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Full text of "Zeitschrift für infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere"

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LIBRARY 

UNIVEKSITY  OF  CALIFORMJA 


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Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten, 

parasitäre  Krankheiten  und  Hygiene 

der 

Haustiere. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  R.  Ostertag, 

Professor  an  der  Tierärztl.  Hochschule  zu  Berlin, 


Dr.  E.  Joest, 


und         Dr.  K.  Wolffhügel, 

Professor  an  der  Tierärztl.  Hochschule  Professor  an  der  Landwirtschaft!,  und 

zu  Dresden,  Tierärztl.  Hochschule  zu  Buenos-Aires. 


Zweiter  Band. 


Berlin  1907. 

Verlagsbuchhandlung  von  Richard  Schoetz. 
Wilhelmstraüe  10. 


UNIVLRS1TY  OF  CALIFORNIA 
DAVIS 


Berlin,  Druck  von  W.  BQxenatein. 


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LIBRARY 


OriginalarbeitW^  yo^ 


(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule 

zu  Berlin.) 

Weitere  Untersuchungen  über  die  Hühnerpest. 

(Übertragbarkeit  auf  andere  Tiere  als   Hühner,  Resistenz  des   An- 
steckungsstoffes gegenüber  äußeren  Einflüssen  und  Desinfektionsmitteln, 
Zfichtbarkeit  des  Ansteckungsstoffes  und  Immunisierungs versuche.) 

Von 
Dr.  R.  Ostertag,  und  Dr.  G.  Bugge, 

Leiter  ehemalig.  Repetitor 

des  InitltnU. 

Die  im  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule  zu 
Berlin  im  Jahre  1901  begonnenen  Untersuchungen  über  die  Hühner- 
pest, über  deren  wesentlichstes  Ergebnis  bereits  von  Ostertag 
und  Wolffhügel  berichtet  worden  ist,*)  sind  in  der  Folge  fortgesetzt 
worden.  Da  einige  der  im  Verlauf  der  weiteren  Versuche  fest- 
gestellten Tatsachen  von  Interesse  sind,  soll  auch  das  Resultat 
dieser  Versuche  mitgeteilt  werden.**)  Wir  bemerken,  daß  sämtliche 
Versuche  bereits  im  Juni  1903  abgeschlossen  waren,  und  daß  ihre 
Veröffentlichung  bis  jetzt  aus  äußeren  Gründen  unterblieben  ist. 
Hinsichtlich  der  Berücksichtigung  der  neueren  Literatur  über  die 
Hühnerpest  sei  darauf  hingewiesen,  daß  sich  die  vorliegende  Mit- 
teilung an  einen  am  14.  Juni  1903  erstatteten  Bericht  anschließt. 


*)  Monatshefte  für  praktische  Tierheilkunde  Bd.  14. 

**)  Auch   bei   den   hier   in  Betracht  kommenden  Versuchen  war  Wolff- 
hügel so  lange  beteiligt,  als  er  die  Stelle  des  Repetitors   am  Hygienischen 
Institut  bekleidete.   Wolffhügel  hat  insbesondere  die  Übertragungs versuche 
auf  Gänse  und  Enten,  einen  Teil  der  Desinfektionsversuche  und  die, 
sierungsversuche  ausgeführt. 

Zeltecfarift  für  Infektionskrankheiten.  II,  1. 


_     2     - 

Im  Laufe  der  fortgesetzten  Untersuchungen  über  die  Hühnerpest 
wurden  die  Empfänglichkeit  von  Truthühnern  und  Sperlingen  und  die 
Übertragbarkeit  der  Krankheit  auf  Gänse,  Enten,  Tauben,  Kaninchen, 
Meerschweinchen  und  Mäuse  von  neuem  geprüft.  Ferner  ist  durch 
ergänzende  Untersuchungen  festgestellt  worden,  wie  lange  sich  der 
Ansteckungsstoff  der  Hühnerpest  unter  den  verschiedenen  Aufbe- 
wahrungsbedingungen hält.  Drittens  wurde  ermittelt,  welches  der 
üblichen  Desinfektionsmittel  den  Ansteckungsstoff  am  schnellsten 
zerstört..  Endlich  sind  noch  Versuche  über  die  Züchtbarkeit  des 
Ansteckungsstoffes  der  Hühnerpest  in  Kollodiumsäckchen  und  über 
das  Vorhandensein  von  immunisierenden  Stoffen  im  Blute  durch- 
geseuchter  Tiere  angestellt  worden. 

1.  Prüfung  der  Empfänglichkeit  von  Gänsen,  Truthühnern,  Sperlingen,  jungen 
Tauben,  Enten,  Kaninchen,  Meerschweinchen  und  Mäusen  für  Hühnerpest. 

Die  Impfung  von  5  Gänsen,  4 Truthühnern  und  2  Sperlingen  ergab, 
daß  sie  für  Hühnerpest  empfänglich  sind.  Dagegen  gelang  die  Über- 
tragung auf  junge  Tauben,  die  anderen  Forschern  ausnahmsweise  ge- 
lungen ist,  bei  den  diesseits  angestellten  Versuchen  nicht.  Desgleichen 
konnten  Enten,  Kaninchen,  Meerschweinchen  und  Mäuse  mit  dem 
Ansteckungsstoff  der  Hühnerpest  nicht  infiziert  werden.  Versuche 
mit  Fasanen  mußten  unterbleiben,  weil  es  nicht  gelang,  lebende 
Fasanen  zu  den  Versuchen  zu  beschaffen. 

Besonderes  Interesse  beanspruchen  die  an  Gänsen  vorgenom- 
menen Übertragungsversuche,  einmal,  weil  bei  den  mit  Hühner- 
pest infizierten  Gänsen  eigenartige  zerebrale  Erschei- 
nungen auftraten,  und  dann,  weil  das  Blut  der  infizierten 
Gänse  nicht  immer  infektiös  war.*) 

*)  Kleine  sowie  Kleine  und  Möllers  (Zeitschr.  f.Hyg.  u.  Infektionskrankh., 
51.  Bd.,  1905  und  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  39.  Bd.,  1905,  H.  5)  haben  durch  Impf- 
versuche nachgewiesen,  daß  bei  Gänsen  das  Virus  der  Hühnerpest  ins  Gehirn 
und  Kückenmark  einwandert  und  hier  Reizerscheinungen  und  andere  klinische 
Symptome  auslöst.  Durch  diese  Lokalisation  im  Gehirn  tritt  die  Hühnerpest 
bei  Gänsen  in  Parallele  mit  der  Tollwut  (Kleine).  Schon  vorher  hatten 
Maggiora  und  Valenti  daraufhingewiesen,  daß  das  Blut  gestorbener  Gänse 
nicht  infektiös  sei  (Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.  48.  Bd.).  Kleine  stellte 
demgegenüber  fest,  daß  das  Blut  an  Hühnerpest  gestorbener  Gänse  nicht 
immer  infektiös  ist,  und  daß  das  Virus  auch  in  den  Fällen,  in  denen  es  im 
Blute  fehlt,  im  Gehirn  und  Kückenmark  leicht  durch  Verimpfen  nachgewiesen 
werden  kann  (s.  o.). 


—     3     — 

Am  22.  Juli  1902  wurden  6  Gänse  mit  dem  Herzblut  eines  an 
Hühnerpest  gestorbenen  Huhnes  zum  Teil  subkutan,  zum  Teil  intra- 
muskulär geimpft. 

Von  den  geimpften  Gänsen  sind  zwei  rasch  gestorben,  Gans  1 
am  26.  Juli  und  Gans  2  tags  darauf.  Beide  Tiere  zeigten  die  Er- 
scheinung einer  von  den  Gliedmaßen  zum  Kopf  fortschreitenden 
Lähmung,  ähnlich  wie  die  Hühner.  Sie  konnten  sich  schließlich 
nicht  mehr  auf  den  Füßen  erheben  und  lagen  mit  gespreizten 
Flügeln  auf  dem  Boden.  Bisweilen  zeigten  die  Tiere  Streckkrämpfe, 
wobei  der  Hals  und  der  Steiß  senkrecht  zur  Längsachse  auf- 
gerichtet wurde.  Meist  wurde  aber  der  Hals  nach  vorn  weggestreckt 
und  der  Kopf  mit  der  Schnabelspitze  aufgestützt.  Der  Obduktions- 
befund entsprach  demjenigen,  der  bei  Hühnern  erhoben  wurde.  Zwei 
Hühner,  die  mit  Blut  von  Gans  1  subkutan  am  26.  Juli  geimpft 
worden  waren,  sind  am  29.  Juli  und  1.  August  an  Hühnerpest 
gestorben,  dagegen  sind  mit  dem  Blut  der  Gans  2  zwei  Hühner 
ohne  Erfolg  geimpft  worden. 

Gans  3  ist  am  30.  Juli,  8  Tage  nach  der  Infektion,  verendet. 
Dieses  Tier  zeigte  am  Tage  vor  dem  Tode  tonisch-klonische 
Krämpfe  und  anfallsweise  auftretende  Zwangsbewegungen;  es 
machte  in  einemKreise  mit  einem  Durchmesser  von  einemFuß  Manege- 
bewegungen, indem  es  dabei  schrie.  Häufig  folgte  auf  die  Manege- 
bewegung ein  Aufrichten  und  Flügelschlagen,  worauf  der  Anfall  ver- 
schwand. Derartige  Anfälle  konnten  durch  äußere  Reize,  so  z.  B.  schon 
durch  Vorwerfen  von  Futter,  ausgelöst  werden.  In  einem  solchen  Anfall 
verendete  die  Gans  3  am  30.  Juli.  Der  Obduktionsbefund  war 
negativ.    Von  vier  mit  dem  Blut  der  Gans  3  am  30.  Juli  geimpften 


Junge  Tauben  erkranken,  wie  Centann i  zuerst  gefunden  hat,  nach 
künstlicher  Infektion  mit  Hühnerpest  bekanntlich  an  Labyrinthschwindel. 
Werner  Rosenthal  (Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  89.  Bd.,  1905,  H.  2)  besaß  ein 
abgeschwächtes  Hühnerpestvirus,  das  Hühner  nach  mehrtägiger  Inkubations- 
zeit und  etwas  verlängertem  Krankheitsverlauf  unter  Krämpfen  und  Erschei- 
nungen des  Labyrinthschwindels  tötete.  Im  Gehirn  dieser  Hühner  ermittelte 
W.  Rosenthal  herdförmige,  perivaskuläre  Zellanhäufungen,  die  den 
Zellherden  bei  Tollwut  glichen.  Durch  diese  Befunde  wurde  W.  Rosenthal 
veranlaßt,  subdurale  Impfungen  mit  Hühnerpest  vorzunehmen,  wobei  es  ihm 
gelang,  selbst  alte  Tauben  zu  infizieren. 

So  sind  Kleine  und  Werner  Rosenthal  auf  verschiedenen  Wegen  und 
unabhängig  von  einander  zu  der  Annahme  einer  Beziehung  zwischen  Hühner- 
pest und  Tollwut  gelangt. 

1* 


—     4     — 

Hühnern  ist  eines  am  Leben  geblieben,  die  übrigen  sind  am  3.,  5., 
und  9.  August  an  Hühnerpest  gestorben. 

Gans  4  starb  am  2.  August  nach  ähnlichen  Krankheitserschei- 
nungen, Gans  5  am  3.  August,  ohne  auffallige  Symptome  gezeigt 
zu  haben,  und  Gans  6  tiberlebte  die  Infektion.     Gans  6  ließ  ledig- 


Mit  Hühnerpest  infizierte  Gänse. 

Links  Gans  4  während  einer  Manegebewegung,  recht«  Gans  6  während  eines  kataleptiformen  Anfalls. 

lieh  kataleptiforme  Anfälle  erkennen,  in  denen  sie  mit  einem  hoch- 
gehobenen Fuß  und  starr  nach  der  Seite  gehaltenem  Kopf  regungs- 
los minutenlang  verharrte. 


2.  Resistenz  des  Ansteckungsstoffes  gegenüber  äußeren  Einflüssen. 

Um  die  Haltbarkeit  des  Ansteckungsstoffes  der  Hühnerpest 
unter  den  verschiedenen  Aufbewahrungsbedingungen  zu  prüfen, 
wurde  Blut  pestkranker  Hühner,  das  den  Ansteckungsstoff  der 
Hühnerpest  enthält,  in  dünner  Schicht  eingetrocknet  und  bei 
Zimmertemperatur  stehen  gelassen.  Anderes  Blut  und  blutreiche 
Organteile  sind  in  dicker  Schicht  der  Fäulnis  überlassen  und 
gleichfalls  bei  Zimmertemperatur  aufbewahrt  worden.  Je  die 
Hälfte  des  Materials  wurde  im  Dunkeln  gehalten,  die  andere  Hälfte 
dagegen  der  Einwirkung  des  Sonnenlichtes  ausgesetzt.  Die  Fest- 
stellung der  Infektiosität  des  Materials   geschah   unmittelbar   nach 


—     5     — 

der  Entnahme  und  hierauf  nach  verschiedenen  Zeiten  durch  sub- 
kutane und  intramuskuläre  Verimpfung  an  Hühner.  Außerdem  wurde 
Herzblut  von  an  Hühnerpest  gestorbenen  Tieren  in  Glaskapillaren 
bei  etwa  5°  C  aufbewahrt  und  nach  verschieden  langen  Fristen  auf 
seine  Ansteckungsfähigkeit  durch  Übertragung  auf  Hühner  geprüft. 

Die  Versuche  haben  ergeben,  daß  der  Ansteckungsstoff  der 
Hühnerpest  bei  der  Aufbewahrung  in  dünner  Schicht  bei  Zimmer- 
temperatur durch  eine  23  Tage  dauernde  Eintrocknung  und  bei  der 
Aufbewahrung  in  dicker  Schicht  bei  der  gleichen  Temperatur  durch 
eine  ebenso  lange  währende  Fäulnis  nicht  zerstört  wird.  Die 
Vernichtung  des  Ansteckungsstoffes  konnte  erst  nach  39  Tagen 
festgestellt  werden;  es  zeigte  sich  hierbei  als  belanglos,  ob  das 
Material  in  dünner  Schicht  angetrocknet  oder  im  Zustand  der  Fäul- 
nis aufbewahrt  worden  war. 

Durch  das  Ergebnis  dieser  Versuche  wird  die  Angabe  von 
Lode  und  Centanni  widerlegt,  daß  der  Ansteckungsstoff  der  Hühner- 
pest schon  durch  geringe  und  kurzdauernde  Fäulnis  unwirksam  ge- 
macht werde. 

Wenn  ansteckungsfähiges  Material  von  pestkranken  Hühnern 
in  dicker  Schicht  auf  Objektträger  aufgestrichen  und  bei  Zimmer- 
temperatur aufbewahrt  wurde,  so  ergab  sich,  daß  es  noch  nach 
100  Tagen  ansteckungsfähig  war.  Steril  bei  etwa  5°  C  aufbe- 
wahrtes Kapillarblut  erwies  sich  nach  66  und  in  einem  Falle  noch 
nach  83  Tagen  als  ansteckungsfähig,  nach  84  und  mehr  Tagen 
dagegen  nicht  mehr.  Hervorzuheben  ist,  daß  es  auch  bei  diesen 
Versuchen  ohne  Belang  war,  ob  das  Material  belichtet  oder  nicht 
belichtet  gewesen  war.  Somit  ist  auf  die  Zerstörung  des  in  den 
natürlichen  Trägern  (Blut  und  blutreichen  Organe)  enthaltenen  An- 
steckungsstoffes der  Hühnerpest  die  Belichtung  ohne  Einfluß.*) 


*)  Von  Maue  (Arbeiten  aus  dem  Kais.  Gesundheitsamt,  21.  Bd.,  1904,  H.  3) 
ist  angegeben  worden,  daß  Blut  von  an  Hühnerpest  eingegangenen  Hühnern  noch 
virulent  war 

bei  Aufbewahrung  in  Kapillaren  bei  +  8°  C  im  Eisschrank  nach  144  Tagen, 
bei  Aufbewahrung  im  Gemisch  mit  der  gleichen  Menge  Glyzerin  wie  oben 

nach  270  Tagen, 
bei  Eintrocknung  in  dünner  Schicht  in  einem  Baum  von  21—28°,  vor  Licht 

geschützt,  nach  9  Tagen, 
in  getrockneter  Leber  nach  19  Tagen, 

in  getrocknetem  Bückenmark  in  einem  dunklen  Baum  von  20°  aufbewahrt, 
nach  233  Tagen. 


—     6     — 

3.  Resistenz  des  Virus  gegenüber  Desinfektionsmitteln. 

Als  Desinfektionsmittel  sind  geprüft  worden:  Wärme,  2proz. 
wässerige  Sodalösung,  öproz.  Kreolinlösung  und  lproz.  Sublimat- 
lösung. 

Die  Erwärmungsversuche  haben  in  Übereinstimmung  mit 
den  früher  angestellten  Versuchen  ergeben,  daß  eine  momentane 
Erhitzung  des  Ansteckungsmaterials  auf  65°  C  den  Ansteckungsstoff 
nicht  sicher  zerstörte,  daß  dagegen  die  Erhitzung  auf  70°  C  bei  mo- 
mentaner Einwirkung  stets  genügte,  um  das  infektiöse  Material  un- 
schädlich zu  machen.*) 

Die  Versuche,  den  Ansteckungsstoff  durch  Einwirkung  chemi- 
scher Desinfektionsmittel  zu  vernichten,  zeigten,  daß  der 
Ansteckungsstoff  der  Hühnerpest  eine  wechselnde  Wider- 
standsfähigkeit gegenüber  der  Einwirkung  der  geprüften 
Desinfektionsstoffe  besitzt. 

In  einem  Versuch  wurde  beispielsweise  der  Ansteckungsstoff 
der  Hühnerpest  durch  die  Einwirkung  einer  kalten  2proz.  Soda- 
lösung während  1—60  Minuten,  durch  die  Einwirkung  einer  lproz. 
Sublimatlösung  während  1  und  5  Minuten  und  einer  öproz.  Kreolin- 
lösung während  1  und  5  Minuten  nicht  abgetötet.  Die  Abtötung 
gelang  in  diesem  Versuch  erst  durch  die  einstündige  Einwirkung 
einer  lproz.  Sublimat-  und  öproz.  Kreolinlösung. 

In  einem  zweiten  Versuch  ist  der  Ansteckungsstoff  der  Hühner- 
pest durch  die  Einwirkung  einer  lproz.  Sublimatlösung  schon  nach 
einer  Minute  und  einer  öproz.  Kreolinlösung  nach  fünf  Minuten  ver- 
nichtet worden.  Dagegen  erwies  sich  auch  im  zweiten  Versuch  die 
kalte  2proz.  Sodalösung  als  unwirksam,  selbst  wenn  sie  eine  volle 
Stunde  auf  den  Ansteckungsstoff  einwirkte. 

Diese  verschiedene  Resistenz  des  Ansteckungsstoffes  der  Hühner- 
pest ergibt  sich  auch  aus  den  bereits  an  anderen  Orten  angestellten 
Desinfektionsversuchen.  So  sagt  Lode,  daß  Sublimat  1 :  1000  den 
Ansteckungsstoff  nach  30  Minuten,  „vermutlich  noch  früher",  zer- 
störe, und  daß  Schwefelsäure  1 :  100,  Kalilauge  2  :  100  und  Chlorkalk 


*)  Nach  Matie  (a.  a.  0.)  kann  eine  Temperatur  von  70°  C  nach  einer 
1  Minute  dauernden  Einwirkung  das  Virus  der  Hühnerpest  töten.  Dieser 
Erfolg  war  aber  in  den  Versuchen  Mau  es  bei  dieser  Einwirkungszeit  nicht 
sicher.  Sichere  Vernichtung  des  Virus  sah  Maue  erst  nach  5—10  Minuten 
langer  Einwirkung  einer  Temperatur  von  70°  C. 


—     7     — 

3  :  1000  nach  10  Minuten  die  gleiche  Wirkung  haben.  Centanni 
sagt,  der  Ansteckungsstoff  der  Seuche  werde  durch  Sublimat  1 :  1000, 
Karbol  5 :  100  und  Salizylsäure  in  gesättigter  Lösung  vernichtet, 
ohne  daß  indessen  angegeben  wird,  wie  lange  diese  Desinfektions- 
mittel auf  den  Ansteckungsstoff  einwirken  müssen.  Endlich  fuhren 
Maggiora  und  Valenti  an,  daß  das  Virus  der  Hühnerpest  durch 
die  Einwirkung  von  40proz.  Kalkmilch,  lproz.  Sublimatlösung,  öproz. 
Salzsäure  sowie  öproz.  Laplac escher  Mischung  (Karbolschwefel- 
säure) sofort  zerstört  werde. 

Diese  verschiedenen  Ergebnisse  der  Desinfektionsversuche  dürf- 
ten durch  eine  wechselnde  Resistenz  des  Ansteckungsstoffes  zu  er- 
klären sein.  Die  Annahme  eines  Naturzustandes  von  besonderer  Wider- 
standsfähigkeit (Sporen)  ist  bei  dem  Ansteckungsstoff  der  Hühnerpest 
nach  den  übereinstimmenden  Ergebnissen  der  hier  ausgeführten  Er- 
hitzungsversuche auszuschließen.  Das  Virus  wurde  in  unseren  Ver- 
suchen durch  Erhitzung  auf  70°  C  ganz  regelmäßig  zerstört.  Bei 
Krankheitserregern,  die  Sporen  bilden,  ist  bis  jetzt  ein  solch  gleich- 
mäßiges Verhalten  gegenüber  einem  bestimmten  Temperaturgrad 
nicht  beobachtet  worden.  Die  verhältnismäßig  geringe  Resistenz  des 
Ansteckungsstoffes  gegenüber  der  Einwirkung  höherer  Temperatur- 
grade  ist  für  die  Desinfektionspraxis  von  Bedeutung;  denn  wir 
lernen  daraus,  daß  das  Virus  der  Hühnerpest  mit  Sicherheit  zerstört 
wird,  wenn  die  diesseits  geprüften  üblichen  Desinfektionsmittel  heiß 
(bei  70°  C)  angewendet  werden.  In  heißem  Zustande  genügt  schon 
eine  2 proz.  Sodalösung,  um  den  Ansteckungsstoff  zu  zerstören;  noch 
sicherer  gelingt  dies  durch  eine  heiße  lproz.  Sublimat-  oder  öproz. 
Kreolinlösung. 

4.  Züchtungsversuche. 

Die  Versuche,  den  Ansteckungsstoff  der  Hühnerpest 
in  Kollodiumsäckchen  zu  züchten,  sind  fehlgeschlagen.  Es 
g-elang  zwar,  in  dem  Inhalt  von  Kollodiumsäckchen,  die  mit  Blut 
von  pestkranken  Hühnern  geimpft  und  hierauf  in  die  Leibeshöhle 
von  Hühnern  versenkt  worden  waren,  bei  der  ersten  Übertragung 
auf  ein  zweites  Säckchen  noch  die  Ansteckungsfähigkeit  des  Ma- 
terials nachzuweisen.  Bei  den  späteren  Übertragungen  ist  dies  in- 
dessen nicht  mehr  geglückt.  Nun  ist  aber  die  Übertragung  der 
Hühnerpest  auf  Hühner  das  einzige  Mittel,  um  sich  von  dem  Vor- 
handensein des  Ansteckungsstoffes  in  einem  bestimmten  Material  zu 


—     8     — 

überzeugen.  Da  die  Übertragung  schon  bei  der  Anlegung  der 
zweiten  Serie  von  Kollodiumsäckchen  nicht  mehr  gelang,  so  war  die 
Möglichkeit  genommen,  die  weiteren  Serien  von  Kollodiumsäckchen- 
kulturen darauf  zu  prüfen,  ob  sie  den  Ansteckungsstoff  der  Hühner- 
pest enthielten  oder  nicht. 


5.  Immunisierungsversuche. 

Von  den  früheren  Infektionsversuchen  waren  7  Hühner  übrig 
geblieben,  die  die  künstlich  erzeugte  Krankheit  nach  einer  ver- 
schieden langen  Krankheitsdauer  überstanden  hatten.  Diesen  Tieren 
wurden,  nachdem  sie  vollständig  wiederhergestellt  waren,  wieder- 
holt steigende  Mengen  Blut  von  pestkranken  Hühnern  in  die  Bauch- 
höhle eingespritzt.  6  bis  12  Tage  nach  der  letzten  Einspritzung 
ist  durch  Vermischen  des  Blutserums  dieser  Tiere  mit  virulentem 
Blut  festzustellen  versucht  worden,  ob  in  dem  Blut  der  durch- 
geseuchten  und  nachgeimpften  Tiere  immunisierende  Schutzstoffe 
enthalten  sind. 

Die  Versuche  haben  ergeben,  daß  in  dem  Blut  der- 
artiger Hühner  10  Tage  nach  der  Nachimpfung  tatsäch- 
lich Schutzstoffe  zugegen  sind,  allerdings  nur  in  geringen 
Mengen.  Es  zeigte  sich,  daß  Dosen  von  1  und  6  ccm  Serum 
der  immunisierten  Hühner  nicht  ausreichten,  um  den  Ansteckungs- 
stoff der  Hühnerpest  unwirksam  zu  machen,  daß  dieser  Erfolg 
vielmehr  erst  bei  der  Anwendung  von  10  ccm  Serum  eintrat.*)  Die 
Feststellung,  daß  im  Blut  gegen  Hühnerpest  immunisierter  Hühner 
Schutzstoffe  enthalten  sind,  hat  lediglich  einen  wissenschaftlichen 
Wert.  Eine  praktische  Verwertung  der  Schutzimpfung  ist  bei  der 
Hühnerpest  ausgeschlossen,  weil  es  nicht  möglich  ist,  den  An- 
steckungsstoff zu  züchten  und  somit  in  denjenigen  Mengen  bereit 
zu  stellen,  die  zur  Gewinnung  größerer  Mengen  hochwertigen 
schützenden  Serums  erforderlich  sind. 


*)  Maue  (a.  a.  0.)  hat  umfangreiche  Versuche  zur  Gewinnung  eines  immuni- 
sierenden Serums  an  Schafen,  einer  Ziege,  einem  Esel,  einer  Ente,  einer  Gans 
und  einer  Taube  angestellt  und  hierbei  Serum  von  einem  gewissen  Schutzwert 
erhalten.  Das  Serum  war  aber  nicht  imstande,  Hühner  gegen  eine  intra- 
muskuläre Infektion  zu  schützen.  Auch  die  von  Maue  ausgeführten  Ver- 
suche einer  Simultanimpfung  und  einer  aktiven  Immunisierung  sind  ohne 
Erfolg  geblieben. 


—     9     — 

Aus  den  vorstehend  geschilderten  ergänzenden  Untersuchungen 
über  die  Hühnerpest  sind  insbesondere  die  Ergebnisse  derjenigen 
Versuche  von  praktischer  Bedeutung,  die  auf  die  Ermittelung  der 
Resistenz  des  Ansteckungsstoffes  gegen  natürliche  Einflüsse  unter 
Einwirkung  von  Desinfektionsmitteln  gerichtet  waren. 

Aus  den  Versuchen  geht  hervor,  daß  der  Ansteckungsstoff  der 
Hühnerpest  gegenüber  der  Einwirkung  der  Eintrocknung,  wenn  an- 
steckungsfahiges  Material  in  dicker  Schicht  aufbewahrt  wurde,  und 
gegenüber  der  Fäulnis  eine  viel  größere  Widerstandsfähigkeit  besitzt, 
als  nach  den  früheren  Untersuchungen  angenommen  worden  ist. 
Auch  die  Belichtung  des  Ansteckungsstoffes  erwies  sich  als  ein- 
flußlos auf  seine  Zerstörung.  Ferner  hat  es  sich  herausgestellt,  daß 
sich  der  Ansteckungsstoff  der  Hühnerpest  gegen  die  üblichen  chemi- 
schen Desinfektionsmittel  zwar  verschieden,  im  allgemeinen  aber 
sehr  widerstandsfähig  verhält.  Nur  durch  Erhitzung  auf  70°  C 
gelingt  seine  Zerstörung  leicht.  Daraus  ist  für  die  Praxis  der  Des- 
infektion bei  der  Hühnerpest  der  Schluß  zu  ziehen,  daß  es  sich 
empfiehlt,  die  Desinfektionsmittel,  von  denen  in  erster  Linie  öproz. 
Kreolinwasser  und  1  proz.  Sublimatwasser  in  Betracht  kommen,  in 
heißer- Lösung  in  Anwendung  zu  bringen. 


(Ans  dem  Pathologischen  Institut  der  KgL  Tierärztlichen 
Hochschule  zu  Dresden.) 

Studien  über  Echinokokken-  und  Zystizerkenflüssigkeit.*) 

Von 
Prof.  Dr.  E.  Joest. 

Von  den  Beziehungen  zwischen  den  Blasenwürmern  und  ihren 
Wirten  sind  diejenigen  zwischen  den  Parasiten  und  dem  betreffenden 
Organ  im  allgemeinen  gut  bekannt.  Weniger  ist  dies  der  Fall 
hinsichtlich  der  Wechselbeziehungen  zwischen  den  Parasiten  und 
dem  Gesamtorganismus  ihres  Wirtes.  Dabei  handelt  es  sich  vor 
allen  Dingen  darum,  festzustellen,  ob  von  den  Parasiten  Stoffe  an 
den  Wirtsorganismus  abgegeben  werden,  die  diesen  in  seiner  Ge- 
samtheit in  irgendeiner  Weise  beeinflussen.  Bei  der  Beantwortung 
dieser  Frage  muß  sich  notwendigerweise  das  Hauptaugenmerk  auf 
die  Flüssigkeit  der  Blasenwürmer  richten;  denn  diese,  gewissermaßen 
ein  Leibesbestandteil  der  Parasiten,  wird  ja,  wie  man  annehmen 
kann,  von  den  Bestandteilen  und  Produkten  derselben  am  leichtesten 
durch  Resorption  in  die  Säftemasse  des  Wirtes  gelangen  können. 
Wollte  man  also  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Blasenwurm  und 
Wirtsorganismus  näher  kennen  lernen,  so  lag  es  nahe,  in  erster 
Linie  die  Blasenflüssigkeit  hinsichtlich  ihrer  Wirkung  auf  den  Tier- 
körper zu  prüfen. 

Derartige  Versuche  sind  bereits  früher  angestellt  worden.  Ver- 
anlaßt wurden  sie  durch  die  Beobachtung,  daß  nach  unvorsichtiger 
operativer  Eröflhung  sowie  nach  dem  Platzen  von  Leberechinokokken- 
blasen beim  Menschen  mehr  oder  weniger  schwere  Krankheits- 
erscheinungen auftreten.    Diese  bestehen,  wie  eine  Reihe  von  älteren 


*)  Die  Ergebnisse  der  vorliegenden  Arbeit  wurden  bereits  auf  der  Natur* 
forscherversammlung  in  Stuttgart  am  17.  September  1906  vorgetragen. 


—    11    — 

Autoren  angibt,  in  Peritonitis,  die  nicht  selten  zum  Tode  fuhrt. 
In  weniger  schweren  Fällen  treten  Fieber  und  Urtikaria  auf.  Be- 
sonders charakteristisch  ist  nach  Debove1»*)  die  Urtikaria.  Auch 
zahlreiche  andere  Symptome  verschiedenster  Art,  die  nach  dem 
Platzen  von  Echinokokken  auftraten,  wie  z.  B.  Dyspnoe,  Übelkeit, 
allgemeine  Schwäche,  Gelenkschmerzen,  Schlaflosigkeit,  Ascites, 
Durchfall,  hat  man  auf  die  Wirkung  der  Echinokokkenflüssig- 
keit, auf  eine  „Intoxicatio  n  hydatique"  (Debove),  zu- 
rückgeführt. 

In  einer  umfassenden  Arbeit  hat  Achard8),  angeregt  durch 
die  Publikationen  Deboves,  die  in  der  Literatur  zerstreuten  Fälle, 
die  als  „Intoxication  hydatique"  gedeutet  werden  können,  gesammelt 
und  kritisch  beleuchtet.  Achard  gelangt  zu  dem  Schluß,  daß  von 
den  nach  dem  Platzen  oder  nach  sonstiger  Verletzung  der  Echino- 
kokken beim  Menschen  auftretenden  Symptomen  die  Urtikaria  mit 
Sicherheit  auf  eine  Resorption  von  Echinokokkenflüssigkeit  zu  be- 
ziehen sei,  daß  aber  auch  die  außerdem  beobachteten  Symptome 
verschiedener  Art,  wie  es  scheine,  als  Zeichen  einer  „Intoxication 
hydatique"  aufgefaßt  werden  müßten,  daß  endlich  ebenfalls  ein 
Teil  der  Todesfälle  nach  Läsion  der  Parasitenblasen  der  toxischen 
Wirkung  der  zur  Resorption  gelangten  Echinokokkenflüssigkeit  zu- 
zuschreiben sei.  Makowski4)  hat  jüngst  die  Echinokokkenflüssig- 
keit von  neuem  für  giftig  erklärt.  Er  beobachtete  einen  Todes- 
fall bei  einem  Manne,  dem  infolge  eines  Traumas  ein  etwa  kinds- 
kopfgroßer Leberechinokokkus  geplatzt  war. 

Von  den  mit  Echinokokkenflüssigkeit  angestellten 
Experimentaluntersuchungen  sind  folgende  zu  erwähnen: 

Vidal 5)  injizierte  Meerschweinchen  und  Kaninchen  die  Flüssig- 
keit zweier  Echinokokken,  deren  Punktion  Urtikaria  hervorgerufen 
hatte,  intraperitoneal,  ohne  irgendwelche,  pathologische  Er- 
scheinungen bei  diesen  Tieren  zu  beobachten.  Ebenso  erhielt 
Kirmisson6),  der  Kaninchen  und  Hunden  Echinokokkenflüssigkeit 
subkutan,  intravenös  und  intraperitoneal  verabreichte,  vollständig 
negative  Resultate.  Korach  7)  spritzte  mehreren  Kaninchen  50  ccm 
Echinokokkenflüssigkeit  in  die  Peritonealhöhle,  ohne  mehr  zu  er- 
zeugen als  eine  mäßige  Temperatursteigerung.  In  einem  von 
Humphry8)  publizierten  Fall,  in  dem  nach  der  Punktion  eines 
Echinokokkus  Kollaps  und  Urtikaria  auftraten,  machte  Roy  mit 
der  Punktionsflüssigkeit  verschiedene  Versuche:  Zwei  intraperitoneal 


—     12     — 

injizierte  Meerschweinchen  starben  in  einigen  Stunden.  Die  intra- 
venöse Einverleibung  der  Flüssigkeit  verursachte  beim  Meer- 
schweinchen eine  Steigerung  der  Atemfrequenz  und  Unregelmäßig- 
keit der  Herzaktion.  Bei  einem  Hunde  bedingte  die  sukzessive 
intravenöse  Injektion  von  insgesamt  66  ccm  der  Echinokokken- 
flüssigkeit eine  bemerkenswerte  Erniedrigung  des  Blutdruckes  (mit 
dem  Kymographion  festgestellt)  sowie  eine  Verminderung  der  Zahl 
der  Herzkontraktionen  und  der  Atembewegungen.  Von  Interesse 
war  dabei,  daß  sich  die  Einwirkung  der  Flüssigkeit  auf  Blutdruck, 
Puls  und  Respiration  durch  Injektion  einer  kleinen  Dosis  Atropin 
aufheben  ließ. 

Mourson  und  Schlagdenhauffen9)  nehmen  das  Vorhanden- 
sein eines  Ptomains  in  der  Echinokokkenflüssigkeit  an,  obgleich 
ihre  Versuche  am  Frosch  kein  Resultat  ergaben.  Diese  Forscher 
erklären  sich  die  Tatsache,  daß  der  Einbruch  der  Echinokokken- 
flüssigkeit in  die  Bauchhöhle  beim  Menschen  in  manchen  Fällen 
ungünstige  Folgen  hat,  in  anderen  Fällen  dagegen  harmlos  ist, 
dadurch,  daß  sie  annehmen,  das  Ptomain  sei  im  Entwicklungs- 
stadium  der  Blasen  reichlich  vorhanden,  während  es  sich  im  Ruhe- 
zustand derselben  verringere.  Den  Beweis  flir  die  Richtigkeit 
dieser  Annahme  haben  Mourson  und  Schlagdenhauffen  jedoch 
nicht  erbracht. 

Die  vorstehend  erwähnten  Versuche  wurden,  soweit  ersichtlich, 
sämtlich  mit  Echinokokkenflüssigkeit  vom  Menschen  angestellt. 
Achard8)  konstatiert  auf  Grund  dieser  Versuche,  daß  die  Flüssigkeit 
niemals  eine  Peritonitis  und  niemals  eine  Urtikaria  bei  den  Ver- 
suchstieren erzeugte.  Er  schließt  jedoch  aus  den  Versuchen,  „que 
Tinjection  du  liquide  hydatique,  chez  les  animaux,  donne  dans 
certains  cas  lieu  k  des  accidents,  mais  que  les  effets  morbides  sont 
variables  et  inconstants." 

In  der  späteren  Literatur  werden  neben  den  Beobachtungen  am 
Menschen  vorzugsweise  die  positiven  Ergebnisse  der  mit  Echino- 
kokkenflüssigkeit angestellten  Tierversuche  zitiert.  Man  gewinnt 
beim  Studium  dieser  späteren  mehr  referierenden  Arbeiten  den 
Eindruck,  als  ob  die  Giftwirkung  der  Echinokokkenflüssigkeit  eine 
erwiesene  Tatsache  sei.  So  werden  in  dem  vor  kurzem  erschienenen 
Buche  Fausts11*)  von  Tierversuchen  lediglich  die  von  Mourson  und 
Schlagdenhauffen  sowieHumphry  erwähnt.  Auch  v.Linstow10»11) 


—     13     — 

berücksichtigt  in  der  Hauptsache  nur  die  im  Sinne  einer  Giftwirkung 
sich  aussprechende  Literatur. 

Neuerdings  hat  Kobert12)  angegeben,  daß  es  ihm  nicht  ge- 
lungen sei,  „durch  Einspritzen  frischer  Echinokokkenflüssigkeit  in 
Mengen  von  5—10  ccm  an  den  üblichen  Versuchstieren  Erkrankungs- 
erscheinungen hervorzurufen." 

Die  Flüssigkeit  des  Cysticercus  tenuicollis  halten 
Mourson  und  Schlagdenhauffen9)  für  sehr  giftig.  Nach  der 
subkutanen  Injektion  dieser  Flüssigkeit  sollen  genau  die  gleichen 
Erscheinungen  auftreten,  wie  nach  dem  Stich  gewisser  giftiger 
Tiere.  Wenn  man  die  Flüssigkeit  des  Cysticercus  tenuicollis  Ka- 
ninchen in  die  Bauchhöhle  spritzt,  so  führt  sie  nach  Mourson  und 
Schlagdenhauffen  den  Tod  der  Tiere  unter  den  Erscheinungen 
der  Blutzersetzung  herbei. 

Auf  Grund  der  vorstehend  angeführten  Untersuchungen  konnte 
die  Frage,  ob  der  Blasenflüssigkeit  der  Echinokokken  und  des 
Cysticercus  tenuicollis  eine  Giftwirkung  zukommt,  nicht  als  gelöst 
betrachtet  werden.  (Über  etwaige  sonstige  biologische  Wechsel- 
beziehungen zwischen  den  Blasenwürmern  und  ihren  Wirten  enthält 
die  ältere  Literatur  keine  Angaben.) 

Es  erschien  mir  deshalb  von  Interesse,  die  Wirkung 
der  Flüssigkeit  der  Blasenwürmer  auf  Versuchstiere  einer 
erneuten  Prüfung  zu  unterwerfen  und  gleichzeitig  zu 
untersuchen,  ob  sich  nicht  mit  Hilfe  der  Immunitäts- 
reaktion Beziehungen  zwischen  den  Blasenwürmern  und 
ihren  Wirten  feststellen  lassen. 

In  letzterer  Hinsicht  hat  jüngst  Langer13)  Untersuchungen 
über  Bandwürmer  und  ihre  Wirte  angestellt.  Er  versuchte  zu 
ermitteln,  ob  durch  Taenia  saginata,  T.  solium  und  T.  cucumerina 
eine  Präzipitinbildung  im  Wirtsorganismus  hervorgerufen  wird. 
Das  Ergebnis  der  Untersuchungen  war  negativ.  Ferner  ließ  sich 
dnrch  Bandwurmimmunserum,  das  durch  künstliche  Immunisierung 
von  Kaninchen  mit  Bandwurmextrakt  gewonnen  worden  war, 
kein  Übergang  von  Bandwurmeiweiß  in  das  Blut  des  Wirtes 
(Mensch,  Hund)  nachweisen.  Langer  stellte  auch  fest,  daß  Band- 
wurmimmunserum „nicht  nur  Eiweißlösungen  des  homologen  Para- 
siten, sondern  auch  von  anderen  nahestehenden  Parasiten  stammende 
präzipitiert".  Er  untersuchte  auf  Grund  dieser  Feststellung  unter 
Zuhilfenahme    eines    Taenia-mediocanellata-Immunserum    auch    das 


—     14     — 

Blut  und  die  Echinokokkenflüssigkeit  eines  mit  Echinokokken  be- 
hafteten Menschen.  Das  Blut  gab  mit  dem  Immunserum  keinen 
Niederschlag,  „wohl  aber  präzipitierte  das  Immunserum  den  Inhalt 
einer  Tochterblase  bis  zur  Verdünnung  von  1 :  80".  Langer  be- 
trachtet dieses  einmalige  Ergebnis  als  positiv.  Es  erscheint  mir 
indessen  zweifelhaft,  ob  man  die  Reaktion  bei  dieser  Verdünnung 
bereits  als  spezifisch  ansehen  kann;  denn  das  gleiche  Immunserum 
präzipitierte  verschiedene  Bandwurmextrakte  in  sehr  hohen  Ver- 
dünnungen und  sogar  Extrakt  von  Ascaris  lumbricoides  noch  in  der 
Verdünnung  von  1 :  2000. 

Bevor  ich  an  die  Ausfährung  meiner  Versuche  herantrat,  er- 
schien es  mir  natürlich  notwendig,  mich  über  die  chemische  Zu- 
sammensetzung der  Echinokokkenflüssigkeit  und  der 
Flüssigkeit  anderer  Blasenwürmer  zu  orientieren.  Über  diese 
Frage  existieren  nur  wenige  Angaben  in  der  Literatur. 

Die  Flüssigkeit  der  Echinokokken  hat  nach  Naunyn14) 
ein  spezifisches  Gewicht  von  1010 — 1013  und  besitzt  eine  neutrale 
oder  schwach  saure  Reaktion.  In  der  Flüssigkeit  wurden  Trauben- 
zucker (Lücke15),  Ch.  Bernard  und  Axenfeld16),  Inosit  (Nau- 
nyn), Bernsteinsäure  in  Form  von  bernsteinsaurem  Kalk  (Heintz  17), 
Naunyn),  Leuzin  und  Tyrosin  (Naunyn,  Lücke),  sowie  Eiweiß 
(Naunyn,  Mourson  und  Schlagdenhauffen)  gefunden.  Die 
anorganischen  Substanzen  der  Flüssigkeit  (l,5°/0)  bestehen  zur 
Hälfte  aus  Kochsalz  (Leuckart 18).  —  Der  Traubenzucker  wurde 
in  Leberechinokokken  konstant  nachgewiesen.  Nach  Lücke  und 
Leuckart  ist  der  Zucker  nicht  ein  Produkt  des  Echinokokkus 
selbst,  sondern  stammt  aus  der  Leber.  Inosit  wurde  nur  in  der 
Flüssigkeit  von  Echinokokken  des  Schafes,  nicht  dagegen  in  Leber- 
echinokokken des  Menschen  nachgewiesen.  Leuzin  und  Tyrosin 
ließ  sich  aus  der  Echinokokkenflüssigkeit  in  „reichlicher  Menge" 
(Naunyn14)  darstellen.  Eiweiß  fand  sich  im  allgemeinen  in  nur 
geringen  Mengen.  Nach  Mourson  und  Schlagdenhauffen9)  ent- 
halten alle  Echinokokkenflüssigkeiten  variable  Mengen  eines 
„Ptomains",  das  der  Träger  der  toxischen  Eigenschaften  der  Flüssig- 
keiten sein  soll.  Mourson  und  Schlagdenhauffen  nehmen  an, 
daß  das  Ptomain  ein  Abbauprodukt  der  in  der  Echinokokkenflüssig- 
keit vorkommenden  Eiweißkörper  ist.  Ich  habe  bereits  erwähnt, 
daß  Mourson  und  Schlagdenhauffen  annehmen,  daß  der  Eiweiß- 
und  damit  der  Ptomaingehalt   der  Flüssigkeit   je  nach  dem  Alter 


—     15     — 

der  Blasen  verschieden  sei.  Über  die  Art  des  Nachweises  des 
„Ptomains"  geben  die  genannten  Forscher  nichts  an. 

Mourson  und  Schlagdenhauffen  erwähnen,  daß  zersetzte 
Echinokokkenflüssigkeit  schädlich  wirken  könne.  Dies  erscheint 
zweifellos,  ist  aber  eine  Frage  für  sich,  die  mit  der  Wirkung  un- 
zersetzter  Blasenflüssigkeit,  um  die  es  sich  hier  handelt,  nichts 
zu  tun  hat.  Bezüglich  der  letzteren  muß  aber  konstatiert  werden, 
daß  weder  Mourson  und  Schlagdenhauffen,  noch  andere 
Forscher  das  Vorhandensein  eines  „Ptomains"  oder  spezi- 
fischen Toxins  in  dem  Inhalt  der  Echinokokkenblasen  be- 
wiesen haben.*) 

Nach  Mourson  und  Schlagdenhauffen9)  enthält  die  Flüssig- 
keit des  Cysticercus  tenuicoUis  relativ  beträchtliche  Mengen  Albumin 
und  „Ptomain".  Bezüglich  des  „Ptomains"  gilt  auch  hier  das  vor- 
stehend bereits  Angeführte. 

Eigene  Versuche. 

Zu  meinen  Versuchen  wählte  ich  Echinokokken  (Echinococcus 
unilocularis  und  multilocularis)  sowie  den  Cysticercus  tenuicoUis, 
einerseits  weil  diese  Blasenwürmer  am  leichtesten  zu  beschaffen 
waren,  andererseits  weil  ihre  relativ  große  Flüssigkeitsmenge  jede 
belieBige  Versuchsanordnung  gestattete.  Die  verwendeten  Echino- 
kokken stammten  teils  vom  Schwein,  teils  vom  Rind  und  vom 
Schaf.  Es  wurden  Leber-  und  Lungenechinokokken  benutzt.  Den 
Cysticercus  tenuicoUis  entnahm  ich  vom  Netz  des  Schweines,  dem 
Lieblingssitz  dieses  Parasiten.  Die  mit  den  Blasenwürmern 
behafteten  Organe  stammten  vom  hiesigen  Schlachthof.**)  Sie  ge- 
langten stets  am  gleichen  Tage,  an  dem  die  betreffenden  Tiere 
geschlachtet  worden  waren,  bisweilen  noch  l'ebenswarm,  in  meine 
Hände.  Die  Versuche  wurden  in  jedem  Falle  unmittelbar  nach 
der  Ankunft  des  Materials  angestellt.  Bezüglich  des  Cysticercus 
tenuicoUis  überzeugte  ich  mich  mehrfach,    daß  die  Parasiten  noch 


*)  Von  einzelnen  Autoren  wird  angegeben,  daß  Brieger  ans  der  Echino- 
kokkenflüssigkeit das  giftige  Prinzip  isoliert  habe.  Ich  habe  trotz  eifrigsten 
Suchens  eine  diesbezügliche  Angabe  Briegers  in  der  Literatur  nicht  finden 
können. 

**)  Herr   Amtstierarzt  Noack   hatte   die  Freundlichkeit,    das  Material  zu 
sammeln,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank  sage. 


—     16     - 

lebten,*)    was  unzweifelhaft  auch   bei  den  Echinokokken    der  Fall 
war.**) 

Bei  den  Versuchen  selbst  wurde  möglichst  aseptisch  verfahren. 
Nachdem  die  mit  den  Blasenwürmern  behafteten  Organe  unter  einer 
Brause  mit  Leitungswasser  gründlich  abgespült  worden  waren, 
wurde  die  die  Parasiten  bedeckende  Serosa  mit  0,2proz.  Sublimat- 
lösung abgetupft  und  das  Sublimat  durch  steriles  Wasser  entfernt. 
Die  Entnahme  der  Blasenflüssigkeit  geschah  durch  Ansaugen  mit 
steriler  Spritze.  Die  Injektion  bei  den  Versuchstieren  erfolgte 
mit  der  gleichen  Spritze  unmittelbar  darauf.  Selbstverständlich 
war  vorher  für  eine  gründliche  Desinfektion  der  Injektionsstelle 
nach  Entfernung  der  Haare  Sorge  getragen  worden.  Die  Einstich- 
stelle wurde  mit  Kollodium  verklebt.  Die  Sterilität  der  injizierten 
Flüssigkeit  wurde  mehrfach  kulturell  kontrolliert.  Da  beim  Echino- 
coccus unilocularis,  besonders  aber  beim  Cysticercus  tenuicollis  mit 
Trübung  der  Blasenflüssigkeit  einhergehende  Entzündungen  und 
Blutungen  der  Bindegewebshülle  des  Parasiten  vorkommen,  so 
möchte  ich  erwähnen,  daß  lediglich  vollständig  klare  Flüssigkeit 
von  unveränderten  Blasen  verwendet  wurde.  Nur  beim  Echino- 
coccus multilocularis,  dessen  zentrale  Blasen  in  der  Regel  verkäst  sind, 
ließ  sich  keine  ganz  klare  Flüssigkeit  gewinnen.  Die  Versuchstiere 
verblieben  in  den  ersten  Stunden  nach  der  Injektion,  um  sie  besser 
beobachten  zu  können,  im  Laboratorium  und  wnirden  erst  dann  nach 
dem  Stalle  gebracht. 

I.  Prüfung  Ton  Echinokokken-  und  ZystlzerkenUttsslgkeit  auf 
Giftwirkung. 

a)  Echinococcus  unilocularis  von  verschiedener  Größe. 

In  dieser  Versuchsreihe  wurde  die  Flüssigkeit  von  haselnuß- 
bis  männerfaustgroßen  Blasen  geprüft.  Meist  handelte  es  sich  um 
Leberechinokokken  vom  Schwein,    die  sich  bei  der  näheren  Unter- 


*)  Man  kann  dies  in  einfachster  Weise  dadurch  tun,  daß  man  die  schlaff 
gefüllten  Blasen,  nachdem  man  sie  durch  vorsichtiges  Anschneiden  des  Peri- 
toneums freigemacht  hat,  in  gewöhnliches  Leitungswasser  von  Bluttemperatur 
bringt.  Die  noch  lebenden  Parasiten  zeigen  dann  überaus  lebhafte  Kontraktionen 
ihrer  Blasenwand. 

**)  Ich  betone  dies  deshalb,  um  von  vornherein  dem  etwaigen  Einwand 
zu  begegnen,  daß  die  Blasenflüssigkeit  nach  dem  Tode  der  Parasiten  infolge 
von  lytischen  Vorgängen  möglicherweise  in  dem  Sinne  verändert  gewesen  sein 


—     17     — 

suchung  nach   der  Flüssigkeitsentnahme   teils   als  fertil,   teils  als 
steril  erwiesen. 

Es  wurden  folgende  Versuche  angestellt: 

Es  erhielten 

1  Meerschw.      0,5  com  Echinok.-Flüssigkeit  intraperit. 

2  „       je    1       „ 

&  y>  n       *,0       r>  »  r> 

*  »  n       ö  n  ^  „ 

3  n  n     10  „  „  „ 

2  *        *   20       „ 

(Das  Gewicht  der  Meerschweinchen  war  verschieden.  Die  beiden  letzt- 
genannten Tiere,  denen  20  ccm  intraperitoneal  injiziert  wurde,  wogen  317  und 
330  g.  Sie  erhielten  also  etwa  Vie  ^reB  Körpergewichts  an  Echinokokken- 
flüssigkeit) 

Es  erhielten  ferner 

1  Kaninchen      (1700  g  schwer)      20  ccm  Echinok.-Flüssigkeit  intraperit. 

2  weiße  Mäuse     (20  g       „     )  je  1    „  „  „ 

(Den  beiden  Mäusen  wurde  also  etwa  l/jo  inres  Körpergewichts  an  Echino- 
kokkenflüssigkeit injiziert.) 

Außerdem  wurde  zwei  Kaninchen  eine  Anzahl  größerer  Dosen  Echino- 
kokkenflüssigkeit zum  Zwecke  der  Immunisierung  subkutan  und  intravenös 
verabreicht  (Näheres  siehe  unten). 

Sämtliche  Versuchstiere  blieben  dauernd  gesund.  Kein 
Tier  zeigte  irgendwelche  Krankheitserscheinungen  nach 
der  Injektion. 

b)  Echinococcus  multilocularis. 

Bei  der  relativen  Seltenheit  der  multilokularen  Echinokokken 
konnten  mit  diesem  Parasiten  nur  einige  Versuche  gemacht  werden. 
Es  wurde  die  Flüssigkeit  etwa  erbsengroßer  Blasen  aus  den  Rand- 
partien des  Echinokokkus,  somit  diejenige  der  jüngsten  Blasen, 
verwendet. 

Es  erhielten 

2  Meerschw.  je   5  ccm  Echinok.-Flüssigkeit  intraperit. 

1  .  11      n 

Ferner  erhielt  ein  Kaninchen  zum  Zwecke  der  Immunisierung  zweimal  je 
5  ccm  und  einmal  10  ccm  Echinokokkenflüssigkeit  subkutan. 


könnte,  daß  sie  ihre  Giftigkeit  und  ihre  präzipitinauslösenden  Eigenschaften 
bereits  verloren  gehabt  hätte.  Daß  die  Autolyse  Eiweißkörper  derartig  zu 
verändern  vermag,  ist  festgestellt.  (Vgl.  die  Arbeit  von  Wolf f- Eisner  und 
Rosenbaum,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1906,  Nr.  28.) 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    11,  1.  2 


—     18     — 

Eines  der  beiden  Meerschweinchen,  die  5  ccm  Echinokokken- 
flüssigkeit intraperitoneal  erhalten  hatten,  ging  am  zweiten  Tage 
nach  der  Injektion  an  einer  Peritonitis  serofibrinosa,  verursacht 
durch  Bacterium  coli,  ein.  Das  Kaninchen  starb  18  Tage  nach  der 
letzten  Injektion  an  generalisierter  Pseudotuberkulose.  Beide  Er- 
krankungen können,  wie  die  bakteriologische  Untersuchung  der 
Kadaver  gezeigt  hat,  nicht  auf  eine  Giftwirkung  der  Echinokokken- 
flüssigkeit zurückgeführt  werden.  Im  übrigen  vertrugen  die 
Tiere  die  Injektionen  ohne  jedwede  Reaktion. 

c)  Cysticercus  tenuicollis. 

Es  wurde  die  Flüssigkeit  haselnuß-  bis  hühnereigroßer  Blasen, 
in  der  Regel  vom  Netz  des  Schweines,  injiziert. 

Es  erhielten 
2  Meerschweinchen je    5  ccm  Zystizerk.-Flüssigkeit  intraperit. 

0  10 

1  weiße  Maus 0,5  „  „  „ 

1  „  „      (17  g  schwer).    .    .      1,2  n  „  „ 

2  „       Mäuse  (je  18  g  schwer)  je    1    ,  „  „ 

1  Kaninchen 10„  „  intravenös. 

(Die  beiden  18  g  wiegenden  Mäuse  hatten  somit  1 18,  die  17  g  wiegende 
Maus   hatte  etwa  Vu  ihres  Körpergewichts  an  Zystizerkenflüssigkeit  erhalten.) 

Außerdem  bekamen  zwei  Kaninchen  zu  Immunisierungszwecken  eine  An- 
zahl größerer  Injektionen  von  Zystizerkenflüssigkeit  subkutan  (vgl.  unten). 

Abgesehen  von  einem  subkutan  behandelten  Kaninchen,  das  eine 
(indessen  nicht  von  den  Impfstellen  ausgehende)  Phleg- 
mone acquirierte,  erkrankte  keines  der  Versuchstiere.  Alle 
vertrugen  die  Injektionen  reaktionslos. 

Um  die  von  Mourson  und  Schlagdenhauffen9)  behauptete 
und  von  allen  späteren  Autoren  als  erwiesen  angesehene  tödliche 
Giftwirkung  der  Flüssigkeit  des  Cysticercus  tenuicollis  auf  Ka- 
ninchen bei  intraperitonealer  Einverleibung  zu  prüfen,  wurden 
weiter  folgende  Versuche  angestellt: 

Es  erhielt 

1  Kaninchen  (1700  g  schwer)  10  ccm  Zystizerk.-Flüssigkeit  intraperit. 

1  „  (1740  g        „     )  20     „ 

1  ,  (2240  g        „     )  20     „ 

1  „  (1800  g        „     )  20     „ 

Das  letztangefuhrte  Kaninchen  starb  am  dritten  Tage  nach  der 
Injektion  an  einer   durch  Verletzung   des  Darmes   bedingten  Peri- 


-     19     — 

tonitis.  (Im  Peritonealexsudat  zahllose  Bakterien  verschiedener 
Art.)  Die  übrigen  drei  Kaninchen  zeigten  keinerlei 
Krankheitserscheinungen  und  blieben  dauernd  gesund.*) 

d)  Junge  Echinokokkenblasen. 

Mourson  und  Schlagdenhauffen9)  haben  die  Vermutung 
ausgesprochen  (und  diese  Vermutung  ist  von  einzelnen  späteren 
Autoren  als  Tatsache  angesehen  und  zitiert  worden),  daß  das  Gift 
der  Echinokokkenflüssigkeit  besonders  reichlich  im  Entwicklungs- 
stadium der  Blasenwürmer  vorhanden  sei.  Ich  nahm  deshalb  Ver- 
anlassung, in  einer  besonderen  Versuchsreihe  möglichst  junge 
Echinokokken  zu  prüfen.  Die  Flüssigkeit  entnahm  ich  den 
kleinsten  Echinokokkenbläschen,  deren  ich  habhaft  werden  konnte. 
In  allen  Fällen  handelte  es  sich  um  unilokuläre  Echinokokken  aus 
der  Leber  des  Schweines.  Der  geringen  Flüssigkeitsmenge  wegen 
konnten  die  Versuche  dieser  Reihe  lediglich  mit  Mäusen  angestellt 
werden.  Die  Flüssigkeitsentnahme  war  hier  zum  Teil  recht  mühsam. 
Sie  geschah  mit  besonders  feiner  Spritzenkanüle. 

Erbsengroße  Bläschen: 
1  weiße  Maus  (10  g  schwer)  erhält  0,2  ccm  Flüssigkeit  intraperit. 
1      .  ,      (12  g  „      0,3     „ 

Schrotkorngroße  Bläschen: 
1  weiße  Maus  erhält  0,5  ccm  Flüssigkeit  intraperit. 

Kaum  schrotkorngroße  Bläschen: 
1  weiße  Maus  (13  g  schwer)  erhält  0,1  ccm  Flüssigkeit  intraperit 

Halbschrotkorngroße  Bläschen: 
1  weiße  Maus  (10  g  schwer)  erhält  0,05  ccm  Flüssigkeit  intraperit. 

Sämtliche  Mäuse  zeigen  keinerlei  Symptome  nach  der 
Injektion  und  bleiben  dauernd  gesund. 

e)  Versuche  mit  Leuzin  und  Tyrosin. 

Nachdem  durch  die  angestellten  Tierversuche  ein  Toxin  nicht 
hatte  nachgewiesen  werden  können,  schien  es  mir  notwendig,  noch 

*)  Im  Anschluß  an  diese  Versuche  möchte  ich  erwähnen,  daß  ich  auch 
einen  Versuch  mit  der  Flüssigkeit  des  Cysticercus  cellulosae  angestellt 
habe:  Eine  weiße  Maus  erhielt  0,4  ccm  Flüssigkeit  dieses  Parasiten  intra- 
peritoneal.   Keinerlei  Reaktion,  keinerlei  Erkrankung. 

2* 


—     20    — 

weitere  Versuche  mit  einigen  wesentlichen  normalen  Bestandteilen 
der  Echinokokkenflüssigkeit  vorzunehmen,  um  festzustellen,  ob  etwa 
diese  Substanzen  in  größerer  Dosis  eine  Giftwirkung  zu  entfalten 
imstande  sind.  Von  den  Stoffen,  die  sich  in  der  Blasenflüssigkeit 
der  Echinokokken  finden,  kommen  hauptsächlich  Leuzin  und  Tyrosin 
in  Frage,  die  sich  nach  Naunyn14)  aus  der  Flüssigkeit  in  „reich- 
licher Menge"  darstellen  lassen.  Ich  unternahm  deshalb  mit  reinem 
Leuzin  und  Tyrosin*)  folgende  Versuche: 

1.  Leuzin. 

Es  wurde  eine  0,5proz.  Leuzinlösung  in  0,75  proz.  steriler  Kochsalzlösung 
heiß  hergestellt  und  die  Flüssigkeit  auf  Bluttemperatur  gebracht   Dann  erhielt 

1  Meerschweinchen  (  420    g  schwer)  5    ccm  der  Lösung  intraperitoneal 


1 

(495    g 

»     )5       „ 

7» 

n 

7t 

1  weiße  Haus 

(    20    g 

.     )  1       * 

y> 

V 

subkutan 

1      . 

(    17,5  g 

„     )0,6     „ 

V 

n 

» 

1  Kaninchen 

(2240    g 

»     )  1       . 

7t 

7t 

intravenös. 

2.  Tyrosin. 

Es  wurde  eine  0,2 proz.  Tyrosinlösung   in  0,75  proz.  Kochsalzlösung  heiß 
hergestellt  und  die  Flüssigkeit  auf  Bluttemperatur  gebracht**)  Dann  erhielten 

1  Meerschweinchen  (  815  g  schwer)  1    ccm  der  Lösung  intraperitoneal 


1 

(465  g 

7t 

)2       , 

» 

r> 

n 

1 

(405g 

V 

)5       . 

n 

n 

7* 

1 

(415  g 

r> 

)6       „ 

» 

V 

»♦ 

2  weiße  Mäuse 

(  iog 

* 

)0,2    , 

n 

n 

subkutan 

1      „      Haus 

(    12  g 

7t 

)0,5    „ 

* 

r» 

7» 

1        n             n 

(    12  g 

n 

)1       » 

rt 

7t 

n 

1  Kaninchen 

(1700  g 

7t 

)1       - 

rt 

7t 

intravenö 

Alle  mit  Leuzin-  und  Tyrosinlösung  behandelten  Ver- 
suchstiere zeigen  nichts  Abnormes  und  bleiben  dauernd 
gesund. 

Alle  mit  Blasenflüssigkeit  des  Echinococcus  unilocularis  und 
multilocularis  sowie  des  Cysticercus  tenuicollis  angestellten  Tier- 
versuche  hatten   somit   ein   negatives   Ergebnis.     Abgesehen   von 

*)  Die  Präparate  wurden   von   der  Firma  Kahlbaum  in  Berlin  bezogen. 

**)  Bereits  in  dieser  geringen  Konzentration  scheidet  sich  das  Tyrosin  bei 

Zimmertemperatur  zum  Teil  kristallinisch  aus.   Eine  0,5  proz.  Tyrosinlösung  läßt 

sich  nicht  herstellen;  denn  es  bleibt  auch  in  der  Siedehitze  ein  Teil  des  Tyrosins 

ungelöst. 


—     21     — 

einigen  interkurrenten  Erkrankungen,  die  als  solche  in  jedem  Falle 
unzweifelhaft  festgestellt  werden  konnten,  zeigte  keines  der  Ver- 
suchstiere irgendeine  Reaktion  auf  die  Einverleibung  der  Para- 
sitenflüssigkeit; alle  blieben  dauernd  gesund.  Somit  besitzt  die 
frische,  unzersetzte  Blasenflüssigkeit  der  Echinokokken 
und  des  Cysticercus  tenuicollis  auf  kleine  Versuchstiere 
bei  subkutaner,  intraperitonealer  und  intravenöser  Ein- 
verleibung keine  Giftwirkung.  Dies  gilt  für  die  Flüssigkeit 
sowohl  der  ausgebildeten  als  auch  der  noch  in  der  Entwicklung 
begriffenen  Blasenwürmer.  Mit  diesen  Feststellungen  stimmen  die 
Angaben  mehrerer  früheren  Experimentatoren  (Vidal,  Kirmisson, 
Korach,  Kobert)  überein. 

Andere  Forscher  (Roy,  Mourson  und  Schlagdenhauffen) 
haben  dagegen,  wie  oben  angegeben,  bei  ihren  Versuchstieren 
Krankheitssymptome  und  Todesfälle  eintreten  sehen,  die  sie  auf 
eine  Giftwirkung  der  Parasitenflüssigkeit  beziehen.  Diese  abweichen- 
den Ergebnisse  sind  vielleicht  auf  die  Wirkung  zersetzter  Flüssig- 
keit oder  auf  interkurrente  Erkrankungen,  insbesondere  Infektionen, 
zurückzuführen.  Es  ist  dies  um  so  eher  anzunehmen,  als  diese 
Versuche  zu  einer  Zeit  gemacht  worden  sind,  in  der  bei  Tier- 
versuchen noch  nicht  die  strenge  Asepsis  obzuwalten  pflegte,  wie 
wir  sie  heute  anwenden.  Zudem  erwähnen  Mourson  und  Schlag- 
denhauffen selbst,  daß  die  Echinokokkenflüssigkeit  sehr  leicht 
zersetzlich  sei,  und  daß  man  bei  der  Feststellung  der  Ursache  ihrer 
schädlichen  Wirkung  auch  mit  einer  möglichen  septikämischen  In- 
fektion rechnen  müsse. 

Angesichts  der  vollständig  negativen  Ergebnisse 
meiner  Tierversuche  kann  von  dem  Vorhandensein  eines 
spezifischen  Giftes  (eines  Toxins  oder  „Ptomains")  in  der 
frischen,  unzersetzten  Flüssigkeit  der  Echinokokken  und 
des  Cysticercus  tenuicollis  keine  Rede  mehr  sein.  Im  übrigen 
wurde  von  mir  festgestellt,  daß  auch  zwei  wesentliche  Bestandteile 
der  Echinokokkenflüssigkeit,  Leuzin  und  Tyrosin,  nicht  giftig  wirken. 

Mit  den  Erfahrungen  an  mit  Echinokokken  behafteten  Men- 
schen scheinen  die  an  kleinen  Versuchstieren  gemachten  Beob- 
achtungen freilich  nicht  vollständig  übereinzustimmen.  Krankheits- 
erscheinungen verschiedenster  Art  und  Todesfalle  sind,  wie  oben 
erwähnt,  auf  die  Wirkung  der  Echinokokkenflüssigkeit  zurück- 
geführt worden.    Bei  einem  Menschen,  der  an  Echinokokkenkrank- 


—     22     — 

heit  leidet,  und  bei  dem  Parasitenblasen  infolge  einer  traumatischen 
Einwirkung  platzen  oder  operativ  eröflhet  werden,  liegen  andere 
Verhältnisse  vor,  als  wenn  man  einem  gesunden  Versuchstier  Echino- 
kokkenflüssigkeit unter  aseptischen  Kautelen  injiziert.  Beim  er- 
krankten Menschen  wirkt  nicht  allein  die  irgendwie  freigewordene 
Parasitenflüssigkeit;  es  spielen  hier  noch  andere,  zum  Teil  un- 
berechenbare Faktoren  eine  Rolle.  Schon  deshalb  lassen  sich 
manche  Beobachtungen  am  Menschen  und  die  Ergebnisse  der  Tier- 
versuche nicht  ohne  weiteres  in  Parallele  setzen.  Hervorgehoben 
muß  ferner  werden,  daß  nicht  in  allen  Fällen  beim  Menschen,  in 
denen  es  zu  einem  Erguß  der  Echinokokkenflüssigkeit  in  die  Bauch- 
höhle oder  das  Gewebe  gekommen  war,  Krankheitserscheinungen 
beobachtet  worden  sind.  Diese  Tatsache  läßt  jene  Nebenumstände, 
die  beim  echinokokkenkranken  Menschen  als  krankheitserregendes 
Moment  in  Frage  kommen  können,  um  so  bedeutungsvoller  er- 
scheinen. Achard3)  hat  bereits  eine  ganze  Reihe  von  Erkran- 
kungen und  Todesfällen  beim  Menschen,  die  auf  die  Eröffnung  der 
Parasitenblasen  zurückgeführt  worden  waren,  als  unsicher  aus- 
geschieden. Aber  auch  in  vielen  der  übrigen  Fälle  erscheint  mir 
die  pathogene  Bedeutung  der  Echinokokkenflüssigkeit  nicht  strikt 
erwiesen  zu  sein.  Als  einzige  einigermaßen  sicher  auf  die  Wirkung 
der  Echinokokkenflüssigkeit  zurückführbare,  häufiger  beim  Menschen 
beobachtete  Erscheinung  bleibt  die  Urtikaria.  Zur  Erklärung  ihres 
Zustandekommens  bedarf  es  aber  keineswegs  der  Annahme  eines 
besonderen,  gefährlichen  Toxins  in  der  Echinokokkenflüssigkeit. 
Denn  wir  sehen  Urtikaria  nicht  selten  aus  geringfügigen  Anlässen 
verschiedener  Art  auf  Grund  eigentümlicher  Idiosynkrasien  beim 
Menschen  auftreten,  ohne  daß  dabei  von  der  Wirkung  besonderer 
Gifte  die  Rede  wäre.  —  Ich  will  sagen:  Auch  die  Beobachtungen 
am  kranken  Menschen  stellen  die  Existenz  eines  (spezifisch  auf  den 
Menschen  wirkenden)  Giftes  in  der  Echinokokkenflüssigkeit  keines- 
wegs vollkommen  sicher.  Somit  würde  der  Widerspruch  der 
Ergebnisse  des  Tierversuches  und  der  Erfahrung  am 
Menschen  nur  ein  scheinbarer  sein. 

IL  Versuche  mit  Serum  echinokokkenkranker  Binder  und  Schweine  sowie 
mit  Serum  immunisierter  Kaninchen« 

Daß  die  Blasenwürmer  als  Parasiten  aus  den  Säften  ihrer  Wirte 
Stoffe  entnehmen  und  sich  zu  eigen  machen,  ist  selbstverständlich. 


—     23     — 

Derartige  dem  Wirtsorganismus  entnommene  Stoffe  lassen  sich  auch 
in  der  Blasenliüssigkeit  nachweisen.  (So  findet  sich  in  der  Flüssig- 
keit der  Leberechinokokken  stets  Zucker.)  Umgekehrt  ist  anzu- 
nehmen, daß  die  Blasenwürmer,  die  ja,  wie  jedes  Lebewesen,  einen 
Stoffwechsel  besitzen,  Substanzen  an  die  Säfte  ihrer  Wirte  wieder 
abgeben.  Es  ist  naheliegend,  sich  zu  denken,  daß  es  in  erster  Linie 
Bestandteile  der  Blasenflüssigkeit  sein  werden,  die  auf  dem  Wege 
der  Resorption  in  den  Wirtskörper  gelangen.  Freilich,  groß  kann 
diese  Resorption  wohl  nicht  sein,  da  die  die  Parasiten  einschließende 
Bindegewebskapsel  relativ  arm  an  Lymph-  und  Blutgefäßen  zu  sein 
scheint.  Setzen  wir  voraus,  daß  eine  Resorption  von  Echinokokken- 
flüssigkeit erfolgt,  so  wäre  es  möglich,  daß  gewisse  Bestandteile 
derselben  (ich  denke  dabei  an  das  in  der  Flüssigkeit  nachge- 
wiesene, doch  dem  Parasitenkörper  zugehörige  Eiweiß)  im  Wirts- 
organismus eine  Antikörper-(Präzipitin-)bildung  auslösen  könnten. 
Die  Frage  schien  mir  interessant  genug,  um  sie  näher  zu  prüfen. 
Ergab  sich  bei  dieser  Prüfling  ein  positives  Resultat,  so  war  damit 
nicht  nur  eine  wissenschaftlich  interessante  Wechselbeziehung 
zwischen  Blasenwurm  und  Wirtsorganismus  aufgedeckt,  sondern  es 
hätte  sich  auch  die  Möglichkeit  einer  Serodiagnose  der  Echino- 
kokkenkrankheit an  lebenden  Menschen  und  Tieren  ergeben. 

Bestand  eine  Antikörperbildung  im  Wirtsorganismus  infolge 
Resorption  von  Bestandteilen  der  Echinokokkenflüssigkeit,  so  mußte 
das  Blutserum  des  Wirtstieres,  mit  der  Flüssigkeit  in  geeigneter 
Weise  vermischt,  in  dieser  einen  spezifischen  Niederschlag,  ein 
Präzipitat,  erzeugen. 

Zum  Zwecke  der  Prüfung  dieser  Möglichkeit  verfuhr  ich  so,  daß 
ich  von  möglichst  stark  mit  Echinokokken  behafteten  Rindern  und 
Schweinen  unmittelbar  nach  der  Schlachtung  Blutreste  (aus  der 
Stichwunde  am  Halse,  aus  dem  Herzen  oder  größeren  Venen) 
sammeln  ließ,  aus  denen  durch  Zentrifugieren  eine  genügende 
Menge  klaren  Serums  gewonnen  wurde.  Dieses  Serum  wurde  dann 
sowohl  gegenüber  der  Echinokokkenflüssigkeit  des  gleichen  Tieres 
als  auch  anderer  Tiere  in  der  üblichen  Versuchsanordnung  auf 
seine  präzipitierende  Wirkung  geprüft.  Stets  wurden  natürlich  zu- 
gleich Kontrollproben  mit  Blutserum  gesunder  Tiere  angestellt.  Die 
Begutachtung  der  Proben  erfolgte  nach  1j2l  1  und  2  stündigem  Ver- 
weilen derselben  im  Brutschrank. 

Nachstehend  gebe  ich  zwei  Beispiele  einer  derartigen  Prüfung: 


—     24     — 

Rind,  Lunge  stark  durchsetzt  mit  unilokulären,  sterilen  Echinokokken 
1  ccm  Serum  des  Rindes  +  4  com  Flüss.  seiner  Lungenechinok. 

1       ii  i»  »»  ii         "T"  '      »»  »»  »  >» 

1     „     Normalrinderserum  -f-  4     „         „        der  „ 

1        •»  i»  "7"   ^       M  »i  i»  » 


Nach  Vs«  x  ond 
2  stftnd.  Verwei- 
len der  Proben 
imBrntschr.keln 
Niederschlag, 
keine   Trübung. 


Schwein,  Leber  mäßig  stark  durchsetzt  mit  unilokulären,  fertilen  Echino 
kokken. 

1  ccm  Serum  des  Schweines  +  4  ccm.  Flüss.  seiner  Leberechinok.* 

,    .  iv.  unilokul.  Lungen- 

1     "        "        "  +  4    "        "    l  echinok.  des  Rindes 


.....  .    .  f  derLeberechinok.  des 

„    NonnalBchweineseram  +  4    „       „   {  SchweineB 


Nach  V*  1  nnd 
2  stand.  Verwei- 
len der  Proben 
im  Bratsehrank 
kein  Niedersohl, 
keine  Trübung. 


Auf  diese  Weise  habe  ich  das  Blutserum  von  vier  stark  mit 
Echinokokken  behafteten  Rindern  und  einem  Schwein  geprüft. 
Drei  Rinder  und  das  Schwein  beherbergten  Echinococcus  unilocu- 
laris,  ein  Rind  Echinococcus  multilocularis.  Entsprechend  geschah 
die  Prüfung  gegen  Unilokularis-  oder  Multilokularisflüssigkeit. 

Sämtliche  Proben  ergaben  ein  negatives  Resultat.  In 
keinem  Falle  zeigte  sich  die  Spur  eines  Niederschlages 
oder  einer  Trübung. 

Nach  dem  Ergebnis  dieser  Versuche  war  anzunehmen, 
daß  das  Blutserum  der  Echinokokkenwirte  kein  spezifi- 
sches Präzipitin  enthielt. 

Entweder  war  die  Menge  der  die  Präzipitinbildung  auslösenden 
Substanzen,  die  bei  den  mangelhaften  Aufsaugungsverhältnissen  der 
Echinokokkenkapsel  aus  der  Flüssigkeit  der  Parasiten  zur  Resorp- 
tion gelangen  konnte,  zu  gering,  um  eine  nachweisbare  Antikörper- 
bildung anzuregen,  oder  aber  die  Echinokokkenflüssigkeit  war  über- 
haupt nicht  imstande  eine  Präzipitinbildung  zu  veranlassen.  Die 
Entscheidung,  welche  dieser  beiden  Möglichkeiten  vorlag,  konnte 
nur  durch  Immunisierungsversuche  mit  Echinokokkenflüssigkeit  ge- 
troffen werden. 

Ich  immunisierte  deshalb  Kaninchen  systematisch  mit  steigenden 
Mengen  von  Echinokokkenflüssigkeit. 

Kaninchen  I  erhielt  am  6.  November  1905  5  ccm  Flüssigkeit  von 
Echinococcus  unilocularis  subkutan,  ferner  am  9.,  16.,  27.  November, 
4.,  11.,  14.  und  18.  Dezember  je  10  ccm  derselben  Flüssigkeit  subkutan.  Am 
22.  Dezember  warf  das  Kaninchen  Junge,  die  sich  gut  entwickelten.  Es  wurde 
deshalb  mit  der  Immunisierung  etwa  4  Wochen  ausgesetzt.  Dann  erhielt  das 
Tier  am  18.,  22.  und  25.  Januar  1906  je  10  ccm,  am  1.  Februar  9  ccm  und 
am  8.  Februar  11  ccm  derselben  Flüssigkeit  subkutan.     (Es  bandelte  sich  bei 


—     25     — 

fast  allen  Injektionen  um  Flüssigkeit  aus  Leberechinokokken  des  Schweines; 
nur  zweimal  wurde  Flüssigkeit  von  Lungenechinokokken  des  Schafes  ein- 
gespritzt.) Am  12.  Februar  1906  wurde  das  Kaninchen  durch  Entblutenlassen 
getötet.    Sämtliche  Injektionen  waren  reaktionslos  vertragen  worden. 

Kaninchen  II  erhielt  am  21.  Dezember  1905,  18.  und  22.  Januar  1906 
je  5  cem  Flüssigkeit  von  Echinococcus  unilocularis  intravenös,  ferner 
am  25.  Januar  und  am  8.  Februar  je  6  cem  derselben  Flüssigkeit  intravenös. 
(Die  verwendete  Flüssigkeit  stammte  auch  hier  meist  aus  Leberechinokokken 
des  Schweines,  in  einem  Falle  aus  Lungenecbinokokken  des  Schafes.)  Am 
12.  Februar  1906  wurde  das  Kaninchen  ebenfalls  entblutet  Auch  dieses  Tier 
hatte  die  Injektionen  anstandslos  vertragen. 

Ein  Immunisierungsversuch  mit  Flüssigkeit  von  E.  multilocularis 
•  Kaninchen  V)  konnte  nicht  zu  Ende  geführt  werden,  da  das  Tier,  wie  oben 
bereits  bemerkt,  an  Pseudotuberkulose  zugrunde  ging. 

Das  Serum  von  Kaninchen  I  und  II  wurde  auf  seine  präzi- 
pitierende Wirkung  gegenüber  Flüssigkeit  von  unilokulären  Echino- 
kokken verschiedener  Herkunft  und  zur  Kontrolle  etwaiger 
spezifischer  Wirkung  auch  gegenüber  Flüssigkeit  von  Cysticercus 
tenuicollis  geprüft.  Die  Prüfung  wurde  in  gleicher  Weise  vorge- 
nommen wie  vorstehend  bei  der  Prüfung  des  Rinder-  und  Schweine- 
serums erwähnt.    Ich  lasse  einige  der  angestellten  Versuche  folgen : 


Prüfung  der  Sera  gegen  Flüssigkeit  von 
Echinococcus   unilocularis   aus   der   Leber   des   Schweines. 


4  cem  E.-Flüssigkeit  +  1     cem  Serum  Kaninchen    I. 

4     „  „          „           -f"  1                 n       Kaninchen  II. 

4     „  „           „            +  IVj  „         ,,       Kaninchen    I. 

4     „  s          „           -f-  2       „         „       Kaninchen  II. 

4    *  „          „           +  *       „  Kaninchennormalserum. 


Nach    V,    und    1  stün- 
digem   Verweilen    der 
Proben  im  Brutschrank 
kein  Niederschlag, 
keine  Trübung. 


Prüfung   der  Sera   gegen  Flüssigkeit   von 
Echinococcus   unilocularis   aus   der  Lunge   des   Schafes. 

Nach    V«    und    lstün- 


4  cem  E.-Flüssigkeit  +  1  cem   Serum   Kaninchen    I. 
4«„  B  +1»  «        Kaninchen    I. 

4     „      „  „  +1*  „        Kaninchen  II. 

4     *      „  „  -{-  1     „    Kaninchennormalserum. 


digem    Verweilen    der 

Proben  im  Brutschrank 

kein  Niederschlag, 

keine  Trübung. 


Prüfung  der   Sera   gegen   Flüssigkeit  von 
Cysticercus  tenuicollis   aus   dem   Netz    dos   Schweines. 

Nach  l2  und  lstün- 
4  cem  Zyst.-Flüssigkeit  -f-  1  cem  Serum  Kaninchen  I.  digem  Verweilen  der 
4*w  „  +  1     „         „       Kaninchen  II.     Proben  im  Brutschrank 

4     „       „  „  +  1     „  Kaninchennormalserum.       kein  Niederschlag, 

keine  Trübung. 


—    26    — 

Bei  zwei  weiteren  Prüfungen  der  Sera  gegen  Flüssigkeit  von  an il okulären 
Echinokokken  aus  der  Schweineleber  und  Hammellunge  xeigte  sich  in  den 
Röhrchen  nach  zweistündigem  Verweilen  im  Brutschrank  eine  ganz  leichte 
Trübung,  die  aber  nicht  als  spezifisch  angesehen  werden  konnte,  da  sie  sich 
auch  in  den  Kontrollproben  mit  Kanlnchennonnalserum  zeigte. 

In  ebenderselben  Weise  wurden  Kaninchen  auch  mit  Flüssigkeit 
von  Cysticercus  tenuicollis  immunisiert.  Nachdem  der  erste 
Immunisierungsversuch,  wie  oben  bereits  erwähnt,  durch  die  Er- 
krankung des  Tieres  (Kaninchen  III)  an  einer  interkurrenten 
Phlegmone  gestört  worden  war.  wurde  ein  zweites  Kaninchen 
(Kaninchen  TV)  wie  folgt  immunisiert. 

Kaninchen  IV  erhält  am  11.  Januar  1906  5  ccm  Flüssigkeit  von  Cyst. 
tenuicollis  'Netz  vom  Schwein i  subkutan,  ferner  am  15..  18.  und  22.  Janin r 
je  10  ccm  und  am  29.  Januar  12  ccm  derselben  Flüssigkeit  subkutan.  Am 
31.  Januar  1906  wurde  das  Tier  durch  Entblutenlassen  getötet 

Mit  seinem  Serum  wurde  folgender  Präzipitationsversuch  an- 
gestellt: 


4  ccm    Zyst  -Flüssigkt     -f   1  ccm    Serum  Kan.  IV 
4    .,  „  -<-   1     „      Serum  Kan.  IV 

4    „  .,  -*•   1     .,  Kaninchen- 

normalserum 


Nach  ein-  und  zwei- 
stündigem Verweilen  der 
Proben  im  Brutschrank 
kein   Niederschlag,   keine 
Trübung. 


Alle  mit  Blutserum  immunisierter  Kaninchen  an- 
gestellten Proben  ergaben  somit  ein  negatives  Resultat. 
Es  tritt  also  auch  nach  systematischer  Einführung  großer 
Mengen  von  Echinokokkenflüssigkeit  und  von  Flüssigkeit 
des  Cysticercus  tenuicollis  in  den  Tierkörper  keine  Prä- 
zipitinbildung  auf.  Es  muß  somit  die  Blasenflüssigkeit 
der  genannten  Parasiten  ihrer  Zusammensetzung  nach 
überhaupt  nicht  geeignet  sein,  eine  Präzipitinbildung  zu 
veranlassen.  Die  Kaninchen  waren  derart  hoch  behandelt,  daß 
ihr  Serum,  sofern  überhaupt  eine  Antikörperbildung  statthatte, 
unbedingt  eine  präzipitierende  Wirkung  hätte  zeigen  müssen. 

Man  könnte  hier  den  Einwand  erheben,  daß  wir  zur  Zeit  zum 
Nachweis  von  Antiköq>ern  eine  weit  feinere  Reaktion,  als  es  der 
Präzipitationsversuch  ist,  in  der  Komplementbindung  besäßen,  und 
daß  die  Möglichkeit  der  Erzeugung  von  Antikörpern  durch  die  Flüssig- 
keit der  Blasenwürmer  erst  dann  bestritten  werden  könne,  wenn 
auch  diese  feinere   Reaktion  ein  negatives  Resultat  ergeben  haben 


—     27     — 

würde*).  Dieser  Einwand  würde  berechtigt  sein,  wenn  ich  nur  die 
Prüfung  des  Serums  echinokokkenkranker  Rinder  und  Schweine  vor- 
genommen haben  würde.  Die  Versuche  mit  Kaninchen  hätten  bei 
der  Art  der  Immunisierung  dieser  Tiere,  wie  vorstehend  bereits 
bemerkt,  eine  etwaige  Antikörperbildung,  sofern  eine  solche  über- 
haupt statthatte,  auch  im  Präzipitationsversuch  erkennen  lassen 
müssen. 

Bezüglich  des  Bestehens  etwaiger  Wechselbeziehungen  zwischen 
Blasenwürmern  und  dem  Gesamtorganismus  ihres  Wirtes  haben  die 
in  diesem  Abschnitt  beschriebenen  Untersuchungen  somit  keine 
positiven  Tatsachen  aufzudecken  vermocht. 

Die  Ergebnisse  meiner  Untersuchiyigen  lassen  sich  wie  folgt 
zusammenfassen: 

1.  Die  Blasenflüssigkeit  der  Echinokokken  und  des 
Cysticercus  tenuicollis  übt  bei  subkutaner,  intraperito- 
nealer und  intravenöser  Einverleibung  auf  kleine  Versuchs- 
tiere keinerlei  krankmachende  Wirkung  aus.  Die  Flüssig- 
keit der  genannten  Parasiten  enthält  somit  kein  giftiges 
Prinzip.  Dies  gilt  sowohl  für  ausgebildete  als  auch  für 
noch  in  der  Entwicklung  begriffene  Blasen. 

2.  Das  Blutserum  echinokokkenkranker  Tiere  besitzt 
keine  präzipitierende  Wirkung  auf  Echinokokkenflüssig- 
keit. Auch  durch  systematische  Immunisierung  von  Ver- 
suchstieren mit  Echinokokken-  und  Tenuikollenflüssigkeit 
läßt  sich  kein  spezifisches  präzipitierendes  Serum  ge- 
winnen. Es  ist  daher  anzunehmen,  daß  die  Flüssigkeit  der 
genannten  Blasenwürmer  nicht  geeignet  ist,  eine  nachweis- 
bare Präzipitinproduktion  im  Tierkörper  auszulösen. 


Literatur. 


')  Debove,  M.,  De  la  pathogenie  de  l'urticaire  bydatique.    Comptes  rendus 

de  l'Acad.  des  Sciences  1887. 
J)  Debove,  M.,    De   l'intoxication    hydatique.     Bull,   et  mem.    de    la    Soc. 

möd.  des  böpitaux  1888. 


*)  Ich  möchte  bemerken,  daß  die  Versuche  zum  Teil  zu  einer  Zeit  aus- 
geführt worden,  zu  der  die  Komplementbindung  noch  nicht  die  Bedeutung 
erlangt  hatte,  die  sie  heute  besitzt.  Andere  Arbeiten  verhinderten  mich,  nach- 
träglich die  ganzen  Versuche  unter  Zuhilfenahme  der  Komplementbindung  zu 
wiederholen. 


—     28     — 

3)  Achard,  Ch.,  Do  l'intoxication  hydatique.  Archives  generales  de  med., 
7.  Ser.,  T.  20,  1888,  Vol.  IL 

4)  Makowski,  J.  S.,  Beitrag  zur  Frage  der  Toxizität  der  Echinokokken- 
flüesigkeit.  Praktitscheski  Wratsch  1904,  No.  24.  (Ref.  Zentralbl.  f.  inn. 
Med.,  25.  Jahrg.  1904) 

5)  Vi  dal,  M.,  Annales  de  dermatol.  et  de  syphiligr.  1880.  (Zitiert  nach 
Achard.) 

6)  Kirmisson,  M.,  Gaz.  hebd.  de  med.  et  de  chir.  1882  und  Archives  gene- 
rales de  med.  1883.    (Zitiert  nach  Achard.) 

i)  Korach,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1888.    (Zitiert  nach  Achard.) 

8)  Humphry,  L.,  An  inquiry  into  the  severe  Symptoms  occasionally  following 
puncture  of  hydatid  cysts  of  the  liver.    The  Lancet  1887  (Vol.  I). 

9)  Mourson,  J.,  und  Schlagdenhauffen,  F.,  Nouvelles  recherches  chimi- 
ques  et  physiologiques  sur  quelques  liquides  organiques.  Comptes  rendus 
de  l'Acad.  des  Sciences.   T.  85,  1882. 

lü)  L  in  stow,  v.,  Über  den  Giftgehalt  der  Helminthen.  Internat.  Monatsschr. 
f.  Anat.  u.  Pbysiol.    Bd.  13,  1896. 

11)  Linstow,  v.,  Die  durch  tierische  Parasiten  erzeugten  toxischen  Stoffe. 
Bericht  f.  d.  VIII.  internat.  tierärztl.  Kongreß.    Budapest  1905. 

»•)  Faust,  £.  St.,  Die  tierischen  Gifte.    Braunschweig  1906. 

12)  Kobert,  R.,  Lehrbuch  der  Intoxikationen.   2.  Aufl ,  IL  Bd.   Stuttgart  1906. 
1S)  Langer,  J.,  Zur  Frage  der  Bildung  spezifischer  Antikörper  im  Organismus 

von  Bandwurm wirten.    Münch.  med.  Wochenschr.    52.  Jahrg.    1905. 
u)  Naunyn,  B.,   Über  Bestandteile  der  Echinokokkusflüssigkeiten.    Arch.  f. 

Anat,  Physiol.  u.  wissensch.  Med.    Jahrg.  1863. 
15)  Lücke,  A.,  Die  Hüllen  der  Echinokokken  und  die  Echinokokkenflüssigkeit. 

Virchows  Archiv,  Bd.  19,  1860. 
,6)  Bernard,   Ch.,   und   Axenfeld,     Comptes   rendus   de   la   Soc.   de  Biol. 

58,  t.  3.    (Zitiert  nach  Lücke.) 

17)  Heintz,  Poggendorifs  Annalen,  Bd.  80.    (Zitiert  nach  Naunyn.) 

18)  Leuckart,  R.,  Die  Parasiten  des  Menschen.  2.  Aufl.  Bd.  I,  1.  Abteil. 
Leipzig  und  Heidelberg  1879—1886. 


i 


Hygienische  Grundsätze  für  den  Bau  von  Stallungen. 

Von 
Professor  H.  Chr.  Nußbaum 

in  Hannover. 

Durch  die  dauernde  Stallhaltung  der  Haustiere,  die  sich 
nach  dem  Aufheben  des  Weideganges  in  vielen  Gegenden  Deutsch- 
lands eingebürgert  hat,  wird  ein  ungünstiger  Einfluß  auf  den  Ge- 
sundheitszustand der  Tiere  ausgeübt.  Namentlich  bei  Kühen  macht 
sich  dies  bemerkbar,  da  sie  mehr  noch  als  die  übrigen  Haustiere 
auf  jede  Bewegung  im  Freien  verzichten  müssen.  Dieser  nachteilige 
Einfluß  wird  nicht  wett  gemacht  durch  den  Schutz,  den  der  Stall 
den  Tieren  vor  den  Unbilden  der  Witterung  und  den  Einflüssen 
hoher  wie  niederer  Wärmegrade  bietet.  Vor  allem  fehlt  den  Tieren 
die  Bewegung  in  Sonne  und  Luft  sowie  die  Abhärtung  in  Wind  und 
Wetter.  Unter  diesen  Umständen  scheint  die  Widerstandskraft  gegen 
manche  Infektionskrankheiten,  z.  B.  die  Tuberkulose,  abzunehmen, 
während  die  dauernde  nahe  Berührung  der  Tiere  untereinander  die 
Ansteckungsgefahr  erhöht.  Wenn  wir  uns  nun  auch  nicht  der  An- 
schauung hingeben  dürfen,  durch  eine  günstige  Bauart  und  treffliche 
Einrichtungen  der  Stallungen  diese  Nachteile  aufheben  zu  können,  so 
wird  man  doch  bestrebt  sein  müssen,  letzteren  so  weit  entgegenzu- 
wirken, wie  es  in  unserer  Macht  steht.  Es  dürfte  ja  unter  den  gegen- 
wärtig bestehenden  Verhältnissen  kaum  gelingen,  in  jenen  Gegenden 
den  Aufenthalt  der  Haustiere,  namentlich  der  Kühe,  im  Freien  so  weit 
zu  vermehren,  daß  GesundheitsschädigUngen  hintangehalten  werden. 

Eine  der  bedeutsamsten  .Grundbedingungen  für  das  Gesund- 
erhalten der  Stalltiere  ist  ihre  und  ihrer  Umgebung  Sauberhaltung. 
Sie  ist  in  einer  irgend  vDllkommenen  Weise  nur  durchführbar,  wenn 
die  Innenbauart  und  die;  Ausstattung  des  Stalles  von  vornherein  ihr 
entsprechend  durchbildet  werden.  Als  weitere  Grundbedingungen 
treten  in  den  Vordergrund:  Trockenheit  der  Gebäude,  an- 
gemessene Wärmeverhältnisse   während  jeder  Jahreszeit. 


—    30     — 

ausreichender  Zutritt  von  Sonnenlicht  und  ausgiebiger 
Luft  Wechsel.  Auch  die  Erfüllung  dieser  Bedingungen  hängt  von  der 
Bauart  und  Einrichtung  der  Stallungen  ab;  sie  wird  erschwert  durch 
die  wirtschaftlichen  Ansprüche,  die  in  der  Mehrzahl  aller  Fälle  tun- 
lichst niedrige  Kosten  von  der  Herstellung,  Durchbildung  und  Aus- 
stattung der  Stallungen  verlangen.  Ferner  treten  jene  hygienischen 
Anspräche  unter  sich  leicht  in  Gegensatz,  so  z.  B.  vermag  die  Wärme- 
wirtschaft eines  Gebäudes  durch  einen  kraftvollen  Luftwechsel  oder 
durch  eine  erhebliche  Größe  der  Lichtöflhungen  nachteilig  beeinflußt 
zu  werden.  Endlich  sind  die  technischen  Ansprüche  an  die  Stand- 
festigkeit, Feuersicherheit  und  Dauerhaftigkeit  der  Gebäude  stets 
zu  erfüllen,  obgleich  auch  sie  in  einen  gewissen  Gegensatz  zu 
hygienischen  Anforderungen  zu  treten  vermögen.  Es  ist  daher 
erforderlich,  den  wirklichen  oder  relativen  Wert  jedes  einzelnen 
hygienischen  Anspruches  sorgfältig  abzuwägen  und  sämtliche  An- 
forderungen unter  sich,  wie  mit  denen  der  Wirtschaftlichkeit  und 
der  Technik,  in  Einklang  zu  bringen,  um  in  jeder  Beziehung  zweck- 
mäßige Anlagen  zu  erhalten. 

Hier  mag  zunächst  die  Bauart  der  hauptsächlichsten  Teile  der 
Stallgebäude  eine  knapp  gehaltene,  nur  das  Allgemeine  berücksichti- 
gende Darstellung  erfahren,  während  spätere  Abhandlungen  inter- 
essante Einzelheiten  sowie  die  Ausstattung  und  Lüftung  der  Ställe 
zum  Gegenstand  haben  sollen. 

Für  die  Trockenheit  der  Gebäude,  ihre  Wärmeverhältnisse,  die 
Helligkeit  und  die  natürliche  Lüftung  in  den  Stallungen  ist  die 
Bauart  der  Außenwände  mit  ihren  Öffnungen  maßgebend.  Zu- 
gleich treten  an  diese  Wände  bedeutungsvolle  technische  Ansprüche 
heran,  vor  allem  die  der  Standfestigkeit,  Dauerhaftigkeit  und  Wetter- 
beständigkeit, während  ihre  Anlagekosten  den  wesentlichsten  Teil 
der  Gesamtkosten  des  „Rohbaues"  auszumachen  pflegen.  Die  Bauart 
der  Außenwände  beansprucht  daher  unser  Interesse  in  erster  Linie. 

Die  dauernde  Trockenerhaltung  der  Außenwände  ist 
nicht  leicht  zu  erreichen.  Niederschläge,  Erdfeuchtigkeit,  das  zum 
Reinigen  des  Stalles  dienende  Wasser,  die  flüssigen  und  die  dampf- 
te 'uti j  igen  Abgänge  der  Tiere  wirken  ihr  entgegen.  Die  Auswitte- 
run irssalze,  die  durch  die  chemische  Einwirkung  des  Harns  auf 
den  Mauermörtel  zu  entstehen  vermögen,  vergrößern  dessen  Auf- 
nahmefähigkeit für  Wasserdampf.  Die  Wand  muß  daher  gegen 
alte  diese  Einflüsse  gesichert  werden. 


L 


—     31     — 

Gegen  das  Aufsteigen  von  Erdfeuchtigkeit,  von  Wasser  und 
Harn  muß  die  Ausbildung  des  Wandsockels  Schutz  bieten.  Der 
Sockel  wird  daher  zweckmäßig  in  seiner  ganzen  Dicke  aus  undurch- 
lässigen Baustoffen  hergestellt;  er  soll  sowohl  an  der  Gebäude- 
außenseite wie  im  Innern  des  Stalles  so  weit  über  den  Erdboden  und 
den  Fußboden  emporragen,  daß  aufspritzende  Flüssigkeiten  die  über 
ihm  befindliche  Wand  nicht  zu  erreichen  vermögen.  Zur  Sockel- 
bildung sind  dichtes  Gestein  und  ganz  oder  an  der  Oberfläche  ge- 
sinterte Ziegel  besonders  geeignet.  AlsMörtel  haben  sich  verschiedene 
Asphaltgemenge  und  der  Kaseinmörtel  bewährt,  während  Mörtel  aus 
Zement,  Traß,  Wasser-  und  Luftkalken  mehr  oder  weniger  rasch 
durch  die  Einflüsse  des  Harns  zersetzt  werden.  Der  Kaseinmörtel 
(„Käsekitt")  läßt  sich  aus  jeder  Art  Eiweiß  gewinnen,  das  mit 
Ätzkalk  (Weißkalk)  innig  gemengt  wird.  Als  Zuschläge  dienen, 
wie  bei  jedem  Mörtel,  Sand,  Kies  und  dergleichen.  In  der  Regel  wird 
Milchgerinnsel  zu  seiner  Herstellung  benutzt.  Das  bei  der  Stärke- 
fabrikation frei  werdende  Eiweiß,  Magermilch,  Buttermilch  und  Blut 
sind  ebenfalls  geeignet.  Der  Mörtel  muß  vor  der  Verwendung 
einige  Zeit,  oft  Tage,  ruhen,  damit  das  Aufschließen  der  Eiweiß- 
teilchen rechtzeitig  vor  sich  geht.  Die  Widerstandsfähigkeit  der 
Zemente  kann  durch  Zusatz  von  Kali-Wasserglas  wesentlich  erhöht, 
werden.  Doch  darf  dieser  Mörtel  nur  in  kleinen  Mengen  angefertigt 
werden  und  muß  sofort  nach  dem  Anmengen  Verwendung  finden,  da 
er  ungemein  rasch  bindet  und  erhärtet.  Auch  Zuschläge  von  Traß- 
mehl  oder  fein  gemahlener  Hohofenschlacke  vermögen  diesem  Zweck 
zu  dienen. 

Der  obere  Wandteil  muß  aus  Baustoffen  bestehen,  die  für 
Luft  und  Wasser  eine  starke  Durchlässigkeit  besitzen,  damit  er  im- 
stande ist,  das  infolge  der  Ausdünstung  der  Tiere  aus  der  Stalluft 
sich  oft  in  erheblicher  Menge  auf  der  Wand  niederschlagende 
Schwitzwasser  aufzusaugen,  nach  außen  zu  führen  oder  unter 
günstigeren  Verhältnissen  wieder  an  die  Luft  abzugeben.  Ein  hoher 
Luftgehalt  des  Wandkörpers  ist  auch  deshalb  wünschenswert,  weil 
er  das  Wärmeleitungsvermögen  der  Wand  herabsetzt,  also  die  Wärme- 
übertragung (von  außen  nach  innen,  wie  von  innen  nach  außen) 
verlangsamt.  Hart  gebrannte,  stark  sandhaltige  Ziegel  haben  sich  am 
besten  bewährt.  Die  neuerdings  in  Aufnahme  gekommenen  Kunstsand- 
ziegel lassen  sich  ebenfalls  in  ausreichend  durchlässiger  Art  herstellen. 
Von  den  Xaturgesteinen  sind  die  Kalktuffe  die  brauchbarsten.  Undurch- 


—     32     — 

lässige  oder  schwach  durchlässige  Gesteine  müssen  ftir  Stallungen 
als  zweckwidrig  bezeichnet  werden.  Ihre  Nachteile  lassen  sich  dadurch 
allerdings  verringern  oder  aufheben,  daß  man  sie  in  unregelmäßiger 
Gestalt  als  Bruchsteinmauerwerk  oder  Stampfwerk  (Beton)  verwendet. 
Die  großen  Mengen  des  sie  umhüllenden  Mörtels  übernehmen  dann 
die  Aufgaben  der  Wasserführung  und  schlechten  Wärmeleitung.  Der 
Mörtel  soll  allgemein  „mager"  gewählt  werden,  um  jene  Ansprüche 
erfüllen  zu  können,  das  heißt,  sein  Sandgehalt  muß  im  Verhältnis  zum 
Bindemittel  ein  hoher  sein.  Je  nach  den  im  Einzelfall  zu  stellenden 
Ansprüchen  der  Standfestigkeit  ist  daher  ein  Bindemittel  zu  wählen, 
das  trotz  hohem  Sandgehalt  des  Mörtels  eine  ausreichend  rasche 
und  hohe  Erhärtung  gewährleistet.  Die  Zemente  und  Wasserkalke 
bieten  sie.  Der  Luftkalk  (Weißkalk,  Ätzkalk)  bedarf  der  Zuschläge 
von  langsam  bindendem  Zement,  Traß,  Hohofenschlacke  oder  Eiweiß- 
teilchen, wenn  von  ihm  im  sandreichen  Mörtel  eine  irgend  belang- 
reiche Standfestigkeit  gefordert  wird. 

Gegen  das  Eindringen  der  Niederschläge  sind  die  Außenflächen 
der  Wände  um  so  mehr  zu  schützen,  je  durchlässiger  sie  gewählt 
wurden,  da  sie  dem  Wasser  einen  um  so  stärkeren  und  tieferen 
Eintritt  gewähren.  Die  Niederschläge  vermögen  bei  einiger  Dauer 
des  Regenwetters  selbst  Wände  von  V/2  bis  2  Stein  Stärke  voll- 
ständig mit  Wasser  zu  sättigen.  Sie  dadurch  fernzuhalten,  daß 
man  die  Wetterseiten  außen  mit  einer  für  Wasser  undurchlässigen 
oder  wenig  durchlässigen  (wasserabweisenden)  Oberfläche  versieht, 
ist  für  Stallungen  kaum  zu  empfehlen,  obgleich  dieses  Verfahren 
sich  für  Wohngebäude  bewährt  hat.  Die  starke  Schwitzwasser- 
bildung und  die  mangelnde  Heizung  lassen  die  dauernde  Trocken- 
erhaltung solcher  Stallwände  fraglich  erscheinen.  Vielmehr  ist  es 
geraten,  dem  Dach  einen  so  starken  Vorsprung  zu  geben,  daß  es 
den  Wänden  Schutz  gegen  die  Niederschläge  gewährt.  Bei  geringer 
oder  mäßiger  Höhe  derStallwände  steht  diesem  VorgehenkeinHindernis 
entgegen.  In  manchen  Fällen  wird  es  auch  angehen,  die  freistehenden 
Außenwände  der  Stallungen  denjenigen  Himmelsrichtungen  abzukehren , 
aus  denen  erheblicher  Schlagregen  zu  gewärtigen  ist  und  die  Wetter- 
seiten durch  Remisen,  Scheunen  u.  a.  einzubauen,  deren  Außenwände 
man  ohne  Nachteil  mit  einer  wasserabweisenden  Oberfläche  versehen 
darf.  Wo  diese  Mittel  nicht  anwendbar  sind,  da  erscheint  es  geraten, 
die  nach  den  Wetterseiten  gerichteten  Flächen  mit  Körpern  zu  be- 
hängen, die,  sich  tibergreifend,  den  Flüssigkeiten  den  Eintritt  wehren. 


—     33     — 

während  sie  der  Luft,  den  Gasen  und  dem  Wasserdampf  durch  ihre 
Fugen  freien  Durchtritt  gestatten.  Dachziegel,  Schiefer,  Schindel, 
Bretter  und  Bohlen  vermögen  diesem  Zweck  zu  dienen. 

Hohlwände  als  Wetterschutz  zu  verwenden,  ist  ein  fragwürdiges 
Vorgehen,  das  als  bewährt  durchaus  nicht  bezeichnet  werden  kann, 
obgleich  viele  Techniker  es  tun.  In  einer  Reihe  von  Fällen  fand 
ich  die  untersuchten  Hohlräume  stark  durchfeuchtet,  die  Flächen 
mit  Schimmel,  Hausschwamm  und  anderen  Pilzen  dick  überzogen, 
widrigen  Geruch  von  ihnen  bis  ins  Innere  der  Gebäude  ausgehen. 
Ob  und  wie  weit  diese  Mißstände  auf  Mängel  der  Herstellung  zurück- 
zuführen sind  oder  ob  sie  auch  der  richtig  hergestellten  Hohlwand 
anhaften,  will  ich  dahingestellt  sein  lassen,  neige  aber  nach  meinen 
bisherigen  Befunden  der  letzteren  Anschauung  zu. 

In  Küstengebieten  ist  ein  vollkommenerer  Schutz  sämt- 
licher freistehenden  Außenwände  notwendig.  Die  Brandung  läßt 
fort  und  fort  große  Mengen  feiner  Salzwasserteilchen  in  die  Luft 
gelangen,  die  von  den  Winden  den  Gebäuden  zugetragen  werden. 
Sind  ihre  Oberflächen  durchlässig,  dann  dringen  die  Salze  in  die 
Poren  ein  und  vermögen  durch  ihre  Wasseranziehung  aus  der  Luft 
eine  dauernde  Durchfeuchtung  der  Wände  hervorzurufen.  Wo  solche 
Erscheinungen  auftreten  oder  wo  eine  besonders  starke  Einwirkung 
der  Niederschläge  auf  die  Wände  zu  gewärtigen  ist,  kann  es  sich 
empfehlen,  die  sämtlichen  oder  die  nach  den  Wetterseiten  gelegenen 
Gebäudeaußenflächen  undurchlässig  zu  gestalten,  dann  aber  durch 
die  Art  der  Lüftung  der  Bildung  von  Schwitzwasser  im  Innern  der 
Stallungen  entgegenzuwirken  und  Sorge  zu  tragen,  daß  die  durch 
sie  gelegentlich,  z.  B.  bei  hoher  Temperatur  und  hohem  Feuchtig- 
keitsgehalt der  Luft  im  Freien,  hervorgerufene  Wanddurchfeuchtung 
bald  wieder  aufgehoben  wird  und  ohne  üble  Folgen  bleibt. 

Der  Wärmeschutz,  den  eine  Außenwand  zu  bieten  vermag, 
wächst  mit  ihrer  Stärke.  Mit  ihr  vermehren  sich  aber  auch  die 
Anlagekosten  des  Gebäudes.  Das  ständig  und  (in  den  letzten 
Jahren)  rasche  Steigen  der  Arbeitslöhne  drängt  immer  mehr  dahin, 
möglichst  geringe  Wandstärken  in  Anwendung  zu  bringen,  jedenfalls 
die  Wände  nicht  dicker  zu  wählen,  als  ihre  Standfestigkeit  es  er- 
heischt. 

Soll  eine  dünne  oder  nur  mäßig  starke  Wand  den  Ansprüchen 
der  Wärmewirtschaft  in  Stallgebäuden  genügen,  dann  ist  es  erforder- 
lich,  sie   im  Innern   des  Gebäudes  so  zu  gestalten,  daß  sie  einen 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  1.  3 


—     34     — 

Wärmespeicher  bildet,  der  hinreicht,  sowohl  ohne  Heizung  das  Ent- 
stehen niedriger  Temperaturen  (+10°  C  und  weniger),  als  auch  von 
Wärmegraden,  die  eine  genügende  Wärmeabführung  von  der  Körper- 
oberfläche der  Tiere  verhindern  (+25°  C  und  mehr)  im  Stalle  zu  ver- 
hüten. Der  äußere  Wandteil  sollte  dagegen  aus  Körpern  hergestellt 
werden,  die  eine  sehr  langsame  Wärmeübertragung  gewährleisten. 
Eine  derartig  durchbildete  dünne  Wand  besitzt  vor  mitteldicken  Wänden 
sogar  einige  Vorzüge:  Die  von  den  Tieren  abgegebene  Wärme  reicht 
im  Winter  aus,  um  die  Temperatur  des  Wärmespeichers  entsprechend 
hoch  zu  halten,  während  im  Sommer  durch  sachgemäße  Regelung 
der  Lüftung  seine  Auskühlung  vom  Abend  bis  zum  Morgen  soweit 
erzielt  werden  kann,  daß  er  den  Einflüssen  der  tagsüber  hohen 
Luftwärme  hinreichend  entgegenzuwirken  vermag.  Da  es  gegen- 
wärtig kaum  mehr  angeht,  Wandstärken  von  0,75  m  und  mehr  in 
Anwendung  zu  bringen,  so  sind  diese  Vorzüge  als  bedeutungsvoll 
zu  bezeichnen.  Denn  in  mitteldicken  Wänden  gewöhnlicher  Art 
(0,40—0,60  m)  steigt  nach  meinen  Untersuchungen  bei  andauernd 
warmer  Sommerwitterung  die  Temperatur  ihrer  Innenfläche  von 
Tag  zu  Tag  an  und  nimmt  bei  andauerndem  Frostwetter  von  Tag 
zu  Tag  ab.  Hierdurch  vermögen  in  den  Stallungen  auf  Wochen 
Temperaturen  zu  entstehen,  die  als  gesundheitswidrig  oder  mindestens 
als  das  Wohlbefinden  der  Tiere  benachteiligend  bezeichnet  werden 
müssen. 

Zur  Wärmespeicherbildung  ist  jedes  Gestein,  jeder  Vollziegel, 
jeder  schwere  Kunststein  und  jedes  Stampfwerk  geeignet,  während  als 
äußerer  Wärmeschutz  Holzbohlen,  Korkstein  und  stark  lufthaltige 
Kunststeine,  z.  B.  „rheinische  Schwemmsteine"  und  starkporig  ge- 
machte Ziegel  zu  dienen  vermögen.  Gegen  eine  übermäßige  Wirkung 
der  Sonnenstrahlung,  wie  sie  in  Deutschland  während  der  Sommer- 
monate zu  gewärtigen  ist,  bietet  bei  mäßiger  oder  geringer  Wand- 
höhe ein  weit  vorspringendes  Dach  wirksamen  Schutz.  Der  Nutzen 
seiner  Anwendung  ist  für  Stallgebäude  daher  ein  ebenso  vielseitiger  als 
bedeutsamer.  Durch  Bepflanzen  der  nach  den  Sonnenseiten  gelegenen 
WTände  mit  Wein,  Obst  oder  Schlinggewächsen  oder  durch  ihre  Be- 
schattung mit  Baumschlag  läßt  sich  ebenfalls  ein  hoher  Schutz  gegen 
die  Wärmewirkung  der  Sonnenstrahlung  erzielen  und  eine  gewisse 
Kühlung  der  die  Wand  bestreichenden  Luft  erreichen.  Da  das 
Fallen  der  Blätter  in  der  kühlen  und  kalten  Jahreszeit  die  Besonnung 
der  betreffenden  Flächen  zuläßt,  so  ist  die  letztgenannte  Art  der  Schutz- 


—     35    — 

gewinnung  als  die  hygienisch  günstigste  zu  bezeichnen,  ganz  ab- 
gesehen von  dem  wirtschaftlichen  Vorteil,  der  sich  durch  das  Ziehen 
von  Spalierobst  oder  Wein  erzielen  läßt.  Der  Wärmeschutz,  den 
die  grünenden  Pflanzen  bieten,  kommt  dadurch  zustande,  daß  sie 
die  durch  Strahlung  ihnen  zufließende  Wärme  nicht  auf  das  Gebäude 
übertragen,  sondern  teils  zum  Aufbau  von  Zellen,  hauptsächlich 
aber  zur  Wasserverdunstung  verbrauchen.  Je  mehr  Feuchtigkeit 
ihren  Wurzeln  sich  bietet,  um  so  besser  vermögen  sie  ihre  Schutz- 
wirkung zu  entfalten. 

Die  Lichtöffnungen  beeinflussen,  wie  bereits  flüchtig  erwähnt, 
die  Wärmeverhältnisse  der  Gebäude  in  erheblicher  Weise.  Selbst 
beim  Vorhandensein  zweckmäßiger  Fensterverschlüsse  geht  die 
Wärmeübertragung  durch  diese  Öffnungen  ganz  erheblich  rascher 
vor  sich  als  durch  die  vollen  Wandteile.  Andererseits  gestatten  große 
Lichtöffhungen  nicht  nur  einen  erheblich  erhöhten  Tageslichteinfall, 
sondern  auch  eine  wesentlich  schnellere  und  gründlichere  Auskühlung 
erhitzter  Gebäude,  sobald  man  sie  während  der  kühlen  Tagesr  oder 
Nachtstunden  dem  Luftwechsel  öffnet. 

Je  nach  dem  Ortsklima  wird  bald  der  einen  bald  der  anderen 
Wirkung  eine  höhere  Bedeutung  zukommen.  Die  Tageslichthelle  wird 
ebenfalls  von  dem  Klima,  mehr  aber  noch  von  der  Freilage  der  Ge- 
bäude beeinflußt.  Für  die  Abmessungen  der  Lichtöffhungen  lassen 
sich  daher  keine  allgemein  gültigen  Zahlen  geben.  Man  wird  viel- 
mehr trachten  müssen,  sie  dem  Ortsklima  und  den  besonderen  Ver- 
hältnissen jedes  Einzelfalles  anzupassen.  In  der  Regel  dürfte  eine 
gleichmäßige  Verteilung  von  Öffnungen  mittlerer  Größe  über  sämt- 
liche Außenwände  die  günstigste  Lösung  darstellen.  In  Gegenden 
mit  hartem  Winterklima  und  mildem  Sommerklima,  z.  B.  im  Gebirge 
und  nahe  den  Küsten,  wird  man  dagegen  die  Größe  der  Lichtöff- 
nungen auf  das  für  den  Tageslichteinfall  notwendige  Mindestmaß 
zu  beschränken  haben. 

Werden  die  Fenster  vom  vorspringenden  Dach  überschattet, 
dann  ist  ein  besonderer  Schutz  gegen  die  ungünstigen  Einflüsse 
der  Sonnenstrahlung  nicht  erforderlich.  Wo  das  Dach  nur  wenig 
vorspringt,  dürfte  es  sich  empfehlen,  die  nach  den  Sonnenseiten 
gelegenen  Fenster  tunlichst  hoch  anzubringen  und  nicht  zu  tief 
herabreichen  zu  lassen.  Will  man  dagegen  die  Sonnenwirkung 
während  der  kühlen  und  kalten  Jahreszeit  ausnützen,  dann  muß 
die  gegenteilige  Fensterlage  gewählt  werden.     Dadurch  stellt  sich 

3* 


—    36     — 

aber  die  Notwendigkeit  ein,  die  Fenster  an  den  Sonnenseiten  mit 
durchbrochenen  Holzläden  zu  versehen,  die  die  Wärmewirkung 
und  die  blendende  Lichtwirkung  der  Sonnenstrahlen  ausreichend 
mildern,  ohne  den  Lichteinfall  und  den  Luftwechsel  aufzuheben. 

Wärmeschutz  durch  Doppelfenster  erzielen  zu  wollen,  empfiehlt 
sich  für  Stallungen  nur  in  besonderen  Fällen,  da  diese  Fenster  kost- 
spielig sind  und  die  Regelung  der  Lüftung  erschweren.  Im  allge- 
meinen dürfte  es  ausreichen,  die  Fenster  mit  einer  doppelten  Ein- 
glasung zu  versehen.  Zu  diesem  Zweck  werden  beiderseits  Kittfalze 
angebracht,  zwischen  denen  ein  Hohlraum  von  1—2  cm  bleibt. 
Nach  meinen  Versuchen  und  Erfahrungen  vermeidet  man  durch  die 
doppelte  Einglasung  die  lästige  Bildung  von  Schwitzwasser  wie  von 
Eisblumen  und  erzielt  einen  für  Stallungen,  Nebenräume,  Wirtschafts- 
räume u.  dergl.  hinreichenden  Wärmeschutz.  Da  zu  ihr  billige, 
dünne  Glassorten  dienen  dürfen,  stellt  sie  sich  preiswert.  Für 
Eisenfenster  ist  sie  ganz  besonders  zu  empfehlen,  da  sie  durch 
Vermeidung  der  Schwitzwasserbildung  das  Rosten  verringert. 

An  den  Sonnenseiten  empfiehlt  es  sich,  für  die  innere  Scheibe 
ein  lichtzerstreuendes  Glas  zu  wählen,  damit  in  der  milden  und 
kalten  Jahreszeit  die  Holzläden  während  der  Besonnung  geöffnet 
bleiben  können.  Mattglas  wie  Preßglas  sind  für  diesen  Zweck  ge- 
eignet; ihre  Lichtzerstreuung  reicht  aus,  um  jede  Blendwirkung 
auf  die  Augen  der  Menschen  und  Tiere  hintanzuhalten,  während  die 
freundliche  Wirkung  der  Sonnenstrahlen  bestehen  bleibt.  Um  das 
Säubern  zu  erleichtern  und  das  Ansetzen  von  Staub  zu  verringern, 
legt  man  die  matte  oder  rauhe  Seite  des  Glases  bei  doppelter  Ein- 
glasung nach  dem  Hohlraum,  bei  einfacher  Einglasung  nach  innen. 

Wo  Holzläden  vor  den  Fenstern  sich  befinden,  müssen  die 
letzteren  nach  innen  aufgehen.  Im  anderen  Falle  ist  es  geraten,  sie 
als  Kippflügel  auszubilden,  damit  sie  auch  bei  Regenwetter  geöffnet 
bleiben  können.  Der  untere  Teil  des  Flügels  muß,  geöffnet,  zu 
diesem  Zweck  nach  außen  genügend  weit  vorspringen,  damit  der 
anschlagende  Regen  nach  außen  abtropft.  Weitere  Vorzüge  der 
Kippflügel  bestehen  darin,  daß  sie  die  Heftigkeit  des  Windes  mildern 
und  der  eintretenden  Luft  einen  erheblichen  Teil  ihres  Staubgehaltes 
entziehen,  indem  sie  die  Bewegung  der  Luft  verlangsamen.  Auf 
ihre  häufige  Säuberung  ist  aus  diesem  Grunde  ein  besonderes  Gewicht 
zu  legen.  Sie  sollte  allerdings  auch  bei  anderen  Flügelformen 
regelmäßig   und   in   kurzen  Zwischenräumen   erfolgen.    Denn   auf- 


—     37     — 

lagernder  Staub  vermindert  die  Lichtdurchlässigkeit  des  Glases 
ganz  erheblich.  Mit  ständig  sauber  gehaltenen  Fenstern  erreicht 
man  bei  halber  Größe  annähernd  die  gleiche  Lichtfülle  wie  mit 
unsauberem  Glas.  Ich  fand  die  Lichtverminderung  durch  auf- 
lagernden Staub  zwischen  30  und  90°/0.  Namentlich  in  Gegenden 
mit  rauhem  Winterklima  und  mildem  Sommerklima  empfiehlt  sich 
das  letzterwähnte  Vorgehen.  Auf  die  hinreichende  Zugänglichkeit  der 
Glasflächen  ist  ein  entsprechend  hoher  Wert  zu  legen.  Die  nach 
dem  Hohlraum  gelegenen  Glasflächen  der  doppelten  Einglasung  be- 
dürfen der  Säuberung  nicht.  Nur  ist  es  erforderlich,  ihre  Ver- 
kittung in  gutem  Zustand  zu  erhalten,  damit  kein  Staub  sie  zu 
durchdringen  vermag. 

Für  die  Sauberkeit  des  Stalles  kommt  —  abgesehen  von 
seiner  gesamten  Ausstattung  —  der  Bauart  des  Fußbodens  und 
dem  Innenverputz  nebst  seiner  Bemalung  die  wesentlichste  Bedeutung 
zu.  Der  Fußboden  muß  eben  und  fugenfrei  aus  undurchlässigen,  der 
jeweiligen  Inanspruchnahme  durch  die  in  Betracht  kommende  Tierart 
gewachsenen  Baustoffen  hergestellt  werden  und  mit  einem  derartigen 
Gefalle  versehen  sein,  daß  eine  gründliche  Säuberung  nebst  Nach- 
spülung rasch  und  ohne  Schwierigkeit  durchfuhrbar  ist.  Pflaster 
aus  gesinterten  Steingutplatten  und  Stampfasphalt  auf  Betonunter- 
lage haben  sich  auch  bei  stärkster  Inanspruchnahme  bewährt,  sind 
aber  kostspielig.  In  leidlicher  Nähe  ihrer  Fundorte  pflegen  „ge- 
stockte44 Platten  aus  hartem,  dichtem  Gestein,  die  annähernd  gleich 
gute  Dienste  leisten,  schon  etwas  preiswerter  zu  sein.  Billiger  sind 
Zementplatten;  aber  nur  die  unter  Hochdruck  hergestellten  Erzeug- 
nisse weisen  eine  ausreichende  Haltbarkeit  auf.  Gußasphalt  auf 
Betonunterlage  oder  auf  Ziegelpflaster  ist  ebenfalls  für  viele  Zwecke 
dienlich  und  besitzt  den  Vorzug,  daß  der  Rohstoff  bei  Neuherstellungen 
wieder  verwendbar  ist.  Ihm  steht  jedoch  der  erhebliche  Nachteil 
gegenüber,  daß  der  Asphalt  mit  der  Zeit  schrumpft,  sich  infolge- 
dessen von  den  Wänden  zurückzieht  und  an  dieser  besonders  un- 
günstigen Stelle  eine  breite,  offene  Fuge  entstehen  läßt.  Für  große 
Flächen  pflegt  dieser  Nachteil  die  Anwendung  des  Gußasphalts  aus- 
zuschließen, während  bei  Stallungen  von  geringer  oder  mäßiger 
Große  das  Einhalten  gewisser  Vorsichtsmaßregeln  bei  der  Herstellung 
ausreicht,  um  belangreiche  Mängel  hintanzuhalten. 

Wo  niedriger  Preis  entscheidend  für  die  Wahl  des  Fußbodens 
ist,  wird   man   sich   mit  der  Anwendung  eines  Estrichs  begnügen 


—     38     — 

müssen.  Von  ihm  ist  sorgfältigste  Herstellung  aus  geeigneten  Bau- 
stoffen zu  beanspruchen,  damit  belangreiche  Mängel  hintangehalten 
werden.  Gips  unterliegt  der  Einwirkung  des  Harns  von  allen  MörteJ- 
arten  am  stärksten.  Doch  läßt  sich  der  bei  1000°  C  gebrannte  Gips 
durch  mechanische  Bearbeitung  so  weit  dicht  stellen,  daß  Zersetzungs- 
erscheinungen ausbleiben.  Die  Wasserkalke  und  Zemente  bedürfen 
für  unsern  Zweck  solcher  Zuschläge,  die  die  in  ihnen  vorhan- 
denen überschüssigen  Alkalien  vollkommen  binden,  weil  sie  sonst 
wasserlöslich  bleiben  und  mit  dem  Harn  nachteilige  Verbindungen 
eingehen.  Mehl  von  Traß-  oder  Hohofenschlacke  haben  sich  als 
Zuschläge  bestens  bewährt.  Sorgfältige  Dichtung  der  Oberfläche 
durch  mechanische  Bearbeitung  oder  durch  Einlassen  mit  Erdwachs. 
Hartparaffin  u.  dergl.  ist  für  diese  Estricharten  ebenfalls  Er- 
fordernis. Da  unter  dem  Einfluß  der  Hufe  der  mit  reichlichen  Binde- 
mittelmengen hergestellte  feine  Estrichüberzug  leicht  vom  Beton  ab- 
springt, so  empfiehlt  es  sich,  ihn  in  Großviehstallungen  fortzulassen, 
hier  vielmehr  den  nur  aus  Feinkies  und  Sand  gemengten  Beton  sorg- 
fältig zu  stampfen  und  zu  ebnen,  ihn  nach  dem  Erhärten  mit  Erd- 
wachs einzulassen  und  dann  mit  heißem  Eisen*)  zu  bügeln,  damit 
das  Erdwachs  tief  in  die  Poren  eindringt  und  fest  in  ihnen  haftet. 
Das  Erdwachs  macht  die  Oberfläche  des  Estrichs  dicht  und  ist  un- 
empfindlich gegen  die  Einwirkungen  des  Harns.  Einen  in  Stallungen 
haltbaren  Estrich  liefert  auch  der  Kaseinmörtel.  Leider  ist  die 
Technik  dieses  in  früheren  Jahrhunderten  vielfach  verwendeten 
Fußbodens  dem  Bauhandwerk  verloren  gegangen,  während  zu  seiner 
Herstellung  Übung  und  Kenntnis  der  Eigenschaften  dieses  trefflichen 
Bindemittels  erforderlich  sind.  Bei  sachgemäßer  Herstellung  und 
Bearbeitung  wird  der  Kaseinestrich  vollkommen  dicht,  sehr  fest  und 
zäh,  so  daß  er  selbst  den  Angriffen  der  Hufe  des  Großviehs  lange 
Zeit  zu  widerstehen  vermag.  In  frischem  Zustand  läßt  er  sich 
mit  geringer  Mühe  glätten  und  schleifen  oder  sonst  bearbeiten  und 
kann  durch  Zusatz  von  Erdfarben  in  jeder  beliebigen  Tönung  her- 
gestellt werden. 

Für  den  Verputz  oder  Fugenverstrich  des  Wandsockels 
sind  die  für  die  Estrichbildung  genannten  Mörtel  geeignet.  Dem 
Atzkalkmörtel  fehlt  die  erforderliche  Widerstandsfähigkeit  gegen 
Stoß  sowohl  als  gegen  die  Einflüsse  des  Harns.    Er  pflegt  an  dieser 

*)  Die  Temperatur  der  Eisen  darf  nicht  so  hoch  gewählt  werden,  daß 
das  Erdwachs  verbrennt 


—     39     — 

Stelle  daher  frühzeitig  auszuwittern  und  schadhaft  zu  werden. 
Ferner  sollte  mindestens  der  unterste  Teil  (0,50—0,75  m)  des  Wand- 
sockels aus  wasserundurchlässigen  Körpern  oder  Geraengen  so  dicht 
und  glatt  hergestellt  werden,  daß  er  waschbar  wird,  weil  er  bei 
der  Reinigung  des  Fußbodens  stark  beschmutzt  zu  werden  pflegt 
und  deshalb  stets  nach  ihm  der  Säuberung  auf  nassem  Wege  bedarf. 
Die  oberen  Wandteile  und  die  Decke  können  mit  Ätzkalk- 
mörtel geputzt  werden.  Doch  pflegt  dessen  Erhärtung  nur  an  der 
Oberfläche  zu  erfolgen.  An  Stellen,  wo  mechanische  Einwirkungen 
zu  gewärtigen  sind  oder  sonst  ein  widerstandsfähiger  Wandputz 
verlangt  wird,  ist  daher  der  Verputz  aus  vollkommen  und  in  ihrer 
ganzen  Tiefe  erhärtenden  Mörtelgemengen  herzustellen.  Mindestens 
sind  dem  Weißkalkmörtel  Zuschläge  zu  geben,  die  seine  Erhärtung 
verbessern. 

Aus  technischen  Gründen  ist  es  geraten,  den  Verputz  auf  den 
frisch  hergestellten,  noch  baufeuchten  Wänden  aufzutragen,  da  er  dann 
fest  auf  ihnen  haftet  und  sein  Erhärtungsgang  ein  wesentlich  längerer 
ist.*)  Für  die  Austrocknung  der  Wände  ist  es  dagegen  günstig, 
sie  möglichst  lange  ohne  Verputz  zu  lassen.  Je  nach  der  Dicke 
der  Wände,  der  Jahreszeit  und  der  Witterung  wird  man  bald  dem 
ersteren,  bald  dem  letzteren  Erfordernis  Rechnung  zu  tragen  haben. 
Auf  dünneren  Wänden,  die  im  Frühling  oder  im  Sommer  hochgeführt 
werden,  kann  der  Verputz  jedenfalls  unbedenklich  sofort  nach  der 
Eindeckung  des  Daches  angebracht  werden.**) 

Der  Anstrich  der  Wand  und  Deckenflächen  besteht  am 
vorteilhaftesten  aus  Kalktünche,  der  Magermilch  oder  Buttermilch 
zugefügt  wird,  um  ein  festes  Haften  auf  dem  Verputz  zu  erzielen. 
Die  Mehrzahl  der  übrigen  üblichen  Bindemittel,  namentlich  der  Leim, 
werden  unter  den  Einflüssen  der  an  Wasserdampf,  Ammoniak  usw. 
reichen  Stalluft  rasch  zersetzt,  wodurch  der  Anstrich  seine  Binde- 
kraft verliert,  so  daß  er,  als  Staub  herabfallend,  Tiere,  Futter,  Milch 
u.  a.  zu  beschmutzen  pflegt. 

Zwischendecken  sollten  nur  in  kleineren  oder  mäßig  großen 
Stallungen  zur  Anwendung  gelangen.  Die  Kosten  großer  Stallungen 
werden  durch  sie  ganz  erheblich  vermehrt,  weil  die  Wände  eine 
wesentlich  größere  Höhe  und  Stärke  erhalten  müssen,  die  Zwischen- 
decken sich  teuer  stellen  und  ihre  Dauerhaftigkeit  bei  der  Anwendung 

*)  Ohne  Anwesenheit  von  Wasser  findet  keine  Mörtel erhärtung  statt. 
**)  Auf  die  Verputztechnik  näher  einzugehen,  würde  hier  zu  weit  führen. 


—     40     — 

von  Holzkonstruktionen  eine  fragliche  ist.  Denn  unter  den  in 
Stallungen  gegebenen  Bedingungen  gedeihen  die  das  Holz  zer- 
störenden Pilze  gut.  Ferner  wird  der  Luftraum  des  Stalles 
durch  die  Zwischendecken  stark  vermindert,  der  Luftwechsel  er- 
schwert. 

Wo  Zwischendecken  ein  Erfordernis  sind,  empfiehlt  es  sich,  sie 
als  „Steindecken"  herstellen  zu  lassen,  weil  sie  bei  sachgemäßer 
Ausführung  Dauerhaftigkeit  gewährleisten.  Allerdings  dürfen  die 
zu  ihnen  verwendeten  Eisenteile,  z.  B.  die  Flanschen  der  Träger, 
nicht  an  der  Unterseite  der  Decke  sichtbar  sein,  sie  sollen  vielmehr  in 
durchlässige  Körper  gebettet«  werden,  weil  sonst  das  Bilden  und 
Abtropfen  von  Schwitzwasser  Belästigungen  und  Verunreinigungen 
hervorzurufen  vermag.  Aus  dem  gleichen  Grunde  muß  der  Decken- 
körper wie  sein  Verputz  und  Anstrich  eine  ziemlich  erhebliche 
Durchlässigkeit  erhalten.  Soll  die  Decke  das  Durchtreten  von 
Wasserdampf,  Luft  oder  Gasen  nach  oben  verhindern,  dann  muß 
über  der  Decke  ein  undurchdringlicher  Fußboden,  z.  B.  ein  Estrich, 
hergestellt  werden. 

Finden  Holzdecken  Verwendung,  dann  ist  es  geraten,  die  Balken, 
Halbbalken  oder  Bohlen  so  lang  zu  wählen,  daß  ihre  Köpfe,  die 
Außenmauern  völlig  durchdringend,  noch  etwas  aus  ihnen  hervor- 
stehen, damit  sie  hier  von  der  Luft  umspielt  werden.  Stecken  die 
Köpfe  im  Mauerwerk,  dann  pflegen  die  Hölzer  einer  frühzeitigen 
Zersetzung  anheimzufallen.  Eine  Unterschalung  des  Gebälkes  pflegt 
ebenfalls  nach  dieser  Richtung  mehr  zu  schaden  als  zu  nützen. 
Will  man  das  Gebälk  gegen  die  Einflüsse  der  Stalluft  und  gegen 
Feuerfangen  schützen,  dann  genügt  das  Überziehen  der  unten  sicht- 
baren Flächen  mit  Käsekitt.  Statt  des  Fehlbodens  ist  eine  Aus- 
rollung der  Balkenfache  mit  Ziegeln  oder  anderen  durchlässigen 
Kunststeinen  zu  empfehlen,  weil  die  Haltbarkeit  des  Fehlbodens 
im  Stall  sehr  zu  wünschen  übrig  läßt,  weil  von  ihm  häufig  Holzkrank- 
heiten auf  das  Gebälk  übergehen,  und  weil  ihm  die  Eigenschaft  des 
Wärmespeichers  nicht  in  ausreichendem  Maße  zuzukommen  pflegt. 
Gerade  an  dieser  Stelle  ist  er  aber  von  größter  Bedeutung  für  die 
Wärmewirtschaft  des  Stalles,  weil  die  wärmste  Luftschicht  nahe 
der  Decke  sich  befindet. 

Das  Dach  bedarf  nur  für  diejenigen  Fälle  hier  einer  Besprechung, 
in  denen  es  die  Decke  des  Stalles  bildet,  weil  es  sonst  in  jeder 
beliebigen  Bauart  hergestellt  werden  kann.    Es  empfiehlt  sich,  den 


—     41     — 

Neigungswinkel  dieses  Daches  mit  45°  oder  steiler  zu  wählen, 
damit  ein  möglichst  großer  Luftraum  für  den  Stall  gewonnen  wird. 
Man  darf  dann  die  Umfassungswände  niedrig  auffuhren,  wodurch 
sich  ihre  Anlagekosten  wesentlich  herabsetzen  lassen,  und  man 
vermag  sie  —  wie  bereits  erwähnt  —  gegen  nachteilige  Einflüsse 
der  Witterung  vollkommen  zu  schützen,  ohne  sie  einer  kraftvollen 
Durchlüftung  und  dauernden  Trockenerhaltung  zu  entziehen.  Ver- 
gessen darf  man  aber  nicht,  daß  bei  dieser  Bauart  des  Stalles  die 
Dachflächen  die  wesentlichsten  Umfassungsflächen  des  Raumes  bilden, 
für  seine  Wärmewirtschaft  daher  maßgebend  werden.  Infolgedessen 
bedürfen  sie  einer  Durchbildung,  welche  Mißstände  ausschließt. 

Das  Strohdach  bot  in  der  kalten  wie  in  der  warmen  Jahreszeit 
einen  ausreichenden  Wärmeschutz.  Das  aus  Gründen  der  Feuer- 
sicherheit an  seine  Stelle  getretene  Schieferdach  oder  Ziegeldach 
läßt  ihn  vermissen.  In  manchen  Gegenden  hat  man  versucht,  ihn 
dadurch  wiederzugewinnen,  daß  man  Strohlagen  („Strohdocken44) 
zwischen  die  Dachlatten  und  die  Schiefer  oder  Ziegel  gebracht  hat. 
Diese  Vornahme  ist  aus  feuerpolizeilichen  Gründen  auf  das  strengste 
zu  untersagen;  denn  sie  führt  eine  hohe  Feuersgefahr  herbei, 
während  das  Strohdach  dieses  weit  weniger  tut.  Während  das  letz- 
tere durch  den  Regen  feucht  gehalten  wird  und  Moosansiedlungen 
es  außen  gegen  Feuerfangen  sichern,  bleiben  die  geschützt  liegenden 
Strohdocken  dauernd  trocken,  fangen  ungemein  leicht  Feuer  und 
verbreiten  es  mit  unheimlicher  Schnelligkeit  über  das  ganze  Dach. 
Außerdem  sind  diese  dünnen  Strohlagen  nicht  imstande,  einen  irgend 
erheblichen  Wärmeschutz  zu  bieten.  Dazu  gehören  Massen  von 
Stroh,  wie  das  Dach  unserer  Altvordern  sie  enthielt.  Will  man  mit 
dem  feuersicher  gedeckten  Dach  einen  irgend  ausreichenden  Wärme- 
schutz erzielen,  dann  ist  es  erforderlich,  für  seine  Bauart  denselben 
Grundsatz  zur  Durchführung  zu  bringen,  der  für  dünne  Außenwände 
von  mir  aufgestellt  worden  ist:  Im  Innern  des  Hauses  muß  ein 
Wärmespeicher  von  einem  für  diesen  Zweck  ausreichenden  Gewicht 
geschaffen  werden,  der  durch  die  Wärme  sehr  schlecht  leitende 
Körper  gegen  rasche  Wärmeübertragung  gesichert  wird.  Dieser 
Grundsatz  läßt  sich  z.  B.  auf  folgende  Weise  durchführen:  Die 
Sparrenfelder  des  Daches  werden  innen  mit  einer  Ziegelausrollung 
geschlossen,  während  zum  Tragen  der  Eindeckung  statt  der  dünnen 
Holzschalung  Holzbohlen  von  möglichst  großer  Stärke  dienen.  Um 
die  Kosten  dieser  Bauart  niedrig  zu  halten,  muß  die  Konstruktion 


—     42     — 

die  Tragfähigkeit  der  Bohlen  und  Sparren  auszunützen  trachten. 
Wo  Latten  zum  Tragen  der  Dachdeckung  dienen,  können  andere 
schlechte  Wärmeleiter,  z.  B.  feiner  Sand,  zwischen  die  Ausrollung 
und  die  Deckung  gebracht  werden. 

Größere  Lüftungsöflhungen  des  Daches  sollten  ausschließlich  auf 
dessen  Schattenseite  angebracht  werden,  damit  sie  dem  im  Sommer 
nachteiligen  Einfluß  der  Sonnenstrahlung  entzogen  sind  und  die 
von  ihr  ausgehende  Wärme  nicht  auf  den  Stallraum  übertragen. 
Für  große  Stallungen  mit  Lüftungsöflhungen  von  erheblichem  Ge- 
samtflächenmaß ist  es  geraten,  sie  so  zu  stellen,  daß  eine  der  Haupt- 
dachflächen nach  Norden  sieht,  außerdem  aber  dem  Dach  einen 
Neigungswinkel  von  60°  zu  geben,  damit  eine  möglichst  seltene 
Besonnung  jener  Fläche  stattfindet. 

Kommt  (für  kleinere  Stallungen)  das  Holzzementdach  in  An- 
wendung, dann  möchte  ich  empfehlen,  auf  demselben  eine  Erd- 
schüttung  statt  der  Kiesschüttung  anzuwenden  und  sie  mit  Moos 
zu  belegen,  zu  besäen  oder  seine  Ansiedlung  sonst  zu  fördern.  Denn 
eine  Moosdecke  bietet  den  vom  Pflanzenwuchs  geschilderten  Schutz 
gegen  die  Wirkung  der  Sonnenstrahlung  und  verringert  die  Wärme- 
übertragung durch  Leitung.  Bildet  das  Holzzementdach  die  Decke 
des  Stalles,  dann  kann  nach  meinen  Erfahrungen  das  Anbringen 
eines  Wärmespeichers  trotzdem  nicht  entbehrt  werden,  obgleich 
hie  und  da  von  Technikern  das  Gegenteil  behauptet  wird.  Die  mit 
geebneter  Sandschicht  überdeckte  Ziegelausrollung  kann  als  Träger 
des  Holzzementpapiers  dienen,  wodurch  man  die  Schalung  erspart, 
also  die  Kosten  der  Ausrollung  verringert. 


(Aus  der  medizinischen  Klinik  der  k.  n.  k.  tierärztlichen  Hoch- 
schule in  Wien  [Vorst. :  Prof.  Dr.  Hugo  Schindelka].) 

Zur  Desinfektion  von  Stallungen  mit  verdünnten 
wäßrigen  Formaldehydlösungen. 

Von 
Dozent  Dr.  Josef  Schnürer. 

Die  wirksame  Desinfektion  verseuchter  Stallungen  zählt  zu  den 
wichtigsten,  aber  auch  zugleich  zu  den  schwierigsten  Kapiteln  der 
Seuchentilgung  und  Seuchenbekämpfung.  Die  Aufgaben,  die  die 
Desinfektion  gerade  bei  Stallungen  zu  erfüllen  hat,  sind  so  mannig- 
faltig und  vielfach  durch  Bedingungen  erschwert,  die  eine  wirk- 
same, zugleich  aber  auch  unschädliche  Entfernung  der  Krank- 
heitserreger kaum  als  möglich  erscheinen  lassen.  Auf  der 
einen  Seite  dunkle,  winklige,  mit  unzähligen  Ritzen  und  Fugen 
versehene,  mit  Schmutz,  tierischen,  zum  Teil  eiweißhaltigen  Ex- 
kreten  (Harn,  Fäzes,  Blut,  Eiter)  durchtränkte  Wände,  Decken  und 
Boden,  auf  der  andern  Seite  wieder  Räume,  die  schon  durch  ihre 
Größenverhältnisse  die  Desinfektion  recht  schwierig  gestalten. 

Im  allgemeinen  sind  an  eine  Stalldesinfektionsmethode  folgende 
Anforderungen  zu  stellen: 

1.  Sie  muß  wirksam,  auch  gegen  resistente  Krankheitserreger 
(Milzbrand-,  Tetanus-,  Rauschbrandsporen)  sein; 

2.  sie  muß  einfach,  ohne  Zuhilfenahme  komplizierter  Apparate, 
auch  von  ungeschulten  Arbeitskräften  unter  allen  Umständen 
auszufuhren  sein; 

3.  sie  darf  weder  feuer-  noch  explosionsgefährlich,  noch  für 
Menschen  und  Tiere  schädlich  sein,  noch  den  im  gleichen 
Raum  aufbewahrten  Nahrungsmitteln,  wie  Fleisch,  Milch  usw., 
Eigenschaften  (Geruch,  Geschmack)  mitteilen,  die  ihre  Ver- 
wendung zu  menschlichem  Genuß  ausschließen  würden; 


—     44     — 

4.  sie  muß,  unbeschadet  ihrer  Wirksamkeit,  möglichst  schonend 
für  Stallwände,  -Boden  und  Stallgeräte  arbeiten; 

5.  sie  muß  die  Desinfektion  in  möglichst  kurzer  Zeit  gestatten  und 

6.  möglichst  billig  auszufuhren  sein. 

Diese  Aufgaben  sucht  die  derzeit  übliche  Desinfektion,  wie 
sie  durch  die  Tierseuchengesetze  und  Militärverordnungen  vorge- 
schrieben ist,  durch  kombinierte  physikalisch-chemische  Verfahren 
zu  lösen.  Die  Entfernung  des  Düngers,  der  Streumaterialien 
aus  dem  Stalle,  deren  unschädliche  Beseitigung  durch  Unter- 
ackern, Vergraben  oder  Verbrennen,  das  Verbrennen  minder- 
wertiger oder  wertloser  Stallgeräte,  das  Ausglühen  eiserner 
Gegenstände,  Entfernung  des  schadhaften  Fußbodens,  Ausheben 
der  oberflächlichen  Erdbodenschicht,  Abkratzen  der  Wände,  An- 
fertigung eines  neuen  Anwurfes,  gründliche  Lüftung  des  Stallraumes 
bis  zu  acht  Tagen  —  stellen  den  physikalischen  Teil  der  Desinfek- 
tionsarbeit dar,  während  die  Abtötung  der  auf  diese  Weise  nicht 
entfernten  Krankheitserreger  durch  chemische  Mittel,  sogenannte 
Desinfektionsmittel,  seien  sie  in  Gasform  oder  in  Flüssigkeit,  auge- 
strebt wird.  Jene  chemischen  Mittel,  die  lediglich  zur  vorbe- 
reitenden Reinigung  der  zu  desinfizierenden  Räume  zu  dienen 
haben,  z.  B.  schwache  Soda-,  Schmierseifenlösungen  usw.,  bilden 
den  Übergang  von  der  ersten  zur  zweiten  Gruppe. 

Zur  chemischen  Desinfektion  sind  durch  die  Tierseuchengesetze 
ganz  bestimmte  Mittel  vorgeschrieben.  In  Österreich  nach  dem 
Allgemeinen  Tierseuchengesetz  vom  29.  Februar  1880  und  nach 
den  Durchführungsverordnungen  des  Ministeriums  des  Innern,  der 
Justiz,  des  Ackerbaues  und  Handels  vom  12.  April  1880,  III.  Ab- 
schnitt, §  20: 

1.  Alkalische  Laugen,  2.  Ätzkalk,  3.  Chlorkalk,  4.  Karbol- 
säure, 5.  Chlorgas,  schweflige  Säure,  salpetrige  Dämpfe.  Dazu 
kommen  noch  Salpeter  und  Küchensalz  zur  Desinfektion  von  Häuten 
und  Gedärmen,  Klauen  usw.,  übermangansaures  Kali  oder  Natron 
zur  Desinfektion  von  Instrumenten,  Händen  und  nackten  Körper- 
teilen, Eisenvitriol,  die  Mutterlaugen  von  Alaunlösungen,  Rückstände 
der  Chlorbereitung  zur  Desinfektion  des  Düngers. 

Im  Deutschen  Reich  (Anlage  A  der  Bundesratsinstruktion  vom 
27.  Juni  1895  zum  Reichsviehseuchengesetz)  ist  auch  noch  öproz. 
Kresolwasser  sowie  Steinkohlen-  und  Holzteer  als  Desinfektions- 
mittel gestattet. 


—     45     — 

Wiewohl  nun  z.  B.  im  österreichischen  Tierseuchengesetz  ziem- 
lich eingehende  allgemeine  Anweisungen  und  außerdem  spezielle 
Anweisungen  bei  einzelnen  Seuchen  angeführt  erscheinen,  so  beweist 
doch  schon  die  große  Anzahl  der  gestatteten  Desinfektionsmittel,  daß 
eigentlich  kein  einziges  vollständig  seinem  Zweck  entspricht.  Im  ein- 
zelnen Falle  ist  die  Wahl  des  Desinfektionsmittels  mehr  oder  minder 
dem  Desinfektor  freigestellt,  was  notwendigerweise  mangels  ganz 
spezieller  Kenntnisse  in  der  Desinfektionslehre  zu  einer  gewissen 
Unsicherheit  fuhren  muß,  wie  wiederholte  diesbezügliche  Anfragen 
an  die  Tierärztliche  Hochschule  beweisen. 

Tatsächlich  erfüllt  auch  keines  der  angeführten  Mittel  alle  oben 
erwähnten  Anforderungen,  die  an  ein  ideales  Universaldesinfektions- 
mittel gestellt  werden  müssen.  Entweder  sind  sie  von  vornherein 
bei  resistenten  Krankheitserregern  (sporenbildenden  Bakterien) 
unwirksam,  wie  die  alkalischen  Laugen,  Karbolsäure,  alle  Gasdes- 
infektionen. Eisenvitriol,  oder  sie  sind  wegen  ihres  Geruches  auszu- 
schließen (Karbolsäure,  Teeröle  usw.)  oder  bedürfen  besonderer  Vor- 
sicht bei  ihrer  Anwendung  wie  die  Chlorgas-  und  Schwefelräuche- 
rangen.  Andererseits  aber  gestaltet  das  Verbrennen  und  Vernichten 
minderwertiger  Holzbestandteile  —  bei  gewissen  Seuchen  schreibt 
die  Militärverwaltung  auch  das  bedingungslose  Verbrennen  der  Holz- 
bestandteile vor  —  die  Methode  unter  Umständen  zu  einer  recht 
kostspieligen. 

Die  günstigen  Resultate,  die  unsere  Versuche  zur  Desinfektion 
verseuchter  Eisenbahnviehwagen  ergaben,  legten  den  Gedanken 
nahe,  wäßrige,  stark  verdünnte  Formaldehydlösungen  in  der  gleichen 
Weise  auch  zur  Stalldesinfektion  zu  verwenden.  Formaldehyd  wird  ja 
bekanntlich  bei  der  Desinfektion  von  Wohnräumen  in  ausgedehntester 
Weise  in  Anwendung  gezogen,  und  zwar  fast  ausschließlich  als  Gas,  ver- 
mischt mit  Wasserdampf  (Flügge:  Breslauer  Methode).  Eine  große 
Reihe  vonApparaten  (Trillat,  Fournier,  Tollens,  Krell,  Barthel, 
Lingner,  Flügge  usw.)  dienen  diesemZweck.  Perkuhns  Arbeit  ent- 
hält eine  Zusammenstellung  der  üblichen  Apparate,  weshalb  deren 
genauere  Anfuhrung  an  dieser  Stelle  unterlassen  wird.  Daß  alle 
diese  Apparate  ihren  Zweck  nicht  unter  allen  Bedingungen  zu  er- 
füllen vermögen,  beweisen  die  Versuche,  Formaldehyd  wasser- 
dämpfe ohne  Apparate  zu  erzeugen:  durch  Einlegen  erhitzter  Heiz- 
körper in  entsprechend  verdünnte,  wäßrige  Formaldehydlösungen. 
Gußstahlbolzen  (Krell,  Beitzke),  Ketten  (Springfeld),  Chamotte- 


—     46     — 

steine  (Steinitz),  sowie  die  Glykoformal-  oder  Karboformalglühblöcke 
von  Max  Elb  in  Dresden  (Dieudonnä,  Enoch,  Magnus,  Lange, 
Erne,  Römer). 

Alle  diese  Methoden  leiden  an  dem  prinzipiellen  Übelstand, 
daß  die  Desinfektion  durch  gasförmigen  Formaldehyd  erfolgt,  wo- 
bei einerseits  auf  eine  mehr  oder  minder  sorgfaltige  Abdichtung 
des  zu  desinfizierenden  Raumes  gerechnet  werden  muß,  andererseits 
aber  die  geringe  Tiefenwirkung  gasförmiger  Desinfektionsmittel, 
auf  die  auch  Perkuhn  neuestens  hinweist,  sowie  die  Eigenschaft 
der  Formaldehyd  dämpfe,  sich  nach  oben  zu  ziehen*),  die  ungleichen 
Resultate  aller  dieser  Methoden  verständlich  erscheinen  läßt.  Dazu 
kommt  noch  die  Schwierigkeit  der  Beschaffung  der  Apparate,  weitab 
von  Städten,  die  Notwendigkeit  einer  sachgemäßen  Behandlung  und 
Beaufsichtigung,  sowie  ihre  wenn  auch  geringe  Feuers-  und  Ex- 
plosionsgefahr (Lewaschew).  Speziell  von  dem  Nachteil  einer 
Feuersgefahr  sind  auch  die  Ersatzmittel  der  Apparate,  die  Heiz- 
körper und  Glühblocks,  nicht  ganz  freizusprechen.  Bei  Anwendung 
der  Glühblocks  muß  außerdem  für  die  Anwesenheit  einer  ge- 
nügenden Menge  von  Wasserdampf  gesorgt  werden  (Enoch,  Dieu- 
donne). 

Ein  schwer  in  die  Wagschale  fallender  Übelstand  ergibt  sich 
ferner  bei  der  Formaldehydgasdesinfektion  daraus,  daß  es  selbst- 
verständlich unmöglich  ist,  einen  Stall  teilweise  zu  desinfizieren, 
wie  dies  ja  bei  einzelnen  ansteckenden  Krankheiten,  z.  B.  Druse, 
selbst  Rotz  (Österr.  allgem.  Tierseuchengesetz  §  29,  11),  unter  Um- 
ständen gestattet  ist,  sondern  daß  immer  der  ganze  Stallraum  als 
Grundlage  zur  Berechnung  der  zu  verdampfenden  Formaldehyd- 
menge genommen  werden  muß,  wodurch  die  Desinfektion  sehr 
großer  Räume,  z.  B.  Reitschulen,  fast  unmöglich,  jedenfalls  aber 
außerordentlich  kostspielig  wird. 

Alle  diese  Nachteile  lassen  sich  vermeiden  bei  der  Verwendung 
wäßriger  Formaldehydlösungen,  mit  denen  die  Wände  und  Objekte 
bespritzt  werden.  Eigentlich  ist  ja  auch  die  Formaldehydgas- 
desinfektion, da  stets  mit  dem  Formaldehyd  auch  Wasser  verdampft 
werden  muß,  das  sich  zugleich  mit  dem  Formaldehyd  an  den  festen 
Gegenständen  zu  einer  wäßrigen  Formaldehydlösung  kondensiert 
(Flügge,  Brunn,  Peerenboom,  Römer),  ein  solches  Benetzen  der 

*)  Mayer  und  Wolpert  verwenden  einen  Ventilator,  der  diesem  Übel- 
stand abhelfen  soll. 


—     47     — 

Wände;  nur  findet  diese  Kondensation  ausschließlich  an  der  Oberfläche 
der  Gegenstände  statt,  da  ja  bekanntlich  der  Dampf  an  der  in  den 
Ritzen  und  sogenannten  toten  Räumen  enthaltenen  Luft  auf  ein  fast 
unüberwindliches  Hindernis  stößt.  Dazu  ist  auch  offenbar  die  Kon- 
zentration der  so  entstehenden  Formaldehydwasserlösung  eine  sehr 
schwankende,  je  nach  dem  Sättigungsgrade  der  Luft  mit  Wasser- 
dampf und  der  herrschenden  Temperatur.  Beide  Umstände,  vereint 
mit  der  bereits  erwähnten  Eigenschaft  des  Formaldehydgases,  nach 
oben  zu  steigen,  erklären  zur  Genüge  die  schwankenden,  an- 
scheinend unverläßlichen  Resultate,  die  sich  bei  den  Laboratoriums- 
versuchen mit  Formaldehydwasserdampf  regelmäßig  ergaben  (z.  B. 
Römer,  Peerenboom). 

Wesentlich  anders  steht  natürlich  der  ganze  Sachverhalt,  wenn 
man  eine  Formaldehydwasserlösung  genau  bekannter  Konzentration 
unter  Druck  auf  die  zu  desinfizierenden  Gegenstände  spritzt.  Ver- 
mutlich war  der  Übelstand,  größere  Flüssigkeitsmengen  in  Wohn- 
räumen zu  verspritzen,  die  Ursache,  diese  so  einfache  Methode,  die 
Grub  er  schon  vor  längerer  Zeit  bei  Eisenbahnviehtransportwagen 
in  Anwendung  brachte,  und  die  Tonzig  1902  experimentell  prüfte, 
der  immerhin  umständlichen  Gasdesinfektionsmethode  nachzusetzen. 
Dieser  Übelstand  fällt  natürlich  bei  Stallungen  weg,  da  ja  die  nicht 
vom  Mauerwerk  aufgenommene  Flüssigkeitsmenge  entweder  in  den 
Boden  versickert  oder  aber  durch  die  bestehenden  Abzugsrinnen 
nach  außen  befördert  wird  und  so  keinerlei  Bedenken  bautech- 
nischer Natur  erregen  kann. 

Das  Wesen  dieser  Formaldehyddesinfektionsmethode,  wie  sie 
bei  unseren  Versuchen  in  Eisenbahnviehtransportwagen  und  jetzt 
in  Stallungen  zur  Anwendung  kam,  besteht  kurz  in  folgendem: 

Es  werden  Wände  und  Boden  des  oberflächlich  von  Mist, 
Streumaterialien    usw.    gereinigten    Stalles    unter    Druck 
(1 — 4  Atmosphären)  mit   einer  lproz.  wässerigen  Formal- 
dehydlösung (2,5  ccm  des  käuflichen  40  proz.  Formalins  auf 
100  ccm  Wasser)  in  nicht  zu  fein  verteiltem  Strahle,  und 
zwar  3/4  Liter  1  proz.  Lösung  auf  1  qm  Oberfläche,  bespritzt. 
Nach  der  Desinfektion  bleiben  Türen  und  Fenster   durch 
mindestens  vier  Stunden  geschlossen. 
Alle  unsere  bis  jetzt  vorliegenden  Versuche  wurden  in  Stallungen 
mit  undurchlässigen  Boden,  gekalkten,  ziemlich  gut  erhaltenen  Mauer- 
wänden nach  Entfernung  des  Mistes  und  der  Streumaterialien  an- 


—    48     - 

gestellt.  Es  wird  Aufgabe  einer  weiteren  Versuchsreihe  sein,  fest- 
zustellen, ob  nicht  die  Desinfektion  des  Düngers  gleich  mit  im 
Stalle  geschehen  kann,  und  ferner,  inwieweit  die  Desinfektion  eines 
durchlässigen  und  mit  Jauche  getränkten  Bodens  möglich  ist, 
namentlich  mit  Bezug  auf  die  Vorschrift,  daß  derartiger  Boden  20  cm, 
oder  nach  den  Vorschriften  des  Deutschen  Reiches  10  cm  tief  abzu- 
graben und  zu  entfernen  ist.  Zum  Schluß  wird  auch  das  Ver- 
fahren mit  Bezug  auf  seine  Fähigkeit  zur  Desinfektion  von  Stricken, 
Lederzeug  sowie  sonstigen  Stallutensilien  zu  prüfen  sein,  während 
seine  Eignung  zur  Desinfektion  von  Holz  und  Holzbestandteilen  durch 
unsere  günstigen  Erfahrungen  bei  der  Viehwagendesinfektion,  bei 
der  es  sich  ja  wesentlich  um  Holzdesinfektion  handelt,  erwiesen  ist. 
Überdies  wurden  auch  bei  den  jetzigen  Versuchen  stets  Testobjekte 
an  den  Türen,  an  Streitbäumen  usw.  angebracht,  wobei  diese  Test- 
objekte regelmäßig  abgetötet  wurden. 

Eine  Grundbedingung  für  eine  vollkommene  Desinfektion  auch 
der  in  Ritzen  verborgenen  Infektionsträger  wird  gegeben  durch  die 
unter  Druck  stattfindende  Bespritzung,  nicht  Benetzung  und  noch 
weniger  Versprayung  der  Formaldehydwasserlösung,  wie  dies  bei 
den  Apparaten  von  Praussnitz  und  Czaplewsky  geschieht.  Als 
Spritze  ist  jede  Saug-  und  Druckpumpe,  also  jede  Feuerlöschspritze, 
auch  eine  sog.  Peronosporaspritze  (Grub er)  tauglich,  falls  ein  An- 
satzstück (Düse)  zur  Verwendung  kommt,  das  in  einer  Entfernung 
von  2—3  m  einen  fächerförmig  verteilten  Strahl  von  ca.  1—2  m  Basis- 
länge liefert.  Eventuell  kann  auch  ein  zusammengerolltes  und  auf 
eine  Schlitzgröße  von  ca.  1  mm  flach  gedrücktes  Blechstück,  das  in 
den  Schlauch  eingebunden  wird,  zur  Verwendung  kommen.  Bei  unseren 
Versuchen  wurde  mit  einem  Druck  von  1 — 4  Atmosphären  gearbeitet, 
so  daß  also  tatsächlich  ein  Wasserstrahl  erzielt  wurde,  der  nicht 
allein  eine  gründliche  Durchnässung  des  zu  desinfizierenden  Objektes 
auch  in  Höhlen  und  Spalten,  sondern  auch  eine  direkte  Reinigung 
von  grobem  Schmutz,  Eiter  etc.  ermöglichte.  Ein  einfaches  Über- 
tünchen oder  Überpinseln  genügt,  wie  schon  Gruber  bemerkt,  unter 
keinen  Umständen,  da  ein  Eindringen  in  Ritzen  durch  diese  Art 
der  Auftragung  des  Desinfektionsmittels  nur  ganz  ausnahmsweise 
stattfindet. 

Eine  Benetzung  oder  Besprengung,  wie  sie  z.  B.  durch  die  zur 
Kalktünchung  oder  zum  Anstreichen  verwendeten  Streudüsen  (z.  B. 
Körtingdüse)  erzielt  wird,    ist,    wie  bereits  erwähnt,    gleichfalls  zu 


—     49     — 

vermeiden,  da  einerseits  die  Zerstäubung  des  Wassers  einen  großen 
Teil  des  durch  die  Spritze  aufgebrachten  Druckes  in  Anspruch 
nimmt,  und  da  andererseits  die  so  fein  verteilte  Flüssigkeit  an  der 
Oberfläche  in  Form  von  feinen  Tröpfchen  haften  bleibt,  daher  eine 
gründliche  Durchnässung  und  zugleich  Reinigung  durch  verstäubte 
Flüssigkeitsmassen  nicht  möglich  ist. 

Was  nun  die  zur  Desinfektion  ausreichende  Flüssigkeitsmenge 
anbetrifft,  so  haben  unsere  Versuche  ergeben,  daß  man  in  Stallungen 
auch  mit  geringeren  Mengen,  als  bei  der  Viehwagendesinfektion  an- 
gegeben, verläßlich  arbeiten  kann.  Es  zeigte  sich,  daß  eine  Menge 
von  3/4  L.  fiir  den  Quadratmeter  Objekt  vollkommen  ausreicht;  die 
Flüssigkeitshöhe  würde  daher  bei  horizontaler  Lage  und  undurch- 
lässigem Boden  0,75  mm  betragen.  Im  allgemeinen  dürfte  es  aber 
genügen,  wenn  nicht  besondere  Umstände  zur  Ausnahme  drängen,  die 
Wandflächen  nur  bis  zur  Höhe  von  3  m  in  Betracht  zu  ziehen,  da  eine 
Infektion  der  höher  liegenden  Wandteile  und  der  Decke  jedenfalls 
zu  den  größten  Ausnahmen  zählt.  Die  Infektion  der  Stallwände 
findet  ja  gewöhnlich  durch  Mist,  Harn,  Eiter,  Blut,  Wundsekrete, 
Sputum  etc.  statt,  wobei  also  die  Krankheitserreger  an  körperlichen 
Elementen  haften,  die  gewiß  nur  höchst  ausnahmsweise  bis  über 
3  m  Höhe  geschleudert  werden.  Ist  der  Stall  niedriger  als  3  m, 
dann  müssen  natürlich  die  Wände  in  ihrer  ganzen  Höhe  und  auch 
die  Decke  in  die  Desinfektion  einbezogen  werden. 

Erfahrungsgemäß  ist  der  Stall  namentlich  in  den  unteren  Partien 
verschmutzt  und  daher  auch  eventuell  verseucht;  es  ist  demnach  auch 
ein  wesentlicher  Vorteil  der  beschriebenen  Methode,  daß  durch  die 
von  den  Wänden  abfließende  Desinfektionsflüssigkeit  gerade  die 
unteren  Partien  der  Wände  und  der  Winkel  zwischen  Wand  und 
Boden  besonders  ausgiebig  von  der  Formaldehydlösung  durchtränkt 
werden. 

Die  Konzentration  der  Desinfektionsflüssigkeit  wird  durch  zwei 
Grenzen  bestimmt:  Durch  die  verläßliche  Desinfektionswirkung  einer- 
seits und  durch  die  Kosten  sowie,  besonders  beim  Formalin,  durch 
die  Zulässigkeit  vom  sanitären  Standpunkte  aus  andererseits.  Eine 
Desinfektionsflüssigkeit  von  genügender  Konzentration  ist  nun  eine 
1  proz.  Formaldehyd-  =  2,5  proz.  Formalinlösung  (also  für  100  Liter 
Flüssigkeit  2,5  Liter  Formalin). 

Die  Bespritzung  beginnt  am  besten  mit  der  Wand,  an  der  der 
Eingang   sich  befindet,   wird  dann  an  der  gegenüberliegenden  und 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  1.  4 


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den  beiden  anderen  Wänden  fortgesetzt,  und  zum  Schluß  wird  der 
Boden  und  ev.  die  Decke  vorgenommen.  Keinesfalls  darf  man  sich 
aber  mit  einem  einmaligen  Übergehen  der  Wände  mit  dem  Flüssig- 
keitsstrahl begnügen,  da  die  Menge  von  8/4  Liter  pro  Quadratmeter, 
auf  einmal  auf  die  Wand  gespritzt,  zum  größten  Teile  abrinnen 
würde.  Es  empfiehlt  sich,  die  Verspritzung  der  ganzen  Flüssigkeits- 
menge in  einem  3— 4maligen  Turnus  vorzunehmen,  stets  immer  in 
der  eben  angedeuteten  Reihenfolge,  wobei  die  Menge  der  bei  einem 
einmaligen  Turnus  verbrauchten  Flüssigkeit  als  Maßstab  dienen 
kann.  Ergab  die  Berechnung,  daß  in  einem  Stalle  90  Liter  zur 
Verspritzung  kommen  sollen,  so  empfiehlt  es  sich,  diese  Gesamt- 
menge durch  Verbrauch  von  3  X  30  Litern  Flüssigkeit  zu  erzielen. 
Der  Zweck  eines  solchen  Verfahrens  ist  klar:  Nebst  Verhinderung 
des  allzu  großen  Abfalles  und  dadurch  Erzielung  einer  höchst- 
möglichen Durchtränkung  steigt  natürlich  die  Sicherheit,  alle  Ritzen 
und  Löcher  mit  Desinfektionsflüssigkeit  erfüllt  zu  haben,  mit  der 
Anzahl  der  Einzelbespritzungen,  gleiche  Flüssigkeitsmeugen  vor- 
ausgesetzt. Auch  Tonzig  empfiehlt  auf  Grund  seiner  exakt  durch- 
gefiihrten  Untersuchungen  eine  zwei-,  womöglich  aber  dreifache 
Besprengung,  wenn  man  wirklich  die  Sicherheit  haben  will,  alle 
Teile  einer  Wand  besprengt  zu  haben. 

Was  die  Dauer  des  ganzen  Desinfektionsvorganges  anbelangt, 
so  spielt  dieselbe  bei  der  Stalldesinfektion  wohl  eine  wesentlich 
geringere  Rolle  als  bei  der  Viehwagendesinfektion,  bei  der  die 
Desinfektion  in  24  Stunden  vollzogen  sein  muß.  Immerhin  legt 
aber  auch  die  räumliche  Beschränkung  in  vielen  Fällen  eine  mög- 
lichst rasche  Durchführung  des  ganzen  Vorganges  nahe. 

In  Übereinstimmung  mit  unseren  Versuchen  in  Eisenbahnvieh- 
transportwagen sind  auch  bei  der  Stalldesinfektion  (wie  bereits  er- 
wähnt) als  unterste  Grenze  4—5  Stunden  zu  bezeichnen,  unter  die 
man  nicht  gehen  soll,  wenn  man  die  Sicherheit  des  Desinfektions- 
erfolges nicht  gefährden  will.  Doch  dürften  ja  in  den  meisten 
Fällen  weitaus  größere  Zeiträume  zur  Verfügung  stehen.  Zur  Be- 
seitigung des  Geruches  genügt  in  den  meisten  Fällen  einfaches 
Lüften;  nötigenfalls  kann  auch  zur  Neutralisation  des  Formal- 
dehyds durch  Verspritzen  einer  1— 2  proz.  Ammoniaklösung  von  un- 
gefähr Vö  der  verwendeten  Formalinwassermenge  geschritten  werden ; 
74 stündiges  Lüften  nach  einer  derartigen  Neutralisation  beseitigt 
den  Geruch  vollständig. 


—    51     — 

Versuch  17  wurde  in  dieser  Weise  angestellt.  6  Stunden  nach  der  Aus- 
spritzung eines  Stalles  von  ca.  61  cbm  mit  50  Litern  1  proz.  Formaldehydlösung 
wurden  10  Liter  Wasser  mit  200  ccm  offiz.  Ammoniaklösung  mit  derselben 
Spritze  verspritzt  und  dann  sofort  gelüftet.  10  Minuten  später  konnte  bereits 
ein  Pferd  in  den  Stall  eingestellt  werden,  ohne  daß  das  Tier  irgendwelche 
abnorme  Erscheinungen  bot.  Der  Geruch  nach  Formaldehyd  und  Ammoniak 
war  tatsächlich  fast  vollständig  verschwunden.  Auch  Versuch  4,  6,  7  und  8 
beweisen  die  rasche  geruchtilgende  Wirkung  der  Ammoniaklösung. 

Die  Belästigung,  die  das  ausführende  Personal  bei  dem  Des- 
infektionsvorgang erleidet,  hängt  von  verschiedenen  Ursachen  ab. 
Zuerst  natürlich  von  der  Konzentration  der  verwendeten  Formaldehyd- 
losung. Ferner  von  der  Temperatur  der  Lösung  und  der  Lufttempe- 
ratur, von  der  Größe  des  Stalles  und  schließlich  von  der  Feinheit  der 
Zerstäubung.  Wiewohl  dieser  letztere  Faktor  schon  aus  anderen,  oben 
erwähnten  Gründen  auszuschließen  ist,  so  sei  hier  auch  gleichfalls 
nachdrücklich  darauf  hingewiesen,  daß  feine  Zerstäubung  der 
Formaldehydwasserlösung  offenbar  durch  Begünstigung  der  Inhalation 
die  Belästigung  durch  Formaldehydgas  bis  zur  Unerträglichkeit 
steigert  und  so  die  Durchführbarkeit  der  Methode  von  vornherein 
in  Frage  stellt.  Ebenso  wirkt  die  Erwärmung  der  Flüssigkeit 
auf  etwa  40—50  Grad  durch  Beschleunigung  der  Formaldehyd- 
verdampfung äußerst  unangenehm,  wie  wir  dies  aus  unseren  Vor- 
versuchen wissen.  Der  zu  desinfizierende  Raum  hat  insofern  Einfluß 
auf  die  Belästigung,  als  dieselbe  in  kleinen  Räumen  entschieden 
unverhältnismäßig  größer  ist  als  in  größeren,  selbst  bei  gleich- 
bleibenden relativen  Formaldehydmengen.  Im  allgemeinen  ist  aber 
die  Belästigung  durch  den  Formaldehyddampf  bei  Verwendung  von 
1  proz.  Lösungen  auch  in  kleineren  Stallungen  (ca.  50  cbm)  und  bei 
ziemlich  hohen  Lufttemperaturen  (23—24°  C)  wesentlich;  sie  be- 
schränkt sich  aber  nur  auf  die  bekannte  Reizwirkung  des  Formaldehyds 
auf  die  Schleimhäute,  namentlich  der  Augen  und  der  oberen  Luft- 
wege. Versuchsweise  verwendete  ich  einigemal  eine  Schutzbrille, 
bestehend  aus  zwei  Uhrgläsern,  die  durch  mit  Luft  gefüllte  Kautschuk- 
ringe festgehalten  und  durch  zwei  Bänder,  die  am  Hinterhaupt  zu 
knüpfen  sind,  an  die  Umgebung  der  Augen  gasdicht  angepreßt 
werden  können.  Tatsächlich  war  dadurch  die  Belästigung  bei 
unseren  Grenzversuchen  (höhere  Konzentration,  2—3  proz.  Form- 
aldehyd, und  höhere  Flüssigkeitstemperatur)  wesentlich  verringert,  ja 
es  schien  mir,  als  ob  die  Reizung  der  Augenbindehaut  das  domi- 
nierende Symptom  der  Formaldehydreizung  darstelle,  da  nach  Eut- 

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—     52     — 

fernnng  der  Brille  während  des  Versuches  auch  die  Reizung  der 
Luftwege  wesentlich  zuzunehmen  schien  (Reflex?). 

Doch  sind  bei  diesen  Reizsymptomen,  die  übrigens  bei  dem 
erwähnten  normalen  Vorgang  in  erträglichen  Grenzen  bleiben, 
zwei  Momente  als  wesentlich  hervorzuheben;  das  ist  erstens  die 
Gewöhnung  an  den  stechenden  Geruch  des  Formaldehyds,  die 
ja  schon  lange  an  den  Arbeitern  in  den  Formaldehydfabriken 
beobachtet  wird,  die  übrigens  ziemlich  rasch  einzutreten  pflegt, 
und  zweitens  der  Mangel  jeder  bleibenden  Schädigung.  Bei 
den  erwähnten  Grenzversuchen  war  tatsächlich  die  Reizung  derart, 
daß  ein  Aufenthalt  in  dem  Raum  und  eine  Fortführung  des 
Versuches  nur  mit  dem  Aufgebot  aller  Willensstärke  möglich 
waren.  Ein  kurzer  Aufenthalt  in  frischer  Luft,  einige  tiefe  Atem- 
züge —  und  jede  Reiz  Wirkung  war  verschwunden;  niemals  traten 
weder  bei  mir  noch  bei  dem  Hilfspersonal  bleibende  Schädigungen 
(Katarrhe  usw.)  ein.  Doch  ist  nochmals  zu  betonen,  daß  bei  Ver- 
wendung lproz.  Lösungen  die  Reizerscheinungen  im  allgemeinen 
gering  und  durch  Aufklärung  des  Personals  über  die  Unschädlichkeit 
derselben  sicher  zu  überwinden  sind. 

Demgegenüber  steht  der  durch  keine  Maßnahmen  wettzu- 
machende Vorteil,  daß  der  Desinfektor  unter  Kontrolle  der  Augen 
willkürlich  die  Intensität  der  Desinfektion  beeinflussen  kann,  indem 
er  besonders  beschmutzte  Stellen,  Ritzen,  Fugen  usw.,  durch 
energische  Behandlung  mit  dem  Formaldehydwasserstrahl  einer 
unmittelbaren  Desinfektion  unterzieht,  wie  dies  durch  eine  wahllose 
Gasdesinfektion  niemals  zu  erreichen  ist. 

Versuch  18  beweist,  daß  gut  die  Hälfte  eines  Stalles  desinfiziert 
werden  kann,  ohne  daß  die  übrigen  Tiere  entfernt  werden  müssen 
oder  irgend  welchen  Schaden  nehmen. 

Der  Stall  faßte  ca.  357  cbm;  in  zwei  Ecken  befinden  sich  Boxen  (3,1  m 
X  :>,;>  m  *,  /.wischen  beiden  Boxen  4  durch  Streitbäume  von  einander  getrennte 
Staude,  An  dem  frei  bleibenden  Teil  der  einen  Kurzwand  ist  durch  einen 
Bretterverschlag  eine  Abteilung  für  4  Schafe  und  2  Ziegen  angebracht.  Die 
Pferde  der  4  mittleren  Stände  wurden  nun  entfernt,  und  der  Boden,  die  den 
Ständen  zugewendeten  Box  wände  und  die  Mauer  bis  zur  Höhe  von  3  m  mit 
58  Litern  lproz.  Formaldehydlösung  bespritzt.  Nur  die  Schafe  und  Ziegen 
zeigten  etwas  Husten  und  Niesen,  die  beiden  in  den  Boxen  befindlichen  Pferde 
gaben  keinerlei  Zeichen  eines  Unbehagens,  trotzdem  sämtliche  Fenster  ge- 
sc hl ' '^oji  waren  und  nur  die  Türe,  die  übrigens  auf  einen  geschlossenen  Gang 
fulirtr,  oflfan  stand.  Nach  3  Stunden  wurden  die  Oberlichtfenster  (3)  geöffnet, 
und  4  Stunden  später  konnten  bereits  die  4  Pferde,    ohne  Wechsel  der  Streu, 


—    53     — 

in  ihre  Stände  gestellt  werden,  ohne  daß  eines  irgend  ein  pathologisches 
Symptom  zeigte.  Übrigens  zeigte  schon  Fairbanks,  daß  Mäusen  und 
Kaninchen  ein  25  stündiger  Aufenthalt  in  einem  Zimmer  von  93  cbm,  in  dem 
190  Formalmpastillen  (2  g  Formaldehyd  auf  1  cbm)  verdampft  worden  waren, 
nichts  schadete. 

Materialschaden  kam  nicht  zur  Beobachtung.  Die  Wände 
trockneten  rasch  ab;  Holz  und  Leder  (Fairbanks)  werden  über- 
haupt durch  Formaldehyd  nicht  angegriffen,  sondern  im  Gegenteil 
konserviert;  ebenso  werden  Eisenbestandteile  nicht  mehr  in  Mit- 
leidenschaft gezogen,  als  dies  durch  den  Stalldunst  geschieht. 

Dagegen  hat  das  Formaldehyd  eine  ausgesprochen  gerachtilgende 
Wirkung,  wie  dies  namentlich  bei  der  Desinfektion  von  Hunde-  und 
Schweinestallungen  eklatant  hervortritt.  Auch  bei  unseren  mehr- 
erwähnten Versuchen  zur  Desinfektion  von  Eisenbahnviehtransport- 
wagen war  diese  geruchtilgende  Wirkung  insbesondere  bei  dem  kaum 
zu  beseitigenden  Geruch  nach  Schweinetransporten  auffallend  in 
Erscheinung  getreten. 

Die  Versuchstechnik  war  die  gleiche,  wie  sie  bei  der  Vieh- 
wagendesinfektion eingehalten  worden  war: 

Gut  versporte,  schiefe  Agarkulttiren  von  verschiedenen  Milzbrandstämmen 
wurden  mit  Kochsalzlösung  abgeschwemmt  und  durch  ein  gewöhnliches,  steriles 
Faltenfilter  filtriert.  Diese  Emulsion  wurde  V«  Stunde  auf  75  °  C  erhitzt  und 
sodann  durch  Ausstriche  auf  Agarplatten  auf  Sporenhaltigkeit  und  Reinheit 
geprüft  Gleichzeitig  wurde  chirurgische  Nähseide  (Nr.  6)  durch  zweistündiges 
Auskochen  in  1  proz.  Sodalösung  sterilisiert,  sodann  in  gleich  lange  Stück- 
chen (1  bis  1V2  cm)  geschnitten  und  in  Petrischalen,  und  zwar  im  Auto- 
klaven, bei  120  °  nochmals  sterilisiert.  Sie  wurden  dann  mit  der  sporenhaltigcn 
Emulsion  übergössen  und  blieben  24  Stunden  im  Eisschrank  stehen.  Am  nächsten 
Tage  wurden  sie  bei  50  °  in  einem  Kupferofen  getrocknet  und  auf  ihre  Resistenz 
gegen  strömenden  Wasserdampf  geprüft,  indem  sie  mit  Pinzetten  auf  ein  zu- 
g-eschärftes  Platindrahthäkchen  gespießt  wurden,  welches  seinerseits  in  das 
eine  Ende  eines  Glasstabes  eingeschmolzen  war,  während  das  andere  Ende 
des  Glasstabes  in  einem  Korkpfropfen  steckte.  Diese  Vorrichtung  wurde  nun 
in  die  obere  Öffnung  eines  K ochschen  Dampfsterilisators  gesteckt  und  die 
Fäden  so  verschieden  lange  Zeit  dem  Dampf  ausgesetzt.  Ihre  Keimfähigkeit 
wurde  in  Bouillon  bei  vierwöchentlicher  Beobachtung  im  Brutschrank  geprüft. 
Neuerliche  Kontrollproben  mit  Einlegen  in  Bouillon  sowie  Erhitzen  einiger  so 
beschickter  Eprouvetten  Va  Stunde  auf  75  °  dienten  nochmals  zur  Feststellung  der 
Reinheit  und  Sporenhaltigkeit.  Die  Fäden  wurden  nun  in  sterilisiertes  Filter- 
papier gleich  Pulvern  in  den  Apotheken  verpackt,  mit  Nummern  versohen  und 
nun  an  verschiedenen  Stellen  des  Stalles  zum  Teil  frei  an  den  Wänden  und 
am  Boden,  zum  Teil  hinter  Eisenringen,  in  Ritzen  zwischen  Tür  und  Mauer- 
werk, an  der  Holztür,  an  hölzernen  Streitbäumen,  Wasserbottichen  mit  kurzen 
Drahtstiften  befestigt. 


—     54     — 

Nun  wurden  unter  Variation  der  Konzentration,  Menge,  Temperatur 
der  Flüssigkeit  die  Desinfektionsversuche  vorgenommen,  wie  am 
besten  aus  nebenstehender  Tabelle  hervorgeht. 

Nach  Abschluß  eines  jeden  Versuches  wurden  die  Päckchen  der  Reihe  nach 
gesammelt  und  blieben  in  einer  Glasschale,  mit  einer  ziika  lproz.,  sterilen  Am- 
moniaklösung Übergossen,  Vi  Stunde  zur  Neutralisation  des  zurückgebliebenen 
Formaldehyds  stehen.  Die  Neutralisierung  unterblieb  in  jenen  Fällen,  bei 
denen  behufs  der  Geruchstilgung  des  Formaldehyds  Ammoniak  im  Stalle 
verspritzt  wurde. 

Die  sterile  Ammoniaklösung  wurde  in  der  Weise  hergestellt,  daß  in  steriles 
Wasser  Ammoniakgas  durch  Erwärmen  einer  offiziellen  Ammoniaklösung  ein- 
gebracht wurde. 

Nach  der  Neutralisation  kam  jeder  Faden  in  ca.  10  ccm  Bouillon  und  wurde 
durch  vier  Wochen  im  Brutschrank  gehalten.  Sodann  wurden  die  Resultate 
notiert  und  auf  Prozente  der  abgetöteten  zur  Gesamtmenge  berechnet.  Selbst- 
verständlich wurden  stets  Kontrollproben  zum  Nachweis  der  Unschädlichkeit 
der  Ammoniakbehandlung  angelegt. 

Unsere  Versuche  lehren  demnach,  daß  die  Methode  praktisch 
durchführbar  ist.  Einigermaßen  Schwierigkeiten  machte  nur  die 
Desinfektion  sehr  kleiner  Stallungen  wie  die  unserer  Kontumazställe 
(nur  45,3  cbm),  da  hier  der  Geruch  nach  Formalin  derart  stechend 
wird,  daß  der  ungeübte  Desinfektor  kaum  mit  der  nötigen  Sorgfalt 
und  Ruhe  verfahren  würde.  Dem  ist  aber  durch  Bespritzung  von 
außen,  ev.  mit  Beihilfe  eines  längeren  Steigrohrs  (ll/2  m)  leicht 
abzuhelfen,  wie  dies  bei  unserem  Versuch  Nr.  14  mit  einer  3proz. 
Formaldehydlösung  geschah. 

Wenn  man  hierbei  die  Wand  zuerst  vornimmt,  an  der  sich 
der  Eingang  in  den  Stall  befindet,  wobei  natürlich  von  innen  ge- 
spritzt werden  muß,  dann  aber  sofort  die  Desinfektion  von  außen, 
ev.  durchs  Fenster  fortsetzt,  so  ist  die  Belästigung  minimal  und 
bei  der  Kürze  der  Entfernungen  auch  noch  die  Kontrolle  der  Des- 
infektion durch  das  Auge  möglich. 

Aber  auch  im  Versuch  Nr.  8  findet  sich  trotz  der  Größe  des 
Stalles  (330  cbm)  der  Geruch  nach  Formalin  als  fast  unerträglich 
vermerkt.  Die  Ursache  liegt  einmal  in  der  größeren  Menge  des 
zur  Verwendung  gelangten  Formaldehyds  (2l/2  Liter  Formalin  auf 
1(K)  Liter  Wasser),  als  nach  der  Regel  (3/4  Liter  Flüssigkeit  pro 
1  cbm)  verwendet  werden  würde  (78,6  Liter);  dem  entspricht  also 
ein  Mehrverbrauch  von  *j2  Liter  Formalin.  Ferner  wurde  die  Ver- 
spritzung dieser  100  Liter  in  einem  siebenmaligen  Turnus  vor- 
genommen,  wodurch   natürlich  die  letzten  Bespritzungen  schon  in 


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—     56     — 

einer  mit  Formaldehydgas  erfüllten  Atmosphäre  geschehen  mußten, 
wobei  noch  eine  die  Verdampfung  des  Formalins  wesentlich  be- 
schleunigende Lufttemperatur  von  26—30°  C  herrschte.  Die  Dauer 
der  Bespritzung  war  daher  in  diesem  Falle  mindestens  eine  dreimal 
so  lange  als  bei  einem  zwei-  bis  dreimaligen  Turnus  (1  Stunde 
10  Minuten  gegen  20  Minuten).  Hält  man  sich  aber  streng  an  die 
oben  angegebene  Weisung  bezüglich  Menge  der  Desinfektionsflüssig- 
keit, Konzentration  und  Art  der  Bespritzung,  so  wird  sich  dieser 
Übelstand  ohne  weiteres  vermeiden  lassen.     (Versuch  12  und  13.) 

Die  Materialkosten  des  ganzen  Verfahrens  sind  ver- 
hältnismäßig gering.  1  Liter  40  proz.  Fonnaldehyd  (=  40  Liter 
1  proz.  Formaldehyd),  d.  h.  die  für  die  Desinfektion  von  ca.  50  qm 
ausreichende  Menge,  kostet  ungefähr  1  Krone  (etwa  85  Pf.). 

Was  nun  die  Wirksamkeit  des  Verfahrens  angeht,  so  er- 
gaben unsere  Stallversuche  in  völliger  Übereinstimmung  mit  unseren 
Eisenbahnwagenversuchen,  daß  die  Desinfektion  bei  Temperaturen, 
die  zwischen  10°  und  24°  C  liegen,  klaglose  Resultate  ergibt,  daß 
jedoch  bei  niederen  Temperaturen  (+  6°)  die  desinfizierende  Wirkung 
wesentlich  geringer  wird  (Versuch  9,  10,  11).  Die  wässerige  Formal- 
dehydlösung  folgt  demnach  genau  demselben  Gesetz,  das  schon  Koch 
für  eine  Reihe  von  Desinfektionsmitteln  (Karbolsäure,  Schwefelkohlen- 
stoff usw.),  Pottevin,  Fairbank,  Trillat,  Mayer  und  Wolpert. 
Perkuhn  u.  a.  für  das  gasförmige  Formaldehyd  festgelegt  hatten. 

Es  wird  nun  Aufgabe  weiterer  Versuche  sein,  festzustellen,  ob 
und  wie  diesem  Mangel  des  Verfahrens  in  einer  Weise  abzuhelfen  ist,  daß 
die  eingangs  aufgestellten  Forderungen  vollinhaltlich  erfüllt  werden. 
(Versuch  15  und  16  scheinen  einen  Fingerzeig  für  die  einzuschlagende 
Richtung  zu  geben.)  Über  die  Wiederholung  dieser  Versuche  bei  noch 
niedrigeren  Temperaturen  sowie  über  die  bereits  angedeuteten  Ver- 
suche der  Leder-,  Dünger-  und  Bodendesinfektion  wird  demnächst  be- 
richtet werden.  

Literatur. 

Beitzke,  Über  eine  einfache  Desinfektion  mit  Formaldehyd.  Hyg.  Bund- 
schau 1903,  S.  521. 

Brunn,  Formaldehyddesinfektion  durch  Verdampfen  verdünnten  Formalins. 
Zeitschrift  für  Hygiene,  Bd.  30,  S.  201. 

Dieudonne,  Über  Desinfektion  mit  Karboformalglühblocks.  Münch.  med. 
Wochenschr.  1900,  Nr.  42,  S.  1456. 

Enoch,  Eine  neue  Desinfektionsmethode  mit  Formaldehyd.  Hyg.  Rund- 
schau 1899,  Nr.  25. 


—     57     — 

Erne,  Zur  Beurteilung  der  Desinfektion  mit  sog.  Karboformalglühblocks.  Hyg. 
Rundschau  1901,  S.  1075. 

Fairbank,  Weitere  Versuche  zur  Formaldehyddesinfektion.  Zentralbl.  für 
Bakt.  Bd.  23,  S.  80,  689. 

Flügge,  Die  Wohnungsdesinfektion  durch  Formaldehyd  auf  Grund  praktischer 
Erfahrungen.    Klinisches  Jahrbuch  1900,  Bd.  7. 

Grub  er,  Die  wirksame  Desinfektion  der  Viehwaggons.  Das  österr.  Sanitäts- 
wesen 1895,  S.  428. 

Gruber,  Die  wirksame  Desinfektion  der  Viehwaggons.  Das  österr.  Sanitäts- 
wesen 1898,  S.  345. 

Gruber,  Die  wirksame  Desinfektion  der  Viehwaggons.  Das  österr.  Sanitäts- 
wesen, Beilage  zu  Nr.  4,  1900. 

Koch,  Über  Desinfektion.    Mitteil,  aus  dem  Kais.  Gesundheitsamt,  I,  S.  234. 

Kr  eil.  Verfahren  zur  Desinfektion  mit  Formaldehydlösnngen  unter  Benutzung 
erhitzter  Metallkörper.    Hyg.  Rundschau  1903,  S.  954. 

Lange,  Versuche  über  Wohnungsdesinfektion  nach  dem  Verfahren  von  Krell- 
Elb.    Hyg.  Rundschau  1902,  S.  729. 

Lewasche  w,  Über  die  Gefahr,  welche  einige  zur  Entwicklung  von  Formal  in - 
dämpfen  vorgeschlagene  Apparate  bieten.    Hyg.  Rundschau  1904,   8.  977. 

Magnus,  Versuche  über  Desinfektion  mit  besonderer  Berücksichtigung  mili- 
tärischer Verhältnisse.    Hyg.  Rundschau  1902,  S.  369. 

Mayer  u.  Wolpert,  Beiträge  zur  Wohnungsdesinfektion  mit  Formaldehyd. 
Hyg.  Rundschau  1901,  S.  153. 

Mayer  u.  Wolpert,  Über  die  Verstärkung  der  Desinfektionswirkung  des 
Formaldehyds  durch  allseitigen  künstlichen  Innenwind.  Archiv  f.  Hygiene, 
Bd.  43,  S.  171. 

Peerenboom,  Zum  Verhalten  des  Formaldehyds  im  geschlossenen  Raum  und 
zu  seiner  Desinfektionswirkung.    Hyg.  Rundschau  1&98,  Nr.  16. 

Perkuhn,  Untersuchungen  über  Stalldesinfektion  durch  Formaldehydwasser- 
verdampfung  mittelst  desLingnerschen  Apparates.  Monatshefte  f.  prak  t. 
Tierheilkunde  1905,  Bd.  16,  S.  289. 

Pottevin,  Untersuchungen  über  die  antiseptische  Kraft  des  Formaldehyds. 
Annal.  Pasteur  1894,  S.  807. 

Römer,  Zur  Frage  der  Formaldehyddesinfektion.  Beiträge  zur  exp.  Therapie, 
Bd.  V,  S.  113. 

Schnürer,  Weitere  Versuche  zur  Desinfektion  der  Eisenbahnviehtransport  wagen 
mit  wäßrigen  Formaldehydlösungen.    Diese  Zeitschrift,  Bd.  I,  S.  33  u.  144. 

Schnürer  u.  Januschke,  Zur  Desinfektion  der  Eisenbahnviehtransportwagen 
usw.    Zeitschrift  f.  Tiermedizin,  Bd.  9,  S.  376. 

Springfeld,  Zeitschrift  für  Polizei-  und  Verwaltungsbeamte  1901. 

Steinitz,  Vereinfachte  und  improvisierte  Formaldehyddesinfektion.  Zeitschr. 
für  Hyg.,  Bd.  50,  S.  473. 

Tonzig,  Über  die  Grenzen  der  praktischen  Wirksamkeit  der  Desinfektion  der 
Räume  usw.    Hyg   Rundschau  1902,  S.  797. 

Trillat,  Versuche  über  die  Formaldebyddampfdesinfektion.  Annal.  Pasteur 
1896,  S.  294. 


(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule 

zu  Berlin.) 

Zum  Nachweis  von  Tuberkelbazillen  in  Versandmilch. 

Konservierung  der  Versandproben  mit  0,5proz.  Borsäure. 

Von 
Dr.  phil.  Gnstay  Kuhn, 

wissenscb.  Hilfearbeiter  am  Institut. 

Bei  der  Tilgung  der  Tuberkulose  des  Rindes  nach  dem  Oster- 
tagschen  Verfahren  wird  zur  Ermittelung  der  Fälle  von  Eutertuber- 
kulose die  klinische  Untersuchung  der  Tiere  durch  eine  bakterio- 
logische  Untersuchung  harpunierter  Euterstückchen,  hauptsächlich 
aber  durch  die  bakteriologische  Verarbeitung  der  Milch  unterstützt. 
Bei  den  Milchprüfungen  handelt  es  sich  entweder  um  Einzelproben 
klinisch  verdächtiger  Kühe  oder  um  Gesamtmilchproben,  die  zur 
Kontrolle  untersuchter  Bestände  in  regelmäßigen  Zwischenräumen 
entnommen  werden. 

Die  Art  der  Verarbeitung  solcher  Milchproben  ist  bekannt 
Eine  bestimmte  Menge  (etwa  40—50  ccm)  wird  mit  Hilfe  einer  elek- 
trisch angetriebenen  Zentrifuge  ausgeschleudert  und  der  mit  Tuberkel- 
bazillen  angereicherte  Bodensatz  an  Meerschweinchen  subkutan 
oder  intramuskulär  verimpft.  Die  Versuchstiere  werden  nach 
4—8  Wochen  getötet,  wenn  nicht  schon  früher  durch  ihre  klinische 
Untersuchung  (tuberkulöse  Schwellung  der  Lymphdrüsen  an  der 
Impfstelle)  Tuberkuloseverdacht  festgestellt  wurde.  Durch  die  Ob- 
duktion der  Versuchsmeerschweinchen  und  den  Nachweis  der  Tu- 
berkel bazillen  in  den  spezifisch  veränderten  Teilen  wird  die  Diagnose 
der  Tuberkulose  einwandfrei  gesichert. 

Bei  der  bakteriologischen  Untersuchung  der  Milchproben  hat 
sich  nun  der  Übelstand  bemerkbar  gemacht,  daß  in  der  wärmeren 
Jahreszeit  die  vom  Besitzer  an  das  bakteriologische  Laboratorium 
versandte  Milch  zuweilen  schnell  gerinnt  und  dann  nicht  mehr  aus- 


—     59     — 

geschleudert  und  weiter  bakteriologisch  verarbeitet  werden  kann. 
Da  sich  das  Zentrifugieren  der  Milch  und  die  Verimpfung  des 
Zentrifugenbodensatzes  im  Laboratorium  nicht  immer  unmittelbar 
nach  dem  Eingang  der  Proben  ausfuhren  läßt,  so  kam  es  zuweilen 
vor,  daß  eingesandte  Proben  wegen  Gerinnung  nicht  ordnungsmäßig 
verarbeitet  werden  konnten,  und  daß  seitens  des  Laboratoriums 
erneute  Probesendungen  erbeten  werden  mußten. 

Um  diesem  Übelstand  vorzubeugen,  machte  der  Direktor  des 
Bakteriologischen  Instituts  der  Landwirtschaftskammer  für  die  Pro- 
vinz Sachsen,  Dr.  H.  Raebiger,  den  Vorschlag,  den  Milchproben 
zur  Verhinderung  vorzeitiger  Gerinnung  Borsäure,  und  zwar  in  der 
Menge  von  0,5  °/0  zuzusetzen.  Es  unterlag  keinem  Zweifel,  daß 
durch  diesen  Zusatz  der  bakterioskopische  Nachweis  der  Tuberkel- 
bazillen nicht  gestört  wird;  denn  zur  Konservierung  von  tuberkulösem 
Material  zwecks  färberischen  Nachweises  der  Tuberkelbazillen  wird 
in  den  Laboratorien  4proz.  Borsäure  ohne  Beeinträchtigung  des 
Konservierungszweckes  zugesetzt.  Dagegen  fehlten  Unterlagen  für 
die  Beantwortung  der  Frage,  ob  Milch,  die  mit  Borsäure  in  der  von 
H.  Raebiger  angegebenen  Konzentration  versetzt  ist,  noch  zur 
weiteren  bakteriologischen  Verarbeitung,  zur  Verimpfung 
an  Versuchstiere  geeignet  ist,  oder  ob  die  Tuberkel- 
bazillen durch  den  gedachten  Zusatz  in  ihrer  Virulenz 
geschädigt  werden. 

Zur  Klärung  dieser  strittigen  Frage  habe  ich  auf  Veranlassung 
des  Herrn  Professors  Dr.  Ostertag  nachfolgende  Untersuchungen 
ausgeführt. 

Zu  den  Untersuchungen  ist  die  Milch  einer  mit  Eutertuber- 
kulose behafteten  Kuh  verwandt  worden,  die  im  Institut  zu 
Demonstrationszwecken  gehalten  wird.  Die  Milch  ist,  um  den 
Versuch  den  Verhältnissen  in  der  Praxis  bei  der  Untersuchung 
einer  Sammelmilchprobe  aus  einem  Bestände  anzupassen,  mit  der 
hundertfachen  Menge  Milch  einer  gesunden  Kuh  verdünnt  worden.  Ein 
Teil  der  Milch  blieb  ohne  Zusatz,  um  zu  Kontrollversuchen  ver- 
wertet zu  werden  (Probe  I),  ein  anderer  wurde  in  Mengen  von 
je  149,25  ccm  in  Flaschen  gefüllt,  in  die  0,75  g  Borsäure  als 
Pulver  gebracht  worden  war  (Probe  II),  ein  dritter  Teil  ist  mit  4proz. 
Borsäurelösung  in  der  Menge  versetzt  worden,  daß  der  Zusatz 
0,5  °/0  betrug  (Probe  III).  Von  jeder  Milchsorte  wurden  je  150  ccm 
in    sterile    Flaschen    gefüllt,    zunächst    24    Stunden    bei    Zimmer- 


—     60     — 

temperatur  (zur  Versuchszeit  20°  C)  und  dann,  um  auch  in  dieser 
Hinsicht  die  Verhältnisse  der  Praxis  (Versand  bei  gewöhnlicher 
Temperatur,  Aufbewahrung  der  Proben  nach  Eingang  im  Laboratorium 
in  einem  kühlen  Raum)  nachzuahmen,  bei  13°  C  aufbewahrt.  Ins- 
gesamt sind  mit  der  angegebenen  Menge  Milch  einer  jeden  Probe 
zehn  Flaschen  gefüllt  worden.  Je  50  ccm  des  Inhalts  dieser  Flaschen 
wurden  zu  verschiedenen  Zeiten  mit  einer  elektrischen  Zentrifuge 
30  Minuten  lang  bei  einer  Geschwindigkeit  von  3600  Umdrehungen 
in  der  Minute  ausgeschleudert.  Der  auf  diese  Weise  erhaltene 
Bodensatz  einer  jeden  Flasche  ist  an  je  zwei  Meerschweinchen 
subkutan  und  intramuskulär  im  Bereich  der  Innenfläche  eines 
Hinterschenkels  verimpft  worden. 

Die  Versuche  sind  am  3.  Juli  begonnen  und  am  6.  August 
abgeschlossen  worden. 

Der  Bodensatz  der  Kontrollmilchproben,  die  ohne  Zusatz  von  Bor- 
säure gelassen  worden  waren,  wurde  sowohl  am  Tage  der  Milchent- 
nahme (3.  Juli  1906),  wie  am  1.,  2.,  3.  und  4.  Tage  nach  dem 
Melken  an  je  zwei  Meerschweinchen  verimpft.  Vom  5.  Tage  nach  dem 
Melken  ab  war  die  Kontrollmilch  vollständig  geronnen,  so  daß 
es  nicht  mehr  möglich  war,  den  voluminösen  Bodensatz  zu  ver- 
impfen. 

Der  durch  Zentrifugieren  gewonnene  Bodensatz  der  mit  Borsäure- 
pulver und  Borsäurelösung  konservierten  Milchproben  wurde  am 
1.,  2.,  3.,  4.,  5.,  6.,  7.,  9.,  12.  und  15.  Tage  nach  dem  Melken 
an  je  zwei  Meerschweinchen  verimpft.  Die  mit  Borsäure  in 
Substanz  und  in  Lösung  versetzten  Milchproben  waren  am  15.  Tage 
nach  dem  Melken  noch  völlig  flüssig  und  frei  von  Gerinnseln.  Es 
war  somit  durch  den  Borsäurezusatz  möglich,  die  Milch  während 
eines  Zeitraumes,  der  für  die  praktischen  Bedürfnisse  mehr  als  aus- 
reichend ist,  in  einem  Zustand  zu  erhalten,  der  ihre  uneinge- 
schränkte bakteriologische  Verarbeitung  ermöglicht. 

Von  den  Impftieren  starb  ein  mit  Kontrollmilch  geimpftes 
Meerschweinchen  am  11.  Tage  interkurrent.  Bei  den  übrigen 
Kontrollmeerschweinchen  konnten  bereits  14  Tage  nach  der  Impfung 
Schwellung  der  Kniefaltendrüsen  sowie  Abszeß-  und  Geschwürs- 
bildung an  den  Impfstellen  nachgewiesen  werden,  Veränderungen, 
die  in  der  Folge  an  Umfang  zunahmen. 

Von  den  Meerschweinchen,  die  mit  durch  Borsäurepulver  und 
durch  Zusatz  von  Borsäurelösung  konservierter  Milch  geimpft  waren. 


—     61     — 

starb  je  eines  am  28.  und  29.  Tage  und  am  14.  und  28.  Tage  nach 
der  Impfung  an  Tuberkulose.  Diese  vier  Tiere  zeigten  dieselben 
Veränderungen  wie  die  übrigen  Meerschweinchen,  die  beim  Abschluß 
der  Versuche  am  3.  und  6.  August  1906  getötet  wurden:  An  der 
Impfstelle  befand  sich  ein  linsen-  bis  bohnengroßer,  käsiger  Abszeß 
oder  ein  käsiges  Geschwür;  die  Kniekehlen-,  Kniefalten-  und  Darm- 
beindrüsen der  Impfseite  waren  linsen-  bis  bohnengroß  und  mit 
verkästen  Herden  durchsetzt,  in  denen  sich  zahlreiche  Tuberkel- 
bazillen vorfanden.  Vereinzelt  waren  auch  bei  einigen  Meer- 
schweinchen die  Lymphdrüsen  der  rechten  Seite  mit  Tuberkeln 
durchsetzt. 

Sämtliche  Meerschweinchen  waren  an  akuter  Miliartuberkulose 
erkrankt,  und  zwar  ohne  Unterschied,  ob  die  Tiere  mit  Kontroll- 
milch oder  mit  durch  Borsäure  konservierter  Milch  geimpft  waren. 
Der  Grad  der  Veränderungen  war  bei  allen  Tieren  nahezu  gleich. 
Die  mit  Kontrollmilch  geimpften  Meerschweinchen  ließen  keinen 
höheren  Grad  der  Tuberkulose  erkennen,  als  die  nach  der  gleichen 
Zeit  getöteten  Tiere,  die  mit  durch  0,5  proz.  Borsäure  konservierter 
Milch  geimpft  worden  waren. 

Faßt  man  das  Ergebnis  der  Versuche  zusammen,  so  ergibt  sich, 

1.  daß  ein  Zusatz  von  0,5  %  Borsäure  sowohl  in  Form  des 
Pulvers  als  auch  der  Lösung  zu  Milch  genügt,  um  die 
Milch  während  eines  Zeitraumes  von  15  Tagen  vor  der 
Gerinnung  zu  schützen; 

2.  daß  durch  diesen  Zusatz  die  Virulenz  der  in  der  Milch 
enthaltenen  Tuberkelbazillen  nicht  nachweisbar  beein- 
trächtigt wird. 


Über  das  Vorkommen  von  Trichinen  bei  der  Ratte. 

Von 
L.  Bahr, 

Tierarzt  In  Kopenhagen. 

In  den  letzten  Jahren  hat  man  —  wesentlich  wegen  der  beim 
Menschen  vorgekommenen  Trichinosefälle  —  den  Trichinen  wieder 
größere  Aufmerksamkeit  zugewandt.  Unter  diesen  Umständen  wird 
jeder  Beitrag  zur  Aufklärung  der  Weiterverbreitung  der  Trichinen 
von  Interesse  sein.  Es  hat  sich  mir  in  meiner  Tätigkeit  die  Ge- 
legenheit geboten,  eine  große  Anzahl  Ratten,  die  aus  Kopenhagen 
und  mehreren  ländlichen  Gehöften  stammten,  zu  obduzieren,  und 
diese  habe  ich,  namentlich  auf  Anregung  des  Herrn  Prof.  C.  0.  Jensen, 
zugleich  auf  Trichinen  untersucht.  Es  ist  das  vorläufige  Resultat 
dieser  Untersuchungen,  das  ich  hier  mitteile. 

Man  hat  früher  an  verschiedenen  Orten  Untersuchungen  auf 
Trichinen  bei  Ratten  angestellt;*)  so  hat  Heller  aus  29  verschiedenen 
Orten  in  Sachsen,  Bayern,  Württemberg  und  Österreich  im  ganzen 
704  Ratten  eingesammelt,  unter  denen  sich  8,3  °/0  als  trichinös  er- 
wiesen (in  Abdeckereien  war  der  Prozentsatz  am  höchsten  [22,1°  0], 
in  Schlächtereien  2,3  °/0  und  in  anderen  Orten  durchschnittlich  0,3  °/0). 
Diejenigen  Ratten,  die  trichinös  befunden  wurden,  waren  in  den 
meisten  Fällen  sehr  stark  infiziert.  Leisering  untersuchte 
Ratten  aus  18  Abdeckereien  (im  Königreich  Sachsen);  in  14  dieser 
Örtlichkeiten  waren  die  Ratten  trichinös.  Gerlach  wies  nach,  daß 
der  größte  Teil  der  untersuchten  Ratten  aus  Schlächtereien  in 
Hannover  (in  denen  sich  trichinöse  Schweine  fanden)  trichinös  war. 
Adam  fand  bei  der  Untersuchung  von  18  Ratten  (aus  den  Augs- 
burger Abdeckereien)  2  trichinöse.  Franck  untersuchte  33  Ratten 
aus  Schlächtereien  in  München  und  fand  2  trichinöse.  Unter 
77  Ratten  aus  Erlangen,  Nürnberg  und  Kronach  waren  7  trichinös. 
F essler  teilt  mit,  daß  er  unter  24  untersuchten  Ratten  aus  dem 
Schlachthaus  in  Bamberg  12  mit  Trichinen  behaftet  fand.  Müller 
untersuchte  die  Verhältnisse  an  einem  Orte  (Blankenburg),  wo  seit 

*;  R.  Ostcrtag,  Handbuch  der  Fleischbeschau,  1902,  S.  490. 


—     03     — 

vielen  Jahren  Trichinosefälle  beim  Menschen  aufgetreten  waren: 
alle  in  einer  Abdeckerei  gefangenen  Ratten  waren  trichinös.  Roll 
untersuchte  146  Ratten  aus  Wien  und  fand  nur  1  trichinöse  darunter; 
dagegen  waren  unter  47  Ratten  aus  einer  Abdeckerei  7  trichinös, 
und  unter  3  t  Ratten  aus  anderen  Gegenden  (Brunn,  Ostrau,  Privos) 
fanden  sich  20,  die  Trichinen  beherbergten.  Csokor  fand  unter 
den  untersuchten  Ratten  aus  dem  Schlachthaus  St.  März  in 
Wien  5%  trichinös.  Genersich  untersuchte  183  Ratten  aus 
Ungarn  und  fand  in  10  Fällen  Muskeltrichinen  und  in  2  Fällen 
Danntrichinen.  Von  Interesse  ist  seine  Angabe,  daß  die  trichinösen 
Ratten  ausschließlich  aus  2  bestimmten  Gehöften  stammten. 
Billings  fand,  daß  in  der  Export-Schlächterei  in  Boston  (Amerika) 
alle  untersuchten  Ratten,  in  einer  Abdeckerei  76°/0  und  von  Ratten 
aus  der  Stadt  selbst  10%  trichinös  waren. 

In  Dänemark  hat  Prof.  H.  Krabbe  8  Ratten  aus  der  Hunde- 
klinik der  Königlichen  Tierärztlichen  und  Landwirtschaftlichen  Hoch- 
schule untersucht;  5  derselben  waren  stark  trichinös.  St.  Fries 
fand  1887,  daß  18  aus  den  Absonderangsställen  der  Hochschule 
stammende  Ratten  sämtlich  trichinös  waren,  während  unter  den 
Ratten,  die  aus  den  Pferdeställen  stammten,  sich  nur  einzelne 
trichinöse  fanden*  Ferner  fand  man,  daß  25°/0  der  am  Eisenbahn- 
körper gefangenen  Ratten  mit  Trichinen  behaftet  waren;  an  diesem 
Ort  lagen  damals  große  Müllhaufen.  Unter  den  untersuchten  Ratten 
aus  folgenden  Örtlichkeiten:  Laus  verschiedenen  Lokalitäten  in  Kopen- 
hagen und  dessen  Nähe,  2.  aus  den  Mullablagerungsstätten  auf  Amager, 
3.  aus  einer  Wurstfabrik  und  einer  Knochenleimfabrik  ebendaselbst 
und  4.  aus  der  Kopenhagener  Exportschlächterei  fanden  sich  keine 
trichinösen.  —  Höyberg  (Tierarzt  des  Kopenhagener  Gesund- 
heitsamtes) hat  mir  mitgeteilt,  daß  er  Ratten  aus  7  Müllablagerungs- 
stätten auf  Amager,  im  ganzen  119  Individuen,  untersucht  hat, 
ohne  Trichinen  zu  finden.  Unter  205  aus  Kopenhagen  nebst  Vor- 
städten stammenden  Ratten  waren  2  trichinös. 

Was  meine  eigenen  Untersuchungen  betrifft,  so  geht  aus  um- 
stehender Tabelle  hervor,  aus  welchen  Orten  die  Ratten  stammten, 
wieviel  aus  jedem  Ort  untersucht  wurden,  an  welchen  Orten  sieb 
trichinöse  Ratten  fanden  und  in  welchem  Prozentsatze. 

Im  ganzen  habe  ich  371  Ratten  untersucht  und  unter  diesen 
19  (d.  h.  5,12  %)  trichinös  gefunden.  Außer  der  gemeinen  grau- 
braunen  Wanderratte   habe    ich  17  schwarze  Ratten  (Mus  rattus) 


—     64    — 


Nr. 


Fangort  der  Hatten 


*0     «B 


S»S    3.S« 


3 


1- 


» (3 


«<  «5 


Prozent- 
satz 


1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 
18 


Löschplatz  (Amager) 

Innere  Stadt  (Kopenhagen) 

Tivoli  (Kopenhagen) 

Vorstadt  Vesterbro  (Kopenhagen)    .... 

Frederiksborg 

Vorstadt  Christianshavn  ........ 

Vororte  (Vaulöse-Rödovse)  bei  Kopenhagen 

Roskilde 

Hof  I  (Seeland) 

Hof  II  (Seeland) 

Hof  m  (Fünen) 

Hof  IV  (Fünen) 

Hof  V  (Fünen) 

Hof  VI  (Fünen) 

Hof  VII  (Fünen) 

Hof  VIII  (Fünen) 

Hof  EX  (Lolland) 

Hof  X  (Lolland) 


Im  ganzen 


68 
44 
30 
11 
56 

5 
24 

6 

8 
13 
37 
11 

6 
13 

7 
10 
10 
12 


10 


15,7 


27,3 


10,8 
18,2 


371 


19 


5,12 


und  15  ägyptische  Ratten  (Mus  alexandrinus)  —  aus  den  Speichern 
des  Freihafens  —  untersucht,  bei  denen  ich  indes  keine  Trichinen 
nachzuweisen  vermochte.  Unter  den  graubraunen  trichinösen  Ratten 
fanden  sich  10  alte  und  8  mittelgroße;  eine  Ratte  war  ganz  jung, 
wohl  nicht  mehr  als  4  Monate  alt,  und  hatte  ganz  frisch  einge- 
kapselte Trichinen. 

Was  die  Menge  der  Trichinen  in  jedem  Gesichtsfelde  betrifft, 
so  fanden  sich  bei  9  Ratten  4—8,  bei  5  Ratten  12—18  und  bei 
5  anderen  Ratten  nur  einzelne  Trichinen  in  jedem  Gesichtsfelde. 

Ebenso  wie  Heller,  fand  auch  ich,  daß  die  infizierten  Ratten 
gewöhnlich  sehr  stark  mit  Trichinen  behaftet  sind. 

Aus  der  Tabelle  geht  hervor,  daß  ich  Ratten  aus  im  ganzen 
18  verschiedenen  Örtlichkeiten  untersucht  habe;  nur  in  vier  der- 
selben fanden  sich  trichinöse  Ratten.  Die  Zahlen  sind  freilich  nur 
klein;  vergleicht  man  aber  diese  Resultate  mit  den  von  anderen 
Untersuchern  (z.  B.  Genersich)  erhaltenen,  so  deuten  sie  doch 
darauf  hin,  daß  es  einzelne  bestimmte  Lokalitäten  gibt,  wo 


—    65    — 

die  Trichinen  besonders  anwesend  sind,  daß  es,  mit  anderen 
Worten,  Herde  der  Trichinose  gibt.  Unter  diesen  Umständen 
wäre  es  wünschenswert,  daß  anch  an  anderen  Orten  derartige 
Untersuchungen  angestellt  würden,  die  dann  Klarheit  darüber  ver- 
breiten würden,  auf  welche  Lokalitäten  man  bei  der  Bekämpfung 
der  Trichinose  besondere  Aufmerksamkeit  zu  richten  hat.  Frühere 
Untersuchungen  deuten  nämlich  darauf  hin,  daß  an  solchen  Orten, 
wo  der  Prozentsatz  der  Trichinose  bei  den  Ratten  ein  hoher  ist, 
auch  ein  verhältnismäßig  hoher  Prozentsatz  der  Trichinose  bei  den 
Schweinen  angetroffen  wird.  Die  früheren  Untersuchungen  hat  man 
allerdings  noch  nicht  hinlänglich  vertieft;  es  gelang  mir  indeß,  in 
einem  Falle  jene  Tatsache  festzustellen.  Aus  der  obengenannten 
Müllablagerungsstätte  untersuchte  ich  im  ganzen  68  Ratten,  unter 
denen  10  sich  als  trichinös  erwiesen.  Durch  Anfrage  bei  dem  Ober- 
tierarzt Rasmussen  (Kopenhagener  Fleischbeschau)  erfahr  ich  aus 
den  Journalen,  daß  unter  122  untersuchten  Schweinen  aus  der- 
selben Müllablagerungsstätte  10  trichinös  waren.  In  diesem  Falle 
stimmen  die  Zahlen  also  recht  gut  überein. 

Die  Frage  ist  jetzt  die:  Wie  bekommen  die  Schweine  die 
Trichinen?  Frühere  Untersuchungen  haben  nachgewiesen,  daß  die 
Schweine  die  Trichinen  bekommen,  wenn  sie  trichinöse  Abfalle  oder 
trichinöse  Ratten  fressen.  Obschon  sich  dies  wohl  nicht  bestreiten 
läßt,  ist  es  doch,  wie  Höyberg*)  dargetan  hat,  bei  unserer  ratio- 
nellen Schweinezucht  wohl  nicht  allgemein,  daß  Schweine  trichinöse 
Ratten  fangen  und  fressen.  Auf  eine  an  50  bekannte  Schweine- 
züchter gerichtete  Anfrage  erhielt  Höyberg  von  46  derselben  die 
Antwort,  sie  hätten  äußerst  selten  gesehen,  daß  ein  Schwein  Ratten 
gefangen  und  gefressen  habe.**)  Es  muß  also  noch  einen  anderen 
Weg  geben,  auf  dem  die  Verbindung  zwischen  den  Trichinen  der 
Ratte  und  denen  des  Schweines  hergestellt  wird.  Höybergs  Unter- 
suchungen*), mittels  deren  er  experimentell  bewies,  daß  dte  Fäzes 
trichinenbehafteter  Tiere  imstande  sind,  andere  Tiere  zu  infizieren, 
machen  es  ziemlich  wahrscheinlich,  daß  wir  die  Fäzes  als  eine 
wichtige  Infektionsquelle  zu  betrachten  haben. 

*)  H.  M.  Höyberg,  Bidrag  til  Trikinens  Biologi  (Kopenhagen  1906).  (Vgl. 
Referat  S.  102  dieses  Heftes  [Red.]) 

**)   Was   die   trichinösen  Abfälle   betrifft,    so   läßt   sich   in  vielen  Fällen 
nicht  beweisen,  daß  sie  eine  Infektionsquelle  bilden. 


Zriucbrift  für  Infektlongkrankheiten.    II,  1. 


Referate. 


Bericht 
über  die  erste  Tagung  der  Freien  Vereinigung  für  Mikro- 
biologie im  Institut  für  Infektionskrankheiten  zu  Berlin 

7.,  8.  und  9.  Juni  1906. 

Erstattet  von  dem  Schriftführer 
A.  Wassermann« 

Im  Laufe  des  Jahres  1905/06  hat  sich  eine  freie  Vereinigung 
für  Mikrobiologie  gebildet,  der  die  größte  Anzahl  der  die  Bakterien- 
oder Protistenkunde  beruflich  ausübenden  Gelehrten  der  Länder 
deutscher  Zunge  angehört.  Diese  freie  Vereinigung  hielt  in  den 
drei  letzten  Tagen  der  diesjährigen  Pfingstwoche  ihre  erste  Zu- 
sammenkunft, die  der  Behandlung  von  wissenschaftlichen  Fachfragen 
gewidmet  war,  im  Institut  für  Infektionskrankheiten  zu  Berlin  ab. 
Seitens  der  Versammlung  wurde  beschlossen,  daß  ein  durch  den 
Schriftführer  A.  Wassermann  anzufertigender  offizieller  Übersichts- 
bericht über  die  Verhandlungen,  der  hier  folgt,  zu  veröffent- 
lichen sei.*)  Der  ausfuhrliche  Verhandlungsbericht,  bestehend  aus 
den  Originalvorträgen  oder  Autoreferaten  der  Vortragenden  und 
Diskussionsredner  soll  nach  dem  Beschluß  der  Versammlung  all- 
jährlich in  einem  besonderen  Heft  des  Zentralblattes  für  Bakterio- 
logie erscheinen. 


*)  Der  leitende  Ausschuß  der  Mikrobiologen -Vereinigung  hat  beschlossen, 
den  Übersichtsbericht  über  die  Verhandlungen  der  Vereinigung  außer  einigen 
medizinischen  Zeitschriften  der  Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten,  parasitäre 
Krankheiten  und  Hygiene  der  Haustiere  regelmäßig  zur  Veröffentlichung  zu 
übergeben.  Die  Red. 


—     67     — 

1.  Verhandlungstag,  7.  Juni  1906. 

Vorsitzende:  Flügge  (Breslau), 
Gärtner  (Jena). 

Herr  Flügge  eröffnet  die  Zusammenkunft  mit  einer  Ansprache,  worin 
er  Zweck  und  Ziel  der  freien  Vereinigung  für  Mikrobiologie  ausein- 
andersetzt. 

Herr  Gaffky  heißt  die  Teilnehmer  in  den  Räumen  des  Instituts  für 
Infektionskrankheiten  willkommen. 

Offizielles  Referat: 

„Die  Fortschritte  der  immunitätsforschung  im  Jahre  1905/06." 

Referent:  Herr  R.  Kraus  (Wien). 

Aus  dem  umfassenden  Referat,  das  fast  alle  gegenwärtig  in  Diskussion 
befindlichen  Punkte  der  Immunitätslehre  umfaßte,  seien  einige,  weitere 
medizinische  Kreise  besonders  interessierende  Punkte  hier  herausgegriffen: 

Die  lange  Zeit  zwischen  Ehrlich  und  seinen  Anhängern  einerseits, 
Arrhenius  und  Madsen  andererseits  bestehende  Streitfrage  über  die 
g-egenseitigen  Beziehungen  von  Toxin  und  Antitoxin  erklärt  Referent 
als  zugunsten  Ehrlich s  entschieden.  Bezüglich  der  in  den  letzten  Jahren 
hervorgetretenen  Neigung,  die  Reaktionen  gewisser  Kolloide  auf  die  Im- 
mnnitätslehre  zu  übertragen,  steht  Kraus  auf  dem  Standpunkt,  daß  die 
Kolloide  wohl  gewisse  Analogien  mit  denjenigen  Substanzen  bieten,  die 
im  Immunserum  vorkommen,  daß  man  aber  mit  der  unmittelbaren  Über- 
tragung dieser  Ergebnisse  auf  das  Immunitätsgebiet  sehr  vorsichtig  sein 
müsse.  Zu  demselben  Schluß  kommt  Referent  für  die  Lehre  der  Lipoide 
und  Antitoxine.  Die  Spezifizität  der  Immun-Substanzen  ist  vorläufig  durch 
alle  diese  Studien  nicht  geklärt  und  bis  jetzt  nur  mit  Ehrlichs  Theorie 
verständlich.  Für  besonders  wichtig  für  die  Lehre  von  den  Antitoxinen  hält 
Krau 8  den  Nachweis,  daß  diese  Substanzen  ihre  Avidität  ändern  können. 
Einen  Ausblick  zur  Erweiterung  der  Antitoxintherapie  scheint  ihm  die 
Tatsache  zu  bieten,  daß  einzelne  Stämme  echter  Choleravibrionen  ein  lös- 
liches, filtrierbares  Toxin  bilden.  Man  könne  deshalb  daran  denken,  eine 
spezifische  antitoxische  Serumtherapie  gegenüber  Cholera  zu  erreichen. 

In  die  Lehre  der  Agglutinine  und  Präzipitine  haben  die  Untersuchungen 
von  Porges  eine  Änderung  gebracht.  Nach  diesen  Untersuchungen  sei 
es  nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten,  daß  bei  der  Agglutination  vier  Gruppen, 
nämlich  zwei  bindende  und  je  eine  fällende  und  fällbare  in  Tätigkeit  treten. 
Die  Arbeiten  von  Pick  und  Obermeier  haben  nachgewiesen,  daß  bei 
Semm-Präzipitinen  der  physikalische  Zustand  des  zur  Behandlung  des 
Tieres   gewählten  Eiweißmaterials    eine    große  Rolle   spielt.    Vorher   er- 


—    G8     — 

hitztes  Serum  liefert  ein  qualitativ  anderes  präzipitierendes  Serum  als 
nicht  erhitztes.  Betreffs  der  Agglutininprobe  erklärt  Kraus  den  Versuch 
Zupniks,  die  Grundlagen  der  Serodiagnostik  zu  erschüttern,  als  ge- 
scheitert. Auf  die  praktische  Bedeutung  des  in  allerjüngster  Zeit  auf 
Grund  der  Arbeiten  von  Bordet,  Gengou,  Moreschi  u.  a.  so  eifrig 
bearbeiteten  Phänomens  der  Komplementablenkung  geht  der  Referent  ange- 
sichts der  Unabgeschlossenheit  dieses  Gebietes  noch  nicht  ein.  Er  hält  die 
Methode  eventuell  für  geeignet,  unser  Wissen  bei  solchen  Krankheiten,  deren 
Erreger  bisher  unbekannt  sind,  zu  fördern.  Die  Lehre  von  dem  Bestehen 
von  Antikomplementen  hält  er  durch  die  Studien  über  die  Komplement- 
ablenkung für  erschüttert.  Ob  dies  auch  für  die  Antiambozeptoren  zutrifft, 
will  er  vorläufig  dahingestellt  lassen. 

Über  die  neueren  Arbeiten  auf  dem  Gebiet  der  Phagozytose  (Wright, 
Neufeld  und  Rimpau)  gibt  der  Referent  eine  Übersicht.  Kraus  läßt 
die  Möglichkeit  einer  Verschiedenheit  zwischen  bakteriotropen  und  bak- 
teriziden Substanzen  offen.  Er  sieht  in  den  neueren  Arbeiten  die  Möglich- 
keit einer  Überbrückung  der  bisher  eingenommenen  Standpunkte  von 
Metschnikoff  und  Pfeiffer. 

Die  Aggressine  von  Bail  und  dessen  Mitarbeitern  erklärt  der  Referent 
für  nicht  bestehend.  Auf  Grund  der  Arbeiten  von  Dörr  schließt  er  sich 
der  Ansicht  von  Wassermann  und  Citron  an,  daß  es  sich  bei  den 
Bail  sehen  Aggressinen  um  die  Wirkung  aufgelöster  Bakteriensubstanzen 
handle.  Die  infektionsbefördernde  Wirkung  der  Aggressine  sei  keine 
spezifische,  sondern  die  in  den  Exsudaten  aufgelösten  Substanzen  seien 
toxisch.  Diese  schädliche  Wirkung  summiert  sich  zu  derjenigen  einer  an 
und  für  sich  untertödlichen  Dosis  der  lebenden  Infektionserreger.  Durch 
diese  Summierung  werde  diese  zu  einer  tödlichen.  Dies  sei  nichts  Spezi- 
fisches, denn  Dörr  habe  beispielsweise  bei  Dysenterie  den  von  Bail 
als  spezifische  Aggressinwirkung  betrachteten  infektionserhöhenden  Effekt 
mit  heterologen  Substanzen  wie  Diphtheriegift  usw.  erreichen  können.  Die 
sogenannte  Aggressinsubstanzen-Immunität  sei  eine  Immunität  durch  gelöste 
Bakteriensubstanzen  im  Sinne  von  Wassermann  und  Citron. 

Herr  Flügge  dankt  dem  Referenten  für  das  klare,  umfassende  Referat. 

Herr  Grub  er  (München)  in  Gemeinschaft  mit  Futaki: 

„Ober  Infektion  und  Resistenz  bei  Milzbrand." 

Grub  er  bemerkt  einleitend,  daß  bei  der  intravenösen  Infektion  von 
Kaninchen  mit  Typhusbazillen  diese  massenhaft  von  den  Leukozyten  auf- 
genommen werden.  Diese  starke  Phagozytose  von  Typhusbazillen  kann 
man  mittelst  normalen  Kaninchensemms  auch  im  Reagenzglas  demon- 
strieren.   Das    normale  Serum    verliert  indessen  diese  Wirkung,    wenn  es 


—     69     — 

bei  55  °  inaktiviert  wird.  Die  betreffende  Substanz  ist  demnach  thermolabil. 
Sie  wirkt  auf  die  Bakterien  und  nicht  auf  die  Leukozyten  (Opsonin). 
Die  Substanz  ist  vom  Alexin  verschieden.  Im  Immunserum  kommen 
thermostabile  Substanzen  der  gleichen  Wirkung  vor.  Eingehend  hat  sich 
der  Vortragende  mit  den  Ursachen  der  Immunität  gegen  Milzbrand  be- 
schäftigt. Hier  spielt  nicht  die  thermostabile  Substanz  des  Serums,  die 
die  Phagozytierbarkeit  der  Bakterien  ermöglicht,  die  ausschlaggebende 
Rolle.  Vielmehr  ist  hier  ausschlaggebend  die  Kapselbildung  der  Milzbrand- 
bazillen. Mit  Kapseln  versehene  Bazillen  werden  im  Tierkörper  weder 
von  gelösten  Stoffen  der  Körpersäfte,  noch  von  Leukozyten  abgetötet. 
Dörr  (Wien): 

„Ober  Aggressiv". 

Aggressine  im  Sinne  Baus  existieren  nicht.  Die  von  Bail  als 
Aggr  essin  Wirkung  angesprochene  Exsudat  Wirkung  ist  durch  gelöste  Bakterien- 
substanzen  hervorgerufen.  Diese  sind  toxisch.  Infolgedessen  erhöhen  sie 
die  Infektionswirkung  einer  an  sich  nicht  tödlichen  Infektionsmenge.  Diese 
Wirkung  ist  nicht  spezifisch.  Sie  kann  durch  Diphtherie-  und  Cholera- 
toxin  bei  allen  möglichen  Halbparasiten  hervorgebracht  werden. 

R.  Pfeiffer   und  R.  Scheller  (Königsberg  i.  Pr.): 

„Ober  Immunisierungsversuche  an  Tauben  gegen  Vibrio  Metechnikoff." 

Die  Verfasser  prüften  die  Baiische  Aggressinhypothese  an  Vibrio 
Metschnikoff  bei  Tauben,  also  einem  Ganzparasiten  für  diese  Tierart.  Die 
Aggressine  wurden  aus  der  Ödemflüssigkeit  des  injizierten  Brustmuskels  ge- 
wonnen. Diese  Flüssigkeit  wurde  durch  Puk all  sehe  Filter  filtriert. 
Trotz  Verwendung  großer  Mengen  von  Exsudat  wurde  keine  Spur  von 
Immunität  erzielt,  wogegen  minimale  Mengen  abgetöteter  Vibrionen  stets 
Immunität  hervorriefen.  Die  Verfasser  sprechen  sich  deshalb  gegen  die 
Baiische  Aggressintheorie  aus. 

Landsteiner  (Wien): 

A.  „Über  Adsorptionsverbindungen." 

Toxine  haben  besondere  Affinität  zu  Lipoiden  (Tetanus-,  Botulismus- 
toxin  und  Hämotoxine). 

Dies  iBt  besonders  wichtig  für  die  Erklärung  des  Hirntetanus- Ver- 
suches von  Wassermann  undTakaki,  der  deshalb  nicht  ohne  weiteres 
zur  Stütze  der  Ehrlichschen  Theorie  zu  verwenden  sei.  Agglutinine 
haben  dagegen  Adsorptionsaffinität  zu  Eiweißsubstanzen,  Komplemente  zu 
zahlreichen  Substanzen  kolloidaler  Art,  sowohl  eiweißartiger  als  lipoider 
Natur,  wie  z.  B.  Cholestearin,  Peptonen,  Glykogen  etc. 


—     70     — 

B.  „Ober  den  Immunisierungsprozeß." 

Vortragendem  ist  es  gelungen,  Unterschiede  zwischen  den  normalen 
und  den  immunisatorisch  erzielten  Hämagglutininen  aufzufinden.  Die 
normalen  sind  nur  in  geringem  Grade,  die  immunisatorisch  erzielten  in 
hohem  Grade  spezifisch.  Bei  der  Immunisation  entstehen  also  im  Organismus 
ganz  neue  Substanzen. 

Neufeld  und  Hübner  (Berlin) 

„Ober  die  Rolle  der  Phagozytose  bei  der  Immunität  gegen  Cholera-, 
Typhus-  und  Paratyphusbazillen." 

Der  Vortragende  (Neufeld)  kommt  zum  Schluß,  daß  auch  durch 
das  Typhus-  und  Cholera-Immunserum  neben  der  spezifischen  Bakteriolyse 
eine  spezifische  Phagozytose  hervorgerufen  wird,  und  daß  beide  Vorgänge 
nebeneinander  als  gleichberechtigt  anzusehen  seien.  Ob  die  bakteriotropen 
und  bakteriziden  Substanzen  identisch  seien,  könne  noch  nicht  mit  Sicher- 
heit gesagt  werden.    Eine  Reihe  von  Tatsachen  spricht  dagegen. 

Löhlein  (Leipzig): 

„Einiges  über  Phagozytose  von  Pest-  und  Milzbrandbazillen." 

Vortragender  bemerkt,  daß  das  Ausbleiben  der  Phagozytose  von 
Pestbazillen  im  Meerschweinchen-Peritoneum  nicht  völlig  geklärt  sei. 
Sicherlich  beruhe  es  nicht  auf  einer  allgemeinen  Schädigung  der  Leukozyten. 
Vortragender  sieht  die  eventuellen  Ursachen  dafür  entweder  in  der 
Kapselbildung  der  Pestbazillen  oder  aber  darin,  daß  die  Pestbazillen 
besondere  Stoffe  haben,  die  die  Phagozytose  verhindern.  Bei  Milzbrand 
ist  die  Ursache  des  Ausbleibens  der  Phagozytose  die  Kapselbildung  der 
Bazillen. 

Uhlenhuth  (Greifs wald) : 

„Über  die  Verwertbarkeit  der  Komplementablenkung  für   die   forensische 
Praxis  und  die  Differenzierung  verwandter  Blutarten." 

Uhlenhuth  hat  das  Neißer-Sachssche  Verfahren  benutzt,  um  im 
Serum  von  mit  menschlichem  Eiweiß  vorbehandelten  Affen  Substanzen  nach- 
zuweisen, die  menschliches  Eiweiß,  aber  nicht  dasjenige  von  Affen 
spezifisch  beeinflussen.  Er  bestätigt  also  mit  diesem  neuen  Verfahren  seine 
früheren  mit  der  Präzipitierungsmethode  gewonnenen  Resultate,  wonach 
durch  kreuzweise  Immunisierung  streng  artspezifische  Sera  gewonnen 
werden  können,  die  auch  auf  sehr  nahestehenden  Arten  (wie  Hase- 
Kaninchen,  Mensch-Affe)  nicht  wirken.  Auch  seine  früheren  Befunde  über 
das   allen  Tieren   gemeinsame  Eiweiß   der  Linse   konnte   er  mittelst  des 


—     71     — 

Neißer-Sachsschen  Verfahrens  bestätigen.  In  bezug  auf  die  Brauchbar- 
keit der  Neißer-Sachsschen  Methode  für  forensische  Zwecke  der 
Eiweiß-Differenzierung  kommt  Uhlenhnth  zn  folgendem  Schloß: 

Die  Neißer-Sachssche  Methode  ist  als  Bestätigungs-Reaktion  für  die 
Präzipitierangs -Reaktion  anzusehen.  Nur  bei  unzweifelhaft  positivem 
Ausfall  der  Präzipitierungs -Reaktion  kann  die  Neißer-Sachssche 
Methode  als  Eontrollreaktion  in  Frage  kommen.  Bei  negativer  Präzi- 
pitierungsreaktion  ist  auf  einen  eventuellen  positiven  Ausfall  der  Neißer- 
Sachsschen  Methode  kein  Urteil  abzugeben,  da  wir  über  die  komplement- 
ablenkenden Substanzen  noch  nichts  Bestimmtes  wissen. 

Über  das  Referat  und  die  vorstehenden  zum  Gebiet  der  Immunität 
gehörenden  Vorträge  fand  eine  gemeinsame  Diskussion  statt. 

Diskussion. 

R.  Pfeiffer  (Königsberg).  Die  Existenz  echter  Cholera-Antiambo- 
zeptoren  ist  nicht  erschüttert,  wohl  aber  glaubt  Pfeiffer  im  Gegensatz 
zur  neueren  Auffassung  Ehrlichs,  daß  der  Angriffspunkt  der  Antiambo- 
zeptoren  an  der  zytophilen  Gruppe  sitzt.  Betreffs  der  Opsonine  möchte 
es  Pfeiffer  noch  dahingestellt  sein  lassen,  ob  diese  selbständige 
Substanzen  oder  ob  sie  nicht  vielmehr  identisch  mit  den  bakteriolytischen 
Substanzen  normaler  Blutsera  sind.  Zur  Theorie  der  Aggressine  übergehend, 
glaubt  Pfeiffer,  daß  diese  Substanzen  im  Baiischen  Sinne  nicht  existieren. 
Bezüglich  der  allgemeinen  Immunitätslehre  ist  Pfeiffer  der  Ansicht,  daß 
die  Tatsachen,  die  beim  Studium  der  Antiambozeptoren,  Antikomplemente, 
und  antagonistischen  Substanzen  in  neuester  Zeit  festgestellt  wurden,  sich 
nur  schwer  durch  die  Ehrlichsche  Theorie  erklären  lassen. 

Löhlein  (Leipzig)  entgegnet  Pfeiffer,  daß  fast  alle  Autoren  darin 
übereinstimmen,  die  Opsonine  und  bakteriolytischen  Ambozeptoren  nicht 
für  identisch  zu  erklären.  Dagegen  pflichtet  er  Kraus  bei,  wonach 
die  Opsonine  wahrscheinlich  mit  dem  Metschnik  off  sehen  Fixateur  (sensi- 
bilatrice  phagocytaire)  identisch  seien.  Viele  Meinungsdifferenzen  über 
die  Bedeutung  der  Bakteriolyse  einerseits,  der  Phagozytose  andererseits 
erklären  sich  dadurch,  daß  irrtümlich  vielfach  die  sensibilatrice 
phagocytaire    mit    dem    bakteriolytischen    Ambozeptor    identifiziert    wird. 

Hahn  (München):  Die  Aggressine  seien  keine  neuen  Substanzen. 
Hahn  erinnert  in  dieser  Beziehung  an  eine  Arbeit  von  Schneider,  die 
unter  Büchners  Leitung  (Archiv  für  Hygiene  1897)  angefertigt  wurde. 
In  dieser  Arbeit  wurde  gezeigt,  daß  alte  filtrierte,  auf  60°  erhitzte 
Bouillonkulturen  von  Typhus  und  Cholera  beim  Zusatz  von  Immunserum 
die  bakterizide  Wirkung  desselben  aufheben. 

A.  Wassermann  (Berlin)  führt  aus,  daß  er,  wie  das  ja  aus  seinen 
Arbeiten  mit  Citron  hervorgehe,  in  den  Aggressinen  nur  die  Wirkung  von 


-     72     — 

gelösten  Bakteriensubstanzen  sehe.  Trotzdem  aber  müsse  er  für  die  hier 
so  hart  verurteilten  Aggressine  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  als  Für- 
sprecher auftreten.  Für  die  infektionserhöhende  Wirkung  könne  er  nicht, 
wie  Dörr,  die  Summierung  des  in  den  Exsudaten  enthaltenen  Toxins  heran- 
ziehen. Denn  durch  Jobling  habe  er  bei  Diphtherie  in  einer  allerdings 
noch  nicht  veröffentlichten  Arbeit  folgendes  zeigen  lassen:  Wenn  man 
aus  zwei  verschiedenen  Diphtheriekulturen,  von  denen  die  eine  sehr  toxisch, 
die  andere  dagegen  sehr  wenig  toxisch,  dafür  .aber  sehr  infektiös  ist, 
künstliche  Aggressine  herstelle,  so  zeige  sich,  daß  die  sehr  toxische  Kultur 
Extrakte  liefert,  die  nicht  stärker  infektionserhöhend  wirken,  als  die 
sehr  wenig  toxische,  im  Gegenteil  ist  meistens  das  Umgekehrte  der  Fall. 
Daraus  gehe  mit  Sicherheit  hervor,  daß  die  Substanzen,  die  im  Aggressin 
infektionserhöhend  wirken,  verschieden  sind  von  dem  eigentlichen  Toxin. 
Auf  die  praktische  Wichtigkeit  für  die  Gewinnung  eines  qualitativ  von 
dem  Antitoxin  verschiedenen  Diphtherieserums  durch  Vorbehandlung  von 
Tieren  mit  den  nach  der  Methode  von  Wassermann  und  Citron  ge- 
wonnenen Extrakten  aus  sehr  infektiösen  Diphtheriebazillen  will  Wasser- 
mann hier  nicht  eingehen.  Jedenfalls  hat  die  Aufstellung  der  Aggressin- 
lehre  durch  Bail  das  Verdienst,  daß  wir  teils  durch  Bail  selbst,  teils 
durch  die  Autoren,  die  infolge  der  Bai  Ischen  Veröffentlichungen  in  die 
wissenschaftliche  Bearbeitung  dieser  Frage  eingriffen,  sichere  aktive  Immuni- 
sierungsmethoden für  eine  Reihe  von  Infektionen  kennen  lernten,  bei  denen 
die  Immunisierung  bisher  sehr  schwierig  war. 

Im  Anschluß  an  das  Referat  von  Kraus  macht  Wassermann  auf 
das  übereinstimmende  Ergebnis  einer  Reihe  von  Arbeiten  des  letzten  Jahres 
aufmerksam,  daß  es  eine  Gruppe  von  Bakterien  gibt,  zu  der  diejenigen  des 
menschlichen  Paratyphus,  des  Mänsetyphus,  der  Schweinepest  und  andere  ge- 
hören, die  trotz  ihrer  ganz  verschiedenen  spontanen  Pathogenität  und  ihres 
verschiedenen  Fundortes  in  bezug  auf  die  spezifischen  Serumreaktionen  sich 
ganz  gleichartig  verhalten.  Das  ist  ein  sehr  wichtiges  Faktum;  es  lehrt 
uns  jedenfalls,  daß  wir  uns  davor  hüten  sollen,  neben  den  spezifischen 
Serumreaktionen  etwa  konstante  Pathogenitätsverhältnisse  zu  unterschätzen. 

Gegenüber  den  Ausführungen  Landsteiners  betreffs  der  Adsorptions- 
affinität des  Tetanusgiftes  zu  Lipoiden  und  der  Beziehungen,  in  die 
Landsteiner  sie  mit  dem  Gehirn-Tetanus  versuch  gebracht  hat,  erklärt 
Wassermann  folgendes:  Es  scheine  ihm  möglich,  daß  die  Adsorptions- 
affinität des  Tetanustoxins  zu  den  Lipoiden  in  Betracht  komme  für  den 
Transport  des  Tetanusgiftes  zu  den  giftempfindlichen  Zellen.  Die  Bindung 
in  den  letzteren  sei  aber  mit  der  Lipoidadsorption  Landsteiners  nicht 
identisch.  Dies  gehe  daraus  hervor,  daß  nach  Versuchen  von  Dönitz  die 
an  Lipoiden  so  ungemein  reiche  weiße  Substanz  des  Gehirns  das  Tetanus- 
gift nicht  echt  zu  binden  vermöge  und  daher  im  Tierversuch  keinen  Schutz 


—     73     — 

anstibe,  was  allein  die  zellreiche  graue  Substanz  vermöge.  In  den  Zellen 
müssen  also  bei  diesen  Phänomen  noch  andere  Faktoren  mitwirken  als 
einfache  Lipoide.  —  Im  Anschluß  an  die  Ausführungen  von  Uhlenhuth 
sagt  Wassermann,  daß  die  Neißer-Sachssche  Methode,  wie  jede 
Methode,  die  auf  der  Komplementablenkung  aufgebaut  ist,  leicht  zu 
Fehlerquellen  Veranlassung  gibt  und  deshalb  einen  mit  diesen  Dingen 
durchaus  vertrauten  Arbeiter  erfordert,  daß  sie  aber  prinzipiell  vollkommen 
zuverlässig  und  sicher  arbeitet.  Speziell  die  von  Uhlenhuth  angeführten 
Fälle,  wonach  schon  der  Extrakt  von  allen  möglichen  Gegenständen,  also 
Sackleinwand  usw.,  die  Hämolyse  hemme,  lassen  sich  durch  geeignete 
Verdünnung  fast  stets  ausschalten  und  entscheiden. 

Gruber  (München)  teilt  vollkommen  die  Ansicht  von  Wassermann 
und  Citron  sowie  Dörr,  indem  er  ausführt,  daß  es  keine  besondere 
Aggressinimmunität  gibt,  sondern  daß  es  sich  im  wesentlichen  dabei  um 
die  Wirkung  gelöster  Bakteriensubstanzen  handelt.  Gruber  konnte  weiter- 
hin zeigen,  daß  durch  diese  die  Opsonine  des  normalen,  sowie  des  Immun- 
serums gebunden  werden,  wodurch  die  Phagozytose  aufgehoben  oder  ein- 
geschränkt wird.  Dagegen  hält  auch  er  praktisch  die  Methode  für  sehr 
brauchbar,  was  sich  besonders  bei  Immunisierungsversnchen  gegenüber 
Cholera  zeigt. 

J.  Citron  (Berlin):  Gegen  die  Auffassung  Dörrs,  wonach  die  infek- 
tionsbefördernde  Wirkung  der  Aggressine  durch  die  Hinzuaddierung  eines 
toxischen  Effektes  zu  einer  sonst  nicht  tödlichen  infektiösen  Dosis  ent- 
stehe, spräche  seine  Beobachtung,  wonach  bei  Schweineseuche  künstlich 
hergestellte  wäßrige  Aggressine  stärker  toxisch  und  weniger  infektions- 
erhöhend,  dagegen  die  mit  normalem  Serum  hergestellten  weniger  giftig 
und  stärker  infektionsbefördernd  sind.  Die  Beobachtungen  von  Pfeiffer 
und  Seh  eil  er,  wonach  diese  Autoren  bei  ihren  Versuchen  mit  Vibrio 
Metschnikoff  keine  Immunität  mittelst  der  natürlichen  Aggressine 
und  nur  schwache  mittelst  der  künstlichen  wäßrigen  Aggressine  er- 
hielten, führt  Citron  darauf  zurück,  daß  diese  Autoren  die  Flüssigkeit 
vorher  durch  Bakterienfilter  filtrierten.  Dadurch  wird  der  größte  Teil 
der  wirksamen  Stoffe  im  Filter  zurückgehalten.  Betreffs  der  von  Grub  er 
demonstrierten  Eontaktwirkung  der  Leukozyten  bei  Milzbrand  erinnert 
Citron  an  ähnliche  von  ihm  bei  Experimenten  an  Favus  und  Trichophyton- 
pilzen  gemachte  Beobachtungen,  sowie  an  ältere  Versuche  Bibbert 8. 

Kruse  (Bonn)  ist  mit  Pfeiffer  einig  in  der  kritischen  Stellung 
gegenüber  der  Ehrlich  sehen  Theorie.  Gegenüber  Neufeld  betont  er  das 
Vorkommen  spezifischer  bakteriolytischer  Einflüsse  im  Pneumokokken- 
serum.  Mit  Kraus  ist  Kruse  einig  darin,  daß  im  Ruhrserum  anti- 
toxische Stoffe  vorkommen.  Daneben  finden  sich  aber  stets  bakterioly- 
tische  Stoffe.    Welche  von  beiden  vorwiegend  beim  Kranken  zur  Wirkung 


—     74    — 

kommen,  sei  nicht  zu  sagen.  Bezüglich  der  Aggressin-Theorie  Bails  er- 
klärt Kruse,  daß  diese  wohl  widerlegt  sei,  nicht  aber  die  Existenz  aggres- 
siver Stoffe  oder  vielleicht  sogar  spezifischer  Aggressine. 

Weichhardt  (Erlangen)  bemerkt  im  Anschluß  an  das  Referat,  daß 
das  Heufieber-Serum  kein  antitoxisches  sei. 

R.  Pfeiffer  (Königsberg)  glaubt,  daß  das  von  Wassermann  zur 
Erörterung  gestellte  Verhalten  der  Hog- Cholera-,  Paratyphus-,  Mäuse- 
typhusbazillen  etc.  nicht  gegen  die  Bedeutung  der  spezifischen  Serum- 
diagnostik spreche.  Es  sei  dies  ein  Verhalten,  ähnlich  wie  bei  den  ver- 
schiedenen Tuberkelbazillenarten,  indem  sich  die  Rassen  einer  Spezies  durch 
vielleicht  jahrhundertelange  Passage  an  eine  bestimmte  Tierart  adaptiert 
haben.  Vielleicht  sind  dort  noch  bei  weiterem  Eindringen  auch  mittelst 
der  Serumdiagnostik  Unterschiede  zwischen  den  einzelnen  Rassen  zu 
finden,  ähnlich  wie  dies  Uhlenhuth  für  die  einander  so  nahestehenden 
Eiweißarten  von  Mensch  und  Affe,  Kaninchen  und  Hase  gelungen  ist. 
Gegenüber  Wassermann  glaubt  Pfeiffer,  daß  die  Landsteinerschen 
Beobachtungen  nicht  mit  der  Deutung  des  Tetanus-Hirnversuchs  zugunsten 
der  Ehrlichschen  Theorie  vereinbar  sind.  Gegenüber  Nenfeld  betont 
Pfeiffer,  daß  opsonische  oder  bakteriotrope  Wirkungen  vielleicht  da- 
durch hervorgerufen  werden,  daß  die  Leukozyten  Komplemente  enthalten. 
Diese  können  die  Bakterien  „andauen"  und  dadurch  einen  chemotaktischen 
Reiz  setzen.  Im  allgemeinen  warnt  Pfeiffer  vor  der  wiederauferstehenden 
Phagozytoselehre.  Denn  mit  der  Phagozytose  sei  nichts  erklärt.  Warum 
gehen  die  Bakterien  im  Inneren  der  Zelle  zugrunde?  Das  sei  das  Wich- 
tigste. Dabei  spielen  aber  höchstwahrscheinlich  die  Stoffe  eine  Rolle, 
die  die  Bakterien  aus  dem  Serum,  in  dem  sie  sich  mit  denselben  be- 
laden, in  die  Zellen  bringen.  Gegenüber  Citron  bemerkt  Pfeiffer,  daß 
Pfeiffer  und  Scheller  bei  ihren  Versuchen  mit  Vibrio  Metschnikoff  die 
Flüssigkeit  absichtlich  filtriert  haben,  da  ja  äußerst  geringe  Mengen 
(Vioo  Öse)  abgetöteter  Vibrionen  sicher  immunisieren.  Da  aber  trotzdem 
die  Filtrate  selbst  in  sehr  großen  Dosen  nicht  wirkten,  so  sei  eben  damit 
bewiesen,  daß  in  den  Exsudaten  keine  nennenswerten  Stoffe  im  Sinne  Bails 
vorhanden  seien,  die  neu  und  von  den  bisher  bekannten  verschieden  seien. 

Morgenroth  (Berlin)  erinnert  an  die  Versuche  von  Kyes  und 
Sachs  über  Cobra-Gifte.  Die  Existenz  der  Antiambozeptoren  hält  er 
für  sicher,  diejenige  der  Antikomplemente  für  zweifelhaft.  Zum  Uhlen- 
huth sehen  Vortrag  bemerkt  er,  daß  zur  Ausführung  der  Neißer-Sachs- 
schen  Methode  stets  ein  durch  Immunisierung  gewonnenes  hämolytisches 
Serum  zu  empfehlen  sei.  Gegenüber  Pfeiffer  verteidigt  Morgenroth 
die  Seitenkettentheorie. 

Friedberger  (Königsberg)  weist  hinsichtlich  derNeißer-Sachsschen 
Methode   auf  deren   große  Empfindlichkeit  hin,    so  daß  selbst  Schweiß  bis 


—     75    — 

zu  einer  Verdünnung  von  1 :  1000  die  Reaktion  gebe.  Deshalb  solle  man 
für  die  Praxis  die  Sera  nicht  zn  hoch  wirksam  nehmen.  Bezüglich  des 
von  Uhlenhnth  erwähnten  Umstandes,  daß  die  heterogensten  Dinge  eine 
Komplementablenkung  geben  können,  glaubt  auch  Friedberger,  daß 
dieses  Vorkommnis  leicht  zu  vermeiden  sei,  und  zu  Irrtümern  wohl  nie  Ver- 
anlassung geben  könne.  Die  scheinbare  Komplementablenkung  durch  Harn 
erklärt  Friedberger  durch  die  die  Hämolyse  hemmende  Wirkung  konzen- 
trierter Salzlösungen.  Gegenüber  Morgenroth  macht  Friedberger  Aus- 
führungen, die  in  das  spezielle  Immunitätsgebiet  einschlagen,  so  daß  sie 
zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet  sind. 

Löhlein  (Leipzig)  bemerkt,  daß  bei  Milzbrand  und  Pest  völliger 
Parallelismus  zwischen  Phagozytose  in  vitro  und  in  vivo  bestehe. 

Gruber  (München)  bemerkt,  daß  es  von  örtlichen  und  zeitlichen 
Umständen  der  Infektion  abhänge,  ob  Phagozytose  oder  Bakteriolyse  ein- 
trete. Betreffs  der  Bemerkung  Citrons  stimmt  er  diesem  zu,  daß  die 
von  Citron  bei  Favus  gemachten  Beobachtungen  mit  seinen  eigenen  und 
mit  der  Ribbertschen  Ummantelung  übereinstimmen.  Gegenüber  Pfeiffer 
bemerkt  Grub  er,  die  Leukozyten  seien  wohl  imstande,  geringe  thermo- 
stabile Substanzen  abzuscheiden,  dagegen  sei  es  bisher  nicht  gelungen, 
nachzuweisen,  daß  sie  thermolabile  (Opsonine,  Alexine)  abspalten. 

Kraus  (Wien)  bemerkt  gegenüber  Kruse,  daß  ihm  keine  Arbeit 
bekannt  sei,  worin  Kruse  von  Antitoxin  im  Dysenterie-Serum  bisher  be- 
richtet habe.  Kraus  schlägt  weiterhin  vor,  daß  Wassermann  und 
Citron  den  bisher  angewandten  Ausdruck  „künstliche  Aggressine"  auf- 
geben und  statt  dessen  lieber  die  Stoffe  als  das,  was  sie  sind,  Bakterien- 
extrakte, bezeichnen  mögen. 

Ostertag  (Berlin)  berichtet,  daß  er  Hog-Cholerabazillen,  Mäusetyphus- 
bazillen  und  Paratyphusbazillen  an  Schweine  verfüttert  habe.  In  diesen 
Versuchen  zeigte  sich  Mäusetyphus  und  Paratyphus  für  diese  Tierart  nicht, 
Hog-Cholera  dagegen  pathogen.  Daraus  folgt,  daß  diese  Bakterien  praktisch 
als  verschieden  aufzufassen  sind.  Auch  die  Epidemiologie  ergibt  dies.  Noch 
niemals  sei  es  beobachtet  worden,  daß  in  schweinepestverseuchten  Gehöften 
Paratyphus -Erkrankungen  vorgekommen  seien.  Noch  nie  sei  nach  Genuß 
schweinepesterkrankter  Tiere  Paratyphus  aufgetreten.  Die  neue  ameri- 
kanische Schweinepest  habe  mit  unserer  Schweinepest  nichts  zu  tun. 
Betreffs  der  Aggressine  hat  Ostertag  bei  Schweinepest  und  Schweine- 
seuche die  gleiche  Beobachtung  gemacht  wie  Wassermann  und  Citron. 
Ostertag  hat  weiterhin  in  praktischen  Versuchen  an  Schweinen  fest- 
gestellt, daß  es  möglich  ist,  mit  unfiltrierten  Extrakten  von  Schweineseuche- 
bakterien  zn  immunisieren.  Dagegen  waren  die  filtrierten  Extrakte  viel 
weniger  wirksam  oder  sogar  ganz  unwirksam. 


—     76     — 

Zweiter  Yerhandlnngstag,  8.  Juni  1906. 

Vorsitzende:    Löffler  (Greifswald), 
Grnb er  (München). 

Die  Versammlung  setzt  zunächst  die  Diskussion  zu  den  Vorträgen 
des  ersten  Tages,  betreffend  das  Gebiet  der  Immunisierung  fort. 

Löffler  (Greifswald)  hält  Mäusetyphus  und  Paratyphus  für  ganz 
sicher  verschieden.  Die  beiden  Arten  unterscheiden  sich  auch  kulturell  in 
einer  bestimmt  zusammengesetzten  Malachitgrünbouillon.  Paratyphus  läßt 
diese  Lösung  klar,  Mäusetyphus  erzeugt  in  ihr  eine  Trübung.  Löffler 
schließt  hieraus,  daß  unsere  bisherigen  Differenzierungsmethoden  als  nicht 
ausreichend  erachtet  werden  können. 

Neufeld  (Berlin)  betont  gegenüber  Pfeiffer,  es  sei  nach  seineu 
Beobachtungen  ausgeschlossen,  daß  die  Bakterien  primär  außerhalb  der 
Leukozyten  abgetötet  und  dann  erst  sekundär  von  den  Zellen  aufgenommen 
werden.  Er  hält  es  für  berechtigt,  die  Leukozytenversuche  im  Reagenz- 
glase auf  Vorgänge  im  lebenden  Organismus  zu  übertragen. 

Scheller  (Königsberg)  schließt  sich  den  Ausführungen  Pfeiffers, 
betreffend  die  Filtration  der  Vibrio-Metschnikoff-Aggressine  an. 

Landsteiner  (Wien)  verteidigt  gegenüber  Morgenroth  seinen 
Standpunkt  betreffs  der  Lipoid-Adsorption  und  der  Analogie  der  Kolloide 
mit  Immunsubstanzen. 

Pick  (Wien)  glaubt  auf  Grund  von  Versuchen,  die  er  zusammen  mit 
Obermeier  mittelst  Diazobenzols  an  verschiedenen  Toxinen  angestellt 
hat,  daß  die  Bindung  von  Toxinen  im  Organismus  ein  für  jedes  Toxin 
besonderer  Vorgang  und  nicht  mit  den  allgemeinen  physikalischen  Adsorp- 
tionserscheinungen  identisch  sei. 

Uhlenhuth  (Greifswald)  bemerkt,  daß  er  bereits  in  seinem  Vortrag 
in  Übereinstimmung  mit  Wassermann  gesagt  habe,  daß  sich  die 
Hemmung  seitens  fremder  Stoffe  durch  Verdünnung  vermeiden  lasse.  Statt 
die  Verdünnung  anzuwenden,  könne  man  das  hämolytische  System  ver- 
stärken. Auch  er  sei  der  Meinung,  daß  man  stets  ein  durch  Immunisierung 
gewonnenes  hämolytisches  System  verwenden  müsse. 

Kruse  (Bonn)  legt  keinen  Wert  auf  die  Priorität  der  Antitoxine  im 
Ruhrserum  gegenüber  Kraus.  Kruse  hält  die  Bedeutung  des  Antitoxins 
im  Ruhrserum  überhaupt  für  zweifelhaft.  Die  Unterscheidung  von 
Aggressinen  und  anderen  Bakterien-Produkten  erachtet  er  für  wichtig. 

M.  Neißer  (Frankfurt  a.  M.)  betont  gegenüber  den  Uhlenhuth- 
schen  Ausführungen,  daß  man  nicht  spezifische  Hemmungsstoffe  von  spe- 
zifischen stets  leicht  dadurch  unterscheiden  könne,  daß  die  ersteren  koch- 
beständig, die  letzteren  dies  nicht  sind.  Bezüglich  der  Unterscheidung 
von  Paratyphus-  und  Hog- Cholerabazillen  ist   auch    Neißer   der  Ansicht, 


—     77     — 

daß  die  Pathogenität  ausschlaggebend  sei.    Die  Serumreaktion  führe  hier 
nicht  zum  Ziel. 

Kutscher  (Berlin)  bemerkt,  daß  manche  Stämme  von  Mäusetyphus 
und  Paratyphus  sich  auch  durch  die  Pathogenitätsprüfung  nicht  unter- 
scheiden lassen,  indem  beide  gleichmäßig  die  Tiere  bei  der  Verfütterung  töten. 

Löffler  (Greifswald)  steht  bezüglich  des  Neißer-Sachsschen 
Verfahrens  auf  dem  Standpunkt,  daß  es  weit  komplizierter  ist  und  mehr 
Fehlerquellen  bietet,  als  das  bisherige  Präzipitierungsverfahren.  Dieses 
letztere  habe  sich  in  der  Praxis  bewährt  und  das  Zutrauen  zu  demselben 
darf  deshalb  nicht  im  geringsten  erschüttert  werden.  Daneben  sei 
sicherlich  zur  weiteren  Stütze  des  Präzipitierungsergebnisses  die  Ne  iß  er- 
Sachs sehe  Methode  als  Bestätigungsreaktion  zu  empfehlen. 
(Schluß  der  Diskussion.) 

Flügge  (Breslau): 

„Über  quantitative  Beziehungen  der  Infektion  durch  Tuberkelbazillen." 

Finde  1  konnte  im  Institut  von  Flügge  zeigen,  daß  Tuberkelbazillen 
bei  Inhalation  seitens  tracheotomierter  Tiere  unter  Bedingungen,  bei  denen 
weder  die  Rachenorgane  noch  der  Darm  mit  den  Bazillen  in  Berührung 
kommen  konnten,  die  höchste  Infektiosität  bewiesen.  Derselbe  Autor 
führte  in  Versuchen  mit  Meerschweinchen  die  zahlenmäßige  Bestimmung" 
der  geringsten  Menge  Tuberkelbazillen  aus,  die  bei  Inhalation  und 
derjenigen,  die  bei  Verfütterung  zu  tödlicher  Infektion  führt.  Die 
Resultate  waren  folgende:  Sichere  Infektion  der  Tiere  trat  ein  bei  der 
Inhalation  von  90  Tuberkelbazillen.  Dagegen  trat  bei  der  Verfütterung 
selbst  der  5500  fachen  Menge  keine  Tuberkulose  oder  Drüsenanschwellung 
auf.  Die  Inhalation  ist  also  der  gefährlichste  Infektionsmodus.  Die  zur 
Infektion  per  inhalationem  nötige  Grenzzahl  kann  sich,  wie  Ziesche  im 
Flug  gesehen  Institut  feststellte,  in  den  von  Tuberkulösen  ausgestreuten 
Tröpfchen  finden.  Ziesche  fand  bei  Untersuchungen  an  30  Patienten  auf 
Entfernungen  von  40—80  cm  in  den  Tröpfchen  im  Mittel  mehrere  Hundert 
Tuberkelbazillen.  Die  Frage,  woher  es  komme,  daß  Ärzte,  die  Tuberkulöse 
mit  dem  Kehlkopfspiegel  untersuchen,  trotzdem  so  selten  an  Tuberkulose  er- 
kranken, glaubt  Ziesche  erklären  zu  können;  er  fand,  daß  bei  dieser 
üntersuchungsmethode  es  nicht  zur  Ausstoßung  bazillenhaltiger  Tröpfchen 
kommen  kann,  so  lange  die  Kehlkopfspiegeluntersuchung  dauert,  da  bei 
offener  Stimmritze  der  Druck  zum  Ausschleudern  der  Tröpfchen  fehle. 

Diskussion: 

C.  Fränkel  (Halle)  erinnert  an  die  Birch-Hirschfeldschen  Ver- 
suche, die  bereits  die  Gefahr  der  Inhalation  bei  Tuberkulösen  klar  bewiesen 


—     78    - 

haben.  Er  selbst  habe  sich  lange  Zeit  mit  Versuchen  über  die  Virulenz 
der  Tuberkelbazillen  beschäftigt  und  habe  gefunden,  daß  diese  sehr 
konstant  sei. 

Bongert  (Berlin)  ist  auf  Grund  eigener  Versuche  mit  Milch  von 
tuberkulösen  Kühen  und  auf  Grund  der  Versuche  von  Preis z  gleichfalls 
der  Ansicht,  daß  die  Gefahr  der  Inhalation  weit  größer  ist,  als  die  der 
Verfütterung  der  Taberkelbazillen,  und  daß  die  Lungentuberkulose  durch 
enteren  und  nicht  durch  letzteren  Infektionsmodus  entsteht. 

Schütz  (Berlin)  berichtet  gleichfalls  über  Beobachtungen  und  Ver- 
suche, die  diese  Ansicht  beweisen. 

0.  Müller  (Königsberg)  schließt  sich  auf  Grund  seiner  Beobachtungen 
bei  Gelegenheit  der  Tilgung  von  Tuberkulose  unter  Rindern  nach  der 
Methode  Ostertags  Flügges  Ansicht  von  der  Inhalationsentstehung  der 
Lungentuberkulose  an. 

Czaplewski  (Köln)  teilt  mit,  daß  nach  seinen  in  Görbersdorf  aus- 
geführten früheren  Untersuchungen  die  Anzahl  der  infizierenden  Tuberkel- 
bazillen großen  Einfluß  auf  den  Verlauf  der  Tuberkulose  habe. 
(Schluß  der  Diskussion.) 

Heim  (Erlangen): 

„Über  Asbestfliter". 

Heim  beschreibt  und  demonstriert  ein  von  ihm  mittelst  Asbest 
konstruiertes  Filter.  Dieses  arbeitet  für  die  Zwecke  der  Bakterienfiltration 
sehr  zuverlässig.  Das  Filter  ist  leicht  anzufertigen.  Die  dazu  gehörigen 
Teile  sind  von  der  Firma  F.  &  M.  Lautenschläger  in  Berlin  zu  beziehen. 

Conradi  (Neunkirchen): 

„Ober  Züchtung  von  Typhusbazillen  aus  dem  Blut  mittelst  der  Gallenkultur". 

Die  Vorteile  des  zuerst  von  Conradi  eingeführten  Gallenzusatzes 
zu  dem  Untersuchungsblut  bestehen  darin,  daß  die  Galle  das  Blut  un- 
gerinnbar macht,  die  bakterizide  Kraft  desselben  aufhebt  und  daß  Galle 
zugleich  ein  Anreicherungsmittel  für  Typhusbazillen  ist.  Conradi  ver- 
wendet 10  ccm  sterile  Galle,  die  10%  Pepton  und  10%  Glyzerin  enthält. 
Das  Blut  wird  tropfenweise  zugesetzt.  Zur  Gewinnung  des  Blutes  empfiehlt 
und  demonstriert  Conradi  einen  von  ihm  konstruierten  Blutschnepper, 
mit  dem  leicht  bis  zu  2  ccm  Blut  aus  den  Ohrläppchen  zu  gewinnen  sind. 
Die  Erfolge  mit  der  Gallenmethode  sind  sehr  gute.  35  Fälle  gaben  im 
allerersten  Stadium  der  Erkrankung  positiven  Befund  nach  30  Stunden. 
Die  zum  Gebrauch  fertigen  Gallenröhrchen  sowie  der  Blutschnepper  sind 
durch  die  Firma  F.  &  M.  Lautenschläger  in  Berlin  zu  beziehen. 


—     79 


Diskussion. 


R.  Müller  (Kiel)  hat  in  Gemeinschaft  mit  Graf  statt  der  Galle 
Hirudin  zu  dem  Untersuchungsblut  zwecks  Gerinnungshemmung  zugesetzt. 
Es  hat  sich  indessen  gezeigt,  daß  ein  solcher  Znsatz  gar  nicht  nötig  ist; 
denn  die  Typhusbazillen  halten  sich  auch  im  Blutkuchen  noch  lebend,  so 
daß  man  sie  durch  Ausstreichen  des  Blutgerinnsels  gewinnen  kann.  Dieses 
ist  das  einfachste  Verfahren,  da  man  auf  diese  Weise  das  Serum  zur 
Agglutination  und  den  Blutkuchen  zur  Züchtung  verwenden  kann. 

Frank el  (Halle)  hat  Bedenken,  ob  in  praxi  die  Ärzte  genügend 
Blut  für  die  Conradische  Methode  von  ihren  Patienten  erhalten  können. 

Lentz  (Saarbrücken)  fand  bei  Nachprüfungen  die  Conradische 
Gallenmethode  gut.  Aber  in  praxi  ist  es  sehr  schwer,  Blut  zur  Unter- 
suchung zu  erlangen.  Deshalb  ist  auch  das  neue  Instrument  von  Conrad! 
seiner  Ansicht  nach  nicht  brauchbar.  Er  hat  weiterhin  die  Methode  Müller- 
Gräf  geprüft.  Unter  100  Fällen  hatte  er  damit  zwölfmal  positive  Re- 
sultate. 

Pfeiffer  (Königsberg)  fragt  an,  wie  bei  Züchtung  von  Typhus- 
bazillen aus  Blutkuchen  die  bakterizide  Wirkung  des  normalen  Blutserums 
verhütet  wird. 

Conradi  erwidert  darauf,  daß  die  im  Blutkuchen  eingeschlossenen 
Typhusbazillen  vor  dem  bakteriziden  Serum  geschützt  sind.  Es  sei  dies 
ähnlich  wie  bei  den  seinerzeitigen  Versuchen  Buchners  mit  in  Watte- 
bänschchen  eingeschlossenen  Bakterien.  Sein  Blutschnepper  sei  nicht  un- 
entbehrlich, aber  er  erleichtere  die  Blutentnahme.  Er  glaubt,  daß  in  der 
Praxis  genügend  Blut  für  Züchtungszwecke  zu  haben  ist.  Der  Methode 
Müller-Gräf  fehlt  der  Vorteil  der  Anreicherung.  Eventuell,  kann  man 
versuchen,  den  Blutkuchen  zu  seinem  Gallenpräparat  zuzusetzen. 
(Schluß  der  Diskussion.) 

Czaplewski  (Köln): 

„Zur  Technik  der  Typhusdiagnose." 

Vortragender  demonstriert  und  empfiehlt  praktische  Modifikationen 
zur  Herstellung  des  von  Drigalski-Conradischen  Agars.  Ferner 
empfiehlt  er  zur  Unterscheidung  von  Koli  und  Typhus  statt  Neutralrot- 
agar  Neutralrotgelatine.  Beim  Pipettieren  infektiösen  Materials  hat  er 
die  Stroh8cheinsche  Pipette  als  sehr  praktisch  gefunden. 

Diskussion. 

Scheller  (Königsberg)  zieht  den  En doschen  Agar  demjenigen  von 
v.  Drigalski-Conradi  vor. 


—     80     — 

Th.  Müller  (Graz).  Aach  in  Graz  habe  man  mit  dem  Endo  sehen 
Nährboden  bessere  Erfahrungen  gemacht. 

(Schluß  der  Diskussion.) 

Lentz  (Neunkirchen): 

„Über  Paratyphus." 

Lentz  bespricht  die  Differentialdiagnose  des  Paratyphus.  Die 
wichtigsten  klinischen  Symptome  dieser  Krankheit  sind  nach  ihm: 

1.  Das  plötzliche  Einsetzen  der  Erkrankung  (Schüttelfrost,  Erbrechen, 
Durchfall,  rapider  Temperaturanstieg)  und  2.  das  Auftreten  eines  Herpes 
labialis  im  Beginn  der  Krankheit;  3.  stark  fäkulent  bis  faulig  riechende, 
oft  sehr  viel  Schleim  enthaltende  Darmentleerangen;  4.  entweder  sehr 
zahlreiche  kleine  oder  wenige  sehr  große  (l1/*  cm  Durchmesser)  Roseolen; 
5.  meist  nur  vom  3.  bis  5.  Tage  der  Krankheit  deutlicher,  sehr  harter 
Milztumor,  der  weiterhin  sehr  schnell  verschwindet,  so  daß  in  späteren 
Stadien  der  Krankheit  Milztumor  fehlt;  6.  unregelmäßiger,  atypischer  Fieber- 
verlauf, zuweilen  mit  allabendlichen  Schweißausbrüchen  vergesellschaftet; 
7.  leichter  Krankheitsverlauf. 

Für  den  Verlauf  der  Widalschen  Reaktion  stellt  Lentz  den  Satz 
auf,  daß  die  Agglutination  von  Paratyphusbazillen  durch  solche  Paratyphus- 
sera,  die  das  Paratyphns-Agglutinin  als  Hauptagglutinin  enthalten,  bei 
makroskopischer  Beobachtung  in  etwa  l/2  Stunde  bei  Zimmertemperatur 
vollständig  bis  zum  Serumtiter  abläuft,  dagegen  mit  Typhusseris,  die 
Paratyphns-Agglutinin  als  Nebenagglutinin  enthalten,  erst  nach  zwei- 
stündigem Aufenthalt  der  Proben  im  Brutschrank  von  37°  die  Titer- 
grenze erreichen. 

Eine  sichere  Unterscheidung  des  Bacillus  paratyphosus  von  den  übrigen 
Mitgliedern  der  sogenannten  Hog-Cholera-Gruppe  ist  Lentz  nicht  gelungen. 
Er  erwartet  die  Entscheidung  über  die  Frage  nach  der  Identität  dieser 
Stämme  von  einer  Untersuchung  mit  feineren  kulturellen  Methoden. 

Diskussion. 

Kruse  (Bonn)  verteidigt  die  Castellanische  Reaktion  bei  der 
Differentialdiagnose  von  Typhus  und  Paratyphus.  Es  sei  dabei  nur  starke 
Absättigung  oder  die  Verwendung  möglichst  verdünnten  Serums  nötig. 

Conradi  (Neunkirchen)  stimmt  mit  den  klinischen  Ausführungen 
von  Lentz  nicht  überein.  Dagegen  stimmt  er  Lentz  bei,  daß  zur 
Identifizierung  neben  den  biologischen  Methoden  *  auch  sorgfältige 
kulturelle  Untersuchungen  nötig  sind. 

Seh  eil  er  (Königsberg)  hat  die  Erfahrung  gemacht,  daß  auch  bei 
verschiedenen     Stämmen    einwandfreier   Typhusbazillen    die    Schnelligkeit 


—     81     — 

des  Agglutinationseintrittes  sehr  verschieden  sein  kann.  Er  hält  daher 
bei  der  Verwertung  dieses  Symptoms  für  die  Differentialdiagnose  von 
Typhus  nnd  Paratyphus  Vorsicht  für  geboten. 

Löffler  (Greifswald)  weist  darauf  hin,  daß  es  mit  Hilfe  seiner 
Grünlösungen  mit  der  größten  Leichtigkeit  gelinge,  Typhus  und  Para- 
typhus zu  unterscheiden.  Auch  mittelst  der  Grüngelatine  könne  man  das- 
selbe erreichen.  Er  sei  damit  beschäftigt,  die  Grüngelatine  mittelst  eines 
neuen,  von  den  Höchster  Farbwerken  erhaltenen  Malachitgrüns  zu  ver- 
bessern. Löffler  verspricht  Mitteilung  darüber  nach  Beendigung  seiner 
Versuche. 

Gaffky  (Berlin)  macht  darauf  aufmerksam,  daß  Paratyphus,  wie 
im  Vorjahre  im  Kreise  Rottbus  beobachtet  wurde,  epidemisch  akut  unter 
Cholerasymptomen  auftreten  kann.  Bei  der  Untersuchung  von  choleraver- 
dächtigem Material  müsse  man  daher  auch  immer  an  Paratyphus- 
erkrankungen  denken. 

M.  Neißer  (Frankfurt  a.  M.)  empfiehlt  zur  Differentialdiagnose  von 
Typhus-,  Dysenterie-,  Paratyphus-  und  Kolibazillen  lproz.  Milchzucker-Agar. 

Vagedes  (Berlin)  weist  betreffs  des  Auftretens  von  Paratyphus  als 
Brechdurchfall  auf  eine  Anzahl  von  ihm  beobachteter  Fälle  hin,  die  sich 
an  eine  Infektion  mit  Mehlspeise  anschlössen.  Zur  Differentialdiagnose 
bewährte  sich  ihm  das  Castellanische  Verfahren  gut.  Er  verwendete 
dazu  stark  verdünntes  Serum. 

Finkler  (Bonn).  Es  ist  praktisch  wichtig  zu  wissen,  daß  alle 
Typhus-  und  Paratyphusfälle  unter  ganz  verschiedenen  Symptomen  ein- 
setzen können.  Es  mtissten  daher  die  Ärzte  auch  bei  dem  leisesten  Ver- 
dacht auf  eine  dieser  Krankheiten  Material  einsenden. 

Schlußwort. 
Lentz  erwidert  auf  die  gestellten  Fragen. 

(Schluß  der  Diskussion.) 
Kraus  (Wien): 

„Über  Vibrionen,  Toxine  und  Hämolysine." 

Kraus  unterscheidet  bei  Vibrionen  die  Bildung  eines  flltrierbaren 
Hämolysins  für  bestimmte  rote  Blutkörperchen  (Hämotoxin)  sowie  eines 
filtrierbaren,  Kaninchen  akut  tötenden  echten  Toxins.  Das  erstere  fand 
er  bisher  nur  bei  solchen  Vibrionen,  die  nicht  echte  Cholera- Vibrionen 
sind.  Dagegen  zeigten  die  sechs  in  El  Tor  von  Gottschlich  isolierten, 
aus  dem  Darm  von  klinisch  an  Dysenterie  und  Kolitis,  aber  nicht  an 
Cholera  erkrankten  Pilgern  stammenden,  sogenannten  El  Tor -Stämme 
Hämolysinbildung  und  echte  Toxinbildung.  Diese  Stämme  verhalten  sich 
aber  bei  der  Agglutination  und  dem  Pfeifferschen  Versuch   gegenüber 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  1.  g 


—     82     — 

wie  echte  Cholera -Vibrionen  und  wurden  deshalb  von  Gottschlich, 
Kolle  u.  a.  für  echte  Cholera-Stämme  erklärt.  Kraus  ist  nun  der  An- 
sicht, daß  die  Tatsache  der  Bildung  eines  filtrierbaren  Hämolysins  und 
echten  Toxins,  was  sich  bisher  bei  zweifellosen  Cholera-Vibrionen  nicht 
fand,  so  auffallend  ist,  daß  er  besonders  in  anbetracht  des  Fundortes  der 
El  Tor-Stämme  Zweifel  für  berechtigt  hält,  ob  diese  trotz  ihres  Ver- 
haltens zum  spezifischen  Serum  echte  Cholera-Stämme  sind.  Zur  Stütze 
seiner  Ansicht  führt  er  weiter  an,  daß  mit  Toxin  von  solchen  Vibrionen, 
die  sicher  nicht  Cholera  sind,  hergestellte  Antitoxine  das  Toxin  der 
als  Cholera  angesprochenen  £1  Tor -Stämme  neutralisieren.  Kraus  hält 
deshalb  bei  Zweifeln  über  die  Cholera-Natur  von  Vibrionen  neben  den 
Serumprüfungen  die  Untersuchung  auf  Bildung  filtrierbaren  Hämolysins 
für  wichtig.  Betreffs  der  Bildung  echter  filtrierbarer  Toxine  bemerkt 
Kr  au  8,  daß  in  jüngster  Zeit  in  Paris  ein  Stamm  echter  Cholera  (Cholera 
Saigon)  gefunden  wurde,  der  diese  Eigenschaften  besitzt.  Er  hält  diesen 
Nachweis,  daß  auch  der  Vibrio  der  Cholera  asiatica  echtes  Toxin  in 
Kulturen  zu  bilden  vermag,  für  prinzipiell  wichtig  im  Hinblick  auf  die 
eventuelle  Gewinnung  eines  antitoxischen  Cholera-Serums  für  die  Therapie, 
was  bisher  mit  den  von  R.  Pfeiffer  als  Choleragift  angesprochenen 
Endotoxinen  nicht  möglich  war. 

Diskussion. 

E.  Gottschlich  (Alexandrien)  hält  mit  Bücksicht  auf  den  positiven 
Ausfall  der  Serum-Reaktionen,  deren  beweisende  Kraft  unerschüttert  da- 
stehe, daran  fest,  daß  die  El  Tor-Stämme  echte  Cholera- Vibrionen  sind. 
Dafür  spreche  weiter  das  kulturelle  Verhalten  und  vor  allem  die  epidemio- 
logische Betrachtung.  Alle  El  Tor-Stämme  seien  nämlich  bei  Russen 
und  Türken  gefunden  worden,  nie  bei  Egyptern,  also  nur  bei  Leuten,  die 
Gelegenheit  hatten,  sich  in  ihrer  Heimat  mit  Cholera  zu  infizieren. 

Auf  die  Bildung  eines  Hämolysins  und  filtrierbaren  Toxins  könne 
man  im  Vergleich  zur  tausendfach  bewährten  Serum-Reaktion  nichts  geben. 
Denn  diese  von  Kraus  gefundenen  Eigenschaften  seien  sehr  inkonstant. 
Alle  Vibrionen,  die  mit  einander  gar  nichts  zu  tun  haben,  wie  Vibrio 
Metschnikoff  und  Vibrio  Finkler,  liefern  ein  und  dasselbe  Toxin.  Es 
scheint  dies  eine  allgemeine  Rasseneigenschaft  zu  sein,  die  nichts  mit 
den  spezifischen  Eigenschaften  einer  bestimmten  Vibriospezies  zu  tun  hat. 
Die  abweichenden  Eigenschaften  der  El  Tor-Stämme  von  echter  Cholera  er- 
klären sich  durch  Mutation  infolge  langen  Aufenthalts  im  menschlichen  Darm. 

Pfeiffer  (Königsberg)  erklärt  gleichfalls  die  seit  mehr  als  10  Jahren 
erprobte  Spezifizität  der  Sernmreaktion  bei  der  Choleradiagnose  durch  die 
Kraus  sehen  Beobachtungen  an  den  El  Tor-Stämmen  für  unerschüttert 
Besonders  eingehend  hat  sich  Pfeiffer  schon  vor  Jahren  mit  der  Frage 


—    83    — 

beschäftigt,  ob  bei  der  Cholera  die  Bildung  eines  echten  Toxins  vorkomme 
und  ob  es  möglich  sei,  ein  Antitoxin  zu  gewinnen.  Er  hält  das  sogenannte 
filtrierbare  Toxin  für  die  autolytisch  in  Freiheit  und  Lösung  gegangene 
toxische  Substanz  bes  Bakterienleibes.  Pfeiffer  kann,  wie  schon  1903 
auf  dem  Kongreß  in  Brüssel  auseinandergesetzt,  einen  prinzipiellen  Unter- 
schied zwischen  bakterizider  und  antitoxischer  Funktion  bei  Cholera  nicht 
anerkennen.  Bei  aktiv  immunisierten  Tieren  seien  auch  schon  jetzt  An- 
zeichen von  antitoxischer  Immunität  beobachtet  worden.  Für  die  Richtig- 
keit seiner  Endotoxinlehre  sei  beweisend,  daß  Meerschweinchen  mit  massen- 
haften lebenden  Choleravibrionen  im  Peritoneum  keine  Krankheitssymptome 
zeigen,  daß  diese  aber  sofort  auftreten,  wenn  durch  Injektion  bakteriziden 
Choleraserums  die  bisher  wohlerhaltenen  Choleravibrionen  aufgelöst  und 
so  die  Endotoxine  frei  werden.  Für  die  Rolle  der  Leibessubstanz  (Endo- 
toxin)  der  Choleravibrionen  in  der  menschlichen  Pathologie  spricht  weiter 
das  Auftreten  der  bakteriziden  Stoffe  im  Blute  der  Cholera-Rekonvaleszenten. 
Kraus  müßte  erst  beweisen,  daß  im  Rekonvaleszentenserum  auch  Anti- 
toxin gegen  sein  Toxin  sich  bilde. 

Lief  mann  (Halle)  bestätigt  auf  Grund  seiner  im  hygienischen  Institut 
zu  Halle  gemachten  Versuche  die  Angaben  von  Kraus  bezüglich  der 
Hämolysin-  und  Toxinbildung  der  El  Tor-Stämme. 

Oaffky  (Berlinj  führt  aus,  daß  die  spezifische  Serumreaktion  bei 
Cholera  sich  so  ausgezeichnet  bewährt  habe,  daß  es  ihm  berechtigt  er- 
scheine, die  El  Tor- Stämme  zu  Cholera  zu  rechnen,  auch  wenn  sie 
Hämolysin  und  Toxin  bilden. 

Gruber  (München)  betont  zunächst  gegenüber  Gottschlich,  daß 
die  Pettenkofersche  Lehre,  so  weit  sie  eine  zeitliche  Disposition  zum 
Zustandekommen  einer  Choleraepidemie  fordere,  durchaus  nicht  widerlegt 
sei.  Auch  Grub  er  warnt  vor  dem  Verlassen  der  spezifischen  diagnosti- 
schen Bedeutung  der  Serumreaktion  bei  Cholera.  —  Im  übrigen  begrüßt 
Grub  er  den  Nachweis  eines  echten  filtrierbaren  Toxins  auch  bei  einem 
unzweifelhaften  Cholerastamm  (Cholera  Saigon)  mit  großer  Freude.  Denn 
er  habe  Pfeiffers  Endotoxinlehre  seit  jeher  bekämpft  und  an  die  Sekretion 
eines  echten  Toxins  seitens  der  Choleravibrionen  geglaubt.  Er  sei  der 
Meinung,  daß  das  von  Pfeiffer  angeführte  Experiment  nicht  gegen  die 
Sekretion  eines  echten  Choleratoxins  spreche.  Denn  wenn  auch  in  den 
mittelst  Glaskapillaren  aus  der  Meerschweinbauchhöhle  entzogenen  Ex- 
sudaten scheinbar  alle  Choleravibrionen  aufgelöst  sind,  so  seien  doch 
stets  an  der  Bauchwand  und  am  Netz  noch  zahlreiche  wohlerhaltene 
lebende  Vibrionen  vorhanden,  von  denen  dann  eine  Sekretion  echten 
Toxins  ausgehen  könne.  Grub  er  hofft,  für  die  nächstjährige  Tagung 
neues  Material  gegen  die  Endotoxinlehre  auf  Grund  neuer  Versuche 
bringen  zu  können. 

6* 


—     84    — 

Paltauf  (Wien)  macht  darauf  aufmerksam,  daß  Kraus  nicht  gegen 
die  Bedeutung  der  Serumreaktion  bei  Cholera  gesprochen  habe.  Das  An- 
erkennen der  praktischen  Wichtigkeit  der  Serumreaktionen  hindere  aber 
nicht,  daß  man  daneben  die  durch  Kraus  neugefundenen  Tatsachen  in  der 
Lehre  der  Vibrionen  intensiv  weiter  verfolge.  Bezüglich  der  Cholera- 
toxinfrage  neigt  Paltauf  mehr  zu  Pfeiffers  Standpunkt. 

Gaffky  (Berlin)  weist  auf  die  wichtige  Tatsache  hin,  daß  bisher  in 
cholerafreien  Zeiten  niemals  Vibrionen  gefunden  wurden,  die  sich  in 
bezug  auf  Agglutination  und  im  Pfeifferschen  Versuch  wie  echte  Cholera 
verhalten. 

Pfeiffer  (Königsberg)  verteidigt  gegenüber  Gruber  nochmals  die 
Endotoxinlehre. 

Kraus  (Wien)  erklärt,  daß  er  sich  nicht  gegen  die  praktische 
Brauchbarkeit  der  Serumreaktion  in  der  Choleradiagnostik  ausgesprochen 
habe.  Dagegen  hält  er  bei  Zweifeln  über  die  Choleranatur  neben  dieser 
Reaktion  die  Prüfung  auf  Bildung  löslichen  Hämotoxins  für  geboten.  Diese 
Eigenschaft  der  Hämotoxinbildung  müsse  er  Gottschlich  gegenüber  als 
nicht  variabel  bezeichnen;  denn  er  habe  sie  nie  bei  unzweifelhaften  Cholera- 
stämmen gefunden.  Deshalb  sei  er  trotz  aller  Argumente  Gottschlichs 
nicht  davon  überzeugt,  daß  die  El  Tor-Stämme  echte  Cholera  seien.  Die 
epidemiologischen  Ausführungen  Gottschlichs  ändern  daran  nichts.  Die 
El  Tor- Vibrionen  müssen  noch  weiter  untersucht  werden.  Sie  können 
vielleicht  die  Ursache  der  bei  ihren  Trägern  vorhanden  gewesenen  Dys- 
enterie und  Kolitis  sein.  Gegenüber  Pfeiffer  verweist  er  auf  die  Arbeiten 
über  Choleratoxine  in  der  Wiener  klinischen  Wochenschrift  1906. 

Landsteiner  (Wien)  macht  darauf  aufmerksam,  daß  die  Milzbrand- 
bazillen in  Nährböden,  die  bestimmte  Peptone  enthalten,  Hämotoxine 
bilden.  Mit  Rücksicht  auf  die  Kr  aus  sehen  Befunde  wäre  es  interessant 
zu  untersuchen,  ob  das  Hämotoxin  der  Milzbrandbazillen  durch  ein  Anti- 
häraolysin  der  Heubazillen  neutralisiert  wird. 

(Schluß  der  Diskussion.) 

Mores chi  (Königsberg) 

„Weitere  Mitteilungen  Ober  Antikomplemente." 

Moreschi  kommt  auf  Grund  seiner  Versuche  zu  dem  Schluß,  daß  die 
Präzipitatbildung  bei  der  Komplementablenkung  keine  Rolle  spiele  und 
daß  die  Pluralität  der  Komplemente  im  Sinne  Ehrlichs  besteht. 

(Schluß  der  Verhandlungen  des  zweiten  Tages). 


—     85    — 

Dritter  Yerhandlnngstag,  9.  Juni  1906. 

Vorsitzende:  Paltauf  (Wien). 

Pfeiffer  (Königsberg). 
M.  Neißer  (Frankfurt  a.  M.): 

„Ein  Fall  von  Mutation  nach  de  Vries  bei  Bakterien  und  andere 
Demonstrationen." 

1.  Massini  zeigte  unter  N  e  iß  er  s  Leitung  im  Ehrl  ich  sehen  Institut 
bei  einer  Koliart  (Bacillus  coli  mutabilis),  die  auf  Endoschem  Agar 
farblos  wuchs,  daß  beim  Abstechen  von  einer  farblosen  Kultur  am  ersten 
Tage  nur  immer  wieder  farblose  Kolonien,  daß  dagegen  beim  Abstechen 
von  einer  farblosen  Kolonie  am  3.  oder  4.  Tage  des  Wachstums  außer 
farblosen  stets  auch  rote  Kolonien  mit  intensivem  Fuchsinglanz  auf- 
gingen. Die  roten  Kolonien  blieben  dann  bei  weiterem  Veiimpfen  aus- 
schließlich stets  rot,  ganz  gleichgültig,  ob  sie  am  1.,  3.  Tage  oder  später 
abgestochen  wurden.    Es  ist  dies  also  ein  Fall  echter  Mutation. 

2.  Ekersdorff  konnte  unter  Neißers  Leitung  zeigen,  daß  die  von 
Bang  auf  Sauerstoff  Verhältnisse  zurückgeführte  Niveaubildung  (intensivstes 
Wachstum  an  der  Wachstumsgrenze)  bei  anaeroben  Bakterien  ihre  Ursache 
in  Säurebildung  seitens  der  Bakterien  hat.  Die  Säure  wird  an  der  Grenze 
des  Wachstums  durch  das  Alkali  des  Nährbodens  neutralisiert.  Deshalb 
dort  das  üppigste  Wachstum.  Auch  bei  aeroben  Bakterien  konnte  bei 
Züchtung  in  hoher  Schicht  Niveaubildung  erzeugt  werden,  wenn  sie  mit 
Desinfektionsmitteln  überschüttet  wurden.  Die  Ursache  ist  hier  eine 
komplexe,  indem  die  Wachstumserscheinungen  an  der  Grenze  die  besten 
sind,  und  vielleicht  auch  der  Giftreiz  einer  untertödlichen  Dose  des  Des- 
infektionsmittels hinzukommt. 

3.  Neißer  demonstriert  überzeugende  Beispiele  des  Bakterien- 
antagonismus in  Kulturen. 

4.  Im  Auftrage  von  Ehrlich  demonstriert  Neißer  Trypanosomen- 
präparate,  die  mit  einer  neuen  Farbe  gefärbt  sind.  Es  ist  dies  das 
Dimethyl-Thionin  von  der  Firma  Casella  in  Frankfürt  a.  M.  Ehrlich 
empfiehlt   dasselbe    als  billigen  und  bequemen  Ersatz  von  Methylen-Azur. 

5.  Demonstration  eines  zur  Paratyphusgruppe  gehörigen  Bazillus, 
der  bei  Meerschweinchen  Ursache  einer  pseudotuberkulösen  Erkrankung 
ist.  Derselbe  ist  taubenpathogen.  An  erkrankten  Meerschweinchen  zeigt 
sich  nach  Analogie  mit  dem  Tuberkulin  eine  spezifische  Überempfindlich- 
keit gegen  die  abgetöteten  Bakterien. 

Diskussion. 
Schottelius    (Freiburg    i.  Breisgau)    erinnert    an    Analoga    von 
Neißers   Mutation    bei    Bacillus    prodigiosus    und    Pest.     Auch    in    der 


-    86    — 

Botanik  gibt  es  zahlreiche  Beispiele  von  Mutation,  so  z.  B.  die  plötzliche 
Produktion  bitterer  Mandeln  an  Süßmandelbäumen,  ferner  das  Auftreten 
farbigen  Maises. . 

Gruber  (München)  erinnert  an  Beobachtungen  seines  Schülers 
Firntsch,.  der  beim  Finkler  -  Vibrio  Mutation  beobachtete.  Derselbe 
konnte  aus  alten  Kulturen  drei  atypische  Hassen  gewinnen,  die  ihren 
neuen  Charakter  hartnäckig  beibehielten. 

Kruse  (Bonn)  bemerkt,  daß  ähnliche  Variationen  vielfach  beobachtet 
und  beschrieben  wurden. 

Gottschlich  (Alexandrien)  hat  bei  Pestbazillen  in  zwei  noch  nicht 
veröffentlichten  Fällen  sprunghafte  Mutationen  beobachtet.  Die  Abart 
unterschied  sich  durch  Aussehen,  Wachstum  auf  Agar,  das  Fehlen  jeder 
Virulenz  und  in  Abweichungen  bezüglich  der  Agglutination  von  echter 
Pest.  Mischkultur  oder  Irrtum  ist  dabei  ausgeschlossen.  Die  Zugehörig- 
keit der  Abart  zur  echten  Pest  konnte  zwingend  nachgewiesen  werden. 

Löffler  (Greif swald)  beobachtete  bei  Wachstum  von  Koli  auf 
Malachitgrün -Agar  das  Entstehen  verschiedener  Rassen,  die  sich  als 
solche  weiter  züchten  ließen.  Die  Mutation  sei  interessant  für  die  Er- 
klärung der  Umwandlung  des  Pockenvirus  in  Vakzine. 

Neiße  r  (Frankfurt  a.  M.)  weist  auf  den  Unterschied  hin,  der 
zwischen  Variation  und  Mutation  bestehe.  Echte  Mutation  scheine  ihm 
nur  der  von  ihm  vorgetragene  und  der  von  Grub  er  in  der  Diskussion  er- 
wähnte Fall  zu  sein. 

Czaplewski  (Köln)  hat  bei  Bacillus  prodigiosus  Mutation  beobachtet. 
Die  Ursache  des  Niveauwachstums  sehe  er  darin,  daß  an  der  Wachstums- 
grenze wenige,  dafür  aber  größere  Kolonien  entstehen. 
(Schluß  der  Diskussion.) 

Friedberger  und  Moreschi  (Königsberg): 

„Beitrag  zur  Immunisierung  des  Menschen  gegen  Typhus." 

Die  Autoren  haben  14  Menschen  je  74000  Öse  Typhusbazillen  intra- 
venös injiziert.  Die  Typhusbazillen  waren  nach  der  Methode  Löffle rs 
abgetötet  und  in  trocknem  Zustand  bei  120°  erhitzt  worden.  Trotz 
dieser  äußerst  geringen  Dose  erhielten  sie  im  Blutserum  der  Ge- 
impften recht  beträchtliche  Anhäufungen  bakterizider  Schutzstoffe.  Selbst 
V2000  Öse  erzeugte  bei  den  Geimpften  noch  Fieber.  Friedberger  und 
Moreschi  gehen  weiterhin  auf  die  von  ihnen  veröffentlichte  Tatsache 
ein,  daß  der  sogenannte  Stamm  „Typhus  Sprunk"  im  Reagenzglase  keine 
bindenden  Eigenschaften  zeige,  trotzdem  aber  beim  Menschen  bakterizide 
Schutzstoffe  auslöse.  Dies  spräche  gegen  die  Ehrlichsche  Theorie  und 
gegen  die  Ansicht  von  Wassermann,  daß  die  in  vitro  bindenden  Gruppen 
identisch  seien  mit  den  in  vivo  die  Immunität  auslösenden. 


—     87     — 

Diskussion. 

Wassermann  (Berlin).  Wassermann  will  in  Abwesenheit  und  Ver- 
tretung von  Kolle,  der  ja  in  diesem  Punkt  ganz  besonders  interessiert  sei, 
zur  Frage  der  Verwendung  von  großen  oder  kleinen  Dosen  bei  der  Typhus- 
Schutzimpfung  das  Wort  ergreifen.  Es  könne  sich  bei  der  Typhus- 
schutzimpfung in  der  Praxis  wohl  nur  um  subkutane  Einverleibung  des 
Impfstoffes  handeln.  Die  von  dem  Vorredner  gebrauchte  intravenöse 
Methode  dürfte  praktisch  nur  sehr  schwer  ausführbar  sein.  Für  die  sub- 
kutane Impfung  aber  hätten  die  Untersuchungen  von  Rolle  eine  entschei- 
dende Überlegenheit  der  großen  Dosen  ergeben,  und  Wassermann  warnte 
deshalb  davor,  diese  bisher  bewährte  Methode  zugunsten  der  nicht  ge- 
nügend erprobten  kleinen  Dosen  zu  verlassen.  Bezüglich  der  von  dem  Vor- 
redner an  den  Typhus  „Sprunk"  geknüpften  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der 
Seitenkettentheorie  mache  er  darauf  aufmerksam,  daß  der  Typhus  „Sprunk" 
sich  anders  verhalte  als  alle  von  ihm  bisher  untersuchten  Typhusstämme. 
Er  zeigte  für  Meerschweinchen  eine  so  hohe  Pathogenität,  wie  sie  bisher 
von  keinem  Typhusstamm  beschrieben  worden  sei.  Wassermann  hält 
deshalb  gerade  diesen  Typhusstamm  nicht  für  geeignet,  um  so  weitgehende 
Schlußfolgerungen  an  ihn  zu  knüpfen.  Übrigens  beweise  die  Tatsache, 
daß  ein  Bakterienstamm  in  vitro  nicht  binde,  nichts  gegen  die  Bindung  in 
vivo.  So  habe  Wassermann  durch  Jobling  zeigen  lassen,  daß  man  durch 
geeignete  Vorbehandlung  (Erwärmen,  Zentrifngieren  und  Waschen)  einem 
Typhusstamm  seine  bindenden  Eigenschaften  in  vitro  nehmen  könne,  und 
trotzdem  immunisiere  er  noch  in  vivo.  Dabei  handele  es  sich,  wie  nach- 
gewiesen werden  konnte,  aber  nur  um  quantitative,  nicht  um  qualitative 
Veränderungen  in  der  bindenden  Substanz.  Vor  allen  Dingen  müsse  des- 
halb untersucht  werden,  ob  auch  die  freien  Rezeptoren  des  Typhus  „Sprunk", 
d.  h.  die  aufgelösten  Typhusbazillen  keine  Bindung  in  vitro  ergeben. 

Pfeiffer  (Königsberg)  weist  anf  den  wissenschaftlichen  Wert  der 
Untersuchungen  von  Friedberger  und  Moreschi  hin.  Vor  allem  ergäbe 
sich  daraus  die  höchste  Empfindlichkeit  des  Menschen  gegen  Endotoxine. 
Nach  seiner  Ansicht  sind  die  mit  dem  Typhus  „Sprunk"  gewonnenen  Tat- 
sachen nur  schwer  mit  der  Seitenkettentheorie  in  Einklang  zu  bringen. 
Praktisch  sei  allerdings  die  intravenöse  Injektion  kleinster  Dosen  schwer 
durchführbar.  Aber  diese  Methode  biete  gegenüber  dem  subkutanen  Ver- 
fahren Vorteile.  Trotzdem  ist  auch  Pfeiffer  dafür,  die  bisherige  Methode 
der  subkutan  gegebenen  großen  Dosen  in  der  Praxis  beizubehalten. 

Friedberger  (Königsberg)  führt  gegenüber  Wassermann  aus,  daß 
durch  die  Erhitzung  die  haptophore  Gruppe  nicht  verändert  werde.  Bei 
seiner  Versuchsanordnung,  nämlich  dem  Zentrifugieren  von  Serum  in  großen 
Mengen  des  Typhus  „Sprunk"  seien  sicher  eine  Menge  Bakterien  aufgelöst 


—     88     — 

worden.  Trotzdem  habe  sich  keine  Bindung  in  vitro  nachweisen  lassen. 
Die  Virnlenz  des  Typhns  „Sprunk"  bei  Meerschweinchen  beträgt  1/50  Öse 
bei  der  Einspritzung  in  die  Bauchhöhle.  Er  weist  nochmals  auf  die  großen 
Vorteile  hin,  die  die  intravenöse  Injektion  kleiner  Dosen  Typhus  zwecks 
Schutzimpfung  des  Menschen  biete. 

Neißer  (Frankfurt  a.  M.)  weist  kurz  darauf  hin,  daß  die  mangelnde 
Bindungsfähigkeit  dieses  Typhusstammes  vielleicht  nur  eine  scheinbare  sei. 
Durch  Veränderung  der  Versuchsanordnung  sei  diese  eventuell  auszu- 
schließen. Jedenfalls  könne  er  sich  nicht  davon  fiberzeugen,  daß  die  Ver- 
suche gegen  die  Seitenkettentheorie  sprächen. 

Kutscher  (Berlin)  erklärt,  daß  nach  seinen  Erfahrungen  die  intra- 
venöse Typhusschutzimpfung  praktisch  unausführbar  sei. 

Lentz  (Saarbrücken)  bemerkt,  daß  Antikörperproduktion  und  Fieber 
nach  seinen  Beobachtungen  bei  Typhus  nicht  parallel  gehen. 

Schntirer  (Wien)  schließt  sich  dem  auf  Grund  von  Beobachtungen 
an  rotzkranken  Pferden  an. 

Löffler  (Greifswald)  weist  auf  seine  sowie  Wassermanns  und 
Citrons  Versuche  hin,  die  das  Vorhandensein  einer  lokalen  Immunität 
der  Gewebe  bei  Typhus  ergeben  haben.  Deshalb  könne  man  daran  denken, 
eine  Schutzimpfung  bei  Typhus  mittelst  abgetöteter  Kulturen  per  os  durch 
lokale  Immunisierung  der  Eingangspforte,  d.  h.  des  Darmes,  zu  erzielen. 

Friedberger  (Königsberg)  erwidert,  daß  er  bei  Verfüttenmg  von 
abgetöteten  Typhusbazillen  an  Kaninchen  nur  minimale  Schutzwerte  des 
Serums  erzielt  habe.  Die  Resultate  waren  besser,  wenn  er  den  Darm  der 
Tiere  vorher  mit  Krotonöl  reizte. 

Löffler  (Greifswald):  Der  Mensch  verhalte  sich  anders  als  das 
Kaninchen. 

Wassermann  (Berlin):  Bei  dem  Vorschlag  Löfflers  handelt  es 
sich  um  die  Erzielung  einer  lokalen  Immunität,  d.  h.  einer  Gewebsimmunität 
des  Darmes.  Diese  sei  aber  das  Wichtigste,  nicht  die  Antikörperproduktion. 
Der  menschliche  Darm  verhalte  sich,  wie  die  Pathologie  lehre,  dem 
Typhusbazillus  gegenüber  schon  von  Hause  aus  so,  wie  der  Kaninchen- 
darm erst  nach  starken  Reizungen,  beispielsweise  durch  Krotonöl. 

Kraus  (Wien)  schließt  sich  Wassermann  in  dem  Punkte  an,  daß 
es  durchaus  nicht  gleichgültig  sei,  an  welcher  Stelle  des  Körpers  ein  Antigen 
eingeführt  werde.  Es  gebe  eine  lokale  Immunität  der  Gewebe.  Dies  be- 
wiesen neben  älteren  Versuchen  von  Koch  diejenigen  von  van  Ermengem 
sowie  die  neueren  Untersuchungen  von  Kraus  über  Vakzine  und  Syphilis. 

(Schluß  der  Diskussion.) 


—     89    — 
Landsteiner  und  Finger  (Wien): 

„Über  Immunität  bei  Syphilis." 

Bei  Affen  sei  öfters  beim  Erscheinen  des  Primäraffektes  die  Immunität 
gegen  Reinfektion  noch  nicht  entwickelt.  Die  Reinfektion  sei  in  solchen 
Fällen  möglich.  Auch  beim  Menschen  ist  nach  den  Erfahrungen 
von  Landsteiner  und  Finger  Reinfektion  in  allen  Stadien  der  Krank- 
heit möglich,  und  zwar  reagiere  der  Syphilitische  auf  das  neue  von  außen 
eingeführte  Virus  nicht  anders  als  auf  das  in  seinem  Körper  befindliche. 
Tertiäre  reagieren  auf  Reinfektion  sofort  mit  Ulcera  gummosa  oder  Tuber- 
cula  cutanea.  Die  tertiären  Erscheinungen  seien  also  eine  besondere 
Form  der  Reaktion  des  lange  unter  syphilitischem  Virus  gestandenen  Or- 
ganismus. Der  Organismus  des  Tertiärsyphilitischen  reagiere  auf  gewöhn- 
liches Virus  sofort  mit  tertiären  Erscheinungen. 

Hoff  mann  (Berlin): 

„Mitteilungen  und  Demonstrationen  Ober  experimenteile  Syphilis,  Spirochäte 
pallida  und  andere  Spirochätenarten/' 

Hoffmann  berichtet  zunächst  über  Verimpfnng  des  Materials  syphili- 
tischer Menschen  auf  Affen.  Blut  ist  positiv,  tertiäre  Produkte  sind  teils 
positiv,  teils  negativ,  Spinalprodukte  beim  papulösen  Syphilitischen  positiv, 
Sperma  Syphilitischer  war  negativ.  Vortragender  demonstrierte  die  ge- 
lungenen Versuche  Bertarellis  der  Syphilisüberimpfung  auf  die  Kaninchen- 
hornhaut  mit  massenhafter  Vermehrung  der  Spirochäten  in  der  Kornea. 
Weiterhin  bespricht  er  die  Differentialdiagnose  der  Spirochäte  pallida  im 
Hinblick  auf  andere  Spirochäten.  Er  erwähnt  ferner  die  Beobachtungen 
von  v.  Prowazek,  daß  das  Serum  Syphilitischer  (6 — 8  Monate  alte  un- 
behandelte Fälle)  die  Spirochäten  unbeweglich  mache  und  schwach  agglu- 
tiniere.    Das  Serum  von  Gesunden  tue  dies  nicht. 

Demonstrationen  von  Affen  und  Abbildungen. 

Landsteiner  (Wien)  erwidert  Hoffmann  auf  dessen  Einwendungen, 
betreffend  die  Landsteiner  und  Finger  gelungene  positive  Überimpfung 
des  Hodensekretes  Syphilitischer  auf  Affen. 

P.  Th.  Müller  (Graz): 

„Ober  den  Einfluß  des  Staphylococcus  aureus  auf  die  Fibrinogenproduktion." 

Die  schon  früher  beobachtete  fibrinogenvermehrende  Wirkung  des 
Staphylokokkus  ist  keine  vitale  Leistung,  sondern  durch  chemische  Stoffe 
hervorgerufen.  Diese  sind  bei  älteren  Kulturen  filtrierbar,  hitzebeständig 
und  nicht  identisch  mit  dem  Staphylolysin  und  Leukozidin.    Immunisierung 


—     90    — 

dagegen   sei   unmöglich.     Weitere   Versuche    zu    näherem   Studium    sind 
im  Gange. 

Sobernheim  (Halle): 

„Über  einige  Eigenschaften  des  Tuberkuloseseriims." 

Das  Serum  wurde  durch  wiederholte  Kulturinjektionen  von  mensch- 
lichen Tuberkelbazillen  an  Pferden  gewonnen.  Die  Testflüssigkeit  wurde 
nach  Koch  bereitet,  indem  die  Bazillenmasse  im  Mörser  mit  Karbol-Koch- 
salzlösung fein  verrieben  wurde.  Es  wurden  verschiedene  Stämme  unter- 
sucht, darunter  drei  von  Menschen,  direkt  aus  Sputum  gezüchtet,  Rinder- 
tuberkulose 3,  6eflfigeltuberkulo8e  2,  Blindschleichentuberkulose  1,  Typus 
Arloing-Courmont  3,  säurefeste  8.  Das  Ergebnis  war:  Alle  menschlichen 
Stämme  wurden  von  dem  Immunserum  bis  zu  einer  Verdünnung 
1 :  1000  agglutiniert,  normales  Pferdeserum  wirkte  auf  dieselben  nur  in 
einer  Verdünnung  1 :  50  bis  1 :  100,  Rindertuberkulose  wurde  genau  ebenso 
agglutiniert,  dagegen  reagierten  alle  anderen  Gruppen  anders.  Nach  ihrem 
Verhalten  kann  man  sie  in  drei  Gruppen  einteilen.  Die  Stämme  der 
ersten  Gruppe  wurden  weder  von  normalem  noch  von  Immunserum  beein- 
flußt, die  der  zweiten  Gruppe  wurden  sowohl  durch  normales  als  Immun- 
serum in  sehr  hohen  Verdünnungen  beeinflußt.  Die  Stämme  der  dritten 
Gruppe  wurden  zwar  stärker  durch  das  Tuberkuloseserum  als  durch  das 
normale  agglutiniert,  trotzdem  aber  zeigte  sich  ein  deutlicherer  Unterschied, 
indem  die  Agglutination  nie  so  leicht  und  vollständig  eintrat,  wie  dies  bei 
den  echten  Stämmen  der  Säugetiertuberkelbazillen  der  Fall  ist.  Das 
Kochsche  alte  Tuberkulin  und  das  Tuberkulol  ergaben  mit  dem  Tuber- 
kuloseserum bis  zu  einer  Verdünnung  von  1 :  100G0  starke  Niederschlags- 
bildungen. Normales  Serum  erzielte  nur  schwache  Präzipitation.  Die 
bakteriotrope  Wirkung  des  Tuberkuloseserums  konnte  deutlich  nachgewiesen 
werden.  Dies  ist  aber  für  die  verschiedenen  Tuberkulosestämme  und  die 
säurefesten  Bazillen  differentialdiagnostisch  nicht  verwertbar.  Auch  die 
Komplementablenkung  erweist  sich  als  negativ. 

R.  Müller  (Kiel): 

„Die  Ätiologie  der  Geflügeldiphtherie." 

Müller  untersuchte  die  krankhaften  Produkte  bei  Hühnerdiphtherie. 
Er  fand  bei  sechs  Hühnern  aus  drei  verschiedenen  Seuchenherden  Stäbchen. 
Die  Stäbchen  wachsen  auf  Blut-  und  Milchagar,  aber  nicht  auf  gewöhn- 
lichem Agar  und  auf  Gelatine.  In  Symbiose  mit  anderen  Bakterien  wachsen 
sie  auch  auf  gewöhnlichem  Nährboden.  Die  gefundenen  Bazillen  stehen 
den  L  öffl  er  sehen  Diphtheriebazillen  nahe,  lassen  sich  aber  biologisch  von 


—     91     — 

ihnen  unterscheiden.  Mittelst  Reinkulturen  ließ  sich  die  Krankheit  hei 
Hühnern  erzengen. 

Dönitz  (Berlin)  demonstriert  in  Vertretung  des  Herrn  Zettnow  die 
von  letzterem  angefertigten  Diapositive  von  Mikrophotogrammen,  betreffend 
die  Geißelbildung  bei  Spirochäten. 

Herr  Pfeiffer  (Königsberg)  schließt  die  Tagung  und  dankt  den 
Erschienenen  für  die  so  reichhaltigen  Mitteilungen  und  weist  auf  das  an- 
regende und  klärende  Ergebnis  derselben  hin. 

Herr  LÖffler  (Greifswald)  dankt  den  mit  der  Vorbereitung  zu  der 
Tagung  beschäftigt  gewesenen  Herren. 


Infektionskrankheiten. 

Baruchello,  L.,  u.  Pricolo,  A.,  Contribution  k  Ätiologie  de  la 
pleuro-pneumonie  infectieuse  du  cheval:  Dicouverte  de 
Spirochötes. 

(La  Clinica  veterinaria,  1906.    Ref.:  Becueil  de  möd.  vöt,  Bd.  83,  1906, 
8. 316-317.) 

B.  und  P.  haben  häufig  im  Blute,  aber  auch  in  den  Lungenalveolen 
und  in  der  Milz  brustseuchekranker  Pferde  eine  Spirochäte  gefunden,  die 
3 — 20  fi  lang  und  0,5  fi  dick  war  und  in  ihren  kleinen  Formen  einem  S 
glich.  Die  Zahl  der  Windungen  betrug  meist  drei  bis  vier,  aber 
manchmal  auch  sieben  und  noch  mehr.  Die  Spirochäte  färbte  sich  gut 
nach  Ehrlich  mit  Boraxblau  und  nach  Giemsa. 

Die  Verff.  beschränken  sich  vorsichtigerweise  auf  diese  Mitteilung 
und  kündigen  an,  daß  sie  ihre  Untersuchungen  fortsetzen.*) 

Junack  (Breslau). 

*)  Ich  habe  im  verflossenen  Sommer,  ohne  die  Arbeit  von  Baruchello 
und  Pricolo  zu  kennen,  einen  Fall  von  typischer  Brustseuche,  der  in  meinem 
Institut  zur  Sektion  kam,  auf  das  etwaige  Vorhandensein  von  Spirochäten 
geprüft  Untersucht  wurden  kaum  eine  Stunde  post  mortem  entnommene 
Teile  der  veränderten  Lunge,  der  Milz  und  der  äußeren  Haut  (letztere  wählte 
ich  mit  Rücksicht  auf  die  bekannten  Publikationen  von  Lorenz).  Die 
Gewebsstückchen  wurden  nach  der  vonLevaditi  angegebenen  Silbermethode 
gefärbt  —  In  Lunge  und  Milz  ließen  sich  (in  ersterer  neben  zahlreichen 
Bakterien  verschiedener  Art)  wohl  hie  und  da  Gebilde  nachweisen,  die  eine 
entfernte  Ähnlichkeit  mit  Spirochäten  besaßen,  die  aber  zweifellos  keine 
solche  waren.  Es  handelte  sich  um  fädige  Gebilde  etwa  von  der  Größe  der 
Sptrochaete  pallida,  die  zum  Teil  einfach  gekrümmt,  zum  Teil  sehr  unregel- 
mäßig gewunden   erschienen,  jedenfalls   aber  die   charakteristischen  regel- 


—     92    — 

Schlegel,  M»,  Die  infektiöse  Bückenmarksentzündung  des  Pferdes; 
Meningomyelitis  haemorrhagica  infectiosa  eqni. 
(Berliner  Tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  8.  463—475.) 

Verf.  hat  eine  bereits  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  in 
Indien,  Frankreich,  Dänemark  und  Deutschland  beobachtete  infektiöse 
Rückenmarkslähmung  bei  Pferden  in  Baden  studiert  und  festgestellt,  daß 
essichum  eineallgemeine,  durch  den  Streptococcus  melanogenes 
hervorgerufene  Septikämie  handelt,  die  sich  namentlich  im 
Bückenmark  und  seinen  Häuten,  im  Mark  der  Skelettknochen 
und  in  den  Nieren  lokalisiert. 

Die  Krankheit  kommt  bei  Pferden  jeden  Alters  und  Geschlechts  vor. 
Eine  Übertragung  auf  andere  Haustiere  und  auf  den  Menschen  ist  nicht 
beobachtet  worden.  Der  Verlauf  der  Krankheit  ist  teils  akut,  teils  sub- 
akut, teils  chronisch,  und  endigt  in  einem  Tage  oder  einigen  Wochen  oder 
einigen  Monaten  meistens  mit  dem  Tode. 

Erscheinungen.  Das  okkulte  Stadium  der  Krankheit,  das  je  nach 
dem  Verlauf  einige  Tage  oder  Wochen  oder  Monate  dauert,  ist  gekennzeichnet 
durch  eine  unerklärliche  Abmagerung  (trotz  guter  Futteraufnahme  und  normaler 
Körpertemperatur),  durch  Schlaffheit,  Schläfrigkeit  und  Unlust  zur  Arbeit.  So- 
dann treten  Schwächezustände  der  Nachhand  ein.  —  Mit  Beginn  des  aperten 
Stadiums  der  Krankheit  brechen  die  Tiere  unvermittelt  bei  der  Arbeit  oder 
im  Stalle  in  der  Nachhand  zusammen,  sind  unvermögend,  sich  zu  erheben, 
haben  eine  Körpertemperatur  bis  zu  42°  C,  oft  blutigen,  eiweißhaltigen  Harn, 
die  Futteraufnahme  ist  vermindert;  dann  tritt  auch  eine  Lähmung  der  Vorhand 
ein,  und  schließlich  gehen  die  Patienten  an  Dekubitus  oder  Entkräftung  zugrunde. 

Pathologisch-anatomisch  ist  die  Krankheit  ausgezeichnet  durch 
serös-hämorrhagische  oder  fibrinös-eitrige  Peritonitis,  sulzige  Schwellung  der 
Darmschleimhaut,  Milztumor,  Degeneration  der  Parenchyme  sowie  durch  die 
für  die  Krankheit  charakteristische  hämorrhagisch-fibrinöse  Osteomyelitis  der 
Skelettknochen.  Die  Pia  mater  spinalis  ist  serös  infiltriert.  Das  Bückenmark 
selbst  ist  stellenweise  im  Zustand  der  roten  Erweichung.  Auf  allen  serösen 
Häuten  und  Schleimhäuten  des  Körpers,  sowie  in  den  Bückenmarkshäuten 
finden  sich  zahlreiche  Blutungen.  Der  Krankkeitserreger  ist  in  allen  Organen, 
dem  Knochenmark  und  Bückenmark  nachzuweisen. 

Der  Streptococcus  melanogenes  findet  sich  sowohl  als  1  p 
langer  Diplokokkus,  als  auch  in  Ketten,  die  aus  vier  bis  acht  Diplokokken 
zusammengesetzt    sind.    Er   ist    gramnegativ.    Abweichend    von   anderen 

müßigen  Windungen  der  Spirochäten  nicht  besaßen.  Ob  diese  Gebilde  über- 
haupt Mikroorganismen  oder  aber  Gowebsbestandteile  waren,  konnte  mit 
Sicherheit  nicht  entschieden  werden.  In  den  Schnitten  der  Hautstückchen 
fanden  sich  zahlreiche  Bakterien  in  der  Epithelschicht,  die  vorerwähnten 
Gebilde  jedoch  nicht.  Somit  habe  ich  in  dem  einen  von  mir  untersuchten 
Falle  die  Angabe  obengenannter  Forscher  nicht  bestätigen  können.       Joest. 


—     93    — 

Streptokokken  ruft  der  Streptococcus  melanogenes  auf  Blatagar  eine 
Schwarzfärbung  oder  in  der  Nähe  der  Kolonie  eine  Aufhellung  und  im 
weiteren  Umkreise  eine  Schwarzfärbung  hervor.  Der  Streptococcus 
melanogenes  ist  somit  von  anderen  Streptokokken  artverschieden.  Es 
gelang  dem  Verf.  durch  künstliche  Infektion  mit  Reinkulturen  des 
Streptococcus  melanogenes  bei  Pferden  und  kleinen  Versuchstieren  die 
typische  Krankheit  zu  erzeugen.  Kuhn  (Berlin). 

Citron,  J.,  Experimentelle   Beiträge   zur  Beurteilung   der  Hog- 

choleragruppe. 

(Zeitschr.  f.  Hygiene  n.  Infektionskrankh.,  Bd.  53,  1906,  S.  159—175.) 
Die  Bakterien  der  Hogcholeragruppe  (Schweinepest,  Mäusetyphus, 
Paratyphus  B)  werden  von  dem  Immunserum  nahestehender  Arten  beein- 
flußt, ein  Phänomen,  das  bei  einzelnen  Stämmen  besonders  ausgeprägt  ist. 
Bei  der  Kompliziertheit  der  Verhältnisse  kann  man  heute  auf  Grund  der 
Serumreaktion  die  Identität  nicht  bestimmen,  muß  vielmehr  das  pathogene 
Verhalten  für  die  einzelnen  Tierarten  auf  das  sorgfältigste  berücksich- 
tigen*). Genaue  Studien  müssen  über  epidemiologischen  Zusammenhang 
und  über  die  Identität  Aufklärung  geben.  Bugge  (Kiel). 

Montgomery,  R.  E.,  An    anthrax-like    bacillus    fonnd  in   a  horse 
suspected  of  anthrax. 

(The  Journ.  of  Tropical  Veterinary  Science,  Vol.  1,  1906,  S.  284—294.) 
Aus  dem  Blut   eines  Pferdes,   das  unter  milzbrandverdächtigen  Er- 
scheinungen verendet  war,  isolierte  Verf.  ein  milzbrandähnliches  Stäbchen, 
wahrscheinlich  identisch  mit  dem  B.  anthracoides  Burry. 

Kaestner  (Berlin). 
Rabinowitsch,  L«,  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  zwischen 
der  Tuberkulose  des  Menschen  und  der  Tiere. 
(Arbeiten  a.  d.  Patholog.  Institut  zu  Berlin     Berlin  1906,  S.  365—436.) 
Verfn.  standen   zu   den  Versuchen    15  Fälle   von  Tuberkulose  (drei 
sicher  primäre  Darmtuberkulose)  aus  dem  Pathologischen  Institut  zur  Ver- 
fügung.   Außerdem  fünf  Kulturen  aus  tuberkulösem  Sputum  und  fünf  Perl- 
suchtkulturen. 

In  bezug  auf  das  morphologische  Verhalten  steht  Verfn.  auf  dem 
Standpunkt,  daß  die  Unterschiede  in  Ausstrichpräparaten  weder  von 
Material  noch  aus  Kultur  derartig  prägnant  und  konstant  sind,  daß  auf 
Grund  derselben  eine  Scheidung  in  zwei  getrennte  Arten  oder  Typen  vor- 
genommen werden  kann. 

Ausgesprochenere  Unterschiede  treten  im  allgemeinen  in  Züchtnngs- 
und  Kulturversuchen  insofern  hervor,  als  die  Hindertuberkulosestämme  sich 


*)  Hierauf  habe  auch  ich  bereits  früher  (Zeitschr.  f.  Fleisch-  und  Milchhyg., 
15.  Jahrg.,  1905,  S.  295)  hingewiesen.  JoesL 


—    94    — 

bedeutend  schwerer  züchten  lassen  und  besonders  in  den  ersten  Genera- 
tionen ein  langsameres  Wachstum  aufweisen  als  die  Menschentuberkulose- 
stämme.  Zwei  Stämme  (ein  Fall  primärer  Darmtuberkulose  und  ein  Fall 
von  Fütterungstuberkulose)  zeigten  das  Wachstum  der  Rindertuberkulose« 
stamme.  Bei  drei  Stämmen  war  die  Unterscheidung  auf  Grund  des 
kulturellen  Verfahrens  nicht  möglich,  und  aus  multiplen,  käsigen  Knoten 
einer  Milz  wurde  eine  Kultur  gezüchtet,  die  völlig  das  Wachstum  einer 
typischen  Geflügeltuberkulosekultur  darbot. 

Bezüglich  der  Virulenz  für  Meerschweinchen  konnte  Verfn.  weder  in  der 
Krankheitsdauer  noch  in  den  pathologischen  Veränderungen  einen  konstanten 
Unterschied  zwischen  Menschen-  und  Rindertuberkulosestämmen  beobachten. 

Einheitlicher  waren  die  an  Kaninchen  gewonnenen  Ergebnisse  sowohl 
mit  Ausgangsmaterial  als  auch  mit  Reinkulturen.  Es  ergaben  sich  aus 
der  Lebensdauer  der  Tiere  und  den  pathologischen  Veränderungen  be- 
trächtliche Unterschiede  in  der  Virulenz  der  Stämme.  Die  fünf  Rinder- 
tuberkulosestämme riefen  in  kurzer  Zeit  generalisierte  Tuberkulose  hervor, 
ebenso  zwei  Stämme  vom  Menschen,  die  sich  schon  in  der  Kultur  als 
Rindertuberkulosestämme  charakterisiert  hatten;  elf  menschliche  Stämme 
verursachten  auch  bei  Verimpfung  größerer  Mengen  gar  keine  oder  nur 
lokale  Veränderungen;  6  menschliche  Tuberkulosestämme  verursachten 
mehr  oder  weniger  tuberkulöse  Veränderungen  der  inneren  Organe. 

Von  den  20  untersuchten  Tuberkulosestämmen  konnten  11  ohne 
weiteres  als  Menschenstämme  bezeichnet  werden,  2  zeigten  ausgesprochen 
die  Merkmale  von  Rindertuberkulosestämmen,  6  Stämme  konnten  unter 
keine  der  beiden  Formen  gezählt  werden  und  wurden  als  atypisch  be- 
zeichnet. Außerdem  wurde  1  Stamm  isoliert,  der  in  kultureller  Be- 
ziehung und  hinsichtlich  seiner  pathogenen  Eigenschaften  als  typische 
Geflügeltuberkulosekultur  angesprochen  wurde. 

Verfn.  zieht  aus  ihren  Untersuchungen  den  Schluß,  daß  sich  trotz 
des  ungleichmäßigen  Verhaltens  einzelner  atypischer  Stämme 
in  der  Regel,  wenn  auch  nicht  prinzipiell,  Unterschiede 
zwischen  den  vom  Menschen  und  vom  Rinde  stammenden 
Tuberkelbazillen  feststellen  lassen. 

Bei  der  Frage,  ob  der  Mensch  für  den  Erreger  der  Rindertuberkulose 
empfänglich  sei,  bleibe  nur  noch  zu  ermitteln,  wie  häufig  die  Infektion 
stattfindet.  Die  Entscheidung  dieser  Frage  hielt  Verfn.  aber  für  sehr 
schwierig,  da  nach  ihrer  Ansicht  durchaus  noch  nicht  feststeht,  ob  nicht 
der  ursprünglich  vom  Rinde  stammende,  mit  einer  hohen  Virulenz  begabte 
Tuberkelbazillus  durch  längeres  Verweilen  im  menschlichen  Organismus 
eine  Einbuße  seiner  Virulenz  erleidet  und  dadurch  den  Eigenschaften 
der  menschlichen  Tuberkelbazillenform  näher  kommt. 

Krautstrunk  (BormJ. 


—     95    — 

Rabinowitsch,   L.,   Über  spontane  Affentuberkulose,  ein  Beitrag 
znr  Tnberkulosefrage. 
(Deutsche  med.  Wochenschr.,  1906,  Nr.  22.) 

Verfn.  untersuchte  45  Fälle  von  spontaner  Tuberkulose  bei  Affen 
verschiedenster  Art,  die  aus  dem  Berliner  Zoologischen  Garten  stammten. 
Von  33  Tieren  wurden  43  Kulturen  gezüchtet  und  diese  bezüglich  Wachs- 
tum, kultureller  Eigenschaften  und  Tierpathogenität  geprüft,  und  zwar  von 
27  Tieren  34  Stämme  kulturell  und  im  Tierversuch,  von  6  Affen  9  Kulturen 
nur  durch  Kulturverfahren.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  wurden,  entsprechend 
der  häufigen  Gelegenheit  zur  Infektion  mit  menschlichen  Tuberkelbazillen, 
menschliche  Tuberkulosekulturen,  in  einer  relativ  kleinen  Anzahl  Rinder- 
kulturen, in  einem  Falle  beide  vergesellschaftet  und  in  einem  anderen 
Falle  eine  Geflügeltuberkulosekultur  gewonnen.  In  einigen  Fällen  wurden 
sogenannte  Übergangsformen  oder  atypische  Stämme  gezüchtet. 

Verfn.  konnte  bei  den  Befunden  verschiedener  Tuberkuloseerreger 
keine  Beziehung  zur  Eintrittspforte  und  zur  Lokalisation  der  tuberkulösen 
Erkrankung  beobachten;  ebensowenig  bestanden  Beziehungen  zwischen  der 
Schwere  der  im  Affenkörper  gesetzten  Veränderungen  und  der  durch  den 
Tierversuch  festgestellten  Virulenz. 

Aus  Übergangsformen  schließt  Verfn.,  daß  auch  in  diesem  Wirtstier, 
ebenso  wie  im  menschlichen  Körper,  eine  Umwandlung  der  einen  Tuber- 
kuloseform in  die  andere  nicht  ausgeschlossen  ist.        Krautstmnk  (Bonn). 

Dangern,  E.  v.,  u.  Smidt,  H.,  Über  die  Wirkung  der  Tuberkel- 
bazillenstämme des  Menschen  und  des  Rindes  auf  anthro- 
poide Affen. 

(Arb.  ans  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamt,  Bd.  23,  1906,  8.  570-587.) 
Die  Untersuchungen  der  Verff.  ergaben,  „daß  die  Perlsuchtbazillen  für 
den  Gibbon  ebenso  infektionstüchtig  sind,  wie  die  Bazillen  des  Typus 
humanus.  Da  dieses  Säugetier  dem  Menschen  ganz  besonders  nahe- 
steht .  .  .  .,  so  liegt  es  sehr  nahe,  das  beim  Gibbon  gewonnene  Ergebnis 
auch  auf  den  Menschen  zu  übertragen."  Nach  Verfütterung  menschlicher 
Tuberkelbazillen  traten  primäre  Lungenherde  auf,  während  die  Perlsucht- 
bazillen bei  gleichem  Infektionsmodus  Darm-  und  Mesenterialdrüsentuber- 
kulose  hervorriefen.  J. 

Lord,  F.  T,,  Flies  and  Tuberculosis. 

(Pnblications    of    the    Massachusetts    General    Hospital,    Vol.   1,   1906, 
S.  118-125.) 

Fliegen  können  tuberkulöses  Material  (Sputum  usw.)  und  mit  ihm 
Tuberkelbazillen  aufnehmen,  die  ihre  Virulenz  mindestens  15  Tage  be- 
halten.   Die  aufgenommenen  Tuberkelbazillen  werden  in  virulenter  Form 


—    96     — 

und  in  großer  Zahl  mit  dem  Kot  der  Fliegen  ausgeschieden.  Dadurch, 
daß  die  Fliegen  ihren  Kot  auf  Nahrangsmittel  absetzen,  können  sie  zur 
Infektion  des  Menschen  beitragen.  J. 

Schütz,  Zar  pathologischen  Anatomie  des  Rotzes. 
(Zeitschr.  f.  Vet.-Kunde,  18.  Jahrg.,  1906,  S.  49—62.) 

Ein  den  Ergebnissen  der  seitherigen  Forschungen  entsprechend  ab- 
geänderter Abdruck  einer  1882  allen  beamteten  Tierärzten  und  Truppen- 
teilen zugegangenen  Belehrung,  deren  nochmalige  Veröffentlichung  für 
einen  großen  Leserkreis  von  Interesse  ist.  Orabert  (Berlin). 

Olsen,  H.,   Über  die  ansteckende  Krankheit  „Slubbo"  des  Renn- 
tieres. 
(Norsk  Veterinär  Tidskrift,  1906,  H.  3.) 

Den  Lappen  Finmarkens  ist  diese  oft  verheerend  unter  den  Renn- 
tieren auftretende  Krankheit  seit  langem  bekannt.  Die  Seuche  kommt 
sowohl  in  Rußland  als  in  Finnland  vor.  Sie  verbreitet  sich  namentlich 
an  den  Sammelplätzen  (an  Orten,  wo  die  Lappen  zu  bestimmten  Zeiten 
des  Jahres  große  Herden  von  Renntieren  versammeln).  Tritt  die  „Slubbo' 
hier  erst  einmal  auf,  so  verbreitet  sie  sich  sehr  leicht.  Im  Herbst  1903 
war  die  „Slubbo"  auf  einzelne  renntierztichtende  Dörfer  im  westlichen 
Lande  begrenzt;  1905  hatte  sie  sich  über  ganz  Finmarken  mit  Ausnahme 
der  Waranger  Inseln  ausgebreitet.  Die  Krankheit  tritt  mit  verschiedener 
Heftigkeit  auf;  oft  erscheint  sie  an  Orten,  wo  sie  seit  langen  Jahren 
nicht  vorkam.  Sie  zeigt  sich  gegen  Ende  Juli  und  ist  am  schlimmsten 
während  der  warmen  Zeit;  mit  Beginn  der  Kälte  geht  sie  gradweise  zurück, 
und  bei  dem  ersten  Schnee  hört  sie  auf.  Die  „Slubbo"  (das  Wort  be- 
deutet „Keule")  hat  ihren  Sitz  in  der  Klauenspalte,  der  Krone,  an  den 
Afterzehen  sowie  in  der  Fesselbeuge  und  ist  dem  gewöhnlichen  Panaritium 
des  Rindes  ähnlich.  Man  glaubt,  daß  ihre  Ursache  der  Nekrose- 
bazillus  ist,  den  man  in  den  nekrotischen  Teilen  nachgewiesen  hat  Die 
Nekrose  neigt  bei  den  Renntieren  dazu,  in  die  Tiefe  zu  dringen,  man  findet 
oft  Gelenke  und  Sehnenscheiden  geöffnet.  Der  Verlauf  der  Krankheit  ist 
meist  tödlich.  Die  Lappen  rechnen,  daß  jedes  zweite  oder  dritte  Tier  an 
der  Krankheit  stirbt.  Begleitet  wird  diese,  namentlich  bei  den  Renntier- 
kälbern, von  „Njalme  vigte"  (einer  Krankheit  des  Maules),  die  denselben 
Ursprung  hat.  Das  Mißtrauen  und  die  Störrigkeit  der  Lappen  verhindern 
die  Bekämpfung  der  Seuche. 

0.  erwähnt  ferner  eine  ansteckende  Geschlechts-  oder  Paarungs- 
krankheit, „Gnappa"  (das  Wort  bedeutet  Syphilis)  unter  den  Renntieren 
im  August— September.  Der  Verf.  meint,  daß  auch  deren  Ursache  der 
Nekrosebazillus  ist.  L.  Bahr  (Kopenhagen). 


—    97    — 

Bergmann,  A.,  Einige  Beobachtungen  über  enzootisches  Auftreten 
brandiger  Scbeidenentzündnng  bei  Kühen. 

(Fortschr.  der  Veterinürhyg.,  1906,  S.  1—6  und  Svensk  Veterinär-Tidskrift, 
1906,  H.  2  n.  3.) 

Verf.  beobachtete  auf  einem  Gute  in  Schweden,  daß  von  100  Kühen, 
die  gekalbt  hatten,  61  an  brandiger  Scheidenentzündung  erkrankten. 
Klinische  Symptome  waren:  Dickflüssiger,  gelber,  zuweilen  rötlicher,  stinkender 
Ausfluß,  zähe,  graue  oder  graurote,  bis  4  cm  dicke  brandige  Herde  in 
der  Scheidenschleimhaut  und  geringe  Allgemeinerscheinungen.  Der  Verlauf 
war  in  der  Regel  ein  gutartiger;  schwere  Erkrankung  oder  Tod  wurden 
nur  vereinzelt  beobachtet.  Als  Ursache  des  Leidens  bezeichnet  Verf.  den 
Nekrosebazillus,  den  er  in  den  erkrankten  Geweben  und  auch  bei  zwei 
Kühen  im  Kot  nachwies.  Zur  Behandlung  eignet  sich  Ätzung  der  durch 
die  Geburt  an  Scham  und  Scheide  entstandenen  Riß-  und  Quetschwunden 
mit  10  proz.  Chlorzinklösung.  Die  Milch  der  erkrankten  Tiere  darf  als 
Nahrungsmittel  für  Menschen  gar  nicht,  für  Tiere  nach  Abkochen  ver- 
wendet werden.  Resotc  (Frankfurt  a.  0.). 

Carrfe,  La  maladie  des  chiens. 

(Revue  generale  de  med.  vcH.,  1906,  S.  649—657.) 
Das  Staupevirus  befindet  sich  im  Blute  der  Hunde  während  der  Höhe 
des  Fieberanfalls.  Das  Blut  selbst  ist  steril,  vermag  aber  sowohl  im  natür- 
lichen Zustande  als  auch  nach  Filtration  durch  Berkefeldkerzen  bei  anderen 
Hunden  Staupe  zu  erzeugen.  Die  Wirkung  des  Virus  ist  eine  im  wesent- 
lichen die  Phagozytose  herabsetzende.  Unter  dieser  Wirkung  werden 
Bakterien,  die  normal  bei  Hunden  in  der  Nasenhöhle  und  im  Darmkanal 
vorkommen  und  von  verschiedenen  Forschern  als  Staupeerreger  beschrieben 
wurden,  aggressiv  und  erzeugen  die  bekannten  Erkrankungen  der  ver- 
schiedensten Organe,  die  nach  C.  nur  sekundärer  Natur  und  für  Staupe 
nicht  spezifisch  sind.  Besonders  der  Nasenkatarrh  der  ersten  Krankheits- 
tage  ist  gefährlich  für  die  Infektion  anderer  Hunde.  Die  Staupe  im 
weiteren  Sinne  ist  nach  C.  demnach  eine  Krankheit,  die  mehreren 
Infektionen  ihre  Entstehung  verdankt.  Die  Causa  efficiens  ist 
nach   ihm  filtrierbar  und  ultravisibel.  Junack  (Breslau). 

Williams,  A.  W.,  u.  Lowden,  M.  JVL,    The   etiology   and  diagnosis 

of  hydrophobia. 

(The  Journ.  of  Infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  S.  452—482.) 

Verff.  fanden  die  Ausstrichmethode   zum  Zweck   der  Auffindung  der 

Negrischen   Körperchen    den   übrigen,   bisher   veröffentlichten   Methoden 

gegenüber  überlegen.    Die  genannte  Methode  ist  einfacher  und  kürzer  und 

bringt  die  Negrischen  Körperchen  deutlicher  zur  Wahrnehmung.    Da  sie 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  1.  7 


■r.ap^o-* 


—     98    — 

auch  charakteristische  Färbemethoden  in  Anwendung  zu  ziehen  erlaubt, 
hat  sie  einen  großen  diagnostischen  Wert. 

Die  Negrischen  Körperchen,  die  bei  der  Wut  sowohl  im  Ausstrich- 
wie  im  Schnittpräparat  gefunden  werden,  sind  für  dieses  Leiden  spezifisch. 
Auch  bei  der  durch  Impfung  künstlich  erzeugten  Wut  fanden  Verff.  zahl- 
reiche Negri  sehe  Körperchen.  Diese  Gebilde  fanden  sich  vor  Eintritt  der 
sichtbaren  Erscheinungen,  i.  e.  am  vierten  Tage  bei  der  künstlich  über- 
impften und  am  siebenten  Tage  bei  der  Straßenwut.  Voraussichtlich  wird 
es  gelingen,  sie  noch  früher  nachzuweisen,  da  die  Gewebe  den  Infektions- 
stoff nachgewiesenermaßen  schon  früher  enthalten.  Verff.  fanden  auch 
Formen,  die  zwar  in  ihrer  Struktur  und  ihren  tinktoriellen  Eigenschaften 
mit  den  übrigen  übereinstimmten,  jedoch  an  der  Grenze  der  Sichtbarkeit 
standen.  Diese  winzigen  Formen  dürften  die  Fähigkeit  haben,  Berkefeld- 
filter  zu  passieren. 

Nach  der  Ansicht  der  Verff.  sind  die  Negrischen  Körperchen  den 
Protozoen  zuzuzählen,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  Sie  weisen  be- 
stimmte morphologische  Charaktere  auf.  Diese  finden  sich  in  verschiedenen 
Phasen  der  Wut  konstant  als  bestimmte  Wachstums-,  Entwicklungs-  und 
Vermehrungsformen.  In  ihrer  Struktur  und  ihren  färberischen  Eigen- 
schaften ähneln  diese  Körper  gewissen  bekannten  Protozoen,  unter  diesen 
vornehmlich  den  Mikrosporidien. 

Der  Beweis,  daß  die  Negrischen  Körperchen  Lebewesen  darstellen, 
genügt  zur  Begründung  der  Annahme,  daß  sie  als  Erreger  der  Wut  an- 
zusehen sind.  Lebewesen,  die  in  so  großer  Zahl  bei  jedem  Krankheitsfall, 
und  nur  bei  dieser  Krankheit,  gefunden  werden,  die  zu  der  Zeit  in  den 
Geweben  sichtbar  werden,  wenn  diese  infektiös  werden  und  in  diesen 
infektiösen  Geweben  im  Verhältnis  der  Entwicklung  der  Krankheit  heran- 
wachsen und  sich  vermehren,  können  nichts  anderes  als  die  Erreger  dieser 
Krankheit  sein.  Kaestner  (Berlin). 

Evans,  0«  H.,  Haemorrhagic  septicaemia  in  elephants. 

(The  Journ.  of  Tropical  Veterinary  Science,  Vol.  1,  1906,  S.  263—268.) 
Verf.  beschreibt  Fälle  von  hämorrhagischer  Septikämie  bei  Elephanten. 
Das  Krankheitsbild   ist   klinisch  nicht  von  dem  des  Milzbrandes  zu  unter- 
scheiden.    Letzterer  ist  nicht  selten.  Kaestner  (Berlin). 

Rossi,  C,   Contributo  alla  conoscenza  dello  stipite  Actinomyces 

albus. 

(Annali  d'Igiene  sperimentale,  Vol.  15,  1905.) 

Die  Verfn.  fand  in  mehreren  Fällen   im  Innern  der  Leibeshöhle  von 

Hühnern   eine  Geschwulst,    die    ein   bis  zwei  Drittel  der  Höhle    einnahm. 

Die  Konsistenz   der  Tumoren   war  eine  harte,    das  Aussehen  speckig,   die 

Schnittfläche   hatte    ein   granuliertes   Aussehen.     Aus    ihnen    ließen  sich 


—     99     — 

stäbchenförmige  Bakterien  isolieren,  die  beim  Altern  der  Kulturen  den 
typischen  Charakter  einer  Streptothrixart  annahmen  und  von  Verfh.  als 
die  Ursache  der  Tumoren  angesehen  wurden.  Die  aus  Bouillonkulturen 
gewonnenen  bisherigen  Produkte  der  Bakterien  waren  ungiftig,  dagegen 
erwiesen  sich  die  auf  Kartoffeln  und  Mohrrüben  gewachsenen  Kulturen  als 
giftig  gegenüber  Kaninchen,  Meerschweinchen,  Hunden  und  Ratten.  Der 
Erreger  ist  nach  R.  mit  keiner  anderen  der  bisher  bekannten  weißen 
Streptotricheen  identisch  und  wird  von  ihr  als  Streptothrix  alba  var.  toxica 
oder  Äctinomyces  albus  var.  toxica  bezeichnet.  Pfeiler  (Berlin), 

Turner,  G-,  Rinderpest  in  South  Africa. 

(The  Journ.  of  Tropical  Veterinary  Science,  Vol.  1,  1906,  S.  269—383.) 
T.  beschreibt   die  Siroultanschutzimpfungsmethode   gegen  Rinderpest 
nach  Turner  und  Kolle.    Er  berechnet,  daß  dank  dieser  Methode  in  der 
Kapkolonie  Werte  im  Betrage  von  6—10  Millionen  £  gerettet  worden  sind. 

Kaestner  (Berlin). 


Entwicklungshemmung  —  Desinfektion. 

Schlipp,    G,   Über    den    Einfluß    steriler    Fäulnisprodukte    auf 

Milzbrandbazillen. 

(Deutsche  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  S.  393—98  und  406—410.) 
Verf.  stellte  fest,  daß  keimfreie  Kadaverjauche  bakterizide 
Eigenschaften  sowohl  für  freie,  wie  im  Gewebe  befindliche 
Milzbrandbazillen  besitzt;  sie  tötet  diese  Bakterien  in  den  Organen 
meist  schon  innerhalb  24  Stunden,  mit  Milzbrandblut  gemischt,  in  zwei  bis 
drei  Stunden  ab,  nicht  aber  ihre  Sporen.  Verf.  hält  die  Untersuchung  der 
Impfstelle  der  Versuchstiere  in  den  ersten  24  Stunden  für  angezeigt. 

Resow  (Frankfurt  a.  O.J. 

Bergmann,  A.  JVL,  Bericht  über  einige  Versuche,  natürlich  tuber- 
kulöse Milch  durch  Buddisierung  zu  sterilisieren. 
(Fortschr.  der  Veterinärhyg.,  1906,  S.  97—100.) 
Aus  den  Versuchen  des  Verf.  geht  hervor,  daß  durch  die  Buddi- 
sierung  der  Milch  (Zusatz  von  H202  und  dreistündige  Erwärmung  auf 
52°  C)  lebende  Tuberkelbazillen  nicht  abgetötet  werden.    Milch 
einer  tuberkulösen   Kuh,   die  makroskopisch  verändert  erschien,    zerlegte 
bedeutend  mehr  H202  wie  normal  aussehende  Milch. 

Resow  (Frankfurt  a.  O.J. 

7* 


—     100    — 

Goebel,  W.,  Über  die  desinfizierenden  Eigenschaften  Lugolscher 
Jodlösungen. 

(Zentralbl.  f.  Bakt  ete.,  L  Abt.,  Orig.,  Bd.  42,  1906,  S.86-91  und  176—179.) 
Prüfung  der  Desinfektionskraft  nach  dem  von  Czaplewski  (durch 
Nothen)  angegebenen  Verfahren.  Verf.  findet  in  der  0,01—0,05  proz. 
Lugolschen  Lösung  ein  rasches  und  wirksames  Desinfektionsmittel;  ins- 
besondere empfiehlt  er  für  geburtshilfliche  Operationen,  zum  Reinigen 
des  Operationsfeldes  und  zur  Händedesinfektion  die  0,02  proz.  Lugolsche 
Lösung.  In  dieser  Konzentration  greift  sie  die  Haut  und  Wäsche  nicht 
an  und  ist  fast  geruchlos.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 


Immunität  —  Schutzimpfung. 

Citron,  J.,   Die   Immunisierung    gegen   die    Bakterien   der    Hog- 
cholera    (Schweinepest)    mit      Hilfe      von      Bakterien- 
extrakten. 
(Zeitschr.  f.  Hygiene  n.  Infektionskrankh.,  Bd.  53,  1906,  S.  515—553.) 

Nach  den  günstigen  Resultaten,  die  der  Verf.  bei  der  ImmunisieruDg 
gegen  die  Schweineseucheerreger  an  kleinen  Versuchstieren  mit  Bakterieu- 
extrakten  und  Baiischen  Aggressinen  gewonnen  hatte,  versuchte  er  die 
gleichen  Methoden  auch  gegenüber  den  Schweinepestbazillen.  Trotz  An- 
wendung von  künstlichen  und  natürlichen  Aggressinen  erhielt  er  keine  im 
wesentlichen  zuverlässige  Immunisierungsmethode.  Es  dürfte  demnach  die 
Immunisierung  mit  Schweinepestserum  und  Mäusetyphusbazillen  bei  der 
Hogcholera  die  größte  Aussicht  auf  Erfolg  in  der  Praxis  haben.  Dieses 
Verfahren,  das  von  Wassermann,  Ostertag  und  Citron  angegeben 
worden  ist,  hat  kleine  Laboratoriumstiere  in  hohem  Maße  gegen  die  In- 
fektion mit  Schweinepesterregern  geschützt.  Bugge  (Kielß. 

Ascoli,  A.,   Zur   Kenntnis   der    aktiven  Substanz    des  Milzbrand- 
serums. 
(Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  48,  1906,  S.  315—330.) 

Die  eingehenden  Untersuchungen,  bei  denen  sich  Verf.  der  von  ihm 
kürzlich  ausgearbeiteten  Wertbestimmungsmethode  des  Milzbrandserums  be- 
diente, zeigen,  daß  die  Immunsubstanz  des  Milzbrandserums  durch  Berke- 
feldsche  Kerzen  hindurchgeht.  Seine  aktive  Substanz  wird  nicht  wie  ein 
Ambozeptor  an  die  Milzbrandbazillen  verankert.  Beim  Milzbrandserum 
von  Esel  und  Ziege  wird  die  Immunsubstanz  zum  größten  Teil  in  der 
Pseudoglobulinfraktion,  bei   der  Ziege   zum  geringeren   Teil   auch   in  der 


—     101     — 

Euglobulinfraktion    wiedergefunden.     Das    wirksame    Pseudoglobulin   des 
Eselserums  büßt  in  wässeriger  Lösung  mit  der  Zeit  seinen  Schutzwert  ein. 

Scheunert  (Dresden). 

Huntemüller,  O.,    Immunisierung   gegen   Hühnercholera   mit   Ag- 
gressinen  und  Bakterienaufschwemmungen. 
(Zentralbl.  f.  Bakt.  etc.,  I.  Abt.,  Orig.,  Bd.  42,  1906,  S.  170—176.) 

Gewinnung  des  Aggressins  durch  Aspiration  des  Exsudates  nach 
intrapleuraler  Injektion  der  Bakterien.  Die  Virulenzsteigerung  der  Bak- 
terien durch  gleichzeitige  Aggressineinspritzung  gelang  bei  Meerschweinchen 
nicht.  (Weil  hatte  positive  Erfolge  bei  Kaninchen.)  Dagegen  gelang 
die  Immunisierung  eines  Kaninchens  durch  steigende  subkutane  In- 
jektionen des  Aggressins  (0,5,  1,5  und  3  ccm).  Das  Tier  reagierte 
dann  auf  Injektion  virulenter  Bazillen  nur  durch  lokale  Abszesse.  Die 
Bazillen  halten  sich  noch  lange  (1  Monat)  im  Körper  virulent.  Eine 
Immunisierung  von  Kaninchen  mit  keimfrei  filtrierten  Pleuraexsudaten 
wurde  nicht  erreicht.  Mittelst  steigender  Injektionen  von  Bakterien- 
anfschwemmungen ,  die  unter  Zusatz  von  0,5%  Phenol  3  Stunden  bei 
44°  sterilisiert  worden  waren,  konnte  ein  Kaninchen  immunisiert  werden. 
Das  Filtrat  solcher  Aufschwemmungen  war  unwirksam. 

E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  M.). 

Calmette  u.  Breton,  Sur  les  effets  de  la  tuberculine  absorbee  par 
le  tube  digestif  chez  les  animaux  tuberculeux. 
(Comptea  rendns  de  l'Acad.  des  Sciences,  1906.) 

Vom  Verdauungskanal  wirkt  Tuberkulin  bei  gesunden  Tieren  giftig, 
besonders  bei  jungen  Tieren.  Steigende  Dosen  erzeugen  keine  Immunität. 
Tuberkulöse  Meerschweinchen  reagieren  schon  auf  eine  Gabe  von  1  mg  per  os. 
Man  kann  die  Tuberkulinreaktion  vom  Verdauungsapparat  ebenso  sicher 
erzeugen,  wie  durch  subkutane  Injektion.  Resow  (Frankfurt  a.  O.J. 

Nicolas,  J.,  et  Baucel,  L.,  Leucocytose  au  cours  de  la  vaccination 
antirabique  chez  l'hnmme  et  chez  les  animaux. 
(Joura  de  Physiol.  et  de  Pathol.  generale,  Bd.  7,  1905,  8.  1019—1027.) 
Im  Verlauf   der  Impfbehandlung   gegen  die  Wut  tritt  bei  Menschen 
und  Tieren  eine  deutliche  Vermehrung  der  Leukozyten  im  Blut  ein, 
die  gegen  Ende  der  Behandlung  ihr  Maximum  erreicht  und  nach  der  letzten 
Injektion  schnell  sistiert.     Die  Zahl  der  weißen  Blutkörperchen  kehrt  als- 
dann zur  Norm   zurück.    Wesentliche  Veränderungen   in   bezug   auf   das 
Verhältnis  der  polynukleären  zu  den  mononukleären  Leukozyten  sind  nicht 
wahrzunehmen.    Interessant  ist  es,  daß  bei  Injektion  von  Medullarsub stanz 
gesunder  Tiere  dieselbe  Vermehrung  der  weißen  Blutkörperchen  beobachtet 
wird,  wie  bei  Verimpfung  von  Wutmaterial.  Es  tritt  eine  sehr  starke  Hyper- 


—     102    — 

leukozytose   ein.    Die  Leukozyten    selbst   scheinen   bei  der  Immunisation 
gegen  die  Wut  keine  Veränderungen  zu  erfahren.  Pfeiler  (Berlin). 

Strelinger,  Dreijährige  Erfahrungen  über  die  Schutzimpfung 
gegen  die  Tuberkulose  der  Rinder  nach  v.  Behring. 
(Zeitschr.  f.  Tiermed.,  10.  Bd.,  1906,  S.  118-132.) 
Während  vor  Einführung  der  Schutzimpfung  in  den  betr.  Beständen 
(ungarische  Güter  des  Prinzen  Ludwig  von  Bayern)  trotz  der  damals 
konsequent  durchgeführten  künstlichen  Aufzucht  50%  der  Rinder  (bei 
älteren  Tieren  noch  mehr)  auf  Tuberkulin  reagierten,  war  dies  unter  590 
zur  Zeit  3 — 372  Jahre  alten  Impflingen  nur  bei  9  =  1,5  %  der  Fall, 
wobei  noch  bei  vier  dieser  letzteren  Tiere  mit  der  Möglichkeit  einer 
lediglich  durch  die  Schutzimpfung  erzeugten  Tuberkulinüberempfindlichkeit 
zu  rechnen  ist,  da  zurzeit  der  Tuberkulinprüfung  noch  nicht  ein  Jabr 
nach  der  letzten  Schutzimpfung  verflossen  war.  Dabei  ist  noch  hervor- 
zuheben, daß  die  Impflinge  nicht  den  geringsten  Isolierungs-  oder  sonstigen 
hygienischen  Schutzmaßregeln  unterworfen  waren.  Deswegen  scheint 
St.  die  Schlußfolgerung  nicht  unberechtigt,  daß  in  dem  Schutzimpfungs- 
verfahren, wie  es  v.  Behring  angibt,  das  Problem  einer  rationellen  Rinder- 
tuberkulosebekämpfung als  gelöst  zu  betrachten  ist.  Qrabert  (Berlin). 


Parasiten  und  parasitäre  Krankheiten. 

Höyberg,  H.  M.f  Bidrag  til  Trikinens  Biologi.    (Beitrag  zur  Bio- 
logie der  Trichine.) 
(31  Ss.  Kopenhagen  1906.) 

Verf.  teilt  die  Ergebnisse  einer  Reihe  von  Untersuchungen  über 
die  Kontagiosität  der  Fäzes  trichinöser  Tiere  mit.  Die  Unter- 
suchungen wurden  teils  an  Hatten,  teils  an  Schweinen  vorgenommen,  indem 
man  weiße  und  bunte,  in  Gefangenschaft  gezüchtete,  gesunde  Ratten  sowie 
auch  junge  Ferkel  mit  den  Fäzes  trichinöser  Ratten  fütterte.  Mit  den 
Fäzes    eines  trichinösen  Schweines  wurden  andere  junge  Ferkel  gefüttert. 

Das  Resultat  der  Versuche  war,  daß  unter  14  weißen  und  bunten 
mit  den  Fäzes  von  trichinösen  Ratten  gefütterten  Ratten  11  und  unter 
4  jungen  Ferkeln,  deren  eines  mit  Rattenfäzes,  drei  mit  den  Fäzes  eines 
trichinösen  Schweines  gefüttert  wurden,  drei  infiziert  wurden.  Daß  die 
Infektion  wirklich  von  den  mit  den  Fäzes  abgegangenen  Darmtrichinen 
und  nicht  von  beigemischten,  unverdauten  Muskelteilchen  mit  Muskel- 
trichinen  herrührte,  stellte  H.  dadurch  fest,  daß  er  etwa  2500  Fäzes- 
präparate untersuchte,    in   denen    er  keine  Muskeltrichinen,    dagegen  aber 


—     103    — 

häufig  (namentlich  während  der  ersten  Tage  nach  der  Fütterung)  große 
Mengen  lebender,  trächtiger  Trichinenweibchen,  wie  auch  Trichinenmännchen 
nachzuweisen  vermochte.  Ferner  isolierte  er  eine  Anzahl  trächtiger 
Weibchen  und  erzeugte  durch  deren  Verfütterung  die  Trichinose.  Eben- 
falls zeigte  H.,  daß  die  in  den  Fäzes  nachgewiesenen  Weibchen  besonders 
während  der  ersten  Tage,  nachdem  ein  Tier  Muskeltrichinen  aufgenommen 
hat,  in  größeren  Mengen  abgehen  (in  einem  Falle  ließen  sie  sich  noch 
zehn  Tage  später  nachweisen),  und  daß  große  Mengen  von  Darmtrichinen 
frei  im  Darminhalt,  also  nicht  an  die  Darmwand  angeheftet,  liegen.  — 
Die  Darmtrichinen  können  sich  auch,  nachdem  sie  abgegangen  sind,  bis 
zu  einem  Monat  außerhalb  des  Tieres  in  feuchten  Fäzes  lebendig  erhalten, 
selbst  wenn  die  Fäzes  in  Fäulnis  übergegangen  sind.  Das  Eintrocknen 
tötet  sie  in  kurzer  Zeit.  Von  Interesse  ist  ferner  der  vom  Verf.  gelieferte 
Nachweis,  daß  die  Darmtrichinen  durch  den  Magensaft  getötet  und  zum 
Teil  aufgelöst  werden,  und  zwar  schon  nach  Verlauf  weniger  Stunden, 
so  daß  er,  selbst  wenn  eine  Ratte  mit  zahlreichen  lebenden  Trichinen- 
weibchen gefüttert  wurde,  drei  Stunden  später  nur  noch  Überreste  derselben 
in  mehr  oder  weniger  aufgelöstem  Zustand  im  Mageninhalt  fand.  H. 
glaubt  ferner  festgestellt  zu  haben,  daß  die  Embryonen  imstande  sind, 
die  Darmwand  aktiv  zu  durchbohren,  eine  Annahme,  die  auch  deshalb  nicht 
unwahrscheinlich  ist,  weil  sich,  den  früheren  Ansichten  widersprechend, 
an  den  beobachteten  Embryonen  eine*  pfriemenförmige  Verlängerung  nach- 
weisen ließ,  die  sich  äußerst  lebhaft  von  der  einen  Seite  nach  der  anderen 
bewegte  und  die  Verf.  als  Bohrapparat  deutet.  Ob  die  Embryonen  dem 
Magensaft  gegenüber  widerstandsfähig  sind  oder  ob  sie,  von  den  Über- 
resten des  Körpers  des  Weibchens  umgeben  und  beschützt,  in  den  Darm 
gelangen,  muß  nach  H.s  Untersuchungen  noch  dahingestellt  bleiben. 

Nach  H.  hat  man  mit  den  trichinösen  Fäkalien  als  einer 
sehr  wichtigen  Infektionsquelle  zu  rechnen,  während  man  diese 
bisher  nicht  beachtete.  Die  Ratten  sind  ja  in  hohem  Grade  für  Trichinen 
empfänglich  und  häufig  mit  solchen  behaftet.  Dadurch,  daß  sie  ihre 
Kameraden  fressen  (was  ja  häufig  geschieht),  verbreitet  sich  bei  ihnen 
die  Trichinose.  Sie  bewirken  das  Verbleiben  der  Parasiten  in  der  be- 
treffenden Örtlichkeit.  Da  die  Ratten  oft  in  großer  Zahl  in  Schweineställen 
hausen,  so  können  ihre  Exkremente,  wenn  diese  Trichinen  enthalten,  wie 
auch  die  Exkremente  trichinöser  Schweine  eine  wichtige  Infektionsquelle 
bilden,  zumal  da  die  Trichinen  sich  etwa  einen  Monat  lang  lebens- 
fähig erhalten  können,  sofern  Feuchtigkeit  vorhanden  ist  (und  dies  ist  im 
Schweinestall  ja  wohl  immer  der  Fall).  —  Außer  der  Vertilgung  der 
Ratten  und  der  Isolierung  frisch  angekaufter  Schweine  wird  möglichste 
Reinhaltung  der  Schweineställe  künftig  eine  wichtige  Maßregel  zur  Be- 
kämpfung der  Trichinen  sein.  L.  Bahr  (Kopenhagen). 


—     104    — 

Höyberg,   H.  M.,   Fütterungsversuche   mit  trichinösen   Fäkalien. 
(Zentralbl.  f.  Bakt.  etc.,  I.  Abt.,  Orig.,  Bd.  41,  S.  210—211.) 

In  einer  vorläufigen  Mitteilung  berichtet  H.y  daß  er  den  Beweis 
erbracht  habe,  daß  Tiere,  die  mit  Trichinen  behaftet  sind,  durch  ihre 
Fäkalien  andere  anzustecken  vermögen.*)  Orabert  (Berlin). 

Montgomery,  R.  E.,   Observations  on  Bilharziosis  among  animals 
in  India. 
(The  Journ.  of  Tropical  Vet-Science,  Vol.  1,  1906,  Heft  1.) 

H.  hat  bei  Pferden  und  Eseln  in  Indien  häufig  Bilharziosis  nach- 
gewiesen. Da  das  Leiden  auch  in  höher  gelegenen  Gegenden  mit  niedriger 
Temperatur  beobachtet  wird,  erklärt  er  es  nicht  für  ausgeschlossen,  daß 
Bilharziosis  durch  Parasitenträger  nach  Europa  verschleppt  werden  könnte. 

Die  Art  Schistosomum  gehört  zur  Familie  der  Distomiden.  Bisher 
sind  als  Parasiten  bei  Säugetieren  drei  Arten  beschrieben  worden: 

1.  Seh.  haematobium  (v.  Siebold)  beim  Menschen.  2.  Seh.  bovis 
(Sonsino)  bei  Rindern  und  Schafen.  3.  Seh.  japonicum  (Eatsurada)  (Seh. 
Cattoi  [Blanchard])  bei  Menschen  und  Katzen  in  Asien.  Der  Parasit 
wurde  zuerst  durch  Bilharz  im  Jahre  1851  in  der  Portal vene  eines 
Egypters  in  Kairo  nachgewiesen.  Die  ursprüngliche  Bezeichnung  Disto- 
mum  haematobium  wurde  durch  Cobbold  1859  durch  Bilharzia  haema- 
tobia  ersetzt;  letztere  Bezeichnung-  ist  auf  Anregung  Weinlands  aus 
Prioritätsgründen  allgemein  durch  die  Artbezeichnung  Schistosomum 
ersetzt  worden. 

Der  Parasit  findet  sich  besonders  in  der  Portalvene.  Seine  pathogene 
Wirkung  äußert  sich  vornehmlich  in  Stanungserscheinungen  im  Gebiete 
der  Pfortader.  Charakteristisch  sind  auch  Hämorrhagien  in  der  Schleim* 
haut  des  Dickdarmes,  sowie  der  Harnblase. 

Im  zweiten  Heft  derselben  Zeitschrift  beschreibt  Verf.  noch  folgende 
in  Indien  beobachtete  Schistosomiden :  Schist.  Bomfordi  n.  sp.  und  Schist. 
spinalis  n.  sp.  und  Seh.  indicum.  Kaestner  (Berlin). 

Koch,  M.,  Zur    Kenntnis    des    Parasitismus    der    Pentastomen. 
Biologische    und    experimentelle    Untersuchungen    über 
den    Parasitismus   der   Linguatula    rhinaria  Pilger    und 
ihrer  Larven. 
(Arbeiten  aus  dem  Pathologischen  Institut  zu  Berlin,  Berlin  1906,  S.  288 — 348.) 

K.  fand  in  Berlin  die  Linguatula  rhinaria  bei  6,67  %  der  unter- 
suchten 75  Hunde;  abgekapselte  und  verkalkte  Larven  wurden  bei  der 
Sektion  von  400  erwachsenen  Menschen  in  11,75  %  der  Lebern  nach- 
gewiesen. 


*)  Vgl.  das  vorstehende  Referat  über  die  ausführliche  Arbeit  Höybergs, 


—     105     — 

Den  Entwicklungsgang  untersuchte  E.  experimentell,  durch  Verab- 
reichung von  Larven  an  mehrere  Hunde  und  durch  Verftttterung  von 
Eiern  an  eine  größere  Zahl  von  Meerschweinchen,  Kaninchen,  Ratten  und 
Mäusen. 

Bei  uns  vollzieht  sich  der  den  Bestand  der  Art  gewährleistende  Kreislaut 
zwischen  Hund  einerseits  und  Hase,  Kaninchen,  Ziege,  Schaf  sowie  Rind  anderer- 
seits. Die  Eier  gelangen  mit  dem  Nasenschleim  des  Hundes  oder,  wenn  sie 
verschluckt  werden,  mit  dem  Kot  nach  außen  und  auf  vegetabilische  Nahrungs- 
mittel. Im  Darm  der  Zwischen wirte  schlüpfen  die  Larven  aus  und  dringen  in 
die  Lymph-  sowie  die  Blutgefäße  der  Darmwand  ein.  Auf  dem  Wege  der 
Lymphbahn  gelangen  sie  in  die  Mesenterialdrüsen,  wo  ein  Teil  sich  festsetzt, 
während  andere  in  den  Ductus  thoracicua  und  durch  Vermittlung  der  Blut- 
bahn weiter  in  die  Lungen  geführt  werden.  Die  in  die  Blutgefäße  einge- 
drungenen Larven  kommen  durch  die  Vena  portarum  in  die  Leber,  einige  — 
in  .verkehrter"  Richtung  in  die  Gefäße  eingewanderte  —  setzen  sich  unter 
dem  serösen  Überzug  des  Darmes,  der  Milz  oder  der  Nieren  fest  In  den 
Organen  werden  die  Larven  durch  eine  von  den  Gewebwi  des  Zwischenwirtes 
gebildete  Kapsel  umschlossen  In  sechs  Monaten  ist  die  Larve  nach  neun- 
facher Häutung  fertig  ausgebildet.  Ein  Teil  der  Larven  sprengt  dann  — 
beim  Menschen  nicht  —  unter  Erzeugung  von  Blutungen  die  Kapsel  und  gelangt 
in  die  serösen  Höhlen  oder  in  das  Lumen  des  Darmes  oder  der  Bronchen. 
Mit  den  Organen  des  Zwischenwirtes  kommen  die  Larven  in  den  Magen  des 
Hundes,  von  wo  sie  vermittelst  ihrer  Haken  und,  unterstützt  durch  ihr  Stachel - 
kleid,  durch  den  Ösophagus  nach  Mund-  und  Nasenhöhle  emporsteigen.  Direkte 
Auraahme  der  Larven  in  die  Nasenhöhle  gehört  zu  den  Seltenheiten. 

Das  spärliche  Vorkommen  der  erwachsenen  Form  bei  Pflanzenfressern 
und  beim  Menschen  —  ein  Fall  beobachtet  —  kann  erklärt  werden  durch 
Autoinfektion  (direkte  Entwicklung)  oder  aber  durch  direkte  Aufnahme  der 
ziemlich  widerstandsfähigen  erwachsenen  Larven. 

Die  Fleischbeschau  hat  die  Verbreitung  des  Parasiten  bisher  nicht 
eingedämmt.  K.  glaubt  deshalb,  daß  die  Hunde  zumeist  infiziert  werden 
bei  Hausschlachtungen  von  Ziegen  und  Kaninchen  sowie  beim  Aufbrechen 
von  Wild  (Hasen,  Rehe);  auch  hält  er  es  für  möglich,  daß  Ratten  nnd 
Mäuse  Zwischenträger  sind.  F.  Schmitt  (Stettin). 

Le  Maitre,  Sur  la  Spiropterose  oesophagienne  des  chiens  du  Sud 

Tunesien. 

(Recueil  de  med.  v6t.,  Bd.  83,  1906,  S.  17-24.) 
Neben  anderen  sehr  mörderischen  Hundekrankheiten  kommt  in 
Sudtunis  besonders  im  Frühling  und  Sommer  oben  bezeichnete  Krankheit 
vor,  die  unter  Erscheinungen  von  Keuchhusten,  Brechreiz,  und  Kachexie 
in  30%  der  beobachteten  Fälle  zum  Tode  führt.  Als  Zwischenwirt  der 
Spiroptera  sanguinolenta  wird  die  Schabe  (Blatta)  angesehen.  Im  Öso- 
phagus finden  sich  meist  an  der  Kreuzungsstelle  von  Phrenikus  und  Vagus 


—     106    — 

ein  oder  mehrere  Knoten  bis  Nußgröße,  die  die  Parasiten  enthalten. 
Die  manchmal  beobachteten  nervösen  Erscheinungen  führt  Verf.  neben 
spezi  li  scher  Toxinbildung  der  Parasiten  zum  Teil  auf  diesen  typischen 
Sitz  zurück,  der  einen  Druck  auf  vorstehend  genannte  Nerven  wahr- 
scheinlich macht.  Junack  (Breslau). 

Krönmg,  Die  Gastruslarvenkrankheit  der  Pferde  in  ihrer  Be- 
deutung für  die  Fohlenaufzucht,  besonders  veredelter 
Zuchten. 

(Zeitschr.  f.  Vet.-Kunde,  18.  Jahrg.,  1906,  S.  202-211.) 

Der  Gastruslarvenkrankheit  der  Pferde  und  Fohlen  ist  eine  größere 

Hciichtung  zu  schenken,  als    sie  bisher  gefunden  hat.    K.  beobachtete  sie 

bei  fünf  Pferden  und  26  Fohlen.     Von  letzteren  sind  drei  gestorben.    Die 

übrigen  sind  nach  rechtzeitiger  Anwendung  von  Schwefelkohlenstoff  genesen. 

Orabert  (Berlin}. 

Lfngard,  A.>   Flag^llates    found   in   the   gastro-intestinal   tracts 
of  the  horse-leech,  Haemopis  sanguisuga. 
(The  Jonrn.  of  Tropical  Vet-Science,  Vol.  1,  1906,  S.  301—315.) 
Verf.  beschreibt,    unter  Beifügung  schöner  Abbildungen,    ausführlich 
die  im  Darm  des  oben  genannten  Blutegels  aufgefundenen  Flagellaten. 

Kaestner  f Berlin J. 

Theiler,  A.f  Trypanosomiasis  in  the  camel. 

(The  .Tourn.  of  Tropical  Vet-Science,  Vol.  1,  1906,  S.  293—300.) 
Th.  beschreibt  Surra  oder  Mbori  bei  einem  Transport  von  Kamelen, 
der  vom  Somalilande  nach  Pretoria  gebracht  wurde.       Kaestner  (Berlin). 

Lingard,  A.,  A  new  species  of  trypanosoma  found  in  the  blood  of 

rats,  together   with  a  new   metrical  method  of  standar- 

dizing  the  measurements  of  trypanosomata. 

vThe  Journ.  of  Tropical  Vet-Science,  Vol.  1,  1906,  Nr.  1.) 

L.  beschreibt   eine  neue  Trypanosomenart  (Tryp.  longocaudense)  im 

iHf     einer  Ratte    (Mus    niveiventer).    Die  Art    ist   ausgezeichnet  durch 

Mosit«  je  einer  Geißel  am  vorderen  und  hinteren  Körperende.     Gleich- 

l  r  i  jjr  ^ibt  Verf.  eine  neue  Methode  zur  Maßbestimmung  der  Trypanosomen  au. 

Kaestner  (Berlin/. 

Pease,  H.  T.f  Tibarsa,  Surra,  Trypanosomiasis  in  the  cattle. 

^The  .fttiiru.  of  Tropical  Vet-Science,  Vol.  1,  1906,  Nr.  2.) 

Tibarsa    oder  Trypanosomiasis    ist   bei  Kamelen  in  Indien  sehr  ver- 

Die    speziellen  Krreger   sind    auf   andere  Haustierarten,    wie  die 

kparasiten.  ebenso  auf  kleine  Versuchstiere  überimpfbar.     Das  Leiden 

wahrscheinlich      identisch      mit     der     von     den     Brüdern     Sergent 

rwbeneu    Trypanosomiasis    der    Kamele    in    Xordafrika.      Die    Ein- 

nen  bezeichnen  das  Leiden,  sowie  die  Tabanusart,  die  als  Zwischen- 


—     107     — 

träger  angesehen  wird,  als  „El  Debab".    Als  Träger  der  Infektion  kommen 
in  Betracht  Tabanns    (Atylotus)  nemoralis  und  Tab.  tomentosns. 

Kaestner  (Berlin) . 

van    Durme,    P.f    Über    Trypanosomiasis.      Die    Verteilung    der 
Trypanosomen  in  den  Organen. 
(Annal.  de  la  Societe  de  Med.  de  Gand,  Bd.  85,  1905,  H.  5.) 

Auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen  am  Kaninchen  kommt 
der  Verf.  zu  folgenden  Resultaten: 

Beim  Studium  einiger  Trypanosomiasen  fällt  das  Mißverhältnis 
zwischen  der  Schwere  der  Symptome  und  der  geringen  Anzahl  nachweis- 
barer Parasiten  auf.  Man  könnte  deshalb  annehmen,  daß  die  Trypanosomen 
Toxine  absondern  oder  sich  nur  an  bestimmten  Körperstellen  vermehren. 
Zählungen  der  Trypanosomen  hatten  folgendes  Ergebnis: 

1.  Naianatrypanosomen  sind  bei  Kaninchen  zahlreicher  als  die  Blut- 
untersuchung  vermuten  läßt. 

2.  Mehr  oder  weniger  zahlreiche  Trypanosomen  lokalisieren  sich  in 
Hoden,  Nebenhoden,  Lymphdrüsen,  Konjunktiva,  Nasenschleimhaut 
und  den  Ödemen.  Gerade  die  genannten  Organe  weisen  hauptsächlich 
funktionelle  Störungen  auf. 

3.  Lebende  Trypanosomen  finden  sich  nicht  in  Leber,  Nieren,  Neben- 
nieren, Lungen,  Gehirn,  Rückenmark,  Tränendrüsen,  Thymusdrüse, 
Knochenmark  und  Ovarien  Dausel  (Berlin}. 

Heller,   J.,  u.    Rabinowitsch,   L.,    Einige    Mitteilungen    über    die 
•    praktisch-diagnostische     Verwertbarkeit     der    Unter- 
suchung auf  Spirochaete  pallida. 
(Die  medizin.  Klinik,  1906.) 
Rabinowitsch  bemerkt  in  dieser  Arbeit,    daß  sie,    angeregt  durch 
die  Arbeit  Schaudinns,    „Generations-   und  Wirtswechsel   bei   Trypano- 
soma  und  Spirochaete'4,  einen  Zusammenhang  zwischen  der  bei  menschlicher 
Syphilis   gefundenen  Spirochaete   und   den  Trypanosomen   der   Beschäl- 
seuche  vermutete.    Bei   ihren   vergleichenden  Untersuchungen   fand   sie 
jedoch  weder  bei  der  Beschälseuche  Entwicklungsformen  der  Trypanosomen, 
die  Spirochaeten  glichen,   noch  bei  menschlicher  Syphilis  Gebilde,   die  als 
Trypanosomen  hätten  gedeutet  werden  können.  J. 

Theller,  La  Piroplasmose  complication  de  la  peste  du  cheval. 
(Revue  gen.  de  med.  vet,  1906,  S.  178—181.) 
Analog  wie  bei  den  Rinderpestimpfungen  beobachtete  Th.  auch 
bei  den  Immunisierungsversuchen  gegen  Pferdesterbe  Ausbrüche  von  Piro- 
plasmose beim  Pferde.  Teils  waren  die  Piroplasmen  mit  dem  frischen,  etwas 
bluthaltigen  Pferdesterbeserum  übertragen  worden;  Th.  empfiehlt  deshalb, 
ganz  klares  oder  älteres  Serum  zu  verwenden,  weil  in  diesem  die  Piroplasmen 


—     108     — 

fehlen  oder  abgestorben  sind,  während  sich  das  Pferdesterbevirus  während 
mehrerer  Jahre  erhält.  Teils  hatten  die  Tiere  schon  früher  die  Piroplas- 
mose überstanden;  dieselbe  flackerte  aber  wieder  nach  Pferd  esterbeimpfungen 
auf  und  führte  sogar  in  einem  Falle  zum  Tode.  Für  die  zunächst  gegen 
Piroplasmose  immunisierten  Pferde  hält  Th.  die  Gefahr  bei  einer  sekun- 
dären Pferdesterbeimmunisierung  für  größer.  Er  empfiehlt  deshalb,  alle 
importierten  Tiere  zuerst  gegen  Pferdesterbe  und  dann  gegen  Piroplasmose 
zu  immunisieren.  Junack  (Breslau), 

Loewit,   Über  Haemamoeba  leucaemiae  magna. 

(Verhandl.   der  Deutschen  Patholog.  Geseilsch.    9.  Tagung,  gehalten   in 

Meran  vom  24.  bis  27.  Sept.  1905,  8.  40.) 
In  einem  nach  Giemsa  gefärbten  Blutpräparat  fand  L.  ein  extra- 
zellulär liegendes,  einen  Kern  enthaltendes  Gebilde,  das  sich  durch  Färbung 
und  Form  (Sichelform)  von  den  übrigen  Bestandteilen  des  Blutes  unter- 
scheidet. Derartige  Gebilde  fand  L.  in  noch  zwei  anderen  Fällen  von 
Myelämie  vor.  Außer  den  typischen  extrazellulären  Sicheln  wurden  an 
manchen  leukozytären  Elementen  noch  analog  gefärbte  Rundformen  ge- 
funden, von  denen  häufig  ein  oder  zwei  breitere  Fortsätze  ausgingen. 
L.  spricht  diese  beiden  Arten  von  Gebilden  als  zum  Formenkreis  der 
Haemamoeba  leucaemiae  magna  gehörig  an.  Larisch  (Berlin). 

Irons,  E.  E.,  u.  Graham,  E.  A.v  Generalized  Blastomycosis. 
(The  Journ.  of  Infectious  Diseases,  Vol.  3,  19  <J,  S.  Go6— 682.) 

Verfi'.  beschreiben  einen  Fall  von  Blastomykosis  oder  Oidiomykosis 
bei  einem  47  Jahre  alten  Manne.  Der  Fall  verlief  nach  einer  zehnmonat- 
Helien  Krankheitsdauer  tödlich. 

Das  Leiden  äußerte  sich  durch  miliare  und  ulzerative  Herde  in  den 
Lungen,  miliare  Blastomykosis  der  Milz  und  durch  Bildung  multipler  ober- 
flächlicher und  tiefer  Abszesse.  Der  Nachweis  der  Blastomyzcten  wurde  schon 
bri  Lebzeiten  des  Patienten  durch  Ausstrich,  Kultur  und  Verimpf  ung  erbracht. 
Bai  Meerschweinchen  bildete  sich  nach  Überimpfung  eine  mehr  oder  weniger 
lokalisiert  bleibende  und  in  einem  Falle  auch  generalisierte  Blastomykosis  aus. 

Kaestner  (Berlin). 


Hygiene  im  engeren  Sinne. 

Fingerling,  G.f  Einfluß  fettreicher  und  fettarmer  Kraftfutter- 
mittel  auf  die  Milchsekretion  bei  verschiedenem  Grund- 
furter. 

{IXiv  Landwirtschaft!.  Versuehsstat,  Bd.  04,  1906,  S.  300-412.) 
Durch   die  Versuche    Morgens    und    seiner   Mitarbeiter   hatte    sich 

ergeben,    daß  die  Milch  sowohl  qualitativ  wie  quantitativ  von  dem  in  der 


—     109    — 

Nahrung  gereichten  Fett  abhängig  ist,  und  daß  namentlich  der  Fettgehalt 
der  sezernierten  Milch  gesteigert  wird.  Diese  Steigerung  war  jedoch  an 
bestimmte  Grenzen  der  Fettzufuhr  gebunden  und  machte  sogar  oft  einer 
Depression  Platz,  sobald  der  Fettgehalt  der  gereichten  Kation  1  kg  pro 
1000  kg  Lebendgewicht  wesentlich  überschritt.  Aufgabe  der  neuen  Ver- 
suche war  es,  weitere  Belege  für  diese  anscheinende  Gesetzmäßigkeit 
dadurch  herbeizuschaffen,  daß  diese  Frage  unter  Zugrundelegung  eines 
wirtschaftlichen  und  in  der  landwirtschaftlichen  Praxis  häufig  vor- 
kommenden Futters  mit  hohem  und  niedrigem  Fettgehalt  in  den  zu  ver- 
abfolgenden Rationen  studiert  wurde.  Beregnetes  und  unberegnetes  Heu 
mit  Zulage  von  Gerstenfuttermehl  als  fettarmes  und  Reismehl  als  fettreiches 
Kraftfuttermittel,  sowie  ein  Gemisch  von  Heu-Stroh  und  Schnitzeln  unter 
Zuhilfenahme  derselben  Kraftfuttermittel  dienten  als  Versuchsfutter.  Für 
die  Wahl  des  Grundfutters  war  der  Fettgehalt  maßgebend.  Durch  An- 
wendung der  oben  genannten  Kraftfuttermittel  konnte  der  Fettgehalt  der 
Rationen  beliebig  variiert  werden.  Die  zahlreichen  Versuche  des  Verf. 
zeigten  als  hervortretende  Erscheinung  eine  einseitig  stei- 
gernde Wirkung  des  Nahrungsfettes  auf  die  Produktion  des 
Milchfettes.  Durch  Austausch  des  fettärmeren  Kraftfuttermittels  gegen 
ein  fettreicheres  vermag  man  den  Fettgehalt  der  Milch  sowohl  absolut  wie 
auch  prozentisch  zu  steigern. 

Durch  Beigabe  eines  fettreichen  Kraftfutters  war  es  möglich,  selbst 
minderwertiges  und  für  die  Ernährung  von  Milchvieh  wenig  geeignetes 
Futter  in  seiner  Wirkung  auf  die  Milchabsonderung  so  zu  steigern,  daß 
es  normalem  Futter  sehr  nahe  kam,  in  bezug  auf  das  Milchfett  dieses  sogar 
übertraf. 

Wichtig  ist  weiterhin,  daß  die  Versuche  wiederum  die  große  Bedeu- 
tung eines  gewürzreichen  Futters  für  <iie  Fütterung  der  milchgebenden 
Tiere  dartun,  indem  dieses  gerade  die  Produktion  von  Milchfett  steigern 
kann.  Dem  Landwirt  stehen  genügend  Hilfsmittel  in  einer  natürlichen 
Futtermischung  zur  Verfügung,  so  daß  er  nicht  nötig  hat,  seine  Zuflucht  zu 
berüchtigten  Industrieerzeugnissen  (Viehpulvern  usw.)  zu  nehmen. 

Scheunert  f Dresden J. 

Morgen,  A.,  Beger,  C.  u.  Fingerling,  G.f  Wreitere  Untersuchungen 
über  die  Wirkung  der  einzelnen  Nährstoffe  auf  die 
Milchproduktion. 

(Die  Landwirtschaftl.  Versuchsstationen,  Bd.  64,  1906,  S.  93—243.) 
Die  Verff.  haben  mit  der  vorliegenden  Arbeit  die  seit  dem  Jahre  1900 
in  der  Landwirtschaftlichen  Versuchsstation  Hohenheim  ausgeführten  Unter- 
suchungen über  die  Wirkungen  der  einzelnen  Nährstoffe  auf  die  Milch- 
produktion abgeschlossen.  Die  früheren  Versuche  von  1900/03  (Dieselbe  Zeit- 
schrift Bd.  61,  S.  1)  hatten  ergeben,  daß  das  Nahrungsfett  als  ein  besonders 


—     110     - 

geeignetes  Material  für  die  Bildung  von  Milchfett  augesehen  und  ihm  daher 
eine  spezifische  Wirkung  auf  diese  zugeschrieben  werden  muß.  Die  Versuche 
des  Jahres  1904  hatten  dieses  Resultat  bestätigt,  dagegen  bezüglich  des  Pro- 
teins, das  eine  eingehende  Berücksichtigung  bei  diesen  Versuchen  erfahren 
hatte,  gezeigt,  daß  dieser  Nährstoff,  wie  bekannt,  wohl  auf  die  Menge  der  Milch 
und  Milchbestandteile  günstig  einzuwirken,  dagegen  eine  spezifische  Wirkung 
auf  die  Bildung  von  Milchfett  nicht  zu  äußern  vermag.  Die  neuen,  aus 
drei  Versuchsreihen  bestehenden  Untersuchungen  sollten  in  erster  Linie 
neben  der  Wirkung  des  Nahrungsfettes  den  Einfluß  des  Proteins  festlegen 
und  dadurch  die  bei  der  Versuchsreihe  von  1904  erhaltenen  Resultate 
kontrollieren,  da  bei  dieser  die  beiden  Nährstoffe  (Fett  und  Protein)  nicht 
unter  ganz  gleichen  Bedingungen  in  Anwendung  gekommen  waren. 

Wie  bei  den  früheren  Versuchen  dienten  auch  jetzt  wieder  Schafe 
und  Ziegen  als  Versuchstiere.  Anordnung  und  Methodik  derselben  waren  je 
nach  dem  beabsichtigten  Zweck  verschieden  und  schlössen  sich  im  all- 
gemeinen der  bei  ähnlichen  Versuchen  üblichen  an  (vgl.  Original).  Auf 
Grund  der  überaus  gründlichen  und  erschöpfenden  Versuche,  deren  Resultate 
auch  in  zahlreichen  Tabellen  zahlenmäßig  belegt  sind,  gelangen  die  Verif. 
in  der  Hauptsache  zu  folgenden  Schlüssen: 

Durch  Zulage  zu  einem  fett-  und  proteinarmen  in  ungenügender  Menge 
verfütterten  Grundfatter  wurden  folgende  Wirkungen  erzielt: 

1.  Die  Zulage  von  Fett  steigerte  bedeutend  den  Ertrag  von  Milch, 
Milchbestandteilen  und  den  Fettgehalt  der  Milch  sowie  die  Menge  der  Milch- 
trockensubstanz. 

2.  Protein  zugäbe  bewirkte  noch  größere  Steigerung  im  Ertrag  an 
Milch  und  Milchbestandteilen  mit  Ausnahme  des  Fettes,  dagegen  eine  erheb- 
liche Verminderung  des  Gehaltes  der  Milch  und  der  Milchtrockensubstanz 
an  Fett. 

3.  Durch  gleichzeitige  Zulage  von  Fett  und  Protein  wurde  die 
ungünstige  Wirkung  des  Proteins  mehr  oder  weniger  ausgeglichen  und  eine 
mehr  oder  weniger  große  Ertragssteigerung,  sowie  auch  eine  günstige  Beein- 
flussung der  Fettproduktion  hervorgerufen. 

4.  Die  Beschaffenheit  des  Milchfettes  wird  allein  von  der  Fett- 
zulage wie  von  der  Proteinzulage  beeinflußt. 

Das  gleiche  Verhalten  zeigten  beide  Nährstoffe,  wenn  das  Fett  nicht  als 
Zulage,  sondern  als  Ersatz  (in  thermisch  äquivalenter  Menge)  für  Protein  in 
fettarmem  aber  proteinreichem  Futter  gegeben  wurde.  Durch  einen  Ersatz 
eines  Teiles  der  Kohlehydrate  durch  die  thermisch  äquivalente  Menge  Fett 
wird  der  Ertrag  der  Milch  und  besonders  an  Fett  sowie  der  Gehalt  der  Milch 
an  Fett  bedeutend  erhöht.  Den  Wirkungen  von  Reizstoffen  die  in  den 
einzelnen  Futterarten  enthalten  sind,  ist  ebenfalls  ein  Einfluß  auf  die  Qualität 
der  Milch  zuzuschreiben.  Beigabe  von  Lezithin  steigert  den  Ertrag  von  Milch 
und  Milchbestandteilen,  wirkt  aber  auf  die  Fettproduktion  nur  bei  fettarmem 
Futter  günstig  ein. 


—   111   — 

Diese  Resultate  bestätigen  und  ergänzen  die  bei  den  früheren  Unter- 
suchungen gewonnenen.  Die  Verff.  fassen  das  sichergestellte  Gesamtresultat 
ihrer  sechsjährigen  Untersuchungen  in  folgenden  Worten  zusammen: 

Für  die  Ernährung  des  milchgebenden  Tieres  nimmt  unter 
den  drei  organischen  Nährstoffen  das  Nahrungsfett  insofern 
eine  Sonderstellung  ein,  als  ihm  allein  eine  spezifische  Wir- 
kung auf  die  Bildung  von  Milchfett  zukommt;  Protein  und  Kohle- 
hydrate besitzen  eine  solche  spezifische  Wirkung  nicht.  Es  ist 
daher  das  Nahrungsfett  innerhalb  gewisser  Grenzen  ein  ge- 
eigneteres Material  für  die  Bildung  des  Milchfettes  als  die 
beiden  anderen  Nährstoffe.  Scheunert  {Dresden). 

Henriques  V.v   u.  Hansen,  C,  Läßt   sich   durch   Heteroalbumosen 
Stickstoffgleichgewicht  im  tierischen  Organismus  her- 
stellen? 
(Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  48,  1906,  S.  383—386.) 

Sowohl  Dysalbumose   als  auch  Heteroalbumose  vermögen   den  Orga- 
nismus vor  Stickstoffverlust  zu  schützen.  Scheunert  (Dresden). 

Oppenheimer,  C,  Zur  Kenntnis  der  Darmgärung. 

(Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  48,  1906,  S.  240—251.) 
0.  weist  durch  exakte,  unter  möglichstem  Ausschluß  von  Fehler- 
quellen ausgeführte  Versuche  nach,  daß  bei  der  Darmgärung  der 
mit  gewöhnlicher  Kost  genährten  Pflanzenfresser  Stickstoff 
nicht  auftritt.  Hingegen  kommen  im  Darm  der  Pflanzenfresser  denitri- 
fixierende  Bakterien  vor,  die  schon  Jensen  (in  Lafar,  Techn.  Mykol., 
Jena  1904,  S.  188)  im  Kote  konstant  fand,  und  die  imstande  sind,  freien 
Stickstoff  aus  den  etwa  in  der  Nahrung  vorhandenen  Nitriten  abzuspalten. 

Scheunert  (Dresden). 

Schreiber,   Enteisenung  bei  Einzelbrunnen   nach  dem  Verfahren 
der  Firma  Deseniß  &  Jacobi  in  Hamburg. 
(Mitteil.  d.  Kgl.  Prüfüngsanst.  f.  Wasserversorg.  u.Abwässerbeseit,  1905,  H.6.) 
Verf.    prüfte    die    von.  genannter   Firma    hergestellte     sogenannte 
Bastardpumpe   an   einem  Brunnen,    dessen  Rohwasser  5,5—7,5  mg  Eisen- 
verbindungen im  Liter  enthielt.    Mit  dieser  Pumpe  erzielte  er  Reinwasser 
von  höchstens  0,3  mg  Eisen  im  Liter,   womit   sie  den  gestellten  Anforde- 
rungen vollkommen  genügte.  Dausel  (Berlin). 

Darras,  A  propos  des  Haricots-poisons. 

(Rec.  de  med.  vet,  Bd.  83,  1906,  S.  310—312.) 

D.  hat  nach  Verfütterung   von  sogenannten  Birmabohnen   (feves  de 
Birmanie)   zwei  Todesfälle   bei  Pferden  unter   akuten  Kolikerscheinungen 


—     112     — 

beobachtet.  Die  Todesfälle  waren  einmal  bei  der  Vermengung  mit  der 
15  fachen  and  einmal  bei  der  Vermengung  mit  der  60  fachen  Menge  Körner- 
futters eingetreten. 

Dechambre  bemerkt  zu  diesen  Beobachtungen  in  der  französischen 
Zentralgesellschaft  für  Veterinärmedizin,  daß  die  Birmabohne  nicht  mehr 
von  der  giftigen  Blausäure  enthält  als  andere  ausländische  und  inländische 
Bohnensorten,  die  ohne  Schaden  verfuttert  werden.  Nach  seiner  Meinung 
handelte  es  sich  in  den  Fällen  von  D.  entweder  um  eine  besonders  giftige 
neue  Bohnensorte  oder  um  mangelhafte  Mischung  mit  dem  Körnerfutter, 
so  daß  einzelne  Tiere  größere  Bohnenmengen  aufnahmen. 

Junack  ( Breslau J 


Lehrbücher,  Handbucher,  Zeitschriften. 

Ellenberger,  W.,  Handbuch   der  vergleichenden   mikroskopischen 

Anatomie  der  Haustiere.    (Bd.  1.) 

(Berlin  [Parey]  1906.) 
Die  meisten  der  als  Handbücher  bezeichneten  großen  Sammelwerke 
stellen  gewöhnlich  zusammenfassende  Übersichten  bereits  anderweit  publi- 
zierter Forschungsergebnisse  dar.  Das  vorliegende  Handbuch  ist  mehr  als 
das.  Es  bietet  in  erschöpfenden  Monographien  wesentlich  die  Ergebnisse 
neuer  eigener  Forschungen  der  verschiedenen  Mitarbeiter.  Die  einzelnen 
Beiträge  sind  also  gewissermaßen  Originalarbeiten.  Eine  Reihe  hervor- 
ragender Veterinäranatomen  haben  sich  unter  Ellenbergers  Führung 
zusammengefunden,  um  hier  ein  Werk  zu  schaffen,  das  einzig  auf  dem 
Gebiet  der  Histologie  in  Human-  und  Veterinärmedizin  dasteht.  Es  gibt 
über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Kenntnisse  vom  Bau  der  Organe  der 
Haustiere  vollen  Aufschluß  und  ermöglicht  es,  sich  über  alle  histologischen 
Einzelheiten  eingehend  zu  orientieren.  Daher  ist  das  Werk  für  alle  die- 
jenigen, die  auf  normal-  und  pathologisch-histologischem  Gebiet  forscherisch 
tätig  sind,  unentbehrlich.  Genaue  Literaturverzeichnisse,  die  jedem  Kapitel 
beigegeben  sind,  sowie  zahlreiche  vortreffliche  Abbildungen  —  größtenteils 
Originale  —  machen  das  Handbuch  um  so  wertvoller.  Bis  jetzt  liegt  der 
erste  Band  des  Werkes  vor,    der  zweite  (Schluß-)  Band  soll  bald  folgen. 

J. 


Originalarbeiten. 


(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule 

zu  Berlin.) 

Weitere  Untersuchungen   über   die  Filtrierbarkeit  des 
Virus  der  Schweineseuche  und  der  Schweinepest. 

Nebst  Bemerkungen   über  die  Bekämpfung  der  Schweinepest  durch 
sogenannte  Schweinepestsera. 

Von 
Prof.  Dr.  K.  Ostertag  und  Repetitor  Dr.  A.  Stadie. 

In  einer  Erwiderung  auf  eine  Mitteilung  von  Hutyra*)  über 
eine  die  Frage  der  Filtrierbarkeit  des  Virus  der  Schweineseuche 
betreffende  Untersuchung  ist  von  Ostertag**)  schon  darauf  hin- 
gewiesen worden,  daß  im  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen 
Hochschule  zu  Berlin  bereits  im  Jahre  1903  Versuche  über  die 
Filtrierbarkeit  des  Ansteckungsstolfes  der  Schweineseuche  und  so- 
fort nach  dem  Bekanntwerden  der  Arbeiten  von  de  Schweinitz 
und  Dorset***)  über  die  Natur  des  Ansteckungsstoffes  der  ameri- 
kanischen Hogcholera  auch  solche  über  die  Filtrierbarkeit  des  An- 
steckungsstoffes der  Schweinepest  angestellt  worden  seien. 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  auch  an  dieser  Stelle  erwähnt,  daß 
über  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  über  die  Frage  der  Durch- 
gängigkeit des  Ansteckungsstoffes  der  Schweinesenche  durch  Filter 
von  Pützf)  im  Jahre  1904  und  von  Stadieff)  im  vorigen  Jahre 

•)  BerL  tierärztl.  Wochenschr.  1906,  Nr.  32. 
**)  Ebenda  1906,  Nr.  34. 

***)  Zirkular   Nr.   41   und    43   des   „U.   S.  Bureau    of  animal   Industry" 
Washington  1904. 

t)  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhygiene  1904,  S.  365. 
tt)  Diese  Zeitschr.  I.  Bd.,  S.  376-378. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  S/3.  8 


—     114     — 

berichtet  worden  ist.  Das  Ausgangsmaterial,  das  zu  den  letzteren 
Versuchen  gedient  hat,  stammte  von  künstlich  mit  Reinkulturen  von 
Schweineseuchebakterien  infizierten  Ferkeln,  das  Ausgangsmaterial 
zu  den  Versuchen  dagegen,  die  von  Pütz  mitgeteilt  worden  sind, 
von  Schweinen  aus  zwei  verschiedenen,  durch  Schweineseuche  ver- 
seuchten Beständen,  aus  denen  Tiere  dem  Institut  zur  genaueren 
Untersuchung  eingesandt  worden  waren.  In  beiden  Fällen  handelte 
es  sich  um  chronische  Schweineseuche.  In  dem  einen  Falle 
(Servatius)  bestanden  hepatisierte  Herde  in  den  beiden  Herzlappen, 
im  zweiten  (Bauditten)  Hepatisation  der  beiden  Spitzen-  und  Herz- 
lappen und  nekrotische  Herde  im  Bereich  der  hepatisierten  Stellen. 
Letztere  Lunge  wurde  unmittelbar  zur  Herstellung  des  Filtrates  ver- 
wandt, die  erstere  ist  zunächst  zur  intrapulmonalen  Infektion  zweier 
Ferkel  benutzt  worden,  die  hierauf  in  typischer  Weise  erkrankten 
(Hepatisation  der  Spitzen-  und  Herzlappen,  sowie  an  den  vorderen 
Teilen  der  Zwerchfellappen,  bei  einem  Ferkel  bestand  außerdem 
Pleuritis  adhaesiva)  und  deren  Lungen  dann  zu  dem  Versuch  mit 
filtriertem  Lungensaft  verwandt  worden  sind.  Von  den  vier  mit  fil- 
triertem Lungensaft  geimpften  Ferkeln  zeigte  eines  bei  der  Tötung- 
die  anatomischen  Veränderungen  der  Schweineseuche,  während  die 
übrigen  drei  sich  als  vollkommen  frei  von  jeglichen  Veränderungen 
erwiesen.  Mit  Rücksicht  auf  den  Befund  bei  den  letzteren  drei 
Schweinen  war  anzunehmen,  daß  es  sich  bei  dem  erkrankten  Ferkel 
um  eine  Infektion  gehandelt  hat,  die  mit  der  Einimpfung  des 
filtrierten  Lungensaftes  nicht  im  Zusammenhang  stand. 

Hutyra  hat  als  Ausgangsmaterial  für  seinen  Versuch  Blut  und 
Lungensaft  eines  zweijährigen  Schweines  benutzt,  das  wegen  schwerer 
akuter  Erkrankung  notgeschlachtet  wurde,  und  bei  dem  nach  der 
Schlachtung  eine  „kruppös-katarrhalische  Pneumonie,  graurote  Hepa- 
tisation mit  seröser  Infiltration  der  interlobulären  Septa  und  akute 
Schwellung  der  Lymphdrüsen44  festgestellt  wurden.  Die  Versuchs- 
ferkel Ia,  IIa,  üb,  II c  wurden  mit  Filtrat  von  verdünntem  Blut- 
serum, das  Ferkel  Ib  mit  Filtrat  von  verdünntem  Lungensaft  sub- 
kutan geimpft.  Die  Ferkel  Ia,  Ib  erhielten  Material  des  not- 
geschlachteten Schweines,  die  übrigen  Material  vom  Ferkel  Ib,  das 
während  der  fieberhaften  Erkrankung  entnommen  war.  Die  Ferkel  Ia, 
IIa  wurden  nach  25  und  13  Tagen  getötet,  Ferkel  IIc  —  ein  zwei 
Wochen  altes,  4  kg  schweres  Tierchen  —  ist  nach  sechs  Tagen 
gestorben.  Alle  Versuchsferkel  sind  fieberhaft  erkrankt,  die  Ferkel  Ia. 


—     115     — 

Ib  und  Ha  haben  außerdem  Durchfall  gezeigt.  Die  Sektion  ergab  bei 
Ferkel  Ia  „an  den  Rändern  des  vorderen  Lungenlappens  stellenweise 
graurote  Hepatisation,  in  der  Nähe  des  oberen  Randes  der  rechten 
Lunge  einige  kleine  nekrotische  Herde"  (mit  bipolaren  Bakterien), 
in  der  Schleimhaut  des  Dickdarmes  waren  die  Follikel  „bis  linsen- 
groß mit  zentralen  Eiterpfropfen"  (mit  Befund  von  Streptokokken). 
Ein  ähnlicher  Befund  wurde  bei  Ferkel  IIa  erhoben,  bei  dem  außer- 
dem punktförmige  Blutungen  in  der  Rindensubstanz  der  Nieren  er- 
mittelt wurden.  Bakteriologischer  Befund  in  den  Lungen:  Bipolare 
Bakterien  und  solche  vom  Typus  des  Kolonbazillus,  im  Blut  und  in 
den  Gekrösdrüsen  ausschließlich  letztere.  Beim  Ferkel  He  endlich 
wurden  die  Erscheinungen  einer  Septikämie  mit  punktförmigen 
Blutungen  im  Epikard,  in  der  Pleura  visceralis  und  in  der  Rinden- 
schicht der  Nieren,  sowie  mäßige  Schwellung  der  Milz  und  der 
Lymphdrüsen  ermittelt.  Die  bakteriologische  Untersuchung  ergab 
Kulturen  von  Bakterien,  die  den  Typus  der  Kolonbazillen  aufwiesen. 
Bezüglich  der  von  Hutyra  zu  seinen  Versuchen  benutzten  Ferkel  Ib 
und  üb  ist  der  Sektionsbefund  nicht  mitgeteilt  worden,  da  die 
Tiere  nach  Abschluß  des  Infektionsversuches  am  Leben  belassen 
wurden. 

Ostertag  trat  bei  kritischer  Würdigung  des  Hutyraschen 
Versuches  der  von  Hutyra  selbst  ausgesprochenen  Meinung  bei, 
daß  er  wohl  mit  Schweinepestmaterial  gearbeitet  hat.  Denn  die 
Verkäsung  der  Dickdarmfollikel,  die  Hutyra  bei  seinen  Versuchs- 
ferkeln Ia  und  IIa  gefunden  hat,  sprach  anatomisch  für  das  Vor- 
liegen von  Schweinepest.  0.  erwähnte,  daß  er  diese  Veränderung 
bei  Schweinen,  die  aus  durch  Schweinepest  verseuchten  Beständen 
stammten,  wiederholt  als  alleinigen  Darmbefund  habe  erheben 
können. 

Die  ersten  Versuche  über  die  Filtrierbarkeit  des  Ansteckungs- 
stoffes der  Sehweinepest  wurden  im  Hygienischen  Institut  der 
Berliner  Tierärztlichen  Hochschule  im  Mai  1904  mit  Material  eines 
etwa  10  Wochen  alten  Ferkels  ausgeführt,  das  dem  Institut  von 
Herrn  Kreistierarzt  Melchert  in  Naugard  aus  einem  durch 
Schweinepest  verseuchten  Bestand  übersandt  worden  war.  Das 
Tier  ist  gestorben  und  war  stark  abgemagert.  Bei  der  Obduktion 
zeigte  es  sich,  daß  die  Schleimhaut  des  Blind-  und  Grimmdarmes 
in  großer  Ausdehnung  geschwollen  war  und  eine  schmutzig  grau- 
gelbe Farbe  besaß.    Nach  Entfernung  der  graugelben  Teile  blieben 

8* 


—     116     — 

Defekte  der  Schleimhaut  zurück.  Die  Gekrösdrüsen  waren  markig 
geschwollen.  Von  dem  filtrierten  Blutserum  dieses  Tieres  erhielten 
zwei  8  Wochen  alte  Ferkel  (I  und  II)  je  3  ccm  am  13.  Mai  sub- 
kutan injiziert.  Beim  Ferkel  I  stieg  die  Temperatur  am  6.  Tage 
auf  41,5°  C,  fiel  aber  schon  am  nächsten  Tage  wieder  zur  Norm*), 
beim  Ferkel  II  war  die  höchste  Innentemperatur  am  5.  Tage  40,2°  G. 
Die  Tiere  waren  im  übrigen  dauernd  munter  und  erwiesen  sich  auch 
bei  der  am  17.  Juli  vorgenommenen  Tötung  als  völlig  gesund. 

Am  11.  November  1904  ist  den  Versuchsferkeln  Nr.  XVII  und 
XVIII  je  2,5  ccm  Filtrat  eines  mit  steriler  Bouillon  hergestellten 
Auszugs  aus  den  mit  „Boutonsu  und  diphtherischen  Geschwüren 
behafteten  Darmteilen  sowie  aus  den  geschwollenen  und  teilweise 
nekrotischen  Gekrösdrüsen  eines  pestkranken  Ferkels  subkutan 
injiziert  worden.  Das  Ferkel  XIX  erhielt  5  ccm  filtriertes  Blut- 
serum des  gleichen  Tieres.  Das  Ferkel,  von  dem  das  Ausgangs- 
material herrührte,  ist  an  Schweinepest  eingegangen;  es  stammte 
aus  einem  durch  Schweinepest  verseuchten  Bestände  zu  P.  Sämt- 
liche drei  Versuchsferkel  sind  gesund  geblieben  und  erwiesen  sich 
auch  bei  der  am  1.  Dezember  1904  vorgenommenen  Tötung  als 
frei  von  jeglichen  Veränderungen. 

Ebenso  negativ  verlief  ein  an  drei  Ferkeln  vorgenommener 
Versuch  mit  filtriertem  Material  von  einem  gestorbenen  Ferkel  aus 
dem  durch  Schweinepest  verseuchten  Bestände  zu  T.  i.  M.  Bei 
dem  Ferkel  bestanden  sehr  schwere,  der  Schweinepest  eigentüm- 
liche Veränderungen  am  Hüftdarm,  Grimmdarm  und  Blinddarm 
(diffuse  und  herdförmige  Nekrose  der  Schleimhaut,  Schwellung  mit 
partieller  Nekrose  der  Gekrösdrüsen),  ferner  Pestpneumonie.  Dem 
Versuchsferkel  XX  wurden  5  ccm  filtriertes  Blutserum  des  aus  T. 
stammenden  Tieres,  den  Versuchsferkeln  XXI  und  XXII  je  5  ccm 
Filtrat  eines  Auszuges  aus  den  veränderten  Darmteilen  und  Gekrös- 
drüsen unter  die  Haut  gespritzt.  Auch  diese  Tiere  blieben  gesund, 
und  es  konnten  bei  der  drei  Wochen  später  vorgenommenen  Tötung 
Organveränderungen  nicht  nachgewiesen  werden. 

Das  Ergebnis  dieser  Versuche  sprach  gegen  die  Annahme, 
daß  das  Virus  der  deutschen  Schweinepest  filtrierbar  sei. 


*)  Vorübergehende  Steigerungen  der  inneren  Körperwärme  kommen 
auch  bei  ganz  gesunden  Ferkeln  im  Alter  von  4-8  Wochen  vor  und  können 
z.  B.  durch  stärkere  Aufregung  der  Tiere,  durch  Umherjagen,  herbeigeführt 
werden. 


—     117     — 

Ganz  anders  sind  Versuche  ausgefallen,  die  im  Hygienischen 
Institut  mit  Blutserum  angestellt  worden  sind,  das  von  an  Hog- 
cholera  erkrankten  Schweinen  stammte  und  dem  Institut  durch 
Herrn  Dorset  in  Washington  in  freundlichster  Weise  zur  Ver- 
fügung gestellt  worden  war. 

Ferkel  I  ist  am  2.  Juli  1906  mit  2  ccm  des  amerikanischen 
Materials  geimpft  worden.  Das  Tier  erkrankte  unter  schwerer 
Störung  des  Allgemeinbefindens  und  starb  in  der  Nacht  vom 
13.  zum  14.  Juli,  nachdem  es  stark  abgemagert  war.  Bei  der 
Sektion  fanden  sich  umschriebene  Rotfarbung  der  Haut  am  Kehl- 
gang, an  der  Unterfläche  des  Halses,  am  Bauch  und  an  den  Innen- 
flächen der  Schenkel,  Trübung  des  Parenchyms  der  Leber,  des 
Myokards,  der  Rindenschicht  der  Nieren,  Schwellung  sämtlicher 
Lymphdrüsen,  geringe  Schwellung  der  Milz,  punktförmige  Blutungen 
in  der  Rindenschicht  der  Nieren  und  in  einem  Teil  der  Lymph- 
drüsen. Die  Schleimhaut  des  Darmes  und  die  Lungen  ohne  Ver- 
änderungen. 

Ferkel  II  erhielt  am  f>.  Juli  1906  3  ccm  des  von  Dorset 
übersandten  Materials  subkutan.  Auch  dieses  Tier  erkrankte  hier- 
nach schwer  und  wurde  am  14.  Juli  getötet.  Sektionsergebnis: 
Blaurote  Färbung  des  Rüssels  und  der  Ohren,  leichte  Trübung  der 
Leber,  Petechien  in  der  Darmschleimhaut  und  in  der  Rindenschicht 
der  Nieren  sowie  größere  Blutungen  in  der  Milz.  Lungen  und 
Darmschleimhaut  ohne  entzündliche  Veränderungen. 

Ferkel  HI  bekam  1  ccm  des  amerikanischen  Materials  gleich- 
falls am  5.  Juli  1906  subkutan  und  wurde  nach  schwerer  Erkrankung 
am  Morgen  des  1 7.  Juli  tot  in  seinem  Käfig  aufgefunden.  Sektions- 
ergebnis:  Blaurote  Färbung  des  Rüssels,  der  Ohren,  der  Haut  am 
Unterbauch  und  an  der  Innenfläche  der  Schenkel,  Rötung  und 
Schwellung  der  Schleimhaut  des  Hüftdarmes  im  Bereich  einer 
Peyerschen  Platte,  diffiise  Rötung  der  Dickdarmschleimhaut,  punkt- 
förmige Blutungen  im  ganzen  Bereich  der  Darmschleimhaut. 
Schwellung  der  Milz  —  die  Oberfläche  der  Milz  war  blaurot,  ihre 
Pulpa  dunkelrot  und  von  der  Schnittfläche  leicht  abstreifbar  — 
mäßige  Schwellung  der  Gekrösdrüsen  —  die  Lymphdrüsen  im  Dick- 
danngekröse sind  gleichzeitig  gerötet  —  geringe  Trübung  des  Paren- 
chyms der  Leber  und  der  Rindenschicht  der  Nieren,  stärkere 
Trübung  des  Myokards,  mäßige  Schwellung  der  intramuskulären 
Lymphdrüsen,  sehr  kleine  Blutungen  in  der  Rindenschicht  der  Nieren 


—     118     — 

und  einige  stecknadelkopfgroße  Blutungen  in  der  Schleimhaut  der 
Harnblase. 

Ferkel  IV  und  Ferkel  V  sind  am  14.  Juli  1906  zum  Ferkel  III 
gesetzt  worden,  um  die  Infektiosität  der  bei  diesem  Tier  durch 
subkutane  Injektion  erzeugten  Krankheit  durch  Zusammensperren 
zu  ermitteln.  Die  Ferkel  IV  und  V  sind  schwer  erkrankt  und  am 
2.  August  getötet  worden.  Die  Obduktion  ergab  bei  diesen  Tieren 
diejenigen  Veränderungen,  die  man  bei  durch  künstliche  Infektion 
mit  Schweinepestbazillen  sowie  durch  natürliche  Ansteckung  er- 
zeugter Schweinepest  zu  sehen  gewohnt  ist,  nämlich  umfangreiche 
Diphtherie  der  Dickdarmschleimhaut. 

Ferkel  VI  und  Ferkel  VII  erhielten  filtriertes  Blut  des 
Ferkels  III.  15  ccm  Blut  dieses  Tieres  wurden  mit  30  ccm  steriler 
physiologischer  Kochsalzlösung  verdünnt  und  durch  ein  Berkefeld- 
filter  gesogen.  Von  dem  Filtrat  sind  nach  Feststellung  seiner 
Keimfreiheit  dem  Ferkel  VI  10  und  dem  Ferkel  VII  5  ccm  am 
24.  Juli  190(5  unter  die  Haut  gespritzt  worden.  Am  28.  Juli  1906 
wiesen  die  beiden  Versuchstiere  die  ersten  Krankheitserscheinungen 
auf.  Ferkel  VII  wurde  am  2.  August,  Ferkel  VI  am  9.  August 
getötet.  Die  Sektion  der  beiden  Ferkel  ergab  den  gleichen  Befund, 
wie  bei  den  Ferkeln  I— III. 

Hiernach  haben  die  im  Hygienischen  Institut  mit  Hogcholera- 
material  vorgenommenen  Untersuchungen  die  Angaben  der  ameri- 
kanischen Forscher  vollständig  bestätigt,  daß  filtriertes 
wie  unfiltriertes  Blut  von  einem  hogcholerakranken  Schwein 
in  geringen  Mengen  bei  subkutaner  Injektion  eine  Septi- 
kämie  zu  erzeugen  vermag,  ähnlich  derjenigen  bei  der 
perakuten  Schweinepest.  Ferner  hat  es  sich  gezeigt,  daß 
Schweine,  die  zu  einem  septikämisch  erkrankten  Tier  gesetzt 
wurden,  unter  den  typischen  Erscheinungen  der  Schweinepest  er- 
krankten. Auch  bei  den  hiesigen  Untersuchungen  ließ  sich  aus  den 
i  >nrane n  dt- r  durch  filtriertes  und  unfiltriertes  Blut  infizierten  Tiere, 
wie  dies  bei  den  amerikanischen  Versuchen  der  Fall  war,  ein  Bazillus 
mit  den  m«»qh- »logischen  m*d  biochemischen  Merkmalen  des  Hog- 
rh»leral«azillus  züchten.  Der  Bazillus  war  beweglich,  nach  Gram 
nicht  larU«ar.  venr«»r  Traubenzucker,  nicht  jedoch  Milchzucker  in 
IV'UilI-n.  tarnte  Lackmusmolke  blau,  brachte  Milch  nicht  zur  Ge- 
ri^nung  unl  bil-Me  kein  Indol.  Er  wurde  aber  durch  Schweinepest- 
s^rcni  Li.-L:  a:rjv:*::.>rt. 


—     119     - 

Dorset  hat  die  mit  de  Schweinitz  begonnenen  Untersuchungen 
über  die  Filtrierbarkeit  des  Virus  der  Schweinepest  nach  dem  Tode 
seines  ausgezeichneten  Mitarbeiters  in  Gemeinschaft  mit  Bolton 
undM'Bryde  fortgesetzt  und  das  Gesamtresultat  der  auf  die  Natur 
des  Ansteckungsstoffes  der  Hogcholera  bezüglichen  Experimente  in 
einer  ausfuhrlichen  Arbeit  niedergelegt.*) 

Zu  gleichen  Ergebnissen  wie  die  genannten  amerikanischen  Forscher 
sind  Clintock,  Boxmeyer  und  Siffer**)  bei  ihren  Studien  über 
die  Hogcholera  im  Staate  Michigan  gelangt.  Ferner  hat  H  o  1 1  i  n  g  e  r***) 
die  Ansicht  ausgesprochen,  daß  der  Bacillus  suipestifer  nicht  der  Er- 
reger der  Schweinepest,  sondern  ein  Darmsaprophyt  mit  erworbenen 
pathogenen  Eigenschaften  sei.  Endlich  ist  von  Theilerf)  in  einem 
Bericht  über  die  von  ihm  in  Südafrika  über  die  Schweinepest  und  die 
Schweineseuche  angestellten  Versuche  mitgeteilt  worden,  daß  auch 
die  südafrikanische  Schweinepest  nicht  durch  den  Bacillus 
suipestifer  erzeugt  werde.  Theiler  gelang  es  nicht,  bei  den 
von  ihm  untersuchten  pestkranken  Schweinen  den  Bacillus  suipestifer 
nachzuweisen,  während  es  ihm  glückte,  mit  Blut,  das  sichtbare 
Bakterien  nicht  enthielt,  die  Schweinepest  durch  subkutane  Verimpfting 
prompt  zu  erzeugen.  Andererseits  fand  Theiler  bei  Schweine- 
seuche den  Bacillus  suisepticus  und  konnte  die  Schweineseuche 
durch  Verfiitterung  großer  Mengen  dieses  Bazillus  erzeugen,  was 
bei  uns  noch  nicht  gelungen  ist  und  von  Theiler  mit  der  Anwesen- 
heit von  Askariden  im  Darm  seiner  Versuchstiere  nach  dem  Vor- 
gang von  Salmon  in  Verbindung  gebracht  wird. 

Bei  einigen  durch  Übertragung  von  Schweinepestblut  krank 
gemachten  Ferkeln  hat  Theiler  gleichzeitig  Schweineseuche  fest- 
gestellt, wie  dies  bekanntermaßen  auch  bei  der  natürlichen  Über- 
tragung der  Schweinepest  von  Tier  zu  Tier  beobachtet  wird. 
Theiler  bemerkt,  daß  es  in  Südafrika  keine  durch  den  Bacillus 
suisepticus  bedingte  Epidemien  gebe,  sondern  daß  die  epidemische 
Ausbreitung  dieses  Mikroorganismus  in  Verbindung  mit  der  Schweine- 


*)  Bulletin  Nr.  72  des  „U.  S.  Bureau  of  animal  Industry",  Washington  1905. 
Ref.  von  Grabert  in  der  Zeitschrift  f.  Fleisch-  und  Milchhygiene  1905,  S. 271 
bis  275. 

**)  Journ.  of  infect.  Diseases,   Bd.  2,  S.  351.    Ref.  im  Bull,  de  l'Institut 
Pasteur,  Bd.  3,  S.  559 

***)  Schweiz.  Arch.  f.  Tierheilk.,  Bd.  47,  1905. 
t)  Fortschritte  der  Veterinärhygiene  1906,  S.  121-128. 


—     120     — 

pest  angetroffen  wurde.  Er  habe  nur  einen  Fall  von  sporadischer 
Schweineseuche  festgestellt,  in  dem  Schweinepest  auszuschließen  war 
und  der  Bacillus  suisepticus  nachgewiesen  wurde. 

Hiernach  scheinen  die  Verhältnisse  in  Südafrika  ähnlich  zu 
liegen  wie  in  Ungarn,  wo  es  nach  Preisz  keine  selbständige 
Schweineseuche,  sondern  nur  eine  Schweineseuche  als  Komplikation 
der  Schweinepest  gibt.  Daß  in  Deutschland  die  Sachlage  eine 
andere  ist.  braucht  hier  nicht  weiter  begründet  zu  werden.  Jedem 
Tierarzt  in  Deutschland  ist  aus  eigener  Erfahrung  bekannt,  daß  es 
eine  reine,  ohne  Mitwirkung  der  Schweinepest  sich  verbreitende 
Schweineseuche  gibt,  die  schon  älteren  Tierärzten  als  „ansteckende 
Lungenentzündung  der  Schweine"  bekannt  war,  deren  Verbreitung 
aber  ganz  augenscheinlich  durch  die  Einschleppung  der  Schweine- 
pest vor  bald  20  Jahren  nach  Deutschland  gewaltiger  Vorschub 
geleistet  wurde.  Die  Schweinepest  ist  in  den  meisten  Teilen 
Deutschlands  verschwunden,  die  Schweineseuche  ist  geblieben. 

In  der  Erwiderung  auf  die  Mitteilung  von  Hutyra  ist  von 
Ostertag  bereits  daraufhingewiesen  worden,  daß  im  Hygienischen 
Institut  der  Berliner  Tierärztlichen  Hochschule  die  Versuche  über 
die  Natur  der  Ansteckungsstoffe  der  Schweineseuche  und  Schweine- 
pest fortgesetzt  werden,  um  auf  Grund  umfassender  ätiologischer 
Feststellungen  den  Weg  zur  erfolgreichen  spezifischen  Bekämpfiing 
dieser  Seuchen,  insbesondere  der  Schweinepest,  in  unanfechtbarer 
Weise  bezeichnen  zu  können.  Zu  den  Untersuchungen  wurden  u.  a. 
auch  möglichst  akute  Fälle  ausgewählt,  soweit  solche  zur  Verfügung 
standen,  da  diese  die  größte  Aussicht  auf  positive  Versuchsergebnisse 
darboten.  Ein  Teil  dieser  Untersuchungen  ist  abgeschlossen  und 
soll  wegen  des  erzielten  Ergebnisses  bei  dem  brennenden  Interesse, 
das  die  ganze  Schweineseuche-  und  Schweinepestfrage  besitzt,  jetzt 
schon  mitgeteilt  werden. 

A.  Versuche  mit  Material  von  echweineseuchekranken  Tieren. 

Versuch  I. 

Am  8.  September  1!H)(J  erhielt  das  Hygienische  Institut  aus  O. 
in  Württemberg  ein  Läuferschwein  eingesandt.  Das  Tier  war  schlecht 
genährt,  in  der  Entwicklung  zurückgeblieben  und  wog  im  Alter  von 
mehr  als  drei  Monaten  17  Pfund.  Bei  der  Obduktion  des  nach 
einigen  Tagen  getöteten  Schweines  wurde  folgender  Befund  erhoben: 


—     121     — 

Das  Brustfell  ist  überall  glatt,  glänzend  und  durchsichtig.  Der  Spitzen- 
und  der  Herzlappen  der  linken  Lunge  sind  nicht  retrahiert,  graurot,  derb,  luft- 
leer, auf  dem  Durchschnitt  glatt  und  feucht.  Die  gleiche  Beschaffenheit  zeigen 
der  Spitzen-  und  der  Herzlappen  sowie  ein  Teil  des  Anhangslappens  und 
einzelne  angrenzende  Lobuli  des  Zwerchfellappens  der  rechten  Lunge.  Alle 
anderen  Lungenabschnitte  sind  lufthaltig.  Im  Grimmdarm  finden  sich  etwa 
200  halbkugelig  über  die  Schleimhautoberflächc  hervorragende,  bis  zu  5  mm  im 
Durchmesser  große  Knötchen,  die  sämtlich  auf  der  Höhe  der  Wölbung  eine 
Öffnung  besitzen,  aus  der  sich  durch  seitlichen  Druck  der  Inhalt  des  Knotens 
in  Form  trockner,  bröckliger  graugelber  Massen  herauspressen  läßt  (Nematoden- 
knötchen? —  Parasiten  oder  Parasitenreste  sind  nicht  nachweisbar  — ).  Die 
Schleimhaut  dieses  Darmabschnittes  ist  im  übrigen  weder  geschwollen  noch 
entzündlich  gerötet.  An  den  übrigen  Organen  sind  keine  Abweichungen 
nachweisbar. 

Zwei  aus  dem  Herzblut  des  Tieres  angelegte  Agarkulturen 
bleiben  steril.  Auf  gleichen  Nährböden,  mit  Material  aus  den 
hepatisierten  Lungenteilen  beschickt,  wachsen  ovoide,  nicht  gram- 
feste Stäbchen,  daneben  aber  auch  koliähnliche  Bakterien  und  ein- 
zelne Kolonien  gramfester  ovoider  und  großer  plumper  Stäbchen. 

Von  zwei  grauen  Mäusen,  die  mit  etwa  erbsengroßen  Lungen- 
teilen geimpft  werden,  stirbt  die  erste  nach  36  Stunden,  die  zweite 
im  Laufe  des  dritten  Tages.  Mit  Herzblut  beschickte  Agarröhrchen 
enthalten  am  nächsten  Tage  Reinkulturen  von  ovoiden,  nicht  gram- 
festen, unbeweglichen  Bakterien.  Die  weitere  Prüfung  dieser  Mikro- 
organismen ergibt,  daß  sie  in  Trauben-  und  in  Milchzuckerbouillon 
keine  Gärung  hervorrufen,  in  Lackmusmolke  keine  Säurebildung  er- 
kennen lassen,  Milch  nicht  zur  Gerinnung  bringen  und  in  Pepton- 
lösung  Indol  bilden,  also  als  Schweineseuchebakterien  angesprochen 
werden  müssen. 

Inzwischen  wurden  die  erkrankten  Lungenteile  in  sterilem 
Mörser  zerrieben  und  mit  200  cem  sterilisierter  Kochsalzlösung  auf- 
geschwemmt; diese  Aufschwemmung  wurde  dann  vermittelst  eines 
keimfreien  Fließpapierfilters  von  gröberen  Partikeln  befreit.  Von  der 
so  erhaltenen  Flüssigkeit  wurde  der  kleinere  Teil  zurückbehalten, 
der  größere  durch  ein  Reichelsches  Tonfilter  geschickt.  Das  Filtrat 
wurde  in  diesen  und  den  nächsten  Versuchen  durch  Übertragen  von 
je  3—5  Ösen  auf  Agarnährböden  bezüglich  seiner  Sterilität  geprüft. 

Die  keimhaltige  Flüssigkeit  und  das  sterile  Filtrat  dienten 
zu  einem  Infektionsversuch,  zu  dem  vier  etwa  acht  Wochen  alte, 
gleich  gut  entwickelte  Ferkel,  alle  im  Gewicht  von  8—9  kg,  zur 
Verfügung    standen.      Ferkel   I    erhielt    intrapleural    und    intra- 


—     122     — 

pulmonal  (die  Kanüle  der  Injektionsspritze  wurde  in  halber  Höhe 
der  rasierten  und  desinfizierten  rechten  seitlichen  Brustwandung 
am  vorderen  Rande  der  achtletzten  Rippe  eingestochen)  3  ccm  des 
keimhaltigen  Materials.  Ferkel  II  wurde  mit  6  ccm  derselben  Flüssig- 
keit subkutan  infiziert.  Dem  Ferkel  DI  wurden  6  ccm  des  keim- 
freien Filtrats  intrapleural  und  intrapulmonal  eingespritzt.  Ferkel  IV 
bekam  eine  subkutane  Injektion  von  12  ccm  hiervon. 

Ferkel  I  und  II  kamen  je  in  eine  besondere  Bucht,  Ferkel  III 
und  IV  wurden  in  einer  dritten  Bucht  desselben  Stalles  gemeinsam 
untergebracht. 

Am  14.  September,  dem  Tage  nach  der  Impfung,  zeigt  Ferkel  I 
mangelhafte  Freßlust  und  verkriecht  sich  in  die  Streu,  die  anderen 
drei  Tiere  sind  vollkommen  munter.  Temperaturmessungen  wurden 
mit  Absicht  unterlassen,  um  eine  Übertragung  von  Krankheits- 
keimen, die  bei  aller  Vorsicht  durch  diesen  Akt  erfolgen  kann,  zu  ver- 
hindern. Aus  demselben  Grunde  wurde  auch  hier  wie  bei  den 
späteren  Experimenten  jedes  Betreten  der  vor  Beginn  des  Ver- 
suchs gründlichst  desinfizierten  Buchten  durch  den  Wärter  oder  die 
Versuchsansteller  vermieden. 

24  Stunden  später  ist  der  Befund  bei  den  vier  Tieren  der- 
selbe. Am  17.  September  läßt  sich  Ferkel  I  nur  mit  Mühe  auf- 
treiben, die  Atmung  ist  beschleunigt  und  angestrengt,  der  Appetit 
vollkommen  unterdrückt,  das  Tier  macht  einen  schwerkranken 
Eindruck.  Die  drei  anderen  Tiere  erscheinen  munter  und  fressen 
gut.  In  den  folgenden  Tagen  geht  Ferkel  I  im  Nährzustande 
erheblich  zurück  und  bekommt  nach  dem  Auftreiben  jedesmal 
schmerzhafte  Hustenanfälle,  während  die  anderen  Versuchstiere 
sich  ziemlich  gleichmäßig  weiter  entwickeln.  In  den  letzten  Tagen 
des  Monats  stellt  sich  bei  Ferkel  I  wieder  Freßlust  ein,  es  erholt 
sich  allmählich  wieder.  Alle  vier  Tiere  werden  am  1.  Oktober 
getötet. 

Bei  der  Obduktion  der  beiden  subkutan  mit  12  ccm  keim- 
freien und  6  ccm  keimhaltigen  Materials  geimpften  Tiere  II  und 
IV  sind  keine  Veränderungen  nachzuweisen. 

Befunde  bei  Ferkel  III  und  I: 

Ferkel  III  zeigt  an  der  Impfstelle  eine  Verdickung  des  Rippen-  und  des 
Lungenfells,  die  in  der  Ausdehnung  eines  Fünfpfennigstuckes  milchig  getrübt 
und  unvollkommen  durchsichtig  sind.  Ein  linsengroßer  Teil  deB  Lungen- 
gewebes in  der  Umgebung  des  Einstichs  ist  graurot,  derb,  luftleer.  Weitere 
Abweichungen  finden  sich  nicht. 


-     123     — 

Im  rechten  Pleurasack  des  Ferkels  I  befinden  sich  20—30  ccm  einer 
gelblich-grünen,  mit  zahlreichen  Flocken  untermischten,  nicht  übelriechenden 
Flüssigkeit.  Lungen-  und  Rippenfell  sind  hier  mit  mehrere  mm  dicken  grau- 
gelben, zum  Teil  gelbgrünen,  plattenförmigen  Belägen  bedeckt,  deren  unterste 
Schiebten  an  mehreren  Stellen  so  fest  der  Unterlage  anhaften,  daß  sie  sich 
durch  mäßigen  Zug  nicht  von  ihr  entfernen  lassen.  Der  ganze  Spitzen-,  der 
Herz-  und  der  Anhangslappen,  sowie  etwa  die  vordere  untere  Hälfte  des 
Zwerchfellappens  der  rechten  Lunge  sind  nicht  retrahiert,  graurot,  derb,  luft- 
leer; innerhalb  dieser  Teile  heben  sich  mehrere  Läppchen  des  Zwerchfell- 
lappens durch  ihre  graue  bis  graugelbe  Farbe  ab;  auf  dem  Durchschnitt  sind 
diese  trocken,  trübe,  bröckelig.  Der  Herzbeutel  enthält  6  ccm  einer  gelb- 
lichen, trüben,  mit  Flocken  vermischten  Flüssigkeit.  Das  parietale  und  das 
viszerale  Blatt  des  Herzbeutels  sind  mit  graugelben,  trüben,  locker  zusammen- 
hängenden, bis  zu  3  mm  dicken  Massen  bedeckt,  die  mit  ihrer  Unterlage  zum 
Teil  schon  verwachsen  sind.  Das  Epikard  ist  in  seiner  ganzen  Ausdehnung 
verdickt,  bis  zu  2  mm  stark,  grauweiß,  derb,  von  sehnenartiger  Konsistenz;  der 
Herzmuskel  ist  graurot,  leicht  getrübt,  mattglänzend.  Die  anderen  Organe 
sind  sämtlich  —  abgesehen  von  leichten  Trübungen  des  Leberparenchyms  und 
der  Rindenschicht  der  Nieren  —  unversehrt. 

In  Ausstrichen  aus  dem  pleuritischen  und  perikarditischen 
Exsudat  und  den  hepatisierten  Lungenteilen  lassen  sich  bei  Gram- 
und  Fuchsinfärbung  Bakterien  nicht  sicher  ermitteln.  Etwa  erbsen- 
große hepatisierte  Lungenteile,  subkutan  an  Mäuse  verimpft,  töten 
diese  innerhalb  30  Stunden.  Aus  dem  Herzblut  der  eingegangenen 
Tiere  wurden  Schweineseuchekulturen  rein  gewonnen  und  biologisch 
als  solche  bestätigt. 

Es  gelang  also  in  dem  vorstehenden  Versuch  mit 
pathologisch  verändertem  Material  von  einem  schweine- 
seuchekranken  Schwein  bei  intrapleuraler  Verimpfung 
wieder  Schweineseuche  zu  erzeugen;  dasselbe  Material, 
durch  Tonfilter  filtriert,  erwries  sich  dagegen  selbst  in 
doppelter  Menge  als  unwirksam. 

Versuch  II. 

Zur  weiteren  Prüfung  der  Übertragbarkeit  der  bei  dem  Ferkel  I 
künstlich  erzeugten  akuten  Schweineseuche  wurde  möglichst  steril 
aufgefangenes  Blut  von  Ferkel  I  mit  der  gleichen  Menge  physio- 
logischer Kochsalzlösung  verdünnt  und  dann  zum  Teil  filtriert. 
Ebenso  wurden  die  hepatisierten  Lungenteile  zerrieben,  mit  200  ccm 
Kochsalzlösung  aufgeschwemmt  und  durch  ein  Tonfilter  geschickt. 
Nachdem  die  Filtrate  auf  Sterilität  geprüft  waren,  erhielten: 


Ferkel  V: 

6 

Ferkel  VI: 

12 

Ferkel  VII: 

6 

Ferkel  VIII: 

12 

Ferkel  IX: 

3 

Ferkel  X: 

<5 

Ferkel  XI: 

6 

—     124     — 

6  ccm  filtr.  Lungensaft  intrapleur. 
„  „  subkut. 

„     verd.  Herzblut  intrapleur. 
„  „        subkut. 

nicht  filtr.  Lungensaft  intrapleur. 
„        „  „  subkut. 

„        ,,     verd.  Herzblut  intrapleur. 

Die  sieben  Ferkel  wurden  zur  Kontrolle  für  die  Bewertung 
des  Ergebnisses  bei  einem  anderen  Versuch,  dessen  gleichalterige 
Versuchstiere  derselben  Zucht  entstammten,  schon  4  Tage  nach  der 
Impfung  getötet. 

Ferkel  VI  und  VIII,  die  subkutan  mit  filtriertem 
Material  geimpft  waren,  hatten  kurz  vor  der  Tötung  Temperaturen 
von  39.8  und  40,3°  C  und  zeigten  bei  der  Obduktion  keine  Ver- 
änderungen. 

Auch  in  den  Organen  von  Ferkel  X,  das  subkutan  mit 
nicht  filtriertem  Lungen saft  infiziert  und  noch  nicht  erkrankt 
war  (Temperatur  vor  der  Tötung  39,(5°  C),  waren  durch  Kultur- 
und  Impfversuche  Schweineseuchebakterien  nicht  nachzuweisen. 
In  (Irr  Lunge  von  Ferkel  V  (Temperatur  vor  der  Tötung  40,5°  (•) 
wih  man  mehrere  Lobuli  in  der  Umgebung  der  Einstichstelle  blutig 
durchtränkt;  ein  etwa  erbsengroßes  Stück  davon  war  verdichtet. 
Kultur-  und  Impfversuche  lieferten  keine  pathogenen  Bakterien. 

Auch  bei  Ferkel  VII  ließ  sich  außer  der  blutunterlaufenen 
Injektionsstelle  nichts  Krankhaftes  nachweisen. 

Ferkel  IX  hatte  unmittelbar  vor  der  Tötung  41,1  °  0,  und  die 
Obduktion  ergab: 

Graugelbe,  in  Form  zusammenhängender  Häute  abziehbare  Beläge  auf 
der  Pleura  des  rechten  Herz-  und  Zwerchfellappens,  graurote,  wenige  Lobuli 
umfassende  Verdichtung  im  rechten  Zwerchfellappen  und  Schwellung  der 
Kehl^angs-  und  Bronchialdrusen. 

Zwei  mit  dem  fibrinösen  Exsudat  geimpfte  weiße  Mäuse 
fingen  binnen  48  Stunden  ein,  die  Kulturen  aus  ihrem  Herzblut 
lieferten  Schweineseuchebakterien. 

Ferkel  XI  war  auch  schon  erkrankt,  als  es  getötet  wurde. 
(Fs  hatte  40,8  0  c  Temperatur.) 

Eine  etwa  talergroßo  Stelle  der  Pleura  des  rechten  Zwerchfellappens 
war  rauh,  trübe,  undurchsichtig,  hatte  einen  sehr  zarten,  abziehbaren  Belag. 
Das  Ltingongewebc  darunter  enthielt  zwei  getrennte,  halbhaselnußgroße, 
schwarzrote  Verdichtungen. 


—     125     — . 

Schweineseuchebakterien  ließen  sich  daraus  durch  Ausstriche 
von  mit  der  Platinöse  abgestrichenem  Gewebssaft  auf  Schrägagar 
nicht  isolieren. 

Die  Obduktion  der  vorzeitig  getöteten  sieben  Tiere  des 
zweiten  Versuches  0.  hat  also  ergeben,  daß  die  mit  filtriertem 
Material  von  einem  schweineseuchekranken  Schwein 
infizierten  Impflinge  in  den  ersten  vier  Tagen  nach  der 
Impfung  nicht  erkrankten,  während  die  beiden  intrapleural 
mit  nicht  filtriertem  Material  geimpften  Tiere  in  der- 
selben Zeit  an  Lungenbrustfellentzündung  erkrankt  waren. 

Versuch  III. 

Durch  Herrn  Kollegen  K.  in  B.  in  der  Mark  erhielten  wir 
am  8.  Oktober  1906  die  Lunge  eines  wegen  schwerer  Erkrankung 
notgeschlachteten  Schweines,  die  graue  Hepatisation  der  ganzen 
Spitzen-  und  Herzlappen  beiderseits  und  des  größeren  Teiles  des 
rechten  Zwerchfell-  und  des  Anhangslappens  aufwies.  An  den 
übrigen  Organen  des  Tieres  fehlten  nach  dem  Vorbericht  Ver- 
änderungen. In  dem  hepatisierten  Teil  des  Zwerchfellappens  be- 
fand sich  ein  2—3  ccm  großer  nekrotischer  Herd.  Schräg- 
agarröhrchen,  mit  Lungensaft  aus  den  erkrankten  Lungenlappen 
beschickt,  brachten  Kolonien  ovoider,  nicht  gramfester  Bakterien 
zur  Entwicklung,  deren  Isolierung  aus  den  gleichzeitig  gewachsenen 
verschiedenen  fremden  Arten  aber  nicht  versucht  wurde,  da  in- 
zwischen eingegangene  Mäuse,  die  mit  dem  gleichen  Material  ge- 
impft worden  waren,  direkt  Reinkulturen  von  Schweineseuche- 
erregera  geliefert  hatten. 

Aus  den  hepatisierten  Lungenabschnitten,  einschließlich  des 
nekrotischen  Herdes,  wurde  in  der  geschilderten  Art  ein  steriles 
Filtrat  hergestellt,  und  von  diesem  sind  am  13.  Oktober  1906  dem 
Ferkel  I  20  ccm,  Ferkel  II  10  ccm  subkutan  eingespritzt  worden. 
Der  Übertragungsversuch  wurde  auf  diese  Art  der  Einverleibung 
beschränkt,  weil  sich  die  subkutane  Injektion  bei  der  Schweinepest 
(siehe  Versuche  unter  B)  als  ein  ausreichendes  Mittel  zur  Prüfung 
der  Filtrierbarkeit  des  Virus  erwiesen  hatte.  Zur  Kontrolle  des 
Erfolges  der  Impfung  wurden  zwei  nicht  geimpfte  Tiere,  Ferkel  III 
und  IV,  in  einer  Bucht  daneben  gehalten. 

Alle  vier  Tiere  wurden  bei  der  nach  2l/2  Wochen,  am 
30.  Oktober  1906,  erfolgten  Tötung    vollständig   gesund  befunden. 


1 


—     126     — 

Mithin  ist  es  im  Versuch  DI  nicht  gelungen,  Schweine- 
seuche durch  subkutane  Einverleibung  filtrierten  Lungen- 
saftes auf  iresunde  Ferkel  zu  übertragen. 

Versuch  IV, 

Am  13,  Oktober  1906  wurden  dem  Hygienischen  Institut  aus 
S.  in  PniHineni  zwei  lebende  Ferkel  mit  dem  Ersuchen  um  Unter- 
suchung eingesandt. 

Beide  Tiers  befinden  sich  in  sehr  dürftigem  Nährzustande,  sind 
schlecht  entwickelt,  ausgesprochene  Kümmerer.  Auf  dem  Rücken 
um]  an  den  Ohren  sind  beide  mit  einem  krustösen  Ekzem  behaftet; 
es  iM'stcht  Ausfluß  aus  den  inneren  Augenwinkeln,  der  zu  schmutzig- 
sdiwarzm  Krusten  angetrocknet  ist. 

Sektiunsbefand  beim  ersten  Ferkel: 

Die  Spitz  ug-  and  Herzlappen  beider  Lungenflügel  und  die  angrenzenden 
Lobuli  des  rechten  Z wer chfe Happens  sowie  Teile  des  Anhangslappens  sind 
nicht  retnüriert,  grnurot,  derb,  luftleer,  auf  dem  Durchschnitt  glatt  und  feucht. 
Ks  bestehen  loekcre  bindegewebige  Verwachsungen  zwischen  dem  rechten 
Merz-  und  Zwin  lifellappen  und  pleuritische  Adhäsionen  auf  der  Rippenfläche 
heider  Lunten.  Alle  anderen  Organe  sind  gesund;  speziell  im  Darm  finden 
siefi  keine  Veränderungen. 

St'ktionsbi'fund  beim  zweiten  Ferkel: 

1U-p,itiä;Ukm  des  rechten  Spitzen-  und  Herz-  sowie  etwa  der  Hälfte  des 
Kwurclifcllappciis  und  der  unteren  Hälfte    des  linken  Herzlappens.    Der  Darm 

ist  i»lmt'  Verilmleriing. 

Kult um<r suche  mit  der  erkrankten  Lunge  vom  ersten  Ferkel 
ergaben  ein  <;<  misch  von  Bakterien,  darunter  auch  ovoide,  nicht 
gramfcste  Stäbeken.  Aus  den  am  dritten  Tage  nach  der  Impfung 
eingehenden  Mäusen  konnten  Schweineseuchebakterien  in  Reinkultur 
i:r/iirhhjt    wrrdni. 

Aus  dm  erkrankten  Teilen  beider  Ferkel  wird  nach  den  oben 
gemachten  Angaben  ein  keimfreies  Filtrat  hergestellt,  und  von 
diesem  \v**r<iMi  am  24.  Oktober 

20  cem  an  Ferkel  I, 
8  cem  an  Ferkel  II 
subkutan  verimpft.  Die  Ferkel  I  und  II  werden  zusammen  in 
rinrui  K:tKü  untergebracht;  als  Kontrolltiere  kommen  in  eine  andere 
Kiste,  innetliiilU  desselben  Stallraumes  die  Ferkel  III  und  IV, 
dl*  gleichzeitig  zur  Kontrolle  für  zwei  weitere,  an  demselben  Tage 
infizierte  im  nächsten  Versuch  erwähnte  Impflinge    dienen  sollten. 


r 


—     127     — 

Am  14.  November  erfolgte  die  Tötung  der  vier  Tiere,  die 
während  des  Versuches  vollkommen  gesund  geblieben  waren  und 
sich  auch  nach  der  Tötung  als  gesund  erwiesen. 

Hiernach  ist  es  auch  in  diesem  Versuch  nicht  geglückt, 
durch  subkutane  Einverleibung  filtrierten  Lungensaftes 
eines  schweineseuchekranken  Tieres  Schweineseuche  auf 
gesunde  Ferkel  zu  übertragen. 

Versuch  Y. 

Durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Veterinärrates  B.  in  E. 
(Mark)  erhielten  wir  am  18.  Oktober  1906  ein  totes  Ferkel  zu 
Untersuchungszwecken  zugesandt.  Das  ca.  8  Wochen  alte  Tier 
war  an  Schweineseuche  eingegangen;  es  wies  an  der  rechten 
Lunge  eine  graue  Hepatisation  des  Spitzen-,  Herz-,  der  dreikantigen 
Spitze  des  Zwerchfellappens  und  einzelner  Lobuli  des  Anhangs- 
lappens, sowie  links  des  Spitzen-  und  des  Herzlappens  auf  und 
zeigte  sonst  keine  Veränderungen. 

In  den  angelegten  Agarkulturen  wuchsen  überwiegend  Bakterien, 
die  in  Form  und  färberischem  Verhalten  den  Schweineseucheerregern 
glichen;  aus  den  geimpften  Mäusen  wurden  Reinkulturen  des  Ba- 
cillus suisepticus  gewonnen. 

Ein  aus  den  hepatisierten  Abschnitten  hergestelltes  steriles 
Filtrat  wurde  am  24.  Oktober  1906  subkutan  verimpft,  und  zwrar 
an  Ferkel  I  16  ccm,  Ferkel  II  10  ccm.  Diese  Ferkel  wurden 
dann  an  demselben  Tage  getötet  wie  die  Tiere  des  vorhergehenden 
Versuches  und  gleichfalls  gesund  befunden. 

Das  Ergebnis  des  Versuches  V  stimmt  also  mit  dem  der 
beiden  vorhergehenden  Versuche  überein. 

Versuch  VI. 

Aus  D.  in  der  Mark  wfurde  am  22.  Oktober  1906  dem  Institut 
durch  die  stets  unterstützungsbereite  Vermittlung  des  Herrn  Kreis- 
tierarztes E.  ein  lebendes  krankes  Ferkel  eingesandt.  Das  Tier  war 
mittelmäßig  genährt,  hatte  einen  relativ  großen  Kopf,  dicken  Bauch, 
die  Mastdarmtemperatur  betrug  bei  der  Einlieferung  des  Tieres  und 
vor  der  Tötung  36,6  °  C.  Bei  der  Obduktion  des  getöteten  Tieres 
wurden  Hepatisation  der  beiderseitigen  Spitzen-  und  Herzlappen,  im 
Darm  keine  Veränderung  festgestellt.  Durch  Verimpfung  hepatisierter 
Teile  an  Mäuse  konnten  Schweineseucheerreger  nachgewiesen  werden. 


—     128     — 

Aus  diesen  kranken  Teilen  gewonnene  keimfreie  Filtrate  wurden 
in  einer  Menge  von  20  und  10  ccm  subkutan  an  zwei  Ferkel  ver- 
impft.  Die  Impfung  hatte  jedoch  keine  Erkrankung  der  Tiere  zur 
Folge:  auch  nach  der  Tötung  konnten  Veränderungen  nicht  gefunden 
werden. 

In  sämtlichen  sechs  Versuchen  hat  es  sich  in  Übereinstimmung 
mit  tlrti  bereits  früher  im  Hygienischen  Institut  vorgenommene?!  Über- 
t  ragt/ ttfjsr  ersuchen  gezeigt,  daß  durch  die  Verimpfung  ftltriertetiSchweine- 
seuchemattriate  die  Schweineseuche  auf  gesunde  Tiere  nicht  übertrage?! 
werden  faum.  Hervorzuheben  ist,  daß  die  Übertragung  auch  in  den 
beuten  leiten  von  akuter  Schweineseuche  ( Versuck  II  und  III)  durch 
filtriertes  Material  nicht  gelungen  ist. 


B.  Versuche  mit  Material  von  schweinepestkranken  Tieren. 
Versuch  I. 

Eine  Einsendung  aus  K.  in  Oberschlesien,  Geschlinge,  Magen, 
einTeil  des  Dickdarmes  nebst  dem  zugehörigen  Gekröse  und  die  Nieren 
von  einem  geschlachteten  Schwein,  wurde  zu  einem  Versuch  über 
die  LlNTtragbarkeit  der  Schweinepest  durch  filtriertes  Material  be- 
nutzt.   Der  Befund  an  den  eingesandten  Organen  war  folgender: 

lli  ur.i  pulmoDalis  überall  glatt,  glänzend  und  durchsichtig.  Unter  der 
J'lenra  sieht  man  vereinzelte  punktförmige  Blutungen  und  blutige  Untcr- 
l;iiil'ii!i,Lrru.  Die  Lungen  sind  lufthaltig  bis  auf  den  rechten  Herzlappen,  der 
virlimiiiuis,  graurot,  zum  Teil  schwarzrot,  derb,  luftleer,  auf  dem  Durchschnitt 
glatt  nnd  frucht  ist.  Am  Herzbeutel,  soweit  er  noch  erhalten  ist,  keine  Ab- 
weichctfigvui  Unter  dem  Epikard  an  der  rechten  Vorkammer  sehr  zahlreiche, 
an  ilin  übrigen  Teilen  vereinzelte  Blutungen.  Das  Myokard  graurot,  leicht 
getrübt,  Trocken,  mürbe.  Unter  dem  Endokard  dunkelrote,  runde  Blutflecke 
bis  zur  doppelten  Größe  einer  Linse,  ferner  streifig  geformte,  besonders  zahlreich 
iui  tWivii h  der  beiden  Vorkammern.  In  der  hochroten,  geschwollenen  Schleim- 
h:nit  'l'-s  Kehldeckels  und  der  Gießkannenknorpel  sieht  man  viele  dunkelrote 
KU  sclnvgrEfQto,  zum  Teil  über  die  Umgebung  hervorragende  Flecke.  Streifen- 
i h t r i m i lt l ■  lilutungen  findet  man  auch  in  der  die  Innenfläche  des  Schildknorpels 
<  nden  Schleimhaut.  Im  übrigen  ist  die  Schleimhaut  des  Kehlkopfs 
niiil  dir  Luftröhre  feuchtglänzend,  blaß,  gelblichweiß.  Die  Oberfläche  der 
M;L!nir[n  Ist  beiderseits  grau  bis  schwarzgrau,  trübe,  trocken;  auf  dem  Durch- 
itehi.üt1  durch  diese  Organe  sieht  man  vereinzelte  blutige  Flecke.  Im  Anfangs- 
ti/il  de*  Schlundes  ist  Mukosa  und  Submukosa  in  der  Ausdehnung  von  etwa 
ä  ijern  blutig  durchtränkt,  im  weiteren  Verlauf  ist  die  Schleimhaut  grauweiß 
und  lie^t  in  Längsfalten.  Die  Magenschleimhaut  trägt  zahlreiche  Stecknadel- 
kopf   l»is    iiosengroße,    über   die   Oberfläche  hervorragende  Blutungen,  deren 


—     129     — 

Kuppe  bei  einigen  grau  nnd  trübe  ist.  An  dem  eingesandten,  ca.  50  cm 
langen  Stück  Dickdarm  ist  die  Schleimhaut  diffus  gerötet,  geschwollen, 
liegt  in  Falten,  die  sich  nicht  verstreichen  lassen,  und  zeigt  4  ein-  bis  fünf- 
markstückgroße und  eine  größere  Anzahl  kleinere,  unregelmäßige,  graue, 
trübe,  trockene  Herde.  Einzelne  der  größeren  Herde  treten  beetartig  aus  der 
Schleimhaut  hervor. 

Der  ganze  Darm  und  die  Schleimhaut  des  Magens  werden 
in  einer  durch  gespannten  Dampf  sterilisierten  Fleischhackmaschine 
zerkleinert,  der  so  gewonnene  Brei  wird  mit  200  ccm  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung  aufgeschwemmt,  zunächst  durch  ein  Fließ- 
papierfilter filtriert  und  dann  vermittelst  eines  Reichelfilters  von 
Keimen  befreit.  Von  dem  auf  Sterilität  geprüften  Filtrat  erhalten 
am  9.  Oktober  1906 

Ferkel    I  25  ccm  subkutan 
Ferkel  II  10  ccm        „ 

Beide  Tiere  werden  in  einem  Behälter  in  einem  Kellerraum  des 
Institutes  gehalten ;  in  einem  zweiten  Behälter  werden  in  demselben 
Raum  die  zwei  Kontrolltiere  Ferkel  III  und  IV  untergebracht. 

Die  vier  Tiere  entwickeln  sich  ziemlich  gleichmäßig.  Sie 
werden  am  29.  Oktober  1906  getötet.  Während  die  Kontrolltiere, 
Ferkel  III  und  IV,  keine  Veränderungen  erkennen  lassen,  wird  bei 
Ferkel  I  und  II  folgender  Befund  erhoben: 

Ferkel  I:  Im  Grimmdarm,  zwei  Handbreit  hinter  dem  Ausgang  aus 
dem  Blinddarm  finden  sich  dicht  bei  einander  sieben  linsen-  bis  pfennigstück- 
große Geschwüre,  deren  Grund  zum  Teil  graugelb,  trüb  und  trocken  ist;  eines 
von  ihnen  ist  fast  vernarbt,  drei  andere  sind  in  der  Abheilung  begriffen.  Die 
Gekrösdrüsen  sind  leicht  geschwollen  und  saftreich.  Die  Kapsel  der  Milz  ist 
etwas  gespannt,  die  Ränder  sind  abgerundet,  das  Milzgewebe  ist  auf  dem 
Durchschnitt  unverändert.    Alle  anderen  Organe  sind  normal. 

Ferkel  II:  Im  Grimmdarm,  5  cm  von  der  Ileozökalklappe  entfernt, 
zwei  pfennigstückgroße  Geschwüre  von  der  bei  Ferkel  I  beschriebenen  Be- 
schaffenheit; im  weiteren  Verlauf  des  Grimmdarms  noch  zwei  gleichartige 
Geschwüre.  Die  Gekrösdrüsen  und  die  Milz  zeigen  die  bei  Ferkel  I  genannten 
Veränderungen. 

Auch  bei  Ferkel  II  waren  die  übrigen  Organe  ohne  makroskopisch  fest- 
stellbare Veränderungen. 

Direkte  Kulturen  aus  Milz,  Nieren  und  Herzblut  der  beiden 
krank  befundenen  Tiere  hatten  kein  Ergebnis.  Je  acht  weiße  Mäuse, 
mit  Teilen  der  Darmgeschwüre,  der  Gekrösdrüsen  und  der  Milz 
der  zwei  Impflinge  infiziert,  gingen  in  24  bis  72  Stunden  ein.  Aus 
ihrem  Herzblut  wurden,  sofern  sie  bald  nach  dem  Tode  zur  Sektion 
kamen,  Bakterien  mit  den  Eigenschaften  des  Bac.  suipestifer  in  Rein- 

ZtlUchrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  2  8.  9 


—     130    — 

kultur  gewonnen  (beweglich,  nicht  gramfest,  in  Traubenzuckerbouillon 
Gasbildung,  in  Milchzuckerbouillon  keine  Gasbildung;  Milchkultur 
gerinnt  nicht,  Lackrausmolke  wird  zuerst  rot,  allmählich  völlig  blau, 
Indol  wird  nicht  gebildet).  Erfolgte  die  Sektion  der  eingegangenen 
Mäuse  erst  einige  Zeit  nach  dem  Tode,  dann  gelang  auf  Drigalski- 
Platten  noch  eine  Sonderung  der  rot  wachsenden  Kolonkolonien  und 
der  kleinen  blau  wachsenden  Kolonien,  die  bei  Weiterzüchtung  auf 
den  obengenannten  Nährböden  die  dem  Bac.  suipestifer  eigentüm- 
lichen Reaktionen  hervorriefen.  Diese  Kulturen  wurden  dann  an 
Mäuse  verimpft;  aus  den  Mäusen  wurden  die  gleichen  Bakterien 
wieder  erhalten. 

Dieser  Versuch  beweist,  daß  die  Schweinepest  gleichwie 
die  amerikanische  Hogcholera  durch  ein  das  Tonfilter 
passierendes  Virus  erzeugt  wird. 

Ferner  geht  aus  dem  geschilderten  Versuch  hervor,  daß  sich 
in  dem  Körper  der  durch  filtriertes  Material  schweine- 
pestkrank gemachten  Tiere  sekundär  der  B.  suipestifer 
angesiedelt  hatte. 

Yergucta  II. 

An  reiner  Schweinepest  war  ein  Läuferschwein  erkrankt,  das 
das  Institut  am  21.  Oktober  1906  durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn 
Kreistierarztes  Seh.  aus  B.  in  der  Rheinprovinz  erhielt.  Brust-  und 
Bauchhöhle  des  ca.  80  Pfund  schweren  Tieres  waren  vor  der  Ver- 
sendung geöffnet  worden,  um  die  Ausbreitung  der  Fäulnis  im  Tier- 
körper hintanzuhalten;  diese  war  aber  trotzdem  schon  so  weit  vor- 
geschritten, daß  parenchymatöse  Veränderungen  an  den  inneren  Or- 
ganen nicht  mehr  sicher  erkannt  werden  konnten.  Es  konnte  jedoch 
festgestellt  werden,  daß  eine  tiefe,  ausgebreitete  Diphtherie 
der  Dickdarmschleimhaut  vorlag,  daß  eine  leichte  Schwellung 
der  Milz  bestand,  daß  die  Lunge  in  allen  Teilen  lufthaltig  war  und 
das  Brustfell,  unter  dem  sich  an  verschiedenen  Stellen  Blutungen 
wahrnehmen  ließen,  spiegelnden  Glanz  und  Durchsichtigkeit  besaß. 

Aus  diesem  Tierkörper  wurden  zwrei  getrennte  Filtrate  her- 
gestellt; Filtrat  I  wurde  aus  einer  Aufschwemmung  der  Herz- 
blutkoagula  in  der  doppelten  Menge  Kochsalzlösung,  Filtrat  II 
aus  den  erkrankten  Darmteilen  gewonnen. 

Vom  Filtrat  I  erhielten  am  2.  November  1906  Ferkel  I 
und  II  subkutan    10  und  20  com.     Als  Kontrolltiere    galten   für 


—     131     — 

diesen  Versuch  und  für  die  zwei  an  demselben  Tage  geimpften  und 
in  demselben  Raum  untergebrachten  Ferkel  XIV  und  XV  des  Ver- 
suches V  dieser  Versuchsreihe  die  dort  genannten  Ferkel  XVI  und 
XVII.  Die  beiden  Versuchstiere  I  und  II  sind  wie  die  Kontrollferkel 
bis  zu  ihrer  am  26.  November  erfolgten  Schlachtung  nicht  erkrankt 
und  auch  nach  der  Tötung  gesund  befunden  worden. 

Das  aus  dem  erkrankten  Darm  hergestellte  Filtrat  II  wurde 
am  8.  November  1906  in  einer  Menge  von  20  ccm  dem  Ferkel  III 
subkutan  eingespritzt,  für  das  die  im  Versuch  V  genannten  Ferkel  XIX 
und  XX  als  Kontrolltiere  dienten.  Eine  Erkrankung  des  infizierten 
Tieres  wurde  erst  vom  21.  November  ab  bemerkt;  sie  nahm  schnell 
an  Heftigkeit  zu,  und  das  Tier  verendete  am  24.  November.  Die 
Kontrolltiere,  die  in  einem  besonderen  Käfig,  aber  im  gleichen  Raum 
wie  die  infizierten  Tiere  und  zwischen  diesen  in  der  Zeit  vom  8.  bis 
zum  27.  November  1906  untergebracht  worden  waren,  sind  nicht 
erkrankt. 

Befund  beim  Ferkel  III: 

Das   etwa   drei  Monate  alte  Ferkel  befindet  sich  im  mittelguten  Nähr- 
zustande.   Die  Haut  ist  auf  dem  Rücken  und  auf  beiden  SeitenÖächen  der 
Brust  mit   zahlreichen,   nicht    zusammenhängenden,    schmutzig    schwarzroten, 
dicken  Krusten  bedeckt,  nach  deren  Entfernung  vertiefte,  nässende  Stellen  in 
der  Haut  zurückbleiben.    An  der  Schnauze,  den  Ohren,  Flanken  und  an  den 
vier  Gliedmafien  ist  die  Haut  diffus  blaurot  bis  schwarzrot  oder  zeigt  größere 
Flecke  von   dieser  Farbe;   an   Gliedmaßen  und  Ohren  ist  sie  auch  erheblich 
geschwollen.    In  der  Haut  der  Unterbrust  und  des  Bauches  befinden  sich  viele 
Stecknadelkopf-  bis   linsengroße   Blutungen,   desgleichen   in   der  Unterhaut 
und   Bauchmuskulatur,   auch   unter    dem   Peritoneum   und   der  Rippenpleura. 
Die  Schleimhaut  des  Magens  ist  graugelb,  in  der  Fundusdrüsengegend  bräun- 
lich,  glatt  und   etwas   glasig   gequollen.    In   ihr   sieht  man  viele  kleine  und 
einzelne  linsengroße  Blutpunkte,  besonders  in  der  Fundusdrüsengegend.    Die 
I>finndarmschleimhaut  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  leicht  geschwollen, 
diffus   gerötet  und   mit   kleinen,  dunkelroten  Flecken   übersät;  außer- 
dem   finden    sich    über   den   Dünndarm    verteilt   ca.   60,    meist    länglich    ge- 
formte,  bis   bohnengroße,   zum  Teil  in   der  Submukosa,  zum  Teil  dicht  unter 
der   Serosa  liegende,   die  bedeckende   Darmwand  hervorwölbende  Blutherde. 
In   der  ganzen  Schleimhaut  des  Blind-  und  Grimmdarmes  dicht  bei  ein- 
ander verschieden  große,   hochrote   und   schwarzrote,   zum   Teil   über 
da»  Niveau  der  Schleimhaut  hervortretende  Flecke  in  großer  Zahl. 
Auf   der  Höhe  einiger  schwarzroter  Flecke  ist  die  Schleimbaut  grau,  trocken 
und    trübe.    Im  Mastdarm   nimmt   die  Zahl   der  Flecke   allmählich   ab.    Die 
Kapsel  der  Milz  ist  gespannt,  die  Ränder  sind  leicht  abgerundet,  das  Milzgewebe 
ist     schwarzrot,   sehr  feucht,   es   verdeckt   das   Balkengewebe   und   die   Milz- 
körperchen   fast  vollständig.    Die  Ränder  der  Leber  sind  leicht  abgerundet, 

9* 


—     132     — 

das  Lebergewebe  ist  auf  dem  Durchschnitt  graurot,  trübe,  die  Grenzen  der 
Lobuli  sind  noch  erkennbar.  In  beiden  Nieren  sieht  man  dicht  unter  der 
leicht  abziehbaren  fibrösen  Kapsel  zahlreiche,  rote  Flecke  bis  zu  Steck- 
nadelkopfgroße, die  Rindenschicht  der  Nieren  ist  verbreitert,  grau  und 
trübe,  die  Konsistenz  der  Nieren  mürbe.  In  der  Wand  der  Blase  einzelne 
Blutungen,  der  Inhalt  gelb,  leicht  getrübt 

Unter  dem  Epikard  in  der  Umgebung  der  Kranz-  und  Längsfurchen 
viele  Blutungen.  Das  Herzfleisch  graurot,  trocken,  etwas  trübe  und  brüchig. 
Einzelne  Blutungen  finden  sich  auch  unter  dem  Endokard.  Das  Brustfell 
ist  glatt,  glänzend  und  durchsichtig,  die  Lungen  sind  gleichmäßig  retrahiert 
und  lufthaltig. 

Alle  Lymphdrüsen  des  Körpers  sind  stark  geschwollen,  von 
außen  schwarzrot.  Die  Schnittfläche  ist  sehr  feucht,  teils  gleichmäßig 
schwarzrot,  teils  zeigt  sie  einzelne  dunkelrote  Flecke;  das  Drüsengewebe 
springt  über  die  Schnittfläche  hervor. 

Die  septikämische  Erkrankung  des  Versuchstieres 
muß,  da  die  in  demselben  Räume  in  derselben  Pflege  befindlichen 
Kontrolltiere  gesund  geblieben  waren,  auf  die  Impfung  mit  dem 
keimfreien  Filtrat  zurückgeführt  werden. 

Versuch  III. 

Aus  W.  in  Mecklenburg  wurden  uns  durch  die  Freundlichkeit 
des  Herrn  Bezirkstierarztes  E.  sechs  lebende  Läufer  zur  Verfugung 
gestellt.  Von  den  Tieren,  die  sich  in  schlechtem  Nähraustande  be- 
fanden und  in  der  Entwicklung  zurückgeblieben  waren,  gingen  drei. 
Ferkel  a— c,  während  des  Transportes  ein,  die  anderen  Ferkel  (d — f ) 
wurden  am  24.  November  1900  hier  getötet. 

Erhobene  Befunde: 

Ferkel  a:  fibrinöse  Pleuritis,  Perikarditis  und  Peritonitis.  Rote  Hepati- 
sation des  Spitzen-,  des  Herz-  und  der  Hälfte  des  Zwerchfellappens  links: 
rechts  Hepatisation  derselben  Teile  und  des  Anhangslappens.  Schwellung  der 
Milz,  hämorrhagische  Nephritis,  trübe  Schwellung  der  Leber  und  des  Herz- 
muskels. Auf  der  Schleimhaut  des  Magens  im  Fundusdrüsenteil  zwei  talergroße 
und  einzelne  kleinere  schwarzrote  Hämorrhagien  mit  oberflächlicher  Diphtherie: 
Ödem  der  Submukosa,  so  daß  die  ganze  Magenwand  eine  Dicke  von  l>/f  cm 
besitzt.  Zahlreiche  Schleimhautgeschwüre  im  Blind-  und  Grimm- 
darm; an  einzelnen  Stellen  Verdickung  der  Wand. 

Ferkel  d:  Hepatisation  dos  Spitzen-,  Herz-  und  der  vorderen  Spitze 
des  Zwerchfellappens  links:  rechts  des  Spitzen-,  des  Herz-,  der  vorderen  Hälfte 
des  Zwerchfell-  und  dos  ganzen  Anhangslappens.  Eine  markstückgroße 
G  es  chw  Urs  fläche  an  der  Hüft  blinddarmklappe,  5  cm  davon  entfernt 
zwei  linsenförmige  Geschwüre  in  der  Schleimhaut  des  Grimm- 
darmes.   Keine  Veränderung  an  den  Parenchymen. 


—     133     — 

Ferkel  e:  Lungen  und  Brustfell  nicht  erkrankt  An  der  Grim ro- 
und Blinddarmsohleimhaut,  die  gerötet  und  geschwollen  ist, 
haften  graugelbe,  trübe  Massen  fest  an.   Leber,  Milz  und  Nieren  nicht  verändert 

Ferkel  f:  Hepatisation  im  linken  Spitzen-  und  Herzlappen  und  in  der 
unteren  Hälfte  des  Zwerchfellappens;  rechts  im  Spitzen-,  Herz-  und  Anhangs- 
lappen, sowie  im  vorderen,  unteren  Drittel  des  Zwerchfellappens.  Pleura  und 
Perikard  glatt  und  glänzend.  Eine  funfzigpfennigstückgroße  Geschwürs- 
fläche an  der  Hüftblinddarmklappe  und  sechs  linsengroße  Ge- 
schwüre mit  wallartigem  Rand  in  den  ersten  10  cm  des  Grimm- 
darm b,  fünf  gleichartige  im  Blinddarm. 

Mit  Material  aus  den  hepatisierten  Lungenteilen  werden  Agar- 
nährböden  beschickt  und  auch  Mäuse  geimpft.  Teile  von  Darm- 
geschwüren der  Ferkel  d — f  werden  ebenfalls  an  Mäuse  verimpft. 
Eine  mit  hepatisierten  Lungenteilen  von  Ferkel  f  geimpfte  Maus 
geht  am  vierten  Tage  ein,  aus  ihrem  Herzblut  werden  Schweine- 
pestbazillen in  Reinkultur  gezüchtet  und  biologisch  als  solche  be- 
stätigt. Aus  der  erkrankten  Lunge  von  Ferkel  a  sind  durch  Impfung 
und  Kultur,  aus  der  Lunge  von  Ferkel  d  durch  Impfling  auch  Schweine- 
seuchebazillen  isoliert  worden. 

Die  Herzblutkoagula  von  Ferkel  a,  das  tot  hier  ankam, 
werden  gesammelt,  mit  der  doppelten  Menge  Kochsalzlösung  auf- 
geschwemmt und  filtriert  (Filtrat  I).  Ein  zweites  Filtrat  wird 
aus  dem  mit  der  gleichen  Menge  physiolog.  Kochsalzlösung  ver- 
dünnten Blutserum  der  Ferkel  d — f  hergestellt.  Die  Keimfreiheit 
der  Filtrate  wird  durch  Übertragen  von  je  0,25  ccm  des  Filtrats 
in  zwei  Bouillonröhrchen,  die  dann  4  Tage  im  Brutschrank  gehalten 
werden,  geprüft. 

Von  Filtrat  I  erhalten  am  3.  Dezember  1906 

Ferkel  I    20  ccm  subkutan, 
„       II    10    „ 
Filtrat  II  wird  ebenfalls  an  zwei  Tiere  verimpft,  und  zwar 
bekommen 

Ferkel  III    8  ccm  subkutan, 

99  IV        6         99  99 

Die  Tiere  werden  gruppenweise  in  zwei,  durch  massive  Seiten- 
wände getrennten  Buchten  eines  Versuchsstalles  untergebracht.  Als 
Kontrolltiere  kommen  Ferkel  V  und  VI  in  eine  Bucht  unmittelbar 
daneben. 

Am  16.  Dezember  1906  morgens  ist  Ferkel  IV,  das  erst  seit 
wenigen  Tagen  Krankheitserscheinungen  gezeigt  hat,  tot. 


—     134     — 

lief  und:  Das  Kadaver  ist  sehr  mager.  In  der  Haut  finden  sieb  keine 
Veränderungen.  Lunge,  Pleura  und  Perikard  sind  unversehrt.  Der  Herzmuskel 
ist  graurot,  trübe,  mürbe.  Die  Ränder  der  Leber  sind  abgerundet,  die  Leber  ist 
blutreich,  ihre  Schnittfläche  graurotbraun,  leicht  getrübt,  die  Läppchenzeichnung 
noch  deutlich  erkennbar.  Magen-,  Zwölffingerdarm-  und  Leerdarmschleimhaut 
sind  intakt.  Die  Schleimhaut  des  Hüftdarmes,  besonders  im  Bereich 
dor  großen  Peyerschen  Platte,  stark  geschwollen  und  diffus  ge- 
rötet. In  der  geschwollenen  und  besonders  auf  den  Falten- 
kämmen geröteten  Schleimhaut  des  Blind-  und  Grimmdarmes  finden 
sich  zahlreiche,  unregelmäßig  geformte,  prominente,  fest  an  der 
Unterlage  haftende,  trockene  Auflagerungen. 

Mit  diesen  Auflagerungen  werden  zwei  graue  Mäuse  geimpft, 
die  beide  nach  etwa  36  Stunden  tot  sind.  Ihr  Herzblut  enthält 
Bakterien,  die  biologisch  als  Schweinepestbazillen  bestimmt 
werden. 

Am  17.  Dezember  1900  werden  dann  auch  die  Ferkel  I — III 
und  die  Kontrollferkel  V  und  VI  getötet.  Die  mit  dem  Filtrat 
der  Herzblutkoagula  von  Ferkel  a  geimpften  Versuchsferkel 
I,  II  sowie  die  beiden  Kontrollferkel  V  und  VI  erweisen  sich  als 
gesund. 

Bei  der  Obduktion  von  Ferkel  III  findet  man  den  ganzen 
rechten  Herzlappen  nicht  retrahiert,  graurot,  von  schlaffer  Kon- 
sistenz, nicht  lufthaltig,  auf  dem  Durchschnitt  glatt  und  feucht. 
Brustfell  und  Perikard  sind  durchsichtig,  feuchtglänzend;  der  Ver- 
dauungsapparat  ohne  Veränderungen, 

Die  ans  dem  erkrankten  Lungengewebe  angelegten  Agar- 
kulturen  sind  beide  steril  geblieben.  Von  zwei  weißen  Mäusen, 
die  mit  etwa  erbsengroßen  Teilen  des  hepatisierten  Lungenlappens 
geimpft  wurden,  ging  eine  nach  n  Tagen  ein,  die  zweite  war  nach 
14  Tagen  noch  am  Leben:  mit  Herzblut  der  eingegangenen  Maus 
beschickte  Agaraährboden  blieben  steril. 

Die  Hepatisation  des  rechten  Herzlappens  des  Feitels  III 
kannte  als«  auf  Grund  der  Kultur-  und  Impfversuche  nicht  als  eine 
Erknvi.ku:^  an  S'hweineseuche  gedeutet  werden:  das  Material 
warir  ;•"!_•  ;'ü  L';h.  filtriert  und  nicht  filtriert,  an  je  zwei  weitere 
F-rkrl  v^;:~::::  das  Ergebnis  dieses  Versuches,  das  in  einer 
: '-'.rrLi-n  Ar"*-::    mitteilt    werden    wird,    wird  die  Deutung  des 

E:l-t  v  -  v:-r  Iir.ptliniren  ist  also  infolge  einer 
--•k-tÄL-r.     I^r^nz     mit      filtriertem     Blutserum     von 


—     135     — 

schweinepestkranken   Tieren    an    Schweinepest    erkrankt 
und  verendet. 

Y  ersuch  IT. 

Am  27.  November  1906  erhielt  das  Institut  durch  die  Liebens- 
würdigkeit des  Herrn  Kreistierarztes  Seh.  in  L.  in  Pommern  zwei 
tote  Absatzferkel  und  zwei  tote  Läufer  eingesandt.  Von  dreien  dieser 
Tiere  wurde  Material  zu  einem  neuen  Infektionsversuch  entnommen. 
Der  Befund  bei  diesen  drei  Tieren  war  wie  folgt: 

Ferkel  a:  Graugelbe,  sehr  zarte,  abziehbare  Beläge  bedecken  den 
Überzug  des  rechten  Spitzen-  und  Herzlappens;  es  besteht  Verklebung  des  Spitzen- 
lappens mit  dem  Herzlappen,  zum  Teil  auch  des  Herzlappens  mit  dem  Zwerch- 
fellappen. Der  rechte  Spitzen-  und  Herzlappen  sind  nicht  retrahiert,  graurot, 
zum  Teil  schwarzrot,  derb,  die  Schnittfläche  dieser  Teile  ist  feucht  und 
schwach  granuliert.  Die  Pleura  der  linken  Lunge  ist  glatt,  glänzend  und 
durchsichtig,  das  Lungengewebe  überall  lufthaltig.  Unter  dem  Epikard  der 
linken  Vorkammer  sieht  man  zahlreiche  Blutpunkte  und  Sugillationen.  Der 
Herzmuskel  ist  grau  rot,  mattglänzend  und  etwas  trocken.  Die  Ränder  der 
Leber  sind  abgerundet,  das  Lebergewebe  ist  trübe,  mürbe  und  schmutziggrün 
verfärbt.  In  der  Rindenschicht  der  Nieren,  dicht  unter  der  fibrösen 
Kapsel,  finden  sich  zahlreiche  dunkel-  bis  schwarzrote  Punkte  bis 
zur  Größe  eines  Stecknadelkopfes.  Die  Rindenschicht  der  Nieren  ist 
mürbe,  auf  dem  Durchschnitt  graurot  und  trübe.  An  der  Milz  und  an  der 
Schleimhaut  des  Bingens  und  Dünndarmes  sind  keine  Veränderungen  nach- 
weisbar. Die  Hüftblinddarmklappe  ist  bedeckt  mit  grauschwarzem, 
trockenem,  trübem,  bis  zu  2  mm  dickem,  fest  anhaftendem  Belag.  Im  Blind- 
darm und  im  Anfangsteil  des  Grimmdarmes  zählt  man  sieben  Herde 
bis  zu  Pfennigstückgröße  und  eine  Anzahl  kleinerer,  an  denen  die 
Schleimhaut  mit  grauen,  trockenen,  zerklüfteten,  beetartig  her- 
vorragenden, fest  anhaftenden  Massen  bedeckt  ist.  Die  Knie- 
kehlen-, Lenden-  und  Nierenlymphdrüsen  sind  vergrößert,  schwarz- 
rot,  ihr  Gewebe  ist  sehr  saftreich  und  quillt  über  die  Schnittfläche  hervor. 

Ferkel  b:  Hepatisation  des  linken  Herzlappens  sowie  des  halben 
Herzlappens,  einzelner  Lobuli  des  Spitzen-,  eines  kleinen  Teils  des  Zwerchfell- 
und  des  ganzen  Anhangslappens  der  rechten  Seite.  Chronische  fibröse  Pleuritis 
im  Bereich  des  rechten  Zwerchfellappens.    Dünndarmentzündung. 

Ferkel  c:  Der  Spitzen-  und  Herzlappen,  die  vordere  dreikantige  Spitze 
des  Zwerchfellappens  und  der  ganze  Anhangslappen  der  rechten  Lunge,  sowie 
Herzlappen  und  dreikantige  Spitze  des  Zwerchfellappens  und  einzelne  isolierte 
Herde  im  Zwerchfellappen  der  linken  Lunge  sind  nicht  retrahiert,  schwarz  rot, 
derb,  nicht  lufthaltig,  auf  dem  Durchschnitt  feucht  und  an  einzelnen  Stellen 
granuliert.  Zwischen  Herz-  und  Zwerchfellappen  bestehen  beiderseits  lockere 
Verwachsungen.  An  anderen  Teilen  ist  die  Pleura  im  Bereich  der  erkrank- 
ten Lungenpartien  sammetartig  rauh.  Der  Herzmuskel  ist  graurot,  leicht 
getrübt   und    trocken.      Die    einzelnen   Lappen    der    Leber    sind    unter    sich. 


—     136    — 

ihre  Zwerchfellfläche  ist  mit  dem  Zwerchfell  locker  verwachsen.  Die  Ränder 
der  Leber  sind  stumpf,  die  Konsistenz  ist  brüchig,  der  Durchschnitt  granrot 
und  trübe.  Die  Milz  zeigt  abgerundete  Ränder  und  gespannte  Kapsel,  das 
Milzgewebe  ist  vermehrt,  quillt  ein  wenig  über  die  Schnittfläche  hervor  und 
verdeckt  die  Trabekel  und  Milzkörperchen  fast  vollständig.  Die  Nieren  sind 
graurot  und  mürbe,  die  Rindenschicht  ist  auf  dem  Durchschnitt  getrübt.  Die 
Dickdarmscbleimhaut  ist  leicht  geschwollen  und  mit  zahlreichen,  sehr 
kleinen  Blutungen  durchsetzt;  sie  zeigt  keine  Geschwüre. 

Aus  den  hepatisierten  Lungenteilen  der  Ferkel  a  und  c 
konnten  durch  Kultur-  sowie  durch  Impfversuche  Schweineseuche- 
erreger  gewonnen  werden. 

Die  erkrankten  Lungenabschnitte  von  Ferkel  a  und  b 
wurden  in  sterilisierter  Fleischhackmaschine  gemahlen,  in  phy- 
siologischer Kochsalzlösung  aufgeschwemmt  und  dann  filtriert  (Fil- 
trat  I).  Auch  aus  dem  Herzblut  von  Ferkel  c  wird  ein  keim- 
freies Filtrat  hergestellt  (Filtrat  II).  Die  Keimfreiheit  wird  in 
beiden  Fällen  erwiesen  durch  Übertragen  von  je  0,2  cem  Filtrat 
vermittelst  steriler  Pipetten  in  Bouillonröhrchen. 

Am  29.  November  erhielten   von   einer   keimhaltigen  Auf- 
schwemmung  erkrankter  Lungenlappen   der  Ferkel  a  und  b 
Ferkel    I:  6  cem  subkutan, 
Ferkel  II:  3  cem  intrapleural. 

Das  von  denselben  Tieren  stammende  Lungenfiltrat  I  wurde 
an  zwei  weitere  Tiere  verimpft,  und  zwar  erhielten  am  8.  Dezember 
Ferkel  III:  20  cem  Filtrat  subkutan, 
Ferkel  IV:  10  cem  Filtrat  intrapleural. 

Von  dem  filtrierten  verdünnten  Herzblut  von  Ferkel  c 
(Filtrat  II)  erhielt 

Ferkel  V:  8  cem  subkutan. 

Sämtliche  Versuchstiere  werden  gruppenweise  in  Käfigen  auf 
dem  Boden  eines  Versuchsstalles  untergebracht.  Dazwischen  wTerden 
in  einem  besonderen  Kätig  zwei  Kontrollferkel  gehalten. 

Die  Tiere  Nr.  I  und  II  verenden  beide  in  der  Nacht 
zum  10.  Dezember. 

Ferkel  I  befindet  sich  in  schlechtem  Nährzustand.  In  der  rechten 
Kniefalte,  der  Impfstelle,  ist  die  Unterhaut  in  der  Ausdehnung  eines  Hand- 
tellers verdickt,  auf  dem  Durchschnitt  geschichtet,  graugelb  bis  gelb  and 
trocken.  Das  Brustfell  und  die  Blätter  des  Herzbeutels  sind  durchsichtig  und 
besitzen  feuchten  Olanz.  Die  Lungen  sind  in  allen  Teilen  lufthaltig.  Die 
Herzmuskulatur  ist  graurot,  ein  wenig  getrübt.  Die  Dickdarmschleimhaut  ist 
in  einzelnen  Teilen  fleckig  gerötet  und  leicht  geschwollen. 


—     137     — 

Ferkel  II  weist  eitrig-fibrinöse  Pleuritis  und  Perikarditis  und 
fibrinöse  Peritonitis,  Hepatisation  des  rechten  Herz-  und  Zwerch- 
fell appens  sowie  Nekrose  eines  kastaniengroßen  Herdes  im  rechten  Zwerch- 
fellappen  auf.  Es  bestehen  außerdem  parenchymatöse  Erkrankung  des 
Herzmuskels,  der  Leber  und  der  Nieren,  sowie  leichte  Schwellung  der  Milz. 
In  der  Magenschleimhaut  findet  man  ein  halbkreisförmiges  Geschwür 
mit  geschwollenen  Rändern,  das  etwa  2  cm  im  Durchmesser  mißt  und  bis  auf 
die  Muskulatur  reicht.  Die  Dickdarmschleimhaut  ist  gerötet,  in 
einzelnen  Abschnitten  geschwollen  und  mit  kleinen  Blutungen 
durchsetzt;  sie  trägt  auf  weite  Strecken  einen  graugelben, 
trockenen,  fest  anhaftenden  Belag. 

Am  28.  Dezember  1906  ist  Ferkel  V  tot;  Ferkel  in  und  IV 
sowie  die  Kontrolltiere  werden  am  gleichen  Tage  getötet. 

Bei  Ferkel  III  (subkutan  mit  filtriertem  Lungensaft  geimpft)  lassen 
sich  außer  drei  linsenförmigen  Geschwüren  im  Grimmdarm,  die  vom 
Hände  her  vernarben,  während  das  Zentrum  noch  schmutziggraugelb  und  trübe 
aussieht,  keine  Veränderungen  nachweisen. 

Ferkel  IV  (intrapleural  mit  filtriertem  Lungensaft  geimpft):  Rippen- 
pleura  völlig  intakt.  Man  kann  die  Impfstelle  nicht  mehr  erkennen.  Im 
rechten  Zwerchfellappen  befindet  sich  im  Bereich  des  Einstichs  eine  linsen- 
große, graurote  Verdichtung  als  Residuum  der  durch  die  Injektion  verursachten 
Verletzung.  Die  Langen  sind  in  allen  anderen  Teilen  lufthaltig,  Pleura  und 
Perikard  glatt,  glänzend  und  durchsichtig.  In  derSchleimhautdesBlind- 
darmes  findet  man  8  linsen-  bis  quadratzentimetergroße,  unregel- 
mäßig geformte,  vernarbende  Defekte,  meist  mit  pigmentiertem 
Grunde;  über  den  ganzen  Grimmdarm  sind  15  derartige  Defekte 
verteilt  Die  zugehörigen  GekrösdrQsen  sind  mäßig  geschwollen  und  durch- 
feuchtet 

Das  verendete  Ferkel  V  (mit  filtriertem  Herzblut  subkutan  geimpft) 
weist  in  der  Haut  an  beiden  Ohren  große,  schwarzrote  Flecke  auf.  Haut  und 
Unterhaut  längs  des  ganzen  Rückens  sind  mit  zahllosen  Blutungen  durchsetzt; 
in  der  Umgebung  der  Sitzbeinhöcker  und  Hüftgelenke  ist  die  Unterhaut  außer- 
dem verdickt  und  sulzig  infiltriert.  Lungen,  Pleura  und  Perikard  sind  unver- 
ändert. Unter  dem  Epikard  sieht  man  in  der  Kranzfurche  und  auf  dem  Anfangs- 
teil der  Aorta  zahlreiche  bis  linsengroße  Blutungen.  In  der  Herzmuskulatur 
finden  sich  einzelne  kleine,  graue  bis  graurote,  trübe  Flecke  und  Streifen.  In 
der  Pylorusdrüsengegend  der  Magenschleimhaut  siebt  man  in  geröteter  und 
geschwollener  Schleimhaut  zahlreiche,  bis  stecknadelkopfgroße,  dunkelrote 
Blutpunkte.  Die  Schleimhaut  des  Blinddarmes  und  des  Anfangsteils 
des  Grimmdarmes  trägt  12  Stecknadelkopf-  bis  pfennigstückgroße 
beschwüre  mit  wallartig  verdicktem  Rand  und  schwarzgrünem, 
unreinem  Grund.  Die  Lymphdrüsen  des  Dickdarmes  sind  vergrößert,  auf 
dem  Durchschnitt  saftreich  und  mit  roten  Flecken  durchsetzt;  die  Drüsen- 
snbstanz  tritt  über  die  Schnittfläche  hervor.  Die  gleichen  Veränderungen 
finden  sieh  an  den  submaxillaren,  subparotidcalen,  retropharyogcalen,  Bug-, 
Kniefalten-,  Scham-  und  Kniekehl-Lymphdrüsen. 


—     138    — 

Zur  Kontrolle  dienten  zwei,  demselben  Gehöft  entstammende, 
gleichfalls  am  8.  Dezember,  jedoch  mit  anderem  Material  geimpfte 
Tiere;  dieselben  waren  ebenfalls  am  28.  Dezember*  getötet  und 
gesund  befunden  worden. 

Es  ist  demnach  auch  das  dieser  Einsendung  ent- 
stammende Material,  nachdem  es  Tonfilter  passiert  hatte, 
imstande  gewesen,  bei  allen  Impflingen  eine  leichte  oder 
tödlicheErkrankung  unter  den  Erscheinungen  der  Schweine- 
pest zu  erzeugen. 

Bemerkenswert  ist,  daß  das  nicht  filtrierte  Lungen- 
material der  mit  Schweinepest  und  Schweineseuche  be- 
hafteten Ferkel  a  und  b  bei  den  Versuchstieren  nicht  nur 
Schweinepest,  sondern  auch  Schweineseuche  erzeugte, 
während  durch  das  gleiche  Material  nach  erfolgter 
Filtration  lediglich  Schweinepest  hervorgerufen  wurde. 

Yersucta  V. 

Am  15.  September  wurde  dem  Institut  durch  Herrn  Veterinärrat 
B.  in  E.  in  der  Mark  auf  Wunsch  ein  Ferkel  im  Alter  von  8  Wochen 
zugesandt.    Die  Obduktion  des  Tieres  ergab  folgenden  Befund: 

Ziemlich  guter  Nährzu stand.  Die  Haut  an  beiden  Ohren  ist  diffus  blau- 
rot, rote  Verfärbung  in  geringerem  Grade  zeigt  auch  die  Haut  an  Unterbnist 
und  Bauch.  Der  ganze  Spitzen-  und  Herzlappen  sowie  einzelne  angrenzende 
Läppchen  des  Zwerchfellappens  der  linken  Lunge  sind  voluminös,  derb, 
graurot  bis  schwarzrot;  die  Schnittfläche  ist  feucht  und  schwach  granuliert. 
Das  Lungenfell  an  diesen  Partien  und  zum  Teil  auch  darüber  hinaus  ist 
bedeckt  mit  graugelben,  abziehbaren  Belägen.  An  der  rechten  Lunge  zeigen 
etwa  ein  Drittel  des  Zwerchfellappens  und  einzelne  Lobuli  des  Herz-  und  Spitzen- 
lappens dieselben  Veränderungen.  Es  bestehen  ferner  auf  der  linken  Seite 
Verklebungen  zwischen  dem  Herz-  und  dem  Zwerchfellappen  sowie  zwischen 
Herzlappen  und  Herzbeutel.  Im  übrigen  sind  im  wesentlichen  nur  noch  ge- 
ringe parenchymatöse  Veränderungen  an  Herz,  Leber  und  Nieren  nachzuweisen. 

Kleine  Teilchen  des  erkrankten  Lungengewebes  wurden 
subkutan  an  zwei  graue  Mäuse  verimpft;  die  Tiere  blieben  am 
Leben.  In  den  aus  dem  Herzblut  des  Schweines  angelegten  Agar- 
kulturen  wuchsen  überwiegend  Kolonien  nicht  gramfester  ovoider 
oder  kolonähnlicher  Stäbchen;  die  Isolierung  von  Schweineseuche- 
bakterien  gelang  aber  hieraus  nicht.  Aus  den  Lungen  des  Schweines 
erhielten  wir  durch  direkte  Kultur  hauptsächlich  Streptokokken, 
daneben  lange,  nicht  gramfeste  Stäbchen.  Kulturen  aus  Niere  blieben 
steril. 


Ferkel  II 

5? 

12 

Ferkel  III 

?> 

3 

Ferkel  IV 

?? 

6 

Ferkel  V 

?J 

3 

Ferkel  VI 

?? 

6 

—     139     — 

Nach  dem  anatomischen  Befimd  mußte  der  Fall  als  Schweine- 
seuche angesehen  werden.  Da  das  Tier  nach  Mitteilung  des  Ein- 
senders aus-  einem  Bestand  stammte,  in  dem  gleichzeitig  Schweine- 
pest herrschte,  sind  die  mit  Material  des  hier  in  Frage  stehenden 
Schweines  angestellten  Versuche  unter  B.  aufgeführt  worden. 

Die  aus  den  Herzkammern  entnommenen  Koagula  wurden 
mit  etwa  der  doppelten  Menge  steriler  physiologischer  Kochsalz- 
lösung verrieben  und  dann  filtriert.  Filtrate  aus  den  hepatisierten 
Lungenteilen  wurden  wie  oben  beschrieben  hergestellt.  Es  wurden 
am  22.  September  1906  geimpft: 

Ferkel  I     mit    6  ccm  filtr.  Lungensaft  intrapleural, 

„  „  subkutan, 

nicht  filtr.  Lungensaft  intrapleural, 
„        „  „  subkutan, 

„        „    verd.  Herzblut  intrapleural, 
„       „      „  „       subkutan. 

Am  26.  September,  vier  Tage  nach  der  Impfung,  ist  Ferkel  V 
(intrapleural  mit  nicht  filtriertem  Herzblut  geimpft)  tot.  Die  Obduktion 
ergibt  eine  eitrig-fibrinöse  Pleuritis  beiderseits,  fibrinös-eitrige 
Perikarditis  und  hämorrhagische  Pneumonie  im  Bereich 
des  rechten  Spitzen-,  Herz-  und  etwa  der  Hälfte  des  Zwerchfellappens. 
Im  direkten  Ausstrich  aus  den  hepatisierten  Lungenteilen  und  aus 
dem  pleuritischen  Exsudat  lassen  sich  große,  plumpe,  vereinzelt 
endständige  Sporen  tragende,  gramfeste  Stäbchen,  hin  und  wieder 
Streptokokken  und  zahlreiche  ovoide,  bipolare,  nicht  gramfeste 
Stäbchen  nachweisen.  Kulturen,  die  aus  dem  hepatisierten  Lungen- 
gewebe, dem  Herzbeutelexsudat  und  dem  Herzblut  angelegt  wurden, 
sind  —  wohl  infolge  eines  Zufalls  bei  der  Bereitung  der  Nährböden  — 
alle  steril  geblieben.  Zwei  graue  Mäuse,  die  mit  hepatisierten 
Lungenteilchen  geimpft  worden  waren,  gingen  nach  2  und  3  Tagen 
an  einer  Infektion  durch  Schweineseuchebazillen  ein,  wie  durch  die 
aus  dem  Herzblut  gewonnenen  Reinkulturen  bewiesen  wurde. 

Am  3.  Oktober,  11  Tage  nach  der  Impfung,  verendete  Ferkel  VI 
(subkutan  mit  nicht  filtriertem  Herzblut  geimpft)  infolge  hämorrhagi- 
scher Entzündung  des  Dünn-  und  Dickdarmes. 

Am  8.  Oktober,  16  Tage  nach  der  Impfung,  war  Ferkel  III 
(intrapleural  mit  nicht  filtriertem  Lungensaft  geimpft)  tot.  Es  zeigte 
folgenden  Befand: 


-     140     — 

Geringer  Milztumor  und  Blutungen  unter  der  Pleura  pulmonalis; 
die  Nierenrinde  ist  mit  Blutungen  übersät,  alle  Lymphdrüsen  sind  hä- 
morrhagisch geschwollen.  Der  Endteil  des  Kolons  ist  leicht  geschwollen; 
diphtherische  Veränderungen  im  Darm  fehlen. 

Ferkel  I,  II  und  IV  wurden  am  nächsten  Tage  getötet.   Befunde: 

Bei  Ferkel  I  (mit  filtriertem  Lungensaft  intrapleural  geimpft)  werden 
eine  rechtsseitige  fibrinöse  Pleuritis  und  verschiedene  kleine  Hepatisa- 
tionsherde  im  linken  Spitzen-  und  Herzlappen,  sowie  Hepatisation  des  ganzen 
rechten  Herzlappens  festgestellt;  außerdem  finden  sich  im  Blinddarm  ein 
doppeltlinsengroß  es,  diphtherisches  Geschwür  und  drei  weitere 
ähnliche  Geschwüre  im  Grimmdarm.  Alle  Lymphdrüsen  sind  ge- 
schwollen und  zum  Teil  mit  Blutungen  durchsetzt,  besonders  tritt  die 
Anschwellung  an  den  (doppelt  erbsengroßen)  Kniekehllymphdrüsen  deutlich 
hervor. 

FerkelH  (mit  filtriertem  Lungensaft  subkutan  geimpft):  Die  Lunge  ist 
intakt,  die  Lymphdrüsen  sind  nur  mäßig  geschwollen,  ohne  Blutungen,  die  Knie- 
kehldrüsen erbsengroß.  Im  Grimmdarm  finden  sich  zwei  diphtherische 
Geschwüre. 

Ferkel  IV  (mit  nicht  filtriertem  Lungensaft  subkutan  geimpft):  Milz- 
tumor, unter  dem  Epikard  viele  kleine  Blutungen  und  blutige  Suffusionen. 
Im  Dickdarm  zahlreiche  diphtherische  Geschwüre  von  Linsengröße 
bis  zur  Größe  eines  silbernen  Zwanzigpfennigstückes.  Gekrösdrüsen  geschwollen 
und  mit  kleinen  Blutungen  durchsetzt;  auch  die  Kehlgangs-,  Bug-  und  Knie- 
faltendrüsen mäßig  geschwollen,  aber  ohne  Blutungen.  Vereinzelte  Blutungen 
in  der  Nierenrinde. 

Herzblutkoagula  des  am  20.  September  1906  verendeten  Ferkels  V 
waren  inzwischen  zu  einem  neuen  Infektionsversuch  verwandt 
worden.  Von  dem  in  der  oben  beschriebenen  Weise  behandelten 
Material  erhielten  am  5.  Oktober: 

Ferkel  VII:    3  ccm  filtriertes  verd.  Herzblut  intrapleural 
Ferkel  VIII:  1  ccm  nichtfiltr.      „  „  „ 

Dieser  Versuch  wurde  aber  vorzeitig  abgebrochen;  die  beiden 
Tiere  wurden  gleichzeitig  mit  den  Ferkeln  V— XI  der  zweiten  der 
unter  A  aufgeführten  Versuchsreihen  am  9.  Oktober  getötet,  damit 
der  bei  diesen  neun  Tieren  erhobene  Befund  zur  Kontrolle  des  Er- 
gebnisses der  Impfungen  bei  Ferkel  I— VI  dieser  Versuchsreihe 
diene.  Alle  diese  genannten  Tiere  entstammten  derselben  Zucht 
und  waren  während  der  Versuchsdauer  im  Hygienischen  Institut  in 
verschiedenen  Buchten  desselben  Stallgebäudes  vollständig  getrennt 
gehalten  worden. 

Ferkel  VII  zeigte  keine  Veränderungen,  insbesondere  erwies 
sich  der  Darmkanal  als  intakt. 


—     141     — 

Ferkel  VIII  wies  nur  an  der  Impfstelle  eine  haselnußgroße 
Hepatisation  und  einen  sehr  zarten  fibrinösen  Belag  auf.  Der  ganze 
Verdauungsapparat  war  gesund. 

Von  den  Ferkeln  V — XI  der  zweiten  Schweiueseuche-Versuchs- 
reihe  waren  fünf  Tiere  vollkommen  gesund,  während  zwei,  intra- 
pulmonal geimpfte  Tiere  nur  eine  beginnende  Lungenbrustfellent- 
zündung aufwiesen.  Auch  von  diesen  sieben  Tieren  hat  keines  an 
Schweinepest  gelitten. 

Im  Versuch  V  hat  mithin  das  filtrierte  Lungenmaterial 
von  einem  aus  einem  Schweinepestbestand  stammenden 
Schwein,  das  anatomisch  nur  die  Veränderungen  der 
Schweineseuche  aufwies*),  bei  beiden  hiermit  geimpften 
Schweinen  Schweinepest,  bei  dem  intrapleural  geimpften 
gleichzeitig  die  Veränderungen  der  Schweineseuche  er- 
zeugt. Nicht  filtrierter  Lungensaft  desnämlichenSchweines 
hat  entweder  eine  Septikämie  oder  akute  Schweinepest 
hervorgerufen.  Nicht  filtriertes  Herzblut  verursachte  bei 
der  Übertragung  auf  gesunde  Tiere  eine  rasch  tödlich 
endigende  Pneumopleuresie  (bei  intrapleuraler  Übertragung) 
oder  eine  hämorrhagische  Enteritis  (bei  subkutaner  Über- 
tragung). 

Übertragungsversuche  mit  Material  zweiter  Generation. 

Zur  weiteren  Klärung  des  eigenartigen  Falles  wurde  das  Herz- 
blut von  Ferkel  in  der  Versuchsreihe  V  (intrapleural  mit  nicht 
filtriertem  Lungensaft  geimpft  und  hierauf  an  Septikämie  erkrankt) 
verdünnt  und  filtriert  und  auch  ein  Filtrat  von  Herzblut  und  er- 
krankten Darmteilen  des  Ferkels  I  der  gleichen  Versuchsreihe 
(intrapleural  mit  filtriertem  Lungensaft  geimpft  und  hierauf  an 
Schweinepest  und  Schweineseuche  erkrankt)  hergestellt.  Es  wurden 
am  17.  Oktober  1906  geimpft: 
Ferkel  IX  mit    3  ccm  filtr.  Herzblut  v.  Ferkel  III  subkutan 

Ferkel  X     „10    „       „         „     u.  Darm  v.  Ferkel  I  „ 

r  erkel  XI    „   20    „       „         „  „        „        „  „ 

Am  27.  Oktober  1906  war  Ferkel  IX,  an  dem  man  erst  am 
Tage  vorher  Krankheitserscheinungen,  allerdings  ziemlich  schwere 
und  stürmische,  bemerkt  hatte,  tot.     Die  Obduktion  ergab: 


*)  Vgl.  Ferkel  b  des  Versuches  IV. 


—     142     — 

Schwere  hämorrhagische  Entzündung  des  Blind-  und  Grimm- 
darms, die  sich  durch  diffuse,  schwarzrote  Verfärbung  und  sehr  Btarke 
Schwellung  der  Schleimhaut  kennzeichnet,  ferner  blutige  Durchtränkung  der 
geschwollenen  Gekrösdrüsen,  in  geiingerem  Grade  auch  der  übrigen  Lymph- 
drüsen, parenchymatöse  Trübung  des  Herzmuskels  und  der  Nieren,  leichte 
Trübung  der  Leber,  geringer  Milztumor.  Die  Lunge  ist  in  allen  Teilen 
lufthaltig. 

Ferkel  X  und  XI  wurden  am  2.  November  1906  getötet. 
Bei  dem  letztgenannten  Tier  konnten  keine  Veränderungen  nach- 
gewiesen werden.  Ferkel  X  dagegen  war  an  Schweinepest 
erkrankt: 

In  seinem  Blinddarm  findet  sich  ein  mehr  als  linsengroßes  Geschwür, 
dessen  Grund  mit  graugelbem,  trockenem  Belage  bedeckt  ist,  der  der  Unter- 
lage fest  anhaftet.  Die  Schleimhaut  am  Rande  des  Geschwürs  ist  gewulstet, 
gerötet  und  enthält  einzelne  punktförmige  Blutungen.  An  der  Hüftblinddarm- 
klappe findet  sich  eine  markstückgroße  Stelle,  an  der  die  Schleimhaut 
grau,  trocken  und  zunderartig  zerfallen  ist.  Der  Grimmdarm  weist  auf  der 
Höhe  der  Falten  entzündliche  Rötung,  vereinzelte  Blutungen  und  graugelbe, 
mürbe,  zerklüftete  Massen  auf,  nach  deren  Entfernung  ein  Defekt  in  der  rauhen 
und  getrübten  Schleimhaut  zurückbleibt.  Außerdem  finden  sich,  über  den 
ganzen  Grimmdarm  verteilt,  9  runde  oder  ovale,  doppeltlinsen-  bis  pfennigstück- 
große Geschwüre;  ihr  Grund  zeigt  dieselbe  Beschaffenheit  wie  das  oben  be- 
schriebene Blinddarmgeschwür.  Die  Umgebung  ist  bei  mehreren  Geschwüren 
wallartig  geschwollen,  gerötet  und  trägt  punktförmige,  bis  hirsekorngroße 
Blutungen.  An  einigen  Geschwüren  beginnt  der  Belag  sich  abzustoßen  und 
vom  Rande  her  Vernarbung  einzutreten.  An  den  Parenchymen  liegen  keine 
Veränderungen  vor.  Das  Brustfell  besitzt  spiegelnden  Glanz  und  ist  durch- 
sichtig, die  Lungen  sind  in  allen  Teilen  lufthaltig. 

Aus  der  Milz  und  dem  Herzblut  von  Ferkel  X  wurden  Kul- 
turen angelegt;  ferner  sind  mit  Milzgewebe  und  Darmgeschwüren 
je  zwei  graue  Mäuse  geimpft  worden.  Alle  vier  Impftiere  gingen 
nach  2,  3  und  4  Tagen  ein  und  enthielten  in  ihrem  Herzblut 
Bakterien,  die  gezüchtet  und  durch  biologische  Prüfung  als  Schweine- 
pestbazillen erkannt  wurden. 

Ferkel  XII  und  XIII,  die  beiden  Kontrolltiere,  wurden  bis 
zum  6.  November  am  Leben  gelassen  und  nach  der  Schlachtung 
gesund  befunden. 

Somit  hat  die  Verimpfung  des  Filtrats  zweiter  Gene- 
ration des  Ausgangsmaterials  der  Versuchsreihe  V  (Filtrat 
von  Ferkel  I)  bei  einem  Ferkel,  das  hiernach  erkrankt  ist, 
die  Erscheinungen  der  Schweinepest  hervorgerufen. 

Material  von  Ferkel  IX  der  Versuchsreihe  mit  Material  zweiter 
Generation  wurde    zu    einer   erneuten  Infektion  verwandt,    einmal 


—     143     — 

um  das  Wesen  der  bei  diesem  Ferkel  nachgewiesenen  blutigen 
Darmentzündung  weiter  zu  klären  und  dann,  um  auch  an  diesem 
Material  die  Übertragbarkeit  der  Schweinepest,  die  bereits  einmal 
durch  filtriertes  Virus  hervorgerufen  wurde,  durch  erneute  Ver- 
impfung  des  filtrierten  Ansteckungsträgers  zu  prüfen.  Ferkel  IX 
der  Versuchsreihe  mit  Material  zweiter  Generation  ist  am  17.  Ok- 
tober 1906  mit  filtriertem  Herzblut  von  Ferkel  HI  subkutan  infiziert 
worden,  das  seinerseits  mit  nicht  filtriertem  Lungensaft  erster  Gene- 
ration intrapleural  geimpft  worden  war.  Das  Herzblut  vom  Ferkel  IX 
wurde  verdünnt  und  filtriert  und  das  Filtrat  nach  Prüfung  auf  Keim- 
freiheit am  2.  November  190(5  an  zwei  Tiere  verimpft.  Es  erhielten 
Ferkel  XIV:  10  ccm  des  Filtrats  subkutan, 
XV-  7 
Als  Kontrolltiere  wurden  Ferkel  XVI  und  XVII  in  demselben 
Baum  in  einem  abseits  stehenden  Behälter  gehalten.  Am  8.  November 
1906  wurde  ferner  keimfreies  Filtrat  vom  Darm  des  Ferkels  IX 
in  einer  Menge  von  20  ccm  subkutan  an  Ferkel  XVIII  verimpft, 
fär  das  Ferkel  XIX  und  XX  als  Kontrolltiere  dienten.  (Es  wurde 
mit  diesem  Material  nur  ein  Tier  infiziert,  weil  weitere  zurzeit 
nicht  zur  Verfügung  standen.) 

Bei  den  Ferkeln  XIV  und  XV  ist  9  Tage  nach  der  Impfung 
eine  offensichtliche  Erkrankung  beobachtet  worden,  die  sich  all- 
mählich verschlimmerte.  Um  möglichst  viel  Blut  für  andere  Zwecke 
zu  gewinnen,  sind  die  Tiere  am  19.  November  1906  getötet  worden. 

Ferkel  XIV  hatte  ein  krustöses  Ekzem  auf  Rücken  und 
Schultern,  übelriechenden  Durchfall  und  war  abgemagert. 

Obduktionsbefund:  Unmittelbar  neben  der  Hüftblinddarm- 
klappe findet  sich  eine  etwa  markstückgroße  Geschwürsfläche  mit 
schmutzig  graugelbem,  fest  anhaftendem  Belag  und  leicht  geschwollenem 
Sande.  Fünf  cm  weiter  im  Blinddarm  ein  linsengroßes  Geschwür  mit 
geschwollenem,  gerötetem  Rande.  Im  weiteren  Verlauf  des  Blinddarmes  noch 
zwei  Geschwüre  von  der  gleichen  Beschaffenheit.  Die  Schleimhaut  ist  in 
der  ganzen  Ausdehnung  des  Blinddarmes  ein  wenig  geschwollen,  zum  Teil  in 
Falten  gelegt,  auf  der  Höhe  der  Falten  sind  streckenweise  punktförmige 
Blutungen  zugegen.  In  der  Rindenschicht  der  Nieren,  dicht  unter  der  Kapsel 
sieht  man  auf  jeder  Seite  12— 20  punktförmige  Blutungen.  Auf  der  hinteren 
Hälfte  der  ventralen  Fläche  der  rechten  Niere  ist  eine  tiefe  narbige  Ein- 
ziehung, an  der  die  fibröse  Kapsel  mit  der  Rindenschicht  verwachsen  ist. 
Die  Organe  der  Brusthöhle  sind  ohne  Abweichung. 

Ferkel  XV  war  mit  Ekzem  und  Durchfall  behaftet  wie  das 
der  gleichen  Impfling  unterworfene  Ferkel  XIV. 


—     144     — 

Obduktionsbefund:  Es  finden  sich  eine  mehr  als  markstückgroße 
Geschwürsfläche  an  der  Hüftblinddarmklappe,  ferner  im  Blinddarm 
drei,  im  Grimmdarm  zwei  linsen- bis  erbsengroße  Geschwüre.  Das  Lungen- 
fell ist  überall  glatt,  glänzend  und  durchsichtig,  die  Lunge  lufthaltig,  mit  Aus- 
nahme des  rechten  Herzlappens,  der  nicht  retrahiert,  graurot,  derb  und  luftleer  ist. 

Durch  Kulturen  aus  den  Milzen  und  durch  Impfung  von  Mäusen 
mit  Material  von  Darmgeschwüren  konnte  in  diesen  beiden  Fällen 
der  Bacillus  suipestifer  nicht  nachgewiesen  werden. 

Die  beiden  am  26.  November  1906  getöteten  Kontrolltiere 
XVI  und  XVII  waren  gesund. 

Auch  das  am  8.  November  1906  mit  20  ccm  keimfreien  Fil- 
trats  aus  Ferkel  IX  infizierte  Ferkel  XVIII  ist,  gleichwie  die 
beiden  Kontrolltiere  Nr.  XIX  und  XX,  nicht  erkrankt,  wie  sich  bei 
der  Tötung  der  Tiere  am  26.  und  27.  November  1906  herausstellte. 

Die  Übertragungder  Schweinepestwar  demnachauch  in 
diesem  Versuch  in  zweiter  Generation  bei  zweien  von  den 
drfci  Impflingen  durch  filtriertes,  auf  Keimfreiheit  geprüftes 
Material  gelungen.  Hervorzuheben  ist,  daß  filtriertes  Blut  sehr 
infektiös  war,  während  sich  filtrierter  Dannauszug  als  avirulent  erwies. 

Übersichtliche  Darstellung  der  Übertragung  der  Schweinepest  in  verschiedenen 
Generationen  durch  filtriertes  Virus. 

Versuch  V. 

Schwein  aus  E.    Hepatisierte  Lunge: 

Nicht  filtrierter  Auszug,  Filtrierter   Auszug, 

intrapleural  verimpft  an  intrapleural  verimpft  an 

Ferkel  III,  Ferkel  I, 

gestorben  an  Septikämie.  erkrankt  an  Schweinepest  und 

Herzblut,  filtriert,  Schweineseuche, 

subkutan  verimpft  an  Herzblut  und  Darmauszug,  filtriert, 

Ferkel  IX,  subkutan  verimpft  an 

gestorben  an  Schweinepest.  Ferkel  X,           Ferkel  XI, 

Herzblut,  filtriert,  erkrankt  an               gesund 

subkutan  verimpft  an  Schweinepest.           geblieben. 
Ferkel  XIV,          Ferkel  XV, 
erkrankt  an            erkrankt  an 
Schweinepest.        Schweinepost. 

Versuch  TL 

Aus  J.  in  Ostpreußen  erhielt  das  Hygienische  Institut  durch 
Herrn  Veterinärrat  K.  am  6.  Oktober  1906  zwei  Dickdärme  mit 
zugehörigen  Gekrösen  von  Läuferschweinen. 


—     145    — 

An  der  schon  in  Fäulnis  begriffenen  Schleimhaut  der  Därme 
ist  zu  erkennen,  daß  die  oberflächlichen  Schichten  der  Schleimhaut 
auf  weite  Strecken  hin  grau,  trübe  und  trocken  sind.  Die  Gekrös- 
drüsen  sind,  soweit  mitgesandt,  geschwollen  und  saftreich. 

Die  erkrankten  Darm  teile  werden  in  einer  sterilisierten  Fleisch- 
hackmaschine gemahlen,  aufgeschwemmt  und  filtriert;  das  Filtrat  wird 
auf  Keimfreiheit  geprüft  und  in  der  Menge  von  je  20  ccm  subkutan  an 
Ferkel  I  und  II  verimpft.  Diese  beiden  und  zwei  zur  Kontrolle  die- 
nende Tiere  werden  in  zwei  Behältern  in  einem  und  demselben  Raum 
untergebracht.  Sie  zeigen  während  einer  dreiwöchigen  Beobachtungs- 
zeit keine  Krankheitserscheinungen  und  werden  auch  bei  der  am 
29.  Oktober  erfolgten  Tötung  und  Obduktion  gesund  befunden. 

Schweinepest  konnte  in  diesem  Falle  durch  Injektion 
filtrierten  Materials  nicht  übertragen  werden. 

Versuch  VII. 

Zwei  Ferkel  aus  einer  großen  Zucht  in  Ostpreußen,  von  denen 
eines  tot  hier  ankam,  das  andere  am  14.  Oktober  1906  getötet  wurde, 
dienten  zu  dem  folgenden  Versuch. 

Befund  bei  den  eingesandten  Ferkeln: 

Bei  Ferkel  a  werden  fibrinöse  Pleuritis,  Hepatisation  der  beiden 
Spitzen-  und  der  Herzlappen  sowie  der  dreikantigen  Spitze  des  rechten  Zwerch- 
fellappens,  ferner  vereinzelte  Geschwüre  und  diffuse  diphtherische 
Auflagerungen  und  Vergrößerung,  zum  Teil  auch  Verkäsung  der 
Follikel  festgestellt. 

Ferkel  b  zeigt  Hepatisationen  in  gleicher  Ausdehnung  und  im  Blind- 
und  Grimmdann  einzelne  glatte  Narben. 

Von  keimfreiem,  aus  den  erkrankten  Lungenteilen  und  dem 
Herzblut  beider  Ferkel  gewonnenen  Filtrat  erhalten  am  17.  Ok- 
tober 1906  ts,     ,     1   T     m  kl      . 

Ferkel  I:  10  ccm  subkutan 
Ferkel  II:  5  ccm  subkutan. 

Als  Kontrolltiere  dienen  zu  diesem  Versuch  die  schon  als 
Kontrolltiere  für  die  ebenfalls  am  17.  Oktober  geimpften  Ferkel  IX 
bis  XI  des  Versuches  V  benutzten  Ferkel  XII  und  XIII. 

Die  geimpften  Tiere  entwickeln  sich  leidlich  gut  und  werden 
nach  der  Tötung  als  vollkommen  gesund  befunden. 

Eine  Übertragung  der  Schweineseuche  oder  -pest  hat 
also  in  diesem  Versuch  durch  filtriertes  Material  nicht 
stattgefunden. 

Zeitschrift  für  Infektionikrankheiton.    II,  2/3.  10 


-     146     — 

Versuch  VIII. 

Aus  einem  durch  Schweineseuche  und  -pest  verseuchten  Be- 
stand des  Kreises  J.  in  der  Provinz  Posen  erhielt  das  Institut  auf 
Veranlassung  des  Herrn  Kreistierarztes  P.  am  19.  Oktober  eine 
Anzahl  kranker  Läufer  eingesandt.  Von  dreien  dieser  Tiere  dienten 
die  erkrankten  Organe  zur  Herstellung  keimfreier  Filtrate. 

Befund  bei  den  zu  dem  Versuch  ausgewählten  Tieren: 

Ferkel  a  ist  schlecht  genährt  und  hat  kurz  vor  der  Tötung  39,7°  C 
Mastdarmtemperatur.  An  den  inneren  Organen  werden  graue  Hepatisation 
der  Spitzen-  und  Herzlappen  und  der  vordersten  Teile  der  Zwerchfellappen, 
sowie  chronische  fibröse  Pleuritis  im  Bereich  dieser  Abschnitte,  endlich 
zahlreiche  bis  zehnpfennigstfickgroße  Geschwüre  im  Dickdarm  nachgewiesen. 

Ferkel  b  (Temp.  38,5°  C  vor  der  Tötung):  Graue,  zum  Teil  gelbe 
Hepatisation  der  Spitzen-  und  Herzlappen  und  chronische  fibröse  Pleu- 
ritis.   Im  Darm  keine  Veränderungen  nachweisbar. 

Ferkel  c:  Pneumonie  im  Bereich  der  Spitzen-  und  Herzlappen  und 
diffuse  diphtherische  Beläge  und  Geschwüre  bis  zur  Größe  eines  Zehn- 
pfennigstückes  im  Dickdarm. 

Aus  dem  von  diesen  Tieren  unter  den  üblichen  Kautelen  ge- 
wonnenen Blut  wurden  keimfreie  Filtrate  hergestellt,  indem  das  sich 
abscheidende  Serum  mit  der  gleichen  Menge  sterilisierter  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung  verdünnt  und  durch  Pukallfilter  geschickt 
wurde.  Am  3.  November  190(5  erhielten  vom  Filtrat  I  (Ferkel  a)  die 
Ferkel  I  und  II  subkutan  10  und  20  ccm,  Ferkel  EU  und  IV  von 
Filtrat  II  (Ferkel  b)  in  gleicher  Weise  10  und  20  ccm  und 
Ferkel  V  und  VI  die  gleichen  Mengen  von  Filtrat  HI  (Ferkel  c). 

Diese  sechs  Impflinge  wurden  mit  zwei  Kontrolltieren  (Ferkel  VII 
und  VIII)  in  verschiedenen  Behältern  eines  Raumes  gehalten  und  be- 
obachtet. Weder  während  des  Lebens,  noch  nach  der  Tötung 
zeigte  eines  von  ihnen  Krankheitserscheinungen. 

Durch  filtriertes  Blutserum  der  drei  mit  den  anatomischen 
Veränderungen  der  Schweineseuche  und  zum  Teil  auch  der  Schweine- 
pest erkrankten  Tiere  aus  einem  und  demselben  Bestand  konnte  in 
diesem  Versuch  eine  Krankheit  auf  die  geimpften  Tiere  nicht 
übertragen  werden. 

Von  acht  Versuchen*  die  mit  filtriertem  Material  von  Schweinen 
aus  Schwcinrpcstht  ständen  ausgeführt  fronten  sind,  haben  fünf  zu 
einem  positircn   Krgehnis  geführt. 

Mithin  ist  erwiesen,  daß  auch  die  deutsehe  Schweinepest, 
gleichwie  die  amerikanische  HfHjeholera.  durch  ein  filtrierbares  Virus 


—     147     — 

bedingt  wird,  und  daß  der  Bacillus  suipestifer  erst  sekundär  in  den 
Körper  der  pestkrank  gewordenen  Schweine  eindringt. 

Von  dem  Schweinepestmaterial  der  Versuche  VI — VIII,  bei 
dem  sich  eine  Übertragung  der  Schweinepest  nach  erfolgter  Filtration 
nicht  bewerkstelligen  ließ,  ist  anzunehmen,  daß  in  ihm  das  Virus 
der  Schireinepest  flicht  mehr  oder  nicht  in  solchen  Mengen  vorhanden 
icar,  um  bei  der  erwählten  Versuchsanordnung  innerhalb  der  Versuchs- 
xeit  eine  Erkrankung  der  Versuchstiere  herbeiführen  zu  können. 

Die  Feststellung,  daß  der  Ansteckungsstoff  der  Schweinepest 
nicht  der  Bacillus  suipestifer,  sondern  ein  ultravisibles,  filtrierbares 
Virus  ist,  läßt  für  die  Bekämpfung  der  Schweinepest  mit  Hilfe  des 
Bacillus  suipestifer  oder  mit  Hilfe  der  unter  Verwendung  dieses  Mikro- 
organismus gewonnenen  Sera  keinen  Raum,  mögen  die  Sera  bakterizid 
oder  angeblich  bakterizid-antitoxisch  sein.  Ostertag  hat  in  einer 
Anmerkung  zu  einem  Referat  Graberts  über  die  Arbeit  von  Dorset, 
Bolton  und  M'Bryde  schon  betont,  es  müsse  anerkannt  werden, 
daß  mit  Serum,  das  auf  die  Schweinepestbazillen  bakterizid  wirkt, 
bei  der  Bekämpfung  der  natürlichen  Schweinepest  befriedigende 
Erfolge  bis  dahin  nicht  erzielt  worden  seien.  Das  Hygienische  Institut 
der  Tierärztlichen  Hochschule  zu  Berlin  hat  auf  Grund  seiner  in  der 
Praxis  angestellten  Versuche  auch  von  der  Empfehlung  eines  Schweine- 
pestserums zur  Bekämpfung  der  Schweinepest  Abstand  genommen, 
obwohl  es  die  Möglichkeit  festgestellt  hatte,  ein  sogenanntes 
Schweinepestserum  mit  Hilfe  des  Bacillus  suipestifer  herzustellen, 
das  eine  ungewöhnlich  starke  bakterizide  Wirkung  besitzt.  Daß 
in  sämtlichen  Ländern,  in  denen  jahrelang  —  in  Amerika,  von  wo  jetzt 
die  Korrektur  kam,  über  l1/2  Jahrzehnte  lang  —  über  Schweinepest 
gearbeitet  worden  ist,  der  Bacillus  suipestifer  zum  Ausgangspunkt 
der  bakteriologischen  Bekämpfung  der  Schweinepest  gemacht  wurde, 
ist  ein  bedauerlicher,  durch  eine  Doktrin  verschuldeter  Irrtum.  Der 
Bacillus  suipestifer  hatte  die  bekannten  drei  Koch  sehen  Forderungen 
für  einen  Krankheitserreger  erfüllt  und  war  deshalb  ganz  allgemein 
für  die  Ursache  der  Schweinepest  gehalten  worden.  Jetzt  wissen 
wir.  daß  der  Bacillus  suipestifer  ein  Saprophyt  ist,  der  infolge  einer 
elektiven  Symbiose  in  den  Körper  der  pestkrank  gewordenen  Tiere 
einzudringen  und  hier  zu  wachsen  vermag.  Mit  dieser  Erkenntnis  ist 
der  Bekämpfung  der  Schweinepest  ein  neuer  Weg  gewiesen,  der 
hoffentlich  zu  einein  schönen  Erfolge  führt. 

10* 


Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  der  Bornaschen 

Krankheit. 

Von 
Prof.  H.  Oppenheim 

in  Berlin. 

(Mit  Tafel  I  und  IL) 

Zur  Untersuchung  wurde  mir  am  17.  Februar  1903  das  Gehini, 
das  Rückenmark,  ein  Spinalganglion,  einige  peripherische  Nerven 
sowie  Teile  der  Zungenmuskulatur,  Extremitätenmuskulatur  und  der 
Kaumuskeln  eines  an  Bornascher  Krankheit  verendeten  Pferdes*)  von 
Prof.  Ostertag  übergeben. 

Das  Material  wurde  kurze  Zeit  in  Formol,  dann  in  Müller- 
scher Flüssigkeit  gehärtet. 

Aus  dem  Rückenmark  wurden  einzelne  Stücke  behufs  Nißl- 
Färbung  im  absoluten  Alkohol  gehärtet. 

Zur  Anwendung  kamen  folgende  Färbungsmethoden:  Nißl, 
Marchi,  Kannin-Alaunhämatoxylin,  Kulschitski,  Weigert,  Pal, 
Wolters,  van  Gieson,  Rosin,  Überosmiumsäure  etc. 

Die  Nerven  wurden  an  Quer-  und  Längsschnitten  untersucht, 
und  zwar  der  Ischiadicus  und  ein  Axillarnerv.  Es  überwiegen  in 
den  Nerven  die  großen,  breiten  Fasern,  die  sich  mit  Osmiumsäure 
tief  schwarz  färben;  außerdem  finden  sich  kleine  Bündel  schmaler 
Fasern,  die  den  Farbstoff  weniger  annehmen  und  im  frischen  Osmium- 
säurepräparat sowie  im  Weigertpräparat  bräunlich  bis  grau  er- 
scheinen, doch  machen  nur  vereinzelte  den  Eindruck,  als  ob  das  Mark 
atrophiert  sei.  Beim  Vergleich  mit  entsprechenden  Nerven  eines 
gesunden  Pferdes  muß  man  überhaupt  den  Befund  als  einen  der 
Norm  entsprechenden  bezeichnen. 

*)  S.  nachfolgende  Krankheitsgeschichte  und  Obduktionsbefund. 


—     U\)     — 

In  dem  Spinalganglion  sind  die  Xervenfaserbündel  ebenfalls 
intakt,  die  Ganglienzellen  selbst  schön  ausgebildet,  von  mehrfachen 
Reihen  dicht  gedrängter  Rundzellen  umgeben. 

An  den  frisch  zerzupften  und  in  Glyzerin  oder  Liq.  Kalii  acet. 
untersuchten  Muskeln  der  Vorderextremität  nichts  Pathologisches. 
Im  Zungenmuskel,  der  nach  Härtung  auf  Quer-  und  Längsschnitten 
untersucht  wurde,  schien  es  erst,  als  ob  in  einzelnen  Fasern  die 
Querstreifung  undeutlich,  die  Keine  des  Perimysium  internum  ver- 
mehrt wären.  Indes  lehrte  der  Vergleich  mit  dem  vom  gesunden 
Tier  stammenden  Präparat,  daß  nennenswerte  Veränderungen  nicht 
vorliegen,  auch  nicht  im  Kaumuskel. 

Die  intramuskulären  Nerven  treten  in  Weigertpräparaten  als 
schwarz  oder  schwarzblau  gefärbte  Bündel  hervor  und  bieten  eine 
durchaus  normale  Beschaffenheit. 

Das  Gehirn  wurde  nach  kurzer  Formolhärtung  durch  Frontal- 
schnitte zerlegt,  dann  in  Müll  er  scher  Flüssigkeit  weitergehärtet  und 
ein  Teil  der  Segmente  nach  Einbettung  in  Zelloidin  auf  dünnen 
Schnitten,  die  mit  den  obengenannten  Farbstoffen  tingiert  wurden, 
untersucht. 

Während  die  mikroskopische  Betrachtung  dieser  Schnitte  an 
vielen  Stellen  ein  normales  Verhalten  ergibt,  bieten  sich  an  anderen 
erhebliche  Veränderungen.  Und  zwar  sind  es  in  erster  Linie  die 
Meningen,  die  weichen  Häute  des  Gehirns,  die  sich  erkrankt  erweisen. 
Während  an  den  normalen  Stellen  —  z.  B.  Taf.  I,  Figur  1  a  — 
die  Pia  und  Arachnoidea  ein  zartes,  dünnes,  mit  dem  bloßen  Auge 
als  wellige  Linie  erscheinendes  Blatt  bilden,  ist  an  anderen  Stellen 
(Taf.  I,  Fig.  2)  die  Verdickung  der  Meningen  eine  so  erhebliche, 
daß  sie  schon  bei  der  makroskopischen  Betrachtung  in  die  Augen 
springt  (a'). 

Der  Charakter  der  Veränderungen  wird  erst  durch  die  mikro- 
skopische Untersuchung  ermittelt  und  durch  Taf.  II,  Fig.  3,  4  und 
5  illustriert. 

Die  starke  Verbreiterung  der  Meningen  ist  zum  großen  Teil 
durch  die  Zunahme  des  faserigen  Gewebes  bedingt.  Die  Bündel 
und  Blätter  desselben  sind  in  vielfachen  Lagen  übereinander- 
geschichtet,  verlaufen  zwar  zum  größten  Teil  parallel  der  Oberfläche, 
bilden  aber  auch,  namentlich  in  den  tieferen,  der  Rinde  naheliegenden 
Schichten,  ein  Flechtwerk  von  sich  in  den  verschiedensten  Richtungen 
durchkreuzenden  Fasern,   von   denen   auch  viele  Ausläufer  in  die 


—     150    — 

Rinde  selbst  hineindringen.  Außerdem  besteht  ein  erheblicher 
Grad  von  zelliger  Infiltration.  Auf  den  mit  Alaunhämatoxylin 
gefärbten  oder  nachgefärbten  Schnitten  ist  die  Kernvermehrung  im 
Bereich  der  Meningen  eine  zwar  allgemeine,  tritt  aber  ganz  be- 
sonders in  den  unmittelbar  an  die  Rinde  grenzenden  Bezirken  hervor. 
(Vgl.  i  u.  J  auf  Taf.  II,  Fig.  3  und  4.)  Hier  finden  sich  ganze 
Nester  und  Herde  dichtgedrängter  Zellen,  die  dann  auch  noch  in 
die  peripheren  Schichten  der  Rinde  zu  verfolgen  sind. 

Zum  größten  Teil  haben  die  Zellen  den  Charakter  der  Rund- 
zellen oder  Lymphozyten,  an  einigen  Stellen  (J  in  Fig.  3,  das- 
selbe in  Fig.  5  bei  starker  Vergrößerung)  sind  es  aber  herdförmige 
Ansammlungen  großer,  zum  Teil  mehrkerniger,  zelliger 
Gebilde. 

Ferner  ist  es  der  Gefäßapparat,  der  einen  wesentlichen 
Anteil  an  dem  Krankheitsprozesse  hat.  Die  Gefäße  sind  zum  Teil 
erweitert,  strotzend  gefüllt,  ihre  Wandungen  und  Scheiden  vielfach 
zellig  infiltriert.  An  vielen  Stellen  scheint  es  sich  um  neugebildete 
Gefäße  zu  handeln,  die  man  auch  vielfach  von  der  Pia  aus  in  den 
Kortex  hineindringen  sieht. 

An  einzelnen  Stellen  finden  sich  freie  Blutungen  im  Gewebe 
der  Meningen,  doch  haben  diese  an  keiner  Stelle  einen  größeren 
Umfang. 

In  der  Hirnsubstanz  selbst  beschränken  sich  die  Hauptver- 
änderungen auf  die  der  Pia  anliegenden  peripheren  Schichten.  In- 
des werden  doch  auch  hier  und  da  krankhafte  Prozesse  tiefer  im 
Gewebe  gefunden.  Und  zwar  handelt  es  sich  einmal  um  Rund- 
zelleninfiltrate  (vgl.  z.  B.  i  Taf.  I,  Fig.  6),  andererseits  um  Herde, 
die  auf  den  gefärbten  Schnitten  schon  bei  der  Betrachtung  mit  bloßem 
Auge  sich  deutlich  abheben.  Bei  mikroskopischer  Untersuchung 
sind  die  Zellen  hier  keineswegs  vermehrt,  auch  sind  die  faserigen 
Elemente  der  Neuroglia  hier  nicht  oder  nur  stellenweise  gewuchert, 
die  Nervenzellen  und  -Fasern  rarefiziert  und  das  ganze  Gewebe  wie 
aufgelockert,  schlechter,  d.  h.  weniger  gefärbt  als  die  Umgebung. 
Ein  Teil  dieser  Herde  ist  um  ein  Gefäß  angeordnet,  dessen  Wandung 
verdickt  und  dessen  nächste  Umgebung  sklerosiert  erscheint.  Alles 
in  allem  hat  man  den  Eindruck,  als  ob  es  sich  um  einen  entzünd- 
lichen Zustand  handele,  der  wesentliche  Veränderungen  nur  im 
Bereich  der  nächsten  Umgebung  des  Gefäßes  hervorgerufen  hat, 
während  in  der  weiteren  nur  Ödem  und  seröse  Imbibition  besteht- 


—     151     — 

Schließlich  finden  sich  auch  im  Hirngewebe  selbst  an  ver- 
einzelten Stellen  ein  paar  frische,  wahrscheinlich  agonale  Blutungen. 

Von  dem  Rückenmark  wurden  aus  allen  Höhen  Schnitte  her- 
gestellt und  nach  den  angeführten  Methoden  behandelt. 

In  Nißlpräparaten  bieten  einzelne  Zellen  des  Vorderhorns  das 
Bild  der  Chromatolyse. 

Graue  und  weiße  Substanz  erscheinen  im  übrigen  in  allen 
Höhen  normal  —  bis  auf  ein  paar  frische  Blutungen,  die  sich  in 
einzelnen  Höhen  in  der  grauen  Substanz  finden.  Die  Meningen  des 
Rückenmarks  sind  ebenfalls  an  den  meisten  Stellen  unverändert, 
während  an  einigen  eine  Verdickung  und  zellige  Infiltration  von 
ähnlicher  Beschaffenheit  wie  die  für  das  Hirn  beschriebene  hervor- 
tritt. Im  ganzen  ist  der  Prozeß  hier  aber  von  weit  geringerer  In- 
und  Extensität. 

Die  aus  Pons  und  Med.  oblongata  untersuchten  Teile  bieten 
normale  Verhältnisse. 

Der  Gesamtproxess  efiaraktermert  sich  als  eine  nicht  diffuse, 
sondern  partielle,  lokalisierte  oder  disseminierte  Meningoencephalitis 
acuta  non  purulenta.  Er  erinnert  sehr  an  die  sog.  akute,  nicht- 
eitrige Enzephalitis  des  Menschen,  mit  dem  Unterschiede,  daß 
hier  (beim  Pferd)  die  Beteiligung  der  Meningen  eine  überwiegende 
ist.  Freilich  kommen  derartige  Formen  auch  beim  Menschen  vor, 
doch  ist  da  in  der  Regel  die  herdförmige  Erkrankung  des  Hirn- 
gewebes das  vorherrschende  Moment.  Es  sind  auch  dieselben  Zellen- 
typen, wie  sie  in  den  enzephalitischen  Herden  des  Menschen  ge- 
funden werden. 

Es  drängt  sich  noch  die  Frage,  auf,  ob  die  ganze  Affektion 
als  eine  sekundäre,  traumatische  aufzufassen  ist,  entstanden  infolge 
der  Verletzungen,  die  sich  das  an  Bornascher  Krankheit  leidende 
Tier  in  der  Regel  zuzieht.  Wenn  ich  das  auch  nicht  bestimmt 
verneinen  kann,  so  ist  es  mir  doch  im  hohen  Grade  unwahrscheinlich, 
daß  ein  derartiger  Prozeß,  bei  dem  die  gewöhnlichen  traumatischen 
Gewebeschädigungen,  insbesondere  größere  Blutungen,  ganz  vermißt 
werden,  die  Folge  von  Kopfverletzungen  bildet,  zumal  Kontinuitäts- 
trennungen des  Schädels  bei  der  Obduktion  vermißt  wurden. 


Bei  der  Herstellung  der  Präparate  wurde  ich  von  meinem 
Assistenten  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Cassirer  sowie  von  Martha 
Oppenheim  unterstützt. 


—     152     — 

Tafel-Erklärung  (Tafel  I  und  H). 

Fig.  1.  Schnitt  aus  einem  Bezirk  des  Hirnmantels  an  normaler  Stelle. 
Bei  a  Meningen.    Natürliche  Größe. 

Fig.  2.  Schnitt  aus  einem  erkrankten  Gebiet.  Bei  a'  die  verdickten 
Meningen  (vgl.  mit  a  Fig.  1).    Natürliche  Größe. 

Fig.  3.  Teil  eines  Schnittes,  nach  van  Gieson  gefärbt.  Vergrößerung: 
Leitz  Okular  1,  Objektiv  3.  M  =  Meningen.  R  =  Rinde.  J  =  Herd  zelliger 
Infiltration. 

Fig.  4.  Aus  einer  anderen  Stelle,  die  in  ähnlicher  Weise  verändert  ist, 
wie  die  von  Fig.  3.  Bezeichnungen  dieselben.  Vergrößerung:  Leitz  Okular  3, 
Objektiv  3. 

Fig.  5.  Zellen  aus  dem  Herde  J  der  Fig.  3  bei  starker  Vergrößerung. 
Leitz  Okular  3,  Objektiv  9. 

Fig  6.  Teil  eines  Schnittes  aus  dem  Grenzgebiet  von  Rinde  und  Mark. 
Bei  i  Herd  zelliger  Infiltration.    Vergrößerung:  Leitz  Okular  3,  Objektiv  3. 


Klinischer  und  Obduktionsbefund  zu  dem  von  Herrn 

Professor  H.  Oppenheim  untersuchten  Fall  von 

Bornascher  Krankheit. 

Von 
Prof.  R.  Ostertag. 

Das  Pferd,  von  dem  die  durch  Herrn  Professor  Oppenheim 
untersuchten  Teile  stammten,  war  eine  8  jährige  kaltblütige  Stute, 
die  vom  Hygienischen  Institut  durch  Vermittlung  des  Herrn  Kreis- 
tierarztes Liebener  in  Delitzsch  erworben  worden  war.  Das  Tier 
ist  am  7.  Februar  1903  mit  der  Bahn  nach  Berlin  gebracht  worden. 
Am  8.  Februar  wurde  bei  ihm  folgender  Befand  erhoben: 

Ernährungszustand  gut.  Haarkleid  glatt  und  glänzend.  Äußere  Körper- 
wärme regelmäßig  verteilt;  die  Ohren  und  Unterfuße  fühlen  sich  kühler  an 
als  die  Haut  des  Rumpfes.  Die  Haut  über  dem  Schädeldach  nicht  höher 
temperiert.  Beim  Betasten  der  verschiedenen  Körperstellen  zeigt  es  sich,  daß 
die  Haut  in  der  Genickgegend  abnorm  empfindlich  ist.  Beim  Druck  auf  da« 
Genick  steigt  das  Pferd  in  die  Höhe.  Ferner  schlägt  das  Tier  beim  Betasten 
des  Euters  aus. 

Die  Hautmuskeln  lassen  zeitweise  vibrierende  Bewegungen  im  Bereich 
der  Seitenbrust  erkennen.  Vibrierende  Muskelzuckungen  bestehen  periodisch 
auch  an  der  Ober-  und  Unterlippe.  In  den  anfallsfreien  Pausen  ist  die  Rima 
oris  krampfartig  gespannt,  so  daß  ein  schmerzhafter  Gesichtsausdruck  entsteht. 


—     153     — 

Der  Kopf  wird  im  Freien  leicht  gesenkt  gehalten.  Im  Stall  stützt  das 
Tier  den  Kopf  zeitweilig  auf  das  Futtergeschirr  oder  senkt  ihn  neben  dem 
Futtergeschirr  tief  zu  Boden.  (Vgl.  Fig.  1  und  2.) 

Die  Augenlider  sind  halb  geschlossen.  (Vgl.  Fig.  1  und  3.)  Lidbinde- 
häute schmutzig  gelblichrot 

Zahl  der  Pulse  36  in  der  Minute.  Der  Puls  ist  klein,  weich,  rhythmisch 
und  äqual.  Herzschlag  mäßig  deutlich  fühlbar.   Die  Herztöne  mäßig  laut,  ohne 


Fig.  1.    Pferd  mit  Bornascher  Krankheit. 

(Nach  einer  photographischen  Aufnahme  im  Stalle.) 


Aftergeräusche.  Herzdämpfung  nicht  vergrößert.  Die  Innentemperatur  beträgt 
38,3°  C. 

Vorgelegtes  Futter,  Heu  und  Hafer,  wird  aus  dem  Futtergeschirr  und 
vom  Boden  aufgenommen  und  langsam,  ferner  mit  hörbarem  Aufeinander- 
schlagen  der  Zähne  gekaut.  Zeitweilig  setzt  das  Tier  mit  den  Kaubewegungen 
aus.  Mitunter  krampfhaftes  Gähnen.  Das  Abschlucken  geschieht  in  regel- 
mäßiger Weise.  Wasser  wird  nicht  aufgenommen.  Maulschleimhaut  blaßrot 
and  mit  zähem,  schaumigem  Speichel  belegt.  Hinterleib  gefüllt.  Darmgeräusche 
auf  der  linken  Seite  unterdrückt,  rechts  mäßig  lebhaft.  Die  Stute  macht 
häufig  zitternde  Bewegungen  mit  dem  Schweife  und  drängt  auf  die  Vagina 
wie  eine  rossige  Stute,  hierbei  eine  große  Menge  glasigen  Schleimes  entleerend. 
Kot  und  Urin  sind  nicht  abgesetzt  worden. 

Zahl  der  Atemzüge  12  in  der  Minute.  Die  Atmung  geschieht  tief,  mit- 
unter seufzend.  Ausgeatmete  Luft  nicht  höher  temperiert.  Aus  beiden  Nasen- 
öffnungen serös-schleimiger  Ausfluß.    Nasenschleimhaut  spiegelnd,  gelblichrot. 


—     154    — 

Linke  Kehlgangsdrüse  körnig  geschwollen.  Spontaner  Husten  besteht  nicht 
und  läßt  sich  auch  durch  Druck  auf  den  Kehlkopf  nicht  auslösen.  Auskultation 
und  Perkussion  der  Lungen  liefern  ein  normales  Ergebnis. 


Fig.  2.   Pferd  mit  Bornaseher  Krankheit. 

(Nach  einer  photographiachcn  Aufnahme  im  Stalle.) 

Das  Tier  steht  im  Stalle  mit  gespreizten  Beinen  in  bodenweiter  Stellung 
da  (Fig.  2).  Die  Hinterbeine  werden  abwechselnd  entlastet  (Fig.  1  und  2).  Das 
Tier  ist  nur  mit  schwerer  Mühe  zum  Zurücktreten  zu  bestimmen.  Beim  Heraus, 
führen  geschehen  die  Bewegungen  schwerfällig  und  unsicher.  Die  Vorderfüße 
werden  schleichend  vorgeführt  und  tastend  mit  den  Zehen  der  Hufe  zuerst  auf 
den  Boden  gesetzt;  die  Hinterfüße  werden  stark  gebeugt.  Überläßt  man  das 
Pferd  im  Freien  sich  selbst,  so  geht  es  geradeaus  mit  leichter  Biegung  des 
Kopfes  nach  links;  es  geht  so  weit,  bis  es  auf  Hindernisse  mit  dem  Kopfe  stößt. 
Auf  diese  Weise  aufgehalten,  bleibt  das  Pferd  still  stehen.  Wendungen 
geschehen  ungeschickt.  Beim  Zurückbringen  in  den  Stall  macht  das  Tier  starke 
Anstrengungen,  um  über  die  Schwelle  der  Tür  zu  gelangen.  In  seinem  Stande 
drängt  es  vorwärts  bis  zur  Wand. 

Beim  Greifen  in  die  Ohren,  beim  Treten  auf  die  Kronen  der  Füße  sowie  bei 
der  Prüfung  der  Haut  mit  einer  Nadel  ist  Empfindlichkeit  vorhanden.  Auf  Zuruf 
reagiert  das  Tier  nicht  immer.  Dagegen  schrickt  es  bei  plötzlichen  Geräuschen 
wie  beim  Klatschen  mit  den  Händen  zusammen  und  zeigt  dann  auch  zitternde 
Muskelbewegungen  im  Bereich  der  Hinterschenkel  und  des  Schwanzes.  Werden 
dem  Tier  die  Vorderfüße  gekreuzt,  so  verharrt  es  in  dieser  abnormen  Stellung 
länger  als  zwei  Minuten.    Beim  Versuch,  einen  Vorderfuß  hochzuheben,  beugt 


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die  Stute  die  Hinterfuße  sehr  stark  und  droht  nach  hinten  überzustürzen. 
Wiederholt  schlägt  das  Pferd  ohne  Anlaß  aus. 

Die  Untersuchung  mit  dem  Augenspiegel  ergibt,  daß  die  Papillen 
heilrot  sind. 

In  der  Nacht  vom  8.  zum  9.  Februar  wird  auf  eine  Eseringabe  eine  größere 
Menge  Kotes  abgesetzt.  Gelegt  hat  sich  das  Tier  nicht.  P.  38,  T.  38,5 
(abends  38,6),  A.  10.  Am  9.  Februar  wird  Futter  nur  aus  der  Krippe  und 
aus  der  Hand,  dagegen  nicht  mehr  vom  Boden  aufgenommen.  Das  Tier  trinkt 
im  Laufe  des  Tages  etwa  einen  halben  Eimer  Wasser,  Peristaltik  immer  noch 
unterdrückt. 

Am  10.  Februar  P.  38,  T.  38.7,  A.  12.  Heu  wird  aus  der  Krippe  in  ge- 
ringer Menge  aufgenommen.  Die  Stute  trinkt  auch  Wasser,  dem  viel  (0,5  kg 
auf  einen  Eimer)  Natrium  sulfuricum  zugesetzt  ist  Darmgeräusche  rechter- 
seits  sehr  lebhaft.  Abgesetzter  Kot  festgeballt.  Beim  Kotabsatz  zitternde 
Bewegungen  mit  dem  Schwänze.  Häufiges  Blitzen  der  Scham.  Empfindlich- 
keit der  Haut  am  Rumpfe  auf  Nadelstiche  herabgesetzt  Das  Tier  wendet  den 
Kopf  nach  vorgehaltenem  Futter.    Hin  und  wieder  wendet  es  den  Kopf  ohne 


Fig.  3.    Pferd  mit  Bornaseher  Krankheit. 

(Nach  einer  im  Freien  aufgenommenen  Photographie.) 


Anlaß  nach  links,  um  dann  auf  eine  bestimmte  Stelle  zu  stieren.  Die  Papillen 
der  Augen  gelblichrot;  die  Pupillen  reagieren  langsam.  Erhöhte  Temperatur 
der  Haut  des  Schädeldaches  besteht  nicht. 


—     156    — 

11.  Februar.  Das  Pferd  hat  sich  nicht  gelegt.  P.  36,  T.  38,7,  A.  12. 
Das  Tier  steht  von  der  Krippe  entfernt  in  seinem  Stande  und  nimmt  nur  Futter 
auf,  das  ihm  vorgehalten  wird.  Nur  zweimal  geht  es  ganz  allmählich  zur 
Krippe  und  frißt  eine  Weile  aus  ihr.  Wasser  wird  nur  aufgenommen,  wenn 
der  Eimer  dem  Tier  dicht  unter  das  Maul  gehalten  wird.  Das  Pferd  trinkt 
auf  diese  Weise  Wasser,  gleichgültig  ob  dieses  mit  Glaubersalz  versetzt  ist 
oder  nicht.  Neu  aufgetreten  sind  klonische  Kaumuskelkrämpfe,  die  minuten- 
lang andauern.  Die  Pupillen  sind  starr  und  reagieren  langsam.  Empfindlich- 
keit in  den  Ohren  noch  vorhanden,  an  den  Kronen  der  Füße  nicht  mehr.  Auf 
Geräusche  in  der  Nähe  des  Tieres  erfolgt  keine  Reaktion  mehr. 

12.  Februar.  Das  Pferd  steht  völlig  apathisch  in  seinem  Stande  mit 
leicht  nach  links  gebeugtem  Halse.  Vorgehaltenes  Futter  wird  aufgenommen, 
gekaut  und  abgeschluckt;  das  Abgleiten  der  Bissen  im  Schlünde  macht  sich 
langsam  in  der  Schlundrinne  bemerkbar.  Wasser  wird  zuerst  etwas  getrunken, 
dann  verbleibt  das  Tier  mit  geschlossenen  Lippen  im  Wasser  und  macht  leere 
Schluckbewegungen.  Durch  Einführen  eines  Fingers  in  die  Maulhöhle  kann 
man  sofort  Trinken  hervorrufen,  das  dann  in  normaler  Weise  geschieht.  Kot 
wird  nicht  abgesetzt. 

13.  Februar.  P.  42,  T.  38,5,  A.  12.  Das  Tier  steht  zitternd  im  Stande 
und  droht  umzufallen.  Die  Muskelkrämpfe  im  Bereich  des  Kopfes  sind  sel- 
tener geworden.  Vorgehaltenes  Heu  ergreift  das  Pferd  hastig,  kaut  es  und 
schluckt  es  auch  ab.  In  vorgehaltenen  Hafer  beißt  es,  während  die  Lippen 
zittern,  speichelt  ihn  stark  ein  und  läßt  ihn  wieder  seitlich  aus  dem  Maule 
fallen.  Wasseraufnahme  wie  tags  zuvor;  der  Kopf  wird  aber  so  weit  in  das 
Wasser  gehalten,  daß  sich  die  Nasenlöcher  zur  Hälfte  im  Wasser  befinden. 
Empfindung  beim  Greifen  in  die  Ohren  besteht  nicht  mehr.  Auf  Nadelstiche 
erfolgt  von  den  Hinterschenkeln  bis  zur  8.  Rippe  keine  Reaktion  mehr.  Die 
Konjunktiven  sind  höher  gerötet. 

14.  Februar.  P.  44,  T.  38,6,  A.  28.  Konjunktiven  höher  gerötet;  die 
höhere  Rötung  verschwindet  aber,  wenn  der  Kopf  des  Tieres  hochgebunden 
wird.  Die  Pupillen  sind  im  Stalle  stark  erweitert,  verengern  sich  aber  im 
Freien.  Das  Tier  vermag  Hafer  nicht  mehr  aufzunehmen;  Rauhfutter,  das  in 
das  Maul  geschoben  wird,  wird  gekaut  und  abgeschluckt  Wasseraufnahme 
wie  zuvor.  Beim  Einführen  des  Thermometers  in  den  After  tritt  eine  starke 
Aufregung  des  Tieres  ein;  das  Tier  beugt  die  Hintergliedmaßen  und  schlägt 
aus.    Empfindung  der  Haut  überall  herabgesetzt. 

15.  Februar.  P.  40,  T.  38,3,  A.  28.  Völlige  Teilnahmlosigkeit.  Papillen 
blaßrot  Die  Empfindlichkeit  in  den  Ohren  und  der  Haut  am  Kopfe,  Halse 
wie  an  den  Seitenwänden  der  Brust  ist  wiedergekehrt.  Futter  wird  freiwillig 
nicht  mehr  aufgenommen;  das  Tier  greift  nur  noch  zeitweilig  nach  vorgehal- 
tenem Futter  mit  den  Lippen.  In  die  Maulhöhle  geschobenes  Futter  wird  ge- 
kaut, die  Ballen  bleiben  aber  zwischen  den  Backzähnen  und  der  Backen- 
schleimhaut stecken.  Das  Tier  sucht  die  Futterballen  durch  exzessive  Kau- 
bewegungen wieder  zwischen  die  Backzähne  zu  bekommen.  Der  rechte  Vorder- 
fuß wird  in  der  Regel  nach  vorn  gestellt,  die  Hinterfüße  werden  abwechselnd 
entlastet.  Das  Tier  droht  wiederholt  umzufallen.  Beim  Hinausführen  bricht  es 
zusammen,  springt  aber  sofort  wieder  auf.    Sich  selbst  tiberlassen,  geht  das  Tier 


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nur  einige  Schritte  mit  nach  links  gebeugtem  Halse  und  tief  gesenktem  Kopf 
vorwärts. 

16.  Februar.  P.  40,  T.  38,4.  A.  22.  Die  Sklera  tritt  infolge  Rotation  der 
Bnlbi  nach  außen  an  beiden  Augen  als  ein  mehrere  Millimeter  breiter  Streifen 
hervor.  Langfutter  wird  nur  gekaut,  wenn  es  in  die  Maulhöhle  geschoben 
wird,  und  kann  nur  abgeschluckt  werden,  wenn  Futter  nachgeschoben  wird. 
Sonst  kaut  das  Tier  unter  starker  Salivation  und  laßt  schließlich  den  Bissen 
fallen.  Das  Tier  sucht  den  Bissen  wieder  zu  ergreifen,  was  ihm  aber  nicht 
gelingt.  Gegen  Mittag  hört  das  Abschlucken  auch  bei  der  angegebenen  Hilfe 
ganzlich  auf.  In  vorgehaltenes  Wasser  steckt  das  Tier  den  Kopf  bis  über  die 
Nasenöffnungen;  Trinken  findet  auch  beim  Einführen  eines  Fingers  in  die  Maul- 
spalte nicht  mehr  statt  Nur  wenn  das  Schlauchende  eines  mit  Wasser  gefüllten 
Irrigators  in  die  Maulhöhle  eingeführt  wird,  trinkt  das  Tier.  Hinterleib  stark 
aufgezogen.  Weder  Kot-  noch  Urinabsatz.  Das  Tier  steht  mit  gespreizten 
Vorderbeinen  und  abwechselnd  entlasteten  Hinterbeinen  im  Stand.  Es  fällt  im 
Laufe  des  Tages  um  und  vermag  sich  nicht  wieder  zu  erheben.  Das  Tier 
stirbt,  nachdem  es  andauernd  Laufbewegungen  ausgeführt  und  wiederholt  den 
Versuch  gemacht  hat,  sich  mit  der  Vorderhand  zu  erheben,  in  der  Nacht  zum 
17.  Februar. 

Die  am  Morgen  des  17.  Februar  vorgenommene  Obduktion 
hatte  folgendes  Ergebnis: 

Totenstarre  vorhanden.  Panniculus  adiposus  und  retroperitoneales 
Fettgewebe  stark  entwickelt  Lage  der  Baucheingeweide  normal.  Abnormer 
Inhalt  in  der  Bauchhöhle  nicht  vorhanden.  Der  Darmkanal  mit  flüssigem 
Inhalt  mäßig  gefüllt.  Der  Magen  zusammengefallen.  Milz  60  cm  lang,  30  cm 
breit,  4  cm  dick.  Oberfläche  stahlblau,  Parenchym  glänzend  schwarz;  Trabekel- 
werk  deutlich  hervortretend,  Pulpa  nur  in  mäßiger  Menge  abstreifbar.  Im 
Kardiateil  der  Magenschleimhaut  zahlreiche  Erosionen  von  Linsen-  bis  Zehn- 
pfennigstückgröße, z.  T.  flächenartig  zusammengeflossen.  Der  Pylorusteil  der 
Magenschleimhaut  sowie  die  Schleimhaut  des  Darmes  bis  auf  diejenige  der  rechten 
oberen  Grimmdarmlage  ohne  Abweichung.  Die  Schleimhaut  der  rechten 
oberen  Lage  des  Grimmdarmes  bis  zur  magenähnlichen  Erweiterung  schmutzig 
graubraun  und  gleichmäßig  geschwollen.  Leber  leicht  geschwollen,  graugelb 
und  trübe. 

Beide  Nieren  mäßig  vergrößert,  Rindenschicht  graurot  und  leicht  getrübt. 

Lungen  ohne  Veränderung. 

Unter  dem  Epikard  und  Endokard  vereinzelte  Blutungen.  Myokard 
gelbgrau,  trübe  und  weicher  als  normal. 

Die  Skelettmuskulatur  ist  graurot  und  trübe. 

Am  Gehirn  und  Rückenmark  ist  makroskopisch  außer  starker  Füllung 
der  Venen  und  starkem  feuchtem  Glanz  der  Schnittflächen  nichts  Abnormes 
zu  erkennen.  Auch  an  den  peripheren  Nerven  kann  mit  bloßem  Auge  eine 
Abweichung  nicht  ermittelt  werden. 


(Aus  dem  Physiologischen  Institut  der  veterinärmedizinischen 
Fakultät  der  Universität  Zürich.) 

Zur  Theorie  der  Hätnolyse. 

(Mit  Berücksichtigung  der  veterinärmedizinisch  wichtigen  Verhältnisse 
und  der  vergleichenden  Pathologie.) 

Von 
Dr.  Walter  Frei 

in  Zürich. 

I.  Einleitung. 

Es  ist  bekannt,  daß  die  Möglichkeit  der  Immunisierung  ge- 
geben ist  durch  die  Fähigkeit  des  Organismus,  Antikörper  zu  er- 
zeugen gegen  genuine  Eiweißkörper  ungeformten  oder  geformten 
(als  Zellen)  Zustandes,  wenn  sie  als  solche,  d.  h.  ohne  denaturiert 
zu  sein,  in  den  Kreislauf  gelangen.  Nach  ihrer  Funktion  — 
die,  wenn  sie  immunisatorisch  erzeugt  werden,  meist  spezifisch 
ist  —  und  nach  den  Stoffen,  gegen  die  sie  gerichtet  sind,  den 
Antigenen,  werden  die  Antikörper  bekanntlich  wie  folgt  benannt: 

Antikörper  gegen 

„    ..  ,.        ...         TT  \  =  Bakterizidine,    Bakteriolysine,    Bak- 

Zellen  pflanzlichen  Ursprungs  }  A    .         .  x.  .  J 

*  j  tenoagglutinine. 

Sonstige  Eiweißkörper  pflanz-  j 
liehen  Ursprungs  (Toxine,  Bak-  !  =  Antitoxine,  Präzipitine. 
terien-Filtrate)  ) 

=  Zytotoxine  und  Zytolysine  (z.  B.  Ne- 
phrotoxin, Hepatotoxin,  Leukozyto- 
toxin,  Spermatoxin,  Myotoxin  etc.), 
Hämagglutinine,  Hämolysine. 
Sonstige  Eiweißkörper   (Serum,  l  =  Präzipitine,  Antipräzipitine,  Antizyto- 
Antikörper)  I  toxine,  Antilysine. 

„  .  ,     „,  |  =  Antifermente  (z.  B.  Antipepsin,  Anti- 

Fermente »tierischen  und  pflanz-  ,ab     Antiemulgini    ^^in»**, 

hohen  Ursprungs  j  Fibrinantifcrment  etc.). 


Zellen  tierischen  Ursprungs 


—     159     — 

Die  Bakterizidine,  Zytotoxine  und  Hämolysine  sind  komplex, 
d.  h.  sie  bestellen  aus  zwei  Substanzen,  einer  wärmestabilen,  dem 
Ambozeptor  und  einer  wärmelabilen,  die  bei  56°  zerstört  wird  und 
Alexin  oder  Komplement  heißt.  Nur  die  Kombination  beider  ist 
wirksam.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  sowohl  Antikörper  wie  Anti- 
gene Kolloide  sind,  daß  bis  heute  nur  gegen  Kolloide  Antikörper 
erzeugt  worden  sind,  und  daß  die  allgemeinste  Reaktion  des  Orga- 
nismus auf  Antigeneinfuhr  das  Fieber  ist,  dessen  Entstehung  wohl 
mit  der  Antikörperbildung  zusammenhängt. 

Zangger1)  hat  zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  die 
Antikörper  Kolloide  sind,  daß  ihre  Funktionen  durch  den  Kolloidal- 
zustand allein  erklärt  werden  können,  und  zwar  der  folgenden 
charakteristischen  Eigenschaften  wegen:  Sie  kristallisieren  und  di- 
alysieren  meist  nicht,  verändern  sich  permanent  und  sozusagen 
spontan,  da  sie  gegen  alle  Einflüsse  sehr  empfindlich  sind,  beson- 
ders gegen  langandauernde  höhere  Temperaturen.  (Die  Alexine 
gehen  schon  bei  56°  zugrunde).  Da  die  Antikörper  neben  der 
Temperaturempfindlichkeit  auch  durch  Elektrolyte  sehr  leicht  und 
irreversibel  verändert  werden,  hat  man  sie  nicht  wie  die  Eiweiß- 
körper als  solche  chemisch  rein  durch  Aussalzen  darstellen  können. 
Das  Typische  wird  ihnen  eben  durch  den  Kolloidalzustand  verliehen. 
Zur  Wirksamkeit  bedürfen  sie  aber  gewisser  Salzionen  in  geringen 
Mengen,  ohne  die  sie  überhaupt  nicht  wirken  und  existieren  zu 
können  scheinen.2)  Nach  Salzzusatz  bekommen  sie  die  Eigenschaften 
wieder,  wenn  sie  diese  durch  Dialyse  verloren  haben  (London). 

Ich  beschränke  mich  auf  die  Hämolysine,  diejenigen  Serum- 
stoffe, die,  mit  entsprechenden  Blutkörperchen  zusammengebracht, 
diese  auflösen,  d.  h.  das  Hämoglobin  verläßt  durch  die  veränderte 
oder  zerstörte  Hülle  der  Blutzellen  hindurch  das  Stroma  derselben, 
ein  Vorgang,  den  wir  Hämolyse  nennen. 

Es  sind  Krankheiten,  Heilungsvorgänge  und  therapeutische 
Eingriffe  bekannt,  bei  denen  Hämolyse  stattfindet.  Schon  längst 
bekannt   ist   die   unliebsame  Rolle  der  Normalserumhämolysine  bei 


»)  Zentralbl.,  f.  Bakt ,  Orig.  XXXIV,  1903,  Nr.  5.  Zentralbl.  f.  Bakt , 
Kef.  XXXVI,  1905,  Nr.  8/9.  Korrespondenzbl.  f.  Schweiz.  Ärzte  1904,  Nr.  3. 
Übersicht:  Jahresber.  ü.  d.  Leist.  a.  d.  Geb.  d.  Vet-Med.  von  Ellenberger 
u.  Schütz  1905/06. 

2)  Zur  Einleitung  in  dieses  Gebiet  vgl.  meine  Arbeit  „Über  Kolloide*4, 
Berl.  tierärztl.  Wochenschr.  1905,  Nr   21. 


—     160      - 

der  Transfusion.  Artfremdes  Blut  im  Kreislauf  wird  zerstört 
(Magendie  1842,  Brown-S6quard  1855,  Landois  1865—1875, 
Ponfick  1875).  Das  ausgetretene  Hämoglobin  wirkt  toxisch  auf 
die  Nieren;  es  finden  unangenehme  Gerinnungen  statt,  was  wohl 
auf  das  Vorhandensein  von  Präzipitinen  im  fremden  Blut  zurück- 
zuführen ist;  denn  Mioni1)  hat  gefunden,  daß  das  Blut  des  be- 
handelten Tieres  der  Gerinnungsfähigkeit  verlustig  geht.  Außerdem 
sinken  arterieller  Blutdruck  und  Leukozytenzahl.  Bei  einer  zweiten 
Einfuhr  heterogener  Blutelemente  treten  diese  letzteren  Erschei- 
nungen nicht  mehr  auf,  da  das  Tier  immunisiert  ist  (Mioni  1.  c. 
b.  Hund).  Die  intravaskuläre  Zerstörung  des  fremden  Blutes 
findet,  außer  durch  die  schon  vorhandenen  Lysine,  auch  statt  durch 
die  entstehenden  Immunkörper,  und  zwar  vergeht  vom  Zeitpunkt 
der  Injektion  an  bis  zum  ersten  Auftreten  derselben  eine  gewisse, 
durch  quantitative  Steigerung  des  eingeführten  Blutes  nicht  unter  ein 
Minimum  herabzudrückende  Inkubationszeit,  die  beispielsweise  bei 
einem  mit  Ochsenblut  behandelten  Kaninchen  92  Stunden  be- 
trug (Sachs2). 

Hämolytische  Antikörper  entstehen  auch  (als  unliebsame  Neben- 
produkte) bei  der  Injektion  gleichartigen  virulenten  Blutes  oder 
zellfreien  Serums  zur  Erzeugung  von  Antitoxinen  und  Bakterizidinen. 
Diese  Isolysine  können  bei  der  nachherigen  Verwendung  des 
Immunserums  zu  Heilzwecken  speziell  auch  in  der  Veteri- 
närpraxis bei  einer  Anzahl  irgendwie  disponierter  Tiere  den  Tod 
durch  Hämoglobinurie  herbeiführen.    (Theiler.3) 

Der  Resorption  von  Hämatomen  und  hämorrhagischen  ent- 
zündlichen Exsudaten  muß  auch  Hämolyse  und  nachherige  Auf- 
lösung der  Stromata  vorangehen,  was  natürlich  eine  gewisse  Zeit 
braucht.  Über  die  Resorption  von  Blut  im  Peritoneum  hat  Le sage4) 
ausgedehnte  Untersuchungen  gemacht.  Bei  Autotransfusion,  d.  h. 
Überleiten  des  Blutes  von  der  Karotis  in  die  Bauchhöhle  desselben 
Tieres  entsteht  kein  Fieber  und  keine  Hämoglobinurie  (wie  dies 
bei  Injektion  artfremden  Blutes  der  Fall  ist.  Es  werden  also  keine 
Autolysine  gebildet). 


>)  Archiv,  international,  de  physiol.    III.  3.    (Ref.  Zentralbl.  f.  Physiol. 
XX  5,  1906.) 

,J)  Arch.  f.  (Anat.  u.)  Physiol.  1903. 

3)  Zentralbl.  f.  Bakt.,  Ref.  34,  1904,  770. 

4)  These  de  Paris,  1902,  A.  13,  14. 


—     161     — 

Das  infundierte  Blut  gerinnt  nicht  (wie  z,  B.  oft  bei  großen 
Hodensackhämatonien  beim  Hengst  beobachtet  werden  kann)  und 
ist  auch  nach  nachherigem  Herausnehmen  im  Glas  nur  sehr  lang- 
sam, und  wenn  es  lange  Zeit  im  Peritoneum  gelegen,  auch  nicht 
auf  Zusatz  von  Fibrinferment  zum  Gerinnen  zu  bringen.1)  Die 
Resorption  beginnt  nach  ca.  8/4  Stunden,  verläuft  rasch  und  ohne 
Hämolyse;  denn  im  roten  Inhalt  des  Ductus  thoracicus  werden 
unbeschädigte  Blutkörperchen  gefunden.  Ähnliches  beobachtete 
Lesage  bei  Transfusion  artgleichen  Blutes  eines  andern  Tieres. 
Doch  treten  in  einzelnen  Fällen  Isohämolysine  auf  (Ehrlich).  Wie 
oben  bemerkt,  ist  diese  Tatsache  für  die  Tierimmunisierung  von 
großer  Bedeutung  (Th eiler).  Phagozytose  findet  nach  Lesage  in 
geringem  Grade  statt;  auch  Meier2)  beobachtete  solche  in  patho- 
logischen Fällen.  Bemerkenswert  ist,  daß  ins  subperitoneale  Ge- 
webe oder  zwischen  die  Blätter  des  Mesenteriums  infundiertes  Blut, 
das  also  nicht  mit  der  freien  Oberfläche  des  Peritoneums  in  Berührung 
kommt,  nicht  direkt  resorbiert  wird. 

Hämolyse  kommt  auch  vor  bei  der  Haemoglobinuria  paro- 
xysmalis  hominis.  Blut,  während  des  Anfalles  entnommen,  ab- 
gekühlt und  wieder  erwärmt,  löst  sich  auf  (Landsteiner).  Hier 
scheint  also  die  Kälte  als  hämolytischer  Faktor,  oder  wenigstens 
als  die  Kolloidreaktion  begünstigendes  Moment  aufzutreten. 

Auch  hier  ist  ein  komplexes  Hämolysin,  dessen  Bindung  an 
die  Blutkörperchen  nur  bei  einer  Temperatur  stattfindet,  die  unter 
37°  ist,  und  gegen  das  ein  Antihämolysin  bei  Kaninchen  erzeugt 
wurde,  das  in  vitro  die  lösende  Kraft  des  Serums  einiger  Kranken 
aufhob.    (Eason.3) 

Vielleicht  spielt  die  Kälte  auch  eine  Rolle  bei  der  schwarzen 
Harn  winde  des  Pferdes.  Das  Typische  dieser  Krankheit  ist  eine 
Muskeldegeneration,  verbunden  mit  Hämoglobinaustritt.  Wie  bei  der 
Hämolyse  handelt  es  sich  um  Durchlässigmachen  (oder  Zerstören) 
einer  Membran,   des  Sarkolemmas,    und  weil  dabei  auch  die  Per- 


])  Dies  gilt  nur,  wenn  alle  Vorsichtsmaßregeln  beobachtet  wurden. 
Insbesondere  darf  keine  Peritonitis  zustande  kommen.  Die  Ungerinnbarkeit 
ist  wohl  auf  Antifermente  zurückzuführen,  deren  Entstehungsort  die  Leber  sein 
dürfte.  (Vgl.  Gley,  Pachou,  Hedin,  Delezenne.)  (Der  gerichtlichen  Me- 
dizin ist  die  oben  erwähnte  Tatsache  übrigens  längst  bekannt.) 

*)  Diss.  Zürich,  1905. 

s)  Journal  of  Pathology  and  Bact.   Vol.  XL    1906. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  2/3.  11 


—     162     — 

meabilität  desselben  für  Ionen  und  Moleküle  eine  andere  wird,  muß 
auf  den  dadurch  qualitativ  und  quantitativ  veränderten  Austausch 
derselben  mit  der  Umgebung  eine  Funktionsstörung  oder  Funktions- 
unfähigkeit der  Muskelzelle  folgen.  Denn  die  Kontraktionsmöglichkeit 
des  Muskels  ist,  wie  die  Funktionen  aller  Kolloide,  an  die  Gegen- 
wart ganz  bestimmter  Ionen  und  ein  Mengenoptimum  derselben 
gebunden.  (Vgl.  Webster1),  0 verton,  Pauli,  Verh.  d.  Natur- 
forscher und  Ärzte,  Stuttgart  1906.  Quellungszeit,  Analogien  mit 
Gelatine.) 

Blutkörperchenzerstörungen  kommen  auch  vor  bei  Anämie, 
bei  Vergiftungen  mit  Säponin,  Digitoxin,  Zyklamin,  mit  Sublimat 
und  Phenylhydrazin.  Bienengift2)  und  Schlangengifte  wirken 
hämolytisch.  Blutzerfall  wird  ferner  beobachtet  bei  Verbren- 
nungen8) (Erhitzen  über  65°  zerstört  die  Erythrozyten)  bei  Ikterus 
(Natrium  taurocholat.  wirkt  hämolytisch),  bei  Stoffwechselkrankheiten 
mit  giftigen  Zerfallprodukten  im  Blut;  Urämie4),  bei  verschiedeneu 
Infektionskrankheiten:  Sepsis  durch  Strepto-,  Staphylokokken. 
Milzbrand,  Typhus,  Tetanus,  Cholera,  Texasfieber,  Malaria,  bei  einer 
Pseudotuberkulose  der  Vögel  (Filtrate  und  Dialysate  auch  im  Reagenz- 
glas) Bryner.5) 

Praktische  Verwendung  kann  die  Hämolyse  als  biologische 
Reaktion  finden  bei  der  Analyse  von  Nahrungs-  und  Genußmitteln. 
z.  B.  zur  Toxizitätsbestimmung  von  Spirituosen.6)  (Limonaden  ent- 
halten Saponin.) 

In  dem  austretenden  Hämoglobin  haben  wir  einen  bequemen 
qualitativen,  und  bei  richtiger  Versuchsanordnung  auch  quantitativen 
Indikator  der  Hämolyse.  Immerhin  hebe  ich  jetzt  schon  als  be- 
achtenswert hervor,  daß  das  Resultat,  das  wir  messen,  das  ist  die 
Farbenstärke  des  Hämoglobins,  die  Folge  einer  Reihe  von  Vor- 
gängen ist,  die  mit  einander  verknüpft  sind.  Also  wird  der  Verlauf 
der  Reaktion  beherrscht  durch  die  langsamste  Teilreaktion  der  Kette. 
Diese  Teilreaktionen  sind  —  wie  weiter  unten  für  die  Kolloidhämolyse 


l)  Decennial  Publications  of  the  Univ.  Chicago,  Vol.  X.    1902. 
*)  Schutt,  Diss.,  Erlangen,  1902. 

3)  Pfeiffer,   Virch.  Arch.,  180,  367:   vgl.   auch  Burkhardt,   Arch.    f. 
klinische  Chirurgie,  Bd.  75,  1905. 

4)  Laqueur,  Festschrift  für  Orth,  1906. 

5)  Inang.-Diss.,  Zürich,  1906. 

6)  Van  de  Velde,  Bioch.  Zeitschr.,  I.  1,  1906. 


—     163     — 

des  näheren  begründet  werden  wird  —  physikalischer  oder  physi- 
kalisch-chemischer Natur;  denn  es  müssen  sich  folgen:  Absorption 
eines  Kolloids  durch  ein  anderes  (des  Hämolysins  durch  das  Blut- 
körperchen), Lösung  oder  Durchlässigmachen  der  Kolloidmembran 
der  Erythrozyten  durch  ein  Kolloid  oder  einen  Kolloidkomplex, 
Diffusion  des  Kolloids  Hämoglobin.  Die  weitgehenden  Analogien  in 
der  Wirkung  und  Entstehung  der  Hämolysine  mit  den  Bakterizidinen 
und  anderen  Zytolysinen  legten  es  deshalb  nahe,  sich  dieses  be- 
quemsten Hilfsmittels  zu  tieferem  Eindringen  in  das  Wesen  der 
Immunkörperentstehung  als  eines  allgemein  biologischen  Vorganges 
zu  bedienen.  Es  liegt  heute  über  die  Hämolyse  eine  große  Reihe 
von  Untersuchungen  vor,  deren  allerwichtigsten  Ergebnisse  ich  hier 
anfuhren  und  nach  einer  bestimmten  Richtung  diskutieren  will. 

Belfanti  und  Carbone1),  dann  Bord  et2)  machten  die  Beob- 
achtung, daß  nach  Injektion  von  Blut  eines  Tieres  A  in  ein  anders- 
artiges Tier  B  das  Serum  von  B  die  Fähigkeit  erlangt,  die  Blut- 
körperchen von  A  (in  vitro)  aufzulösen.  Aber  nicht  durch  Blutinjektion 
allein  kann  man  ein  hämolytisches  Serum  bekommen,  und  außerdem 
ist  die  blutlösende  Fähigkeit  nicht  die  einzige  Eigenschaft  desselben. 

Serumhämolysine  erhält  man  durch  Injektion  von  Blut,  zell- 
freiem Serum,«3)  Milch,3)4)  Harn,3)  Spermatozoen,5)  Flimmerzellen,6) 
Lymphdrüsenbrei,  Organzellen,7)  wenn  diese  Eiweißkörper  nicht 
denaturiert  sind.8)  Daneben  entstehen  noch  andere  Antikörper,  so 
bei  Serumeinspritzung  spezifische  Präzipitine;  bei  Einverleibung 
von  Kuhmilch  gewinnt  man  ein  Serum,  das  außer  der  Eigenschaft, 
Rinderblut  zu  lösen,  Rinderserum  präzipitiert,  Kuh-  und  Ziegenmilch 

!)  Giornale  della  R.  Accad.  d.  Med.  d.  Torino,  1898. 

*)  Ann.  Past.  1898/99.  v.  Dungern,  (Münch.  med.  Wochenschr.,  1899, 
Xr.  38)  und  Landsteiner  (Zentralbl.  f.  Bakt.,  I  25,  1899)  machten  ähnliche 
Experimente. 

3)  Sachs,  Ergebn.  d.  allg.  Path.  und  path.  Anat.  von  Lubarsch-Oster- 
tag,  7.  Jahrgang. 

4)  Moro,  Wien.  klin.  Wochenschr.  1901.  Meyer  und  Aschoff,  Berl. 
klin.  Wochenschr.  1902,  Nr.  27. 

5)  Meyer  u.  Aschoff  l.  c. 

*)  v.  Dungern,  Die  Antikörper,  Jena  1903,  S.  30. 

Ö  Michaelis  u.  Fleischmann,  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  68,  1906  S.  463. 

*)  Mit  20  Min.  auf  120°  erhitzter  Milch  kann  man  nur  noch  Koaguline. 
dagegen  keine  Hämolysine  mehr  erzeugen  (Meyer  und  Asch  off  1.  c.)  Blut- 
körperchen, 2  Std.  120°  haben  die  Fähigkeit,  Antikörperbildung  auszulösen, 
fast  vollständig  verloren.    (Doepner,    Zentralbl.  f.  Bakt.  I,  40,  Heft  4,  1906.) 

11* 


—     164    — 

koaguliert  und  Stiersamen  immobilisiert.  Das  Antispermatozoen- 
serum  wirkt  auch  koagulierend,  ebenso  das  Antitrachealepithelserum 
(Meyer  und  Aschoff  1.  c). 

Die  nach  Einfuhr  dieser  verschiedenen  Stoffe  entstandenen 
Immunkörper  sind  spezifisch  in  dem  Sinne,  daß  die  gebildeten  Anti- 
stoffe  nur  gegen  die  Zellen  oder  Eiweißkörper  derjenigen  Tierart 
(oder  verwandter  Arten)  gerichtet  sind,  von  der  die  Antigene  her- 
stammen, und  daß  derjenige  Immunkörper,  der  direkt  gegen  die  Zelle, 
die  seine  Bildung  auslöste,  gerichtet  ist,  quantitativ  und  qualitativ 
überwiegt.  So  löst  also  das  Serum  einer  mit  Hammelblut  vorbe- 
handelten Ziege  nur  Hammelblut;1)  ein  Kaninchen,  dem  Ziegenblut 
injiziert  wurde,  liefert  ein  Serum,  das  aber  außer  Ziegenblut  in 
geringem  Grade  auch  Rinderblut  löst.2)  Außerdem  wirkt  ein  durch 
Vorbehandlung  mit  Blut  gewonnenes  Serum  stärker  hämolytisch  als 
ein  mit  Flimmerepithelien,  Milch  oder  Spermatozoen  gewonnenes,*) 
und  ein  Epithelimmunserum  verschont  Blutkörperchen  (die  es  sonst 
löst),  wenn  ihm  mit  diesen  gleichzeitig  Epithelzellen  beigemischt 
werden;4)  oder  allgemein:  die  Immunkörper  werden  von  denjenigen 
Zellen,  die  ihre  Bildung  ausgelöst  haben,  am  besten  absorbiert. -1) 

Hämolysine  können  auch  immunisatorisch  erzeugt  werden  gegen 
Blutkörperchen  derselben  Art.  So  z.  B.  entsteht  durch  Behandlung 
einer  Ziege  mit  Ziegenblut  ein  Isolysinserum,  das  Blutkörperchen 
einiger  anderer  Ziegen  auflöst.^)  Auch  bei  Kaninchen  hat  man 
immunisatorisch  Isolysine  entstehen  sehen  (M.  Ascoli6)  und  im  ge- 
wöhnlichen menschlichen  Serum  wurden  solche  gefunden,  desgleichen 
Isoagglutinine  (Ascoli6),  Landsteiner7),  Eisenberg8)  u.  a.)  eben- 
so bei  Spatzen  (Casagrandi)9).  Autolysine,  d.h.  Stoffe,  die  die 
Blutkörperchen  in  ihrem  eigenen  Serum  (desselben  Individuums) 
auflösen,  scheinen  unter  normalen  Verhältnissen  nicht  vorzukommen. 


>)  Ehrlich  u.  Morgenroth,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1899,  Nr.  1,  I.  Mitt. 
Vgl.  auch  v.  Dungern  u.  Landsteiner  1.  c. 

a)  Ehrlich  u.  Morgenroth,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1901,  Nr.  21. 
3)  v.  Dungern,  Die  Antikörper,  Jena  1903,  S.  55. 

*)  v.  Dungern,  Miinch.  med.  Wochenschr.  1899,  Nr.  38,  1900  Nr.  2tf: 
„Die  Antikörper",  S.  30. 

b)  Ehrlich  u.  Morgenroth,  Berl.  klin. Wochenschr.  1900,  Nr.  21,  IILMitt. 
tij  Münch.  med.  Wochenschr.  1901. 

7)  Zentralbl.  f.  Bakt.  1900,  B.  27. 

8)  Wiener  klin.  Wochenschr.    1901.    Nr.  42. 

3)  Atti  soc.  Malaria,  Bd.  VI.    (Ref.  Bioch.  Zentralbl.,  IV,  S.  237.) 


—     165     — 

hingegen  in  Krankheitsfällen.  So  will  Pergola1)  im  Blute  von 
Syphilitikern  nnd  Casagrandi  bei  Malaria  Tertiana  Autolysine  nach- 
gewiesen haben.2) 

Die  Ursprungsstätten  der  Hämolysine  sind  wahrscheinlich 
die  blutbildenden  Organe,  Milz,  Knochenmark,  Lymphdrüsen,  für  die 
Alexine  hauptsächlich  die  Leukozyten.  (Nach  Metschnikoff  sollen 
die  mononukleären  Leukozyten,  die  Makrophagen,  Hämolysine  [Makro- 
zytase],  die  polynukleären  Mikrophagen  Bakterizidine  [Mikrozytase] 
erzeugen.) 

Im  Organismus  sind  diese  Antikörper  folgenderweise  verteilt3) : 

Knochen-  . 

mark       A  Fen"     Ödem    Exsudat      Au*en-     Milch   Urin    Fötus    Ei 
j  »i  *    toneum  kammer 

und  Blut 

Alexin   .  .  .       +  +       selten     selten  —  —        —         ?       ? 

Ambozeptor       -f  +++  —  — ?        —         ?        V 

Über  die  Bindungsverhältnisse  des  Ambozeptors  mit  der  Blut- 
zelle einerseits  und  mit  dem  Komplement  andererseits  haben  haupt- 
sächlich Ehrlich  und  Morgenroth  Untersuchungen  gemacht.  Für 
uns  sind  folgende  Experimente  von  Wichtigkeit: 

1.  Ein  für  Blut  der  Tierart  A  hämolytisches  Normal-  oder 
Imraimserum  wird  30  Minuten  auf  56°  erhitzt:  Es  löst  nicht  mehr, 
ist  inaktiv  (Temperaturempfindlichkeit  der  Kolloide!).  Fügt  man 
nun  frisches,  für  A  nicht  hämolytisches  Serum,  das  also  nur  (nicht 
spezifische)  Alexine  enthält,  zum  inaktiven  Serum,  so  wird  es 
reaktiviert,  d.  h.  es  löst  jetzt  Blut  A  wieder  auf.  Am  besten 
reaktiviert  Serum,  das  mit  demjenigen,  das  den  Immunkörper  pro- 
duziert hat,  gleichartig  ist.  Oft  aber  kann  sogar  das  Serum  der 
Tierart  A  zur  Reaktivierung  benutzt  werden.4) 

2.  Ein  immunisatorisch  erzeugtes,  für  Hammelblut  spezifisches 
Hämolysinserum  wird  inaktiviert  und  eine  Zeitlang  mit  Hammelblut 
versetzt;  durch  Zentrifugieren  werden  Körperchen  und  Flüssigkeit 
getrennt;  letztere  mit  normalem  Ziegenserum  (Komplemente)  ver- 
mischt  (reaktiviert)    löst  nicht;    hingegen  werden    die  Körperchen 


!)  Accad.  dei  Fisiocritici  Siena.  28,  I,  05.  Ref.  Biocb,  ZentrbL  Bd.  IV, 
S.  121. 

*)  Casagrandi  1.  c.  hatte  die  Blutkörperchen  des  Malariakranken  vor 
der  Autolyse  sensibilisiert  durch  auf  56°  erwärmtes  Serum  eines  mit  dein  Blnt 
des  Patienten  vorbehandelten  Meerschweinchens. 

*)  Zusammenstellung  von  Zangger,  Zentralbl.  f.  Bakt,  34,    1903,  Nr.  5. 

4)  Ehrlich  u.  Morgenroth,  Berlin,  klin.  Wochensohr,    1809,  Nr.  L 


—     166     — 

jetzt  auf  Zusatz  von  (sonst  gar  nicht  lösendem)  normalem  Ziegen- 
serum aufgelöst.  Behandelt  man  statt  Hammelblutkörperchen  z.  B. 
Kaninchenerythrozyten  mit  dem  Hammelblutimmunserum,  so  werden 
diese  nicht  gelöst.1) 

3.  Ein  hämolytisches  Normal-  oder  Immunserum  A  wird 
zwischen  0  und  3°  längere  Zeit  mit  den  entsprechenden  Blut- 
körperchen stehen  gelassen.  Es  findet  keine  Lösung  statt.  Nun 
zentrifugiert  man  und  kann  dann  folgendes  konstatieren2)  (Temperatur 
über  15°): 

Sediment  (Blutk.)  -f-  Komplettierserum  (neues  Serum,  Alexine)  =  Lösung. 
Zentrifugenflüssigkeit  -f-  Normalserum  +  Blutk.  =  keine  Lösung. 

„  +  inaktiviertes  Immunserum  -}-  Blutk.A  =  Lösung. 

4.  Ziegenserum  löst  Meerschweinchen-  und  Kaninchenblut  und 
kann  (wenn  inaktiviert)  durch  Pferdeserum  reaktiviert  werden.  Läßt 
man  inaktives  Ziegenserum  +  Meerschweinchenblutkörperchen  einige 
Zeit  (eine  halbe  Stunde)  bei  Zimmertemperatur  beisammen  und 
zentrifugiert  dann,  so  löst  die  mit  Pferdeserum  reaktivierte  Flüssig- 
keit nicht  mehr  Meerschweinchenblut,  sondern  nur  noch  Kaninchen- 
blut, während  das  Sediment  auf  Zusatz  von  Pferdeserum  und  Auf- 
schwemmen in  NaCl  gelöst  wird.3) 

5.  Ziegenserum,  filtriert  durch  Pukallfilter:  das  Filtrat  löst 
nur  noch  Meerschweinchenblut,  kaum  noch  Kaninchenblut;  auf 
Zusatz  von  Pferdeserum  aber  löst  es  letzteres.8) 

6.  Hundeserum  löst  Meerschweinchenblut.  Inaktiviertes  Hunde- 
serum kann  durch  normales  Meerschweinchen-  und  Pferdeserum 
reaktiviert  werden.  Reaktiviert  man  mit  dem  letzteren,  so  ist  zur 
Auflösung  einer  bestimmten  Blutmenge  sechsmal  so  viel  Hundeserum 
nötig,  als  wenn  dasselbe  durch  Meerschweinchenserum  reaktiviert 
wird.3) 

Aus  diesen  Experimenten  geht  folgendes  hervor: 

Zur  Hämolyse   sind   zwei  Substanzen   (kolloidaler  Art,    s.  o.) 

notwendig,  von  denen  die  eine  der  meist  spezifische,  thermostabile 

Ambozeptor   oder  Immunkörper,    die   andere    das  nicht  spezifische, 

thermolabile  Komplement  oder  Alexin4)  ist.    Keine  von  beiden  ist 

l)  Ehrlich  u.  Sachs,  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1899,  Nr.  22.  Henri 
(Compt.  rend.  Soc.  biol.)  hat  eine  ganze  Reihe  von  normalen  hämolytischen 
Seren  aufgestellt. 

9)  Ehrlich  u.  Sachs,  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1899,  Nr.  22. 

3)  Ehrlich  u.  Morgenroth,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1900,  Nr.  31. 

4)  Es  gibt  auch  thermostabile  Alexine,    Ehrlich  u.  Sachs,  1.  c. 


—     167     — 

allein  wirksam  (1,  3).  Die  wirksamste  Kombination  entsteht,  wenn 
beide  Komponenten  von  derselben  Tierart  stammen  (Ausnahme:  6); 
also  zeigen  auch  die  Komplemente  eine  gewisse  geringgradige 
Spezifität  (1,  6).  Der  Ambozeptor  wird  bei  allen  Temperaturen 
nur  von  den  adäquaten  Blutkörperchen  absorbiert1)  (2,  3,  4);  das 
Komplement  wird  in  der  Kälte  weder  vom  Ambozeptor  noch  von 
den  Körperchen  gebunden  (3).  Im  Serum  sind  Ambozeptor  und 
Komplement  meist  unverbunden.  Aus  einem  hämolytischen  Serum 
können  zwei  verschiedene  Blutarten  zwei  verschiedene  adäquate 
Ambozeptoren  absorbieren  (42).  Die  Blutkörperchen  zeigen  also 
elektives  Absorptionsvermögen  gegenüber  dem  Ambozeptor,  und  erst 
wenn  sie  sich  damit  beladen  haben,  kann  auch  das  Alexin  gebunden 
werden,  worauf  Hämolyse,  Lösung,  eintritt.  Daß  die  beiden 
Komponenten  im  Serum  nicht  in  äquivalenten  Mengen  vorhanden 
sind,  erkennt  man  daran,  daß  man  seine  globulizide  Kraft  durch 
Komplementzusatz  steigern  kann. 

Wir  haben  also  in  den  Seren  der  verschiedenen  Tierarten  zwei 
große  Gruppen  von  kolloiden  Stoffen.  Passende  Zusammenstellung 
eines  Gliedes  der  einen  Gruppe  mit  einem  entsprechenden  der  andern 
gibt  eine  hämolytisch  wirksame  Kombination.  Die  Glieder  der  einen 
Gruppe  (Ambozeptoren)  zeigen  spezifische  Absorbierbarkeit  durch 
Blutkörperchen  und  werden  meist  bei  der  Immunisierung  quantitativ 
gesteigert;  den  Gliedern  der  andern  Gruppe  (Alexine)  fehlen  diese 
Eigenschaften:  sie  bleiben  bei  der  Immunisation  quantitativ  ungefähr 
konstant,  und  man  kann  bei  ihren  Verbindungen  mit  den  Ambozeptoren 
oder  dem  Komplex  Blutkörperchen-Ambozeptor  höchstens  von  einem 
artgleichen  Optimum  sprechen.    (Vgl.  Exp.  1.) 

Der  Effekt  der  vereinigten  Einwirkung  von  Ambozeptor  und 
Komplement  auf  das  Blutkörperchen  ist  seine  Auflösung.  Dabei 
hat  der  Ambozeptor  eine  ähnliche  Funktion  wrie  die  Beize  bei  der 
adjektiven  Färbung  (Bordet).  Aber  auch  durch  den  Ambozeptor 
allein  erleiden  die  Blutkörperchen  Veränderungen  in  dem  Sinne,  daß 

J)  Spezifische  Absorptionen:  Stärke  absorbiert  Jod,  Ackerboden  Kali- 
salze (Na-Salze  nicht  spezifisch).  Koll.  Manganihydroxyd  absorbiert  bei  Ein- 
wirkung auf  neutrale  Alkalisalze  Alkalihydroxyd,  und  die  Säure  bleibt  zurück. 
"Spring,   Lindner  u.  Picton,  Whitney  u.  Ober,  Biltz). 

f)  Man  habe  zwei  hämolyt.  Seren  a  und  b,  von  denen  a  die  Blutart  a* 
und  b  die  Blutart  b'  auflöse.  Versetzt  man  nun  die  Mischung  a  +  b  mit  einer 
Blutart,  z.  B.  a'  im  Überschuß,  so  ist  die  Mischung  nachher  für  die  andere 
Blutart,  also  b',  unwirksam.    (Bordet,  Ann.  Pasteur  1901.) 


—     168     — 

sie  nach  vollkommener  Sättigung  mit  demselben  keine  Hämolysin- 
produktion  mehr  auszulösen  vermögen.1) 

Der  Komplexität  der  Hämolysine  entsprechend,  werden  gegen 
sie  auch  zweierlei  Antihämolysine  erzeugt,  Antiimmunkörper  und 
Antikomplement;  auch  diese  sind  spezifisch  (Ausnahmen  in  bezug  auf 
verwandte  Arten  vorbehalten)  und  kommen  auch  im  Normalserum  vor. 

Die  Hemmungswirkung,  die  normales  Serum  gegen  andere 
blutlösende  Substanzen,  außerdem  bei  anderen  Immunkörperreaktionen 
(Agglutination,  Präzipitation)  ausübt,  ist  bekannt  und  hat  eine 
Parallele  in  der  Hemmung  von  anderen  Kolloidreaktionen  durch 
Kolloide,  z.  B.  die  Verhinderung  der  Elektrolytausflockung  von 
Mastixemulsion  durch  Gelatine2)  oder  die  Hemmung  der  Hämolyse 
durch  koDoidales  Fe(OH)3.*) 

Die  Erscheinungen  der  Immunkörperreaktionen  im  allgemeinen 
und  der  Hämolyse  im  speziellen  hat  Ehrlich  mit  der  Seitenketten- 
theorie chemisch  zu  erklären  versucht.  Zangger  aber  hat  (1902  ff.) 
darauf  hingewiesen,  daß  man  mit  Rücksicht  auf  den  Kolloidalzustand 
der  Antikörper  sich  fragen  muß,  was  diese  typischen  physikalischen 
Eigentümlichkeiten  bei  den  Reaktionen  für  eine  Rolle  spielen,  und 
ob  sie  erklären,  was  die  chemische  Auffassung  nicht  erklären  kann. 
Nur  dieser  Zustand  ist  bekannt,  alles  Chemische  nur  Hypothese, 
und  verdeckt  durch  den  Kolloidalzustand. 

In  meiner  Arbeit  soll  der  physikalisch-chemische  Standpunkt 
des  weiteren  gerechtfertigt  werden,  indem  ich  speziell  für  die 
Hämolyse  unter  Benutzung  neuer  Tatsachen  und  eigener  Experimente 
zeigen  werde,  daß  sie  eine  Reaktion  ist,  bei  der  zur  Hauptsache 
physikalisch-chemische  Gesetze  den  Vorgang  bis  in  die  einzelnen 
Reaktionsphasen  hinein  beherrschen. 

II.  Die  Beaktionssubstanzen. 
I.  Die  Blutkörperchen. 

Es  wird  am  Platze  sein,  etwas  über  die  Struktur  der  roten 
Blut zellen  vorauszuschicken.    Die  Ansichten   hierüber   sind  ver- 


»)  von  Düngern,  Miinch.  med.  Wochenschr.  1900,  Nr.  20.  Sachs, 
Zentralbl.  f.  Bakt.,  I.  Abt.  Bd.  30,  1901,  Nr.  13. 

9)  Neißer  u.  Friedemann,  Münch.  med.  Wocbenachr.  1903,  Nr.  11. 

3)  Cernovodeanu  u.  Henri,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  S.  224. 
Henri  u.  Lcvy,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.,  Juli  1906. 


—     169    — 

schieden.  Nach  Rollett1)  besteht  das  Blutkörperchen  aus  dem 
hyalinen  Stroma,  das  die  osmotisch  wirksamen  Substanzen  enthält 
(Brückes  Oikoid)  und  dem  Endosoma  (Brückes  Zooid),  in  dem 
das  Hämoglobin  in  amorphem,  ungelöstem  (weil  zu  wenig  IL^O) 
Zustand  fixiert  ist.  Eine  Membran  soll  nicht  vorhanden  sein. 
Hamburger2)  hat  eine  ähnliche  Ansicht:  Die  roten  Blutkörperchen 
bestehen  aus  einem  protoplasmatischen  Netz,  in  dessen  geschlosse- 
nen oder  nicht  geschlossenen  Maschen  sich  eine  flüssige  oder 
halbflüssige  rotgefärbte  Masse  befindet;  letztere  repräsentiert  das 
wasseranziehende  Vermögen  (enthält  also  die  Salze).  Die  äußere 
protoplasmatische  Begrenzung  ist  semipermeabel.  Koeppe3)  nimmt 
eine  semipermeable  Hülle  aus  fettähnlichen  Substanzen  an  (Lipoide, 
Cholesterin  und  Lezithin,  nach  Analogie  mit  0 verton).  Albrecht4) 
spricht  von  einer  Oberflächenschicht,  die  fettartig  und  in  der  Wärme 
flüssig  ist  (sie  läßt  sich  beim  Frosch  durch  Ausquetschen  in  der 
Kälte  als  Membran  gewinnen). 

Vollständig  einig  gehen  Schäfer5)  und  Weidenreich6).  Letz- 
terer schreibt:  „Die  roten  Blutkörperchen  sind  Flüssigkeitsblasen, 
in  denen  die  Hämoglobinlösung  von  einer  Membran  umschlossen 
ist;  diese  Membran  enthält  Eiweißstoffe  als  formbildende  Grund- 
lage und  ist  imprägniert  mit  Lezithin  und  Cholesterin". 

Als  Kolloidkomplexe  müssen  die  Blutkörperchen  elektrische 
Ladung  haben,  und  zwar  ist  nach  Iscovesco7)  die  Hülle  elektro- 
negativ,  das  Innere  elektropositiv. 

Ich  möchte  hier  nachweisen,  was  für  physikalisch-chemische 
besetze  die  Annahme  einer  Oberflächenmembran  zwingend  fordern, 
wie  sich  diese  Gesetze  hier  anwenden  lassen  und  was  sie  erklären 
und  entscheiden. 

Die   Annahme   einer  Membran   oder   wenigstens    einer  Ober- 


*)  Pflügers  Archiv,  82,  255,  1900. 

*)  Osmot.  Druck  u.  Ionenlehre  in  d.  med.  Wissenschaft,  Wiesbaden, 
1902.    I.  Bd. 

*)  Pflugers  Arch.  99,  33 ff.  1903,  ibid.  107,  86  u.  183,  1905.  Gryns, 
Püüg.  Arch.,  109,  289,  1905  bestreitet  eine  Membran  im  Sinne  Koeppes  und 
sagt,  das  Ganze  verhalte  sich  wie  eine  halbdurchlässige  Wand. 

4)  Sitzungsber.  d.  Münch.  morphol.-pbysiol.  Ges.,  XIX,  2,  S.  16.  (lief. 
Zentralbl.  f.  Pbysiol.  XIX,   S.  19.) 

*)  Anat.  Anzeiger,    XXVI,  22/23,  8.  589. 

*)  Anat  Anzeiger,  XXVII,  24,  583,  1906. 

7)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.,  00,  276.    Feb.  1906. 


—     170    — 

flächenmembran  wird  gestützt  durch  die  Untersuchungen  von 
Devaux1),  Eamsden2)  und  Metkalf3),  deren  Befunde  zugleich 
eine  Erklärung  bieten.  An  der  Oberfläche  der  Lösungen  von  Ei- 
weiß (Milch  z.  B.),  Saponin,  Gummigutt,  Mastix  (Devaux)  und 
Pepton  (Metkalf,  Devaux),  Farbstofflösungen  (Rohde4)  bilden 
sich  Membranen,  die  aus  koagulierter  Kolloidsubstanz  bestehen. 
Analog  ist  die  Bildung  von  Koagulationsmembranen  beim  Schütteln 
von  Eiweißlösungen  mit  Luft  oder  anderen  Gasen  (Ramsden). 
Devaux  fand,  daß  ein  in  Wasser  suspendierter  Tropfen  einer  Ei- 
weißlösung sich  mit  einer  dünnen  Schicht  koagulierten  Eiweißes 
umgibt  (künstliche  Zelle),  d.  h.  wenn  Eiweiß  Differenzen  der  Ober- 
flächenspannung unterworfen  wird,  geht  es  in  die  Oberflächen- 
(Grenz-)  Schicht  hinein,  weil  es  die  Oberflächenspannung  herunter- 
setzt, und  durch  die  Konzentration  und  mit  der  Zeit  wird  es  fest, 
es  gerinnt.  Der  Ort,  wo  die  „Koagulations"membran  sich  bildet,  ist 
also  immer  eine  Oberfläche,  d.  h.  eine  scharfe  Begrenzung  zweier, 
nicht  in  allen  Verhältnissen  mischbarer  Medien,  Flüssigkeiten  oder 
einer  Flüssigkeit  gegen  ein  Gas  (sog.  freie  Oberfläche).  (Vgl. 
auch  Haptogenmembran  der  Milchkügelchen.  Quincke  seit  1870 
[Ann.  d.  Physik].) 

Da  nun  das  Blutplasma  eine  andere  Oberflächenspannung  hat 
als  das  Stroma  der  Körperchen,  ist  die  Erklärung  des  Zustande- 
kommens der  Erythrozytenhülle  durch  Oberflächenspannungsdiffe- 
renzen gegeben.5)    Damit  ist  nicht  gesagt,    daß,   wenn  man  durch 


l)  Proc.  verbaux.  Bordeaux,  Nov.  et  Dec.  1903,  Jan.  1904. 

*)  Zeitschr.  f.  physikal.  Chemie,  47,  336,  1904. 

3)  Feste  Pepton  haut  eben  auf  einer  Wasseroberfläche.  Zeitschr.  f.  physi- 
kal. Chemie,   52,    1.  Heft,   1905. 

*)  Fuchsin  u.  Methylviolett,  Annal.  d.  Physik,  19,  935,  1906.  Auch  Hg- 
Oberfläche  wird  fest.    Schutt,  ibid.  18,  712,  1904. 

5)  Die  Tendenz  der  Häutchenbildung  haben  besonders  ein  Teil  der  Kol- 
loide, aber  auch  Öle  und  Fette  Es  bleibt  noch  zu  untersuchen,  wie  groß 
diese  Tendenz  bei  Lipoiden,  ist  (ob  größer  oder  geringer  als  bei  Eiweiß), 
welche  Rolle  überhaupt  diese  Substanzen  bei  dem  superfiziellen  Koagulations- 
prozeß spielen.  Es  liegt  aber  auf  der  Hand,  daß  eine  mit  Lezithin  oder  Cho- 
lesterin imprägnierte  Eiweißgerinnungshaut  (Erythrozyt)  andere  Eigenschaften 
haben  kann  als  eine  solche  aus  reinem  Eiweiß,  auch  mit  Bezug  auf  Permea- 
bilität 

Es  erscheint  nicht  ausgeschlossen,  daß  bei  dem  Gerinnungsprozeß  auch 
die  elektrische  Ladung  der  beteiligten  Kolloide  (Stroma  negativ,  Plasma  ent- 


—     171     — 

entsprechende  Zusätze  zum  Serum,  überhaupt  Medium,  diese  Diffe- 
renzen authebt,  dann  auch  die  schon  längst  bestehende  Membran 
verschwinden,  d.  h.  Hämolyse  stattfinden  müsse;  denn  es  gibt  nach 
Ramsden  in  der  Mutterflüssigkeit  lösliche  und  unlösliche  Ober- 
flächenhäute. 

Nachdem  nun  nach  diesbezüglichen  direkten  Literaturangaben, 
sowie  nach  eigenen  theoretischen  Erörterungen  die  Existenz  und 
die  physikalischen  Ursachen  einer  besonderen  Erythrozytenhülle 
dargetan  ist,  möchte  ich  an  der  Hand  der  physikalisch-chemischen 
Literatur  zeigen,  was  für  Eigenschaften  diese  Membran  haben  muß. 

Die  Membran  ist  ein  Kolloid  von  fester  Konsistenz; 
sie  muß  also  außer  den  spezifischen  Membraneigenschaften 
noch  die  allgemeinen  Kolloideigenschaften  haben.  Die 
Eigenschaften  der  Blutkörpermembran  lassen  sich  in  folgendes 
Schema  einreihen: 


hält  beiderlei  Kolloide,  Iscovesco  1.  c.)  nicht  bedeutungslos  ist,  und  daß 
Oberflächenspannung  und  elektrische  Ladung  der  Kolloide  in  einem  gewissen 
Konnex  stehen  könnten  (vgl.  Lippmannphänomen). 

Wenn  man  die  Blutkörperchen  zerstückelt,  nehmen  die  Teilstücke  1.  Kugel- 
form an.  2.  behalten  sie  das  Hämoglobin  fAlbrecht,  Verh.  d.  deutschen  path.Ges., 
Bd.  5,  1903,  zit.  n.  Koeppe,  Pflügers  Arch.  107.  92).  Die  Ursache  der  ersten 
Erscheinung  ist,  wie  bei  der  Tropfenbildung  in  flüssigen  Medien,  die  Ober- 
flächenspannung des  Teilstückes,  die  der  zweiten  dürfte  nach  dem  oben  Ge- 
sagten die  durch  die  Oberflächenspannungsdifferenz  gegenüber  dem  Medium 
entstehende  Verdichtung  (=  Membran)  sein.  —  Nach  Verreiben  der  Blutkör- 
perchen mit  Sand  und  Aufschwemmen  des  Breies  in  NaCl  tritt  hingegen  Hä- 
molyse ein  (Rywosch,  Zentrbl.  f.  Physiol.  1»,  388). 

Daß  Blutgifte  Lipoidmembranen  tatsächlich  für  Hämoglobin  durchgängig 
machen,  hat  Pascucci  (Hofm.  Beitr.  6,  552,  1905)  an  mit  Lezithin-Cholesterin 
imprägniertem  Seidenstoff  gezeigt  Zusatz  von  Lezithin  oder  Cholesterin  zum 
Gift  verhindert  außerdem  die  Destruktion  der  künstlichen  Lipoidmembran 
dnreh  dasselbe. 

Es  ist  kaum  zweifelhaft,  daß  Oberflächenkräfte  auch  sonst  bei  der 
Bildung  von  Membranen  im  Organismus  eine  Rolle  spielen,  z.  B.  Zellmembra- 
nen, Kernmembranen  (B  tt  t  s  c  h  1  i  s  Schaumstruktur  des  Protoplasmas),  Rh  u  m  b  1  e  r, 
Naturwissenschaft!.  Rundschau  1905,  Juli  1906  u.  Starke,  Annöe  biologique  28. 

Von  Interesse  ist  noch  ein  Befund  Ramsdens,  daß  nämlich  eine  Luft- 
blase in  einer  Suspension  mit  Begierde  suspendierte  Partikel  aufliest  und  sie 
an  dtr  Oberfläche  festhält.  (Oberflächenattraktion,  weil  die  Oberflächenspannung 
mit  der  Kleinheit  der  Luftblase  noch  zunimmt).  Auf  ähnliche  Weise  mag  ein 
Blutkörperchen  Kolloidteilchen  an  sich  ziehen. 


—     172    — 

\s  AU|t*uteUe  Kolloidcigenschaften. 
U  ttmnftuftbukeit  durch  Elektrolyt«?, 

*  KoUoide,gleicherLadun^ 

^     ^  ^^  ■  entgegengesetzter  Ladung, 

i      *  n--  r-:.:««  KriataUoiden  '  Ionen* 

„    ,  (  Moleknien. 

.       !.••-■       •• 

«*    ^-r-m-a-ri-  '   -u: .  -:  jt-r  m«i  V-rindennig    Altern. 
.    ~* :    —  -  n  ^    **s-llä  ;lz  -i*.   v.)a  den«>n  aus  Kräfte  auf  die 


~  ■     -ü    F   -^«r^heinung^n    der    elektWen 

-:-i-.  i  irva   der   Blutkörper- 
:-.    *   -•-:  -ui  Etfktn.Iyte  und  Kolloide. 

-  :--r.rj*^  K»H«jM  ist  (Iscovesco). 

■  s*v  -  5C»iI»'Me  ihre  Wirksamkeit 

.  _  •    i  .•  »•  M-mbnin.   Selbstverständlich 

~~-::  -  ^.ih  oi«  iit  eindrnckslos.     (Vgl. 

zA   iie  kleinen  aber  zahlreichen 

■  ..>m-ii  lith  Sparen  in  den  Blwt- 

.— -  srii  ^q.etaell  verändern.    Ihr 

z    -i^ai  Augenblick   ein  anderer. 

:~-r^:ten  and  der  chemischen 

-  \   ;.  i»ik  xplex  aufbaut. 

• :   _   :  i»-r  Membran  ist  von  besonderer 

Ä     -•-.    »>  t>  Absorption  von  lytischeu 

"■-ur  der  gesamten  Hämolyse- 

:*o •^•*ivin«ii2:keit  aber  ist  abhängig* : 

—  J.-U-    i^r  Membran  (und  des  zu  ab- 

-  \  ^>mnstruktur  durch  Hitze  und 
>.  .   -sC  niüren): 
^      ^iru  Druck  der  zu  absorbierenden 


^si^ 


:els  (vgl.  Webster  1.  c). 


—     173 


IL  Spezifische  Membraneigenschaften  der  Blutkör- 
perchenhülle.  Die  Membran  trennt  den  Bliitkörpercheninhalt  von 
der  Umgebung,  dem  Blutplasma  und  reguliert  zugleich  kraft  ihrer 
elektiven  Permeabilität  (s.  u.),  d.  i.  des  elektiven  Lösungs Vermögens 
tür  die  an  sie  herantretenden  Stoffe,  den  Durchtritt  und  Austausch 
derselben.    Diese  Substanzen  sind  nach  Bottazzi:1) 


Im   Körperchen 

im    l'hisma 

Eiweiß 

Eiweiß 

Hämoglobin 

Kolloide 

Lezithin3; 

Lezithin 

Jekorin  iBaldi) 
Cholesterin? 

HaO 

Ha0 
Zucker 

Harnstoff 

Harnstoff 

/Na-  (wenig) 

Nr 

K- 

K- 

Kristalloide 

Io- 

< 

Mg" 

Mg- 
Ca- 

SO/ 

n  en 

HP03" 

HP03" 

C03" 

C03" 

Cl' 

cv 

> 

oir 

Die  Membran  bildet  einen  geschlossenen  Sack,  dessen  InlialtsgrtfÖe  ab- 
hängig ist  von  den  auf  ihn  von  innen  und  außen  einwirkenden  Kräften,  die, 
soll  jene  unverändert  bleiben,  sich  das  Gleichgewicht  halten  tutiesen.  Diese 
Kräfte  werden  repräsentiert  durch  den 

Druck  d.  gelösten  Moleküle  u.  Ionen         Druck  d.  gelüsten  Moleküle  11.  Ionen 
(osmot.  Druck),  (osmot  Druck), 

Quellungsdruck,  Spannung  der  Membran  selbst, 

von  innen.  Oberflächen  druck, 

von  außen. 
Vorbedingung  ist  aber  der  Durchtritt  von  Flüssigkeit. 

Nicht  alle  Kristalloide  sind  osmotisch  wirksam;  denn  da  die 
Kolloide  und  besonders  die  Eiweißkörper  zu  ihrem  funktionsfähigen 
physikalischen  Zustand  eines  integrierenden  Elektrolytgehaltes  be- 


!)  Lebrb   d.  physiol.  Chemie,  Leipzig  u.  Wien,    1904,   54  ff,  2,  Bd.    Die 
Tabelle  enthält  nur  die  wichtigeren  Bestandteile. 

2)  Nach  Hoppe-Seyler  an  Hämoglobin  gebunden. 


—     174     — 

dürfen,  ist  es  wahrscheinlich,  daß  von  den  Ionen  des  Blutes  immer 
ein  gewisser  Prozentsatz  osmotisch  inaktiv  ist  (verdeckt,  Pfeffer1). 

Der  Spannungsdruck,  der  von  der  Membran  selbst  auf  das 
Innere  ausgeübt  wird,  ist  abhängig  von  dem  Dehnungsgrad  und 
der  Elastizität2)  der  Wand,  muß  also  parallel  den  Größenvariationen 
dieser  beiden  Faktoren  zu-  oder  abnehmen.  Er  muß  also  z.  B.  bei 
Anwachsen  des  osmot.  Binnendruckes  infolge  der  dabei  stattfindenden 
Volumvermehrung  der  Blutzelle  durch  Wasseraufnahme  und  der 
damit  einhergehenden  Dehnung  und  Elastizitätsbeanspruchung  der 
Membran  größer  werden  (Pantanelli). 

Die  Dicke  der  Oberflächenmembranen  ist  nach  Devaux  mit 
dem  Molekulardurchmesser  gleicher  Größenordnung. 

Die  Diffusionseigenschaften  der  Membran,  d.  h.  ihre 
Permeabilität8)  für  eine  beschränkte  Anzahl  von  gelösten  Stoffen, 
die  sog.  Semipermeabilität  oder  das  elektive  Lösungsvermögen, 
sind  für  das  Leben  der  Zelle  von  allergrößter  Wichtigkeit.  Nach 
Hamburger3)  ist  die  Außenzone  der  roten  Blutkörperchen  permeabel 
für  Anionen  der  fixen  Alkalisalze,  freie  Säuren  und  Alkalien,  NH4- 
Ionen,  für  Alkohole  (je  weniger  OH  desto  besser),  Aldehyde. 
Ketone,  Ester,  Antipyrin,  Harnstoff,  Galleusäuren  und  deren  Salze. 
Saponin(?);  impermeabel  für  Zuckerarten,  Arabit,  Mannit,  für  die 
Kationen  Ca,  Sr,  Ba,  Mg;  wenig  permeabel  für  neutrale  Amido- 
säuren  (Glykokoll,  Asparagin).    Pathologisch  ist  es,  wenn  sich  die 

!)  Vgl.  Osborne,  Americ.  Journ.  of  Physiology,  84,  84,  1906. 

*)  Die  Elastizität  von  Peptonhäutchen  nimmt  mit  der  Zeit  zu,  mit  stei- 
gender Temperatur  (Metkalf)  ab  (Blutkörperchenmembran,  Fieber). 

3)  Über  Permeabilität  d.  Erythrozytenhülle  haben  hauptsächlich  Unter- 
suchungen gemacht:  Gryns,  Üb.  d.  Einfluß  gelöster  Stoffe  auf  d.  roten  Blutk. 
in  Verbindg.  mit  den  Erscheinungen  d.  Osmose  u.  Diffusion.  Pflügers  Arcli. 
68,  86.  1896.  —  Koeppe,  D.  osmot.  Druck  als  Ursache  d.  Stoffaustausches 
zw.  roten  Blutk.  u.  Salzlösungen  (Hämatokritmethode)  ibid.  67,  189.  1897.  — 
Eykmann,  Üb.  d.  Permeabilität  d.  roten  Blutk.  ibid.  68,  58.  1897.  —  Hedin, 
(Gefrierpunktsdepression)  ibid.  68,229,  1897.  —  Oker-Blom,  Durchlässigkeit 
d.  roten  Blutk.  f.  versch.  Stoffe,  beurteilt  n  d.  elektr.  Leitfähigkeit,  ibid  81, 
167,1900.  —  Hamburger,  Resultate  s.  Arbeiten,  gesammelt  in  „Osmot.  Druck 
und  Ionenlehre  in  der  mediz.  Wissensch.",  I.  Bd.,  Wiesbaden  1902.  —  C alu- 
gar eanu,  Rech.  d.  Physiol.  experiment.  u.  de  Chim.  phys.  sur  l'Hömatolyse. 
These  de  Paris  1902.  —  Van  der  Schroeff,  Diss.  Bern.  1903.  —  Höber, 
(Kataphoretisch)  Pflügers  Arch.,  101,  627,  1904.  —  Koeppe,  Die  Semi- 
permeable Wand  d.  Erythrozyten,  ibid.  107,  81.    1905. 


—     175     — 

Permeabilität  auch  auf  andere  Stoffe  erstreckt,  d.  i.  wenn  die  Membran 
derart  verändert  ist,  daß  sie  auch  andere  Körper  in  sich  löst. 

Wenn  nun  die  Membran  für  ein  Ion  eines  im  Körperchen  sich 
befindenden  Salzes  —  sagen  wir  für  das  negative  —  durchlässig 
ist,  so  wird  dieses  infolge  seines  osmot.  Druckes  austreten.  Da- 
durch entstehen  infolge  Scheidung  der  Elektrizitäten  (das  +  Ion 
bleibt  innen)  elektrostatische  Kräfte,  die,  wenn  sie  dem  osmot. 
Druck  der  austretenden  Ionen  gleich  geworden,  einer  ferneren  Aus- 
wanderung derselben  Einhalt  tun.  (Ostwald,1)  Galeotti,2)  Tower,*) 
Chanoz.4) 

Es  bildet  sich  also  eine  elektrische  Doppelschicht  (+  innen, 
—  außen)  mit  einer  gewissen  Potentialdifferenz.  Diese  ist  allerdings 
sehr  klein,  da  die  Ionentrennung  und  Auswanderung  praktisch  sehr 
gering  ist.  Da  nun  die  Oberflächenspannung  umgekehrt  proportional 
geht  der  Potentialdifferenz  in  der  elektrischen  Doppelschicht,5)  die 
Potentialdifferenz  aber  durch  Elektrolyt-  oder  Kolloidzusätze  zur 
Außenflüssigkeit  Variationen  erleiden  kann,  hat  man  es  in  der 
Hand,  durch  geeignete  Behandlung  des  Mediums  die  Oberflächen- 
spannung der  Blutkörperchen  (in  vitro)  zu  verändern.  Es  ist  aber 
nicht  unwahrscheinlich,  daß  dadurch  sekundär  die  Eigenschaften 
der  Wand  verändert  werden  können,  so  daß  wir  es  dann  mit 
anderen  Durchtrittsbedingungen  für  Kristalloide  und  Kolloide,  für 
lösende  Agentien  und  auch   für   das  Hämoglobin  zu  tun  haben. 

Wenn  man  z.  B.  in  unserm  Falle,  wo  Austritt  des  negativen 
Ions  angenommen  wurde,  einen  Elektrolyt  zusetzt,  dessen  positives 
Ion  mit  dem  ausgetretenen  negativen  eine  (elektrisch  neutrale)  Ver- 
bindung eingeht,  hört  die  elektrische  Doppelschicht  und  damit  die 
Potentialdifferenz  auf;  theoretisch  wird  sie  =  0,  die  Oberflächen- 
spannung muß  also  groß  werden.  Bringt  man  aber  in  das  Menstruum 
einen  Elektrolyt,  dessen  Ionen  in  Außenflüssigkeit  und  Blutkörperchen- 

x)  Elektr.  Eigenschaften  halbdurchlässiger  Scheidewände.  Zeitschr.  f. 
physik.  Chem.,  6,  71,  1890. 

*)  Permeabilität  tierisch.  Membranen.  Zeitschr.  f.  phys.  Ch.,  40,481,  1902. 
Elektromotor.  Kräfte  a.  semipermeablen  Wänden,  ibid  49,  542,  1904. 

*)  Potentialdifferenzen  an  den  Berührungsflächen  verd.  Lösungen,  ibid. 
20,  198,  1896,  ferner  Journ.  de  Chimie  Phys.  p.  1.  1905.  Vgl.  auch  W.  Bein, 
Wiedemanns  Ann.  4«,  53,  1892.    Zeitschr.  f.  physik.  Gh.,  28,  439,  1899. 

*)  Journal  de  Physiologie  et  de  Pathologie  generale.  Sept.  1905.  Ann. 
de  TUniversite  de  Lyon.    I,  18,  1906. 

5)  Vgl.  Freundlich,  Zeitschr.  f.  physikal.  Chem.,  44,  129,  1903. 


—     176     — 

wand  verschiedene  Löslichkeit  haben,  so  verteilen  sich  positive  und 
negative  Ionen  eben  ihrer  Löslichkeit  entsprechend  auf  diese  beiden 
Lösungsmittel  (N ernst.1)  Selbstverständlich  spielt  bei  dieser 
Ionenverteilung  auf  Menstruum  und  Blutkörperchenhiille  die  Ab- 
sorptionsfähigkeit derselben  auch  eine  Rolle.     (Vgl.  I.  2.) 

Nehmen  wir  nun  die  schon  erwähnte  elektr.  Doppelschicht  an, 
so  wird  diese  auf  zweierlei  Art  modifiziert  werden  können:  1.  Die 
+  Ionen  sind  in  der  Wand  besser  löslich  als  in  der  Flüssigkeit; 
sie  werden  sich  also  der  bessern  Löslichkeit  und  Absorbierbarkeit 
entsprechend  in  jener  ansammeln  (Fig.  la);  2.  Haben  aber  die  nega- 
tiven Ionen  in  der  Wand  stärkere  Lösungstension  und  Absorbierbar- 
keit, so  werden  sie  sich  in  derselben  anhäufen  (vgl.  Fig.  1£).    In 


++++++ 

Fig.  1. 

innen 

Wand 
aussen/ 

++++++ 

vtmmxt 

v&tmm 

jedem  Fall  aber  werden  Ionen  in  die  Wand  hineingehen  und  da- 
durch die  elektr.  Doppelschicht  verändern.  Ganz  ähnlich  müssen 
Kolloide  mit  ihrer  elektr.  Ladung  wirken. 

Kommt  z.  B.  ein  positiv  geladenes  Kolloid  mit  den  ausgetretenen 
negativen  Ionen  in  Kontakt,  so  kann  sich  durch  partielle  Ausflockung 
eine  Art  Mantel  um  das  Blutkörperchen  bilden,  der  für  den  Austritt 
des  Hämoglobins  hinderlich  sein  kann  (ebenso  bei  der  Agglutination. 
Entstehung  der  Agglutinationsschicht). 

Es  kommt  nicht  zur  Bildung  einer  elektrischen  Doppelschicht, 
wenn  man  der  Flüssigkeit  den  ausgetretenen  Ionen  elektrisch  gleiche 
zufügt,  die  durch  die  Membran  hindurchgehen  und  sich  dann  mit 
den  zurückgebliebenen  verbinden  können  (Ostwald  1.  c). 

Selbstverständlich  können  auch  Doppelschichten  durch  partiellen 
Ionendurchtritt  von  außen  nach  innen  zustande  kommen. 

Spezielle  experimentelle  Untersuchungen  zu  diesen  theoretischen 
Erörterungen  liegen  wenige  vor.  Ich  wollte  bloß  die  verschiedenen 
Möglichkeiten  der  Variation  tierischer  Membranen  und 
gleichzeitig  Wege  zu  ihrer  Erforschung  andeuten. 

*)  Zeitschr.  f.  physikal.  Ch.  9,  139,  1892. 


—     177     — 

Ob  das  Hämoglobin  noch  besonders  auf  irgendeine  Art  im 
Blutkörperchen  fixiert  ist,  wissen  wir  nicht;  jedenfalls  würde  eine 
derartige  Bindung  den  Verlauf  der  Hämolyse  nur  noch  kompli- 
zieren.« Was  wir  heute  wissen,  ist,  daß  die  Hämolyse  eine  Membran- 
reaktion  ist.  Die  Mittel  zur  Zerstörung  oder  Permeabili- 
sierung  aber  sind: 

I.  Dynamische: 

a)  mechanische  (Zerreißen,  Zerreiben), 

b)  osmotische, 

c)  thermische, 

d)  photodynamische, 

e)  elektrisch-dynamische. 

IL  Materielle: 

a)  Kolloide, 

b)  Kristalloide  Chemikalien. 

Als  Indikatoren  für  den  Grad  der  Destruktion  der  Membran 
benützen  wir  meist  das  austretende  Hämoglobin,  für  pathologische 
Permeabilität  für  Elektrolyte  die  Leitfähigkeit,1)  und  für  Ionen 
und  Moleküle  zusammen  die  Gefrierpunktdepression. 

Die  verschiedenen  Arten  des  Durchlässigmachens  oder  der 
Zerstörung  der  Membran,  sind: 

(I.  Permeabilisierung  i       auf  der 

IL  Auflösung  (direkte  Zerstörung,  maximale     ganzen  Aus- 
Quellung  I     Dehnung. 

Im.  Plasmoptyse  (A.Fischer),  Kontraktion  mit  Zustande- 
kommen kleiner  Risse,   gefolgt  von  Iläuioglobinaus tritt, 
IV.  Platzen  (Gefrieren,  Hypotonie). 

Unsere  Ansichten,  dargelegt  im  vorliegenden  ersten  Teil  dieses 
Kapitels,  sind  kurzgefaßt: 

Die  roten  Blutkörperchen  haben  eine  Membran, 
worunter  eine  besondere  Grenz-  oder  Oberflächenschicht 
jjes  Stromas  gegen  das  Blutplasma  zu  verstehen  ist. 

Die  Entstehungsursache  ist  die  Differenz  der  Ober- 
flächenspannungen dieser  beiden  Kolloidkomplexe,  resp, 
die  Oberflächenspannung  des  Stromas. 

Die  Eigenschaften  dieser  Membran  sind: 

l)  Calugareanu  1.  c.  —  Zangger  und  Naville:  Hei  Saponinhämolys© 
mit  geringen  Dosen  nimmt  die  Leitfähigkeit  zu,  bevor  der  Hü mugtobin austritt 
beginnt  (mündl.  Mitteilg.). 

Zeitschrift  fftr  Infektionskrankheiten.    II,  9  3.  12 


—     178     — 

1.  Die  prinzipiellen  Eigenschaften  der  Kolloidsub- 
stanzen (Beeinflußbarkeit  durch  Temperatur,  Elektrolyte, 
Kolloide  usw.,  Altern); 

2.  die  spezifischen  Membraneigenschaften,  Funktion 
als  trennende  Schicht,  Dicke,  Elastizität,  elektive  Per- 
meabilität. 

Variationen  der  Kolloideigenschaften  durch  die  er- 
wähnten Faktoren  werden  also  auf  die  spez.  Membran- 
eigenschaften, speziell  die  Permeabilität  für  Ionen,  Mole- 
küle und  Kolloide  rückwirken  (Temperatur,  Elektrolyt- 
zusätze, elektr.  Doppelschicht). 

Hämolytische  Stoffe  sind  also  nur  diejenigen,  die 
die  Membran  derart  verändern,  daß  das  Hämoglobin  ab- 
diffundieren kann.  Die  Hämolyse  ist  also  nach  dem 
heutigen  Stand  des  Wissens  eine  typische  Membran- 
reaktion, ein  Spezialfall  pathologischer  Permeabilisierung 
einer  tierischen  Membran. 


2.  Die  hämolytischen  und  ihre  antagonistischen  (d.  h.  reaktionshemmenden) 

Faktoren. 

A.  Hämolyse  bewirkende  Faktoren. 

I.   Physikalische  (unter  chemisch-indifferenten 
Bedingungen). 

1.  Osmotische  Druckschwankungen.  Hypertonie  und 
Hypotonie.  In  sehr  konz.  Zuckerlösungen  verlieren  die  Blut- 
körperchen Hämoglobin  und  Salze  (1 *).  Die  Hämolyse  bei  Hypotonie 
ist  auf  ein  Quellen  durch  Wasseraufnahme  bis  zum  Platzen  zurück- 
zuführen (2,  3). 

2.  Thermische  Einwirkungen.  Bei  Wiederauftauen  ver- 
lieren gefrorene  Blutkörperchen  ihr  Hämoglobin  (4).  Die  Ursache 
ist  vermutlich  eine  mechanische  Ausdehnung  beim  Gefrieren,  Quetschen 
der  Membran  und  des  Stromas  durch  Eiskristalle.  Erwärmen  von 
Blut  auf  00—70°  läßt  Hämoglobin  austreten  (5).  Koeppe  (6) 
spricht  von  einem  Schmelzpunkt  der  Lipoidhülle,  der  in  verschiedenen 
isotonischen   Lösungen   verschieden   hoch   ist.    Wärme   begünstigt 


l)  Vgl.  die  Literaturangaben  S.  181. 


—     179     — 

auch  die  Hämolyse  durch  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nicht 
lösende  Substanzen  (Koeppe  s.  u.). 

3.  Mechanische  Insulte.  Nach  mehrstündigem  gelinden 
Schütteln  konnte  ich  leichte  Hämolyse  beobachten.  Zerreibt  man 
Blutkörperchen  mit  trocknem  Sand,  schwemmt  nachher  mit  NaCl 
(0,9proz.)  auf,  so  sieht  man  das  Hämoglobin  sich  in  der  Flüssigkeit 
verteilen  (7). 

4.  Elektrische  Entladungsschläge  von  Leydener  Flaschen 
und  Induktorien  lassen  Farbstoff  austreten  (8,  9).  Elektrische 
Schläge  fuhren  auch  zu  Desorganisation  von  Pflanzenzellenproto- 
plasma  (10).1 

5.  Photodynamische  Substanzen,  Eosin  (11),  Methylen- 
blau, Methylenazur,  Safranin,  Resazurin,  Neutralrot,  Fluoreszein 
wirken  nur  dann  hämolytisch,  wenn  das  Gemisch  photodynamische 
Substanz-Blut  der  Sonne  ausgesetzt  wird  (12).  Da  Gegenwart 
von  Sauerstoff  integrierendes  Moment  ist,  könnte  die  Wirkung  auch 
chemischer  Natur  sein.  Intensive  Beleuchtung  desorganisiert  auch 
Pflanzenzellplasma,  wobei  auch  O-Anwesenheit  notwendig  ist.  Mem- 
brandestruktion wurde  nicht  untersucht  (13). 

6.  Kolloide  und  Suspensionen  in  isotonischen  Medien. 

a.  Ein  Kolloid   allein,   unmittelbare    Hämolyse. 
Künstlich  dargestellte  Kolloide,  Kieselsäure  (14),  Eisen- 

hvdroxyd  (15),  Suspensionen  von  BaS04  und  CaFe2  (16),  koll. 
Hg  (17). 

Lysine  höherer  Pflanzen:  Rizin,  Abrin,  Krotin,  Phallin, 
Robin  (18).    Digitonin,  Zyklamin,  Saponin  (19). 

Bakteriolysine  (einfache  oder  bis  heute  nicht  in  Bestandteile 
zerlegte  Lysine) :  Tetanolysin,  Staphylolysin,  Streptolysin  (20),  Pyo- 
zyaneolysin,  Typholysin,  Lysine  von  Micrococcus  candicans,  auran- 
tiacus  und  tetragenus,  Vibrio  Paris,  Choleravibrionen,  Hühner- 
cholerabazillen, Diphtheriestämmen,  Bacterium  megatherium  (21), 
Fränkelscher  Diplokokkus  (22),  Bazillen  einer  Pseudotuberkulose  (23). 

Tierische  Lysine:  Aalserum  (24),  Schlangengift,  Krötengift 
(Phrynolysin),  Spinnengift  (Arachnolysin)  (25),  Bienengift  (26). 
(Schlangengift  bedarf  für  einige  Blutarten  der  Aktivation  durch 
Lezithin.)  Organextrakte  (27),  Karzinomextrakte  (28),  Natrium- 
taurocholat  (29). 

b.  Zwei  Kolloide  (mittelbare  Hämolyse). 

*  12* 


—     180     — 

a.  Die  eine  oder  andere  Komponente  allein  vermag  zu  lösen, 
aber  schwächer  oder  viel  langsamer  als  die  Kombination.  Kiesel- 
säure +  Kaninchenserum  löst  Kaninchenblut  (30)  (Kaninchenserum 
allein  löst  nicht);  Schlangengift  und  Lezithin  (31)  lösen  Rinder- 
blut, während  das  Kobragift  allein  dies  nicht  tut.  Kolloidale  Kiesel- 
säure + Lezithin  ist  eine  Parallele  dazu  (32).  Eisenhydroxydkolloid 
+ Hundeserum  löst  Huhnblut  schneller  als  das  Serum  allein  (33). 
Auf  die  Hämolyse  durch  andere  Kolloidkomplexe,  Saponin+Fe(OH)s 
(34).  Saponin+Natriumtaurocholat  (35)  und  Serummischungen  (36) 
werden  wir  noch  zu  sprechen  kommen. 

ß.  Die  eine  oder  andere  Komponente  allein  löst  nicht.  Hier- 
her gehören  die  komplexen  Serumhämolysine  von  normalen  und 
Immunseren.     (Ambozeptor  +  Komplement  (37). 

II.    Chemische    (unter  physikalisch  (osmot.)  indifferenten 

Bedingungen). 

Koeppe  (38)  fand,  daß  zum  sicheren  Zustandekommen  einer 
vollständigen  Hämolyse  mit  Chloroform,  Äther,  Schwefelkohlenstoff, 
Azeton,  Alkohol  in  gewissen  Konzentrationen  auch  eine  bestimmte 
Höhe  der  Temperatur  mitwirkendes  Moment  ist.  Alkohol,  Azeton, 
Chloralhydrat  in  hoher  Konzentration  lösen  nicht,  sondern  fällen. 
Über  die  Wirkungsintensität  der  einwertigen,  gesättigten,  primären, 
normalen  Alkohole  ist  bekannt,  daß  jeder  Alkohol  der  homologen 
Reihe  dreimal  wirksamer  ist  als  der  vorhergehende  (39). 

Da  den  erwähnten,  blutkörperchenlösenden  Stoffen  nur  die 
Fähigkeit,  Fette  aufzulösen,  gemeinsam  ist,  könnte  ihre  Wirkung 
eine  physikalische  sein,  bestehend  in  der  Lösung  der  Lipoidhülle 
der  roten  Blutkörperchen.  (Analogieschluß  wie  0 verton  1901 
Narkose.) 

Hämolytisch  wirken  Säuren,  Basen,  Salze  und  Ionen:  Salz-, 
Schwefel-,  Salpeter-,  Chromsäure,  Pikrin-,  Oxal-,  Essig-,  (40)  Ameisen-, 
Wein-  und  Zitronensäure.  Hohe  Temperatur  und  wachsende  Kon- 
zentration sind  begünstigende  Momente.  Ähnlichen  Einfluß  hat  die 
Temperatur  bei  der  Wirkung  von  Kali-  und  Natronlauge,  Ammon- 
hydroxyd  und  Kaliumkarbonat  (Koeppe  1.  c).  Von  blutlösenden 
Salzen  sind  zu  nennen:  (NH4)2S04,  (NH4)2COa,  NH4C1,  Nau,C03  (41), 
HgCl2  (42).  Auch  Harnstoff  löst  (41,  43)  in  allen  Konzentrationen. 
Sublimat  in  hohen  Konzentrationen  fällt,  d.  h.  koaguliert  das  Proto- 
plasma des  Erythrozyten,  so  daß  der  Farbstoff  nicht  mehr  austreten 


—     181     — 

kann,  und  zwar  muß  die  Fällungskonzentration  bei  Blutarten  mit 
hohem  Hämoglobingehalt  höher  sein  als  bei  Blut  mit  wenig  Farb- 
stoff (44).  Pyrogallol,  Glyzerin  (45),  Anilin  (sog.  Blutgifte,  speziell 
bei  Hautmitteln). 

Hämolytische  Alkaloide:  Chinolin,  Kokain,  Atropin  (46). 

B.  Hemmungen  der  H&molyse.1) 

I.  Durch  Kolloide  und  Suspensionen.  Serum,  d.  h.  natür- 
liche und  immunisatorisch  erzeugte  Antihämolysine  (47),  Hämo- 
globin (48),  Lezithin  (49),  Cholesterin  (50),  Blutkörperchen  (51), 
kolloidal.  Eisenhydroxyd  (31,  52),  Gele  (53),  Aszitesflflssigkeit 
(eigene  Beobachtung). 

n.  Durch  Ionen  (54). 

HE.  Durch  Verschiebungen  der  Temperatur  außerhalb 
des  Optimums  (wie  bei  allen  Reaktionen,  die  ein  Temperaturopti- 
mum haben). 

Literatur  und  Anmerkungen  zu  vorstehender  Übersicht: 

1.  Calugareanu,  These  de  Paris,  1902.  2.3.  Koeppe,  Pflügers  Arch. 
99,  39,  1903.   107,  86,  1905.  4  5.  6.  vgl.  2.    7.  Rywosch,  Zentralbl.  f.  Physiol. 

19,  388,  1905.  8.  Rollett,  Pflügers  Arch.  82,  259, 1900.  9.  Hermann,  Pflügers 
Arch.  91,  164, 1902  10.  Klemm,  Jahrb.  f.  Wissenschaft  Botanik  28,  625, 1895. 
11.  H.  Pfeifer,  Wien.  klin.  Wochenschr.  18,  220  u.  328,  1905.  12.  Sacharoff 
u  Sachs.  Münch.  med.  Wochenschr.  1905,  Nr.  7.  13.  Pringsheim,  Jahrb.  f. 
wissenschaftl  Botanik  12,  326,  340.  19.  Robert,  Saponinsubst,  Stuttgart  1904. 
Zangger,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  13.  Levy,  Comptes  rendus 
Soc.  Biol.  1906,  Nr.  25.  Ransom,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901,  Nr.  16. 
Brandl,  Arch.  f.  exp.  Path.  64,  245.  18.  Sachs,  Ergeb.  d.  allg.  Path.  u. 
path.  Anat.  von  Lubarsch-Ostertag,  7.  Jahrg.  (Zusammenstellung  u.  Literatur). 

20.  Kerner,  Diss.  Zürich,  1905.  21.  Craw,  Proc.  Roy.  Soc.  B.  Vol  76,  Nr.  508, 
1905.  22.  Zusammenstellung  Sachs'  I.e.  Milzbrand:  Wunschheim,  Arch.  f. 
Hyg.  54,  185.  1905.  (Ref.  Zentralbl.  f.  Physiol.  19,  914,  berichtet  auch  über 
andere  Bakteriolysine.)  Dasselbe  Gueskine,  These  de  Paris  1905,  Nr.  440 
(Ref.  Biochem.  Zentralbl.  5, 128).  23.  Bryn er,  Diss.  Zürich  1906.  24.  Camus  u. 
Gley,  Comptes  rendus  Soc.Biol.  T.140, 1717.  (Ref.  Zentralbl  f.  Physiol  19,  515.) 
25.  Sachs,  Sammelref.  über  tier.  Toxine  als  hämolyt.  Gifte.  Biochem.  Zentralbl. 
5,  257  u.  305.  26.  Schutt,  Diss.  Erlangen  1902  u.  Langer,  Arch.  int.  de 
Pharmacodyn.  VI,  1899  (zit.  n.  Sachs).  27.  Korschun  u.  Morgenroth,  Berl. 
klin.  Wochenschr.  1902,  Nr.  37.  28.  Kullmann,  Z.  f.  klin.  Med.  58,  1904 
(Ref.  Zentralbl.  f.  allg.  Path  u.  path.  Anat.  16,  Nr.  6,  1905).  Die  hämolytischen 
Substanzen  der  Organextrakte  und  Karzinomextrakte  sind  koktostabil,  alkohol- 


i)  Vgl.  III.  Kap. 


—     182     — 

löslich  and  nicht  komplex.  Inwieweit  nicht  kolloide  Eiweißzerfallprodukte 
dabei  mitwirken,  ist  nicht  bekannt.    29.  Zangger,  Comptes  rendus  Soc.  Biol. 

1905,  Nr.  87.  14.  Landsteiner  u.  Jagic\  Münch.  med.  Wochenschr.  1904, 
Nr.  27.  15.  Cernovodeanu  u.  Henri,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  224; 
s.  34,  Levy  1.  c  16.  Gengou,  Comptes  rendus  de  l'acad.  des  Sciences,  April  1904. 
17.  Walter  Frei,  Berl.  tierärztl.  Wochenschr.  1905,  Nr  21.  30.32.  Landsteiner 
u.  Jagi£  1.  c.  31.  Kyes  zit.  bei  Sachs  1.  c.  33.  Cernovodeanu  u.  Henri, 
1.  c.  34.  Levy.  1.  c.  35.  Zangger,  1.  c.  36.  Cernovodeanu  u.  Henri, 
Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  18.  37.  Literatur  findet  sich  bei  v.  Dungern, 
Die  Antikörper,  Jena  1903.  Sachs,  Lubarsch-Ostertags  Ergebn.  Asch  off, 
Ehrlichs  Seitenkettentheorie  u.  ihre  Anwendung  auf  die  künstlichen  Immuni- 
sierungsprozesse.  Zeitschr.  f.  allg.  Physiol.,  Heft  3/4.  Bechhold,  Ungelöste 
Fragen  etc.,  Wien.  klin.  Wochenschr.  1905,  Nr.  25.  38.  Koeppe,  Pflügers 
Arch.  90,  75,  1903.    39.  Fühner  u.  Neubauer,  Zentralbl.  f.  Physiol.  20,  117, 

1906.  40.  Robert,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1906,  Nr  7.  41.  Koeppe, 
Pflügers  Arch.  67,  196.  Bulloch,  Journ.  of.  Physiol.  42.  Detre  u.  Seilei, 
Wien.  klin.  Wochenschr.  1904,  Nr.  30,  45,  46,  49.  41.  u.  43.  Gryns,  Pflügers 
Arch.  63,  100,  1896.  44.  Joupand,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  69,  572.  Bef. 
Zentralbl.  f.  Physiol.  19,  1905,  1014.  45.  Vincent  u.  Dopter,  Comptes  rendus 
Soc.  Biol.  1905,  Nr.37.  46.  Martin,  Sitzungsber.  d.  physik.-med.  Soc.  zu  Erlangen, 
35.  Heft,  1903.  47.  Robert,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1906,  Nr.  14,  vgl.  unter 
37.  48.  Walter  Frei,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1906,  Nr.  13,  45.  49.  Detre 
u.  Seilei  1.  c,  vgl.  auch  Sachs.  Sammelref.  über  tierische  Hämolysine. 
50.  vgl.  19.    49.  u.  50.  Lipoide:   Detre  u.  Seilei,   Wien.   klin.  Wochenschr. 

1905,  1089.  Landsteiner  u.  Eisler,  Wien.  klin.  Rundschau,  13.  u.  24,  1905. 
Eisler,  Wien.  klin.  Wochenschr.  1905.  Nr.  27.  51.  Zangger,  Comptes  rendus 
Soc.  Biol.  1905,  Nr.  13.    15.  u.  52.  Levy,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.   Nr.  25, 

1906.  53.  Biltz,  Much  u.  Siebert,  Behrings  Beitr.  Heft  10.    54.  vgl.  45. 

Im  Organismus  können  nun  Blutkörperchen  zugrunde  gehen 
bei  den  verschiedenen  schon  erwähnten  Krankheiten  und  thera- 
peutischen Eingriffen.  Selbstverständlich  fallen  immer  die  weniger 
resistenten    Erythrozyten    dem    schädigenden   Einfluß    zum  Opfer. 

Hämolyse  findet  statt  in  vivo 

durch  Kolloidalsubstanzen;  das  ist  am  häufigsten  der  Fall 
bei  den  verschiedenen  Arten  von  Sepsis,  bei  Transfusionen,  Serum- 
injektion zum  Zwecke  der  Immunisierung  (Theiler),  bei  Vergif- 
tungen mit  Phytalbumosen  (6a),  bei  Schlangenbissen,  bei  Bienen- 
und  Skorpionenstichen,  bei  Ikterus; 

durch  tiefe  Temperaturen  bei  Erfrieren  einzelner  Organe. 
Kälte  kommt  außerdem  als  begünstigendes  Moment  in  Betracht  bei 
der  paroxysmalen  Hämoglobinurie  des  Menschen,  wahrscheinlich 
auch  bei  der  schwarzen  Harn  winde  des  Pferdes; 

durch  hohe  Temperaturen  bei  Verbrennungen. 


—     183     — 

Osmot.  Druckdifferenzen  können  während  des  Lebens 
nicht  zur  blutlösenden  Höhe  kommen,  da  der  Organismus  mit 
Zähigkeit  am  konstanten  osmot.  Druck  festhält,  und  weil  bei 
starken  Variationen  desselben  andere,  lebenswichtigere  Zellen  zu- 
erst sterben.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  bei  der  Narkose  mit 
Chloroform  oder  Äther  auch  Blutkörperchen  zugrunde  gehen. 

Natürlich  ist  nicht  gesagt,  daß  bei  diesen  verschiedenen 
schädigenden  Einwirkungen  immer  Hämoglobinurie  eintreten  müsse; 
die  Zerstörungen  können  so  geringgradig  sein,  daß  sie  klinisch 
gar  nicht  oder  nur  bei  sehr  genauer  Untersuchung  wahrzu- 
nehmen sind. 

Unsere  Untersuchungen  und  Betrachtungen  befassen  sich  in 
der  Hauptsache  mit  der  Hämolyse  durch  Kolloide,  weil  diese  in 
vivo  vorwiegend  in  Betracht  kommt,  weil  die  Immunkörper  über- 
haupt, wie  schon  erwähnt,  Kolloide  sind,  und  weil  sich  auf  diese 
Weise  Ausblicke  auf  allgemein  biologische  Gebiete  erwarten  lassen. 
(Vgl.  das  bereits  über  Membranen  Gesagte.)  Denn  wir  sind  be- 
rechtigt, aus  parallelen  Reaktionen  der  von  den  Physikochemikern 
studierten  und  auch  chemisch  bekannten  anorganischen  Kolloide 
mit  Immunkörperreaktionen,  speziell  der  Hämolyse,  Schlüsse  zu 
ziehen  in  Bezug  auf  die  Natur  dieser  letzteren.  Parallelen  der  Vor- 
gänge der  Kolloidhämolyse  mit  gewöhnlichen  Kolloidreaktionen  sind 
zu  erwarten;  lassen  sich  aber  Parallelen  finden,  so  müssen  sie  Stützen 
für  die  physikalisch-chemische  Erklärung  der  Hämolyse  ergeben. 

Chemische  Kräfte  werden  durch  den  Kolloidzustand  zurück- 
gedrängt (Duclaux1).  Deshalb  bildet  der  letztere  das  in  die  Augen 
springende  Kriterium  der  bei  der  Hämolyse  in  vivo  (durch  Serum- 
hämolysine  z.  B.  auch  in  vitro)  und  den  übrigen  Immunkörper- 
reaktionen in  Frage  stehenden  aktiven  Substanzen.  Versuche  der 
Reindarstellung  dieser  letzteren  mußten  scheitern,  weil  durch  die 
dabei  notwendigen  Eingriffe  das  spezifisch  Wirksame  an  ihnen,  d.  i. 
eben  ihr  Kolloidalzustand  —  der  abhängig  ist  von  Bedingungen, 
die  beim  Versuch  der  Reindarstellung  ausgeschaltet  werden,  speziell 
Elektrolyte  —  verloren  ging. 

Schon  aus  diesen  Erwägungen  resultiert  eine  Berechtigung 
unseres  physikalisch-chemischen  Standpunktes,  eine  Berechtigung, 
die  Vorgänge  zu  analysieren  und  die  erklärbaren  hervorzuheben  aus 
dem  Gesamtkomplex,  den  wir  Hämolyse  nennen. 

l)  Conf.  Soc.  chimique  de  Paris,  3.  Dez.  1904. 


—     184     — 

HL  Beeinflussung  des  Reaktionsverlaufes  durch  Ver- 
änderungen der  reagierenden  Substanzen. 

Die  Membran,  die  Lysine,  das  Hämoglobin  sind  Kolloide.  Da 
nun  die  Zustandsform  der  Kolloide  sehr  leicht  beeinflußbar  ist, 
müssen  Änderungen  in  den  äußeren  Umständen  bei  der  Hämolyse 
sich  bemerkbar  machen,  speziell  in  bezug  auf  die  hauptsächlich 
in  Betracht  kommende  Membran  oder  Hülle  der  Blutkörperchen, 
bezüglich  deren  wir  die  Möglichkeiten  der  Variation  im  IL  Kapitel 
besprochen  haben.  Einflüsse  auf  die  Reaktionssubstanzen  müssen  sich 
aber  hauptsächlich  kundgeben  als  Veränderungen  der  Reaktions- 
geschwindigkeit, d.  h.  als  Verkürzung  oder  Verlängerung  der  Re- 
aktionszeit in  toto,  bestimmt  vom  Zeitpunkt  der  Mischung  bis  zur 
vollständigen  Klärung  bei  vollständiger  Hämolyse.  Veränderungen 
der  einzelnen  Zeitphasen  sind  —  die  genau  bestimmbare  Phase  der 
Absorption  des  lytischen  Kolloids  durch  die  Körperchen  ausgenom- 
men —  vorläufig  nicht  zu  kontrollieren. 

Die  Blutkörperchen  als  Kolloidkomplexe  müssen  sich  vor 
allem  auch  durch  Elektrolyte  verändern  lassen.  In  einer  Zucker- 
lösung werden  sie  sich  also  anders  verhalten  als  in  einer  Salz- 
lösung und  in  verschiedenen  Salzlösungen  verschieden  (Bulloch), 
je  nach  ihrer  Permeabilität  für  Ionen  und  der  Valenz  und  ent- 
sprechend dem  Fällungseffekt  und  der  Natur  der  letzteren.  Es  ist 
also  nicht  verwunderlich,  wenn  die  Geschwindigkeit  der  Hämolyse 
bei  Zusatz  verschiedener  Salze  verschieden  ist,  da  die  Permea- 
bilität der  Kolloidmembran  für  Hämoglobin  von  Ionen 
verschieden  beeinflußt  werden  kann.  So  werden  in  physio- 
logischer Kochsalzlösung  gewaschene  und  suspendierte  Blutkörperchen 
des  Hammels  durch  Kobragift  nicht  gelöst  oder  agglutiniert  (Kyes). 
Unterwirft  man  sie  aber  der  gleichen  Manipulation  in  isotonischer 
Zuckerlösung,  so  tritt  Agglutination  ein,  gefolgt  von  Hämolyse 
(Goebel.1)  Zusatz  von  Mineralsalzen  verhindert  die  Agglutination. 
In  lOproz.  Zuckerlösung  aber  geschieht  sie  trotz  Anwesenheit  be- 
trächtlicher Salzmengen.  Da  die  Blutkörperchen  nach  Calu- 
gareanu2)  sogar  in  isotonischer  Zuckerlösung  Salze  verlieren, 
müssen  wir  nach  Goebels  Befunden  annehmen,  daß  die  in  den 
Erythrozyten   anwesenden   Salze    eine   Bedeutung    haben    für   die 

l)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.    1905.   No.  9. 
a)  These  de  Paris.   1902. 


—     185     — 

Resistenz  derselben  gegen  Kolloide,  daß  die  Membran  durch  inten- 
siveren Salzverlust,  vielleicht  durch  die  Diffusion,  so  verändert 
werden  kann,  daß  das  Hämoglobin  ohne  weiteren  Zusatz  eines 
lösenden  Agens  von  selbst  abdiffundiert  (Calugareanu:  Blut- 
körperchen, in  ll,2proz.  Zuckerlösung  gewaschen,  verlieren  zuerst 
Salze,  dann  Farbstoff).  Durch  die  Abdiflusion  der  Salze  aus  den 
Körperchen  muß  die  Umgebung,  verglichen  mit  dem  Inhalt  der- 
selben, hypertonisch  werden  und  sie  müssen  schrumpfen  (da  Zucker 
nach  Hamburger  nicht  durch  diese  Membran  diffundiert). 

In  Zuckerlösung  können  Blutkörperchen  sich  derart  verändern, 
daß  sie  schon  auf  Zusatz  einiger  Tropfen  NaCl  agglutiniert  werden 
(Girard-Mangin  und  V.  Henri.1) 

Weitere  Veränderungen  der  Blutkörperchen  durch  verschiedene 
Agentien  siehe  Kap.  II,  vgl.  auch  „Aktivatoren",  „Hemmungen*4. 

Ein  hämolytisches  Kolloid  kann  hauptsächlich  beeinflußt  weiden 

durch 

1    Elektrolyte: 

a)  aus  den  Körperchen  kommend, 

b)  in  der  Außenflüssigkeit  vorhanden. 
2.  Kolloide: 

sl)  gleicher  clektr.  Ladung, 

b)  entgegengesetzter  clektr.  Ladung 

Durch  einen  dieser  Faktoren  oder  Kombinationen  derselben 
entstehen  Veränderungen  der  Oberflächenspannung,  der  Kohäsion 
und  der  Viskosität  im  Medium,  überhaupt  molekularphysikalische 
Variationen,  die  für  Strukturen  der  Blutkörperchen  und  die  Ad- 
häsions-  und  Adsorptionsverhältnisse  zu  denselben  von  Bedeutung  sind. 

Daß  Salze  aus  den  roten  Blutzellen  austreten,  hat  Calu- 
gareanu mit  der  Leitfähigkeitsmethode  (Vergrößerung  von  A)  kon- 
statiert. Wir  haben  also  nie  reine  Kolloidwirkung  vor  uns,  auch 
wenn  wir  statt  der  usuellen  Suspensionsflüssigkeit  —  physiologische 
NaCl-Lösung  —  isotonische  Zuckerlösung  benutzen.  Immer  wird 
das  lösende  Kolloid  Ionen  enthalten,  deren  Wirkung  sich  sogar  in 
Präzipitationen  eines  entgegengesetzt  geladenen,  bei  der  Hämolyse 
mitbeteiligten  Kolloids  äußern  kann  (Cernovodeanu  und  Henri.-) 
Es  kann  dadurch  zu  Agglutination  der  Körperchen  und  zu  Kolloid- 
mantelbildung um  dieselben  kommen,  wodurch  die  Abdiffusion  des 
Hämoglobins  verhindert  oder  wenigstens  gehemmt  wird.    Außerdem 

*)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.    1904.   Bd.  56,  931. 
*)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  No.  5.  224. 


—     186    — 

findet  bei  der  erwähnten  Präzipitation  Verminderung  oder  Ver- 
langsamung der  Hämolyse  statt  durch  Quantitätsverminderung  des 
lösenden  Agens,  einmal  um  den  zur  Präzipitation  notwendigen  Anteil, 
zum  andern,  um  die  von  den  gefällten  Massen  mitgerissene  und  ab- 
sorbierte Menge. 

Eine  sehr  kleine  Quantität  von  Antiserum,  das  bei  Fällung 
Präzipitate  gibt  und  das  hämolytische  Komplement  mitreißt,  macht 
das  hämolytische  Komplement  schon  vor  der  Fällungszone  inaktiv. l) 

Die  Ionenwirkung  zeigt  sich  auch  in  Kerners  (I.e.)  Ver- 
suchen, wo  die  Hämolyse  durch  Streptokokken  bei  Zusatz  von 
2proz.  NaCl-Lösung  langsamer  stattfindet,  als  wenn  bloß  t/jproz. 
Kochsalzlösung  zugesetzt  wird. 

Kolloide  werden  bekanntlich  auch  durch  ihresgleichen  beeinflußt. 
Also:  Das  im  Verlauf  der  Reaktion  frei  werdende  Hämoglobin  wird 
sich  nicht  indifferent  verhalten  gegenüber  dem  lytischen  Kolloid.2) 
Wie  ich  beobachten  konnte,  hemmt  Zusatz  von  Hämoglobin  die  Hämo- 
lyse, und  besonders  stark  dann,  wenn  es  vor  dem  Blutkörperchenzu- 
satz mit  dem  Hämolytikum  (z.  B.  Saponin)  gemischt  wird.  Ob  aber  das 
im  Beginn  einer  Reaktion  freigewordene  Hämoglobin  auf  den  weiteren 
Verlauf  derselben  auch  hemmend  einwirkt,  ist  fraglich;  jedenfalls  ist 
die  Wirkung  eine  ganz  geringe,  da  die  gesamte  notwendige  Menge 
des  Lösungskolloids  sehr  früh  absorbiert  wird,  also  bevor  der  Farb- 
stoffaustritt beginnt  (Zangger3),  (Cernovodeanu,  Henri4).  Bei 
fraktioniertem  Zusatz  des  lösenden  Stoffes  wird  das  Hämoglobin 
seine  Hemmungswirkung  dann  entfalten  können,  wenn  letzte 
Fraktionen  nach  begonnener  Auflösung  zugesetzt  werden.  Je  später 
man  z.  B.  die  zweite  Hälfte  des  Saponins  zusetzt,  desto  geringer 
die  Hämolyse  (Henri,  Zangger,  1.  c). 

Da  Kolloide  ohne  bestimmte  Zusätze  mit  der  Zeit  sich 
„spontan"  verändern,  altern,  müssen  dieselben  Blutkörperchen  mit 
den  gleichen  Mengen  derselben  Saponinlösung  zu  verschiedenen 
Zeiten  verschiedene  Resultate  ergeben  (vgl.  Tabelle  1). 

Die  verschiedene  Empfindlichkeit  verschiedener  Blutarten  gegen 

*)  Neißer  u.  Sachs.  Die  forensische  Blutdifferenzierung  durch  anti- 
hämolyt.  Wirkung.    Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  2,  1906. 

a)  Henri,  Lalou,  Mayer,  Stodel.  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1903  D6z. 

3)  Comptes  rendus  Soc.  Biol  1905,  No.  13. 

4)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  No.  10. 


187 


Tabelle  1. 

16.  Februar  1905.    Temperatur  37°. 


Hundeblut 
lOproz. 

+  Saponin 
l%o 

Hämoglobin 

ccm 

ccm 

% 

1           % 

n.  25-80  Min. 

n.  76  Min. 

40 

+  0,5 

35,0 

42,4 

20 

+  0,5  4- n.  IMin  20  Blk. 

23,7 

25,9 

10 

+  0,5+,,  1    „    30    „ 

66,6 

93,3 

20 

+  0,5+ „2    „    20    „ 

53,8 

60,9 

10 

+  0,5+,,  2    „    30    „ 

51,8 

68,6 

17.  Februar  1905.    Temperatur  31,4°. 

n.  10  Min. 

n.  66  Min. 

n.  110  Min. 

% 

/o 

0/ 

/o 

40 

+  0,5 

10,6 

21,5 

31,1 

20 

+  0,5  +  n.  IMin.  20  Blk. 

10,6 

12,1 

12,5 

20 

+  0,5+  „  1    „    20NaCl. 

11,0 

12,3 

12,9 

10 

+  o,5  +  „  1    „    30  Blk. 

38,8 

45,1 

46,6 

10         | 

+  0,5+  „  1    „    30NaCl. 

77,7 

87,4 

93,3 

20         ' 

+  0,5+  „  2    „    20  Blk. 

11,9 

13,3 

— 

20 

+  0,5+  „  2    „    20NaCl. 

18,9 

19,4 

21,5 

18.  Februar  1905.    Temperatur  31,4°. 


40 
20 
20 
20 


+  0,5 

+  0,5  +  n.  IMin.  20  Blk. 
+  0,5+ „2    „    10    „ 
+  0,5+  „  2    ,.    20NaCl. 


°/o 

7,0 

12,1 

9,2 


»Min. 

n.1101 

°/o 

% 

6,1 

6,6 

8,4 

8,5 

3,7 

14,5 

9,8 

11,9 

Saponin  und  taurochols.  Natrium  zeigen  Tabelle  2  und  3  (S.  188  und 
189).  Der  Einfluß  der  Temperatur  wird  später  behandelt  werden. 
Die  verschiedenen  Einwirkungen  auf  die  Reaktionskörper 
äußern  sich  in  Vergrößerung  oder  Verkleinerung  der  Reaktions- 
geschwindigkeit. Stoffe,  die  die  Reaktionszeit  verkürzen,  wollen 
wir  nach  Kyes  Vorgang 

Aktivatoren 
nennen.    Dieser  Autor  fand,  daß  sonst  gegen  Kobragift  widerstands- 
fähige Blutkörperchen   bei  Zusatz  von  Lezithin  aufgelöst  werden. 
Er  nannte  das  Lezithin  den  Aktivator  des  Schlangengiftes. 


188 


Tabelle  2. 

1.  April  1905.    Temperatur  29,3°. 


25  ccm  Blut- 
aufschwemmung 


vom 


S  aponin 


Hämoglobin   nach 


20  Minuten 

% 


% 


46  Minuten 

/o 


Pferd . 


Schwein 


Ochsen. 


Kalb 


Schaf. 


0,12 
0,25 
0,5 
1,0 

0,12 
0,25 
0,5 
1,0 

0,12 
0,25 
0,5 
1,0 

0,12 
0,25 
0,5 
1,0 

0,12 
0,25 
0,5 
1,0 


2,9 
10,0 
40,0 
80,0 

3,2 

20,0 

66,6 

100,0 


11,1 
14,4 


9,1 
11,1 

1,2 
2,4 

11,1 
33,3 


3,3 

11J 

50,0 

100,0 


22,0 

80,0 

100,0 


4,9 
20,0 


16,6 

1,4 

3,8 

14,4 

40,0 


Reihenfolge  nach  Empfindlichkeit:  1.  Schwein,  2.  Pferd,  3.  Schaf, 
4.  Ochse  und  Kalb. 

Kr  erklärte  die  Wirkung  des  letzteren  auf  empfindliche  Blut- 
körperchen allein  durch  die  Aktivierung  derselben  durch  das  in 
den  Körperchen  enthaltene  Lezithin,  ohne  das  das  Kobragift  über- 
haupt nicht  lösen  könne.  Daß  die  Widerstandsfähigkeit  der  Hammel- 
blutkörperchen durch  Waschen  in  Zuckerlösung  verloren  geht 
(Goebel  1.  c),  zeigt,  daß  die  Salze  auf  den  Zustand  der  Körperchen- 
hülle  Einfluß  haben  (vielleicht  hier  speziell  auf  das  Lezithin).  Durch 
Kombination  von  Kobra-  und  anderen  Schlangengiften,  ferner  auch 
Skorpiongiften  mit  Lezithin  kann  man  sonst  giftfeste  Blutzellen  zur 
Lösung  bringen. 


—     189     — 


Tabelle  8. 

3.  April  1905.    Temperatur  29,3°. 


25  ccm  Blut- 
aufschwemmung 
(lOproz.)  vom 


Na- tauroch. 
1  proz. 

ccm 


Hämoglobin  nach 


20  Minuten 


60  Minuten 


% 


180  Minuten 


Pferd . 


Schwein 


Schaf. 


0,25 

0,5 

1,0 

2,0 

4,0 

0,25 

0,5 

1,0 

2,0 

4,0 

0,25 

0,5 

1,0 

2,0 

4,0 


7,8 

8,2 

10,1 

10,7 


12,0 
16,0 
23,1 


17,6 
19,1 
20,6 
30,0 


8,0 

9,9 

11,7 

14,4 


13,1 
17,1 
23,1 

28,6 


20,0 
20,6 
22,6 
37,5 


10,3 
13,3 
14,3 
19,1 
100,0 

16,0 
19,6 
25,5 
34,3 

42,8 

31,5 
26,1 
37,5 
60,0 
100,0 


Reihenfolge  nach  Empfindlichkeit:  1.  Schaf,  2.  Schwein,  3.  Pferd. 

Nach  Landsteiner  u.  JagiS1)  gibt  eine  Kombination  von 
Lezithin  mit  kolloidaler  Kieselsäure  eine  hämolytische  Kombination, 
was  von  den  Autoren  mit  Recht  als  Parallele  zu  Kyes'  Beob- 
achtung gedeutet  wird  (Parallele  auch  zur  Beizfärbung). 

Nach  meinen  Erfahrungen  ist  taurocholsaures  Natrium  ein 
Aktivator  für  Saponin  (in  bestimmten  Grenzen,  vgl.  C.  r.  Soc.  Biol., 
Dec.  1905). 

1  ccm  Hundeblut  5  proz.  -|-4  ccm  NaCl  0,9  +  Na-tauroch.  1  proz. -f- nach 
5  Min.  7s  ccm  ViüProz-  Saponinlösung:  Hämolyse  vollendet; 
bei    5  Na-taurochol.  nach  29  Sek. 

„    15  „  „35     „ 

ohne  „  „     35     „ 

bei  10  „  und  unmittelbar  darauf  folgendem 

Saponinzusatz  nach  34  Sek.,  bei  10  Na-taurochol.  ohne  Saponin  nach  10  Stunden 
noch  nicht  völlig  gelöst. 

Die  Tatsache,  daß  die  aktivierende  Wirkung  an  ein  Mengen- 
optimum des  Aktivators  gebunden  ist,  stellt  eine  Parallele  dar  zur 


l)  Mtinch.  med.  Wochenschr.  1904,  Nr.  27. 


—     190    — 

sogenannten  Komplementablenkung  durch  einen  Überschuß  von 
Ambozeptoren,  d.  h.  wenn  nicht  die  optimale  Ambozeptorenmenge 
vorhanden  ist,  findet  die  Reaktion  nicht  vollständig  statt.  Im  Gegen- 
satz zu  den  Ambozeptoren  sind  aber  diese  Aktivatoren  nicht  spe- 
zifisch. —  Da  bei  der  Hämolyse  durch  Serummischungen  die  Wir- 
kung größer  ist  als  die  Summe  der  Partialhämolysen,1)  müssen  wir 
auch  hier  eine  gegenseitige  Aktivierung  annehmen.  Ein  inter- 
essanter Fall  von  gegenseitiger  Unterstützung  zweier  hitzelabiler 
Kolloide  ist  der  folgende:2) 

Blutk.  Pferd  +  Serum  Ochs  =  keine  Hämolyse 
„      Pferd  -\-  Serum  Pferd  =     „  „ 

„      Pferd  -j-  Serum  Pferd  -f-  Serum  Ochs  =  Hämolyse. 

Man  kann  hier  nicht  sagen,  das  eine  oder  andere  Serum  ent- 
halte den  Aktivator  (ebensowenig  im  vorigen  Fall),  auch  nicht,  das 
Ochsenserum  enthalte  das  Komplement  für  den  Pferdeserum-Ambo- 
zeptor  oder  umgekehrt;  denn  wenn  man  das  eine  oder  das  andere 
Serum  auf  56°  erwärmt,  tritt  keine  Auflösung  mehr  ein. 

Wir  haben  hier  mindestens  zwei  temperaturempfindliche  Kol- 
loide vor  uns,  die  zusammen  eine  typische,  spezifisch  lytische  Kom- 
bination ergeben.  War  eine  Komponente  aber  auf  56°  erwärmt, 
so  wirkte  die  Kombination  nicht  mehr  lösend.  Hier  hört  die  Giltig- 
keit  der  allgemeinen  heutigen  Auffassung  auf;  nach  der  Ehrlich- 
schen  Theorie  ist  dieses  Phänomen  nicht  zu  erklären. 

Interessant  ist  die  sog.  Sensibilisierung  von  Blutkörperchen 
durch  ein  sonst  schützendes  Kolloid.  Pferdeserum  hemmt  die  Auf- 
lösung von  Huhnblut  durch  Hundeserum.  Läßt  man  aber  Pferde- 
serum eine  Zeitlang  in  Kontakt  mit  den  Huhnblutkörperchen,  zen- 
trifiigiert  dann  ab,  schwemmt  in  NaCl  auf  und  setzt  jetzt  Hunde- 
serum hinzu,  so  findet  man,  daß  die  Körperchen  viel  leichter 
aufgelöst  werden,  und  zwar  sind  sie  um  so  sensibler,  je  größer  die 
Menge  des  Pferdeserums  war.  Es  ist  jedoch  ein  gewisses  Optimum 
zu  konstatieren  (vgl.  die  Kurve  Fig.  2).  Ganz  wie  das  Pferdeserum 
verhält  sich  das  (sonst  hemmende)  koll.  Eisenhydroxyd.8)4) 

1)  Cernovodeanu  u.  Henri,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  No.  18. 
Comptes  rendus  Acad.  Sciences,  22.  Mai  1905. 

2)  Cernovodeanu  u.  Henri,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1906. 

3)  Cernovodeanu  u.  Henri,   Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Xr.  18. 
4;  Cernovodeanu  u.  Henri,    Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  5. 

Vgl.  Larguier  desBancels,  Kinase  ersetzt  durch  Kolloide  (Toluidinblau)  bei 
Pankreassaft  im  Verein  mit  Elektrolyten,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  141, 144, 1905. 


—     191     — 

Auch  Ionen  können  auf  hämolytische  Seren  forderlich  ein- 
wirken. CaCLg  aktiviert  Bakterienhämotysin;1)  Mg-Salze  zeigen  bei 
der  Aktivation   von  Serumhämolysinen    ein  Mengenoptimum.    Daß 

Fig.  2. 


50 
40 



30 

20 

fO 

0 

8> 


Wachsende  Mengen  von  Pferdeserum,  die  mit  5  com  Hühnerblut  bei  31°  1  Stunde 
in  Kontakt  gewesen.    Hämolyse  durch  nachher  zugesetztes  Hundeserum  (konstante 

Menge). 
(Nach  Cernovodeanu  u.  Henri,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1906,  Nr.  18.) 

z.  B.  dialysiertes  Hundeserum  viel  weniger  intensiv  blutlösend 
wirkt  (Cernovodeanu  u.  Henri2)  zeigt  deutlich  die  Wichtigkeit 
der  Ionen  für  die  Wirksamkeit  der  Kolloide. 


Die  Hemmungen  der  Hämolyse. 

Wie  ein  Kolloid  begünstigend  auf  die  Funktion  eines  andern 
einwirken  kann,  so  ist  auch  eine  Hemmung  oder  gänzliche  Ver- 
hinderung der  Wirkung  einer  Kolloidsubstanz  durch  eine  andere 
möglich.  Schon  lange  kennen  die  Experimentatoren  die  Hemmung 
oder  Verhinderung  der  Hämolyse  durch  Serum  in  vitro,  d.  h.  die 
Tatsache,  daß  ungewaschene  Blutkörperchen  weit  langsamer  ihr 
Hämoglobin  abgeben  oder  überhaupt  nicht  aufgelöst  werden.  In 
vivo  bildet  diese  Eigenschaft  des  Serums  und  Plasmas  einen 
wichtigen  Schutz  gegen  alle  lytischen  Stoffe,  seien  es  Normal-  oder 
Immunsera,  Bakteriolysine  oder  Blutgifte  (Sublimat  Saponin). 

Die  erwähnte  hemmende  oder  verhindernde  Eigenschaft  des 
Serums  hat  man  bestimmten  Körpern  desselben  zugeschrieben,  den 
Antihämolysinen,    in    normalen   Seren    vorkommend    und    auch 


l)  Vincent  Dopter  u.  Billet,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1906,  Nr.  9. 
*)  Comptes   rendus   Soc.   Biol.   1906.    571,   Nr.  12.      Vgl.   Delezenne, 
Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  34.    Ca-Salze  aktivieren  Pankreassaft. 


—     192     — 

immunisatorisch  durch  Hämolysininjektion  zu  erzeugen  (s.  Kap.  I). 
Die  Spezifität  der  Bildung  der  letzteren  ist  wieder  keine  absolut 
durchgehende;  denn  es  ist  z.  B.  zwar  der  Antitetanolysingehalt 
des  Tetanusimmunserums  größer  als  der  des  gewöhnlichen  Serums; 
aber  er  ist  auch  größer  im  Antitypholysin-,  Antipyozyaneolysin- 
und  Antidiphtherieserum,  wenn  auch  in  den  drei  letzteren  nicht  in 
dem  Grade  wie  im  Tetanusimmunserum.1) 

Es  wurde  auch  versucht,  die  Hemmungsstoffe  durch  Behandeln 
mit  verschiedenen  Lösungs-  oder  Fällungsmitteln  aus  den  Seren  zu 
isolieren.  So  machte  Sachs  alkohollösliche,  Eisler  (1.  c.)  alkohol- 
und  ätherlösliche  Serumextrakte,  die  Blutkörperchen  gegen  Tetano- 
lysin  schützten.  Detre  u.  Seilei2)  extrahierten  mit  Benzin  eine 
antitetanische  und  mit  Chloroform  eine  gegen  Sublimat  schützende 
Substanz.  Daß  Alkoholniederschläge  aus  Serum  die  Blutkörperchen 
gegen  Staphylolysin  schützen,  fanden  Eisler,  1.  c,  gegen  Sublimat 
Detre  u.  Seil  ei,  1.  c,  und  Sachs.3)  Man  hält  nun  die  alkohol-, 
äther-,  Chloroform-  und  benzinlöslichen  Extrakte  aus  den  Seren, 
die  die  Hämolyse  hemmen,  für  Lipoide  (Lezithin  und  Cholesterin). 
Das  Extrakt  schützt  Blutkörperchen,  durch  die  Behandlung  aber 
verliert  das  Serum  von  seiner  schützenden  Fähigkeit.  Die  alkohol- 
fällbaren Antihämolysine  aber  werden  als  Eiweißkörper  betrachtet. 

Da  es  gelungen,  aus  Blutkörperchen  einerseits  Hämolyse 
hemmende  Ätherextrakte  zu  gewinnen,  da  andererseits  die  so  behan- 
delten Blutkörperchen  weniger  leicht  Hämolysin  an  sich  ziehen,  ist 
der  Lipoidgehalt  der  Erythrozyten  als  bedeutsam  für  die  Bindung 
des  Hämolysins  an  dieselben  erklärt  worden.  (Landsteiner  und 
Eisler*)Senimhämolysin,  Tetanoly sin,  Detre  und  Seilei,  1.  c,  machen 
das  Lezithin  für  die  Bindung  von  HgClg  an  die  Blutzellen  verantwort- 
lich.) Die  Ätherextrakte  aus  Blutkörperchen  zeigen  sogar  eine  ge- 
wisse Spezifität,  indem  sie  die  Blutkörperchen  am  besten  schützen, 
die  mit  denjenigen,  aus  denen  das  Extrakt  bereitet  wurde,  gleich- 
artig sind  (Landsteiner  und  Eisler). 

Die  Spezifität  läßt  sich  durch  Mischungsverhältnisse  erklären, 
da  die  Lipoide  Gemische  sind  aus  verschiedenen  chemisch  definierten 
Körpern. 


»)  Eisler,  Wien.  klin.  Wochenschr.  1905  Nr.  27  u.  30. 
8)  Wien.  klin.  Wochenschr.  1905,  Nr.  18  u.  42. 

3)  Wien.  klin.  Wochenschr.  1905,  Nr.  35. 

4)  Zentralbl   f.  Bakt.  89,  Heft  3,  1905. 


—     193     — 

Wie  zu  erwarten  war,  haben  diese  Extrakte  und  Alkoholnieder- 
schläge schwächere  Hemmungswirkung  als  natives  Serum,  da  sie  die 
wirksamen  Stoffe  in  einem  andern  physikalischen  Zustand  enthalten. 

Die  Annahme,  die  man  nach  der  Ehrlich'schen  Theorie  machen 
müßte,  daß  nämlich  diejenige  Substanz  im  Blutkörperchen,  die  das 
Hämolysin  an  sich  zieht,  die  also,  extrahiert,  Blutkörperchen  schützt, 
indem  sie  das  hämolytische  Serum  hemmt,  identisch  sei  mit  der 
hämolysinauslösenden,  ist  nicht  zutreffend.  Bang  und  Forßmann1) 
haben  gefunden,  daß  die  beiden  Eigenschaften  der  Bindung  des 
hämolyt.  Ambozeptors  und  der  Auslösung  der  Hämolysinbildung 
auch  zwei  verschiedenen  Körpern  zukommt,  die  bis  heute  nur  physi- 
kalisch definiert  sind,  und  zwar  kommt  die  ersterwähnte  Fähigkeit 
dem  Neutralisator  zu,  der  mit  Alkohol  oder  Azeton  aus  den  Blut- 
körperchen extrahiert  werden  kann,  weil  er  in  diesen  Solventien 
löslich  ist.  Der  Neutralisator  löst  keine  Hämolysinbildung  aus. 
Dem  Immunisator  kommt  diese  letztere  Fähigkeit  zu,  hingegen 
bindet  er  nicht  den  hämolyt.  Ambozeptor.  Er  ist  löslich  in  kochen- 
dem Chloroform  und  Benzol,  nicht  in  Azeton  und  Alkohol.  Beide 
Körper  sind  kochbeständig  und  spezifisch. 

Im  Blutkörperchen  müssen  die  beiden  Körper  in  gewissem 
Zusammenhang  sein,  da  man  durch  Injektion  von  mit  hämolytischen 
Ambozeptoren  beladenen  Blutkörperchen  keine  Hämolysinbildung 
hervorrufen  kann,     (von  Dungern,  Sachs.) 

Wie  Serum,  hemmt  auch  Aszites -Flüssigkeit  die  Hämolyse 
durch  Saponin  (eigene  Beobachtung). 

Die  Resultate  eigener  Versuche  über  Serumhemmung  bringen 
die  umstehenden  Tabellen  (4  und  5). 

Es  existiert  keine  direkte  Proportionalität  zwischen  den  Wir- 
kungen der  verschiedenen  Mengen  von  Saponin  und  dem  hemmenden 
Serum.  Vergleichen  wir  z.  B.  die  Reihen  2  und  3,  so  ist  das  Verhältnis 
der  Saponinmengen  1:2,  der  Serummengen  1:1  und  der  entsprechen- 
den Resultate  1:5;  in  Reihe  4  und  7  verhalten  sich  die  Saponin- 
mengen wie  1 :  2,  die  Resultate  ebenfalls  1 :  2,  die  Serumquanta 
aber  wie  1:4,5.  In  der  5.  und  6.  Reihe  verhalten  sich  die  Saponin- 
und  Serummengen  wie  1 : 2,  das  Resultat  aber  ist  nicht  verdoppelt, 
sondern  versiebenfacht.  Um  z.  B.,  wie  in  Reihe  3  und  7  (58  Min.), 
das  gleiche  Resultat  zu  erhalten,  mußte  man  das  Saponin  ver- 
doppeln, das  Serum  aber  verneunfachen. 

*)  Zentralbl.  f.  Bakt.  (Orig.)  40,  S.  151.    Hofmeisters  Beitr.  8,  240,  1906. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  2/3.  13 


—     194     — 


Tabelle  4. 

17.  März  1905.    Temperatur  29°. 


Pferdeblut  +  Saponin  -f-  Pferdeserum 

%  Hämoglobin  nach 

28  Min. 

58  Min. 

88  Min. 

1.  40  com  Blutk 

.  -f  Sap.  0,25 

15,7 

20,0 

21,4 

2.  40    „ 

+     „     0,25  +  Ser.  0,1  ccm 

10,5 

15,0 

15,0 

3.  40    „ 

+     „     0,5    +     „     0,1     „ 

50,0 

60,0 

60,0 

4.  40    „ 

+     „     0,5    +     „     0,2    „ 

30,0 

33,3 

37,5 

5.40    „ 

+     „     0,5    +     „     0,3    „ 

14,3 

17,5 

17,5 

6.  40    „ 

+     „     1,0    +     „     «,6    „ 

100,0 

100,0 

100,0 

7.  40    „ 

+     „     1,0    +     „     0,9    „ 

60,0 

60,0 

60,0 

8.  40    „ 

+     „     1,0    +     „     1,6    „ 

3,3 

5,2 

6,2 

9.  40    „ 

+     „     2,0    +     „     1,8    „ 

100,0 

100,0 

100,0 

10.40    „ 

+     „     2,0    +     „     3,2    „ 

13,0 

23,1 

27,2 

11.  40    n 

+     „     2,0    +     „     5,0    „ 

1,3 

2,5 

3,2 

Tabelle  6. 

2.  März  1905.    Temperatur  29°. 


10°/0  Hundeblut  +  Na-taurochol.  lproz. 

Häm 
15  Min. 

oglobin 
50  Min. 

nach 
110  Min. 

30  ccm 
30    „ 

i  +  1,0  ccm 

1,0  -f-  0,5  Huhnserum 

5,1 

5,6 

30,6 
4,0 

30    „ 

1,0  -f-  0,5  Pferdeserum 

— 

— 

3,5 

30    „ 

1,0  +  0,5          n           56° 

— 

— 

4,4 

30    B 

1,0  -j-  0,5  Hundeserum 

— 

_ 

4,0 

30    „ 

1,0  +  0,5  Huhnserum 

56° 

— 

— 

3,5 

30    „ 

1,0  -f  0,5  Pferdeserum 

— 

— 

2,5 

30    „ 
30    „ 
30    n 
30    „ 

Gemische  30  Min.  56° 
+  0,5  Hundeser.  +  n.  5  M. 
+  1,0  Na.  tch.      +,5, 
+  0,3Sap.          +  „  1   „ 
+  0,3    „              +  „  1  „ 

1,0  Na  tch. 
0,3  Sap. 
0,5  Hundeser. 
1,0  Na  tch. 

4,7 

19,2 

6,5 

100,0 

4,9 

21,7 

6,5 

100,0 

5,5 

22,2 

6,7 

100,0 

Als  allgemeine  Gesetzmäßigkeit  ergibt  sich,  daß  bei  Ver- 
doppelung der  Saponindosis  die  neutralisierende  Dosis  des  Serums  in 
grober  Annäherung  verdreifacht;  werden  muß,  um  dasselbe  Resultat 
zu  ergeben.  Doch  bei  sehr  kleinen  und  sehr  großen  Dosen  gilt 
diese  Gesetzmäßigkeit  nicht  mehr. 


—     195     — 

Die  Sera  hemmen  auch,  wenn  sie  auf  56°  erhitzt  werden. 
Die  Reihenfolge  bei  der  Mischung  ist  von  Bedeutung. 

Es  gibt  auch  künstlich  dargestellte  Kolloide,  die,  analog  dem 
Serum,  ein  anderes  Kolloid  in  seiner  blutlösenden  Wirkung  beein- 
trächtigen können.  Henri  u.  Cernovodeanu  (1.  c.)  beobachteten, 
daß  bei  geeigneter  Versuchsanordnung  das  koll.  Eisenhydrat  die 
Auflösung  von  Huhnblut  durch  Hundeserum  hemmt.  Ich  konnte 
diese  Befunde  bestätigen: 

Tabelle  6. 

l/ioProz-  Saponinlösung  (isotonisiert)  +  5proz.  Emulsion  gewaschener 
Hundeblutkörperchen. 

Dauer 


Vers.  1.   V» ccm  Sap.  +  1  c^m 

Blut +2 

7»    ,,    ,.    +1   ,, 

„     +2 

Vers.  2.    '/,     „     „     +1    „ 

,,     +2 

V»    ,,    „    +1    .. 

.,     +2 

V»     .»    >.     +1    >. 

..     +2 

V.    „  »    +i   .. 

,.     +2 

„     0,9  +  4  gtt.  Fe(OH)3  29    „ 

..     0,9 20    „ 

„     0,9  +  1  gtt  Fe(OH),  29    „ 

„     0,9  -|-  2    „        „  37    „ 

„     0,9  -(-  3    „        „  45    „ 

Wie  Cholesterin,    hemmt  auch  Lezithin  die  Saponinhämolyse: 

1  ccm  Blut  -f-  0,5  ccm  Sap.  +  3  ccm  NaCl  komplett  gelöst  in:    ....  24  Sek. 

1      n      »    +  °»5     »      »    + 2    »       u     -h  1  ccm  Lez.-Emuls.     ...  15    „ 

1     „   Lez.-Emuls. +0,5  ccm  Sap. +  2  ccm  NaCl-f  nach  10  Min.  1  ccm  Blut  27    „ 


m 

/ 

*i      60 

/ 

-5j       W 

f 

^       £Ji 

If 

20 

^ 

<! 

7 

7 

Fig.  3. 


Abszisse     1 : 

Na-taurocholat       ] 

n        n: 

Saponin                  |     wachsende 

„       HI: 

Gemisch  1  Sap.:   1        Mengen 

52  Na-taur.     ) 

Die  Kurven   sind  nicht   direkt   quantitativ   ver- 
gleichbar, da   im  Gemisch  (III)  nicht  dieselben 
Quantitäten  der  beiden  hämolytischen  Substanzen 
sind  wie  in  I  und  II. 

(Nach  Zangger,  Coraptee  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  37. 


Die  folgenden  Kurven  sollen  die  Wirkung  von  Kolloidmischungen 
versinnbildlichen,  bei  denen  Hemmung  zu  konstatieren  ist.  Natrium 
taurocholat.,  Cholesterin,  Ochsenserum,  Pferdeserum  ergeben  ganz 
ähnliche  Hemmungskurven  (Fig.  3,  4,  5,  6). 

13* 


—     196    — 


Fig.  4. 


s 


so 

70 
60 

50 

fifl 

30 

W 
0 

Hemmung. 
N  atriumtau  rocholat  (wachsend) 
-f  0,5  eem  Saponin  (konstant). 

(Nach  Zangger,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  37.) 
Fig.  5. 


o 
'V 


8» 

5 


50 

30 

20 

10 

0 

Hemmung. 

Pferdeserum  (wachsend) 

+  0,3  Hundescrum  (konstant). 

(Nach  Cernovodeanu  u.  Henri,  Comptes  rendus  Soc. 
Biol.  190J,  Nr.  18.) 

denn  Saponin  +10  ccm  Blut  und  1  Min. 


Daß  unter  Umstän- 
den selbst  Blutkörper- 
chen den  Verlauf  einer 
Hämolysereaktion  in 
ungünstigem  Sinne  be- 
einflussen können,  ha- 
ben    Cernovodeanu 

u.  Henri1)  sowie 
Zangger2)  gezeigt. 
Die  beiden  erstgenann- 
ten Autoren  hatten 
3  Tubenserien  von  je 
3  Stück.  Tub.  1  ent- 
hielt neben  lösendem 
Hundeserum  40  ccm 
Huhnblut,  Tub.  2  = 
20  ccm  Blut  und  Tub.  3 
=  10  ccm  Blut.  Das 
Resultat  nach  250  Min. 
war,  daß  in  Tub.  3  die 
Häniolyse  am  stärksten, 
in  Tub.  1  am  schwäch- 
sten war  (eine  Serie 
ausgenommen).  Die 
Autoren  fuhren  die  Ver- 
langsamung der  Reak- 
tion in  Tub.  1  und  2 
auf  eine  Verdünnung 
des  Hundeserums  durch 
die  Blutkörperchen  zu- 
rück. Zanggers  Ver- 
suche aber  sprechen 
dafür,  daß  die  Hem- 
mung nicht  allein  auf 
Rechnung  der  Verdün- 
nung zu  setzen  ist; 
später  30  ccm  Blut  ergeben 


l)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.   1905.   Nr.  5. 
aj  Comptes  rendus  Soc.  Biol.   1905..  Nr.  13. 


—     1<>7     — 

in  10  Min.  weniger  Hämoglobin  (19,5),  als  wenn  man  statt  der  zweiten 
Blutfraktion  30  ccm  physiol.  Kochsalzlösung  zusetzt  (27,0).  Wahr- 
scheinlich ist  das  quantitativ  geringere  Resultat  im  ersten  Fall 
auf  eine  weitgehende  Verteilung  auf  die  später  zugesetzten  Blut- 
körperchen zurückzuführen,  wodurch  natürlich  der  Anteil  des 
einzelnen  an  der  lösenden  Substanz  geringer  wird,  d.  h.  der  noch 
absorbierbare  erreicht  nicht  den  Schwellenwert  zur  hämolytischen 
Wirkung  bei  den  später  zugesetzten,  weshalb  in  der  gegebenen  Zeit 
ein  geringeres  Endresultat  herauskommt. 

Wie    eine  Fermentreaktion   in    ihrem  weiteren  Verlauf  durch 
das  Reaktionsprodukt   ungünstig   beeinflußt  werden  kann,    so  auch 

Fig.  6. 


WO 

SO 

€0 

v 

i 

\ 

\ 

s 

^ 

\ 

7 

-N 

20 
0 

\ 

^ 

Hemmungen. 

Abszisse     I:  0,002  g  Saponin  +  wachsende  Menge  Ochsenserum. 

„         II:  0,04  g  Saponin  +  wachsende  Menge  Cholesterin. 

(Nach  Madien  u.  Nogochl,  Acad.  Roy.  des  Sciences  de  Danmark  1904,  Nr.  6.) 


die  Hämolyse.  Hämoglobin  hemmt.  Ich  konstatierte1)  diese  Hemmung 
durch  direkte  Beobachtung  der  Reaktionsdauer  bei  verschieden 
großen  Hämoglobinzusätzen. 

lOproz.  Hämoglobinlösung  in  destilliertem  HjO,  1  ccm  Hunde- 
blut +  1  ccm  t/ioP™2'  Saponinlösung,  1.  Serie:  Zeit  in  Sekunden  bei 
Hämoglobin,  2.  Serie:  bei  ebensoviel  NaCl.     (Kontrollserie:) 

0        2        4        6        8      10      12      14      16    gtt  Hb.  resp.  NaCl 

1.  Serie  55      67      72      62      61      66      68      73    Sek. 

2.  „       47      44      48      55      49      48      49      46      49       „ 

In  den  zwei  folgenden  Versuchsserien  kam  eine  ca.  lOproz., 
mit  NaCl  isotonisch   gemachte  Hämoglobinlösung   zur  Anwendung, 


»)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.    1906.   Nr.  13. 


—     198     — 

gewaschenes  Hundeblut  in  5proz.  Emulsion,  lpromill.  Saponinlösung. 
Die  Sekundenzahlen  sind  die  Mittel  von  fünf  Beobachtungen. 

Tabelle  7-  Dauer 

1.  2      ccm  NaCl  +  1  ccm  Blk.  +  0,5  ccm  Sap 44  Sek. 

2.  2,25     „        „      -(-  1      ,,        ,,     -f-  O,o     „        „ 47     „ 

3.  2,5       „        „     +  1      „       „     +  0,5     „        ,, 58    „ 

4.  2,0      „        „     +  1      „       „     +  0,5  Hb  +  n.  10  Min.  0,5  Sap.  105    „ 

5.  2,0      „        „     +  1      „       „     +  0,5    .,  +  n.    5      „    0,5    „     .  93    „ 

6.  2,0      „       „     +  1      „       „     +  0,25  ,.  +  n.    5      „    0,5    „     .  69    „ 

1.2  ccm  NaCl  +  1  ccm  Blk.  +  0,5  ccm  Sap 28  Sek. 

2.  2,5  „       ,,-fl      „       „    +  0,5     „      , 28  „ 

«.  3  „        „     -f-  1      „        „    -f-  0,5     „      „ 30  „ 

4.  2  „       „     +  1      „       „    +  0,5  Hb  +  0,5  Sap 38  „ 

5.  2  „       „     +  1      „       „    +  1       »t    +  0,o      „        ....  56  „ 

6.  2  „       „     +  1      ,,       „    +  °*5    n    +  n   80  Min.  0,5  Sap.  34  „ 

7.  2  „       „     +  1      „       „    +  0,5    „    +  n.  60     „    0,5     „  34  „ 

8.  2  „  +  0,5  Hb  +  0,5  Sap.  +  n.  15  Min   1  Blk      ....  64  „ 

9.  2  „  +  0,5    „  +  0,5     „     +  n.    5     „     1     „        ....  63  „ 
10.  2  „  +  0,5    „  +  0,5      „     +  n.    2      „     1     „        ....  65  „ 

Hämoglobin  hemmt  in  jedem  Fall,  am  stärksten  aber,  wenn 
es  vor  den  Blutkörperchen  zum  Saponin  zugesetzt  wird.  Es  ist 
also  anzunehmen,  daß  es  das  Saponin  vor  der  Absorption  durch  die 
Körperchen  schützt,  wonach  also  eine  Hemmungswirkung  des  bei 
einer  Reaktion  freiwerdenden  Farbstoffes  auf  den  Verlauf  derselben 
ausgeschlossen  erscheint,  da  das  Saponin  zum  größten  Teil  oder 
sogar  vollständig  absorbiert  ist  (s.  o.). 

Wir  haben  zwei  Kolloide  kennen  gelernt:  das  Lezithin  und 
das  Eisenh}Tdroxyd,  die  sowohl  hemmend  als  fördernd  auf  die  Hä- 
molyse  wirken  können.  Eisenhydroxyd  beschleunigt,  wenn  es  mit 
den  Blutkörperchen  vor  dem  Zusatz  des  Serums  gemischt  wird.  Es 
fixiert  sich  dann  auf  den  Körperchen  und  die  Wirkung  des  nach- 
folgenden Serums  superponiert  sich.  Bringt  man  aber  Serum,  d.  h. 
—  Kolloid  mit  dem  Eisenhydroxyd  (+ Kolloid)  zusammen,  muß  Fällung 
und  dementsprechend  Schwächung  in  der  Wirkung  die  Folge  sein. 
Bei  der  Hemmung  durch  Lezithin  und  bei  der  aktivierenden  Funktion 
desselben  scheinen  hingegen  ganz  andere,  neuartige  Kolloidkomplexe 
zu  entstehen  (s.  u.).  Ähnliches  muß  man  bei  der  sensibilisierenden 
Wirkung  des  sonst  hemmenden  Pferdeserums  auf  die  Blutkörperchen 
des  Huhnes  annehmen. 


—     199     — 

Daß  Elektrolyte  ftir  Kolloidwirkungen  von  Bedeutung  sind, 
ist  bekannt.  Magnesiumsalze  steigern  die  Wirkung  hämolytischer 
Sera.  Auch  das  Umgekehrte  kommt  vor  (Bulloch,  Robert).  So 
berichtet  Gryns  (1.  c.)  von  einer  Verhinderung  der  Hämolyse  durch 
NaCl  (in  isot.  NaCl-Lösung  suspendierte  Blutkörperchen  werden 
durch  Harnstoff  nicht  gelöst,  während  Harnstoff  allein  auch  in  isot. 
Lösung  Blutkörperchen  zerstört),  und  nach  Goebel1)  verhindert 
NaCl  in  einer  Blutemulsion  in  Zuckerwasser,  die  Hämolyse  durch 
Kobragift.  Daß  ferner  Essigsäure  in  isot.  Zuckerlösung  stärkere 
hämolytische  Kraft  entfaltet  als  in  Kochsalzlösung,  muß  ebenfalls 
in  der  schätzenden  Wirkung  der  letzteren  begründet  sein.3) 

Dialysiertes  Serum  allein  hemmt  nicht;  es  müssen  gewisse 
Ionen  dabei  sein.  Im  Gegensatz  dazu  hemmt  NaCl  die  Hemmungs- 
wirkung des  Serums,  begünstigt  also  auf  diese  Weise  die  Hämolyse 
(Robert). 

Kobragift  wird  durch  CaCLj  unwirksam  gemacht8) 

(Schluß  im  nächsten  Heft,) 

l)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  9. 

*)  Bobert,  Mlle.,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  60.  354.  1906  Nr.  7. 

*)  Vincent  Dopter,  Billet,  1.  c. 


Zur  Konservierung  der  Immunsera  für  die  Praxis. 

*  Von 

M.  Prettner, 

Tierarzt  in  Prag. 

Bei  der  Herstellung  des  Rotlaufserums  im  Großen  ist  eine 
Konservierung  desselben  nicht  zu  umgehen.  Schon  der  Umstand, 
daß  die  Sera  verschiedener  Tiere  gemischt  werden  müssen,  ergibt 
die  Möglichkeit  einer  bakteriellen  Verunreinigung.  Die  Erfahrung 
lehrt  ferner,  daß  die  zum  Zweck  der  Schutzimpfung  abgegebenen 
größeren  Flaschen  mit  Serum  in  der  Praxis  in  der  Regel  ohne  be- 
sondere Vorsichtsmaßregeln  geöffnet  und  oft  nicht  an  einem  Tage 
verbraucht  werden.  Hierdurch  ist  eine  besondere  Gefahr  der  Ver- 
unreinigung gegeben,  der  nur  durch  den  Zusatz  von  Konservierungs- 
mitteln zum  Serum  vorgebeugt  werden  kann. 

Meistens  wird  zur  Konservierung  der  Immunsera  Karbolsäure 
in  0,5proz.  Lösung  verwendet.  Sie  darf  dem  Serum  in  höchstens 
Gproz.  Lösung  zugesetzt  werden,  da  sonst  infolge  der  eiweiß- 
fällenden Wirkung  des  Phenols  bemerkenswerte  Trübungen  des 
Serums  entstehen.  (Eine  ziemlich  starke  Trübung  macht  sich  so 
noch  beim  Zusatz  lOproz.  Karbolsäure  bemerkbar.)  Die  Verwen- 
dung einer  derartig  schwachen  Karbollösung  bedingt  eine  ziemlich 
starke  Verdünnung  des  Serums.  Auf  1  ccm  Serum  kommen  0,1  ccm 
oproz.  Karbolsäure,  auf  100  ccm  Serum  10  ccm  und  auf  10  Liter 
Serum  1  Liter  Karbolwasser.  Aber  selbst  beim  Zusatz  einer  der- 
artig schwachen  Karbolsäurelösung  verursacht  das  Phenol  im  Laufe 
der  Zeit  immer  noch  Eiweißföllungen,  die  sich  als  Bodensatz  im 
Serum  zeigen.  Diese  Eiweißfällungen  könnten  eine  Bedeutung  in- 
sofern haben,  als  durch  sie  auch  Immunstoffe  mitgerissen  werden 
können,  wodurch  der  Wert  des  Serums  vermindert  werden  würde. 

Um  diese  Verhältnisse  zu  studieren,  wurden  die  Fällungen, 
die  nach  Zusatz  reiner  konzentrierter  (Acidum  carbolicum  liquefactum) 


—    201     — 

und  nach  öproz.  Karbolsäure  bis  zum  Gehalt  von  0,5  °/0  in 
100  ccin  Rinderserum  im  Verlauf  von  24  Stunden  entstehen, 
genauer  untersucht.  (Dieser  Zeitraum  genügt,  da  es  sich  haupt- 
ssächlich nur  um  die  Fällungen  handeln  kann,  die  sofort  oder  inner- 
halb kurzer  Zeit  entstehen;  denn  nur  solche  können  den  Wert 
des  Serums  beeinträchtigen.  Nach  längerer  Zeit  entstehen  ja  in 
jedem  Serum  Niederschläge.) 

1.  100  ccm  Rinderserum  werden  mit  0,5  ccm  reiner  Karbolsäure  versetzt 
Nach  24  Stunden  wird  filtriert,  der  Rückstand  getrocknet  und  gewogen.  Ge- 
wicht: 0,051  g. 

2.  100  ccm  Rinderserum  werden  mit  5proz.  EarbolsäurelOsung  bis  zu 
einem  Gehalt  von  0,5  °  0  Karbol  versetzt.  Nach  24  Stunden  wird  filtriert,  der 
Rückstand  getrocknet  und  gewogen.    Gewicht:  0,288  g. 

Von  sonstigen  antiseptischen  Mitteln  kam  Chinosol  zur  Ver- 
wendung, das  in  den  Mengen  von  0,1  g  (in  0,5  ccm  Wasser  gelöst) 
zugesetzt  wurde.     Chinosol  ergab  einen  Niederschlag  von  0,0102  g. 

Die  fällende  Wirkung  des  Chinosols  ist  somit  um 
etwa  die  Hälfte  geringer.  Es  würde  daher,  entsprechende 
bakterizide  Wirkung  vorausgesetzt,  sich  zur  Serumkonservierung 
wrohl  eignen. 

Nach  Angaben  der  chemischen  Fabrik,  die  das  Chinosol  her- 
stellt, ist  dieses  phenolfreies  oxychinolsaures  Kalium.  Es  soll  (nach 
Dr.  Aufrecht-Berlin)  40mal  stärker  desinfizierend  wirken  als  Kar- 
bolsäure. In  0,15proz.  Lösung  wirkt  es  auf  Bakterien  entwick- 
lungshemmend, in  2proz.  Lösung  desinfiziert  es.  Zum  Zweck  der 
Nachprüfung  der  bakterienabtötenden  Kraft  des  Chinosols  wurde  fol- 
gender Versuch  angestellt: 

I.  Staphylokokken-Bouillonkultur  (24  Standen  alt): 

a)  1  ccm  Kultur  -f-     1  ccm  2proz.  Chinosollösung  =  lproz.  Lösung. 

b)  1  ccm       „      +  0>5  ccm  2proz.  „  -f-  0,5  NaCl-Lösung  =  Vaproz. 

Lösung. 

c)  1  ccm       „      +  0,1  ccm  2proz.  „  +0,9  „  —  0,lproz. 

Lösung. 

II.  Typhus-Bouillonkultur  (24  Stunden  alt): 

a)  1  ccm  Kultur  +     1  ccm  2proz.  Chinosollösung  =  lproz.  Lösung. 

b)  1  ccm       „      +  0,5  ccm  2proz.  „  +  0,5  NaCl-Lösung  —  l  ,proz. 

Lösung. 

c)  1  ccm        „      +  0,1  ccm  2proz.  „  +0,9  „  =0,lproz. 

Lösung. 


—     202     — 


III.  Rotlaufbazillenkultur  (24  Standen  alt): 

a)  1  ccm  Kultur  -f-     1  ccm  2proz.  Chinosollösung  =  lproz.  Lösung. 

b)  1  ccm       „      -f~  0,5  ccm  2proz.  „  -f-  0|ö  NaCl-Lösung  =  Vjproz. 

Lösung. 

c)  1  ccm       „      -f-  0,1  ccm  2proz.  „  +0,9  „  =  0,lproz. 

Lösung. 

Von  diesen  Stammlösungen  wurde  in  verschiedenen  Zeiträumen 
1  Öse  in  je  1  ccm  Bouillon  übertragen,  24  Stunden  in  Thermostaten 
gelassen  und  dann  untersucht.  Das  Ergebnis  zeigen  folgende 
Tabellen.*) 

I.   Staphylokokken-Bouillonkultur  (24  Stunden  alt). 


Nach 

Nach 

Nach 

V4  Stande 

1  Stande 

3  Standen 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

Nach 
24  Standen 


lproz.  Chinosollösg.  +  +  +  0 

0,5proz.  „  +  +  +  + 

0,lproz.  „  +  +  +  + 

II.   Typhus-Bouillonkultur  (24  Stunden  alt). 


Nach 

Nach 

Nach 

V4  8tunde 

1  Stande 

3  Standen 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

Nach 
24  Standen 


lproz.  Chinosollösg.  +  +  +  0 

O.öproz.  „  +  +  +  + 

0,lproz.  „  +  +       ;       +  + 

III.   Rotlauf-Bouillonkultur  (24  Stunden  alt). 


lproz.  Chinosollösg. 
0,5proz.  „ 

0,lproz.  , 


Nach 
Vi  Stunde 


+ 
+ 

+ 


Nach 
1  Stande 


+ 
+ 
+ 


Nach  Nach 

3  Stunden     24  Standen 


0 

+ 
+ 


0 
0 
0 


Chinosol  besitzt  somit  sehr  geringe  bakterizide  Fähig- 
keiten. Für  die  Serumkonservierung  ließ  sich  daher  nichts 
von  diesem  Präparat  erwarten. 

Zu  der  gleichen  chemischen  Gruppe  von  Desinfizientien  ge- 
hört das  Diaptherin,  das  relativ  ungiftig  und  in  gleichen  Teilen 
Wasser  löslich  ist. 


*)  + 
o 


Wachstum,  also  keine  Abtötung  der  Bakterien, 
kein  Wachstum,  also  Abtötung. 


—     203     — 

Das  Diaptherin  wurde  von  Emmerich  (München)  eingeführt. 
Es  wird  im  Großen  in  der  chemischen  Fabrik  Merck  in  Darmstadt 
unter  Aufsicht  von  Prof.  Emmerich  hergestellt. 

Das  Diaptherin  wurde  in  der  chirurgischen  Praxis  zuerst  f  on 
Kronacher  in  1j2 — lproz.  Lösung  verwendet.  Es  ätzt  die  Wunden 
nicht  und  verursacht  keine  Ekzeme.  Es  schwärzt  jedoch  die  Instru- 
mente.   Heutzutage  wird  das  Diaptherin  nur  wenig  mehr  verwendet. 

Zur  Konservierung  des  Serums  wurde  das  Präparat  bisher 
noch  von  niemand  benutzt. 

Das  Diaptherin  zeigte,  in  Serum  gelöst,  in  meinen  Versuchen 
folgendes  Verhalten  bezüglich  der  Fällung  des  Eiweißes: 

Zu  100  ccm  Rinderserum  wird  0,1  g  Diaptherin,  in  0,5  ccm  Wasser  ge- 
löst, zugesetzt  Nach  24  Stunden  wird  filtriert,  der  Rückstand  getrocknet  und 
gewogen.    Gewicht:   0,0109  g. 

Es  fällt  also  um  die  Hälfte  weniger  Eiweiß  als  Kar- 
bolsäure, und  zwar  trotzdem  es  im  Vergleich  zu  Karbol- 
säure (0,5: 10  ccm)  in  stark  konzentrierter  Lösung  (0,1 :0,5  ccm) 
zugesetzt  wurde. 

Bevor  ich  weitere  Versuche  anstellte,  prüfte  ich  die  bakterien- 
tötende Kraft  des  Präparates. 

1.  Staphylokokken-Bouillonkultur. 

1)  1  ccm  Kultur  +    1  ccm  2 proz.  Diaptherinlösung  =    lproz.  LöBung. 

2)  1     „         „     +0,5    „        „  „  +  0,5NaCl  =  V.    » 

3)  1     „         „      +0,1     „        „  „  +0,9    „     =0,1    , 

IL  Der  gleiche  Versuch  mit  Typhus-Bouillonkultur. 
III.  Der  gleiche  Versuch  mit  Rotlauf-Bouillonkultur. 

Von  diesen  Stammlösungen  wurde  in  verschiedenen  Intervallen 
in  Bouillon  übertragen  und  letztere  24  Stunden  im  Thermostaten 
belassen.    Es  ergab  sich  folgendes  Resultat: 


I.  Staphylokokken-Bouillonkultur 

(24  Stunden  alt). 

Nach 
V«  Stunde 

Nach 
1  Stande 

Nach 
6  Standen 

Nftcb 
M  Standen 

1  proz.  DiaptherinlöBg. 

0,5  proz. 

0,1  proz.          „ 

+ 

+ 
+ 

0 

+ 
+ 

0 
0 

+ 

0 
0 
0 

—     204    — 
IL  Typhus-Bouillonkultur  (24  Standen  alt). 


lproz.  Diaptherinlösg. 
0,5proz.  „ 

0,lproz. 


Nach 

Nach 

Nach 

V«  Stande 

1  8tnnde 

6  Standen 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

Nach 
S4  8tnnden 


0 
0 
0 


III.  Rotlauf-Bouillonkultur  (24 

Stunden 

alt). 

Nach 
1/4  Stande 

Nach 
1  8tunde 

Nach 
6  Standen 

Nach 
U  8tonden 

lproz  Diaptherinlösg. 
O.öproz.           n 
0,lproz.          „ 

0 

+ 
+ 

0 

+ 
+ 

0 
0 
0 

0 
0 
0 

Die  bakterienabtötende  Kraft  des  Diaptherins  ist  so- 
mit bedeutend  stärker  als  die  des  Chinosols. 

Nunmehr  wurden  die  konservierenden  Eigenschaften  des  Di- 
aptherins geprüft  und  zu  diesem  Zweck  folgende  Versuche  unter- 
nommen: 

Zu  6  Eprouvetten  mit  je  5  ccm  Rinderserum  (inaktiviert  durch  halb- 
stündige Erwärmung  auf  65°  C,  um  seine  normale  bakterizide  Kraft  auszu- 
schalten) wird  je  0,25  ccm  2proz.  Diaptherinlösung  (=  0,lproz.  Lösung)  zu- 
gesetzt 

Mit  diesen  6  Röhrchen  wurden  folgende  Versuche  durchgeführt: 

Eprouvette  a)  1  ccm  Bouillonkultur  des  Staphylokokkus,  1  ccm  der  Rotlauf- 
kultur, 1  ccm  der  Typhuskultur  werden  gemischt.  Von  dieser 
Mischung  wird  1  Tropfen  in  das  Serum  gebracht  und  dieses 
dann  bei  37°  C  gehalten. 

„  b)  Von  der  Kulturmischung  wird  1  Tropfen  in  das  Serum  gebracht 

und  dieses  bei  Zimmertemperatur  gehalten. 

„  c)  Die  Eprouvette  mit  dem  nicht  infizierten  Serum  wird  offen  bei 

37°  C  gehalten. 

„  d)  Die  Eprouvette  mit  dem  nicht  infizierten  Serum  wird  offen  bei 

Zimmertemperatur  gehalten. 

„  e)  Der  Eprouvette  wird  Zimmerstaub  zugesetzt  und  dann  bei  37 u  C 

gehalten. 

„  f)  Der  Eprouvette  wird  Staub  beigemischt  und  dann  bei  Zimmer- 

temperatur gehalten. 

Alle  Eprouvetten,  die  bei  Zimmertemperatur  gehalten  worden  waren, 
auch  die  mit  Staub  verunreinigten,  blieben  6  Tage  hindurch  (länger  wurde  die 
Beobachtung  nicht  fortgesetzt)  ganz  klar. 

Die  6  Tage  bei  37°  C  gehaltene  offene  Eprouvette  blieb  klar. 


—     205     — 

Die  mit  dem  Bakteriengemisch  geimpfte  und  bei  37°  C  gehaltene  Eprou- 
vette zeigte  nach  48  Stunden  schwaches  Wachstum. 

Die  mit  Staub  infizierte  und  bei  37°  C  gehaltene  Eprouvette  zeigte  nach 
24  Stunden  Wachstum  und  war  nach  48  Stunden  ganz  trübe  geworden. 

Das  Diaptherin  ist  also  ein  vorzüglich  konservieren- 
des Mittel. 

Wenn  das  Serum  rein  gewonnen  wird,  kann  es  durch  Diaptherin 
sehr  lange  vor  dem  Verderben  geschützt  werden.  Dies  zeigen  weitere 
Versuche,  in  denen  sogar  defibriniertes  Blut,  das  sehr  leicht  verdirbt, 
längere  Zeit  durch  Diaptherin  konserviert  wurde. 

600  ccm  Serum  werden  zu  je  100  ccm  in  Erlenmey ersehe  Kolben  ver- 
teilt und  je  mit  0,1  ccm  Diaptherin,  in  0,5  ccm  Wasser  gelöst,  versetzt. 

600  ccm  Serum,  zu  je  100  ccm  in  Erlenmeyersche  Kolben  verteilt  und 
je  0,5  ccm  Karbolsäure  in  5proz.  Lösung  zugesetzt. 

Alle  12  Kolben  werden  unter  einer  Glasglocke  offen  stehen  gelassen. 

Das  mit  Karbol  versetzte  Serum  zeigt  nach  einem  Monat  deut- 
lichen Fäulnisgeruch.  Das  mit  Diaptherin  versetzte  Serum  bleibt 
drei  Monate  ohne  jede  Spur  von  Verderbnis. 

Defibriniertes  Blut  wird  zu  je  100  ccm  mit  0,1  ccm  Diaptherin  -f-  0,5  ccm 
Wasser  und  mit  0,5  ccm  Karbolsäure  in  5proz.  Lösung  gemischt,  dann  offen 
bei  Zimmertemperatur  stehen  gelassen. 

Das  mit  Diaptherin  konservierte  Blut  bleibt  zwei  Monate  hin- 
durch ohne  Geruch.  Das  mit  Karbolsäure  versetzte  Blut  ist  dagegen 
nach  14  Tagen  faul. 

Weiterhin  wurde  noch  untersucht,  ob  das  Diaptherin  bei 
längerer  Aufbewahrung  die  Schutzstoffe  des  Serums  nicht  schädigt. 

Es  wurde  Rotlaufserum  (je  10  ccm)  mit  0,1  °/0>  0,5  %  und  1  %  Diaptherin 
versetzt.  Vor  der  Konservierung  schützte  das  Serum  in  der  Menge  von  0,5  ccm 
Tauben  gegen  0,5  ccm  Kultur,  Mäuse  in  der  Menge  von  0,01  ccm  gegen 
0,1  ccm  Kultur. 

Bei  der  erneuten  Prüfung  nach  Ablauf  eines  Jahres 
ist  eine  merkliche  Verminderung  des  Schutzwertes  nicht 
eingetreten. 

Da  angegeben  wird,  daß  das  Diaptherin  sehr  wenig  giftig  ist, 
wurde  auch  seine  Wirkung  auf  Mäuse  geprüft: 

2  Mäuse  erhalten  0,5  ccm  einer  1  proz.  Lösung  intraperitoneal.  Sie  sterben 
binnen  zwei  Stunden. 

2  Mäuse  erhalten  0,5  ccm  einer  0,5 proz.  Lösung  subkutan.  Sie  bleiben 
am  Leben. 

2  Mäuse  erhalten  0,5  ccm  einer  0,1  proz.  Lösung  intraperitoneal.  Sie 
bleiben  am  Leben. 


—     206     — 

Es  ist  somit  die  Giftigkeit  des  Diaptherins  derjenigen 
der  Karbolsäure  ungefähr  gleich. 

Nach  diesen  Vorversuchen  wurde  das  Diaptherin  in  den  Jahren 
1904— 190G  zur  Konservierung  des  von  mir  erzeugten  Rotlauf- 
serums benutzt.  Es  wurden  600  Liter,  die  in  dieser  Zeit  gewonnen 
worden  waren,  mit  0,1  °/0  Diaptherin  konserviert.  Alles  Serum, 
steril  entnommen,  wurde  in  Flaschen  von  10  1  Inhalt  gesammelt, 
damit  sich  dasselbe  absetze.  Nach  der  Mischung  wurden  je  10  1  mit 
10  g  Diaptherin,  in  20  ccm  Wasser  gelöst,  versetzt.  Alles  Serum 
blieb  steril  und  war  von  guter  Wirkung  in  der  Praxis. 

Auf  Grund  meiner  Versuche  und  Erfahrungen  kann  ich  dem- 
nach das  Diaptherin  (O,lproz.),  da  es  wenig  Fällungen  verursacht, 
in  gleichen  Teilen  Wasser  löslich  ist  und  gute  bakterizide  Eigen- 
schaften besitzt,  sehr  zur  Konservierung  der  Immunsera  empfehlen. 


Cysticercus  der  Taenia  tenuicollis  Rud.  aus  Cricetus 
frumentarius  Pall. 

Von 
Prof.  Dr.  K.  Wolffhügel. 

Im  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule  zu 
Berlin  wurden,  anläßlich  von  Trypanosomenstudien,  in  den  Lebern 
zweier  Hamster,  Cricetus  frumentarius  Pall.,  zwei  Exemplare  von 
Zystizerken  gefunden,  und  zwar  eines  am  17.  Dezember  1901,  ein 
zweites  am  12.  Januar  1902.  Die  Hamster  stammten  aus  der 
Provinz  Sachsen  und  waren  im  Monat  November  oder  anfangs 
Dezember  1901  eingefangen  worden.  In  frischem  Zustande  boten 
sich  die  Zystizerken  als  kleine,  über  die  Leberoberfläche  vor- 
springende, wasserklare  Bläschen  dar.  Dieselben  wurden  in  toto  in 
Glyzerin  zwischen  Objektträger  und  Deckgläschen  konserviert. 

Präparat  vom  17.  Dezember  1901.  Der  gepreßte,  runde  Zystizerkus  bat 
einen  Durchmesser  von  3,57  mm  Seine  Blasenwand  ist  dicht  mit  Kalkkörperchen 
durchsetzt,  die  meisten  mit  folgenden  Maßen: 

Kalkkörperchen  rundlich  0,252  mm  :  0,021  mm  Durchmesser 
oval  0,021    „    :  0,014    „ 
„  kreisrund  0,025    „  „ 

Im  Skolex  finden  sich  viel  kleinere  Kalkkörperchen,  nämlich  in  dem  Ge- 
webe zwischen  Rostellarzapfen  und  den  Saugnäpfen  und  um  die  letzteren.  Diese 
kleineren  Kalkkörperchen  sind  meist  ellipsoid  und  von  0,0092  mm :  0,0043  mm 
Durchmesser.  Der  Skolex,  der  direkt  seinen  Scheitel  der  Besichtigung  dar- 
bietet, mißt  in  seinen  beiden  Querdurchmessern  0,408  mm  und  0,476  mm.  Die 
Saugnäpfe  sind  von  folgenden  Durchmessern: 


1.  Saugnapf oval  0,1476  mm 

„        -Öffnung     „  0,028  „ 

2.  ,  „  0,1044  „ 

-Öffnung  .  .  .  0,018  „ 

3.  „  0,1116  „ 

„       -Öffnung  .  .  .  0,032  „ 

4.  „  0,1152  „ 

„        -Öffnung  .  .  .  0,0216  „ 


0,1188  mm 

0,043  „ 

0,158  „ 

0,0576  „ 

0,1476  „ 

0,054  „ 

0,144  „ 

0,068  „ 


—     208     — 

Das  Rostellum  (von  der  Scheitelfläche  gesehen)  ist  ellipsoid  von  0,0756  mm 
und  0,108  mm  Durchmessern.  Der  Hakenkranz  hat  ebenfalls  die  Form  eines 
Ellipsoides  und  ist  von  0,097  mm  und  0,0396  mm  Durchmesser.  Im  Hakenkranz 
stehen  die  Haken  in  2  Reihen  zu  je  36  Haken,  so  daß  also  72  Haken  vorhanden 
sind.  Die  Haken  stehen  sehr  dicht  nebeneinander  und  bieten  sich  derart  dar, 
daß  der  Zahnfortsatz  und  die  Sichel  einer  Hakenreihe  in  der  Aufsicht  von 
vorn  zu  sehen  sind.  Es  handelt  sich  wohl  um  die  äußere  (hintere)  Hakenreihe, 
der  Zahnfortsatz  liegt  peripher,  die  Sichelspitze  mehr  zentral,  das  Rostellum 
ist  demnach  teilweise  noch  eingezogen.  Der  Zahnfortsatz  ist  0,0048  mm  breit 
und  in  der  Medianlinie  durch  eine  seichte  Rinne  oberflächlich  geteilt,  also 
zweilappig. 

Exemplar  vom  12.  Januar  1902. 

Der  Durchmesser  dieses  Zystizerkus  (in  Glyzerin  montiert)  beträgt 
3,40  mm.  Der  Skolex  ist  etwas  unregelmäßig  gequetscht  und  von  0,51  mm 
und  0,306  mm  Durchmesser.  Rostellum  ellipsoid,  von  0,0576  mm  und  0,1404  mm 
Durchmesser.   Hakenkranz  ellipsoid,  von  0,115  mm  und  0,0288  mm  Durchmesser. 

1.  Saugnapf  0,1296  mm  und  0,1728  mm  Durchmesser. 

2.  „         0,176       „       „     0,1008    „ 

3.  „         0,176       „       „     0,1008    „ 

4.  „         ist  unregelmäßig  durch  die  Quetschung. 

Die  größten  Kalkkörperchen  von  0  0144  mm  und  0,018  mm  Durchmesser. 
Der  Hakenkranz  ist  doppelreihig,  enthält  36  Haken  in  jeder  Reihe  und  ist 
daher  ans  72  Haken  zusammengesetzt.  Zum  Studium  der  Hakenform  wurde 
dieser  Zystizerkus  zerzupft. 

Die  Messung  isolierter  Haken  gab  folgende  Maße: 


Länge  der  Haken 


Abstand  der  Zahnspitze 
von  der  Sichelspitze 


Abstand  der  Zahnspitze 
vom  Ende  des  Wurxelfortsatze« 


0,0224  0,0096  j  0,019 

0,0224  0,0096  0,0176 

0,024  0,0096  '  0,0224 

0,0192  0,0096  '  0,0176 

0,024  0,0128  |  0,0176 

0,0224  0,0128  ■  0,014 

0,0224  0,0128  0,0176 

0,0232  0,0128  (  0,0176 

0,024  0,0128  ;  0,018 

Beim  Vergleich  der  Zeichnungen  aller  dieser  gemessenen  Haken  ergab 
sich,  daß  die  Haken  mit  0,0096  mm  Abstand  der  Zahnspitze  von  der  Sichel- 
spitze  sich  von  den  Haken  mit  0,0128  mm  Abstand  der  Zahnspitze  von  der 
Sichelspitze  auch  deutlich  in  der  Form  unterschieden.  So  glaube  ich  mich 
berechtigt,  je  die  eine  Form  als  einer  Reihe  des  Hakenkranzes  angehörig 
zu  betrachten,  allerdings  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  welcher,  der  äußeren  oder 
inneren. 


—     209     - 

Von  den  beschriebenen  Zystizerken  oder  Taenien  lassen  sich 
unsere  beiden  Zystizerkusexemplare,  die  zweifelsohne  gleichartig 
sind,  auf  Taenia  tenuicollis  Rud.  beziehen.  Nach  Dujardin1)  und 
Leuckart2)  besitzt  der  Skolex  der  Taenia  (Dujardin)  0,55mm  Durch- 
messer, bei  unseren  beiden  Exemplaren  0,408  mir  und  0,476  mm 
sowie  0,51  mm  und  0,306  mm  Durchmesser,  welche  Unterschiede  nicht 
gegen  eine  Identität  sprechen.  Den  Durchmesser  des  Rostellums  der 
Taenie  gibt  Leuckart  zu  0,1  mm  an,  bei  den  beiden  eben  beschrie- 
benen Zystizerken  fanden  sich  folgende  Durchmesser  des  ellipsoiden 
Rostellums:  0,0756  mm  :  0,108  mm  und  0,0576  mm  :  0,1404  mm. 

Die  Saugnäpfe  werden  von  Dujardin  flir  die  Taenie  von 
0,17  mm  Breite  angegeben,  welches  Maß  auch  mit  den  von  uns 
gefundenen  Werten  sich  vereinbaren  läßt.  Dujardin  fand  52  Haken 
in  zwei  Reihen  von  0,02  mm  Länge.  Leuckart  gibt  0,02  mm  Länge 
der  Haken  an  und  0,11  mm  als  Abstand  der  Zahnspitze  von  der 
Sichelspitze,  was  sicher  ein  Druckfehler  ist  und  0,011  mm  heißen 
soll  (was  sich  schon  aus  der  Betrachtung  der  Abbildung  eines 
Hakens  bei  Leuckart  Taf.  II  t  ergibt).  Den  Abstand  zwischen 
Zahnspitze  und  Ende  des  Wurzelfortsatzes  gibt  Leuckart  zu 
0,017  mm  an,  also  alles  Hakenmaße,  die  mit  den  von  uns  gefun- 
denen gut  übereinstimmen,  von  Linstow8)  bestätigt  Dujardins 
Angabe,  daß  die  Haken  in  zwei  Reihen  stehen,  die  Form  sei  aber 
nicht,  wie  die  bisherigen  Beschreiber  angeben,  in  beiden  Reihen 
gleich,  sondern  die  der  äußeren  Reihe  mässen  0,024  mm,  die  der 
inneren  0,021  mm,  und  es  fehle  bei  ersteren  an  der  Innenseite  die 
winklige  Einziehung.  Wie  unsere  Messung  an  neun  isolierten  Haken 
ergeben  hat,  war  bei  einer  Gruppe  ein  Abstand  von  0,0096  mm 
zwischen  Zahnspitze  und  Sichelspitze  vorhanden.  Diese  Haken 
stimmen  in  ihrer  Form  unter  sich  überein  und  auch  mit  den  Ab- 
bildungen, die  Dujardin  unter  B2,  Leuckart  in  Taf.  II  t  und 
von  Linstow  unter  b  von  einem  0,021  mm  langen  Haken  gegeben 
haben.  Bei  ihnen  ist  also  auch  „die  Grenze  zwischen  Sichel  und 
Wurzelfortsatz  auf  der  Rückseite  beständig  durch  einen  sehr  merk- 
lichen scharfen  Einschnitt  bezeichnet,  so  daß  die  Konturen  dieser 
Rückseite  (in  der  Profillage  des  Hakens)  von  zwei  aufeinanderfol- 
genden, ziemlich  gleichmäßigen  Bogen  gebildet  werden  (Leuckart)/* 
Der  Form  nach  sind  diese  Haken  nach  von  Linstow  der  inneren 
Hakenreihe  angehörig.  Die  Haken,  die  wir  von  0,0128  mm  Ab- 
stand  zwischen  Zahn   und  Sichelspitze    gefunden   haben,    stimmen 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  2,3.  14 


—     210     — 

ebenfalls  unter  sich  in  ihrer  Form  überein  und  mit  der  Form, 
die  von  Linstow  unter  a  darstellt,  als  den  Haken  eigen,  die 
0,024  mm  lang  sind.  Ebenfalls  fehlt  diesen  von  uns  beobachteten 
Haken  auch  „an  der  Innenseite  die  winklige  Einziehung  (von  Lin- 
stow)", sie  gehören  der  Form  nach,  nach  von  Linstow,  der 
äußeren  Reihe  an.  Wir  haben  also,  wie  von  Linstow,  zwei  ver- 
schiedene Hakenformen  gefunden,  dagegen,  daß  dieselben  in  der  Mehr- 
zahl von  derselben  Länge  waren,  und  daß  einige  Verschiedenheiten 
in  der  Länge  nicht  auch  an  bestimmte  Hakenformen  gebunden  sind, 
wie  dies  von  Linstow  angibt. 

Nach  allem  fand  ich  bei  Zystizerkus  der  Taenia  tenuicollis 
Rud.  72  Haken  in  zwei  Reihen,  zu  je  36,  angeordnet,  in  der  Mehr- 
zahl von  gleicher  Länge.  Eine  Reihe  enthält  Haken,  die  in  der 
Form  von  denen  der  zweiten  Reihe  konstant  abweichen,  welche 
Formverschiedenheiten  von  von  Linstow  schon  längst  nach- 
gewiesen hat.  Der  Zystizerkus  der  Taenia  tenuicollis  Rud.  ist  bis- 
her in  der  Leber  von  Hypudaeus  und  Talpa  europaea  gefunden 
worden,  unbekannt  war  sein  Vorkommen  in  der  Leber  des  Ham- 
sters (Oricetus  frumentarius  Fall.).  Nach  Brehm  (Tierleben)  sind 
der  Hamster  und  der  Maulwurf  Lieblingsspeisen  des  Iltis  und  des 
Hermelins,  und  diese  beiden  Musteliden  sind  auch  wirklich  als  die 
definitiven  Wirte  der  Taenia  tenuicollis  Rud.  bekannt. 


Literatur. 

»)  Dujardin,  M.  F.:   Histoire  naturelle  des  Helminthes,    1845.    p.  558,  pl.  12, 

tig.  B  1  n.  B  2. 
3)  Leuckart,  Rud.:  Die  Blasenbandwürmer  und  ihre  Entwicklung,  1856,  S.  69 

u.  70.    Taf.  II  Fig.  1 1. 
3;  von  Linstow,    0.:   Taenia   tenuicollis   Rud.   Archiv    für  Naturgeschichte. 

1884,  S   143-144.    Tab.  X,  Fig.  35. 


(Aus  dem  Bakteriologischen  Institut  der  Landwirtschaftskammer 
für  die  Provinz  Pommern.) 

Untersuchungen  über  die  Desinfektionskraft  des 
Antiformins.*) 

Von 
Dr.  F.  Schmitt 

in  Stettin. 

I.  Allgemeines  Ober  das  Antiformin. 

Das  Antiformin  ist  eine  gelbliche,  fast  klare  Flüssigkeit.  Es 
enthält  in  geringer  Menge  gelblichweiße  Körnchen,  die,  wenn 
man  sie  aufwirbelt,  stets  wieder  rasch  zu  Boden  sinken.  Diese 
Körnchen  sind  in  Wasser  unlöslich;  Salzsäure  löst  dieselben  unter 
starkem  Brausen  und  unter  Entwicklung  kräftigen  Chlorgeruchs  auf. 
Läßt  man  Antiformin  durch  Filtrierpapier  laufen,  so  wird  es  voll- 
kommen klar;  es  bildet  sich  jedoch  in  einiger  Zeit  wieder  ein  etwas 
flockiger  Bodensatz. 

Das  Antiformin  ist  schwerer  als  Wasser;  es  ist  mit  Wasser 
in  jedem  Verhältniß  mischbar.  Die  Lösungen  sind  weiß  und  klar; 
es  entsteht  aber  alsbald  ein  allerdings  ganz  unbedeutender  Boden- 
satz, der  sich  durch  Schütteln  feinst  verteilen  läßt. 

Das  Antiformin  hat  in  Substanz  und  in  seinen  wässerigen  Lö- 
sungen einen  kräftigen,  eigenartigen,  aber  nicht  besonders  unan- 
genehmen Geruch;  der  spezifische  Geruch  des  Chlors  und  frischer 
Lauge  wiegt  vor.  Frisch  bereitete  5proz.  Lösungen  riechen  beinahe 
stärker  als  das  konzentrierte  Antiformin. 

Das  Antiformin  und  seine  wässerigen  Lösungen  reagieren  stark 
alkalisch. 

*)  Die  Versuche  wurden  ausgeführt  und  werden  veröffentlicht  im  Auf- 
trage des  Herrn  Ministers  für  Landwirtschaft,  Domänen  und  Forsten. 


—     212    — 

Das  zur  Prüfung  übergebene  Antiformin  war  in  Korbflaschen 
von  60  kg  Nettoinhalt  enthalten.  Die  Flaschen  waren  mittelst 
Tonstopfen  und  Gips  gut  verschlossen;  die  Tonstopfen  waren  in  den 
Flaschenhals  eingegipst. 

Bringt  man  Antiformin  in  Flaschen  mit  eingeschliffenem  Glas- 
stopfen, so  ist  der  Stopfen  nach  einiger  Zeit  wie  festgekittet;  zer- 
schlägt man  den  Flaschenhals,  so  findet  man  eine  aus  weißen 
Körnchen  bestehende  Kittschicht. 

Fließt  das  konzentrierte  Antiformin  über  die  Gläser,  so  bleibt 
eine  dünne  Lage  weißen  Pulvers  zurück,  das,  wie  auch  die  oben- 
erwähnte Kittschicht,  durch  Salzsäure  unter  Aufbrausen  gelöst  wird 
und  dabei  stark  nach  Chlor  riecht. 

Gummistopfen  werden  von  dem  konzentrierten  Antiformin  nicht 
sehr  stark  angegriffen;  Korkstopfen  werden  an  ihrem  unteren  Ende 
rasch  gelb  verfärbt  und  aufgeweicht. 

Der  Patentschrift  des  Kaiserlichen  Patentamtes  —  Nr.  133  895, 
Klasse  6f,  ausgegeben  den  14.  August  1902  —  entnehme  ich  über 
das  Antiformin  folgendes: 

Das  Reinigungsmittel  besteht  aus  1  Teil  Alkalihypochloritlösung,  -}-  l/j  bis 
1  Teil  Alkalihydrat. 

Es  kann  in  verschiedener  Weise  hergestellt  werden.  Am  einfachsten 
geschieht  es  durch  Umsetzen  von  Chlorkalk  mit  Soda,  Trennen  der  gebildeten 
Natriumhypochloritlösung  von  der  Kalkfällung  und  Zusetzen  des  Natriumhydrates. 
Wenn  man  die  Mengen  so  berechnet,  daß  das  Produkt  10u/0  Natriumhypo- 
chlorit und  5—10%  Natriumhydrat  enthält,  so  kann  es  beim  Gebrauch  im  all- 
gemeinen mit  20  Teilen  Wasser  verdünnt  werden. 

Ein  geringerer  Alkaligehalt  als  der  angegebene  hat  sich  als  unförderlich, 
ein  höherer  dagegen,  durch  Beeinträchtigung  der  keimtötenden  Kraft  des  Hypo- 
chlorits, als  direkt  schädlich  erwiesen. 

Das  Alkalihypochlorit  bzw.  die  Javellesche  Lauge*)  hat  außer  der  des- 
infizierenden auch  noch  eine  große  schleimlösende  Kraft;  durch  Zusatz  von 
Alkalihydrat  wird  die  Lösung  in  noch  höherem  Grade  schleimlösend. 

Der  Gehalt  des  Reinigungsmittels  an  Alkalihydrat  bringt  aber  noch 
andere  Vorteile  mit  sich.  Die  Javellesche  Lauge  ist  außerordentlich  unbestän- 
dig, sie  verliert  rasch  einen  großen  Teil  des  aktiven  Chlors  und  belästigt  durch 
intensiven  Chlorgeruch  die  Arbeiter;  der  mit  Hydrat  versetzten  Lauge  haften 
alle  diese  Übelstände  nicht  an,  sie  ist  fast  geruchlos. 

Die  Erfinder  des  Antiformins  sind  der  Ingenieur  Viktor 
Törnell  und  der  Braumeister  Axel  Sjöö  in  Stockholm.    Das  Anti- 

*)  Eau  de  Javelle  ist  eine  wässerige,  viel  freie  unterchlorige  Säure  ent- 
haltende Lösung  von  Kaliumhypochlorit. 


—     213     — 

formin  wird  hergestellt  und  vertrieben  durch  die  Antiformin-  Kom- 
pagnie, Hans  Knorr,  Berlin-Charlottenburg  5. 

Das  Antiformin  ist  etwas  billiger  als  Kresolseifenlösung;  60  kg 
kosten  exklusive  Verpackung  und  Fracht  etwa  24,50  N. 


II.  Gutachten  Ober  das  Antiformin. 

Von  der  Antiformin-Komp.  wurden  mir,  auf  mein  Ersuchen  hin, 
einige  Gutachten  gesandt,  die  erstattet  sind  von  der  Versuchsanstalt 
für  Brauindustrie  in  Böhmen  zu  Prag,  von  der  Österr.  Versuchs- 
station und  Akademie  für  Brauindustrie  in  Wien,  von  der  Versuchs- 
und Lehranstalt  für  Brauerei  in  Berlin,  von  dem  Laboratorium  der 
Ersten  wissenschaftlichen  Station  für  das  Brauwesen  in  New-York, 
von  Alfred  Jörgensen  in  Kopenhagen  und  von  Dr.  Piorkowski 
in  Berlin. 

Nach  den  brauereitechnischen  Gutachten,  die  der  Kritik  zu- 
gängliche Einzelheiten  zumeist  nicht  oder  nur  in  geringem  Um- 
fange enthalten,  ist  das  Antiformin  in  2— 12proz.  Lösungen  ein 
vorzügliches  Reinigungs-  und  Desinfektionsmittel  für  die  Gärungs- 
industrie. 

Das  Gutachten  Dr.  Piorkowskis  lautet: 

....  habe  .  .  .  .die  Tatsache  bestätigt  gefunden,  daß  Antiformin  in 
5 — 6proz.  Lösung  fast  augenblicklieb  die  vegetativen  Formen  der  pathogenen 
Mikroorganismen  abtötet. 

Es  wurden  zu  den  Versuchen  herangezogen  die  Bazillen  der  Geflügel- 
cholera, der  Schweineseuche,  des  Rotlaufs,  der  Pneumonie,  der  Druse,  der 
Diphtherie  und  des  Milzbrandes.  Alle  diese  Bakterien  konnten  sofort,  je  nach 
ihrer  Art,  von  2— 6proz.  Lösungen  vernichtet  werden.  Mit  6proz.  Lösung 
konnten  jedenfalls  alle  Bakterienarten  abgetötet  werden.  Selbst  Milzbrand- 
sporen wurden  durch  eine  6proz.  Lösung  in  der  Entwicklung  gehemmt,  mit 
lOproz.  Lösung  nach  10  Stunden  abgetötet. 

Das  Mittel  wurde  zumeist  in  Kulturen  angewendet,  wo  es  sofortige 
Agglutination  hervorrief.  Wurde  den  wirklichen  Verhältnissen  entsprechend 
auf  Holz  oder  Metall  angetrocknetes  Material  verwendet,  und  das  Mittel  mit 
dem  Pinsel  aufgetragen  oder  direkt  versprengt,  dann  stellten  sich  die  Verhält- 
nisse noch  günstiger. 

Hiernach  dürfte  sich  Antiformin  als  Desinfektionsmittel,  wie  namentlich 
zum  Reinigen  und  Desinfizieren  von  Viehtransportwagen,  Stallen  etc.  vorzüg- 
lich empfehlen. 


—     214     — 

III.  Eigene  Versuche. 

Das  Antiformin  wurde  geprüft  in  seiner  Wirkung  auf 
den  Erreger  des  Rotlaufs  der  Schweine  (Bact.  erysipelatos  suum), 
„         „        der  Schweineseuche  (Bac.  suisepticus), 
„         „        der  Schweinepest  (Bac.  suipestifer), 
„         „        der  Kälberruhr  (Bact.  coli  vitulosepticum), 
„         „        der    ansteckenden    Lungen  -  Brustfellentzündung    der 

Kälber, 
.,         „        der  Geflügelcholera  (Bac.  avisepticus), 
„         „        der  Druse  der  Pferde  (Streptococcus  equi), 
„         „        der  Tuberkulose  (Bac.  tuberculosis), 
„         „        des  Milzbrandes  (Bac.  anthracis),  sowie  dessen  Sporen 
und  gegen  den  Bac.  pyogenes  suis. 

Sämtliche  Bakterienarten  waren  vor  Beginn  der  Desinfektions- 
versuche biochemisch  geprüft  worden.  Unmittelbar  vor  jedem 
Versuch  wurden  die  Kulturen  mikroskopisch  auf  Reinheit  geprüft. 
Abgeschlossen  wurde  jeder  Versuch  —  auf  die  Prüfung  des 
Tuberkelbazillus  bezieht  sich  dies  nicht  —  erst  dann,  wenn  die 
Kulturen  8  Tage  im  Brutschrank  gestanden  hatten.  Ob  Wachstum 
eingetreten  war  oder  nicht,  konnte  makroskopisch  entschieden  werden; 
stets  wurden  jedoch  Stichproben  und  erforderlichenfalls  auch  die 
ganzen  Versuchsreihen  mikroskopisch  geprüft. 

Für  das  Bact.  erysipelatos  suum  wurde  eine  Nährbouillon  ver- 
wendet, die  aus  magerem  Rindfleisch  und  nach  den  Angaben 
Heims*)  angefertigt  war;  bereits  nach  20-— 24  Stunden  war  in 
dieser  Bouillon  das  Wachstum  deutlich  erkennbar. 

Der  Bac.  pyogenes  suis  wurde  in  einer  Mischung  von  einem 
Teil  Blutserum  und  vier  Teilen  gewöhnlicher  Nährbouillon  ge- 
züchtet. Für  alle  übrigen  Bakterien  wurde  eine  aus  frischem  Pferde- 
fleisch hergestellte,  schwach  alkalische  Bouillon  benutzt.  Auf  Zusatz 
einiger  Tropfen  1  proz.  Phenolphtaleins  zeigte  dieselbe  einen  ganz 
schwachen,  gerade  noch  erkennbaren  Rosaschimmer. 

Das  Wachstum  war  in  dieser  Bouillon  nach  10—48  Stunden 
stets  sehr  stark.  Auch  der  Erreger  der  Druse  wuchs  ungemein 
üppig,  er  trübte  nach  zweitägigem  Wachstum  die  Bouillon  stark 
und  gleichmäßig;  war  aber  die  Reaktion  der  Bouillon  auch  nur  eine 
Spur  stärker  oder  schwächer  alkalisch,  so  wuchs  der  Drusestrepto- 

*)  Heim,  Lohrb.  d.  Bakteriologie,  2.  Auflage,  1898,  S.  181. 


—     215     — 

kokkus,  auch  bei  sehr  reichlicher  Einsaat,  entweder  überhaupt  nicht, 
oder  doch  nur  sehr  spärlich  und  agglutiniert. 

Die  Desinfektionslösungen  hatten,  wenn  sie  zur  Verwendung 
kamen,  Zimmertemperatur. 

a)  Bestimmung  des  entwicklungshemmenden  (anti- 
septischen) Wertes  des  Antiformins. 

Es  wurde  zunächst  das  Verhalten  der  obengenannten  Bakterien  — 
mit  Ausnahme  des  Tuberkelbazillus,  des  Bac.  pyogenes  und  der 
Milzbrandsporen  —  gegen  0,001  bis  0,1  proz.  Lösungen  von  Anti- 
formin  untersucht. 

Zu  9,8  ccm  steriler  Bouillon  wurde  0,1  ccm  gut  gewachsener, 
durch  Schütteln  feinst  verteilter,  12 — 36  stündiger  Bouillonkultur 
gebracht;  dann  wurde  jeweils  0,1  ccm  verschieden  starken  Anti- 
formins zugesetzt,  und  es  wurde  durch  kräftiges  Schütteln  gründlichst 
gemischt.  Zuerst  wurden  alle  Bakterien  eingesät,  dann  wurde  die 
jeweils  schwächste  Antiforminlösung  gefertigt  und  sofort  zu  den 
bezüglichen  Kulturen  gebracht.  Verwendet  wurden  hierzu  1  ccm 
haltende  Meßpipetten,  geteilt  in  0,01  ccm.  Für  jede  Bakterienart 
wurde  ein  Kontrollversuch  gemacht;  zu  9,9  ccm  Bouillon  kam  jeweils 
0.1  ccm  der  bezüglichen  Kultur. 

Unterschiede  im  Wachstum  der  Kontrollröhrchen  und  der 
schwächsten  Antiforminlösungen  wurden  nicht  beobachtet. 

Am  widerstandsfähigsten  erwies  sich  der  Bac.  avisepticus,  dann 
folgten  in  geringem  Abstände  die  übrigen  Bakterien  mit  Ausnahme 
des  Erregers  des  Schweinerotlaufs  und  der  Druse,  welch  letztere 
viel  empfindlicher  waren. 

In  den  Kulturen  des  Geflügelcholerabazillus  war  nach  3  bis 
5  Stunden  bereits  etwas  Wachstum  zu  sehen;  nach  7—9  Stunden 
war  in  den  Kulturen  aller  Bakterien  Wachstum  deutlich  erkennbar, 
die  Kulturen  des  Rotlaufbazillus  und  des  Drusestreptokokkus  aus- 
genommen. In  den  stärkeren  Antiforminlösungen  war  jedoch  das 
Wachstum  etwas  geringer  als  in  den  schwächeren;  am  Tage  darauf 
hatte  sich  dieser  Unterschied  aber  ausgeglichen. 

Die  Entwicklung  des  Bact.  erysipelatos  suum  wurde  durch 
O,0()G  proz.  Antiforminlösung  bereits  verzögert,  gehemmt  wurde 
die  Entwicklung  desselben  durch  0,08  proz.  Lösung. 

Der  Streptococcus  equi  wuchs  zuletzt  noch  in  0,08  proz.  Anti- 
forminlösung. 


—     216     — 

Die  Versuche  mit  dem  Rotlauf  bazillus  und  besonders  mit  dem 
Drusestreptokokkus  ergaben  nicht  so  „glatte  Reihen"  wie  die 
Versuche  mit  den  übrigen  Bakterien.  Ich  lasse  es  unentschieden, 
ob  dies  zurückzufahren  ist  auf  das  langsame  Wachstum  der  beiden 
Bakterienarten,  oder  ob  dieses  Verhalten  seine  Begründung  darin 
hat,  daß  bei  den  Rotlaufbazillen,  und  namentlich  bei  den  Druse- 
streptokokken, ganz  beträchtliche  Unterschiede  in  der  Widerstands- 
fähigkeit der  einzelnen  Individuen  bestehen. 

In  einer  zweiten  Versuchsreihe  wurden  0,2— 5proz.  Antiformin- 
lösungen  in  gleicher  Weise  geprüft,   auch  gegen  Milzbrandsporen. 

Die  2proz.  Lösungen  des  Antiformins  in  Bouillon  hatten 
bereits  einen  deutlichen  gelben  Schimmer,  die  öproz.  waren  nahezu 
quittengelb. 

Bereits  bei  der  Herstellung  der  0,7 — 0,8proz.  Lösungen  fielen 
feine  gelatinöse  Flocken  aus;  die  Trübung  der  Bouillon  bzw.  der 
flockige  Niederschlag  war  um  so  beträchtlicher,  je  stärker  die 
Antiforminlösungen  wurden. 

Die  0,2proz.  Lösung  des  Antiformins  verlangsamte  die  Ent- 
wicklung etwas.  Der  Erreger  der  Geflügelcholera  war  auch  hier  am 
widerstandsfähigsten. 

Die  Entwicklung  des  Bac.  avisepticus  unterblieb  in  der  0,7proz. 
Lösung;  desgleichen  die  des  Bac.  suipestifer  und  des  Bact.  coli 
vitulosepticum,  wie  ich  den  Kälberruhr-Kolibazillus  nennen  möchte. 
Der  Bac.  suisepticus,  der  Erreger  der  ansteckenden  Lungen-Brustfell- 
entzündung der  Kälber,  sowie  der  Milzbrandbazillus  wuchsen  nicht 
mehr  in  der  0,5proz.  Lösung.  Das  Auskeimen  der  Milzbrandsporen 
wurde  schon  durch  die  0,3proz.  Lösung  des  Antiformins  verhindert.*) 

b)  Bestimmung  des  keimtötenden  (desinfizierenden) 
Wertes  des  Antiformins. 

Bestimmte  Mengen  der  Bakterien  wurden  gemischt  mit  be- 
stimmten Mengen  des  Antiformins.  Von  diesem  Bakterien-Des- 
infektionsgemisch wurden  dann  nach  bestimmten  Zeiträumen  jeweils 
gleiche  Mengen  entnommen  und  in  je  10,0  ccm  Nährbouillon  ge- 
bracht.    Es  wurde  dann  sofort  sorgfältigst  gemischt,   um  die  Bak- 

*)  Mehrere,  den  entwicklungshemmenden  und  keimtötenden  Wert  des 
Antiformins  zeigende  Tabellen,  die  dem  Bericht  an  den  Minister  beigefügt 
waren,  sind  hier  nicht  wiedergegeben,  weil  sie  zum  Verständnis  der  Aus- 
führungen nicht  unbedingt  erforderlich  sind. 


—     217     — 

terien  dem  Einfluß  des  mitübertragenen  Desinfektionsstoffes  tun- 
lichst zu  entziehen.  Die  Röhrchen  kamen  dann  auf  acht  Tage  in 
den  Brutschrank. 

Es  wurden  immer  frisch  bereitete  Antiforminlösungen  ver- 
wendet, Ausnahmen  sind  besonders  vermerkt. 

Stets  ging  ein  Kontrollversuch  mit  Sublimat  und  ein  KontroU- 
versuch  mit  dem  Lösungsmittel  des  Antiformins  sowie  mit  der  Sub- 
stanz,   in  der  die  Bakterien  aufgeschwemmt  waren,   nebenher. 

öproz.  Antiforminlösung  wurde  verglichen  mit  lpromilliger 
Sublimatlösung,  lproz.  Antiformin  entsprechend  mit  0,2promilligem 
Sublimat.  Die  Sublimatlösungen  waren  mittelst  Angererscher  Pa- 
stillen bereitet. 

Anfangs  wurde  viel  mit  Pipetten  gearbeitet,  die  ja  ein  ge- 
naueres Abmessen  gestatten  sollen,  später  aber  nur  noch  mit  der 
Platinöse. 

Wenn  ich  Pipetten  —  1  ccm-Pipetten  —  verwendete,  so  über- 
trug ich  jeweils  0,1  ccm  des  Bakterien-Desinfektionsgemisches;  ich 
hatte  dann  gewöhnlich  4,9  und  4,5  ccm  Desinfektionslösung,  ge- 
mischt mit  0,1  und  0,5  ccm  Kultur. 

Bei  den  Versuchen,  in  denen  ich  jeweils  1  Öse  des  Bakterien- 
Desinfektionsgemisches  übertrug,  mußte  die  Bakterienmenge  viel 
höher  gewählt  werden;  ich  nahm  dann  gewöhnlich  gleiche  Teile 
Kultur  und  Desinfektionsmittel.    Benutzt  wurde  stets  dieselbe  Öse. 

Ich  fand  bei  diesen  Versuchen  die  Öse  der  Pipette  überlegen. 
Mit  der  Öse  kann  man  viel  rascher  arbeiten  als  mit  den  Pipetten, 
auch  kann  man  den  beim  Gebrauch  der  letzteren  stets  benötigten 
Gehilfen  vielfach  entbehren. 

Bei  beiden  Verfahren  wird  zugleich  mit  den  Bakterien  etwas 
Desinfektionsstoff  übertragen;  bei  Verwendung  der  Platinöse  war 
dies  jedoch  nie  so  viel,  daß  dadurch  die  Entwicklung  der  Bakterien 
beeinträchtigt  worden  wäre;  beim  Pipettenverfahren  jedoch  konnte 
die  Entwicklung  zumal  der  empfindlicheren  Bakterien  durch  stärkere 
Antiforminlösung  beeinträchtigt  und  durch  die  Sublimatlösungen  so- 
gar verhindert  werden. 

um  jeweils  Gewißheit  darüber  zu  haben,  ob  die  mitübertragene 
Desinfektionslösung  das  Wachstum  der  Bakterien  unterdrücke  oder 
beeinträchtige,  wurden  bei  jedem  Desinfektionsversuch  die  ent- 
sprechenden Mengen  Kultur  und  Desinfektionsstoff  in  ein  Kontroll- 
röhrchen  zu  10  ccm  Bouillon  gebracht. 


—     218     — 

Um  auch  einen  Maßstab  für  die  relative  Geschwindigkeit  des 
Bakterienwachstums  zu  haben,  wurde  ferner  jeweils  in  ein  weiteres 
Kontrollröhrchen   die    entsprechende  Menge  Kultur  allein  eingesät. 

Der  Tuberkelbazillus  wurde  auf  eine  andere,  später  zu  be- 
sprechende Weise  geprüft. 

5proz.  Antiforminlösung  tötete  die  geprüften  Bakterien,  wenn 
nicht  sofort,  so  doch  innerhalb  einer  halben  Minute  ab,  selbst  dann, 
wenn  es,  wie  bei  den  Milzbrand-  und  Schweineseuchebazillen,  nicht 
immer  gelungen  war,  die  Kulturen  durch  Schütteln  feinst  zu  ver- 
teilen. Bis  das  Mischen  jeweils  geschehen  war  und  bis  das  Bak- 
terien-Desinfektionsgemisch in  die  Nährbouillou  übertragen  war, 
verging  stets  eine  halbe  Minute;  es  trat  dann  aber  in  der  Bouillon 
niemals  mehr  Wachstum  ein. 

Auch  wenn  das  Antiformin  nicht  gegen  Bouillonkulturen  ge- 
prüft wurde,  sondern  gegen  Bakterien,  die  in  Harn,  Milch  oder  in 
Blutserum  gewachsen  oder  aufgeschwemmt  waren,  so  wurde  doch  nach 
J/2  Minute  langer  Einwirkung  Wachstum  nicht  mehr  beobachtet. 

2,5proz.  Antiforminlösung  tötete  Bouillonkulturen  gleichfalls 
in  einer  halben  Minute  ab;  1/2proz.  Lösung,  sofern  sie  frisch  be- 
reitet war,  leistete  dies  in  l;.2 — 1  Minute. 

Ältere  1/2Proz-  Lösungen,  auch  wenn  sie  in  gutschließenden 
Gefäßen  aufbewahrt  waren,  vermochten  dies  —  wohl  infolge  Ver- 
lustes von  Chlor  —  allerdings  nicht  mehr. 

Während  frisch  bereitetes  V2Proz-  Antiformin  die  Erreger  der 
Geflügelcholera  in  einer  Minute  getötet  hatte,  brachte  eine  43  Tage 
alte,  in  einem  Glase  mit  eingeschliffenem  Glasstopfen  aufbewahrte 
V2proz.  Antiforminlösung  dies  während  12  Stunden  nicht  zustande. 
0,1  pro  miliiges  Sublimat  tötete  stets  sofort. 

2,5proz.  Antiformin  vernichtete  die  in  Harn  gewachsenen  oder 
aufgeschwemmten  Bakterien  gleichfalls  binnen  einer  halben  Minute, 
in  Milch  oder  Blutserum  gewachsene  oder  aufgeschwemmte  Kul- 
turen aber  erst  in  5—6  Minuten. 

1/3proz.  Antiformin  leistete  dies  gegen  in  Harn  gewachsene 
oder  aufgeschwemmte  Kulturen  gleichfalls,  tötete  in  Milch  oder  in 
Blutserum  gewachsene  oder  aufgeschwemmte  Kulturen  aber  erst 
in  ö— 10  Minuten;  durch  0,1  promilliges  Sublimat  wurden  letztere 
in  3  Minuten  vernichtet. 

Wesentliche  Unterschiede  wurden  nicht  bemerkt,  wenn  das  Anti- 
formin, anstatt  mit  Wasser,  mit  Nährbouillon  oder  mit  Harn  verdünnt 


—     219     — 

war.  Wenn  dagegen  Blutserum  zur  Verdünnung  genommen  worden 
war,  so  trat  wenigstens  in  der  Abtötung  der  widerstandsfähigeren 
Bakterien,  wie  z.  B.  das  Bac.  avisepticus  etwas  Verzögerung  ein;  in 
sterilem  Schweineharn  gewachsene  Bakterien  des  Schweinerotlaufes 
wurden  jedoch  durch  VoP1*02-  Serum- Antiformin  noch  binnen  1/2  Minute 
vernichtet. 

In  Bildung  begriffene,  noch  nicht  ganz  fertige  Milzbrandsporen, 
wurden  in  Bouillon  durch  5proz.  Antiformin  binnen  einer  Minute 
so  geschädigt,  daß  sie  nicht  zur  Auskeimung  gelangten. 

In  Nährbouillon  feinst  aufgeschwemmte  Milzbrandsporen  wurden 
durch  2,5proz.  Antiformin  nach  7  Stunden  abgetötet.  Wurden  die 
Sporen  aber  in  Blutserum  feinst  aufgeschwemmt,  so  war  das  Wachstum 
durch  9  Stunden  langes  Verweilen  in  oproz.  Antiforminlösung  zwar 
etwas  gehemmt,  es  trat  aber  selbst  nach  12  Stunden  langer  Ein- 
wirkung des  Antiformins  noch  üppige  Entwicklung  ein,  während  eine 
lpromillige  Sublimatlösung  die  Sporen  innerhalb  3  Stunden  abge- 
tötet hatte. 

Zu  erwähnen  sind  hier  noch  die  Veränderungen,  die  das  Anti- 
formin in  Kulturen,  sowie  in  Milch  und  Blutserum  hervorbrachte. 

Wiederholt  wurde  beobachtet,  daß  das  Antiformin  in  feinst 
verteilten  Kulturen  (Bouillonkulturen.  Aufschwemmungen  in  Harn, 
Milch  und  Blutserum)  zarte  Flocken  ausfällte  oder  bereits  vorhanden 
gewesene  Fädchen  und  Körnchen  stark  aufquellen  machte.  Harn 
wurde  durch  die  in  Betracht  kommenden  Mengen  des  Antiformins 
kaum  verändert.  Milch  wurde  durch  öproz.  Antiformin  sofort  gelblich 
gefärbt;  18  Stunden  später  war  die  Milch  feinflockig;  nach  weiteren 
24  Stunden  war  sie  umgewandelt  in  eine  gelbgraue,  weiche  Gallerte. 
Blutserum  wurde  durch  2,oproz.  Antiformin  wenig  verändert,  durch 
öproz.  aber  wurde  es  stark  aufgehellt  und  gelblich  verfärbt 

Zur  Prüfung  des  Tuberkelbazillus  wurde  nicht  das  Kultur- 
verfahren, sondern  der  hierfür  empfindlichere  und  verläßlichere  Tier- 
versuch in  Anwendung  gebracht. 

Glyzerin- Agar,  der  mit  ^jj-l'^mm  hohen,  zusammenhängen- 
den, krümeligen  Kolonien  des  Tuberkelbazillus  dicht  bewachsen 
war,  wurde  in  öproz.  Antiforminlösung  gelegt.  Nach  2  Minuten 
und  dann  von  Zeit  zu  Zeit  wurde  mittelst  einer  2  Milligramm  fassenden 
Öse  Kulturmaterial  entnommen,  in  Schälchen  mit  je  20  ccm  steriler 
physiologischer  Kochsalzlösung  gebracht  und  mittelst  eines  sterilen 
Glasstabes  zerdrückt.    Nach  2  Stunden  wurden  die  Körnchen  mit  der 


—     220     — 

Spritze  aufgenommen  und  subkutan  an  200—300  g  schwere  Meer- 
schweinchen verimpft.  Keines  dieser  Tiere  wurde  tuberkulös.  Das 
Kontrollmeerschweinchen  starb  nach  5  Wochen  an  allgemeiner 
Tuberkulose;  dieses  war  mit  1  Öse  Kultur  geimpft,  die  gleich- 
falls 2  Stunden  lang  in  20  ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  ge- 
legen hatte,  in  die  zugleich  mit  dem  Material  auch  1  Öse  öproz. 
Antiformins  übertragen  worden  war. 

Zu  einem  weiteren  Versuch  wurde  Milch  einer  eutertuber- 
kulösen Kuh  verwendet.  Das  Sekret  war  in  dicker  Schicht  schmutzig 
weißgrau;  in  dünner  Schicht  sah  es  fast  aus  wie  gewässerte  nor- 
male Milch,  enthielt  aber  zahlreiche,  feine  griesige  Körnchen. 
Tuberkelbazillen  konnten  im  Milchausstrich  nicht  nachgewiesen 
werden,  wohl  aber  im  Zentrifugenschlamm.  Dieser  war  gelblich- 
grau und  zähschleimig.  Er  wurde  in  1 — 2  mm  dicker  Schicht  und 
in  Form  quadratischer  Felder  von  etwa  5  mm  Seitenlänge  auf 
Deckgläschen  ausgestrichen.  Diese  wurden  dann  in  öproz.  Anti- 
forminlösung  gebracht.  Nach  einer  halben  Minute,  nach  2,  4,  7,  10, 
15,  20  und  30  Minuten  nahm  ich  dann  je  2  Deckgläschen  heraus, 
ließ  das  überschüssige  Antiformin  auf  Filtrierpapier  abfließen, 
schwenkte  die  Gläschen  jeweils  in  Schälchen  mit  20  ccm  steriler 
physiologischer  Kochsalzlösung  ab  und  legte  sie  dann  in  andere, 
gleichfalls  mit  20  ccm  Kochsalzlösung  gefüllte  Schälchen.  Beim 
Abschwenken  löste  sich  von  dem  Zentrifugenschlamm  stets  eine 
Wolke  feinster  Körnchen  ab,  die  um  so  stärker  war,  je  länger 
das  Material  in  der  Antiforminlösung  gelegen  hatte.  In  dem 
zweiten  Schälchen  der  sterilen  Kochsalzlösung  blieben  die  Deck- 
gläser 2  Stunden.  Dann  wurde  das  Material  mit  dem  Messer  von 
dem  Glase  abgelöst,  in  1  mm  breite  Streifen  geschnitten,  mit  der 
Spritze  aufgenommen,  und  zusammen  mit  1  ccm  der  Kochsalzlösung 
je  einem  200—300  g  schweren  Meerschweinchen  subkutan  oder  intra- 
peritoneal eingespritzt. 

Bei  den  2  Kontrollmeerschweinchen,  die  mit  entsprechend 
behandeltem  Material  geimpft  waren,  konnte  durch  Betasten  der 
bezüglichen  Lymphdrüsen  schon  nach  3  Wochen  Tuberkulose  fest- 
gestellt werden,  bei  den  Antiforminmeerschweinchen  damals  aber 
noch  nicht.  Als  diese  Tiere  nach  seehswöehentlicher  Versuchsdauer 
getötet  wurden,  war  Drüsenschwellung  intra  vitam  nur  bei  der 
ersten  Hälfte  zu  fühlen  gewesen:  tuberkulöse  Veränderungen  wurden 
indes  bei  allen  Tieren  aufgefunden.    Es  war  aber  sehr  deutlich  zu 


—     221     — 

sehen,  daß  die  Tuberkulose  um  so  vorgeschrittener  war,  je  kürzere 
Zeit  das  tuberkulöse  Material  in  der  Antiforminlösung  geweilt  hatte. 
Daß  hier  eine  vollständige  Abtötung  in  der  Zeit  von  30  Minuten 
nicht  zustande  kam,  steht  im  Einklang  mit  der  Erfahrung,  daß 
tuberkulöses  Sputum  auch  durch  Sublimat  erst  nach  längerer  Ein- 
wirkung desinfiziert  wird.  Es  kann  hieraus  auch  ersehen  werden, 
in  welch  hohem  Maße  die  Wirkung  der  Desinfektionsmittel  abhängig 
ist  von  einer  vorausgehenden  mechanischen  Lockerung  schwer  zu- 
gänglichen infektiösen  Materials. 


IV.  Verwendung  des  Antiformins  in  der  Praxis. 

öproz.  Antiforminlösung  wurde  während  mehrerer  Monate  ver- 
wendet zur  Reinigung  und  Desinfektion  der  zur  Aufbewahrung  von 
kleinen  Versuchstieren  dienenden  Behälter,  sowie  des  zum  Institut 
gehörenden  Versuchsstalles  für  größere  Tiere.  Der  Geruch  war 
nicht  in  erheblichem  Maße  lästig,  haftete  jedoch  oft  1 — 2  Tage. 
Die  Tiere  —  Färsen,  Esel,  Schafe,  Meerschweinchen  und  Mäuse  — 
konnten  jedoch,  ohne  daß  Antichlor  (Natriumhyposulfit)  zur  Ver- 
wendung gekommen  wäre,  stets  sofort  wieder  in  die  gereinigten 
Buchten,  Töpfe  und  Kisten  gebracht  werden.  Die  Reinigung  und 
Desinfektion  war  stets  eine  vollkommene;  Milzbrand  kam  allerdings 
nie  in  Betracht. 

Die  Fähigkeit  des  Antiformins,  tote  organische  Substanzen  zu 
durchdringen,  ist  erstaunlich. 

Ein  Stück  Fell  eines  verendeten  Kalbes  sah  nach  24  stündigem 
Verweilen  in  öproz.,  in  einem  kalten  Zimmer  aufgestellten  Anti- 
forminlösung wie  halbgekocht  aus:  das  Unterhautbindegewebe  war 
sulzig  geworden;  die  Farbe  der  Haare  —  schwarz  und  weiß  — 
war  nicht  angegriffen. 

Schweinsborsten,  die  ich  vorher  mit  Wasser  und  Seife  hatte 
säubern  lassen,  wurden  nach  kurzem  Verweilen  in  öproz.  Anti- 
formin  ganz  schleimig. 

Die  Oberhaut  der  Hände  wird  durch  1— öproz.,  nicht  er- 
wärmte Antiforminlösung  gelockert,  die  Hände  werden  sofort  schlüpf- 
rig und  zwar  in  höherem  Maße  als  durch  Kresolseifenlösung.  Auf 
40°  erwärmte  öproz.  Antiforminlösung  macht  die  Hände  in  sehr 
hohem  Grade  schlüpfrig. 


—     222     — 

Die  behaarte  Haut  der  Tiere  wird  durch  5  proz.  Antiformin 
nicht  geschädigt. 

Einem  schwarzweißen  Rinde  ließ  ich  die  Füße,  den  Unter- 
bauch und  die  Unterbrust  mit  5  proz.  lauwarmer  Antiforminlösung 
gründlich  abbürsten,  ohne  daß  dies  in  irgendeiner  Hinsicht  un- 
angenehme Folgen  gehabt  hätte. 

6  Meerschweinchen  ließ  ich  in  öproz.,  auf  40°  C  erwärmter 
Antiforminlösung  baden.  Die  Tiere  wurden  J/2,  1,  2,  5,  10  und 
15  Minuten  in  die  Lösung  getaucht,  so  daß  nur  der  Kopf  heraussah. 
Dann  wurde  das  Antiformin  leicht  aus  den  Haaren  gestreift,  und  die 
Tiere  kamen  in  eine  mit  Stroh  ausgelegte  Kiste  neben  die  Heizung. 
Sie  fraßen  sofort  wieder;  Vergiftungserscheinungen  wurden  nicht  beob- 
achtet. Die  Spitzen  der  weißen  Haare  des  15  Minuten  lang  gebadeten, 
kurzhaarigen  Meerschweinchens  waren  jedoch  ganz  leicht  gelbbraun 
verfärbt;  bei  dem  10  Minuten  lang  gebadeten,  halblanghaarigen 
Meerschweinchen  waren  aber  die  Spitzen  der  weißen  Haare  ganz 
gelbbraun  geworden,  und  auch  der  Schaft  derselben  war  teilweise 
verfärbt. 

Das  öproz.  Antiformin  greift  Metalle  und  Metallack  nicht  an, 
Kork  und  Gummi,  Watte,  Schnur  und  Stricke  werden  nicht  merk- 
lich verändert.  Auch  Leinwand  zeigt  nach  viertelstündiger  Ein- 
wirkung keine  Schädigung,  nach  24  stündiger  Einwirkung  aber 
ist  sie  gelb  und  brüchig.  Leder  wird  durch  vorübergehendes  Bürsten 
kaum  angegriffen.  Ölfarbenanstriche  aber  werden,  je  nach  ihrer 
Güte,  durch  1 — oprozentige  Lösungen  teils  stark  gelockert,  teils 
vollkommen  aufgelöst,  insbesondere  wenn  das  Antiformin  mit  der 
Bürste  aufgetragen  wird.  Auch  Möbellack  und  Politur  wird  stark 
angegriffen  oder  aufgelöst.  Mit  Karbolineum  getränktes  Holz  zeigt 
nach  dein  Abbürsten  keine  nachteilige  Veränderung. 

Kleidung  und  Schuhwerk  des  Wärters,  der  die  Desinfektion 
des  Versuchsstalles  jeweils  vorzunehmen  hatte,  wurden  nicht  be- 
merkenswert geschädigt. 


V.   Zusammenfassung  der  Ergebnisse. 

Das  Antiformin  besitzt  in  5 proz.  und  schwächeren, 
wässerigen  Lösungen  eine  hervorragende  reinigende  Kraft; 
es  bringt  tote  organische  Substanzen  stark  zum  Aufquellen 
und  löst  sie  teilweise.    Es  macht  jedoch  die  Hände  ziemlich 


—     223     — 

schlüpfrig  und  greift  Ölfarben  stark  an.  Der  Geruch  ist 
nicht  in  besonderem  Maße  belästigend. 

Auch  die  antiseptische  und  desinfizierende  Wirkung 
des  Antiformins  ist  recht  bedeutend.  Die  frisch  bereitete 
f>proz.  Lösung  tötet  in  Nährbouillon,  Harn,  Milch  oder  Blut- 
serum gewachsene  oder  aufgeschwemmte  tierpathogene 
Bakterien  (Bact.  erysipelatos  suum,  Bac.  suisepticus,  Bac. 
suipestifer,  Bact.  coli  vitulosepticum,  Erreger  der  an- 
steckenden Lungen-Brustfellentzündung  der  Kälber,  Bac. 
avisepticus,  Streptococcus  equi,  Bac.  anthracis  und  Bac. 
pyogenes  suis)  anscheinend  sofort.  */2— lx/2  mm  hohe 
Rasen  des  Tuberkelbazillus  werden  binnen  zwei  Minuten 
infektionsuntüchtig.  Schon  die  0,3proz.  Lösung  verhindert 
das  Auskeimen  der  Milzbrandsporen;  aber  selbst  die  öproz. 
Lösung  tötet  die  Milzbrandsporen  in  angemessener  Zeit 
nicht  ab. 

Die  frisch  bereitete  öproz.  wässerige  Lösung  des  Anti- 
formins kann  demnach  empfohlen  werden  als  Reinigungs- 
und Desinfektionsmittel  für  alle  diejenigen  Fälle  der 
landwirtschaftlichen  und  tierärztlichen  Praxis,  in  denen 
Milzbrand  nicht  in  Frage  kommt  und  in  denen  die  er- 
wähnten unerwünschten  Eigenschaften  des  Mittels  nicht 
stören. 


(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule 

zu  Berlin.) 

Untersuchungen  Ober  Sporulation  der  Milzbrandkeime 
und  ihre  Bedeutung  für  die  Nachprüfung  der  Milzbrand- 
diagnose. 

Von 
Reinhold  Eberle. 

Seit  der  Erforschung  der  Biologie  des  Milzbranderregers  durch 
Robert  Koch  ist  es  für  notwendig  erachtet  worden,  die  auf  den 
pathologisch- anatomischen  Befund  gestützte  Diagnose  durch  den 
bakteriologischen  Nachweis  des  Erregers  sicher  zu  stellen.  Die 
bakteriologische  Untersuchung  vergrößerte  aber  zunächst  die  Schwie- 
rigkeiten, anstatt  sie  zu  verringern,  da  sie  sich  in  der  Hauptsache 
auf  den  farberischen  Nachweis  der  Milzbrandbazillen  beschränkte, 
und  es  sich  herausstellte,  daß  es  milzbrandähnliche  Bazillen  gibt, 
die  Kadaverbazillen.  Da  entdeckte  Johne  an  den  Milzbrandbazillen 
eine  durch  besondere  Färbemethoden  feststellbare  Kapsel.  Nunmehr 
glaubte  man  in  der  Lage  zu  sein,  jeden  Milzbrandfall  sicher  nach- 
zuweisen. Diese  Annahme  bestätigte  sich  aber  nicht,  weil  die 
Darstellbarkeit  der  Kapsel  an  den  Milzbrandbazillen  von  be- 
schränkter Dauer  ist.  Zur  Kontrolle  und  Ergänzung  kamen  daher 
bald  weitere  Hilfsmittel  in  Anwendung,  zuerst  die  Impfung  und 
die  Kultur.  Namentlich  letztere,  auf  die  gelegentlich  von  Fränkel 
hingewiesen  und  deren  große  Bedeutung  für  den  Milzbrandnachweis 
bei  Tieren  durch  verschiedene  Publikationen  des  Hygienischen 
Instituts  der  Berliner  Tierärztlichen  Hochschule  (Bongert,  Kaest- 
ner)  dargetan  wurde,  spielt  jetzt  bei  der  bakteriologischen  Sicherung 
der  Milzbranddiagnose  die  ihr  gebührende  Rolle. 

Kultur  und  Tierversuch  lassen  sich  der  Regel  nach  nur  in 
Laboratorien  und  Instituten  mit  den  hier  zur  Verfügung  stehenden 
Hilfsmitteln  und  durch  die  hier  vorhandenen  geschulten  Kräfte  aus- 
führen.   Deshalb  muß  Milzbrandmaterial  versandt  werden.    Anfangs 


—     225     - 

geschah  der  Versand  von  Blut  und  Organbrei  in  flüssigem  Zustande, 
dann  in  dünnen  Objektträgerausstrichen  (Troester).  Olt  empfahl  den 
Versand  auf  Kartoffelscheiben,  Bongert  und  Ho  sang  schlugen  vor, 
Blut  in  dicker  Schicht  auf  Objektträgern  einzutrocknen,  Kaestner 
empfahl  die  Eintrocknung  außer  auf  Glas  auf  Wolle  und  Papier, 
und  Fischoeder  benutzte  Tuben  von  besonderer  Beschaffenheit. 

Der  Wert  der  Eintrocknung  des  Untersuchungsmaterials  in 
dicker  Schicht,  der  durch  die  Versuche  von  Bongert,  Hosang 
und  Kaestner  erwiesen  ist,  beruht  nach  Ansicht  dieser  Autoren 
auf  der  Konservierung  der  Milzbrandbazillen. 

Ein  neues  Verfahren  ist  die  Straßburger  Gipsstabmethode,  die 
von  Forster  und  seiner  Schule  angegeben  und  bereits  in  dieser 
Zeitschrift*)  von  Jacobsthal  und  Pfersdorff  eingehend  behandelt 
worden  ist.  Nach  der  ersten  Publikation  über  diese  neue  Methode 
zum  Versand  von  Milzbrandmaterial  von  Marx  er,  und  ehe  die  Arbeit 
von  Jacobsthal  und  Pfersdorff  erschienen  war,  habe  ich  auf  An- 
regung des  Leiters  des  Hygienischen  Instituts  der  Berliner  Tier- 
ärztlichen Hochschule  die  Gipsstabmethode  einer  Prüfung  unterzogen. 

Meine  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf: 

1.  Die  Prüfung  der  für  die  Sporulation  der  Milzbrandkeime 
günstigsten  Materialien,  speziell  der  Gipsstäbe; 

2.  die  Feststellung  der  für  die  Sporulation  erforderlichen 
Temperatur; 

3.  die  Prüfung  des  Verhältnisses  der  Feuchtigkeit  des 
Versandmaterials  oder  des  verdächtigen  Untersuchungs- 
materials sowohl  zum  Eintritt  der  Sporulation,  als  auch 
zur  Erhaltung  der  Sporulationsfähigkeit  der  Milzbrand- 
bazillen, d.  h.  zu  ihrer  Fähigkeit  zu  Fäden  auszuwachsen 
und  Sporen  zu  bilden; 

4.  die  Ermittelung  der  Lichteinwirkung  auf  die  Sporu- 
lation der  Milzbrandbazillen. 

Das  Ergebnis  meiner  Untersuchungen,  die  ich  in  extenso  als 
Arbeit  aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Berliner  Tierärztlichen 
Hochschule  veröffentlichen  werde,  läßt  sich  in  folgenden  Schlußsätzen 
zusammenfassen: 

1.  Die  Straßburger  Gipsstabmethode  ist  zum  Versand  von 
Milzbrand  und  milzbrandverdächtigem  Material  zwecks  bakterio- 
logischer Feststellung  des  Milzbrandes  sehr  geeignet. 

*)  Bd.  l,  S.  102. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  S/S.  15 


—     226     — 

2.  Der  Vorteil  des  Verfahrens  beruht  darauf,  daß  es  bei  Be- 
folgung der  von  Forst  er  und  seinen  Schülern  angegebenen  Be- 
handlung möglich  ist,  die  Milzbrandbazillen  auf  den  Gipsstäben  zur 
Sporulation  zu  bringen. 

3.  Auch  auf  anderen  Substraten  (Pappdeckel  insbesondere), 
die  nach  der  Forst  ersehen  Methode  behandelt  werden,  tritt 
Sporulation  der  Milzbrandbazillen  ein. 

4.  Für  das  Zustandekommen  der  Sporulation  kann  als  unbedingt 
erforderlich  nur  gelten:  Die  Anwesenheit  von  Sauerstoff,  eines  be- 
stimmten Maßes  von  Feuchtigkeit  und  einer  bestimmten  Temperatur. 

5.  Fehlt  letzterer  Faktor,  z.  B.  während  des  Transports  zur 
kälteren  Jahreszeit  (in  den  Monaten  November-April),  so  verlieren 
die  Bazillen  trotzdem  ihre  Fähigkeit,  zu  Sporen  auszukeimen,  nicht, 
wenn  das  Substrat  genügend  feucht  erhalten  wird.  Die  Sporulation 
kann  bei  genügender  Feuchtigkeit  des  Materials  noch  nach  Verlauf 
von  mehreren  Tagen  einsetzen,  wenn  der  fehlende  Faktor,  d.  h. 
die    genügende  Wärme    (Temperatur  von  ca.  20°  C),   hinzukommt. 

6.  Diffuses  Tageslicht  übt  auf  die  Sporulation  von  Milzbrand- 
bazillen in  Blut  oder  Organsaft  bei  1 — 2  tägiger  Einwirkung  keinen 
schädigenden  Einfluß  aus. 

7.  Der  Nährboden  an  sich  ist  für  die  Sporulation  ziemlich 
bedeutungslos;  dies  geht  unter  anderem  daraus  hervor,  daß  ganz 
dünnes  Aufstreichen  auf  feuchten  Gips  und  etwas  dickeres  auf 
sterilen  Objektträger  den  Eintritt  der  Sporulation  unter  den  sub  4 
angegebenen  Bedingungen  ermöglicht. 

8.  Daß  sich  mittelst  des  Gipsstabverfahrens  (und  der  diesem 
entsprechenden,  mit  anderem  porösem  Material  arbeitenden  Verfahren) 
der  Milzbrandnachweis  unter  Umständen  länger  ermöglichen  läßt, 
als  bei  der  Eintrocknung  des  Milzbrandmaterials  in  dicker  Schicht, 
dürfte  dadurch  zu  erklären  sein,  daß  bei  jenem  sofort  nach  dem 
Aufstreichen  milzbrandkeimhaltigen  Materials  in  dünner  Schicht  der 
schädigende  Einfluß  der  Anaerobier  gehemmt  oder  beseitigt  wird, 
während  bei  der  Eintrocknung  in  dicker  Lage  dies  wohl  nur  in 
der  oberflächlichsten  Schicht  der  Fall  ist.  Dazu  kommt  noch  bei 
dem  Gipsstabverfahren  (und  den  diesem  entsprechenden,  oben  er- 
wähnten Verfahren)  die  Gelegenheit  besserer  Sauerstoflumspülung 
als  ein  die  Sporulation  der  Milzbrandbazillen  begünstigender  Faktor. 


Ober  eine  Ledermaske  als  Hilfsmittel  zur  klinischen 
Feststellung  der  Lungentuberkulose  des  Rindes. 

Von 
Dr.  med.  vet.  L.  Opalka, 

Assistenten  am  Bakteriologischen  Laboratorium  der  Landwirtschaftskammer 
für  die  Prolins  Brandenburg  In  Berlin. 

Die  klinische  Untersuchung  der  Rinder  auf  Lungentuberkulose 
findet  bei  der  Durchfuhrung  des  von  Professor  Dr.  Ostertag 
empfohlenen  Tuberkulosetilgungsverfahrens  in  der  Weise  statt,  daß 
man  die  Tiere  zu  tiefen  Einatmungen  veranlaßt  und  hierauf  aus- 
kultiert. Auf  diese  Weise  werden  abnorme  Lungengeräusche  hörbar, 
die  bei  ruhiger  Atmung  nicht  wahrgenommen  werden  können.  Die 
tiefen  Einatmungen  können  auf  zweierlei  Art  ausgelöst  werden. 
Entweder  läßt  man  die  Tiere  traben  oder  man  hält  ihnen  für  kurze 
Zeit  die  Nasenöffnungen  zu. 

Da  das  Traben  aus  verschiedenen  Gründen  (Mangel  an  Raum, 
an  Leuten,  ungünstige  Witterung,  Widersetzlichkeit  und  Unbändig- 
keit mancher  Tiere,  Klagen  des  Besitzers  über  geringeren  Milch- 
ertrag nach  dem  Traben  usw.)  nicht  immer  durchfuhrbar  ist,  so 
wird  häufig  der  zweite  Weg  zur  Herbeiführung  tiefer  Einatmungen 
gewählt. 

Zum  Zuhalten  der  Nasenöflnungen  bedient  man  sich  gewöhn- 
lich eines  Gehilfen,  der  mit  der  linken  Hand  den  Kopf  des  Tieres 
stützt  und  mit  dem  Daumen  und  Zeigefinger  der  rechten  Hand  die 
Nasenlöcher  des  Tieres  zudrückt,  nachdem  diese  mit  einem  mehr- 
fach zusammengelegten  Handtuch  bedeckt  worden  sind.  Als  Ersatz 
für  diese  lebende  Hilfe  habe  ich  eine  Ledermaske  zur  Kompression 
der  Nasenöflnungen  konstruiert. 

Sie  hat  die  Form  eines  Tabaksbeutels,  ist  am  Vorderteil  mit 
zwei  nach  innen  hineinragenden  Vorsprüngen  versehen,  die  die 
Nasenöflnungen   vollständig   verschließen.     Die    hierdurch  bedingte 

15* 


—     228     — 

Atemnot  veranlaßt  nach  der  Abnahme  der  Maske  einerseits  sofortige 
Auslösung  von  Hustenstößen  bei  Tieren  mit  Hustenreiz  und  sodann 
eine  verstärkte  Inspiration,  die  längere  Zeit  anhält  und  daher  eine 
eingehende    Auskultation   der   Lungen    ermöglicht.     Mittelst   einer 


um  den  äußeren  Rand  laufenden  Schnur  kann  die  Maske  bequem  um 
den  Nasenrücken  des  Rindes  befestigt  werden.  Zum  Anlegen,  des- 
gleichen zur  Abnahme  der  Maske  sind  Handgriffe  vorhanden.  Ihre 
Reinigung  und  Desinfektion  ist  leicht  ausführbar. 

Erhältlich    ist    die   Maske    bei    der    Instrumentenfabrik    von 
Hauptner  in  Berlin. 


Referate. 


Die  Negri sehen  Körperchen   und  ihre  Bedeutung  für 
die  Diagnose  der  Tollwut. 

Sammelreferat. 

Von 

Dr.  Albert  Bohne, 

Assistenzarzt  am  Hafenkrankenhaus  zu  Hamburg. 

(Mit  Tafel  III.) 

Seitdem  Pasteur  seine  Methode  der  Schutzimpfung  gegen  Tollwut 
angegeben  hatte,  war  es  nicht  nur  von  wissenschaftlichem  Interesse,  sondern 
von  eminent  praktischer  Bedeutung,  möglichst  bald  in  der  Lage  zu  sein, 
die  Wutdiagnose  richtig  stellen  zu  können.  Alle  Bemühungen  der  patho- 
logischen Anatomen,  für  Lyssa  charakteristische  Veränderungen  zu  finden, 
schlugen  fehl;  entweder  waren  diese  für  Lyssa  nicht  spezifisch  oder  nicht 
konstant.  Daher  mußte  die  Mitteilung  Negri s  über  seine  Untersuchungen 
von  Gehirnen  wutkranker  Hunde  großes  Aufsehen  erregen.  Zuerst  etwas 
skeptisch  aufgenommen,  wurde  sie  jedoch  bald  von  zahlreichen  Nachunter- 
suchera  bestätigt  und  erweitert,  sodaß  jetzt  bereits  eine  verhältnismäßig 
umfangreiche  Literatur  über  die  sogenannten  Negrischen  Körperchen 
vorliegt. 

Negri  fand  im  Ammonshorn  wutkranker  Hunde  eigenartige  Gebilde, 
die  er  bei  keiner  anderen  Krankheit  nachweisen  konnte.  Diese  Körperchen 
(vgl.  Tafel  III  sowie  Fig.  1  und  2)  liegen  meist  intrazellulär  und  sind  von 
sehr  verschiedener  Größe,  die  zwischen  1  und  27  n  schwankt.  Die  Gestalt 
ist  wechselnd  und  meist  durch  die  Lage  der  Körperchen  in  der  Nervenzelle 
bestimmt.  In  den  Körpern  der  Nervenzellen  ist  die  Gestalt  meist  eine 
runde,  wenn  sie  nicht  durch  den  Kern  zu  einer  ovalen  gemacht  wird, 
dagegen  nehmen  die  Körperchen  in  den  Fortsätzen  der  Nervenzellen  eine 
spindelförmige  Gestalt  an.  Im  Innern  zeigen  die  N.  K.*)  eine  vakuolen- 
artige    Struktur.     Die   Größe    dieser  Einschlüsse    ist  verschieden;   in    den 


*)  N.  K.  =  Negrische  Körperchen. 


—     230     — 


Fig.  1.    Negrisches  Körperchen  in  einer 

Ganglicnzcllc.   Links  der  Kern,  rechts  das 

Negrische  Körperchen. 

(Nach   einer  Mikrophotographie    [Zeifi,   Apochr. 
2  mm,  Komp.-Ok.  8]> 


kleineren  sind  sie  gleich  groß,  während  in  den  größeren  ein  Kranz  kleinerer 
Vakuolen  ein  bis  zwei  größere  umgibt. 

Diese  Befunde  konnte  Negri  regelmäßig  machen  und  zögerte  nicht,  die 
Gebilde  als  Parasiten  anzusprechen.  Dieser  Veröffentlichung  Negris  folgten 
nun  bald  Arbeiten  anderer  Autoren,  die  die  Angaben  Negris  in  jeder  Hin- 
sicht bestätigten.  So  berichteten 
Volpino  über  37  untersuchte 
Fälle,  d'Amato  über  32,  Daddi 
über  134,  Luzzani  undMacchi 
über  197,  Abbas  und  Bormans 
über  93,  Poor  über  16,  Verf. 
über  170  Fälle.  Es  kamen  natür- 
lich vorwiegend  Gehirne  von  Hun- 
den zur  Untersuchung,  daneben 
auch  solche  von  Menschen,  Katzen, 
Pferden,  Rindern  und  Kaninchen. 
In  allen  Fällen  wurden  die  N.  K. 
mit  wenigen  Ausnahmen  gefun- 
den, und  zwar  in  Übereinstim- 
mung mit  dem  Tierversuch.  Nie- 
mals kam  es  vor,  daß  die  zur  Kontrolle  geimpften  Tiere  nicht 
erkrankten,  wenn  die  N.  K.  gefunden  wurden.  Wenn  nun  auch 
die  Anwesenheit  der  N.  K.  bei  Lyssa  als  sicher  festgestellt  gelten  konnte, 
so  waren  doch  weitere  Kontrollen  notwendig.  Als  solche  kann  man  die  Fälle 
ansehen,  bei  denen  sowohl  der  Nachweis  der  N.  K.  als  auch  der  Tierversuch 
negativ  ausgefallen  war.  Jedoch  mußte  das  Fehlen  der  N.  K.  auch  bei  sol- 
chen Krankheiten  erwiesen  werden,  die  unter  gleichen  oder  ähnlichen  Symp- 
tomen verlaufen  wie  Lyssa.    Derartige  Untersuchungen  liegen  bereits  von 

mehreren  Autoren  vor  (Domenicis, 
Marzocchi,  Pace,  Poor,  Verf.). 
Weder  bei  Tetanus-  und  Strychnin- 
vergiftung,  noch  bei  Staupe,  Epilepsie, 
Dysenterie,  noch  bei  einer  mit  einem 
Gumma  der  Regio  rolandica  behafte- 
ten Frau,  noch  bei  Hunden,  die  meh- 
rere Tage  gehungert  hatten,  wurden 
N.  K.  gefunden.  Es  sind  zwar  von 
Fig.  2.    Negrisches  Körperchen  einigen    Autoren  (Bayon,  Domeni- 

(rechts)  in  einer  zerfallenen  Ganglien-  eis,     Pace)    Einschlüsse,    besonders 

zelle.  Links  das  noch  erhaltene  Kern-         im    Kern    vorkommend,     beschrieben 
körperchen  der  Ganglienzelle.  j         •  j     l     •   j     •    j       _^       jo 

<X.ch     einer     Mikrophotographie     [Z  .  I  0,  WOrden»   Jed0Ch    8Uld   81e  derartig,    daß 

Apochr.  2  mm,  Komp.-ok.  8]i.  sie   niemals   zu   einer  Verwechslung 


—     231     — 

Anlaß  geben  können,  wie  alle  Autoren  übereinstimmend  versichern.  Verf. 
hat  bei  seinen  Untersuchungen  öfters  die  Beobachtung  machen  können, 
daß  die  Kernkörpereben  einerseits  eine  ähnliche  Struktur  zeigen  wie  die 
N.  K.  und  andererseits  noch  erhalten  sind,  wenn  die  Zelle  und  der  Kern 
bereits  zerstört  sind  (vgl.  Fig.  2).  Um  auch  den  ungeübten  Untersucher  vor 
Irrtümern  zu  bewahren,  empfiehlt  daher  Verf.,  die  Diagnose  auf  Wut  nur 
dann  zu  stellen,  wenn  das  N.  K.  in  einer  gut  erhaltenen  Nervenzelle  liegt. 
Die  Lage  der  N.  K.  ist  in  der  Regel  intrazellulär;  liegen  sie  außerhalb 
der  Zellen,  so  hat  man  den  Eindruck,  als  wenn  die  zugehörige  Zelle  zer- 
stört sei.  Aber  nicht  in  allen  Zellen  sind  die  N.  K.  gleichmäßig  zu  finden. 
Schon  Negri  hat  gezeigt,  und  alle  Nachuntersucher  haben  es  bestätigen 
können,  daß  die  Hauptfundstelle  für  N.  K.  die  großen  Ganglienzellen  des 
Ammonshorns  sind;  weit  spärlicher  begegnet  man  ihnen  in  den  Pur k inj e- 
schen  Zellen  des  Kleinhirns,  sowie  in  den  großen  Zellen  der  Hirnrinde. 
In  den  übrigen  Bezirken  des  Gehirns  sind  sie  sehr  selten.  Luzzani22) 
fand  sie  auch  im  Ganglion  Gasseri  und  Ganglion  nodosum,  Negri30) 
in  der  Brücke  und  im  Rückenmark.  Einen  weiteren  Beitrag  zu  dieser 
Frage  finden  wir  in  der  sehr  inhaltsreichen  Arbeit  von  Williams  und 
Lowden49).  Diese  Forscher  fanden  die  N.  K.  zum  ersten  Male  außerhalb 
der  Nervenzellen,  nämlich  in  den  großen  Lymphzellen  der  perivaskulären 
Lymphräume  an  der  Basis  des  Ammonshorns.  Nach  den  neueren  Unter- 
suchungen scheinen  die  N.  K.  im  Zentralnervensystem  verbreiteter  zu  sein, 
als  man  zuerst  annahm. 

Die  Frage,  ob  die  N.  K.  auch  bei  Tieren,  die  mit  Virus  fixe  ge- 
impft sind,  vorkommen,  wurde  von  mehreren  Autoren  verneint.  Nachdem 
aber  diesen  negativen  Resultaten  andere  Autoren  (Xegri,  Baschieri, 
Verf.)  zweifellose  positive  entgegensetzen  konnten,  kann  diese  Frage  als 
im  bejahenden  Sinne  gelöst  gelten.  Allerdings  lauten  die  übereinstimmen- 
den Angaben  dahin,  daß  bei  Virus  fixe  die  N.  K  außerordentlich  spärlich 
vertreten  und  wesentlich  kleiner  sind  als  bei  Straßenvirus. 

Mit  welcher  Methode  kann  man  nun  die  N.  K.  am  besten  zu 
Gesicht  bekommen?  Da  kann  man  sagen,  daß  fast  jeder  Autor,  der 
sich  mit  den  N.  K.  beschäftigt  hat,  auch  eine  besondere  Darstellungsmethode 
angegeben  hat.  Auch  Verf.  ist  in  dieser  Lage  und  wird  sich  daher  darauf 
beschränken,  um  nicht  pro  domo  sprechen  zu  müssen,  die  verschiedenen 
Methoden  anzuführen.  Auf  diese  Weise  ist  der  Leser  imstande,  sich  die- 
jenige selbst  auszusuchen,  die  ihm  am  passendsten  erscheint. 

Zuvor  möchte  ich  mir  einige  einleitende  Bemerkungen  gestatten. 
Bei  der  Auswahl  der  Methode  hat  man  in  erster  Linie  die  Ziele  zu  be- 
rücksichtigen, die  man  verfolgt.  Will  man  zu  diagnostischen  Zwecken  die 
N.  K.  möglichst  schnell  und  deutlich  zur  Anschauung  bringen,  so  wird 
man  natürlich  einen  anderen  Weg  einschlagen  müssen,    als  wenn  man  die 


—     232     — 

Struktur  der  N.  K.  studieren  will.  Für  diagnostische  Zwecke  muß  die 
Methode  imstande  sein,  auf  möglichst  einfache  Weise  in  möglichst  kurzer 
Zeit  die  N.  K.  eindeutig  zur  Anschauung  zu  bringen.  Für  einfach  aber 
kann  ich  eine  Methode  nicht  halten,  die  bei  negativem  Ausfall  der  einen 
auf  eine  zweite  verweist,  wenn  sie  z.  B.,  falls  in  gefärbten  oder  un- 
gefärbten Ausstrichen  nichts  gefunden  wird,  die  Anfertigung  von  Schnitten 
erforderlich  macht.  Denn  nach  meinen  Erfahrungen  an  der  Wutschutz- 
abteilung des  Königl.  Instituts  für  Infektionskrankheiten  zu  Berlin  wird 
einmal  eine  große  Zahl  von  Gehirnen  zur  Untersuchung  eingesandt,  die 
sich  als  nicht  lyssakrank  erweisen;  sodann  sind  die  Gehirne  ziemlich 
häufig,  in  denen  die  N.  K.  nur  in  geringer  Zahl  vorkommen.  In  beiden 
Fällen  wäre  also  eine  doppelte  Untersuchung  notwendig. 

In  seiner  ersten  Arbeit  empfiehlt  Negri29)  die  Herstellung  von  Zupf- 
präparaten und  Aufsuchung  der  Körperchen  im  ungefärbten  Zustande. 
Führte  dieser  Weg  nicht  zum  Ziel,  so  behandelte  Negri  Stückchen  vom 
Ammonshorn  in  folgender  Weise: 

Fixierung  in  Zenker  scher  Flüssigkeit. 
Einbettung  in  Paraffin. 
Färbung  nach  Mann: 

Mannsche  Lösung  (lproz.  wäßrige  Eosinlösung  35  ccm, 
lproz.  wäßrige  Methylenblaulösung  35  ccm, 
Aqua  dest.  100  ccm)  24  Std. 
Abspülung  in  Wasser. 

„  ,,  Alkohol  abs. 

Alkohol  abs.  mit  Zusatz  von  Natronlauge   (auf  30  ccm  Alkohol  abs. 

5  Tropfen  einer  1  proz.  Lösung  von  Natronlauge  in  Alk.  abs.) 
Abspülen  in  Alk.  abs. 
,,         „    Wasser. 

,.         „   Wasser,  das  mit  Essigsäure  leicht  angesäuert  ist. 
Schnelles  Entwässern. 
Einbetton. 

Später  bediente  sich  Negri32)  zur  Fixierung  einer  Mischung  von 
gleichen  Teilen  einer  gesättigten  Sublimatlösung  und  Alkohol  und  zur 
Färbung  sauren  Hämatoxylins  nach  Ehrlich  und  Hämatins  nach  Apathy. 
Eine  ähnliche  Methode  hat  Fasoli10)  angegeben: 

Fixierung  in  Zenker  scher  Flüssigkeit:  24  Std. 

Einbetten,  Schneiden. 

Färbung: 

Wäßrige  Eosinlösung  5—10  Min.  unter  leichtem  Erwärmen. 

Abspülen  in  Wasser. 

Differenzieren   in   einer  Lösung  von   Ätznatron   in   Alk.   abs.  (4—5 
Tropfen  Ätznatron  in  50  ccm  Alk.  abs.) 

Abspulen  mit  Wasser. 


—     233     — 

Wäßrige  Methylenblaulösung,  bis  die  Schnitte  blauviolett  gefärbt  sind. 

Abspülen  mit  Wasser. 

Einbetten. 

Zur  schnellen  Gewinnung  einer  Diagnose  schlugen  Abbas  und  Bor- 
mans1)  folgenden  Weg  vor: 

Stücke  des  Ammonshorns  von  3—4  mm  Dicke  kommen  in 
lproz.  Osmiumsäure  auf  5—6  Std. 
Waschen  in  Wasser  !/a  Std 
Alkohol  abs.  3-5  Std. 
Schneiden  mit  der  Hand. 
Untersuchung  in  Glyzerin. 
Die  Kernkörperchen  und  die  N.  K.  werden  tief  braun. 

Noch  einfacher  verfuhr  Bertarelli9): 

Fixierung  in  lOproz.  Formalin  2  Std. 
Schneiden  mit  dem  Gefriermikrotom. 
Antrocknen  im  Brutschrank  bei  37°. 
Färbung  nach  Romano wski. 
Die  N.  K.  erscheinen  blaßrot. 

Zum  Studium  der  Struktur  empfahl  Volpino45)  die  Färbung  mittels 
Pikrokarmin: 

Pikrokarmin  24  Std. 

Abwaschen  mit  Wasser. 

Verdünnte  Methylenblaulösung  bis  zu  starker  Blaufärbung. 

Auswaschen  in  Wasser. 

Differenzieren  in  pikrinsaurem  Alkohol. 
Resultat:  Kerne  der  Leukozyten  und  Nervenzellen  rot,  das  Protoplasma  gelb- 
rosa,  die  roten  Blutkörperchen  gelb,  die  N.  K.  gelb  oder  grünlichgelb,  die 
vakuolenartigen  Gebilde  erscheinen  gelblichrosa.  In  diesen  umschließt  eine 
helle  Partie  eine  andere  Substanz  von  granuliertem  Aussehen,  die  sich  stark 
färbt,  und  zwar  tief  blau  oder  schwarzblau. 

Williams  und  Lowden49)  fertigen  Ausstriche  an  und  verfahren 
dabei  in  folgender  Weise:  Sie  verteilen  mit  einem  Deckglas  ein  Stückchen 
vom  Ammonshorn  auf  einem  Objektträger  fein  und  lassen  es  lufttrocken 
werden.  Die  Färbung  geschieht  entweder  mit  Giemsalösung  oder  nach 
Mollory: 
Färbung  mit  Giemsalösung: 

Fixieren  in  Methylalkohol  5  Min. 
Färben  mit  Giemsalösung  l/9—  3  Std. 

Auswaschen   mit   fließendem   Wasser  3   Min.,    nachdem   bei   dicken 
Schnitten  eine  Differenzierung  durch  Eintauchen  in  50proz.  Methyl- 
alkohol vorausgegangen  ist. 
Abtrocknen  mit  Fließpapier. 


—     234     — 

Resultat:  Das  Plasma  der  N.  K.  erscheint  blau,  der  zentrale  Teil  blaurot  oder 
blau,  die  roten  Blutkörperchen  gelblich,  das  Plasma  der  Nervenzellen  blau,  die 
Kerne  rot,  die  Kernkörperchen  blau. 

Für   diagnostische   Zwecke  kürzten   die  Autoren   das  Verfahren  in  der 
Weise   ab,   daß   sie   mit  einer  aus  gleichen  Teilen  Giemsalösung  und  destil- 
liertem Wasser  bestehenden  Mischung  10  Min.  färbten. 
Färbung  nach  Mallory: 

Fixieren  in  Zenker  scher  Flüssigkeit  Vs  Std. 

Abspülen  in  Wasser 

96proz.  Jodalkohol  7a  Std. 

Alkohol  abs.  1 ,  Std. 

Eosin  20  Min. 

Wasser. 

Methylenblaulösung  15  Min. 

Differenzieren  in  95proz   Alkohol  1—5  Min. 

Abtrocknen  mit  Fließpapier. 
Resultat:   Plasma   der  N.  K.  magenta,  die  zentralen  Körperchen  dunkelblau, 
das  Plasma  der  Nervenzellen  hellblau,  die  Kerne  dunkler  blau,  die  roten  Blut- 
zöllen rot. 

Nach  Williams  and  Lowden  eignet  sich  die  Giemsaf&rbung  gut 
zum  Studium  der  Struktur  und  bei  altem  und  weichem  Hirngewebe,  die 
Färbung  nach  Mallory  für  die  Diagnose.  Am  meisten  empfiehlt  sich, 
beide  Methoden  anzuwenden.  Wurden  auf  diesem  Wege  die  N.  K.  nicht 
gefunden,  so  wurden  Schnitte  nach  folgender  Methode  angefertigt: 

Fixierung  in  Zenker  scher  Flüssigkeit  8/i  Std. 

Auswaschen  in  Wasser  5  Min. 

80proz.  Jodalkohol  24  Std. 

95proz.  Jodalkohol  24  Std. 

95proz   Alkohol  24  Std. 

Alkohol  abs.  4-6  Std. 

Zedernöl  bis  zur  Klarheit. 

Zedernöl-Paraffin  von  52°  aa  2  Std. 

Paraffin  von  52°  2  Std. 

Einbetten. 

Schneiden,  Aufkleben. 

Färbung  nach  Mallory. 

Ähnlich  wie  Williams  und  Lowden  verfährt  Frothingham20), 
doch  macht  er  Klatschpräparate  von  einem  Durchschnitt  des  Ammonshorns. 
Auch  er  sucht  die  N.  K.  in  Schnitten,  wenn  die  Klatschpräparate  ein  nega- 
tives Resultat  ergeben. 

Schnittmethode  nach  Frothingham: 

Fixieren  in  Zenker  scher  Flüssigkeit  4  Std. 
95proz.  Alkohol  mehrere  Stunden. 
Alkohol  abs.  Vj%  Std. 


—     235     — 

Alkohol  abs.   Chloroform  aa  20-30  Min. 

Chloroform  20—30  Min. 

Gesättigte  Lösung  von  Chloroform  und  Paraffin  20—30  Min. 

Paraffin  von  55°  Schmelzp.  l1/,  Std. 

Einbetten. 

Schneiden. 

Aufkleben  der  Schnitte  mit  Glyzerineiweiß. 

Trocknen  bei  55°  17a  Std. 

Xylol. 

Alkohol  abs. 

95proz.  Alkohol. 

Gesättigter  Jodalkohol  5—10  Min. 

95proz.  Alkohol 

Wasser. 

Färben  15—30  Min.  in  gleichen  Teilen  von  Unnas  Farblösung*)  und 
5proz.  wäßriger  Eosinlösung. 

Wasser. 

Unnas  Farblösung  3—5  Min. 

Walser. 

Differenzieren  in  95proz.  Alkohol  unter  Kontrolle  des  Mikroskops. 

Alkohol  abs. 

Xylol. 

Balsam. 
Anfertigung  von  Klatschpräparaten  nach  Frothingham:  Auf 
eine  senkrecht  zur  Längsachse  herausgeschnittene  Scheibe  des  Ammonshorns 
drücke  man  einen  gereinigten  Objektträger,  und  zwar  mache  man  auf  einen 
solchen  4—8  Abdrücke.  Bevor  diese  völlig  getrocknet  sind,  werden  sie  in 
folgender  Weise  weiterbcarbeitet: 

Zenkersche  Flüssigkeit  11/,— 2  Std. 

Wasser. 

95proz   Alkohol  5—10  Min. 

Gesättigter  Jodalkohol  5—10  Min. 

95proz.  Alkohol. 

Wasser. 

Färbung  wie  bei  Schnitten. 

Resultat:  Zellkörper  und  Kern  blaßblau,  Kernkörperchen  dunkelblau,  die  roten 
Blutzellen  blaßrot,  die  N.  K.  zeigen  ein  eigenartiges  Purpurblaßrot  und  ent- 
halten im  Inneren  oft  farblose  oder  blaue  Gebilde  von  verschiedener  Gestalt 
und  Größe. 

Die  Klatschpräparate   können  auch  (nach  Frothingham)  nach  fol- 


*)  Unnas  Blau:  Unnas  Farblösung: 

Methylenblau  (Grübler)      .    .      1,0  Unnas  Blau 1,0 

Kaliumkarbonat 1,0  Wasser 4,0 

Wasser 100.0 


—     236     — 

genden  beiden  Methoden  behandelt  werden,   doch   leisten  diese  nicht  das- 
selbe, wie  die  Fixierung  mit  Zenker  scher  Flüssigkeit: 

Lufttrocken  werden  lassen. 

95proz.  Alkohol  5—10  Min. 

Jodlösung  10  Min. 

95proz.  Alkohol. 

Wasser. 

Färben  wie  bei  den  Schnitten. 
Oder: 

Trocknen  und  mit  geringer  Wärme  fixieren. 

Gesättigte  alkoholische  Eosinlösung  15  Min. 

Wasser. 

Löfflers  alkalisches  Methylenblau  3—5  Min. 

Wasser. 

Differenzieren  in  95proz.  Alkohol  usw. 

Daß   Klatsch-   und   Ausstrichpräparate   in   vielen  Fällen   zum  Ziele 
fähren,  hat  auch  Baschieri5)  bestätigt.    Er  empfiehlt  folgende  Färbung: 
Fixieren  in  Alkohol,  bevor  die  Präparate  lufttrocken  geworden  sind. 
Färben  in  folgender  Lösung: 
Alkoh.  Eosin     .    .    .      1,0  ,  ^.    v  n  ,  „ 

Alkohol  abs.     .    .    .  100,0     Die  Lösung  muß  warm  hergestellt  und 


Eisessig»  0  3  '     nac^  ^em  Erkalten  filtriert  werden. 

Wasser  20—30  Sek. 

Wäßrige  Lösung  von  0,5proz.  Methylenblau  1  Min. 
Wasser  20—30  Sek. 

Differenzieren  in  90— 95proz.  Alkohol  30—40  Sek. 
Alkohol,  Xylol,  Balsam. 
Resultat:   Zellen  blau,  die  N.  K.  rot;  sie  enthalten  blau  gefärbte  Granula. 

Während  Verf.6)  mit  der  Nachprüfung  der  Negri  sehen  Arbeiten  be- 
schäftigt war,  veröffentlichten  Henke  und  Zeller51)  ihre  Methode  der 
Schnelleinbettung  mittelst  Azeton  und  Paraffin.  Die  vorgenommenen  Ver- 
suche befriedigten  Verf.  derartig,  daß  er  sich  in  der  Folge  zu  diagnosti- 
schen Zwecken  nur  noch  dieses  Verfahrens  bediente.  Verf.  ging  dabei  in 
folgender  Weise  vor: 

Fixierung  von  7*— 3  4  mm  dicken  Scheiben  aus  dem  Ammonshorn  in 
ca.  15  cem  Azeton  bei  37°,  bis  die  Stückchen  die  Konsistenz  wie 
nach  Alkoholhärtung  haben,  was  meist  nach  30— 40  Min.  der  Fall  ist. 
Flüssiges  Paraffin  von  55°  Schmelzpunkt  60—75  Min. 
Einbetten,  Schneiden. 
AufTangen  der  Schnitte  in  kaltem  Wasser,  dem  etwas  Gummiarabikum 

zugesetzt  ist. 
Antrocknen  an  einem  warmen  Ort,  z.  B.  auf  dem  Paraffinofen. 
Färbung  in  Mann  scher  Lösung  (s.  oben)  7a— *  Min. 
Kurzes  Abspülen  in  Wasser. 
„  .,  ,,  Alkohol  abs. 


—     237     — 

Alkohol  ab 8.  mit  Zusatz  von  Natronlauge  (s.  oben)  15—20  Sek. 

Abspülen  in  Alkohol  abs. 

Wasser  1  Min. 

Wasser,  das  mit  Essigsäure  leicht  angesäuert  ist,  2  Min. 

Schnelles  Entwässern. 

Xylol,  Balsam. 

Es  gelingt  auf  diese  Weise  leicht,  schon  in  drei  Stunden  Schnitt- 
präparate herzustellen,  und  man  erhält  auch  bei  ziemlich  zersetztem  Hirn- 
gewebe noch  brauchbare  Resultate.  Statt  weiterer  Beschreibung  verweist 
Verf.  auf  die  beigegebene  Tafel  III  und  die  beiden  Textfiguren.  Sowohl 
die  nach  der  Natur  angefertigte  Zeichnung  der  Tafel  wie  die  Mikrophoto- 
gramme  stammen  von  Präparaten,  die  in  der  angegebenen  Weise  behan- 
delt sind. 

Neuerdings  werden  im  Königl.  Institut  für  Infektionskrankheiten  die 
Schnitte  für  diagnostische  Zwecke  etwas  anders  gefärbt,  wie  mir  der 
Vorsteher  der  Wutschutzabteilung,  Herr  Dr.  Lentz,  liebenswürdigerweise 
mündlich  mitteilte. 

Nachdem  er,  wie  Verf.,  die  Stücke  fixiert  und  eingebettet  hat, 
bringt  er  die  Schnitte 

für  1  Min.  in  eine  Farblösung,  bestehend  aus 

Eosin  (extra  B.  Höchst) 0,5. 

60proz.  Alkohol 100,0. 

Abspülen  in  Wasser. 

Färben  1  Min.  in  Löff  ler  schein  Methylenblau. 

Abspülen  in  Wasser. 

Abtrocknen  mit  Fließpapier. 

Differenzieren  in  Alkohol  mit  Zusatz  von  Natronlauge  (s.  Färbung 
nach  Mann),  bis  die  Schnitte  blaßrosa  oder  blaßblau  ge- 
worden sind. 

Differenzieren  in  Alkohol  abs.  und  Essigsäure  (auf  20,0  Alkohol 
1  gtt.  50proz.  Essigsäure),  bis  die  Ganglienzellenzüge  noch 
eben  als  schwache  blaue  Linien  zu  sehen  sind. 

Alkohol  abs. 

Xylol. 

Balsam. 

Da  sich  nach  dieser  Methode  nur  die  N.  E.  rot  färben,  außerdem 
die  in  ihnen  enthaltenen  Granula  scharf  hervortreten,  wird  das  Aufsuchen 
der  N.  K.  wesentlich  erleichtert  in  den  Fällen,  in  denen  die  N.  K.  spär- 
lich vertreten  sind. 

Bei  der  Darstellung  der  feineren  Verhältnisse  der  N.  K.  leistete  Verf. 
die  Färbung  nach  Held  gute  Dienste: 


—     238     — 

Fixierung  und  Einbettung  wie  eben  angegeben. 

Anfertigung  von  2—4  dünnen  Schnitten. 

Aufkleben. 

Entfernung  des  Paraffins. 

Färben  auf  dem  Objektträger  1—2  Min.  unter  leichtem  Erwärmen  in 

Erythrosin     ....      1,0 

Aqua  dest 150,0 

Eisessig gtt.  2. 

Auswaschen  in  Wasser. 
Nachfärben  mit  folgender  Lösung: 

Wäßrige  Azetonlösung  (1 :  20) 
Niß Ische  Methylenblauseifenlösung  äa. 
bis  der  Azetongeruch  verschwunden  ist,  dann  erkalten  lassen. 
Differenzieren  in  VaoProz   Alaunlösung,   bis  der  Schnitt  rötlich  wird. 
Abspülen  in  Wasser. 
Schnelles  Entwässern. 

Welche  Differenzierung  können  wir  nun  innerhalb  der 
N.  K.  auf  dem  Wege  der  Färbung  erreichen? 

Volpino4")  konnte  bei  Färbung  nach  Laveran  folgende  Gebilde 
darstellen:  Eine  feste,  hyaline,  blau  gefärbte  Membran  umschließt  eine 
homogene,  strukturlose,  rot  gefärbte  Masse.  In  dieser  liegen  größere  und 
kleinere  vakuolenartige,  kaum  rosa  oder  sehr  schwach  blau  gefärbte  Ge- 
bilde, die  ihrerseits  sehr  kleine  intensiv  blau  gefärbte,  punkt-,  ring-  oder 
stabförmige  Eörperchen  enthalten. 

Nach  Williams  und  Lowden40)  kann  man  an  den  größeren 
Formen  der  N.  K.  eine  Grundsubstanz  erkennen.  In  ihr  liegt  der  Kern, 
der  in  seinem  Innern  in  einem  farblosen  Zentrum  ein  exzentrisch  liegen- 
des Karyosom  aufweist.  Um  den  Kern  liegt  das  Chromatin,  das  in  den 
kleineren  Formen  punktförmig,  in  den  größeren  ring-  und  stabförmig  er- 
scheint. Die  Grundsubstanz  ist  vollkommen  homogen,  zeigt  keinerlei 
Struktur  und  ist  basophil.  Die  letztere  Eigenschaft  haben  die  N.  K.  mit 
den  Malariaprotozoen  gemein,  und  sie  wird  deshalb  von  den  genannten 
Autoren  als  ein  Beweis  für  die  parasitäre  Natur  der  N.  K.  herangezogen. 

Der  Streit  um  die  Frage:  Sind  die  N.  K.  Parasiten  oder  nur 
Zerfallsprodukte  von  Gewebe,  ist  so  alt  wie  die  N.  K.  selbst. 

Negri  erklärte  bereits  in  seiner  ersten  Arbeit  die  Körperchen  für 
die  Erreger  der  Wut,  fand  aber  zunächst  lebhaften  Widerspruch.  So  wies 
Schüder*7)  auf  die  Filtrierbarkeit  des  Wutvirus  hin,  womit  die  Größe 
der  N.  K.  nicht  in  Einklang  zu  bringen  wäre.  Seitdem  war  man  eifrig 
beschäftigt,  die  Frage  auf  experimentellem  W7ege  zu  lösen.  Es  boten  sich 
hierzu  verschiedene  Möglichkeiten.  Bertarelli71),  Williams  .  und 
Lowden49)  suchten  festzustellen,  ob  zeitliche  Beziehungen  zwischen  dem 
Auftreten  der  N.  K.  und  dem  Eintritt  der  Infektiosität  des  Zentralnerven- 


—     239     — 

Systems  bestehen.  Doch  während  Bertarelli  die  N.  K.  erst  bei  Beginn 
der  ersten  Symptome  nachzuweisen  vermochte,  fanden  Williams  und 
Lowden  sie  weit  früher.  Ihrer  Wichtigkeit  wegen  seien  die  Resultate 
ausführlich  wiedergegeben: 

Die  genannten  Autoren  infizierten  10  Kaninchen  mit  Virus  fixe  und 
töteten  sie  nach  verschiedenen  Zeiten.  Es  wurden  Ausstriche  und  Schnitte 
nach  der  oben  beschriebenen  Methode  gefärbt  Am  1.  und  2.  Tage  wurden 
X.  K.  nicht  gefunden,  am  3.  ein  einziges  in  den  großen  Lympbzelleu  der 
perivaskulären  Lymphräume  an  der  Basis  des  Ammonshorns,  am  4.  einige  un- 
zweifelhafte in  den  großen  Nervenzellen  des  Bulbus  olfactorius,  des  Ammons- 
horns und  de»  motorischen  Gebiets  der  Hirnrinde,  am  5.  Tage  eine  bescheidene 
Zahl  in  denselben  Bezirken  und  in  vereinzelten  Zellen  durch  das  ganze  Gehirn, 
am  6.  in  denselben  Gebieten  und  in  der  Medulla  oblongata,  an  den  Übrigen 
Tagen  Überall  sehr  zahlreiche  N.  K. 

Es  wäre  sehr  wünschenswert,  wenn  diese  Befunde  von  anderen 
Autoren  bestätigt  und  erweitert  würden. 

Bertarelli8)  und  Daddi17)  unterwarfen  Gehirne  von  wutkranken 
Tieren  der  Einwirkung  von  Hitze,  Austrocknung,  Verwesung,  Mazeration 
und  Glyzerin  und  konnten  feststellen,  daß  die  N.  K.  noch  gut  erhalten 
sind,  wenn  die  Virulenz  bereits  erloschen  ist.  Einen  anderen  Weg  schlug 
D'Amato  ein.  Er  brachte  Stückchen  vom  Ammonshorn  eines  lyssakranken 
Tieres  unter  die  Dura  mater  von  Kaninchen,  die  er  nach  verschiedenen 
Zeiten  tötete.  Während  im  eingeführten  Stück  Ammonshorn  N.  E.  ge- 
funden wurden,  fehlten  sie  stets  in  der  darunter  liegenden  Hirnsubstanz. 

Gegen  die  Einwände  Schüders  richteten  sich  die  Versuche 
di  Vesteas,39)  Bertarellis  und  Volpinos13).  Bei  ihren  Versuchen 
gelang  es  ihnen  niemals,  die  Virulenz  von  Hirngewebe  durch  Filtrieren 
selbst  bei  häufiger  Wiederholung  und  bei  einem  Druck  von  3  Atmosphären 
zu  erschöpfen.  Stets  erwies  sich  der  Rückstand  noch  als  virulent.  Mit 
Recht  schließen  diese  Autoren  daraus,  daß  es  Wuterreger  oder  Formen 
derselben  geben  muß,  die  größer  sind  als  die  Poren  der  benutzten  Filter- 
kerzen, nämlich  als  0,5  i*. 

Ob  der  von  Volpino47)  oder  der  von  Williams  und  Lowden4-') 
aus  den  gefundenen  Bildern  zusammengesetzte  Entwicklungskreislauf  der 
Wirklichkeit  entspricht,  muß  die  Zukunft  lehren.  Nur  so  viel  kann  ich 
sagen,  daß  ich  den  größten  Teil  der  von  Williams  und  Lowden  ge- 
zeichneten Formen  von  N.  K.  ebenfalls  in  meinen  Präparaten  gesehen 
habe.  Ich  halte  es  aber  für  verfrüht,  die  N.  K.  schon  in  die  Klasse  der 
Mikrosporidien  einzureihen,  da  die  Ähnlichkeit  einzelner  Entwicklungs- 
bilder noch  nicht  beweisend  für  die  Zusammengehörigkeit  ist.  Anderer- 
seits weiß  man  bei  den  Mikrosporidien  nichts  von  solchen  unsichtbaren 
Formen,  wie  wir  sie  bei  den  N.  K.  annehmen  müssen,  da  sie  in  mehreren 


—     240     — 

Teilen  des  Zentralnervensystems  noch  nicht  gefunden  worden  sind,  obgleich 
diese  sich  als  virulent  erwiesen. 

Kürzlich  hat  auch  der  bekannte  Watforscher  Babes4)  zn  dieser 
Frage  das  Wort  ergriffen.  Er  faßt  die  N.  K.  als  Reaktionsprodukte  der 
Nervenzellen  gegen  das  Eindringen  der  Wuterreger  auf.  Als  diese  be- 
trachtet er  runde,  schwarze  oder  blaue  Granulationen,  die  er  in  großer 
Menge  in  den  nach  ihm  benannten  B  ab  es  sehen  Wutknötchen  gefunden  hat. 

Welches  nun  auch  die  Natur  der  N.  E.  sein  mag,  bis  jetzt  sind 
sie  das  wertvollste  Mittel,  das  uns  auf  einfache  Weise  zu  einer 
schnellen  Wutdiagnose  verhilft. 


Literatur. 

Abkürzungen:  C.  f.  B.:  Centralblatt  für  Bakteriologie.  —  Z.  f.  H.  u.  I.: 
Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  —  R.  c.  d.  cl.  med.:  Rivista 
crittica  de  clinica  medica.  —  A.  d.  Tl.  P.:  Annales  de  l'Institut  Pasteur.  — 
B.  d.  l'I.  P.:  Bulletin  de  l'Institut  Pasteur. 

x)  Abba  und  Bormans,    Sur   le  diagnostic   histologique  de  la  rage.    A.  d. 
VI.  P.  t.  29  p.  49. 

a)  d'Amato,   Sulla  etiologia   della   rabbia.    Atti  del  congresso  di  Med.  int., 
Padova,  1903  p.  4. 

3)  d'Amato,   I  corpi  di  Negri   in  rapporto  all' etiologia  e  alla  diagnosi  della 
rabbia.    La  Riforma  medica.    1904.    no.  23. 

*)  Babes,  Über  die  N.  K.  und  die  Parasiten  der  Tollwut.    Romania  medicala 
1906.    11-12. 

r')  Bas c hier i,    Sulla   diagnosi    rapida    della    rabbia.     Soc.   med.   chirur.    di 
Bologna,  1906. 

")  A.  Bohne,    Beitrag  zur  diagnostischen  Verwertbarkeit  der  N.  K.    Z.  f.  H. 
u.  I.    1905,  Bd.  52. 

7)  A.  Bongiovanni,   Die  N.  K.  und   die   durch  Virus  fixe  verursachte  Wut- 
infektion mit  langsamem  Verlauf.    C.  f.  B.    1906,  Bd.  41. 

H)  Bertare lli,  Über  Virulenzmodifikationen  des  Wutvirus  und  Veränderungen 
der  N.  K.    C.  f.  B.    1904,  Bd.  42. 

•)  Bertarelli,   Experimentelle  Untersuchungen  und  Beobachtungen   über  die 

Tollwut.    C.  f.  B.    Bd.  39,  Nr.  4. 
"')  Bertarelli,   Die  N.  K.  im  Nervensystem   der  wutkranken  Tiere,    ihr   dia- 
gnostischer Wert  und  ihre  Bedeutung.    C.  f.  B.    Ref.    Bd.  37. 
,!)  Bertarelli    und    Volpino,    Nachforschungen    und    experimentelle    Be- 
obachtungen über  die  Tollwut     C.  f.  B.    1904,  Bd.  35. 
la)  Bertarelli  und  Volpino,  Morphologische  und  biologische  Beobachtungen 
über  einen  Fall  von  Lyssa  beim  Menschen  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Gegenwart  und  Verteilung  der  N.  K.  im  Zentralnervensystem.    C.  f.  B. 
1904,  Bd.  35. 


—     241     — 

13)  Bertarelli  und  Volpino,   Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wut. 

Filtration   des  Straßenvirus   und  Erschöpfung   des  Virus   durch  das  Filter. 

C.  f.  B.     1904,  Bd.  37. 
u)  ßosc,  Recherches  sur  Ätiologie  de  la  rage.    Oompt.  rend.  de  la  Societe  de 

biologie.    1903. 
15)  Daddi,  Suir  eziologia  dell' idrofobia.    R.  c.  d.  cl.  med.    1903. 
16 ;  Daddi,  Süll' eziologia  della  rabbia.    R.  c.  d.  cl.  med.    1903,  no.  22. 
17j  Daddi,  Ricerche  sulla  rabbia.    R.  c.  d.  cl.  med.    1904,  no.  21—22. 
1M)  Dommenicis,   Sul   valore   della   diagnosi   estologica  nella  rabbia.    Poli- 

clinico  sez.  prat.    1904,  no.  29. 
I9;  Fasoli,  Sulla  colorazione  dei  corpi  di  Negri  nella  infezione  rabida.    Poli- 

clinico  sez.  prat.     1904,  no.  7. 
93 )  L.  Frothingham,  The  rapid  diagnosis  of  Rabies.   The  Journal  of  Medical 

Research.   Vol.  14,  no.  3. 

21 )  B.  Galli-Valerio,  Recherches  experimentales  sur  la  rage  des  rata  avec 
Observation  sur  la  rage  du  surmulot,  de  la  souris  et  du  mulot.  C.  f.  B. 
1905.    Bd.  40. 

22)  Luzani,  Nachweisung  der  spezifischen  Parasiten  in  einem  Falle  von  Toll- 

wut beim  Menschen.    C.  f.  B.     1904,  Bd.  36. 
**)  Luzani,  Zur  Diagnose  der  Tollwut.    Z.  f.  H.  u.  I.   19U5. 
**)  Luzani  u.  Macchi,  Z.  f.  H.  u.  I.    1905. 

**)  Maas,  Ein  Fall  von  Lyssa  humana.    Münch.  Med.  Wochenschr.  1905,  Nr.  3. 
x)  Marzocchi,  Contributo  alle   questione   della  speeifita   dei  corpi  di  Negri. 

Arch.  per  le  sc.  med.    Bd.  28,  1904. 
27)  Negri,  Boll.  della  soc.  med.  chir.  di  Pavia.    1903,  Mars. 
")  Negri,  Riforma  medica  1903,  p.  636. 
®)  Negri,  Z.  f.  H.  u.  I.    1903,  Bd.  43. 

»0  Negri,  Zur  Ätiologie  der  Tollwut  Z.  f.  H.  u.  I.  1903,  Bd.  44. 
3J)  Negri,  Bollettino  della  Soc.  med.  chir.  di  Pavia,  1904,  22  janv. 
**)  Negri,  SulF  eziologia  della  rabbia.    Bol.  Soc.  med.-chirurg.   di  Pavia  1905, 

30  juin. 
s3)  Pace,   Osservazioni    e   ricerche   sulla   rabbia.    Atti   dei    13.  congresso   di 

medicina  interna,  Padova  1903. 
34)  Pace,  Sopra  aleune  formazioni  eosinofile,  simulanti  i  corpi  di  Negri,  nelle 

cellule    dei    gangli   cerebro-spinali    delF  uomo    idrofobo.      Riforma   med. 

1904,  no.  25. 
Ä)  W.  Poor,  Pathological  studies  in  rabies.    Proceed   of  the  N.  Y.  Patholog. 

Society  1904,  octobre. 
x)  J.  Schiff  mann,  Zur  Kenntnis  der  N.  K.    Z.  f.  H.  u.  I.     1906,  Bd.  52. 
37)  Sc  hü  der,   Der  Negrische   Erreger    der   Tollwut      D.    med.   Wochenschr. 

1903,  Nr.  39. 

**)  Strazzi,  Das  N.  K.  und   die   Schnell diagnose   der  Wut.    La   clinica  vet. 

1904,  no.  42. 

**)  di  Vestea,  De  piu  recenti  studii  circa  la  natura  dei  Virus  rabido.  Giorn. 
italiano  de  Sc.  Medic.  1903,  no.  6—7. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    IT,  2  3.  16 


—     242     — 

40 )  di  Vcstea,  Ulteriori  osservazioni  circa  la  filtrabilita  del  virus  rabido.    La 
Medicina  ital.    1904,  no.  13. 

41)  Volpino,  Sopra  alcuni  riperti  morfologici  nelle  cellule  nevrose  di  animali 
affetti  di  rabbia  sperimentale.    Riv.  d'Igiene  e  san.  publ.  1903,  1   April. 

4a)  Volpino,  Sulla  fine  strattura  del  corpi  di  Negri  nella  rabbia.    Gazz.  med. 

Ital.  1904,  no.  13. 
43j  Volpino,    Sulla   diagnosi   estologica  della  rabbia.    Riv.   d'Igiene  e  san. 

publ.    1904,  Bd.  15. 
■")  Volpino,   Su  alcune   modificazioni  che  presenteno  i  corpusculi   contenuti 

neir  interno  dei  corpi  di  Negri.    Ibidem,  Bd.  16. 
45)  Volpino,    Sulla   struttura   dei   corpuscoli   contenti   nelF  interno  dei  corpi 

di  Negri.    Ibidem,  1905,  Bd.  16. 
4C)  Volpino,    Sulla  struttura  dei  corpi  descritti  di  Negri  nella  rabbia.    Arch. 

per  le  sc.  med.  1904,  Bd.  28. 
47 )  Volpino,   Über   die  Bedeutung   der   in   den  N.  K.   enthaltenen   Innenkör- 

perchen  und  ihren  wahrscheinlichen  Entwicklungsgang.    C.  f.  B.  Ref.  Bd.  37. 
**)  A.  Willains,  Negri  bodies  with  special  reference  to  diagnosis.  Proceed.  of 

the  N.  Y.  patholog.  Society.    1905,  Bd.  5. 

49)  A.  Williams   und  Lowden,   The  Journal   of  infectious   diseases.    1906, 
no.  8,  Bd.  3. 

50)  Zaccaria,  Sulla  presenza  e  distributione  dei  corpi  di  Negri  in  un  casa  di 
rabbia  umana.    Ann.  d'Igiene  speriment.     1905,  Bd.  15. 

bi)  Henke   und   Zeller,    Zentralblatt    f.   pathol.    Anatomie   u.   allg.   Pathol. 
1905,  Nr.  2. 

Erklärung  der  Tafel  III. 

Schnitt  aus  dem  Ammonshorn  eines  tollwutkranken  Hundes.  Färbung 
nach  Mann.  Negri  sehe  Körperchen  rot.  Zeiß,  Apochr.  2  mm,  Komp.-Ok.  8. 
Nach  der  Natur  gezeichnet. 


Allgemeine  Bakteriologie. 

Winslow,  C.  E.  A.,  u.  Rogers,  A.  F.,  A  Statistical  study  of  general 
characters  in  the  Coccaceae. 
(The  Journ.  of  Infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  S.  485—546.) 

Verff.  haben  versucht,  ein  natürliches  System  der  Coccaceae 
mit  Hilfe  der  statistischen  Methode  aufzustellen.  Gewisse 
morphologische  und  biologische  Charaktere,  die  bisher  als  Merkmale  der 
Art  galten,  sind  nicht  konstant,  sondern  unter  den  verschiedensten  äußeren 
Einflüssen  variabel.  Die  Verff.  haben  daher  unter  500  von  ihnen  isolierten 
Kokkenarten  auf  Grund  der  statistischen  Methode  zwei  Familien  und  fünf 
Arten  aufzustellen  vermocht,  deren  Glieder  sich  durch  Konstanz  genereller 


—     243     — 

Merkmale   auszeichnen.    Das   natürliche   System   der   Verff.   ist   hiernach 
folgendes : 

Familie  Coccaceae. 
I.  Unter-Familie:  Paracoccaceae  (Winslow  und  Rogers). 
Genus  1.   Diplococcus  (Weichselbaum). 

Hierzu   gehört:    D.  pneumoniae  (Weich.),    D.  weichselbaumii 
(Trev.)  und  D.  gonorrhoeae  (Neißer). 
Genus  2.    Streptococcus  (Billroth). 

Hierzu  gehört:   St.  erysipelatos  (Fehleisen). 
Genus  3.    Aurococcus,  n.  g. 

Hierzu  gehört:   A.  aureus  (Rosenbach). 
GenuB  4.   Albococcus,  n.  g. 

Hierzu    gehört:     A.   pyogenes    (Rosenbach),    A.   rhenanus 
(Migula),  A.  candicans  (Flügge)  und  A.  canescens  (Migula). 

II   Unter-Familie:   Metacoccaceae  (Winslow  und  Rogers). 
Genus  5.   Micrococcus  (Hallier). 

Hierzugehört:  M.  orbicularis  (Ravenel),  M.  luteus  (Schröter) 

Cohn  und  M.  ochraceus  (Rosenthal). 
Genus  6.   Sarcina  (Goodsir). 

Hierzu  gehört :  S.  ventriculi  (G  o  o  d  s  i  r),  S.  aurantiaca  (F 1  ü  g  g  e), 

S.  subflava  (Ravenel),  S.  tetragena  (Mendoza)  Mig. 
Genus  7.   Rhodococcus,  n.  g.  (Saprophyten).  ' 

Hierzu  gehört:  R.  cinnabareus  (Flügge),  R  roseus  (Flügge), 

R.  fulvus  (Cohn),  R.  agilis  (Ali  Cohen),  R.  rosaceus  (Lindner) 

und  R.  incarnatus  (Gruber). 

Betr.  die  nähere  Charakteristik  siehe  Original.       Kaestner  (Berlin). 

Buxton,  B.  H.,  u.  Torrey,  J.  C,  Studie s  in  absorption. 
(The  Journ.  of  Medical  Research,  1906,  8.  5—73.) 

Verff.  haben  über  die  Absorptionsverhältnisse  innerhalb  der 
Bauchhöhle  Untersuchungen  an  Meerschweinchen  und  Kaninchen  an- 
gestellt, indem  sie  den  Tieren  schwarze  Tusche,  rote  Blutkörperchen  von 
Hühnern  und  Typhusbazillensuspensionen  intraperitoneal  einverleibten. 

Hinsichtlich  der  Absorption  der  amorphen  Partikel  der  Tusche 
ergab  sich,  daß  sie  besonders  von  den  polynukleären  Zellen  (Mikrophagen) 
aufgenommen  werden,  während  die  großen  mononnkleären  Zellen  (Makro- 
phagen) sich  vorzugsweise  der  Körperzellen  bemächtigen.  In  den  Organen, 
Milz  und  Leber,  wird  Tusche  erst  nach  zwei  Stunden  in  merkbarer  Menge, 
und  zwar  in  freier  Form  vorgefunden.  Nach  4  Stunden  findet  sie  sich  inner- 
halb der  Leukozyten,  und  die  Milz  ist  dann  mit  schwarzem  Pigment  über- 
schwemmt. Nach  gewissen  Perioden,  nach  6  und  24  Stunden  usw.,  ist 
immer  eine   vorübergehende  Abnahme    des  Pigmentgehaltes  wahrnehmbar. 

Nach  Einverleibung  von  Typhusbazillen  ergab  sich  folgendes: 

IG* 


—     244     — 

1.  Die  Typhusbazillen  können  zum  größten  Teil  der  Vernichtung  sofort 
anheimfallen,  bo  daß  nur  wenige  oder  gar  keine  zu  den  Organen  gelangen. 

2.  Die  Vernichtung  kann  auch  langsamer,  etwa  während  der  Dauer  einer 
Stunde  nach  der  Impfung  erfolgen. 

3.  Im  letzteren  Falle  finden  große  Mengen  der  Bazillen  fast  augenblicklich 
ihren  Weg  in  die  Blutbahn,  worauf  sie  s*  fort  in  den  verschiedenen  Organen 
abgelagert  werden. 

4.  Die  einzelnen  Organe  haben  eine  sehr  verschiedene  Fähigkeit,  die 
Bazillen  zurückzuhalten;  die  Leber  wird  am  meisten  überschwemmt. 

5.  Die  Zahl  der  Bazillen  in  den  Organen  nimmt  rapide  nach  Ablauf  der 
ersten  Minuten  ab  und  steigt  erst  wieder  nach  etwa  zwei  Stunden. 

6.  Während  der  zweiten  bis  sechsten  Stunde  erfolgt  eine  bedeutende 
Zunahme  der  Bazillen,  wahrscheinlich  infolge  Erschöpfung  der  bakteriziden 
Tätigkeit  der  Körpersäfte. 

7.  Während  der  6.  bis  24.  Stunde  erfolgt  wieder  eine  Abnahme  der 
Bazillen,  und  zwar  in  rapider  Weise  in  der  Leber,  langsamer  in  der  Milz.  Diese 
zweite  Periode  der  Abnahme  ist  wahrscheinlich  der  Wirkung  der  Phagozyten 
zuzuschreiben,  möglicherweise  auch  der  Wiederherstellung  der  bakteriziden 
Kräfte. 

8.  Weder  der  Harn  noch  die  Galle  scheint  für  die  Ausscheidung  der 
Bazillen  in  Betracht  zu  kommen. 

Die  Rolle  des  Zwerchfells  bei  der  Absorption  läßt  sich  in 
folgenden  Sätzen  kennzeichnen: 

1.  Nach  intraperitonealer  Injektion  amorpher  Partikel  in  Suspension 
dringen  diese  unmittelbar  in  die  Lymphapparate  des  Zwerchfells  ein. 

2.  Von  dem  Zwerchfell  werden  die  Partikel  auf  dem  Wege  der  vorderen 
mediastinalen  Lymphdrttsenstränge  und  Lymphdrüsen  dem  Ductus  thoracicua 
zugeführt  und  gelangen  so,  fast  unmittelbar  nach  der  Injektion  in  die  Blutbahn. 

3.  Die  Partikel  sind  innerhalb  der  Bauchhöhle  zuerst  frei  und  werden 
später  von  Phagozyten  aufgenommen. 

4.  In  den  vorderen  Mittelfeilymphdrüsen  erfolgt  die  Phagozytose  durch 
die  Makrophagen  (mononukleäre  Zellen),  während  die  polynukleären  Zellen 
(Mikrophagen)  hierhei  nur  eine  Nebenrolle  spielen.  Dieses  gilt  nicht  nur  mit 
Bezug   auf  amorphe  Partikel   und  Körperzellen,   sondern   auch  auf  Bakterien. 

Verhalten  des  Netzes  bei  der  Absorption: 

1.  Fast  unmittelbar  nach  der  intraperitonealen  Einverleibung  amorpher 
Partikel  lagert  sich  auf  der  Oberfläche  des  Netzes  Fibrin  ab,  in  dessen  Masse 
Partikel  und  Phagozyten  eingeschlossen  werden. 

2.  Die  Makrophagen  bemächtigen  sich  sofort  der  Partikel  und  sind  von 
ihnen  schon  innerhalb  10  Minuten  erfüllt,  von  roten  Vogelblutkörperchen  erst 
in  etwa  einer  Stunde. 

3.  Falls  sich  die  Makrophagen  nicht  überladen  haben,  dringen  sie  in 
das  Gewebe  ein  und  werden  zu  Zellen  mit  langen  ästigen  Ausläufern  (trailers 
oder  Klasmatozyten  Ranviers). 

4.  Sofern  die  Partikel  verdaulich  sind  (Vogelblutzellen),  werden  sie 
schnell  verdaut. 


—     245     — 

5.  Unverdauliche  Partikel  (Tusche)  verbleiben  in  den  Makrophagen  und 
„trauert  monatelang. 

6.  Auch  auf  dem  Omentum  sind  die  Phagozyten  vorzugsweise  Makrophagen, 
während  die  polynukleären  Zellen  nur  eine  nebensächliche  Bedeutung  haben. 

Verhalten  des  Netzes  bei  der  Absorption  von  Typhus- 
bazillen, die  intraperitoneal  eingeführt  wurden: 

1.  Die  Bazillen  werden  in  ungeheurer  Zahl  auf  der  Oberfläche  des 
Netzes  fixiert 

2.  Einige  liegen  frei  in  dem  Fibrinniederschlag,  andere  über  die  Oberfläche 
der  sogenannten  „Milchflecke"  (Vorstufen  sich  neu  bildender  Kapillarnetze)  des 
Netzes  verteilt 

3.  Einige  sind  auch  in  Makrophagen  enthalten. 

4.  Die  Bazillen  können  rapider  Vernichtung,  sei  es  extrazellulär,  sei  es 
intrazellulär,  anheimfallen  oder  teilweise  einige  Zeit  intakt  bleiben. 

Auch  den  Typhusbazillen  gegenüber  haben  die  Makrophagen  vorzugs- 
weise die  Aufgabe  der  Phagozytose,  können  aber  hierbei  der  Unterstützung 
seitens  der  polynukleären  Zellen  nicht  entraten. 

Der  Arbeit  sind  außerordentlich  instruktive  Photogramme  und  Zeich- 
nungen beigefügt.  Kaestner  (Berlin). 

Angelis,  D.  de,  Etüde  de  la  flore  microbienne  des  cavite's  nasales 
du  cheval. 
(Recueil  de  med.  vet ,  Bd.  83,  1906,  S.  31—35.) 

Bei  10  Pferden  fanden  sich  10 mal  Streptokokken,  lOmal  Staphylo- 
kokken, 3  mal  Kokkobazillen,  8  mal  Heubazillen,  3  mal  Streptobazillen  und 
4  mal  Schimmelpilze.  Die  Streptokokken  and  Staphylokokken  waren  wenig 
pathogen  für  die  kleinen  Versuchstiere. 

Pferde  dagegen  reagierten  sowohl  lokal  als  auch  allgemein  auf  die 
Einverleibung  beider  Bakterienai  ten,  erlangten  indessen  selbst  nach  wieder- 
holter Vorbehandlung  mit  denselben  keine  Immunität.       Junaek  (Breslau). 

Seiter,  H.,  Bakterien  im  gesunden  Körpergewebe  und  deren  Ein- 
trittspforten. 
(Zcitschr.  f.  Hygiene  n.  Infektionskrankh.,  Bd.  54,  1906,  8.  363—384.) 

Leber,  Milz,  Nieren  und  das  Blut  sind  unter  normalen  Verhältnissen 
keimfrei.  Die  Darmschleimhaut  und  die  Haut  sind  nicht  undurchlässig  für 
Bakterien,  die  in  den  Mesenterial-  und  Hautlymphdrüsen  zurückgehalten 
werden.  Die  Drüsen  bilden  ein  Bollwerk  gegen  das  Blut  und  die  übrigen 
Organe. 

Die  Lungen  sind  nicht  immer  keimfrei:  Starke  Inspirationen  ver- 
mögen Tröpfchen  mit  Mikroorganismen  in  die  Lungen  zu  tragen,  desgleichen 
können  Keime  bei  der  Nahrungsaufnahme  in  die  Lungen  und  von  dort  in 
die  bronchialen  Lymphdrüsen  gelangen.  Bvgge  (KM). 


—     246     — 

Bau,  O.,  Morphologische  Veränderungen  der  Bakterien  im  Tier- 
körper. 

(Wiener  klin.  Wochenschr.,  19.  Jahrg.,  1906,  S.  1278—1281.) 
Wenn  man  Meerschweinchen  intraperitoneal  kleine  Mengen  Milzbrand- 
bazillen ans  Kulturen  injiziert,  so  verschwinden  diese  zunächst  rasch,  um 
nach  einiger  Zeit  in  einer  anderen  Form,  als  sie  die  injizierten  Kultur- 
bazillen besaßen,  im  Peritoneum  wieder  zu  erscheinen.  Sie  sind  in  allen 
Dimensionen  größer  geworden,  färben  sich  intensiv  und  sind  von  einer 
Kapsel  umgeben.  Überträgt  man  solche  „tierische"  Bazillen  auf  andere 
Versuchstiere,  so  töten  sie  diese  schneller  als  „Kulturbazillen".  Die  Ver- 
abreichung von  Bakteriensubstanz  in  größerer  Menge  (auch  von  Bakterien- 
extrakten) beschleunigt  die  Ausbildung  der  „tierischen"  Form  der  Bazillen, 
wobei  ihr  Verschwinden  in  den  ersten  Infektionsstunden  viel  weniger 
in  die  Erscheinung  tritt.  Die  Methoden  der  Vermehrung  der  Bazillen  sind 
solche,  die  geeignet  sind,  Komplement  zu  binden.  An  die  erwähnten  Be- 
obachtungen werden  vom  Verf.  theoretische  Erörterungen  geknüpft.      J. 

Weleminsky,  F.,  Über  Züchtung  von  Mikroorganismen  in  strömen- 
den Nährböden. 

(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  1.  Abt.,  Orig.,  Bd.  52,  1906,  S.  280  n.  376.) 
Es  ist  für  die  Mikroorganismen  durchaus  nicht  gleichgültig,  ob  sie 
in  der  Ruhe  (gewöhnliche  Kultur)  oder  in  fließendem  Medium  (Blut 
Wasserlauf)  sich  entwickeln.  Angabe  mehrerer  Apparate  zur  Erzeugung, 
der  Strömung.  Aktinomyzes  und  Tuberkulose  wachsen  minimal  im  strömen- 
den Nährboden,  Anthrax,  Schweineseuche,  Streptokokken  sehr  reichlich, 
aber  anscheinend  mit  Neigung  zu  schneller  Degeneration. 

E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 
Ruediger,  0.  F.,  The  cause  of  green  coloration  of  bacterial  colonies 
in  blood  agar  plates. 

(The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  S.  663-665.) 
Die   Grünfärbung   von   Bakterienkolonien    auf  Blutagar   ist   zurück- 
zuführen  auf  Bildung   von  Säure   (wahrscheinlich  Milchsäure)   und  deren 
Einwirkung   auf  die  roten  Blutkörperchen.    B.  coli  communis  erzeugt  auf 
Blutagar  starke  Hämolyse.  Kaestner  {Berlin). 

Graham-Smith,  Diphtheria  and  Diphtheria-like  Bacilli. 
(The  Journ.  of  Hygiene,  Vol.  6,  1906,  S.  286—295.) 
Versuch  zur  Unterscheidung   von  Diphtherie-   und  Pseudodiphtherie- 
bazillen  durch  ihr   biologisches  Verhalten   in  zucker-  und  kohlehydrathal- 
tigen  Nährböden.  Kaestner  (Berlin). 

Caminiti,  R.,  Sulla  Stafilolisina. 
(Riforma  Medica,  Nr.  40,  1904.) 
C.  gibt  eine  Darstellung  der  Ehrl  ich  sehen  Seitenkettentheorie,  ehe 
er  auf  seine    eigenen  Versuche  eingeht,    in  denen  er  zeigt,   daß  die  hä- 


—     247     — 

molytißche  Kraft  des  Staphylococcus  pyogenes  aureus  sich  mit 
der  gesteigerten  Virulenz  der  Kokken  ändert  and  daß  die  Hä- 
molyse  im  direkten  Verhältnis  zur  Virulenz  der  Keime  steht. 

Pfeiler  (Berlin). 

Wolff-Eisner,  A.,  Über  Komponenten  des  Tetanustoxins  bei  An- 
wendung von  wasserfreiem  Salzsäuregas  bei  der  Tem- 
peratur der  flüssigen  Luft. 

(Miinch.  med.  Wochenschr.,  53.  Jahrg.,  1906,  S.  2145—2147.) 
Verf.  gelang  es,  mit  der  Methode  von  Bergell  (Einwirkenlassen  von 
wasserfreiem  Salzsäuregas   bei   der  Temperatur   der  flüssigen  Luft)  beim 
Tetanustoxin   die   todbringende    Wirkung   von   der  krampferregenden   zu 
trennen.  J. 

Rolly,  Experimentelle  Untersuchungen  über  das  biologische  Ver- 
halten der  Bakterien  im  Dickdarm. 
(Deutsche  med.  Wochenschr.,  32.  Jahrg.,  1906,  8.  1733—1737.) 
„Die  Tätigkeit  des  normalen  Dickdarmes   ist  imstande,   teils  durch 
Elimination,  teils  vielleicht  durch  direkte  Tötung  die  ihm  fremden  Bazillen 
wegzuschaffen  und  wieder   die  normale  Dickdarmflora  herzustellen."    Bei 
einer  Erkrankung  der  Dickdarmschleimhaut  jedoch  kann  sich  eine  abnorme 
Bakterienvegetation  entwickeln.  J. 


Infektionskrankheiten. 

Enders,  Beiträge  zur  Kenntnis  und  zur  Differentialdiagnose  der 
pektoralen  Form  der  Schweineseuche. 
(Bert,  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  S.  867-870.) 
Der  Verf.  nimmt  auf  Grund  der  von  ihm  gesammelten  Erfahrungen 
den  Standpunkt  ein,  daß  das  pathologisch-anatomische  Bild  der  Schweine- 
seuche ein  wechselndes  ist,  und  daß 

„1.  die  katarrhalische  Form  der  Lungenentzündung  bei  Schweineseuche 

heute  die  Regel  ist; 
2.  daß  es  spezifische,  infektiöse,  nach  den  bakteriologischen  Ergeb- 
nissen unzweifelhaft  der  Schweineseuche  zugehörige  Pleuritiden 
ohne  Pneumonie  und  umgekehrt  Schweineseuche  -  Pneumonien 
katarrhalischer  Natur  ohne  jedwede  Miterkrankung  der  Pleura  gibt. 
Schweineseuche  kann  in  Form  ausschließlicher  Erkrankung  des 
Brustfelles  verlaufen  und  braucht  keineswegs  mit  einer  Lungenent- 
zündung vergesellschaftet  zu  sein. 

Fälle  als  Schweineseuche  nur  dann  anzusprechen,  wenn  sie  das 
Bild  einer  kruppösen  Pneumonie  zeigen,  halteich  veterinärpolizei- 
lich für  bedenklich  und  verhängnisvoll. " 


—     248     — 

Diese  Sätze  treffen  im  allgemeinen  vollständig  zu,  stellen  aber  keines- 
wegs neue  Tatsachen  fest.  Ich  habe  in  meiner  im  Frühjahr  dieses  Jahres 
erschienenen  Monographie  die  verschiedenen  anatomischen  Formen,  unter 
denen  die  pektorale  Schweineseuche  auftreten  kann,  des  Näheren  beschrieben, 
wobei  auch  die  Punkte,  auf  die  der  Verf.  in  vorstehenden  Sätzen  hinweist, 
eingehend  erörtert  worden  sind.  —  E.  betont,  daß  die  „katarrhalische"  Form 
der  Lungenentzündung  heute  die  Regel  ist.  Demgegenüber  ist  jedoch  zu 
bemerken,  daß  die  gewöhnlich  mit  diesem  Namen  belegte  chronische 
Schweineseuchepneumonie,  histologisch  betrachtet,  in  der  Regel  nicht  den 
Charakter  einer  katarrhalischen,  sondern  einer  zelligen,  granulierenden 
Entzündung  besitzt. 

Ohne  auf  die  von  E.  gegebene,  zum  Teil  nicht  ganz  klare  nähere 
Schilderung  der  pathologisch-anatomischen  Verhältnisse  einzugehen,  möchte 
ich  noch  bemerken,  daß  mir  die  von  E.  mit  Bezug  auf  die  Differential- 
diagnose erwähnte,  als  Katarrhalpneumonie  bezeichnete  „Erkältungs- 
pneumonie'', die  „namentlich  bei  jungen,  in  kalten  Ställen  aufgestellten 
Schweinen  oder  bei  Tieren,  welche  besonders  im  Herbst  und  Winter  auf 
Märkten  und  Eisenbahntransporten  von  den  Unbilden  naßkalter  Witterung 
betroffen  werden,  beobachtet  wird"  und  die  „geradezu  einen  enzootischen 
Charakter"  annehmen  kann,  zur  Schweineseuche  zu  gehören  scheint.  Wir 
wissen  ja,  daß  die  chronische  Schweineseuche  sehr  oft  verhältnismäßig 
gutartig  verläuft,  solange  die  erkrankten  Tiere  unter  günstigen  Verhält- 
nissen gebalten  werden,  daß  aber  die  Krankheit  sich  bei  diesen  Tieren 
verschlimmert  und  häufig  bösartig  wird,  sobald .  sie  schädigenden  Einflüssen 
(Kälte,  Nässe,  Transporten)  ausgesetzt  werden.  Auf  diese  Weise  dürfte 
sich  auch  die  „Erkältungspneumonie"  und  deren  „enzootischer  Charakter" 
erklären.  Der  vom  Verf.  angeführte,  mit  negativem  Erfolg  bakteriologisch 
untersuchte  Fall  von  „Erkältungspneumonie"  beweist  keineswegs,  daß  keine 
Schweineseuche  vorlag:  denn  die  bakteriologische  Untersuchung  kann  bei 
der  Diagnose  der  chronischen  Schweineseuche  nicht  als  ausschlaggebend 
angesehen  werden.  Von  Junack  und  mir  ist  festgestellt  worden,  daß  hier 
auch  eine  genaue  bakteriologische  Untersuchung  (Kultur  und  Tierversuch) 
des  veränderten  Lungengewebes  in  einer  gewissen  Zahl  von  Fällen  nicht 
zum  Ziele  führt,  weil  die  Zahl  und  die  Virulenz  der  vorhandenen  Schwein e- 
seucbebakterien  zu  gering  sind.  Um  einen  solchen  Fall  dürfte  es  sich,  zu- 
mal alle  übrigen  Umstände,  die  Verf.  anführt,  für  Schweineseuche  sprechen, 
auch  in  dem  von  ihm  erwähnten  Beispiel  gehandelt  haben.  Die  Tatsache, 
daß  in  einer  gewissen  Zahl  der  Fälle  von  typischer  chronischer  Schweine- 
seuche der  Bacillus  suisepticus  nicht  nachgewiesen  werden  kann,  sollte  die 
Sachverständigen  mahnen,  mit  der  Diagnose  von  „Erkältungspneumonien" 
beim  Schwein  auch  bei  bakteriologischer  Untersuchung  sehr  vorsichtig 
zu  sein.  Joe  st. 


—     249     — 

Koske,  F.,  Untersuchungen  aber  Schweinepest. 

(Arb.  a.  d.  Kais.  Gesundheitsamt,  Bd.  24,  1906,  S.  305—345.) 

Die  Veröffentlichungen  von  Dorset,  Bolton  u.  McBryde  über  das 
Virus  der  perakuten  Form  der  amerikanischen  Schweinepest  waren  für  K. 
Veranlassung,  Versuche  mit  dem  Filtrat  des  Blutes  eines  an  Schweinepest 
akut  eingegangenen  Schweines  anzustellen.  Auf  Grund  des  negativen 
Ergebnisses  derselben  ist  er  geneigt,  anzunehmen,  daß  die  von  den 
amerikanischen  Autoren  beobachtete  Krankheit  eine  Seuche 
sui  generis  sei,  die  sich  mit  der  Schweinepest  komplizieren 
kann,  daß  aber  als  der  Erreger  der  in  Deutschland  vor- 
kommenden Schweinepest  der  B.  suipestifer  angesehen  werden 
muß.  Von  den  morphologischen  und  biologischen  Eigenschaften  des 
letzteren  folgt  eine  eingehende  Schilderung,  aus  der  hervorzuheben  ist, 
daß  Schweinepeßtbakterien  sich  im  1  m  tief  vergrabenen  Ferkelkadaver 
bis  zu  160  Tagen  lebensfähig  zu  erhalten  vermögen. 

Zur  Herstellung  von  Immunserum  erwies  sich  der  Esel  sehr 
geeignet.  Diese  Versuche  wurden  nur  mit  einem  einzigen  Bakterienstamm 
vorgenommen,  da  sich  bei  früheren  Versuchen  des  Verf.  über  Schweine- 
seuche herausgestellt  hatte,  daß  erhebliche  Unterschiede  in  der  Agglu- 
tinations-  und  Schutzwirkung  zwischen  monovalenten  und  polyvalenten 
Seris  nicht  bestehen.  Das  Koske  sehe  Serum  vermochte  zwar  bei  nach- 
folgender Infektion,  ebenso  wie  die  zum  Vergleich  herangezogenen,  im 
Handel  befindlichen  Schweinepestsera,  mit  Ausnahme  des  Jeß-Pior- 
kowski8chen,  die  Versuchstiere  vor  dem  Tode,  aber  nicht  vor  einer 
Entwicklungshemmung  zu  schützen.  Dagegen  glaubt  K.,  daß  eine  ge- 
nügende Schutzwirkung  durch  Verbindung  der  passiven  mit  der  aktiven 
Immunisierung  zu  erreichen  sein  wird.  Eine  aktive  Immunisierung  läßt 
sich,  ähnlich  wie  des  Verf.  Versuche  über  Schweineseuche  ergeben  haben, 
in  der  Weise  erzielen,  daß  den  Ferkeln  zunächst  0,5  cem  20  Minuten  bei 
60°  abgetöteter  24  stündiger  Bouillonkultur  in  die  Bauchhöhle  und  7  Tage 
darauf  1,0  cem  lebender  Bonillonkultur  in  die  Muskulatur  der  Innenfläche 
eines  Hinterschenkels  eingespritzt  wird.  Grabert  (Berlin}. 

Hutyra,  Zur  Ätiologie  der  Schweinepest  und  Schweineseuche. 
(Bert,  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  8.  607—610.) 
Angeregt  durch  die  Untersuchungen  amerikanischer  Autoren  über 
die  Filtrierbarkeit  des  Ansteckungsstoffes  der  Hogcholera,  hat  Verf.  einige 
Versuche  mit  dem  filtrierten  Blut  und  Lungensaft  eines  wegen  akuter 
SchweineBeuchepneumonie  notgeschlachteten  Schweines  angestellt.  Nach 
den  Ergebnissen  dieser  Versuche  glaubt  Verf.  die  Möglichkeit,  daß  auch 
der  Ansteckungsstoff  der  Schweineseuche  ultravisibel  und  filtrierbar  sei, 
und  der  Bac.  suisepticus  nur  eine  sekundäre  Bolle  spiele,  nicht  außer  acht 
lassen  zu  sollen.  Bierbaum  (Berlin). 


—    250    — 

Ostertag,   Ist   das  Virus  der  Scbweineseuche  und  der  Schweine- 
pest filtrierbar? 
(Berl.  tierärztl.  Wochenschr.,  Nr.  34,  1906,  S.  623—626.) 

Gegenüber  der  von  Hntyra  aufgeworfenen  Frage,  ob  nicht  vielleicht 
auch  das  Virus  der  Schweineseuche  filtrierbar  sei*),  weist  Verf.  auf  die 
von  ihm  mit  filtriertem  Lungensaft  scbweineseuchekranker  Ferkel  an- 
gestellten, negativ  verlaufenen  Infektionsversuche  hin.  Die  Versuche 
Hutyras  hält  0.  nicht  für  beweiskräftig,  da  sie  wahrscheinlich  mit 
Schweinepestmaterial  angestellt  worden  sind.  Es  gelang  0.,  mit  dem  aus 
Amerika  stammenden  filtrierten  und  unfiltrierten  Blutserum  eines  an  Hog- 
cholera  gestorbenen  Schweines,  eine  der  perakuten  Schweinepest  ähnliche 
Septikämie  zu  erzeugen.  Schweine,  die  zu  einem  künstlich  mit  Hogcholera 
infizierten  und  septikämisch  erkrankten  Tier  gesetzt  wurden,  erkrankten 
unter  den  typischen  Erscheinungen  der  Schweinepest.     Bierbaum  (Berlin}. 

Theiler,    Die    Schweinepest    und    die    Schweineseuche    in    Süd- 
afrika. 
(Fortschr.  der  Veterinärhyg.,  1906,  S.  121-128.) 

Die  klinischen  und  anatomischen  Erscheinungen  sind  bei  der  süd- 
afrikanischen Schweinepest  dieselben  wie  bei  der  europäischen  und  ameri- 
kanischen. Es  gelang  dem  Verf.  nicht,  in  Südafrika  den  Bac.  suipestifer, 
den  er  auch  nicht  für  den  Erreger  der  dortigen  Schweinepest  hält,  nach- 
zuweisen. Der  Verf.  vermochte  jedoch,  durch  Blutinjektion  die  Krankheit 
zu  tibertragen.  Schweineseuche  allein  fand  Verf.  nur  in  einem  Falle,  sonst 
immer  in  Gesellschaft  mit  Schweinepest;  den  Bac.  suisepticus  sieht  er 
daher  für  einen  Saprophyten  an,  der  nur  unter  besonderen  Bedingungen 
virulent  wird.  Resow  (Frankfurt  a.  Oj. 

Weber,  A.,  Die  Infektion  des  Menschen  mit  den  Tuberkelbazillen 
des  Rindes  (Perlsuchtbazillen). 
Deutsche  med.  Wochenschr.,  32.  Jahrg.,  1906,  1980—1984.) 
„Die    Tuberkulose    des  Menschen   ist   keine    ätiologisch    einheitliche 
Erkrankung,    es   kommen   vielmehr   für  sie  zwei  einander  allerdings  sehr 
nahestehende    Krankheitserreger    in    Betracht,    die    Bazillen    des    Typus 
liumanus,    die   eigentlichen  Erreger  der  menschlichen  Tuberkulose  und  die 
Bazillen  des  Typus  bovinus,  die  Erreger  der  Tuberkulose  des  Rindes,  der 
Perlsucht,    Die  Perlsuchtinfektion   spielt   jedoch    im  Vergleich  zu  der  In- 
fektion  mit   menschlichen  Tuberkelbazillen   eine   nur   geringe  Rolle.     Sie 
macht  nur  einen  Teil  derjenigen  Formen  von  Tuberkulose  aus,  deren  Ein- 
gangspforte  im  Verdauungskanal  zu  suchen  ist,    der  primären  Darm-  und 
Mesenterialdrüsen-,  sowie  der  Halsdrtisentuberkulose,  und  zwar  vorzugsweise 


*)  Vgl.  das  vorhergehende  Referat. 


—     251     — 

nur  im  Kindesalter;  sie  ist  insofern  auch  von  geringerer  Bedeutung,  als 
die  Möglichkeit  einer  weiteren  Übertragung  von  Mensch  zu  Mensch  bei 
ihr  eine  sehr  geringe  ist;  bisher  ist  eine  solche  überhaupt  noch  nicht  be- 
obachtet worden."  J. 

Eisenmann,   Des   l£sions   occasionnees   par  le  rouget  chronique 
du  porc. 
(Jonrn.  de  med.  vet.,  1906,  S.  530-538  u.  677—588.) 

Verf.  untersuchte  die  Folgen  des  chronischen  Rotlaufs  bei  28,  teils 
durch  natürliche  Ansteckung  erkrankten,  teils  geimpften  Schweinen  ana- 
tomisch, histologisch  und  bakteriologisch  und  fand  13mal  Endocarditis 
verrucosa,  11  mal  deformierende  Arthritis,  6mal  Hepatitis  oder  Nekrose  der 
Leber,  7mal  Gastritis,  lOmal  Enteritis,  7mal  Veränderungen  der  Haut 
(Rötung,  Blasenbildung,  Borstenfäule),  5mal  Perikarditis,  4mal  Bronchitis, 
6mal  Pneumonie,  3mal  Pleuritis,  2mal  Peritonitis,  2mal  Milztumor,  lmal 
Schwellung  der  Speicheldrüsen,  3mal  Nephritis,  lmal  Hämorrhagien  der 
Pia  und  häufig  Schwellung  der  Lymphdrüsen.         Resow  (Frankfurt  a.  0.). 

Rabinowitsch,  L.,    Neuere   experimentelle   Untersuchungen   über 

Tuberkulose. 

(Deutsche  med.  Wochenschr.,  32.  Jahrg,  1906,  S.  1809—1811.) 
Die  angestellten  Untersuchungen  haben  nach  der  Verfn.  ergeben,  daß 
sich  nicht  nur  beim  Menschen,  sondern  auch  beim  Rind  Tuberkelbazillen 
finden,  die  in  bezug  auf  ihr  kulturelles  Verhalten  und  ihre  Virulenz  einer- 
seits den  menschlichen,  andererseits  den  Rindertuberkelbazillen  entsprechen. 
Verfn.  gewann  aus  „tuberkulösen  Milchproben"  vom  Rind  Tb.,  die  kul- 
turell und  in  ihrer  Virulenz  nicht  von  menschlichen  Tb.  abwichen.  Sie 
ist  der  Ansicht,  daß,  falls  wir  die  Herkunft  der  Tb.  nach  ihren  kulturellen 
Eigenschaften  und  ihrer  Virulenz  zu  bestimmen  uns  für  berechtigt  halten, 
die  Rindertuberkulose  auf  den  Menschen  und  die  menschliche  Tuberkulose 
auf  das  Rind  als  übertragbar  gelten  muß.*)  Verfn.  glaubt  ferner,  daß  der 
einzelnen  Tierspezies  keine  besondere  Disposition  für  die  eine  oder  andere 
Tuberkelbazillenform  eigen  ist,    sondern   daß   die  Gelegenheit  entscheidet, 


*)  Der  Befund  von  Tb.  mit  den  Eigenschaften  der  menschlichen  Tb.  (und 
auch  mit  den  Eigenschaften  von  „Übergangsformen ")  in  der  Kuhmilch  würde 
nur  dann  als  beweiskräftig  im  angegebenen  Sinne  gelten  können,  wenn  die 
Milch  unter  Kautelen  gewonnen  wurde,  die  die  Möglichkeit  einer  zufälligen 
Verunreinigung  ausschlössen.  Über  die  Gewinnung  der  „tuberkulösen  Milch- 
proben" gibt  Verfn.  indessen  nichts  an.  —  Die  Frage,  ob  menschliche  Tb.  als 
Erreger  spontaner  Tuberkulose  des  Rindes  in  Frage  kommen,  kann  einwand- 
frei nur  durch  Untersuchung  von  spontan  tuberkulös  erkranktem  Gewebe  des 
Rindes  beantwortet  werden.  Joest. 


—    252    — 

mit  welcher  Form  sich  ein  Individuum  infiziert.  (Beispiel:  Papageien,  die 
je  nach  der  Infektionsgelegenheit  bald  mit  menschlichen  Tb.,  bald  mit 
Geflügeltb.  infiziert  gefunden  werden.)  J. 

Aujeszky,  A.,    Experimentelle  Untersuchungen   mit   dem  bei  37° 
gezüchteten  Fischtuberkelbazillus  Dubard. 
(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  I.  Abt.,  Orig.,  Bd.  52,  1906,  S.  392.) 
Um  den  Fischtuberkelbazillus  für  Meerschweinchen  virulent  zu  machen, 
genügt   schon  —  ohne   vorherige   Tierpassage  —  allmählich   eingeleitete 
Gewöhnung   an   die  Temperatur   von  37°;    Ratten,  Mäuse   und  Kaninchen 
erlagen  ebenfalls  der  Infektion.  Tauben  und  Hühner  blieben  refraktär,  ebenso 
zwei  Kälber.    Ein  subkutan  geimpftes  Kalb  bekam  einen  lokalen  Abszeß. 
Die  von  den  Meerschweinchen  wieder  gezüchteten  Tuberkelbazillen  zeigten 
die  Morphologie  der  Warmblütertuberkulose  und  waren  bei  Zimmertempera- 
tur nicht  mehr  züchtbar.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  M.j 

Smith,  Th.9   Note  on  the  stability  of   the    cultural   characters  of 

tubercle    bacilli    with    special    reference    to    the    pro- 

duction  of  capsules. 

(Transact.  of  the  flrst  Meeting   of  the  National  Assoc.  for  the  Study  and 

Prevention  of  Tuberculosis.  S.  1—14.) 
Die  Erklärung  der  Tatsache,  daß  frisch  isolierte  Tuberkelbazillen 
auf  demselben  Kulturmedium,  auf  dem  sie  bei  längerer  Fortzüchtung  üppig 
gedeihen,  nur  schwer  zum  Wachstum  zu  bringen  sind,  sucht  S.  darin, 
daß  ihre  Außenschicht  Veränderungen  erleidet,  durch  die  sie  für  die  Ab- 
sorption von  Nährstoffen  aus  dem  Kulturmedium  durchlässiger  wird.  Die 
an  dem  frisch  aus  dem  lebenden  Gewebe  isolierten  Bazillus  feste  Hülle 
wird  bei  fortgesetzter  künstlicher  Züchtung  anscheinend  im  Übermaß  pro- 
duziert und  dadurch  gewissermaßen  schleimig,  so  daß  die  einzelnen  In- 
dividuen mehr  zusammenhaften.  Bei  dem  Typus  humanus  tritt  diese  Be- 
schaffenheit schon  sehr  früh  auf,  bei  dem  Typ.  bovin us  dagegen  erst  spät. 
Auf  dieses  Verhalten  ist  auch  der  Unterschied  in  dem  makroskopischen  und 
mikroskopischen  Aussehen  beider  Typen  zurückzuführen.  Durch  Ände- 
rungen in  der  Beschaffenheit  des  Nährbodens  (z.  B.  durch  Gallertigwerden 
des  erstarrten  Serums  infolge  zufälliger  Ansiedlung  fremder  Pilze)  können 
diese  Unterschiede  verwischt  werden. 

Eine  Andeutung  von  dem  Vorhandensein  einer  Kapsel  an  längere 
Zeit  fortgezüchteten  Tuberkelbazillen  läßt  sich  erzielen,  wenn  man  sie 
20 — 30  Minuten  lang  mit  kaltem  Karbolfuchsin  färbt  und  dann  mit  sehr 
verdünnter  (VioProz.)  Essigsäure  behandelt.  Man  sieht  dann  die  Bazillen 
häutig  ungefärbt  auf  schwachgefärbtem  Grunde  oder  bei  längerer  Ein- 
wirkung die  roten  Stäbchen  von  einem  weißen  Hof  umgeben. 

Gräber t  (Berlin). 


-     253    — 

Marmorek,  A.,  Resorption  toter  Tuberkelbazillen. 
(Bert.  klin.  Wochcnscly.,  43.  Jahrg.,  1906,  S.  1179—1180.) 
Bisher  galten  abgetötete  Tuberkelbazillen,  unter  die  Haut  von  Ver- 
suchstieren gebracht,  für  nicht  resorbierbar.  Sie  bilden  kalte  Abszesse. 
Verf.  fand  demgegenüber,  daß  eine  Resorption  toter  Tb.  von  der  Subkutis 
des  Kaninchens  ans  möglich  ist,  wenn  man  die  Tb.  so  fein  verreibt,  daß 
sie  nicht  mehr  in  Elümpchen  zusammenhängen.  Am  leichtesten  gelingt 
dies  bei  jungen  Tb.  Wenn  man  von  fein  verteilten  jungen  Tb.  kleine 
Mengen  einspritzt,  so  tritt  ein  kalter  Abszeß  höchst  selten  auf,  und  die 
Bazillen  verschwinden  in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit.  J. 

Wassermann,  A.f  u.  Brück,  G,   Über  das  Vorhandensein  von  Anti- 
tuberkulin  im  tuberkulösen  Gewebe. 
(Münch.  med.  Wochenschr.,  53.  Jahrg.,  1906,  S.  2396—2399.) 

Die  Verff.  hatten  bereits  früher  festgestellt1),  daß  im  tuberkulösen 
Gewebe  nicht  nur  Tuberkulin,  sondern  auch  (beim  Vorhandensein  noch 
reaktionsfähigen  Gewebes)  Antituberkulin  sich  nachweisen  läßt.  Von  den 
Verff.  wird  erneut  der  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  früheren  Fest- 
stellungen erbracht.  ./. 

Baumgarten,  P.  v.,  Experimente  über  hämatogene  Lymphdrüsen- 
tuberkulose. 
(Berl.  klin.  Wochenschr.,  43.  Jahrg.,  1906,  8. 1333—1334.) 

Verf.  ist  der  Ansicht,  daß  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  der 
lymphogenen  Infektion  der  Lymphdrüsen  zum  Nachteil  des  hämatogenen 
Infektionsmodus  bisher  überschätzt  worden  sei.  Versuche  an  Kaninchen, 
denen  teils  menschliche  Tuberkelbazillen,  teils  Rindertuberkelbazillen  in  die 
Blntbahn  eingespritzt  wurden,  und  die  nach  12 — 20  Tagen  starben,  ergaben, 
daß  sämtliche  Lymphdrüsen  tuberkulös  erkrankt  waren.  Je  früher  die  Tiere 
gestorben  waren,  um  so  mehr  überwog  die  Lymphdrüsentuberkulose  über 
die  Tuberkulose  der  übrigen  Organe.  Die  Tuberkelbazillen  siedeln  sich  also 
mit  einer  gewissen  Vorliebe  gerade  in  den  Lymphdrüsen  an.  Verf.  glaubt, 
daß  unter  diesen  Umständen  eine  isolierte,  primäre  Lymphdrüsentuber- 
kulose auch  bei  plazentarer  Infektion  eintreten  kann.  J. 

Küster,  E.,  Über  Kaltblütertuberkulose. 

(Habilitationsschrift  [Freiburg  i.  B.],  Leipzig  1905,  65  Ss.,  6  Taf.) 

Verf.  faßt  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  in  folgenden  Sätzen 
zusammen: 

„1.  Es  gibt  eine  spontan  auftretende,  wohlcharakterisierte  Frosch- 
tnberkulose,  die  mit  den  von  Dubard  bei  Karpfen,  von  F.  F.  Friedmann 


l)  Vgl.  das  Referat  S.  421  des  I.  Bandes  dieser  Zeitschr. 


—     254     - 

bei   Schildkröten   gefundenen   Tuberkulosen  in  vielen   Beziehungen  über- 
einstimmt. 

2.  Sowohl  in  der  Leber  von  Fröschen,  die  mit  Warmblütertuberkel- 
bazillen geimpft  waren,  als  auch  von  solchen,  die  niemals  irgendwie  ge- 
impft wurden,  können  sich  säurefeste  Stäbchen  finden,  die  morphologisch 
und  kulturell  den  Tbc  Fr.1)  ähnlich  sind.  Ob  wir  es  in  ersterem  Fall  mit 
einer  Umwandlung  von  Warmblütertuberkelbazillen  in  Kaltblütertuberkel- 
bazillen oder  in  beiden  Fällen  mit  einem  Frühstadium  der  spontanen 
Froschtuberkulose  zu  tun  haben,  harrt  noch  der  Aufklärung. 

3.  In  der  Umgebung  von  Fröschen  (im  Wasser,  Schlamm  und  Moos 
der  Froschbehälter)  konnte  ich  hier  in  Freiburg  säurefeste  Stäbchen  mit 
dem  Charakter  der  Tbc  Fr.  nicht  nachweisen. 

4.  Die  anatomischen  Veränderungen,  die  ich  durch  Impfung  von 
Fröschen,  Eidechsen  und  Ringelnattern  mit  TbcM.  und  TbcH.  erzielte, 
stimmen  im  wesentlichen  mit  denen  früherer  Untersucher  überein 

5.  Auch  bei  Eidechsen,  Ringelnattern  und  Schildkröten,  die  mit 
Warmblütertuberkelbazillen  geimpft  waren,  konnte  ich  aus  der  Leber 
Bazillen  züchten,  die  den  Bazillen  der  Froschtuberkulose  morphologisch 
und  kulturell  identisch  sind."  J. 

Bang,     Chronische    Pseudotuberkulose    Darmentzündung    beim 
Rind. 
(Berl.  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  759-763.) 

Verf.  hat  15  Kühe,  die  an  sogenannter  chronischer  tuberkulöser 
Darmentzündung  litten,  in  seiner  Klinik  untersucht.  Das  Hauptsymptom 
der  Krankheit  bildet  ein  chronischer,  jeder  Behandlung  trotzender  Durchfall. 
Bei  der  Sektion  findet  sich  die  Schleimhaut  des  Dünndarmes  stellenweise 
stark  verdickt.  Mikroskopisch  sieht  man  in  den  Zotten  Haufen  von  großen, 
unregelmäßigen  epitheloiden  Zellen  mit  einzelnen  oder  mehreren  großen, 
ovalen  Kernen,  die  von  kleinen,  säurefesten  Stäbchen  förmlich  vollgestopft 
sind.  Während  frühere  Beobachter  diese  Bazillen  für  wirkliche  Tuberkel- 
bazillen gehalten  haben,  hat  Verf.  nachgewiesen,  daß  es  sich  um  Psendo- 
tuberkelbazillen  handelt.  Zur  genauen  Klärung  hält  Verf.  noch  weitere 
Versuche  für  notwendig.  Bierbaum  (Berlin). 

Noack,   Beobachtungen    über  Pseudotuberkulose  der  Schafe  und 
deren  Beziehungen  zur  Echinokokkeninvasion. 
(Deutsche  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  S.  346—348.) 

Grünliche  Farbe,  zähe  Konsistenz,  Einschmelzung  der  gesamten 
Lymphdrüsenmasse  und  Zwiebelschalenbildung  der  Käseherde  kennzeichnen 

1 )  Der  Verf.  bezeichnet  als  Tbc  Fr.  Froschtuberkelbazillen,  als  Tbc  M. 
menschliche  Tb,  als  TbcH.  Hühnertb. 


—    255     — 

die  Pseudotuberkulose  schon  makroskopisch  mit  ziemlicher  Sicherheit  gegen- 
über der  Tuberkulose.  Bei  der  bakteriologischen  Prüfung  fand  Verf. 
konstant  kurze,  plumpe,  leicht  färbbare,  grampositive,  fakultativ  anaerobe, 
unbewegliche,  sporenlose  Bakterien,  die  auf  Blutserum  einen  typischen 
Belag  lieferten  und  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen  bei  Verimpfung 
Abszesse  erzeugten,  bei  letzteren  Tieren  schon  bei  Verfütterung.  Mög- 
licherweise dienen  die  Echinokokkenembryonen  als  Transportmittel  der 
Bakterien  der  Pseudotuberkulose;  denn  die  verkästen  Echinokokken  ver- 
schiedener Schlachttiere  beherbergten  besonders  Kolibakterien  und  Staphylo- 
kokken. Resow  (Frankfurt  a.  Oj 

Hutyra,  F.,    Untersuchungen    über    die    Pathogenese    der    Rotz- 
krankheit. 
(Zeitschr.  f.  Tiermed.,  Bd.  11,  1907,  S.  1—62.) 

Anknüpfend  an  die  Versuche  von  Nocard  und  Schütz,  sowie  die 
späteren  von  Dedjulin,  Mac  Fadyean  und  Bonome,  stellte  sich  H.  die 
Aufgabe,  durch  eine  Reihe  von  Ansteckungsversuchen  an  Pferden  und 
Eseln  beizutragen  zur  Entscheidung  der  Frage,  wo  im  Gefolge  der  ali- 
mentären Infektion  der  primäre  rotzige  Prozeß  einsetzt,  ob  ferner  primärer 
Lungenrotz  überhaupt  vorkommt  und  schließlich,  ob  die  jungen  Rotz- 
knötchen  beim  Lungenrotz  als  „Fleischwärzchen",  wie  Nocard  meint, 
oder   als  das  Produkt  einer  Pnenmonia  fibrinosa  miliaris  aufzufassen  sind. 

Aus  seinen  interessanten  Versuchen,  deren  eingehende  Beschreibung 
durch  mehrere  Abbildungen  im  Text,  sowie  Temperaturkurven  und  eine 
Tafel  mit  Darstellungen  histologischer  Schnitte  von  Rotzknötchen  erläutert 
wird,  zieht  Verf.  folgende  Schlüsse: 

„Die  Rotzkrankheit  läßt  sich  durch  Verfütterung  von  Rotzvirus 
leicht  erzeugen. 

Die  intestinale  Infektion  mit  geringen  Virusmengen  hat  unmittelbar 
eine  allgemeine  Blutinfektion  und  im  Anschluß  an  dieselbe  eine  Lokali- 
sation des  Prozesses  auf  die  Lunge,  als  das  hierzu  besonders  disponierte 
Organ,  also  primären  Lungenrotz  zur  Folge.  Das  Virus  regt  hier  zu- 
nächst eine  kleinzellige  Infiltration  der  Gefäßwände  und  des  perivaskulären 
Bindegewebes  an,  als  deren  Folge  im  peribronchialen  Bindegewebe  tuberkel- 
ähnliche, grau  durchscheinende  Granulationsknötchen,  im  alveolären  Lungen- 
gewebe aber  Hepatisationsknötchen  entstehen.  Im  späteren  Verlauf  tritt 
der  katarrhalisch-pneumonische  Charakter  des  Prozesses  immer  mehr  in 
den  Vordergrund. 

Inhalation  von  mit  Rotzbazillen  geschwängerter  Luft  hat  für  ge- 
wöhnlich zunächst  nur  eine  akute  Erkrankung  der  untersten  Teile  der 
Nasenhöhlen  zur  Folge,  wozu  sich  später  auf  metastatischem  Wege  eine 
Erkrankung  der  Lungen  gesellen  kann. 


—     256     — 

Die  natürliche  Infektion  erfolgt  für  gewöhnlich  von  den 
Verdauungswegen  aus,  während  die  Ansteckung  von  den  Luftwegen 
aus  kaum  eine  nennenswerte  Rolle  spielt. 

Der  Nasenrotz  pflegt  sich,  ebenso  wie  der  Hautrotz,  als  sekundärer 
Prozeß  der  Erkrankung  innerer  Organe,  besonders  der  Lungen,  anzu- 
schließen. Qrabert  (BerlinL 

de  Haan,  J.,  u.  Hoogkamer,  C.  J«,  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Malleins 
als  Diagnostikum  und  Heilmittel  für  Rotz. 
(Zcitichr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  55,  1906,  S.  132-170.) 

In  stark  verseuchten  Pferdebeständen  gelang  es  Verf.  durch  An- 
wendung von  Mallein  den  Rotz  zu  tilgen.  Nach  der  Reaktion  wurden 
drei  Gruppen  (Kranke,  Verdächtige  und  Gesunde)  aufgestellt.  Als  rotz- 
krank wurden  Pferde  angesehen,  wenn  ihre  Körpertemperatur  nach 
34  Stunden  1,5°  C  über  die  Norm  gestiegen  war,  als  rotzfrei,  wenn  am 
2.  Tage  die  Temperatur  38,4°  C  nicht  überschritten  hatte.  Die  kranken 
Tiere,  die  keine  klinischen  Rotzsymptome  zeigen  und  die  verdächtigen 
sind  alle  4  Wochen  aufs  neue  zu  malleinisieren.  Bei  der  folgenden 
negativen  Reaktion  können  dann  die  ersteren  übergehen  zu  der  Gruppe 
der  Verdächtigen,  die  letzteren  zu  den  Gesunden. 

Wiederholte  Malleinisation  befördert  die  Heilung.  Bugge  (Kiel). 

Mrowka,  Lymphangitis  epizootica  unter  Pferden  und  Maultieren 
in  Deutsch-Südwestafrika. 
(Zeitschr.  f.  Vet-Knnde,  18.  Jahrg.,  1906,  S.  261—265.) 

Die  Krankheit  ist  in  das  Schutzgebiet  aus  dem  Kapland,  wo  sie 
sich  seit  dem  Burenkrieg  ausgebreitet  hat,  eingeschleppt  worden.  Für 
die  DifFerentialdiagnose  gegen  Hautrotz  ist  die  Tatsache  von  Bedeutung, 
daß  die  Erkrankung  stets  einen  chronischen  Verlauf  nimmt,  ohne  auf  das 
Allgemeinbefinden  und  den  Ernährungszustand  der  befallenen  Tiere  trotz 
monatelanger  Dauer  im  geringsten  einzuwirken.  Die  Diagnose  wird  er- 
schwert, wenn  die  lymphangitischen  Veränderungen  auch  auf  die  Nasen- 
schleimhäute übergreifen,  wie  in  2  Fällen  von  Paine  beobachtet  wurde. 
Für  die  Therapie  ist  die  frühzeitige  Behandlung  der  der  Infektion  zum 
Ausgang  dienenden  Wunden  mit  Ätzmitteln  zu  empfehlen,  um  das  Vor- 
dringen des  Sacharomyces  farciminosus  in  die  Lymphbahnen  zu  verhüten. 

Qrabert  (Berlin). 

Müller,  R.f  Zur  Ätiologie  der  Geflügeldiphtherie. 

(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  Bd.  11,  1906,  S.  423-426,  515—523,  621-628.) 

M.  züchtete  aus  den  diphtherisch  erkrankten  Teilen  von  6  Hühnern, 
die  aus  3  Seuchenherden  stammten,  auf  Blutagarplatten  ein  Stäbchen,  das 
sich   als  Verwandter   des   Erregers   der   menschlichen  Diphtherie   erwies. 


—    257     — 

Mit  Reinkulturen  desselben  gelang  es,  das  typische  Krankheitsbild  zu  er- 
zeugen. M.  sieht  daher  dieses  Stäbchen  als  Erreger  der,  nicht  mit  den 
Geflügelpocken  zu  verwechselnden  Krankheit  an  und  bezeichnet  es  als 
„Hühnerdiphtheriebazillus". 

Es  ist  ein  ziemlich  schlankes  Stäbchen,  kleiner  als  der  Diphtherie- 
bazillus, färbt  sich  gut  nach  Gram  und  zeigt  die  für  Mitglieder  der 
Diphtheriegruppe  charakteristische  Parallellagerung  und  V- Formen.  Bei 
18°  findet  kein  Wachstum  statt,  bestes  Wachstum  bei  Bruttemperatur. 
Oberflächenaussaaten  auf  Blutagar  zeigen  nach  24  Stunden  kleine  Kolonien, 
die  nach  48  Stunden  eine  charakteristische  Hofbildung  im  durchfallenden 
Licht  erkennen  lassen.  Ein  guter  Nährboden  für  den  Hühnerdiphtherie- 
bazillus ist  auch  Serumagar.  Bei  Schüttelkulturen  im  Agar  lassen  sich 
verschiedene  Schichten  erkennen,  in  denen  abwechselnd  Wachstum  vor- 
handen ist  und  fehlt.  Gelatine  wird  verflüssigt,  in  Milch  tritt  Gerinnung 
ein.  Eine  Toxinbildung,  analog  der  des  Diphtheriebazillus,  scheint  nicht 
stattzufinden.  Qrabert  (Berlin}.  . 

Dammann,  G,  u.  Manegold,  O.,  Die   Schlafkrankheit   der  Hühner. 
(Archiv  für  wissenschaftl.  u.  prakt.  Tierheilk.,  Bd.  33,  1906,  S.  41—70.) 

Im  Jahre  1904  beobachteten  die  Verff.  in  einem  Hühnerbestande 
eine  Krankheit,  deren  auffallendstes  Symptom  eine  mehr  oder  weniger  aus- 
geprägte Schlafsucht  war.  Aus  diesem  Grunde  wurde  die  Bezeichnung 
„Schlafkrankheit  der  Hühner"  gewählt,  zumal  letztere  in  erster  Linie  für 
Hühner  in  Frage  kommt.  Die  erkrankten  Hühner  zeigen  trauriges  Aussehen, 
rauhes  Gefieder,  verschlossene,  geschwollene  Augen,  Schnupfen,  blassen 
Kamm.  Sie  fressen  immer  gut,  bewegen  sich  auch  nach  dem  Fressen. 
Meistens  sitzen  sie  still  und  zusammengekauert,  oft  stunden-,  ja  tagelang 
schlafend,  den  Kopf  im  Gefieder.  Die  Tiere  gehen  unter  hochgradiger 
Abmagerung  zugrunde.  Das  Eierlegen  hört  ganz  auf,  dies  dauert  auch 
noch  nach  Ablauf  der  Krankheit  bei  vielen  Tieren  l/2  ^anr  lan£  an- 

Als  Erreger  fanden  Verff.  lange  Streptokokken,  die  von  einer  Kapsel 
umgeben  waren.  Dieselben  wachsen  auf  gebräuchlichen  Nährböden  gut, 
besonders  aber  auf  Blutserum,  dem  6%  Glyzerin  zugesetzt  ist.  Die 
Streptokokken  entfärben  sich  nicht  nach  Gram.  Die  Toxinbildung  ist 
stark.  Die  Erreger  werden  durch  Austrocknung,  Hitze  und  gewöhnliche 
Desinfektionsmittel  leicht  abgetötet.  Die  Streptokokken  sind  pathogen  für 
Tauben,  Kaninchen,  weiße  Mäuse,  graue  Hausmäuse,  auch  konnte  die  Krank- 
heit auf  Lämmer  und  Hunde  übertragen  werden. 

Bei  der  Sektion  findet  man  stark  abgemagerte  Kadaver,  die  hoch- 
gradig anämisch  sind.  Die  Abmagerung  ist  bedingt  durch  die  starke 
Toxinbildung  des  Streptococcus  capsulatus  gallinarum  (Toxin- 
kachexie.   Ferner  "findet   man  Katarrh  der  Kopfschleimhäute,  mehr  oder 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  2/3.  17 


—     258     — 

weniger  starke  entzündliche  Veränderungen  am  Darmkanal  und  sonst  das 
Bild  der  Septikämie.  Die  Inkubationszeit  beträgt  8—14  Tage.  Krank- 
heitsdauer bis  3  Wochen.  v.  Sande  (Frankfurt  a.  M.j. 

Levaditi  et  Manou&lian,  Nouvelles  recherches  sur  la  spirillose  des 
poules. 
(Ann.  de  l'Institut  Pasteur,  Bd.  20,  1906,  S.  693— 600.) 

Es  fand  sich  nicht  nur  im  Blute,  sondern  auch  im  Gewebe,  ins- 
besondere der  Leber  und  Milz,  eine  —  von  Nekrotisierung  begleitete  — 
Vermehrung  und  Anhäufung  der  Spirillen.  In  Leberzellen  selbst  konnten 
sie  nicht  gefunden  werden.  Die  Vermehrung  der  Spirillen  erfolgt  wahr- 
scheinlich durch  Querteilung.  Das  Verschwinden  der  Spirillen  aus  dem 
Blute  beruht  auf  Phagozytose  durch  Makrophagen  in  der  Milz,  durch  die 
Kup ferschen  Sternzellen  in  der  Leber.  Es  gelang,  die  Spirillen  in  den 
Eiern  der  erkrankten  Tiere  nachzuweisen;  es  wird  vermutet,  daß  sie  durch 
Vermittlung  von  Wanderzellen  dorthin  gelangen. 

E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj 

Schiffmann,  J.,  Zur  Histologie  der  Hühnerpest. 

(Wiener  klin.  Wochenschr.,  19.  Jahrg.,  1906,  S.  1347-1348.) 

Verf.  fand  im  Großhirn  von  Gänsen,  die  mit  dem  Virus  der  Hühner- 
pest (Gehirnemulsion)  intramuskulär  infiziert  und  an  Hühnerpest  zugrunde 
gegangen  waren,  ovale,  runde  oder  nierenförniige  Körperchen,  die  zum  Teil 
in  Ganglienzellen,  zum  Teil  außerhalb  derselben  gelegen  waren,  und  die 
sich  mit  Triazid  nach  Pappenheim  und  nach  Mann  charakteristisch 
färbten.  Diese  Gebilde  ließen  sich  im  Kleinhirn  und  Rückenmark  der 
Gänse  nicht  nachweisen.  Sie  fanden  sich  überhaupt  nicht  bef  normalen 
Gänsen  und  ebenso  nicht  bei  an  Hühnerpest  verendeten  Hühnern.  Sie 
haben  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  Negri  sehen  Körperchen.  Ob  es 
sich  um  Degenerationsprodukte  oder  Parasiten  handelt,  muß  vorläufig 
dahingestellt  bleiben.  J. 

Hell,  Bemerkungen  zur  Ätiologie  der  Brustseuche. 
(Zeitachr.  f.  Vct.-Kunde,  18.  Jahrg.,  1906,  S.  159—162.) 

Verf.  glaubt,  bis  zum  Beweise  des  Gegenteils  daran  festhalten  zu 
müssen,  daß  die  Atmungsorgane  in  erster  Linie  als  die  gewöhn- 
liche Eingangspforte  des  Ansteckungsstoffes  der  Brustseuche 
anzusehen  sind.  Der  in  neuerer  Zeit  geäußerten  Annahme,  daß  den 
Fliegen  oder  sonstigen  Insekten  eine  Bedeutung  für  die  Verbreitung  der 
Seuche  beigelegt  werden  müsse,  steht  Verf.  skeptisch  gegenüber,  da  sie 
mit  den  bisherigen  Erfahrungen  nicht  im  Einklang  steht.  Der  Ansicht, 
daß  das  reine  Bild  der  Brustseuche  ein  fieberhafter  Katarrh  der  Luftwege 


—    259    — 

ohne  Lokalisation  in  der  Lunge  darstellt,  daß  die  Erkrankung  der  letzteren 
vielmehr  als  Komplikation  aufzufassen  ist,  vermag  sich  H.  nicht  anzu- 
schließen. Orabert  (Berlin). 

Thoms,  P.,   Der   ansteckende  Scheidenkatarrh  der  Rinder  unter 
besonderer    Berücksichtigung    der    pathologisch -histo- 
logischen Veränderungen  der  Scheidenschleimhaut. 
(Monaten,  f.  prakt.  Tierheilk.,  Bd.  17,  1906,  8.  193—211.) 
Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die  Verbreitung  und  wissenschaft- 
liche Bedeutung  des  ansteckenden  Scheidenkatarrhs   und  nach  Erwähnung 
der  einschlägigen  Literatur  beschreibt  Verf.  seine  eigenen  Untersuchungen, 
die  Häufigkeit   und  Erscheinungen  des   ansteckenden  Scheiden- 
katarrhs, sowie  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  der 
Scheidenschleimhaut  behandeln.    Die  Ergebnisse  lassen  sich  folgender- 
maßen zusammenfassen: 

Die  am  4.  oder  5.  Tage  nach  der  Ansteckung  bei  Rindern  von 
jedem  Alter  auf  der  Vorhofschleimhaut  der  Scheide  auftretenden  Knötchen 
sind  auf  eine  Infektion  durch  Diplo-  oder  Streptokokken  zurückzuführen. 
Histologisch  stellen  diese  Knötchen  Einlagerungen  von  Rundzellen  lympho- 
zytären  Charakters  (Follikel)  in  die  Scbleimhautpapillen  dar,  wodurch 
letztere  kolbenförmig  verdickt  erscheinen.  Die  Follikel  selbst  entstehen 
aus  den  schon  in  der  normalen  Schleimhaut  mehr  oder  weniger  zahlreich 
vorhandenen  zirkumskripten  Anhäufungen  von  Rundzellen  oder  in  dem  an 
Rundzellen  reichen  zytogenen  Gewebe  der  Tunica  propria.  Im  Stadium 
der  Abheilung  bilden  sich  die  Follikel  allmählich  wieder  zurück,  doch 
scheint  nach  Ansicht  des  Verf.  die  Abheilung  der  Krankheit  nicht  un- 
bedingt an  das  völlige  Verschwinden  der  Knötchen  gebunden  zu  sein. 

Poppe  (Leipzig). 

Martens,    Infektiöse   katarrhalische   Bronchitis   und  Pneumonie 
bei  Rindvieh. 

(Berl.  tierarztl.  Wochenschr.,  1906,  8.  655/6.) 
Verf.  beobachtete  eine  infektiöse  katarrhalische  Bronchitis  und  Pneu- 
monie bei  Rindern,   die   zur  Verwechslung  mit  Lungenseuche  hätte  Anlaß 
geben  können.    Eine  bakteriologische  Untersuchung  ist  leider  unterblieben. 

Bierbaum  ( Berlin) . 

Porcher,   Ch.9   Untersuchungen  über   die   Zusammensetzung    des 

Harnes  bei  Tollwut. 

(Biochemische  Zeitschr.,  Bd.  2,  1906,  S.  291—306.) 
Verf.  hat  den  Harn  verschiedener  tollwutkranker  oder  tollwut- 
verdächtiger Tiere,    die  zum  Teil  für  diese  Studien  geimpft,  zum  Teil 
als   verdächtig   der  Klinik  (der  tierärztlichen  Hochschule   zu  Lyon)    ein- 
geliefert waren,   untersucht   und,    soweit    es  sich  nicht   um  Kadaver  han- 

17* 


—     260    — 

delte,  auch  den  während  der  Krankheit  abgesetzten  Harn  zur  Untersuchung 
herangezogen.  So  gelangte  der  Harn  von  Hunden,  Ziegen,  Kaninchen, 
Hammeln,  Eseln,  Katzen  usw.  zur  Analyse.  Bei  allen  diesen  Tieren  konnte 
eine  Tollwutglykosurie  beobachtet  werden.  Das  Auftreten  derselben 
ist  bestimmten  Regeln  nicht  unterworfen.  Bei  einigen  Ziegen  fand  sich 
z.  B.  der  Zucker  erst  einige  Tage  nach  dem  Erscheinen  der  ersten  Symp- 
tome, während  er  in  einem  Falle  schon  am  ersten  Tage  auftrat.  Die  Höhe 
der  Zuckerausscheidung  ist  großen  Schwankungen  unterworfen,  doch  dürfte 
bei  Pflanzenfressern  die  Ausscheidung  reichlicher  sein.  Ein  Zusammen- 
hang der  Glykosurie  mit  der  Form  der  Tollwut  und  der  Virulenz  des  Giftes 
konnte  auch  nicht  gefunden  werden.  Verf.  schreibt  der  Feststellung 
der  Wutglyko8urie,  die  er  für  nervösen  Ursprungs  ansieht,  wenigstens  in 
den  Fällen,  wo  der  Nachweis  des  Traubenzuckers  im  Harn  positiv  aus- 
gefallen ist,  einen  größeren  Wert  zu,  als  der  Feststellung  der  ganglionären 
Krankheitserscheinungen  und  der  Negrischen  Körperchen.  Verf.  betont  den 
Wert  der  Untersuchung  des  Harnes  auf  Zucker  seitens  des  Tierarztes, 
wenn  Tollwutverdacht  vorliegt,  da  Fälle  vorkommen,  in  denen  dieser  Nach- 
weis   allein   genügt,    um  die  Diagnose  auf  die  richtige  Fährte  zu  weisen. 

Scheunert  (Dresden). 

Negri,  A.9  Über  Filtration  des  Vakzinevirus. 

(Zeitschr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  64,  1906,  S.  327—346.) 
Durch  15 — 22tägige  Mazeration  von  Vakzinematerial  in  10  Gewichts- 
teilen sterilisierten  destillierten  Wassers  und  Filtration  durch  Berkefeld- 
kerzen  V.  und  N.  erhielt  Verf  ein  keimfreies  Filtrat,  das  auf  der  Kornea 
des  Kaninchens  Guarnierische  Körperchen  und  auf  der  Haut  des  Rindes  und 
Menschen  typische  Pusteln  erzeugte.  Demnach  gehört  das  Vakzinevirus 
zu  den  ultramikroskopischen  Krankheitserregern.  Bugge  (Kid). 

Carini,  A.,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Filtrierbarkeit  des  Vakzine- 
virus. 

(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  I.  Abt.,   Orig.,   Bd.  52,   1906,   S.  325.) 
Bestätigung  des  Befundes  von  Negri,  daß  das  Virus  filtrierbar  ist. 
Vorbedingung   scheint   aber   eine    vorherige  mehrwöchentliche  Mazeration 
ZU  sein.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  o.  Mj. 

Wenyon,  C.  AL,  Spirochaetosis  of  mice  due  to  spirochaeta  muris 

n.  sp.  in  the  blood. 

(The  Journ.  of  Hygiene,  Vol.  6,  No.  5,  1906,  S.  580—585.) 
Verf.  fand  in  dem  Blut  einer  braunen  Maus  neben  Trypanosomen 
Spirochäten.  Durch  Überimpfung  auf  Mäuse  gelang  es  Verf.,  die  Spirochäte 
zu  isolieren.  Diese  zeigte  starke  aktive  Beweglichkeit;  Kern  oder 
Membran  waren  an  ihr  nicht  nachweisbar.  Dieselbe  Spirochäte  wurde  in 
Läusen,    die   bei   den   infizierten   Mäusen   gefunden   wurden,    beobachtet, 


—    261     — 

jedoch  gelang  es  nicht,  die  Spirochäte  auf  Mäuse  durch  infizierte  Läuse 
zu  übertragen.  Ebensowenig  Erfolg  hatte  die  Verimpfung  von  spirochäten- 
haltigem  Danninhalt  von  Mäusen.  Hoffmann  (Breslau). 


Entwicklungshemmung. 

Hofer,  Über  die  Vorgänge  der  Selbstreinigung  im  Wasser. 
(Münch.  med.  Wochenschr.,  1906,  Nr.  47.) 

Als  die  hauptsächlichsten  biologischen  Faktoren  der  Selbstreinigung 
sah  man  bisher  die  Bakterien  an.  Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  des 
iBarwassers  glaubt  der  Verf.  jedoch  annehmen  zu  müssen,  daß  die  wesent- 
lichste .Arbeit  bei  der  Selbstreinigung  nicht  den  Bakterien,  sondern  viel- 
mehr neben  den  Abwasserpilzen  hauptsächlich  den  Wassertieren,  wie 
Protozoen,  Schlammwürmern,  Insektenlarven  usw.  zukomme.  Da  diese 
Tiere  zum  größten  Teil  am  und  im  Boden  leben,  so  dürfte  die  Selbst- 
reinigung vornehmlich  eine  Funktion  des  Bodens  sein.        Dausel  (Berlin). 

Tizzoni,  Gn  u.  Bongiovanni,  A„  Weiteres  über  die  Behandlung  der 
Wut   mittelst  Radiumstrahlen   und   über   den  Mechanis- 
mus ihrer  Wirkung. 
(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  1.  Abt.,  Originale,  Bd.  52,  1906,  S.  80-83, 161-170.) 

Schon  früher  hatten  die  Verff.  nachgewiesen,  daß  in  vitro  durch 
Radiumstrahlen  das  fixe  Virus  in  zwei  Stunden  zerstört  wird,  daß  ferner 
dieselbe  Wirkung  auch  Im  lebenden  Tier,  dem  irgendwie  das  Virus  in- 
jiziert war,  erzielt  werden  kann.  Die  Radium  Wirkung  auf  das  infizierte 
Tier  ist  abhängig  von  der  Intensität  der  radioaktiven  Quelle  und  der 
Dauer  der  Applikation.  Die  Applikation  auf  das  Auge,  die  unter  den 
Versuchsbedingungen  der  Verff.  ohne  jegliche  Schädigung  des  Tieres  ge- 
schehen kann,  hat  ceteris  paribus  eine  zehnmal  intensivere  Wirkung.  Das 
durch  Radiumstrahlen  zersetzte  fixe  Virus  kann  bei  intraokularer  Injektion 
eines  Tropfens  als  Vakzin  gegen  das  Straßenvirus  dienen.  Zu  ihren  Ver- 
suchen brauchten  die  Verff.  meist  2  cg  reinen  Radiumbromids  mit  einem 
Werte  von  100000  R.-E.,  es  war  in  dem  Apparat  Armet  de  Lisles 
(mit  Glimmerplättchen)  montiert.  Das  Fehlen  schädlicher  Nebenwirkungen 
wird  der  Ausschaltung  der  Emanation  zugeschrieben.  Man  hatte  bei  infi- 
zierten Tieren  eine  sicherere  Heilwirkung  durch  acht  einstündige,  als 
durch  eine  achtstündige  Applikation.  Es  wurde  untersucht,  welcher  von 
den  vom  Radium  ausgehenden  Strahlenarten  die  Wirkung  auf  das  Wutvirus 
zuzuschreiben  ist.  Dabei  fand  sich  eine  kaum  nennenswerte  Wirkung 
durch  die  /-Strahlen;  auch  die  «-Strahlen  sind  kaum  wirksam  oder  unter- 


—     262     — 

stützen  nur  die  Wirkung  der  (den  Kathodenstrahlen  ähnlichen)  /ff-Strahlen, 
denen  die  Hauptwirkung  zukommt.  Bei  Benutzung  eines  fixen  Virus,  das 
sonst  am  7.  Versuchstage  tötete,  gelang  die  Heilung  von  Tieren  auch 
noch  nach  5  Tagen,  also  im  vierten  Fünftel  der  Gesamtkrankheitszeit,  und 
zwar  nachdem  schon  24  Stunden  deutliche  Wutsymptome  aufgetreten  waren. 
Bei  der  Bestimmung  der  Dosis  curativa  minima  desselben  Radiumprä- 
parates ergab  sich  nach  B1/2  Krankheitstagen  18  Stunden,  bei  sofortiger 
Anwendung  8  Stunden;  eine  Proportion  zwischen  Krankheitstagen  und  der 
nötigen  Minimaldosis  besteht  nicht.  Schließlich  gelang  die  Bestimmung 
der  nötigen  Heildosis  für  ein  Tier  auf  photographischem  Wege.  Appliziert 
man  nämlich  das  Radium  auf  das  Auge,  so  hat  die  Schnittfläche  eines 
durch  die  Hirnmitte  gelegten  Schnittes  nur  dann  eine  deutliche  Wirksam- 
keit auf  die  photographische  Platte,  wenn  die  Applikation  einer  der  Dosis 
curativa  minima  entsprechenden  Zeit  gedauert  hat.  Für  den  Menschen 
wird  so  die  nötige  Dosis  berechnet;  für  ihn  brauchte  man  ein  Präparat 
mit  rund  5  Millionen  R.-E.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a,  Mj. 

Tizzoni,  G.,  et  Bongiovanni,  De   l'action  du   radium   sur  le  virus 
rabique.    Räponse  k  nos  contradicteurs. 
(Ann.  de  l'Institut  Pasteur,  Bd.  20,  1906,  S.  682-688.) 

Im  ganzen  werden  zu  den  vorstehend  referierten  Ergebnissen  keine 
neuen  hinzugefügt.  Jedoch  ergeben  sich  bei  der  Besprechung  der  Nach- 
untersuchungen eine  Menge  Einzelheiten,  deren  Nichtbeachtung  zu  Fehl- 
resultaten führen  kann.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 


Immunität  —  Schutzimpfung. 

Jensen,  Über  die  Schutzimpfung  gegen  Bradsot. 
(Berl.  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  743/4.) 

Zar  Schutzimpfung  gegen  die  Bradsot  sind  bisher  hauptsächlich  drei 
Methoden  in  Anwendung  gebracht  worden: 

1.  Eine  in  einer  Bouillon  -Pferdeserummischung  unter  Wasserstoff 
gezüchtete  Reinkultur  wird  nach  erfolgter  Sporenbildung  zur  Trockenheit 
eingedampft  und  in  Mengen  von  0,005 — 0,03  g  subkutan  verimpft. 

2.  Die  in  der  beschriebenen  Weise  behandelte  Kultur  wird  mit 
Immnntrockenserum,  das  durch  intravenöse  Injektionen  virulenter  Kultur 
von  Pferden  gewonnen  wird,  in  bestimmtem  Verhältnis  gemischt  und  sub- 
kutan injiziert. 

3.  Seidenfäden  werden  3—4  Wochen  in  einer  Zucker-  oder  Serum- 
bouillonkultur  gehalten    und   bei  40—45°  getrocknet.    Die  Fäden  werden 


—     263     — 

mit    einer  Nadel   durch    eine  Hautfalte   an   der  Innenseite   des  Schenkels 
gezogen  und  bleiben  liegen. 

Die  Erfolge  dieser  Impfmethoden  sind  zwar  noch  nicht  vollständig 
befriedigend,  doch  ist  bereits  eine  bedeutende  Herabsetzung  der  Verluste 
an  Bradsot  erreicht  worden.  Bierbaum  [Berlin.} 

Kitt,  Th«,  Ein  Versuch  einer  Druseschutzimpfung  mit  abgetöteten 
Drusestreptokokken. 
(Monatsh.  f.  prakt.  Tierheilkde.,  Bd.  17,  1906,  S.  363—367.) 

Zwecks  aktiver  Immunisierung  behandelte  Verf.  zwei  Fohlen  mit 
wiederholten  intravenösen  Injektionen  von  durch  Hitze  (53—55°  C)  ab- 
getöteten Drusestreptokokken  (Serumbouillonkulturen),  die  sich  für  Mäuse 
derartig  virulent  erwiesen,  daß  diese  teils  nach  wenigen  Tagen,  teils  nach 
2—3  Wochen  an  einer  tödlichen  Druseinfektion  eingingen.  Trotzdem  die 
beiden  Versuchspferde  keine  Impfreaktion  (Störung  im  Allgemeinbefinden, 
Fieber)  zeigten,  und  daher  eine  Antikörperbildung  und  Immunität  nicht 
recht  zu  erwarten  war,  ertrugen  sie  dennoch  eine  Fütterungsinfektion 
mit  Druseeiter,  eine  Kontaktinfektion  durch  Einreiben  von  Druseeiter  auf 
die  Nasenschleimhaut  und  eine  Kohabitation  mit  einem  drusekranken 
Pferde  ohne  jedes  Zeichen  einer  Erkrankung.  Ein  drittes  Fohlen,  das 
durch  dreimalige  Impfung  mit  durch  Hitze  abgetöteter  Streptokokkenhai- 
tiger  Serumbouillonkultur  vorbehandelt  war,  erkrankte  jedoch,  als  es  einer 
Infektion  ausgesetzt  wurde,  an  typischer  Druse.  Als  Grund  für  diesen 
Ausfall,  der  nicht  zugunsten  der  Methode  sprechen  würde,  nimmt  Verf. 
an,  daß  letzteres  Tier  infolge  nur  dreimaliger  Impfung  noch  keine  genü- 
gende Grundimmunität  erworben  hatte,  während  die  erstgenannten  Tiere 
durch  sieben  intravenöse  Vorimpfungen  aktiv  immunisiert  worden  waren. 
Da  sich  nun  eine  öfters  zu  wiederholende  Impfung  mit  abgetöteten  Druse- 
streptokokken aus  verschiedenen  Gründen  für  die  Schutzimpfung  gegen 
Druse  in  der  Praxis  nicht  eignen  würde  und  die  rein  passive  Immunisie- 
rung mit  Seruminjektionen  nur  zu  kurze  Zeit  anhält,  so  schlägt  Verf. 
vor,  über  eine  kombinierte  Impfmethode  und  die  Dauer  der  aktiven 
Immunität  bei  kürzerer  Erhitzungszeit  der  Kulturen  weitere  Versuche  an- 
zustellen. Poppe  (Ijcipxig). 

Ludwig,  J.,  Tierexperimentelle  Untersuchungen   über  Druse  mit 
besonderer   Berücksichtigung    der    Immunisierung    von 
Kaninchen. 
(Monatsh.  f.  prakt.  Tierheilkde.,  Bd.  17,  1906,  S.  289—321.) 

Verf.  kommt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  zu  folgenden  Schlüssen : 

Die  aktive  Immunisierung  von  Kaninchen   gegen  Druse   gelingt  am 

leichtesten  mit   durch  Hitze    oder  Jodtrichlorid   abgetöteten  Kulturen   bei 


—     264     — 

intraperitonealer  oder  subkutaner  Impfung  und  kann  mittelst  weniger  In- 
jektionen rasch  hoch  getrieben  werden. 

Drusestreptokokken  sind  bei  subkutaner  Impfung  für  Kaninchen  fast 
avirulent,  bei  intraperitonealer  Impfung  wirken  sie  auch  in  mäßigen  Dosen 
tödlich. 

Bei  längerer  Fortzüchtung  auf  künstlichen  Nährböden  sinkt  die 
Virulenz. 

Die  intraperitoneale  Impfung  läßt  sich  zur  Bestimmung  des  Virulenz- 
grades zum  Zwecke  der  Serumschutzbestimmung  leicht  verwerten. 

Das  aus  dem  Blut  von  Kaninchen,  die  mit  Drusestreptokokken  vor- 
behandelt wurden,  gewonnene  Serum  schützt  schon  in  kleinen  Dosen 
(Of01  ccm)  bei  gleichzeitiger  Injektion  in  die  Bauchhöhle  gegen  das 
Doppelte  der  geringsten  sicher  tödlichen  Dosis  (kleinere  Dosen  verzögern 
den  Tod  des  Tieres;  größere  Serumdosen  schützen  gegen  das  Vielfache 
der  tödlichen  Kulturdosis). 

Die  passive  Immunisierung  mittelst  Seruminjektion  hält  selbst  bei 
Benutzung  großer  Serummengen  nur  kurze  Zeit  an. 

Praktische  Versuche  sind  anzustellen,  ob  das  aus  dem  Kaninchen 
gewonnene  Serum  für  Pferde  eine  ebenso  gute  Wirkung  hat  wie  für  Ka- 
ninchen (Verf.  hält  die  Heilimpfung  für  aussichtsvoller  als  die  prophy- 
laktische Immunisierung).  Poppe  (Ijipzig). 

Morgenroth,  J.,  u.  Carpi,  U.,   Über   ein  Toxolezithid   des   Bienen- 
giftes. 

(Berl.  klin.  Wochenschr.,  43.  Jahrg.,  1906,  S.  1424—1425.) 
„Das  Bienengift   enthält  —  analog   den   Schlangengiften   und   dem 
Skorpiongift  —  eine  Substanz  (Prolezithid)    von  toxin-  oder  ambozeptor- 
artigem  Charakter,   die  sich  mit  Lezithin  zu  einem  eigenartigen,  hämoly- 
tisch wirkenden  Toxolezithid  vereinigt."  J. 

Moreschi,  C,  Über  den  Wert  des  Komplementablenkungsverfahrens 

in  der  bakteriologischen  Diagnostik. 

(Berl.  klin.  Wochenschr.,  43.  Jahrg.,  1906,  S.  1243—1244.) 
Bei  Typhus  entsprach  das  Komplementablenkungsverfahren  nicht  den 
Erwartungen  in  diagnostischer  Hinsicht.  J. 

Korschun,  S.,  Über  Antagonismus  zwischen  normalen  und  immunen 

bakteriziden  Sera. 

(Münch.  med.  Wochenschr.,  53.  Jahrg.,  1906,  S.  1612—1613.) 
Serum  von  Pferden,  die  mit  Dysenterie-  oder  Typhuskulturen  vor- 
behandelt wurden,  hemmt  die  bakterizide  Wirkung  verschiedener  normaler 
Sera  auf  die  entsprechenden  (Dysenterie-,  Typhus-)  Bakterien.  Dabei 
schüzt  ein  gewisses  Immunserum  nur  diejenige  Art  von  Bakterien,  die 
zu  seiner  Herstellung  diente,  d.  h.  das  Dysenterieserum  schützt  nur  Dysenterie- 


—     265     — 

bazillen,   das  Typhusserum  nur  Typhusbazillen.    Diese  Tatsache  läßt  sich 
mit  der  Komplementwirkung  erklären.  J. 

Weill-HalI6  et  Leraaire,  H.,  Antitoxine  et  präcipitine. 
(Compt.  rend.  de  la  Soc.  de  Biologie,  Bd.  61,  1906,  S.  407.) 

Zu  den  Versuchen  wurde  „Antipferdeserum"  von  Kaninchen  mit 
Diphtherieserum  vom  Pferde  gemischt.  Das  Präzipitat  riß  beträchtliche 
Mengen  des  Diphtherie-Antitoxins  mit.  Der  größte  Teil  davon 
ließ  sich  mit  H20  oder  NaCl-Lösung  während  6  stündiger  Einwirkung 
wieder  isolieren. 

Hamburger  hatte  das  Verschwinden  von  Antitoxin  bei  Präzi- 
pitierung als  rein  mechanischen  Vorgang  erklärt;  Wassermann  und 
Brück  glaubten  es  durch  Bildung  eines  „Antiambozeptors"  verursacht. 
Die  erstere  und  leicht  verständliche  Annahme  ist  somit  durch  den  ein- 
fachen Versuch  bewiesen.  Die  Autoren  weisen  darauf  hin,  daß  die  Kennt- 
nis dieser  Ergebnisse  für  Immunisierungsversuche  wichtig  sind. 

Sieber  ( Hamburg.) 

Jobling,  J.  W.,  Über  den  Einfluß  erhöhter  Temperaturen  auf  das 

Agglutinationsphänomen. 

(Zeitaehr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  53,  1906,  S.  554—560.) 
Verf.  bestätigte  die  Befunde  Porges  und  Dreyers  für  Typhus, 
daß  nämlich  die  Erhitzung  auf  70°  C  die  Agglutinabilität  herabsetzt,  eine 
solche  auf  100°  C  sie  wiederum  erhöht,  und  die  abzentrifngierten  und  ge- 
waschenen Bakterien  dem  Serum  in  vitro  keine  nachweisbare  Menge  Agglu- 
tinin  entziehen.  Es  geht  demnach  bei  der  Erhitzung  auf  höhere  Temperatur 
der  größte  Teil  der  agglutinierenden  Substanz  aus  dem  Innern  des 
Bakterienleibes  in  die  Aufschwemmungsflüssigkeit  über.  Trotzdem  kann 
durch  die  Verimpf ung  solcher  erhitzter  und  gewaschener  Bakterien  bei 
Tieren  ein  agglutinierendes  Serum  erzeugt  werden.  Die  Hitze  wirkt  nicht 
auf  die  spezifischen,  bei  der  Agglutination  in  Betracht  kommenden  Sub- 
stanzen ein,  sondern  wirkt  als  rein  physikalisches  Moment. 

Bugge  (Kiel). 

Shibayama,  G.,  Zur  Agglutinoidfrage. 

(Zentraibl.  f.  Bakt  usw.,  I.  Abt.,  Bd.  42,  1906,  S.  64-68,  144—150.) 

Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlußsätzen: 

1.  Die  bei  langem  Stehen  oder  bei  Wärmeeinwirkung  im  Typhuspferde- 
serum gebildete  Agglutinoidzone  verschwindet  bei  Zusatz  von  Kaninchen- 
normalserum durch  die  Wirkung  des  Normalagglutinins.  2.  Pferde-,  Hunde-, 
Meerschweinchen-,  Hühner-,  Taubenserum  hat  nicht  diese  Wirkung.  3.  Die 
Wirkung  verschwindet  durch  Einwirkung  von  56°,  während  10'  auf  das 
Kaninchenserum.  4.  Agglutinoidzonen  von  Kaninchentyphusserum  ver- 
schwinden  nicht   durch  Kaninchennormalserum.    5.  Die  Widerstandsfähig- 


—     266     — 

keit  der  Agglutinine  gegen  Erhitzen  ist  bei  verschiedenen  Typhuspferde- 
seris  verschieden.  6.  Die  Verschiedenheit  tritt  auch  bei  demselben  Serum 
auf,  je  nach  der  Verschiedenheit  der  zur  Verdünnung  des  Serums  gewähl- 
ten Flüssigkeit  (physiol.  Kochsalzlösung  oder  Wasser).  Das  Verschwinden 
der  Agglntinoidzone  durch  Zusatz  von  Normalkaninchenserum  beruht  nicht 
auf  der  komptementartigen  Wirkung  des  Normalkaninchenserums,  sondern 
auf  der  Ablenkung  des  Agglutinoides.  E.  Jacobsthal  f Frankfurt  a.  M.j. 

Trommsdorf,  R.,  Experimentelle  Studien  über  die  Ursachen  der 
durch  verschiedene  Schädlichkeiten  bedingten  Herab- 
setzung der  natürlichen  Widerstandskraft  gegen  In- 
fektionen (Resistenz),  ein  Beitrag  zur  Immunitätslehre. 
(Arch.  f.  Hygiene,  Bd.  59,  1906,  8.  1—90.) 
In  der  Einleitung  sehr  ausführliche  Zusammenstellung  der  bis- 
herigen Untersuchungen  auf  diesem  Gebiet.  T.  wandte  planmäßig  (im  all- 
gemeinen bei  Meerschweinchen)  folgende  Schädigungen  an:  1.  Abkühlung, 
2.  Ermüdung  (in  der  Tretmühle),  3.  Hunger,  4.  Alkohol  in  kleinen  und 
großen  Dosen  Von  den  sehr  zahlreichen  Versuchen  seien  folgende  her- 
vorgehoben. Die  Alexine  des  kreisenden  Blutes  wurden  durch  keine  der 
Schädigungen  sicher  beeinflußt  (Prüfung  durch  Hämolyse  und  Bakterizidie). 
Die  Schädigungen  (sub  1—3)  beeinflussen  dagegen  aufs  stärkste  die  Pha- 
gozytose im  Peritoneum  des  Meerschweinchens,  dem  präparierte  Hühner- 
blutkörperchen injiziert  worden  sind,  und  zwar  findet  sich  außer  starker 
Hemmung  der  Leukozytenzuwanderung  eine  verminderte  Freßtätigkeit  der 
Leukozyten,  sowie  eine  Verlangsamung  der  extrazellulären  Lyse  der  Blut- 
körperchen. Nach  des  Verf.  Meinung  spielen  für  die  Resistenz  des  Orga- 
nismus die  Alexine  eine  gleich  große  Rolle  wie  die  Phagozytose.  Wenn 
im  Blute  keine  Alexinverminderung  konstatiert  wurde,  so  liege  das  an  der 
schnellen  Regeneration  der  Alexine,  die  erst  in  der  Agonie  aufhöre;  in  der 
Bauchhöhle  werden  sie  so  schnell  resorbiert,  weil  sie  nicht  so  schnell  in 
die  Peritoneallymphe  übergehen.  Weiterhin  wurde  die  Regenerations- 
fähigkeit der  Alexine  im  hämolytischen  Versuch  dadurch  geprüft,  daß  durch 
intravasale  Injektion  von  Rinderblut  die  Alexine  absorbiert  werden;  nach 
24  Stunden  zeigten  dann  normale  Tiere  wieder  normalen  Alexingehalt, 
überkältete  und  übermüdete  nur  minimalen.  Alle  Schädigungsarten  ergaben 
eine  Erhöhung  der  Empfänglichkeit  für  Infektionen  (Typhus  intraperi- 
toneal), ferner  eine  Herabsetzung  der  Bildung  spezifischer  Schutzstoffe 
(geprüft  an  Bakterizidie,  Agglutininbildung,  Bildung  hämolytischer  Arabo- 
zeptoren).  Bemerkenswert  ist,  daß  dagegen  einmalige  kleine  Alkohol- 
dosen sowie  einmalige  mäßige  Muskelanstrengung  die  Schutzkörperbildung 
begünstigt,  ferner,  daß  die  chronisch  alkoholvergifteten  Tiere  trotz  der 
doch  objektiv  nachweisbaren  Resistenzverminderung  sämtlich  starke  Ge- 
wichtszunahmen hatten. 


—     267     — 

T.  sieht  das  Wesen  der  Resistenz  in  der  Reaktionsbereitschaft 
des  Organismus,  charakterisiert  durch  die  Bewegungs-  und  Freßfähigkeit 
der  Leukozyten,  das  Alexinbildungs  vermögen,  das  Bildungsvermögen  für 
spezifische  Schutzstoffe.  Wesentlich  ist  also  die  Reaktionsfähigkeit  auf 
Reize;  ihre  Aufhebung  ist  das,  was  wir  „Prädisposition"  nennen. 

E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  M.). 

Pease,  H.  D.,  and  Pearce,  R.  MM  Liver  necrosis  and  venous  throm- 
bosis  in  horses  actively  immunised  with  diphtheria 
and  tetanus  toxins  and  with  Streptococci  and  their 
products. 

(The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  S.  619    637.) 
Verff.  beschreiben  mehrere  Fälle  von  Lebernekrose  und  Venenthrom- 
bose  bei  Pferden,   die   aktiv   mit  Toxinen   von  Diphtherie-   und  Tetanus- 
bazillen usw.   immunisiert   worden   waren.    Die   gen.  pathologischen  Ver- 
änderungen sind  auf  die  spezifische  Wirkung  der  Toxine  zurückzuführen. 

Kaestner  (Berlin). 

Moussu,  (L,  Le  bilan  actuel  de  la  vaccination  et  de  la  s£rothera- 
pie  antituberculeuse. 
(Rec.  de  mäd.  v6t,  Bd.  83,  1906,  S.  741—758.) 
v.  Behring  hat  sich  bei  der  Verteidigung  seiner  Immunisierungs- 
methode gegen  die  Rindertuberkulose  besonders  auf  die  vorzüglichen  Resul- 
tate seines  Verfahrens  in  dem  französischen  Orte  Melun  berufen. 

M.  führt  in  einer  sehr  lesenswerten  zusammenfassenden  Studie  diese 
Erfolge  auf  ein  sehr  bescheidenes  Maß  zurück.  Den  Hauptfehler  bei  der 
Anstellung  der  Versuche  in  Melun  sieht  M.  darin,  daß  dieselben  zu  früh- 
zeitig abgebrochen  wurden  und  im  wesentlichen  den  praktischen  Erforder- 
nissen nicht  entsprachen. 

Nach  der  neueren  Empfehlung  v.  Behrings  vom  Jahre  1904  sind  die 
Tiere  in  Melun  zuerst  mit  4  mg  und  drei  Monate  später  mit  20  mg  Bovo- 
vakzin  intravenös  geimpft  worden,  nachdem  eine  vorhergehende  Tuberkulin- 
injektion  bei  allen  Tieren  ohne  Reaktion  geblieben  war.  Die  vakzinier- 
ten Tiere  sind  dann  unter  Zuhilfenahme  der  nötigen  Kontrolltiere  in 
dreierlei  Art  auf  die  zu  erlangende  Immunität  geprüft  worden. 

1.  Ein  Teil  der  Tiere  und  6  Kontrolliere  sind  3  Monate  nach  der  zweiten 
Vakzination  mit  abgewogenen  Mengen  virulenter  Rindertuberkel- 
bazillen intravenös  geimpft  worden;  nach  sechsmonatiger  Beobach- 
tungszeit sind  die  Tiere  getötet  worden.  Von  den  6  Kontrolltieren 
starben  3  während  der  6  Monate  an  Tuberkulose,  die  anderen  3  zeig- 
ten bei  der  Sektion  umfangreiche  tuberkulöse  Veränderungen.  Von 
den  vorbehandelten  Tieren  zeigten  4  keine  makroskopischen  Verände- 
rungen; ein  Tier  wies  geringgradige  Herde  in  der  hinteren  Mediastinal- 
drüse  und  das  sechste  Tier  gleichartige  Herde  in  den  Bronchial-  und 
Mediastinaldrüsen  auf. 


—     268     — 

Es  schien  dies  also  ein  Beweis  zu  sein,  daß  das  in  Melun  gebrauchte 
Bovovakzin  für  die  behandelten  Tiere  nicht  „offensiv"  war  und  auch  eine 
gewisse  nicht  abzuleugnende  Immunität  bei  den  Tieren  erzeugt  hatte. 

2.  Eine  zweite  Serie  der  Tiere  erhielt  subkutan  virulente  Rindertuberkcl- 
bazillen.  Von  den  7  Kontrolltieren  zeigten  sich  bei  5  Lungentuber- 
kulose, bei  2  Tieren  nur  Bronchialdrüsentuberkulose.  Bei  den  vakzi- 
nierten Tieren  zeigten  sich  in  vier  Fällen  nur  Herde  an  den  Impf- 
stellen, zweimal  war  die  Bugdrüse  und  einmal  die  Drüse  am  Brust- 
eingang affiziert. 

Von  beiden  Versuchstieren  hat  nun  M.  von  je  drei  Stellen  kleine 
Stückchen  anscheinend  gesunder  Lymphdrüsen  (Bronchial-,  Mediastinal- 
und  Bugdrtisen)  intramuskulär  an  Meerschweinchen  verimpft;  diese  sind 
stets  tuberkulös  infiziert  worden.  Also  6  Monate  nach  der  Vakzination 
waren  die  zu  den  Probeimpfungen  verwandten  Bazillen  noch 
infektionstüchtig.  Die  Erfahrungen  der  menschlichen  Pathologie 
(Knochentuberkulose),  nach  denen  die  Tuberkulose  oft  latent  bleibt  und 
erst  bei  ungünstigen  Bedingungen  wieder  floride  wird,  drängen  M.  zu 
dem  Schluß,  daß  auch  bei  den  vorstehend  genannten  Tieren,  wenn  sie 
länger  als  6  Monate  gelebt  hätten,  unter  ungünstigen  Umständen,  wie  sie 
Laktation,  Trächtigkeit,  schlechte  Ernährung  und  andere  Krankheiten  dar- 
stellen, von  den  in  den  Lymphdrüsen  latent  verbliebenen  Bazillen  aus  sich 
eine  offensichtliche  Tuberkulose  hätte  entwickeln  können. 

3.  Für  die  dritte  Serie  der  vakzinierten  Tiere  endlich  hatte  es  M.  durch- 
gesetzt, daß  diese,  wie  es  den  natürlichen  Verhältnissen  entspricht, 
mit  Tieren  mit  offener  Tuberkulose  während  eines  Jahres  zusammen- 
gebracht wurden. 

Eines  dieser  Tiere  zeigte  bei  der  Obduktion  schwere  tuberkulöse 
Veränderungen  der  Bronchial-,  Mediastinal-  und  Mesenterialdrüsen 
sowie  auch  der  Lungen. 

Ein  zweites  Tier  zeigte  weniger  ausgesprochene  Drüsenaffektionen. 
Endlich  starb  ein  Tier,  das  ein  Jahr  nach  der  Vakzination  intravenös 
mit  virulenten  Bazillen  geimpft  worden  war,  an  generalisierter 
Tuberkulose. 

M.  führt  an,  daß  in  Belgien  die  Hälfte  der  vakzinierten  Tiere  bei 
der  Sektion  tuberkulöse  Veränderungen  aufwies,  und  daß  ein  vakziniertes 
Tier  sich  infiziert  hatte,  nachdem  es  nur  5  Monate  der  Kohabitation  mit 
einem  Tier  mit  offener  Tuberkulose  ausgesetzt  gewesen  war. 

Auch  den  von  de  Schweinitz,  Pearson,  Koch  und  Schütz  an- 
gegebenen Verfahren  spricht  M.  auf  Grund  der  bisherigen  Erfahrungen 
einen  praktischen  Wert  ab.  Zum  Schluß  resümiert  sich  M.  dahin,  daß 
durch  die  bisherigen  Impfmethoden  zwar  die  Resistenz  der 
Tiere  erhöht  wird,  daß  jedoch  eine  den  praktischen  Bedürfnissen 


—    269    — 

entsprechende  Immunität  nicht  entsteht  („on  renforce  la  resistance 
des  sujets  miß  en  experience,  mais  on  ne  fait  pas  de  vaccination  pratique.") 
Auch  von  den  bisher  hergestellten  Immnnseris  verspricht 
sich  M.  nicht  viel.  Er  konnte  zwar  mit  einem  nach  unseren  heutigen 
Anschauungen  hoch  wirksamen  Serum  einen  stark  tuberkulösen  Hund  klinisch 
gesund  machen  (die  Tuberkulinreaktion  blieb  bestehen),  er  brauchte  aber 
dazu  so  große  Serummengen,  daß  auch  dieses  Serum  für  den  Menschen 
und  noch  mehr  für  unsere  großen  Haustiere  praktisch  ohne  jede  Bedeu- 
tung wäre.  Junack  (Bentheim). 

Thomassen,  M.  H.  J.  P.,    De   immuniseering   van   het   rund  tegen 
de  tuberculose.      (Die  Immunisierung   des   Kindes   gegen   die 
Tuberkulose.) 
(Haag,  1906,  60  Ss.) 

Diese  Arbeit,  die  letzte  des  am  21.  Dezember  so  plötzlich  verstor- 
benen Utrechter  Forschers  enthält,  abgesehen  von  entsprechenden  Lite- 
raturangaben, eigene  Untersuchungen  des  Verf.: 

a)  Intravenöse  Applikation  von  einer  großen  Dosis  frisch  kulti- 
vierter humaner  Bazillen. 

b)  Intraperitoneale  Applikation  humaner  Bazillen. 

c)  Intravenöse  Applikation  schwerer  virulenter  boviner  Bazillen. 

d)  Humane  Bazillen,   intravenös   in  steigenden  Dosen  von  0,001 
bis  0,010  Gramm. 

e)  Humane  Bazillen,    intravenös   in   steigenden  Dosen  von' 0,001 
bis  0,010  und  0,025  Gramm. 

f)  Impfung   mit  in  vacuo  getrockneten  humanen  Bazillen  (Bovo- 
vakzin  von  Behring). 

g)  Immunisierung  mit  bovinen  Bazillen, 
h)  Filtrat  von  Kulturen  (Tuberkulin). 

i)  Serum  von  zwei  hyperimmunisierten  Rindern. 
Th.  schließt  aus  seinen  Untersuchungen,  daß  es,  wenigstens  beim 
Rinde,  möglich  ist,  die  Empfänglichkeit  für  Tuberkulose  erheb- 
lich herabzusetzen,  ja  die  Tiere  für  kürzere  oder  längere  Zeit  total 
immun  zu  machen.  Die  zur  Immunisierung  verwendeten  Bazillen  müssen 
einen  gewissen  Virulenzgrad  besitzen.  Tiere,  mit  frischen  humanen  Kul- 
turen immunisiert,  zeigten  größere  Resistenz  virulenten  bovinen  Bazillen 
gegenüber,  als  solche,  die  mit  getrockneten  und  stark  abgeschwächten 
humanen  Bazillen  des  Behring -Instituts  behandelt  waren.  Die  ein- 
malige Impfung  nach  Koch- Schütz  von  sehr  schwach  virulenten  humanen 
Bazillen  in  einer  Dosis  von  10 — 30  Milligramm  erspart  Mühe  und  Zeit.  Th. 
sah  jedoch  starke  Abmagerung  und  zeitweise  einen  Wachstumsstillstand;  des- 
wegen hält  er  diese  einmalige  Impfung  für  die  Praxis  nicht  wünschenswert. 


—     270     — 

Es  ist  abzuwarten,  ob  stark  mitigierte  Bazillen  eine  genügende  immuni- 
sierende Kraft  besitzen,  die  Klimm  ersehen  Experimente  mit  a virulenten 
humanen  Bazillen  besitzen  in  dieser  Hinsicht  Interesse.  Nach  Th.  ist  vorläufig 
am  meisten  zu  empfehlen  (vgl.  Koch,  Schütz,  Pearson,  Neufeld,  Arloing) 
die  Anwendung  von  frisch  kultivierten,  aber  nicht  zu  virulenten 
humanen  Bazillen  in  steigenden  Dosen  von  1 — 25  Milligramm.  Am  besten  ist 
die  intravenöse  Applikation.  Die  Kälber  können  nach  der  vierten  Woche 
geimpft  werden.  Die  Bazillenmenge  von  1 — 25  Milligramm  wird  genommen 
von  einer  Kartoffel-  oder  Serumkultur  und  in  einem  Mörser  mit  physio- 
logischer NaCl-Lösung  emulgiert.  Tiere  mit  feiner  Haut  und  feinen  Knochen 
sind  in  der  Regel  empfänglicher  für  Tuberkelbazillen  als  Tiere  gröberen 
Schlages.  Eine  Terminaldosis  von  10  Milligramm  war  nicht  immer  ge- 
nügend zur  Erreichung  des  höchsten  Immunitätsgrades.  25  Milligramm 
sind  vorzuziehen.  Immunisierung  mit  Serum  und  Filtrat  von  Bouillon- 
kulturen ist  für  die  Praxis  nicht  empfehlenswert. 

Zur  Kontrolle  der  Immunität  injizierte  Th.  den  immunisierten  Tieren 
intravenös  oder  subkutan  eine  Dose  virulenter  boviner  Bazillen.  Der 
Versuch  einer  natürlichen  Infektion  in  infizierten  Stallungen  wurde  von 
ihm  nicht  in  Anwendung  gebracht.  Th.  ist  der  Meinung,  daß  die  intra- 
venöse Injektion  von  relativ  großen  Massen  virulenter  boviner  Bazillen 
eher  infiziert,  wie  die  natürliche  Infektion  in  verseuchten  Herden.  (Es 
ist  jedoch  hierbei  zu  bedenken,  daß  die  natürliche  Infektion  auf 
längerem  Wege  arbeitet,  „la  cohabitation  intime  et  permanente" 
von  Nocard.  Ref.)  Wenn  die  natürliche  Infektion  intensiver  wirkt  als 
die  experimentelle,  dann  erwartet  Th.  aus  guten  Gründen  nicht  viel  von 
den  Resultaten  mit  den  Behringschen  Impftieren,  weil,  wie  erwähnt, 
diese  Tiere  eine  experimentelle  Infektion  meistens  ertragen. 

Th.  erachtet  die  Zeit  für  gekommen,  mit  der  Immunisierung  der  Kälber 
im  Alter  von  vier  Wochen  anzufangen.  Markus  (Utrecht). 


Parasiten  und  parasitäre  Krankheiten. 

Creutz,  H.,  Das  afrikanische  Küstenfieber. 

(Berl.  tierärztl.  Wochenschr.,  1906,  S.  843-844.» 

Das  afrikanische  Küstenfieber  der  Rinder  gehört  zur  gleichen  Kate* 
gorie  von  Krankheiten  wie  die  Malaria  und  Hämoglobinurie.  Die  Über- 
tragung geschieht  durch  Zecken  des  Genus  „Rhipizephalus".  Durch  das 
Blut  eines  erkrankten  Tieres  läßt  sich  die  Krankheit  auf  gesunde  Tiere 
nicht  übertragen,  auch  gelingt  es  nicht,  Rinder  durch  Behandlung  mit  dem 


—     271     — 

Blut  erkrankter  Tiere   immun   zu   machen.    Als  Vorbeugemittel  empfiehlt 
Verf.  Arsenikbäder  zur  Vernichtung  der  Zeckenbrut.      Bierbaum  (Berlin), 

Nuttall9  Q.  H.  F.,  u.  Graham-Smith,  0.  S.f  Canine  Piroplasmosis. 
(The  Journ.  of  Hygiene,  Vol.  6,  Nr.  5,  1906,  p.  586-644.) 

Die  Verff.  stellten  eingehende  Untersuchungen  über  den  Lebenslauf 
von  Piroplasma  canis  an,  indem  sie  die  Parasiten  in  gefärbtem  Zustande 
untersuchten  und  die  hierbei  gefundenen  Formen  denen  gegenüberstellten, 
die  sie  an  den  ungefärbten,  lebenden  Parasiten  im  hängenden  Tropfen  be- 
obachten konnten. 

Aus  den  zahlreichen  Beobachtungen  schließen  sie,  daß  es  eine  freie 
und  eine  intrazelluläre  Form  des  Parasiten  gibt.  Die  freien  Parasiten, 
die  spindelförmig,  birnförmig  oder  oval  gestaltet  sind  und  einen  kurzen* 
Fortsatz  sowie  eine  Geißel  besitzen,  dringen  in  rote  Blutkörperchen 
ein  und  nehmen  in  diesen  eine  rundliche  Form  an.  Nach  einer  kurzen 
Ruhe  geht  die  runde  Form  unter  gleichzeitigem  Wachstum  des  Parasiten 
in  die  amöboide  über.  Aus  der  amöboiden  Form  entwickelt  sich  wieder 
die  ursprüngliche  birnförmige.  In  dieser  verlassen  die  Parasiten  entweder 
die  Blutkörperchen,  um  andere  heimzusuchen,  oder  sie  teilen  sich  in 
mehrere  birnförmige  Individuen,  die  durch  Fortsätze  verbunden  sind  und 
sich  nach  kurzer  Zeit  trennen,  um  das  Blutkörperchen  zu  verlassen  und 
wiederum  andere  zu  befallen.  Die  Blutkörperchen  gehen  nach  der  Aus- 
wanderung zugrunde.  Die  Parasiten  treten  am  8.  bis  9.  Tage  nach  der 
Infektion  im  Blute  auf  und  zeigen  eine  sehr  starke  Vermehrung.  Verff. 
glauben,  daß  im  Hund  nur  die  ungeschlechtliche  Form  der  Fortpflanzung 
vorkommt.  Hoffmann  {Breslau), 

Wetzl,  J.9  Über  die  Piroplasmose  der  Hunde. 
(Zeitschr.  f.  Tiermed.,  10.  Bd.,  1906,  S.  369—379.) 
W.  beschreibt  einen  in  d$r  Tierärztlichen  Hochschule  zu  Budapest 
beobachteten  Fall  von  Hundepiroplasmose.  Der  Patient,  ein  sechsjähriger 
Jagdhund,  genas  nach  ca.  14  Tage  langem  Kranksein.  Die  Behandlung 
bestand  in  künstlicher  Ernährung  mit  Eiern,  Zucker,  Milch  und  Ferrum 
peptonatum  cum  arseno.  Durch  Verimpfung  des  Blutes  konnte  die  Krank- 
heit auf  zwei  gesunde  Hunde  übertragen  werden,  bei  denen  sie  nach  fünf 
Tagen  zum  Ausbruch  kam.  Orabert  (Berlin), 

Spielmeyer,  W.f   Experimentelle  Tabes   bei  Hunden  (Trypanoso- 

mentabes). 

(Müneh.  med.  Wochcnscbr.,  53.  Jahrg.,  1906,  S.  2338-2340.) 
Verf.  teilt  Versuche   mit,    aus  denen   hervorgeht,    „daß  sich  infolge 
von   Trypano8omeninfektion   (benutzt   wurde   Tryp.  Brucei)    degenerative 
Veränderungen   im  Zentralnervensystem   von  Hunden   entwickeln   können, 


—     272     — 

die    denen   bei    der   gewöhnlichen   postsyphilitischen  Tabes   des  Menschen 
prinzipiell  gleich  sind".  ./. 

Brickman,  Q.  J.,   Beitrag  znr  Kenntnis  der  Malaria  beim  Pferde. 
(Svensk  Veterinärtidskrift,  1906,  Heft  3.) 

Der  Verf.  hat  im  Bezirk  Wärterbotten  eine  chronisch  verlaufende 
Krankheit  des  Pferdes,  zunächst  eine  perniziöse  Anämie,  beobachtet.  Die 
Krankheit  soll  ziemlich  allgemein  sein  —  1904/05  hatte  der  Verf.  im 
ganzen  152  Fälle  in  Behandlung.  Diese  traten  hauptsächlich  im  Herbst 
und  im  Winter  auf,  nur  wenige  im  Frühling  und  keiner  in  der  wärmsten 
Zeit.  Die  angegriffenen  Tiere  werden  schlaff  und  matt,  schwitzen  und  er- 
müden leicht,  und  ihre  Freß-  und  Trinklust  nimmt  ab.  Oft  erscheinen  an 
der  Mähne,  dem  Rücken  und  den  Lenden  kleine  juckende  Knötchen.  Später 
werden  die  Schleimhäute  blaß,  es  stellen  sich  Ödeme  der  Gliedmaßen  wie 
auch  Bauchwassersucht  ein.  Während  der  Sommerzeit  bessert  sich  das 
Leiden.  Fieber  wird  nicht  beobachtet,  eher  sogar  subnormale  Temperatur. 
Diejenigen  Tiere,  die  im  Sommer  im  Stall  gefüttert  werden,  bleiben  in 
der  Regel  von  der  Krankheit  verschont;  Füllen  scheinen  weniger  empfänglich 
zu  sein. 

Im  Blute  der  angegriffenen  Pferde  glaubt  der  Verf.  die  Ursache 
nachgewiesen  zu  haben  —  einen  Parasiten  des  Blutes,  den  er  zu  den 
Piroplasmen-  oder  Malariaparasiten  rechnet.  Er  fand  ihn  in  40 — 50  Fällen. 
Dieser  Parasit  zeigt  sich  in  Form  kleiner  runder  oder  ovaler,  stark  lichtbrechen- 
der Körperchen,  die  innerhalb  oder  außerhalb  der  roten  Blutkörperchen  liegen. 
Gewöhnlich  sieht  man  nur  einen  einzelnen  Parasiten,  zuweilen  jedoch  zwei, 
seltener  noch  mehr  (drei,  vier,  sechs).  Mitunter  sah  der  Verf.  zwei, 
bisweilen  drei  Parasiten  miteinander  vereint,  die  dann  oval  und  gegeneinander 
zugespitzt  waren;  in  einem  Falle  gewahrte  er  eicheiförmige  Bildungen 
und  in  einem  anderen  Falle  nierenförmige,  die  im  Begriffe  standen,  sich 
zu  teilen.  Gewöhnlich  wird  ein  Parasit  auf  50—100  (oder  300)  rote 
Blutkörperchen  angetroffen.  Die  größten  Parasiten  hatten  einen  Durch- 
messer von  yd,  die  kleinsten  von  7»— Vao  des  Durchmessers  eines  roten 
Blutkörperchens. 

Der  Verf.  glaubt,  daß  Mücken  die  Krankheit  übertragen,  ohne  jedoch 
Anhaltspunkte  für  diese  Annahme  zu  haben.  Seine  Überimpfungsversuche 
(ein  Schaf  und  ein  Pferd)  ergaben  negative  Resultate.  Die  Abhandlung  ist 
von  zwei  photographischen  Wiedergaben  von  Blutpräparaten  begleitet,  die 
jedoch  nicht  überzeugend  wirken. 

Beim  Rind  kommt  in  derselben  Gegend  eine  ähnliche  Krankheit 
vor.    Bin  tun  t  ersuchungen  ergaben  hier  ein  negatives  Resultat. 

L.  Bahr  f Kopenhagen). 


—     273     — 

Novy,  F.  G.,  The  trypanosomes  of  tsetse  flies. 

(The  Journ.  of  infectious  Disease^  Vol.  3,  No.  3,  1906.) 

Koch  hatte  seinerzeit  angegeben,  daß  es  ihm  gelungen  wäre,  die 
Entwicklungsformen  des  Trypanosoma  Brucei  (Erreger  der  Nagana  hei 
Tieren)  und  des  Tryp.  gambiense  (Erreger  der  Schlafkrankheit  bei  Menschen) 
im  Körper  (Verdauungstraktus  und  Ovar)  der  Tsetsefliege,  besonders  der 
Glossina  fusca,  nachzuweisen.  Auf  Grund  eingehender  Untersuchungen 
erklärt  N.  die  Schlußfolgerungen  Kochs  für  irrtümlich.  Die  von  Koch 
beschriebenen  angeblichen  Entwicklungs-  und  Vermehrungsformen  der 
gen.  pathogenen  Trypanosomenarten  sind  harmlose  Symbionten  des  Ver- 
dauungstraktus und  Ovars  der  Tsetsefliegen.  Schon  Gray  und  Tulloch 
wiesen  Trypanosomen  im  Körper  von  Tsetsefliegen  auf  einer  gänzlich  un- 
bewohnten Insel  nach.  Der  von  ihm  (Koch)  selbst  gestellten  Forderung, 
eine  Trypanosomenart  nur  dann  als  charakterisiert  zu  betrachten,  wenn 
ihre  Entwicklungsgeschichte,  wenigstens  in  den  wesentlichen  Teilen,  er- 
mittelt ist,  hat  Koch  bei  der  Bewertung  seiner  Untersuchungsergebnisse 
nicht  gentigt. 

Die  Untersuchungsergebnisse  des  Verf.  werden  beweiskräftig  durch 
folgende  Tatsachen  gestützt:  1.  Die  ektogenen  Formen  der  Trypanosomen 
sind  bedeutend  größer,  wie  die  entogenen  Formen.  2.  Ihr  Vorkommen  in 
Fliegen,  die  nachweislich  nicht  von  infizierten  Tieren  Blut  gesaugt  haben. 
3.  Die  Weiterentwicklung  pathogener  Arten  im  Körper  von  Fliegen,  die 
infiziertes  Blut  gesaugt  haben,  ist  nicht  beobachtet  worden.  4.  Es  gelingt 
nicht,  empfängliche  Tiere  durch  diese  Fliegen  künstlich  zu  infizieren. 
5.  Die  Trypanosomen  der  Fliegen  verhalten  sich  analog,  wie  die  bei  Stech- 
mücken als  Symbionten  nachgewiesenen  Trypanosomenarten. 

Kaestner  (Berlin). 

Cazalbou,  L.,  La  Souma. 

(Rev.  gen.  de  med.  vet.,  Bd.  8,  1906,  S.  250—248.) 

Im  französischen  Sudan  im  Nigertale,  besonders  zwischen  dem 
14.  bis  16.  Breitengrade,  findet  sich  bei  Rindern  und  Pferden  eine  Trypa- 
nosomiasis „la  Souma"  genannt,  die  namentlich  in  den  Monaten  Mai,  Juni 
und  Juli  zu  Todesfällen  führt.  Von  Kindern  wird  besonders  das  Zebu  be- 
fallen, die  Mortalität  beträgt  etwa  40%.  Die  Symptome  sind  langsame 
Abmagerung  nach  etwa  3  Monaten,  ferner  Augentränen  und  Ödeme,  be- 
sonders an  dem  Zebubuckel.  Im  letzten  Krankheitsstadium  treten  Anämie 
und  erschöpfende  Durchfälle  auf.  Der  Urin  ist  gewöhnlich  klar  und  frei 
von  Eiweiß.  Trypanosomen  sind  in  jedem  Krankheitsstadium  im  Blute 
sehr  selten.  Die  Krankheitsdauer  beträgt  8  (Zebu)  bis  12  Monate.  Über- 
stehen der  Krankheit  hat  Immunität  im  Gefolge. 

Beim  Pferde  tritt  Abmagerung  schon  im  2.  Monat  auf,  das  Augen- 
tränen  tritt   weniger   in  Erscheinung,   dafür  aber  finden  sich  Ödeme  der 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.     II,  2,3.  18 


—     274     — 

Hoden  und  Hodenhüllen,  des  Schlauches  und  der  Gliedmaßen.  Im  weiteren 
Verlauf  treten  Paresen  der  Nachhand  auf,  die  nach  einigen  Remissionen 
meist  zu  Paraplegien  führen.  Jetzt  stellt  sich  auch  eine  allgemeine  Anämie 
ein.  Die  Krankheitsdauer  beträgt  6—12  Monate.  Der  Tod  ist  die  Regel. 
Trypanosomen  sind  stets  selten  im  Blut.    Die  Stuten  abortieren  gewöhnlich. 

Das  Trypanosoma  der  Souma  hat  nach  Laver  an  keine  besonderen 
morphologischen  Eigenschaften,  die  es  von  den  anderen  bekannten  Arten 
sicher  unterscheiden  lassen.  Im  Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  patho- 
genen  Trypanosomen  ist  es  nicht  infektionsfähig  für  Ratten,  Mäuse,  Meer- 
schweinchen, Hunde  und  Katzen.  Dagegen  sind  Schafe,  Ziegen,  Antilopen, 
Rinder  und  Pferde  künstlich  zu  infizieren;  diese  Tiere  zeigen  dann  die- 
selben Krankheitssymptome  wie  bei  natürlicher  Infektion  und  sterben  auch 
meist  unter  gleichen  Erscheinungen. 

Tsetsefliegen  wurden  in  den  meist  betroffenen  Bezirken  niemals  auf- 
gefunden, dagegen  viele  Tabanus-  und  Stomoxysarten.  Auch  einige  häufig 
beobachtete  blutsaugende  Ektoparasiten  können  nach  F.  vielleicht  unter 
Umständen  die  Infektion  vermitteln. 

Der  schleichende  Verlauf  der  Souma  erschwert  eine  Bekämpfung,  es 
empfehlen  sich  Überwachung  des  Viehhandels  und  Keulung  jedes  er- 
krankten Tieres.  Junaek  (Bentheim). 

Theiler,  Trypanosomiase  chez  les  Chameauz. 
(Rev.  g6n.  de  med.  vet,  Bd.  8,  1906,  S.  298—303.) 

Bei  36  aus  dem  Somalilande  nach  Prätoria  eingeführten  Kamelen 
stellte  Th.  eine  Trypanosomiasis  fest.  Die  exakte  Diagnose  konnte  nur 
einige  Male  durch  doppelte  Verimpfung  von  Blut  an  Hunden  gestellt 
werden;  in  dem  Blut  der  Kamele  selbst  fanden  sich  nie  die  Para- 
siten. Th.,  der  bezüglich  der  Nagana-  und  Surra-Frage  im  Gegensatz  zu 
Koch  den  dualistischen  Standpunkt  vertritt,  stellte  durch  vergleichende 
Infektionsversuche  an  neun  Tierarten  mit  den  fraglichen  und  den  Nagana- 
parasiten fest,  daß  es  sich  in  diesem  Falle  um  Surra  handelte. 

Hinsichtlich  der  Veterinärpolizei  ist  Th.  der  Meinung,  daß  alle  ein- 
geschleppten Trypanosomiasen  so  lange  bekämpft  werden  müssen,  bis  nicht 
feststeht,  daß  die  betreffende  Krankheit  nur  eine  bestimmte  Fliegenart 
als  Zwischenwirt  benutzt,  die  in  dem  Lande  nicht  vorkommt. 

Junaek  (Bentheim), 

Mesnil,  F.,  et  Rouget,  J.,  Sensibilitä  des  Ruminants  et  des  Singes 

au  Trypanoßome  de  la  Dourine. 

(Ann.  de  linst.  Pasteur,  Bd.  20,  1906,  8.  689—696.) 
Versuche  mit  einem  starken  Virus  ergaben,    daß  die  Trypanosomen 
-der  Dourine   auch  Wiederkäuer  und  Affen  infizieren  können.    Damit  fällt 


—     275     — 

der  von  Nocard  aufgestellte  Unterschied   zwischen   der  Dourine  und  der 
algerischen  Trypanosomenkrankheit.  E.  Jacobsthal  ( Frankfurt  o.  M.J. 

Sergent,  Ed.,  et  Sergent,  Et,   Etudes  sur  les  trypanosomiases  de 
Berberie  en  1905. 
(Ann.  de  linst.  Pasteur,  Bd.  20,  1906,  8.  665—681.) 

Historischer  und  geographischer  Überblick  über  den  Gegenstand. 
Die  „Debab-Krankheit"  ist  klinisch  etwas  von  der  Dourine  verschieden. 
Übertragung  durch  verschiedene  Tabanidenarten  möglich,  und  zwar  so- 
gleich nach  dem  Saugen  an  einem  erkrankten  Tier.  Andere  Übertra- 
gungsarten unwahrscheinlich;  experimentell,  im  Gegensatz  zur  Dourine, 
Übertragung  auf  dem  Schleimhautwege  unmöglich.  Infektiosität  des  Virus 
für  Mäuse,  Ratten,  Kaninchen.  Überstehen  der  Krankheit  verlieh  Mäusen 
relative  Immunität.  Röntgenstrahlen  verschlimmerten  eher  das  Krank- 
heitsbild. Von  „Debab"  werden  hauptsächlich  Dromedare  befallen,  weniger 
häufig  Pferde.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a,  M.J. 

Franfa,  C,  u.  Athias,  M.,  Recherches  sur  les  Trypanosomes  des 
Amphibiens.  I.  Les  Trypanosomes  de  la  Rana  esculenta. 

(Aren,  de  l'Inst.  Royal   de  Bacteriol.    Camara  Pestana,    Bd.  1,  Heft   1, 

S.  127—166.) 
Die  Verff.  geben   eine   eingehende  Beschreibung   der  von  ihnen  bei 
ca.  50  Grasfröschen   beobachteten   Trypanosomen.    Sie   unterscheiden  Tr. 
loricatum  oder  costatum,   Tr.  rotatorium,  Tr.  inopinatum,  Tr.  elegans  und 
Tr.  undulans.  (Wabert  (Berlin). 

Magalhss,   A.  de,   Sur  le   traitement    des    Rats   infectls   par  le 

Trypanosoma  gambiense   au  moyen   de  l'acide  ars£neux 

et  du  trypanrot. 

(Arch.  de  Fingt  Royal  de  Bactäriol.    Camara   Pestana,   Bd.   1,    Heft   1, 

S.  171-176.) 
Ms.  Versuche  ergaben  die  Unwirksamkeit  der  vorgenannten  Behand- 
lungsmethoden. Grabert  (Berlin.) 

V14sf  F.,  La  strueture  et  les  affinite's  de  Trypanosoma  Balbianii. 
(Corapt.  rend.  de  la  Soc.  de  Biologie,  Bd.  69,  1906,  S.  408.) 

V.  bildet  neben  dem  Trypanosoma  Balbianii  mit  undulierender  Mem- 
bran auch  solche  mit  peritrichen  Geißeln  ab,  die  vielfach  miteinander 
verflochten  sind  und  glaubt  an  zwei  Formen  des  Erregers. 

(Die  Betrachtung  der  Abbildungen  ergibt,  daß  es  sich  um  Kunst- 
produkte handelt;  die  durch  die  Präparation  beschädigten  Exemplare 
lassen  deutlich  mechanisch  losgerissene  Myoneme  erkennen,  die  V.  für 
Geißeln  hält.    [Der  Ref.])  Sieber  (Hamburg). 

18* 


—     276     — 

Ooebel,  O.,  La  nagana  chez  la  poule. 

(Compt.  rend.  de  la  Soc.  de  Biologie,  Bd.  61,  1906,  S.  321.) 
G.  infizierte  Hühner  mit  Nagana-Trypanosomen  durch  Injektion 
von  defibriniertem  Meerschweinchenblut  (mit  Naganaparasiten)  in  den 
Kamm.  Intra  vitam  waren  im  Blute  keine  Parasiten  nachweisbar,  dagegen 
gelang  die  Überimpfung  auf  Meerschweinchen  mit  dem  Blute  der  infizierten 
Hühner.  Die  Untersuchungen  ergaben,  daß  die  Trypanosomen  2—55  Tage 
im  Hühnerblut  blieben.  Eine  Abschwächung  durch  einmalige  Hühner- 
passage für  Meerschweinchen  erfolgte  nicht.  Eine  zweite  Trypanosomen- 
infektion  von  Hühnern,  deren  Blut  Meerschweinchen  nicht  mehr  infizierte, 
ergab,  daß  bei  Huhn  I  das  Blut  nach  3—12  Tagen,  bei  Huhn  II  nach 
3—22  Tagen  nicht  imstande  war,  Meerschweinchen  zu  infizieren;  es 
scheint  also,  daß  eine  Immunität  sich  gebildet  hatte.       Sieber  (Hamburg). 

Pricolo,  A.,   Le   trypanosome  de  la  souris.     Cycle  de  de>eloppe- 
ment  des  trypanosomes  chez  le  foetus. 
(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  1.  Abt.,  Orig.,  Bd.  52,  1906.  S.  231.) 
Das  vielleicht  mit  dem  Tbiroux sehen  identische  Trypanosoma  fand 
sich   sehr  häufig   bei  Mus  musculus.    Abbildung   des  Entwicklungszyklus. 

E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  M.J 
Sanfelice,  Fr.,  Über  diepathogene  Wirkung  der  Blastomyzeten.  Ein 
Beitrag  zur  Ätiologie  des  sog.  Farcinus  cryptococcicus. 
(Zeitschr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  54,  1906,  8.  299—326.) 
Verf.  konnte  bezüglich  der  Ursache  des  Rryptokokkenwurmes,  der  in 
Südfrankreich,  Süditalien,  Algier  und  Japan  oft  unter  den  Pferden  beobachtet 
wurde,  die  Angaben  Rivoltas,  Tokishiges,  Marcones  und  Baruchellos 
bestätigen,  er  beschreibt  eingehend  den  Cryptococcus  Rivolta  s.  fareiminosus 
=  Farcinus  cryptococcicus.  Bugge  (Kiel). 

Harz,  C.  O.,  Achlya  Hoferi  Harz,  eine  neue  Saprolegniazee  auf 
lebenden  Fischen. 

(Allg.  Fincherei-Zeitung,  31.  Jahrg.,  1900,  S.  365-368.) 
Auf  böhmischen  Spiegelkarpfen  kürzlich  beobachtet:  Große,  weißliche 
Pilzrasen,  die  nur  ganz  langsam  die  Hautschichten  durchwachsen  und  vor 
der  Muskulatur  Halt  machen.    In  Gesellschaft  der  Pilze  dringen  auch  Bak- 
terien in  die  Gewebe  ein,  und  es  kommt  dann  zu  größeren  Zerstörungen. 

F.  Schmüt  (Stettin). 

Schuberg,  A.,  Zur  Beurteilung  der  nach  0.  Schmidt  in  malignen 
Tumoren  auftretenden  protozoenähnlichen  Mikroorga- 
nismen.*) 

(Manch,  med.  Wochenschr.,  53.  Jahrg.,  1906,  S.  2159—2161.) 
Der  Verf.  fand   in   den   ihm    von  Schmidt  vorgelegten  Präparaten 

keine  protozoenähnlichen  Mikroorganismen   besonderer  Art.     Die  ihm  vor- 

*)  Vgl.  das  Referat  S.  .">09  des  ersten  Bandes  dieser  Zeitschrift. 


—     277      - 

gezeigten  Gebilde  waren  Fettröpfchen  und  Dinge  sehr  verschiedener  Herkunft 
(verquollene  rote  Blutkörperchen,  Myelinfiguren,  verschiedene,  vermutlich 
durch  Verunreinigung   in   die  Präparate  gelangte  Mikroorganismen  usw.). 

J. 

Ijima,  J.,  On  a  new  cestode  larva  parasitic  in  man. 

(The  Journ.   of  the   College   of  Science,    Imperial   University   ot   Tokyo, 
Japan,  Vol.  20,  Art.  7.) 

Bei  einer  wegen  eines  Inguinalbruches  in  Behandlung  stehenden 
Japanerin  fanden  sich  im  subkutanen  Bindegewebe  in  der  Gegend  des 
Ligamentum  Pouparti  Parasiten  in  ungeheurer  Anzahl,  die  von  I.  als  Zestoden- 
larven  erkannt,  den  Bothriozephaliden  zugezählt  und  mit  dem  Namen 
plerocerco'ides  prolifer  bezeichnet  wurden.  Die  Arbeit  Is.  gibt  eine  genaue 
Beschreibung  der  anatomischen  Verhältnisse  des  Plerocercoids.  Da  die  ge- 
schlechtsreifen  Formen  noch  unbekannt  und  Übertragungs versuche  bisher 
fehlgeschlagen  sind,  ist  eine  Darstellung  des  Entwicklungszyklus  des  Para- 
siten vorderhand  unmöglich,  wird  aber  von  I.  in  Aussicht  gestellt. 

Pfeiler  {Berlin), 


Hygiene  im  engeren  Sinne. 

Barnstein,   F.,   u.  Volhard,   J.,    Über  Verdaulichkeit   der  Gersten- 
graupenabfälle. 
(Die  landwirtschaftl.  VersuchsHtat.,  Bd.  65,  1906,  S.  222— 236.) 

Versuche  an  Hammeln  ergaben,  daß  bei  der  Gerste  die  Verdaulich- 
keit um  so  höher  liegt,  je  mehlreicher  die  Abfälle  sind.  Die  Rohnährstofl'e 
der  Gerste  werden  etwas  besser  ausgenutzt  als  die  des  Roggens  und 
Weizens,  eine  Beobachtung,  die  auch  mit  den  Erfahrungen  der  Praxis, 
nach  denen  den  Gerstenmehlprodukten  bessere  Nährwirkung  zukommt  als 
den  Roggen-  und  Weizen  abfallen,  vollkommen  in  Einklang  steht. 

Scheunert  (Dresden). 

Bierbaum,  K«,  Beitrag  zur  Giftigkeit  des  Semen  Ricini  communis. 
(Inang.-Diss.  [Gießen],  Gotha,  1906,  62  88..) 

Verf.  hat,  da  sich  in  der  Literatur  Angaben  über  die  zur  Vergiftung 
von  Haustieren  notwendigen  Mengen  des  Rizinussamens  nur  in  beschränk- 
tem Maße  fanden,  Fütterungs versuche  an  Pferden,  Ziegen,  Hammeln, 
Schweinen,  Hunden,  Kaninchen,  Hühnern,  Tauben  und  Enten  angestellt. 
Die  Versuche  ergaben,  daß  die  Giftigkeit  der  Rizinussamen  für 
Tiere  bei  Verfütterung  bisher  überschätzt  worden  ist.  Die 
tödliche   Dosis    beträgt:    für   Pferde  0,3  g,    für    Schweine  1,5—3,1  g,    für 


—     278    — 

Hände  0,63  g,  für  Kaninchen  0,7—1  g,  für  Höhner  13,3  g,  für  Enten  6,7  g 
pro  1  kg  Lebendgewicht.  Für  Ziegen,  Hammel  und  Tauben  konnte  sie 
nicht  ermittelt  werden,  doch  erwiesen  sich  ziemlich  große  Mengen  als  un- 
schädlich. Der  Nachweis  von  Teilen  der  Rizinussamen  in  einem 
verdächtigen  Futtermittel  genügt  deshalb  allein  nicht,  um 
etwaige  Erkrankungen  auf  die  Rizinussamen  zurückzuführen, 
vielmehr  ist  in  jedem  Falle  auf  die  Bestimmung  der  Menge  und  auf  ent- 
sprechende Fütterungsversuche  Bedacht  zu  nehmen.  Die  Schalen  der 
Rizinussamen  sind  ungiftig,  enthalten  aber  anscheinend  doch  sehr  geringe 
Mengen  des  giftigen  Bestandteiles,  des  Rizins.  Ref.  des  Autors. 

Mosselmann,    0.,    Empoisonnement    de    betes    bovines    par    les 
graines    du    haricot    de   Lima    (phaseolus    lunatus)    et 
recherches  sur  la  toxicite"  de  cette  plante  comestible. 
(Auual.  de  med.  v6t,  55.  Annee,  1906,  8.  141-153  u.  205-215). 
M.  faßt  die  Ergebnisse  seiner  Forschungen  über  vorstehenden  Gegen- 
stand folgendermaßen  zusammen: 

1.  Die  Früchte  einiger  Arten  Phaseolus  lunatus  enthalten  soviel 
Glykoside,  die  bei  Gärungsvorgängen  Blausäure  abspalten,  daß  500  g  der 
Bohnen  unsere  großen  Herbivoren  zu  töten  vermögen.  Größere,  auch  ge- 
kochte Quantitäten  können  noch  tödlich  wirken. 

2.  Die  Blätter  dieser  Arten  enthalten  freie  Blausäure,  deren  Gehalt 
aber  nach  dem  Alter  der  Blätter  oder  der  Zeit  der  Ernte  schwankt.  Sie 
sind  weniger  gefährlich,  weil  die  Pflanzenfresser  sie  wegen  ihres  Blau- 
säuregehaltes  nicht  aufnehmen. 

Kaninchen  und  Meerschweinchen  verweigern  nach  zweitägigem  Hungern 
ihre  Aufnahme.  ' 

3.  Es  ist  nach  den  Erfahrungen  mit  anderen  giftigen  Futtermitteln 
nicht  anzunehmen,  daß  alle  Arten  von  Phaseolus  lunatus  giftige  Früchte 
liefern.  Klima,  Boden  und  Art  der  Kultur  spielen  hierbei  wahrscheinlich 
eine  Rolle.  .Junack  (Breslau). 

Haselhof,   Über   die   der  Landwirtschaft  durch  chlorhaltige  Ab- 
wässer drohenden  Gefahren. 

(Amtabi.   der  Landwirtschaftskanimer  für  den  Regierungsbezirk   Kassel, 
10.  Jahrg.,  1906,  Nr.  32,  S.  379—380.) 

Für  Gegenden,  in  denen  Kalilager  abgebaut  werden,  besteht  die 
Gefahr,  daß  die  natürlichen  Wasserläufe  durch  die  salzhaltigen  Abwässer 
verunreinigt  werden.  Eine  Reinigung  der  Abwässer  durch  Entfernung  der 
Salze  ist  in  den  meisten  Fällen  nicht  lohnend  und  somit  undurchführbar. 
Im  Interesse  der  Anlieger  der  verunreinigten  Flüsse  fordert  H.  eine  ständige 
unparteiische   Kontrolle   des   Salzgehaltes   der  Flüsse   (Untersuchung   auf 


—     279     — 

Härte  und  Chlorgehalt).  Die  Leine  und  Innerste  werden  im  Auftrage  der 
Regierung  bereits  durch  eine  Versuchsstation  in  Hildesheim  in  dieser  Hin- 
sicht geprüft;  bei  Überschreitung  eines  festgesetzten  Härtegrades  kann  die 
Einschränkung  oder  Einstellung  des  Betriebes  verfügt  werden. 

Nachteile  chloridhaltiger  Abwässer:  Wasser,  das  schon  0,1 
bis  1,0  g  Chlornatrium,  Chlorkalzium  oder  Chlormagnesium  in  1  Liter  enthält, 
wirkt  stark  lösend  auf  die  Pflanzennährstoffe  des  Bodens.  Der  Pflanzenwuchs 
(Kieselwiesen)  wird  deshalb  anfangs  günstig  beeinflußt,  der  Boden  verarmt 
aber  sehr  rasch,  und  wenn  die  Vegetation  fehlt,  versickern  die  gelösten 
Nährstoffe  nutzlos  in  den  Untergrund.  Durch  Dichtschlämmung  des  Bodens 
wirken  noch  besonders  die  natriumchloridhaltigen  Wässer  nachteilig. 

Die  Fische  können  sich  der  zumeist  nur  allmählich  eintretenden  Erhöhung 
des  Salzgehaltes  verhältnismäßig  gut  anpassen ;  sie  sterben  erst,  wenn  15  g 
Chlornatrium  und  6—7  g  Chlorkalzium  oder  Chlormagnesium  in  1  Liter  Wasser 
enthalten  sind. 

Die  Haustiere  nehmen  Wasser  mit  8  g  Chlornatrium  in  1  Liter  noch 
gern;  Chlorkajzium  und  Ghlormagnesinm  sind  aber  nur  in  geringerer  Menge 
zulässig,  wegen  des  längeren  Nachgeschmackes  des  Clorkalziums  und  wegen 
der  abführenden  Wirkung  der  Magnesiumsalze.  F.  Schmitt  (Stettin). 

Zollikofer,  Blutsverwandtschaftszucht  bei  Schweinen. 
(Mitteil.  d.  Vereinig,  deutsch.  Schweinezüchter,  1906.) 
Verf.  weist  auf  die  Gefahren  der  Blutsverwandtschaftszucht  — 
schwache  Würfe,  kränkliche  Ferkel,  Befruchtungsmangel  bei  Ebern  —  hin 
und  empfiehlt,  um  die  Leistungsfähigkeit  der  Schweinezucht  zu  erhöhen, 
Begelnng  der  Eberhaltung  durch  Schweinezuchtgenossenschaften,  obli- 
gatorische Eberkörung  und  andere  Einrichtungen.  Dausel  (Berlin). 


Untersuchungsmethoden. 

Ruzicka,  St,  Eine  neue  einfache  Methode  zur  Herstellung  sauer- 
stoffreier  Luftatmosphäre    (als  Methode  zur  einfachen, 
verläßlichen  Züchtung  von  strengen  Anaeroben). 
(Arch.  f.  Hygiene,  Bd.  58,  1906,  4.  Heft,  S.  327—344.) 
Die  Methode  beruht  auf  der  Kombination  zweier  Prinzipien :    1.  Auf- 
zehrung des  Sauerstoffs  in  einer  großen  Menge  mittelst  eines  Wasserstoff- 
flämmchen8;    2.  darauffolgend   der  letzten  Sauerstoffspuren  mit  alkalischer 
Pyrogallollösung.    Das  Ganze  geschieht  unter  einer  Glasglocke.    Zugleich 
gibt   ein   neuer,    sehr   feiner  Indikator   (durch  Traubenzucker  reduzierter 


—     280    — 

Indigo)    an,   ob   tatsächlich   aller  Sauerstoff   absorbiert   ist.    Einzelheiten 
siehe  im  Original.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 

Zieler,   K.,  Zar  Darstellung   der  Leukozytenkörnelungen    sowie 
der  Zellstrukturen  und  der  Bakterien  im  Gewebe. 
(Zentralbl.  f.  allg.  Pathol.  u.  pathol.  Anatomie,  Bd.  17,   1906,   8.  433-436.) 

Es  handelt  sich  um  ein  im  ganzen  außerordentlich  einfaches  und 
bequemes  Verfahren,  bei  dem  die  Paraffinschnitte  mit  dem  May-Grün- 
waldschen  Farbstoff  gefärbt  und  dann  mit  Azeton  differenziert  und  ent- 
wässert werden.  Ref.  kann  aus  eigner  Erfahrung  das  Verfahren,  z.  B. 
bei  der  Untersuchung  von  Anämien  und  gramnegativen  Bakterien  im  Ge- 
webe warm  empfehlen.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 

Hesse,  W.  u.  Niedner,  Die  quantitative  Bestimmung  von  Bakterien 

in  Flüssigkeiten. 

(Zeitschr.  f.  Hygiene  u.  Infektion  »krankh.,  Bd.  53,  1906,  S.  259—280.) 
Die  Verff.  fordern  ein  einheitliches  Verfahren  bei  der  quantitativen 
bakteriologischen  Untersuchung  von  Flüssigkeiten  und  empfehlen  den 
Heyden-Agar.  Die  Züchtungsdauer  soll  drei  Wochen  bei  Zimmertemperatur 
betragen,  die  Zählungen  sollen  nur  unter  dem  Mikroskop  vorgenommen 
werden.  Bugge  (Kid). 

Bulloch,  W.,  u.  Craw,  J.  A.,  On  a  new  porcelain  filter. 
(The  Journ.  of  Hygiene,  Vol.  6,  1906,  S.  408—420.) 
Verff.    geben    anläßlich    der  Prüfung    eines    neuen   Porzellanfilters, 
,,DouJton   white    porcelain   filter",    ein   sinnreiches  Verfahren  an,    das   es 
ermöglicht,    die    einzelnen    Filter    rücksichtlich    ihrer   Leistungsfähigkeit 
mit  einander  zu  vergleichen.  KaesUier  (Berlin). 


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Originalarbeiten. 


Zur  Ätiologie  der  Schweinepest  und  der  Schweineseuche. 

Von 
Fror.  Dr.  Hutyra 

in  Budapest. 

Unter  dem  obigen  Titel  veröffentlichte  ich  in  einer  kurzen 
Mitteilung1)  einige  Versuche,  deren  Ergebnis  mich  die  Frage  auf- 
werfen ließ,  ob  nicht  auch  die  Schweineseuche,  ähnlich  wie  die 
Schweinepest,  in  letzter  Instanz  durch  einen  ultramikroskopischen 
Mikroorganismus  hervorgerufen  werde. 

Ich  konnte  nämlich  im  Laufe  meiner  Versuche  zunächst  den  Be- 
fund der  amerikanischen  Forscher  deSchweinitz  und  Dorset  sowie 
Dorset,  Bolton  und  McBry de,  wonach  bakterienfreies,  filtriertes 
Blut  oder  Blutserum  eine  akute  hämorrhagische  Septikämie  zu  er- 
zeugen vermag,  für  die  in  Ungarn  herrschende  Schweinepest  be- 
stätigen, wobei  ich  bei  den  mit  filtriertem  Pestmaterial  infizierten 
Ferkeln  mitunter  auch  Schwellung  und  Verschwärung  der  solitären 
Follikel  sowie  in  einem  Fall  auch  eine  streifenförmige  oberfläch- 
liche Nekrose  der  Schleimhaut  des  Grimmdarmes  beobachtete.  Außer- 
dem fand  ich  aber,  daß  filtriertes  Blutserum  oder  filtrierter  Lungen- 
und  Milzsaft  eines  Schweines  aus  einem  mit  Pest  infizierten 
Bestände,  dessen  Obduktion  jedoch  ausschließlich  die  akute  Schweine- 
seuche kennzeichnende  Veränderungen,  bei  ebenfalls  ausschließlicher 
Anwesenheit  von  bipolaren  ovoiden  Bazillen  im  hepatisierten 
Lungengewebe,  nachgewiesen  hatte,  eine  ähnliche  krankmachende 
Wirkung   auf  gesunde   Ferkel    ausübte.     Hierzu   kam   noch,    daß 


*)  Berliner  tierärztliche  Wochenschrift.  1906,  Nr.  32. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  4/5.  19 


—    282    — 

bei  manchen  der  auf  diese  Weise  infizierten  Ferkel  sich  auch 
eine  akute  Hepatisation  der  Lungen  mit  bipolaren  Bazillen  ent- 
wickelte. Diese  Befunde  legten  die  Möglichkeit  nahe,  daß  auch 
dem  Bacillus  suisepticus  fiir  gewöhnlich  in  ähnlicher  Weise  lediglich 
eine  sekundäre  Rolle  zukommt,  wie  sie  von  den  amerikanischen 
Forschem  bei  der  Schweinepest  fiir  den  Bacillus  suipestifer  voraus- 
gesetzt wird. 

Mit  Bezugnahme  auf  diese  Mitteilung  veröffentlichte  bald 
darauf  Ostertag1)  seine  diesbezüglichen  Erfahrungen.  Nach  kurzer 
Erwähnung  früherer  Versuche  von  Pütz  aus  dem  Jahre  1904,  wo- 
nach es  mit  filtriertem  Lungensaft  von  Schweinen,  die  mit  der 
chronischen  Schweineseuche  behaftet  waren,  nicht  gelang,  ge- 
sunde Ferkel  krank  zu  machen,  berichtet  er  über  ebenfalls  resultat- 
los abgelaufene  Versuche  mit  filtriertem  Material  von  zwei  pest- 
kranken Schweinen  (in  beiden  Fällen  scheint  die  Krankheit  nicht 
mehr  akut  gewesen  zu  sein).  Dahingegen  gelang  es  ihm,  durch 
subkutane  Verimpfung  von  direkt  aus  Amerika  beschafftem  Blut- 
serum eines  an  Hogcholera  gestorbenen  Schweines  bei  Ferkein 
eine  tödliche  akute  septikämische  Erkrankung  zu  erzeugen.  Ferner 
sind  zwei  weitere  Ferkel,  die  mit  einem  der  geimpften  Tiere  zu- 
sammengesperrt waren,  ebenfalls  schwer  erkrankt  und  erwiesen 
sich  bei  der  Sektion  mit  charakteristischen  Veränderungen  der 
Schweinepest,  insbesondere  mit  umfangreicher  Diphtherie  der  Dick- 
darmschleimhaut behaftet.  Seiner  Ansicht  nach  sprachen  diese 
Versuche  gegen  die  Annahme,  daß  das  Virus  der  jetzt  in  Deutsch- 
land herrschenden  subakuten  und  chronischen  Schweinepest  filtrier- 
bar sei,  doch  fugte  er  hierzu  die  Bemerkung,  daß  die  Frage  der 
Ätiologie  auch  fiir  die  in  Deutschland  als  Schweinepest  bezeichnete 
Krankheit  noch  weiterer  Prüfung  bedürfe. 

Neuere  Versuche  über  die  Filtrierbarkeit  des  Schweineseuche- 
virus  werden  nicht  angeführt. 

Wiewohl  ich  in  dieser  Mitteilung  üstertags  keineswegs  eine 
Widerlegung  meiner  obenerwähnten  Auffassung  zu  erblicken  ver- 
mochte, so  enthielt  ich  mich  vorläufig  jeder  Erwiderung  auf  die- 
selbe, insbesondere  aus  dem  Grunde,  weil  der  Autor,  eine  aus- 
führlichere Darlegung  der  Ergebnisse  seiner  diesbezüglichen  Unter- 
suchungen in  Aussicht  stellte.     Da  dies  nun  in  Bd.  II,  H.  2/3  der 


l)  Berliner  tierärztliche  Wochenschrift,  1906,  Nr.  34. 


—     283     — 

„Zeitschrift  fiir  Infektionskrankheiten  usw."  erfolgt  ist,  will  ich  der 
strittigen  Frage  diesmal  etwas  näher  treten. 


In  Schweinebeständen,  in  denen  die  Schweinepest  aufge- 
treten ist,  kommen  bekanntlich  verhältnismäßig  nur  selten  solche 
Fälle  vor,  bei  denen  die  Sektion  ausschließlich  fiir  die  Pest  cha- 
rakteristische anatomische  Veränderungen  nachweist.  In  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  sind  neben  den  letzteren,  mitunter  in  sehr  bedeu- 
tender Ausdehnung,  auch  Veränderungen  insbesondere  in  den  Lungen 
vorhanden,  die  allgemein  als  die  Schweineseuche  kennzeichnend  auf- 
gefaßt werden.  Außerdem  gibt  es  aber,  wieder  in  verhältnismäßig 
geringer  Zahl,  am  häufigsten  aber  im  Beginn  der  Seuchenansbrüche. 
auch  Fälle,  in  denen  sich  ausschließlich  der  Schweineseuche  zu- 
kommende anatomische  Krankheitsprozesse  durch  die  Obduktion 
nachweisen  lassen. 

Bis  in  die  letzte  Zeit  hinein,  insolange  nämlich  der  Bacillus 
suipestifer  und  der  Bacillus  suisepticns  als  ausschließliche  Erreger 
der  Schweinepest  und  der  Schweineseuche  betrachtet  wurden,  faßte 
man  die  Fälle  der  zweiten  Kategorie  als  Produkte  einer  Misch- 
infektion auf,  bedingt  durch  die  zwei  Bakterienarten,  und  fährte 
Epizootien  mit  diesem  Charakter  und  den  abwechslungsreichen 
anatomischen  Befunden  ebenfalls  auf  eine  solche  Mischinfektion 
zurück,  wohingegen  Fälle  der  dritten  Kategorie  auch  bei  gleich- 
zeitigem Herrschen  der  Schweinepest  ganz  anstandslos  als  reine 
Schweineseuche  angesprochen  wurden. 

Diese  Auffassung  stützte  sich,  abgesehen  von  den  grobanatomi- 
schen Merkmalen,  auch  auf  Ergebnisse  bakteriologischer  Unter- 
suchungen, indem  durch  letztere  bald  nur  die  eine,  bald  ausschließ- 
lich die  andere,  bald  aber  gleichzeitig  beide  Bakterienarten  im 
kranken  Tierkörper  nachgewiesen  werden  konnten.1)  Die  Fälle 
von  Mischinfektionen  galten  somit  als  ein  überaus  häufiges  Vor- 
kommnis, eine  Meinungsverschiedenheit  bestand  nur  darüber,  welcher 

l)  So  fand  z.  B.  Preis  z  (Ätiologische  Studien  über  Schweinepest  und 
Schweineseptikämie,  Budapest  1897)  von  80  hierauf  untersuchten  Fällen  in 
21  Fällen  nur  den  Bac.  suipestifer,  in  39  Fällen  nur  den  Bac.  suisepticus,  in 
10  Fällen  aber  gleichzeitig  beide  Bazillen,  welches  Verhältnis  sich  jedoch  bei 
der  schwierigeren  Nachweisbarkeit  des  Bac.  suipestifer  in  der  Wirklichkeit 
mehr  zugunsten  des  letzteren  und  der  Mischinfektionen  gestalten  dürfte. 

19* 


—     284    — 

von  den  zwei  Bazillen  in  solchen  Fällen  als  der  primäre  Angreifer 
zu  betrachten  sei.  Während  Preisz  der  Ansicht  war,  daß  die 
primäre  Infektion  des  Organismus  durch  den  Bac.  suipestifer  erfolgt 
und  der  Bac.  suisepticus  erst  nachträglich  von  den  durch  den 
ersteren  erzeugten  Darmläsionen  aus  in  die  Gewebe  eindringt,  glaubte 
Lignieres  im  Gegenteil,  daß  die  Pestinfektion  durch  eine  voraus- 
gehende Erkrankung  an  Schweineseuche  leichter  und  rascher  ge- 
staltet wird,  und  Joest1)  vertrat  letzthin  die  Auffassung,  daß  so- 
wohl die  Schweineseuche-  wie  auch  die  Schweinepestinfektion  das 
Primäre  sein  kann,  obwohl  er  es  für  wahrscheinlich  erachtet,  daß 
bei  vielen  Mischinfektionen  nicht  die  Pest,  sondern  die  Seuche  die 
Frimäraffektion  darstellt. 

Bis  in  die  neueste  Zeit  wurde  somit  die  Frage,  ob  in  einem 
gegebenen  Fall  Schweinepest,  Schweineseuche  oder  aber  eine  Misch- 
infektion vorliege,  lediglich  auf  Grand  des  grobanatomischen  und 
des  bakteriologischen  Befundes  entschieden,  insbesondere  galt 
eine  akute  hämorrhagische  Septikämie  oder  eine  akute  nekrotisie- 
rende Pleuropneumonie  bei  ausschließlichem  Vorhandensein  von 
bipolaren  ovoiden  Bakterien  im  Blut  oder  im  erkrankten  Gewebe 
als  ein  untrügliches  Merkmal  der  reinen  akuten  Schweineseuche, 
ebenso  wie  Fälle  von  hämorrhagischer  Septikämie  oder  ausschließ- 
liche spezifische  Darmveränderungen  mit  dem  Pestbazillus  allein  als 
reine  Schweinepest  bezeichnet  wurden. 

Dabei  galten  die  beiden  Bazillen  als  die  eigentlichen  Erreger 
der  zwei  Krankheiten,  jedoch  mit  dem  Bemerken,  daß  sie  auch 
gleichzeitig  in  ein  und  demselben  Tierkörper  ihre  spezifische  patho- 
gene  Wirkung  entfalten  können. 

Infolge  der  Arbeiten  der  amerikanischen  Forscher  änderte 
sich  von  Grund  aus  die  Sachlage  hinsichtlich  der  Schweinepest. 
Nunmehr  unterliegt  es  kaum  einem  Zweifel  mehr,  daß  diese  Krank- 
heit eigentlich  durch  ein  ultramikroskopisches  Virus  hervorgerufen 
wird,  und  daß  der  Bacillus  suipestifer  erst  hinterher  in  den  Körper 
des  bereits  pestkranken  Tieres  eindringt.  Seine  Rolle  ist  allerdings 
auch  in  dieser  Einschränkung  durchaus  nicht  belanglos;  denn  die 
eigentümlichen  Dann  Veränderungen  werden,  wie  dies  positive  Er- 
gebnisse mit  Reinkulturen  des  Pestbazillus  angestellter  Ansteckungs- 
versuche lehren,  zweifellos  wenigstens  zum  Teil  durch  diesen  Bazillus 

x)  Schweineseuelic  und  Schweinepest,  Jena  1906. 


-     285     — 

erzeugt.  Er  vermag  somit  nicht  bloß  als  Saprophyt  in  bereits  kranke 
Gewebe  einzudringen  und  hier  zu  wachsen,  sondern  hier  auch  emi- 
nent pathogene  Eigenschaften  zu  entfalten.  Immerhin  ist  seine 
Rolle  lediglich  eine  sekundäre,  an  der  Ausbreitung  der  Pest  aber 
scheint  ihm  überhaupt  kein  Anteil  zuzukommen. 

Wenn  nun  der  eine  der  zwei,  früher  als  spezifische  Krank- 
heitserreger so  ziemlich  gleichwertig  betrachteten  Bazillen  als  ein 
lediglich  fakultativer  Parasit  und  die  eigentümliche  Dannerkrankung 
als  ein  im  Grunde  genommen  nebensächlicher  Befund  erkannt  ist, 
dann  drängt  sich  unwillkürlich  die  Frage  auf,  welche  Bedeutung 
die  in  von  der  Pest  verseuchten  Beständen  so  häufigen  Pneumonien 
und  damit  auch  die  im  pneumonischen  Gewebe  nachweisbaren 
bipolaren  ovoiden  Bazillen  besitzen?  Diesbezüglich  erscheint  von 
vornherein  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß  auch  dieser 
Bazillus  erst  nachträglich  den  pestkrank  gewordenen  Tierkörper  an- 
greift und  somit  ebenfalls  lediglich  eine  sekundäre,  wenngleich  flir 
den  weiteren  Verlauf  der  Krankheit  ebenfalls  wichtige  Rolle  spielt. 

Im  Laufe  meiner  Versuche  über  die  Filtrierbarkeit  des  Pest- 
virus, wobei  ich  selbstverständlich  die  nötigen  Vorsichtsmaß- 
regeln anwendete  und  insbesondere  die  zu  impfenden  Versuchs- 
tiere mindestens  eine  Woche  vorher  auf  ihren  Gesundheitszustand 
beobachten  ließ,  fand  ich  nun  u.  a.,  daß  filtriertes  Blut  und  filtrierte 
Lungensubstanz  eines,  wohl  aus  einem  mit  Pest  verseuchten  Bestände 
herstammenden  Schweines,  das  jedoch  ausschließlich  für  die  akute 
Schweineseuche  charakteristische  Veränderungen  darbot  (in  den 
hepatisierten  Lungen  ausschließlich  virulente  bipolare  ovoide  Bazillen, 
Darmschleimhaut  durchwegs  glatt!),  eine  ganz  ähnliche  krank- 
machende Wirkung  auf  junge  Ferkel  ausübt,  wie  filtriertes  Material 
von  auch  anatomisch  pestkranken  Schweinen.  Zudem  stellte  die 
Sektion  bei  zwei  Ferkeln,  wovon  das  eine  mit  dem  Ausgangsmateriah 
das  andere  aber  mit  Material  zweiter  Generation  behandelt  worden 
war,  neuerdings  Pneumonie  und  herdförmige  Nekrose  mit  bipolaren 
Bazillen  im  erkrankten  Gewebe  fest,  bei  dein  an  zweiter  Stelle 
genannten  Tier  (IIa)  außerdem  auch  Schwellung  der  Dickdarmfollikel, 
wie  eine  solche  bei  der  Pest  beobachtet  wird.1) 


J)  Beim  Ferkel  Ia  war  dies  nicht  der  Fall:  denn  in  den  Follikeln 
waren,  wie  ich  seinerzeit  hervorhob,  «ausschließlich  Streptokokken  vor- 
handen. Der  Befund  war  ähnlich  wie  beim  Ferkel  des  Versuchs  I,  Versuchs- 
reihe A,  von  Ostertag  und  Stadie. 


—     286     — 

Dieses  Versuchsergebnis  ließ  sich  kaum  in  einer  anderen  als 
in  der  Weise  richtig  deuten,  daß  sich  bei  den  Versuchsferkeln  im 
Anschluß  an  die  künstliche  Pestinfektion  nachträglich  bipolare 
Bazillen  im  Lungengewebe  angesiedelt  und  dort  einen  entzündlichen 
und  nekrotischen  Prozeß  erzeugt  hatten.  In  Übereinstimmung  hier- 
mit durfte  ich  annehmen,  daß  auch  bei  jenem  Schwein,  das  das 
Ausgangsmaterial  lieferte,  die  Pneumonie  sich  in  ähnlicher  Weise, 
wie  bei  den  künstlich  infizierten  Ferkeln,  nämlich  sekundär  entwickelt 
hatte.  Da  nun  dieses  Schwein  ausschließlich  fiir  die  akute  Schweine- 
seuche charakteristische  pathologische  Veränderungen  zeigte,  mußte 
ich  sozusagen  notwendigerweise  zu  der  Vermutung  gelangen,  daß 
auch  die  akute  Schweineseuche,  zumindest  beim  Herrschen  der 
Schweinepest,  in  letzter  Instanz  durch  ein  ultravisibles  Virus  erzeugt 
werde,  und  daher  dem  Bac.  suisepticus  eine  ähnliche,  lediglich 
sekundäre  Rolle  zukomme,  wie  dem  Bac.  suipestifer. 

Selbstverständlich  hatte  ich  da  nur  die  klassische,  durch  eine 
multiple  nekrotisierende  Pneumonie  gekennzeichnete,  akute  und  die 
aus  einer  solchen  hervorgegangene  chronische  Schweineseuche  vor 
Augen,  während  ich  die  ätiologische  Identität  der  von  vornherein 
chronischen  Schweineseuche  der  jungen  Ferkel  mit  der  ersteren 
als  noch  weiterer,  unzweideutiger  Beweise  bedürftig  bezeichnete. 
Ebenso  ließ  ich  die  Frage,  betreffend  die  Identität  der  spezifischen 
ultravisiblen  Krankheitserreger  der  Schweinepest  und  der  Schweine- 
seuche offen,  wiewohl  der  Umstand,  daß  das  mit  Schweineseuche 
behaftete  Schwein  aus  einem  mit  Pest  infizierten  Bestände  her- 
stammte, allerdings  für  die  Identität  der  beiden  Krankheitserreger 
sprach. 

Diese  Auffassung  erscheint  mir  nun  weder  durch  die  erste 
Mitteilung  von  Ostertag  noch  durch  die  ausfuhrlichere  Arbeit  von 
Ostertag  und  Stadie  widerlegt  zu  sein,  vielmehr  glaube  ich  in 
den  jüngst  veröffentlichten  Versuchen  der  letzteren  Autoren  eher 
eine  Bestätigung    meiner  Auffassung  erblicken  zu  dürfen. 

In  denselben  wurde  einerseits  reines  Schweineseuchematerial 
(( truppe  A),  andererseits  solches  von  pestkranken  oder  von  aus 
Pestbeständen  herstammenden  Schweinen  (Gruppe  B)  verwendet. 
Da  ich  auf  die  Gruppe  A  weiter  unten  zurückzukommen  gedenke, 
so  will  ich  von  der  Besprechung  derselben  vorläufig  absehen  und 
mich  vorerst  mit  den  Versuchen  über  die  Filtrierbark eit  des  Schweine- 
pestvirus beschäftigen. 


-     287     — 

Von  den  17  Schweinen,  die  zu  diesen  Versuchen  das  Material 
erster  Generation  lieferten,  waren  nur  drei  Stück  (Vers.  II, 
Vers.  DI,  Ferkel  e  und  f)  ausschließlich  mit  die  Pest  charak- 
terisierenden anatomischen  Veränderungen  behaftet,  und  da  das  Blut 
der  letzteren  zwei  Ferkel  mit  solchem  von  einem  Ferkel  (d),  das 
auch  an  Schweineseuchepneumonie  litt,  vermengt  wurde,  so  ist 
eigentlich  zu  den  Versuchen  nur  in  einem  Fall  ganz  reines  Pest- 
material verwendet  worden. 

Von  den  übrigen  14  Schweinen  ist  für  2  Stück  der  Zustand 
der  Lungen,  weil  nur  Dickdärme  und  Gekröse  vorlagen,  unbekannt 
(Vers.  VII),  11  Schweine  aber  zeigten  bei  der  Obduktion  neben 
einer  mehr  oder  weniger  ausgeprägten  diphtherischen  Erkrankung 
des  Darmes  gleichzeitig  auch  pneumonische  oder  plenropneumonische 
Veränderungen  und  1  Stück  sogar  ausschließlich  letztere.  Für 
7  dieser  Fälle  ist  der  bakteriologische  Befund  zwar  nicht  ange- 
geben, doch  geht  man  kaum  fehl,  wenn  man  nach  dem  makro- 
skopischen Aussehen  annimmt,  daß  die  Pneumonie  oder  Pleuro- 
pneumonie zumindest  in  einem  Teil  dieser  Fälle  durch  den 
Schweineseuchebazillus  verursacht  war,  zumal  auch  der  Pestbazillus 
hier  nicht  eruiert  wurde;  in  den  übrigen  4  Fällen  aber  gelang  es, 
den  Bacillus  suisepticus  im  hepatisierten  Lungengewebe  tatsächlich 
nachzuweisen.  Ein  bedeutender  Teil  der  für  die  Übertragungs- 
versuche verwendeten  Schweine  war  mithin  nicht  ausschließlich 
mit  der  Schweinepest,  sondern  gleichzeitig  mit  der  Schweineseuche 
behaftet;  es  lagen  daher  hier,  im  Sinne  der  bisher  üblichen  Nomen- 
klatur, Fälle  von  Mischinfektion  vor. 

Ein  besonderes  Interesse  besitzt  der  Versuch  V,  zu  dem  das 
Material  ein  junges  Ferkel  lieferte,  dessen  Obduktion  ausschließ- 
lich eine  für  die  akute  Schweineseuche  charakteristische  Pleuro- 
pneumonie ergab.  Bipolare  ovoide  Bazillen  gelang  es  zwar  weder 
durch  Kultur  noch  durch  Mäuseimpfungen  nachzuweisen,  doch  be- 
tonen die  Verff.  selbst,  daß  nach  dem  anatomischen  Befund  der 
Fall  als  Schweinesenche  angesehen  werden  mußte,  und  daß  die 
mit  diesem  Material  angestellten  Versuche  lediglich  aus  dem  Grunde 
unter  den  Pestversuchen  angeführt  wurden,  weil  es  nach  Mitteilung 
des  Einsenders  aus  einem  Bestand  stammte,  in  dem  gleichzeitig 
Schweinepest  herrschte;  außerdem  ist  aber  ein  mit  nicht  fil- 
triertem Herzblut  dieses  Schweines  intrapleural  geimpftes  Ferkel 
an    typischer   akuter   Schweineseuche    verendet,    und    diesmal   war 


—     288     — 

auch  der  bakteriologische  Befund  bezüglich  der  Schweineseuche- 
bazillen  positiv. 

Von  den  acht  Versuchen  nun,  die  mit  filtriertem  Material  von 
aus  Schweinepestbeständen  herstammenden,  aber  mit  ziemlich  ver- 
schiedenen Organveränderungen  behafteten  Schweinen  ausgeführt 
worden  sind,  haben  fünf  zu  einem  positiven  Ergebnis  geführt,  in- 
dem die  mit  solchem  Material  geimpften  Ferkel  zum  großen  Teil 
schwer  erkrankten  und  bei  der  Sektion  auch  auf  Pest  hinweisende 
anatomische  Organveränderungen  (Geschwüre  und  diphtherische 
Schorfe  auf  der  entzündeten  Schleimhaut  des  Blind-  und  Grimm- 
darmes) darboten. 

Damit  haben  die  Veiif.,  im  Gegensatz  zu  ihren  früheren  Be» 
funden,  nicht  nur  den  Beweis  erbracht,  daß  Blut  und  Organsäfte 
auch  deutscher  pestkranker  Schweine  ein  ultravisibles  Virus  ent- 
halten, das  eine  akute  hämorrhagische  Septikämie  hervorzurufen 
imstande  ist,  wie  dies  die  genannten  amerikanischen  Forscher  fiir 
die  Hogcholera  gefunden  haben,  sondern  auch  bestimmt  nach- 
gewiesen, daß  sich  im  Gefolge  einer  solchen  Infektion  auch  die 
Schweinepest  im  anatomischen  Sinne  entwickelt,  wodurch  wohl 
auch  der  letzte  Zweifel  bezüglich  der  ätiologischen  Eolle  jenes 
filtrierbaren  Ansteckungsstoflfes  für  das  Zustandekommen  dieser 
Krankheit  beseitigt  erscheint. 

Dieses  Ergebnis  war  völlig  unabhängig  von  dem  anatomischen 
Befund  bei  den  Tieren,  denen  das  Impfmaterial  entnommen  worden 
war,  insbesondere  erzeugte  auch  filtriertes  Material  von  dem  mit 
ausschließlicher  Schweineseuchepneumonie  behafteten  Schwein  der 
Schweinepest  zukommende  anatomische  Organveränderungen  bei 
den  damit  geimpften  Ferkeln.  Es  enthielt  somit  auch  dieses 
Tier,  trotzdem  seine  Krankheit  anatomisch  als  reine  akute  Schweine- 
seuche anzusehen  war,  in  den  Gewebssäften  das  filtrierbare  Virus 
der  Schweinepest,  ähnlich  wie  in  dem  von  mir  mitgeteilten  Fall, 
wo  der  anatomische  Befund  jenem  ganz  analog  war. 

Es  fragt  sich  nun,  in  welcher  Beziehung  in  diesen  zwei 
Fällen  die  Pleuropneumonie  zu  der  Pestinfektion  stand.  Li  Oster- 
tag  und  Stadies  Fall  gelang  es  zwar  nicht,  im  erkrankten 
Lungengewebe  den  Bacillus  suisepticus  direkt  nachzuweisen;  da 
jedoch,  wie  bereits  erwähnt,  ein  mit  nicht  filtriertem  Blut  dieses 
Schweines  intrapleural  geimpftes  Ferkel  an  typischer  akuter 
Schweineseuche   mit   positivem  Bazillenbefund    erkrankte,    kann  es 


—     2*9     — 

keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  im  Körper  des  ersteren  dieser 
Bazillus  in  virulentem  Zustand  vorhanden  war. l)  Andererseits  ent- 
hielt in  meinem  Fall  die  hepatisierte  Lunge  massenhaft  virulente 
bipolare  Bazillen,  so  daß  dieser  Fall  nicht  nur  grobanatomisch, 
sondern  auch  bakteriologisch  als  typische  Schweineseuche  betrachtet 
werden  mußte. 

Für  die  Erklärung  dieser  zwTei  Fälle  können  nur  zwei  Mög- 
lichkeiten herangezogen  werden.  Entweder  haben  bei  diesen  zwei 
Tieren  zwei  verschiedene  Infektionen  ganz  unabhängig  von  ein- 
ander zwei  verschiedene  Krankheitsprozesse  angeregt,  wovon  jedoch 
nur  der  eine,  die  Schweineseuche,  sich  in  makroskopisch  erkenn- 
baren Organveränderungen  kundgab,  oder  aber  es  entwickelte  sich 
die  Schweineseuchepneumonie  erst  in  sekundärer  Weise  bei 
Tieren,  die  bereits  vorher  durch  das  filtrierbare  Pestvirus  angegriffen 
worden  waren. 

Die  gleichen  Erklärungsmöglichkeiten  bestehen  auch  für  jene 
häufigen  Fälle,  in  denen  neben  makroskopischen  Darm  Verände- 
rungen, wie  sie  als  für  die  Pest  charakteristisch  betrachtet  werden, 
gleichzeitig  auch  die  Schweineseuche  kennzeichnende  Pneumonien 
oder  Pleuropneumonien,  zum  Teil  mit  positivem  Bazillenbefund, 
vorhanden  waren.  Auch  hier  muß  man  die  letzteren  Erkrankungen 
entweder  als  völlig  unabhängig  von  der  Schweinepest  und  dem- 
gemäß als  ganz  zufallig  betrachten,  oder  aber  annehmen,  daß  sich 
dieselben  in  sekundärer  Weise,  im  Anschluß  und  sogar  in  ursäch- 
lichem Zusammenhang  mit  der  Pestinfektion  entwickelten. 

Bei  der  überaus  großen  Häufigkeit  solcher  kombinierten  Sek- 
tionsbefunde —  in  Pestbeständen  sind  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
sowohl  der  Darm  als  auch  die  Lungen  gleichzeitig  erkrankt  und 
häufig  sowrohl  der  Bacillus  suipestifer  als  auch  der  Bacillus  sui- 
septicus  vorhanden  —  läßt  sich  ein  bloß  zufälliges  Zusammen- 
treffen der  zweierlei  Krankheitsprozesse  kaum  vorstellen.  Viel  mehr 
Wahrscheinlichkeit    besitzt    dagegen     die    Annahme,     daß     dem 


')  Bei  einom  Ferkel  (III)  erzeugte  nicht  filtriertes  Lungenmaterial,  bei 
einem  anderen  aber  (V)  nicht  filtriertes  Blut  eine  akute  Septikämie  und  eine 
hämorrhagische  Darmentzündung.  Da  der  bakteriologische  Befund  diesbezüg- 
lich nicht  angegeben  ist,  erscheint  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß 
es  sich  in  diesen  beiden  Fällen  um  eine  ebenfalls  durch  den  Bac.  suisopticus 
erzeugte  Septikämie  gehandelt  hat. 


—     2<>0     — 

Bacillus  suisepticus  in  der  Ätiologie  der  Schweineseuche  eine  ähn- 
liche Rolle  zukommt  wie  dem  Bacillus  suipestifer,  daß  mithin  beide 
Bakterien  erst  sekundär,  in  dem  vom  Pestvirus  bereits  vorher  an- 
gegriffenen Organismus,  gleichzeitig  oder  eines  nach  dem  anderen, 
ihre  pathogeue  Wirkung  entfalten  und  dann  bald,  und  zwar  zumeist 
beide  gleichzeitig,  bald  aber  nur  der  eine,  auch  anatomisch  nach- 
weisbare Veränderungen  hervorrufen. 

Stellt  man  sich  auf  den  Standpunkt,  daß  der  gesunde  Orga- 
nismus in  primärer  Weise  durch  das  filtrierbare  Pestvirus  ange- 
griffen wird,  so  wäre  es  eigentlich  schwer  einzusehen,  warum  in 
dem  nunmehr  geschwächten  Tierkörper  stets  nur  eine  fakultativ 
pathogene  Bakterienart  ihre  krankmachende  Wirkung  entfalten 
könnte.  Es  ist  allerdings  auffallend,  daß  bei  der  Pest  eben  die 
Magendarmschleimhaut  so  häufig  und  in  so  charakteristischer  Weise 
erkrankt.  Vielleicht  liegt  dies  daran,  daß  zufolge  der  primären 
Allgemeininfektion  vornehmlich  die  Schleimhaut  des  Verdauungs- 
apparates in  ihrer  vitalen  Resistenz  geschwächt  wird,  zufolgedessen 
normale  Bewohner  des  Magendarmkanales,  darunter  in  erster  Reihe 
der  Bacillus  suipestifer,1)  außerdem  aber  event.  auch  andere  Bak- 
terien (Nekrosebazillus,  Streptokokken  usw.)  ihr  Zerstorungswerk 
in  demselben  zu  beginnen  vermögen.  Dasselbe  darf  aber  mit  eben- 
soviel Recht  auch  für  die  Schleimhaut  der  Luftwege  und  für  die 
in  den  letzteren  bei  gesunden  Schweinen  ebenfalls  nicht  selten 
vorhandenen  bipolaren  ovoiden  Bakterien  vorausgesetzt  werden. 
Gibt  man  dies  zu,  so  muß  man  notwendigerweise  auch  der  Mög- 
lichkeit Raum  geben,  daß  in  dem  mit  Pest  infizierten  Organismus 
sich  nachträglich  eine  typische  Schweineseuehepneuinonie  entwickeln 
kann.  Diese  Organerkrankung  kann  dann,  je  nach  den  einzelnen 
Fällen,  das  anatomische  Krankheitsbild  beherrschen,  allenfalls  aber 
auch  ausschließlich  vorhanden  sein. 


*)  Die  Beziehungen  dieses  Bazillus  zu  den  Vertretern  der  Koli-  und 
Paratyphnsgruppe  werden  nunmehr  noch  genauer  zu  erforschen  sein.  Außerdem 
drängt  sieh  auch  die  Frage  auf,  ob  der  Bacillus  suipestifer  ausschließlich 
bei  pestkranken  oder  aber  event.  auch  bei  anderweitig  primär  erkrankten 
Schweinen  die  Schleimhaut  des  Intestinaltraktus  anzugreifen  vermag.  Will 
man  nicht  zwischen  dem  Pestvirus  und  dem  Bacillus  suipestifer  eine  ganz  be- 
sondere Affini  tut  annehmen,  so  läßt  sich  diese  Möglichkeit  a  priori  nicht  von 
der  Hand  weisen,  bejahenden  Falles  würden  sich  aber  hieraus  neue  Schwierig- 
keiten für  die  makroskopische  Diagoosc  der  Schweinepest  ergeben. 


—     291     — 

Die  Annahme  übrigens,  daß  unter  dem  Einfluß  des  Pestvirus 
sich  eine  Schweineseuchepneumonie  entwickeln  könne,  findet  eine 
gewichtige  Stütze  in  den  Ergebnissen  der  mit  filtriertem  Material 
pestkranker  Schweine  angestellten  Ansteckungsversuche.  Ebenso 
wie  ich  in  meinen  Versuchen  wiederholt,  fanden  auch  Ostertag 
und  Stadie  bei  drei  mit  filtriertem  Blutserum  und  Lungensaft  be- 
handelten Ferkeln  bei  der  Obduktion  eine  Pneumonie  vor;  in  einem 
Fall  (Vers.  III,  Ferkel  III)  gelang  es  zwar  nicht,  im  Lungengewebe 
Bakterien  nachzuweisen,  und  für  die  anderen  zwei  Fälle  (Vers.  V, 
Ferkel  I  und  XV)  wird  der  Bakterienbefund  nicht  angegeben,  doch 
betonen  die  Verff.  bezüglich  des  ersteren  dieser  zwei  Fälle  in  ihrer 
Schlußfolgerung  ausdrücklich,  daß  das  filtrierte  Lungenmaterial  nicht 
nur  Schweinepest,  sondern  auch  die  Veränderungen  der  Schweine- 
seuche erzeugt  habe.  Ich  selbst  fand  in  beiden  diesbezüglichen 
veröffentlichten  Fällen  (Ferkel  Ia  und  IIa,  letzteres  mit  Pestvirus 
zweiter  Generation  geimpft)  bipolare  Bazillen  im  hepatisierten 
Lungengewebe. 

Auf  Grund  dieser  Versuchsergebnisse  und  der  vorangeschickten 
theoretischen  Erwägungen  gelangt  man  notgedrungen  zu  der  Schluß- 
folgerung, daß  im  Anschluß  an  die  primäre  Pestinfektion 
sich  sekundär  nicht  nur  die  für  die  Schweinepest  charak- 
teristischen, sondern  auch  die  die  Schweineseuche  kenn- 
zeichnenden anatomischen  Veränderungen,  zweifellos 
durch  den  Bacillus  suipestifer  oder  den  Bacillus  sui- 
septicus  erzeugt,  entwickeln  können,  daß  somit  nicht  nur 
die  anatomische  Schweinepest,  sondern  auch  die  anato- 
mische Schweineseuche,  wie  letztere  in  Pestbeständen 
teils  mit  der  ersteren  vergesellschaftet,  teils  ohne  die- 
selbe vorzukommen  pflegt,  in  letzter  Instanz  durch  einen 
ultramikroskopischen  Mikroorganismus,  und  zwar,  wie  ich 
nunmehr  ausdrücklich  betonen  will,  durch  das  filtrierbare  Pest- 
virus erzeugt  wird. 

Damit  fallen  aber  die  Schranken,  die  diese  Krankheitsformen 
nach  der  im  Laufe  des  letzten  Jahrzehntes  allgemein  für  richtig 
betrachteten  Auffassung  getrennt  haben,  und  es  gelangt  die 
von  Billings  in  Amerika  vor  zwei  Jahrzehnten  und 
später  auch  von  deutschen  Forschern  verfochtene  unisti- 
sche  Auffassung  bezüglich  der  Ätiologie  der  Schweine- 
pest   und    der    Schweineseuche,    wenn    auch    aus    anderen 


—     202     — 

Gründen  und  in  einem  wesentlich  modifizierten  »sinne, 
abermals  zur  Geltung.1) 

Gemäß  dieser  —  neuen  —  unistischen  Anschauung  wird  man 
in  Zukunft  vom  ätiologischen  Standpunkt  aus  wieder  nur  mit  einer 
Krankheit,  der  Schweinepest,  zu  rechnen  haben,  die  sich  jedoch, 
je  nach  der  Art  der  Sekundärinfektion,  in  verschiedenen  klini- 
schen und  anatomischen  Krankheitsbildern,  und  zwar  als  reine 
Septikämie,  als  Schweinepest  bzw.  als  Schweineseuche  in  anatomi- 
schem Sinne  oder  aber  in  diesen  beiden  Krankheitsformell  zu- 
kommenden anatomischen  Organveränderungen  offenbaren  kann. 
Wollte  man  die  in  der  Wirklichkeit  recht  scharf  hervortretenden 
Unterschiede  in  den  Krankheitsbildern  mit  besonderen  Benennungen 
bezeichnen,  so  könnte  man,  unter  Weglassung  des  verwirren- 
den Ausdrucks  „Schweineseuche'',  diese  recht  wohl  als  septi- 
kämische,  intestinale,  pektorale  oder  gemischte  Form  der 
Schweinepest  unterscheiden,  selbstverständlich  unter  dem  aus- 
drücklichen Vorbehalt,  daß  die  intestinalen  und  pektoralen  Organ- 
veränderungen als  sekundäre  Komplikationen  und  daher  streng 
genommen  auch  nicht  zum  Wesen  der  Schweinepest  gehörig  aul- 
zufassen sind. 

Wesentlich  bleibt  die  Identität  des  primären  ätiologischen 
Momentes,  das  Vorhandensein  eines  ultravisiblen  Ansteckungsstoffes 
in  den  akuten  Fällen,  und  gegen  dieses  Moment  wird  sich  künftig- 
hin auch  die  Bekämpfung  der  Seuche  zu  richten  haben. 


In  den  vorstehenden  Ausführungen  hatte  ich  ausschließlich 
die  klassische  Schweineseuche  vor  Augen,  wie  sie,  zuerst  von 
Löffle r  und  Schütz  vor  mehr  als  zwanzig  Jahren  beschrieben, 
bis  zur  Mitte  der  neunziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  all- 
gemein   aufgefaßt    wurde.2)      Hauptsächliche    Merkmale    derselben 

J)  Es  bedarf  wohl  keines  weiteren  Nachweises,  daß  jene  Forscher  aus- 
schließlich die  klassische  Schweineseuche  und  nicht  die  erst  viel  später  als 
chronische  Schweineseuche  bezeichnete  Krankheit  der  Ferkel  vor  Augen  hatten. 

2)  Preisz  wies  bereits  auf  die  mit  Sicherheit  kaum  widerlegbare  Mög- 
lichkeit hin,  daß  die  von  Schütz  im  Jahre  1886  beschriebenen  Fälle  vielleicht 
nicht  reine  „Schweineseuche*  waren,  da  in  einem  Fall  die  Lymphdrüsen  Ver- 
änderungen zeigten,  wie  sie  bei  der  chronischen  Schweinepest  vorzukommen 
pflegen.    Außerdem  waren  in  zwei  weiteren  Fällen  (Schweine  aus  Putlitz)  Ver- 


—    293     - 

sind,  abgesehen  von  der  Anwesenheit  des  Bacillus  suisepticus  im  Blut 
oder  in  den  erkrankten  Organen  und  den  entzündlichen  Exsudaten, 
in  den  perakuten  Fällen  Erscheinungen  einer  hämorrhagischen 
Septikämie,  in  den  akuten  Fällen  multiple  nekrotisierende  Pneu- 
monie,  häufig   mit   fibrinöser   oder   serofibrinöser  Entzündung    der 


Änderungen  im  Kehlkopf  und  im  Magen  vorbanden,  wie  sie  ähnlich  ebenfalls 
bei  der  Schweinepest  beobachtet  werden. 

'Überhaupt  ist  die  Auffassung,  wonach  die  letztere  Krankheit  erst  im 
Jahre  1887  nach  Deutschland  eingeschleppt  wurde,  durchaus  nicht  bewiesen. 
Koloffs  Beschreibung  (Virchows  Archiv,  Bd.  36)  der  von  ihm  der  Tuberkulose 
zugerechneten  „käsigen  Darmentzündung"  aus  dein  Jahre  186G  paßt  in  vielen 
Punkten  ganz  genau  auf  die  Darm  Veränderungen  bei  der  Schweinepest,  und 
man  würde  heutzutage  einen  ähnlichen  Sektionsbefund  ganz  anstandslos  für 
Schweinepest  erklären,  zumal  auf  der  »Schleimhaut  des  Dickdarmes  auch  die 
für  die  Pest  so  charakteristischen  knotenartigeu  Erhebungen,  ferner  auch  auf 
der  entzündeten  Magenschleimhaut  Verschorfungen  beschrieben  werden. 

Übrigens  erwähnen  gelegentlich  auch  andere  Autoren  Darmveränderungen, 
wie  sie  jetzt  als  die  Pest  kennzeichnend  aufgefaßt  werden.  So  beschreibt  Pütz 
im  Jahre  1882  (Die  Seuchen  und  Herdekrankheiten  unserer  Haustiere,  Stutt- 
gart) beim  Rotlauf  folgenden  Befund:  „Die  Peyerschcn  Platten  sind  deutlich 
geschwellt  und  ebenso  die  solitären  Follikel  der  Hüftblinddarmklappe  und 
des  Grimmdarmes.  Auf  der  Darmschleimhaut  finden  sich  im  Bereiche  dieser 
Schwellungen  Geschwüre,  welche  im  Grimm darm  durch  Konfluenz  oft  einen 
Durchmesser  von  mehreren  Zentimetern  erlangen."  Roll  sagt  im  Jahre  1885 
(Lehrbuch  der  Pathologie  und  Therapie  der  Haustiere,  5.  Aufl.,  Wien)  bei  der 
Besprechung  des  Rotlaufs,  daß  „die  Peyerschen  Plaques  sowie  die  solitären 
Follikel  auf  der  lleozökalklappe  und  im  Grimmdarm  als  verschieden  gestaltete, 
bisweilen  zusammenfließende,  aus  Gewebsnekrose  hervorgegangene  Geschwüre" 
sitzen.  Ebenso  erwähnen  auch  Friedberger  und  Froh n er  bereits  im  Jahre 
1887  (Spez.  Pathologie  und  Therapie  der  Haustiere,  1.  Aufl.,  Stuttgart),  daß 
man  beim  Rotlauf  „weniger  häufig  umschriebene  Schleimhautstellen  des  Blind- 
darmes und  Vorderkolons  erkrankt  findet  und  zwar  in  der  Form  einer  diph- 
theritischen  Affektion",  daß  ferner  Schottelius  sehr  häutig  „eine  Versch wä- 
rung und  Verschorfung  der  solitären  und  agminierten  Follikel4*  beobachtet 
habe,  und  daß  auch  nach  Johne  diese  Ulzerationen  in  hochgradigen  Fällen 
nie  fehlen. 

Nicht  unerwähnt  mag  endlich  bleiben,  daß  nach  Klein  die  Schweine- 
pest, für  die  er  im  «Jahre  1878  die  Benennung  „infektiöse  Pncuinocnteritis 
(Hog-Plague,  llog-cholera,  Swine-fever)"  vorschlug,  in  England  bereits  seit 
dem  Jahre  1862  in  starker  seuchenhafter  Ausbreitung  herrscht.  Die  Möglich- 
keit einer  Einschleppung  der  Krankheit  nach  dem  Kontinent  (mit  englischen 
Zuchtschweinen?)  war  somit  immerhin  schon  lange  vor  dem  Jahre  1887  ge- 
geben, und  es  ist  der  Umstand  gewiß  bemerkenswert,  daß  Roloff  die  „käsige 
Darmentzündung"  in  der  Provinz  Sachsen  eben  bei  Schweinen  englischer 
Rasse  beobachtet  hat. 


—     294     — 

serösen  Häute,  in  den  chronischen  Fällen  aber  kleinere  oder  größere 
nekrotische  Herde,  mitunter  große  Sequester  in  den  Lungen  bei 
gleichzeitiger  chronischer  Entzündung  der  serösen  Häute.  Als 
solche  tritt  sie  in  die  Erscheinung  bei  Seuchengängen  mit  aus- 
geprägt kontagiösem  Charakter,  wobei  die  chronische  Form  sich 
bei  Tieren  zu  entwickeln  pflegt,  die  vorher  einen  akuten  Anfall  über- 
standen haben. 

Diese  Schweineseuche,  die  nunmehr  wrohl  zumeist  als  mit  der 
Schweineseuche  kombinierte  Schweinepest  oder  als  pektorale  Form 
dieser  Krankheit  aufgefaßt  werden  darf,  gelangt  demgemäß  zumeist 
in  Schweinebeständen  zur  Beobachtung,  die  mit  der  Schweine- 
pest infiziert  sind.  Von  solchen  herstammende,  mit  anatomisch 
reiner  Schweineseuche  behaftete  Schweine  vermögen  gesunde  Be- 
stände leicht  zu  infizieren,  die  sich  hierauf  gewöhnlich  in  rascher 
Folge  ereignenden  Krankheitsfälle  bieten  aber  dann  bald  das  ana- 
tomische Bild  der  Schweineseuche,  bald  jenes  der  Schweinepest, 
zumeist  aber  jenes  einer  Mischinfektion  dar.  Dahingegen  wird 
diese  Schweineseuche  ohne  Schweinepest  als  verheerende  Seuche 
in  großen  Schweinebeständen  nicht  beobachtet,  zumindest  wurde 
die  gegenteilige  Ansicht  meines  Wissens  durch  tatsächliche  Be- 
obachtungen von  Seuchenzügen  mit  diesem  Charakter  bisher  nicht 
bewiesen. 

Von  dieser  klassischen  Schweineseuche  sehr  verschieden  ist 
jene  Krankheit,  die  seit  einigen  Jahren  in  Deutschland  als  chro- 
nische Schweineseuche  der  Ferkel  beschrieben  wird.  Es 
handelt  sich  da  lediglich  um  eine  Hepatisation  einzelner  Lungen- 
lappen mit  einer  eigentümlich  festweichen  Konsistenz  und  einer 
grauroten,  glatten,  feuchten,  mitunter  auch  gelb  gesprenkelten  Schnitt- 
fläche der  erkrankten  Lungenlappen  (schlaffe  Hepatisation).  Dabei 
besteht  gewöhnlich  eine  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  fibrinöse 
Pleuritis,  sowie  allenfalls  eine  ähnliche  Entzündung  sonstiger  seröser 
Häute.  Außerdem  kommen  Komplikationen  mit  der  Pyobazillose 
sowie  mit  katarrhalischen  Prozessen  überhaupt  sehr  häufig  vor. 

Die  Auffassung,  wonach  die  chronische  Schweineseuche  der 
Ferkel  mit  der  klassischen  Schweineseuche  identisch  sein  soll,  fußt  in 
erster  Reihe  auf  dem  häufigen,  aber  durchaus  nicht  konstanten  Vor- 
handensein von  bipolaren  ovoiden  Bazillen  im  kranken  Lungen- 
gewebe; für  die  Richtigkeit  derselben  werden  aber  auch  andere 
Gründe  angeführt. 


-    295    — 

Nach  Ostertags  Ansicht,  die  in  Deutschland,  wie  $s  scheint, 
zurzeit  fast  allgemein  geteilt  wird,  soll  sich  die  früher  in  ihrer 
klassischen  Form  häufig  beobachtete  Schweineseuche  seit  der  Mitte 
der  neunziger  Jahre  des  verflossenen  Jahrhunderts  bedeutend  ge- 
mildert haben,  sie  gelange  nunmehr  zumeist  in  der  oben  er- 
wähnten chronischen  Form  und  als  solche  gewöhnlich  unter  ganz 
jungen  Ferkeln,  hier  aber  oft  in  großer  Ausbreitung  zur  Beobachtung, 

Zugegeben  ohne  weiteres,  daß  die  frühere  klassische  Schweine- 
seuche —  wohl  die  gewöhnlich  mit  Schweinepest  vergesellschaftete 
Schweineseuche;  denn  als  solche  war  sie  früher  allgemein  bekannt  — 
sich  in  Deutschland  im  Laufe  des  erwähnten  Zeitraumes  tatsächlich 
gemildert  hat  —  eine  solche  Milderung,  jedoch  ohne  Änderung  des 
anatomischen  Krankheitsbildes,  sondern  nur  bezüglich  des  Krankheits- 
verlaufes, wurde  ja  auch  anderwärts  beobachtet  —  so  folgt  daraus 
meines  Erachtens  noch  nicht,  daß  die  jetzt  häufig  be- 
obachtete chronische  Krankheit  der  Ferkel  tatsächlich 
eine  mildere  Form  der  früheren  verheerenden  akuten 
Schweineseuche,  richtiger  der  mit  dieser  kombinierten 
Schweinepest  sei.  Tatsache  ist  nur,  daß  in  gewissen  Gegenden 
Deutschlands  Ferkel  häufig  an  einer,  vorher  wenig  beachteten 
Pneumonie  erkranken,  eine  direkte  Umwandlung  der  früheren  Seuche 
wurde  aber  nicht  beobachtet,  und  ein  strikter  Beweis  hierfür  ließe 
sich  nach  der  Natur  der  Sache  auch  schwer  erbringen.  Demgegen- 
über besteht  die  Möglichkeit,  daß  sich  in  den  betreffenden  Gegenden 
eine,  wohl  auch  früher  schon  sporadisch  und  stellenweise  vielleicht 
auch  in  enzootischer  Ausbreitung  beobachtete  Krankheit,1)  mög- 
licherweise unter  dem  Einfluß  der  in  neuerer  Zeit  geänderten  wirt- 
schaftlichen Verhältnisse,  besonders  stark  eingenistet  hat.  Jeden- 
falls bemerkenswert  ist  diesbezüglich  der  Umstand,  daß  eine 
ähnliche  Umwandlung  des  Seuchencharakters  anderwärts,  obschon 
ähnliche  Erkrankunngen  von  Ferkeln,  mitunter  auch  in  enzootischer 
Ausbreitung,  seit  jeher  überall  vorkommen,  nicht  beobachtet  wurde. 
Ferner,  daß  gegenwärtig  in  Deutschland  sehr  häufig  ganz  junge 
Ferkel,  z.  T.  kurze  Zeit  nach  der  Geburt  ergriffen  werden,  wohin- 


*)  Diese  wurde  u.  a.  vod  Fiedeler  und  Bleisch  im  Jahre  1889  be- 
schrieben, Lüpke  aber  trennte  sie  in  einer  kritischen  Besprechung  scharf  von 
der  Löffler-Schtttzschen  Schweineseuche  auf  Grund  des  völlig  verschiedenen 
anatomischen  Befundes  (Zentralblatt  f.  all  gem.  Pathologie  und  pathol.  Anatomie 
1890,  Bd.  I). 


—     298     — 

exsudative  Pleuritis  scheint  dies  allerdings  der  Fall  zu  sein,  letztere 
ist  aber  durchaus  nicht  stets  vorhanden). 

Tatsächlich  steht  somit  nur  so  viel  fest,  daß  beim  Ferkel- 
husten im  pneumonischen  Gewebe  häufig  derselbe  Bazillus  vor- 
handen ist  wie  wir  ihn  in  den  Lungen  an  der  klassischen  Schweine- 
seuche erkrankter  Schweine  finden;  dies  beweist  aber  noch  immer 
nicht,  daß  beide  Prozesse  durch  diesen  Bazillus  oder  durch  ihn 
allein  erzeugt  wrerden. 

Zugegeben  aber,  daß  der  Bacillus  suisepticus,  abweichend  von 
seiner  experimentell  konstatierten,  gewöhnlichen  pathogenen  Wirkung, 
auch  eine  von  der  akuten  mortifizierenden  Pneumonie  anatomisch 
wesentlich  verschiedene  „schlaffe  Pneumonie"  hervorzurufen  fähig 
wäre,  so  würde  noch  immer  Unklarheit  über  die  Vorbedingungen  be- 
stehen, unter  denen  er  diese  eigentümliche,  seiner  Natur  so  wenig 
entsprechende  Wirkung  zu  entfalten  vermag.  In  dem  einen  Fall, 
bei  der  klassischen  Schweineseuche,  ist  es  zweifelsohne  die  primäre 
Ansteckimg  mit  dem  ultravisiblen  Pestvirus,  in  anderen  Fällen 
könnten  es  allenfalls  sonstige  Einflüsse  sein,  die  die  vitale  Re- 
sistenz des  Organismus  schwächen  und  damit  seine  Gewebe  für 
den  bipolaren  Bazillus,  ebenso  wie  für  sonstige  fakultative  Parasiten 
zugänglich  machen.  Es  besteht  mit  einem  Wort  Unklarheit  über 
die  eigentliche  Natur  und  über  die  primären  Ursachen  der  unter 
dem  Namen  „Schweineseuche"  zusammengefaßten  Erkrankungen  und 
somit  auch  —  dies  aber  ist  vom  praktischen  Standpunkt  überaus 
wichtig  —  über  ihren  epidemiologischen  Charakter. 

Diesbezüglich  muß  immer  wieder  darauf  hingewiesen  werden, 
daß  reine  Schweineseuche-Epidemien  mit  akutem  und  verheerendem 
Charakter  bisher  nicht  beobachtet  wurden, ])  daß  vielmehr  in  ganz 
gesunden  Schweinebeständen  ab  und  zu  sich  Krankheitsfalle  er- 
eignen, die  klinisch  und  anatomisch  sowie  auch  bakteriologisch 
vollkommen  der  akuten  Schweineseuche  entsprechen  und  dennoch 
vereinzelt  bleiben  oder  sich  im  schlimmsten  Fall,  inmitten  von 
großen  Beständen,  auf  einige  wenige  Tiere  beschränken.  Und 
doch  ist  in  den  erkrankten  Geweben  der  Bacillus  suisepticus  in 
sehr  virulentem  Zustande  vorhanden,  und  er  gelangt  ohne  Zweifel 
aus    dem    kranken  Körper  auch  in  die  Außenwelt,   von  wo  aus  er 

!)  Dies  wird  auch  für  Deutschland  u.  a.  von  Schmidt,  sowie  von 
Grips,  Gla^e  und  Niebcrle  ausdrücklich  betont  (Fortschritte  der  Veteriniir- 
hygiene  1905,  Nr.  1-6). 


—     299   ■-- 

leicht  in  jenen  gesunder  Tiere  eindringen  kann.  Bleiben  letztere 
trotzdem  gesund,  so  läßt  sich  dies  nur  in  der  Weise  deuten,  daß 
zur  Erzeugung  der  Krankheit  außer  dem  Bacillus  suisepticus  auch 
noch  andere  Faktoren  nötig  sind,  die  der  Entfaltung  der  patho- 
genen  Eigenschaften  des  letzteren  Vorschub  leisten,  und  ohne  deren 
Hinzutreten  der  gesunde  Organismus  demselben  einen  hinreichenden 
Widerstand  zu  leisten  vermag. 

Ferner  ist  es  eine  wiederholt  festgestellte  Tatsache,  daß  auf 
Schleimhäuten  gesunder  Tiere  und  insbesondere  im  Nasen*  und 
Rachenschleim  vorher  stets  gesunder  Schweine  ganz  seuchefreier 
Bestände,  sowie  auch  in  der  Außenwelt,  bipolare  ovoide  Bakterien 
vorkommen.  Gegen  die  Identität  derselben  und  namentlich  der 
nicht  sehr  zutreffend  sogenannten  „Sputiinibaktprien"  mit  den  echten 
Schweineseuchebazillen  konnten  bisher  ausschließlich  Virulenznnter- 
schiede  angeführt  werden,  indem  nämlich  die  ersteren  fiir  gewöhn- 
lich, aber  durchaus  nicht  immer,  eine  geringere  Virulenz  besitzen 
als  die  ersteren.  Virulenzunterschiede  haben  aber  längst  aufgehört. 
als  entscheidende  Merkmale  von  Bakterieiiarten  zu  gelten»  Sie 
werden  auch  für  die  verhältnismäßig  sehr  konstanten  Varietäten 
des  Tuberkelbazillus  nicht  als  solche  angesehen;  um  so  weniger 
kommt  ihnen  ein  solcher  Wert  für  ein  Bakterium  zu,  das  bekannt- 
lich bereits  unter  sehr  geringen  modifizierenden  Einflössen  seine 
Virulenz  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen  ändert.  Zudem  gelingt  es, 
die  ursprünglich  schwache  Virulenz  durch  Tierpassagen  sehr  er- 
heblich, event.  bis  zum  Maximum  zu  steigern.  Karlinski  konnte 
ferner  experimentell  nachweisen,  daß  die  „Nputumbakterieir*  bei 
anderweitiger  Erkrankung  des  Tieres  aggressiv  werden  und  schwere 
akute  Erkrankungen  hervorrufen  können.  Endlich  besitzen  auch 
die  aus  kranken  Lungen  herausgezüchteten,  gewiß  echten  Schweine- 
seuchebazillen durchaus  nicht  stets  einen  hohen  Virulenzgrad,  und  es 
sind  insbesondere  die  aus  chronisch  schweiiiesencbekranken  Tieren 
isolierten  bipolaren  ovoiden  Bakterien  in  der  Regel  verhältnismäßig 
wenig  virulent  (Joest). 

Zieht  man  demgegenüber  die  sonst  vollkommene  Überein- 
stimmung in  den  morphologischen  und  kulturellen  Eigenschaften 
der  Schweineseuchebakterien  mit  den  ..sputumbakterieir"  oder  den 
saprophytischen  bipolaren  ovoiden  Bazillen  in  Betracht,  so  findet 
man  keinen  stichhaltigen  Grund,  deren  Artidentität  zu  bezweifeln; 
Hieraus  folgt  aber,   daß  auch  die  letztsten  unter  für  sie  günstigen 

20* 


—    300    — 

Umständen  virulent  werden  und  im  Tierkörper,  insbesondere  aber 
in  den  Atmungsorganen  pathologische  Prozesse  erzeugen  können, 
wie  denn  auch  Joest,  der  sonst  der  Auffassung  hinzuneigen 
scheint,  daß  die  Sputumbakterien  mit  den  echten  Schweineseuche- 
bazillen  nicht  identisch  sind,  der  Überzeugung  Ausdruck  verleiht, 
daß  „die  Sputumbakterien  unter  besonderen  Umständen  bei  ihrem 
eigenen  Wirt  eine  Erkrankung  der  Lunge  hervorrufen  können44, 
wobei  er  aber  nicht  glaubt,  daß  eine  solche  Erkrankung  „in  epi- 
demiologischer Hinsicht  allein  (d.  h.  ohne  Schweinepest  oder  andere, 
die  Resistenz  des  Organismus  herabsetzende  Momente)  gefährlich 
werden  könne44. 

Diese,  die  Resistenz  des  Organismus  herabsetzenden  Momente 
haben  nun,  meiner  Ansicht  nach,  eine  ausschlaggebende  Bedeutung 
für  die  Beurteilung  der  Ätiologie  der  sogenannten  chronischen 
Schweineseuche  der  Ferkel. 

Die  Berichte  über  das  Vorkommen  und  die  Ausbreitung  der 
Krankheit  lauten  übereinstimmend  dahin,  daß  dieselbe  vornehmlich 
unter  Tieren  in  zartem  jugendlichen  Alter,  ferner  in  kalten,  feuchten 
Stallungen,  vielfach  in  solchen  mit  kalten  Zementböden  (Zement- 
krankheit!) zu  herrschen  pflegt. 

Ferner  kommt  hier  der  Umstand  in  Betracht,  daß  die  Schweine- 
zucht in  Deutschland  im  Laufe  des  letzten  Jahrzehntes  einen  außer- 
ordentlich starken  Aufschwung  genommen  hat  (von  1904  auf  1906 
allein  in  Preußen  eine  Vermehrung  des  Bestandes  um  22°/0!).  Dieser 
Aufschwung  ging  aber  notwendigerweise  mit  einer  intensiveren  Zucht 
und  einer  Verfeinerung  des  Zuchtmaterials,  sowie  wohl  auch  mit 
einer  anderweitigen  Änderung  der  wirtschaftlichen  Verhältnisse 
(neue  Baulichkeiten,  gedrängteres  Zusammenhalten  der  Tiere,  Ver- 
fütterung  von  Molkereiprodukten  etc.)  einher. 

Auffällig  ist  es  nun,  daß  die  stärkere  Ausbreitung  der  sog. 
chronischen  Schweineseuche  sowie  die  vorausgesetzte  Milderung  und 
Änderung  des  Charakters  der  früheren  akuten  Schweineseuche  mit 
diesem  Aufschwung  der  Schweinezucht  zeitlich  —  Mitte  der  neun- 
ziger Jahre!  —  genau  zusammenfällt.  Andererseits  sind  die  ange- 
führten Umstände  nur  allzusehr  geeignet,  den  Organismus  jugend- 
licher Tiere  für  die  verschiedensten  Krankheiten  und  insbesondere 
für  katarrhalisch-entzündliche  Prozesse  empfänglich  zu  machen  und 
ihre  natürliche  Widerstandsfähigkeit  gegenüber  fakultativ  patho- 
genen  Spaltpilzen  mehr  oder  weniger  erheblich  herabzusetzen.    Da 


—     301     — 

aber  bipolare  ovoide  Bakterien  in  der  Natur  weit  verbreitet  siud 
und  auch  in  den  Luft-  und  Verdauungswegen  von  Schweinen  vor- 
kommen, so  ließe  es  sich  ungezwungen  erklären,  daß  diese  unter 
solchen  Verhältnissen,  allenfalls  unterstützt  von  sonstigen,  eben- 
falls fakultativen  oder  auch  obligaten  Parasiten  (Bac.  pyogenes 
suis!),  Lungenentzündungen  erzeugen,  die  bei  den  unter  gleichen, 
hygienisch  wenig  günstigen  Verhältnissen  gehaltenen  Tieren  ebenso 
leicht  einen  enzootischen  Charakter  annehmen  können. 

Wie  ersichtlich,  ließe  sich  sowohl  das  sporadische  Vorkommen 
als  auch  das  enzootische  Herrschen  des  Ferkelsterbens  auch  dann 
aus  dem  fakultativ  parasitären  Charakter  des  ovoiden  Bakteriums 
erklären,  falls  letzteres  tatsächlich  die  eigentliche  und  alleinige 
Ursache  der  Erkrankung  wäre.  Da  aber  der  Beweis  hierfür  nicht 
erbracht  ist,  vielmehr  der  ovoide  Bazillus  seiner  Eigenart  nach 
akute  entzündliche  Prozesse  zu  erzeugen  pflegt  und  auch  nicht 
immer  im  erkrankten  Lungengewebe  nachzuweisen  ist,  hat  die  An- 
nahme viel  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  daß  er,  als  ein  in  den 
Luftwegen  häufiger,  fakultativ  pathogener  Parasit,  an  der  Erkrankung 
nur  mittelbar  oder  sekundär  beteiligt  ist.1)  Jedenfalls  bedarf  die 
Pathogenese  der  letzteren  noch  einer  weiteren  gründlichen  Er- 
forschung. Zurzeit  scheint  nur  so  viel  in  hohem  Grade  wahrschein- 
lich zu  sein,  daß  sie  eine  den  Ferkeln  eigentümliche  Krankheit 
darstellt,  auf  deren  Auftreten  den  Organismus  schwächende  Ein- 
wirkungen von  maßgebendem  Einfluß  sind,  und  bei  deren  Entwicklung 
wahrscheinlich  mehrere,  zumeist  fakultativ  pathogene  Spaltpilze 
eine  Rolle  spielen. 

Meiner  Ansicht  nach  ist  diese  Krankheit  der  katarrhalischen 
Pneumonie  der  Kälber  und  der  Lämmer  an  die  Seite  zu  stellen,  bei 
der  ovoide  bipolare  Bakterien  sehr  wahrscheinlich  ebenfalls  häufig 
mit  im  Spiel  sind,  und  die  unter  ungünstigen  hygienischen  Verhält- 
nissen ebenfalls  in  enzootischer  Ausbreitung  vorkommt.  Daß  in- 
zwischen die  kranken  Tiere  fiir  ihre  gesunden  Gefährten  nicht 
immer  ungefährlich  sind,  vielmehr  die  letzteren  anstecken  können, 
ist  gar  nicht  zu  verwundern;  denn  es  ist  ohne  weiteres  verständ- 
lich, daß  in  ihrer  Resistenz  ohnehin  schon  geschwächte  Tiere  leich- 


l)  Die  akuten  Exazerbationen  der  chronischen  Pneumonie  dürfton  vor- 
nehmlich oder  vielleicht  auch  ausschließlich  durch  die  pathogene  Wirkung  des 
bereits  vorher  im  Lungengewebe  vorhanden  gewesenen  bipolaren  Bazillus  be- 
dingt sein. 


—     302     - 

ter  erkranken  werden,  falls  sie  mit  den  Auswürfen  und  Entleerungen 
ihrer  kranken  Gefährten  ovoide  und  sonstige  Bakterien  in  größerer 
Menge  aufnehmen,  zumal  dieselben,  eben  weil  sie  aus  einem  kranken 
Körper  herstammen,  gewöhnlich  bereits  eine  höhere  Virulenz  besitzen, 
als  die  in  den  Luftwegen  gesunder  Tiere  schmarotzenden  Spaltpilze 
derselben  Arten.  Aus  diesem  Grunde  kann  auch  ein  krankes  Tier  die 
Krankheit  eventuell  in  bisher  gesunde  Ferkelbestände  einschleppen, 
insbesondere  wenn  letztere  ebenfalls  hygienisch  ungünstig  situiert 
und  daher  für  die  Krankheit  in  höherein  Grade  empfänglich  sind. 

Die  Ansteckungsfähigkeit  der  kranken  Tiere  bewegt  sich 
jedoch  offenbar  innerhalb  sehr  enger  Grenzen,  und  jedenfalls  bedarf 
es  noch  des  Nachweises,  daß  kranke,  junge  Ferkel  auch  unter  gün- 
stigen Verhältnissen  lebende,  etwas  ältere  Tiere  anzustecken  und 
unter  denselben  ebenfalls  seuchenhafte  Erkrankungen  hervorzurufen 
vermögen.  Nach  den  zurzeit  vorliegenden  Berichten  scheint  dies 
nicht  der  Fall  zu  sein,  wie  denn  ein  Umsichgreifen  der  Krankheit, 
analog  anderen,  evident  ansteckenden  Tierseuchen,  die  sich  ohne 
Rücksicht  auf  die  hygienischen  Verhältnisse  und  das  Alter  der  Tiere 
von  Bestand  auf  Bestand  ausbreiten,  nicht  beobachtet  wird. 

Hinsichtlich  der  sporadischen  akuten  Schweineseuche 
dürfte  wohl  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  diese  durch  den 
Bacillus  suisepticus  hervorgerufen  wird ;  denn  die  anatomischen  Ver- 
änderungen stimmen  vollkommen  mit  jenen  bei  der  Schweineseuche- 
pneumonie  pestkranker  Schweine  überein.  Allerdings  können  außer- 
dem auch  andere,  mehr  oder  weniger  pathogene  Bakterien  sich  an 
dem  Prozeß  in  sekundärer  Weise  beteiligen;  denn  in  den  hepati- 
sierten  Lungen  werden  solche  hier  ebenfalls  nicht  selten  an- 
getroffen, so  Staphylo-  und  Streptokokken,  der  Bacillus  pyogenes 
suis,  der  Bacillus  pyocyaneus,  Kolibazillen  u.  a.  Die  Bedingungen 
für  das  Auftreten  dieser  Krankheitsform  sind  zurzeit  noch  eben- 
sowenig bekannt,  wie  für  das  zeitweilige  Auftreten  der  Rinder- 
und  Wildseuche  sowie  der  Büffelseuche.  Den  Organismus  schwä- 
chende äußere  Einflüsse  einerseits,  eine  Steigerung  der  Virulenz 
des  fakultativ  pathogenen,  ubiquitären,  bipolaren  ovoiden  Bakteriums 
andererseits,  scheinen  hier  eine  bedeutsame  Rolle  zu  spielen.  Diese 
Krankheiten  haben  das  gemein,  daß  sie  ohne  nachweisbare  Ein- 
schleppung plötzlich  auftauchen  und  dann  allenfalls  auch  einen  en- 
zootischen  Charakter  annehmen,  dabei  aber  immer  auf  ein  ge- 
wisses Gebiet   beschränkt  bleiben.     Für  ihre  sehr  nahe  Verwandt- 


—     303     — 

Schaft  spricht  sehr  ausdrücklich  die  Erfahrung-,  daß  bei  Erkrankungen 
von  Wild,  Rindern  oder  Büffeln  bisweilen  auch  Schweine  unter 
akuten  Erscheinungen  erkranken.  Insbesondere  nach  dem  Auftreten 
der  Büffelseuche  wird  ziemlich  häufig  die  Erfahrung  gemacht,  daß 
iu  den  betroffenen  Gehöften  auch  Schweine  unter  den  Symptomen 
der  akuten  Schweineseuche  schwer  erkranken,  wobei  aber  die  Er- 
krankungen von  Schweinen  stets  auf  die  betreffenden  Gehöfte  be- 
schränkt bleiben  und  niemals  eine  epizootische  Ausbreitung  erlangen. 
Das  häufige  Hinzutreten  einer  heftigen  Rachenentzündung  scheint 
dafür  zu  sprechen,  daß  sich  Schweine  durch  Verzehren  von  massen- 
haftem virulenten  Material,  ähnlich  wie  beim  Milzbrand,  anzu- 
stecken vermögen.  Daß  aber  dies  nicht  immer  genügt,  das  beweist 
die  experimentelle  Erfahrung,  wonach  es  durch  Verfütterung  viru- 
lenter Reinkulturen  nicht  gelingt,  Schweine  krank  zu  machen.  An- 
dererseits beweist  das  bald  ganz  sporadische,  bald  auf  eng  um- 
schriebene Gebiete  beschränkte  Auftreten  der  Krankheit  die,  wenn 
überhaupt  vorhandene,  so  gewiß  nur  sehr  geringe  Ansteckungs- 
fahigkeit  der  kraiiken  Tiere. 

Der  prinzipielle  Unterschied  zwischen  der  Schweinepest  bzw. 
der  in  Pestbeständen  vorkommenden  Schweineseuche  und  der  reinen 
akuten  Schweinesenche  sowie  der  katarrhalischen  Pneumonie  der 
Ferkel  bestünde  hiernach  darin,  daß  die  Schweinepest  und  die  mit 
ihr  komplizierte  Schweineseuche  einen  eminent  kontagiösen  Charak- 
ter besitzt  und  sich  als  solche  in  den  Schweinebeständen  ohne 
Rücksicht  auf  das  Alter  und  den  sonstigen  Gesundheitszustand  der 
Tiere  durch  den  Schweine  verkehr  rasch  auf  große  Gebiete  aus- 
breitet, wohingegen  bei  den  zwei  letzteren  Krankheiten  der  kon- 
tagiöse  Charakter  sehr  stark  in  den  Hintergrund  tritt  oder  sich 
nur  dort  betätigt,  wo  die  natürliche  Resistenz  der  Tiere  bereits 
durch  anderweitige  schwächende  Einwirkungen  herabgesetzt  wurde. 
Dieser  Unterschied  ist  aber  in  veterinärpolizeilicher  Beziehung  von 
hoher  Bedeutung;  denn  pestkranke  Schweine  gefährden,  gleichviel 
ob  sich  ihre  Krankheit  in  Pest-  oder  Schweineseuchesymptomen 
äußert,  Schweinebestände  überhaupt,  ohne  Rücksicht  auf  die  ört- 
lichen Verhältnisse  sowie  die  Haltung  der  Tiere,  wohingegen  mit 
reiner  Schweineseuche  oder  mit  der  katarrhalischen  Pneumonie 
behaftete  Tiere  nur  unter  gewissen  Umständen  und  letztere,  wie  es 
scheint,  vorwiegend  nur  für  ganz  junge  Ferkel  gefährlich  werden. 


—     304     — 

Mit  der  im  obigen  skizzierten  Auffassung  des  Wesens  der 
sogenannten  chronischen  Schweineseuche  der  Ferkel  und  der  spora- 
dischen akuten  Schweineseuche  stehen  die  negativen  Ergebnisse 
der  Versuche  von  Pütz  sowie  jene  von  Ostertag  und  Stadie 
über  die  Filtrierbarkeit  des  Virus  der  reinen  Schweineseuche  durch- 
aus im  Einklang.  Als  Ansteckungsstoff  sind  hier  ausschließlich 
Bakterien  diesseits  der  mikroskopischen  Sichtbarkeitsgrenze  be- 
tätigt, diese  aber  werden  durch  Bakterienfilter  zurückgehalten,  und 
demgemäß  besitzt  das  Filtrat  auch  keine  pathogenen  Eigenschaften. 
Dies  schließt  freilich  nicht  aus,  daß  mitunter  ein  Schwein,  dessen 
Obduktion  ausschließlich  anatomische  Merkmale  der  akuten  Schweine- 
seuche nachweist,  ein  auch  in  filtriertem  Zustande  krankmachendes 
Material  liefert;  dann  wurde  aber  das  Tier  ursprünglich  durch 
Pestvirus  angesteckt,  und  demgemäß  ist  seine  Krankheit  auch  als 
Schweinepest  und  nicht  als  Schweineseuche  aufzufassen. 

Die  Entscheidung  darüber,  ob  in  einem  einzelnen  Fall  reine 
Schweineseuche  oder  aber  Schweinepest  mit  Schweineseuche- 
symptomen  vorliegt,  wird  sich  in  der  Praxis  mitunter  recht  schwer 
gestalten.  Liegen  neben  der  entzündlichen  Erkrankung  der  Lunge 
gleichzeitig  auch  Verschorfungen,  runde  Geschwüre  mit  mißfarbigem 
Belag  oder  gar  knopfartige  Schorfe  auf  der  Schleimhaut  des  Ver- 
dauungskanals mit  oder  ohne  Schwellung  der  Lymphdrüsen  vor, 
dann  wird  man  stets  eine  Pestinfektion  anzunehmen  haben,  während 
andererseits  eine  durchweg  chronische  Lungenentzündung  („schlaffe 
Pneumonie")  mit  oder  ohne  fibrinöse  Pleuritis  von  vornherein  als 
von  der  eigentlichen  Schweineseuche  völlig  unabhängige  katarrhali- 
sche Pneumonie  aufzufassen  sein  wird.  In  letzterem  Sinne  werden 
auch  jene  Fälle  zu  beurteilen  sein,  in  denen  die  Erkrankung  nach  dem 
klinischen  und  dem  anatomischen  Befund  als  eine  chronische 
katarrhalische  Pneumonie  begonnen  und  erst  hinterher,  vielleicht 
unter  dem  Einfluß  anamnestisch  nachgewiesener  schädlicher  Ein- 
wirkungen, einen  akuten  Verlauf  genommen  hat  (in  solchen  Fällen 
findet  man  neben  der  schlaffen  Pneumonie,  zumeist  an  den  Spitzen 
der  vorderen  Lungenlappen,  weiter  nach  oben  und  rückwärts  eine 
akute  kruppös-katarrhalische  Entzündung). 

Handelt  es  sich  dagegen  ausschließlich  um  eine  reine 
hämorrhagische  Septikämie  oder  um  eine  akute,  kruppös-katarrha- 
lische, hämorrhagische  oder  nekrotisierende  Pneumonie  mit  oder 
ohne   fibrinöse  Pleuritis,    oder   aber  um  chronische  Residuen  einer 


—    305     — 

vorausgegangenen  akuten  Pneumonie  (große  nekrotische  Herde, 
Sequester),  so  vermag  der  anatomische  Befund  auch  mitsamt  dem 
mikroskopischen  und  kulturellen  Befund  keine  Aufklärung  über  das 
eigentliche  Wesen  der  Erkrankung  zu  erteilen.  In  solchen  Fällen 
wird  der  Filtrierversuch  maßgebend  sein,  wofern  er  ein  positives 
Resultat  ergibt,  indem  er  dann  entschieden  das  Vorliegen  einer 
Pestinfektion  beweist.  Demgegenüber  kommt  einem  negativen  Er- 
gebnis eines  solchen  Versuchs  bei  weitem  nicht  dieselbe  Beweis- 
kraft zu;  denn  es  kann  das  vorher  in  den  Organsäften  vorhanden 
gewesene  Pestvirus  aus  dem  Körper  bereits  zum  größten  Teil  oder 
auch  ganz  verschwunden  sein.  In  solchen  Fällen  wird  man  die 
Entscheidung  davon  abhängig  machen  müssen,  ob  das  Tier  aus 
einem  Pestbestand  herstammt  und  ob  bei  Gefährten  desselben 
auch  auf  die  Pest  hinweisende  Organveränderungen  vorgefunden 
wurden,  oder  aber  ob  es  sich  um  einen  sporadischen  Fall  aus  einer 
auch  seither  gesunden  Herde  handelt.  Es  müssen  mit  einem  Wort 
insbesondere  in  solchen  Fällen  auch  die  epidemiologischen  Momente 
entsprechend  berücksichtigt  und  für  die  Stellung  der  Diagnose  an- 
gemessen verwertet  werden. 

Alles  dies  bedeutet  selbstverständlich  eine  nicht  geringe  Er- 
schwerung des  diagnostischen  Verfahrens  gegenüber  dem  bisherigen 
Zustand,  wo  allein  der  bakteriologische  Nachweis  von  bipolaren 
ovoiden  Bakterien  in  entzündlich  veränderten  Organen  genügt  hatte, 
den  jeweilig  vorgelegenen  Fall  als  Schweineseuche  und  damit  als 
eine  unter  allen  Umständen  gefährliche  ansteckende  Erkrankung  zu 
kennzeichnen.  Dem  Nachweise  von,  wenn  auch  hochviru- 
lenten, bipolaren  ovoiden  Bazillen  wird  in  Hinkunft  nur 
ein  sehr  bedingter  und  untergeordneter  diagnostischer 
Wert  zukommen  und  für  sich  allein  keineswegs  für  die 
Stellung  der  Diagnose  „Schweineseuche"  genügen1),  sondern 
es  werden,  wie  gesagt,  die  grob-anatomischen  Organveränderungen, 
in  zweifelhaften  Fällen  aber  die  epidemiologischen  Nebenumstände 
und  die  Art  der  Erkrankung  von  Tieren  derselben  Gruppe,  mehr 
als  bisher  zu  berücksichtigen  sein.  Zum  Glück  sind  solche  zweifel- 

!)  Preisz,  der  derselben  Ansicht  ist,  macht  die  sehr  zutreffende  Be- 
merkung, daß  es  ebenso  unstatthaft  wäre,  aus  der  Gegenwart  des  Bacillus 
suisepticus  allein  auf  Schweineseuche  zu  folgern,  wie  z.  B.  auf  Grund  des 
Nachweises  von  Streptokokken  im  Nasenschleim  von  Pferden  die  Druse  zu 
diagnostizieren.    (Zeitschr.  f.  Tiermedizin  1907,  Bd.  XI,  Heft  3.) 


-      306     - 

hafte  Fälle,  nämlich  solche  der  anatomisch  reinen  akuten  Schweine- 
seuche, ziemlich  selten,  die  Mühe  aber,  die  auf  die  völlige  Klar- 
stellung ihrer  Natur  verwendet  werden  muß,  wird  reichlich  ent- 
schädigt werden  durch  die  Möglichkeit,  für  das  weitere  Vorgehen 
Vorkehrungsmaßregeln  bezeichnen  zu  können,  die,  dem  Wesen 
der  vorliegenden  Krankheit  genauer  angepaßt,  mehr  zielbewußt 
und  daher  wohl  auch  ersprießlicher  sein  werden.1) 

Schon  mit  Rücksicht  auf  eine  solche  erfolgreiche  Bekämpfung 
der  drei  Krankheiten  wird  trotz  aller  Schwierigkeiten  eine  mög- 
lichst scharfe  Trennung  der  Schweinepest  (die  verschieden tlichsten 
Mischformen  inbegriffen)  von  der  reinen  Schweineseuche  und  von 
der  katarrhalischen  Pneumonie  der  Ferkel  stets  anzustreben  sein; 
denn  insbesondere  die  Anwendung  etwaiger  spezifischer  prophy- 
laktischer oder  Heilverfahren  setzt  selbstverständlich  eine  genaue 
Diagnose  voraus. 


l)  Die  vom  preußischen  Ministerium  für  Landwirtschaft,  Domänen  und 
Forsten  am  4.  Februar  1907  erlassenen  „Neuen  Bestimmungen  über  die  Be- 
kämpfung der  Seuchen  der  Schweine"  stehen  bereits  auf  dem  Standpunkt,  daß 
nicht  jeder  Fall  von  Schweineseuchc,  sondern  nur  „die  ansteckende,  in  der 
Regel  in  der  Form  einer  Entzündung  der  Brustorgane  verlaufende  Krankheit 
der  Schweine,  sofern  sie  mit  erheblichen  Störungen  des  Allgemeinbefindens 
einhergeht",  zum  Ausgangspunkt  von  veterinär-polizeilichen  Maßregeln  zu  machen 
sei.  Es  gelangt  somit  hierin  die  Auffassung  zum  Ausdruck,  daß  die  Gefähr- 
lichkeit und  Anstcckungsfahigkeit  der  Krankheit  nicht  durch  die  Anwesenheit 
des  Bacillus  suisepticus,  sondern  durch  andere  Umstände  bedingt  ist  Damit 
erscheint  aber  die  Anschauung  über  die  ätiologische  Holle  dieses  Bakteriums 
sehr  bedeutend  erschüttert.  Zur  Begründung  der  obigen  Maßregel  wird  zwar 
angeführt,  daß  „Fälle  von  krankhafter  Veränderung  der  Brustorgane,  in  denen 
die  Erreger  der  Schweineseuche  nicht  mehr  nachgewiesen  werden  können, 
oder  in  denen  die  Erreger  nicht  mehr  virulent  sind,  für  die  Verbreitung  der 
Seuche  nicht  mehr  von  Bedeutung  sein  können".  Nun  geht  aber  die  Nach- 
weisbarkeit oder  die  Virulenz  des  Bacillus  bipolaris  septicus  durchaus  nicht 
Hand  in  Hand  mit  der  Schwere  der  Erkrankung ;  denn  er  kann  auch  bei  hoch- 
gradiger Pleuropneumonie  schwer  oder  gar  nicht  nachweisbar  sein  und  um- 
gekehrt. Es  gibt  daher  insbesondere  das  klinische  Krankheitsbild  eines 
gegebenen  Falles  keinen  Aufschluß  darüber,  in  welcher  Zahl  und  Virulenz 
ovoide  Bakterien  im  Körper  des  erkrankten  Tieres  vorhanden  sind. 

Auf  ähnlicher  Grundlage  könnte  man  veterinär-polizeilich  u.  a.  auch  die 
Fälle  von  Schweinepest  gesondert  behandeln,  je  nachdem  das  filtrierbare  Pest- 
virus im  Körper  des  kranken  Tieres  voraussichtlich  noch  vorhanden  ist  oder  nicht. 
Eine   solche  Trennung   der  Seuchenfällc   nach    der  Schwere   der  Erkrankung, 


—     307     — 

Bezüglich  der  Terminologie  wäre  es  meiner  Ansicht  nach  am 
zweckmäßigsten  —  falls  es  sich  noch  überhaupt  durchführen  ließe  — , 
die  Benennung  „Schweineseuche",  die  ohnehin  schon  vielfache  Ver- 
wirrung angestiftet  hat,  in  Hinkunft  ganz  außer  Gebrauch  zu 
setzen.  Das  Wort  besagt  eigentlich  streng  genommen  nur,  daß 
eine  Seuche  unter  Schweinen  herrscht,  und  könnten  daher  füglich 
auch  der  Rotlauf,  die  Schweinepest,  die  Tuberkulose  etc.  als 
Schweineseuche  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  bezeichnet  werden. 
Zudem  paßt  diese  Benennung  nach  den  obigen  Ausführungen  auch 
nicht  für  sämtliche  hier  in  Betracht  kommende  und  insbesondere 
nicht  für  die  sporadischen  Erkrankungsfälle. 

Dieselbe  hatte  auch  bisher  eine  ziemlich  unklare  Bedeutung, 
faßte  man  doch  darunter  bald  nur  die  ausschließlich  durch  den 
Bacillus  suisepticus  verursachten  Krankheiten,  bald  aber,  besonders 
im  praktischen  Leben,  außerdem  auch  die  Mischinfektionen  mit  der 
Schweinepest  zusammen,  wobei  man,  um  den  behandelten  Gegen- 
stand genauer  zu  bezeichnen,  gezwungen  war,  sogar  nationale  Bei- 
wörter hinzuzufügen  und  von  einer  „deutschen''  oder  „amerikani- 
schen4' Schweineseuche  zu  sprechen.  Vollends  unzutreffend  aber  ist 
eine  solche  Benennung  für  die  katarrhalische  Pneumonie  der  Ferkel, 
•schon  aus  dem  Grunde,  weil  die  ätiologische  Rolle  des  Bacillus 
suisepticus  als  primären  ursächlichen  Faktors  hier  zumindest  zweifel- 
haft ist.  Aber  auch  in  dem  Fall,  daß  dieser  Bazillus  an  dem 
Lungenprozeß  tatsächlich  in  hervorragender  Weise   beteiligt  wäre, 

ohne  Rttcksicht  auf  das,  sonst  in  dieser  Beziehung  allein  maßgebende  spezitische 
ätiologische  Moment,  steht  in  der  Veterinär-polizeilichen  Seuchenbekämpfung 
einzig  da  und  läßt  sich  mit  dem  Standpunkt  der  Verordnung  bezüglich  des 
Erregers  der  Schweineseuche  schwer  vereinbaren. 

Bemerkenswert  ist  übrigens  jener  Passus  in  den  „Neuen  Bestimmungen", 
wonach  es  bei  chronisch  schweineseuchekranken  Sehweinen  —  darin  sind  wohl 
auch  die  pneumonischen  Ferkel  initinbegriffen  —  bei  Verwendung  der  üblichen 
Menge  des  Ausgangsmaterials  in  einem  Drittel  der  Fälle  (!)  nicht  mehr 
gelingt,  die  ovoiden  Bakterien  aus  den  erkrankten  Organen  zu  isolieren,  in  den 
Fällen  aber,  wo  dies  gelingt,  dieselben  oft  so  wenig  virulent  sind,  daß 
sie  nur  in  ungewöhnlich  großen  Mengen  Versuchstiere  zu  töten  vermögen. 
Dies  stimmt  mit  den  bakteriologischen  Befunden  vollkommen  überein,  jene 
Angabe  aber,  daß,  wenn  in  einem  Bestände  die  akute  Form  der  Schweine- 
seuche  herrscht,  sowohl  ältere  als  jüngere  Tiere  erkranken  und  die  Erkrankung 
in  einem  hohen  Prozentsatz  der  Fälle  (bis  zu  75%)  zum  Tode  führt,  wird, 
sofern  darunter  die  reine,  nicht  mit  Schweinepest  komplizierte  akute  Schweine- 
seuche geraeint  ist,  durch  tatsächliche  Beobachtungen  nicht  gestützt. 


-     308     — 

wäre  die  Benennung  wenig  passend;  denn  ebenso,  wie  man  beim 
Auftreten  einer,  wenn  auch  enzootischen  Pneumonie  unter  Kälbern 
oder  Lämmern  nicht  von  einer  Rinder-  oder  Schafseuche  spricht, 
erscheint  es  nicht  angezeigt,  die  analoge  Erkrankung  der  Ferkel 
als  Schweineseuche  zu  bezeichnen. 

Obschon  nun  die  akute  multiple  mortifizierende  Pneu- 
monie als  selbständige  Krankheit  nicht  „seuchenhaft"  zu  herrschen 
pflegt,  so  dürfte  es  dennoch  angemessen  erscheinen,  diese  in 
Würdigung  der  grundlegenden  Forschungen  von  Löffler  und 
Schütz  sowie  mit  Rücksicht  auf  die  historische  Entwicklung  der 
Frage  auch  künftighin  als  „Schweineseuche"  zu  bezeichnen,  zu- 
mal der  Bacillus  suisepticus  auch  reine  Septikämie  zu  erzeugen 
imstande  ist  (Löffler  hatte  eben  einen  solchen  Fall  untersucht1). 
Bieten  sich  im  vorliegenden  Fall  hinreichende  Anhaltspunkte  für 
die  Annahme,  daß  die  Krankheit  selbständig  aufgetreten  ist,  so 
wird  ihr  nicht  kontagiöser  Charakter  entsprechend  zu  betonen  und 
der  betreffende  Fall  auch  veterinär-polizeilich  in  diesem  Sinne  zu 
behandeln  sein.  In  der  großen  Mehrzahl  der  Fälle  wird  es  sich 
freilich  lediglich  um  eine  Komplikation  der  Schweinepest  handeln, 
wo  dann  die  Kontagiosität  sehr  stark  hervortritt  und  demgemäß 
auch   energische  Vorkehrungs-  und  Tilgungsmaßregeln  erheischt.2) 


!)  Schütz  selbst  hielt  seinerzeit  die  Wahl  des  Namens  „Schweineseuche 
oder  Schweineseptikämie"  für  wenig  zutreffend  und  sprach  sich  für  die  vor- 
läufige Beibehaltung  desselben  lediglich  aus  dem  Grunde  aus,  weil  nicht  mit 
Sicherheit  dargetan  war,  daß  nur  die  Lunge  als  Atrium  für  die  krankheits- 
erregenden Bakterien  anzusehen  ist. 

a)  In  der  englischen  Sprache  erscheint  ebenfalls  eine  scharfe  Trennung 
der  Hogcholera  (=  Schweinepest)  von  der  Swine-plague  (=  Schweine- 
seuche =  akute  multiple  mortifizierende  Pneumonie)  geboten,  während  der 
Name  „Swine-fever*  als  viel  zu  unklar  am  besten  ganz  außer  Gebrauch  zu 
setzen  wäre.  —  In  der  französischen  Sprache  ist  die  Benennung  der  reinen 
Schweineseuche  als  Pasteurellose  du  porc,  falls  der  Name  „Pasteurellose* 
überhaupt  beibehalten  werden  soll,  mehr  zutreffend  als  jene  als  Pneumonie 
contagieuse,  mit  Rücksicht  auf  den  gewöhnlich  nicht  kontagiösen  Charakter 
der  Krankheit  Für  die  Peste  du  porc  ist  der  neuerdings  von  Ligniere 8 
vorgeschlagene  Name  „Salmonellose"  nunmehr  ganz  unzutreffend  geworden, 
während  die  Benennung  der  Schweinepest  als  „Pneumo-enterite  infec- 
tieuse"  auf  die  septikämischc  Form  der  Krankheit  nicht  paßt.  —  Bezüglich 
der  katarrhalischen  Pneumonie  der  Ferkel  hat  man  außerhalb  Deutsch- 
lands bisher  offenbar  kein  Bedürfnis  gefühlt,  dieselbe  mit  der  akuten  klassi- 
schen Schweineseuche  in  nähero  Beziehung  zu  bringen. 


—    309     - 

Von  dieser  Schweineseuche  wäre  die  neuerer  Zeit  als  „chro- 
nische Schweineseuche44  bezeichnete  Krankheit  der  Ferkel  als 
„katarrhalische  Pneumonie44  oder  allenfalls  als  „enzootische 
Pneumonie  der  Ferkel44  scharf  zu  trennen  und  ihre  Ätiologie 
in  dem  oben  skizzierten  Sinn  zu  umschreiben,  unter  besonderer 
Betonung  der  prädisponierenden  Momente  sowie  der  gelegentlichen 
Ansteckungsfähigkeit  lediglich  für  ganz  junge  Tiere,  während  die 
unmittelbare  ätiologische  Rolle  der  in  solchen  Fällen  im  erkrankten 
Lungengewebe  vorgefundenen  verschiedenen  Bakterien  noch  einer 
weiteren,  eingehenderen  Erforschung  bedarf. 


(Aus  dem  Institut  für  Seuchenlehre  der  Tierärztlichen  Hochschule 

zu  Stuttgart.) 

Über  ein  durch  verdorbenes  Futter  verursachtes 
Pferdesterben. 

Zugleich  ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  „enzootischen  Spinalparalyse44 

der  Pferde. 

Von 
Professor  Dr.  W.  Zwick. 

(Mit  Tafel  IV  und  V.) 

Die  Untersuchungen,  die  den  nachfolgenden  Ausführungen  zu- 
grunde liegen,  reichen  auf  die  Jahre  1903  und  1904  zurück.  Die 
vorliegende  Veröffentlichung  ist  die  fast  wörtliche  Wiedergabe 
eines  Berichtes,  den  ich  im  August  1905  an  das  Königliche  Medi- 
zinalkollegium und  das  Königliche  Ministerium  des  Innern  erstattete. 
Diese  hohe  Behörde  hat  meine  Versuche  durch  Gewährung  besonderer 
Mittel  unterstützt,  für  welche  Förderung  ich  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  Dank  auszusprechen  mir  erlaube. 

Am  11.  Oktober  1903  brach  unter  dem  Pferdebestande  der 
nahe  bei  Tübingen  gelegenen  Brauerei  ,,Waldhörnle"  eine  Krank- 
heit aus,  die  in  rascher  Aufeinanderfolge  sämtliche  in  den  Stallungen 
der  Brauerei  befindlichen  Pferde  ergriff.  Bis  zum  17.  Oktober,  also 
innerhalb  sechs  Tagen,  verendeten  17  Pferde;  nur  ein  einziges,  das 
zu  Beginn  der  Krankheit  in  die  medizinische  Klinik  der  Tierärzt- 
lichen Hochschule  verbracht  worden  war,  erholte  sich  allmählich 
wieder.  Ungefähr  zwei  Monate  später,  am  28.  Dezember  1903, 
erkrankten  vier  weitere  der  Brauerei  gehörige  Pferde,  zwei  von 
ihnen  starben,  zwei  wurden  wieder  gesund,  jedoch  war  das  eine 
erst  nach  einer  nahezu  einjährigen  Rekonvaleszenzzeit  wieder  in 
vollem  Maße  gebrauchsfähig.    Die  Gesamtzahl  der  verendeten  Pferde 


—     311     — 

betrog-  demnach  19,  die  der  erkrankten  22.  Der  durch  die  Krank- 
heit verursachte  Schaden  wurde  auf  ungefähr  25  000  M.  berechnet. 
Sämtliche  gestorbenen  Pferde  gehörten  dem  kaltblütigen  Schlage 
an.  Der  Krankheit  erlagen  ohne  Unterschied  Tiere  der  verschie- 
denen Altersstufen;  das  jüngste  war  7,  das  älteste  18  Jahre  alt. 
Die  Dauer  der  Krankheit,  vom  Hervortreten  der  ersten  Symptome 
bis  zum  Tode,  schwankte  zwischen  8  und  72  Stunden.  Die  Mehr- 
zahl der  Pferde  starb  nach  durchschnittlich  1H  stündigem  Kranksein. 

Symptome. 

Die  Erscheinungen  waren  bei  allen  Pferden  die  gleichen.  Im 
Vordergründe  des  Symptomenbildes  stand  eine  Kreuzschwäche 
mit  darauffolgender  Lähmung  der  Nachhand.  Mehrere  Pferde 
erkrankten  während  der  Arbeit  vor  dem  Wagen;  sie  hatten  ihr 
Morgenfutter  mit  Appetit  verzehrt  und  wurden,  wie  gewöhnlich, 
zu  Bierfuhren  benutzt.  Unterwegs  stellte  sich  plötzlich  Schweiß- 
ausbruch ein.  und  zwar  so  sehr,  daß  die  Tiere  förmlich  in  Schweiß 
gebadet  waren;  ihre  Kräfte  begannen  nachzulassen,  sie  mußten 
häufig  angetrieben  werden,  ihr  Gang  wurde  mehr  und  mehr  unsicher 
und  schwankend.  Nur  mit  Mühe  erreichten  sie  den  Stall,  wo  sie  sich 
alsbald  niederlegten,  um  nicht  wieder  aufzustehen.  Wurden  die 
Pferde  während  der  Ruhe  im  Stalle  von  der  Krankheit  überrascht, 
so  machten  sich  die  ersten  Anzeichen  in  der  Weise  bemerkbar,  daß 
sie  unruhig  hin  und  her  trippelten,  sich  bald  hinlegten,  bald  wieder 
aufstanden;  dies  wiederholte  sich  verschiedene  Male,  bis  sie  schließ- 
lich kraftlos  liegen  blieben.  Das  Bewußtsein  der  Pferde  war  nicht 
oder  nur  kurze  Zeit  vor  dem  Tode  getrübt,  sie  erhoben  den  Kopf, 
sahen  sich  oft  nach  dem  Hinterleib  um  und  gaben  zuweilen  stöh- 
nende Laute  von  sich.  Mit  den  Vordergliedmaßen  machten  sie 
von  Zeit  zu  Zeit  Anstrengung,  sich  aufzurichten,  aber  die  Nach- 
hand war  außer  diesem  Willensbereich,  sie  schien  völlig  gelähmt. 
Meistens  legten  sich  die  Tiere  platt  auf  eine  Seite  und  führten  Schwimm- 
bewegungen mit  den  Vordergliedmaßen  aus,  während  die  Hinter- 
extremitäten unbeweglich  seitwärts  gestreckt  wurden.  Die  Kücken-, 
Kruppen-  und  Oberschenkelmuskulatur  fühlte  sich  hart  an.  Die 
Empfindung  in  der  Nachhand  war  zwar  nicht  völlig  aufgehoben, 
jedoch  herabgesetzt,  bei  Applikation  von  Nadelstichen  reagierten  die 
Tiere  nicht  immer  prompt  und  deutlich.    Waren  einmal  offensichtliche 


—     312    — 

Krankheitserscheinungen  zugegen,  so  verschmähten  die  Tiere  in  der 
Regel  das  Futter  gänzlich;  einige  von  ihnen  nahmen  zwar  im  Anfang 
der  Krankheit  von  den  vorgelegten  Möhren  die  eine  oder  andere 
auf,  kauten  sie  aber  nicht  und  konnten  sie  auch  nicht  abschlucken. 
Schob  man  ihnen  Mohrrübenstücke  ins  Maul,  so  blieben  diese  dort 
ungekaut  liegen.  Dagegen  hatten  einige  der  Pferde  die  ihnen  ver- 
abreichten Eingüsse  abgeschluckt. 

Die  innere  Körperwärme  war  bei  sämtlichen  Pferden  von 
Anfang  bis  zu  Ende  der  Krankheit  normal  bis  höchstens  hoch- 
normal (38—39°  ('),  nie  fieberhaft  gesteigert,  auch  die  Zahl  der 
Pulse  und  Atemzüge  überschritt  die  Norm  nicht  oder  kaum. 

Der  Kot  war  unverändert,  der  Kotabsatz  nicht  erschwert,  auch 
nicht  das  Urinieren;  der  Harn  hatte  normales  Aussehen.  Bei  der 
von  mir  in  einem  Fall  vorgenommenen  genaueren  Untersuchung  des 
Harns  konnten  auf  mikroskopischem  Wege  Kierenepithelien  in 
mäßiger  Menge,  jedoch  durch  die  chemische  Untersuchung  keine 
abnormen  Bestandteile  nachgewiesen  werden. 

Obduktionsbefund. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  zusammen  mit  Herrn  Oberamtstierarzt 
Kieß  in  Tübingen,  die  Obduktion  zweier,  der  Krankheit  erlegenen 
Pferde  vorzunehmen.  In  einem  Fall  ergab  sich  folgender  Befund: 
Leichte  parenchymatöse  Trübung  des  Herzmuskels,  der  Leber  und 
Nieren,  subepikardiale  Hämorrhagien  entlang  dem  Sulc.  coronarius 
und  den  Sulci  longitudinales,  stellenweise  fleckige  und  streifige 
Rötungen  und  Schwellungen  der  Schleimhaut  des  Dünndarms.  Am 
Gehirn  und  Rückenmark  konnten,  wie  ausdrücklich  bemerkt  sei, 
makroskopische  Veränderungen  nicht  wahrgenommen  werden. 

Die  Obduktion  des  zweiten  Pferdes  war  trotz  sorgfältigster 
Untersuchung  ergebnislos. 

Von  dreien  der  verendeten  Pferde  wurde  mir  je  ein  Femur 
zugestellt,  an  dem  nach  sagittaler  Halbierung  auffällige  Ver- 
änderungen zutage  traten. 

Die  Spongiosa,  namentlich  die  der  oberen  Epiphyse,  weniger  die  der 
unteren,  war  sehr  stark  blutig  infiltriert ;  unter  der  aus  dem  Maschenwerk  vor- 
quellenden, dunkelbraunroten  bis  schwarzroten,  weichschmierigen  Infiltrations- 
masse verschwanden  die  Knochenbälkchen  fast  völlig.  In  zwei  der  unter- 
suchten Oberschenkelknochen  war  auch  die  Oberfläche  des  Fettmarks  diffus 
schwarzbraunrot  verfärbt  und  in  einem  dieser  Röhrenknochen  fiel  —  und  zwar 


—    313     — 

nahe  der  Grenze  der  Spongiosa  der  oberen  Epiphyse  gegen  die  Markhöhle  — 
ein  ovaler,  ca.  5  cm  langer,  3  cm  breiter  schwarzbrauner  Blutherd  auf,  der  sich 
von  seiner  Umgebung  scharf  abhob  und  von  dieser  leicht  loszulösen  war.  Im 
dritten  Oberschenkelknochen  war  das  gelbe  Fettmark  auf  seiner  Oberfläche 
weniger  blutig  infiltriert,  jedoch  fanden  sich  auch  hier  in  der  Tiefe  zerstreute 
kleinere  Blutungen. 


Ermittlungen  und  Erwägungen  zum  Zwecke  der  Feststellung  der 
Krankheitsursache. 

Im  Brennpunkt  des  wissenschaftlichen  und  wirtschaftlichen 
Interesses  stand  die  Frage  nach  der  Ursache  des  Massensterbens. 
Handelt  es  sich  um  eine  ansteckende  Krankheit,  ist  ein  veterinär- 
polizeiliches Eingreifen  geboten,  das  waren  weitere  sich  aufdrängende 
und  bedeutungsvolle  Fragen,  namentlich  angesichts  der  wachsenden 
Besorgnis  der  Tübinger  Pferdebesitzer,  die  eine  Übertragung  der 
Krankheit  auf  ihre  Pferde  befürchteten. 

Bei  dem  Suchen  nach  der  Krankheitsquelle  mußte  der  Ver- 
dacht sich  in  erster  Linie  auf  das  Futter  lenken.  Er  wurde  nahe- 
gelegt deshalb,  weil  drei  Tage  vor  dem  Auftreten  des  ersten 
Krankheitsfalles  ein  Futterwechsel  vorgenommen  und  an  Stelle  des 
bis  dahin  verfütterten  Heues  das  von  der  Gemarkung  „Beben- 
hausen",  und  zwar  von  der  dortigen  „Farrenwiese"  stammende 
verabreicht  worden  war.  Der  Verdacht  mußte  sich  bei  der  Be- 
sichtigung dieses  Heues  noch  bestärken:  Es  stäubte  sehr  stark 
und  hatte  einen  üblen,  muffigen  Geruch.  Ich  sandte  einige  Proben 
dieses  Heues  und  eine  Probe  des  den  Pferden  verfütterten  Hafers 
zur  Begutachtung  an  die  Landwirtschaftliche  Versuchsstation  in 
Hohenheim,  deren  Vorstand,  Herr  Dr.  Zielstorff,  die  Güte  hatte, 
mir  folgenden  Bescheid  zukommen  zu  lassen: 

„Das  Heu,  bezeichnet  als  Futter  Nr.  3,  besteht  hauptsächlich  aus  Gräsern, 
enthält  auch  mäßig  Sauergräser  und  Wiesenkräuter,  jedoch  fast  gar  keine  Klee- 
und  keine  Wickenarten;  in  der  Probe  sind  auch  Schachtelhalme  beobachtet 
worden.  Das  Heu  riecht  dumpfig  und  stäubt  stark,  woraus  zu  schließen  ist, 
daß  es  schlecht  eingebracht  und  verdorben  ist  und  sich  deswegen  nicht  für 
Ffitterungszwecke  eignet. 

Das  Hou,  bezeichnet  als  «Futter  aus  Paket* ,  ist  grobstengelig,  mißfarben 
und  von  unangenehmem,  muffigem  Geruch,  stark  stäubend,  enthält  mehr  Sauer- 
gräser, selten  ein  Blatt  einer  Kleeart,  keine  Wicken,  kommt  wahrscheinlich 
von  einer  Sumpfwiese  her  und  ist  verdorben,  minderwertiger  als  vorherige 
Probe  und  gleichfalls  für  Futterungszwecke  ungeeignet. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.     II,  4/5.  21 


—     314     — 

Der  Hafer  ist  unverdorben,  jedoch  von  geringer  Qualität  nnd  verunreinigt 
mit  folgenden  fremden  nnd  Unkrautsamen:  Gewöhnliche  Wicke,  Zitterlinsen, 
Flughafer,  Hopfen-  und  Steinklee  in  Hülsen,  Klebskraut,  Ackersenf,  Acker- 
hahnen fuß,  Kornrade,  Taumcllolch,  Ackerwinde,  Hanfnessel,  Ackorfuchsschwanz, 
Brunelle,  Gänsefuß,  Knäuel,  Sauerampfer,  Gauchheil  in  Kapseln  und  Spuren 
von  Mutterkorn  von  einer  Grasart,  endlich  Haferspelzen.  Der  Hafer  sollte 
daher  vor  der  Verfütterung  geputzt  werden/ 

Dieser  Befund  war  ganz  und  gar  dazu  angetan,  die  dem  Heu 
geschenkte  Aufmerksamkeit  noch  zu  verschärfen.  Auch  sonstige 
Erhebungen  und  Erwägungen  führten  unter  Ausschluß  anderer 
Möglichkeiten  auf  das  Heu  als  Krankheitsursache  zurück.  Die 
Pferde  waren  auf  verschiedene  Stallungen  verteilt,  13  standen  in 
den  beiden  Stallungen  des  Wirtschaftsgebäudes  der  Brauerei,  vier 
waren  in  dem  etwa  ein  Kilometer  vom  „Waldhömle"  entfernten 
„Bläsibad"-Stall  untergebracht.  Die  Erkrankungen  kamen  ab- 
wechslungsweise  bald  in  diesem,  bald  in  jenen  Ställen  vor.  Das 
Futter  war  für  alle  Pferde  das  gleiche;  das  Heu  wurde  im  „Wald- 
hörnle"  mit  Stroh  zu  Häcksel  geschnitten,  von  diesem  erhielten 
sämtliche  drei  Gruppen  von  Pferden.  Der  außerdem  für  die  Pferde 
bestimmte  Hafer  war  zwar  unrein,  aber,  wie  sich  aus  der  von  ihm 
gegebenen  Beschreibung  entnehmen  läßt,  unschädlich ;  übrigens  war 
derselbe  schon  seit  ungefähr  vier  Wochen  vor  jener  Begebenheit 
gefüttert  worden. 

Das  Trinkwasser  für  die  Pferde  des  „Waldhömle"  lieferte 
und  liefert  noch  eine  Wasserleitung,  die  ausschließlich  den  Zwecken 
der  Brauerei  dient;  das  Wasser  ist  teils  Quellwasser,  teils  stammt 
es  aus  einer  etwa  40  Meter  von  der  Brauerei  entfernten  Wasser- 
stube, in  der  das  Grundwasser  sich  sammelt.  Beide  Wassersorten 
werden  einem  Reservoir  und  von  diesem  durch  eine  Wasser- 
leitung dem  Stall  zugeführt.  Dieses  Wasser  wurde  seit  langem  zum 
Tränken  der  Pferde  benützt,  und  es  waren  auch  fremde  in  die  Gast- 
stallung  eingestellte  Pferde  damit  getränkt  worden,  ohne  daß  jemals 
eine  nachteilige  Wirkung  sich  ergeben  hätte.  Auch  förderte  die 
nähere  Untersuchung  dieses  Wassers  weder  nach  der  chemischen 
noch  bakteriologischen  Seite  irgendwelche  Verdachtsmomente  zu- 
tage. Die  im  „Bläsibad"  einquartierten,  gleichfalls  erkrankten  und 
verendeten  Pferde  hatten  übrigens  anderes  Wasser  bekommen,  das 
ein  zu  diesem  Gehöft  gehöriger  Kesselbrunnen  lieferte. 

Die  Stallverhältnisse  entsprachen  vollauf  den  hygienischen 
Anforderungen.     Die    Ställe    waren    geräumig,    gut   ventiliert,    der 


—    315    — 

Boden  war  in  dem  einen  Stall  aus  Zement,  in  den  anderen  aus 
Asphalt  hergestellt.  Jedes  Pferd  hatte  seinen  besonderen,  durch 
Bretterwände  abgetrennten  Kastenstand  mit  zugehöriger  Einzel- 
krippe.   Als  Streu  fand  schon  seit  langem  Torf  Verwendung. 

Neuankäufe  von  Pferden  waren  in  letzter  Zeit  vor  dem  Ein- 
tritt des  Ereignisses  nicht  gemacht  worden.  In  Tübingen  und  der 
ganzen  Umgebung  war  eine  ähnliche  Krankheit  bis  dahin  nicht 
bekannt  gewesen. 

Man  hatte  die  Pferde  in  der  näheren  und  weiteren  Umgebung 
von  Tübingen  zum  Bierfahren  benutzt;  sie  waren  dabei  zwar  mit 
anderen  Pferden  hin  und  wieder  in  Berührung  gekommen,  ohne  daß 
sich  jedoch  an  diese  Tatsache  irgendwelche  Folgerungen  knüpfen 
ließen.  An  die  mit  den  erkrankten  Pferden  zuvor  benutzten,  nicht 
desinfizierten  Wagen  wurden  Mietspferde  gespannt,  die  Fuhrknechte 
der  Brauerei  übernahmen  später  diese  Mietspferde,  —  aber  un- 
geachtet jeglicher  Vorsichtsmaßregel  blieb  die  Krankheit  auf  die 
der  Brauerei  gehörigen  Pferde  beschränkt.  Allerdings  war  noch 
bekannt  geworden,  daß  auch  ein  fremdes,  vorübergehend  in  den 
Gaststall  der  Brauerei  eingestellt  gewesenes  Pferd  unter  denselben 
Erscheinungen  erkrankt  und  auch  gestorben  sei  wie  die  Brauerei- 
pferde; aber  gerade  dieses  Vorkommnis  lieferte  einen  wertvollen 
Beitrag  zur  Feststellung  der  Ursache  der  Krankheit.  Es  ergab 
sich  nämlich  bei  genauer  Nachforschung,  daß  der  Besitzer  des 
Pferdes  von  dem  in  der  Scheune  des  „Waldhörnle"  befindlichen 
Häckselvorrat  seinen  beiden  Pferden  vorgesetzt  hatte.  Eines  der- 
selben, und  zwar  das  als  besserer  Fresser  bekannte,  erkrankte 
unter  denselben  Erscheinungen  wie  die  Brauereipferde  und  starb 
nach  zweitägigem  Kranksein. 

Zum  Zwecke  der  Anstellung  eines  Fütterungsversuches  kaufte 
die  Brauerei  zwei  Pferde  an.  Diese  Pferde  wurden  in  einen  der 
Ställe  eingestellt,  der  zur  Aufnahme  der  verendeten  Pferde  gedient 
hatte,  und  zwar  ohne  daß  zuvor  eine  Desinfektion  des  Raumes 
stattgefunden  hatte.  Dem  einen  der  beiden  Versuchspferde  wurde 
unverdächtiges  Heu  gereicht,  dem  zweiten  jedoch  verdorbenes;  von 
letzterem  erhielt  außerdem  noch  ein  Ziegenbock.  Die  beiden  letzt- 
genannten Tiere  erkrankten  und  starben  innerhalb  acht  Tagen 
nach  Beginn  des  Fütterungsversuches,  während  das  andere  Pferd 
gesund  blieb.  Der  Ausfall  dieses  Fütterungsversuches  bewies  also 
hinreichend,  daß  die  Beschuldigung  des  Heues  gerechtfertigt  war. 

21* 


—     316     — 

Zu  all  dem  war  noch  das  plötzliche  und  stürmische,  explosions- 
artige Einsetzen  der  Krankheit  und  ihr  rasches  Übergreifen  auf 
den  gesamten  Pferdebestand  beachtenswert.  Diesem  gehäuften, 
nach  Raum  und  Zeit  sehr  beschränkten  Sterben  mußte  eine  gemein- 
same, allen  Pferden  zu  gleicher  Zeit  zugängliche  Schädlichkeit 
zugrunde  liegen,  die  nach  Lage  der  Dinge  einzig  und  allein  in  dem 
Heu  gesucht  werden  mußte. 

Diese  anscheinend  gegen  alle  Anfechtungen  geschützte  Schluß- 
folgerung erlitt  jedoch  einen  Stoß.  Am  28.  Dezember,  also  mehr 
als  zwei  Monate  nach  jenem  ersten  Sterben,  erkrankten  vier  weitere, 
der  Brauerei  gehörige  Pferde,  und  zwar  unter  denselben  Symptomen 
wie  die  früheren,  auch  starben  zwei  von  ihnen  nach  nur  eintägiger 
Krankheit.  %  Diese  neuen  Erkrankungs-  und  Todesfälle  überraschten 
um  so  mehr,  als  nach  Angabe  der  mit  der  Überwachung  und  Pflege 
der  Pferde  betrauten  Personen  alles  geschehen  war,  um  eine  Ver- 
bindung mit  den  früheren  Krankheitsfällen  und  dem  Ursprungsherd 
abzuschneiden.  Die  Pferde,  um  die  es  sich  handelte,  waren  vier- 
zehn Tage  vor  ihrer  Erkrankung  angekauft  worden  und  man  hatte 
sie  von  Anfang  an  in  eine  Tübinger  Stallung,  nämlich  in  diejenige 
des  Gasthauses  „Zum  Anker",  das  etwa  drei  Kilometer  vom  „Wald- 
hörnle"  entfernt  liegt,  eingestellt.  Das  an  die  Pferde  verfütterte  Heu 
sei,  so  wurde  berichtet,  seiner  Herkunft  nach  ein  ganz  anderes  ge- 
wesen und  es  sei  bis  zu  seiner  Verwendung  in  einer  Scheune  der 
dem  „Waldhörnle"  benachbarten  Gemeinde  Derendingen  aufbewahrt 
und  dortselbst  zusammen  mit  ebenda  untergebrachtem  Haferstroh 
zu  Häcksel  verarbeitet  worden.  Dieses  Futter  sei  alsdann  jeweils 
nach  Bedarf  in  Säcken  an  seinen  Bestimmungsort,  den  „Anker- 
stall" in  Tübingen,  verbracht  worden.  Da  der  Vorrat  an  jenem 
Heu  bald  erschöpft  war,  so  hatte  man  schon  seit  dem  16.  Dezember 
an  die  Pferde  Kleeheu  verfuttert,  das  auf  dem  Heuboden  des 
„Waldhörnle"  untergebracht  war,  auf  demselben,  auf  dem  auch  das 
verdächtige  Heu  gelagert  hatte,  jedoch  getrennt  von  diesem.  Jenes 
Kleeheu  bot  keinerlei  Merkmale  einer  schlechten  Beschaffenheit  und 
enthielt  auch  keine  schädlichen  Bestandteile.  Der  noch  außerdem 
verfütterte  Hafer  bestand  zu  zwei  Dritteln  aus  neu  angekauftem 
und  ihm  war  noch  ein  Drittel  des  alten,  früher  verfütterten,  bei- 
gegeben worden.  Die  Frage,  ob  denn  nicht  auch  vom  „Beben- 
hauser"  Heu  den  Pferden  verabreicht  worden  sei,  wurde  ausdrück- 
lich verneint.    In  ganz  derselben  Weise    und   mit   dem  nämlichen 


—     317     — 

Futter  seien  auch,  so  wurde  mitgeteilt,  die  beiden  in  der  Stallung 
des  Gasthofs  „Zur  Post"  in  Tübingen  eingestellten,  ebenfalls  neu 
angekauften  Pferde  gefüttert  worden,  von  ihnen  sei  aber  keines 
erkrankt. 

Diese  neue  Begebenheit  erregte  allgemeines  Aufsehen,  und  mehr 
und  mehr  faßte  der  Glaube  an  die  Einwirkung  einer  „bösen  Hand" 
Wurzel.  Es  fand  dieser  Verdacht  auch  darin  seinen  Ausdruck,  daß 
die  Polizei  sich  anschickte,  der  Angelegenheit  näherzutreten  und 
Nachforschungen  anzustellen: 

Die  zur  wissenschaftlichen  Untersuchung  am  28.  Dezember, 
also  am  Tage  des  Ereignisses,  nach  Tübingen  entsandte  und  aus 
den  Herren  Oberregierungsrat  Beißwänger,  Professor  Dr.  Klett 
und  dem  Berichterstatter  bestehende  Kommission  vermochte  in  die 
Situation  zunächst  noch  kein  völlig  klares  Licht  zu  bringen.  Aber 
eingedenk  der  schwerwiegenden  Verdachtsmomente,  die  sich  gegen 
das  Bebenhauser  Heu  angesammelt  hatten,  wurde  der  Vermutung 
Kaum  gegeben,  es  werde  wahrscheinlich  doch  verbotenerweise  durch 
den  einen  oder  andern  Fuhrknecht  außer  dem  Kleeheu  von  dem 
beschuldigten  Heu  dem  für  die  Pferde  bestimmten  Futter  beigegeben 
worden  sein.  Es  war  ohnehin  bemerkt  worden,  daß  diese  Leute 
nicht  an  die  schädliche  Wirkung  des  Heues  glauben  wollten,  viel- 
mehr eher  geneigt  waren,  haltlosen  Gerüchten  ihr  Ohr  zu  leihen.1) 

Um  den  Beweis  für  die  Schädlichkeit  des  Heues  noch  zwin- 
gender zu  gestalten,  wurde  angeordnet,  es  solle  einem  Versuchs- 
pferd der  noch  vorhandene,  vorwiegend  aus  Bodensatz  bestehende 
Restvorrat  des  Bebenhauser  Heues  vorgelegt  werden.  Der  Versuch 
konnte  sofort  eingeleitet  werden,  da  ein  Pferd,  —  das  schon  er- 
wähnte Kontrollpferd  — ,  seit  24.  November  im  Stalle  des  „Wald- 
hörale"  bereit  stand.  Dieses  war  bis  zum  1(>.  Dezember  mit  dem 
„Derendinger"  Heu  gefüttert  worden.  Vom  1(5.— 24.  Dezember 
hatte  es,  ebenso  wie  die  genannten  vier  Pferde.  Kleeheu  erhalten, 
das  auf  dem  Boden  des  „Waldhörnle"  gelagert  hatte.  Von  letzt- 
genanntem Tage  ab  war  ihm  sodann  das  verdächtige  Bebenhauser 
Heu  zur  Fütterung  vorgelegt  worden,  und  nun  sollte  es  am  29.  De- 
zember und  während  der  nächstfolgenden  Tage  den*  schon  bezeich- 
neten Bodensatz  erhalten.  Am  2.  Januar  traten  die  ersten  Krank- 
heitserscheinungen auf,    das  Pferd    hielt   sich  noch  bis  zum  Abend 

l)  Es  batte   sich   das  Gerücht  verbreitet,   die  Pferde   seien   von  „böser* 
Hand*  mit  einer  Nadel  ins  Genick  gestochen  worden. 


—     31H     — 

des  3.  Januar  aufrecht,  brach  dann  zusammen  und  konnte  nicht 
mehr  aufstehen;  in  der  Nacht  vom  6./7.  Januar  verendete  es. 
Laut  Mitteilung  von  Herrn  Oberamtstierarzt  Kieß,  der  diesen  Ver- 
such überwachte  und  sich  auch  sonst  sehr  verdienstvoll  der  ganzen 
Angelegenheit  angenommen  hatte,  stimmten  das  Krankheits-  und 
Sektionsbild  mit  den  früher  gewonnenen  völlig  überein;  nur  habe 
sich  das  Versuchspferd,  das  dem  leichten  und  veredelten  Schlage 
angehörte,  viel  widerstandsfähiger  erwiesen  als  die  Kaltblütler  der 
Brauerei.  Die  überzeugende  Kraft  dieses  Versuchsergebnisses  mußte 
jeglichen  Zweifel  an  der  Schädlichkeit  des  fraglichen  Heues  zum 
Schwinden  bringen.  Es  mußte  also  solches  Heu  dem  Futter  bei- 
gegeben worden  sein.  Zwar  blieb  trotz  der  deutlichen  Sprache 
dieses  Versuchsergebnisses  eine  Bestätigung  von  Seiten  des  betei- 
ligten Personals  zunächst  noch  aus.  Später  berichtete  mir  aber 
der  Leiter  der  Brauerei,  ein  Knecht  habe  eingestanden,  daß  er  in 
der  Tat  von  dem  berüchtigten  Heu  an  jene  in  Tübingen  eingestellten 
Pferde  verfüttert  habe,  als  der  Vorrat  an  anderem  Heu  zur  Neige 
ging.  Auch  der  Widerspruch,  der  in  der  ausschließlichen  Er- 
krankung der  im  „AnkerstaU"  befindlichen  Pferde  bei  gleichzeitigem 
Verschontbleiben  der  im  „Poststall"  eingestellten  zu  liegen  schien, 
fand  seine  befriedigende  Erklärung.  Jene,  die  „Ankerpferde'*, 
waren  nach  mehrfacher  übereinstimmender  Aussage  bessere  Fresser 
als  die  „Postpferde44,  und  diese  hatten  ohnedies  von  dem  gefähr- 
lichen Futter  weniger  erhalten,  da  der  sonst  noch  vorhandene 
Futtervorrat  bei  ihnen  zwei  Tage  länger  ausgereicht  hatte.  Sofort 
nach  dem  Eintreten  der  Krankheitsfälle  im  „Anker44  war  den  „Post- 
pferden44 der  noch  vorhandene  Restbestand  an  schädlichem  Heu 
entzogen,  und  so  waren  diese  gerettet  worden. 

Obwohl  nun  zwar  das  Heu  als  Träger  einer  Schädlichkeit  un- 
zweifelhaft sichergestellt  war,  so  herrschte  immer  noch  völlige 
Unklarheit  über  ihre  Natur.  Von  Giftpflanzen  waren  in  dem  Heu 
Herbstzeitlose  und  Schachtelhalm  vertreten.  Für  die  Annahme 
einer  Kolchikumvergiftung  fehlte  es  aber  an  der  nötigen  Stütze 
sowohl  im  Hinblick  auf  den  klinischen,  als  auch  auf  den  patho- 
logisch-anatomischen Befund.  Bei  keinem  Pferd  konnten  während 
des  Lebens  Reizungserscheinungen,  weder  an  den  Organen  des  Ver- 
dauungs-,  noch  an  denjenigen  des  Harnapparats  festgestellt  werden; 
auch  der  Obduktionsbefund  bot  nichts,  was  die  Annahme  einer 
solchen  Vergiftung  gerechtfertigt  hätte.     Dagegen  paßte  das  beob- 


—    319     — 

achtete  Krankheitsbild  schon  eher  in  den  Rahmen  der  „Schachtel- 
halmvergiftung",  da  diese  bekanntlich  bei  den  erkrankten  Tieren 
in  einem  schwankenden  und  taumelnden  Gang  und  einer  schließ- 
lichen Lähmung  der  Nachhand  sich  äußert.  Mit  einer  solchen 
Auffassung  war  jedoch  der  verhältnismäßig  geringe  Gehalt  des 
Futters  an  Pflanzen  dieser  Art  nicht  recht  in  Einklang  zu  bringen. 
Die  späterhin  von  mir  mit  unverdorbenem  „Bebenhauser"  Heu  an- 
gestellten umfangreichen  Fütterungsversuche,  zu  denen  mehrere 
Pferde  während  längerer  Zeit  herangezogen  wurden,  und  zwar  ohne 
zu  erkranken,  beseitigten  mit  Bestimmtheit  den  Verdacht  einer 
Pflanzenvergiftung.  —  Bemerkt  sei  noch,  daß  auch  der  Gedanke 
an  eine  durch  Futterpilze  verursachte  Vergiftung  im  Hinblick  auf 
die  von  Professor  Kirchner  in  Hohenheim  gütigst  vorgenommene 
und  negativ  ausgefallene  Untersuchung  des  Heues  gleich  von  vorn- 
herein abgelehnt  werden  mußte. 

Bakteriologischer  Befund. 

Die  auf  bakteriologischer  Grundlage  angestellten,  die  Er- 
forschung der  Ursache  bezweckenden  Untersuchungen,  an  denen  sich 
meine  früheren  Assistenten,  die  Herren  Den  zier  und  Dobler,  be- 
teiligten, fahrten  zu  einem  positiven  Ergebnis.  Als  Ausgangs- 
material für  die  Untersuchungen  dienten  Organe  eines  am  29.  Dezember 
in  Tübingen  der  Krankheit  erlegenen  Pferdes  und  des  am  (>./7.  Ja- 
nuar im  „Waldhörnle"  verendeten  Versuchspferdes.  Von  den  aus 
Leber,  Nieren,  Milz  und  Knochenmark  des  erstgenannten  Pferdes 
mit  je  einer  Öse  unter  die  Haut  geimpften  weißen  Mäusen  starben 
diejenigen,  denen  Milzgewebe  einverleibt  worden  war,  und  zwar  die 
eine  am  fünften,  die  andere  am  sechsten  Tage  nach  der  Infektion. 
Am  7.  Januar  wurden  Impfungen  aus  Milz,  Leber  und  Niere  des 
letztgenannten  Pferdes  ebenfalls  an  weißen  Mäusen  unternommen 
mit  dem  Erfolg,  daß  je  eine  aus  Milz  und  Niere  subkutan  geimpfte 
weiße  Maus  am  3.  und  13.  Tage  p.  inf.  starb.  In  den  Organen 
sämtlicher  gestorbener  Mäuse  fand  ich  Diplokokken,  die  bei  den 
weiteren  kulturellen  Prüfungen  durchaus  gleiches  Verhalten  zeigten. 
Von  dem  einen  der  am  28.  Dezember  erkrankten  beiden  Pferde 
konnte  auch  zu  Lebzeiten  Harn  unter  sterilen  Kautelen  gewonnen 
werden,  aus  dem  sich  ebenfalls  die  bezeichneten  Bakterien  rein- 
züchten ließen. 


—     320     — 

Morphologie  des  Krankheitserregers. 

Der  mikroskopische  Nachweis  der  Kokken  in  den  Organen 
der  erkrankten  Pferde  gelingt  nicht  leicht.  Es  hängt  dies  ebenso- 
wohl von  dem  oft  recht  spärlichen  Vorkommen  als  von  der  Form 
dieser  Mikroorganismen  ab,  die  ein  Übersehen  nm  so  leichter  zuläßt, 
als  die  beim  Ausstreichen  der  Gewebspartikelchen  sich  ergebenden 
körperlichen  Zerfallsprodukte  nicht  selten  eine  kokkenähnliche  Ge- 
stalt besitzen.  Auch  in  den  aus  Organen  der  geimpften  Mäuse 
hergestellten  Ausstrichpräparaten  stieß  das  Suchen  der  Erreger 
zuweilen  auf  Schwierigkeiten.  Stets  waren  sie  aber  an  der  Impf- 
stelle in  großer  Zahl,  ja  geradezu  in  Reinkultur  vorhanden. 

Die  Färbung  gelingt  mit  sämtlichen  gebräuchlichen  Anilin- 
farbstoffen; auch  bei  Anwendung  der  6 ramschen  Methode  bleiben 
sie  gefärbt.  In  den  nach  Gram  gefärbten  Kulturausstrichpräparaten 
erscheinen  allerdings  bisweilen  einzelne  Kettenglieder  weniger  satt 
gefärbt,  namentlich  bei  längerer  Alkoholeinwirkung.  In  der  Refrei 
sieht  man  die  Bakterien  bei  Betrachtung  der  gefärbten  Gewebsaus- 
striche  in  Diplokokkenform,  zuweilen  auch  als  Monokokken;  hin 
und  wieder  bekommt  man  auch  kurze,  aus  vier,  höchstens  sechs 
Einzelgliedern  bestehende  Ketten  zu  Gesicht,  jedoch  kann  man  sich 
des  Eindrucks  nicht  erwehren,  als  handle  es  sich  in  solchen  Fällen 
um  zufallig  aneinandergereihte  Diplokokken  und  nicht  um  einen 
engeren  und  festeren  Streptokokkenverband  (Taf.  IV,  Fig.  2  u.  3). 
Die  Größe  des  Diplokokkus  beträgt  durchschnittlich  1  //. 

In  den  Kulturausstrichen  aus  flüssigen  Nährböden  (Bouillon, 
Serum)  bieten  sich  die  Erreger  in  Streptokokkenform  dar.  Die 
speziell  aus  der  Bouillonkultur  hergestellten  Ausstriche  ließen 
neben  kürzeren  Ketten  auch  solche  in  der  Zahl  von  20  und  mehr 
Einzelgliedern  erkennen  (vergl.  Taf.IV,  Fig.4).  Die  Abstände  zwischen 
den  Kettengliedern  sind  nicht  gleich  groß,  auf  einen  zwischen  zwei 
Einzelkokken  vorhandenen  kleinen  Zwischenraum  folgt  stets  ein 
größerer  so  daß  die  Ketten  aus  aneinander  gereihten  Diplokokken  zu- 
sammengesetzt scheinen.  Nicht  selten  sieht  man  die  Ketten  in  größerer 
Zahl  beisammen  liegen,  zuweilen  sogar  in  Knäuelform.  Der  Teilungs- 
vorgang vollzieht  sich  ausschließlich  in  der  Richtung  der  Querachse 
der  Kette.  Die  in  flüssigem  Blutserum  gezüchteten  Kokken  wuchsen 
zu  kürzeren  Ketten  aus,  sie  bestanden  aus  höchstens  10—12  Einzel- 
gliedern, deren  Umrisse  sich  sehr  scharf  abhoben. 


—     321     — 

Kulturelle  Merkmale  des  Krankheitserregers. 

1.  Bouillon.  In  der  sowohl  aus  Pferde-  als  Rindfleisch 
hergestellten  Bouillon  mit  lproz.  Peptonzusatz  (Pepton  Witte)  geht 
die  Entwicklung  der  Kultur  sehr  rasch  und  üppig  vor  sich,  auch 
nimmt  sie  hier  ein  sehr  charakteristisches  Gepräge  an.  Bei  Ein- 
saat von  kokkenhaltigem  Gewebsinaterial  treten  schon  nach 
24  Stunden  mehr  oder  weniger  dicke  Flocken  auf,  die  sich  zu  einem 
mäßigen  grauweißen  Bodensatz  in  der  Kuppe  des  Reagensglases  an- 
sammeln. Von  diesem  Bodensatz  sieht  man  Flocken  an  der  Glaswand 
bis  zur  Oberfläche  des  Nährmedinms  emporstreben.  Niemals  war  aber 
der  Wandbelag  so  dicht,  daß  nicht  die  Einzelflocken  als  solche 
makroskopisch  kenntlich  geblieben  wären;  stets  klebten  sie  der  Glas- 
wand fest  an,  so  daß  ein  Teil  auch  bei  heftigem  Schütteln  des 
Röhrchens  an  ihr  haften  blieb.  Niemals  trug  die  ganze  Innen- 
fläche des  Röhrchens  jenen  flockigen  Wandbelag;  ein  Teil  seiner 
Rundung  war  stets  frei  davon.  Die  Bouillon  blieb  immer  klar. 
Das  beschriebene  Bild  bewahrte  sich  mit  großer  Konstanz,  auf  dem 
langen  Wege  der  Züchtung  (Taf.  V.  Fig.  1). 

2.  Gelatine.  Entlang  dem  Impfstich  kann  man  am  zweiten 
Tage  nach  der  Impfung  des  Nährbodens  feinste,  kleinen  Luftbläschen 
vergleichbare  Pünktchen  beobachten.  Diese  werden  allmählich 
größer,  weiß  und  opak.  In  direkter  Umgebung  der  Einstichstelle 
ist  ein  nagelkopfartiges  Wachstum  bemerkbar.  Das  Nährmaterial 
wird  nicht  verflüssigt  (Taf.  V,  Fig.  2). 

Auf  der  Gelatinestrichkultur  bemerkt  man  anfanglich  zarte, 
durchsichtige,  punktförmige  Kolonien,  die  allmählich  bis  zur  Größe 
eines  Stecknadelkopfes  heranwachsen,  eine  weiße  Farbe  annehmen 
und  undurchsichtig  werden.  Sie  sind  scharf  berandet  und  zeigen 
keine  Neigung  zur  Verschmelzung,  selbst  wenn  sie  dicht  beisammen 
sitzen.  Auch  bei  Zusatz  von  Traubenzucker  und  Glyzerin  zum 
Nährboden  vollzieht  sich  das  Wachstum  in  der  gleichen  Form 
(Taf.  V,  Fig.  3). 

Ü.  Agar.  Im  Agarstich  kommt  es  ungefähr  1  cm  unterhalb 
der  Oberfläche  zum  Wachstum  in  Form  eines  Bandes  mit  ge- 
lappten Rändern.  Im  Verlauf  des  Bandes,  und  zwar  sowohl  an 
dessen  mittlerer  als  randständiger  Partie,  treten  kleinste,  weiße 
Einzelkolonien  auf.  Das  Wachstum  geht  auch  bei  Ausschluß  der 
Luft,  in  hochgeschichtetem  Agar,  vor  sich  (Taf.  V,  Fig.  4). 


—     322     — 

Auf  schiefem  Agar  blieb  das  Wachstum  aus. 

4.  Blutserum.  In  flüssigem  Rinderblutserum  sammelt  sich 
allmählich  ein  geringer,  flockiger  Bodensatz  au;  das  Serum  bleibt 
völlig  klar. 

5.  Kartoffel.  Auf  diesem  Nährboden  wurde  kein  Wachstum 
beobachtet. 

6.  Milch  wird  langsam  zum  Gerinnen  gebracht.  Auf  schräg 
erstarrter  Kolostralmilch  wächst  der  Streptokokkus  üppig,  anfangs 
in  Form  einzelner,  dünner,  dicht  beieinander  liegender  punkt- 
förmiger Kolonien,  die  allmählich  zu  einem  dichten  grauweißen, 
schmierigen  Belag  zusammenfließen.  Im  gefärbten  Ausstrich  einer 
solchen  Kultur  zeigen  sich  die  Streptokokken  von  einem  lichten  Hof 
umgeben. 

Biologie  des  Erregers. 

Am  besten  gedeiht  der  Streptokokkus  bei  37°  C;  auch  bei 
Zimmertemperatur  wächst  er,  nur  etwas  langsamer. 

Ein  10  Minuten  langes  Erwärmen  im  Wasserbade  bei  (>0°C 
vernichtet  ihn  ebenso  sicher  wie  eine  5  Minuten  lang  einwirkende 
Temperatur  von  75°  C. 

Nach  einer  (5  stündigen  Bestrahlung  durch  intensives  Sonnen- 
licht (im  Monat  Juli)  erwies  sich  seine  Virulenz  nicht  im  geringsten 
herabgesetzt. 

Nach  7tägiger  Eintrocknung  an  Seidenfiiden  konnte  zwar 
noch  Wachstum  nach  Übertragung  auf  Bouillon  beobachtet  werden. 
Die  Kultur  hatte  aber,  wie  eine  Prüfung  durch  den  Mäuseversuch 
ergab,  ihre  Virulenz  völlig  eingebüßt. 

Sublimat  1 :  1000,  oproz.  Karbolsäurelösung,  2proz.  Kreolin- 
lösung (Kreolin -Pearson)  töten  die  Streptokokken  sofort;  2proz. 
Lysollösung  (Lysol- Schul ke  u.  Mayr)  nach  10  Sekunden;  2proz. 
Bazillollösung  (Bazillol- Sende  u.  Co.),  2proz.  Septoformlösung 
(Septoform-Gesellschaft,  Köln  a.  Rhein)  nach  2  Minuten  noch  nicht ; 
in  2proz.  Sodalösung  waren  noch  nach  2  Tagen  lebensfähige  Strepto- 
kokken nachweisbar. 

Aus  dem  bakterienfreien  Filtrat  von  sechs-  bis  zehntägigen 
Bouillonkulturen  mit  Dosen  von  1  ccm  intraperitoneal  geimpfte  Mäuse 
blieben  am  Leben;  dasselbe  Ergebnis  lieferte  die  einmalige  und  selbst 
wiederholte  intraperitoneale  Einverleibung  30  Wochen  alter,  nach- 


—   32a   — 

weislich  abgestorbener  Bouillonkulturen  in  Mengen  von  lj2 — 1  ccm. 
Daraus  wäre  zu  schließen,  daß  von  den  Kokken  weder  in  die  Nähr- 
flüssigkeit ein  Toxin  abgegeben  wird,  noch  ein  solches  in  der 
Leibessubstanz  enthalten  ist.  Immerhin  bleibt  die  Möglichkeit 
offen,  daß  die  Kokken  in  Kontakt  oder  Wechselwirkung  mit  dem 
Gewrebe  des  Tierkörpers  Gifte  bilden. 


Pathogenes  Verhalten  des  Erregers. 

a)  Mäuse.  Die  ursprünglich  aus  Organen  der  erkrankten 
Pferde  unter  die  Haut  geimpften  weißen  Mäuse  starben  innerhalb 
3 — 13  Tagen.  Durch  direktes  Weiterimjifen  von  Maus  auf 
Maus  wurde  die  Virulenz  wesentlich  erhöht.  Im  allgemeinen  ge- 
nügte bei  subkutaner  Impfung  mit  Gewebsmaterial  eine  0,001  g 
fassende  Öse,  um  eine  15 — 20  g  schwere  weiße  Maus  innerhalb 
24  Stunden  zu  töten. 

An  der  Impfstelle  war  bei  manchen  Tieren  eine  geringe  Menge  Eiler 
angesammelt.  Der  Bakterienbefund  in  Ausstrichen  aus  Organen  war  ein 
schwankender.  Manchmal  fanden  sie  sich  vereinzelt  vor,  bo  daß  nur  auf  dem 
Wege  des  Kulturversuches  sichere  Auskunft  über  ihre  Anwesenheit  erlangt 
werden  konnte,  in  anderen  Fällen  waren  sie  recht  zahlreich  vertreten  und  dann 
in  Milz,  Leber  und  Nieren  ungefähr  gleichmäßig  verteil t.  Im  Herzblut  war 
ihre  Zahl  eine  verhältnismäßig  spärliche. 

Nach  Impfung  in  die  Bauchhöhle  starben  die  Mäuse  durch 
Gaben  von  V10  ccm  einer  24 stündigen  Bouilhmkultur  innerhalb  zwei 
bis  drei  Tagen,  größere  Mengen  C/4— Vi  WäJ  desselben  Impf- 
materials führten  den  Tod  meistens  nach  1H— 24,  zuweilen  schon 
nach  12—24  Stunden  herbei.  Auch  durch  Fütterung  von  Kulturen 
konnten  die  Versuchsmäuse  getötet  werden;  nach  Verabreichung 
von  Weißbrot  schnitten,  die  mit  einer  24sttadigeji  Bouillonkiiltui 
getränkt  worden  waren,  starben  die  Tiere  innerhalb  2—8  Tagen. 
Setzte  man  Versuchsmäusen  die  Organe  ihrer  der  Impi'krankheit 
erlegenen  Genossen  vor,  so  waren  die  so  gefütterten  Tiere  schon 
nach  24— 3G  Stunden  tot.  Die  Krankheit sitscI Innungen  der  auf 
die  eine  oder  andere  Weise  infizierten  Tiere  stimmten  überein. 

Einige  Stunden  nach  der  Impfung  kauerten  sich  diu  Tiere  ziiBaimneu, 
atmeten  angestrengt,  die  Haare  waren  gesträubl  die  Augen  durch  eitrige« 
Sekret  verklebt.  Mühsam  und  schwerfällig  geschah  der  Ortswechsel;  im 
Bereich  der  Nachhand    stellten   sich   Lähminigserschcinungen  ein. 


*■   < 


Fig.  1.  Maus  29,  subkutan  geimpft 
am  20.  Januar  1904,  abends  5  Dir  mit 
einer  Öse  aus  Milz,  Maus  28:  gest. 
21.  Januar  11)04,   nachmittags  3  Ihr. 

(Photographiert  am  21.  Januar  1901, 
morgens  10  Uhr.) 


—     324     — 

wobei  die  Gliedmaßen  steif  nach  rück- 
warts  gestreckt  und,  falls  man  das  Tier 
zur  Bewegung  antrieb,  beim  Gehen  nach- 
geschleppt wurden  (Textfig.  1). 

Im  Sektionsbild    trat   die  Schwel- 
A  lung  der  Milz  und  Leber  besonders  hervor, 

^^  zuweilen   fand   sich  auch  Schwellung  der 

Körperlymphdrüsen;  bei  vorausgegangener 
intraperitonealer  Impfung  fand  man  eine 
mehr  oder  weniger  reichliche  Ansammlung 
einer  scrumäbnlichen  Flüssigkeit  in  der 
Bauchhöhle. 

b)  Meerschweinchen.  Auch 
diese  Versuchstiere  fallen  der  frag- 
lichen Streptokokkeninfektion  zum 
Opfer.  Allerdings  sind  zur  Erzielung 
einer  tödlichen  Wirkung  sowohl  bei 
intraperitonealer  als  subkutaner  Imp- 
fung größere  Dosen,  in  der  Regel 
1— 2ccm,  notwendig.  Das  klinische 
Bild  und  der  Sektionsbefund  sind  die  gleichen  wie  bei  den  Mäusen. 
Spinale  Lähmungen  spastischen  Charakters  treten  im  Verlauf  der 
Krankheit,  die  je  nach 
der  Menge  des  Infektions- 
materials l-l\  Tage  dauert, 
auf  (Textfig.  2). 

c)  Kaninchen.  Diese 
Tiere  waren  empfänglicher 
für  die  Streptokokken- 
infektion als  die  Meer- 
schweinchen. Nach  einer 
längere  Zeit  fortgesetzten 
Passage  durch  den  Mäuse- 
körper verloren  aber  die 
Kokken  an  krankmachen- 
der Energie  auch  für  Ka- 
ninchen. Die  angewandten 
Dosen  für  Tieie  im  Ge- 
wicht von  KHK)— 1500  g 
betrugen  0,f>  — 3  ccm.  Zur 
intraperitonealen    Impfung 


Fig.  2.   Meerschweinchen  12,  .subkutan  geimpft  am 

23.  Februar  11)04  mit  V»  ccm  Houillonkultur  (.aus 

Milz,  Meerschweinchen  lh;  gest.  24.  Februar  1904, 

nachmittags  1  Flir. 

t  Holographiert  ca.  4.  Stunden  vor  dem  Tode.) 


—     325 


genügte  in  derRegel  die  der  kleineren  Grenzzahl  entsprechende  Menge, 
während  für  Einspritzungen  unter  die  Haut  das  Mehrfache  derselben 
als  Todesdosis  notwendig  war.  Bei  direkter  Überimpfung  von  Tier 
auf  Tier  waren  2—3  Ösen  aus  Milz,  Leber  oder  Nieren  hinreichend, 
um  beim  Verbringen  unter  die  Haut  oder  durch  Einreiben  auf  die 
durch  Abschneiden  der  Ohrspitze 
geschaffene  Wunde  den  Tod  des 
Versuchstieres  herbeizuführen. 

Zur  Kennzeichnung  des 
Krankheitsbildes  gebe  ich  hier 
den  Krankheitsverlauf  bei  Impf- 
kaninchen 3  wieder,  auf  das  sich 
Textfig.  3  bezieht. 

Dieses  1040  g  schwere  Kanin- 
chen erhält  am  19.  Januar  1904  '/,  ccin 
einer  Btägigen  Bouillonkultur  von 
Ms.  23  (t  vom  15./ 10.  04).  Am  näch- 
sten Tage  hat  das  Tier  an  Munter- 
keit verloren,  die  Freßlust  ist  gering, 
es  liegt  viel  am  Boden,  am  Abend 
stellen  sich  Lähmungserschei- 
nungen ein:  Die  Hintergliedmaßen 
werden  bewegungslos  nach  rückwärts 
gestreckt,  die  Vordergliedmaßen  seit- 
wärts gespreizt.  Wie  schlafend  liegt 
es,  auf  Unterbrust  und  Unterbauch 
ruhend,  am   Boden,    die  Augen   sind    . 

geschlossen,  die  Atmung  ist  beschleunigt,  aber  nicht  auffällig  angestrengt.  Am 
Abend  des  21.  Januar  1904  stirbt  das  Tier.  Der  Obduktionsbefund  ist  derselbe 
wie  bei  den  Mäusen. 


Fig.  3.  Kaninchen  3,  subkutan  geimpft  am 
19.  Januar  1904  mit  0,5  cem  Houillonkultur, 
gest.  am  21.  Januar  1904,  abends  6  Uhr. 

(Photographien :  21.  Januar  1904,  morgens  9  Uhr.) 


Ansteckungsversuche  an  Pferden. 

1.  Yersuch.  Das  etwa  18  Jahre  alte  Pferd  (Anatomiepferd)1)  er- 
hielt am  5.  Januar  1904  2f>  cem  Bouillonkultur  in  die  linke  Jugu- 
laiis  eingespritzt. 

Ungefähr  4  Stunden  nach  der  Impfung  zittert  das  Pferd  sehr  stark,  hängt 
den  Kopf  zu  Boden,  scharrt  oft  mit  den  Vorderbeinen.  Die  Temperatur  hält 
sich  in  normalen  Grenzen,  erhebt  sich  mittags  2  Uhr  auf  ihr  Maximum  (38,5°  ('). 
Am  folgenden  Tag  macht  sich  eine  erhebliche  Störung  des  Allgemeinbefindens 

l)  Dieses  Pferd  war  in  entgegenkommendster  Weise  von  Herrn  Direktor 
Dr.  Sußdorf  überlassen  worden.  Hierfür  sei  auch  an  dieser  Stelle  ver- 
bindlichster Dank  gesagt. 


—     326     — 

bei  dem  Pferde  bemerkbar.  Es  frißt  nicht  mehr,  ist  apathisch  gegen  seine 
Umgebung.  Während  es  früher  nach  Personen,  die  in  seinen  Stand  traten, 
ausschlug,  benimmt  es  sich  hierbei  jetzt  völlig  gleichgültig;  oft  hebt  es 
bald  das  eine,  bald  das  andere  Bein  vom  Boden.  —  Für  Anatomiezwecke  be- 
nötigt, wurde  das  Pferd  am  8.  Januar  1904  morgens  getötet.  Kurz  vor  der 
Tötung  wurde  unter  sterilen  Kautelen  Blut  aus  der  Jugularvene  entnommen, 
um  festzustellen,  ob  die  eingespritzten  Bakterien  sich  noch  im  Blute  befanden. 
In  der  Tat  war  dies  der  Fall;  denn  in  den  mit  Blut  beschickten  Bouillon- 
röhrchen  gingen  nach  einigen  Tagen  typische  Kulturen  in  voller  Reinheit  auf. 
Ausdrücklich  sei  hervorgehoben,  daß  zur  Zeit  der  Blutentnahme  keine  fieber- 
hafte Erhöhung  der  Temperatur  (38,2°  C)  bei  dem  Pferde  zu  verzeichnen  war. 
Ich  betone  dies  deshalb,  weil  auch  die  natürlich  erkrankten  Pferde  eine  Tem- 
peratursteigerung vermissen  ließen,  ein  Umstand,  der  anfanglich  den  Gedanken 
an  eine  Infektionskrankheit  zurückdrängte. 

Bei  der  Sektion  fanden  sich  nur  wenige  und  unerhebliche  Verände- 
rungen: Kleine  streifenförmige  und  fleckige  Blutungen  da  und  dort  unter  der 
Serosa  des  Dünn-  und  Dickdarmes,  Schwellung  der  Leber  und  Nieren,  feinste 
Blutungen  in  der  Rindenschicht  dieses  Organs  und  eine  etwa  einmarkstückgroße 
Blutung  in  der  Schleimhaut  des  Nierenbeckens.  —  Aus  Herzblut,  Milz  und 
Nieren  konnte  der  Erreger  in  Reinkultur  gezüchtet  werden. 

2.  Versach.  Pferd,  Rappstute,  etwa  lf>  Jahre  alt,  wird  am 
23.  März  1904  eingestellt.  Bei  der  Untersuchung  vor  der  Infektion 
können  an  dem  Tier  keinerlei  Krankheitserscheinungen  wahr- 
genommen werden.  Das  Pferd  ist  bei  gutem  Appetit,  und  sein  Be- 
wregungsapparat  befindet  sich  vollkommen  in  Ordnung;  Puls  34, 
Atmung  12,  Temperatur  37,7°  C. 

Über  die  Art  und  Weise  der  Infektion  und  die  damit  erzielten 
Erfolge  gibt  die  nachfolgende  Tabelle  (S.  327  u.  328)  nähere  Auskunft. 

Sektionsbefund.  Am  rechten  Hüftböcker  und  an  den  Augenbogen 
haarlose,  wunde  Stellen;  das  rechte  Augenlid  ödomatös  geschwollen,  deut- 
liche Schwellung  in  der  Umgebung  des  linken  Sprunggelenks  und  des  linken 
Vordermittelfußes.  Nach  Abnahme  der  Haut  zeigt  sich  an  den  vom  Dekubitus 
betroffenen  Körperstellen  das  Unterhautbindegewebe  wässerig -sulzig  infiltriert. 

Leber  geschwollen,  ihre  Ränder  wulstig  abgerundet,  von  lehmgelber 
Farbe,  Struktur  verwischt,  Leberparcnehym  brüchig:  ein  leichter  Fingereindruck 
genügt,  um  den  Zusammenhang  zu  sprengen. 

Milz  ungleichmäßig  geschwollen,  Ränder  abgerundet,  unter  ihrem  Überzug 
verhältnismäßig  zahlreiche  dunkclbraunrote  Hämorrhagien,  Pulpa  etwas  weich. 

Nieren  goschwollen,  ihre  Kapsel  schwer  abziehbar,  Oberfläche  von  matt- 
braungelber  Farbe,  die  Grenzen  der  einzelnen  Schichten  undeutlich,  Rinden- 
parenehym  deutlich  getrübt,  Glomcruli  wenig  hervortretend.  —  Herzmuskel 
graubraun,  trüb,  brüchig. 

Beim  Absetzen  (Ich  Kopfes  fließt  aus  dem  Wirbclkanal  ziemlich  viel  rötlich 
gefärbtes  Serum  ab.  Am  Lendenmark  unter  der  Pia  zahlreiche  Blutungen,  nament- 
lich an  der  Ventralfläche;  Gehirn  ohne  makroskopisch  sichtbare  Veränderungen. 


—     327 


.     Kultur- 
Datum    |      dosis 

!      (Bouillon- 
kultur) 


Art  der  Ein- 
verleibung 


Herkunft  der 
Kultur 


Ergebnis  der  Impfung 


26.3.04 


27.3.04 


28. 3. 04 


20  ccm     ;   intravenös 


20  ccm        intravenös 


Herzblut  von 

Mw.  15, 

t  24.3.05 


Niere  vom 

Kaninchen  1 

f  27. 3. 04 


3  4.04 


4.4.04 


5.4.04 


7.-17.4. 
04 

18. 4.  04 


19. 4. 04 


'  Beim  Yorfttamn  im  Schritt  deut^ 
Heb ii  lleivegangaitorungen  Im 
He  fei  eh  der  Naidihend  r  de* 
i 'T-i-r-i  überkotei,  ttolperi  und 
kommt  togir  /.ti  Fall. 

IMe  Injektion  fand  morgeni  0  1'far 
Rtatt,  Aber  da  frißt  d»  Pferd 
nicht  mehr  mit  gewohntem 
Appetit;  flEe  e  müh  nie  11  ][*■■ 
i,Mjl_'iitigss<rirui]  gen  alnd  not'h 
deutlich  aimgepfflgT,  Im  Stalle 
Rieht  das  Pferd  bald  die  eine, 
bald  die  amlere  GUedmiue 
#egen  den  Leib,  Die  Tempe- 
ratur steigt  auf  40,6"  C  und 
halt  Hielt  mich  am  u  ach  »t  folgen- 
den Tag  auf  dieser  HO  he.  Fntter- 
.ni.l  i  ietränkaufaahme  hcMero 
■4*1 1- ti  in  den  folgenden  Tagen 
allmählich  wieder;  die  Tempe- 
ratur r-igi  hn-.-tM'ii  \  i.Lii  J. 
und  twar  am  -.  -I.  LH  hli  zur 
ftorm* 


20  ccm 


Herzblut  und 
Niere  vom 

Kaninchen  14, 
t  2. 4. 04 


20  ccm 


intravenös 


30  ccm 


25  ccm 


intravenös 


Milz,  Kanincl     i 
14,  f  2.  4. 04 


Leber  von  Mb. 
79,  f  17. 4. 04 


dgl. 


Appetit  Tertingert,  das  Pferd  be» 
Laatel  abwechadungEi'n'eiie  die 
eine  oder  andere  Hinterglied» 
matte  tmd  Keift  beim  Geben 
ein  eigeniuinllehuj  hahnentritt- 
.linili.  h--  Hochheben  dieior 
(.Mied  matten. 

Auüi'r  den  Eetatan  geführten  kein» 
□  es  i  nenn  w  h  rtem  Kran  k  he  I  t»er- 
Beheinangen.  Uai  Pferd  nimmt 
st- in  Futter  * wn  r  langsam,  aber 
vollständig  Auf. 

Allgemeinbefinden  den  Pferdes 
nlefet  teitürt;  es  wird  tftgllrh 
eine  halbe  Stunde   ln:wegl, 

iJna  narh  geschehener  Injektion 
dem  Pferd  vorgelegte  Fntter 
wird  ver»ehmAhT,  inch  bei  der 
Mittag-  und  A bend All t Wring  int 
der  Apj+etit  verringert. 

Dcullieb  ausgeprägte  Kren*- 
»i-hwache  |  du  Pferd  Miwrankt 
in  der  Nae Nhaml,  geht  gespannt 
und  ßberkotet  filtere  Naeh  dar 
Injektion  ist  rtnu  Pferd  traurig» 
Inü!  den  Kopf  h  An  gen,  ver* 
»rhmaht  du*  d  arg  erflehte 
Futter;  in  Kni»'-  und  Sprung- 
geieiiksbcugeuAltuug  iteht  es 
in  leinetn  Stand. 


—     328     — 


Datum 


Kultur- 
dosis 

Bouillonkultur 


Art  der  Ein- 
verleibung 


Herkunft  der 
Kultur 


Ergebnis  der  Impfung 


20.4.04 


21.4.04 


30  ccm     '  intravenös 


Herzblut  von 

Ms.  78, 

+  17.4.04 


Dm  Pferd  wird  morgen«  am 
Boden  liegend  angetroffen;  es 
macht  vergebliehe  Anstrengung, 
aufzustehen.  Mit  sachgemlfier, 
kräftiger  Unterstützung  gelingt 
es,  das  Tier  wieder  auf  die 
Beine  zu  bringen ;  es  steht  da- 
nach mit  tief  gesenktem  Kopfe 
da  und  kümmert  sich  nicht  um 
seine  Umgebung.  Im  Bereich 
der  Kruppenmuskulatur  macht 
sich  Muskelzittern  bemerkbar. 
Der  Hafer  liegt  seit  gestern 
unbertthrt  in  der  Krippe,  das 
Heu  wird  langsam  und  unlustig 
verzehrt,  Wasser  wird  mit  Hast 
aufgenommen. 

Das  Befinden  des  Tieres  ver- 
schlimmert sich  zusehends.  Ks 
wird  ihm  ein  Hangegurt  zur 
Verfügung  gestellt,  den  es  inei- 
stet s  mit  seinem  Vollgewicbt 
belastet.  Nach  seiner  Hlowejr- 
nshme  am  26.4.04  legt  es  sich 
sofort  nieder. 

Am  1.  6.  04  hat  sich  das  Be- 
finden des  Tieres  so  sehr  ver- 
schlimmert, daß  sein  Ver- 
enden für  die  Nacht  zu  erwarten 
steht  Um  die  Sektion  möglichst 
im  Anschluß  an  den  Tod  des 
Tieres  vornehmen  zu  können, 
wird  es  am  2. 6. 04  mittags  um 
2  Uhr  dureh  Haltschnitt  gelötet 

3.  Versach.  Diesem  Versuch  lag  in  erster  Linie  die  Absicht 
zugrunde,  festzustellen,  ob  das  Bebenhauser  Heu  an  und  für  sich 
schon  eine  gesundheitsschädliche  Wirkung  bei  Pferden  entfalten  könne. 
Zu  diesem  Zweck  sollte  eine  größere  Menge  des  unverdorbenen 
Heues,  das  von  der  Bebenhauser  „Farrenwiese"  stammte  und  mit 
dem  verdorbenen  Quantum  nicht  in  Berührung  gebracht  worden  war, 
während  längerer  Zeit  an  ein  Pferd  verfuttert  werden.  Als  Ver- 
suchspferd fand  ein  13 jähriger,  mittelschwerer  Rappwallach  Ver- 
wendung. Nach  Maßgabe  der  vor  der  Impfung  vorgenommenen 
Untersuchung  war  das  Tier  vollkommen  gesund.  Temperatur  durch- 
schnittlich 37,8,  P.  36,  A.  14. 

Vom  26.  März  bis  21.  April  erhielt  das  Pferd  Tag  für  Tag  und  ins- 
gesamt 105  kg  fraglichen  Heues.  Es  hatto  also  am  Ende  des  Fttttemngsver- 
suebes  eine  erheblich  größere  Menge  dieses  Futters  verzehrt  als  durchschnittlich 
die  verendeten  Pferde.    Trotzdem  war  sein  Befinden  anhaltend  gut  geblieben. 

Nachdem  die  Heufiitterung  kein  positives  Ergebnis  geliefert  hatte,  wurde 
zur  Fütterung  von  Reinkulturen,  und  zwar  von  solchen,  die  aus  dem  Mäuse- 
kOrper  in  Bouillon  gezüchtet  worden  waren,  geschritten.    Teils  in  Form  von  Ein- 


—    329    — 

schüttungen,  unter  Verwendung  von  Wasser  als  Vehikel,  teils  der  angefeuchteten 
Kleie  beigemischt,  wurden  sie  verabreicht.  Die  folgende  Tabelle  lädt  die 
näheren  Einzelheiten  ersehen. 


Datum 


Kultur-      Art  der  Ver- 1 
dosis         abreichung 


Herkunft  der 
Kultur 


Ergebnis 


23.4.04  :  30  ccra 
26.4.04  30  ccm 
27.4.04       30  ccm 

28.  4.  04   '  50  ccm  norgi.  | 

SO  cem  mittag« 

29.  4. 04       30  ccm     , 

3.5.04       50  ccm 

i 
4.5.04       35  ccm     j 


7. 5. 04       60  ccm 


9. 5. 04       25  ccra 


10.5.04       80  ccm 


12.5.04       30  ccm 


13.5.04       40  ccm 


per  os 


Milz,  Kan.  13 
t  22.4.04 

Niere,  Ms.  87 
t  25.4.04 

Milz,  Ms.  87 
t  25.4.04 

Milz,  Ms.  88 
t  25.  4. 04 

Milz,  Ms.  93 
t  27.4.04 

Milz,  Ms.  99 
t  27.4.04 

Milz,  Ms.  100 
f  1.5.05 


Im  Befinden  de«  Tier««  l«t  kein«  . 
Änrieruug  eingetreten. 


Milz,  M8.  105 
t  6.5.04 

Milz,  Ms.  104 
t  7.5.04 

Milz,  Ms.  106 
t  8.5.04 

Milz,  Ms.  110 
t  11.5.04 

Milz,  Ms.  117 
t  10.5.04 


Beim  Herausführen  ans  dem  Stall 
flllt  an  dem  Pferd  sein  steif or, 
gespannter  Gang  anf.  Nachdem 
es  etwa  8  Minuten  Im  Scbritt 
gegangen  ist,  stellt  sich  «eine 
Kürperachse  immer  schräger 
aur  Bewegungsrlehtang  und 
tchlieflltch  geradezu  senkrecht 
au  Ihr  ein,  wobei  da«  Pferd 
nach  der  linken  Seite  nmiu- 
fallen  droht;  übrigen»  ist  «ein 
Allgemeinbefinden  nicht  ge- 
stört   Temp.  57,9,  P.  56,  A.  IS. 


Die  Kulturen  wurden  in  Gela- 
tinekapseln eingeschlossen 
verabreicht. 


Die  bei  dem  Pferde  vor  8  Tagen 
beobachteten  lokomotoiischen 
Störungen  sind  bis  heute  fast 
vollständig  versehwunden. 


Nachdem  alle  diese  Versuche,   abgesehen  von  der  erwähnten 
vorübergehenden  Lokomotionsstörnng,  kein  nennenswertes  Ergebnis 


Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  4/5. 


—    330    - 

geliefert  hatten,  wurde  von  ihrer  Fortsetzung  Abstand  genommen. 
Das  Pferd  verblieb  noch  sechs  Wochen  unter  Beobachtung,  ohne 
daß   sich   während    dieser  Zeit   etwas  Besonderes    ergeben   hätte. 

4.  Yersuch.  Das  Yersuchspferd  ist  eine  schwarzbraune  Stute, 
früheres  Ulanenpferd.  Die  eingehende  Untersuchung  vor  der  In- 
fektion ließ  keine  Anhaltspunkte  für  eine  Gesundheitsstörung  ge- 
winnen. Bewegungsapparat  vollkommen  in  Ordnung.  Temp.  37,3, 
P.  38,  A.  14.    Tag  der  Einstellung:  29.  6.  04. 

Zunächst  dient  auch  dieses  Pferd  zu  Fütterungsversuchen 
mit  dem  von  der  Brauerei  übersandten,  unverdorbenen  Bebenhauser 
Heu.  Bis  zum  19.  Juli  nahm  das  Tier  insgesamt  die  dem  Gewicht 
von  75  kg  entsprechende  Menge,  ohne  Schaden  zu  nehmen,  auf. 

Vom  19.  Juli  ab  wurde  zu  der  Fütterung  von  Bouillonreinkulturen, 
die  teils  aus  geimpften  Mäusen,  teils  aus  Meerschweinchen  und  Kaninchen 
gezüchtet  worden  waren,  übergegangen.  Obwohl  das  Versnchspferd  bis  zum 
31.  7.  04  insgesamt  drei  Liter  virulenter  Kultur,  meistens  unter  Kleie  gemischt, 
aufgenommen  hatte,  blieb  doch  sein  Befinden  stets  ungetrübt  Das  Pferd 
wurde  zu  weiteren  Versuchen  nicht  benützt,  vielmehr  gegen  das  nächstfolgende 
eingetauscht.  Die  Freigabe  erfolgte  deshalb,  weil  es  nicht  ausgeschlossen 
schien,  daß  die  gehäufte  Aufnahme  von  Kulturen  eine  gewisse  Unempfänglich- 
keit  in  dessen  Organismus  geschaffen  haben  konnte,  die  auch  bei  Anwendung 
eines  anderen  Impfmodus  sich  eventuell  bemerkbar  machen  und  zu  Fehlresul- 
taten führen  konnte. 

5.  Yersuch.  Das  am  3.  10.  04  an  Stelle  des  Versuchspferdes  4 
übernommene  fünfte  Pferd  ist  ein  kleiner,  kräftiger  Braunwallach, 
14  Jahre  alt.  Allgemeinbefinden  und  Bewegungsapparat  zeigen 
keine  Störung.     T.  37,4,  P.  34,  A.  10. 

In  folgender  Tabelle  (S.  331)  sind  die  Versuche  mit  diesem 
Tier  und  ihr  Ergebnis  niedergelegt. 

Sektionsbefund.  Maßige  Schwellung  der  Leber  und  leichte  Trübung 
ihres  Parenchyms.  Milz  und  Nieren  ohne  auffällige  Veränderungen.  Entlang 
den  Koronargefäßen  des  Herzens  zahlreiche  Ekchymosen.  Herzmuskel  schlaff, 
getrübt.  Von  den  durch  sagittal  verlaufende  Sägeschnitte  zerlegten  Röhren- 
knochen bietet  die  linke  Tibia  eine  bemerkenswerte  Veränderung  insofern,  als 
das  Knochenmark  im  Bereich  der  proximalen  Epiphyse  infolge  blutiger  In- 
filtration dunkelbraunrot  verfärbt,  weich  und  schmierig  ist. 

Bakteriologischer  Befund.  In  den  ans  Milz,  Knochenmark,  Gehirn- 
ventrikclflüssigkeit  angelegten  Kulturen  gingen  die  zur  Impfung  benutzten 
Streptokokken  in  Gemeinschaft  mit  Stäbchen  vom  Koli-Typus  «auf.  Die  Rein- 
züchtung gelang  leicht  durch  das  Plattcnverfahren.  Von  den  subkutan  mit 
je  einer  Öse  geimpften  Mäusen  starben  diejenigen,  die  Material  aus  Milz, 
Gehirnparcnchym,  Vcntrikelflüssigkeit  erhalten  hatten,  am  zweiten  Tage  p.  inf. 


—    331     - 


Datum 

der 
Impfung  ,  BoilUlonkultar 


I     Kultur- 
I       dosis 


Art  der  Ein- 
verleibung 


Herkunft  der 
Kultur 


Ergebnis  der  Impfung 


6.10.04 
7.10.04 

8.10.04 
11.10.04 


20  com        intravenös 


30  ccm 


30  ccm 
30  ccm 


13. 10  04       30  ccm 


14.10.04  | 


Herzblut, 
Ms.  209 

Herzblut, 
Ms.  206  u.  208 

Milz,  Ms.  212 

Milz,  Ms.  204 
t  26. 9. 04 

Milz  und  Leber. 
Ms.  205 


Das  Pferd  geht  unsicher  und 
schwankend,  namentlich  bei 
der  Bewegung  Im  Trab.  Appetit 
nicht  wesentlich  beeinträchtigt. 


Die  Frefllust  des  Pferdes  ist 
verringert.  Beim  Vorführen 
schwankt  es  sehr  stark  mit 
der  Nachhand  und  droht  nach 
der  Seite  umsufalleo,  knickt 
auch  Öfters  in  der  Nachhand 
susammen. 

Das  Pferd  wurde  morgens  tot 
angetroffen. 


Aus  den  Organen  der  Mäuse  konnten  die  Streptokokken  in  Reinkultur  ge- 
züchtet werden. 

6.  Versuch.  Diesen  Versuchen  am  Pferd  reiht  sich  noch  eine 
zufällige,  einem  Experiment  gleichzusetzende  Beobachtung  an  einem 
Esel  an.  Ein  vierjähriger  Eselhengst,  der  am  ganzen  Körper  mit 
einem  krustösen  Ekzem  behaftet  und  in  der  medizinischen  Klinik 
vom  9.  1.  05  behandelt  worden  war,  wurde  nach  seiner  Heilung 
von  seinem  Besitzer  nicht  abgeholt. 

Er  verblieb  daher  der  Hochschule  und  sollte  später  zu  einem 
bestimmten  Versuch  Verwendung  finden;  er  wurde  vorläufig  in  den- 
selben Stall  eingestellt,  in  dem  sich  gerade  das  Versuchspferd  3 
befand. 

Am  7.  Mai,  nach  Utägigem  Aufenthalt  dortselbst,  fiel  an  dem  Esel 
auf,  daß  er  nicht  mehr  mit  derselben  Lust  wie  zuvor  sein  Futter  verzehrte, 
matt  und  hinfällig  war,  meistens  lag,  nur  mühsam  sich  erhob  und  nur  schwer 
von  der  Stelle  gebracht  werden  konnte.  Namentlich  machte  sich  eine  große 
Schwäche  der  Nachband  an  ihm  bemerkbar,  fibrilläre  Muskelzuckungen  in  der 
Kruppen-  und  Oberschenkelmuskulatur  traten  auf.  Die  Temperatur  bewegte 
sich  vom  14.  Mai  unter  35°  C  (!).  Der  Puls  war  schwach,  kaum  fühlbar,  in 
der  Minute  waren  52  Schläge  zu  zählen.  Der  Atem  war  sehr  beschleunigt, 
jedoch  oberflächlich.  In  den  nächsten  Tagen  verschlimmerte  sich  das  Befinden 
des  Tieres  erheblich.  Es  zitterte  am  ganzen  Leib,  lag  sehr  viel  und  konnte 
nur  mit  kräftiger  Unterstützung  auf  die  Beine  gebracht  werden.    War  dies  ge- 

22* 


—    332    — 

Jungen,  so  stand  es  mit  gespreizten  Gliedmafien  da,  ängstlich  jede  Bewegung 
vermeidend  und  so,  als  ob  es  jeden  Augenblick  umfallen  werde.  Die 
Atmung  war  tief  und  angestrengt,  fibrilläre  Muskelzuckungen  traten  im  Gebiet 
der  Gesichtsmuskeln,  im  Bereich  der  schon  genannten  Muskelgruppen  sowie  an 
der  Halsmuskulatur  auf. 

Das  Rätsel  der  plötzlichen  Erkrankung  des  Esels  löste  sich 
bald.  Der  mit  seiner  Pflege  bfetraute  Wärter  hatte  zum  Tränken 
denselben  Eimer  benützt,  in  dem  dem  Versuchspferd  jeweils  die 
Bouillonkulturen  vorgesetzt  worden  waren.  In  diesem  Tränkeimer 
waren  stets  kleine  Reste  der  Kulturen  zurückgeblieben.  Am  18.  Mai 
wurde  der  Esel  in  der  Agonie  getötet. 

Obduktionsbefund:  Herzmuskel  schlaff,  graubraun  verfärbt;  Leber 
vergrößert,  auf  dem  Durchschnitt  graubraun  verfärbt,  brüchig.  Milz  leicht  ge- 
schwollen. Die  verschiedenen  Körperlymphdrüsen,  vorwiegend  die  zum  Darm 
gehörigen,  geschwollen.  Am  Gehirn  und  an  dessen  Adnexen  keine  sinn- 
fällige Veränderung. 

Bei  mikroskopischer  Untersuchung  der  aus  verschiedenen  Organen  her- 
gestellten Ausstrichpräparate  fanden  sich,  und  zwar  besonders  in  den  aus 
Leber  angefertigten,  zahlreiche  Diplokokken.  In  den  aus  Leber,  Nieren  und 
einer  geschwollenen  Darmlymphdrüse  angelegten  Bouillon-  und  Agarplatten- 
kulturen  gingen  DiploStreptokokken  teils  in  Reinkultur,  teils  in  Gesellschaft 
von  Bakterien  des  Kolitypus  auf.  Die  aus  Leber  geimpfte  weiße  Maus  starb 
nach  3  Tagen;  in  ihren  Organen  und  auch  im  Herzblut  waren  die  Kokken 
in  großer  Zahl  vertreten.  Die  weiterhin  fortgesetzte  Züchtung  unter 
Benutzung  verschiedener  Nährböden  ergab  die  völlige  kulturelle  Überein- 
stimmung mit  den  fraglichen  Streptokokken,  so  daß  also  über  die  Todes- 
ursache des  Esels  keine  Zweifel  bestehen  blieben. 


Diejenigen  Fütterungsversuche,  die  mit  verdorbenem  Heu  an- 
gestellt worden  waren,  hatten  den  Tod  der  beiden  Versuchspferde 
und  eines  Ziegenbocks  zur  Folge,  während  andererseits  solche,  zu 
denen  das  seinem  Ursprung  nach  gleiche,  von  derselben  Wiese 
stammende,  aber  keine  Merkmale  einer  Zersetzung  darbietende  Heu 
Verwendung  fand,  ergebnislos  verliefen.  (Vgl.  Versuch  3  u.  4.) 
Dies  läßt  nur  die  eine,  ungezwungene  Deutung  zu, 
daß  dem  Heu  nicht  von  vornherein  eine  für  Pferde 
gesundheitsschädliche  Eigenschaft  anhaftete,  diese  ihm 
vielmehr  nachträglich  erst  verliehen  wurde.  Wie  eine 
nähere  Nachforschung  ergab,  war  das  Heu  von  der  Wiese  aus  an  zwei 
verschiedenen  Örtlichkeiten  untergebracht  worden.  Die  ersten 
zwei  Wagen  Heu  hatte  man   in  einem   mit  schadhaftem  Dach  ver- 


—     333     — 

sehenen  Schuppen  aufbewahrt,  woselbst  es  verregnete,  während  der 
Rest  eine  anderweitige  und  bessere  Unterkunft  fand.  Auch  nach 
dem  Ankauf  des  Heues  seitens  der  Brauerei  blieben  die  beiden  Be- 
stände getrennt;  der  verdorbene  Teil-  kam  auf  den  Heuboden  im 
„Waldhörnle",  der  andere  wurde  nach  dem  „Bläsibad"  verbracht. 
Man  fand  später  den  Heuboden  im  „Waldhörnle"  an  verschiedenett 
Stellen  durchnäßt,  ein  Umstand,  der  zu  der  Annahme  berechtigt, 
daß  das  Futter  auch  an  seinem  zweiten  Lagerplatz  schädigenden 
Einflüssen  ausgesetzt  war.  Endlich  wurde  berichtet,  es  seien  in 
dem  Heu  zwei  tote  Katzen  gefunden  worden.  Ob  und  inwieweit 
dieser  Fund  mit  der  schlechten  Beschaffenheit  des  Heues  in  Zu- 
sammenhang gebracht  werden  kann,  mag  dahingestellt  bleiben. 
Man  könnte  ja  dem  Gedanken  Raum  geben,  die  Katzen  seien  die 
ursprünglichen  Träger  der  Streptokokken  gewesen  und  es  seien 
diese  aus  dem  Katzenkörper  gewissermaßen  ausgelaugt  worden  und 
so  allmählich  in  das  Futter  gelangt.  Aber  eine  derartige  Erwrägung 
ließ  sich  experimentell  nicht  stützen,  sie  kann  deshalb  nicht  weiter 
in  Betracht  gezogen  werden.  Jedenfalls  trug  die  Feuchtig- 
keit des  Heues  dazu  bei,  Zersetzungsvorgänge  einzuleiten, 
zu  unterhalten  und  auch  den  von  mir  als  Krankheitserreger 
beschuldigten  Streptokokken  die  nötige  Voraussetzung 
für  ihr  Fortkommen  zu  schaffen. 

Betrachten  wir  das  Ergebnis  der  mit  Reinkulturen  angestellten 
Infektionsversuche,  so  haben  die  Impfungen  kleiner  Ver- 
suchstiere nicht  nur  die  Pathogenität  der  Streptokokken  erwiesen, 
sondern  es  konnte  auch  bei  Mäusen,  Meerschweinchen  und  Kaninchen 
ein  Krankheitsbild  zur  Entwicklung  gebracht  werden,  das  mit  dem 
bei  den  verendeten  Pferden  beobachteten  eine  weitgehende  Überein- 
stimmung aufzuweisen  hatte.  Hier  wie  dort  war  die  lähmungsartige 
Bewegungsstörung  der  Nachhand   das  hervorstechendste  Symptom. 

Eine  krankmachende  Wirkung,  die  namentlich  auf  den  Be- 
wegungsapparat sich  erstreckte,  entfalteten  die  Streptokokken  bei 
Pferden  erst  nach  wiederholter  intravenöser  Impfung.  Gesamt- 
mengen von  110—165  ccm  mußten  zur  Erzielung  einer  tödlichen 
Wirkung  einverleibt  werden.  An  und  für  sich  betrachtet,  mag  ja 
ein  solches  Quantum  als  massiv  zu  bezeichnen  sein,  nicht  aber 
relativ  genommen,  nach  Anrechnung  und  Abzug  der,  im  Hinblick 
auf  das  ausschließliche  und  dürftige  Boden-  und  Wandwachstum 
der  Streptokokken  in  Bouillon,  nicht  unbeträchtlichen  bakterienfreien 


—   nu   — 

Nährflüssigkeit.  —  So  beurteilt,  läßt  sich  die  „wirksame  Substanz" 
ihrer  Menge  nach  schätzungsweise  auf  ungefähr  l/lQ  der  oben  be- 
zeichneten reduzieren. 

Einen  nicht  zu  unterschätzenden  Faktor  hat  man  noch  in  die 
Beurteilung  des  Resultats  der  Tierversuche  einzusetzen,  nämlich 
die  Virulenz,  jenes  höchst  rätselhafte  und  geradezu  kapriziöse 
Phänomen,  wie  sie  Pfeiffer1)  so  treffend  charakterisiert.  Daß 
sie  gerade  bei  den  Streptokokken  in  den  weitesten  Grenzen 
schwankt,  darüber  belehren  uns  Untersuchungen  von  v.  Lingels- 
heim,2)  Knorr,3)  Petruschky,4)  Koch  und  Petruschky5)  zur 
Genüge.  Noch  weit  davon  entfernt,  die  verschiedenen  Ursachen 
dieser  Virulenzschwankungen  zu  kennen,  wissen  wir  doch,  daß,  wie 
bei  anderen  Bakterien,  die  Züchtung  auf  künstlichen  Nährböden 
virulenzschwächend  wirkt.  Nachgewiesenermaßen  ist  auch  die  fort- 
gesetzte Übertragung  der  Streptokokken  auf  eine  bestimmte  Tierart 
imstande,  die  pathogene  Energie  für  eine  andere  nicht  unerheblich, 
ja  bis  zur  Avirulenz  herabzusetzen.  Eine  experimentell  erhärtete 
Tatsache  ist  es,  daß  für  Kaninchen  und  Meerschweinchen  höchst 
pathogene  Streptokokken  dem  Menschen  gegenüber  indifferent  sich 
verhalten  können  und  umgekehrt.6)  Ein  solch  reziprokes  Verhalten 
scheint  nach  meinen  Erfahrungen  auch  flir  die  Maus  einer-,  das 
Pferd  andererseits  im  vorliegenden  Falle  zu  bestehen.  Jedenfalls 
ist  aber  die  Tatsache  hervorzuheben,  daß  jeweils  bei  Überimpfung 
der  Streptokokken  vom  Pferd  auf  die  Maus  der  Tod  des  letzteren 
Tieres  erst  nach  längerer  Frist  sich  einstellte,  als  durchschnittlich 
bei  späterer  Überimpfung  von  Maus  auf  Maus. 

Die  in  der  Hauptsache  negativ  verlaufenen  Fütterungsversuche 
mit  Reinkulturen  der  Streptokokken  können  die  ätiologische  Be- 
deutung der  letzteren  nicht  in  Frage  stellen,  einmal  deshalb  nicht, 


!)  Pfeiffer,  Zur  Theorie  der  Virulenz.  Festschrift  zum  sechzigsten 
Geburtstag  von  Robert  Koch.  Jena  1903. 

9)  von  Lingelsheim,  „Streptokokken**  in  Kolle- Wassermann,  Hand- 
buch der  pathogenen  Mikroorganismen,  Bd.  3. 

3)  Knorr,  Experimentelle  Untersuchungen  über  den  Streptococcus  longus, 
Zeitschrift  f.  Hyg.  u.  Infekt ionskrankh.,  Bd.  13. 

4)  Petruschky,  Beobachtungen  über  Erysipel-Impfungen  am  Menschen, 
ibid.  Bd.  23 

5)  Koch,  R„  u.  Petruschky,  Beobachtungen  über  Erysipel-Impfungen 
am  Menschen,  ibid.  Bd.  23. 

6)  Knorr,  l.  c. 


—     335     — 

weil  ja  die  Infektion  per  os  bei  dem  empfänglicheren  Eselhengst 
die  Möglichkeit  einer  solchen  dargetau  hat;  sodann  finden  wir  ein 
Analogon  zu  diesem  refraktären  Verhalten  gegenüber  künstlicher 
Infektion  mit  Reinkulturen  u.  a.  auch  bei  Milzbrand.  Im  Gegen- 
satz zu  ihrer  ausgesprochenen  Disposition  für  eine  spontane  Mil£- 
branderkrankung  legen  die  Kinder  gegenüber  der  künstlichen  Iäl 
fektion  eine  nicht  unerhebliche  Resistenz  an  den  Tag  (Sobernheim1} 
und  selbst  die  Verabreichung  erheblicher  Quantitäten  hoclrvirulenten^ 
sporenhaltigen  Materials  kann  den  beabsichtigten  Erfolg  vermissen 
lassen  (eigener  Versuch).  Noch  viel  mehr  gilt  das  Gesagte  fiir  den 
Schweinerotlauf;  vergebliche  künstliche  Ansteckungsversuche  mit 
Reinkulturen  des  Erregers  und  Gewebsmaterial,  das  ihn  enthält, 
beweisen  dies  hinlänglich  (Schottelius,2)  Voges  und  Schütz8). 
Und  doch  wird  niemand  weder  für  Milzbrand  noch  für  Schweine- 
rotlauf das  Zustandekommen  der  natürlichen  Ansteckung  auf  dem 
Wege  des  Verdauungskanales  leugnen  wollen. 


Beim  Suchen  nach  ähnlichen  Fällen  und  Vorkommnissen,  so- 
weit solche  in  der  Literatur  Darstellung  gefunden  haben,  stößt 
eine  kritisch  abwägende  Prüfung  auf  gewisse  Schwierigkeiten.  Sie 
ergeben  sich  einmal  aus  den  oft  recht  mangelhaften  Beschreibungen, 
zum  andern  hat  das  Fehlen  genauerer  ätiologischer  Untersuchungen 
einer  bestimmten  Stellungnahme  Grenzen  gezogen.  Ich  will  es 
hier  unterlassen,  das  gesamte  einschlägige  Material  sichtend  zu  be- 
handeln, vielmehr  nur  auf  einige  nach  der  oder  jener  Richtung 
beachtenswerte  Veröffentlichungen  Bezug  nehmen. 

In  erster  Linie  erregte  meine  Aufmerksamkeit  die  von  Streit4) 
in  vortrefflicher  und  erschöpfender  Weise  gegebene  Schilderung 
eines  Pferdesterbens,  und  zwar  deshalb,  weil  er  als  Ursache  der 
akut  und  fieberlos  und  auch  sonst  ganz  ähnlich  der  Tübinger  ver- 
laufenden Pferdekrankheit  gleichfalls  Diplo-Streptokokken  fand.    Es 


')  Sobernheim,    „Milzbrand"    in   Kollo -Wassermann,    Handbuch   der 
pathogenen  Mikroorganismen,  Bd.  2. 

s)  Lydtin  u.  Schottelius,  Der  Rotlauf  der  Schweine.  Wiesbaden  1885. 

3)  Voges  u.  Schütz,  Impfungen  gegen  den  Rotlauf  der  Schweine,  Zeit- 
schrift für  Hygiene  und  Infektionskrankh.  1898,  Bd.  28. 

4)  Streit,   Beitrag  zur  Kenntnis  der  Cerebrospinalmeningitis  infectiosa 
der  Pferde.    Berl.  tierärztl.  Wochenschrift  1903. 


—     336     — 

handelte  sich  um  fünf  Pferde  eines  Farmers,  die  innerhalb  fünf 
Tagen  starben.  Die  wesentlichen  Symptome  bestanden  in  Lähmung 
des  Schlundkopfes  sowie  der  Nachhand,  schwerer  psychischer  De- 
pression, fibrillären  Zuckungen  in  den  Schulter-  und  Halsmuskeln. 
Aus  dem  Meningealexsudat  konnte  er  einen  für  kleine  Versuchs- 
tiere (Kaninchen,  Meerschweinchen,  Mäuse)  höchst  pathogenen  Strepto- 
kokkus gewinnen.  Die  bei  den  Pferden  angetroffene  Pachy-  und 
Leptomenkigitis  serosa  veranlaßten  Streit,  fragliche  Krankheit  als 
Cerebrospinalmeningitis  infectiosa  und  den  Erreger  als  „dem  Borna- 
streptokokkus  sehr  ähnlich,  vielleicht  identisch  mit  ihm",  zu  be- 
zeichnen. Meines  Erachtens  unterscheiden  aber  der  bei  der 
Bornaschen  Krankheit  negative  Sektionsbefund  (Johne,1)  Oster- 
tag2),  der  langsamere  Verlauf  und  endlich  gewisse  Besonderheiten 
der  als  Ursache  beschuldigten  Streptokokken  beide  Krankheiten 
genugsam.  Da  bei  dem  Tübinger  Pferdesterben  ausgesprochene 
zerebrospinale  Veränderungen  nicht  zugegen  waren,  und  auch  die 
Streptokokken  andere  morphologische  und  kulturelle  Merkmale  dar- 
bieten, so  kann  ich  bezüglich  jener  Krankheit  zwar  eine  gewisse 
Verwandtschaft,  nicht  aber  eine  Gleichstellung  anerkennen. 

Die  Durchsicht  der  in  der  Literatur  niedergelegten  Fälle 
fortsetzend,  sehe  ich  von  der  nicht  unerheblichen  Zahl  derjenigen 
ab,  die  zwar  in  klinischer  Hinsicht  große  Ähnlichkeit  mit  dem 
Tübinger  Pferdesterben  haben,  aber  nach  ihrer  Ursache  von  den 
Autoren  zu  den  Befallpilzkrankheiten  gezählt  werden;  ich  greife 
vielmehr  nur  solche  Pferde-Enzootien  heraus,  deren  analoger  Krank- 
heitsverlauf die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  nahelegt,  die 
aber  nach  der  ätiologischen  Seite  rätselhaft  bleiben.  Die  Bezeich- 
nungen, unter  denen  man  sie  antrifft,  lauten  verschieden.  Bald  ist 
die  Rede  von  einer  „infektiösen  Cerebrospinalmeningitis",  ein  anderes 
Mal  von  „kontagiöser  Rückenmarksentzündung",  fernerhin  begegnet 
man  Überschriften  wie  „infektiöse  Paraplegie",  „Rückenmarks- 
typhus", „infektiöses  Pferdesterben"  usw. 

Sehr  viele  Berührungspunkte  mit  dem  Tübinger  Pferdesterben 
bietet    eine    von    Schmid    beschriebene    „Infektionskrankheit    bei 


')  Johne,  Zur  Kenntnis  der  seuchenartigen  Cerebrospinalmeningitis  der 
Pferde.    Deutsche  Zeitschrift  f.  Tienned.  u.  vergl.  Pathologie  1896. 

2)  Ostertag,  in  Friedberger-Fröhner,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie 
und  Therapie,  1904,  II.  Bd.,  „Bornasche  Krankheit". 


—     337     — 

Pferden",1)  die  im  Jahre  1885  unter  dem  zwölf  Stück  zählenden 
Pferdebestande  eines  in  der  Nähe  von  Aachen  isoliert  liegenden 
Gehöftes  auftrat  und  den  Tod  von  acht  Tieren  herbeiführte.  Das 
Krankheitsbild  war  folgendes: 

Ohne  jegliche  Vorboten  stellte  sich  bei  den  Pferden  eine  lähmungsartige 
Schwäche  der  Nachhand  ein,  so  daß  sie  nach  dem  Niederlegen  nicht  mehr 
aufzustehen  vermochten.  Vorgelegtes  Futter  und  Getränk  nahmen  sie  mit 
großem  Appetit  auf.  Anzeichen ,  von  Fieber  fehlten  vollständig.  Die  Tem- 
peratur bewegte  sich  zwischen  38  und  38, 5 ü  C.  Die  Zahl  der  Pulse  betrug 
36 — 40,  die  der  Atemzüge  10—12  pro  Minute.  Die  Empfindung  in  der  Nach- 
band war  etwas  abgeschwächt.  Allmählich  griff  die  Lähmung  auch  auf  die 
Vorhand  über,  die  Tiere  legten  sich  platt  auf  die  eine  oder  andere  Seite, 
schlugen  mit  allen  Vieren  und  atmeten  heftig.  Die  Temperatur  blieb  auch 
dann  noch  auf  38°  C,  erhob  sich  höchstens  auf  39°  C,  in  zwei  Fällen  sank 
sie  vor  dem  Tode  auf  37°  C.  Der  letale  Ausgang  stellte  sich  innerhalb 
weniger  bis  höchstens  36  Stunden  ein. 

Die  Autopsie  erbrachte  keine  bestimmte  Erklärung  für  die  Ursache 
der  Todesfälle.  Es  fand  sich  eine  parenchymatöse  Degeneration  der  Leber 
und  des  Herzmuskels,  fernerhin  waren  entzündliche  Veränderungen  mit  einigen 
Erosionen  an  der  Schleimhaut  des  Magens  und  Dünndarms  zugegen.  Bei 
einem  kurz  vor  dem  Tode  geschlachteten  Pferde  fehlten  krankhafte  Ver- 
änderungen vollständig.  Die  Organe  des  Zentralnervensystems  waren,  wie 
Schmid  ausdrücklich  hervorhebt,  bei  allen  gefallenen  Pferden  intakt. 

Obwohl  das  Heu  und  der  Hafer  ihrer  Beschaffenheit  nach 
nichts  zu  wünschen  übrig  ließen,  wurde  doch  ein  Futterwechsel 
vorgenommen,  auch  verbrachte  man  die  Pferde  in  einen  anderen 
Stall  und  tränkte  sie  mit  anderem  Wasser;  trotzdem  kamen  noch 
Krankheits-  und  Todesfälle  vor.  Die  Ursache  der  Krankheit  blieb 
in  Dunkel  gehüllt. 

Stockfleth2)  beschreibt  ein  „enzootisches  Rückenmarks- 
leiden", das  im  Jahre  1852  unter  den  Pferden  in  der  Umgebung 
von  Kopenhagen  sich  verbreitete.  Gewöhnlich  wurden  die  Tiere, 
die  am  Abend  zuvor  sich  noch  wohl  befanden,  am  nächsten  Morgen 
gelähmt  im  Stall  angetroffen;  ausnahmsweise  nur  trat  die  Krank- 
heit während  der  Arbeit  auf.  Die  erkrankten  Pferde  blieben  bei 
Appetit,  der  Puls  und  die  Atmung  hielten  sich  in  normalen  Grenzen 
bis  kurz  vor  dem  Tode,  der  gewöhnlich  innerhalb  24  Stunden  ein- 
trat.     Die    Hälfte    der    erkrankten    Tiere    starb,     die    geheilten 

l)  Schmid,  Eine  Infektionskrankheit  bei  Pferden.  Archiv  f.  wissensch. 
u.  prakt  Tierheilk.,  1885,  S.  407. 

a)  Zit  nach  Thomassen,  Contribution  ä  l'etude  des  malad ies  du  Systeme 
nerveux.    Annales  de  med.  vet.  1893,  8.  355. 


—     33*     — 

behielten,  und  zwar  zuweilen  monatelang,  eine  Schwäche  in  der 
Nachhand.  Als  anatomische  Veränderungen  konnte  man  eine  In- 
jektion der  Gehirnhäute  und  serösen  Erguß  zwischen  den  Hüllen 
des  Gehirns  und  Rückenmarks  beobachten. 

Der  dänische  Tierarzt  Friis  von  Aarhus1)  berichtet  von 
einer  analogen  Enzootie  bei  sechs  Pferden  eines  Stalles;  er  stellt 
sie  der  von  Stock fl et h  beschriebenen  an  die  Seite  und  bringt  sie 
mit  verdorbenem  Futter  in  Zusammenhang. 

Quentin  de  Seraukourt2)  hat  eine  unter  Lähmungserschei- 
nungen  verlaufende  Pferdekrankheit  in  einem  Dorf  in  den  Argonnen 
(Departement  Maas)  im  Jahre  1884  beobachtet.  Von  sieben  Pferden 
gingen  vier  schon  nach  15  —  20  stündiger  Krankheit  ein;  zwei 
schleppten  sich  einige  Tage  hin,  um  dann  ebenfalls  zu  sterben; 
das  siebente,  weniger  schwer  erkrankte,  genas  nach  mehreren 
Wochen.    Eine  Vergiftung  war  auszuschließen. 

Zum  zweiten  Male  begegnete  Quentin  de  Seraukourt  im 
Jahre  1898  derselben  Krankheit,  der  in  einem  mit  sechs 
Pferden  besetzten  Stall  drei  zum  Opfer  fielen,  während  die  anderen 
drei  noch  längere  Zeit  an  einer  Schwäche  der  Xachhand  litten  und 
Tag  für  Tag  aufgehoben  werden  mußten. 

Die  französische  Literatur  ist  eine  sehr  ausgiebige  Fundgrube 
für  einschlägige  Beispiele.  Der  letzterwähnten  Mitteilung  schließen 
sich  gleichlautende  an  von  Grange  et  Magnin.8) 

Es  handelte  sich  um  vier  Pferde  eines  abgelegenen  Gehöfts,  die  sämtlich 
unter  Lähmungserscheinungen  zugrunde  gingen.  Der  rasch  tödliche  Verlauf 
ließ  anfänglich  an  eine  absichtliche  oder  zufällige  Vergiftung  glauben,  aber 
die  Untersuchung  des  Futters  und  die  chemische  Untersuchung  des  Magen- 
inhalts wiesen  einen  solchen  Verdacht  zurück  und  legten  vielmehr  einen 
infektiösen  Ursprung  nahe.  Der  Stall  wurde  mit  neuem  Pflaster  versehen,  die 
Wände  erhielten  einen  neuen  Anstrich;  alsdann  blieb  die  Krankheit  aus. 
Bemerkenswert  ist,  daß  bei  der  Obduktion  das  Gewebe  rings  um  die  Organe 
des  Urogcnitalapparats  von  einer  serösen,  an  manchen  Stellen  zu  einer 
gelatinösen  Masse  geronnenen  Flüssigkeit  durchtränkt  war.  Das  Rückenmark 
war  hyperämisch,  sein  Lumbaiabschnitt  beherbergte  einen  Erweichungsherd. 

Dieselben  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  fand  auch 
Comeny,4)    der   an   zwei  verschiedenen  Orten    der  Krankheit   bei 

!)  Zit.  n.  Thomas sen  1.  c.  S.  356. 

s)  Kecuoil  de  med.  vet.  1898,  S.  423  u.  549. 

3)  Grange  et  Magnin,  Paraplegie  infectieuse.  Recueil  de  med.  vet. 
1897,  S.  491. 

4)  Comeny,  Recueil  de  med.  vet.    1888. 


—     339     — 

Kavalleriepferden  begegnete.  Das  von  ihm  gezeichnete  klinische 
Bild  paßt  in  den  schon  mehrfach  skizzierten  Rahmen.  Der  Autor 
ist  von  der  kontagiösen  Natur  der  Krankheit  überzeugt  und  sieht 
als  Eintrittspforte  der  Infektionserreger  die  Harnwege  an.  Die  von 
Nocard  angestellten  bakteriologischen  Untersuchungen  haben  be- 
züglich der  Natur  des  Virus  keine  Aufklärung  zu  erbringen  ver- 
mocht. 

Wie  ich  der  wiederholt  erwähnten  Abhandlung  Thomassens 
entnehme,  ist  die  Krankheit  auch  in  Belgien  vielfach  schon  auf- 
getreten; die  dortigen  Tierärzte  Thiernesse,  Andr6,  Gerard, 
Derache,  Degive,  Dessart  und  Lorge  haben  Mitteilungen 
darüber  veröffentlicht. 

Alle  Veröffentlichungen  stimmen  in  den  Hauptzügen  nach  der 
klinischen  und  epidemiologischen  Seite  überein.  Schwäche  und 
Lähmungserscheinungen  in  der  Nachhand,  sehr  rascher 
tödlicher  Verlauf  bei  fehlendem  Fieber,  fast  gleichzeitige 
und  ausnahmslose  Erkrankung  sämtlicher  Pferde  eines 
Stalles,  strenge  Lokalisation  der  Krankheit  auf  eine  be- 
stimmte Örtlichkeit  —  das  sind  die  Merkmale  der  fraglichen 
Krankheit,  die  Thomassen1)  mit  dem  Namen  „enzootische  Spinal- 
paralyse" belegt  hat.  Ob  dieselbe  durch  einen  einheitlichen  Erreger 
hervorgerufen  wird,  dies  zu  unterscheiden,  muß  der  weiteren  Forschung 
überlassen  bleiben. 

Erwähnt  sei  noch,  daß  gegen  das  Leiden  die  verschiedensten 
Mittel  des  Arzneischatzes  vergeblich  Anwendung  fanden.  Ich  habe 
versucht,  auf  serotherapeutischem  Wege  Heilung  zu  erzielen.  Von 
einem  Pferde,  das  sich  von  der  Krankheit  wieder  vollständig  erholt 
hatte,  wurde  Serum  gewonnen  und  in  der  Menge  von  je  100  ccm 
einem  erkrankten  Pferde  in  ötägigem  Zeitabstand  zweimal  ein- 
gespritzt. Nach  einer  Mitteilung  des  Herrn  Oberamtstierarztes 
Kieß  sei  daraufhin  die  Heilung  verhältnismäßig  rasch  und  voll- 
ständig erfolgt,  während  dies  bei  einem  andern,  gleichzeitig  er- 
krankten und  nicht  behandelten  Pferd  erst  etwa  nach  Jahresfrist 
der  Fall  war.  Dieses  letztere  litt  während  jener  ganzen  Zeit  an 
einer  Schwäche  der  Nachhand  und  mußte  jeden  Morgen  aufgehoben 
werden.     Oberamtstierarzt   Kieß    hält   das   möglichst   frühzeitige 


l)  Thomassen,  Enzootische  Spinalparalyse   bei  Pferden.     Monatshefte 
für  prakt.  Tierheilk.    1903,  Bd   14,  8.  1  ff. 


—     340     — 

Verbringen   der   erkrankten  Pferde   in    einen  Hängegurt   für   sehr 
zweckmäßig  und  der  Heilung  förderlich. 

Die  Krankheit  erlosch  in  Tübingen  endgültig,  als  ausschließ- 
lich neu  angekauftes  Heu  verfüttert  wurde.  Um  ganz  sicher  zu 
gehen,  war  auch  eine  gründliche .  Desinfektion  der  Stallungen  vor- 
genommen worden. 


Erktthmg  der  Tafel  IV  usd  V. 

Tafel  IV,  Fig.  1.    Ausstrich  ans  Reinkultur  auf  Kolostralmilch.    Färbung  mit 
Gentianaviolett.    Vergrößerung  940. 
Fig.  2.    Ausstrich    aus   Niere,    Kaninchen.     Färbung  mit   Gentiana- 
violett.   Vergrößerung  940. 
Fig.  3.    Ausstrich  aus  Leber,  Maus.  Fuchsinfarbung.  Vergrößerung  940. 
Fig.  4.    Ausstrich   aus   Bouillon-Beinkultur.     Fuchsinfarbung.     Ver- 
größerung 940. 
Tafel  V,  Fig.  1-4.    Wachstum  der  Streptokokken  in  und  auf  Bouillon,  Gelatine, 
Agar- 


(Aus  der  epizootologischen  Abteilung  des  Kaiserlichen  Institutes 
f.  experim.  Medizin  zu  St.  Petersburg.    Leiter:  A.  Wladimiroff.) 

Über  Trypanosoma  Lewis!  und  seine  Verbreitung 
in  St.  Petersburg. 

Von 
W.  L.  Yakimoff. 

Das  im  Jahre  1878  von  Lewis  (1)  in  Kalkutta  bei  Mus  decu- 
manus  und  Mus  rufescens  entdeckte  Trypanosoma  der  grauen  Ratten 
stellt  einen  Kosmopoliten  dar.  Die  grauen  Ratten  sämtlicher  Welt- 
teile enthalten  in  verschiedenem  Prozentsatz  diesen  Parasiten.  Das 
Buch  von  Laveran  und  Mesnil  (2)  enthält  ein  langes  Register 
von  Ortschaften,  in  denen  graue  Ratten  mit  Trypanosomen  infiziert 
gefunden  worden  sind. 

In  Rußland  hat  schon  zu  einer  Zeit,  da  die  Lehre  von  den 
Trypanosomen  kaum  am  Horizont  aufgetaucht  war,  nämlich  im 
Jahre  1845  (also  viel  früher  als  Lewis)  Groß  (2)  als  erster  diese 
Trypanosomen  in  der  Umgegend  von  Moskau  beobachtet.  Er  fand 
sie  im  Blute  von  Waldmäusen  und  Maulwürfen  in  Form  von  beweg- 
lichen Würmchen,  „die  so  zahlreich  waren,  daß  sie  kaum  unter- 
schieden werden  konnten".  Übrigens  bezweifeln  Laveran  und 
Mesnil  (2)  die  Identität  des  Trypanosoma  Lewisi  und  des  Groß- 
schen  Befundes,  da  ihrer  Meinung  nach  die  Waldmaus  (Mus  sylva- 
ticus)  sogar  gegen  intraperitoneale  Injektion  des  echten  Trypano- 
soma Lewisi  durchaus  immun  ist. 

Im  südlichen  Rußland  haben  sodann  Danilewsky  (1886  bis 
1889)  und  Schalaschnikow  (1888)  den  Parasiten  beobachtet. 

In  St.  Petersburg  sind  die  wilden  grauen  Ratten  ebenfalls 
nicht  frei  von  diesem  Protozoon,  wie  Tartakowsky  (3)  zuerst 
nachweisen  konnte.    Dieser  Autor  erkannte  jedoch  die  Natur  dieser 


—     342     — 

Trypanosomen  nicht  und  hielt  sie  fälschlicherweise  für  den  Erreger 
der  indischen  Krankheit  Surra. 

Dieser  Fehler  ist  leicht  aufzudecken:  Trypanosoma  Evansi, 
der  Erreger  der  Surra,  unterscheidet  sich  von  Trypanosoma  Lewisi 
in  radikaler  Weise  durch  seine  Pathogenität:1)  Trypanosoma  Evansi 
kann  leicht  sämtlichen  Laboratoriumstieren  angeimpft  werden, 
während  wir  mit  den  Trypanosomen  der  Petersburger  Ratten  kein 
einziges  Laboratoriumstier,  außer  grauen,  weißen  und  fleckigen 
Ratten  infizieren  konnten;  außerdem  unterscheidet  sich  Trypano- 
soma Evansi  morphologisch  von  dem  Parasiten  der  Petersburger 
Ratten,  der  sämtliche  Merkmale  von  Trypanosoma  Lewisi  besitzt. 

Nachdem  wir  seit  dem  Jahre  1902  graue  Ratten  in  St.  Peters- 
burg untersucht  haben,  können  wir  gegenwärtig  die  prozentuale 
Verbreitung  der  Trypanosomose  unter  ihnen  bestimmen. 

Es  erwies  sich,  daß  von  den  150  grauen  Ratten,  deren  wir 
von  Ende  1902  bis  Ende  1906  habhaft  werden  konnten,  62  Stück, 
d.h.  41,3 °/o2)  mit  Trypanosoma  Lewisi  infiziert  waren. 

Tartakowski  sagt  in  seiner  Veröffentlichung,  daß  nicht  alle 
Teile  St.  Petersburgs  mit  Trypanosomen  infizierte  Ratten  aufweisen 
(z.  B.  die  Gegend  des  Ismailowschen  Regiments,  die  Umgebung  des 
Smolnaklosters  und  die  Puschkinstraße). 

Wir  können  diese  Beobachtung  nicht  bestätigen.  Wir  nahmen 
Ratten  aus  folgenden  Stadtbezirken:  der  Apotheker-  und  Steininsel, 
dem  Galeerenhafen,  der  Gartenstraße,  der  Wyborger  Seite,  dem 
Kalaschnikow  -  Kai  und  dem  Kolomnastadtteil  zur  Untersuchung 
und  fanden  überall  mit  Trypanosomen  infizierte  Exemplare. 

Auf  welche  Weise  werden  nun  die  Ratten  von  diesen  Parasiten 
infiziert? 

Rabinowitsch  und  Kempner  (4),  sowie  Laveran  und 
Mesnil  (5)  beschuldigen  Flöhe  und  Läuse  als  Überträger  der  In- 
fektion. Diese  Parasiten  beißen,  nachdem  sie  sich  an  Blut  von 
mit  Trypanosomen  infizierten  Tieren  vollgesogen  haben,  gesunde 
Tiere  und  infizieren  dieselben  auf  diese  Weise.  Laveran  und 
Mesnil  fanden  im  Magen  von  Läusen  in  hämolysiertem  Blute 
wohlerhaltene  Trypanosomen.     Dasselbe  sahen  Rabinowitsch  und 


')  Trypanosoma  Lewisi  halten  viele  Autoren  für  nichtpathogen. 

2)  Dank  der  größeren  Zahl  untersuchter  Ratten  sind  wir  gegenwartig 
imstande,  die  Infektionsziffer,  die  wir  in  einer  früheren  Veröffentlichung  mit- 
geteilt hatten  (über  50%),  zu  berichtigen. 


—     343     — 

Kempner  bei  Flöhen:  Sie  zerrieben  Flöhe  in  physiologischer  Koch- 
salzlösung, injizierten  diese  Emulsion  gesunden  Ratten  intraperi- 
toneal und  erzielten  hierbei  in  drei  Fällen  fünfmal  die  Infektion. 
Dasselbe  bestätigen  auch  Sivori  und  Lecler  ((>). 

Aus  diesem  Grunde  kann  man  also  schon  theoretisch  an- 
nehmen, daß  die  Ratten  beim  engen  Zusammenleben  durch  Ver- 
mittlung dieser  Insekten  infiziert  werden.  Einen  tatsächlichen 
Beweis  hierfür  haben  Rabinowitsch  und  Kempner  (4),  sowie 
Laveran  und  Mesnil  (5)  erbracht,  indem  sie  kranke  Ratten  mit 
gesunden  zusammensetzten  oder  Flöhe  von  kranken  auf  gesunde 
Ratten  übersiedeln  ließen. 

Wir  konnten  dasselbe  beobachten. 

Am  9.  Oktober  1902  wurden  sechs  weiße  Ratten  paarweise, 
und  zwar  je  eine  gesunde  mit  je  einer  infizierten,  zusammengesetzt. 

Am  5.  Dezember  fanden  sich  bei  einer  von  den  drei  gesunden 
Ratten  Trypanosomen. 

Ist  nun  dieser  Infektionsmodus  durch  Vermittlung  von  Insekten 
der  einzige? 

Vor  allem  wollen  wir  uns  folgende  Tabelle,  in  der  die  Anzahl 
der  gefangenen  Ratten  nach  Monaten  angegeben  ist,  ansehen. 


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Ratton 

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Ö 

mit  Trypanosomen  .  . 

6 

3      4     6    4 

-89 

1      5 

9 

7 

62 

1 

(41,3%) 

ohne  Trypanosomen   . 

2  i  6      9.    7  1  2 

—     2 1   8 

— 

6   22 

24 

88 

1 

i 

i             i 

(58,7»/,) 

Im  Ganzen 

8 

9 

13 

13 

6 

—  !io 

17 

1 

11 

31 

31 

150 

Wir  mttUtSn  erwarten,  daß  die  Zahl  infizierter  Tiere  in  der 
kalten  Jahreszeit  (Oktober  bis  März),  während  der  die  Ratten 
dichter  zusammenleben,  also  Insekten  leichter  von  einem  Tier  zum 
anderen  hinüberwandern  können,  relativ  größer  sei,  als  in  der 
warmen  Jahreszeit  (April  bis  August). 

In  Wirklichkeit  jedoch  sehen  wir  dieses  nicht.  Gerade  in 
der   warmen  Jahreszeit   erwiesen   sich   von  46  Ratten  58,7  °/0  als 


—     344    — 

infiziert,  während  in  der  kalten  Jahreszeit  von  104  Ratten  nur 
33,6  °/0  infiziert  waren. 

Deshalb  ist  anzunehmen,  daß  die  Übertragung  von  Trypano- 
somen durch  Insekten  nicht  den  einzigen  Infektionsmodus  darstellt, 
und  wir  müssen  nach  anderen  Wegen  der  Verbreitung  von  Trypano- 
somen unter  den  Ratten  suchen. 

In  dieser  Beziehung  wäre  zunächst  darauf  hinzuweisen,  daß 
Ratten  durch  Bisse,  bei  denen,  wie  das  vor  kurzem  Lignieres  (21) 
bewiesen  hat,  Trypanosomen  auf  gesunde  Tiere  übertragen  werden, 
einander  infizieren  können.  Ferner  muß  man  auch  die  Gewohnheit 
der  Ratten,  ihre  sterbenden  oder  toten  Genossen  zu  verzehren,  in 
Betracht  ziehen. 

Es  braucht  wohl  kaum  hervorgehoben  zu  werden,  daß  in  den 
Fällen,  in  denen  die  Ratten  mit  Schrunden,  Geschwüren  oder  Riß- 
wunden in  der  Mundhöhle  behaftet  sind,  die  Invasion  von  Trypano- 
somen beim  Verzehren  infizierter  Kadaver  unbestreitbar  möglich  ist. 
Aber  auch  in  den  Fällen,  in  denen  solche  Verletzungen  fehlen,  ist 
eine  Infektion  durch  gesunde  Schleimhäute  nicht  zurückzuweisen. 
So  konnten  wir  in  Gemeinschaft  mit  Fräulein  N.  Schiller  (7)  nach- 
weisen, daß  eine  Infektion  unserer  Versuchstiere  mit  verschiedenen 
Trypanosomen  durch  die  Schleimhäute  des  Verdauungstraktus  in 
53°/0  sämtlicher  Fälle  zustande  kam. 

Wir  machten  speziell  drei  Fütterungsversuche  mit  Substanzen, 
die  Trypanosoma  Lewisi  enthielten  und  kamen  in  sämtlichen  drei 
Fällen  zu  einem  positiven  Ergebnis. 

Erste  Beobachtung.  Am  14.  Januar  1903  wurden  einer  weißen  Ratte 
die  parenchymatösen  Organe  einer  mit  Tryp.  Lewisi  infizierten  anderen  weißen 
Ratte  zum  Fressen  gegeben. 

Am  1.  Februar  fanden  sich  Trypanosomen  im  Blute. 

Zweite  Beobachtung.  Am  10.  April  1906  wurden  die  parenchyma- 
tösen Organe  einer  infizierten  grauen  Ratte  an  zwei  weiße  Ratten  verfüttert. 
15.  April:  Keine  Trypanosomen.  19.  April:  Es  finden  sich  Trypanosomen  im 
Blute  der  Ratten.  In  Anbetracht  ihrer  Menge  ist  anzunehmen,  daß  sich  die 
Parasiten  bereits  am  18.  April  oder  sogar  schon  am  17.  April  im  Blute  der 
beiden  Tiere  gezeigt  haben. 

Vor  Beginn  der  Fütterung  war  das  Blut  unserer  Tiere  mit  negativem 
Resultat  auf  das  Vorhandensein  von  Trypanosomen  untersucht  worden. 

Francis  (8)  sieht  die  Möglichkeit  einer  peroralen  Infektion 
als  unbedingt  an.  Er  flößte  zwölf  Ratten  mit  Trypanosomen  in- 
fiziertes Blut  in  den  Magen  ein,  und  von  diesen  wurden  elf  infiziert. 
Beim  Verzehren  ihrer  infizierten  Genossen  aber  hatte  er  von  sieben 


—     345     - 

weißen  Ratten  bei  fünf  Exemplaren  und  bei  fünf  grauen  Ratten  ein 
positives  Resultat  zu  verzeichnen. 

Wir  finden  es  also,  trotz  der  negativen  Versuchsergebnisse  von 
Rabinowitsch  und  Kempner,  sowie  von  Laveran  und  Mesnil, 
durchaus  nicht  unmöglich,  daß  die  Trypanosomose  der  grauen 
Ratten  außer  durch  Insekten  auch  auf  peroralem  Wege  (namentlich 
wenn  die  Gefräßigkeit  dieser  Tiere  in  Betracht  gezogen  wird), 
selbst  bei  intakter  Schleimhaut  des  Verdauungstraktus,  weiter  ver- 
breitet werden  kann. 

Ist  nun  das  Trypanosoma  Lewisi  für  Ratten  pathogen  oder 
ist  es  für  diese  ganz  unschädlich? 

Die  Angaben  der  verschiedenen  Autoren  gehen  in  diesem 
Punkte  weit  auseinander.  Was  zunächst  die  künstlich  mit  Tryp. 
Lewisi  infizierten  weißen  und  scheckigen  Ratten  betrifft,  so  be- 
haupten einige,  daß  auf  sie  diese  Trypanosomen  keine  pathogene 
Wirkung  ausüben  [Rabinowitsch  und  Kempner  (4),  Laveran 
und  Mesnil  (2),  (5),  Mußgrave  und  Clegg  (9)].  Andere  erkennen 
seine  Pathogenität  an  (Francis  8).  Wieder  andere  endlich  geben 
sie  nur  bedingt  zu.  Jürgens  (10)  z.B.  spricht  von  der  Patho- 
genität des  Tryp.  Lewisi  für  junge  Ratten  (für  16  von  47),  Mc  Xeal 
und  Novy  (11)  behaupten,  daß  die  Trypanosomen  einer  bestimmten 
Provenienz  pathogen  sein  können,  diejenigen  einer  anderen  wieder 
nicht. 

Was  nun  die  wild  lebenden  Ratten  anbetrifft,  so  sind  unsere 
diesbezüglichen  Kenntnisse  sehr  karg.  Tartakowsky  z.  B.  be- 
hauptet, daß  das  Trypanosoma  Lewisi  einen  für  sie  pathogenen 
Parasiten  darstellt,  da  seine  Ratten  trotz  ergiebiger  Nahrung  pro- 
gressiv abmagerten  und  vor  ihrem  Tode  einen  hohen  Grad  von 
Inanition  erreichten.  Schalaschnikow  macht  keine  näheren  An- 
gaben,  jedoch  gingen  bei  ihm  einige  Ratten  zugrunde.  Die  voll- 
kommene Unschädlichkeit  des  Parasiten  erkennen  sein  Entdecker 
Lewis,  sowie  Danilewsky  und  Crookshank  (13)  an.  Laveran 
und  Mesnil  (2)  meinen,  daß  die  spontane  Infektion  von  wild 
lebenden  Ratten  augenscheinlich  gut  vertragen  wird. 

Inbetreff  der  Angaben  Tartakowsky s  müssen  wir  bemerken, 
daß  sie  wohl  kaum  in  Betracht  kommen,  da  er  Trypanosoma  Lewisi 
mit  Trypanosoma  Evansi  verwechselt  hat. 

Entsprechend  unseren  Untersuchungen  an  natürlich  infizierten 
grauen  und  künstlich   infizierten   weißen  Ratten  ist  Tryp.  Lewisi 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  4/5.  23 


—     346     - 


für  weiße  Ratten  pathogen,  jedoch  nur  bedingt:  Mit  diesem  Para- 
siten infizierte  Ratten  lebten  bei  mir  zuweilen  sehr  lange  nach  der 
Infektion  (bis  zu  drei  Monaten). 

Jedenfalls  wirkt  das  Tryp.  Lewisi  auf  den  Organismus  wohl 
kaum  so  schädlich  ein,  wie  die  pathogenen  Trypanosomen  (Nagana, 
Mal  de  Caderas,  Surra,  Dourine,  El-Debub  u.  a.).  Unter  anderem 
äußert  sich  die  schädliche  Wirkung  der  pathogenen  Trypanosomen 
in  Verarmung  des  Blutes  an  roten  Blutkörperchen,  die  freilich  an 
sich  für  die  Tiere  nicht  tödlich  ist  (der  Tod  bei  Trypanosomoseu 
wird  vielmehr  durch  die  Konkurrenz  einer  ganzen  Reihe  von  Ur- 
sachen bedingt).  In  einer  unserer  Arbeiten  haben  wir  den  Prozent- 
satz der  zugrunde  gehenden  Erythrozyten  bei  Nagana  und  Mal  de 
Caderas  berechnet  und  gefunden,  daß  er  bei  ihnen  bis  zu  40,  50, 
55  und  sogar  67%  beträgt. 

Wir  zählten  die  roten  Blutkörperchen  und  die  Trypanosomen 
im  Blute  von  auf  natürlichem  Wege  mit  Trypanosomose  infizierten 
grauen  Ratten  und  fanden  in  1  Kubikmillimeter  folgende  Mengen: 


Anzahl  der 

Erythrozyten  in 

1  cbmin 


Anzahl  der 

Trypanosomen  in 

1  cbmm 


Junge      graue 

Ratte  Nr.  1     . 

6464000 

14  588 

n                      p 

„ 

Nr.  2     . 

5  652000 

3125 

r>                     n 

V 

Nr.  3     . 

8  608  000 

8385 

v                      » 

r 

Nr.  4     . 

.    |          7312000 

1047 

Erwachsene    „ 

T* 

Nr.  5     . 

.    ,          5088000 

8  333 

»            » 

r> 

Nr.  6     . 

5456000 

2084 

Ohne  aus  diesen  spärlichen  Beobachtungen  endgültige  Schlüsse* 
zu  ziehen,  können  wir  uns  jedoch  der  Bemerkung  nicht  enthalten, 
daß  bei  all  diesen  grauen  Ratten  die  Trypanosomen  augenscheinlich 
wenig  auf  die  roten  Blutkörperchen  eingewirkt  hatten.  In  der  Tat 
ist  bei  denjenigen  Ratten,  die  die  größte  Anzahl  von  Trypanosomen 
aufweisen  (Nr.  1  und  3),  nichtsdestoweniger  die  Erythrozytenzahl 
eine  größere  (6  464  000  und  8  608  000),  und  andererseits  bei  den- 
jenigen, die  weniger  Trypanosomen  enthielten  (Nr.  2  und  6),  eine 
geringere  (5  052  000  und  5  456  000). 

Das    Verhältnis   der   Trypanosomenanzahl    zur   Krythrozyten- 
anzahl  aber  ist  in  unseren  Fällen  folgendes: 


—     347 


bei  Ratte  Nr.  1     . 

.     1:    440 

bei  Ratte  Nr.  4     . 

.     1  :  6983 

•       .       Nr.  2     . 

.     1:1776 

„       Nr.  ö     . 

.     1:    610 

„       .       Nr.  3     . 

..    1:1093 

-       Nr.  6     . 

.     1:2138 

Wir  sehen  also,  daß  bei  der  natürlichen  Infektion  mit  Tryp. 
Lewisi  bei  grauen  Ratten  niemals  so  kolossale  Mengen  der  Para- 
siten zu  finden  sind,  wie  bei  den  an  Nagana  erkrankten  Ratten 
(bis  zu  1 309  000  in  1  Kubikmillimeter).  Auch  das  Verhältnis 
zwischen  Trypanosomenquantität  und  Erythrozytenmenge  ist  hier 
gleichfalls  kein  so  enges  (höchstens  1  :  440),  wie  bei  der  Nagana, 
wo  es  1 : 2  bis  1  : 3  beträgt.  Wir  haben  freilich  auch  bei  Katten- 
trypanosomen  kein  so  enges  Verhältnis  zwischen  Parasiten-  und 
Erythrozytenquantität  beobachtet,  wie  Laveran  und  Mesnil.  Diese 
Autoren  behaupten,  daß  das  Verhältnis  bei  natürlicher  Infektion 
1 : 2  bis  1  :  3  beträgt  und  daß  in  Ausnahmefallen  sogar  1  —2  Para- 
siten auf  ein  rotes  Blutkörperchen  kommen. 

Wie  sich  also  erweist,  wirken  die  Trypanosomen  der  Peters- 
burger grauen  Ratten  nicht  so  verderblich  auf  das  Blut  ein,  wie 
die  Naganatrypanosomen. 

Eine  der  schädlichen  Wirkungen  des  Vorhandenseins  von 
Trypanosomen  im  Blute  ist  folglich  bei  Infektion  mit  Tryp.  Lewisi 
ausgeschlossen,  ganz  abgesehen  davon,  daß  die  „pathogenen"  Try- 
panosomen die  Ratten  im  Laufe  mehrerer  Tage  töten,  was  für 
Trypan.  Lewisi  nicht  zutrifft. 

Weiter  stellten  wir  einige  Beobachtungen  über  die  Lebens- 
fähigkeit des  Tryp.  Lewisi  an.  Wir  gössen  trypanosomenhaltiges 
Blut  in  Probiergläschen  und  erwärmten  sie  bei  verschiedener  Tem- 
peratur im  Wasserbade. 

Es  starben  die  Trypanosomen: 
bei  40°  C  nach  7  Stunden  bei  46°  C  nach  6  Minuten 

„    43°  C      „      1  Std.  10  Min.  *   47°  C      „      5 

r    44°  C      „      50  Minuten  „    48°  C      „      2 

„    45°  C      „        9  „    50°  C      .      2-3  „ 

Diese  Zahlen  sind  mit  denjenigen  anderer  Autoren  fast 
identisch.  Bei  Jürgens  lebten  die  Trypanosomen  bei  37°  2—4 
Tage,  bei  Laveran  und  Mesnil  bei  50°  5  Minuten.  Jürgens 
hat  aber  auch  Trypanosomen  gesehen,  die,  ohne  ihre  pathogene 
Wirkung  einzubüßen,  im  Laufe  von  zwei  Stunden  eine  Temperatur 
von  50°  C  mit  darauffolgender  allmählicher  Abkühlung  ertrugen, 
jedoch  wirkte  Erhitzung  auf  57  °  auf  sie  tödlich  ein. 

23* 


—     348     — 

Unseren  Beobachtungen  nach  gehen  die  Nagana-Trypanosomen 
nicht  zugrunde,  wenn  man  sie  im  Wasserbade  eine  Stunde  lang  auf 
41  °  C  oder  aber  2  Stunden  15  Minuten  auf  40  °  C  erhitzt,  und  die 
mit  derartig  erwärmtem  Blut  infizierten  Tiere  erkranken,  wenn 
auch  mit  einiger  Verspätung;  drei  Stunden  langes  Verweilen  bei 
diesen  Temperaturen  tötet  die  Parasiten  unfehlbar.  Ebenso  werden 
die  Parasiten  der  Nagana  getötet  durch  eine  Erwärmung  von  fünf 
Minuten  auf  45  °  C,  von  20  Minuten  auf  44  °  C,  von  25  Minuten 
auf  43  °  C  und  von  40  Minuten  auf  42  °  C,  und  es  bleiben  mit  der- 
artigem Blut  infizierte  Tiere  intakt. 

Was  die  Trypanosomen  des  Mal  de  Caderas  anbetrifft,  so  haben 
wir  gefunden,  daß  eine  Temperatur  von  40°  C  dieselben  in 
4V2  Stunden,  von  41  °  C  in  4  Stunden,  von  42  °  C  in  40  Minuten, 
von  44°  C  in  12  Minuten  und  von  45°  C  in  6  Minuten  tötet. 

Aus  diesen  Angaben  ersehen  wir,  daß  das  Tryp.  Lewisi  einen 
resistenteren  Organismus  darstellt,  als  die  Erreger  der  Nagana  und 
des  Mal  de  Caderas. 

In  gleicher  Weise  versuchten  wir  Blut,  das  Tryp.  Lewisi  ent- 
hielt, bei  15°  C  aufzubewahren.  Unsere  diesbezüglichen  Beob- 
achtungen ergaben  folgende  Resultate: 

In  einer  ersten  Beobachtung  fanden  wir,  daß  die  Bewegungen 
der  Trypanosomen  nach  zwei  Tagen  anfingen,  weniger  energisch 
zu  sein.  Vom  dritten  Tage  an  begannen  die  Trypanosomen  zu- 
grunde zu  gehen ;  die  Bewegungen  der  überlebenden  wurden  immer 
träger,  bis  sie  am  15.  Tage  völlig  aufhörten.  In  zwei  weiteren 
Beobachtungen  lebte  Trypanosoma  Lewisi  bei  15°  C  nur  14  Tage. 

Vergleichen  wir  hiermit  unsere  Erfahrungen  über  die  Lebens- 
fähigkeit der  Trypanosomen  der  Nagana  und  des  Mal  de  Caderas 
bei  fast  gleicher  Temperatur,  so  finden  wir,  daß  die  pathogenen 
Trypanosomen  weniger  lebensfähig  sind,  als  die  Trypanosomen  der 
grauen  Ratten   (die  ersteren   leben   bei  19°  C  höchstens  6  Tage). 

Diese  unsere  Beobachtungen  stimmen  mit  denjenigen  anderer 
Autoren  überein.  Bei  Danilewsky  (14)  lebten  die  Parasiten  unter 
denselben  Bedingungen  8—9  Tage,  junge  Exemplare  aber  sogar 
10 — 12  Tage;  bei  Laveran  und  Mesnil  lebten  die  Trypanosomen 
im  Sommer  im  Laboratorium  4  Tage,  im  Winter  aber  (mit  Ratten-, 
Hühner-  und  Taubenserum  vermengt)  18  Tage. 

Bei  37  °  C  im  Brutschrank  lebten  unsere  Trypanosomen  ca. 
drei  Tage. 


—     349     — 

Auch  in  diesem  Falle  sind  die  Trypanosomen  der  grauen 
Ratten  lebensfähiger,  als  die  Trypaaosomen  der  Nagana  und  des 
Mal  de  Caderas,  die  nicht  einmal  einen  Tag  lang  die  Brutschrank- 
temperatur vertragen. 

Bei  niedriger  Temperatur  (— 17,5°C)  lebten  unsere  Trypano- 
somen in  einem  Falle  über  zwei  Tage.  Das  Blut  war  in  Kapillar- 
röhrchen  gefüllt  und  im  Freien  in  Schnee  aufgestellt.  Nach  zwei- 
mal 24  Stnnden  waren  noch  lebende  Trypanosomen  vorhanden. 
Nach  weiteren  14  Stunden  fanden  sich  nur  noch  tote.  Trypanosomen. 
Derselbe  Befund  konnte  bei  einem  zweiten  Versuch  erhoben  werden: 

Um  die  Mittagszeit  wurde  Blut  in  Kapillarröhrchen  im  Freien  einer 
Temperatur  von  — 11°  C  ausgesetzt.  Im  Laufe  der  Nacht  stieg  die  Temperatur 
auf  —2°  C.  Die  Trypanosomen  lebten  noch  um  die  Mittagszeit  des  zweit- 
folgenden Tages,  und  erst  am  Nachmittag  des  dritten  Tages  waren  keine 
lebenden  Trypanosomen  mehr  vorhanden. 

In  diesem  Punkte  gehen  unsere  Beobachtungen  mit  denjenigen 
von  Jürgens  etwas  auseinander.  Bei  ihm  lebte  nämlich  das  Tryp. 
Lewisi  bei  einer  Temperatur  von  —2  bis  —8°  C  im  Durchschnitt 
acht  Tage. 

Unseren  Beobachtungen  nach  leben  die  Trypanosomen  der 
Nagana  und  des  Mal  de  Caderas  bei  dieser  Temperatur  ebenso 
lange,  wie  das  Tryp.  Lewisi. 

Bei  noch  niedrigerer  Temperatur,  in  einem  Gemisch  von  Schnee 
und  Salz,  lebten  unsere  Trypanosomen  nur  sehr  kurze  Zeit. 

Als  das  Rattenblut,  in  Kapillarröhrchen  eingeschmolzen,  in  ein  Probier- 
glas gestellt  wurde,  das  sich  in  der  Kältemischung  befand,  betrug  die  Tem- 
peratur in  demselben  —19°  C,  nach  weiteren  10  Minuten  —20°  C.  Bei  genauer 
Beobachtung  fand  sich  nach  25  Minuten  bei  dieser  Temperatur  nur  noch  ein 
Trypanosoma,  das  durch  seine  trägen  Bewegungen  die  Eiskristalle  auseinander- 
schob. Nach  einer  Stunde  bei  einer  Temperatur  von  —19°  C  waren  keine 
beweglichen  Trypanosomen  mehr  zu  sehen. 

Bei  Laveran  und  Mesnil  war  Blut,  das  im  Laufe  von  zwei 
Stunden  in  einem  Gemisch  von  Schnee  und  Salz  (wo  die  Temperatur 
zwischen  —15,5  und  —18,5°  C  schwankte)  gestanden  hatte  und 
darauf  wieder  erwärmt  worden  war,  trotzdem  ansteckend,  obgleich 
die  meisten  Trypanosomen  ihre  Beweglichkeit  eingebüßt  hatten. 

Wir  verfolgten  die  Beweglichkeit  unserer  Trypanosomen  auch 
auf  dem  Objektträger,  obgleich  wir  dfeser  Untersuchungsmethode 
keine  große  Bedeutung  beimessen  können.  Die  Ergebnisse  unserer 
Beobachtungen  waren  folgende: 


-    350    — 

Wurde  Blut  bei  +4  °  C  aufbewahrt,  so  sah  man  in  demselben 
die  Trypanosomen  noch  nach  einem  Tage  sich  bewegen;  nach  zwei 
Tagen  lagen  sie  alle  unbeweglich.  Genau  den  gleichen  Befund  er- 
hielten wir  bei  +12  °  0.  Wenn  aber  das  Blut  bei  37  °  V  gehalten 
wurde,  so  war  schon  nach  24  Stunden  keine  Bewegung  mehr  zu 
erkennen. 

Kommt  nun  das  Trypanosoma  Lewisi  bei  weißen  Ratten  spontan 
vor?  Schalaschnikow  (12)  sagt,  daß  er  diesen  Parasiten  im  Blut 
von  aus  St.  Petersburg  mitgebrachten  weißen  Ratten  gesehen  hat. 
Tartakowsky  (3)  behauptet,  daß  es  bei  weißen  und  scheckigen 
Ratten,  die  in  den  Laboratorien  St.  Petersburgs  gezüchtet  werden, 
wenn  auch  selten,  so  doch  immerhin  vorkommt. 

Wir  untersuchten  mehrere  Hundert  weißer  und  scheckiger 
Ratten  und  haben  bei  ihnen  nie  ein  Trypanosoma  ausfindig  machen 
können.  Dasselbe  geben  auch  andere  Autoren  an  [Kaestner  (17) 
u.  a.].  Übrigens  darf  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen  werden, 
daß,  wenn  weiße  und  graue  Ratten  zusammenleben,  die  ersteren  an 
Trypanosomose  erkranken  können.  Ein  solcher  Fall  wurde  in 
unserem  Laboratorium  beobachtet,  wo  weiße  Ratten,  die  in  einem 
hölzernen  Kasten  lebten,  in  ihrem  Blut  Trypanosomen  enthielten. 
Weitere  Beobachtung  ergab,  daß  durch  ein  Loch  in  diesem  Kasten 
eine  graue  Ratte  hineingelangte.  Über  zwei  ähnliche  Fälle  berichtet 
auch  Terry  (18). 

Es  fragt  sich  nun,  ob  auch  andere  Tiere  durch  das  Trypano- 
soma Lewisi  infiziert  werden  können?  Stellen  wir  uns  auf  den 
Standpunkt  von  Tartakowsky  (3),  daß  das  Trypanosoma  der 
St.  Petersburger  grauen  Ratten  und  der  Parasit  der  indischen 
Surra  identisch  sind  („man  darf  annehmen,  daß  auch  bei  Ratten 
die  Trypanosomen  eine  Krankheit  hervorrufen,  die  mit  vollem 
Recht  als  Surra  bezeichnet  werden  kann.  Da  die  Surra  den  oben 
angeführten  Daten  nach  unter  den  Ratten  St.  Petersburgs  nicht  zu 
den  Seltenheiten  gehört  .  .  ."),  so  müssen  wir  erwarten,  daß  auch 
andere  Tiere  durch  sie  infiziert  werden  können.  Tartakowsky 
verwechselt  jedoch  augenscheinlich  zwei  ganz  verschiedene  Dinge: 
Sind  die  Petersburger  Ratten  mit  Tryp.  Lewisi  infiziert,  so  leiden 
sie  nicht  an  Surra  und  umgekehrt.  Weder  die  übrigen  Autoren 
noch  auch  wir  selbst  konnten  jemals  eine  Infektion  bei  anderen 
Tieren  hervorrufen.  Ganz  ohne  Erfolg  versuchten  wir  zahlreiche 
weiße  Mäuse,  Meerschweinchen,  Kaninchen,  Katzen,  Hunde,  Hühner, 


—     351     — 

Tauben  und  Frösche  mit  dem  Trypanosoma  der  Petersburger  Ratten 
zu  infizieren.  Die  Infektion  nahmen  wir  subkutan,  intraperitoneal 
und  sogar  bei  einigen  Tieren  intravenös  vor,  jedoch  erkrankte  nie 
ein  einziges  von  den  Tieren.  Aus  der  Literatur  ist  bekannt,  daß 
nur  sehr  junge  Meerschweinchen  mit  dem  Tryp.  Lewisi  infiziert 
werden  können  und  daß  selbst  hier  der  Parasit  sehr  bald  aus  dem 
infizierten  Organismus  verschwindet. 

Es  liegt  also  kein  Grund  vor,  die  Verbreitung  der  Trypanoso- 
mose  unter  den  Tierbeständen  St.  Petersburgs  zii  befürchten,  da 
das  im  Blut  der  grauen  Ratten  lebende  Trypanosoma  nur  Ratten 
und  sonst  keine  andere  Tierart  infiziert. 


Literatur. 

1.   Lewis,  Annual  Report  of  san.  com.  with  ftov.  of  India.   1878.    Zit.  nach 

Laveran  und  Mesnil. 
2    Laveran  et  Mesnil,  Trypanosom  es  et  Trypanosomiases.  Paris  1904. 

3.  M.  G.  Tartakowsky,  Über  Surra  der  grauen  Ratten  (Mus  decumanus). 
Archiv  Weterinarnych  Nauk,  1901,  Bd.  XI  (Russisch). 

4.  Rabinowitscb  und  Kempner,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Blutparasiten, 
speziell  der  Ratten -Trypanosomen.  Zeitschr.  f.  Hyg.  1899.  Bd.  XXX.  — 
Die  Trypanosomen  in  der  Menschen-  und  Tierpathologie.  Zentralbl.  f. 
Bakt.    Originale,  Bd.  XXXIV.   1903. 

5.  Laveran  et  Mesnil,  Recherches  morphologiques  et  experi  mentales  sur 
le  Trypanosome  des  rats.    Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.   T.  XV.    1901. 

6.  Sivori  et  Lecler,  Ann.  du  Min.  d'Agriculture.  Zit.  nach  Laveran  et 
Mesnil. 

7.  W.  L.  Yakimoff  und  Nadeshda  Schiller,  Zur  Trypanosomeninfektion 
durch  die  Schleimhaut  des  Verdauungstraktus.  Zentralbl.  f.  Bakt.  Orig.  1907. 

8.  Francis,  Bull.  No  11  Hyg.  Lab.  U.  S.  Pub.  Health  and  Mar.  Hosp.  Serv. 
Washington,  1903.    Zit.  nach  Laveran  et  Mesnil  und  Mc  Neal  und  Novy. 

9.  Mussgrave  and  Clagg,  Trypanosoma  and  Trypanosomiasis,  with  special 
reference  to  Surra  in  the  Philippino  Islands.  Biological  Lab o rat.,  Manilla. 
No.  5.   1903. 

10.  Jürgens,  Beitr.  zur  Biologie   der  Ratten-Trypanosomen.    Archiv  f.  Hyg. 
Bd.  XLII.   1902. 

11.  McNeal  and  Novy,  The  Life  History  of  Trypanosoma  Lewisi  and  Tryp. 
Brncei.    Journ.  of  infect.  Diseases.   1904.    No.  4. 

12.  Schalaschnikow,  Untersuchungen  über  den  Blutparasitismus  von  Kalt- 
und  Warmblütern.    Archiv  Weterinarnych  Nauk.  1888.   Bd.  II.  (Russisch.) 


—    352    — 

13.  Crookshank,  Flagellated  Organismus  in  the  blood.  Journ.  of  the  R. 
Soc.    Nov.  1886. 

14.  W.  J.  Danilewsky,  Untersuchungen  über  vergleichende  Parasitologie. 
1888.   (Russisch.) 

15.  W.  L.  Yak  im  off,  Zur  Frage  von  den  Blutveränderungen  bei  experimen- 
tellen Trypanosomosen.  Wjestnik  Obschtschestwennoi  Weterinaryi.  1905. 
Nr.  24  [vorläufige  Mitteilung]  (Russisch),  cf.  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  Ref. 
Bd.  XXXVIÜ,  1906. 

16.  W.  L.  Yakimoff,  Zur  Biologie  der  Trypanosomen  der  Nagana  und  des 
Mal  de  Caderas.    Zentralbl.  f.  Bakt.   Origin.    1904.    Bd.  XXXVII. 

17.  Paul  Kaestner,  Die  tierpathogenen  Protozoen.   Berlin  1906. 

18.  B.  T.  Terry,  An  epidemie  of  Trypanosomiasis  among  white  rata.  Trans. 
Chicago  path.  Soc.  T.  VI.  avr.  1905. 

19.  Alvares,  Sur  la  frequence  des  Trypanosomes  de  Lewis  chez  les  rats  a 
Lisbonne.   C.  R.  du  XV  Congres  internat.  de  medeciue,  1906,  III.  Section. 

20.  Hultgen,  Preliminary  Report  on  the  Trypanosoma  Lewisi  in  Chicago. 
Trans.  Chic.  path.  Soc.  T.  VI.  Dec.  1905.  Zit.  nach  Bull,  de  l'Inst.  Pasteur. 
No.  11.   1906. 

21.  Ligniere  s,  Les  maladies  tropicales  des  animauz  domestiques.  Vortrag, 
gehalten  auf  dem  tierärztlichen  Kongreß  zu  Budapest  1905. 


Über  die  Resistenzerhöhung  bei  der  Schutzimpfung 
gegen  die  Rotlaufseptikämie. 

Von 
M.  Prettner, 

Tierant  in  Prag. 

Die  Tatsache,  daß  das  Überstehen  einer  Infektionskrankheit 
einen  verschieden  langen  Schutz  gegen  eine  neuerliche  Infektion 
gleicher  Art  verleiht,  bildet  bekanntlich  die  Grundlage  der  künst- 
lichen Immunisierung  mittelst  der  als  Ursache  verschiedener  Seuchen 
erkannten  Bakterien. 

Es  wurden  auf  Grund  der  Beobachtung,  daß  auch  das  Über- 
stehen einer  Infektion  in  leichter  Form  Schutz  gegen  eine  solche 
schwerer  Art  verleiht,  hauptsächlich  abgeschwächte  Krankheits- 
erreger zur  aktiven  Immunisierung  verwendet. 

Der  Begründer  der  planmäßigen  aktiven  Immunisierung, 
Pasteur,  impfte  mit  abgeschwächten  Rotlaufbazillen  gegen  die 
Rotlaufseptikämie  der  Schweine  zuerst  im  Jahre  1882  in  dem  von 
Rotlauf  schwer  heimgesuchten  Departement  Vaucluse.  Der  Erfolg 
war  sehr  befriedigend;  in  den  Versuchsherden  kamen  keine  neuen 
Erkrankungsfälle  mehr  vor.  In  den  Jahren  1886—1897  wurden 
118  229  Schweine  geimpft,  der  Verlust  bezifferte  sich  auf  1,68%, 
während  er  vor  der  Impfling  20°/0  betragen  hatte. 

Der  Pasteur  sehe  Rotlaufimpfstoff  verleiht  den  Tieren  zwar 
einen  genügenden  Schutz,  verursacht  aber  ziemlich  bedeutende  Impf- 
verluste. Nach  der  Impfung  mit  Pasteurschen  Kulturen  entsteht 
eine  allgemeine,  fieberhafte  Reaktion,  die  tagelang  andauert.  Wäh- 
rend dieser  entwickeln  sich  in  dem  Körper  die  Schutzstoffe.  Es 
zeigte  sich,  daß  neun  Tage  nach  der  Pasteurschen  Impfung  noch 
lebende  Rotlaufbakterien  im  Blute  der  Impflinge  vorhanden  waren. 
Diese  Bakterien  töteten  Mäuse  binnen  vier  Tagen  (Voges  und 
Schütz).    Der  Schutz,   den   die  Pasteursche   Impfung  gewährt, 


—     354    — 

ist  ein  langandauernder,  die  Gefahr,  daß  die  Schweine  an  Impf- 
rotlauf erkranken,  ist  jedoch  ziemlich  groß. 

Heutzutage  bedient  man  sich  zur  Schutzimpfung  gegen  den 
Schweinerotlauf  weniger  der  Pasteur sehen,  als  vielmehr  fast  aus- 
schließlich der  verbesserten  Methode  von  Lorenz,  die  in  einer  Kom- 
bination passiver  und  aktiver  Immunisierung  (Verimpfung  von  Rot- 
laufserum und  Rotlaufkultur)  besteht.  Einzelne  Autoren  haben 
gegen  diese  Methode  auf  Grund  theoretischer  Erwägungen  Einwände 
erhoben,  indem  sie  anführten,  daß  das  Rotlaufserum,  wenn  es  bak- 
terizid wirke,  die  Wirkung  der  mitgeimpften  Rotlauf bazillen  aufheben 
müsse,  da  es  sie  abtöte,  und  wenn  es  antitoxisch  wirke,  die  Rotlauf- 
bazillengifte paralysiere.  Deshalb  könne  die  durch  die  Kultur- 
impfung erzeugte  aktive  Immunität  nicht  bedeutend  sein,  und  daher 
könne  auch  die  Dauer  des  Impfschutzes  nur  gering  sein  (Voges). 
Wenn  diese  auf  theoretischem  Wege  gewonnenen  Schlüsse  auch  nicht 
zutreflFen,  so  ist  der  Mechanismus  der  kombinierten  Rotlaufschutz- 
impfung nach  Lorenz  (Simultanmethode)  keineswegs  theoretisch 
vollkommen  geklärt. 

Nach  dem  natürlichen  Überstehen  der  Rotlaufseptikämie  tritt 
in  der  Regel  eine  lebenslängliche  Immunität  gegen  Rotlauf  ein. 
Nach  der  Impfung  mit  Serum  und  lebenden  Rotlaufbazillen  da- 
gegen entsteht  nur  eine  verschieden  lange  Erhöhung  der  Resistenz 
der  Impflinge  gegen  Rotlauf.  Lorenz  hat  angegeben,  daß  diese 
nach  einmaliger  Impfung  fünf  bis  sechs  Monate  andauere. 

Die  Impflingen  in  der  Praxis  lehren  uns  jedoch,  daß  die  Re- 
sistenzerhöhung in  vielen  Fällen  von  weit  kürzerer  Dauer  ist.  Die 
Ursache  dieser  Erscheinung  suchte  man  zuerst  in  der  geringen  Virulenz 
der  benutzten  Kulturen  (die  sich  allerdings  zur  Vermeidung  des 
Impfrotlaufes  als  vorteilhaft  erwiesen  hat).  Da  mir  die  Virulenz  der 
Kulturen  für  die  Dauer  des  Impfschutzes  sehr  wesentlich  erschien, 
so  wurden  von  mir  bei  den  heurigen  Impfungen  nur  vollvirulente  Kul- 
turen (direkt  aus  Taubenblut  gezüchtet)  zur  Impfung  herausgegeben. 

Das  mit  diesen  Kulturen  zur  Impfling  versandte  Serum  war 
entsprechend  hochwertig,  und  zwar  schützten  0,3  cciri  eine  Taube 
gegen  0,5  cem  Kultur  (bei  getrennter  Impfling:  das  Serum  in  den 
einen,  die  Kultur  in  den  andern  Brustmuskel).  Auch  bei  der 
Mischungsmethode  schützten  0,1  cem  des  Serums  (nicht  konserviert) 
vollkommen  gegen  0.5  cem  Kultur.  Nur  in  zwei  Fällen  trat  bei 
der   Benutzung   dieser   Impfstoffe   in   der  Praxis   Impfrotlauf  auf. 


—    S55     - 

Trotz  der  Virulenz  der  Kultur  war  die  ResistenzerhÖhung  in  einigen 
Fällen  kürzer  als  erwartet. 

Der  Umstand,  daß  die  Simultanmethode  bei  der  Rotlauf- 
impfung keine  Immunität,  sondern  nur  eine  ResistenzerhÖhung  be- 
dingt, die  vielen  Schwankungen  unterliegt,  war  für  mich  die  Ver- 
anlassung, die  Bedingungen  dieser  Resistenzerhöhung  zum  Gegen- 
stand experimenteller  Studien  zu  machen;  die  dabei  gewonnenen 
Ergebnisse  sind  in  vorliegender  Arbeit  niedergelegt. 

Zunächst  wurde  der  Gehalt  des  Blutes  an  Schutzstoffen  bei  Schwei- 
nen, die  nach  der  Lorenzschen  Simultanmethode,  und  solchen,  die 
nach  der  Pasteurschen  Methode  geimpft  worden  waren,  untersucht. 

Nach  den  Angaben  von  Voges  und  Schütz  erwies  sich  das 
Serum  von  Schweinen,  die  die  Impfung  nach  Pasteur  überstanden 
hatten,  als  hochwertig,  indem  es  Tauben  in  der  Menge  von  0,1  cem 
gegen  eine  tödliche  Kulturmenge  schützte.  Diese  Angabe  wurde 
von  mir  experimentell  nachgeprüft. 

I.  Zwei  Schweine  —  Nr.  1  und  2  —  (einheimische  veredelte  Tiere, 
sechs  Monate  alt)  bekommen  je  0,5  cem  abgeschwächter  Rotlaufbazillenkultur 
(Kaninchenpassage  durch  zwei  Generationen)  subkutan  am  linken  Oberschenkel. 

Beide  Tiere  sind  am  dritten  Tage  nach  der  Impfung  leicht  krank, 
erholen  sich  jedoch  bald  wieder. 

Acht  Tage  später  wird' ihnen  Blut  entnommen.  Das  Serum  schützt 
in  der  Dosis  von  1,5  cem  gegen  0,5  cem  Kultur. 

Die  Schweine  bekommen  14  Tage  nach  der  ersten  eine  zweite  Injektion 
von  1  cem  virulenter  Rotlauf  bazillenkultur  (Taubenpassage).  Sie  reagieren  auf 
diese  Injektion  lediglich  mit  verminderter  Freßlust  während  zweier  Tage.  In 
ihrem  aus  der  Ohrvene  entnommenen  Blute  waren  zwei  Tage  nach  der  In- 
jektion virulente  Rotlauf  keime  nachweisbar. 

Nach  weiteren  acht  Tagen  wurde  den  Schweinen  neuerlich  Blut  ent- 
nommen. Das  gesammelte  Serum  schützt  Tauben  in  der  Dosis  von 
0,5  cem  gegen  0,5  cem  Kultur,  wie  das  folgende  Protokoll  zeigt: 

12.  Februar.  2  Tauben:  0,5  cem  Serum  von  Schwein  Nr.  1  am  rechten 
Flügel,  0,5  cem  Kultur  am  linken  Flügel. 

12.  Februar.  2  Tauben  werden  ebenso  geimpft,  jedoch  mit  Serum  von 
Schwein  Nr.  2. 

2  Kontrolltauben  erhalten  0,5  cem  Kultur  (ohne  Serum). 

Die  Kontrolltauben  sterben  in  2Va  Tagen,  während  die  mit  Serum  gleich- 
zeitig geimpften  am  Leben  bleiben. 

Es  vermag  also  der  Organismus  empfänglicher  Tiere  nach 
Injektion  relativ  geringer  Mengen  von  Infektionsstoff,  sofern  sich 
die  Bakterien  im  Körper  halten  können,  eine  recht  beträchtliche 
Menge  von  Schntzstoffen  zu  bilden. 


—     356     — 

II.  Zwei  weitere  Schweine  (desselben  Alters  wie  im  Versuch  Nr.I,  sie  stamm- 
ten von  demselben  Wurfe)  werden  nach  der  Simultanmethode  geimpft,  indem  jedes 
Tier  5  ccm  eines  hochwertigen  Serums  und  0,5  ccm  hochvirulenter  Kultur  erhält 

Acht  Tage  nach  der  Injektion  wird  den  Schweinen  Blut  entnommen. 
Das  Serum  erweist  sich  als  wirkungslos;  selbst  1,5  ccm  Serum  schützen 
Tauben  nicht 

14  Tage  nach  der  Impfung  erhielten  die  Schweine  wieder  5  ccm  Serum 
und  1  ccm  Kultur  subkutan.  Das  acht  Tage  später  entzogene  Serum 
erweist  sich  wiederum  als  wirkungslos. 

Nach  weiteren  zehn  Tagen  bekommen  die  Schweine  0,5  ccm  Kultur  (ohne 
Serum),  und  jetzt  erst  schützt  das  acht  Tage  später  entnommene 
Serum  Tauben  in  der  Menge  von  1  ccm  gegen  0,5  ccm  Kultur.  Erst 
als  die  Schweine  noch  eine  weitere  Injektion  von  1  ccm  Kultur  (ohne  Serum) 
bekommen,  steigt  der  Titer  des  Serums  auf  0,5  ccm  Serum  (gegen  0,5  ccm  Kultur). 

Nach  der  Injektion  von  Serum  und  Kultur  ließen  sich  im  Blute  der 
Schweine  die  Rotlauf  bakterien  nicht  nachweisen;  erst  als  Kultur  allein  gegeben 
worden  war,  waren  solche  durch  Kultur  und  Tierversuch  nachweisbar. 

Es  scheint  somit  das  mitinjizierte  Serum  die  Bakterien,  wahr- 
scheinlich durch  Vermittlung  des  Organismus,  so  stark  zu  beein- 
flussen, daß  sich  eine  nachweisbare  Menge  von  Schutzstoffen  nicht 
bilden  kann,  während  bei  alleiniger  Impfung  mit  Kultur,  wobei  der 
Organismus,  auf  sich  selbst  angewiesen,  sich  gegen  die  Infektion 
wehren  muß,  Schutzstoffe  entstehen. 

Es  handelt  sich  bei  der  Simultanmethode  nicht  um  eine  eigent- 
liche aktive  Immunisierung,  sondern  um  eine  sozusagen  modi- 
fizierte und  höhere  Art  der  passiven  Immunisierung,  Durch  das 
Serum  werden  hinreichend  Stoffe  in  den  Organismus  gebracht,  die 
im  Verein  mit  seinen  Zellen  die  Bakterien  vernichten.  Es  verhalten 
sich  die  Zellen  dabei,  obwohl  aktiv  mitbeteiligt,  indessen  viel 
träger  als  bei  alleiniger  Injektion  von  Bakterien,  die  ohne  fremde 
Beihilfe  von  ihnen  überwunden  werden  müssen. 

Die  Vermutung,  daß  durch  Einspritzung  von  Serum  und 
Bakterien  eine  viel  kürzer  dauernde  Resistenzerhöhung  bei  den 
Impflingen  entsteht,  als  bei  alleiniger  Impfung  mit  Kulturen,  wird 
durch  weitere  Experimente  bestätigt. 

HL  a)  6  Mäuse  erhalten 

0,001  ccm  Rotlaufschiitzserum  intraperit.  gegen  0,01  ccm  Kultur  subkut 

b)  6  Mäuse  erhalten 

0,01  ccm  Rotlaufschutzserum  intraperit.  gegen  0,01  ccm  Kultur  subkut. 

c)  4  Mäuse  erhalten 

0,1  ccm  Rotlaufschutzserum  intraperit.  gegen  0,01  com  Kultur  subkut. 

d)  4  Mäuse  erhalten 

0,5  ccm  Rotlaufschutzserum  intraperit.  gegen  0,01  ccm  Kultur  subkut 


—     357     — 

Von  den  Mäusen  der  Reihe  a  sterben  3  binnen  10—14  Tagen  an  Rotlauf- 
septikämie,  3  bleiben  am  Leben.  Von  der  Reihe  b  sterben  2,  von  der  Reihe 
c  und  d  bleiben  alle  am  Leben. 

Zwei  Monate  nach  der  ersten  Injektion  werden  alle  am  Leben  gebliebenen 
Mäuse  mit  0,01  cem  Kultur  infiziert. 

Die  Mäuse,  die  mit  0,1  cem  sowie  0,5  cem  Serum  und  0,01  cem  Kultur  vor- 
behandelt waren,  sterben,  und  zwar  die  mit  0,1  cem  Serum  vorbehandelten  binnen 
2l/j— 3  Tagen,  an  Rotlaufseptikämie,  wie  die  mikroskopische  und  kulturelle 
Untersuchung  zeigte.    Die  übrigen  aus  den  Reihen  a  und  b  bleiben  am  Leben. 

Infolge  der  Einimpfung  einer  großen  Menge  von  Serum 
(0,1  cem  und  0,5  cem  gegenüber  0,01  cem  Kultur)  entwickelte  sich 
eine  nur  kurz  dauernde  Resistenzerhöhung  bei  den  Mäusen;  die 
Bakterien  haben  nicht  genügend  im  Organismus  wirken  können  und 
deshalb  nur  eine  ganz  kurze  Immunität  erzeugt. 

Anders  verlief  der  Versuch,  sobald  den  Mäusen  nachher  noch 
Kultur  eingeimpft  wurde: 

IV.   a)  6  Mäuse  erhalten  0,01  cem  Rotlaufsehutzserum  -f~  °>01  ccm  Kultur 
b)  6      „  „         0,01     „  „     .  +  0,01      „ 

Von  der  Reihe  a  sterben  2  Mäuse  nach  8  Tagen,   4  bleiben  am  Leben. 

Nach  10  Tagen   bekommen   alle   übrigen  Mäuse   der  Reihe  a  und  b  0,01  ccm 

Kultur  (ohne  Serum). 

Zwei  Monate  später  werden  alle  Mäuse  mit  0,01  ccm  Kultur  infiziert;  sie 

bleiben  alle  am  Leben. 

(Die  zu  beiden  Immunisierungen  wie  die  zu  der  später  erfolgten  Infektion 

benutzten  Kulturen   waren   direkt  von  Tauben  gezüchtet,  also  hoch  virulent.) 

2  Kontrolltiere,  mit  0,01  ccm  Kultur  subkutan  geimpft,  starben  binnen  2l/3  Tagen 

Anders  ist  das  Ergebnis,  wenn  schwache  Kulturen  benutzt 
werden: 

V.   a)  6  Mäuse  erhalten  0,001  ccm  Schutzserum  4-  0,01  ccm  Kultur 

(ein  schwacher,  im  Laboratorium  durch  10  Generationen 
fortgezüchteter  Stamm) 
1>)  4  Mäuse  erbalten  0,01  ccm  Schutzserum  -f-  0,01  ccm  derselben  Kultur. 
2  Kontrolltiere   erbalten   0,01  ccm   derselben  Kultur   (ohne  Serum);   sie 
sterben  erst  am  6.  Tage  nach  der  Injektion. 

Nach  2  Monaten  werden  die  Mäuse  mit  Rotlaufbakterien  aus  Taubenblut 
infiziert,  die  Mäuse  der  Reihe  a  bleiben  am  Leben,  die  der  Reihe  b  sterben 
binnen  3  Tagen. 

Dieser  Fall  illustriert  sehr  anschaulich,  daß  die  Mitinjektion 
des  Serums  in  diesem  Falle  auch  nach  relativ  kleiner  Dosis 
(0,01  ccm)  bei  schwacher  Kultur  eine  nicht  genügende  Resistenz- 
erhöhung bedingte,  erst  als  die  Dosis  des  Serums  auf  0,001  ccm 
fiel,  war  der  Reiz  auf  den  Organismus  seitens  der  schwach  virulenten 
Bakterien  ein  genügender. 


—     358     — 

Aus  diesen  Versuchen  ist  zu  schließen,  daß  die  Re- 
sistenz des  Organismus  um  so  höher  wird,  je  mehr  ihm 
selbst  die  Abwehr  der  Infektion  überlassen  bleibt.  Es  muß 
also  bei  der  Simultanimpfung  die  passive  Immunität,  während 
der  die  einverleibten  Schutzstoffe  im  Organismus  kreisen  (bis  zu 
10 — 15  Tagen  nach  der  Injektion),  für  die  Erreichung  der  ver- 
schiedenen Resistenz  durch  die  aktive  Immunisierung  von  großer 
Bedeutung  sein.  Die  folgenden  Versuche  wurden  unternommen,  um 
Aufklärung   über  diese  Frage  zu  erhalten. 

VI.   a)  6  Mäuse  erhalten  0,01  cem  Serum  +  0,01  cem  Kultur 
t>)  4       n  0,1        „  „       +  0,01     „ 

Eine  Maus  der  Reihe  a  stirbt  am  8.  Tage.  Je  2  Mäuse  der  Reihe  a  und  h 
erhalten  nach  10  Tagen  0,01  cem  Kultur  (ohne  Serum),  je  2  weitere  Mäuse 
der  Reihe  a  tmd  b  erhalten  nach  24  Tagen  ebenfalls  0,01  cem  Kultur 

Zwei  Monate  später  erhalten  alle  Mäuse  0,1  cem  Kultur. 

Alle  schon  nach  10  Tagen  geimpften  Mäuse  sterben,  während  die  nach 
24  Tagen  geimpften  Mäuse  auch  diese  erhöhte  Kulturdosis  vertragen. 

Daraus  läßt  sich  schließen,  daß  die  passive  Immunität  durch  das 
Serum  noch  10  Tage  nach  der  kombinierten  Impfimg  vorhanden  war  und 
die  Ausbildung  einer  aktiven  Immunität  höheren  Grades  verhindert 
hat,  während  nach  24  Tagen  der  Organismus  durch  die  Kulturinjektion 
bereits  so  stark  gereizt  wurde,  daß  er  aktiv  immun  werden  mußte. 

Ähnliche  Versuche  an  Tauben,   bei   denen   man  mit  größeren 
Dosen  arbeiten  muß,  zeigen  die  verschiedenartige  Resistenzerhöhung 
bei  Anwendung  von  Serum  noch  klarer. 
VII.   a)  4  Tauben  erhalten  2   cem  Rotlaufserum  +  0,5  cem  Rotlaufkultar 

b)  4  1      „  m  +  0,5    „ 

c)  4  0,5    ,  r  +  0,5    „ 

Nach  2  Monaten  wird  0,5  cem  Kultur  eingespritzt,  die  Tauben  der  Reihe  a 
sterben  binnen  3  Tagen  an  Rotlaufseptikämie,  die  anderen  bleiben  am  Leben. 
VIII.   a)  4  Tauben  erhalten  1    cem  Rotlaufscrum  +  0,1  cem  Rotlaufkultar 

b)  4  0,5   „  ?,  +  0,1     „ 
c)4                               0,1    „              m  +0,1     , 

Nach  2  Monaten  werden  0,5  cem  Rotlauf kultur  injiziert:  Die  Tauben  der 
Reihe  a  und  b  sterben  binnen  3—4  Tagen,  die  der  Reihe  c  bleiben  am  Leben. 
IX.   a)  4  Tauben  erhalten  0,1  cem  Rotlaufserum  +  0,01  cem  Rotlauf  kultur 
b)4        .  -         0,01     „  „  +0,01     „ 

c)  4  „         0,001   „  „  +  0,0i     r 

Nach  2  Monaten  Injektion  von  0,5  cem  Rotlaufkultur:  Die  Tauben  der 
Reihe  a  sterben  binnen  4  Tagen,  die  der  Reihe  b  und  c  bleiben  am  Leben. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  daß  der  Grad  und 
die  Dauer    der    erlangten   Resistenz   von   dem  Verhältnis 


—     359      - 

zwischen  Serum-  uud  Kulturmeuge  abhängt.  Je  weniger 
Serum  gegeben  wird,  eine  um  so  bessere  aktive  Immunität 
entsteht. 

Diese  in  den  vorangehenden  Versuchsreihen  gesammelten 
experimentellen  Ergebnisse  erklären  die  verschieden  lang  andauernde 
Resistenzerhöhung,  die  die  Rotlaufschutzimpfimg  in  Gestalt  der 
Simultanmethode  bewirkt.  Das  Beste  wäre  eine  zweimalige  Impfung, 
wie  diese  in  Frankreich  immer  ausgeführt  wird.  Damit  wird  die 
Resistenzerhöhung  zu  einer  zweckentsprechenden.  Bei  der  ersten 
Impfung,  bei  der  Serum  und  Kultur  eingeimpft  werden,  entsteht  je 
nach  der  Wertigkeit  des  Serums  und  der  Virulenz  und  Menge  der  Kultur 
eine  verschieden  hohe  Resistenz,  wobei  auch  die  Individualität  des 
Organismus  wohl  eine  Rolle  spielt.  Bei  der  zweiten  Impfung,  die 
12—14  Tage  nach  der  ersten  erfolgt,  und  bei  der  lediglich  Kultur 
injiziert  wird,  tritt  die  Leistung  des  Organismus  in  den  Vordergrund : 
So  entsteht  eine  erhöhte,  bis  einjährige  Resistenz  der  Impflinge.  Bei 
der  Simultanmethode  handelt  es  sich  zunächst  um  eine  mehr  vor- 
übergehende Steigerung  der  natürlichen  Widerstandsfähigkeit,  wie 
sie  auch  durch  verschiedenartige  andere  Reize,  freilich  verschieden 
stark,  hervorgerufen  werden  kann  (so  z.  B.  auch  durch  schwache 
Immunsera,  normales  Serum,  Bakterien  anderer  Art  usw.).  Die 
Resistenz  steigert  sich  bei  der  Applikation  von  hochwertigem  Serum 
und  sehr  virulenter  Kultur  in  bezug  auf  ihre  Dauer  und  Intensität. 

Wer  oft  Versuche  an  Schweinen  mit  Rotlauf  durchgeführt  hat, 
dem  ist  bekannt,  daß  es  Schweinerassen  gibt,  die  sich  gar  nicht 
mit  Rotlauf  infizieren  lassen,  ferner  daß  es  einzelne  Individuen 
empfänglicher  Rassen  gibt,  die  selbst  0,5  ccm  Kultur  ohne  Schaden 
vertragen,  und  daß  andererseits  manche  Individuen  äußerst  empfäng- 
lich sind.  Bei  keiner  anderen  Tierseptikämie  spielt  Alter,  Rasse 
und  Individualität  eine  so  große  Rolle  wie  bei  der  Rotlaufseptikämie. 

Bei  der  gegen  Rotlauf  jetzt  angewandten  Simultan- 
methode scheint  es  sich  mir  im  wesentlichen  um  eine  Art 
passiven  Impfschutzes  zu  handeln,  der  hier  zwar  eine 
beträchtlich  erhöhte  Resistenz  bedeutet,  eine  Resistenz, 
die  aber  nicht  mit  derjenigen  zu  vergleichen  ist,  die  durch 
reine  aktive  Immunisierung  erzeugt  wird. 

Prag,  Oktober  1906. 


(Aus  dem  Physiologischen  Institut  der  veterinärmedizinischen 
Fakultät  der  Universität  Zürich.) 

Zur  Theorie  der  Hämolyse. 

(Mit  Berücksichtigung  der  veterinärmedizinisch  wichtigen  Verhältnisse 
nnd  der  vergleichenden  Pathologie.) 

Von 
Dr.  Walter  Frei 

in  ZOrich. 
(Schluß.) 

IV.  Die  Gesetze  der  Hämolyse. 

Wenn  bei  der  Hämolyse  nicht  die  Kriterien  einer  chemischen 
Reaktion  zu  finden  sind,  können  wir  sie  auch  nicht  als  chemische 
Reaktion  ansprechen. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  Gesetze  chemischer  Reaktionen 
aber  sind  die  folgenden: 

I.  Gesetze  der  Reaktionsgeschwindigkeit. 
a)  Einfluß  der  Konzentration  der  reagierenden  Stoffe.  Die 
Reaktionsgeschwindigkeit  ist  proportional  dem  Produkt  der 
Konzentrationen  beider  Stoffe  (bimolekulare  Reaktion,  Ost- 
wald1) oder  dem  Produkt  der  aktiven  Mengen  (Bredig2). 
ß)  Einfluß  des  Aggregatzustandes  der  Reaktionssubstanzen. 
In  einem  heterogenen  System  ist  die  Reaktionsgeschwindigkeit 
der  Größe  der  Berührungs-  oder  Trennungsflächen  der 
Phasen  proportional.  Im  übrigen  ist  sie  auch  von  der 
Konzentration    an    diesen    Flächen    abhängig,    und    diese 


1)  Ostwald,  Grundriß  d.  allg.  Chemie,  3   Auflage. 

2)  Bredig,  Elemente  der  ehem.  Kinetik,  mit  besond.  Bern cks ich tigong 
der  Katalyse  u.  der  Formentwirkung.  Asher-Spiro,  Ergebn.  d.  Pbysiolog. 
I.,  S.  34,  1.  Jalrg.  1902. 


—     361     — 

wiederum  wird  beeinflußt  werden  können  durch  die  Diffusions- 
verhältnisse. (Ostwald,  S.  301  und  302,  s.  a.  Xernst, 
Brunner,  1(.K>4.) 
y)  Der  Einfluß  der  Temperatur  ist  derart,  daß  durch  Steigerung 
um  rund  10°  die  Geschwindigkeit  mehr  als  verdoppelt  wird 
(im  homogenen  System). 

n.  Das  Gesetz  der  konstanten  multiplen  Proportion. 
Ad  la  in  bezug  auf  die  Hämolyse.    Die   Hämolyse    ist   eine 
Reaktion  im  heterogenen  System;    aus   diesem  Grunde    müssen 
vor   allem   physikalische,   hauptsächlich   Diffusionsgesetze    Geltung 
haben.1)    Die  Phasen  dieses  Systems  sind: 

1.  Flüssige  Phase,  d.  i.  die  Suspensionsflüssigkeit,  in  der  das 
lösende  Agens,  Kristalloid  oder  häufiger  noch  Kolloid,  enthalten  ist. 
Im  letzteren  Fall  ist  das  System  sozusagen  doppelt  heterogen. 

2.  Festflüssige,  Kolloidphase  =  die  Erythrozyten,  deren 
Außenzone  wir  als  „koaguliert*',  als  Membran  angenommen  haben. 
Soll  das  Volum  der  Blutkörperchen  unverändert  bleiben,  so  müssen 
die  zentrifugal  und  zentripetal  auf  die  Hülle  einwirkenden  Kräfte 
sich  das  Gleichgewicht  halten  (vgl.  Kap.  IL  1).  Wie  wir  schon 
sahen,  können  in  vitro  infolge  Mangels  eines  entsprechenden  osmo- 
tischen Partialgegendruckes  Ionen  aus  den  Blntzellen  in  das  Men- 
struum  hinausdiffundieren. 

Es  läßt  sich  schon  a  priori  annehmen,  daß  die  Reaktions- 
geschwindigkeit mit  der  Konzentrationszunahme  der  beiden  Reaktions- 
substanzen oder  der  einen  oder  andern  bei  gleichbleibender  absoluter 
Menge  zunehmen  muß,  da  die  Distanzen  der  aktiven  Komplexe, 
somit  die  Wanderungszeiten  der  sich  bewegenden  —  und  das  werden 
die  kleinen  Kolloidteilchen  sein  —  kürzer  werden.  Die  Ergebnisse 
meiner  Versuche  über  Verdünnung,  d.  h  Konzentrationsabnahme  der 
Blutkörperchen  sowohl  als  des  hämolytischen  Agens  bestätigen  dies: 

1  ccm  YioP1"02-  Saponinlösnng  +  wachsende  Mengen  von  KaCl 

ülAl        0123456      7      8      9  ccm  NaCl 

1  ccm   5proz.  Blutemuls.    17    <*    27    c*    35    ^    58    58    62    78  Sek. 

2  ccm  Blutemulsion     .    .    62    78    93  112  136  167  173  180  Sek. 

(Vgl.  Fig.  7.) 


l)  Nernst,   Zeitschr.  f.  physikal.  Chem.,   47,   52,   1904,   dessen  Schüler 
Brunner  ibid.  S.  54. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.  II,  4/5.  24 


—     302     — 


Die  Reaktionsdauer  nimmt  mit  zunehmender  Verdünnung  zu. 
d.  h.  die  Reaktionsgeschwindigkeit  wird  geringer.  Die  Tabelle  8 
zeigt,  wie  der  Hämoglobingehalt  der  Flüssigkeit  mit  wachsendem 
Zusatz  von  physiologischer  Kochsalzlösung  zuerst  rasch,  dann  aber 
nur  noch  wenig  abnimmt.  In  beiden  Fällen  existiert  aber  nicht 
unmittelbare  Proportionalität  zwischen  Verdünnung  und  Reaktions- 
zeit, resp.  zwischen  Konzentration  und  hämolytischem  Effekt. 

Fig.  7. 


4 


so 

in 

70 
60 
50 

1/ 

I, 

30 

w 

10 

*       Z       3        t        5        6       7       S 

ccm  NaCl- Lösung. 

Zeitkurve  bei  Verdünnung. 

Bei  II:  Jeder  Toil strich  der  Ordinate  2  Sek. 


Tabelle  8. 

%  Hämoglobin  nach 
10  Min.   35  Min. 

20  ccm  Blut +  0,5  ccm 

Sap.  1%     .    .    . 

.    .        100          100 

20     ,        „    +10      „ 

NaCl  +  0,5  ccm  . 

30,2          37,1 

20     „        „    +20     „ 

■     +0.5      „     .    . 

20,0          25,5 

20     „        m    +30      „ 

,     +0,5      „     . 

8,0           10,2 

20     „        „    +40      „ 

„     +0,5     m    . 

5,5            6,2 

20      „        „    +50      „ 

„     +0,5     „     . 
(Vgl.  Fig.  8.) 

4,6 

Nach  diesen  Befunden  allein  kann  es  noch  nicht  ge- 
rechtfertigt sein,  die  Hämolyse  eine  physikalische  Reaktion  zn 
nennen;   denn   die  Resultate   lassen  sich  noch  mit  der  chemischen 


—     363     - 

Auffassung  des  Vorganges  vereinbaren,  wenn  auch  keine  durch- 
greifende Proportionalität  besteht  zwischen  dem  Produkt  der 
Konzentrationen  und  dem  Effekt  oder  der  Geschwindigkeit. 

Ad  I  /*.  Da  die  Hämolyse,  wie  schon  hervorgehoben,  in 
einem  heterogenen  System  stattfindet,  müssen  Diffusionsvorgänge 
dabei  eine  wichtige  Rolle  spielen.  Die  Geschwindigkeit  der  Hämo- 
lyse ist  zum  weitaus  größten  Teil  abhängig  von  der  Geschwindig- 
keit, mit  der  das  hämolytische  Kolloid  zum  Blutkörperchen  hin, 
und  —  sofern  das  überhaupt  stattfindet,  was  wir  heute  noch  gar 
nicht   sicher   wissen  —  durch   die  Koagulationsmembran  hindurch- 


WO 
40 

Fig 

.8. 

y 

\ 

\ 

\ 

\\ 

s 

§  " 

s 

c      20 

4 

} 

/ 

0 

z 

0 

J 

0 

f 

0 

SO 

Zusatz  von  physiologischer  Kochsahlösung. 
Verdünnung. 

diffundiert,    außerdem    von   der  Zeit,  die  das  Hämoglobin  braucht, 
durch  die  alterierte  Hülle  hindurch  nach  außen  zu  treten  (s.  u.). 
Die  Diffusionsgesetze  sind  folgende: 

a)  Die  diffundierte  Stoflmenge  (hier  lösendes  Kolloid  oder 
Kristalloid,  bzw.  Hämoglobin)  ist  dem  Wegquerschnitt  direkt, 
der  Länge  des  Weges  umgekehrt  proportional  (Ostwald  I.e.  195). 

b)  Der  Diffusionswiderstand  wird  durch  die  Reibung  der  diffun- 
dierenden Teilchen  (hämolytisches  Kolloid  an  der  Flüssigkeit,  event. 
an  der  Membran,  Hämoglobin  in  der  Membran  und  in  der  Außen- 
flüssigkeit) repräsentiert,  und  diese  ist  dem  Gesamtquerschnitt  der 
Teilchen  einer  gegebenen  diffundierenden  Menge  proportional,  muß 
also  mit  der  Kleinheit  der  Teilchen  zunehmen  (Ostwald). 

c)  Die  Temperatur  begünstigt  die  Diffusion.  (Näheres  läßt  sich 
für  Kolloide  nicht  sagen.) 

Die  Diffusionsgeschwindigkeit  endlich  ist  außer  dem  Wider- 
stand vom  Diflusionsdruck  abhängig,   und  zwar  nimmt  sie  mit  ihm 

24* 


—    364     — 

zu  oder  ab.  Der  Diffusionsdruck  aber  ist  proportional  der  Konzen- 
tration des  diffundierenden  Stoffes,  nimmt  also  stetig  ab  im  Ver- 
lauf der  Diffusion,  indem  immer  mehr  Teilchen  weggehen.  Die 
Diffusionsgeschwindigkeit  ist  also  im  Anfang  des  Prozesses  am 
größten  und  nimmt  dann  ab,  wenn  der  wegdiffundierende  Stoff 
nicht  ständig  ersetzt  wird.  Dies  muß  nun  auch  für  das  hämo- 
lytische Kolloid  und  das  Hämoglobin  gelten.1) 

Zu  a  und  b  ist  außerdem  noch  folgendes,  auf  die  Hämolyse 
bezügliche  zu  bemerken: 

Da  die  Weglänge  für  die  nahe  bei  einem  Blutkörperchen  ge- 
legenen Kolloidteilchen  kleiner,  die  Zahl  der  letztern  aber  bei  hoher 
Konzentration  des  hämolytischen  Kolloids  groß  ist,  muß  eo  ipso  die 
diffundierte  Menge  derselben,  also  die  hämolytische  Wirkung  bei 
Konzentrationserhöhung  des  lösenden  Kolloids,  größer  werden. 

Erhöhung  der  Viskosität  einer  Flüssigkeit  erhöht  den  Wider- 
stand für  diffundierende  Kristalloide  kaum,  auch  Eintritt  derselben 
in  die  Kolloidhülle  der  Erythrozyten  nicht.  Anders  die  hämolyt. 
Kolloide.  Ein  Eindringen  derselben  in  die  Membran  ist  nicht  un- 
wahrscheinlich, da  Kolloide  andere  gern  absorbieren.  Dadurch  er- 
fährt aber  der  Diffusionswiderstand  eine  ganz  eminente  Steigerung. 

Eine  erhebliche  Komplikation  der  Diffusionsverhältnisse  bedingt 
die  Eigenbewegimg  der  Blutkörperchen  (vgl.  Bredig,  Zeitschr.  für 
Elektrochem.,  Nu.  32,  1906),  ein  Umstand,  der  bis  heute  nicht  berück- 
sichtigt wurde  bei  den  Untersuchungen  über  den  quantitativen  Ver- 
lauf der  Absorption  des  Hämolytikums  und  des  Austretens  des  Farb- 
stoffes. In  relativ  kurzer  Zeit  senken  sich  die  Blutkörperchen,  der 
Schwerkraft  folgend,  wodurch  ihre  Verteilung  im  Medium  ungleich- 
mäßig wird.  Sie  bleibt  nur  in  hohen  Tuben  (wie  wir  sie  immer 
verwendeten)  in  einer  relativ  großen  Mittelzone  gleichmäßig. 

Bei  einem  Sinken  um  die  Höhe  ihres  Durchmessers  kommen 
die  Blutkörperchen,  besonders  bei  den  gewöhnlich  angewendeten 
niedrigen  Konzentrationen,  5—10proz.  Emulsion,  mit  einem  neuen, 
ihrem  Inhalt  entsprechenden  Volumen  neuer  hämolyt.  Lösung  in  Be- 
rührung, und  so  bei  jedem  weiteren  Sinken  in  der  ersten  Zeit.  Wie- 
vielmal die  umgebende  Konzentration  erneuert  wird,  kann  man  sich 
erst  vorstellen,  wenn  man  bedenkt,  daß  sie  durch  Sinken  um  1  mm 


l)  Vgl.  Nernst,    Zeitschr.    f.   physik.    Chera.  47,   52   1904.     Brunner, 
ibid.   S,  54. 


-     365    — 

ca.  200mal  ihr  Volumen  an  umgebender  Flüssigkeit  verdrängen  und 
an  Hämolysin  erschöpfen  können. 

Von  Wichtigkeit  ist  das  Verhältnis  der  Fallgeschwindigkeit  der 
Erythrozyten  zur  Schnelligkeit,  mit  der  sie  das  lösende  Agens  ab- 
sorbieren. Ist  die  erstere,  verglichen  mit  der  letzteren,  sehr  gering, 
so  kann  die  ganze  zur  Lösung  ausreichende  Lysinmenge  von  den 
Körperchen  noch  ganz  im  Anfangsstadium  des  Sinkens  absorbiert 
werden.  In  diesem  Fall  sind  die  Absorptionsverhältnisse  auch  des- 
wegen günstige,  gleichmäßige,  weil  das  Körperchen  nur  eine  kurze 
Strecke  durchlaufen  kann  und  also  nicht  in  viel  tiefere,  an  Lysin 
—  durch  vorher  hier  passierte  Blutkörperchen  —  verarmte  Schichten 
kommt.  Unter  denselben  günstigen  Bedingungen  vollzieht  sich  die 
Abdifihsion  des  Hämoglobins,  weil  das  Blutkörperchen  in  hämo- 
globinärmere Zonen  fallt. 

Ist  aber  die  Fallgeschwindigkeit  im  Vergleich  zur  Absorptions- 
schnelligkeit groß,  so  werden  sich  viele  Blutkörperchen  in  der  unteren 
Portion  des  Gefäßes  ansammeln,  während  immer  noch  Absorption 
stattfindet;  dadurch  muß  es  zu  Verarmung  des  Mrdiums  an  Kolloid* 
teilchen  kommen,  d.  h.  die  Absorptionsverhältnisse  werden  ungünstig. 
Ebenso  wird  die  AbditFusion  des  Farbstoffes  in  diesen  tiefen  Schichtet! 
gehindert  sein,  weil  das  relativ  geringe  Quantum  an  Zwischenflüssig- 
keit  bald  mit  demselben  gesättigt  ist. 

Zwischen  diesen  angedeuteten  Grenzfallen  gibt  es  natürlich 
eine  ganze  Reihe  von  räumlichen  und  zeitlichen  Variation?«, 

Zieht  man  noch  in  Erwägung,  daß  die  Dep<miersdmetligkeit 
der  Zellen  abhängig  ist  von  ihrem  spez.  Gewicht,  und  ihrem  Vulumen, 
sowie  vom  spez.  Gewicht  der  Suspensionsflüssigkeit,  und  daß  beide 
spez.  Gewichte  durch  Veränderungen  des  Kolloidgehaltes  (z.  R  durch 
gegenseitigen  Kristalloidaustausch)  variiert  werden  können,  so  sieht 
man  ein,  daß  die  Bewegung  der  Blutkörperchen  von  ganz  wesent- 
lichem Einfluß  auf  den  Verlauf  der  Hämolyse  ist, ] ) 

Der  Angriff  des  lytischen  Agens  richtet  sich  also  gegen  die 
Membran  der  Blutkörperchen,  d.  h.  er  findet  in  einer  Fläche  statt. 
Der  Einfluß  dieser  Fläche  auf  die  Reaktionsgeschwindigkeit  wird 
von  folgenden  Faktoren  abhängig  sein: 


')  Auch  elektrische  Ströme  dürften  bei  diesem  Falle  entstehen  wie  in 
Mastixemulsionen.  Vgl.  Quincke,  Pogg.  Ann.  107.  1.  1859  110.  W>  m>0; 
Drud.  Ann.  7.  63.  1902. 


—  m  - 

1.  Von  der  Größe  der  Fläche.  Je  größer  die  Fläche,  desto 
mehr  Kolloidteilchen  werden  auf  derselben  angreifen  können.  Ton 
zwei  gleichen  Volumina  verschieden  großer  Blutkörperchen  müssen 
also  die  kleineren  rascher  von  demselben  Lösungsmittel  zerstört 
werden,  weil  ihre  .Oberflächensumme  größer  ist  als  die  der  größeren. 
Experimentell  läßt  sich  dies  aber  nicht  nachweisen,  weil  Blut- 
körperchen verschiedener  Größe  auch  verschiedenen  Tierarten  an- 
gehören, und  man  deshalb  die  raschere  oder  langsamere  Auflösung 
derselben  nicht  allein  auf  ihre  Größe,  sondern  auch  auf  ihre 
Membranresistenz  zurückfahren  muß. 

2.  Vom  Krümmungsgrad  der  einzelnen  Flächen,  der  mit 
ihrer  Summe  wächst,  d.  h.  der  Krümmungsradius  wird  kleiner. 
Wie  Kauf ler1)  gezeigt  hat,  ist  die  Konzentration  in  einer  Zelle 
immer  größer  als  im  Außenraum,  und  zwar  ist  die  Differenz  der 
Konzentrationen  auf  der  konkaven  und  konvexen  Seite  der  Trennungs- 
fläche um  so  größer,  je  stärker  der  Krümmungsgrad  dieser  letzteren 
ist.  Diese  Konzentrationsdifferenz  muß  aber  notwendigerweise  die 
erwähnte  elektrische  Doppelschicht  und  damit  die  kolloidale  Membran 
beeinflussen.  Bringt  man  ein  gegebenes  Volumen  roter  Blutkörperchen 
in  eine  Salzlösung,  für  deren  eine  Ionenart  die  Membran  intra- 
permeabel ist,  so  ziehen,  nach  Eintritt  der  Ionen  in  das  Körperchen, 
dieselben  H20  an  und  werden  demnach  größer.2)  Damit  wächst 
die  Oberflächensumme,  und  der  Krümmungsradius  wird  größer. 
Hand  in  Hand  damit  geht  die  Verminderung  der  Konzentrations- 
differenz von  innen  und  außen  mit  den  eben  erwähnten  Folgen. 

Ad  I  /.  Den  Einfluß  der  Temperatur  auf  die  Reaktions- 
geschwindigkeit zeigt  folgender  Versuch  (Tab.  9). 

Die  Geschwindigkeit  ist  also  tatsächlich  bei  höherer  Tempe- 
ratur größer,  aber  anfangs  erheblich  mehr  als  verdoppelt  bei  Erhöhung 
um  10°.  Dann  aber  existiert  ein  Temperaturoptimum  bei  37—40°. 
wie  bei  den  Fermentreaktionen.  Diese  Tatsachen  sprechen  sehr 
gegen  die  chemische  Natur  der  Reaktion. 

Noch  deutlicher  spricht  gegen  die  chemische  Natur  der  Re- 
aktion das  Nichtgelten  des  Gesetzes  der  konstanten  multiplen  Pro- 
portionen (Tab.  10). 

l)  Sitzungsber.  d.  kaiserl.  Akad.  d.  Wissensch.,  Wien.  Math.  nat.  KI. 
Bd.  43,  686.    1902. 

,J)  Koeppe,  Hamburger  1.  c. 


—    367     — 

l  ccm  Blut  +  1  ccm  l/10proz.  Saponinlösung  1ji  Stunde  im 
Wasserthennostaten,  dann  ^  Stunde  bei  annähernd  gleicher  Touren- 
zahl zentrifugiert  Die  Daten  des  Hämoglobins  sind  die  Mittelzahlen 
von  je  vier  Parallelbeobachtungen. 


Tabelle  9. 

Temperatur 

Hämoglobin 

Temperatur 

Hämoglobin 

% 

100 

15° 
20° 
25° 

9 
21 
40 
67 

80° 
87° 
45° 

65 

86 
76 

Tabelle  10. 


Hämoglobin  nach 

Handeblut 

NaCl 

Sap.  l°/oo 

8-10  Min. 

85  Min. 
(andere  Serie) 

40 

8,75 

0,25 

2,7 

4,2 

40 

8,5 

0,5 

6,5 

IM 

40 

8,0 

1,0 

13,6 

42,8 

40 

2,0 

2,0 

54,0 

75,0 

40 

1,0 

3,0 

100,0 

100,0 

40 

0,0 

4,0 

100,0 

100,0 

Bilden  z.  B.  0,5  ccm  Saponin  mit  einer  gewissen  Menge  Blut 
eine  Verbindung,  der  6,7  Hämoglobin  entspricht,  so  müßten  sich 
2  ccm  Saponin  mit  der  vierfachen  Blutmenge  verbinden  und  auch 
die  vierfache  Hämoglobinmenge  liefern.  Dies  ist  aber  nicht  der 
Fall.  Dasselbe  geht  hervor  aus  den  Versuchen  von  Cemovodeanu 
und  Henri1)  mit  Hundeserum  und  Huhnblut  (letzteres  immer  in 
derselben  Quantität  angewandt.  Die  doppelte  Menge  Serum  ver- 
bindet sich  nicht  mit  dem  entsprechenden  Vielfachen  des  Blutes, 
sondern  mit  ganz  verschiedenen  Multipeln: 

Nach  Nach  Nach        Nach 

36  Min.  76  Min.  107  Min.  200  Min. 

0,5  Herum 10,0          19,5  23,6  29,0     Hämogl. 

1,0       „      66,6          78,5  &">,0  90,0 


»)  Comptee  rendue  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  2. 


—    368    — 

Ehrlich  und  Morgenroth1)  geben  an,  daß  die  Blutkörperchen 
viele  Multipla  der  Hämolysindosis  aufnehmen  können,  die  zur  Auf- 
lösung genügen  würde.  Wäre  die  Hämolyse  eine  chemische  Reaktion, 
so  müßte  fraktionierter  Zusatz  der  reagierenden  Stoffe  das  End- 
resultat unverändert  lassen.  Wir  werden  aber  später  noch  sehen, 
daß  die  Art  und  Weise  des  Zusatzes  von  ganz -erheblichem 
Einfluß  auf  das  Endresultat  ist.  —  Aus  alledem  ergibt  sich, 
daß  die  Hämolyse  keine  rein  chemische  Reaktion  sein  kann,  d.  h. 
das  uns  heute  ajn  diesem  Vorgang  Bekannte  ist  nur  physikalischer 
Deutung  zugänglich.  Weiter  unten  werden  wir  erfahren,  daß  sich 
aus  der  Kolloidnatur  der  Reaktionssubstanzen  ganz  befriedigende 
Erklärungen  herleiten  lassen. 

Nachdem  Zangger2)  als  erster  auf  die  Kolloidnatur  der  Anti- 
körper hingewiesen,  begannen  die  Angriffe  auf  die  Immunitäts- 
probleme mit  den  Waffen  der  physikalischen  Chemie  (Kolloide) 
durch  Biltz,  Landsteiner,  Pauli,  Neißer  und  Friedemann, 
Bechhold,  (iengou,  Henri  und  seine  Mitarbeiterinnen,  Girard- 
Mangin  undCernovodeanu. 

Im  Jährte  1904  begann  ich  meine  Versuche  über  Agglutination 
und  Hämolyäe  mit  den  verschiedensten  Kolloiden:  Kieselsäure, 
Gelatine,  Stärke,  Lezithin-  und  Kolophoniumemulsionen,  BaS04- 
Suspensionen,'  Eisenhydroxyd,  mit  verschiedenen  kolloidalen  Metallen 
(die  ich  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Dr.  Castoro  verdanke) 
Au,  Pt,  Ag,  Hg,  Fe,  Os,  ferner  mit  einigen  Seren. Ä) 

In  demselben  Jahr  teilten  Landsteiner  und  Jagic  mit,  daß 
•hämolytische  Ambozeptoren  sich  durch  kolloidale  Kieselsäure  ersetzen 
lassen,4)  und  daß  Kieselsäure  +  Lezithin  eine  hämolytische  Kom- 
bination gibt/')  ferner  Gengou:ß)  Suspensionen  von  BaS04  und 
CaFl2  in  isotonischer  Lösung  bewirken  Hämotyse,  und  Henri7)  er- 

l)  Berl.  kliu.  Wochenschr.  1901,  Nr.  10. 

a,  Zentralbl.  f.  Bakt.  84,  Nr.  5,  1905.  Antrittsrede  1902,  Schw.  Aren.  f. 
Tierheilkunde  1903,  S.  1. 

3)  Einige  Neuergebnisse  der  Versuche  des  Jahres  1904,  die  zumeist 
Vor-,  Probe-  und  Kontroll  versuche  waren,  sind  kurz  in  meiner  Arbeit  über 
Kolloide,  Berl.  tierärztl.  Wochenschr.  1905,  Nr.  21,  erwähnt.  (Vgl.  Referat 
Zentralbl.  f.  Bakt.  (Referate)  1905,  36,  234. 

4)  Wien.  klin.  Wochenschr.  1904,  Nr.  3. 

5)  Münch.  med.  Wochenschr.  1904,  Nr.  27. 

6)  Oomptes  rendus  Acad.  Sciences,  April  1904. 

7)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Nr.  5. 


—    369    - 

zeugte  Hämolyse  durch  kolloidales  Eisenhydroxyd.  Die  meisten  Ver- 
suche wurden  von  mir  nachgeprüft  und  richtig  befunden.  Systematische 
und  quantitative  Untersuchungen  auf  physikalisch*chemischer  Basis 
wurden  dann  von  Henri,  Zangger  und  mir  ausgeführt,  deren  für  uns 
hier  wichtige  Ergebnisse  ich  nach  erwähnten  Gesichtspunkten  anführe. 

Hämolyse  durch  ein  Kolloid  allein  mit  einer  Blutkörperchensorte. 

Ad-  oder  Absorption  eines  Sols  durch  eine  kolloidale 
Membran.  Die  Reaktionskurve.  Der  Reaktionsverlauf  setzt 
sich  nach  Zangger  aus  mindestens  fünf  zeitlichen  Komponenten 
zusammen: 

a)  Absorption  der  lytischen  Stoffe  durch  die  Erythrozyten ; 

b)  Konzentrationsverschiebungen  an  der  Oberfläche; 

c)  Nachdiflusion   zu   und  in  die  Körperchen   (oder  Membran) 
hinein; 

d)  die  noch  unbekannte  Lösungs Wirkung;1) 

e)  Diffusion  des  Hämoglobins: 

Diffusion  im  Körperchen  bis  an  dessen  Oberfläche, 
Diffusion  vom  Körperchen  weg  in  die  Flüssigkeit 
a,  b  und  c  sind  Diffusions-  oder  analoge  Vorgänge,  die  den 
erörterten  Gesetzen  folgen,  a  ist  eine  gewisse  Latenzzeit,  die  sich 
an  der  eigentlichen  Kurve  nicht  beteiligt  und  die  abhängig  ist  von  der 
Natur  der  Körperchen  und  der  lytischen  Substanz.  Sie  repräsentiert 
die  Absorptionszeit  der  ersten  und  größten  Lysinmengen  (vielleicht 
der  gesamten  Menge).  Das  Hämolysin  des  Hundeaentms  wird  von 
Pferdeblut  rascher  absorbiert  als  von  Huhnblut,  nämlich  in  den  ersten 
fünf  Minuten,  von  letzterem  in  den  ersten  zehn  Minuten  (Cerno- 
vodeanu  und  Henri)2);  Saponin  wird  von  Hundeblut  zum  größten 
Teil  in  der  ersten  Minute  schon  absorbiert  (Zangger;s).  Nach  der 
Latenzzeit  erfolgt  der  Austritt  des  Farbstoffes,  und  zwar  am  An- 
fang mit  Macht,  nachher  langsamer,  so  daß  sich  der  Kurvenverlauf 
der  Abszisse  (Zeitachse)  nähert.    (Fig.  9  und  10.) 

l)  Die  Lösung  ist  die  Zerstörung  der  koll.  Membran  durch  ein  Kolloid 
und  ähnelt  der  Verdauung  koagulierter  Eiweißstoffe  durch  Fermente  oder  der 
Peptisierung  von  Gelen.  Sollten  aber,  was  allerdings  durch  den  Koltouteu- 
stand  der  beteiligten  Körper  unwahrscheinlich  gemacht  wird,  auch  chemische 
Vorgänge  stattfinden,  so  kann  dies  nur  in  dieser  Phase  möglich  »ein. 

')  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905  Nr.  11. 

3)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905  Nr.  13^ 


—     372     - 


15. 


Tabelle  11. 

Februar  1905.     Temperatur  31°. 


Blk.  Hund 

Saponin 

Hämogl 

ob  i  n 

lOproz. 

17.« 

nach 

ccm 

|        ccm 

1 

90- 

-95  Min.    | 

200  Min. 

40 

+   0,5 

5,2 

5,7 

20 

•  +    0,5 +  n.   2  Min. 

20  Blk.  Hd. 

3,5 

4,0 

10 

,  +   0.5 +  n.   2    „ 

30     „      „ 

77,5 

100,0 

40 

+   0,1 +n.  10    ,, 

0.4  Sap. 

3,5 

4,3 

40 

+  0,25  +  n.l0    „ 

0,25    „ 

2,3            | 

2,6 

40 
20 
10 
20 
10 


Temperatur  37°. 


0,5 
0,5 
0,5 
0,5 
0,5 


+  n. 
+  n. 
+  n. 
+  n. 


1  Min.  20  Blk. 

1  „     30     „ 

2  ,,     2)     „ 
2    „     30     „ 


25-80  Min. 

75  Min. 

37,5           ; 

45,4 

Hd. 

25,4 

27,7 

»♦ 

71,4            i 

100,0 

?' 

57,7 

65,2 

» 

55,5 

68,1 

Tabelle  12. 

17.  Februar  1905.    Temperatur  31,4°. 


Blk.  Hund 

Saponin 

Hämoglobin 

lOproz. 

1  ° 

1       ÜÜ 

nach 

ccm 

com 

15  Min. 

40 

+  0,5 

5,0 

20 

+  0,5  + 

n. 

1  Min. 

20  Blk.  Hd. 

5,0 

20 

+  0,5  + 

n. 

1     „ 

20  NaCl 

5,5 

10 

+  0,5  + 

n. 

1     „ 

30  Blk.  Hd. 

19,6 

10 

+  0  5  + 

n. 

1     „ 

30  NaCl 

38,0 

20 

+  0,5  + 

n. 

2    „ 

20  Blk.  Hd. 

6,0 

Tabelle  18. 


Blk.  Hund 
lOproz.     ! 

ccm 

Hämoglobin 
nach 

I 

81°.              1        0°. 

40 
40 
40 
40 

+    1  gtt.  Sap.  +  n.  20  Min.  9  gtt. 
+    5    „     „     +H.20    „     5    „ 
r    S    „     „     +n.20    „     2   „ 
+  10    „    ., 

40  Min. 

24,4 
21,2 
26,3 
34,2 

100  Min.  i    12  Stdn. 

35.3  1       72,0 
25,2             54,5 
85,6      I       66,6 

43.4  92,3 

—     373     — 


08 


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^ 


—     374     — 

auf  einer  beschränkten  Anzahl  derselben,  die  aber  dann  eben  voll- 
ständig gelöst  wird. 

Cernovodeanu  u.  Henri1)  machten  weiter  folgendes  Experi- 
ment mit  Huhnblut  und  Hundeserum  (da  mir  die  Zahlen  nicht  mehr 
zur  Verfügung  stehen,  gebe  ich  die  relativen  Verhältnisse  mit  Buch- 

stabeD-  Resultat  nach  250  Min  : 

0,25  Ser.    0,5  Ser.    1,0  Ser. 

1.  Tubns:  40  ccm  Blut  +  Serum a  b  c 

2.  „       20 ccm  Blut  4-  Ser.  +  n.  10 Min.  20 ccm  Blut    >a  =  a'  >b  =  b'      c 

3.  „       lOccm  Blut -f  Ser.  4-n.lOMin.  30ccmBlut    >a'  >b'         <c 

natürlich  ist  a  <r  b  <  c. 

Die  Autoren  geben  folgende  plausible  Erklärung:  In  den 
Tuben  2  und  3  wird  das  Serum  (0,25  und  0,5,  Tub.  3  mit  1,0  Serum 
nimmt  eine  Ausnahmestellung  ein)  weniger  verdünnt  durch  die 
erste  Fraktion  von  20  und  10  ccm  Blut,  weshalb  die  Absorption 
des  Hämolysins  rascher  erfolgt,  und  nach  meiner  Meinung  wäre 
noch  hinzuzufügen,  daß  in  Tub.  3  eine  stärkere  Kondensation  der 
Kolloidteilchen  statthat  als  in  2  und  1. 


Quantitätsvariationen  der  Reaktionssubstanzen. 
1.  Ein  Kolloid  und  eine  Blutart, 

Es  existiert  keine  direkte  Proportionalität  zwischen  Saponin- 
menge  und  -Wirkung;  es  läßt  sich  vielmehr  eine  optimale  Partie 
konstatieren  zwischen  0,5  und  1,0  ccm  Saponin  (Tabelle  16),  wo 

Tabelle  16  (vgl.  Fig.  11). 
17.  März  1905. 


10  ccm  Huhnblut  +  V10promill.  Saponinlösung.    Temperatur  89°. 


Saponin 

Hämoglobin 

ccm 

0/ 
/Ü 

% 

% 

nach  80  Min. 

nach  65  Hin. 

nach  90  Hin. 

■3  «          0'1 

— 

2,5 

2,9 

*  8.           0,2 

1,9 

2,5 

3,0 

§*  ß       0,5 

2,4 

3,0 

3,3 

7?5 

.     3,8 

13,6 

3  'S  &      °>75 

33,3 

42,8 

50,0 

£  I         ^ 

66,6 

75,0 

86,0 

+   "           2,0 

100,0 

100,0 

100,0 

*)  Comptes  rendus  8oc.*Biol.  1905.  No.  5. 


-      375      - 

Tabelle  17. 

1.  Fobruar  1905.    Temperatur  31°. 


Hunde- 

NaCl 

Saponin 

Hämoglobin  nach 

blut 

17» 

8-10  H. 

1  85  M. 

90  M. 

210  M. 

cctn 

rem 

cem 

% 

0/ 

0/ 

/o 

% 

8,75 

0,25 

2,69 

3,7 



4,18 

3,5 

0,5 

6,52 

7,89        8,35 

8,69 

40    | 

3,0 

1,0 

13,63 

18,74 

21,43 

21,43 

5  Tage  aH 

2,0 

2,0 

54,09 

63,16 

85,71 

85,71 

1,0 

3,0 

100,0 

— 

— 

— 

0,0 

4,0 

100,0 

— 

— 

— 

/ 

3,75 

0,25 

3,94 

4,21  -     4,84 

8,33 

3,5 

0,5 

13,33 

14,28  1    14,63 

16,21 

40 

3,0 

1,0 

37,5 

42,85  !    46,1 

50,0 

Sai-iniv  3, 

2,0 

2,0 

60,0 

75,0    '    75,0 

— 

Kftrp^rrhnn    !  Tag** 

1*0 

3,0 

100,0 

100,0    '  100,0 

100,0 

> 

0,0 

4,0 

100,0 

100,0    1  100,0 

100,0 

23,75 

0,25 

4,81 

5,22 

6,8 

6,39 

1 

23,5 

0,5 

6,8 

7,22  !     8,0 

8,1 

20 

23,0 

1,0 

23,0 

25,0    :    27,27 

27,27 

22,0 

2,0 

60,0 

75,0      .92,8 

100,0 

21,0 

3,0 

92,3 

100,0    ;  100,0 

100,0 

20,0 

4,0 

92,3 

100,0    j  100,0 

100,0 

40 

3,75 

0,25 

16,34 

20,0    ,    23,6 

— 

40 

3,5 

0,5 

30,91 

36,17 

42,5 

— 

40 

3,0 

1,0 

56,6 

68,0 

68,0 

— 

20 

23,75 

0,25 

9,52 

10,53 

13,24 

27,02 

20 

23,5 

0,5 

34,48 

4444 

54,05 

62,5    : 

20 

28,0 

1,0 

52,63 

86,95 

1000 

100,0 

10 

33,75 

0,25 

8,7 

10,1 

11,1 

14,5 

K6rp*rrhen   .", 

10 

33,5 

0,5 

23,4 

31,5 

38,3 

44,2    , 

Saponin  t  Tage  alt 

10 

33,0 

1,0 

53,5 

76,6 

82,1 

88,4 

20 

23,75 

0,25 

11,6 

14,0 

15,9 

60,5 

20 

23,5 

0,5 

30,2 

35,3 

40,3 

46,0 

20 

23,0 

1,0 

79,3 

88,4 

100,0 

100,0 

gleiche  Saponinzunahme  eine  weit  größere  Effektsteigerung  bedingt 
als  unter-  oder  oberhalb  dieser  Menge.  Da  wir  wissen,  daLi  auch  bei 
der  Agglutination  (Henri  u.  Girard-Mangin)1)  und  Präzipitation 


l)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.   1904.   T.  56,  931. 


376 


(Neißer  u.  Friedemann1),  beim  Ausflocken  kollodialer  Lösungen 
(Biltz)2)  optimale  Mengen  gefunden  werden,  kann  uns  diese  Er- 
scheinung nicht  befremden,  da  sie  eben  auch  eine  Kolloidfunktion 
ist.  Es  ist  auch  nicht  verwunderlich,  daß  sich  aus  den  Versuchs- 
ergebnissen von  Cernovodeanu  u.  Henri3)  ganz  ähnliche  Kurven 
herstellen  lassen  (Fig.  12). 

Fig.  11. 


80 


60 


\* 


zo 


0,10,10,5      0,5        0,75       1 

Sapontn. 
Die  Blutkörpcrclicnmciigc  ist  konstant. 


2.  Ein  Kolloid  und  zwei  Blutarten. 

Die  Totalhämolyse   ist   geringer   als   die  Summe  der  Partial- 

hämolysen  (Cernovodeanu  u.  Henri4): 

in  21  Min. 
20  ccm  Huhnblut    +  20  ccm  NaCl         -f  0,7  ccm  Serum  .    .    46  Hb. 

20    „     Pferdeblut  +  20    „       „       22  Hb. 

20    „  „  +20  ccm  Huhnblut  +  0,7  ccm  Serum  .    .    49  Hb. 


»)  Mttnch.  med.  Wochensch.   1901.   Nr.  11  u.  19. 

2)  Ber.  d.  deutschen  ehem.  Ges.   1904.   37.   Nr.  5. 

3)  Comptes  rendus  Soc.  Biol.   1905.  Nr.  2. 

4)  Comptes  rendus  Soc   Biol.,   1905,  Nr.  11,   und  Comptes  rendus  Acad. 
Sciences,  Mai  1905. 


—     377     — 

In  dieser  interessanten  Erscheinung  sehen  die  Autoren,  nicht 
ohne  Berechtigung  einen  Beweis  gegen  die  Pluralität  der  Serum* 
hämolysine;  zur  vollen  Entscheidung  aber  hätten  spezifische  Ab- 
sorptionsversuche in  der  Kälte  gemacht  werden  sollen.  Erinnern 
wir  uns   daran,   daß   zum  Zustandekommen   eines  gewissen  hämo- 


700 

Fi« 

.  12. 

80 

1 

•5 

1 

1 

c     ZA 

. 

0 

4 

ZVk 

HV 

0,7t 

r      i 

r 

& 

t 

Hundeserum. 
Bei  gleichbleibender  Menge  der  HuhnblutkÖrpercht'ii. 

(Nach  Henri,  Comptes  rendus  Soc.  Biol.  1905,  Kr.  l-.i 

lytischen  Effektes  eine  bestimmte  Kondensationsrlidtte  der  Kolloid- 
teilchen auf  den  zu  lösenden  Blutkörperchen  (Schwellenwert)  not- 
wendig ist,  so  erscheint  uns  das  Phänomen,  dalS  das  Resultat  bei 
der  gemeinschaftlichen  Lösung  zweier  Blutarten  geringer  ist  als 
die  Summe  der  Partialhämolysen,  erklärlich;  denn  die  in  allen  drei 
Fällen  gleiche  Serummenge  muß  sich  im  dritten  Fall  auf  zu  viel 
Blutkörperchen  verteilen.  Die  Erscheinung  hat  Ähnlichkeit  mit 
Zanggers  Experiment,  wobei  statt  zweier  verschiedener  Blutarten 
zwei  gleiche  Fraktionen  derselben  Blutart  verwendet  wurden,  und  wo 
bei  Anwendung  beider  Fraktionen  auf  einmal  das  Resultat  das- 
selbe war,  wie  wenn  statt  einer  Fraktion  Na  Ol  zugesetzt  wurde. 

Zeitschrift  fllr  Infektionskrankheiten.     II,  4,5.  -■' 


—    378     — 

Kurve  13  zeigt  den  Effekt  bei  Fraktionierung,   wobei   die   zweite 
Fraktion  aus  einer  andern  Blutkörperchensorte  besteht. 

8.  Konibinätionswlrkuiigeii  zweier  Kolloide. 

Einiges,  was  besser  in  jenem  Zusammenhang  gesagt  wird,  das 
man  auch  hierher  rechnen  könnte,  findet  sich  im  vorigen  Kapitel 
unter  „Aktivatoren"  und  „Hemmungen". 

Das  bekannteste  Beispiel  des  Zusammenwirkens  zweier  Kolloide 
ist  die  Kombination  Ambozeptor-Komplement.  Es  sind  Kolloide  ver- 
schiedener Empfindlichkeit  und  —  nach  Difiundierbarkeit  —  ver- 
schiedener Teilgröße,  sie  zeigen  die  Eigentümlichkeit,  daß  sie  ge- 
wöhnlich getrennt  sind  im  Serum  und  nur  dann  zusammenwirken, 


Fig.  13. 

r* 

!h_ 

so 

AM 

fi 

s 

^>. 

i 

\ 

^ 

^ 

^ 

l— 

N 

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1         4 

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r       4 

f       ; 

r       i 

r      t 

f      * 

V 

i 

% 

ts 

Minuten, 

Konstante  Mengen  von  Saponin  und  Hnndeblnt  Nach  verschiedenen  Zeiten  (Abszisse) 

wird  jeweils  dieselbe  Menge  des  viel  empfindlicheren  Huhnblutes  beigegeben  als 

Indikator  für  die  Absorptionsgeschwindigkeit  des  Saponins. 


wenn  eben  ein  anzugreifender  Stoff  vorhanden  ist.  Blutkörperchen 
können  von  ihnen  ganz  verschiedene,  zur  Auflösung  genügende  Mul- 
tipla  aufnehmen.  Dies  spricht  dafür,  daß  wir  es  mit  Absorptions- 
erscheinungen zu  tun  haben,  wie  speziell  bei  Kolloiden. 

Im  ersten  Kapitel  haben  wir  gesehen,  daß  es  nicht  gleichgültig 
ist,  mit  welchem  Serum  man  ein  inaktiviertes  Serum  reaktiviert, 
Hundeserum  löst  Meerschweinchenblut.  Meerschweinchenserum  und 
Pferdeserum  reaktivieren  inaktives  Hundeserum.  Findet  die  Akti- 
vierung durch  Pferdeserum  statt,  so  ist  zur  Auflösung  einer  be- 
stimmten Meerschweinchenblutmenge  eine  sechsmal  größere  Quantität 


—     379     — 

von  Hundeserum  erforderlich,  als  wenn  man  mit  Meerschweinöhen- 
serum  aktiviert.  Das  ist  eigentlich  zu  erwarten;  denn  die  Serum- 
antikörper (Alexine)  von  Pferd  und  Meerschweinchen  sind  zwei  art- 
verschiedene Kolloide  und  müssen  deshalb  auf  die  mit  Hundeserum 
sensibilisierten  Blutkörperchen  vom  Meerschweinchen  verschiedene 
Wirkung  zeigen. 

Wie  bereits  erwähnt,  gibt  Ochsenserum  mit  Pferdeserum  einen 
Pferdeblut  lösenden  Kolloidkomplex,  während  eines  der  beiden  Sera 
allein  wirkungslos  ist.  Die  Wirkung  ist  fünfmal  stärker,  wenn  die 
Mischung  einige  Zeit  vor  dem  Gebrauch  stattfindet.  Da  Kolloide, 
besonders  diejenigen  des  Serums,  sehr  temperaturempfindlich  sind  — 
die  Viskosität  des  Serums  nimmt  mit  dem  Erwärmen  sehr  wenig 


Fig.  14. 


50 


*0 


|    30 


I  m 


10 


T 

W 

^* 

TT 

ILs* 

^ 

Hundegcntm 

0,6  cvm. 

0,4  ec»U 


Ruhnaermn 

allein* 


0,5      0,75       1 
Huhnserum. 


f,5 


Seromkombinationen. 

Die  Effektoteigernng  mit  zunehmender  Menge  des  Hahnserums  bei  konstanter  Menge 

des  Hundeserums  ist  nicht  bei  allen  Kurven  gleich  groß.    Wie  IV  zeigt,  kimu  der 

Grad  der  Hämolyse  mit  zunehmender  Menge  des  Huhnsemma  aogar  abnehmen« 


zu,  bis  es  opaleszent  wird,  die  Kolloide  desselben  werden  instabiler, 
so  daß  sie  durch  Eisenhydroxyd  leichter  ausgefällt  werden1)  -  ist, 
wie  zu  erwarten,  die  Kombination  unwirksam,  wenn  eines  der  beiden 
Seren  auf  55°  erwärmt  wurde.  Die  Funktion  des  Zustande*  der 
Seren  bei  der  gegenseitigen  Einwirkung  auf  einander  und  auf  die 
Körperchen  ist  evident.    Versetzt  man  eine  Mischung  von  zwei  Air 

l)  Mayer,   Henri   und  Ccrnovodeanu,   Comptes    renchiB   Sog.    Biol. 
1905,  No.  18.    (Vgl.  Biltz,  Freundlich,  1.  c.) 


—     380     — 

zwei  verschiedene  Blutarten  hämolyt.  Seren  mit  einer  der  beiden 
Blutsorten  im  Überschuß,  so  ist  die  Mischung  nachher  für  die  andere 
Blutart  unwirksam.1)  Unter  Außerachtlassung  der  Spezifität  haben 
die  Körperchen  eben  die  Hämolysine  der  beiden  Sera  gewissermaßen 
als  ein  komplexes  Kolloid  absorbiert. 

Quantitative    Untersuchungen    mit    Serum    —    oder   Kolloid- 
mischungen  —   machten    Cernovodeanu   und    Henri  (s.  o.)  und 

Fig.  15. 


0,3 
Rundeserum. 


Scramkombinationen. 
I.  Hundeserum  allein. 
II.  0,5  ccm  Hiihn.seriun. 
III.  0,75  „  „ 

(FiffK*  13  u.  14  nach  den  Zahlen  von  Cernovodeanu  u.  Henri.) 


IV.  1,0  ccm  Huhnacrnin. 
V.  1,5     ., 


fanden,  daß  die  Wirkung  einer  Mischung  zweier  hämolytischer  Seren 
stärker  ist,  als  die  Summe  der  Partialwirkungen   der  beiden  Seren 

allein.         20  ccm  Pferdeblut  +  0,5  ccm  Hundeserum  —  11,8  Hb. 

20    „  „  +  1,0    „     Huhnseruin  -=  11,1    „ 

20    „  „  4-  0.5    „      Hundeserum 

+  1,0    „      Huhnserum  ?=  57,1    „ 

!)  Bordet,   Ann.  Pasteur  1901,  zit.  n.  v.  Dungern,    rDie  Antikörper*. 


—     381     — 


Tabelle  18. 

1.  März  1905.    Temperatur  =  29°. 


°'0  Hämo- 
globin 

nach 
80  üb. 

nach 
1251». 

80,2 

100 

47,3  i   49,3 

nach  1 
55  üb.  ! 

26,6 
45,8 
90,0 
91,6 

47,1 

86,8 
91,6 

40  ccm  Pferdeblut  +  0,25  ccm  Sap.  +  0*5  Na.taur.  lproz. 

gleich  nach  einander 
40  ccm  Pferdeblut  +  0,5  ccm  Na.  taur.  +  0,25  ccm  Sap.     , 


30  ccm  Hundeblut  +  0,5  ccm  Na.taur.  ' 

30     „  „        +0,5     „     Na.tch.  +  n.  10  Min.  0,12  Sap. 

30     „  „        +0,12  „     Sap.  +  n.  10  Min.  0,5  Na.tch.  . 

30     „  „        +0,5     „    Na.tch. +  0,12  ccm  Sap.  .    .    . 


10  Min.  bei  30° 

Tabelle  19. 

1.  März  1905.    Temperatur  =  29«. 


Nach 
25  Min. 

Nach 
60  Min. 

Nach 
120  Min. 

/  30  Hundebl.  +  0,5  Na.taur  +  n   5  Min. 

0,2  Sap. 

10,0 

11,4 

13,1 

1  30         „ 

+  0,5 

ji       "*"  »i   5     » 

0,3 

ii 

12,5 

18,5 

25,0 

'30        „ 

+  0,5 

11              *       11     ö        „ 

0,5 

ii 

50,0 

55,5 

55,5 

(30 

+  0.75 

11              '       11     Ö        „ 

0,2 

ii 

11,9 

14,3 

{30        ,. 

+  0,75 

»>              '       11     ö        „ 

0,3 

ii 

16?1 

20,0 

21,7 

'30        „ 

+  0,75 

ti         •     j»   o     „ 

0,5 

II 

20,0 

31,3 

(30 

+  0,5 

i»        •    »  ö     „ 

0,3 

1» 

12,5 

30        „ 

+  0,75 

»        ""  ti  5     )t 

0,3 

»1 

16,1 

'30        „ 

+  1,0 

ii        *"  ii  "     ii 

0,3 

tl 

17,7 

80  Hundeblut  +  0,5  Na.taur 

.        . 

5.1 

5,6 

Kontroll- 
«ersuch 

30 

+  0,75     „ 

. 

8,6 

8,3 

8,77 

30 

+  1,0       „ 

. 

11,1 

13,1 

15,7 

30 

+  0,2  Sap. . 

8,9 

10,2 

11,1 

lao 

+  0,3     „    . 

50,0 

50,0 

50,0 

Aus  den  Kombinationen  verschiedener  Serummengen  von  Huhn 
und  Hund  auf  Pferdeblut  (nach  Cernovodeanu  und  Henri,  nach 
deren  Zahlen   die  nebenstehenden  Kurven  gezeichnet  sind),   ist  zu 


382     — 


ersehen,  das  sich  die  Wirkungen  nicht  immer  quantitativ  addieren, 
sondern  daß  in  einzelnen  Fällen  Optima  zu  erkennen  sind,  dali 
sogar  Hemmungen  zustande  kommen  (Fig.  15,  V),  wo  also  die 
Kombination  der  Kolloide  schwächer  wirkt,  als  eine  Komponente 
allein.  Das  sind  Erscheinungen,  die  durchaus  als  Parallelen  schon 
erwähnter  Kolloidreaktionen  zu  betrachten  sind. 

Ich  selbst  machte  Untersuchungen  mit  Mischungen  von  Saponin 
und  taurocholsaurem  Natrium  (Tab.  18  u.  19). 

Zur  Erläuterung  der  Kombinationswirkung  von  Xatriumtauro- 
cholat  und  Saponin  diene  die  Zusammenstellung  der  Hämoglobin- 
werte in  absteigender  Reihenfolge  mit  den  zugehörigen  Mengen 
der  beiden.    (Siehe  Tabelle  20.) 


Tabelle  20. 

Na.taur.       i 

Sap. 

Hämoglobin  nach 

2  proz. 

1  promill. 

25  Hin. 

f   - 

0,3 

50 

0,5 

0,5 

50 

l0,75 

0,5 

20 

(1,0 

0,3 

17,7 

a    0,75 

0,3 

16,1 

10,5 

0,3 

12,5 

0,75 

0,2 

11,9 

1,0 

— 

11,1 

0,5 

0,2 

10,0 

- 

0,2 

8,9 

0,75 

— 

8,6 

0,5 

— 

5,1 

Aus  den  Versuchen  geht  folgendes  hervor: 

Die  Reihenfolge  der  Zusätze  ist  von  Einfluß  auf  das  End- 
resultat, und  zwar  ist  dasselbe  größer,  wenn  das  bedeutend  stärker 
lösende  Saponin  zuerst  mit  den  Körperchen  in  Kontakt  kommt 
(Tab.  18).  Schon  hieraus  läßt  sich  auf  eine  Hemmung  des  Saponins 
durch  Na.  taurocholat  schließen. 

Die  beiden  hämolytischen  Kolloide  ergeben  keine  Mischung 
(wie  hämolyt.  Seren),  deren  Wirkung  größer  wäre  als  die  Summe 
der  Partialwirkungen,  sondern  in  unsern  Versuchen  ist  die  Wirkung 
der  Kombination  nicht  einmal  größer  als  der  Eifekt,  den  die  eine 
Komponente,  Saponin,  allein  zustande  bringt. 


—     383     — 

Das  taurocholsaure  Na  spielt  eine  zweifache  Rolle.  Bis  zu 
einer  Menge  von  0,5  ccm  mit  0,3  ccm  Saponin  herab  hemmt  es; 
die  Hämolyse  von  0,2  ccm  Saponin  aber  fördert  es  quantitativ; 
aber  trotzdem  erreicht  hier  das  Resultat  auch  nicht  die  Summe 
der  Partialeffekte  (nicht  8,6  +  8,0,  sondern  nur  11,9  und  nicht 
5,1  +  8,9,  sondern  bloß  10,0). 

Die  erwähnte  Hemmung  nimmt  aber  merkwürdigerweise  mit 
der  Menge  des  Na-tch.  nicht  zu,  sondern  ab  (Tab.  20a),  indem  sich 
noch  die  Lösungsfähigkeit  desselben  geltend  zu  machen  scheint. 
Der  zuerst  herabgesetzte  Lösungswert  des  Saponins  wird  also  nach- 
her durch  das  Na-tch.  quantitativ  gehoben. 

Die  Wirkungen  von  Kolloidmischungen  bei  zeitlich  verschie- 
denen Zusätzen  zeigen  nachstehende  Ergebnisse  von  Cernovodeanu 
ii.  Henri  (1.  c). 

a)  Blutk.  +  Serum  = 27,0  Hb. 

b)  „  4-  koll.  Eisenhydrat  =^     . 15,6  „ 

c)  „  +  Eisenhydr.  +  Ser.  = 22,2  „ 

d)  „  +  Serum  4-  Eisenhydr.  = 6,7  „ 

e)  „  +  Serum  +  nach  10  Min.  Eisenhydr.  -^   .    .    .    .  10,0  „ 

f)  „  +  Eisenhydr.  +  nach  10  Min.  Serum  =  .    .    .    .  27,0  „ 

g)  Serum  +  Eisenhydr.  nach  5  Min.  Blutk.    = Spur. 

Die  verschiedenen  Phänomene  werden  von  den  Autoren  fol- 
gendermaßen erklärt: 

c)  Das  Ferrihydroxyd  fixiert  sich  auf  den  Körperchen;  das 
nachfolgende  Serum  wird  ebenfalls  absorbiert.  Resultat:  Beschleu- 
nigung, verglichen  mit  b. 

d)  Das  Serum  (—  Kolloid)  gibt  mit  dem  Eisenhydrat  (+  Kol- 
loid) einen  Niederschlag,  deswegen  Verlangsamung. 

e)  Da  das  koll.  Eisenhydroxyd  10  Minuten  später  zugegeben 
wird,  hat  das  Serum  Zeit,  sich  zu  fixieren;  es  kann  deshalb  vom 
Eisenhydroxyd  nicht  oder  nur  teilweise  gefällt  werden,  weshalb  die 
Hemmung  weniger  stark  ist. 

f)  Das  Hydroxyd  sensibilisiert  während  zehn  Minuten  die  Blut- 
körperchen (vgl.  das  sonst  hemmende  Pferdeserum  unter  „Aktiva- 
toren"); deshalb  ist  die  Hämolyse  sehr  ausgiebig. 

g)  Die  beiden  Kolloide  haben  2eit,  sich  vollständig  auszufällen, 
wodurch  sie  unwirksam  werden. 

Außerdem  erkennen  wir  auch  hier,  daß  die  Reihenfolge  der 
Zusätze  bedeutungsvoll  ist. 


ymm 


—     384     — 

Ein  Rückblick  auf  die  Kombinationswirkungen  von  zwei  Kol- 
loiden ergibt: 

Kolloide  können  sich  gegenseitig  hemmen  oder  bei  der  Lösung 
unterstützen,  und  zwar  ist  im  letzteren  Fall  entweder  keine  der 
beiden  Komponenten  imstande  allein  zu  lösen  (Beispiel:  Ambo- 
zeptor  +  Komplement,  sowie  die  erwähnte  pferdeblutlösende  Mischung 
von  Pferde-  und  Ochsenserum)  oder  beide  Komponenten  wirken 
auch  einzeln  hämolytisch  in  verschiedenem  Grade,  und  für  solche 
Mischungen  existieren  in  bezug  auf  Wirkungsgrad  zwei  Möglich- 
keiten: 

1.  Die  Wirkung  zweier  hämolytischer  Kolloide  ist  stärker  als 
die  Summe  der  Einzelwirkungen  (Seren),  oder 

2.  Die  Wirkung  ist  größer,  als  eine  Partialwirkung,  aber 
kleiner,  als  die  andere,  so  daß  man  hier  schon  von  einer  Hemmung 
sprechen  könnte.  (Saponin  +  taurochols.  Na,  Eisenhydroxyd  +  Serum 
Anordnung  c.) 

Die  Reihenfolge,  in  der  die  Reaktionssubstanzen  zusammen- 
gebracht werden,  ist  von  Einfluß  auf  das  Endresultat.  Dasselbe 
ist  größer,  wenn  von  zwei  Kolloiden  gleicher  Ladung  das  stärker 
lösende  zuerst  zugegeben  wird,  als  wenn  man.  umgekehrt  verfahrt. 
(Saponin  +  Na-tch.) 

Sind  die  beiden  Kolloide  aber  verschiedenen  Vorzeichens,  so 
kommt  es  zur  Fällung,  wrenn  sie  in  Abwesenheit  von  Blutkörperchen 
gemischt  werden  (Eisenhydroxyd  +  Serum).  Ist  ein  Kolloid  aber 
von  Blutkörperchen  absorbiert,  so  tritt  keine  oder  geringgradige 
Fällung   ein,   und  der  Effekt  ist  größer  (Eisenhydroxyd  +  Serum). 

Aus  alledem  geht  hervor,  daß  bei  den  Zusätzen  die  Zeit  als 
wirksamer  Faktor  in  Funktion  tritt,  als  Folge  der  Kolloidnatur  der 
Substanzen  (der  Effekt  ist  größer,  wenn  die  Mischung  eine  Zeit- 
lang vor  Gebrauch  stattfindet,  ebenso  bei  der  mehrfach  erwähnten 
Mischung  von  Pferde-  und  Ochsenserum)  und  der  Absorptions- 
vorgänge (Eisenhydroxyd  und  Serum). 

Fassen  wir  nun  die  hämolytischen  Eigenschaften  von  dem 
Gemisch  Pferdeserum-Ochsenserum,  Huhnserum  +  Hundeserum  ins 
Auge,  erinnern  wrir  uns  ferner  des  Verhaltens  von  Serum  +  Eisen- 
hydroxyd und  der  Saponin-Natriumtaurocholatgemische,  so  werden 
wir  zu  der  Annahme  gedrängt,  daß  beim  Vermischen  von  zwei 
Kolloiden  jedes  einzelne  als  Individuum  verschwindet  und  ein  neues, 


—    385     — 

komplexes  Kolloid  entsteht,  sozusagen  eine  Kolloidverbindung  mit 
neuen  oder  graduell  von  denen  der  anfänglichen  Kolloide  ver- 
schiedenen Eigenschaften.  Da  jede  Komponente  als  selbständiges 
Individuum  unter-  und  in  dem  neuen  Komplex  aufgeht,  kann  das 
Resultat  der  Wirkung  des  letzteren  nicht  gleich  sein  der  Summe 
der  Einzelresultate.  Die  Wirkung  einer  solchen  Mischung  ist  ver- 
schieden nach  Natur  und  Menge  der  Ausgangsprodukte. 

In  dieser  Annahme  liegt  eine  Erklärungsmöglichkeit  für  die 
so  verschiedenen  Wirkungserscheinungen  der  erwähnten  Kolloid- 
kombinationen. 


V.  Zusammenfassung.    Schluß. 

1.  Das  Wesen  der  Hämolyse  liegt  in  der  Permeabilisierung 
einer  Membran,  der  Lipoidhülle  der  Erythrozyten.  Die  uns  bei 
diesem  Vorgang  wahrnehmbaren  Erscheinungen  sind  physikalische 
und  lassen  sich  demgemäß  nur  physikalisch-chemisch  deuten^  Es 
soll  natürlich  nicht  geleugnet  werden,  daß  bei  der  feineren  Destruktion 
der  Membran  auch  chemische  Prozesse  mitspielen  können.  Aber 
—  sofern  solche  wirklich  stattfinden  —  sie  sind  bis  heute  nicht 
beobachtet  worden.  A  priori  sind  solche  nicht  anzunehmen,  da  der 
Kolloidalzustand  der  beteiligten  Stoffe  chemische  Kräfte  zurückdrängt 

2.  Das  prinzipiell  wichtige,  das  wir  von  der  Hämolyse  wissen, 
ist:  Die  Serumhämolysine  sowohl,  wie  auch  die. Blutkörperchen  mit 
ihrer  Oberflächenkoagulationsmembran  sind  kolloidal.  Deshalb  wird 
die  Wirksamkeit  der  ersteren  und  der  Widerstand  der  letzteren 
beeinflußt  durch  positive  oder  negative  Elektrizität  —  sei  sie  nun 
durch  Ionen  oder  durch  Kolloide  hergebracht  —  und  durch  Tempe- 
raturschwankungen, wie  wir  im  II.  und  III.  Kapitel  ausführlich  dar- 
legten. Die  Veränderungen  der  Reaktionssubstanzen  äußern  sich  in 
Veränderungen  der  Reaktionsgeschwindigkeit.  Diese  aber  ist  vom 
zeitlichen  Verlauf,  von  verschiedenen  aufeinander  folgenden,  sich 
bedingenden  Vorgängen  abhängig,  die  zur  Hauptsache  Diffusions»- 
und  Absorptionsprozesse  sind  (Lösungs-  und  Quellungsprozesse). 
Für  diese  Vorgänge  aber  gelten  physikalische  Gesetze. 

3.  Es  lassen  sich  aus  dem  Gebiet  der  physikalischen  Chemie 
Parallelen  finden  zu  den  Vorgängen  bei  der  Hämolyse.  Auch  in 
der  unorganisierten  Natur  gibt  es  spezifische  Absorptionen,  wie  wir 


—     386     — 

< 

früher  sahen.  Die  Spezifität  kann  also  nicht  als  Beweis  für  4ie 
chemische  Natur  der  Bindung  der  Hämolysine  an  die  Blutkörperchen 
geltend  gemacht  werden.  Hemmungen  sind  auch  bei  Reaktionen 
anorganischer  Kolloide  beobachtet  worden,  die  Schutzwirkung  auf 
Kolloide  durch  Kolloide,  z.  B.  die  Stabilisierung  eines  Kolloids  gegen 
Ausfällung  durch  Elektrolyte  oder  seinesgleichen  entgegengesetzter 
Ladung.  (Biltz,  Zsigmondy.)  Die  Hemmungen  aber  sind  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  auf  Absorption  zurückzuführen. 

Kolloide  zeigen  ein  Mengenoptimum  der  Wirkung,  z.  B.  bei 
gegenseitiger  Ausfällung  (Henri,  Biltz,  Bechhold,  Neißer  und 
Friedemann  u.  A.  1.  c).  Ein  solches  Optimum  zeigen  auch  hämo- 
lytische Kolloide,  und  zwar  sowohl  Seren  wie  auch  das  Saponin. 
(Vgl.  Kurven  Nr.  11  und  12.) 

4.  Die  durchgehende  Analogie  der  hämolytischen  Wirkung 
bekannter  Kolloide,  Salponin,  Eisenhydroxyd,  taurocholsaures  Na, 
Kieselsäure  mit  den  Serumkolloiden,  den  Hämolysinen,  spricht  daför, 
daß  die  Hämolyse  eine  Kolloidreaktion  ist  und  sich  deshalb  nach 
physikalisch-chemischen  Gesetzen  abspielt.  Dafür  zeugt  auch  die 
Ersetzbarkeit  des  Ambozeptors  durch  kolloidale  Kieselsäure. 

5.  Für  eine  physikalisch-chemische  Auffassung  sprechen  auch 
die  beiden  Parallelen  mit  den  Wirkungen  der  Fermente,  die  ja 
auch  physikalisch-chemisch  gedeutet  werden,  nämlich  die  Tatsache, 
daß  Temperaturerhöhungen  um  10°  die  Reaktionsgeschwindigkeit 
nicht  verdoppelt,  wie  dies  bei  chemischen  Reaktionen  der  Fall, 
sondern  daß  ein  Temperaturoptimum  existiert,  das  bei  der  Hämolyse 
bei  37°  liegt,  die  Reaktion  nur  in  engen  Temperaturgrenzen  möglich 
ist  (ca.  30—40°),  und  ferner  die  begünstigende  oder  verzögernde 
Einwirkung  von  Ionen. 

6.  Gegen  eine  rein  chemische  Deutung  führen  wir  ferner  die 
Tatsache  ins  Feld,  daß  das  Gesetz  der  konstanten  multiplen 
Proportionen  für  die  Hämolyse  als  Mengenreaktion  keine  Gültig- 
keit hat. 

7.  Der  hier  von  uns  nach  physikalisch-chemischen  Gesichts- 
punkten beleuchtete  Prozeß  der  Permeabilisierung  einer  Membran 
mit  dem  Farbstoflfaustritt  als  Indikator  ist  ein  Spezialfall.  Es  ist 
wahrscheinlich,  daß  im  allgemeinen  im  Organismus  bei  der  Zer- 
störung von  Membranen,  Zellmembranen  oder  der  pathologischen 
Permeabilisierung  derselben  für  Kristalloide  und  Kolloide  die  hier 
betonten   isolierten  Faktoren   tätig  sind   oder  auch  diese  Prozesse 


—     387     — 

sich  nach  den  hier  auseinandergesetzten  Regeln   vollziehen    (z.  B. 
bei  der  Bakteriolyse,  Zytolyse,  Nekrose). 

Das  Endergebnis  unserer  Untersuchungen  ist: 
Die  Hämolyse  ist  die  Folge  von  Veränderungen  der 
Permeabilitätsverhältnisse  oder  völligen  Zerstörung  einer 
Membran.  Die  dabei  stattfindenden  Einzelvorgänge  sind 
physikalisch -chemischer  Natur.  Begleitende  chemische 
Prozesse  sind  uns  unbekannt.  Die  Gesetze  der  Hämolyse 
sind  Gesetze  der  physikalischen  Chemie. 

Die  bestimmte  meßbare  Hämolyse  ist  die  Resultante 
einer  Reihe  einander  folgender. -sich  bedingender  Prozesse, 
die  alle  bestimmten  Gesetzen  der  Physik  und  physikali- 
schen Chemie  folgen.  Die  diesen  Gesetzen  entsprechenden 
Reaktionskurven  (deren  Anfange  zeitlich  verschieden  sind)  super- 
poniert  ergeben  die  Kurve  der  Hämolyse; 


Die  Experimente  zur  vorliegenden  Arbeit  wurden  im  physio- 
logischen Institut  der  vet.-med.  Fakultät  der  Universität  Zürich 
während  meiner  Assistentenzeit  ausgeführt.  Es  ist  mir  eine  angenehme 
Pflicht,  dem  Chef  des  Instituts,  Herrn  Prof.  Dr.  H.  Zangger, 
meinem  hochverehrten  Lehrer,  für  die  vielen  Anregungen,  Rat- 
schläge und  Unterstützung  mit  Literatur  auch  hier  meinen  herz- 
lichsten Dank  auszusprechen. 


Beitrag  zur  Darstellung  der  Negrischen  Körperchen. 

.  Von 
Dr.  Willy  Pfeiler, 

Assistenten  am  Hygienischen  Institut  der  König].  Tierärztlichen  Hochschule  zu  Berlin. 

Nach  Bohne  (1)  kann  man  bei  Anwendung  der  von  Henke 
und  Zeller  (2)  angegebenen  Schnelleinbettungsmethode  mittelst 
Azeton  und  Paraffin  schon  in  drei  Stunden  Schnitte  herstellen,  die 
den  Nachweis  der  Tollwut  ermöglichen,  wenn  sie  nach  einer  der 
vielen  Methoden  gefärbt  werden,  die  für  die  Darstellung  der  Xegri- 
Körperchen  angewandt  wrorden  sind.  Bohne  selbst  empfiehlt  die 
Mann  sehe  Färbung,  die  er  modifiziert  hat,  indem  er  die  Schnitte 
nicht  wie  Mann  24  Stunden,  sondern  nur  1  2— 4  Minuten  in  der 
Farblösung  läßt.  Das  Bohne  sehe  Verfahren  gestaltet  sich  alsdann 
so:  Fixierung,  Härtung  und  Entwässerung  in  Azeton  in  30— 40 
Minuten.  Darauf  ein  Aufenthalt  von  GO— 75  Minuten  in  Paraffin. 
Die  Stücke  werden,  wenn  sie  gründlich  durchtränkt  sind,  ein- 
gebettet, geschnitten,  aufgeklebt,  angetrocknet  und  dann,  nachdem 
sie  von  Paraffin  befreit  sind,  in  der  Mannschen  Farblösung  (35  cem 
1  proz.  wrässeriger  Methylenblaulösung  +  35  cem  1  proz.  wässeriger 
Eosinlösung  +  100  cem  destillierten  Wassers)  1j2 — 4  Minuten  ge- 
lassen. Es  folgt  ein  kurzes  Abspülen  mit  Wasser,  worauf  die 
Schnitte  für  kurze  Zeit  in  absoluten  Alkohol  kommen.  Aus  diesem 
werden  sie  auf  15—20  Sekunden  in  absoluten  Alkohol  gebracht,  dem 
auf  je  30  cem  Alkohol  5  Tropfen  einer  1  proz.  Lösung  von  Natronlauge 
in  absolutem  Alkohol  zugefügt  sind*  um  nach  abermaligem  Ab- 
spülen mit  absolutem  Alkohol  auf  eine  Minute  in  Wasser  gestellt 
zu  werden.  Hierauf  kommen  die  Objektträger  auf  2  Minuten  in 
Wasser,  das  mit  Essigsäure  leicht  angesäuert  ist.  Die  Schnitte 
werden  dann  im  steigenden  Alkohol  schnell  entwässert  und  montiert. 


—    389    — 

Wenn  die  Schnitte  nun  nicht  einzeln  in  Schalen  gefärbt 
werden  sollen,  sondern  Wert  darauf  gelegt  wird,  mehrere  Schnitte 
oder  Schnittserien  oder  ganze  Schnittbänder  auf  einmal  zu  färben, 
so  werden  sie,  soweit  es  sich  um  Paraffinobjekte  handelt,  auf  dem 
Deckglas  oder  dem  Objektträger  entweder  mit  Wasser  durch  ein- 
fache Flächenattraktion  oder  mit  Hilfe  eines  Klebemittels,  wie  es 
z.  B.  das  Glyzerineiweiß  ist,  angeklebt.  Dann  müssen  die  Schnitte 
langsam  antrocknen,  wobei  je  nach  der  Höhe  der  die  Aus-  und 
Äntrocknung  bewirkenden  Wärme  mehrere,  oft  bis  zu  sechs  oder 
zwölf  Stunden  vergehen. 

Ich  möchte  mir  nun  gestatten,  um  das  Arbeiten  nach  der 
Bohne  sehen  Methode  noch  schneller  zu  gestalten,  auf  ein  Verfahren 
aufmerksam  zu  machen,  das  es  erlaubt,  die  von  dem  Mikrotom- 
messer herunterkommenden  Schnitte  oder  Schnittbänder  sofort  nach 
dem  Schneiden  in  die  Färbeflüssigkeiten  zu  bringen.  Ich  verdanke 
die  Kenntnis  dieses  Verfahrens,  das  ich  seit  langem  anwende, 
einer  persönlichen  Mitteilung  des  Herrn  Professor  J.  v.  Apäthy. 

Auf  den  in  der  üblichen  Weise  in  dünnster  Schicht  mit 
(Ttyzerineiweiß  bestrichenen  Deckgläschen  oder  Objektträgern  ordne 
ich  die  Schnitte  in  der  von  mir  gewünschten  Weise,  indem  ich  sie 
mit  Hilfe  eines  feinen  Kamelhaarpinsels  auf  der  dünnen  Schicht 
destillierten  Wassers,  die  sich  über  der  Eiweißschicht  befindet, 
bewege.  Darauf  strecke  ich  die  Schnitte  auf  einem  auf  58  °  ein- 
gestellten Paraffinofen.  Zu  diesem  Zweck  bringe  ich  auf  den  Ofen 
1—2  Tropfen  Wasser  und  lege  die  beschickten  Objektträger  für 
einen  Augenblick  auf  diese  Stelle  des  Paraffinofens.  Das  Wasser 
verbreitet  sich  sogleich  überallhin  unter  dem  Objektträger  und  be- 
wirkt infolge  der  gleichmäßigen  Erwärmung  eine  vollkommene 
Streckung  der  Schnitte.  Nun  sauge  ich  das  überschüssige  Wasser 
ab  und  bedecke  den  Objektträger  mit  einem  Streifen  feinsten,  sati- 
nierten Löschpapiers  von  gleicher  Größe,  den  ich  mit  TOproz. 
Alkohol  befeuchtet  habe.  Über  diesen  Streifen  lege  ich  noch  zwei 
bis  drei  andere  Lagen,  bis  die  Flüssigkeit  die  oberste  Schicht  des 
Löschpapiers  kaum  noch  durchfeuchtet.  Mit  dem  gestreckten  Finger 
fahre  ich  dann  mehrmals  unter  sanftem  Druck  über  das  Löschpapier 
und  drücke  so  die  Schnitte  auf  ihrer  Unterlage  an.  Dann  liebe  ich 
die  einzelnen  Lagen  des  Papiers  nacheinander  ab,  ohne  befürchten 
zu  müssen,  daß  sich  ein  Schnitt  verrückt  hat  oder  am  Papier  haften 
geblieben  ist.    Den  Rest  der  noch  auf  dem  Objektträger  vorhandenen 


—     390     — 

Flüssigkeit  lasse  ich  verdunsten,  indem  ich  denselben  auf  fiinf  bis 
zehn  Minuten  in  einen  auf  38°  eingestellten  Brutschrank  lege.  So- 
bald die  Schnitte  trocken  sind,  „schmelze  ich  sie  an",  d.  h.  ich 
lege  sie  für  kurze  Zeit  in  den  Paraffinofen  bei  58°.  Dort  belasse 
ich  sie  so  lange,  bis  ich  sehe,  daß  das  Paraffin  geschmolzen  ist  und 
die  Schnitte  gewissermaßen  durchsichtig  geworden  sind.  Da  die 
Schnitte  vollständig  festgeklebt  sind,  schadet  ihnen  auch  ein  etwas 
längerer  Aufenthalt  bei '58°  nichts.  Das  Paraffin  erstarrt  später 
wieder,  und  nun  bringe  ich  die  Objektträger  in  Xylol,  Benzol  oder 
Chlorofprm  und  kann  sie  sowohl  durch  alkoholische  als  auch 
wässerige  Flüssigkeiten  führen.    Die  Schnitte  haften  absolut  fest. 

Neuerdings  habe  ich  die  Schnitte  auch  nach  der  Streckung, 
ohne  sie  vorher  mit  angefeuchtetem  Löschpapier  anzudrücken,  ein- 
fach antrocknen  lassen  und  sie  dann  „angeschmolzen".  Die  so  be- 
handelten Schnitte  sind  mir  nie  weggeschwommen.  Eine  Viertel- 
stunde nach  dem  Schneiden  sind  die  Präparate  schon  montiert  und 
zur  mikroskopischen  Durchsicht  fertig. 

Für  die  Färbung  meiner  Schnitte  bediene  ich  mich  nicht  der 
Mann  sehen  Methode,  da  diese  mir  einerseits  zu  umständlich  ist, 
andererseits  einige  Aufmerksamkeit  seitens  des  Färbenden  für  die 
Differenzierung  erfordert,  so  daß  sie  mir  für  die  Hand  des  Un- 
geübten, wie  es  der  Studierende  ist,  nicht  einfach  genug  dünken 
will.  Unter  den  von  mir  erprobten  Färbungen  scheint  mir  die  von 
Frothingham  (4)  angegebene  Eosin-Methylenblaufärbung  wegen 
ihrer  Einfachheit  am  geeignetsten  für  die  Darstellung  der  Negri- 
Körperchen  zu  sein.  Frothingham  förbt  mit  gesättigtem  alkoholi- 
schen Eosin  15  Minuten  und  mit  Löfflers  alkalischem  Methylen- 
blau 3—5  Minuten  nach,  um  schließlich  in  95proz.  Alkohol  zu 
entfärben. 

Ich  verfahre  so,  daß  ich  die  Schnitte  zunächst  mit  einer 
V2— 1  proz.  wässerigen  Eosinlösung  überfärbe,  sie  dann  in  Wasser 
abspüle,  ohne  weiteres  in  eine  1  proz.  alkalische  Löfflerblaulösung 
übertrage,  hier  gleichfalls  überfärbe  und  die  Schnitte  dann  nach 
vorherigem  Abspülen  in  Wasser  in  96  proz.  Alkohol,  dem  ich  einige 
Tropfen  einer  72proz.  Eosinlösung  zugesetzt  habe,  so  lange  diffe- 
renziere, bis  die  Schnitte  schwach  rosa  erscheinen  und  die  Stellen, 
an  denen  sich  Anhäufungen  von  Ganglienzellen  befinden,  sich  gegen 
die  Grundfarbe  bläulich  abheben. 


-    391     - 

Unter  dem  Mikroskop  zeigen  sich  dann  gegen  den  leicht  rosa 
gefärbten  Grund  die  Ganglienzellen  mattblau  mit  blauem  Kern  und 
etwas  dunklerem  Kernkörperchen  und  den  leuchtend  rosa  gefärbten 
Xegri-Körperchen  mit  ihren  gut  differenzierten  Einschlüssen,  wäh- 
rend die  mit  den  Wutkörpern  eventuell  zu  verwechselnden  roten 
Blutkörperchen  einen  gelbroten  Ton  angenommen  haben. 


Literatur. 


1.  Bohne,   Beitrag  zur  diagnostischen  Verwertbarkeit  der  Negri sehen  Kör- 
perchen.   Zt  für  Hyg.  n.  Infektionskr.,  52.  Bd.,  1.  Hft,  S.  87. 

2.  Henke  n.  Zelle r9  Zentralblatt  f.  allgem.  Pathologie  u.  patholog.  Anatomie, 
1905,  Nr.  2. 

3.  Heim,  Lehrbuch  der  Bakteriologie,  8.  Aufl.,  S.  61. 

4.  Frothingham,  The  rapid  diagnosis  of  Rabies.   Jouro  of  Medic.  Research, 
VoL  XIV.  No.  3  (New  Series  Vol.  IX)  1906. 


Referate. 


Über  Opsonine  (bakteriotrope  Substanzen). 

Sammelreferat.  .:.<_ 

Von 
Prof.  E.  Joest. 

Bekanntlich  sind  die  Anschauungen  über  das  Wesen  der  Immuni- 
tät geteilt.  Es  stehen  sich  die  Me  t  seh  nik  off  sehe  Phagozyten  theorie 
und  die  humorale  Theorie  gegenüber.  Metschnikoff  erblickt  die  Ursache 
der  Immunität  darin,  daß  gewisse  Zellen  des  Organismus,  insbesondere  die 
Leukozyten,  die  in  den  Tierkörper  eingedrungenen  pathogenen  Bakterien 
in  sich  aufnehmen  und  verdauen.  Nach  der  humoralen  Theorie  sind  es 
die  zellfreien  Körpersäfte,  vor  allen  Dingen  das  Blutserum,  die  bakterien- 
oder  giftfeindliche  Schutzstoffe  (Antikörper)  enthalten.  In  Deutschland 
hat  die  humorale  Theorie,  gestützt  vor  allem  durch  die  epochemachenden 
Arbeiten  v.  Behrings  und  Ehrlichs,  am  meisten  Anklang  gefunden. 

Die  Forschungen  über  die  Schutzstoffe  des  Serums  haben,  wie  be- 
kannt, dazu  geführt,  hier  zwei  scharf  getrennte  Typen  von  Antikörpern, 
bakterizid  und  antitoxisch  wirkende,  zu  unterscheiden.  Diese  beiden  Typen 
schienen  sämtliche  Schutzstoffe  des  Serums  zu  umfassen,  andersgeartete 
Schutzstoffe  schienen  nicht  zu  existieren.  Ein  Serum  konnte  also  nach 
dieser  Ansicht  nur  bakterizid  oder  antitoxisch  wirken,  eine  dritte  Möglich- 
keit kam  nicht  in  Frage.  Neuere  Untersuchungen,  besonders  von  Wright 
sowie  Neufeld  und  Rimpau,  haben  indessen  gezeigt,  daß  dieser  Schluß 
nicht  richtig  ist,  „daß  es  (Neufeld  und  Rimpau)  vielmehr  noch 
eine  dritte  Art  von  spezifischer  Serumwirkung  gibt,  die  weder 
dem  Typus  der  antitoxischen,  noch  dem  der  bakteriziden  Sera 
folgt.  Dieselbe  steht  zwar  im  Prinzip  der  bakteriziden  nahe,  aber  sie 
bedarf  im  Gegensatz  zu  dieser  einer  direkten  zellulären  Mitwirkung"  und 
gründet   sich  damit  auf  die  Metschnikoff  sehe  Phagozytentheorie. 


—     393     — 

Von  dieser  Serumwirkung  soll  in  vorliegendem  Sammelreferat  die 
Rede  sein. 

Denys  und  Leclef*)  waren  die  ersten,  die  anf  eine  die  Phago- 
zytose fördernde  Wirkung  eines  Immunserums  (Antistreptokokkenserum) 
hinwiesen.  Denys  und  Leclef  zeigten  im  Reagenzglase,  daß  das  Serum 
ihrer  gegen  Streptokokken  immunisierten  Kaninchen  die  Phagozytose  gegen- 
über den  Streptokokken  mächtig  anregt.    Sie  machten  folgende  Versuche: 

1.  Leukozyten  von  normalen  Kaninchen  +  normales  Kaninchenserum 
-f-  Streptokokken.  2.  Leukozyten  von  gegen  Streptokokken  immunisierten 
Kaninchen  -f"  normales  Kaninchenserum  -f~  Streptokokken.  3.  Leukozyten  von 
normalen  Kaninchen  -f-  Antistreptokokkenserum  -f  Streptokokken.  4.  Leuko- 
zyten von  gegen  Streptokokken  immunisierten  Kaninchen  +  Antistreptokokken- 
serum +  Streptokokken.  —  Resultat:  In  Versuch  1  und  2  keine  oder  ganz 
geringe  Phagozytose,  in  Versuch  3  und  4  lebhafte  Phagozytose  mit  Abtötung 
der  Streptokokken. 

Denys  und  Leclef  folgern  aus  diesen  Ergebnissen:  „Chez  le  lapin 
Vaccine'  le  leucocyte  tient  du  s£rum  son  pouvoir  d'englober  et  de  de'truire 
le  streptocoqne." 

Die  Opsonlnlehre  Wrights. 

Sehr  eingehende  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  des  Serums 
zur  Phagozytose  stellten  Wright  und  seine  Schüler  an. 

Bereits  im  Jahre  1902  hatten  Wright  und  Windsor2)  nach- 
gewiesen, daß  das  menschliche  Serum  nicht  die  geringste  bakterizide 
Wirkung  auf  den  Staphylococcus  pyogenes  ausübt.  Mit  dieser  Beobachtung 
begnügte  sich  Wright  jedoch  nicht,  er  versuchte  vielmehr,  auf  dem  Boden 
der  Metschnikoff  sehen  Lehre  stehend,  zu  ermitteln,  ob  das  Serum  nicht 
doch  indirekt,  durch  Beeinflussung  der  Phagozytose  bei  der  Zerstörung  der 
Staphylokokken  mitwirkte.3)  Er  stellte  bei  seinen  Versuchen  fest,  daß 
das  Serum  tatsächlich  einen  solchen  Einfluß  ausübt,  und  zwar  in  dem 
Sinne,  daß  es  die  Phagozytose  fördert. 

Um  exakt  arbeiten  zu  können,  war  es  notwendig,  die  phagozytäre 
Wirkung  des  zu  untersuchenden  Blutes  und  den  Einfluß  des 
Serums  auf  die  Phagozytose  zahlenmäßig  zu  bestimmen.  Wright 
und  Douglas4)  wandten  dabei  eine  Modifikation  einer  zuerst  von  Leish- 
man5)  angegebenen  Methode  an: 


»)  La  cellule  T.  11,  1895. 

*)  Journ.  of  Hygiene,  Vol.  2,  1902,  Nr.  4. 

*)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  72,  1903,  Nr.  483. 

4)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  72,  1903,  Nr.  483. 

*)  Brit.  med.  Journ.,  1902. 

Zeltachrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  4/5.  26 


früfS 


—     3$4 


1»  Man  nimmt  ein  Volumen  Blut  des  Individuums,  dessen  Serum  auf 
seinen  Einfluß  auf  die  Phagozytose  untersucht  werden  soll,  und  befreit  das 
Blut  durch  Zentrifugieren  von  den  Blutkörperchen.  T 

2.  Man  entzieht  irgendeinem  gesunden  Individuum  Blut  und' mischt  es 
zu  einem  Zehntel  seines  Volumens  mit  lOproz.  Natriumzitratlösung.  Durch 
Zentrifugieren  und  wiederholtes  Waschen  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
gewinnt  man  die  reinen  Blutkörperchen.  Von  diesen  nimmt  man  das  gleiche 
Volumen  wie  bei  1. 

-  3.  Man  nimmt  endlich  ein  gleiches  Volumen  Bakteriensuspension,  die  durch 
Schütteln  einer  24  stündigen  Agarkultur  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
und  Zentrifugieren  (zur  Entfernung  von  verklumpten  Bakterien)  gewonnen  wird. 

Diese  drei  Volumina  werden  gemischt,  das  Gemenge  wird  für  etwa 
15  Minuten  im  Brutschrank  bei  37°  C  gehalten.  Dann  macht  man  Ausstrich- 
präparate, die  nach  der  L  eis  hm  an  sehen  Modifikation  der  Romanowski- 
Färbung1)  tingiert  und  dann  mit  der  Immersion  untersucht  werden. 

Wright  nennt  die  Substanzen  im  Blutserum,  die  die  Phagozytose 
fördern,  Opsonine2)  (lat.:  opsono,  ich  bereite  die  Nahrungsmittel  zur 
Mahlzeit  vor.  Hier  werden  die  Bakterien  für  die  Phagozytose  vorbereitet). 
Später  spricht  Wright3)  auch  von  diesen  Substanzen  als  Von  einem 
„incitor  element"  (lat.:  incito,  ich  eile,  ich  beschleunige  [sc  die 
Phagozytose]).  Ohne  Opsonine  findet  nach  Wright  keine  Phagozytose 
statt.  Suspendiert  man  Leukozyten  in  einem  Serum,  dem  seine  Opsonine 
entzogen  worden  sind,  oder  in  physiologischer  Kochsalzlösung,  so  sind  sie 
(die  Leukozyten)  so  gut  wie  unfähig,  Phagozytose  auszuüben.  Ent- 
sprechende Ergebnisse  hatten  auch  Gruber  und  Futaki4)  bei  ihren 
Versuchen  über  Phagozytose  in  aktivem  und  inaktivem  Serum.  (L  8  hl  ein*) 
und  Bächer6)  fanden  dagegen,  daß  auch  Leukozyten  an  sich  [ohne  Serum] 
eine  gewisse  Phagozytose  leisten  können.) 

Durch  Zählung  der  von  den  polynukleären  Leukozyten  bei  der  vor- 
stehend angegebenen  Versuchsanordnung  aufgenommenen  Bakterien  in  einer 
Anzahl  von  Zellen  (es  werden  die  Bakterien  in  etwa  25  Zellen  gezählt)  und 
durch  Division  der  Gesamtmenge  der  gefressenen  Bakterien  durch  die  Zahl  der 
fressenden  Phagozyten  bestimmt  Wright7)  den  „phagozytären  Index". 

l)  Brit.  med.  Journ.  1901. 

*)  Deutsche  med.  Wochenschr.,  30.  Jahrg.,  1904,  Nr.  52.  —  Proc.  of  the 
Roy.  Soc,  Vol.  73,  1904,  Nr.  490.  -  Ibidem.  Vol.  74,  1904,  Nr.  499.  —  Ibidem. 
Vol.  77,  1906.  —  Weinstein,  Berl.  klin.  Wochenschr.,  43.  Jahrg.,  1906,  Nr.  80. 
—  Fyshe,  Montreal  med.  Journ.  1906. 

*)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  77,  1906. 

4)  Hünch.  med.  Wochenschr.  1906,  Nr.  6. 

5)  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur,  T.  19,  1905. 

6)  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  56,  1907. 

7)  Proc.  of  the  Roy;  Soc,  Vol.  73,  1904,  Nr.  490.  —  Weinstein,  Berl. 
klin.  Wochenschr.,  43.  Jahrg.,  1906,  Nr.  30. 


—    395    — 

Um  die  opsonische  Kraft  eines  gegebenen  Serums  zu  bestimmen,, 
wird  sein  phagozytärer  Index  mit  dem  des  Serums  eines  beliebigen 
gesunden  Individuums  verglichen.  Der  phagozytäre  Index  des  gegebe- 
nen Serums,  dividiert  durch  den  phagozytären  Index  des  gesunden 
Serums,  gibt  die  „opsonische  Kraft"  oder  den  „opsonischen  Index" 
des  gegebenen  Serums  an.1)  Beträgt  z.  B.  der  phagozytäre  Index 
des  gegebenen  Serums  30,  derjenige  des  Serums  des  Gesunden  20, 
so  berechnet  sich  die  opsonische  Kraft  oder  der  opsonische  Index  wie 
folgt:  30:  20  =  1,5.  Oder:  Beträgt  der  phagozytäre  Index  eines  gegebenen 
Serums  14,  der  des  gesunden  Serums  20,  so  ist  der  opsonische  Index 
14 :  20  =  0,7.2)  Dabei  ist  zu  bemerken,  daß  der  phagozytäre  Index  des 
Serums  gesunder  Individuen  nach  Bulloch3)  und  Urwick4)  nur  inner- 
halb enger  Grenzen  schwankt,  also  ziemlich  konstant  ist. 

Die  Massenwirkung  der  Schutzstoffe  der  Blutflüssigkeit  auf  die  in 
den  Körper  eingedrungenen  Bakterien  bezeichnet  Wright5)  als  „bakterio- 
tropischen  Druck". 

Wright  und  seine  Mitarbeiter,  unter  denen  besonders  Douglas  zu 
nennen  ist,  sowie  Bulloch  bestimmten  die  opsonische  Kraft  des  Blut- 
serums bei  verschiedenen  Krankheiten  gegenüber  den  betreffenden  Krank- 
heitserregern. 

Daß  gesunde  Individuen  in  ihrem  Blutserum  Opsonin  enthalten, 
und  daß  der  Opsoningehalt  ihres  Blutes  ziemlich  konstant  ist,  wurde 
bereits  erwähnt.  (Der  Opsoningehalt  des  Blutes  Gesunder  kann  deshalb  ja 
auch  als  Maßstab  für  die  opsonische  Kraft  des  Blutserums  kranker  Individuen 
benutzt  werden.)  Nach  Eilet6)  wird  durch  körperliche  Anstrengungen  der 
opsonische  Index  herabgesetzt.  Wright  und  Douglas7)  fanden,  daß  die 
Opsoninwirkung  des  normalen  Blutserums  sich  einer  ganzen  Reihe  von 
pathogenen  Bakterien  gegenüber  zeigt:  Staphylococcus  pyogenes,  Bacillus 
pestis,  Micrococcus  melitensis,  Diplococcüs  pneumoniae,  Bacterium  coli, 
Bacillus  dysenteriae,  Bacillus  anthracis,  Bacillus  typhosus,  Vibrio  cholerae 


»)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  74,  1904,  Nr.  499.  —  Bulloch,  The 
Practitioner,  1905.  —  Weinstein,  Berl.  klin.  Wochenschr.,  48.  Jahrg.,  1906, 
Nr.  30. 

*)  Neuerdings  it>t  Simon  (Journ.  of  Americ.  med.  Assoc.  1907,  Nr.  2) 
dafür  eingetreten,  der  Bestimmung  des  opsonischen  Index  nicht,  wie  Wright 
es  tut,  die  Zahl  der  aufgefressenen  Bakterien,  sondern  die  Anzahl  der  die 
Phagozytose  ausübenden  Leukozyten  („Prozentindex")  zugrunde  zu  legen. 

3j  The  Practitioner,  1905. 

4)  Brit  med.  Journ.,  1905. 

5)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  74,  1904,  Nr.  499. 

6)  Brit  med.  Journ.  1906. 

7)  Proc.  of  the  Roy.  Socr  Vol.  73,  1904,  Nr.  490. 

26* 


%•«-* 


—     396     — 

asiaticae  erwiesen  sich  als  der  Phagozytose  unterworfen  und  beeinflußbar 
durch  Opsonin.  Lediglich  der  Bacillus  diphtheriae  und  der  Xerosebazillus 
zeigten  sich  bei  den  Versuchen  von  Wright  and  Douglas  unempfänglich 
für  die  Opsoninwirkung  des  Serums.  Neuerdings  hat  jedoch  Heque1) 
gezeigt,  daß  auch  der  Diphtheriebazillus  leicht  der  Phagozytose  unterliegt.  — 
Im  übrigen  enthält  normales  Serum  Opsonin  auch  für  heterologe  rote 
Blutkörperchen  („Hämopsonin") . 2) 

Von  Infektionskrankheiten  wurden  von  Wright  und  Douglas 
zuerst  durch  Staphylokokken  bedingte  Lokalaffektionen  des  Menschen 
(Akne,  Furunkulose,  Sykose)  untersucht.  Des  weiteren  wurden  die  Tuber- 
kulose in  ihren  verschiedenen  Formen,  die  Pneumonien  und  andere 
Krankheiten  geprüft. 

Wright  stellte  dabei  fest,  daß  während  des  Verlaufes  akuter  All- 
gemeininfektionen der  Gehalt  der  Körperflüssigkeiten  an  Opsonin  schwankt, 
im  allgemeinen  aber  eine  zunehmende  Tendenz  zeigt.  Besonders  tritt  die 
Zunahme  der  opsonischen  Kraft  während  der  Genesung  hervor.  Ferner 
zeigten  Wright  und  Douglas,  daß  bei  chronischen  lokalen  Staphylokokken- 
infektionen  und  bei  Tuberkulose  die  Phagozytose  mangelhaft  ist,  eine 
Erscheinung,  die  auf  einem  Fehlen  von  Opsonin  beruht.  Wright3)  scheidet 
die  bakteriellen  Infektionen  in  bezug  auf  das  Verhalten  des  opsonischen  Index 
in  zwei  Kategorien:  In  streng  lokale  Infektionen  und  in  System- 
infektionen. Bei  ersteren  (z.B.  chronischen  Staphylokokkeninfektionen, 
lokaler  Tuberkulose),  findet  man  stets  eine  geringe  opsonische  Kraft  des 
Blutes,  weil  hier  keine  bakteriellen  Stoffe  ins  Blut  gelangen,  und  so  auch 
keine  vermehrte  Opsoninproduktion  ausgelöst  werden  kann.  Bei  letzteren 
(z.  B.  akuten  fieberhaften  Allgemeininfektionen)  schwankt  der  opsonische 
Index,  je  nachdem  die  Schutzstoffbildung  stark  oder  schwach  ist.  Bei  der 
Pneumonie  ist  nach  Wolf 4)  der  opsonische  Index  gegenüber  den  Pneumokokken 
zunächst  herabgesetzt;  er  steigt  in  günstig  verlaufenden  Fällen  (in  denen 
er  seine  Höhe  bald  nach  der  Krisis  erreicht),  in  ungünstig  verlaufenden 
Fällen  dagegen  bleibt  er  dauernd  niedrig.  Ähnliche  Resultate  in  bezug 
auf  die  krupöse  Pneumonie  erhielt  auch  Macdonald.5)  Da,  wie  aus  vor- 
stehend Gesagtem  hervorgeht,  günstig  verlaufende  Erkrankungen  im  all- 
gemeinen höhere  opsonische  Werte  aufweisen  als  ungünstig  verlaufende, 
so  könnte  man  der  Bestimmung  des  opsonischen  Index  einen  prognostischen 


»)  The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  Nr.  3. 
3)  Hektoen,  Journ.  of  the  americ.  med.  Assoc,  1906.  —  The  Journ.  of 
infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  Nr.  5. 

3)  Medico-chirurgical  Transact,  Vol.  89,  1905. 

4)  The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906,  Nr.  5. 

5)  Transact.  of  the  Pathol.  Soc.  of  London,  Vol.  57,  1906,  Part  I. 


—     397     — 

und  diagnostischen  Wert  beimessen.  Das  ist  jedoch,  wie  Ball  och1)  her- 
vorhebt, bezüglich  der  Prognose  im  allgemeinen  nicht  zulässig.  Bei  der 
Tuberkulose  jedoch  besitzt  nach  Wright2)  die  Bestimmung  des  tuberkulo- 
opsonischen  Index-'*)  Wert  für  die  Diagnose  dieser  Krankheit. 

Ans  den  vorstehend  angeführten  Tatsachen  schloß  Wright.  daß  der 
Verlauf  der  Infektionen  wesentlich  von  der  Phagozytose  ab- 
hängt, und  daß  diese  hinwiederum  abhängig  ist  von  dem  Gehalt 
der  Körperflüssigkeiten  an  Opsonin.  War  diese  Annahme  richtig,  so 
mußten  sich  die  Infektionen  in  günstigem  Sinne  beeinflussen  lassen,  wenn 
es  gelang,  die  herabgesetzte  Phagozytose  zu  heben,  was  nur  durch  eine 
Steigerung  der  opsonischen  Kraft  der  Körperflüssigkeiten  möglich  war. 
Das  Bestreben  Wrights  lichtete  sich  deshalb  darauf,  die  opsonischen 
Kräfte  seiner  an  Infektionen  leidenden  Kranken  künstlich  zu 
vermehren. 

Wie  läßt  sich  eine  Vermehrung  der  Opsonine  im  Organismus  herbeiführen?  — 
Das  Wrightsche  Heilverfahren. 

Wright  stellte  fest,  daß  sich  auf  dem  Wege  der  aktiven  Immuni- 
sierung die  opsonische  Kraft  des  Blutes  des  Kranken  steigern  läßt.  Er 
benutzt  zur  Immunisierung  eine  „Vaccine",  die  aus  den  abgetöteten  Er* 
regern  der  jeweils  vorliegenden  Krankheit  besteht.  Nehmen  wir  einen 
Fall  von  durch  Staphylokokken  verursachter  Furunkulose  an.  Aus  dem  Eiter 
eines  Furunkels  wird  durch  Züchtung  auf  Agar  eine  Reinkultur  des 
Staphylokokkus  hergestellt,  die  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  auf- 
geschwemmt und  durch  Erwärmung  auf  60—70°  C  sterilisiert  wird.  (Bei 
der  Tuberkulose  wird  das  Koch  sehe  Neutuberkulin  [TR]  als  Vaccine 
benutzt.)  Da  Wright  streng  quantitativ  arbeitet,  so  ermittelt  er  vor 
der  Anwendung  der  Vaccine  deren  Stärke,  indem  er  durch  eine 
besondere  Methode4)  die  Zahl  der  in  einem  bestimmten  Volumen  der  Auf- 
schwemmung enthaltenen  Bakterien  bestimmt.  Die  Injektion  der  Vaccine 
erfolgt  subkutan. 

Die  Inokulationen  der  Vaccine  (es  werden  deren  in  der  Regel 
mehrere    gemacht)    geschehen    nicht   beliebig,    sondern    die    Zeit    der 


l)  The  Practitioner,  1905. 

3>  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  77,  1906. 

3)  Über  das  Verhalten  des  tuberkuloopsonischen  Index  bei  normalen  und 
tuberkulösen  Individuen  haben  jüngst  Potter,  Ditman  und  Norman  (Journ. 
of  Americ.  med.  Assoc.  1906)  eingehend  berichtet. 

4)  Vgl.  Wright,  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  74,  1904,  Nr.  499.  - 
Bull  och,  The  Practitioner,  1905,  —  Weinstein,  Berl.  klin.  Wochenschr.,  1906, 
Nr.  30. 


—    398     — 

Injektion  und  die  Menge  des  Impfstoffes  werden  bestimmt  durch 
den  jeweiligen  Stand  des  opsonischen  Index  des  Blutes  des 
Patienten.  Die  Vaccination  wird  genauestens  durch  fortlaufende  Be- 
stimmungen des  opsonischen  Index  kontrolliert.  Das  ist  der  wesentlichste 
Punkt  des  Wright  sehen  Heilverfahrens. 

Jede  Inokulation  der  Vaccine  hat  regelmäßig  eine  Reihe  bestimmter 
Erscheinungen  im  Gefolge:  Zunächst  bedingt  die  Vaccination  eine  Art 
Intoxikation,  einen  Zustand,  während  dessen  der  opsonische  Index  des  Blutes 
sinkt  („negative  Phase")»  Diese  negative  Phase  ist  länger  oder  kürzer, 
je  nachdem  eine  größere  oder  kleinere  Dosis  Vaccine  verabreicht  wurde. 
Klinisch  drückt  sie  sich  oft  durch  eine  Temperatursteigerung  aus.  Auf 
die  negative  Phase  folgt  eine  „positive  Phase",  während  der  der 
opsonische  Index  hoch  steht.  In  dieser  Phase  ist  die  Resistenz  des  be- 
treffenden Individuums  gesteigert.  Nach  der  positiven  Phase  erhält  sich 
der  opsonische  Index  des  Blutes  eine  gewisse  Zeit  auf  einem  Niveau,  das 
etwas  höher  ist  als  der  ursprüngliche  opsonische  Wert. 

Impft  man  nun  von  neuem,  und  tut  man  dies  während  der  negativen 
Phase,  so  tritt  eine  Kumulation  im  negativen  Sinne  ein,  d.  h.  die  negative 
Phase  wird  verstärkt  und  verlängert.  Impft  man  dagegen  während  der 
positiven  Phase,  so  tritt  eine  Kumulation  im  positiven  Sinne  ein,  ein 
Zustand,  der  ja  durch  die  Impfungen  erreicht  werden  soll.  Es  kommt  also 
sehr  darauf  an,  den  richtigen  Zeitpunkt  für  jede  neue  Injektion  von 
Vaccine  zu  treffen,  und  dies  ermöglicht  eben  die  fortlaufende  Bestimmung 
des  opsonischen  Index  des  betreffenden  Individuums. 

Die  Dosen  der  Vaccine  werden  bei  den  verschiedenen  Krankheiten 
verschieden  bemessen.  Auch  sie  richten  sich  nach  dem  Stande  des  opsoni- 
schen Index.  Wright1)  betont,  daß  es  notwendig  ist,  in  jedem  Falle 
mit  den  kleinsten  Dosen  von  Vaccine  zu  arbeiten,  mit  Dosen,  die  gerade 
noch  eine  ausreichende  Reaktion  auslösen,  ferner  die  Injektion  derselben  Dosis 
erst  dann  zu  wiederholen,  wenn  der  Effekt  der  vorhergehenden  Injektion 
vorüber  ist  und  die  Dosis  nur  dann  zu  steigern,  wenn  keine  genügende 
Reaktion  mehr  erzielt  wird. 

Das  Heilverfahren  Wrights  ist  also  eine  aktive  Immuni- 
sierung,, die  sich  nur  dadurch  von  anderen  aktiven  Immuni- 
sierungen unterscheidet,  daß  die  Injektionen  streng  nach  Maß- 
gabe des  opsonischen  Index  ausgeführt  werden. 

Die  praktischen  Erfolge  am  kranken  Menschen,  die  Wright  mit 
seinem  Verfahren  erzielte  und  die  von  anderer  Seite,  besonders  von 
Bull  och  voll  bestätigt  wurden,  sind  außerordentlich  gute. 

In    erster    Linie    wurden    lokale    chronische    Staphylokokken- 


*)  Medice- chirurgical  Transact.,  Vol.  89,  1905. 


—     399    — 

infektionen,  wie  Akne,  Furunkulosis,  Sykosis,  der  Behandlung  unter- 
worfen. Der  Erfolg  war  selbst  in  veralteten  Fällen,  die  zum  Teil  jeder 
anderen  Behandlung  trotzten,  ein  sehr  guter.1)  Auch  Weinstein2), 
Fy ehe3)  sowie  Turton  und  Parkin4)  berichten  über  günstige  Ergeb- 
nisse bei  Akne,  Furunkulosis5),  Sykosis  and  Peritonitiden.  Akute  Infek- 
tionen eignen  sich  weniger  zur  spezifischen  Behandlung,  hier  kann  sie 
sogar  schaden.6) 

Des  weiteren  wurde  das  Wrightsche  Verfahren  bei  verschiedenen 
Formen  von  Tuberkulose,  insbesondere  bei  lokaler  Tuberkulös« 
(Lupus,  tuberkulöse  Ulzerationen  der  Subkutis,  Lymphdrüsentuberkulose  usw.) 
angewandt.  (Als  Vaccine  diente  hier  das  Kochsche  Neutuberkulin  [TR].7) 
Auch  hier  waren  die  Erfolge  ausgezeichnet.8)  In  fast  allen  Fällen  trat 
Besserung,  in  vielen  Fällen  Heilung  ein.   . 


Die  bakteriotropen  Substanzen  Neufeld  und  Rimpaus. 

Unabhängig  von  Wright  haben  1904  Neufeld  und  Rimpau*)  bei 
ihren  Studien  über  Streptokokken-  und  Pneumokokkenimmunität  festgestellt, 


0  Vgl.  bes.  Bulloch,  The  Practitioner,  1905. 

*)  Berl.  klin.  Wochenschr.,  43.  Jahrg.,  1906,  Nr.  30.         . 

3)  Montreal  medic.  Journ.  1906. 

«)  The  Lancet  1906. 

&)  Wright  und  Bulloch  stellten  fest,  daß  in  Abszessen,  die  durch 
Staphylokokken  und  Tuborkelbazillen  bedingt  sind,  der  Eiter  kein  Op- 
sonin enthält,  obgleich  das  Blut  der  betreffenden  Patienten  reich  daran 
sein  kann.  Die  günstige  Wirkung  der  einfachen  Eröffnung  der  Abszesse  auf 
die  Heilung  der  Erkrankung  erklärt  Wright  damit,  daß  er  annimmt,  daß  nach 
der  Eröffnung  des  Abszesses  die  aus  der  Öffnungswunde  in  die  Abszeßhöble 
fließende  Lymphe  und  das  Blut  ihre  opsonischen  Kräfte  in  Aktion  treten 
lassen.  Ähnlich  erklärt  Wright  auch  die  günstige  Wirkung  der  Punktion  bei 
tuberkulösen  Peritonitiden  des  Menschen.  Hier  ist  es  der  Ersatz  des  tuber- 
kulösen Exsudates  durch  neue,  opsoninhaltige  Lymphe,  die  die  Heilung  bqwirl^U 

6)  French,  The  Practitioner  1906.  ,   .      ,, 

7)  Das  Heilverfahren  W rights  bei  Tuberkulose  entspricht  somit  der 
Tuberkulinbehandlung.  Nur  führt  Wright  diese  Behandlung' unter  steter  ge- 
nauer Beachtung  des  opsonischen  Index  aus. 

8)  Wright,  Medico-chirurgical  Transactions,  Vol.  89,  1905.  —  Clinical 
Journ.  1904.  —  Bulloch,  Transack  of  the  Pathol.  Soc.  of  .London,  Vol.  56, 
Part.  HI,  1905.  -  Boss,  Brit,  med.  Journ.  1906.  —  Crace^Calvert,  Brit 
med.  Journ.  1906.  —  Bradshaw  und  Glynn,  Liverpool  medico-chirurg. 
Journ.  1906.  -*; Türton  und  Parkin,  The  Lancet  1906. 

9)  Deutsche  med.  Wochenschr.,  1904,  Nr.  40. 


—     400    — 

dai>  die  betreffenden  Immunsera  auf  die  zugehörigen  Bakterien  haupt- 
sächlich dadurch  wirken,  daß  sie  diese  für  die  Phagozytose  geeigneter 
machen,  Tn  einer  späteren  ausführlichen  Arbeit1)  haben  diese  Forscher 
die  Sera,  die  derart  auf  die  Bakterien  einwirken,  „bakteriotrope"  Sera 
und  die  spezifischen  Stoffe  der  Sera,  um  die  es  sich  hier  handelt, 
bakteriotrope  Substanzen  genannt.  „Der  Name  besagt  nichts  weiter,  als 
datt  unter  dem  Einfluß  des  Serums  eine  Umwandlung  oder  Umstimmung  der 
Bakterien  stattfindet,  als  deren  Ausdruck  wir  zunächst  nur  ihr  verändertes 
Verhalten  den  Leukozyten  gegenüber  kennen." 

Die  Untersuchungen  von  Neufeld  und  Rimpau  dienten,  im  Gegen- 
satz zu  denjenigen  Wrights,  lediglich  wissenschaftlichen  Zwecken. 
Praktische  Konsequenzen  haben  Neufeld  und  Rimpau  aus  ihren  Unter- 
Buchungen bisher  nicht  gezogen. 

Wirkung  und  Wesen  der  Opsonine  (der  bakteriotropen  Substanzen). 

Bereits  Metschnikoff2)  hatte  beobachtet,  daß  gewisse  Immunsera 
weder  bakterizid  noch  antitoxisch  wirken,  daß  sie  im  Tierkörper 
trotzdem  verhindern,  daß  die  betreffenden  Bakterien  pathogen  wirken. 
,,<m  fretiüber  diesen  Resultaten  mußten  wir  einen  gewissen  stimulierenden 
Effekt  les  Serums  auf  die  Schutzapparate  des  Körpers,  besonders  auf 
die  Phagozyten,  annehmen."  Nach  Metschnikoff  wären  somit  in  der- 
artigen Seris  „Stimuline",  die  Leukozyten  zur  Phagozytose  anregen, 
enthalten.  Metschnikoffs  Schüler  haben  die  Lehre  von  den  Stimulinen 
weiter  vertreten,  so  Mesnil3)  bezüglich  des  Rotlaufserums,  Besredka4) 
bezüglich  des  Antistreptokokkenserums.'') 

Bei  diesen  Stimulinen  handelt  es  sich  offenbar  um  dieselben  Sub- 
stanzen, die  später  von  Wright  als  Opsonine  und  von  Neufeld  und 
Uimpaii  als  bakteriotrope  Substanzen  bezeichnet  worden  sind.  Die 
letztgenannten  Forscher  sowie  Bulloch  haben  aber  gezeigt,  daß 
diese  Substanzen  nicht  als  Stimulantien  oder  Exzitantien  auf  die 
Leukozyten  wirken,  wie  Metschnikoff  annahm,  sondern  daß  sie  einen 
spezifischen  Einfluß  auf  die  betreffenden  Bakterien  ausüben, 
in  dem  Sinne,  daß  diese  leichter  der  Phagozytose  anheimfallen. 

M  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infekt.,  Bd.  51,  1905. 

Metschnikoff,  Immunität  bei  Infektionskrankheiten  (Deutsche  Aus- 
grabe ■.  .Ima  1902. 

Annal.  de  l'Inst.  Pasteur,  T.  13,  1899. 
*    lindem,  1904. 

Neuerdings   hat  jedoch  ein  Schüler  Metschnikoffs,    Bächer  (Zeit- 
l  nu  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.  Bd.  56,  1907),  die  opsonische  Wirkung  des 
Serum*  auf  die  Bakterien  im  Sinne  Wrights  anerkannt. 


—     401     — 

Daß  die  Opsonine  (Bakteriotropine)  tatsächlich  lediglich  auf  die  Bakterien 
nnd  nicht  auf  die  Leukozyten  wirken,  ergibt  sich  aus  der  Tatsache,  daß 
man  mit  Hilfe  des  Absorptionsversuches  einem  Serum  sein  Opsonin  durch 
die  betreffenden  Bakterien  entziehen  kann.  Wenn  man  also  opsoninhaltiges 
Serum  auf  Bakterien  einwirken  läßt,  so  wird  das  Opsonin  von  den  Bakterien 
gebunden.  Der  entsprechende  Versuch  mit  Leukozyten  ergibt  ein  negatives 
Resultat.1)  Dieses  Ergebnis  entspricht,  worauf  besonders  Neufeld  und 
Rimpau  hinweisen,  vollkommen  den  Ehrlichschen  Anschauungen!  Wir 
immunisieren  ein  Tier  mit  Bakterien.  Dabei  können  nur  Stoffe  entstehen, 
die  wieder  auf  Bakterien,  nicht  aber  solche,  die  auf  Leukozyten  ein- 
wirken. 

Durch  den  Absorptionsversuch  läßt  sich  auch  zeigen,  daß  das 
Opsonin  eines  normalen  Serums  komplex  ist;  denn  wenn  wir  das 
Serum  z.  B.  zuerst  mit  Staphylokokken  zusammenbringen  und  diese  dann 
durch  Zentrifugieren  entfernen,  so  hat  dieses  Serum  seine  opsonische  Kraft 
gegenüber  Staphylokokken  verloren,  während  diese  Kraft  anderen  Bakterien, 
z.  B.  dem  B.  pyocyaneus  oder  dem  Tuberkelbazillus  gegenüber  erhalten 
geblieben  ist  (Bulloch  und  Western2).  Ein  Individuum  kann  deshalb 
auch  normalerweise  einen  hohen  Opsoningehalt  für  eine  Bakterienart 
(z.  B.  Tuberkelbazillen)  haben,  für  eine  andere  Art  (z.  B.  Staphylokokken) 
dagegen  nicht. 

Bei  der  aktiven  Immunisierung  tritt  eine  spezifische  Vermehrung 
des  Opsonins  ein,  das  auf  den  zur  Immunisierung  benutzten  Bazillus  ein- 
paßt. Behandelt  man  z.  B.  ein  Individuum  mit  Koch  schein  Neutuberkulin 
(TR),  so  tritt  eine  Vermehrung  des  Tuberkuloopsonins  im  Serum  ein, 
während  die  Menge  des  schon  im  normalen  Serum  vorhandenen  Staphylo- 
kokkenopsonins unverändert  bleibt  (Bulloch  und  Western3),  Keith3). 
Außer  dem  spezifischen  Opsonin  kann  ein  Immunserum  auch  noch  Gruppen- 
Opsonine  enthalten,  analog  den  spezifischen  und  Gruppenagglutininen 
(Hektoen*). 


')  Daß  bei  immunisierten  Tieren  nicht  der  Leukozyt,  sondern  die 
Blutflüssigkeit  Träger  der  spezifischen  Eigenschaften  ist,  geht  daraus  her- 
vor, daß  man  beim  Phagozytoseversuch  in  vitro  die  Leukozyten  des  immuni- 
sierten Tieres  durch  Leukozyten  eines  beliebigen  Tieres  ersetzen  kann.  Phago- 
zytose findet  auch  in  diesem  Falle  statt,  sofern  das  benutzte  Serum  Opsonin 
enthält.  Der  Leukozyt  ist  also  einmehr  indifferenter  Faktor.  (Neufeld 
und  Rimpau  [Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infekt.,  Bd.  51,  1905],  Bulloch  undAtkin 
[Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  74,  1905],  Roas  [Brit.  med.  Journ.  1906],  Brooke 
[Dublin  Journ.  of  medic.  Science  1906].) 

*)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  77,  1906. 

3)  Transact.  of  the  Pathol.  Soc.  of  London,  Vol.  57,  1906,  Part  I. 

*)  The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906. 


—    402    — 

Die  Opsonine  wirken  streng  spezifisch.  Das  Tuberkulo- 
opsonin  z.  B.  befördert  also  lediglich  die  Phagozytose  von  Tuberkel- 
bazillen, nicht  aber  die  anderer  Bakterien.  Für  jede  pathogene  Bakterien- 
art existiert  ein  spezifisches  Opsonin,  das  sich  durch  spezifische  Behand- 
lung (Vaccination)  vermehren  läßt. 

Daß  die  Opsonine  im  Immunserum  und  im  Normalserum  in  bezug 
auf  ihre  Resistenz  gegen  Hitze  und  Licht  identisch  sind,  haben  AVright 
und  Reid1)  sowie  Dean2)  gezeigt. 

Welcher  Art  die  Veränderung  ist,  die  die  Bakterien  unter  der  Ein- 
wirkung des  Opsonins  erleiden,  ist  noch  nicht  sicher  festgestellt.  Man 
könnte  vermuten,  daß  das  Opsonin  die  Bakterien  abtötet  oder  erheblich 
schädigt,  und  daß  dadurch  die  Phagozytose  erleichtert  werde.  Versuche 
mit  durch  Hitze  abgetöteten  Bakterien  ergaben  indessen,  daß  „eine 
Schädigung  irgendwelcher  Art  nicht  gentigt,  um  das  Phänomen  der  Pha- 
gozytose auszulösen,  sondern  daß  hierzu  das  Bakterium  in  einer  ganz 
spezifischen  Weise,  eben  durch  Bindung  des  Jmmunkörpers'  beeinflußt  sein 
muß"  (Neufeld  und  Rimpau).  Die  letztgenannten  Forscher  konnten  es 
wahrscheinlich  machen,  daß  ihre  bakteriotrope  Substanz  in  der  Weise  auf 
die  Bakterien  einwirkt,  daß  durch  sie  besonders  jene  Rezeptoren  der 
Bakterienzelle,  „die  Träger  der  Virulenz  des  betreffenden  Bakteriums 
sind,  besetzt  und  dadurch  außer  Funktion  gesetzt  werden". 

Das  Opsonin  (Bakteriotropin)  ist  nicht  identisch  mit  irgendeinem  der 
bekannten  Antikörper  des  Serums.3)  In  seinem  Gesamtverhalten  ist  es, 
wie  aus  den  beiden  Arbeiten  Neufeld  und  Rimpaus  zu  entnehmen  ist, 
mit  dem  bakteriolytischen  Ambozeptor  in  Parallele  zu  setzen,  ohne  daß  es 
natürlich  als  solcher  angesprochen  werden  darf,  ebensowenig,  wie  das 
Opsonin  zu  den  Agglutininen  geholt.  Es  gehört  auch  nicht  zu  den  Kom- 
plementen; denn  die  Opsoninwirkung  eines  Serums  bleibt  auch  dann  erhalten, 
wenn  man  seine  Komplemente  durch  Erwärmung  zerstört  (Hektoen4). 
Neufeld  und  Rimpau  haben  sich  die  Frage  vorgelegt,  ob  die  bakterio- 
tropen  Substanzen  nicht  ebenso  der  Komplettierung  bedürfen  wie  die 
Ambozeptoren.  Sie  vermochten  die  Mitwirkung  der  Komplemente  des 
Serums  auszuschließen.  Sie  vermuteten  indessen  ein  mitwirkendes  Kom- 
plement im  Innern  der  Leukozyten.  Es  gelang  ihnen  jedoch  nicht,  ans 
den  Leukozyten  Stoffe  zu  gewinnen,  die  die  Richtigkeit  dieser  Vermutung 
bewiesen  hätten. 


>)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  77,  1906. 

a)  Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  I.  Abt.,  Ref.,  1905. 

3)  Bull  och  und  Atkin,  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  74,  1905.  — 
Hektoen,  The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906.  —  Ross,  Brit 
med.  Journ.  1906. 

4)  The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906. 


—    403    — 

Sind  Opsonine  und  bakteriotrope  Substanzen  identisch? 

Im  vorstehenden  ist  als  selbstverständlich  angenommen  worden,  daß 
das  Opsonin  W rights  und  die  bakteriotrope  Substanz  Nenfeld  und 
R im  paus  identisch  sind.  Es  ist  hier  noch  kurz  die  Frage  zu  erörtern, 
ob  dies  tatsächlich  der  Fall  ist.  Das  Opsonin  und  die  bakteriotrope 
Substanz  stimmen  in  der  Art  ihrer  Wirkung  sowie  in  ihren  sonstigen 
Eigenschaften  vollkommen  überein.  Nur  hinsichtlich  eines  Punktfes  scheint 
ein  unterschied  zu  bestehen,  nämlich  in  bezug  auf  das  Verhalten  der 
Substanzen  gegenüber  der  Wärme.  Wright  gibt  an,  daß  das  Opsonin 
thermolabil  sei,  Neufeld  und  Kim p au  dagegen  heben  hervor,  daß  ihre 
bakteriotrope  Substanz  „relativ  hitzebeständig"  sei.  Nach  allem,  was  über 
diese  Frage  bisher  publiziert  worden  ist,  ist  anzunehmen,  daß  ein  Gegen« 
satz  zwischen  den  beiden  hier  in  Frage  stehenden  Substanzen  in  bezug 
auf  ihre  Hitzebeständigkeit  kaum  existiert.  Es  geht  aus  verschiedenen 
Arbeiten  hervor,  daß  das  Opsonin  hitzebeständiger  ist  als  die  Komplemente, 
daß  es  aber  bei  einer  Temperatur,  die  die  Ambozeptoren  noch  intakt  läßt, 
partiell  zerstört  wird.  (Vgl.  z.  B.  die  Arbeiten  von  Hektoen1)  und 
Keith.2)  Demnach  wäre  auch  das  Opsonin  als  relativ  hitzebeständig  zu 
bezeichnen.  Diese  Tatsache  bedeutet  eine  Übereinstimmung  des  Opsonins 
und  der  bakteriotropen  Substanz  auch  hinsichtlich  ihres  Verhaltens  gegen* 
über  der  Wärme.  Aus  alledem  ergibt  sich,  daß  Opsonin  und  bak- 
teriotrope Substanz  identisch  sein  müssen. 

In  der  Tiermedizin  hat  die  Wri  glitsche  Heilmethode  meines  Wissens 
eine  Anwendung  bisher  nicht  gefunden.  Es  erscheint  mir  indessen  des 
Versuches  wert,  sie  auch  hier  einmal  anzuwenden.  Die  Druse  des  Pferdes 
z.  6.  wäre  eine  Erkrankung,  bei  der  Erfolg  am  ehesten  erwartet  werden 
könnte. 


Allgemeine  Bakteriologie. 

Cao,  &,   Sul  passaggio  dei  germi   a  traverso   le  larvS  di  alcuni 
insetti.    (Über   das  Verhalten,  von  Mikroorganismen   im 
Verdauungstraktus  der  Larven  einiger  Insekten.) 
(Annali  dlgiene  spcrimentale,  Vol.  16  (Nuova  »Serie),  1906,  S.  645/664). 
Die    Mikrobenflora    des    Verdauungstraktus    der    Larven    der    ver* 

schiedenen  Fleischfliegenarten   ist   fast   ebenso  zusammengesetzt,   wie  die 

!)  The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906. 
3)  Proc.  of  the  Roy.  Soc,  Vol.  77,  1906. 


—     404     — 

Bakterienflora  faulenden  Fleisches.  Die  Mikroben  gehören  zam  größten 
Teil  zur  Proteusgruppe,  znr  Gruppe  des  Bacillus  subtilis,  der  Kokken,  der 
typhus-  und  koliähnlichen  Bakterien  und  des  Bacillus  fluorescens.  Die 
Flora  ist  bei  den  verschiedenen  Fleischarten  dieselbe,  gleichgültig,  ob  das 
Fleisch  von  Warm-  oder  Kaltblütern  stammt.  Im  Darmtraktus  der  Larven 
scheinen  die  Bakterien  eine  größere  Virulenz  zu  haben  als  die  Bakterien 
des  faulenden  Fleisches,  aus  dem  sie  stammen. 

Der  Inhalt  der  Eier  der  Fliegen  ist  steril,  an  ihrer  äußeren  Um- 
hüllung aber  haften  zahlreiche  lebensfähige  und  virulente  Keime.  So  kommt 
die  Infektion  des  Fleisches  außer  durch  die  natürlichen  Ursachen  auch 
durch  die  Ablage  der  Eier  und  der  Fäces  seitens  der  Fliegen  zustande. 

Pfeiler  (Berlin). 

Uffenheimer,  A.,   Weitere  Studien    über   die  Durchlässigkeit    des 

Magendarmkanales  für  Bakterien. 

(Deutsche  med.  Wochenscbr.,  32.  Jahrg.,  1906,  S.  1851—1854.) 
Verf.  teilt  ergänzend  zu  seinen  früheren  Untersuchungen  mit,  daß 
der  Bacillus  prodigiosus,  in  das  Rektum  von  Versuchstieren  gebracht,  mit 
Kr*IWr  Schnelligkeit  nicht  nur  den  Darm,  entgegen  der  Peristaltik,  bis  zum 
Magen  zu  durchwandern  pflegt,  sondern  auch  von  diesem  weiter  bis  zur 
Ifachenhöhle  gelangt,  von  wo  er  leicht  in  die  Trachea  und  Lunge  aspiriert 
werden  kann.  Aus  dieser  Tatsache  geht  hervor,  daß  die  Resultate  von 
Schloßmann    und  Engel1)  mit  Tuberkelbazillen  nicht  einwandfrei  sind. 

J. 

Clairmont,    P.,   Über    das    Verhalten    des    Speichels    gegenüber 
Bakterien. 
(Wiener  klin.  Wochenschr.,  19.  Jahrg.,  1906,  S.  1397—1407.) 

Verf.  stellte  umfangreiche  Versuche  mit  dem  Speichel  von  Menschen, 
Hunden,  Katzen,  Kaninchen,  Ziegen  und  Affen  an  und  gelangte  zu  fol- 
genden Ergebnissen: 

.Wenn  Wunden  in  der  Mundhöhle  per  primam  heilen,  so  ist  dies  vor 
all  cni  auf  zwei  Momente  zurückzuführen,  auf  die  schlechten  Existenzbedin- 
gung n  für  Bakterien  und  die  mechanische  Wegschwemmung  derselben  durch 
den  Speichel.  Von  einer  bakteriziden  Wirkung  des  Speichels 
(Typhu%  Koli,  Vibrionen,  Staphylokokken,  Streptokokken,  Milzbrand)  kann 
inj  allgemeinen  nicht  gesprochen  werden.  Jedoch  findet  eine  geringe 
Arr/ahl  von  Keimen  im  Speichel  so  ungünstige  Lebensbedingungen,  daß  sie 
zugrunde  gehen.  In  dieser  Wirkung  ist  der  Speichel  der  physiologischen 
Kmh*ulzlÖ8ung  an  die  Seite  zu  stellen.  Der  menschliche  Speichel  steht  in 
diese?  Hinsicht  dem  einzelner  Tiere  nach. 

Neben  individuellen  Schwankungen  sind  Unterschiede  zwischen  dem 
Spei*  hei   der  Glandula  submaxillaris   und   dem   der  Glandula  parotis   für   die 


»j  Vgl.  das  Referat,  Bd.  I.,  S.  496. 


—     405     — 

meisten  Tierarten  zu  konstatieren.  Die  erstere  liefert  in  der  Regel  einen 
Speichel,  der  gegenüber  Bakterien  keine  oder  nur  eine  geringe  schädigende 
Wirkung  entfaltet.  Das  Parotissekret  verschiedener  Tiere  und  des  Menschen 
ist  jedoch  imstande,  eine  deutliche,  das  Wachstum  der  Mikroorganismen  hem- 
mende Wirkung  auszuüben,  so  daß  eine  beschränkte  Anzahl  derselben  zu- 
grunde geht.  Bei  Ziegen  (Wiederkäuern)  ist  diese  Wirkung  des  Parotis- 
speichels  weitaus  am  intensivsten. 

Unter  den  schlechten  Existenzbedingungen,  die  der  Speichel  bietet, 
scheinen  vor  allem  die  pyogenen  Infektionserreger,  die  Staphylokokken  und 
Streptokokken,  zu  leiden;  die  letzteren  zeigen  auch  in  vitro,  bei  Züchtung  in 
Speichel,  bzw.  in  Nährböden  mit  Speichelzusatz  das  für  die  Mundhöhle  be- 
kannte Wachstum  in  langen  Ketten  als  Ausdruck  der  schlechteren  Fort- 
entwicklung. Virulenzabschwächende  Momente  sind  daneben  im  Speichel  für 
Streptokokken  nicht  sicher  nachzuweisen. 

Wird  dem  Speichel  Bouillon  zugesetzt,  so  werden  die  Existenzbedin» 
gungen  für  Bakterien  gute,  d.  h.  von  einer  das  Wachstum  der  Bakterien  hem- 
menden Wirkung  des  Speichels  ist  nach  Zusatz  eines  guten  Nährbodens  nichts 
mehr  zu  konstatieren. 

Wird  die  Speichelsekretion  bei  Tieren  oder  beim  Menschen  künstlich 
angeregt,  so  kann  nach  einiger  Zeit  fortdauernden  Speichelflusses  der  auf- 
gefangene Speichel  steril  sein  oder  so  wenige  Keime  enthalten,  daß  dieselben 
sich  nicht  vermehren,  sondern  zugmnde  gehen.  Die  im  sezernierenden  Stadium 
exzidierte  Parotisdrüse  zeigt  eine  auffallende  Resistenz  gegen  Fäulnis  u     J, 

Tunnicliff,  R.,  The  identity  of  fusiform  bacilli  and  spirilla. 
(The  Journ.  of  infectious  Diseases,  Vol.  3,  1906.) 
Spirillen  oder  Spirochaeten   sind   nur  ein  Entwicklungsstadium  fusi- 
former  Bazillen.     Zu  den  Protozoen  gehören  sie  nicht. 

Kaestner  (Berlin}. 

Hibler,    v.,    Über     die     Differentialdiagnose     der     pathogenen 
Anaerobien. 

(Verhandl.  der  Deutschen  Patholog.  Gcsellsch.,  9.  Tagung,   [Meran]   190&, 
S.  118.) 

Zum  Studium  der  Differentialdiagnose  verschiedener  pathogener 
Anaerobien  gibt  v.  H.  ein  systematisches  festes  Untersuchungsverfahren 
an.  Abgesehen  von  der  Größe  und  Gestalt  der  Mikrobien,  sind  in  der 
Sporenbildung,  der  Form  und  Lage  der  Sporen  und  besonders  in  dem  Ver- 
halten der  Sporen  gegenüber  Einwirkungen  von  Siedehitze  beachtenswerte 
Verschiedenheiten  vorhanden.  Hinsichtlich  der  Bildung  von  Granulöse, 
Involutionsformen  und  inbetreff  ihrer  Bewegungsfähigkeit  bieten  nur  wenige 
Bakterienarten  einigermaßen  konstante  Verschiedenheiten  dar. 

Hinsichtlich  der  Befähigung  zur  Verflüssigung  von  Gelatine  kann 
man  die  pathogenen  Anaerobien   in   drei  Gruppen  scheiden:   a)   die   über- 


—     406     — 

haupt    nicht    verflüssigenden,    b)   die    nur    Gelatine    verflüssigenden    und 

c)  die  außer  Gelatine  noch  durch  Hitze  koagulierte  Eiweißarten  (Serum-, 
Hydrops-Flüssigkeiten)  verflüssigenden. 

Im  Verhalten  der  verschiedenen  Arten  gegenüber  Milch  sind  vier 
Gruppen  zu  unterscheiden:  a)  die  Milch  wird  nicht  verändert;  b)  die  Milch 
wird  rasch  und  stürmisch  unter  Ausfällung  des  Kaseins  und  unter  reich- 
licher Säure-  und  Gasbildung  vergoren;  c)  dieselbe  Veränderung  wie 
unter  b,   jedoch   treten   diese  Erscheinungen   später   und  langsamer   auf; 

d)  das  ausgefällte  Kasein  gelangt  bei  Einwirkung  der  Arten  dieser  Gruppe 
unter  Alkalibildung  zur  Lösung. 

Bei  der  Verwendung  von  Gehirnbrei  zur  Züchtung  konnte  v.  H.  die 
untersuchten  Arten  in  zwei  Gruppen  trennen,  wovon  die  eine  dem  Gehirn- 
brei eine  schwarze  Färbung  verleiht,  während  die  andere  den  Gehirnbrei 
nicht  verändert. 

Je  nachdem  die  Kolonien  der  untersuchten  Arten  in  Gelatine  eine 
radiäre  Strahlung  zeigen  oder  nicht,  lassen  sich  zwei  Gruppen  unter- 
scheiden. 

Aber  auch  noch  in  anderer  Beziehung  können  auf  das  Verhalten  der 
Kolonien  in  Gelatine  Unterscheidungen  gegründet  werden,  und  zwar  dann, 
wenn  man  in  Rücksicht  zieht,  ob  mit  der  einsetzenden  Verflüssigung  die 
Form  der  Kolonien  geändert  wird  oder  nicht. 

Bezüglich  der  pathogenen  Eigenschaften  der  verschiedenen  Anaerobien 
bei  Prüfung  im  Tierexperiment  ist  zu  unterscheiden,  ob  sie  durch  toxische 
Stoffwechselprodukte  wirken  oder  progressive  Entzündungen  hervorrufen. 
Ferner  ist  der  Umstand  von  Wichtigkeit,  ob  die  Infektion  mit  Gewebs- 
emphysem  verläuft  oder  nicht. 

Weiter  ist  der  wichtige  Unterschied  zu  würdigen,  den  die  in  Be- 
tracht kommenden  anaeroben  Arten  bei  Impfversuchen,  und  zwar  inbezug 
auf  die  Eigentümlichkeit  der  Verbände  zeigen,  in  denen  sich  die  Mikrobien 
auf  den  serösen  Häuten  der  unter  ihrer  Einwirkung  verendeten  Versuchs- 
tiere finden. 

Im  weiteren  beschäftigt  sich  v.  H.  mit  der  Frage,  wodurch  die  in 
der  Variabilität  gegebenen  Hindernisse  einer  ausreichenden  Differential- 
diagnose behoben  werden  können.  Zum  Schluß  kommt  Verf.  darauf  zu 
sprechen,  daß  es  ihm  bei  Anwendung  des  von  ihm  angegebenen  methodi- 
schen Untersuchungsweges  immer  gelang,  die  typischen  Eigentümlichkeiten 
des  Bauschbrandbazillus  festzustellen.  Immer  wurde  er  dabei  nach  allen 
Richtungen  hin  von  der  Verschiedenheit  des  Rauschbrandbazillus  und  des 
unbeweglichen  Buttersäurebazillus  von  Schattenfroh  und  Graßberger 
überzeugt.  Lariseh  (Berlin*. 


—    407     — 
Infektionskrankheiten. 

FraenkeU  G,  u.  Baumann,  E.f  Untersuchungen  über  die  Infektiosität 
verschiedener  Kultaren  des  Tuberkelbazillus. 
(Zeitsctar.  f.  Hygiene  u.  InfektionBkrankh.,  Bd.  54,  1906,  S.  246—261.) 

Znr  Virulenzbestimmung  der  Tuberkelbazillen  haben  sich  nur  Meer- 
schweinchen bewährt,  Kaninchen,  Ratten  und  Mäuse  waren  unbrauchbar. 
Der  Virulenzgrad  schwankte  zwischen  1 :  1000  Millionen  und  1 :  100  000 
Millionen,  nur  ein  seit  vielen  Jahren  auf  künstlichem  Nährboden  gezüchteter 
Stamm  infizierte  im  Verhältnis  1 :  1000.  Die  Bazillen  waren  teils  direkt 
aus  tuberkulösen  menschlichen  Produkten,  teils  aus  damit  infizierten  Ver- 
suchstieren gewonnen.  Unterschiede  wurden  dabei  nicht  bemerkt.  Es 
muß  demnach  ein  Tuberkelbazillus  zur  Infektion  eines  Meerschweinchens 
genügen.  Bugge  (Kül). 

Bartel,  J.,  Zur  Biologie  des  Perlsuchtbazillus. 

^Wiener  klin.  Wochenschr.,  20.  Jahrg.,  1907,  S.  165—157.) 

Es  gelang  dem  Verf.,  Rindertuberkelbazillen  (ebenso  wie  humane 
Tuberkelbazillen)  durch  längeres  Einwirkenlassen  von  Organsubstanzen 
(Milz-,  Lymphdrüsen-,  Leber-,  Nieren-,  Lungensubstanz  vom  Kaninchen) 
auf  dieselben  in  einen  Zustand  der  Avirulenz  überzuführen  (während  Blut 
vom  Kaninchen  eine  solche  Wirkung  nicht  besaß).  Mit  derart  avirulent 
gemachten  Rindertuberkelbazillen  „vakzinierte"  Versuchstiere  (Kaninchen) 
zeigten  eine  erhöhte  Resistenz  gegenüber  einer  virulenten  Infektion,  der 
das  Kontrolltier  in  der  üblichen  Zeit  erlag.  J. 

Cadlac,  Echanges  de  bacilles  de  Koch  entre  les  diverses  espäces. 
(Jonrn.  de  med.  v6t,  1906,  S.  469—478,  547—555,  597—619.) 

Verf.  hält  Rind,  Schaf,  Ziege,  Pferd,  Esel,  Maultier,  Hund,  Katze 
und  Geflügel,  mit  Ausnahme  des  Papageis,  der  ebenso  wie  das  Schwein 
empfänglich  ist,  für  fast  refraktär  gegenüber  der  Infektion  durch  humane 
Tuberkelbazillen  unter  natürlichen  Verhältnissen,  ungeeignete  Experimente, 
wie  intravenöse  oder  intraperitoneale  Impfung  oder  die  Verwendung  abnorm 
hoher  Dosen  können  für  die  Beurteilung  der  Verhältnisse  bei  der  natür- 
lichen Ansteckung  nicht  verwendet  werden.  Die  bovinen  Tuberkelbazillen 
sind  viel  virulenter  als  die  humanen  und  wohl  allen  Haussäugetieren  und 
dem  Menschen  gefährlich.  Die  Geflügeltuberkelbazillen  sind  infektiös  bei 
Ziegen  und  Schweinen,  vielleicht  auch  bei  Pferden,  nicht  aber  bei  Rindern. 
Verf.  spricht  die  Vermutung  aus,  daß  die  Tuberkelbazillen  auch  Sapro- 
phyten  sind,  die  sich  im  Körper  jeder  Tierart  differenzieren  und  beim 
Übergang  von  einer  Tierart  auf  die  andere  ihre  Eigenschaften  ändern 
können.  Resoic  (Frankfurt  a.  d.  Oj. 


—     408     — 

Meyer,  L.,  Über  das  Verhalten  des  Kuheuters   gegenüber  künst- 
licher   Infektion    mit    Rinder-    and    Menschentuberkel- 
bazillen. 
(Zeitschr.  f.  Tiermcd.,  Bd.  10,  1906,  S.  162-197  n.  S.  241—276.) 

Nach  einer  Übersicht  über  die  bisher  ausgeführten  Versuche,  be- 
treffend die  Übertragung  der  menschlichen  Tuberkulose  auf  das  Rind,  sowie 
über  die  Versuche  und  Beobachtungen,  betreffend  die  Übertragung  der 
Rindertuberkulose  auf  den  Menschen  schildert  Meyer  seine  eigenen  inter- 
essanten Versuche,  die  nach  einer  nicht  häufig  befolgten  Methode,  der 
Infektion  vom  Zitzenkanal  des  Euters  aus,  angestellt  wurden. 

Während  die  galaktogene  Infektion  mit  zwei  virulenten  mensch- 
lichen Tuberkelbazillenstämmen  bei  einer  hochträchtigen  Kuh  keine  Euter- 
tuberkulose hervorzurufen  vermochte,  und  auch  die  beiden  mit  dem  Euter- 
sekret dieser  Kuh  ernährten  Kälber  nicht  an  Tuberkulose  erkrankten, 
obwohl  das  Sekret,  wie  durch  Verimpfung  an  Meerschweinchen  erwiesen 
wurde,  noch  nach  sieben  Wochen  virulente  Tuberkelbazillen  enthielt,  führte 
die  gleiche  Infektion  mit  Rindertuberkelbazillen  bei  einer  zweiten  hoch- 
trächtigen Kuh  zu  einer  mit  völligem  Kräfteverfall  einhergehenden,  hoch- 
gradigen Eutertuberkulose.  Das  von  diesem  Versuchstier  genährte  Kalb 
wies  bei  der  nach  34tägiger  Versuchsdauer  vorgenommenen  Schlachtung 
akute  Miliartuberkulose  der  serösen  Häute  in  Bauch-  und  Brusthöhle,  Tuber- 
kulose der  Darmlymphdrüsen  mit  peripherer  Verkäsung  und  Tuberkulose 
der  rechten  Bronchialdrüse  auf. 

Diese  Versuche  bestätigen  somit  aufs  neue  die  Tatsache,  daß  die 
Virulenz  der  Rinder-  und  Menschentuberkelbazillen  für  das  Rind  nicht  die 
gleiche  ist.  Andererseits  ist  ihre  Zahl  zu  gering,  um  daraus  weitergehende 
Schlüsse  ziehen  zu  können.  Orabert  (Berlin}» 

Baumgarten,  P.  v.,   Zur  Kritik   der   aszendierenden  Tuberkulose 

im  weiblichen  Genitaltrakt. 

(Bert.  klin.  Wochenschr.,  44.  Jahrg.,  1907,  S.  65—68.) 
Verf.  weist  gegenüber  Jung  und  Bennecke  darauf  hin,  „daß  bei 
ungehindertem  Sekretabfluß  der  tuberkulöse  Prozeß  innerhalb  des  Genital- 
traktus  sich  ausschließlich  in  deszendierender  Richtung  ausbreitet,  und  daß 
eine  zweifellos  aszendierende  Ausbreitung  nur  bei  nachweisbarer  Hemmung1 
des  Sekretabflusses  stattfindet."1)  J. 


l)  Auch  beim  Rinde  ist  die  Tuberkulose  des  Endometriums  nach  meinen 
Beobachtungen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  auf  eine  r  deszendierende  *  Ausbreitung 
der  Erkrankung  (durch  Vermittlung  der  Tuben  von  der  Peritonealhöhle  aus 
bei  Peritonealtuberkulose)  zurückzuführen.  Joeat. 


Zeitschrift  f/nfektimiskrankheitm  etc.  derffanstiere  Bit  ff. 


TaflV. 

Y.roick.  Kruoo  tisch*.  Spinalparalyse. 


Fi3.l. 


Fig.  2 


Fig.  3 


Fig.  f. 


Fee.  Dotier: 


V P.\Si:'?Ltö  ßirlx  S'i'.t'i 


Zeitschrift  f.  Infektionskrankheiten  etc.  der  Haustiere.    Bd.  11.  Tafel  V. 

Zwick,  Enzootischt  Spinalparalyse. 


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£ 


/>c .  Dobler. 


Alb.Frnch)  Kunstanstaif,  Berlin  //'. 


Originalarbeiten. 


Studien  über  die  Lecksucht  der  Rinder.1) 

Von 
Professor  Dr.  R.  Ostertag      und      Professor  Dr.  N.  Zuntz 

Kgl.  Tier&retl.  Hochschule  Kgl    Landw.  Hochschule 

su  Berlin. 

Mit  dem  Namen  „Lecksucht"  wird  bekanntlich  jene  chronisch 
verlaufende  Krankheit  der  Rinder  bezeichnet,  die  sich  in  Ver- 
dauungs-  und  nervösen  Störungen  äußert.  Die  Tiere  zeigen  zuerst 
verringerten  Appetit  und  unterdrücktes  Wiederkauen  und  häufig 
Verstopfung.  Dann  stellt  sich  ein  abnormer  Geschmack  ein.  Die 
Tiere  lassen  ihr  gewöhnliches  Futter  liegen  und  bekunden  eine 
krankhafte  Begierde  nach  unverdaulichen  Gegenständen,  wie  Mörtel, 
Steinen,  Holz,  Anbindestricken,  Kleidungsstücken,  Harn,  Kot,  Jauche. 
Anfanglich  belecken  die  kranken  Tiere  die  Wände  und  Krippen  und 
ihre  Nachbartiere  nur  zeitweilig.  In  den  höheren  Graden  des 
Leidens  geschieht  dies  unausgesetzt,  fast  Tag  und  Nacht.  Im  Freien 
wühlen  die  Tiere  den  Boden  auf,  fressen  ihrer  sonstigen  Gewohn- 
heit entgegen  zähes  Gras  und  junge  Sprossen  von  Bäumen  und 
Sträuchern.  Sobald  sich  der  abnorme  Appetit  eingestellt  hat,  gehen 
die  Tiere  im  Ernährungszustande  zurück,  werden  schreckhaft  und 
empfindlich,  magern  schließlich  bis  zum  Skelett  ab  und  gehen  durch 
Verhungern  zugrunde.  Auf  Grund  des  eigenartigen  Vorkommens 
in  gewissen  Gegenden  und  des  vorzugsweisen  Auftretens  bei  Kühen 
und  Jungrindern  hat  man  angenommen,  daß  es  sich  bei  der  Leck- 
sucht um  eine  durch  eine  chronische  Ernährungsstörung  bedingte 


l)  Summarischer  Bericht  über  das  Ergebnis  der  Untersuchungen,  die  von 
den  Verff.  im  Auftrage  des  Kgl.  preußischen  Ministeriums  für  Landwirtschaft, 
Domänen  und  Forsten  über  die  Lecksucht  in  der  Johannisburger  Heide  aus- 
geführt worden  sind,  nach  in  der  Zentralmoorkommission  erstatteten  Referaten. 
Die   ausführliche  Arbeit  mit  den  Versuchsbelegen  folgt  nach. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten    II,  U.  27 


—    410    — 

Krankheit  handle,  bei  der  ein  mangelhafter,  mit  der  Boden- 
beschaffenheit zusammenhängender  Pfianzenwuchs  die  letzte  Ur- 
sache bilde. 

Tatsächlich  ist  festgestellt,  daß  die  Lecksucht  in  gewissen 
Gegenden  stationär  ist  und  alljährlich  während  des  Winters  ge- 
ringere oder  größere  Opfer  fordert.  Solche  Gegenden  befinden  sich 
im  sächsischen  Erzgebirge,  im  bayrischen  Wald,  im  westlichen 
Algäu,  iin  Donaumoos,  im  badischen  Schwarzwald  und  auf  der 
Schwäbischen  Alb.  In  den  von  der  Lecksucht  heimgesuchten 
Gegenden  tritt  die  Krankheit  in  bestimmten  Gehöften  seit  einer 
langen  Reihe  von  Jahren  ständig  auf  und  zeigt  sich  in  anderen 
Gehöften  nur  gelegentlich,  in  Jahren,  in  denen  sich  die  Futter- 
verhältnisse ungünstig  gestaltet  haben. 

In  den  letzten  zehn  Jahren  h^ben  sich  die  geschilderten 
Krankheitserscheinungen  in  hochgradiger  Weise  in  einigen  ost- 
preußischen Moorgebieten  geltend  gemacht.  Die  segensreichen 
Wirkungen  der  in  der  Johannisburger  Heide  ausgeführten  um- 
fassenden Meliorationen  drohten  durch  diese  Kalamität  illusorisch 
zu  werden. 

Auf  Anregung  der  Zentral-Moorkommission  fand  eine  örtliche 
Untersuchung  der  Sachlage  durch  eine  Kommission  statt,  der  der 
Geh.  Ober- Regierungsrat  Fleischer,  Prof.  Tacke,  Dr.  Weber 
und  der  eine  von  uns  (0.)  angehörten.  Die  Kommission  besichtigte 
zusammen  mit  Delegierten  der  Kgl.  Regierung  zu  Gumbinnen  eine 
Reihe  von  Gehöften  im  Kreise  Johannisburg,  von  denen  ein  Teil 
nach  den  Angaben  der  Besitzer  und  des  Kreistierarztes  Veterinär- 
rats Kleinpaul  zu  Johannisburg  von  Lecksucht  heimgesucht  wurde, 
während  der  andere  Teil  davon  frei  war. 

Das  Ergebnis  der  örtlichen  Untersuchungen  war,  daß  Leck- 
sucht in  der  Johannisburger  Heide  bereits  aufgetreten  ist,  ehe  die 
Moorwiesen  daselbst  melioriert  wurden,  daß  die  Krankheit  hauptsäch- 
lich bei  Jungvieh  und  nur  in  solchen  Ställen  beobachtet  wird,  in  denen 
Moorwiesenheu  zur  Verffitterung  gelangt,  daß  sie  in  Gehöften,  die 
ihr  Heu  von  Lehm-  und  Sandböden  beziehen,  nicht  vorkommt,  und 
daß  der  Pissekfluß  zum  Teil  eine  Grenzscheide  zwischen  Lecksucht- 
und  lecksuchtfreien  Gehöften  bildet.  In  keinem  Falle  konnte  aber 
damals  sicher  festgestellt  werden,  daß  die  Angabe  der  Interessenten 
.zutraf,  daß  die  Lecksucht  ausschließlich  durch  die  Melioration  der 
in  Betracht  kommenden  Wiesen   hervorgerufen  wurde,    wenn  aucli 


—    411     — 

einzelne  Besitzer  mit  großer  Bestimmtheit  behaupteten,  die  Leck- 
sucht sei  erst  seit  der  Zeit  der  Meliorationen  als  Kalamität  hervor- 
getreten. 

Nun  ließen  in  den  Lecksuchtgehöften  auch  die  äußeren  Ver- 
hältnisse, unter  denen  die  Tiere  gehalten  wurden,  zu  wünschen 
übrig.  Es  war  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  die  Stall-, 
Boden-,  Wasser-  und  klimatischen  Verhältnisse  bei  der  Entstehung 
der  Krankheit  eine  Rolle  spielten.  Aus  diesem  Grunde  «betrachtete 
es  die  Kommission  als  erste,  für  die  gesamten  Untersuchungen 
grundlegende  Aufgabe,  daß  durch  Versuche  nachgewiesen  wurde, 
ob  tatsächlich  das  Moorwiesenheu  und  dieses  allein  im- 
stande  ist,  Lecksucht  zu  erzeugen. 

Diese  Versuche  sind  in  umfassendster  Weise  ausgeführt  worden. 
Die  Möglichkeit  hierzu  boten  die  reichen  Mittel,  die  der  Herr 
Landwirtschaftsminister  für  die  Versuche  zur  Verfügung  stellte. 

Die  Versuche  sind  im  Kreise  Johannisburg  und  in  Berlin  aus- 
geführt worden.  Im  Kreise  Johannisburg  wurden  je  sechs  Kälber 
aus  Lecksuchtgehöften  und  lecksuchtfreien  Gehöften  auf  der  Ober- 
försterei Turoscheln  untergebracht.  Je  drei  Kälber  der  verschiedenen 
Herkunft  wurden  zu  einer  Gruppe  (I  und  II)  vereinigt.  Die  eine 
Gruppe  (II)  erhielt  Heu  aus  lecksuchtfreier  Gegend,  die  andere  (I) 
ein  gleichmäßiges  Gemisch  von  einer  meliorierten  und  einer  nicht 
meliorierten  Moorwiese.  Im  übrigen  sind  die  Kälber  ganz  gleich 
gehalten  worden.  Die  Versuche  wurden  ausgeführt  unter  Leitung 
des  Veterinärrats  Kleinpaul  von  dem  Oberförster  Mandt. 

In  Berlin  wurden  gleichfalls  je  sechs  Kälber  aus  Lecksucht- 
gehöften und  lecksuchtfreien  Gehöften  aufgestellt  und  in  zwei 
Hauptgruppen  mit  je  zwei  und  drei  Tieren  verschiedener  Herkunft 
eingeteilt.  Eine  dritte  Gruppe  bestand  aus  zwei  Tieren  (darunter 
eins  aus  einem  Lecksuchtgehöft),  die  als  Kontrolltiere  dienen  sollten. 
Die  eine  Gruppe  (I)  bekam  das  Heu  der  nicht  meliorierten  Moor- 
wiese, die  andere  (II)  das  Heu  der  meliorierten  Moorwiese,  das 
auch  in  Turoscheln,  dort  aber  in  Mischung,  verfüttert  wurde.  Die 
Kontrolltiere  erhielten  Heu  aus  der  Umgebung  von  Berlin. 

Bei  den  hiesigen  Versuchen  sollten  mit  der  genauen  Kontrolle 
der  aufgenommenen  Futtermengen  und  der  steten  klinischen  Beob- 
achtung der  Versuchstiere  exakte  StofFwechselversuche  verbunden 
werden,  in  denen  nicht  nur  die  Verdaulichkeit  des  Futters  nach 
den  üblichen  Methoden  ermittelt,    sondern  auch  durch  eine  genaue 

27* 


—     412     — 

quantitative  Verfolgung  der  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Tier- 
körpers an  allen  wesentlichen  organischen  und  anorganischen  Nähr- 
stoffen untersucht  wurde,  ob  hier  Anomalien  nachweisbar  seien. 

Die  klinische  Kontrolle  geschah  bei  diesen  Versuchen  durch 
Tierarzt  Dr.  Foth,  später  wurde  sie  von  den  Tierärzten  Dr.  Titze 
und  Dause  1  vorgenommen;  die  chemischen  Arbeiten  sind  von 
Dr.  Strigel  und  Dr.  Aron  ausgeführt  worden.  Durch  Blutanalysen 
hat  außerdem  Dr.  Mohr,  Oberarzt  an  der  Charit^,  unsere  Arbeiten 
unterstützt. 

Die  Fütterungsversuche  sind  in  Turoscheln  und  Berlin  am 
5.  Dezember  1902  begonnen  worden. 

Sämtliche  Kälber  nahmen  zunächst  gut  zu,  auch  diejenigen, 
die  mit  Meliorationswiesenheu  gefüttert  wurden.  Dies  hielt 
einige  Wochen  an.  Hierauf  traten  aber  deutliche  Unterschiede 
hervor.  Die  Moorwiesentiere  fraßen  langsam,  wählerisch,  bekamen 
ein  rauhes  Haarkleid  und  Läuse  —  ein  bekanntes  Symptom  von 
Ernährungsstörungen  bei  Kälbern.  Von  den  sechs  Moorwiesenheu- 
tieren  in  Turoscheln  gingen  drei  schon  drei  Wochen,  die  übrigen 
drei  elf  Wochen  nach  Beginn  des  Versuches  im  Ernährungszustand 
andauernd  zurück.  Gleichzeitig  stellten  sich  Nagen  und  Lecken  ein: 
die  Tiere  magerten  zum  Skelett  ab  und  sind  zum  Teil  gestorben. 

Das  erste  Tier,  das  starb,  war  ein  Moorwiesentier  (Kalb  VI) 
der  Gruppe  I  zu  Turoscheln.  Es  starb  am  14.  Februar  1903,  schon 
zehn  Wochen  nach  Beginn  des  Fütterungsversuchs,  nachdem  sein 
Gewicht  von  112  kg  auf  90  kg  zurückgegangen  war.  Bei  der 
Sektion,  die  in  Berlin  ausgeführt  wurde,  sind  hochgradigste  Ab- 
magerung, völliger  Schwund  des  Fettgewebes,  Schwund  der  Muskeln 
und  der  drüsigen  Eingeweide,  Schwund  der  Knochenrinde  an  den 
Röhrenknochen,  abnorme  Brüchigkeit  der  Rippen  und  auffällige 
Blutarmut  nachgewiesen  worden.  Das  verendete  Tier  war  fast  so 
blutleer  wie  ein  geschlachtetes. 

Das  Parallelkalb  Nr.  XII  aus  der  Turoschelner  Gruppe  IT,  die 
mit  Heu  aus  lecksuchtfreier  Gegend  gefüttert  wurde,  war  das 
schwächste  von  sämtlichen  Versuchskälbern  gewesen,  hat  bei  der 
Einstellung  nur  70  kg  gewogen  und  bis  zum  24.  März,  dem  Tage 
der  Besichtigung  durch  uns  beide,  um  32  kg  zugenommen. 

Die  am  24.  März  1903  noch  lebenden  fünf  Versuchskälber  der 
Turoschelner  Gruppe  I  machten  den  kläglichsten,  heruntergekommen- 
sten   Eindruck,    nagten    an   Holz,    fraßen  Papier   und  Tuchlappen. 


—     413     - 

Das  Gesamtgewicht  der  Kälber  der  Versuchsgruppe  I,  das  des  ge- 
storbenen mit  eingerechnet,  betrug  zu  Beginn  des  Versuches  620  kg, 
zu  Ende  des  Versuches  620,5  kg,  mithin  Zunahme  —  0  °/0. 

Bei  Gruppe  II  Turoscheln  war  das  Anfangsgewicht  652,5  kg, 
das  Endgewicht  881,5  kg.  Die  Zunahme  war  sonach  229  kg  =  35%. 
Sämtliche  Kälber  der  Versuchsgruppe  II  machten  einen  vorzüglichen, 
sehr  munteren,  gut  genährten  Eindruck,  zeigten  ein  glattes,  glänzen- 
des Haarkleid  und  waren  frei  von  krankhaften  Erscheinungen. 

Dies  ist  um  so  mehr  zu  vermerken,  als  das  Heu,  das  die 
Tiere  der  Versuchsgruppe  II  erhalten  haben,  durchaus  kein  Heu 
erster  Güte  gewesen  war. 

Von  den  Kälbern  der  Turoschelner  Versuchsgruppe  I  sind 
nachträglich  noch  drei  gestorben,  je  eins  im  April,  Juli  und  August, 
die  beiden  letzten  auf  der  Waldweide.  Bei  allen  diesen  Tieren 
wurde  der  nämliche  Befund  wie  bei  dem  zuerst  gestorbenen  Kalbe 
erhoben. 

In  Berlin  haben  auch  zunächst  alle  Kälber  gut  zugenommen, 
die  Naturwiesentiere  (Gruppe  I)  aber  besser  als  die  Kunstwiesen- 
tiere (Gruppe  II).  Die  erste  Störung  trat  bei  den  hiesigen  Kälbern 
in  der  zweiten  Hälfte  des  Monats  Januar  1903  ein.  Sie  zeigten 
Nachlassen  der  Freßlust,  Lecken,  Nagen  am  Holz  der  Raufen  und 
am  Lederzeug  der  Nachbartiere,  Auftreten  von  Läusen.  Diese 
Erscheinungen  verloren  sich  bis  Anfang  Februar  wieder.  Während 
des  Monats  Februar  stellte  sich  wieder  Gewichtszunahme  ein,  die 
bei  den  Naturwiesentieren  mit  einer  Ausnahme  bis  Ende  Juni  an- 
hielt. Ende  März  1903  waren  alle  Naturwiesentiere,  ohne  Aus- 
nahme, in  einem  ziemlich  guten  bis  guten  Ernährungszustand, 
munter  und  aufmerksam  auf  die  Umgebung.  Drei  Tiere  hatten 
auch  eine  weiche,  elastische  Haut,  die  beiden  anderen  dagegen  eine 
derbe,  fest  anliegende  Haut  und  ein  rauhes  Haarkleid.  Die  Gewichts- 
zunahme der  fünf  Kälber  der  Gruppe  I  vom  5.  Dezember  bis  3.  April 
schwankte  zwischen  11  und  38  kg  (=  13  bis  37  °/0  des  Anfangs- 
gewichtes); die  absolute  Gesamtgewichtszunahme  war  126  kg. 

Bei  den  Kälbern  der  Versuchsgruppe  II  ging  von  Anfang  März 
an  die  Futteraufnahme  und  dementsprechend  auch  der  Ernährungs- 
zustand zurück.  Die  Tiere  nahmen  vom  6.  März  bis  3.  April  1903 
um  6—16  kg  ab.  Die  Gesamtgewichtsveränderung  seit  Beginn  des 
Versuches  bis  zum  3.  April  schwankte  zwischen  6,5  kg  Abnahme 
und  13,5  kg  Zunahme  und  betrug  durchschnittlich  4,1  kg  Zunahme 


—     414     — 

==  4,5  °/0  des  Anfangsgewichtes.  Am  3.  April  waren  alle  Versuchs- 
tiere der  Versuchsgruppe  U  stark  abgemagert,  hatten  ein  rauhes, 
glanzloses  Haarkleid  und  stark  eingefallene  Muskulatur.  Sie  fraßen 
langsam,  wählerisch,  benagten  gegenseitig  ihr  Lederzeug,  nagten 
an  den  Stricken,  an  der  Wand  und  fraßen  zum  Teil  Papier,  sowie 
vorgeworfene  wollene  Lappen. 

Von  den  Versuchstieren  der  Gruppe  I  sind  nachträglich  auf 
der  Weide  zwei  Tiere  (im  September),  von  denen  der  Gruppe  II 
gleichfalls  zwei  Stück  zugrunde  gegangen,  das  eine  am  1.  Juni, 
das  zweite  am  4.  Mai.  Auch  bei  diesen  Tieren  wurde  der  nämliche 
Befund  erhoben  wie  bei  dem  ersten,  in  Turoscheln  gestorbenen 
Kalbe. 

Die  beiden  Kontrolltiere  (Gruppe  III),  die  mit  Heu  aus  der 
Umgegend  von  Berlin  gefüttert  wurden,  haben  dauernd  zugenommen, 
das  eine  um  45,5  kg  =  41  °/0,  das  andere  um  73,6  kg  =  61% 
seines  Anfangsgewichtes.  Die  Tiere  waren  frei  von  jeglichen 
Krankheitserscheinungen,  auch  von  Läusen,  geblieben,  und  letzteres, 
obwohl  sie  mit  dem  gleichen  Putzzeug  gereinigt  wurden,  wie  die 
mit  Läusen  behafteten  Tiere  der  Gruppen  I  und  II.  Das  erstgenannte 
Kontrolltier,  das  die  geringere  Gewichtszunahme  (45,5  kg)  aufwies, 
hatte  gleichwohl  eine  mehr  als  zweimal  größere  Gewichtszunahme 
als  sämtliche  Versuchstiere  der  Gruppe  II  zusammen. 

Während  der  Versuchszeit  wurden  acht  quantitative  Stoff- 
wechselversuche ausgeführt,  von  denen  immer  je  zwei  gleichzeitig 
nebeneinander  durchgeführt  wurden. 

I A.  15.— 22.  Dezember  1902  .    .    .  Naturheu  (Moorwiese)  Kalb  V. 

IB.  15.— 22.         „  1902  .    .    .  Meliorationsheu  (Moorwiese)  Kalb  VI. 

II  A.  26.  Januar  bis  6.  Februar  1903  Hiesiges  Heu  Kalb  XI.     ' 

II B.  26.      „         „    6.        „        1903  Meliorationshou  (Moorwiese)  Kalb  VI. 

III  A.  13.— 20.  März  1903 Naturheu  (Moorwiese)  Kalb  IX. 

III B.  13.— 20.    „      1903 Meliorationsheu  (Moorwiese) 

Kalb  VIII.    Höhe  der  Lecksucht 

IV  A.    22.-29.  Mai  1903 Hiesiges  Heu  Kalb  XI. 

IV  B.    22.-30.   „     1903 Meliorationsheu  Kalb  X. 

Aus  den  Ergebnissen  dieser  Versuche,  die  in  der  ausführlichen 
Veröffentlichung  unserer  Versuche  genau  besprochen  werden  sollen, 
sei  hier  nur  hervorgehoben,  daß  die  Verdaulichkeit  der  organischen 
Nährstoffe  in  dem  schädlichen  Meliorationsheu  durchaus  nicht 
schlechter  war  als  in  dem  hiesigen  Heu. 


—     415     — 

Die  auffälligste  Anomalie  des  Moorwiesenheus  war 
sein  geringer  Natrongehalt,  der  in  dem  Heu  der  meliorierten 
Wiese  noch  viel  schärfer  hervortrat  als  in  dem  der  Naturwiese. 
Mit  dem  geringen  Natrongehalt  ging  eine  relative  Zunahme 
des  Kalis  Hand  in  Hand,  von  dem  das  Meliorationsheu  doppelt 
so  viel  enthielt  als  das  Naturheu.  Beide  Moorwiesenheu-Arten 
waren  ferner  arm  an  Kalk,  und  auch  dieser  Nachteil  trat  in  dem 
Meliorationsheu  viel  stärker  in  die  Erscheinung. 

Die  Stoffwechselversuche  zeigten  nun,  daß  die  geringe  Natrium- 
menge den  Bedarf  nicht  deckte  —  die  Ausscheidung  in  Harn  und 
Kot  war  namentlich  in  den  späteren  Stadien  der  ausgesprochenen 
Lecksucht  größer  als  die  Zufuhr  — ,  während  zugleich  erhebliche 
Mengen  von  Kalisalzen  im  Tierkörper  zurückgehalten  wurden.  Die 
Zurückhaltung  der  Kalksalze  war  viel  geringer,  als  sie  bei 
normalem  Wachstum  der  Knochen  hätte  sein  müssen,  und 
auch  der  Ansatz  von  Phosphorsäure  blieb  hinter  der  Norm 
zurück.  Das  letztere  Ergebnis  der  Bilanzversuche  harmonierte 
mit  dem  Ergebnis  der  Sektionen  der  an  Lecksucht  verendeten 
Tiere.  Deren  Skelett  zeigte  auffallenden  Mangel  an  kompakter 
Substanz,  Verminderung  der  Wandstärke  der  Röhrenknochen  bei 
vollkommen  normaler  chemischer  Zusammensetzung  des  vorhandenen 
Knochengewebes.  Ein  zweiter  konstanter  Befund,  der  sich  nament- 
lich in  den  späteren  Versuchen  immer  wieder  ergab,  waren  die 
wässerige  Beschaffenheit  des  Blutes,  sein  geringer  Gehalt  an  roten 
Blutkörperchen  und  an  Hämoglobin  und  die  auffallend  geringe 
Menge  des  gesamten  im  Körper  vorhandenen  Blutes. 

Durch  diese  Befunde  war  der  Weg  für  weitere  Unter- 
suchungen vorgeschrieben. 

Es  wurde  zunächst  versucht,  durch  Beigabe  von  Kochsalz, 
sowie  von  Kalk  und  Phosphorsäure,  ferner  von  Eisenpräparaten 
heilend  und  vorbeugend  zu  wirken  —  mit  im  wesentlichen  nega- 
tivem Erfolg.  Die  Schädlichkeit  war  also  nicht  durch  Kom- 
pensation der  abnormen  Zusammensetzung  der  Heuasche  zu 
beseitigen.  Wenn  die  Aschenbestandteile  überhaupt  Bedeutung 
hatten,  mußten  sie  auf  das  Wachstum  der  Pflanzen  wirken.  Aus 
dieser  Erwägung  entstanden  weitere  Versuchsreihen,  in  denen  ein- 
mal durch  Natrondüngung  (Chilisalpeter)  nicht  ganz  ohne  Erfolg 
versucht  wurde,  ein  normales,  bekömmliches  Heu  zu  erzeugen,  und 
in  denen  ferner  untersucht  worden  ist,  ob  etwa  nur  einige  der  das 


—     41(>     — 

Heu  zusammensetzenden  Pflanzen  die  schädliche  Wirkung  ausübten. 
Es  zeigte  sich,  daß  auf  den  Moorwiesen  produziertes  reines  Kleeheu 
keine  schädlichen  Wirkungen  hatte. 

Sodann  galt  eine  Reihe  von  Versuchen  der  Prüfung  der  Frage, 
ob  etwa  die  Schädlichkeit  nur  in  bestimmten  Wachstumsphasen  des 
Moorwiesengrases  bestehe,  und  ob  durch  irgend  eine  Zubereitung  das 
Heu  bekömmlich  gemacht  werden  könne. 

Der  Winter  1903/04  war  vorwiegend  der  Untersuchung  der  letzt- 
genannten Frage  gewidmet.  Es  wurden  am  4.  August  1903 
13  Kälber  aufgestellt  und  zunächst  bis  zum  1.  Oktober  mit  un- 
verdächtigem, hiesigem  Heu  gefüttert,  um  das  normale  Wachstum 
der  Versuchstiere  zu  prüfen.  Dann  wurden  sie  in  vier  möglichst 
gleichmäßige  Gruppen  geteilt,  deren  erste  das  Heu  einer  meliorierten 
Moorwiese  ohne  weiteres  erhielt,  während  dasselbe  Heu  filr 
Gruppe  H  mit  siedendem  Wasser, 
Gruppe  IH  mit  kaltem,  durch  Ammoniak  alkalisch  gemachtem 

Wasser, 
Gruppe  IV  mit  kaltem,  durch  Salzsäure  angesäuertem  Wasser 
ausgelaugt  wurde. 

Durch  diese  Behandlung  sollten  hypothetische  Giftstoffe  des 
Moorwiesenheus  entfernt  werden;  unvermeidlich  wurde  hierdurch 
aber  auch  ein  erheblicher  Teil  der  Mineralstoffe  und  organischen 
Nährstoffe  ausgelaugt.  Am  stärksten  war  der  Verlust  bei  dem  mit. 
Säure  behandelten  Heu,  am  geringsten  bei  dem  mit  Ammoniak 
behandelten,  wie  folgende  Zahlen  zeigen: 

Heu  Nr.  1  Heu  Nr.  2  Heu  Nr.  3  Heu  Nr.  4 

unverändert  Wasser  Ammoniak  Säure 

Aschegehalt      .      6,07%  3,40  °/0  4,38%  2,44% 

Kali      ....      1,97%  0,44%  0,53%  0,20% 

Kalk    ....      0,84%  0,83%  0,90%  0,38% 

Phosphorsäure.      0,63%  0,49%  0,63%  0,39% 

Die  Fütterungsversuche  ergaben,  daß  die  Behandlung  mit 
siedendem  Wasser  (Dämpfen)  in  der  Tat  das  Heu  bekömm- 
lich gemacht  hat. 

Die  mit  gedämpftem  Heu  fünf  Monate  lang  gefutterten  Kälber 
waren  nach  Ablauf  dieser  Zeit  noch  sehr  munter  und  zeigten  auch 
ein  höheres  Gewicht  als  bei  der  Einstellung  in  den  Versuch.  Zu- 
nahme ---  1 6,5  °/0  des  Anfangsgewichts.  Als  der  Versuch  mit  gedämpf- 


—     417     — 

tem  Heu  länger,  auf  acht  Monate,  ausgedehnt  wurde,  erkrankten 
auch  die  mit  gedämpftem  Heu  gefütterten  Versuchstiere.  Immerhin 
war  es  aber  möglich  gewesen,  die  Versuchstiere  mit  gedämpftem 
Heu   über   den  Winter  verhältnismäßig  gut  hinwegzubringen. 

Die  mit  unverändertem  Moorwiesenheu  genährten  Tiere  taten 
aufs  neue  dessen  Schädlichkeit  dar.  Das  mit  Ammoniak  und  mehr 
noch  das  mit  Säure  behandelte  Heu  hatten  gleichfalls  ihre  Schäd- 
lichkeit nicht  eingebüßt,  und  es  konnte  auch  durch  Zugabe  von 
Mineralstoffen  als  Ersatz  der  ausgelaugten  ein  befriedigendes  Re- 
sultat der  Verfiitterung  des  mit  Ammoniak  und  Säure  ausgelaugten 
Moorwiesenheus  nicht  erzielt  werden. 

Als  ein  gutes  Mittel  zur  Vermeidung  der  Schädlich- 
keit des  Moorwiesenheus  hat  sich  die  Selbsterhitzung  des 
Heus  erwiesen.  Von  einer  Meliorationswiese,  deren  in  gewöhn- 
licher Weise  gewonnenes  Dürrheu  stets  Lecksucht  erzeugte,  wurde 
ein  Teil  des  Ertrages  in  Form  von  Braunheu  geworben  und  an 
drei  etwa  ^4  Jahr  alte  Kälber  verfuttert.  Der  Versuch  begann  am 
18.  November  1903  und  dauerte  bis  zum  31.  März  1904.  Die 
Tiere  haben  mithin  etwa  41/2  Monate  Braunheu  erhalten.  Sie  sind 
bis  zum  8.  März  1904  in  Turoscheln  gewesen,  in  demselben  Stall, 
in  dem  ein  Jahr  zuvor  die  Versuchskälber  nach  Verfutterung  des 
Dürrheus  der  nämlichen  Wiese  unter  Beigabe  des  weniger  schäd- 
lichen Naturwiesenheus  bereits  nach  vier  und  sieben  Wochen  an 
Lecksucht  erkrankt  sind.  Die  mit  Braunheu  gefütterten  Tiere  haben 
sich  während  des  Versuches  gut  entwickelt.  Sie  machten  am  Ende 
des  Versuches  den  Eindruck  durchaus  gesunder  und  vollkommen 
munterer  Tiere.  Sie  haben  während  des  Versuches  um  100  kg  = 
32,9  %  des  Anfangsgewichtes  zugenommen.  Dieses  günstige  Ergeb- 
nis zeigte  sich  auch,  als  der  Versuch  an  denselben  Tieren  weitere 
drei  Monate  in  Berlin  fortgesetzt  wurde.  Später  hat  es  sich  gezeigt, 
daß  es  wesentlich  ist,  daß  die  Braunheubereitung  vorschriftsmäßig 
erfolgt,  daß  das  in  Diemen  von  bestimmter  Größe  verbrachte  Gras 
sechs  bis  zwölf  Wochen  in  dieser  Lagerung  verbleibt;  denn  nur 
dann  stellen  sich  die  Selbsterhitzung  und  die  hierdurch  bedingten 
Veränderungen  des  Heus  ein.  Mit  Braunheu,  das  wegen  Schimmelung 
nach  kurzer,  nur  siebentägiger  Lagerung  wieder  auseinandergerissen 
und  dann  wieder  zusammengebracht  wurde,  ist  der  gleich  günstige 
Erfolg  wie  mit  dem  vorschriftsmäßig  gewonnenen  Braunheu  nicht 
erzielt  worden. 


—     418     — 

Ein  weiteres  bedeutungsvolles  Ergebnis  wurde  durch 
Beweiden  der  das  schädliche  Heu  liefernden  Wiesen  er- 
zielt. Die  auf  den  Lecksuchtmoorwiesen  fünf  Monate  lang  ge- 
weideten Tiere  blieben  gesund  und  nahmen  um  35—40  °/0  an 
Gewicht  zu. 

Der  Weidegang  erwies  sich  auch  als  das  einzige 
sichere,  wenn  auch  nur  langsam  wirkende  Heilmittel  der 
Leck su cht.  Weder  durch  Medikamente  (Apoinorphin),  noch  durch 
Verabreichung  von  Kraftfiittermitteln,  Haferschrot,  Leinkuchen.  Lein- 
kuchen und  Leinsamen,  Gras,  Klee,  noch  durchZugabe  vonMelasse,  von 
Salz  oder  von  Heidekraut  und  Tannenreis  —  letzteres  wurde  mit 
Rücksicht  auf  den  behaupteten  heilenden  Einfluß  der  Waldweide  ver- 
sucht ' —  konnten  die  stärker  erkrankten  Tiere  geheilt  werden. 
Heilung  wurde  in  unseren  Versuchen  nur  erzielt  —  und  das  steht 
mit  den  Beobachtungen  der  Praxis  durchaus  im  Einklang  —  dadurch, 
daß  die  lecksuchtkranken  Tiere  auf  die  Weide  gebracht  wurden.1) 

Solche  Heilungsversuche  durch  Weidegang  sind  mit  Erfolg 
ausgeführt  worden  in  Kletzke  in  der  Priegnitz  mit  in  Berlin  durch 
Fütterung  mit  Moorwiesenheu  krank  gemachten  Kälbern  und  in 
Turoscheln  auf  einer  Waldweide  mit  Johannisburger  Versuchstieren. 

Das  günstige  Ergebnis  der  Weideversuche  auf  meliorierten 
Wiesen,  deren  Dürrheu  schädlich  wrar,  veranlaßte  Untersuchungen 
über  die  Ursache  dieser  merkwürdigen  Tatsache.  Die  Annahme, 
daß  durch  die  Gewinnung  des  Grases  zu  Heu  schädliche,  Lecksucht 
erzeugende  Stoffe  entstehen  könnten,  war  nicht  wahrscheinlich. 
Dagegen  konnte  eine  Erklärung  für  die  verschiedene  Wirkung  des 
Grases  und  Heus  darin  gefunden  werden,  daß  das  Heu  aus  den 
blühenden  und  reifen- Pflanzen  besteht,  während  das  Gras,  das  die 
Tiere  während  des  Weideganges  aufnehmen,  den  früheren  Vegeta- 
tionsstadien angehört.  Nun  können  aber  Pflanzen,  die  im  unreifen 
Zustand  unschädlich  sind,  im  reifen  Zustande  schädliche  Stoffe  ent- 
halten. Man  denke  an  die  Herbstzeitlose,  deren  starkes  Gift,  das 
Colchicin,  sich  erst  in  der  Periode  der  Samenbildung  entwickelt. 
Um  hierüber  Klarheit  zu  bekommen,    wurden  von  einer  Lecksucht- 


!)  Der  völlig  negative  Ausfall  der  Heilungsversuche  mit  Leinkuchen  und 
Leinsamen  steht  im  unmittelbaren  Gegensatz  zu  günstigen  Ergebnissen,  die 
die  bayerische  Moorkulturkommission  nach  ihrer  Angabe  (vgl.  Niederschrift 
über  die  am  21.  Juli  1906  abgehaltene  Sitzung)  durch  die  Verabreichung  dieser 
Futtermittel  bei  einer  kleinen  Anzahl  von  Versuchstieren  erzielt  hat, 


—     419     - 

moorwiese  statt  der  üblichen  zwei  Schnitte  deren  drei  gewonnen  und 
zu  Dürrheu  bereitet.  Der  dritte  Schnitt  wurde  so  früh  im  Herbst 
genommen,  daß  noch  ein  vierter  Schnitt  heranwachsen  konnte.  Dieser 
konnte  aber  nicht  gewonnen  werden,  weil  das  Gras  durch  Frost 
gelitten  hatte  und  so  klein  blieb,  daß  es  die  Sense  nicht  faßte. 

Das  Kalb,  das  den  ersten  Schnitt  erhalten  hat,  ist  gesund 
geblieben  und  sehr  gut  gediehen.  Es  hat  in  fünf  Monaten  um 
45  kg  =  rund  32  °/0  seines  Anfangsgewichtes  zugenommen.  Das 
Kontrollkalb,  das  mit  hiesigem  Heu  ernährt  worden  ist,  hat  etwa 
in  gleicher  Weise,  nämlich  um  52  kg  =  293/4  °/0  seines  Anfangs- 
gewichtes zugenommen.  Bei  den  Kälbern  dagegen,  die  zweiten 
und  dritten  Schnitt  erhalten  haben,  sind  die  Erscheinungen  der 
Lecksucht  früh  hervorgetreten.    Der  Versuch  hat  am  6.  November 

1904  begonnen,  die  Kälber  hatten  schon  am  22.  und  30.  Dezember 
ihr  Höchstgewicht  erreicht  —  anfängliche  Zunahme  des  Körper- 
gewichtes wird  bei  an  Lecksucht  erkrankenden  Tieren  regelmäßig 
beobachtet  —  und  sie  begannen  bereits  Mitte  Januar  und  Februar 

1905  zu  nagen  und  zu  lecken. 

Der  erste  Schnitt  erwies  sich  hiernach  als  bekömm- 
lich, der  zweite  und  dritte  als  Lecksucht  erzeugend. 

Ein  weiterer  Versuch  ist  mit  Grummet  angestellt  worden. 

Das  Grummet  einer  Meliorationswiese  erzeugte  wäh- 
rend des  fünf  Monate  dauernden  Versuches  bei  sämtlichen 
drei  Versuchskälbern  nur  die  krankhaften  Merkmale  des 
Leckens  und  Nagens,  dagegen  keine  weitere  Störung.  Die  Tiere 
nahmen  an  Gewicht  um  18— 24  kg  =  16l/a — 17  °/0  ihres  Anfangs- 
gewichtes zu,  so  daß  sie  durch  Fütterung  mit  dem  Grummetheu 
verhältnismäßig  gut  über  den  Winter  hinwegzubringen  waren. 

Die  letzten  Versuche,  die  angestellt  worden  sind,  betrafen  die 
Erforschung  der  Wirkung  des  Kleeheus,  das  von  einer  Lecksucht 
erzeugenden  Moorwiese  gewonnen  worden  war.  Mit  solchem  Klee- 
heu sind  im  Verlauf  des  vergangenen  Winters  drei  Kälber  gefuttert 
worden.  Zur  Kontrolle  wurden  daneben  drei  Kälber  aufgestellt, 
die  gewöhnliches  Dürrhen  von  einer  Lecksucht  erzeugenden  Wiese 
erhielten.  Das  Dürrheu,  das  von  derselben  Wiese  stammte,  die  in 
den  Vorjahren  zu  den  Versuchen  benutzt  worden  war,  in  denen  das 
Heu  prompt  Lecksucht  erzeugt  hatte,  entfaltete  in  diesem  Jahre 
eine  geringere  schädliche  Wirkung  als  im  Jahre  zuvor.  Dies 
wurde  im  vergangenen  Winter   auch   in  Johannisburg   festgestellt, 


—     420     — 

und  derartige  Schwankungen  in  der  krankmachenden  Wirkung  sind 
in  allen  Lecksuchtgegenden  beobachtet  worden.  Immerhin  sind 
aber  die  Unterschiede  in  dem  Einfluß  der  Kleeheu-  und  Grasheu- 
fütterung  in  den  Versuchen  sehr  deutlich  hervorgetreten.  Die  drei 
Kleeheutiere  haben  von  Mitte  November  1905  an  bis  zum 
31.  März  1906  durchweg  erheblich  zugenommen,  und  zwar  um 
29,  36  und  73  kg,  insgesamt  um  29,5  %  des  Anfangsgewichtes,  also 
um  so  viel,  wie  das  mit  hiesigem  Heu  ernährte  Kontrollkalb.  Bei  den 
drei  Grastieren  betrug  die  Gesamtzunahme  nur  5°/0  des  Anfangs- 
gewichtes. Bei  der  Fortsetzung  des  Versuchs  während  der  Dauer  von 
drei  weiteren  Monaten  haben  die  Kleeheutiere  um  34,  61  und  98  kg 
zugenommen,  insgesamt  also  um  193  kg  =  41  %  des  Anfangs- 
gewichtes, während  bei  den  Grasheutieren  eine  Gewichtsabnahme 
um  9°/0  des  Anfangsgewichtes  stattgeftmden  hat.  Es  besteht  also 
ein  Unterschied  in  der  Gewichtszunahme  um  mehr  als  50  °/0  gegen- 
über dem  Anfangsgewicht  bei  den  mit  Klee-  und  Grasheu  von 
meliorierten  Moorwiesen  gefütterten  Kälbern.  Zur  Gewinnung  von 
Kleeheu  war  eine  Parzelle  mit  Trifolium  pratense,  hybridum,  repens 
und  Medicago  lupulina,  in  der  Hauptsache  aber  mit  Trifolium  repens 
nach  einem  Vorschlage  des  Professors  Tacke  besät  worden.  Der 
Klee  ist  im  Frühjahr  1904  auf  einer  umgebrochenen  Moorwiese  mit 
Hafer  ausgesät  worden.  Die  Wiese  lieferte  nach  Angabe  de* 
Veterinärrats  Kleinpaul  eine  gute  Haferernte.  Auch  die  Klee- 
ernte war  gut,  nur  war  der  Klee  nicht  so  dickstenglig  und  dick- 
blättrig, wie  auf  dem  Acker  gewachsener  Klee. 

Wir  glauben  aus  der  Gesamtzahl  unserer  Versuche  und  Beobach- 
tungen nachstehende  Folgerungen  ziehen  zu  dürfen,  deren  Be- 
gründung im  einzelnen  der  ausführlichen  Publikation  vorbehalten 
bleiben  muß. 

1.  Das  Heu  von  Moorwiesen  der  Johannisburger  Heide  vermag 
die   als  Lecksucht  bezeichnete  Krankheit  des  Rindes  zu  erzeugen. 

2.  Das  Heu  von  meliorierten  Moorwiesen  zeigt  diese  Wirkung 
in  höherem  Grade  als  das  Heu  nicht  meliorierter  Wiesen. 

3.  Die  krankmachende  Wirkung  des  Heus  einer  und  der- 
selben Wiese  ist  nicht  in  allen  Jahrgängen  gleich  stark. 

4.  Die  durch  Moorwiesenheu  erzeugte  Lecksucht  des  Rindes 
ist  als  eine  Vergiftung  aufzufassen,  die  sich  durch  eine  Störung 
der  Futterauihahme   und   des  Stoffwechsels,  speziell  der  Blut-  und 


-     421     — 

Knochenbildung,  sowie  durch  die  krankhafte  Neigung,  zu  nagen  und 
zu  lecken,  kennzeichnet. 

5.  Welcher  Art  das  Gift  oder  die  Gifte  in  dem  Moorwiesen- 
heu sind,  konnte  nicht  festgestellt  werden.  Da  das  Moorwiesenheu 
erst  nach  längerer  Verabreichung  schädigend  wirkt,  ist  anzunehmen, 
daß  der  Giftstoff  nur  in  sehr  kleinen  Mengen  in  dem  Heu  enthalten 
ist  und  allmählich,  kumulativ,  so  schädigt,  daß  sich  die  schweren 
Stoffwechselstörungen  ausbilden. 

Daß  vielleicht  mehrere  Giftstoffe  in  Frage  kommen,  darauf 
weist  das  Ergebnis  des  Versuches  der  Fütterung  mit  Grummet  hin, 
das  zwar  die  perverse  Neigung  zum  Nagen  und  Lecken,  dagegen 
nicht  die  schweren  Ernährungsstörungen,  die  der  Lecksucht  eigen- 
tümlich sind,  hervorrief.  Die  Grummettiere  haben  genagt  und  geleckt, 
sind  aber  nicht  abgemagert,  sondern  haben  an  Gewicht  zugenommen. 

6.  Das  Zustandekommen  der  Lecksucht  wird  durch  ungünstige 
äußere  Einflüsse  begünstigt. 

Die  vergleichenden  Fütterungsversuche  im  Kreise  Johannis- 
burg  und  in  Berlin  haben  ergeben,  daß  die  Krankheit  in  einem 
warmen  und  gut  belichteten  Stall  später  und  milder  auftritt  als 
in  einem  kalten  und  mangelhaft  belichteten  Stall. 

Die  Erfahrung  im  Kreise  Johannisburg  lehrt  auch,  daß  sich 
die  Krankheit  in  kurzen,  milden  Wintern  weniger  heftig  zeigt  als 
in  langen,  strengen  Wintern. 

7.  An  Pferde  kann  das  Moorwiesenheu,  das  bei  Rindern  Leck- 
sucht hervorruft,  ohne  Nachteil  verfuttert  werden. 

8.  Durch  Dämpfen  kann  die  in  dem  Moorwiesenheu  enthaltene 
Schädlichkeit  so  weit  zerstört  werden,  daß  Kälber  fünf  Monate 
lang  mit  dem  Heu  gefüttert  werden  können,  ohne  an  Lecksucht 
zu  erkranken. 

9.  Durch  die  Gewinnung  des  Moorwiesenertrages  in  Form  von 
Braunheu  kann  die  Schädlichkeit  vollständig  beseitigt  werden. 

10.  Als  unschädlich  und  gut  bekömmlich  hat  sich  das  Heu 
von  einem  sehr  früh,  vor  der  Blüte  der  Gräser  ausgeführten  Schnitt 
erwiesen,  wogegen  der  zweite  und  dritte  Schnitt  der  nämlichen 
Wiese  stark  Lecksucht  erzeugendes  Heu  lieferte.  Wenig  schädlich 
ist  Grummet.  Auch  das  Heu  einer  mit  Chilisalpeter  gedüngten 
Wiese  hat  sich  als  verhältnismäßig  wenig  schädlich  gezeigt. 

11.  Unschädlich  und  gut  bekömmlich  ist  das  Gras  von  Moor- 
wiesen beim  Weidegang. 


—     422     — 

12.  Als  unschädlich  und  gut  bekömmlich  hat  sich  auch  Klee- 
heu, das  auf  einer  Moorwiese  gewonnen  wurde,  herausgestellt. 

13.  Lecksuchtkrank  gewordene  Tiere  genesen  beim  Weidegang, 
wenn  die  Lecksucht  noch  nicht  zur  völligen  Entkräftung  geführt 
hat.  Medikamente  und  die  Verabreichung  von  Kraftfuttermitteln 
sind  bei  ausgesprochen  lecksuchtkranken  Tieren  ohne  Weidegang 
nicht  von  Erfolg. 

14.  Durch  Beigabe  von  Natriumsalzen  und  Kalziumphosphat 
zum  Futter  wird  dessen  Lecksucht  erzeugende  Wirkung  nicht  be- 
seitigt oder  gemildert. 

Mildern  lassen  sich  hiernach  die  Schädigungen,  die  bei  Rindern 
nach   Verfülternng  von  Moorwiesenhm  auftreten: 

durch  Verabreichung   des  Grummets   an  Rinder   und  Ver- 

fütterung  des  Heus  an  Pferde; 
durch   frühzeitiges  Mähen   der  Wiesen   und  Verabreichung 

des  ersten  Schnittes  an  Rinder,  des  zweiten  und  dritten 

Schnittes  an  Pferde; 
durch  Dämpfen  des  Heus; 
endlich    durch    Beigabe    von    Chilisalpeter    zum    üblichen 

Dünger  der  Moorwiesen. 

Verhütet  kann  die  Lecksucht  werden: 
durch  Benutzung  der  Moorwiesen  als  Weide; 
durch  Braunheubereitung  an  Stelle  der  Dürrheubereitung; 
durch  Kleeansaat  auf  den  Moorwiesen. 
Zu  den  Maßregeln,  die  die  Schädigungen  zu  mildern  geeignet 
sind,  möchten  wir  bemerken,  daß  die  Heidebauern  in  Johannisburg 
jetzt  schon  das  Heu  als  Pferdefutter  verkaufen,  und  daß  sie  besser 
daran  tun,  nur  so  viel  Vieh  zu  halten,  als  sie  mit  Grummet  durch 
den  Winter  bringen  können,    als  daß  sie  sich  einen  der  Heu-  und 
Grummeternte    entsprechenden  Viehbestand    zulegen,    der   während 
des  Winters  lecksüchtig  wird.    Ein  Hektar  Moorwiese  liefert  nach 
der  Auskunft  des  Veterinärrats  Kleinpaul  in  der  Johannisburger 
Heide  etwa  38  Zentner  Heu  und  36  Zentner  Grummet. 

Der  frühe  erste  Schnitt  würde  nach  Kleinpaul  vor  Johanni 
zu  nehmen  sein.  Diese  Zeit  sei  in  der  Johannisburger  Gegend 
auch  für  die  Werbung  günstig,  da  die  Witterung  vor  Johanni  besser 
sei  als  nach  Johanni.  Zu  bedenken  ist  nur,  daß  ein  früher  erster 
Schnitt  nur  wenig  ergiebig  ist.     Bei  unseren  Versuchen  lieferte  der 


—     423     — 

erste  Schnitt  nur  8l/2  Zentner,  der  zweite  dagegen  lß1^  Zentner, 
der  dritte  lö1^  Zentner  auf  den  Hektar,  der  erste  Schnitt  also 
nicht  einmal  den  vierten  Teil  des  Gesamtertrages. 

Der  Durchfährung  der  Chilisalpeterdüngung  dürften  in  der 
Praxis  durch  den  Kostenpunkt  Schwierigkeiten  begegnen.  Sie  ver- 
ursacht auf  den  Hektar  eine  Mehrausgabe  für  Düngemittel  von  etwa 
40  Mark  bei  einem  Preise  von  11  bis  12  Mark  für  den  Zentner. 
Hierzu  kommen  noch  40  Mark  für  die  Düngung  mit  Kainit  und 
Thomasschlacke.  80  Mark  für  die  Düngung  eines  Hektars  sei  den 
Johannisburger  Heidebauern  aber  zu  viel,  sagt  Veterinärrat  Klein- 
paul, der  sich  als  ein  ausgezeichneter  Kenner  der  hier  in  Frage 
kommenden  Verhältnisse  erwiesen  hat.  Auch  bei  der  Dämpfung 
des  Heus  ist  zu  berücksichtigen,  daß  sie  Zeit  und  Geld  kostet. 

Günstiger  steht  es  mit  den  Verhütungsmitteln. 

Braunheu  kann  bei  gutem  Willen  und  wenn  die  Intelligenz 
in  der  Johannisburger  Heide,  die  Landwirtschaft  treibenden  Förster, 
mit  gutem  Beispiel  vorangehen,  an  Stelle  des  Dürrheus  ohne  be- 
sondere Mühe  gewonnen. werden.  In  dem  Dorfe  Snopken  im  Kreise 
Johannisburg  hat  bereits  ein  kleinerer  Landwirt,  dessen  Viehbestand 
in  den  Vorjahren  stark  unter  der  Lecksucht  zu  leiden  hatte,  1905 
Braunheu  bereitet,  und  der  Versuch  ist  so  gelungen,  daß  er  sein 
Vieh  diesmal  „leidlich  gut",  wie  Veterinärrat  Kfeinpaul  schreibt, 
durch  den  Winter  gebracht  hat. 

Die  Ansaat  von  Klee  auf  dem  Moorboden  hat  gewisse  Schwierig- 
keiten wegen  der  Graswüchsigkeit  des  Moorbodens,  wie  Professor 
Dr.  Tacke  und  Veterinärrat  Kleinpaul  übereinstimmend  angegeben 
haben.  Der  Klee  wird  alsbald  von  Gras  durchsetzt.  Um  dauernd 
reines  Kleeheu  zu  erzielen,  wäre  alle  zwei  Jahre  ein  Umbrechen 
der  Moorwiesen  erforderlich.  Dies  ist  zu  kostspielig.  Einfacher 
läßt  sich  nach  den  Johannisburger  Auskünften  ein  vorwiegender 
Kleebestand  sichern  dadurch,  daß  die  Wiesen  jährlich  aufgerissen 
und  mit  Klee  nachgesät  werden.  Es  wäre  erwünscht,  wenn  durch 
Anbauversuche  auf  dem  Johannisburger  Moor,  die  von  der  Moor- 
versuchsstation zu  leiten  wären,  festgestellt  würde,  welche  Kleeart 
sich  auf  dem  Johannisburger  Moor  am  besten  behauptet. 

Eine  Vorbeugungsmaßregel,  die  ohne  jegliche  Schwierigkeit 
ausgeführt  werden  kann,  ist,  wie  die  angestellten  Versuche  ergeben 
haben,  der  Weidegang.  Von  den  Königlichen  Förstern  in  der 
Johannisburger    Heide    ist    der  Weidegang    auf   den    Dienstwiesen 


—     424     — 

bereits  begonnen  worden,  nachdem  die  Wiesen  entsprechend  vor- 
bereitet worden  sind  (Andrücken  der  Wiesen  im  Frühjahr  mit  einer 
schweren  Walze  nnd  Auslegen  der  Gräben  mit  Reisig). 

Es  wird  Sache  des  einzelnen  Besitzers  sein,  dasjenige  Vor- 
bengungsmittel  anzuwenden,  das  ihm  nach  Lage  seiner  wirtschaft- 
lichen Verhältnisse  am  zweckmäßigsten  zu  sein  scheint.  Einsichtige 
Besitzer  werden  auch,  um  recht  viel  einwandfreies  Rindviehfutter 
für  den  Winter  zu  erhalten,  mehr  als  bisher  von  der  Möglichkeit 
Gebrauch  machen,  auf  den  Moorböden  Korn  und  Hackfrüchte  zu 
bauen,  um  auf  dem  verfügbaren  Sand,  der  bis  jetzt  zu  Ackerland 
verwendet  wurde,  Gras-  und  Kleeheu  zu  gewinnen. 

Unsere  mühevollen  und  kostspieligen  Versuche  sind  nicht  ver- 
geblich gewesen.  Sie  haben  zwar  kein  Mittel  ergeben,  das  in  allen 
Wirtschaften  ohne  jede  Änderung  der  bisherigen  Wirtschaftsweise 
die  Lecksucht  zu  verhüten  geeignet  wäre,  sie  haben  aber  ver- 
schiedene Wege  gewiesen,  auf  denen  bei  gutem  Willen  der  Besitzer 
in  den  verschiedenen  Wirtschaften  die  Lecksucht  beseitigt  werden 
kann.  Werden  diese  Wege  beschritten,  dann  werden  auch  der 
Johannisburger  Heide  die  Segnungen,  die  anderen  Gegenden  durch 
die  Melioration  der  Moorböden  erwachsen  sind,  im  vollen  Umfange 
zugute  kommen. 


(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Tierärztlichen  Hochschule 

zu  Berlin.) 

Weitere  Untersuchungen  über  die  Ätiologie  der 
Schweineseuche  und  Schweinepest 

Zweite  Mitteilung 

von 

Professor  Dr.  IL  Ostertag        und        Repetitor  Dr.  A.  Stadie. 

Im  letzten  Heft  dieser  Zeitschrift  hat  Professor  Dr.  Hutyra 
den  Standpunkt,  den  er  in  der  Frage  der  Ätiologie  der  Schweinepest 
und  Schweineseuche  einnimmt,  eingehend  dargelegt.  Die  Aus- 
führungen Hutyras  gipfeln  in  der  Vertretung  der  Annahme,  daß 
nicht  nur  die  Schweinepest,  sondern  auch  die  Schweineseuche  in 
letzter,  oder  richtiger  ausgedrückt,  in  erster  Instanz  durch  das 
filtrierbare  Schweinepestvirus  erzeugt  werde.  Dieses  ermögliche 
sowohl  den  Eintritt  des  Bac.  suipestifer  wie  den  des  Bac.  suisepticus 
in  den  Organismus  der  Schweine.  Hutyra  hat  hierbei,  wie  er  betont, 
die  „klassische  Schweineseuche"  vor  Augen,  wie  sie  seinerzeit  von 
Löffler  und  Schütz  beschrieben  worden  sei,  die  nach  seiner 
Meinung  zumeist  in  Schweinepestbeständen  auftritt,  er  will  von 
dieser  die  Krankheit  unterschieden  wissen,  die  seit  einiger  Zeit  in 
Deutschland  als  „chronische  Schweineseuche  der  Ferkel"  beschrieben 
werde.  Letztere  Krankheit  sei  von  der  klassischen,  akuten  Schweine- 
seuche scharf  zu  trennen.  Für  die  chronische  Schweineseuche  mit 
ihrer  „gelegentlichen  Ansteckungsfähigkeit  lediglich  für  ganz  junge 
Tiere"  seien  prädisponierende  Momente  von  großer  Bedeutung.  Die 
unmittelbare  ätiologische  Kolle  der  bei  dieser  Krankheit  im  er- 
krankten Lungengewebe  vorgefundenen  verschiedenen  Bakterien  be- 
dürfe noch  weiterer  Erforschung.  Für  Hutyra  ist  es  noch  nicht 
ausgemacht,    daß    die    chronische  Schweineseuche    durch    den  Bac. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  6.  28 


—     426     — 

suisepticus  bedingt  wird,  während  er  die  unmittelbare  ätiologische 
Bedeutung  dieses  Bazillus  für  die  akute  Schweineseuche  selbst  betont. 

Hutyra  wurde  zu  der  unistischen  Annahme  der  prima  causa 
der  Schweinepest  und  Schweineseuche  durch  zwei  Umstände  geleitet, 
einmal  durch  die  allbekannte  und  niemals  bestrittene  Tatsache, 
daß  in  Schweinepestbeständen  gleichzeitig  Pneumonien  aufzutreten 
pflegen,  und  dann  durch  seinen  einen  Versuch,  in  dem  er 
durch  filtriertes  Material  eines  mit  anatomischer  Schweineseuche  be- 
hafteten Schweines  Schweinepest  erzeugen  konnte.  Ein  ähnliches 
Ergebnis  hatten  auch  wir  in  einem  Falle.  In  unserem  Falle  hat 
es  sich  aber  um  ein  Schwein  aus  einem  Bestände  gehandelt,  in  dem 
nach  Mitteilung  des  Einsenders  gleichzeitig  Schweinepest  herrschte, 
und  Hutyra  gibt  jetzt  gleichfalls  mit  positiver  Bestimmtheit  an. 
daß  er  bei  seinem  fraglichen  Versuch  Material  aus  einem  Schweine- 
pestbestand in  Händen  gehabt  habe.  Nun  kann  man  Hutyra  darin 
vollkommen  zustimmen,  daß  die  Schweinepesterkrankung  die  Ent- 
stehung der  sie  häufig  komplizierenden,  durch  den  Bac.  suisepticus  be- 
dingten Schweineseucheerkrankung  begünstigt.  Darüber  besteht  Ein- 
helligkeit unter  allen,  die  über  Schweinepest  und  Schweineseuche 
gearbeitet  haben,  bis  auf  Billings,  dessen  Schatten  durch  Hutyra s 
Formulierung  des  Abhängigkeitsverhältnisses  zwischen  der  die 
Schweinepest  komplizierenden  Schweineseuche  und  der  Schweinepest 
aus  der  Versenkung  der  Literatur  heraufbeschworen  wird.  Man 
kann  Hutyra  auch  die  Art  der  Formulierung  dieses  Abhängigkeits- 
verhältnisses konzedieren,  da  über  die  Sache  selbst  längst  voll- 
ständige Übereinstimmung  der  Ansichten  herrscht.  Nicht  begründet 
aber  ist  u.  E.  nach  dem  vorliegenden  Tatsachenmaterial  die 
Deduktion,  daß  auch  die  reine,  unabhängig  von  der  Schweinepest 
auftretende  Schweineseuche  durch  das  filtrierbare  Schweinepestviras 
erzeugt  werde.  Zu  dieser  Annahme  reicht  Hutyras  und  unser 
Versuch  nicht  aus,  da  es  sich  in  beiden  Fällen  um  Schweine  ans 
Schweinepestbeständen  gehandelt  hat.  Bei  dem  Hutyra  sehen  Fall 
kommt  noch  hinzu,  daß  der  anatomische  Befund  bei  den  zu  den  Ver- 
suchen benutzten  Kontrollferkeln  nicht  bekannt  oder  jedenfalls  nicht 
mitgeteilt  worden  ist. 

Als  wir  das  Ergebnis  unseres,  dem  Hutyraschen  entsprechen- 
den Versuches  vor  Augen  hatten,  stürmten  auf  uns  ganz  ähnliche 
Erwägungen  ein,  wie  sie  Hutyra  veröffentlicht  hat.  Wir  haben 
aber   einen  Versuch   für  keine  ausreichende  Grundlage   gehalten. 


—     427     — 

daraus  weitergehende  Schlüsse  zu  ziehen,  sondern  vorerst  weitere, 
eindeutige  Experimente  zur  Klärung  der  Sachlage  für  erforderlich 
gehalten.  Solche  Versuche  sind  von  uns  inzwischen  angestellt  worden. 
Über  ihr  Ergebnis  soll,  soweit  es  nicht  schon  im  Heft  2/3  des 
laufenden  Bandes  dieser  Zeitschrift  mitgeteilt  worden  ist,  am 
Schlüsse  dieser  Abhandlung  berichtet  werden.  Es  möge  aber  hier 
gleich  erwähnt  sein,  daß  der  Ausfall  der  weiteren  von  uns  angestellten 
Versuche  für  die  Richtigkeit  der  Huty raschen  Annahme  nicht  spricht. 

Hutyra  hat  die  Sachlage  etwas  verwirrt  und  die  Verstän- 
digung erschwert  durch  seine  theoretische  Trennung  der  in  Deutsch- 
land herrschenden  reinen  Schweineseuche  von  der  „klassischen 
Schweineseuche",  wie  er  sie  versteht.  Ohne  diese  nach  unserer 
Ansicht  unbegründete  Trennung  bestände  zwischen  der  Hutyraschen 
und  unserer  Auffassung  über  die  Ätiologie  der  Schweineseuche  gar 
keine  Divergenz.  Denn  auch  Hutyra  behauptet  nicht,  daß  die 
unmittelbare  Ursache  der  die  Schweinepest  komplizierenden  Schweine- 
seuche ein  filtrierbares  Virus  ist,  sondern  hebt  selbst  hervor,  daß 
diese  der  Bacillus  suisepticus  sei,  und  Hutyra  behauptet  ferner 
nicht,  daß  das  Virus  der  reinen,  in  Deutschland  herrschenden  Schweine- 
seuche filtrierbar  sei.  Er  neigt  aber  der  s.  Z.  von  Preisz  aus- 
gesprochenen Meinung  zu,  daß  die  von  Schütz  im  Jahre  1886 
beschriebenen  Fälle  gar  nicht  Fälle  von  reiner  Schweineseuche, 
sondern  nur  Komplikationen  von  Schweinepest  gewesen  seien  und 
vertritt  auch  die  weitere  von  Preisz  aufgestellte  Hypothese,  daß 
die  „klassische  Schweineseuche"  ohne  Schweinepest  als  verheerende 
Seuche  in  großen  Schweinebeständen  gar  nicht  beobachtet  werde. 

Wir  zweifeln  nicht  daran,  daß  dieser  Standpunkt  in  dem  Er- 
gebnis der  Sektionen,  die  Preisz  und  Hutyra  in  Ungarn  gemacht 
haben,  eine  Stütze  hat,  müssen  aber  betonen,  daß  die  Verallgemeinerung 
der  Preisz  sehen  Hypothese  willkürlich  ist.  Die  Unzulässigkeit 
der  Annahme  von  Preisz  ergibt  sich  aus  den  Beobachtungen  in 
Deutschland,  an  denen  der  eine  von  uns  nun  seit  20  Jahren  beteiligt 
ist.  Ostertag  hat  in  den  achtziger  Jahren  Gelegenheit  gehabt, 
das  beanstandete  Material  auf  dem  hiesigen  Zentralschlachthof  zu 
untersuchen  und  hat  in  den  ersten  Jahren  seiner  Tätigkeit  daselbst 
wohl  akute  Schweineseuche,  bei  den  hiermit  behafteten  Tieren  aber 
niemals  die  der  Schweinepest  eigentümlichen  Veränderungen  nach- 
weisen können,  obwohl  er  diese  von  dänischen  Präparaten,  die  in  der 
Sammlung  des  Hamburger  Schlachthofes  aufbewahrt  waren,  sehr  gut 

28* 


—     428     — 

kannte.  Dann  hatte  er  seit  1896  reiche  Gelegenheit,  Tiere  aus 
gleichen  Beständen  in  größerer  Zahl  zu  untersuchen  und  der  Aus- 
schlachtung ganzer  Bestände  anzuwohnen,  in  denen  lediglich  das 
Herrschen  von  Schweineseuche  ohne  Schweinepest  festzustellen  war. 
Beck  und  Koske1)  haben  bei  den  Sektionen  spontan  gefallener 
Tiere  auch  auf  die  Mischinfektion  der  Schweineseuche  mit  Schweine- 
pest geachtet  und  unter  18  darauf  untersuchten  Fällen  nur  dreimal 
eine  solche  Mischinfektion  feststellen  können.  Junack2)  hat  vom 
1.  Juni  1902  bis  1.  Juni  1905  2603  ganze  Schweinekadaver  oder 
die  Lungen  und  den  Darmkanal  von  Schweinen  untersucht  und  in 
1323  Fällen  reine  Schweineseuche  und  nur  in  319  Fällen  Schweinepest 
oder  Schweinepest,  kompliziert  mit  Schweineseuche  ermittelt.  Über 
ganz  konforme  Erfahrungen  verfügen  die  meisten  älteren  deutschen 
beamteten  Tierärzte.  Die  deutschen  beamteten  Tierärzte  wissen 
auch,  daß  es  ganze  Bezirke  gibt,  in  denen  nur  reine  Schweine- 
seuche herrscht,  und  andere,  in  denen  sie  als  Komplikation  der 
Schweinepest  auftritt. 

Nun  sagt  Hutyra,  er  stelle  nicht  in  Abrede,  daß  eine  Pneu- 
monie ohne  Schweinepest  bei  Schweinen  in  Deutschland  vorkomme, 
bestreiten  aber  müsse  er,  daß  diese  Pneumonie  mit  der  klassischen 
Schweineseuche,  die  zumeist  in  Schweinepestbeständen  auftrete, 
etwas  zu  tun  habe. 

Hutyra  leugnet  die  Identität  hauptsächlich  deshalb,  weil  die  in 
Deutschland  auftretende  reine  Schweineseuche  nunmehr  gewöhnlich 
chronisch  und  nur  bei  ganz  jungen  Ferkeln  zur  Beobachtung  komme. 
Eine  Umwandlung  der  früheren  verheerenden,  akuten  (klassischen) 
Schweineseuche  in  die  milde  Seuche  der  Ferkel  sei  noch  nicht  be- 
obachtet worden.  Von  der  milden  Seuche  würden  sehr  häufig  ganz 
junge  Ferkel,  z.  T.  kurze  Zeit  nach  der  Geburt  ergriffen,  während 
solche  jungen  Tiere  von  der  akuten  Seuche  gewöhnlich  verschont 
blieben.  Die  von  Ostertag  ausgeführten  Versuche,  durch  Einatmen- 
lassen von  verändertem  Lungenmaterial  und  von  Reinkulturen  aus 
Material  von  akuter  Schweineseuche  sowohl  akute  als  auch 
chronische  Schweineseuche  zu  erzeugen,  seien  nicht  beweiskräftig, 
da  in  einem  Falle  nicht  ausgeschlossen  sei,  daß  außer  den  ovoiden 
auch  sonstige  Bakterien  inhaliert  worden  seien,  und  im  anderen 
neben    Staphylokokken-   und   Streptokokkenkolonien   nur    spärliche 

1 )  Arbeiten  ans  dem  Kais.  Gesundheitsamt  22.  Bd.,  1905,  S.  429  502. 
*)  Diese  Zeitschr.  1.  Bd.,  1906,  S.  153/166. 


—     42»     — 

Kolonien  von  Schweineseuchebakterien  aufgegangen  seien.  Noch 
weniger  Beweiskraft  spricht  H.  der  Tatsache  zu,  daß  die  milde  Form 
der  in  Deutschland  herrschenden  Schweineseuche  durch  äußere 
Einflüsse  (Transporte,  anderweitige  Erkrankungen  usw.)  akut  werde. 
Denn  dies  beweise  nur,  daß  der  im  pneumonischen  Lungengewebe 
vorhandene  Bac.  suisepticus  seiner  spezifischen  Wirkung  gemäß  eine 
akute  Pneumonie  hervorzurufen  vermöge.  Hierzu  komme,  daß  in 
den  entzündeten  Lungenteilen  der  Bac.  suisepticus  häufig,  aber  nicht 
immer  zugegen  sei.  Im  übrigen  sei  der  Beweis  für  die  ätiologische 
Bedeutung  der  ovoiden  Bakterien  für  die  chronische  Schweine- 
seuche noch  nicht  erbracht.  Dann  kommt  Hutyra  wieder  dar- 
auf zurück,  daß  reine  Schweineseucheepidemien  mit  akutem,  ver- 
heerendem Charakter  noch  nicht  beobachtet  worden  seien,  während 
es  sporadische  Fälle  von  Pneumonien  gebe,  die  klinisch,  anatomisch 
und  bakteriologisch  vollkommen  der  akuten  Schweineseuche  ent- 
sprächen. Auch  seien  die  ovoiden  „Sputumbakterien"  in  den 
oberen  Luftwegen  zu  beachten,  die  unter  bestimmten,  die  Resistenz 
des  Organismus  herabsetzenden  Umständen  zu  einer  Erkrankung 
der  Träger  dieser  Bakterien  fuhren  könnten.  Prädisponierende 
Umstände  hätten  überhaupt  eine  ausschlaggebende  Bedeutung  für 
das  Zustandekommen  der  chronischen  Schweineseuche  (kalte  Ställe, 
intensive  Zucht).  Weiter  bewege  sich  die  Ansteckungsf&higkeit 
der  in  Deutschland  herrschenden  chronischen  Schweineseuche  in  sehr 
engen  Grenzen,  und  es  bedürfe  noch  des  Nachweises,  daß  kranke  Ferkel 
auch  unter  günstigen  Verhältnissen  lebende,  etwas  ältere  Tiere  anzu- 
stecken vermögen.  Hiernach  sagt  Hutyra,  werde  dem  Nachweis  der 
ovoiden  Bakterien  in  Zukunft  nur  ein  sehr  bedingter  und  untergeord- 
neter diagnostischer  Wert  zukommen,  und  er  werde  für  sich  allein 
keineswegs  für  die  Stellung  der  Diagnose  „Schweineseuche"  genügen. 
Hutyra  nimmt  auch  auf  die  neuen  vom  preußischen  Ministerium 
für  Landwirtschaft  am  4.  Februar  1907  erlassenen  Bestimmungen 
über  die  Bekämpfung  der  Seuchen  der  Schweine  Bezug  und  gibt  der 
Ansicht  Raum,  durch  die  Motivierung  der  Beschränkung  der  Maß- 
regeln auf  bestimmte  Formen  der  Schweineseuche  erscheine  die 
Anschauung  über  die  ätiologische  Rolle  der  ovoiden  Bakterien  sehr 
erschüttert.  Diese  Auslegung  wird  die  Verfasser  des  Erlasses  über- 
raschen; denn  diese  wollten  das,  was  Hutyra  aus  dem  Erlaß 
gefolgert  hat,  gewiß  nicht  zum  Ausdruck  bringen.  Als  bemerkens- 
wert  bezeichnet   Hutyra   auch   jenen   Passus    in   den   neuen  Be- 


—     430     — 

Stimmungen,  daß  es  bei  chronisch  schweineseuchekranken  Schweinen 
bei  Verwendung  der  üblichen  Menge  von  Ausgangsmaterial  in  einem 
Drittel  der  Fälle  nicht  gelingt,  den  ovoiden  Bac.  suisepticus  aus 
den  erkrankten  Organen  zu  isolieren.  Endlich  hält  Hutyra  die 
Angabe  in  den  neuen  Bestimmungen,  daß  an  akuter  Schweineseuche 
nicht  bloß  jüngere,  sondern  auch  ältere  Tiere  erkranken,  und  daß  in 
diesem  Falle  die  Erkrankung  in  einem  hohen  Prozentsatz  (bis  zu  75°/0) 
zum  Tode  führt,  durch  tatsächliche  Beobachtungen  für  nicht  gestützt! 

Wir  wollen  gleich  beim  letzten  Punkt  verweilen,  weil  er  den 
Kernpunkt  der  Hutyraschen  Argumentation  gegen  die  Annahme 
einer  reinen,  als  selbständige  Seuche  auftretenden  Schweineseuche 
bildet,  auf  den  er  in  seinen  interessanten  Erwägungen  immer  wieder 
zurückkommt.  Sicherlich  würde  Hutyra  seine  Zweifel  darüber,  daß 
es  eine  reine,  verheerend  auftretende  Schweineseuche  in  Deutschland 
gibt,  unterdrückt  haben,  wenn  er  darüber  informiert  gewesen  wäre, 
wie  die  neuen,  vom  preußischen  Landwirtschaftsministerium  erlasse- 
nen Bestimmungen  über  die  Bekämpfung  der  Schweineseuchen  zu- 
stande gekommen  sind.  Die  Angabe,  daß  die  reine  Schweineseuche 
akut  auftreten  und  alte  wie  junge  Tiere  ergreifen  und  bis  zu  75% 
der  betroffenen  Tiere  dahinraffen  kann,  ist  das  Urteil  nicht  nur  der 
wissenschaftlichen  Sachverständigen,  die  mit  der  Untersuchung  und 
Bekämpfung  der  Schweineseuchen  im  Königreich  Preußen  zu  tun  haben, 
son4ern  auch  sämtlicher  leitender  Veterinärbeamten,  derenAufgabe  die 
Überwachung  der  Seuchenbekämpfung  im  Königreich  Preußen  bildet. 

Es  ist  —  leider!  —  nicht  zutreffend,  daß  die  Krankheit,  die 
wir  in  Deutschland  als  Schweineseuche  bezeichnen,  lediglich  eine 
Krankheit  „ganz  junger  Tiere"  ist,  nur  chronisch  auftritt  und  nur 
gelegentlich  Ansteckungsfähigkeit  besitzt.  Im  Interesse  der  deutschen 
Schweinehaltung  wäre  zu  wünschen,  es  verhielte  sich  so  wie 
Hutyra  meint.  Vielleicht  vermißt  Hutyra  zahlreichere  Beschrei- 
bungen der  akuten  Schweineseuche  durch  deutsche  Tierärzte.  Dem 
ist  entgegen  zu  halten,  daß  die  Beobachtungen  über  akute  Schweine- 
seuclie  nicht  beschrieben  werden,  weil  sie  nichts  Ungewöhnliches 
sind.  Es  teilt  ja  auch  niemand  mehr  Beobachtungen  über  akute 
Schweinepest  oder  über  gewöhnliche  Maul-  und  Klauenseuche  in 
besonderen  Publikationen  mit1). 


*)  Vgl.  im  übrigen  die  Veröffentlichungen  Bermbachs  und  Nevermanns 
aus  den  Jahresveterinärberichten  der  beamteten  Tierärzte  Preußens  1900  S.87— 88, 
1901  S.  129,  1903  S.  114-120,  1904  S.  124—127. 


—     431     — 

Es  ist  auch,  beiläufig  bemerkt,  nicht  richtig,  daß  von  der 
reinen  Schweineseuche  nur  ganz  junge  Tiere  bald  nach  der  Geburt 
befallen  werden.  Die  Schweineseuche  erzeugt  vielmehr  sehr  häufig 
zur  Zeit  des  Absetzens  die  ersten  offensichtlichen  Krankheitserschei- 
nungen, genau  wie  es  Hutyra  bei  der  klassischen  Schweineseuche 
beobachtet  hat.  Im  übrigen  wäre  nach  dem,  was  wir  über  das 
Wesen  der  Infektion  wissen,  ein  solcher  zeitlicher  Unterschied  in 
dem  Auftreten  der  ersten  Krankheitserscheinungen  zur  Differenzie- 
rung zweier  Erkrankungen  ebensowenig  geeignet,  wie  bestimmte 
anatomische  Unterschiede  der  Formen  der  Entzündung  bei  Erregern, 
die  Entzündungen  hervorrufen  können. 

Es  trifft  weiter  leider  nicht  zu,  daß  die  reine  Schweineseuche  nur 
unter  mangelhaften  hygienischen  Verhältnissen  vorkommt,  wenn  diese 
auch  wie  bei  vielen  anderen  Infektionskrankheiten  auf  den  Verlauf 
der  Seuche  ungünstig  einwirken.  Die  Schweineseuche  bricht  vielmehr 
auch  unter  den  günstigsten  hygienischen  Verhältnissen  aus, 
und  kranke  Tiere  vermögen  die  Seuche  auch  in  Bestände,  die 
unter  den  günstigsten  hygienischen  Verhältnissen  leben,  einzu- 
schleppen. Man  trifft  die  Schweineseuche  in  Zuchtbetrieben,  in 
denen  mit  Rücksicht  auf  das  wertvolle  Tiermaterial  alle  hygie* 
nischen  Forderungen  erfüllt  sind,  und  sieht  sie  nach  Ankauf  er- 
krankter Tiere  in  Beständen  sich  ausbreiten,  die  in  Musterstallungen 
untergebracht  sind.  Auch  dies  sind  Tatsachen,  die  in  Deutschland 
den  mit  der  Seuchenfeststellung  und  Seuchentilgung  betrauten  Tier- 
ärzten allbekannt  sind.1) 

Der  Beweis,  daß  die  akute,  verheerend  auftretende  „klassische 
Schweineseuche"  im  Sinne  der  Beschreibung  von  Schütz  mit  der 
jetzt  in  Deutschland  vorwiegend  herrschenden  chronischen  Schweine- 
seuche unmittelbar  zusammenhängt,  ist,  außer  in  den  bakteriologischen 
Befunden,  in  den  im  Hygienischen  Institut  ausgeführten  Übertragungs- 
versuchen und  dem  Akutwerden  chronischer  Schweineseuche  unter 
dem  Einfluß  ungünstiger  Verhältnisse,  noch  in  folgenden  epide- 
miologischen Tatsachen  zu  finden: 

1.  Die  akute  Schweineseuche  geht  in  chronische  über,  wie 
u.  a.  auch  .Beck  und  Koske, 2)  sowie  Gutbrod3)  auf  Grund 
ihrer   Beobachtungen   hervorgehoben  haben,    und  wie  wir  seit    der 

*)  Vgl.  auch  Nevermann,  Veröffentlichungen  1903,  S.  115. 

*)  Arbeiten  aus  dem  Kaiserlichen  Gesundheitsamt  22.  Band,  S.  429—502. 

3)  Wochenschr.  f.  Tierheilkunde  und  Viehzucht  1904,  S.  549 


—     432     — 

Zeit  wissen,  seit  der  an  Stelle  der  früher  allgemein  üblich  gewesenen 
Ausschlachtung  von  durch  Schweineseuche  verseuchten  Zuchtbe- 
ständen die  Heranzüchtung  gesunder  Bestände  aus  verseuchten 
nach  den  Vorschlägen  Ostertags  und  Wassermanns,  mit  Erfolg 
versucht  wird.1) 

2.  Die  chronische  und  die  akute  Schweineseuche  können  in 
ein  und  demselben  Bestand  gleichzeitig  herrschen. 

3.  Nach  der  Einfuhr  eines  chronisch  kranken  Tieres  in  einen 
bis  dahin  unverseuchten  Bestand  kann  die  akute,  dezimierende 
Schweineseuche  ausbrechen,  worauf  u.  a.  auch  Arndt,2)  Klebba3) 
und  Hock4)  aufmerksam  gemacht  haben,  und  worüber  die  Schweine- 
mäster  sehr  traurige  Erfahrungen  besitzen.  Uns  sind  Mästereien 
aus  der  unmittelbaren  und  weiteren  Umgebung  von  Berlin,  aus 
Westpreußen,  Pommern  und  der  Rheinprovinz  bekannt,  die  auf- 
gegeben wurden,  weil  durch  Ankauf  chronisch  kranker  Schweine 
wiederholt  akute  Schweineseuche  eingeschleppt  wurde,  die  die 
Schlachtung  der  ganzen,  ausschließlich  aus  älteren  Tieren  bestehen- 
den Bestände  notwendig  machte.  Die  Mäster  haben  sich  in  diesen 
Fällen  gegen  die  wiederholte  Einschleppung  der  akuten  Schweine- 
seuche durch  chronisch  kranke  Tiere  selbst  dadurch  nicht  schützen 
können,  daß  sie  nur  noch  angemästete  Tiere  im  Gewicht  von  etwa 
75  kg  zur  Mast  aufstellten. 

Warum  Hutyra  das  Akutwerden  der  chronischen  Schweine- 
seuche unter  dem  Einfluß  von  Transporten  nicht  für  beweiskräftig 
für  die  Wesenseinheit  der  akuten  und  chronischen  Schweineseuche 
hält,  ist  aus  seiner  Beweisführung  nicht  zu  entnehmen.  Denn 
seine  Folgerung  steht  im  Widerspruch  mit  der  zutreffenden  Inter- 
pretation der  Pathogenese  dieser  Fälle. 

Was  die  im  Hygienischen  Institut  der  hiesigen  Tierärztlichen 
Hochschule  ausgeführten  Versuche  anbelangt,  in  denen  durch  Ein- 
atmenlassen von  verändertem  Lungenmaterial  und  von  Reinkulturen 
aus  Material  von  akuter  Schweineseuche  sowohl  akute  als  auch  chro- 
nische Schweineseuche  erzeugt  wurde,  so  können  wir  zu  der  Aus- 
stellungHutyras  zum  erstenFalle  bemerken,  daß  das  Versuchsmaterial 
in  diesem  Fall  (entzündetes  Lungengewebe)  nach  Ausweis  des  Ver- 

1)  Vgl.  auch  Bembach  und  Nevermann  a.  d.  a.  0. 

2)  S.  Bernbach,  a.  a.  0.  1902,  S.  172. 

3)  S.  Nevermann,  a.  a.  0.  1903,  S.  114-115. 

4)  Mitteilungen  des  Vereins  Badischer  Tierärzte  1904,  S.  173. 


—    433     — 

Suchsprotokolls  den  Bac.  suisepticus  in  Reinkultur  enthielt.  Die 
Kritik  an  dem  zweiten  Falle  dürfte  sich  durch  den  völlig  negativen 
Ausfall  blinder  Inhalationsversuche  erledigen,  die  mit  großen  Mengen 
steriler  Bouillon  angestellt  wurden,  und  bei  denen  auch  die  Luft- 
keime, Staphylokokken  und  Streptokokken,  die  im  zweiten  Falle 
neben  den  Schweineseuchebakterien  im  verdichteten  Lungengewebe 
des  Versuchsferkels  gefunden  wurden,  inhaliert  werden  konnten. 
Also  muß  das  krankmachende  Agens  bei  den  mit  dem  Bac. 
suisepticus  angestellten  Versuchen  die  Inhalation  der  Schweine- 
seuchebakterien gewesen  sein,  obwohl  sich  in  den  Lungen  der  krank 
gemachten  Schweine  neben  den  Schweineseuchebakterien  auch  noch 
Staphylokokken  und  Streptokokken  vorfanden.  Der  Befund  einer 
geringen  Zahl  von  Schweineseuchebakterien  ist  nicht  weiter  auf- 
fallend. Denn  eine  geringe  Zahl  von  Schweineseuchebakterien  kann 
man  auch  in  Fällen  von  reiner  Schweineseuche  feststellen,  in  denen 
lediglich  Schweineseuchebakterien  im  Organismus  zugegen  sind 
(vgl.  z.  B.  den  bakteriologischen  Befund  bei  dem  künstlich  infizierten 
Ferkel  Nr.  XXXIV  der  nachfolgenden  Versuchsreihe  II).  Etwas 
ganz  Ähnliches  findet  man  bekanntlich  bei  tuberkulösen  Abszessen 
und  bei  der  menschlichen  Influenza. 

Die  von  Hutyra  zitierten  Übertragungs versuche  sind  im 
übrigen  nicht  die  einzigen,  die  im  Hygienischen  Institut  mit  Material 
von  akut  schweineseuchekranken  Schweinen  angestellt  worden 
sind.  Hutyra  kann  sich  durch  Wiederholung  solcher  Versuche 
leicht  überzeugen,  daß  man  mit  Material  von  akuter,  wie  von 
chronischer  Schweineseuche  künstlich  sowohl  das  anatomische  Bild 
der  akuten  wie  das  der  chronischen  Schweineseuche  erzeugen  kann, 
wie  dies  auch  die  133  Versuche  an  Ferkeln  ergeben,  die  Beck  und 
Koske1)  mit  Reinkulturen  von  Schweineseuchebazillen  ausgeführt 
haben.  Beck  und  Koske  haben  mit  der  gleichen  Kultur  je  nach 
der  Art  der  Vorbehandlung  der  Tiere  akute  und  chronische  Schweine- 
seuche erzielt. 

Auch  die  Ergebnisse  der  bakteriologischen  Untersuchungen 
der  natürlichen  Fälle  unserer  chronischen  Schweineseuche  lassen 
keinen  Zweifel  über  den  Zusammenhang  mit  der  akuten,  bei 
der  Hutyra,  wie  erwähnt,  die  unmittelbare  Erregerschaft  des 
Bacillus    suisepticus    anerkennt.     Bei    der  akuten   Schweineseuche 

i)  A.  a.  0. 


—     434     — 

findet  sich  bei  der  Tötung  der  erkrankten  Tiere  der  ovoide  Bacillus 
suisepticus  in  den  erkrankten  Brusteingeweiden  und  auch  im 
Blut  in  Reinkultur.  Bei  der  chronischen  Schweineseuche  ist  der 
Bac.  suisepticus  z.  T.  in  Reinkultur,  z.  T.  neben  anderen  Bakterien, 
neben  Luftkeimen,  zugegen,  die  man  in  den  oberen  Luft- 
wegen normal  antrifft.  Die  Erklärung  für  diese  verschieden- 
artigen bakteriologischen  Befunde  liegt  in  dem  verschiedenen 
anatomischen  Charakter  der  Lungenentzündungen  bei  der  akuten 
und  chronischen  Schweineseuche,  worauf  Ostertag  bereits  in 
einem  amtlichen  Bericht  vom  10.  April  1905  hingewiesen  hat, 
dessen  hierauf  bezügliche  Angaben  nachstehend  folgen  sollen. 

Bei  der  akuten  Schweineseuche  werden  die  Schweineseuchebakterien 
außer  im  Blut  auch  in  den  entzündeten  Teilen  der  Lungen,  des  Brustfells 
und  Herzbeutels  nachgewiesen,  und  zwar  auch  in  den  letztgenannten  Teilen 
in  Reinkultur,  wenn  die  Tiere  während  des  akuten  Stadiums  der  Er- 
krankung zugrunde  gehen  oder  getutet  werden.  Diese  merkwürdige  Tat- 
sache findet  durch  zwei  Umstände  ihre  Erklärung,  einmal  dadurch,  daß  die 
Lungen  nichtpathogene  Keime,  die  ihnen  mit  dem  Luftstrom  zugeführt  werden, 
zu  vernichten  vermögen,  und  dann  durch  die  Art  des  Exsudates,  durch  das  die 
Lungenalveolen  bei  der  akuten  Schweineseuche  ausgefüllt  werden.  Bei  der 
akuten  Schweineseuche  wird  eine  gerinnende  Masse,  Fibrin,  in  die  Alveolen 
der  Lungen  abgeschieden,  wodurch  die  Alveolen  ausgegossen  und  gegen  die  Zu- 
fuhr von  Luftkeimen  abgeschlossen  werden.  Aus  diesen  Gründen  enthalten 
die  entzündeten  Teile  bei  der  akuten  Schweineseuche  nur  diejenigen  Mikro- 
organismen, die  die  Erkrankung  selbst  hervorrufen.  Ebenso  verhält  es  sich  mit 
den  entzündeten  Teilen  des  Brustfells  und  Herzbeutels  bei  akuter  Schweine- 
seuche, die  in  den  auf  ihnen  lagernden  fibrinösen  Exsudaten  gleichfalls  die 
Erreger  der  Schweineseuche  in  Reinkultur  beherbergen.  Bei  der  chronischen 
Schweineseuche  ist  dies  anders.  Hierbei  ist,  wie  die  histologische  Unter- 
suchung an  die  Abteilung  II  des  Instituts  eingesandter  Lungen  ergeben  hat, 
zwar  auch  ein  Teil  der  Alveolen  mit  Fibrin  ausgegossen,  die  Mehrzahl 
der  Alveolen  zeigt  aber  die  Erscheinungen  der  Entzündung  mit  Ab- 
stoßung von  Epithelien,  Auswanderung  von  Blutkörperchen  und  Ausscheidung 
von  Blutflüssigkeit  in  die  Alveolen  der  Lungen.  Dieses  mehr  flüssige  Ent- 
zündungsprodukt  gelangt  in  die  Endbronchien  und  gewährt  den  mit  der 
Atmungsluft  zugeführten  Keimen  die  Möglichkeit  zu  ihrer  Vermehrung.  Auf 
diese  Verhältnisse  bin  ich  bereits  bei  den  Untersuchungen  über  die  Brust- 
seuche der  Pferde  hingewiesen  worden.  Wenn  ich  den  Tieren  im  Beginn  des 
akuten  Stadiums  der  Erkrankung  mit  einer  Harpune  Teile  des  entzündeten 
Lungengewebes  entnahm,  erwiesen  sich  diese  als  keimfrei,  ebenso  wie  das 
Material,  das  nach  Anlegung  des  Luftröhrenschnitts  aus  den  unteren  Teilen 
der  Luftröhre  entnommen  wurde.  Geschah  die  Entnahme  des  Materials,  nach- 
dem die  Lösung  des  Exsudats  begonnen  hatte,  so  konnten  sowohl  in  den 
Lungen,  als  auch  in  Schleimflocken  aus  der  Luftröhre  Bakterien  verschiedener 


—    435     — 

Art  (Streptokokken,  Staphylokokken,  Diplokokken,  Bacterium  coli)  nach- 
gewiesen werden.  Bei  der  Untersuchung  von  Lungen,  die  die  anatomischen 
Veränderungen  der  chronischen  Schweineseuche  darbieten,  findet  man  gewöhnlich 
auch  ein  Bakteriengemisch.  Verhältnismäßig  häufig  sind,  wie  der  Vorsteher  der 
Abteilung  II  des  Instituts,  Dr.  Junack,  festgestellt  hat,  Kokken  verschiedener 
Art  (große  und  kleine  Diplokokken,  darunter  Kokken  von  der  Form  des 
Diploooccus  pneumoniae,  Streptokokken,  Staphylococcus  pyogenes  albus)  und 
Bacterium  coli.  Seltener  sind  Staphylococcus  pyogenes  aureus  und  citreus, 
Bacillus  pyocyaneus,  Bacillus  pyogenes  und  feine,  nicht  gramfeste,  auf  Agar 
wachsende  Stäbchen.  Sehr  selten  wurden  Sarzinen  (Sarcina  lutea  und  aurantiaca), 
Bacillus  prodigiosus  und  eine  auf  Agar  sehr  spärlich  wachsende  Hefeart  fest- 
gestellt Influenzaartige  Bakterien,  die  Frank  in  den  Lungen  schweine- 
seuchekranker  Schweine  gesehen  haben  will,  konnten  auch  durch  die  Kultur 
auf  Blutagar,  auf  dem  der  Influenzabazillus  des  Menschen  wächst  nicht  er- 
mittelt werden.  Es  fanden  sich  zwar  zuweilen  in  gefärbten  Ausstrich- 
präparaten Bakterien,  die  nach  Form  und  Lagerung  mit  den  Influenzabazillen 
des  Menschen  Ähnlichkeit  besaßen.  Durch  die  Kultur  ist  aber  festgestellt 
worden,  daß  es  sich  um  Influenzabazillen  nicht  gehandelt  hat  Die  Bakterien, 
die  in  den  Lungen  chronisch  schweineseuchekranker  Tiere  neben  dem  Bac. 
suisepticus  bei  den  in  der  Abteilung  II  des  Instituts  ausgeführten  Untersuchungen 
ermittelt  wurden,  entsprachen  den  Luftkeimen,  die  man  auch  auf  der  Haut,  auf 
Schleimhäuten,  z.  B.  auf  der  Schleimhaut  des  Kehlkopfes  und  des  obersten 
Teiles  der  Luftröhre  findet.  Dies  gilt  insbesondere  von  den  Kokken,  dem 
Bacillus  pyocyaneus  und  den  Sarzinen. 

Mit  den  aus  den  Lungen  chronisch  schweineseuchekranker 
Schweine  isolierten  ovoiden  Bakterien  sind  im  Hygienischen  Institut 
Dutzende  von  Infektionsversuchen  bei  Schweinen  angestellt  worden, 
die  ebenso  wie  die  Massenversuche  von  Beck  undKoske1)  bald 
das  anatomische  Bild  der  perakuten,  bald  das  der  akuten  und 
bald  das  der  chronischen  Schweineseuche  ergeben  haben.  Mit 
Begleitbakterien  konnte  von  uns  nur  einmal  in  einem  Falle,  in  dem 
das  Versuchstier  frühzeitig,  36  Stunden  nach  der  Infektion,  starb, 
ein  der  akuten  Schweineseuche  ähnliches  Krankheitsbild  erzeugt 
werden,  und  zwar  durch  Inhalierenlassen  des  Staphylococcus 
pyogenes  aureus  in  großer  Menge.  Die  mit  den  übrigen  Begleit- 
bakterien (Bac.  coli,  andere  Stäbchen,  Staphylococcus  pyogenes 
albus,  Diplokokken  und  Streptokokken)  ausgeführten  Versuche  er- 
zeugten entweder  nichts  —  bei  der  Inhalation  —  oder  nur  Abszesse 
oder  umschriebene  nekrotische  Herde  —  bei  intrathorakaler  Impfung. 
Auch  bei  subkutaner  und  intravenöser  Verimpfung  der  Begleit- 
bakterien war  es  nicht  möglich,  eine  der  Schweineseuche  anatomisch 

»)    A.  a.  0. 


—     436     — 

entsprechende  Erkrankung  hervorzurufen,  während  dies  bekanntlich 
mit  dem  Bac.  suisepticus  gelingt  (vgl.  auch  Beck  und  Koske  a.  a.  (X). 

Damit  dürfte  die  Bolle,  die  die  ovoiden  Schweineseuche- 
bazillen  einerseits  und  die  häufigsten  Begleitbakterien  andererseits 
bei  dem  Zustandekommen  der  Schweineseuche  spielen,  doch  etwas 
geklärt  sein.  Es  ist  auch  nochmals  darauf  hinzuweisen,  daß  blinde 
Inhalationsversuche  mit  steriler  Bouillon,  bei  denen  die  Luftkeime, 
die  sich  als  Begleitbakterien  in  den  Lungen  schweineseuchekranker 
Tiere  finden,  sicherlich  auch  in  die  Lungen  gelangen,  stets  ohne 
Ergebnis  gewesen  sind. 

Erwägt  man  nun  bei  alledem,  daß  nur  die  ovoiden  Bakterien 
in  den  Lungen  schweineseuchekranker  Tiere  der  Regel  nach  und  in 
einem  ansehnlichen  Teil  der  Fälle  in  Reinkultur  vorkommen,  so 
heißt  es  doch,  den  Tatsachen  Zwang  antun,  die  ätiologische  Bedeutung 
des  ovoiden  Bac.  suisepticus  für  die  reine,  in  Deutschland 
herrschende  Schweineseuche  leugnen  zu  wollen.  Bei  der  mensch- 
lichen Influenza,  bei  der  der  bakteriologische  Befund  jetzt,  im  Gegen- 
satz zu  früher,  ebenso  ist  wie  bei  der  chronischen  Schweineseuche 
(s.  S.  437  u.  438),    ist  dies  niemand  in  den  Sinn  gekommen. 

Was  die  Bedeutung  der  ovoiden,  der  Schweineseuche  morpho- 
logisch und  biologisch  entsprechenden  „Sputumbakterien"  in  den 
oberen  Luftwegen  für  das  Zustandekommen  der  Schweineseuche 
anbelangt,  so  glauben  auch  wir,  daß  das  filtrierbare  Schweine- 
pestvirus diesen  Bakterien  gegenüber,  die  in  allen  ihren  Eigen- 
schaften mit  dem  Bac.  suisepticus  übereinstimmen  können,  die  gleiche 
elektive  Symbiose  zeigt  wie  gegenüber  dem  Bac.  suipestifer.  Im 
übrigen  scheinen  diese  „Sputumbakterien44  aber  selbständig  oder 
bei  anderen  Primärerkrankungen  als  Schweinepest  keine  oder 
jedenfalls  keine  der  Schweineseuche  ähnliche  Erkrankung  hervor- 
zurufen. Denn  die  amtlichen  Ermittlungen  beim  Ausbruch  der 
Schweineseuche  weisen  regelmäßig  auf  Einschleppungen  der  Krank- 
heit durch  zugekaufte  Tiere  hin.  Würden  die  saprophytisch  in 
den  oberen  Luft-  und  Verdauungswegen  häufig  vorhandenen 
schweineseucheähnlichen  Bakterien  selbständig  die  Fähigkeit  haben, 
Schweineseuche  zu  erzeugen,  dann  müßten,  wie  u.  W.  zuerst 
Joest1)  und  auch  Beck  und  Koske2)  zutreffend  betont  haben,  spon- 

')  Schweineseuche  und  Schweinepest  in  Kolle-W aasermann,  Handbach 
der  pathogenen  Mikroorganismen,  Bd.  III,  S.  621. 
2)  A.  a.  0. 


—     437     — 

taue,  nicht  auf  Einschleppung  zurückzuführende  Seuchenausbrüche 
häufig  sein.  Bezüglich  der  anscheinend  sporadischen  Schweineseuche- 
fälle,  die  sich  in  größeren  Beständen  ereignen,  ist  zu  bedenken, 
daß  es  auch  vereinzelt  auftretende  Fälle  von  Brustseuche  und 
vereinzelte  Fälle  von  Geflügelcholera  in  großen  Beständen  gibt. 
Das  Vorkommen  vereinzelter  Fälle  von  Geflügelcholera  in  Trans- 
porten von  1000  und  mehr  Stück  Gänsen  und  Hühnern  hat  im 
Königreich  Preußen  zu  amtlichen  Untersuchungen  Veranlassung  ge- 
geben, die  es  außer  allen  Zweifel  gestellt  haben,  daß  es  solche 
sporadischen  Fälle  von  Geflügelcholera  in  großen  Beständen  gibt, 
und  es  ist  bemerkenswert,  daß  in  Beständen,  in  denen  solche 
sporadischen  Fälle  festgestellt  worden  sind,  z.  T.  nach  einigen 
Wochen  die  Geflügelcholera  verheerend  ausbrach.1) 

Die  Angabe  in  den  neuen  preußischen  Bestimmungen  über  die 
Bekämpfung  der  Schweineseuchen,  daß  der  Bac.  suisepticus  zurzeit 
in  einem  Drittel  der  Fälle  bei  Verwendung  der  üblichen  Mengen 
von  Ausgangsmaterial  nicht  mehr  nachweisbar  ist,  stützt  sich  auf 
die  Ermittlungen  meines  früheren  Mitarbeiters  Dr.  Junack2). 
Hutyra  bestätigt  diese  Angabe,  versieht  sie  aber  mit  einem  Aus- 
rufiingszeichen.  Hierzu  möchten  wir  bemerken,  daß  bei  der  mensch- 
lichen Influenza  eine  ganz  ähnliche  Verschiebung  des  bakteriolo- 
gischen Befundes  im  Laufe  der  letzten  zehn  Jahre  festgestellt  worden 
ist,  worauf  schon  Junack  unter  Bezugnahme  auf  die  Angaben  von 
Pick  und  Jochmann  auf  dem  vorletzten  Kongreß  für  innere 
Medizin  hingewiesen  hat.  Pick  und  Jochmann  betonten,  der 
Charakter  der  Influenza  habe  sich  im  Laufe  der  Jahre  so  geändert, 
daß  man  bei  den  Patienten  oft  die  Erreger  nicht  mehr  nachweisen 
könne.  Ferner  wurde  in  jüngster  Zeit  von  Tedesko3)  berichtet, 
daß  im  Jahr  1900  bei  den  am  Kais.  Franz  Josef-Spital  zu  Wien 
ausgeführten  Influenzauntersuchungen,  und  zwar  bei  klinisch  als 
akut  imponierenden  und  als  Influenza  diagnostizierten  Lungen- 
affektionen  die  bakteriologischen  Wahrnehmungen  mit  denen  der 
früheren  Jahre  nicht  mehr  übereinstimmten.  Dieser  langsam  und  in 
fließenden  Etappen  zutage  tretende  Unterschied  zwischen  klinischem 
Verhalten   und   bakteriologischem   Befund    erhellt   am   besten   aus 

l)  Vgl.  hiermit  auch  Nevermann.  Veröffentlichungen  aus   den  Jahres- 
veterinärberichten  der  beamteten  Tierärzte  Preußens  für  das  Jahr  1905,  S.  130/155. 
*)  A.  a.  0. 
3)  Zentralbl.  f.  Bakteriologie,  Originale,  43.  Bd.,  H.  5. 


-     438     — 

einigen  Beispielen,  die  Tedesko  anfuhrt.    1896  hatten  alle  fünf  als 
Influenza  bezeichneten  Fälle  den  bakteriologischen  Vermerk:    Fast 
rein,  überwiegend  Influenzabazillen,  auf  30  Kolonien  Influenzabazillen 
eine  fremde  Kolonie. 
Dagegen  waren 

1897  unter  17  klinischen  Influenzen  nur  10  =  58,8  %, 

1898  „      69         „  „  „     23  =  33     ^ 

1899  „      59  „  „  „     38  =  64     % 

1900  „      51  „  „  „     30  =  59     o/o? 

mit  reichlichem  Befund  an  Influenzabazillen.  Immer  deutlicher 
treten,  wie  Tedesko  betont,  auch  andere  Katarrh-  und  Eiter- 
erreger in  den  Vordergrund,  und  in  den  warmen  Monaten  ver- 
schwinden die  Influenzabazillen  fast  völlig  aus  dem  Sputum.  Also 
hat  bei  der  menschlichen  Influenza  ein  ganz  ähnliches  Verhältnis 
Platz  gegriffen  wie  bei  der  Schweineseuche. 

Was  endlich  die  bakteriologische  Diagnose  der  Schweineseuche 
anbetrifft,  so  ist  es  wohl  noch  niemand  beigekommen,  lediglich 
auf  den  Befund  von  ovoiden  Bakterien  an  irgendeiner  Stelle  des 
Schweinekörpers  die  Diagnose  der  Schweineseuche  zu  stützen. 
Das  hieße  in  der  Tat  den  Fehler  des  törichten  Mannes  begehen,  der 
aus  dem  Befund  von  Streptokokken  im  Nasenschleim  das  Vorliegen 
von  Druse  folgern  wollte,  wie  Preisz  richtig  exemplifiziert  hat. 
Auf  den  Nachweis  von  ovoiden  Bakterien  ist  stets  nur  im  Zusammen- 
hang mit  vorliegenden  pathologisch -anatomischen  Veränderungen 
diagnostisches  Gewicht  gelegt  worden.  Über  die  diagnostische  Be- 
wertung des  Bac.  suisepticus  haben  sich  im  übrigen  die  neuen 
preußischen  Bestimmungen  über  die  Bekämpfung  der  Tierseuchen 
in  klarer  Weise  ausgesprochen. 

Weitere  theoretische  Erörterungen  dürften  zur  Förderung  der 
Erkenntnis  des  Wesens  der  Schweineseuche  kaum  beitragen.  Die 
Schweineseuche  gehört  glücklicherweise  zu  den  Krankheiten,  die 
der  experimentellen  Erforschung  zugänglich  sind.  Einwandfreie 
Versuche  müssen  daher  über  strittige  Punkte  die  Entscheidung 
bringen,  und  wir  werden  uns  in  der  Folge  auf  die  Mitteilung 
unserer  Versuchsergebnisse  und  der  hieraus  abzuleitenden  Folge- 
rungen beschränken.  So  wie  die  tatsächlichen  Feststellungen  über  die 
reine,  ohne  Schweinepest  auftretende  Schweineseuche  heute  liegen, 
dürfte  es  weder  begründet  sein,    eine  „klassische"  Schweineseuche 


—     439     — 

von  einer  nichtklassischen  zu  unterscheiden,  noch  berechtigt  sein,  die 
Filtrierbarkeit  des  Erregers  der  reinen  Schweineseuche  in  erster 
oder  letzter  Instanz  anzunehmen.  Für  eine  solche  Annahme  geben 
auch  die  Ergebnisse  der  fortgesetzten  Untersuchungen,  die  wir 
über  die  Filtrierbarkeit  des  Virus  der  Schweineseuche  angestellt 
haben,  keine  Stütze. 

Diese  Untersuchungen  sind  wie  folgt  verlaufen: 

I.  Versuche  Ober  die  Filtrierbarkeit  des  Virus  mit  Material  von 
schweineseuchekranken  Tieren.1) 

Versuch  L 

Aus  S.  in  Schlesien  wurden  dem  Institut  am  29.  November  1906 
durch  den  zuständigen  Kreistierarzt  die  Lungen  eines  notge- 
schlachteten älteren  Schweines  (Läufers)  eingesandt,  an  denen  die 
Spitzen-,  Herz-  und  Anhangslappen  sowie  der  vordere 
untere  Abschnitt  des  Zwerchfellappens  der  rechten  Lunge, 
der  Herzlappen  und  verschiedene  Abschnitte  des  Zwerch- 
fellappens der  linken  Lunge  groß,  graurot  oder  rotbraun, 
derb,  luftleer,  auf  der  Schnittfläche  glatt  und  feucht  waren. 
Die  Pleura  war  über  einzelnen  der  genannten  Teile  verdickt. 
Am  Darm  waren  nach  Angabe  des  Einsenders  Veränderungen  nicht 
nachzuweisen  gewesen. 

Agarkulturen  aus  den  pneumonischen  Teilen  ergaben  nur 
Schweineseucheerreger;  zwei  geimpfte  graue  Mäuse  gingen  am 
vierten  Tage  an  Schweineseuche  ein. 

')  In  unserer  ersten  gemeinschaftlichen  Mitteilung  haben  wir  Bd.  11, 
Heft  2  u.  3,  S.  134  dieser  Zeitschrift  mitgeteilt,  daß  bei  einem  subkutan  mit 
filtriertem  Blutserum  pestkranker  Ferkel  geimpften  Versuchstier  (Ferkel  Nr.  III) 
eine  Hepatisation  des  rechten  Herzlappens  festgestellt  wurde,  deren  Ursache 
durch  den  Kultur-  und  Mäuseversuch  nicht  aufgeklärt  werden  konnte.  Zur 
weiteren  Untersuchung  des  Falles  wurde  der  hepatisierte  Lungenlappen  zer- 
kleinert, aufgeschwemmt  und  filtriert  und  nicht  filtriert  an  je  2  weitere  Ferkel 
verimpft.  Am  20.  Dezember  1906  erhielt  Ferkel  a  3  cera  nicht  filtrierte  Auf- 
schwemmung intrapleural,  Ferkel  b  die  doppelte  Menge  subkutan.  Von  der 
filtrierten  und  auf  Sterilität  geprüften  Aufschwemmung  wurden  je  10  cem 
intrapleural  und  subkutan  an  Ferkel  c  und  d  verimpft.  Alle  vier  Tiere  wiesen 
bei  der  nach  16  und  20  Tagen  erfolgten  Tötung  keine  Veränderung  auf.  Mithin 
war  auch  durch  den  Versuch  an  Ferkeln  nicht  festzustellen,  wodurch  die 
partielle  Pneumonie  bei  dem  hier  in  Rede  stehenden  Versuchsferkel  III  bedingt 
worden  ist 


—     440     — 

Von  dem  aus  den  erkrankten  Lungenabschnitten  hergestellten 
Filtrat,  dessen  Keimfreiheit  wie  in  den  nachfolgend  geschilderten 
Fällen  durch  Überimpfung  von  je  0,2  ccm  in  zwei  Röhrchen  mit 
Nährbouillon  geprüft  worden  war,  erhielten: 

Ferkel   I    10  ccm  intrapleural, 

Ferkel  II  20  ccm  subkutan. 

Eine  Erkrankung  der  Versuchstiere  ist  hiernach  nicht  ein- 
getreten. Die  Tiere  wurden  nach  3xj%  Wochen  getötet  und  auch  bei 
der  Sektion  als  vollständig  gesund  befunden. 

Versuch  IL 

Durch  Herrn  Kollegen  L.  in  P.  (Ostpreußen)  wurden  2  Läufer 
im  Gewicht  von  je  etwa  40  kg  und  1  Ferkel  eingesandt. 

Obduktionsbefund:  Der  Läufer  a  weist  nach  der  Schlachtung  nur 
noch  Residuen  der  Schweineseuche  auf. 

Bei  Läufer  b  findet  man  das  Lungenfell  allseitig  mit  dem  Rippenfell 
und  dem  serösen  Überzug  des  Zwerchfells  verwachsen.  Auch  die  Leber  ist 
mit  Zwerchfell  und  Magen  verwachsen.  Die  durch  lockeres,  zartes  Bindegewebe" 
bedingten  Verwachsungen  lassen  sich  überall  durch  kräftigen  Zug  noch  lösen. 
Lungen-  und  Leberoberfläche  erscheinen  alsdann  allseitig  mit  zottigen,  röt- 
lichen, zarten  Anhängseln  besetzt.  Die  Lungen  zeigen  außerdem  an  ihrer 
Oberfläche  verschiedene,  unregelmäßige  Einziehungen  im  Bereich  der 
beiderseitigen  Spitzen-  und  Herzlappen  und  des  rechten  Zwerchfellappens. 
Einzelne  Lobuli  des  rechten  Spitzen-,  die  Hälfte  des  rechten  Herz- 
und  kleine  Teile  des  rechten  Zwerchfellappens,  sowie  der  ganze 
linke  Herzlappen  und  Teile  des  linken  Spitzenlappens  sind  nicht 
retrahiert,  graurot,  derb,  luftleer,  auf  der  Schnittfläche  feucht  und  glatt 
Die  Lymphdrüsen  an  der  Lungenwurzel  sind  geschwollen,  auf  dem  Durchschnitt 
saftreich.  Der  seröse  Überzug  der  Milz  zeigt  dieselben  Veränderungen  wie 
der  von  Lungen  und  Leber.  Alle  anderen  Organe,  speziell  der  Verdauungs- 
kanal, sind  ohne  Abweichungen. 

Ferkel  c:  Hepatisation  des  größten  Teils  beider  Herzlappen, 
des  vorderen  Abschnittes  des  rechten  Zwerchfellappens  und  eines 
Teiles  des  Anhangslappens.  Pleura  und  Perikard  glatt,  glänzend  und 
durchsichtig.    Der  ganze  Verdauungsapparat  intakt. 

Aus  den  Herzlappen  der  Ferkel  b  und  c  wurden  durch 
Kulturversuch  und  Impfung  Schweineseuchebazillen  in  Reinkultur 
frewonnen. 

Wie  in  früheren  Jahren,  wurde  die  Virulenz  des  Materials 
durch  Verimpfung  kernhaltiger  Aufschwemmung  erkrankten 
Lungengewebes  in  Bouillon  an  Ferkel  geprüft.    Es  erhielten: 


—     441     — 

Ferkel  III  3  ccm  intrapleural. 
Ferkel  IV  6  ccm  subkutan. 

Ferkel  III  starb  nach  9  Tagen  an  akuter  Schweineseuche.  In 
den  veränderten  Lungenteilen  waren  Schweineseuchebazillen  in 
Reinkultur  nachzuweisen.  Ferkel  IV  blieb  am  Leben  und  wies  bei 
der  3  Wochen  nach  der  Jmpfung  vorgenommenen  Tötung  keine 
Veränderungen  auf. 

Ein  mit  10  ccm  Filtrat  von  entzündetem  Lungengewebe 
intrapleural  geimpftes  Tier,  Ferkel  V,  erkrankte  ebenfalls  nicht 
und  war  bei  der  Tötung,  gleichwie  zwei  nicht  vorbehandelte 
Kontrolltiere,  gut  genährt  und  frei  von  Veränderungen. 

Versuch  III. 

Aus  M.  (Prov.  Sachsen)  wurde  uns  durch  Herrn  Kollegen  K. 
zu  Versuchszwecken  ein  lebendes  Ferkel  überlassen,  nach  dessen 
Tötung  Hepatisation  des  rechten  Herz-,  sowie  des  linken 
Spitzen-  und  Herzlappens  und  einzelner  angrenzender 
Lobuli  des  Zwerchfellappens  festgestellt  wurde.  Alle  anderen 
Organe,  insbesondere  der  Darm,  waren  ohne  Veränderungen.  Agar- 
knlturen,  aus  dem  rechten  Herzlappen  angelegt,  enthielten  ver- 
schiedene Arten  von  Keimen;  zwei  weiße  Mäuse,  mit  Stückchen 
des  gleichen  Lungenabschnittes  infiziert,  gingen  nach  zwei 
und  drei  Tagen  ein  und  lieferten  beide  Reinkulturen  des  Schweine- 
seucheerregers. 

30  ccm  eines  aus  den  erkrankten  Lungenlappen  in  der 
üblichen  Weise  hergestellten  keimfreien  Filtrates  vermochten  bei 
intrapleuraler  Einverleibuiig  einen  Impfling  (Ferkel  VI)  während 
des  drei  Wochen  dauernden  Versuchs  nicht  krank  zu  machen. 

Versuch  IV. 

Am  18.  Januar  1907  sandte  ein  Züchter  des  Kreises  K.  (Posen) 
im  Auftrage  des  Kreistierarztes  zwei  lebende  Läufer  zur  Unter- 
suchung ein.  Beide  Tiere  litten  an  reiner  Schweineseuche.  Das 
erste  Tier  hatte  eine  chronische  Pneumonie,  die  sich  auf  die  vor- 
deren Lappen  und  kleine,  angrenzende  Abschnitte  beider 
Zwerchfe Happen  erstreckte;  das  zweite  Tier  wies  außerdem 
eine  zum  Teil  noch  fibrinöse,  zum  Teil  schon  chronische,  fibröse 
Pleuritis  und  Perikarditis  auf. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.     II,  6.  29 


—     442     — 

Direkte  Agarkulturen  aus  dem  ersten  Läufer  enthielten  ovoide 
und  koliähnliche  Stäbchen,  daneben  noch  gramfeste  Kokken,  die 
meist  als  Diplokokken  gelagert  waren.  Aus  dem  zweiten  Tier 
konnten  schweineseucheähnliche  Bakterien  in  der  Kultur  nicht  nach- 
gewiesen werden,  sie  mochten  wohl  durch  die  üppig  gewachsenen 
koliartigen  Bazillen  überwuchert  sein;  denn  Mäuse,  die  mit  Material 
von  diesem  zweiten  Ferkel  geimpft  waren,  gingen  an  einer  Infektion 
durch  den  Bac.  suisepticus  ein. 

Blutserum  von  beiden  getöteten  Tieren  wurde  mit  dergleichen 
Menge  physiologischer  Kochsalzlösung  verdünnt  und  dann  filtriert. 
Ein  zweites  Filtrat  ist  aus  den  hepatisierten  Lungen  her- 
gestellt worden.    Es  erhielten: 

Ferkel  VE  30  ccm  filtriertes  Blutserum  intrapleural, 
Ferkel  VTII  30  ccm  filtrierten  Lungensaft  intrapleuraL 

Keines  der  beiden  Tiere  ist  erkrankt.  Auch  im  Ernährungs- 
zustande blieben  sie  bis  zur  Tötung  zwei  Kontrolltieren  gleich. 

Versuch  V. 

Am  31.  Januar  1907  wurde  aus  einer  großen  Züchterei  in  0. 
(Schlesien)  eine  Anzahl  toter,  unter  den  Erscheinungen  der  Schweine- 
seuche erkrankt  gewesener  Ferkel  eingesendet.  Keins  der  Tiere 
litt  an  Schweinepest;  bei  allen  war  reine  Schweineseuche  zugegen. 
Von  drei  Tieren  wurden  die  Lungen  als  Impfmaterial  für  den  folgenden 
Versuch  ausgewählt. 

Die  Lunge  I  wies  graue  Hepatisation  des  linken  Spitzen-, 
Herz-  und  des  unteren  Drittels  des  Zwerchfellappens,  rechts  der- 
selben Teile  und  des  Anhangslappens  auf;  das  Lungenfell  trug  überall 
vereinzelte  pleuritische  Adhäsionen. 

Die  Lunge  II  zeigte  dieselben  Veränderungen  in  derselben  Ausdehnung. 

Lunge  III:  Hepatisation  des  rechten  Spitzen-  und  des 
größeren  Teils  des  Herzlappens,  sowie  des  linken  Spitzen-  und 
Herz-  und  eines  kleinen  Teils  des  Zwerchfellappens. 

Der  Herzbeutel  war  bei  allen  drei  Tieren  intakt. 

Zwei  mit  hepatisierten  Lungenstückchen  geimpfte  weiße  Mänse 
blieben  am  Leben,  die  direkten  Kulturen  zeigten  Überwucherung 
der  gewachsenen  Keime  durch  koliähnliche  Bakterien. 

Aus  den  erkrankten  Teilen  hergestelltes  Filtrat  wurde  am 
12.  Februar  1907  an  Ferkel  IX  in  einer  Menge  von  30  ccm 
intrapleural  verimpft,  das  jedoch  durch  diesen  Eingriff  keine 
Störung  seiner  Gesundheit  erlitt. 


—     443     — 
Versuch  TL 

Aus  dem  Kreise  S.  (Provinz  Brandenburg)  stammte  das 
Material,  das  zu  dem  nachstehenden  Versuch  diente. 

Es  handelte  sich  um    ein  verendetes   halb   erwachsenes  Tier. 

Obduktionsbefund:  Die  Spitzen-  und  Herzlappen  beiderseits 
sowie  je  ein  Drittel  der  Zwerchfellappen  und  der  größte  Teil  des 
Anhangslappens  sind  nicht  retrahiert,  graurot,  derb,  luftleer,  auf 
dem  Durchschnitt  fein  granuliert.  Die  Pleura  der  erkrankten  Teile 
ist  mit  zarten,  graugelben,  abziehbaren  Belägen  bedeckt.  Der  linke  Spitzen- 
und  Herzlappen,  sowie  Herz-  und  Zwerchfellappen  sind  mit  einander  verklebt. 
Alle  anderen  Organe  sind  unverändert 

Zwei  Agarröhrchen  wurden  mit  mehreren  Ösen  Lungensaft  aus 
dem  linken  Zwerchfellappen  beschickt,  auch  wurden  zwei  graue 
Mäuse  mit  ebenda  entnommenem  Material  geimpft.  Die  Mäuse 
gingen  nach  ein  bis  zwei  Tagen  ein  und  lieferten  beide  Reinkulturen 
von  Schweineseuche;  die  Agarkulturen  enthielten  wohl  ovoide,  nicht 
gramfeste  Bakterien,  daneben  aber  auch  noch  andere  Bakterienarten 
in  großer  Zahl,  wie  sie  in  Kadavern  angetroffen  werden,  die  in 
nicht  mehr  ganz  frischem  Zustand  zur  Untersuchung  kommen. 

Keimfreies  Filtrat,  aus  den  mit  fibrinöser  Pneumonie  behafteten 
Lungenteilen  des  verendeten  Tieres  gewonnen,  erwies  sich  als 
nicht  pathogen. 

Ferkel  X,  mit  30  ccm  des  Filtrates  intrapleural  geimpft, 
hat  sich  während  der  nächsten  drei  Wochen  bis  zur  Tötung  eben- 
sogut entwickelt,  wie  zwei  Kontrolltiere,  die  Ferkel  XI  und  XII,  und 
wie  diese  nach  der  Tötung  als  frei  von  Veränderungen  erwiesen. 

Versuch  VII. 

Durch  Herrn  Kreistierarzt  N.  in  N.  (Brandenburg)  erhielten 
wir  zwei  lebende  Ferkel  aus  einem  Bestände,  in  dem  schon  vorher 
durch  Einsendung  eines  Kadavers  das  Herrschen  der  Schweine- 
seuche konstatiert  war. 

Das  Ferkel  a  wies  graue  Hepatisation  der  beiderseitigen 
Spitzen-  nnd  Herzlappen  und  eines  kleinen  Teils  des  rechten 
Zwerchfellappens  auf;  außerdem  bestand  eine  lockere  bindegewebige  Ver- 
wachsung zwischen  rechtem  Herz-  und  Zwerchfellappen. 

Ferkel  b  zeigte  dieselben  Veränderungen  an  den  Spitzen- 
und  Herzlappen,  daneben  aber  Entzündung  beider  Zwerchfell- 
lappen in  größererAusdehnung  und  teilweise  Verwachsung  der  Herz-  mit 
den  Zwerchfellappen  und  des  rechten  Herzlappens  mit  dem  Herzbeutel. 

Alle  übrigen  Organe  waren  bei  beiden  Tieren  unverändert 

29* 


—     444     — 

Es  gelang,  aus  den  direkten  Agarkulturen,  die  aus  entzündeten 
Lungenteilen  von  Ferkel  a  angelegt  worden  waren,  Schweineseuche- 
erreger  zu  isolieren.  Gleichzeitig  waren  in  den  Kulturen  koli- 
ähnliche  Stäbchen  und  vereinzelte  Streptokokken  aufgegangen.  Die 
beiden  geimpften  Mäuse  gingen  erst  nach  drei  und  vier  Tagen  ein ; 
sie  lieferten  Reinkulturen  des  Bac.  suisepticus. 

Unfiltriertes  Blutserum  der  beiden  Ferkel,  dessen  Keimfreiheit 
durch  Überimpfung  in  Bouillon  nachgewiesen  worden  war,  wurde 
am  5.  März  1907  verimpft: 


an  Ferkel  XIII  zu  10  ccm 
,,         ,,       XIV    „    20     „ 


I  intrapleural. 


Als  die  beiden  Tiere,  die  nach  der  Verimpfung  des  Materials 
gesund  blieben,  nach  18  Tagen  getötet  wurden,  ließen  sie  keine 
anatomischen  Veränderungen  als  Reaktion  auf  diesen  Eingriff  mehr 
erkennen. 

Versuch  Till. 

Ende  Februar  1907  erhielt  das  Institut  aus  der  Umgebung 
von  Berlin  wieder  zwei  lebende  Ferkel  eingeschickt.  Der  nach  der 
alsbald  erfolgten  Tötung  erhobene  Befund  war  folgender: 

Ferkel  a:  Spitzen-  und  Herzlappen  beiderseits,  sowie  einzelne 
der  vordersten  Läppchen  der  beiden  Zwerchfellappen  und  der 
größere  Teil  des  Anhangslappens  sind  graurot,  derb,  nicht  retra- 
hiert,  auf  der  Schnittfläche  glatt  und  feucht.  Es  besteht  eine  Verwachsung 
des  linken  Herzlappens  mit  dem  Zwerchfellappen. 

Ferkel  b:  Hepatisation  beider  Spitzen-  und  Herzlappen,  eines 
kleinen  Abschnittes  der  beiden  Zwerchfellappen  und  des  ganzen 
Anhangslappens;  bindegewebige  Verwachsung  des  linken  Herzlappens  mit 
dem  Zwerchfellappen  und  mit  dem  Herzbeutel  und  des  rechten  Herzlappens 
mit  dem  rechten  Zwerchfellappen.  In  den  hepatisierten  Teilen  der  linken 
Lunge  schimmern  6  hirsekorn-  bis  linsengroße,  graugelbe  Herde 
durch   die  Pleura  hindurch. 

Alle   übrigen  Teile,   speziell  der  Dann,    sind  bei  beiden  Ferkeln  intakt. 

In  den  Ausstrichen  aus  den  grauir<*lben  linsengroßen  Herden 
findet  sich  der  Bac.  pyogenes  suis  in  großer  Menge.  In  den  hepati- 
sierten Abschnitten  ließen  sich  kulturell  ovoide,  nicht  gramfeste 
Bakterien  nachweisen;  sie  waren  von  den  reichlich  vorhandenen 
Begleitbakterien  überwuchert.  Durch  Mäuseimpfiing  wurden  in  vier 
Tagen  Reinkulturen  des  Bac.  suisepticus  gewonnen. 


—     445     — 

Blutserum  von  diesen  Tieren,   mit  sterilem  Wasser  im  Ver- 
hältnis 2:1  verdünnt  und  durch  Reichelfilter  von  Keimen  befreit, 
wurde  am  2.  März  1907  verimpft  an: 
Ferkel  XV  zu  10  ccm 


XVI  „   30    „      |  intr*Pleural- 

Die  Tiere  wurden  nicht  krank.  Auch  keimfreier  Lungen- 
saft, aus  den  pneumonisch  veränderten  Teilen  entnommen,  an 
Ferkel  XVII  zu  10  ccm  intrapleural  verimpft,  machte  dieses 
Tier  nicht  krank. 

Alle  drei  Versuchstiere  waren  bei  der  nach  drei  Wochen  er- 
folgenden Tötung  ohne  Veränderungen  und  gleich  gut  genährt  wie 
zwei  nicht  geimpfte,  sonst  aber  unter  den  gleichen  Bedingungen 
gehaltene  Kontrolltiere. 

Versuch  IX. 

Herr  Kreistierarzt  W.  in  S.  (Brandenburg)  sandte  am 
20.  Februar  1907  ein  totes  Ferkel  mit  dem  Ersuchen  um  Fest- 
stellung der  Diagnose  an  das  Institut  ein.  Das  Tier  stammte  von 
einem  Wurfe,  von  dem  bereits  sechs  Stück  innerhalb  kurzer  Zeit 
nach  dem  Verkauf  in  zwei  verschiedenen  Gehöften  verendet  waren. 
Bei  zwei  Obduktionen  hatte  der  Sachverständige  nach  seinen  ein- 
gehenden Befundangaben  (dunkelrote  Verfärbung  der  Haut,  Lungen- 
ödem, subepikardiale  Blutungen,  Magendarmentzündung,  parenchy- 
matöse Hepatitis  und  Nephritis,  geringer  Milztumor)  die  Erschei- 
nungen der  Septikämie  festgestellt.  Die  Obduktion  des  eingesandten 
Tieres  ergab: 

Pleura  costalis  und  Pleura  pulmonalis  der  ganzen  linken  Lunge, 
sowie  des  Herzlappens  und  eines  Teiles  des  Spitzenlappens  der  rechten  Lunge 
sind  mit  sehr  zarten,  feinen,  abziehbaren  Belägen  bedeckt;  das  unter 
diesen  zutage  tretende  Lungenfell  ist  rauh  und  glanzlos.  Die  gleichen  Ver- 
änderungen zeigen  Peri-  und  Epikard.  Der  ganze  Herz-,  ein  Teil  des 
Spitzen-  und  ein  kleiner  Abschnitt  des  Zwerchfellappens  der 
linken  Lunge,  sowie  der  Herzlappen  der  rechten  Lunge  sind  volu- 
minös, schwarzrot,  derb,  luftleer,  auf  der  Schnittfläche  glatt  und  feucht. 
Myokard  graurot  und  schwach  getrübt.  Die  Flächen  der  Milz  sind  schwach 
gewölbt,  die  Ränder  leicht  abgerundet,  die  Pulpa  ist  nicht  wesentlich  vermehrt 
Die  Ränder  der  Leber  sind  etwas  stumpf,  das  Organ  ist  auf  dem  Durchschnitt 
sehr  blutreich,  braunrot  bis  blaurot  mit  einem  Stich  ins  graue,  Konsistenz 
mürbe.  Die  Nieren  sind  schlaff  und  welk,  die  Rinde  ist  graurot  bis  grau, 
trübe.    Am  Darmkanal  sind  keine  wesentlichen  Abweichungen  erkennbar.   Die 


—     446     — 

Lymphdrüsen,  insbesondere  die  Submaxillar-,  Subparotideal-,  Bug-  und  Kniekehl- 
lymphdrüsen  sind  geschwollen,  auf  dem  Durchschnitt  graurot  und  sehr  feucht. 

Die  aus  den  Hepatisationen  angelegten  Kulturen  enthalten  über- 
wiegend nicht  gramfeste  ovoide  Bakterien,  daneben  auch  solche  vom 
Kolitypus.  Durch  Abimpfen  gelingt  die  Isolierung  der  Schweine- 
seuchebakterien,  die  durch  die  biologische  Prüfung  auch  als  solche 
bestätigt  werden.  Die  geimpften,  nach  24 — 48  Stunden  gestorbenen 
grauen  Mäuse  lieferten  Reinkulturen  des  Bac.  suisepticus. 

Aus  den  hepatisierten  Lungenlappen  wurde  mittelst  Heim- 
schen  Asbestfilters  ein  keimfreies  Filtrat  gewonnen  und  an  Ferkel 
XVlil  in  der  Menge  von  10  intrapleural  verimpft.  Die  Impfung 
war  wirkungslos;  das  Tier  war  bei  der  3  Wochen  später  erfol- 
genden Tötung  gesund. 

Versuch  X. 

Herr  Kreistierarzt  L.  in  C.  (Brandenburg)  sandte  am  15.  März 
d.  J.  zwei  lebende  Ferkel  im  Alter  von  8—10  Wochen,  die  nach 
der  Tötung  beide  graue  Hepatisation  der  ganzen  Spitzen-  und 
Herzlappen  und  kleiner  Abschnitte  der  Zwerchfellappen  auf- 
wiesen. Bei  dem  zweiten  Tiere  bestanden  außerdem  noch  lockere 
bindegewebige  Verwachsungen  zwischen  den  Lungenlappen  der 
rechten  Seite. 

Die  Isolierung  des  Bac.  suisepticus  aus  den  entzündeten 
Lungenteilen  gelang  nicht.  Zwei  mit  Lungensaft  aus  den  hepa- 
tisierten Lappen  besäte  Agarröhrchen  blieben  steril,  und  es  versagte 
auch  der  Tierversuch. 

Das  von  beiden  Tieren  erhaltene  Blutserum  wurde  verdünnt, 
filtriert  und  am  23.  März  verimpft  an: 

Ferkel  XIX  zu  20  ccm,  \  .   .        .         . 
„       XX      „   30      ,/  )  ^trapleural. 

Diese  Infektion  hatte  keinen  Einfluß  auf  das  Befinden  der 
Tiere,  die  auch  bei  der  Tötung  keine  Veränderung  erkennen  ließen. 

Versuch  XI« 

Dasselbe  negative  Resultat  wurde  mit  Material  erzielt,  das  wir 
von  Herrn  Kollegen  B.  in  W.  (Rheinprovinz)  am  20.  März  erhielten. 
Die  entzündeten  Lungenteile  des  3  Monate  alten,  an  reiner,  chronischer 
Schweineseuche  leidenden  Schweines  (graue  Hepatisation  der 
Vorderlappen,  diffuse  chronische  fibröse  Pleuritis  und  Perikarditis). 


—     447     — 

aus  denen  sowohl  direkt  als  auch  durch  Tierimpfung  Reinkulturen 
des  Bac.  suisepticus  erhalten  wurden,  wurden  in  der  üblichen  Weise 
zu  Filtraten  verarbeitet.  Diese  vermochten  in  Mengen  von  20  und 
30  ccm  bei  intrapleuraler  Verimpftmg  keine  Erkrankung  zweier 
infizierter  Tiere  (Ferkel  XXI  und  XXII)  zu  veranlassen. 

Versuch  XII. 

Am  3.  April  1907  erhielt  das  Hygienische  Institut  von  Herrn 
Kollegen  M.  in  W.  (Mecklenburg)  zwei  getötete  Ferkel  zugesandt, 
bei  denen  der  nachfolgende  Befund  erhoben  worden  ist: 

Ferkel  a:  Der  ganze  Spitzen-  und  Herz-  sowie  einzelne  an- 
grenzende Lobuli  des  Zwerchfellappens  der  linken  Lunge  und  der 
Herz-,  der  Anhangslappen  und  etwa  ein  Drittel  des  Zwerchfell- 
lappens der  rechten  Lunge  sind  nicht  retrahiert,  gleichmäßig 
graurot,  derb,  luftleer,  auf  der  Schnittfläche  glatt  und  feucht. 
Pleura  und  Perikard  sind  in  allen  Teilen  glatt,  glänzend  und  durchsichtig. 
Alle  anderen  Organe,  insbesondere  der  Dann,  sind  ohne  Veränderungen. 

Ferkel  b:  Hepatisation  des  linken  Spitzen-  und  Herzlappens 
und  einzelner  Lobuli  des  Zwerchfellappens  und  des  rechten  Spitzen- 
lappens.   Dann  ebenfalls  ohne  Abweichungen  von  der  Norm. 

Mit  Material  aus  den  hepatisierten  Lungenabschnitten  von 
Ferkel  a  werden  zwei  Agarröhrchen  besät  und  zwei  graue  Mäuse 
geimpft.  Letztere  gehen  nach  drei  Tagen  ein;  aus  ihrem  Herzblut 
werden  Reinkulturen  des  Bac.  suisepticus  gezüchtet.  Aus  den 
direkten  Kulturen  konnten  die  Schweineseucheerreger  aus  einem 
Gemisch  von  Streptokokken,  coliähnlichen  Stäbchen  und .  großen, 
plumpen,  gramfesten  Bazillen,  die  gleichzeitig  gewachsen  waren, 
nicht  isoliert  werden. 

Aus  den  hepatisierten  Teilen  beider  Ferkel  wurde  in  der 
üblichen  Weise  ein  Filtrat  hergestellt,  dessen  Keimfreiheit  durch 
Übertragung  einer  Probe  mittelst  Pipette  in  Bouillonröhrchen  ge- 
prüft worden  ist.    Das  keimfreie  Filtrat  erhielt  am  6.  April  1907: 

Ferkel  XXIII  in  der  Gesamtmenge  von  20  ccm  intrapleural. 

Das  Tier   wurde   am    26.  April  getötet  und  gesund  befanden. 

Versuch  XIII. 

Aus  der  Züchterei  zu  L.  in  Mecklenburg  erhielten  wir  am 
8.  April  1907  zwei  gestorbene  Ferkel  eingesandt. 

Ferkel  a  ist  ein  etwa  zwei  Wochen  altes,  ziemlich  gut  entwickeltes 
Tier.    Beide  Pleurasäcke  enthalten  10— 20  ccm  einer  grauroten,  trüben, 


—     448     — 

mit  Flocken  und  größeren  Fetzen  vermischten  Flüssigkeit.  Lungen- 
und  Rippenfell  sowie  die  Herzlappen  der  Lungen  mit  den  Spitzen- 
und  Zwerchfellappen  verklebt.  Die  Pleura  ist  mit  grauweißen  bis  grau- 
gelben, dünnen,  in  Form  von  Platten  abziehbaren  Belägen  bedeckt.  Beide 
Spitzen-  und  Herzlappen  sowie  der  Anhangslappen  und  etwa  der 
vierte  Teil  des  rechten  Zwerchfellappens  sind  nicht  rotrahiert, 
graurot,  in  einzelnen  Teilen  schwarzrot.  derb,  luftleer,  auf  der 
Schnittfläche  glatt  und  feucht.  Der  Vordauungsapparat  ist  unversehrt. 
Ferkel  b  ist  etwa  sechs  Wochen  alt.  Kippen-  und  Lungenfell  sind 
in  der  Höhe  von  Spitzen-  und  Herzlappen  beiderseits  verwachsen,  auch  die 
Zwerchfellappen  sind  mit  dem  Zwerchfell  verwachsen,  desgleichen 
die  einzelnen  Lungenlappen  untereinander.  Das  Lungenfell  ist  an 
einzelnen  Steilen  verdickt,  milchig  getrübt  und  undurchsichtig,  an  anderen 
mit  bindegewebigen  Zotten  besetzt.  Die  Lungenoberfläche  ist  uneben,  sie 
zeigt  unregelmäßige  Einziehungen.  Der  rechte  Spitzen-  und  etwa  die 
Hälfte  des  linken  Spitzen-  und  Herzlappens  sind  graurot,  nicht 
retrahiert,  derb  und  luftleer.  Der  Anhangslappen  ist  von  mehreren 
graugrünen  bis  graugelben,  unregelmäßig  geformten,  scharf  ab- 
gegrenzten Herden  mit  trockener  Durchschnittsfläche  durchsetzt; 
diese  sind  von  grauweißen,  derben  Bindegewebszügen  einge- 
schlossen. Der  Rest  des  Lappens  ist  hepatisiert  Peri-  und  Epi- 
kard sind  in  allen  Teilen  miteinander  verwachsen.  Veränderungen 
an  anderen  Organen  fehlen. 

Durch  Tierimpfung  wurden  aus  den  hepatisierten  Teilen  von 
Ferkel  a  Reinkulturen  des  Bac.  suisepticus  gewonnen.  Aus  beiden 
Lungen  wurde  ein  Filtrat  hergestellt,  das  nach  Feststellung  der 
Keimfreiheit 

Ferkel  XXIV  in  der  Gesamtmenge  von  40  cem  intrapleural 
eingespritzt  wurde. 

Dieser  Eingriff  hatte  jedoch  keine  Erkrankung  des  Tieres  zur 
Folge,  wie  durch  die  nach  drei  Wochen  vorgenommene  Tötung  und 
Obduktion  bewiesen  wurde. 

Versuch  XIV. 

Herr  Kollege  B.  in  P.  (Pommern)  sandte  am  26.  April  1907 
ein  acht  Wochen  altes,  trotz  der  Impfung  mit  polyvalentem  Serum 
erkranktes,  daher  auf  seinen  Rat  getötetes  Ferkel  ein. 

Befund:  Das  Tier  ist  schlecht  genährt,  zeigt  schleimig-eitrigen  Ausfluß 
aus  beiden  Augen  und  krustüses  Ekzem  an  den  Ohren  und  auf  dem  Kücken. 
Das  Rippenfell  ist  zum  Teil  mit  dem  Lungenfell  verklebt;  Rippen- 
und  Lungenfell  sind  in  ihren  vorderen  Abschnitten  mit  grau- 
gelben, in  Form  von  dünnen  Platten  abziehbaren  Belägen  bedeckt 
Der  linke  Spitzenlappen  ist  mit  dem  Herzlappen,  der  rechte  Herz- 


—     449     — 

mit  dorn  Zwerchfellappen  und  der  Anhangslappen  mit  dem  Herz- 
beutel  verklebt.  Der  ganze  linke  Spitzen-  und  Herz-,  sowie  ein- 
zelne Lobuli  des  Zwerchfellappens,  ferner  der  ganze  rechte 
Spitzen-  und  Herzlappen,  sowie  umfangreiche  Teile  des  Zwerch- 
fellappens und  der  ganze  Anhangslappen  sind  nicht  retrahiert, 
graurot,  in  einzelnen  Läppchen  schwarzrot,  derb,  luftleer,  aut 
dem  Durchschnitt  glatt  und  feucht.  Die  Blätter  des  Herzbeutels  sind 
nicht  verändert.  Die  Schleimhaut  einzelner  Abschnitte  des  Dünn-  und  auch 
des  Dickdarms  ist  streifig,  zum  Teil  fleckig  gerötet  und  geringgradig  ge- 
schwollen.   Alle  anderen  Teile  sind  gesund. 

Im  Herzblut  konnten  kulturell  Schweineseuchebazillen  nicht 
nachgewiesen  werden;  in  den  akut  hepatisierten  Lungenabschnitten 
waren  sie  dagegen  in  Reinkultur  vorhanden.  Graue  Mäuse  starben 
vor  Ablauf  des  zweiten  Tages  an  hämorrhagischer  Septikämie. 

Von  den  aus  dem  erkrankten  Lungensaft  gewonnenen  75  ccm 
Filtrat  erhielten  am  1.  Mai  1907 

Ferkel  XXV:  40  ccm  intrapleural 
„       XXVI:  35    „ 

Ferkel  XXVII  und  XXVEII  wurden  als  Kontrollferkel  unter  den- 
selben Bedingungen  und  im  gleichen  Raum  in  einem  anderen  Käfig 
gehalten.    Alle  vier  Tiere  wurden  am  18.  Mai  1907  getötet. 

Bei  den  beiden  geimpften  Tieren  wurde  eine  durch  einzelne, 
zarte,  lange  Bindegewebsstränge  bedingte,  lockere  Verwachsung 
einer  umschriebenen  Stelle  der  Zwerchfellappen  mit  dem  Rippenfell 
nachgewiesen.  Die  Einstichstelle  im  rechten  Zwerchfellappen  war 
in  Form  eines  braunroten,  stecknadelkopfgroßen  Fleckes  nach- 
weisbar. Die  Lungen  waren  aber  in  allen  Teilen  lufthaltig.  Auch 
an  anderen  Organen  lagen  Veränderungen  nicht  vor.  Die  Kontroll- 
tiere waren  ebenfalls  gesund. 

In  sämtlichen  14  Versuchen  hat  es  sich  wie  bei  den  früher 
im  Hygienischen  Institut  vorgenommenen  Übertragungsversuchen  ge- 
zeigt, daß  durch  die  Verimpfung  keimfreien  Materials  (Blutserum 
und  Lungensaft)  von  schweineseuchekranken  Schivcincn  die  Schweine- 
seuche  auf  gesunde  Tiere  nicht  übertragen  werden  kann.  Die  Über- 
tragung gelang  auch  in  den  Fällen  von  akuter  Schweinesenche  nicht, 
die  das  Ausgangsmaterial  xu  den  Versuchen  VI,  IX,  XI IIa  und 
XIV  gebildet  haben. 


—     450     — 

Im  Anschluß  hieran  teilen  wir  noch  die  Ergebnisse  einiger 
Versuche  mit,  zu  denen  Schweine  das  Material  geliefert  haben,  die 
Schweinepest  und  als  Komplikation  Schweineseuche  aufwiesen.  Auch 
der  Ausfall  dieser  Versuche  wirft  ein  Licht  auf  die  Frage  der 
Filtrierbarkeit  des  Virus  der  Schweineseuche. 


II.  Übertragungsversuche  mit  filtriertem  Material  von  Schweinepest-  und 
gleichzeitig  schweineseuchekranken  Tieren. 

Versuch  I. 

Aus  G.,  Kreis  J.,  in  der  Provinz  Posen  wurden  am  3.  De- 
zember 1906  drei  schlecht  genährte,  in  der  Entwicklung  zurück- 
gebliebene Läufer  eingesandt,  die  nach  der  Tötung  folgende  Ver- 
änderungen aufwiesen: 

Ferkel  a:  Der  Spitzen-,  Herz-  und  der  vordere  untere  Abschnitt 
des  Zwerchfellappens  der  linken  Lunge,  sowie  der  Herzlappen  und 
einzelne  Lobali  des  Zwerchfell-  und  des  Anhangslappens  der  rechten  Lunge 
sind  nicht  retrahiert,  derb,  luftleer,  auf  dem  Durchschnitt  graurot, 
glatt  und  feucht.  Im  Grimm darm  finden  sich  fünf  isolierte,  etwa  mark- 
stückgroße Flächen  in  der  Schleimhaut,  die  ein  mit  graugelben,  zerklüfteten, 
fest  anhaftenden,  trüben  Belägen  bedecktes  Zentrum  und  eine  lh—3U  cm  breite, 
aus  grauweißem,  glattem  Bindegewebe  bestehende  periphere  Zone  erkennen 
lassen.    Weitere  Veränderungen  sind  nicht  nachzuweisen. 

Ferkel  b:  Hepatisation  wie  bei  Ferkel  a,  den  Spitzen-  und  Herz- 
lappen, einzelne  Lobuli  des  Zwerchfellappens  der  linken  Lunge  und  dieselben 
Lungenabschnitte  und  einen  Teil  des  Anhangslappens  der  rechten  Lunge  um* 
fassend.  Innerhalb  des  hepatisierten  Gewebes  sechs  einzelne,  graugelbe,  nekro- 
tische Herde  bis  zu  Erbsengröße.  Verwachsung  des  Zwerchfell-  mit  dem  Herz- 
lappen beiderseits.  Im  Blind-  und  Grimmdarm  fünf  pfennig-  bis  markstück- 
große, glatte,  rötliche,  in  der  Peripherie  bräunlich  pigmentierte  Narben. 

Ferkel  c:  Graue  Hepatisation  des  rechten  Spitzen-  und  Herz- 
lappens und  des  vorderen  Drittels  des  Zwerchfellappens,  sowie  ein- 
zelner Läppchen  des  linken  Herz-  und  Zwerchfellappens.  Nekrose 
eines  keilförmigen,  walnußgroßen  Lungenabschnittes  im  rechten 
Zwerchfe  Happen;  Verwachsung  des  Lungenfells  in  der  Umgebung  dieses  nekro- 
tischen Herdes  mit  dem  Rippenfell.  Im  Dickdarm  vier  fast  markstückgroße, 
abheilende  Geschwürsflächen  von  der  bei  Ferkel  a  beschriebenen  Beschaffenheit. 
Die  Schleimhaut  in  der  ganzen  Ausdehnung  leicht  geschwollen  und  gerötet 
und  an  einzelnen  Stellen  mit  graugelben,  trockenen  Belägen  bedeckt 

Von  sechs  grauen  Mäusen,  die  mit  kleinen  Partikelchen  der 
erkrankten  Darmwand  des  Ferkels  c  subkutan  geimpft  waren, 
gingen  zwei  am  vierten  und  fünften  Tage  an  einer  Infektion  durch 


—    451     — 

den  Bac.  suipestifer  zugrunde.  Der  Bac.  suisepticus  wurde 
durch  den  Tierversuch  aus  den  erkrankten  Lungenteilen  rein 
gewonnen  und  auch  aus  den  direkt  angelegten  Kulturen  isoliert. 

Das  unter  allen  Vorsichtsmaßregeln  aufgefangene  Blut  der 
drei  Ferkel  diente  zu  einem  Übertragungsversuch  in  der  Weise, 
daß  das  Blutserum  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  im  Ver- 
hältnis 2 : 1  verdünnt  und  durch  Tonfilter  filtriert  wurde.  Von  dem 
Filtrat  erhielten  am  8.  Dezember: 

Ferkel  XXIX  und  XXX  je  '20  ccm  subkutan. 

Beide  Tiere  sind  hiernach  gesund  geblieben  und  auch  bei  der 
am  28.  Dezember  erfolgten  Tötung  und  Obduktion  ohne  Abweichungen 
befunden  worden. 

Die  hepatisierten  Lungenabschnitte  der  drei  ein- 
gesandten Schweine  fanden  zu  einem  weiteren  Versuch  Verwendung. 
Die  zerkleinerten  und  zerquetschten  Teile  wurden  mit  300  ccm 
steriler  Kochsalzlösung  aufgeschwemmt.  Von  dieser  Aufschwemmung 
erhielt,  nachdem  sie  vermittelst  eines  Fließpapierfilters  von  gröberen 
Bestandteilen  befreit  war,  am  8.  Dezember  1906: 

Ferkel  XXXI  10  ccm  subkutan. 

Durch  diesen  Versuch  sollte  die  Virulenz  des  nicht  filtrierten 
Materials  bewiesen  werden.  Am  gleichen  Tage  erhielten  von  der 
inzwischen  vermittelst  Reichelfilter  von  Keimen  befreiten  und 
dann  auf  Sterilität  durch  Übertragen  in  Bouillonröhrchen  geprüften 
Aufschwemmung : 

Ferkel  XXXII  30  ccm  subkutan. 

Ferkel  XXXIII  10  ccm  intrapleural. 

Das  Ferkel  XXXI  wurde  nach  mehrtägiger  Krankheit  am 
Morgen  des  15.  Dezember  tot  gefunden. 

Die  Obduktion  ergab  hochgradigen  Ikterus,  ausgebreitetes,  ent- 
zündliches Ödem  in  der  Umgebung  der  Impfstelle  und  die  Erscheinungen 
der  Septikämie.  Auf  den  mit  Ödemflüssigkeit  und  mit  Herzblut  besäten 
Agarnährböden  kamen  Reinkulturen  des  Bac.  suisepticus  zur  Entwicklung. 

Die  Versuchstiere  XXXII  und  XXXIH  wurden  am  28.  De- 
zember 1906  getötet, 

Ferkel  XXXII  war  vollkommen  gesund. 

Bei  der  Obduktion  von  Ferkel  XXXIII  wurden  in  der  Schleim- 
haut des  Blind-  und  Grimmdarms,  zumeist  auf  d6r  Höhe  der  Falten, 
unzählige  flache,  Stecknadelkopf-  bis  linsengroße,  vereinzelt  erbsen- 


—     452    — 

große  Geschwüre  mit  gerötetem  Grunde  und"  wallartig  erhabenem 
Rande  nachgewiesen.  Die  zugehörigen  Lymphdrüsen  waren  ein 
wenig  geschwollen  und  saftreich,  alle  anderen  Organe  unverändert. 
Es  ist  also  in  diesem  Falle  filtriertes  Blut  von  schweinepest- 
kranken Tieren,  die  gleichzeitig  mit  Schweineseuche  behaftet  waren, 
bei  subkutaner  Impfung  nicht  imstande  gewesen,  eine  Krankheit 
auszulösen.  Durch  intrapleurale  Verimpfung  filtrierten 
Lungensaftes  der  schweinepestkranken  Tiere  wurde 
Schweinepest,  dagegen  keine  Schweineseuche,  durch  sub- 
kutane Verimpfung  nicht  filtrierten  Lungensaftes  die 
septikämische   Form    der   Schweineseuche    hervorgerufen. 

T ersuch  IL 

Herr  Bezirkstierarzt  E.  in  W.  (Mecklenburg)  stellte  uns  aus 
einem  verseuchten  Bestände  seines  Bezirkes  5  kranke  Läufer  zur 
Verfügung.  Zwei  von  diesen,  die  an  akuter  Schweineseuche  im 
Gefolge  von  Schweinepest  litten,  dienten  zu  Versuchen: 

Ferkel  a:  Graue  Hepatisation  des  ganzen  Spitzen-  und  Herz- 
lappens und  der  vorderen  Abschnitte  des  Zwerchfellappens  bei- 
derseits sowie  des  Anhangslappens.  Fibrinöse  Pleuritis  im  Bereich 
der  erkrankten  Teile;  fibrinöse  Perikarditis;  parenchymatöse  Myokarditis.  In  der 
Schleimhaut  des  Blind-  und  Grimmdarmes  findet  man  zahllose  linsen-  bis 
erbsengroße,  graugelbe  bis  gelbbraune,  über  die  Oberfläche  der 
Darm  Schleimhaut  her  vorragende,  fest  mit  der  Unter  läge  verbundene 
Auflagerungen.  In  der  Nähe  der  Hüftblinddarmklappe  und  im  weiteren  Ver- 
laufe des  Grimmdarms  sind  dieselben  an  mehreren  Stellen  zu  ausgebreiteten 
Herden  zusammengeflossen.  In  anderen  Teilen  bilden  sie  zusammenhängende, 
schmale,  graugelbe  Streifen,  die  senkrecht  zur  Längsachse  des  Darms  der  Lage 
der  Schleimhautfalten  entsprechend  verlaufen.  Ein  Teil  dieser  Auflagerungen 
fühlt  sich  rauh  und  derb  an  und  knirscht  beim  Durchschneiden.  Die  Milz  ist 
leicht  geschwollen.    An  den  anderen  Organen  sind  keine  Veränderungen. 

Ferkel  b:  Hepatisation  eines  Toils  des  linken  Spitzen-  und 
Herzlappens,  sowie  des  ganzen  rechten  Spitzen-  und  Herzlappens 
und  einzelner  Lobuli  des  rechten  Zwerchfellappens;  fibrinöse 
Pleuritis;  Schwellung  der  Milz.  Umschriebene  Diphtherie  der  Blind- 
darmschleimhaut; Geschwüre  im  Grimmdarm,  zum  Teil  abgeheilt; 
Entzündung  des  Dünndarms. 

Zwei  mit  hepatisierten  Teilen  von  Ferkel  a  geimpfte  graue 
Mäuse  gingen  vor  Ablauf  von  4H  Stunden  ein.  Aus  ihrem  Herz- 
blut wurden  Reinkulturen  von  Schweineseuchebazillen  ge- 
wonnen, während  die  direkt  aus  der  Lunge  des  tot  hier  angekommenen 


—     453     — 

Tieres  angelegten  Agarkulturen  ein  Gemenge  verschiedener  Bak- 
terien, darunter  auch  ovoider,  enthielten.  Auch  der  Bac.  suipestifer 
wurde  in  Reinkultur  aus  dem  Herzblut  einer  von  zwei  mit  diphthe- 
rischen Stückchen  der  Darmschleimhaut  geimpften  Mäusen  erhalten. 
Die  hepatisierten  Lungenabschnitte  beider  Tiere  wurden 
zerkleinert  und  in  300  ccm  steriler  Kochsalzlösung  aufgeschwemmt. 
Um  die  Virulenz  dieser  Flüssigkeit  zu  prüfen,  sind  am  20.  De- 
zember 1906  verimpft  worden: 

an  Ferkel  XXXIV  6  ccm  subkutan; 

an  Ferkel  XXXV  3  ccm  intrapleural. 

Ferkel  XXXIV  starb  nach  30  Stunden. 

Die  Obduktion  des  Tieres  ergibt  entzündliches  Ödem  in  der  Gegend 
der  linken  Kniefalte,  der  Impfstelle,  parenchymatöse  Myokarditis,  Hepatitis 
und  Nephritis. 

Auf  Agarnährböden,  die  mit  Herzblut  des  Kadavers  beschickt 
wurden,  wuchsen  spärliche  Kolonien  des  Bacillus  suisepticus. 

Ferkel  XXXV  wurde  am  28.  Dezember  1906  getötet,  da  es 
schon  seit  mehreren  Tagen  schwere  Krankheitserscheinungen  zeigte. 

Bei  der  Obduktion  des  in  schlechtem  Nährzustande  befindlichen  Tieres 
wird  rechtsseitige  fibrinöse  Pleuritis,  fibrinöse  Perikarditis,  Hepati- 
sation des  größten  Teiles  des  rechten  Zwerchfellappens  und  eine 
leichte  parenchymatöse  Myokarditis  nachgewiesen.  In  dem  hepatisierten  Gewebe 
befindet  sich  ein  bohnengroßer,  nach  der  Pleura  kraterförmig  sich  öffnender 
Herd,  der  mit  grüngelbem,  eiterähnlichem  Inhalt  gefüllt  ist.  In  der  Umgebung 
dieses  Herdes  sind  die  interlobulären  Bindegewebszüge  verbreitert  und  eitrig 
infiltriert.  In  der  Rindenschicht  der  Nieren  dicht  unter  der  leicht  abziehbaren 
fibrösen  Kapsel  finden  sich  zahlreiche  punktförmige,  dunkelrote  Flecke.  Die 
Schleimhaut  des  Blind-  und  Grimmdarmes  weist  eine  größere 
Anzahl  linsen-  bis  pfennigstückgroßer,  graugelber  bis  graugrüner, 
trockener,  trüber  Herde  auf.  Durch  Zusammenfließen  mehrerer  Herde 
sind  an  einzelnen  Stellen  grüngelbe  Flächen  von  unregelmäßiger  Ausdehnung 
entstanden.  Die  Lymphknoten  des  Dickdarms  sind  geschwollen,  sehr  feucht, 
graurot,  zum  Teil  schwarzrot. 

Es  wurden  je  zwei  graue  Mäuse  geimpft  mit  hepatisierten 
Lungenteilen  und  mit  Teilen  diphtherischer  Darmschleimhaut. 
Sämtliche  Mäuse  verendeten  nach  48  bis  72  Stunden.  Aus  den 
ersten  beiden  ergaben  sich  Schweineseuchebazillen,  aus  den  letz- 
teren konnten  Schweinepestbazillen  nicht  gezüchtet  werden.  Die  mit 
Herzblut  dieser  Mäuse  beschickten  Agarröhrchen  blieben  steril. 

Inzwischen  war  die  kernhaltige  Flüssigkeit,  von  der  ein  kleiner 
Teil  zur  Infektion  der  Ferkel  XXXIV  und  XXXV  entnommen  war, 


—     454     — 

durch  Tonfilter  geschickt  worden.    Von   dem  so   erhaltenen  keim- 
freien Filtrat  erhielten  am  24.  Dezember  1906: 

Ferkel  XXXVI  10  ccm  intrapleural, 

Ferkel  XXXVII  13  ccm  subkutan. 

Beide  Tiere  erwiesen  sich  bei  der  nach  drei  Wochen  erfolgten 
Tötung  als  vollkommen  gesund;  selbst  die  Injektionsstelle  war  bei 
Ferkel  XXXVI  an  Rippen-  und  Lungenfell  nicht  mehr  nachzuweisen. 

Eine  Aufschwemmung  von  entzündeten  Lungenteilen  der 
schweineseuche-  und  gleichzeitig  schweinpestkranken  Schweine  hat  in 
diesem  Falle  im  filtrierten  Zustande  nichts  erzeugt,  im  unfiltriertem 
dagegen  bei  subkutaner  Injektion  eine  Schweineseuche- 
septikämie  und  bei  intrapleuraler  Injektion  akute  Schweine- 
seuche und  gleichzeitig  Schweinepest.  Mithin  hat  in 
diesem  Falle  die  gleichzeitige  Schweineseucheinfektion 
das  Zustandekommen  der  Schweinepestinfektion  be- 
günstigt. 

Versuch  III. 

HeiT  Kreistierarzt  0.  in  H.  (Westfalen)  sandte  am  19.  De- 
zember 1906  ein  getötetes  Schwein  von  annähernd  1  Ztr.  Gewicht 
dem  Institut  ein. 

Obduktionsbefund:  An  den  Lungen  sind  die  Spitzen-  und  Herz- 
lappen beiderseits,  etwa  das  vordere  Drittel  des  rechten  und  ein 
kleiner  Teil  des  linken  Zwerchfellappens,  sowie  der  größere  Teil 
des  Anhangslappens  groß,  graurot,  derb,  luftleer,  auf  der  Schnittfläche 
glatt  und  feucht.  Innerhalb  dieser  hepatisierten  Teile  sieht  man 
zahlreiche,  meist  dicht  unter  der  Pleura  gelegene,  gelbgraue,  teil- 
weise mit  einem  schmalen,  roten  Hof  umgebene  Stecknadelkopf- 
es linsengroße  Herde.  In  der  Nähe  der  Basis  der  Zwerchfellappen  fühlt 
man  beiderseits  in  der  Tiefe  des  lufthaltigen  Lungengewebes  mehrere  bis 
bohnengroße,  derbe  Herde,  die  auf  dem  Durchschnitt  gelbgrau  bis  grünlich- 
grau, trocken  und  trübe  erscheinen  und  von  einer  grauweißen  Bindegewebs- 
kapsel  umgeben  sind.  Das  Lungenfell  ist  beiderseits  mit  dem  Rippen- 
fell verwachsen;  es  besteht  auch  teilweise  Verwachsung  der  einzelnen 
Lungenlappen  untereinander.  Das  Lungenfell  ist  in  einzelnen  Teilen  verdickt 
und  undurchsichtig,  an  anderen  Teilen  trägt  es  zottige,  bindegewebige 
Anhängsel.  Die  Magenschleimhaut  ist  in  der  Fundusdrüsengegend  fleckig 
gerötet  und  leicht  geschwollen.  In  der  Blind-  und  Grimmdarmschleim- 
haut findet  sich  eine  größere  Anzahl  flacher,  linsenförmiger,  z.  T. 
auch  langgestreckter,  auf  dem  Kamm  der  Falten  befindlicher 
Geschwüre.  Daneben  befinden  sich  Defekte  von  gleicher  Gestalt,  die  in 
der  Vernarb ung  begriffen  sind.    Leber  und  Nieren  sind  durch  Fäulnis  verändert 


—     455     — 

Je  zwei  graue  Mäuse  wurden  geimpft  mit  hepatjsierten  und 
nekrotischen  Lungenteilen.  Alle  vier  Tiere  starben  innerhalb  vier 
Tagen,  aus  ihrem  Herzblut  wurden  Reinkulturen  des  Schweine- 
seucheerregers  gezüchtet.  Die  direkten  Kulturen  aus  dem  hepati- 
sierten  Gewebe  enthielten  ovoide  Bakterien,  die  aber  aus  der  großen 
Zahl  fremder  Bakterien,  die  in  dem  nicht  mehr  frischen  Material 
vorhanden  gewesen  waren,  nicht  isoliert  und  näher  geprüft  wurden. 

Die  hepatisierten  Lungenteile  wurden,  wie  üblich,  zer- 
kleinert, aufgeschwemmt,  durch  ein  Fließpapierfilter  und  dann  durch 
ein  Tonfilter  geschickt.  Eine  Probe  dieses  Materials  wurde,  bevor 
es  das  Tonfilter  passierte,  am  24.  Dezember  verimpft: 

an  Ferkel  XXXVHI  3  ccm  intrapleural, 
an  Ferkel  XXXIX  6  ccm  subkutan. 

Ferkel  XXXVin  starb  nach  sechs  Tagen  und  wies  parenchyma- 
töse Myokarditis,  Hepatitis,  Nephritis  und  Myositis,  sowie  fibrinöse 
Pleuritis,  Perihepatitis  und  Perisplenitis,  Milztumor  und  eine  leichte 
Entzündung  der  hinteren  Abschnitte  des  Grimmdarms  auf.  Kulturen 
aus  Herzblut  und  Milz  enthielten  sämtlich  ovoide  Bakterien,  daneben 
aber  auch  noch  größere,  längere  Bakterien,  die  aber  nicht  den 
Charakter  der  Schweinepestbazillen  trugen.  Eine  Kultur  aus  Milz 
enthielt  auch  Kokken,  die  sich  im  Ausstrich  als  gramfeste,  kurze 
Streptokokken  präsentierten.  Mit  Milzgewebe  subkutan  infizierte 
Mäuse  gingen  in  der  Nacht  vom  zweiten  zum  dritten  Tage  ein; 
das  Herzblut  der  einen  enthielt,  wie  die  Kulturen  lehrten,  nur 
Schweineseuchebazillen,  das  der  anderen  auch  noch  Streptokokken, 
die  den  oben  genannten  glichen. 

Ferkel  XXXIX  wurde  vier  Wochen  nach  der  Impfung  getötet. 

Obduktionsbefund:  Die  Schleimhaut  des  Dickdarms  zeigt 
geringe  Schwellung  und  Faltenbildung.  Auf  der  Höhe  vieler  Falten 
ist  sie  bedeckt  mit  grauen  bis  graugelben,  trockenen,  zerklüfteten, 
fest  anhaftenden  Belägen. 

Das  durch  Reiche  Ische  Tonfilter  erhaltene  keimfreie  Filtrat 
war  inzwischen  am  5.  Januar  1907  verimpft  worden: 

An  Ferkel  XXXX  zu  10  ccm  intrapleural, 
an  Ferkel  XXXXI  zu  10  ccm  subkutan. 

Zur  Kontrolle  dienten  zwei  nicht  behandelte  Tiere,  Nr.  XXXXII 
und  XXXXin.  Diese  vier  Tiere  wurden  nach  dreiwöchiger  Be- 
obachtung getötet  und  gesund  befunden. 


—     45G     — 

Auch  in  diesem  Falle  war  keimfreies  Material  eines 
schweinepestkranken  Schweines  unwirksam,  während  die  sub- 
kutane Verimpfung  des  gleichzeitig  den  Bacillus  suisepticus 
enthaltenden  Materials  Schweinepest  hervorrief. 

Aus  den  mit  Material  von  Schweinepest-  und  gleichzeitig  schweine- 
seuchekranken  Tieren  angestellten  Versuchen  geht  einmal  erneut  die 
Übertragungsmöglichkeit  der  deutschen  Schweinepest  durch  filtriertes 
Material  von  erkrankten  Tieren  hervor.  (Versuch  L)  In  dem  Ver- 
such I  hat  sich  auch  gezeigt,  dass  die  intrapleurale  Infektion  —  wie 
bei  anderen  Infektionskrankheiten  —  wirksamer  ist,  als  die  subkutane. 

Aus  den  vorstehenden  Versuchen  geht  ferner  in  Überein- 
stimmung mit  den  Ergebnissen  der  mit  reiner  Schweineseuche 
angestellten  Versuche  hervor,  dass  auch  das  Virus  der  die  Schweifte- 
pest  komplizierenden  Schtveineseuche  kein  filtrierbares  ist.  Denn 
durch  die  intrapleurale  Injektion  filtrierten  Lungenmaterials  umrde 
bei  Fall  I  keine  Schweineseuche,  sondern  Schweinepest  hervorgerufen. 
Andererseits  hatte  die  Übertragung  nicht  filtrierten,  den  Bac.  sui- 
septicus enthaltenden  Lungenmaterials  bei  intrapleuraler  Einver- 
leibung stets,  x.  T.  auch  bei  subkutaner  Einverleibung \  eine  Er- 
krankung an  Schweineseuche  zur  Folge  (Versuch  7,  II  und  III). 

Endlich  ist  den  Versuchen  (II  und  III)  zu  entnehmen,  dass 
die  gleichzeitige  Verimpfung  des  Bac.  suisepticus  die  Infektion  von 
Schweinen  mit  Schweinepestvirus  zu  begünstigen  vermag. 


Nachtrag. 

Bemerkungen  zu  der  Abhandlung  von  Dr.  Schreiber  „Zur  Ätiologie 
der  Schweinepest'. 

Der  Leiter  des  Bakteriologischen  Instituts  der  Serumgesell- 
schaft m.  b.  H.  in  Landsberg  a.  W.?  Dr.  Schreiber,  hält  nach 
einem  von  ihm  in  Nr.  18  der  „Berl.  tit»rärztl.  Wochenschr."  vom 
2.  Mai  d.  Js.  veröffentlichten  Artikel  an  der  ätiologischen  Bedeu- 
tung des  Bacillus  suipestifer  für  die  Schweinepest  fest  und  beruft 
sich  darauf,  daß  es  ihm  in  vielen  Versuchen  sicher  gelungen  sei, 
bei  Schweinen  mit  dem  Bacillus  suipestifer  alle  Formen  der 
Schweinepest  experimentell  zu  erzeugen.  Mit  filtriertem  Virus 
gelinge   es   nur   dann,   Schweinepest   zu  erzeugen,    wenn  der  Bac. 


—     457     — 

suipestifer  im  Schweineorganismus  zugegen  sei.  Das  filtrierbare 
Virus  sei  nichts  anderes,  als  „das  in  Wechselwirkung  mit  dem 
Organismus  gebildete  Toxin,  das  als  sogenanntes  Aggressin  im 
Sinne  Bails  infektionsbefördernd  wirkt  und  den  Schweinepest- 
bazillus, der  wie  der  Rotlautbazillus  ein  häufiger  Bewohner  des 
Darms  ist,  mobilisiert41.  Der  Schweinepestbazillus  gehe  in  seinen 
eigenen  Stoffwechselprodukten,  wenn  diese  eine  „bestimmte  Kon- 
zentration" erreicht  haben,  zugrunde,  so  daß  in  diesen  Fällen 
Bakterien  im  Tierkörper  nicht  nachzuweisen  seien.  Die  ätiologi- 
sche Bedeutung  des  Bac.  suipestifer  für  die  Schweinepest  sieht 
Schreiber  auch  noch  darin,  daß  der  Schweinebestand  seines  In- 
stituts, der  mit  Hilfe  des  Bac.  suipestifer  immunisiert  wurde,  nach 
Einschleppung  der  Schweinepest  von  Verlusten  verschont  blieb, 
und  daß  es  nicht  gelang,  durch  intravenöse  Injektion  von  filtrier- 
tem Virus  aus  genuinen  Fällen  bei  den  immunisierten  Tieren 
Schweinepest  zu  erzeugen.  Schreiber  ist  überzeugt,  daß  es  mög- 
lich sei,  die  Schweinepest  durch  passive  und  aktive  Immunisierung 
mittelst  des  Bac.  suipestifer  fernzuhalten.  Nur  müsse  das  Serum 
direkt  von  Schweinen  gewonnen  werden. 

An  diesen  Angaben  ist  wohl  nur  soviel  zutreffend,  daß  es  möglich 
ist,  mit  dem  Bac.  suipestifer  die  der  Schweinepest  eigentümlichen 
Nekrosen  zu  erzeugen.  Dieser  Umstand  hat  ja  bekanntlich  den 
für  die  Bekämpfung  der  Schweinepest  so  bedauerlichen  Irrtum  ver- 
ursacht, daß  der  Bac.  suipestifer  der  Erreger  der  Schweinepest  sei.  Die 
tödliche  Infektion  von  Schweinen  durch  den  Bac.  suipestifer  gelingt 
aber  von  der  Unterhaut  und  dem  Verdauungskanal  aus  nur  bei 
Verwendung  sehr  großer  Mengen,  und  auch  dann  nicht  immer, 
während  von  filtriertem  Blut  sehr  kleine  Mengen  genügen,  um  den 
Tod  unter  allen  Erscheinungen  der  Schweinepest  hervorzurufen. 
Ferner  läßt  sich  die  Schweinepest  durch  filtriertes  Blut  auch  dann 
übertragen,  wenn  der  Bac.  suipestifer  nicht  im  Organismus  nach- 
weisbar ist  (eigene  Untersuchungen  und  Theiler).  Die  Annahme, 
daß  der  Bac.  suipestifer  bei  einer  bestimmten  Konzentration  seiner 
Stoffwechselprodukte  zugrunde  gehe  und  sich  deshalb  oft  dem 
Nachweis  entziehe,  ist  eine  Hypothese,  deren  Unrichtigkeit  sich 
daraus  ergibt,  daß  sich  der  Bac.  suipestifer  bei  künstlicher  Ein- 
führung in  den  Organismus  in  den  durch  ihn  bedingten  nekrotischen 
Herden  ganz  erstaunlich  lange  lebensfähig  erhält.  Der  Deutungs- 
versuch Schreibers,    das   filtrierbare  Virus  der  Schweinepest   sei 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  6  30 


—    458     — 

nichts   anderes   als    das   filtrierte  Aggressin   des  Bac.   suipestifer, 
wird  durch  die  experimentelle  Tatsache  widerlegt,    daß  durch  Sui- 
pestifer-Aggressin,   das  aus  dem  Schweinekörper  gewonnen  ist,  bei 
gesunden  Schweinen  die  Schweinepest  nicht  erzeugt  und  auch  eine 
Immunität   gegen   die   natürliche  Ansteckung   nicht  hervorgerufen 
wird.    Ferner  läßt  sich  durch  Verimpfung   des  Blutes  von  Tieren, 
die  mit  dem  Bac.  suipestifer  infiziert  wurden  und  nach  der  Theorie 
Schreibers    die   Schweinepest-Aggressine    enthalten  müßten,    die 
Schweinepest  nicht  herbeifähren,   wie  schon  Dorset,  Bolton  und 
Mc.  Bryde   angegeben   haben.     Endlich  läßt   sich   mit  Hilfe  des 
Bac.  suipestifer   zwar  gegen   diesen  Mikroorganismus,   aber   nicht 
gegen  die  Schweinepest  immunisieren.  Diese  von  den  amerikanischen 
Forschern   und   hier   übereinstimmend   festgestellte  Tatsache  wird 
durch  die  summarischen  Angaben  Schreibers,  daß  seine  Immuni- 
sierung mit  Hilfe  des  Bac.  suipestifer  gegen  Schweinepest  schütze, 
nicht  aus  der  Welt  geschaßt.    Hätte  die  Schreibersche  Immuni- 
sierung einen  Erfolg,  dann  wäre  die  Schweinepest  nicht  mehr  die 
so  sehr  gefürchtete  Krankheit   von   heute.     Auch  Serum,    das   bei 
Schweinen   mit  Hilfe   des   Bac.    suipestifer    gewonnen   wird,    ist, 
wie   im   Hygienischen   Institut  hiesiger  Tierärztlichen  Hochschule 
schon,  vor  bald  zehn  Jahren  festgestellt  wurde,  kein  Mittel  zur  Be- 
kämpfung  der   Schweinepest.     Als    einfachster  Weg  zur  Klärung 
empfehle  ich,    die   von   mir   gemachten  Versuche  zu   wiederholen. 
Schweine   mit   sog.  Schweinepestserum   oder   dem  Bac.  suipestifer 
vorzubehandeln   und   dann   mit   der   gleichen    Zahl   von   Kontroll- 
tieren aus  der  gleichen  Bezugsquelle  in  einen  durch  Schweinepest 
verseuchten  Bestand  zu  verbringen.    Hierbei  zeigt  es  sich,  daß  der 
Bac.    suipestifer    und    ein    mit    seiner   Hilfe    hergestelltes    Serum 
im  Kampfe  gegen  die  Schweinepest  keinen  Schutz  zu  geben  vermag. 
Wenn  man  sich  diese  Tatsachen  vor  Augen  hält  und  weiter 
berücksichtigt,  daß  mit  filtriertem  Blut  krank  gemachte  Schweine, 
wie  schon  Dorset,  Bolton  und  Mc.  Bryde  gezeigt  haben,  gegen 
die  natürliche  Infektion  durch  Schweinepest  immun  sind,  dann  darf 
man    eine    weitere   Diskussion    darüber,    ob    das   Kontagium    der 
Schweinepest  ein  filtrierbares  Virus  und  nicht  der  Bac.  suipestifer 
ist,  als  müßig  bezeichnen. 


Die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  oder  schwarze 

Harn  winde. 

Eine  Monographie  auf  Grund  experimenteller  Erforschung  und 
praktischer  Erfahrung. 

Von 
Prof.  Dr.  M.  Schlegel, 

Tor« Und  des  tierbygieniichen  Instituts  der  Universität  Frtiburj  i.  Br. 

(Mit  Taf.  VI- VIII.) 

Einleitung. 

Die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  lenkt  schon  seit  mehr 
als  fünf  Jahren  die  regste  Aufmerksamkeit  auf  sich,  da  sie  wieder- 
holt als  gefürchtete  Pferdesterbe  viele  Pferdebestände  ganz  oder 
großenteils  dezimiert.  Als  ich  sodann  die  charakteristischen  patho- 
logisch-anatomischen Veränderungen  der  Krankheit  und  das  eigen- 
artige Auftreten  des  Erregers  in  denselben  erkannt  hatte,  trat 
ich  dem  Gedanken  näher,  welche  Ätiologie  der  bislang  nach  ihrer 
kausalen  Hinsicht  in  tiefes  Dunkel  gehüllten  schwarzen  Harnwinde 
zukomme.  So  manche  Berührungspunkte  dieser  beiden  Krankheiten, 
wie  die  Lähmungszustände  der  Nachhand,  die  Schwarzfärbung  des 
Harns,  die  Nierenveränderungen,  die  auffällige  Blutdissolution  u.  s.  f., 
ließen  mich  bei  diesen  beiden  Krankheitsformen  auf  eine  gemein- 
same ätiologische  Grundlage  schließen,  und  in  der  Tat  haben  nach 
langen  mühevollen  Arbeiten  die  exakt  durchgeführten  klinischen, 
pathologisch  -  anatomischen  und  bakteriologischen  Untersuchungen 
einer  Auswahl  der  aus  verschiedensten  Gegenden  herrührenden 
Fälle  von  schwarzer  Harnwinde  gelehrt  und  bewiesen,  daß  diese 
beiden  Krankheiten,  wie  im  nachfolgenden  in  allen  Stücken  begründet 
werden  soll,  durchaus  identisch  sind. 

Nach  dieser  gewonnenen  Erkenntnis  erschien  es  vor  allen 
Dingen  unerläßlich,  eine  erschöpfende,  alle  Teile  der  Seuche  um- 
fassende Monographie  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  oder 

30* 


—     460     — 

der  schwarzen  Haniwinde  unter  gebührender  Würdigung  und  Berück- 
sichtigung des  kritisch  gesichteten,  von  unseren  Autoren  überlieferten 
Erfahrungsmaterials  zu  verfassen  und  die  Lehre  der  Ursachen  der 
Entstehung  der  Krankheit,  ihre  epidemiologischen  Eigentümlichkeiten 
in  das  richtige  Licht  zu  stellen,  sowie  die  bisher  bestehenden 
traditionellen  irrtümlichen  Anschauungen  über  die  Veranlassung  zur 
Entwicklung  der  Krankheit  zu  widerlegen  bzw.  mit  den  tatsäch- 
lichen dispositionellen  Verhältnissen  in  Einklang  zu  bringen;  der 
bisherigen  Erkältungstheorie  kann  sonach  nur  noch  die  Rolle  eines 
disponierenden  oder  okkasionellen  Momentes  konzediert  werden, 
während  die  Hypothese  der  Autointoxikation  ganz  und  gar  fallen 
muß.  Der  bakteriologische  Nachweis  des  Streptococcus  melanogenes 
als  regelmäßiger  Saprophyt  im  Pferdedarm  und  seine  gelegentliche 
Umwandlung  in  den  gefährlichen  Infektionsträger  wird  der  Seuchen- 
forschung einen  Wegweiser  dafür  abgeben,  daß  künftighin  mehr 
Wert  auf  die  Berücksichtigung  der  Darmbakterien  zu  legen  ist. 

Von  größter  Wichtigkeit  erschien  es  sodann,  dem  prakti- 
zierenden und  beamteten  Tierarzt  eine  zuverlässige  klare,  unter 
Berücksichtigung  meiner  neuesten  Erforschungen  abgefaßte  Be- 
schreibung des  klinischen  und  pathologisch-anatomischen  Teiles  der 
Krankheit  an  die  Hand  zu  geben.  Dabei  war  es  von  besonderer 
Bedeutung,  im  epidemiologischen  Teile  den  eigenartigen  Seuchen- 
charakter der  Krankheit  an  der  Hand  einer  größeren  Auswahl  von 
mir  beobachteter  verschiedenartiger  Seuchengänge  zu  schildern,  die 
die  Eigenschaften  der  Streptokokkenseptikämie  als  Seuche  illustrieren 
sollen.  Darnach  erscheint  es  im  öffentlichen  Interesse  geboten,  der 
Frage  einer  veterinärpolizeilichen  Bekämpfung  der  infektiösen 
Rückenmarksentzündung  näherzutreten,  da  diese  zweifellos  als 
eine  der  schädlichsten  und  weitverbreitetsten  Pferdeseuchen  Platz 
gegriffen  hat. 

Für  den  Praktiker  war  des  weiteren  das  Kapitel  über  die 
Therapie  und  Prophylaxis  und  über  die  praktische  Bekämpfung 
der  Seuche  von  größter  Wichtigkeit,  weshalb  diesem  Teil  eine 
besonders  sorgfältige  Ausarbeitung  auf  Grund  der  gewonnenen  Er- 
fahrungen zugewendet  worden  ist.  Wiewohl  der  perakut  und  akut 
verlaufenden  Form  der  Streptokokkenseptikämie  mit  therapeutischen 
Maßnahmen  kaum  Einhalt  geboten  werden  kann,  so  läßt  sich  doch 
bei  den  subakuten  und  chronisch  verlaufenden  Fällen  therapeutisch 
manches  erreichen,  und  durch  die  Erweckung  des  allseitigen  Inter- 


—    461     — 

esses  an  dieser,  die  Landwirtschaft  in  noch  unberechenbarer  Weise 
schädigenden  Seuche  werden  in  Zukunft  auf  Grund  der  entwickelten 
und  vorgeschlagenen  prophylaktischen  Maßnahmen  viele  Pferde- 
bestände vor  der  geflirchteten  Infektion  nach  dem  bewährten  Lehr- 
satz „Vorbeugen  ist  besser  denn  Heilen"  bewahrt  werden  können. 
Die  ausführliche  Beschreibung  meiner  weiteren  biologischen 
Erforschungen  des  von  mir  im  Jahre  1906  entdeckten  In- 
fektionsträgers, des  Streptococcus  melanogenes,  die  ich  teilweise 
schon  in  Nr,  25  der  Berliner  Tierärztlichen  Wochenschrift  von  1906 
publiziert  habe,  war  unumgänglich  nötig,  sofern  man  eine  richtige 
Erklärung  über  die  hämatolytische  Wirksamkeit  und  über  die  im 
Blut  und  Harn  vor  sich  gehenden,  durch  den  spezifischen  Krank- 
heitsstoff bewirkten,  in  der  Pathologie  in  solchem  Grade  einzig 
dastehenden  Umsetzungsprozesse  des  Hämoglobins  in  Melanin  zur 
Veranschaulichung  bringen  wollte. 

Geschichte  und  Literatur. 

Die  historischen  Überlieferungen  über  die  Definition  der  in- 
fektiösen Rückenmarksentzündung  oder  der  schwarzen  Harnwinde 
ergeben  eine  große  Reihe  von  Synonymen,  die  von  alters  her,  und 
zwar  nach  den  Angaben  Fröhners1)  im  ersten  Drittel  des  19.  Jahr- 
hunderts, unter  den  verschiedensten  Namen  kursierten.  Im  Jahre 
1906  habe  ich  diese  Krankheit  als  infektiöse  Rückenmarksentzündung 
in  allen  Teilen  erforscht  und  auf  Grund  des  klinischen  Haupt- 
symptomes,  der  Rückenmarksentzündung  und  Rückenmarkslähmung, 
als  „infektiöse  Rückenmarksentzündung  des  Pferdes" 
(„Meningomyelitis  hämorrhagica  infectiosa  equi"),  „in- 
fektiöse Rückenmarkslähmung  des  Pferdes  (Paralysis  infectiosa)", 
„infektiöse  Osteomyelitis  des  Pferdes",  „Streptokokkenseptikämie" 
benannt,  Bezeichnungen,  denen  ich  die  von  jeher  gebräuchlichen 
Namen  der  nunmehr  mit  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
identischen  und  dieser  Seuche  einverleibten  schwarzen  Harnwinde 
wie  „Lumbago  gravis  equi",  „Hämoglobinämie  des  Pferdes",  „toxä- 
mische  Hämoglobinurie",  „Kreuzverschlag",  „Rückenmarkstyphus", 
„epizootische  Paraplegie",  „akuter  Morbus  Brightii"  als  Synonyme 
hinzufuge. 

2)  Friedberger  u.  Fröbner,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und 
Therapie. 


—     462     — 

In  der  Literatur  wird  seit  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
eine  eigenartige,  in  ihrem  Wesen  völlig  unbekannte,  seuchenhaft 
auftretende  Kückenmarkslähmung  erwähnt.  —  Eine  in  Indien  unter 
den  Pferden  seuchenhaft  aufgetretene  Lähmung  des  Hinterteils  be- 
schrieb unter  dem  Namen  „Kamri"  Burke.1)  —  In  Frankreich 
beschrieb  Com6ny  bei  Kavalleriepferden  eine  seuchenhafte,  unter 
Lähmungen  auftretende  Enzootie,  die  akut  und  subakut  unter 
Fiebererscheinungen  letal  verlief.  Die  Sektion  ergab  keine  greif- 
baren Veränderungen,  und  die  Krankheitsursache  blieb  unaufgeklärt. 
Dieselbe  ursächlich  unaufgeklärte,  stets  tödlich  mit  Lähmung 
verlaufende  Pferdeseuche  beschrieben  Mulotte2)  und  die  französi- 
schen Tierärzte  Grange  u.  Maguin,*)  Quentin  de  Seraucourt;4) 
auch  hier  blieb  die  Ursache  unaufgeklärt.  —  In  Wien  beobachtete 
Szerdahelyi  eine  ähnliche  seuchenartige  Krankheit  bei  Militär- 
pferden. —  In  Dänemark  ist  nach  Dahlström5)  eine  infektiöse 
Kreuzlähmung  ohne  besondere  Organveränderungen  schon  seit 
50  Jahren  bekannt  und  wurde  mit  der  Hämoglobinurie  für  identisch 
gehalten;  dieselbe  beobachteten  auch  Christiansen6)  und  Ras- 
mussen7)  in  Dänemark  bei  Fohlen.  —  In  Deutschland  berichtete 
eine  Reihe  von  Autoren  von  Zeit  zu  Zeit  über*  eine  seuchenhafte 
Rückenmarkslähmung,  wie  Kuli,8)  Arnheim,9)  Blome,  Lück,  Ölle- 
rich,10)  Schmidt,11)  Daweke,12)  Lothes  und  Bongartz18)  und 
Dieckerhoff.14)  Bezirkstierarzt  Prietsch15)  in  Grimma  beobachtete 
nach  Maisfutterung  „schwarze  Harnwinde"  enzootisch;  Erscheinungen, 


l)  Burke,  The  Veterinarian  70,  S.  263,  570. 
a)  Mulotte,  Rec.  de  m6d.  vet.  1897,  S.  750. 

3)  Grange  u.  Maguin,  Rec.  de  med.  v6t.  1897,  S.  491. 

4)  Quentin  de  Seraucourt,  Rec.  de  meU  v6t.  1898,  S.  423  u.  549. 

5)  Dahlström,  Schwedische  Zeitschrift  1898,  S.  188. 

6)  Christiansen,  Maanedsskr.  f.  Dyrl.,  13.  Bd.,  S.  169  u.  171. 

7)  Rasmussen,  ibidem,  S.  94. 

8)  Kuli,  Veröff.  a.  d.  Jahres -Veterinärber.  d.  b.  T.  Preußens  f.  1900—1902. 

9)  Arnheim,  ibidem  1901,  S.  26. 

lü)  Blome,  Lück,  Öllerich,  ibidem  1903,  S.  19  u.  20. 

")  Schmidt,  Archiv  f.  wiss.  u.  prakt.  Tierheilkunde  1885,  S.  407,  u. 
1901,  S.  306. 

ia)  Daweke,  ibidem  1901,  S.  305. 

13)  Lothes  u.  Bongartz,  Berliner  Tierärztl.  Wochenschr.  1899,  S.  535. 

14;  Dieckerhoff,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie. 

15)  Prietsch,  Bericht  f.  d.  Veterinärwesen  i.  Königreich  Sachsen  f.  d. 
Jahr  1893,  S.  114. 


—     463     — 

Verlauf  und  pathologische  Veränderungen  bei  den  erkrankten  elf 
Pferden  sprechen  für  das  Vorliegen  infektiöser  Rückenmarks- 
entzündung. Es  wurden  also  schon  von  Prietsch  identische  Fälle 
von  schwarzer  Harnwinde  und  infektiöser  Kückenmarksentzündung 
beobachtet.  —  Die  wirkliche  Natur  dieser  geschilderten  Pferde- 
krankheiten kann  nach  den  bestehenden  Mitteilungen  nicht  sicher 
erkannt  werden  und  möglicherweise  sind  dieselben  ätiologisch  ver- 
schiedenartig. Soviel  aber  ist  über  jeden  Zweifel  erhaben,  daß  seit 
langem  in  den  verschiedenen  deutschen  Bundesstaaten,  Preußen, 
Sachsen,  Baden,  Württemberg,  Hessen,  Elsaß-Lothringen  usw.,  eine 
von  Zeit  zu  Zeit  verheerende  und  gefürchtete  Rückenmarksseuche 
unter  Pferdebeständen  auftrat,  welche  mit  Vergiftungen  u.  s.  f.  ver- 
wechselt und  nicht  als  schwarze  Harnwinde  erkannt  wurde.  In 
Preußen  kam  diese  Seuche  in  den  Jahren  1901  und  1903  (Veröff. 
a.  d.  Jahres -Veterinärber.  d.  b.  T.  Preußens  1901  u.  1903)  über  die 
Kreise  Pr.-Eylau,  Hamm,  Arnsberg,  Euskirchen,  die  Rheinprovinz  usw. 
verbreitet  vor.  Der  erste  Autor,  welcher  durch  Abtrennung 
dieser  Krankheit  von  der  Harnwinde,  von  Vergiftungen  usw.  den 
über  das  dunkle  Wesen  dieser  Pferdeseuche  gehüllten  Schleier 
lüftete,  war  im  Jahre  1904  Herr  Kollege  Eberbach,1)  Tierarzt 
und  Direktor  der  badischen  Pferdeversicherungsanstalt  in  Karlsruhe, 
auf  dessen  Ersuchen  ich  zuerst  im  Herbst  1902  Skeletteile  von 
zwei  an  seuchenhaftem  Rückenmarksverschlag  erkrankten  Pferden 
bakteriologisch  untersucht  habe. 

In  Bayern,  Württemberg  und  dem  übrigen  Süddeutschland 
wurde  die  Krankheit  (nach  dem  Aussehen  des  dunklen  Harnes) 
schwarze  Harnwinde  genannt,  was  zur  Folge  hatte,  daß  man  nur  solche 
Fälle  mit  entsprechend  verfärb tem  Harn  irrtümlicherweise  als  schwarze 
Harnwinde  gelten  ließ.  Im  allgemeinen  wurde  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, daß  die  schwarze  Harnwinde  schon  von  alters  her  bekannt 
sei  und  eine  der  ältesten  Pferdekrankheiten  darstelle;  andere  Autoren 
haben  dagegen  beobachtet,  daß  diese  Krankheit  erst  seit  dem  ge- 
bräuchlichen Ausnützen  der  Arbeitskraft  schwerer  Pferdeschläge  zu 
schweren  Lastfuhrwerken  in  den  Vordergrund  getreten  sei,  zumal 
edlere  Pferderassen  zum  Rückenmarksschlag  zweifellos  weniger 
inklinieren.  Gemäß  einer  literarischen  Zusammenstellung  Fröhners2) 
finden   sich  in  den  tierärztlichen  Zeitschriften  seit  1840  Veröffent- 

*)  Eberbach,   Mitteilungen  des  Vereins  bad.  Tierärzte,  1904,  S.  53— 59. 
*)  Fröhner,  Archiv  für  wissensch.  und  prakt.  Tierheilk.,  1884,  Bd.  10. 


—     464     — 

lichungen  über  die  Krankheit.  Da  bei  derselben  die  Hämoglobinurie 
oft  fehlt,  so  hielt  Fröhner1)  diese  Bezeichnung  von  Bollinger 
für  unzweckmäßig,  vielmehr  sollte  das  Wesentliche  der  Erkrankung 
in  einer  Myositis  rheumatica  mit  Auflösung  des  Muskelfarbstoffes 
und  Übergang  desselben  in  das  Blut  beruhen,  er  behauptete  irrtüm- 
ich,  daß  die  Krankheit  ohne  Erkältung  noch  niemals  beobachtet  worden 
sei;  Fröhner  bevorzugte  daher  den  Namen  rheumatische  Hämoglobin- 
ämie;  die  Muskelerkrankung  wurde  demnach  für  die  Primäraffektion 
gehalten.  Gegen  diese  Erkältungstheorie  sprach  sich  Bongartz2) 
begründend  aus,  da  es  der  praktischen  Erfahrung  widersprach,  die 
Krankheit  lediglich  auf  Erkältung  zurückzuführen. 

Im  Jahre  1852  beschrieb  Hofer8)  die  schwarze  Harnwinde 
und  ihre  Erscheinungen  zuerst  ausführlich,  worauf  in  der  Folgezeit 
die  Krankheit  häufiger  diagnostiziert  wurde;  als  Hauptveränderungen 
galten  die  Blutdyskrasie,  die  Erkrankung  des  Rückenmarks,  die 
Entzündung  der  Nieren  und  die  Entzündung  der  Skelettmuskulatur. 
Die  Blutdissolution  stellte  man  sich  als  eine  typhöse  vor,  indem 
man  sie  mit  den  Blutveränderungen  des  Milzbrandes  verglich. 

Sticker4)  beurteilte  die  Krankheit  als  eine  Kreuzlähmung, 
hervorgerufen  durch  den  Genuß  giftiger  Futterstoffe.  Auf  Grund 
des  raschen  Ausbruches  der  Krankheit  nannte  man  dieselbe  Rücken- 
marksapoplexie. 

Frank5)  hielt  die  Krankheit  für  eine  Spinalparalyse  mit 
sekundärer  Lähmung  der  Nierennerven ;  dieser  Autor  wies  auch  ganz 
richtig  zuerst  auf  die  blutige  Verfärbung  des  Urins  hin,  die  nicht 
durch  intakte  Erythrozyten,  sondern  durch  aufgelöstes  und  aus- 
geschiedenes Hämoglobin  veranlaßt  werde. 

Vogel6)  war  der  erste,  welcher  die  schwarze  Harnwinde  als  eine 
wirkliche  Infektionskrankheit,  primäre  faulige  Blutvergiftung,  bezeich- 
nete; er  bezeichnete  auch  die  Bluterkrankung  als  das  Primäre, 
nicht  die  Rückenmarksparalyse,  und  war  der  Ansicht,  daß  septische 
oder  andere  deletäre  Stoffe  in  das  Blut  gelangen,  weshalb  er  die 
Karnkheit  toxämische  oder  dyskrasische  Rückenmarkslähmung  nannte. 


*)  Fröhner,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie. 
3)  Bongartz,  Archiv  für  wissensch.  und  prakt.  Tierheilk.  1885. 

3)  Hof  er,  Wiener  Vierteljahrsschrift  1852. 

4)  Sticker,  Preußische  Mitteilungen  1856. 

5)  Frank,  Adams  Wochenschrift  1873. 

6)  Vogel,  Repertorium  1873  und  1875. 


-     465     — 

Weinmann1)  und  Lechleuthner2)  sowie  Albert3)  be- 
zeichneten die  Krankheit  als  eine  primäre  Muskelaffektion,  die  durch 
eine  rheumatische  Entzündung   der  Lendenmuskeln  bedingt  werde. 

Friedb erger4)  schlug  für  die  Krankheit  den  Namen  Wind- 
rehe vor,  da  dieselbe  durch  Erkältung  hervorgerufen  werde,  das 
Rückenmark  erkranke  primär,  die  Nieren  sekundär. 

Siedamgrotzky  und  Hofmeister5)  veröffentlichten  umfang- 
reiche Untersuchungen  über  das  Wesen  der  Krankheit;  nach  ihnen 
sollten  primär  oder  sekundär  durch  allgemeine  Veränderungen  der 
Muskulatur  Blutveränderungen  entstehen,  bei  welchen  es  zur  Auf- 
lösung der  roten  Blutkörperchen  durch  die  Produkte  der  gesteigerten 
regressiven  Stoffmetamorphose  im  Muskel,  zur  Hämoglobinurie  und 
nachher  zur  Nephritis  kommt;  gleichzeitig  schilderte  Siedamgrotzky 
die  anatomischen  Veränderungen  der  Skelettmuskulatur.  Nach  spä- 
teren Untersuchungen  über  die  Zersetzung  des  Harnes  erklären 
diese  beide  Autoren6)  die  Erscheinungen  der  Krankheit  als  durch  eine 
Blutintoxikation  entstehend,  wobei  toxische  Stoffe  plötzlich  in  großer 
Menge  dem  Blute  zuströmen  und  die  Auflösung  der  Blutkörperchen 
bedingen  sollten,  und  zwar  supponierten  sie  als  Gift  den  Harnstoff  und 
die  in  seiner  Begleitung  auftretenden  Extraktivstoffe,  worauf  sich  die 
toxämische  Hämoglobinurie  bilde. 

Näher  kommen  dem  Wesen  der  schwarzen  Harnwinde  die  An- 
sichten von  Kolb,  Spinola,  Bollinger  u.  a.  Nach  Bollinger7) 
besteht  die  Krankheit  in  Hämoglobinurie,  in  Albuminurie  und  in 
Lähmung  oder  lähmungsartigen  Zuständen  der  Nachhand;  irrtümlich 
nahm  er  aber  an,  daß  der  Lähmung  eine  Rückenmarksaffektion 
nicht  zugrunde  liege,  sondern  die  Hämoglobinurie  beruhe  in  einer 
Autointoxikation,  wobei  durch  die  Einwirkung  des  Gehens  oder  der 
Kälte  ein  toxisches  Agens  (Ferment,  Ermüdungsprodukte)  entstünden, 
welche  die  roten  Blutkörperchen  zerstörten  und  Nephritis  mit  Hämo- 
globinurie erzeugten.    Dieser  Autor  stellte  die  Erkältung  als  Krank- 

')  Weinmann,  Adams  Wochenschrift  1860. 
")  Lechleuthner,  Adams  Wochenschrift  1868. 
3)  Albert,  Adams  Wochenschrift  1877. 
<)Friedberger,  Pütz'  Zeitschrift,  I,  1873. 

5)  Siedamgrotzky  und  Hofmeister,  Bericht  über  das  Veterinär- 
wesen im  Königreich  Sachsen,  19.  Jahrgang,  1874. 

6)  Siedamgrotzky  und  Hofmeister,  Bericht  über  das  Veterinär- 
wesen im  Königreich  Sachsen,  23.  Jahrgang,  1878. 

T)  Bollinger,  Deutsche  Zeitschrift  für  Tiermedizin  1877. 


—     466     — 

heitsursache  in  Abrede;  das  veranlassende  Agens  sollte  dem  Körper 
mit  der  Nahrung  zugeführt  werden,  weshalb  Bollinger  die  Be- 
zeichnung toxämische  Hämoglobinurie  vorschlug.  Diese  sympto- 
matologische  Bezeichnung  umfaßte  nicht  (wie  auch  andere  Namen) 
die  niederen  Grade  der  Krankheit,  bei  welchen  die  Ausscheidung 
von  Hämoglobin  durch  den  Harn  fehlt. 

Utz1)  teilte  die  Krankheit  in  eine  akute  Form  ein,  wobei  die 
Lähmungserscheinungen  von  Anfang  an  auftreten,  und  eine  subakute 
Form,  bei  der  sich  die  Lähmung  erst  vom  dritten  bis  fünften  Krank- 
heitstage ab  einstellt;  dieser  Autor2)  schilderte  in  einem  Vortrage 
gelegentlich  der  Sitzung  des  Vereins  badischer  Tierärzte  am 
31.  August  1878  eingehend  die  Eigenschaften  der  Krankheit.  An 
den  Vortrag  schloß  sich  eine  lebhafte  Diskussion  an,  nach  der  Utz 
die  schwarze  Harnwinde  damals  vor  etwa  20  Jahren  im  Groß- 
herzogtum Baden  nie  beobachtete;  schon  damals  erkrankten  mehr 
Pferde  des  schweren  Arbeitsschlages  als  dies  früher  der  Fall  war. 
Nach  Utz,  Schlieff  und  Stratthaus  wurden  aber  auch  Militär- 
pferde von  der  Krankheit  ergriffen,  und  Lydtin  konstatierte,  daß 
die  ätiologisch  beschuldigte  Weißrübenfütterung  allein  nicht  in 
Betracht  komme,  da  die  Krankheit  auch  bei  Pferden,  die  keine 
Rüben  erhalten,  beobachtet  werde.  Heute  muß  aber  betont  werden, 
daß  die  schon  früher  beobachtete  nachteilige  Rübenfütterung,  ebenso 
wie  die  Verfütterung  anderer  unzweckmäßiger  Futtermittel,  wenn 
sie  zu  Blähungen  und  Magen-Darmkatarrhen  fuhren,  ein  disposi- 
tionelles Moment  für  das  Eindringen  des  Krankheitserregers  vom 
Darme  aus  in  den  Körper  schafft  und  damit  der  Entstehung  der 
Krankheit  Vorschub  leistet. 

Dieck erhoff3)  hob  in  erster  Linie  die  entzündliche  Affektion 
der  Muskeln  und  Knochen  des  Hinterteils  hervor,  die  nie  fehle  und 
mit  heftigen  Schmerzen  verbunden  sei,  weshalb  ihm  der  Name 
Lumbago  gravis  am  passendsten  erschien;  er  erkannte  das  Wesen 
in  einer  akuten  Allgemeinkrankheit  mit  schwerer  parenchymatöser 
Muskelentzündung,  in  einer  blutigen  Infiltration  des  Knochenmarks, 
in  akuter  Nephritis  mit  Hämoglobinurie. 

Haubner,  Friedberger,  Csokor  und  Dexler  hielten  die 
Krankheit   für   eine  Rückenmarksentzündung,    während  die  älteren 


l)  Utz,  Badische  tierärztliche  Mitteilungen  1871,  S.  97. 

a)  Derselbe,  Badische  tierärztliche  Mitteilungen  1878,  S.  177. 

3)  Dieckerhoff,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie. 


—     467     — 

Autoren,  wie  Hofer,  Hering,  Bruckmüller,  Pflug  und  Zttndel, 
die  Erkrankung  als  Nierenentzündung  (akuten  Morbus  Brightii) 
interpretierten. 

So  kam  es  denn,  daß  die  Ansichten  über  das  Wesen  der 
Krankheit  von  jeher  weit  auseinandergingen,  worauf  schon  die  zahl- 
reichen unpassenden  Benennungen  derselben  hinweisen,  die  nicht  das 
eigentliche  Wesen,  sondern  die  einzelnen  Hauptsymptome  der  Krank- 
heit in  sich  begreifen,  was  zur  Folge  hatte,  daß  nur  bestimmte, 
diesen  Voraussetzungen  entsprechende  Krankheitsfälle  der  schwarzen 
Harnwinde  zugerechnet  wurden,  während  andere,  ätiologisch  eben- 
falls hierher  gehörige  Erkrankungen  irrtümlich  ausgeschlossen 
worden  sind. 

Im  Großherzogtum  Baden  habe  ich  in  den  Jahren  1903—1907 
in  15  Amtsbezirken  (Schwetzingen,  Heidelberg,  Pforzheim,  Breisach, 
Freiburg,  Säckingen,  Meßkirch,  Engen,  Bühl,  Waldkirch,  Überlingen, 
Villingen,  Achern,  Oberkirch,  Weinheim),  in  21  Ortschaften,  bei 
53  verendeten  Pferden,  sowie  im  Elsaß  in  einer  Ortschaft  bei  drei 
verendeten  Pferden  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  oder 
schwarze  Harnwinde  pathologisch-anatomisch  und  bakteriologisch 
festgestellt.  In  Wirklichkeit  kommt  die  Streptokokkensenche  aber 
viel  häufiger  vor. 

Dieses  Pferdematerial  lieferte  die  Grundsteine  für  die  be- 
schriebenen Forschungsergebnisse  und  zum  Aufbau  der  vorliegenden 
Monographie  über  diese  neue  Pferdeseuche,  mit  deren  Publikation 
ich  bis  zur  völligen  Ergründung  aller  Teile  derselben  zurückhielt, 
so  daß  mit  einem  Schlage  diese  interessante  Tierseuche  jetzt  in 
ihrer  ganzen  Ätiologie,  pathologischen  Anatomie,  Symptomatologie 
und  hinsichtlich  der  Prophylaxis  und  Therapie  aufgeklärt  ist. 

Es  handelt  sich  um  eine  spezifische  Streptokokkenseptikämie 
des  Pferdes,  die  sich  mit  Vorliebe  im  Rückenmark  und  seinen 
Häuten,  im  Mark  der  Skelettknochen,  in  den  Nieren  und  in  dem 
flüssigen  Gewebe  des  Blutes  lokalisiert.  Auf  Grund  des  klinischen 
Hauptsymptomes,  der  Lähmung  der  Nachhand,  habe  ich  die  Krank- 
heit (inkl.  der  schwarzen  Harnwinde)  „infektiöse  Rückenmarksent- 
zündung44, hervorgerufen  durch  den  von  mir  entdeckten  und  er- 
forschten Streptococcus  melanogenes,  benannt.  Seltsam  ist  es,  aber 
durch  mich  zur  Evidenz  bewiesen,  wenn  mitten  im  Rückenmark 
und  inmitten  der  Wirbel-  und  Röhrenknochen  des  kranken  Pferde- 
körpers bald  wie  in  Reinkulturen  zahlreiche,   bald  spärliche  Diplo- 


-     468     — 

Streptokokken  als  Ursache  einer  Seuche  gefunden  werden.  —  Sollte 
nicht  diese  charakteristische  Krankheitsentwicklung  neue  Ausblicke 
in  die  Genese  anderer,  noch  ungenügend  bekannter  Krankheiten 
des  Zentralnervensystems  und  der  Knochen  bringen  und  zu  leb- 
hafterer Untersuchung  dieser  Körperteile  Anregung  geben! 

Bisher  ist  diese  spezifische  Rückenmarksseuche  offenbar  mit 
verschiedenen  anderen  Krankheiten,  wie  der  idiopathischen  Rücken- 
marksentzündung, mit  Vergiftungen,  mit  perniziöser  Anämie,  mit 
Kolik,  mit  einfachem  Magendarmkatarrh,  mit  der  Bornaschen  Pferde- 
seuche, mit  einfachen  Nierenentzündungen,  vielleicht  auch  mit  Milz- 
brand und  Petechialfieber  vielfach  verwechselt  worden.  Diese  Krank- 
heit fügt  den  betroffenen  Pferdebesitzern  und  der  Landwirtschaft 
überhaupt  einen  noch  gar  nicht  übersehbaren  Schaden  bei,  indem 
sie  zumeist  mehrere  Pferde  rasch  aufeinander  oder  sukzessive  in 
längeren  Zwischenräumen  in  einem  Bestände  befällt,  sie  hat  daher 
ein  allgemeines,  ökonomisch  und  wissenschaftlich  gleich  wichtiges 
Interesse. 

Vorkommen  und  Disposition. 

Die  tierärztliche  Erfahrung  hat  bisher  nicht  mit  Sicherheit 
konstatieren  können,  daß  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung 
oder  die  schwarze  Harnwinde  außer  bei  dem  Pferde  auch  noch  bei 
anderen  Haustieren  und  beim  Menschen  vorkommt,  wiewohl  ver- 
schiedene Behauptungen  über  das  Auftreten  der  Krankheit  bei 
Schafen,  Hunden  und  beim  Geflügel  bestehen. 

Zur  Erkrankung  an  schwarzer  Harnwinde  oder  infektiöser 
Rückenmarksentzündung  disponieren  nicht  alle  Pferderassen  gleich. 
Daß  die  schweren  Arbeitspferde  zur  Krankheit  viel  häufiger  in- 
klinieren als  die  edlen  Pferderassen,  wird  schon  seit  vielen  Jahr- 
zehnten hervorgehoben.  Dieser  Umstand  dürfte  aber  mehr  darin 
beruhen,  daß  die  Pferde  der  schweren  Schläge  den  besprochenen 
dispositionellen  Verhältnissen  häufiger  ausgesetzt  sind  als  die  edlen 
Herde;  denn  nach  den  Berichten  der  Inspektion  für  das  Militär- 
Veterinärwesen  sind  in  der  deutschen  Armee  vom  1.  Januar  1879 
bis  1.  Oktober  1885  im  ganzen  66  Pferde  von  der  Krankheit  be- 
fallen worden.«  Geschlecht,  Farbe  und  Alter  sind  ohne  wesent- 
lichen Einfluß  auf  die  Krankheitsanlage;  jedoch  ist  bekannt,  daß 
das  mittlere  Alter,  vom  dritten  bis  zum  achten  Jahre,  vorwiegend 
betroffen  wird. 


—     469     — 

Mit  Vorliebe  werden  solche  Pferde,  die  frisch  zugekauft  worden 
sind,  von  der  Krankheit  ergriffen,  während  unter  dem  alten  Be- 
stände Erkrankungen  seltener  sind.  Auf  einem  Gute  trat  unter 
den  Rindern,  trotzdem  schwerkranke  Pferde  im  Rinderstalle  ver- 
endeten, die  Krankheit  nicht  auf;  ebenso  kamen  Erkrankungen 
unter  Schafen,  Ziegen  und  Schweinen  nicht  vor.  Auch  Menschen 
scheinen  sich  gegen  diese  Krankheit  refraktär  zu  verhalten,  wenig- 
stens führten  viele  Tierärzte  mit  kleinen  Verletzungen  ungestraft 
Sektionen  an  solchen  Pferdekadavem  aus,  obwohl  sie  sich  nicht 
desinfiziert  hatten. 

Das  Pferdegeschlecht  besitzt  demnach  eine  Gattungsdisposition 
für  diese  Streptokokkeninfektion;  aber  nicht  alle  Pferde  eines  von 
der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  befallenen  Bestandes  er- 
kranken, sondern  es  bleiben  zumeist  einige  Pferde  von  der  Seuche 
verschont.  Das  Pferd  muß  daher  dieser  Seuche  gegenüber  außer 
der  Gattungsdisposition  auch  eine  individuelle  Disposition  besitzen. 

Ätiologie  und  Pathogenese. 

Hinsichtlich  der  Entstehungsursache  der  Krankheit  richteten 
sich  die  ersten  Gedanken  auf  die  Möglichkeit  des  Befallenseins 
verschiedener  Futtermittel  oder  des  Wassers  mit  dem  Infektions- 
träger. Als  aber  eine  wiederholte  Nachforschung  über  die  Her- 
kunft der  Futtermittel  sowie  eine  eingehende  Untersuchung  der- 
selben ihre  tadellose  Beschaffenheit  erwiesen  hatten,  und  zumal  die 
Krankheit  seit  Jahren  die  Pferde  anderer  Stallabteilungen,  die  mit 
demselben  Wasser  und  denselben  Futtermitteln  gefuttert  wurden, 
verschonte,  während  unter  den  Arbeitspferden  einer  anderen  Stall- 
abteilung, in  welcher  die  an  dieser  Krankheit  verendeten  Tiere  stets 
durch  Zukauf  ersetzt  worden  waren,  periodische  Krankheitsfälle 
von  infektiöser  Rückenmarksentzündung  auftraten,  so  konnte  diese 
Entstehungsweise  vermittelst  infizierter  Futterstoffe  kaum  in  Be- 
tracht kommen.  Aus  denselben  Gründen  erschien  es  unwahrschein- 
lich, daß  dem  Trinkwasser,  da  Quelle,  Leitung  und  Beschaffenheit 
einwandfrei  erschienen,  eine  ätiologische  Bedeutung  zukomme.  Es 
wurde  nun  weiterhin  die  Möglichkeit  des  Befallenwerdens  in  der 
Krippe  übriggebliebener  feuchter,  zersetzter  Futterreste  durch  den 
Infektionsträger  aus  der  Luft  erforscht,  zumal  auch  die  Stall- 
einrichtungen   den    hygienischen    Anforderungen    keineswegs    ent- 


—     470     — 

sprachen;  in  einem  verseuchten  Gehöft  lief  beispielsweise  die 
Jauche  des  Einderstalles  durch  den  Pferdestall,  die  Stallböden 
waren  überdies  nur  einfach  gepflastert,  so  daß  die  Jauche  den 
Boden  durchsetzte  und  eine  Desinfektion  unmöglich  war.  Nachdem 
aber  auch  hierin  Wandel  geschaffen,  ein  vollkommen  einwurfsfreier, 
wasserdichter  Stallboden  aus  Dörritsteinen  und  Wände  mit  Zement- 
verputz und  Zementkrippen  geschaffen  waren,  stellte  sich  wiederum 
die  Krankheit  ein,  trotzdem  vorher  täglich  gründliche  Reinigung 
der  Futterkrippen  und  zeitweise  Desinfektion  des  gesamten  Stalles 
und  der  Brunnentröge  vorgenommen  wurden.  Dies  alles  legte  den 
Gedanken  nahe,  daß  die  Infektionsquelle  im  gesunden  Pferde  selbst 
liege.  Als  daher  der  Darmkanal  von  gewerblich  geschlachteten 
gesunden  Pferden  sowie  von  an  anderweitigen  Krankheiten  ver- 
endeten Pferden  und  von  an  infektiöser  Rückenmarksentzündung 
gefallenen  Pferden  bakteriologisch  untersucht  wurde,  stellte  sich 
die  überraschende  Tatsache  heraus,  daß  im  Darmkanal  der  ge- 
sunden Pferde  die  Streptokokken  auf  der  oberflächlichen  Schleim- 
hautschicht des  vorderen  Dünndarmabschnittes,  aber  auch  des 
Zökums  und  Kolons  saprophytisch  leben.  Ebenso  wurden  sie  bei 
anderweitig  erkrankten  Pferden  im  Darmkanal  nachgewiesen, 
während  sie  dagegen  bei  diesen  und  gesunden  Pferden  in  den 
inneren  Organen  und  im  Knochenmark  fehlten.  Ingleichen  fanden 
sich  im  Darmkanal  eines  an  schwarzer  Harnwinde  verendeten 
Pferdes  die  Diplostreptokokken,  während  sie  im  Knochenmark 
dieses  Pferdes  nicht  vorhanden  waren.  Im  Darmkanal  der  an 
Streptokokkenseptikämie  verendeten  Pferde  fanden  sich  die  Diplo- 
streptokokken erheblich  zahlreicher,  auch  andere  Darmsaprophyten 
waren  zahlreicher  vorhanden. 

Durch  die  weiteren  Beobachtungen  hatte  sich  sodann  heraus- 
gestellt, daß  solche  an  dieser  Streptokokkenseuche  erkrankte  Pferde 
vor  und  bei  Beginn  der  Krankheit  an  schleichenden  Magendarm- 
katarrhen gelitten  hatten,  deren  Veranlassung  auf  Mais-,  Kleien-, 
Rüben-  und  Kartoffelfutterung,  ferner  auf  Verfütterung  gefrorener 
Torfmelasse  usw.  zurückgeführt  werden  konnte.  Wiewohl  nun  diese 
Futtermittel  an  sich  von  tadelloser  Beschaffenheit  waren,  ist  bekannt, 
daß  ihre  dauernde  und  intensive  Verfütterung  bei  gewissen  Pferden 
leicht  Magen-  und  Darmkatarrhe  erzeugen  kann.  Bei  vielen  an 
Streptokokkenseptikämie  gefallenen  Pferden  begann  die  Krankheit 
unter  dem  Bilde  eines  Magendarmkatarrhs,  bald  bestand  Verstopfung, 


—     471     — 

bald  Durchfall  und  Flatulenz;  erst  dann  folgten  Glieder-  und  Knochen- 
schmerzen, Überköten,  Stellen  der  Füße  unter  den  Leib,  Lähmungs- 
zustände  der  Nachhand,  mittelgradiges  Fieber,  Melaninurie.  Infolge 
der  Mais-,  Rüben-,  Kartoffel-,  gefrorene  Melasse-  und  Kleienffltterung 
sowie  der  dadurch  bedingten  Magendarmkatarrhe,  insbesondere  aber 
bei  noch  anderweitigen  ungünstigen  Einflüssen,  wie  Überfütterung, 
Überanstrengungen  durch  schwere  Arbeit,  Erhitzungen  und  Schweiß- 
ausbruch, Erkältungen,  mangelhafte  Fütterung  und  Pflege,  schlechte 
Stallungen  u.  s.  f.,  tritt  bei  den  betroffenen  Pferden  eine  all- 
gemeine Schwächung  der  Konstitution  ein,  wonach  dem  Eindringen 
der  bisher  als  harmlose  Saprophyten  im  Darm  lebenden  Diplostrepto- 
kokken  wesentlicher  Vorschub  geleistet  wird.  Das  bei  solchen  Darm- 
veränderungen der  normalen  schützenden  Schleimschicht  entbehrende 
Darmrohr  und  die  zersetzten  Futterstoffe  schaffen  den  Diplostrepto- 
kokken  für  ihre  unbegrenzte  Vermehrung  einen  günstigen  Nährboden; 
stellenweise  wird  zudem  die  Epithelschicht  der  Schleimhaut  ab- 
geschuppt, so  daß  die  in  Massen  vorhandenen  Streptokokken 
gegebenenfalls  auch  unter  lokaler  wechselseitiger  pathogener  Ein- 
wirkung anderer  Darmbakterien  unschwer  in  die  oberflächlich  ge- 
legenenLymph-  undBlutgefäße  des  nunmehr  geschwächten  Organismus 
einzudringen  vermögen.  Dieser  Vorgang  wird  sich  vorwegs  von 
den  Ausführungsgängen  der  Darmdrüsen  aus  abspielen,  an  denen 
sich  die  Streptokokken  auch  bei  gesunden  Pferden  am  zahlreichsten 
vorfinden.  Außer  diesen  bezeichneten  Verhältnissen  gibt  es  noch 
viele  andere  ätiologische  Momente,  die  bei  gewissen  Pferden  eine 
individuelle  Disposition  veranlassen  und  das  Zustandekommen  dieser 
Infektion  wirksam  begünstigen,  wie  die  zahlreichen  Biß-  und  Saug- 
stellen der  verschiedensten  Darmparasiten  bei  Pferden.  So  beher- 
bergten beispielsweise  von  mir  sezierte,  an  Streptokokkenseptikämie 
gefallene  Pferde  zahlreiche  Östraslarven  im  Magen,  massenhaft  Spul- 
würmer, und  in  einem  Falle  fand  sich  in  einem  Lebergallengang 
mitten  in  der  Leber  ein  großes  weibliches  Exemplar  der  Ascaris 
megalocephala,  wobei  auffälligerweise  die  Schleimhäute  aller  Gallen- 
gänge massenhafte  Hämorrhagien  und  die  Leber  eine  erhebliche 
Schwellung  aufwiesen.  Ferner  aber  hat  sich  herausgestellt,  daß 
vor  allem  frisch  zugekaufte,  an  die  örtlichen  Verhältnisse  noch 
nicht  akkomodierte  Pferde  für  diese  Infektionskrankheit  disponiert  sind. 
Gelang  nun  dem  Infektionsträger  das  beträchtliche  Vordringen 
in  das  Lymphgebiet  des  Darmkanals  und  in  die  allgemeinen  Lymph- 


—     472     — 

und  Blutbahnen,  so  entfaltet  er  seine  pathogenen  Wirkungen  unter 
gleichzeitiger  Steigerung  seiner  Virulenz.  Da  die  Gekröslymph- 
drüsen  stark  vergrößert  und  durchblutet  sind,  so  dürfte  sich  die 
Infektion  zunächst  vorwiegend  durch  die  Lymphgefaßgebiete  des 
Darmkanals  vollziehen.  Sind  dann  die  Diplostreptokokken  ver- 
mittelst des  Blutkreislaufes  im  Körper  verbreitet,  so  wird  ihre 
Vermehrung  an  den  Prädilektionssitzen,  wie  in  den  Nieren,  der 
Milz,  dem  Knochen-  und  Rückenmark,  im  Blut  erfolgen.  Massen- 
haft finden  sich  die  Diplostreptokokken  in  den  Blutextravasaten 
der  Nieren  und  Nierenlymphdrüsen  (woselbst  sie  oft  haufenweise 
nach  Art  der  Phagozytose  in  Lymphzellen  und  Nierenepithelien  ein- 
geschlossen sind),  in  den  Blutungen  der  Lienaldrüsen  und  der  Milz 
(woselbst  sie  oft  zahlreich  in  Milzzellen  eingeschlossen  sind).  In 
beträchtlicher  Anzahl  treten  ferner  die  Diplostreptokokken  im  roten 
und  gelben  Mark  der  Röhrenknochen,  in  den  Markräumen  der 
Spongiosa  der  Rücken-  und  Lendenwirbel,  sowie  im  Gefaßblute  der 
Pia  mater  spinalis  auf;  aber  auch  inmitten  der  Rückenmarksubstanz, 
besonders  in  der  um  den  Zentralkanal  gelegenen  grauen  Substanz  und 
in  den  Blutextravasaten  der  Pia  mater  spinalis  kommen  die  Erreger 
zahlreich  vor,  und  zwar  liegen  sie  hier  oft  zu  Haufen  im  Protoplasma- 
leib der  Zellen  beisammen.  Ausnahmsweise  günstige  Wachstums- 
bedingungen sind  dem  Erreger  im  roten  Mark  der  Wirbel-  und 
Röhrenknochen  geboten,  woselbst  sich  die  Bildung  der  roten  Blut- 
körperchen und  deren  Vorstufen  abspielt.  Die  Diplostreptokokken 
rufen  in  den  Markräumen  der  Spongiosa  Entzündung  und,  wie  im 
Blute  selbst,  Auflösung  der  roten  Blutkörperchen  sowie  Umwand- 
lung des  Hämoglobins  in  Melanin  hervor,  so  daß  auf  den  Knochen- 
querschnitten eine  augenfällige  dunkelbraune  bis  tintenschwarze 
Verfärbung  in  Erscheinung  tritt;  auch  dieserhalb  verdient  der  Er- 
reger die  Benennung  Str.  melanogenes,  wie  noch  weiterhin  erörtert 
wird.  In  den  Nieren  gelangen  die  Streptokokken  nach  Berstung 
von  Kapillaren  in  den  Harn,  wodurch  dieser  wie  bei  Hämo- 
globinurie des  Pferdes  bierbraun  und  blutig  verfärbt  sein  kann 
und  den  Erreger  in  geringerer  oder  größerer  Anzahl  enthält.  So 
bedingt  der  Str.  melanogenes,  welcher  durch  Ausscheidung  giftiger 
Stoffwechselprodukte  besonders  die  Gefäßwände  schädigt  und  die 
lokale  Entzündung  erheblich  verstärkt,  eine  allgemeine  Strepto- 
kokkenseptikämie  bei  den  an  infektiöser  Rückenmarksentzündung 
oder  an   schwarzer  Harnwinde   erkrankten  Pferden.     Infolge   der 


—     473     — 

Ausscheidungen  des  jetzt  hochvirulenten  Erregers  mit  Kot  und 
Harn  wird  der  Stand  und  Stall  der  Pferde  verseucht,  wodurch 
dann  die  Einzelkrankheit  zu  der  gefürchteten  Stallepidemie  führen 
kann. 

Aber  auch  auf  künstliche  Art  läßt  sich  diese  Streptokokken- 
septikämie  bei  Versuchstieren  experimentell  dadurch  erzeugen,  daß 
man  beispielsweise  einer  Maus  streptokokkenhaltigen  Darmabstrich 
von  gesunden  Pferden  in  genügender  Menge  in  die  Unterhaut  ver- 
impft und  Streptokokken-Reinkulturen,  welche  in  allen  Stücken  mit 
dem  weiterhin  beschriebenen  Str.  melanogenes  übereinstimmen,  her- 
stellt. Infiziert  man  mit  den  so  gewonnenen  Streptokokken  Ver- 
suchstiere, so  hat  man  es  überraschenderweise  in  seiner  Macht,  die 
in  jeder  Hinsicht  mit  der  geschilderten  Streptokokkenseptikämie 
identische  Infektion  künstlich  hervorzurufen. 

Auf  Grund  weiterer  Untersuchungen  und  Erfahrungen  muß 
ich  konstatieren,  daß  die  schwarze  Harnwinde  in  extenso  ätiologisch 
und  pathogenetisch  zu  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  ge- 
hört. Eine  Reihe  exakter  klinischer,  pathologisch-anatomischer  und 
bakteriologischer  Untersuchungen  von  Fällen  typischer  schwarzer 
Harnwinde  haben  dies  gelehrt  und  bewiesen.  Zudem  konnte  durch 
sorgfaltige  Beobachtungen  dargetan  werden,  daß  auch  bei  schwarzer 
Harnwinde  oder  infektiöser  Rückenmarksentzündung  das  voraus- 
gegangene ein-  oder  mehrtägige  Ruhestadium  bzw.  auch  Überflitterung 
fehlen,  und  daß  die  Kruppenmuskulatur  besonders  in  akut  verlaufenden 
Fällen  bald  durch  Schwellung  gespannt  war,  bald  normale  Konsistenz 
besaß.  Der  Harn  ist  bei  infektiöser  Rückenmarksentzündung  bei 
vielen  Fällen  in  ganz  gleicher  Weise  verfärbt  und  verändert  wie 
bei  schwarzer  Harnwinde;  andererseits  kann  bekanntlich  auch  bei 
letzterer  die  Verfärbung  des  Harnes  fehlen. 

Das  ein-  oder  mehrtägige  Ruhen  der  Pferde  hat  für  die  Ent- 
stehung der  schwarzen  Harnwinde  oder  der  infektiösen  Rücken- 
marksentzündung an  sich  wenig  Bedeutung.  Neben  dem  einen 
Pferde  eines  Bestandes  nämlich,  welches  an  Harnwinde  oder  infektiöser 
Rückenmarksentzündung  erkrankt,  können  denselben  Verhältnissen 
hundert  andere  Pferde  ausgesetzt  sein,  ohne  daß  hieraus  bei  den 
letzteren  eine  Krankheit  entstünde.  Bekanntlich  wird  schon  in  den 
ältesten  Beobachtungen  hervorgehoben,  daß  weniger  das  Ruhen  als 
solches,  wie  vielmehr  die  während  dieser  Ruhezeit  vorkommende, 
unsinnige  Überfütterung    der   an    Sonn-   und  Feiertagen    ruhenden 

Zeitschrift  fßr  Infektionskrankheiten.     II,  G.  31 


-     474     ~ 

Pferde  ursächlich  mit  der  Entwicklung  der  schwarzen  Harnwinde 
bzw.  jetzt  infektiösen  Rückenmarksentzündung  in  kausalen  Konnex 
zu  bringen  ist  und  schädigend  wirkt,  was  nach  meiner  Ansicht 
vollständig  richtig,  aber  dahin  zu  interpretieren  ist,  daß  durch  der- 
artige unmäßige  Überfiitterungen  und  durch  die  im  Anschluß 
daran  entstehenden  Stagnationen  der  Darmingesta,  sowie  durch 
gefährliche  Verdauungsstörungen  •  und  Darmveränderungen,  Futter- 
anschoppungen u.  s.  f.  gerade  bei  Pferden,  welche  ruhen,  Blähungen 
und  Darmkatarrhe  u.  s.  f.  entstehen,  die  zur  Folge  haben,  daß  be- 
sonders hierunter  leidende  Darmpartien  ihrer  schützenden  Schleim- 
schicht verlustig  gehen,  worauf  dem  Eindringen  des  Infektions- 
trägers, der  Diplostreptokokken,  Tür  und  Tor  geöffnet  wird.  In 
einem  solchen  Darm  und  in  dessen  mit  eiweißreichem  Schleim, 
eventuell  auch  Blut  untermischten  Inhaltsmengen  finden  die  Diplo- 
streptokokken für  ihre  Vermehrungs-  und  Entwicklungsbedingungen 
bei  gleichzeitigen,  das  Bakterienwachstum  begünstigenden  Temperatur- 
verhältnissen einen  in  geeigneter  Weise  vorbereiteten  Nährboden; 
der  Infektionsstoff  vermag  dann  leicht  in  die  oberflächlich  gelegenen 
Blut-  und  Lymphgefäße  einzudringen,  gelangt  zunächst  in  die  Gekrös- 
drüsen,  die  vorwegs  vergrößert  und  entzündet  sind,  und  hierauf 
mit  dem  großen  Blutkreislauf  in  alle  Körperorgane. 

Ein  solches  im  Inkubationsstadium  der  infektiösen  Rücken- 
marksentzündung oder  der  schwarzen  Harnwinde  befindliches 
Pferd  erkrankt  leicht  begreiflich  nunmehr  plötzlich  und  schwer, 
sowie  es,  was  ja  am  Montag  früh  bzw.  am  Tage  nach  der  Ruhe 
und  Überfütterung  oft  der  Fall  ist,  rasch  und  schwer  arbeiten  soll. 
So  kommt  es  dann,  daß  die  im  ersten  Krankheitsstadium  der  in- 
fektiösen Eückenmarksentzündung  oder  der  schwarzen  Harnwinde 
stehenden  Pferde  bei  der  am  Tage  nach  der  Ruhe  und  Über- 
ftttterung  an  sie  gestellten,  meist  auch  außergewöhnlich  schweren 
Arbeit  nicht  mehr  genügen  können,  überraschenderweise  unterwegs 
zusammenbrechen  und  schwerkrank  daliegen,  ganz  wie  dies  bei 
einer  Reihe  anderer  Infektionskrankheiten  in  geläufiger  Weise  be- 
kannt ist. 

Diese  dispositionellen  Verhältnisse,  welche  die  Entstehung  der 
infektiösen  Rückenmarksentzündung  oder  der  schwarzen  Harnwinde 
überaus  begünstigen,  kommen,  wie  leicht  erhellt,  lediglich  für  dis- 
ponierte bzw.  schon  infizierte  Pferde  in  Betracht,  während  ceteris 
paribus    andere    Pferde   desselben  Bestandes   nicht   an   infektiöser 


~     475     — 

Rückenmarksentzündung  oder  schwarzer  Harnwinde    zu   erkranken 
brauchen  und  de  facto  auch  nicht  erkranken. 

Dagegen  kann  auch  eine  andere  Krankheit,  die  unter  ähn- 
lichen dispositionellen  Voraussetzungen  entsteht,  Platz  greifen,  näm- 
lich die  Kolik,  die  ebenfalls  durch  unrichtige  Fütterung  am  Sonn- 
tag und  anderen  Ruhetagen  bei  Pferden  oft  auftritt  und  bei  den 
ruhenden  Tieren  schwere  Darmschädigungen  hervorruft,  da  eben 
die  Peristaltik  des  Darmes  nicht  mehr  in  der  gebührenden  Weise 
funktioniert  und  die  angehäuften,  stagnierenden  Ingesta  nicht  richtig 
verarbeitet  und  in  dem  beispiellos  langen  Pferdedarmrohr  nur  un- 
genügend fortbewegt  werden.  Dazu  kommt,  daß  die  nicht  zu 
unterschätzenden,  gerade  die  Verdauung  bei  Herbivoren  günstig  unter- 
stützenden Körperbewegungen  an  solchen  Tagen  in  Wegfall  kommen. 

Enthält  daher  ein  derartig  disponiertes  Pferd  hinreichend 
virulente  Diplostreptokokken  in  größerer  Menge  in  seinem  Darm- 
rohr, so  ist  die  Entstehung  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
oder  schwarzen  Harnwinde  die  Folge;  ist  dies  nicht  der  Fall,  so 
können  andere  Krankheiten,  wie  Kolik  Platz  greifen,  oder  aber  die 
anderen  in  gleicher  Kondition  befindlichen  Pferde  können  ver- 
schont bleiben.  Fraglos  kommen  ferner  noch  andere  disponierende 
Momente  wie  schwere  Überanstrengungen,  Erhitzungen,  Schwitzen, 
Erkältungen,  dunstige  Stallungen,  schlechte  Futtermittel,  schlechte 
Pflege  u.  dgl.  m.  in  Betracht,  welche  die  Pathogenese  der  infektiösen 
Rückenmarksentzündung  oder  schwarzen  Harnwinde  in  besonderem 
Maße  begünstigen. 

Die  vorausgegangenen  Erörterungen  erklären  zur  Genüge, 
welche  Würdigung  dem  Ruhestadium  und  der  Überfütterung,  die 
übrigens  vielfach  überschätzt  und  unrichtig  gedeutet  worden  sind, 
für  den  kausalen  Zusammenhang  der  schwarzen  Harnwinde  bzw. 
infektiösen  Rückenmarksentzündung  gebührt.  Daß  durch  regel- 
mäßige Bewegung  und  zweckdienliche  Fütterung,  Pflege  und 
Haltung  der  Pferde  derart  schwere  Krankheiten  abgewendet  werden 
können,  liegt  auf  der  Hand.  Andererseits  muß  aber  ausdrücklich 
betont  werden,  daß  infektiöse  Rückenmarksentzündung  oder  schwarze 
Harnwinde  oft  genug  ohne  vorausgegangene  Ruhepause  oder  Über- 
fütterung und  noch  unter  anderen,  schon  eingangs  gebührend  ex- 
plizierten Bedingungen  entstehen  kann. 

Hieraus  ist  auch  ersichtlich,  warum  vorwegs  die  im  ökonomi- 
schen Dienste    arbeitenden    schweren  Pferderassen,    die    eben    den 

31* 


v*v 


—     47G     — 

nachteiligen  disponierenden  Verhältnissen  in  erster  Linie  und  häufig 
ausgesetzt  sind,  an  infektiöser  Rückenmarksentzündung  oder  schwarzer 
Harnwinde  erkranken,  während  aber  auch  die  Halbblut-  und  Voll- 
blutpferde sich  durchaus  nicht  immun  erweisen,  wie  eine  Reihe  kon- 
statierter umfangreicher  Seuchenausbrüche  von  infektiöser  Rücken- 
marksentzündung und  schwarzer  Harnwinde  unter  den  Armeepferden 
beispielsweise  Frankreichs,  Österreichs  und  Deutschlands  sowie 
eigene  Beobachtungen  bewiesen  haben. 

Akklimatisierte,  schon  lange  in  einem  Bestände  befindliche 
Pferde  besitzen  gegen  die  Erkrankung  der  infektiösen  Rücken- 
marksentzündung eine  weitgehende  natürliche  Resistenz,  die  da- 
durch als  entstanden  zu  erklären  ist,  daß  solche  Pferde  im  Laufe 
der  Zeit  kleinere  oder  weniger  virulente  Mengen  des  Infektions- 
stoffes in  ihren  Organismus  aufnehmen  und  dadurch  aktiv  immun 
werden,  was  für  frisch  zugekaufte  bzw.  importierte  Pferde  in 
das  Gegenteil  verkehrt  sein  kann,  weshalb  die  letzteren,  wie 
durch  zahlreiche  Beobachtungen  festgestellt  wurde,  vorherrschend 
zur  infektiösen  Rückenmarkserkrankung  inklinieren.  Daß  man 
in  der  Tat  imstande  ist,  Pferde,  Kaninchen,  Meerschweinchen 
und  Mäuse  gegen  infektiöse  Rückenmarksentzündung  aktiv  zu 
immunisieren,  haben  mich  eine  Reihe  von  Experimentaluntersuchungen 
an  Pferden  und  kleinen  Versuchstieren  gelehrt,  welche  zum  Teil 
beträchtlichere  Infektionen  mit  dem  Str.  melanogenes  überstanden 
und  sich  in  der  Folgezeit  gegen  weitere  Infektionen  refraktär  er- 
wiesen haben. 

Nachdem  in  einem  Pferdebestande  die  infektiöse  Rückenmarks- 
entzündung einmal  ausgebrochen  ist  und  die  Stallungen  und  Gerät- 
schaften mit  dem  virulenten  Infektionsträger  durchseucht  worden 
sind,  so  kann,  wie  beobachtet  wurde,  die  Krankheit  auch  nach  er- 
folgter Infektion  von  Quetschungen,  Schürfungen  oder  Druckschäden 
der  Haut  oder  von  Wunden  aus  ihren  Ursprung  nehmen. 

Alles  in  allem  genommen,  muß  daher  die  bislang  aufgerich- 
tete Scheidewand  zwischen  schwarzer  Harnwinde  und  infektiöser 
Rückenmarksentzündung  fallen.  Beide  Krankheiten  sind  auf  gleiche 
ätiologische  Grundlagen  zu  stellen.  Damit  wächst  die  ökonomische 
und  veterinärpolizeiliche  Bedeutung  der  infektiösen  Rückenmarks- 
entzündung in  ungeahnter  Weise,  sie  repräsentiert  offenbar  eine 
der  schädlichsten  Pferdeseuchen,  welcher  hinsichtlich  der  Verhütung 
und  Bekämpfung  die  ernsteste  Beachtung  gebührt. 


-     477     — 

Beurteilung  der  traditionellen  Lehre  von  der  schwarzen  Harnwinde. 

Von  alters  her  hat  man  der  Ernährung  und  Fütterung  der 
Pferde  einen  bestimmenden  Einfluß  auf  die  Entstehung  der  schwarzen 
Harnwinde  zugeschrieben.  Man  sah  die  in  gutem  Ernährungszustand 
befindlichen  Pferde,  die  fetten,  gemästeten  Pferde  am  meisten,  sel- 
tener magere  Pferde  erkranken,  und  in  direkten  Zusammenhang 
mit  dem  Einfluß  der  schädigenden  Fütterung  wurde  auch  die  an- 
haltende Ruhe  im  Stalle  gebracht.  Die  Krankheit  sollte  besonders 
bei  schweren  Arbeitspferden,  welche  zu  Weihnachten,  Ostern  und 
Pfingsten  zwei  oder  drei  Festtage  im  Stalle  verblieben  und  in 
dieser  Zeit  reichlich  mit  Körnerfutter  gefiittert  wurden,  am  fol- 
genden Tage  zu  Anfang  der  Arbeitsleistung  entstehen. 

Fröhner  und  andere  Autoren  betonten  in  erster  Linie  die 
Erkältung  nach  mehrtägiger  Stallruhe  und  starker  Fütterung  der 
Pferde  als  häufigsten  ursächlichen  Faktor.  Die  Erkältungstheorie 
wurde  darauf  gestützt,  daß  die  Pferde  zumeist  nach  dem  Heraus- 
nehmen aus  dem  Stalle  bei  der  Arbeitsleistung  erkranken.  Dieser 
Ansicht  widerspricht  aber  der  Umstand,  daß  auch  noch  im  Stalle 
befindliche  Pferde  ergriffen  werden;  es  kann  somit  der  Erkältung 
ein  derartig  ursächlicher  Einfluß  nicht  konzediert  werden,  und  zwar 
auch  deshalb  nicht,  weil  fast  ausschließlich  Pferde,  die  durch  schwere 
Arbeit  und  durch  die  Witterungsunbilden  abgehärtet  sind,  erkranken; 
auch  ist  nicht  einzusehen,  warum  solche  Pferde  durch  mehrtägige 
Ruhe  und  kräftige  Fütterung  für  Erkältungen  empfänglich  gemacht 
werden,  da  dies  eigentlich  der  Erfahrung  über  Erkältungskrank- 
heiten widerspricht.  Auch  der  Umstand,  daß  die  Pferde  erst  nach 
dem  Herausnehmen  aus  dem  Stalle  erkranken,  begründet  keines- 
wegs die  Erkältung,  welche  sonach  nur  als  okkasioneller  oder  dis- 
ponierender Faktor  gelten  kann;  denn  es  würde  sonst  die  Krank- 
heit gerade  bei  anderen  Pferden,  die  nach  noch  längerer  Stallruhe 
besonders  zu  Erkältungen  neigen,  vorwiegend  oft  vorkommen,  was 
aber  nicht  der  Fall  ist.  Die  Erkältungs-  und  Überfütterungstheorie 
beruht  daher  auf  falscher  Voraussetzung  und  teilweise  unrichtiger 
Beobachtung,  da  diese  Anschuldigungen,  wie  ich  wiederholt  nach- 
zuweisen in  der  Lage  war,  bei  den  meisten  Fällen  von  infektiöser 
Rückenmarksentzündung  oder  schwarzer  Harnwinde  fehlen. 

Die  Theorie  der  Autointoxikation,  wonach  Albuminate  bei 
reicher  Zufuhr  toxische  Wirkungen  hervorbringen,  wurde  namentlich 


—     478     --- 

von  Bollinger,  Dieckerhoff,  Schmidt-Mühlheim,  W.  Eber  u.  a. 
vertreten;  das  spezifische  Gift,  welches  die  Blutauf lösung,  den  Zerfall 
der  Muskulatur  und  die  Prozesse  in  den  Nieren  und  im  Knochen- 
mark hervorrufen  sollte,  blieb  unbekannt;  man  glaubte,  daß  reich- 
liche Zufuhr  und  mangelhafter  Verbrauch  von  Proteinsubstanzen 
die  wichtigsten  Faktoren  für  das  Zustandekommen  der  schwarzen 
Harnwinde  seien.  Die  Bildung  des  Giftes  im  Körper  ließ  man 
durch  die  Wirkung  eines  spezifischen  Fermentes  auf  die  Albuminate 
des  Blutes  entstehen.  Dabei  übersah  man,  daß  in  manchen  Ge- 
höften und  Gegenden  die  Krankheit  unter  den  Pferden  gehäuft 
auftritt,  wogegen  unter  denselben  Verhältnissen  gehaltene  Pferde 
verschont  bleiben,  was  doch  den  Wegweiser  für  das  Vorliegen 
einer  Infektionskrankheit  hätte  abgeben  müssen.  Daß  verdorbene 
Futtermittel  die  Krankheit  nicht  veranlassen,  wurde  schon  von 
Siedamgrotzky  zutreffend  hervorgehoben,  desgleichen  daß  auch  bei 
tadelloser  Fütterung  die  schwarze  Harnwinde  vorkomme;  dagegen 
beobachtete  man  ganz  richtig  schon  damals,  daß  im  Anschluß  an 
die  Verfutterung  von  Mehl,  von  Weiß-  und  Dickrüben,  von  Runkel- 
rüben und  Kartoffeln  die  Krankheit  auftrete. 

Auch  die  außergewöhnlich  rasche  Ausbildung  vieler  Krank- 
heitsfälle mußte  auf  das  Vorliegen  einer  Infektionskrankheit  und  auf 
einen  spezifischen  Infektionsstoff  hinweisen,  welcher  zum  Knochen- 
mark, Rückenmark  und  den  Nieren  eine  besondere  Affinität  besitzt. 
Die  parenchymatösen  Entzündungsprozesse  (Myositis  parenchyma- 
tosa)  gerade  in  den  Muskeln  der  Nachhand  mußten  ferner  nahe- 
legen, daß  diese  Prozesse  sekundär  und  dem  Grade  nach  mehr 
oder  weniger  von  der  Erkrankung  des  Rückenmarks  abhängen; 
ebenso  konnte  die  starke  Blutauflösung,  die  lackfarbene  Beschaffen- 
heit des  Blutes  auf  das  Vorliegen  einer  Infektionskrankheit  hin- 
weisen; die  Hämoglobinämie  und  Hämoglobinurie  an  sich  ist  kein 
spezifischer  Vorgang,  welcher  bekanntlich  durch  verschiedene  unorgani- 
sche und  organische  Gifte  veranlaßt  werden  kann. 

Dieselbe  Bedeutung  eines  okkasionellen  bzw.  disponierenden 
Momentes  kommt  wie  der  Erkältung  auch  der  Überanstrengung  der 
Pferde  bei  der  Entstehung  der  Krankheit  zu;  man  glaubte,  daß 
durch  Überanstrengung,  durch  Überhetzen,  durch  Distanzfahrten 
und  -ritte,  durch  anstrengende  Transporte  eine  Muskelentzündung 
in  der  Nachhand,  namentlich  der  Psoasmuskeln,  des  Longissimus 
dorsi,    der  Glutäen,  des  Quadriceps  femoris  und  der  Ankonäen  zu- 


—     479     — 

stände  komme;  dieselbe  sah  man  zutreffend  entweder  allgemein  oder 
an  einzelnen  Muskeln,  einseitig  oder  doppelseitig,  mit  oder  ohne 
Hämoglobinurie  verlaufen.  Nur  in  wenigen  Hämoglobinuriefällen 
fand  man  Erkältung  oder  Überanstrengung  ausgeschlossen,  und 
diese  Erkrankungen  wurden  in  einer  dem  Wesen  der  Krankheit 
näherkommenden  Weise  als  infektiöse  bzw.  toxämische,  hämotogene 
Hämoglobinämie  aufgefaßt. 

Epidemiologie. 

Der  Infektionsträger  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
oder  der  schwarzen  Harnwinde,  der  Strept.  melanogenes,  kommt, 
wie  ich  nachgewiesen  habe,  als  regelmäßiger  Saprophyt  im  Darm 
ganz  gesunder  Pferde,  auch  anderweitig  erkrankter  Pferde  und 
zahlreich  im  Darmkanal  der  an  Streptokokkenseptikämie  erkrankten 
Pferde  vor.  Unter  besonders  geeigneten,  im  Kapitel  der  Ätiologie 
und  Pathogenese  näher  beschriebenen,  dispositionellen  Voraus- 
setzungen nimmt  dieser  Saprophyt  bei  Steigerung  seiner  Virulenz 
pathogene  Eigenschaften  an,  indem  er  in  den  derartig  disponierten 
Pferdekörper  vom  Darmrohr  aus  eindringt,  nunmehr  seine  volle 
Pathogenität  entfaltet,  mit  dem  Blutkreislauf  im  ganzen  Körper 
verbreitet  wird  und  sich  in  den  für  die  Erkrankung  eine  besondere 
Gewebsdisposition  besitzenden  Organen,  so  im  Rückenmark,  im 
Knochenmark,  in  den  Nieren  und  in  der  Blutflüssigkeit  ansiedelt. 
In  diesen  Erkrankungsherden  findet  eine  intensive  Vermehrung  des 
Infektionsträgers  statt,  von  wo  aus  der  Gesamtorganismus  vom 
Infektionsstoff  überflutet  wird  und  der  generalisierten  Streptokokken- 
septikämie unterliegen  kann.  Ein  solches,  im  Pferdebestande  zuerst 
auf  rein  spontanem  Wege  an  Streptokokkenseptikämie  erkranktes 
Pferd  scheidet  sodann,  wie  bewiesen,  die  Diplostreptokokken  massen- 
haft mit  dem  Kot,  mit  dem  Harn,  mit  dem  Schweiß,  mit  Nasen- 
und  Maulschleim  und  -  mit  der  Atmungslnft  in  die  Außenwelt  ab, 
so  daß  die  Stallung,  die  Gerätschaften,  die  Geschirre,  die  Futter- 
mittel, die  Luft  mit  hochinfektiösem  Ansteckungsstoff  durchseucht 
werden.  So  entsteht  denn  im  Sinne  einer  miasmatischen  Krankheit 
(Schweinerotlauf,  malignes  Ödem,  Kälberruhr  usw.)  ein  sporadischer 
Fall  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  auf  rein  spontanem 
Wege.  Es  kommt  deshalb  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung 
unter  den  Pferden  betroffener  Stallungen  immer  wieder  vor. 


—     480     - 

Von  dieser  Zeit  ab  sind  die  übrigen  Stallinsassen  bei  direkten 
oder  indirekten  Berührungen  mit  dem  Patienten  großer  Krankheits- 
gefahr ausgesetzt,  da  sie  den  hochinfektiösen,  vom  kranken  Tier 
ausgeschiedenen  Infektionsstoff  durch  Hautverletzungen,  durch  Ein- 
atmung oder,  was  am  häufigsten  vorkommt,  durch  Verzehren  von 
infizierten  Futtermitteln  und  Wasser  aufnehmen  können,  so  daß 
sich  in  kürzester  Zeit  aus  dem  spontan  entstandenen  sporadischen 
Krankheitsfall  rasch  eine  kontagiöse  Stallseuche  (Enzootie)  nach  Art 
des  Schweinerotlaufes  oder  Milzbrandes  entwickeln  kann,  welcher 
zumeist  die  Mehrzahl  der  gefährdeten  Pferde  zum  Opfer  fallt. 

Gelangen  die  im  Inkubationsstadium  befindlichen  oder  die  sub- 
akuten oder  chronisch  kranken  Pferde  auf  die  Straße,  an  Brunnen, 
in  fremde  Ställe  u.  s.  f.,  so  kann  sich  durch  Verschleppung  und 
Verbreitung  des  Infektionsstotfes  seitens  der  kranken  Tiere  oder 
durch  Zwischenträger  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  auf 
mehrere  Pferdebestände  einer  Ortschaft  nach  Art  einer  Ortsseuche 
(Enzootie)  ausbreiten.  Aber  auch  auf  ganze  Distrikte  und  Länder 
breitet  sich  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  wie  eine  Epizootie 
aus,  sie  kommt  sowohl  auf  hohen  Gebirgen,  wie  in  Tälern  und  in 
'  der  Ebene  vor.  Die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  ist  in  allen 
deutschen  Bundesstaaten  und  in  den  übrigen  europäischen  Ländern, 
namentlich    in  Frankreich    und  Österreich-Ungarn  usw.    verbreitet. 

Die  einzelnen  Seuchengänge  der  infektiösen  Rückenmarks- 
entzündung können  sich  in  Beziehung  auf  die  Schwere  der  Er- 
krankungen sehr  verschieden  verhalten,  wie  im  Kapitel  der  Prognose 
näher  ausgeführt  ist.  In  manchen  Seuchengängen  verläuft  die 
infektiöse  Rückenmarksentzündung  auffallend  günstig  mit  einer 
Verlustziffer  von  bloß  20— 40°/0,  während  in  anderen  Seuchen- 
gängen dagegen  die  erstaunliche  Mortalitätsziffer  von  80 — 10O°/o 
nachzuweisen  ist. 

Bezüglich  seiner  Vermehrung  ist  der  Infektionsstoff  haupt- 
sächlich auf  den  Pferdekörper  angewiesen,  er  kann  sich  aber  auch 
in  der  Außenwelt  längere  Zeit  lebensfähig  und  virulent  erhalten. 
Das  Kontagium  ist  fix  und  flüchtig.  Die  infektiöse  Rückenmarks- 
entzündung ist  somit  eine  miasmatisch-kontagiöse  Krankheit. 

Seit  meiner  ersten  Veröffentlichung  über  die  infektiöse  Rücken- 
marksentzündung  in  der  Berliner  Tierärztlichen  Wochenschrift  190ti, 
Nr.  25,  habe  ich  eine  Reihe  von  neuen  Seuchenausbrüchen  sowohl 
klinisch  wie  pathologisch-anatomisch  und  bakteriologisch  untersucht 


481       - 

und  meine  Erfahrungen  durch  neue  wertwolle  Beobachtungen  be- 
reichert, die  im  nachstehenden  wegen  ihres  fachwissenschaftlichen 
und  volkswirtschaftlichen  Interesses  der  Öffentlichkeit  übergeben 
werden  sollen. 

Die  Seuche  kam  vorwegs  als  akute  Krankheitsform  vor, 
während  die  chronischen  Erkrankungsfälle  mehr  in  den  Hinter- 
grund traten. 

I.  Es  handelte  sich  zunächst  um  den  Seuchenausbruch  in  einem 
neun  Pferde  umfassenden  Bestände,  von  welchen  Mitte  Mai  1906  sieben 
Pferde  innerhalb  zwei  bis  drei  Wochen  jeweils  an  der  akuten  Krank- 
heitsform verendet  sind.  Die  Krankheit  befiel  die  einzelnen  Pferde 
teils  während  der  Arbeit,  teils  in  der  Ruhe;  sie  wurden  im  Hinter- 
teil gelähmt,  brachen  zusammen  und  zeigten  die  übrigen  geläufigen 
Erscheinungen  der  schwarzen  Harnwinde  oder  der  infektiösen 
Rückenmarksentzündung.  Nur  zwei  Pferde  blieben  in  der  Folgezeit 
von  der  Seuche  verschont. 

Bei  diesen  Krankheitsfällen  bestanden  die  Sektionsveränderungen  in 
Hyperämie  der  die  Oberschenkelknochen  zunächst  umgebenden  Muskulatur  und 
des  Periosts,  während  die  darumliegenden  dickeren  Muskelpartien  wie  bei 
schwarzer  Harnwinde  hochgradig  parenchymatös  degeneriert  und  graugelb  ver- 
färbt waren.  Die  proximale  Spongiosa  des  Femur  enthielt  münzengroße, 
blutig  infiltrierte,  schwarzrote  Entzündungsherde,  während  die  Spongiosa  der 
distalen  Epiphyse  nur  einige  kleine  hämorrhagische  Flecke  zeigte,  wahr- 
scheinlich deshalb,  weil  vom  Trochanter  medius  aus  und  durch  die  oberen  Er- 
nährungslöcher des  Knochens  größere  Ernährungsgefäße  in  die  obere  Epiphyse 
eintreten  und  im  Verlauf  derselben  größere  Blutungen  zustande  kommen  lassen. 
In  der  vorderen  Hälfte  des  gelben  Markzylinders  fand  sich  ein  hühnereigroßer, 
scharf  begrenzter,  auf  der  Schnittfläche  glatter,  homogener,  schwarzroter,  hämor- 
rhagisch-fibrinöser Infarkt,  welcher  von  der  Umgebung  scharf  demarkiert  war  und 
sich,  wie  dies  regelmäßig  beobachtet  werden  kann,  im  Anschluß  an  die  aus 
der  vorderen  Femurwand  in  den  gelben  Markzylinder  übertretenden  Ernährunga- 
getaße  entwickelt.  Die  Tibia  war  auf  dem  Sägeschnitt  unverändert.  Der 
Humerus  zeigte  im  gelben  Markzylinder  einige  blutige  Herde.  Die  Spongiosa 
der  Wirbel  enthielt  umschriebene  schwarzrote,  hämorrhagische  Infiltrationen, 
im  Wirbelkanal  zahlreiche  Blutaustrittc.  Die  Nieren  stark  geschwollen,  Rinde 
verbreitert,  graurot,  sowohl  in  Rinden-  als  Markschicht  zahlreiche  kleine  hoch- 
rote Blutpunkte  und  Blutfleckchen  (hämorrhagisch-parenchymatöse  Nephritis). 
Die  Leber  war  stark  hyperämisch  und  die  Milz  zeigte  mittelgradigen  Milz- 
tumor. Der  Darm  war  fleckig  und  streifig  gerötet,  mit  dickem,  geleeartigem, 
aufgelockertem  Schleim  bedeckt.  Die  Diplostreptokokken  wurden  bei  diesen 
Pferden  bakteriologisch  im  Darmschleim,  in  der  Milz,  in  den  Nieren,  im 
Knochenmark,  in  der  Spongiosa  der  Wirbel,  im  Exsudat  des  Rückenmarks- 
kanals spärlich  bis  zahlreich  festgestellt. 


-     482     - 

IL  Auf  einem  Sclüoßgute  verendeten  zwei  Ponies  innerhalb 
14  Tage  an  der  akuten  Form  der  Streptokokkenseptikämie  unter 
den  gleichen  Erscheinungen,  welche  sich  zuerst  in  Unruhe,  dann  in 
großer  Hinfälligkeit,  erschwerter  Atmung  und  anfanglich  übel- 
riechendem Durchfall  äußerten;  schon  innerhalb  eines  Tages  fahrte 
die  Krankheit  jeweils  zum  Tode. 

Die  Serosa  aller  Organe,  insonderheit  des  Darmes,  des  Zwerchfells,  des 
Herzens,  des  Herzbeutels  und  der  Lungen  enthielt  massenhaft  braunrote,  punkt- 
förmige bis  fleckige  Hämorrhagien,  in  denen  durch  die  bakteriologische  Unter- 
suchung zahlreiche  Diplostreptokokken  nachgewiesen  wurden.  Die  Seuche 
hatte  Ähnlichkeit  mit  Milzbrand,  welcher  jedoch  durch  den  negativen  bakterio- 
logischen Befund  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  konnte. 

III.  Gelegentlich  eines  weiteren  Seuchenausbruches  im  Elsaß 
verlor  ein  Pferdebesitzer  drei  Pferde  an  der  subakuten  Form  der 
infektiösen  Rückenmarksentzündung.  Die  Krankheitsfälle  verliefen 
unter  dem  klinischen  Bilde  der  perniziösen  Anämie,  nur  das  häufige 
Urinieren  und  die  gelblich-ikterische  Verfärbung  der  Schleimhäute 
begründeten  den  Verdacht  auf  infektiöse  Rückenmarksentzündung. 
Die  Krankheit  begann  mit  einem  leichten  Magen-Darmkatarrh,  unter- 
drückter Freßlust,  großer  Schwäche  und  Abmagerung.  Temparatur 
mittelhochgradig,  Pulse  85,  Atemzüge  25.  Nach  innerlicher  Be- 
handlung mit  Natrium  salicylicum  besserte  sich  das  Leiden,  die 
Temperatur  fiel  wieder  ab,  die  katarrhalischen  Darmerscheinungen 
verschwanden,  Appetit  wieder  gut.  Die  Lähmung  der  Nachhand 
stellte  sich  erst  kurze  Zeit  vor  dem  Tode  ein.  Diese  Fälle  waren 
unheilbar. 

Der  Krankheitsverlauf  erstreckte  sich  auf  sechs  Wochen  und 
beweist,  daß  die  meisten  Fälle  von  perniziöser  Anämie  durch  die 
Infektion  des  Str.  melanogenes  bewirkt  werden. 

Die  Spongiosa  und  das  gelbe  Mark  der  Oberschenkelknochen  —  die 
Röhrenknochen  waren  in  diesen  Fällen  vorwiegend  erkrankt  —  enthielten  zahl- 
reiche, teils  begrenzte,  teils  mehr  diffuse  hämorrhagisch-fibrinöse  Infarzierungen. 
Die  Veränderungen  der  Rtickenmarkshäute  und  des  Rückenmarks  waren  in 
diesen  Fällen  weniger  intensiv.  Die  Leber  hyperämisch  und  geschwollen; 
die  Nieren  hämorrhagisch-parenchymatös  entzündet;  die  Milz  wenig  verändert. 

Sowohl  im  Saft  der  erkrankten  Knochenpartien  als  auch  im  Abstrich 
der  Leber  fand  sich  dor  Str.  melanogenes  mäßig  zahlreich. 

IV.  Ein  schwer  schädigender  Seuchenausbruch  von  infektiöser 
Rückenmarksentziindung  ereignete  sich  in  dem  neun  Pferde  um- 
fassenden Bestände  einer  Kunstmühle,  in  welcher  binnen  eines  Zeit- 


-      483     - 

raumes  von  etwa  vier  Wochen  sechs  wertvolle  schwere  Zug- 
pferde gefallen  sind.  Die  Krankheit  verlief  akut  und  dauerte  zumeist 
nur  1—2  Tage,  zumal  bei  den  ersten  vier  Pferden,  die  innerhalb 
vier  Tagen  verendet  sind.  Die  Pferde  hatten  große,  viele  Stunden 
weite  Touren  an  schweren  Lastfuhren  von  morgens  früh  bis  abends 
spät  zu  leisten  und  erwiesen  sich  zuerst  „schlapp".  Nachdem  die 
Pferde  eingespannt  waren,  erkrankten  die  einen  plötzlich  unterwegs 
und  konnten  nur  mit  Mühe  heimtransportiert  werden;  im  Stalle 
legten  sie  sich  oder  sie  brachen  zusammen  und  konnten  sich  nicht 
mehr  erheben,  also  ein  gleicher  Vorgang,  wie  er  im  Anfang  der 
schwarzen  Harnwinde  beobachtet  wird.  Ein  Pferd  erkrankte  im 
Stalle  selbst,  und  zwar  wie  die  andern  Pferde  unter  Schweißaus- 
bruch, großer  Mattigkeit  und  Hinfälligkeit;  die  Pferde  wurden  gleich 
auf  allen  vier  Füßen,  besonders  aber  den  hinteren,  hochgradig 
schwach  und  drohten  zusammenzubrechen.  Im  Stalle  lagen  die 
Pferde  auf  einer  Seite  ziemlich  ruhig,  nahmen  auch  Futter  auf;  die 
Kruppen-  und  Lendenmuskulatur  etwas  gespannt,  Schweif,  Mast- 
darm und  Harnblase  nicht  gelähmt,  Harn  etwas  rötlich  verfärbt  und 
trüb,  ab  und  zu  führten  die  liegenden  Pferde  mit  den  Füßen 
schwimmende  und  schlagende  Bewegungen  aus,  Kopf  und  Hals 
wurden  zuweilen  aufgerichtet.  Die  Temperatur  der  Pferde  war 
hochnormal,  Pulse  70—80  und  darüber.  Die  Empfindlichkeit  war 
bei  den  einen  Pferden  nur  in  der  Nachhand,  bei  anderen  auf  der 
ganzen  Hinterhand,  am  Rumpf  bis  zur  Schulter  völlig  aufgehoben, 
so  daß  man  mit  Nadeln  tief  einstechen  konnte,  ohne  daß  die  Pferde 
hierauf  an  den  genannten  Stellen  reagierten;  dagegen  war  das 
Gefühl  an  der  Schulter,  am  Halse  und  Kopf  erhalten.  Die  Pferde 
verendeten  ohne  besonderen  Todeskampf;  bei  einigen  dieser  Pferde 
ging  ein  Ruhestadium  voraus,  während  es  bei  anderen  fehlte  und 
letztere  schon  einige  Stunden  nach  der  Heimkehr  noch  vor  Mitter- 
nacht erkrankten. 

Die  Sektionsveränderungen  bestanden  in  Milztumor,  besonders  zahlreichen 
schwarzroten  punkt-  und  fleckförmigen  Blutungen  unter  der  Milzkapsel,  Leber- 
schwellung, parenchymatös-hämorrhagischer  Nephritis:  Nieren  schwarzrot  bis 
blaurot,  sie  hellten  sich  einige  Zeit  an  der  Luft  liegend  hellrot  auf,  Nieren 
durch  Schwellung  um  die  Hälfte  vergrößert,  von  weicher  Konsistenz,  Schnitt- 
fläche stark  vorspringend,  Nierenrinde  verbreitert,  graurot,  Rindenzeichnung 
verwischt,  in  Rinden-  und  Markschicht  zahlreiche  strich-  und  punktförmige 
Blutungen,  Nierenlymphdrilsen  durch  Schwellung,  Entzündung  und  Blutungen 
walnußgroß,  braunrot  gefleckt.    Im  Fettmark  und  roten  Mark  der  Oberschenkel- 


-     484       - 

knochen  fanden  sich  bis  gänseeigroße  hämorrhagisch-fibrinöse  Infarzierungen, 
zum  Teil  sich  anschließend  an  den  Eintritt  der  Ernährungsgefäße  in  das  Fett- 
mark. Auf  der  gelben  Marksäule  der  Tibia  zahlreiche  braunrote,  fleckige 
Hämorrhagicn.  Spongiosa  der  Lendenwirbel  schwarzrot  erweicht.  Auf  und 
unter  der  harten  Rückenmarkshaut  finden  sich  fibrinös  blutige  Auflagerungen,  in 
welchen  Diplostroptokokken  massenhaft  enthalten  sind.  Harte  Rückenmarks- 
haut diffus  karminrot  verfärbt,  verdickt,  aufgequollen.  Arachnoidea  spinalis 
hochrot  Die  größeren  und  kleinsten  Gefäße  stark  hyperämiert,  durch  Injektion 
beträchtlich  ektasiert.  In  der  um  den  Canalis  centralis  gelegenen  grauen 
Rtickenmarkssubstanz  finden  sich  massenhaft  feinste  punkt-  und  fleckförmige 
Hämorrhagien  und  seröse  Infiltration,  so  daß  die  Marksnbstanz  daselbst  im 
Zustande  der  roten  Erweichung  sich  findet.  Muskulatur  der  Oberschenkel,  der 
Kruppe,  der  Lenden,  der  Schulter,  des  Herzens  hochgradig  parenchymatös 
degeneriert  und  serös  infiltriert  Schleimhaut  des  Darmes  fleckig  gerötet  mit 
geleeartigem  Schleimbelag. 

Durch  die  bakterioskopische  Untersuchung  wurden  auf  den  Rückenmarks- 
häuton,  in  der  Rückenmarkssubstanz,  in  den  erkrankten  Herden  des  roten  und 
gelben  Markes  der  Röhrenknochen  und  in  der  Spongiosa  der  Lendenwirbel, 
in  Nieren-,  Nierenlymphdrüsen-,  Milz-  und  Leber-Abstrichen  sowie  auf  der 
Schleimhaut  des  Darmes  die  Diplostreptokokken  in  den  einen  Fällen  mäßig 
zahlreich,  in  anderen  sehr  zahlreich  nachgewiesen,  auf  Nährböden  rein  gezüchtet, 
und  bei  den  mit  diesem  Material  infizierten  Versuchstieren  konnte  die  tödlich 
verlaufene  Streptokokkenseptikämie  erzeugt  werden. 

V.  Zu  derselben  Zeit  erkrankte  an  der  subakuten  Form  der 
infektiösen  Rückenmarksentzündung  das  einem  größeren  Pferde- 
bestande  von  neun  Pferden  einer  Brauerei  angehörige  Pferd;  die 
Krankheit  dauerte  acht  Tage  und  verlief  letal.  Das  Pferd  magerte 
seit  zwei  Wochen  stark  ab  und  zeigte  darauf  die  bekannten  kli- 
nischen Erscheinungen  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung,  be- 
sonders Schwanken  im  Hinterteil,  unsicherer  Gang  in  den  Hinter- 
gliedmaßen, Empfindungslosigkeit  in  der  ganzen  Hinterhand  bis  zu 
den  falschen  Rippenbögen.  Das  Pferd  ertrug  ohne  Reaktion  an 
Hinterextremitäten,  Kruppe  und  Flanken  tiefere  Nadelstiche.  Die 
Kruppenmuskulatur  war  auffällig  derb,  härter  als  normal.  Im 
Schritt  ging  das  Pferd  noch  gut,  während  es  nur  sehr  schwer  in 
Trab  zu  bringen  war,  wobei  der  Gang  beschwerlich  und  unbeholfen 
erschien.  Zudem  stellte  sich  starkes  Abmagern  und  Zusammenfallen 
im  Bauch  ein,  die  Schleimhäute  anämisch,  gelblich  verfärbt.  Dieser 
Patient  hatte  deshalb  im  Lebendzustand  wieder  mehr  Ähnlichkeit 
mit  dem  klinischen  Bilde  der  perniziösen  Anämie. 

Zehn  Wochen  später  trat  die  ansteckende  Rückenmarks- 
entzündung  bei   einem   weiteren  Pferde    desselben  Bestandes   auf. 


—     485     - 

Die  Erscheinungen  waren  ähnliche,  wie  sie  bei  der  schwarzen  Harn- 
winde beobachtet  werden. 

Der  Sektionsbefund  beider  Fälle  bestand  in  den  bekannten  Verände- 
rungen der  infektiösen  Rückenmarksentzündung,  besonders  in  hämorrhagischer 
Osteomyelitis  und  Periostitis.  In  den  erkrankten  Herden  wurden  bakteriologisch 
die  Diplostreptokokken  zahlreich  nachgewiesen. 

VI.  In  einem  andern  Amtsbezirk  brach  die  infektiöse  Rücken- 
marksentzündung bei  einem  Pferde  unter  Erscheinungen  der  von 
mir  geschilderten  Streptokokkenseptikämie  aus  und  verlief  schon 
nach  zwei  Tagen  tödlich,  während  die  zwei  übrigen  Pferde  des 
Bestandes  verschont  blieben. 

Die  Sektionsveränderungen  waren  für  ansteckende  Rückenmarksentzün- 
dung charakteristisch:  Im  gelben  Markzylinder  des  Femur  fand  sich  ein  hühnerei- 
großer dunkelbraunroter,  hämorrhagischer  Infarkt.  Der  Humerus  enthielt  auf 
der  Oberfläche  des  Fettmarkzylinders  einen  taubeneigroßen  hämorrhagisch- 
fibrinösen  Infarkt.  Die  Nieren  waren  erweicht,  geschwollen,  vergrößert,  Rinde 
granrot,  Rindenzeichnung  verwischt  (parenchymatöse  Nephritis).  Die  Milz 
zeigte  mittelgradigen  akuten  Tumor  mit  zahlreichen  Hämorrhagien  unter  der 
Kapsel.  Der  Darm  war  fleckig  gerötet,  mit  vermehrtem  Schleimbelag.  Der 
Str.  melanogenes  wurde  im  Abstrich  der  erkrankten  Herde  des  Knochenmarks, 
der  Nieren  und  der  Milz  mikroskopisch  mäßig  zahlreich  nachgewiesen  und  in 
Kulturen  rein  gezüchtet. 

VII.  Nach  Ablauf  von  zehn  Wochen  erkrankte  in  einer  be- 
nachbarten Gemeinde  ein  Pferd  unter  den  offensichtlichen  Erschei- 
nungen der  Streptokokkenseptikämie,  welches  der  Besitzer  wegen  Aus- 
sichtslosigkeit auf  Heilung  töten  ließ;  nach  mehreren  Wochen 
befiel  die  Seuche  ein  zweites  Pferd ;  die  übrigen  neun  Pferde  blieben 
in  der  Folgezeit  gesund. 

Die  Veränderungen  bestanden  in  Hyperämie  und  entzündlicher  Infil- 
tration der  Markzellen  der  Wirbel,  der  Spongiosa;  das  Endost  der  Wirbel  war 
dunkelschwarzblau  verfärbt,  hyperämisch.  Im  Epiduralraum  fand  sich  rötlich 
getrübte  Flüssigkeit,  die  Dura  mater  spinalis  gleichmäßig  und  fleckig  gerötet. 
Arachnoidea  spinalis  hochrot  verfärbt,  Gefäße  prall  gefüllt,  erheblich  erweitert, 
die  feinsten  Kapillaren  ramiform  injiziert,  deutlich  vortretend.  Die  graue 
Rückenmarkssubstanz  erwies  sich  in  der  Umgebung  des  Canalis  centralis  auf 
Querschnitten  mit  zahlreichen  feinsten  punkt-  und  strichförmigen  Hämorrhagien 
infiltriert  und  serös  erweicht  (Meningitis  spinalis  acuta,  Myelitis  hämorrhagica 
mit  roter  Erweichung).  Femur  und  Humerus  zeigten  hämorrhagische  Periostitis 
und  Osteomyelitis.  Die  Darmbeinschaufeln  sind  durch  blutig-entzündliche  In- 
filtration der  Spongiosa  und  der  Knochentafeln  tintenschwarzblau  verfärbt. 
Nieren  durch  Schwellung  vergrößert,  erweicht,  durch  die  Oberfläche  sind  zahl- 
reiche feine  Blutpunkte,  die  oft  in  Gruppen  zusammenliegen,  sichtbar;  an 
anderen  Stellen  sind  die  Nieren  fleck  weise  graugelb  verfärbt.  Schnittfläche  vor- 


—     48G     - 

springend,  Rinde  verbreitert,  graurot  mit  massenhaften,  staubförmigen,  feinsten 
Blutungen  in  Rinde  und  Marksubstanz  (akute  hämorrhagisch-parenchymatöse 
Nephritis;. 

Die  Diplostreptokokkcn  wurden  in  den  veränderten  Partien  mäßig  zahl- 
reich nachgewiesen. 

VIII.  Zur  gleichen  Zeit  und  in  demselben  Amtsbezirk  er- 
krankte von  fünf  Pferden  das  eine,  welches  abmagerte,  stark 
schwitzte,  im  Hinterteil  schwankte  und  auf  der  Kruppenmuskulatur 
nicht  gespannt  war,  hochgradige  Fiebertemperatur,  unfuhlbaren  Puls 
und  beschleunigtes  Atmen  zeigte. 

Bei  der  Sektion  erwies  sich  das  Kadaver  abgemagert,  Totenstarre  fehlte. 
Blut  teerartig,  lackfarben.  In  der  Bauchhöhle  blutig-seröse  Flüssigkeit,  die 
Darmschleimhaut  gerötet  und  aufgelockert,  Leber  durch  trübe  Schwellung  ver- 
größert; parenchymatös-hämorrhagische  Nephritis,  Milztumor,  in  der  Brusthöhle 
blutig-seröse  Flüssigkeit,  Pleura  unverändert,  Herzmuskulatur  durch  hochgradige 
parenchymatöse  Degeneration  graurot,  mürbe,  wie  gekocht.  Lungen  hyper- 
ämisch.  Femur  und  Humerus  zeigen  hämorrhagische  Osteomyelitis  und  hä- 
morrhagische Periostitis.  Der  Str.  melanogenes  wurde  spärlich  nachgewiesen 
(infektiöse  Rückenmarksentzündung). 

IX.  In  einem  anderweitigen  Distrikt  befiel  ein  akuter  seuchen- 
hafter  Verschlag  der  Nachhand  die  vier  Pferde  eines  Holz-  und 
Steinfuhrmannes  derart  überraschend  und  heftig,  daß  innerhalb 
dreier  Tage  drei  Pferde  erkrankten  und  verendeten;  zwei  Pferde 
verschieden  an  einem  Tage,  das  dritte  am  andern  darauf.  Es  waren 
Halbblut-  und  Kaltblutkreuzungen  beiderlei  Geschlechts  im  Alter 
von  14—18  Jahren;  der  Ernährungszustand  war  bei  den  drei  ver- 
endeten Pferden  ein  guter.  Ein  viertes,  beiderseits  mondblindes, 
minderwertiges  Pferd  blieb  verschont,  nachdem  es  rechtzeitig 
separiert  worden  war.  Die  Fütterung  der  Pferde,  die  verabreichten 
Futtermittel  und  das  Wasser  waren  in  jeder  Beziehung  tadellos. 
Die  Pferde  wurden  täglich  zu  Langholz-,  Scheiterholz-  und  Stein- 
fuhren verwendet,  was  wiederholte  Anstrengungen,  Erhitzungen  und 
Erkältungen  derselben  (prädisponierende  Momente  für  die  Entstehung 
der  ansteckenden  Myelitis)  bei  schlechter  Witterung  mit  sich  brachte ; 
zudem  befanden  sich  im  Stalle  der  vier  Pferde  noch  drei  Kühe  und 
ein  Kalb.  Die  Stalluft  war  daher  dunstig;  die  Jauche  floß  un- 
genügend ab;  unter  dem  hölzernen  Stallboden  fand  sich  die  Jauche- 
grube. Die  Pferde  kamen  mit  fremden  im  letzten  Vierteljahre  nach 
Art  des  Betriebes  nicht  in  Berührung. 

Der  Verlauf,  die  Erscheinungen  und  Sektionsveränderungen 
waren    bei    den    drei  Pferden  übereinstimmend,    die  zuerst  bei  der 


—     487     - 

Arbeit  „schlapp"  wurden,  schwitzten,  im  Hinterteile  steif  gingen, 
stolperten,  schwankten;  Futter-  und  Getränkaufnahme  waren  relativ 
gut.  Die  Lähmung  der  Nachhand,  der  allgemeine  Schweißausbruch 
nahmen  zu;  im  Hängegurt  konnten  die  Pferde  wieder  mehrere 
Stunden  stehen  und  trippelten  mit  den  Hinterfüßen.  Zwei  Pferde 
setzten  wie  bei  schwarzer  Harnwinde  wiederholt  dunkelbraunen, 
blutig  verfärbten  Harn  ab.  Die  Muskulatur  war  gespannt,  derb 
wie  bei  Harnwinde.  Die  Pferde  brachen  bei  freiem  Sensorium 
unter  ausgebreitetem  Schweißausbruch  zusammen,  führten  am  Boden 
wTie  bei  Harnwinde  schwimmende  und  schlagende  Bewegungen  mit 
den  Füßen  aus  und  verendeten  ohne  auffällige  Agonie.  Das  kli- 
nische Bild  und  der  Krankheitsverlauf  dieser  drei  verendeten  Pferde 
glich  durchaus  dem  bei  schwarzer  Harnwinde. 

Wiewohl  dem  Pferdebesitzer  wiederholt  insinuiert  wurde, 
längere  Zeit  vom  Zukauf  neuer  Pferde  abzusehen,  so  erstand  der- 
selbe schon  nach  14  Tagen  wieder  zwei  neue  Pferde,  von  denen 
das  eine  (achtjährige  Braunstute)  vier  Wochen  darauf  nach  einer 
zweiwöchigen  Krankheitsdauer  verendete. 

Pathologisch-anatomische  Veränderungen  bei  den  vier  gefallenen  Pferden: 
Kadaver  abgemagert,  Totenstarre  fehlt;  Kadaver  auffällig  rasch  in  Fäulnis 
übergehend  (allgemeine  Septikämie!);  Blut  lackfarben,  dickflüssig,  schwarzrot; 
Skelettmuskulatur  der  Kruppe,  der  Lenden  (des  Longissimus  dorsi,  des  Psoas 
major  und  minor),  der  Ankonäen  und  des  Herzmuskels  sind  infolge  hoch- 
gradiger parenchymatöser  Degeneration  und  hochgradiger  seröser  Infiltration 
im  inter-  und  intramuskulären  Bindegewebe  bzw.  infolge  parenchymatöser 
Myositis  mürbe,  brüchig,  graurot,  wie  gekocht  und  von  kleineren  und  größeren 
Blutungen  durchsetzt;  in  der  Nähe  der  Oberschenkelknochen  und  der  Lenden- 
wirbel finden  sich  bis  handtellergroße  Blutlachen,  alles  Veränderungen,  wie  sie 
von  altersher  bei  schwarzer  Harnwinde  vorzukommen  pflegen. 

In  der  Bauchhöhle  ca.  2  Liter  rötlich  getrübter  Flüssigkeit.  Bauchfell 
stellenweise  getrübt,  undurchsichtig,  gerötet;  Gefäße  des  Peritoneums  ramiform 
injiziert.  Im  Verlauf  der  Gefäße  der  Darmserosa  zahlreiche  punkt-  und  fleck- 
förmige Blutungen.  Magen  und  Darm  wenig  gefüllt,  Schleimhaut  fleckig  und 
streifig  gerötet,  mit  vermehrtem  Schleimbelag.  Trübe  Schwellung  der  Leber; 
mittelgradiger  Milztumor  mit  schwarzroten  subkapsulären  Blutungen;  die  Milz 
enthält  eine  gleich  veränderte  hühnereigroße  Nebenmilz.  Nieren  durch  Schwel- 
lung um  die  Hälfte  vergrößert,  graurot,  erweicht,  Rindenzeichnung  verwischt, 
mit  hanfkorngroßen  Blutungen.  Blasenschleimhaut  gerötet,  von  schleimig- 
blutigem Harn  bedeckt.  Lungen  zeigen  Stauungshyperämie  und  agonales  Ödem. 

Knochen:  Spongiosa  des  Femur  auf  der  Sägefläche  mit  tintenschwarzen 
Verfärbungen,  mürbe;  Markräume  blutig  infiltriert;  Fettmark  durch  hämor- 
rhagisch-fibrinöse Infarkte  schwarz  gefärbt  oder  breiig  erweicht. 


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!  Wirbel:  Auf  der  Spaltfläche  pechschwarz;  Markzcllen  teils  durch  blutige 

Infiltrationen  ausgefüllt,  teils  ist  die  Wirbelspongiosa  porös,  brüchig  und  ent- 
hält überlinsengroße  Lakunen  Rückenmarkshäute  entzündlich  gerötet,  Gefäße 
hyperämiert;  Rückenmark  selbst  durch  zahlreiche  Blutungen  und  rote  Er- 
weichung in  einen  dickrahmigen,  gelbrötlichen  Brei  umgewandelt.  Diese  mye- 
litischen Veränderungen  beziehen  sich  lediglich  auf  das  durch  Fäulnis  nicht 
veränderte  Lendenmark,  während  die  nach  vorn  gelegenen  Rückenmark-,  Hals- 
mark- und  Gehirn  Substanz,  abgesehen  von  geringgradiger  Stauungshyperämie 
und  Stauungsödem,  eine  normalfeste  Konsistenz  aufweisen. 

Pathologisch-anatomische  Diagnose:   Meningitis   spinalis   hämorrhagica; 
rote   Erweichung    des    Rückenmarks;    hämorrhagisch -fibrinöse    Osteomyelitis; 
1  parenchymatöse   Nephritis;   trübe    Schwellung   der   Leber;   akuter   Milztumor; 

i  Darmkatarrh;   hochgradige   parenchymatöse   Degeneration,   seröse   Infiltration 

bzw.   parenchymatöse  Myositis   des  Herzens   und  der  Muskulatur  der  Kruppe, 
|  der  Lende   und  Schulter.    Diese   Veränderungen   sind   für   infektiöse  Rücken- 

!  marksentzündung  (schwarze  Harnwinde)   charakteristisch;   überdies    wurde   in 

|  den  Nieren  (zahlreich),  der  Milz  (zahlreich),  den  Rückenmark shäuten  und  dem 

1  Rückenmark  (spärlich),  in  der  Knochensponogiosa  (spärlich)  und  in  der  Darm- 

wand (zahlreich)  der  Str.  melanogenes  mikroskopisch  nachgewiesen,  in  Kul- 
turen rein  gezüchtet  und  bei  den  infizierten  Versuchstieren  die  Streptokokken- 
septikämie  hervorgerufen. 

X.  In  einer  abgelegenen  Ortschaft  brach  unter  dem  Pferde- 
bestand die  chronische  Form  der  Rückenmarkslähmung  zuerst  bei 
einem  vierjährigen,  selbstgezogenen  Pferd  und  fünf  Wochen  später 
bei  dem  zehnjährigen  Pferde  unter  gleichen  Symptomen  aus.  Beide 
Pferde  wurden  wegen  Aussichtslosigkeit  auf  Heilung,  das  erste 
nach  einer  Krankheitsdauer  von  beiläufig  neun  Wochen,  das  zweite 
nach  einer  Krankheitszeit  von  sieben  Wochen  in  einem  größeren 
Schlachthof  geschlachtet.  Das  Fleisch  wurde  von  den  Konsumenten 
ohne  bekanntgewordene  Schädigung  ihrer  Gesundheit  genossen. 

Die  Pferde  ließen  zuerst  bei  der  Arbeit  nach,  magerten  dann 
ab,  während  die  Futteraufnahme  gut  blieb.  Die  Patienten  zeigten 
sich  dann  abgeschlagen  und  gerieten  leicht  in  Schweiß,  zeigten  auf 
der  Nachhand  Schwanken  und  brachen  im  Stalle  zusammen.  Die 
Muskulatur  des  Oberschenkels  und  der  Kruppe  wurden  atrophisch, 
der  Herzschlag  pochend,  stürmisch,  Temperatur  mittelhochgradig. 

Bei  der  pathologisch-anatomischen  und  bakteriologischen  Untersuchung 
der  Organe  wurde  an  der  Milz  mächtiger  Milztumor  festgestellt;  dieselbe  war 
76  cm  lang,  22  cm  breit,  5Va  cm  dick,  81/«  Pfund  schwer,  von  braunrötlicher 
Farbe,  derber  als  normal,  Schnittfläche  himbeerrot,  interstitielles  Gewebe  ver- 
breitert, die  Follikel  stark  vergrößert,  die  lienalen  Lymphdrüsen  kastaniengroß, 
braunrot  gefleckt  (mächtiger,  chronischer  Milztumor).  Die  Nieren  sind  ver- 
größert, die  fettarme  Kapsel  ist  gespannt,  nur  mit  Substanzverlusten  abziehbar 


—    489     - 

die  Nieren  sind  hellbraunrot  und  enthalten  zahlreiche,  stecknadelkopfgroße 
Blutextravasate,  sie  sind  schwer  schneidbar,  derb,  Rinde  schwer  zu  brechen, 
Rindenzeichnuog  undeutlich,  hellbrannrot;  in  Rinde  und  Markschicht  punkt- 
förmige Blutextravasate,  das  interlobuläre  Bindegewebe  verbreitert,  im  Nieren- 
becken eingedickter,  schleimiger,  mit  abgeschuppten  Epithelien  untermischter 
Harn  (chronische,  diffuse  Nephritis).  Schleimhaut  des  Darmes  geringgradig 
katarrhalisch  entzündet. 

Im  Abstrich  der  Nieren,  Milz,  in  den  Milzlymphdrüsen  und  auf  der 
Darmmukosa  wurde  bakteriologisch  der  Streptococcus  melagenes  spärlich 
nachgewiesen. 

XI.  In  demselben  Bestände,  in  welchem  in  den  Jahren  1903 
bis  Februar  1906  im  ganzen  zehn  Pferde  an  infektiöser  Rückenmarks- 
entzündung gefallen  waren,  brach  Mitte  Januar  1907  die  Strepto- 
kokkenseptikämie  aufs  neue  aus.  Die  betroffene  sechsjährige  Schimmel- 
stute, welche  vom  Mai  v.  J.  ab  als  Ökonomiepferd  in  Gebrauch  war, 
ist  seit  sechs  Wochen  ganz  übermäßig  angestrengt  worden.  Am  15.  Ja- 
nuar d.  J.  erkrankte  das  Pferd  offensichtlich  unter  den  bekannten  Er- 
scheinungen der  infektiösen  Rückenmarksentzündung,  nachdem  es 
einige  Zeit  vorher  eine  von  der  Hautschürfung  an  der  Innenfläche 
des  linken  Hinterschenkels  ausgegangene  Wundinfektion  überstanden 
hatte,  worauf  sich  bei  diesem  Pferd  Abmagerung  einstellte;  drei 
Tage  darauf  (am  18.  Januar)  verendete  das  Pferd. 

Die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  waren  folgende: 

Milz:  Enorm  vergrößert,  5  cm  dick,  Ränder  stark  abgerundet,  Kapsel 
tief  schwarzblau  mit  bohnengroßen,  schwarzen  subkapsulären  Petechien;  Kon- 
sistenz erweicht,  Schnittfläche  stark  vorspringend,  schwarzbraun;  Follikel  ver- 
größert; Pulpa  breiig,  von  erbsen-  bis  bohnengroßen  schwarzen  Blutungen 
durchsetzt.  An  der  Luft  hellt  sich  die  Milzoberfläche  und  Schnittfläche  hell- 
rot auf. 

Leber:  Durch  Schwellung  stark  vergrößert,  weicher  als  normal,  graurot 
bis  gelbbraun.  Unter  der  Glissonschen  Kapsel  finden  sich  zahlreiche  schwarze 
Blutungen.  Schnittfläche  braungelb,  vorspringend,  fettig  glänzend,  Läppchen- 
zeichnung verwischt.  Die  PortaldrHsen  sind  durch  entzündliche  Schwellung 
und  zahlreiche  Blutungen  auf  ein  dreifingerdickes  Paket  vergrößert,  dunkel- 
braun gefleckt 

Nieren:  Fast  um  das  Doppelte  vergrößert,  blaurot;  Gefäße  der  Nieren- 
kapsel ramiform  injiziert,  Kapsel  nur  mit  Substanzverlusten  abziehbar;  die 
Nierenoberfläche  zeigt  zahlreiche  punktförmige  Blutungen.  Konsistenz  der 
Nieren  weich,  Schnittfläche  stark  vorspringend,  fettig  glänzend,  Rinde  grau- 
gelb, Zeichnung  verwischt.  In  Rinden-  und  Markschicht  sowie  auf  der  Schleim- 
haut des  Nierenbeckens  finden  sich  zahlreiche  kleinste  Blutextravasate.  Die 
Nierenlymphdrüsen  sind  durch  akute  Entzündung  gänseeigroß,  dunkelbraunrot, 
mit  zahlreichen  schwarzbraunen  Blutungen. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  6.  32 


—    490     — 

Darm:  Enthält  mehrere  Exemplare  von  Asearis  megalocephala,  Dann- 
schleimhaut partienweise  katarrhalisch  entzündet;  im  Verlauf  der  Darmgefäße 
finden  sich  zahlreiche  kleinste  Blutaustritte. 

Oberschenkelknochen:  Enthält  in  der  Spongiosa  der  oberen  Epiphyse 
überefilöffelgroße,  schwarzrote,  blutige  Infiltrationsherde,  welche  stark  erweicht 
und  leicht  schneidbar  sind.  Am  Übergang  des  roten  in  das  gelbe  Mark  findet 
sich  ein  walnußgroßer,  abgegrenzter,  schwarzbrauner,  blutig-fibrinöser,  homo- 
gener Infarkt,  welcher  sich  im  Anschlüsse  an  die  vom  roten  in  das  gelbe  Mark 
eintretenden  Ernährungsgefäße  an  der  Vorderfläche  des  gelben  Markzylinders 
gebildet  hat.  Auf  der  übrigen  Oberfläche  des  gelben  Markylinders  sind  massen- 
hafte dunkelbraunrote,  Stecknadelkopf-  bis  linsengroße  Blutungen.  Das  Periost 
zeigt  zahlreiche  kleinste  Blutpunkte. 

Die  Sägeflächen  der  Rückenwirbel  weisen  eine  schwarzbraune,  erweichte, 
mürbe  Spongiosa  auf,  welche  sich  leicht  sägen  läßt  und  deren  Markzellen  mit 
hämorrhagischen  Infiltraten  erfüllt  sind,  in  welchen  sich  Diplostreptokokken 
finden.  Im  ganzen  Epiduralraum  des  Lendenmarks  finden  sich  zwischen  Endost 
und  Dura  mater  in  dem  daselbst  gelegenen  lockeren  Binde-  und  Fettgewebe 
bis  zentimeterdicke  geronnene,  braunrote,  blutig-fibrinöse  Infiltrationen  und  Auf- 
lagerungen, welche  sich  auch  auf  die  Nervenwurzeln  und  die  durch  die  Zwischen- 
wirbellöcher austretenden  Nerven  fortsetzen.  Arachnoidea  spinalis  durch  seröse 
Infiltration  gelatinös  aufgequollen;  Gefäße  der  Pia  mater  spinalis  außer- 
ordentlich stark  gefüllt,  erweitert,  intensiv  braunrot  gefärbt;  die  feinsten  Ka- 
pillaren treten  wie  stark  injiziert  hervor;  im  Verlauf  der  Blutgefäße  finden  sich 
feinste  Blutextravasate.  Die  graue  Substanz  der  Dorsal-  und  Ventralhörner  ist 
infolge  zahlreicher  kleinster  Blutinfiltrationen  und  frischen  Blutungen  in  eine 
orangerötliche,  erweichte,  breiige  Masse  verwandelt,  während  die  darum- 
gelegene  weiße  Kückenmarkssubstanz  fester  ist  (Meningitis  spinalis  fibrinosa 
und  hämorrhagica,  rote  Erweichung  der  grauen  Bückenmarkssubstanz). 

Der  Streptococcus  melanogenes  wurde  bakteriologisch  wie  folgt  in  den 
einzelnen  Organen  spärlich  bis  maßig  zahlreich  nachgewiesen:  im  Abstriche 
der  Milz,  der  Leber,  der  Nieren,  des  Harns,  des  Femur,  der  Rückenmarkshäute 
und  auf  der  Darmschleimhaut.  Die  mit  dem  veränderten  Organsaft  infizierten 
Versuchstiere  sind  an  Streptokokkenseptikämie  verendet.  Aus  letzteren  wie  aus 
den  kranken  Pferdeorganen  wurde  der  Streptococcus  melanogenes  rein  gezüchtet. 

XII.  Auf  dem  hohen  Schwarzwald  erkrankte  am  29.  De- 
zember 1906  eine  acht  Jahre  alte  Braunstute,  schwerer  Landschlag, 
gut  genährt,  unter  den  Erscheinungen  der  schwarzen  Harnwinde, 
nachdem  das  Pferd  drei  Tage  im  Stall  gestanden  hatte,  mit  den 
gleichen  Futterrationen  von  Häcksel  und  Hafer  wie  früher  gefuttert 
worden  war.  An  diesem  Tage  ging  das  Pferd  bei  kalter  Witterung 
vor  dem  Holzschlitten  ohne  jede  Bewegungsstörung  und  wurde 
1/2  Stunde  vom  Hofe  des  Besitzers  entfernt  in  einen  kalten  Gast- 
stall gestellt.  Beim  Verlassen  desselben  hat  das  Pferd  zunächst  in 
der  Nachhand   einen   schwankenden  Gang  gezeigt,    auf  dem  Rück- 


—     491     — 

wege  zum  Hof  stürzte  das  Pferd  zusammen  und  konnte  nur  mit 
Hilfe  einer  Schleife  heimgebracht  werden.  Die  Temperatur  war 
38,8°  C,  Puls  50,  schwach,  Futterauftiahme  relativ  gut,  Konjunktiven 
schmutzigrot,  starker  partieller  Schweißausbruch.  Die  Defäkation 
unterdrückt,  das  Rektum  enthält  feste  Kotmassen,  Harnblase  stark 
mit  dunkel-schwarzrotem  Harn  gefüllt,  welcher  nur  durch  Druck  vom 
Rektum  her  schubweise  entleert  wird.  Kruppenmuskulatur  gespannt. 
Sensibilität  der  Nachhand  auf  Nadelstiche  deutlich,  indem  das  Pferd  da- 
rauf um  sich  schlägt;  Sensorium  frei.  Nach  Verbringen  in  die  Hänge- 
gurte vermag  das  Pferd  nur  auf  den  Vorderfüßen  zu  stehen,  die  Hinter- 
hand ist  völlig  gelähmt.  Auf  dem  Boden  liegend,  richtet  sich  das 
Pferd  mit  der  Vorderhand  zuweilen  auf  (hundesitzige  Stellung).  Am 
zweiten  Tage  hellt  sich  der  Harn  kaffeebraun  auf.  Nach  einer  Krank- 
heitsdauer von  drei  Wochen  und  nach  vorübergehender  Besserung 
wurde  der  Patient  wegen  Aussichtslosigkeit  auf  Heilung  getötet. 

(Dieser  Besitzer  verlor  in  seinem  Stalle  von  jeher  seine  Pferde 
an  schwarzer  Harnwinde;  ein  Pferd  erkrankte  vor  zwei  Jahren  an 
Harnwinde,  erholte  sich  wieder,  behielt  aber  eine  langandauernde 
Schwäche  in  der  Nachhand,    sodaß  es  geschlachtet  werden  mußte.) 

Pathologisch-  anatomische  Veränderungen : 

Die  Muskeln  der  Oberschenkel  und  Lende,  insbesondere  die  Psoas  - 
muskeln  und  der  Longissimus  dorsi  sind  von  weicher  Konsistenz,  von  grau- 
gelber  bis  grauroter  Farbe,  das  inter-  und  intramuskuläre  Bindegewebe  stark 
serös  infiltriert  und  von  zahlreichen  kleineren  und  größeren  Blutungen  durch- 
setzt. Der  Longissimus  dorsi  im  Zustande  parenchymatöser  Degeneration, 
gleichzeitig  aber  infolge  starker  Hyperämie  schwarzrot  verfärbt. 

Femur:  Die  umgebende  Muskulatur  stark  parenchymatös  degeneriert) 
Periost  blutig  verfärbt.  Spongiosa  der  oberen  Epiphysen  schwarzrot  verfärbt, 
Markräume  durch  hämorrhagisch-fibrinöse  Infiltration  verstrichen,  Bälkchen  und 
Blättchen  erweicht,  mürbe,  bequem  schneidbar,  an  anderen  Stellen  enthält  die 
Spongiosa  lakunenartige,  linsengroße  Hohlräume.  Das  gelbe  Mark  ist  am  vor- 
deren und  oberen  Teil  von  einer  gänseeigroßen,  breiigweichen,  hämorrhagisch- 
fibrinösen, schwarzroten  Infarzierung  durchsetzt.  Spongiosa  der  distalen  Epi- 
physe  enthält  zahlreiche  linsengroße  Hämorrhagien. 

Milz:  63  cm  lang,  22  cm  breit,  bl!Q  cm  dick,  zeigt  an  der  Oberfläche 
beulenartige  Vorsprünge.  Farbe  dunkelblaurot,  Konsistenz  ziemlich  derb, 
Ränder  abgerundet,  unter  der  Kapsel  finden  sich  zahlreiche  schwarzrote  Hä- 
morrhagien. Schnittfläche  dunkelschwarzbraun,  ziemlich  fest;  Trabekel  und 
Septen  durch  chronische  Bindegewebswucherung  mäßig  verbreitert;  Follikel 
etwas  vorspringend;  Milzparenchym  teilweise  von  schwarzroten  Blutungen 
durchsetzt.  Milzlymphdrüsen  durch  serös-hämorrhagische  Infiltration  vergrößert 
(chronischer  Milztumor). 

32* 


—    492     — 

Nieren:  Durch  Schwellung  stark  vergrößert,  erweicht,  blaurot  verfärbt 
Kapsel  infolge  seröser  Infiltration  und  Blutungen  leicht  abziehbar;  in  der  Nieren- 
oberfläche zahlreiche  schwarzrote  bis  blaurote  Blutpunkte;  Nierenschnittfläche 
stark  vorspringend,  fettig  glänzend;  Rinden-,  besonders  aber  Harkschicht 
schwarzbraun,  mit  zahlreichen  punkt-  und  strichfönnigen  Blutextra vasaten, 
Rindenzeichnung  verwischt;  im  Nierenbecken  blutig-schleimiger  Harn,  welcher 
mäßig  zahlreich  Diplostreptokokken  enthält  In  der  Schleimhaut  des  Nieren- 
beckens und  Harnleiters  finden  sich  zahlreiche  Hämorrhagien. 

Darm:  Enthält  mäßige  Mengen  flüssigen  Futterbreies,  Schleimhaut  un- 
verändert, die  venösen  Gefäße  stark  ramiform  injiziert,  enthalten  in  ihrem 
Verlaufe  kleinere  und  größere  Petechien. 

Die  Rttckenmarkshäute  mit  Exsudat  bedeckt,  Gefäße  der  Pia  mater 
spinalis  stark  hyperämisch;  die  graue  Substanz  der  Dorsal-  und  Ventralhörner 
ist  in  eine  breiig  erweichte,  rötliche  Masse  verwandelt,  in  deren  Peripherie 
kleinste  Blutextravasate  sind  (rote  Erweichung  der  grauen  Rückenmarkssubstanz). 

Der  Streptococcus  melanogenes  wurde  mäßig  zahlreich  in  den  Rucken - 
markshäuten,  im  Rückenmark,  in  der  Spongiosa  der  Wirbel,  im  roten  und 
gelben  Knochenmark,  in  der  Lenden-  und  Oberschenkelmuskulatur  (an  manchen 
Stellen  zahlreich),  in  den  Nieren,  im  Harn,  in  der  Milz  und  Darmschleimhaut 
nachgewiesen.  Geimpft  wurden  eine  Maus  mit  Nieren-  und  Milzsubstanz,  eine 
Maus  mit  Rückenmark-  und  Wirbelspongiosa  und  eine  Maus  mit  Harn, 
die  alle  an  Streptokokken septikämie  verendet  sind.  Der  Streptococcus  me- 
lanogenes wurde  sowohl  aus  den  erkrankten  Pferdeorganen  wie  aus  den 
Impftieren  rein  gezüchtet. 

Dieser  Erkrankungsfall  wurde  von  Seiten  des  behandelnden  Tierärzte« 
als  schwarze  Harnwinde  diagnostiziert;  die  Sektionsveränderungen  und  die 
bakteriologische  Untersuchung  haben  aber  bestimmt  ergeben,  daß  dieses  Pferd 
an  infektiöser  Rückenmarksentzündung  erkrankt  und  verendet  ist. 

XIII.  In  einer  am  Schwarzwald  gelegenen  Stadt  erkrankte 
einem  Holzfuhrmann  das  eine  zweier  Pferde  (sechs  Jahre  alter 
Hengst)  unter  den  Erscheinungen  einer  Nieren-  und  Herzkrankheit, 
nachdem  dasselbe  zum  schweren  Zuge  verwendet  worden  war;  nach 
mehrwöchiger  Krankheitsdauer  wurde  das  Pferd  in  der  Nachhand 
gelähmt,  worauf  es  wegen  Aussichtslosigkeit  auf  Heilung  und  wegen 
beginnender  allgemeiner  Wassersucht  geschlachtet  wurde. 

Sektionsveränderungen.  Wäßrige  Infiltration  des  subkutanen  und  inter- 
muskulären Bindegewebes.  Chronische  Pen-,  Epi-  und  Endokarditis  mit  Trübung 
und  Verdickung  der  serösen  Häute  und  mit  zahlreichen  serös-salzigen  und 
hämorrhagischen  Infiltrationen  unter  denselben.  Beträchtliche  Hypertrophie 
des  rechten  Herzens,  Verdünnung  und  Ektasie  der  linken  Herzwand;  Bikus- 
pidalklappe  leicht  fibrös  verdickt  (chronische  Peri-  und  Endokarditis). 

Leichte  Trübung  und  Verdickung  der  Lungenpleura,  Lungenlymphdrüse 
mäßig  vergrößert  (geringgradige  chronische  Pleuritis). 

Leber:  80  cm  breit,  50  cm  hoch,  10  cm  dick.  Das  Gewicht  der  Leber 
beträgt  14,200  kg.    Die  Leber  ist   hart,   muskatnußbraun,  fleckweise  gelblich- 


—     493     — 

grünlich  gallig  infiltriert;  Schnittfläche  vorspringend,  die  interstitiellen  Binde- 
gew ebszüge  sind  bis  1  cm  dick,  Zentralvenen  stark  gefüllt  (hochgradige  hyper- 
trophische Leberzirrhose). 

Milz:  Im  Zustande  eines  mittelhochgradigen  chronischen  Milztumors. 
Lienaldrüsen  hyperplastisch.  Unter  der  Kapsel  zahlreiche  schwarzrote 
Hämorrhagien. 

Nieren:  Durch  chronische  Nephritis  erheblich  vergrößert,  hart,  graugelb, 
Kapsel  nur  mit  Substanzverlusten  abziehbar,  Rinde  vorspringend,  graugelb, 
Rindenzeichnung  völlig  verwischt,  in  der  Rinde  und  Marksubstanz  strich-  und 
fleckförmige  Blutungen.  Im  Nierenbecken  bis  erbsengroße  Blutextravasate 
(chronische  Nephritis). 

Durch  die  mikroskopische  Untersuchung  wurden  in  Abstrichen  der  Nieren, 
in  den  Nierenlymphdrüsen  und  im  Harn,  ferner  in  der  Leber,  in  der  Milz,  unter 
dem  Endokard  und  Epikard  Diplostreptokokken  mäßig  zahlreich  nachgewiesen; 
als  Streptokokkus  kam  der  Erreger  nur  einzeln  vor,  während  die  Diploform 
häufig  war.  Zwei  Mäuse  wurden  mit  einer  Emulsion  von  erkranktem  Organ- 
gewebe subkutan  und  intraperitoneal  infiziert,  sie  verendeten  nach  zwei  Tagen 
an  infektiöser  Rückenmarksentzündung.  In  ihren  Organen  waren  die  Diplo- 
streptokokken sehr  zahlreich  vorhanden. 

Aus  den  Pferdeorganen  und  aus  den  Mäusen  wurde  Streptococcus 
melanogenes  rein  gezüchtet  Dies  ist  also  ein  Fall  von  chronischer  infektiöser 
Rückenmarksentzündung  unter  vorwiegender  Miterkrankung  des  Herzens  (Epi- 
und  Perikarditis),  worauf  sich  allgemeine  Wassersucht  anschloß. 

XIV.  In  einem  Distrikt  der  Rheinebene  kommt  die  schwarze 
Harnwinde  ziemlich  oft  vor,  aber  nicht  mehr  in  dem  Umfang  wie 
vor  15 — 20  Jahren,  weil  angeblich  in  prophylaktischer  Hinsicht  mehr 
als  früher  geschieht.  Die  schwer  erkrankten  Pferde  werden  dann 
oft,  wenn  noch  tunlich,  an  Pferdemetzger  verkauft.  Am  13.  Fe- 
bruar d.  J.  wurde,  an  der  Lastfuhre  ziehend,  ein  zehn  Jahre  altes 
belgisches  Wallachpferd  einer  Brauereigesellschaft  plötzlich  von 
typischer  schwarzer  Harnwinde  befallen  und  lag  ca.  drei  Stunden 
auf  der  Straße,  bis  es  in  eine  Stallung  geschleift  werden  konnte; 
tags  darauf  verendete  das  Pferd,  dessen  Kadaver  rasch  in  Ver- 
wesung überging. 

Pathologisch-anatomische  Veränderungen. 

Milz:  60  cm  lang,  28  cm  breit,  4l/2  cm  dick,  dunkelbraunrot,  schlaff, 
weich,  Ränder  abgerundet.  Über  die  Oberfläche  springen  beulenförmige,  eß- 
löffelgroße Stellen  vor.  Unter  der  Milzkapsel  finden  sich  zahlreiche  kleinste 
Hämorrhagien  und  bohnengroße  schwarzrote  Petechien;  Schnittfläche  schwarz- 
rot, vorspringend,  Pulpa  erweicht  (akuter  Milztumor). 

Nieren:  Erweicht,  schlaff,  in  toto  vergrößert,  von  dunkelbraunroter  Farbe. 
Durch  die  Nierenoberfläche  sind  zahlreiche  punktförmige  oder  in  Gruppen  zu- 
sammenliegende braunrote  Hämorrhagien  sichtbar;  Nierenschnittfläche  vor- 
springend, erweicht,  Rinde  lehmgelb,  Rindenzeichnung  verwischt,  in  der  Rinden- 


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und  Markschicht  finden  sich  in  der  Nähe  der  Blutgefäße  kleinste  Hämorrhagica 
Nierenbeckenscbleimhaut  entzündlich  gerötet  (akute  parenchymatös- hämor- 
rhagische Nephritis). 

Darm:  Infolge  Stauungshyperämie  sind  die  venösen  Gefäße  stark  gefüllt. 
In  ihrem  Verlaufe  finden  sich  kleine  Biutextravasate;  Schleimhaut  mit  grau- 
weißem, glasigem  Schleim  bedeckt. 

Femur:  Periost  teils  punkt-  und  fleckförmig  gerötet,  teils  diffus  dunkel- 
braunrot,  die  Sägescbnittfläche  der  Spongiosa  der  proximalen  Epiphyse  ist 
schwarzbraun,  morsch,  brüchig,  saftreich,  die  Markzellen  sind  durch  serös-hämor- 
rhagische  Infiltration  verstrichen.  Die  distale  Spongiosa,  durch  fleckige  Hä- 
morrhagien  gerötet,  besitzt  aber  normale  knochenharte  Konsistenz;  das  gelbe 
Mark  ist  infolge  ausgebreiteter  hämorrhagischer  Infarzierung  fast  ganz  in  eine 
schwarzbraune  blutig-breiige  Flüssigkeit  umgewandelt,  welche  beim  Aufsagen 
des  Knochens  teilweise  ausfließt;  an  der  Übergangsstelle  des  gelben  in  das 
rote  Mark  finden  sich  in  letzterem  zahlreiche  wickenkorn-  bis  erbsengroße  La- 
kunen,  welche  mit  blutiger,  getrübter  Flüssigkeit  erfüllt  sind  (hämorrhagische 
Osteomyelitis  mit  Erweichung  des  gelben  und  roten  Markes). 

Die  Muskeln  der  Lenden  Wirbelsäule  (Psoa8muskeln,Longissimus  dorsi  usw.) 
sind  teils  von  Blutungen  durchsetzt,  teils  sind  sie  infolge  hochgradiger  paren- 
chymatöser Degeneration  grau  bis  graurot  verfärbt.  In  Zupfpraparaten  mit 
2proz.  Essigsäurezusatz  sieht  man  in  den  noch  erhaltenen  Muskelfasern  dio 
Querstreifung  auffallend  deutlich.  Es  erscheinen  die  Bowmanschen  Disks  zu- 
nächst in  ihrem  Gefüge  gelockert  und  deutlicher  sichtbar,  darauf  erfolgt  der 
Zerfall  in  der  Faser  erst  stellenweise,  um  sich  dann  auf  die  ganze  Länge  und 
Breite  derselben  auszudehnen,  so  daß  die  Muskelfaser  anstatt  die  bekannte 
Querstreifung  lauter  Zerfallstrümmer  wie  Körner  und  Schollen  aufweist,  an 
andern  Fasern  erfolgt  der  Zerfall  mehr  in  der  Richtung  der  Längsstreifung; 
in  stark  degenerierten  Muskeln  sind  ganze  Gesichtsfelder  in  diese  körnig- 
schollige  Zerfallsmasse  umgewandelt  (hochgradige  parenchymatöse  Degeneration 
der  Skelettmuskulatur). 

Wirbelsäule:  Die  Spongiosa  der  Wirbel  ist  erweicht,  mürbe,  schwarzbraun, 
die  Markzellen  sind  größtenteils  verstrichen.  Im  lockeren  Gewebe  zwischen 
Endost  und  Dura  mater  findet  sich  blutig-schmieriges  Exsudat,  in  welchem 
Diplostreptokokken  nachgewiesen  worden  sind.  Pia  mater  spinal  is  gerötet, 
Gefäße  stark  injiziert,  die  Rückenmarkssubstanz  ist  rahmähnlich  breiig  erweicht, 
von  weißrötlicher  bis  gelber  Färbung  (geringgradige  Myelitis  und  Meningitis 
spinalis). 

Durch  die  bakterioskopische  Untersuchung  sind  in  der  Rückenmarkssubstanz 
(spärlich),  im  Epiduralraum  (mäßig  zahlreich),  im  Abstrich  von  den  Rücken- 
markshäuten (spärlich),  in  der  Muskulatur  (spärlich),  im  gelben  und  roten 
Knochenmark  (spärlich),  in  der  Milz,  der  Leber  und  den  Nieren  (mäßig  zahl- 
reich), im  Harn  und  auf  der  Darmschleimhaut  (ziemlich  zahlreich),  Diplo- 
streptokokken nachgewiesen  worden.  Mit  der  erkrankten  Organsubstanz  (Rücken- 
mark, Knochenmark,  Milz,  Nieren)  wurde  eine  Reihe  von  Versuchstieren  infiziert, 
welche  alle  an  Streptokokkenseptikämie  nach  ein  bis  zwei  Tagen  verendet  sind; 
sie  zeigten  Milztumor,  Rötung  des  Periosts,  des  Femur,   hämorrhagische   Ent- 


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zündnng  des  Knochen-  und  Rückenmarks;  in  ihren  Organen  fanden  sich  die  Diplo- 
streptokokken  mehr  oder  weniger  zahlreich.  Aus  den  Versuchstieren  und  aus 
den  kranken  Pferdeorganen  wurde  der  Streptococcus  melanogenes  rein  gezüchtet 
Dieser  typische  Fall  von  schwarzer  Harnwinde  wurde  somit  als  infektöse 
Rückenmarksentzündung  erkannt. 


Pathologische  Anatomie  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  oder  der 
schwarzen  Harnwinde. 

Kadaver  mehr  oder  weniger  abgemagert,  anämisch,  zuweilen 
durchgelegen,  Totenstarre  wenig  ausgeprägt,  Hinterleib  leer,  ein- 
gefallen, Panniculus  adiposus  mehr  oder  weniger  geschwunden.  Die 
Kadaver  gehen  rasch  (Septikämie!)  in  Fäulnis  über. 

Das  Blut  ist  schlecht  geronnen,  schwarzrot,  von  lackförmiger, 
teerartiger  Beschaffenheit.  Nach  der  nur  unvollkommenen  Gerinnung 
des  Blutes  scheidet  sich  ein  rötlich  bis  schwarz  gefärbtes,  hämo- 
globin-  bzw.  melaninhaltiges  Serum  ab;  Hutyra  und  Marek1)  fanden 
den  Hämoglobingehalt  des  Blutes  eher  etwas  herabgesetzt  (am 
Fleischlschen  Apparat  unter  70°,  gegenüber  dem  normalen  von 
70—80°).  Nach  Siedamgrotzky  und  Hofmeister  (1.  c.)  ist  das 
Blut  reich  an  Harnstoff  und  Extraktivstoffen,  welche  zum  Teil 
Umsatzprodukte  der  umfangreichen  Stoffmetamorphose  vorstellen; 
nach  den  hämometrischen  Untersuchungen  Schindelkas2)  ist  der 
Hämoglobingehalt  solchen  Blutes  viel  größer  als  bei  gesunden 
Pferden,  da  zu  der  gewöhnlichen  Hämoglobinmenge  des  Blutes  bei 
schwarzer  Harnwinde  noch  der  infolge  des  umfangreichen  Muskel- 
Zerfalls  frei  werdende,  mit  dem  Hämoglobin  identische  Muskel- 
farbstoff hinzukommt.  Durch  die  mikroskopische  Untersuchung 
findet  man  im  Blute  und  in  den  Blutextravasaten  oft  große  Mengen 
von  Hämatoidinkristallen.  Diese  scheinbaren  Widersprüche  im  Vor- 
kommen des  Hämoglobingehaltes  werden  mit  den  Blutverände- 
rungen, mit  der  Auflösung  der  Erythrozyten,  mit  der  Umsetzung 
des  Hämoglobins  in  Melanin  (Melaninämie)  durch  den  Erreger,  so- 
wie mit  der  erfolgten  Ablagerung  der  zersetzten  Blutbestandteile 
in  den  Körperorganen  (Milz,  Lymphdrüsen,  Nieren,  Knochenmark) 
bzw.  mit  der  erfolgten  Ausscheidung  im  Harn  zusammenhängen. 
Bei  diesen  Vorgängen   vermindert  sich  die  Anzahl  der  roten  Blut- 

1)  Hutyra  und  Marek,  Spezielle  Pathologie  und  Therapie  1905. 

2)  Schindelka,  Österreichische  Vierteljahrsschrift  1888. 


—     496     — 

zellen  ganz  beträchtlich;  Hutyra  und  Marek  (1.  c.)  stellten  eine 
Verminderung  der  roten  Blutkörperchen  von  7  500000—8  000000 
auf  7  200000— 6  450000  fest.  Schon  aus  diesen  Gründen  erscheint 
bei  dieser  Krankheit  der  Aderlaß  kontraindiziert! 

In  der  Bauchhöhle  sind  ein  bis  mehrere  Liter  gelblich-rötlich 
getrübte  Flüssigkeit  angesammelt.  Peritoneum  mehr  oder  weniger 
getrübt,  Parietal-  und  Viszeralblatt  können  von  zahlreichen  Hä- 
morrhagien  durchsetzt  sein;  stellenweise  findet  sich  Fibrinauf- 
lagerung. Das  Exsudat  enthält  zahlreiche  Eiterkörperchen  und 
Diplostreptokokken  (serös-hämorrhagische  bis  fibrinös-eitrige  Pe- 
ritonitis). 

Magendarm  kollabiert,  enthält  wenig  Inhalt;  Schleimhaut  des 
Darmkanals  zeigt  fleckige  Rötungen;  im  Verlaufe  der  Darmgefaße 
finden  sich  zahlreiche  größere  und  kleinere  Blutextravasate,  welche 
bei  der  Betrachtung  des  gegen  das  durchfallende  Licht  gehaltenen 
Darmstückes  deutlich  wahrnehmbar  sind;  im  Dickdarm  finden  sich 
zuweilen  sulzige  Schwellungen.  Gekrösdrüsen,  oft  auch  die  Lenden- 
und  Darmbeindrüsen  markig  geschwollen,  entzündlich  gerötet,  um 
das  Mehrfache  vergrößert,  serös-hämorrhagisch  infiltriert. 

Leber  durch  Schwellung  stark  vergrößert,  hyperämisch;  unter 
der  Glissonschen  Kapsel  finden  sich  oft  zahlreiche  größere  und 
kleinere  Blutextravasate;  Leber  erweicht,  brüchig,  Schnittfläche 
von  dunkelbraunroter  bis  grauroter  Farbe,  fettig  glänzend,  getrübt, 
Läppchenzeichnung  verwischt;  Schleimhaut  der  größeren  und 
kleineren  Gallengänge  oft  mit  zahlreichen  Hämorrhagien;  Portal- 
drüsen geschwollen  und  entzündlich  gerötet  (parenchymatöse  De- 
generation bis  parenchymatöse  Hepatitis). 

Nieren  sind  in  leichten  Krankheitsfallen  und  bei  subakutem 
sowie  chronischem  Verlauf  weniger  stark  verändert;  bei  perakutem 
und  akutem  Verlauf  der  Krankheit  entsteht  regelmäßig  eine  akute 
hämorrhagisch-parenchymatöse  Nephritis  mit  starker  Schwellung  und 
hochgradiger  Erweichung  der  Nieren;  infolge  dieser  breiformigen 
Beschaffenheit  können  die  Nieren  nur  schwer  exenteriert  werden: 
dieselben  sind  infolge  hochgradiger  entzündlicher  Schwellung  oft 
bis  auf  die  Hälfte  vergrößert,  die  Fettkapsel  mehr  oder  weniger 
geschwunden,  Capsula  fibrosa  bei  akuter  Nephritis  infolge  seröser 
Infiltration  unter  dieselbe  meist  leicht,  bei  chronischer  Nephritis 
aber  nur  mit  Substanzverlusten  abziehbar;  die  Nierenkapsel  selbst 
dunkelbläulich    verfärbt,    Gefäße    stark    injiziert,    Nierenoberflache 


—    497     — 

dnnkelbraunrot  mit  einem  Stich  ins  Bläuliche;  durch  die  Nieren- 
oberfläche sind  zahlreiche  stecknadelkopfgroße  Hämorrhagien  und 
bis  talergroße  diffuse  Rötungen  sichtbar;  Schnittfläche  stark  vor- 
springend, fettig- glänzend,  sehr  blut-  und  saftreich;  Rinde  ver- 
breitert, Rindenzeichnung  verwischt,  getrübt,  Rinde  graurot  und 
ebenso  wie  die  dunkelblaurote  Markschicht  von  zahlreichen  feinsten, 
oft  staubförmigen  Blutpunkten,  Blutfleckchen  und  strichförmigen 
Blutextravasaten  durchsetzt;  Konsistenz  festweich  bis  breiig.  Harn- 
kanälchen,  Nierenbecken  und  Harnleiter  sind  zumeist  mit  zahl- 
reichen punkt-  und  fleckförmigen  Blutextravasaten  besetzt  und  mit 
dickschleimigem  bis  blutigem  Harn  erfüllt,  welcher  mehr  oder 
weniger  zahlreich  Diplostreptokokken  enthält.  Liegen  die  halbierten 
Nieren  einige  Zeit  an  der  Luft,  so  hellen  sie  sich  (ähnlich  wie 
Milzbrandblut)  infolge  Absorbierung  von  Sauerstoff  ziegelrot  auf. 
Nierenlymphdrüsen  durch  Schwellung  und  serös-hämorrhagische  In- 
filtration stark  entzündet,  welschnußgroß  und  fleckig  braunrot. 

Bei  der  histologischen  und  bakteriologisch -mikroskopischen 
Untersuchung  von  Nierenschnitten  fallen  zunächst  die  zahlreichen 
ausgebreiteten  Blutextravasate  und  die  stark  injizierten  Gefäße 
sowohl  im  intertubulären  Gewebe  wie  in  den  Glomeruli  auf;  es 
sind  nämlich  netzförmige  und  lakunäre  fleckige  Blutungen  überaus 
zahlreich.  Überall  zwischen  den  roten  Blutkörperchen  sind  mehr 
oder  weniger  zahlreich  Diplostreptokokken  nachweisbar.  Die  toxi- 
schen von  denselben  abgesonderten  Stoffwechselprodukte,  welche 
im  Blute  kursieren  und  in  den  Nieren  zur  Ausscheidung  gelangen 
bzw.  daselbst  erzeugt  werden,  schädigen  zunächst  die  Blutgefäß- 
wände in  den  Nieren  wie  im  übrigen  Körper  und  bewirken  auch 
Zerstörung,  Zerfall  und  Auflösung  der  roten  Blutkörperchen,  so 
daß  auf  der  Höhe  der  Krankheit  eine  ausgebreitete  Blutdyskrasie 
(Hämatolysis)  mit  Austritt  von  Blutbestandteilen  in  das  Nieren- 
gewebe zustande  kommt,  wobei  sich  gleichzeitig  die  Diplostrepto- 
kokken rasch  und  zahlreich  vermehren  können.  Sind  auf  diese 
Weise  die  vasa  afferentia  in  den  Nieren  verstopft,  so  können  sie 
bersten,  worauf  Blutungen  und  Blutharnen  oder  Hämoglobinurie  in  Er- 
scheinung treten.  Die  zur  Ausscheidung  kommenden,  für  die  Nieren 
schädlichen  Stoffwechselprodukte  der  Streptokokken  alterieren  dann 
weiterhin  die  Nierenepithelien,  so  daß  Nekrose,  Degeneration,  Zer- 
fall und  Abschuppung  derselben,  sowie  Ansammlung  von  körnigem 
Exsudat   und   Blut,    körnigem    Blutfarbstoff,    wie   Verstopfung   der 


—    498     — 

Harnkanälchen  mit  Zylindern  folgen,  welche  an  Nierenschnitten 
sehr  zahlreich  als  walzen-  oder  schlauchartige  Ausgüsse  in  den 
Tubuli  recti  und  contorti,  verschieden  lang  und  dick,  veranschau- 
licht werden  können. 

Nach  Ponfick  stellt  sich  infolge  der  Blutauflösung  das  Aus- 
scheiden des  Hämoglobins  durch  die  Nieren  erst  ein,  wenn  die 
Menge  des  im  Blute  frei  zirkulierenden  Hämoglobins  llG0  der  Ge- 
samtsumme des  Körperhämoglobins  übersteigt,  woraus  leicht  erhellt, 
warum  in  besonders  leichteren  Fällen  die  Melaninurie  fehlt.  Infolge 
der  Hämoglobinurie  bilden  sich  dann  auch  Hämoglobininfarkte  in 
den  Nieren.  In  den  von  der  Kapsel  zurückgedrängten  Glomeruli 
finden  sich  häufig  halbmondförmig  gestaltete  oder  über  den  ganzen 
Glomerulus  ausgebreitete  Blut-  und  Fibringerinnsel.  An  anderen 
Stellen  ist  die  Bowmansche  Kapsel  durch  eingestreute  Rundzellen 
und  Fibroblasten  mehr  oder  weniger  verdickt,  die  Glomeruli  selbst 
zurückgezogen,  von  Fibroblasten  und  von  beginnenden  fibrillären 
Bindegewebsstreifen  durchzogen.  Außer  den  zahlreichen  Blutungen 
im  intertubulären  Gewebe,  welche  dicht  verstreutes,  körniges  Blut- 
pigment  enthalten,  sind  an  anderen  Stellen  Infiltrationen  von  Leuko- 
zyten, namentlich  aber  Neubildungen  von  Fibroblasten  im  erheblich 
verbreiterten '  interstitiellen  Gewebe  sichtbar,  wodurch  die  derbere 
Konsistenz  bei  chronischen  Fällen  zustande  kommt  (akute,  subakute 
bis  chronische  hämorrhagisch-parenchymatöse  Nephritis). 

Die  Nebennieren  sind  durch  starke  Hyperämie  und  durch 
serös-hämorrhagische  Infiltrationen  erheblich  vergrößert;  ihre  Rinden- 
schicht enthält  viele  Blutpunkte. 

Die  Harnblase  enthält  meist  l\2  bis  1  Liter  eines  dicklichen, 
schleimigen,  getrübten,  oft  blutig  verfärbten,  bis  dunkelbierbraunen 
oder  schokoladefarbigen  Harnes;  die  Blasenschleimhaut  von  Hä- 
morrhagien  durchsetzt. 

Im  Urin  sind  mikroskopisch  Harnkristalle  in  größerer  Menge, 
rote  und  weiße  Blutkörperchen,  Nierenrindenepithelien,  Pflaster- 
epithelien  aus  dem  Nierenbecken  und  der  Harnblase,  Epithelzylinder, 
granulierte  Zylinder,  Blutkörperchenzylinder  und  Hämoglobinzylinder 
infolge  parenchymatös-hämorrhagischer  und  desquamativer  Nephritis 
nachweisbar.  Durch  die  bakterioskopische  Untersuchung  sind  die 
Diplostreptokokken  in  größerer  oder  geringerer  Anzahl  festzustellen. 

Das  Vorhandensein  von  gelöstem  Hämoglobin  im  Harn,  der 
Nachweis    der  Hämoglobinurie,    wird   spektralanalytisch   mit  Hilfe 


—    499     — 

des  Spektroskops  festgestellt.  Der  Farbstoff  der  roten  Blutkörperchen 
und  der  Muskeln,  das  Hämoglobin,  tritt  in  drei  Arten  auf:  Im  sauer- 
stoffhaltigen Blute  ist  das  an  die  roten  Blutkörperchen  gebundene 
Oxyhämoglobin  enthalten,  welches  sich  im  Harn  nur  bei  gleichzeitig 
vorhandenem  frischen  Blute  befindet,  wenn  also  Hämaturie  besteht; 
diese  kann  bei  Streptokokkenseptikämie  in  geringerem  oder  stärkerem 
Grade  neben  Hämoglobinurie  vorhanden  sein.  Das  Methämoglobin 
ist  bei  der  Hämoglobinurie  vorwiegend  im  Harn  enthalten  und 
unterscheidet  sich  von  Oxyhämoglobin  dadurch,  daß  der  Sauerstoff 
infolge  fester  Bindung  nicht  mehr  abgegeben  werden  kann;  das 
Methämoglobin  bildet  sich  nach  Einwirkung  von  Infektionsstoffen 
und  deren  Toxinen  oder  von  Giften.  Oxyhämoglobin  ohne  Sauer- 
stoff ist  reduziertes  Hämoglobin  und  kommt  im  Harn  nur  selten 
vor.  Das  Vorhandensein  von  Hämoglobin  ohne  Spektralanalyse 
kann  praktisch  mit  einiger  Sicherheit  dann  nachgewiesen  werden, 
wenn  im  Harn  keine  roten  Blutkörperchen,  dabei  aber  doch  eine 
blutrote  Verfärbung  und  viel  Eiweiß  enthalten  sind;  auch  die 
Hellersche  Probe  (Kochen  mit  Kalilauge,  bei  Vorhandensein  von 
Blutfarbstoff  scheidet  sich  rötliches,  bei  durchfallendem  Licht  grün- 
liches Sediment  aus)  ist  zum  Nachweis  des  Blutfarbstoffes  für  die 
Zwecke  der  Praxis  am  meisten  geeignet.  Das  Hämoglobin  kann 
sowohl  aus  der  quergestreiften  Muskulatur,  dem  Muskelfarbstoff, 
wie  auch  aus  den  roten  Blutkörperchen  entstammen,  und  je  nach 
der  Ausscheidung  des  einen  oder  anderen  Farbstoffes  entsteht 
Hämoglobinämie  und  Hämoglobinurie,  so  daß  eine  myogene  oder 
hämatogene  Hämoglobinämie  und  Hämoglobinurie  vorhanden  sein 
können,  welche  bei  dieser  Krankheit  stets  durch  infektiösen  Einfluß  in- 
folge der  Einwirkung  der  Streptokokkentoxine  bedingt  werden, 
nicht  aber  infolge  Erkältung  der  äußeren  Decke,  wie  früher  an- 
genommen wurde. 

Durch  die  chemische  Untersuchung  sind  im  Harn  der  an 
Streptokokkenseptikämie  erkrankten  Pferde  Gallenfarbstoffe  und  viel 
Eiweiß  nachzuweisen. 

An  der  Milz  findet  sich  oftmals  keine  Schwellung;  in  anderen 
Fällen  ist  dieselbe  ganz  erheblich  in  toto  vergrößert,  sowohl  bei 
akuten  und  chronischen  Fällen  kann  sie  um  das  Drei-  bis  Vierfache, 
wie  ich  wiederholt  festzustellen  Gelegenheit  hatte,  vergrößert  sein. 
So  war  die  Milz  in  einem  chronisch  verlaufenen  Falle  von  Strepto- 
kokkenseptikämie 76  cm  lang,  22  cm  breit,  51/.,  cm  dick  und  8*/2  Pfund 


—     500    — 

schwer.  Oft  besitzt  die  Milz  an  der  Oberfläche  beulenartige  Vor- 
spränge; die  Ränder  sind  abgerundet,  anter  der  Kapsel  sind  oft 
zahlreiche  punkt-  und  fleckförmige,  schwarzrote  Blutungen,  während 
die  Milz  selbst  dunkelblau  gefärbt  ist;  die  Schnittfläche  ist  dunkel- 
braunrot bis  schwarzrot,  die  Pulpa  erweicht  und  herdweise  oder  im 
ganzen  mit  schwarzenBlutungen  durchsetzt,  in  welchen  oftHämatoidin- 
kristalle  zahlreich  vorhanden  sind.  Bei  subakutem  und  chronischem 
Verlauf  sieht  man  die  Trabekel  und  Septen  durch  Wucherung 
verbreitert,  die  Follikel  hyperplastisch,  vorspringend,  die  Farbe  der 
Schnittfläche  dunkelbraunrot,  die  Konsistenz  mehr  oder  weniger 
derb.  Die  lienalen  Lymphdrüsen  durch  Schwellung  und  Hämorrhagien 
vergrößert  und  braunrot  gefleckt.  In  den  Blutungen  der  Milz  und 
der  Milzlymphdrüsen  finden  sich  zahlreiche  Diplostreptokokken 
(akuter  bis  chronischer  Milztumor). 

Brusthöhle:  Serosa  derselben  enthält  Hämorrhagien,  welche  oft 
zahlreich  im  Verlauf  der  Blutgefäße,  in  der  Kranzfurche  und  in 
den  Längenfurchen  angetroffen  werden.  In  einem  Falle  war  die 
Pleura  pulmonalis  infolge  geringgradiger  chronischer  Pleuritis  ver- 
dickt und  getrübt;  im  gleichen  Falle  war  der  Herzbeutel  durch 
serös-blutige  Flüssigkeit  mehr  oder  weniger  gefüllt;  ferner  bestand 
chronische  Peri-,  Epi-  und  Endokarditis  mit  Trübung  und  Verdickung 
der  serösen  Häute  und  mit  zahlreichen  serös-sulzigen  und  hämorrha- 
gischen Infiltrationen  unter  denselben;  auch  war  beträchtliche  Hyper- 
trophie des  rechten  Herzens,  Verdünnung  und  Ektasie  der  linken 
Herz  wand  vorhanden;  die  Bikuspidalklappe  war  fibrös  verdickt 
(chronische  Peri-  und  Endokarditis). 

Das  Myokard  ist  graurot,  mürbe,  wie  gekocht  aussehend  (hoch- 
gradige parenchymatöse  Degeneration  des  Herzmuskels). 

Die  Lungen  finden  sich  zumeist  im  Zustande  eines  hoch- 
gradigen agonalen  Ödems  und  weisen,  wie  die  venösen  Gefäße  des 
Darmes,  die  Veränderungen  einer  beträchtlichen  Stauungshyperämie 
auf.  Wenn  die  Pferde  während  der  Krankheit  längere  Zeit  auf  einer 
Seite  lagen,  so  zeigt  die  unten  befindliche  Lunge  stark  ausgeprägte 
Hypostase,  zufolge  deren  es  nicht  selten  zu  Blutaustritten  kommt,  in 
welchen Hämatoidinkristalle  angehäuft  sein  können.  DieLungenlymph- 
drüsen  sind  zufolge  markiger  Schwellung  mehr  oder  weniger  ver- 
größert. Die  Schleimhaut  der  Trachea  ist,  wie  die  übrigen  Körper- 
schleimhäute und  wie  auch  die  serösen  Auskleidungen,  oft  von  zahl- 
reichen linsen-  bis  erbsen-  bis  bohnengroßen  Hämorrhagien  durchsetzt. 


—    501     — 

Veränderungen  im  Skelett  sind  bei  schwarzer  Harnwinde 
zuerst  Zucker1)  in  Württemberg  aufgefallen.  Bei  einem  schwer- 
kranken, mit  starker  Hämatolysis  behafteten  Pferde,  dessen  Organe 
hämorrhagisch  durchtränkt  waren,  sah  die  Marksubstanz  der  durch- 
brochenen Rippen  und  der  Rückenwirbel  schwarzbraun  aus;  doch 
zog  dieser  Autor  aus  diesem  Befände  keine  weiteren  Schlüsse. 
Dieckerhoff2)  gebührt  das  Verdienst,  die  Veränderungen  des 
Knochenmarks  bei  schwarzer  Harnwinde  zuerst  als  einen  wesent- 
lichen Bestandteil  des  Sektionsbefundes  dieser  Krankheit  hervor- 
gehoben zu  haben,  wodurch  auch  die  Zugehörigkeit  der  schwarzen 
Harnwinde  zur  infektiösen  Rückenmarksentzündung  evident  erscheint. 

Im  Skelett  können  fast  alle  Knochen  geringere  oder  stärkere 
Veränderungen  aufweisen.  Charakteristisch  und  vorwiegend  aber 
sind  die  Röhrenknochen,  und  zwar  die  beiden  Oberschenkelknochen, 
die  Armbeine,  die  Beckenknochen,  die  Lenden-  und  Rückenwirbel, 
die  Rippen  u.  s.  f.  verändert.  Das  Periost  ist  stark  gerötet,  stellen- 
weise verdickt,  die  Gef&ße  desselben  sind  stark  injiziert;  in  und 
unter  dem  Periost  finden  sich  zahlreiche  kleinste  punkt-  und  fleck- 
förmige bis  diffuse  Blutungen  (Periostitis  haemorrhagica). 

Die  durch  sagittale  Sägeschnitte  halbierten  Oberschenkel- 
knochen und  Oberarmbeine  zeigen  die  für  diese  Krankheit  typischen 
Veränderungen  (vgl.  die  Abbildung  auf  Tafel  VIT):  die  Substantia 
corticaJis  weist  strich-  und  punktförmige  Blutungen  kleinster  Art 
auf.  Die  Spongiosa  enthält  erbsen-  bis  hühnereigroße  oder  difluse 
hämorrhagisch-fibrinöse,  zirkumskripte  Infiltrationen  und  ist  tief 
braunrot  bis  dunkelschwarzrot  verfärbt.  Die  Markräume  des  Fach- 
werks der  Knochenbälkchen  und  Knochenblättchen  sind  durch  tief- 
schwarzrote  blutige  und  entzündliche  schwarzrote  Infiltrationen  er- 
füllt und  deshalb  verstrichen  oder  über  die  Oberfläche  vorspringend. 
Die  veränderte  Spongiosa  ist  stark  erweicht,  mürbe,  morsch,  das 
Fachwerk  leicht  drückbar  und  schneidbar.  Die  so  veränderte 
Spongiosa  erstreckt  sich  auch  in  die  Markhöhle,  entlang  der  Ober- 
fläche der  Medulla  ossium  flava  weiter  in  die  Tiefe  als  normal.  — 
Die  gelbe  Marksubstanz  ist  weiter  in  der  Tiefe  (Mitte)  von  erbsen- 
bis  hühnereigroßen,  dunkelbraunroten  bis  tuschschwarzen,  blutigen 
bis  fibrinösen  Infiltrationen  durchsetzt;  diese  Herde  sehen  auf  der 
Schnittfläche  teils  himbeergeleeähnlich,  teils  homogen,  glatt,  glänzend, 

0  Hering,  Repertorium  Bd.  38,  1877. 

*)  Dieckerhoff,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie. 


—    502     — 

fast  durchscheinend  aus  und  sind  vom  umgebenden  gesunden  Mark 
sequesterähnlich  demarkiert.  Diese  tiefschwarzroten  Entzündungs- 
herde hellen  sich  nach  einiger  Zeit  bei  Luftzutritt  wieder  auf.  An 
anderen  Stellen  ist  der  gelbe  Markzylinder  an  der  Oberfläche 
dunkelbraunrot  gefleckt,  seine  Gefäße  sind  stark  injiziert,  wieder 
andere  Stellen  des  gelben  Markes  und  auch  des  angrenzenden  roten 
Markes  sind  durch  serös-schleimige  Degeneration  lakunär  in  linsen- 
bis  bohnengroßen  Höhlungen  erweicht,  verflüssigt,  getrübt  und  röt- 
lich verfärbt;  aus  solchen  im  gelben  oder  roten  Mark  befindlichen 
zystoiden  kleineren  und  größeren,  oft  bindegewebig  ausgekleideten 
Hohlräumen  fließt  beim  Aufsägen  der  Knochen  blutig  seröse  bis 
schleimige  Flüssigkeit  aus.  Am  in-  und  extensivsten  sind  die  Ver- 
änderungen im  gelben  Markzylinder  des  Femur,  welcher  an  der 
vorderen  und  oberen  Fläche  im  Anschluß  und  Verlauf  an  die  aus 
der  Spongiosa  austretenden  Ernährungsgefäße  regelmäßig  eine 
charakteristische,  blutig-fibrinöse,  scharf  abgegrenzte  Infarzierung 
von  schwarzroter  Farbe  und  bis  zu  Gänseeigröße  aufweist.  Von 
diesem  hämorrhagischen  Infiltrationsherd  ist  oft  nahezu  der  ganze 
Markzylinder  durchsetzt,  so  daß  nur  an  der  unteren  und  hinteren 
Fläche  desselben  auf  der  Schnittfläche  noch  ein  schmaler,  V2  bis  1  cm 
breiter  weißgelber  Streifen  unverändert  bleibt;  in  anderen  Fällen 
ist  der  gelbe  Markzylinder  in  der  gesamten  Markhöhle  wie  ver- 
schwunden und  in  eine  serös-blutige,,  fast  tintenschwarze  Flüssig- 
keit umgewandelt,  durch  welche  von  der  Spongiosa  her  noch  die 
Knochenspangen  mit  Bindegewebe  hinwegziehen,  so  daß  der  größere 
Teil  beim  Aufsägen  abfließt.  Die  Veränderungen  der  Spongiosa 
in  der  oberen  Epiphyse  sind  konstant  vorhanden  und  dem  Grade 
nach  viel  stärker  ausgeprägt  als  in  der  fast  normalen  distalen 
Epiphyse.  Dieser  für  infektiöse  Rückenmarksentzündung  oder 
schwarze  Harnwinde  konstante  Befund  verdankt  seine  Entstehung 
dem  Verlauf  der  von  oben-  und  vornher  durch  die  Corticalis  in 
die  Spongiosa  und  von  hier  in  den  gelben  Markzylinder  eintretenden 
Ernährungsgefaße,  welche  zufolge  der  Veränderungen  per  diapedesin 
oder  per  rhexin  Blut  entleeren  und  ihren  Gefößbezirk,  wie  be- 
schrieben, in  eine  hämorrhagisch-fibrinöse  Infarzierung  versetzen. 
Später  kann  das  Blutserum  mehr  oder  weniger  resorbiert  werden. 
und  die  fibrinöse  Infiltration  wandelt  sich  nach  und  nach  in  Binde- 
gewebe um.  Die  Veränderungen  in  anderen  Röhrenknochen  der 
Hinter-  und  Vordergliedmaßen   fand   ich   nur  stellenweise   und    in 


—     503     — 

geringem  Grade;  namentlich  ist  die  Oberfläche  des  Markzylinders 
der  Tibia  und  des  Radius,  sowie  der  Metakarpal-  und  Metatarsal- 
knochen  von  zahlreichen  dunkelbraunroten  fleckigen,  hanfkorn-  bis 
erbsengroßen  Blutungen  bedeckt,  so  daß  derselbe  manchmal  wie 
braunrot  getigert  aussieht,  aber  auch  erbsen-  bis  bohnen-  bis  hasel- 
nußgroße blutige  Herde  können  sich  im  gelben  und  roten  Mark  des 
Humerus  und  der  übrigen  genannten  Röhrenknochen  befinden. 

Wirbelsäule:  Die  Wirbel  sind,  von  außen  betrachtet,  tief- 
schwarzblau.  Die  Spaltflächen  der  Lenden-  und  Rückenwirbel 
erscheinen  überdies  blutreich,  tiefschwarzrot  bis  sepiafarben.  Die 
Markräume  der  Spongiosa  sind  durch  blutige  und  entzündliche 
Infiltrate  erfüDt  und  die  Knochenbälkchen  und  Knochenblättchen 
erweicht,  morsch,  so  daß  das  sonst  harte  knöcherne  Fachwerk  leicht 
drückbar  und  schneidbar  ist.  Wenn  der  Abdecker  das  Kadaver 
abspaltet,  so  gleitet  das  Beil  wider  sein  Erwarten  oft  auf  einen 
Hieb  durch  ein  bis  zwei  Wirbel  hindurch,  so  mürbe  und  nachgiebig 
ist  die  Knochensubstanz  geworden.  Die  Spaltflächen  der  Wirbel 
sehen  frisch  häufig  pechschwarz  aus,  können  sich  aber  an  der  Luft 
infolge  erneuter  Oxydation  (ähnlich  wie  eine  Milzbrandmilz  oder 
Milzbrandblut)  in  kurzer  Zeit  ziegelrot  aufhellen. 

Aber  auch  die  platten  Knochen,  namentlich  die  Darmbein- 
schaufeln und  die  Rippen,  zeichnen  sich  durch  ähnliche  wie  an  den 
Wirbeln  beschriebene  Veränderungen  aus;  schon  durch  die  äußeren 
Knochentafeln  scheint  die  tiefschwarzblaue  Verfärbung  durch,  und 
die  Diploe  dieser  Knochen  ist  ebenso  wie  die  Spongiosa  der  Röhren- 
knochen verändert.  Bei  diesen  Knochenveränderungen  ist  am 
auffälligsten  die  unglaublich  schwarze  Verfärbung,  welche  teils  auf 
die  Hämatolysis  und  die  Entzündungsvorgänge  in  den  Knochen 
selbst,  teils  auf  die  Ablagerung  von  zertrümmerten  Erythrozyten 
und  von  Hämoglobin  sowie  von  Hämatoidinkristallen  zurückzu- 
führen ist. 

Die  histologisch  -bakteriologische  Untersuchung  zahlreicher, 
nach  verschiedenen  Färbemethoden  dargestellter  Schnitte  des  ver- 
änderten Knochenmarkes  hat  gelehrt,  daß  das  mit  Diplostrepto- 
kokken  infizierte  Knochenmark  zunächst  entzündliche  Zustände 
hämorrhagischen  Charakters  aufweist,  hochgradige  Hyperämie  und 
zahlreiche  Blutextravasate  im  Verlauf  der  Gefäße  und  größere 
lakunäre  Blutungen,  ferner  herrschen  diffuse  blutige  Infiltrationen 
in    das   Zwischengewebe   vor.      In   vielen   Fällen   finden    sich    im 


—     504    — 

bindegewebigen  Retikulum  außer  reichlichen  Hämorrhagien  nach 
der  Weigert  sehen  Färbung  leicht  darstellbare  ausgebreitete  Fibrin- 
netze und  Fibrinzüge;  auch  tritt  amorphes,  kömiges  und  scholliges 
Blutpigment  von  gelber  bis  dunkelbrauner  Farbe,  entstanden  durch 
Zerfall  von  zahlreichen  Blutkörperchen,  auf.  Zwischen  den  Blut- 
körperchen und  am  Rande  der  Hämorrhagien  finden  sich  mehr  oder 
weniger  zahlreiche  Diplostreptokokken,  deren  Stoffwechselprodukte 
giftig  und  entzündungserregend  auf  die  blutbildenden  Organe  ein- 
wirken, das  Blut  auflösen  und  den  Blutfarbstoff  umsetzen  (Schwarz- 
färbung zufolge  Umwandlung  des  Hämoglobins  in  Melanin).  Des 
weiteren  stellt  sich  eiue  starke  Vermehrung  der  farblosen  und  der 
gefärbten  Zellen  des  Knochenmarkes  ein  und  führt  zu  produktiven 
fibroplastischen  Wucherungen  der  Knochenmarkzellen;  ferner  Infil- 
tration von  zahlreichen  Fibroplasien,  durch  welche  das  retikuläre 
Bindegewebe  erheblich  verbreitert  wird,  und  weiterhin  dringt  der 
Wucherungsprozeß  in  die  Hohlräume  der  zur  Resorption  gelangten 
Fettzellen  vor.  Ferner  stellen  sich  Neubildungen  zahlreicher  Gefäße 
und  Einsprossung  zarter  fibrillärer  Bindegewebszüge  ein  (hämorrha- 
gisch-fibrinöse bis  fibroplastische  Osteomyelitis). 

Eitrige  Einschmelzungen  in  der  durch  diese  Streptokokken 
infizierten  Medulla  ossium  rubra  oder  flava  konnte  ich  in  den  unter- 
suchten Fällen  niemals  nachweisen. 

Zur  makroskopischen  Besichtigung  wurden  die  Rückenmarks- 
häute und  das  Rückenmark  bei  den  sezierten,  an  Streptokokken- 
septikämie  oder  an  schwarzer  Harnwinde  verendeten  Pferden  durch 
Eröffnung  des  Wirbelkanals  freigelegt;  für  die  pathologisch-histo- 
logische  und  bakteriologische  Untersuchung  sind  eine  Serie  von 
Rückenmarksschnitten  nach  den  entsprechenden  Färbemethoden  be- 
handelt worden.  Die  krankhaften  Veränderungen  des  Rückenmarks 
und  seiner  Häute  sind  konstant,  können  aber  verschiedengradig  auf- 
treten und  schwanken  von  einer  entzündlichen  Hyperämie  bis  zur 
hochgradigsten  hämorrhagischen  Meningitis  und  Myelitis  spinalis 
oder  bis  zur  totalen  Erweichung  der  Rückenmarkssubstanz;  sie 
spielen  sich  vorwiegend  in  der  Pia  mater  spinalis  und  in  der 
grauen  Substanz  des  Rückenmarks  ab.  Im  Cavum  epidurale  zwi- 
schen dem  Endost  der  Wirbel  und  der  Dura  mater  spinalis  findet 
sich  wäßrig  blutiges,  getrübtes  Exsudat  oder  es  sind  beträchtliche, 
1  /2  bis  1  cm  dicke  blutig-fibrinöse  Einlagerungen  in  das  daselbst  be- 
findliche lockere  Binde-  und  Fettgewebe  vorhanden,  welche  Diplo- 


—    505     — 

Streptokokken  enthalten.  Diese  krankhaften  Veränderungen  setzen 
sich  in  gleichem  Grade  auf  die  vom  Rückenmark  aus  durch  die 
Zwischenwirbellöcher  in  den  Körper  abgehenden  Nervenstränge  fort. 
Sowohl  in  dem  im  Epiduralraum  gelegenen  Binde-  und  Fettgewebe, 
als  auch  in  der  Umgebung  der  zur  Seite  des  Ligam.  longitudinale 
dorsale  verlaufenden  Wirbelblutleiter  finden  sich  stärkere  Blut- 
austritte. 

Die  Arachnoidea  spinalis  erscheint  durch  serös-gallertige  In- 
filtration stark  aufgequollen,  und  in  den  subduralen  und  subarachnoi- 
dealen  Räumen  findet  sich  serös-blutiges  getrübtes  Exsudat,  in 
welchem  die  Diplostreptokokken  enthalten  sind.  Die  an  der  Ober- 
fläche getrübte  Pia  mater  spinalis  fallt  zunächst  durch  ihre  hoch- 
geröteten, teils  feinste  Kapillarnetze  bildenden,  teils  stark  ektasierten 
Blutgefäße  auf,  in  deren  Verlauf  massenhafte  kleinste  staub-  bis 
punkt-  und  fleckförmige  Blutextravasate  hervortreten,  in  welchen 
Diplostreptokokken  nachweisbar  sind;  solche  Blutungen  finden  sich 
auch  an  den  Gefäßen  in  der  Fissura  mediana  ventralis.  Außer 
diesen  Hämorrhagien  erweist  sich  die  Pia  mater  spinalis  durch 
serös-ödematöse  Infiltration  verbreitert. 

Der  Rückenmarksstrang  kann  bei  infektiöser  Rückenmarks- 
entzündung oder  schwarzer  Harnwinde,  soweit  es  sich  um  das 
Lendenmark  und  die  cauda  equina  handelt,  außerordentlich  stark  ver- 
ändert sein.  Zunächst  ist  das  Lendenmark  stark  erweicht,  wie 
weicher  Käse  oder  Rahm  zerfließend,  sowie  die  Pia  mater  eröffnet 
wurde;  wiewohl  diese  Erweichung  mit  dem  Grade  der  Fäulnis  rezi- 
prok fortschreitet,  ist  doch  die  Rückenmarkserweichung  bei  dieser 
Krankheit  keineswegs  die  Folge  von  Fäulnis,  sondern  ein  Ausfluß 
der  massenhaften  apoplektischen  Blutextravasate  und  der  gleich- 
zeitigen entzündlichen  Infiltration  im  Lendenmark.  Der  Beweis 
hierfür  läßt  sich  leicht  dadurch  erbringen,  daß  man  das  hochgradig 
erweichte  Lendenmark  eines  an  Streptokokkenseptikämie  verendeten 
Pferdes  mit  der  Konsistenz  des  Brust-  und  Halsmarkes  und  des 
Gehirnes  vergleicht,  welche  die  normale  feste  Konsistenz  aufweisen, 
währenddem  das  Lendenmark  zu  einem  gelbrötlichen  Brei  erweicht 
erscheint. 

Die  Rückenmarksquerschnitte  zeigen  nämlich  um  den  Zentral- 
kanal in  der  grauen  Substanz  und  von  hier  nach  der  Rückenmarks- 
oberfläche ausstrahlend  massenhafte  gelbrote  oder  schwarzrote  punkt-, 
flecken-  und  strichförmige,  feinste  nicht  abwischbare  Blutaustritte; 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  6.  33 


—    506    — 

die  Blutgefäße  sind  erweitert,  stark  injiziert  und  von  extravasierten 
Erythrozyten  umgeben;  auch  rötliche  unverwischbare  Fleckchen, 
welche  teils  durch  Diapedese,  teils  per  rhexin  ausgetretenen,  oft 
fein  verteilten  Erythrozyten  entsprechen,  finden  sich  auf  den  Quer- 
schnitten, woselbst  zugleich  die  graue  Rückenmarkssubstanz  be- 
sonders der  Dorsal-  und  Ventralhörner  infolge  entzündlicher  Exsu- 
dation erweicht  erscheint  (Myelomalacia  rubra,  rote  Erweichung). 
Diese  Erweichung  findet  sich  strangförmig  um  den  Canalis  centralis 
herum  und  mehr  oder  weniger  auf  die  graue  Substanz  beschränkt» 
während  die  umliegende  weiße  Rückenmarkssubstanz  noch  normale 
feste  Konsistenz  und  weiße  Farbe  zeigt;  bei  vorgeschrittenerem 
Krankheitsgrade  breitet  sich  die  Entzündung  und  Erweichung  auch 
auf  die  weiße  Substanz  aus.  Späterhin  können  sich  bei  eventueller 
Rekonvaleszenz  an  diesen  Stellen  Wucherungen  des  Gliagewebes 
und  gegebenenfalls  atrophische  Zustände  einstellen.  Auch  die  Blut- 
extravasate  in  der  Rückenmarkssubstanz  beherbergen  die  Diplo- 
streptokokken.  Dieselben  können  auf  hämatogenem  Wege  zunächst 
den  Blutgefäßen  der  Rückenmarkshäute  und  des  Rückenmarks  zu- 
geführt werden,  deren  Wände  durch  die  toxisch  wirkenden  Stoff- 
wechselprodukte des  Infektionsträgers  entzündlich  verändert  bzw. 
zur  Berstung  gebracht  werden,  woraus  die  vom  Rückenmark  aus- 
gehenden beschriebenen  schweren  Funktionsstörungen  resultieren 
(infektiöse  hämorrhagische  Meningomyelitis  spinalis  bzw.  Myeloma- 
lacia rubra). 

Die  krankhaften  Veränderungen  der  quergestreiften  Skelett- 
muskeln sind  nicht  so  konstant  wie  die  beschriebenen  Verände- 
rungen des  Rückenmarks,  Knochenmarks  und  der  Nieren,  und  können 
der  Art  und  dem  Grade  nach  sehr  wechselnd  sein;  die  Muskeln 
werden  in  eine  eigenartige  parenchymatöse  Degeneration  versetzt, 
welche  in  besonders  hohem  Grade  an  den  Lenden-  und  Darmbein- 
muskeln,  wie  in  den  Psoasmuskeln,  im  Longissimus  dorsi,  ferner 
im  Quadriceps  femoris,  an  den  Ober-  und  Unterschenkelmuskeln, 
den  Gesäßmuskeln,  an  den  Schulter-  und  Armbeinmuskeln,  in  den 
großen  und  breiten  Brustmuskeln  angetroffen  wird.  In  erster  Linie 
aber  sind  es  immer  die  Muskeln  der  Nachhand,  also  der  Lenden, 
des  Beckens,  der  Kruppe,  des  Ober-  und  Unterschenkels,  abhängend 
von  dem  Grade  der  Lendenmarksentzündung,  und  erst  bei  auf- 
steigender Erkrankung  des  Brustmarkes  erkranken  auch  die  An- 
konäen  stärker.    Die  entzündliche  Trübung  des  Fleisches   steigert 


—     507     — 

sich  mit  zunehmender  Krankheit;  das  Muskelfleisch  erblaßt  und 
erlangt  eine  eigentümliche  dunkelmattbraune  Verfärbung,  oder  das 
Aussehen  des  Fleisches  macht  einer  hellgelblichen,  getrübten,  fisch- 
fleischähnlichen  Färbung  Platz.  Die  Konsistenz  des  Fleisches  ist 
weich,  mürbe,  brüchig,  wie  gekocht,  so  daß  dasselbe  mit  den 
Fingern  und  Händen,  an  welchen  häufig  die  zerrissenen  Muskel- 
fasern hängen  bleiben,  unschwer  durchbohrt  werden  kann.  Das 
kranke  Fleisch  ist  auf  dem  Durchschnitt  entweder  trüb  und  trocken 
oder  infolge  serös-hämorrhagischer  Infiltration  mehr  oder  weniger 
stark  serös  durchfeuchtet  und  ödematös  geschwollen. 

Die  entzündlichen  Zustände  der  Muskulatur  laufen  vorwegs 
im  inter-  und  intramuskulären  Bindegewebe,  in  dem  Perimysium 
und  den  Faszien  ab,  während  die  Muskelfasern  selbst  dadurch  Er- 
nährungsstörungen erleiden,  zufolge  deren  die  Myodegeneration  zu- 
stande kommt.  In  der  Hauptsache  sind  es  Veränderungen  in  der 
Querstreiftmg,  welche  zerfällt  und  körnigen  oder  scholligen  Ab- 
lagerungen, sowie  der  Einlagerung  hyaliner  Substanzen  Platz  macht; 
dieselben  erfüllen  an  Stelle  der  zerfallenen  Quer-  und  Längsstreifung 
den  Sarkolemmaschlauch  und  entstanden  dadurch,  daß  die  Saft- 
strömung und  Nahrungszufuhr  mehr  oder  weniger,  und  zwar  durch 
örtliche  und  allgemeine  Veränderungen  des  Blutes,  unterbrochen 
wurden.  Diese  degenerativ-entzündlichen  Vorgänge  in  der  Muskulatur 
werden  bei  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  oder  bei  der 
schwarzen  Harnwinde  durch  den  Streptococcus  melanogenes  bzw. 
dessen  toxisch  wirkende  Stoffwechselprodukte  und  Mukoproteine 
bedingt. 

Diese  Muskelveränderungen  sind  also  hämatogenen  Ursprungs; 
keinesfaUs  aber  ist  diese  Muskelentzündung  die  Folge  der  Ein- 
wirkung von  Erkältungen  und  des  supponierten  Freiwerdens  des 
Hämoglobins  im  Körper,  wie  bisher  angenommen  worden  ist;  viel- 
mehr sind  es  die  schädigenden  biologisch-toxischen  Einflüsse  der 
Diplostreptokokken,  welche,  wie  in  den  übrigen  Organen,  zunächst 
die  Wände  der  größeren  und  kleinsten  Muskelgefäße  alterieren,  zu 
zahlreichen  Gefäßzerreißungen  und  Blutextravasaten  fähren.  Aus 
diesem  Grunde  sieht  die  Muskulatur  auch  zuerst  dunkelmattbraun 
bis  schwärzlich  aus  (besonders  der  Longissimus  dorsi),  da  zu  dieser 
Zeit  die  Muskulatur  hyperämisch  und  das  Blut  schwarzrot  und 
lackfarben  ist.  In  weiter  vorgeschrittenen  Muskelveränderungen, 
nach  erfolgtem  Zerfall  des  kontraktilen  Inhalts,  wird  die  Färbung 

33* 


—    508     — 

hellgelblich,  wachsartig,  da  in  dieser  Zeit  zufolge  der  Streptokokken- 
toxinwirkung  das  Blut  aufgelöst,  das  Hämoglobin  in  Melanin  um- 
gewandelt wird  und  darauf  letzteres  zur  Resorption  gelangt.  Den- 
selben Veränderungen  kann  der -MuskelfarbstolF  unterliegen.  Aus 
diesen  Gründen  erklärt  es  sich  auch,  daß  die  so  veränderte  Mus- 
kulatur bei  infektiöser  Rückenmarksentzündung  ebenso  wie  die 
Nieren  und  das  Knochenmark  sich  beim  Liegen  an  der  freien  Luft 
in  kurzer  Zeit  oxydieren  und  ziegelrot  aufhellen. 

Einen  Haupteinfluß  bei  der  Entstehung  der  hochgradigen 
Muskelveränderungen  bringt  ferner  der  Ausfall  der  physiologischen 
Funktionen  des  Lenden-  bzw.  Brustmarkes  zuwege,  indem  die 
physiologische  Wirkung  der  trophischen  Nerven,  der  sensiblen  und 
motorischen  Nerven,  die  Einflüsse  der  Vasokonstriktoren  und  der 
vasodilatatorischen  Nerven  zufolge  der  totalen  Lähmung  und  Er- 
weichung des  Marks  je  nach  dem  Grade  der  Rückenmarksveränderung 
ausfallen,  so  daß  auch  dieserhalb  neben  anderen  krankhaften  Prozessen 
die  Nahrungszufulir  in  den  Muskeln  abgeschnitten  wird. 

Offenbar  gehen  denn  auch  diese  entzündlichen  Prozesse  von 
dem  inter-  und  intramuskulären  Bindegewebe  aus,  welches  in  den 
größeren  Muskellagen  nebst  den  Faszien  entweder  entzündlich 
gerötet  oder  stark  serös-ödematös  bis  hämorrhagisch  infiltriert  ist. 
oder  es  finden  sich  im  Muskelbindegewebe,  namentlich  in  den  unter 
der  Lendenwirbelsäule  gelegenen  Psoasmuskeln,  in  den  Kruppen- 
muskeln und  in  den  um  den  Oberschenkel  herum  gelegenen  Muskeln  u.  s.  f. 
handteller-  bis  handflächengroße,  tintenschwarze  Blutlachen,  oder 
aber  es  sind  im  intramuskulären  Gewebe  kleinere  Petechien  und 
sepiafarbene  Hämorrhagien. 

Die  mikroskopischen  Veränderungen  der  Muskeln1)  sind  bei 
infektiöser  Rückenmarksentzündung  oder  bei  schwarzer  Harnwinde 
ebenso  verschiedengradig  wie  die  makroskopischen;  die  Muskelfasern 
sind  durch  serös-ödematische  oder  hämorrhagische  Infiltrate  aus- 
einander gedrängt,  die  im  inter-  und  intramuskulären  Bindegewebe 
verlaufenden  Blutgefäße  sind  infolge  Hyperämie  außerordentlich 
stark  injiziert  und  erweitert;  überall  sind  im  Zwischengewebe  größere 
und  kleinere,  oft  netzartig  oder  lakunär  angeordnete  Blutextra- 
vasate,  in  welchen  sich  die  Diplostreptokokken  oft  haufenweise, 
oder   nur  spärlich  vorfinden;    kraft  ihres  hämolytischen  Vermögens 

!)  Vgl.  auch  Zschokke,  Über  Degenerationsformen  der  Stammes- 
mußkulatur.    Schweizer  Archiv  1898,  Bd.  40,  8.  97. 


—    509    — 

lösen  sie  die  roten  Blutkörperchen  auf  und  setzen  das  Hämoglobin 
in  schwarzen  Farbstoff  um;  da  und  dort  findet  man  im  intermuskulären 
Bindegewebe  entzündliche,  zellige  Infiltrationen  wie  beispielsweise 
von  Leukozyten.  Die  Muskelfasern  sind  stellenweise  oder  ganz  mit 
feinen,  staubartigen  Körnchen  oder  mit  größeren  Zerfallschollen 
durchsetzt  und  grauschwarz,  getrübt;  lösen  sich  nach  Essigsäure* 
zusatz  die  Körnchen  auf,  so  sind  es  Eiweißpräzipitate,  also  albu- 
minöse  Trübungen,  oder  aber  die  stark  lichtbrechenden,  gröberen 
Granula  verschwinden  nach  Essigsäurezusatz  nicht  und  färben  sich 
bei  Einwirkung  von  Osmium  dunkler  bis  braun,  so  daß  es  sich  um 
Fettkörnchen,  um  fettige  Degeneration  handelt.  Das  makroskopische 
Aussehen  der  Muskulatur  verändert  sich  bei  geringradigerDegeneration 
kaum,  welche  aber  mikroskopisch  unschwer  feststellbar  ist.  Die 
kontraktile  Substanz  kann  aber  auch  hyalin  oder  wachsartig  degeneriert 
sein;  der  kontraktile  Inhalt  ist  dann  in  homogene,  glasig  glänzende, 
quadratische  oder  rundliche  Schollen  umgesetzt.  In  Rekonvaleszenz- 
fällen treten  Regenerationsprozesse  auf,  die  veränderten  Muskelfasern 
werden  mehr  oder  weniger  durch  Wucherung  der  Muskelkerne  ersetzt. 
Bei  hochgradiger  parenchymatöser  Myositis  ist  die  morsche  Muskulatur 
gelbrötlich,  das  Muskelbindegewebe  serös,  sulzig  oder  hämorrhagisch 
infiltriert  (Polymyositis  parenchymatosa  s.  hämorrhagica). 

Alle  Körperlymphdrüsen,  namentlich  aber  die  der  Nieren,  der 
Leber,  der  Milz,  des  Gekröses  sind  durch  serös-hämorrhagische  In- 
filtrationen vergrößert,  fleckig  braunrot,  die  perifollikulären  Lymph- 
räume mit  Zellen  ausgefüllt  (serös-hämorrhagische  Lymphadenitis). 

Auf  allen  serösen  Häuten  und  Schleimhäuten  des  Körpers 
finden  sich,  da  es  sich  um  Septikämie  handelt,  mehr  oder  weniger 
zahlreiche,  kleinere  und  größere  Petechien,  auf  deren  Vorhanden- 
sein schon  Dieckerhoff1)  hinwies,  doch  führte  er  ihre  Entstehung 
unrichtigerweise  auf  den  Todesakt  zurück. 

Die  Kadaver  der  an  infektiöser  Rückenmarksentzündung  oder 
schwarzer  Harnwinde  gefallenen  Pferde  zeigen  allgemeine  Neigung 
zu  blutigen  Diffusionen. 

Symptomatologie. 

Wie  schon  aus  dem  wechselnden  Verlauf  der  Krankheit 
ersichtlich,  sind  auch  die  Erscheinungen  bei  den  einzelnen  Pferden 

!)  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie. 


—    510    — 

recht  verschieden.  Im  allgemeinen  kann  man  nach  meinen  Er- 
fahrungen zweckmäßig  (besonders  beim  subakuten  und  chronischen 
Verlauf)  ein  okkultes,  gewöhnlich  längeres  Krankheitsstadium  und 
ein  apertes,  zumeist  kürzeres  Stadium  der  Krankheit  unterscheiden. 

Die  Erscheinungen  des  okkulten  Stadiums  bekommt  der  Tier- 
arzt zwar  meist  nicht  zu  Gesicht,  sie  sind  aber  für  denselben  hin- 
sichtlich der  Erhebung  des  Vorberichtes  und  für  die  Feststellung 
der  Krankheit  und  Unterscheidung  derselben  von  den  zu  verwech- 
selnden anderen  Krankheiten  außerordentlich  wichtig.  Das  erste, 
was  man  von  der  Krankheit  bei  subakutem  und  chronischem  Ver- 
lauf gemeinhin  beobachtet,  ist  die  Abmagerung.  Bei  derselben 
Fütterung,  Pflege  und  Arbeit  magert  das  betroffene  Pferd  in  un- 
erklärlicher Weise  ab  und  wird  allmählich  blutarm.  Ein  solches 
Pferd  wird  bei  der  Arbeit  leichter  matt  als  das  Paßpferd,  dauert 
im  Zuge,  namentlich  bergauf  und  an  schweren  Lasten,  nicht  mehr 
so  aus  wie  das  Paßpferd,  muß  zur  Arbeit  mehr  angetrieben  werden, 
bleibt  leichter  stehen  und  arbeitet  beschwerlicher.  Die  Freßlust 
vermindert  sich  nur  wenig,  die  Körpertemperatur  ist  normal.  Dann 
beobachtet  man  bei  den  betroffenen  Pferden  Schwäche  in  der 
Nachhand,  der  Gang  wird  im  Hinterteil  schwach,  unsicher  und 
schwankend;  oft  wird  die  Lahmheit  irrtümlich  auf  Verrenkung 
zurückgeführt.  Die  Pferde  fuhren  die  Hinterfüße,  ähnlich  wie  bei 
Hüftlahmheit,  im  Bogen  und  langsam  nach  vorn,  können  die  Glied- 
maßen (namentlich  beim  Übergang  in  das  aperte  Stadium)  nicht  hin- 
reichend heben,  so  daß  sie  die  Zehe  oft  über  den  Boden  schleifen; 
der  eine  oder  andere  Hinterfuß  wird  nachgeschleppt;  die  Gelenk- 
winkel bleiben  mehr  geöflhet,  wodurch  die  Gliedmaßen  zu  lang  zu 
werden  scheinen.  Die  Pferde  überknicken  im  Fessel,  sie  stolpern 
leicht,  sie  zittern  und  geraten  zuerst  in  leichteres  Schwitzen  und 
späterhin  in  stärkeren  Schweißausbruch,  je  nach  der  Arbeit  und 
dem  Krankheitsgrade.  Im  Stalle  zeigen  die  Pferde  oft  Trippeln 
mit  den  Hinterfüßen,  Zusammenstellen  der  Hinterfüße,  Vorsetzen 
der  Hinterfüße  unter  den  Bauch;  ferner  beobachtet  man  zumeist 
krampfartige  Kontraktionen  an  den  Lenden-,  Kruppen-  und  Bauch- 
muskeln, welche  sich  in  Härte  und  Steifigkeit  der  Nachhand  kund- 
geben. 

Hengste  können  zum  Decken  nicht  mehr  verwendet  werden, 
da  sie  nicht  mehr  springen  können;  sie  sind  so  matt  und  ab- 
geschlagen, daß  sie  von  den  Stuten  herunterfallen.    Namentlich  ist 


—     511     — 

das  Decken  infolge  der  großen  Schwäche  in  der  Nachhand  und  in 
der  Lendenpartie  unmöglich. 

Je  nach  dem  Verlaufe  der  Krankheit  dauert  dieses  okkulte 
Stadium  nur  bis  zu  wenigen  Tagen  oder  Stunden  (akute  oder  per- 
akute Form),  öder  einige  Wochen  (subakute  Form),  oder  einige 
Monate  (chronische  Form). 

Das  aperte  Stadium  der  Krankheit,  mit  dem  die  akuten 
Fälle  ohne  Vorboten  zu  beginnen  pflegen,  tritt  meist  mit  dem  Zu- 
sammenbrechen der  Pferde  in  Erscheinung,  welches  das  Haupt- 
kriterium für  die  klinische  Feststellung  der  infektiösen  Rücken- 
marksentzündung oder  der  schwarzen  Harnwinde  ist.  Während  die 
Pferde  am  leeren  Wagen  gehen  oder  vor  Lastwagen  schwer  ziehen 
oder  im  Stalle  in  der  Ruhe  sich  befinden,  brechen  dieselben  in  der 
Hinterhand  zusammen  und  sind  unvermögend,  sich  zu  erheben,  oder 
können  nur  unter  Nachhilfe  oder  bei  heftigem  Antreiben  wieder 
aufstehen.  Nicht  selten  stürzen  die  Tiere  in  ganz  apoplektischer 
Weise  zu  Boden.  Sodann  fuhren  sie,  am  Boden  liegend,  vergebliche 
Anstrengungen  aus,  wieder  aufzustehen,  bei  großer  Unruhe  arbeiten 
sie  mit  den  Füßen  (Marschierbewegungen),  indem  sie  zufolge  der 
heftigsten  Schmerzempfindungen  mit  den  hinteren  und  vorderen 
Gliedmaßen  schlenkernde,  schlagende  und  schwimmende  Bewegungen 
ausführen,  so  daß  sie  oft  mit  den  Hufen  den  Boden  aufwühlen. 
Manche  Patienten  heben  oft  den  Kopf  empor  und  schlagen  ihn 
wieder  mit  Heftigkeit  gegen  den  Boden  oder  nach  rückwärts.  Die 
überaus  starken  Schmerzen  infolge  der  intensiven  Rückenmarks-  und 
Knochenmarksentzündung  veranlassen  oft  die  am  Boden  liegenden 
Pferde  zu  lautem,  brummendem  Stöhnen. 

Die  Patienten  geraten  infolge  Atembeschwerden  und  Angst 
oft  in  starken  Schweißausbruch,  sie  sind  zuweilen  ganz  in  Schweiß 
gebadet.  Wenn  die  Tiere  im  Freien  stürzen,  so  können  sie  oft- 
mals nur  mit  Hilfe  einer  Schleife  oder  eines  Wagens  in  den  Stall 
zurückgebracht  werden.  Diese  Vorgänge  können  sich  unabhängig 
von  einem  ein-  oder  mehrtägigen  Ruhestadium  und  unabhängig  von 
der  Fütterung  im  Stalle  und  ebenso  unabhängig  von  abnormaler 
Stallwärme  oder  schlechter  Ventilation  des  Stalles  abwickeln, 
welchen  höchstens  die  Rolle  von  okkasionellen  oder  prädisponieren- 
den Momenten  eingeräumt  werden  kann;  für  einen  Teil  der  Er- 
krankungsfalle mag  das  Auftreten  der  Krankheit  im  Anschluß  au 
solche   Zufälle   und   nach   dem  Herausnehmen   der  Pferde   in   die 


—    512    — 

Kälte  zutreffen,  und  hat  man  bisher  in  einseitiger  Weise  gerade 
diese  Erkrankungen  als  typische  schwarze  Harnwinde  gedeutet  und 
irrtümlicherweise  andere  Fälle  der  schwarzen  Harnwinde  oder  in- 
fektiösen Rückenmarksentzündung,  bei  welchen  diese  Zufälle  eben 
fehlen,  ausgeschlossen. 

Die  Pferde  zeigen  dann  Gelbfärbung  und  schmutzige  Be- 
schaffenheit der  Konjunktiven  (hämatogener  Ikterus  infolge  der 
Blutdissolution)  und  sind  namentlich  bei  der  chronischen  Form  zu- 
weilen bis  zum  Gerippe  abgemagert,  so  daß  sie  gegenüber  ihrem 
früheren,  vollen  Ernährungszustände  stark  entstellt  sind. 

Eine  Steigerung  der  Innentemperatur  fehlt  oftmals,  und  zwar 
nicht  selten  bei  recht  schweren  Krankheitsfällen.  Manche  Pferde 
zeigen  beim  akuten,  subakuten  oder  chronischen  Verlauf  hoch- 
gradiges Fieber,  welches  besonders  im  Verlauf  der  schweren  Fälle 
bedeutenden  graduellen  Schwankungen  unterliegt;  es  können  Tempe- 
raturen von  39  —  40  —  41,  ja  sogar  bis  42°  erhoben  werden.  Die 
Pulsfrequenz  ist  dagegen  gewöhnlich  gesteigert  und  beträgt  60  bis 
80  bis  100  Schläge  und  darüber  in  der  Minute.  Der  Arterienpuls 
ist  anfänglich  noch  kräftig,  später  schwach,  weich  bis  unfuhlbar. 
Der  Herzschlag  ist  pochend,  zuweilen  arhythmisch.  Die  Atmung  ist 
erschwert,  beschleunigt  und  dyspnoisch.  Die  Körpertemperatur  ist 
ungleichmäßig  verteilt;  die  Kruppe  und  Hinterfüße  sind  kühl. 

Die  stehenden  Pferde  zeigen  steife  Haltung  des  Hinterteiles 
und  der  Bauchmuskeln,  Trippeln  mit  den  Hinterfußen,  ungleich- 
mäßiges Belasten  der  Füße,  Unruhe,  öfteres  Niederlegen  und 
Stöhnen,  sowie  beim  Gehen  Lahmheit  oder  gespannten  Gang, 
Schwitzen.  Die  Erschwerung  bzw.  das  Unvermögen  zum  Stehen 
und  zum  Gehen  können  teils  durch  die  Lähmung  des  Bückenmarks, 
teils  durch  die  heftigen  Schmerzempfindungen  in  den  Knochen  und 
den  Muskeln  bedingt  werden. 

Der  Appetit  ist  häufig  ganz  normal,  das  Durstgfcfühl  oft  ge- 
steigert, während  sich  in  anderen  Fällen  die  Futteraufhahme  ver- 
mindert; dagegen  ist  weder  das  Kauen  noch  das  Schlucken,  wie 
ausdrücklich  hervorgehoben  werden  soll,  erschwert.  Oft  fallt  die 
Verminderung  oder  Unterdrückung  der  Peristaltik  auf;  der  Kot- 
absatz ist  zuweilen  mehr  oder  weniger  verzögert,  der  Kot  klein- 
geballt und  trocken. 

Ein  auffallendes  Symptom  ist  besonders  in  den  schwereren 
Graden   der  Erkrankung  die  Hämoglobinurie,   welche  ich  richtiger 


—    513     — 

„Melaninurie"  benenne.  Früher  hielt  man  dieselbe  für  die  Krank- 
heit pathognostisch  und  nie  fehlend ;  sehr  oft  aber  fehlt  das  Hämo- 
globin im  Harn  ganz,  namentlich  in  den  leichteren  und  chronisch 
verlaufenden  Fällen,  wie  schon  aus  der  Ätiologie  und  Pathogenese  her- 
vorgeht. Vielfach  aber  enthält  der  Harn  Hämoglobin  oder  Methämo- 
globin und  deren  Umsetzungsprodukte  (Melanin)  und  sieht  dann 
burgunderrot,  schmutzig-bierbraun,  grauschwarz  bis  tintenschwarz 
aus,  da  der  Strept.  melanogenes  kraft  seines  hämolytischen  Ver- 
mögens die  Blutkörperchen  auflöst  und  das  freigewordene  Hämo- 
globin in  Melanin  umsetzt,  ein  Vorgang,  welcher  in  überzeugender 
uud  klassischer  Weise  auf  Blutnährböden  (Blutbouillon,  Blutagar), 
welche  mit  dem  Str.  melanogenes  geimpft  wurden,  künstlich  im 
Experiment  erzeugt  werden  kann  (cf.  Biologie  des  Erregers).  Ferner 
enthält  der  Harn,  namentlich  bei  ausgebreiteter  hämorrhagischer 
Nephritis,  Blut,  viel  Eiweiß  und  Gallenfarbstoffe,  weiterhin  Exsudat- 
zylinder, weiße  und  rote  Blutkörperchen,  desquamierte  Nieren- 
rindenepithelien  und  Pflasterepithelien;  ferner  ist  der  Harn  oft 
reich  an  Harnstoff  und  Extraktivstoffen.  Die  Reaktion  des  Harns 
ist  gewöhnlich  alkalisch.  Das  spezifische  Gewicht  ist  gemeinhin 
normal. 

Die  Veränderungen  des  Harns  der  an  Streptokokkenseptikämie 
oder  schwarzer  Harnwinde  erkrankten  Pferde  besitzen  daher  keine 
konstante  diagnostische  Bedeutung,  da  besonders  in  leichteren  und 
chronisch  verlaufenden  Fällen  der  Harn  mehr  oder  weniger  unver- 
ändert sein  kann.  Bei  leichter  Erkrankung  und  Genesung  inner- 
halb eines  Tages  bleibt  manchmal  der  Harn  frei  von  Hämoglobin, 
Melanin  und  Eiweiß.  Im  ausgeprägten  Krankheitsstadium  stellen 
sich  die  Pferde  häufig  zum  Harnabsatz  an;  sie  stellen  sich  lange 
beim  Harnabsatz  hin  und  drängen  auf  den  Harn,  während  derselbe 
zuweilen  nur  tropfenweise  abgesetzt  wird,  so  daß  die  Erscheinungen 
einer  vorhandenen  Nierenentzündung  zu  registrieren  sind.  Der 
Harnzwang  kann  teils  bei  der  Arbeit,  teils  auch  im  Stall  beobachtet 
werden,  und  der  Harndrang  besteht  gewöhnlich  bis  zum  Eintritt 
des  Todes.  Gleichzeitig  mit  dem  Harndrang  schachten  die  männ- 
lichen Pferde  öfter  aus. 

Durch  die  Palpation  der  gelähmten  Hinterhand  lassen  sich  an 
den  erkrankten  Muskeln  der  Lenden,  der  Kruppe,  des  Ober-  und 
Unterschenkels  oft  heftige  Schmerzen  auslösen.  Die  Muskulatur 
kann  derb,  gespannt  und  höher  temperiert  sein;  oft  findet  man  die 


—    514    — 

Muskulatur  infolge  der  serös-ödematösen  oder  hämorrhagischen  Infil- 
tration der  Snbkntis,  des  inter-  nnd  intramuskulären  Bindegewebes 
geschwollen;  noch  stehende  Pferde  beugen  sich  unter  der  Palpation 
wie  bei  Nierenentzündungen  ein;  häufig  aber  können  diese  Ver- 
änderungen an  der  Muskulatur  fehlen,  welche  dann,  je  nach  dem 
Verlauf  und  Grad  der  Krankheit,  ganz  unverändert  erscheinen  kann. 
Die  Empfindung  ist  in  der  Nachhand  auf  Berührungen  und  Nadel- 
stiche hin  häufig  noch  erhalten,  in  starken  Krankheitsgraden  da- 
gegen ist  die  Empfindlichkeit  herabgemindert  oder  ganz  aufgehoben, 
so  daß  die  Pferde  ohne  jede  Reaktion  tiefe  Nadelstiche  bis  in  die 
Unterhaut  ertragen.  Die  Gefühllosigkeit  kann  sich  weiterhin  auch 
auf  die  übrigen  Körperpartien,  auf  die  Mittelhand  und  auch  auf 
die  Vorderhand  ausbreiten,  während  ich  am  Hals  und  am  Kopf  der 
Pferde  das  Gefühl  stets  erhalten  fand. 

Späterhin  können  sich  die  Pferde  nicht  mehr  erheben;  sie 
bleiben  ganz  liegen  und  bekommen  fast  konstant,  falls  sie  nicht 
vorher  verenden  oder  länger  als  zwei  Tage  am  Boden  liegen, 
Dekubitus.  Vorwegs  tritt  derselbe  bei  der  chronischen  Form,  aber 
auch  bei  der  akuten  in  die  Erscheinung  an  den  Hüftknochen,  an  den 
Rippen,  an  den  Schultern  und  am  Kopfe.  Oft  können  sich  die 
Pferde  nach  Art  der  hundesitzigen  Stellung  mit  der  Vorderhand 
noch  aufrichten,  fallen  aber  wieder  hin,  bis  auch  die  Vorderfuße 
gelähmt  sind;  auch  der  Kopf  kann  zuweilen  nicht  mehr  getragen 
werden,  worauf  dann  an  den  Augenbogen  faustdicke  Schwellungen 
entstehen.  Wenn  die  Pferde  bei  reichlicher  Streu  von  Zeit  zu  Zeit 
auf  die  andere  Seite  gelegt  werden,  oder  wenn  sie  in  die  Hänge- 
gurte hochgenommen  werden  können,  so  wird  dadurch  dem  Dekubitus 
vorgebeugt,  mit  der  Zeit  aber  tritt  derselbe  bei  der  Hilflosigkeit 
der  Tiere  auf  beiden  Seiten  ausgebreitet  auf  und  trägt  zu  baldigem 
Todeseintritt  wesentlich  bei;  jedoch  gehen  die  Pferde  keinesfalls 
ausschließlich  an  Dekubitus  ein,  da  über  die  Hälfte  der  erkrankten 
und  verendeten  Pferde  keinen  namhaften  Dekubitus  hatte. 

Das  Sensorium  ist  im  allgemeinen  vollkommen  frei,  nur  beim 
Vorhandensein  von  mittelhochgradigem  und  hochgradigem  Fieber 
stellen  sich  Störungen  in  der  Psyche  ein.  Bei  beiderseitiger  hoch- 
gradiger Nephritis  mit  langsamem  Verlauf  können  auch  urämische 
Erscheinungen  auftreten,  wobei  Benommenheit  der  Psyche  und 
urämische  Krämpfe  und  auch  bisweilen  kollerartige  Gehirnstörungen 
vorkommen.    Zuweilen  tritt  bei  teilweisem  oder  ganzem  Abfall  der 


—     515    — 

Temperatur  scheinbar  Besserung  ein,  worauf  das  Leiden  wieder 
um  so  stürmischer  einsetzt.  Nach  hochgradiger  Abmagerung  und 
Erschöpfung  tritt  der  Tod  der  Tiere  oft  ohne  auffälligen  Todes- 
kampf ein.  In  anderen  Fällen,  bei  welchen  die  Lähmung  weniger 
ausgeprägt  ist,  verenden  die  Pferde  unter  großer  Unruhe,  starken 
Schmerzen  und  heftigem  Todeskampf. 

Verlauf  und  Ausgang. 

Die  Krankheit  endet  meist  innerhalb  einiger  Tage  letal;  doch 
ist  der  Verlauf  bei  den  einzelnen  Pferden  außerordentlich  variierend, 
so  daß  genauere  Angaben  hierüber  schwierig  sind.  Der  Krank- 
heitsverlauf richtet  sich  hauptsächlich  nach  dem  Grade  und  der 
Mannigfaltigkeit  der  Lokalprozesse.  Die  graduellen  Verschieden- 
heiten der  Symptome  sind  von  der  Menge  und  der  Virulenz  des 
sich  im  Körper  vermehrenden  Streptococcus  melanogenes  abhängig. 
Bei  geringgradiger  Erkrankung  zeigen  die  Pferde  nur  eine  Steif- 
heit, eine  krampfhafte  Kontraktion  (Hoffmann)  in  den  Muskeln 
der  Nachhand  an  einer  oder  beiden  Seiten  mit  leichter  Hämo- 
globinurie, welche  nicht  selten  ganz  tibersehen  wird;  die  Patienten 
erhalten  sich  mit  Mühe  im  Stehen,  und  nach  wenigen  Stunden  endet 
die  Krankheit  schon  mit  Genesung  (abortiver  Verlauf),  oder  bei 
manchen  Pferden  dauern  die  starke  Muskelspannung  und  die 
Störungen  im  Gang,  wie  Einknicken  mit  den  Fesseln  und  völliges 
Überköten,  einen  bis  drei  Tage  lang,  worauf  völlige  Genesung  er- 
folgt; doch  ist  zu  beachten,  daß  im  Krankheitsverlauf  Exazerbationen 
vorkommen,  indem  manche  akute  oder  subakute  Fälle  in  einen  ganz 
leichten,  chronischen  Zustand  übergehen,  bei  welchem  sich  periodi- 
sche Exazerbationen  nach  unzweckmäßiger  Haltung  oder  infolge 
Überanstrengungen  einstellen.  Rezidive  scheinen  sich  bei  dieser 
Seuche  in  Wirklichkeit  nicht  einzustellen,  manche  Pferde  aber  er- 
kranken bei  Reinfektionen  wieder  aufs  neue;  so  wurde  beobachtet, 
daß  Pferde  binnen  eines  Jahres  zweimal  affiziert  worden  sind. 

Der  Verlauf  in  einem  größeren  Pferdebestande  kann  ebenso 
wechselnd  auftreten,  indem  bald  ein  bis  mehrere  Pferde,  bald 
alle  Pferde  fallen.  Gewöhnlich  beobachtete  ich,  daß  von  vier 
Pferden  eines  und  von  sieben  bis  neun  Pferden  zwei  bis  drei  Pferde 
von  der  Seuche  verschont  blieben;  in  anderen  Fällen  fiel  von  einem 
großen  Pferdebestande  zuerst  ein  Pferd  und  nach  mehreren  Wochen 


—     516     — 

ein  zweites  an  der  subakuten  Krankheitsform.  Die  Seuche  kann 
also,  wie  im  epidemiologischen  Teil  näher  ausgeführt  ist,  bald 
sporadisch  (wie  miasmatische  Krankheiten),  bald  enzootisch  (wie 
eine  Stall-  oder  Ortsseuche)  in  Erscheinung  treten.  Gerade  dieses 
endemische  Auftreten  mußte  schon  früher  bei  der  schwarzen  Harn- 
winde  auf  das  Wesen  einer  Infektionskrankheit  hinweisen.  Das 
einmalige  Überstehen  der  Krankheit  scheint  nicht  konstant  natürlich 
erworbene  Immunität  zu  hinterlassen. 

Im  allgemeinen  kann  der  Verlauf:  1.  akut  (inklusive  des  per- 
akuten Verlaufes),    2.  subakut,   3.  chronisch  sein. 

Die  meisten  erkrankten  Pferde  verenden  rasch,  wie  nach  einem 
bis  mehreren  (drei  bis  fünf)  Tagen  (akuter  bzw.  perakuter  Verlauf), 
oftmals  sind  die  Patienten  bei  der  perakuten  Form  schon  in  kürzester 
Zeit  im  Rückenmark  total  gelähmt  und  gehen  nach  sechs  bis  zwölf 
Stunden  zugrunde.  Auf  den  Krankheitsverlauf  üben  die  Haltung 
und  Verpflegung  bei  manchen  Patienten  großen  Einfluß  aus;  kleine, 
ungenügend  ventilierte  Stallungen  fuhren  zur  baldigen  Dyspnoe  und 
zu  umfangreichem  Dekubitus. 

Tatsächlich  haben  auch  Schmidt1)  im  Großherzogtum  Baden, 
Mayer2)  und  Schust2)  in  Württemberg  und  auch  norddeutsche 
Tierärzte  die  schwarze  Harnwinde  als  Ortsseuche  beobachtet. 

Bei  zahlreichen  Pferden  verläuft  die  Krankheit  subakut  und 
dauert  eine  bis  drei  Wochen.  Auf  den  subakuten  Verlauf  der 
schwarzen  Harnwinde,  wobei  sich  die  Patienten  drei  bis  fünf  Tage 
stehend  erhalten,  hat  zuerst  Utz3)  hingewiesen;  es  finden  sich 
dann  starke  Spannung  in  den  Lenden-  und  Kruppenmuskeln,  in 
den  Ankonäen  und  Kaumuskeln.  Das  Stehen  und  Gehen  verursacht 
den  Pferden  erhebliche  Beschwerden;  doch  vermögen  sie  vom 
Liegen  mit  Unterstützung  noch  aufzustehen;  auch  die  Bauch- 
muskulatur  wird  dann  stark  kontrahiert,  aufgezogen,  und  die  Tiere 
zeigen  Zittern  und  Schwitzen;  gleichzeitig  kann  Melaninurie  be- 
stehen. Die  Pferde  können  nach  einigen  Tagen  zusammenstürzen, 
ohne  wieder  aufzukommen,  so  daß  dann  diese  Form  in  akuten 
Verlauf  mit  letalem  Ausgang  übergeht. 

Die  chronische  Form  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
oder  der  schwarzen  Harnwinde  kommt  viel  öfter  vor,  als  allgemein 

*)  Schmidt,  Badische  tierärztliche  Mitteilungen  1887. 

2)  Hering,  Repertorium  1875  und  1877. 

3)  Utz,  Badische  tierärztliche  Mitteilungen  1871. 


—     517     — 

angenommen  wird,  und  die  chronisch  verlaufende  Krankheit  wird 
sehr  oft  mit  anderen  Krankheiten  (namentlich  mit  perniziöser 
Anämie)  verwechselt.  Solche  Pferde  können  bis  zu  ^4  Jahr  krank 
sein,  wenn  sie  nicht  schon  vorher  wegen  Aussichtslosigkeit  getötet 
werden.  Die ck erhoff1)  hat  zuerst  auf  die  Wichtigkeit  hingewiesen, 
daß  es  Kreuzrhehe  mit  chronischem  Verlauf  gibt.  Bei  der  chronisch 
verlaufenden  Form  dieser  Seuche  und  wenn  schwerere  Fälle  in 
Genesung  übergehen,  bleiben  häufig  Lähmungen  in  der  Nachhand 
zurück. 

Es  kann  eine  ein-  oder  beiderseitige  Parese  der  Nachhand 
infolge  partieller  Kückenmarkslähmung  bei  chronischer  Meningo- 
myelitis  spinalis  wochen-  und  monatelang  bestehen  bleiben;  dabei 
kann  sich  in  bestimmten  Muskelgruppen  starke  Muskelatrophie,  so 
an  den  Kniescheibenstreckern,  an  Kruppen-  und  Grätenmuskeln  u.  s.  f., 
ausbilden,  so  daß  die  Pferde  wegen  dauernder  Untauglichkeit  oft 
doch  noch  getötet  werden  müssen. 

Endet  die  Krankheit  letal,  so  geht  die  Parese  der  Nachhand 
nach  und  nach  in  vollständige  Paralyse  des  Rückenmarks  über. 
Die  große  Unruhe  der  Patienten  vermehrt  sich,  die  Atmung  wird 
infolge  Lungenhypostase,  Lungenödem  oder  infolge  der  Herz- 
schwäche dyspnoisch,  und  es  tritt  allgemeiner  Dekubitus  ein;  es 
trübt  sich  dann  auch  das  Bewußtsein,  und  unter  dem  Bilde  der 
allgemeinen  Streptokokkenseptikämie,  der  Herzlähmung  (schwere 
Degeneration  des  Herzmuskels)  oder  der  Urämie  stellt  sich  der 
letale  Ausgang  ein. 

In  schweren  Krankheitsfällen  kommt  die  Genesung  nicht  oft 
zustande  und  fast  immer  nur  dann,  wenn  die  Patienten  mit  Unter- 
stützung zum  Stehen  gebracht  oder  in  den  Hängegurt  emporgehoben 
werden;  es  läßt  sich  leicht  erkennen,  daß  anhaltendes  Stehen  der 
kranken  Pferde  die  Zirkulation  und  Atmung  erheblich  unterstützt, 
für  eine  gleichmäßigere  Blutverteilung  sorgt  und  die  Respiration 
erleichtert;  dadurch  kann  der  Patient  Zeit  gewinnen,  die  Infektion 
leichter  zu  überstehen. 

Ungünstig  pflegen  auch  alle  jene  Fälle  der  Streptokokken- 
septikämie zu  verlaufen,  bei  welchen  es  zur  Ausbildung  einer 
beiderseitigen  parenchymatösen  Nephritis  gekommen  ist.  Der  akute 
Krankheitsprozeß  der  Nieren  geht  in  chronische  Nierenveränderungen 

*)  Dieckerhoff,  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie. 


—    518     — 

über,  wodurch  zumeist  irreparable  Zustände  mit  ihren  Folgen  re- 
sultieren, und  ungünstig  sind  auch  alle  Krankheitsfälle  der  Strepto- 
kokkenseptikämie  zu  beurteilen,  welche  infolge  der  akuten  Rücken- 
marksapoplexie bzw.  der  hämorrhagischen  Rückenmarkserweichung- 
zu  vollkommener  Paralyse  der  Nachhand  geführt  haben. 

Dagegen  können  auch  die  schwereren  Veränderungen  des 
roten  und  gelben  Knochenmarks  relativ  leichter  zur  restitutio  ad 
integrum  gelangen.  Die  graduellen  Veränderungen  im  Rückenmark, 
Knochenmark  und  in  den  Nieren  können  in  den  einzelnen  Erkrankungs- 
fällen außerordentlich  schwanken.  Bald  sind  vorwiegend  das  Rücken- 
mark und  seine  Häute,  bald  vornehmlich  die  Röhrenknochen,  bald 
vorherrschend  die  Nieren  erkrankt,  während  in  anderen  Fällen 
wieder  mehr  die  Hämatolysis  infolge  der  allgemeinen  Septikämie 
besonders  in  den  perakut  verlaufenden  Fällen  prädominiert.  Die 
hämorrhagische  Meningomyelitis  spinalis,  die  Osteomyelitis  haemor- 
rhagica  sowie  die  Nephritis  parenchymatosa  s.  haemorrhagica  sind 
aber  stets  konstante  und  charakteristische  Veränderungen  der  in- 
fektiösen Rückenmarksentzündung  oder  der  schwarzen  Harnwinde. 
Die  hämorrhagische  bzw.  parenchymatöse  Polymyositis  hängt  in 
gradueller  Hinsicht  vorwegs  von  dem  Krankheitsgrade  der  Rücken- 
marks- und  Rückenmarkshautentzündung  ab;  die  Muskulatur  kann 
aber  auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  selbständig  erkranken, 
indem  auf  hämatogenem  Wege  die  Diplostreptokokken  sich  in  den 
feinsten  Blutgefäßen  der  Muskulatur  niederlassen  und  von  da  aus 
ihr  Zerstörungswerk  beginnen. 

Auch  Perikarditis  und  Endokarditis  mit  konsekutiven  wasser- 
süchtigen Erscheinungen,  wie  serös-sulzige  Infiltration  des  Unter- 
hautzellgewebes an  der  Ünterbrust  und  am  Unterbauch,  serös-hämor- 
rhagische  Infiltrate  im  intermuskulären  Bindegewebe,  Ansammlung 
von  seröser  Flüssigkeit  in  der  Bauch-,  Brust-  und  Herzbeutelhöhle 
habe  ich  bei  der  chronischen  Form  der  Streptokokkenseptikämie 
bei  gleichzeitiger  beiderseitiger  chronischer  Nephritis  und  mit  un- 
günstigem Ausgang  beobachtet. 

Differentialdiagnose. 

Die  vorwürfige  Krankheit  kann  in  mehrfacher  Hinsicht  ver- 
wechselt wrerden  und  ist,  wie  die  Geschichte  der  infektiösen  Rücken- 
marksentzündung oder  der  schwarzen  Harnwinde  lehrt,  tatsächlich 
auch   sehr   häufig   verwechselt   worden.     Vollständig   ausgebildete 


—    519     — 

Krankheitsfälle  sind  relativ  leicht  zu  diagnostizieren,  namentlich 
dann,  wenn  der  Tierarzt  über  ihre  Entwicklung  die  Anamnese  in 
wünschenswerter  Weise  ermitteln  kann.  Die  leichteren  Fälle  und 
die  chronisch  verlaufenden  Erkrankungen  mit  wenig  scharf  aus- 
geprägten Symptomen  dagegen  sind  leichter  zu  verwechseln,  so  daß 
deren  Diagnostizierung  viel  Umsicht  erfordert  und  die  genaue 
Kenntnis  einer  Reihe  von  Krankheiten  voraussetzt,  welche  bei  den 
Pferden  ähnliche  Krankheitszustände  hervorrufen.  Immerhin  ist 
durch  die  ätiologischen  und  pathogenetischen  Erforschungen  das 
Bild  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  oder  der  schwarzen 
Harnwinde  und  seine  Entstehung  derart  aufgeklärt,  daß  nunmehr 
die  Diagnose  bei  sorgfältiger  Untersuchung  gesichert  werden  kann. 

Die  Feststellung  der  Krankheit  gründet  sich  auf  die  anam- 
nestischen Erhebungen,  auf  die  Erscheinungen  des  okkulten  Stadiums 
(Abmagerung,  Blutarmut,  Schlaffwerden,  Lähmungszustände  der 
Hintergliedmaßen,  Schwitzen  usw.),  auf  die  Erscheinungen  des 
aperten  Stadiums,  wie  Parese  oder  Paralyse  der  Hinterhand  (Haupt- 
symptom), große  Unruhe,  universeller  Schweißausbruch,  Gelbfärbung 
der  Konjunktiven  (Blutdissolution),  mittelhochgradiges  Fieber,  erhöhte 
Pulsfrequenz  und  Atemnot  mit  Stöhnen  infolge  heftiger  Schmerzen, 
Hämoglobinurie  und  Melaninurie,  Albuminurie,  Diplostreptokokken  im 
Harn,  Exsudatzylinder,  weiße  und  rote  Blutkörperchen  infolge 
Nephritis,  unterdrückte  Peristaltik,  Harndrang  und  Harnzwang,  Über- 
empfindlichkeit, Gefühllosigkeit  oder  ödematöse  Schwellung  der  Nach- 
hand, ausgebreiteter  Dekubitus,  freies  Sensorium;  ferner  anatomisch 
in  erster  Linie  auf  die  charakteristische  hämorrhagische  Meningo- 
myelitis  spinalis,  eventuell  auf  die  hämorrhagisch-parenchymatöse 
Myositis,  auf  die  hämorrhagische  Osteomyelitis  mit  Schwarzfarbung 
des  Knochenmarks,  die  parenchymatös-hämorrhagische  Nephritis,  den 
akuten  oder  chronischen  Milztumor  und  auf  die  allgemeinen  Ver- 
änderungen der  Septikämie  (Lymphdrüsenentzündungen,  Petechien 
der  Serösen  und  Schleimhäute,  Hämatolysis,  sowie  endlich  auf  das 
seuchenhafte  Auftreten. 

Von  den  mit  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
zu  verwechselnden  Krankheiten  sind  nachstehende  be- 
merkenswert: 

].  Die  einfache  Myelitis  und  Meningitis  sind  in  ihrem 
Vorkommen  beim  Pferde  noch  recht  wenig  bekannt,  entstehen  nach 
traumatischen  Einwirkungen    (Stößen,    Schlägen,    Erschütterungen, 


—    520     — 

Wirbelbrüchen,  schwerem  Ziehen,  rheumatischen  Schädigungen  usw.) 
und  sind  durch  Lähmung  der  Nachhand,  durch  erhöhte  oder  auf- 
gehobene Sensibilität  der  Hautnerven,  durch  Lähmung  der  Harn- 
blase und  des  Mastdarms  und  den  fast  ausschließlich  chronischen 
Verlauf  ausgezeichnet.  Bei  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
ist  die  Empfindung  der  Haut  fast  konstant  vermindert  oder  aul- 
gehoben, der  Kotabsatz  ist  nicht  wesentlich  gestört,  während  der 
Harn  meistens  zurückgehalten  wird;  der  Verlauf  kann  akut,  subakut 
oder  chronisch  sein;  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  kann 
sich  seuchenhaft  auf  mehrere  Pferde  ausbreiten. 

2.  Die  Bornasche  Pferdekrankheit  ist  eine  miasmatische 
Infektionskrankheit,  entsteht  nach  Aufnahme  infizierten  Wassers 
oder  Futters  und  äußert  sich  durch  fibrilläre  Muskelzuckungen  an 
Kopf,  Hals  und  Schultern,  durch  Schreckhaftigkeit,  Vorwärtsdrängen, 
Manegebewegungen,  Lähmungen,  hochgradige  psychische  Depression. 
Schlafsucht,  Kaubeschwerden  und  Schlinglähmung;  der  Kotabsatz  ist 
unterdrückt.  Bei  infektiöser  Rückenmarksentzündung  fehlen  zerebrale 
Erscheinungen.  Bei  beiden  Krankheiten  besteht  der  Erreger  in  durch- 
aus verschiedenartigen  Streptokokken,  welche  zwar  morphologisch 
ähnlich  aussehen,  aber  in  der  biologischen  Wirkung  sich  ebenso  diffe- 
rent  verhalten,  wie  beispielsweise  die  Typhusbazillen  des  Menschen 
und  das  Bacterium  coli,  oder  wie  Milzbrandbazillen  und  Proteusarten. 

3.  Narkotische  Vergiftungen.  Zufolge  Vorkommens  von 
Giften  in  Futterstoffen,  nach  der  Aufnahme  von  Giften  mit  dem 
Futter,  können  mit  Lähmung  verbundene  Erkrankungen  des  Rücken- 
marks und  seiner  Häute  verursacht  werden;  solche  Gifte  sind  Korn- 
radesamen  (Agrostemma  Githago),  das  Rohr  (Arundo  Phragmites), 
der  Schachtelhalm  (Equisetum  palustre),  Solaninvergiftung  usf.  Der- 
art erkrankte  Pferde  bekunden  oftmals  keine  Störung  des  Allgemein- 
befindens, zeigen  aber  einen  schwankenden  Gang  und  vermögen  bei 
schweren  Krankheitsfällen  nicht  mehr  aufzustehen.  Von  Vergiftungen 
unterscheidet  sich  die  infektiöse  Rückenmarksentzündung  bei  Be- 
achtung der  bezeichneten  Hauptsymptome  unschwer  und  besonders 
dadurch,  daß  nie  alle  Pferde  wie  bei  Vergiftungen  auf  einmal  er- 
kranken, sondern  zuerst  eins  oder  zwei,  dann  sukzessive  die  anderen 
Stallinsassen. 

4.  Mit  einfachem  Magen -Darmkatarrh  kann  nur  das 
Anfangsstadium  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  verwechselt 
werden,  bevor  die  Lähmungserscheinungen  auftreten. 


—    521     — 

5.  Die  Kolik,  welche  zu  den  Krankheiten  des  Digestions- 
apparates gehört,  kann  in  der  Regel  mit  infektiöser  Rückenmarks- 
entzündung nicht  verwechselt  werden;  in  manchen  Fällen  aber 
liegen  die  kolikkranken  Pferde,  besonders  im  Endstadium  der  Krank- 
heit, wie  gelähmt  am  Boden,  sind  wie  in  Schweiß  gebadet  und  können 
nicht  mehr  aufstehen.  Die  sorgfältige  Berücksichtigung  der  Anamnese, 
der  bezeichneten  klinischen  Symptome  und  des  Verlaufs  geben  hin- 
reichende Fingerzeige,  um  eine  Verwechslung  beider  Krankheiten 
zu  vermeiden. 

6.  Die  einfache  Nierenentzündung,  Milzbrand,  Petechial- 
fieber, Thrombose  der  hinteren  Aorta,  der  Becken-  und  Schenkel- 
arterien, Frakturen  der  Wirbelsäule  und  der  Beckenknochen,  Huf- 
rhehe  sind  bei  sorgfältiger  Untersuchung  nicht  zu  verwechseln. 

Prognose. 

Die  Prognose  ist  je  nach  dem  Krankheitsverlauf  und  nach 
dem  Grade  der  Krankheitsfalle  außerordentlich  verschieden  zu  be- 
urteilen. Die  Mortalitätsziffer  richtet  sich,  wie  aus  der  Ätiologie 
und  Pathogenese  zu  entnehmen  ist,  vorwegs  nach  dem  Pferdeschlag, 
nach  der  individuellen  Disposition,  nach  der  Menge  und  Virulenz 
des  aufgenommenen  Infektionsstoffes  und  nach  den  örtlichen  Ver- 
hältnissen, unter  welchen  die  erkrankten  Pferde  gehalten  und  ge- 
pflegt werden.  Gemeinhin  involviert  die  Krankheit  stets  eine  große 
Gefahr  für  die  Pferde.  Die  Verluste  an  erkrankten  Tieren  können, 
wie  ich  wiederholt  beobachtet  habe,  70—100  %  betragen,  besonders 
bei  den  schweren,  gut  genährten,  wie  gemästeten  Zugpferden, 
welche  auch  leicht  dem  Dekubitus  und  der  Herzlähmung  verfallen; 
die  Krankheit  der  leichteren  und  mageren  Pferde  hingegen  ist 
günstiger  zu  beurteilen,  obwohl  auch  bei  der  Vorhersage  ebenfalls 
Vorsicht  nötig  fällt,  eingedenk  der  sich  leicht  einstellenden  Exacer- 
bationen. Vermögen  die  Tiere  infolge  vollständiger  Paralyse  weder 
selbst  aufzustehen,  noch  im  Hängegurt  sich  aufrecht  zu  erhalten, 
so  ist  die  Prognose  ungünstig,  wiewohl  in  manchen  Fällen  die 
Patienten  ungeachtet  mehrtägiger  Lähmung  und  Liegens  sich  noch 
erholen  können;  auf  Genesung  ist  auch  dann  zu  rechnen,  wenn  nacli 
Ablauf  von  einem  bis  drei  Tagen  die  Lähmungszustände  der  Nach- 
hand oder  die  Kontraktionen  der  Kruppen-  und  Bauchmuskulatur 
und  die  Verfärbung  des  Harns  verschwinden.     Wenn    beim  akuten 

ZeiUclirifl  fllr  Infektionskrankheiten.    II.  G.  34 


—     522     — 

Verlauf  nach  Verfluß  von  zwei  bis  fünf  Tagen  die  Aufrichtung  in- 
folge ausgebreiteter  Lähmung  unmöglich  ist,  so  endet  die  Krankheit 
fast  ausschließlich  letal;  eine  ungünstige  Prognose  erheischen  auch 
die  Fälle  von  beiderseitiger  difluser  Nephritis  mit  grauschwarzer 
Verfärbung  (Melaninurie)  und  reichen  Eiweißmengen  des  Harns, 
wie  schon  unter  dem  Verlauf  der  Krankheit  näher  erörtert  wurde. 
Auch  die  oft  vorkommenden  Fälle  der  subakuten  und  chronischen 
Krankheitsform  sind  im  allgemeinen  ungünstig  zu  beurteilen,  da 
die  Pferde  oft  an  dem  hinzugetretenen  Dekubitus  eingehen,  oder 
sie  müssen,  wenn  sich  die  Krankheit  über  Wochen  und  Monate 
hinzieht,  aus  ökonomischen  Gründen  geschlachtet  werden. 

Günstig  gestaltet  sich  die  Prognose  bei  den  leichterkrankten 
Pferden,  falls  sie  sich  stehend  erhalten  können,  und  noch  bei  jenen 
Erkrankungen,  bei  welchen  die  Pferde  vom  zweiten  bis  fünften 
Krankheitstage  ab  aufgerichtet  werden  oder  selbständig  aufstehen, 
oder  unter  Anwendung  von  Flaschenzügen,  eines  Hängegurtes  sich 
stehend  erhalten  können.  In  leichteren  Seuchengängen  genesen  oft 
die  Patienten  unerwartet  rasch,  so  daß  die  Verluste  auf  höchstens 
20— 40°/0  der  Fälle  zu  veranschlagen  sind,  während  in  anderen 
Seuchengängen  nach  Aufnahme  größerer  Mengen  des  virulenten 
Streptococcus  melanogenes  unaufhaltbar  ganze  Pferdebestände  aus- 
sterben, was  dann  zu  einer  unheimlichen  Kalamität  für  die  be- 
troffenen Pferdebesitzer  ausartet. 

Die  Mortalitätsziffern  können  daher  außerordentlich  schwanken. 
Nach  Hutyra  und  Marek1)  sind  in  den  Jahren  1890—1902  von 
57  kranken  Pferden  28  Stück  =  49°/0  verendet,  die  Mortalitäte- 
ziffer  schwankte  aber  in  den  einzelnen  Jahren  sehr  bedeutend. 
Bay  stellt  die  Mortalität  (zitiert  nach  Friedberger  und  Fröhner-) 
bei  368  beobachteten  Fällen  auf  70%,  Stockfleth  auf  50%. 
Bouley  auf  60°/0,  Grimm  auf  40%;  an  der  Stuttgarter  Klinik 
stellt  sie  sich  nach  den  Berechnungen  Fröhners  auf  40%;  an  der 
Münchener  nur  auf  20%;  in  den  Jahren  1890/1895  belief  sie  sich 
in  der  preußischen  Armee  auf  40—50%.  Die  gänzliche  Heilung 
gehört  daher  zu  den  spärlichen  Vorkommnissen,  und  die  Genesung 
erfolgt  langsam. 


l)  Hutyra  und  Marek,  Spezielle  Pathologie  und  Therapie  1905. 
a)  Friedberger   und   Fröhner,    Lehrbuch    der   speziellen   Pathologie 
und  Therapie. 


—    523     — 

Prophylaxis  und  Therapie. 

Vor  allem  ist  notwendig,  die  gefährdeten  Pferde  vor  allen 
prädisponierenden  Momenten  zu  schätzen:  Es  sollen  Überanstren- 
gungen, Erhitzungen,  Erkältungen,  einseitige  die  Verdauung  störende 
Fütterung,  namentlich  von  Mais,  Kleie,  Melasse,  Rüben,  Kartoffeln, 
von  gefrorenen  oder  verdorbenen  Futtermitteln  usw.,  streng  vermieden 
werden.  Man  verabreiche  daher  den  gefährdeten  Tieren  nur 
hygienisch  einwandfreie,  durch  kranke  Herde  nicht  infizierte,  leicht 
verdauliche,  kräftigende  Futtermittel  und  Wasser,  wie  beispiels- 
weise gutes  Wiesenheu,  tadellosen  Hafer,  welcher  weder  zu  neu 
und  gärend,  noch  zu  alt  und  multrig,  noch  mit  Unkrautsamen  ver- 
unreinigt sein  soll.  Keinesfalls  dürfen  ferner  die  Pferde  durch  zu 
intensive  Fütterung  überernährt  werden,  da  hierdurch  die  Verdauungs- 
organe überlastet  werden,  öfter  schleichende  Gärungen  und  Verdauungs- 
störungen und  im  Anschluß  daran  die  Streptokokkeninfektion  sich 
einstellen;  es  sollen  die  Pferde  stets  regelmäßig  unter  richtiger 
Berücksichtigung  der  Arbeitsleistung  gefuttert  werden,  deshalb  be- 
•  messe  man  auch  an  Sonntagen  die  Futterrationen  entsprechend  ge- 
ringer. Der  regelmäßigen  Bewegung  der  Pferde  an  Sonn-  und 
Feiertagen  kann  somit  höchstens  ein  schützender  Nutzen  eingeräumt 
werden.  Daß  aber  dadurch,  wie  bisher  angenommen,  die  Krankheit 
tatsächlich  unterdrückt  werden  könne,  erscheint  nach  der  jetzigen 
Sachlage  der  Ätiologie  und  der  Pathogenese  mindestens  übertrieben. 

Die  Patienten  sollen  tunlichst  in  zweckmäßig  eingerichteten 
Ställen  untergebracht  und  zur  Verhütung  des  Dekubitus  auf  reich- 
liche Streu  gelagert  und  einen  halben  oder  auch  ganzen  Tag  ruhig 
liegen;  alle  vier  bis  fünf  Stunden  soll  das  liegende  Pferd  von  einer 
Seite  auf  die  andere  umgewendet  werden;  dann  aber  sollen  die 
Patienten  womöglich  zur  Verhütung  von  Lungenhypostase  und  der 
bedrohlichen  Herzschwäche  zum  Stehen  oder  in  eine  Hängegurte 
gebracht  werden. 

Der  viel  gerühmte  Heilerfolg  des  Aderlasses  scheint  bei  der 
jetzigen  Sachlage  fraglich,  ja  kontraindiziert,  und  zwar  bestimmt 
nachteilig  in  jenen  Fällen,  bei  welchen  es  infolge  Ausbildung  einer 
hämorrhagischen  Nephritis  und  einer  allgemeinen  Hämatolysis  zur 
Hämoglobinurie  bzw.  Melaninurie  gekommen  ist;  dagegen  kann  die 
Einverleibung  größerer  Mengen  physiologischer  Kochsalzlösung  intra- 
venös oder  subkutan  gute  Dienste  leisten. 

34* 


—     524     - 

Bei  vorhandener  Harnverhaltung  bzw.  Parese  der  Harnblase 
ist  die  Entleerung  des  Harnes  durch  Druck  mit  der  flachen  Hand 
vom  Mastdarm  her  anzustreben,  gegebenenfalls  ist  die  Harnentleerung 
vermittelst  des  Katheters  zu  bewirken.  Zur  Beförderung  der  Weg- 
samkeit  der  erkrankten  Nieren  und  der  Melaninausscheidung  durch 
den  Harn,  verabreicht  man  den  Patienten  viel  Wasser  in  dünnen 
Tränken,  gegebenenfalls  auch  Wasser  mit  frischer  Milch  oder 
Zuckerwasser  nach  Hink.  Zur  Entleerung  des  zurückgehaltenen 
Kotes  können  größere  Mengen  lauwarmen  Seifenwassers  in  das 
Rectum  infundiert  und  zur  Anregung  der  Darmtätigkeit  Mittelsalze 
(besonders  Natrium  sulfuricum  im  Trinkwasser)  verabreicht  werden. 
Zur  Verhütung  der  Blutstauung  in  inneren  Organen  ist  die  Ver- 
teilung und  Ableitung  des  Blutes  nach  den  peripheren  Körperteilen 
und  die  Wiederherstellung  der  regelmäßig  verteilten  Körperwärme 
durch  tüchtiges  Frottieren  und  Einreiben  spirituöser  Mittel  (Kampher- 
spiritus), durch  Prießnitz-Umschläge  oder  durch  Auflegen  eines  heißen 
Kartoffelsackes  auf  die  Lenden  und  durch  Bandagieren  der  Füße  zu 
befördern;  kontraindiziert  erscheinen  scharfe  Einreibungen  von  Kan- 
thariden,  Terpentinöl  und  Oleum  sinapis  bzw.  die  Anwendung  des 
Senfteiges,  da  hierdurch  die  ohnehin  nicht  aufzuhaltende  Nephritis 
sich  verschlimmern  könnte;  aus  demselben  Grunde  sind  auch  alle 
innerlichen,  die  Nieren  reizenden  Medikamente,  wie  Acidum  sali- 
cylicum  usw.  kontraindiziert,  und  mit  Rücksicht  auf  den  herunter- 
gekommenen Kräfteznstand  empfiehlt  es  sich  nicht,  heftig  wirkende 
Gifte  zu  applizieren. 

Von  medikamentösen  Mitteln  sind  in  erster  Linie  die  inner- 
lichen Desinfektionsmittel  ins  Auge  zu  fassen,  wie  Kreolin,  Lysol. 
Solveol,  Xeroform,  Natrium  salicylicum,  besonders  Chinin,  Antipyrin. 
welche  am  besten  in  entsprechenden  Verdünnungen  im  Flachssamen- 
schleim oder  als  Latwerge  gegeben  werden  können.  Des  weiteren 
ist,  worauf  zuerst  Tierarzt  Alfons  Hauger  aufmerksam  machte. 
Damholidum  siccum  2f>,0  g  in  Latwergenform,  auf  dreimal  innerhalb 
eines  Tages,  mit  gutem  Erfolge  angewendet  worden;  die  Wirkung 
desselben  hat  sich  bekanntlich  bei  der  epizootischen  Hämoglobinurie 
des  Rindes  glänzend  bewährt,  sie  beruht  darin,  daß  den  Patienten 
das  infolge  der  Hämatolysis  verloren  gegangene  Hämoglobin  wieder 
ersetzt  wird,  so  daß  der  Pferdekörper  Zeit  und  Kräftigung  gewinnt, 
die  Infektion  sicherer  zu  überstehen;  dieses  Mittel  verdient  daher 
seine  Anwendung  bei  dieser  Streptokokkenseptikämie  in  erster  Linie 


—     525     — 

Nutzbringend  ist  feiner  die  Applikation  von  Morphium  (0.5 : 
15,0  Aqu.  destill,  subkutan),  Bromkalium  in  Dosen  von  50,0—75,0  g 
nach  dem  Vorgang  von  Ho  ff  mann1)  und  Metzger,2)  um  wenigstens 
die  heftigsten  Schmerzen  der  Patienten  zu  lindem;  ferner  empfiehlt 
sich  Alkohol,  schwarzer  Kaffee,  Kampheröl  subkutan  usw.  zur 
Hebung  der  Herzschwäche. 

Bei  zurückbleibenden  Lähmungszuständen  der  Nachhand  in- 
folge partieller,  chronischer  Meningomyelitis  spinalis  und  bei  der 
chronischen  Form  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  ist  die 
Gewöhnung  der  Pferde  an  regelmäßige  Bewegungen  vorteilhaft, 
indem  man  die  Tiere  täglich  eine  halbe  bis  eine  Stunde  frei  bewegt 
und  späterhin  zu  leichten  Arbeiten  benützt.  Ferner  können  die 
zurückbleibenden  Lähmungszustände  mit  Massage,  mit  Spirituosen 
Einreibungen  auf  die  Lendenpartie,  mit  Elektrizität,  besonders  aber 
mit  Strychnin  usw.  behandelt  werden. 

Bekämpfung  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung  oder  der 
schwarzen  Harnwinde. 

Ist  in  einem  Pferdebestande  die  infektiöse  Rückenmarks- 
entzündung ausgebrochen,  so  sollen  hinsichtlich  der  Unterdrückung 
und  Verhütung  einer  Verschleppung  der  Krankheit  die  übrigen 
Insassen  durch  Separation  vor  Ansteckung  bewahrt  werden.  Die 
gesunden  Pferde  werden  in  un verseuchten,  zweckmäßig  eingerichteten 
Räumlichkeiten  untergebracht  und,  falls  sie  sich  vermutlich  im  Inku- 
bationsstadium befinden,  ebenso  wie  die  Kranken  mit  inneren  Des- 
infektionsmitteln behandelt,  man  verwende  vorläufig  die  Pferde  nur  zu 
kleineren  Arbeiten  und  schütze  sie  vor  den  bezeiclineten  nachteiligen 
Einflüssen.  Da  die  kranken  Tiere,  wie  gezeigt,  den  hochvirulenten 
Infektionsstotf  durch  den  Kot,  durch  den  Harn,  durch  den  Schweiß, 
Nasen-  und  Maulschleim,  durch  die  Ausatmung  ausscheiden,  dem- 
nach den  Standort  und  den  Stall  mit  hochinfektiösem  Ansteckungs- 
stoff verseuchen,  so  ist  eine  gründliche  Reinigung  und  Desinfektion 
des  Standes,  des  Stalles  und  der  Gerätschaften,  sowie  der  von 
kranken  Pferden  benutzten  Geschirre  erforderlich;  nötigenfalls 
wäre   der  Stall   mit  undurchlässigem  Boden,    Wänden  usw.   auszu- 


*)  Hoff  mann,  Berliner  tierärztliche  Wochenschrift  1895,  Nr.  51. 
")  Metzger,    Deutsche   tierärztliche    Wochenschrift    1896,   S.  389    und 
1897,  S.  449. 


—     526     — 

statten.  Da  frisch  zugekaufte  Pferde  erfahrungsgemäß  besonders 
zur  Erkrankung  disponieren,  so  sollte  während  der  Seuchengefahr  von 
der  Anschaffung  neuer  Pferde  abgesehen  werden,  und  später  ersetze 
man  probeweise  den  Pferdebestand  durch  minderwertige  Pferde; 
frisch  zugekaufte  Pferde  maßten  gegebenenfalls  separiert  gehalten 
werden. 

Da  die  an  infektiöser  Rückenmarksentztodung  erkrankten 
Pferde,  solange  sie  noch  zur  Arbeit  verwendet  werden  können,  was 
namentlich  im  Inkubationsstadium  der  Krankheit  und  bei  der  sub- 
akuten und  chronischen  Form  der  Seuche  möglich  ist,  den  hoch- 
infektiösen Krankheitsstoflf  durch  die  Ausscheidungen  des  Körpers 
in  die  Umgebung  verschleppen  und  dadurch  die  benachbarten  Pferde- 
bestände gefährden  können,  so  erscheinen  veterinärpolizeiliche  Maß- 
nahmen im  öffentlichen  Interesse  geboten,  zumal  da  die  Krankheit 
nach  den  neuesten  Erfahrungen  eine  der  verbreitetsten  und  schäd- 
lichsten Pferdeseuchen  vorstellt  und  namentlich  auch  im  Hinblick 
auf  das  vermehrte  Auftreten  der  Seuche  in  der  Neuzeit,  welche 
nicht  selten,  wie  die  gewonnenen  Erfahrungen  in  allen  Bundes- 
staaten lehren,  als  ein  unaufhaltsames  Pferdesterben  auftreten  kann. 
Das  öffentliche  Interesse  würde  eine  Auswahl  veterinärpolizeilicher 
Maßregeln  erheischen,  wie  Belehrung  der  Pferdebesitzer  über  das 
Wesen,  den  Verlauf  und  die  Erscheinungen  der  Krankheit,  Anzeige- 
pflicht, Gehöft-  bzw.  Stallsperre,  Separation  der  gesunden  Pferde, 
unschädliche  Beseitigung  der  gefallenen  Pferde  vermittelst  Rindei> 
gespannes,  gründliche  Reinigung  und  Desinfektion  der  verseuchten 
Stallungen  unter  polizeilicher  Aufsicht. 

Fleischbeschau. 

Wie  mir  bekannt,  wurde  eine  Anzahl  von  an  subakuter  und 
chronischer  infektiöser  Rückenmarksentzündung  oder  schwarzer  Harn- 
winde erkrankter  Pferde  geschlachtet  und  deren  Fleisch  zum  mensch- 
lichen Genüsse  ohne  jeglichen  Nachteil  der  Konsumenten  zugelassen. 
Wie  schon  eingangs  erörtert  worden  ist,  wirkt  der  Streptococcus 
melanogenes  spezifisch  auf  den  Pferdekörper  pathogen,  während 
andere  Tierarten  und  der  Mensch  sich  diesem  InfektionsstofF  gegen- 
über nach  den  bisherigen  Beobachtungen  immun  erweisen.  Doch 
ist  zu  beachten,  daß  nach  Ostertag  in  Altena  i.  W.  nach  dem 
Genuß  des  Fleisches  eines  solchen  notgeschlachteten  Pferdes  eine 


— .    527     — 

Anzahl  Personen  und  ein  Arbeiter  tödlich  erkrankten.  Von  altersher 
wurde  das  Fleisch  von  Pferden  mit  schwarzer  Harnwinde,  soweit 
dasselbe  substanziell  nicht  verändert  war  und  von  fieberlosen  Tieren 
herstammte,  ohne  jeden  Schaden  genossen;  jedenfalls  kann  das  sub- 
stanziell unveränderte  Fleisch  von  den  sofort  im  Beginn  der  Krank- 
heit abgeschlachteten,  sowie  von  den  zur  Genesung  gekommenen 
oder  nur  mit  partiellen  Lähmungen  geringeren  Grades  behafteten, 
fieberfreien  Pferden  ohne  Bedenken  nach  Beseitigung  eventuell  ver- 
änderter Organteile  (Rückenmark,  Röhrenknochen,  Muskeldegene- 
rationen, Nieren)  zum  menschlichen  Genüsse  zugelassen  werden. 
Nach  der  ganzen  Sachlage  muß  aber  ausdrücklich  betont  werden, 
daß  das  Fleisch  von  Pferden  mit  allgemeiner  Streptokokkenseptikämie 
wegen  der  drohenden  Toxinwirkung  und  der  leichten  Zersetzung 
desselben  eine  folgenschwere  Gesundheitschädlichkeit  involvieren 
kann,  weshalb  in  solchen  Fällen  der  ganze  Tierkörper  unschädlich 
beseitigt  werden  muß. 

Ätiologie. 

Morphologie  des  Streptococcus  melanogenes. 

Diese  Streptokokken  sind  paternoster-ähnlich  aneinandergereihte 
Verbände,  welche  aus  lauter  Diplokokken  zusammengesetzt  sind. 
Die  einzelnen  Kokken  erweisen  sich  hinsichtlich  der  Gestalt  nicht 
als  kugelrund,  sondern  sie  zeigen  leichte  Abplattungen  an  den  Be- 
rührungsstellen der  Einzelglieder,  also  in  der  Querrichtung  der 
Kette,  so  daß  die  Diplokokkenpaare  mit  ihren  breiten  Polen  an- 
einanderliegen.  Das  Wachstum  der  Ketten  erfolgt  daher  durch 
Längenwachstum  und  Querteilung.  Dieser  Streptokokkus  scheint 
sich  nur  nach  einer  Richtung  des  Raumes  zu  teilen.  Diese  aus  wieder- 
holter Teilung  eines  Kokkus  sich  bildenden  Ketten  können,  je  nach 
den  Organteilen  und  den  Nährböden,  auf  denen  sie  gewachsen  sind, 
kürzer  oder  länger  sein.  Ferner  sind  sie  zumeist  gerade  verlaufend, 
namentlich  die  kürzeren  Ketten,  doch  kommen  auch  gewnnden  und 
geschlängelt  verfaulende  (bei  längeren  Ketten)  Formen  vor.  Bei 
chronischen  Fällen  der  Streptokokkenseuche  des  Pferdes  tritt  dieser 
Erreger  außer  in  Kettenform  in  den  erkrankten  Organen  vorwiegend 
in  Diploform  auf;  bei  akut  verlaufenden  Fällen  und  in  serösen 
Flüssigkeiten  kommt  er  dagegen  hauptsächlich  als  Streptokokkus 
vor.    Die   längsten  Ketten  bilden  sich  in  Bouillonkulturen  und  im 


—     528     — 

Kondenswasser  von  seimigem  Agar.  Da  eine  auffällige  Schleim- 
bildung  oder  Kapselbildung  bei  diesem  Streptokokkus  fehlt,  so 
lösen  sich  die  Ketten  beim  Schütteln  flüssiger  Nährböden  oder  bei 
unzweckmäßigem  Ausstreichen  auf  Deckgläser  leicht  auf,  zerreißen 
und  erscheinen  dann  in  Diploform  oder  als  kürzere  Ketten  von  vier 
oder  sechs  Gliedern.  In  1  proz.  alkalischer  Nährbouillon,  im  Kondens- 
wasser von  Agarkulturen,  in  der  Leber  von  Kaninchen,  im  Bauch- 
höhlenexsudat, den  Nieren,  sowie  auch  im  Knochenmark  der  Röhren- 
knochen, mitten  in  den  Wirbelknochen  und  im  Rückenmarkskanal 
von  Versuchstieren  oder  von  spontan  erkrankten,  akut  bzw.  subaktit 
verendeten  Pferden  sind  die  längsten  Ketten  anzutreffen.  Aus 
Bouillonkulturen  gefertigte  Ausstriche  zeigen  (neben  kurzen)  durch  das 
ganze  Gesichtsfeld  mehr  oder  weniger  geschlängelt  verlaufende  Ketten. 

Die  Färbung  des  Str.  melanogenes  gelingt  im  allgemeinen 
leicht  mit  allen  gebräuchlichen  Anilinfarben;  zweckmäßig  färbt 
man  ihn  mit  Löfflers  Methylenblau  ein  bis  zwei  Minuten  lang. 
Auch  nach  der  Romanowskischen  Färbemethode  lassen  sich  diese 
Diplostreptokokken  schön  darstellen.  Dagegen  entfärben  sie  sich 
rasch  nach  der  Gramschen  Methode,  gleichgültig  ob  das  Unter- 
suchungsmaterial  aus  den  erkrankten  Organgeweben  der  Versuchs- 
tiere oder  spontan  erkrankter  und  verendeter  Pferde  stammt,  oder 
ob  die  Ausstriche  Reinkulturen  entnommen  sind. 

Die  Größe  der  Einzelkokken  beträgt  0,4  //;  ein  Diplokokkus 
dieses  Erregers  besitzt  eine  Länge  von  1  (i.  Der  Streptokokkus 
ist  zumeist  aus  vier  bis  acht  Diplokokken  zusammengesetzt.  In 
Bouillon-  und  Agarkulturen,  sowie  mitten  in  der  Spongiosa  der 
Knochen  (Wirbel),  in  Kaninchenlebern  usw.  treten  nicht  selten  lange 
Ketten  bis  zu  20  Diplokokkenpaaren  und  darüber  auf.  Diese  Großen- 
verhältnisse  sind  sowohl  bei  den  aus  Organsäften  herrührenden 
Erregern,  als  auch  bei  den  aus  Reinkulturen  gewonnenen  Formen 
ziemlich  konstant.  Im  allgemeinen  imponiert  der  Str.  melanogenes 
durch  seine  feine,  grazile  Gestalt  und  durch  seine  kleinen  Formen, 
besonders  wenn  sie  mit  anderen  Streptokokken  in  Vergleich  gestellt 
werden. 

Biologie  des  Streptococcus  melanogenes. 

Nach  meiner  Erfahrung  stellt  der  Strept.  melanogenes  ein 
fakultativ  pathogenes  Bakterium  dar,  welches  sowohl  auf  toten 
pflanzlichen    und    tierischen  Substraten   im  Darmrohr   des  Pferdes 


-     529     - 

saprophytisch  zu  vegetieren,  als  auch  im  lebenden  Pferdekörper 
den  bekannten  pathogenen  Parasitismus  zu  entfalten  vermag. 

Das  Temperaturoptimum  des  Str.  melanogenes  liegt  bei  37°  C; 
er  wächst  aber  auch  noch  bei  niedrigeren  Temperaturen  bis  zu 
25— 20°  C;  bei  Zimmertemperatur  sistiert  das  Wachstum.  Er  ge- 
deiht am  besten  auf  schrägem  und  geradem  alkalischem  Glyzerinagar 
und  Bouillon,    aber   auch   auf  Blutserum  und  Gelatine  usw. 

Diese  Diplostreptokokken  wachsen  am  besten  bei  O-Zutritt, 
können  aber  auch  bei  O-Abschlnß,  wenn  auch  wesentlich  langsamer, 
wachsen. 

Die  Diplostreptokokken  sind  in  den  erkrankten  Pferdeorganeri 
oft  mit  größeren  Kokken,  dem  Bacterium  coli  und  anderen  sapro- 
phytischen  Bakterien  vergesellschaftet,  so  daß  ihre  Reinzüchtnng, 
besonders  aber  wegen  ihres  spärlichen  Vorkommens,  Schwierig- 
keit macht. 

Agars trich:  Bei  dünnem  Aussäen  treten  nach  einem  bis 
zwei  Tagen  gleichmäßige,  i-punktgroße,  scharf  umschriebene,  grau- 
weiße bis  leicht  bläuliche,  an  der  Oberfläche  glatte,  tautröpfchen- 
ähnliche  Kolonien  auf,  die  im  ganzen  ein  dünnes,  spärliches  Wachs- 
tum präsentieren.  Unter  diesen  zahlreichen  feinen  Kolonien  gehen 
oft  einzelne  wesentlich  größere,  dickere  auf,  welche  keine  Verun- 
reinigung der  Kultur  sind.  Im  Kondenswasser  bildet  sich  ein  leicht- 
flockiges, grauweißes  Wachstum,  das  aus  lauter  Streptokokken  besteht. 

Agar  st  ich:  Im  Stichkanal  wächst  ein  grauweißer,  dünner, 
schlanker  Faden,  welcher  in  die  Umgebung  kleinste,  flaumhaar- 
älinliche  Ausläufer  entsendet,  um  die  obere  Stichöflhung  herum  nur 
spärliches  Wachstum. 

In  Bouillon  wachsen  die  Diplostreptokokken  zunächst  zu 
zahlreichen,  Stecknadelkopf-  bis  hanfkorngroßen,  weißen,  runden, 
schneeballenformigen  Körnern  und  Knäuelchen  (Kolonien)  aus,  welche 
sich  am  Boden  und  an  den  Wandungen  des  Glases  ansetzen;  nach 
Eintritt  stärkeren  Wachstums  sammelt  sich  am  Boden  des  Reagier- 
glases ein  weißer,  großflockiger  Niederschlag  an,  welcher  beim 
Schütteln  in  der  Bouillon  schwimmt.  Die  Bouillon  selbst  ist  dabei 
goldgelb  und  vollkommen  klar.  Mikroskopisch  bestehen  diese 
Flöckchen  aus  lauter  Diplostreptokokken,  welche  aber  beim  Aus- 
streichen auf  Deckgläser  leicht  zerrissen  werden,  und  sie  zerfallen 
dann  in  kurze  Strepto-  und  Diplokokken;  zum  Unterschiede  von 
den  in  Agar  gewachsenen,  ganz  gleichmäßig  großen  Streptokokken 


—     530      - 

variiert  die  Größe  der  in  Bouillon  aufgegangenen  ein  wenig.  Meist 
sind  sie  hier  etwas  dicker.  Im  allgemeinen  beträgt  der  Durch- 
messer eines  Kokkus  0,4  Mikra. 

Auf  Serum  bilden  die  Diplostreptokokken  nach  24stündigem 
Wachstum  im  Thermostaten  kleinste  bis  stecknadelkopfgroße,  um- 
schriebene, an  der  Oberfläche  glatte,  hellgrauweiße,  dünne  Kolonien, 
welche  bei  stärkerem  Aussäen  zu  dünnen  Bändern  konfluieren.  Das 
Serum  wird  durch  das  Diplostreptokokkenwachstum  weder  verflüssigt 
noch  erweicht. 

Auf  schräger  Gelatine  tritt  das  Diplostreptokokkenwachstum 
als  winzig  kleine  bis  i-punktgroße  Kolonien  auf,  welche  bei  dicker 
Aussaat  granulierte,  bläulich-weiße,  dünnere  oder  dickere,  grau- 
gelbliche,  im  ganzen  äußerst  zarte  Bänder  bilden. 

Im  Gelatinestich  entstehen  graugelbliche,  zusammenhängende, 
schlanke  Fäden  oder  Bruchstücke  von  solchen,  oder  rundliche  Ko- 
lonien; um  den  oberen  Einstich  herum  ist  das  Wachstum  spärlich. 
Das  Wachstum  auf  Gelatine  tritt  entsprechend  der  niedrigen  Tempera- 
tur erst  nach  mehreren  Tagen  deutlich  in  Erscheinung.  Die  Gelatine 
wird  durch  das  Diplostreptokokkenwachstum  weder  verflüssigt  noch 
erweicht. 

Die  Milch  hat  sich  praktisch  zur  Züchtung  des  Streptococcus 
melanogenes  nicht  ausgezeichnet.  Auch  in  differentialdiagnostischer 
Richtung  zur  Unterscheidung  des  Streptococcus  melanogenes  von 
anderen  Streptokokken  hat  die  Milch  keine  besonderen  Vorzüge. 

Die  Kartoffeln  sind  für  die  Züchtung  des  Streptococcus 
melanogenes  ebensowenig  wie  für  andere  Streptokokken  ein  ge- 
eignetes Nährsubstrat;  es  tritt  auf  denselben  erst  nach  mehrtägigem 
Stehen  im  Brutofen  Streptokokkenwachstum  auf,  welches  sich  von 
der  Kartoffeloberfläche  nur  wenig  abhebt.  Das  Wachstum  des 
Streptococcus  melanogenes  sieht  auf  Kartoffeln  wie  bei  anderen 
Streptokokken  (Streptococcus  pyogenes  equi,  Mastitisstreptokokken 
usw.)  hellgrauweiß  und  feucht  aus  und  bildet  einen  ebenso  be- 
schaffenen, zusammenhängenden  Strich  oder  Band.  Entnimmt  man 
das  Material  nadelspitzenvoll  zu  Deckglasausstrichen,  so  findet  sich 
reichlicheres  Streptokokkenwachstum,  als  man  (makroskopisch  be- 
trachtet) erwartet.  Der  Streptococcus  melanogenes  bildet  dabei 
wie  die  anderen  Streptokokken  zahlreiche  Involutionsformen;  in- 
mitten der  Ketten  finden  sich  blasige,  um  das  Mehrfache  größere 
und  intensiver  gefärbte  Diploformen   oder   auch   stark   blasig  auf- 


—     531     — 

getriebene,  kokkenförmige  Gestalten,  was  am  besten  illustriert,  daß 
die  Kartoffeln  zum  Züchten  der  Streptokokken  keinen  günstigen 
Nährboden  darstellen. 

Blutbouillon  wurde  in  der  Weise  hergestellt,  daß  einem 
Röhrchen  (10  ccm)  steriler  Bouillon  sechs  bis  acht  Tropfen  frisches 
defibriniertes,  durch  ein  steriles  Filter  filtriertes  Blut  von  gewerb- 
lich geschlachteten  Pferden  oder  Rindern  beigemischt  wurden.  Dieser 
Nährboden  wurde  sodann  mit  Reinkulturen  des  Streptococcus  melano- 
genes,  sowie  mit  Reinkulturen  des  Str.  pyogenes  aus  der  eitrigen 
Gelenkhöhle  eines  Pferdes,  des  Str.  pyogenes,  reingezüchtet  aus 
dem  Hodenabszeß  eines  Ebers  und  dem  Str.  mastitidis  aus  der 
Milch  einer  euterkranken  Kuh  geimpft.  Diese  Kulturen  blieben  je- 
weils durch  24  Stunden  in  dem  Thermostaten  bei  38°  C  stehen  und 
während  weiterer  zwei  oder  mehrerer  Tage  untersucht.  Dabei 
ergab  sich  das  interessante  Resultat,  daß  sich  zunächst  bei  allen 
Kulturen  das  in  der  Bouillon  befindliche  Blut  mehr  oder  weniger 
am  Boden  absetzte,  während  darüber  die  ungefärbte  Bouillon  sich 
fand.  Augenfällige  Artunterschiede  zwischen  dem  Str.  melanogenes 
und  den  übrigen  genannten  Streptokokkenreinkulturen  bestanden 
darin,  daß  die  Kulturen  des  Str.  melanogenes  eine  schwarzrote  Ver- 
färbung zeigten,  welche  beim  Umschütteln  der  Bouillon  ein  wässerig 
dunkelbierbraunes  Aussehen  und  lackfarbene  Beschaffenheit  verlieh; 
die  darin  noch  vorhandenen  Blutflöckchen  blieben  tintenschwarz 
gefärbt.  •  Der  Str.  melanogenes  löst  daher  vermöge  seiner  hämo- 
lytischen Kraft  die  roten  Blutkörperchen  mehr  oder  weniger  voll- 
ständig auf  und  setzt  das  Hämoglobin  in  Melanin  um  —  Vorgänge, 
wie  sie  in  den  durch  den  Str.  melanogenes  hervorgerufenen  Ver- 
änderungen der  Organgewebe  erkrankter  Pferde,  namentlich  in  den 
Muskeln,  im  Blute,  in  der  Spongiosa  der  Knochen,  welche  die 
schon  erwähnte  tintenschwarze  Verfärbung  aufweisen,  sich  ab- 
spielen. Dieser  Streptokokkus  darf  somit  zur  Artunterscheidung 
gegenüber  anderen  Streptokokken  mit  Recht  den  Namen  Str.  melano- 
genes beanspruchen.  Denn  ganz  anders  repräsentieren  sich  die 
Kulturen  der  übrigen,  in  den  Vergleich  einbezogenen  Streptokokken- 
reinkulturen, deren  Blutfarbstoff  gar  nicht  oder  doch  in  weit  ge- 
ringerem Grade  aufgelöst  wird;  infolgedessen  erscheint  hier  die 
Bouillonkultur  nach  dem  Umschütteln  wieder  blutig-hellrot  gefärbt. 
Diese  Unterschiede  treten  vergleichsweise  bei  durchfallendem  oder 
auffallendem  Licht  um  so  deutlicher  hervor. 


—     532     - 

Außer  den  schon  erwähnten  Unterschieden  zwischen  der  Blut- 
bouillonkultur  des  Str.  melanogenes  und  den  anderen  bezeichneten 
Streptokokkenreinkulturen  —  es  dürfen  selbstverständlich  nur  wirk- 
liche Reinkulturen  (verunreinigte  Kulturen  sind  vom  Vergleich  aus- 
zuschließen) in  Betracht  gezogen  werden  —  ist  bei  der  mikro- 
skopischen Untersuchung  der  Deckglasausstriche  ersichtlich,  daß 
der  Str.  melanogenes  zwischen  den  zahlreichen  Blutkörperchen  sich 
massenhaft  vermehrt  und  dieselben  auflöst.  Man  findet  die  in  Auf- 
lösung begriffenen  roten  Blutkörperchen  entweder  ganz  farblos  oder 
nur  noch  verwaschen  gelbrötlich.  Viele  derselben  sind,  und  dies 
namentlich  in  der  nächsten  Umgebung  der  Streptokokken,  mehr 
oder  weniger  stark  zerfallen.  Dadurch  wird  es  bedingt,  daß  nach 
dem  Umschütteln  dieser  so  veränderten  Blutbouillonkultur  des 
iStr.  melanogenes  keine  richtige  Hellrotfärbung  derselben  mehr  in 
Erscheinung  tritt,  sondern  dieselbe  einer  dunkelbierbraunen,  schwarz- 
roten (lackfarbenen)  Verfärbung  Platz  macht.  Im  allgemeinen 
wachsen  in  der  Blutbouillonkultur  alle  genannten  Streptokokken- 
sorten sehr  rasch  und  ausgiebig,  und  es  treten  in  derselben  überaus 
lange  Kettenbildungen  auf. 

Blutagar1)  verwendete  ich  zu  Ztichtungszwecken  und  zur 
Artunterscheidung  von  Streptokokken  ebenfalls  mit  Vorteil.  Zur 
Herstellung  des  Blutagars  benutzte  ich  gewöhnliches  alkalisches 
Glyzerinagar  mit  der  Abweichung,  daß  zu  ,/2  1  ll/2  g  Agar-Agar- 
substanz  mehr  zugefügt  wurde.  Der  auf  43—48°  abgekühlten 
Agarmasse  setzte  ich  Blut  in  einem  Verhältnis  von  5 : 1  zu.  Das 
Blut  wurde  von  gewerblich  geschlachteten  Pferden,  Rindern,  Kälbern 
und  Schweinen  möglichst  steril  in  sterilisierten  mit  Glasperlen  ver- 
sehenen Gläsern  aufgefangen,  durch  kräftiges  Schütteln  defibriniert. 
tunlichst  blutwarm  durch  ein  sterilisiertes  Filter  filtriert  und  mit 
der  Agarmasse  durch  rasches  Umschwenken  vermischt.  Sofort 
wurde  dann  das  Blutagar  in  sterile  Petrischalen  zu  einer  beiläufig 
4-6  mm  dicken  Nährbodenschicht  ausgegossen  und  zum  Erstarren 
abgekühlt.  Hierauf  machte  ich  die  Deckelinnenfläche  und  die  Nähr- 
bodenoberfläche  durch  Ansengen  über  der  Gasflamme  tunlichst  trocken 
und  keimfrei;  sodann  sind  die  einzelnen  Blutagarplatten  mit  Eein- 

v)  Eine  grundlegende  Arbeit  über  die  Unterscheidung  der  für  den 
Menschen  pathogenen  Streptokokken  durch  Blutagar  hat  der  hierdurch  sehr 
verdiente  H.  Schottmüller,  Münchener  medizin.  Wochenschr.  Nr.  20  u.  21. 
1903,  geliefert. 


-     533     — 

kulturen  des  Str.  melanogenes  und  mit  der  Reinkultur  des  Str. 
pyogenes  aus  der  eitrigen  Gelenkhöhle  des  Pferdes,  mit  der  Rein- 
kultur des  Str.  pyogenes,  gezüchtet  aus  dem  Hodenabszeß  eines 
Ebers,  und  mit  der  Reinkultur  des  Str.  mastitidis,  reingezüchtet 
aus  der  Milch  einer  euterkranken  Kuh,  in  der  Weise  geimpft 
worden,  daß  mit  einer  kleinen  Öse  voll  Kultur  etwa  zwei  parallel 
laufende  Bänder  in  entsprechenden  Abständen  gezogen  wurden;  die 
Kulturen  verblieben  darauf  24 — 48  Stunden  hindurch  im  Thermo- 
staten bei  38°  C  und  sind  darauf  makroskopisch  und  mikroskopisch 
untersucht  worden.  Es  war  dabei  die  überaus  interessante  Tat- 
sache festzustellen,  daß  zunächst  hinsichtlich  der  Wachstums- 
erscheinungen des  Str.  melanogenes  gegenüber  denjenigen  der 
übrigen  genannten  Streptokokken  manifeste  Unterschiede  in  Er- 
scheinung treten.  In  der  Umgebung  (in  einer  Entfernung  von  etwa 
2—4  mm)  der  aufgegangenen  Kolonien  des  Str.  melanogenes  erschien 
vermöge  seiner  hämolytischen  Kraft  schon  bis  zum  nächsten  Tage 
eine  Schwarzfärbung  in  Bandform  und  in  deren  Mitte  eine  schmale, 
glasige,  homogene  Aufhellung  in  dem  sonst  hellroten  Blutagar.  In 
der  um  die  Kolonien  gelegenen  Umgebung  entstand  also  infolge 
der  Blutauflösung  zunächst  eine  deutlich  tiefbraunschwarze  Ver- 
färbung in  Gestalt  eines  raupenförmigen  Streifens,  in  dessen  Mitte 
direkt  um  die  Kolonien  durch  Resorption  des  umgesetzten  Hämo- 
globins nach  und  nach  sich  eine  glasige  Aufhellungszone  geltend 
machte.  Die  zunächst  um  das  Streptokokkenwachstum  gelegene 
Aufhellungszone  ist  bei  durchfallendem  Licht  am  deutlichsten  zu 
sehen,  während  der  tiefschwarzbraune  Hof  bei  schief  einfallendem 
bzw.  bei  auffallendem  Lichte  sich  am  schönsten  sichtbar  macht. 
Die  hofartige  Schwarzfärbung  und  auch  die  intensive  Aufhellung 
ist  für  den  Str.  melanogenes  charakteristisch,  wonach  ich  letzteren 
auch  benannt  habe  (s.  Taf.  VI,  Fig.  1  u.  2).  Vergleicht  man  nun 
mit  diesen  bezeichneten  Reaktions-  und  Wachstumserscheinungen 
des  Str.  melanogenes,  dessen  Kolonien  auf  Blutagar  wie  auf  an- 
deren Nährböden  hellgrauweiß  und  rundlich,  aber  hier  wesentlich 
kräftiger  aussehen,  das  Kolonienwachstum  des  Str.  pyogen,  equi, 
Str.  pyogen,  suis  und  des  Str.  mastitidis,  so  ergibt  sich,  daß  diese 
letzteren  Streptokokkenarten  auf  Blutagar  ähnlich  wachsen.  Da- 
gegen wird  zwar  in  der  nächsten  Umgebung  dieser  Streptokokken- 
kolonien der  Blutfarbstoff  ebenfalls  teilweise  aufgehellt,  allein  dies 
geschieht  in  weit  geringerem  Grade  als  durch  den  Str.  melanogenes, 


—    534    — 

und  die  beschriebene  Schwarzfärbung  bleibt  bei  diesen  anderen  ge- 
nannten Streptokokken  aus.  Somit  ist  durch  das  Wachstum  des 
Str.  melanogenes  auf  Blutagar  eine  ähnliche  Blutveränderung  wie 
in  Blutbouillon  herbeizuführen.  Durch  die  Einwirkung  des  Wachs- 
tums des  Str.  melanogenes  tritt  in  der  nächsten  Umgebung  des- 
selben, infolge  Auflösung  der  Erythrozyten  und  Resorption  des 
Hämoglobins,  gänzliche  Aufhellung  des  Blutagars  ein,  während  in 
der  weiteren  Umgebung  durch  die  Wirkungen  des  Str.  melanogenes 
eine  Umwandlung  des  roten  Blutfarbstoffs  in  eine  schwarze  Modi- 
fikation (Melanin)  zustande  gebracht  wird.  Diese  Reaktions-  und 
Wachstumserscheinungen  des  Str.  melanogenes  stellen  sich  auf  und 
in  den  Blutnährböden,  gleichgültig  ob  deren  Blut  von  Pferden  oder 
Rindern,  Kälbern,  Schweinen  oder  vom  Menschen  stammt,  in  der- 
selben Weise  ein. 

Es  muß  nun  ausdrücklich  hervorgehoben  werden,  daß  diese 
Wachstums-  und  Reaktionserscheinungen  des  Str.  melanogenes  nicht 
in  allen  Fällen  so  typisch  und  leicht,  wie  es  den  Anschein  haben 
könnte,  sich  darstellen  lassen;  namentlich  hat  es  seine  Schwierig- 
keit, auf  diesen  Blutnährböden,  welche  man  (um  den  Blutfarbstoff 
nicht  zu  schädigen)  bei  stärkeren  Hitzegraden  nicht  sterilisieren 
kann,  reine  Kulturen  der  zu  vergleichenden  Streptokokken  (unreine 
Kulturen  sind  natürlich  vom  Vergleich  auszuschließen)  zu  erzielen. 
Oft  wachsen  auch  saprophy tische  Bakterien,  unter  welchen  es 
Kolonien  von  Stäbchen  gibt,  die  den  Blutnährboden  auch  aufhellen; 
solche  Blutagarplatten  können  zwecks  fraglicher  Untersuchung  nicht 
verwendet  werden.  Ferner  kommt  es  vor,  daß  beim  Ausstreichen 
der  Reinkulturen  saprophytische  Bakterien  mit  in  den  Strich  aus- 
gesät werden  und  wachsen.  Auch  derart  verunreinigte  Kulturen 
sind  unbrauchbar.  Es  ist  auch  keine  leichte  Sache,  das  brauch- 
bare Mischungsverhältnis  zwischen  Agar  und  Blut  bis  zum  richtigen 
Hellrot  zu  treffen  und  den  Nährboden  weder  in  einer  zu  dünnen 
noch  zu  dicken  Schicht  auszugießen. 

Auf  Blutagar  wächst  der  Str.  melanogenes  vorwiegend  in  der 
Diploform  und  bildet  derselbe  auch  auf  den  Blutnährböden  keine  nach- 
weisbare Gallerthülle. 

Tierexperimente. 

Mit  einer  Reihe  von  spontan  aufgetretenen  und  letal  ver- 
laufenen Krankheitställen  der  Pferde  wurden  Übertragungsversuche 


—    535     — 

an  Mäusen,  Kaninchen,  Meerschweinchen  in  größerer  Anzahl  an- 
gestellt, wobei  sich  in  auffälliger  Weise  ergab,  daß  die  Herbei- 
führung erfolgreicher  Infektionsversuche  ihre  Schwierigkeit  hat;  es 
stellte  sich  heraus,  daß  die  Pathogenität  der  Streptokokken  je  nach 
dem  Verlauf  und  der  Intensität  der  Pferdekrankheitsfälle  eine  recht 
verschiedene  ist,  und  es  ergab  sich  bei  diesen  Prüfungen  die  wich- 
tige Tatsache,  daß  die  Virulenz  der  Streptokokken  von  akut  ver- 
laufenden, spontanen  Krankheitsfällen  (abgesehen  von  dem  zahl- 
reicheren Vorkommen  des  Erregers)  viel  hochgradiger  ist,  während 
die  Streptokokkenvirulenz  von  chronisch  verlaufenden  Fällen  eine 
viel  geringere  sein  kann.  Diese  Abschwächung  der  Streptokokken 
geht  in  sehr  chronischen  Krankheitsfällen  zuweilen  bis  zur 
Avirulenz;  dieselben  werden  dann  schon  vor  dem  Tode  des 
Pferdes  aus  dem  Körper  ausgeschieden.  Dazu  kommt,  daß  bei 
chronischem  Verlauf  dieser  Pferdekrankheit  der  Erreger  in  fast 
allen  Körperorganen  überaus  spärlich  vorkommt,  so  daß  die  experi- 
mentelle Erzeugung  der  Streptokokkenseptikämie  bei  Versuchstieren 
nicht  selten  fehlschlägt  und  zur  Irreführung  verleitet,  zumal  dann 
der  Erreger  fast  ausschließlich  in  Diploform  und  nicht  als  Strepto- 
kokkus vorhanden  ist;  auch  sind  bei  spärlichem  Auftreten  der  Diplo- 
kokken leicht  Verwechslungen  mit  ähnlichen  Gebilden  (Eiweiß-  und 
Farbenniederschläge  usw.)  möglich.  In  allen  akut  verlaufenden 
Fällen  dagegen  kann  der  Nachweis  dieser  Streptokokkenseuche 
auch  durch  das  Tierexperiment  unschwer  erbracht  werden,  sofern 
nicht  zu  geringe  Mengen  des  Organsaftes  Verwendung  finden.  Es 
wurden  erkrankte  Milz-,  Nieren-,  Leber-,  Lymphdrüsensubstanz, 
Knochenmark  und  Rückenmark  der  spontan  verendeten  oder  ge- 
töteten kranken  Pferde  mit  steriler  Bouillon  zu  einer  Emulsion 
verrieben,  durch  ein  steriles,  engmaschiges  Sieb  geseit  und  mit 
gut  sterilisierter  Spritze  in  entsprechender  Menge  teils  subkutan,  teils 
intraperitoneal  verimpft;  in  anderen  Fällen  wurde  ein  entsprechendes 
Stückchen  erkrankten  Organgewebes  subkutan  verimpft. 

Auch  Infektionen  per  os  wurden  bei  diesen  Versuchstieren 
mit  Erfolg  ausgeführt,  indem  an  Kaninchen  und  Meerschweinchen 
erkrankte  streptokokkenhaltige  Organteile  verfuttert  worden  sind. 
Demnach  bestätigte  auch  das  Tierexperiment,  daß  die  spontane 
Streptokokkeninfektion  vom  Darmkanal  aus  ihren  Ursprung  nehmen 
kann.  Auf  welche  Weise  nun  immer  die  Infektion  bei  den  Ver- 
suchstieren ausgeführt  wurde,  es  entstand  stets  eine  metastasierende 


—     536     - 

Allgemeinseptikämie.  Bei  subkutaner  Applikation  bildet  sich  im 
Bindegewebe  der  Impfstelle  eine  phlegmonöse  Entzündung  mit 
eitriger  Einschmelzung  des  Gewebes  und  Generalisierung  des  Pro- 
zesses; letztere  kommt  bei  intraperitonealer  Einverleibung  unter 
Bildung  einer  seroflbrinösen  bis  eitrigen  Peritonitis  rasch  zustande. 
An  den  Fütterungsversuch  schließt  sich  Magendarmkatarrh,  Ein- 
dringen der  Streptokokken  durch  die  lädierte  Schleimhaut  bzw. 
deren  Drüsen  in  die  Lymph-  und  Blutbahn  und  allgemeine  Infektion 
an.  Mit  Vorliebe  etablieren  sich  darauf  die  Streptokokken  in  den 
Nieren,  der  Leber,  der  Milz  und  deren  Lymphdrüsen,  sowie  in  den 
Mesenterialdrüsen,  ferner  im  Knochenmark,  Rückenmark  nebst  seinen 
Häuten,  sowie  in  der  Spongiosa  der  Skelettknochen,  namentlich  der 
Oberschenkel-  und  Wirbelknochen.  Die  Krankheitserscheinungen 
und  der  Verlauf  sind  bei  Mäusen,  Kaninchen  und  Meerschweinchen 
etwa  gleich. 

Bald  nach  der  Impfung  werden  die  Impftiere  (Mäuse,  Kanin- 
chen, Meerschweinchen)  matt,  abgeschlagen,  sie  fressen  nicht 
mehr  und  verkriechen  sich,  dann  zeigen  sie  zunächst  mehr  oder 
weniger  vollständige  Lähmung  im  Hinterteil,  Mäuse  und  Meer- 
schweinchen schleifen  die  Hinterfuße  nach,  die  Kaninchen  können 
mit  den  Hinterfüßen  nicht  mehr  hüpfen;  sodann  erstreckt  sich  die 
Lähmung  auf  alle  vier  Füße  und  über  den  ganzen  Körper,  die  Tiere 
magern  rasch  stark  ab  und  verenden  unter  allgemeinen  Lähmungs- 
erscheinungen. Je  nach  der  Menge  und  der  Virulenz  des  ein- 
geimpften Infektionsmaterials  verläuft  die  Krankheit  bei  den  Mäusen 
und  Kaninchen  zumeist  nach  1—5  Tagen  letal,  während  die  Meer- 
schweinchen sehr  unterschiedlich  nach  1—12  Tagen  verenden. 
Nach  der  Infektion  genesen  Mäuse  im  allgemeinen  nicht  oft,  während 
Kaninchen,  namentlich  aber  Meerschweinchen,  welche  für  diese 
Streptokokkeninfektion  eine  weitgehende  natürliche  Resistenz  be- 
sitzen, öfters  wieder  gesund  werden.  Es  gelingt  namentlich  die  Über- 
tragung der  Krankheit  von  chronisch  erkrankten  Pferden  auf  diese 
Versuchstiere  nicht  immer,  während  bei  denselben  die  erfolgreiche 
Ansteckung  mit  einmal  gewonnenen  Reinkulturen  des  Str.  melanogenes 
unschwer  zu  erzielen  ist.  Will  man  daher  vom  Pferd  auf  Versuchstiere 
überimpfen,  so  geschieht  dies  am  besten  mit  abgestuften  Dosen  des 
Materials  bei  verschiedener  Applikation  an  mehreren  Versuchstieren. 

Die  Sektionsverändernngen  stimmen  bei  Mäusen.  Kanin- 
chen und  Meerschweinchen  in  eklatanter  Weise  mit  denjenigen 


—     537     — 

von  Pferden,  welche  an  der  spontanen  Krankheit  gefallen  sind,  überein. 
So  wie  man  bei  Milzbrand  an  beliebigen  Versuchstieren  künstlich 
ein  und  dieselbe  Krankheit,  wie  sie  bei  den  großen  Herbivoren 
unter  natürlichen  Verhältnissen  auftritt,  hervorrufen  kann,  so  gelingt 
dies  interessanterweise  auch  im  Impfexperiment  bei  der  infektiösen 
Rückenmarksentzündung.  Die  inneren  Organe,  das  Rückenmark, 
Knochenmark  und  die  Spongiosa  der  Skelettknochen  zeigen  bei  den 
Versuchstieren  dieselben  charakteristischen  Veränderungen  }vie  bei 
Pferden. 

An  der  Impfstelle  findet  sich  fibrinös-eitrige  Entzündung,  erysipelatftse 
Anschwellung  in  der  Umgebung  mit  Entzündung  und  Anschwellung  der  regio- 
nären Lymphgefäße  und  Lymphdrüsen.  Die  Blutgefäße  der  Unterhaut  sind 
stark  injiziert,  Blut  dunkel,  teerartig,  flüssig,  das  Bauchfell  getrübt,  Gefäße 
der  Subserosa  stark  injiziert  mit  Hämorrhagien.  Bauchhöhle  enthält  getrübtes, 
graugelb-flockiges  eiterkörperchenhaltiges  Exsudat  (fibrinös-eitrige  Peritonitis). 

Leber:  Stark  hyperämisch,  geschwollen  (trübe  Schwellung).  Akuter 
Milztumor. 

Nieren:  Dunkelblaurot,  stark  hyperämisch,  durch  Schwellung  vergrößert, 
in  der  Nierenrinde  starke  Gefaßinjektion  und  zahlreiche  kleinste  Hämorrhagien 
(hämorrhagische  Nephritis). 

Nebennieren:  hyperämisch. 

Harnblase  oft  mit  blutig-rötlich  gefärbtem  Harn  gefüllt,  besonders  bei 
Kaninchen.    Harn  enthält  zahlreiche  Blasenepithelien  und  rote  Blutkörperchen. 

Die  die  Obersehenkelknochen  umgebende  Muskulatur  blutig  infiltriert. 
Periost  der  Röhrenknochen  gerötet,  enthält  Hämorrhagien,  das  Knochenmark 
entzündet,  erweicht,  von  Blutungen  durchsetzt,  wie  Himbeergelee  (namentlich 
bei  Kaninchen)  nach  Farbe  und  Beschaffenheit  aussehend,  stark  erweicht,  blutig, 
flüssig  (bei  Mäusen)  (hämorrhagische  Periostis  und  Osteomyelitis). 

Die  Muskulatur  ist  in  der  Umgebung  der  Wirbelsäule,  namentlich  der 
Lendenwirbel,  stark  hyperämiert,  zuweilen  durch  Blutextravasate  schwarzrot 
verfärbt;  die  Spongiosa  der  Wirbel  ist  stark  hyperämisch,  erweicht  und 
schwarzrot  bis  tief  braunschwarz.  Im  Rückenmarkskanal  findet  sich  Exsudat, 
die  Rückenmarkshäute  sind  entzündlich  verändert;  die  Arachnoidea  spinalis 
ist  stark  gelatinös  aufgequollen,  die  Gefäße  der  Pia  mater  spinalis  ganz  auf- 
fällig stark  hyperämiert  und  die  feinen  Kapillarnetze  ektasiert.  Das  Rücken- 
mark zeigt  auf  Querschnitten  kleinste  punktförmige  Hämorrhagien  und  deut- 
liche Kapillarinjektionen,  sowie  stellenweise  Erweichungen  (Myelitis  und  Me- 
ningitis spinalis  haemorrhagica). 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  Impftiere  findet 
sich  im  Eiter  der  Impfstelle,  im  Bauch-  und  Brusthöhlenexsudat 
der  Str.  melanogenes  sehr  zahlreich,  spärlicher  ist  er  im  Blut,  über- 
aus zahlreich  in  den  Nieren  (bei  Mäusen  und  Kaninchen  in  der 
Leber),  bei  Kaninchen  desgleichen  im  Knochenmark  des  Femur,  in 

Zeitschrift  fQr  Infektionskrankheiten.    II,  6.  35 


—     538     - 

der  Spongiosa  der  Wirbel  und  im  Rückenmark.  Namentlich  die 
Leber  und  die  Nieren  enthalten  die  Diplostreptokokken  massenhaft, 
im  blutig  verfärbten  Harn  befinden  sie  sich  neben  zahlreichen 
Blasenepithelien  und  roten  Blutkörperchen. 

Infektionsversuche  an  Pferden.  Die  Erfahrungen  über 
Infektionsversuche  mit  dem  Str.  melanogenes  am  Pferde,  welche  ich 
teils  schon  im  Jahre  1902,  teils  an  dem  nachher  zu  beschreibenden 
Falle  gewonnen  habe,  lehren,  daß  Pferde  mit  diesen  Streptokokken- 
reinkulturen auf  dem  Wege  der  Blutbahn  kaum  tödlich  zu  infizieren 
sind,  da  ihnen  größere  Mengen  dieser  Streptokokkenbouillonkulturen 
von  100  ccm  und  darüber  endovenös  eingespritzt  werden  können, 
ohne  daß  sie  tödlich  erkranken,  wiewohl  sich  in  der  Nachhand  die 
charakteristische  Schwäche  und  unvollständige  Lähmung,  sowie  der 
steife  Gang  einstellen,  nach  und  nach  aber  wieder  verschwinden. 
Auch  per  os  kann  die  Krankheit  nach  dem  Verfüttern  von  großen 
Quantitäten  von  diesen  Streptokokkenreinkulturen  nicht  mit  Sicher- 
heit erzeugt  werden;  offenbar  können  die  Streptokokken  durch  die 
unverletzten  Verdauungswege  nicht,  oder  in  nur  ungenügenden 
Mengen  in  die  Lymph-  oder  Blutbahnen  eindringen.  Das  Blut 
gesunder  Pferde  ist  ferner  imstande,  durch  seine  reichlichen  bak- 
teriziden Kräfte  diese  Streptokokken  in  größeren  Mengen  abzu- 
töten, auch  werden  sie  durch  Kot  und  Harn  ausgeschieden,  falls  es 
ihnen  nicht  vorher  gelingt,  sich  an  Haftstellen,  lädiertem  Organ- 
gewebe festzusetzen.  Es  besteht  daher  begründete  Aussicht  auf 
Gewinnung  eines  praktisch  brauchbaren  Impfstoffes.  Durch  die 
intraperitoneale  Applikation  hingegen  konnte  diese  Streptokokken- 
septikämie  beim  Pferde  unter  Entstehung  der  charakteristischen 
klinischen  und  anatomischen  Kennmale  in  folgendem  Falle  experi- 
mentell erzeugt  werden. 

Versuchspferd:  Schwarzbrauner  Wallach,  21  Jahre  alt 
158  cm  hoch,  bisher  gesund  und  im  Allgemeinbefinden  normal,  wird 
am  22.  Januar  1906  mit  einer  Bouillonreinkultur  dieser  Streptokokken 
(gezüchtet  aus  dem  am  14.  Januar  1906  an  spontaner  Strepto- 
kokkenseptikämie  verendeten  Pferde)  endovenös,  subkutan  und  intra- 
peritoneal infiziert.  Gleichzeitig  mit  diesem  Pferd  werden  mit  der- 
selben Kultur  zwei  Mäuse  und  ein  Kaninchen  infiziert,  welche  nach 
Ablauf  eines  Tages  der  Infektion  erliegen. 

Am  23.  Januar  1906  zeigt  das  Pferd:  T.38,5,  P.64,  A.  16.  Das  Befinden 
ist   außerordentlich  verändert,   Futter-  und  Getränkaufnahme  unterdrückt,  die 


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Injektionsstelle  ist  an  der  linken  Schulter  schmerzhaft  und  auf  Sappenteller- 
größe geschwollen,  Schleimhäute  des  Kopfes  gerötet,  aus  der  Nase  ergießt  sich 
tropfenweise  serös-schleimiger  Ausfluß.  Atmung  angestrengt  mit  lautem  Schniefen, 
Puls  beschleunigt,  Herzschlag  pochend,  Sensorium  eingenommen,  Kopf  gesenkt: 
das  vorher  muntere  Pferd  ist  teilnahmslos.  Im  Hinterteil  ist  das  Pferd  schwach, 
lehnt  sich  an  die  Wand,  kann  nicht  hin-  und  hertreten,  beim  Gehen  droht  es 
vor  Schwäche  in  den  Gliedmaßen  zusammenzubrechen,  Kruppen,  Schulter-  und 
Halsmuskeln  zittern. 

24.  Januar  1906.  T.  37,8,  P.  50,  A.  12,  Futteraufnahme  gering,  Sen- 
sorium freier,  Schwäche  im  Hinterteil  geringer. 

25.  Januar  1906,  7  Uhr  vormittags.    T.  38,4,  P.  48,  A.  16. 

25.  Januar  1906,  abends.  T.  39,4,  P.  100,  A.  77,  Atmung  beschleunigt, 
angestrengt,  Pferd  matt  abgeschlagen,  Futteraufnahme  sistiert,  bedeutende 
Schwäche  in  der  Nachhand  und  auf  den  Vorderfüßen;  Anlehnen  gegen  die 
Wand,  abends  Zusammenbrechen  des  Pferdes,  es  ist  unvermögend  aufzustehen, 
mit  den  Füßen  führt  es  schlenkernde  und  schwimmende  Bewegungen  aus,  am 
ganzen  Körper  Zittern  und  Schweißausbruch,  Tod  ohne  besondere  Krämpfe  am 
26.  Januar  1906. 

Die  alsbald  vorgenommene  Sektion  und  bakteriologische 
Untersuchung  des  Pferdekadavers  ergab  folgendes: 

An  der  linken  Schulter  befindet  sich  eine  diffuse,  dicke,  eitrig  infiltrierte 
Schwellung  bis  zum  linken  Karpalgelenk  herab. 

Muskulatur  dunkelbraunrot,  Blut  schwarzrot,  teerartig,  lackfarben, 
dickflüssig. 

Bauchhöhle:  Enthält  ca.  1  1  gelber,  getrübter  Flüssigkeit,  Peritoneum 
mit  vielen  kleinsten  Hämorrhagien. 

Leber:  Durch  Schwellung  auf  das  Doppelte  vergrößert,  mürbe,  brüchig. 

Milz:  Unter  der  Kapsel  sehr  zahlreiche,  kleinste  Hämorrhagien,  Milz 
vergrößert,  Pulpa  schwarzrot  erweicht. 

Nieren:  Blaurot,  auf  der  Oberfläche  sind  zahlreiche,  stecknadelkopfgroße 
Hämorrhagien  sichtbar,  Schnittfläche  vorspringend,  außerordentlich  blut-  und 
saftreich,  Gefäße  stark  injiziert  mit  Blutaustritten.   Rindenzeichnung  undeutlich. 

Harnblase:  Serosa  fleckig  gerötet,  Harn  dunkelgelb,  enthält  zahlreiche 
Plattenepithelien ;  chemisch  wurden  Gallenfarbstoffe  und  Eiweiß  in  mäßigen 
Mengen  nachgewiesen. 

Brusthöhle:  Herzbeutel  mit  gelber  Flüssigkeit  angefüllt.  Herz  und  Lunge 
ohne  nennenswerte  Veränderungen. 

Skelett:  Muskulatur  und  Periost  an  den  Oberschenkel-  und  Oberarm- 
knochen stark  hyperämisch  von  Hämorrhagien  durchsetzt;  das  rote  und  gelbe 
Mark  der  vier  Röhrenknochen  enthält  erbsen-  bis  haselnußgroße  zirkumskripte, 
blutig-fibrinöse  schwarzrote  Infiltrationen;  an  anderen  Stellen  ist  das  gelbe  Mark 
gallertig  und  erweicht  bis  flüssig.  Die  im  Knochen  und  im  Mark  verlaufenden 
Blutgefäße  stark  injiziert  mit  zahlreichen  Blutextra vasaten. 

Wirbelsäule:  Die  die  Wirbelsäule  umgebende  Muskulatur  stark  hyper- 
ämisch dunkelbraunrot,  Spongiosa  der  Wirbelspaltflächen  auffallend  blutreich, 
schwarzrot,  weicher.    Im  Rückenmarkskanal  getrübte  dunkelgelbe  Flüssigkeit, 

35* 


—    540     - 

Gefäße  der  Rückenmarkshäute  stark  hyperämisch,  Mark  auf  Schnittflächen  mit 
kapillären  Blutungen,  stellenweise  erweicht. 

Diagnose:  Serös  eitrige  Peritonitis,  hämorrhagische  Nephritis,  Milztumor 
hämorrhagisch-fibrinöse  Osteomyelitis,  Myelitis  und  Meningitis  spinalis. 

Bakteriologische  Untersuchung:  Aus  Leber-,  Milz-. 
Nieren-,  Lungensaft,  Bronchialschleim,  Knochenmark,  Rückenmark, 
dem  Bauchhöhlenexsudat  und  Rückenmarkskanal  wurden  Deckglas- 
ausstriche gefertigt,  und  überall  mehr  oder  weniger  zahlreich  der 
Str.  melanogenes  nachgewiesen.  Aus  dem  Saft  genannter  Organe 
dieses  Pferdes  wurden  Kulturen  auf  Bouillon,  Agar  und  Serum  an- 
gelegt, in  welchen  der  Str.  melanogenes  reingezüchtet  wurde, 
die  damit  infizierten  Versuchstiere  ^starben  wieder  an  dieser  Strepto- 
kokkenseptikämie. 

Des  weiteren  wurde  eine  Reihe  von  Versuchstieren  direkt 
mit  Peritonealexsudat  und  Knochenmark  subkutan  oder  intraperitoneal 
infiziert,  welche  alle  nach  ein  bis  zwei  Tagen  an  dieser  Streptokokken- 
septikämie  verendeten.  Die  Sektion  der  Impftiere  ergab  dieselben 
charakteristischen  Veränderungen,  wie  sie  schon  oben  beschrieben 
wurden,  und  auch  in  den  Organen,  im  Knochen-  und  Rückenmark 
dieser  Impftiere  wurden  die  Diplostreptokokken  zahlreich  nach- 
gewiesen; der  Harn  der  Kaninchen  war  blutig  verfärbt  und  enthielt 
ebenfalls  Diplostreptokokken.  Dieselben  konnten  aus  den  Organen 
aller  Impftiere  reingezüchtet  werden. 

Der  Str.  melanogenes  ist  daher  artverschieden  (besonders  in 
seiner  biologischen  Wirkung)  von  anderen  Streptokokken  des  Pferdes, 
wie  Str.  pyogenes,   Streptokokken  der  Druse,   Bornastreptokokken. 

Somit  konnten  alle  ätiologischen  Beweise  hinsicht- 
lich der  Entstehung  der  infektiösen  Rückenmarksentzun- 
dung  erbracht  werden. 

Zwecks  Feststellung  der  infektiösen  Rückenmarksentzündung 
empfiehlt  es  sich,  die  Milz,  Niere,  einen  aus  den  Muskeln  geschälten 
Oberschenkelknochen,  die  Lendenwirbelsäule  samt  Lendenmark  und 
ein  abgebundenes  Darmstück  der  erkrankten  Pferde  an  Institute 
gut  verpackt  als  Expreßgut  einzusenden. 

Kasuistik. 

1.  Apfelachimmel8tate,  Doppelpony;  dieselbe  stammt  ans  einem  Pferde- 
bestande,  in  welchem  in  den  letzten  21  /,  Jahren  schon  neun  Pferde  an  infektiöser 
Rückenmarks  entzündung  gefallen   sind,  und  wurde  im  August  angekauft,  seit 


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sieben  Tagen  krank,  ließ  nach  in  der  Freßlust  und  wurde  leer,  während  der 
letzten  drei  Tage  traurig,  matt,  abgeschlagen,  Gang  schwankend.  Seit  gestern 
Pferd  zusammengebrochen,  Harn  dunkelbraunrot  (wie  bei  schwarzer  Harnwinde) 
und  Durchfall  Am  14.  Januar  19'  6,  früh  l/ß  Uhr,  Eintritt  des  Todes.  Ein- 
schlafen ohne  Todeskampf,  kein  Stöhnen,  keine  Aufregungen,  keine  Bewußt- 
seinsstörungen. 

Bauchhöhle:  Enthält  ca.  3  1  klare,  rötliche  Flüssigkeit. 

Magendarm:  Wenig  gefüllt,  unter  der  Darmserosa  und  besonders  unter 
der  des  Gekröses  zahlreiche  Hämorrhagien  (ähnlich  wie  bei  Milzbrand).  Auf 
der  Magenschleimhaut  massenhaft  Castros  equi,  im  Dünndarm  zahlreiche  Exem- 
plare von  Ascaris  megalocephala.  Schleimhaut  des  Dünndarmes  zeigt  an  ver- 
schiedenen Stellen  bis  eßlöffelgroße,  fleckige  Rötungen.  Schleimhaut  des 
Coecums  und  Kolons  Ödematös  aufgequollen. 

Vordere  Gekröswnrzel :  Enthält  ein  altes,  geringgradiges  Aneurysma; 
weder  Dünndarm-  noch  Grimmdarmarterien  thrombosiert. 

Leber:  Auf  das  Doppelte  vergrößert,  geschwollen,  Lebergallengänge 
stark  erweitert,  mit  dicker  Galle  gefüllt.  Schleimhaut  der  Gallengänge  teil- 
weise verdickt,  durch  auffallend  zahlreiche  Hämorrhagien  fleckig  gerötet.  Schnitt- 
fläche gallig-gelb  bis  grün  verfärbt,  fettig  glänzend,  Acini  undeutlich,  Bruch 
leicht  schmierig.  In  einem  Gallengang  befindet  sich  ein  weiblicher  Ascaris 
megalocephala,  ca.  20  cm  lang,  0,5  cm  breit,  mitten  durch  die  Leber  gelegen. 

Nieren:  Geschwollen,  Kapsel  stellenweise  schwer  abziehbar,  Oberfläche 
punktförmig  und  fleckig  bis  auf  Talergröße  gerötet,  Rindenscbicht  auf  der 
Schnittfläche  vorspringend,  verbreitert,  getrübt,  graurot,  im  Verlauf  der  Ge- 
fäße zahlreiche  punkt-  und  strichförmige  Blutextravasate ;  Mark-  und  nament- 
lich Grenzschicht  dunkelbläulichrot,  hochgradig  hyperämisch;  in  der  Schleim- 
haut der  Nierenbecken  zahlreiche  fleckige  Hämorrhagien,  Nierenbecken  mit 
eingedicktem,  stark  schleimigem,  rötlichem  Harn  gefüllt;  Diplostreptokokken 
daselbst  ziemlich  zahlreich  nachgewiesen. 

Nebennieren  vergrößert,  Markschicht  stark  hyperämisch,  Rindenschicht 
graugelb. 

Milz:  Ums  Doppelte  vergrößert,  dunkelbraunrot,  weich,  Ränder  abge- 
rundet, unter  der  Kapsel  zahlreiche  dunkelrotc,  kleinere  und  größere  Hämor- 
rhagien, Schnittfläche  in  Konsistenz  und  Aussehen  wie  Himbeermus,  zeigt 
größere  schwarzroto  Blutextravasate.    Diplostreptokokken  spärlich. 

Lymphdrüsen  des  Gekröses,  der  Leber,  der  Nieren  und  Milz  durch  stark 
serös-hämorrhagische  Infiltrationen  um  das  Mehrfache  vergrößert,  geschwollen, 
dunkelbraunrot  gefleckt  oder  diffus  blutig  verfärbt.  Diplostreptokokken  ziem- 
lich zahlreich  vorhanden. 

Lungo  normal. 

Herz:  Hypertrophisch.  Unter  dem  Epikard  und  Endokard  finden  sich 
zahlreiche  kleinere  und  größere  Hämorrhagien,  namentlich  im  Verlauf  der 
Gefäße  der  Kranzfurche  und  der  Längsfurchen. 

Klappenapparat  ohne  Sonderheiten,  Myokard  graurot,  trübe,  brüchig  (fettige 
Degeneration). 


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Röhrenknochen  der  Extremitäten:  Die  umgebende  Muskulatur  stark  hyper- 
ämisch; die  entfernter  gelegene  graurot.  Periost  stark  fleckig  gerötet,  Ge- 
fäße desselben  hyperämisch.  Das  rote  Mark  der  Spongiosa  weist  herdförmige? 
dunkelbraunrote  bis  schwarze,  fleckige  und  diffuse  hämorrhagische  Infiltrationen 
auf.  Die  stärksten  Veränderungen  befinden  sich  in  der  proximalen  Epiphyse 
in  der  Nähe  des  Hüftgelenkes.  Im  gelben  Markzylinder  findet  sich  ein  hühnerei- 
großer, schwarzroter,  scharf  begrenzter,  hämorrhagisch-fibrinöser  Herd;  an  einer 
anderen  Stelle  liegt  im  Fettmark  ein  markstückgroßer,  graugelber,  durch  serös- 
schleimige Degeneration  stark  erweichter  Herd,  dessen  Inhalt  teilweise  abge- 
flossen ist.    Diplostreptokokken  mäßig  zahlreich  nachgewiesen. 

Wirbelsäule:  Die  in  deren  Nähe  gelegenen  Muskelpartien  (namentlich 
die  Psoasmuskeln)  parenchymatös  degeneriert;  Wirbel  auf  der  Spaltfläche  stark 
hyperämisch,  schwarzrot  bis  tintenschwarz. 

Rückenmark:  Im  Subdural-  und  Subarachnoidealraum  findet  sich  eine 
größere  Menge  rötlichen,  getrübten  Exsudates,  welches  ziemlich  viel  rote  und 
weiße  Blutkörperchen  und  den  Infektionsträger  enthält.  Gefäße  der  Dura  matcr 
spinalis  und  der  Pia  mater  spinalis  stark  injiziert,  Arachnoidea  spinalis  durch  seröse 
Infiltration  stark  gequollen;  Querschnitt  des  Rückenmarkes  enthält  zahlreiche 
punkt-  und  strichförmige  Blutinfiltrationen  und  die  Diplostreptokokken  spärlich. 

Pathologisch-anatomische  Diagnose:  Parenchymatös-hämorrhagische  Ne- 
phritis, trübe  Schwellung  der  Leber,  akuter  Milztumor,  hämorrhagische  Peri- 
ostitis und  Osteomyelitis,  beträchtliche  Myelitis  und  Meningitis  spinalis,  paren- 
chymatöse Degeneration  der  Muskulatur,  akute  Lymphdrüsenentzündung,  all- 
gemeine Neigung  des  Kadavers  zu  blutigen  Diffusionen  (Paralysis  infectiosa). 

2.  Stute,  schwarzbraun,  11  Jahre  alt 

Anamnese:  Beginn  der  Krankheit  am  2.  März  1906,  nachdem  das  Pferd 
schon  seit  etwa  acht  Tagen  etwas  Nasenausfluß  aus  dem  rechten  Nasenloch  gezeigt 
hatte.  Acht  Tage  vor  Anfang  der  Krankheit  hat  Besitzer  begonnen,  dem  Pferde 
Mais  zu  füttern.  Keine  Drüsenschwellung  im  Kehlgang  Das  Pferd  zeigte 
zeitweise  Aufblähen,  es  war  der  Hinterleib  auffallend  stärker  gefüllt,  aufgebläht, 
bald  wieder  eingefallen  (schleichender  Darmkatarrh).  Kot-  und  Harnabsatz 
anscheinend  normal.  Schwitzen  wurde  nicht  beobachtet.  Vom  zweiten  Tage 
ab  zeigte  das  Pferd  grattligcn,  breiten,  steifen  Gang,  im  Stalle  beim  Stehen 
Trippeln  mit  den  Hinterfüßen,  Überköten  der  Fessel  der  Hinterfüße,  Schwäche 
im  Hinterteil,  Parese  der  Nachhand,  hohe  Temperaturen  von  40—41°  C.  Bei 
den  Bewegungen  des  Pferdes  in  der  Nachhand  stellt  sich  infolge  der  Sehmerzen 
rascheres  Atmen  ein.  Am  3.  März  Zusammenbrechen  (wie  bei  schwarzer  Harn  windet 
und  Anschwellung  der  Hinterfüße,  unter  Nachhilfe  konnte  das  Pferd  aufstehen: 
am  6.  März  abermaliges  Zusammenbrechen,  es  ist  jetzt  unvermögend,  aufzustehen, 
schwimmende  Bewegungen  mit  den  Füßen.  Auf  der  linken  Seite  Dekubitus, 
besonders  an  den  Augenbogen.  Eintritt  des  Todes  am  7.  März  abends  ohne 
Todeskampf. 

Sektion  am  8.  März,  abends  6  Uhr. 

A.  Äußere  Besichtigung:  Kadaver  abgemagert,  Körperoberfläche  zeigt 
an  verschiedenen  Stellen  Dekubitus.  Aus  dem  rechten  Nasenloch  etwas  Aus- 
fluß.   Hinterleib  zusammengefallen,  Totenstarre  wenig  entwickelt 


—     543     — 

B.  Innere  Besichtigung:  Panniculus  adiposus  wenig  entwickelt;  Blut  in 
den  Achselgefäßen  und  den  Jugularvenen  schlecht  geronnen,  dickflüssig, 
schwarzrot,  teerartig,  lackfarben. 

In  der  Bauchhöhle  ca.  1  1  serös-blutige,  trübe  Flüssigkeit. 

Magendarmkanal  mäßig  gefüllt,  Schleimhaut  des  Dünndarmes  mit  zäh  an- 
haftendem, grauweißem  Schleim  bedeckt,  stellenweise  fleckig  gerötet.  Die 
Darmdrüsen,  namentlich  die  Peyerschen  Platten,  geschwollen,  über  die  Ober- 
fläche vorspringend,  areoliert,  Dickdarmschleimhaut  stellenweise  diffus  dunkel- 
rot  verfärbt,  aufgelockert. 

Leber:  Durch  Schwellung  stark  vergrößert,  Ränder  abgerundet,  mürbe, 
brüchig. 

Beide  Nieren,  namentlich  aber  die  linke,  durch  Schwellung  um  die  Hälfte 
vergrößert,  Rindenschicht  graurot,  Markschicht  hyperämisch,  dunkelblaurot  und 
mit  zahlreichen  Blutpunkten,  Nierenlymphdrüsen  stark  geschwollen. 

Milz:  Unter  der  Kapsel  finden  sich  bis  linsengroße,  fleckige,  schwarzrote 
Hämorrhagien  in  großer  Anzahl;  Milz  in  toto  vergrößert,  in  der  Milzpulpa, 
welche  stark  erweicht  ist,  finden  sich  Blutaustritte  bis  zur  Münzengröße.  Milz- 
lymphdrüsen bedeutend  vergrößert. 

Brusthöhle  und  Herzbeutelhöhle  enthalten  serös-blutige  Flüssigkeit,  Herz 
auffallend  schlaff,  in  Diastole  befindlich,  Herzbasis  stark  verbreitert,  beide  Herz» 
hälften  mit  Agoniethromben  und  flüssigem,  teerartigem,  lackfarbenem  Blut  gefüllt. 
Klappenapparat  ohne  Veränderung,  Myokard  graurot,  mürbe,  brüchig,  wie  gekocht. 

Lungen:  Stauungshyperämie  und  agonales  Ödem,  Kehlgangslymphdrüsen 
normal. 

Lokomotionsapparat:  Die  beiden  Oberschenkelknochen  zeigen  in  der  in 
ihrer  Nähe  gelegenen  Muskulatur  zum  Teil  größere,  schwarzote  Blutaustritte. 
Periost  dieser  Knochen  stark  gerötet,  hyperämiert,  Corticalis  mit  zahlreichen 
strich-  und  punktförmigen  Blutungen;  Spongiosa:  Cellulae  medulläres,  besonders 
der  proximalen  Epiphyse,  durch  blutige  und  fibrinöse  Infiltrationen  ausgefüllt, 
verstrichen,  glatt,  glänzend,  schwarzrot,  an  verschiedenen  Stellen  tief  schwarz- 
braun (Melaninanhäufung  infolge  Umsetzung  des  Blutfarbstoffes);  Fachwerk  der 
Bälkchen  und  Blättchen  erweicht,  mit  dem  Fingernagel  eindrückbar.  Gelbes 
Fettmark  durch  einen  zirkumskripten,  hühnereigroßen,  blutig-fibrinösen  Infil- 
trationsherd fast  in  toto  schwarzrot  verfärbt. 

Oberarmbein:  Hämorrhagische  Periostitis,  hämorrhagische  Ostitis,  hämor- 
rhagische, frische,  herdförmige  Entzündungen  in  der  Spongiosa  und  etwas  ältere 
fibrinöse  Infiltrationen  im  gelben  Mark,  welche  großenteils  zu  myxomatös  ent- 
artetem, jungem  Bindegewebe  organisiert  sind;  letzteres  ist  zu  erbsen-  bis 
bohnengroßen  zystischen  Membranen  formiert,  in  dessen  Maschenräumen  wäß- 
rige Blutflüssigkeit  sich  findet. 

Wirbelsäule:  Muskulatur  in  der  Umgebung  derselben  mit  Blutungen  und 
parenchymatös  degeneriert;  Spongiosa  aller  Teile  der  Wirbel,  namentlich  aber 
der  Wirbelkörper,  schwarzrot  bis  tintenschwarz,  erheblich  erweicht,  die  Mark- 
zeil en  durch  blutige  Infiltrate  ausgefüllt,  verstrichen,  leicht  schneidbar,  bröcklig, 
Corticalis  stark  hyperämisch.  Im  Rückenmarkskanal  blutig-rötliche  Flüssigkeit. 
Arachnoidea   spinalis   gallertig   aufgequollen.    Gefäße   der  Pia  mator  spinalis 


—     544     — 

mit  dunkelrotem  Blut  stark  gefüllt,  auch  die  feinsten  Kapillarnetze  treten  stark 
hervor.    Rückenmarkssubstanz  herdförmig,  rötlich  verfärbt,  erweicht,  getrübt. 

Mikroskopisches:  In  vielen  Deckglasausstrichen  wurden  die  Diplostrepto- 
kokken  mehr  oder  weniger  zahlreich  in  folgenden  Organteilen  nachgewiesen: 
in  den  Ausführungsgängen  der  Peyerschen  Platten  und  in  den  fleckig-blutigen 
Rötungen  des  Dünn-  und  Dickdarmes  zahlreich  unter  anderen  Saprophyten;  in 
der  Leber  mäßig  zahlreich,  in  den  Nieren  und  Nierenlymphdrüsen  zahlreich, 
in  Milz  und  Milzlymphdrüsen  mäßig  zahlreich,  im  Femur  zahlreich,  im  Htimerus 
spärlich,  in  Tibia  spärlich  (Veränderungen  gering),  im  Spongiosaabstrich  mitten 
aus  den  Wirbeln  und  den  Beckenknochen  sehr  zahlreich,  im  Rückenmarks- 
kanal und  Rückenmark  mäßig  zahlreich. 

Diagnose:  Geringgradiger  chronischer  Darmkatarrh,  trübe  Schwellung 
der  Leber,  hämorrhagisch-parenchymatöse  Nephritis,  Milztumor,  hämorrhagisch- 
parenchymatöse  Degeneration  dos  Herzens,  Hämatolysis,  hämorrhagische  Osteo- 
myelitis der  Röhrenknochen,  der  Wirbel-  und  Beckenknochen.  Myelitis  und 
Meningitis  spinalis  (infektiöse  Rückenmarksentzündung). 


Erklärung  der  Tafeln. 
Tafel  VI. 
Fig.  1.    Blutagarplatte  bei  auffallendem  Licht    (Natürliche  Größe.) 

a)  Drei  Tage  altes  Wachstum  des  Streptococcus  melanogenes; 

b)  melanotische  Verfärbung  in  dessen  Umgebung  infolge  Hämolyse  und  Um- 
wandlung des  roten  Blutfarbstoffes; 

d)  Wachstum  des  Streptococcus  mastitidis  von  der  Kuh  ohne  Veränderung 
des  Hämoglobins. 
Fig.  2.    Dieselbe  Blutagarplatte  bei  durchfallendem  Licht. 

a)  Fünf  Tage  altes  Wachstum  des  Streptococcus  melanogenes; 

b)  Schwarzfärbung  in  dessen  weiterer  Umgebung  durch  Umwandlung  des 
Hämoglobins  in  Melanin; 

c)  in  nächster  Umgebung  des  Wachstums  des  Streptococcus  melanogenes 
macht  die  melanotische  Verfärbung  infolge  Resorption  des  Farbstoffes 
einer  glasigen  Aufhellung  Platz; 

d)  Wachstum  des  Streptococcus  mastitidis  der  Kuh  ohne. Veränderung  des 
Hämoglobins. 

Tafel  VII. 

Rechtes    Oberschenkelbein    des    Pferdes    mit    Osteomyelitis    haemorrhagica. 

Sagittalschnitt,  mediale  Hälfte.    (»/f  der  natürlichen  Größe.) 

a)  Hämorrhagische  Herde  in  den  Markzollen  der  Spongiosa  der  Epiphysen 
am  hochgradigsten  in  der  proximalen  (in  der  Figur  nach  oben  gekehrten) 
Epiphyse; 

b)  hühnereigroße,  blutig-fibrinöse  Infiltration  in  der  vorderen,  oberen  Partie 
des  gelben  Markzylinders,  welche  glatt,  homogen,  scharf  demarkiert  und 
im  Anschlüsse  an  den  Verlauf  der  Ernährungsgefäße  entstanden  ist; 

o)  normale  medulla  ossium  flava. 


—     545     — 

Tafel  VIII. 

Fig.  1  u.  2.  Eröffnete  Lendenwirbelsäule  des  Pferdes  mit  Osteomyelitis  hae- 
morrhagica  und  mit  Meningpmyelitis  haemorrhagica  (3/5  natürl.  Größe), 
kr  =  kranial;   ka  =  kaudal;  do  =  Dorsalfläche  des  Lendenmarkes. 

a)  Links  in  Fig.  1  der  dorsale  Teil  des  Wirbelkanals  mit  stark  injizierten 
Gefäßen  und  hämorrhagisch-fibrinösen  Infiltraten  im  lockeren  Gewebe  des 
Epiduralraumes,  noch  deutlicher  rechts  in  Fig.  2,  woselbst  im  Cavum 
epidurale  auf  der  uneröffneten  Dura  mater  spinalis  V»— 1  cm  dicke  hä- 
morrhagisch-fibrinöse, dunkelbraunrote  Exsudate  liegen,  welche  sich  auch 
auf  die  austretenden  Nervenstränge  durch  die  Zwischenwirbellöcher  fort- 
setzen ; 

b)  bläulichgraue,  getrübte  Dura  mater  spinalis,  durch  welche  hindurch  die 
stark  gefüllten  Blutgefäße  sichtbar  sind; 

c)  Sägeschnittfläche  der  Wirbel  mit  hochgradiger  Osteomyelitis  haemorrhagica 
und  dunkelbraunschwarzer  Verfärbung  der  Spongiosa. 

Fig.  3.    Dorsalfläche  des  Lendenmarkes  (natürliche  Größe). 

e)  Hochgradig  hyperämierte  Blutgefäße  der  Pia  mater  spinalis; 

f)  zahlreiche  kleinste  Hämorrhagien. 

Fig.  4.    Querschnitt  durch  dasselbe  Lendenmark  (natürliche  Größe). 

g)  Zahlreiche  Kapillarapoplexien; 

h)  Myelomalacia  rubra  der  grauen  Substanz. 


Fasciola  hepatica  L.  im  Leberparenchym. 

Nebst  einigen  Bemerkungen   über  die  „enzootische  Leberentzündung 

der  Ferkel". 

Von 
Professor  Dr.  K.  WolffbflgeL 

Unlängst  beschrieb  Pfeiler1)  einen  interessanten  Fall  von 
„Distomatose  der  Rehleber".  Bis  kastaniengroße  Knoten,  die  im 
Leberparenchym  unter  der  Glissonschen  Kapsel  liegend,  über  die 
Organoberfläche  prominierten,  besaßen  eine  knorpelharte  Binde- 
gewebskapsel  und  enthielten  in  einer,  mit  einer  dunkelbraunroten 
Flüssigkeit  gefällten  zentralen  Höhlung  je  ein  16—20  mm  langes 
„unverkümmertes"  Exemplar  des  Leberegels  (Fasciola  hepatica). 
Ebensolche,  aber  jüngere  Veränderungen  habe  ich  untersucht. 

Am  25.  November  1900  wurde  dem  Hygienischen  Institut  der 
Berliner  Tierärztlichen  Hochschule  ein  Stück  Schweineleber  ein- 
geliefert. An  der  Leberoberfläche  fanden  sich  zerstreut  weißgelbe, 
prominierende,  runde  Stellen  von  8  mm  und  etwas  mehr  Durch- 
messer. In  deren  Nachbarschaft  ist  das  interstitielle  Bindegewebe 
der  Leber  verdickt.  Als  etwa  erbsengroße  Knoten  erstrecken  sich 
die  Erhabenheiten  ins  Lebergewebe.  Die  Knoten  bestehen  ans 
einer  2  mm,  an  manchen  Stellen  bis  3  mm  dicken  Bindegewebs- 
kapsel.  In  einer  zentralen  Höhle  von  bis  3  mm  Durchmesser 
findet  sich  ein  brauner,  dickflüssiger  Inhalt,  der  aus  Rundzellen 
besteht.  In  dieser  Masse  fand  sich  bei  zwei  Knoten  je  ein  Trema- 
tode von  sehr  geringen  Dimensionen.  In  Glyzerin  montiert,  zeigten 
diese  Parasiten   bei    der   mikroskopischen  Untersuchung  folgendes: 

Präparat  1. 
Der  Trematode  ist  eiförmig,  mit  vorderem  stumpfem  Pol. 
Länge  1,27  mm. 
Größte  Breite  0,59  mm. 


l)  Zeitschrift  f.  Fleisch-  und  Milchhygiene,  17.  Jahrg.,  1907,  S.  174. 


—     547     — 

Bauchsaugnapf  rund,  von  0,187  mm  Durchmesser. 

Mundsaugnapf  0,14  mm  breit  und  0,086  mm  lang,  sein  Durchmesser  von  vorn 

nach  hinten. 
Darmschenkel,   wo  sichtbar,   mit  Seitenzweigen,   die   sich  je  in  zwei  Ästchen 

spalten.    Letztere  sind  durch  eine   rote,   aus  Kristallnadeln  bestehende 

Masse   bauchig   ausgedehnt  und  reichen  bis   an   die  Seitenränder   des 

Parasiten. 

Präparat  2. 
Form  des  Trematoden  oval,  mit  oralem  stumpfem  Pol. 
Länge  1,29  mm. 
Größte  Breite  0,73  mm. 

Ventraler  Saugnapf  rund,  von  0,187  mm  Durchmesser. 
Mundsaugnapf  nicht  sichtbar. 
Darmschenkel  undeutlich. 

Die  beiden  beschriebenen  Trematoden  sind,  im  Einklang  mit 
der  Beschreibung  und  Abbildung  von  Thomas1),  zweifelsohne 
Jugendstadien  von  Fasciola  hepatica  L.  und  gehören  zu  den 
kleinsten  beobachteten  Exemplaren.  Thomas  beschrieb  ein 
Exemplar  von  1,1  mm  und  eins  von  1,25  mm  Länge;  auch  er 
gab  eine  größte  Breite  von  0,7  mm  an. 

Die  Anfangsstadien  der  von  Pfeiler  und  mir  beobachteten, 
durch  Fasciola  hepatica  gesetzten  Veränderungen  der  Leber  finden 
wir  schon  längst  in  der  Literatur  beschrieben,  und  zwar  zuerst 
von  Thomas.2)  Leuckart  schreibt  hierüber:  „Fälle  frischer  Ein- 
wanderung sind  leider  bis  jetzt  erst  einige  untersucht  worden. 
Eine  dieser  wenigen  Beobachtungen,  von  allen  die  früheste,  ver- 
danken wir  Thomas.  Sie  betrifft  das  schon  oben  von  uns  an- 
gezogene Schaflamm  (in  dem  die  beiden  kleinen  Leberegel  gefunden 
wurden),  das  noch  eine  Woche  vor  seinem  Tode  auf  dem  Infektions- 
herde weidete.  Bei  oberflächlicher  Betrachtung  konnte  die  Leber 
des  Lammes  fast  für  gesund  gelten  und  doch  enthielt  dieselbe  über 
200  Egel,  freilich  sämtlich  von  nur  geringer  Größe  (von  1—8  mm). 
Die  größere  Menge  der  Parasiten  bewohnte  die  engeren  Gallen- 
gänge, nicht  die  weiten,  die  kaum  irgendwie  verändert  schienen. 
Ein  anderer  Teil  aber  fand  sich  außerhalb  der  Gallenwege,  je  im 
Mittelpunkt  eines  mehr  oder  minder  stark  erweichten  Entzündungs- 
herdes.   Es  waren  vornehmlich  die  peripherischen  Partien  der  Leber, 


*)  Leuckart,  R,    Die  Parasiten   des   Menschen,    1.   Bd.,   2.  Auflage, 
S.  288,  S.  289,  Fig.  143. 
*)  1.  c.  S.  303. 


—     548     — 

welche  diese  Parenchymwürmer  beherbergten^  Besonders  häufig 
waren  dieselben  in  der  Nähe  der  Oberfläche,  die  an  manchen  Stellen 
auch  von  den  Parasiten  durchbohrt  war,  so  daß  letztere  mehr  oder 
minder  weit  hervorragten.  Einzelne  Exemplare  lagen  dicht  unter 
dem  peritonealen  Überzuge  der  Leber." 

Auch  Friedberger1)  verdanken  wir  die  Kenntnis  von  Ver- 
änderungen durch  ins  Leberparenchym  eingedrungene  Trematoden 
bei  Schaflämmern.  Er  fand  bis  in  die  freie  Leibeshöhle  vorgedrungene 
kleine  Leberegel  (F.  hepatica).  Hervorragungen  an  der  Oberfläche 
umschlossen  vielfach  einen  Blutherd  oder  einen  mit  blutigem  Inhalt 
gefüllten  Gang  von  1 — 2  cm.  Im  Innern  lag  ein  erst  wenig  ent- 
wickeltes Distomum  von  3—6  mm.  „Das  Parenchym  der  Leber 
zeigte  gleichfalls  hier  wie  da,  aber  seltener  als  die  Oberfläche 
lakunäre  Räume,  die  mit  blutigem  Inhalt  gefällt  waren  und  vereinzelt 
wiederum  ein  unentwickeltes  Distomum  beherbergten44.  In  der  Leber 
eines  anderen  Lammes  fand  Friedberger  unter  anderem  folgende 
Veränderungen:2)  „Die  peripherischen  Blutherde  und  blutgefiülten 
Gänge  waren  in  geringerer  Anzahl  vorhanden.  Dafür  aber  enthielt 
das  derbe  und  an  einzelnen  Stellen  deutlich  sklerotische  Leber- 
gewebe zahlreiche  verschieden  große  lakunäre  Räume  (zum  Teil 
von  der  Größe  einer  kleinen  Erbse),  die  in  einer  blutig  rotbraunen 
Inhaltsmasse  je  ein  unentwickeltes  Distomum  umschlossen.  Die 
Masse  selbst  zeigte  bei  mikroskopischer  Untersuchung  außer  roten 
und  weißen  Blutkörperchen  eine  Menge  fettig  degenerierter  Leber- 
zellen und  deren  Zerfallsprodukte.  Ein  Zusammenhang  mit  größeren 
Lebergängen  war  nirgends,  ein  solcher  mit  Blutgefäßen  wenigstens 
nicht  immer  nachweisbar". 

Bisher  nahm  man  an,  daß  von  den  Egeln  aus  den  hämorrha- 
gischen Herden  des  Leberparenchyms  einzelne  sich3)  „aus  der 
zerfallenen  Gewebsmasse  durch  Übertritt  in  die  benachbarten  Gallen- 
gänge dem  Untergange  entziehen  mögen,  die  Mehrzahl  aber  doch 
früher  oder  später  demselben  anheimzufallen  scheine".  Wie  wir 
gesehen  haben,  sind  aber  mitunter  die  Trematoden,  trotzdem  sie 
sich  unter  anormalen  Bedingungen  befinden,  lebenskräftiger,  reizen 
das   Nachbargewebe   zu   reaktiver  Entzündung   und  werden  durch 


l)  Friedberger,  Deutsche  Zeitschr.  f.  Tiermed.  u.  vgl.  Pathologie  1878, 
Bd.  II,  S.  163 

9)  Zitat  nach  Leuckart:  1.  c.  S.  304  ff. 
3)  1.  c.  S.  308. 


—     549     — 

Bindegewebe  eingekapselt.  In  solcher  Gefangenschaft  scheint  der 
Parasit  aber  noch  lange  aushalten  zu  können,  wie  aus  der  knorpel- 
harten Beschaffenheit  der  Kapsel  der  Knoten  aus  der  Rehleber  zu 
schließen  ist.  Ob  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  (Ab- 
kapselung der  Trematoden  im  Leberparenchym)  auch  gefunden 
werden,  ohne  daß  die  Veränderungen  durch  Distomatose  an  den 
Gallengängen  zugegen  wären,  kann  ich  nach  meinem  Fall,  da  mir 
nur  ein  Leberstück  vorlag,  nicht  entscheiden.  Pfeiler,  der  nicht 
von  einer  Veränderung  der  Gallengänge  der  fraglichen  Rehleber 
spricht,  wird  die  Frage  bestimmt  beantworten  können. 

Unter  „Enzootischer  Leberentzündung  der  Ferkel"  be- 
schreibt Kleinpaul1)  eine  Krankheit,  die  nichts  anderes  als  Disto- 
matose ist.  Man  stelle  die  Sektionsbefunde  bei  Ferkeln,  wie  sie 
Kleinpaul  gibt,  denen  gegenüber,  die  Friedberger  (an  oben  er- 
wähnter Stelle)  von  Lämmern,  die  an  Distomatose  gelitten  hatten, 
bekannt  gab.  Die  beste  Übereinstimmung  der  pathologischen 
Prozesse  der  Ferkel-  und  Lammlebern,  vor  allem  der  durch  ins 
Leberparenchym  eingewanderte,  junge  Trematoden  gesetzten  Ver- 
änderungen! Nur  fehlt  in  der  Kl  ein  paul  sehen  Beschreibung  der 
Nachweis  der  jungen  Fasciola  hepatica.  Das  Suchen  nach  diesen 
Parasiten  in  weiteren  Fällen  wird  sicher  von  Erfolg  gekrönt  sein. 
Das  Verdienst  Kleinpauls,  als  Erster  das  Krankheitsbild  der  Disto- 
matose der  Ferkel  bekannt  gegeben  zu  haben,  wird  der  Erfolg, 
den  die  hygienische  Bekämpfung  dieser  Seuche  verspricht,  noch 
mehr  hervorheben. 


l)  Berliner  tierärztliche  Wochenschrift  1907,  Nr.  9,  8.  131—132. 


Über  Pseudo-Maul-  und  Klauenseuche. 

Von 
Dr.  med.  vet  Lothar  Kantorowicz 

in  Mflhlberff  a.  Elbe. 

In  der  Fachliteratur  finden  sich  mehrfach  seuchenhafte  Er- 
krankungen der  äußeren  Haut  am  Maule  und  der  Maulschleimhaut 
bei  Rindern  beschrieben,  die  größeres  Interesse  erweckten,  da  sie 
in  „gewissen  Stadien  zur  Verwechslung  mit  Aphthenseuche  fuhren 
konnten".  (Ostertag  und  Bugge.1)  Es  sind  dies  die  Veröffent- 
lichungen von  Heß,2)  Peters,8)  Hajnal,4)  Ostertag  und  Bugge1) 
sowie  Pusch.5) 

Wenn  die  Darstellungen  dieser  Autoren  auch  in  manchen 
Punkten  verschieden  sind,  so  handelt  es  sich  doch  in  allen  Fällen 
um   eine  Stomatitis,    also  lediglich   um  eine  Pseudomaulseuche. 

Ich  hatte  nun  Gelegenheit,  bei  drei  Kühen  ein  seuchenhaftes 
Exanthem  zu  beobachten,  und  zwar  nicht  nur  am  Maule,  sondern  auch 
am  Euter  und  an  den  unteren  Teilen  der  Gliedmaßen,  also  an  den 
bekannten  Eruptionsstellen  der  Maul-  und  Klauenseuche.  Hieraus 
rechtfertigt  sich  die  in  der  Überschrift  gebrauchte  Bezeichnung. 

Die  hier  zu  beschreibende  Affektion  trat  im  Mai  vorigen  Jahres 
in  einem  Stalle  des  zum  Rittergut  M.  gehörigen  Vorwerks  B.  auf.  Es 
erkrankten  drei  in  diesem  Stalle  stehende  Kühe  in  gleicher  Weise. 

Klinischer  Befand  bei  Kuh  1.  Gut  genährte  Kuh  mittleren  Alters  des 
schwarzbunten  Niederungsschlages.    Außentemperatur  ungleich  verteilt,  Flotz- 


l)  Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten,  parasitäre  Krankheiten  und 
Hygiene  der  Haustiere  1905,  Bd.  1. 

9)  Verhandlungen  des  internationalen  tierärztl.  Kongresses  in  Baden- 
Baden  1899,  S.  382. 

*)  Berl.  tierärztl.  Wochenschr.  1892,  S.  25. 

4)  Berl.  tierärztl.  Wochenschr.  1901,  S.  153. 

*)  Deutsche  tierärztl.  Wochenschr.  1906,  S.  133. 


—    551     — 

manl  trocken,  Augen  eingesunken,  Pansen  untätig,  Defäkation  verzögert.  Das 
Tier  tritt  von  der  Krippe  zurück  und  zittert  in  der  Nachhand.  Puls:  100  in 
der  Minute,  klein.    Keine  Milchsekretion. 

Auf  der  Haut  des  Euters,  und  zwar  sowohl  im  Bereich  der  Drüse  selbst 
wie  an  den  Zitzen  finden  sich  zahlreiche  hirsekorn-  bis  linsengroße  gelblich- 
graue Knötchen  mit  einer  Delle  im  Zentrum  und  einem  rötlichen  Hof.  Daneben 
sieht  man  aber  auch,  und  zwar  besonders  an  den  Zitzen,  einige  perlmutter- 
graue, dünnwandige,  kleine  Bläschen;  anscheinend  sind  letztere  teilweise 
geplatzt,  ihr  mit  Blut  vermischter  Inhalt  ist  zu  Krusten  eingetrocknet.  Der 
Versuch  des  Melkens  ist  dem  Tier  sehr  schmerzhaft,  Milch  anscheinend  normal. 

Diagnose:  Exanthem  am  Euter  mit  fieberhafter  Allgemein- 
erkrankung. 

Therapie:  Glaubersalz  und  Kaffee  mit  Branntwein  innerlich 
und  Tannoformsalbe  auf  das  gereinigte  Euter. 

Nach  zwei  Tagen  hat  sich  das  Allgemeinbefinden  der  Kuh  gebessert, 
insofern  Futter-  und  Getränkaufnahme,  sowie  Wiederkauen  und  Defäkation 
erfolgen.  Das  Exanthem  ist  indessen  vom  Euter  auf  die  Innenseite  der  Hinter- 
schenkel übergegangen  und  zeigt  hier  bereits  eine  ziemlich  große  Aus- 
dehnung. Ferner  macht  sich  jetzt  eine  in  der  Fesselbeuge  beider  Hinter- 
schenkel beginnende  Dermatitis  bemerkbar,  die  im  weiteren  Verlauf  über  die 
Sprunggelenke  hinaufgeht  und  mit  dem  ersten  Exanthem  konfluiert.  Hier 
erscheinen  die  Haare  gesträubt  und  bündelartig  verklebt,  wie  die  Borsten 
eines  Pinsels,  in  dem  die  Farbe  eingetrocknet  ist.  Die  Haut  ist  gerötet  und 
näßt  stellenweise.  Wo  die  Feuchtigkeit  eingetrocknet  ist,  ist  die  Haut,  rissig 
lederhart  und  mit  Borken  und  Krusten  bedeckt.  Hier  erinnert  das  Bild  an  die 
Ichthyosis  des  Menschen.  Bläschen,  aus  denen  die  Flüssigkeit  herrühren 
könnte,  sind  auf  der  Haut  nicht  zu  bemerken. 

Eine  auffallende  Lahmheit  auf  dem  rechten  Hinterfuße  ver- 
anlaßte  mich,  die  Kuh  hinausfuhren  zu  lassen  und  die  Klauen  zu 
untersuchen. 

Die  Untersuchung  ergibt,  daß  die  Haut  im  Klauenspalt  übernormal 
temperiert  sowie  gerötet,  schmerzhaft  und  geschwollen  ist. 

Ich  will  gleich  hier  erwähnen,  daß  sich  bei  diesem  Tier  auf  dem 
rechten  Hinterfuß  trotz  der  üblichen  Tannoform-  und  Teerbehandlung,  ein 
schweres  Panaritium  mit  Eröffnung  des  Gelenkes  entwickelte,  das  schließlich 
die  Exartikulation  einer  Klaue  erforderlich  machte.1) 

Kuh  2  und  3  erkrankten  in  gleicher  Weise.  Auch  bei 
diesen  Tieren  war  eine  schmerzhafte  Entzündung  der  Zwischen- 
klauenhaut zu  beobachten. 


J)  Hier  sei  beiläufig  bemerkt,  daß  die  Stelle  zum  Einstich  des  Lorbeer- 
blattmessers bei  der  Klauenexartikulation  nicht,  wie  Pfeiffer  angibt,  ca  3  cm, 
sondern  ca.  1  cm  unter  dem  Saumband  gelegen  ist. 


—    552     — 

Die  Tiere  lagen  viel,  trippelten  beim  Stehen  hin  und  her  und  hoben 
abwechselnd  die  Füße.  Die  Hant  im  Klauenspalt  schien  gerötet  und  geschwollen. 
Bei  Kuh  3  entwickelte  sich  an  der  linken  inneren  Klaue  ein  Ballenpanaritiam 
mit  tiefem  Substanzverlust.  Auch  selbst  an  den  Vorderfüßen  zeigten  die  Klanen 
die  entzündlichen  Veränderungen.  Die  Folgeleiden  der  Klauenerkrankung 
waren  bei  diesen  Tieren  jedoch  nicht  so  schwerer  Art  wie  bei  Kuh  1. 

Auch  bei  diesen  Tieren  trat  die  Affektion  der  Maulschleini- 
haut  mit  der  starken  Salivation  deutlich  hervor. 

In  etwa  drei  Wochen  war  der  Erkrankungsprozeß  bei  den 
Kühen,  die  besonders,  wohl  infolge  der  schmerzhaften  Zustände  der 
Gliedmaßen,  abgemagert  waren,  abgelaufen.  Nach  der  Heilung 
erlangte  die  Milchsekretion  wieder  ihre  frühere  Höhe. 

Der  beschriebene  Befund  am  Euter  und  an  den  Gliedmaßen 
veranlaßte  mich,  eine  Untersuchung  der  Maulhöhle  vorzunehmen. 
Doch  diese  war  zunächst  ergebnislos.  Aber  schon  am  nächsten 
Tage  fiel  mir  auf,  daß  zwei  Kühe  stark  speichelten,  und  bald  hörte 
ich  das  bekannte  „Schmatzen",  wie  es  für  die  Maul-  und  Klauen- 
seuche charakteristisch  ist. 

Bei  allen  drei  Kühen  traten  nun,  und  zwar  in  derselben  Reihen- 
folge, wie  sie  an  dem  Exanthem  erkrankt  waren,  folgende  Er- 
scheinungen am  Maule  auf: 

Das  Zahnfleisch  des  Unterkiefers  und  die  Schleimhaut  der  Unterlippe 
ist  zunächst  stark  gerötet  und  geschwollen.  Am  nächsten  Tage  bemerke  ich 
auf  dem  Flotzmaul,  an  der  Oberlippe  und  in  der  Nähe  der  Nasenöffnungen 
einige  linsengroße,  gelblich-rötliche  und  graue  Knötchen  mit  einer  zentralen 
Vertiefung  und  teilweise  von  einem  roten  Hof  umgeben  Weiterhin  erscheint 
die  Schleimhaut  auf  dem  Zahnfleisch  des  Unterkiefers  rein  gelb,  stellenweise 
aber  grünlichbraun,  sie  liegt  in  zahlreichen,  kleinen  dicht  benachbarten  Fält- 
elten wie  die  Hornblättchen  am  Hufe.  Im  weiteren  Verlauf  lösen  sich  diese 
Fältchen  zunder-  und  fetzenartig  ab;  die  Knötchen  an  der  Außenseite  ver- 
schwinden ohne  weiteres;  nur  ganz  vereinzelt  sind  nach  einigen  Tagen  noch 
kleine,  oberflächliche,  runde  Defekte  zu  sehen. 

Eine  Behandlung  der  Maulschleimhaut  unterließ  ich  absicht- 
lich, zumal  sie  nicht  unbedingt  geboten  schien. 

Man  hat  bekanntlich  bei  Schlempemauke  ganz  vereinzelt 
auch  eine  Affektion  der  Maulschleimhaut  infolge  Beleckens  der 
erkrankten  Gliedmaßen  beobachtet.  Ein  derartiges  Belecken  haben 
weder  ich  noch  das  Personal  in  den  vorliegenden  Fällen  gesehen. 
Dies  möchte  ich  hervorheben. 

Das  gleichzeitige  Auftreten  eines  Exanthems  an  den  Glied- 
maßenenden und  an  der  Maulschleimhaut  und  die  eigenartigen  Be- 


—    553     — 

gleiterscheinungen  der  Stomatitis  mußten  den  Verdacht  auf  echte 
Maul-  und  Klauenseuche  erwecken.  Daß  es  sich  jedoch  nicht  um 
diese  Krankheit  handelte,  geht  einwandfrei  aus  den  weiter  gemachten 
Beobachtungen  und  einem  Infektionsversuch  hervor.  In  dem  Stalle, 
in  dem  die  drei  erkrankten  Kühe  standen,  waren  (an  einer  anderen 
Wandseite  des  Raumes)  noch  vier  bayrische  Ochsen  untergebracht. 
Ferner  beherbergte  der  Stall  noch  etwa  12  Schweine.  Ich  unter- 
suchte diese  Tiere,  sie  zeigten  indessen  keinerlei  Krankheits- 
erscheinungen und  blieben  auch  des  weiteren  vollkommen  gesund. 
Zudem  führte  ich  bei  den  Ochsen  einen  Übertragungsversuch  in 
der  Weise  aus,  daß  ich  den  Tieren  Speichel  der  erkrankten  Kühe 
auf  die  Maulschleimhaut  brachte.  Auch  diese  Infektion,  die  bei 
echter  Maul-  und  Klauenseuche  doch  unzweifelhaft  eine  typische  Er- 
krankung herbeigeführt  haben  würde,  blieb  ergebnislos.  Schlempe- 
mauke, Quecksilbervergiftung,  Kalkverätzung  und  dergl.  waren  mit 
Sicherheit  auszuschließen. 

Übrigens  bestätigte  auch  der  zugezogene  beamtete  Tierarzt, 
daß  Maul-  und  Klauenseuche  nicht  vorliege. 

Leider  war  es  mir  nicht  möglich,  ätiologische  Untersuchungen 
über  die  interessante  Krankheit  anzustellen. 

Durch  Herrn  Kreistierarzt  Hofherr  (Herzberg)  wurde  ich 
auf  ein  in  Froehner-Wittlingers  Handbuch1)  enthaltenes  Referat 
über  eine  im  Band  13  (1901)  der  Maanedsskrift  for  Dyrlaeger  ver- 
öffentlichte Beobachtung  von  Stribolt  aufmerksam  gemacht,  die 
in  vielen  Punkten  mit  der  meinigen  übereinstimmt.  Auch  im 
Striboltschen  Falle  trat  das  Exanthem  trilokulär  auf.  (Übrigens 
hat  nach  Stribolt  auch  schon  Bang  ähnliche  Beobachtungen 
gemacht.)  Stribolt  sah  das  Leiden  auf  eine  größere  Zahl  nur 
weiblicher  Tiere  übergehen.  Es  scheint  mir  dieser  Umstand  be- 
merkenswert, da  auch  in  meinem  Falle  die  Ochsen  weder  spontan 
erkrankten  noch  künstlich  infiziert  werden  konnten.  Die  von  Oster- 
tag  und  Bugge  beschriebene  Pseudomaulseuche  erwies  sich  dagegen 
ansteckend,  und  zwar  auch  für  männliche  Tiere. 

Stribolt  sucht,  wie  die  verschiedenen  anderen  Beobachter, 
die  Ursache  der  Pseudomaulseuche  in  Futterschädlichkeiten,  ins- 
besondere beschuldigt  er  sommerliche  Stallfütterung  mit  Klee.  In 
der  Tat  fiel  auch  meine  Beobachtung  in  die  erste  Zeit  der  Grün- 
kleefütterung; ich  kann  mir  aber  über  das  ursächliche  Moment  der 

')  Der  preußische  Kreistierarzt,  Bd.  2,  S.  75  u.  76. 

Zeitschrift  für  Infektionskrankheiten.    II,  6.  36 


—    554    — 

Fütterung  kein  Urteil  bilden.    Wie  gesagt,  war  Schlempemauke  in 
meinem  Falle  ausgeschlossen. 

Wichtig  erscheint,  daß  Stribolt  gleich  mir  Bläschen  am  Euter, 
nicht  aber  am  Maule  gesehen  hat;  auch  Ostertag  und  Bugge 
betonen  ausdrücklich,  daß  sie  niemals  Bläschen  gesehen  haben. 
Nur  Heß1)  spricht  mit  Bestimmtheit  von  Bläschen: 

„In  ganz  frischen  Fällen  findet  man  an  der  Zungenspitze  und  in  sehr 
ausgedehntem  Maße  auf  der  Maulschleimhaut  und  am  Lippenrande  hanfkorn- 
bis  erbsengroße,  hochrote  oder  gelbliche  Knötchen,  die  in  der  Mitte  ein  kleines, 
graues,  rasch  platzendes  Bläschen  zeigen." 

Solche  Bläschen  sind  von  echten  Aphthen  naturlich  leicht  zu 
unterscheiden. 

Peters2)  hat  gleich  mir  am  Zahnfleisch  des  Ober-  und  Unter- 
kiefers bräunliche  Krusten  gesehen,  die  ihm  als  Reste  der  zusammen- 
getrockneten, geplatzten  Blase  erschienen.  Ich  glaube  aber, 
da  ich  die  Vorgänge  von  Anfang  an  beobachten  konnte,  während 
Peters  die  Tiere  erst  im  Stadium  der  Abheilung  zu  sehen  bekam,  daß 
auch  dieser  Beobachter  nicht  die  Reste  von  Blasen,  sondern,  ebenso  wie 
ich,  krupöse  Beläge  oder  nekrotische  Schleimhautfetzen  gesehen  hat. 

Umfangreiche  Beobachtungen  von  Pseudomaulseuche  hat  auch 
Pusch3)  in  der  sächsischen  Aufzuchtstation  Olbernhau  gemacht, 
und  auch  er  betont,  daß  „Blasen  im  und  in  der  Umgebung  des 
Maules  immer  fehlen4'  und  macht  darauf  aufmerksam,  daß  die  im 
Absterben  befindliche  Epitheldecke  dicker  sei,  wie  die  in  der  Ab- 
lösung befindliche  freie  Wandung  der  echten  Aphthe,  ein  differential- 
diagnostisch wichtiges  Merkmal,  das  auch  mir  auffiel;  hier  die 
verhältnismäßig  dicken  gelb-grünlichen  Krupfetzen,  dort  graue, 
zarte,  häutchenartige  Teile  der  geplatzten  Bläschen.  Übrigens  stimmt 
die  Beschreibung  von  Pusch  mit  derjenigen  von  Ostertag  und 
Bugge  überein,  nur  gelang  es  Pusch  nicht,  die  Maulaffektion  auf 
Kälber  künstlich  zu  übertragen. 

Pusch  erwähnt,  daß  die  Pseudomaulseuche  wirtschaftlich  ohne 
Bedeutung  sei.  Dies  trifft  allerdings  für  meine  Beobachtungen  nicht 
ganz  zu,  und  die  größere  wirtschaftliche  Schädigung  meiner  Patienten 
erklärt  sich  ja  auch  ohne  weiteres  aus  der  Miterkrankung  des 
Euters   und  der  Klauen.    Dauerte  es  doch  fast  drei  Wochen,   ehe 

1)  a.  a.  0. 

2)  a.  a.  0. 
*)  a.  a.  0. 


—    555    — 

die  Kühe  ihre  frühere  Milchergiebigkeit  wiedererlangten.  Bei  einem 
größeren  Bestände  wäre  also  mit  einem  nicht  unbedeutenden  Ver- 
lust zu  rechnen  gewesen.  Außerdem  magerten  die  Kühe,  wie  bereits 
bemerkt,  auffallend  ab,  sie  haben  sich  erst  allmählich  wieder  erholt. 

Selbstverständlich  beruht  die  weit  größere  Bedeutung  der  ge- 
schilderten Erkrankung  auf  der  Möglichkeit  ihrer  Verwechslung  mit 
echter  Maul-  und  Klauenseuche.  Die  Möglichkeit  einer  solchen 
Verwechslung  liegt  ganz  besonders  nahe,  wenn  die  Affektion,  wie 
bei  meinem  Falle,  sich  nicht  auf  das  Maul  beschränkt,  sondern  auch 
Euter  und  Klauen  betrifft.  Wichtig  dabei  ist  auch  das  „Schmatzen", 
das  in  meinen  Fällen  genau  wie  bei  der  echten  Maul-  und  Klauen- 
seuche auftrat.  Andere  Beobachter  der  Pseudomaulseuche  haben 
diese  Erscheinung  jedoch  nicht  bemerkt;  es  erklärt  sich  dies  jeden- 
falls wiederum  dadurch,  daß  ich  den  Krankheitsverlauf  von  Anfang 
an  beobachten  konnte,  während  die  Erkrankung  von  anderer  Seite 
erst  in  mehr  oder  weniger  vorgeschrittenem  Stadium  gesehen  worden 
ist.  Übrigens  ist  ja  das  Schmatzen,  ebenso  wie  die  Salivation,  nicht 
ein  Symptom  der  Maul-  und  Klauenseuche  als  solcher,  sondern  der 
Stomatitis,  und  ich  entsinne  mich,  es  auch  bei  Quecksilbervergiftung 
in  typischer  Weise  gehört  zu  haben.  Sonst  ist  in  differential- 
diagnostischer Beziehung  gegenüber  der  echten  Aphthenseuche 
hervorzuheben,  daß  ich  an  den  Klauen  Bläschen  nicht  gesehen 
habe;  auch  gehört  bekanntlich  das  ausgedehnte  mauke-  bzw.  raspe- 
artige Exanthem,  wie  ich  es  gekennzeichnet  habe,  nicht  zu  den 
Symptomen  der  echten  Maul-  und  Klauenseuche.  Auch  die  völlige 
Integrität  der  Zunge  ist  bedeutungsvoll.  Das  differential-diagnostisch 
wichtige  Gesundbleiben  der  Stallgenossen  (Ochsen  und  Schweine) 
habe  ich  bereits  erwähnt. 

Kann,  wie  im  vorliegenden  Falle,  der  beamtete  Tierarzt  sich 
über  den  Verlauf  der  geschilderten  Pseudomaul-  und  Klauenseuche 
von  Anfang  an  hinreichend  informieren,  zieht  er  auch  alle  anderen 
epidemiologischen  Umstände,  wie  etwaigen  Zugang  neuer  Tiere, 
Seuchenverhältnisse  in  der  Gegend  und  dergl.  in  Erwägung,  so 
wird  im  allgemeinen  die  Diagnose  nicht  schwierig  sein.  Schwierig 
dagegen  würde  sich  die  Beurteilung  des  Leidens  gestalten,  wenn  man 
Tiere  unbekannter  Herkunft  mit  fast  abgeheilten  Läsionen  im  Maule, 
mit  wunden  Eutern  und  Klauen  auf  einem  Viehmarkte  vor  sich  hat. 


36* 


Referate. 


Infektionskrankheiten. 

Moussu,  0^   Die  Milch  tuberkulöser  Kühe.    Beobachtungen  über 
die  Entstehung  der  tuberkulösen  Euterentzündung. 
(Archiv  f.  Wissenschaft!,  u.  prakt.  Tierheilk.,  Bd.  32,  1906,  S.  279— 2W.) 

Verf.  führt  aus,  daß  die  Milch  solcher  Kühe,  die  lediglich 
auf  Tuberkulin  reagieren,  ohne  klinische  Erscheinungen  der 
Tuberkulose  zu  haben,  für  menschliche  Nahrung  ungeeignet 
ist,  da  in  derselben  Tuberkelbazillen  vorhanden  sein  können. 
Wenn  das  Euter  tuberkulosefrei  ist,  so  kann  die  Euterlymphdrüse  infiziert 
sein.  Die  Tuberkelbazillen  können  aber  zu  dieser  Drüse  nur  gelangen, 
wenn  sie  das  Enter  passiert  haben;  dabei  wird  ein  Teil  der  Bazillen  mit 
der  Milch  ausgeschieden,  wodurch  diese  vorübergehend  Tuberkelbazillen 
enthalten  kann. 

Verf.  verlangt,  daß  die  Milch  aller  tuberkulösen  Kühe  ausnahmslos 
von  der  Verwertung  als  Nahrungsmittel  ausgeschlossen  wird;  denn  die 
Eutertuberkulose  sei  im  Anfangsstadium  nicht  zu  diagnostizieren,  und  die 
latenten  Formen   können  durch  Tuberkulininjektion   nachgewiesen  werden. 

Gesunde  Kälber  können  nach  einigen  Monaten  mit  Tuberkulose  in- 
fiziert' werden,  wenn  sie  mit  anscheinend  normaler  Milch,  die  jedoch  von 
ausgesprochen  tuberkulösen  Kühen  stammt,  ernährt  werden. 

r.  Sande  (Frankfurt  a.  M.J. 

Salmon,  Tuberculosis  of  the  food-producing  animals. 

(ü.  S.  Dcp.  of  Agricult.  Bur.  of  Animal  Industry,  Bull.  Nr.  38,  Washington  1906.) 

Eine  zur  Belehrung  von  Rindviehzüchtern  bestimmte  Monographie, 
die  hauptsächlich  ziemlich  eingehend  über  die  Forschungen  der  letzten 
Jahre  referiert. 

Für  die  Bekämpfung  der  Rindertuberkulose  erblickt  S.  das  beste 
Mittel    in    der  Anwendung    des  Tuberkulins,    vielleicht   später,    wenn   die 


—    557     — 

Untersuchungen  darüber  ein  brauchbares  Ergebnis  gezeitigt  haben,  in  Ver- 
bindung mit  der  Immunisierung.  Dazu  ist  die  Mitwirkung  des  Staates 
erforderlich,  in  der  Weise,  daß  er  die  Kosten  für  die  Tuberkulinimpfung 
auf  sich  nimmt,  allgemeine  Fleischbeschau  für  Rinder  anordnet,  um  die 
tuberkulösen  Bestände  ausfindig  zu  machen,  Entschädigung  für  Konfiska- 
tionen durch  die  Fleischbeschau,  staatliche  Beaufsichtigung  der  Desinfektion 
in  Beständen,  die  durch  Schlachtung  der  reagierenden  Tiere  tuberkulosefrei 
gemacht  werden  sollen.  Nach  S.s  Schätzung  sind  in  den  V.  St.  Amerikas 
5%  der  Binder  tuberkulös.  Die  Krankheit  kommt  in  allen  Gegenden, 
auch  in  den  Weidedistrikten  der  westlichen  Staaten  und  im  Felsengebirge 
vor.  Die  Zahl  der  tuberkulosefreien  Bestände  wird  auf  80%  geschätzt. 
Zur  Durchführung  der  von  den  einzelnen  Staaten  zu  ergreifenden  Maß- 
regeln sind  veterinärpolizeiliche  Bestimmungen  von  Seiten  der  bundes- 
staatlichen Regierung  erforderlich,  die  den  Verkehr  mit  Rindvieh  zwischen 
den  Einzelstaaten  regeln.  Qrabert  (Berlin). 

Beitzke,  H.,   Über  den  Weg  der  Tuberkelbazillen  von  der  Mund- 
und   Rachenhöhle   zu   den  Lungen,   mit   besonderer  Be- 
rücksichtigung der  Verhältnisse  beim  Kinde. 
(VirchowB  Archiv,  Bd.  184,  1906.) 

1.  Es  existieren  keine  zuführenden  Lymphgefäße  von  der  Kette  der 
zervikalen  Lymphdrüsen  zu  den  bronchialen  Drüsen. 

2.  Für  eine  tuberkulöse  Infektion  der  Lungen  von  den  Halsdrüsen 
aus  kommt  nur  der  Weg  durch  die  Trunci  lymphatici  und  die  obere  Hohl- 
vene in  Betracht. 

3.  Dieser  Infektionsweg  ist  aber  —  wenigstens  beim  Kinde  —  praktisch 
ohne  wesentliche  Bedeutung.  Die  Infektion  der  Lungen  oder  Bronchial- 
drüsen kommt  beim  Kinde  vielmehr  in  der  Regel  durch  Aspiration  von 
Tuberkelbazillen  in  den  Bronchialbaum  zustande.  Eine  absteigende  Zervikal- 
drüsentuberkulose  geht  manchmal  unabhängig  davon  nebenher. 

4.  Die  aspirierten  Bazillen  können  in  der  Atemluft  enthalten  sein, 
sie  können  aber  auch  aus  dem  Munde  stammen,  in  den  sie  mit  infizierter 
Nahrung  oder  durch  Kontakt  (Schmutzinfektion)  gelangt  sind. 

C.  LiebrecJti  (Dresden). 

Karwacki,  L.,  u.  Benni,  W.,   Über  die   quantitativen  Verhältnisse 
bei  der  Agglutination  der  Tuberkelbazillen. 
(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  I.  Abt,  Orig.,  Bd.  52,  1906,  S.  252  u.  S.  345.) 
Die  Versuche  sind  im  ganzen  analog   mit  den  bekannten  Versuchen 
Eisenberg  und  Volks  angeordnet   und  ergaben   auch    für  die  Tuberkel- 
bazillen ähnliche  Resultate.    Da  es   auf   die  Konzentration   der  Bazillen- 
aufschwemmung   ankommt,    erhält   man    mit    sämtlichen   bisher   üblichen 


—    558     — 

Tuberkelbazillenemulsionen  (Arloing-Courmont,  Koch,  v.  Behring) 
keine  einheitlichen  Agglutinationsresultate.  Deswegen  wird  eine  „Normal* 
aufschwemmung"  anch  für  serodiagnostische  Versuche  empfohlen. 

E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 

Botiome,  A.,  Präzipitin-Reaktion  als  diagnostisches  Mittel  der 
Tuberkulose  und  zur  Differenzierung  zwischen  Men- 
schen- und  Rindertuberkulose. 

( Zentral bl.  f.  Bakt.  usw.,  I.  Abt,  Orig.,  Bd.  43,  1906/07,  S.  391—407.) 
Die  Blutsera  von  tuberkulösen  Menschen  und  Rindern  üben  auf 
bazillenfreie  Extrakte  von  Tuberkeln  sowie  von  Tuberkelbazillen  eine 
präzipitierende  Wirkung  aus.  Diese  Eigenschaft  besitzt  manchmal  in  be- 
schränktem Maße  auch  das  Blutserum  gesunder  Menschen,  sie  fehlt  da- 
gegen im  Serum  normaler  Rinder.  Dieser  Umstand  kann  daher  für  die 
Diagnose  der  Rindertuberkulose  nutzbar  gemacht  werden. 

Sowohl  bei  der  spontanen  Tuberkulose  des  Rindes  wie  auch  bei  der 
künstlichen  Infektion  von  Meerschweinchen  läßt  sich  nachweisen,  daß  die 
präzipitierende  Wirkung  des  Immunserums  eine  spezifische  für  den  an 
seiner  Entstehung  beteiligten  Tuberkelbazillentypus  ist,  so  daß  dadurch 
ein  Beweis  für  den  Unterschied  zwischen  den  Tuberkelbazillen  des  Men- 
schen und  des  Rindes  erbracht  wird.  Im  Organismus  des  Kaninchens,  und 
in  geringerem  Grade  auch  in  dem  des  Menschen,  ruft  allerdings  die  Ein- 
führung des  einen  Tuberkelbazillentypus  die  Bildung  von  Präzipitinen  her- 
vor, die  nicht  nur  auf  die  Extrakte  aus  dem  zur  Impfung  verwendeten, 
sondern  auch  auf  die  aus  dem  anderen  Bazillentypus,  wenn  auch  in  ge- 
ringerem Grade,  einwirken.  Orabert  (Berlin). 

Carini,  A.,  Fehlergebnisse  der  Tuberkulinprobe  beim  Rindvieh. 
(Archiv  für  wissensch.  u.  prakt.  Tierheilk.,  Bd.  32,  1906,  S.  562-573.) 

Die  im  Impfinstitut  Bern  zwecks  Darstellung  von  Lymphe  zur  Ver- 
wendung kommenden  Tiere  wurden  vorher  einer  Tuberkulinprobe  unter- 
worfen. Nach  erfolgter  Abimpfung  wurden  die  Tiere  der  Schlachtbank 
zugeführt,  wobei  von  361  nicht  reagierenden  Tieren  17,4  Proz.  tuberkulös 
befunden  wurden.  C.  behauptet  daher,  daß  man  in  der  Praxis  mit  mehr 
als  10  und  14  Proz.  Fehlergebnissen  rechnen  müsse. 

Fehlergebnisse  können  eintreten,  wenn  das  verimpfte  Tuberkulin  zu 
schwach  war,  um  eine  genügende  Reaktion  auszulösen,  oder  aber  bei 
wiederholter  Injektion,  da  sich  dann  der  Tierkörper  an  Tuberkulin  gewöhnt 
und  nicht  reagiert.  Ferner  ist  ein  sehr  wichtiges  Moment  dadurch  gegeben, 
daß  viele  Individuen  zu  einer  Zeit  reagieren,  die  entweder  vor  oder  nach  der- 
jenigen fällt,  in  der  gewohnheitsgemäß  die  Körpertemperatur  aufgenommen 
wird.    Wegen  Ausschaltung  letzterer  Fehlfälle   wäre   es   notwendig,   daß 


—    559     — 

die  Temperaturaufnahme  von   der  5.  bis  zur  36.  Staude   post  injectionem 
geschieht.  v.  Sande  (Frankfurt  a.  MJ. 

Schröder,  E.  C,  n.  Mohler,  J.  R.,   The  tuberculin  test  of  hogs  and 
some  methods  of  their  infection  with  tuberculosis. 
(U.  S.  Dep.  of  A gric,  Bur.  of  Anim.  Industry,  Bulletin  No.  88,  1906,  51  Ss.) 
Die  Tuberkulinprobe   ist   bei  Schweinen   mit   demselben  Erfolg   an- 
wendbar wie  beim  Rindvieh.    Die  Infektion  der  Schweine  mit  Tuberkulose 
erfolgt  meist  durch  das  Futter,  und  zwar  auf  der  Weide,  wenn  diese  von 
tuberkulösen  Rindern   begangen  worden  ist.     Die  Infektionsgefahr  durch 
die  Fäces  kranker  Rinder  ist  eine  ungleich  größere   als  die   bei  der  Auf- 
nahme der  Milch  eutertuberkulöser  Kühe.   Interessant  ist  die  Feststellung, 
daß  sich  Tuberkelbazillen  in  den  Fäces  und  dem  Inhalt  des  Rektums  von 
Rindern  nachweisen   lassen,   die   infiziertes  Wasser   erhalten  haben.     Die 
Bazillen   passieren    den   Yerdauungstraktus,    ohne   ihre   Pathogenität   zu 
verlieren.  Pfeiler  (Berlin). 

Litten,  JVL,  u.  Levy,  F.,  Über  atypische  Aktinomykose. 
(Deutsche  med.  Wochenachr.,  32.  Jahrg.,  1906,  S.  1772-1775.) 
Die  Verff.  fanden  bei  einer  44jährigen  Frau  mit  eitrigen  Prozessen  in 
verschiedenen  Organen  im  Abszeßeiter  kleine  weißliche  aktinomyzesähnliche 
Körnchen,  die  aus  einem  dichten  Knäuel  von  verschlungenen  Pilzfäden  ge- 
bildet wurden.  Der  isolierte  Pilz  unterschied  sich  vom  typischen  Aktino- 
myzes  durch  das  Fehlen  von  Keulendrusen,  durch  mannigfache  Ab- 
weichungen in  Wachstum  und  Morphologie  sowie  durch  seine  Pathogenität. 

J. 

Braun,    Ist    die   Taube    als  Testobjekt    für    die   Prüfung    eines 

Geflügelcholeraserums  untauglich? 

(Fortsein-,  d.  Vet.-Hyg.,  1906,  S.  174—184  u.  198—211.) 
Auf    Grund     seiner    Experimente     mit    Geflügelcholeraserum    von 
Schreiber,    Jeß-Piorkowski   und   Klett-Braun    schließt   Verf.,    daß 
die  Taube   sich   als  Testobjekt   nicht  eignet,   ausgezeichnet  dagegen   die 
Maus.  Resow  (Frankfurt  a.  d.  O.J. 

Lode,  A»,   Zur   Biologie   des   Erregers   der  Hühnerpest  (Kyano- 

lophia  gallinarum). 

(Zentralbl.  f.  Bakt.  usw.,  I.  Abt.,  Orig.,  Bd.  43,  1906/07,  S.  356-359.) 
Während  das  Glyzerin  auf  die  Bakteriazeen  eine  beträchtliche  bak- 
terizide ^Wirkung  ausübt,  wird  das  Virus  der  Pocken,  der  Tollwut  und 
der  Syphilis,  deren  Erreger  vermutlich  zu  den  Protozoen  gehören,  dadurch 
wenig  geschädigt.  In  dieser  Hinsicht,  sowie  auch  dem  Chloroform  und 
Toluol  gegenüber,  zeigt  das  Virus  der  Hühnerpest  nach  den  Versuchen  L,s 


—    560    — 

in  Aufschwemmungen  keine  erheblichen  Unterschiede  von  den  Bakterien, 
so  daß  man  daraus  nicht  anf  seine  Protozoennatur  schließen  könnte.  Da- 
gegen stellt  die  Aufbewahrung  von  Organstücken  in  Glyzerin  ein  bequemes 
Verfahren  dar,  um  sich  stets  im  Laboratorium  infektiöses  Impfmaterial  zu 
halten,  wenn  man  nur  etwa  alle  drei  bis  vier  Monate  den  Impfstoff  ein  Huhn 
passieren  läßt.  Qrabert  (Berlin). 

Ludewig,    Zusammenfassender   Bericht    über   „Brustseuche"   in 
der  Armee. 

(Zeitschr.  f.  Vet-Kunde,  19.  Jahrg.,  1907,  S.  1—14  u.  49-66.) 
Ein  Auszug  aus  der  gesamten  Brustseucheliteratur,  der  namentlich  eine 
übersichtliche  Zusammenstellung  der  in  den  statistischen  Veterinär-Sanitäts- 
berichten der  preußischen  Armee  und  in  der  Zeitschr.  f.  Vet.-Kunde  nieder- 
gelegten Erfahrungen  über  die  in  der  Armee  gegen  die  Seuche  ergriffenen 
Maßregeln,  über  die  Schutzimpfung,  Absonderung,  das  Durchseuchen,  den 
Freiluftaufenthalt  usw.,  enthält.  Grabert  (Berlin). 

Dujardin-Beautnetz,   E.,    Transmission   de   la  peripneumonie   des 

bovidös  aux  especes  ovine  et  caprine. 

(Ann.  de  llnatitut  Pasteur,  Bd.  20,  1906,  S.  449—466.) 
Die  Übertragung  des  Virus  der  Lungenseuche  auf  Hammel  und 
Ziegen  gelang  durch  den  Kunstgriff,  daß  die  Kultur  des  Virus  auf  in  be- 
stimmter Weise  zubereitetem  Hammelbouillon-Hammelserum  oder  Ziegen- 
bouillon-Ziegenserum geschah;  die  so  gewonnenen  Kulturen  sind  auch  für 
das  Bind  virulent,  während  Rinderbouillonserumkultur  Hammel  und  Ziege 
unbeeinflußt  läßt.  Je  nach  der  Menge  des  injizierten  Materials  konnte 
Erkrankung  mit  und  ohne  Inkubation  erzeugt  werden.  Typischer  Verlauf 
auch  bei  der  experimentellen  Infektion  der  Ovinen  und  Kaprinen.  In  die 
Zitze  eines  Mutterschafes  injiziertes  Virus  hielt  sich  fünf  Monate  in  der 
Milch  virulent.  Kein  Fieber.  Immunität  gegen  weitere  Infektion.  Auf 
Pferdebouillonserum  gewachsene  Kulturen  waren  für  alle  versuchten  Tiere 
avirulent.  Eine  Anzahl  damit  geimpfter  Rinder  waren  gegen  eine  Supra- 
infektion  mit  gewöhnlicher  virulenter  Kultur  immun.  Es  wurde  auch 
ein  ziemlich  stark  agglutinierend  und  präzipitierend  wirkendes  Pferde- 
serum durch  viermonatige  Immunisierung  mit  Pferdebouillonserumkulturen 
gewonnen  (Titer  1 :  50  bis  1 :  200).  Dieses  Serum  gab  bei  ultramikro- 
skopischer Betrachtung  spezifische  Reaktion  mit  dem  Serum  von  zwei 
Rindern,  die  vor  vier  Monaten  eine  leichte  Lungenseuche  überstanden 
hatten.  E.  Jacobsthal  (Frankfurt  a.  Mj. 


Sachregister.') 


Seite 

Absorption 243 

Achlya  Hoferi  bei  Fischen 276 

Actinomyces  albus 98 

Adsorptionsverbindungen 69 

Affentuberkulose,  spontane 95 

Affen,  Wirkung  der  Tuberkclbazillcn  des  Menschen  und  des  Kindes  auf.  95 

Agglutination,  Wirknng  der  Temperatur  auf  die 265 

Agglutination  der  Tuberkelbazillen,  quantitative  Verhältnisse  bei  der  .    .  f>57 

AgglutinokL 265 

Aggressine 69 

Aktinomykose,  atypische 559 

Amphibien,  Trypanosomen  der 275 

Anaerobien,  pathogene,  Differcntialdiagnose 405 

Anaerobenzüchtung 112,  279 

Antagonismus  zwischen  normalen  und  immunen  bakteriziden  Sera  .    .    .  264 

Antiformin 211 

Antikomplemente H4 

Antitoxine 265 

Antituberkulin  im  tuberkulösen  Gewebe 253 

Arsenige  Säure  gegen  Trypanosoma  gambiense 275 

Asbestfilter 78 

Bakterien,  Durchlässigkeit  des  Darmkanals  für 404 

Bakterien  im  Dickdarm,  biologisches  Verhalten 247 

Bakterien  in  Flüssigkeiten,  quantitative  Bestimmung 280 

Bakterien  im  gesunden  Körpergewebe 245 

Bakterien  im  Gewebe,  Darstellung 280 

Bakterien,  morphologische  Veränderungen  im  Tierkörper 246 

Bakterien,  Mutation  bei 85 

Bakterien,  Verhalten  des  Speichels  gegenüber 404 

Bakterien,  Züchtung  in  strömenden  Nährböden 216 

Bakterienfilter , 280 

Bakterienflora  der  Nasenhöhle  dos  Pferdes 245 

l)  Die    sich   auf  Originalarbeiten   beziehenden  Stich worto   sind  gesperrt 
gedruckt 


—     S62     — 

Seite 

Bakterienkolonien  auf  Blutagarplatten  (Ursache  der  grünen  Färbung^  •    •  246 

Bakteriotrope  Substanzen 392 

Bazillen,  fusiforme 405 

Berberei,  Trypanosomenkrankheiten 275 

Beschälseuche 107 

Bienengift 264 

Bilharziosis  in  Indien 101 

Blastomykosis 108 

Blastomyzeten,  patbogenc  Wirkung 276 

Blutdifferenzierung 70 

Blutverwandtschaftszucbt  bei  Schweinen 279 

Bohnen,  giftige 111,  112 

Bornasche  Krankheit,  pathologische  Anatomie  ...              14#,  152 

Bradsot,  Schutzimpfung 262 

Bronchitis,  infektiöse,  katarrhalische  beim  Rinde 259 

Brustseuche,  Ätiologie 25s 

Brustseuche  des  Pferdes,  Ätiologie  (Spirochäten) 91 

Brustseuche  in  der  Armee 560 

Buddisierung  der  Milch 99 

Chlorhaltige  Abwässer 278 

Choleraimmunität 70 

Darmgärung 111 

Desinfektion  durch  Jodlösungcn 100 

Desinfektion  von  Stallungen  mit  Formaldchydlösungcn   ...  43 

Dickdarm,  biologisches  Verhalten  der  Bakterien  im 217 

Diphtherie  und  diphtberieähnliche  Bakterien 246 

Dourine 107 

Dourine,  Empfänglichkeit  der  Wiederkäuer  und  Affen 274 

Druseimmnnisierung 263 

Echinokokkenflüssigkeit 10 

Echinokokkeninvasion,  deren  Beziehung  zur  Pseudotuberkulose   ....  254 

Elefanten,  hämorrhagische  Septikämie  der 96 

Enteisenung  des  Wassers 111 

Euterentzündung,  tuberkulöse,  Entstehung 556 

Fäulnisprodukte,  sterile,  Einfluß  auf  Milzbrandbazillen 99 

Farcinus  cryptococcicus,  Ätiologie 276 

Fasciola  hepatica  im  Leberparenchym 546 

Fibrinogenproduktion 89 

Filter  aus  Asbest 78 

Fischtuberkelbazillus  Dubard 252 

Flagellaten  im  Magendarmkanal  des  Pferdeegels 106 

Fliegen  als  Verbreiter  von  Tuberkelbazillen 95 

Frosch,  Trypanosomen  beim 275 

Fusiforme  Bazillen  und  Spirillen 405 


—    563     — 

Seite 

Gastruslarvenkrankheit  der  Pferde 106 

Geflügeldiphtherie,  Ätiologie 90,  256 

Geflügelcholeraserum,  Taube  als  Testobjekt  für  die  Prüfling  des     ...  559 

Gerstengraupenabfälle,  Verdaulichkeit 277 

Hämagglutinine 70 

Haemamoeba  leucaemiae  magna 108 

Hämolyse 158,  360 

Hämolysine 81 

Hämorrhagische  Septikämie  bei  Elefanten 98 

Harn,  Zusammensetzung  bei  Tollwut 259 

Harnwinde,  schwarze 459 

Heteroalbumosen,  Bedeutung  für  den  tierischen  Organismus 111 

Hogcholeragruppe 93 

Hogcholera,  Immunisierung  gegen .100 

Hund,  Experimentelle  Tabes 271 

Hund,  Piroplasmose v 271 

Hühner,  Schlafkrankheit 257 

Hühner,  Spirillose 258 

Hühnercholera,  Immunisierung  mit  Aggressinen  und  Bakterienaufschwem- 

mnngen 101 

Hühnerpest 1 

Hühnerpest,  Biologie  des  Erregers 559 

Hühnerpest,  Histologie 258 

Hygienische  Grundsätze  für  den  Bau  von  Stallungen     ....  29 

Immunsera,  Konservierung  der 200 

Immunisierungsprozeß 70 

Immunitätsforschung  im  Jahre  1905/06 67 

Infektionen,  Herabsetzung  der  natürlichen  Widerstandskraft  gegen  .    .    .  266 

Infektiosität  verschiedener  Kulturen  des  Tuberkelbazillus 407 

Insekten,  Mikroorganismen  im  Darm  von 403 

Jodlösungen,  Lugolsche,  desinfizierende  Eigenschaften 100 

Kaltblütertuberkulose 253 

Kamel,  Trypanosomiasis  beim 106,  274 

Kokkazeen,  Systematik 242 

Komplementablenkung  in  der  forensischen  Praxis 70 

Komplementablenkungsverfahren  bei  der  Typhus-Diagnostik 264 

Kraftfuttermittel,  Einfluß  fettreicher  und  fettarmer  auf  die  Milchsekretion  108 

Küstenfieber,  afrikanisches 270 

Leberegel  im  Leberparenchym 546 

Leberentzünduüg,  onzootische  der  Ferkel 546 

Lebernekrose  bei  Pferden  bei  der  Diphtherie-  und  Tetanusimmunisierung  267 

Lecksucht  der  Rinder 409 

Ledermaske    zur   klinischen    Feststellung    der    Lungentuber- 
kulose des  Rindes 227 

Leukozytenkörnelungen,  Darstellung  der 280 


—     ÖCA     — 

Seit«* 

Leukozytose  bei  der  Wutschutzimpfung 101 

Limabohnc 278 

Limabobne,  Giftwirkung 112 

Linguatula  rhinaria 104 

Lugolsche  Jodlösungen,  desinfizierende  Eigenschaften 100 

Lungenseuche,  Übertragung  auf  Schaf  und  Ziege 560 

Lungentuberkulose  des  Rindes,  klinische  Feststellung  der     .  2*27 

Lymphangitis  epizootica  der  Pferde  und  Maultiere 256 

Lymphdrüsentuberkulose,  hämatogene 2f)3 

Magendarmkanal,  Durchlässigkeit  für  Bakterien 404 

Malaria  beim  Pferd 272 

Malleln  als  Diagnostikum  und  Heilmittel 256 

Maus,  Spirochätose 260 

Maus,  Trypanosomen  der 276 

Meningomyelitis  haemorrhagica  infectiosa  equi 92 

Mikrobiologie,  Freie  Vereinigung,  Bericht  über  die  erste  Tagung     ...  66 

Mikroorganismen  im  Verdauungstraktna  der  Larven  einiger  Insekten   .    .  403 

Mikroorganismen,  protozoenähnlichc  in  malignen  Tumoren 276 

Mikroorganismen,  Züchtung  in  strömenden  Nährböden 246 

Milch,  Tuberkelbazillen  in 58 

Milch,  tuberkulöse,  durch  Buddisierung  zu  sterilisieren 99 

Milch  tuberkulöser  Tiere 556 

Milchproduktion,  Wirkung  der  einzelnen  Nährstoffe  auf  die 109 

Milchsekretion,  Einfluß  fettreicher  und  fettarmer  Kraftfuttermittel  auf  die  108 

Milzbrand,  Infektion  und  Resistenz 68 

Milzbrandähnlicher  Bazillus  beim  Pferd 93 

Milzbrandbazillen,  Phagozytose  der 70 

Milzbrandbazillen,  Wirkung  steriler  Fäulnisproduktc  auf  dieselben  ...  99 

Milzbrandserum,  aktive  Substanz 100 

Milzbrandkeime,  Sporulation  der 224 

Mutation  bei  Bakterien 85 

Nagana  beim  Huhn 276 

Nährböden,  strömende 246 

Nasenhöhle  des  Pferdes,  Bakterienflora  der 345 

Negrische  Körperchen,  Bedeutung  für  die  Diagnose  der  Tollwut      .    .    .  229 

Negrische  Körperchen,  Darstellung 380 

Opsonine 392 

Parasitismus  der  Pentastomen 104 

Paratyphus 80 

Paratyphusimmunität  .    .    ; 70 

Pathogene  Anaerobien,  Differentialdiagnose 405 

Pentastomen 104 

Peripneumonie,  Übertragung  auf  Schaf  und  Ziege .V50 

Perlsuchtbazillus,  Biologie 407 


—     565    — 

Seite 

Perlsuchtbazillen,  Infektion  des  Menschen  mit 250 

Pestbazillen,  Phagozytose  der 70 

Pferdesterben,  durch  verdorbenes  Futter  verursachtes     .    .    .  310 

Phagozytose  bei  Cholera-,  Typhus-  und  Paratyphusimmunität 70 

Phagozytose  von  Pest-  und  Milzbrandbazillen 70 

Phaseolus  lunatus,  Giftwirkung 112,  278 

Piroplasmose  der  Hunde 271 

Piroplasmose  des  Pferdes 107 

Pleuropneumonie  des  Pferdes,  Ätiologie  (Spirochäten) 91 

Pneumonie 259 

Porzellanfilter 280 

Präzipitin 265 

Präzipitinreaktion  als  diagnostisches  Mittel  bei  der  Tuberkulose      .    .    .  558 
Präzipitinreaktion  zur  Unterscheidung  von  Menschen-  und  Rindertuber- 
kulose     558 

Protozoenähnliche  Mikroorganismen  in  malignen  Tumoren 276 

Pseudo-Maul-  und  Klauenseuche 550 

Pseudotuberkulose  der  Schafe,  deren  Beziehung  zur  Echinokokkeninvasion  254 

Pseudotuberkulöse  Darmentzündung  beim  Rind 254 

Radiumstrahlen  bei  Wut 261,  262 

Ratten,  neues  Trypanosoma  bei 106 

Ratte.  Trichinen  bei  der 62 

Resistenz,  Herabsetzung  der 266 

Rizinussamen,  Giftigkeit 277 

Rinderpest  in  Südafrika 99 

Rotlauf,  chronischer,  pathologische  Veränderungen 251 

Rotlaufseptikämie,  Resistenzerhöhung  bei  der  Schutzimpfung 

gegen 353 

Rotz,  pathologische  Anatomie % 

Rotzkrankheit,  Pathogenese 255 

Rückenmarksentzündung,  infektiöse,  des  Pferdes 459 

Saprolegniaceen  bei  Fischen 276 

Scheidenentzündung,  brandige,  der  Kühe 97 

Scheidenkatarrh  des  Rindes,  pathologisch-histologische  Veränderungen     .    259 

Schlafkrankheit  der  Hühner 257 

Schwarze  Harnwinde 459 

Schweinepest 249 

Schweinepest  in  Südafrika 250 

Schweinepest,  Ätiologie 113,  249,  281,  425,  456 

Schweinepest,  Filtricrbarkeit  des  Virus  der 113,  250 

Schweinepest,  Immunisierung  mit  Bakterienextrakten 100 

Schweinepestsera 113 

Schweineseuche  in  Südafrika 250 

Schweineseuche,  Ätiologie 113,249,281,425 

Schweineseuche,  Filtricrbarkeit  des  Virus  der 113,  250 


—    566    — 

Seite 

Schweineseuche,  pektorale  Form,  pathologische  Anatomie  und  Differential 

diagnose 247 

Semen  Ricini  communis,  Giftigkeit 277 

Sera,  normale  und  immune  bakterizide  Sera,  Antagonismus  zwischen  beiden  264 

Slubbo  des  Renntieres 96 

Souma 273 

Speichel,  Verhalten  gegenüber  Bakterien 404 

Spinalparalyse,  enzootische  der  Pferde 310 

Spirillen 405 

Spirillose  der-  Hühner 258 

Spirochaete  pallida 89,  107 

Spirochätose  der  Haus  , 260 

Spiropterose  des  Schlundes  des  Hundes  in  Tunis 105 

Stallungen,  Desinfektion  mit  Formaldehydlösungen 43 

Stallungen,  Hygienische  Grundsätze  für  den  Bau  von  ....  29 

Staphylococcus  aureus,  Einfluß  auf  die  Fibrinogenproduktion 89 

Staphylolysin 246 

Staupe  der  Hunde 97 

Surra 106 

Syphilis,  experimentelle 89 

Syphilisimmunität - 89 

Tabes,  experimentelle  bei  Hunden 271 

Taenia  tenuicollis,  Zystizerkus  der 207 

Tetanustoxin,  Komponenten  des 247 

Thrombose,  venöse,  bei  Pferden  bei  aktiver  Immunisierung 267 

Tibarsa 106 

Tollwut,  Ätiologie  und  Diagnose 97 

Tollwut,  Behandlung  mit  Radiumstrahlen 261 

Tollwut,  Negrische  Körperchen 229 

Tollwut,  Zusammensetzung  des  Harnes 259 

Tollwutschutzimpfung,  Leukozytose  bei  der 101 

Toxine 81 

Trichine,  Biologie 102 

Trichinen  bei  der  Ratte 62 

Trichinöse  Fäkalien,  Fütterungsversuche  mit 104 

Trypanosoma,  neues,  bei  Ratten 106 

Trypanosoma  Balbiani 275 

Trypanosoma  gambiense  bei  Ratten 275 

Trypanosoma  Lewisi 341 

Trypanosomen  der  Amphibien 275 

Trypanosomen  der  Dourine,  Empfänglichkeit  der  Wiederkäuer  und  Affen    274 

Trypanosoma  der  Maus 276 

Trypanosomen  der  Tsetsefliege 273 

Trypanosomenkrankheiton  der  Berberei 275 

Trypanosomiasis  beim  Kamel 106,  274 

Trypanosomiasis  beim  Vieh 106 


—     567     — 

Seite 

Trypanosomentabes  bei  Händen 271 

Trypanosomen,  Vertilgung  in  Organen 107 

Trypanrot  gegen  Trypanosoma  gambiense 275 

Tsetsefliege,  Trypanosomen  der 273 

Tuberkelbazillus,  Beständigkeit  der  Kulturmerkmale 252 

Tuberkelbazillus,  Infektiosität  verschiedener  Kulturen  des 407 

Tuberkelbazillen,  quantitative  Beziehungen  der  Infektion  mit 77 

Tuberkelbazillen,  quantitative  Verhältnisse  bei  der  Agglutination     .    .    .  557 

Tuberkelbazillus,  Verbreitung  durch  Fliegen 95 

Tuberkelbazillus,  Wirkung  auf  verschiedene  Tierarten 487 

Tuberkelbazillen,  tote,  Resorption 253 

Tuberkelbazillen  in  Versandmilch 58 

Tuberkelbazillus  des  Rindes,  Infektion  des  Menschen  mit  dem  ....  250 
Tuberkelbazillus  des  Rindes  und  des  Menschen,  Verhalten  des  Kuheuters 

gegenüber  künstlicher  Infektion  mit 408 

Tuberkelbazillenstämme   des   Menschen    und   des   Rindes,   Wirkung   auf 

anthropoide  Affen 95 

Tuberkulinprobe  beim  Rind,  Fehlergebnisse 558 

Tuberkulinprobe  beim  Schwein 559 

Tuberkulin,  Wirkung  vom  Verdauungskanal  aus 101 

Tuberkulose  der  Affen,  spontane 95 

Tuberkulose,  Infektion  von  der  Mund-  und  Rachenhöhle  aus  beim  Kinde  557 

Tuberkulose  der  Kaltblüter     .    .    . 253 

Tuberkulose  des  Menschen  und  der  Tiere,  Beziehungen  zwischen  der  .    .  93 

Tuberkulose  des  Rindes,  Schutzimpfung 102 

Tuberkulose  der  Schlachttiere 556 

Tuberkulose,  aszendierende,  im  weiblichen  Genitaltrakt 408 

Tuberkulose,  experimentelle  Untersuchungen 251 

Tuberkulose,  Schutzimpfung 267,  269 

Tuberkulose,  Serotherapie 90,  267 

Typhusbazillen,  Züchtung  mittelst  der  Gallenkultur 78 

Typhusdiagnose,  Technik 79 

Typhusimmunität 70 

Typhusimmunisierung 86 

Vakzinevirus,  Filtrierbarkeit  des 260 

Vibrio  Metschnikoff,  Immunisierung  gegen 69 

Vibrionen 81 

Wasser,  Selbstreinigung , 261 

Zellstrukturen 280 

Zestodenlarven  beim  Menschen 277 

Zystizerkus  der  Taenia  tenuicollis 207 

Zystizerkenfltissigkeit 10 


Autorenregister. 


Angelis 
Ascoli  . 
Athias  . 
Aujeszky 
Bahr     . 
Bail  .    . 
Bang     . 
Barn  stein 
Bartel   . 
Baruchello 
Baucel  . 
Baumann 
Baumgarten, 
Beger    . 
Beitzke 
Benni    . 
Bergmann 
Breton  . 
Bierbaum 
Bohne  . 
Bongiovan 
Bonome 
Braun    . 
Brickmann 
Brück   . 
Bugge  . 
Bulloch 
Buxton . 
Cadeac . 
Cahnette 
Caminiti 
Cao  .    . 
Carini    . 
Carpi 


Di 


Seite 

245 
100 
275 
252 
62 
246 
254 
277 
407 
91 
101 
.  407 
253,  408 
.  109 
.  557 
.  557 
97,  99 
.  101 
.  277 
.  229 
261,  262 
558 
559 
272 
253 
1 
280 
243 
407 
101 
246 
403 
558 
264 


260, 


Seite 

Carre 97 

Cazalbou  ....  273 
Citron  ....  93,  100 
Clairmont ....    404 

Craw 280 

Creutz 270 

Dammann.    .    .    .    257 

Darras 111 

Dujardin-Beaumetz  560 
Dungern,  v.  .  .  .  95 
Durme,  van  .    .    .    107 

Eberle 224 

Eisenmann     .    .    .    251 

Enders 247 

Evans 98 

Fingerling  .  108,  109 
Fraenkel   ....    407 

Franca 275 

Frei  ....  158,  360 
Goebel  ...  100,  276 
Graham  ....  108 
Graham-Smith  246,  271 
Haan,  de  ....  256 
Hansen      .    .    .    .    111 

Harz      276 

Haselhof   ,    ...    278 

Hell 258 

Heller 107 

Henriques ....     111 

Hesse 280 

Hibler,  v 405 

|   Hofor 261 

Hüyberg  .  .  102,  104 
Hoogkamer    .    .    .    256 


Seite 

Huntemüller  .    . 

.    101 

Hutyra .    .  249, 

255,  281 

Ijima     .    .    .    . 

.    277 

Irons     .    .    .    . 

.    108 

Jensen  .    .    .    . 

.    262 

Jobling     .    .     . 

.    265 

Joest     .    .    .    . 

10,  392 

Kantorowicz  .    . 

.     550 

Karwacki  .    .    . 

.    557 

Kitt 

.    263 

Koch     .    .    .    . 

.    104 

Korschun  .    .    . 

.    264 

Koske  .    .    .    , 

.    249 

Kroning     .    . 

.     106 

Kuhn     .    .    .    . 

.      58 

Küster  .    .    . 

.    253 

Lemaire     .    . 

.    .    265 

Levaditi     .    . 

.    .    253 

Levy     .    .    .    , 

.    559 

Lingard     .    . 

.     106 

Litten   .    .    . 

.    559 

Lode 

.     .    559 

Loewit .    .    . 

.     108 

Lord     .    .    . 

.    .      95 

Lowden  . .    . 

.     .      97 

Ludwig     .    . 

.    .    263 

Ludewig    .    . 

.    .    560 

Magalhis,  de 

.    .    275 

Maitre,  le  .    . 

.    .     105 

Manegold  .    . 

.    .    257 

Manouelian    . 

.     .    25« 

Marmorek  .    . 

.    .    -253 

M  arten  8     .    . 

.    .    259 

Mesnil  .    .    . 

.    .     274 

569     - 


Seite 

Meyer 408 

Montgomery  .    .  93,  104 

Mohler 559 

Morgen  ....  109 
Moreschi  ....  264 
Morgenroth  ...  264 
Mosselmann  .  112,  278 
Moussu  .  .  267,  556 
Mrowka     ....    256 

Müller 256 

Negri 260 

Nicolas 101 

Niedner     ...    280 

Noack 254 

Novy 273 

Nußbaum  ....      29 

Nutall 271 

Olsen 96 

Opalka 227 

Oppenheim  .  .  .  148 
Oppenheimer.  .  .  111 
Ostertag  1,  113,  152,  250 

409,  425 
Pearce 267 


Pease  . 
Pfeiler  . 
Porcher 
Prettner 


106,  267 
.  .  388 
.  .  259 
200,  353 


Pricolo .    .    , 
Rabinowitsch 

251 
Rogers  .    . 
Rolly    .    . 
Rossy    .    . 
Rouget .    . 
Ruediger   . 
Ruzicka     . 
Salmon .    . 
Sanfelice   . 
Schiffmann 
Schlegel    . 
Schlipp 
Schmitt 
Schnürer   . 
Schreiber  . 
Schröder    . 
Schuberg  . 
Schütz  .    . 
Seiter    . 
Sergent,  Ed 
Sergent,  £t. 
Shibayama 
Smidt    .     . 
Smith    .    . 
Spielmeyer 
Stadie   .    . 


Seite 

.  91,  276 
93,  95,  107 


.    242 
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98 
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99 

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111,  456 

.    559 

.    276 

% 

.    245 

.    275 

.    275 

.    265 

95 

.    252 

.    271 

113,  425 


Strelinger . 
Theiler  106, 
Thomas 
Thomassen 
Tizzoni 
Torrey  .    . 
Trommsdorf 
Tunnicliff  . 
Turner  .    . 
Uffenheimer 
Vles  .    .     . 
Volhard     . 
Wassermann 
Weber  .    . 
Weill-Halle 
Weleminsky 
Wenyon 
Wetzel  .    . 
Williams    . 
Winslow    . 
Wolff-Eisner 
Wolffhügel 
Yakimoff  . 
Zieler    .    . 
Zollikofer  . 
Zuntz    .    . 
Zwick   . 


Seite 

...    102 

107,  250,  274 

.    259 

.    269 

261,  262 

.    243 

.    266 

.    405 

99 

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.    275 

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66,  253 

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.  265 

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97 

.  242 

.  247 

207,  546 

.  341 

.  280 

.  279 

.  409 

.  310 


Zeitschrift  f.  Infektionskrankheiten  etc.  der  Haustiere  Band  IL 


Tafel  VI. 

Schlegel,  Infektiöse  Rückenmarks- 
entzündung des  Pferdes» 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


Zeitschrift  f.  Infektionskrankheiten  etc.  der  Haustiere  Sand  II. 


Tafel  VII. 

Schlegel,  Infektiöse  Rückenmarks- 
entzündung des  Pferdes. 


Zätsckriß  fln/ikiionskrankkeit&i  etc.  der  Haustiere,  ßd.  R 


TaflW. 

Schlegel,  Jn/ekiwse-  Rückenmarks, 
entzä/uhingdeslferdes. 


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Zeitschrift  für 

Infektionskrankheiten 


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Infektionskrankheiten . 


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