß  diese  Einteilung  keine  andere  raison 
d'etre  mehr  hat.  Für  den  Engländer  waren  alle  diese  verschiedenen 
Maliers  ein  und  dasselbe,  nämlich  Matter  of  France^  nur  mit  einem 
andern  Sinn  des  Ausdrucks  als  dem  von  Seh.  gebrauchten.  Seh. 
selbst  sagt,  daß  die  französische  Nationalepik  was  transformed  into 
tke  likeness  of  romance,  and  hy  tlie  tirne  it  tvas  treated  in  Fnglish 
tvas  hardly  distinguisliable  tkerefrom;  und:  tliese  various  cycles 
of  narrative  appear  much  the  same  in  the  end  (in  Frankreich). 
Ich  halte  dies  mit  Bezug  auf  Frankreich  für  übertrieben.  Hier  wurden 
der  vorherrschenden  matiere  die  übrigen  matieres  allmälig  etwas  an- 
geglichen, aber  unterschieden  sich  immer  noch  stark,  schon  äußerlich 
durch  Stil  und  Metrum.  Für  den  Engländer  aber,  wie  überhaupt  für 
den  Nichtfranzosen,  fiel  jeder  Unterschied  weg;  er  weiß  nicht  mehr, 
was  eine  Chanson  de  geste  ist;  darum  spricht  er  auch  von  einer 
Geste  of  Sir  Gaicain,  einer  Geste  of  King  Hörn  und  einer  Geste 
of  Robin  liood.  Darum  galten  im  Ausland  gerade  die  französischen 
Nationalepen  noch  als  durchaus  der  guten  Gesellschaft  angemessen, 
als  sie  in  Frankreich  schon  längst  den  untern  Klassen  überlassen 
worden  waren.  Selbst  die  Romane  der  Matter  of  England,  die  uns 
in  englischer  Sprache  erhalten  sind,  sind  Übersetzungen  aus  dem 
Französischen  und  wurden  darum  auch  nie  recht  als  national  empfunden 
(trotz  Sch.'s  gegenteiliger  Behauptung).  Es  gab  natürlich  auch  keine 
innere  Berechtigung,  um  unter  den  verschiedenen  Matters  die  Matter 
of  France,  d.  h.  die  französische  Nationalepik,  zuerst  zu  behandeln, 
da  andere  Matters  in  der  englischen  Literatur  früher  als  diese 
repräsentirt  wurden. 

Es  hängt  mit  dem  von  Seh.  durchgeführten  Prinzip  zusammen, 
daß  uns  in  der  Regel  mehr  über  die  Vorgeschichte  der  in  der  mittel- 
englischen Literatur  verwendeten  Stoffe  als  über  deren  Behandlung 
im  Mittelenglischen  selbst,  also  gewöhnlich  mehr  über  die  französischen 
als  über  die  englischen  Bearbeitungen  derselben  mitgeteilt  wird.  So 
beansprucht  z.  B.  die  Besprechung  des  französischen  Rolandsliedes 
fast  2  Seiten,  diejenige  der  englischen  Bearbeitung  nur  etwa  Y3  Seite. 


122  Referate  und  Rezensioneti.     E.  Briigger. 

Noch  auffälliger  ist  es,  daß  fast  2  Seiten  der  französischen  Karls- 
reisc  gewidmet  sind,  trotzdem  diese  in  England  gar  nicht  bearbeitet 
wurde.  Die  Tatsache,  daß  der  französische  Text  (zufällig!)  in  einer 
anglonormannischen  Handschrift  erhalten  ist  (und  daß  diese  Hand- 
schrift die  einzige  erhaltene  ist,  ist  erst  recht  Zufall),  mochte  ja  ge- 
legenthch  erwähnt  werden;  aber  eine  Besprechung  des  französischen 
Textes  ist  dadurch  nicht  gerechtfertigt,  ganz  besonders  nicht  unter 
..  Vernacular  literaüire".  Die  englische  Ballade  von  King  Arthur  and 
King  Cormcall  ist  allerdings  stoffverwandt  mit  der  Karlsreise,  aber 
keineswegs  von  ihr  abhängig  (vgl.  diese  Zs.  XXX^  p.  130  f.). 

Schon  bei  der  Besprechung  der  Matter  of  France  (p.  147, 
158),  nachher  aber  noch  manchmal  (p.  173,  257,  258,  357;  vgl. 
auch  schon  p,  112,  113,  119),  stellt  Seh.  die  m.  W.  ganz  neue, 
aber  bedeutungsvolle  These  auf,  daß  die  Anglonormannen  immer  mehr 
den  Franzosen  feindlich  entgegentraten,  sich  dagegen  mit  den  Kymren 
und  Sachsen  als  eine  Nation  fühlten  und  die  Sagen  dieser  Völker 
als  ihre  Nationalsagen  betrachteten  und  nach  dem  Verluste  der  Nor- 
mandie  auch  ihre  Sprache  aufgaben  (French  became  a  foreign 
tonguej.  Mir  scheint  Seh,  auf  falscher  Fährte  zu  sein.  Das  wachsende 
Unabhängigkeitsgefühl  der  Anglonormannen  gegenüber  den  Franzosen 
mag  zugegeben  werden;  die  politischen  Ereignisse  sprechen  sehr  da- 
für. Sicheres  allerdings  können  nur  genaue  historische  Untersuchungen 
ergeben,  die  wohl  auch  Seh.  kaum  unternommen  haben  dürfte.  Die 
Freundschaft  der  Anglonormannen  mit  den  unterjochten  Engländern 
datiert  wohl  erst  von  der  Zeit  an,  da  der  Bürgerstand,  d.  h.  eben 
die  angelsächsische  Bevölkerung  mächtig  wurde  und  die  anglonor- 
mannische  Aristokratie  ohne  sie  nichts  mehr  ausrichten  konnte.  Wenn 
es  anders  war,  so  wäre  dies  erst  zu  beweisen.  Seh.  macht  sodann 
auf  die  Heiraten  zwischen  Anglonormannen  und  Kymren  aufmerksam, 
sagt  aber  kein  Wort  von  der  großen  Revolte  der  Kymren  unter 
Heinrich  IL,  welche  mehr  auf  Rassenkampf  als  auf  nationale  Einheit 
schließen  läßt.  Daß  der  Untergang  der  französischen  Sprache  die 
Folge  des  Nationalismus  der  Anglonormannen  war,  ist  schon  an  und 
für  sich  sehr  unwahrscheinlich.  Wenn  die  Beziehungen  zu  den 
Franzosen  noch  so  herzlich  gewesen  wären,  wenn  auch  England  seine 
französischen  Besitzungen  behalten  hätte,  so  wäre  die  französische 
Sprache  dennoch  untergegangen,  weil  sie  von  Anfang  an  nicht  im 
Stande  war,  die  englische  Sprache  auszurotten,  und  es  immer  weniger 
wurde,  als  die  anglonormannische  Bevölkerung  immer  mehr  dezimiert, 
der  angelsächsische  Bürgerstand  immer  mächtiger  und  gebildeter  wurde 
und  schließlich  in  höherem  Maße  als  die  Aristokratie  die  Nation 
re])räsentierte.  Die  von  Seh.  selbst  (p.  113)  angeführten  Daten  be- 
weisen das  Gegenteil  von  dem,  was  er  behauptet.  Die  Anglonor- 
mannen hingen  zäh  an  ihrer  Sprache,  so  lange  es  nur  irgend  ging. 
Noch  lange  nach  dem  Verlust  der  Normandie  war  Französisch,  von 
einigen  Ausnahmen  abgesehen,    noch  die  einzige  Sprache  der  Aristo- 


William  Henry  Schoßeid.     Englisk  Literahtre.  123 

kratie,  d.  li.  der  Anglonormannen,  und  selbst  die  reiclieren  Angel- 
sachsen gaben  sich  damals  Mühe,  französisch  zu  sprechen.  Französisch 
blieb  noch  lange  die  Sprache  der  Schulen  und  des  Staates.  Unter 
diesen  Verhältnissen  das  Französische  a  foreign  tongue  zu  nennen 
darf  man  nur  wagen,  wenn  man  auch  die  damaligen  Anglonormannen 
noch  als  fordgners  behandeln  will.  Scb.  würde  der  Beweis  für 
seine  Behauptung,  daß  der  Gebrauch  der  englischen  Sprache  als 
ilie  touchstone  of  a  patrioi  galt  (p.   112),  schwerlich  gelingen. 

Natürlich  verhält  es  sich  mit  der  Literatur  genau  so  wie  mit 
der  Sprache.  For  hut  a  man  knoios  French,  he  is  esteemed  hut 
Utile,  gilt  noch  für  den  Schluß  des  13.  Jahrhunderts  (p.  113).  Wie 
sollten  die  Anglonormannen  die  englische  Literatur  achten,  wenn  sie 
die  englische  Sprache  verachteten?  Seh.  macht  einen  großen  Fehler, 
indem  er  aus  der  Politik  auf  Sprache  und  Literatur  schließt.  Der 
Deutschschweizer  hält  seit  seiner  politischen  Unabhängigkeit  vom 
deutschen  Reich  nicht  weniger  als  vorher  an  der  deutschen  Sprache 
und  der  deutschen  Literatur  fest. 

Dafür,  daß  die  Anglonormannen  die  Sagen  der  Angelsachsen 
und  gar  der  Kymren  zu  den  ihrigen  machten,  spricht  gar  nichts. 
Diejenigen  Tatsachen,  die  uns  Schlüsse  erlauben,  scheinen  zu  zeigen, 
daß  es  ganz  anders  zugegangen  ist.  Recht  interessant  ist  Layamons 
Stellung  zur  britischen  Sage.  Der  angelsächsische  Patriot  begeistert 
sich  in  der  Tat  für  Arthur,  den  Feind  seines  Stammes.  Seh.  gibt 
(p.  357)  verschiedene  Gründe  für  diese  apparent  inconsistency 
an:  The  Anglo-Saxons  were  invaders  of  England,  and  the  poefs 
patriotism  was  for  his  country,  not  for  Ms  race.  Ich  kann  in  der 
ganzen  Weltgeschichte  keinen  derartigen  Fall  finden;  und  ich  halte 
es  darum  einstweilen  nicht  für  möglich,  daß  jemand  vollbewußt  aus 
Patriotismus  für  sein  Vaterland  eintritt,  aber  nicht  zugleich  auch 
für  sein  Volk,  zumal  wenn  dieses  die  Mehrheit  der  Bevölkerung  aus- 
macht. Daß  distinctions  of  blood  von  allen  patriotischen  Engländern 
ignoriert  wurden,  wie  Seh.  meint,  ist  sehr  zweifelhaft;  aber  wenn  es 
auch  der  Fall  gewesen  wäre,  so  steht  es  im  Widerspruch  zu  der 
Tatsache.,  daß  Layamon  für  das  eine  Blut,  für  die  Briten,  wirklich 
Partei  nimmt.  Wenn  der  Umstand,  daß  die  Angelsachsen  als  Heiden 
galten,  für  Layamon,  wie  Seh.  meint,  ins  Gewicht  gefallen  wäre,  so 
hätte  sein  Werk  sicher  einen  stark  religiösen  Anstrich  bekommen; 
ein  solcher  ist  aber  nicht  zu  entdecken.  Mir  scheint  es  zweifellos, 
daß  Layamon  sich  zu  seinem  Gewährsmann  ebenso  verhielt  wie  dieser 
zu  Galfrid.  Galfrid,  der  Kymre,  hatte  einen  großartigen  Schwindel 
aufgebauscht,  auch  nicht  allein  zun  Ruhm  seines  weitem  Vaterlandes, 
sondern  vor  allem  zum  Ruhm  seiner  Rasse.  Ihm  folgte  Wace  gläubig, 
und  diesem  folgte  Layamon.  Man  mag  es  ja  merkwürdig  linden,  daß 
Layamon  alles  akzeptierte,  was  sein  Gewährsmann  Wacc  ihm  über- 
lieferte. Er  hätte  ja  ähnlich  verfahren  können,  wie  es  nachlier  die 
schottischen  Chronisten  machten,  welche  für  ihre  Landesfürsten  Loth 


124  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

und  Mordred  eintraten  und  Arthur  verleumdeten  (vgl.  Fletcber  in 
Harvard  Studies  and  Notes  X,  240),  wie  die  Spanier,  welche  die 
französische  Rolandsage  in  lokalpatriotisclier  Richtung  entstellten.  Er 
hätte  gegeu  Wace  polemisieren  und  aus  dessen  Brut  ein  ganz  anderes 
Werk  machen  können;  er  hätte  sogar  den  Brut  ignorieren  können. 
Aber  mußte  er  dies?  Dem  einen  Schriftsteller  kam  es  nicht  darauf 
an,  die  Überlieferung,  die  ihm  nicht  paßte,  für  falsch  zu  erklären 
und  nach  eigenem  Gutdünken  umzumodeln;  aber  andere  Autoren, 
und  gerade  die  ehrbareren,  wagten  es  nicht,  die  Überlieferung  anzu- 
tasten und  begeisterten  sich  für  genau  dasselbe  wie  der  von  ihnen 
verehrte  Gewährsmann^).  Arthur  war  nach  der  Überlieferung-  ein 
Held,  mit  allen  Tugenden  geschmückt,  überall  geehrt  und  besungen; 
dies  genügte  Layamon,  um  sich  für  ihn  zu  begeistern.  Hätte  er 
Beneits  Trojanergeschichte  zu  übersetzen  gehabt,  so  hätte  er  sich  für 
die  Trojaner  begeistert,  hätte  er  Homer  selbst  als  Vorlage  ge- 
habt, für  die  Griechen.  Es  wäre  etwas  kleinlich  gewesen,  wenn  er 
sich  nicht  für  die  Briten  begeistert  hätte;  aber  er  zählte  sich  selbst 
keineswegs  zu  den  Briten.  Versichert  er  doch  mit  Wace:  Bruttes 
ileveth  yete  Thai  he  (ArthurJ  hon  on  live  . . .  And  lokieth  evere 
Bruttes  yete  Wkan  Arthur  cumen  lithe.  Was  er  selbst  davon  hält, 
sagt  er  nicht.  Britain  wurde  zwar  schon  im  Mittelalter  sehr  häufig  in 
der  Bedeutung  England  gebraucht;  aber  noch  rechneten  sich  die 
Angelsachsen  nicht  zu  den  Briten.  Der  Begründer  von  Arthurs  Welt- 
ruhm war  kein  echter  Anglonormanne,  kein  Angelsachse,  sondern  ein 
Brite:  Galfrid  von  Monniouth.  Beda  und  namentlich  die  Sachsen- 
chronik konnten  mit  ihrer  Version  der  Sachsenkriege  gegen  den  ele- 
ganten Geschichtsfälscher  nicht  mehr  aufkommen,  sie  gerieten  in  Ver- 
gessenheit. Alle  Chronisten  schlössen  sich  Galfrid  in  der  Haupt- 
sache an.  Die  französischen  Lais  und  Romane,  so  weit  sie  nicht 
bereits  den  bretonischen  Arthur  priesen,  ließen  sich  durch  Galfrid 
beeinflussen.  Konnten  die  Anglonormannen  sich  ausschließen?  Nichts 
deutet  darauf  hin,  daß  die  Anglonormannen  sich  schon  früher  und 
in  höherem  Maße  für  Arthur  begeisterten  als  die  Franzosen.  Warum 
soll  man  für  ihre  Begeisterung  patriotische  Motive  voraussetzen,  da 
sie  sich  doch  nicht  anders  äußert  als  diejenige  der  Franzosen?  Seh. 
behauptet  von  den  Anglonoi'mannen  (p.  147):  they  greio  disposed  to 
regard  Charlemagne  as  the  hero  of  their  opponents,  and  in  course 
of  time  ceased  altogether  to  sing  of  him  as  their  oicn.  Arthur, 
King  of  the  Britons,  they  exalted  instead  —  a  rival  to  Charlemagne 
in  hrilliancy,  Christian  virtuos,  and  imperial  sicay;  and  the  Saxons 
and  Danes  folloired  their  lead.  Seh.  wäre  doch  wohl  in  Verlegen- 
heit, wenn  er  diese  Behauptung  begründen  müßte.  Nach  der  uns 
erhaltenen  Literatur  zu  schließen,  wurde  Arthur  nicht  bloß  in  England 

■')  Seh.  selbst  hebt  hervor,  dafs  Layamon  selten  die  überlieferten  Tat- 
sachen stark  ändert.  Wkere  his  individuality  appears,  ».s  in  the  allered  style  of 
his  narrative,  the  infuiion  of  a  nttc  spirit. 


William  Henry  Schoßeid.     English  lÄterature.  125 

Karls  des  Großen  erfolgreicher  Rival,  sondern  nicht  minder  in  Frankreich, 
und  in  England  eher  später  als  in  Frankreich  S).  Die  Engländer 
fanden  noch  Gefallen  an  den  Karlsepen,  als  sich  in  Frankreich  wenigstens 
die  Aristokratie  schon  längst  von  ihnen  abge\Yandt  hatte.  Daß  die 
Anglonorraannen  auch  skandinavische  und  angelsächsische  '&Xo^q  {Matter 
of  England)  aufgriffen  und  bearbeiteten,  möchte  ich  auch  nicht  ihrem 
Nationalismus  zuschreiben,  sondern  dem  Umstand,  daß  man  damals 
überhaupt  zu  allen  romantischen  Stoffen  griff,  deren  man  habhaft  werden 
konnte.  Jedenfalls  ist  es  Tatsache,  daß  diese  Stoffe  in  den  Händen 
der  Anglonormannen  den  nationalen  Charakter  verloren  haben.  Was 
immer  es  auch  mit  dem  Nationalismus  der  Anglonormannen  für  eine 
Bewandtnis  hat :  auf  literarischem  Gebiet  bekundete  er  sich  jedenfalls  nicht. 

Eine  eigentümliche  auf  die  Karlssage  bezügliche  Ansicht  äußert 
Seh.  p.  258:  Kiyig  Arthur  occupies  in  the  political  Jiistory  of 
England  a  position  somewhat  parallel  to  Charlemagne's  in  that 
of  France.  Arthur  ivas  not  English,  and  Charlemagne  was  not 
French  (sie!).  Solehe  Paradoxa  findet  man  hie  und  da  bei  Seh.; 
aber  dieses  ist  das  schönste. 

Auf  die  zwölf  Seiten  der  Matter  of  France  folgt  die  Matter 
of  Britain  mit  nicht  weniger  als  100  Seiten.  Die  einzelnen  Unter- 
abschnitte sind  betitelt:  Origin  and  Development,  The  Breton  Lays 
in  English,  Hie  Cycle  of  Sir  Tristram,  The  Cycle  of  Sir  Gawain, 
The  Cycle  of  Sir  Lancelot,  The  Quest  of  the  Holy  Grail,  2he 
Cycle  of  Merlin,  The  Death  of  Arthur.  Den  Yvain,  den  Fercevaly 
den  Guinglain  findet  man  unter  The  Cycle  of  Sir  Gawain  unter- 
gebracht. Dies  ist  nichts  anderes  als  Systemzwang.  Das  Wort 
Cyklus  wurde  bisher  in  der  altfranzösischen  Literaturgeschichte  in 
einem  andern  Sinn  gebraucht,  nämlich  wie  Geste,  aber  mit  Bezug 
auf  die  Literatur,  nicht  die  Sage.  Man  spricht  vom  Cyklus  von 
Garin  de  Monglane  oder  Guillaume  d'Orange,  vom  Gralcyclus,  auch 
vom  Tristancyklus  (wenn  man  außer  dem  Tristanroman  noch  den 
Palamedes  und  Guiron  im  Auge  hat).  Seh.  bringt  Verwirrung  in  die 
Terminologie,  indem  er  das  Wort  Cyklus  einfach  in  dem  Sinn  „(vom 
Kritiker  zusammengestellte)  Gruppe  von  Dichtungen  über  denselben 
Helden"  verwendet.  Consequent  bleibt  er  sich  übrigens  nicht;  denn 
er  spi-ieht  gelegentlich  in  dem  bislier  üblichen  Sinn  vom  Grail-cycle 
oder  Grail- Lancelot- cycle  (p.  240). 

Im  ersten  Unterabschnitt  wird  namentlich  auch  die  Frage  von 
der  Herkunft    der  Lais  und  Romane  besprochen.     Seh.  schließt  sich 


3)  Die  berühmte  Stelle  im  Romanz  des  Franceis  wurde  von  Seh.  (p.  1 19) 
nicht  ganz  richtig  gedeutet;  jedentalls  berechtigt  sie  nicht  zu  seinen  Folgerungen. 
Andre  de  Coutances  hält  den  arthurischen  nugae  der  Franzosen  die  wahre 
Geschichte  (Galfrid!)  entgegen.  Dal's  aber  in  den  französischen  nw//i7c  Arthur 
gewöhnlich  verhöhnt  wurde,  d?von  kann  keine  Rede  sein.  Die  von  Andre 
angezogene  französische  Erzählung  ist  die  einzige  uns  bekannte,  in  der  dies 
geschieht:  und  dieselbe  ist  auch  mit  einem  für  Arthur  günstigen 
Ausgang  belegt. 


12G  Referate  und  Rezensionen.     E.  Bruriger. 

im  großen  Ganzen  G.  Paris   an,   betont  aber  in  weit  höherem  Maße 
als  dieser  die  Wichtigkeit  des  bretonischen  Elements.     But,  sagt  er, 
it  is   itnreasonahle   to  maintain,   as  some  do,   that  meanwhile  the 
insular  Celts  had  either  forgotten  Arthur  or  ceascd  to  talk  abont 
Mm  (p.  172),     Mir   sind   keine  Kritiker  bekannt,    die   durch  diesen 
Vorwurf  betroffen  werden,     Angesichts  der  definitiven  Zeugnisse  wäre 
die  Leugnung  der  Existenz  von  Arthursagen  in  Großbritannien  unge- 
fähr ebenso  unvernünftig  gewesen  wie  die  Leugnung  der  Existenz  von 
Karlssageu  in  Frankreich.    So  unvernünftig  war  noch  niemand.    Was 
müssen   Sch.'s  Leser,  die  nicht  vom  Fach   sind,   denken!     Aber  aus 
der  Tatsache,   daß   die  Inselkelten  im  12.  Jahrhundert  noch  Arthur- 
sagen   hatten,    folgt   eben   noch   keineswegs,   daß   dieselben    von    den 
Angelsachsen  und  Anglonormannen  adoptiert  wurden.    Seh.  weist  auf 
die  Heiraten  von  Normannen  mit  Britinnen  hin  (sie  dienten  übrigens 
nur   dazu,   für  jene   auf  rechtmäßige   Weise    Land   zu   erwerben  und 
ihre  Suprematie  zu   befestigen) ;    aber   er  erwähnt   nichts   von  jenen 
blutigen  Kämpfen   zwischen  Normannen   und  Briten  unter  Wilhelm  I. 
und  Wilhelm  II,  und  namentlich  von  jener  nationalbritischen  Erhebung 
gegen  Heinrich  H,    (an   der  sich   auch   britische  Barden    beteiligten), 
Ereignisse,     die     doch    ungleich    schärfer    die    wirkliche    Stimmung 
wiederspiegeln   als   die  vereinzelten  Vernunftheiraten.     Er  meint,  daß 
zwei  neben  einander  lebende  Nationen,  auch  wenn  sie  einander  direkt 
feindlich   gegenüberständen^   doch   nicht   ohne  geselUgen  Verkehr  sein 
könnten,  der  den  Umtausch  von  Erzählungen  zur  Folge  hätte.    Aber 
Franzosen  und  Deutsche   lebten   auch   neben   einander;   dennoch  war 
es    nur    das    kulturell    weniger   entwickelte   Volk,    das  die  Literatur 
(übrigens    nicht  auch   die  Volkssagen!)    des   fortgeschrittenern    nach- 
ahmte.    Die  Anglonormannen   aber   betrachteten    offenbar  sich  selbst 
als   die  höher   stehenden.     Sogar  die  Angelsachsen  adoptirten,  soviel 
uns  bekannt  ist,  kaum  keltische  Sagen,  trotzdem  sie  von  den  Kelten 
Religion   und  Kultur  übernahmen.     Es  sind  offenbar  ganz  besonders 
günstige  Verhältnisse   nötig,    wenn   Sagen,    wenigstens    Nationalsagen, 
von  einer  Nation  zu  einer  andern  übergehen  sollen.    Diese  Verhältnisse 
waren  in  Großbritannien  nicht  vorhanden.    Aber,  wenn  sie  auch  vor- 
handen gewesen  wären,  wenn  auch  die  Möglichkeit,  daß  kymri?che  Sagen 
sich   unter   den  Anglonormannen   und  Angelsachsen   verbreiteten,   zu- 
gegeben werden  darf  und  muß,  so  folgt  daraus  noch  lange  nicht,  daß 
es    tatsächlich    geschah,    duß    die    französischen    Lais    und    Romane 
kymrischer  Herkunft  sind.     Seh.  gibt  selbst  (p.  162 — 185)  eine  gute 
Charakteristik    der    kymrischen    Epik    und    speziell    des    kymrischen 
Sagenhelden  Arthur  und  seiner  Gefährten.     Ein  größerer  Unterschied 
als  der   zwischen  der   kymrischen  Epik   und  den   französischen  Lais 
und  Romanen  ist  gar  nicht  denkbar.    Ich  kann  es  mir  nicht  versagen, 
hier  eine  Stelle  aus  dem  oben  genannten  Werk  Saintsbury's  zu  zitieren, 
den   ich  zwar  für  einen  sehr  schlechten  Kenner  der  mittelalterlichen 
Literatur  halte,  der  aber  gerade  wegen  dieser  Eigenschaft  unbefangen 


William  Henri/  Schofield.     English  Liter ature.  127 

und  wie  ein  Laie  urteilen  kann ;  und  insofern  hat  sein  Urteil  in  dieser 
Frage  mehr  Wert  als  dasjenige  eines  in  allen  möglichen  Theorien 
verfangenen  Fachmanns.  Er  sagt  (p.  105 — 106):  Let  any  one  read, 
witli  as  open  a  mmd  as  he  can  procure,  the  tliree  Welsh-Frenck 
or  French-Welsh  romances  of  Yvciin-Oivain,  Erec-Geraint  and 
Percivale-Peredur,  and  then  turn  to  those  that  are  certainly  and 
purely  Celtic,  Kilkwch  and  Olwen,  the  Dream,  of  Rhiahioy  (both 
of  these  Arthurian  after  a  fasldon,  though  quite  apart  from  our 
Arthurian  legend),  and  the  fourfold  Mahinogi  lohich  teils  the 
adventures  of  Rhiannon  and  those  of  Math  ap  Matholwy.  1 
cannot  conceive  this  being  done  by  any  one  loithout  his  feeling 
that  he  has  passed  from  one  toorld  into  another  entirely  diß'erent 
—  that  the  tioo  classes  of  story  simply  canyiot  by  any  possibi- 
lity  he,  in  any  more  than  the  remotest  Suggestion,  the  work  of  the 
same  people,  or  have  been  produced  under  the  same  literary 
covenant.  Hier  ist  einer  der  wundesten  Punkte  der  kymrisch-  anglo- 
norniannischeu  Theorie.  Die  Mabinogion  repräsentieren  die  echt 
kyrarische  Epik.  Dies  waren  Erzählungen,  wie  sie  der  kymrische 
Barde  vortrug.  Dies  waren  Erzählungen,  wie  sie  die  Angelsachsen 
und  Anglonorraannen  von  ihnen  hörten,  falls  sie  Gelegenheit  dazu 
hatten.  Aber  aus  ihnen  hätten  nie  die  französischen  Lais  und 
Romane  entstehen  können,  so  wenig  wie  niedliche  Tonvasen  aus 
Grauitblöcken  gemacht  werden  können.  Wie  erklärt  nun  Seh.  die 
Überbrückuug  des  Abgrunds?  Man  kann  nicht  anders  sagen  als: 
recht  naiv.  Galfrid  von  Monraouth  war  der  Zauberkünstler.  Ich 
gehöre  gewiß  nicht  zu  denen,  die  die  Bedeutung  von  Galfrids  Historia 
für  die  französischen  Arthurromane  unterschätzen.  Ich  gebe  auch  zu, 
daß  Galfrid  die  Verwandlungszauberei  wie  kein  anderer  verstand. 
Aber  unmöglich  bleibt  unmöglich.  Galfrid  kannte  natürlich  kymrische 
Sagen;  er  entnahm  manches  der  kymrischen  Tradition,  aber  eigentlich 
nur  Namen,  kaum  Sagen,  höchstens  gibt  er  kurze  Andeutungen  von 
solchen.  Auch  für  ihn  mit  seiner  anglonorraannischen  Bildung  waren 
sie  jedenfalls  kaum  verständlich  und  nicht  reproduzierbar.  Der 
französischen  Literatur  gab  er  und  konnte  er  nur  geben:  die 
Namen  und  den  sens,  aber  nicht  die  matiere.  Diese  war,  besonders 
in  den  Lais  und  den  altern  Romanen,  nicht  von  Galfrid  abhängig, 
wie  Seh.  selbst  gesteht.  Diese  matiere  bestand,  von  ganz  wenigen 
Zügen  abgesehen,  nicht  aus  eigentlichen  Sagen,  sondern  aus  Märchen, 
gewöhnlich  mit  charakteristischer  keltischer  Färbung;  manche  weisen 
noch  auf  sehr  primitive  Zustände  zurück.  Aber  nirgends  ist  etwas 
Nationales,  nirgends  die  entfernteste  Ähnlichkeit  mit  den  kymrischen 
Mabinogion.  Dazu  kommt,  daß  positive  Zeugnisse  für  altkymri sehen 
Ursprung  ganz  fehlen.  Der  Stotf  der  fraglichen  Lais  und  Romane 
ist  ganz  verschieden  von  der  kymrischen  Epik;  und  etwa  darin  vor- 
kommende Eigennamen  haben,  wo  sich  zwischen  bretonisch  und 
kymrisch  unterscheiden  läßt,  immer  bretonische  Form,  mit  Ausnahme 


128  Referate  tmd  Rezensionen.     E.  Brugger. 

ilerjeiiigen,  die,  auch  in  Galfrids  Historia  vorkommeml,  von  dort  bezogen 
wurden.  Ich  glaube,  daß  die  meisten,  welche  Einfluß  der  kyrarischen 
Literatur  auf  die  französische  annehmen,  nur  deshalb  zu  dieser  An- 
sicht gelangt  sind,  weil  sie  sich  sagen:  Warum  sollten  nicht,  da  die 
Kymren  Arthursagen  hatten,  solche  auch  zu  den  Anglonormannen 
dringen!  Aber,  daß  dies  nicht  geschah,  ist  keineswegs  so  wunder- 
bar: 1.  waren  die  politischen  Verhältnisse  für  literarischen  Austausch 
nicht  günstig;  2.  konnten  vom  kulturellen  Standpunkt  aus  die  Anglo-^ 
normannen  wohl  nur  die  gebenden,  nicht  die  empfangenden  sein;  3. 
war  die  kymrische  Epik  jedenfalls  den  Anglonormannen  ganz  unver- 
ständlich; sie  hätten  gewiß,  wenn  sie  die  Eddalieder  oder  den 
Beowulf  gehört  hätten,  sich  dieser  Poesie  gegenüber  vollständig  ab- 
lehnend verhalten;  noch  ungenießbarer  mußte  aber  für  sie  die 
altkymrische  Epik  sein.  4.  Die  Normanneu,  die  (wenigstens  geistigen) 
Ahnen  unserer  „praktischen  Engländer",  der  matt€r-of-fact-]^Sii\ox\., 
waren  unter  allen  Franzosen  das  nüchternste  Volk,  das  am  aller- 
wenigsten Verständnis  für  die  wildpliantastische  kymrische  Poesie 
haben  konnte.  Die  kymrischen  Barden  werden  wohl  kaum  die  Grenzen 
ihres  Landes  überschritten  haben,  aus  dem  einfachen  Grund,  weil  sie 
doch  nirgends  Verständnis  gefunden  hätten.  Ich  bestreite  nieht,  daß 
die  anglonormannischen  und  die  in  Großbritannien  umherziehenden 
französischen  Trouveres  auch  etwa  kymrische  Sagen  auflesen  und  in 
ihre  Dichtungen  einflechten  mochten.  Ich  halte  dafür,  daß  Guiot  de 
Provins  von  Llewellyn  (Lähelin),  Guillaume  le  Clerc  von  Fergus  und 
Soumilloit  in  Großbritannien  erzählen  hörte.  Aber  es  handelt  sich 
hier  nicht  um  altbrittische,  sondern  um  ganz  junge  Sagen  (11.  resp. 
12.  Jahrhundert);  und  nichts  spricht  dafür,  daß  diese  Sa^cn  von  den 
Kelten  literarisch  behandelt  wurden.  M^rlm-devinailles  wird  man 
sich  überall  in  Großbritannien  erzählt  haben;  sie  knüpfen  an  die 
durch  Galfrid  berühmte  Figur  des  Zauberers  an,  sind  aber  zumeist 
orientalischen  Ursprungs. 

Seh,  liebt  es,  Charakteristiken  recht  konzis,  womöglich  in 
einem  Wort  oder  Ausdruck  abzufassen.  Einige  dieser  Ausdrücke 
sind  recht  gelungen,  andere  dagegen  unglücklich  gewählt.  So  erklärt 
er  (p.  177 — 178),  daß  die  französischen  Prosaromane  die  Bestimmung 
hatten,  anthologies  of  romantic  folMore,  j?otpourris  of  populär 
themes  zu  sein.  Nichts  ist  unrichtiger.  Man  liebte  auch  im  Mittel- 
alter eine  Art  Potpourris  von  Erzählungen;  es  waren  die  Sammlungen 
orientalischen  Ursprungs  wie  Dolopathos,  Sept  Sages.  Aber  die 
Prosaromane  waren  etwas  ganz  anderes.  Wie  die  alten  Versromane 
durch  Erweiterung  und  Kombination  von  Lais  enstaiiden,  so  bildeten 
sich  die  späteren  Ptomauungehcuer  durch  Erweiterung  und  Kombin'ation 
von  Romanen.  Zwischen  dem  alten  von  Ulrich  von  Zatzikhofen 
bearbeiteten  Lancelet  und  dem  großen  Prosa-Lancelot  ist  in  Bezug 
auf  Komposition  und  Zweck  kein  wesentlicher  Unterschied  zu  finden. 
Dasselbe    Agens,    welches    jenen    hervorgebracht    hatte,    hat    einfach 


William  Henri/  Schofield.     English  Literatiire.  129 

weiter  gewirkt.  Die  Einheit  der  Prosaromane  ist  eher  größer  als 
diejenige  der  alten  Versromane;  es  ist  eine  kompliziertere  Einheit; 
aber  die  Autoren,  weniger  Sklaven  ihres  Stoffes,  halten  eine  strengere 
Aufsicht  über  die  Funktionen  der  einzelnen  Teile.  Diese  Teile 
zeichnen  sich  gerade  dadurch  aus,  daß  sie  in  der  Regel  ihren  folk- 
loristischen Charakter  ganz  abgestreift  haben.  Die  Episoden  der 
altern  Versromane  stehen  dem  Folklore,  der  oralen  Tradition,  noch 
viel  näher.  In  den  großen  Prosaromanen  wurden  alle  über  denselben 
Leisten  geschlagen,  und  darum  einander  ähnlich;  neben  zahlreichen 
platten  Nachahmungen  sind  ebenso  zahlreiche  ganz  erfundene  Episoden 
zu  treffen.  Wenn  die  Autoren  ein  Potpourri  hätten  geben  wollen, 
so  hätten  sie  Varietät  angestrebt,  nicht  Ähnlichkeit.  Daß  der  Grand- 
Saint-Graal  hauptsächlich  eine  Bearbeitung  lateinischer  Legenden, 
die  Merlinromane  und  die  Mort  Artur  in  ihrer  Hauptsache  Bearbei- 
tungen von  Partien  von  Galfrids  Historia  sind,  also  insofern  rein 
literarischen  Charakter  haben,  mag  noch  hinzugefügt  werden. 

Woher  weiß  ferner  Seh.,  daß  diese  Prosaromane  icere  not 
intended  for  a  continuous  reading"?  Woher  weiß  er,  daß  sie  nur 
in  den  Schloßhallen  bei  Versammlungen  vorgelesen  wurden,  und  zwar 
jeweils  nur  ein  Paar  Episoden  (so  daß  also  z.  B.  der  Vortrag  des 
großen  Gralcyklus  sich  vielleicht  über  Monate  erstrecken  mußte)? 
Gerade  darin  unterscheiden  sich  die  großen  Prosaromane  von  den 
altern  Versromanen,  daß  die  darin  auftretenden  Ritter  und  Damen 
des  Lesens  kundig  sind  (daher  das  Inschriftenunwesen);  und  daraus 
ist  zu  schließen,  daß  auch  die  Ritter  und  Damen,  für  welche  die 
Romane  geschrieben  wurden,  sie  lesen  konnten.  Und  wir  dürfen  uns 
wohl  vorstellen,  daß  ebenso  wie  heute  namentlich  verliebte  oder 
liebes(iurstige  junge  Damen  und  Herren  Tage  lang,  wenn  nicht  auch 
noch  Nächte  lang,  über  diesen  Romanen  saßen  und  sich,  wie  Paolo 
und  Francesca,  durch  diese  anhaltende  Lektüre  den  Kopf  verdrehen 
ließen.  Wenn  uns  diese  langen  Ritterromane,  fast  ebenso  wie  die 
Romane  La  Calprenede's  und  der  Scu<iery,  weitschweifig  und  ermüdend 
vorkommen,  so  rührt  dies  daher,  daß  wir  einen  anderen  Geschmack 
haben.  Wer  weiß,  ob  es  nicht  nach  Verfluß  weiterer  700  Jahre 
Literarhistoriker  geben  wird,  die  glauben,  unsere  modernen  Romane 
seien  großenteils  Potpourris  gewesen,  die  von  uns  nur  brockenweise 
hätten  genossen  werden  können!  Gerade  die  zunehmende  Verbreitung 
der  Lesekunst  wird  der  Grund  gewesen  sein,  weshalb  die  Arthur- 
romane mehr  und  mehr  anwuchsen;  denn  dem  gierigen  Leser  waren 
sie  wohl  stets  zu  kurz;  die  spätem  Versromane  (vgl.  Perceval,  Claris 
et  Laris,  Escanor)  nahmen  ja  auch  einen  gewaltigen  Umfang  an. 
Daß  die  Abenteuer  trotz  des  liasty  ahsorhing  der  Romane  nicht 
vergessen  wurden,  dafür  sorgte  das  intensive  Interesse,  das  ihnen  ent- 
gegengebracht wurde,  und  die  immer  und  immer  wiederholte  Lektüre- 

Es  hätte  von  Scli.  auch  auf  die  immerhin  bemerkenswerte  Tat- 
sache  hingewiesen    werden    dürfen,    daß   die   Engländer   bis   fast  auf 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII 2.  9 


130  Referate  und  Rezensionen.     E.  ßrugger. 

Malory  die  französischen  Prosaromane  in  Verse  übersetzten.  In 
Frankreich  ling  mau  schon  um  die  Wende  des  12.  Jahrhunderts  au, 
Arthurromane  in  Prosa  zu  übertragen;  es  war  dies  zweifellos  ein 
großer  Fortschritt.  Aber  die  Engländer,  trotzdem  sie  das  Vor- 
bild der  Franzosen  hatten,  brauchten  noch  über  2Vo  Jahrhundertc, 
bis  sie  dies  begriffen.  Man  sieht,  wie  die  beweglichen  Franzosen  den 
schwcrfälHgen  Engländern  weit  voraus  waren.  Holländer  und  Deutsche 
verhielten  sich  übrigens  ebenso  wie  die  Engländer.  Sehr  befremdend 
ist  auch  folgende  Behauptung  Sch.'s:  men  and  roomen  of  all  classes 
assembled  in  tlie  Middle  Ages  to  listen  to  the  e.rploits  of  Arthur  and 
his  kniglits  of  tlie  Round  Table  (p.  178).  Bis  jetzt  war  man,  und 
auf  gute  Gründe  gestützt,  m.  W.  allgemein  der  Ansicht,  daß  die 
Arthurromane  ausschließlich  der  ritterlichen  Gesellschaft  vorgetragen 
wurden,  und  noch  niemand  hat  an  einen  Vergleich  mit  the  humble 
audience  of  an  Italian  marionette  gedacht. 

Der  .^Tristancyklus'-'  wird  von  Seh.  mit  einer  Ausführlichkeit 
(14  Seiten)  be>proclien,  die  der  recht  unbedeutende  Sir  Tristram 
und  die  Auszüge  Malory's  aus  dem  Prosa-Tristan  kaum  rechtfertigen. 
Die  englische  Tristandichtung  ist  besonders  darum  interessant,  weil 
man  an  ihr  schön  beobachten  kann,  wie  ein  sehr  umfangreicher  und 
sehr  höfischer  Eoraan  von  dem  englischen  Bänkelsänger  zu  einer 
recht  volkstümlich  aussehenden  „Komanze"  reduziert  wird.  Bei 
der  Beurteilung  ähnlicher  englischer  Dichtungen  wie  Sir  Percyvelle 
und  Libeaus  Desconus  ist  es  gut,  dies  im  Auge  zu  behalten.  Die 
Volkstümlichkeit  und  Kürze  der  englischen  Versionen  braucht  nicht 
immer  originell  zu  sein.  Was  den  Prosa-Tristan  betrifft,  so  unter- 
scheidet Seh.,  offenbar  im  Anschluß  an  Sommer  (Malonj  III,  9, 
279  ff.),  eine  Vulgata-Version  mit  Luces  de  Gast  als  angeblichem 
Verfasser  und  eine  enlarged  version  mit  Helle  de  Borron  als  an- 
geblichem Verfasser;  Malory  habe  ein  Manuskript  der  letzteren  Version 
benutzt.  Die  betreffenden  Angaben  Sommers  sind  aber  kaum  richtig. 
Die  älteste  uns  bekannte  Version  des  Prosa- Tristan  galt  (vielleicht 
mit  Recht)  als  das  Werk  des  Luces  de  Gast;  sie  ist  aber  nicht 
erhalten.  Auf  ihr  beruht  die  uns  eriialteue  Version  des  Helie,  besser 
Pseudo-Helie  (Helie  war  nämlich  der  Verfasser  des  Conte  del  brait, 
mit  dem  der  Tristan  verwechselt  wurde);  dies  ist  Löseths  j^remiere 
Version  (Tristan  p.  XII),  von  Sommer  unpassender  Weise  enlarged 
Version  genannt.  Auf  dieser  beruht  dann  eine  erweiterte  Version. 
Löseths  seconde  version  oder  version  cyclique  ou  commune,  Sommers 
vulgate  versio7i,  an  die  sich  auch  Malory  anschließt;  dies  ist  die 
jüngere  von  den  zwei  uns  erhaltenen  Versionen,  nicht  die  ältere,  wie 
Sommer  und  Seh.  glauben;  sie  würde  den  Namen  enlarged  version 
eher  verdienen  (vgl.  hierzu  außer  Löseth  auch  Wechssler,  Redactionen 
des  Gral- Lancelot- Cyklus  p.  17). 

Die  Resultate  von  Bediers  Tristanforschuntjen  sind  leider  von 
Seh.  nicht  verwertet  worden,  obschon  sie  ihm  bekannt  waren  (Bedier 


William  Henry  Scho/ield.     English  Literaturc.  131 

wird  erwähnt  in  der  Bibliographie).  Scb.  steht  noch  ganz  auf  dem 
meiner  Ansicht  nach  unhaltbaren  G.  Paris'schen  Standpunkt.  So  meint 
er,  daß  der  Tristan  de.-halb  am  besten  gleich  im  Anschluß  an  die 
Lais  behandelt  werde,  weil  in  diesem  Roman  die  einzelnen  Lais  noch 
so  leicht  verbunden  sind,  daß  sie  ohne  Zwang  wieder  abgelöst  werden 
könnten  (p.  201).  Aber  gerade  Bediers  üntersuciiungen  haben  gezeigt, 
wie  (relativ)  festgefügt  schon  der  ursprüngliche  Tristauroman  war.  Die 
uns  einzeln  erhaltenen  ,,Lais''  von  Tristau  sind  keine  echten  Lais, 
sondern  nur  losgetrennte  Eomanepisoden.  In  keinem  Arthurroman 
sind  die  einzelnen  Episoden  so  sehr  der  Grundidee  untergeordnet  wie 
im  Tristan.  Älter  als  alle  sog.  Tristaidais  ist  der  Tristanroman,  ein 
Roman,  der  ebenso  von  Anfang  an  ein  Ganzes,  wenn  auch  ein  kürzeres 
Ganzes,  gewesen  ist,  wie  die  llias,  das  Rolaudslied,  das  Nibelungen- 
lied, odiT,  um  einen  nahen  Verwandten  des  Tristanromans  zu  nennen. 
der  Roman  von  Hörn  und  Riraenhild.  Die  einzelnen  Märchen  des 
Tristanromans  hatten  wohl  zumeist  nicht  eher  etwas  mit  Tristan  zu 
tun,  als  bis  sie  in  den  Tristanroman  aufgenommen  wurden.  Ganz  wie 
G.  Paris  nennt  Seh.  den  Thomas'schen  Roman  the  English  or  Germanic 
Version,  den  Vulgata-roman")  the  French  or  Breton  version^^).  Erstere 
soll  bekanntlich  aus  dem  Kymrischen  durch  das  Engli>che  hindurch 
zu  dem  Auglonormannen  Tiioraas  gelangt,  letztere  aus  dem  Bretonischen 
in's  Französische  übertragen  worden  sein.  Aber  die  bretonischen 
Elemente  sind  eben  beiden  Versionen  gemeinsam;  und  als  Hauptunter- 
schied wissen  G.  Paris  und  Seh.  nur  die  Tatsache  anzugeben,  that 
while  the  French  group  represents  King  Mark  as  reigning  over 
Cornwall  alone  and  as  contemporarg  with  Arthur,  in  the  English 
Arthur  has  alreadij  j^assed  aicay  and  Mark  is  king  botJi  of  Corn- 
wall and  England  (p.  20'2)ii).  Welche  Kluft!  Es  ist  klar,  d  ß  weder 
Thomas  nocli  der  Verfasser  der  Vulgata -Version  in  Bezug  auf  den 
Stoff  originell  sind;  es  ist  klar,  daß  sie  eine  gemeinsame  Quelle  hatten, 
die  bereits  ein  französischer  Roman  war  (Bed  er  hat  ihn  zu  rekon- 
struiren  versucht).  Daß  dieser  Archetypus  in  Großbritannien  verfaßt 
wurde,  hat  noch  niemand  bewiesen.  In  beiden  Versionen,  also  schon 
im  Archetypus,  hat  d^r  Vater  des  Helden  den  ausschließlich  bretonischen 
Für>tennamen  liivalin.  Die  Tristansage  war  dem  ganzen  brittischen 
Stamm,  vielleicht  auch  einem  Teil  des  galischen  Stammes,  bekannt. 
Aber  alle  brittischen  Sasen  wanderten,  sofern  sie  übeihnupt  wanderten, 
vom  Norden  nach  dem  Süden.  Es  ist  nicht  denkbar,  daß  dir  bretonische 
Rivalin  nach  Cornwall  oder  V^^ales  wanderte.  Darum  ist  es  kaum 
anders  möglich,  als  daß  der  Archetypus  eine  bretonische  Quelle  hatte. 
Seh.  aber  sagt  (p.  212):    We  clavn  the  immortal  legend  of  Tristram 

^)  Seh.  nennt  ihn  that  of  Beroul;  aber  Beroul  war  nur  der  Verfasser 
einer  Bearbeitung  desselben. 

'")  Des  Paralleliimus  wegen  hätte  er  für  Germanic  besser  Vymrir  gesetzt. 

")  G.  Paris  hat  übrigens  seine  Ansicht  zuletzt  aufgegeben;  vgl.  Journal 
des  ISavants  1902  p.  üOl   und  Bedier  JI.  :U4— 31.'). 

9* 


132  Heferaie  und  Rezensionen.     J^J,  Brugger. 

and  Ysolt  as  peculiarly  ours,  not  only  hecause  It  loas  formed  in 
its  present  shape  in  England,  being  a  possession  of  our  composite 
race  before  and  after  the  Conquest,  but  also  because  it  is  lo- 
calised  in  Britain..  Dieser  Umstand,  daß  er  den  Tristanroman 
gewissermaßen  als  englisches  Nationalepos  betrachtet,  war  wohl  der 
Grund,  weshalb  er  ihn  so  ausführlich  besprach.  Aber  nicht  einmal 
das  ist  wahr,  daß  der  Roman  in  Großbritannien  lokalisiert  ist.  Vielmehr 
spielt  die  Handlung  teils  in  Großbritannien  teils  in  Irland  teils  in  der 
Bretagne.  Jeder  andere  Arthurroman  wäre,  wenn  es  auf  dies  ankänne, 
eher  ein  englisches  Nationalepos.  Eine  wichtige  Rolle  aber  spielt 
im  Tristan,  wie  es  schon  G.  Paris  hervorgehoben  hat,  das  Meer,  das 
die  drei  keltischen  Gebiete  verband;  und  einen  großen  Einfluß  dürfte 
auf  die  Entwicklung  der  Tristansage  jenes  Volk  ausgeübt  haben,  das 
Jahrhunderte  lang  jenes  Meer  und  die  angrenzenden  Küstenstriche 
beherrschte,  die  Wikinger.  Der  wichtigste  Ausgangspunkt  ihrer 
Expeditionen  war  Schottland;  und  dies  war,  nach  den  Eigennamen 
zu  schließen,  auch  der  Ausgangspunkt  der  Tristansage,  die  aus  skandi- 
navischen und  keltischen  Elementen  gemischt  ist.  Die  gründlichste 
Darstellung  der  Tristansage,  soweit  sie  gebt,  ist  ein  kurzer  Abschnitt 
von  Deutschbeins  „Studien  zur  Sagengeschichte  Englands  I,  1906, 
einer  Arbeit,  die  allerdings  Seh.  noch  nicht  kennen  konnte.  Deutschbeins 
Darstellung  ist  grundverschieden  von  der  G.  Paris'sihen,  aber  un- 
gleich überzeugender.  Er  kommt  zu  dem  Schluß,  daß  die  Tristan- 
sage „absolut  unenglisch  (englisch  im  nationalen-ethnographischen 
Sinn  gebraucht)"  sei  (p.  235).  Wenn  es  einen  englischen,  aus  dem 
Kymrischen  übersetzten  Tristanroman  gab,  so  muß  er  sich  von  dem 
uns  erhaltenen,  der  auf  eine  bretonische  Quelle  zurückzugehen  scheint, 
bedeutend  unterschieden  haben.  Deutschbein  hat  auch  sehr  Recht 
mit  der  Behauptung,  daß  ursprünglich  nicht  <lie  ehebrecherische  Liebe 
Tristans  und  Iseuts  das  Centrum  der  Sage  bildete,  sondern  daß  Tristan 
Iseut  als  Lohn  für  seine  Taten  zur  Frau  erhielt,  und  die  Erzählung 
damit  abschloß''-).  Der  „Tristan-C7/c/e''  wäre  von  Seh.  am  besten 
an  den  Schluß  der  Matter  of  Britain  plaziert  worden,  so  daß  er  den 
andern  Wikingerromanen  unmittelbar  vorausginge. 

Auch  in  den  folgenden  Abschnitten  wäre  noch  gegen  manches 
Einspruch  zu  erheben.  Hier  nur  eine  kleine  Auswahl.  Die  Ab- 
hängigkeit der  englischen  Gauvaindichtungeii  von  den  französischen 
wird  viel  zu  wenig  hervorgehoben.  Morgain  wird  (p.  232)  einfach 
als  die  irische  Kriegsgöttiu  Morrigan  ausgegeben  (nach  L.  A.  Paton: 
Fairy  Mythology),  wie  wenn  man  an  der  Richtigkeit  dieser  Identi- 
fikation nicht  zweifeln  könnte.  Sie  ist  aber  ganz  unannehmbar,  wie 
dies   schon  Jeanroy   in   seiner  Besprechung  der  Fairy  Mythology  in 


1'-)  Deutschbein  schreibt  im  allgemeinen  den  Normannen  (incl.  Anglo- 
normannen)  einen  zu  grofsen  Einflufs  auf  die  Ausbildung  der  Sagen  zu ;  er 
ist  eben  als  Germanist  über  romanistische  P'ragen  nur  aus  zweiter  Hand 
informiert.  Seine  Studien  sind  aber  allen  Romanisten  zur  Lektüre  zu  empfehlen. 


William  Henry  Schofield.     English  Literature.  133 

der  Romania  betont  hat.  Gringalet  wird  ohne  weiteres  als  ein 
magic  horse  ausgegeben  (p.  234),  eine  höchst  unwahrscheinliche  An- 
sicht, Die  holländische  Lancelotdichtung  rechnet  Seh.  (p.  235)  nicht 
zu  den  Übertragungen  des  Prosa-Lancelot  (-\-  Queste  +  Mort  Artur) ; 
und  doch  ist  sie  dies  zweifellos  (allerdings  mit  gewaltigen  Interpola- 
tionen). Es  ist  ein  unrichtiger  Ausspruch:  The  prose  Lancelot  dealt 
loith  the  later  histo^^y  of  King  Arthur  (p.  235).  Wenigstens  gilt 
dies  nicht  vom  Hauptteil,  dem  Lancelot  proper,  sondern  nur  von 
der  Mort  Artur;  wenn  man  will,  auch  von  der  Queste.  Der 
Lancelot  proper  aber  behandelt  dieselbe  Epoche  wie  alle  Yersroraane 
und  wie  der  Prosatristan.  Die  zwei  Merlinfortsetzungen  sind  die 
einzigen  Romane,  die  eine  noch  frühere  Zeit  von  Arthurs  Regierung 
behandeln.  Lancelot  war  nach  der  Ansicht  der  Kompilatoren  der 
Gralcyklen  älter  als  Perceval.  Wo  werden  die  <lrei  Lancelotbranchen 
zusammen  lAvre  d' Artus  giniannt  (p.  236)?  Daß  eine  Kompilation, 
zu  welcher  keine  der  Merlinfortsetzungen  gehörte,  so  genannt  wurde, 
scheint  mir  unbegreiflich.  Die  ausführliche  Analyse  des  französischen 
Karrenritters  (p.  2360)  halte  ich  für  überflüssig.  Dieser  Roman  ist 
ja  nur  in  Malory  vertreten;  aber  die  Quellen  der  übrigen  mindestens 
ebenso  wichtigen  Bestandteile  von  Malory's  Kompilation  werden  bloß 
erwähnt,  teilweise  nicht  einmal  das.  Recht  paradox  klingen  folgende 
Phrasen  („Phrasen"  ist  nämlich  hier  der  richtige  Ausdruck):  Great 
is  the  contrast  betioeen  the  type  of  love  ptresented  in  these  tivo 
poems  (nämlich  Chretien's  Karrenritter  und  Yvain):  the  love  of  Pro- 
vence coniruffts  markcdly  with  the  love  of  Wales  (p.  238).  Auch 
Yvain  ist  durchaus  ein  amant  courtois;  nur  sind  seine  Liebesabenteuer 
keltischen  Ursprungs  {Wales  ist  Seh. 'sehe  Liebhaberei^,  während  das 
Liebesverhältnis  zwischen  Lancelot  und  Guenievre  wahrscheinlich 
Chretiens  Erfindung  ist,  jedenfalls  nicht  auf  eine  keltische  Quelle 
zurückgeht.  Der  Dichter  hatte  also  bei  diesem  Thema  freiere  Hand. 
Die  höfische  Liebe  erscheint  schon  bei  Benoit  de  Sainte-More,  bei 
Gautier  d'Arras,  in  Thomas'  Tristan  und  in  Chretiens  Erec,  nicht 
erst  im  Lancelot,  wie  Seh.  behauptet.  Im  letztern  Roman  zeigt  sie 
sich  nur  auf  die  Spitze  getrieben,  als  regelrechte  Wissenschaft;  man 
möchte  fast  sagen,  als  pathologische  Erscheinung.  Zu  p.  242:  Es 
ist  keineswegs  sicher,  daß  Perceval  der  erste  Gralheld  war;  wahr- 
scheinlich ging  ihm  Gauvain  als  solcher  voraus  (vgl.  J.  Westen, 
Jjegend  of  Sir  PercevalJ;  aber  auch  Gauvain  war  kaum  der  erste. 
Sehr  zweifelhaft  sind  folgende  Behauptungen  (p.  244):  almost  the 
whole  developed  legend  of  the  Grail  Quest  seems  to  have  heen  the 
work  of  laymen.  The  Churcli  uttered  neither  praise  nor  blame. 
The  legend  greic  of  itself,  at  once  secular  and  religious,  ieaching 
no  important  doctrine,  hut  subversive  of  none,  tending  to  righte- 
ousness  and  respect  for  Holy  Church,  but  not  scholuf^iic  or  dog- 
inatic  in  tone.  The  Church  let  il  alone.  Ist  es  wirklich  apriori 
glaublich,  daß  der  Klerus  ruhig  zusah,  wenn  über  die  heiligsten  Dinge 


134  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger, 

(Abendmahlskelcli,  Lanze  des  Longinus,  etc.)  in  trivolen  Abenteuer- 
romanen gehandelt  wurde,  in  Werken,  wekihe  von  der  ganzen  guten 
Gesellschaft  gelesen  wurden,  wenn  weltliche,  unkeusche  Ritter  wie 
Perceval,  oder  gar  Gauvain  und  Lancelot  das  Allerheili^ste  sehen  und 
sogar  iu  dessen  Besitz  gelangen  durften?  Selbst  nicht  dem  Klerus 
angohörige  Männer  mögen  sich  darüber  entsetzt  haben.  Ausrotten 
konnte  der  Klerus  die  Romane  nicht;  aber  daß  er  ihre  Entwicklung 
beeinflußt  hat,  glaube  ich  in  dieser  Zs.  XXIX  ^  p.  80  ff,  9')  tf  nach- 
gewiesen zu  haben.  Seh.  selbst  spricht  übrigens  später  von  den 
monastic  conceptions  der  reinen  Gralromane  (p.  246).  Sie  können 
doch  nur  von  Mönchen  herrühren.  Wie  fromme  Laien  den  Gegen- 
stand auffaßten,  zeigt  am  besten  Roberts  Gralcyklus.  Weiter  als 
Robert  konnten  Laien  nicht  wohl  gehen.  Was  Blasphemien  betrifft, 
so  haben  allerdings  die  mönchischen  Autoren  die  Laien  noch  über- 
troffen. Robert  beruft  sich  auf  eine  die  Bibel  ergänzende  Quelle  für 
die  heilige  Geschichte,  und  schreibt  sie  dem  Teufelssohn  Merlin  zu; 
der  mönchische  Autor  des  Grand- Saint -Graal  behauptet,  daß  seine 
Vorlage  von  Gott  selbst  geschrieben  wurde,  wodurch  sie  offenbar  an 
Wichtigkeit  und  Authenticität  die  Bibel  weit  übertrifft.  Daß  ein 
großer  Teil  des  Klerus  derartige  mönchische  Extravaganzen  nicht 
gebilligt  hat,  ist  auch  anzunehmen.  iVolfram,  sagt  Seh.  (p.  244), 
teils  US  (hat  he  hased  Ins  icork  on  a  Frenclt  poem  hy  a  Provenml 
Guyot  (Kijot)  (Warum  nicht  Guiot?).  17*i  Seiten  vorher,  wie  er 
vom  Einfluß  der  proveuzalischen  Literatur  sprach,  hatte  Seh.  einfach 
behauptet:  /;;  tcas  a  Provencal  icho  lorote  a  poem  on  Perceval 
ichich  the  German  Wolfram  von  JEsclienbacli  utilised  (nicht  einmal 
etwas  davon,  daß  das  Werk  in  französischer  Sprache  abgefaßt  war!). 
Was  muß  der  unschuldige  Leser,  der  p.  244  noch  nicht  kennt,  viel- 
leicht nie  liest,  dabei  denken!  Wie  rückständig!  Schon  der  Name 
des  Dichters  kann  ja  nicht  provenzalisch  sein.  P.  245  spricht  Seh. 
von  the  exaltation  of  the  previously  insignificant  Galahad 
to  the  role  of  Grail  hero  und  p.  246  sagt  er  weiter:  At  first  Ga- 
lahad. tcas  represented  as  the  direct  descendent  of  Joseph  oj 
Arimathea,  begotten  in  Britain  hy  the  command  öj  God. 
Liancelot  was  simphj  his  godfather  vhen  he  icas  dubhed  at 
Arthurs  court.  To  enhance  the  reputation  of  boih,  this  connection 
toas  made  more  intimate,  and  Lancelot  ivas  represented  as  the 
7'eal  father  of  the  saintly  youth.  Ich  werde  wohl  nicht  fehlgehen 
mit  der  Vermutung,  daß  dies  einfach  aus  Wechsslers  ,,Sage  vom 
heiligen    GraP^    abgeschrieben    wurde  ^-'j.     Ich    habe   in   dieser   Zs. 


")  Dort  heilst  es  z.  B.  p.  118  :  ..Dagegen  hat  uns  der  Gralcyklus  des 
Map  hier  den  ursprünglichen  Gralhelden  überliefert,  Galaad.  Bei  Map  wird 
erzählt,  wie  Joseph  von  Arimathia  in  England  auf  Gottes  Befehl  einen  Sohn 
zeugt,  den  Galaad.  Von  diesem  stammt  in  gerader  Linie  ein  zweiter  Galaad 
ab,  der  Gralfinder  und  Erlöser  des  alten  Gralkönigs.  Dieser  Galaad  erhält 
bei  der  Gralsuche  als  erster,  weil  älterer  Gralheld,  vor  Perceval  den  Vor- 


William  Henru  Schoßeid .     English  Literatur e.  135 

XXIX 1  p.  73  —  74  (A.  32  ist  dort  Drucldehler  für  A.  23)  gegen 
Wechsslers  Behauptungen  Protest  erhoben.  Sein  Gewährsmann,  Flach, 
ist  mir  leider  nicht  zugänglich.  Aber  in  den  Texten  ist  es  mir  un- 
möglich, irgend  ein  Symptom  zu  finden,  welches  darauf  schließen 
ließe,  daß  Lancelots  Vaterschaft  eine  Interpolation  ist,  nach  deren 
Ausmerzung  Gralaad  als  ritterliches  Pathenkind  Lancelots  zurückbliebe. 
Galaad  ist  gleichzeitig  Lancelots  Sohn  und  Gralhold  geworden.  In 
der  Queste  schlägt  ihn  allerdings  Lancelot  zum  Ritter,  ohne  ihn  zu 
erkennen,  weil  er  eben  in  der  Einsamkeit  aufgewachsen  ist;  aber 
schon  bei  dieser  Gelegenheit  wird  gesagt,  daß  Bohort  die  Ähnlichkeit 
Galaads  und  Lancelots  auftiel.  Die  bisherige  Kritik  hat,  von 
Wechssler  abgesehen,  noch  nie  diese  nach  W.  so  auftauende  Tat- 
sache der  Interpolation  entdeckt.  Bei  Wechssler  basiert  diese  eigen- 
tümliche Auffassung  auf  der  Theorie,  daß  Galaad  der  erste  Gralheld 
war.  Worauf  beruht  sie  bei  Seh.,  der  in  Perceval  den  ersten  Gral- 
helden erblickt?  Nicht  in  Übereinstimmung  mit  den  Tatsachen  ist 
auch  Sch"s  Behauptung  (p.  245),  daß  Walter  Map  nur  die  Queste 
zugeschrieben  wird  (vgl.  darüber  diese  Zs.  XXIX ^  p.  00 — 91).  Von 
wenig  eingehendem  Studium  der  Materie  zeugt  sodann  die  Behauptung, 
daß  Malory  eine  contractio7i  des  Grail-Laiicelot  cycle  still  further 
reduced  to  form  Boohs  XIII  to  XVII  of  ihe  Mort  Dartlmr 
(p.  246).  Die  Quelle  dieser  Bücher  war  nicht  der  ganze  Gral-Laucelot- 
Cyklus,  sondern  nur  die  Queste;  andere  Brauches  des  Cyklus  hat 
Malory  in  andern  Büchern  bearbeitet.  Die  Queste  selbst,  die  Malory 
bearbeitete,  war  keine  contractioii  noch  ein  Teil  einer  solchen,  und 
sogar  Malory  hat  sie  wenig  gekürzt,  viel  weniger  als  die  andern 
Brauches  des  Cyklus.  Der  Gralcyklus  war  auch  in  seinen  letzten 
Stadien  keine  Christian  aUegory  (p.  247)  in  dem  Sinn  wie  z.  B. 
Dante's  Commedia.  Die  einen  Branches  (aber  nicht  etwa  alle) 
waren  zwar  voll  christlicher  Symbolik:  fast  alle  Handlungen  und  Er- 
eignisse erhielten  ihre  symbolische  Deutung;  aber  sie  hörten  deshalb 
nicht  etwa  auf,  wirkliche  Handlungen  und  Ereignisse  zu  sein.  Ein 
Versuch,  die  Entwicklung  des  Gralcyklus  darzustellen,  wird  nicht  ge- 
macht, trotzdem  dieser  Cyklus  mehrfach  in  englischer  Sprache  bearbeitet 
wurde,  also  für  die  englische  Literatur  größeres  Interesse  hatte  als 
so  manches  andere,  das  Seh.  unnötig  ausführlich  behandelt.  Seh. 
begnügt  sich  damit  zu  sagen:  The  tangle  of  Grail  material  tliat 
grew  up  in  the  thirteenth  ceniurij  is  extremely  bev'ildering  .  .  .  the 
different  versions  are  legion  (p.  245).    Davon  ist  keine  Rede.    Wem 


rang  ...  In  den  erhaltenen  Redaktionen  des  Map  (Pseudo-Map  und  Pseudo- 
Robert) ist  in  sofern  Verwirrung  anuerichtet,  als  Galaad,  der  in  der  alten 
Fassung  der  Queste  von  Lancelot  als  seinem  ritterlichen  Pathen  und  Adoptiv- 
vater zum  Ritter  geschlagen  wird,  von  einem  späten  Redaktor  zu  dessen 
Sohn  gemacht  wurde.  (Vgl.  Flach,  Origines  de  Vanriame  France  II  S.  063). 
Doch  läfst  sich  diese  Interpolation  leicht  als  solche  erkennen  und  beseitigen". 
Ähnlich  nochmals  p.  127— 12s. 


loG  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

wird  CS  sonst  einfallen,  jede  Handschrift  oder  Handschriftengruppe, 
die  einmal  eine  Episode  ändert  oder  wegläßt  oder  hinzufügt,  oder  jede 
Ühersetzung  für  eine  besondere  Version  zu  erklären  I  Gauvain  hätte  als 
Gralheld  in  dem  Gralkapitel  wenigstens  erwähnt  werden  dürfen,  wenngleich 
er  in  der  englischen  Literatur  zufällig  nicht  in  dieser  Eigenschaft  vor- 
kommt. In  der  Bibliösraphie  fehlt  Wech>slers  wichtige  Schrift  über  die 
Redaktionen  des  Gral-Lancelotcyklus,  die  Seh.  viel  bessere  Dienste 
hätte  leisten  können  als  desselben  Autors  „Sage  vom  heiligen  Gral". 
Die  Morlinromane  scheinen  Seh.  geradezu  eine  terra  incognita  zu  sein. 
Sonst  würde  er  nicht  (p.  250)  sagen,  daß  in  Roberts  Merlin  der  Titel- 
held Arthurs  Heirat  mit  der  Tochter  des  Königs  Leodegan  zu  Stande 
bringt.  Nach  diesem  braucht  man  sich  nicht  zu  wundern,  wenn  man 
liest  (p.  250):  Froin  some  version  of  the  French  prose  romance 
(nach  dem  vorausgehenden  und  folgenden  zu  schließen,  meint  er  eine 
Handschrift  resp.  Handschriftengruppe  des  Merlin  mit  der  pseudo- 
bistorischen  Fortsetzung)  Malory  ,,reducect'  the  interesting  seetions 
that  make  up  his  ßrst  four  books.  Seh.  scheint  nicht  zu  wissen, 
daß  es  zwei  verschiedene  Merlinromane  resp.  Merlinfortsetzungen  (nicht 
bloß  versionsl)  gibt,  und  daß  Malory  zunächst  der  einen,  der  pseudo- 
historischeu  (derjenigen,  dieauch  dem  Ar  thou?'  and  Alerl  in,  dem  englischen 
Prosa- Merlin  und  Lovelichs  Dichtung  zu  Grunde  lag),  folgte,  dann 
plötzlich  zur  andern,  der  romantischen,  überging.  Diese  letztere,  der 
Malory  viel  mehr  entnahm  als  der  ersteren^-*),  wird  von  Seh.  garuicbt 
erwähnt.  Auch  das  ist  nicht  richtig,  daß  Malory  nur  die  interessanten 
Stellen  ausgezogen  habe.  Er  befolgte  ein  anderes  System  bei  seinen 
Kürzungen:  er  kürzte  oder  ließ  weg  insbesondere  das,  was  nicht  direkt 
Arthur  und  seine  Umgebung  anging,  da  er  eben  eine  Vie  d' Artus 
geben  wollte.  Betr.  die  Quelle  von  Arthour  and  Merlin  kann  man 
kaum  sagen,  daß  sie  not  yet  qidte  determined  sei  (p.  251).  Daß 
unter  diesen  Umständen  Sch's  Ansichten  betr.  das  Enserrement  Merlin 
(p.  251 — 252)  auch  sehr  wenig  Wert  zukommt,  wird  niemand  leugnen 
wollen.  Zu  p.  252:  Nicht  nur  in  einer  englischen,  sondern  auch  schon 
in  einer  französischen  Version  i-'')  der  Sieben  iveisen  Meister  ersetzt 
Merlin  den  Zauberer  Virgil  (vgl.  diese  Zs.  XXX^  p.  205  und  auch  schon 
P.  Paris,  R.  T.  R.  H  45  ff.).  Man  sieht,  daß  der  ganze  The  Matter 
of  Britain  betitelte  Abschnitt,  wenn  auch  im  allgemeinen  mit  Glück 
behandelt,  doch  sehr  revisionsbedürftig  ist. 

Der  folgende  Abschnitt  handelt  von  The  Matter  of  England. 
Es  ist  sehr  auffällig,  daß  alles  Moterial  dieser  sogenannten  englischen 
Nationalepik  nur  teils  in  französischer,  selten  lateinischer  Sprache, 
teils  in   englischer  Übersetzung  aus  dem  Französischen,    erhalten  ist. 


")  Buch  I,  Kap.  1—7  aus  Roberts  Mprlin;  Buch  I,  Kap.  S— 18  aus 
der  pseudohistorischen  Mfrlinfortsetzung;  Buch  I,  Kap.  19—28,  Buch  II, 
III,  IV  aus  der  romantischen  Merlinfortsetzung.  Alles  dies  ist  in  Sommers 
Malory-Aiisgabe  klar  ersichtlich. 

1*)  Fiino  solche  bietet  z.  ß.  die  Berner  IIs.  388. 


William  llenrij  Schofield.     Englisli  JJteraiure.  137 

Scb.  nimmt  trotzdem,  ohne  Zögern  und  als  etwas  Selbstverständliches, 
an,  daß  alle  diese  Romane  ursprünglich  in  englischer  Sprache  abgefaßt 
waren;  hierauf  wären  sie  in's  Französische  und  dann  wieder  in's 
Englische  übersetzt  worden.  Daß  diese  Annahme  etwas  sonderbar 
ist  und  nicht  ohne  weiteres  acceptiert  werden  kann,  wird  wohl 
jederraan  zugeben  müssen.  Es  ist  schade,  daß  Scb.  Deutschbein's 
.^Studien  zur  Sagengeschichte  Englands"^  nicht  mehr  benutzen  konnte. 
Er  hätte  dann  den  hier  zu  besprechenden  Abschnitt  bedeutend  ver- 
bessern können,  vorausgesetzt  natürlich,  daß  er  sich  durch  Deutschbeins 
Argumente  hätte  bekehren  lassen.  Deutsch bein  hat  von  allen  in  diesem 
Abschnitt  besprochenen  Dichtungen  (mit  Ausnahme  des  noch  unedierten 
und  ungenügend  bekannten  Waldef-Romans  und  der  Outlaws- 
Dichtungen)  nachgewiesen,  daß  der  Anteil  der  angelsächsischen 
Bevölkerung  an  der  Ausbildung  der  diesen  Dichtungen  zu  Grunde 
liegenden  Sagen  sehr  gering  war.  Nach  seiner  wohlbegründeten 
Ansicht  mangelte  es  den  Angelsachsen  an  Phantasie  und  Erfindungs- 
gabe, den  notwendigen  Eigenschaften  zur  Sagenbildung;  sie  waren 
wahrscheinlich  rneii  of  fact  (p.  236).  Es  ist  ein  merkwürdiger  Zufall, 
daß  Großbritannien  gerade  von  dem  nüchternsten  Volksstamm  unter 
den  Germanen  (den  Angelsachsen)  und  nachher  wieder  von  dem 
nüchternsten  Stamm  unter  den  Franzosen  (den  Normannen)  besiedelt 
werden  mußte.  Glücklicherweise  waren  in  Großbritannien  noch  zwei 
Völker  ansässig,  die  mit  ganz  besonders  reicher  Phantasie  ausgerüstet 
waren,  die  Skandinavier  und  namentlich  die  Kelten.  Die  beiden 
wichtigsten  Sagen  der  Matter  of  England,  Hörn  und  Haveloc,  sind 
skandinavische  Sagen  aus  dem  9./10.  Jahrhundert.  Hörn  und 
Haveloc  sind  Skandinavier  ^6).  Da  der  unursprüngliche  Teil  der  Horn- 
dichtung,  der  novellistische  Teil,  auch  englische  Namen  (zwar  in 
französischer  Form)  enthält,  so  mag,  muß  aber  nicht,  hier  eine  englische 
Zwischenstufe  angenommen  werden.  Daß  die  Angelsachsen  je  den 
Norweger  Anlaf  Cuaran  (Haveloc)  als  ihren  Helden  besangen  und 
ihrem  eigenen  König  Aethehtan  {Edelsi  im  Haveloc)  die  Rolle  des 
Übeltäters  zuwiesen,  wird  außer  Seh.  niemand  glauben  wollen.  Die 
Angelsachsen  konnten  die  Haveloc-sage  rcsp.  -dichtung  offenbar  erst 
aufnehmen,  nachdem  sie  vollständig  Roman  geworden  war  und  die 
nationalen  Elemente  nicht  mehr  erkennbar  waren  i').  Gerade  die 
Havelocsage  weist  aber  auf  eine  sichere  kymrische  Zwischenstufe  hin; 
denn   sie   enthält  keltische  Namen;   und  vor  allem  ist  der  Name  des 


1'')  Was  die  Lokalisation  der  Hornsage  betrifft,  so  halte  ich  zwar 
Sch.'s  Erklärung  (ausführlich  begründet  in  Publications  of  the  Modem  Language 
Association  of  America  18)  für  ansprechender  als  diejenige  Deutschbeins. 
Speziell  die  Identifikation  von  Sudene  mit  Hud:reyjar  (Sudreia)  leuchtet  mir 
ein.  Dafs  aber  unter  den  Sudrejijav  speziell  die  Insel  Man  in  Betracht 
komme,  scheint  mir  nicht  genügend  begründet  worden  zu  sein.  Mit  jenem 
Namen  wurden  doch  in  erster  Linie  die  Uuhrides  bezeichnet 

")  Seh.  (Pull.  18  p.  ho)  gibt  sogar  vom  englischen  Hornroman  zu: 
Tkere  is  not  the  least  show  of  English  patriotic  feeUiKj  in  „King  Ilorn''''. 


i;>8  Referate  und  Rezensionen.     E.  Brugger. 

Helden  selbst  kymrisiert.  Anstatt  von  der  sehr  zweifelhaften  Freund- 
schaft der  K)'mren  und  Angelsachsen,  der  Angelsachsen  und  Normannen, 
der  Kymren  und  Normannen  zu  reden,  hätte  Seh.  besser  getan,  die 
lange  Freundschaft  und  allmälige  Verschmelzung  der  skandinavischen 
Ansiedler  mit  den  Kelten  (Iren,  Schotten,  Pikten,  Nordbritten)  hervor- 
zuheben; denn  diese  ist  eine  Tatsache  und  spiegelt  sich  auch  in  Sage 
und  Literatur  wieder.  Sie  zeigt  sich  nicht  nur,  wie  schon  längst 
bekannt  ist,  in  Irland,  sondern  auch  im  Norden  Großbritanniens 
(vgl.  Deutschbein  p.  239  ff).  Hier  entstanden  die  Sagen  von  Hern, 
Haveloc,  Tristan,  die  alle  ein  intimes  Freundschaftsverhältnis  zwischen 
Skandinaviern  und  Kelten  voraussetzen  und  ihre  Ausbildung  der  einen 
wie  der  anderen  Rasse,  oder  besser  dieser  Mischrasse,  in  der  allerdings 
das  skandinavische  Element  den  Ton  angab,  verdanken.  Die  Tristan- 
sage verbreitete  sich  über  das  ganze  keltische  Gebiet,  und  wurde  in 
ihrer  bretonischen  Version  von  den  Franzosen  adoptiert.  Den  Horn- 
roman  lernten  die  Anglonormannen  vermutlich  durch  englische  Ver- 
mittlung kennen.  Die  Havelocsage  dürften  die  Anglonormannen  direkt 
aus  ihrer  skandinavitcli-keltischen  Heimat  geholt  haben  i^). 

Der  anglouormanuische  £oeve-de-Ua7i7ntone-'Roman  beruht  nach 
Deutschbein  auf  einer  kontinentalfranzösischen  Version  einer  fränkischen 
Sage  (Chanson  de  gestef).  Der  ebenfalls  anglonormaunische  Gut/- 
de-Wai'ivicJc-Roman  ist  nach  demselben  Gelehrten  eine  Nachahmung 
kontinentalfranzösischer  Chansons  de  geste  mit  Einfügung  einer  Episode 
aus  den  großbritannischen  Wikingerkämpfeu,  die  einer  Chronik 
entnommen  wurde.  Deutschbein  hat  diese  seine  xVnsichten  durch 
überzeugende  Gründe  gestützt.  Den  berühmten  IFaWg/"- Passus,  den 
schon  G.  Paris  mit  Bezug  auf  den  Tristan  geltend  machte,  halte  ich 
für  ganz  belanglos  i'-^).   Die  Outlawssagen  endlich  sind  zu  unbedeutend 

^^)  Den  mit  Wilhelm  dem  Eroberer  nach  England  gekommenen 
Bretonen  möchte  ich  einstweilen  im  Gegensatz  zu  Zimmer  und  Deutschbein 
keinen  grofsen  Einflufs  auf  die  Sagenbiidung  zugestehen.  Auch  was 
Deutschbein  (p.  140,  148)  über  die  Bretonisierung  von  Sagenstoffen  spricht, 
ist  nach  meiner  Meinung  zu  modifizieren  (es  sind  da  verschiedene  Tatsachen 
durcheiuandergemengt).  Im  übrigen  sind  die  von  Deutschbein  (p.  141  ff)  bei- 
gebrachten Belege  über  den  Gebrauch  der  Ausdrücke  Bi-itannia,  Britones  resp. 
ihrer  anderssprachlichen  Aequivalente  sehr  interessant:  aber  eines  fehlt 
doch  noch,  um  mich  zu  veranlassen,  meine  in  dieser  Zs.  XX  ausgesprochene 
Ansicht  zu  modifizieren,  das  wichtigste:  nämlich  Belege  in  französischer 
Sprache;  auf  diese  kommt  es  allein  an.  Wenn  im  Haveloc  Edelsi  (d.  h. 
der  Angelsachsenkönig  Aethelstan)  als  Breton  bezeichnet  wird,  so  ist  diese 
Bezeichnung  wohl  nur  ein  falscher  Rückschlufs  aus  der  allgemein  acceptierten 
Gleichung  Bretaigne  =  E?igle(erre,  wobei  auf  die  Chronologie  nicht  genau  geachtet 
wurde  (vgl.  umgekehrt  Anglois  für  Breton  in  dem  Ausdruck:  Merlin,  7e  propJietc 
as  Anglois,  in  dieser  Zs.  XXXl  p.  172).  Als  „kurze  höfische  erzählende 
Dichtung"  wurde  die  Havelocdichtung  lai,  dann  auch  Im  breton,  genannt, 
(vgl.  in  dieser  Zs.  XXX'  p.  194  A.  70),  worauf  dann  wohl  die  Ansicht  auf- 
kam, der  Haveloc  sei  von  Bretonen  gedichtet  worden. 

'^)  Es  heilst  zunächst:  Ceste  estoire  fWaldef]  tst  moU  amee  E  des  Enghs 
molt  recordee.  Des  princes,  des  ducs  e  des  reis.  Offenbar  kann  man  in  den  Fürsten. 
Königen  und  Herzögen,  also  den  Etiijlec,  nur  Anglonormannen  erkennen,  wenn 


William  Henri/  Scho/ield.     English  lAteratiire.  139 

und  unhistorisch,  als  daß  sie  einen  Ersatz  für  nationalenglische 
Sagen  bieten  würden.;  Auch  bei  ihnen  ist  übrigens  der  skandinavische  Ein- 
tiluß  kaum  zu  verkennen.  Deutschbein,  der  erst  im  zweiten,  noch 
nicht  erschienenen,  Teil  seiner  „Studien"  über  diese  Sagen  handehi 
wird,  hält  sie  für  größtenteils  unenglisch  (1.  c.  p.  237).  Die  von  Seh, 
unter  dem  Titel  Malier  of  J^ngland  besprochenen  Sagen  sind  also 
nicht  nationalenglisch  20);  sie  sind  aber,  wenigstens  in  der  uns  er- 
haltenen Form,  größtenteils  in  Großbritannien  lokalisiert  und  von 
Anglonormannen  bearbeitet  worden.  Darin  gehe  ich  mit  Deiitschbeiu 
nicht  einig,  daß  alle  novellistischen  Bestandteile  erst  von  den  Anglo- 
normannen hinzugefügt  wurden ;  sie  können  sich  auch  bei  den  skandinavisch- 
keltischen Bewohnern  des  nördlichen  Großbritanniens  allmälig  an- 
gegliedert habendi). 

Bei  der  nicht-epischen  Literatur  geht  Seh.  auf  die  französischen 
Vorbilder  kaum  näher  ein.  So  gibt  er  z.  B.  keine  Übersicht  über  die 
französische  Lyrik,  Allerdings  ist  die  Lyrik,  mit  Ausnahme  der 
religiösen,  in  der  mittelenglischen  Literatur  schwach  vertreten.  Es 
hätte  dies  von  Seh.  mehr  betont  und  auf  die  Ursache  dieser  Er- 
scheinung hingewiesen  werden  sollen.  Matter- of-fact-inen,  wie  es  die 
Anglonormannen  und  Angelsachsen  waren,  haben  eben  im  allgemeinen 
wenig  Anlage  und  Neigung  zur  LjTik.  Aber  der  religiöse  Sinn  ist 
oft  gerade  bei  solchen  Menschen  stark  entwickelt;  denn  der  religiöse 
Standpunkt    ist    oft    nichts   anderes   als   ein   Nützlichkeitsstandpunkt. 

Die  chronologische  Tabelle,  die  Bibliographie  und  das  Sachregister» 
am  Schluß  des  Bandes,  sind  angenehme  Zugaben.     Die  Bibliographie 

nicht  nachgewiesen  wird,  dafs  ursprünglich  ert  an  Stelle  von  e*;  stand;  dann 
aber  mufs  die  estoire  französisch  abgefafst  sein.    Sodann  heifst  es:  MuU  iert 

nniee  des  Engleis,   des  petites  <jens  e  des  fjranz  Jnsqiia  la  prise  des  Normanz.     Kann 

jemand  glauben,  dafs  ein  Anglonoraianne  des  l2/lo.  Jahrhunderts  wufste, 
was  für  Literatur  und  Sagen  England  vor  der  normannischen  Eroberung  besafs? 
Es  ist  offenbar,  dafs  unser  Autor  eine  Hypothese  in  die  Form  einer  Behauptung 
gekleidet  hat.  Es  war  für  ihn  selbstverständlich,  dafs  eine  „Geschichte", 
die  in  Grofsbritannien,  und  offenbar  in  vornormannischer  Zeit  spielt,  von 
den  Vorgängern  der  Anglonormannen,  also  den  Angelsachsen,  bearbeitet  wurde. 
Dafs  er  in  dieser  Weise  folgerte,  geht  schon  daraus  hervor,  dal's  er  beifügt: 

Puis  i  ad  assez  translatees,  Quimoli  su7it  de  plusurs  amees,  Comeslde  ßrtut,Comest  Trlslram. 

Niemand  hat  noch  zn  behaupten  gewagt,  dafs  auch  das  Original  des  i>rw<  in  angel- 
sächsischer Sprache  abgefafst  war.  Warum  schliefst  man  denn  aus  dieser 
Stelle  auf  ein  angelsächsisches  Original  des  Tristan,  des  Wnldej\  des  Aelofi 
Offenbar  mag  John  Bramis,  ein  Autor  des  15.  ( !)  Jahrhunderts,  welcher  behauptet, 
dafs  die  Geschichte  von  Waldef  aus  dem  Englichen  in's  Französische  über- 
setzt wurdp,  in  derselben  Weise  gefolgert  haben  wie  der  Autor  unserer 
Waldef-Vprsion.  Im  15.  Jahrhundert  wufste  man  über  diesen  Gegenstand 
kaum  mehr  als  im  zwanzigsten. 

*)  Wie  kühn  Seh.  drauf  los  behauptet,  zeigt  z.  B.  der  Satz;  Throurjh- 

out  ihe  Middle  Ages  the  stories  of  Snxon  warriors  irere  repeated  icith  delüjht  (p,  258). 
2')  Jordan  (Ilerrigs  Archiv  118  p.  94)  mag  Recht  haben,  wenn  er  sagt, 
dafs  das  Lpos  die  Erzählung  der  reisigen  Völker,  die  Novelle  die  Erzählung 
der  stillsitzenden  Völker  sei.  Als  die  Wikingerbewegung  zur  Ruhe  kam, 
mag  auch  dieses  Volk  die  Sage  zum  Roman  umgeformt  haben. 


140  Referate  und  Rezensionen.     M.  J.  Mlnchwüz. 

dürfte  für  diejenigeü,  für  die  der  JJand  bauptstächlicli  bestimmt  ist, 
fast  zu  ausführlich  sein  (es  wird  sogar  auf  Anmerkungen  in  Zeitschriften 
hingewiesen);  anderseits  ist  sie  für  Spezialisten  zu  unvollständig.  Seh. 
hat  leider  nur  allzu  häutig  eigene  oder  von  ihm  approbierte  Hypothesen, 
zum  Teil  sehr  zweifelhafter  Art,  als  Tatsachen  hingestellt.  Es  geht 
allerdings  in  einem  Werke  dieser  Art  nicht  an,  daß  sich  der  Verfasser 
auf  Argumentationen  einläßt.  Aber  mit  dem  einfachen  Hinstellen  von 
Hypothesen,  die  die  meisten  Leser  nicht  kontroUiren  können,  als  Tat- 
sachen kann  man  nichts  gutes  stiften.  Es  scheint  mir,  daß  es  die 
Gerechtigkeit  verlangte,  daß  in  der  ] Bibliographie  bei  strittigen  Fragen 
die  wichtigsten  Ansichten  anderer  ganz  kurz  erwähnt  würden,  mit 
Angabe  der  Schriften,  wo  sie  begründet  sind.  Wenn  dadurch  der  Band 
um  zwei  Seiten  dicker  geworden  wäre,  so  hätte  es  nichts  geschadet 22). 

Es  ist  zu  wünchen,  daß  bei  einer  zweiten  Ausgabe  das  Werk 
zahlreiche  Verbesserungen  anfweise.  Als  Gesamturteil  gilt  immer- 
hin, daß  es  Seh.  gelungen  ist,  ein  im  Ganzen  sehr  zutreffendes  Bild 
von  der  von  ihm  gewählten  Periode  zu  geben,  zu  reconsiruct  ilie 
intellectual  and  artistic  Ute,  wie  er  selbst  sagt  (p.  452);  er  ist  in 
den  Geist  des  Mittelalters  eingedrungen,  und  hat  es  vortrefflich  ver- 
standen zu  zeigen,  was  für  literarische  Nahrung  das  mittelalterliche 
England  hatte. 

E.  J5RUGGER. 

Histoire  Lifteraire  de  la  France.    Tome  xxxni.    Suite  du 
Quatorzieme  Siicle.     Paris.     Imprimerie  Nationale.     1906. 
XXin.  649  s.  40. 
Der  dreiunddreißigste  Band  der  Histoire  Litteraire  Frankreichs 
hat  lange  auf  sich  warten  lassen.     Seit  dem  Erscheinen  des  vorher- 
gehenden Bandes  war  eine  Pause  von  reichlich  zehn  Jahren  eingetreten, 
Band   25 — 31    hatten    dagegen   nur   den   Zeitraum   von    18G9  — 1896 
zu    ihrer   Publikation    benötigt.     Die    Gründe    dieser    Verzögerung  i) 
sind,  wie  zumeist  bei  Kollektivarbeiten,  zu  mannigfacher  Art,  als  daß 


2'-)  Für  gewisse  mindestens  auf  den  ersten  Blick  etwas  sonderbare 
Behauptungen  möchte  man  Angabe  der  Quellen  wünschen:  p.  79:  Wo  wird 
Kaiser  Friedrich  II.  „Weltwunder"  genannt?  „Weltspiegel"  wurde  Kaiser 
Friedrich  I.  genannt  (vgl.  R.  Köhler,  Kl.  ächrifien  II  315).  Liegt  etwa  Vei'- 
wechsIuDg  vor?  P.  2.VJ:  Wo  erscheint  Wade  als  Wielands  Sohn?  Nach  der 
Thidreksaga  ist  Wate  Wielands  Vater.  Wielands  Sohn  heilst  Witege.  P.  315: 
Wo  galt  Gottfried  von  Bouillon  als  Sohn  [']  einer  Schwanjtingfrau?  P.  316: 
Neu  ist  mir  the  Latin  [!]  pvose  account  of  MHushte  hrj  Jean  d'An-as. 

1)  Viele  Mitglieder  der  Academie  Frangaise  stehen  der  langsam 
aber  stetig  fortschreitenden  Arbeit  gründlicher  P^rscher  an  der  Bistoire 
litteraire  befremdet  und  völlig  verständnifslos  gegenüber.  So  hat  bei  der 
feierlichen  Aufnahme  F.  Brunetiere's  (15.  Februar  1894)  der  ihn  empfangende 
Directeur  d'Haussonville  es  nachdrücklich  beklagt,  dafs  die  Histoire  litteraire 
nicht  lieber  der  Fürsorge  der  vierzig  Unsterblichen  anvertraut  sei,  namentlich 
um  ihren  Werdegang  in  beschleunigteres  Tempo  zu  versetzen.  Ob  zum 
Vorteil  dieses  gewaltigen  Monumentes  bleibe  dahingestellt. 


Histoire  hüteraire  de  la  France.  141 

an  dieser  Stelle  näher  auf  sie  eingegangen  werden  könnte.  Diesmal 
handelt  es  sich  um  die  achte  Suite  du.  14'  Siede,  natürlich  mit  den 
unvermeidlichen  Nachträgen  zum  12.  und  13.  Jahrhundert.  Die 
summarische  Anzeige  der  Romania  (t.  XXXVI,  p.  471)  enthält 
deshalb  den  erläuternden  Zusatz:  Bien  que  le  titre  porie  ..suite  du 
XI V^  siecle'^,  le  iome  XXXlll  traite  de  bien  des  oeuvres  gut 
furent  composees  au  XIll'^  siecle  et  meme  au  XTl',  mais  ce  fait 
n'cst  pas  aussi  contraire  au  plan  du  recueil  qu^on  pourrait  le 
croire  de  prime  abord.  I^a  regle  de  ü Histoire  litteraire  est  de 
elasser  les  ecrivains  d'aprrs  la  date  de  leur  mort.  Or  cette  date 
est,  dans  beaucoup  de  cas,  inconnue;  eile  Vest  meme  toujours 
quand  il  s'agit  d'ccrivains  anonymes.  Des  Ecrivains  de  la  seconde 
moitiS  du  XllP  siicle  peuvent  etre  morts  au  XI V^.  Enfin,  il 
est  bien  Svident  que  les  articles  collectifs  ne  peuvent  avoir  de  date  fixe. 
Die  Verfasser  des  vorliegenden  Bandes  haben  viel  spröden  und 
ästhetisch  wenig  anmutenden  Stoff  zu  bewältigen  gehabt.  Für  Band 
XXXII  lagen  die  Verhältnisse  in  mancher  Beziehung  günstiger;  ent- 
hielt derselbe  doch  vor  allem  die  umfangreiche  Notiz  über  Jean  de 
Joinville,  den  gewaltigen  Beitrag,  den  Gaston  Paris  zur  ^Historio- 
graphie de  la  France'-'-  gestiftet  hat.  Auch  für  die  Vulgärliteratur 
Südfrankreichs  war  interessanter  Zustrom  gespendet.  Zwischen  einigen 
Veröffentlichungen  der  beiden  Bände  läßt  sich  jedoch  in  mehr  als 
einer  Hinsicht  ein  gewisser  Parallelismus  konstatieren.  Zunächst  ist 
die  Autorschaft  für  die  jeweilig  vorausgeschickte  Notice  die  gleiche. 
Am  29.  April  1896  war  der  um  die  Histoire  litteraire  so  hoch  ver- 
diente Baithelemy  Haureau  zwar  betagt  aber  in  ungetrübter  geistiger 
Frische  aus  dem  Leben  geschieden.  M.  Paul  Meyer  hatte  ihm  kraft 
seiner  Eigenschaft  als  „editeur"  einen  warm  empfundenen  Nachruf 
gewidmet,  der  überdies  für  dem  Toten  fernstehende  Leser  den 
bleibenden  Wert  besitzt,  daß  er  zur  Enstehung  einer  ganzen  Reihe 
von  Kapiteln  der  Histoire  litteraire  wichtigen  Aufschluß  bietet. 
Vergleicht  man  mit  diesem  ausführlichen  Nekrolog  die  diesmalige 
Notice  über  Gaston  Paris,  die  noch  um  einige  Blätter  reicher  ist, 
so  staunt  man,  wie  objektiv  die  Beurteilung  des  Jugendfreundes  und 
Altersgenossen  ausgefallen  ist.  Auch  nicht  ein  einziges  Mal  ist  in 
die  Wagschale  beschaulicher  Abschätzung  ein  von  intimsten  persönlichen 
Beziehungen  beeinflußtes  Gewicht  gefallen:  exegi  monuraentum  aere 
perennius.  Dank  dieser  objektiven  Darstellung  ist  es  auch  gelungen, 
Gaston  Paiis'  Studienaufenthalt  in  Deutschland  knapp  und  klar  in's 
richtige  Licht  zu  stellen  ,  .  .  Son  pere  l'envoyn  en  Alleinagne^  sur- 
tout  en  vue  d'apprendre  VaUemand  .  .  .  (p.  VIII — IX,)-) 

-)  Der  Sonderabdruck  dipser  Notice  sur  Gaston  rarif:  enthält  auch  ein 
Portrait  des  Meisters  aus  der  letzten  Zeit  (Heliog.  Dujardin),  das  besonders 
den  Teilni^hiiiern  an  den  Conferences  du  Dimaiiche  der  letzten  Jahre  bis 
auf  den  schon  schärfer  ausgeprägten  Leidenszug  altvertraute  liebe  Erinne- 
rungen weckt. 


142  Referate  und  Rezensionen.     M.  J.  Minchioüz. 

In  den  Gcdenkworten  für  P>.  Haureau  (t.  XXXII,  p.  XY)  war 
der  Standpunkt  gekennzeichnet,  den  die  Kommission  der  Histoire 
Liiteraire  zu  den  jeweiligen,  stets  ergänzungsbedürftigen  Publikationen 
einnimmt:  7/  lui  parut  que.  par  suite  de  Vextension  de  plus  en 
plus  grande  que  p7'ennent  les  etudes  sur  Ic  moyen-äge,  les  travaux 
quelle  est  cliargce  d'acconiplir  ne  sauraient  ä  aucun  moment  etre 
considcrh  comme  definitifs,  et  quelle  doit  borner  son  ambition  ä 
resumer  Vctat  de  la  science  ä  un  moment  donne  et  ä  le  faire 
progresser  dans  la  mesure  de  ses  forces.  Mit  dieser  nachdrücklichen 
Erklärung  ist  sicher  auch  für  den  neuesten  Band  der  einzig  richtige 
Wertmesser  angezeigt,  nur  daß  es  sich  diesmal  um  die  Erörterung 
von  noch  komplizierteren  Verhältnissen  handelt,  da  die  Zaiil  der 
Mitarbeiter  (allerdings  unter  Hinzurechnung  der  posthumen  Veröffent- 
lichung von  Beiträgen  aus  der  Feder  von  B.  Haureau  und  Gaston 
Paris)  diesmal  von  vier  (B.  Haureau,  G.  Paris,  L.  Delisle, 
P.  Meyer,  editeur)  auf  sechs  (durch  Paul  Viollet  und  Noel 
Valois)  gestiegen  ist.  Dem  Leser  aber  ist  eine  günstige  Gelegenheit 
geboten,  einige  verdienstliche  französische  Forscher  in  der  individuellen 
Eigenart  ihrer  Methoden  nach  ganz  verschiedenen  Richtungen  hin 
recht  eingehend  kennen  zu  lernen.  Auf  die  kritische  Schärfe  der 
Stoffbehandlung  in  ganz  verschiedenen  Phasen,  wenigstens  im  Fluge 
hinzuweisen,  soll  der  Hauptzweck  vorliegender  Anzeige  sein. 

Die  Inhaltsangabe  des  33.  Bandes  läßt  sich  viel  einfacher  aus- 
führen als  diejenige  des  vorhergehenden:  Außer  dem  Avertissement-') 
und  der  bereits  besprochenen  Notice  sur  Gaston  Paris  haben 
folgende  Artikel  Aufnahme  gefunden:  P.  1  —  40  Maitre  Jean  d'Anti- 
oche.,  traducteur  et  frere  Guillaume  de  Saint-Etienne  (L.  Delisle).  — 
p.  41 — 190:  Les  Coutumiers  de  Ncrmandie  (P.  Viollet)  — 
P.  191- — 253:  Raimoyid  de  Beziers,  traducteur  et  compilateur  (G. 
Pari;,).  —  P,  254 — 458:  Versio7is  en  vers  et  en  prose  des  Vies 
des  Rhres.  —  Legendes  hagiopraphiques  en  francais  I.  Legendes 
en  vers.  II.  Legende  en  prose  (P.  Meyer).  —  P.  459 — 478: 
Jacques  de  Lausanne,  frcre  Precheur  (B.  Haureau).  —  P.  479- — 
623:  Pierre  Auriol,  frere  Mineur-Jean  de  Jandun  et  Marsile 
de  Padoue,  auieurs  du  Defensor  pacis  (Noel  Valois).  —  P.  624 — 
632:  Additions  et  Correciions.  —  P.  638—649:  Table  des  Auieurs 
et  des  Matieres.'^) 

3)  Hier  wird  auch  eine  rein  äuferliche  Neuerung  angekündigt :  (p.  IV,  V) 
A  partir  du  present  tome,  nons  supprimons  les  manchettes,  rejetant  en  note,  suivant 
Vusage  le  plus  generalement  adopte  de  nos  j'ourSj  les  renvois  aux  ouvrages  cites.  D  ou 
resulte  vn  double  avantage.  D^une  pari,  nous  elargissnns  la  justificaüon,  et,  d'autre 
part,  les  renvois,  formules  d'une  facon  souvent  trnp  brive,  loi-sqiiils  etaient  places  dans 
la  marge,  ont  pu  ctre  donnes  d^une  faqon  assez  compUte  pour  nous  permettre  de 
supprimer  la  table  des  ourrages  cites,  qui,  jusqu'ici,  a  occupe  dans  nos  volumes  nne 
place  comiderable. 

*)  Man  erinnere  sich,  dafs  für  Band  XXXII  bereits  insofern  eine  neue 
Anordnung  getroffen  wurde,  als  sich  die  Unmöglichkeit  herausstellte,  fernerhin 


JRsioire  Litteraire  de  la  France.  143 

Wie  rastlos  uneimüdliclie  Forscher  zu  ein  iiud  demselben  Gegen- 
stand zurückzukehren  pflegen,  um  ihn  möglichst  erschöpfi^nd  zu 
behandeln,  beweist  gleich  der  erste  Artikel,  der  den  greisen  Gelehrten 
M.  L.  Delisle  zum  Verfasser  hat.  Bereits  1899  erschien  im  36.  Bande 
der  JSotices  et  Extraits  des  Alaniiscrits  publies  par  V Academie 
des  Inscriptions  eine  Notice  sur  la  Rhetorique  de  Ciccron  traduite 
per  Maltre  Jean  d'ÄJitioche,  ms.  590  du  Miisee  Conde.  M. 
Delisle  erteilte  in  dieser  annähernd  60  Seiten  umfassenden  Notiz  ^) 
sorgsame  Auskunft  über  eine  1282  in  Saint-Jean-D'Acre  verfaßte 
Übersetzung  von  Cicero's:  De  Inventione  und  Rhetorica  ad  Herennium 
„laquel  maistre  Johan  d'' Anthioclie  translata  de  laiin  en  romans, 
a  la  requeste  de  frere  Guillaume,  frere  de  Vospital  de  Saint  Johan 
de  Jherusaiem.  Für  das  gleiche  Thema  sind  nun  in  der  Histoire 
litieraire  weitere  wichtige  Einzelheiten  und  beträchtliche  Zusätze  bei- 
gebracht. Bt^sonderes  Interesse  erheischt  der  Umstand,  daß  diese 
Übersetzung  bald  nach  ihrer  Entstehung  von  fremder  kundiger  Hand 
berechtigte  Verbesserungen  in  Form  von  gut  leserlichen  Rand- 
bemerkungen und  eingeschobenen  Zeilen  erhalten  hat.  Die  angeführten 
Proben  von  Emendationen  lassen  mit  Sicherheit  vermuten,  daß  hier 
für  die  Kenntnis  mittelalterlichen  Übersetzerverfahrens  mancher  Finger- 
zeig zu  holen  wäre.  Ganz  neu  hinzugetreten  ist  die  kurze  Studie 
über  die  ebenfalls  Jean  d'Antioche  zugeschriebene  Übersetzung  der 
Otia  imperialia  von  Gervais  de  Tilbury.  Die  zweite  Hälfte  der 
Abhandlung  berichtet  eingehender  über  frere  Guillaume,  der  identisch 
ist  mit  dem  späteren  „commaudeur  de  l'ordre  de  Saint- Jean"  auf 
Cypern.  Seine  umfangreiche  Compilation,  die  in  einem  Manuskript 
der  Bibl.  nat.  (ms.  fr.  6049)  erhalten  ist,  wird  von  Delisle  mit  Recht 
als  ein  äußerst  wichtiges  Dokument  für  die  Geschichte  des  lateinischen 
Orients  bezeichnet. 

Für  M.  VioUet's  Couturniers  de  Normandie  ist  vorauszuschicken, 
daß  wegen  der  Fülle  vorhandenen  Materials  nur  die  ,.,province  de 
Normandie"  Berücksichtigung  gefunden  hat  6).  Die  Serie  der  notices 
collectives  (Avertissemetit,  III),  die  bereits  im  32.  Bande  für  die 
Zusammenstellung  gewisser  Typen  von  Klosterchroniken  praktisch 
schien,  wird  im  33.  fortgesetzt:  poicr  les  couturniers  norinands, 
ceuvres  d'epoques  diverses.,  dont  il  rieut  guere  ete  possible  d'etablir 
les  rapports  en  des  notices  s^parees,  et  jjoiir  les  innombrables  vies 
de  saints  traduites  en  prose  franpaise  au  cours  du  Xlll'  siede 
et  au  commencement  du  XI V"^.  Die  streng  methodische  Prüfung 
dieser  in  erster  Linie  für  die  Rechtsgelehrten  in  Betracht  kommenden 


für  jedes  Jahrhundert  nur  eine  einzige  table  tjen^rah  aufzustellen:  (p.  III) . . . 
Cest   pourquoi    nous    avons    place    it   la  Jin   du  present  volume  une  table  des  articles 
contenus  dam  les  tomes  XXV — XXXI f. 
S)   et    R.mauia  t.  XXIX,    155. 

«j  Recht   interessante  Streiflichter   fallen    auf  die  Rechtspflege   der 
normannischen  Inseln  (p.  74  fi".). 


144  Referate  und  Rezensionen.     M.  J.  Minckwitz. 

Coutumiers  hat  viel  wichtige  Ausblicke  eröffnet.  Konflikte  werden 
aufgerollt  zwischen  Staats-  und  Kirchenrecht,  Duellverordnungeu 
erörtert,  ethnisch  merkwürdige  Besonderheiten  festgestellt,  die  Ursachen 
fürstlicher  Erbstreitigkeiten  für  das  Haus  der  Grafen  v.  Valois  nach- 
gewiesen usw.  Für  die  umfangreichen  Quellen,  den  Grand  Coutuinier 
de  Normandie  sowie  die  gereimte  version  en  vers  octosyllabiques 
von  Guillaume  Chapu  waren  eingehende  sprachliche  Untei  suchungen 
unvermeidlich.  Nur  auf  diesem  Wege  war  es  möglich,  die  von  Tardif 
und  Brunner  bekundeten  Meinungsverschiedenheiten,  teilweise  zu 
Ungunsten  des  Letzteren  sorgsam  zu  revidieren.  Die  Lösung  der 
komplizierten  Frage,  ob  dem  Grand  Coutumier  in  der  Prosaversion 
ursprünglich  eine  französische  oder  eine  lateinische  Textfassung  zu 
Grunde  lag,  ist  von  M.  Yiollet  mit  ebensoviel  Scharfsinn  als  Behutsam- 
keit erneut  in  Angriff  genommen  worden.  Er  neigt  zu  der  Annahme 
der  Anteriorität  des  Lateins  (p.  87).  Tardif^)  war  durch  stilistische 
Erwägungen  zur  gleichen  Ansicht  gelangt.  Viollet  kommt  auf  schärfer 
kritischem  Wege  zu  dem  nämlichen  Resultate:  Aussi  hien  la  com- 
paraison  attentive  du  texte  latin  et  du  texte  francais  conduit 
directement  aux  memes  conclusions.  On  sent  que  le  mot  propre 
faxt  parfois  defaut  au  traducteur  francais  \  on  retrotive  dans  le 
frangais  quelques  tournures  Latines  ...  (p.  86).  Weitere  Schluß- 
folgerungen führen  notwendig  zur  Kritik  und  Revision  des  erhaltenen 
lateinischen  Textes  (p.  89):  Si  le  texte  frangais  derive  du  texte 
latin,  il  n'en  resulte  pas  que  les  lepons  du  texte  latin  qui  nous 
est  parvenu  soient  constamment  prefirahles  ä  celles  du  texte 
frangais.  En  effet,  le  texte  frangais  derive  d'un  mamiscrit  ou  de 
manuscrits  latins  aujourdlmi  perdus.  Auch  die  Klassifikation  der 
Handschriften  (p.  107  ff.)  und  die  Stilbemerkungen  (p.  106  —  107) 
sind  ungemein  lehrreich.  Die  Raimond  de  Biziers  gewidmete  Studie 
des  toten  Meisters  Gaston  Paris  hat  zum  Ausgangspunkt  die  kritische 
Untersuchung  der  1899  in  den  Fahulistes  latins  depuis  le  siede 
d' Auguste  jusqu'ä  la  fin  du  moyen  dge:  .Jean  de  Capoue  et  ses 
derives  dargelegten  Ansichten  L.  Hervieux'  über  die  Quelle  von 
Raimond  de  Beziers'  Liber  Calile  et  Dine^^)  sowie  der  editio  princeps. 
Bildet  die  Widerlegung  der  Hypothesen  Hervieux'  ein  Hauptverdienst 
der  Abhandlung,  so  ist  andrerseits  die  in  großen  Zügen  entworfene 
Geschichte  ^du  livre  meme  connu  depuis  longtemps  saus  le  iitre 
arabe  de  Kaltlah  et  Dimnah''  (p.  200)  von  sehr  hohem  Werte. 
Die  Übersichtlichkeit  des  klar  geordneten  Materials  wirkt  vorbildlich^). 


")  V.   Summa  de  Legibus  Normannie,  p.  CXXXVII  ff. 

8)  Cf.  Jiomania,  XXVIII,  482. 

5)  Nach  der  Darlegung  auf  S.  249  enthält  die  covfession  de  J>ina  politische 
Anspielungen  auf  die  Zeit  Philipp  des  Schönen.  "Vor>ichtshalber  „Raimond 
s'est  avise  de  meitre  la  scrne  en  pays  musulman.  Montesquieu  s  „Lettres  Persanes^ 
haben  also  bereits  Jahrhunderte  früher  schon  „Vorläufer"  getunden. 


F.  Brunetiere,     Etudes  critiques.  145 

Schon  die  summarische  Anzeige  der  Romania  (XXXVI, 
p.  471 — 472)  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  die  teilweise  bisher  in 
der  Histoire  litteraire  nicht  übliche  Form  der  diesmaligen  Beiträge 
Paul  Meyer's.  Aus  dem  ersten  großen  Abschnitt  ist  insbesondere 
die  Notiz  über  Henri  d'Arci  (p.  256  ss.)  sowie  die  nähere  Begründung 
und  Charakterisierung  der  vielseitigen  Autorschaft  (unter  eingehender 
Berücksichtigung  des  Manuscrit  de  Carpentras)  Wauchier  de  Denain's 
hervorzuheben.  Für  die  Legendes  hagiographiques  en  fran^ais  macht 
sich  an  verschiedenen  Stellen,  z.  B.  p.  328 — 329,  ein  erfreulicher  Fort- 
schritt bemerkbar,  insofern  für  die  ältesten  Zeiträume  eine  gedrängte 
Übersicht  und  Abschätzung  der  Früchte  dieses  vielgepflegten  Zweiges 
der  mittelalterlichen  Literatur  in  prägnanten  Zügen  geboten  wird: 
ein  wichtiger  Anfang  zu  dem  lang  erstrebten,  gruudfesten  Aufbau 
mittelalterlicher  Literarhistorie. 

An  dem  posthumen  Beitrag  Haureau's  über  Jacques  de  Lausanne, 
frere  precheur  (mit  Ergänzungen  von  N.  Valois)  erfreuen  die  pikanten 
Einzelheiten,  die  kulturhistorisches  Interesse  zu  fördern  geeignet  sind. 
In  ernstem  Kontraste  steht  dazu  das  Bild  von  Pierre  Auriol,  Frere 
Mineur,  dem  unter  den  Theologen  und  Philosophen  des  14.  Jahrhundert's 
ein  beachtenswerter  Platz  gebührt,  trotz  Pierre  Bayle's  etwas  ein- 
schränkendem Lobspruche:  Oetait  un  esprit  subtil,  mais  trop  avide, 
de  se  distinguer  par  des  opinions  nouvelles.  Mit  dem  Schlußstein 
des  Bandes  erhalten  wir  einen  wichtigen  Beitrag  zur  Geschichte  der 
religiösen  Streitigkeiten  unter  Ludwig  dem  Baier,  der  zugleich  aktuelles 
Interesse  beansprucht.  Auf  die  Autoren  des  Defensor  pacis,  Marsile 
de  Padoue  und  Jean  de  Jandun  fällt  fast  haarscharfe  Beleuchtung. 
Ein  wichtiges  Nebenverdienst  bedeutet  die  Auskunft  über  den  bisher 
unedierten  Defensor  minor,  die  Ergänzungsschrift  zum  Defensor 
pacis.  Auch  bei  Laien  wird  die  stellenweise  geradezu  anmutige 
Stoffbehandlung  lebhaftes  Interesse  für  diese  vorreformatorische  1°) 
Bewegung  zu  wecken  vermögen. 

München.  M.  J.  Minckwitz. 


Bmnetiöre,  F.  Etudes  critiques  sur  VMstoire  de  la  litterature 
frangaise.  Huitihne  serie.  Paris,  Hachette  et  C'®  1907. 
Unter  vorliegendem  Titel  veröffentlicht  die  Verlagsbuchhandlung 
Hachette  einige  Aufsätze  aus  dem  Nachlaß  Brunetiere's.  Es  sei  voraus- 
zusehen, wird  in  einer  Vorbemerkung  mitgeteilt,  daß  diesem  Bande 
noch  einige  andere  folgen  werden.  Abgesehen  von  zwei  Artikeln 
(l'Eloquence  de  Bourdaloue  und  Les  transformations  de  la  langue 
frangaise  au  18'  siede),  die  das  Datum  des  15.  Juni  1904  und  15.  Nov. 
1905   tragen,    stammen  die  übrigen  alle  aus  dem  letzten  Lebensjahr 


1")  Aus  dem  Defensor  Pacis  haben  sicher  u.  a.  Wicliff,  Luther  und  Calvin 
reformatorische  Ideen  geschöpft. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXH».  10 


14G  Referate  imd  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

des  Gelehrten  und  sind  vom  1.  Jauuar,  1.  Mai,  1.  August,  1.  September 
und  1.  Oktober  1906  datiert.  Die  Aufsätze  sind  mit  Ausnahme  von 
„La  Maladie  du  Burlesque'-'  und  „Xes  Epoques  de  la  comedie  de 
Molicre"  eigentlich  Recensiouen,  aber  so  ausführliche  und  eingehende 
Artikel,  daß  sie  die  Bedeutung  selbständiger,  neuer  Arbeiten  wohl  haben. 

Im  Anschluß  an  die  von  Fortunat  Strowski  in  Angriff 
genommene  Ausgabe  der  Essais  Montaigne's  bietet  uns  zunächst 
Brunetierc  eine  recht  interessante  Studie  über  diesen  Schriftsteller. 
Diese  Ausgabe,  von  welcher  bis  jetzt  der  1.  Band  vorliegt,  will 
bekanntlich  den  Werdegang  des  Montaigneschen  "Werkes  dem  Leser 
durch  sinnvolle  Nebeneinanderstellung  der  einzelnen  Redactionen  klar 
vor  Augen  führen.  Für  das  Verständnis  von  Montaignes  schwankender 
Natur,  der  seine  Ansichten  fortwährend  wechselte,  ist  das  Studium 
der  verschiedenen  Hinzufügungen  und  Änderungen,  die  er  an  seinem 
Werke  vornahm,  von  größtem  Interesse.  Deshalb  zollt  Brunetiere, 
der  doch  sonst  vor  philologischer  Kleinarbeit  nicht  allzugroße  Achtung 
hat,  dem  Versuche  Strowski's  volle  Anerkennung.  Sind  wir  doch 
von  vorn  herein  viel  zu  sehr  geneigt  Montaigne  System  und  Methode 
zuzuschreiben,  obgleich  ihm  die  Idee  ein  abgeschlossenes  Werk  zu 
liefern  stets  ganz  ferne  Ing.  Kam  es  ihm  doch  nur  darauf  an,  sich 
selbst  zu  studieren;  freilich  tat  er  es  nicht  wie  soviele  Verfasser  von 
Selbstbekenntnissen,  um  das  hervorzuheben,  was  bei  ihm  eigenartig 
sei.  Er  suchte  vielmehr  das  zu  betonen,  was  bei  ihm  allgemein 
menschlich  war.  In  der  Beobachtung  und  der  Darstellung  des  all- 
gemein Menschlichen  liegt  auch  sein  Hauptruhmestitel.  In  dieser 
Hinsicht  ist  er  mehr  als  irgend  ein  anderer  der  Vorläufer  der  großen 
Klassiker  des  17.  Jahrhunderts. 

Wenn  wir  mit  diesen  Ausführungen  Brunetieres  vollständig  ein- 
verstanden sind,  müssen  wir  hinsichtlich  des  2.  Artikels  über  „Xa 
maladie  du  Barlesque''''  p.  56 — 94  einige  Einschränkungen  machen. 
Der  französische  Gelehrte  behauptet  zwar  mit  Recht,  daß  Th.  Gautier, 
Philarete  Chasles,  Morillot,  Boislile,  Emile  Magne  in  ihren  Schriften 
über  die  burlesken  Dichter  und  Scarron  sich  mit  der  Theorie  des 
Burlesken  nicht  oder  kaum  abgegeben  hatten.  Gibt  es  aber  nicht 
deutsche  Arbeiten  darüber?  Bereits  1894  hatte  Ref.  in  seiner  Geschichte 
der  grotesken  Satire  versucht  die  Grenzen  des  Burlesken  gegen  Grotesk 
und  Possenhaft  zu  bestimmen.  Und  1905  hatte  Hanns  Heiss  in  seinen 
eingehenden  „  Studien  über  die  burleske  Modedichtung  Frankreichs 
im  17.  Jhrt.""  in  VoUmöller's  Romanische  Forschungen  Bd.  XXI 
2,  Heft,  das  Burleske  auf  seinen  Ursprung,  Charakter  und  Eigen- 
tümlichkeiten hin  untersucht.  Es  ist  sehr  schade,  daß  Brunetiere 
von  diesen  Forschungen  gar  keine  Kenntniss  genommen  hat.  So  ist 
es  auch  nicht  bloß  sein  Verdienst  darauf  hingewiesen  zu  haben,  daß 
das  Burleske  und  Preziöse  nicht  im  Gegensatz  zu  einander  stehen, 
sondern  im  Grunde  genommen  aus  derselben  Quelle  stammen.   Bereits 


F.  Brunetih'e.     Etudes  critiques.  147 

Lanson  hatte  Mev.  d'hist.  lit.  IE  p.  331  darauf  hingewiesen,  das 
Burleske  sei  nichts  anderes  als  die  unterhaltende  Form  des  Preziöseu, 
ebenso  auch  /.  c.  VIII  1901.  p.  333,  übrigens  auch  schon  Faguet 
(Revue  des  cours  et  Conferences  Dez.  1895,  p.  203.)  Auch  Heiss 
ist  an  betreffender  Stelle  näher  darauf  eingegangen.  Nichtsdestoweniger 
ist  anzuerkennen,  daß  Brunetiere  in  diesem  Artikel  die  Ursprünge  des 
Burlesken  in  der  berneskischen  Poesie  Italiens  und  der  picaresken  Spaniens 
richtig  erkannt  hat.  Die  Geraeinheit  preisen,  sich  in  ihr  wohl  fühlen, 
ein  möglichst  vollendeter  Lump  zu  sein,  das  sind  die  Ideale  dieser 
Poesie,  also  gerade  das  Gegenteil  dessen,  was  die  Poesie  sonst  gewöhnlich 
bezweckt.  So  kann  denn  Brunetiere  ohne  Mühe  dazu  kommen,  im 
Burlesken  überhaupt  eine  Art  Travestie  oder  Entstellung  des  Natürlichen 
zu  sehen.  In  dieser  Hinsicht  trifft  das  Burleske  aber  mit  dem  Preziösen 
zusammen,  das  ja  auch  durch  die  Darstellung  des  Merkwürdigen, 
Auffallenden  in  Erstaunen  versetzen,  verblüffen  will.  So  werden  wir 
uns  nicht  wundern,  daß  die  Preziösen  weit  entfernt  am  Burlesken 
Anstand  zu  nehmen,  vielmehr  daran  große  Freude  gefunden  haben. 
Der  Klassizismus  ist  die  Reaktion  sowohl  gegen  das  Burleske  wie 
gegen  die  Preziosität.  Boileau,  Lafontaine,  Meliere,  sie  wollen  Alle  jetzt 
die  Natur  befolgen,  die  Scudery  oder  Scarron  sind  ihnen  in  gleicher 
Weise  verhaßt.  Charakteristisch  sind  im  Hinblick  darauf  die  Verse 
Lafontaines,  die  er  bei  Gelegenheit  der  Aufführung  der  Frauenschule 
geschrieben  hat:  „Nous  avons  changc  de  mSthode  \  Jodelet  (tl.  h. 
Scarron)  nest  plus  ä  la  mode.  |  Et  maintenant  il  ne  faut  pas 
Quitter  la  nature  d'im  pas."  Preziosität  und  Burleske  nehmen 
aber  bereits  am  Ende  des  17.  Jhdts.  ihre  Revanche.  Schriftsteller 
wie  Pradon  oder  die  s.  g.  Modernen  kennzeichnen  diese  Richtung, 
4lie  gegen  die  Klassiker  wieder  das  Haupt  erhebt.  Doch  dürfte 
Brunetiere  zu  weit  gehen,  wenn  er  mit  diesen  preziösen  und  burlesken 
Bestrebungen  überhaupt  alle  literarischen  Tendenzen  identifiziert,  die 
vom  Natürlichen  nichts  wissen  wollen  und  in  der  Ausnahme  von  der 
Regel  ihre  Hauptbefriedigung  suchen.  So  kommt  er  sogar  dazu  die 
Romantiker  mit  ihnen  zu  vergleichen,  ebenso  Autoren  wie  Labichc. 
Ich  will  ja  nicht  leugnen,  daß  gewisse  Analogien  vorhanden  sind; 
wenn  mau  aber  die  Definition  zu  weit  faßt,  läuft  man  Gefahr  gar 
nichts  mehr  zu  beweisen. 

Eine  eigenartige,  aber  auch  etwas  gesuchte  Auffassung  von 
Molieres  Wirken  zeigt  Br.  dann  in  seinem  Artikel  „Les  epoques  de  la 
comedie  de  Moliere^  p.  95 — 120.  Er  vertritt  die  Ansicht,  daß  die 
drei  Meisterwerke  Moliere's,  der  Don  Juan,  Tartuffe  und  Misanthrope 
aus  dem  Grunde  (hmkel  und  problematisch  anmuten,  weil  der  Verfasser 
in  diesen  Werken  die  der  Gattung  des  LustNpiels  gesteckten  Grenzen 
überschritten  habe.  Moliere  hätte  eine  neue  Art  Komödie  schaffen 
wollen,  welche  nicht  bloß  durch  Vorführung  sclt-amer  Vorgänge  unter- 
halten, sondern  auch  durch  genaue  Nachahmung  der  Wirklichkeit  die 
Zuschauer   ernst  stimmen  und  zum  Nachdenken  bringen  sollte.     Das 

10* 


14.S  Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

vertrüge  aber  die  Komödie  nicht.  Deshnlb  hinterließen  diese  Lust- 
spiele beim  Zuschauer  eine  zwiespältige  Empfindung.  Meliere  hätte 
das  Unmögliche  seines  Versuches  eingesehen  und  sei  deshalb  wieder 
zu  der  nur  unterhaltenden  Komödie  zurückgekehrt.  Diese  Auf- 
fassung mag  geistreich  sein,  den  Tatsachen  wird  sie  aber,  soviel  ich 
sehe,  nicht  gerecht.  Auch  nach  diesen  drei  Stücken  hat  Meliere  — 
wenn  man  will  —  Komödien  geschrieben,  die  eine  zwiespältige 
Empfindung  in  uns  hervorrufen  können.  Man  denke  nur  an  George 
Dandin,  an  Amphitryon,  an  den  Malade  imaginaire.  Ich  sehe 
nicht  ein,  weshalb  der  ,,Avare"  lustiger  sein  sollte  als  der  Tartuffe. 
Goethe  hatte  bekanntlich  bei  dessen  Lektüre  die  Empfindung  des 
Tragischen.  Eine  „ernste"  Komödie  sind  doch  gewiß  auch  die 
„Fenimes  savantes.'-'-  Daß  der  Don  Juan  einen  schillernden  Ein- 
druck macht,  erklärt  sich  meines  Erachtens  nicht  daraus,  daß  Meliere 
die  „der  Gattung  gesteckten  Grenzen"  überschritten  habe,  sondern 
eher  daraus,  daß  er  wegen  des  Streites  um  den  Tartuffe,  um  seinen 
Feinden  einen  Hieb  zu  versetzen,  den  Wollüstling  noch  zum  Heuchler 
machte.  Und  der  Misanthrope  ist  deshalb  dunkel,  weil  hier  Moliere's 
Wahrheitsliebe  mit  seiner  Scheu  vor  jeder  Übertreibung  in  Kontrast 
gerät,  zugleich  aber  auch  wegen  der  persönlichen  Elemente,  die  gerade 
hier  —  trotz  aller  Analogie  mit  Don  Garde  de  Navarre  und  dem 
grand  Cyrus  J/''"^  de  Scudery's  (cf  p.  105  Brunetiere)  bin  ich  davon 
überzeugt  —  zu  Grunde  liegen,  und  mit  der  These,  die  Möllere 
verteidigt,  sich  nicht  recht  vereinigen  wollen.  An  Grenzen,  die  die 
literarischen  Gattungen  gitterartig  umzäumen,  glaube  ich  nicht. 

Eine  sehr  ansprechende  Charakteristik  Bourdaloue's  gibt 
uns  Brunetiere  in  der  darauf  folgenden  Studie  „L'eloquence  de 
Bourdaloue"'  p.  121 — 182.  Die  große  Beliebtheit  des  Kanzelredners 
bei  seinen  Zeitgenossen  erklärt  sich  Br.  durch  die  Aktualität,  die 
seine  Predigten  kennzeichnete,  durch  seine  sich  stets  gleichbleibende 
und  aufs  Praktische  gerichtete  Art,  die  den  Zuhörer  packen  und 
erschüttern  mußte,  durch  seine  allgemeine  Verständlichkeit,  durch 
die  rhythmische  Bewegung  seines  Satzes.  Er  weiß  ihn  von  Bossuet, 
der  mehr  durch  die  phantasievolle  Schilderung  und  den  erhabenen 
Flug  seiner  Gedanken  die  Zuhörer  mit  sich  riß,  in  seinen  Reden 
aber  außerordentlich  ungleich  war,  recht  wohl  zu  unterscheiden. 
Das  Urteil  über  Bourdaloue's  Beredsamkeit  dürfte,  so  meint  Br.,  auch 
durch  die  Herstellung  einer  sogenannten  kritischen  Ausgabe,  die  wegen 
der  Unsicherheit  der  Überlieferung  überdies  nur  mit  großer  Vorsicht 
vorgenommen  werden  könnte,  kaum  geändert  werden. 

In  seinem  Artikel  „L' Orient  dans  la  litterature  frangaise'"'' 
p.  182 — 212,  der  durch  Martino's  Buch  über  das  gleiche  Thema 
hervorgerufen  worden  ist,  gibt  Verfasser  einen  hübschen  Überblick 
über  den  Einfluß  des  Orients  auf  die  französische  Literatur  des 
18.  Jhds.  Während  die  Türkei  in  den  Augen  der  damaligen  Menschen 
meistens  als  das  Eldorado  einer  in  geschlechtlich  sittlicher  Beziehung 


F.  Brunetihre.     Etudes  cmtiques.  149 

vollständig  freien  Welt  lebt,  erblickte  man  damals  seltsamerweise  in 
den  chinesischen  Verhältnissen  vielfach  ein  Vorbild  in  Dingen  der 
Erziehung  und  des  Unterrichts,  Erblichkeit  und  Käuflichkeit  der 
Ämter  gibt  es  dort  nicht.  Man  erweist  sich  eines  Amtes  würdig 
dadurch,  daß  man  eine  Prüfung  auf  dasselbe  besteht.  Die  „chinesische 
Examiniererei",  die  heutzutage  so  verpönt  ist,  begeisterte  die  Menschen 
des  18.  Jhds.  Sie  erblickten  darin  das  Ideal  der  Gerechtigkeit. 
Nach  Br.  wäre  das  Prüfungswesen  unserer  Zeit,  das  die  „Philosophen" 
des  18.  Jhds.  angepriesen  hätten  und  die  Revolution  in  die  Sitten 
eingeführt  habe,  in  letzter  Linie  auf  die  Schwärmerei  für  das  Chinesen- 
tum  zurückzuführen.  Dagegen  hätte  das  Studium  Indiens  namentlich 
die  religiöse  Forschung  begünstigt.  So  groß  der  Einfluß  des  Orients 
aber  auch  zeitweise  gewesen  sei,  mit  dem  italienischen,  spanischen 
oder  englischen  sei  er  natürlich  nicht  zu  vergleichen.  „jEW  nous 
devenant  familieres'^ ,  sagt  Br.  „les  choses  d Orient  ne  nous  sont 
pas  devenues  interieures,  il  ny  a  pas  eu  de  penetration" .  Es 
wäre  interessant,  diesen  orientalischen  Einflüssen,  namentlich  bei 
Voltaire,  noch  ernster  nachzuspüren.  Auch  wäre  es  wohl  nicht  un- 
nütz, sich  die  Frage  vorzulegen,  ob  nicht  der  Eokokostil  z,  T.  auf 
den  Einfluß  Chinas  zurückzuführen  sei. 

Trotz  seiner  Länge  p.  213  —  259  bietet  der  Artikel  „Xes  Trans- 
formations de  la  langue  francaise  au  18^  siede'-'  verhältnismäßig 
am  wenigsten  Interessantes.  Daß  eine  wirkliche  Wandlung  der  Sprache 
in  damaliger  Zeit  vor  sich  gegangen  sei,  bestreitet  Br.,  denn  die  bloße 
Vermehrung  des  Wortschatzes  bilde  eine  Sprache  nicht  um.  Tief- 
gehend seien  überhaupt  die  Änderungen  der  Sprache  des  18.  Jhds. 
nicht,  das  Französische  sei  nur  durch  die  Bemühungen  der  Puristen 
und  Grammatiker  immer  klarer,  durchsichtiger,  unpersönlicher  und 
internationaler  geworden.  Zum  Nutzen  der  weiteren  Verbreitung  des 
Französischen  hätte  das  sehr  viel  beigetragen,  die  Literatur  hätte 
aber  dadurch  nicht  gewonnen,  umsomehr  als  die  Puristen  hinsichtlich 
der  zu   befolgenden  Vorbilder  außerordentlich  zaghaft  gewesen  seien. 

Im  letzten  Aufsatz  r,Joseph  de  Maistre  et  son  livre  du  Pape""' 
p.  261 — 293,  entwirft  Br.  ein  von  warmer  Sympathie  erfülltes  Bild 
des  bekannten  katholischen  Streiters.  Mit  dem  Hauptgedanken  des 
Schriftstellers,  „Point  de  morale  jiratique  ni  de  caractere  national 
Sans  religion,  point  de  7'eligion  europeenne  sans  le  christianisme, 
point  de  christianisme  sa7is  le  catholicismc,  point  de  catholicisme 
sans  le  Pape,  point  de  Pape  sans  la  Suprematie  qui  lui  appar- 
tienf",  ist  Br,  selbstverständlich  ganz  einverstanden.  Daß  die  päpstliche 
Unfehlbarkeit  die  Freiheit  unseres  Denkens  beeinträchtige,  bestreitet 
er;  höchstens  beschränke  sie  dieselbe  r,en  matiere  doctrinale'^ ,  sonst 
aber  durchaus  nicht.  In  dieser  Hinsicht  werden  wohl  die  Ausführungen 
Br.'s  alle  diejenigen,  die  auf  anderm  Standpunkt  stehen,  merkwürdig 
spitzfindig  anmuten.  Schmerzlich  dürften  auch  manche  sehr  gute 
Katholiken   die  Schlußfolgerungen  berühren,   zu  denen  er  in  vollem 


150  Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

Einverständnis  mit  de  Maistre  kommt,  wenn  er  ausführt,  der  Katholi- 
zismus drohe  stets  zu  entarten,  wenn  er  sich  lokalisiere;  nur  ein 
universeller  Katholizismus  sei  wirklich  katholisch,  sonst  führe  er  zum 
Anglicanismus  oder  zur  russischen  Orthodoxie.  Ein  speziell 
französischer  Katholizismus  sei  nichts  anderes  als  die  Negation  des 
Katholizismus.  Blinde  Unterwerfung  unter  Rom  und  damit 
Ultramontanismus  ist  also  —  das  muß  man  zwischen  den  Zeilen 
lesen  —  Pflicht  eines  jeden  guten  Katholiken. 

So  verschiedenartig  die  eben  besprochenen  Skizzen  im  Einzelnen 
sind,  so  wenig  man  auch  einigen  Ausführungen  wird  beipflichten 
können,  sie  sind  doch  alle  ein  Zeugnis  des  glänzenden  literarischen 
Talents  des  französischen  Gelehrten  und  lassen  nur  immer  wieder 
das  aufrichtige  Bedauern  aufkommen,  daß  uns  durch  ein  grausames 
Schicksal  ein  so  begabter  Literat  so  früh  entrissen  wurde. 

WtJRZBURG.  Heinrich  Schneegans 


Revue  des  Etiides  Rabelaisiennes;  puhUcation  trimestrielle 
consacree  ä  Rabelais  et  ä  son  temps.  Tome  IV.  Paris. 
Honore  Champion  1906. 
Mit  großer  Befriedigung  können  die  Rabelaisfreunde  auch  auf 
das  Jahr  1906  zurückblicken.  Die  kleine  Rabelaisgemeinde  konnte 
am  Beginn  des  Jahres  einen  Zuwachs  von  54  neuen  Mitgliedern 
verzeichnen,  sodaß  sich  die  Gesamtzahl  der  „Rabelaisants"  auf 
350  erhob.  Daß  der  Eifer  der  Rabelaisforscher  weit  entfernt  ist  zu 
erlahmen,  zeigt  auch  der  4.  Band  der  Zeitschrift,  über  den  wir  im 
Folgenden  eingehend  berichten.  Freilich  bietet  die  Revue  diesmal 
für  die  Biographie  des  Schriftstellers  weniger  Bedeutendes  als  die 
früheren  Bände.  Immerhin  verdienen  einige  Artikel  Beachtung.  So 
lüftet  die  Untersuchung  Henri  Grimauds  über  die  Genealogie  de 
la  famille  Rabelais  p.  228—233  immer  mehr  den  Schleier,  der  die 
Vorfahren  und  Verwandten  des  Dichters  umhüllte.  Aus  den  Archiven 
der  Stadt  Chinou  und  des  Departements  Indre  et  Loire,  aus  Rabelais' 
Bemerkungen  in  seinen  Büchern  und  Mitteilungen  verschiedener  Zeit- 
genossen läßt  sich  der  Stammbaum  des  Verfassers  von  Gargantua 
bis  auf  seine  Großeltern  verfolgen.  Rabelais  hatte  zwei  Brüder, 
Antoine  und  Jamet.  Die  Familie  des  ersteren  läßt  sich  weiter  ver- 
folgen bis  zum  Jahre  1630.  Sic  zählt  verschiedene  Apotheker,  ein 
Umstand,  der  vielleicht  dazu  geführt  hat,  auch  Rabelais'  Vater  zum 
Apotheker  zu  machen,  während  er,  wie  wir  wissen,  ein  angesehener 
Jurist  war.  üeber  Rabelais'  Bruder  Jamet  teilt  auch  Louis  de 
Grandmaison  einiges  mit,  p.  15  i.  Wir  erfahren,  daß  er  zwei  Jahre 
liindurch  als  Lehrling  bei  Geoffroy  Gaudete,  Kaufmann  in  Tours, 
tätig  war  und  die  Tochter  seines  Prinzipals  heiratete.     Da   er    1518 


Revue  des  Etudes  Rahelaisiennes.  151 

Lehrling  war,  wird  er  damals  noch  sehr  jung  gewesen  sein.  Um  so 
eher  wäre  man  berechtigt,  mit  Lefranc  die  Geburt  Franrois'  in  die 
Zeit  um  1495  statt  1482  oder  1483  zu  verlegen,  wie  früher  an- 
genommen wurde. 

Einen  dunkeln  Punkt  in  Rabelais'  Leben,  der  das  große  Inter- 
esse zeigt,  welches  unser  Verfasser  an  politischen  Angelegenheiten 
nahm,  suchen  zwei  Gelehrte  aufzuhellen:  zuerst  Picot  p.  45  ff. 
(Rabelais  ä  Lyon  en  Aoüt  1540),  dann  Bourilly  p.  103 — 134 
;,Deux  points  ohscurs  dans  la  vie  de  Rabelais.  Rabelais  ä  Lyon 
en  Aoüt  1530,  Rabelais  et  le  sieitr  de  la  Fosse  1540".  — 
Rabelais  kam  außerordentlich  häufig  nach  Lyon.  Vom  Jahre  1532 
bis  1542  können  wir  für  mehr  oder  weniger  lange  Zeit  seinen  Auf- 
enthalt im  Mittelpunkt  des  damaligen  Humanismus  fast  jedes  Jahr 
nachweisen.  Auch  wenn  er  in  Italien  war,  scheint  er  für  kurze  Zeit 
sein  geliebtes  Lyon  immer  wieder  aufgesucht  zu  haben,  wohl  um  im 
Kreise  der  Gelehrten  und  Humanisten  wieder  geistige  Auffrischung 
und  Anregung  zu  finden.  Nun  meint  Em.  Picot,  daß  er  von  dort 
aus  Anfang  August  1540  die  schwere  Unvorsichtigkeit  begangen 
habe,  an  einen  Freund  in  Rom  gewisse  Nachrichten  mitzuteilen,  die 
er  nur  durch  seine  Beziehungen  zum  Gouverneur  Guillaume  du  Bellay 
wissen  konnte.  Der  Brief  sei  konfisziert  worden  oder  es  hätten 
Abschriften  desselben  zirkuliert  und  dem  Dichter  sei  mit  Verfolgungen 
gedroht  worden.  Der  Kardinal  Tournon  hätte  den  Brief  dem  Kanzler 
gezeigt  und  sich  über  Rabelais  sehr  entrüstet  geäußert.  Der  Freund, 
an  den  Rabelais  diese  Mitteilungen  gemacht  hatte,  wird  Fossanus 
genannt.  Picot  sucht  ihn  mit  Antonio  da  Fossano  zu  identi- 
fizieren, der  Professor  an  der  Universität  Turin  gewesen  sei,  oder 
eher  noch  mit  einem  Augustiner  Girolamo  Negri  aus  Fossano, 
der  zuerst  sehr  freie  Ansichten  geäußert,  nachher  aber  gegen  die 
Protestanten  geeitert  hätte.  Durch  den  Kardinal  Tournon  verfolgt, 
hätte  Rabelais  zuerst  nicht  gewußt,  an  wen  er  sich  wenden  sollte  und 
ob  er  wieder  zu  seinem  Protektor  Guillaume  du  Bellay  zurückkehren 
könnte.  Die  Gefahr  sei  aber  beschworen  worden  und  Rabelais  sei 
im  März   1541   wieder  nach  Turin  zurückgekehrt. 

Mit  dem  von  Em.  Picot  angenommenen  Datum  1540  ist 
Bourilly  nicht  einverstanden,  da  der  Brief  des  Kardinals  von 
Tournon  über  Rabelais'  Unvorsichtigkeit  sicher  an  den  Kanzler  du 
Bourg  gerichtet  sei,  dieser  aber  1538  gestorben  sei.  Aus  dem  Jahre 
1536  kann  er  aber  auch  nicht  stammen,  da  in  diesem  Jahre  Kar- 
dinal und  Kanzler  zusammen  in  Ia'ou  waren  und  also  einander  nicht 
hätten  zu  schreiben  brauchen.  Er  tritt  dagegen  für  das  Jahr  1537 
ein.  Nach  seinem  Doktorat,  Ende  Mai,  sei  Rabelais  in  Lyon  ge- 
wesen; im  September  kehrte  er  nach  Montpellier  zurück.  Vom 
10.  August  1537  sei  der  Brief  des  Kardinals  zu  datieren.  Daraus 
folgt  aber,  daß  dieser  Brief  des  Kardinals  nicht  dio  Antielegenheit 
mit    Fossanus    im    Auge    gehabt    habe.      Der    Kardinal    hatte    bloß 


152  Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

geschrieben:  ,,Je  vous  envoye  une  lettre  que  Rahelezus  escripvoyt  ä 
Rome,  imr  oh  vous  verrez  de  quelles  nouvelles  il  advertissoit  uny 
des  plus  maulvays  paillards  qui  soit  ä  Rome.''"  Den  Namen  dieses 
„jyaillard'''  hatte  Picot  aus  einem  vom  1.  Dezember  1540  von  Jean 
de  Boyssonnc  au  Guillaume  Bi^ot  in  Turin  gerichteten  Brief  er- 
schlossen, und  sich  gedacht,  daß  er  eben  auf  die  Angelegenheit  des 
Si)ätsommcrs  1540  angespielt  hätte.  Bourilk  ist  der  Ansicht,  es 
hätte  sich  da  um  etwas  ganz  anderes  handeln  müssen.  Auch  was 
den  Fossanus  betrifft,  der  im  Briefe  des  Boyssonne  vorkommt,  teilt 
B.  nicht  die  Meinung  P.s.  Er  hält  ihn  nicht  für  den  oben  erwähnten 
Augustiner,  sondern  für  den  Seigneur  de  la  Fosse,  Barnabe  de  Vorre, 
der  1540  in  Italien  und  zwar  in  Rom  war,  mit  Guillaume  du  Bellay 
sehr  wohl  bekannt  und  im  Sinne  einer  Einigung  in  Glaubenssacheu 
früher  tätig  gewesen  sei.  Später  hätte  er  aber  seine  Gesinnung  voll- 
ständig gewechselt.  Von  dieser  Wandlung  hätte  Rabelais  nichts  ge- 
wußt und  in  der  Meinung,  den  Brief  au  einen  Gesinnungsgenossen 
zu  schreiben,  hätte  er  ihm  freimütig  politische  Geheimnisse  seines 
Herren,  wahrscheinlich  über  die  Angelegenheiten  Deutschlands,  mit- 
geteilt. Barnabe  hätte  seine  neuen  Protektoren  davon  in  Kenntnis 
gesetzt,  was  Rabelais  manche  Unannehmlichkeiten  verursacht  hätte. 
Er  scheint  einige  Zeit  nicht  gewußt  zu  haben,  wohin  er  sich  wenden 
sollte,  doch  wird  ihm  wahrscheinlich  der  Einfluß  des  Kardinals  Jean 
die  Gunst  des  Gouverneurs  Guillaume  wieder  verschafft  haben.  Aus 
dieser  Angelegenheit  sehen  wir  wieder,  wie  sehr  Rabelais  in  die 
politischen  Intriguen  der  Zeit  eingeweiht  war. 

Auf  Rabelais'  Tätigkeit  in  Italien  weist  auch  ein  Vortrag  hin, 
den  Victor  Waille  in  der  kuiisthistorischen  Sektion  des  inter- 
nationalen historischen  Kongresses  in  Rom  1903  gehalten  hat  und 
über  den  Henri  Hauvette  p.  192  —  194  ausführlich  berichtet. 
Waille  weist  darin  die  Vermutung  zurück,  Rabelais  hätte  sich  auf 
seiner  italienischen  Reise  nur  mit  seltenen  Hss.  und  mit  botanischen 
und  Gärtnerstudien  beschäftigt;  er  zitiert  vielmehr  alle  Stellen  in 
seinem  Buche,  aus  denen  seine  Bewunderung  der  xVrchitektur  hervor- 
geht und  aus  denen  wir  sehen,  welch'  offenes  Auge  er  stets  für  die 
Kunst  gehabt  habe. 

Auf  eine  andere  Periode  in  Rabelais'  vielbewegtem  Leben  lenkt 
die  Aufmerksamkeit  der  Rabelaisfreunde  ein  Aufsatz  von  Henri 
Clouzot  „Un  Portrait  de  Rabelais  ä  Nancy",  p.  244 — 249,  hin. 
Der  Arzt  Antoine  Le  Poix  in  Nancy  besaß  jedenfalls  ein  Bild 
Rabelais'  mit  einigen  Versen,  die  nicht  zu  Ehren  des  Schriftstellers 
sind.  Wer  weiß,  ob  Rabelais  nicht  auch  zu  Nancy  einige  bisher 
unbekannt  gebliebene  Beziehungen  gehabt  hat?  Von  Metz  aus  kann 
er  sich  möglicherweise  dort  aufgehalten  haben.  Mit  lothringischen 
Verhältnissen  zeigt  er  sich  in  seinem  Buche  hie  und  da  vertraut 
Die  Forschung  müßte  sich  mit  dieser  Periode  seines  Lebens  noch 
näher  befassen. 


Revue  des  Etudes  Rabelaisiennes.  153 

Daß  Rabelais  den  Doktortitel  schon  trug,  als  er  offiziell  noch 
nicht  dazu  berechtigt  war,  hat  schon  manchmal  Erstaunen  erregt. 
In  zwei  kleinen  Artikeln  weist  nun  Plattard  p.  270/72  u.  p.  396/97 
^Licentiatus  pro  doctore  an  haheaturV''  auf  Grund  einer  Stelle  in 
Tiraqueaus  .^de  legibus  connubialibus''  und  anderen  Zeugnissen  nach, 
daß  das  Licenciatenexanien  die  wahre  Prüfung  war  und  „licentiatus 
in  favorabilibus  habetur  pro  doctore,  quia  <jui  est  in  potentia 
propinqua  actus  videtur  esse  iii  actu",  der  Doktortitel  sei  eine 
Würde,  die  der  Ijicenciat  eo  ipso,  je  nach  Gelegenheit,  früher  oder 
später  erhielt.  Diese  Auffassung  macht  Rabelais'  Usurpierung  des 
Doktortitels  viel  verständlicher,  wenn  sie  ihn  natürlich  auch  nicht 
ganz  rechtfertigt. 

Zur  Vervollständigung  von  Rabelais'  Biographie  tragen  auch  die 
Arbeiten  bei,  welche  sich  mit  Rabelais'  Verhältnis  zu  seinen  Freunden 
oder  Feinden  befassen.  Wie  groß  Rabelais'  Verehrung  für  den 
Richter  Tiraqueau  war,  hat  Barats  Arbeit  über  die  beiden  Freunde 
im  dritten  Bande  der  Rabelaiszeitschrift  gezeigt,  worüber  wir  seiner- 
zeit referiert  haben.  Auf  p.  384/89  des  vorliegenden  Bandes  kommt 
Platt  ard  s.  t.  Tiraqueau  et  Rabelais  noch  einmal  auf  die  Sache 
zurück.  Wie  sehr  die  Ansichten  beider  Männer  hinsichtlich  der 
Renaissance  übereinstimmten,  zeigt  ein  Vergleich  der  Widmung  der 
Briefe  Manardis  an  Tiraqueau  durch  Rabelais  mit  dem  Vorwort  de 
legibus  Tiraqueaus.  Über  die  Renaissance  drücken  sich  beide  Schrift- 
steller beinahe  mit  gleichen  Worten  aus.  Daß  Rabelais  seinen 
Freund  geradezu  drängte,  eine  neue  Auflage  seines  großen  Werkes 
zu  besorgen,  wissen  wir  auch.  Um  so  mehr  fällt  es  auf,  daß 
Tiraqueau  in  dieser  neuen,  außerordentlich  vermehrten  und  be- 
reicherten Auflage,  die  freilich  erst  1545  erschien,  alle  Stellen  unter- 
drückte, die  sich  auf  Rabelais  bezogen,  so  namentlich  die  Be- 
merkung, in  welcher  er  das  allseitige  Wissen  des  jungen  Franzis- 
kaners und  seine  Kenntnis  des  Lateinischen  und  Griechischen  rühmte 
und  das  griechische  Epigramm  Rabelais',  das  er  1524  an  die  Spitze 
seines  Buches  gestellt  hatte.  Mindestens  ebenso  auffällig  ist  es,  daß 
Tiraqueau  in  seinem  neuen  Buche  aus  1549  „c?e  nobilitate'*^  in  dem 
€r  die  Frage  erörterte  „a/i  ars  medicinae  nobilitati  deroget?'"''  und 
eine  Liste  aller  älteren  und  jüngeren  Ärzte  mitteilt,  Rabelais'  Namen 
nicht  erwähnt.  Sollte  Tiraqueau  mit  seinem  früheren  Freunde  zer- 
fallen sein?  Rabelais  scheint  ihn  freilich  stets  verehrt  zu  haben. 
Sogar  im  Vorworte  des  4.  Buches  spricht  er  vom  „ton,  docte,  sage, 
tant  humain,  tant  debonnaire  et  equitable  Andre  Tiraqueau'*. 
Nichtsdestoweniger  ist  jetzt  erwiesen,  daß  unter  den  zwölf  Richtern 
des  Parlaments,  die  am  1.  März  1551  auf  Verlangen  der  theologischen 
Fakultät  den  Verkauf  des  4,  Buches  verboten,  auch  Tiraqueau  sich 
befand.  Beim  großen  Ansehen,  dessen  er  sich  im  französischen 
Richterstande  erfreute,  wäre  es  ihm  ein  Leichtes  gewesen,  diesen  Be- 
schluß zu  hintertreiben,  wenn  er  noch  dieselbe  Wertschätzung  seinem 


154  Referate  und  Rezensionen.     JJemncIi  Schneegans. 

frühereil  Schützling  entgegengebracht  hätte.  Wer  weiß,  ob  der  ernste 
.lurist  sich  nicht  durch  Kabelais'  Beschäftigung  mit  Riesengeschichteu 
verletzt  fühlte?  Wer  weiß,  ob  die  Kritik  der  Juristen  im  3.  Buche 
nicht  die  Mißbilligung  Tiraqueaus  erregt  hatte? 

Daß  Rabelais'  Witz  bei  aller  Gutmütigkeit  doch  sehr  verletzen 
konnte,  das  sehen  wir  auch  aus  sonstigen  Anzeichen.  Bekanntlich 
hatte  er  im  König  Picrochole  einen  ehemaligen  Feind  seiner  Familie, 
Gaucher  de  Sainte  Marthe,  verspottet.  Wie  wir  aus  den 
frühereu  Artikeln  Abel  Lefrancs  in  dieser  Zeitschrift  wissen,  stimmt 
die  Identifizierung  des  Königs  mit  dem  Nachbarn  von  Rabelais'  Vater 
vorzüglich.  Die  Schlösser  und  Güter  Picrocholes  sind  in  Gütern 
(HJer  Besitzungen  Gauchers  wiederzufinden.  Nur  das  Schloß  des  Bois 
de  Vede  hatte  Abel  Lefranc  nicht  identifizieren  können,  bis  er  jetzt 
im  Ms.  530  der  Institut sbibliothek  in  einer  Urkunde,  die  die  Ver- 
teilung von  Gauchers  Gütern  unter  seine  Kinder  enthielt,  auch  den 
Bois  de  Vede  verzeichnet  fand.  Aus  der  Arbeit  Abel  Lefrancs 
..Rabelais,  les  Sainte  Marthe  et  ,.l' enraige''  Patkerhe  p.  335 — 345", 
die  diese  Entdeckung  vorbringt,  geht  auch  hervor,  daß  Gauchers 
Familie  dem  Dichter  seinen  Angriff  niemals  verzieh.  Einer  der 
ärgsten  Feinde  Rabelais',  derjenige,  der  zuerst  die  Legende  des 
„Säufers  und  Fressers  Rabelais"  aufbrachte,  war  Gabriel  de 
Puy-Herbault,  d.  h.  Putherbus  aus  der  Touraine,  der  gegen  ihn 
jenen  berüchtigten  Theotimus  schrieb.  Dieses  fanatische  Buch  fand 
nun  selbst  bei  einem  feinsinnigen  Dichter  und  Platoniker,  der  am 
Hofe  der  Margarete  von  Navarra  den  Ideen  der  Renaissance  hul- 
digte und  von  Haus  aus  gewiß  viel  eher  mit  Rabelais'  Ansichten  als 
mit  denen  eines  fanatischen  Mönches  sympathisiert  hätte,  den 
größten  Beifall.  Und  warum?  Bloß  weil  dieser  Dichter,  Charles 
de  Sainte  Marthe,  der  Sohn  des  im  ersten  Buch  karikierten  Gaucher 
de  Sainte  Marthe  war.  Er  schrieb  dem  Putlierbus,  der  aus  der- 
selben Gegend  stammte  Avie  seine  Familie,  sogar  einen  Brief,  in  dem 
er  ihm  ausdrücklich  gratulierte,  daß  er  dem  Atheisten  und  Epi- 
kuräer  einen  so  empfindlichen  Schlag  versetzt  habe.  So  tiefe  Wunden 
hatte  Rabelais'  Spott  aufgerissen. 

Einen  nicht  minder  leidenschaftlichen  Feind  hatte  Rabelais  in 
seinem  Kollegen,  dem  Arzte  J.  C.  Scaliger.  In  einem  Artikel  der 
letzten  Rabelaiszeitschrift  hatte  bereits  Dr.  de  Santi  einige  be- 
merkenswerte Ausführungen  über  das  Verhältnis  der  beiden  Männer 
vorgebracht.  Auf  p,  29  ff.  des  4.  Bandes  bringt  er  s.  t.  „Rabelais 
et  J.  C.  Scaliger''  die  Fortsetzung.  Zuerst  hält  er  seine  Behaup- 
tung, daß  Rabelais  auf  seiner  Durchreise  durch  Agen  Scaliger 
kennen  gelernt  habe,  eine  Behauptung,  der  in  den  Annales  du 
Midi  widersprochen  worden  war,  aufrecht,  ohne  sie  freilich  durch 
wirkliche  Beweise  stützen  zu  können.  Dann  bringt  er  einiges 
schätzenswerte  Material  vor.  das  auf  die  Beziehungen  der  beiden 
Ärzte   zueinander   ein   interessantes  Licht  wirft.     So   sehen   wir,  daß 


Revue  des  Etudes  Rahelaisiemies.  155 

selbst  ein  Bewunderer  Scaligers,  Jean  Faciot  genannt,  Voulte  de 
Heims,  der  1532 — 1536  in  Toulouse  dozierte  und  in  Lyon  lateinische 
Epigramme  herausgab,  unsern  Schriftsteller  gegen  Scaliger,  der  ihn 
als  einen  rasenden  Menschen  hingestellt  hatte,  in  Schutz  nimmt.  Die 
beiden  Ärzte  waren  nicht  bloß  sehr  verschieden  von  Charakter, 
Sie  gehörten  beide  auch  in  medizinischer  Hinsicht  zwei  ganz  verschiedenen 
Dichtungen  an.  Scaliger  war  ein  Neuerer,  er  stand  unter  dem  Einfluß 
der  Arabisten,  Rabelais  dagegen  achtete  keine  höheren  Autoritäten  als 
Hippokrates  und  Galen.  In  seiner  Widmung  der  Briefe  Manardi's  hatte 
sichRabelais  sehr  deutlich  gegen  dieden  arabischen  Ansichten  huldigenden 
Ärzte  gewandt,  die  ebenso  schlimm  seien  als  die  Krankheiten  selbst. 
Scaliger  war  nicht  der  Mann,  derartige  Angriffe  schweigend  entgegenzu- 
nehmen. In  seiüeu  „E.rercitationes'-'-  und  in  seinem  Dialog  über  die  „Schlaf- 
losigkeit" sparte  er  nicht  mit  Bemerkungen  über  denjenigen,  den  er 
gei^ne  einen  „ Semijnonachus'''  und  Jiistrio''  schimpfte.  Der  Streit 
der  beiden  Ärzte  wird  gewiß  in  weiten  Kreisen  bekannt  gewesen 
sein,  sonst  würde  man  sich  nicht  erklären,  daß  der  Redaktor  des 
5.  Buches,  auch  mehrere  Jahre  nach  Rabelais'  Tod  auf  die  im  Jahre 
1557  erschienenen  Ewercitaiiones  des  Scaliger,  den  er  den  „jeunes 
haires  esmouchetes^'-  an  die  Seite  stellt,  angespielt  hätte. 

Es  ist  bekannt,  daß  man  früher  aus  dieser  Stelle  unter  anderem 
schloß,  daß  Rabelais  das  5.  Buch  nicht  selbst  geschrieben  habe. 
Jetzt  ist  man  freilich  zu  anderer  Überzeugung  gekommen.  Die 
Akten  sind  aber  darüber  noch  nicht  geschlossen,  und  so  bringt  denn 
auch  dieser  Band  der  Rabelaiszeitschrift  einen  Artikel  über  die 
Komposition  des  5.  Buches  ,,aSm/'  le  V.  livre''^  von  W.  F.  Smith 
p.  235/43,  Neues  enthält  dieser  Aufsatz  zwar  sehr  viel;  ich  kann 
mir  aber  nicht  helfen,  mir  erscheint  das  von  Smith  errichtete  Ge- 
bäude auf  sehr  schwachen  Füßen  zu  stehen.  Es  sind  Hypothesen 
und  weiter  nichts.  So  spricht  er  die  Ansicht  aus,  daß  Rabelais 
sein  5.  Buch  in  umgekehrter  Reihenfolge  der  Kapitel  und  zwar  schon 
in  den  30er  Jahren,  zur  Zeit,  als  er  an  seinem  Gargantua,  dem  heutigen 
ersten  Buch,  arbeitete  verfaßt  hätte.  So  hätte  er  denn  schon  1535  den 
Plan  gehabt,  Panurge  eine  Reise  nach  unbekannten  Inseln  unternehmen  zu 
lassen,  um  zu  erforschen,  ob  er  heiraten  solle  oder  nicht.  Er  hätte 
also  sein  3.  Buch  schon  in  petto  gehabt  haben  müssen.  Diese  Auf- 
fassung widerspricht  vollständig  den  neueren  Forschungen,  die  ja  den 
Beweis  erbracht  haben,  daß  das  3.  Buch  seine  Entstehung  dem 
Frauenstreit  verdankt.  Sie  widerspricht  auch  der  Systemlosigkeit, 
mit  der  Rabelais  stets  gearbeitet  hat.  Und  worauf  stützt  Smith 
seine  Annahme?  Darauf,  daß  sowohl  im  1.  Buch,  in  den  Tliele- 
mitenkapiteln  als  auch  im  5.  Buch  in  den  Kapiteln  über  das  Schach- 
turnier, das  Laterneneiland,  das  Orakel  der  göttlichen  Flasche  sich 
einige  Entlehnungen  aus  der  Hypnerotomachia  Poiyphili  finden. 
Er  müßte  damals  das  Buch  in  Händen  gehabt  haben.  Ganz  recht, 
aber  ist  es  deshalb  nötig,    daß    er  es  sofort  für  das  5,  Buch   selbst 


156  Referate  und  Rezensionen.     Heimicli  Schneegans. 

benutzt  habe?  Auch  die  Annahme,  daß  er  die  Kapitel  über  das 
Läuteiland  in  Turin  unter  dem  Eindruck  eines  Besuches  in  Rom 
geschrieben  habe,  erscheint  mir  sehr  schwach.  Rabelais  ist  doch 
sehr  häufig  in  Rom  gewesen,  auch  nach  Franz'  I,  Tod.  Ebenso  un- 
begründet kommt  mir  die  Vermutung  vor,  daß  die  Kapitel  über 
Grippeminauld  und  die  Chats  fourres  durch  Clement  Marots 
Enfer  hervorgerufen  und  darum  gleich  nach  dessen  Erscheinen 
verfaßt  sein  müßten.  Das  sind  alles  Phantasien,  die  vor  einer  ernst- 
haften Kritik  nicht  bestehen  können. 

Auch  hinsichtlich  der  Datierung  des  4.  Buches  sind  wir  noch 
insofern  nicht  ganz  genau  unterrichtet,  als  das  Verhältnis  der  zuerst 
ed.  Kapitel  zu  den  späteren  nicht  ganz  sicher  feststeht.  Aus  einem 
vor  kurzem  erschienenen  Buche  ,,Gigon,  La  Revolte  et  la  Gabelle 
en  Gmjenne'-'-  1548 — 1549,  Paris,  Champion  1906,  welches  die 
Chronologie  der  „Salzrevolte"  in  diesen  Provinzen  näher  bestimmt, 
ließen  sich  nach  Plattards  Meinung  für  die  Entstehung  von 
Rabelais'  4.  Buch  sichere  Gesichtspunkte  gewinnen.  So  vor  allem, 
daß  Kap.  66,  welches  eine  Anspielung  auf  die  Revolte  enthält,,  nicht 
zur  teilweisen  Ausgabe  von  1548,  sondern  zu  der  von  1552  gehört. 

Von  Rabelais  redigiert  ist  bekanntlich  die  Chronique.  Nach 
einer  Mitteilung  Henri  Omonts  in  der  Acadimie  des  Inscriptions^ 
über  welche  J.  Boulenger  in  der  Chronique  p.  289  referiert,  hätte 
nun  der  Bibliothekar  der  Universität  Montpellier  Fecamp  eine  bis- 
her unbekannte  Ausgabe  dieser  Chronique  ausfindig  gemacht,  die 
aus  der  Buchdruckerei  Alain  Lotrian  und  Denys  Ja  not  herrührt. 
Die  Ausgabe  läßt  sich  am  besten  derjenigen  von  Besanron  an  die 
Seite  stellen,  weist  aber  doch  einige  Verschiedenheiten  auf,  die 
p.  289/290  namhaft  gemacht  werden.  Daß  Rabelais  mit  der  Be- 
hauptung, die  Chronique  hätte  außerordentlich  großes  Aufsehen  er- 
regt. Recht  hatte,  geht  aus  einer  Mitteilung  Abel  Lefrancs  am 
Schlüsse  unseres  Bandes  hervor,  aus  der  wir  erfahren,  daß  in  der 
Farce  des  Maistre  Mimin  le  Goutteux  eine  ausdrückliche  dies- 
bezügliche Bemerkung  sich  findet. 

Wie  in  den  vorigen  Bänden  der  Zeitschrift,  so  hat  auch  in 
diesem  die  Deutung  einiger  Personen  des  Romans  weitere  Fortschritte 
gemacht.  Eine  wichtige  Streitfrage  dreht  sich  schon  lange  um  den 
Punkt,  ob  der  Riese  Gargantua  bereits  vor  Rabelais  eine  volkstüm- 
liche Gestalt  war,  oder  ob  sie  auf  Rabelais'  Erfindung  beruht. 
Früher  stützte  sich  die  erstere  Annahme  auf  Charles  de  Bour- 
dignes  Legende  de  Pierre  Faifeu,  deren  Entstehung  man  aus  der 
Zeit  vor  der  Chronique  ansah,  und  die  von  einem  Gargantua  qui 
a  chepueidx  de  plastre  sprach.  Seitdem  aber  Abel  Lefranc  nach- 
gewiesen hatte,  daß  die  LSgende  erst  am  1.  März  1532  fertig  ge- 
worden ist,  hatte  man  diese  Annahme  wieder  fallen  lassen.  Mit 
Recht  macht  nun  A.  Thomas  p.  216 — 223  s.  t.  „Gargantua  an 
(sie)  Limousin  avant  Rabelais"'  darauf  aufmerksam,  daß  trotz  der 


Revue  des  Etudes  Rabelaisiennes.  157 

späten  Datierung  die  Erwähnung  des  gipshaarigen  Riesen  doch 
auf  eine  Sage  schließen  läßt,  die  mit  Rabelais'  Darstellung  nichts  zu 
tun  hat.  Er  teilt  auch  eine  Stelle  aus  einem  Registre  des  comptes 
du  receveur  de  Veveque  de  Limoges  ä  S^  Leonard^  1467 — 1475, 
mit,  wo  von  einem  gewissen  Gargantuas  erzählt  wird,  daß  er  zwei 
Tage,  vom  4.  bis  5.  Februar  1471  in  der  „Säle''  d.  h.  im  Palast 
des  Bischofs  von  Limoges  wohnte.  Gargantua  wird  wohl  hier  ein 
Spitzname  sein.  Jedenfalls  ist  aber  dadurch  das  Vorkommen  des 
Namens  vor  Rabelais  erwiesen.  Interessant  ist  auch,  daß,  wie 
Pierre  Champion  p.  273/276  „Une  mention  inconnue  du  nom 
de  Gargantuas'^  sagt,  in  einer  Sotie  aus  Rouen,  die  wohl  gegen 
1540  veröffentlicht  wurde,  ein  Gargantuas  erwähnt  wird,  von  dem 
es  heißt  „quant  il  trebuca  axix  enfers'^.  Der  Text  stammt  zwar 
aus  späterer  Zeit  als  die  Chronik,  aber  sowohl  die  Form  auf  -aSj 
als  auch  die  Erwähnung  der  Höllenfahrt  weist  auf  eine  von  Rabelais 
unabhängige  Sage  hin.  Die  Form  auf  -as  könnte  sehr  gut  die  ur- 
sprüngliche sein;  sie  könnte  recht  wohl,  wie  Lucien  Pinvert  in 
der  Chronique  mitteilt,  den  Kalauer  Rabelais'  „Que  grand  tu  as/''' 
erleichtert  haben.  Da  in  as  -s  stumm  war,  konnte  Rabelais  um  so 
eher  Gargantua  annehmen.  Diese  Endung  -as  führt  auch  Dr. 
Albarel  p.  391/3  „Origine  du  mot  Gargantua^''  zu  recht  be- 
merkenswerten Vermutungen.  In  den  Dialekten  des  Languedoc  hat 
-as  augmentative  Bedeutung  (cf,  homenas,  fadas  bei  Rabelais  selbst). 
Die  ursprüngliche  Form  des  Namens  könnte  Gargantu  sein,  dem 
dann  ein  Suffix  -as  hinzugefügt  worden  wäre.  Was  die  Bedeutung 
des  Stammes  betrifft,  ist  Albarel  der  Ansicht,  es  könnte  sehr  wohl 
wie  Grandgousier,  Gargamelle  =  Gargamelo,  Badehec  (hadare 
=  ouvrir  largemeni,  hec  =  bouche)  etwas  mit  „Kehle"  zu  tun  haben. 
Auch  Gargantuas  Vorfahren,  die  Riesen  Gaioffe,  Galafre^  Galehaut 
=  Galaliu  oder  Galagu  tragen  Namen,  die  im  südlichen  Patois  die 
Bedeutung  goidu,  goinfre  haben.  Südfranzösisch  und  spanisch  heißt 
garganto  die  Kehle.  Ein  südfranzösischer  Ursprung  ist  aber  wegen 
des  Verbleibens  von  g  vor  a  wahrscheinlich,  wie  schon  Thomas 
vermutet  hatte  (wenn  nicht  etwa  Ursprung  aus  der  Picardie  ange- 
nommen werden  soll).  In  zahlreichen  volkstümliclien  Sagen  kommt 
der  Riese  Gargantian  oder  Gargantuan  übrigens  in  der  Provence 
vor.  In  Pierrelate  (Petralata)  im  Departement  der  Dröme  erkennt 
die  Volk&phantasie  einen  Kieselstein,  den  der  Riese  aus  seinem 
Schuh  herausgenommen  hatte.  Es  wäre  merkwürdig,  daß  von 
Rabelais'  Helden  nur  Gargantua  so  populär  geworden  wäre;  warum 
nicht  Pantagruel?  Das  Vorkommen  des  Namens  vor  Rabelais  läßt 
eine  ältere  Sage  jedenfalls  als  sehr  möalich  erscheinen. 

Neben  Gargantua  hat  in  vorliegendem  Band  der  Rabelais- 
zeitschrift namentlich  Quaresmeprenant  (IV  30—33)  die  Auf- 
merksamkeit der  Gelehrten  auf  sich  gezogen.  Während  man  früher 
diesen  Kapiteln  ziemlich  ratlos  gegenüberstand,  kann  man  sich  docb 


158  Referate  und  Rezensionen.     Ueimich  Schneegans. 

jetzt  dank  den  P'orschungen  zweier  Mediziner,  des  Anatomieprofessors 
Le  Double  aus  Tours  und  des  Dr.  Albarel  etwas  genauere  Vor; 
Stellungen  von  diesem  merkwürdigen  Wesen  machen.  Le  Double  in 
seinem  Buch  „Rabelais  anatotniste  et  physiologiste^ ,  dann  in  dieser 
Zeitschrift  p.  250/263  „Quelques  contenances  de  QuaresmeprenanP' 
und  Albarel  p.  49/59  ^La  Fsycologie  et  le  temperament  de  Quares- 
meprenant"  zeigen,  daß  dieses  merkwürdige  "Wesen  einen  Menschen 
darstellt,  der  sich  fortwährend  mit  seinen  Sünden  beschäftigt,  sich 
immerzu  auf  die  Brust  schlägt,  meistens  wegen  seiner  Fehler  weint, 
ohne  Gedächtnis  ist,  unfähig  ist,  irgendein  Urteil  zu  fällen,  konfus, 
indiskret,  willenlos.  Nach  Vorbild  der  damaligen  Ärzte,  die  sich 
sehr  viel  mit  den  Temperamenten  der  Menschen  abgaben,  so  z.  B. 
Ambroise  Pare,  macht  Rabelais  aus  seinem  Quaresmeprenant  ein  halb 
melancholisch,  halb  phlegmatisch  angelegtes  Wesen.  Nach  Le  Double 
wäre  er  aber  auf  Grund  von  Rabelais'  Beschreibung  trotzdem  für  die 
Reize  der  Frau  Venus  nicht  unerapfänglifti.  Aus  der  sehr  schwer 
verständlichen  Schilderung  Rabelais'  wäre  das  Alles  mit  ziemlicher 
Sicherheit  zu  erschließen.  Die  Artikel  der  beiden  Mediziner  werden 
gewiß  für  den  künftigen  Kommentar  Rabelais'  von  großem  Wert 
sein.  Hoffentlich  gelingt  es  der  Forschung  im  Laufe  der  Zeit  noch 
Näheres  über  Quaresmeprenant  festzustellen. 

Von  anderen  Persönlichkeiten  seines  Buches  sind  überraschende 
Deutungen  gelungen.  So  hat  es  Abel  Lefranc  auch  jetzt  wieder  ver- 
mocht, auf  Jamet  Brahier^,  den  Lotsen  von  Pantagruels  Flotte  im 
4.  und  5.  Buch  helles  Licht  zu  werfen.  Er  hatte  ihn  früher  mit 
Jacques  Cartier  identifiziert  und  sich  den  Vornamen  Jamet 
(Diminutiv  von  Jacques)  aus  dem  des  Vaters  Cartiers,  sowie  den 
Familiennamen  Brahier  aus  dem  bretonischen  breizard,  breihad 
(qui  porte  des  braiesj  erklärt.  Jetzt  ist  es  ihm  gelungen,  engere 
Beziehungen  zwischen  diesem  Jamet  Brahier  und  Rabelais  zu  finden. 
Jamet  Brahier  ist  nämlich  ein  Kaufmann  aus  der  Touraine,  der  auf 
der  Loire  und  anderen  Flüssen  der  Touraine  Schiffahrt  trieb  und 
obendrein  mit  Rabelais'  Bruder  Jamet,  der  gerade  wie  er  eine 
Gaudete  geheiratet  hatte,  verwandt  war.  So  hat  denn  Rabelais 
auch  hier  wieder  zwischen  seinem  phantastischen  Roman  und  seiner 
Familie  Beziehungen  herzustellen  gewußt. 

Auch  die  Erforschung  der  bei  Rabelais  vorkommenden  Orts- 
namen erfährt  in  unserem  Band  weitere  Förderung.  Gerade  wie 
Clouzot  1904  die  Topographie  des  Poitou  zusammengestellt, 
bietet  uns  jetzt  Patry  p.  369 — 383  eine  nach  demselben  sehr 
praktisch  angelegten  Plane  geordnete  Topographie  der  Sain- 
tonge.  —  Die  zahlreichen  Ausdrücke  und  Redensarten,  die  sonst 
noch  an  zerstreuten  Stellen  der  Zeitschrift  erklärt  werden,  alle  an- 
zuführen, ist  uns  unmöglich.  Für  den  künftigen  Kommentator  sind 
alle  diese  Miszellen  von  größtem  Wert.  Auch  in  dem  Artikel  von 
Henri  Clouzot  über    „les  commentaires  de  Perreau  et  V aiphabet 


Revue  des  Etudes  Rahelaisiennes.  159 

de  tauten?'  fr anpais,  p.  59  ff.",  dessen  Verhältnis  zu  der  Amster- 
damer Ausgabe  erörtert  wird,  dürfte  ein  künftiger  Kommentator 
Rabelais'  nicht  vorübergehen,  ohne  es  zu  beachten. 

Aber  nicht  bloß  mit  Rabelais  selbst,  auch  mit  Büchern,  die 
mit  ihm  im  Zusammenhang  stehen,  gibt  sich  der  4.  Band  unserer 
Zeitschrift  ab.  So  erfahren  wir  aus  W.  F.  Smith'  Aufsatz  „Ra- 
belais et  Servius  p.  349  ff.",  daß  sich  Rabelais,  als  er  sich  in 
Saint-Maur  befand,  sehr  eifrig  mit  dem  Studium  der  Moralia  des 
Plutarch,  mit  Ovid,  Plinius,  besonders  mit  dem  umfangreichen  Kom- 
mentar des  Grammatikers  Servius  zu  Virgil  beschäftigt  habe.  Smith 
bringt  alle  Stellen  aus  Servius  zusammen,  die  Rabelais  für  sein 
3.  Buch  benutzt  haben  konnte,  freilich  kommt  es  mir  vor,  als  ob  er 
auch  hier  zu  viel  beweisen  wollte. 

Daß  Rabelais  in  sehr  engen  Beziehungen  zum  Frauenstreit  des 
16.  Jahrhunderts  stand,  haben  wir  aus  Abel  Lefrancs  Forschungen 
erfahren.  So  werden  wir  uns  nicht  wundern,  in  der  Zeitschrift  auch 
einen  sehr  ausführlichen  Aufsatz  über  einen  Hauptkämpen  in  diesem 
Streit  zu  finden,  „Gratian  du  Pont,  sieur  de  Drusac  et  les  femmes, 
von  Charles  Oulmont  p.  1  ff.,  p.  135  ff.  Zur  Zeit  als  Jehan 
Beuchet  mit  seinen  „Trioiiiphes  de  la  noble  et  amoureuse  dame*^ 
in  den  Frauenstreit  eingriff,  stellte  sich  auch  Drusac  mit  seinen 
y,Controverses  du  sexe  masculin  et  feminin^''  auf  den  Plan.  Die 
Geschwätzigkeit  der  Frauen,  ihre  Verleumdungssucht,  ihren  Hoch- 
mut, ihre  Neigung  zu  Lug  und  Trug  satirisiert  er  äußerst  scharf. 
Den  Frauen  schiebt  er  alles  mögliche  Unglück  in  die  Schuhe,  so 
den  Verlust  Trojas  und  Roms,  ja  er  wirft  sogar  einer  Römerin  vor, 
den  Teufel  betrogen  zu  haben.  Sehr  interessant  ist  die  Liste  der 
von  Drusac  benutzten  Quellen,  die  Oulmont  anführt;  er  benutzte  die 
Werke  von  Juristen,  Naturforschern,  Encyclopädisten,  Rhetoren, 
Grammatikern,  Humanisten,  Dichtern,  auch  Theologen.  Seine  Haupt- 
gewährsmänner sind  aber  neben  dem  bekannten  Nevizan  auch 
Thomas  Illyricus,  ein  berühmter  Prediger,  den  Drusac  in  Tou- 
louse gehört  hatte  und  welcher  gegen  Luther  und  die  Frauen  ge- 
wettert hatte,  die  durch  ihre  Sittenlosigkeit,  ihre  verbrecherische 
Schwäche,  sowie  ihre  Reize  die  Reformation  ins  Leben  gerufen  hätten. 

Wie  sehr  Rabelais  seine  Zeitgenossen  beschäftigte,  wird  uns 
auch  aus  einigen  Miszellen  des  vorliegenden  Zeitschriftenbandes  klar. 
So  sehen  wir  aus  vier  p.  73  von  Paul  Barbier  fils  zitierten 
lateinischen  Versen  Pasquiers,  auf  welchen  Standpunkt  man  sich 
im  16.  Jahrhundert  stellte,  um  den  großen  Satiriker  zu  beurteilen. 
Der  Arzt  Jean  le  Bon,  f  1583,  zitiert  auch  öfters  Rabelais.  Ein 
anderer  Mediziner,  Paul  Reneaume,  der  um  die  Wende  des 
16.  zum  17.  Jahrhundert  in  Blois  lebte,  versuchte  einen  Brief 
Rabelais'  zu  erklären,  in  dem  er  Gargamelle  mit  der  Mutter  Franz'  L 
identifizierte  und  den  Witz  Rabelais'  „Qwe  grand  tu  as!"  auf 
Franz'  L    große   Nase  bezog.      Ein    Historiker    der    Basse    Marche, 


160  Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

Robert  du  Dorat  (cf.  darüber  Henri  Clouzot  p.  394/;3  „Za 
Deviniere  conire  la  Deviniere")  machte  sieb  Rabelais'  Berühmtheit 
als  Weinkenner  zu  Nutze,  indem  er  den  von  ihm  gerühmten  Wein 
der  Deviniere  mit  seinem  eigenen  Wein  aus  der  Gegend  bei  Availles 
identifizierte.  Daß  Rabelais  selbst  aufs  Ausland  großen  Einfluß 
ausübte,  zeigt  Pirenne  p.  224/5  s.  t.  „Rabelais  dans  les  Rays 
-Bas^',  indem  er  auf  die  Art  hinweist,  wie  ihn  Philippe  de 
Marnix  de  Sainte-Aldegonde  in  seinem  Tahleau  des  differends 
de  la  Religion  nachahmte.  Übrigens  ist  das  nicht  so  neu,  wie  V. 
anzunehmen  scheint.  In  meiner  Geschichte  der  grotesken  Satire 
habe  ich  seiner  Zeit  schon  ausführhch  davon  gesprochen. 

Wie  sich  bis  in  die  Neuzeit  hinein  die  Verehrung  Rabelais' 
selbst  bei  Männern  kundgibt,  die  unserem  Dichter  nur  als  Laien 
gegenüberstehen,  zeigt  auch  der  Artikel  ..Rabelais  et  Flauherf^ 
p.  77,  aus  dem  Flauberts  Liebe  zum  großen  Erzähler  hervorgeht. 
Beim  Kunstsinn  Flaubert's  wird  uns  das  weniger  wundern.  Mehr 
Aufsehen  dürfte  es  dagegen  erregen,  daß  selbst  ein  Beamter,  der 
Sousprefet  von  Gannat,  Boulanger  am  7.  Januar  1906  in  der 
Mairie  seiner  Residenz  einen  Vortrag  über  Rabelais  hielt.  Freilich 
machte  er  aus  ihm  —  dem  gegenwärtig  in  Frankreich  wehenden 
Winde  zu  Liebe  —  einen  ..socialiste  tres  utilitaire,  mais  cependant 
loyaliste''.  Auch  in  Lüttich  hielt  Celestin  Demblou  eine  Vor- 
lesung über  Rabelais. 

In  entfernterem  Zusammenhang  mit  Rabelais  stehen  schließlich 
noch  zwei  Artikel  der  Zeitschrift  „Rabelais  et  les  saints  prSposes 
aiix  maladies''  von  Dr.  Folet  p.  200 — 216  und  „Les  voyages 
merveilleu.'v  de  Cyrano  de  Bergerac  et  de  Steift  et  leurs  rapports 
avec  Vwuvre  de  Rabelais"'  p.  29.5 — 334  von  Pietro  Toldo  1.  Teil. 
Im  ersten  Teil  knüpft  V,  an  die  bekannte  Stelle  im  45.  Kapitel  des 
1.  Buches  an,  in  dem  sich  Rabelais  darüber  ereifert,  daß  von  ge- 
wissen Priestern  gepredigt  werde,  diese  oder  jene  Heiligen  könnten 
den  Menschen,  auf  die  sie  wütend  seien,  Krankheiten  zufügen. 
Solche  Priester  sollte  man  bestrafen,  sagt  er,  denn  sie  seien  ein 
wahrer  Krebsschaden  für  die  Seelen  der  armen  Leute,  denen  sie 
derartige  Ansichten  beibrächten.  Um  ein  bloßes  Phantasiegebilde 
handelt  es  sich  hier  bei  Rabelais  nicht.  Im  16.  Jahrhundert  war, 
wie  V.  zeigt,  die  Ansicht  weit  verbreitet,  daß  die  Heiligen  die 
Krankheiten  zufügen  können,  von  denen  sie  sonst  heilen.  Gegen 
Aberglauben  kämpften  die  Reformierten  in  Frankreich,  so  Calvin 
im  TraitS  des  reliques  und  Henricus  Stephanus  in  der  Apologie 
pour  HSrodote  mit  derselben  Entrüstung  wie  die  Protestanten  in 
Deutschland  gegen  den  Ablaß.  Wie  diese  merkwürdige  Auffassung, 
die  übrigens  nicht  offiziell  von  der  Kirche  anerkannt  wurde,  aber 
vollständig  zum  Volksglauben  geworden  war,  von  den  heidnischen 
Gebräuchen  allmählich  ins  Christentum  eingedrungen  war,  erhellt  V. 
an  verschiedenen  Beispielen. 


Louis  DelarneUe.     Repertoire  analyiigue  et  chronotogique.       161 

Im  2.  oben  erwähnten  Artikel  bietet  uns  Toldo  den  Anfang 
einer  viel  versprechenden  Studie  über  die  abenteuerlichen  Eeisen 
bei  Cyrano  de  Bergerac  und  bei  Swift.  Nach  einer  ein- 
gehenden Analyse  von  Cyrano's  Werken  zeigt  er,  wie  dieser  vielfach 
auf  Campanella's  Civitas  solis,  auf  Lucians  Totendialoge,  auf  Ariost 
und  hie  und  da  auf  Rabelais  zurückgehe.  Swift's  Beziehungen  zu 
Rabelais,  die  bisher  nur  in  einem  ungenügenden  Programm  behandelt 
worden  sind,  hat  V.  in  diesem  Artikel  noch  kaum  untersucht.  Er 
macht  nur  darauf  aufmerksam,  daß  Swifts  Reisen  des  Gulliver,  die 
mit  Sindbad,  des  Seefahrers  Geschichte  in  1001  Nacht  und  mit 
Philos  tratus'  Iconum  über  secundus  manches  Gemeinsame  haben, 
im  Vergleich  zu  Gargantua  und  Pantagruel's  Abenteuern  den  Ein- 
druck des  wohl  Überlegten  und  bis  ins  Einzelne  systematisch  Aus- 
geklügelten machen.  Hoffentlich  bringt  der  nächste  Band  der  Zeit- 
schrift die  Fortsetzung  der  interessanten  Arbeit. 

Aus  unseren  Darlegungen  wird  wohl  hervorgehen,  wie  reich  und 
mannigfaltig  der  Inhalt  auch  dieses  vierten  Bandes  der  Rabelais- 
zeitschrift ist.  Auch  zahlreiche  Rezensionen,  auf  die  wir  nur  z.  T. 
haben  hinweisen  können,  vervollständigen  den  vortrefflichen  Eindruck, 
den  auch  diese  neue  Publikation  der  Rabelaisgesellschaft  macht. 

WtJRZBURG.  Heinrich  Schneeganb. 


Delariielle,  Louis.     Repertoire  analytique   et   chronologique  de 
la  correspondance  de  Guillaumeßudi.  Toulouse,  E.  Privat. — 
Paris,  E.  Cornely  et  C^«.     1907.     XX- 251  S.  8". 
—  —     Etudes   sur   Vhumanisme  francais.     Guillanme  Bude,  les 
origines,  les  dihuts,  les  idies  maitresses.    Paris  H.  Champion 
1907.  XL-290  S.  S^. 
Beide    Bücher    sind    als    Ergänzungen    gewollt    und   geben    in 
glücklicher  Weise  ein  vortreffliches  Bild  von  der  Wirksamkeit  Budes 
und  seinem  Anteil    an   der  humanistischen  Bewegung  i.i    Frankreich. 
Der  Verfasser,  der  schon  wiederholt  mit  der  Behandlung  von  Einzel- 
fragen aus  der  Geschichte    des  Humanismus    hervorgetreten    ist,    hat 
in  seinem  Repertoire  de  la  correspondance  de  G.  Bude    die   weit- 
ausgedehnte   Korrespondenz  Budes    in    chronologischer    Folge,    Brief 
für  Brief,    analysiert    und    ihre  Benutzung   durch   einen  reichhaltigen 
ergänzenden  Kommentar  wesentlich  erleichtert    oder    vielmehr   über- 
haupt   erst  ermöglicht.      Denn  bisher  hat  Budes  Korrespondenz  nur 
wenig  Beachtung    und   noch    weniger  Verwertung  gefunden,    ein  Um- 
stand,   an    dem    die   nur  mühsam  zu  entziffernde  Schreib-  und  Aus- 
drucksweise Budes  mit  ihre  Schuld  trägt.     Delaruelle  hat  mit  einem 
glücklichen  Griff   diese   Schwierigkeit    gehoben,    indem    er    den  Text 
der  Budeschen  Korrespondenz    durch    genaue  Aanlysen    des   Inhalts 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII 2.  11 


162  Referate  und  Rezensionen.     Kurt  Glaser. 

der  einzelnen  Briefe  ersetzt  und  durch  ausführliche  Sacherläuterungen 
der  Benutzung  zugänglich  gemacht  hat.  Zugrunde  gelegt  hat  De- 
laruelle  für  seine  Analysen  die  drei  Briefsammlungen,  welche  Bude 
in  den  Jahren  1520,  1522  und  1531  selbst  besorgt  hat.  Die  aus 
den  Budeschen  Sammlungen  gewonnenen  160  Briefe  sind  durch  15 
anderen  Quellen  entnommene  Briefe  ergänzt  worden.  In  dankens- 
werter Weise  hat  sich  Delaruelle  auch  der  umständlichen  und  schwie- 
rigen Aufgabe  unterzogen,  die  Abfassungszeit  der  einzelnen  Briefe  — 
soweit  das  Fehlen  direkter  Anhaltspunkte  noch  eine  besondere  Er- 
mittlung notwendig  machte  —  festzustellen. 

Das  Repertoire  de  Ja  correspondance  de  G.  Budi  ist  eine 
wertvolle  Materialergänzung  zu  der  umfassenden  literarischen  und 
kritischen  Behandlung  und  Würdigung  der  schriftstellerischen  Tätig- 
keit Budes,  welche  die  zweite,  uns  bis  jetzt  nur  in  ihrem  ersten  Teil 
vorliegende  Arbeit  Delaruelles  enthält.  Delaruelles  Buch,  welches 
aus  den  Anregungen  von  de  Nolhac  und  Brunot  hervorgegangen  ist, 
läßt  seine  älteren  Vorgänger  (s,  Avant-propos  S.  XIII)  weit  hinter 
sich  und  verdient  wegen  seiner  Gründlichkeit  und  der  Reichhaltigkeit 
und  Vielseitigkeit  seines  Inhalts  die  wärmste  Empfehlung,  und  zwar 
nicht  bloß  bei  dem  engen  Kreis  von  Kennern  und  Forschern  der 
Geschichte  des  Humanismus,  auf  welche  der  Verfasser  selbst  in  erster 
Linie  rechnet  (s.  Avant-jyropos  S.  IX).  Die  Darstellung,  soweit  sie 
der  erste  Teil  enthält,  ist  bis  zum  Erscheinen  der  „Institution  du 
Prince'-^  geführt,  und  in  der  Tat  war  der  Verfasser  berechtigt,  bei 
diesem  Zeitpunkt  anzuhalten,  denn  der  kurz  darauf  erfolgte  Eintritt 
Budes  an  den  Hof  von  Franz  I.  bezeichnet  eine  neue  Periode  seiner 
Tätigkeit  und,  wenn  man  den  Einfluß  erwägt,  den  Bude  in  der 
Folgezeit  zugunsten  des  Humanismus  auf  den  König  ausgeübt  hat, 
zugleich  auch  einen  neuen  wichtigen  Punkt  in  der  Geschichte  des 
Humanismus.  Mit  Recht  hat  Delaruelle  die  Schilderung  der  Tätig- 
keit Budes  in  Zusammenhang  mit  der  Schilderung  der  humanistischen 
Bewegung  gestellt.  Das  erste  Kapitel  seines  Buches,  fast  60  Seiten 
umfassend,  ist  den  Vorläufern  Budes,  besonders  G.  Flehet,  R.  Ga- 
guien,  Guillaume  Tardif  und  Lefevre  d'Etaples,  gewidmet.  Das 
2.  Kapitel  schildert  Budes  Familie,  seine  Jugend  und  sein  erstes 
literarisches  Hervortreten.  Wir  erhalten  hier  ein  klares  und  an- 
schauliches, auf  gründlicher  Forschung  beruhendes,  bis  in  einzelne 
und  kleine  Züge  getreues  Bild  von  dem  Entwicklungs-  und  Werde- 
gang Budes  in  der  ersten  Zeit.  Das  nächste  Kapitel  (S.  93 — 129) 
zeigt  Bude  bereits  in  der  vollen  Entfaltung  seiner  Kräfte  und  auf 
der  Höhe  seines  Schaffens  in  den  „Annotations  aux  Pandectes^',  in 
denen  er  den  Kampf  gegen  das  verderbte  Juristenlatein  seiner  Zeit 
siegreich  aufnimmt  und  durch  seine  oft  erstaunlich  reichhaltigen 
sprachlichen  Erläuterungen  zugleich  der  Erforschung  der  lateinischen 
Sprache  einen  beachtenswerten  Dienst  geleistet  hat.  Delaruelle  hebt 
in  Budes   ,Annotations'    mit   Recht    nicht    bloß    den    philologischen 


Louis  Delarnelle.     Repertoire  analytique  et  chronologique.       163 

Charakter  hervor,  sondern  auch  die  Züge,  die  uns  Bude  als  Kämpfer 
für  das  humanistische  Ideal  naheführen  und  sein  vielseitiges  Interesse 
zeigen,  welches  sich  selbst  bis  auf  praktische  Fragen  der  Politik  er- 
streckt und  ihn  zu  Angriffen  auf  die  Verderbnis  seiner  Zeit,  auf  die 
Schäden  im  Justizweseu,  in  der  Geistlichkeit  sowie  in  den  Verhält- 
nissen am  Hofe  und  in  den  hohen  Würden  des  Staates  übergehen 
und  in  echt  humanistisclier  Verehrung  des  Altertums  für  P'rankreich 
sogar  eine  Verfassung  nach  dem  Muster  derjenigen  von  Plato  und 
Aristoteles  wünsclien  läßt.  Man  muß  das  Geschick  anerkennen,  mit 
dem  Delaruelle  diese  vielartigen  Züge  auseinandergesetzt  hat,  Züge, 
die  sich  auch  in  Budes  nächstem  Werk,  dem  Münztraktat  .De  asse' 
wiederfinden.  Unter  der  Feder  Budes  gewinnen  die  trockenen  Aus- 
führungen über  die  antiken  Münzen  Leben  und  Frische  und  lassen 
überall  in  zuweilen  weitschweifigen,  mit  dem  Gegenstand  des  Buchs 
oft  in  keiner  Beziehung  stehenden  Ausführungen  die  Anschauungen 
des  in  humanistischem  und  patriotischem  Eifer  kämpfenden  Literaten 
zum  Durchbruch  kommen.  Besonders  hingewiesen  sei  hier  nur  auf 
einen  literarhistorisch  besonders  interessanten  Punkt  in  den  umfang- 
reichen, sich  auf  zwei  Kapitel  erstreckenden  Darlegungen  Delaruelles, 
nämlich  auf  das  Verhältnis  der  Pleiade  zu  Bude  (S.  161  ff.  i)  Wie 
scharf  Delaruelle  Budes  Vielseitigkeit  zu  fassen  und  zu  würdigen  weiß, 
mag  als  Probe  die  das  5.  Kapitel  abschließende  Charakteristik  zeigen,  in 
die  er  sein  Urteil  über  dieSchrift  ,Z^g^sse'und  ihren  Verfasser  zusammen- 
faßt: ,Ce  travaillexir  infatigahle,  qu'on  se  represente  comme  vivant 
nniquement  dans  ses  livres,  a  su  garder  tres  vive  en  lui  la  pre- 
occupation  des  choses  de  son  temps.  II  nest  pas  de  ceu.v  qui 
se  fönt  une  äme  antique  ä  force  d'etre  en  contact  avec  les  ecrivains 
anciens.  11  a  su  rester  un  komme  de  son  Spoque;  iL  en  repre- 
sente les  idees  et  les  sentiments  essentiels,  mais  avec  plus  de  pro- 
fondeur  et  de  generosite.  Et  il  est  aussi  hon  chretien  qiion  l'est 
autour  de  lui,  dans  sa  famille,  parmi  ses  amis.  II  Vest  meme 
avec  plus  de  ferveur,  sa  nature  morose  Vinclinant  au  repliement 
sur  soi-mnne  et  ä  la  meditation  solitaire.  Somme  toute,  il  nous 
reprhente  tres  hien  tadaptation  de  la  culture  antique  aux  tra- 
ditions  de  Vesprit  franpais,  aux  hesoins  de  notre  temperament 
national.  11  y  a  la,  cependant,  une  contradiction  que  nous  avons 
dejä  dSnoncee  et  qui  ruinait  par  avance  Vwuvre  ä  laquelle  s'etait 
voue  ßude.  C'est  en  latin  qu'il  fait  l'apologie  de  la  nation  fran- 
cais\  c'est  le  latin  qui  sera,  la  langue  des  ecrivains  francais  quHl 
souhaite  de  voir  paraitre.  Ses  id^es  allaient  contre  le  cours 
iiaturel  des  choses  et  faisaient  violence  ä  un  instinct  qui  Statt 
alors  general.  11  ne  pouvait  donc  reussir  ä  fonder  ce  que 
fappellerais  un  humanisme  franrais.    II  a  fait  mieux:  il  a  donnS 

1)  Vgl.  auch   Delaruelles  P>emerkungen    im    Bnlkün   de    Vnniversi(>^   dt 
Lille  1904,  S.  137. 

11* 


164  Referate  und  Rezennonen.     Oscar  Bloch. 

conscience  ä  ses  compatriotes  des  sentiments  divers  qui  sagitaieni 
en  eux,  il  leur  a  rendu  confiance  en  eux-memes;  c'itait  les  en- 
courager  ä  redire  en  frangais  ce  qu'il  avait  dit  en  latin.  A  son 
insu,  il  se  faisait  Vouvrier  de  cette  lente  evolution  qui  devait  nous 
donner  enßn  une  littSrature  ä  la  fois  classique  et  nationale.' 

Das  letzte  (6.)  Kapitel  behandelt  den  ,Recueil  d'apophtegmes', 
oder,  wie  der  spätere  und  bekanntere  Titel  lautet,  die  ^Institution 
du  prince'.  Delaruelle  ist  auf  den  noch  unedierten  und  so  gut  wie 
unbekannten  Urtext  zurückgegangen,  welchen  das  Manuskr.  5103  der 
Arsenalbibliothek  zu  Paris  aufbewalirt.  Je  seul  qui  presente  des 
garanties  d''aiithenticite  et  qu''on  jndsse  Studier  comme  itant  vrai- 
ment  Vceuvre  de  Guillaume  Bude'  (S.  200),  Die  ausführliche 
Analyse  des  Traktats  und  die  mit  ihr  verbundene  Würdigung  geben 
eine  wichtige  Ergänzung  zu  der  jüngsten  Abhandlung  über  den  gleichen 
Gegenstand.2) 

Marburg.  Kurt  Glaser. 


Hllguet,  Edmond.  Petit  glossaire  des  Classiques  Frangais  du 
XVIP  siede,  contenant  les  mots  et  locutions  qui  ont 
vieilli  ou  dont  le  sens  s'est  modifie.  Paris,  Hachette  1907. 
Vm,  409  pages,  5  F. 
Le  titre  de  ce  petit  glossaire  indique  quel  en  est  le  contenu. 
M.  H.  s'est  propose  de  mettre  ä  la  disposition  de  ceux,  qui  lisent 
les  auteurs  du  XVIP  siecle,  un  petit  lexique  commode  et  capable  de 
leur  procurer  des  renseignements,  qu'il  leur  serait  difficile  d'aller 
chercher  dans  les  dictionnaires  de  l'epoque  ou  les  lexiques  des  auteurs. 
Pour  certains  meme,  auteurs  de  second  ordre,  le  lexique  n'existe  pas: 
M.  Huguet  a  compris  les  ecrivains,  allant  de  Malherbe  exclusivement 
ä  Fenelon,  en  laissant  de  cote  Saint-Simon.  M.  H.  a  elargi  le  sens  du 
mot  Classique,  et  a  incorpore  avec  raison  les  ceuvres  d'auteurs  qui 
ne  sont  pas  h  proprement  parier  des  classiques,  mais  dont  la  langue 
fait  comprendre  celle  de  leurs  grands  contemporains.  M.  Huguet  a 
eu  l'excellente  idee  de  prendre  le  plus  souvent  la  definition  du  sens 
des  mots  dans  les  grands  dictionnaires  de  l'epoque,  ä  savoir, 
Eichelet,  Furetiere  et  la  P  edition  du  dictionnaire  de  l'Academie. 
Parfois  il  les  fait  preceder  d'uue  courte  definition  personnelle  qu'il 
met  entre  parentheses,  et  qui  est  une  simplification  utile,  en  laquelle 
on  peut  avoir  confiance.  C'est  proprement  un  lexique;  cependant 
M.  Huguet  n'a  pas  juge  inutile  d'introduire  quelque  indication 
phonetique,  morphologique,  ou  syntaxique,  ä  propos  de  quelques 
mots  oü  ces  faits  sont  particulierement  interessants. 


2)    Triwunatz,   Guillaume  Budes  De  Vinstitution  du  prince.    Ein  Beitrag  ZUr 

Geschichte   der  Renaissancebewegung  in  Frankreich   (Münchener  Beiträge 
zur  rom.  und  engl.  Phil.    28). 


Emile  Magne.     Scarron  et  son  milieu.  165 

La  courte  preface  placee  eu  tete  du  volurae,  et  le  volume  lui 
raeme  justifient  le  cboix  de  M,  Huguet. 

n  y  a-t-il  des  inutilites  ou  des  omissioas?  C'est  possible, 
meme  probable.  M.  H.  lui-meme  le  prevoit.  Tel  qu'il  est,  ce  lexique 
est  un  ouvraga  qui  rendra  de  grands  Services  aux  amateurs  du  XVII " 
siecle,  et  aux  professeurs,  qui  expliquent  des  textes  de  cette  epoque 
dans  leurs  classes:  C'est  le  but  que  se  proposait  M.  H.  et  qu'il  a  atteint. 

Orl^eans.  Oscar  Bloch. 


Magne,  Emllc.  Scarron  et  son  milieu.  Deuxieme  edition. 
Paris  1905.  Societe  du  Mercure  de  France.  381  Seiten 
in  kl.  8  0. 

Man    hat    sich    gewöhnt,    die    ganze    politische    Individualität 
Scarrons  mit  der  Bezeichnung  als  Dichter  des  Burlesken  umspannen 
zu  wollen.      Dagegen  spricht   schon  der  Umstand,    daß    gerade  sein 
auch  als  zeitgenössisches  Kulturbild  sehr  beachtenswertes  Hauptwerk, 
der  „Homan  comique",    von    der   den  Dichter   allerdings    sonst  be- 
herrschenden burlesken  Manier    am    meisten   freigeblieben   ist.     Man 
übersieht  dabei  ferner,  daß  am  Rande  seiner  Dichtungen,    besonders 
in  seiner  trefflichen,    nicht    genug   geschätzten  Idylle    „Hero  et  Le- 
andr&'\    manche  schöne  lyrische  Blüte  sprießt    und    daß  seine  auch 
heute  noch  sehr  lesbaren   „Nouvelles"^  neben  ihrer  tändelnden  Erotik 
nach  eine  reiche  Erfindungsgabe    und  ein  großes  Erzählertalent  auf- 
weisen.    Am  meisten  aber  vernachlässigt  man  beim  Gebrauche  dieses 
Stichworts    den    besonders    von  Morillot   und  Despois    als  zweifellos 
nachgewiesenen    mächtigen    Einfluß    Sc.s    auf    die    Entwicklung    des 
französischen  Lustspiels. 

Allerdings,  wenn  nur  der  auf  den  Namen  eines  Dichters  An- 
spruch erheben  darf,  der  ohne  Rücksicht  auf  schnöden  Sold  als 
Tröster  der  Menschheit  die  Himmelsbotschaft  auf  die  Erde  bringt, 
der  die  Menschen  erhebt,  anstatt  sie  niederzudrücken  in  den  Boden 
des  wesenlosen  Nichts,  dann  hat  Paul  Scarron  mit  seiner  öden 
Herzensdürre,  mit  seinem  schon  so  früh  bodenlos  ausgehöhlten,  ent- 
würdigten und  entsittlichten  Inneren  auf  diesen  Ehrentitel  kein  An- 
recht. Schon  seine  Naturanlage  war  eine  skeptische  und  kritische: 
ein  scharfer  Spürsinn  für  die  Auffindung  des  Lächerlichen,  weit  ent- 
fernt von  jeder  ahnungs-  und  hoffnungsvollen,  träumerischen  Schwär- 
merei. Schon  während  seiner  Kindheit  boten  die  Verhältnisse  im 
freudlosen  Elternhause  einen  guten  Nährboden  für  diese  seine  Eigen- 
art. Zur  vollen  Entfaltung  gelangte  dieselbe  aber  erst  durch  seine 
so  überaus  traurigen  weiteren  Lebeusschicksale.  Er  war  einer  der  allzu- 
früheu  und  allzuschnellen  gewesen,  er  hatte  in  einer  Gesellschaft,  in  der  die 
Seele  welkt  und  vertrocknet  und  vergißt,  daß  sie  Flügel  hat,  allzu- 
viel und  allzurasch  gelebt,  und  sein  Herz  hatte  in  der  Jugend  einen 


J6t)  Referate  and  Rezensionen.     Joi^ef  Frank. 

Sprung  bekonimeu,  so  daß  es  nur  nielir  falsche  Töne  von  sich  gab. 
Mit  keckem  Zuge  den  Becher  der  Lust  bis  zur  Neige  leereu,  auch 
auf  die  Gefahr  hin  den  bitteren  Bodensatz  mitzuschlürfen  bildete  den 
Lebensinhalt  seiner  Jünglingszeit,  und  so  \Yar  er  wohl  auch  infolge  seines 
wüsten  Treibens  mit  27  Jahren  fast  ganz  gelähmt,  zu  ewigem  überaus 
schmerzhaften  Siechtum  verurteilt  und  ihm  für  die  Folgezeit  außer 
einem  stets  gesegneten  Appetit  und  einer  guten  Verdauung  fast  jede 
Genußfähigkeit  versagt;  es  blieb  ihm  als  einzige  Freude  nur  noch 
die  Schadenfreude.  Bloß  die  Befriedigung  seiner  Bosheit  schien  ihm 
einige  Linderung  seiner  endlosen  Qualen  zu  bereiten.  „Weil  mein 
Fäßlein  trübe  läuft,  so  geht  die  Welt  auch  auf  die  Neige",  sagt 
Mephisto,  und  in  diesem  Sinne  gefällt  sich  Sc.  darin,  alles  auf  der 
Erde  armselig  zu  finden,  mit  pessimistischer  Schadenfreude  die  Decke 
des  schönen  Scheines  überall  hinwegzuheben  und  in  die  Nebel  der 
Imagination,  in  die  der  Mensch  seine  Tierheit  hüllt,  seine  grellen 
Lichter  hineinfallen  zu  lassen.  Und  so  verfiel  er  auf  den  unfrucht- 
barsten und  gefährlichsten  Beruf,  auf  den  der  Mensch  verfallen 
kann:  die  vollständige  Nichtigkeit  und  Nichtswürdigkeit  alles  Irdi- 
schen, besonders  aber  des  Menschen,  zu  besingen.  Die  bei  ihm  unge- 
achtet alles  äußerlich  tollen  Übermuts  doch  unverkennbare  Grund- 
stimraung  einer  tiefen  Schwermut  beweist,  wie  bitter  er  es  empfin- 
det, daß  ihn  die  echte  Muse  trotz  allen  Flehens  und  Beschwörens 
spröde  flieht  und  daß  er  sich  dessen  bewußt  ist,  der  ihn  erfüllende 
Geist  der  Verneinung  sei  doch  nur  eine  sehr  untergeordnete  Bega- 
bung gegenüber  dem  schöpferischen  höheren  Gottesgeiste.  Darum 
ist  auch  sein  Humor  kein  sonniger,  befreiender,  an  dem  man  sich 
gesund  lachen  kann,  auch  nicht  ein  solcher,  der  sich  wie  ein  Regenbogen 
über  eine  ungeheuere  Resignation  der  Seele  spannt,  sondern 
ein  krampfhaft  gezwungener,  der  sich  mit  mattem  Flügelschlag  nur 
mühsam  emporarbeitet,  und  sein  Lachen  ist  nur  eine  häßliche,  grin- 
sende Grimasse.  Die  Welt  ist  ihm  nur  ein  wirres  Durcheinander 
von  Gefühlsrohheit  und  niedrigen  Instinkten,  von  gemeiner  Rüpelei 
und  grotesker  Albernheit.  Er  gleicht  dem  kleinen  Kay  des  Andersen- 
scheu  Märchens,  dem  ein  Splitter  des  geborstenen  Teufelsspiegels  ins 
Auge  geflogen  ist  und  der  alles  nur  verzerrt  sehen  kann.  Er  will 
nur  die  Lacher  um  jeden  Preis  auf  seiner  Seite  haben  und  darum 
persifliert  er  alles  Göttliche  und  Irdische  zum  Entzücken  der  Höf- 
linge. So  wurden  das  Burleske,  die  Parodie  und  die  Travestie  seine 
literarische  Domäne  und,  da  er  damit  der  Geschmacksrichtung  seiner 
Zeit  entgegenkam  und  Esprit  genug  besaß,  ihr  damit  den  er- 
wünschten Nervenreiz  zu  verschaffen,  überbot  er  sich  selbst  immer 
mehr  in  diesem  Genre,  sowie  der  Clown  durch  immer  stärkere 
Gliederverrenkungen  erhöhte  Lacheffekte  zu  erzwingen  sucht.  Der 
materielle  Erfolg  blieb  nicht  aus.  Da  er  aber  für  seine  verschwen- 
derische Haushaltung  nie  genug  Geld  aufbringen  konnte,  wartete  er 
auch  da  nicht  einmal,  bis  die  frohe  Stunde  der  Inspiration  über  ihn 


Emile  Magne.     Scarron  et  son  uiilieu.  167 

gekommeri,  um  dann  scbaffensfreudig  an  die  Arbeit  zu  gelieu,  son- 
dern er  mußte  Tag  für  Tag  seinen  Geist  anzapfen  und  massenhaft 
produzieren,  um  nur  zu  erwerben.  Dabei  ist  er  von  einer  so  klein- 
lichen Eitelkeit,  daß  er  einerseits  in  seinen  Dichtungen,  selbst  in 
den  Theaterstücken,  seine  persönlichen  Verhältnisse  in  störender  auf- 
dringlicher Weise  immer  wieder  einzuflechten  liebt ;  andererseits  aber  ist 
er  so  bar  aller  Selbstachtung,  daß  er  um  Mitleid  zu  erregen  und 
Geschenke  zu  erlangen,  in  seinen  Werken  seinen  ganzen  Leibes-  und 
Seelenjammer  mit  allen  seinen  widerlichen  Einzelheiten  immer  von 
neuem  unter  Wimmern  und  Winseln  schildert,  so  wie  gewisse  Bettler 
an  Kirchenpforten  ihre  schwärenden  Wunden  und  Eiterbeulen  ge- 
flissentlich zur  Schau  stellen,  um  eine  milde  Gabe  zu  erzielen. 

Das  ebenso  fesselnde  als  gründliche  Buch  E.  Magnes  bietet 
uns  ein  getreues  und  farbensattes  Gemälde  von  Sc.s  äußerem  und 
innerem  Werdegange  und  läßt  uns  deutlich  erkennen,  wie  gerade  bei 
diesem  Dichter  sich  Erlebnis  und  Dichtung  so  eng  verketten.  Er 
hat  es  meisterhaft  verstanden,  das  Bild  Sc.s  naturgetreu  auf  dem 
großen  Hintergründe  wiederzugeben,  auf  dem  sein  Leben  sich  abge- 
spielt hat  und  dadurch  die  Brücke  zu  schlagen  von  diesem  Einzel- 
leben zur  allgemeinen  Entwicklung.  Es  geschieht  dies  mit  einem  so 
außerordentlichem  Fleiße  und  solcher  Gewissenhaftigkeit,  daß  es 
manchen,  der  die  herkömmliche  Phrase  von  der  französischen  Ober- 
flächlichkeit und  Flüchtigkeit  nachzubeten  gewöhnt  ist,  veranlassen 
könnte,  diese  veraltete  Anschauung  zu  berichtigen.  Außer  der  so 
überaus  anziehenden  und  lebendigen  Darstellungsweise  bemerken  wir 
auch  überall  die  besonnen  nachprüfende  Kritik  des  Ungeheuern  Ma- 
terials und  so  mögen,  damit  wir  es  nicht  bei  diesem  allgemeinen  Ur- 
teile bewenden  lassen,  auch  noch  einige  kurze  Bemerkungen  aus  dem 
so  reichen  Inhalte  angereiht  sein. 

Es  verdient  Beachtung,  daß  Sc.s  spätere  Abneigung  gegen  alle 
Gelehrsamkeit  (eine  Bestätigung  des  Baumarchais'schen  Ausspruches: 
far  etat  les  gens  de  feuilles  sont  souvent  ennemis  des  gens  de 
lettre!)  wahrscheinlich  schon  auf  seine  pedantischen,  einseitigen 
Lehrer  an  der  von  ihm  in  seiner  Kindheit  besuchten  Schule  in 
Charleville  zuriickzuführen  sei.  —  Die  Mystifikation  Sc.s  durch 
Madaillan,  der  ihn  durch  einen  gefälschten  Liebesbrief  in  eine  Falle 
lockte,  wird  von  Morillot  in  die  Zeit  nach  des  Dichters  Rückkehr 
aus  Le  Maus  verlegt  und  dessen  „Epltre  ä  wie  dame  incoriniie", 
die  in  einer  Gedichtsammlung  erschien,  als  aus  derselben  Zeit  herrührend 
und  mit  diesem  Abenteuer  zusammenhängend  angegeben.  Magne  ist 
anderer  Ansicht,  er  bekämpft  diese  Datierung  der  „Epitre-'  und 
stellt  jeden  Connex  des  Briefes  mit  der  Madaillanschen  Affäre  in  Ab- 
rede. Er  hält  es  nämlich  für  unwahrscheinlich,  daß  der  nach  der 
Rückkehr  aus  Le  Mans  schon  so  wenig  mobile  Sc.  sich  damals  noch 
in  so  verwegene  Liebesabenteuer  eingelassen  habe.  Auch  der  Um- 
stand,   daß  Sc.   in  <'em  fraglichen  Briefe    die   ihm  unbekannte  Dame 


168  Referate  und  Rezensionen.     Josef  Frank. 

einladet,  ihn  zu  besuchen,  und  daß  er  sich  darin  selbst  als  einen 
häßlichen,  morosen  Alten  bezeichnet,  spreche  doch  deutlich  dafür, 
daß  Brief  und  Abenteuer  nichts  mit  einander  zu  tun  haben.  Es 
wäre  nun  u.  E.  allerdings  dagegen  einzuwenden,  daß  sich  Sc.  selbst 
im  Zustande  größter  Unbeweglichkeit  und  Hilflosigkeit  in  einer 
Sänfte  sogar  auf  die  Bälle  tragen  ließ  und  es  nicht  aufgab,  allerhand 
Liebeleien  (selbstverständlich  ganz  platonischen  Charakters)  anzu- 
knüpfen und  zu  flirten.  Daß  aber  (wie  eben  erzählt  wird)  Sc.  vier- 
mal nacheinander  diesem  plumpen  Manöver  aufgesessen  sei  und  sich 
immer  wieder  erfolglos  zum  Rendez-vous  habe  locken  lassen,  steht 
ja  schon  darum  mit  dem  Inhalt  des  Briefes  in  Widerspruch,  weil 
Sc.  in  diesem  die  Dame  ihn  zu  besuchen  einladet.  —  Daß  das 
„Grand  Flotte"  beginnende  Trinklied  der  Frühperiode  Sc.s  angehöre, 
ist  wohl  eine  ganz  grundlose  Annahme;  im  übrigen  ist  gerade  die 
Schilderung  des  Verkehrs  Sc.s  in  den  Kabarets  mit  den  Dichter 
Bohemiens  seiner  Zeit,  die  den  Lorbeer  entwürdigen,  die  Migräne 
nicht  los  werden,  und  auf  sicherem  und  raschestem  Wege  dem  Lazaret 
zueilen,  ebenso  trefflich  wie  die  der  damaligen  Theaterzustände  im 
Theater  du  Marais  und  im  Hotel  de  Bourgogne,  wo  sich  Sc.  weniger 
für  die  Vorgänge  auf  dem  Theater  interessiert,  als  für  das  was 
hinter  und  nach  dem  Theater  in  den  Kulissen  und  Garderoben 
vor  sich  geht,  „wo  die  Aktrice  ihre  Rolle  mit  der  Kurtisane  wech- 
selt, wo  die  Komödie  aufhört  und  der  fünffüßige  Jambus  in  die  vier- 
füßige  Unzucht  übergeht."  Ebenso  lebendig  malt  er  das  bunte,  zügellose 
Treiben  in  den  Nachtlokalen  und  auf  dem  Foire  Saint  Germain,  wo 
Beelzebub  mit  vollem  Orchester  musiziert  und  die  flackernde  Beleuchtung 
die  durcheinander  wirbelnden  Vertreter  der  Agiotage  und  Tripotage,  des 
Wuchers  und  der  Prostitution,  wie  ein  Höllenfeuer  umspielt.  Sc.  ist 
als  junger  Mann  ein  Stammgast  in  allen  diesen  Etablissements, 
immer  hinter  den  Schnelläuferinnen  der  Liebe  her,  und  der  Verkehr 
mit  einer  anständigen  Frau  bildet  eine  seltene  Unterbrechung  seines 
wüsten  Treibens.  —  Es  scheint  uns  auch  wohlbegründet,  daß  Magne 
(im  Gegensatze  zu  Chardon)  die  erste  Bekanntschaft  Sc.s  mit  Rotrou 
schon  in  die  Zeit  vor  dem  Aufenthalte  des  „petit  abbe"  in  le  Mans 
verlegt,  da  Sc.  als  eifriger  Besucher  des  Theaters  im  Hotel  de  Bour- 
gogne, Rotrou,  den  Dichter-Stipendiaten  desselben  Theaters,  kennen 
gelernt  haben  mußte  und  sie  auch  beide  mit  Scudery  eng  befreundet 
waren.  Dagegen  ist  es  etwas  willkürlich,  Madeleine  Bejart  mit  diesem 
Kreise  in  nähere  Verbindung  bringen  zu  wollen,  da  auch  die  an- 
geblich intimeren  Beziehungen  dieser  Dame  zu  Rotrou  sehr  fraghch 
sind.  —  Eine  interessante  Episode  von  Sc.s  Aufenthalt  in  Rom  bilden 
seine  Beziehungen  zum  Maler  Poussin,  der  in  seinem  hohen  Idealis- 
mus in  dem  übernüchternen  Sc.  sogar  eine,  allerdings  nur  flüchtige, 
Anwandlung  religiöser  Schwärmerei  hervorrufen  konnte,  und  der  ihm, 
um  seinen  weiteren  Belästigungen  zu  entgehen,  eines  seiner  Meister- 
gemälde zum  Geschenke    machte,    das  schließlich  auch  ins  Leihhaus 


Emile  Mayne.     Scarron  et  son  milieu.  169 

wanderte.  —  Das  anonyme  Pasquill  Sc.s  gegen  Corneille  war  ein 
schurkenhafter  Banditenstreich  und  Magne  tut  sehr  Umecht,  ihn  be- 
schönigen zu  wollen.  —  Sehr  lebendig  ist  die  Schilderung  der  klein- 
städtischen Zustände  von  Le  Mans,  an  die  sich  Sc.  nur  schwer  ge- 
wöhnen konnte,  und  die  er  erst  erträglich  fand,  als  ihn  die  feinsten 
leckeren  Kapaunen,  die  selten  auf  seiner  Schüssel  fehlten,  für  die 
Damen  mit  der  wenig  sauberen  Wäsche  und  ihrem  unausstehlichen 
Schweißgeruch  versöhnten.  —  Der  Schlüsselroman:  J,e  Roman  co- 
mique"^  erfährt  eingehende  Behandlung,  und  bezüglich  der  Deutungs- 
versuche folgt  Magne  fast  durchaus  den  Forschungsergebnissen 
Chardons,  in  bezug  auf  den  Dichter  Roquebrune,  den  er  am  liebsten 
mit  dem  Poeten  Desfontaines  identifiziert  sehen  will,  wogegen  er  sich 
für  die  Substitution  durch  M.  de  Montiere  nicht  einsetzen  kann  ,aber  aus 
chronologischen  Gründen  noch  entschiedener  die  Annahme  J.  Clareties, 
es  sei  unter  diesem  Decknamen  der  dichterische  Pastetenbäcker 
Ragueneau  gemeint,  ablehnt.  —  Als  Fortsetzer  des  bekanntlich  von 
Sc.  nicht  abgeschlossenen  „Homan  comigue'-'-  läßt  Magne  den  Kanonikus 
von  le  Mans,  Girault  gelten,  von  anderer  Seite  wird  als  solcher  M.  Offray 
genannt.  —  Die  in  sein  Leben  und  Wirken  so  tief  einschneidende 
Wirkung  der  so  schrecklichen  Krankheit  Sc.s  wird  in  allen  ihren 
Phasen  eingehend  besprochen.  Wie  man  weiß,  soll  dieselbe  nach 
der  gewöhnlichen  Tradition  infolge  eines  Karnevalulks,  bei  dem  Sc. 
ein  unfreiwilliges,  winterliches  Bad  im  Huisneflusse  nehmen  mußte, 
über  ihn  plötzlich  hereingebrochen  sein,  Für  diese  Version  ist 
die  Hauptquelle  La  Beaumelle,  wogegen  Tallement  und  auch  Cyrano 
(letzterer  ein  Hauptfeind  Sc.s)  diese  Angabe  für  ein  Märchen  halten 
und  der  Erkrankung  einen  galanten  Ursprung  und  Charakter  zu- 
schreiben. Auch  Gilles  Boileau  schlägt  sich  auf  ihre  Seite.  E.  Magne 
hingegen  hält  daran  fest,  daß  die  Erzählung  La  Beaumellcs  sehr 
wohl  wahrhaftig  sein  könne;  wie  wir  meinen,  mit  Recht,  denn,  so 
viel  wir  wissen,  halten  es  die  heutigen  bedeutendsten  Nervenpatho- 
logen für  ausgemacht,  daß  die  größten  Exzesse  in  Baccho  et  Venere 
als  Ursache  der  Rückenmarkserkrankungen  (und  Sc.s  Leiden  hatte 
ja  diesen  Charakter!)  auszuschalten  seien,  da  ja  selbst  die  schlimmsten 
Venusjäger  gerade  von  solchen  nicht  ergriffen  zu  werden  pflegen. 

Sehr  interessant  ist  es,  die  unablässigen,  aber  fruchtlosen  Be- 
mühungen Sc.s  zur  Wiederherstellung  seiner  Gesundheit  zu  verfolgen: 
seinen  wiederholten  Besuch  der  Heilquellen  von  Bourbon;  seine  Über- 
siedlung nach  dem  Faubourg  Saint-Germain,  um  daselbst  ein  ihm 
als  besonders  heilkräftig  empfohlenes  Kuttelbad  zu  nehmen;  seine 
Befragung  von  allerhand  Kurpfuschern  und  Quaksalbern,  die  ihm 
mit  ihren  magischen  und  alchymistischen  Gaukeleien  Hilfe  ver- 
sprachen; seine  kühnen  Hoffnungen  von  einem  Klimawechsel,  zu 
welchem  Behufe  er  ernstlich  an  eine  Übersiedlung  nach  den  Antillen 
und  Amerika  dachte;  seine  inbrünstige  wenn  auch  rasch  vorüber- 
gehende Rückkehr  zur  Religion  und  seine  Zuflucht  zu  Gnadenkircheu 


170  Referate  und  Rezensionen,     Jvsef  Frank. 

und  wundertätigen  Bildern.  Wenn  uns  aber  Magna  glauben  machen 
will,  Sc.  habe  seine  unsäglichen  Leiden  wie  ein  großer  Dulder  mit 
stoischer  Seelengröße  ertragen,  so  kann  man  ihm  darin  nicht  folgen. 
Zu  Ehren  Sc.s  sei  es  gesagt,  daß  er  es  auch  gar  nicht  versucht  hat, 
sich  auf  den  Helden  aufzuspielen  und  als  solcher  zu  posieren.  Seine 
unausgesetzten,  weinerlichen  Klagen,  seine  verzweifelten  Anstrengungen, 
sich  durch  geräuschvolle  Feste  (zu  denen  er  sich  auf  einer  Tragbare 
schleppen  läßt)  und  durch  maßlosen  Opiumgenuß  zu  betäuben,  seine 
Produktionswut  und  nervöse  Vielgeschäftigkeit,  um  über  das  tiefste 
Elend  den  Schein  einer  befriedigten,  gleichgültigen  Alltäglichkeit  zu 
breiten,  sind  nichts  weniger  als  heroisch. 

Es  wäre  pharisäische  Tugendprotzerei  und  Herzlosigkeit,  dem 
armen  Menschen  warmes  Mitgefühl  und  Teilname  zu  versagen;  im 
übrigen  aber  muß  man  der  Wahrheit  gemäß  feststellen,  daß  Sc.s 
maßloses  Unglück  in  ihm  nicht  einmal  eine  sittliche  Läuterung  her- 
vorrief und  daß  sich  bei  ihm  (wie  dies  sonst  zu  geschehen  pflegt) 
der  innere  Mensch  auch  dann  nicht  besserte,  als  der  äußere  schon 
ganz  schlecht  und  morsch  geworden  war.  Er  blieb  bis  an  sein 
Lebensende  der  ausgesprochendste  Zyniker  in  Dichtung  und  Leben 
und  in  seinem  Charakter  sucht  man  umsonst  nach  einer  sittlichen 
Fährte.  Dieses  strenge,  aber  gerechte  Urteil  kann,  ja  muß  man 
selbst  dann  unterschreiben,  wenn  Menages  Mitteilung,  Sc.  habe,  um 
sich  finanziell  zu  rangieren,  ein  Bordell  aufmachen  wollen,  oder 
Segrais  Angabe,  Sc.  in  seinem  Unvermögen  habe  seinen  Kammerdiener 
Maugin  förmlich  eingeladen,  seine  Frau,  die  spätere  Mad,  de  Main- 
tenon,  zur  Mutter  zu  machen,  pure  Verleumdung  sein  sollten.  —  Daß 
der  mehr  schöngeistige  als  berufstüchtige  Arzt  La  Mesnardiere  Sc.s 
Zustand  durch  eine  falsche  Behandlung  erst  recht  inkurabel  gemacht 
habe,  werden  wir  mit  Magne  wohl  bezweifeln  dürfen.  —  Unter  den 
adhgen  Damen,  mit  denen  Sc.  nach  seiner  Rückkehr  aus  le  Mans 
nach  Paris  verkehrte,  wird  auch  eine  Gräfin  de  la  Suze  genannt; 
Magne  erklärt  sich  außer  Stande,  sie  unterzubringen,  denn  die  Gräfin 
Coligny  wurde  erst  1643  eine  .,Gräfiü  von  Suze''.  —  Mit  Recht 
bekämpft  Magne  die  Meinung  Lacroix\  Sc.  habe  mit  Cyrano  ver- 
kehrt, da  ja  Sc.  behauptet,  Cyrano  nie  gesehen  zu  haben.  Wenn 
aber  Magne  die  heftige  gegenseitige  Abneigung  zwischen  Sc,  und 
Cyrano  darauf  zurückführen  will,  daß  ersterer  die  Mode  der 
„Pointes"'  als  Poesie  ebenso  verabscheute,  wie  der  letztere  sie  mit 
Begeisterung  pflegte,  so  leuchtet  das  um  so  weniger  ein,  als  ja  Magne 
selbst  erwähnt,  daß  auch  Sc.  die  „Pointe"  in  früherer  Zeit  sehr  vor- 
gezogen hatte.  —  Dagegen  möchten  wir  nicht  mit  Magne  die  Echt- 
heit der  von  La  Beaumelle  gebrachten  Korrespondenz  zwischen  Sc. 
und  Francoise  d'Aubigne  darum  ganz  rund  abweisen,  weil  diese 
Briefe  sehr  zotenhafte  und  schlüpfrige  Stellen  enthalten,  denn,  wie 
wir  wissen,  tut  sich  Sc.  in  dieser  Beziehung  selbst  in  seinen  an 
Marie  de  Hautefort   (eine  Dame,    die  er   hoch   verehrte)    gerichteten 


Hugo  P.  Tldenw.      Guide  hibliographique.  171 

Poesien  keinerlei  Zwang  au.  —  Die  Ehe  zwischen  Sc.  und  Francoise 
d'Aubigne  wird  selbstverständlich  sehr  eingehend  behandelt  und  wir 
widerstehen  nur  schwer  der  Versuchung,  auch  hierüber  Details  wieder- 
zugeben. Es  sei  hier  nur  mitgeteilt,  daß  Mme  Scarrons  weibliche 
Tugend  als  Gattin  durchaus  nicht  so  ganz  einwandfrei  gewesen  zu  sein 
scheint;  besonders  dürften  ihre  Beziehungen  zu  Villarceaux,  der  sie 
als  ganz  nakte  Gestalt  malte  und  bei  der  Ninon  de  l'Enclos  mit  ihr 
Znsammenküntte  hatte,  ebenso  wenig  harmloser  Natur  gewesen  sein, 
wie  ihr  Verhältnis  zum  Chevalier  de  Mere,  der  schon  vor  ihrer  Ver- 
ehelichuug  ihr  Lehrer  und  Liebhaber  gewesen  war.  Wir  müssen  auf 
das  Buch  selbst  verweisen,  das  uns  so  viele  Aufschlüsse  gibt.  Wir 
lernen  aus  demselben  nicht  nur  den  ganzen  Freundeskreis  Sc.s 
kennen,  wir  erfahren  auch  von  allen  seinen  kühnen  und  skrupellosen 
Plänen,  um  in  den  Besitz  des  Säckels  Fostunas  zu  gelangen,  wir 
werden  in  seine  Wohuung  eingeführt  und  können  jedes  Einrichtungs- 
stück betrachten,  wir  lernen  seine  ganze  Haushaltung  kenneu,  wir 
sehen  seine  ewigen  Geldverlegenheiten,  die  ihn  sogar  zu  wiederholten 
Anleihen  bei  seinen  diebischen  Bedienten  veranlassen,  wir  sehen  dem 
Dichter  über  die  Schulter,  in  welche  Bücher  seiner  Bibliothek  er 
sich  am  liebsten  vertieft.  Das  Buch  verdient,  warm  empfohlen  zu 
werden. 

WiEN-HiTziNG.  Josef  Frank. 


Thieme,   Hugo  P.,     professeur   adjoiut   de  francais  ä  l'üniversite 

du    Michigan,     Guide    hibliograpldque    de    la    litterature 

franpaise  de  1800  ä  1906.  —  Prosateurs,  poetcs,  auteurs 

dramatiqucs   et  critiques,   avec  indicatiou:     lO  pour  chaque 

auteur,   dji  lieu    et  de  l'anuee  de   sa  naissance  et,    s'il  y  a 

lieu,   de  sa  mort;   2"  pour  chaque  ouvrage,    de  sou  format, 

de  sou  editeur  et  de  la  date  de  sa  premiere  edition;  3^  ä 

la    Suite    de    chaque    auteur,    des   references,    des   critiques 

litteraires   parues   soit   sous   forme   de  livres    soit    dans   les 

revues    et   journaux,    taut    en    France    qu'ä    l'etranger.    — 

Paris,  H.  Welter,   1907.     XXII  -f  510  S.  gr.  S^^. 

„La  bibliographie  est  aujou7'd'hui  une  science."'    Dieses  stolze 

Apophthegma,    mit    dem    das  Avant-propos   anhebt,    verkündet  einen 

Irrtum;  denn  jede  Wissenschaft  ergründet  gesetzmäßiges  Walten  oder 

eruiert  kausale  Zusammenliänge  und  versucht  Entwicklung  ursächlich 

zu   verstehen;    dies   alles   leistet   die   Bibliographie   nicht.      Natürlich 

verlaugt  die  Arbeit  der  Bibliographen,  je  nachdem  sie  betrieben  wird, 

mehr  oder  minder  umfassende  allgemeine  und  und  Spezialkenntnisse; 

aber  ihrem  Wesen  nach  ist  und  bleibt  die  Bibliographie  eine  Kunst, 

und  auf  niederer  Stufe  ein  Handwerk.    Darum  muß  auch  der  Kritiker, 

wenn   er   gerecht   sein  will,  ihr  als  Kunstkritiker  nahen;  er  muß  sie 

als  geschlossenes  Kunstwerk  begreifen  und  nachempHnden,  und  zu  dem 


172  Referate  und  Rezensionen,     Rh.  Aug.  Becker. 

Zweck  muß  er  sie  in  seinem  geistigen  Inneren  neu  erstehen  lassen. 
Handelten  die  Berufsbibliographen  so,  wenn  sie  sich  zu  Richtern 
ihrer  Fachgenossen  aufwerfen,  so  würden  sie  sich  nicht  in  einem  fort 
gegenseitig  als  Stümper  verrufen  und  sich  selber  etwas  ganz  besonderes 
dünken,  wenn  sie  zu  einer  abgeschlossenen  bibliographischen  Arbeit 
aus  dem  Wust  ihrer  Zettelkasten  noch  vier  oder  fünf  übersehene 
Büchertitel  herausfischen  können. 

Von  diesem  Standpunkt  aus  kann  ich  Thiemes  bibliographischer 
Leistung  nur  uneingeschränktes  Lob  zollen.  In  einem  handlichen  Band 
sind  von  833  Schriftstellern  23 840  Werke  und  dazu  10765  Bücher 
und  10  275  Zeitscbriftenartikel,  die  über  die  einzelnen  Verfasser 
handeln,  verzeichnet.  Der  mäßige  Umfang,  das  bequeme  Format,  die 
vortrefflichen  Lettern,  die  geeignete  Wahl  der  Typen,  die  Korrektheit 
des  Druckes  paaren  sich  mit  einer  überaus  zweckmäßigen  Anlage: 
Name  des  Verfassers  mit  Gebmts-  und  Todesjahr  und  Ort,  die  Titel 
seiner  Werke  so  knapp  wie  möglich  mit  dem  Datum  ihres  ersten 
Erscheinens,  und  als  Anhang  die  Reihe  der  Nachschlagewerke  und 
kritischen  Aufsätze.  Was  der  Studierende  oder  der  Forscher  zur 
ersten  Orientierung  braucht,  findet  er  alles  bequem  und  übersichtlich 
zur  Hand. 

Wie  ein  architektonischer  Bau  Schönheil  der  Form  mit  zweck- 
mäßiger Anordnung  der  Innenräume  verbinden  soll,  so  will  auch  die 
Bibliographie  nicht  nur  als  Kunstwerk  genossen,  sondern  auch  hinsicht- 
lich ihrer  Brauchbarkeit  erprobt  werden.  Hier  treten  natürlich 
persönliche  Wünsche  stark  in  den  Vordergrund.  In  der  Auswahl  der 
Autoren  scheint  mir  der  Verf.  im  großen  und  ganzen  allen  billigen 
Anforderungen  entsprochen  zu  haben;  sein  Buch  ist  auch  von  der 
ersten  Auflage  zur  zweiten  von  90  Seiten  auf  510  angeschwollen,  und 
wird  vermutlich,  wenn  es  zu  einer  dritten  kommt,  noch  weiter  an- 
wachsen. Die  einzelnen  Artikel  werden  gewiß  auch  noch  fortgesetzter 
Revision  und  Ergänzung  bedürftig  sein.  Ich  greife  z.  B.  aufs  gerade- 
wohl  den  Artikel  Pierrc-Antoine  Lebrun  heraus,  den  C.  Voretzsch 
seiner  Zeit  sich  erwünscht  hatte;  hier  wird  wohl  unter  den  Zeitschriften- 
aufsätzen der  von  G.  Brunet,  Les  manuserits  du  poete  Lebrun 
(Rindare),  1867,  zu  streichen  sein  als  auf  Fran^ois-Ponce-Ecouchard 
und  nicht  auf  Pierre- Antoine  bezüglich;  hingegen  fehlt  jeder  Hinweis  auf 
die  Beziehung  des  Cid  d'Andalousie  zu  Lope  de  Vegas  Estrella  de 
Sevilla  und  auf  die  Vorbemerkungen  zu  diesem  Stücke  in  der  großen 
Lope-Ausgabe.  Wie  die  Bibliographie  angelegt  ist,  konnte  man  einen 
solchen  Hinweis  nicht  erwarten;  für  denjenigen,  der  sich  au  der  Hand 
unseres  Buches  über  P.-A.  Lebrun  orientieren  will,  bildet  diese^  Lücke 
nichtsdestoweniger  einen  vielleicht  unersetzlichen  Mangel.  Viele 
wichtige  Tatsachen  stehen  eben  an  versteckten  Orten  zerstreut.  Auch 
mit  dem  besten  bibliographischen  Wegweiser  bleibt  noch  vieles  mühsam 
aufzuspüren.  Oder,  um  einen  andern  Fall  herauszugreifen,  bei  Vigny 
erscheint  zwischen  1842  RoSsies  completes  und  1864  Les  destinees 


Fernand  JBaldensperger.     Bibliographie  critigue  de  Goethe.     173 

ein  vollständiger  Stillstand  in  der  Produktion  des  Dichters,  während 
in  der  Zwischenzeit  sechs  von  seinen  philosophischen  Gedichten  in 
der  Revue  des  deux  Mondes  erschienen.  Natürlich  versagt  für  solche 
Feinheiten  eine  summarische  Bibliographie  Avie  die  hier  gebotene; 
aber  ihr  Vorzug  liegt  eben  in  ihrem  summarischen  Charakter  und 
der  dadurch-  gegebenen  Übersichtlichkeit;  so  müssen  \i\v  denn  die 
kleineren  Nachteile  mit  in  den  Kauf  nehmen.  Sie  sollen  auch  nicht 
als  Tadel  erwähnt  sein,  sondern  nur  zur  Illustration. 

Im  letzten  Augenblick  hat  sich  der  Verf.  noch  entschlossen, 
seinem  Werke  eine  Sammlung  Parerga  als  zweiten  Teil  anzuhängen, 
nämlich  Titel  von  Büchern  und  Aufsätzen,  welche  allgemeine  Fragen  der 
Literaturgeschichte  und  der  Sittengeschichte  Frankreichs  behandeln. 
Da  findet  sich  vieles  zusammen,  was  streng  genommen  nicht  zur 
Literatur  des  19.  Jahrhunderts  gehört,  sagen  wir  z.  B.  der  reichhaltige 
Abschnitt  über  „  Versißcation^^ ,  aus  dem  ich  viel  gelernt  habe.  Recht- 
fertigen möchte  ich  den  Verf.  nicht,  aber  ich  will  ihm  auch  keinen 
Vorwurf  machen:  was  er  geboten  hat,  nehme  ich  dankend  hin;  gewiß 
hätte  ich  es  hier  nicht  gesucht;  da  ich  nun  aber  weiß,  wo  ich  es 
finde,  möchte  ich  es  nicht  gerne  missen. 

Ich  schließe  mit  den  Worten:  ein  gutes,  nützliches,  praktisch 
angelegtes  und  mit  Fleiß,  Liebe  und  Verständnis  ausgearbeitetes 
Buch!     Allen  wärrastens  empfohlen! 

Wien.  Ph.  Aug.  Becker. 


Baldensperger,  Fernand.  Bibliographie  critique  de  Goethe 
en  France.  Paris,  Librairie  Hachette  et  Cie.  1907.  IX. 
und  251  S.  Gr.  8«. 
Seinem  vortrefflichen  Buch,  dem  1904  erschienenen  Goethe  en 
France,  hat  Baldensperger  eine  sorgfältig  gearbeitete  Bibliographie 
folgen  lassen,  die  in  1892  Nummern  das  gewaltige  Material  aus- 
breitet, das  der  Verfasser  in  seinem  Werke  mit  glücklicher  Hand 
bewältigt  hat  und  das  von  neuem  seine  große  Sachkenntnis  und  Be- 
lesenheit bewundern  läßt.  —  Die  Anordnung  entspricht  der  Gliederung 
seines  Buches  und  ist  innerhalb  der  einzelnen  Abschnitte  chronologisch. 
Besonders  dankenswert  ist  es,  daß  B.  die  Form  der  kritischen 
Bibliographie  gewählt  hat.  Er  hat  sich  keine  Mühe  verdrießen  lassen, 
seinen  Nachfolgern  die  Arbeit  zu  erleichtern.  Wir  erhalten  nicht 
bloß  ein  trockenes  Verzeichnis  von  Büchertiteln,  sondern  das  Ganze 
ist  belebt  durch  eine  reiche  Fülle  kurzer  Inhaltsangaben,  knapper 
Urteile  über  den  Wert  oder  Unwert  von  Abhandlungen  und  Über- 
setzungen, durch  die  Hervorhebung  bemerkenswerter  Äußerungen, 
zeitgenössischer  wie  späterer  Auffassungen,  durch  den  Hinweis  auf 
die  so  vielfach  in  der  schönen  Literatur,  in  Denkwürdigkeiten  und 
Zeitschriften  zerstreuten  Bemerkungen  über  Goethe  und  seine  Werke, 


1 74  Referate  und  Rezendoven.     J.  CoUin. 

auf  die  oft  kaum  merklichen  Anklänge  an  die  Goethische  Dichtung 
in  der  französischen  Poesie.  Es  fehlt  ferner  nicht  an  kurzen  Be- 
schreibungen seltener  Ausgaben,  an  Angaben  über  die  Persönlichkeit 
von  weniger  bekannten  Verfassern,  selbst  nicht  an  Proben  französi- 
scher Übersetzungskunst.  Keinen  großen  Namen  Frankreichs  ver- 
missen wir  in  der  langen  Reihe  derer,  die  zu  dem  deutschen  Dichter 
irgendwie  Stellung  genommen  haben.  Auf  Schritt  und  Tritt  bemerken 
wir  so,  wie  genau  und  gründlich  B.  die  über  einen  weiten  Raum 
verteilten,  oft  versteckten  oder  abgelegenen  Quellen  seines  Themas 
kennt,  aber  auch  wie  anregend  und  fesselnd  er  die  Fülle  seines 
Wissens  darzubieten  versteht. 

GlESSEN.  J.    COLLIN. 


Misz  eilen. 


Roger  Bacou  über  die  französischen  Mundarten. 

Au  drei  von  K.  Hofmann  in  den  Rom.  Forsch.  I  4'27  mitgeteilten 
Stellen  erwähnt  Roger  Bacon  die  französischen  Mundarten.     Das  eine  Mal 

spricht  er  von  der  Ungua  yallicana  quae  apud  Gallicos  et  Picardos  et  Xormannoi 
et  Burgundos    multJplici   variatur    idiomate:    das    zweite    Mal    spricht    er    davon, 

dafs  eine  Sprache  in  verschiedene  Mundarten  zerfällt  und  führt  als  Beispiel 
an  in  Francia  apvd  Picardos  et  Normannos  et  puros  Gallicos  et  Burgundos  et  alias, 
endlich  die  dritte  Stelle  lautet  Chaldaem  sermo  et  Hebraeus  differunt  sicut 
idiomata,  uniiis  linguae,  ut  Picnrdicum  et  Normannicum,  Burgundicum,  Parisiesse  et 
Gallicum,  nna  enim  Ungua  est  oviuium,  scilicet  Gallicana,  sed  (amen  in  diversis  par-tibus 

diversificatvr   accidentaliter Sicut  in  Ungua   Gallicana^  quae  est  unn,    sunt 

multae  diversitates  seu  idiomata^  ut  Picardicum,  Normannicum^  Burgtindicum  et  Parisiense 
et  hujvsmodi^  secundum  quod  est  varietas  regionum. 

Im  ganzen  sind  die  Stellen  klar.  Der  Verfasser  unterscheidet,  wie 
wir  heute  z.  T.  auch  noch,  Pikardisch,  Normannisch,  Franzisch,  Burgundisch. 
Was  soll  aher  Parisiense  et  Gallicum  heissen?  Hofmann  meint,  Bacon 
scheide  das  Pariser  vom  Gallicum,  dem  Französischen  im  engeren  Sinne, 
(Isle  de  France),  während  er  unter  GalUcanum  alle  Mundarten  begreift. 
Dafs  die  verfeinerte  Hof-  und  Reichssprache  und  der  Pariser  Vulgärdialekt 
sich  nicht  decken  und  nie  gedeckt  haben,  ist  selbstverständlich,  aber  dafs 
Bacon  diesen  Unterschied  habe  hervorheben  wollen,  ja,  dafs  er  ihm  auch 
nur  deutlich  zum  Bewufstsein  gekommen  sei,  ganz  unwahrscheinlich,  auch 
fällt  auf,  dafs  nur  dies  eine  Mal  eine  solche  Unterscheidung  gemacht  wird, 
nicht  bei  den  andern  Erwähnungen,  auch  nicht  einmal  bei  der  unmittelbar 
folgenden,  mit  sicut  angeschlossenen.  Die  Sache  klärt  sich  aber  sofort  auf, 
wenn  wir  Parisiense  aut  Gallicum  lesen,  was  nach  heutiger  wissenschaftlicher 
Ausdrucksweise  mit:  die  Mundart  der  Ile  de  France  oder  das  Franzische 
wiederzugeben  wäre.  Damit  stehen  alle  Stellen  in  schönster  Ueberein- 
stimmung  und  wird  zugleich  verständlich,  warum  bei  der  Wiederholung 
das  Gallicum  weggelassen  ist. 

Wien.  W.  Meyer-Lübke. 

ostfrz.  damotte.  Ch.  ßeauquier  verzeichnet  das  Wort  Voc.  etym.  des 
provincial.  usites  dans  le  drp.  du  Douhs  p.  101  in  der  Bedeutung  „espice  de  mesange 
ä  longue  queue^  und  bemerkt  zur  Etymologie:  „damotte^  petite  dame,  saus  doute 
ä  cause  de  sa  longue  queue."  Weiter  heifst  es  ib.:  „C'est  aussi  le  nom  d'une 
plante,  de  Vivrogne  ou  bec-d'oie  .  . ,  que  les  botanistes  appelleut  Cor>/dalis  cava, 
QU  encore  de  VArum  mucidatum,  (L.),  dit  Pied  de  veau.''  Ich  weils  nicht,  ob 
es  nötig  ist  darauf  hinzuweisen,  dafs  damotte  als  Pflanzcnname  nicht  nur  in 
der  Form,  wie  es  Bcauquier  anzunehmen  scheint,  mit  der  Vogelbezeichnung 
damotte  zusammentrifft,  sondern  auch  etymologisch  dasselbe  Wort  ist.  Könnte 
ein  Zweifel  an  der  Identität  beider  bestehen,  so  dürfte  derselbe  durch  den 
blofsen  Hinweis  darauf  behoben  werden,  dafs  im  Deutschen  für  Arum  ma- 
culatum  die  Bezeichnung  „Heckenpüppchen"  (s.  Pritzel  u.  Jessen  Die  deutsch. 
Volksnamen  der  Pßanzen  p.  46)  und  für  fumaria  officinalis,  eine  corydalis  nahe 


17f)  Miszellen. 

verwandte  Pflanze,  in  der  Normandie  (s.  Rolland  Flore  I,  204)  der  Name 
demoiselles  (mhd.  shone  vroice.  Altmark  fnl  fjrci,  d.  i.  faule  Grete)  im  Gebrauch 
ist.  Das  tertium  comparationis,  das  zur  Namengebung  führte,  liegt  hier  wohl 
in  der  Zierlichkeit  der  Gestalt  der  in  Frage  stehenden  Pflanzen.  Ähnliche 
Bezeichnungsweiseu  sind,  wovon  man  sich  durch  einen  Blick  in  Rollands 
Flore  popul.  überzeugen  kann,  auch  sonst  nicht  eben  selten.  Ich  erwähne: 

damisele,  Landes,  für  delphinium  (Rittersporn). 

d e m 0 i s e  1 1  e ,  Normandie,  für  annemone nemorosa(Busch-Windröschen. 
Westfälisch  naakte  uneioken^  nacktes  Weibchen). 

demoi seile,  JSormandie,  für  helleborus  niger  (Nieswurz). 

demoeselle,  Saint-Etienne  (Vosges),  für  silene  inflata  (Taubenkropf). 

Andere  von  Frauenbezeichnungen  hergenommene  Pflanzenbenennuugen 
gibt  es  in  grofser  Zahl.     Genannt  seien: 

belle  pulcelle  de  France  für  ranunculus  aconitifolius.  Nach 
Rolland  l.  c  I,  36  handelt  es  sich  hier  um  die  französische  Übersetzung 
von  engl,  fair  maid  of  France.  Vgl.  auch  ib.  engl,  fair  inaid  of  Kent  und 
deutsch,  schönes  Mädchen  aus  Frankreich. 

dame  d'once  heures,  Bessin,  für  nymphaea  alba  (weifse  Seerose). 
Deutsch  mundartl.  u-eiße  Nymphe  (Pommern),  Seepuppen  (Thüringen,  Sachsen), 
Föppelken  (Münsterland)  etc.  Kleinrussisch  babky  (petites  vieilles  femmes). 

bonne  femme,  Anjou,  für  aquilegia  vulgaris  (Akelei).  Bain  (Ille-et- 
Vilaine):  reiwes.  In  der  Schriftsprache  bezeichnet  i'e?/re  die  violett- und  weifs- 
gestreifte  Tulpe  und  eine  Art  Skabiose  (vgl.  dtsch.  Wittwenblumen  für  Scabiosa 
od.  Knautia  arvensis). 

bonne  dame,  die  Gartenmelde.  Auch  belledame,  Melde  und 
(neben  ital.  belladone)  Tollkraut. 

noire  feme,  Valencienne,  für  rhamnus  frangula  (Faulbaum).  Auch 
b6  (bois)  d'noire  fime. 

blanche  putain,  Sarthe  und  Mayenne,  für  viburnum  opulus 
(Schneeball). 

mere  de  famille,  mundartl.  franz.  für  sempervivum  tectorum 
(Hauslauch),  nach  Rolland  ;.  c  VI,  96  „parce  qu'ä  cöte  du  pied  principal 
poussent  quantite  de  rejetous.., 

religieuse,  Centre,  für  nigella  arvensis.  Dafür  mdtl.  ital.  damigella, 
fanciullaccio,  monaghela,  mdtl.  dtsch.  Braut  in  Haaren.,  Grefchen  im  Busch,  Jungfer 
im  Grünen  etc.,  holl.  ßijfertjes  in't  groen,  schwed.  junqfrun  i  det  grötia,  mdtl. 
dänisch  jomfruen  i  dett  grönne,  jomfrugrön,  gret  i  e  grönn,  kleinrussisch  net- 
chessanij  pannotschky  (demoiselles  non  peignees)  etc.   Vgl.  Rolland  l.  c.  I.  72  fif. 

raounjets,  etc.  in  Südfrankreich,  für  phaseolus  vulgaris  (Bohne). 
Rolland's  Erklärung,  wonach  die  gleichbedeutende  Bezeichnung  moundjo 
daher  stammt,  dafs  die  Bohne  in  den  Klöstern  die  hauptsächlichste  Nahrung 
bildet,  triö't  schwerlich  das  Richtige.  Vgl.  auch  bei  Rolland  (IV,  170)  für 
phaseolus  nanus  (Zwergbohne)  die  südfranzösische  Bezeichnung  mounjo  cnran- 
tilhouno.  Gegen  die  Richtigkeit  der  Rolland'schen  Auftafsung  spricht  schon, 
dafs  die  Bezeichnung  „Nonne-'  oder  auch  „Mönch"  in  den  lebenden  Sprachen 
zahlreichen  Pflanzen  beigelegt  wird,  die  als  Nahrungsmittel  in  Klöstern  nicht 
in  Betracht  kommen.  Vgl.  oben  unter  religieuse  und  beachte  ferner:  dänisch 
7nunke  für  eranthis  hiemalis  (Ackerwurz),  polnisch  lymniszeck  (le  moine  mechant) 
für  aconitum  napellus  (Sturmhut;  dtsch.  auch  Mönchshut) ;  Anjou  moine  für 
delphinium  consolida  (Ritterfporn)  und  für  papaver  rhroas:  kleinrussisch 
tchernetz  für  actaea  spicata  (St.  Christophskraut). 

Erwähnt  seien  auch  Benennungen  wie  reine  des  bois,  reine  des  pris, 
reine  de  fontainc  und  Bildungen  von  weiblichen  Personennamen  wie  marguerite, 
j'eannetle,  loniseUe,  antoinette. 

Von  männlichen  Personenbezeichnungen  gebildete  Pflauzennamen  sind 

demgegenüber    in    der   Minderheit,   wenngleich    auch    sie   keineswegs    sehr 

selten  begegnen.  rw   -o 

*  ^  D.  Behrens. 


Referate  und  Rezensionen. 


Laeh^vre,  Frederic.  Le  Livre  d'Amour  d'Estienne  Durand 
pour  Marie  de  Fourcy,  Marquise  d'Efiai  (Meditations  de 
E.  D.  reiniprimees  sur  l'unique  exemplaire  connu,  precedöes 
de  la  Vie  du  Poete,  par  Guillaume  Colletet  et  d'une  Notice 
par  Frederic  Lachevre).  Paris,  Librairie  H.  Leclerc.  1907. 
in  4"  CVI  i-271  S.  Gedruckt  in  801  Exemplaren  auf  Kosten 
des  Herausgebers. 

Estienne  Durand  (1585—1618)  war  bisher  so  gut  wie  unbekannt. 
Nur  Guillaume  Colletet,  der  ihn  gegen  Ende  seines  liebens  kennen 
gelernt  hatte,  berichtet  ausführlicher  von  ihm  in  einem  Kajiitel  seiner 
Vies  des  poetes  franfxils.  Va-  stellt  ihn  dar  als  einen  Maim  von 
schöner  äußerer  Erscheinung  und  von  schönen  innerlichen  Eigen- 
schaften, „i/  dansoit,  chantoit  et  touchoit  le  luth  ä  merveiUe.  San 
entretien  ctait  fort  agrmble  et  fort  divertissant.  Ses  vers  estoieni 
esgallement  ingmieu,v,  doux  et  forts,  sa  prose  estoit  pleine  d''esprit 
et  fort  pat/v'tique^'  Aber  zu  seinem  T^nheil  handelte  er  unüberlegt. 
Er  ließ  sich  zur  Beteiligung  an  einem  Komplott  gegen  den  König, 
Ludwig  XII[.^  hinreißen,  verfaßte  gemeinsam  mit  den  Gebrüdern  Sitti 
ein  Pamphlet  ^regen  ihn  und  muBte  seine  Unbedachtsamkeit,  seinen 
Wunsch  eine  politische  Rolle  zu  spielen  oder  vielleicht  auch  nur  seine 
allzu  treue  Anliänglichkeit  an  die  Königin,  Marie  de  Mi^licis,  mit  dem 
Tode  auf  dem  Rade  büßen.  ..Certes  la  France  perdit  en  la  personne 
de  Durand  Vune  de  xes  h/mih-es  futures  et  Tun  de  ses  plus  grands 
ornemens^  urteilt  Colletet  in  übertriebener  Bewunderung  von  den 
Talenten  des  früh  dem  Tode  verfallenen  Dichters. 

Zwei  Werke  sind  von  ihm  erhalten,  ein  kleiner,  aus  Prosa  und 
Versen  gemischter  Roman  „Des  Espinea  d'Amour  oh  sont  traitees 
les  infortunees  aniours  de  Fhüadon  et  CaulUee^''  (Paris  1604  und 
Kouen  1608),  und  die  Gedichtsammlung  ..Meditations'^.  Diese 
Sammlung  erschien  nur  in  wenigen  Exemplaren,  ohne  Namen  des 
Verfassers,  nur  mit  den  Initialen  E.  D..  ohne  Angabe  des  Verlegers, 
ohne  Ortsname  und  Jahreszahl.  Nach  Colletet  wurde  sie  im  .lahre 
1611  gedruckt.  Ein  Exemplar  hat  sich  gerettet,  Frederic  Luclievre 
hat  es  erworben  und  die  vorliegende  Neuausgube  hergestellt. 

Ztschr.  f.  frz,  Spr.  u.  Litt.  XXXIla.  12 


178  Referate  uml  Rezensionch.      Walther  Kvchler. 

Der  Herausgeber  hat  zugleich  in  einer  ,,Notice  sur  Eniienne 
Durand"  die  Nachrichten  über  das  Leben  des  Dichters,  die  CoUetet 
uns  gegeben  hat,  berichtigt  und  ergänzt.  Er  liat  das  Geburtsjahr, 
das  nach  CoUetet  1590  war,  mit  Recht  auf  1585  festgesetzt,  er  hat 
die  Beziehungen  der  Familie  Durand  zu  der  Familie  derer  von  Fourcy 
und  damit  zu  Marie  de  Fourcy,  der  Frau,  für  welche  Durand  seine 
Poesien  schrieb,  in  das  rechte  Licht  gerückt,  und  er  hat  Duiands  Anteil 
an  dem  Komplott  gegen  Ludwig  XUL  bestimmt.  Er  hat  es  wahr- 
scheinlich gemacht,  daß  die  üranie,  an  welche  die  „MSditationi^^ 
gerichtet  sind,  Durands  Cousine,  Marie  de  Fourcy  war,  dieselbe,  welcher 
sein  Roman  „Les  Espines  d'amour'-^  gewidmet  war.  Marie  war  die 
Geliebte  seiner  Jugend.  Sic  heiratete  im  Jahre  1610  Antoine  Coiffier, 
dit  Ruze,  marquis  d'Effiat  und  wurde  dadurch  an  Rang  beträchtlich 
über  ihren  Vetter  erhoben,  welcher  die  Stelle  eines  „  Controleur provincial 
des  guerres"-  innehatte  und  sich  später  zu  einem  Hofdichter  der 
Marie    de    Medicis    aufschwang. 

So  weit  bestehen  die  Angaben  Lachevres  zu  Recht.  Eine  Reihe  von 
anderen  Vermutungen  und  Hypothesen,  die  er  aufstellt,  sind  dagegen  nicht 
ohne  Weiteres  annehmbar.  Lachevre  behauptet,  die  MSditatioiis  stellten 
getreulich  die  Geschichte  der  Liebe  von  Durand  und  Marie  de  Fourcy  dar. 
Das  ist  wohl  nicht  der  Fall.  An  einer  gewissen  Stelle  der  Sammlung 
steht  die  Angabe  „i^m  des  MMitations.'^  Dort  endet  ein  erster  Teil 
des  Werkes,  der  aus  einer  Reihe  von  Gedichten  besteht,  die  sich  im 
Ton  alle  gleichen.  Sie  enthalten  die  immerwährend  wiederkehrende 
Klage  des  unglücklich  Liebenden  über  die  Härte  und  Grausamkeit 
einer  Geliebten,  die  ihn  nicht  erhört.  Sie  sind  alle  an  Uranie  gerichtet. 
Auf  diesen  ersten  Teil  folgen  dann  eine  Übersetzung  nach  Ariost 
„Joconde''''  und  ein  ziemlich  wertloses,  banales  Gedicht  ..L'Adveniure 
de  Sylvandre^'-'  welches  den  Triumph  eines  Liebenden  über  die  Geliebte, 
die  ihm  lange  widerstanden  hatte,  besingt.  Lachevre  glaubt  in  diesen 
Versen  eine  verhüllte  Darstellung  des  wirklichen  Nachgebens  der  Marie 
de  Fourcy  zu  erkennen.  Und  zwar  sei  sie  zur  Hingabe  bewogen 
worden  durch  die  Geschichte  des  Joconde,  die  Durand  eigens  zu  diesem 
Zwecke  übersetzt  habe.  Der  Übersetzung  geht  allerdings  eine  Widmung 
von  E.  D.  ä  son  LTranie  voraus,  eine  Widmung,  in  der  ausgesprochen 
wird,  die  Geliebte  solle  sich  das  Beispiel  der  in  dem  Gedichte  vor- 
geführten ungetreuen  Frauen  zu  Nutze  machen  und  um  des  Geliebten 
willen  den  Gatten  betrügen,  aber  es  ist  psychologisch  gänzlich  un- 
denkbar, daß  sich  eine  Frau  durch  ein  so  frauenverachtendes  Gedicht, 
wie  Joconde  es  ist,  gewinnen  lassen  könnte.  Die  Geschichte  des 
Joconde  ist  eino  der  schärfsten  Satiren,  die  je  gegen  die  Unersättlichkeit 
der  Frau  im  Liebesgenuß  geschrieben  worden  sind;  durch  eine  derartige 
Frivolität  die  Liebe  der  leidenschaftlich  verehrten  Dame  erringen  zu 
wollen  kann  nicht  in  der  Absicht  eines  zurechnungsfähigen  Menschen 
gelegen  haben.  Der  Wunsch,  die  Geliebte  möge  so  handeln  wie  die 
Frau   des  Joconde   und  die  Gattin  des  König«,  war  wohl  vorhanden, 


Fredenc  I Mehrere.     L(   lAnf  i/  Anioiir  il'Ktiiienne  DtiixauL      ITI' 

aber  an  die  Möglichkeit  sie  durch  diese  Verse  umstimmen  zu  können, 
hat  er  sicher  keinen  Aucenlilick  gedacht.  Er  war  sich  sogar,  das 
geht  aus  den  Anfangsversen  der  Widmung  hervor,  klar  darüber,  daß 
er  die  Geliebte  beleidigte  durch  eine  solche  Herabsetzung  ihres 
Geschlechts.  Schon  aus  diesen  inneren,  psychologischen  Gründen  kann 
also  von  einem  Treubrncli  Mariens  zu  Gunsten  Estieiine  Durands 
keine  Rede  sein.  Außerdem  entspricht  auch  die  Darstellung  in  der 
Adventure  de  Si/lvandre  nicht  den  tatsächlichen  Yerh.ältnissen.  Es 
ist  die  Erzählung  einer  faden  Liebelei,  die  sicher  ganz  andere,  wahrere 
Formen  angenommen  hätte,  ^venn  sie  auf  einem  wirklichen  Erleben 
beruhte.  Denn  wcini  auch  wirklich  aus  Gründen  der  Diskretion 
Durand  die  Wahrheit  zu  verhüllen  bestrebt  gewesen  wäre,  so  liätten 
sich  ihm  sicherlich  andere,  stärkere,  leidenschaftlichere  Acceute 
eingestellt,  welche  die  Wirklichkeit  von  selbst  verraten  hätten. 

Ohne  Zweifel  ist  dann  die  Persönlichkeit  Mariens  aus  dem  dritten 
Teil  auszuschließen.  In  ihm  waltet  ein  Ton,  der  nicht  mehr  viel  mit 
dem  amonr  parfait  des  ersten  Teiles  zu  tun  hat.  Da  finden  sich 
Gedichte  erotisch  sinnlichen  Charakters,  wie  das  im  Ton  recht  glückliche 
und  flotte  Gedicht  ..Foh'strerie'-'  oder  das  höchst  derbe  Lied  von  Colin 
und  Perrette,  sowie  eine  Übersetzung  und  eine  Nacliahmung  aus  der 
ars  amandi  des  Ovid.  Dazwisclien  finden  sich  wolil  aucli  Gedichte 
ernsteren  Ldialtes,  die  wieder  Liebesklagen  enthalten,  also  der  Stimmung 
des  ersten  Teiles  entsprechen,  es  findet  sicli  da  das  merkwürdige 
Gedicht  ,,Stances  d'une  Dame'',  das  die  Gefühle  der  verheirateten 
Frau,  die  einen  anderen  liebt,  vom  Standpunkt  der  Frau  aus  enthält, 
oder  eine  nicht  üble  Satire  gegen  einen  mit  dem  Munde  tapferen, 
aber  mit  den  Waffen  feigen  Höfling,  der  dem  Dichter  sein  flatterhaftes 
Wesen  den  Frauen  gegenüber  vorhält.  Alles  in  Allem  Gedichte,  die 
nur  zum  geringsten  Teile  sich  auf  die  im  ersten  Abschnitt  gefeierte 
Geliebte  beziehen  können,  so  daß  man  also  von  Durand  als  Chistorien 
ßdele  seiner  Liebe  zu  Marie  de  Fourcy  in  dem  Sinne  wie  Lachevre 
es  auffaßt,  nicht  sprechen  kann. 

Ich  würde  nicht  so  lange  bei  dieser  Frage  von  verhältnismäßig 
untergeordneter  P»edeutung  verweilt  haben  (eigentlich  geht  uns  die 
Art  der  Beziehungen  zwischen  Estienne  Durand  und  seiner  Cousine 
übei'haupt  nichts  anj,  wenn  Lachevre  seine  Hypothese  nicht  noch 
weiter  ausgesponnen  hätte.  Hj'pothesen  dürfen  sich  nicht  zu  Phantasien, 
denen  jede  tatsächliche  Unterlage  mangelt,  auswachsen.  Es  fehlt  aber 
jeder  Schimmer  eines  lieweises,  wenn  Lachevre  behauptet,  Durand 
habe  sich  an  dem  Konijdott  gegen  Louis  XIll  und  den  allmächtigen 
Connetable  Luynes  beteiligt,  um  die  Marquise  zu  gewinnen,  die  er 
nach  Lachf'vres  Autfassung  bereits  seit  6  —  7  Jahren  heimlich  besaß. 
Er  hätte  sich  eine  Stellung  gewinnen  wollen,  welche  im  Stamle  gewesen 
wäre,  die  des  betrogenen  Gatten  zu  verdunkeln.  „Ce  liest  jias  Vad- 
versaire  du  Connetable  qa'on  a  etrangle  et  hrüle,  cest  rmnant 
decu    dans}  ses  calcnls  amhitieux^  c'est  ie  jo^ieur  perdant  la  partim 

12* 


180  Referate  wid  Rezensionen.      Waltlwr  K Hehler. 

dont  l'enjeu  etait  la  marquise  d'Effiat  et  cette  opinion  a  ('t/'  celle 
de  la  famille  de  Fourcy'"'.  Das  ist  eine  durch  nichts  zu  beweisende, 
nicht  einmal  wahrscheinlich  zu  machende  Behauptung.  Es  ist  ganz 
unerfindlich,  welcher  Gewinn  bei  einem  glücklichen  Erfolge  seiner 
Verschwörung  für  seine  Beziehungen  zur  Marquise  hätte  herausspringen 
sollen?  Er  hätte  denn  die  Absicht  haben  müssen,  nach  dem  Gelingen 
den  Gatten  bei  Seite  zu  schaffen  und  als  Ebenbürtiger  etwa  nach 
einer  Rangerhöhung  die  Marquise  zu  heiraten.  Nein,  wenn  wir  überhaupt 
seine  Beweggründe  feststellen  können,  so  war  es  rein  persönlicher 
Ehrgeiz,  der  ihn  trieb,  la  table  d'un  grand  seigneur.  die  ihn  nach 
CoUetet,  der  dieses  Wort  aus  Durands  eigenem  Munde  gehört  hatte, 
lockte.  Ein  so  leicht  zu  erklärendes  Verlangen  in  dieser  Zeit  der 
pohtischen  Intriguen  und  des  skrupellosen  Libertiuismus.  Wenn  schon 
Durand  das  Glück  besaß,  Vater  der  Kinder  seiner  Cousine  sein  zu 
können,  aus  welchem  Grunde  sollte  er  dann  noch  nötig  gehabt  haben 
sein  Leben  für  einen  Rang  aufs  Spiel  zu  setzen. 

Doch  die  Phantasie  Lachevres  hält  noch  immer  nicht  still.  Im 
Jahre  1642  verlor  Cinq  -  Mars,  der  Sohn  der  Marquise  d'Effiat,  den 
Kopf  auf  dem  Schaffot,  weil  er  auch  den  Besitz  einer  Höherstehenden 
erstrebte,  die  Hand  der  Marie  de  Gonzague.  Waltete  nicht  ein 
Verhängnis  über  ihm?  Mußte  er  nicht  so  handeln,  weil  das  Gesetz 
der  Vererbung  es  so  wollte?  Vielleicht  war  Cinq  -  Mars  gar  der  Sohn 
von  Estienne  Durand  und  Uranie,  Marie  Marquise  d'Effiat?  Tag  und 
Jahr  seiner  Geburt  steht  nicht  fest,  so  sei  es  wohl  möglich,  daß  er 
im  Jahre  1618  geboren,  also  der  Sohn  des  in  diesem  Jahre 
geräderten  Verschwörers  gewesen  ist.  Wir  meinen,  ein  Mann  der 
exakten  Forschung,  und  als  solcher  hat  sich  doch  Lachevre  bewiesen, 
sollte  solche  überflüssigen  Vermutungen  nicht  zum  Druck  bringen. 


Schön  ist  der  Titel,  den  Durand  seinen  Versen  au  die  Geliebte 
gegeben  hat:  „Miditations^ .  Man  denkt  an  Brebeufs  .^Entretiens 
solitaires  ou  Prittres  et  Meditations  pieuses  en  vers  franpais'"'  und 
vor  allem  an  Lamartine.  Man  glaubt  wohl  schon  am  Titel  die  Einführung 
eines  neuen  Elementes  in  die  lyrische  Dichtung  erkennen  zu  können: 
Meditation,  träumerisches  Sichversenken  in  Gott  und  Welt,  sinnendes 
Träumen  von  Liebe  und  Tod,  philosophisches  Sichbefragen  über  die 
Geheimnisse  und  Rätsel  des  Daseins,  Enthüllung  persönlichen,  inneren 
Lebens,  Ausbreiten  von  seelischen  Stimmungen,  Solchen  Inhalt  zu 
erwarten  hat  man  wohl  ein  gewisses  Recht  nach  dem  so  schön  und 
voll  klingenden  Titel  ,.,MSditations'-\  Aber  man  findet  ihn  nicht. 
Mögen  auch  die  Verse  der  „Meditations'^  an  ein  Wesen  von  Fleisch 
und  Blut  gerichtet  sein,  sie  sind  ganz  und  gar  im  Stile  jener  kon- 
ventionellen Liebespoesie  gehalten,  wie  sie  in  Frankreich  um  die 
Wende  des  sechszehnten  Jahrhunderts  zum  siebzehnten  gedichtet 
wurde.  Eine  ganz  auffallende  Berührung  Durands  mit  Philippe 
Desportes   ist   da   zu  konstatieren,   eine   so  auffallende  und  deutliche 


I^ reder ic  Lachevre.    Le  Livre  (VÄmour  cVEsiienne  Durand.      181 

Berührung,  daß  man  kaum  fehlgehen  dürfte,  wenn  man  Durand  als 
einen  Schüler  Desportes'  bezeichnet.  Nicht  nur  die  Inspiration  des 
Ganzen  ist  die  gleiche  bei  beiden  Dichtern,  das  Klagen  und  Jammern 
über  die  Härte  einer  grausamen  Geliebten,  auch  Ton  und  Wendung 
im  einzelnen,  Vorstellung  und  Bild,  Motive  und  Sprachgebrauch  weisen 
viele  gemeinsame  Züge  auf.  Nur  ist  Desportes  wechselnder,  erfindungs- 
reicher, fast  noch  witziger  und  gekünstelter  als  Durand,  dessen  Schmerz 
über   die  spröde  Geliebte  sich  mit  einer  gewissen  Monotonie  entlädt. 

Die  Poesie  Desportes'  und  Durands,  ein  letzter  Ausläufer  des 
Petrarkismus  in  Frankreich,  kennt  eigentlich  nur  ein  Motiv :  die 
Liebesklage,  die  Verzweiflung  über  das  hartnäckige  Widerstreben  der 
ersehnten  Frau.  Es  handelt  sich  also  nur  um  Variationen  dieses 
einzigen  Themas,  darum,  in  immer  neuen  Combinationen  das  gewaltige, 
tränenreiche  Leid  zu  besingen  und  so  das  Mitleid  der  Geliebten  zu 
erwecken.  Der  Dichter  muß  sich  immer  wieder  selbst  überbieten, 
er  muß  immer  suchen  nach  überraschenden  Vergleichen.  Er  hascht 
nach  Effekten,  nach  Geist,  nach  Witz,  der  erschüttern  soll.  Er  sucht 
nach  Antithesen,  er  verbindet  das  Ewig  getrennte,  Kälte  und  Glut, 
Feuer  und  Wasser,  Grausamkeit  und  Sanftheit.  Er  treibt  ein 
unablässiges  Spiel  mit  seinem  Leid,  das  ihn  langsam  verzehrt  in 
unerhörten  Qualen  und  das  er  doch  nicht  missen  möchte,  da  es 
zugleich  süßeste  Lust  ist: 

Mon  cruel  iourment  m'est  si  fort  agreahle 
Que  je  täche  ä  durer  pour  le  faire  durer 

singt  Desportes  und  unzählige  Male  fast  rühmt  sich  klagend  Durand: 

faime  mon  martyre 
Plus  qu\in  oyseau  les  champs  ou  quun  Roy  son  empire. 
oder 

Je  vis  de  mes  douleurs,  et  nay  rien  de  si  doux 
Que  Vaigreiir  que  je  souffre  en  mon  ohSissance. 

Oder:  Mein  Leid  ist  nicht  so  groß  als  der  Ruhm,  den  es  mir  ein- 
bringt. Sterbend  werde  ich  mich  würdiger  des  Leides  als  des  Mit- 
leides glauben.  Wie  ein  Lamm  lasse  ich  mich  opfern,  und  ich 
empfinde  Lust  zu  sterben,  ohne  zu  sprechen.  Beide  werden  geplagt 
von  nächtelanger  Schlaflosigkeit,  sie  sind  in  Stein  verwandelt,  sie 
wandern  hinaus  in  die  Natur  und  rufen  die  Wälder  zu  Zeugen  ihres 
Leides  au,  die  Vögel,  die  Felsen,  das  Echo.  Sie  verwundern  sich 
beide,  daß  sie  noch  leben,  da  sie  kein  Herz  mehr  haben,  sondern  es 
der  Geliebten  geschenkt  haben.  Sie  suchen  mit  allen  Mitteln  die 
Geliebte  zur  Gegenliebe  zu  überreden,  sie  versuchen  in  plötzlichem, 
energischem  Entschlüsse  von  ihr  loszukommen,  um  dann  erschrocken 
auszurufen:  „Weh!  was  hab'  ich  gesagt"  und  dann  von  neuem  den 
Nacken  unter  das  Joch  zu  beugen.  Desportes  versichert,  es  gebe 
in  der  Hölle  nicht  so  harte  Strafen  als  er  aushalten  müsse.    Durand 


1<S2  lieferaic  und  Rczeudunoi.      Waltlier   Ki'iclder. 

klagt,  (laß  seine  Seele  in  ihrer  Hölle  unausgesetzt  gequält  werde, 
während  in  der  wirklichen  Hülle  docli  noch  der  Fluß  des 
VcTgessens  Hieße. 

Es  sei  gestattet,  an  je  einem  Souuet  Desportes"  und  Durands 
die  ÄhnHchkoit  ihrer  Manier  zu  verauschaulicheri.  Ich  wähle  zwei 
Sounete,  in  denen  der  Gedanke  dargestellt  wird,  daß  die  Geliebte 
nach  Außen  so  kalt  ist,  aber  doch  im  Stande  i^t,  Gluton  zu 
erzeugen.     Desportes: 

^S'^/  nn  a  rien  si  froid  ne  kI  glacii  ijue  celle 
Qui  nie  fait  pa?'  aes  yeux  sans  piiie  consowiner, 
D'oü  peilt  eile  en  7ios  ccears  tant  de  fiamiues  seiner 
Veu  que  le  sien  est  pris  d'une  glace  eternellef 
("est  un  estrange  cas  que  Vardeur  hnmortelle, 

Qui  a  soiirce  en  se.s  yeux,  ne  la  puisse  albiiner: 
Semblahle  au  heau  Soleil  qui  peut  tont  enfiainuicr, 
ßien  qu'il  n\dt  'point  en  soi/  de  chaleur  naturelle. 
Seroif-ce  point  Amour  le  tyran  sans  merci, 

Qui  frapant  de  ses  traits  sur  son  cceur  endun-i. 
Fist  saillir  tont  ce  feu  pour  consonu/ier  nos  avicsf 
Coni/ne  on   voit  un  caillou  refrape  maintes  f'oi.i 

Par  foree  avec  du  fer,  servir  d^aniorce  au  bois. 
Et  Sans  deveidr  chaud  faire  iaillir  des  ßamntesf  ^) 

Durand  greift  den  Vergleich  mit  dem  Kieselstein,  der  sich  bei 
Desportes  erst  zum  Schlüsse  einstellte,  auf  und  behandelt  ihn  in 
einem  ganzen  Sonnet : 

Insensible  caillou  dont  les  reines  secrettes 
liennent  un  feu  caclie,  non  pour  toy^  niais  pour  nous, 
Qui  rends  estant  presse  des  ßanimes  pour  des  coups, 
Et  n'es  point  eschauj/'i'  par  les  Jena;  que  tu  jettes. 

Ma   belle  ainsi  ipie  tou  soiis  les  douceurs  parfaietes 
Qu'elle  a  pour  eile  seule.  a.  des  rigueurs  pour  tous, 
En  luy  nionstrant  moti  mal  fexcite  son  courroax, 
Et  na  point  de  pitie  des  gehesnes  <pfellc  a  faictes. 

Pour  vouloir  de  douleur  vion  esprit  accubler, 
Elle  reut  de  tout  poinct  au  mal  te  ressemhler. 
Mais  le  bien  ne  snniroit  t'n  son  ca'ur  trouver  place. 

En  froideur  eile  veut  dessus  toy  triomplier : 

Car  estant  pres  du  feu  tu  te  laisses  cscliauffer. 

Mais  taut  plus  fay  de  feu,r,  et  plus  eile  a  de  glace.  -) 


1)   Oiucres    ih    I'tiiJij>/jr.<    /v,v    ['ortt.-<.      Lyon    löH.".    (Amoms    (rHippolyte. 
Sonnet  .")3). 

-■)  Lacbevre,  p.  o>s.    yunnet  'll. 


Frederic  Liaclievre.    L,e  L,ivre  d  Ainour  dEstienne  Durand.      183 

In  einer  Elegie  entwickelt  Desportes  den  Gedanken,  daß  er 
trotz  seines  großen  Leides  sich  nicht  töten  dürfe;  denn  er  fürchte, 
wenn  er  sich  treffe,  zugleich  das  Bild  der  Geliebten  zu  treffen,  das 
Amor  in  sein  Herz  gegraben  hat.  Durand  in  einem  Sonnet  fragt 
die  grausame  Geliebte:  Wo  wirst  du  dich  verbergen  am  jüngsten 
Gericht?  Wer  verteidigt  Dich  für  das  Leid,  das  Du  mir  zugefügt 
hast?    Du  wirst  Deine  Tyrannie  leugnen  wollen? 

Mais  mon  cceur  plein  de  traicts  alors  t'accusera; 
Et  monstrant  ton  portraict  le  Ciel  te  blasmera 
D'avoir  contre  toy-meme  addresse  ta  furie. 

Die  Vorstellung,  daß  der  Liebende  das  Bild  der  Geliebten  im 
Herzen  trägt,  ist  allgemein,  gemeinsam  unseren  beiden  Dichtern  ist 
die  geistreichelnde  Erweiterung,  daß  dieses  Bild,  wie  ein  wirkliches 
Gemälde  von  wirklicher  Waffe  und  den  Pfeilen  abweisender  Liebe 
getroffen  werden  könne,  daß  es  zerstört  werden  könne  durch  den 
Dolch,  und  daß  es  mit  leiden  müsse  unter  den  Wunden  des  Herzens, 

Die    Geliebte    klagt    den   Liebenden    der   Flatterhaftigkeit    an: 
„  Vous  doutiez  de  nia  foy  et  tout  votre  langage 
Estoit  de  m'appeler  inconstant  et  volage;'" 
schreibt  Desportes  und  Durand  spricht  vorwurfsvoll  zu  seiner  Uranie: 
,,  Vous  dites  que  je  parle  en  terme  gSneral 
Quaux  autres   comme   ä   vous  je   tiens  mesme  langage.'"'' 

So  könnten  noch  eine  Reihe  von  gemeinsamen  Zügen,  ähnlichen 
Vorstellungen  und  Ideenassoziazionen  zwischen  den  beiden  Dichtern 
herbeigeholt  werden.  Sie  würden  die  Abhängigkeit  Durands  von 
jenen  oberflächlichen,  nur  wortgewandten,  mondänen  Hofdichtern,  die 
das  Erbe  Ronsards  und  Du  Bellays  antraten,  noch  deutlicher  erkennen 
lassen.  Nur  noch  ein  Motiv,  das  einmal  bei  Desportes  auftaucht  und 
dann  bei  Durand  erweitert  und  variiert  wird,  sei  noch  angeführt.  In 
einem  Sonnete  des  ersten  Buches  der  „Amours  de  Diane''  behandelt 
Desportes  die  Geburt  Amors.  Von  wem  wurdest  du  empfangen? 
fragt  er  und  antwortet: 

D'une  puissante  ardeur, 

Qu'oisevete  lascive  en  soy  mesmes  enserre. 

So  einfach  übernimmt  Durand  diesen  Gedanken  nicht.  Er 
fabriziert  ein  Sonnet  des  Inhalts:  Man  sagt,  daß  in  der  Kindheit  der 
Welt  Loisir  sich  am  Rande  eines  Wassers  niederlegte  und  dort  mit 
Venus  Amor  erzeugte.  Als  Venus  die  Geburtsstunde  herannahen 
fühlte,  nahm  sie  als  Hebamme  Jeunesse  avecque  la  Folie.  So  hat 
Amor  die  Reize  seiner  Mutter  und  will,  daß  wir  die  Trägheit  seines 
Vaters  haben  sollen,  aber  um  in  uns  einzudringen,  muß  er  noch 
Folie  an  der  Tür  finden.  Solcher  allegorische  Geburten  von  Amor 
und  die  aus  ihnen  gezogenen  Krlvläiungen  seines  Wesens  hat  Durand 


184  Referate  und  Rezensionen.      Wolfpang  Martini. 

nocli  mehrere.  Einmal  ist  Amor  der  Sohn  der  Venus  und  eines 
Diebes,  weil  er  sieh  im  Haube  gefallt.  Oder,  da  seine  schaumgeborene 
Mutter  die  Gattin  des  Vulkan  und  die  Geliebte  des  Mars  ist,  so 
vereinigt  er  in  seinem  Wesen  den  Trug  der  Welle,  das  Feuer  des 
Vulkan  und  die  Grausand<eit  des  Kriegsgottes. 

Nicht  bloß  Amors  Geburt  wird  allegorisch  verwertet.  Eines 
Tages  trifft  Boreas.  nachdem  er  viele  Schiffe  im  Meere  hat  untergehen 
lassen,  in  einem  dunklen  Walde,  bei  einem  alten  Felsen  VAhsence. 
Er  läßt  seine  Kälte  beiseite,  und  auch  sie  ist  nicht  abweisend,  sondern 
schenkt  ihm  ihre  Liebe.  Sie  beide  erzeugen  zusammen  ein  Kind, 
VOnhliunce,  das  von  da  ab  stets  der  Absence  folgt  und  die  Kälte 
des  Boreas  in  sich  trägt.  Man  glaubt  sich  in  das  vierzehnte  oder 
fünfzehnte  .Jahrhundert  versetzt,  wenn  man  eine  derartige  allegorische, 
gekünstelte  Poesie  liest. 

Was  man  von  dem  dichterischen  Wert  der  Verse  Durands  zu 
halten  hat,  ist  wohl  klar  geworden.  Die  Sammlung  trägt  ihren  Titel 
.^MMitations"  nicht  zu  recht.  Durand  fällt  aus  dem  Stil  herau> 
daduroJi,  daß  er  nicht  schreibt  „Amours  d' Uranie""  wie  Desportes, 
t>bne  sich  den  Schein  des  Neuen  und  Tiefen  geben  zu  wollen  ..^Amours 
de  J^ione^'nnd^Amours  d'Hippolyte''  geschrieben  hatte. 

Um  neue,  selbständige  Töne  hat  Durand  die  französische  Poesie 
nicht  bereichert.  Auch  die  Übersetzung  eines  Fragmentes  aus  Ariost 
findet  ihr  Vorbild  in  gleichen  Bestrebungen  seines  von  ihm  nur  nicht 
genannten  Meisters  Philippe  Desportes. 

GiEssKN.  Walther    Küchler. 

E§te\e,  Kdlliond.  Byron  et  le  romantisme  frangais.  Essai  sur 
la  fortune  et  l'intiuence  de  Toeuvre  de  Byron  en  France  de 
1812  ä   1850.     Paris,  Hachette,   1907.    'XVI  -f  560  S. 

Dieses  in  jeder  Hinsicht  sehr  beträchtliche  Buch  ist  bis  jetzt 
die  einzige  vollständige  Arbeit  über  das  durch  den  Titel  genau  um- 
schriebene Thema.  Keine  Spezialuntersuchung  über  die  französische 
Romantik  wird  dieses  Werk  künftighin  unberücksichtigt  lassen  dürfen. 
Es  l)ehandelt  in  drei  Büchern:  I.  Die  in  Frankreich  seit  Rousseau 
vorhandenen  Elemente  des  .,Byronismus"  vor  Byron  (Kap.  I  —  II. 
p.  1  —  43^;  II.  Die  einzelnen  Etappen  des  Eindringens  Byronscher 
Einflüsse  im  Zusammenhang  mit  den  Perioden  der  romantischen 
Entwicklung  von  1812— 50  (Kap.  III— VII.  p.  45—295);  HI.  Die 
Einwirkungen  Byrons  auf  die  Führer  der  fianzösischen  Romantik: 
Hugo,  Lamartiiu',  Vigny,  Musset,  Dumas.  G.  Sand  (Kap.  VIII  —  XI 
p.  "297 — 514).  So  bietet  es  eine  Art  Geschichte  iler  französischen 
Boraantik,  von  dem  besonderen  abseits  liegenden  Stiimlpunkte  des 
Themas  aus  gesehen.  Die  am  Schluß  (p.  515-524)  gegebenen  Re- 
sultate  möchte    ich   kurz   dahin  zusammenfassen,  daß  Byron  die  zu- 


Edmoni  Esfeve.     Byron  et  le  rornanfisme  franr^ais.        185 

nächst  verworrenen  Elemente  der  französischen  Roraautik  einigen  und 
klären  half  und  einen  richtunggebenden  Einfluß  ausübte,  indem  er 
aus  bereits  vorhandenen  Tendenzen  den  romantischen  Typus  scliuf  und 
in  seiner  Person  verwirklichte. 

Der  Verfasser  ist  der  naheliegenden  Versuchung,  Byrons  Ein- 
\vi)kungen  zu  überschätzen,  nicht  erlegen.  Trotz  der  mühevoll  bis  in 
die  minutiösesten  Einzelheiten  dringenden  Kleinarbeit,  die  durch  alle 
Dokumente  jener  Zeit  hindurch  jede  Erwähnung,  jedes  Urteil,  jeden 
Anklang,  soweit  ihm  ein  hittorischer  Wert  zukommt,  verfolgt  und  mit 
reichlichen  Zitaten  belegt,  ist  überall  das  vorsichtige,  klar  abwägende 
Urteil  des  beschreibenden  Historikers  gewahrt.  Eine  sehr  reichhaltige 
Bibliographie  (p.  525 — 549)  nnd  ein  Namenvoi'zcichnis  sind  für  die 
Benutzung  des  Werkes  als  Nachschlagebuch  wichtig. 

Die  angewendete  Methode  ist  im  wesentlichen  rein  deskriptiv. 
Hier  liegen  die  Vorzüge,  aber  auch  die  Mängel  des  Buches.  In 
allen  Einzelheiten  lindet  sich  eine  durch  lebendigen  Stil  gehobene, 
durch  innige  Vertrautheit  des  Verfassers  mit  der  behandelten 
Periode  absolut  zuverlässige,  rein  empirische  Darstellung  der  litera- 
rischen Zeitverhältnisse.  Besonders  die  Zeit  von  1819 — 30,  als  Haupt- 
zeit des  Byronismus  ist  mit  eingehendster  Gründlichkeit  behandelt. 
Hervorragend  sind  die  einzelnen  den  großen  Romantikern  gewidmeten 
Kapitel,  besonders  die  über  Lamartine  und  Alfred  de  Vigny.  Der 
Vergleich  von  Vignys  metaphysischem  Pessimismus  mit  dem  Byrons 
(Kap.  IX  Abschn.  IV)  ist  vortrefflich.  Der  Verfasser  ist  bis  in  den 
Kern  der  aristokratischen  Persönlichkeit  A.  de  Vignys  eingedrungen. 
Man  merkt,  daß  er  sich  mit  diesem  Romantiker  besonders  liebevoll 
beschäftigt  hat,  wie  ja  auch  sein  Neudruck  der  ..Helena"  von  1822 
mit  Einleitung  nnd  Anmerkungen  (Paris  1907)  beweist. 

Aber  die  reine  Deskription  hat  auch  ihre  Schattenseiten.  Es 
mangelt  vielfach  das  geistige  Band,  das  die  verwirrende  Mannig- 
faltigkeit der  Tatsachen  mit  einander  verbindet.  Nicht  im  einzelnen; 
dazu  ist  Esteve  ein  zu  guter  Stilist;  er  stellt  überall  eine  mitunter 
geistreiche  und  scharfsinnige  Verbindung  her.  Aber  er  tut  es  oft 
in  widerspruchsvoller  Weise,  weil  dem  großen  Ganzen  der  einende 
Grundgedanke  fehlt:  Dus  Buch  bietet  keine  Entwicklungsgeschichte 
im  tieferen  Sinne,  ein  Mangel,  den  es  übrigens  mit  sehr  vielen  literar- 
historischen Veröffentlichungen  teilt.  Der  Verfasser  stellt  uns  in  die 
frische  Wirklichkeit  der  geschilderten  Zeit  mitten  hinein,  aber  er 
verzichtet  damit  zugleich  auf  die  eigentlich  wissenschaftlichen  Vorteile, 
die  dem  modernen  Historiker  die  zeitliche  Entfernung  von  der 
geschilderten  Periode  bietet.  Die  Fixierung  von  Tatsachen  i«t  noch 
keine  Ge>chichte.  Es  kann  nach  den  Fortschritten  der  modernen 
psychologischen  Wissenschaften  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  daß  sich 
geistige  Entwicklungen  wie  körperliche  nach  bestimmten  immanenten 
Gesetzen  organisch  vollziehen.  Es  scheint  mir  nun  die  Aufgabe  des 
Historikers    zu    sein,    das    waltende  Gesetz    in   der   Flucht   der   Er- 


186  Eeferate  aml  Rezensionen.       Wolfgantj  Martini. 

scheinungen  zu  cutdecken.  Es  muß  für  die  geistige  Entwicklung 
dasselbe  geleistet  werden,  was  die  Naturwissenschaft  für  die  physischen 
Erscheinungen  bereits  mit  so  großem  Erfolge  geleistet  hat.  Erst 
dann    kann  von  wirklich  wissenschaftlicher  Erklärung  die  Rede  sein. 

"Wir  stehen  jedoch  hier  noch  durchaus  in  den  Anfängen.  Es 
ist  daher  begrciHich  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  berechtigt, 
wenn  viele  Historiker  den  großen  Schwierigkeiten  und  unvermeidlichen 
Irrtümern  auf  diesem  noch  so  dunklen  Gebiete  aus  dem  Wege  gehen 
und  zunächt  nur  eine  möglichst  objektive  Deskription  zu  bieten  ver- 
suchen, auf  der  dann  die  tiefer  dringende  Forschung  mit  Hilfe  der 
PsycJiologie  weiter  bauen  kann.  In  diesem  Sinne  hat  das  vorliegende 
Werk  sein  großes,  unbestreitbares  Verdienst. 

Es  ist  jedoch  nicht  immer  möglich,  rein  deskriptiv  zu  bleiben. 
Die  Auswahl  und  Gruppierung  der  Tatsachen,  die  Beleuchtung,  in  die 
wir  sie  rücken,  und  vor  allem  ihre  Verknüpfung  ist  immer  abhängig 
von  der  Gesamtanschauung,  die  sich  der  Darstellende  von  seinem 
Gegenstande  gebildet  hat.  Die  oft  scharfsinnigen  Verbindungen  der 
Tatsachen  bei  Esteve  bleiben  meist  auf  der  Oberfläche  und  sind  oft 
widerspruchsvoll,  weil  der  leitende  Grundgedanke,  das  Entwicklungs- 
gesetz fehlt,  durch  das  wir  einen  Einblick  in  die  tiefer  liegenden  Wurzeln, 
die  primären  Ursachen  der  Vorgänge  gewinnen  können.  Durch  diesen 
Maugel  werden  die  in  der  Literarhistorik  so  häufigen  Verwechslungen 
von  Symptom  und  Ursache  hervorgerufen,  Gleichzeitiges  wird,  selbst  wenn 
es  gegensätzlich  ist,  um  der  Chronologie  willen  als  Gleichaitiges  aufgefaßt. 

Ein  Beispiel.  Der  romantische,  als  mai  oder  maladie  du  siede, 
WertMrisme  etc.  bekannte  Pessimismus,  der  sich  uns.  kurz  gesagt,  als 
eine  krankhafte  Gefühlsreaktion  der  modernen  europäischen  Kuitur- 
meuscbheit  kennzeichnet  (vgl.  darüber  auch  den  Schluß  der  folgenden 
Besprechung  über  Cassagne),  ist  für  Esteve  offenbar  ganz  unverständlich. 
Die  Erklärungsversuche  dafür  gehen  einander  widersprechend  durch 
das  ganze  Werk.  Zunächst  wird  ohne  den  notwendigen  kritischen 
Zusatz  die  schon  chronologisch  unmögliche  Meinung  des  Catulle  Mendes 
erwähnt,  Byron  sei  der  Erfinder  der  modernen  Melancholie  (p.  X. 
Anm.  1.).  Dann  leitet  E.  aus  dem  romantischen  Individualismus  die 
aristokratische  Weltauffassung  und  daraus  wider  den  Weltschmerz  jener 
Zeit  als  eine  Art  logischer  Folgerung  ab:  weil  nämlich  die  böse  Welt 
offenbar  nicht  würdig  sei,  das  eigene  hohe  Ich  zu  beherbergen  (p. 
28  f.).  Wenn  an  anderer  Stelle  (32)  die  hohe  Sensibilität  der 
Romantiker  als  Ursache  des  Pessimismus  genannt  wird,  so  kommt 
«las  der  Wahrheit  offenbar  näher.  Später  (37  f.)  soll  sich  derselbe 
Gruudzug  aus  dem  Rationalismus  des  18.  Jahrhunderts  erklären, 
infolge  der  Einsicht,  daß  die  rationalistische  Perfektibilitätsidee  sich 
in  dieser  Welt  nicht  verwirklichen  lasse.  Weiterhin  erscheint  die 
Melancholie  als  Folge  der  Revolutionskriege  (41)  oder  nach  Desmarais 
des  nationalen  Unglücks  der  großen  Revolution  (1U2).  Schließlich 
ist   sie   sogar  eine   allgemeine   Eigenschaft   aller  Poeten   seit  Uoraer, 


Edimmt  E.<<teve.     Byron  et  le  roinandstne  fraiK^ais.        187 

Piudar  und  Villon  (ItU).  An  derselben  Stelle  werden  aber  besonders 
Rousseau,  Werther,  lijron  und  Chateaubriand  dafür  verantwortlich 
gemacht.  Werther,  Faust  und  Manfred  erscheinen  oft  als  Erregei' 
dieser  weltschmerzlichen  Stimmung  (38  und  201  f.).  Der  Meinung 
einiger  Epigonen,  die  den  Mangel  an  Religion  als  Ursache  nennen 
(253.  259  f.),  folgt  E.  nicht.  Doch  hält  er  schließlich  gar  die  Skepsis 
und   den  Pessimismus   für   eine  Byron  nachgeäffte  Denkerpose  (464). 

Das  Problem  wird  durch  dieses  vielfache  Gemisch  von  Gründen 
und  Symptomen  nur  verschleiert.  Es  muß  deutlich  gesagt  werden,  daß 
wir  es  hier  nicht  mit  Ursachen,  sondern  mit  einander  koordinierten 
Folgeerscheinungen  der  tragischen  romantischen  Grundstimmung  zu 
tun  haben,  die  sich  nach  dem  Gesetz  der  psychischen  Relationen  J) 
auf  allen  Gebieten  des  geistigen  Lebens  gleichmäßig  geltend  macht. 
Daß  Erscheinungen  wie  Werther  und  Byron  diese  Richtung  stark 
förderten  und  in  Mode  brachten,  ist  gewiß.  Aber  die  Grundstimmung 
dafür  ist  das  Primäre;  ohne  sie  wäre  der  beispiellose  Erfolg  dieser 
Erscheinungen  ganz  unerklärlich.  Die  meisten  der  angeführten 
Erklärungen  streifen  als  Sym})tome  die  Wahrheit  wenigstens.  Dagegen 
ist  es  ganz  unmöglich,  den  Rationalismus  als  Erklärungsgrund  heran- 
zuziehen (37  f.).  Zum  rationalistischen  Klassizismus  steht  die  Romantik 
im  denkbar  schärfsten  Gegensatze.  Sie  ist  nach  dem  Gesetz  der 
liistorischen  Kontraste  direkt  aus  der  Reaktion  gegen  ihn  hervorgegangeu. 
Wie  in  jeder  Beziehung,  so  ist  auch  betreffs  des  Pessimismus  der 
Gegensatz  unverkennbar.  Es  gibt  in  der  Geschichte  der  Pliilosophie 
kaum  eine  Periode,  die  mit  gleichem  Stolze  und  gleicher  satter  Selbst- 
zufriedenheit auf  ihre  geistigen  Errungenschaften  geblickt  hätte,  wie 
der  Rationalismus,  der  den  Gipfel  aller  Erkenntnis  erklommen,  die 
absolute  Wahrheit  gcfauden  zu  haben  vermeinte.  Dagegen  grub  die 
Romantik  viel  tiefer  als  die  rationalistische  Oberflächlichkeit  hatte 
ahnen  können.  Sie  sah  überall  Rätst  1  und  suchte  mit  ihrem  unklaren 
Gefühl  die  tiefen  Geheimnisse  des  Daseins  innerlich  zu  erfassen.  Daß 
aber  dieser  Erkenntnisdrang  tragisch  auftritt,  ist  eine  Folge  der  düsteren 
romantischen  Grundstimniung,  die  ja  gerade  von  allen  Rationalisten 
und  Klassizisten  jener  Zeit  als  eine  läclierlicht'  „Mode"  verspottet  wird. 
Es  ist  verfehlt,  eine  solche  Gefühlsweise  als  eine  logische  Folgerung 
aus  logischen  Prämissen  herleiten  zu  wollen.  Vom  Rationalismus 
wird  der  Erkenntnisdrang  in  keiner  Weise  tragisch  genommen,  und 
es  ist  ganz  unmöglich,  den  „Faust'  etwa  mit  der  Aufklärung  (p;  38) 
in  Verbindung  zu  bringen. 

Auch  bei  den  anderen  Begründungen  liegt  der  Fehler  deutlich 
auf  der  Hand ;  so,  wenn  jene  Stimmung  eine  Folge  der  Revolutions- 
kriege  sein  soll.    Die  kausale  Vei'knüpfung  ist  genau  umgekeliit.    Der 


^)  Näherps  über  die  hier  in  Betracht  komuienden  Entwickluugsgesetzo 
öndoi  sich  in  dieser  Zeitschr.  XXVIP  p.  ;-;07  ff.  Über  den  Pessimismus  rgl. 
ebenda  p.  oll  und  316. 


188  Referate  und  Rezensionen.      Woifgany  Martini. 

Sturz  der  alten  absoluten  Staatsform  ist  der  konsequente  politische 
Ausdruck  des  romantischen  Gegensatzes  gegen  die  alte  klassizistische 
Zeit,  wie  die  romantische  Dichtung  der  poetische  ist.  Wie  kann 
außerdem  für  den  „"Werthcrisme"  des  19,  Jahrhunderts  irgend  ein 
wesentlicher  Grund  in  den  Revolutionskriegen  gesucht  werden,  da 
diese  Richtung  doch  ziemlich  unverändert  bis  auf  Rousseau,  Goethe 
etc.  zurückreicht! 

Die  Erkenntnis  des  in  allen  Einzelerscheinungen  der  romantischen 
Zeit  ausgeprägten  Eutwicklungsprinzips  hätte  eine  größere  Einheitlichkeit 
und  Klarheit  der  Gesamtdarstellung  zur  Folge  gehabt.  Das  zweite 
Kapitel  des  ersten  Buches,  das  die  Entwicklung  des  „Byronismus'" 
von  Rousseau  bis  Byron  darstellen  soll,  gibt  uichts  als  lauter  einzelne 
romantische  Eigenschaften,  die  Esteve  ganz  rationalistisch  psychologi- 
sierend  jede  aus  der  vorhergehenden  hervorzuleiten  sucht;  Eigenschaften, 
die  Byron  mit  Rousseau  (23  fi),  Chateaubriand,  Goethe,  Schiller  (29  ff). 
Young  (33  ff),  Voltaire  (36  f)  und  wieder  Goethe  (38  f)  einzeln 
gemeinsam  hat.  Es  scheint  danach  beinahe,  als  seien  solche  Strömungen 
rein  persönliche  Einzelschöpfungen,  die  der  eine  vom  anderen  einfach 
übernehme,  und  die  Byron  nachahmend  in  sich  vereinige.  Die  Hervor- 
leitung der  Einzelerscheinungen  aus  der  gemeinsamen  Wurzel  ist  bei 
iler  Darstellung  von  Entwicklungen  unumgänglich,  wenn  dieser  falsche 
Eindruck  nicht  erweckt  werden  soll.  Statt  dessen  stellt  E.  als  Grund- 
eigenschaft individualisnie  und  lyrisme  auf  (23),  woraus  aristocratisme 
(28)  und  pesslmisme  (32)  hervorgehen  müsse.  Da  aber  die  Rechnung 
nicht  aufgeht,  (denn  Aristokraten  sind  häufiger  Optimisten),  so  wird 
der  Rationalismus  als  Ursache  herangezogen  (37  f),  gegen  den  doch 
die  Romantiker  im  schärfsten  Gegensatze  standen.  Dieser  Gegensatz 
wird  au  anderer  Stelle  (99  i)  wohl  gesehen,  aber  nicht  hinreichend 
erklärt.  Rousseau  wird  ohne  weiteres  als  Aristokrat  angesprochen 
(28),  worunter  E.  jedoch  hauptsächlich  seine  vom  Gewöhnlichen  ab- 
weichenden Anschauungen  und  seine  Liebe  zur  Einsamkeit  zu  verstehen 
scheint.  Nach  dem  üblichen  Sprachgebrauch  würde  ich  bei  Rousseau 
eher  von  einem  demokratischen  Grundzuge  sprechen. 

Auch  der  Abschnitt  über  die  bildende  Kunst  (Chap.  V.  Nr.  III) 
leidet  unter  dem  allgemeinen  Mangel.  E.  glaubt  die  romantische 
Malerei  auf  den  Einfluß  der  Schriftsteller  zurückführen  zu  sollen. 
Ich  kann  dem  nicht  zustimmen.  Es  läßt  sich  deutlich  eine  gemeinsame 
Grundtendenz  aufweisen,  die  sich  auf  beiden  Gebieten  nahezu  gleich- 
zeitig äußert.  Der  vielgenannte  Delacroix  z.  B.  ist  im  Innersten 
Romantiker,  sekundäre  Einflüsse  reichen  keinesfalls  aus,  um  seine 
Eigenart  zu  bestimmen.  Die  m.  E.  dafür  so  bezeichnenden  Ansichten 
Gautiers-),  dieses  Kronzeugen  der  damaligen  Zeit,  sucht  E.  zu 
bekämpfen  (192). 

*)  „Histoire  du  romuniisme"  (2*  ed.  Paris  1874),  von  der  aufser  p,  93  und 
18  noch  p,  5  anzuziehen  wäre, 


Kdmont  J^.sleve.      ßf/rou  et  le  rO)tiantisrne  francais.        189 

Der  Verf.  kommt  dem  romantischen  Prinzip  schon  näher,  wenn 
er  —  freilich  recht  einseitig  —  an  einer  Stelle  (220  f.)  die  roman- 
tischen Eigentümlichkeiten  aus  dem  gewollten  Gegensatz  gegen  den 
bourgeois  hcrvorzuleiten  sucht.  Denn  der  l)ourgeois  ist  zu  jener  Zeit 
Anhänger  des  alten  klassizistischen  Prinzips. 

Die  allgemeine  gedankenlose  Anschauung  der  meisten  Historiker 
der  Romantik,  daß  die  in  den  Vorreden  der  Dramen  ausgesprochene 
Theorie  dem  dramatischen  Schaffen  vorausgehe,  teilt  auch  Esteve 
(450).  Tatsächlich  sind  diese  Vorreden  alle  nach  den  betreffenden 
Dramen  geschrieben  worden;  die  berühmteste,  die  preface  zum  „Crom- 
welb\  ist  sogar  ein  volles  Jahr  später  als  der  ^Cromiuelb'-  entstanden 
(vgl.  diese  Zs.  XXVIII  ^  p.  89).  Nur  so  viel  ist  zuzugeben,  daß  die 
Theorie  wie  in  allen  Kampfperioden  sehr  früh  beginnt,  weil  man 
ihrer  zur  Verteidigung  und  zum  Angriff  bedarf.  Theorie  und  Praxis 
fließen  aber  deutlich   aus   einer  Quelle :    dem    romantischen   Prinzip. 

Die  größte  und  nachhaltigste,  noch  heute  wirksame  Errungen- 
schait  der  romantischen  Zeit  ist  das  Erwachen  des  historischen 
Sinnes,  der  sich  auf  allen  geistigen  Gebieten,  von  den  Einzelwissen- 
schaften bis  zur  Philosophie  und  Kunst,  sieghaft  geltend  machte 
(vgl.  diese  Zs.  XXVIIP  p.  227  f.).  Esteve  aber  meint,  das  alles  sei 
nur  eine  Byron  nachgeäffte  Pose  (460  und  465).  Auch  die  von  E. 
nicht  als  solche  erkannte  Wurzel  aller  Romantik,  die  Hegemonie  des 
Gefühls,  die  passion  (468)  und  den  daraus  hervorgehenden  lyiisme 
(465)  sollen  die  Romantiker  nur  von  Byron  „erlernt'  haben.  Es 
ist  überhaupt,  infolge  dos  erwähnten  Grundmangels,  eine  sehr  ver- 
breitete literarhistorische  Sitte,  die  Folgeerscheinungen  eines  historischen 
Prinzips,  die  eine  künstlerische  Richtung  ausmachen,  einem  einzelnen 
zu  vindizieren  und  die  anderen  Angehörigen  derselben  Richtung  als 
dessen  Nachahmer  zu  bezeichnen.  Der  ganze  Abschnitt  über  Dumas 
(460  —  477)  ist  aus  diesem  Grunde  mit  Vorsicht  aufzunehmen. 

In  dem  historischen  Zuge  der  Romantik,  der  sich  literarisch 
besonders  in  der  Forderung  der  couleur  locale  aussprach,  liegt  bereits 
der  Keim  des  kommenden  Realismus,  der  aber  in  seinem  Weseu  eine 
erneute  Kontrastbewegung  gegen  den  Gefühlsüberschwang  der  Romantik 
ist.  Esteve  deutet  wohl  einen  solchen  Zusammenhang  an  (291),  ohne 
ihn  indeß  näher  zu  begründen. 

Zum  Schluß  noch  einige  Einzelheiten.  Marian  Chaworth,  in 
die  sich  Byron  1803  verliebte,  ist  seine  Nachbarin,  nicht  seine 
„Cousine"  (6).  Es  ist  das  wohl  eine  Verwechslung  mit  der  bei  E. 
nicht  genannten  Cousine  Margarete  Parker,  zu  der  er  als  Knabe 
(1800)  eine  Neigung  faßte. 

Zu  dem  Vergleich  des  „Marino  Faliero''  Byrons  mit  dem  Cas. 
Delavignes  (453  ff.)  ist  noch  die  Dissertation  von  Wetzig  (SüuUe  ühei' 
die  Tragödien  Cas.  Delavignes,  Leipzig  1900)  p.  39  ff",  und  58  ff. 
zu  vergleichen,  wo  Genaueres  und  auch  weitere  Literatur  angegeben  ist. 


19(1  Rcjeroie   and  Ke::ensu)ii<'ii.        Wol/aiiiK/   Mnitini. 

V.  Hugo  soll  seine  Betrachtiui<ieii  über  den  Staub  uroßer  Männer 
im  großen  Monolog  des  Don  Carlo-  {.,fJe7nam'"  IV. -2,  nicht  „IV.  1"!) 
von  Byron  {..Barold-'  II.  4.  —  „Bon  Juan'-'-  1,  Jl.Sf.  —  Ode  U* 
Napoleon)  oder  gar  von  .luveual  entlehnt  haben  (463 f.).  Die  sehr 
geringe  Ähnlichkeit  dieser  allzu  zahlreichen  Stellen  mit  Karls  V. 
Worten  macht  das  an  sich  schon  unwahrscheinlich.  Dagegen  ist  es 
zweifellos,  daß  dieser  Gedanke  Hugos  (und  wahrscheinlich  auch 
Byrons^  eine  Reminiszenz  aus  seinem  Lieblingswerk,  dem  .JJamlel'' 
(V.  1.  Ende  der  berühmten  Totengräber>cene)  ist.  Denn  hier  i'-t 
Ähnlichkeit  bis  in  Einzelheiten,  sogar  bis  auf  den  angeführten  Namen 
(Caesar)  vorhanden. 

Der  Hauptwert  des  vorliegenden  Buches  besteht  in  seiner  voll- 
kommen zuverlässigen  und  erschöpfenden  kritischen  Einzeldarstellung. 
Die  von  mir  gemachten  Einschränkungen  allgemeinerer  Natur  können 
diesen  Wert  in  keiner  Weise  beeinträchtigen,  da  in  der  Anordnung 
des  Werkes  den  allgemeineren  Bemerkungen  mehr  die  Bolle  eines 
nicht  wesentlichen  Beiwerks  zukommt. 

Leipzig.  Wolf  gang  Martini. 


Cassagne,  Albort.  Xa  tkeorie  de  l'art  pour  Vart  en  France 
chez  les  derniers  romantiques  et  les  premiers  realistes. 
Paris,  Hachette.   1900.    IX  +  487  S.  in-8.    3.50  fr. 

Man  könnte  die  Aufgabe,  die  sich  der  Verfasser  gestellt  hat. 
und  die  er  rein  historisch  zu  lösen  bemüht  ist,  auch  so  umschreiben : 
Die  Entwicklung  des  Realismus  aus  der  Romantik  mit  besonderer 
Berücksichtigung  jener  Kunstanschauung,  die  die  Kunst  als  Selbst- 
zweck betrachtet.  Eine  völlig  adaequate  Übersetzung  für  l'art  pour 
l'art  (die  Kunst  um  der  Kunst  willen)  ist  unmöglich,  weil  damit  in 
Frankreich  zugleich  eine  bestimmte  historische  Gruppe  von  Dichtern 
bezeichnet  wird,  als  deren  Chorführer  der  urspriuiglich  romantische 
Theophile  Gantier  gilt.  Die  p.  VII  gesteckten  Grenzen  1848  —  1870 
sind  nach  rückwärts  etwas  zu  erweitern,  da  der  Verf.  sich  mit  Recht 
allenthalben  gezwungen  sieht,  zur  Begründung  auf  die  Generation  von 
1830  zurückzugreifen. 

Der  Inhalt  gliedert  sich  in  zwei  Teile.  Der  erste  Teil  (1  — 144), 
.^Histoirc  de  Ja  theorie  dr  Vart  pour  Part,''  liefert  die  eigentliche 
Eutwicklungsgeschichte,  der  zweite  (145  —  465),  „La  tlu'orie  de  l'art 
pour  Vart^"  gibt  eine  eingehende  Darstellung  aller  einzelnen  Charak- 
teristika dieser  ,.Theorie,"  die  man  auch  als  das  literarische 
Glaubensbekenntnis  des  Realismus  bezeichnen  könnte.  Audi  im 
zweiten  Teile  ist  die  Begründung  durchaus  entwicklungsgeschichtlich. 

Die  Darstellung  ist  in  allen  Einzelheiten  glänzend  und  zuver- 
lässig, zeichnet  ein  charakteristisches  Bild  der  realistischen  Periode 
in    Frankreich    und    zeugt    von    eingehender    und    durchdringender 


Albt'rL  ('af<!<a(ine.     Im  thcorw  de  l'iirt  ponr  Vart  ev   France.      191 

Kenntnis  des  umfassenden  Materials.  Wenn  ich  trotzdem  einige  Ein- 
schränkungen zu  machen  habe,  so  liegt  das,  wie  bei  der  vorher- 
gehenden Besprechung  (Esteve),  liauptsächlicli  in  der  prinzipiellen 
Verschiedenheit  meiner  historischen  Auftassung  des  Realismus  begründet. 
Ich  muß  daher  kurz  meinen  Standpunkt  klarstellen. 

Der  Realismus  ist  für  mich  im  Grunde  genau  so  eine  nach  dem 
Kontrastgesetz  (vgl.  die  vorige  Besprechung  und  diese  Zs.  XXVII' 
p.  307  ff.)  erfolgende  Reaktion  der  Verstaudesfunktionen  auf  den 
Gefühlsüberschwang  der  Romantik,  wie  diese  umgekehrt  eine  Reaktion 
des  Gefühls  auf  den  Rationalismus  der  klassizistischen  Periode  war. 
Der  auf  das  Reale  gerichtete,  objektive,  aller  subjektiven  Gefühls- 
phantastik  feindliche  Geist  der  Zeit  setzt  sich  nach  dem  Gesetz  der 
historischen  Relationen  (vgl.  diese  Zs.  XXVII^  p.  312)  seit  den 
1830®*'  Jahren  allmählich  auf  allen  Gebieten  des  geistigen  Lebens 
durch  und  bestimmt  sogar  die  führenden  Geister  der  Romantik  zum 
Umschwenken.  Auch  die  Realisten  waren  in  ihrer  Jugend  alle  mit 
Romantik  übersättigt:  so  hängt  die  allgemeine  Reaktion  mit  der  in- 
dividuellen eng  zusammen.  Auf  wirtschaftlichem  Gebiete  beginnt 
bereits  in  der  romantischen  Zeit  eine  tüchtige,  reale  Ziele  mit 
nüchternem  Verstände  erstrebende  Betriebsamkeit,  die  das  Bürgertum 
zu  hohem  Wohlstand  und  politischem  Einfluß  (Bürgerkönigtum)  bringt. 
Die  auf  das  Tatsächliche  gerichteten,  empirischen  Wissenschaften: 
Geschichte  und  die  beobachtenden  und  beschreibenden  exakten  Natur- 
wissenschaften in  praktischer  Verbindung  mit  der  Technik  nehmen 
einen  raschen  Aufschwung,  der  im  Darwinismus  gipfelt.  Auch  die 
Philosophie  bleibt,  entgegen  dem  phantasievollen  spekulativen  Fluge 
der  Romantik,  wesentlich  auf  das  Tatsächliche  gerichtet  (Positivismus, 
später  Materialismus).  In  der  Literatur  wendet  sich  der  Zeitgeschmack 
wiederum  den  alten,  von  der  Romantik  so  heftig  bekämpften  klassi- 
zistischen Werken  zu  (Rachel  seit  1838;  Ponsard,  Augier;  „Eeole 
du  bon  sens.-'  „Bon  sens'^  war  das  Schlagwort  des  Klassizismus 
und  des  Rationalismus!).  Und  das  höhere  Kunstschaffen  beginnt,  die 
Wirklichkeit  objektiv  wissenschaftlich  zu  beobachten  und  darzustellen 
(Realismus,  später  Naturalismus). 

Der  Hinweis  auf  diese  (liier  nur  kurz  angedeutete)  frappierende 
Einheitlichkeit  aller  Kulturtendeuzen  fehlt  bei  Cassagne,  so  treffend 
und  eindringend  er  das  Zeitalter  in  allen  Einzelheiten  charakterisiert. 
Ohne  das  Prinzip  der  historischen  Kontraste  ist  aber  der  schroffe 
Gegensatz  des  Realismus  gegen  alle  Gefühlsromantik  schlechterdings 
nicht  zu  verstehen.  Der  oft  wiederkehrende  Ausdruck  ^r}So-ro}nantiques," 
tler  Cassagnes  Auffassung  des  Realismus  als  einer  Fortsetzung  der 
Romantik  (14)  entspricht,  ist  deshalb  geradezu  irreführend.  C.  hat 
aus  der  Fülle  der  Ausdrucksformen  des  realistischen  Prinzips  vor 
allem  die  sozialen  Bedingungen  herausgegriffen,  die  er  (bes.  am  Anfang) 
»länzend    darstellt  und  zur  Begründung  des  künstlerischen  Realismus 


\'.*'2  Ri'f'crate  fnid  Rezensionen.      Wolfgana  Alartini. 

vorwiegeud  verwertet.  Nach  moiueui  oben  kurz  dargelegten  Stand- 
punkte ist  es  klar,  daß  dies  eine  der  häufigen  Vcrweclislungeu  von 
Symptom  und  Ursache  ist.  Zweifellos  existiei't  eine  stete  Wechsel- 
wirkung zwischen  den  einzelnen  Gebieten  des  geistigen  Lebens,  und 
die  sozialen  Bedingungen  spielen  dabei  eine  Hauptrolle.  Diese  wechsel- 
seitige Beeinflussung  ist  aber  nur  sekundär.  ]Man  kann  nicht  den 
einen  Bestandteil  einer  Entwicklung  zur  ausschließlichen  Ursache 
eines  anderen  Bestandteiles  derselben  Entwicklung  stempeln. 

In  der  Tat  ist  es  dem  Verf.  trotz  eingehendster  Kenntnis  der 
Zeit  und  lichtvoller  Darstellung  nicht  gelungen,  die  Entwicklung  des 
Realismus  und  seiner  Theorie  auf  diese  Weise  ausreichend  zu  erklären. 
Er  muß  immer  wieder  den  Gegensatz  gegen  den  Bourgeois  als 
Erkläruugsgrund  heranziehen.  Das  ist  aber  sehr  mißlich.  Das 
wirtschaftlich  tätige  Bürgertum,  das,  wie  oben  gesagt,  auf  seine  Weise 
ebenfalls  dem  Geiste  der  Zeit  gehorcht,  ist  zu  jeder  Zeit  den  höchsten 
und  modernsten  geistigen  Bestrebungen  unzugänglich  gewesen.  Sein 
Kunstgeschmack  ist  daher  immer  von  der  geistigen  Elite  mißachtet 
worden.  Auch  war  derselbe  Gegensatz  gegen  das  reaktionäre  Bürger- 
tum bereits  bei  den  Romantikern  vorhanden,  kann  also  zur  Erklärung 
der  gegen  die  Eomantik  gerichteten  Kontrastentwicklung  unmöglich 
verwertet  werden. 

Über  der  eingehenden  und  an  sich  glänzenden  Berücksichtigung 
der  sozialen  Verhältnisse  vernachlässigt  der  Verf.  ein  wenig  die 
Philosophie  jener  Zeit  und  vor  allem  die  enorme  allgemeine  Bedeutung 
des  naturwissenschaftlichen  Aufschwungs  um  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts. Beides  hat  aber  ungefähr  dieselbe  symptomatisclie  Bedeutung 
wie  die  sozialen  Verhältnisse,  In  der  Philosophie  beschränkt  er  sich 
hauptsächlich  auf  die  sozialistischen  Theorien  der  St.-Simonisteu  und 
Fouriers.  Auguste  Conite,  einer  der  charakteristischsten  Vertreter 
der  Zeit,  wird  kaum  gestreift.  Es  galt  hier  m.  E.,  auf  allen  Gebieten 
das  Gleichartige  aufzusuchen,  daraus  das  Wesen  der  Zeit  zu  erkennen 
und  die  Theorie  de  l'art  pour  l'art  zu  erklären.  Benan,  der  einzige 
Philosoph  aus  jener  Gruppe,  wird  wohl  vom  Verf.  i)ifolge  mangelhaften 
Überblicks  über  die  philosophischen  Erscheinungen  der  Zeit  ein  wenig 
überschätzt.  Er  ist  (ähnlich  unserem  Theologen  D.  F.  Strauß)  ein 
ziemlich  platter  Eklektiker,  dessen  Destillate  aus  den  Zeitströmungen 
infolge  ihrer  Unselbständigkeit  ein  gutes  Spiegelbild  der  Entwicklung 
geben.  Die  von  C.  infolge  seines  Versuchs  einer  Systematisierung 
(17G)  unhistorisch  zusammengestellten  Gedanken  Renans  bedürfen 
noch  einer  Erläuterung,  die  ich  hier  nur  kurz  andeuten  kann.  Man 
n)uß  eine  Philosophie  Renans  vor  und  nach  Darwin  unterscheiden, 
dessen  1859  zuerst  veröffentlichte  Theorie  er  er^t  etwa  1870  verarbeitet 
hat.  Vorher  reiner  Rationalismus:  Selbstherrlichkeit  der  Vernunft 
(176),  deren  Vervollkommnung  in  der  Wissenschaft  der  Zweck 
menschlichen  Strebens  ist;  schroffer  Gegensatz  gegen  Fühlen  und 
Handeln  (228  f.),  d.  h.  Kontrast  zum  romantischen  Prinzip,  mit  dem 


Albert  Cassagne.    La  theorie  de  l'art  pour  Vart  en  France.     193 

auch  er  in  der  Jugend  übersättigt  wurde  (75  f.);  daher  Anhänger- 
schaft an  die  diesem  Standpunkte  adaequaten  Lehren  Spinozas,  den 
er  auch  im  Leben  nachahmen  möchte  (219):  Vereinigung  mit  Gott 
in  der  interesselosen  Anschauung  des  Wahren,  Guten,  Schönen  (228  f.) 
mit  dem  „but  unique  de  refleter  la  splendeur  de  l'univers,,  —  Gedanken, 
die  er  mit  geringer  Modifikation  von  Spinoza  übernimmt,  was  C. 
nicht  gemerkt  zu  haben  scheint.  Mit  diesen  Ideen  verquickt  Kenan 
dann  seit  1870  eine  Art  geistige  Selektionstheorie  ä  la  Darwin,  die 
er  auf  die  noch  1848  mit  geringem  Vorbehalt  gebilligten  (196) 
sozialistischen  Theorien  des  Positivismus  aufpfropft:  Das  Individuum 
muß,  nach  dem  Prinzip  von  der  Erhaltung  des  Besten,  in  der 
menschlichen  Gesellschaft  wie  in  der  Natur  der  Gattung  aufgeopfert 
werden,  d.  h,  das  gewöhnliche  Individuum  den  hervorragenden  Geistern, 
die  den  Fortschritt  der  Gattung  herbeiführen;  deshalb  Aristokratie 
des  Genies  (176—180). 

Ich  habe  alle  Einzelheiten  durch  Seitenzahlen  aus  Cassagnes 
Buch  belegen  können,  da  der  Verf.  alle  Charakteristika  anführt  und 
durch  Zitate  stützt.  Es  fehlt  aber  in  dem  Buche  der  tiefere 
Zusammenhang,  d.  h.  der  Hinweis  auf  Renans  Entwicklung  gemäß 
dem  rationalistisch-realistischen  Kontrast  gegen  die  Romantik,  ferner 
auf  seine  starke  Abhängigkeit  von  Spinoza,  später  von  Darwin. 

Das  ganze  Kapitel  vom  „sentiment  aristocratique"  (147 — 200), 
den  C.  zur  Grundlage  seiner  gesamten  Charakteristik  macht,  bedarf 
ebenfalls  der  Einschränkung.  Es  ist  die  für  alle  rationalistischen 
Perioden  (vgl.  das  18.  Jahrb.)  typische  Selbstüberschätzung  des 
geistigen  Arbeiters,  also  eine  Begleiterscheinung,  keine  Ursache  der 
Bewegung.  Die  politische  Überzeugung  ist  dagegen  bei  fast  allen 
Realisten  um  1848  eher  demokratisch,  am  schärfsten  sogar  bei  dem 
Geburtsaristokraten  Leconte  de  Lisle. 

Auch  die  dramatische  Unfähigkeit  jener  Dichter  (188 — 193) 
rückt  bei  meiner  Auffassung  in  eine  klarere  Beleuchtung.  Unter  den 
p.  189  f.  dafür  angeführten  Gründen  fehlt  m.  E.  der  wesentlichste: 
die  Unfähigkeit  des  einseitigen  Verstandesmenschen  zu  starken  Affekten 
und  Willensimpulsen,  in  denen  doch  das  Wesen  des  Dramatischen  i) 
besteht. 

Auf  demselben  Mangel  beruht  die  Zurückgezogenheit  von  jeder 
praktischen  Betätigung,  insbesondere  von  der  Politik.  Die  p.  2l2f. 
angeführte  Begründung  durch  die  Ungunst  der  gleichzeitigen  sozialen 
Bedingungen  ist  nicht  ausreichend.  Denn  die  alten  Romantiker 
betätigten  sich  zur  selben  Zeit  hervorragend  politisch,  Lamartine  und 
Hugo  an  der  Spitze.  Der  Affektmensch  Hugo  schleuderte  aus  jahrzehnte- 
langer Verbannung  seinen  politischen  Riesenhaß  in  wuchtigen  Streit- 
schriften gegen  „Napoleon  den  Kleinen"  und  seine  Gesellschaft  und 
wies    die   Amnestie    stolz    zurück.      Die    Ungunst    der    Verhältnisse 

1)  Näheres  darüber  cf.  diese  Ztschr.  XXVIIIi  p.  106  ff. 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII  s.  13 


194  Referate  und  Rezensionen.     Wolfgang  Martini. 

verstärkte  also  nur  seinen  wilden  politischen  Eifer.  Deutlicher  als 
hier  kann  der  fundamentale  Gegensatz  zwischen  dem  romantischen 
Gefühls-  und  dem  realistischen  Verstandesmenschen  nicht  gedacht 
werden.  Man  sieht  aber  zugleich  deutlich,  daß  die  Begründung  immer 
wieder  auf  dieses  Prinzip  zurückgreifen  muß. 

Von  hier  aus  ist  auch  das  Verhältnis  der  Vertreter  des  Grund- 
satzes „l'art  pour  l'art"  zur  Moral  zu  verstehen.  C.  charakterisiert 
es  vollständig  und  klar  (226 — 261).  Die  Gegenüberstellung  der 
romantischen  Gefühls-  und  Leidenschaftsmoral  und  des  realistischen 
Amorahsmus  (233  f.)  ist  höchst  verständnisvoll.  Aber  wie  immer 
reicht  die  Begründung  nicht  aus,  die  er  im  wesentlichen  auf  die 
Forderung  der  Unabhängigkeit  der  Kunst  und  den  Gegensatz  gegen 
die  Bourgeoismoral  zurückzuführen  sucht.  Die  scharfe  Opposition  der 
Proudhon,  Flaubert,  Barbey  d'Aurevilly  etc.  gegen  die  romantische 
Gefühlsmoral  (235)  ist  damit  nicht  erklärt.  Überhaupt  scheint  mir 
die  Fragestellung  nicht  richtig.  Ich  meine,  es  handelt  sich  gerade 
darum,  zu  wissen,  warum  denn  diese  Forderung  einer  von  der  Moral 
unabhängigen  Kunst  erhoben  wurde.  Durch  diese  Fragestellung  werden 
wir  wiederum  auf  den  Kern  der  ganzen  Untersuchung  geführt.  Das 
Vorwiegen  der  objektiven,  apperzeptiven  Funktionen  (des  Denkens) 
über  die  subjektiven  (Willensvorgänge  und  ihre  Elemente,  die  Gefühle 
und  Affekte)  bestimmt  von  vorn  herein  die  Stellung  zu  aller  Erfahrung: 
Reine  Beobachtung  und  Beschreibung  des  Beobachteten.  Es  ist  die 
Stellung,  die  der  parteilose  Historiker  und  der  Naturforscher  zu  ihrem 
Stoffe  einnehmen:  beides  Disziplinen,  die,  vom  Zeitgeist  begünstigt, 
damals  Großes  leisteten.  Moralische  Urteile  oder  Tendenzen  sind 
hierbei  (weil  subjektiv  und  Willensstrebungen  voraussetzend)  von  vorn 
herein  ausgeschlossen,  wie  überhaupt  jeder  Zweck,  jede  Tendenz. 
Das  wissenschaftliche  Ideal  der  Wahrheit  vertritt  das  des  Guten 
(Moral),  wie  es  das  des  Schönen  (Kunst)  bei  diesen  Künstlern  vertrat 
(239.  248.  etc.):  eine  für  Dichter  höchst  auffallende,  typisch  ratio- 
nalistische Anschauung.  Die  ganze  Ästhetik  ist  rationalistisch  (vgl. 
419).  Für  den  wissenschaftlich  Denkenden  hat  jedes  Objekt,  jede 
Erfahrungstatsache  ihren  Eigenwert,  ihren  Selbstzweck,  die  Kunst  so 
gut  wie  die  Moral.  Daher  Cousins  Wort:  „^a  morale pour  la  morale, 
la  religion  pour  la  religion,  l'art  pour  l'art''  (38).  Für  eine  rein 
verstandesmäßige,  leidenschaftslose  Weltanschauung  ist  auch  die 
spinozistische  Überzeugung  von  einem  universellen  Determinismus 
(230)  charakteristisch,  der  sich  mit  moralischen  Tendenzen  kaum 
verträgt.     Auch  hier  fehlt  der  Hinweis  auf  Spinoza. 

Die  wenig  in  die  Tiefe  dringenden  Erörterungen  moral-ästhetischer 
Art,  die  der  Verfasser  besonders  in  der  zweiten  Hälfte  des  Kapitels 
gelegentlich  einstreut,  bedeuten  m.  E.  eine  der  rein  historischen  Darstellung 
nicht  günstige  Verschiebung  des  Standpunktes,  der  sonst  streng  ein- 
gehalten wird.  Die  Abschnitte  248 — 250  und  253 — 258  leiden  unter 
einer  gewissen  moralischen  Voreingenommenheit  des  Verfassers,  die 


Albert  Cassagne.    La  theorie  de  Vart  pour  Vart  en  France.     195 

den  tieferen  Sinn  jener  auf  den  Geist  der  Natur  gegründeten  freieren 
Moral  nicht  vollkommen  auszuschöpfen  vermag.  In  dieser  Moral  wird 
der  Einfluß  des  naturwissenschaftlichen  Geistes  der  Zeit  deutlich,  den 
die  folgenden  viel  zu  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  Wissenschaft 
(262  —  294)  nicht  genügend  berücksichtigen. 

In  dem  Abschnitt  über  Literatur  und  bildende  Künste  (351 — 372) 
wäre  nach  meinem  Dafürhalten  auf  die  gleichen  Ursachen,  die  gleichen 
Ausgangspunkte,  die  gleiche  Richtung,  kurz  wieder  auf  den  gemeinsamen 
Geist  mehr  Wert  zu  legen  als  auf  gegenseitige  Beeinfllussung.  Ansätze 
zu  dieser  Auffassung  finden  sich  (z.  B.  354). 

Ein  besonderes  Kapitel  widmet  der  Verfasser  dem  „Pessimisme 
de  Vart  pour  Vart'-''  (328 — 350).  Die  Begründung  besteht,  wie  üblich 
(vgl.  die  vorige  Besprechung),  in  lauter  kleinen  Einzelzügen,  die  das 
Wesentliche  nicht  treffen:  bei  den  Romantikern  zu  großer  Idealismus, 
Mangel  an  Anerkennung  und  sozialem  Erfolg  (329  f.);  bei  den  „Neu- 
romantikern" dieselben  Motive  und  noch  einige  neue,  wie  die  ungünstigen 
Lebensverhältnisse  (332  f.),  wissenschaftliche  und  philosophische  Ein- 
flüsse (334  ff.),  die  Einsamkeit  (338  ff.)  etc.  Wie  sollen  diese  kleinen 
Züge  die  nunmehr  fast  anderthalb  Jahrhunderte  2)  ununterbrochen  in 
ganz  Europa  wirksame  melancholische  Gefühlsdisposition  erklären? 
Sie  sind  zudem  im  einzelnen  meist  nicht  stichhaltig.  So  wenn  bei 
den  Romantikern  Armut  als  Ursache  angegeben  wird  (332);  das  trifft 
nur  für  einige  und  nur  im  Anfang  zu.  Nun  soll  aber  dieselbe  Ursache 
auch  bei  den  sehr  wohlhabenden,  zum  Teil  reichen  Vertretern  des 
l'art  pour  l'art,  die  ganz  bedürfnislos  und  zurückgezogen  lebten,  wirksam 
gewesen  sein:  nämlich  durch  die  Betrachtung,  daß  die  Industriellen 
noch  größere  Vermögen  hatten  (333)!  Das  ist  ungeheuerlich.  Zweifellos 
handelt  es  sich  hier  um  eine  größere,  noch  nicht  vollkommen  über- 
sehbare Entwicklungswelle,  die  über  die  Zeitalter  der  Romantik  und 
des  Realismus  weit  hinausreicht  und  daher  auch  nicht  in  einem  einzelnen 
Zeitalter  und  in  einzelnen  Menschen  speziell  begründet  sein  kann.  Wie 
beim  Melancholiker  die  krankhafte  Gemütsstimmung  das  Primäre  ist, 
er  aber  stets  nebensächliche  Einzelgründe  aus  seinem  täglichen  Leben 
für  seine  Stimmung  verantwortlich  macht,  so  ist  es  auch  im  Leben 
der  Völker.  Selbst  in  der  Philosophie  sind  Pessimismus  und  Optimismus 
nur  Gefühlsweisen,  für  die  der  Philosoph  nachträglich  die  Gründe  in 
der  Außenwelt  statt  in  sich  selbst  sucht.  Das  krankhafte  Element 
ist  von  Anfang  an  in  dieser  Strömung  unverkennbar.  Selbstmord  und 
Geisteskrankheiten  spielen  dabei  seit  Werther,  Kleist,  Hölderlin,  Lenau, 
Gcrard  de  Nerval  etc.  eine  große  Rolle.  Die  Vertreter  des  Grund- 
satzes Part  pour  l'art  sind  alle  schwer  pathologisch.  Gautier  hallu- 
ziniert, Flaubert  leidet  unter  schweren,  wahrscheinlich  epileptischen 
Neurosen,  die  Goncourt  sind  Neurastheniker,  Baudelaire  ist  pervers 
und  leidet  —  wenigstens  theoretisch  —  an  moral  insanity,  was  man 


2)  „Nouvelle  Häoise"   1761,  „Werther''    1774   bis  Zola,  Maupassant  etc. 

13* 


196  Referate  und  Rezensionen.     JE.  Walberg. 

literarisch  Satanisme  genannt  hat,  alle  sind  hyperaesthetisch  (im klinischen 
Sinne).  Von  hier  aus  ist  auch  die  Vorliebe  für  eine  an  Verrücktheit 
grenzende  Originalität  zu  verstehen,  was  C.  outrance  (304  ff.J  und 
t'trange  (313  ff.)  nennt.  E.  de  Goncourt  gibt  es  selbst  zu  (345). 
Es  ist  klar,  daß  es  sich  bei  dieser  ganzen  Richtung  um  eine  zunehmende 
krankhafte  Reaktionsweise  der  Nerven  in  gewissen  Schichten  der 
europäischen  Kulturmeuschheit  handelt.  Eine  Verfeinerung  des 
psychischen  Lebens  geht  damit  Hand  in  Hand.  Es  fehlt  uns  noch 
eine  Völkerpsychopathologie,  die  diese  Frage  wissenschaftlich  zu  lösen 
hätte.  Hier  kam  es  nur  darauf  an,  erst  einmal  das  Problem  richtig 
zu  sehen. 

Da  die  Methode  des  Buches  durchaus  entwicklungsgeschichtlich 
ist,  so  hielt  ich  es  für  notwendig,  durch  Gegenüberstellung  meiner 
hierin  abweichenden  Ansichten  eine  Art  Ergänzung  zur  tieferen  Erfassung 
des  historischen  Gesamtbildes  zu  liefern.  Die  in  jeder  Hinsicht  vor- 
treffliche Charakteristik  der  Periode  und  ihrer  Vertreter  im  einzelnen, 
also  der  Hauptinhalt  des  Werkes,  behält  dabei  ihren  vollen  Wert. 
Die  Schwierigkeit,  die  sich  daraus  ergab,  daß  eine  Gruppe  höchst 
verschiedenartiger  Dichterindividualitäten  unter  einem  Gesichtspunkte 
zusammengefaßt  werden  sollte,  hat  der  Verfasser  im  ganzen  durch 
Anführung  zahlreicher  Einzelzüge  glücklich  überwunden.  Höchstens 
dominiert  Flaubert  allzu  sehr,  von  dessen  Übergangsstellung  zwischen 
romantischer  couleur  locale  und  Realismus  bis  zum  Impressionismus 
der  Gebrüder  Goncourt  doch  noch  ein  recht  weiter  Schritt  ist. 

Die  ausführliche  Bibliographie  (467 — 475)  und  das  zuverlässige 
Namenverzeichnis  sind  dankenswert. 

Leipzig.  Wolf  gang  Martini. 


Maupassant,  Guy  de.  Quelques  recherches  sur  sa  langue. 
These  de  doctorat  presentee  ä  la  Faculte  des  Lettres  de 
Lund  par  O.  Bosson.  Lund,  Hakan  Ohlsson,  1907. 
168  pp.  in-8. 

II  est  difficile  de  se  rendre  un  compte  exact  du  but  que  s'est 
propose  l'auteur  de  ces  recherches.  Malgre  le  titre  de  sa  these,  il 
ne  peut  avoir  vise  ä  une  caracteristique  de  la  langue  de  Maupassant, 
m§me  au  seul  point  de  vue  de  la  phraseologie  et  du  choix  des  mots. 
Dans  ce  cas-lä  il  aurait  evidemment  fallu  1  o  ne  pas  ecarter  a  priori, 
comme  M.  Bossen  l'a  fait,  tous  les  mots  et  tournures  enregistres 
par  les  grands  dictionnaires  et  parmi  lesquels  se  trouvent  naturelle- 
ment  un  grand  nombre  de  locutions  pittoresques  et  caracteristiques; 
2^  depouiller  toutes  les  oeuvres  de  Maupassant.  La  these  de  M,  Bosson 
ne  me  semble,  au  fond,  qu'un  commentaire,  en  partie  assez  interessant 


Guy  de  Maupassant.     Quelques  recher ches  sur  sa  langue.        197 

d'ailleurs,  d'un  certain  nombre  d'expressions  ou  idiotismes  releves  un 
peu  arbitrairement  dans  une  dizaine  d'ouvrages,  choisis  tant  bien  que 
mal  dans  la  production  litteraire  de  Maupassant. 

L'auteur  ecarte,  p.  5,  quelques-unes  des  oeuvres  de  Maupassant, 
avec  une  argumentation  vrairaent  bien  specieuse.  „II  y  en  a,  dit-il, 
qui  ne  contiennent  presque  rien  qui  ne  soit  approuve  de  TAcademie, 
et  qu'il  nous  a  fallu  mettre  de  cote  des  le  debut,  ouvrages  tels  que 
Mont  Oriol,  Fort  comme  la  Mort,  Sur  l'eau,  etc."  Si  cela  etait  vrai, 
il  eüt  mieux  valu  se  donner  la  peine  legere  de  parcourir  ces  ouvrages 
et  d'en  extraire  les  quelques  faits  intöressants  qu'ils  contiennent  saus 
doute  malgre  tout,  pour  en  avoir  le  coeur  net.  Et,  chose  amüsante, 
c'est  ce  que  l'auteur  parait  en  realite  avoir  fait  pour  Tun  des  livres 
qu'il  avait  du  ^mettre  de  cote;"  je  parle  de  Mont  Oriol,  qu'il  cite 
deux  fois,  pp.  33  et  122.  J'ajoute  que,  ayant  relu,  ä  la  häte,  deux 
des  oeuvres  negligees  par  M.  Bossen  (Sur  l'eau,  Monsieur  Parent), 
j'y  ai  releve  une  petite  serie  de  mots  qui  auraient  bien  merite  une 
mention. 

M.  Bosson  ränge  les  mots  et  locutions  qu'il  etudie  dans  les 
groupes  suivants:  Archaismes,  Mots  et  tournures  qui  n'entrent  dans 
aucune  categorie  speciale,  Langue  familiere,  Langue  triviale,  Mots  et 
tournures  qui  rentrent  dans  les  deux  categories  familier-trivial,  Argot, 
Mots  et  tournures  ä  cheval  sur  les  categories  argot-familier  ou 
argot-trivial,  Paysannismes.  L'auteur  se  rend  bien  compte  que  les 
Frangais  meraes  peuvent  differer  d'avis  entre  eux  quant  aux  details 
d'une  teile  Classification:  il  n'y  a  pas  de  limite  fixe  entre  les  diverses 
categories;  uu  terme  qui  ä  une  certaine  epoque  appartient  ä  l'argot 
sera  plus  tard  simplement  familier;  teile  expression  peut  etre  consi- 
deree  comme  familiere  par  un  tel,  comme  triviale  par  tel  autre.  II 
a  raison,  et  nous  n'insisterons  pas  lä-dessus. 

M.  Bosson  exclut  de  sa  liste  tous  les  mots  et  expressions  qui 
figurent  dans  le  Dictionnaire  General,  dans  celui  de  l'Academie  ou 
chez  Littre,  sauf  dans  les  cas  oü  il  trouve  quelque  chose  ä  redire 
ä  leurs  commentaires.  Ce  doit  donc  etre  par  erreur  qu'il  admet  un 
certain  nombre  de  termes  enregistres  par  un  ou  plusieurs  des 
dictionnaires  mentionnes:  P.  31.  Blondin, -ine  est  dans  le  Z^e'ci.  Gen. 
(„jeune  horame,  jeune  fiUe  ä  cheveux  blonds").  —  P.  37.  Contrairement 
ä  ce  que  dit  M.  Bosson,  le  Dict.  Gin.  enregistre  aussi  bien  discuter 
sur  que  discuter  une  chose  („discuter  avec  qqn  sur  la  politique,  sur 
la  religion").  —  P.  38.  S'effacer.  M., Bosson  n'ajoute  rien  ä  ce  que 
dit  l'Acad.  sur  ce  verbe.  —  P.  43.  Ereinter  est  dans  le  Dict.  Gen. 
et  dans  l'Acad.  («fig.  et  fam."),  avec  la  meme  signification  qu'ici, 
c'est-ä-dire  „exceder  de  fatigue."  D'ailleurs  la  traduction  suedoise 
que  donne  M.  Bosson  du  passage  en  question,  est  archi-fausse. 
—  P.  53.  La  locution  trouver  le  Joint  est  citee  tant  par  le  Dict. 
Gen.  que  par  l'Acad.  —  P.  59  Piment,  pimentS.  Le  sens  prete  par 
le    Dict.     Gin.    ä    l'adj.    pimentc    {une    histoire    pimentee)    est 


198  Referate  und  Rezensionen.     E,  Walberg. 

evidemment  le  meme  que  celui  indique  par  M.  Bosson.  L'autcur 
parait  ignorer  la  valeur  de  l'expression  „de  haut  goüt."  —  P.  Ol. 
A  quoi  bon  citer  cruel,  dur,  brutal  pour  gqn?  Cela  se  dit  tous 
les  jours,  et  le  Dict.  Gen.  enregistre  du  moins  dur  pour.  —  Selon 
M.  Bosson,  p.  65,  le  plur.  de  sens  signifie  en  general  ou  „les  cinq 
sens,"  ou  „sensualite,  concupiscence,"  tandis  que  dans  le  passage  qu'il 
cite,  le  mot  est  synonyme  de  „signilications,"  „idees  latentes."  Cf. 
le  Dict.  Gin.:  „Des  paroles  qui  out  beaucoup  de  sens  —  oü  il  y  a 
beaucoup  de  choses,  d'idees  ä  comprendre."  Y  a-t-il  une  difference? 
(Du  reste  le  mot  s'emploie  aussi  au  pluriel  dans  le  sens  de  „directions": 
parcourir  en  tous  sens,  etc.).  —  P.  88.  Mourir  de  la  poitrine  (cf. 
„malade  de  la  poitrine")  est  dans  Littre.  —  P.  156.  Toper,  mot 
tres  courant,  comme  le  dit  M.  Bosson,  est  bien  dans  l'Acad.  L'auteur 
le  cite  ici  comme  un  paysannisme.  II  est  vrai  que  dans  les  exemples 
qu'il  en  donne,  le  mot  est  place  dans  la  bouche  d'un  paysan;  mais 
tont  ce  que  disent  les  paysans  n'est  pas  „paysannisme".  La  meme 
remarque  s'applique  ä  gars  (p.  151),  qui  se  trouve  dans  tous  les 
trois  dictionnaires. 

Voici  encore  quelques  remarques  de  detail,  d'un  ordre  un  peu 
different.  —  P.  29.  L'article  aimer  est  bien  maigre.  Cherir  n'est  pas 
si  rare  que  M.  Bosson  parait  le  croire;  surtout  le  participe  passe  est 
tres  frequent.  D'ailleurs  la  traduction  de  M.  Bosson  est  inexacte; 
cherir  est  beaucoup  plus  fort  que  le  mot  suedois  indique  („hälla 
af).  Cf.  par  exemple:  „Elle  savait  seulement  qu'elle  l'adorerait  de 
toute  son  äme  et  qu'il  la  cherirait  de  toute  sa  force",  Une  Vie,  18.  — 
Apeure,  qui  indique  un  sentiment  momentane,  n'est  pas  synonyme 
de  „craintif".  —  P.  30.  Attaches,  dans  l'exemple  cite,  peut  se 
traduire  par  „relations"  tout  simplement.  —  P.  42.  Outre  que 
l'assertion  de  M.  Bosson:  „Je  m'entends  est  un  gallicisme",  n'explique 
rien,  eile  est  fausse.  L'italien  dit  egalement  mHntend'io  =  „so  ben 
io  quel  che  dico".  —  A  propos  de  faillir  l'auteur  donne,  p.  44,  une 
definition  du  sens  du  verbe  trivial  fauter  qui  ne  concorde  pas  tout 
ä  fait  avec  celle  de  la  p.  105.  Au  premier  endroit  M.  Bosson 
parait  vouloir  dire  que  fauter  ne  s'emploie  qu'en  parlant  de  femmes 
non  mariees.  C'est  une  erreur.  „II  y  a  longtemps  que  Madame  a 
faute  avec  M.  Limousin",  lit-on  dans  Monsieur  Parent,  p.  14.  — 
P.  52.  La  traduction  suedoise  de  horntne  de  consigne  n'est  pas  tout 
ä  fait  exacte;  le  mot  frangais  a  un  sens  moins  eleve  que  le  sued. 
pliktmännisha  („homme  de  devoir").  —  P.  53.  Pour  etre  large  = 
„pour  ne  pas  trop  dire"  doit  etre  une  faute  d'impression.  Lire 
„trop  peu  dire".  —  P.  65.  Selon  M.  Bosson,  les  mots  somnolence 
et  somnolent  ne  sont  pas  des  neologismes,  contrairement  au  verbe 
somnoler  (qui  manque  dans  tous  les  trois  dictionnaires).  Le  Dict. 
Gen.  est  d'un  autre  avis,  du  moins  en  ce  qui  concerne  l'adj.  som- 
nolent^ qu'il  qualifie  expressement  de  neologisme  (admis  Acad.  1835). 
—    P.  85.    Grivoiserie,    mot    familier?     Je    dirais    presque  plutöt 


Guy  de  Maupassant.     Quelques  recherches  sur  sa  langue.        199 

litteraire.  De  mßme  il  me  parait  exagere  de  dire  (p.  97)  que 
l'expressioQ  s' amener  soit  tres  vulgaire.  —  P.  99.  L'explication 
^chapon  .  .  .  en  langue  triviale,  par  extension,  =  religieux  (liomme 
qui  doit  sabstenir  de  liaisons  sexuelles)"  est  d'autant  plus  etonnante 
que  le  mot  en  question  se  trouve  dans  le  passage  que  voici:  „Si 
seulement  on  pouvait  divorcer.  Ca  n'est  pas  agreable  d'avoir  epouse 
un  chapon"  (Miss  Harriet,  130).  —  P.  102  s.  II  est  evident  qu'ou 
a  dit  d'abord  dos  vert,  ensuite  dos  tout  seul,  dans  le  sens  de 
„souteneur,  maquereau".  —  P.  108.  ^Mätin  =  chien  domestique" 
est  une  definition  trop  large.  —  P.  112.  „üoulure  =  prostituee  de 
basse  extraction".  L'extraction  de  la  personne  n'a  rien  ä  y  voir.  — 
Selon  M.  Bossen,  p.  113,  gris  s'appliquerait  ä  un  moindre  degre 
d'ivresse  (=  „ä  demi  ivre").  C'est  lä  une  assertion  qu'on  retrouve 
dans  bien  des  dictionnaires  mais  qui,  de  nos  jours,  n'est  guere 
exacte.  Cf.  le  passage  suivant,  oü  il  ne  s'agit  evidemment  pas  d'une 
derai-ivresse:  „Pour  la  premiere  fois  de  sa  vie  il  se  grisa  tout  ä 
fait,  ce  soir-lä,  et  on  dut  le  rep orter  chez  lui",  Monsieur  Parent,  87. 

Pour  verifier,  j'ai  parcouru  un  des  ouvrages  de  Maupassant 
examines  par  M.  Bosson,  Bel-Ami,  et  j'y  ai  releve  quelques  mots  qui, 
ä  mon  avis,  auraient  merite  d'etre  enregistres  par  l'auteur.  Ainsi, 
portraiturer,  p.  57,  neologisme  tire  du  subst.  vieilli  portraiture  et 
qui  ne  figure  pas  dans  les  dictionnaires;  taper  avec  un  regime  direct: 
„il  sortit  en  tapant  la  porte",  p.  420;  „son  Journal,  qui  est  officieux, 
catholique,  liberal,  republicain,  orleaniste,  tarte  ä  la  eiserne  et  boutique 
ä  treize,  n'a  ete  fonde  que  pour  ses  Operations  de  bourse  et  ses 
entreprises  de  toute  sorte",  p.  75;  demi-choix:  „quelques  fiUes  de 
demi-choix",  p.  17;  lever:  „Est-ce  que  je  l'aurais  levee  aussi  celle- 
lä?",  p.  293,  terme  emprunte  ä  la  chasse. 

La  Partie  principale  du  travail  de  M.  Bosson  est  precedee  d'un 
chapitre  sommaire,  mais  qui  ne  manque  pas  d'interet,  sur  le  style 
de  Maupassant. 

On  s'etonne  de  ne  pas  trouver  de  references  ä  dautres  auteurs 
du  19^  siecle  dans  la  these  de  M.  Bosson.  A  vrai  dire,  on  a 
Timpression  que  ce  travail  a  ete  fait  un  peu  trop  vite,  et  que 
l'auteur  n'avait  peut-etre  pas  toute  la  preparation  qu'il  fallait  pour 
conduire  ä  bonne  fin  une  entreprise  pareille.  Comme  M.  Bosson  le 
remarque  avec  raison  dans  son  avant-propos,  la  langue  moderne 
offre  un  champ  d'etudes  encore  bien  peu  defriche.  1\  est  a  desirer 
que  d'autres  jeunes  romanistes  le  suivent  dans  cette  voie,  sans  toute- 
fois  se  dissimuler  les  difficultes  de  la  täche.  Pour  reussir  pleinemeut 
dans  ce  domaine,  il  faut  une  connaissance  solide  et  intime  du 
frangais  actuel,  qu'un  etranger  n'acquiert  pas  sans  beaucoup  de 
travail  et  de  perseverance. 

LuND.  E.  Walberg. 


200         Referate  und  Rezensionen.     Heinrieh  Schneegans. 

Henri  Bornecque,  docteur-es-lettres,  professeur  a  l'Universite  de 
Lille  und  Benno  Röttgers,  Professeur,  directeur  de  la 
Victoriaschule  ä  Berlin:  Recueil  de  morceaux  choisis 
d'auteurs  franfais.  Livre  de  lecture  consacre  plus  speciale- 
ment  au  19"  siede  et  destine  ä  Venseignement  inductif  de 
la  Litterature  frangaise  moderne  et  contemporaine.  Berlin  — 
Librairie  Weidmann  1907  514  p. ;  daneben  Commentaire 
litteraire  du  Recueil  —    116  p. 

Wer  jemals  Gelegenheit  gehabt  hat  bei  Staatsprüfungen  Kandidaten 
in  Literaturgeschichte  zu  prüfen,  wird  die  traurige  Erfahrung  gemacht 
haben,  daß  die  meisten  statt  eines  auf  eigener  umfassender  Lektüre 
fußenden  Urteils  nur  die  fertigen  Urteile  Anderer  gedächtnismäßig 
wiederzugeben  im  Stande  sind.  Unsere  Studenten  lesen  viel  zu  wenig, 
das  ist  die  allgemeine,  immer  wiederkehrende  Klage.  Wenn  wir  dem 
Vorworte  obigen  Buches  Glauben  schenken  dürfen,  wäre  dieselbe 
Klage  auch  schon  auf  der  Schule  vorhanden.  Um  diesem  Übel  vor- 
zubeugen hätte  Wätzoldt  den  Gedanken  gehabt  ein  Buch  ins  Leben 
zu  rufen,  welches  sich  vornähme  inductiv  französische  Literatur- 
geschichte zu  lehren.  Seine  diesbezüglichen  Gedanken  hätte  er 
öfters  dem  Direktor  der  Kaiserin  Augusta  Victoria-Schule  in  Stettin, 
Böddeker  mitgeteilt,  dieser  hätte  dann  den  französischen  Universitäts- 
professor Bornecque  in  Lille  und  Direktor  Eöttgers  in  diese  Pläne 
eingeweiht.  Dem  vereinten  Bemühen  beider  letztgenannten  Herren 
sei  es  nun  gelungen,  in  vorliegendem  Buche  ein  Werk  zu  schaffen, 
dem  die  Erreichung  dieses  Zieles  als  Ideal  vorschwebe. 

Ich  muß  gestehen,  daß  ich  selten  mit  so  großer  Freude  das 
Erscheinen  eines  Übungsbuches  begrüßt  habe,  wie  dieses.  Es  entspricht 
dem  lebhaftesten  Bedürfnis.  Daß  man  auf  unseren  Schulen  Lektüre 
treiben  muß  und  will,  das  hört  man  zur  Genüge.  Über  die  Auf- 
stellung eines  Lektürecanons  streiten  sich  die  Neuphilologentage 
genug.  Welche  Schriftsteller  man  lesen  sollte,  das  erörtert  man  bis  zum 
Überdruß.  Aber  die  Art  und  Weise,  wie  man  sie  lesen  und  auf 
der  Schule  interpretieren  soll,  darüber  hat  man  sich  bis  jetzt  viel 
zu  wenig  den  Kopf  zerbrochen.  Zwar  haben  sich  in  letzter  Zeit 
einige  Stimmen  hörbar  gemacht,  welche  näher  auf  die  Frage  eingehen, 
wie  man  auf  den  neuerrichteten  Oberrealschulen  das  Ideal  des  Ein- 
dringens in  die  moderne  Kulturwelt  zu  erreichen  versuchen  soll.  Ich 
verweise  in  dieser  Beziehung  vor  Allem  auf  die  bemerkenswerten 
Artikel  von  Ruska  in  der  Zeitschrift  für  französischen  und 
englischen  Unterricht  IV  und  V,  „  Was  hat  der  neusprachliche  Unter- 
richt in  den  Oberklassen  zu  leisten?'*  und  „Über  den  Anteil  der 
neueren  Philologie  im  Ausbau  des  modernen  Bildungsideals.''  In 
einem  vortrefflichen  Schulprogramm  hat  Prof.  Dr.  Friedrich  Seh  wen  d, 
„Zum  französischen  Unterricht  an  Oberklassen,"  wissenschaftliche 
Abhandlung    zum  Programm    der  K.   Friedrich-Eugens-Realschule  in 


Henri  Bornecque.     Recueil  de  7norceaux  choisis.         201 

Stuttgart  zum  Schlüsse  des  Schuljahres  1905/6,  namentlich  die 
Methode  der  Lektüre  französischer  Schriftsteller  einer  eindringlichen, 
höchst  willkommenen  Untersuchurg  unterzogen.  Die  verschiedenen 
Arten,  wie  man  Schulautoren  gewöhnlich  auch  in  höheren  Klassen 
liest,  unterwirft  er  einer  schneidenden  Kritik.  Der  eine  Lehrer 
benutzt  seinen  Text  nur  zur  Einprägung  grammatischer  Regeln,  ein 
anderer  treibt  Etymologien  oder  historische  Syntax,  ein  dritter  legt 
seinen  Text  Conversationsübungen  zu  Grunde,  wieder  ein  anderer 
sucht  im  Anschluß  an  den  Text  nur  die  Realien  seinen  Schülern  bei- 
zubringen. In  den  Geist  des  Textes  suchen  nur  die  allerwenigsten 
einzudringen.  Und  doch  ist  es  bei  weitem  das  Wichtigste,  den  Ideen- 
gehalt, die  Weltanschauung,  die  hinter  jedem  Literaturwerk  steht  oder  die 
es  hervorgerufen  hat,  zu  studieren,  die  religiösen,  philosophischen^  ästheti- 
schen, politischen,  sozialen  Ideen  zu  erforschen,  die  ihnen  zu  Grunde  liegen. 
Der  Autor  steht  nicht  allein  in  der  Welt.  Sein  Werk  ist  ein  Ring  in  der 
großen  Kette  ähnlicher  Erscheinungen,  die  einander  voraussetzen  und  be- 
dingen. Man  muß  ihn  aus  seinerzeit  heraus  verstehen.  Das  ist  das  Bilden- 
de im  Unterricht  der  Literaturgeschichte.  Faßt  man  sie  so  auf,  so  wird 
man  die  häufig  genug  gehörte  Meinung  aufgeben,  Literaturgeschichte 
sei  bloß  Memorierstoff.  An  drei  Beispielen,  an  einem  Abschnitt  aus 
M.^^  de  Stael's  de  V Allemagne,  an  einer  Stelle  aus  Flaubert's 
j^me  ßovary,  die  der  Romanschriftsteller  sehr  häufig  umgearbeitet 
hat  und  an  einem  Gedichte  Frangois  Coppees  zeigt  Schwend, 
wie  man,  seiner  Ansicht  nach,  lesen  sollte,  um  wirklichen  Nutzen  daran 
zu  haben  und  den  Geist  der  Schriftsteller  zu  verstehen.  Freilich 
verhehlt  er  sich  nicht  die  Schwierigkeiten  eines  solchen  Unterrichts. 
Die  meisten  Lehrer  sind  darauf  viel  zu  wenig  vorbereitet.  Sie  müßten 
als  Studenten  schon  darauf  aufmerksam  gemacht  worden  sein,  wie  man 
lesen  muß,  worauf  es  bei  der  Leetüre  eigentlich  ankommt.  Das  ist 
Alles  sehr  richtig.  Auf  die  Wichtigkeit  der  Frage  hat  Ref.  in  einem 
Vortrage  auf  der  49.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer in  Basel  ,^Die  neuere  französische  Literaturgeschichte  im 
Seminarbetrieb  unserer  Universitäten,''  im  September  1907  auf- 
merksam zu  machen  versucht.  Es  ist  eine  Frage,  die  für  die  Zukunft 
unseres  Faches,  für  seine  Stellung  an  der  Oberrealschule  namentlich 
von  eminenter  Bedeutung  ist  und  von  der  Tagesordnung  nicht  mehr 
verschwinden  sollte.  Das  Erscheinen  eines  Buches  wie  das  von 
Bornecque  und  Röttgers  ist  ein  äußerst  willkommener  Beitrag  zur 
Lösung  dieser  Frage. 

Das  Buch  will  vor  Allem  die  nötigen  Materialien  zusammenstellen, 
um  die  Entwickelung  der  Literatur  begreiflich  zu  machen,  um  die 
Geschichte  der  einzelnen  Literaturgattungen  zu  veranschaulichen,  um 
die  Kenntnis  der  großen  Schriftsteller,  ihrer  Vorzüge  und  ihrer  Fehler 
zu  vermitteln.  Es  geht  das  Buch  nicht  von  ästhetischen  und  moralischen 
Gesichtspunkten  aus,  sondern  bringt  nur  Stücke  vor,  welche  für  den 
Autor  und  seine  Art  charakteristisch  sind.     Dieser  Standpunkt 


202         Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans, 

erscheint  mir  sehr  glücklieb.  Ästhetisiercnde  und  moralisierende 
Literaturgeschichte  trägt  in  das  literarische  Studium  ein  heterogenes 
Element  hinein,  das  in  ihm  keinen  Platz  einnehmen  sollte. 

Bornecque's  und  Röttger's  Buch  will  vor  Allem  dem  Studium 
des  19.  Jhdts.  dienen.  Da  in  höheren  Klassen  aus  dem  17.  Jhdt. 
meist  ganze  Werke  gelesen  werden  —  gewöhnlich  Tragödien  Corneilles 
und  Racines  oder  Komödien  Moli^re's  —  bringt  er  aus  dieser  Zeit 
fast  nur  Theorien  Boileau's,  um  sie  mit  den  Theorien  der  Schriftsteller 
des  19.  Jhdts.  zu  vergleichen.  Auch  die  Stücke  aus  dem  18.  Jhdt. 
sind  in  Hinsicht  auf  das  neunzehnte  gewählt;  teils  sind  es  Stellen 
aus  Rousseau  oder  Bernadin  de  Saint-  Pierre,  die  man  als  Vorläufer 
der  späteren  literarischen  Bewegung  betrachten  kann.  Im  Commentaire 
litteraire  werden  die  Gründe  auseinandergesetzt,  weshalb  gerade  solche 
und  keine  andere  Stücke  gewählt  worden  sind.  An  der  Spitze  der 
einem  Autor  entnommenen  Stücke  findet  sich  ein  Hinweis  auf  den 
Zug,  der  in  seinem  Leben  besondere  Beachtung  verdienen  dürfte. 
Ganz  mit  Recht  vertreten  die  Herausgeber  die  Meinung,  daß  nicht 
jedes  biographische  Detail  die  gleiche  Beachtung  verdiene.  Dem  ganzen 
Werke  geht  eine  Einleitung  über  die  Entwicklung  der  französischen 
Sprache,  über  die  Grundzüge  der  Metrik  und  die  Geschichte  der 
Literatur  in  ihren  Hauptlinien  voraus.  Am  Schlüsse  findet  sich  eine 
synoptische  Tafel,  welche  die  literarischen  Ereignisse  im  Vergleich  zu 
den  politischen,  zu  den  persönlichen  biographischen  Daten,  zu  den 
literarischen,  künstlerischen  und  wissenschaftlichen  Begebenheiten  anderer 
Länder  und  Frankreichs  auf  den  ersten  Blick  veranschaulichen  will. 
Auch  finden  sich  zu  jedem  Stücke  sehr  detaillirte  Bemerkungen  die 
die  Lektüre  erleichtern  sollen. 

Sehen  wir  uns  das  Werk,  dessen  Hauptrichtung  wir  eben  zu 
charakterisieren  versuchten,  jetzt  etwas  genauer  an.  Der  Abriß  über 
die  französische  Sprachgeschichte  könnte  eigentlich  ebensogut  ganz 
wegfallen.  Die  Lautlehre  betrifft  er  kaum,  nur  etwas  den  Vocalismus, 
sonst  meist  nur  den  Wortschatz.  So  fragmentarische  Bemerkungen 
blieben  aber  besser  ganz  weg.  Sie  lehren  einen  kaum  etwas  Neues 
und  können  höchstens  in  die  Irre  führen.  Für  das  Verständnis  der 
Texte  sind  sie  auch  ganz  unnötig.  Dagegen  ist  es  schon  viel  nötiger, 
daß  der  Schüler  von  Verslehre  etwas  wisse.  Deshalb  ist  der  Abriß 
über  die  Metrik  ganz  willkommen.  Die  Übersicht  über  die  Literatur- 
geschichte will  nur  verstanden  sein  als  „une  sorte  de  trame  dans 
laquelle  se  placent  les  6crivains  dont  nous  avons  choisi  les  morceaux.''^ 
Als  solche  erfüllt  sie  auch  ihren  Zweck,  Nur  zu  drei  Bemerkungen 
kann  ich  einige  Fragezeichen  nicht  unterdrücken,  Ist  es  richtig  zu 
sagen,   daß   das   15.  Jhdt.  fast  ganz  unfruchtbar  ist,  daß  man  nicht 


1)   Der  Vortrag  ist  in  der  Februarnummer  19 OS  der  „Neueren  Sprachen^ 
p.  513  ff  erschienen. 


Henri  Bornecque.     Recueil  de  morceanx  choisis.         203 

wisse,  worin  sich  die  Sottie  von  der  Farce  unterscheide,  daß  der 
Übergang  vom  Realismus  zum  Symbolismus  im  Drama  durch  Alexandre 
Dumas  fils  gekennzeichnet  werde?    Wohl  kaum. 

Als  charakteristische  Stücke  aus  dem  16.  Jhdt.  werden  uns  nur 
drei  Gedichte  Ronsards  geboten.  Die  Beschränkung  auf  Wenig  versteht 
sich  wegen  des  Zweckes  des  ganzen  Buches.  Doch  hätte  ich  es  lieber 
gehabt,  wenn  statt  Ronsard  ein  anderer  Schriftsteller  gewählt  worden 
wäre.  In  der  Plejade  hat  zwar  Ronsard  einen  hervorragenden  Platz 
behauptet.  Die  Begeisterung  für  die  Antike  in  jener  Zeit  spiegeln 
seine  Gedichte  sehr  wohl  wieder.  Für  die  Charakterisierung  des  16. 
Jhdts.  ist  dies  aber  nicht  genügend.  Das  16,  Jhdt.  ist  eine  besonders 
unruhige  Zeit  wilder  Gährung,  schroffer  Gegensätze,  übertriebener 
Hoffnungen  auf  die  Zukunft  einerseits,  zähen  Festhaltens  an  der  mittel- 
alterlichen Vergangenheit  anderseits.  Dies  alles  würde  aus  einem 
Stück  aus  Rabelais  besser  hervorgehen.  Natürlich  ist  nicht  Alles  und  Jedes 
bei  Rabelais  als  Schullektüre  geeignet.  Die  Kapitel  über  die  pädagogische 
Erziehung  des  Riesen  Gargantua  im  1.  Buch  wären  dagegen  bis  auf 
eine  Stelle  einwandfrei.  Im  Anschluß  an  sie  ließen  sich  auch  interessante 
Vergleiche  mit  Rousseau's  Emile  anstellen,  Vergleiche  wie  sie  sonst 
die  Herausgeber  in  ihrem  Buche  besonders  empfehlen. 

Das  17.  Jhdt.  eröffnet  mit  vollem  Rechte  Malherbe,  dem  als 
Gegenstück  eine  Stelle  aus  einer  Satire  Regni  er's  an  die  Seite  gestellt 
wird.  Es  kommt  den  Herausgebern  darauf  an,  von  vorn  herein  zu 
zeigen,  wie  der  Sinn  für  Vernunft  und  Ordnung  die  Literatur  des 
17.  Jhdts.  beherrscht.  Statt  in  dieser  Richtung  gleich  weiter  zu  gehen 
und  sofort  Descartes'  Discours  de  la  meilwde  und  Boileau  vor- 
zunehmen, wird  aber  als  Vertreter  der  preziösen  Zeit  noch  lia  Roche- 
foucauld eingeschoben.  Die  Aphorismen,  die  von  ihm  zitiert  werden, 
haben  aber  meines  Erachtens  nichts  speziell  Preziöses  an  sich.  In 
einem  Satze  wie  „les  vertus  se  perdent  dans  Vintiret  comme  les 
fleuves  dans  les  mers'^  finde  ich  nichts  Gesuchtes  und  Affectiertes, 
sondern  nur  einen  ganz  treffenden  Vergleich,  in  dem  die  „pr^cision 
et  proprete  des  termes,"  die  „clartS  de  ces  breves  formules,'^  wie 
Hg.  sonst  richtig  sagen,  klar  zum  Ausdruck  kommt.  Überhaupt 
erscheint  mir  La  Rochefoucauld  als  Vertreter  der  Preziosität  nicht 
gut  gewählt.  Wollte  man  einen  solchen  wählen,  würde  man  eher  die 
Scudery  oder  Voiture  haben  wählen  können.  Auch  chronologisch  ist 
La  Rochefoucauld,  der  1613—1689  lebte,  nicht  an  seinem  Platze 
vor  Descartes  (1596  —  1650).  Ebenso  hätte  Corneille  nicht  nach 
Boileau  und  Bossuet  gestellt  werden  sollen.  Die  Ideen  Corneille's 
über  das  Drama  fallen  in  das  Jahr  1644,  diejenigen  Boileaus  in  das 
Jahr  1660.  Läßt  man  Corneille  auf  Boileau  folgen,  so  erweckt  es 
beim  Schüler  unwillkürlich  die  Vorstellung,  daß  Corneille  von  ihm 
beeinflußt  worden  ist. 

Daß  die  Herausgeber  im  Hinblick  auf  die  Theorien  des  19. 
Jhdts. ,  auf  die  Mitteilung  theoretischer  Stellen  aus  Corneille,  Boileau, 


204         Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

Racine  und  Moliere  den  größten  Wert  gelegt  haben,  ist  durchaus  zu 
billigen.  Im  Anschluß  an  solche  Stellen  lassen  sich  sehr  leicht  recht 
fruchtbringende  Übungen  veranstalten.  Die  vernunftmäßige  Richtung 
IJoileau's,  sein  Haß  des  Zuviels  in  jeder  Beziehung,  sein  Rat  der 
Natur  zu  folgen  und  das  zu  schildern,  was  man  sieht  und  was  wirklich 
existierte,  ließen  sich  zum  größten  Nutzen  für  das  Verständnis  der 
einzelnen  Epochen  vergleichen  mit  den  Tendenzen  der  zweiten  Hälfte 
des  19.  Jhdts.  Was  verstand  man  im  17,  Jhdt.  unter  Nachahmung 
der  Natur,  was  im  neunzehnten?  Die  Realität  darf  zu  Boileau's 
Zeiten  nie  in  Trivialität  ausarten.  Das  äußerlich  Reale,  das  Pittoreske 
interessiert  damals  wenig.  Abstoßendes  darstellen  will  man  damals 
noch  nicht.  Warum  ist  in  dieser  Hinsicht  ein  Wandel  eingetreten? 
Läßt  sich  anderseits  das  Verhalten  Boileau's  den  exaltiert  romanesken 
Bestrebungen  von  Autoren  wie  der  Scudery  gegenüber  nicht  vergleichen 
mit  den  Bestrebungen  der  Realisten  den  Romantikern  gegenüber?  — 
Den  eben  erwähnten  theoretischen  Stellen  folgen  solche  über  die 
Querelle  des  anciens  et  des  modernes,  Stellen  aus  Boileau  und 
Perrault,  auch  diese  wiederum  vorzüglich  geeignet  zum  Studium  der 
einzelnen  Perioden  der  Literaturgeschichte.  Einem  geschickten  Leser 
wäre  es  ein  Leichtes  derartige  Stellen  in  Beziehung  zu  bringen  zu 
den  Zwecken,  welche  die  Plejade  verfolgte.  Überhaupt  wäre  es 
lohnend  die  Ansichten  über  die  Antike  in  den  einzelnen  Perioden  der 
Literaturgeschichte  zu  verfolgen  und  die  Wandlungen,  die  in  dieser 
Hinsicht  vorgegangen  sind,  in  ihren  Bedingungen  zu  verfolgen.  Für 
die  Schule  freilich  eine  zu  schwere  Aufgabe;  Bornecque's  und  Röttger's 
Buch  wäre  aber  für  Studenten  im  Seminar  auch  durchaus  als  Leit- 
faden geeignet. 

Der  Gedanke,  der  die  Auswahl  der  Stücke  aus  dem  18,  Jhht. 
bedingt  hat,  ist  ebenso  originell  wie  berechtigt.  Es  werden  die  Stücke 
ausgewählt,  welche  die  Bewegung  kennzeichnen,  die  zur  Revolution 
führte.  Montesquieu,  Voltaire,  die  Encyclopädie,  einige  Stellen  aus 
Rousseau  werden  aus  diesen  Gründen  vorgeführt.  Im  Commentaire 
Utteraire  wird  mit  großem  Geschick  aufmerksam  gemacht  auf  die 
Verwirklichung  dieser  Ideen  in  der  Declaration  des  droits  de  Vhomme 
von  1789,  in  der  DSclaration  des  droits  von  1793,  auf  Vorgänge 
in  der  konstituierenden  und  gesetzgebenden  Versammlung  und  im 
Konvent.  Ein  eingehender  Vergleich  der  geschichtlichen  Vorgänge 
der  Revolution  mit  den  Ideen  der  sog.  Philosophen  des  18.  Jhrhs. 
wäre  zum  Verständnis  der  Tragweite  dieser  ganzen  Literatur  von 
recht  großem  Werte.  Auch  hier  eröffnet  das  Buch  einen  weiten 
Horizont.  Rousseau  hat  aber  nicht  bloß  die  politische  Revolution 
vorbereitet,  er  ist  auch  der  Vater  der  literarischen  Rebellion,  die  in 
der  Romantik  sich  kund  gibt.  Einige  Stellen  aus  den  Confessions 
zeigen  das  Erwachen  des  Ichgefühls,  einige  Abschnitte  aus  der 
Nouvelle  Heloise  und  dem  Emile  das  Aufkommen  lyrischer  Empfindung 
und  des  Sinnes  für  die  Natur;  auch  Bernardin  de  Saint  Pierre  bringt 


Henri  Bornecque.     Recueil  de  morceaux  choisis.         205 

als  Vorläufer  der  Romantik  mit  Paul  et  Virginie  und  den  Etudes 
de  la  Nature  höchst  willkommene  Beiträge.  Aus  Andre  Chenier 
werden  ebenfalls  einige  Gedichte  mitgeteilt,  auf  Grund  deren  es  recht 
interessant  wäre  zu  untersuchen,  was  in  diesem  Dichter  klassisch  im 
Sinne  des  17.  Jhds.  ist,  was  aber  schon  das  Herannahen  einer  neuen 
Zeit  in  der  Poesie  ankündigt. 

Mit  Chateaubriand  erreichen  wir  bereits  die  Anfänge  der 
Romantik.  Mit  Recht  haben  die  beiden  Redaktoren  ihm  gerade  sehr 
eingehende  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Das  „Ich"  in  seinem  Werke, 
seine  Melancholie  und  sein  Weltschmerz  treten  uns  aus  seinem  „72me" 
entgegen,  die  Erneuerung  des  religiösen  Gefühls,  das  sich  aber  stets 
mit  ästhetischen  Empfindungen,  namentlich  mit  der  Bewunderung  der 
gotischen  Kunst,  die  seit  der  Renaissance  verachtet  war,  vereinigt, 
wird  uns  auf  Grund  des  Genie  du  Christianisme,  aus  dem  einige 
ausführliche  Auszüge  gebracht  werden,  recht  klar  gemacht.  Der  Sinn 
für  das  Malerische  kommt  in  einigen  vorzüglich  gewählten  Stellen 
aus  den  Martyrs,  den  Memoires  d'ovtre  iomhe,  dem  Essai  sur  les 
Rh'olutions  und  einigen  andern  Werken  sehr  gut  zur  Geltung.  Für 
Übungen  ausgezeichnet  ist  die  Nebeneinanderstellung  verschiedener 
Redaktionen  derselben  Beschreibung,  so  einer  durch  Mondschein 
erhellten  Landschaft,  die  Chateaubriand  zweimal  —  im  Essai  sur 
les  revolutions  und  im  Genie  du  Christianisme  —  gebracht  hat. 
Die  Herausgeber  verfehlen  nicht  zum  Vergleich  ähnliche  Beschreibungen 
bei  Flaubert  und  bei  den  de  Goncourt  heranzuziehen.  Durch  derartige 
Nebeneinanderstellungen  wird  die  Eigenart  der  einzelnen  Schriftsteller 
recht  deutlich.  Neben  Chateaubriand  wird  auch  M™«  de  Stael  als 
Vorläuferin  der  neuen  Schule  betrachtet.  An  der  Spitze  der  eigentlichen 
Romantik  werden  zuerst  die  Theorien  Victor  Hugo's  mitgeteilt.  Es 
sind  wohl  pädagogische  Gründe,  welche  diese  Einteilung  veranlaßt 
haben.  Die  Herausgeber  wollten  die  neuen  Theorien  ganz  besonders 
klar  zum  Ausdruck  bringen.  Ob  es  aber  nicht  falsche  Vorstellungen 
erweckt,  wenn  Lamartine  erst  nach  V.  Hugo  kommt?  Er  ist  von 
seinen  Theorien  doch  ebenso  wenig  abhängig  wie  Corneille  von 
Boileau's  Art  poetigue.  In  der  biographischen  Bemerkung,  die 
Lamartine  vorausgeschickt  wird,  ist  meines  Erachtens  auch  nicht  das 
hervorgehoben,  was  für  seine  Eigenart  charakteristisch  ist.  Wir 
lesen  p.  145:  „A  signaler  dans  sa  vie:  Eleve  ä  la  campagne  — 
Chef  veritable  du  gouvernement  provisoire  en  1848'^  —  Letzteres 
ist  für  sein  poetisches  Wirken  ganz  belanglos,  dagegen  wäre  es 
wichtig,  zu  bemerken,  daß  er  in  seiner  Jugend  in  der  verweichlichenden 
Umgebung  von  Frauen  aufwuchs,  und  daß  seine  Erziehung  streng 
religiös  war.  Das  hat  seinem  Wirken  mehr  den  Stempel  aufgedrückt. 
Ganz  vorzüglich  sind  dagegen  wiederum  die  Vergleiche,  welche  die 
Herausgeber  auf  Grund  der  mitgeteilten  Gedichte  ermöglichen.  So 
findet  sich  p.  L32  unter  Hugos  Gedichten  eine  Stelle  aus  den  Feuilles 
d'automne  aus  1830  neben  einer  aus  1856  aus  den  Contemplations, 


206         Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

welche  uns  zeigen,  wie  V.  Hugo  zu  verschiedenen  Zeiten  seines  Lebens 
seine  Dichteraufgabe  auffaßte.  Beim  Gedicht  „La  Tristesse  cV Olympio'* 
wird  nicht  versäumt,  auf  Lamartine  s  Lac  und  A.  de  Musset's 
Souvenir  zum  Vergleiche  aufmerksam  zu  machen.  Wie  verschieden 
sind  doch  die  Empfindungen  dieser  drei  Dichter  aus  derselben  Zeit, 
wenn  sie  sich  allein  am  Orte  wiederfinden,  wo  sie  einst  geliebt  haben! 
Die  Eigenart  der  drei  Romantiker  läßt  sich  an  der  Hand  solcher 
Gedichte  den  Schülern  weit  klarer  begreiflich  machen  als  durch  noch 
so  eingehende  Beschreibungen  und  Schilderungen.  Ich  erblicke  einen 
der  Hauptvorzüge  des  vorliegenden  Buches  darin,  daß  es  auf  die 
vergleichende  Methode  beim  literarischen  Unterricht  so  großen  Wert 
legt.  Ich  habe  selbst  im  Seminar  diese  Methode  früher  angewandt, 
und  die  Erfahrung  zeigte  mir,  daß  sie  den  Unterricht  außerordentlich 
anregend  zu  gestalten  vermag.  So  hatte  ich  z.  B.  Lamartine's  Gedicht 
L'automne  einem  Gedichte  Sully-Prudhomme's  auch  über  den  Herbst 
an  die  Seite  gestellt.  Die  grundverschiedene  Richtung  des  Romantikers 
und  Realisten  —  wenn  man  Sully-Prudhomme  so  nennen  will  — 
springt  sofort  in  die  Augen.  Lamartine  sieht  im  Herbst  nur  die 
traurige  Jahreszeit,  in  der  die  Blätter  von  den  Bäumen  fallen,  die 
Nebel  sich  auf  die  Wiese  niedersenken  und  die  Seele  des  Menschen 
von  Melancholie  erfüllt  wird.  Er  entwirft  davon  eine  tief  zu  Herzen 
gehende  poetische  Beschreibung,  die  die  Herbststimraung  vorzüglich 
zum  Ausdruck  bringt,  trotzdem  einige  Details  in  der  herbstlichen 
Natur  vielleicht  nicht  so  genau  beobachtet  sind.  Sully-Prudhomme 
ist  viel  vollständiger.  Der  Herbst  ist  für  ihn  nicht  bloß  die  Zeit 
des  zu  Ende  gehenden  Sommers,  sondern  auch  die  Zeit  der  Ernte, 
in  welcher  sich  die  Scheunen  füllen.  Er  gibt  sich  nicht  wie  Lamartine 
der  Traurigkeit  seiner  Simmung  einfach  hin;  für  ihn  und  den  Menschen 
überhaupt  —  denn  er  denkt  nicht  bloß  an  sich  —  lehrt  die 
Betrachtung  des  Herbstes,  daß  man  im  Sommer  ordentlich  arbeiten 
müsse,  um  in  der  schlimmen  Jahreszeit  mit  Allem  wohl  versehen  zu 
sein.  Die  Moral  der  „Cigale  et  la  fourmi^'  Lafontaine's,  die 
utilitaristische  Nutzanwendung,  das  ist  für  den  Mann  der  nüchternen 
zweiten  Hälfte  des  1 9.  Jhrds.  die  Hauptsache,  während  die  melancholische 
Stimmung,  mochte  sie  noch  so  unbestimmt  und  vage  sein,  für  die 
Romantiker  im  Vordergrund  stand. 

Ich  habe  mich  sehr  gefreut  zu  sehen,  daß  Bornecque  und 
Röttgers  in  ihrem  Buch  soviel  vortreffliches  Material  liefern,  das 
dem  Lehrer  ermöglicht,  diese  Methode  zu  gebrauchen.  Um  nur  noch 
einige  Beispiele  anzuführen,  denn  mit  der  gleichen  Ausführlichkeit 
kann  ich  das  ganze  Buch  nicht  durchsprechen.  Vortrefflch  ist  die 
Gegenüberstellung  einer  Stelle  aus  Michelet  über  Frankreich  und  die- 
jenige einer  aus  Guizot.  Michelet  ist  lyrisch,  enthusiastisch,  parteiisch, 
aber  nicht  ganz  genau,  Guizot  dagegen  kalt,  logisch,  objektiv,  gerecht. 
Ebenso  interessant  ist  die  Art,  wie  einerseits  Michelet,  anderseits 
Thiers  den  Tod  Mirabeau's  erzählen.    Die  Tatsachen  sind  im  Großen 


Henri  Bornecque.     Recueil  de  morceaux  choisis.         207 

und  Ganzen  die  gleichen,  aber  bei  Michelet  herrscht  immer  die  Em- 
pfindsamkeit vor;  Thiers  kommt  es  nur  darauf  an,  vollständig  und, 
genau  zu  sein,  Michelet  legt  das  Hauptgewicht  darauf  Mirabeau  in 
einem  Lichte  erscheinen  zu  lassen,  das  ihn  uns  sympathisch  er- 
scheinen läßt. 

Es  versteht  sich,  daß  ein  geschickter  Lehrer  sich  nicht  bloß 
an  die  hier  mitgeteilten  Aufgaben  und  Stücke  zu  halten  brauchte, 
um  die  vergleichende  Methode  anzuwenden.  Es  ist  ein  Verdienst  des 
Buches,  daß  es  überall  und  nach  jeder  Richtung  anzuregen 
versteht.  Eine  ganze  Menge  von  Aufgaben  der  verschiedensten  Art 
schwebt  einem  sofort  vor,  wenn  man  die  vergleichenden  Beispiele 
sich  ansieht,  die  hier  aufgeführt  sind.  So  wäre  es  eine  recht  lohnende 
Aufgabe  zu  untersuchen,  ob  die  Theorien  Victor  Hugo's  auch  in  der 
Praxis  befolgt  worden  sind,  ob  die  Realisten  oder  Naturalisten  auch 
in  ihren  Werken  so  vorgegangen  sind,  wie  ihre  Wortführer  es  em- 
pfahlen. Ein  Vergleich  von  Stücken  wie  Molieres  Femmes  savantes 
einerseits,  Pailleron's  Le  monde  oü  Von  s'ennuie  anderseits,  die  beide 
zu  verschiedenen  Zeiten  die  gleichen  Torheiten  im  Auge  hatten,  sie 
aber  ganz  verschieden  geißelten,  oder  eine  Gegenüberstellung  von 
Moliere's  Bourgeois  geniilhomme  und  Augier's  Le  gendre  de  Mr. 
Poirier,  die  beide  den  für  den  Adel  schwärmenden  Spießbürger 
satirisieren,  aber  wiederum  auf  ganz  verschiedene  Art.  Warum  sind 
die  Stücke  so  ganz  anders  gebaut?  Worauf  legen  die  einen,  worauf 
die  andern  deu  Hauptnachdruck?  Schließlich  noch  ein  Beispiel. 
Vergleich  der  beschreibendenArt  Chateaubriand's  mit  derjenigen  Balzac's. 
Dem  ersten  kommt  es  auf  das  Hervorleuchtenlassen  einer  Vision  an, 
wenn  sie  auch  im  einzelnen  nicht  richtig  ist,  dem  andern  ist  skrupu- 
löse Genauigkeit  die  Hauptsache. 

Neben  diesen  vergleichenden  Aufgaben  wären  entwicklungs- 
geschichtliche von  großem  Werte:  Verfolgen  der  Empfindsamkeit  vom 
18.  bis  ins  19.  Jahrb.,  Art  und  Weise  der  Charakterisierung  bei 
den  Komikern  von  Moliere  bis  auf  unsere  Tage,  Beschreibung  der 
Natur  in  den  verschiedensten  Perioden  der  Literatur.  Wenn  derartige 
Aufgaben  natürlich  nur  dann  erschöpfenden,  wissenschaftlichen  Wert 
hätten,  wenn  sie  auf  Grund  sämtlicher  vorhandener  Texte  unternommen 
würden,  so  haben  sie  doch  für  Anfänger  methodischen  Wert,  wenn 
sie  an  der  Hand  auch  nur  einiger  Texte  versucht  werden.  Schon 
so  geben  sie  eine  Ahnung  von  der  Entwicklung  der  Literatur  oder 
von  der  Eigenart  der  Schriftsteller.  Und  das  ist  selbstverständlich 
viel  wichtiger  als  alles  öde  Compendienochsen,  das  leider  so  viel 
getrieben  wird. 

Ich  bin  sicher,  daß  das  Buch  von  Bornecque  und  Röttgers  unserer 
studierenden  Jugend  —  denn  nicht  bloß  für  Schüler,  auch  für  Studenten 
ist  es  nützlich  —  die  größten  Dienste  leisten  wird.  Zur  Vervoll- 
ständigung wäre  auch  die  LittSrature  frangaise  d'apres  les  textes  von 
Ren6  Canat  zu  gebrauchen,  ein  ganz  vorzügliches  Buch,  welches  auch 


208         Referate  und  Rezensionen.     Heinrich  Schneegans. 

nach  derselben  Richtung  hin  arbeitet,  aber  viel  detaillierter  ist,  wenn 
auch  die  Texte  nicht  so  zahlreich  sind.  Nur  in  einigen  Punkten, 
die  in  einer  zweiten  Auflage,  die  gewiß  nicht  lange  auf  sich  warten 
lassen  wird,  geändert  werden  könnten,  bin  ich  mit  der  Einteilung, 
Anordnung,  Auffassung  oder  Auswahl  der  beiden  Herausgeber  nicht 
einverstanden. 

An  die  Spitze  des  Realismus  wird  p.  275  Renan  gestellt.  Ich 
hätte  lieber  Taine  an  diesem  Ort  gesehn.  Renan  hat  einen  spiritua- 
listischen  und  optimistischen  Zug  an  sich,  welcher  den  meisten  Autoren 
der  Zeit  abgeht  und  für  die  Richtung  der  Epoche  nicht  charakteristisch 
ist.  Renan's  Vervollkommnungstheorien  haben  nur  die  Wenigsten 
angenommen.  Die  meisten  Autoren  stehen  unter  dem  Einfluß  des 
Positivismus.  Von  dem  Gesichtspunkte  aus  wäre  es  sogar  am 
richtigsten  gewesen  einige  Stellen  aus  Auguste  Comte  an  die  Spitze 
des  Abschnitts  zu  stellen.  Comte  ist  weit  wichtiger  als  Claude  Bernard, 
den  die  Herausgeber  —  wohl  aus  Rücksicht  auf  Zola  —  anzuführen 
nicht  für  überflüssig  hielten.  Taine's  Bedeutung  wird  aber  nicht  in 
ihrem  vollem  Lichte  gewürdigt,  wenn  er  nur  die  Romanschriftsteller 
einleitet.  Er  würde  direkt  nach  Comte  und  vor  Renan  als  Beherrscher 
der  ganzen  realistischen  Bestrebungen  an  seinem  rechten  Platze 
stehen. 

Warum  Alexandre  Dumas  fils  nicht  mehr  zum  Realismus 
gerechnet  wird  und  nach  Baudelaire  und  vor  Alphonse  Daudet  ge- 
stellt wird,  als  Einführer  einer  neuen  dramatischen  Periode,  wird  mir 
nicht  recht  klar.  Daß  der  Symbolismus  schon  bei  ihm  vorkommt, 
glaube  ich  kaum.  Ich  würde  ihn  von  Emile  Augier  nicht  trennen. 
Eher  würde  ich  ihn  für  unter  dem  Einfluß  der  Romantik  stehend 
ansehen,  wenn  er  „powr  dSgager  la  legon  morale  .  .  .  doit  arranger 
les  faits  de  maniere  ä  la  mettre  en  reliep^  (p.  104).  Ob  es  über- 
haupt nicht  angezeigt  gewesen  wäre,  neben  Emile  Augier  und  Dumas 
noch  andere  dramatische  Schriftsteller  heranzuziehen?  Gerade  das 
Drama  hat  in  dieser  Zeit  des  französischen  Theaters  einen  so  hervor- 
ragenden Platz  eingenommen  und  so  großen  Einfluß  ausgeübt,  auch 
auf  das  Ausland,  daß  mir  eine  stärkere  Betonung  desselben  wohl 
richtiger  erschienen  wäre.  Gerade  das  komische  Theater  hat  ja  die 
ganze  Welt  erobert.  Warum  nicht  aus  Labiche  einige  Scenen  bringen? 
Was  Rostand  betrifft,  wäre  mir  Cyrano  de  Bergerac  viel  sympathischer 
gewesen  als  der  Aiglon.  Auch  Brieux  oder  Hervieu  hätten  nicht  über- 
gangen zu  werden  brauchen. 

Endlich  hätte  ich  bezüglich  Coppee's  eine  kleine  Anmerkung  zu 
machen.  Unter  der  Rubrik  „a  signaler  dans  sa  ^•^e"  wird  bemerkt: 
Ne  ä  Paris  et  veritable  Parisien.  Das  ist  zwar  ganz  richtig,  aber 
warum  dann  unter  den  Gedichten,  die  doch  mit  dieser  Bemerkung 
übereinstimmen  sollten,  solche  anführen,  die  mit  Paris  gar  nichts  zu 
tun  haben:  aux  bains  de  mer,  une  legende'^  Gerade  diese  biblische 
Legende  ist  für  die  Eigenart  Coppee's  durchaus  nicht  gut  gewählt. 


Duc  de  La  Salle  de  Rochemaure.     RScits  Carladeziens.      209 

Irgend  eine  Beschreibung  aus  der  Banlieue  von  Paris  wäre  viel  eher 
am  Platze. 

Doch  das  sind  alles  nur  geringfügige  Ausstellungen,  die  den 
Wert  des  Buches  an  sich  durchaus  nicht  beeinträchtigen.  Ich  kann 
am  Schlüsse  nur  wiederholen,  was  ich  im  Laufe  dieses  Artikels  schon 
öfters  andeutete.  Das  Buch  entspricht  einem  lebhaften  Bedürfnis. 
Ich  hoffe  und  wünsche,  daß  es  dazu  beitragen  wird,  eine  neue  Aera 
im  Betreiben  der  modernen  französischen  Literaturgeschichte  an  unsern 
Schulen  und  auch  auf  unsern  Seminarien  einzuleiten.  Es  tut  not, 
daß  in  dieser  Hinsicht  etwas  geschehe. 

Würzburg.  Heinrich  Schneegans 


La  Salle  de  Rochemaure,  Duc  de.  Recits  Carladeziens. 
Dialecte  du  Carladez.  Preface  de:  A.  Vermenouze.  Aurillac. 
Imprimerie  Moderne.  XV.  427  S.  In-80. 

Die  neuprovenzalische  Renaissance,  insbesondere  die  Anerkennung, 
die  dem  Verdienste  Roumanille's  und  MistraPs  in  so  reichen  Maaße 
zu  teil  geworden  ist,  hat  schon  frühzeitig  andere  Sprachgebiete  Süd- 
frankreichs zum  Wetteifer  angespornt.  Bereits  1860  veröffentlichte 
Veyre,  der  erste  „FelibreCantalien"  seine  mit  viel  Beifall  aufgenommenen : 
Pioulats  de  rei-petit  (Pepiements  de  Roitelet)^  noch  bekannter 
sind  die  anmutigen  Dichtungen  von  Vermenouze,  dem  gegenwärtigen 
Haupt  (Capiscol)  der  Dichterschule  der  Auvergne:  Flour  de  Brousso 
(Fleurs  de  Bruyere),  Moun  Oubernhe  (Mou  Auvergne),  En  plen- 
hen  {Ell  plein  vent)  und  Jious  lo  Cloutchiado  fSous  le  chaume)^ 
vier  reichhaltige  Sammelbände  geworden.  Im  Jahre  1902  hat  auch 
noch  der  Abbe  Four,  Professor  am  Seminar  von  Pleaux  (Cantal),  der 
gelehrte  Grammatiker  der  Feliber  der  Auvergne,  unter  dem  Titel 
Elements  de  grammaire  Languedocienne,  beachtenswerte  sprach- 
historische Angaben  über  die  „Langue  Cantalienne  et  son  Dialecte 
Carladezien"  veröffentlicht.  Diesen  und  anderen  wertvollen  Publicationen 
hat  nun  neuerdings,  von  gleicher  Liebe  für  die  engere  Heimat  beseelt, 
der  Herzog  von  la  Salle  de  Rochemaure  ein  köstliches  Bändchen 
Prosa  angereiht,  zwölf  kürzere  Erzählungen,  die  in  ihrem  frischen 
Erdgeschmack  mit  Roumanille  und  Daudet 's  Erzählerkunst  den  Vergleich 
aufnehmen  können. 

Auf  den  ausdrücklichen  Wunsch  des  Verfassers  hat  A.  Vermenouze 
eine  Vorrede  zu  den  eigenartigen  Erzählungen  geschrieben,  die  in  an- 
heimelndem Plauderton  den  Leser  bereits  auf  die  ungezwungene 
Munterkeit  des  „Carladez"  vorbereitet.  Vorausgeschickt  sind  überdies 
zur  besseren  Orientierung  einige  wissenswerte  Noticen  über  die  Aus- 
dehnung, die  Geschichte  und  den  sprachlichen  Charakter  des  außer- 
halb Frankreichs  immer  noch  wenig  beachteten  Dialektes.  Sein  Sprach- 
gebiet   umfaßt    heute    die   beiden   Departements    „da    Cantal  et  de 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII 2.  14 


210  Referate  und  Rezensionen.     M.  J.  Minckwitz. 

V Aveiiron^'"''  mit  Ausbuchtungen  nach  den  Bezirken  von  Murat,  Aurillac 
und  Espalion,  erstreckt  sich  über  etwa  110  Quadratmeilen  im  Umkreis 
und  weist  eine  Bevölkerung  von  annähernd  80  000  Köpfen  auf.  Der 
Hauptort  der  Gegend,  das  alte  Vic-en-Carladez,  heute  Vic-sur-Chre, 
ist  zugleich  der  Mittelpunkt  für  alle  Verwaltungsangelegenheiten  und 
Sitz  der  höchsten  Justizbehörde.  Vor  dem  Ausbruche  der  französischen 
Revolution  bezog  der  Fürst  i)  diese  kleinen  Ländercomplexes  zwischen 
sechs-  und  siebenhunderttausend  Frank  Einkünfte  aus  den  Händen 
stark  unredlicher  Verwalter. 

Über  die  Geschichte  dieses  ehemaligen,  im  Herzen  hoher  Gebirgs- 
ketten gelegenen  Fürstentumes  liegen  sehr  alte  Dokumente  vor.  Die 
ältesten  Nachweise  datieren  aus  der  Römerzeit.  Die  gallo-  romanische 
Herrschaft  im  „  Cariat'-'-  erreichte  mit  der  Niederlage  von  Syagrius 
bei  Soissons  (485)  durch  Chlodwig  ihr  Ende.  Seit  dem  Erstarken 
der  fränkischen  Herrschaft  wechselten  die  regierenden  Häuser  im  Cariat. 
Die  Jüngere  Linie  der  Grafen  von  Toulouse,  spanische  Beziehungen 
vorübergehender  Art,  der  jüngste  Sohn  des  Königs  Johann  des 
Guten  von  Frankreich,  daß  Geschlecht  der  Connetable  d'  Armagnac, 
das  Haus  Bourbon,  schließhch  (seit  1572)  Wittwensitz  der  Königinnen 
Frankreichs  von  Katharina  von  Medici  bis  zu  Margarethe  von  Valois, 
der  Gemahlin  Heinrichs  IV,  die  hier  in  der  Verbannung  lebte.  Seit 
1643  war  das  Gebiet  von  Cariat  als  Grafschaft  durch  Ludwig  XHL 
an  Honore  de  Grimaldi,  den  Fürsten  von  Monaco,  als  Entschädigung 
für  die  Verluste  im  Mailändischen  abgetreten.  Die  französische 
Revolution  macht  auch  dieser  Feudalherrschaft  ein  Ende.  Man 
begreift  aus  dieser  kurz  gedrängten  Übersicht,  welche  Schätze 
für  historische  Novellen  in  den  alten  Pergamenten  dieses  Territoriums 
aufgespeichert  sind.  An  langen  Winterabenden  hat  der  Herzog  de 
la  Salle  in  diesen  Chroniken  seiner  engeren  Heimat  blätternd,  Notizen 
„en  poiai'-''  aufgezeichnet  und  „cossi  es  noscut,  sou  que  rnen  tratchi, 
oquel  libron."" 

Mit  Ausnahme  der  pikanten,  Mistral  gewidmeten  Erzählung: 
TjOu  Courseiet  de  lo  Reyno  (Le  Corset  de  la  Reine)^)  und  der 
von  grausigem  Humor  belebten  Molhurs  d'un  Utchii  (Les  Mesa- 
ventures  d'un  Huissier)  sind  hauptsächlich  geschichtliche  Momente 
aus  Schreckenszeiten,  den  Religionskriegen,  Feudalkämpfen,  der 
Revolution  von  1789,  mit  plastischer  Anschaulichkeit  wiedergegeben. 
Persönliche  Erinnerungen  spiegelt  der  Bericht:  Dous  Princes  en 
Corlodes  {Deux  Princes  en  Carladez).  Auf  dem  stark  persönlichen 
Gepräge  beruht  der  Hauptreiz  des  zwar  nicht  kostbar  aber  ländlich- 
sittlich ausgestatteten  Büchleins.  Der  Leser  muß  diesen  Verfasser 
lieb  gewinnen,  der  den  Heimatsdialekt  mit  Meisterschaft  handhabt 
und,    völlig    frei  von    persönlicher  Eitelkeit,    dennoch  seine    eigenen 


')  Aus  dem  Geschlechte  der  Grimaldi,  Fürsten  von  Monaco. 

2)  Gemeint  ist  die  galante  Gemahlin  Heinrichs  IV.  von  Frankreich. 


Neue  Schulausgaben  französischer  Schriftwerke.  211 

Lebensanschauungen  mit  dem  Faden  des  Berichtes  verknüpfend,  seiner 
harmonischen  Weltanschauung  zu  liebe,  viel  mehr  über  seine  eigene 
Persönlichkeit  ausplaudert,  als  er  selbst  zu  ahnen  scheint. 

Dieses  anmutige  kleine  Denkmal  der  Dialektpflege  möge  den 
Sprachforschern  von  neuem  zum  Anlaß  werden,  noch  rechtzeitig  an 
dieser  Quelle  zu  schöpfen,  die  trotz  der  tapferen  Neubelebungsversuche, 
über  kurz  oder  lang  unter  dem  Drucke  der  Centralisation  zu  versiegen 
droht.  Auch  hier  gilt  die  "Warnung  Gaston  Paris':  Si  nous  ne pouvons 
empccher  La  flore  naturelle  de  nos  champs  de  perir  devant  la  culture 
qui  la  remplace,  nous  devons,  avant  qu'elle  disparaisse  tout  ä 
faiti  en  recueillir  avec  soin  les  echantillons^  les  decrire,  les  disse- 
quer  et  les  classer  pieusement  dans  un  grand  herbier  national. 

MtJNCHEN.  M.    J.    MiNCKWITZ. 


Neue  Schulausgaben  französischer  Schriftwerke. 

1.  Scribe,  E.    h  Verre  cfEau.    Edition  accompagnee  d'un  commentaire  et 

d'un  questionnaire-repetiteur  par  J.  D  e  1  ä  g  e.  Leipzig,  B.  G.  Teubner, 
1905.  Preis  2  M.  1.  Texte  et  Vocabulaire,  X  -f  141  S.  II.  Notes 
et  repetiteur,  83  S. 

2.  Loti,  P.    Pecheur  d' Islande.    Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  0.  E.  A. 

Dick  mann,  Leipzig  1906,  Renger.  VIII  +  103  S.  Text  +  9  S. 
Anmerk.  Preis  1,60  M.  [=  Franz.  u.  engl.  Schulbibliothek, 
herausgeg.  v.  0.  Dickmann,  feand  150]. 

3.  Chuquet.     la  Guerre  1870—71.    Im  Auszug.    Für  den  Schulgebrauch 

erklärt  von  K.  Quossek.  Leipzig  1906,  Renger,  VIII  +  114  S. 
Preis  1,40  M.     [=  ebenda  Band  151]. 

4.  Französische  Lebensweisheit.     Montaigne,  Pascal,  La  Rochefoucauld.,  La  ßruyere, 

Vauvenargues.  Ausgewählt  und  herausgeg.  von  M.  Kuttner. 
Bielefeld,  Velhagen  u.  Klasing  1906.  VI  +  124  S.  Text  -f  11  S. 
Anhang.  Preis  1  M.  [=  Velhagen  u.  Klasings  Samml.,  Prosateurs 
frangais  162  B.j 

5.  Barrau,    Th.  H.     EisUnre   de   la  Revolution  fran^aise   depuis   1789  jusqu'ä 

la  mort  de  Robespierre.  Für  den  Schulgebrauch  ausgewählt  und 
erklärt  von  F.  Petzold;  ebenda  1906.  163  S.  Text  +  39  S. 
Anhang.    Preis  1,30  M.    [=  dslb.  Samml.  165  B.] 

6.  Lame  Fleury,  M.    VHistoire  de  France  racontee  ä  lajeunesse.     Im  Auszüge 

mit  Anmerkungen  zum  Schulgebrauch  herausgeg.  v.  W.  Coordts; 
ebenda  1906.  201  S.  Text  +  17  S.  Anhang.  Preis  1,40  M.  [= 
dies.  Samml.  166  B.] 

7.  Meliere,  le  Bourgeois  Oentilhomme.    Mit  Anmerkungen  zum  Schulgebrauch 

herausgeg.  von  M.  Waldmann.  Mit  einem  Wörterverzeichnis. 
München  1906,  J.  Lindauer.  Vll  -f  105  S.  Preis  1  M.  [=  Franz. 
u.  engl.  Klassiker-Bibliothek  herausgeg.  von  Bauer  u.  Link  No.49]. 

8.  Saintine,  Picciola.    Herausgeg.  mit  Wörterbuch  und  Erläuterungen  in 

gekürzter  Fassung  von  L.  Appel.  München,  J  Lindauer  1906. 
IV  +  118  S.     [=  dies.  Samml.  No.  50.) 

9.  Vigny,    Ä.  de,    la    Veillee  de    Vince?ines  et  Laurette  ou  le  Cachet  rouge.     Mit 

Anmerkungen  und  Wörterverzeichnis  herausgeg.  v.  G.  Buchner; 
ebenda  1906.    IV  +  94  S.  [=  dies.  Samml.  No.  51]. 

14* 


212  Referate  und  Rezensionen.     A.  Sturmfels. 

10.  Dutoit,  M.     Nocle.    Herausgeg.  v.  E.  Wasserziehcr  u.  E.  Schild. 

Leipzig  R.  Gerhard.  1906.  I.  Teil:  Einleitung  und  Text,  VII  + 
135  S.  Preis  1,60  M.  II.  Teil:  Anmerkungen  und  Wörterb.  48  S. 
Preis  40  Pf.     [=  Gerhards  franz.  Schulausgaben  No.  21]. 

11.  Stolz.   Mme.  de,   la  Maison  RouUmte.    Mit  Anmerkungen,  Fragen  und 

Wörterb.  nach  der  9.  Aufl.  des  Originals  bearbeitet  v.  Dr.  Rahn. 
Dresden,  G.  Kühtmann,  1905.  94  S.  Text,  35  S.  Anmerkungen  u. 
Fragen,  34  S.  Wtb.    Preis  1,20  M. 

1.  Nachdem  schon  in  den  Sammlungen  von  Velbagen  <&  Klasing,  Renger, 
Perthes,  Weidmann  u.  A.  Schulausgaben  dieses  Lustspiels  erschienen  sind, 
müfste  diese  Veröffentlichuntr  sehr  auffallen,  wenn  sie  nicht  als  erste 
Reformausgabe  des  Stückes  in  den  Augen  derjenigen  Berechtigung  hätte, 
die  Scribe's  Verre  d'Emi  der  Aufnahme  in  den  Kanon  der  französischen 
Schullektüre  würdig  erachten.  Da  ich  mich  in  Band  XXI II,  S.  1.59  dieser 
Ztschr.  gelegentlich  der  Besprechung  der  Rengerschen  Ausgabe  über  den 
Wert  des  Stückes  als  Schullektüre  geäufsert,  will  ich  mich  hier  auf  die 
Beurteilung  dieser  neuesten  Ausgabe  beschränken.  In  ihrer  Anlage  stimmt 
sie  mit  den  früher  in  der  gleichen  „BihUotMque  franqaise  <>  Vusaoe  des  classes"' 
erschienenen  Bändcheu  überein.  Der  Kommentar  ist  sehr  umfangreich  und 
mufs  sehr  häufig,  um  das  Verständnis  zu  erleichtern,  die  Verdeutschung 
seltenerer  Wörter  und  Wendungen  geben.  Da  jedoch  noch  sehr  viele,  im 
Text  nicht  vorkommende  Wörter  desselben  im  beigegebenen  französisch- 
deutschen SpezialWörterbuch  sich  nicht  finden,  wird  der  Schüler  bei  Benutzung 
desselben  behufs  häuslicher  Vorbereitung  oder  Wiederholung  oft  in  Verlegen- 
heit kommen.  Oder  ist  der  Kommentar  nur  für  den  Lehrer  bestimmt? 
Von  Einzelheiten  sind  mir  folgende  aufgefallen:  Die  englische  Guinea  (zu 
S.  3,1)  ist  nicht  mehr  im  Kurs  und  galt  21,  nicht,  wie  behauptet  ist, 
20  Schilling.  —  Zu  S.  16,  11  mufste  die  englische  Form  (rout)  des  Wortes 
raout  angegeben  werden,  das  die  Franzosen  nebenbei  bemerkt  oft  auch  ra-ut 
(mit  lautendem  tl)  sprechen.  —  Vhomme  ii  la  chiquenaHde,  das  sich  S.  6,  22 
zum  ersten  Male  findet,  ist  erst  zu  S.  40,  5  erklärt.  —  Die  Fragen  des 
Quesiionnaire  sind  wohl  nur  für  junge,  im  Unterrichten  noch  nicht  geübte 
Lehrer  bestimmt.  Die  Themata  der  Exercic.es  de  redncHon.  die  natürlich  nur 
zum  geringsten  Teil  behandelt  werden  können,  geben  reiche  Anregung  und 
dürften  allgemein  Anklang  finden,  während  die  drei  Seiten  Bemerkungen 
über  die  Aussprache  (S.  79—82)  für  die  Stufe,  auf  der  das  Lustspiel  gelesen 
werden  kann,  zu  spät  kommen. 

Druck  und  Ausstattung  sind  gut,  doch  scheint  die  Korrektur  sehr 
flüchtig  erfolgt  zu  sein,  da  sich  im  Text  und  Kommentar  noch  viele  Druck- 
fehler finden.  Text  S.  14,  11  wigh  (statt  whig);  S.  34,  11  te  (statt  le); 
S.  88,  28  le  (statt  la);  S.  89,  20  droits  (statt  droit);  S.  103,  18  la  (statt  le); 
Kommentar  S.  21,  4  ist  die  Stelle  aus  Byron's  Corsair  (What  lost  a  world, 
and  bade  a  hero  fly?  The  timid  tear  in  Cleopatra's  eye.)  falsch  zitiert. 
S.  33,  2  V.  u.  coainntre  (statt  counaitre);  S.  39,  Mitte  dejä  (statt  dcjä);  S.  43, 
9  exagerent  (statt  exagere);  S.  55,  3  Reton  (statt  Raton).  — Autfallen  mui's 
ferner,  dal's  auf  dem  Titel  der  Name  des  Herausgebers  unmittelbar  neben 
den  des  Verfassers  gestellt  ist,  als  ob  J.  Deläge  einer  der  zahlreichen 
Mitarbeiter  Scribes  gewesen  wäre. 

2.  Nachdem  der  „Islandfischer"  in  den  Sammlungen  von  Kühtmann, 
Freytag  und  Velhagen- Klasing  erschienen  war,  konnte  die  Aufnahme 
desselben  in  die  Rengersche  Schulbibliothek  bei  der  Gediegenheit  und 
Beliebtheit  dieses  Romans  nicht  fraglich  sein.  Die  jetzt  vorliegende  Aus- 
gabe braucht  den  Vergleich  mit  den  erwähnten,  sowohl  in  bezug  auf  die 
Textgestaltnng  als  auch  auf  die  Erklärung,  nicht  zu  scheuen.  Der  Text 
ist  mit  grofsem  Geschick  beschnitten,  so  dafs  die  Hauptgestalten  und  ihre 
Beziehungen  untereinander  dem  Leser  lichtvoll  und  plastisch  vor  die  Augen 


I^eue  Schulausgaben  französischer  Schriftwerke.  213 

treten.  Der  Kommentar  ist  auf  Grund  des  Studiums  der  einschlägigen 
Literatur  über  Land  und  Leute  verfafst.  —  Von  Einzelheiten  sind  folgende 
zu  bemerken:  Zu  S.  1,  20  {en  breion)  mufste  angegeben  werden,  dafs  die 
altbretonischen  Dialekte  keltischen,  und  nicht  (wie  das  Französische) 
romanischen  Ursprungs  sind.  —  Die  Erklärung  zu  S.  11,  23  gibt  keine 
Definition  von  pardon,  das  Reuschel  in  der  Freytagschen  Ausgabe  klargestellt 
hat.  —  epave  S.  15,  28  wäre  besser  gleich  erklärt  worden,  da  der  Hinweis 
auf  eine  spätere  Stelle  (hier  auf  S.  35,  25)  doch  keine  Erleichterung 
bedeutet.  —  Was  ist  cabotarje  S.  18,  40?  —  Bei  VInde  (S.  44,  Z.  36)  ist  doch 
nicht  an  Westindien  zu  denken,  wie  die  Anmerkung  sagt,  sondern  nur  an 
Vorder-  und  Hinterindien  im  südlichen  und  südöstlichen  Asien.  —  Von 
Druckfehlern  sind  mir  aufgefallen:  Text  S.  26,  Z.  18  Marie  (statt  Marie); 
Anmerkungen  S.  3,  L.  1 1  v.  o.  exerca  (statt  q)  ;  S.  4,  L.  4  v.  u.  sure  (statt  ü) 

3.  Die  Gründlichkeit  und  Unparteilichkeit  Chuquets  haben  die  Aufmerk- 
samkeit deutscher  Schulmänner  schon  mehrmals  auf  seine  Geschichte  des 
Krieges  1870—71  gelenkt.  So  hat  Hengesbach  die  Abschnitte  über 
Rezonville,  Saint-Privat,  les  places  fortes  et  la  marine,  Beaumont  und  Sedan 
in  sein  Bäudchen  la  Guerre  1870—71  (Berlin,  R.  Gärtner,  1901)  aufgenommen, 
und  A.  Krause  hat  den  Abschnitt  über  Sedan  für  seine  Recits  mixtes  de  la 
Guerre  187(1—71  gewählt.  Vorliegende  Ausgabe  ist  lediglich  Chuquet 
gewidmet.  Sie  enthält  —  fast  ohne  jede  Auslassung  —  die  vier  ersten 
Kapitel,  die  die  Vorgänge  bis  zur  Schlacht  bei  Sedan  darstellen.  Skizzen 
der  Schlachtfelder  und  eine  gute  Übersichtskarte  erleichtern  bei  den  Schülern 
das  Verständnis  für  die  Vorgänge  und  erhöhen  ihre  Anteilnahme  an  den 
geschilderten  Ereignissen.  Der  gröfste  Teil  der  Anmerkungen  wird  durch 
biographische  Notizen  über  das  Leben  der  im  Text  genannten  Persönlichkeiten 
gebildet.  Dabei  ist  auffallenderweise  Margueritte,  der  Vater  der  Schriftsteller 
Paul  et  Victor  Margueritte,  (S.  78,  14)  unbeachtet  geblieben.  —  Doch  sind 
auch  die  militärischen  Verhältnisse  und  vorkommenden  Fachausdrücke 
genügend  erläutert.  —  Von  Druckfehlern  ist  mir  nur  rententissait  (S.  6,  36 
statt  retentissait)  aufgefallen. 

4.  Diese  Auswahl  aus  den  grofsen  französischen  Moralisten  wird  von 
den  Neuphilologen  freudig  begrüfst  werden,  die  mit  Ruska-Heideiberg  der 
Ansicht  sind,  dafs  Fragen  der  philosophischen  Propädeutik  und  Moral  im 
neusprachlichen  Unterricht  behandelt  werden  sollen.  Doch  sind  philosophisch 
gerichtete  Lehrer  und  gut  beanlagte  Schüler  unerläfsliche  Voraussetzung. 
Die  französisch  geschriebenen  biographischen  und  literarischen  Einleitungen 
zu  den  einzelnen  Schriftstellern  stammen  aus  der  Feder  eines  Franzosen, 
A.  Rouques,  berücksichtigen  jedoch  nicht  immer  den  Standpunkt  eines 
deutschen  Primaners,  für  den  das  Bändchen  doch  in  erster  Linie  gedacht 
ist.  Das  Verständnis  der  ausgewählten  Texte  selbst  setzt  auf  jeden  Fall 
eine  geistige  Reife,  praktische  und  gesellschaftliche  Lebenserfahrung, 
Beobachtungsgabe  und  Abstraktionsfähigkeit  voraus,  wie  sie  nur  wenige 
Primaner  besitzen  und  besitzen  können. 

5.  Theod.  H.  Barrau  ist  in  verschiedenen  Sammlungen  vertreten ;  bereits 
1889  hat  Lengnick  in  der  Rengerschen  „Schulbibliothek"  einen  gut 
kommentierten  Auszug  veröffentlicht,  der  bis  zum  Sturz  des  Königtums 
führt.  Dann  hat  Wershoven  in  „üistoire  de  la  revolution  franqaise'^  (Berlin, 
R.  Gärtner  1900)  Barrau  in  erster  Linie  berücksichtigt.  Ferner  enthält  das 
von  Gafsmeyer  herausgegebene  Bändchen  la  Revolution  fran^aise  (Ve\ha.gen  — 
Klasing  1903)  einen  Abschnitt  (Prise  de  la  Bastille)  aus  Barrau.  Die  darin 
liegende  Anerkennung  verdient  der  französische  Historiker  in  vollstem  Mafse. 
Jünger  als  die  Werke  von  Mignet  und  Thiers,  vermeidet  seine  Darstellung 
die  Fehler  und  Übertreibungen  der  letzteren;  und  was  die  Sprache  sowie 
die  Verständlichkeit  der  Erzählung  der  Hauptereignisse  anlangt,  so  kann 
sich  dieselbe  ebenbürtig  neben  die  Darstellung  von  Duruy  (Ausgabe  von 
M.  Hartmann.  Leipzig,  P.  Stolte)  stellen,  dessen  Stil  oft  zu  prägnant  und 


214  Referate  und  Rezensionen.     A.  Sturmfels. 

schulmäfsig  trocken  ist.  Die  vorliegende  Auswahl  von  Petzold  sowie  der 
heigegebene  Kommentar  verdienen  uneingeschränktes  Lob.  Eine  schön 
ausgeführte  Karte  von  Paris  beim  Ausbruch  der  Revolution  und  ein  Personen- 
verzeichnis mit  vollständiger  Angabe  ihres  Vorkommens  im  Text  und  Anhang 
seien  besonders  erwähnt. 

fi.  Diese  Auszüge  aus  der  Uistoire  de  France  des  bekannten  Jugendschrift- 
stellers können  den  Mittelklassen  unserer  Schulen  als  Anfangslektüre  empfohlen 
werden.  Die  schlichte,  oft,  wenn  auch  nicht  aufdringlich  religiös  gehaltene 
Darstellung  erinnert  an  die  in  Deutschland  allgemein  bekannten  Andrae'schen 
.,Erzählungen  aus  der  Weltgeschichte";  doch  zeugen  die  letzteren  von 
gröfserem  pädagogischen  Geschick,  insofern  sie  in  richtiger  Kenntnis  der 
Stufe,  für  die  sie  bestimmt,  die  Persönlichkeiten  plastischer  gestalten,  die 
Vorgänge  lebendiger,  dramatischer  sich  abspielen  lassen.  Multum,  non 
multa!  Der  Franzose  hat  sich  in  Bezug  auf  Namen  und  Ereignisse  nicht 
immer  die  gebotene  Beschränkung  auferlegen  können.  Vielleicht  darf  bei 
dem  Mangel  an  Zeit  dem  deutschen  Herausgeber  dieses  Auszuges  derselbe 
Vorwurf  gemacht  werden.  In  seinem  Anhang  gibt  er  mit  Recht  nur  kurze 
sachliche  oder  historische  Erklärungen  in  knappster  Form.  Warum  ist  aber 
dem  Text  nicht  ein  die  Überschriften  der  Auszüge  enthaltendes,  dem  unter- 
richtenden Lehrer  unentbehrliches  Inhaltsverzeichnis  beigefügt? 

7.  Molieres  Bowrjeois  Gemilhomme  verdient  stets  einen  Ehrenplatz  im 
Kanon  unserer  französischen  Schullektüre,  da  das  Stück,  eins  der  Meister- 
werke des  grofsen  Dichters,  wegen  seines  köstlichen  Humors  und  wegen  der 
leichten  Verständlichkeit  der  Charakteristik  unsere  Jugend  ganz  besonders 
anspricht.  Aber  obgleich  die  Lektüre  dieses  Lustspiels,  das  man  wohl 
besonders  der  Unterprima  zuweisen  wird,  den  Lernenden  verhältnismäl'sig 
wenig  Schwierigkeiten  bietet,  so  ist  die  Wahl  der  Ausgabe  doch  nicht  gleich- 
giltig,  da  es  sich  immerhin  um  die  genaue  und  vollständige  Erklärung 
verschiedener  sprachlicher  und  sachlicher  Schwierigkeiten  handelt.  Dafs  diese 
Forderung  von  dem  Herausgeber  der  vorliegenden  Ausgabe  durchaus  erfüllt 
worden  ist,  kann  nicht  behauptet  werden.  Der  Herausgeber  gibt  zunächst 
mehrmals  Erklärungen  im  Wörterbuch,  die  man  im  Anhang  zu  suchen  berechtigt 
ist:  so  zu  S.  34,  25  (fai  dine  quand  je  le  vois),  S.  68,  23  (je  rous  le  donnerais  era 
Uen  des  fois)  u.  ö.  Dann  fehlen  unentbehrliche  Erklärungen  zu  folgenden 
Stellen:  S.  28,  L.  28  {eur.  ai,  die  bald  als  Interjektionen  der  Freude,  bald 
als  Wiederholungen  der  vorausgehenden  Endungen  von  momieur,  crlverai  auf- 
gefafst  werden);  S.  50,  L.  14  {ne  iti'en  donnes  —  tu  point  h  fjarder'^);  S.  5l, 
L.  29  {touchez  In.');  S.  61,  L.  29  (je  le  quitte  ich  kann  mich  vor  Staunen  nicht 
fassen);  S.  81,  L.  28  {je  Viral  dire  u  Rovie).  Quenssi  queumi  (S.  47,  L.  21)  ist 
im  Wörterbuch  nicht  erschöpfend  erklärt.  Die  Erklärung  zu  S.  41,  L.  24: 
j'ai  donnc  pmir  vous  Vordre  qu'il  faut  au  cuinnier  ist  ganz  hinfällig,  da  hier  der 
Artikel  wegen  des  folgenden  Relativsatzes  auch  nach  heutigem  Sprachgebrauch 
nötig  wäre.  Ferner  fehlen  im  Wörterbuch  intermede,potage,  die  Grundbedeutung 
von  prerogative  (Vorrecht!),  die  Form  truchement,  die  der  Text  gibt,  neben 
der  jetzt  vorherrschenden  Form  trucheman  Die  Bedeutung  „Mahl"  für  cadeau 
neben  „Geschenk"  mufste  der  Vorsicht  halber  als  Bedeutung  des  17.  Jahrb., 
carriau  (neben  carreau)  als  dialektische  Form  bezeichnet  werden.  Endlich 
sind  folgende  Druckfehler  festzustellen:  Quais  (S.  30,  3  statt  ouais),  querir 
(S.  38,  12  statt  querir),  das  Komma  hinter  curiosite  (S.  41,  32),  c'etait 
(S.  64,  15  statt  c'etait),  paien  (S.  86,  16  statt  paien),  embegouiner  (S.  94 
statt  embeguiner).  —  Mit  den  bewährten  Ausgaben  von  Fritsche  (Weidmann), 
Schefifler  (Velhagen  -  Klasing)  und  Mangold  (Renger)  kann  die  von  Waldmann 
demnach  einstweilen  nicht  wetteifern. 

8.  Diese  Ausgabe  des  einst  so  beliebten  Romanes  Picciola,  in  dem  die 
Rückkehr  eines  mit  sich  und  der  Welt  zerfallenen  Zweiflers  und  Menschen- 
feindes   zu    Gottvertrauen    und    Nächstenliebe    unter    dem    Einflufs    der 


Neue  Lehrbücher  der  französischen  Sprache.  215 

Beobachtung  des  Wachstums  einer  schlichten  Pflanze  in  wirklich  herz- 
bewegender, zu  ernstem  Nachdenken  anregender  Weise  geschildert  ist,  kann 
neben  der  Ausgabe  von  Lengnick  (Renger,  Leipzig)  unseren  Schulen  empfohlen 
werden.  Die  Kürzung  des  Originals,  das  kaum  in  einem  Jahre,  geschweige 
in  einem  Semester  gelesen  werden  könnte,  ist  mit  Geschick  vorgenommen. 
Nur  wenige  Einzelheiten  sind  zu  beanstanden :  Seite  20,  L.  ."0  ist  h  grand 
air  (die  freie  Xuft,  wie  S.  53,  5)  fälschlich  als  les  maniires  du  grand  monde 
erklärt.  »Sa  gracieuse  nonchalance  de  creole  (S.  52,  6)  ist  ungenügend  erklärt. 
Druckfehler  sind :  remedier  (S.30, 10  statt  remedier),  etaies(S.58,  26  statt  etais). 
9.  Diese  beiden  Erzählungen,  der  Sammlung  „Servitude  etgrandeur  militaires'-' 
entnommen,  spielen  in  der  Zeit  der  Republik  und  Restauration  und  ver- 
herrlichen, dem  Grundgedanken  der  ganzen  Sammlung  entsprechend, 
militärische  Tugenden.  Sie  können  in  den  oberen  Klassen  zur  Privatlektüre 
empfohlen  werden.  —  Eine  Erklärung  fehlt  bei  den  lateinischen  Wendungen 
S.  4,  Zeile  18 — 19  und  bei  Orcades  S.  9,  Z.  17.  An  Druckfehlern  sind  zu 
verzeichnen:  S.  61,  Z.  1  das  Fehlen  des  Kommas  vor  car;  S.74,  letzte  Zeile  1802 
statt  1822;  S.  80  dessecher  statt  dessecher.  Im  Wörterbuch  fehlen:  aiguille  (zur 
Erklärung  von  S.  26,  L.  23  aller  defil  en  aiguille,  das  mit  „ausführlich  erzählen" 
doch  nur  abstrakt  wiedergegeben  ist),  duvet,  ßorissant,  frimas,  hamac,  herse, 
dessen  Grundbedeutung  „Egge"  vor  allem  zu  geben  war,  Jone,  par  impossibk, 
loup^  peau,  Synthese. 

10.  Die  Erzählung  schildert  die  Besserung  eines  vernachlässigten  und 
verrohten  Waisenkindes  unter  dem  Einflufs  des  Verkehrs  mit  einer  gleich- 
alterigen  Blinden,  deren  treue  Mutter  den  beiden  Kindern  alle  Fürsorge 
widmet.  Da  der  Text  keine  sprachlichen  und  sachlichen  Schwierigkeiten 
bietet,  so  kann  das  Buch  den  Oberklassen  der  Mädchenschulen  als  Privat- 
lektüre empfohlen  werden. 

11.  La  Maison  Roulante,  die  traurigen  Folgen  kindlichen  Ungehorsams 
vorführend,  kann  unseren  Sekundanern  als  unschuldige  Privatlektüre 
empfohlen  werden.  Die  Anmerkungen  bestehen  vorzugsweise  aus  Über- 
setzungshilfen. Ganz  verfehlt  ist  die  Erklärung  zu  canton  (S.  1,  Z.  6):  darnach 
gäbe  es  heute  keine  cantons  mehr,  während  der  Herausgeber  doch  wohl  wissen 
dürfte,  dafs  die  Arrondissements  jetzt  noch  in  cantons  eingeteilt  sind.  —  An 
Druckfehlern  sind  mir  aufgefallen:  Text  S.  7.  L.  3  vas  statt  vais;  Anhang 
S.  2,  zu  5-^,  te  statt  de.  —  Wozu  das  Questionnaire  dienen  soll,  ist  mir  nicht 
ersichtlich:  denn  wird  das  Buch  als  Klassenlektüre  gewählt  —  wozu  ich  es 
nicht  empfehlen  kann,  so  lange  wertvollere,  klassische  Werke  zur  Verfügung 
stehen,  —  dann  wird  der  jüngste  und  ungeübteste  Lehrer  solche  Fragen 
stellen  können;  und  bei  der  Privatlektüre  kommen  die  Fragen  doch  nicht 
zur  Verwendung. 

Nene  Lehrbücher  der  französischen  Sprache. 

1.  Alge,  S.    et  Rippmann,  W.     Lecons  de  franqals  basces  sur  les  tahleaux  de 

Hoehel.  Neuviöme  edition  entierement  refondue.  I.  avec  4  tahleaux. 
194  pages.  M.  1,80.  IL  218  pages.  M.  1,80.  St.  Gall.  Librairie 
Fehr  1905.  Fr.  Brandstetter,  Leipzig. 

2.  Knörich,  W.  Franz.  Lese-  und  Lehrbuch,  IL  Teil,  2.  und  3.  Unterrichts- 

jahr.  2.  Auflage  M.  2,80.  XV+279  Seiten.  Hannover,  Karl  Meyer 
(Gustav  Prior). 

3.  A.  Ohlert  U.  Luise  John,     Lese-  u.  Lehrbuch  der  franz.  Sprache  für  höhere 

Mädchenschulen.  [Ausgabe  B,]  6.  Aufl.  M.  2,40;  1906  Carl  Meyer, 
Hannover- Berlin. 

4.  Boerner,  O.     Freds  de  grammaire  fran^aise  a  Vusage  des  classes  de  franqais 

de  l'enseignement  secondaire  en  Allemagne.  Traduit  de  l'allemand  par 
J.  Deläge.  X  +  200  pages.  1906.  M.  2,60.  Leipzig -Berlin,  B. 
G.  Teubner. 


21 G  Referate  und  Rezensionen.     A.  Sturm f eis. 

5.    Haberlands     rnterrichtslriefe    für    das    Selbststudium   lebender    Fremdsprachen 
mit  der  Aussprachebezeichnung  des  Weltlauischriftvereins.    Französisch  von 

H.  Michaelis  u.  P.  Passy.     Kursus  I.    20  Briefe.   428  Seiten. 
M.  15.     E.  Haberland,  Leipzig. 

1.  Ein  vorzügliches  Lehrbuch,  würdig  des  tüchtigen  Schweizer  Pädagogen, 
der  zuerst  als  Verfasser  genannt  ist.  Stoff,  Wortschatz,  Grammatik,  kurz 
alles,  was  zur  Erlernung  der  fremden  Sprache  dienen  soll,  wird  unter  Ver- 
meidung der  Muttersprache  und  lediglich  mit  Hilfe  der  zu  erlernenden 
Sprache  vermittelt  und  geübt.  Dieser  hier  streng  und  meistens  geschickt 
durchgeführte  Grundsatz  der  ausschliefslichen  Verwendung  der  französischen 
Sprache  wird  von  vornherein  viele  Anhänger  der  alten  Methode  abstofsen 
und  bestimmen,  das  Buch  ungeprüft  bei  Seite  zu  legen.  Anhänger  der  ver- 
mittelnden Methode  werden  ihm  den  Vorwurf  machen,  dafs  es  nur  in  kleinen 
Klassen  und  bei  Schülern  mit  gewissem  Sprachtalent  in  Betracht  kommen 
könne.  Doch  wird  jeder,  der  es  vorurteilslos  und  eingehend  prüft,  das 
grofse  Geschick  anerkennen  müssen,  mit  dem  die  Gesichtspunkte  verwendet 
sind,  die  sich  nach  den  Kämpfen  der  letzten  zwanzig  Jahre  um  die  neu- 
sprachliche Methode  als  richtig  und  fruchtbar  erwiesen  haben.  Man  beachte 
u.  a.  die  Konjugation  in  ganzen  Sätzen,  z.  B.  dire  adieu  ä  smi  plre  etc.  (I, 
S.  113),  die  Umgestaltungen  im  Ausdruck  desselben  oder  derselben  Gedanken 
(mon  fröre  a  passe  par  le  Ii/cee,  aujourd'hui  il  est  d  runiversite  =  apres  avoir  passe 
par  le  lycee,  mon  frere  est  a  Vuniversite,  U.  a.),  die  Wortbildung  {fm'mer,  la  forme 
etc.  I,  S.  38;  Her,  liaison,  lien  I,  60),  die  geschickte  Wiederholung  früher  be- 
handelter Stoffe  nach  Form  und  Inhalt,  die  Fülle  und  Vielseitigkeit  der 
Übung  [z.  B.  II,  S.  34  u.  35:  oü  est  le  fauteuil?  —  qui  est-ce  qui  est  lerrible?  — 
contraire  de  mal,  tn.de,  se  lever.  —  Synonymes  de:  couvrir  d'  habits,  faire  vite, 
commencer  u  dormir  etc.  —  De  quoi  chacune  des  choses  suivanles  est-elle  une  partie? 

—  Qu  est-ce  que:  le  singe?    Vor?    etc.  —  Derivez  des  mots  de:  ouvert,  voler,  courir 

—  ExpHquez:    la    cage^    le    compagnon   —    Mettez   Particle    devant    chaque   substantif: 

zele,  rentree  etc.],  die  Vorzüglichkeit  der  grammatischen  Wiederholung  in  II, 
S.  186  ff.  —  Was  den  Inhalt  anlangt,  so  liegen  im  ersten  Teil  die  Hölzel- 
schen  Bilder  der  vier  Jahreszeiten,  la  joumie  de  Jules,  lepays,  laterre,  le  monde. 
Ja  France,  le  temps,  le  Systeme  metrique  zu  Grunde.  Im  zweiten  Teil  wird  zur 
Vermittlung  der  Tempus-  und  Moduslehre  zuerst  eine  Reihe  kleinerer 
Geschichten,  dann  la  Täche  du  Petit  Pierre  par  J.  Mairet  (Ouvrage  couronne 
de  l'Academie  frangaise)  verwendet.  —  Dem  ersten  Teil  ist  aufserdem  die 
phonetische  Darstellung  der  Lektionen  1 — 23  und  ein  Wörterbuch  mit  nur 
französischen  Definitionen  beigegeben,  während  der  zweite  Teil  mit  einer 
kurzen  Grammatik,  einem  Wörterbuch  (das  nur  Hinweise  auf  die  betreffenden 
Lektionen  gibt)  und  einem  Überblick  über  die  unregelmäfsigen  Verben  ab- 
schliefst. —  An  Ausstellungen  hätten  wir  die  folgenden  zu  machen:  In 
manchen  Lektionen  ist  zu  viel  des  Neuen  auf  einmal  geboten,  so  in  I  24 
die  Konjugationen  der  Verben  auf  -ir  und  -re,  in  I  25  jeter,  venir,  mettre,  I  26 
■peser,  conduire,  prendre,  voir  u.  a.  —  Die  Hinzufügung  der  einfachen  Vokabel 
in  Klammern  hinter  ein  neues  Wort  im  Text  stört  den  Zusammenhang  und 
kann  oft  verwirren;  z.  B.  S.  16  le  ruisseau  a  deux  bords  (le  bord);  S.  74  ils 
marehent  tris  kntement  (lent),  u.  ö.  —  Die  französische  Definition  der  Wörter 
im  ersten  Teil  (S.  164  ff.  nach  dem  Schema  admirer  =  on  admire  ce  qui  est 
heau;  aiguiser  =  le  paysan  aiguise  la  faux;  attacher  =  Her  ii  une  chose  u.  a.)  läfst 
die  Sache  oft  unklar  {la  bicre,  boisson  —  le  beCy  partie  d''un  oiseau  —  le  canard, 
oiseau  qui  nage)  oder  ist  umständlich  und  schwer  verständlich  (acquerir,  devenir 
proprictaire  d^une  chose  —  essuyer,  öter  Peau  en  frottant  avec  un  linge),  besonders, 
wenn  die  zur  Erklärung  verwendeten  Begriffe  und  Wörter  selbst  den 
Schülern  nicht  geläufig  sind-  —  Skizzen  zu  bildender  Sätze  wie  die  folgenden : 
fils  demander  argent  parents  (II,  S.  25),  woraus  le  fils  demande  de  Pargent  ä  ses 
parents  gebildet  werden  soll;  c\st  dommage  que  tu  ne  pas  voir  fautes  (lI,  S.  43), 
woraus    c'est   dommage   que  tu  ne  voies  pas  ies  faules  gebildet  werden  soll,    U.  a. 


Neue  Lehrbücher  der  französischen  Sprache.  217 

können  leicht  zu  Irrtümern  führen.  —  Als  Grundlage  des  subjonctif  du  present 
wird  dem  Schüler  statt  des  participe  present  (II,  S.  31)  besser  die  3.  plur.  de 
l'indicatif  angegeben,  da  in  diesem  Fall  weniger  Ausnahmen  (wie  que  faule, 
que  je  sacke,  que  je  fasse,  que  je  puisse)  zu  merken  sind.  —  Die  Fassung  der 
grammatischen  Regeln  läfst  bisweilen  zu  wünschen  übrig:  so  II  S.  175  on 
supprime  Varticle  partitf  dans  certaines  locuüons  oü  le  substantij'  sert  a  former  avec 
le  verbe  une  expression  composee  representant  une  idee  unique:  avoir  raison,  prendre 
plaisir  (umständlich  und  unklar!),  —  II  S.  180  on  emploie  Vlnfinitif  apres  des 
adjectifs  tels  que:  content,  (jai,  jaloux,  WO  nicht  gesagt  ist,  dafs  es  sich  um  den 
Infinitif  mit  de  handelt.  —  An  Druckfehlern  sind  mir  folgende  aufgefallen: 
Teil  I,  S.  67  la  verre  (statt  le  verre),  S.  118  St.  Petersbourg  (statt  Pet.), 
S.  119  le  Hafre  (statt  le  Havre),  S.  127  resume  (statt  resume),  S.  147  kestö 
(statt  kestjö;,  S.  176  foret  (statt  foret),  Teil  II  S.  179  il  ne  comprenait 
(fehlt  pas!).  Selbstverständlich  können  diese  wenigen  Ausstellungen  an 
unserem  Gesamturteil  nichts  ändern,  wonach  dieses  Lehrbuch  von  Alge  als 
ein  vorzügliches  Werk  zu  bezeichnen  ist,  das  die  Vertreter  der  neuen 
Methode  ihrem  Unterricht  gern  zu  Grunde  legen  werden,  während  die  An- 
hänger der  alten  und  vermittelnden  Richtung  in  ihm  reiche  Anregung  finden 
können. 

2.  Grundlage  dieses  Buches  ist  der  Grundsatz:  „der  fremdsprachliche 
Unterricht  geht  vom  Lesestück  aus".  Von  demselben  ausgehend  hat  der 
Verfasser  sich  zunächst  besonders  bemüht,  von  Franzosen  verfafste  franzö- 
sische Lesestücke  zusammenzustellen,  die  den  Anschauungsstoff  für  den 
grammatischen  Unterricht  liefern.  Die  Gebiete,  denen  dieselben  entlehnt 
sind,  hat  er  durch  Vecole,  la  nature,  fables,  vie  pratique  et  morale,  geographie, 
histoire  sainte,  Jiistoire  de  France  charakterisiert;  dazu  kommen  noch /joewes  und 
musique,  sieben  Liedchen  mit  Melodien.  Die  vorliegende  zweite  Auflage 
weist  nur  wenige  Änderungen  auf:  die  Mitteilungen  aus  der  Bibel  sind  mit 
Recht  verringert,  sodafs  Raum  für  Erweiterung  der  erdkundlichen  Abteilung 
gewonnen  wurde.  Der  grammatische  Abrifs  ist  fast  gleich  geblieben. 
Uebungsstücke  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Französische  enthält 
das  Buch  nicht. 

3.  Die  Anlage  dieses  Buches  ist  im  Ganzen  dieselbe  wie  beim  vorher- 
gehenden ;  nur  ist  es  für  die  drei  ersten  Jahrgänge  bestimmt.  Der  Verfasser 
hat  sich  bemüht,  die  Mitte  einzuhalten  zwischen  der  Sprache  des  täglichen 
Lebens  und  dem  Wortschatz  der  geschichtlichen  und  abstrakten  Prosa;  doch 
ist  der  letztere  entschieden  zu  kurz  gekommen. 

4.  Die  durch  einen  Franzosen  ausgeführte  Übersetzung  der  „Eauptregdn 
der  französischen  Grammatih^ ,  die  bekanntlich  einen  Teil  von  Börners  Neu- 
sprachlichem  Unterrichtswerk  bilden.  Wo  die  Behandlung  der  Grammatik 
in  der  fremden  Sprache  vorgeschrieben  ist,  mag  das  Buch  willkommen  sein. 
Über  die  Frage  selbst,  ob  die  französische  Grammatik  in  deutscher  oder 
französischer  Sprache  zu  behandeln  sei,  hat  sich  zuletzt  unter  Berücksich- 
tigung der  pro  und  contra  G.  Dobschall  in  den  "Neueren  Sprachen'  Band  XV, 
S.  243  eingehender  verbreitet. 

5.  Der  vorliegende  erste  Kursus  ist  mit  greisem  Geschick  und  höchster 
Sorgfalt  abgefafst.  Intelligente  und  fleifsige  ältere  Schüler  vorausgesetzt, 
die  unter  der  Kontrolle  eines  Lehrers  arbeiten,  werden  diese  Unterrichts- 
briefe gute  praktische  Ergebnisse  ermöglichen.  Nach  dem  Grundsatz  „Erst 
der  Laut,  dann  die  Schrift!"  wird  von  der  Sprachform  ausgegangen  und 
die  Orthographie  daran  angeschlossen.  Die  Mitarbeiterschaft  des  Franzosen 
P.  Passy  bürgt  für  korrekte  Angabe  der  Aussprache,  für  deren  Darstellung 
die  Lautschrift  des  Weltlautschriftvereins  verwendet  worden  ist.  Nach  einer 
vorzüglichen  Einführung  in  das  deutsche  und  französische  Lautsystem  bildet 
das  Lustspiel  la  Joie  fait  Feur  von  Mme  de  Girardin  die  Grundlage  der 
Belehrung,  deren  Hauptergebnis  die  mündliche  Beherrschung  der  Umgangs- 
sprache sein  soll.    Die  Wahl  dieses  Textes  ist  entschieden  zu  billigen,  denn 


218  Referate  xmd  Rezensionen.     A.  Sturmfels. 

abgesehen  von  dem  Interesse,  das  sein  Inhalt  bietet,  besitzt  er  den  Vorzug, 
fast  ausschliefslich  aus  lebendiger  Rede  und  Gegenrede  zu  bestehen  und 
ein  getreues  Abbild  der  guten  Umgangssprache  zu  sein.  —  Auf  kleine 
Abschnitte  des  Textes,  der  in  phonetischer  und  orthographischer  Gestalt 
sowie  in  deutscher  Übersetzung  gegeben  ist,  folgen  jedesmal  zuerst  Text- 
erläuterungen, die  jedoch  des  Guten  oft  zu  viel  bieten  (z.  B.  S.  35,  unten 
zu  ami,  ßdele,  vie;  S.  107  ff.)j  dann  folgt  eine  Durcharbeitung  in  Frage  und 
Antwort  derart,  dafs  die  Antwort  erst  später  gegeben  ist;  daran  schliefst 
sich  der  grammatische  Gewinn,  wobei  jedoch  die  Grammatik  nicht  zu  kurz 
kommt  und  in  einer  Weise  festgelegt  und  geübt  wird,  wie  sie  auch  für  den 
Schulunterricht  empfohlen  werden.kann.  Mannigfache  Aufgaben  über  Sprache 
und  Inhalt  sollen  die  allseitige  Übung  des  Wortschatzes,  der  Aussprache, 
der  Grammatik  und  des  behandelten  Stoffes  gewährleisten.  —  Als  Neben- 
stoff ist  die  phantasiemäfsig  ausgeführte  Reise  eines  jungen  Deutschen  nach 
Paris  und  Frankreich  gewählt,  wodurch  derWort-  und  Phrasenschatz  erweitert 
sowie  die  Kenntnis  des  fremden  Landes,  seiner  Einrichtungen  und  Sitten 
vermittelt  wird.  Zur  Belebung  dienen  hie  uud  da  Abschnitte  aus  der  Tages- 
presse (z.  B.  die  Reden,  die  im  Februar  1905  zwischen  Kaiser  Wilhelm  II. 
und  dem  Präsidenten  des  französischen  Automobilklubs  gewechselt  wurden), 
ferner  Rätsel,  Lieder,  phonetische  Kurzweil  u.  a.  —  Der  Druck  ist  sehr 
korrekt;  nur  ein  Druckfehler  ist  mir  aufgefallen:  S.  35,  L.  3  von  unten 
etemiz  statt  eternize.  Bei  der  phonetischen  Darstellung  wäre  m.  E.  der 
Ton  besser  in  der  Weise  bezeichnet  worden,  dafs  der  Akzent  auf  den  betonten 
Vokal,  nicht  vor  die  betonte  Silbe  getreten  wäre,  da  die  gewählte  letztere 
Art  doch  zu  unüblich  ist  und  immer  wieder  zu  falschem  Lesen  führen  kann. 

Dakmstadt.  A.  Sturmfels. 


Miszellen. 


Ein  ueues  Datum  ans  J.  F.  Sarasins  Leben. 

S.  Zeiuchr.  22  2,  155  £  u.  282,  100  ff. 

Bei  der  Lektüre  von  Hiiets  Memoiren  fiel  mir  unlängst  eine  bisher 
nicht  verwertete  Bemerkung  über  Jean-FranQois  Sarasin  auf,  die  nicht  ohne 
Interesse  ist.  Huet,  der  spätere  Erzieher  des  Dauphin  und  Bischof  von 
Avranches,  hat  nämlich  in  seiner  Jugend  Sarasin  persönlich  in  Caen  kennen 
gelernt,  „cum  primis  lilleris  operam  darem  in  Collegio  Cadomensi  Societatis  Jesu." 
Da  Huet  am  8.  Februar  IGoO  geboren  wurde  und  seine  ersten  Studien  vor 
dem  zurückgelegten  13.  Lebensjahre  beendete  (nondum  excesseram  XlII.  aetatis 
annum),  SO  fällt  die  Begebenheit  wahrscheinlich  in  das  Jahr  1642,  schwerlich 
früher.  Die  Stelle  lautet:  „Sed  et  alium  mihi  tum  videre  contigit  florentis  ingenii 
amoenitate  et  poeticis  suavitatibus  nobilem  Johannem  Franciscmn  Sarasinum,  cum  patris 
sui  exsequiis  interesset,  qui  fueral  de  Cadomensi  Francicorum  Quaestorum  Collegio. 
Tum  vero  andissimis  oculis  suspiciebam  hominem  exoriente  jam  fama  percelebrem." 
(Petr.  Dan.  Huetii,  episcopi  Abricensis,  Commentarius  de  rebus  ad  eum  pertinentibus. 
Amst.  1718,  p.  25).  Sarasin  war  damals  kaum  über  dreissig  Jahre  alt,  kam 
aber  seinem  jungen  Bewunderer  offenbar  älter  vor,  da  er  ihn  an  anderem 
Ort  1654  als  Fünfziger  sterben  läfst.  Beachtenswert  ist  es,  dafs  Huet  seinen 
berühmten  Landsmann  nicht  als  einen  ebemaligen  Schüler  des  Jesuiten- 
gymnasiums bezeichnet,  was  doch  nahe  lag,  wenn  er  es  wirklich  war. 
Vermutlich  schrieb  Sarasin  aus  Anlafs  dieser  Reise  in  die*  Normandie  das 
Fragment  L'embarquement  de  Poissg.  Das  andere  Fragment,  Le  Voyage,  das 
uns  den  Dichter  nicht  mehr  in  fröhlicher  Liebesstimmung  zeigt,  sondern 
verheiratet  und  mifsmutig,  fällt  dann  vielleicht  in  den  Herbst  1644.  Im 
April  dieses  Jahres  heiratete  er,  im  Juli  erschien  sein  Bellum  parasiticum  und 
Menage  führte  ihn  bei  Gondi  ein,  mit  dem  er  den  Sommer  (das  Jahr  ist 
nicht  bestimmt,  aber  es  pafste  gut  auf  1644)  in  Bourbon  oder  Bourbonnes- 
les-Bains  verbrachte ;  auf  der  Hin-  oder  Rückfahrt  dürfte  in  Marey-sur-Tille 
(Cöte-d'Or)  Halt  gemacht  worden  sein. 

Wien.  Ph.  Aug.  Becker. 


embrelin.  In  der  Komödie  AUzon  (Anden  theätre  franqais  "VTIl)  sagt 
Maistre  Jeremie,  ein  alter  Soldat,  in  einem  Monolog  des  ersten  Akte.s 
(p.  406)  von  sich: 

En  ce  temps  je  n'estois  qu'im  petit  emhrelin, 
Goujat  suivant  la  cour,  mais  pourtant  bien  malin: 
Car,  trouvant  un  Corps  mort  entendu  sur  la  plaine, 
J'estois  tout  le  premier  ä  luy  tirer  la  laine  .... 
Godefroy   verzeichnet   das  Wort,   für   welches    er   nur  diesen  einen 
Beleg  kennt,  mit  der  Bemerkung   „designe  un  petit  domestique".    Weiter 
gibt  er  an,  .dass   in  Reims    embrelin    „un  petit  enfant  qui  gene"    bedeute. 
Godefroy's  Übersetzung   des  Wortes   mit   «petit  domestique",   die  aus  dem 
Zusammenhang  der  einen  von  ihm  zitierten  Textstelle  erschlossen  scheint. 


220  Miszeüen. 

trifft  kaam  völlig  zu,  wenn  man  die  Bedeutung  des  Grundwortes  vergleicht. 
Dass  Godefroy  letzteres  nicht  erkannte,  ist  auffallend,  da  er  bereits  im  ersten 
Bande  seines  Wörterbuches  identische  ambrelin,  hambrelin  in  ihren  etymolo- 
gischen Beziehungen  im  Wesentlichen  richtig  festgestellt  hatte.  PjS  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  embreliu  in  der  franz.  Komödie  des  17.  Jahr* 
hunderts  deutschem  HemerUn  (Meister  Hämmerlein)  entspricht,  worüber 
M.  Heyne  im  deutschen  Wörterbuch  IV,  2  s.  V.  Hämmerlein  handelt.  Nach  Heyne 
ist  Hämmerlein  als  Eigenname  eine  verblasste  Personifikation  des  Donner- 
gottes, die  auf  den  Teufel,  dann  auch  auf  den  Henker  und  weiter  auf  den 
Possenreisser  übertragen  wurde.  Wie  Namen  eines  solchen  Possenreissers, 
Hanswurst,  Harlekin,  als  Scheltworte  für  unverständige  Leute  dienen,  so  wäre 
auch  Hämmerlein  in  dieser  Bedeutung  gebraucht.  Ob  und  inwieweit  die 
Auffassung  Heyne's  von  der  Entwicklung  der  Wortbedeutung  das  Richtige 
trifft,  darüber  mögen  die  Germanisten  entscheiden.  Worauf  es  hier  an- 
kommt, ist,  dass  die  Bedeutung  „unverständiger  Mensch",  wie  sie  für  das 
deutsche  Wort  bezeugt  ist,  in  der  oben  genannten  französischen  Komödie 
für  franz.  embrelin  zutrifft. 

ostfranz.  jaoblan.  J.  Hingre  erklärt  das  Wort  Vocab.  du  patois  de  la 
Bresse  (Vosges)  [Bulletin  de  la  soc.  phil.  vosg.  32me  annee  (1906 — 1907)  p.  66] 
mit  „le  plus  grand  oiseau  de  proie  de  nos  montagnes,  de  la  famille  des  buses" 
und  führt  es  auf  keltischen  Ursprung  zurück:  ^Jrl.  Jan  oiseau;  Gall.  Blan, 
Blaengva.nA,  le  plus  grand".  Es  handelt  sich  offenbar  um  denselben  Vogel, 
der,  in  etymologisch  durchsichtiger  Bezeichnung,  sonst  als  Jean-le-blan  be- 
gegnet. So  bei  Nemmich  I,  1577  (Falco  gallicus),  Rolland  Faime  H,  24 
(Circaetus  gallicus).  Vgl.  auch  Littre  jean-le-Uanc  und  ebenso  Sachs,  der 
dafür  die  deutsche  Benennung  „Schlangenbussard"  gibt.  Es  könnte  die 
Frage  aufgeworfen  werden,  ob  es  sich  dabei  etwa  nur  um  Anlehnung  an 
den  Personennamen,  mit  Umdeutung  aus  einem  anderen  Wort,  also  um  eine 
volksetymologische  Bildung  handelt.  Erwägt  man,  wie  häufig  aus  Personen- 
namen nachweislich  Vogelnamen  gebildet  wurden,  so  wird  man  eine  der- 
artige Annahme  als  überwiegend  unwahrscheinlich  zurückweisen  und  im 
ostfrz.  janblan  nichts  anderes  als  Jean  blanc  „der  weisse  Hans"  sehen,  eine 
Benennung,  die^sich  aus  der  weisslichen  P'arbe  des  Gefieders  der  betreffenden 
Raubvogelart  zur  Genüge  erklärt.  Über  „Hans"  als  Tiername  im  Deutschen 
s.  Deutsches  Wörterb.  s.v.  1  d.  und  vergl.  aus  dem  Französischen  7>a!2-£Ze-G'arecZ 
^oiseau  de  la  grosseur  et  de  la  figure  d'une  cigogne"  (Littre),  jea«  Voli  die 
Schleiereule  (mdtl.  deutsch  Öldieb,  Rolland  Faune  H,  46)  u.  a. ;  andere  hier 
zu  erwähnende  Benennungen  sind  pierrot.,  Sperling  (Rolland  H,  156),  jacques, 
ricard,  charlot  etc.,  Elster  (Rolland  H,  143),  colas.,  Dohle  (Rolland  H,  128; 
vgl.  Grandgagnage  Dict.  I,  121  s.  colas).  —  Vgl.  zu  dem  hier  Ausgeführten 
noch  Romania  XXXV,  S.  407  Anm.  2  (A.  Thomas). 

D,  Behrens. 


Novitätenverzeichnis. 

(Abgeschlossen  am  10.  März  1908.) 


1.  Bibliographie  und  Handschriftenknnde. 

C'arore,  P.    Bibliographie  des  travaux  publies  de  1866  ä  1897  sur  l'Histoire 

de  la  France  depuis  1789.     Paris,  E.  Cornely  et  C'e.    [Publication  de  la 

Soc.  d'histoire  moderne].    Tome  ler,  fasc.  2.    7  fr.  50. 
Catalogue  de  la  Bibliotheque  de  l'üniversite  de  Paris,  section  des  sciences  et 

des   lettres   (Sorbonne).     II  :  Cartulaires.     Paris,    Klincksieck.     1907. 

In-8  ä  2  col.,  ?)\  p. 
Catalogue  general  des  livres  imprimes  de  la  Bibliotheque  national.    Auteurs. 

T  ol :  Colombi-Corbiot.    Paris,   Impr.    nationale.     1907.    In-8    ä  2  col., 

1264  col. 
Chauvin,    Vict.:    Bibliographie  des  ouvrages  arabes  ou  relatifs   aux  Arabes 

publies  dans  l'Pkrope  chretienne  de  1810  ä  1885.    X.  Le  Coran  et  la 

tradition.    (146  S.)  Lex.  8".    Liege  '07.    (Leipzig,  O.  Harrassowitz)  3.60. 
Collignon,  A.    La  bibliothöque  du  duc  Antoine.    Recherches  bibliographiques 

suivies  de  l'inventaire  annote  [In:Mem.  de  l'Acad.  de  Stanislas.   1906  — 

1907.    Nancy  1907.    S.  1—135]. 
Cohon,    O.     Table    generale    systematique   des   publications   de   la   Societe 

liegeoise   de  Litterature    wallonne   (1856—1906).     Ire  partie  301  S.   8" 

[Bulletin  de  la  Soc.  Liegeoise  de  litterature  wallonne  t.  XLVIIJ. 
Kirchner,   M.  A.    Table   generale   recapitulative   des   Memoires   de   la  Soc. 

d'Emul.  du  Doubs  1841—1905.    Besangon  1907.   127  S.     [Memoires  de 

la  Soc.  d'Emulation  du  Doubs]. 
Lacombe,   P.    Catalogue  des  livres  d'heures  imprimes  au  XV«  et  au  XVI» 

siecle,    conserves    dans    les   bibliotheques   publiques   de   Paris.     Paris, 

Champion.     1907.    In-8,  LXXXlV-439  p. 
Martin,  J.  B.    Incunables  de  bibliotheques  privees ;  4e  serie.    Paris,  Leclerc. 

1907.     In-8,  39  p. 
Schiff,  M.    Editions   et  traductions  italiennes  des  ceuvres  de  Jean -Jacques 

Rousseau.    [In :  Rev.  des  Bibliotheques.    XVII,  7—9.    Juillet-sept.  1907. 

S.  183— 216J. 
Stael^  Mme  de.  —  L'edition  originale  du  livre  „de  l'Allemagne"  p.  ^f.  Masson 

[In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  Fr.  XIV,  4.  S.  729  f.]. 

Bertoni,  G.  Un  manuscrit  du  „Roman  des  Sept  Sages"  en  prose  [In :  Zs.  f. 
rom.  Phil.  XXXI,  713—715]. 

Catalogue  des  manuscrits  de  la  collection  des  Cinq  cents  de  Colbert;  par 
Charles  de  La  Roncirre.     Paris,  Leroux.     1908.    In-8,  388  p. 

Borez,  L.  Les  manuscrits  a  peintures  de  la  Bibliotheque  de  Lord  Leicester, 
a  Holkham  Hall  (Nortolk),  choix  de  miniatures  et  de  reliures  (Xle — XV» 
sifecles).  Public  sous  les  auspices  de  l'Academie  des  Inscriptions  et 
Belles-Lettres  et  de  la  Societe  des  Bibliophiles  fran^ais.  60  planches  en 
heliogravure  et  phototypie,  docnant  environ  80  reproductions,  avec  texte 
explicatif  et  descriptif.  Paris,  E.  Leroux.  ün  volume  in-folio,  en  un 
cartonnage  special  125  fr. 


'222  Novitätenverzeichnis. 

Drouhet^  Ch.  Les  manuscrits  de  Maynard  conserves  ü,  la  Bibliotheque  de 
Toulouse.  Etüde  bibliographique,  accompagnee  de  piöces  inedites.  Paris, 
H.  Champion  1908.  40  S.  8°  2  frcs.  [Der  Verfasser  des  wertvollen 
Schriftchens  bemerkt  in  der  Einleitung:  „Cette  etude  a  ete  lue  le  14 
janvier  1907,  ä  l'Ecole  des  Hautes-fitudes,  cours  de  M.  Abel  Lefranc 
(Histoire  litteraire  de  la  Renaissance).  Nous  n'aurions  pas  voulu  priver 
la  these,  que  depuis  trois  ans  nous  preparons  sur  le  poete  Fr.  Maynard, 
de  l'un  de  ses  elements  d'interet.  Mais  nous  venons  d'apprendre  qu'un 
travailleur  de  province,  qui,  apres  nous,  s'est  occupe  des  manuscrits  de 
Maynard  conserves  ä  la  bibliotheque  de  Toulouse,  se  propose  d'en  tirer 
quelques  poesies  inedites.  Le  merite  —  si  mince  füt-il  —  d'avoir  le 
premier  decouvert  les  pieces  que  nous  reproduisons  ici,  et  de  les  avoir 
accompagnees  d'un  commentaire  critique,  nous  revenant,  nous  n'avons 
pas  voulu  renoncer  ä  nos  droits  de  priorite.  Les  lecteurs  accueilleront, 
esperons-le  avec  indulgence  cette  etude  provisoire,  dans  l'attente  de 
l'ouvrage  plus  etendu  sur  Maynard,  que  nous  serons  bientöt  en  mesure 
de  leur  offrir"|. 

Meyer,  P.  Les  manuscrits  frangais  de  Cambridge  IV  :  Gonville  et  Caius 
College  [In:Romania  XXXVI,  481—542]. 

Verdeyen^  J.  La  date  de  la  Vision  de  Tondale  et  les  manuscrits  fran^ais  de 
ce  texte  [In:Rev.  celtique.    Octobre  1907]. 

2.  Encyklopädie,  Sammelwerke,  Gelehrtengeschichte. 

JBulletin  de  la  Sociele  de  Litterature  Wallonne.  T.  XLIX.  Liege  H.  Vaillant 
Carmanne  1907  [Darin:  I.  Litterature  p.  5— 139.  II.  Philologie  p.  143 — 
365]  (die  Titel  der  hier  veröffentlichten  sehr  schätzenswerten  philologischen 
Beiträge  wurden  bereits  im  Novitätenverzeichnis  der  Zeitschrift  früher 
mitgeteilt.  Als  besonders  wertvoll  ist  hervorzuheben  das  ausführliche 
Glossaire  toponymique  de  la  Commune  de  Jupille  p.  E.  Jacquemotte  et  Jean 
Lejeune^  edite  p.  Jean  Haust). 

Festschrift  zur  49.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner  in 
Basel  im  Jahre  1907.  Basel  1907.  Carl  Beck,  Verlag,  Leipzig.  538  S. 
S".  [Darin  u.  a.:  A.  Barth,  Le  fabliau  du  Büffet  S.  148—180;  Ch.  de  Boches, 
Une  source  des  Tragiques  S.  341—382;  A.  Eossat,  La  poesie  religieuse 
patoise  dans  le  Jura  bernois  catholique  S.  383—447;  E.  Tappokt,  Zur 
Agglutination  in  den  französischen  Mundarten  S.  324 — 340]. 

Melanges  et  documents.  Publies  ä  l'occasion  du  2«  Centenaire  de  la  Mort  de 
Mabillon.  Paris,  H.  Champion  10  fr.  [Liste  des  travaux:  L'Origine  de  D. 
Mabillon  ä  Saint -Pierremont,  sa  naissance,  ses  etudes  et  sa  profession 
religieuse  ä  Reims,  sa  liaison  avec  Dom  Thierry  Ruinart,  par  M.  Henry 
Jadart,  conservatsur  de  la  Bibliotheque  de  Reims.  Le  premier  Superieur 
de  la  Congregation  de  Saint-Maur :  Dom  Gregoire  Tarrisse  (1575—1648), 
par  M.  H.  Stein.  Dom  Jean  Mabillon,  Sa  probite  d'historien,  par  M. 
Leopold  Delisle.  Mabillon  et  la  Bibliotheque  du  Roi  ä  la  fin  du  XVIIe 
siede,  par  M.  H.  Omont.  Une  expertise  de  Mabillon :  La  filiation  des  La 
Tour  d'Auvergne,  par  M.  J.  Depoin.  Mabillon  et  Papebroch,  par  le  R. 
P.  Alb.  Poncelet,  S.  I.,  BoUandiste.  Un  document  inedit  sur  la  quereile  de 
Mabillon  et  de  l'abbe  de  Rance,  par  M,  Ingold.  Mabillon  et  les  Etudes 
liturgiques,  par  le  Rme  p.  Dom  Cabrol.  Le  De  re  diplomatica,  par  M. 
L.  Levillain.  La  publication  des  Annales  Ordinis  Sancti  Benedicti,  par 
M.  Maurice  Lecomte.  Mabillon  et  la  Belgique :  Lettres  inedites,  par  le  R. 
P.  Dom  Berliere.  Dom  Jean  Mabillon  et  l'Academie  des  inscriptions, 
par  M.  de  BoisUsle.  ün  ami  de  Mabillon,  dom  Claude  Estiennot,  par 
Vidier.    Le  premier  ouvrage  de  Mabillon,  par  Dom  Besse.'\ 

Paris,  Gaston.  Melanges  linguistiques.  Publies  par  3fario  Roques.  Fascicule 
III.  Langue  fran^aise  et  notes  etymologiques,  in-8.  Paris,  H.  Champion  6  fr. 


Novitätenverzeichnis.  223 

Revue  des  JStudes  Rabelaisiennes  1907  3e  fascicule.  [Sommaire.  Le  Cardinal 
Jean  du  Bellay  en  Italie  (juin  1535  —  mars  1536),  par  V.-L.  Bourrilly. 
P.  233.  Melanges  :  Notes  de  bibliographie  rabelaisienne,  ä  propos  d'un 
ouvrage  recent,  par  Seymour  de  Ricci.  P.  286.  —  Cent  vocables  rabelaisi- 
ennes avant  Rabelais,  par  Hugues  Vaganay.  P.  310.  —  üne  mention  de 
Tiraqueau  en  1.546,  par  J.  Plattard.  P.  315.  Compte-rendu.  P.  316  : 
Louis  Delaruelle.  Guillaume  Bude.  Les  origines,  les  debuts,  les  idees 
maitresses.  —  Repertoire  analytique  et  chronologique  de  la  corres- 
pondance  de  Guillaume  Bude.    (J.  Plattard.)    Chronique.    P.  322 — 328.] 

Revue  des  Etudes  Rabelaisiennes  1907.  4e  fasc.  [Sommaire:  Le  Cardinal  Jean 
du  Bellay  en  Italie  (juin  1535  —  mars  1536)  (suite  et  fin),  par  V.-L. 
Bourrilly.  P.  329.  —  Melanges  :  Notes  linguistiques  sur  Rabelais,  par 
Lazare  Sainean.  P.  391.  —  Rabelais  ä  Fontenay-le-Comte  et  le  pretendu 
acte  de  1519,  par  Henri  Clouzot.  P.  413.  —  Rabelais  et  Henri  II,  par 
Arthur  Tilley.  P.  424.  —  Notes.  I.  La  cure  de  Saint-Christophe-du-Jambet 
en  1674,  II.  ChandeUes  de  noix,  par  Henri  Clouzot.  P.  426.  —  Dn  nouvel 
ex-libris  de  Rabelais,  par  Seymour  de  Ricci.  P.  448.  —  Comptes-rendus. 
P.  430  :  Arthur  Tilley.  Frangois  Rabelais.  (J.  Plattard.)  —  Lazare 
Sainean.  L'Argot  ancien  (1455—1850).  {J.  B.)  —  Ferdinand  Brunot. 
Histoire  de  la  langue  fran^aise  des  origines  ä  1900.  (J.  Plattard.)  — 
Marcel  Godet.  Pedis  admiranda  ou  les  Merveilles  du  pied,  de  Jean 
Dartis.  (J.  B.)  —  Pierre  Rambaud.  La  Pharmacie  en  Poitou  jusqu'ä 
l'an  XI.  {H.  C.)  —  Chronique.  P.  446—455.  —  Table  des  matiöres. 
P.  456.  —  Fac-simile.  Commentarius  de  anima  de  Melanchton  (ex-libris 
de  Rabelais).] 

Franklin,   A.,     G.    Perroi    et    G.  Boissier.   —   L'Institut    de  France   (le  Palais; 

l'Institut;   TAcademie  frangaise;    l'Academie  des  inscriptions  et  belles- 

lettres).   Paris,  Laurens.  1907.  In-8,  207  p.  avec  105  grav.  [Les  grandes 

institutions  de  France]. 
Lair,  A.  L'Institut  de  France  et  le  second  empire.  —  Souvenirs  anecdotiques 

d'aprös  des  Documents  inedits  —  Paris,  PIon-Nourrit  et  Cie,    3  fr.  50. 

3.   Sprachgeschichte,  Grammatik,  Lexikographie. 

Haberl,  R.  Bemerkungen  zu  Pogatscher's  Abhandlung  „Zur  Lautlehre  der 
griech.,  lat.  und  rom.  Lehnworte  im  Altenglischen"  fIn  :  Anglia  XXXI, 
S.  25  ff]. 

Petersen.  Die  französische  Sprache  im  Elsafs.  [In  :  Allgemeine  Zeitung. 
Beilage  49]. 

Abbott,  F.  F.    The   accent  in  Vulgär  and  Formal  Latin.     [In  :  Classical 

Philology.    Vol.  II.    No.  4.    Oct.  1907]. 
Loth,  J.    Les  langues  romane  et  bretonne  en  Armorique.    [In  :  Rev.  Celtique. 

Octobre  1907]. 
M'.yer-Lübhe,   W.    Die  romanischen  Zusätze  zum  Thesaurus  linguae  latinae 

[In  :  Zs.  f.  rem.  Phil.  XXXI,  696-701]. 
Niedermann,  M.    Historische  Lautlehre  des  Lateinischen.    Vom  Verf.  durch- 
gesehene, verm.  u.  verb.  deutsche  Bearbeitung  v.  E.  Hermann.   Heidelberg. 

C.  Winter.    M.  2. 
PeUizzari.,  A.    Su  la  piii  antica  testimonianza  dell'  esistenza  del  volgare  nelle 

Gallie.     [In  :  Studi  medievali  11,  1  S.  93-97]. 
Sepulcri,  A.    Le  forme  volgari  di  „fero"  e  composti.    [In  :  Studi  medievali 

II,  2.    S.  271—273].  

Ginneken,  Jac.  van,  Principes  de  linguistique  psychologique.  Essai  de  Synthese. 
Paris,  Riviöre.    Leipzig,  Harrassowitz.    552  S.   8°.   M.  10. 


224  Novitätenverzeichnis. 

Sechehat/e,  A.  Programme  et  methodes  de  la  linguistique  theorique.  Psycho- 
logie du  laDgage.    Paris,  H.  Champion  XIX,  267  S.  8".  7  fr.  '»0. 

Bussmann,  11.  Grammatische  Studien  über  den  .,Roman  de  la  belle  Helaine" 
nebst  einer  Textprobe  aus  Hs.  A.  (Arraser  Stadt-Bibl.  Js'o.  766)  und  Hs. 
L  (Lyoner  Bibl.  No.  685).    Diss.  Greifswald  1907.    87  S.  8°. 


Daub,  H.    Die  Entwickelung  des  französischen  Infinitivausgaugs  (Vok.  oder 

Kons.  +)  stimmloses  s  -j-  er.    Kieler  Diss.  1907.     147  S.  8°. 
Risop,  A.     Zur  Morphologie  des  Französischen  (Bemerkungen  zu  Richard 

Schubert,  Probleme  der  historischen  französischen  Formenlehre.    Erster 

Teil)    [In  :  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  667—695]. 
Rosset,   Th.    L'alternance   «pese,  pesons;>   [In  :  Rev.  de  phil.  fran?.  et  de 

litter.  XXI,  228-231]. 
Thom,  A.  Chr.    Etüde  sur  les  verbes  denominatifs  en  frangais.    Lund,  H. 

J.Möller  1907.     110  S.  8". 
Waliensköld,  A.    Le  sort  des  vovelles  posttoniques  finales  du  latin  en  ancien 

Irangais  [In:  Neuphil.  Mitteüungen  1908  No.  1/2  S.  7—26.]. 


Baist,  G.  Zur  romanischen  Wortgeschichte:  bahia;  cala;  courrier ;  danse-, 
gaglioffo;   groppa;    haise;    ]iar?iais;    nargue   und    narquois;  polilla\    schioppo    und 

anderes;  timo;  rervactum;  Watte.    [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXII,  31 — 49]. 

—  ecrou,  ecrouelle  [In:  Rom.  Forsch.  XXII,  2.  S.  629]. 

—  gabelle  und  gaule  [In:  Rom.  Forsch.  XXII,  2.  S.  630]. 

—  sen  [In:  Rom.  Forsch.  XXII,  2.  S.  630]. 

Bertöni,  G.     a.  fr.  musgode  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI.  S.  715]. 

Les  brandons  [In:  Bull,  du  Gloss.  des  pat.  de  la  Suisse  Romande  VI  (1907) 

S.  3—14]. 
Feller,  J.    5.  fr.  estaminet:  fl.  stammenee,  W.  stamine,  w.  stamon,  statnmüre^  staminee 

[Bull,  du  Dict.  general  de  la  Langue  M'all.  II,  2.  S.  51 — 61], 

—  12.  W.  porsome,  13.  W.  harke  gaumaiS  harke,  harcot;  W.  coiibe;  W.  bricelet;  1-5. 
Le  prefixe  be-;  16.  W.  ac'mwide;  achnwesse;  [ib.  II,  3.4.  S.  132 — 141]. 

Haust,  J.  6.  fr.  orin,  w.  neürin  (eürin,  leürin);  7.  habier  [Bull,  du  Dict.  general 
de  la  Langue  wall.  II,  2.  S.  62—77]. 

—  8.  W.  vicma]  9.  montois  juverne{?),  rerne;  10.  W.  vessou,  vesseye:  11.  w.  hoye, 
houyl,  houyot  [ib.  II,  3.4.  S.  121—132]. 

—  17.  W.   (ri)ichh'eler;    18.  W.   (ru)cäveler  [ib.  II,   3.  4.   S.  142—143]. 

Horning,  A.  Zur  Wortkunde  der  Vogesischen  Mundarten :  bratte,  brotte;  cerce- 
neux;  mäl{e)  „Schwein";  ovraige;  sotre  „Kobold";  tr^mja  m.  [In:  Zs.  f.  rom. 
Phil.  XXXII,  17—22]. 

—  Wortgeschichtliches  afr.  soupet^m;  fr.  suie;  tanaisie  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil. 
XXXII,  23—30]. 

Keiper.  Malle  [In:  Zs.  f.  d.  deutschen  Unterricht  XXI,  S.  728 f.]. 

Loth,   J.    A   propos   de   Beute   et  de  Bywyd  [In:   Rev.  celtique.  Oct.   1907. 

S.  416]. 
Nicollet,  F.-N.    Etymologie   et  origine  de  roca,  rocha,  röche.    Valence  1907. 

25  S.   8°  [Congres  des  soc.  sav.  de  Provence,  tenu  ä  Marseille  en  1906]. 
Ranft,   Th.    Der  Einfiufs  der  französischen  Revolution  auf  den  Wortschatz 

der  französischen  Sprache.    Giefsener  Dissert.  Darmstadt  1908. 
Richter,   E.     Die  Bedeutungsgeschichte    der  romanischen  Wortsippe  bur(d). 

1.38  S.  8".     (Mit  einem  Stammbaum)   [In:    Sitzungsber.  d.  Kais.  Ak.  d. 

Wiss.  in  Wien.  Philos.-Hist.  Klasse.     156.  Band,  ö.  Abhandl.] 
Schuchardt,  H.    Etymologisches :  Lat.  labeo,  labrax,  lupus  (Fischnamen);  venet. 

bibiar  „trödeln";  lat.  attilus,  acupenser  u.  a.  „Stör";  diluviare,  * ingluviare;  zu 

Saineans  Notes  d'etymologie  romane,  3e  serie,  insbes.  franz.  cloporte;  ital. 

(s)cuterzola  „Ameise"  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI,  641 — 666]. 

—  Lat.  alapa  [In:  Zs.  f.  rem.  Phil.  XXXI,  721—725]. 


Novitätenverzeichnis.  225 

-  Zur  Wortgeschichte:  1.  Lat.  rom.  Gonfluentes^  /«^eramwes  =  hisp.-kelt.  Com- 

plutum  =  \\iev.  bask.    Urbl-;  Biscarr--^    2.  Marsuppium,  rapa.v,  *thynmna,  rom. 

«Meerschwein",   3.   Port,  alahäo-^   südfranz.  alevo  [In:   Zs.  f.  rom.  Phil. 

XXXIl,  77—87]. 
Streng,    W.   0.     Über   einige  Benennungen  des  Weinkellers  in  Frankreich 

[In:  Neuphilol.  Mitteilungen  1908  No.  1—2.  S.  1—6]. 
Th[omasJ,  A.     Fran^.  argovsm  [InrEomania  XXXTI,  612  f.]. 
—  t'rau^.  escarole,  etc.  [Romania  XXXVI,  613 — 615]. 
Wismes,  G.  de.    Commentaire  etymologique  des  notices  sur  les  rues,  ruelles, 

cours,  impasses,  quais,  ponts,  boulevards,  places  et  promenades  de  la  ville 

de  Nantes;    de  Edouard   Pied.     Critique   par  G.  de  Wismes,  Vannes. 

Lafolye  freres.   Paris,  Champion.   Nanterre.   Le  Dault.  1907.  In-8,  16  p. 


Büchsenschütz.  C.     Die  Setzung  des  Personalpronomens  als  Subjekt  in  der 

altfranz.  Übersetzung  des  Wilhelm  von  Tyrus.   Diss.  Halle  1907.  100  S.  8^. 
Fcerster,  A.    Avoir  und  etre  als  Hilfsverba  beim  intransitiven  Zeitwort  in  ihrer 

Entwickelung    vom    Alt-    zum    Neufranzösischen.      Giefsener    Dissert. 

Darmstadt  1908. 
Mathews,  Gh.  E.     Gist  and  Gil  a  syntactical  study.    Baltimore,  J.  H.  Fürst 

Company.  X,  117  S.    8". 
Plattner,   Ph.:    Ausführliche   Grammatik   der   französischen  Sprache.     Eine 

Darstellg.  des  modernen  französ.  Sprachgebrauchs  m.  Berücksicht.   der 

Volkssprache.     V.  Tl. :    Registerbd.  Grammatisches  Lexikon  der  französ. 

Sprache.  (VII,  542  S.)  8°.  Freiburg  i.  B.,  J.  Bielefeld  '08.    12.50:  geb. 

13.50  (Vollständig,  zusammenbezogen:  bar  37  — ;  in  5  Leinw.-Bdn.  40  —  ; 

m.  Übungsbuch,  geb.  42 — ). 
Ritchie,  R.  L.  G.    Recherches  sur  la  syntaxe  de  la  conjonction  «  que  »  dans 

l'ancien  frangais  depuis  les  origines  de  la  langue  jusqu'au  commencement 

du  XIII  e  siecle  (these).     Paris,  Champion.   1907.     ln-8,  XXVIII-201  p. 
Simon,  E.   Die  Rektion  der  Ausdrücke  der  Gemütsbewegung  im  Französischen 

Dissertation,  Göttingen  1907.    114  S.  8». 

Anglade,  J.  Sur  le  traitement  du  Suffixe  latin  -anum  dans  certains  noms  de 
lieu  des  departements  de  l'Aude  et  de  l'Herault.  [In :  Annales  du  Midi. 
Oct.  1907.   S.  495— 503]. 

Ghenon,  P.  Sur  la  formation  des  noms  de  familles  dans  le  Berry  [In:  Bull, 
de  la  soc.  nat.  des  antiquaires  de  Fr.  1996.     S.  296  f.] 

Clouzot,  E.  Le  nom  de  Maillezais  [In:  Bull,  de  la  soc.  nationale  des  Anti- 
quaires de  Fr.  1906.] 

Jacquemotte,  E.  et  J.  Lejeune  Glossaire  toponymique  de  la  Commune  de  Jupille. 
Edite  p.  Jean  Haust.  Liege,  Impr.  H.  Vaillant-Carmanne.  1907.  [Societe 
liegeoise  de  littcrature  wallonne]. 

Meunier,  J.-M.  L'empJacement  de  Noviodunum  Aeduorum  de  Cesar  et  le 
nom  de  Nevers.    Nevers  1907  [Extrait  de  la  Revue  du  Nivernais]. 

Mourral,  D.  Glossaire  des  noms  topographiques  les  plus  usites  dans  le  Sud- 
Est  de  la  France  et  les  Alpes  occidentales.  Grenoble,  Drevet.  In-8, 
124  p. 

Thiergen,  J.  Die  lautliche  und  begriffliche  Entwickelung  der  antikmytholo- 
gischen Namen  in  der  französ.  Sprache.    Diss.  Kiel  1907.    154  S. 


Burger,  Ant. :  Die  gleich-  u.  ähnlichlautenden  Wörter  der  französischen  Sprache, 
ein  Beitrag  zum  method.  Studium  des  französ.  Wortschatzes,  seiner 
Orthoepie  u.  Orthographie.     (32  S.)  gr.  8».    St.  Polten,  J.  G.  Sydy  '07. 


Hillmann,  E.    Geschichte  der  Accentsetzung  im  Französischen   seit  der  Er- 
findung des  Buchdrucks.    Dissert.  Halle  1907.     105  S.  8". 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII  a.  15 


226  'i^ovitätenverzeichnis. 

Vietor,  Wilh.:  Kleine  Phonetik  des  Deutschen,  Englischen  u.  Französischen. 
5.  Aufl.,  der  5.  Aufl.  der  Orig.-Ausg.  entsprechend.  (XVI,  132  S.  m.  21 
Fig.)  8".  Leipzig,  0.  R.  Reisland  '07.    2.50. 


Angeli,  A.    Nuovo  Vocaboiario  che  contiene  tutti  i  vocaboli  moderni  con  la 

pronunzia  figurata.    Italiano-francese.    Paris,   Garnier  freres.    Petit  in- 

16  ä  2  col.,  510  p. 
Jialdensperger,  F.    Notes  lexicologiques  (suite)  [In:  Rev.  de  phil.  frang.  et  de 

litter.  "XX!,  222-227]. 
Bayles,  W.-E.    Dictionnaire  Anglais-Frangais  et  Frangais-Anglais  (avec  notes 

explicatives)  des  termes  et  expressions  usites  dans  l'Emploi  et  la  Con- 

struction  des  Bicyclettes,  Motocycles  et  Automobiles.    Paris.  Boyveau  & 

Chevillet.    10  fr, 
Bechtel,  A.    Zur  französisch-deutschen  Terminologie  des  Automobilismus  [In : 

Zs.  f.  d.  Realschulwesen  XXXII,  11.    S.  655  flf.  (Fortsetzung  zu  XXXI. 

S.  359)]. 
Pieron,  H.    Les  curiosites  scientifiques  du  dictionnaire  de  I'Academie  [In: 

La  Revue  du  Mois  1907,  10  octobre]. 
Thibaut,  M.  A.    Wörterbuch  der  französischen  und  deutschen  Sprache.    Neu 

bearb.  v.  Otto  Kabisch.    150.  Aufl.  2  Tle.  in  2  Bdn.    (IX,  874  u.  IX,  737  S.) 

Lex.  8^.    Braunschweig,  G.  Westermann.    Geb.  in  Halbfrz.  je  7, — . 

4.  Metrik,  Stilistik,  Poetik,  Rhetorik. 

Bartholomaeis,  V.  de.  Du  röle  et  des  origines  de  la  tornade  [In:  Annales  du 
Midi.  Oct.  1907.  S.  449-464]. 

Borrmann,  0.  Das  kurze  Reimpaar  bei  Crestien  von  Troyes  mit  besonderer 
Berücksicht.  des  Wilhelm  von  England.  Marburger  Dissert.  Erlangen  1907. 

Brandenburg.,  M.  Die  festen  Srophengebilde  und  einige  metrische  Künsteleien 
des  Mystere  de  Sainte  Barbe,  ihr  weiteres  Vorkommen  und  ihre  ver- 
wandten Formen  in  anderen  Mysterien.    Greifswalder  Dissert.  99  S.  8". 

Chatelain  E.  Recherches  sur  le  vers  fran^ais  au  XVe  siecle;  Rimes,  Metres 
et  Strophes  (these);  par  Henri  Chatelain,  docteur  es  lettres.  Paris, Champion, 
1907.  In-8,  XXXIV-276  p. 

Momet  D.  L' Alexandrin  frangais  dans  la  deuxieme  moitie  du  XVIIJe  siecle 
(these).  Toulouse,  Privat.  1907.  In-8,  95  p.  et  tableau. 

Vincent  J.  La  Versification  frangaise.  Les  Genres  poetiques ;  Paris,  Paulin 
et  Cie.  1908.  In-16,  99p. 

Wenizel,  J.  Über  den  Reim  in  der  neueren  französischen  Dichtung.  Dissertation 
Leipzig  1907.  46  S.  8».  

Remy  de  Gourmont.  Le  Probleme  du  Style.  La  Nouvelle  Poesie  frangaise. 
Questions  d'Art.  La  Langue  frangaise  et  les  Grammairiens.  La  Dispute 
de  rOrthographe.  Notes  et  Commentaires.  Nouvelle  Edition  Refondue 
et  Augmentee  avec  une  preface  et  un  index  des  noms  cites.  Paris,  Editions 
du  Mercure  de  Frange.    Un  voIume  in-18.  —  Prix.  3  fr.  50. 

Schittenhelm,  M.  Zur  stilistischen  Verwendung  des  Wortes  euer  in  der  alt- 
französischen Dichtung.  Tübinger  Dissert.  80  S.  8". 

5.  Moderne  Dialekte  und  Vokskunde. 

Bert,  P.    Le  patois  de  la  haute  vallee  de  Cluson:  essai  de  philologie  romane. 

Fase.  1.  Mottara,  Typ.  P.  Böito.  32.  S.  8°. 
Bulletin  de  la  Soc.  de  Literature    Wallonne  s.  oben  p.  222. 
Verlogne,  J.  B.  Dictionnaire  du  patois  valdotain,  precede  de  la  petita  grammaire. 

Aoste,  impr.  Catholique,  1907.  8".  316  S. 
Chatelain,  H.    Notes  sur  l'accent  Saint -Quentinois.    Saint-Quentin,  imprimerie 

de  Guetteur  1907.  [Extrait  du   tome  XV  (4e  serie)  des  Memoires  de  la 

soc.  academ.  de  Saint-  Quentin]. 


Novitätenverzeichnis.  227 

Baubisn,  De  l'emploi  des  articles  et,  era;  lou,  la;  le,  la  [In:  Bulletin  de  la 

soc.  archeol.  du  Gers  VII  (1906),  p.  87—92]. 
Feller,  J.     s.  oben  p.  224. 
Gauchat,  L.    Comment   on  Domme  le  fromage  dans  nos  patois  [In:  Bull,  du 

Gloss.  de  la  Suisse  romande  VI  (1907),  S.  14—22]. 
Ghssaire  des  patois  de  la  Suisse  Romande.    Neuvieme  rapport  annuel  de 

la  redaction.  1907.  Neuchätel,  impr.  Attinger  Freres  1908.  17  S.  8°. 
Uaitsi,  J.  s.  oben  p.  224. 
Eingre,  J.     Voc.  complet  du  patois  de  la  soc.  philomatique  vosgienne  32e 

annee.  S.  5—117]. 
Martin,  D.    Le  patols  de  Lalle  en  Bas-Champsaur  [In:  Bulletin  de  la  soc. 

d'et.  des  Hautes-Alpes  1907.  S.  167—187  (ä,  suivre)]. 
Michalias,  R.     Elements   abreges    de    grammaire   auvergnate.     Dialecte  des 

environs  d'Ambert  (Puy-de-Döme).  Ambert,  impr.  Migeon,  1906.  220  S.  8°. 

(Vgl.  Romania  XXXVI,  631  f.). 
31orf,  //.    Die  romanische  Schweiz  und  die  Mundartforschung  [In :  Arch.  f. 

neuere  Sprachen  CXIX.  S.  399—423]. 
Patriat,  C.    L'element  latin  dans  le  patois  de  l'Auxois  [In :  Bull,  de  la  soc. 

des  Sciences  bist,  et  naturelles  de  Semur-en-Auxois  XXXIV,  S.  220 — 227]. 
Queyron,  Ph.    La  „gavacherie"  de  Monsegur,  arr  de  La  Reole  [In:  Rev.  de 

l'Agenais  1907  Nr.  4]. 
Robinard,  F.    Etüde  sur  le  patois  de  Gosne  [In :  Annales  de  Bretagne,  Jöillet 

1907.  S.  561—580  (ä  suivre)]. 
Sicre,  P.    p]lements  de  grammaire  du  dialecte  de  Foix  I.  [In:  Bull,  periodique 

de  la  Soc.  ariegeoise  des  sciences,  lettres  et  arts  de  la  soc.  des  etudes 

du  Couserans.  XI  (1907),  S.  113—128]. 
VigTurn,  L.    Les  patois  de   la  region  lyonnaise,  le  pronom  regime  de  la  3« 

personne  (suite)  [In:  Revue  de  phil.  franQ.  et  de  litter.  XXI,  197—221]. 

De  la  Grasserie,  R.    L'argot  et  le  parier  populaire.  Paris,  1907.  8".  6  M. 

Almanac  illustrat  de  Toulouso  e  del  Mietjoun,  gascou  e  langodoucian  per 

1908  (5e  annado.)  Toulouse,  Maurel  et  Causse.  1908.  In- 16,  72  p.  15  cent. 
Almanae  noubel  de  l'Ariejo  per  l'annado  1908,  claoufit  de  countes  patoues, 

las  fleiros  de  l'Ariejo,   Aouto  Garouno,  Aoudo,  etc.  Foix,  impr.  Lafont 

de  Sentenac.  1908.  ln-16,  64  p.  avec  grav.  15  cent. 
Almanac   patoues  illustrat  de  l'Ariejo  per  l'annado  bissextilo   1908  (Dese- 

oueitiemo  annado),  countenen  fieiros,  coursos  de  la  luno,  etc.  Foix,  impr. 

Gadrat  aine.     1908.  Petit  in- 16,  96  p.  avec  grav.  15  cent. 
Armana  prouvengau  per  lou  bei  an  de  Dieu  e  dou  bissest  1908,  adouba  e  publica 

de  la  man  di  telibre,  porto  joio,   soulas  e  passotems  en  tout  lou  pople 

dou  Miejour  (An  cinquanto-quatren  döu  Felibrige).    Avignon,  Roumanille. 

Paris,  Fontemoing;    Taride;  Flammarion   et   Vaillant.   1908.  Petit  in-8, 

112  p.  avec  musique. 
Bartaveu  (lou).  Armana  poupuläri  en  prouven^au  per  lou  bei  an  de  Dieu  1908. 

(Setenco  annado.)  Villedieu-Vaison  (Vaucluse),  Grande  Imp.  provengale; 

tous  les  libr.  1908.   In- 16,  56  p.   avec  vignettes  et  annonces.  20  cent. 
Boillat,  J,    La  Fourtuno  e  la  Santa,  poesio;  per  J.  Boillat.  Nimes,  impr.  Ribiere, 

1908.  In-8  ä  2  col.,  2  p.  15  cent. 
Bougaud.  —  A  dor;  por  monsenhor  Bougaud,  bispo  de  Laval.  Mayenne,  impr. 

Garnier.  Paris,  libr.  de  la  meme  maison.  Jn-18,  246  p. 
Cannlie,  Guy  de.    „Moun  Viei  Avignoun."  1907.  £;dition  du  «Clocher  Provengal» 

Villedieu-Vaison.  16  S.  16. 
Fallen,  J.    Lei  Boufigo  de  Moussu  lou  maire,  coumedi  en  un  ate.  Marseille, 

Ruat.  1906.  Petit  in-8,  63  p.  1  fr. 
Fourviere,  X.  de.  Li  Nouve  dou  fougau  (Les  Noels  du  Foyer).  Avec  traduction 

frangaise  p.  J.  Chevalier,  Marseille,  Boulevard  de  la  Magdeleine  19.  [En 

Souscription]. 

15* 


228  Novitätenverzeichnis. 

Jeanjaquet,  J.    I.  pouro  hördanye,  conte  populaire  en  patois  de  Haute-Nendaz 

(Valais)  fin:  Bull,   du  gloss.    des  pat.  de  la  Suisse  ßomande  VI  (1907), 

S.  'JG— 30]. 
Meijlan,  L.    La  foun'  a  Färdinan  Gonye,  recit  en  patois  du  Chenit,  Vallee 

de  Joux  [In:  Bull,  du  Gloss.  des  pat.  de  la  Suisse  Romande.  VI.  (1907), 

S.  22—26]. 
Xat  A.  P.     Nosto-Damo   de   Lourdo.  Penegiri   prounouncia   au   roumavage 

prouvengau    dins   la  Baselico    dou  Sant-Rousäri   ä  Lourdo,   lou    11   de 

setembre  1907.  Impr.  prcven^ale.  1907.  Petit  in-8,  16  p. 
Xoel  gascon  (25  decembre  1907).     Couverture  par  Gaston  Hazera.  Bordeaux, 

impr.  Delbrel  et  Cie  1907.  ln-4  ä  2  col.  23  p.  avec  portraits  et  musique.  1  fr. 
Ormonac  Rouergas  per  ronnado  bissestilo  1908  (2do  onnado),  publicat  jous 

lo  direcciü  de  Leopol  Coustans,  mojoural  del  Felibrige.  Rodez,   impr. 

Carrere.  1908.  In- 16,  64  p.  avec  portraits. 
Pascal.  F.    La  Barbado  (suite)   [In:  Bull,  de  la  soc.  d'et.  des  Hautes-AIpes 

1907.  S.  9.3-106]. 
Piciotin  (lou)  Nissardoun.  Armanac  de  Nissa  e  de  la  mountagna.  1908.  (Premiera 

annada.)  Nice,  impr.  Blanc;  V.  Rolland,  edit.  1908.  In-16,  80  p.  25  cent. 
Priores  patois   recueillis    dans    le  Jura  bernois   catholique  p.  A.  Rossat  [In: 

Schweiz.  Arcb.  f.  Volkskunde  XI,  209-237]. 
Randaxhe,  S.\  ]S!.  Lequarre.    Archives  dialectales:  7.  Le  Lait;  8.  Les  djusses 

ä  lesse;   9.  Li  Manöye  ä  vi  Payis  d'Lidje    [In:  Bulletin  du  dictionnaire 

general  de  la  langue  wallonne  II,  3.  4.  S.  103—120.] 

Johnston,  0.  M.    Origin  of  the  vow  motif  in  the  White  Wolf  and  related  storries 

[In:  Mod.  Lang.  Notes  XXII,  8.]. 
Mourou,  L.    Mceurs  et  coutumes  proven^ales:  La  Saint-Eloi  ä  Signes  (Var) 

[In:  Bull,  de  l'Ac.  du  Var.  LXXIV^e  annee.  1906.  Toulon  1907.  S.  53—66]. 

6.  Literaturgeschichte, 
a.)  Gesamtdarstellungen. 

Claretie.  Historia  de  la  literatura  francesa  (900-1900).  Version  castellana 
por  Miguel  de  Toro  v  Gomez.  Tomo  primero;  Desde  los  origenes  hasta 
fines  del  siglo  XVII.  Paris,  Ollendorff.  1908.  In-8,  v-873  p. 

Faguet,  E.    A  literary  History  of  France.  London,  1907.   8°.  704  pp.  17  M. 

Bart,  M.  Bailad  and  Epic.  A  study  in  the  development  of  the  narrative 
art.  Boston,  Ginn  and  Co,  1907.  VII,  315  S.  8».  [Studies  and  notes  in 
Philologie  and  Literature  XI]. 

Hertz,  W.  Aus  Dichtung  u.  Sage.  Vorträge  u.  Aufsätze.  Hrsg.  v.  Karl 
Vollmöller.    (X,  219  S.)  S".  Stuttgart,  J.  G.  Cotta  Nachf.  '07.  3—. 

Mustard,  W.  P.    Siren-mermaid  [In:  Mod.  Lang.  Not.  Jan.  1908]. 

Aubri/,  P.    La  Rythmique  musicale  des  troubadours  et  des  trouveres.  Paris, 

Champion.  1907.  Grand  in-8,  38  p.  avec  musique. 
Baist,  G.    Spottlieder  um  1100  [In:  Rom.  Forsch.  XXII,  2.  S.  628  f.]. 
—  Das  Haupt  des  Bran  [In :  Rom.  Forsch.  XXII,  2.  S.  628]. 
Bedier,  J.    Les  legendes  epiques.  Recherches  sur  la  formation  des  chansons 

de  geste.  I.  Le  cycle  de  Guillaume  d'Orange.  Paris,  H.  Champion.  8  fr. 

(Les  tomes  II  et  III  sont  sous  presse). 
Ferreto,  A.    Documenti   intorno  ai  trovatori  Percivalle  e  Simone  Doria  [In: 

Studi  medievali  II,  1.  S.  111—140.    II,  2.  S.  274— 285.  (coutinua)]. 
Gr>£in,  N.  E.    Dares  and  Dictys.    An  introduction  to  the  study  of  Mediäval 

versions  of  the  Story  of  Troy.  Dissert.  Baltimore  1907.  120  S.  8°. 
Hart,  M.  W.     The  lady  of  the  Garden  [In:  Mod.  Lang.  Notes.  December 

1907.  S.  241  f]. 
Heuser.  W.     Horn   und  Rigmel  (Rimenhild)  eine  Namenuntersuchung.  [In: 

Anglia  XXXI,  105  ff.]. 


Novitätenverzeichnis.  229 

Langlois  Ch.  V.    La  Vie  en  France  au  moyen  age  d'apres  quelques  mora- 

listes  du  teraps.   Paris  Hachette  et  Cie  3  fr.  '>0. 
Matske,  John  E.    The  lay  of  Eliduc  and  the  Legend  of  the  Husband  with 

Two  Wives  [In:  Modern  Philology  V,  2]. 
Oldörp,  B.    Untersuchungen  über  das  Mystere  „La  vengeance  Nostre  seigneur, 

Paris  MOL  Anthoine  Verard"  und  sein  Verhältnis  zu  dem  „Mystere  de 

la  vengence  de  nostre  seigneur  Jhesucrist  etc.",  Handschrift  Nr.  697  der 

Stadtbibliothek  zu  Arras.  Diss.  Greifswald  1907.  83  S.  8'\ 
Pascal,  C.    Misoginia  media vale  (duo  carmi  medievali  contro  le  donne)   [In: 

Studi  medievali  II,  2.  S.  242—248]. 
Pauphilet,  A.  La  Queste  du  saint  Graal  du  ms.  Bibl,  Nat.  Fr.  343  [In :  Romania 

XXXVL  591-609]. 
Sommer,  H.  0.     The  Queste  of  the  Holy  Grail  (fin)  [In:  Romania  XXXVI, 

543—590]. 
Werner,  F.     Königtum   und   Lehnswesen   im   französischen   National   Epos 

Giefsener  Dissert.  Erlangen,  Junge  &  Sohn  1907. 


Baldensperger  F.  Etudes  d'histoire  litteralre.  Comment  le  XVIIIe  siecle  expliquait 

l'universalite  de   la  langue  frangaise:  Young  et  ses  «Nuits»  en  France; 

le  «Genre  Troubadour;  «Lenore»  de  Bürger  dans  la  litterature  fran^aise; 

les  Definitions  de  l'humour.   Paris,  Hachette  et  Ci«    1907.  In-16.  XXV- 

224  p.  3  fr.  50. 
Benoist  A.    Le  Theätre  de  Brieux;  Toulouse,  Privat.  1907.  In-8,  45  p. 
Du  Bled,  Victor.    La  societe  fran^aise  du  XVIe  siecle  au  XX«  siöcle,  sixieme 

Serie:  XVIIIe  siecle,  les  Medecins  avant  et  apres  1789  —  L'Amour  au 

XVIIIe  siecle.    Paris.  Perrin  et  Cie  3  fr.  50. 
Brünettere  F.    Etudes  critiques   sur  l'histoire  de  la  literature  fran^aise;  par 

Ferdinand  Brunetiere,  de  l'Academie  fran^aise.  3e  serie;  Descartes;  Pascal; 

Le  Sage.  Marivaux;  Prevost;  Voltaire  et  Rousseau;  Classiques  et  Roman- 

tiques.  Paris,  Hachette  et  Cie.  1907.  In-16,  331  p.  3  fr.  50. 
—  Discours  de  combat.  Derniere  serie :  le  Genie  breton;  la  Modernite de  Bossuet; 

La  Liberte  d'enseignement;  la  Renaissance  du  paganisme  dans  la  morale 

contemporaine ;  l'Action  sociale  du  christianisme;  les  Difficultes  de  croire; 

le  Dogme  et  la  Libre  Pensee;  l'Evolution  du  concept  de  science;  la  Reunion 

des  Eglises.  Paris,  Perrin  et  Cie.  1907.  In- 16,  271  p.  3  fr.  50. 
Ckrque,   H.     The  Salon:    a  Study   of  French  Society  and  Personalities  in 

the  18th  Century.  London,  Putnam's  Sons.  374  S.  8". 
Coen,   Nella,  Saggio  sulia  questione  delle  unitä  dramatiche  in  Francia  e  in 

Italia.  Livorno,  tip.  S.  Belforte  e  C.  1907.  127  S.  8«. 
Cordaro,  A.    Le  theätre  tragique  frangais  et  les  premieres  ceuvres  de  J.  B. 

Niccolini.     Messina,    A.  Trimarchi    (tip,  del  Secolo),    1907.    50  S.     8". 

L.  1. 
Delaporte.  P.  V.     Melanges  de  litterature  et  d'histoire.    Tomo  I.  Bruxelles, 

1907.  80.  327  pp.  3JjO. 
Faguet  Emile.  Propos  de  Theätre.  Quatrieme  serie.  Paris.  Soc.  frangaise  d'im- 

primerie  et  de  librairie.  3  fr.  50. 
Flandreysy  j.  de.  —  Essai  sur  la  femme  et  l'amour  dans  la  litterature  frangaise 

au  XIXe  siecle  (Bernardiu  de  Saint-Pierre;  Honore  de  Balzac;  George 

Sand;   Gustave  Flaubert;  Jules  Claretie;  Anatole  France;  Jean  Aicard; 

Paul  Bourget;  Paul  Hervieu;  Marcel  Prevost);  Paris,  Per  Lamm;  Libr. 

des  «Annales»,  51,  rue  Saint-Georges.  Petit  in-8,  VIII-431  p. 
Fmicher,  II.    Souvenir  d'un  Parisien  pendant  la  Seconde  Republique  (1830  — 

1852).  Paris,  Perrin  1907. 
üaiff'e,  F.    Quelques  documents  sur  le  theätre  ä  Besangen  ä  la  fin  du  XVIIIe 

siecle  [In:  Mem.   de   la   soc.   d'^mul.   du  Doubs  1905.  Besangen  1906. 

S.  123-133]. 


?30  Novitätenverzeichnis. 

Gendarme  de  Bevotie.    Le  Festin  de  Pierre  avant  Moliere.  Dorimon  —  De  Villers 

Scenario  des  italiens  —  Cicognini.  Textes  p.  avec  introduction,  lexique 

et  notes  p.   G.  Gendarme  de  li^votte.  Paris.  Ed.  Cornely  et  C    .  [Soc.  des 

textes  fran^.  modernes]. 

Hawl-ins.  R.  L.     A  letter  from  one  maiden  of  the  Renaissance  to  another 

[In:  Mod.  Lang.  Notes  XXII,  8]. 
Uinstorß\  C.  A.    Die  Archives  litteraires  de  l'Europe  und  ihre  Stellung  zur 
deutschen  Literatur.   Programm  der  Elisabethenschule  zu  Frankfurt  a.  M. 
Ostern  1907.  Frankfurt  a.  M.  1907.  63  S.  8°. 
Kastner,  L.  E.    The  Scottish  sonnetteers  and  the  French  poets  [In :  The  Mod. 

Lang.  Review  III,  1.  1—15]. 
Lemaitre,  J.    En  marge  des  vieux  livres.     Deuxieme  Serie.  Paris,  1907.  16. 
Liegeois,  C.  et  L.  Mallinger,  Le  theätre  et  l'eloquence  en  France  et  en  Belgique. 

Namur,  Wesmael-Charlier.  842  S.  8". 
Magna,  E.    Une  ruelle  precieuse  du  XVIIe  siecle  [In  :  Mercure  de  France 

16janv.  1908]. 
—  Femme    galantes    du    XVIIe    siecle.    Madame    de    la    Suze    (Henriette 
de  Coligny)  et  la  Societe  precieuse.  Paris  1908.  Editions  du  Mercure  de 
France.  3  fr.  50. 
Mornet,  D.  Le  Sentiment  de  la  nature  en  France,  de  J.  J.  Rousseau  ä  Bernardin 
de  Saint- Pierre.  Essai  sur  les  rapports  de  la  litterature  et  des  moeurs 
(these);  Paris.  Hachette  et  Cie.  1907.  In-S,  .373  p. 
Xormand,  C.    La  Bourgeoisie  frangaise  au  XVIIe  siecle.    La  Vie  publique; 
les  Idees  et  les  Actions  politiques  (1604 — 1661).    Etüde  sociale.    Paris, 
F.  Alcan.     1908.    In-8,  111-437  p.  et  8  planches.     12  fr. 
Peirce,  W.  TU.    The  Bourgeois  from  Moliere  to  Beaumarchais.    The  study 
of  dramatic  type.    Diss.  der  Johns  Hopkins  üniversity.     1907.  87  S.  8^ 
[Excerpts.   Printed   in   accordance  with  the  regulations  of  the  üniver- 
sity]. 
Pietzsch,   W.    Apostolo  Zeno  in  seiner  Abhängigkeit  von  der  französischen 
Tragödie.    Eine  Quellenuntersuchung.    Leipz.  Dissert.  118  S.  8".  Leipzig, 
Seel  &  Co. 
Sarolea,   Ch.    Essais   de   litterature   et   de   politique.    2«   serie.    Bruxelles, 

1907.     12».    401  pp.     3M.  .50  Pf. 
Schmitt,  Carl:    Der  moderne  Roman.     Ein  Beitrag  zur  Literaturgeschichte. 
(VII,  276  S.  m.  63  Abbildgn.)  8".     Osnabrück,  G.  Pillmeyer  '08.    4.20; 
geb.  5.— 
Seche,  A.   et  J.  Bertaut.    L'Evolution   du   theätre    contemporain.    Avec   une 
preface  par  Emile  Faguet,    et  un  index  des  noms  cites.    Paris,  Societe 
du  Mercure   de  France,    26,   rue   de  Conde.     1908.    In -18  Jesus,   XV- 
307  p. 
Seche,  A.  et  J.  Bertaut.    Tuons  les  morts,  ou  le  Roman  feuilleton  contre  la 

Litterature.    Paris,  Grasset.     1908.    In-18  Jesus,  55  p.  1  fr. 
Seilliere,    E.     Le   Mal    romantique.     Essai    sur    l'imperialisme   irrationnel. 
Paris,   Plön,   Nourrit   et   Cie.     1908.     In-8,   LXXVII-403  p.   8  fr..     [La 
Philosophie  de  l'imperialisme.    IV.] 
—  Les  cinq  generations  du  romantisme  [In  :  Revue  bleue  11  janv.   1908]. 
Strowski,  F.    Histoire  du  sentiment  religieux  en  France,  au  XVIIe  siöcle. 
Pascal   et   son   temps.     2e    partie  :  l'Histoire   de  Pascal.     Paris,   Plön, 
Nourrit  et  Cie.     1907.     In-16,  III-412  p.  3  fr.  50. 
Tiersot,  Julien.    Les  fetes  et  les  chants  de  la  revolution  Fran^aise.    Paris, 

Hachette  et  Cie.    3  fr.  50. 
Toinet,  R.    Quelques  recherches  autour  des  poemes  heroiques-epiques  fran- 
Qais   du   XVIIe   siecle.    T.  2  :  Additions   et  Corrections.     TulIe,   impr. 
Crauffon.     1907.    In-16,  214  p. 
Vilk?j,  P.    Amyot  et  Montaigne.     [In  :  Rev.   d'Hist.  litt,  de  la  Fr.  XIV.  4. 
S.  713—727]. 


Novitätenverzeichnis.  231 

Wyzewa,  Teodor  de.  Quelques  figures  de  femmes  aimantes  ou  malheureuses. 
Deux  tragedies  :  La  mort  de  Kcenigsmarck  et  l'aventiire  de  Struensee.  — 
Les  six  femmes  de  Henri  VIII  —  Le  mystere  de  Marie-Stuart.  —  üne 
cause  celebre  anglaise  au  XVIIIe  siecle.  —  Les  prisons  du  marquis  de 
Castellane  —  üne  «Inconnue  de  Chateaubriand».  —  üne  aventuriere 
italienne  du  XVlIe  siecle.  —  La  mere  du  feminisme.  —  Le  menage  de 
Carlyle,  etc.,  etc.    Paris,  Perrin  et  Cie.    5  fr. 

b)  Einzelne  Autoren. 

AUari  de  Meritens.  —  Leon  Seche.  Muses  romantiques.  Hortense  Allart  de 
Meritens  dans  ses  rapports  avec  Chateaubriand,  Beranger,  Lamennais, 
Sainte-Beuve  et  M^e  d'Agoult.  Portrait  d'Hortense  Allart  de  Meritens 
d'apres  le  tableau  de  Ducis;  Portraits  d'Antoine  Arnault,  de  Chateaubriand, 
de  Beranger,  de  Mme  d'Agoult,  d'apres  des  tableaux  ou  gravures  du 
temps.  Autographes  de  Talma,  Marie,- Joseph  Chenier,  Chateaubriand, 
Beranger  et  Mme  d'Agoult.  Paris,  Ed.  du  Mercure  de  France.  Un 
volume  in-8  —  Prix.     7  fr.  öO. 

Amyot  s.  oben  p.  230    Villey. 

Balzac,  weil.  Honoratus  Sieur  de:  Die  30  sehr  drolligen  und  sehr  kuriosen 
Geschichten  genannt  Contes  drolatiques,  zum  erstenmal  treu  und  trutzig 
verdeutscht  und  unsern  ehrwürd.  Kant-  u.  cant-ianern  hochrespektvoll 
zugeeignet  v.  Dr.  Benno  Rüttenauer,  mit  schönen  Bildern  des  Meisters 
Gust.  Dore  geschmückt  und  ausstaffiert.  2  Bde.  (IX,  XXI,  340  und  V, 
307  S.  m.  Vollbildern.)    8».    München,  R.  Piper  &  Co.  '08.     Geb.  24—. 

Balzac,  la  Mort  de  [In:  Annales  romantiques  IV,  5.  S.  393—398]. 

Barbey  d'' Aurevilly  critique  p.  Lasserre  [In:  Le  Figaro,  21.  sept.   1907]. 

Baudelaire,  Ch.  von  v.  Oppeln-Bronikowsld  [In:  Preufsische  Jahrbücher. 
LJan.   1908]. 

Baudouin.  —  E.  Duvernoy,  Jean  Baudouin  de  Roziere-aux-Salines  [In:  Mem. 
de  l'Acad.  de  Stanislas.  1906—1907.  Nancy  1907.  S.  217—23.5]. 

Beranger  homme  politique  et  parlemeutaire.  10  juillet  1907]. 

ßernardin  de  Saint-Pierre  et  la  Revolution  p.  A.  Seche  et  J.  Bertaut  [In :  Mercure 
de  Fr.  1er  nov.  1907]. 

Boulay-Paiy.  —  Un  romantique  de  la  premiöre  heure:  Evariste  Boulay-Paty. 
Son  Journal  intime  et  sa  correspoudance  (1829—1831).  Suivi  d'une  etude 
sur  «Carrier,  ä  Nantes»,  et  de  dix  lettres  de  Fouche  dit  «Fouche  de 
Nantes»,  duc  d'Otrante;  par  Dominique  Caille.  PariSjFicker.  1907.  In-8. 48p. 

Caylus,  M>ne-  de.  —  Souvenirs  de  Madame  de  Caylus.  Preface  par  Voltaire. 
Notice  de  M.  de  Lescure.  Nouvelle  edition  illustree  par  Lionel  Peraux. 
Gravures  au  burin  et  ä  l'eau-forte  par  Leon  Boisson.  Paris.  Carteret. 
1908.   ln-8,  XXXX-268  p. 

Chateaubriand.  —  G.  Rabizzani.  Lo  Chateaubriand  e  la  sua  influenza  [In: 
Nuova  rassegna  di  letterature  moderne  V,  7    8]. 

Crehillon  löge  au  Louvre  p.  P.  BfonnefonJ  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  Fr. 
XIV,  4.  S.  737]. 

Dalßn  d'Alvernhe.  —  S.  Stroioshi.  Le  nom  du  troubadour  Dalfm  d'Alvertike 
[In:  Roraania  XXXVI,    610—612]. 

Destouches,  N.    intime    (Lettres   et   documents  inedits)   p.  P.  Bonnefon   [In: 

—  Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  Fr.    XIV,  4]. 

—  Saint  Frangois  de  Sales;  par  Fortunat  Strowski.  Paris,  Bloud  et  Ci«.  1908. 
In- 16,  366  p. 

Garnier.  —  C.  Searles,  The  stageability  of  Gamier's  tragedies  [In :  Mod.  lang. 

notes  November  1907,  S.  22.5-228]. 
Gwirin,  Ch.  et  la  poesie  philosophique  p.  P,  Delior  [In:  Mercure  de  Fr.  1er 

dec.  1907]. 
van  Eout,  .Jean,    l'initiateur   de   la  Ilollande   aux   principes   de   la  Pleiade 

(1543-1609)   p.  J.  Prinseu.  [In:   Rev.   de   la   Renaissance.     VIII,  juin- 

octobre  1907]. 


232  Novitätenverzeichnis. 

Hugo,  V.  —  Les  Idees  morales  de  Victor  Hugo;  par  Maurice  Souriau.  Paris, 
Bloud  et  Cie.    1908.    In-16,  103  p. 

—  Uugo,  V.  e  la  urica  italiana  di  M.  Valente.  Torino,  G.  B.  Paravia  &  C. 
(Napoli,  A.  Trani)  11)07.     i:)9  S.  18^ 

—  Eugo,  V.  et  la  Navigation  aerienne,  lettre  inedite  p.  p.  ./.  Claretie  [In :  Le 
Temps  24.  oct.  1907]. 

—  Bugo,  V.  a  vingt  ans  p.  P.  Dufay  (suite  et  fin)  [In:  Annales  romantiques 
IV,  4  und  5]. 

La  Fontaine,  Naturaliste  dans  ses  fables  p.  M.  Tresch.    Beffort,  Luxembourg. 
La  Fontaine.    Ses  facultes  psychiques,  sa  philosophie,  sa  mentalite,  son  carac- 

tere  par  Jean-Paul  Nayrac.     Paris,  H.  Paulin.    5  fr. 
Lamhin.  —  H.  Potez.    Denys  Lambin  et  les  femmes  d'apres  une  correspon- 

dance  inedite  [In:  Revue  de  la  Renaissance.    VIII,  juin-octobre  1907]. 
Lamennais.    Sa  vie  et  ses  doctrines  II:  le  catholicisme  liberal —  1828—1834 

—  p.  M.  Boutard.    Paris,  Perrin  et  C'e.   ,5  fr. 

—  Lamennais  d'apres  ses  correspondants  inconnus  p.  A.  Rotissel  [In:  Revue 
des  question  bist.  Janv.  1908]. 

Malvyn  —  Geoffroy  deMalvyn,  magistrat  et  humaniste  bordelais  (1545?-l6l7). 

Etüde  biographique  et  litteraire,  suivie  de  harangues,  poesies  et  lettres 

inedites    (thösej:    par    Paul    Cowteault.     Paris,    Champion.     1907.     In-8, 

X.217  p. 
Marie  de  France  et  la  legende  du  Purgatoire  de  Saint  Patrice  [In:  Roman. 

Forsch.  XXII.  2]. 
Marnumtel  aux  Jeux  Floraux  p.  ./.  de  Lakondcs  [In :  Revue  des  Pyrenees  XVIH 

(1906),  S.  507— 524J. 
Maupassant.   —   Literatur,  die.   Sammlung   illustrierter   Einzeldarstellungen. 

Hrsg.  V.  Geo.  Brandes,    kl.  8".    Berlin,  Marquard  &  Co.    29.  u.  30.  Bd. 

Mayntal,  Edouard:  Maupassant.  Mit  20  Beilagen.  (134  S.)  ('07)  Kart.  3,-  . 
Maupassant.  —  ffiuvres  completes  de  Guy  de  Maupassant  Augmentees  de  la 

Correspondance  et  de  35  nouvelles  inedites,  notes,  variantes :  üne  vie,  un 

vol.  grand   in-18,    imprlme  a  tirage   limite    sur   papier   Van  Gelder  de 

Hollande,  br.    5  fr.    Paris,  L  Conard. 
Mercier,L.  —  d'Hennezel.     ün  poete  de  la  nature:  Louis  Mercier.    Lyon,  libr. 

Phily.    1907.    39  S.  8°. 
Merimee.   —   Sur  Merimee,   ä   propos  d'une  ceremonie  recente;  par  Luden 

Pmvert.    Paris,  Ledere.    1907.    In-8  carre,  39  p. 
Moliere.  —  Rigal,  E.    Moliere.    Paris,   Hachette  et  Cie.    1908.    2  vol.  VII, 

308  und  333  S. 
Montaigne  S.  oben  p.    230    Villey. 

—  Montaigne  malade  et  medecin  (these);  par  Raymond  Delacroix.  Lyon,  Rey. 
1907.    In-8.  112  p.  2  fr.  25. 

—  Coquelin,  L.  Montaigne  (1533—1592).  La  Vie  de  Montaigne;  les  Essais; 
Extraits;  Jugements.  Paris,  Larousse.  Petit  in-8,  96  p.  avec  grav.  dans 
le  texte  et  hors  texte  et  portraits.    75  cent. 

Montesquieu  Ses  idees  et  ses  oeuvres  d'apres  les  papiers  de  la  Brede;  par 
H.  Barchhausen.    Paris,  Hachette  et  Cie.    1907.    In-16,  VI-344  p.  3  fr.  50. 

—  E.  P.  Dargan.  The  aesthetic  doctrine  of  M.  Its  application  in  bis  writings. 
Dissertation,  Baltimore  1907.    J.  H  Fürst  Company. 

Musset,  Alfred  de  anecdotique;  par  Alphonse  b'ecke.    Paris,  Sansot  et  Cie.  1907. 

In-18,  95  p.  1  fr. 
Noailies,  Madame  de.  —  L'ceuvre  poetique  de  Madame  de  Noailles  p.  L.  Blum 

[In:  Rev.  de  Paris  15.  janv.  1908]. 
Pascal.  —  S.  oben  p.  230  Strotcski. 

—  John  Gamble,  A  Study  on  Pascal.  Three  Lectures.  94  S.  8^.  London, 
Simpkin. 

Pi^dhomme  Sully.  L'Influence  de  la  sensibilite  romantique,  de  l'art  parnas- 
sien  et  de  la  pensce   de  Vigny;   les  Caracteres   de  l'oeuvre :  le  Paysage 


Novitätenverzeichnis.  233 

interieur,  la  Melancolie  et  l'Amour,  la  Meditation  du  destin,  l'Interpre- 
tation  de  la  nature  et  de  la  discipline  de  la  loi;  par  Emest  Zyromski. 
Paris,  Colin.    1907.   In-16,  273  p.  3  fr.  50, 

—  Sulhj  Prudhomme,  etude:  par  M.  Dedessuslamare.  Rouen,  impr.  Blondel; 
Bibliotheque  des  Violetti.    1908.    Petit  in-8.  62  p. 

Quinet.  —  0.  Wenderoth.    Der  junge  Quinet  und  seine  Übersetzung  von  Herders 

Ideen  [In:  Roman.  Forschungen  XXII,  2]. 
Rabelais.     S.  oben  p.  223 

—  Clouzot.  Le  veritable  nom  du  Seigneur  de  Saint-Ayl  [In:  Rev.  de  la 
Renaissance  VIII  (7e  annee).    Nov.-dec.  1907]. 

—  Prokop  Baskovec,  Rabelais,  Studie  literdrne-historika.  Praze  1907.  l24  S.  8"^ 
Bonsard.  —  Fuchs.    Comment  le  XVII e  et  le  XVIII e  siecles  ont  juge  Ronsard? 

[In:  Rev.  de  la  Renaissance  VIII  (7 e  annee).   Nov.-dec.  1907.   S.  228— 238 
(ä  suivre)]. 
Rostand.     Studien  von  R.  Kiessmann.     Erlangen,  Fr.  Junge   1908.    90  S.  8". 
fSonderabdruck  aus  „Romanische  Forschungen".  Bd.  XXII]. 

—  R.  Kiessmann.    Edmond  Rostand  [In:  Grenzboten  1908]. 

Roubaud,  E.  L'Evolution  de  la  pensee  libre  au  theätre  et  au  roman.  Causerie 
faite  ä  Grasse,  en  decembre  1906.  Grasse,  impr.  Carestia;  Journal  « la 
Tribüne  »,  edit.    1907.   Grand  in-16,  15  p. 

Rousseau,  J.  J.  s.  oben  p.  221  Schiff. 

Rousseau.  —  Aus  Natur  und  Geisteswelt.  Sammlung  wissenschaftlich-gemein- 
verständl.  Darstellungen,  8°.  Leipzig,  B.  G.  Teubner.  Hensel,  Prof.  Dr. 
Paul:  Rousseau.   Mit  1  Bildnisse  Rousseaus.     (VI,  122  S.)  '07. 

Rottsseau.  —  Wissenschaft  und  Bildung.  Einzeldarstellungen  aus  allen  Ge- 
bieten des  Wissens.  Hrsg.  v.  Priv.-Doz.  Dr.  Paul  Herre.  8".  Leipzig, 
Quelle  &  Meyer.  21.  Geujer,  Prof.  Ludw.:  Jean  Jacques  Rousseau.  Sein 
Leben  und  seine  Werke.    (131  S.  mit  1  Bildnis.)  '07. 

—  Du  pretendu  individualisme  de  J.-J.  Rousseau,  ä  propos  de  quelques 
livres  recents,  par  Roger  Bonnard.  Paris,  V.  Giard  et  E.  Briere.    1  fr. 

—  Car.  Culcasi.  Gli  influssi  italiani  nell'  opera  di  G.  G.  Rousseau.  Roma, 
Societä  ed.  Dante  Alighieri.    264  S.  16o.    3  L. 

Sand,  Georges.  —  Francis  Grihble.     George  Sand   and   her   lovers.     London, 

Nash.   396  S.  8". 
üenancourt.  —  Un  contemporain   de   Beethoven.    Obermann   Precurseur  et 

Musicien  par  Raymond  Bouyer.    Paris    Fischbacher.    3  fr. 

—  L.  Maury.  M.  Joachim  Merlant  et  les  Senancouriens  [In:  Revue  bleue 
18.  Jan.  1908]. 

Sorbiere,  S.  Principal  ä  Orange  :  Sa  conversion  (1650 — 53)  p.  A.  Morize.  [In :  Soc. 

de  l'hist.  du  protestantisme  frang.   Bulletin.  Nov.-dec.   1907.  S.  503—525]. 
Stendhah  —  Barris  le  Seutiment  de  l'homme  chez  Stendhal  [In:  Le  Gaulois, 

23.  oct.  1907]. 

—  Stendhal  et  Saint-Simon  [In:  Journal  des  Dcbats,  3.  nov.  1907]. 

—  P.  Arbelet.    Sur  la  tombe  de  St.  [In:  Mercure  de  France.    16.  janv.  1908], 

—  Slendhaliana  p.  E.  Henriot  [In:  Charivari,  7.  dec.  1907]. 

—  P.  Leautaud.    Les  itineraires  de  St.  [In:  Mercure  de  Fr.     ler  nov.  1907]. 
Suze,  Madame  de  la.     S.  oben  p.  230  Magne. 

Taine,  B.  Historien  litteraire  du  XVIII  e  siecle.  These  pour  le  Doctorat 
Universite  (Lettres)  p.  D.  Peirovitch.    Paris,  Bonvalot-Jouve  1907.    86  S.  8°. 

—  Taine,  historien  de  la  Revolution  frangaise ;  par  A.  Aulard.  Paris.  Colin. 
1907.   In-16,  XI-334  p.  3  fr.  50. 

Viyny,  Alfred  de.  (Academie  fran<jaise;  Prix  d'eloquence,  1906).  Essai 
accompagne  d'une  note  bibliographique  et  de  lettres  inedites;  par  Maurice 
Masson.    Paris.  Bloud  et  C»«.    1908.    In-16,  95  p. 

—  Le  pessimisme  de  Vigny.    [In:  La  Nouvelle  Revue,     ler  nov.  1907], 

—  C.  Dartois.  Un  poötc  janseniste:  Alfred  de  Vigny  [In:  Le  Journal  La 
Croix.24.  nov.  1907], 


234  Novitätenverzeichnis. 

Voltaire  als  Ästhetiker  und  Literarkritiker  von  P.  Sakmann  II.  (Fortsetzung) 
[In:  Arch.  f.  neuere  Spr.     CXIX,  S.  383—398]. 

Jü.  Mai/nial.    Jacqnes  Casanova   chez  Voltaire   [In:    Mercure  de  France 
1  et  16  dec.  1907]. 

—  0.  Herrmann.  Die  Geschichtsphilosophie  Voltaires  [In:  Sonntagsbeilage 
zur  Vossischen  Zeitung  1907.   37]. 

—  Ifavid  Fnedrich  Strauss,  Voltaire.  Sechs  Vorträge.  Neu  horausgegeben 
und  mit  Anmerkungen  versehen  von  H.  Landsbery.  Leipzig,  Alfred  Kröner. 
VI.  Ifi4  S.  8°.    1  M. 

Zola  au  Pantheon ;  par  Urhain  Gokier.  Paris,  Impr.  speciale  Claude-Bernard ; 
l'auteur,  CA,  rue  Claude-Bernard  et  dans  toutes  les  bonnes  libr.  1907. 
In-r2,  24  p.  1  fr. 

—  A  la  memoire  d'Emile  Zola;  par  le  docteur  Laupts.  Lyon,  Rey  et  Cie. 
1907.    In-8,  19  p. 

—  Brulat,  P.    Histoire  populaire  d'Emile  Zola.    Paris,  1907.   8.   III.  2,50  M. 

7.  Ausgaben.    Erläuterungsschriften.   Übersetzungen. 

Bartsch,   Karl:    Chrestomathie    de    l'ancien    frangais   (Vllle— XV«    siecles), 

accompagnee  d'une  grammaire  et  d'un  glossaire.  9.  ed.,  entierement  revue 

et  corrigee  par  Leo  Wiese.  (X,  537  S.)  Lex.  8-^.  Leipzig,  F.  C.  W  Vogel 

'08.  14—. 
Bibliotheca  romaLnica,.   kl.  8°.    Strassburg,  J.  H.  E.  Heitz.    Jedes  Heft  0,40  M. 

41—44.  Biblioteca  espafiola.    Cervantes  Saavedra:  Cinco  novelas  ejem- 

plares.    (258  S.)    ('08.)     45.   Biblioteca   portuguesa.     Camöes,  Luis  de: 

Obras.  Os  Lusiadas.  V.  VI.  ViL    (80  S.)  ('08.)   46.  Bibliotheque  fran^aise. 

Moliere:  Theätre.  L'Avare.    (90  S.)  ('08.) 
Bruchot,  M.    Le  chäteau  de  Ripaille.    Paris,  Delagrave    1907,    648  S.  4". 

(Darin  p.  275—589  Pieces  justificatives.    Vgl.  Romania  XXXVI,  632). 
Les  ctnt  meilleurs  poemes  (lyriques)  de  la  langue  frangaise.     Choisis  p.  Auguste 

Dorchain.    Leipzig  1907,  W.  Weicher.    Preis  M.  0,75. 
Consians,  L.    Les  chapitres  de  paix  et  le  Statut  maritime  de  Marseille,  texte 

provengal  des  Xllle  et  XlVe  siecles   [In:  Annales  du  Midi.    Oct.  1907. 

S.  504—527]. 
Koschoitz,  Eduard.    Les  plus  anciens  monuments  de  la  langue  frangaise,  publies 

pour  les  cours  universitaires.     II.    Textes  critiques  et  glossaire.    2.  ed. 

(VIII,  92  S.)   80.   Leipzig,  0.  R.  Reisland  '07. 
Pellissier,  ü.    Anthologie  des  poetes  frangais  du  XlXe  siecle  (1800—1866). 

Paris,  Ch.  Delagrave.  3  fr.  .50. 
Piices  Joyeuses   du  XV^   siede   p.p.  P.  Champion  [In:  Rev.  de  phil.  frang.   et  de 

liter.  XXI,  161—196]. 
Schwanke,  altfranzösische  (120  Fabliaux,  Contes,  Novellen  u.  Schwanke  von 

Ruteboeuf  bis  Metel  d'Ouville.   Gesammelt  u.   hrsg.  v.  Emerich  Lebus.) 

(278  S.)  kl.  8».  Leipzig;  J.  Zeitler  '07. 

Anseis  de  Carthage.  —  Zur  Komposition  des  Anseis  de  Carthage  von  L.  Jordan 

[In:  Arch.  f.  neuere  Spr.  CXIX,  S.  372— 382]. 
Benoit  de  Sainte-Maure,  Le  roman  de  Troie  p.  d'apres  tous  les  manuscrits  connus 

p.  L.  Constans   T.   III.  Paris,  Firmin- Didot.     Societe  des  anciens  textes 

frangais.  1907.  448  S.  8«. 
Chatelaine   of  Verr/i,    A  Romauce  of  the   13  th.  Century.  Translated  by  Alice 

Kemp- Welch.  The  French  from  the  edition  Raynaud.  (New  Media3val Library). 

London,  Chatto  &  Windus. 
Christine  de  Pisan,  The  Book  of  the  lovers.  Translated  from  the  Middle  French 

(New  Mediseval  Library).  London,  Chatto  &  Windus. 
Eliduc.  —  S.  Matzke  oben  p.  229. 
Florence  de  Home,  Chanson  d'A venture  du  premier  quart  du  Xllle  siecle  p.  p. 

A.Wallensköld.  II.  Paris,  Firmin-Didot.  Soc.  des  anciens  textes  frangais.  381  S. 


Novitätenverzeichnis.  235 

Gaydon.  —  B,  Karsch,  Untersuchungen  über  das  Handschriftenverhältnis  und 

textkrit.  Bearbeitung  des  a.=sonierenden  Teiles  der  „Chanson  de  Gaydon". 

Diss.  Greifswald  1907.  67  S.  8o. 

Gerard  d'Euphrate.  —  K.  Raders.    Über  den  Prosaroman  L'Histoire  et  ancienne 

cronique  de  Gerard  d'Euphrate.  Paris  1549.  Greifswalder  Dissert.  78  S.  8" 

Darmesteter,  A.    Les  Gloses  frangaises  de  Raschi  dans  la  Bible   (suite)   [In: 

Kev.  des  et.  juives  LIV.  1.  oct.  1907,  S.  205—235]. 
Graal.  S.  oben  p.  229  Pauphilet  und  Sommer. 
Born.  —  S.  oben  p.  228  W.  Heuser. 
.Teux-partis.  —  Die   Unica   der  Jeux-partis    der  Oxforder  Liederhandschrift 

(Douce  SOS)  von  Fr.  LubinsM  [In:  Kom.  Forsch.  XXII,  2]. 
Kreuzlied.  H.  Suckier,    Ein  Kreuzlied  von  1245  [In:  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXXI I, 

73-76]. 
Kristian  von   Troi/es.  —  V.  Schroedter,  der  Wortschatz   Kristians  von  Troyes 
bezüglich   der  Ausdrücke    der  Kampfeschilderung.  Diss.   Leipzig  1907. 
196  S.  S». 
—  S.  oben  p.  22G  Borrmann. 
Lion  de  Botirges.  —  W.  Zorn,  Sprache  und  Heimat  des  .,Lion  de  Bourges," 

eine  Reimunters.  Diss.  Greifswald  1907.  37  S.  8°. 
Lothringer.  —  E.  Xitter,  Beiträge  zur  Beurteilung  der  Redaktionen  T  und  IN 

der  Geste  des  Loherains.  Greifswalder  Dissert.  63  S.  8°. 
Marguerite  de  Navarre  et  le  Pape  Paul  III.  Lettres  inedites;  par  Ch.  Samaran 
et  B.  Patry.  Nogent-le-Rotrou,  impr.  Daupeley-Gouverneur.   Paris.  1907. 
In-8,  21  p. 
Montage  Guillaume.    Les   deux  redactions  en  vers  du,  Chanson  de  geste  du 
Xlle  siecle.  Publiees  d'apres  tous  les  manuscrits  connus  par  W.  Ctoetia. 
I.     Texte.    Paris,    Firmin  -  Didot.     Soc.    des    anciens    textes    fran^ais 
392  S.    8». 
Niecola    da    Casola.    —    Attila,    poema    franco-italiano    di    Niecola    da   Casola  per 
Giulio  Bertoni.    Collectanea  Friburgensia.  Publications  de  l'universite  de 
Fribourg  (Suisse).  Nouvelle  Serie,  fasc.  IX.Friburgo,  Libreria  dell'üniversitä 
LIX,  127  S.  8«. 
NoUa  Leicon  —  A  de  Stefano  Un  nuovo  testo  della  Nobla  Leigon  [In:  Studi 

medievali  II,  1.  S.  83-92]. 
Passion,  Valencienner.  —  B.  Schreiner,  Weitere  Studien  über  die  erste  Valen- 
cienner  Passion.  Manuscript  der  Bibl.Nat.  zuParis  f.  fr.  12536.  Greifswalder 
Dissert.  82  S.  8°. 
Pathelin.  —  Maistre  Pierre  Pathelin.  Reproduction  en  facsiraile  de  l'editiou 
impriraee  vers   1485,  par  Guillaume  le  Roy,  ä  Lyon.  Paris,  Cornely  et 
C   .  1907.  In-8,  non  pagine.  3  fr.  50. 
Pierre  de  Beauvais.  —  /;.  L0seth.    Sur  quelques  ouvrages  de  Pierre  de  Beauvais 

[Sajrtryk.  av  „Mindeskrift  over  prof.  dr.  Sophus  Bugge."  S.  26—42]. 
Poeme  Moral.  —  K  Berzorj  Ein  Fragment  des  Poeme  Moral  [In:  Zs.   für  rom. 

Phil.  XXXII,  50-72]. 
Raoul  de  Camhrai.  —  J.  Bedier,  La  legende  de  Raoul  de  Cambrai;  1.  article 

[In:  Revue  Historique.  Nov.-Dec.  1907.  Jan-fevr.  1908J. 
Roland.  S.  oben  p.  228  Hart. 

—  Dalla  Chanson  de  Roland  (II  tradimento  di  Gano,  Orlando  a  Roncisvalle, 
La  morte  di  Alda):  episodi  ridotti  in  versi  da  G.  L.  Passerini.  Firenze, 
Stab.  tip.  Aldino,  1907.  13  S.  8*^  [Edizone  di  100  esemplari.  —  Per  le 
nozze  Keins-Olschki]. 

—  Extraits  de  la  «Chanson  de  Roland»,  publies  avec  une  introduction  litteraire, 
des  observatious  grammaticales,  des  notes  et  un  glossaire  complet,  par 
Gaston  Paris,  9«  edition,  revue  et  corrigee.  Paris,  Hachette  et  Cie,  1907 
Petit  in-16,  XXXIV-166  p.  1  fr.  .50. 

Rosenroman.  —  A  possible  source  of  Chaucer,  Canterbiiry  Tales,  A  4134  and 
D.  415  by  J.  Derocquigny  [In:  The  Mod.  Lang.  Review  UI,  1.  S.  72]. 


236  Novitätenverzeichnis. 

Das  Seerecht  von  Oleron  nach  der  Handschrift  Paris,  Bibliotheque  Nationale 
Nr.  ■')330.  Diplomatischer  Abdruck  nebst  Einleitung,  Glossar  und  einer 
llandschriftenprobe  von  H.  L.  Zeller.  Mainz,  J.  Diemer.  20  S.  8°  [Sammlung 
älterer  Seerechtsquellen  Heft  2]. 

Sepl-Sages,  roman  de.  S.  oben  p.  221   Bcrtoni. 

Tondale.  —  J.  Verdeyen,  Le  date  de  la  vision  de  Tondale  et  les  manuscrit 
fran^ais  de  ce  texte  [In:  Rev.  celtique  üct.  1907]. 

Yonec.  -  0.  J/.  Johnston.  The  story  of  the  Blue  ßird  and  the  Lay  of  Yonec 
[In:  Studi  medievali  H,  1.  S.  1  —  10]. 


Allart  de  Miritens.  —  Lettres  inedites  d'Hortense  Allart  de  Meritens  ä  Sainte 
Beuve.Avec  une  introduction  et  des  Notes  de  Leon  Seche.  Portrait  d'Hortense 
Allart  de  Meritens  d'apres  le  medaillon  de  David  d' Angers,  et  Autographe. 
Paris,  Ed.  du  Mercure  de  France.  Un  volume  in-8  —  Prix  7  fr.  50. 

Aubigne,  Agrippa  d\  —  S.   oben  p.  222  Festschrift. 

Baudelaire's,  Charles,  Werke.  Deutsche  Ausgabe  v.  Max  Bruns.  V.  Bd.  2  Tl. 
Tagebücher  nebst  e.  Anh.  Übers,  u.  hrsg.  v.  Max  Bruns.  (I.ö9  S.)  8''. 
Minden,  J.  C.  C.  Bruns  ('07).  1.75. 

—  Baudelaire:  Die  Blumen  des  Bösen.  Umdichtungen  v.  Stef.  George.  2. 
Aufl.  (197  S.)  80.  Berlin,  G.  Bondi  '08. 

Beranger  P.  J.  de.  Chansons  choisies ;  Lettres.  Choix,  Notice  biographique  et 
bibliographique  par  Alphonse  Seche.  Paris,  Michaud.  Petit  in-16.  XVHI 
140  p.  avec  '■">  portraits  de  Beranger,  autographe  et  plusieurs  illustrations. 

—  Correspondance  inedite  intime  et  politique  du  chansonnier  Beranger  ä 
Dupont  -  de  -  l'Eure  1820 — 1854.  Annotee  par  Paul  Hacquard  et  Pascal 
Fortliuny.  Paris,  P.  Douville. 

Bernardin  de  Saint- Pierre,  Notes  SUr,  p.  G.  Gazier  [In:  Mem.  de  la  Soc.  d'Emul. 
du  Doubs  1905.  Besangon  1906.  S.  178—186]. 

—  Lettres  inedites  de  Beranger  p.  p.  A.  Feugere  [In:  Rev.  d'hist.  lit,  de  la 
Fr.  XIV,  4.  S.  731—736]. 

—  La  Vie  et  les  Ouvrages  de  Jean- Jacques  Rousseau;  par  Bernardin  de 
Saint-Pierre.  Edition  critique  publiee,  avec  de  nombreux  fragments  inedits, 
par  Maurice  Souriau.  Paris,  Cornely  et  Cie,  1907.  In-16,  XVI;192  p.  3,.50. 

Blasons    anaiomiques    du   corps   feminin,    publies    Sur    l'edition    de    1550,  avec  Un 

avant-propos,  des  notes  et  un  glossaire,  par  le  bibliophile  Ad.  B***.  1  vol. 

in-12.  4  frcs.  [Erotica  selecta]. 
Charles  d'' Orleans.  —  A.  Vidier,  Jean  Moreau  enlumineur  de  Charles  d'Orleans 

[In :  Le  Moyen  Age.  Nov.-dec.  1907.  S.  333—324]. 
Chateaubriand  et  l'emigration  frangaise  ä  Londres  ^.  F.  Baldensperger  [In:  Rev. 

d'hist.  litt,  de  la  Fr.  XIV,  4]. 

—  Faiblesses  et  confession  de  Chateaubriand,  d'apres  des  documents  inedits 
[In:  Annales  romantiques  IV,  4  S.  257— 301]. 

Ckenier,  Andre.  Oeuvres  poetiques  completes  par  P.  Dimoff.  Paris,  Ch,  Delagrave. 
Tome  I.  —  Bucoliques. 

—  Bucoliques;  Elegies;  Pommes;  Himnes;  Ödes;  lambes;  par  Andre  Chenier. 
Choix,  Notice  biographique  et  bibliographique  par  Alphonse  Seche.  Paris, 
Michaud.  Petit  in-16,  XII-147  p.  avec  2  portraits  de  Chenier  et  1  dessin  1  fr. 

Constans,  B.     S.  unten  p.  238  Mme  de  Stael. 

Corneille  P.  et  T.    ffiuvres  completes  suivies  des  ffiuvres  choisies  de  Thomas 

Corneille.  T.  7.  Paris,  Hachette  et  C'e.  1907.  In-16,  323  p.  1  fr.  25. 
Diderot  Denis:  Der  japanische  Prinz.  Übers,  u.   hrsg.  v.  Loth.  Schmidt.    Mit 

5  Bildern  von  Frz.  Bayros.  (199  S.)  kl.  80.  München,  G.  Müller  ('07). 

Geb.  in  Leiuw.   12. 
Flaubert,  G.  —  La  Tentation  de  saint  Antoine.  Paris,  Ferroud.   1907.  In-4, 

219  p.  avec  compositions  dans  le  texte  et  hors  texte  de  Georges  Rochegrosse, 

gravees  en  couleurs  par  E.  Decisy. 


Novitätenverzeichnis.  237 

Flaubert  Gust.,  gesammelte  Werke.     Erste  deutsche  v.  den  Rechtsnachfolgern 

Flauberts  aut.  Gesamt- Ausg.  Hrsg.  v.  E.  W.  Fischer.  (In  10  Bdn.)  S".  Minden, 

I.  C.  C.  Bruns.  Die  Versuchung  des  hl.  Antonius.  Deutsch  v.  F.  P.  Greve. 

(Neue  Ausg.)  (V.  304  S.)  ('07.)  4  — ,  Briefe  an  Zeit-    u.  Zunftgenossen. 

Ins   Deutsche  übertr.  v.  F.  P.  Greve.     Mit  e.  Einführg.  v.  Dr.  Fischer. 

(XXI,  399  S.)  ('07.)  5.50;  geb.  6.50. 
Guttinguer.  ^-  M.  Salomon.  Une  Correspondance  d'ülric  Guttinguer  [In :  Mercure 

de  Fr.  16  nov.  1907]. 
Grimm.  —  P,  üsteri.    La  correspondance  litteraire  de  Grimm  [In :  ßev.  d'Hist. 

litt,  de  la  Fr.  XIV,  4.  S.  712]. 
Eurjo,  V.    Dernier  jour  d'un  condamne  [In:  Figaro,  12  octobre  1907]. 

—  Luchetti,  Les.  images  dans  les  ceuvres  de  Victor  Hugo:  essai  et  biographie 
du  maitre  et  notes  explicatives.  Verdi,  tip.  Reali  1907.  155  S.  con  ritrattoL.2. 

—  Histoire  d'un  crime.  Troisieme  journee:  le  Massacre;  Quatrieme  journee: 
la  Victoire;  Conclusion;  la  Chute;  T.  2.  Cahier  complementaire.  I.  Notes 
de  Victor  Hugo;  II.  Pieces  justificatives.  Paris.  Ollendorf.  1907.  In-8, 
519  p.  arec  portrait,  grav.  et  fac-similes.  10  fr. 

—  Hugo  Victor.  Selected  poems  Edited  with  Introduction  and  Notes  by  H.W.  Eve. 
Cambridge  üniversity  Press.  1907.  [Pitt  Press  Series]. 

Jacquemont.  —  Lettres  inedites  de  Victor  Jacquemont  ä  Button  Sharps  [In: 

Rev.  d'Hist.  litt,  de  la  Fr.  XIV,  4.  S.  696—711]. 
La  Bruyere.    Le  Chapitre  „Des  Esprits  Forts"  avec  introduction,  notes  et 

un  commentaire  p.  J  Calvet.   Paris,  Bloud  et  C»e,  1907. 
La  Fontaine  J.    de,  Fables.  Avec  introduction   et  annotations  de  Remy  Geant, 

Paris,  Libr.  mondiale,  10,  rue  de  l'üniversite.  In-16,  XlI-347  p. 

—  30  Fabeln.  Frei  in  deutsche  Verse  gebracht  v.  Rud.  Schiö.  Mit  20  Kunstdr. 
nach  Stichen  der  Orig.-Zeichngn.  aus  dem  XVllI.  Jahrb.,  im  Besitze  der 
französ  National-Bibliothek,  u.  e.  neuen  Abbild  v.  La  Fontaine.  (96  S.) 
kl.  8«.  Paris,  Ch.  Eitel  ('07).  2. 

J^amartine.  —  Le  Veritable  «Voyage  on  Orient»  de  Lamartine,  d'apres  les 
manuscrits  originaux  de  la  Bibliotheque  nationale  (documents  inedits); 
par  Christian  Marechal.  Paris  Bloud  et  Cie.  1908.  In-8,  VIII-215  p. 

Lesage,  Alain-Rene,  The  Adventures  of  Gil  Blas  de  Santillana.  Translated 
by  Tobias  Smollett.  With  an  introduction  and  notes  by  James  Fiizmaurice- 
Kelly.  2  vols  (The  World's  Classics).    London ;  H.  Frowde. 

Marseillaise.   —  A.  Chuquet  La  „Marseillaise"  en  AUemagne  [In:  Revue  Bleue 

25  janv.  190bJ. 

Maynard.  S.  oben  p.  222  Droiichet. 

Mercier,  L.  S.    Tableau  de  Paris.  Note  et  Preface  de  Luden  Roy.  Paris,  Louis 

Michaud.  3  fr.  50. 
Mohere's  Misanthrop  und  seine  englischen  Nachahmungen  von  H.  Ferchlandt. 

Diss.  Halle  lä07.  88  S.  m.  1  Tab.  8». 
Moliere  Le  misanthrope  precede  d'un  Dialogue  aux  enfers  par  Anatole  France 

et  suivi  de  la  conversion  d'Alceste  par  Georges  Courteline  decores  de 

26  Compositions  de  Jeanniot  dont  12  gravees  sur  bois  par  Florian  grand 
et  petit  in-4,  imprime,  en  trois  Couleurs  par  l'imprimerie  nationale,  tirage 
limite  a  310  exemplaires  numerotes  a  la  presse.    Paris,  1&.  Pelletan. 

Mvse  {la)  frangaise  (1823-1824).  Edition  critique  publiee  par  Jules  Marsau. 
T.  1er  Toulouse,  impr.  Privat.  Paris,  Cornely  et  Cie.  1907.  In-16  L-352  p.6fr. 

Mtksset,  A.  de.  —  Les  chefs-d'ceuvre  lyriques  de  Alfred  de  Musset.  Choix  et 
Notice  de  Auguste  Dorchain.  Leipzig,  W.  Weicher  1907  [Gowans's  inter- 
national Library.  Nr.  10]  Preis,  M.  0,75. 

—  ffiuvres  complötes.  Nouvelle  edition,  revue,  corrigee  et  augmentee  de 
documents  inedits,  precedee  d'une  notice  biographiqne  sur  l'auteur  et 
suivie  de  notes  par  Edmond  Bire.  I,  Premiöres  poesies  (1829 — 1835). 
Contes  d'Espagne  et  d'Italie;  Spectacles  dans  un  fauteuil;  Poesies  diverses 
Namouna.  Paris.  Garnier  fröres.  In-8,LXX-382  p.  Edition  sans  gravures,  3  fr. 


238  Novitätenverzeichnis. 

—  CEuvres  Comedies  et  Proverbes:  la  Nuit  venitienne;  Andre  del  Sarto; 
les  Caprices  de  Marianne;  Fantasio;  On  ne  badino  pas  avec  l'amour; 
Barberine.  Paris,  Lemerre.  lt)07.  In- 18  Jesus,  463  p.  et  iiliistrations  de 
Henri  Pille,  gravees  ä  Teau-torte  par  Louis  Monzies.  3  fr.  ')0. 

Musstt  A.  de.  Comedies  et  Proverbes  d'AUred  de  Musset.  II,  Lorenzaccio; 
Barberine.  Paris,  Calmann-Levy.  In-18  Jesus,  251  p.  1  fr. 

rasquier.  —  A'.  Glaser  Notes  sur  le  texte  de  „la  Congratulation"  d'Estienne 
Pasquier  [In:  Kev.  de  la  Renaissance  VIII,  juin-  octobre.  1907]. 

rerrault.  —  LesContesdePerrault,  illustres  par  E.  Courboin,  Fraipont,  GeofiFroy. 
Gerbault,  Job,  L.  Morin,  Robida,  Vimar,  Vogel,  Zier.  Introduction  par 
M.Gustave  Larroumet,  de  l'Institut.  Paris,  Laurens.  In-4,  IV- 11 9  p. 

Prudhomme,  Sully.  Analyse  de  quelques-unes  de.ses  poesies  p.  E.  Weber.  16  S. 
4".  Progr.  Berlin.  College  royale  frangais. 

Racine.  —  Michaut,  G.    La  Berenice  de  Racine.  Paris,  1907. 18*.  XIII,  356  pp. 

Ronsard.  —  Les  chefs  d'ceuvre  lyriques  de  Pierre  de  Ronsard  et  de  son  ecole. 
Choix  et  Notice  de  Auguste  Dorchain.  Leipzig,  W.  Weicher  [Gauvans's  inter- 
national Library].  Preis  M.  0,75. 

—  XI  sonnets  de  Pierre  de  Ronsard.  Nouvellement  recueillis  pour  quelques 
lettres.  Texte  de  1552  et  1578.  OflFert  par  Uugues  Vaganay,  Bibliothecaire 
des  Facultes  Catholiques  Lyon.  1  Janv.  1908.  Paris,  Philippe  Renouard, 
Imprimeur.  19,  rue  des  Saints-Peres. 

Rousseau  J.  J.    Lettre  ä  M.  d'Alembert  sur  les  spectacles.   Publice  avec  une 

introduction,  un  sommaire,  des  appendices  et  dos  notes  historiques  et 

grammaticales,   par  L.  Brunei  4»  edition,  revue.   Paris,  Hachette  et  C»e. 

1907.  Petit  in- 16,  XXXI-224  p.  1  fr,  50. 
Sainte-Beuve.  —  Lettres  de  Sainte-Beuve  ä  une  exilee  (M.  de  Solms)  [In: 

Le  Correspondant  des  10  et  25  aoüt  1907]. 
Saint-Simon  de.  Memoires   complets   et  authentiques   sur  le  siecle  de  Louis 

XIV  et  la  Regence,  collationnes  sur  le  manuscrit  original  par  M.  Cheruel 

et  precedes  d'une  notice  par  M.   Sainte-Beuve.  Paris.  Hachette  et  C»e. 

1907.  2  vol.  in-16.  T.  3,  479  p.  t.  6,  486  p.  Le  volume,  1  fr.  25. 
Sand.,  George.    Meine  Lebensbeichte.    Nach  dem  französischen  (L'histoire  de 

ma  vie)   v.  R,  Johivicz.    Mit  Einleitung  v.  Ella  Mensch.  152  S.  8°.    Mit  6 

Bildnissen.  Berlin,  H.  Seemann  Nachf.  1907.  M.  2. 
Scarron,  P.  A.  L.  Stiefel,    Zu  den  Novellen  Paul  Scarrons  [In:  Arch.  f.  neuere 

Spr.  CXIX  Va-  S.  101—109  (Fortsetzung  folgt). 

—  Poesies  diverses;  La  Mazarinade.  Virgile  travesti,- Roman  comique.  Choix, 
notice  biographique  et  bibliographique  par  Alphonse  Seche.  Michaud.  Petit 
in-16,  XV-142  p.  avec  2  portraits  de  Paul  Scarron  et  1  portrait  de  M. 
de  Maintenon.  1  fr. 

Scudery.  —  De  la  poesie  fran^aise  jusques  ä  Henry  quatrieme,  par  Madeleine 
de  Scudery.  Edition  ornee  d'un  portrait  frontispice,  avec  une  introduction, 
des  notes,  d'un  index,  p.  G.  Ißchaut.  Paris,  Sansot.  1  vol.  in- 12. 
2  francs. 

Sevigne,  M.  de.  Lettres  choisies.  Paris,  Flammarion.  In-18  Jesus,  359  p.  95  cent. 

Sevin.  —  C.  Ballu,  Curiosites  poetiques  du  XVIe  siecle:  Gervais  Sepin  ou 
Sevin  [In :  Rev.  de  la  Renaissance  VIII  (7e  annee).  Nov.  -  dec.  1907. 
S.  239-243]. 

Siael,  M.    de.  S.  oben  p.  221. 

—  Mme  de  Stael,  and  Benjamin  Constant.  ünpublished  letters,  together  with 
other  mementos  from  the  papers  left  by  Mme.  Charlotte  de  Constant. 
306  S.  8».  London,  Putnam's  Sons. 

Stendhal.  —  C.  Sryinski.  L'Alambic  de  Stendhal  [In:  Rev.  bleue  18.  janv.  1908]. 

—  V.  Oppeln-Bronikoii'ski.  Die  Quellen  zu  Stendhals  Renaissance-Novellen 
[In:  Zs.  f.  franz.  u.  engl.  Unterricht  VII,  1]. 

—  P'in  du  Tour  d'Italie  en  1811.  Cahier  complementaire  et  inedit  du 
„Journal"  p.  p.  A.  Paupe  [In:  Mercure  de  Fr.   16.  oct.  1907.  S.  577—605]. 


Novitätenverzeicimis.  239 

Kacine  et  Shakespeare;  Promenades  dans  Rome;  Histoire  de  la  peinture 
en  Italie;  Rome;  Naples  et  Florence;  Memoires  d'un  touriste,  etc.;  par 
Stendhal.  Biographie,  bibliographie,  pages  choisies  par  Charles  Simond. 
Paris.  Petit  in-16.  XXII- 136  p.  avec  portraits  de  Stendhal  et  caricature 
par  Alfred  de  Musset.  1  fr. 
Taine.    Hippolyte:  Napoleon.    Deutsch  v.  Luise  Wolf.     Hrsg.  u.  eingeleitet 

V.  Hans  Landsberg.     2.  Taus.    (Napoleon -Bibliothek.)  (VI.    102  S.)   '07. 
Kart.  2, — ;  geb.  in  Leinw.  2,50.  [In:  Museum.    8".   Berlin,  Pan-Verlag]. 

Vigny,  A.  de.  Helena  poeme  en  trois  chants  reimprime  en  entier  sur  l'edition 
de  1822  avec  une  introduction  et  des  notes  p.  E.  Estive.  These.  Paris, 
Hachette  et  Cie.    1907. 

—  B.  Alline.  Deux  sources  inconnues  des  premiers  poemes  bibliques  de 
Vigny:  l'abbe  Fleury  etdomCalmet  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de  laFr.  XIV, 4]. 

—  Fragment  d'une  adaptation  en  vers,  inedite,  de  Romeo  et  Juliette,  de 
Shakespeare,  p.  Alfred  de  Vigny  [In:  L'Italie  et  la  France.    Oct.  1907]. 

Villon,  des  Meisters  Frangois,  Werke.    Ins  Deutsche  übertr.  v.  K.  L.  Ammer. 

(V,  116  S.)    gr.  80.    Leipzig,  J.  Zeitler  '07.    5,—. 
Voltaire.    (Euvres  completes  T.  10.  Hachette  et  Cie.  1907.  In-16,  507  p.  1  fr.  25. 

—  E.  Bitter.  Une  lettre  de  Voltaire  (Moland  179)  [In:  Rev.  d'Hist.  litt,  de 
la  Fr.    XIV,  4.  S.  728]. 

—  Une  lettre  inedite  de  Voltaire  p.  M.  Bourdin  [In :  Mem.  de  la  soc.  d'emul. 
du  Doubs  1905.    Besangon  1906.   S.  67— 81J. 

Zola,  Emile.  Der  Zusammenbruch.  (Der  Krieg  v.  1870/71.)  Roman.  Neue 
Ausg.  in  1  Bde.  11— 20.  Taus.  (578  S.)  8°.  Stuttgart,  Deutsche  Verlags- 
Anstalt  ('08).  2, — ;  geb.  in  Leinw.  3,—. 

8.  Geschichte  und  Theorie  des  Unterrichts. 

Berlitz.  —  L'Enseignement  des  langues  Vivantes  d'apres  la  Methode  intuitive 
Berlitz.  Paris,  impr.Wellhoff  et  Roche;  27,  avenue  de  l'Opera.  1907.  In  8, 15p. 

Hirschmann  u.  Kaesbach.  Kanon  französischer  Gedichte  f.  Gymnasien  und 
Realgymnasien.  (32  S.)    8^'.    Warendorf,  J.  Schnell  ('07).    —,30. 

ßrandl,  AI.  Neuere  Sprachen  [In:  Universität  und  Schule.  Vorträge  auf 
der  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner  am  25.  Sep- 
tember 1907  gehalten  von  F.  Klein,  P.  Wendland,  AI.  Brandl,  Ad.  Harnack. 
Mit  einem  Anhange:  Vorschläge  der  Unterrichtskommission  der  Gesell- 
schaft deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  betreffend  die  wissenschaftliche 
Ausbildung  der  Lehramtskandidaten  der  Mathematik  und  Naturwissen- 
schaften.   1907.    Leipzig  und  Berlin,  B.  G.  Teubner]. 

Budde,    G.  Pro  domo !  [In :  Zs.  f.  d.  franz.  u.  engl.  Unterricht  VI,  6.  S.  481—486]. 

Büttner,  H.  Die  Muttersprache  im  fremdsprachlichen  Unterricht  [In:  Die 
neueren  Sprachen  XV,  6—8.] 

Hasl,  A.  Der  neue  bayerische  Lehrplan  für  den  neusprachlichen  Unterricht 
an  Real-  und  Oberrealschulen  [In:  Zs.  f.  d.  franz.  und  engl.  Unterricht 

VI,  6.  S.  509  ff.J. 

Kaluza.,  M.  Zur  Reform  der  Oberlehrerprüfung  [In:  Zs.  für  französischen 
und  englischen  Unterricht  VII,  1]. 

Söderhjelm,  W.  Die  Langenscheidschen  Hilfsmittel  für  den  modernen  Sprach- 
unterricht pn:  Neuphil.  Mitteilungen  1907  No.  V2  S.  27—31]. 

Werner,  A.  Bemerkungen  zu  den  schriftlichen  Arbeiten  im  Französischen 
[In:  Zs.  f.  d.  Realschulwesen  XXXII,  19.    S.  646  ff.]. 

9.  Lehrmittel  für  den  französischen  Unterricht. 

a)  Grammatiken,  Übungsbücher  etc. 

Bechtel,  A.  u.  Charles  Glaitser.  Französische  Konversations -Grammatik  für 
kommerzielle  Lehranstalten.  (Mit  abrege  de  grammaire.)  4.,  umgearb., 
m.  e.  abrege  de  grammaire  verseh.  Aufl.  (XV,  304  u.  80  S.)  8".  Wien, 
Manz  '07.   Geb.  2,80. 


240  Novitätenverzeichnis. 

—  Französisches  Lese-  und  Übungsbuch  für  Handels- Akademien  (höhere 
Handelsschulen).  Formenlehre,  2.,  rev.  Aufl.  (IX,  316  S.)  S".  Wien, 
Manz  '07.    Geb.  2,ö0. 

Berlitz,  M.  D.  Les  verbes  en  deux  tableaux.  (2  S.  in  Lex.  8  °  u.  2  S.  Text.) 
8».    Berlin,  S.  Cronbach  ('07).    —,50. 

Boei-ner,  Otto.  Lehrbuch  der  französischen  Sprache.  Mit  besond.  Berücksicht. 
der  Übgn.  im  mündl.  und  schriftl.  Gebrauch  der  Sprache.  Ausg.  B,  für 
höhere  Mädchenschulen  (nach  den  Bestimmungen  vom  31.  V.  1894). 
(Prof.  Dr.  Boerners  neusprachliches  ünterrichtswerk,  nach  den  neuen 
Lehrplänen  bearb.)  8"^.  Leipzig,  B.  G.  Teubner.  3.  Tl.  (Neubearbeitung.) 
Stoff  für  das  3.  Unterrichtsjahr.  Mit  e.  Vollbild:  Der  Winter.  Hierzu 
e.  grammat.  Anh.  .3.  Doppel-Aufl.  (V,  142  u.  72  S.)  '07.  Geb.  u.  geh.  2,  -• 

Fink.,  S.  Lehr-  und  Übungsbuch  der  französischen  Sprache  für  Kellner-  u. 
Kücheulehrlinge.  (75  S.)  8'^'.  München,  ßuchdruckerei  u.  Verlagsanstalt 
C.  Gerber  '07.    1,25. 

Fischer,  Herrn,  u.  Geo  Dost.  lYanzösische  Texthefte  zu  Hirts  Anschauungs- 
bildern (Künstlersteinzeichnungen  v.  Walter  Georgi),  nach  logisch-grammal. 
Gesichtspunkten  bearb.  14X22,5  cm.  Breslau,  F.  Hirt.  4.  Heft.  Dost, 
Goo.  Der  Winter.  (48  S.)    '08.   Kart.  —,80. 

Haberlands  Unterr.- Briefe.   Englisch.    37.    Brief    Leipzig,  Haberland.    — ,75. 

—  dasselbe.  Französisch.  36.  Brief.  Ebd.    — ,75. 

Hüft,  Gust.  Französische  Serien.  Schnelle  und  naturgemässe  Einführung  in 
die  französische  Sprache  durch  Unterscheidung  zwischen  objektiver  und 
subjektiver  Sprache  durch  zeitl.  Folge  der  Lebensvorgänge  und  durch 
innere  Anschauung.  1.  Tl  Französischer  Sprachstoff  nach  den  Grund- 
sätzen Fr.  Gouins.  Mit  Zeichngn.  v.  Adf.  Maack.  (VHI,  115  u.  Anh. 
SOS.)    80.   Hamburg,    0.  Meissners  Verl.  '07.    1,60;   Anh.   allein   —,40. 

Jarach  et  G.  Mouchet.  —  La  Composition  fran^aise  du  brevet  elementaire, 
precedee  d'une  preface  et  d'une  introduction  sur  1'  «  art  decomposer». 
100  sujets  traites,  100  plans,  300  sujets  analogues.  3e  edition,  revue  et 
corrigee.    Paris,  Nathan.   In-16,  XXXV-312  p. 

Kanzler,  A.  Hilfsbüchlein  für  den  Gebrauch  des  Französischen  als  Unter- 
richtssprache. Französische  Wörter  und  Kedensarten,  für  die  Hand  des 
Schülers  zusammengestellt.  2.  Aufl.  (VI,  41  S.)  kl.  8o.  Karlsruhe,  J. 
Lang  '07.   —,60. 

Lüching,  Gust.  Französische  Grammatik  für  den  Schulgebrauch.  3.,  verb. 
Aufl.     (X,  362  S.)    80.    Berlin,  Weidmann  ('07).    Geb.  4,—. 

Meurer,  Karl.  Sachlich  geordnetes  französisches  Vokabularium  m.  Phraseolo- 
gie und  Sprechübungen  über  Vorkommnisse  des  täglichen  Lebens.  An- 
leitung zum  französisch  Sprechen.  Mit  besond.  Berücksicht.  des  Wort- 
schatzes der  Ploetz'schen  Unterrichtsbücher  und  nach  den  Forderungen 
der  neuen  preuss.  Lehrpläne  für  alle  Klassen  höherer  Lehranstalten 
bearb.    4.  verb.  Aufl.    (XII,  180  S.)    8".   Berlin,  F.  A.  Herhig  '07.     1,80. 

Schidlofs.  Dr.  B.  Sprechsystem  „Praxis"  z.  Selbststudium  fremder  Sprachen 
(1000  Worte-System).  Französisch.  (In  10  Lfgn.)  1.  u.  2.  Lfg.  (S.  1—64.) 
8».    Berlin,  J.  Singer  &  Co.  ('07).    Je  —,50. 

Schaefer,  Curt.  Lehrgang  für  den  französischen  Unterricht.  (Im  Anschluss 
an  das  Elementarbuch)  4.  umgearb.  Aufl.  11.  Teil.  (II.  233  S.)  gr.  8**. 
Berlin,  Winckelmann  &  Söhne  '07.    2, — . 

Scharfenort.  Paris.  Encyclopedie  et  vocabulaire  de  la  vie  pratique.  (XIV, 
311  S.)    kl.  S".    Berlin,  A.  Bath  '08.    4,—. 

Weiss,  Meto.    Französische  Grammatik  f.  Mädchen.     II.  Tl.    Oberstufe.    4., 

verb.  Aufl.    (VIII,  343  S.)    8".    Paderborn,  F.  Schöningh  '07.    3,40. 

b.  Literaturgeschichte,  Schulausgaben,  Lesebücher. 

Decker,  R.  Achille.  Histoire  abregee  de  la  litterature  fran^aise  ä  l'usage  des 
classes  superieures  des  lycees  de  jeunes  filles  et  ä  l'usage  prive.  (II, 
106  S.)   8°.   Wien,  Manz  '07.    1,45;  kart.  1,70. 


Novitätenverzeichnift.  241 

Krebs^  E.    Abrege  de  l'histoire  de  la  litterature  frangaise.    Leipziff-Berlin, 

B.  G.  Teubner.    1907.   VI,  30  S.    8°. 
Loisch,  Dr.  Fr.    Histoire   de   la   litterature  frangaise   composee   d'apres  les 

meilleurs  auteurs  frangais  et  adaptee  ä  l'usage  des  ecoles  superieures. 

2.  ed.   augmentee   et   corrigee.    (XIV,  148  S.)   8°.   Leipzig,  Renger  '07. 

Geb.  2,40. 

Auteurs  frangais.  8".  Trier,  J.  Lintz.  Wershoven,  Prof.  Dr.  F.  J.  Frangais 
celebres.  Biographien  franz.  Herrscher,  Staatsmänner,  Feldherren,  Dichter, 
Gelehrten,  Entdecker,  Erfinder  der  neuern  Zeit.  Für  den  Schulgebrauch 
hrsg.    (96  S.)  '08.    Geb.   1,—. 

Beckmann,  Karl.  Französisches  Lesebuch  für  Realschulen  und  die  mittleren 
Klassen  realer  Vollanstalten,  Mit  3  Übersichtskarten  und  31  in  den 
Text  gedr.  Abbildungen  und  Kartenskizzen.  (X,  352  S.)  8».  Bielefeld, 
Velhagen  &  Klasing  'ü7.    Geb.  3,—. 

Bibliotheque  frangaise.  kl.  8".  Dresden,  G.  Kühtmann.  82.  Bd.  Rahn,  Choix 
d^»  poesies  frangaises  particulierement  des  poetes  lyriques  du  XIX«  siede. 
Mit  Vorwort,  Anmerkungen  und  Wörterbuch  hrsg.  (XII  168,  70  u.  44  S.) 
'08.  1.50.  83.  Bd.  Tkiers,  A.  La  campagne  d'Italie  de  Napoleon  Bonaparte 
en  1800.  Auszug  aus:  „Histoire  du  consulat  et  de  l'empire."  Für  den 
Schulgebrauch  hrsg.  u.  m.  Wörterbuch,  Questionnaire  und  Anmerkungen 
versehen  von  0.  Glöde.    (VIII,   142,  47  u.  44  S.)  '07.  Geb.  u.  geh.  1,20, 

—  dasselbe.  (Neue  Aufl.)  kl.  8°.  Ebd.  8.  Bd.  St  Bilaire,  E.  M.  de:  Courage 
et  bon  coeur,  Anecdotes  du  temps  de  l'empire.  Mit  Anmerkgn.,  Fragen 
u.  e.  Wörterbuch  zum  Schulgebrauch  hrsg.  v,  C.  Th.  Lion.  9.  Aufl  (IV. 
59,  22  u   32  S.)  '07.    —,80. 

Francillon,  Cyprien:  Le  Frangais  de  tous  les  jours.  Verbes  irreguliers  ä 
l'usage  des  ecoles  et  de  l'enseignement  prive,  contenant  31  exercices  de 
conversation,  33  exercices  sur  homonymes  et  proverbes,  —  45  exercices 
divers,  105  recits  ou  anecdotes.  (XVi,  356  S.)  8°.  Köln,  M.  Du  Mont- 
Schauberg  '08.    Geb.  5,—. 

Hartmann's,  K.  A.  Mart.  Schulausgaben  (französischer  Schriftsteller).  Wörter- 
buch. 80,  Leipzig,  Dr.  P.  Stolte.  No.  5.  Duruy.  Histoire  de  France. 
1789—1795.^  (39  S.)  '07.  —,30. 

Krön.  R.  En  France.  Lectures  et  conversations  frangaises  sur  tous  les  sujets 
de  la  vie  pratique.  Ouvrage  destine  ä  l'etude  de  la  langue  couiante, 
des  institutions,  moeurs  et  coutumes  de  la  France,  et  surtout  de  Paris. 
Ed.  speciale  pour  dames  et  jeunes  filjps.  4.  ed.,  revue  et  corrigee.  (11—17. 
mille.)  Avec  un  plan  de  Paris.  (IV,  192  S.)  kl.  8».  Freiburg  i.  B., 
J.  Bielefeld  '07.    Geb.  2,50. 

Martin  et  Lemoine.  Premier  livret  de  lecture.  Prononciatinn ;  Articulation; 
Ecnture.  Histoires  sans  paroles;  Conversations  sur  Images;  Petites 
Lectures  courantes  ilhistrees,  Methode  Martin  et  Lemoine.  Avec  la 
collaboration  de  MM.  Baudrillard  et  Fenard.  Paris,  Picard  et  Kaan. 
1907.    In- 16,  40  p.  avec  66  grav.  30  cent. 

Perthes'  Schulausgaben  englischer  und  französischer  Schriftsteller.  8°.  Gotha, 
F.  A.  Perthes,  No  1.  Rossoeuw  de  Saint  Hilaire,  Mlle.  Cecile  (J.  de  Veze). 
La  fille  du  braconnier.  Für  den  Gebrauch  an  höheren  Töchterschulen 
bearb.  v.  Dr.  Herrn.  Soltmann.    4.  Aufl.    (IX,  114  S.)  '08.    Kart.  1,—. 

Prosateurs  frangais.  Ausg.  A  m.  Anmerkungen  znm  Schulgebraucb  unter  dem 
Text.  Ausg.  B  m.  Anmerkungen  in  e.  Anh  kl.  8".  Bi^-lt^feld,  Velhagen  & 
Klasing.  173.  Lfg.  Durwj,  Vict.  Le  siecie  de  Louis  XIV.  Ausgewählte 
Abschnitte  aus  V.  Duruys  histoire  de  P>ance,  bearb.  v.  Vict.  Schliebitz. 
Autoris.  Ausg.    Ausg.  B.  (X,  137  und  80  S.)  '08.    1,50. 

—  dasselbe.  Wörterbücher,  kl.  8".  Ebd.  167.  Lfg.  Chailley-Bert.  Tu  seras 
commercant.  Zusammengestellt  v.  Vikt.  Dalheimer.  (36  S )  ('07.)  —.20. 
168.  Lfg.    Girault,  P.   Tony  ä  Paris.    Bearb.   v,  J.  Niederländer.   (64  S.) 

Ztschr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XXXII ».  16 


242  Novitätenverzeichnis. 

('07)  —,30.  169.  Lfg.  Chuquet,  Arth.  La  guerre  de  1870—71.  Bearb.  von 
Leon  Wespy.  (70  S.)  ('07.)  —,30  170.  Lfg.  Guizot.  F.  Histoire  de  la 
civilisation  en  Europa.  Hrsg.  v.  Gröhler.  (32  S.)  ('07.)  -,20.  171.  Lfg. 
Goncourt^  Edmond  de,  et  Jules  de  Goncourt.  Histoire  de  la  societe  fran^aise 
pendant  la  revolution  et  le  directoire.  Zusammengestellt  v.  Wilh.  Kalb- 
fleisch. (27  S.)  ('07.)  —,20.  172.  Lfg.  Gaspard,  Emile.  Les  pays  de  France. 
Bearb.  v.  Frz.  Petzold.    (74  S.)  ('07.)  —,30. 

—  dasselbe.  (Neudr.)  kl.  8°.  Ebd.  1.  Lfg.  Erckmann-Chatrian.  Histoire  d'un 
conscrit  de  1813,  im  Auszuge  neu  hrsg.  v.  H.  Merbach.  Mit  1  Übersichts- 
karte. Ausg.  B,  (Vlll.  162  U.  40  S.)  '07.  Geb.  1,10.  9.  Lfg.  Barante. 
Histoire  de  Jeanne  d'Arc.  im  Auszuge  hrsg.  v.  Arnold  Krause  Ausg.  B. 
(XU,  l31  u.  39  S.)  '07.  Geb.  1,10.  85.  Lfg.  Erckmann-Chatrian  Waterloo, 
suite  du  conscrit  de  1813.  Im  Auszuge  neu  hrsg.  v.  F.  Ost.  Mit  2  Über- 
sichtskarten. Ausg.  B.  (V,  130  u.  46  S.)  '07.  1.20.  108.  Lfg.  d'Berisson, 
Comte.  Journal  d'un  officier  d'ordonnance.  Im  Auszuge  neu  hrsg.  v.  Wilh. 
Weisser  Mit  2  Übersichtskarten.  Ausg.  B.  (VIII.  134  u.  4.5  S.)  '07. 
Geb.  1,20.  150.  Lfg.  Fuchs,  Max.  Tableau  de  l'histoire  de  la  litterature 
frangaise.  compose  d'apres  les  meilleurs  auteurs  frangais.  Avec  29  illustr. 
et  un  appendice:  Morceaux  choisis  de  la  litterature  du  moyen  äge.  3.  ed., 
revue  et  corrigee.    Ausgabe  B.    (VII,  228  u.  32  S.)  '07.    Geb.  1,60. 

Schriftsteller,  englische  und  französische,   der  neueren  Zeit.     Wörterbuch  z. 

48.  Bdchn.  8".  Berlin,  C.  Flemming.  48.  Mühlan.  A,  Conteurs  de  nos 
jours.    II.  Reihe.    (30  S.)    '08.    —,60. 

Schriftsteller,  englische  und  französische,  der  neueren  Zeit.  Für  Schule  und 
Haus  hrsg.  v.  J.  Klapperich.  (Ausg.  A.  Einleitung  u.  Anmerkungen  in 
deutscher,  Ausg.  B  in  engl.  od.  franz.  Sprache.)    8°.    Berlin,  G.  Flemming. 

49.  Bdchn.  Chatelain,  Dr.  A.  Ausgewählte  Erzählungen.  Für  den  Schul- 
gebrauch erklärt  von  Prof.  Dr.  K.  Sachs.  (Ausg.  A.)  (VII,  74  S.)  '08. 
Geb.   1,30. 

Schriftsteller,  englische  und  französische,  der  neueren  Zeit.  Für  Schule  und 
Haus  hrsg.  v.  J.  Klapperich.  Ausg.  A.  Einleitung  und  Anmerkungen  in 
deutscher,  Ausg.  B  in  engl,  od  franz.  Sprache.)  S''.  Berlin,  C.  Flemming. 
46.  Bdchn.  Moliere.  L'avare,  Comedie.  Mit  e  Einleitg.  und  Anmerkgn. 
V.  Ernst  Wasserzieher  und  Jean  Gontard.  (Ausg.  A.)  (XVI,  87  S.)  '07. 
Geb.  in  Leinw.  1,50;  Ausg.  B.    (XII,  88  S.)    1,50. 

—  französische,  aus  dem  Gebiete  der  Philosophie,  Kulturgeschichte  und 
Naturwissenschaft.  8°.  Heidelberg,  C.  Winter.  Verl.  1.  JoufiFroy,  Th. 
Melanges  philosophiques.  Auswahl  m.  Anmorkungen  v.  Realsch.-Prof. 
Dr.  Ernst  Dannheisser.   (134  S.)  '07.    Geb.  1,60. 

Schülerbibliothek,  französische.  I.  Serie,  kl.  8''.  Paderborn,  F.  Schöningh. 
6.  Bdchn.  Lavergne,  Julie.  Quatre  nouvelles  Mit  Anmerkungen  zum 
Schulgpbrauch  u.  e.  Wörterbuch  versehen  v.  F.  Mersmann.  (78,  15  und 
16  S.)  ('07.)   Geb.  und  geh.  1,20. 

Schulbiblioihek  französischer  und  englischer  Prosaschriften  aus  der  neueren 
Zeit.  Mit  besoiid.  Berücksicht.  der  Fordergn,  der  neuen  Lehrpläne  hrsg. 
V.  L.  Bahlsen  u.  J.  Hengesbach.  I.  Abtlg. :  Französ.  Schriften.  Wörter- 
bücher. 8°.  Berlin,  Weidmann.  14.  Bdchn.  Loti,  Pierre.  Aus  fernen 
Ländern  und  Meeren.  Bearb.  v.  A.  Hilka.  (23  S.)  '07.  —,30.  36.  Bdchn. 
Desheaux.  Les  trois  petits  mousquetaires.  Zusammengestellt  v.  E,  Hegener. 
3.  Aufl.    (32  S.)  '07.    —,30. 

Schulbibliothek,  französische  und  englische.  Hrsg.  v.  Otto  E.  A.  Dickmann. 
Reihe  A.  Prosa.  8".  Leipzig,  Renger.  70.  Bd.  Vigny,  Cte.  Alfr.  de.  Cinq- 
Mars  ou  une  conjuration  sous  Louis  XIII.  P^'ür  den  Schulgpbrauch  bearb. 
u.  erklärt  v.  Gast.  Strien.  3.  Aufl.  (X,  118  S)  '07.  Geb.  1,20.  73.  Bd. 
Lame-Kleury.  Histoire  de  France  de  4'  6—1328.  (Aus:  Histoire  de  France.) 
Für  den  Schulgebrauch  bearb.  v.  J.  Hengesbach.  4.  Aufl.  (IV,  98  S.) 
'07.   Geb.  1,—.     112.  Bd.  Wershoven,   F.  J.  Euglish  history.     Für   den 


Novitätenverzeichnis.  243 

Schulgebrauch  ausgewählt  und  erklärt.  Mit  4  Karten  und  3  Plänen. 
3.  Aufl.  (VI.  142  S.)  '07.  Geb.  1,40.  136.  Bd.  Porchat,  Jean-Jacques. 
Le  berger  et  le  proscrit.    Bearb.  v.  Gisbert  van  Moll.   (38  S.)  ('07.)  — ,30. 

—  dasselbe.  Wörterbuch.  8^'.  Ebd.  85.  Bd.  Passy,  Frederic.  Le  petit  poucet 
du  XIX  e  siecle.  Georges  Stephenson  et  la  naissance  des  chemins  de  fer. 
Bearb.  v.  Wilh.  Gaedicke.    (24  S.)   '07.    —,25. 

—  dasselbe.  Reihe  C.  (Für  Mädchenschulen.)  kl.  8".  Ebd.  18.  Bd.  Stahl, 
P.-J.  Maroussia.  Für  den  Schulgebrauch  bearb.  v.  M.  Mühry.  2.  Aufl. 
(IV.  98  S.)   '07.   In  Leinw.  kart.  —,90. 

Scribe,  E.  Le  verre  d'eau.  Für  den  Schulgebrauch  herausgegeben  v.  Prof. 
Dr.  Friedrich.  Leipzig.  G.  Freytag.  Wien,  F.  Tempsky  1907,  1,20. 
Hierzu  ein  Wörterbuch.  — ,30.  [Freytags  Sammlung  französischer  und 
englischer  Schriftsteller.]. 

Textausgaben  französischer  und  englischer  Schriftsteller  für  den  Schulgebrauch. 
(Hrsg.  unter  Red.  v.  Prof.  Ose.  Schmager.)  kl.  8°.  Dresden,  G.  Küht- 
mann.  37.  Bd.  Hugo,  Vict.  Morceaux  choisis.  Poesie  et  prose.  Ausge- 
wählt und  erklärt  v.  F.  J.  Wershoven.  (XV,  139  u.  29  S.  m.  Bildnis.) 
'07.     1,20. 

—  dasselbe.  (Neue  Aufl.)  kl.  8".  Ebd.  5.  Bd.  Michand,  Jos.-Franq.  Les 
croisades  de  Frederic  Barberonsse  et  de  Richard  Coeur-de-Lion.  In  ge- 
kürzter Fassung  hrsg.  v.  Frz.  Hummel.  2.  Aufl.  (IV,  109  S.)  08.  Geb. 
—,80;  Wörterverzeichnis.    (13  S.)    8".    — ,15. 

Weiizenböck,  G.  Lehrbuch  der  französischen  Sprache.  I.  Siebente  Aufl.  Mit 
einer  Münztafel.     Wien,  F.  Tempsky,  Leipzig  G.Freytag  1907.  Geb.  2,50. 

—  Lehrbuch  der  .französischen  Sprache.  IL  A.  Übungsbuch.  Mit  25  Ab- 
bildungen, 1  Übersichtskärtchen  von  P'rankreich  und  1  Plan  von  Paris. 
Sechste  Aufl.     Geb.  2,50.    Leipzig,  G.  Freytag.     Wien,  F.  Tempsky  1908. 

—  Lehrbuch  der  französischen  Sprache.  IL  Teil.  B.  Sprachlehre.  Fünfte, 
durchgesehene  Aufl.    Geb.  1,50.    Leipzig,  G.  J'reytag  1906. 

—  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  für  höhere  Mädchenschulen  und 
Lehrerinnen-Seminaren.  IL  B.  Sprachlehre.  2.  Aufl.  Geb.  1,70.  Leip- 
zig, G.  Frey  tag.     Wien,  F.  Tempsky.    1907. 

Wever.  C.  Textes  frangais.  Lectures  et  Explications  ä  l'usage  des  l«"®,  2e 
et  3e  annees  de  l'enseignement  primaire  superieur.  Avec  iutroduction, 
notes  et  commentaires.     Paris,  Masson  et  Cie.  1908.  In-16,  VII-473  p.  3  fr. 

Wolter,  E.  Frankreich.  Geschichte,  Land  und  Leute.  Ein  Lese-  und 
Realienbuch  für  den  französ.  Unterricht,  (in  2  Tln.)  1.  Tl.  Histoire  et 
biographies.  Mit  3  in  den  Text  gedr.  Plänen  und  2  Karten.  3.  verb. 
Aufl.    (VlII.  230  S.)    8".    Berlin,  Weidmann  '07.    2,80. 


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2003 
Z5 
Bd.  32 


Zeitschrift  für  französische 
Sprache  und  Literatur 


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