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LIBRARY
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LIBWARY
Zeitschrift für Infektionskrankheiten,
parasitäre Krankheiten und Hygiene
der
Haustiere.
Herausgegeben
von
Dr. R. Ostertag,
Professor an der Tierärztl. Hochschule zu Berlin,
Dr. E. Joest,
und Dr. K. Wolffhügel,
Professor an der Tierärztl. Hochschule Professor an der Landwirtschaft!, und
zu Dresden, Tierärztl. Hochschule zu Buenos-Aires.
Zweiter Band.
Berlin 1907.
Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz.
Wilhelmstraüe 10.
UNIVLRS1TY OF CALIFORNIA
DAVIS
Berlin, Druck von W. BQxenatein.
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'' & RESF.ARCI-. ^
LIBRARY
OriginalarbeitW^ yo^
(Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin.)
Weitere Untersuchungen über die Hühnerpest.
(Übertragbarkeit auf andere Tiere als Hühner, Resistenz des An-
steckungsstoffes gegenüber äußeren Einflüssen und Desinfektionsmitteln,
Zfichtbarkeit des Ansteckungsstoffes und Immunisierungs versuche.)
Von
Dr. R. Ostertag, und Dr. G. Bugge,
Leiter ehemalig. Repetitor
des InitltnU.
Die im Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu
Berlin im Jahre 1901 begonnenen Untersuchungen über die Hühner-
pest, über deren wesentlichstes Ergebnis bereits von Ostertag
und Wolffhügel berichtet worden ist,*) sind in der Folge fortgesetzt
worden. Da einige der im Verlauf der weiteren Versuche fest-
gestellten Tatsachen von Interesse sind, soll auch das Resultat
dieser Versuche mitgeteilt werden.**) Wir bemerken, daß sämtliche
Versuche bereits im Juni 1903 abgeschlossen waren, und daß ihre
Veröffentlichung bis jetzt aus äußeren Gründen unterblieben ist.
Hinsichtlich der Berücksichtigung der neueren Literatur über die
Hühnerpest sei darauf hingewiesen, daß sich die vorliegende Mit-
teilung an einen am 14. Juni 1903 erstatteten Bericht anschließt.
*) Monatshefte für praktische Tierheilkunde Bd. 14.
**) Auch bei den hier in Betracht kommenden Versuchen war Wolff-
hügel so lange beteiligt, als er die Stelle des Repetitors am Hygienischen
Institut bekleidete. Wolffhügel hat insbesondere die Übertragungs versuche
auf Gänse und Enten, einen Teil der Desinfektionsversuche und die,
sierungsversuche ausgeführt.
Zeltecfarift für Infektionskrankheiten. II, 1.
_ 2 -
Im Laufe der fortgesetzten Untersuchungen über die Hühnerpest
wurden die Empfänglichkeit von Truthühnern und Sperlingen und die
Übertragbarkeit der Krankheit auf Gänse, Enten, Tauben, Kaninchen,
Meerschweinchen und Mäuse von neuem geprüft. Ferner ist durch
ergänzende Untersuchungen festgestellt worden, wie lange sich der
Ansteckungsstoff der Hühnerpest unter den verschiedenen Aufbe-
wahrungsbedingungen hält. Drittens wurde ermittelt, welches der
üblichen Desinfektionsmittel den Ansteckungsstoff am schnellsten
zerstört.. Endlich sind noch Versuche über die Züchtbarkeit des
Ansteckungsstoffes der Hühnerpest in Kollodiumsäckchen und über
das Vorhandensein von immunisierenden Stoffen im Blute durch-
geseuchter Tiere angestellt worden.
1. Prüfung der Empfänglichkeit von Gänsen, Truthühnern, Sperlingen, jungen
Tauben, Enten, Kaninchen, Meerschweinchen und Mäusen für Hühnerpest.
Die Impfung von 5 Gänsen, 4 Truthühnern und 2 Sperlingen ergab,
daß sie für Hühnerpest empfänglich sind. Dagegen gelang die Über-
tragung auf junge Tauben, die anderen Forschern ausnahmsweise ge-
lungen ist, bei den diesseits angestellten Versuchen nicht. Desgleichen
konnten Enten, Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse mit dem
Ansteckungsstoff der Hühnerpest nicht infiziert werden. Versuche
mit Fasanen mußten unterbleiben, weil es nicht gelang, lebende
Fasanen zu den Versuchen zu beschaffen.
Besonderes Interesse beanspruchen die an Gänsen vorgenom-
menen Übertragungsversuche, einmal, weil bei den mit Hühner-
pest infizierten Gänsen eigenartige zerebrale Erschei-
nungen auftraten, und dann, weil das Blut der infizierten
Gänse nicht immer infektiös war.*)
*) Kleine sowie Kleine und Möllers (Zeitschr. f.Hyg. u. Infektionskrankh.,
51. Bd., 1905 und Zentralbl. f. Bakteriol., 39. Bd., 1905, H. 5) haben durch Impf-
versuche nachgewiesen, daß bei Gänsen das Virus der Hühnerpest ins Gehirn
und Kückenmark einwandert und hier Reizerscheinungen und andere klinische
Symptome auslöst. Durch diese Lokalisation im Gehirn tritt die Hühnerpest
bei Gänsen in Parallele mit der Tollwut (Kleine). Schon vorher hatten
Maggiora und Valenti daraufhingewiesen, daß das Blut gestorbener Gänse
nicht infektiös sei (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 48. Bd.). Kleine stellte
demgegenüber fest, daß das Blut an Hühnerpest gestorbener Gänse nicht
immer infektiös ist, und daß das Virus auch in den Fällen, in denen es im
Blute fehlt, im Gehirn und Kückenmark leicht durch Verimpfen nachgewiesen
werden kann (s. o.).
— 3 —
Am 22. Juli 1902 wurden 6 Gänse mit dem Herzblut eines an
Hühnerpest gestorbenen Huhnes zum Teil subkutan, zum Teil intra-
muskulär geimpft.
Von den geimpften Gänsen sind zwei rasch gestorben, Gans 1
am 26. Juli und Gans 2 tags darauf. Beide Tiere zeigten die Er-
scheinung einer von den Gliedmaßen zum Kopf fortschreitenden
Lähmung, ähnlich wie die Hühner. Sie konnten sich schließlich
nicht mehr auf den Füßen erheben und lagen mit gespreizten
Flügeln auf dem Boden. Bisweilen zeigten die Tiere Streckkrämpfe,
wobei der Hals und der Steiß senkrecht zur Längsachse auf-
gerichtet wurde. Meist wurde aber der Hals nach vorn weggestreckt
und der Kopf mit der Schnabelspitze aufgestützt. Der Obduktions-
befund entsprach demjenigen, der bei Hühnern erhoben wurde. Zwei
Hühner, die mit Blut von Gans 1 subkutan am 26. Juli geimpft
worden waren, sind am 29. Juli und 1. August an Hühnerpest
gestorben, dagegen sind mit dem Blut der Gans 2 zwei Hühner
ohne Erfolg geimpft worden.
Gans 3 ist am 30. Juli, 8 Tage nach der Infektion, verendet.
Dieses Tier zeigte am Tage vor dem Tode tonisch-klonische
Krämpfe und anfallsweise auftretende Zwangsbewegungen; es
machte in einemKreise mit einem Durchmesser von einemFuß Manege-
bewegungen, indem es dabei schrie. Häufig folgte auf die Manege-
bewegung ein Aufrichten und Flügelschlagen, worauf der Anfall ver-
schwand. Derartige Anfälle konnten durch äußere Reize, so z. B. schon
durch Vorwerfen von Futter, ausgelöst werden. In einem solchen Anfall
verendete die Gans 3 am 30. Juli. Der Obduktionsbefund war
negativ. Von vier mit dem Blut der Gans 3 am 30. Juli geimpften
Junge Tauben erkranken, wie Centann i zuerst gefunden hat, nach
künstlicher Infektion mit Hühnerpest bekanntlich an Labyrinthschwindel.
Werner Rosenthal (Zentralbl. f. Bakteriol., 89. Bd., 1905, H. 2) besaß ein
abgeschwächtes Hühnerpestvirus, das Hühner nach mehrtägiger Inkubations-
zeit und etwas verlängertem Krankheitsverlauf unter Krämpfen und Erschei-
nungen des Labyrinthschwindels tötete. Im Gehirn dieser Hühner ermittelte
W. Rosenthal herdförmige, perivaskuläre Zellanhäufungen, die den
Zellherden bei Tollwut glichen. Durch diese Befunde wurde W. Rosenthal
veranlaßt, subdurale Impfungen mit Hühnerpest vorzunehmen, wobei es ihm
gelang, selbst alte Tauben zu infizieren.
So sind Kleine und Werner Rosenthal auf verschiedenen Wegen und
unabhängig von einander zu der Annahme einer Beziehung zwischen Hühner-
pest und Tollwut gelangt.
1*
— 4 —
Hühnern ist eines am Leben geblieben, die übrigen sind am 3., 5.,
und 9. August an Hühnerpest gestorben.
Gans 4 starb am 2. August nach ähnlichen Krankheitserschei-
nungen, Gans 5 am 3. August, ohne auffallige Symptome gezeigt
zu haben, und Gans 6 tiberlebte die Infektion. Gans 6 ließ ledig-
Mit Hühnerpest infizierte Gänse.
Links Gans 4 während einer Manegebewegung, recht« Gans 6 während eines kataleptiformen Anfalls.
lieh kataleptiforme Anfälle erkennen, in denen sie mit einem hoch-
gehobenen Fuß und starr nach der Seite gehaltenem Kopf regungs-
los minutenlang verharrte.
2. Resistenz des Ansteckungsstoffes gegenüber äußeren Einflüssen.
Um die Haltbarkeit des Ansteckungsstoffes der Hühnerpest
unter den verschiedenen Aufbewahrungsbedingungen zu prüfen,
wurde Blut pestkranker Hühner, das den Ansteckungsstoff der
Hühnerpest enthält, in dünner Schicht eingetrocknet und bei
Zimmertemperatur stehen gelassen. Anderes Blut und blutreiche
Organteile sind in dicker Schicht der Fäulnis überlassen und
gleichfalls bei Zimmertemperatur aufbewahrt worden. Je die
Hälfte des Materials wurde im Dunkeln gehalten, die andere Hälfte
dagegen der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgesetzt. Die Fest-
stellung der Infektiosität des Materials geschah unmittelbar nach
— 5 —
der Entnahme und hierauf nach verschiedenen Zeiten durch sub-
kutane und intramuskuläre Verimpfung an Hühner. Außerdem wurde
Herzblut von an Hühnerpest gestorbenen Tieren in Glaskapillaren
bei etwa 5° C aufbewahrt und nach verschieden langen Fristen auf
seine Ansteckungsfähigkeit durch Übertragung auf Hühner geprüft.
Die Versuche haben ergeben, daß der Ansteckungsstoff der
Hühnerpest bei der Aufbewahrung in dünner Schicht bei Zimmer-
temperatur durch eine 23 Tage dauernde Eintrocknung und bei der
Aufbewahrung in dicker Schicht bei der gleichen Temperatur durch
eine ebenso lange währende Fäulnis nicht zerstört wird. Die
Vernichtung des Ansteckungsstoffes konnte erst nach 39 Tagen
festgestellt werden; es zeigte sich hierbei als belanglos, ob das
Material in dünner Schicht angetrocknet oder im Zustand der Fäul-
nis aufbewahrt worden war.
Durch das Ergebnis dieser Versuche wird die Angabe von
Lode und Centanni widerlegt, daß der Ansteckungsstoff der Hühner-
pest schon durch geringe und kurzdauernde Fäulnis unwirksam ge-
macht werde.
Wenn ansteckungsfähiges Material von pestkranken Hühnern
in dicker Schicht auf Objektträger aufgestrichen und bei Zimmer-
temperatur aufbewahrt wurde, so ergab sich, daß es noch nach
100 Tagen ansteckungsfähig war. Steril bei etwa 5° C aufbe-
wahrtes Kapillarblut erwies sich nach 66 und in einem Falle noch
nach 83 Tagen als ansteckungsfähig, nach 84 und mehr Tagen
dagegen nicht mehr. Hervorzuheben ist, daß es auch bei diesen
Versuchen ohne Belang war, ob das Material belichtet oder nicht
belichtet gewesen war. Somit ist auf die Zerstörung des in den
natürlichen Trägern (Blut und blutreichen Organe) enthaltenen An-
steckungsstoffes der Hühnerpest die Belichtung ohne Einfluß.*)
*) Von Maue (Arbeiten aus dem Kais. Gesundheitsamt, 21. Bd., 1904, H. 3)
ist angegeben worden, daß Blut von an Hühnerpest eingegangenen Hühnern noch
virulent war
bei Aufbewahrung in Kapillaren bei + 8° C im Eisschrank nach 144 Tagen,
bei Aufbewahrung im Gemisch mit der gleichen Menge Glyzerin wie oben
nach 270 Tagen,
bei Eintrocknung in dünner Schicht in einem Baum von 21—28°, vor Licht
geschützt, nach 9 Tagen,
in getrockneter Leber nach 19 Tagen,
in getrocknetem Bückenmark in einem dunklen Baum von 20° aufbewahrt,
nach 233 Tagen.
— 6 —
3. Resistenz des Virus gegenüber Desinfektionsmitteln.
Als Desinfektionsmittel sind geprüft worden: Wärme, 2proz.
wässerige Sodalösung, öproz. Kreolinlösung und lproz. Sublimat-
lösung.
Die Erwärmungsversuche haben in Übereinstimmung mit
den früher angestellten Versuchen ergeben, daß eine momentane
Erhitzung des Ansteckungsmaterials auf 65° C den Ansteckungsstoff
nicht sicher zerstörte, daß dagegen die Erhitzung auf 70° C bei mo-
mentaner Einwirkung stets genügte, um das infektiöse Material un-
schädlich zu machen.*)
Die Versuche, den Ansteckungsstoff durch Einwirkung chemi-
scher Desinfektionsmittel zu vernichten, zeigten, daß der
Ansteckungsstoff der Hühnerpest eine wechselnde Wider-
standsfähigkeit gegenüber der Einwirkung der geprüften
Desinfektionsstoffe besitzt.
In einem Versuch wurde beispielsweise der Ansteckungsstoff
der Hühnerpest durch die Einwirkung einer kalten 2proz. Soda-
lösung während 1—60 Minuten, durch die Einwirkung einer lproz.
Sublimatlösung während 1 und 5 Minuten und einer öproz. Kreolin-
lösung während 1 und 5 Minuten nicht abgetötet. Die Abtötung
gelang in diesem Versuch erst durch die einstündige Einwirkung
einer lproz. Sublimat- und öproz. Kreolinlösung.
In einem zweiten Versuch ist der Ansteckungsstoff der Hühner-
pest durch die Einwirkung einer lproz. Sublimatlösung schon nach
einer Minute und einer öproz. Kreolinlösung nach fünf Minuten ver-
nichtet worden. Dagegen erwies sich auch im zweiten Versuch die
kalte 2proz. Sodalösung als unwirksam, selbst wenn sie eine volle
Stunde auf den Ansteckungsstoff einwirkte.
Diese verschiedene Resistenz des Ansteckungsstoffes der Hühner-
pest ergibt sich auch aus den bereits an anderen Orten angestellten
Desinfektionsversuchen. So sagt Lode, daß Sublimat 1 : 1000 den
Ansteckungsstoff nach 30 Minuten, „vermutlich noch früher", zer-
störe, und daß Schwefelsäure 1 : 100, Kalilauge 2 : 100 und Chlorkalk
*) Nach Matie (a. a. 0.) kann eine Temperatur von 70° C nach einer
1 Minute dauernden Einwirkung das Virus der Hühnerpest töten. Dieser
Erfolg war aber in den Versuchen Mau es bei dieser Einwirkungszeit nicht
sicher. Sichere Vernichtung des Virus sah Maue erst nach 5—10 Minuten
langer Einwirkung einer Temperatur von 70° C.
— 7 —
3 : 1000 nach 10 Minuten die gleiche Wirkung haben. Centanni
sagt, der Ansteckungsstoff der Seuche werde durch Sublimat 1 : 1000,
Karbol 5 : 100 und Salizylsäure in gesättigter Lösung vernichtet,
ohne daß indessen angegeben wird, wie lange diese Desinfektions-
mittel auf den Ansteckungsstoff einwirken müssen. Endlich fuhren
Maggiora und Valenti an, daß das Virus der Hühnerpest durch
die Einwirkung von 40proz. Kalkmilch, lproz. Sublimatlösung, öproz.
Salzsäure sowie öproz. Laplac escher Mischung (Karbolschwefel-
säure) sofort zerstört werde.
Diese verschiedenen Ergebnisse der Desinfektionsversuche dürf-
ten durch eine wechselnde Resistenz des Ansteckungsstoffes zu er-
klären sein. Die Annahme eines Naturzustandes von besonderer Wider-
standsfähigkeit (Sporen) ist bei dem Ansteckungsstoff der Hühnerpest
nach den übereinstimmenden Ergebnissen der hier ausgeführten Er-
hitzungsversuche auszuschließen. Das Virus wurde in unseren Ver-
suchen durch Erhitzung auf 70° C ganz regelmäßig zerstört. Bei
Krankheitserregern, die Sporen bilden, ist bis jetzt ein solch gleich-
mäßiges Verhalten gegenüber einem bestimmten Temperaturgrad
nicht beobachtet worden. Die verhältnismäßig geringe Resistenz des
Ansteckungsstoffes gegenüber der Einwirkung höherer Temperatur-
grade ist für die Desinfektionspraxis von Bedeutung; denn wir
lernen daraus, daß das Virus der Hühnerpest mit Sicherheit zerstört
wird, wenn die diesseits geprüften üblichen Desinfektionsmittel heiß
(bei 70° C) angewendet werden. In heißem Zustande genügt schon
eine 2 proz. Sodalösung, um den Ansteckungsstoff zu zerstören; noch
sicherer gelingt dies durch eine heiße lproz. Sublimat- oder öproz.
Kreolinlösung.
4. Züchtungsversuche.
Die Versuche, den Ansteckungsstoff der Hühnerpest
in Kollodiumsäckchen zu züchten, sind fehlgeschlagen. Es
g-elang zwar, in dem Inhalt von Kollodiumsäckchen, die mit Blut
von pestkranken Hühnern geimpft und hierauf in die Leibeshöhle
von Hühnern versenkt worden waren, bei der ersten Übertragung
auf ein zweites Säckchen noch die Ansteckungsfähigkeit des Ma-
terials nachzuweisen. Bei den späteren Übertragungen ist dies in-
dessen nicht mehr geglückt. Nun ist aber die Übertragung der
Hühnerpest auf Hühner das einzige Mittel, um sich von dem Vor-
handensein des Ansteckungsstoffes in einem bestimmten Material zu
— 8 —
überzeugen. Da die Übertragung schon bei der Anlegung der
zweiten Serie von Kollodiumsäckchen nicht mehr gelang, so war die
Möglichkeit genommen, die weiteren Serien von Kollodiumsäckchen-
kulturen darauf zu prüfen, ob sie den Ansteckungsstoff der Hühner-
pest enthielten oder nicht.
5. Immunisierungsversuche.
Von den früheren Infektionsversuchen waren 7 Hühner übrig
geblieben, die die künstlich erzeugte Krankheit nach einer ver-
schieden langen Krankheitsdauer überstanden hatten. Diesen Tieren
wurden, nachdem sie vollständig wiederhergestellt waren, wieder-
holt steigende Mengen Blut von pestkranken Hühnern in die Bauch-
höhle eingespritzt. 6 bis 12 Tage nach der letzten Einspritzung
ist durch Vermischen des Blutserums dieser Tiere mit virulentem
Blut festzustellen versucht worden, ob in dem Blut der durch-
geseuchten und nachgeimpften Tiere immunisierende Schutzstoffe
enthalten sind.
Die Versuche haben ergeben, daß in dem Blut der-
artiger Hühner 10 Tage nach der Nachimpfung tatsäch-
lich Schutzstoffe zugegen sind, allerdings nur in geringen
Mengen. Es zeigte sich, daß Dosen von 1 und 6 ccm Serum
der immunisierten Hühner nicht ausreichten, um den Ansteckungs-
stoff der Hühnerpest unwirksam zu machen, daß dieser Erfolg
vielmehr erst bei der Anwendung von 10 ccm Serum eintrat.*) Die
Feststellung, daß im Blut gegen Hühnerpest immunisierter Hühner
Schutzstoffe enthalten sind, hat lediglich einen wissenschaftlichen
Wert. Eine praktische Verwertung der Schutzimpfung ist bei der
Hühnerpest ausgeschlossen, weil es nicht möglich ist, den An-
steckungsstoff zu züchten und somit in denjenigen Mengen bereit
zu stellen, die zur Gewinnung größerer Mengen hochwertigen
schützenden Serums erforderlich sind.
*) Maue (a. a. 0.) hat umfangreiche Versuche zur Gewinnung eines immuni-
sierenden Serums an Schafen, einer Ziege, einem Esel, einer Ente, einer Gans
und einer Taube angestellt und hierbei Serum von einem gewissen Schutzwert
erhalten. Das Serum war aber nicht imstande, Hühner gegen eine intra-
muskuläre Infektion zu schützen. Auch die von Maue ausgeführten Ver-
suche einer Simultanimpfung und einer aktiven Immunisierung sind ohne
Erfolg geblieben.
— 9 —
Aus den vorstehend geschilderten ergänzenden Untersuchungen
über die Hühnerpest sind insbesondere die Ergebnisse derjenigen
Versuche von praktischer Bedeutung, die auf die Ermittelung der
Resistenz des Ansteckungsstoffes gegen natürliche Einflüsse unter
Einwirkung von Desinfektionsmitteln gerichtet waren.
Aus den Versuchen geht hervor, daß der Ansteckungsstoff der
Hühnerpest gegenüber der Einwirkung der Eintrocknung, wenn an-
steckungsfahiges Material in dicker Schicht aufbewahrt wurde, und
gegenüber der Fäulnis eine viel größere Widerstandsfähigkeit besitzt,
als nach den früheren Untersuchungen angenommen worden ist.
Auch die Belichtung des Ansteckungsstoffes erwies sich als ein-
flußlos auf seine Zerstörung. Ferner hat es sich herausgestellt, daß
sich der Ansteckungsstoff der Hühnerpest gegen die üblichen chemi-
schen Desinfektionsmittel zwar verschieden, im allgemeinen aber
sehr widerstandsfähig verhält. Nur durch Erhitzung auf 70° C
gelingt seine Zerstörung leicht. Daraus ist für die Praxis der Des-
infektion bei der Hühnerpest der Schluß zu ziehen, daß es sich
empfiehlt, die Desinfektionsmittel, von denen in erster Linie öproz.
Kreolinwasser und 1 proz. Sublimatwasser in Betracht kommen, in
heißer- Lösung in Anwendung zu bringen.
(Ans dem Pathologischen Institut der KgL Tierärztlichen
Hochschule zu Dresden.)
Studien über Echinokokken- und Zystizerkenflüssigkeit.*)
Von
Prof. Dr. E. Joest.
Von den Beziehungen zwischen den Blasenwürmern und ihren
Wirten sind diejenigen zwischen den Parasiten und dem betreffenden
Organ im allgemeinen gut bekannt. Weniger ist dies der Fall
hinsichtlich der Wechselbeziehungen zwischen den Parasiten und
dem Gesamtorganismus ihres Wirtes. Dabei handelt es sich vor
allen Dingen darum, festzustellen, ob von den Parasiten Stoffe an
den Wirtsorganismus abgegeben werden, die diesen in seiner Ge-
samtheit in irgendeiner Weise beeinflussen. Bei der Beantwortung
dieser Frage muß sich notwendigerweise das Hauptaugenmerk auf
die Flüssigkeit der Blasenwürmer richten; denn diese, gewissermaßen
ein Leibesbestandteil der Parasiten, wird ja, wie man annehmen
kann, von den Bestandteilen und Produkten derselben am leichtesten
durch Resorption in die Säftemasse des Wirtes gelangen können.
Wollte man also die Wechselbeziehungen zwischen Blasenwurm und
Wirtsorganismus näher kennen lernen, so lag es nahe, in erster
Linie die Blasenflüssigkeit hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Tier-
körper zu prüfen.
Derartige Versuche sind bereits früher angestellt worden. Ver-
anlaßt wurden sie durch die Beobachtung, daß nach unvorsichtiger
operativer Eröflhung sowie nach dem Platzen von Leberechinokokken-
blasen beim Menschen mehr oder weniger schwere Krankheits-
erscheinungen auftreten. Diese bestehen, wie eine Reihe von älteren
*) Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden bereits auf der Natur*
forscherversammlung in Stuttgart am 17. September 1906 vorgetragen.
— 11 —
Autoren angibt, in Peritonitis, die nicht selten zum Tode fuhrt.
In weniger schweren Fällen treten Fieber und Urtikaria auf. Be-
sonders charakteristisch ist nach Debove1»*) die Urtikaria. Auch
zahlreiche andere Symptome verschiedenster Art, die nach dem
Platzen von Echinokokken auftraten, wie z. B. Dyspnoe, Übelkeit,
allgemeine Schwäche, Gelenkschmerzen, Schlaflosigkeit, Ascites,
Durchfall, hat man auf die Wirkung der Echinokokkenflüssig-
keit, auf eine „Intoxicatio n hydatique" (Debove), zu-
rückgeführt.
In einer umfassenden Arbeit hat Achard8), angeregt durch
die Publikationen Deboves, die in der Literatur zerstreuten Fälle,
die als „Intoxication hydatique" gedeutet werden können, gesammelt
und kritisch beleuchtet. Achard gelangt zu dem Schluß, daß von
den nach dem Platzen oder nach sonstiger Verletzung der Echino-
kokken beim Menschen auftretenden Symptomen die Urtikaria mit
Sicherheit auf eine Resorption von Echinokokkenflüssigkeit zu be-
ziehen sei, daß aber auch die außerdem beobachteten Symptome
verschiedener Art, wie es scheine, als Zeichen einer „Intoxication
hydatique" aufgefaßt werden müßten, daß endlich ebenfalls ein
Teil der Todesfälle nach Läsion der Parasitenblasen der toxischen
Wirkung der zur Resorption gelangten Echinokokkenflüssigkeit zu-
zuschreiben sei. Makowski4) hat jüngst die Echinokokkenflüssig-
keit von neuem für giftig erklärt. Er beobachtete einen Todes-
fall bei einem Manne, dem infolge eines Traumas ein etwa kinds-
kopfgroßer Leberechinokokkus geplatzt war.
Von den mit Echinokokkenflüssigkeit angestellten
Experimentaluntersuchungen sind folgende zu erwähnen:
Vidal 5) injizierte Meerschweinchen und Kaninchen die Flüssig-
keit zweier Echinokokken, deren Punktion Urtikaria hervorgerufen
hatte, intraperitoneal, ohne irgendwelche, pathologische Er-
scheinungen bei diesen Tieren zu beobachten. Ebenso erhielt
Kirmisson6), der Kaninchen und Hunden Echinokokkenflüssigkeit
subkutan, intravenös und intraperitoneal verabreichte, vollständig
negative Resultate. Korach 7) spritzte mehreren Kaninchen 50 ccm
Echinokokkenflüssigkeit in die Peritonealhöhle, ohne mehr zu er-
zeugen als eine mäßige Temperatursteigerung. In einem von
Humphry8) publizierten Fall, in dem nach der Punktion eines
Echinokokkus Kollaps und Urtikaria auftraten, machte Roy mit
der Punktionsflüssigkeit verschiedene Versuche: Zwei intraperitoneal
— 12 —
injizierte Meerschweinchen starben in einigen Stunden. Die intra-
venöse Einverleibung der Flüssigkeit verursachte beim Meer-
schweinchen eine Steigerung der Atemfrequenz und Unregelmäßig-
keit der Herzaktion. Bei einem Hunde bedingte die sukzessive
intravenöse Injektion von insgesamt 66 ccm der Echinokokken-
flüssigkeit eine bemerkenswerte Erniedrigung des Blutdruckes (mit
dem Kymographion festgestellt) sowie eine Verminderung der Zahl
der Herzkontraktionen und der Atembewegungen. Von Interesse
war dabei, daß sich die Einwirkung der Flüssigkeit auf Blutdruck,
Puls und Respiration durch Injektion einer kleinen Dosis Atropin
aufheben ließ.
Mourson und Schlagdenhauffen9) nehmen das Vorhanden-
sein eines Ptomains in der Echinokokkenflüssigkeit an, obgleich
ihre Versuche am Frosch kein Resultat ergaben. Diese Forscher
erklären sich die Tatsache, daß der Einbruch der Echinokokken-
flüssigkeit in die Bauchhöhle beim Menschen in manchen Fällen
ungünstige Folgen hat, in anderen Fällen dagegen harmlos ist,
dadurch, daß sie annehmen, das Ptomain sei im Entwicklungs-
stadium der Blasen reichlich vorhanden, während es sich im Ruhe-
zustand derselben verringere. Den Beweis flir die Richtigkeit
dieser Annahme haben Mourson und Schlagdenhauffen jedoch
nicht erbracht.
Die vorstehend erwähnten Versuche wurden, soweit ersichtlich,
sämtlich mit Echinokokkenflüssigkeit vom Menschen angestellt.
Achard8) konstatiert auf Grund dieser Versuche, daß die Flüssigkeit
niemals eine Peritonitis und niemals eine Urtikaria bei den Ver-
suchstieren erzeugte. Er schließt jedoch aus den Versuchen, „que
Tinjection du liquide hydatique, chez les animaux, donne dans
certains cas lieu k des accidents, mais que les effets morbides sont
variables et inconstants."
In der späteren Literatur werden neben den Beobachtungen am
Menschen vorzugsweise die positiven Ergebnisse der mit Echino-
kokkenflüssigkeit angestellten Tierversuche zitiert. Man gewinnt
beim Studium dieser späteren mehr referierenden Arbeiten den
Eindruck, als ob die Giftwirkung der Echinokokkenflüssigkeit eine
erwiesene Tatsache sei. So werden in dem vor kurzem erschienenen
Buche Fausts11*) von Tierversuchen lediglich die von Mourson und
Schlagdenhauffen sowieHumphry erwähnt. Auch v.Linstow10»11)
— 13 —
berücksichtigt in der Hauptsache nur die im Sinne einer Giftwirkung
sich aussprechende Literatur.
Neuerdings hat Kobert12) angegeben, daß es ihm nicht ge-
lungen sei, „durch Einspritzen frischer Echinokokkenflüssigkeit in
Mengen von 5—10 ccm an den üblichen Versuchstieren Erkrankungs-
erscheinungen hervorzurufen."
Die Flüssigkeit des Cysticercus tenuicollis halten
Mourson und Schlagdenhauffen9) für sehr giftig. Nach der
subkutanen Injektion dieser Flüssigkeit sollen genau die gleichen
Erscheinungen auftreten, wie nach dem Stich gewisser giftiger
Tiere. Wenn man die Flüssigkeit des Cysticercus tenuicollis Ka-
ninchen in die Bauchhöhle spritzt, so führt sie nach Mourson und
Schlagdenhauffen den Tod der Tiere unter den Erscheinungen
der Blutzersetzung herbei.
Auf Grund der vorstehend angeführten Untersuchungen konnte
die Frage, ob der Blasenflüssigkeit der Echinokokken und des
Cysticercus tenuicollis eine Giftwirkung zukommt, nicht als gelöst
betrachtet werden. (Über etwaige sonstige biologische Wechsel-
beziehungen zwischen den Blasenwürmern und ihren Wirten enthält
die ältere Literatur keine Angaben.)
Es erschien mir deshalb von Interesse, die Wirkung
der Flüssigkeit der Blasenwürmer auf Versuchstiere einer
erneuten Prüfung zu unterwerfen und gleichzeitig zu
untersuchen, ob sich nicht mit Hilfe der Immunitäts-
reaktion Beziehungen zwischen den Blasenwürmern und
ihren Wirten feststellen lassen.
In letzterer Hinsicht hat jüngst Langer13) Untersuchungen
über Bandwürmer und ihre Wirte angestellt. Er versuchte zu
ermitteln, ob durch Taenia saginata, T. solium und T. cucumerina
eine Präzipitinbildung im Wirtsorganismus hervorgerufen wird.
Das Ergebnis der Untersuchungen war negativ. Ferner ließ sich
dnrch Bandwurmimmunserum, das durch künstliche Immunisierung
von Kaninchen mit Bandwurmextrakt gewonnen worden war,
kein Übergang von Bandwurmeiweiß in das Blut des Wirtes
(Mensch, Hund) nachweisen. Langer stellte auch fest, daß Band-
wurmimmunserum „nicht nur Eiweißlösungen des homologen Para-
siten, sondern auch von anderen nahestehenden Parasiten stammende
präzipitiert". Er untersuchte auf Grund dieser Feststellung unter
Zuhilfenahme eines Taenia-mediocanellata-Immunserum auch das
— 14 —
Blut und die Echinokokkenflüssigkeit eines mit Echinokokken be-
hafteten Menschen. Das Blut gab mit dem Immunserum keinen
Niederschlag, „wohl aber präzipitierte das Immunserum den Inhalt
einer Tochterblase bis zur Verdünnung von 1 : 80". Langer be-
trachtet dieses einmalige Ergebnis als positiv. Es erscheint mir
indessen zweifelhaft, ob man die Reaktion bei dieser Verdünnung
bereits als spezifisch ansehen kann; denn das gleiche Immunserum
präzipitierte verschiedene Bandwurmextrakte in sehr hohen Ver-
dünnungen und sogar Extrakt von Ascaris lumbricoides noch in der
Verdünnung von 1 : 2000.
Bevor ich an die Ausfährung meiner Versuche herantrat, er-
schien es mir natürlich notwendig, mich über die chemische Zu-
sammensetzung der Echinokokkenflüssigkeit und der
Flüssigkeit anderer Blasenwürmer zu orientieren. Über diese
Frage existieren nur wenige Angaben in der Literatur.
Die Flüssigkeit der Echinokokken hat nach Naunyn14)
ein spezifisches Gewicht von 1010 — 1013 und besitzt eine neutrale
oder schwach saure Reaktion. In der Flüssigkeit wurden Trauben-
zucker (Lücke15), Ch. Bernard und Axenfeld16), Inosit (Nau-
nyn), Bernsteinsäure in Form von bernsteinsaurem Kalk (Heintz 17),
Naunyn), Leuzin und Tyrosin (Naunyn, Lücke), sowie Eiweiß
(Naunyn, Mourson und Schlagdenhauffen) gefunden. Die
anorganischen Substanzen der Flüssigkeit (l,5°/0) bestehen zur
Hälfte aus Kochsalz (Leuckart 18). — Der Traubenzucker wurde
in Leberechinokokken konstant nachgewiesen. Nach Lücke und
Leuckart ist der Zucker nicht ein Produkt des Echinokokkus
selbst, sondern stammt aus der Leber. Inosit wurde nur in der
Flüssigkeit von Echinokokken des Schafes, nicht dagegen in Leber-
echinokokken des Menschen nachgewiesen. Leuzin und Tyrosin
ließ sich aus der Echinokokkenflüssigkeit in „reichlicher Menge"
(Naunyn14) darstellen. Eiweiß fand sich im allgemeinen in nur
geringen Mengen. Nach Mourson und Schlagdenhauffen9) ent-
halten alle Echinokokkenflüssigkeiten variable Mengen eines
„Ptomains", das der Träger der toxischen Eigenschaften der Flüssig-
keiten sein soll. Mourson und Schlagdenhauffen nehmen an,
daß das Ptomain ein Abbauprodukt der in der Echinokokkenflüssig-
keit vorkommenden Eiweißkörper ist. Ich habe bereits erwähnt,
daß Mourson und Schlagdenhauffen annehmen, daß der Eiweiß-
und damit der Ptomaingehalt der Flüssigkeit je nach dem Alter
— 15 —
der Blasen verschieden sei. Über die Art des Nachweises des
„Ptomains" geben die genannten Forscher nichts an.
Mourson und Schlagdenhauffen erwähnen, daß zersetzte
Echinokokkenflüssigkeit schädlich wirken könne. Dies erscheint
zweifellos, ist aber eine Frage für sich, die mit der Wirkung un-
zersetzter Blasenflüssigkeit, um die es sich hier handelt, nichts
zu tun hat. Bezüglich der letzteren muß aber konstatiert werden,
daß weder Mourson und Schlagdenhauffen, noch andere
Forscher das Vorhandensein eines „Ptomains" oder spezi-
fischen Toxins in dem Inhalt der Echinokokkenblasen be-
wiesen haben.*)
Nach Mourson und Schlagdenhauffen9) enthält die Flüssig-
keit des Cysticercus tenuicoUis relativ beträchtliche Mengen Albumin
und „Ptomain". Bezüglich des „Ptomains" gilt auch hier das vor-
stehend bereits Angeführte.
Eigene Versuche.
Zu meinen Versuchen wählte ich Echinokokken (Echinococcus
unilocularis und multilocularis) sowie den Cysticercus tenuicoUis,
einerseits weil diese Blasenwürmer am leichtesten zu beschaffen
waren, andererseits weil ihre relativ große Flüssigkeitsmenge jede
belieBige Versuchsanordnung gestattete. Die verwendeten Echino-
kokken stammten teils vom Schwein, teils vom Rind und vom
Schaf. Es wurden Leber- und Lungenechinokokken benutzt. Den
Cysticercus tenuicoUis entnahm ich vom Netz des Schweines, dem
Lieblingssitz dieses Parasiten. Die mit den Blasenwürmern
behafteten Organe stammten vom hiesigen Schlachthof.**) Sie ge-
langten stets am gleichen Tage, an dem die betreffenden Tiere
geschlachtet worden waren, bisweilen noch l'ebenswarm, in meine
Hände. Die Versuche wurden in jedem Falle unmittelbar nach
der Ankunft des Materials angestellt. Bezüglich des Cysticercus
tenuicoUis überzeugte ich mich mehrfach, daß die Parasiten noch
*) Von einzelnen Autoren wird angegeben, daß Brieger ans der Echino-
kokkenflüssigkeit das giftige Prinzip isoliert habe. Ich habe trotz eifrigsten
Suchens eine diesbezügliche Angabe Briegers in der Literatur nicht finden
können.
**) Herr Amtstierarzt Noack hatte die Freundlichkeit, das Material zu
sammeln, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank sage.
— 16 -
lebten,*) was unzweifelhaft auch bei den Echinokokken der Fall
war.**)
Bei den Versuchen selbst wurde möglichst aseptisch verfahren.
Nachdem die mit den Blasenwürmern behafteten Organe unter einer
Brause mit Leitungswasser gründlich abgespült worden waren,
wurde die die Parasiten bedeckende Serosa mit 0,2proz. Sublimat-
lösung abgetupft und das Sublimat durch steriles Wasser entfernt.
Die Entnahme der Blasenflüssigkeit geschah durch Ansaugen mit
steriler Spritze. Die Injektion bei den Versuchstieren erfolgte
mit der gleichen Spritze unmittelbar darauf. Selbstverständlich
war vorher für eine gründliche Desinfektion der Injektionsstelle
nach Entfernung der Haare Sorge getragen worden. Die Einstich-
stelle wurde mit Kollodium verklebt. Die Sterilität der injizierten
Flüssigkeit wurde mehrfach kulturell kontrolliert. Da beim Echino-
coccus unilocularis, besonders aber beim Cysticercus tenuicollis mit
Trübung der Blasenflüssigkeit einhergehende Entzündungen und
Blutungen der Bindegewebshülle des Parasiten vorkommen, so
möchte ich erwähnen, daß lediglich vollständig klare Flüssigkeit
von unveränderten Blasen verwendet wurde. Nur beim Echino-
coccus multilocularis, dessen zentrale Blasen in der Regel verkäst sind,
ließ sich keine ganz klare Flüssigkeit gewinnen. Die Versuchstiere
verblieben in den ersten Stunden nach der Injektion, um sie besser
beobachten zu können, im Laboratorium und wnirden erst dann nach
dem Stalle gebracht.
I. Prüfung Ton Echinokokken- und ZystlzerkenUttsslgkeit auf
Giftwirkung.
a) Echinococcus unilocularis von verschiedener Größe.
In dieser Versuchsreihe wurde die Flüssigkeit von haselnuß-
bis männerfaustgroßen Blasen geprüft. Meist handelte es sich um
Leberechinokokken vom Schwein, die sich bei der näheren Unter-
*) Man kann dies in einfachster Weise dadurch tun, daß man die schlaff
gefüllten Blasen, nachdem man sie durch vorsichtiges Anschneiden des Peri-
toneums freigemacht hat, in gewöhnliches Leitungswasser von Bluttemperatur
bringt. Die noch lebenden Parasiten zeigen dann überaus lebhafte Kontraktionen
ihrer Blasenwand.
**) Ich betone dies deshalb, um von vornherein dem etwaigen Einwand
zu begegnen, daß die Blasenflüssigkeit nach dem Tode der Parasiten infolge
von lytischen Vorgängen möglicherweise in dem Sinne verändert gewesen sein
— 17 —
suchung nach der Flüssigkeitsentnahme teils als fertil, teils als
steril erwiesen.
Es wurden folgende Versuche angestellt:
Es erhielten
1 Meerschw. 0,5 com Echinok.-Flüssigkeit intraperit.
2 „ je 1 „
& y> n *,0 r> » r>
* » n ö n ^ „
3 n n 10 „ „ „
2 * * 20 „
(Das Gewicht der Meerschweinchen war verschieden. Die beiden letzt-
genannten Tiere, denen 20 ccm intraperitoneal injiziert wurde, wogen 317 und
330 g. Sie erhielten also etwa Vie ^reB Körpergewichts an Echinokokken-
flüssigkeit)
Es erhielten ferner
1 Kaninchen (1700 g schwer) 20 ccm Echinok.-Flüssigkeit intraperit.
2 weiße Mäuse (20 g „ ) je 1 „ „ „
(Den beiden Mäusen wurde also etwa l/jo inres Körpergewichts an Echino-
kokkenflüssigkeit injiziert.)
Außerdem wurde zwei Kaninchen eine Anzahl größerer Dosen Echino-
kokkenflüssigkeit zum Zwecke der Immunisierung subkutan und intravenös
verabreicht (Näheres siehe unten).
Sämtliche Versuchstiere blieben dauernd gesund. Kein
Tier zeigte irgendwelche Krankheitserscheinungen nach
der Injektion.
b) Echinococcus multilocularis.
Bei der relativen Seltenheit der multilokularen Echinokokken
konnten mit diesem Parasiten nur einige Versuche gemacht werden.
Es wurde die Flüssigkeit etwa erbsengroßer Blasen aus den Rand-
partien des Echinokokkus, somit diejenige der jüngsten Blasen,
verwendet.
Es erhielten
2 Meerschw. je 5 ccm Echinok.-Flüssigkeit intraperit.
1 . 11 n
Ferner erhielt ein Kaninchen zum Zwecke der Immunisierung zweimal je
5 ccm und einmal 10 ccm Echinokokkenflüssigkeit subkutan.
könnte, daß sie ihre Giftigkeit und ihre präzipitinauslösenden Eigenschaften
bereits verloren gehabt hätte. Daß die Autolyse Eiweißkörper derartig zu
verändern vermag, ist festgestellt. (Vgl. die Arbeit von Wolf f- Eisner und
Rosenbaum, Berl. klin. Wochenschr. 1906, Nr. 28.)
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. 11, 1. 2
— 18 —
Eines der beiden Meerschweinchen, die 5 ccm Echinokokken-
flüssigkeit intraperitoneal erhalten hatten, ging am zweiten Tage
nach der Injektion an einer Peritonitis serofibrinosa, verursacht
durch Bacterium coli, ein. Das Kaninchen starb 18 Tage nach der
letzten Injektion an generalisierter Pseudotuberkulose. Beide Er-
krankungen können, wie die bakteriologische Untersuchung der
Kadaver gezeigt hat, nicht auf eine Giftwirkung der Echinokokken-
flüssigkeit zurückgeführt werden. Im übrigen vertrugen die
Tiere die Injektionen ohne jedwede Reaktion.
c) Cysticercus tenuicollis.
Es wurde die Flüssigkeit haselnuß- bis hühnereigroßer Blasen,
in der Regel vom Netz des Schweines, injiziert.
Es erhielten
2 Meerschweinchen je 5 ccm Zystizerk.-Flüssigkeit intraperit.
0 10
1 weiße Maus 0,5 „ „ „
1 „ „ (17 g schwer). . . 1,2 n „ „
2 „ Mäuse (je 18 g schwer) je 1 , „ „
1 Kaninchen 10„ „ intravenös.
(Die beiden 18 g wiegenden Mäuse hatten somit 1 18, die 17 g wiegende
Maus hatte etwa Vu ihres Körpergewichts an Zystizerkenflüssigkeit erhalten.)
Außerdem bekamen zwei Kaninchen zu Immunisierungszwecken eine An-
zahl größerer Injektionen von Zystizerkenflüssigkeit subkutan (vgl. unten).
Abgesehen von einem subkutan behandelten Kaninchen, das eine
(indessen nicht von den Impfstellen ausgehende) Phleg-
mone acquirierte, erkrankte keines der Versuchstiere. Alle
vertrugen die Injektionen reaktionslos.
Um die von Mourson und Schlagdenhauffen9) behauptete
und von allen späteren Autoren als erwiesen angesehene tödliche
Giftwirkung der Flüssigkeit des Cysticercus tenuicollis auf Ka-
ninchen bei intraperitonealer Einverleibung zu prüfen, wurden
weiter folgende Versuche angestellt:
Es erhielt
1 Kaninchen (1700 g schwer) 10 ccm Zystizerk.-Flüssigkeit intraperit.
1 „ (1740 g „ ) 20 „
1 , (2240 g „ ) 20 „
1 „ (1800 g „ ) 20 „
Das letztangefuhrte Kaninchen starb am dritten Tage nach der
Injektion an einer durch Verletzung des Darmes bedingten Peri-
- 19 —
tonitis. (Im Peritonealexsudat zahllose Bakterien verschiedener
Art.) Die übrigen drei Kaninchen zeigten keinerlei
Krankheitserscheinungen und blieben dauernd gesund.*)
d) Junge Echinokokkenblasen.
Mourson und Schlagdenhauffen9) haben die Vermutung
ausgesprochen (und diese Vermutung ist von einzelnen späteren
Autoren als Tatsache angesehen und zitiert worden), daß das Gift
der Echinokokkenflüssigkeit besonders reichlich im Entwicklungs-
stadium der Blasenwürmer vorhanden sei. Ich nahm deshalb Ver-
anlassung, in einer besonderen Versuchsreihe möglichst junge
Echinokokken zu prüfen. Die Flüssigkeit entnahm ich den
kleinsten Echinokokkenbläschen, deren ich habhaft werden konnte.
In allen Fällen handelte es sich um unilokuläre Echinokokken aus
der Leber des Schweines. Der geringen Flüssigkeitsmenge wegen
konnten die Versuche dieser Reihe lediglich mit Mäusen angestellt
werden. Die Flüssigkeitsentnahme war hier zum Teil recht mühsam.
Sie geschah mit besonders feiner Spritzenkanüle.
Erbsengroße Bläschen:
1 weiße Maus (10 g schwer) erhält 0,2 ccm Flüssigkeit intraperit.
1 . , (12 g „ 0,3 „
Schrotkorngroße Bläschen:
1 weiße Maus erhält 0,5 ccm Flüssigkeit intraperit.
Kaum schrotkorngroße Bläschen:
1 weiße Maus (13 g schwer) erhält 0,1 ccm Flüssigkeit intraperit
Halbschrotkorngroße Bläschen:
1 weiße Maus (10 g schwer) erhält 0,05 ccm Flüssigkeit intraperit.
Sämtliche Mäuse zeigen keinerlei Symptome nach der
Injektion und bleiben dauernd gesund.
e) Versuche mit Leuzin und Tyrosin.
Nachdem durch die angestellten Tierversuche ein Toxin nicht
hatte nachgewiesen werden können, schien es mir notwendig, noch
*) Im Anschluß an diese Versuche möchte ich erwähnen, daß ich auch
einen Versuch mit der Flüssigkeit des Cysticercus cellulosae angestellt
habe: Eine weiße Maus erhielt 0,4 ccm Flüssigkeit dieses Parasiten intra-
peritoneal. Keinerlei Reaktion, keinerlei Erkrankung.
2*
— 20 —
weitere Versuche mit einigen wesentlichen normalen Bestandteilen
der Echinokokkenflüssigkeit vorzunehmen, um festzustellen, ob etwa
diese Substanzen in größerer Dosis eine Giftwirkung zu entfalten
imstande sind. Von den Stoffen, die sich in der Blasenflüssigkeit
der Echinokokken finden, kommen hauptsächlich Leuzin und Tyrosin
in Frage, die sich nach Naunyn14) aus der Flüssigkeit in „reich-
licher Menge" darstellen lassen. Ich unternahm deshalb mit reinem
Leuzin und Tyrosin*) folgende Versuche:
1. Leuzin.
Es wurde eine 0,5proz. Leuzinlösung in 0,75 proz. steriler Kochsalzlösung
heiß hergestellt und die Flüssigkeit auf Bluttemperatur gebracht Dann erhielt
1 Meerschweinchen ( 420 g schwer) 5 ccm der Lösung intraperitoneal
1
(495 g
» )5 „
7»
n
7t
1 weiße Haus
( 20 g
. ) 1 *
y>
V
subkutan
1 .
( 17,5 g
„ )0,6 „
V
n
»
1 Kaninchen
(2240 g
» ) 1 .
7t
7t
intravenös.
2. Tyrosin.
Es wurde eine 0,2 proz. Tyrosinlösung in 0,75 proz. Kochsalzlösung heiß
hergestellt und die Flüssigkeit auf Bluttemperatur gebracht**) Dann erhielten
1 Meerschweinchen ( 815 g schwer) 1 ccm der Lösung intraperitoneal
1
(465 g
7t
)2 ,
»
r>
n
1
(405g
V
)5 .
n
n
7*
1
(415 g
r>
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»
V
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2 weiße Mäuse
( iog
*
)0,2 ,
n
n
subkutan
1 „ Haus
( 12 g
7t
)0,5 „
*
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7»
1 n n
( 12 g
n
)1 »
rt
7t
n
1 Kaninchen
(1700 g
7t
)1 -
rt
7t
intravenö
Alle mit Leuzin- und Tyrosinlösung behandelten Ver-
suchstiere zeigen nichts Abnormes und bleiben dauernd
gesund.
Alle mit Blasenflüssigkeit des Echinococcus unilocularis und
multilocularis sowie des Cysticercus tenuicollis angestellten Tier-
versuche hatten somit ein negatives Ergebnis. Abgesehen von
*) Die Präparate wurden von der Firma Kahlbaum in Berlin bezogen.
**) Bereits in dieser geringen Konzentration scheidet sich das Tyrosin bei
Zimmertemperatur zum Teil kristallinisch aus. Eine 0,5 proz. Tyrosinlösung läßt
sich nicht herstellen; denn es bleibt auch in der Siedehitze ein Teil des Tyrosins
ungelöst.
— 21 —
einigen interkurrenten Erkrankungen, die als solche in jedem Falle
unzweifelhaft festgestellt werden konnten, zeigte keines der Ver-
suchstiere irgendeine Reaktion auf die Einverleibung der Para-
sitenflüssigkeit; alle blieben dauernd gesund. Somit besitzt die
frische, unzersetzte Blasenflüssigkeit der Echinokokken
und des Cysticercus tenuicollis auf kleine Versuchstiere
bei subkutaner, intraperitonealer und intravenöser Ein-
verleibung keine Giftwirkung. Dies gilt für die Flüssigkeit
sowohl der ausgebildeten als auch der noch in der Entwicklung
begriffenen Blasenwürmer. Mit diesen Feststellungen stimmen die
Angaben mehrerer früheren Experimentatoren (Vidal, Kirmisson,
Korach, Kobert) überein.
Andere Forscher (Roy, Mourson und Schlagdenhauffen)
haben dagegen, wie oben angegeben, bei ihren Versuchstieren
Krankheitssymptome und Todesfälle eintreten sehen, die sie auf
eine Giftwirkung der Parasitenflüssigkeit beziehen. Diese abweichen-
den Ergebnisse sind vielleicht auf die Wirkung zersetzter Flüssig-
keit oder auf interkurrente Erkrankungen, insbesondere Infektionen,
zurückzuführen. Es ist dies um so eher anzunehmen, als diese
Versuche zu einer Zeit gemacht worden sind, in der bei Tier-
versuchen noch nicht die strenge Asepsis obzuwalten pflegte, wie
wir sie heute anwenden. Zudem erwähnen Mourson und Schlag-
denhauffen selbst, daß die Echinokokkenflüssigkeit sehr leicht
zersetzlich sei, und daß man bei der Feststellung der Ursache ihrer
schädlichen Wirkung auch mit einer möglichen septikämischen In-
fektion rechnen müsse.
Angesichts der vollständig negativen Ergebnisse
meiner Tierversuche kann von dem Vorhandensein eines
spezifischen Giftes (eines Toxins oder „Ptomains") in der
frischen, unzersetzten Flüssigkeit der Echinokokken und
des Cysticercus tenuicollis keine Rede mehr sein. Im übrigen
wurde von mir festgestellt, daß auch zwei wesentliche Bestandteile
der Echinokokkenflüssigkeit, Leuzin und Tyrosin, nicht giftig wirken.
Mit den Erfahrungen an mit Echinokokken behafteten Men-
schen scheinen die an kleinen Versuchstieren gemachten Beob-
achtungen freilich nicht vollständig übereinzustimmen. Krankheits-
erscheinungen verschiedenster Art und Todesfalle sind, wie oben
erwähnt, auf die Wirkung der Echinokokkenflüssigkeit zurück-
geführt worden. Bei einem Menschen, der an Echinokokkenkrank-
— 22 —
heit leidet, und bei dem Parasitenblasen infolge einer traumatischen
Einwirkung platzen oder operativ eröflhet werden, liegen andere
Verhältnisse vor, als wenn man einem gesunden Versuchstier Echino-
kokkenflüssigkeit unter aseptischen Kautelen injiziert. Beim er-
krankten Menschen wirkt nicht allein die irgendwie freigewordene
Parasitenflüssigkeit; es spielen hier noch andere, zum Teil un-
berechenbare Faktoren eine Rolle. Schon deshalb lassen sich
manche Beobachtungen am Menschen und die Ergebnisse der Tier-
versuche nicht ohne weiteres in Parallele setzen. Hervorgehoben
muß ferner werden, daß nicht in allen Fällen beim Menschen, in
denen es zu einem Erguß der Echinokokkenflüssigkeit in die Bauch-
höhle oder das Gewebe gekommen war, Krankheitserscheinungen
beobachtet worden sind. Diese Tatsache läßt jene Nebenumstände,
die beim echinokokkenkranken Menschen als krankheitserregendes
Moment in Frage kommen können, um so bedeutungsvoller er-
scheinen. Achard3) hat bereits eine ganze Reihe von Erkran-
kungen und Todesfällen beim Menschen, die auf die Eröffnung der
Parasitenblasen zurückgeführt worden waren, als unsicher aus-
geschieden. Aber auch in vielen der übrigen Fälle erscheint mir
die pathogene Bedeutung der Echinokokkenflüssigkeit nicht strikt
erwiesen zu sein. Als einzige einigermaßen sicher auf die Wirkung
der Echinokokkenflüssigkeit zurückführbare, häufiger beim Menschen
beobachtete Erscheinung bleibt die Urtikaria. Zur Erklärung ihres
Zustandekommens bedarf es aber keineswegs der Annahme eines
besonderen, gefährlichen Toxins in der Echinokokkenflüssigkeit.
Denn wir sehen Urtikaria nicht selten aus geringfügigen Anlässen
verschiedener Art auf Grund eigentümlicher Idiosynkrasien beim
Menschen auftreten, ohne daß dabei von der Wirkung besonderer
Gifte die Rede wäre. — Ich will sagen: Auch die Beobachtungen
am kranken Menschen stellen die Existenz eines (spezifisch auf den
Menschen wirkenden) Giftes in der Echinokokkenflüssigkeit keines-
wegs vollkommen sicher. Somit würde der Widerspruch der
Ergebnisse des Tierversuches und der Erfahrung am
Menschen nur ein scheinbarer sein.
IL Versuche mit Serum echinokokkenkranker Binder und Schweine sowie
mit Serum immunisierter Kaninchen«
Daß die Blasenwürmer als Parasiten aus den Säften ihrer Wirte
Stoffe entnehmen und sich zu eigen machen, ist selbstverständlich.
— 23 —
Derartige dem Wirtsorganismus entnommene Stoffe lassen sich auch
in der Blasenliüssigkeit nachweisen. (So findet sich in der Flüssig-
keit der Leberechinokokken stets Zucker.) Umgekehrt ist anzu-
nehmen, daß die Blasenwürmer, die ja, wie jedes Lebewesen, einen
Stoffwechsel besitzen, Substanzen an die Säfte ihrer Wirte wieder
abgeben. Es ist naheliegend, sich zu denken, daß es in erster Linie
Bestandteile der Blasenflüssigkeit sein werden, die auf dem Wege
der Resorption in den Wirtskörper gelangen. Freilich, groß kann
diese Resorption wohl nicht sein, da die die Parasiten einschließende
Bindegewebskapsel relativ arm an Lymph- und Blutgefäßen zu sein
scheint. Setzen wir voraus, daß eine Resorption von Echinokokken-
flüssigkeit erfolgt, so wäre es möglich, daß gewisse Bestandteile
derselben (ich denke dabei an das in der Flüssigkeit nachge-
wiesene, doch dem Parasitenkörper zugehörige Eiweiß) im Wirts-
organismus eine Antikörper-(Präzipitin-)bildung auslösen könnten.
Die Frage schien mir interessant genug, um sie näher zu prüfen.
Ergab sich bei dieser Prüfling ein positives Resultat, so war damit
nicht nur eine wissenschaftlich interessante Wechselbeziehung
zwischen Blasenwurm und Wirtsorganismus aufgedeckt, sondern es
hätte sich auch die Möglichkeit einer Serodiagnose der Echino-
kokkenkrankheit an lebenden Menschen und Tieren ergeben.
Bestand eine Antikörperbildung im Wirtsorganismus infolge
Resorption von Bestandteilen der Echinokokkenflüssigkeit, so mußte
das Blutserum des Wirtstieres, mit der Flüssigkeit in geeigneter
Weise vermischt, in dieser einen spezifischen Niederschlag, ein
Präzipitat, erzeugen.
Zum Zwecke der Prüfung dieser Möglichkeit verfuhr ich so, daß
ich von möglichst stark mit Echinokokken behafteten Rindern und
Schweinen unmittelbar nach der Schlachtung Blutreste (aus der
Stichwunde am Halse, aus dem Herzen oder größeren Venen)
sammeln ließ, aus denen durch Zentrifugieren eine genügende
Menge klaren Serums gewonnen wurde. Dieses Serum wurde dann
sowohl gegenüber der Echinokokkenflüssigkeit des gleichen Tieres
als auch anderer Tiere in der üblichen Versuchsanordnung auf
seine präzipitierende Wirkung geprüft. Stets wurden natürlich zu-
gleich Kontrollproben mit Blutserum gesunder Tiere angestellt. Die
Begutachtung der Proben erfolgte nach 1j2l 1 und 2 stündigem Ver-
weilen derselben im Brutschrank.
Nachstehend gebe ich zwei Beispiele einer derartigen Prüfung:
— 24 —
Rind, Lunge stark durchsetzt mit unilokulären, sterilen Echinokokken
1 ccm Serum des Rindes + 4 com Flüss. seiner Lungenechinok.
1 ii i» »» ii "T" ' »» »» » >»
1 „ Normalrinderserum -f- 4 „ „ der „
1 •» i» "7" ^ M »i i» »
Nach Vs« x ond
2 stftnd. Verwei-
len der Proben
imBrntschr.keln
Niederschlag,
keine Trübung.
Schwein, Leber mäßig stark durchsetzt mit unilokulären, fertilen Echino
kokken.
1 ccm Serum des Schweines + 4 ccm. Flüss. seiner Leberechinok.*
, . iv. unilokul. Lungen-
1 " " " + 4 " " l echinok. des Rindes
..... . . f derLeberechinok. des
„ NonnalBchweineseram + 4 „ „ { SchweineB
Nach V* 1 nnd
2 stand. Verwei-
len der Proben
im Bratsehrank
kein Niedersohl,
keine Trübung.
Auf diese Weise habe ich das Blutserum von vier stark mit
Echinokokken behafteten Rindern und einem Schwein geprüft.
Drei Rinder und das Schwein beherbergten Echinococcus unilocu-
laris, ein Rind Echinococcus multilocularis. Entsprechend geschah
die Prüfung gegen Unilokularis- oder Multilokularisflüssigkeit.
Sämtliche Proben ergaben ein negatives Resultat. In
keinem Falle zeigte sich die Spur eines Niederschlages
oder einer Trübung.
Nach dem Ergebnis dieser Versuche war anzunehmen,
daß das Blutserum der Echinokokkenwirte kein spezifi-
sches Präzipitin enthielt.
Entweder war die Menge der die Präzipitinbildung auslösenden
Substanzen, die bei den mangelhaften Aufsaugungsverhältnissen der
Echinokokkenkapsel aus der Flüssigkeit der Parasiten zur Resorp-
tion gelangen konnte, zu gering, um eine nachweisbare Antikörper-
bildung anzuregen, oder aber die Echinokokkenflüssigkeit war über-
haupt nicht imstande eine Präzipitinbildung zu veranlassen. Die
Entscheidung, welche dieser beiden Möglichkeiten vorlag, konnte
nur durch Immunisierungsversuche mit Echinokokkenflüssigkeit ge-
troffen werden.
Ich immunisierte deshalb Kaninchen systematisch mit steigenden
Mengen von Echinokokkenflüssigkeit.
Kaninchen I erhielt am 6. November 1905 5 ccm Flüssigkeit von
Echinococcus unilocularis subkutan, ferner am 9., 16., 27. November,
4., 11., 14. und 18. Dezember je 10 ccm derselben Flüssigkeit subkutan. Am
22. Dezember warf das Kaninchen Junge, die sich gut entwickelten. Es wurde
deshalb mit der Immunisierung etwa 4 Wochen ausgesetzt. Dann erhielt das
Tier am 18., 22. und 25. Januar 1906 je 10 ccm, am 1. Februar 9 ccm und
am 8. Februar 11 ccm derselben Flüssigkeit subkutan. (Es bandelte sich bei
— 25 —
fast allen Injektionen um Flüssigkeit aus Leberechinokokken des Schweines;
nur zweimal wurde Flüssigkeit von Lungenechinokokken des Schafes ein-
gespritzt.) Am 12. Februar 1906 wurde das Kaninchen durch Entblutenlassen
getötet. Sämtliche Injektionen waren reaktionslos vertragen worden.
Kaninchen II erhielt am 21. Dezember 1905, 18. und 22. Januar 1906
je 5 cem Flüssigkeit von Echinococcus unilocularis intravenös, ferner
am 25. Januar und am 8. Februar je 6 cem derselben Flüssigkeit intravenös.
(Die verwendete Flüssigkeit stammte auch hier meist aus Leberechinokokken
des Schweines, in einem Falle aus Lungenecbinokokken des Schafes.) Am
12. Februar 1906 wurde das Kaninchen ebenfalls entblutet Auch dieses Tier
hatte die Injektionen anstandslos vertragen.
Ein Immunisierungsversuch mit Flüssigkeit von E. multilocularis
• Kaninchen V) konnte nicht zu Ende geführt werden, da das Tier, wie oben
bereits bemerkt, an Pseudotuberkulose zugrunde ging.
Das Serum von Kaninchen I und II wurde auf seine präzi-
pitierende Wirkung gegenüber Flüssigkeit von unilokulären Echino-
kokken verschiedener Herkunft und zur Kontrolle etwaiger
spezifischer Wirkung auch gegenüber Flüssigkeit von Cysticercus
tenuicollis geprüft. Die Prüfung wurde in gleicher Weise vorge-
nommen wie vorstehend bei der Prüfung des Rinder- und Schweine-
serums erwähnt. Ich lasse einige der angestellten Versuche folgen :
Prüfung der Sera gegen Flüssigkeit von
Echinococcus unilocularis aus der Leber des Schweines.
4 cem E.-Flüssigkeit + 1 cem Serum Kaninchen I.
4 „ „ „ -f" 1 n Kaninchen II.
4 „ „ „ + IVj „ ,, Kaninchen I.
4 „ s „ -f- 2 „ „ Kaninchen II.
4 * „ „ + * „ Kaninchennormalserum.
Nach V, und 1 stün-
digem Verweilen der
Proben im Brutschrank
kein Niederschlag,
keine Trübung.
Prüfung der Sera gegen Flüssigkeit von
Echinococcus unilocularis aus der Lunge des Schafes.
Nach V« und lstün-
4 cem E.-Flüssigkeit + 1 cem Serum Kaninchen I.
4«„ B +1» « Kaninchen I.
4 „ „ „ +1* „ Kaninchen II.
4 * „ „ -{- 1 „ Kaninchennormalserum.
digem Verweilen der
Proben im Brutschrank
kein Niederschlag,
keine Trübung.
Prüfung der Sera gegen Flüssigkeit von
Cysticercus tenuicollis aus dem Netz dos Schweines.
Nach l2 und lstün-
4 cem Zyst.-Flüssigkeit -f- 1 cem Serum Kaninchen I. digem Verweilen der
4*w „ + 1 „ „ Kaninchen II. Proben im Brutschrank
4 „ „ „ + 1 „ Kaninchennormalserum. kein Niederschlag,
keine Trübung.
— 26 —
Bei zwei weiteren Prüfungen der Sera gegen Flüssigkeit von an il okulären
Echinokokken aus der Schweineleber und Hammellunge xeigte sich in den
Röhrchen nach zweistündigem Verweilen im Brutschrank eine ganz leichte
Trübung, die aber nicht als spezifisch angesehen werden konnte, da sie sich
auch in den Kontrollproben mit Kanlnchennonnalserum zeigte.
In ebenderselben Weise wurden Kaninchen auch mit Flüssigkeit
von Cysticercus tenuicollis immunisiert. Nachdem der erste
Immunisierungsversuch, wie oben bereits erwähnt, durch die Er-
krankung des Tieres (Kaninchen III) an einer interkurrenten
Phlegmone gestört worden war. wurde ein zweites Kaninchen
(Kaninchen TV) wie folgt immunisiert.
Kaninchen IV erhält am 11. Januar 1906 5 ccm Flüssigkeit von Cyst.
tenuicollis 'Netz vom Schwein i subkutan, ferner am 15.. 18. und 22. Janin r
je 10 ccm und am 29. Januar 12 ccm derselben Flüssigkeit subkutan. Am
31. Januar 1906 wurde das Tier durch Entblutenlassen getötet
Mit seinem Serum wurde folgender Präzipitationsversuch an-
gestellt:
4 ccm Zyst -Flüssigkt -f 1 ccm Serum Kan. IV
4 ., „ -<- 1 „ Serum Kan. IV
4 „ ., -*• 1 ., Kaninchen-
normalserum
Nach ein- und zwei-
stündigem Verweilen der
Proben im Brutschrank
kein Niederschlag, keine
Trübung.
Alle mit Blutserum immunisierter Kaninchen an-
gestellten Proben ergaben somit ein negatives Resultat.
Es tritt also auch nach systematischer Einführung großer
Mengen von Echinokokkenflüssigkeit und von Flüssigkeit
des Cysticercus tenuicollis in den Tierkörper keine Prä-
zipitinbildung auf. Es muß somit die Blasenflüssigkeit
der genannten Parasiten ihrer Zusammensetzung nach
überhaupt nicht geeignet sein, eine Präzipitinbildung zu
veranlassen. Die Kaninchen waren derart hoch behandelt, daß
ihr Serum, sofern überhaupt eine Antikörperbildung statthatte,
unbedingt eine präzipitierende Wirkung hätte zeigen müssen.
Man könnte hier den Einwand erheben, daß wir zur Zeit zum
Nachweis von Antiköq>ern eine weit feinere Reaktion, als es der
Präzipitationsversuch ist, in der Komplementbindung besäßen, und
daß die Möglichkeit der Erzeugung von Antikörpern durch die Flüssig-
keit der Blasenwürmer erst dann bestritten werden könne, wenn
auch diese feinere Reaktion ein negatives Resultat ergeben haben
— 27 —
würde*). Dieser Einwand würde berechtigt sein, wenn ich nur die
Prüfung des Serums echinokokkenkranker Rinder und Schweine vor-
genommen haben würde. Die Versuche mit Kaninchen hätten bei
der Art der Immunisierung dieser Tiere, wie vorstehend bereits
bemerkt, eine etwaige Antikörperbildung, sofern eine solche über-
haupt statthatte, auch im Präzipitationsversuch erkennen lassen
müssen.
Bezüglich des Bestehens etwaiger Wechselbeziehungen zwischen
Blasenwürmern und dem Gesamtorganismus ihres Wirtes haben die
in diesem Abschnitt beschriebenen Untersuchungen somit keine
positiven Tatsachen aufzudecken vermocht.
Die Ergebnisse meiner Untersuchiyigen lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
1. Die Blasenflüssigkeit der Echinokokken und des
Cysticercus tenuicollis übt bei subkutaner, intraperito-
nealer und intravenöser Einverleibung auf kleine Versuchs-
tiere keinerlei krankmachende Wirkung aus. Die Flüssig-
keit der genannten Parasiten enthält somit kein giftiges
Prinzip. Dies gilt sowohl für ausgebildete als auch für
noch in der Entwicklung begriffene Blasen.
2. Das Blutserum echinokokkenkranker Tiere besitzt
keine präzipitierende Wirkung auf Echinokokkenflüssig-
keit. Auch durch systematische Immunisierung von Ver-
suchstieren mit Echinokokken- und Tenuikollenflüssigkeit
läßt sich kein spezifisches präzipitierendes Serum ge-
winnen. Es ist daher anzunehmen, daß die Flüssigkeit der
genannten Blasenwürmer nicht geeignet ist, eine nachweis-
bare Präzipitinproduktion im Tierkörper auszulösen.
Literatur.
') Debove, M., De la pathogenie de l'urticaire bydatique. Comptes rendus
de l'Acad. des Sciences 1887.
J) Debove, M., De l'intoxication hydatique. Bull, et mem. de la Soc.
möd. des böpitaux 1888.
*) Ich möchte bemerken, daß die Versuche zum Teil zu einer Zeit aus-
geführt worden, zu der die Komplementbindung noch nicht die Bedeutung
erlangt hatte, die sie heute besitzt. Andere Arbeiten verhinderten mich, nach-
träglich die ganzen Versuche unter Zuhilfenahme der Komplementbindung zu
wiederholen.
— 28 —
3) Achard, Ch., Do l'intoxication hydatique. Archives generales de med.,
7. Ser., T. 20, 1888, Vol. IL
4) Makowski, J. S., Beitrag zur Frage der Toxizität der Echinokokken-
flüesigkeit. Praktitscheski Wratsch 1904, No. 24. (Ref. Zentralbl. f. inn.
Med., 25. Jahrg. 1904)
5) Vi dal, M., Annales de dermatol. et de syphiligr. 1880. (Zitiert nach
Achard.)
6) Kirmisson, M., Gaz. hebd. de med. et de chir. 1882 und Archives gene-
rales de med. 1883. (Zitiert nach Achard.)
i) Korach, Berl. klin. Wochenschr. 1888. (Zitiert nach Achard.)
8) Humphry, L., An inquiry into the severe Symptoms occasionally following
puncture of hydatid cysts of the liver. The Lancet 1887 (Vol. I).
9) Mourson, J., und Schlagdenhauffen, F., Nouvelles recherches chimi-
ques et physiologiques sur quelques liquides organiques. Comptes rendus
de l'Acad. des Sciences. T. 85, 1882.
lü) L in stow, v., Über den Giftgehalt der Helminthen. Internat. Monatsschr.
f. Anat. u. Pbysiol. Bd. 13, 1896.
11) Linstow, v., Die durch tierische Parasiten erzeugten toxischen Stoffe.
Bericht f. d. VIII. internat. tierärztl. Kongreß. Budapest 1905.
»•) Faust, £. St., Die tierischen Gifte. Braunschweig 1906.
12) Kobert, R., Lehrbuch der Intoxikationen. 2. Aufl , IL Bd. Stuttgart 1906.
1S) Langer, J., Zur Frage der Bildung spezifischer Antikörper im Organismus
von Bandwurm wirten. Münch. med. Wochenschr. 52. Jahrg. 1905.
u) Naunyn, B., Über Bestandteile der Echinokokkusflüssigkeiten. Arch. f.
Anat, Physiol. u. wissensch. Med. Jahrg. 1863.
15) Lücke, A., Die Hüllen der Echinokokken und die Echinokokkenflüssigkeit.
Virchows Archiv, Bd. 19, 1860.
,6) Bernard, Ch., und Axenfeld, Comptes rendus de la Soc. de Biol.
58, t. 3. (Zitiert nach Lücke.)
17) Heintz, Poggendorifs Annalen, Bd. 80. (Zitiert nach Naunyn.)
18) Leuckart, R., Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Bd. I, 1. Abteil.
Leipzig und Heidelberg 1879—1886.
i
Hygienische Grundsätze für den Bau von Stallungen.
Von
Professor H. Chr. Nußbaum
in Hannover.
Durch die dauernde Stallhaltung der Haustiere, die sich
nach dem Aufheben des Weideganges in vielen Gegenden Deutsch-
lands eingebürgert hat, wird ein ungünstiger Einfluß auf den Ge-
sundheitszustand der Tiere ausgeübt. Namentlich bei Kühen macht
sich dies bemerkbar, da sie mehr noch als die übrigen Haustiere
auf jede Bewegung im Freien verzichten müssen. Dieser nachteilige
Einfluß wird nicht wett gemacht durch den Schutz, den der Stall
den Tieren vor den Unbilden der Witterung und den Einflüssen
hoher wie niederer Wärmegrade bietet. Vor allem fehlt den Tieren
die Bewegung in Sonne und Luft sowie die Abhärtung in Wind und
Wetter. Unter diesen Umständen scheint die Widerstandskraft gegen
manche Infektionskrankheiten, z. B. die Tuberkulose, abzunehmen,
während die dauernde nahe Berührung der Tiere untereinander die
Ansteckungsgefahr erhöht. Wenn wir uns nun auch nicht der An-
schauung hingeben dürfen, durch eine günstige Bauart und treffliche
Einrichtungen der Stallungen diese Nachteile aufheben zu können, so
wird man doch bestrebt sein müssen, letzteren so weit entgegenzu-
wirken, wie es in unserer Macht steht. Es dürfte ja unter den gegen-
wärtig bestehenden Verhältnissen kaum gelingen, in jenen Gegenden
den Aufenthalt der Haustiere, namentlich der Kühe, im Freien so weit
zu vermehren, daß GesundheitsschädigUngen hintangehalten werden.
Eine der bedeutsamsten .Grundbedingungen für das Gesund-
erhalten der Stalltiere ist ihre und ihrer Umgebung Sauberhaltung.
Sie ist in einer irgend vDllkommenen Weise nur durchführbar, wenn
die Innenbauart und die; Ausstattung des Stalles von vornherein ihr
entsprechend durchbildet werden. Als weitere Grundbedingungen
treten in den Vordergrund: Trockenheit der Gebäude, an-
gemessene Wärmeverhältnisse während jeder Jahreszeit.
— 30 —
ausreichender Zutritt von Sonnenlicht und ausgiebiger
Luft Wechsel. Auch die Erfüllung dieser Bedingungen hängt von der
Bauart und Einrichtung der Stallungen ab; sie wird erschwert durch
die wirtschaftlichen Ansprüche, die in der Mehrzahl aller Fälle tun-
lichst niedrige Kosten von der Herstellung, Durchbildung und Aus-
stattung der Stallungen verlangen. Ferner treten jene hygienischen
Anspräche unter sich leicht in Gegensatz, so z. B. vermag die Wärme-
wirtschaft eines Gebäudes durch einen kraftvollen Luftwechsel oder
durch eine erhebliche Größe der Lichtöflhungen nachteilig beeinflußt
zu werden. Endlich sind die technischen Ansprüche an die Stand-
festigkeit, Feuersicherheit und Dauerhaftigkeit der Gebäude stets
zu erfüllen, obgleich auch sie in einen gewissen Gegensatz zu
hygienischen Anforderungen zu treten vermögen. Es ist daher
erforderlich, den wirklichen oder relativen Wert jedes einzelnen
hygienischen Anspruches sorgfältig abzuwägen und sämtliche An-
forderungen unter sich, wie mit denen der Wirtschaftlichkeit und
der Technik, in Einklang zu bringen, um in jeder Beziehung zweck-
mäßige Anlagen zu erhalten.
Hier mag zunächst die Bauart der hauptsächlichsten Teile der
Stallgebäude eine knapp gehaltene, nur das Allgemeine berücksichti-
gende Darstellung erfahren, während spätere Abhandlungen inter-
essante Einzelheiten sowie die Ausstattung und Lüftung der Ställe
zum Gegenstand haben sollen.
Für die Trockenheit der Gebäude, ihre Wärmeverhältnisse, die
Helligkeit und die natürliche Lüftung in den Stallungen ist die
Bauart der Außenwände mit ihren Öffnungen maßgebend. Zu-
gleich treten an diese Wände bedeutungsvolle technische Ansprüche
heran, vor allem die der Standfestigkeit, Dauerhaftigkeit und Wetter-
beständigkeit, während ihre Anlagekosten den wesentlichsten Teil
der Gesamtkosten des „Rohbaues" auszumachen pflegen. Die Bauart
der Außenwände beansprucht daher unser Interesse in erster Linie.
Die dauernde Trockenerhaltung der Außenwände ist
nicht leicht zu erreichen. Niederschläge, Erdfeuchtigkeit, das zum
Reinigen des Stalles dienende Wasser, die flüssigen und die dampf-
te 'uti j igen Abgänge der Tiere wirken ihr entgegen. Die Auswitte-
run irssalze, die durch die chemische Einwirkung des Harns auf
den Mauermörtel zu entstehen vermögen, vergrößern dessen Auf-
nahmefähigkeit für Wasserdampf. Die Wand muß daher gegen
alte diese Einflüsse gesichert werden.
L
— 31 —
Gegen das Aufsteigen von Erdfeuchtigkeit, von Wasser und
Harn muß die Ausbildung des Wandsockels Schutz bieten. Der
Sockel wird daher zweckmäßig in seiner ganzen Dicke aus undurch-
lässigen Baustoffen hergestellt; er soll sowohl an der Gebäude-
außenseite wie im Innern des Stalles so weit über den Erdboden und
den Fußboden emporragen, daß aufspritzende Flüssigkeiten die über
ihm befindliche Wand nicht zu erreichen vermögen. Zur Sockel-
bildung sind dichtes Gestein und ganz oder an der Oberfläche ge-
sinterte Ziegel besonders geeignet. AlsMörtel haben sich verschiedene
Asphaltgemenge und der Kaseinmörtel bewährt, während Mörtel aus
Zement, Traß, Wasser- und Luftkalken mehr oder weniger rasch
durch die Einflüsse des Harns zersetzt werden. Der Kaseinmörtel
(„Käsekitt") läßt sich aus jeder Art Eiweiß gewinnen, das mit
Ätzkalk (Weißkalk) innig gemengt wird. Als Zuschläge dienen,
wie bei jedem Mörtel, Sand, Kies und dergleichen. In der Regel wird
Milchgerinnsel zu seiner Herstellung benutzt. Das bei der Stärke-
fabrikation frei werdende Eiweiß, Magermilch, Buttermilch und Blut
sind ebenfalls geeignet. Der Mörtel muß vor der Verwendung
einige Zeit, oft Tage, ruhen, damit das Aufschließen der Eiweiß-
teilchen rechtzeitig vor sich geht. Die Widerstandsfähigkeit der
Zemente kann durch Zusatz von Kali-Wasserglas wesentlich erhöht,
werden. Doch darf dieser Mörtel nur in kleinen Mengen angefertigt
werden und muß sofort nach dem Anmengen Verwendung finden, da
er ungemein rasch bindet und erhärtet. Auch Zuschläge von Traß-
mehl oder fein gemahlener Hohofenschlacke vermögen diesem Zweck
zu dienen.
Der obere Wandteil muß aus Baustoffen bestehen, die für
Luft und Wasser eine starke Durchlässigkeit besitzen, damit er im-
stande ist, das infolge der Ausdünstung der Tiere aus der Stalluft
sich oft in erheblicher Menge auf der Wand niederschlagende
Schwitzwasser aufzusaugen, nach außen zu führen oder unter
günstigeren Verhältnissen wieder an die Luft abzugeben. Ein hoher
Luftgehalt des Wandkörpers ist auch deshalb wünschenswert, weil
er das Wärmeleitungsvermögen der Wand herabsetzt, also die Wärme-
übertragung (von außen nach innen, wie von innen nach außen)
verlangsamt. Hart gebrannte, stark sandhaltige Ziegel haben sich am
besten bewährt. Die neuerdings in Aufnahme gekommenen Kunstsand-
ziegel lassen sich ebenfalls in ausreichend durchlässiger Art herstellen.
Von den Xaturgesteinen sind die Kalktuffe die brauchbarsten. Undurch-
— 32 —
lässige oder schwach durchlässige Gesteine müssen ftir Stallungen
als zweckwidrig bezeichnet werden. Ihre Nachteile lassen sich dadurch
allerdings verringern oder aufheben, daß man sie in unregelmäßiger
Gestalt als Bruchsteinmauerwerk oder Stampfwerk (Beton) verwendet.
Die großen Mengen des sie umhüllenden Mörtels übernehmen dann
die Aufgaben der Wasserführung und schlechten Wärmeleitung. Der
Mörtel soll allgemein „mager" gewählt werden, um jene Ansprüche
erfüllen zu können, das heißt, sein Sandgehalt muß im Verhältnis zum
Bindemittel ein hoher sein. Je nach den im Einzelfall zu stellenden
Ansprüchen der Standfestigkeit ist daher ein Bindemittel zu wählen,
das trotz hohem Sandgehalt des Mörtels eine ausreichend rasche
und hohe Erhärtung gewährleistet. Die Zemente und Wasserkalke
bieten sie. Der Luftkalk (Weißkalk, Ätzkalk) bedarf der Zuschläge
von langsam bindendem Zement, Traß, Hohofenschlacke oder Eiweiß-
teilchen, wenn von ihm im sandreichen Mörtel eine irgend belang-
reiche Standfestigkeit gefordert wird.
Gegen das Eindringen der Niederschläge sind die Außenflächen
der Wände um so mehr zu schützen, je durchlässiger sie gewählt
wurden, da sie dem Wasser einen um so stärkeren und tieferen
Eintritt gewähren. Die Niederschläge vermögen bei einiger Dauer
des Regenwetters selbst Wände von V/2 bis 2 Stein Stärke voll-
ständig mit Wasser zu sättigen. Sie dadurch fernzuhalten, daß
man die Wetterseiten außen mit einer für Wasser undurchlässigen
oder wenig durchlässigen (wasserabweisenden) Oberfläche versieht,
ist für Stallungen kaum zu empfehlen, obgleich dieses Verfahren
sich für Wohngebäude bewährt hat. Die starke Schwitzwasser-
bildung und die mangelnde Heizung lassen die dauernde Trocken-
erhaltung solcher Stallwände fraglich erscheinen. Vielmehr ist es
geraten, dem Dach einen so starken Vorsprung zu geben, daß es
den Wänden Schutz gegen die Niederschläge gewährt. Bei geringer
oder mäßiger Höhe derStallwände steht diesem VorgehenkeinHindernis
entgegen. In manchen Fällen wird es auch angehen, die freistehenden
Außenwände der Stallungen denjenigen Himmelsrichtungen abzukehren ,
aus denen erheblicher Schlagregen zu gewärtigen ist und die Wetter-
seiten durch Remisen, Scheunen u. a. einzubauen, deren Außenwände
man ohne Nachteil mit einer wasserabweisenden Oberfläche versehen
darf. Wo diese Mittel nicht anwendbar sind, da erscheint es geraten,
die nach den Wetterseiten gerichteten Flächen mit Körpern zu be-
hängen, die, sich tibergreifend, den Flüssigkeiten den Eintritt wehren.
— 33 —
während sie der Luft, den Gasen und dem Wasserdampf durch ihre
Fugen freien Durchtritt gestatten. Dachziegel, Schiefer, Schindel,
Bretter und Bohlen vermögen diesem Zweck zu dienen.
Hohlwände als Wetterschutz zu verwenden, ist ein fragwürdiges
Vorgehen, das als bewährt durchaus nicht bezeichnet werden kann,
obgleich viele Techniker es tun. In einer Reihe von Fällen fand
ich die untersuchten Hohlräume stark durchfeuchtet, die Flächen
mit Schimmel, Hausschwamm und anderen Pilzen dick überzogen,
widrigen Geruch von ihnen bis ins Innere der Gebäude ausgehen.
Ob und wie weit diese Mißstände auf Mängel der Herstellung zurück-
zuführen sind oder ob sie auch der richtig hergestellten Hohlwand
anhaften, will ich dahingestellt sein lassen, neige aber nach meinen
bisherigen Befunden der letzteren Anschauung zu.
In Küstengebieten ist ein vollkommenerer Schutz sämt-
licher freistehenden Außenwände notwendig. Die Brandung läßt
fort und fort große Mengen feiner Salzwasserteilchen in die Luft
gelangen, die von den Winden den Gebäuden zugetragen werden.
Sind ihre Oberflächen durchlässig, dann dringen die Salze in die
Poren ein und vermögen durch ihre Wasseranziehung aus der Luft
eine dauernde Durchfeuchtung der Wände hervorzurufen. Wo solche
Erscheinungen auftreten oder wo eine besonders starke Einwirkung
der Niederschläge auf die Wände zu gewärtigen ist, kann es sich
empfehlen, die sämtlichen oder die nach den Wetterseiten gelegenen
Gebäudeaußenflächen undurchlässig zu gestalten, dann aber durch
die Art der Lüftung der Bildung von Schwitzwasser im Innern der
Stallungen entgegenzuwirken und Sorge zu tragen, daß die durch
sie gelegentlich, z. B. bei hoher Temperatur und hohem Feuchtig-
keitsgehalt der Luft im Freien, hervorgerufene Wanddurchfeuchtung
bald wieder aufgehoben wird und ohne üble Folgen bleibt.
Der Wärmeschutz, den eine Außenwand zu bieten vermag,
wächst mit ihrer Stärke. Mit ihr vermehren sich aber auch die
Anlagekosten des Gebäudes. Das ständig und (in den letzten
Jahren) rasche Steigen der Arbeitslöhne drängt immer mehr dahin,
möglichst geringe Wandstärken in Anwendung zu bringen, jedenfalls
die Wände nicht dicker zu wählen, als ihre Standfestigkeit es er-
heischt.
Soll eine dünne oder nur mäßig starke Wand den Ansprüchen
der Wärmewirtschaft in Stallgebäuden genügen, dann ist es erforder-
lich, sie im Innern des Gebäudes so zu gestalten, daß sie einen
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 1. 3
— 34 —
Wärmespeicher bildet, der hinreicht, sowohl ohne Heizung das Ent-
stehen niedriger Temperaturen (+10° C und weniger), als auch von
Wärmegraden, die eine genügende Wärmeabführung von der Körper-
oberfläche der Tiere verhindern (+25° C und mehr) im Stalle zu ver-
hüten. Der äußere Wandteil sollte dagegen aus Körpern hergestellt
werden, die eine sehr langsame Wärmeübertragung gewährleisten.
Eine derartig durchbildete dünne Wand besitzt vor mitteldicken Wänden
sogar einige Vorzüge: Die von den Tieren abgegebene Wärme reicht
im Winter aus, um die Temperatur des Wärmespeichers entsprechend
hoch zu halten, während im Sommer durch sachgemäße Regelung
der Lüftung seine Auskühlung vom Abend bis zum Morgen soweit
erzielt werden kann, daß er den Einflüssen der tagsüber hohen
Luftwärme hinreichend entgegenzuwirken vermag. Da es gegen-
wärtig kaum mehr angeht, Wandstärken von 0,75 m und mehr in
Anwendung zu bringen, so sind diese Vorzüge als bedeutungsvoll
zu bezeichnen. Denn in mitteldicken Wänden gewöhnlicher Art
(0,40—0,60 m) steigt nach meinen Untersuchungen bei andauernd
warmer Sommerwitterung die Temperatur ihrer Innenfläche von
Tag zu Tag an und nimmt bei andauerndem Frostwetter von Tag
zu Tag ab. Hierdurch vermögen in den Stallungen auf Wochen
Temperaturen zu entstehen, die als gesundheitswidrig oder mindestens
als das Wohlbefinden der Tiere benachteiligend bezeichnet werden
müssen.
Zur Wärmespeicherbildung ist jedes Gestein, jeder Vollziegel,
jeder schwere Kunststein und jedes Stampfwerk geeignet, während als
äußerer Wärmeschutz Holzbohlen, Korkstein und stark lufthaltige
Kunststeine, z. B. „rheinische Schwemmsteine" und starkporig ge-
machte Ziegel zu dienen vermögen. Gegen eine übermäßige Wirkung
der Sonnenstrahlung, wie sie in Deutschland während der Sommer-
monate zu gewärtigen ist, bietet bei mäßiger oder geringer Wand-
höhe ein weit vorspringendes Dach wirksamen Schutz. Der Nutzen
seiner Anwendung ist für Stallgebäude daher ein ebenso vielseitiger als
bedeutsamer. Durch Bepflanzen der nach den Sonnenseiten gelegenen
WTände mit Wein, Obst oder Schlinggewächsen oder durch ihre Be-
schattung mit Baumschlag läßt sich ebenfalls ein hoher Schutz gegen
die Wärmewirkung der Sonnenstrahlung erzielen und eine gewisse
Kühlung der die Wand bestreichenden Luft erreichen. Da das
Fallen der Blätter in der kühlen und kalten Jahreszeit die Besonnung
der betreffenden Flächen zuläßt, so ist die letztgenannte Art der Schutz-
— 35 —
gewinnung als die hygienisch günstigste zu bezeichnen, ganz ab-
gesehen von dem wirtschaftlichen Vorteil, der sich durch das Ziehen
von Spalierobst oder Wein erzielen läßt. Der Wärmeschutz, den
die grünenden Pflanzen bieten, kommt dadurch zustande, daß sie
die durch Strahlung ihnen zufließende Wärme nicht auf das Gebäude
übertragen, sondern teils zum Aufbau von Zellen, hauptsächlich
aber zur Wasserverdunstung verbrauchen. Je mehr Feuchtigkeit
ihren Wurzeln sich bietet, um so besser vermögen sie ihre Schutz-
wirkung zu entfalten.
Die Lichtöffnungen beeinflussen, wie bereits flüchtig erwähnt,
die Wärmeverhältnisse der Gebäude in erheblicher Weise. Selbst
beim Vorhandensein zweckmäßiger Fensterverschlüsse geht die
Wärmeübertragung durch diese Öffnungen ganz erheblich rascher
vor sich als durch die vollen Wandteile. Andererseits gestatten große
Lichtöffhungen nicht nur einen erheblich erhöhten Tageslichteinfall,
sondern auch eine wesentlich schnellere und gründlichere Auskühlung
erhitzter Gebäude, sobald man sie während der kühlen Tagesr oder
Nachtstunden dem Luftwechsel öffnet.
Je nach dem Ortsklima wird bald der einen bald der anderen
Wirkung eine höhere Bedeutung zukommen. Die Tageslichthelle wird
ebenfalls von dem Klima, mehr aber noch von der Freilage der Ge-
bäude beeinflußt. Für die Abmessungen der Lichtöffhungen lassen
sich daher keine allgemein gültigen Zahlen geben. Man wird viel-
mehr trachten müssen, sie dem Ortsklima und den besonderen Ver-
hältnissen jedes Einzelfalles anzupassen. In der Regel dürfte eine
gleichmäßige Verteilung von Öffnungen mittlerer Größe über sämt-
liche Außenwände die günstigste Lösung darstellen. In Gegenden
mit hartem Winterklima und mildem Sommerklima, z. B. im Gebirge
und nahe den Küsten, wird man dagegen die Größe der Lichtöff-
nungen auf das für den Tageslichteinfall notwendige Mindestmaß
zu beschränken haben.
Werden die Fenster vom vorspringenden Dach überschattet,
dann ist ein besonderer Schutz gegen die ungünstigen Einflüsse
der Sonnenstrahlung nicht erforderlich. Wo das Dach nur wenig
vorspringt, dürfte es sich empfehlen, die nach den Sonnenseiten
gelegenen Fenster tunlichst hoch anzubringen und nicht zu tief
herabreichen zu lassen. Will man dagegen die Sonnenwirkung
während der kühlen und kalten Jahreszeit ausnützen, dann muß
die gegenteilige Fensterlage gewählt werden. Dadurch stellt sich
3*
— 36 —
aber die Notwendigkeit ein, die Fenster an den Sonnenseiten mit
durchbrochenen Holzläden zu versehen, die die Wärmewirkung
und die blendende Lichtwirkung der Sonnenstrahlen ausreichend
mildern, ohne den Lichteinfall und den Luftwechsel aufzuheben.
Wärmeschutz durch Doppelfenster erzielen zu wollen, empfiehlt
sich für Stallungen nur in besonderen Fällen, da diese Fenster kost-
spielig sind und die Regelung der Lüftung erschweren. Im allge-
meinen dürfte es ausreichen, die Fenster mit einer doppelten Ein-
glasung zu versehen. Zu diesem Zweck werden beiderseits Kittfalze
angebracht, zwischen denen ein Hohlraum von 1—2 cm bleibt.
Nach meinen Versuchen und Erfahrungen vermeidet man durch die
doppelte Einglasung die lästige Bildung von Schwitzwasser wie von
Eisblumen und erzielt einen für Stallungen, Nebenräume, Wirtschafts-
räume u. dergl. hinreichenden Wärmeschutz. Da zu ihr billige,
dünne Glassorten dienen dürfen, stellt sie sich preiswert. Für
Eisenfenster ist sie ganz besonders zu empfehlen, da sie durch
Vermeidung der Schwitzwasserbildung das Rosten verringert.
An den Sonnenseiten empfiehlt es sich, für die innere Scheibe
ein lichtzerstreuendes Glas zu wählen, damit in der milden und
kalten Jahreszeit die Holzläden während der Besonnung geöffnet
bleiben können. Mattglas wie Preßglas sind für diesen Zweck ge-
eignet; ihre Lichtzerstreuung reicht aus, um jede Blendwirkung
auf die Augen der Menschen und Tiere hintanzuhalten, während die
freundliche Wirkung der Sonnenstrahlen bestehen bleibt. Um das
Säubern zu erleichtern und das Ansetzen von Staub zu verringern,
legt man die matte oder rauhe Seite des Glases bei doppelter Ein-
glasung nach dem Hohlraum, bei einfacher Einglasung nach innen.
Wo Holzläden vor den Fenstern sich befinden, müssen die
letzteren nach innen aufgehen. Im anderen Falle ist es geraten, sie
als Kippflügel auszubilden, damit sie auch bei Regenwetter geöffnet
bleiben können. Der untere Teil des Flügels muß, geöffnet, zu
diesem Zweck nach außen genügend weit vorspringen, damit der
anschlagende Regen nach außen abtropft. Weitere Vorzüge der
Kippflügel bestehen darin, daß sie die Heftigkeit des Windes mildern
und der eintretenden Luft einen erheblichen Teil ihres Staubgehaltes
entziehen, indem sie die Bewegung der Luft verlangsamen. Auf
ihre häufige Säuberung ist aus diesem Grunde ein besonderes Gewicht
zu legen. Sie sollte allerdings auch bei anderen Flügelformen
regelmäßig und in kurzen Zwischenräumen erfolgen. Denn auf-
— 37 —
lagernder Staub vermindert die Lichtdurchlässigkeit des Glases
ganz erheblich. Mit ständig sauber gehaltenen Fenstern erreicht
man bei halber Größe annähernd die gleiche Lichtfülle wie mit
unsauberem Glas. Ich fand die Lichtverminderung durch auf-
lagernden Staub zwischen 30 und 90°/0. Namentlich in Gegenden
mit rauhem Winterklima und mildem Sommerklima empfiehlt sich
das letzterwähnte Vorgehen. Auf die hinreichende Zugänglichkeit der
Glasflächen ist ein entsprechend hoher Wert zu legen. Die nach
dem Hohlraum gelegenen Glasflächen der doppelten Einglasung be-
dürfen der Säuberung nicht. Nur ist es erforderlich, ihre Ver-
kittung in gutem Zustand zu erhalten, damit kein Staub sie zu
durchdringen vermag.
Für die Sauberkeit des Stalles kommt — abgesehen von
seiner gesamten Ausstattung — der Bauart des Fußbodens und
dem Innenverputz nebst seiner Bemalung die wesentlichste Bedeutung
zu. Der Fußboden muß eben und fugenfrei aus undurchlässigen, der
jeweiligen Inanspruchnahme durch die in Betracht kommende Tierart
gewachsenen Baustoffen hergestellt werden und mit einem derartigen
Gefalle versehen sein, daß eine gründliche Säuberung nebst Nach-
spülung rasch und ohne Schwierigkeit durchfuhrbar ist. Pflaster
aus gesinterten Steingutplatten und Stampfasphalt auf Betonunter-
lage haben sich auch bei stärkster Inanspruchnahme bewährt, sind
aber kostspielig. In leidlicher Nähe ihrer Fundorte pflegen „ge-
stockte44 Platten aus hartem, dichtem Gestein, die annähernd gleich
gute Dienste leisten, schon etwas preiswerter zu sein. Billiger sind
Zementplatten; aber nur die unter Hochdruck hergestellten Erzeug-
nisse weisen eine ausreichende Haltbarkeit auf. Gußasphalt auf
Betonunterlage oder auf Ziegelpflaster ist ebenfalls für viele Zwecke
dienlich und besitzt den Vorzug, daß der Rohstoff bei Neuherstellungen
wieder verwendbar ist. Ihm steht jedoch der erhebliche Nachteil
gegenüber, daß der Asphalt mit der Zeit schrumpft, sich infolge-
dessen von den Wänden zurückzieht und an dieser besonders un-
günstigen Stelle eine breite, offene Fuge entstehen läßt. Für große
Flächen pflegt dieser Nachteil die Anwendung des Gußasphalts aus-
zuschließen, während bei Stallungen von geringer oder mäßiger
Große das Einhalten gewisser Vorsichtsmaßregeln bei der Herstellung
ausreicht, um belangreiche Mängel hintanzuhalten.
Wo niedriger Preis entscheidend für die Wahl des Fußbodens
ist, wird man sich mit der Anwendung eines Estrichs begnügen
— 38 —
müssen. Von ihm ist sorgfältigste Herstellung aus geeigneten Bau-
stoffen zu beanspruchen, damit belangreiche Mängel hintangehalten
werden. Gips unterliegt der Einwirkung des Harns von allen MörteJ-
arten am stärksten. Doch läßt sich der bei 1000° C gebrannte Gips
durch mechanische Bearbeitung so weit dicht stellen, daß Zersetzungs-
erscheinungen ausbleiben. Die Wasserkalke und Zemente bedürfen
für unsern Zweck solcher Zuschläge, die die in ihnen vorhan-
denen überschüssigen Alkalien vollkommen binden, weil sie sonst
wasserlöslich bleiben und mit dem Harn nachteilige Verbindungen
eingehen. Mehl von Traß- oder Hohofenschlacke haben sich als
Zuschläge bestens bewährt. Sorgfältige Dichtung der Oberfläche
durch mechanische Bearbeitung oder durch Einlassen mit Erdwachs.
Hartparaffin u. dergl. ist für diese Estricharten ebenfalls Er-
fordernis. Da unter dem Einfluß der Hufe der mit reichlichen Binde-
mittelmengen hergestellte feine Estrichüberzug leicht vom Beton ab-
springt, so empfiehlt es sich, ihn in Großviehstallungen fortzulassen,
hier vielmehr den nur aus Feinkies und Sand gemengten Beton sorg-
fältig zu stampfen und zu ebnen, ihn nach dem Erhärten mit Erd-
wachs einzulassen und dann mit heißem Eisen*) zu bügeln, damit
das Erdwachs tief in die Poren eindringt und fest in ihnen haftet.
Das Erdwachs macht die Oberfläche des Estrichs dicht und ist un-
empfindlich gegen die Einwirkungen des Harns. Einen in Stallungen
haltbaren Estrich liefert auch der Kaseinmörtel. Leider ist die
Technik dieses in früheren Jahrhunderten vielfach verwendeten
Fußbodens dem Bauhandwerk verloren gegangen, während zu seiner
Herstellung Übung und Kenntnis der Eigenschaften dieses trefflichen
Bindemittels erforderlich sind. Bei sachgemäßer Herstellung und
Bearbeitung wird der Kaseinestrich vollkommen dicht, sehr fest und
zäh, so daß er selbst den Angriffen der Hufe des Großviehs lange
Zeit zu widerstehen vermag. In frischem Zustand läßt er sich
mit geringer Mühe glätten und schleifen oder sonst bearbeiten und
kann durch Zusatz von Erdfarben in jeder beliebigen Tönung her-
gestellt werden.
Für den Verputz oder Fugenverstrich des Wandsockels
sind die für die Estrichbildung genannten Mörtel geeignet. Dem
Atzkalkmörtel fehlt die erforderliche Widerstandsfähigkeit gegen
Stoß sowohl als gegen die Einflüsse des Harns. Er pflegt an dieser
*) Die Temperatur der Eisen darf nicht so hoch gewählt werden, daß
das Erdwachs verbrennt
— 39 —
Stelle daher frühzeitig auszuwittern und schadhaft zu werden.
Ferner sollte mindestens der unterste Teil (0,50—0,75 m) des Wand-
sockels aus wasserundurchlässigen Körpern oder Geraengen so dicht
und glatt hergestellt werden, daß er waschbar wird, weil er bei
der Reinigung des Fußbodens stark beschmutzt zu werden pflegt
und deshalb stets nach ihm der Säuberung auf nassem Wege bedarf.
Die oberen Wandteile und die Decke können mit Ätzkalk-
mörtel geputzt werden. Doch pflegt dessen Erhärtung nur an der
Oberfläche zu erfolgen. An Stellen, wo mechanische Einwirkungen
zu gewärtigen sind oder sonst ein widerstandsfähiger Wandputz
verlangt wird, ist daher der Verputz aus vollkommen und in ihrer
ganzen Tiefe erhärtenden Mörtelgemengen herzustellen. Mindestens
sind dem Weißkalkmörtel Zuschläge zu geben, die seine Erhärtung
verbessern.
Aus technischen Gründen ist es geraten, den Verputz auf den
frisch hergestellten, noch baufeuchten Wänden aufzutragen, da er dann
fest auf ihnen haftet und sein Erhärtungsgang ein wesentlich längerer
ist.*) Für die Austrocknung der Wände ist es dagegen günstig,
sie möglichst lange ohne Verputz zu lassen. Je nach der Dicke
der Wände, der Jahreszeit und der Witterung wird man bald dem
ersteren, bald dem letzteren Erfordernis Rechnung zu tragen haben.
Auf dünneren Wänden, die im Frühling oder im Sommer hochgeführt
werden, kann der Verputz jedenfalls unbedenklich sofort nach der
Eindeckung des Daches angebracht werden.**)
Der Anstrich der Wand und Deckenflächen besteht am
vorteilhaftesten aus Kalktünche, der Magermilch oder Buttermilch
zugefügt wird, um ein festes Haften auf dem Verputz zu erzielen.
Die Mehrzahl der übrigen üblichen Bindemittel, namentlich der Leim,
werden unter den Einflüssen der an Wasserdampf, Ammoniak usw.
reichen Stalluft rasch zersetzt, wodurch der Anstrich seine Binde-
kraft verliert, so daß er, als Staub herabfallend, Tiere, Futter, Milch
u. a. zu beschmutzen pflegt.
Zwischendecken sollten nur in kleineren oder mäßig großen
Stallungen zur Anwendung gelangen. Die Kosten großer Stallungen
werden durch sie ganz erheblich vermehrt, weil die Wände eine
wesentlich größere Höhe und Stärke erhalten müssen, die Zwischen-
decken sich teuer stellen und ihre Dauerhaftigkeit bei der Anwendung
*) Ohne Anwesenheit von Wasser findet keine Mörtel erhärtung statt.
**) Auf die Verputztechnik näher einzugehen, würde hier zu weit führen.
— 40 —
von Holzkonstruktionen eine fragliche ist. Denn unter den in
Stallungen gegebenen Bedingungen gedeihen die das Holz zer-
störenden Pilze gut. Ferner wird der Luftraum des Stalles
durch die Zwischendecken stark vermindert, der Luftwechsel er-
schwert.
Wo Zwischendecken ein Erfordernis sind, empfiehlt es sich, sie
als „Steindecken" herstellen zu lassen, weil sie bei sachgemäßer
Ausführung Dauerhaftigkeit gewährleisten. Allerdings dürfen die
zu ihnen verwendeten Eisenteile, z. B. die Flanschen der Träger,
nicht an der Unterseite der Decke sichtbar sein, sie sollen vielmehr in
durchlässige Körper gebettet« werden, weil sonst das Bilden und
Abtropfen von Schwitzwasser Belästigungen und Verunreinigungen
hervorzurufen vermag. Aus dem gleichen Grunde muß der Decken-
körper wie sein Verputz und Anstrich eine ziemlich erhebliche
Durchlässigkeit erhalten. Soll die Decke das Durchtreten von
Wasserdampf, Luft oder Gasen nach oben verhindern, dann muß
über der Decke ein undurchdringlicher Fußboden, z. B. ein Estrich,
hergestellt werden.
Finden Holzdecken Verwendung, dann ist es geraten, die Balken,
Halbbalken oder Bohlen so lang zu wählen, daß ihre Köpfe, die
Außenmauern völlig durchdringend, noch etwas aus ihnen hervor-
stehen, damit sie hier von der Luft umspielt werden. Stecken die
Köpfe im Mauerwerk, dann pflegen die Hölzer einer frühzeitigen
Zersetzung anheimzufallen. Eine Unterschalung des Gebälkes pflegt
ebenfalls nach dieser Richtung mehr zu schaden als zu nützen.
Will man das Gebälk gegen die Einflüsse der Stalluft und gegen
Feuerfangen schützen, dann genügt das Überziehen der unten sicht-
baren Flächen mit Käsekitt. Statt des Fehlbodens ist eine Aus-
rollung der Balkenfache mit Ziegeln oder anderen durchlässigen
Kunststeinen zu empfehlen, weil die Haltbarkeit des Fehlbodens
im Stall sehr zu wünschen übrig läßt, weil von ihm häufig Holzkrank-
heiten auf das Gebälk übergehen, und weil ihm die Eigenschaft des
Wärmespeichers nicht in ausreichendem Maße zuzukommen pflegt.
Gerade an dieser Stelle ist er aber von größter Bedeutung für die
Wärmewirtschaft des Stalles, weil die wärmste Luftschicht nahe
der Decke sich befindet.
Das Dach bedarf nur für diejenigen Fälle hier einer Besprechung,
in denen es die Decke des Stalles bildet, weil es sonst in jeder
beliebigen Bauart hergestellt werden kann. Es empfiehlt sich, den
— 41 —
Neigungswinkel dieses Daches mit 45° oder steiler zu wählen,
damit ein möglichst großer Luftraum für den Stall gewonnen wird.
Man darf dann die Umfassungswände niedrig auffuhren, wodurch
sich ihre Anlagekosten wesentlich herabsetzen lassen, und man
vermag sie — wie bereits erwähnt — gegen nachteilige Einflüsse
der Witterung vollkommen zu schützen, ohne sie einer kraftvollen
Durchlüftung und dauernden Trockenerhaltung zu entziehen. Ver-
gessen darf man aber nicht, daß bei dieser Bauart des Stalles die
Dachflächen die wesentlichsten Umfassungsflächen des Raumes bilden,
für seine Wärmewirtschaft daher maßgebend werden. Infolgedessen
bedürfen sie einer Durchbildung, welche Mißstände ausschließt.
Das Strohdach bot in der kalten wie in der warmen Jahreszeit
einen ausreichenden Wärmeschutz. Das aus Gründen der Feuer-
sicherheit an seine Stelle getretene Schieferdach oder Ziegeldach
läßt ihn vermissen. In manchen Gegenden hat man versucht, ihn
dadurch wiederzugewinnen, daß man Strohlagen („Strohdocken44)
zwischen die Dachlatten und die Schiefer oder Ziegel gebracht hat.
Diese Vornahme ist aus feuerpolizeilichen Gründen auf das strengste
zu untersagen; denn sie führt eine hohe Feuersgefahr herbei,
während das Strohdach dieses weit weniger tut. Während das letz-
tere durch den Regen feucht gehalten wird und Moosansiedlungen
es außen gegen Feuerfangen sichern, bleiben die geschützt liegenden
Strohdocken dauernd trocken, fangen ungemein leicht Feuer und
verbreiten es mit unheimlicher Schnelligkeit über das ganze Dach.
Außerdem sind diese dünnen Strohlagen nicht imstande, einen irgend
erheblichen Wärmeschutz zu bieten. Dazu gehören Massen von
Stroh, wie das Dach unserer Altvordern sie enthielt. Will man mit
dem feuersicher gedeckten Dach einen irgend ausreichenden Wärme-
schutz erzielen, dann ist es erforderlich, für seine Bauart denselben
Grundsatz zur Durchführung zu bringen, der für dünne Außenwände
von mir aufgestellt worden ist: Im Innern des Hauses muß ein
Wärmespeicher von einem für diesen Zweck ausreichenden Gewicht
geschaffen werden, der durch die Wärme sehr schlecht leitende
Körper gegen rasche Wärmeübertragung gesichert wird. Dieser
Grundsatz läßt sich z. B. auf folgende Weise durchführen: Die
Sparrenfelder des Daches werden innen mit einer Ziegelausrollung
geschlossen, während zum Tragen der Eindeckung statt der dünnen
Holzschalung Holzbohlen von möglichst großer Stärke dienen. Um
die Kosten dieser Bauart niedrig zu halten, muß die Konstruktion
— 42 —
die Tragfähigkeit der Bohlen und Sparren auszunützen trachten.
Wo Latten zum Tragen der Dachdeckung dienen, können andere
schlechte Wärmeleiter, z. B. feiner Sand, zwischen die Ausrollung
und die Deckung gebracht werden.
Größere Lüftungsöflhungen des Daches sollten ausschließlich auf
dessen Schattenseite angebracht werden, damit sie dem im Sommer
nachteiligen Einfluß der Sonnenstrahlung entzogen sind und die
von ihr ausgehende Wärme nicht auf den Stallraum übertragen.
Für große Stallungen mit Lüftungsöflhungen von erheblichem Ge-
samtflächenmaß ist es geraten, sie so zu stellen, daß eine der Haupt-
dachflächen nach Norden sieht, außerdem aber dem Dach einen
Neigungswinkel von 60° zu geben, damit eine möglichst seltene
Besonnung jener Fläche stattfindet.
Kommt (für kleinere Stallungen) das Holzzementdach in An-
wendung, dann möchte ich empfehlen, auf demselben eine Erd-
schüttung statt der Kiesschüttung anzuwenden und sie mit Moos
zu belegen, zu besäen oder seine Ansiedlung sonst zu fördern. Denn
eine Moosdecke bietet den vom Pflanzenwuchs geschilderten Schutz
gegen die Wirkung der Sonnenstrahlung und verringert die Wärme-
übertragung durch Leitung. Bildet das Holzzementdach die Decke
des Stalles, dann kann nach meinen Erfahrungen das Anbringen
eines Wärmespeichers trotzdem nicht entbehrt werden, obgleich
hie und da von Technikern das Gegenteil behauptet wird. Die mit
geebneter Sandschicht überdeckte Ziegelausrollung kann als Träger
des Holzzementpapiers dienen, wodurch man die Schalung erspart,
also die Kosten der Ausrollung verringert.
(Aus der medizinischen Klinik der k. n. k. tierärztlichen Hoch-
schule in Wien [Vorst. : Prof. Dr. Hugo Schindelka].)
Zur Desinfektion von Stallungen mit verdünnten
wäßrigen Formaldehydlösungen.
Von
Dozent Dr. Josef Schnürer.
Die wirksame Desinfektion verseuchter Stallungen zählt zu den
wichtigsten, aber auch zugleich zu den schwierigsten Kapiteln der
Seuchentilgung und Seuchenbekämpfung. Die Aufgaben, die die
Desinfektion gerade bei Stallungen zu erfüllen hat, sind so mannig-
faltig und vielfach durch Bedingungen erschwert, die eine wirk-
same, zugleich aber auch unschädliche Entfernung der Krank-
heitserreger kaum als möglich erscheinen lassen. Auf der
einen Seite dunkle, winklige, mit unzähligen Ritzen und Fugen
versehene, mit Schmutz, tierischen, zum Teil eiweißhaltigen Ex-
kreten (Harn, Fäzes, Blut, Eiter) durchtränkte Wände, Decken und
Boden, auf der andern Seite wieder Räume, die schon durch ihre
Größenverhältnisse die Desinfektion recht schwierig gestalten.
Im allgemeinen sind an eine Stalldesinfektionsmethode folgende
Anforderungen zu stellen:
1. Sie muß wirksam, auch gegen resistente Krankheitserreger
(Milzbrand-, Tetanus-, Rauschbrandsporen) sein;
2. sie muß einfach, ohne Zuhilfenahme komplizierter Apparate,
auch von ungeschulten Arbeitskräften unter allen Umständen
auszufuhren sein;
3. sie darf weder feuer- noch explosionsgefährlich, noch für
Menschen und Tiere schädlich sein, noch den im gleichen
Raum aufbewahrten Nahrungsmitteln, wie Fleisch, Milch usw.,
Eigenschaften (Geruch, Geschmack) mitteilen, die ihre Ver-
wendung zu menschlichem Genuß ausschließen würden;
— 44 —
4. sie muß, unbeschadet ihrer Wirksamkeit, möglichst schonend
für Stallwände, -Boden und Stallgeräte arbeiten;
5. sie muß die Desinfektion in möglichst kurzer Zeit gestatten und
6. möglichst billig auszufuhren sein.
Diese Aufgaben sucht die derzeit übliche Desinfektion, wie
sie durch die Tierseuchengesetze und Militärverordnungen vorge-
schrieben ist, durch kombinierte physikalisch-chemische Verfahren
zu lösen. Die Entfernung des Düngers, der Streumaterialien
aus dem Stalle, deren unschädliche Beseitigung durch Unter-
ackern, Vergraben oder Verbrennen, das Verbrennen minder-
wertiger oder wertloser Stallgeräte, das Ausglühen eiserner
Gegenstände, Entfernung des schadhaften Fußbodens, Ausheben
der oberflächlichen Erdbodenschicht, Abkratzen der Wände, An-
fertigung eines neuen Anwurfes, gründliche Lüftung des Stallraumes
bis zu acht Tagen — stellen den physikalischen Teil der Desinfek-
tionsarbeit dar, während die Abtötung der auf diese Weise nicht
entfernten Krankheitserreger durch chemische Mittel, sogenannte
Desinfektionsmittel, seien sie in Gasform oder in Flüssigkeit, auge-
strebt wird. Jene chemischen Mittel, die lediglich zur vorbe-
reitenden Reinigung der zu desinfizierenden Räume zu dienen
haben, z. B. schwache Soda-, Schmierseifenlösungen usw., bilden
den Übergang von der ersten zur zweiten Gruppe.
Zur chemischen Desinfektion sind durch die Tierseuchengesetze
ganz bestimmte Mittel vorgeschrieben. In Österreich nach dem
Allgemeinen Tierseuchengesetz vom 29. Februar 1880 und nach
den Durchführungsverordnungen des Ministeriums des Innern, der
Justiz, des Ackerbaues und Handels vom 12. April 1880, III. Ab-
schnitt, § 20:
1. Alkalische Laugen, 2. Ätzkalk, 3. Chlorkalk, 4. Karbol-
säure, 5. Chlorgas, schweflige Säure, salpetrige Dämpfe. Dazu
kommen noch Salpeter und Küchensalz zur Desinfektion von Häuten
und Gedärmen, Klauen usw., übermangansaures Kali oder Natron
zur Desinfektion von Instrumenten, Händen und nackten Körper-
teilen, Eisenvitriol, die Mutterlaugen von Alaunlösungen, Rückstände
der Chlorbereitung zur Desinfektion des Düngers.
Im Deutschen Reich (Anlage A der Bundesratsinstruktion vom
27. Juni 1895 zum Reichsviehseuchengesetz) ist auch noch öproz.
Kresolwasser sowie Steinkohlen- und Holzteer als Desinfektions-
mittel gestattet.
— 45 —
Wiewohl nun z. B. im österreichischen Tierseuchengesetz ziem-
lich eingehende allgemeine Anweisungen und außerdem spezielle
Anweisungen bei einzelnen Seuchen angeführt erscheinen, so beweist
doch schon die große Anzahl der gestatteten Desinfektionsmittel, daß
eigentlich kein einziges vollständig seinem Zweck entspricht. Im ein-
zelnen Falle ist die Wahl des Desinfektionsmittels mehr oder minder
dem Desinfektor freigestellt, was notwendigerweise mangels ganz
spezieller Kenntnisse in der Desinfektionslehre zu einer gewissen
Unsicherheit fuhren muß, wie wiederholte diesbezügliche Anfragen
an die Tierärztliche Hochschule beweisen.
Tatsächlich erfüllt auch keines der angeführten Mittel alle oben
erwähnten Anforderungen, die an ein ideales Universaldesinfektions-
mittel gestellt werden müssen. Entweder sind sie von vornherein
bei resistenten Krankheitserregern (sporenbildenden Bakterien)
unwirksam, wie die alkalischen Laugen, Karbolsäure, alle Gasdes-
infektionen. Eisenvitriol, oder sie sind wegen ihres Geruches auszu-
schließen (Karbolsäure, Teeröle usw.) oder bedürfen besonderer Vor-
sicht bei ihrer Anwendung wie die Chlorgas- und Schwefelräuche-
rangen. Andererseits aber gestaltet das Verbrennen und Vernichten
minderwertiger Holzbestandteile — bei gewissen Seuchen schreibt
die Militärverwaltung auch das bedingungslose Verbrennen der Holz-
bestandteile vor — die Methode unter Umständen zu einer recht
kostspieligen.
Die günstigen Resultate, die unsere Versuche zur Desinfektion
verseuchter Eisenbahnviehwagen ergaben, legten den Gedanken
nahe, wäßrige, stark verdünnte Formaldehydlösungen in der gleichen
Weise auch zur Stalldesinfektion zu verwenden. Formaldehyd wird ja
bekanntlich bei der Desinfektion von Wohnräumen in ausgedehntester
Weise in Anwendung gezogen, und zwar fast ausschließlich als Gas, ver-
mischt mit Wasserdampf (Flügge: Breslauer Methode). Eine große
Reihe vonApparaten (Trillat, Fournier, Tollens, Krell, Barthel,
Lingner, Flügge usw.) dienen diesemZweck. Perkuhns Arbeit ent-
hält eine Zusammenstellung der üblichen Apparate, weshalb deren
genauere Anfuhrung an dieser Stelle unterlassen wird. Daß alle
diese Apparate ihren Zweck nicht unter allen Bedingungen zu er-
füllen vermögen, beweisen die Versuche, Formaldehyd wasser-
dämpfe ohne Apparate zu erzeugen: durch Einlegen erhitzter Heiz-
körper in entsprechend verdünnte, wäßrige Formaldehydlösungen.
Gußstahlbolzen (Krell, Beitzke), Ketten (Springfeld), Chamotte-
— 46 —
steine (Steinitz), sowie die Glykoformal- oder Karboformalglühblöcke
von Max Elb in Dresden (Dieudonnä, Enoch, Magnus, Lange,
Erne, Römer).
Alle diese Methoden leiden an dem prinzipiellen Übelstand,
daß die Desinfektion durch gasförmigen Formaldehyd erfolgt, wo-
bei einerseits auf eine mehr oder minder sorgfaltige Abdichtung
des zu desinfizierenden Raumes gerechnet werden muß, andererseits
aber die geringe Tiefenwirkung gasförmiger Desinfektionsmittel,
auf die auch Perkuhn neuestens hinweist, sowie die Eigenschaft
der Formaldehyd dämpfe, sich nach oben zu ziehen*), die ungleichen
Resultate aller dieser Methoden verständlich erscheinen läßt. Dazu
kommt noch die Schwierigkeit der Beschaffung der Apparate, weitab
von Städten, die Notwendigkeit einer sachgemäßen Behandlung und
Beaufsichtigung, sowie ihre wenn auch geringe Feuers- und Ex-
plosionsgefahr (Lewaschew). Speziell von dem Nachteil einer
Feuersgefahr sind auch die Ersatzmittel der Apparate, die Heiz-
körper und Glühblocks, nicht ganz freizusprechen. Bei Anwendung
der Glühblocks muß außerdem für die Anwesenheit einer ge-
nügenden Menge von Wasserdampf gesorgt werden (Enoch, Dieu-
donne).
Ein schwer in die Wagschale fallender Übelstand ergibt sich
ferner bei der Formaldehydgasdesinfektion daraus, daß es selbst-
verständlich unmöglich ist, einen Stall teilweise zu desinfizieren,
wie dies ja bei einzelnen ansteckenden Krankheiten, z. B. Druse,
selbst Rotz (Österr. allgem. Tierseuchengesetz § 29, 11), unter Um-
ständen gestattet ist, sondern daß immer der ganze Stallraum als
Grundlage zur Berechnung der zu verdampfenden Formaldehyd-
menge genommen werden muß, wodurch die Desinfektion sehr
großer Räume, z. B. Reitschulen, fast unmöglich, jedenfalls aber
außerordentlich kostspielig wird.
Alle diese Nachteile lassen sich vermeiden bei der Verwendung
wäßriger Formaldehydlösungen, mit denen die Wände und Objekte
bespritzt werden. Eigentlich ist ja auch die Formaldehydgas-
desinfektion, da stets mit dem Formaldehyd auch Wasser verdampft
werden muß, das sich zugleich mit dem Formaldehyd an den festen
Gegenständen zu einer wäßrigen Formaldehydlösung kondensiert
(Flügge, Brunn, Peerenboom, Römer), ein solches Benetzen der
*) Mayer und Wolpert verwenden einen Ventilator, der diesem Übel-
stand abhelfen soll.
— 47 —
Wände; nur findet diese Kondensation ausschließlich an der Oberfläche
der Gegenstände statt, da ja bekanntlich der Dampf an der in den
Ritzen und sogenannten toten Räumen enthaltenen Luft auf ein fast
unüberwindliches Hindernis stößt. Dazu ist auch offenbar die Kon-
zentration der so entstehenden Formaldehydwasserlösung eine sehr
schwankende, je nach dem Sättigungsgrade der Luft mit Wasser-
dampf und der herrschenden Temperatur. Beide Umstände, vereint
mit der bereits erwähnten Eigenschaft des Formaldehydgases, nach
oben zu steigen, erklären zur Genüge die schwankenden, an-
scheinend unverläßlichen Resultate, die sich bei den Laboratoriums-
versuchen mit Formaldehydwasserdampf regelmäßig ergaben (z. B.
Römer, Peerenboom).
Wesentlich anders steht natürlich der ganze Sachverhalt, wenn
man eine Formaldehydwasserlösung genau bekannter Konzentration
unter Druck auf die zu desinfizierenden Gegenstände spritzt. Ver-
mutlich war der Übelstand, größere Flüssigkeitsmengen in Wohn-
räumen zu verspritzen, die Ursache, diese so einfache Methode, die
Grub er schon vor längerer Zeit bei Eisenbahnviehtransportwagen
in Anwendung brachte, und die Tonzig 1902 experimentell prüfte,
der immerhin umständlichen Gasdesinfektionsmethode nachzusetzen.
Dieser Übelstand fällt natürlich bei Stallungen weg, da ja die nicht
vom Mauerwerk aufgenommene Flüssigkeitsmenge entweder in den
Boden versickert oder aber durch die bestehenden Abzugsrinnen
nach außen befördert wird und so keinerlei Bedenken bautech-
nischer Natur erregen kann.
Das Wesen dieser Formaldehyddesinfektionsmethode, wie sie
bei unseren Versuchen in Eisenbahnviehtransportwagen und jetzt
in Stallungen zur Anwendung kam, besteht kurz in folgendem:
Es werden Wände und Boden des oberflächlich von Mist,
Streumaterialien usw. gereinigten Stalles unter Druck
(1 — 4 Atmosphären) mit einer lproz. wässerigen Formal-
dehydlösung (2,5 ccm des käuflichen 40 proz. Formalins auf
100 ccm Wasser) in nicht zu fein verteiltem Strahle, und
zwar 3/4 Liter 1 proz. Lösung auf 1 qm Oberfläche, bespritzt.
Nach der Desinfektion bleiben Türen und Fenster durch
mindestens vier Stunden geschlossen.
Alle unsere bis jetzt vorliegenden Versuche wurden in Stallungen
mit undurchlässigen Boden, gekalkten, ziemlich gut erhaltenen Mauer-
wänden nach Entfernung des Mistes und der Streumaterialien an-
— 48 -
gestellt. Es wird Aufgabe einer weiteren Versuchsreihe sein, fest-
zustellen, ob nicht die Desinfektion des Düngers gleich mit im
Stalle geschehen kann, und ferner, inwieweit die Desinfektion eines
durchlässigen und mit Jauche getränkten Bodens möglich ist,
namentlich mit Bezug auf die Vorschrift, daß derartiger Boden 20 cm,
oder nach den Vorschriften des Deutschen Reiches 10 cm tief abzu-
graben und zu entfernen ist. Zum Schluß wird auch das Ver-
fahren mit Bezug auf seine Fähigkeit zur Desinfektion von Stricken,
Lederzeug sowie sonstigen Stallutensilien zu prüfen sein, während
seine Eignung zur Desinfektion von Holz und Holzbestandteilen durch
unsere günstigen Erfahrungen bei der Viehwagendesinfektion, bei
der es sich ja wesentlich um Holzdesinfektion handelt, erwiesen ist.
Überdies wurden auch bei den jetzigen Versuchen stets Testobjekte
an den Türen, an Streitbäumen usw. angebracht, wobei diese Test-
objekte regelmäßig abgetötet wurden.
Eine Grundbedingung für eine vollkommene Desinfektion auch
der in Ritzen verborgenen Infektionsträger wird gegeben durch die
unter Druck stattfindende Bespritzung, nicht Benetzung und noch
weniger Versprayung der Formaldehydwasserlösung, wie dies bei
den Apparaten von Praussnitz und Czaplewsky geschieht. Als
Spritze ist jede Saug- und Druckpumpe, also jede Feuerlöschspritze,
auch eine sog. Peronosporaspritze (Grub er) tauglich, falls ein An-
satzstück (Düse) zur Verwendung kommt, das in einer Entfernung
von 2—3 m einen fächerförmig verteilten Strahl von ca. 1—2 m Basis-
länge liefert. Eventuell kann auch ein zusammengerolltes und auf
eine Schlitzgröße von ca. 1 mm flach gedrücktes Blechstück, das in
den Schlauch eingebunden wird, zur Verwendung kommen. Bei unseren
Versuchen wurde mit einem Druck von 1 — 4 Atmosphären gearbeitet,
so daß also tatsächlich ein Wasserstrahl erzielt wurde, der nicht
allein eine gründliche Durchnässung des zu desinfizierenden Objektes
auch in Höhlen und Spalten, sondern auch eine direkte Reinigung
von grobem Schmutz, Eiter etc. ermöglichte. Ein einfaches Über-
tünchen oder Überpinseln genügt, wie schon Gruber bemerkt, unter
keinen Umständen, da ein Eindringen in Ritzen durch diese Art
der Auftragung des Desinfektionsmittels nur ganz ausnahmsweise
stattfindet.
Eine Benetzung oder Besprengung, wie sie z. B. durch die zur
Kalktünchung oder zum Anstreichen verwendeten Streudüsen (z. B.
Körtingdüse) erzielt wird, ist, wie bereits erwähnt, gleichfalls zu
— 49 —
vermeiden, da einerseits die Zerstäubung des Wassers einen großen
Teil des durch die Spritze aufgebrachten Druckes in Anspruch
nimmt, und da andererseits die so fein verteilte Flüssigkeit an der
Oberfläche in Form von feinen Tröpfchen haften bleibt, daher eine
gründliche Durchnässung und zugleich Reinigung durch verstäubte
Flüssigkeitsmassen nicht möglich ist.
Was nun die zur Desinfektion ausreichende Flüssigkeitsmenge
anbetrifft, so haben unsere Versuche ergeben, daß man in Stallungen
auch mit geringeren Mengen, als bei der Viehwagendesinfektion an-
gegeben, verläßlich arbeiten kann. Es zeigte sich, daß eine Menge
von 3/4 L. fiir den Quadratmeter Objekt vollkommen ausreicht; die
Flüssigkeitshöhe würde daher bei horizontaler Lage und undurch-
lässigem Boden 0,75 mm betragen. Im allgemeinen dürfte es aber
genügen, wenn nicht besondere Umstände zur Ausnahme drängen, die
Wandflächen nur bis zur Höhe von 3 m in Betracht zu ziehen, da eine
Infektion der höher liegenden Wandteile und der Decke jedenfalls
zu den größten Ausnahmen zählt. Die Infektion der Stallwände
findet ja gewöhnlich durch Mist, Harn, Eiter, Blut, Wundsekrete,
Sputum etc. statt, wobei also die Krankheitserreger an körperlichen
Elementen haften, die gewiß nur höchst ausnahmsweise bis über
3 m Höhe geschleudert werden. Ist der Stall niedriger als 3 m,
dann müssen natürlich die Wände in ihrer ganzen Höhe und auch
die Decke in die Desinfektion einbezogen werden.
Erfahrungsgemäß ist der Stall namentlich in den unteren Partien
verschmutzt und daher auch eventuell verseucht; es ist demnach auch
ein wesentlicher Vorteil der beschriebenen Methode, daß durch die
von den Wänden abfließende Desinfektionsflüssigkeit gerade die
unteren Partien der Wände und der Winkel zwischen Wand und
Boden besonders ausgiebig von der Formaldehydlösung durchtränkt
werden.
Die Konzentration der Desinfektionsflüssigkeit wird durch zwei
Grenzen bestimmt: Durch die verläßliche Desinfektionswirkung einer-
seits und durch die Kosten sowie, besonders beim Formalin, durch
die Zulässigkeit vom sanitären Standpunkte aus andererseits. Eine
Desinfektionsflüssigkeit von genügender Konzentration ist nun eine
1 proz. Formaldehyd- = 2,5 proz. Formalinlösung (also für 100 Liter
Flüssigkeit 2,5 Liter Formalin).
Die Bespritzung beginnt am besten mit der Wand, an der der
Eingang sich befindet, wird dann an der gegenüberliegenden und
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 1. 4
— 50 —
den beiden anderen Wänden fortgesetzt, und zum Schluß wird der
Boden und ev. die Decke vorgenommen. Keinesfalls darf man sich
aber mit einem einmaligen Übergehen der Wände mit dem Flüssig-
keitsstrahl begnügen, da die Menge von 8/4 Liter pro Quadratmeter,
auf einmal auf die Wand gespritzt, zum größten Teile abrinnen
würde. Es empfiehlt sich, die Verspritzung der ganzen Flüssigkeits-
menge in einem 3— 4maligen Turnus vorzunehmen, stets immer in
der eben angedeuteten Reihenfolge, wobei die Menge der bei einem
einmaligen Turnus verbrauchten Flüssigkeit als Maßstab dienen
kann. Ergab die Berechnung, daß in einem Stalle 90 Liter zur
Verspritzung kommen sollen, so empfiehlt es sich, diese Gesamt-
menge durch Verbrauch von 3 X 30 Litern Flüssigkeit zu erzielen.
Der Zweck eines solchen Verfahrens ist klar: Nebst Verhinderung
des allzu großen Abfalles und dadurch Erzielung einer höchst-
möglichen Durchtränkung steigt natürlich die Sicherheit, alle Ritzen
und Löcher mit Desinfektionsflüssigkeit erfüllt zu haben, mit der
Anzahl der Einzelbespritzungen, gleiche Flüssigkeitsmeugen vor-
ausgesetzt. Auch Tonzig empfiehlt auf Grund seiner exakt durch-
gefiihrten Untersuchungen eine zwei-, womöglich aber dreifache
Besprengung, wenn man wirklich die Sicherheit haben will, alle
Teile einer Wand besprengt zu haben.
Was die Dauer des ganzen Desinfektionsvorganges anbelangt,
so spielt dieselbe bei der Stalldesinfektion wohl eine wesentlich
geringere Rolle als bei der Viehwagendesinfektion, bei der die
Desinfektion in 24 Stunden vollzogen sein muß. Immerhin legt
aber auch die räumliche Beschränkung in vielen Fällen eine mög-
lichst rasche Durchführung des ganzen Vorganges nahe.
In Übereinstimmung mit unseren Versuchen in Eisenbahnvieh-
transportwagen sind auch bei der Stalldesinfektion (wie bereits er-
wähnt) als unterste Grenze 4—5 Stunden zu bezeichnen, unter die
man nicht gehen soll, wenn man die Sicherheit des Desinfektions-
erfolges nicht gefährden will. Doch dürften ja in den meisten
Fällen weitaus größere Zeiträume zur Verfügung stehen. Zur Be-
seitigung des Geruches genügt in den meisten Fällen einfaches
Lüften; nötigenfalls kann auch zur Neutralisation des Formal-
dehyds durch Verspritzen einer 1— 2 proz. Ammoniaklösung von un-
gefähr Vö der verwendeten Formalinwassermenge geschritten werden ;
74 stündiges Lüften nach einer derartigen Neutralisation beseitigt
den Geruch vollständig.
— 51 —
Versuch 17 wurde in dieser Weise angestellt. 6 Stunden nach der Aus-
spritzung eines Stalles von ca. 61 cbm mit 50 Litern 1 proz. Formaldehydlösung
wurden 10 Liter Wasser mit 200 ccm offiz. Ammoniaklösung mit derselben
Spritze verspritzt und dann sofort gelüftet. 10 Minuten später konnte bereits
ein Pferd in den Stall eingestellt werden, ohne daß das Tier irgendwelche
abnorme Erscheinungen bot. Der Geruch nach Formaldehyd und Ammoniak
war tatsächlich fast vollständig verschwunden. Auch Versuch 4, 6, 7 und 8
beweisen die rasche geruchtilgende Wirkung der Ammoniaklösung.
Die Belästigung, die das ausführende Personal bei dem Des-
infektionsvorgang erleidet, hängt von verschiedenen Ursachen ab.
Zuerst natürlich von der Konzentration der verwendeten Formaldehyd-
losung. Ferner von der Temperatur der Lösung und der Lufttempe-
ratur, von der Größe des Stalles und schließlich von der Feinheit der
Zerstäubung. Wiewohl dieser letztere Faktor schon aus anderen, oben
erwähnten Gründen auszuschließen ist, so sei hier auch gleichfalls
nachdrücklich darauf hingewiesen, daß feine Zerstäubung der
Formaldehydwasserlösung offenbar durch Begünstigung der Inhalation
die Belästigung durch Formaldehydgas bis zur Unerträglichkeit
steigert und so die Durchführbarkeit der Methode von vornherein
in Frage stellt. Ebenso wirkt die Erwärmung der Flüssigkeit
auf etwa 40—50 Grad durch Beschleunigung der Formaldehyd-
verdampfung äußerst unangenehm, wie wir dies aus unseren Vor-
versuchen wissen. Der zu desinfizierende Raum hat insofern Einfluß
auf die Belästigung, als dieselbe in kleinen Räumen entschieden
unverhältnismäßig größer ist als in größeren, selbst bei gleich-
bleibenden relativen Formaldehydmengen. Im allgemeinen ist aber
die Belästigung durch den Formaldehyddampf bei Verwendung von
1 proz. Lösungen auch in kleineren Stallungen (ca. 50 cbm) und bei
ziemlich hohen Lufttemperaturen (23—24° C) wesentlich; sie be-
schränkt sich aber nur auf die bekannte Reizwirkung des Formaldehyds
auf die Schleimhäute, namentlich der Augen und der oberen Luft-
wege. Versuchsweise verwendete ich einigemal eine Schutzbrille,
bestehend aus zwei Uhrgläsern, die durch mit Luft gefüllte Kautschuk-
ringe festgehalten und durch zwei Bänder, die am Hinterhaupt zu
knüpfen sind, an die Umgebung der Augen gasdicht angepreßt
werden können. Tatsächlich war dadurch die Belästigung bei
unseren Grenzversuchen (höhere Konzentration, 2—3 proz. Form-
aldehyd, und höhere Flüssigkeitstemperatur) wesentlich verringert, ja
es schien mir, als ob die Reizung der Augenbindehaut das domi-
nierende Symptom der Formaldehydreizung darstelle, da nach Eut-
4*
— 52 —
fernnng der Brille während des Versuches auch die Reizung der
Luftwege wesentlich zuzunehmen schien (Reflex?).
Doch sind bei diesen Reizsymptomen, die übrigens bei dem
erwähnten normalen Vorgang in erträglichen Grenzen bleiben,
zwei Momente als wesentlich hervorzuheben; das ist erstens die
Gewöhnung an den stechenden Geruch des Formaldehyds, die
ja schon lange an den Arbeitern in den Formaldehydfabriken
beobachtet wird, die übrigens ziemlich rasch einzutreten pflegt,
und zweitens der Mangel jeder bleibenden Schädigung. Bei
den erwähnten Grenzversuchen war tatsächlich die Reizung derart,
daß ein Aufenthalt in dem Raum und eine Fortführung des
Versuches nur mit dem Aufgebot aller Willensstärke möglich
waren. Ein kurzer Aufenthalt in frischer Luft, einige tiefe Atem-
züge — und jede Reiz Wirkung war verschwunden; niemals traten
weder bei mir noch bei dem Hilfspersonal bleibende Schädigungen
(Katarrhe usw.) ein. Doch ist nochmals zu betonen, daß bei Ver-
wendung lproz. Lösungen die Reizerscheinungen im allgemeinen
gering und durch Aufklärung des Personals über die Unschädlichkeit
derselben sicher zu überwinden sind.
Demgegenüber steht der durch keine Maßnahmen wettzu-
machende Vorteil, daß der Desinfektor unter Kontrolle der Augen
willkürlich die Intensität der Desinfektion beeinflussen kann, indem
er besonders beschmutzte Stellen, Ritzen, Fugen usw., durch
energische Behandlung mit dem Formaldehydwasserstrahl einer
unmittelbaren Desinfektion unterzieht, wie dies durch eine wahllose
Gasdesinfektion niemals zu erreichen ist.
Versuch 18 beweist, daß gut die Hälfte eines Stalles desinfiziert
werden kann, ohne daß die übrigen Tiere entfernt werden müssen
oder irgend welchen Schaden nehmen.
Der Stall faßte ca. 357 cbm; in zwei Ecken befinden sich Boxen (3,1 m
X :>,;> m *, /.wischen beiden Boxen 4 durch Streitbäume von einander getrennte
Staude, An dem frei bleibenden Teil der einen Kurzwand ist durch einen
Bretterverschlag eine Abteilung für 4 Schafe und 2 Ziegen angebracht. Die
Pferde der 4 mittleren Stände wurden nun entfernt, und der Boden, die den
Ständen zugewendeten Box wände und die Mauer bis zur Höhe von 3 m mit
58 Litern lproz. Formaldehydlösung bespritzt. Nur die Schafe und Ziegen
zeigten etwas Husten und Niesen, die beiden in den Boxen befindlichen Pferde
gaben keinerlei Zeichen eines Unbehagens, trotzdem sämtliche Fenster ge-
sc hl ' '^oji waren und nur die Türe, die übrigens auf einen geschlossenen Gang
fulirtr, oflfan stand. Nach 3 Stunden wurden die Oberlichtfenster (3) geöffnet,
und 4 Stunden später konnten bereits die 4 Pferde, ohne Wechsel der Streu,
— 53 —
in ihre Stände gestellt werden, ohne daß eines irgend ein pathologisches
Symptom zeigte. Übrigens zeigte schon Fairbanks, daß Mäusen und
Kaninchen ein 25 stündiger Aufenthalt in einem Zimmer von 93 cbm, in dem
190 Formalmpastillen (2 g Formaldehyd auf 1 cbm) verdampft worden waren,
nichts schadete.
Materialschaden kam nicht zur Beobachtung. Die Wände
trockneten rasch ab; Holz und Leder (Fairbanks) werden über-
haupt durch Formaldehyd nicht angegriffen, sondern im Gegenteil
konserviert; ebenso werden Eisenbestandteile nicht mehr in Mit-
leidenschaft gezogen, als dies durch den Stalldunst geschieht.
Dagegen hat das Formaldehyd eine ausgesprochen gerachtilgende
Wirkung, wie dies namentlich bei der Desinfektion von Hunde- und
Schweinestallungen eklatant hervortritt. Auch bei unseren mehr-
erwähnten Versuchen zur Desinfektion von Eisenbahnviehtransport-
wagen war diese geruchtilgende Wirkung insbesondere bei dem kaum
zu beseitigenden Geruch nach Schweinetransporten auffallend in
Erscheinung getreten.
Die Versuchstechnik war die gleiche, wie sie bei der Vieh-
wagendesinfektion eingehalten worden war:
Gut versporte, schiefe Agarkulttiren von verschiedenen Milzbrandstämmen
wurden mit Kochsalzlösung abgeschwemmt und durch ein gewöhnliches, steriles
Faltenfilter filtriert. Diese Emulsion wurde V« Stunde auf 75 ° C erhitzt und
sodann durch Ausstriche auf Agarplatten auf Sporenhaltigkeit und Reinheit
geprüft Gleichzeitig wurde chirurgische Nähseide (Nr. 6) durch zweistündiges
Auskochen in 1 proz. Sodalösung sterilisiert, sodann in gleich lange Stück-
chen (1 bis 1V2 cm) geschnitten und in Petrischalen, und zwar im Auto-
klaven, bei 120 ° nochmals sterilisiert. Sie wurden dann mit der sporenhaltigcn
Emulsion übergössen und blieben 24 Stunden im Eisschrank stehen. Am nächsten
Tage wurden sie bei 50 ° in einem Kupferofen getrocknet und auf ihre Resistenz
gegen strömenden Wasserdampf geprüft, indem sie mit Pinzetten auf ein zu-
g-eschärftes Platindrahthäkchen gespießt wurden, welches seinerseits in das
eine Ende eines Glasstabes eingeschmolzen war, während das andere Ende
des Glasstabes in einem Korkpfropfen steckte. Diese Vorrichtung wurde nun
in die obere Öffnung eines K ochschen Dampfsterilisators gesteckt und die
Fäden so verschieden lange Zeit dem Dampf ausgesetzt. Ihre Keimfähigkeit
wurde in Bouillon bei vierwöchentlicher Beobachtung im Brutschrank geprüft.
Neuerliche Kontrollproben mit Einlegen in Bouillon sowie Erhitzen einiger so
beschickter Eprouvetten Va Stunde auf 75 ° dienten nochmals zur Feststellung der
Reinheit und Sporenhaltigkeit. Die Fäden wurden nun in sterilisiertes Filter-
papier gleich Pulvern in den Apotheken verpackt, mit Nummern versohen und
nun an verschiedenen Stellen des Stalles zum Teil frei an den Wänden und
am Boden, zum Teil hinter Eisenringen, in Ritzen zwischen Tür und Mauer-
werk, an der Holztür, an hölzernen Streitbäumen, Wasserbottichen mit kurzen
Drahtstiften befestigt.
— 54 —
Nun wurden unter Variation der Konzentration, Menge, Temperatur
der Flüssigkeit die Desinfektionsversuche vorgenommen, wie am
besten aus nebenstehender Tabelle hervorgeht.
Nach Abschluß eines jeden Versuches wurden die Päckchen der Reihe nach
gesammelt und blieben in einer Glasschale, mit einer ziika lproz., sterilen Am-
moniaklösung Übergossen, Vi Stunde zur Neutralisation des zurückgebliebenen
Formaldehyds stehen. Die Neutralisierung unterblieb in jenen Fällen, bei
denen behufs der Geruchstilgung des Formaldehyds Ammoniak im Stalle
verspritzt wurde.
Die sterile Ammoniaklösung wurde in der Weise hergestellt, daß in steriles
Wasser Ammoniakgas durch Erwärmen einer offiziellen Ammoniaklösung ein-
gebracht wurde.
Nach der Neutralisation kam jeder Faden in ca. 10 ccm Bouillon und wurde
durch vier Wochen im Brutschrank gehalten. Sodann wurden die Resultate
notiert und auf Prozente der abgetöteten zur Gesamtmenge berechnet. Selbst-
verständlich wurden stets Kontrollproben zum Nachweis der Unschädlichkeit
der Ammoniakbehandlung angelegt.
Unsere Versuche lehren demnach, daß die Methode praktisch
durchführbar ist. Einigermaßen Schwierigkeiten machte nur die
Desinfektion sehr kleiner Stallungen wie die unserer Kontumazställe
(nur 45,3 cbm), da hier der Geruch nach Formalin derart stechend
wird, daß der ungeübte Desinfektor kaum mit der nötigen Sorgfalt
und Ruhe verfahren würde. Dem ist aber durch Bespritzung von
außen, ev. mit Beihilfe eines längeren Steigrohrs (ll/2 m) leicht
abzuhelfen, wie dies bei unserem Versuch Nr. 14 mit einer 3proz.
Formaldehydlösung geschah.
Wenn man hierbei die Wand zuerst vornimmt, an der sich
der Eingang in den Stall befindet, wobei natürlich von innen ge-
spritzt werden muß, dann aber sofort die Desinfektion von außen,
ev. durchs Fenster fortsetzt, so ist die Belästigung minimal und
bei der Kürze der Entfernungen auch noch die Kontrolle der Des-
infektion durch das Auge möglich.
Aber auch im Versuch Nr. 8 findet sich trotz der Größe des
Stalles (330 cbm) der Geruch nach Formalin als fast unerträglich
vermerkt. Die Ursache liegt einmal in der größeren Menge des
zur Verwendung gelangten Formaldehyds (2l/2 Liter Formalin auf
1(K) Liter Wasser), als nach der Regel (3/4 Liter Flüssigkeit pro
1 cbm) verwendet werden würde (78,6 Liter); dem entspricht also
ein Mehrverbrauch von *j2 Liter Formalin. Ferner wurde die Ver-
spritzung dieser 100 Liter in einem siebenmaligen Turnus vor-
genommen, wodurch natürlich die letzten Bespritzungen schon in
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— 56 —
einer mit Formaldehydgas erfüllten Atmosphäre geschehen mußten,
wobei noch eine die Verdampfung des Formalins wesentlich be-
schleunigende Lufttemperatur von 26—30° C herrschte. Die Dauer
der Bespritzung war daher in diesem Falle mindestens eine dreimal
so lange als bei einem zwei- bis dreimaligen Turnus (1 Stunde
10 Minuten gegen 20 Minuten). Hält man sich aber streng an die
oben angegebene Weisung bezüglich Menge der Desinfektionsflüssig-
keit, Konzentration und Art der Bespritzung, so wird sich dieser
Übelstand ohne weiteres vermeiden lassen. (Versuch 12 und 13.)
Die Materialkosten des ganzen Verfahrens sind ver-
hältnismäßig gering. 1 Liter 40 proz. Fonnaldehyd (= 40 Liter
1 proz. Formaldehyd), d. h. die für die Desinfektion von ca. 50 qm
ausreichende Menge, kostet ungefähr 1 Krone (etwa 85 Pf.).
Was nun die Wirksamkeit des Verfahrens angeht, so er-
gaben unsere Stallversuche in völliger Übereinstimmung mit unseren
Eisenbahnwagenversuchen, daß die Desinfektion bei Temperaturen,
die zwischen 10° und 24° C liegen, klaglose Resultate ergibt, daß
jedoch bei niederen Temperaturen (+ 6°) die desinfizierende Wirkung
wesentlich geringer wird (Versuch 9, 10, 11). Die wässerige Formal-
dehydlösung folgt demnach genau demselben Gesetz, das schon Koch
für eine Reihe von Desinfektionsmitteln (Karbolsäure, Schwefelkohlen-
stoff usw.), Pottevin, Fairbank, Trillat, Mayer und Wolpert.
Perkuhn u. a. für das gasförmige Formaldehyd festgelegt hatten.
Es wird nun Aufgabe weiterer Versuche sein, festzustellen, ob
und wie diesem Mangel des Verfahrens in einer Weise abzuhelfen ist, daß
die eingangs aufgestellten Forderungen vollinhaltlich erfüllt werden.
(Versuch 15 und 16 scheinen einen Fingerzeig für die einzuschlagende
Richtung zu geben.) Über die Wiederholung dieser Versuche bei noch
niedrigeren Temperaturen sowie über die bereits angedeuteten Ver-
suche der Leder-, Dünger- und Bodendesinfektion wird demnächst be-
richtet werden.
Literatur.
Beitzke, Über eine einfache Desinfektion mit Formaldehyd. Hyg. Bund-
schau 1903, S. 521.
Brunn, Formaldehyddesinfektion durch Verdampfen verdünnten Formalins.
Zeitschrift für Hygiene, Bd. 30, S. 201.
Dieudonne, Über Desinfektion mit Karboformalglühblocks. Münch. med.
Wochenschr. 1900, Nr. 42, S. 1456.
Enoch, Eine neue Desinfektionsmethode mit Formaldehyd. Hyg. Rund-
schau 1899, Nr. 25.
— 57 —
Erne, Zur Beurteilung der Desinfektion mit sog. Karboformalglühblocks. Hyg.
Rundschau 1901, S. 1075.
Fairbank, Weitere Versuche zur Formaldehyddesinfektion. Zentralbl. für
Bakt. Bd. 23, S. 80, 689.
Flügge, Die Wohnungsdesinfektion durch Formaldehyd auf Grund praktischer
Erfahrungen. Klinisches Jahrbuch 1900, Bd. 7.
Grub er, Die wirksame Desinfektion der Viehwaggons. Das österr. Sanitäts-
wesen 1895, S. 428.
Gruber, Die wirksame Desinfektion der Viehwaggons. Das österr. Sanitäts-
wesen 1898, S. 345.
Gruber, Die wirksame Desinfektion der Viehwaggons. Das österr. Sanitäts-
wesen, Beilage zu Nr. 4, 1900.
Koch, Über Desinfektion. Mitteil, aus dem Kais. Gesundheitsamt, I, S. 234.
Kr eil. Verfahren zur Desinfektion mit Formaldehydlösnngen unter Benutzung
erhitzter Metallkörper. Hyg. Rundschau 1903, S. 954.
Lange, Versuche über Wohnungsdesinfektion nach dem Verfahren von Krell-
Elb. Hyg. Rundschau 1902, S. 729.
Lewasche w, Über die Gefahr, welche einige zur Entwicklung von Formal in -
dämpfen vorgeschlagene Apparate bieten. Hyg. Rundschau 1904, 8. 977.
Magnus, Versuche über Desinfektion mit besonderer Berücksichtigung mili-
tärischer Verhältnisse. Hyg. Rundschau 1902, S. 369.
Mayer u. Wolpert, Beiträge zur Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd.
Hyg. Rundschau 1901, S. 153.
Mayer u. Wolpert, Über die Verstärkung der Desinfektionswirkung des
Formaldehyds durch allseitigen künstlichen Innenwind. Archiv f. Hygiene,
Bd. 43, S. 171.
Peerenboom, Zum Verhalten des Formaldehyds im geschlossenen Raum und
zu seiner Desinfektionswirkung. Hyg. Rundschau 1&98, Nr. 16.
Perkuhn, Untersuchungen über Stalldesinfektion durch Formaldehydwasser-
verdampfung mittelst desLingnerschen Apparates. Monatshefte f. prak t.
Tierheilkunde 1905, Bd. 16, S. 289.
Pottevin, Untersuchungen über die antiseptische Kraft des Formaldehyds.
Annal. Pasteur 1894, S. 807.
Römer, Zur Frage der Formaldehyddesinfektion. Beiträge zur exp. Therapie,
Bd. V, S. 113.
Schnürer, Weitere Versuche zur Desinfektion der Eisenbahnviehtransport wagen
mit wäßrigen Formaldehydlösungen. Diese Zeitschrift, Bd. I, S. 33 u. 144.
Schnürer u. Januschke, Zur Desinfektion der Eisenbahnviehtransportwagen
usw. Zeitschrift f. Tiermedizin, Bd. 9, S. 376.
Springfeld, Zeitschrift für Polizei- und Verwaltungsbeamte 1901.
Steinitz, Vereinfachte und improvisierte Formaldehyddesinfektion. Zeitschr.
für Hyg., Bd. 50, S. 473.
Tonzig, Über die Grenzen der praktischen Wirksamkeit der Desinfektion der
Räume usw. Hyg Rundschau 1902, S. 797.
Trillat, Versuche über die Formaldebyddampfdesinfektion. Annal. Pasteur
1896, S. 294.
(Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin.)
Zum Nachweis von Tuberkelbazillen in Versandmilch.
Konservierung der Versandproben mit 0,5proz. Borsäure.
Von
Dr. phil. Gnstay Kuhn,
wissenscb. Hilfearbeiter am Institut.
Bei der Tilgung der Tuberkulose des Rindes nach dem Oster-
tagschen Verfahren wird zur Ermittelung der Fälle von Eutertuber-
kulose die klinische Untersuchung der Tiere durch eine bakterio-
logische Untersuchung harpunierter Euterstückchen, hauptsächlich
aber durch die bakteriologische Verarbeitung der Milch unterstützt.
Bei den Milchprüfungen handelt es sich entweder um Einzelproben
klinisch verdächtiger Kühe oder um Gesamtmilchproben, die zur
Kontrolle untersuchter Bestände in regelmäßigen Zwischenräumen
entnommen werden.
Die Art der Verarbeitung solcher Milchproben ist bekannt
Eine bestimmte Menge (etwa 40—50 ccm) wird mit Hilfe einer elek-
trisch angetriebenen Zentrifuge ausgeschleudert und der mit Tuberkel-
bazillen angereicherte Bodensatz an Meerschweinchen subkutan
oder intramuskulär verimpft. Die Versuchstiere werden nach
4—8 Wochen getötet, wenn nicht schon früher durch ihre klinische
Untersuchung (tuberkulöse Schwellung der Lymphdrüsen an der
Impfstelle) Tuberkuloseverdacht festgestellt wurde. Durch die Ob-
duktion der Versuchsmeerschweinchen und den Nachweis der Tu-
berkel bazillen in den spezifisch veränderten Teilen wird die Diagnose
der Tuberkulose einwandfrei gesichert.
Bei der bakteriologischen Untersuchung der Milchproben hat
sich nun der Übelstand bemerkbar gemacht, daß in der wärmeren
Jahreszeit die vom Besitzer an das bakteriologische Laboratorium
versandte Milch zuweilen schnell gerinnt und dann nicht mehr aus-
— 59 —
geschleudert und weiter bakteriologisch verarbeitet werden kann.
Da sich das Zentrifugieren der Milch und die Verimpfung des
Zentrifugenbodensatzes im Laboratorium nicht immer unmittelbar
nach dem Eingang der Proben ausfuhren läßt, so kam es zuweilen
vor, daß eingesandte Proben wegen Gerinnung nicht ordnungsmäßig
verarbeitet werden konnten, und daß seitens des Laboratoriums
erneute Probesendungen erbeten werden mußten.
Um diesem Übelstand vorzubeugen, machte der Direktor des
Bakteriologischen Instituts der Landwirtschaftskammer für die Pro-
vinz Sachsen, Dr. H. Raebiger, den Vorschlag, den Milchproben
zur Verhinderung vorzeitiger Gerinnung Borsäure, und zwar in der
Menge von 0,5 °/0 zuzusetzen. Es unterlag keinem Zweifel, daß
durch diesen Zusatz der bakterioskopische Nachweis der Tuberkel-
bazillen nicht gestört wird; denn zur Konservierung von tuberkulösem
Material zwecks färberischen Nachweises der Tuberkelbazillen wird
in den Laboratorien 4proz. Borsäure ohne Beeinträchtigung des
Konservierungszweckes zugesetzt. Dagegen fehlten Unterlagen für
die Beantwortung der Frage, ob Milch, die mit Borsäure in der von
H. Raebiger angegebenen Konzentration versetzt ist, noch zur
weiteren bakteriologischen Verarbeitung, zur Verimpfung
an Versuchstiere geeignet ist, oder ob die Tuberkel-
bazillen durch den gedachten Zusatz in ihrer Virulenz
geschädigt werden.
Zur Klärung dieser strittigen Frage habe ich auf Veranlassung
des Herrn Professors Dr. Ostertag nachfolgende Untersuchungen
ausgeführt.
Zu den Untersuchungen ist die Milch einer mit Eutertuber-
kulose behafteten Kuh verwandt worden, die im Institut zu
Demonstrationszwecken gehalten wird. Die Milch ist, um den
Versuch den Verhältnissen in der Praxis bei der Untersuchung
einer Sammelmilchprobe aus einem Bestände anzupassen, mit der
hundertfachen Menge Milch einer gesunden Kuh verdünnt worden. Ein
Teil der Milch blieb ohne Zusatz, um zu Kontrollversuchen ver-
wertet zu werden (Probe I), ein anderer wurde in Mengen von
je 149,25 ccm in Flaschen gefüllt, in die 0,75 g Borsäure als
Pulver gebracht worden war (Probe II), ein dritter Teil ist mit 4proz.
Borsäurelösung in der Menge versetzt worden, daß der Zusatz
0,5 °/0 betrug (Probe III). Von jeder Milchsorte wurden je 150 ccm
in sterile Flaschen gefüllt, zunächst 24 Stunden bei Zimmer-
— 60 —
temperatur (zur Versuchszeit 20° C) und dann, um auch in dieser
Hinsicht die Verhältnisse der Praxis (Versand bei gewöhnlicher
Temperatur, Aufbewahrung der Proben nach Eingang im Laboratorium
in einem kühlen Raum) nachzuahmen, bei 13° C aufbewahrt. Ins-
gesamt sind mit der angegebenen Menge Milch einer jeden Probe
zehn Flaschen gefüllt worden. Je 50 ccm des Inhalts dieser Flaschen
wurden zu verschiedenen Zeiten mit einer elektrischen Zentrifuge
30 Minuten lang bei einer Geschwindigkeit von 3600 Umdrehungen
in der Minute ausgeschleudert. Der auf diese Weise erhaltene
Bodensatz einer jeden Flasche ist an je zwei Meerschweinchen
subkutan und intramuskulär im Bereich der Innenfläche eines
Hinterschenkels verimpft worden.
Die Versuche sind am 3. Juli begonnen und am 6. August
abgeschlossen worden.
Der Bodensatz der Kontrollmilchproben, die ohne Zusatz von Bor-
säure gelassen worden waren, wurde sowohl am Tage der Milchent-
nahme (3. Juli 1906), wie am 1., 2., 3. und 4. Tage nach dem
Melken an je zwei Meerschweinchen verimpft. Vom 5. Tage nach dem
Melken ab war die Kontrollmilch vollständig geronnen, so daß
es nicht mehr möglich war, den voluminösen Bodensatz zu ver-
impfen.
Der durch Zentrifugieren gewonnene Bodensatz der mit Borsäure-
pulver und Borsäurelösung konservierten Milchproben wurde am
1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 9., 12. und 15. Tage nach dem Melken
an je zwei Meerschweinchen verimpft. Die mit Borsäure in
Substanz und in Lösung versetzten Milchproben waren am 15. Tage
nach dem Melken noch völlig flüssig und frei von Gerinnseln. Es
war somit durch den Borsäurezusatz möglich, die Milch während
eines Zeitraumes, der für die praktischen Bedürfnisse mehr als aus-
reichend ist, in einem Zustand zu erhalten, der ihre uneinge-
schränkte bakteriologische Verarbeitung ermöglicht.
Von den Impftieren starb ein mit Kontrollmilch geimpftes
Meerschweinchen am 11. Tage interkurrent. Bei den übrigen
Kontrollmeerschweinchen konnten bereits 14 Tage nach der Impfung
Schwellung der Kniefaltendrüsen sowie Abszeß- und Geschwürs-
bildung an den Impfstellen nachgewiesen werden, Veränderungen,
die in der Folge an Umfang zunahmen.
Von den Meerschweinchen, die mit durch Borsäurepulver und
durch Zusatz von Borsäurelösung konservierter Milch geimpft waren.
— 61 —
starb je eines am 28. und 29. Tage und am 14. und 28. Tage nach
der Impfung an Tuberkulose. Diese vier Tiere zeigten dieselben
Veränderungen wie die übrigen Meerschweinchen, die beim Abschluß
der Versuche am 3. und 6. August 1906 getötet wurden: An der
Impfstelle befand sich ein linsen- bis bohnengroßer, käsiger Abszeß
oder ein käsiges Geschwür; die Kniekehlen-, Kniefalten- und Darm-
beindrüsen der Impfseite waren linsen- bis bohnengroß und mit
verkästen Herden durchsetzt, in denen sich zahlreiche Tuberkel-
bazillen vorfanden. Vereinzelt waren auch bei einigen Meer-
schweinchen die Lymphdrüsen der rechten Seite mit Tuberkeln
durchsetzt.
Sämtliche Meerschweinchen waren an akuter Miliartuberkulose
erkrankt, und zwar ohne Unterschied, ob die Tiere mit Kontroll-
milch oder mit durch Borsäure konservierter Milch geimpft waren.
Der Grad der Veränderungen war bei allen Tieren nahezu gleich.
Die mit Kontrollmilch geimpften Meerschweinchen ließen keinen
höheren Grad der Tuberkulose erkennen, als die nach der gleichen
Zeit getöteten Tiere, die mit durch 0,5 proz. Borsäure konservierter
Milch geimpft worden waren.
Faßt man das Ergebnis der Versuche zusammen, so ergibt sich,
1. daß ein Zusatz von 0,5 % Borsäure sowohl in Form des
Pulvers als auch der Lösung zu Milch genügt, um die
Milch während eines Zeitraumes von 15 Tagen vor der
Gerinnung zu schützen;
2. daß durch diesen Zusatz die Virulenz der in der Milch
enthaltenen Tuberkelbazillen nicht nachweisbar beein-
trächtigt wird.
Über das Vorkommen von Trichinen bei der Ratte.
Von
L. Bahr,
Tierarzt In Kopenhagen.
In den letzten Jahren hat man — wesentlich wegen der beim
Menschen vorgekommenen Trichinosefälle — den Trichinen wieder
größere Aufmerksamkeit zugewandt. Unter diesen Umständen wird
jeder Beitrag zur Aufklärung der Weiterverbreitung der Trichinen
von Interesse sein. Es hat sich mir in meiner Tätigkeit die Ge-
legenheit geboten, eine große Anzahl Ratten, die aus Kopenhagen
und mehreren ländlichen Gehöften stammten, zu obduzieren, und
diese habe ich, namentlich auf Anregung des Herrn Prof. C. 0. Jensen,
zugleich auf Trichinen untersucht. Es ist das vorläufige Resultat
dieser Untersuchungen, das ich hier mitteile.
Man hat früher an verschiedenen Orten Untersuchungen auf
Trichinen bei Ratten angestellt;*) so hat Heller aus 29 verschiedenen
Orten in Sachsen, Bayern, Württemberg und Österreich im ganzen
704 Ratten eingesammelt, unter denen sich 8,3 °/0 als trichinös er-
wiesen (in Abdeckereien war der Prozentsatz am höchsten [22,1° 0],
in Schlächtereien 2,3 °/0 und in anderen Orten durchschnittlich 0,3 °/0).
Diejenigen Ratten, die trichinös befunden wurden, waren in den
meisten Fällen sehr stark infiziert. Leisering untersuchte
Ratten aus 18 Abdeckereien (im Königreich Sachsen); in 14 dieser
Örtlichkeiten waren die Ratten trichinös. Gerlach wies nach, daß
der größte Teil der untersuchten Ratten aus Schlächtereien in
Hannover (in denen sich trichinöse Schweine fanden) trichinös war.
Adam fand bei der Untersuchung von 18 Ratten (aus den Augs-
burger Abdeckereien) 2 trichinöse. Franck untersuchte 33 Ratten
aus Schlächtereien in München und fand 2 trichinöse. Unter
77 Ratten aus Erlangen, Nürnberg und Kronach waren 7 trichinös.
F essler teilt mit, daß er unter 24 untersuchten Ratten aus dem
Schlachthaus in Bamberg 12 mit Trichinen behaftet fand. Müller
untersuchte die Verhältnisse an einem Orte (Blankenburg), wo seit
*; R. Ostcrtag, Handbuch der Fleischbeschau, 1902, S. 490.
— 03 —
vielen Jahren Trichinosefälle beim Menschen aufgetreten waren:
alle in einer Abdeckerei gefangenen Ratten waren trichinös. Roll
untersuchte 146 Ratten aus Wien und fand nur 1 trichinöse darunter;
dagegen waren unter 47 Ratten aus einer Abdeckerei 7 trichinös,
und unter 3 t Ratten aus anderen Gegenden (Brunn, Ostrau, Privos)
fanden sich 20, die Trichinen beherbergten. Csokor fand unter
den untersuchten Ratten aus dem Schlachthaus St. März in
Wien 5% trichinös. Genersich untersuchte 183 Ratten aus
Ungarn und fand in 10 Fällen Muskeltrichinen und in 2 Fällen
Danntrichinen. Von Interesse ist seine Angabe, daß die trichinösen
Ratten ausschließlich aus 2 bestimmten Gehöften stammten.
Billings fand, daß in der Export-Schlächterei in Boston (Amerika)
alle untersuchten Ratten, in einer Abdeckerei 76°/0 und von Ratten
aus der Stadt selbst 10% trichinös waren.
In Dänemark hat Prof. H. Krabbe 8 Ratten aus der Hunde-
klinik der Königlichen Tierärztlichen und Landwirtschaftlichen Hoch-
schule untersucht; 5 derselben waren stark trichinös. St. Fries
fand 1887, daß 18 aus den Absonderangsställen der Hochschule
stammende Ratten sämtlich trichinös waren, während unter den
Ratten, die aus den Pferdeställen stammten, sich nur einzelne
trichinöse fanden* Ferner fand man, daß 25°/0 der am Eisenbahn-
körper gefangenen Ratten mit Trichinen behaftet waren; an diesem
Ort lagen damals große Müllhaufen. Unter den untersuchten Ratten
aus folgenden Örtlichkeiten: Laus verschiedenen Lokalitäten in Kopen-
hagen und dessen Nähe, 2. aus den Mullablagerungsstätten auf Amager,
3. aus einer Wurstfabrik und einer Knochenleimfabrik ebendaselbst
und 4. aus der Kopenhagener Exportschlächterei fanden sich keine
trichinösen. — Höyberg (Tierarzt des Kopenhagener Gesund-
heitsamtes) hat mir mitgeteilt, daß er Ratten aus 7 Müllablagerungs-
stätten auf Amager, im ganzen 119 Individuen, untersucht hat,
ohne Trichinen zu finden. Unter 205 aus Kopenhagen nebst Vor-
städten stammenden Ratten waren 2 trichinös.
Was meine eigenen Untersuchungen betrifft, so geht aus um-
stehender Tabelle hervor, aus welchen Orten die Ratten stammten,
wieviel aus jedem Ort untersucht wurden, an welchen Orten sieb
trichinöse Ratten fanden und in welchem Prozentsatze.
Im ganzen habe ich 371 Ratten untersucht und unter diesen
19 (d. h. 5,12 %) trichinös gefunden. Außer der gemeinen grau-
braunen Wanderratte habe ich 17 schwarze Ratten (Mus rattus)
— 64 —
Nr.
Fangort der Hatten
*0 «B
S»S 3.S«
3
1-
» (3
«< «5
Prozent-
satz
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Löschplatz (Amager)
Innere Stadt (Kopenhagen)
Tivoli (Kopenhagen)
Vorstadt Vesterbro (Kopenhagen) ....
Frederiksborg
Vorstadt Christianshavn ........
Vororte (Vaulöse-Rödovse) bei Kopenhagen
Roskilde
Hof I (Seeland)
Hof II (Seeland)
Hof m (Fünen)
Hof IV (Fünen)
Hof V (Fünen)
Hof VI (Fünen)
Hof VII (Fünen)
Hof VIII (Fünen)
Hof EX (Lolland)
Hof X (Lolland)
Im ganzen
68
44
30
11
56
5
24
6
8
13
37
11
6
13
7
10
10
12
10
15,7
27,3
10,8
18,2
371
19
5,12
und 15 ägyptische Ratten (Mus alexandrinus) — aus den Speichern
des Freihafens — untersucht, bei denen ich indes keine Trichinen
nachzuweisen vermochte. Unter den graubraunen trichinösen Ratten
fanden sich 10 alte und 8 mittelgroße; eine Ratte war ganz jung,
wohl nicht mehr als 4 Monate alt, und hatte ganz frisch einge-
kapselte Trichinen.
Was die Menge der Trichinen in jedem Gesichtsfelde betrifft,
so fanden sich bei 9 Ratten 4—8, bei 5 Ratten 12—18 und bei
5 anderen Ratten nur einzelne Trichinen in jedem Gesichtsfelde.
Ebenso wie Heller, fand auch ich, daß die infizierten Ratten
gewöhnlich sehr stark mit Trichinen behaftet sind.
Aus der Tabelle geht hervor, daß ich Ratten aus im ganzen
18 verschiedenen Örtlichkeiten untersucht habe; nur in vier der-
selben fanden sich trichinöse Ratten. Die Zahlen sind freilich nur
klein; vergleicht man aber diese Resultate mit den von anderen
Untersuchern (z. B. Genersich) erhaltenen, so deuten sie doch
darauf hin, daß es einzelne bestimmte Lokalitäten gibt, wo
— 65 —
die Trichinen besonders anwesend sind, daß es, mit anderen
Worten, Herde der Trichinose gibt. Unter diesen Umständen
wäre es wünschenswert, daß anch an anderen Orten derartige
Untersuchungen angestellt würden, die dann Klarheit darüber ver-
breiten würden, auf welche Lokalitäten man bei der Bekämpfung
der Trichinose besondere Aufmerksamkeit zu richten hat. Frühere
Untersuchungen deuten nämlich darauf hin, daß an solchen Orten,
wo der Prozentsatz der Trichinose bei den Ratten ein hoher ist,
auch ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz der Trichinose bei den
Schweinen angetroffen wird. Die früheren Untersuchungen hat man
allerdings noch nicht hinlänglich vertieft; es gelang mir indeß, in
einem Falle jene Tatsache festzustellen. Aus der obengenannten
Müllablagerungsstätte untersuchte ich im ganzen 68 Ratten, unter
denen 10 sich als trichinös erwiesen. Durch Anfrage bei dem Ober-
tierarzt Rasmussen (Kopenhagener Fleischbeschau) erfahr ich aus
den Journalen, daß unter 122 untersuchten Schweinen aus der-
selben Müllablagerungsstätte 10 trichinös waren. In diesem Falle
stimmen die Zahlen also recht gut überein.
Die Frage ist jetzt die: Wie bekommen die Schweine die
Trichinen? Frühere Untersuchungen haben nachgewiesen, daß die
Schweine die Trichinen bekommen, wenn sie trichinöse Abfalle oder
trichinöse Ratten fressen. Obschon sich dies wohl nicht bestreiten
läßt, ist es doch, wie Höyberg*) dargetan hat, bei unserer ratio-
nellen Schweinezucht wohl nicht allgemein, daß Schweine trichinöse
Ratten fangen und fressen. Auf eine an 50 bekannte Schweine-
züchter gerichtete Anfrage erhielt Höyberg von 46 derselben die
Antwort, sie hätten äußerst selten gesehen, daß ein Schwein Ratten
gefangen und gefressen habe.**) Es muß also noch einen anderen
Weg geben, auf dem die Verbindung zwischen den Trichinen der
Ratte und denen des Schweines hergestellt wird. Höybergs Unter-
suchungen*), mittels deren er experimentell bewies, daß dte Fäzes
trichinenbehafteter Tiere imstande sind, andere Tiere zu infizieren,
machen es ziemlich wahrscheinlich, daß wir die Fäzes als eine
wichtige Infektionsquelle zu betrachten haben.
*) H. M. Höyberg, Bidrag til Trikinens Biologi (Kopenhagen 1906). (Vgl.
Referat S. 102 dieses Heftes [Red.])
**) Was die trichinösen Abfälle betrifft, so läßt sich in vielen Fällen
nicht beweisen, daß sie eine Infektionsquelle bilden.
Zriucbrift für Infektlongkrankheiten. II, 1.
Referate.
Bericht
über die erste Tagung der Freien Vereinigung für Mikro-
biologie im Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin
7., 8. und 9. Juni 1906.
Erstattet von dem Schriftführer
A. Wassermann«
Im Laufe des Jahres 1905/06 hat sich eine freie Vereinigung
für Mikrobiologie gebildet, der die größte Anzahl der die Bakterien-
oder Protistenkunde beruflich ausübenden Gelehrten der Länder
deutscher Zunge angehört. Diese freie Vereinigung hielt in den
drei letzten Tagen der diesjährigen Pfingstwoche ihre erste Zu-
sammenkunft, die der Behandlung von wissenschaftlichen Fachfragen
gewidmet war, im Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin ab.
Seitens der Versammlung wurde beschlossen, daß ein durch den
Schriftführer A. Wassermann anzufertigender offizieller Übersichts-
bericht über die Verhandlungen, der hier folgt, zu veröffent-
lichen sei.*) Der ausfuhrliche Verhandlungsbericht, bestehend aus
den Originalvorträgen oder Autoreferaten der Vortragenden und
Diskussionsredner soll nach dem Beschluß der Versammlung all-
jährlich in einem besonderen Heft des Zentralblattes für Bakterio-
logie erscheinen.
*) Der leitende Ausschuß der Mikrobiologen -Vereinigung hat beschlossen,
den Übersichtsbericht über die Verhandlungen der Vereinigung außer einigen
medizinischen Zeitschriften der Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre
Krankheiten und Hygiene der Haustiere regelmäßig zur Veröffentlichung zu
übergeben. Die Red.
— 67 —
1. Verhandlungstag, 7. Juni 1906.
Vorsitzende: Flügge (Breslau),
Gärtner (Jena).
Herr Flügge eröffnet die Zusammenkunft mit einer Ansprache, worin
er Zweck und Ziel der freien Vereinigung für Mikrobiologie ausein-
andersetzt.
Herr Gaffky heißt die Teilnehmer in den Räumen des Instituts für
Infektionskrankheiten willkommen.
Offizielles Referat:
„Die Fortschritte der immunitätsforschung im Jahre 1905/06."
Referent: Herr R. Kraus (Wien).
Aus dem umfassenden Referat, das fast alle gegenwärtig in Diskussion
befindlichen Punkte der Immunitätslehre umfaßte, seien einige, weitere
medizinische Kreise besonders interessierende Punkte hier herausgegriffen:
Die lange Zeit zwischen Ehrlich und seinen Anhängern einerseits,
Arrhenius und Madsen andererseits bestehende Streitfrage über die
g-egenseitigen Beziehungen von Toxin und Antitoxin erklärt Referent
als zugunsten Ehrlich s entschieden. Bezüglich der in den letzten Jahren
hervorgetretenen Neigung, die Reaktionen gewisser Kolloide auf die Im-
mnnitätslehre zu übertragen, steht Kraus auf dem Standpunkt, daß die
Kolloide wohl gewisse Analogien mit denjenigen Substanzen bieten, die
im Immunserum vorkommen, daß man aber mit der unmittelbaren Über-
tragung dieser Ergebnisse auf das Immunitätsgebiet sehr vorsichtig sein
müsse. Zu demselben Schluß kommt Referent für die Lehre der Lipoide
und Antitoxine. Die Spezifizität der Immun-Substanzen ist vorläufig durch
alle diese Studien nicht geklärt und bis jetzt nur mit Ehrlichs Theorie
verständlich. Für besonders wichtig für die Lehre von den Antitoxinen hält
Krau 8 den Nachweis, daß diese Substanzen ihre Avidität ändern können.
Einen Ausblick zur Erweiterung der Antitoxintherapie scheint ihm die
Tatsache zu bieten, daß einzelne Stämme echter Choleravibrionen ein lös-
liches, filtrierbares Toxin bilden. Man könne deshalb daran denken, eine
spezifische antitoxische Serumtherapie gegenüber Cholera zu erreichen.
In die Lehre der Agglutinine und Präzipitine haben die Untersuchungen
von Porges eine Änderung gebracht. Nach diesen Untersuchungen sei
es nicht mehr aufrecht zu erhalten, daß bei der Agglutination vier Gruppen,
nämlich zwei bindende und je eine fällende und fällbare in Tätigkeit treten.
Die Arbeiten von Pick und Obermeier haben nachgewiesen, daß bei
Semm-Präzipitinen der physikalische Zustand des zur Behandlung des
Tieres gewählten Eiweißmaterials eine große Rolle spielt. Vorher er-
— G8 —
hitztes Serum liefert ein qualitativ anderes präzipitierendes Serum als
nicht erhitztes. Betreffs der Agglutininprobe erklärt Kraus den Versuch
Zupniks, die Grundlagen der Serodiagnostik zu erschüttern, als ge-
scheitert. Auf die praktische Bedeutung des in allerjüngster Zeit auf
Grund der Arbeiten von Bordet, Gengou, Moreschi u. a. so eifrig
bearbeiteten Phänomens der Komplementablenkung geht der Referent ange-
sichts der Unabgeschlossenheit dieses Gebietes noch nicht ein. Er hält die
Methode eventuell für geeignet, unser Wissen bei solchen Krankheiten, deren
Erreger bisher unbekannt sind, zu fördern. Die Lehre von dem Bestehen
von Antikomplementen hält er durch die Studien über die Komplement-
ablenkung für erschüttert. Ob dies auch für die Antiambozeptoren zutrifft,
will er vorläufig dahingestellt lassen.
Über die neueren Arbeiten auf dem Gebiet der Phagozytose (Wright,
Neufeld und Rimpau) gibt der Referent eine Übersicht. Kraus läßt
die Möglichkeit einer Verschiedenheit zwischen bakteriotropen und bak-
teriziden Substanzen offen. Er sieht in den neueren Arbeiten die Möglich-
keit einer Überbrückung der bisher eingenommenen Standpunkte von
Metschnikoff und Pfeiffer.
Die Aggressine von Bail und dessen Mitarbeitern erklärt der Referent
für nicht bestehend. Auf Grund der Arbeiten von Dörr schließt er sich
der Ansicht von Wassermann und Citron an, daß es sich bei den
Bail sehen Aggressinen um die Wirkung aufgelöster Bakteriensubstanzen
handle. Die infektionsbefördernde Wirkung der Aggressine sei keine
spezifische, sondern die in den Exsudaten aufgelösten Substanzen seien
toxisch. Diese schädliche Wirkung summiert sich zu derjenigen einer an
und für sich untertödlichen Dosis der lebenden Infektionserreger. Durch
diese Summierung werde diese zu einer tödlichen. Dies sei nichts Spezi-
fisches, denn Dörr habe beispielsweise bei Dysenterie den von Bail
als spezifische Aggressinwirkung betrachteten infektionserhöhenden Effekt
mit heterologen Substanzen wie Diphtheriegift usw. erreichen können. Die
sogenannte Aggressinsubstanzen-Immunität sei eine Immunität durch gelöste
Bakteriensubstanzen im Sinne von Wassermann und Citron.
Herr Flügge dankt dem Referenten für das klare, umfassende Referat.
Herr Grub er (München) in Gemeinschaft mit Futaki:
„Ober Infektion und Resistenz bei Milzbrand."
Grub er bemerkt einleitend, daß bei der intravenösen Infektion von
Kaninchen mit Typhusbazillen diese massenhaft von den Leukozyten auf-
genommen werden. Diese starke Phagozytose von Typhusbazillen kann
man mittelst normalen Kaninchensemms auch im Reagenzglas demon-
strieren. Das normale Serum verliert indessen diese Wirkung, wenn es
— 69 —
bei 55 ° inaktiviert wird. Die betreffende Substanz ist demnach thermolabil.
Sie wirkt auf die Bakterien und nicht auf die Leukozyten (Opsonin).
Die Substanz ist vom Alexin verschieden. Im Immunserum kommen
thermostabile Substanzen der gleichen Wirkung vor. Eingehend hat sich
der Vortragende mit den Ursachen der Immunität gegen Milzbrand be-
schäftigt. Hier spielt nicht die thermostabile Substanz des Serums, die
die Phagozytierbarkeit der Bakterien ermöglicht, die ausschlaggebende
Rolle. Vielmehr ist hier ausschlaggebend die Kapselbildung der Milzbrand-
bazillen. Mit Kapseln versehene Bazillen werden im Tierkörper weder
von gelösten Stoffen der Körpersäfte, noch von Leukozyten abgetötet.
Dörr (Wien):
„Ober Aggressiv".
Aggressine im Sinne Baus existieren nicht. Die von Bail als
Aggr essin Wirkung angesprochene Exsudat Wirkung ist durch gelöste Bakterien-
substanzen hervorgerufen. Diese sind toxisch. Infolgedessen erhöhen sie
die Infektionswirkung einer an sich nicht tödlichen Infektionsmenge. Diese
Wirkung ist nicht spezifisch. Sie kann durch Diphtherie- und Cholera-
toxin bei allen möglichen Halbparasiten hervorgebracht werden.
R. Pfeiffer und R. Scheller (Königsberg i. Pr.):
„Ober Immunisierungsversuche an Tauben gegen Vibrio Metechnikoff."
Die Verfasser prüften die Baiische Aggressinhypothese an Vibrio
Metschnikoff bei Tauben, also einem Ganzparasiten für diese Tierart. Die
Aggressine wurden aus der Ödemflüssigkeit des injizierten Brustmuskels ge-
wonnen. Diese Flüssigkeit wurde durch Puk all sehe Filter filtriert.
Trotz Verwendung großer Mengen von Exsudat wurde keine Spur von
Immunität erzielt, wogegen minimale Mengen abgetöteter Vibrionen stets
Immunität hervorriefen. Die Verfasser sprechen sich deshalb gegen die
Baiische Aggressintheorie aus.
Landsteiner (Wien):
A. „Über Adsorptionsverbindungen."
Toxine haben besondere Affinität zu Lipoiden (Tetanus-, Botulismus-
toxin und Hämotoxine).
Dies iBt besonders wichtig für die Erklärung des Hirntetanus- Ver-
suches von Wassermann undTakaki, der deshalb nicht ohne weiteres
zur Stütze der Ehrlichschen Theorie zu verwenden sei. Agglutinine
haben dagegen Adsorptionsaffinität zu Eiweißsubstanzen, Komplemente zu
zahlreichen Substanzen kolloidaler Art, sowohl eiweißartiger als lipoider
Natur, wie z. B. Cholestearin, Peptonen, Glykogen etc.
— 70 —
B. „Ober den Immunisierungsprozeß."
Vortragendem ist es gelungen, Unterschiede zwischen den normalen
und den immunisatorisch erzielten Hämagglutininen aufzufinden. Die
normalen sind nur in geringem Grade, die immunisatorisch erzielten in
hohem Grade spezifisch. Bei der Immunisation entstehen also im Organismus
ganz neue Substanzen.
Neufeld und Hübner (Berlin)
„Ober die Rolle der Phagozytose bei der Immunität gegen Cholera-,
Typhus- und Paratyphusbazillen."
Der Vortragende (Neufeld) kommt zum Schluß, daß auch durch
das Typhus- und Cholera-Immunserum neben der spezifischen Bakteriolyse
eine spezifische Phagozytose hervorgerufen wird, und daß beide Vorgänge
nebeneinander als gleichberechtigt anzusehen seien. Ob die bakteriotropen
und bakteriziden Substanzen identisch seien, könne noch nicht mit Sicher-
heit gesagt werden. Eine Reihe von Tatsachen spricht dagegen.
Löhlein (Leipzig):
„Einiges über Phagozytose von Pest- und Milzbrandbazillen."
Vortragender bemerkt, daß das Ausbleiben der Phagozytose von
Pestbazillen im Meerschweinchen-Peritoneum nicht völlig geklärt sei.
Sicherlich beruhe es nicht auf einer allgemeinen Schädigung der Leukozyten.
Vortragender sieht die eventuellen Ursachen dafür entweder in der
Kapselbildung der Pestbazillen oder aber darin, daß die Pestbazillen
besondere Stoffe haben, die die Phagozytose verhindern. Bei Milzbrand
ist die Ursache des Ausbleibens der Phagozytose die Kapselbildung der
Bazillen.
Uhlenhuth (Greifs wald) :
„Über die Verwertbarkeit der Komplementablenkung für die forensische
Praxis und die Differenzierung verwandter Blutarten."
Uhlenhuth hat das Neißer-Sachssche Verfahren benutzt, um im
Serum von mit menschlichem Eiweiß vorbehandelten Affen Substanzen nach-
zuweisen, die menschliches Eiweiß, aber nicht dasjenige von Affen
spezifisch beeinflussen. Er bestätigt also mit diesem neuen Verfahren seine
früheren mit der Präzipitierungsmethode gewonnenen Resultate, wonach
durch kreuzweise Immunisierung streng artspezifische Sera gewonnen
werden können, die auch auf sehr nahestehenden Arten (wie Hase-
Kaninchen, Mensch-Affe) nicht wirken. Auch seine früheren Befunde über
das allen Tieren gemeinsame Eiweiß der Linse konnte er mittelst des
— 71 —
Neißer-Sachsschen Verfahrens bestätigen. In bezug auf die Brauchbar-
keit der Neißer-Sachsschen Methode für forensische Zwecke der
Eiweiß-Differenzierung kommt Uhlenhnth zn folgendem Schloß:
Die Neißer-Sachssche Methode ist als Bestätigungs-Reaktion für die
Präzipitierangs -Reaktion anzusehen. Nur bei unzweifelhaft positivem
Ausfall der Präzipitierungs -Reaktion kann die Neißer-Sachssche
Methode als Eontrollreaktion in Frage kommen. Bei negativer Präzi-
pitierungsreaktion ist auf einen eventuellen positiven Ausfall der Neißer-
Sachsschen Methode kein Urteil abzugeben, da wir über die komplement-
ablenkenden Substanzen noch nichts Bestimmtes wissen.
Über das Referat und die vorstehenden zum Gebiet der Immunität
gehörenden Vorträge fand eine gemeinsame Diskussion statt.
Diskussion.
R. Pfeiffer (Königsberg). Die Existenz echter Cholera-Antiambo-
zeptoren ist nicht erschüttert, wohl aber glaubt Pfeiffer im Gegensatz
zur neueren Auffassung Ehrlichs, daß der Angriffspunkt der Antiambo-
zeptoren an der zytophilen Gruppe sitzt. Betreffs der Opsonine möchte
es Pfeiffer noch dahingestellt sein lassen, ob diese selbständige
Substanzen oder ob sie nicht vielmehr identisch mit den bakteriolytischen
Substanzen normaler Blutsera sind. Zur Theorie der Aggressine übergehend,
glaubt Pfeiffer, daß diese Substanzen im Baiischen Sinne nicht existieren.
Bezüglich der allgemeinen Immunitätslehre ist Pfeiffer der Ansicht, daß
die Tatsachen, die beim Studium der Antiambozeptoren, Antikomplemente,
und antagonistischen Substanzen in neuester Zeit festgestellt wurden, sich
nur schwer durch die Ehrlichsche Theorie erklären lassen.
Löhlein (Leipzig) entgegnet Pfeiffer, daß fast alle Autoren darin
übereinstimmen, die Opsonine und bakteriolytischen Ambozeptoren nicht
für identisch zu erklären. Dagegen pflichtet er Kraus bei, wonach
die Opsonine wahrscheinlich mit dem Metschnik off sehen Fixateur (sensi-
bilatrice phagocytaire) identisch seien. Viele Meinungsdifferenzen über
die Bedeutung der Bakteriolyse einerseits, der Phagozytose andererseits
erklären sich dadurch, daß irrtümlich vielfach die sensibilatrice
phagocytaire mit dem bakteriolytischen Ambozeptor identifiziert wird.
Hahn (München): Die Aggressine seien keine neuen Substanzen.
Hahn erinnert in dieser Beziehung an eine Arbeit von Schneider, die
unter Büchners Leitung (Archiv für Hygiene 1897) angefertigt wurde.
In dieser Arbeit wurde gezeigt, daß alte filtrierte, auf 60° erhitzte
Bouillonkulturen von Typhus und Cholera beim Zusatz von Immunserum
die bakterizide Wirkung desselben aufheben.
A. Wassermann (Berlin) führt aus, daß er, wie das ja aus seinen
Arbeiten mit Citron hervorgehe, in den Aggressinen nur die Wirkung von
- 72 —
gelösten Bakteriensubstanzen sehe. Trotzdem aber müsse er für die hier
so hart verurteilten Aggressine bis zu einem gewissen Punkte als Für-
sprecher auftreten. Für die infektionserhöhende Wirkung könne er nicht,
wie Dörr, die Summierung des in den Exsudaten enthaltenen Toxins heran-
ziehen. Denn durch Jobling habe er bei Diphtherie in einer allerdings
noch nicht veröffentlichten Arbeit folgendes zeigen lassen: Wenn man
aus zwei verschiedenen Diphtheriekulturen, von denen die eine sehr toxisch,
die andere dagegen sehr wenig toxisch, dafür .aber sehr infektiös ist,
künstliche Aggressine herstelle, so zeige sich, daß die sehr toxische Kultur
Extrakte liefert, die nicht stärker infektionserhöhend wirken, als die
sehr wenig toxische, im Gegenteil ist meistens das Umgekehrte der Fall.
Daraus gehe mit Sicherheit hervor, daß die Substanzen, die im Aggressin
infektionserhöhend wirken, verschieden sind von dem eigentlichen Toxin.
Auf die praktische Wichtigkeit für die Gewinnung eines qualitativ von
dem Antitoxin verschiedenen Diphtherieserums durch Vorbehandlung von
Tieren mit den nach der Methode von Wassermann und Citron ge-
wonnenen Extrakten aus sehr infektiösen Diphtheriebazillen will Wasser-
mann hier nicht eingehen. Jedenfalls hat die Aufstellung der Aggressin-
lehre durch Bail das Verdienst, daß wir teils durch Bail selbst, teils
durch die Autoren, die infolge der Bai Ischen Veröffentlichungen in die
wissenschaftliche Bearbeitung dieser Frage eingriffen, sichere aktive Immuni-
sierungsmethoden für eine Reihe von Infektionen kennen lernten, bei denen
die Immunisierung bisher sehr schwierig war.
Im Anschluß an das Referat von Kraus macht Wassermann auf
das übereinstimmende Ergebnis einer Reihe von Arbeiten des letzten Jahres
aufmerksam, daß es eine Gruppe von Bakterien gibt, zu der diejenigen des
menschlichen Paratyphus, des Mänsetyphus, der Schweinepest und andere ge-
hören, die trotz ihrer ganz verschiedenen spontanen Pathogenität und ihres
verschiedenen Fundortes in bezug auf die spezifischen Serumreaktionen sich
ganz gleichartig verhalten. Das ist ein sehr wichtiges Faktum; es lehrt
uns jedenfalls, daß wir uns davor hüten sollen, neben den spezifischen
Serumreaktionen etwa konstante Pathogenitätsverhältnisse zu unterschätzen.
Gegenüber den Ausführungen Landsteiners betreffs der Adsorptions-
affinität des Tetanusgiftes zu Lipoiden und der Beziehungen, in die
Landsteiner sie mit dem Gehirn-Tetanus versuch gebracht hat, erklärt
Wassermann folgendes: Es scheine ihm möglich, daß die Adsorptions-
affinität des Tetanustoxins zu den Lipoiden in Betracht komme für den
Transport des Tetanusgiftes zu den giftempfindlichen Zellen. Die Bindung
in den letzteren sei aber mit der Lipoidadsorption Landsteiners nicht
identisch. Dies gehe daraus hervor, daß nach Versuchen von Dönitz die
an Lipoiden so ungemein reiche weiße Substanz des Gehirns das Tetanus-
gift nicht echt zu binden vermöge und daher im Tierversuch keinen Schutz
— 73 —
anstibe, was allein die zellreiche graue Substanz vermöge. In den Zellen
müssen also bei diesen Phänomen noch andere Faktoren mitwirken als
einfache Lipoide. — Im Anschluß an die Ausführungen von Uhlenhuth
sagt Wassermann, daß die Neißer-Sachssche Methode, wie jede
Methode, die auf der Komplementablenkung aufgebaut ist, leicht zu
Fehlerquellen Veranlassung gibt und deshalb einen mit diesen Dingen
durchaus vertrauten Arbeiter erfordert, daß sie aber prinzipiell vollkommen
zuverlässig und sicher arbeitet. Speziell die von Uhlenhuth angeführten
Fälle, wonach schon der Extrakt von allen möglichen Gegenständen, also
Sackleinwand usw., die Hämolyse hemme, lassen sich durch geeignete
Verdünnung fast stets ausschalten und entscheiden.
Gruber (München) teilt vollkommen die Ansicht von Wassermann
und Citron sowie Dörr, indem er ausführt, daß es keine besondere
Aggressinimmunität gibt, sondern daß es sich im wesentlichen dabei um
die Wirkung gelöster Bakteriensubstanzen handelt. Gruber konnte weiter-
hin zeigen, daß durch diese die Opsonine des normalen, sowie des Immun-
serums gebunden werden, wodurch die Phagozytose aufgehoben oder ein-
geschränkt wird. Dagegen hält auch er praktisch die Methode für sehr
brauchbar, was sich besonders bei Immunisierungsversnchen gegenüber
Cholera zeigt.
J. Citron (Berlin): Gegen die Auffassung Dörrs, wonach die infek-
tionsbefördernde Wirkung der Aggressine durch die Hinzuaddierung eines
toxischen Effektes zu einer sonst nicht tödlichen infektiösen Dosis ent-
stehe, spräche seine Beobachtung, wonach bei Schweineseuche künstlich
hergestellte wäßrige Aggressine stärker toxisch und weniger infektions-
erhöhend, dagegen die mit normalem Serum hergestellten weniger giftig
und stärker infektionsbefördernd sind. Die Beobachtungen von Pfeiffer
und Seh eil er, wonach diese Autoren bei ihren Versuchen mit Vibrio
Metschnikoff keine Immunität mittelst der natürlichen Aggressine
und nur schwache mittelst der künstlichen wäßrigen Aggressine er-
hielten, führt Citron darauf zurück, daß diese Autoren die Flüssigkeit
vorher durch Bakterienfilter filtrierten. Dadurch wird der größte Teil
der wirksamen Stoffe im Filter zurückgehalten. Betreffs der von Grub er
demonstrierten Eontaktwirkung der Leukozyten bei Milzbrand erinnert
Citron an ähnliche von ihm bei Experimenten an Favus und Trichophyton-
pilzen gemachte Beobachtungen, sowie an ältere Versuche Bibbert 8.
Kruse (Bonn) ist mit Pfeiffer einig in der kritischen Stellung
gegenüber der Ehrlich sehen Theorie. Gegenüber Neufeld betont er das
Vorkommen spezifischer bakteriolytischer Einflüsse im Pneumokokken-
serum. Mit Kraus ist Kruse einig darin, daß im Ruhrserum anti-
toxische Stoffe vorkommen. Daneben finden sich aber stets bakterioly-
tische Stoffe. Welche von beiden vorwiegend beim Kranken zur Wirkung
— 74 —
kommen, sei nicht zu sagen. Bezüglich der Aggressin-Theorie Bails er-
klärt Kruse, daß diese wohl widerlegt sei, nicht aber die Existenz aggres-
siver Stoffe oder vielleicht sogar spezifischer Aggressine.
Weichhardt (Erlangen) bemerkt im Anschluß an das Referat, daß
das Heufieber-Serum kein antitoxisches sei.
R. Pfeiffer (Königsberg) glaubt, daß das von Wassermann zur
Erörterung gestellte Verhalten der Hog- Cholera-, Paratyphus-, Mäuse-
typhusbazillen etc. nicht gegen die Bedeutung der spezifischen Serum-
diagnostik spreche. Es sei dies ein Verhalten, ähnlich wie bei den ver-
schiedenen Tuberkelbazillenarten, indem sich die Rassen einer Spezies durch
vielleicht jahrhundertelange Passage an eine bestimmte Tierart adaptiert
haben. Vielleicht sind dort noch bei weiterem Eindringen auch mittelst
der Serumdiagnostik Unterschiede zwischen den einzelnen Rassen zu
finden, ähnlich wie dies Uhlenhuth für die einander so nahestehenden
Eiweißarten von Mensch und Affe, Kaninchen und Hase gelungen ist.
Gegenüber Wassermann glaubt Pfeiffer, daß die Landsteinerschen
Beobachtungen nicht mit der Deutung des Tetanus-Hirnversuchs zugunsten
der Ehrlichschen Theorie vereinbar sind. Gegenüber Nenfeld betont
Pfeiffer, daß opsonische oder bakteriotrope Wirkungen vielleicht da-
durch hervorgerufen werden, daß die Leukozyten Komplemente enthalten.
Diese können die Bakterien „andauen" und dadurch einen chemotaktischen
Reiz setzen. Im allgemeinen warnt Pfeiffer vor der wiederauferstehenden
Phagozytoselehre. Denn mit der Phagozytose sei nichts erklärt. Warum
gehen die Bakterien im Inneren der Zelle zugrunde? Das sei das Wich-
tigste. Dabei spielen aber höchstwahrscheinlich die Stoffe eine Rolle,
die die Bakterien aus dem Serum, in dem sie sich mit denselben be-
laden, in die Zellen bringen. Gegenüber Citron bemerkt Pfeiffer, daß
Pfeiffer und Scheller bei ihren Versuchen mit Vibrio Metschnikoff die
Flüssigkeit absichtlich filtriert haben, da ja äußerst geringe Mengen
(Vioo Öse) abgetöteter Vibrionen sicher immunisieren. Da aber trotzdem
die Filtrate selbst in sehr großen Dosen nicht wirkten, so sei eben damit
bewiesen, daß in den Exsudaten keine nennenswerten Stoffe im Sinne Bails
vorhanden seien, die neu und von den bisher bekannten verschieden seien.
Morgenroth (Berlin) erinnert an die Versuche von Kyes und
Sachs über Cobra-Gifte. Die Existenz der Antiambozeptoren hält er
für sicher, diejenige der Antikomplemente für zweifelhaft. Zum Uhlen-
huth sehen Vortrag bemerkt er, daß zur Ausführung der Neißer-Sachs-
schen Methode stets ein durch Immunisierung gewonnenes hämolytisches
Serum zu empfehlen sei. Gegenüber Pfeiffer verteidigt Morgenroth
die Seitenkettentheorie.
Friedberger (Königsberg) weist hinsichtlich derNeißer-Sachsschen
Methode auf deren große Empfindlichkeit hin, so daß selbst Schweiß bis
— 75 —
zu einer Verdünnung von 1 : 1000 die Reaktion gebe. Deshalb solle man
für die Praxis die Sera nicht zn hoch wirksam nehmen. Bezüglich des
von Uhlenhnth erwähnten Umstandes, daß die heterogensten Dinge eine
Komplementablenkung geben können, glaubt auch Friedberger, daß
dieses Vorkommnis leicht zu vermeiden sei, und zu Irrtümern wohl nie Ver-
anlassung geben könne. Die scheinbare Komplementablenkung durch Harn
erklärt Friedberger durch die die Hämolyse hemmende Wirkung konzen-
trierter Salzlösungen. Gegenüber Morgenroth macht Friedberger Aus-
führungen, die in das spezielle Immunitätsgebiet einschlagen, so daß sie
zu kurzem Referat nicht geeignet sind.
Löhlein (Leipzig) bemerkt, daß bei Milzbrand und Pest völliger
Parallelismus zwischen Phagozytose in vitro und in vivo bestehe.
Gruber (München) bemerkt, daß es von örtlichen und zeitlichen
Umständen der Infektion abhänge, ob Phagozytose oder Bakteriolyse ein-
trete. Betreffs der Bemerkung Citrons stimmt er diesem zu, daß die
von Citron bei Favus gemachten Beobachtungen mit seinen eigenen und
mit der Ribbertschen Ummantelung übereinstimmen. Gegenüber Pfeiffer
bemerkt Grub er, die Leukozyten seien wohl imstande, geringe thermo-
stabile Substanzen abzuscheiden, dagegen sei es bisher nicht gelungen,
nachzuweisen, daß sie thermolabile (Opsonine, Alexine) abspalten.
Kraus (Wien) bemerkt gegenüber Kruse, daß ihm keine Arbeit
bekannt sei, worin Kruse von Antitoxin im Dysenterie-Serum bisher be-
richtet habe. Kraus schlägt weiterhin vor, daß Wassermann und
Citron den bisher angewandten Ausdruck „künstliche Aggressine" auf-
geben und statt dessen lieber die Stoffe als das, was sie sind, Bakterien-
extrakte, bezeichnen mögen.
Ostertag (Berlin) berichtet, daß er Hog-Cholerabazillen, Mäusetyphus-
bazillen und Paratyphusbazillen an Schweine verfüttert habe. In diesen
Versuchen zeigte sich Mäusetyphus und Paratyphus für diese Tierart nicht,
Hog-Cholera dagegen pathogen. Daraus folgt, daß diese Bakterien praktisch
als verschieden aufzufassen sind. Auch die Epidemiologie ergibt dies. Noch
niemals sei es beobachtet worden, daß in schweinepestverseuchten Gehöften
Paratyphus -Erkrankungen vorgekommen seien. Noch nie sei nach Genuß
schweinepesterkrankter Tiere Paratyphus aufgetreten. Die neue ameri-
kanische Schweinepest habe mit unserer Schweinepest nichts zu tun.
Betreffs der Aggressine hat Ostertag bei Schweinepest und Schweine-
seuche die gleiche Beobachtung gemacht wie Wassermann und Citron.
Ostertag hat weiterhin in praktischen Versuchen an Schweinen fest-
gestellt, daß es möglich ist, mit unfiltrierten Extrakten von Schweineseuche-
bakterien zn immunisieren. Dagegen waren die filtrierten Extrakte viel
weniger wirksam oder sogar ganz unwirksam.
— 76 —
Zweiter Yerhandlnngstag, 8. Juni 1906.
Vorsitzende: Löffler (Greifswald),
Grnb er (München).
Die Versammlung setzt zunächst die Diskussion zu den Vorträgen
des ersten Tages, betreffend das Gebiet der Immunisierung fort.
Löffler (Greifswald) hält Mäusetyphus und Paratyphus für ganz
sicher verschieden. Die beiden Arten unterscheiden sich auch kulturell in
einer bestimmt zusammengesetzten Malachitgrünbouillon. Paratyphus läßt
diese Lösung klar, Mäusetyphus erzeugt in ihr eine Trübung. Löffler
schließt hieraus, daß unsere bisherigen Differenzierungsmethoden als nicht
ausreichend erachtet werden können.
Neufeld (Berlin) betont gegenüber Pfeiffer, es sei nach seineu
Beobachtungen ausgeschlossen, daß die Bakterien primär außerhalb der
Leukozyten abgetötet und dann erst sekundär von den Zellen aufgenommen
werden. Er hält es für berechtigt, die Leukozytenversuche im Reagenz-
glase auf Vorgänge im lebenden Organismus zu übertragen.
Scheller (Königsberg) schließt sich den Ausführungen Pfeiffers,
betreffend die Filtration der Vibrio-Metschnikoff-Aggressine an.
Landsteiner (Wien) verteidigt gegenüber Morgenroth seinen
Standpunkt betreffs der Lipoid-Adsorption und der Analogie der Kolloide
mit Immunsubstanzen.
Pick (Wien) glaubt auf Grund von Versuchen, die er zusammen mit
Obermeier mittelst Diazobenzols an verschiedenen Toxinen angestellt
hat, daß die Bindung von Toxinen im Organismus ein für jedes Toxin
besonderer Vorgang und nicht mit den allgemeinen physikalischen Adsorp-
tionserscheinungen identisch sei.
Uhlenhuth (Greifswald) bemerkt, daß er bereits in seinem Vortrag
in Übereinstimmung mit Wassermann gesagt habe, daß sich die
Hemmung seitens fremder Stoffe durch Verdünnung vermeiden lasse. Statt
die Verdünnung anzuwenden, könne man das hämolytische System ver-
stärken. Auch er sei der Meinung, daß man stets ein durch Immunisierung
gewonnenes hämolytisches System verwenden müsse.
Kruse (Bonn) legt keinen Wert auf die Priorität der Antitoxine im
Ruhrserum gegenüber Kraus. Kruse hält die Bedeutung des Antitoxins
im Ruhrserum überhaupt für zweifelhaft. Die Unterscheidung von
Aggressinen und anderen Bakterien-Produkten erachtet er für wichtig.
M. Neißer (Frankfurt a. M.) betont gegenüber den Uhlenhuth-
schen Ausführungen, daß man nicht spezifische Hemmungsstoffe von spe-
zifischen stets leicht dadurch unterscheiden könne, daß die ersteren koch-
beständig, die letzteren dies nicht sind. Bezüglich der Unterscheidung
von Paratyphus- und Hog- Cholerabazillen ist auch Neißer der Ansicht,
— 77 —
daß die Pathogenität ausschlaggebend sei. Die Serumreaktion führe hier
nicht zum Ziel.
Kutscher (Berlin) bemerkt, daß manche Stämme von Mäusetyphus
und Paratyphus sich auch durch die Pathogenitätsprüfung nicht unter-
scheiden lassen, indem beide gleichmäßig die Tiere bei der Verfütterung töten.
Löffler (Greifswald) steht bezüglich des Neißer-Sachsschen
Verfahrens auf dem Standpunkt, daß es weit komplizierter ist und mehr
Fehlerquellen bietet, als das bisherige Präzipitierungsverfahren. Dieses
letztere habe sich in der Praxis bewährt und das Zutrauen zu demselben
darf deshalb nicht im geringsten erschüttert werden. Daneben sei
sicherlich zur weiteren Stütze des Präzipitierungsergebnisses die Ne iß er-
Sachs sehe Methode als Bestätigungsreaktion zu empfehlen.
(Schluß der Diskussion.)
Flügge (Breslau):
„Über quantitative Beziehungen der Infektion durch Tuberkelbazillen."
Finde 1 konnte im Institut von Flügge zeigen, daß Tuberkelbazillen
bei Inhalation seitens tracheotomierter Tiere unter Bedingungen, bei denen
weder die Rachenorgane noch der Darm mit den Bazillen in Berührung
kommen konnten, die höchste Infektiosität bewiesen. Derselbe Autor
führte in Versuchen mit Meerschweinchen die zahlenmäßige Bestimmung"
der geringsten Menge Tuberkelbazillen aus, die bei Inhalation und
derjenigen, die bei Verfütterung zu tödlicher Infektion führt. Die
Resultate waren folgende: Sichere Infektion der Tiere trat ein bei der
Inhalation von 90 Tuberkelbazillen. Dagegen trat bei der Verfütterung
selbst der 5500 fachen Menge keine Tuberkulose oder Drüsenanschwellung
auf. Die Inhalation ist also der gefährlichste Infektionsmodus. Die zur
Infektion per inhalationem nötige Grenzzahl kann sich, wie Ziesche im
Flug gesehen Institut feststellte, in den von Tuberkulösen ausgestreuten
Tröpfchen finden. Ziesche fand bei Untersuchungen an 30 Patienten auf
Entfernungen von 40—80 cm in den Tröpfchen im Mittel mehrere Hundert
Tuberkelbazillen. Die Frage, woher es komme, daß Ärzte, die Tuberkulöse
mit dem Kehlkopfspiegel untersuchen, trotzdem so selten an Tuberkulose er-
kranken, glaubt Ziesche erklären zu können; er fand, daß bei dieser
üntersuchungsmethode es nicht zur Ausstoßung bazillenhaltiger Tröpfchen
kommen kann, so lange die Kehlkopfspiegeluntersuchung dauert, da bei
offener Stimmritze der Druck zum Ausschleudern der Tröpfchen fehle.
Diskussion:
C. Fränkel (Halle) erinnert an die Birch-Hirschfeldschen Ver-
suche, die bereits die Gefahr der Inhalation bei Tuberkulösen klar bewiesen
— 78 -
haben. Er selbst habe sich lange Zeit mit Versuchen über die Virulenz
der Tuberkelbazillen beschäftigt und habe gefunden, daß diese sehr
konstant sei.
Bongert (Berlin) ist auf Grund eigener Versuche mit Milch von
tuberkulösen Kühen und auf Grund der Versuche von Preis z gleichfalls
der Ansicht, daß die Gefahr der Inhalation weit größer ist, als die der
Verfütterung der Taberkelbazillen, und daß die Lungentuberkulose durch
enteren und nicht durch letzteren Infektionsmodus entsteht.
Schütz (Berlin) berichtet gleichfalls über Beobachtungen und Ver-
suche, die diese Ansicht beweisen.
0. Müller (Königsberg) schließt sich auf Grund seiner Beobachtungen
bei Gelegenheit der Tilgung von Tuberkulose unter Rindern nach der
Methode Ostertags Flügges Ansicht von der Inhalationsentstehung der
Lungentuberkulose an.
Czaplewski (Köln) teilt mit, daß nach seinen in Görbersdorf aus-
geführten früheren Untersuchungen die Anzahl der infizierenden Tuberkel-
bazillen großen Einfluß auf den Verlauf der Tuberkulose habe.
(Schluß der Diskussion.)
Heim (Erlangen):
„Über Asbestfliter".
Heim beschreibt und demonstriert ein von ihm mittelst Asbest
konstruiertes Filter. Dieses arbeitet für die Zwecke der Bakterienfiltration
sehr zuverlässig. Das Filter ist leicht anzufertigen. Die dazu gehörigen
Teile sind von der Firma F. & M. Lautenschläger in Berlin zu beziehen.
Conradi (Neunkirchen):
„Ober Züchtung von Typhusbazillen aus dem Blut mittelst der Gallenkultur".
Die Vorteile des zuerst von Conradi eingeführten Gallenzusatzes
zu dem Untersuchungsblut bestehen darin, daß die Galle das Blut un-
gerinnbar macht, die bakterizide Kraft desselben aufhebt und daß Galle
zugleich ein Anreicherungsmittel für Typhusbazillen ist. Conradi ver-
wendet 10 ccm sterile Galle, die 10% Pepton und 10% Glyzerin enthält.
Das Blut wird tropfenweise zugesetzt. Zur Gewinnung des Blutes empfiehlt
und demonstriert Conradi einen von ihm konstruierten Blutschnepper,
mit dem leicht bis zu 2 ccm Blut aus den Ohrläppchen zu gewinnen sind.
Die Erfolge mit der Gallenmethode sind sehr gute. 35 Fälle gaben im
allerersten Stadium der Erkrankung positiven Befund nach 30 Stunden.
Die zum Gebrauch fertigen Gallenröhrchen sowie der Blutschnepper sind
durch die Firma F. & M. Lautenschläger in Berlin zu beziehen.
— 79
Diskussion.
R. Müller (Kiel) hat in Gemeinschaft mit Graf statt der Galle
Hirudin zu dem Untersuchungsblut zwecks Gerinnungshemmung zugesetzt.
Es hat sich indessen gezeigt, daß ein solcher Znsatz gar nicht nötig ist;
denn die Typhusbazillen halten sich auch im Blutkuchen noch lebend, so
daß man sie durch Ausstreichen des Blutgerinnsels gewinnen kann. Dieses
ist das einfachste Verfahren, da man auf diese Weise das Serum zur
Agglutination und den Blutkuchen zur Züchtung verwenden kann.
Frank el (Halle) hat Bedenken, ob in praxi die Ärzte genügend
Blut für die Conradische Methode von ihren Patienten erhalten können.
Lentz (Saarbrücken) fand bei Nachprüfungen die Conradische
Gallenmethode gut. Aber in praxi ist es sehr schwer, Blut zur Unter-
suchung zu erlangen. Deshalb ist auch das neue Instrument von Conrad!
seiner Ansicht nach nicht brauchbar. Er hat weiterhin die Methode Müller-
Gräf geprüft. Unter 100 Fällen hatte er damit zwölfmal positive Re-
sultate.
Pfeiffer (Königsberg) fragt an, wie bei Züchtung von Typhus-
bazillen aus Blutkuchen die bakterizide Wirkung des normalen Blutserums
verhütet wird.
Conradi erwidert darauf, daß die im Blutkuchen eingeschlossenen
Typhusbazillen vor dem bakteriziden Serum geschützt sind. Es sei dies
ähnlich wie bei den seinerzeitigen Versuchen Buchners mit in Watte-
bänschchen eingeschlossenen Bakterien. Sein Blutschnepper sei nicht un-
entbehrlich, aber er erleichtere die Blutentnahme. Er glaubt, daß in der
Praxis genügend Blut für Züchtungszwecke zu haben ist. Der Methode
Müller-Gräf fehlt der Vorteil der Anreicherung. Eventuell, kann man
versuchen, den Blutkuchen zu seinem Gallenpräparat zuzusetzen.
(Schluß der Diskussion.)
Czaplewski (Köln):
„Zur Technik der Typhusdiagnose."
Vortragender demonstriert und empfiehlt praktische Modifikationen
zur Herstellung des von Drigalski-Conradischen Agars. Ferner
empfiehlt er zur Unterscheidung von Koli und Typhus statt Neutralrot-
agar Neutralrotgelatine. Beim Pipettieren infektiösen Materials hat er
die Stroh8cheinsche Pipette als sehr praktisch gefunden.
Diskussion.
Scheller (Königsberg) zieht den En doschen Agar demjenigen von
v. Drigalski-Conradi vor.
— 80 —
Th. Müller (Graz). Aach in Graz habe man mit dem Endo sehen
Nährboden bessere Erfahrungen gemacht.
(Schluß der Diskussion.)
Lentz (Neunkirchen):
„Über Paratyphus."
Lentz bespricht die Differentialdiagnose des Paratyphus. Die
wichtigsten klinischen Symptome dieser Krankheit sind nach ihm:
1. Das plötzliche Einsetzen der Erkrankung (Schüttelfrost, Erbrechen,
Durchfall, rapider Temperaturanstieg) und 2. das Auftreten eines Herpes
labialis im Beginn der Krankheit; 3. stark fäkulent bis faulig riechende,
oft sehr viel Schleim enthaltende Darmentleerangen; 4. entweder sehr
zahlreiche kleine oder wenige sehr große (l1/* cm Durchmesser) Roseolen;
5. meist nur vom 3. bis 5. Tage der Krankheit deutlicher, sehr harter
Milztumor, der weiterhin sehr schnell verschwindet, so daß in späteren
Stadien der Krankheit Milztumor fehlt; 6. unregelmäßiger, atypischer Fieber-
verlauf, zuweilen mit allabendlichen Schweißausbrüchen vergesellschaftet;
7. leichter Krankheitsverlauf.
Für den Verlauf der Widalschen Reaktion stellt Lentz den Satz
auf, daß die Agglutination von Paratyphusbazillen durch solche Paratyphus-
sera, die das Paratyphns-Agglutinin als Hauptagglutinin enthalten, bei
makroskopischer Beobachtung in etwa l/2 Stunde bei Zimmertemperatur
vollständig bis zum Serumtiter abläuft, dagegen mit Typhusseris, die
Paratyphns-Agglutinin als Nebenagglutinin enthalten, erst nach zwei-
stündigem Aufenthalt der Proben im Brutschrank von 37° die Titer-
grenze erreichen.
Eine sichere Unterscheidung des Bacillus paratyphosus von den übrigen
Mitgliedern der sogenannten Hog-Cholera-Gruppe ist Lentz nicht gelungen.
Er erwartet die Entscheidung über die Frage nach der Identität dieser
Stämme von einer Untersuchung mit feineren kulturellen Methoden.
Diskussion.
Kruse (Bonn) verteidigt die Castellanische Reaktion bei der
Differentialdiagnose von Typhus und Paratyphus. Es sei dabei nur starke
Absättigung oder die Verwendung möglichst verdünnten Serums nötig.
Conradi (Neunkirchen) stimmt mit den klinischen Ausführungen
von Lentz nicht überein. Dagegen stimmt er Lentz bei, daß zur
Identifizierung neben den biologischen Methoden * auch sorgfältige
kulturelle Untersuchungen nötig sind.
Seh eil er (Königsberg) hat die Erfahrung gemacht, daß auch bei
verschiedenen Stämmen einwandfreier Typhusbazillen die Schnelligkeit
— 81 —
des Agglutinationseintrittes sehr verschieden sein kann. Er hält daher
bei der Verwertung dieses Symptoms für die Differentialdiagnose von
Typhus nnd Paratyphus Vorsicht für geboten.
Löffler (Greifswald) weist darauf hin, daß es mit Hilfe seiner
Grünlösungen mit der größten Leichtigkeit gelinge, Typhus und Para-
typhus zu unterscheiden. Auch mittelst der Grüngelatine könne man das-
selbe erreichen. Er sei damit beschäftigt, die Grüngelatine mittelst eines
neuen, von den Höchster Farbwerken erhaltenen Malachitgrüns zu ver-
bessern. Löffler verspricht Mitteilung darüber nach Beendigung seiner
Versuche.
Gaffky (Berlin) macht darauf aufmerksam, daß Paratyphus, wie
im Vorjahre im Kreise Rottbus beobachtet wurde, epidemisch akut unter
Cholerasymptomen auftreten kann. Bei der Untersuchung von choleraver-
dächtigem Material müsse man daher auch immer an Paratyphus-
erkrankungen denken.
M. Neißer (Frankfurt a. M.) empfiehlt zur Differentialdiagnose von
Typhus-, Dysenterie-, Paratyphus- und Kolibazillen lproz. Milchzucker-Agar.
Vagedes (Berlin) weist betreffs des Auftretens von Paratyphus als
Brechdurchfall auf eine Anzahl von ihm beobachteter Fälle hin, die sich
an eine Infektion mit Mehlspeise anschlössen. Zur Differentialdiagnose
bewährte sich ihm das Castellanische Verfahren gut. Er verwendete
dazu stark verdünntes Serum.
Finkler (Bonn). Es ist praktisch wichtig zu wissen, daß alle
Typhus- und Paratyphusfälle unter ganz verschiedenen Symptomen ein-
setzen können. Es mtissten daher die Ärzte auch bei dem leisesten Ver-
dacht auf eine dieser Krankheiten Material einsenden.
Schlußwort.
Lentz erwidert auf die gestellten Fragen.
(Schluß der Diskussion.)
Kraus (Wien):
„Über Vibrionen, Toxine und Hämolysine."
Kraus unterscheidet bei Vibrionen die Bildung eines flltrierbaren
Hämolysins für bestimmte rote Blutkörperchen (Hämotoxin) sowie eines
filtrierbaren, Kaninchen akut tötenden echten Toxins. Das erstere fand
er bisher nur bei solchen Vibrionen, die nicht echte Cholera- Vibrionen
sind. Dagegen zeigten die sechs in El Tor von Gottschlich isolierten,
aus dem Darm von klinisch an Dysenterie und Kolitis, aber nicht an
Cholera erkrankten Pilgern stammenden, sogenannten El Tor -Stämme
Hämolysinbildung und echte Toxinbildung. Diese Stämme verhalten sich
aber bei der Agglutination und dem Pfeifferschen Versuch gegenüber
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 1. g
— 82 —
wie echte Cholera -Vibrionen und wurden deshalb von Gottschlich,
Kolle u. a. für echte Cholera-Stämme erklärt. Kraus ist nun der An-
sicht, daß die Tatsache der Bildung eines filtrierbaren Hämolysins und
echten Toxins, was sich bisher bei zweifellosen Cholera-Vibrionen nicht
fand, so auffallend ist, daß er besonders in anbetracht des Fundortes der
El Tor-Stämme Zweifel für berechtigt hält, ob diese trotz ihres Ver-
haltens zum spezifischen Serum echte Cholera-Stämme sind. Zur Stütze
seiner Ansicht führt er weiter an, daß mit Toxin von solchen Vibrionen,
die sicher nicht Cholera sind, hergestellte Antitoxine das Toxin der
als Cholera angesprochenen £1 Tor -Stämme neutralisieren. Kraus hält
deshalb bei Zweifeln über die Cholera-Natur von Vibrionen neben den
Serumprüfungen die Untersuchung auf Bildung filtrierbaren Hämolysins
für wichtig. Betreffs der Bildung echter filtrierbarer Toxine bemerkt
Kr au 8, daß in jüngster Zeit in Paris ein Stamm echter Cholera (Cholera
Saigon) gefunden wurde, der diese Eigenschaften besitzt. Er hält diesen
Nachweis, daß auch der Vibrio der Cholera asiatica echtes Toxin in
Kulturen zu bilden vermag, für prinzipiell wichtig im Hinblick auf die
eventuelle Gewinnung eines antitoxischen Cholera-Serums für die Therapie,
was bisher mit den von R. Pfeiffer als Choleragift angesprochenen
Endotoxinen nicht möglich war.
Diskussion.
E. Gottschlich (Alexandrien) hält mit Bücksicht auf den positiven
Ausfall der Serum-Reaktionen, deren beweisende Kraft unerschüttert da-
stehe, daran fest, daß die El Tor-Stämme echte Cholera- Vibrionen sind.
Dafür spreche weiter das kulturelle Verhalten und vor allem die epidemio-
logische Betrachtung. Alle El Tor-Stämme seien nämlich bei Russen
und Türken gefunden worden, nie bei Egyptern, also nur bei Leuten, die
Gelegenheit hatten, sich in ihrer Heimat mit Cholera zu infizieren.
Auf die Bildung eines Hämolysins und filtrierbaren Toxins könne
man im Vergleich zur tausendfach bewährten Serum-Reaktion nichts geben.
Denn diese von Kraus gefundenen Eigenschaften seien sehr inkonstant.
Alle Vibrionen, die mit einander gar nichts zu tun haben, wie Vibrio
Metschnikoff und Vibrio Finkler, liefern ein und dasselbe Toxin. Es
scheint dies eine allgemeine Rasseneigenschaft zu sein, die nichts mit
den spezifischen Eigenschaften einer bestimmten Vibriospezies zu tun hat.
Die abweichenden Eigenschaften der El Tor-Stämme von echter Cholera er-
klären sich durch Mutation infolge langen Aufenthalts im menschlichen Darm.
Pfeiffer (Königsberg) erklärt gleichfalls die seit mehr als 10 Jahren
erprobte Spezifizität der Sernmreaktion bei der Choleradiagnose durch die
Kraus sehen Beobachtungen an den El Tor-Stämmen für unerschüttert
Besonders eingehend hat sich Pfeiffer schon vor Jahren mit der Frage
— 83 —
beschäftigt, ob bei der Cholera die Bildung eines echten Toxins vorkomme
und ob es möglich sei, ein Antitoxin zu gewinnen. Er hält das sogenannte
filtrierbare Toxin für die autolytisch in Freiheit und Lösung gegangene
toxische Substanz bes Bakterienleibes. Pfeiffer kann, wie schon 1903
auf dem Kongreß in Brüssel auseinandergesetzt, einen prinzipiellen Unter-
schied zwischen bakterizider und antitoxischer Funktion bei Cholera nicht
anerkennen. Bei aktiv immunisierten Tieren seien auch schon jetzt An-
zeichen von antitoxischer Immunität beobachtet worden. Für die Richtig-
keit seiner Endotoxinlehre sei beweisend, daß Meerschweinchen mit massen-
haften lebenden Choleravibrionen im Peritoneum keine Krankheitssymptome
zeigen, daß diese aber sofort auftreten, wenn durch Injektion bakteriziden
Choleraserums die bisher wohlerhaltenen Choleravibrionen aufgelöst und
so die Endotoxine frei werden. Für die Rolle der Leibessubstanz (Endo-
toxin) der Choleravibrionen in der menschlichen Pathologie spricht weiter
das Auftreten der bakteriziden Stoffe im Blute der Cholera-Rekonvaleszenten.
Kraus müßte erst beweisen, daß im Rekonvaleszentenserum auch Anti-
toxin gegen sein Toxin sich bilde.
Lief mann (Halle) bestätigt auf Grund seiner im hygienischen Institut
zu Halle gemachten Versuche die Angaben von Kraus bezüglich der
Hämolysin- und Toxinbildung der El Tor-Stämme.
Oaffky (Berlinj führt aus, daß die spezifische Serumreaktion bei
Cholera sich so ausgezeichnet bewährt habe, daß es ihm berechtigt er-
scheine, die El Tor- Stämme zu Cholera zu rechnen, auch wenn sie
Hämolysin und Toxin bilden.
Gruber (München) betont zunächst gegenüber Gottschlich, daß
die Pettenkofersche Lehre, so weit sie eine zeitliche Disposition zum
Zustandekommen einer Choleraepidemie fordere, durchaus nicht widerlegt
sei. Auch Grub er warnt vor dem Verlassen der spezifischen diagnosti-
schen Bedeutung der Serumreaktion bei Cholera. — Im übrigen begrüßt
Grub er den Nachweis eines echten filtrierbaren Toxins auch bei einem
unzweifelhaften Cholerastamm (Cholera Saigon) mit großer Freude. Denn
er habe Pfeiffers Endotoxinlehre seit jeher bekämpft und an die Sekretion
eines echten Toxins seitens der Choleravibrionen geglaubt. Er sei der
Meinung, daß das von Pfeiffer angeführte Experiment nicht gegen die
Sekretion eines echten Choleratoxins spreche. Denn wenn auch in den
mittelst Glaskapillaren aus der Meerschweinbauchhöhle entzogenen Ex-
sudaten scheinbar alle Choleravibrionen aufgelöst sind, so seien doch
stets an der Bauchwand und am Netz noch zahlreiche wohlerhaltene
lebende Vibrionen vorhanden, von denen dann eine Sekretion echten
Toxins ausgehen könne. Grub er hofft, für die nächstjährige Tagung
neues Material gegen die Endotoxinlehre auf Grund neuer Versuche
bringen zu können.
6*
— 84 —
Paltauf (Wien) macht darauf aufmerksam, daß Kraus nicht gegen
die Bedeutung der Serumreaktion bei Cholera gesprochen habe. Das An-
erkennen der praktischen Wichtigkeit der Serumreaktionen hindere aber
nicht, daß man daneben die durch Kraus neugefundenen Tatsachen in der
Lehre der Vibrionen intensiv weiter verfolge. Bezüglich der Cholera-
toxinfrage neigt Paltauf mehr zu Pfeiffers Standpunkt.
Gaffky (Berlin) weist auf die wichtige Tatsache hin, daß bisher in
cholerafreien Zeiten niemals Vibrionen gefunden wurden, die sich in
bezug auf Agglutination und im Pfeifferschen Versuch wie echte Cholera
verhalten.
Pfeiffer (Königsberg) verteidigt gegenüber Gruber nochmals die
Endotoxinlehre.
Kraus (Wien) erklärt, daß er sich nicht gegen die praktische
Brauchbarkeit der Serumreaktion in der Choleradiagnostik ausgesprochen
habe. Dagegen hält er bei Zweifeln über die Choleranatur neben dieser
Reaktion die Prüfung auf Bildung löslichen Hämotoxins für geboten. Diese
Eigenschaft der Hämotoxinbildung müsse er Gottschlich gegenüber als
nicht variabel bezeichnen; denn er habe sie nie bei unzweifelhaften Cholera-
stämmen gefunden. Deshalb sei er trotz aller Argumente Gottschlichs
nicht davon überzeugt, daß die El Tor-Stämme echte Cholera seien. Die
epidemiologischen Ausführungen Gottschlichs ändern daran nichts. Die
El Tor- Vibrionen müssen noch weiter untersucht werden. Sie können
vielleicht die Ursache der bei ihren Trägern vorhanden gewesenen Dys-
enterie und Kolitis sein. Gegenüber Pfeiffer verweist er auf die Arbeiten
über Choleratoxine in der Wiener klinischen Wochenschrift 1906.
Landsteiner (Wien) macht darauf aufmerksam, daß die Milzbrand-
bazillen in Nährböden, die bestimmte Peptone enthalten, Hämotoxine
bilden. Mit Rücksicht auf die Kr aus sehen Befunde wäre es interessant
zu untersuchen, ob das Hämotoxin der Milzbrandbazillen durch ein Anti-
häraolysin der Heubazillen neutralisiert wird.
(Schluß der Diskussion.)
Mores chi (Königsberg)
„Weitere Mitteilungen Ober Antikomplemente."
Moreschi kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schluß, daß die
Präzipitatbildung bei der Komplementablenkung keine Rolle spiele und
daß die Pluralität der Komplemente im Sinne Ehrlichs besteht.
(Schluß der Verhandlungen des zweiten Tages).
— 85 —
Dritter Yerhandlnngstag, 9. Juni 1906.
Vorsitzende: Paltauf (Wien).
Pfeiffer (Königsberg).
M. Neißer (Frankfurt a. M.):
„Ein Fall von Mutation nach de Vries bei Bakterien und andere
Demonstrationen."
1. Massini zeigte unter N e iß er s Leitung im Ehrl ich sehen Institut
bei einer Koliart (Bacillus coli mutabilis), die auf Endoschem Agar
farblos wuchs, daß beim Abstechen von einer farblosen Kultur am ersten
Tage nur immer wieder farblose Kolonien, daß dagegen beim Abstechen
von einer farblosen Kolonie am 3. oder 4. Tage des Wachstums außer
farblosen stets auch rote Kolonien mit intensivem Fuchsinglanz auf-
gingen. Die roten Kolonien blieben dann bei weiterem Veiimpfen aus-
schließlich stets rot, ganz gleichgültig, ob sie am 1., 3. Tage oder später
abgestochen wurden. Es ist dies also ein Fall echter Mutation.
2. Ekersdorff konnte unter Neißers Leitung zeigen, daß die von
Bang auf Sauerstoff Verhältnisse zurückgeführte Niveaubildung (intensivstes
Wachstum an der Wachstumsgrenze) bei anaeroben Bakterien ihre Ursache
in Säurebildung seitens der Bakterien hat. Die Säure wird an der Grenze
des Wachstums durch das Alkali des Nährbodens neutralisiert. Deshalb
dort das üppigste Wachstum. Auch bei aeroben Bakterien konnte bei
Züchtung in hoher Schicht Niveaubildung erzeugt werden, wenn sie mit
Desinfektionsmitteln überschüttet wurden. Die Ursache ist hier eine
komplexe, indem die Wachstumserscheinungen an der Grenze die besten
sind, und vielleicht auch der Giftreiz einer untertödlichen Dose des Des-
infektionsmittels hinzukommt.
3. Neißer demonstriert überzeugende Beispiele des Bakterien-
antagonismus in Kulturen.
4. Im Auftrage von Ehrlich demonstriert Neißer Trypanosomen-
präparate, die mit einer neuen Farbe gefärbt sind. Es ist dies das
Dimethyl-Thionin von der Firma Casella in Frankfürt a. M. Ehrlich
empfiehlt dasselbe als billigen und bequemen Ersatz von Methylen-Azur.
5. Demonstration eines zur Paratyphusgruppe gehörigen Bazillus,
der bei Meerschweinchen Ursache einer pseudotuberkulösen Erkrankung
ist. Derselbe ist taubenpathogen. An erkrankten Meerschweinchen zeigt
sich nach Analogie mit dem Tuberkulin eine spezifische Überempfindlich-
keit gegen die abgetöteten Bakterien.
Diskussion.
Schottelius (Freiburg i. Breisgau) erinnert an Analoga von
Neißers Mutation bei Bacillus prodigiosus und Pest. Auch in der
- 86 —
Botanik gibt es zahlreiche Beispiele von Mutation, so z. B. die plötzliche
Produktion bitterer Mandeln an Süßmandelbäumen, ferner das Auftreten
farbigen Maises. .
Gruber (München) erinnert an Beobachtungen seines Schülers
Firntsch,. der beim Finkler - Vibrio Mutation beobachtete. Derselbe
konnte aus alten Kulturen drei atypische Hassen gewinnen, die ihren
neuen Charakter hartnäckig beibehielten.
Kruse (Bonn) bemerkt, daß ähnliche Variationen vielfach beobachtet
und beschrieben wurden.
Gottschlich (Alexandrien) hat bei Pestbazillen in zwei noch nicht
veröffentlichten Fällen sprunghafte Mutationen beobachtet. Die Abart
unterschied sich durch Aussehen, Wachstum auf Agar, das Fehlen jeder
Virulenz und in Abweichungen bezüglich der Agglutination von echter
Pest. Mischkultur oder Irrtum ist dabei ausgeschlossen. Die Zugehörig-
keit der Abart zur echten Pest konnte zwingend nachgewiesen werden.
Löffler (Greif swald) beobachtete bei Wachstum von Koli auf
Malachitgrün -Agar das Entstehen verschiedener Rassen, die sich als
solche weiter züchten ließen. Die Mutation sei interessant für die Er-
klärung der Umwandlung des Pockenvirus in Vakzine.
Neiße r (Frankfurt a. M.) weist auf den Unterschied hin, der
zwischen Variation und Mutation bestehe. Echte Mutation scheine ihm
nur der von ihm vorgetragene und der von Grub er in der Diskussion er-
wähnte Fall zu sein.
Czaplewski (Köln) hat bei Bacillus prodigiosus Mutation beobachtet.
Die Ursache des Niveauwachstums sehe er darin, daß an der Wachstums-
grenze wenige, dafür aber größere Kolonien entstehen.
(Schluß der Diskussion.)
Friedberger und Moreschi (Königsberg):
„Beitrag zur Immunisierung des Menschen gegen Typhus."
Die Autoren haben 14 Menschen je 74000 Öse Typhusbazillen intra-
venös injiziert. Die Typhusbazillen waren nach der Methode Löffle rs
abgetötet und in trocknem Zustand bei 120° erhitzt worden. Trotz
dieser äußerst geringen Dose erhielten sie im Blutserum der Ge-
impften recht beträchtliche Anhäufungen bakterizider Schutzstoffe. Selbst
V2000 Öse erzeugte bei den Geimpften noch Fieber. Friedberger und
Moreschi gehen weiterhin auf die von ihnen veröffentlichte Tatsache
ein, daß der sogenannte Stamm „Typhus Sprunk" im Reagenzglase keine
bindenden Eigenschaften zeige, trotzdem aber beim Menschen bakterizide
Schutzstoffe auslöse. Dies spräche gegen die Ehrlichsche Theorie und
gegen die Ansicht von Wassermann, daß die in vitro bindenden Gruppen
identisch seien mit den in vivo die Immunität auslösenden.
— 87 —
Diskussion.
Wassermann (Berlin). Wassermann will in Abwesenheit und Ver-
tretung von Kolle, der ja in diesem Punkt ganz besonders interessiert sei,
zur Frage der Verwendung von großen oder kleinen Dosen bei der Typhus-
Schutzimpfung das Wort ergreifen. Es könne sich bei der Typhus-
schutzimpfung in der Praxis wohl nur um subkutane Einverleibung des
Impfstoffes handeln. Die von dem Vorredner gebrauchte intravenöse
Methode dürfte praktisch nur sehr schwer ausführbar sein. Für die sub-
kutane Impfung aber hätten die Untersuchungen von Rolle eine entschei-
dende Überlegenheit der großen Dosen ergeben, und Wassermann warnte
deshalb davor, diese bisher bewährte Methode zugunsten der nicht ge-
nügend erprobten kleinen Dosen zu verlassen. Bezüglich der von dem Vor-
redner an den Typhus „Sprunk" geknüpften Zweifel an der Richtigkeit der
Seitenkettentheorie mache er darauf aufmerksam, daß der Typhus „Sprunk"
sich anders verhalte als alle von ihm bisher untersuchten Typhusstämme.
Er zeigte für Meerschweinchen eine so hohe Pathogenität, wie sie bisher
von keinem Typhusstamm beschrieben worden sei. Wassermann hält
deshalb gerade diesen Typhusstamm nicht für geeignet, um so weitgehende
Schlußfolgerungen an ihn zu knüpfen. Übrigens beweise die Tatsache,
daß ein Bakterienstamm in vitro nicht binde, nichts gegen die Bindung in
vivo. So habe Wassermann durch Jobling zeigen lassen, daß man durch
geeignete Vorbehandlung (Erwärmen, Zentrifngieren und Waschen) einem
Typhusstamm seine bindenden Eigenschaften in vitro nehmen könne, und
trotzdem immunisiere er noch in vivo. Dabei handele es sich, wie nach-
gewiesen werden konnte, aber nur um quantitative, nicht um qualitative
Veränderungen in der bindenden Substanz. Vor allen Dingen müsse des-
halb untersucht werden, ob auch die freien Rezeptoren des Typhus „Sprunk",
d. h. die aufgelösten Typhusbazillen keine Bindung in vitro ergeben.
Pfeiffer (Königsberg) weist anf den wissenschaftlichen Wert der
Untersuchungen von Friedberger und Moreschi hin. Vor allem ergäbe
sich daraus die höchste Empfindlichkeit des Menschen gegen Endotoxine.
Nach seiner Ansicht sind die mit dem Typhus „Sprunk" gewonnenen Tat-
sachen nur schwer mit der Seitenkettentheorie in Einklang zu bringen.
Praktisch sei allerdings die intravenöse Injektion kleinster Dosen schwer
durchführbar. Aber diese Methode biete gegenüber dem subkutanen Ver-
fahren Vorteile. Trotzdem ist auch Pfeiffer dafür, die bisherige Methode
der subkutan gegebenen großen Dosen in der Praxis beizubehalten.
Friedberger (Königsberg) führt gegenüber Wassermann aus, daß
durch die Erhitzung die haptophore Gruppe nicht verändert werde. Bei
seiner Versuchsanordnung, nämlich dem Zentrifugieren von Serum in großen
Mengen des Typhus „Sprunk" seien sicher eine Menge Bakterien aufgelöst
— 88 —
worden. Trotzdem habe sich keine Bindung in vitro nachweisen lassen.
Die Virnlenz des Typhns „Sprunk" bei Meerschweinchen beträgt 1/50 Öse
bei der Einspritzung in die Bauchhöhle. Er weist nochmals auf die großen
Vorteile hin, die die intravenöse Injektion kleiner Dosen Typhus zwecks
Schutzimpfung des Menschen biete.
Neißer (Frankfurt a. M.) weist kurz darauf hin, daß die mangelnde
Bindungsfähigkeit dieses Typhusstammes vielleicht nur eine scheinbare sei.
Durch Veränderung der Versuchsanordnung sei diese eventuell auszu-
schließen. Jedenfalls könne er sich nicht davon fiberzeugen, daß die Ver-
suche gegen die Seitenkettentheorie sprächen.
Kutscher (Berlin) erklärt, daß nach seinen Erfahrungen die intra-
venöse Typhusschutzimpfung praktisch unausführbar sei.
Lentz (Saarbrücken) bemerkt, daß Antikörperproduktion und Fieber
nach seinen Beobachtungen bei Typhus nicht parallel gehen.
Schntirer (Wien) schließt sich dem auf Grund von Beobachtungen
an rotzkranken Pferden an.
Löffler (Greifswald) weist auf seine sowie Wassermanns und
Citrons Versuche hin, die das Vorhandensein einer lokalen Immunität
der Gewebe bei Typhus ergeben haben. Deshalb könne man daran denken,
eine Schutzimpfung bei Typhus mittelst abgetöteter Kulturen per os durch
lokale Immunisierung der Eingangspforte, d. h. des Darmes, zu erzielen.
Friedberger (Königsberg) erwidert, daß er bei Verfüttenmg von
abgetöteten Typhusbazillen an Kaninchen nur minimale Schutzwerte des
Serums erzielt habe. Die Resultate waren besser, wenn er den Darm der
Tiere vorher mit Krotonöl reizte.
Löffler (Greifswald): Der Mensch verhalte sich anders als das
Kaninchen.
Wassermann (Berlin): Bei dem Vorschlag Löfflers handelt es
sich um die Erzielung einer lokalen Immunität, d. h. einer Gewebsimmunität
des Darmes. Diese sei aber das Wichtigste, nicht die Antikörperproduktion.
Der menschliche Darm verhalte sich, wie die Pathologie lehre, dem
Typhusbazillus gegenüber schon von Hause aus so, wie der Kaninchen-
darm erst nach starken Reizungen, beispielsweise durch Krotonöl.
Kraus (Wien) schließt sich Wassermann in dem Punkte an, daß
es durchaus nicht gleichgültig sei, an welcher Stelle des Körpers ein Antigen
eingeführt werde. Es gebe eine lokale Immunität der Gewebe. Dies be-
wiesen neben älteren Versuchen von Koch diejenigen von van Ermengem
sowie die neueren Untersuchungen von Kraus über Vakzine und Syphilis.
(Schluß der Diskussion.)
— 89 —
Landsteiner und Finger (Wien):
„Über Immunität bei Syphilis."
Bei Affen sei öfters beim Erscheinen des Primäraffektes die Immunität
gegen Reinfektion noch nicht entwickelt. Die Reinfektion sei in solchen
Fällen möglich. Auch beim Menschen ist nach den Erfahrungen
von Landsteiner und Finger Reinfektion in allen Stadien der Krank-
heit möglich, und zwar reagiere der Syphilitische auf das neue von außen
eingeführte Virus nicht anders als auf das in seinem Körper befindliche.
Tertiäre reagieren auf Reinfektion sofort mit Ulcera gummosa oder Tuber-
cula cutanea. Die tertiären Erscheinungen seien also eine besondere
Form der Reaktion des lange unter syphilitischem Virus gestandenen Or-
ganismus. Der Organismus des Tertiärsyphilitischen reagiere auf gewöhn-
liches Virus sofort mit tertiären Erscheinungen.
Hoff mann (Berlin):
„Mitteilungen und Demonstrationen Ober experimenteile Syphilis, Spirochäte
pallida und andere Spirochätenarten/'
Hoffmann berichtet zunächst über Verimpfnng des Materials syphili-
tischer Menschen auf Affen. Blut ist positiv, tertiäre Produkte sind teils
positiv, teils negativ, Spinalprodukte beim papulösen Syphilitischen positiv,
Sperma Syphilitischer war negativ. Vortragender demonstrierte die ge-
lungenen Versuche Bertarellis der Syphilisüberimpfung auf die Kaninchen-
hornhaut mit massenhafter Vermehrung der Spirochäten in der Kornea.
Weiterhin bespricht er die Differentialdiagnose der Spirochäte pallida im
Hinblick auf andere Spirochäten. Er erwähnt ferner die Beobachtungen
von v. Prowazek, daß das Serum Syphilitischer (6 — 8 Monate alte un-
behandelte Fälle) die Spirochäten unbeweglich mache und schwach agglu-
tiniere. Das Serum von Gesunden tue dies nicht.
Demonstrationen von Affen und Abbildungen.
Landsteiner (Wien) erwidert Hoffmann auf dessen Einwendungen,
betreffend die Landsteiner und Finger gelungene positive Überimpfung
des Hodensekretes Syphilitischer auf Affen.
P. Th. Müller (Graz):
„Ober den Einfluß des Staphylococcus aureus auf die Fibrinogenproduktion."
Die schon früher beobachtete fibrinogenvermehrende Wirkung des
Staphylokokkus ist keine vitale Leistung, sondern durch chemische Stoffe
hervorgerufen. Diese sind bei älteren Kulturen filtrierbar, hitzebeständig
und nicht identisch mit dem Staphylolysin und Leukozidin. Immunisierung
— 90 —
dagegen sei unmöglich. Weitere Versuche zu näherem Studium sind
im Gange.
Sobernheim (Halle):
„Über einige Eigenschaften des Tuberkuloseseriims."
Das Serum wurde durch wiederholte Kulturinjektionen von mensch-
lichen Tuberkelbazillen an Pferden gewonnen. Die Testflüssigkeit wurde
nach Koch bereitet, indem die Bazillenmasse im Mörser mit Karbol-Koch-
salzlösung fein verrieben wurde. Es wurden verschiedene Stämme unter-
sucht, darunter drei von Menschen, direkt aus Sputum gezüchtet, Rinder-
tuberkulose 3, 6eflfigeltuberkulo8e 2, Blindschleichentuberkulose 1, Typus
Arloing-Courmont 3, säurefeste 8. Das Ergebnis war: Alle menschlichen
Stämme wurden von dem Immunserum bis zu einer Verdünnung
1 : 1000 agglutiniert, normales Pferdeserum wirkte auf dieselben nur in
einer Verdünnung 1 : 50 bis 1 : 100, Rindertuberkulose wurde genau ebenso
agglutiniert, dagegen reagierten alle anderen Gruppen anders. Nach ihrem
Verhalten kann man sie in drei Gruppen einteilen. Die Stämme der
ersten Gruppe wurden weder von normalem noch von Immunserum beein-
flußt, die der zweiten Gruppe wurden sowohl durch normales als Immun-
serum in sehr hohen Verdünnungen beeinflußt. Die Stämme der dritten
Gruppe wurden zwar stärker durch das Tuberkuloseserum als durch das
normale agglutiniert, trotzdem aber zeigte sich ein deutlicherer Unterschied,
indem die Agglutination nie so leicht und vollständig eintrat, wie dies bei
den echten Stämmen der Säugetiertuberkelbazillen der Fall ist. Das
Kochsche alte Tuberkulin und das Tuberkulol ergaben mit dem Tuber-
kuloseserum bis zu einer Verdünnung von 1 : 100G0 starke Niederschlags-
bildungen. Normales Serum erzielte nur schwache Präzipitation. Die
bakteriotrope Wirkung des Tuberkuloseserums konnte deutlich nachgewiesen
werden. Dies ist aber für die verschiedenen Tuberkulosestämme und die
säurefesten Bazillen differentialdiagnostisch nicht verwertbar. Auch die
Komplementablenkung erweist sich als negativ.
R. Müller (Kiel):
„Die Ätiologie der Geflügeldiphtherie."
Müller untersuchte die krankhaften Produkte bei Hühnerdiphtherie.
Er fand bei sechs Hühnern aus drei verschiedenen Seuchenherden Stäbchen.
Die Stäbchen wachsen auf Blut- und Milchagar, aber nicht auf gewöhn-
lichem Agar und auf Gelatine. In Symbiose mit anderen Bakterien wachsen
sie auch auf gewöhnlichem Nährboden. Die gefundenen Bazillen stehen
den L öffl er sehen Diphtheriebazillen nahe, lassen sich aber biologisch von
— 91 —
ihnen unterscheiden. Mittelst Reinkulturen ließ sich die Krankheit hei
Hühnern erzengen.
Dönitz (Berlin) demonstriert in Vertretung des Herrn Zettnow die
von letzterem angefertigten Diapositive von Mikrophotogrammen, betreffend
die Geißelbildung bei Spirochäten.
Herr Pfeiffer (Königsberg) schließt die Tagung und dankt den
Erschienenen für die so reichhaltigen Mitteilungen und weist auf das an-
regende und klärende Ergebnis derselben hin.
Herr LÖffler (Greifswald) dankt den mit der Vorbereitung zu der
Tagung beschäftigt gewesenen Herren.
Infektionskrankheiten.
Baruchello, L., u. Pricolo, A., Contribution k Ätiologie de la
pleuro-pneumonie infectieuse du cheval: Dicouverte de
Spirochötes.
(La Clinica veterinaria, 1906. Ref.: Becueil de möd. vöt, Bd. 83, 1906,
8. 316-317.)
B. und P. haben häufig im Blute, aber auch in den Lungenalveolen
und in der Milz brustseuchekranker Pferde eine Spirochäte gefunden, die
3 — 20 fi lang und 0,5 fi dick war und in ihren kleinen Formen einem S
glich. Die Zahl der Windungen betrug meist drei bis vier, aber
manchmal auch sieben und noch mehr. Die Spirochäte färbte sich gut
nach Ehrlich mit Boraxblau und nach Giemsa.
Die Verff. beschränken sich vorsichtigerweise auf diese Mitteilung
und kündigen an, daß sie ihre Untersuchungen fortsetzen.*)
Junack (Breslau).
*) Ich habe im verflossenen Sommer, ohne die Arbeit von Baruchello
und Pricolo zu kennen, einen Fall von typischer Brustseuche, der in meinem
Institut zur Sektion kam, auf das etwaige Vorhandensein von Spirochäten
geprüft Untersucht wurden kaum eine Stunde post mortem entnommene
Teile der veränderten Lunge, der Milz und der äußeren Haut (letztere wählte
ich mit Rücksicht auf die bekannten Publikationen von Lorenz). Die
Gewebsstückchen wurden nach der vonLevaditi angegebenen Silbermethode
gefärbt — In Lunge und Milz ließen sich (in ersterer neben zahlreichen
Bakterien verschiedener Art) wohl hie und da Gebilde nachweisen, die eine
entfernte Ähnlichkeit mit Spirochäten besaßen, die aber zweifellos keine
solche waren. Es handelte sich um fädige Gebilde etwa von der Größe der
Sptrochaete pallida, die zum Teil einfach gekrümmt, zum Teil sehr unregel-
mäßig gewunden erschienen, jedenfalls aber die charakteristischen regel-
— 92 —
Schlegel, M», Die infektiöse Bückenmarksentzündung des Pferdes;
Meningomyelitis haemorrhagica infectiosa eqni.
(Berliner Tierärztl. Wochenschr., 1906, 8. 463—475.)
Verf. hat eine bereits seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in
Indien, Frankreich, Dänemark und Deutschland beobachtete infektiöse
Rückenmarkslähmung bei Pferden in Baden studiert und festgestellt, daß
essichum eineallgemeine, durch den Streptococcus melanogenes
hervorgerufene Septikämie handelt, die sich namentlich im
Bückenmark und seinen Häuten, im Mark der Skelettknochen
und in den Nieren lokalisiert.
Die Krankheit kommt bei Pferden jeden Alters und Geschlechts vor.
Eine Übertragung auf andere Haustiere und auf den Menschen ist nicht
beobachtet worden. Der Verlauf der Krankheit ist teils akut, teils sub-
akut, teils chronisch, und endigt in einem Tage oder einigen Wochen oder
einigen Monaten meistens mit dem Tode.
Erscheinungen. Das okkulte Stadium der Krankheit, das je nach
dem Verlauf einige Tage oder Wochen oder Monate dauert, ist gekennzeichnet
durch eine unerklärliche Abmagerung (trotz guter Futteraufnahme und normaler
Körpertemperatur), durch Schlaffheit, Schläfrigkeit und Unlust zur Arbeit. So-
dann treten Schwächezustände der Nachhand ein. — Mit Beginn des aperten
Stadiums der Krankheit brechen die Tiere unvermittelt bei der Arbeit oder
im Stalle in der Nachhand zusammen, sind unvermögend, sich zu erheben,
haben eine Körpertemperatur bis zu 42° C, oft blutigen, eiweißhaltigen Harn,
die Futteraufnahme ist vermindert; dann tritt auch eine Lähmung der Vorhand
ein, und schließlich gehen die Patienten an Dekubitus oder Entkräftung zugrunde.
Pathologisch-anatomisch ist die Krankheit ausgezeichnet durch
serös-hämorrhagische oder fibrinös-eitrige Peritonitis, sulzige Schwellung der
Darmschleimhaut, Milztumor, Degeneration der Parenchyme sowie durch die
für die Krankheit charakteristische hämorrhagisch-fibrinöse Osteomyelitis der
Skelettknochen. Die Pia mater spinalis ist serös infiltriert. Das Bückenmark
selbst ist stellenweise im Zustand der roten Erweichung. Auf allen serösen
Häuten und Schleimhäuten des Körpers, sowie in den Bückenmarkshäuten
finden sich zahlreiche Blutungen. Der Krankkeitserreger ist in allen Organen,
dem Knochenmark und Bückenmark nachzuweisen.
Der Streptococcus melanogenes findet sich sowohl als 1 p
langer Diplokokkus, als auch in Ketten, die aus vier bis acht Diplokokken
zusammengesetzt sind. Er ist gramnegativ. Abweichend von anderen
müßigen Windungen der Spirochäten nicht besaßen. Ob diese Gebilde über-
haupt Mikroorganismen oder aber Gowebsbestandteile waren, konnte mit
Sicherheit nicht entschieden werden. In den Schnitten der Hautstückchen
fanden sich zahlreiche Bakterien in der Epithelschicht, die vorerwähnten
Gebilde jedoch nicht. Somit habe ich in dem einen von mir untersuchten
Falle die Angabe obengenannter Forscher nicht bestätigen können. Joest.
— 93 —
Streptokokken ruft der Streptococcus melanogenes auf Blatagar eine
Schwarzfärbung oder in der Nähe der Kolonie eine Aufhellung und im
weiteren Umkreise eine Schwarzfärbung hervor. Der Streptococcus
melanogenes ist somit von anderen Streptokokken artverschieden. Es
gelang dem Verf. durch künstliche Infektion mit Reinkulturen des
Streptococcus melanogenes bei Pferden und kleinen Versuchstieren die
typische Krankheit zu erzeugen. Kuhn (Berlin).
Citron, J., Experimentelle Beiträge zur Beurteilung der Hog-
choleragruppe.
(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 53, 1906, S. 159—175.)
Die Bakterien der Hogcholeragruppe (Schweinepest, Mäusetyphus,
Paratyphus B) werden von dem Immunserum nahestehender Arten beein-
flußt, ein Phänomen, das bei einzelnen Stämmen besonders ausgeprägt ist.
Bei der Kompliziertheit der Verhältnisse kann man heute auf Grund der
Serumreaktion die Identität nicht bestimmen, muß vielmehr das pathogene
Verhalten für die einzelnen Tierarten auf das sorgfältigste berücksich-
tigen*). Genaue Studien müssen über epidemiologischen Zusammenhang
und über die Identität Aufklärung geben. Bugge (Kiel).
Montgomery, R. E., An anthrax-like bacillus fonnd in a horse
suspected of anthrax.
(The Journ. of Tropical Veterinary Science, Vol. 1, 1906, S. 284—294.)
Aus dem Blut eines Pferdes, das unter milzbrandverdächtigen Er-
scheinungen verendet war, isolierte Verf. ein milzbrandähnliches Stäbchen,
wahrscheinlich identisch mit dem B. anthracoides Burry.
Kaestner (Berlin).
Rabinowitsch, L«, Untersuchungen über die Beziehungen zwischen
der Tuberkulose des Menschen und der Tiere.
(Arbeiten a. d. Patholog. Institut zu Berlin Berlin 1906, S. 365—436.)
Verfn. standen zu den Versuchen 15 Fälle von Tuberkulose (drei
sicher primäre Darmtuberkulose) aus dem Pathologischen Institut zur Ver-
fügung. Außerdem fünf Kulturen aus tuberkulösem Sputum und fünf Perl-
suchtkulturen.
In bezug auf das morphologische Verhalten steht Verfn. auf dem
Standpunkt, daß die Unterschiede in Ausstrichpräparaten weder von
Material noch aus Kultur derartig prägnant und konstant sind, daß auf
Grund derselben eine Scheidung in zwei getrennte Arten oder Typen vor-
genommen werden kann.
Ausgesprochenere Unterschiede treten im allgemeinen in Züchtnngs-
und Kulturversuchen insofern hervor, als die Hindertuberkulosestämme sich
*) Hierauf habe auch ich bereits früher (Zeitschr. f. Fleisch- und Milchhyg.,
15. Jahrg., 1905, S. 295) hingewiesen. JoesL
— 94 —
bedeutend schwerer züchten lassen und besonders in den ersten Genera-
tionen ein langsameres Wachstum aufweisen als die Menschentuberkulose-
stämme. Zwei Stämme (ein Fall primärer Darmtuberkulose und ein Fall
von Fütterungstuberkulose) zeigten das Wachstum der Rindertuberkulose«
stamme. Bei drei Stämmen war die Unterscheidung auf Grund des
kulturellen Verfahrens nicht möglich, und aus multiplen, käsigen Knoten
einer Milz wurde eine Kultur gezüchtet, die völlig das Wachstum einer
typischen Geflügeltuberkulosekultur darbot.
Bezüglich der Virulenz für Meerschweinchen konnte Verfn. weder in der
Krankheitsdauer noch in den pathologischen Veränderungen einen konstanten
Unterschied zwischen Menschen- und Rindertuberkulosestämmen beobachten.
Einheitlicher waren die an Kaninchen gewonnenen Ergebnisse sowohl
mit Ausgangsmaterial als auch mit Reinkulturen. Es ergaben sich aus
der Lebensdauer der Tiere und den pathologischen Veränderungen be-
trächtliche Unterschiede in der Virulenz der Stämme. Die fünf Rinder-
tuberkulosestämme riefen in kurzer Zeit generalisierte Tuberkulose hervor,
ebenso zwei Stämme vom Menschen, die sich schon in der Kultur als
Rindertuberkulosestämme charakterisiert hatten; elf menschliche Stämme
verursachten auch bei Verimpfung größerer Mengen gar keine oder nur
lokale Veränderungen; 6 menschliche Tuberkulosestämme verursachten
mehr oder weniger tuberkulöse Veränderungen der inneren Organe.
Von den 20 untersuchten Tuberkulosestämmen konnten 11 ohne
weiteres als Menschenstämme bezeichnet werden, 2 zeigten ausgesprochen
die Merkmale von Rindertuberkulosestämmen, 6 Stämme konnten unter
keine der beiden Formen gezählt werden und wurden als atypisch be-
zeichnet. Außerdem wurde 1 Stamm isoliert, der in kultureller Be-
ziehung und hinsichtlich seiner pathogenen Eigenschaften als typische
Geflügeltuberkulosekultur angesprochen wurde.
Verfn. zieht aus ihren Untersuchungen den Schluß, daß sich trotz
des ungleichmäßigen Verhaltens einzelner atypischer Stämme
in der Regel, wenn auch nicht prinzipiell, Unterschiede
zwischen den vom Menschen und vom Rinde stammenden
Tuberkelbazillen feststellen lassen.
Bei der Frage, ob der Mensch für den Erreger der Rindertuberkulose
empfänglich sei, bleibe nur noch zu ermitteln, wie häufig die Infektion
stattfindet. Die Entscheidung dieser Frage hielt Verfn. aber für sehr
schwierig, da nach ihrer Ansicht durchaus noch nicht feststeht, ob nicht
der ursprünglich vom Rinde stammende, mit einer hohen Virulenz begabte
Tuberkelbazillus durch längeres Verweilen im menschlichen Organismus
eine Einbuße seiner Virulenz erleidet und dadurch den Eigenschaften
der menschlichen Tuberkelbazillenform näher kommt.
Krautstrunk (BormJ.
— 95 —
Rabinowitsch, L., Über spontane Affentuberkulose, ein Beitrag
znr Tnberkulosefrage.
(Deutsche med. Wochenschr., 1906, Nr. 22.)
Verfn. untersuchte 45 Fälle von spontaner Tuberkulose bei Affen
verschiedenster Art, die aus dem Berliner Zoologischen Garten stammten.
Von 33 Tieren wurden 43 Kulturen gezüchtet und diese bezüglich Wachs-
tum, kultureller Eigenschaften und Tierpathogenität geprüft, und zwar von
27 Tieren 34 Stämme kulturell und im Tierversuch, von 6 Affen 9 Kulturen
nur durch Kulturverfahren. In der Mehrzahl der Fälle wurden, entsprechend
der häufigen Gelegenheit zur Infektion mit menschlichen Tuberkelbazillen,
menschliche Tuberkulosekulturen, in einer relativ kleinen Anzahl Rinder-
kulturen, in einem Falle beide vergesellschaftet und in einem anderen
Falle eine Geflügeltuberkulosekultur gewonnen. In einigen Fällen wurden
sogenannte Übergangsformen oder atypische Stämme gezüchtet.
Verfn. konnte bei den Befunden verschiedener Tuberkuloseerreger
keine Beziehung zur Eintrittspforte und zur Lokalisation der tuberkulösen
Erkrankung beobachten; ebensowenig bestanden Beziehungen zwischen der
Schwere der im Affenkörper gesetzten Veränderungen und der durch den
Tierversuch festgestellten Virulenz.
Aus Übergangsformen schließt Verfn., daß auch in diesem Wirtstier,
ebenso wie im menschlichen Körper, eine Umwandlung der einen Tuber-
kuloseform in die andere nicht ausgeschlossen ist. Krautstmnk (Bonn).
Dangern, E. v., u. Smidt, H., Über die Wirkung der Tuberkel-
bazillenstämme des Menschen und des Rindes auf anthro-
poide Affen.
(Arb. ans dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 23, 1906, 8. 570-587.)
Die Untersuchungen der Verff. ergaben, „daß die Perlsuchtbazillen für
den Gibbon ebenso infektionstüchtig sind, wie die Bazillen des Typus
humanus. Da dieses Säugetier dem Menschen ganz besonders nahe-
steht . . . ., so liegt es sehr nahe, das beim Gibbon gewonnene Ergebnis
auch auf den Menschen zu übertragen." Nach Verfütterung menschlicher
Tuberkelbazillen traten primäre Lungenherde auf, während die Perlsucht-
bazillen bei gleichem Infektionsmodus Darm- und Mesenterialdrüsentuber-
kulose hervorriefen. J.
Lord, F. T,, Flies and Tuberculosis.
(Pnblications of the Massachusetts General Hospital, Vol. 1, 1906,
S. 118-125.)
Fliegen können tuberkulöses Material (Sputum usw.) und mit ihm
Tuberkelbazillen aufnehmen, die ihre Virulenz mindestens 15 Tage be-
halten. Die aufgenommenen Tuberkelbazillen werden in virulenter Form
— 96 —
und in großer Zahl mit dem Kot der Fliegen ausgeschieden. Dadurch,
daß die Fliegen ihren Kot auf Nahrangsmittel absetzen, können sie zur
Infektion des Menschen beitragen. J.
Schütz, Zar pathologischen Anatomie des Rotzes.
(Zeitschr. f. Vet.-Kunde, 18. Jahrg., 1906, S. 49—62.)
Ein den Ergebnissen der seitherigen Forschungen entsprechend ab-
geänderter Abdruck einer 1882 allen beamteten Tierärzten und Truppen-
teilen zugegangenen Belehrung, deren nochmalige Veröffentlichung für
einen großen Leserkreis von Interesse ist. Orabert (Berlin).
Olsen, H., Über die ansteckende Krankheit „Slubbo" des Renn-
tieres.
(Norsk Veterinär Tidskrift, 1906, H. 3.)
Den Lappen Finmarkens ist diese oft verheerend unter den Renn-
tieren auftretende Krankheit seit langem bekannt. Die Seuche kommt
sowohl in Rußland als in Finnland vor. Sie verbreitet sich namentlich
an den Sammelplätzen (an Orten, wo die Lappen zu bestimmten Zeiten
des Jahres große Herden von Renntieren versammeln). Tritt die „Slubbo'
hier erst einmal auf, so verbreitet sie sich sehr leicht. Im Herbst 1903
war die „Slubbo" auf einzelne renntierztichtende Dörfer im westlichen
Lande begrenzt; 1905 hatte sie sich über ganz Finmarken mit Ausnahme
der Waranger Inseln ausgebreitet. Die Krankheit tritt mit verschiedener
Heftigkeit auf; oft erscheint sie an Orten, wo sie seit langen Jahren
nicht vorkam. Sie zeigt sich gegen Ende Juli und ist am schlimmsten
während der warmen Zeit; mit Beginn der Kälte geht sie gradweise zurück,
und bei dem ersten Schnee hört sie auf. Die „Slubbo" (das Wort be-
deutet „Keule") hat ihren Sitz in der Klauenspalte, der Krone, an den
Afterzehen sowie in der Fesselbeuge und ist dem gewöhnlichen Panaritium
des Rindes ähnlich. Man glaubt, daß ihre Ursache der Nekrose-
bazillus ist, den man in den nekrotischen Teilen nachgewiesen hat Die
Nekrose neigt bei den Renntieren dazu, in die Tiefe zu dringen, man findet
oft Gelenke und Sehnenscheiden geöffnet. Der Verlauf der Krankheit ist
meist tödlich. Die Lappen rechnen, daß jedes zweite oder dritte Tier an
der Krankheit stirbt. Begleitet wird diese, namentlich bei den Renntier-
kälbern, von „Njalme vigte" (einer Krankheit des Maules), die denselben
Ursprung hat. Das Mißtrauen und die Störrigkeit der Lappen verhindern
die Bekämpfung der Seuche.
0. erwähnt ferner eine ansteckende Geschlechts- oder Paarungs-
krankheit, „Gnappa" (das Wort bedeutet Syphilis) unter den Renntieren
im August— September. Der Verf. meint, daß auch deren Ursache der
Nekrosebazillus ist. L. Bahr (Kopenhagen).
— 97 —
Bergmann, A., Einige Beobachtungen über enzootisches Auftreten
brandiger Scbeidenentzündnng bei Kühen.
(Fortschr. der Veterinürhyg., 1906, S. 1—6 und Svensk Veterinär-Tidskrift,
1906, H. 2 n. 3.)
Verf. beobachtete auf einem Gute in Schweden, daß von 100 Kühen,
die gekalbt hatten, 61 an brandiger Scheidenentzündung erkrankten.
Klinische Symptome waren: Dickflüssiger, gelber, zuweilen rötlicher, stinkender
Ausfluß, zähe, graue oder graurote, bis 4 cm dicke brandige Herde in
der Scheidenschleimhaut und geringe Allgemeinerscheinungen. Der Verlauf
war in der Regel ein gutartiger; schwere Erkrankung oder Tod wurden
nur vereinzelt beobachtet. Als Ursache des Leidens bezeichnet Verf. den
Nekrosebazillus, den er in den erkrankten Geweben und auch bei zwei
Kühen im Kot nachwies. Zur Behandlung eignet sich Ätzung der durch
die Geburt an Scham und Scheide entstandenen Riß- und Quetschwunden
mit 10 proz. Chlorzinklösung. Die Milch der erkrankten Tiere darf als
Nahrungsmittel für Menschen gar nicht, für Tiere nach Abkochen ver-
wendet werden. Resotc (Frankfurt a. 0.).
Carrfe, La maladie des chiens.
(Revue generale de med. vcH., 1906, S. 649—657.)
Das Staupevirus befindet sich im Blute der Hunde während der Höhe
des Fieberanfalls. Das Blut selbst ist steril, vermag aber sowohl im natür-
lichen Zustande als auch nach Filtration durch Berkefeldkerzen bei anderen
Hunden Staupe zu erzeugen. Die Wirkung des Virus ist eine im wesent-
lichen die Phagozytose herabsetzende. Unter dieser Wirkung werden
Bakterien, die normal bei Hunden in der Nasenhöhle und im Darmkanal
vorkommen und von verschiedenen Forschern als Staupeerreger beschrieben
wurden, aggressiv und erzeugen die bekannten Erkrankungen der ver-
schiedensten Organe, die nach C. nur sekundärer Natur und für Staupe
nicht spezifisch sind. Besonders der Nasenkatarrh der ersten Krankheits-
tage ist gefährlich für die Infektion anderer Hunde. Die Staupe im
weiteren Sinne ist nach C. demnach eine Krankheit, die mehreren
Infektionen ihre Entstehung verdankt. Die Causa efficiens ist
nach ihm filtrierbar und ultravisibel. Junack (Breslau).
Williams, A. W., u. Lowden, M. JVL, The etiology and diagnosis
of hydrophobia.
(The Journ. of Infectious Diseases, Vol. 3, 1906, S. 452—482.)
Verff. fanden die Ausstrichmethode zum Zweck der Auffindung der
Negrischen Körperchen den übrigen, bisher veröffentlichten Methoden
gegenüber überlegen. Die genannte Methode ist einfacher und kürzer und
bringt die Negrischen Körperchen deutlicher zur Wahrnehmung. Da sie
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 1. 7
■r.ap^o-*
— 98 —
auch charakteristische Färbemethoden in Anwendung zu ziehen erlaubt,
hat sie einen großen diagnostischen Wert.
Die Negrischen Körperchen, die bei der Wut sowohl im Ausstrich-
wie im Schnittpräparat gefunden werden, sind für dieses Leiden spezifisch.
Auch bei der durch Impfung künstlich erzeugten Wut fanden Verff. zahl-
reiche Negri sehe Körperchen. Diese Gebilde fanden sich vor Eintritt der
sichtbaren Erscheinungen, i. e. am vierten Tage bei der künstlich über-
impften und am siebenten Tage bei der Straßenwut. Voraussichtlich wird
es gelingen, sie noch früher nachzuweisen, da die Gewebe den Infektions-
stoff nachgewiesenermaßen schon früher enthalten. Verff. fanden auch
Formen, die zwar in ihrer Struktur und ihren tinktoriellen Eigenschaften
mit den übrigen übereinstimmten, jedoch an der Grenze der Sichtbarkeit
standen. Diese winzigen Formen dürften die Fähigkeit haben, Berkefeld-
filter zu passieren.
Nach der Ansicht der Verff. sind die Negrischen Körperchen den
Protozoen zuzuzählen, und zwar aus folgenden Gründen: Sie weisen be-
stimmte morphologische Charaktere auf. Diese finden sich in verschiedenen
Phasen der Wut konstant als bestimmte Wachstums-, Entwicklungs- und
Vermehrungsformen. In ihrer Struktur und ihren färberischen Eigen-
schaften ähneln diese Körper gewissen bekannten Protozoen, unter diesen
vornehmlich den Mikrosporidien.
Der Beweis, daß die Negrischen Körperchen Lebewesen darstellen,
genügt zur Begründung der Annahme, daß sie als Erreger der Wut an-
zusehen sind. Lebewesen, die in so großer Zahl bei jedem Krankheitsfall,
und nur bei dieser Krankheit, gefunden werden, die zu der Zeit in den
Geweben sichtbar werden, wenn diese infektiös werden und in diesen
infektiösen Geweben im Verhältnis der Entwicklung der Krankheit heran-
wachsen und sich vermehren, können nichts anderes als die Erreger dieser
Krankheit sein. Kaestner (Berlin).
Evans, 0« H., Haemorrhagic septicaemia in elephants.
(The Journ. of Tropical Veterinary Science, Vol. 1, 1906, S. 263—268.)
Verf. beschreibt Fälle von hämorrhagischer Septikämie bei Elephanten.
Das Krankheitsbild ist klinisch nicht von dem des Milzbrandes zu unter-
scheiden. Letzterer ist nicht selten. Kaestner (Berlin).
Rossi, C, Contributo alla conoscenza dello stipite Actinomyces
albus.
(Annali d'Igiene sperimentale, Vol. 15, 1905.)
Die Verfn. fand in mehreren Fällen im Innern der Leibeshöhle von
Hühnern eine Geschwulst, die ein bis zwei Drittel der Höhle einnahm.
Die Konsistenz der Tumoren war eine harte, das Aussehen speckig, die
Schnittfläche hatte ein granuliertes Aussehen. Aus ihnen ließen sich
— 99 —
stäbchenförmige Bakterien isolieren, die beim Altern der Kulturen den
typischen Charakter einer Streptothrixart annahmen und von Verfh. als
die Ursache der Tumoren angesehen wurden. Die aus Bouillonkulturen
gewonnenen bisherigen Produkte der Bakterien waren ungiftig, dagegen
erwiesen sich die auf Kartoffeln und Mohrrüben gewachsenen Kulturen als
giftig gegenüber Kaninchen, Meerschweinchen, Hunden und Ratten. Der
Erreger ist nach R. mit keiner anderen der bisher bekannten weißen
Streptotricheen identisch und wird von ihr als Streptothrix alba var. toxica
oder Äctinomyces albus var. toxica bezeichnet. Pfeiler (Berlin),
Turner, G-, Rinderpest in South Africa.
(The Journ. of Tropical Veterinary Science, Vol. 1, 1906, S. 269—383.)
T. beschreibt die Siroultanschutzimpfungsmethode gegen Rinderpest
nach Turner und Kolle. Er berechnet, daß dank dieser Methode in der
Kapkolonie Werte im Betrage von 6—10 Millionen £ gerettet worden sind.
Kaestner (Berlin).
Entwicklungshemmung — Desinfektion.
Schlipp, G, Über den Einfluß steriler Fäulnisprodukte auf
Milzbrandbazillen.
(Deutsche tierärztl. Wochenschr., 1906, S. 393—98 und 406—410.)
Verf. stellte fest, daß keimfreie Kadaverjauche bakterizide
Eigenschaften sowohl für freie, wie im Gewebe befindliche
Milzbrandbazillen besitzt; sie tötet diese Bakterien in den Organen
meist schon innerhalb 24 Stunden, mit Milzbrandblut gemischt, in zwei bis
drei Stunden ab, nicht aber ihre Sporen. Verf. hält die Untersuchung der
Impfstelle der Versuchstiere in den ersten 24 Stunden für angezeigt.
Resow (Frankfurt a. O.J.
Bergmann, A. JVL, Bericht über einige Versuche, natürlich tuber-
kulöse Milch durch Buddisierung zu sterilisieren.
(Fortschr. der Veterinärhyg., 1906, S. 97—100.)
Aus den Versuchen des Verf. geht hervor, daß durch die Buddi-
sierung der Milch (Zusatz von H202 und dreistündige Erwärmung auf
52° C) lebende Tuberkelbazillen nicht abgetötet werden. Milch
einer tuberkulösen Kuh, die makroskopisch verändert erschien, zerlegte
bedeutend mehr H202 wie normal aussehende Milch.
Resow (Frankfurt a. O.J.
7*
— 100 —
Goebel, W., Über die desinfizierenden Eigenschaften Lugolscher
Jodlösungen.
(Zentralbl. f. Bakt ete., L Abt., Orig., Bd. 42, 1906, S.86-91 und 176—179.)
Prüfung der Desinfektionskraft nach dem von Czaplewski (durch
Nothen) angegebenen Verfahren. Verf. findet in der 0,01—0,05 proz.
Lugolschen Lösung ein rasches und wirksames Desinfektionsmittel; ins-
besondere empfiehlt er für geburtshilfliche Operationen, zum Reinigen
des Operationsfeldes und zur Händedesinfektion die 0,02 proz. Lugolsche
Lösung. In dieser Konzentration greift sie die Haut und Wäsche nicht
an und ist fast geruchlos. E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Immunität — Schutzimpfung.
Citron, J., Die Immunisierung gegen die Bakterien der Hog-
cholera (Schweinepest) mit Hilfe von Bakterien-
extrakten.
(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 53, 1906, S. 515—553.)
Nach den günstigen Resultaten, die der Verf. bei der ImmunisieruDg
gegen die Schweineseucheerreger an kleinen Versuchstieren mit Bakterieu-
extrakten und Baiischen Aggressinen gewonnen hatte, versuchte er die
gleichen Methoden auch gegenüber den Schweinepestbazillen. Trotz An-
wendung von künstlichen und natürlichen Aggressinen erhielt er keine im
wesentlichen zuverlässige Immunisierungsmethode. Es dürfte demnach die
Immunisierung mit Schweinepestserum und Mäusetyphusbazillen bei der
Hogcholera die größte Aussicht auf Erfolg in der Praxis haben. Dieses
Verfahren, das von Wassermann, Ostertag und Citron angegeben
worden ist, hat kleine Laboratoriumstiere in hohem Maße gegen die In-
fektion mit Schweinepesterregern geschützt. Bugge (Kielß.
Ascoli, A., Zur Kenntnis der aktiven Substanz des Milzbrand-
serums.
(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 48, 1906, S. 315—330.)
Die eingehenden Untersuchungen, bei denen sich Verf. der von ihm
kürzlich ausgearbeiteten Wertbestimmungsmethode des Milzbrandserums be-
diente, zeigen, daß die Immunsubstanz des Milzbrandserums durch Berke-
feldsche Kerzen hindurchgeht. Seine aktive Substanz wird nicht wie ein
Ambozeptor an die Milzbrandbazillen verankert. Beim Milzbrandserum
von Esel und Ziege wird die Immunsubstanz zum größten Teil in der
Pseudoglobulinfraktion, bei der Ziege zum geringeren Teil auch in der
— 101 —
Euglobulinfraktion wiedergefunden. Das wirksame Pseudoglobulin des
Eselserums büßt in wässeriger Lösung mit der Zeit seinen Schutzwert ein.
Scheunert (Dresden).
Huntemüller, O., Immunisierung gegen Hühnercholera mit Ag-
gressinen und Bakterienaufschwemmungen.
(Zentralbl. f. Bakt. etc., I. Abt., Orig., Bd. 42, 1906, S. 170—176.)
Gewinnung des Aggressins durch Aspiration des Exsudates nach
intrapleuraler Injektion der Bakterien. Die Virulenzsteigerung der Bak-
terien durch gleichzeitige Aggressineinspritzung gelang bei Meerschweinchen
nicht. (Weil hatte positive Erfolge bei Kaninchen.) Dagegen gelang
die Immunisierung eines Kaninchens durch steigende subkutane In-
jektionen des Aggressins (0,5, 1,5 und 3 ccm). Das Tier reagierte
dann auf Injektion virulenter Bazillen nur durch lokale Abszesse. Die
Bazillen halten sich noch lange (1 Monat) im Körper virulent. Eine
Immunisierung von Kaninchen mit keimfrei filtrierten Pleuraexsudaten
wurde nicht erreicht. Mittelst steigender Injektionen von Bakterien-
anfschwemmungen , die unter Zusatz von 0,5% Phenol 3 Stunden bei
44° sterilisiert worden waren, konnte ein Kaninchen immunisiert werden.
Das Filtrat solcher Aufschwemmungen war unwirksam.
E. Jacobsthal (Frankfurt a. M.).
Calmette u. Breton, Sur les effets de la tuberculine absorbee par
le tube digestif chez les animaux tuberculeux.
(Comptea rendns de l'Acad. des Sciences, 1906.)
Vom Verdauungskanal wirkt Tuberkulin bei gesunden Tieren giftig,
besonders bei jungen Tieren. Steigende Dosen erzeugen keine Immunität.
Tuberkulöse Meerschweinchen reagieren schon auf eine Gabe von 1 mg per os.
Man kann die Tuberkulinreaktion vom Verdauungsapparat ebenso sicher
erzeugen, wie durch subkutane Injektion. Resow (Frankfurt a. O.J.
Nicolas, J., et Baucel, L., Leucocytose au cours de la vaccination
antirabique chez l'hnmme et chez les animaux.
(Joura de Physiol. et de Pathol. generale, Bd. 7, 1905, 8. 1019—1027.)
Im Verlauf der Impfbehandlung gegen die Wut tritt bei Menschen
und Tieren eine deutliche Vermehrung der Leukozyten im Blut ein,
die gegen Ende der Behandlung ihr Maximum erreicht und nach der letzten
Injektion schnell sistiert. Die Zahl der weißen Blutkörperchen kehrt als-
dann zur Norm zurück. Wesentliche Veränderungen in bezug auf das
Verhältnis der polynukleären zu den mononukleären Leukozyten sind nicht
wahrzunehmen. Interessant ist es, daß bei Injektion von Medullarsub stanz
gesunder Tiere dieselbe Vermehrung der weißen Blutkörperchen beobachtet
wird, wie bei Verimpfung von Wutmaterial. Es tritt eine sehr starke Hyper-
— 102 —
leukozytose ein. Die Leukozyten selbst scheinen bei der Immunisation
gegen die Wut keine Veränderungen zu erfahren. Pfeiler (Berlin).
Strelinger, Dreijährige Erfahrungen über die Schutzimpfung
gegen die Tuberkulose der Rinder nach v. Behring.
(Zeitschr. f. Tiermed., 10. Bd., 1906, S. 118-132.)
Während vor Einführung der Schutzimpfung in den betr. Beständen
(ungarische Güter des Prinzen Ludwig von Bayern) trotz der damals
konsequent durchgeführten künstlichen Aufzucht 50% der Rinder (bei
älteren Tieren noch mehr) auf Tuberkulin reagierten, war dies unter 590
zur Zeit 3 — 372 Jahre alten Impflingen nur bei 9 = 1,5 % der Fall,
wobei noch bei vier dieser letzteren Tiere mit der Möglichkeit einer
lediglich durch die Schutzimpfung erzeugten Tuberkulinüberempfindlichkeit
zu rechnen ist, da zurzeit der Tuberkulinprüfung noch nicht ein Jabr
nach der letzten Schutzimpfung verflossen war. Dabei ist noch hervor-
zuheben, daß die Impflinge nicht den geringsten Isolierungs- oder sonstigen
hygienischen Schutzmaßregeln unterworfen waren. Deswegen scheint
St. die Schlußfolgerung nicht unberechtigt, daß in dem Schutzimpfungs-
verfahren, wie es v. Behring angibt, das Problem einer rationellen Rinder-
tuberkulosebekämpfung als gelöst zu betrachten ist. Qrabert (Berlin).
Parasiten und parasitäre Krankheiten.
Höyberg, H. M.f Bidrag til Trikinens Biologi. (Beitrag zur Bio-
logie der Trichine.)
(31 Ss. Kopenhagen 1906.)
Verf. teilt die Ergebnisse einer Reihe von Untersuchungen über
die Kontagiosität der Fäzes trichinöser Tiere mit. Die Unter-
suchungen wurden teils an Hatten, teils an Schweinen vorgenommen, indem
man weiße und bunte, in Gefangenschaft gezüchtete, gesunde Ratten sowie
auch junge Ferkel mit den Fäzes trichinöser Ratten fütterte. Mit den
Fäzes eines trichinösen Schweines wurden andere junge Ferkel gefüttert.
Das Resultat der Versuche war, daß unter 14 weißen und bunten
mit den Fäzes von trichinösen Ratten gefütterten Ratten 11 und unter
4 jungen Ferkeln, deren eines mit Rattenfäzes, drei mit den Fäzes eines
trichinösen Schweines gefüttert wurden, drei infiziert wurden. Daß die
Infektion wirklich von den mit den Fäzes abgegangenen Darmtrichinen
und nicht von beigemischten, unverdauten Muskelteilchen mit Muskel-
trichinen herrührte, stellte H. dadurch fest, daß er etwa 2500 Fäzes-
präparate untersuchte, in denen er keine Muskeltrichinen, dagegen aber
— 103 —
häufig (namentlich während der ersten Tage nach der Fütterung) große
Mengen lebender, trächtiger Trichinenweibchen, wie auch Trichinenmännchen
nachzuweisen vermochte. Ferner isolierte er eine Anzahl trächtiger
Weibchen und erzeugte durch deren Verfütterung die Trichinose. Eben-
falls zeigte H., daß die in den Fäzes nachgewiesenen Weibchen besonders
während der ersten Tage, nachdem ein Tier Muskeltrichinen aufgenommen
hat, in größeren Mengen abgehen (in einem Falle ließen sie sich noch
zehn Tage später nachweisen), und daß große Mengen von Darmtrichinen
frei im Darminhalt, also nicht an die Darmwand angeheftet, liegen. —
Die Darmtrichinen können sich auch, nachdem sie abgegangen sind, bis
zu einem Monat außerhalb des Tieres in feuchten Fäzes lebendig erhalten,
selbst wenn die Fäzes in Fäulnis übergegangen sind. Das Eintrocknen
tötet sie in kurzer Zeit. Von Interesse ist ferner der vom Verf. gelieferte
Nachweis, daß die Darmtrichinen durch den Magensaft getötet und zum
Teil aufgelöst werden, und zwar schon nach Verlauf weniger Stunden,
so daß er, selbst wenn eine Ratte mit zahlreichen lebenden Trichinen-
weibchen gefüttert wurde, drei Stunden später nur noch Überreste derselben
in mehr oder weniger aufgelöstem Zustand im Mageninhalt fand. H.
glaubt ferner festgestellt zu haben, daß die Embryonen imstande sind,
die Darmwand aktiv zu durchbohren, eine Annahme, die auch deshalb nicht
unwahrscheinlich ist, weil sich, den früheren Ansichten widersprechend,
an den beobachteten Embryonen eine* pfriemenförmige Verlängerung nach-
weisen ließ, die sich äußerst lebhaft von der einen Seite nach der anderen
bewegte und die Verf. als Bohrapparat deutet. Ob die Embryonen dem
Magensaft gegenüber widerstandsfähig sind oder ob sie, von den Über-
resten des Körpers des Weibchens umgeben und beschützt, in den Darm
gelangen, muß nach H.s Untersuchungen noch dahingestellt bleiben.
Nach H. hat man mit den trichinösen Fäkalien als einer
sehr wichtigen Infektionsquelle zu rechnen, während man diese
bisher nicht beachtete. Die Ratten sind ja in hohem Grade für Trichinen
empfänglich und häufig mit solchen behaftet. Dadurch, daß sie ihre
Kameraden fressen (was ja häufig geschieht), verbreitet sich bei ihnen
die Trichinose. Sie bewirken das Verbleiben der Parasiten in der be-
treffenden Örtlichkeit. Da die Ratten oft in großer Zahl in Schweineställen
hausen, so können ihre Exkremente, wenn diese Trichinen enthalten, wie
auch die Exkremente trichinöser Schweine eine wichtige Infektionsquelle
bilden, zumal da die Trichinen sich etwa einen Monat lang lebens-
fähig erhalten können, sofern Feuchtigkeit vorhanden ist (und dies ist im
Schweinestall ja wohl immer der Fall). — Außer der Vertilgung der
Ratten und der Isolierung frisch angekaufter Schweine wird möglichste
Reinhaltung der Schweineställe künftig eine wichtige Maßregel zur Be-
kämpfung der Trichinen sein. L. Bahr (Kopenhagen).
— 104 —
Höyberg, H. M., Fütterungsversuche mit trichinösen Fäkalien.
(Zentralbl. f. Bakt. etc., I. Abt., Orig., Bd. 41, S. 210—211.)
In einer vorläufigen Mitteilung berichtet H.y daß er den Beweis
erbracht habe, daß Tiere, die mit Trichinen behaftet sind, durch ihre
Fäkalien andere anzustecken vermögen.*) Orabert (Berlin).
Montgomery, R. E., Observations on Bilharziosis among animals
in India.
(The Journ. of Tropical Vet-Science, Vol. 1, 1906, Heft 1.)
H. hat bei Pferden und Eseln in Indien häufig Bilharziosis nach-
gewiesen. Da das Leiden auch in höher gelegenen Gegenden mit niedriger
Temperatur beobachtet wird, erklärt er es nicht für ausgeschlossen, daß
Bilharziosis durch Parasitenträger nach Europa verschleppt werden könnte.
Die Art Schistosomum gehört zur Familie der Distomiden. Bisher
sind als Parasiten bei Säugetieren drei Arten beschrieben worden:
1. Seh. haematobium (v. Siebold) beim Menschen. 2. Seh. bovis
(Sonsino) bei Rindern und Schafen. 3. Seh. japonicum (Eatsurada) (Seh.
Cattoi [Blanchard]) bei Menschen und Katzen in Asien. Der Parasit
wurde zuerst durch Bilharz im Jahre 1851 in der Portal vene eines
Egypters in Kairo nachgewiesen. Die ursprüngliche Bezeichnung Disto-
mum haematobium wurde durch Cobbold 1859 durch Bilharzia haema-
tobia ersetzt; letztere Bezeichnung- ist auf Anregung Weinlands aus
Prioritätsgründen allgemein durch die Artbezeichnung Schistosomum
ersetzt worden.
Der Parasit findet sich besonders in der Portalvene. Seine pathogene
Wirkung äußert sich vornehmlich in Stanungserscheinungen im Gebiete
der Pfortader. Charakteristisch sind auch Hämorrhagien in der Schleim*
haut des Dickdarmes, sowie der Harnblase.
Im zweiten Heft derselben Zeitschrift beschreibt Verf. noch folgende
in Indien beobachtete Schistosomiden : Schist. Bomfordi n. sp. und Schist.
spinalis n. sp. und Seh. indicum. Kaestner (Berlin).
Koch, M., Zur Kenntnis des Parasitismus der Pentastomen.
Biologische und experimentelle Untersuchungen über
den Parasitismus der Linguatula rhinaria Pilger und
ihrer Larven.
(Arbeiten aus dem Pathologischen Institut zu Berlin, Berlin 1906, S. 288 — 348.)
K. fand in Berlin die Linguatula rhinaria bei 6,67 % der unter-
suchten 75 Hunde; abgekapselte und verkalkte Larven wurden bei der
Sektion von 400 erwachsenen Menschen in 11,75 % der Lebern nach-
gewiesen.
*) Vgl. das vorstehende Referat über die ausführliche Arbeit Höybergs,
— 105 —
Den Entwicklungsgang untersuchte E. experimentell, durch Verab-
reichung von Larven an mehrere Hunde und durch Verftttterung von
Eiern an eine größere Zahl von Meerschweinchen, Kaninchen, Ratten und
Mäusen.
Bei uns vollzieht sich der den Bestand der Art gewährleistende Kreislaut
zwischen Hund einerseits und Hase, Kaninchen, Ziege, Schaf sowie Rind anderer-
seits. Die Eier gelangen mit dem Nasenschleim des Hundes oder, wenn sie
verschluckt werden, mit dem Kot nach außen und auf vegetabilische Nahrungs-
mittel. Im Darm der Zwischen wirte schlüpfen die Larven aus und dringen in
die Lymph- sowie die Blutgefäße der Darmwand ein. Auf dem Wege der
Lymphbahn gelangen sie in die Mesenterialdrüsen, wo ein Teil sich festsetzt,
während andere in den Ductus thoracicua und durch Vermittlung der Blut-
bahn weiter in die Lungen geführt werden. Die in die Blutgefäße einge-
drungenen Larven kommen durch die Vena portarum in die Leber, einige —
in .verkehrter" Richtung in die Gefäße eingewanderte — setzen sich unter
dem serösen Überzug des Darmes, der Milz oder der Nieren fest In den
Organen werden die Larven durch eine von den Gewebwi des Zwischenwirtes
gebildete Kapsel umschlossen In sechs Monaten ist die Larve nach neun-
facher Häutung fertig ausgebildet. Ein Teil der Larven sprengt dann —
beim Menschen nicht — unter Erzeugung von Blutungen die Kapsel und gelangt
in die serösen Höhlen oder in das Lumen des Darmes oder der Bronchen.
Mit den Organen des Zwischenwirtes kommen die Larven in den Magen des
Hundes, von wo sie vermittelst ihrer Haken und, unterstützt durch ihr Stachel -
kleid, durch den Ösophagus nach Mund- und Nasenhöhle emporsteigen. Direkte
Auraahme der Larven in die Nasenhöhle gehört zu den Seltenheiten.
Das spärliche Vorkommen der erwachsenen Form bei Pflanzenfressern
und beim Menschen — ein Fall beobachtet — kann erklärt werden durch
Autoinfektion (direkte Entwicklung) oder aber durch direkte Aufnahme der
ziemlich widerstandsfähigen erwachsenen Larven.
Die Fleischbeschau hat die Verbreitung des Parasiten bisher nicht
eingedämmt. K. glaubt deshalb, daß die Hunde zumeist infiziert werden
bei Hausschlachtungen von Ziegen und Kaninchen sowie beim Aufbrechen
von Wild (Hasen, Rehe); auch hält er es für möglich, daß Ratten nnd
Mäuse Zwischenträger sind. F. Schmitt (Stettin).
Le Maitre, Sur la Spiropterose oesophagienne des chiens du Sud
Tunesien.
(Recueil de med. v6t., Bd. 83, 1906, S. 17-24.)
Neben anderen sehr mörderischen Hundekrankheiten kommt in
Sudtunis besonders im Frühling und Sommer oben bezeichnete Krankheit
vor, die unter Erscheinungen von Keuchhusten, Brechreiz, und Kachexie
in 30% der beobachteten Fälle zum Tode führt. Als Zwischenwirt der
Spiroptera sanguinolenta wird die Schabe (Blatta) angesehen. Im Öso-
phagus finden sich meist an der Kreuzungsstelle von Phrenikus und Vagus
— 106 —
ein oder mehrere Knoten bis Nußgröße, die die Parasiten enthalten.
Die manchmal beobachteten nervösen Erscheinungen führt Verf. neben
spezi li scher Toxinbildung der Parasiten zum Teil auf diesen typischen
Sitz zurück, der einen Druck auf vorstehend genannte Nerven wahr-
scheinlich macht. Junack (Breslau).
Krönmg, Die Gastruslarvenkrankheit der Pferde in ihrer Be-
deutung für die Fohlenaufzucht, besonders veredelter
Zuchten.
(Zeitschr. f. Vet.-Kunde, 18. Jahrg., 1906, S. 202-211.)
Der Gastruslarvenkrankheit der Pferde und Fohlen ist eine größere
Hciichtung zu schenken, als sie bisher gefunden hat. K. beobachtete sie
bei fünf Pferden und 26 Fohlen. Von letzteren sind drei gestorben. Die
übrigen sind nach rechtzeitiger Anwendung von Schwefelkohlenstoff genesen.
Orabert (Berlin}.
Lfngard, A.> Flag^llates found in the gastro-intestinal tracts
of the horse-leech, Haemopis sanguisuga.
(The Jonrn. of Tropical Vet-Science, Vol. 1, 1906, S. 301—315.)
Verf. beschreibt, unter Beifügung schöner Abbildungen, ausführlich
die im Darm des oben genannten Blutegels aufgefundenen Flagellaten.
Kaestner f Berlin J.
Theiler, A.f Trypanosomiasis in the camel.
(The .Tourn. of Tropical Vet-Science, Vol. 1, 1906, S. 293—300.)
Th. beschreibt Surra oder Mbori bei einem Transport von Kamelen,
der vom Somalilande nach Pretoria gebracht wurde. Kaestner (Berlin).
Lingard, A., A new species of trypanosoma found in the blood of
rats, together with a new metrical method of standar-
dizing the measurements of trypanosomata.
vThe Journ. of Tropical Vet-Science, Vol. 1, 1906, Nr. 1.)
L. beschreibt eine neue Trypanosomenart (Tryp. longocaudense) im
iHf einer Ratte (Mus niveiventer). Die Art ist ausgezeichnet durch
Mosit« je einer Geißel am vorderen und hinteren Körperende. Gleich-
l r i jjr ^ibt Verf. eine neue Methode zur Maßbestimmung der Trypanosomen au.
Kaestner (Berlin/.
Pease, H. T.f Tibarsa, Surra, Trypanosomiasis in the cattle.
^The .fttiiru. of Tropical Vet-Science, Vol. 1, 1906, Nr. 2.)
Tibarsa oder Trypanosomiasis ist bei Kamelen in Indien sehr ver-
Die speziellen Krreger sind auf andere Haustierarten, wie die
kparasiten. ebenso auf kleine Versuchstiere überimpfbar. Das Leiden
wahrscheinlich identisch mit der von den Brüdern Sergent
rwbeneu Trypanosomiasis der Kamele in Xordafrika. Die Ein-
nen bezeichnen das Leiden, sowie die Tabanusart, die als Zwischen-
— 107 —
träger angesehen wird, als „El Debab". Als Träger der Infektion kommen
in Betracht Tabanns (Atylotus) nemoralis und Tab. tomentosns.
Kaestner (Berlin) .
van Durme, P.f Über Trypanosomiasis. Die Verteilung der
Trypanosomen in den Organen.
(Annal. de la Societe de Med. de Gand, Bd. 85, 1905, H. 5.)
Auf Grund experimenteller Untersuchungen am Kaninchen kommt
der Verf. zu folgenden Resultaten:
Beim Studium einiger Trypanosomiasen fällt das Mißverhältnis
zwischen der Schwere der Symptome und der geringen Anzahl nachweis-
barer Parasiten auf. Man könnte deshalb annehmen, daß die Trypanosomen
Toxine absondern oder sich nur an bestimmten Körperstellen vermehren.
Zählungen der Trypanosomen hatten folgendes Ergebnis:
1. Naianatrypanosomen sind bei Kaninchen zahlreicher als die Blut-
untersuchung vermuten läßt.
2. Mehr oder weniger zahlreiche Trypanosomen lokalisieren sich in
Hoden, Nebenhoden, Lymphdrüsen, Konjunktiva, Nasenschleimhaut
und den Ödemen. Gerade die genannten Organe weisen hauptsächlich
funktionelle Störungen auf.
3. Lebende Trypanosomen finden sich nicht in Leber, Nieren, Neben-
nieren, Lungen, Gehirn, Rückenmark, Tränendrüsen, Thymusdrüse,
Knochenmark und Ovarien Dausel (Berlin}.
Heller, J., u. Rabinowitsch, L., Einige Mitteilungen über die
• praktisch-diagnostische Verwertbarkeit der Unter-
suchung auf Spirochaete pallida.
(Die medizin. Klinik, 1906.)
Rabinowitsch bemerkt in dieser Arbeit, daß sie, angeregt durch
die Arbeit Schaudinns, „Generations- und Wirtswechsel bei Trypano-
soma und Spirochaete'4, einen Zusammenhang zwischen der bei menschlicher
Syphilis gefundenen Spirochaete und den Trypanosomen der Beschäl-
seuche vermutete. Bei ihren vergleichenden Untersuchungen fand sie
jedoch weder bei der Beschälseuche Entwicklungsformen der Trypanosomen,
die Spirochaeten glichen, noch bei menschlicher Syphilis Gebilde, die als
Trypanosomen hätten gedeutet werden können. J.
Theller, La Piroplasmose complication de la peste du cheval.
(Revue gen. de med. vet, 1906, S. 178—181.)
Analog wie bei den Rinderpestimpfungen beobachtete Th. auch
bei den Immunisierungsversuchen gegen Pferdesterbe Ausbrüche von Piro-
plasmose beim Pferde. Teils waren die Piroplasmen mit dem frischen, etwas
bluthaltigen Pferdesterbeserum übertragen worden; Th. empfiehlt deshalb,
ganz klares oder älteres Serum zu verwenden, weil in diesem die Piroplasmen
— 108 —
fehlen oder abgestorben sind, während sich das Pferdesterbevirus während
mehrerer Jahre erhält. Teils hatten die Tiere schon früher die Piroplas-
mose überstanden; dieselbe flackerte aber wieder nach Pferd esterbeimpfungen
auf und führte sogar in einem Falle zum Tode. Für die zunächst gegen
Piroplasmose immunisierten Pferde hält Th. die Gefahr bei einer sekun-
dären Pferdesterbeimmunisierung für größer. Er empfiehlt deshalb, alle
importierten Tiere zuerst gegen Pferdesterbe und dann gegen Piroplasmose
zu immunisieren. Junack (Breslau),
Loewit, Über Haemamoeba leucaemiae magna.
(Verhandl. der Deutschen Patholog. Geseilsch. 9. Tagung, gehalten in
Meran vom 24. bis 27. Sept. 1905, 8. 40.)
In einem nach Giemsa gefärbten Blutpräparat fand L. ein extra-
zellulär liegendes, einen Kern enthaltendes Gebilde, das sich durch Färbung
und Form (Sichelform) von den übrigen Bestandteilen des Blutes unter-
scheidet. Derartige Gebilde fand L. in noch zwei anderen Fällen von
Myelämie vor. Außer den typischen extrazellulären Sicheln wurden an
manchen leukozytären Elementen noch analog gefärbte Rundformen ge-
funden, von denen häufig ein oder zwei breitere Fortsätze ausgingen.
L. spricht diese beiden Arten von Gebilden als zum Formenkreis der
Haemamoeba leucaemiae magna gehörig an. Larisch (Berlin).
Irons, E. E., u. Graham, E. A.v Generalized Blastomycosis.
(The Journ. of Infectious Diseases, Vol. 3, 19 <J, S. Go6— 682.)
Verfi'. beschreiben einen Fall von Blastomykosis oder Oidiomykosis
bei einem 47 Jahre alten Manne. Der Fall verlief nach einer zehnmonat-
Helien Krankheitsdauer tödlich.
Das Leiden äußerte sich durch miliare und ulzerative Herde in den
Lungen, miliare Blastomykosis der Milz und durch Bildung multipler ober-
flächlicher und tiefer Abszesse. Der Nachweis der Blastomyzcten wurde schon
bri Lebzeiten des Patienten durch Ausstrich, Kultur und Verimpf ung erbracht.
Bai Meerschweinchen bildete sich nach Überimpfung eine mehr oder weniger
lokalisiert bleibende und in einem Falle auch generalisierte Blastomykosis aus.
Kaestner (Berlin).
Hygiene im engeren Sinne.
Fingerling, G.f Einfluß fettreicher und fettarmer Kraftfutter-
mittel auf die Milchsekretion bei verschiedenem Grund-
furter.
{IXiv Landwirtschaft!. Versuehsstat, Bd. 04, 1906, S. 300-412.)
Durch die Versuche Morgens und seiner Mitarbeiter hatte sich
ergeben, daß die Milch sowohl qualitativ wie quantitativ von dem in der
— 109 —
Nahrung gereichten Fett abhängig ist, und daß namentlich der Fettgehalt
der sezernierten Milch gesteigert wird. Diese Steigerung war jedoch an
bestimmte Grenzen der Fettzufuhr gebunden und machte sogar oft einer
Depression Platz, sobald der Fettgehalt der gereichten Kation 1 kg pro
1000 kg Lebendgewicht wesentlich überschritt. Aufgabe der neuen Ver-
suche war es, weitere Belege für diese anscheinende Gesetzmäßigkeit
dadurch herbeizuschaffen, daß diese Frage unter Zugrundelegung eines
wirtschaftlichen und in der landwirtschaftlichen Praxis häufig vor-
kommenden Futters mit hohem und niedrigem Fettgehalt in den zu ver-
abfolgenden Rationen studiert wurde. Beregnetes und unberegnetes Heu
mit Zulage von Gerstenfuttermehl als fettarmes und Reismehl als fettreiches
Kraftfuttermittel, sowie ein Gemisch von Heu-Stroh und Schnitzeln unter
Zuhilfenahme derselben Kraftfuttermittel dienten als Versuchsfutter. Für
die Wahl des Grundfutters war der Fettgehalt maßgebend. Durch An-
wendung der oben genannten Kraftfuttermittel konnte der Fettgehalt der
Rationen beliebig variiert werden. Die zahlreichen Versuche des Verf.
zeigten als hervortretende Erscheinung eine einseitig stei-
gernde Wirkung des Nahrungsfettes auf die Produktion des
Milchfettes. Durch Austausch des fettärmeren Kraftfuttermittels gegen
ein fettreicheres vermag man den Fettgehalt der Milch sowohl absolut wie
auch prozentisch zu steigern.
Durch Beigabe eines fettreichen Kraftfutters war es möglich, selbst
minderwertiges und für die Ernährung von Milchvieh wenig geeignetes
Futter in seiner Wirkung auf die Milchabsonderung so zu steigern, daß
es normalem Futter sehr nahe kam, in bezug auf das Milchfett dieses sogar
übertraf.
Wichtig ist weiterhin, daß die Versuche wiederum die große Bedeu-
tung eines gewürzreichen Futters für <iie Fütterung der milchgebenden
Tiere dartun, indem dieses gerade die Produktion von Milchfett steigern
kann. Dem Landwirt stehen genügend Hilfsmittel in einer natürlichen
Futtermischung zur Verfügung, so daß er nicht nötig hat, seine Zuflucht zu
berüchtigten Industrieerzeugnissen (Viehpulvern usw.) zu nehmen.
Scheunert f Dresden J.
Morgen, A., Beger, C. u. Fingerling, G.f Wreitere Untersuchungen
über die Wirkung der einzelnen Nährstoffe auf die
Milchproduktion.
(Die Landwirtschaftl. Versuchsstationen, Bd. 64, 1906, S. 93—243.)
Die Verff. haben mit der vorliegenden Arbeit die seit dem Jahre 1900
in der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Hohenheim ausgeführten Unter-
suchungen über die Wirkungen der einzelnen Nährstoffe auf die Milch-
produktion abgeschlossen. Die früheren Versuche von 1900/03 (Dieselbe Zeit-
schrift Bd. 61, S. 1) hatten ergeben, daß das Nahrungsfett als ein besonders
— 110 -
geeignetes Material für die Bildung von Milchfett augesehen und ihm daher
eine spezifische Wirkung auf diese zugeschrieben werden muß. Die Versuche
des Jahres 1904 hatten dieses Resultat bestätigt, dagegen bezüglich des Pro-
teins, das eine eingehende Berücksichtigung bei diesen Versuchen erfahren
hatte, gezeigt, daß dieser Nährstoff, wie bekannt, wohl auf die Menge der Milch
und Milchbestandteile günstig einzuwirken, dagegen eine spezifische Wirkung
auf die Bildung von Milchfett nicht zu äußern vermag. Die neuen, aus
drei Versuchsreihen bestehenden Untersuchungen sollten in erster Linie
neben der Wirkung des Nahrungsfettes den Einfluß des Proteins festlegen
und dadurch die bei der Versuchsreihe von 1904 erhaltenen Resultate
kontrollieren, da bei dieser die beiden Nährstoffe (Fett und Protein) nicht
unter ganz gleichen Bedingungen in Anwendung gekommen waren.
Wie bei den früheren Versuchen dienten auch jetzt wieder Schafe
und Ziegen als Versuchstiere. Anordnung und Methodik derselben waren je
nach dem beabsichtigten Zweck verschieden und schlössen sich im all-
gemeinen der bei ähnlichen Versuchen üblichen an (vgl. Original). Auf
Grund der überaus gründlichen und erschöpfenden Versuche, deren Resultate
auch in zahlreichen Tabellen zahlenmäßig belegt sind, gelangen die Verif.
in der Hauptsache zu folgenden Schlüssen:
Durch Zulage zu einem fett- und proteinarmen in ungenügender Menge
verfütterten Grundfatter wurden folgende Wirkungen erzielt:
1. Die Zulage von Fett steigerte bedeutend den Ertrag von Milch,
Milchbestandteilen und den Fettgehalt der Milch sowie die Menge der Milch-
trockensubstanz.
2. Protein zugäbe bewirkte noch größere Steigerung im Ertrag an
Milch und Milchbestandteilen mit Ausnahme des Fettes, dagegen eine erheb-
liche Verminderung des Gehaltes der Milch und der Milchtrockensubstanz
an Fett.
3. Durch gleichzeitige Zulage von Fett und Protein wurde die
ungünstige Wirkung des Proteins mehr oder weniger ausgeglichen und eine
mehr oder weniger große Ertragssteigerung, sowie auch eine günstige Beein-
flussung der Fettproduktion hervorgerufen.
4. Die Beschaffenheit des Milchfettes wird allein von der Fett-
zulage wie von der Proteinzulage beeinflußt.
Das gleiche Verhalten zeigten beide Nährstoffe, wenn das Fett nicht als
Zulage, sondern als Ersatz (in thermisch äquivalenter Menge) für Protein in
fettarmem aber proteinreichem Futter gegeben wurde. Durch einen Ersatz
eines Teiles der Kohlehydrate durch die thermisch äquivalente Menge Fett
wird der Ertrag der Milch und besonders an Fett sowie der Gehalt der Milch
an Fett bedeutend erhöht. Den Wirkungen von Reizstoffen die in den
einzelnen Futterarten enthalten sind, ist ebenfalls ein Einfluß auf die Qualität
der Milch zuzuschreiben. Beigabe von Lezithin steigert den Ertrag von Milch
und Milchbestandteilen, wirkt aber auf die Fettproduktion nur bei fettarmem
Futter günstig ein.
— 111 —
Diese Resultate bestätigen und ergänzen die bei den früheren Unter-
suchungen gewonnenen. Die Verff. fassen das sichergestellte Gesamtresultat
ihrer sechsjährigen Untersuchungen in folgenden Worten zusammen:
Für die Ernährung des milchgebenden Tieres nimmt unter
den drei organischen Nährstoffen das Nahrungsfett insofern
eine Sonderstellung ein, als ihm allein eine spezifische Wir-
kung auf die Bildung von Milchfett zukommt; Protein und Kohle-
hydrate besitzen eine solche spezifische Wirkung nicht. Es ist
daher das Nahrungsfett innerhalb gewisser Grenzen ein ge-
eigneteres Material für die Bildung des Milchfettes als die
beiden anderen Nährstoffe. Scheunert {Dresden).
Henriques V.v u. Hansen, C, Läßt sich durch Heteroalbumosen
Stickstoffgleichgewicht im tierischen Organismus her-
stellen?
(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 48, 1906, S. 383—386.)
Sowohl Dysalbumose als auch Heteroalbumose vermögen den Orga-
nismus vor Stickstoffverlust zu schützen. Scheunert (Dresden).
Oppenheimer, C, Zur Kenntnis der Darmgärung.
(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 48, 1906, S. 240—251.)
0. weist durch exakte, unter möglichstem Ausschluß von Fehler-
quellen ausgeführte Versuche nach, daß bei der Darmgärung der
mit gewöhnlicher Kost genährten Pflanzenfresser Stickstoff
nicht auftritt. Hingegen kommen im Darm der Pflanzenfresser denitri-
fixierende Bakterien vor, die schon Jensen (in Lafar, Techn. Mykol.,
Jena 1904, S. 188) im Kote konstant fand, und die imstande sind, freien
Stickstoff aus den etwa in der Nahrung vorhandenen Nitriten abzuspalten.
Scheunert (Dresden).
Schreiber, Enteisenung bei Einzelbrunnen nach dem Verfahren
der Firma Deseniß & Jacobi in Hamburg.
(Mitteil. d. Kgl. Prüfüngsanst. f. Wasserversorg. u.Abwässerbeseit, 1905, H.6.)
Verf. prüfte die von. genannter Firma hergestellte sogenannte
Bastardpumpe an einem Brunnen, dessen Rohwasser 5,5—7,5 mg Eisen-
verbindungen im Liter enthielt. Mit dieser Pumpe erzielte er Reinwasser
von höchstens 0,3 mg Eisen im Liter, womit sie den gestellten Anforde-
rungen vollkommen genügte. Dausel (Berlin).
Darras, A propos des Haricots-poisons.
(Rec. de med. vet, Bd. 83, 1906, S. 310—312.)
D. hat nach Verfütterung von sogenannten Birmabohnen (feves de
Birmanie) zwei Todesfälle bei Pferden unter akuten Kolikerscheinungen
— 112 —
beobachtet. Die Todesfälle waren einmal bei der Vermengung mit der
15 fachen and einmal bei der Vermengung mit der 60 fachen Menge Körner-
futters eingetreten.
Dechambre bemerkt zu diesen Beobachtungen in der französischen
Zentralgesellschaft für Veterinärmedizin, daß die Birmabohne nicht mehr
von der giftigen Blausäure enthält als andere ausländische und inländische
Bohnensorten, die ohne Schaden verfuttert werden. Nach seiner Meinung
handelte es sich in den Fällen von D. entweder um eine besonders giftige
neue Bohnensorte oder um mangelhafte Mischung mit dem Körnerfutter,
so daß einzelne Tiere größere Bohnenmengen aufnahmen.
Junack ( Breslau J
Lehrbücher, Handbucher, Zeitschriften.
Ellenberger, W., Handbuch der vergleichenden mikroskopischen
Anatomie der Haustiere. (Bd. 1.)
(Berlin [Parey] 1906.)
Die meisten der als Handbücher bezeichneten großen Sammelwerke
stellen gewöhnlich zusammenfassende Übersichten bereits anderweit publi-
zierter Forschungsergebnisse dar. Das vorliegende Handbuch ist mehr als
das. Es bietet in erschöpfenden Monographien wesentlich die Ergebnisse
neuer eigener Forschungen der verschiedenen Mitarbeiter. Die einzelnen
Beiträge sind also gewissermaßen Originalarbeiten. Eine Reihe hervor-
ragender Veterinäranatomen haben sich unter Ellenbergers Führung
zusammengefunden, um hier ein Werk zu schaffen, das einzig auf dem
Gebiet der Histologie in Human- und Veterinärmedizin dasteht. Es gibt
über den gegenwärtigen Stand der Kenntnisse vom Bau der Organe der
Haustiere vollen Aufschluß und ermöglicht es, sich über alle histologischen
Einzelheiten eingehend zu orientieren. Daher ist das Werk für alle die-
jenigen, die auf normal- und pathologisch-histologischem Gebiet forscherisch
tätig sind, unentbehrlich. Genaue Literaturverzeichnisse, die jedem Kapitel
beigegeben sind, sowie zahlreiche vortreffliche Abbildungen — größtenteils
Originale — machen das Handbuch um so wertvoller. Bis jetzt liegt der
erste Band des Werkes vor, der zweite (Schluß-) Band soll bald folgen.
J.
Originalarbeiten.
(Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin.)
Weitere Untersuchungen über die Filtrierbarkeit des
Virus der Schweineseuche und der Schweinepest.
Nebst Bemerkungen über die Bekämpfung der Schweinepest durch
sogenannte Schweinepestsera.
Von
Prof. Dr. K. Ostertag und Repetitor Dr. A. Stadie.
In einer Erwiderung auf eine Mitteilung von Hutyra*) über
eine die Frage der Filtrierbarkeit des Virus der Schweineseuche
betreffende Untersuchung ist von Ostertag**) schon darauf hin-
gewiesen worden, daß im Hygienischen Institut der Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin bereits im Jahre 1903 Versuche über die
Filtrierbarkeit des Ansteckungsstolfes der Schweineseuche und so-
fort nach dem Bekanntwerden der Arbeiten von de Schweinitz
und Dorset***) über die Natur des Ansteckungsstoffes der ameri-
kanischen Hogcholera auch solche über die Filtrierbarkeit des An-
steckungsstoffes der Schweinepest angestellt worden seien.
Der Vollständigkeit halber sei auch an dieser Stelle erwähnt, daß
über die Ergebnisse der Untersuchungen über die Frage der Durch-
gängigkeit des Ansteckungsstoffes der Schweinesenche durch Filter
von Pützf) im Jahre 1904 und von Stadieff) im vorigen Jahre
•) BerL tierärztl. Wochenschr. 1906, Nr. 32.
**) Ebenda 1906, Nr. 34.
***) Zirkular Nr. 41 und 43 des „U. S. Bureau of animal Industry"
Washington 1904.
t) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene 1904, S. 365.
tt) Diese Zeitschr. I. Bd., S. 376-378.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, S/3. 8
— 114 —
berichtet worden ist. Das Ausgangsmaterial, das zu den letzteren
Versuchen gedient hat, stammte von künstlich mit Reinkulturen von
Schweineseuchebakterien infizierten Ferkeln, das Ausgangsmaterial
zu den Versuchen dagegen, die von Pütz mitgeteilt worden sind,
von Schweinen aus zwei verschiedenen, durch Schweineseuche ver-
seuchten Beständen, aus denen Tiere dem Institut zur genaueren
Untersuchung eingesandt worden waren. In beiden Fällen handelte
es sich um chronische Schweineseuche. In dem einen Falle
(Servatius) bestanden hepatisierte Herde in den beiden Herzlappen,
im zweiten (Bauditten) Hepatisation der beiden Spitzen- und Herz-
lappen und nekrotische Herde im Bereich der hepatisierten Stellen.
Letztere Lunge wurde unmittelbar zur Herstellung des Filtrates ver-
wandt, die erstere ist zunächst zur intrapulmonalen Infektion zweier
Ferkel benutzt worden, die hierauf in typischer Weise erkrankten
(Hepatisation der Spitzen- und Herzlappen, sowie an den vorderen
Teilen der Zwerchfellappen, bei einem Ferkel bestand außerdem
Pleuritis adhaesiva) und deren Lungen dann zu dem Versuch mit
filtriertem Lungensaft verwandt worden sind. Von den vier mit fil-
triertem Lungensaft geimpften Ferkeln zeigte eines bei der Tötung-
die anatomischen Veränderungen der Schweineseuche, während die
übrigen drei sich als vollkommen frei von jeglichen Veränderungen
erwiesen. Mit Rücksicht auf den Befund bei den letzteren drei
Schweinen war anzunehmen, daß es sich bei dem erkrankten Ferkel
um eine Infektion gehandelt hat, die mit der Einimpfung des
filtrierten Lungensaftes nicht im Zusammenhang stand.
Hutyra hat als Ausgangsmaterial für seinen Versuch Blut und
Lungensaft eines zweijährigen Schweines benutzt, das wegen schwerer
akuter Erkrankung notgeschlachtet wurde, und bei dem nach der
Schlachtung eine „kruppös-katarrhalische Pneumonie, graurote Hepa-
tisation mit seröser Infiltration der interlobulären Septa und akute
Schwellung der Lymphdrüsen44 festgestellt wurden. Die Versuchs-
ferkel Ia, IIa, üb, II c wurden mit Filtrat von verdünntem Blut-
serum, das Ferkel Ib mit Filtrat von verdünntem Lungensaft sub-
kutan geimpft. Die Ferkel Ia, Ib erhielten Material des not-
geschlachteten Schweines, die übrigen Material vom Ferkel Ib, das
während der fieberhaften Erkrankung entnommen war. Die Ferkel Ia,
IIa wurden nach 25 und 13 Tagen getötet, Ferkel IIc — ein zwei
Wochen altes, 4 kg schweres Tierchen — ist nach sechs Tagen
gestorben. Alle Versuchsferkel sind fieberhaft erkrankt, die Ferkel Ia.
— 115 —
Ib und Ha haben außerdem Durchfall gezeigt. Die Sektion ergab bei
Ferkel Ia „an den Rändern des vorderen Lungenlappens stellenweise
graurote Hepatisation, in der Nähe des oberen Randes der rechten
Lunge einige kleine nekrotische Herde" (mit bipolaren Bakterien),
in der Schleimhaut des Dickdarmes waren die Follikel „bis linsen-
groß mit zentralen Eiterpfropfen" (mit Befund von Streptokokken).
Ein ähnlicher Befund wurde bei Ferkel IIa erhoben, bei dem außer-
dem punktförmige Blutungen in der Rindensubstanz der Nieren er-
mittelt wurden. Bakteriologischer Befund in den Lungen: Bipolare
Bakterien und solche vom Typus des Kolonbazillus, im Blut und in
den Gekrösdrüsen ausschließlich letztere. Beim Ferkel He endlich
wurden die Erscheinungen einer Septikämie mit punktförmigen
Blutungen im Epikard, in der Pleura visceralis und in der Rinden-
schicht der Nieren, sowie mäßige Schwellung der Milz und der
Lymphdrüsen ermittelt. Die bakteriologische Untersuchung ergab
Kulturen von Bakterien, die den Typus der Kolonbazillen aufwiesen.
Bezüglich der von Hutyra zu seinen Versuchen benutzten Ferkel Ib
und üb ist der Sektionsbefund nicht mitgeteilt worden, da die
Tiere nach Abschluß des Infektionsversuches am Leben belassen
wurden.
Ostertag trat bei kritischer Würdigung des Hutyraschen
Versuches der von Hutyra selbst ausgesprochenen Meinung bei,
daß er wohl mit Schweinepestmaterial gearbeitet hat. Denn die
Verkäsung der Dickdarmfollikel, die Hutyra bei seinen Versuchs-
ferkeln Ia und IIa gefunden hat, sprach anatomisch für das Vor-
liegen von Schweinepest. 0. erwähnte, daß er diese Veränderung
bei Schweinen, die aus durch Schweinepest verseuchten Beständen
stammten, wiederholt als alleinigen Darmbefund habe erheben
können.
Die ersten Versuche über die Filtrierbarkeit des Ansteckungs-
stoffes der Sehweinepest wurden im Hygienischen Institut der
Berliner Tierärztlichen Hochschule im Mai 1904 mit Material eines
etwa 10 Wochen alten Ferkels ausgeführt, das dem Institut von
Herrn Kreistierarzt Melchert in Naugard aus einem durch
Schweinepest verseuchten Bestand übersandt worden war. Das
Tier ist gestorben und war stark abgemagert. Bei der Obduktion
zeigte es sich, daß die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes
in großer Ausdehnung geschwollen war und eine schmutzig grau-
gelbe Farbe besaß. Nach Entfernung der graugelben Teile blieben
8*
— 116 —
Defekte der Schleimhaut zurück. Die Gekrösdrüsen waren markig
geschwollen. Von dem filtrierten Blutserum dieses Tieres erhielten
zwei 8 Wochen alte Ferkel (I und II) je 3 ccm am 13. Mai sub-
kutan injiziert. Beim Ferkel I stieg die Temperatur am 6. Tage
auf 41,5° C, fiel aber schon am nächsten Tage wieder zur Norm*),
beim Ferkel II war die höchste Innentemperatur am 5. Tage 40,2° G.
Die Tiere waren im übrigen dauernd munter und erwiesen sich auch
bei der am 17. Juli vorgenommenen Tötung als völlig gesund.
Am 11. November 1904 ist den Versuchsferkeln Nr. XVII und
XVIII je 2,5 ccm Filtrat eines mit steriler Bouillon hergestellten
Auszugs aus den mit „Boutonsu und diphtherischen Geschwüren
behafteten Darmteilen sowie aus den geschwollenen und teilweise
nekrotischen Gekrösdrüsen eines pestkranken Ferkels subkutan
injiziert worden. Das Ferkel XIX erhielt 5 ccm filtriertes Blut-
serum des gleichen Tieres. Das Ferkel, von dem das Ausgangs-
material herrührte, ist an Schweinepest eingegangen; es stammte
aus einem durch Schweinepest verseuchten Bestände zu P. Sämt-
liche drei Versuchsferkel sind gesund geblieben und erwiesen sich
auch bei der am 1. Dezember 1904 vorgenommenen Tötung als
frei von jeglichen Veränderungen.
Ebenso negativ verlief ein an drei Ferkeln vorgenommener
Versuch mit filtriertem Material von einem gestorbenen Ferkel aus
dem durch Schweinepest verseuchten Bestände zu T. i. M. Bei
dem Ferkel bestanden sehr schwere, der Schweinepest eigentüm-
liche Veränderungen am Hüftdarm, Grimmdarm und Blinddarm
(diffuse und herdförmige Nekrose der Schleimhaut, Schwellung mit
partieller Nekrose der Gekrösdrüsen), ferner Pestpneumonie. Dem
Versuchsferkel XX wurden 5 ccm filtriertes Blutserum des aus T.
stammenden Tieres, den Versuchsferkeln XXI und XXII je 5 ccm
Filtrat eines Auszuges aus den veränderten Darmteilen und Gekrös-
drüsen unter die Haut gespritzt. Auch diese Tiere blieben gesund,
und es konnten bei der drei Wochen später vorgenommenen Tötung
Organveränderungen nicht nachgewiesen werden.
Das Ergebnis dieser Versuche sprach gegen die Annahme,
daß das Virus der deutschen Schweinepest filtrierbar sei.
*) Vorübergehende Steigerungen der inneren Körperwärme kommen
auch bei ganz gesunden Ferkeln im Alter von 4-8 Wochen vor und können
z. B. durch stärkere Aufregung der Tiere, durch Umherjagen, herbeigeführt
werden.
— 117 —
Ganz anders sind Versuche ausgefallen, die im Hygienischen
Institut mit Blutserum angestellt worden sind, das von an Hog-
cholera erkrankten Schweinen stammte und dem Institut durch
Herrn Dorset in Washington in freundlichster Weise zur Ver-
fügung gestellt worden war.
Ferkel I ist am 2. Juli 1906 mit 2 ccm des amerikanischen
Materials geimpft worden. Das Tier erkrankte unter schwerer
Störung des Allgemeinbefindens und starb in der Nacht vom
13. zum 14. Juli, nachdem es stark abgemagert war. Bei der
Sektion fanden sich umschriebene Rotfarbung der Haut am Kehl-
gang, an der Unterfläche des Halses, am Bauch und an den Innen-
flächen der Schenkel, Trübung des Parenchyms der Leber, des
Myokards, der Rindenschicht der Nieren, Schwellung sämtlicher
Lymphdrüsen, geringe Schwellung der Milz, punktförmige Blutungen
in der Rindenschicht der Nieren und in einem Teil der Lymph-
drüsen. Die Schleimhaut des Darmes und die Lungen ohne Ver-
änderungen.
Ferkel II erhielt am f>. Juli 1906 3 ccm des von Dorset
übersandten Materials subkutan. Auch dieses Tier erkrankte hier-
nach schwer und wurde am 14. Juli getötet. Sektionsergebnis:
Blaurote Färbung des Rüssels und der Ohren, leichte Trübung der
Leber, Petechien in der Darmschleimhaut und in der Rindenschicht
der Nieren sowie größere Blutungen in der Milz. Lungen und
Darmschleimhaut ohne entzündliche Veränderungen.
Ferkel HI bekam 1 ccm des amerikanischen Materials gleich-
falls am 5. Juli 1906 subkutan und wurde nach schwerer Erkrankung
am Morgen des 1 7. Juli tot in seinem Käfig aufgefunden. Sektions-
ergebnis: Blaurote Färbung des Rüssels, der Ohren, der Haut am
Unterbauch und an der Innenfläche der Schenkel, Rötung und
Schwellung der Schleimhaut des Hüftdarmes im Bereich einer
Peyerschen Platte, diffiise Rötung der Dickdarmschleimhaut, punkt-
förmige Blutungen im ganzen Bereich der Darmschleimhaut.
Schwellung der Milz — die Oberfläche der Milz war blaurot, ihre
Pulpa dunkelrot und von der Schnittfläche leicht abstreifbar —
mäßige Schwellung der Gekrösdrüsen — die Lymphdrüsen im Dick-
danngekröse sind gleichzeitig gerötet — geringe Trübung des Paren-
chyms der Leber und der Rindenschicht der Nieren, stärkere
Trübung des Myokards, mäßige Schwellung der intramuskulären
Lymphdrüsen, sehr kleine Blutungen in der Rindenschicht der Nieren
— 118 —
und einige stecknadelkopfgroße Blutungen in der Schleimhaut der
Harnblase.
Ferkel IV und Ferkel V sind am 14. Juli 1906 zum Ferkel III
gesetzt worden, um die Infektiosität der bei diesem Tier durch
subkutane Injektion erzeugten Krankheit durch Zusammensperren
zu ermitteln. Die Ferkel IV und V sind schwer erkrankt und am
2. August getötet worden. Die Obduktion ergab bei diesen Tieren
diejenigen Veränderungen, die man bei durch künstliche Infektion
mit Schweinepestbazillen sowie durch natürliche Ansteckung er-
zeugter Schweinepest zu sehen gewohnt ist, nämlich umfangreiche
Diphtherie der Dickdarmschleimhaut.
Ferkel VI und Ferkel VII erhielten filtriertes Blut des
Ferkels III. 15 ccm Blut dieses Tieres wurden mit 30 ccm steriler
physiologischer Kochsalzlösung verdünnt und durch ein Berkefeld-
filter gesogen. Von dem Filtrat sind nach Feststellung seiner
Keimfreiheit dem Ferkel VI 10 und dem Ferkel VII 5 ccm am
24. Juli 190(5 unter die Haut gespritzt worden. Am 28. Juli 1906
wiesen die beiden Versuchstiere die ersten Krankheitserscheinungen
auf. Ferkel VII wurde am 2. August, Ferkel VI am 9. August
getötet. Die Sektion der beiden Ferkel ergab den gleichen Befund,
wie bei den Ferkeln I— III.
Hiernach haben die im Hygienischen Institut mit Hogcholera-
material vorgenommenen Untersuchungen die Angaben der ameri-
kanischen Forscher vollständig bestätigt, daß filtriertes
wie unfiltriertes Blut von einem hogcholerakranken Schwein
in geringen Mengen bei subkutaner Injektion eine Septi-
kämie zu erzeugen vermag, ähnlich derjenigen bei der
perakuten Schweinepest. Ferner hat es sich gezeigt, daß
Schweine, die zu einem septikämisch erkrankten Tier gesetzt
wurden, unter den typischen Erscheinungen der Schweinepest er-
krankten. Auch bei den hiesigen Untersuchungen ließ sich aus den
i >nrane n dt- r durch filtriertes und unfiltriertes Blut infizierten Tiere,
wie dies bei den amerikanischen Versuchen der Fall war, ein Bazillus
mit den m«»qh- »logischen m*d biochemischen Merkmalen des Hog-
rh»leral«azillus züchten. Der Bazillus war beweglich, nach Gram
nicht larU«ar. venr«»r Traubenzucker, nicht jedoch Milchzucker in
IV'UilI-n. tarnte Lackmusmolke blau, brachte Milch nicht zur Ge-
ri^nung unl bil-Me kein Indol. Er wurde aber durch Schweinepest-
s^rcni Li.-L: a:rjv:*::.>rt.
— 119 -
Dorset hat die mit de Schweinitz begonnenen Untersuchungen
über die Filtrierbarkeit des Virus der Schweinepest nach dem Tode
seines ausgezeichneten Mitarbeiters in Gemeinschaft mit Bolton
undM'Bryde fortgesetzt und das Gesamtresultat der auf die Natur
des Ansteckungsstoffes der Hogcholera bezüglichen Experimente in
einer ausfuhrlichen Arbeit niedergelegt.*)
Zu gleichen Ergebnissen wie die genannten amerikanischen Forscher
sind Clintock, Boxmeyer und Siffer**) bei ihren Studien über
die Hogcholera im Staate Michigan gelangt. Ferner hat H o 1 1 i n g e r***)
die Ansicht ausgesprochen, daß der Bacillus suipestifer nicht der Er-
reger der Schweinepest, sondern ein Darmsaprophyt mit erworbenen
pathogenen Eigenschaften sei. Endlich ist von Theilerf) in einem
Bericht über die von ihm in Südafrika über die Schweinepest und die
Schweineseuche angestellten Versuche mitgeteilt worden, daß auch
die südafrikanische Schweinepest nicht durch den Bacillus
suipestifer erzeugt werde. Theiler gelang es nicht, bei den
von ihm untersuchten pestkranken Schweinen den Bacillus suipestifer
nachzuweisen, während es ihm glückte, mit Blut, das sichtbare
Bakterien nicht enthielt, die Schweinepest durch subkutane Verimpfting
prompt zu erzeugen. Andererseits fand Theiler bei Schweine-
seuche den Bacillus suisepticus und konnte die Schweineseuche
durch Verfiitterung großer Mengen dieses Bazillus erzeugen, was
bei uns noch nicht gelungen ist und von Theiler mit der Anwesen-
heit von Askariden im Darm seiner Versuchstiere nach dem Vor-
gang von Salmon in Verbindung gebracht wird.
Bei einigen durch Übertragung von Schweinepestblut krank
gemachten Ferkeln hat Theiler gleichzeitig Schweineseuche fest-
gestellt, wie dies bekanntermaßen auch bei der natürlichen Über-
tragung der Schweinepest von Tier zu Tier beobachtet wird.
Theiler bemerkt, daß es in Südafrika keine durch den Bacillus
suisepticus bedingte Epidemien gebe, sondern daß die epidemische
Ausbreitung dieses Mikroorganismus in Verbindung mit der Schweine-
*) Bulletin Nr. 72 des „U. S. Bureau of animal Industry", Washington 1905.
Ref. von Grabert in der Zeitschrift f. Fleisch- und Milchhygiene 1905, S. 271
bis 275.
**) Journ. of infect. Diseases, Bd. 2, S. 351. Ref. im Bull, de l'Institut
Pasteur, Bd. 3, S. 559
***) Schweiz. Arch. f. Tierheilk., Bd. 47, 1905.
t) Fortschritte der Veterinärhygiene 1906, S. 121-128.
— 120 —
pest angetroffen wurde. Er habe nur einen Fall von sporadischer
Schweineseuche festgestellt, in dem Schweinepest auszuschließen war
und der Bacillus suisepticus nachgewiesen wurde.
Hiernach scheinen die Verhältnisse in Südafrika ähnlich zu
liegen wie in Ungarn, wo es nach Preisz keine selbständige
Schweineseuche, sondern nur eine Schweineseuche als Komplikation
der Schweinepest gibt. Daß in Deutschland die Sachlage eine
andere ist. braucht hier nicht weiter begründet zu werden. Jedem
Tierarzt in Deutschland ist aus eigener Erfahrung bekannt, daß es
eine reine, ohne Mitwirkung der Schweinepest sich verbreitende
Schweineseuche gibt, die schon älteren Tierärzten als „ansteckende
Lungenentzündung der Schweine" bekannt war, deren Verbreitung
aber ganz augenscheinlich durch die Einschleppung der Schweine-
pest vor bald 20 Jahren nach Deutschland gewaltiger Vorschub
geleistet wurde. Die Schweinepest ist in den meisten Teilen
Deutschlands verschwunden, die Schweineseuche ist geblieben.
In der Erwiderung auf die Mitteilung von Hutyra ist von
Ostertag bereits daraufhingewiesen worden, daß im Hygienischen
Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule die Versuche über
die Natur der Ansteckungsstoffe der Schweineseuche und Schweine-
pest fortgesetzt werden, um auf Grund umfassender ätiologischer
Feststellungen den Weg zur erfolgreichen spezifischen Bekämpfiing
dieser Seuchen, insbesondere der Schweinepest, in unanfechtbarer
Weise bezeichnen zu können. Zu den Untersuchungen wurden u. a.
auch möglichst akute Fälle ausgewählt, soweit solche zur Verfügung
standen, da diese die größte Aussicht auf positive Versuchsergebnisse
darboten. Ein Teil dieser Untersuchungen ist abgeschlossen und
soll wegen des erzielten Ergebnisses bei dem brennenden Interesse,
das die ganze Schweineseuche- und Schweinepestfrage besitzt, jetzt
schon mitgeteilt werden.
A. Versuche mit Material von echweineseuchekranken Tieren.
Versuch I.
Am 8. September 1!H)(J erhielt das Hygienische Institut aus O.
in Württemberg ein Läuferschwein eingesandt. Das Tier war schlecht
genährt, in der Entwicklung zurückgeblieben und wog im Alter von
mehr als drei Monaten 17 Pfund. Bei der Obduktion des nach
einigen Tagen getöteten Schweines wurde folgender Befund erhoben:
— 121 —
Das Brustfell ist überall glatt, glänzend und durchsichtig. Der Spitzen-
und der Herzlappen der linken Lunge sind nicht retrahiert, graurot, derb, luft-
leer, auf dem Durchschnitt glatt und feucht. Die gleiche Beschaffenheit zeigen
der Spitzen- und der Herzlappen sowie ein Teil des Anhangslappens und
einzelne angrenzende Lobuli des Zwerchfellappens der rechten Lunge. Alle
anderen Lungenabschnitte sind lufthaltig. Im Grimmdarm finden sich etwa
200 halbkugelig über die Schleimhautoberflächc hervorragende, bis zu 5 mm im
Durchmesser große Knötchen, die sämtlich auf der Höhe der Wölbung eine
Öffnung besitzen, aus der sich durch seitlichen Druck der Inhalt des Knotens
in Form trockner, bröckliger graugelber Massen herauspressen läßt (Nematoden-
knötchen? — Parasiten oder Parasitenreste sind nicht nachweisbar — ). Die
Schleimhaut dieses Darmabschnittes ist im übrigen weder geschwollen noch
entzündlich gerötet. An den übrigen Organen sind keine Abweichungen
nachweisbar.
Zwei aus dem Herzblut des Tieres angelegte Agarkulturen
bleiben steril. Auf gleichen Nährböden, mit Material aus den
hepatisierten Lungenteilen beschickt, wachsen ovoide, nicht gram-
feste Stäbchen, daneben aber auch koliähnliche Bakterien und ein-
zelne Kolonien gramfester ovoider und großer plumper Stäbchen.
Von zwei grauen Mäusen, die mit etwa erbsengroßen Lungen-
teilen geimpft werden, stirbt die erste nach 36 Stunden, die zweite
im Laufe des dritten Tages. Mit Herzblut beschickte Agarröhrchen
enthalten am nächsten Tage Reinkulturen von ovoiden, nicht gram-
festen, unbeweglichen Bakterien. Die weitere Prüfung dieser Mikro-
organismen ergibt, daß sie in Trauben- und in Milchzuckerbouillon
keine Gärung hervorrufen, in Lackmusmolke keine Säurebildung er-
kennen lassen, Milch nicht zur Gerinnung bringen und in Pepton-
lösung Indol bilden, also als Schweineseuchebakterien angesprochen
werden müssen.
Inzwischen wurden die erkrankten Lungenteile in sterilem
Mörser zerrieben und mit 200 cem sterilisierter Kochsalzlösung auf-
geschwemmt; diese Aufschwemmung wurde dann vermittelst eines
keimfreien Fließpapierfilters von gröberen Partikeln befreit. Von der
so erhaltenen Flüssigkeit wurde der kleinere Teil zurückbehalten,
der größere durch ein Reichelsches Tonfilter geschickt. Das Filtrat
wurde in diesen und den nächsten Versuchen durch Übertragen von
je 3—5 Ösen auf Agarnährböden bezüglich seiner Sterilität geprüft.
Die keimhaltige Flüssigkeit und das sterile Filtrat dienten
zu einem Infektionsversuch, zu dem vier etwa acht Wochen alte,
gleich gut entwickelte Ferkel, alle im Gewicht von 8—9 kg, zur
Verfügung standen. Ferkel I erhielt intrapleural und intra-
— 122 —
pulmonal (die Kanüle der Injektionsspritze wurde in halber Höhe
der rasierten und desinfizierten rechten seitlichen Brustwandung
am vorderen Rande der achtletzten Rippe eingestochen) 3 ccm des
keimhaltigen Materials. Ferkel II wurde mit 6 ccm derselben Flüssig-
keit subkutan infiziert. Dem Ferkel DI wurden 6 ccm des keim-
freien Filtrats intrapleural und intrapulmonal eingespritzt. Ferkel IV
bekam eine subkutane Injektion von 12 ccm hiervon.
Ferkel I und II kamen je in eine besondere Bucht, Ferkel III
und IV wurden in einer dritten Bucht desselben Stalles gemeinsam
untergebracht.
Am 14. September, dem Tage nach der Impfung, zeigt Ferkel I
mangelhafte Freßlust und verkriecht sich in die Streu, die anderen
drei Tiere sind vollkommen munter. Temperaturmessungen wurden
mit Absicht unterlassen, um eine Übertragung von Krankheits-
keimen, die bei aller Vorsicht durch diesen Akt erfolgen kann, zu ver-
hindern. Aus demselben Grunde wurde auch hier wie bei den
späteren Experimenten jedes Betreten der vor Beginn des Ver-
suchs gründlichst desinfizierten Buchten durch den Wärter oder die
Versuchsansteller vermieden.
24 Stunden später ist der Befund bei den vier Tieren der-
selbe. Am 17. September läßt sich Ferkel I nur mit Mühe auf-
treiben, die Atmung ist beschleunigt und angestrengt, der Appetit
vollkommen unterdrückt, das Tier macht einen schwerkranken
Eindruck. Die drei anderen Tiere erscheinen munter und fressen
gut. In den folgenden Tagen geht Ferkel I im Nährzustande
erheblich zurück und bekommt nach dem Auftreiben jedesmal
schmerzhafte Hustenanfälle, während die anderen Versuchstiere
sich ziemlich gleichmäßig weiter entwickeln. In den letzten Tagen
des Monats stellt sich bei Ferkel I wieder Freßlust ein, es erholt
sich allmählich wieder. Alle vier Tiere werden am 1. Oktober
getötet.
Bei der Obduktion der beiden subkutan mit 12 ccm keim-
freien und 6 ccm keimhaltigen Materials geimpften Tiere II und
IV sind keine Veränderungen nachzuweisen.
Befunde bei Ferkel III und I:
Ferkel III zeigt an der Impfstelle eine Verdickung des Rippen- und des
Lungenfells, die in der Ausdehnung eines Fünfpfennigstuckes milchig getrübt
und unvollkommen durchsichtig sind. Ein linsengroßer Teil deB Lungen-
gewebes in der Umgebung des Einstichs ist graurot, derb, luftleer. Weitere
Abweichungen finden sich nicht.
- 123 —
Im rechten Pleurasack des Ferkels I befinden sich 20—30 ccm einer
gelblich-grünen, mit zahlreichen Flocken untermischten, nicht übelriechenden
Flüssigkeit. Lungen- und Rippenfell sind hier mit mehrere mm dicken grau-
gelben, zum Teil gelbgrünen, plattenförmigen Belägen bedeckt, deren unterste
Schiebten an mehreren Stellen so fest der Unterlage anhaften, daß sie sich
durch mäßigen Zug nicht von ihr entfernen lassen. Der ganze Spitzen-, der
Herz- und der Anhangslappen, sowie etwa die vordere untere Hälfte des
Zwerchfellappens der rechten Lunge sind nicht retrahiert, graurot, derb, luft-
leer; innerhalb dieser Teile heben sich mehrere Läppchen des Zwerchfell-
lappens durch ihre graue bis graugelbe Farbe ab; auf dem Durchschnitt sind
diese trocken, trübe, bröckelig. Der Herzbeutel enthält 6 ccm einer gelb-
lichen, trüben, mit Flocken vermischten Flüssigkeit. Das parietale und das
viszerale Blatt des Herzbeutels sind mit graugelben, trüben, locker zusammen-
hängenden, bis zu 3 mm dicken Massen bedeckt, die mit ihrer Unterlage zum
Teil schon verwachsen sind. Das Epikard ist in seiner ganzen Ausdehnung
verdickt, bis zu 2 mm stark, grauweiß, derb, von sehnenartiger Konsistenz; der
Herzmuskel ist graurot, leicht getrübt, mattglänzend. Die anderen Organe
sind sämtlich — abgesehen von leichten Trübungen des Leberparenchyms und
der Rindenschicht der Nieren — unversehrt.
In Ausstrichen aus dem pleuritischen und perikarditischen
Exsudat und den hepatisierten Lungenteilen lassen sich bei Gram-
und Fuchsinfärbung Bakterien nicht sicher ermitteln. Etwa erbsen-
große hepatisierte Lungenteile, subkutan an Mäuse verimpft, töten
diese innerhalb 30 Stunden. Aus dem Herzblut der eingegangenen
Tiere wurden Schweineseuchekulturen rein gewonnen und biologisch
als solche bestätigt.
Es gelang also in dem vorstehenden Versuch mit
pathologisch verändertem Material von einem schweine-
seuchekranken Schwein bei intrapleuraler Verimpfung
wieder Schweineseuche zu erzeugen; dasselbe Material,
durch Tonfilter filtriert, erwries sich dagegen selbst in
doppelter Menge als unwirksam.
Versuch II.
Zur weiteren Prüfung der Übertragbarkeit der bei dem Ferkel I
künstlich erzeugten akuten Schweineseuche wurde möglichst steril
aufgefangenes Blut von Ferkel I mit der gleichen Menge physio-
logischer Kochsalzlösung verdünnt und dann zum Teil filtriert.
Ebenso wurden die hepatisierten Lungenteile zerrieben, mit 200 ccm
Kochsalzlösung aufgeschwemmt und durch ein Tonfilter geschickt.
Nachdem die Filtrate auf Sterilität geprüft waren, erhielten:
Ferkel V:
6
Ferkel VI:
12
Ferkel VII:
6
Ferkel VIII:
12
Ferkel IX:
3
Ferkel X:
<5
Ferkel XI:
6
— 124 —
6 ccm filtr. Lungensaft intrapleur.
„ „ subkut.
„ verd. Herzblut intrapleur.
„ „ subkut.
nicht filtr. Lungensaft intrapleur.
„ „ „ subkut.
„ ,, verd. Herzblut intrapleur.
Die sieben Ferkel wurden zur Kontrolle für die Bewertung
des Ergebnisses bei einem anderen Versuch, dessen gleichalterige
Versuchstiere derselben Zucht entstammten, schon 4 Tage nach der
Impfung getötet.
Ferkel VI und VIII, die subkutan mit filtriertem
Material geimpft waren, hatten kurz vor der Tötung Temperaturen
von 39.8 und 40,3° C und zeigten bei der Obduktion keine Ver-
änderungen.
Auch in den Organen von Ferkel X, das subkutan mit
nicht filtriertem Lungen saft infiziert und noch nicht erkrankt
war (Temperatur vor der Tötung 39,(5° C), waren durch Kultur-
und Impfversuche Schweineseuchebakterien nicht nachzuweisen.
In (Irr Lunge von Ferkel V (Temperatur vor der Tötung 40,5° (•)
wih man mehrere Lobuli in der Umgebung der Einstichstelle blutig
durchtränkt; ein etwa erbsengroßes Stück davon war verdichtet.
Kultur- und Impfversuche lieferten keine pathogenen Bakterien.
Auch bei Ferkel VII ließ sich außer der blutunterlaufenen
Injektionsstelle nichts Krankhaftes nachweisen.
Ferkel IX hatte unmittelbar vor der Tötung 41,1 ° 0, und die
Obduktion ergab:
Graugelbe, in Form zusammenhängender Häute abziehbare Beläge auf
der Pleura des rechten Herz- und Zwerchfellappens, graurote, wenige Lobuli
umfassende Verdichtung im rechten Zwerchfellappen und Schwellung der
Kehl^angs- und Bronchialdrusen.
Zwei mit dem fibrinösen Exsudat geimpfte weiße Mäuse
fingen binnen 48 Stunden ein, die Kulturen aus ihrem Herzblut
lieferten Schweineseuchebakterien.
Ferkel XI war auch schon erkrankt, als es getötet wurde.
(Fs hatte 40,8 0 c Temperatur.)
Eine etwa talergroßo Stelle der Pleura des rechten Zwerchfellappens
war rauh, trübe, undurchsichtig, hatte einen sehr zarten, abziehbaren Belag.
Das Ltingongewebc darunter enthielt zwei getrennte, halbhaselnußgroße,
schwarzrote Verdichtungen.
— 125 — .
Schweineseuchebakterien ließen sich daraus durch Ausstriche
von mit der Platinöse abgestrichenem Gewebssaft auf Schrägagar
nicht isolieren.
Die Obduktion der vorzeitig getöteten sieben Tiere des
zweiten Versuches 0. hat also ergeben, daß die mit filtriertem
Material von einem schweineseuchekranken Schwein
infizierten Impflinge in den ersten vier Tagen nach der
Impfung nicht erkrankten, während die beiden intrapleural
mit nicht filtriertem Material geimpften Tiere in der-
selben Zeit an Lungenbrustfellentzündung erkrankt waren.
Versuch III.
Durch Herrn Kollegen K. in B. in der Mark erhielten wir
am 8. Oktober 1906 die Lunge eines wegen schwerer Erkrankung
notgeschlachteten Schweines, die graue Hepatisation der ganzen
Spitzen- und Herzlappen beiderseits und des größeren Teiles des
rechten Zwerchfell- und des Anhangslappens aufwies. An den
übrigen Organen des Tieres fehlten nach dem Vorbericht Ver-
änderungen. In dem hepatisierten Teil des Zwerchfellappens be-
fand sich ein 2—3 ccm großer nekrotischer Herd. Schräg-
agarröhrchen, mit Lungensaft aus den erkrankten Lungenlappen
beschickt, brachten Kolonien ovoider, nicht gramfester Bakterien
zur Entwicklung, deren Isolierung aus den gleichzeitig gewachsenen
verschiedenen fremden Arten aber nicht versucht wurde, da in-
zwischen eingegangene Mäuse, die mit dem gleichen Material ge-
impft worden waren, direkt Reinkulturen von Schweineseuche-
erregera geliefert hatten.
Aus den hepatisierten Lungenabschnitten, einschließlich des
nekrotischen Herdes, wurde in der geschilderten Art ein steriles
Filtrat hergestellt, und von diesem sind am 13. Oktober 1906 dem
Ferkel I 20 ccm, Ferkel II 10 ccm subkutan eingespritzt worden.
Der Übertragungsversuch wurde auf diese Art der Einverleibung
beschränkt, weil sich die subkutane Injektion bei der Schweinepest
(siehe Versuche unter B) als ein ausreichendes Mittel zur Prüfung
der Filtrierbarkeit des Virus erwiesen hatte. Zur Kontrolle des
Erfolges der Impfung wurden zwei nicht geimpfte Tiere, Ferkel III
und IV, in einer Bucht daneben gehalten.
Alle vier Tiere wurden bei der nach 2l/2 Wochen, am
30. Oktober 1906, erfolgten Tötung vollständig gesund befunden.
1
— 126 —
Mithin ist es im Versuch DI nicht gelungen, Schweine-
seuche durch subkutane Einverleibung filtrierten Lungen-
saftes auf iresunde Ferkel zu übertragen.
Versuch IV,
Am 13, Oktober 1906 wurden dem Hygienischen Institut aus
S. in PniHineni zwei lebende Ferkel mit dem Ersuchen um Unter-
suchung eingesandt.
Beide Tiers befinden sich in sehr dürftigem Nährzustande, sind
schlecht entwickelt, ausgesprochene Kümmerer. Auf dem Rücken
um] an den Ohren sind beide mit einem krustösen Ekzem behaftet;
es iM'stcht Ausfluß aus den inneren Augenwinkeln, der zu schmutzig-
sdiwarzm Krusten angetrocknet ist.
Sektiunsbefand beim ersten Ferkel:
Die Spitz ug- and Herzlappen beider Lungenflügel und die angrenzenden
Lobuli des rechten Z wer chfe Happens sowie Teile des Anhangslappens sind
nicht retnüriert, grnurot, derb, luftleer, auf dem Durchschnitt glatt und feucht.
Ks bestehen loekcre bindegewebige Verwachsungen zwischen dem rechten
Merz- und Zwin lifellappen und pleuritische Adhäsionen auf der Rippenfläche
heider Lunten. Alle anderen Organe sind gesund; speziell im Darm finden
siefi keine Veränderungen.
St'ktionsbi'fund beim zweiten Ferkel:
1U-p,itiä;Ukm des rechten Spitzen- und Herz- sowie etwa der Hälfte des
Kwurclifcllappciis und der unteren Hälfte des linken Herzlappens. Der Darm
ist i»lmt' Verilmleriing.
Kult um<r suche mit der erkrankten Lunge vom ersten Ferkel
ergaben ein <;< misch von Bakterien, darunter auch ovoide, nicht
gramfcste Stäbeken. Aus den am dritten Tage nach der Impfung
eingehenden Mäusen konnten Schweineseuchebakterien in Reinkultur
i:r/iirhhjt wrrdni.
Aus dm erkrankten Teilen beider Ferkel wird nach den oben
gemachten Angaben ein keimfreies Filtrat hergestellt, und von
diesem \v**r<iMi am 24. Oktober
20 cem an Ferkel I,
8 cem an Ferkel II
subkutan verimpft. Die Ferkel I und II werden zusammen in
rinrui K:tKü untergebracht; als Kontrolltiere kommen in eine andere
Kiste, innetliiilU desselben Stallraumes die Ferkel III und IV,
dl* gleichzeitig zur Kontrolle für zwei weitere, an demselben Tage
infizierte im nächsten Versuch erwähnte Impflinge dienen sollten.
r
— 127 —
Am 14. November erfolgte die Tötung der vier Tiere, die
während des Versuches vollkommen gesund geblieben waren und
sich auch nach der Tötung als gesund erwiesen.
Hiernach ist es auch in diesem Versuch nicht geglückt,
durch subkutane Einverleibung filtrierten Lungensaftes
eines schweineseuchekranken Tieres Schweineseuche auf
gesunde Ferkel zu übertragen.
Versuch Y.
Durch die Freundlichkeit des Herrn Veterinärrates B. in E.
(Mark) erhielten wir am 18. Oktober 1906 ein totes Ferkel zu
Untersuchungszwecken zugesandt. Das ca. 8 Wochen alte Tier
war an Schweineseuche eingegangen; es wies an der rechten
Lunge eine graue Hepatisation des Spitzen-, Herz-, der dreikantigen
Spitze des Zwerchfellappens und einzelner Lobuli des Anhangs-
lappens, sowie links des Spitzen- und des Herzlappens auf und
zeigte sonst keine Veränderungen.
In den angelegten Agarkulturen wuchsen überwiegend Bakterien,
die in Form und färberischem Verhalten den Schweineseucheerregern
glichen; aus den geimpften Mäusen wurden Reinkulturen des Ba-
cillus suisepticus gewonnen.
Ein aus den hepatisierten Abschnitten hergestelltes steriles
Filtrat wurde am 24. Oktober 1906 subkutan verimpft, und zwrar
an Ferkel I 16 ccm, Ferkel II 10 ccm. Diese Ferkel wurden
dann an demselben Tage getötet wie die Tiere des vorhergehenden
Versuches und gleichfalls gesund befunden.
Das Ergebnis des Versuches V stimmt also mit dem der
beiden vorhergehenden Versuche überein.
Versuch VI.
Aus D. in der Mark wfurde am 22. Oktober 1906 dem Institut
durch die stets unterstützungsbereite Vermittlung des Herrn Kreis-
tierarztes E. ein lebendes krankes Ferkel eingesandt. Das Tier war
mittelmäßig genährt, hatte einen relativ großen Kopf, dicken Bauch,
die Mastdarmtemperatur betrug bei der Einlieferung des Tieres und
vor der Tötung 36,6 ° C. Bei der Obduktion des getöteten Tieres
wurden Hepatisation der beiderseitigen Spitzen- und Herzlappen, im
Darm keine Veränderung festgestellt. Durch Verimpfung hepatisierter
Teile an Mäuse konnten Schweineseucheerreger nachgewiesen werden.
— 128 —
Aus diesen kranken Teilen gewonnene keimfreie Filtrate wurden
in einer Menge von 20 und 10 ccm subkutan an zwei Ferkel ver-
impft. Die Impfung hatte jedoch keine Erkrankung der Tiere zur
Folge: auch nach der Tötung konnten Veränderungen nicht gefunden
werden.
In sämtlichen sechs Versuchen hat es sich in Übereinstimmung
mit tlrti bereits früher im Hygienischen Institut vorgenommene?! Über-
t ragt/ ttfjsr ersuchen gezeigt, daß durch die Verimpfung ftltriertetiSchweine-
seuchemattriate die Schweineseuche auf gesunde Tiere nicht übertrage?!
werden faum. Hervorzuheben ist, daß die Übertragung auch in den
beuten leiten von akuter Schweineseuche ( Versuck II und III) durch
filtriertes Material nicht gelungen ist.
B. Versuche mit Material von schweinepestkranken Tieren.
Versuch I.
Eine Einsendung aus K. in Oberschlesien, Geschlinge, Magen,
einTeil des Dickdarmes nebst dem zugehörigen Gekröse und die Nieren
von einem geschlachteten Schwein, wurde zu einem Versuch über
die LlNTtragbarkeit der Schweinepest durch filtriertes Material be-
nutzt. Der Befund an den eingesandten Organen war folgender:
lli ur.i pulmoDalis überall glatt, glänzend und durchsichtig. Unter der
J'lenra sieht man vereinzelte punktförmige Blutungen und blutige Untcr-
l;iiil'ii!i,Lrru. Die Lungen sind lufthaltig bis auf den rechten Herzlappen, der
virlimiiiuis, graurot, zum Teil schwarzrot, derb, luftleer, auf dem Durchschnitt
glatt nnd frucht ist. Am Herzbeutel, soweit er noch erhalten ist, keine Ab-
weichctfigvui Unter dem Epikard an der rechten Vorkammer sehr zahlreiche,
an ilin übrigen Teilen vereinzelte Blutungen. Das Myokard graurot, leicht
getrübt, Trocken, mürbe. Unter dem Endokard dunkelrote, runde Blutflecke
bis zur doppelten Größe einer Linse, ferner streifig geformte, besonders zahlreich
iui tWivii h der beiden Vorkammern. In der hochroten, geschwollenen Schleim-
h:nit 'l'-s Kehldeckels und der Gießkannenknorpel sieht man viele dunkelrote
KU sclnvgrEfQto, zum Teil über die Umgebung hervorragende Flecke. Streifen-
i h t r i m i lt l ■ lilutungen findet man auch in der die Innenfläche des Schildknorpels
< nden Schleimhaut. Im übrigen ist die Schleimhaut des Kehlkopfs
niiil dir Luftröhre feuchtglänzend, blaß, gelblichweiß. Die Oberfläche der
M;L!nir[n Ist beiderseits grau bis schwarzgrau, trübe, trocken; auf dem Durch-
itehi.üt1 durch diese Organe sieht man vereinzelte blutige Flecke. Im Anfangs-
ti/il de* Schlundes ist Mukosa und Submukosa in der Ausdehnung von etwa
ä ijern blutig durchtränkt, im weiteren Verlauf ist die Schleimhaut grauweiß
und lie^t in Längsfalten. Die Magenschleimhaut trägt zahlreiche Stecknadel-
kopf l»is iiosengroße, über die Oberfläche hervorragende Blutungen, deren
— 129 —
Kuppe bei einigen grau nnd trübe ist. An dem eingesandten, ca. 50 cm
langen Stück Dickdarm ist die Schleimhaut diffus gerötet, geschwollen,
liegt in Falten, die sich nicht verstreichen lassen, und zeigt 4 ein- bis fünf-
markstückgroße und eine größere Anzahl kleinere, unregelmäßige, graue,
trübe, trockene Herde. Einzelne der größeren Herde treten beetartig aus der
Schleimhaut hervor.
Der ganze Darm und die Schleimhaut des Magens werden
in einer durch gespannten Dampf sterilisierten Fleischhackmaschine
zerkleinert, der so gewonnene Brei wird mit 200 ccm physiolo-
gischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, zunächst durch ein Fließ-
papierfilter filtriert und dann vermittelst eines Reichelfilters von
Keimen befreit. Von dem auf Sterilität geprüften Filtrat erhalten
am 9. Oktober 1906
Ferkel I 25 ccm subkutan
Ferkel II 10 ccm „
Beide Tiere werden in einem Behälter in einem Kellerraum des
Institutes gehalten ; in einem zweiten Behälter werden in demselben
Raum die zwei Kontrolltiere Ferkel III und IV untergebracht.
Die vier Tiere entwickeln sich ziemlich gleichmäßig. Sie
werden am 29. Oktober 1906 getötet. Während die Kontrolltiere,
Ferkel III und IV, keine Veränderungen erkennen lassen, wird bei
Ferkel I und II folgender Befund erhoben:
Ferkel I: Im Grimmdarm, zwei Handbreit hinter dem Ausgang aus
dem Blinddarm finden sich dicht bei einander sieben linsen- bis pfennigstück-
große Geschwüre, deren Grund zum Teil graugelb, trüb und trocken ist; eines
von ihnen ist fast vernarbt, drei andere sind in der Abheilung begriffen. Die
Gekrösdrüsen sind leicht geschwollen und saftreich. Die Kapsel der Milz ist
etwas gespannt, die Ränder sind abgerundet, das Milzgewebe ist auf dem
Durchschnitt unverändert. Alle anderen Organe sind normal.
Ferkel II: Im Grimmdarm, 5 cm von der Ileozökalklappe entfernt,
zwei pfennigstückgroße Geschwüre von der bei Ferkel I beschriebenen Be-
schaffenheit; im weiteren Verlauf des Grimmdarms noch zwei gleichartige
Geschwüre. Die Gekrösdrüsen und die Milz zeigen die bei Ferkel I genannten
Veränderungen.
Auch bei Ferkel II waren die übrigen Organe ohne makroskopisch fest-
stellbare Veränderungen.
Direkte Kulturen aus Milz, Nieren und Herzblut der beiden
krank befundenen Tiere hatten kein Ergebnis. Je acht weiße Mäuse,
mit Teilen der Darmgeschwüre, der Gekrösdrüsen und der Milz
der zwei Impflinge infiziert, gingen in 24 bis 72 Stunden ein. Aus
ihrem Herzblut wurden, sofern sie bald nach dem Tode zur Sektion
kamen, Bakterien mit den Eigenschaften des Bac. suipestifer in Rein-
ZtlUchrift für Infektionskrankheiten. II, 2 8. 9
— 130 —
kultur gewonnen (beweglich, nicht gramfest, in Traubenzuckerbouillon
Gasbildung, in Milchzuckerbouillon keine Gasbildung; Milchkultur
gerinnt nicht, Lackrausmolke wird zuerst rot, allmählich völlig blau,
Indol wird nicht gebildet). Erfolgte die Sektion der eingegangenen
Mäuse erst einige Zeit nach dem Tode, dann gelang auf Drigalski-
Platten noch eine Sonderung der rot wachsenden Kolonkolonien und
der kleinen blau wachsenden Kolonien, die bei Weiterzüchtung auf
den obengenannten Nährböden die dem Bac. suipestifer eigentüm-
lichen Reaktionen hervorriefen. Diese Kulturen wurden dann an
Mäuse verimpft; aus den Mäusen wurden die gleichen Bakterien
wieder erhalten.
Dieser Versuch beweist, daß die Schweinepest gleichwie
die amerikanische Hogcholera durch ein das Tonfilter
passierendes Virus erzeugt wird.
Ferner geht aus dem geschilderten Versuch hervor, daß sich
in dem Körper der durch filtriertes Material schweine-
pestkrank gemachten Tiere sekundär der B. suipestifer
angesiedelt hatte.
Yergucta II.
An reiner Schweinepest war ein Läuferschwein erkrankt, das
das Institut am 21. Oktober 1906 durch die Gefälligkeit des Herrn
Kreistierarztes Seh. aus B. in der Rheinprovinz erhielt. Brust- und
Bauchhöhle des ca. 80 Pfund schweren Tieres waren vor der Ver-
sendung geöffnet worden, um die Ausbreitung der Fäulnis im Tier-
körper hintanzuhalten; diese war aber trotzdem schon so weit vor-
geschritten, daß parenchymatöse Veränderungen an den inneren Or-
ganen nicht mehr sicher erkannt werden konnten. Es konnte jedoch
festgestellt werden, daß eine tiefe, ausgebreitete Diphtherie
der Dickdarmschleimhaut vorlag, daß eine leichte Schwellung
der Milz bestand, daß die Lunge in allen Teilen lufthaltig war und
das Brustfell, unter dem sich an verschiedenen Stellen Blutungen
wahrnehmen ließen, spiegelnden Glanz und Durchsichtigkeit besaß.
Aus diesem Tierkörper wurden zwrei getrennte Filtrate her-
gestellt; Filtrat I wurde aus einer Aufschwemmung der Herz-
blutkoagula in der doppelten Menge Kochsalzlösung, Filtrat II
aus den erkrankten Darmteilen gewonnen.
Vom Filtrat I erhielten am 2. November 1906 Ferkel I
und II subkutan 10 und 20 com. Als Kontrolltiere galten für
— 131 —
diesen Versuch und für die zwei an demselben Tage geimpften und
in demselben Raum untergebrachten Ferkel XIV und XV des Ver-
suches V dieser Versuchsreihe die dort genannten Ferkel XVI und
XVII. Die beiden Versuchstiere I und II sind wie die Kontrollferkel
bis zu ihrer am 26. November erfolgten Schlachtung nicht erkrankt
und auch nach der Tötung gesund befunden worden.
Das aus dem erkrankten Darm hergestellte Filtrat II wurde
am 8. November 1906 in einer Menge von 20 ccm dem Ferkel III
subkutan eingespritzt, für das die im Versuch V genannten Ferkel XIX
und XX als Kontrolltiere dienten. Eine Erkrankung des infizierten
Tieres wurde erst vom 21. November ab bemerkt; sie nahm schnell
an Heftigkeit zu, und das Tier verendete am 24. November. Die
Kontrolltiere, die in einem besonderen Käfig, aber im gleichen Raum
wie die infizierten Tiere und zwischen diesen in der Zeit vom 8. bis
zum 27. November 1906 untergebracht worden waren, sind nicht
erkrankt.
Befund beim Ferkel III:
Das etwa drei Monate alte Ferkel befindet sich im mittelguten Nähr-
zustande. Die Haut ist auf dem Rücken und auf beiden SeitenÖächen der
Brust mit zahlreichen, nicht zusammenhängenden, schmutzig schwarzroten,
dicken Krusten bedeckt, nach deren Entfernung vertiefte, nässende Stellen in
der Haut zurückbleiben. An der Schnauze, den Ohren, Flanken und an den
vier Gliedmafien ist die Haut diffus blaurot bis schwarzrot oder zeigt größere
Flecke von dieser Farbe; an Gliedmaßen und Ohren ist sie auch erheblich
geschwollen. In der Haut der Unterbrust und des Bauches befinden sich viele
Stecknadelkopf- bis linsengroße Blutungen, desgleichen in der Unterhaut
und Bauchmuskulatur, auch unter dem Peritoneum und der Rippenpleura.
Die Schleimhaut des Magens ist graugelb, in der Fundusdrüsengegend bräun-
lich, glatt und etwas glasig gequollen. In ihr sieht man viele kleine und
einzelne linsengroße Blutpunkte, besonders in der Fundusdrüsengegend. Die
I>finndarmschleimhaut ist in ihrer ganzen Ausdehnung leicht geschwollen,
diffus gerötet und mit kleinen, dunkelroten Flecken übersät; außer-
dem finden sich über den Dünndarm verteilt ca. 60, meist länglich ge-
formte, bis bohnengroße, zum Teil in der Submukosa, zum Teil dicht unter
der Serosa liegende, die bedeckende Darmwand hervorwölbende Blutherde.
In der ganzen Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes dicht bei ein-
ander verschieden große, hochrote und schwarzrote, zum Teil über
da» Niveau der Schleimhaut hervortretende Flecke in großer Zahl.
Auf der Höhe einiger schwarzroter Flecke ist die Schleimbaut grau, trocken
und trübe. Im Mastdarm nimmt die Zahl der Flecke allmählich ab. Die
Kapsel der Milz ist gespannt, die Ränder sind leicht abgerundet, das Milzgewebe
ist schwarzrot, sehr feucht, es verdeckt das Balkengewebe und die Milz-
körperchen fast vollständig. Die Ränder der Leber sind leicht abgerundet,
9*
— 132 —
das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitt graurot, trübe, die Grenzen der
Lobuli sind noch erkennbar. In beiden Nieren sieht man dicht unter der
leicht abziehbaren fibrösen Kapsel zahlreiche, rote Flecke bis zu Steck-
nadelkopfgroße, die Rindenschicht der Nieren ist verbreitert, grau und
trübe, die Konsistenz der Nieren mürbe. In der Wand der Blase einzelne
Blutungen, der Inhalt gelb, leicht getrübt
Unter dem Epikard in der Umgebung der Kranz- und Längsfurchen
viele Blutungen. Das Herzfleisch graurot, trocken, etwas trübe und brüchig.
Einzelne Blutungen finden sich auch unter dem Endokard. Das Brustfell
ist glatt, glänzend und durchsichtig, die Lungen sind gleichmäßig retrahiert
und lufthaltig.
Alle Lymphdrüsen des Körpers sind stark geschwollen, von
außen schwarzrot. Die Schnittfläche ist sehr feucht, teils gleichmäßig
schwarzrot, teils zeigt sie einzelne dunkelrote Flecke; das Drüsengewebe
springt über die Schnittfläche hervor.
Die septikämische Erkrankung des Versuchstieres
muß, da die in demselben Räume in derselben Pflege befindlichen
Kontrolltiere gesund geblieben waren, auf die Impfung mit dem
keimfreien Filtrat zurückgeführt werden.
Versuch III.
Aus W. in Mecklenburg wurden uns durch die Freundlichkeit
des Herrn Bezirkstierarztes E. sechs lebende Läufer zur Verfugung
gestellt. Von den Tieren, die sich in schlechtem Nähraustande be-
fanden und in der Entwicklung zurückgeblieben waren, gingen drei.
Ferkel a— c, während des Transportes ein, die anderen Ferkel (d — f )
wurden am 24. November 1900 hier getötet.
Erhobene Befunde:
Ferkel a: fibrinöse Pleuritis, Perikarditis und Peritonitis. Rote Hepati-
sation des Spitzen-, des Herz- und der Hälfte des Zwerchfellappens links:
rechts Hepatisation derselben Teile und des Anhangslappens. Schwellung der
Milz, hämorrhagische Nephritis, trübe Schwellung der Leber und des Herz-
muskels. Auf der Schleimhaut des Magens im Fundusdrüsenteil zwei talergroße
und einzelne kleinere schwarzrote Hämorrhagien mit oberflächlicher Diphtherie:
Ödem der Submukosa, so daß die ganze Magenwand eine Dicke von l>/f cm
besitzt. Zahlreiche Schleimhautgeschwüre im Blind- und Grimm-
darm; an einzelnen Stellen Verdickung der Wand.
Ferkel d: Hepatisation dos Spitzen-, Herz- und der vorderen Spitze
des Zwerchfellappens links: rechts des Spitzen-, des Herz-, der vorderen Hälfte
des Zwerchfell- und dos ganzen Anhangslappens. Eine markstückgroße
G es chw Urs fläche an der Hüft blinddarmklappe, 5 cm davon entfernt
zwei linsenförmige Geschwüre in der Schleimhaut des Grimm-
darmes. Keine Veränderung an den Parenchymen.
— 133 —
Ferkel e: Lungen und Brustfell nicht erkrankt An der Grim ro-
und Blinddarmsohleimhaut, die gerötet und geschwollen ist,
haften graugelbe, trübe Massen fest an. Leber, Milz und Nieren nicht verändert
Ferkel f: Hepatisation im linken Spitzen- und Herzlappen und in der
unteren Hälfte des Zwerchfellappens; rechts im Spitzen-, Herz- und Anhangs-
lappen, sowie im vorderen, unteren Drittel des Zwerchfellappens. Pleura und
Perikard glatt und glänzend. Eine funfzigpfennigstückgroße Geschwürs-
fläche an der Hüftblinddarmklappe und sechs linsengroße Ge-
schwüre mit wallartigem Rand in den ersten 10 cm des Grimm-
darm b, fünf gleichartige im Blinddarm.
Mit Material aus den hepatisierten Lungenteilen werden Agar-
nährböden beschickt und auch Mäuse geimpft. Teile von Darm-
geschwüren der Ferkel d — f werden ebenfalls an Mäuse verimpft.
Eine mit hepatisierten Lungenteilen von Ferkel f geimpfte Maus
geht am vierten Tage ein, aus ihrem Herzblut werden Schweine-
pestbazillen in Reinkultur gezüchtet und biologisch als solche be-
stätigt. Aus der erkrankten Lunge von Ferkel a sind durch Impfung
und Kultur, aus der Lunge von Ferkel d durch Impfling auch Schweine-
seuchebazillen isoliert worden.
Die Herzblutkoagula von Ferkel a, das tot hier ankam,
werden gesammelt, mit der doppelten Menge Kochsalzlösung auf-
geschwemmt und filtriert (Filtrat I). Ein zweites Filtrat wird
aus dem mit der gleichen Menge physiolog. Kochsalzlösung ver-
dünnten Blutserum der Ferkel d — f hergestellt. Die Keimfreiheit
der Filtrate wird durch Übertragen von je 0,25 ccm des Filtrats
in zwei Bouillonröhrchen, die dann 4 Tage im Brutschrank gehalten
werden, geprüft.
Von Filtrat I erhalten am 3. Dezember 1906
Ferkel I 20 ccm subkutan,
„ II 10 „
Filtrat II wird ebenfalls an zwei Tiere verimpft, und zwar
bekommen
Ferkel III 8 ccm subkutan,
99 IV 6 99 99
Die Tiere werden gruppenweise in zwei, durch massive Seiten-
wände getrennten Buchten eines Versuchsstalles untergebracht. Als
Kontrolltiere kommen Ferkel V und VI in eine Bucht unmittelbar
daneben.
Am 16. Dezember 1906 morgens ist Ferkel IV, das erst seit
wenigen Tagen Krankheitserscheinungen gezeigt hat, tot.
— 134 —
lief und: Das Kadaver ist sehr mager. In der Haut finden sieb keine
Veränderungen. Lunge, Pleura und Perikard sind unversehrt. Der Herzmuskel
ist graurot, trübe, mürbe. Die Ränder der Leber sind abgerundet, die Leber ist
blutreich, ihre Schnittfläche graurotbraun, leicht getrübt, die Läppchenzeichnung
noch deutlich erkennbar. Magen-, Zwölffingerdarm- und Leerdarmschleimhaut
sind intakt. Die Schleimhaut des Hüftdarmes, besonders im Bereich
dor großen Peyerschen Platte, stark geschwollen und diffus ge-
rötet. In der geschwollenen und besonders auf den Falten-
kämmen geröteten Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes finden
sich zahlreiche, unregelmäßig geformte, prominente, fest an der
Unterlage haftende, trockene Auflagerungen.
Mit diesen Auflagerungen werden zwei graue Mäuse geimpft,
die beide nach etwa 36 Stunden tot sind. Ihr Herzblut enthält
Bakterien, die biologisch als Schweinepestbazillen bestimmt
werden.
Am 17. Dezember 1900 werden dann auch die Ferkel I — III
und die Kontrollferkel V und VI getötet. Die mit dem Filtrat
der Herzblutkoagula von Ferkel a geimpften Versuchsferkel
I, II sowie die beiden Kontrollferkel V und VI erweisen sich als
gesund.
Bei der Obduktion von Ferkel III findet man den ganzen
rechten Herzlappen nicht retrahiert, graurot, von schlaffer Kon-
sistenz, nicht lufthaltig, auf dem Durchschnitt glatt und feucht.
Brustfell und Perikard sind durchsichtig, feuchtglänzend; der Ver-
dauungsapparat ohne Veränderungen,
Die ans dem erkrankten Lungengewebe angelegten Agar-
kulturen sind beide steril geblieben. Von zwei weißen Mäusen,
die mit etwa erbsengroßen Teilen des hepatisierten Lungenlappens
geimpft wurden, ging eine nach n Tagen ein, die zweite war nach
14 Tagen noch am Leben: mit Herzblut der eingegangenen Maus
beschickte Agaraährboden blieben steril.
Die Hepatisation des rechten Herzlappens des Feitels III
kannte als« auf Grund der Kultur- und Impfversuche nicht als eine
Erknvi.ku:^ an S'hweineseuche gedeutet werden: das Material
warir ;•"!_• ;'ü L';h. filtriert und nicht filtriert, an je zwei weitere
F-rkrl v^;:~:::: das Ergebnis dieses Versuches, das in einer
: '-'.rrLi-n Ar"*-:: mitteilt werden wird, wird die Deutung des
E:l-t v - v:-r Iir.ptliniren ist also infolge einer
--•k-tÄL-r. I^r^nz mit filtriertem Blutserum von
— 135 —
schweinepestkranken Tieren an Schweinepest erkrankt
und verendet.
Y ersuch IT.
Am 27. November 1906 erhielt das Institut durch die Liebens-
würdigkeit des Herrn Kreistierarztes Seh. in L. in Pommern zwei
tote Absatzferkel und zwei tote Läufer eingesandt. Von dreien dieser
Tiere wurde Material zu einem neuen Infektionsversuch entnommen.
Der Befund bei diesen drei Tieren war wie folgt:
Ferkel a: Graugelbe, sehr zarte, abziehbare Beläge bedecken den
Überzug des rechten Spitzen- und Herzlappens; es besteht Verklebung des Spitzen-
lappens mit dem Herzlappen, zum Teil auch des Herzlappens mit dem Zwerch-
fellappen. Der rechte Spitzen- und Herzlappen sind nicht retrahiert, graurot,
zum Teil schwarzrot, derb, die Schnittfläche dieser Teile ist feucht und
schwach granuliert. Die Pleura der linken Lunge ist glatt, glänzend und
durchsichtig, das Lungengewebe überall lufthaltig. Unter dem Epikard der
linken Vorkammer sieht man zahlreiche Blutpunkte und Sugillationen. Der
Herzmuskel ist grau rot, mattglänzend und etwas trocken. Die Ränder der
Leber sind abgerundet, das Lebergewebe ist trübe, mürbe und schmutziggrün
verfärbt. In der Rindenschicht der Nieren, dicht unter der fibrösen
Kapsel, finden sich zahlreiche dunkel- bis schwarzrote Punkte bis
zur Größe eines Stecknadelkopfes. Die Rindenschicht der Nieren ist
mürbe, auf dem Durchschnitt graurot und trübe. An der Milz und an der
Schleimhaut des Bingens und Dünndarmes sind keine Veränderungen nach-
weisbar. Die Hüftblinddarmklappe ist bedeckt mit grauschwarzem,
trockenem, trübem, bis zu 2 mm dickem, fest anhaftendem Belag. Im Blind-
darm und im Anfangsteil des Grimmdarmes zählt man sieben Herde
bis zu Pfennigstückgröße und eine Anzahl kleinerer, an denen die
Schleimhaut mit grauen, trockenen, zerklüfteten, beetartig her-
vorragenden, fest anhaftenden Massen bedeckt ist. Die Knie-
kehlen-, Lenden- und Nierenlymphdrüsen sind vergrößert, schwarz-
rot, ihr Gewebe ist sehr saftreich und quillt über die Schnittfläche hervor.
Ferkel b: Hepatisation des linken Herzlappens sowie des halben
Herzlappens, einzelner Lobuli des Spitzen-, eines kleinen Teils des Zwerchfell-
und des ganzen Anhangslappens der rechten Seite. Chronische fibröse Pleuritis
im Bereich des rechten Zwerchfellappens. Dünndarmentzündung.
Ferkel c: Der Spitzen- und Herzlappen, die vordere dreikantige Spitze
des Zwerchfellappens und der ganze Anhangslappen der rechten Lunge, sowie
Herzlappen und dreikantige Spitze des Zwerchfellappens und einzelne isolierte
Herde im Zwerchfellappen der linken Lunge sind nicht retrahiert, schwarz rot,
derb, nicht lufthaltig, auf dem Durchschnitt feucht und an einzelnen Stellen
granuliert. Zwischen Herz- und Zwerchfellappen bestehen beiderseits lockere
Verwachsungen. An anderen Teilen ist die Pleura im Bereich der erkrank-
ten Lungenpartien sammetartig rauh. Der Herzmuskel ist graurot, leicht
getrübt und trocken. Die einzelnen Lappen der Leber sind unter sich.
— 136 —
ihre Zwerchfellfläche ist mit dem Zwerchfell locker verwachsen. Die Ränder
der Leber sind stumpf, die Konsistenz ist brüchig, der Durchschnitt granrot
und trübe. Die Milz zeigt abgerundete Ränder und gespannte Kapsel, das
Milzgewebe ist vermehrt, quillt ein wenig über die Schnittfläche hervor und
verdeckt die Trabekel und Milzkörperchen fast vollständig. Die Nieren sind
graurot und mürbe, die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitt getrübt. Die
Dickdarmscbleimhaut ist leicht geschwollen und mit zahlreichen, sehr
kleinen Blutungen durchsetzt; sie zeigt keine Geschwüre.
Aus den hepatisierten Lungenteilen der Ferkel a und c
konnten durch Kultur- sowie durch Impfversuche Schweineseuche-
erreger gewonnen werden.
Die erkrankten Lungenabschnitte von Ferkel a und b
wurden in sterilisierter Fleischhackmaschine gemahlen, in phy-
siologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und dann filtriert (Fil-
trat I). Auch aus dem Herzblut von Ferkel c wird ein keim-
freies Filtrat hergestellt (Filtrat II). Die Keimfreiheit wird in
beiden Fällen erwiesen durch Übertragen von je 0,2 cem Filtrat
vermittelst steriler Pipetten in Bouillonröhrchen.
Am 29. November erhielten von einer keimhaltigen Auf-
schwemmung erkrankter Lungenlappen der Ferkel a und b
Ferkel I: 6 cem subkutan,
Ferkel II: 3 cem intrapleural.
Das von denselben Tieren stammende Lungenfiltrat I wurde
an zwei weitere Tiere verimpft, und zwar erhielten am 8. Dezember
Ferkel III: 20 cem Filtrat subkutan,
Ferkel IV: 10 cem Filtrat intrapleural.
Von dem filtrierten verdünnten Herzblut von Ferkel c
(Filtrat II) erhielt
Ferkel V: 8 cem subkutan.
Sämtliche Versuchstiere werden gruppenweise in Käfigen auf
dem Boden eines Versuchsstalles untergebracht. Dazwischen wTerden
in einem besonderen Kätig zwei Kontrollferkel gehalten.
Die Tiere Nr. I und II verenden beide in der Nacht
zum 10. Dezember.
Ferkel I befindet sich in schlechtem Nährzustand. In der rechten
Kniefalte, der Impfstelle, ist die Unterhaut in der Ausdehnung eines Hand-
tellers verdickt, auf dem Durchschnitt geschichtet, graugelb bis gelb and
trocken. Das Brustfell und die Blätter des Herzbeutels sind durchsichtig und
besitzen feuchten Olanz. Die Lungen sind in allen Teilen lufthaltig. Die
Herzmuskulatur ist graurot, ein wenig getrübt. Die Dickdarmschleimhaut ist
in einzelnen Teilen fleckig gerötet und leicht geschwollen.
— 137 —
Ferkel II weist eitrig-fibrinöse Pleuritis und Perikarditis und
fibrinöse Peritonitis, Hepatisation des rechten Herz- und Zwerch-
fell appens sowie Nekrose eines kastaniengroßen Herdes im rechten Zwerch-
fellappen auf. Es bestehen außerdem parenchymatöse Erkrankung des
Herzmuskels, der Leber und der Nieren, sowie leichte Schwellung der Milz.
In der Magenschleimhaut findet man ein halbkreisförmiges Geschwür
mit geschwollenen Rändern, das etwa 2 cm im Durchmesser mißt und bis auf
die Muskulatur reicht. Die Dickdarmschleimhaut ist gerötet, in
einzelnen Abschnitten geschwollen und mit kleinen Blutungen
durchsetzt; sie trägt auf weite Strecken einen graugelben,
trockenen, fest anhaftenden Belag.
Am 28. Dezember 1906 ist Ferkel V tot; Ferkel in und IV
sowie die Kontrolltiere werden am gleichen Tage getötet.
Bei Ferkel III (subkutan mit filtriertem Lungensaft geimpft) lassen
sich außer drei linsenförmigen Geschwüren im Grimmdarm, die vom
Hände her vernarben, während das Zentrum noch schmutziggraugelb und trübe
aussieht, keine Veränderungen nachweisen.
Ferkel IV (intrapleural mit filtriertem Lungensaft geimpft): Rippen-
pleura völlig intakt. Man kann die Impfstelle nicht mehr erkennen. Im
rechten Zwerchfellappen befindet sich im Bereich des Einstichs eine linsen-
große, graurote Verdichtung als Residuum der durch die Injektion verursachten
Verletzung. Die Langen sind in allen anderen Teilen lufthaltig, Pleura und
Perikard glatt, glänzend und durchsichtig. In derSchleimhautdesBlind-
darmes findet man 8 linsen- bis quadratzentimetergroße, unregel-
mäßig geformte, vernarbende Defekte, meist mit pigmentiertem
Grunde; über den ganzen Grimmdarm sind 15 derartige Defekte
verteilt Die zugehörigen GekrösdrQsen sind mäßig geschwollen und durch-
feuchtet
Das verendete Ferkel V (mit filtriertem Herzblut subkutan geimpft)
weist in der Haut an beiden Ohren große, schwarzrote Flecke auf. Haut und
Unterhaut längs des ganzen Rückens sind mit zahllosen Blutungen durchsetzt;
in der Umgebung der Sitzbeinhöcker und Hüftgelenke ist die Unterhaut außer-
dem verdickt und sulzig infiltriert. Lungen, Pleura und Perikard sind unver-
ändert. Unter dem Epikard sieht man in der Kranzfurche und auf dem Anfangs-
teil der Aorta zahlreiche bis linsengroße Blutungen. In der Herzmuskulatur
finden sich einzelne kleine, graue bis graurote, trübe Flecke und Streifen. In
der Pylorusdrüsengegend der Magenschleimhaut siebt man in geröteter und
geschwollener Schleimhaut zahlreiche, bis stecknadelkopfgroße, dunkelrote
Blutpunkte. Die Schleimhaut des Blinddarmes und des Anfangsteils
des Grimmdarmes trägt 12 Stecknadelkopf- bis pfennigstückgroße
beschwüre mit wallartig verdicktem Rand und schwarzgrünem,
unreinem Grund. Die Lymphdrüsen des Dickdarmes sind vergrößert, auf
dem Durchschnitt saftreich und mit roten Flecken durchsetzt; die Drüsen-
snbstanz tritt über die Schnittfläche hervor. Die gleichen Veränderungen
finden sieh an den submaxillaren, subparotidcalen, retropharyogcalen, Bug-,
Kniefalten-, Scham- und Kniekehl-Lymphdrüsen.
— 138 —
Zur Kontrolle dienten zwei, demselben Gehöft entstammende,
gleichfalls am 8. Dezember, jedoch mit anderem Material geimpfte
Tiere; dieselben waren ebenfalls am 28. Dezember* getötet und
gesund befunden worden.
Es ist demnach auch das dieser Einsendung ent-
stammende Material, nachdem es Tonfilter passiert hatte,
imstande gewesen, bei allen Impflingen eine leichte oder
tödlicheErkrankung unter den Erscheinungen der Schweine-
pest zu erzeugen.
Bemerkenswert ist, daß das nicht filtrierte Lungen-
material der mit Schweinepest und Schweineseuche be-
hafteten Ferkel a und b bei den Versuchstieren nicht nur
Schweinepest, sondern auch Schweineseuche erzeugte,
während durch das gleiche Material nach erfolgter
Filtration lediglich Schweinepest hervorgerufen wurde.
Yersucta V.
Am 15. September wurde dem Institut durch Herrn Veterinärrat
B. in E. in der Mark auf Wunsch ein Ferkel im Alter von 8 Wochen
zugesandt. Die Obduktion des Tieres ergab folgenden Befund:
Ziemlich guter Nährzu stand. Die Haut an beiden Ohren ist diffus blau-
rot, rote Verfärbung in geringerem Grade zeigt auch die Haut an Unterbnist
und Bauch. Der ganze Spitzen- und Herzlappen sowie einzelne angrenzende
Läppchen des Zwerchfellappens der linken Lunge sind voluminös, derb,
graurot bis schwarzrot; die Schnittfläche ist feucht und schwach granuliert.
Das Lungenfell an diesen Partien und zum Teil auch darüber hinaus ist
bedeckt mit graugelben, abziehbaren Belägen. An der rechten Lunge zeigen
etwa ein Drittel des Zwerchfellappens und einzelne Lobuli des Herz- und Spitzen-
lappens dieselben Veränderungen. Es bestehen ferner auf der linken Seite
Verklebungen zwischen dem Herz- und dem Zwerchfellappen sowie zwischen
Herzlappen und Herzbeutel. Im übrigen sind im wesentlichen nur noch ge-
ringe parenchymatöse Veränderungen an Herz, Leber und Nieren nachzuweisen.
Kleine Teilchen des erkrankten Lungengewebes wurden
subkutan an zwei graue Mäuse verimpft; die Tiere blieben am
Leben. In den aus dem Herzblut des Schweines angelegten Agar-
kulturen wuchsen überwiegend Kolonien nicht gramfester ovoider
oder kolonähnlicher Stäbchen; die Isolierung von Schweineseuche-
bakterien gelang aber hieraus nicht. Aus den Lungen des Schweines
erhielten wir durch direkte Kultur hauptsächlich Streptokokken,
daneben lange, nicht gramfeste Stäbchen. Kulturen aus Niere blieben
steril.
Ferkel II
5?
12
Ferkel III
?>
3
Ferkel IV
??
6
Ferkel V
?J
3
Ferkel VI
??
6
— 139 —
Nach dem anatomischen Befimd mußte der Fall als Schweine-
seuche angesehen werden. Da das Tier nach Mitteilung des Ein-
senders aus- einem Bestand stammte, in dem gleichzeitig Schweine-
pest herrschte, sind die mit Material des hier in Frage stehenden
Schweines angestellten Versuche unter B. aufgeführt worden.
Die aus den Herzkammern entnommenen Koagula wurden
mit etwa der doppelten Menge steriler physiologischer Kochsalz-
lösung verrieben und dann filtriert. Filtrate aus den hepatisierten
Lungenteilen wurden wie oben beschrieben hergestellt. Es wurden
am 22. September 1906 geimpft:
Ferkel I mit 6 ccm filtr. Lungensaft intrapleural,
„ „ subkutan,
nicht filtr. Lungensaft intrapleural,
„ „ „ subkutan,
„ „ verd. Herzblut intrapleural,
„ „ „ „ subkutan.
Am 26. September, vier Tage nach der Impfung, ist Ferkel V
(intrapleural mit nicht filtriertem Herzblut geimpft) tot. Die Obduktion
ergibt eine eitrig-fibrinöse Pleuritis beiderseits, fibrinös-eitrige
Perikarditis und hämorrhagische Pneumonie im Bereich
des rechten Spitzen-, Herz- und etwa der Hälfte des Zwerchfellappens.
Im direkten Ausstrich aus den hepatisierten Lungenteilen und aus
dem pleuritischen Exsudat lassen sich große, plumpe, vereinzelt
endständige Sporen tragende, gramfeste Stäbchen, hin und wieder
Streptokokken und zahlreiche ovoide, bipolare, nicht gramfeste
Stäbchen nachweisen. Kulturen, die aus dem hepatisierten Lungen-
gewebe, dem Herzbeutelexsudat und dem Herzblut angelegt wurden,
sind — wohl infolge eines Zufalls bei der Bereitung der Nährböden —
alle steril geblieben. Zwei graue Mäuse, die mit hepatisierten
Lungenteilchen geimpft worden waren, gingen nach 2 und 3 Tagen
an einer Infektion durch Schweineseuchebazillen ein, wie durch die
aus dem Herzblut gewonnenen Reinkulturen bewiesen wurde.
Am 3. Oktober, 11 Tage nach der Impfung, verendete Ferkel VI
(subkutan mit nicht filtriertem Herzblut geimpft) infolge hämorrhagi-
scher Entzündung des Dünn- und Dickdarmes.
Am 8. Oktober, 16 Tage nach der Impfung, war Ferkel III
(intrapleural mit nicht filtriertem Lungensaft geimpft) tot. Es zeigte
folgenden Befand:
- 140 —
Geringer Milztumor und Blutungen unter der Pleura pulmonalis;
die Nierenrinde ist mit Blutungen übersät, alle Lymphdrüsen sind hä-
morrhagisch geschwollen. Der Endteil des Kolons ist leicht geschwollen;
diphtherische Veränderungen im Darm fehlen.
Ferkel I, II und IV wurden am nächsten Tage getötet. Befunde:
Bei Ferkel I (mit filtriertem Lungensaft intrapleural geimpft) werden
eine rechtsseitige fibrinöse Pleuritis und verschiedene kleine Hepatisa-
tionsherde im linken Spitzen- und Herzlappen, sowie Hepatisation des ganzen
rechten Herzlappens festgestellt; außerdem finden sich im Blinddarm ein
doppeltlinsengroß es, diphtherisches Geschwür und drei weitere
ähnliche Geschwüre im Grimmdarm. Alle Lymphdrüsen sind ge-
schwollen und zum Teil mit Blutungen durchsetzt, besonders tritt die
Anschwellung an den (doppelt erbsengroßen) Kniekehllymphdrüsen deutlich
hervor.
FerkelH (mit filtriertem Lungensaft subkutan geimpft): Die Lunge ist
intakt, die Lymphdrüsen sind nur mäßig geschwollen, ohne Blutungen, die Knie-
kehldrüsen erbsengroß. Im Grimmdarm finden sich zwei diphtherische
Geschwüre.
Ferkel IV (mit nicht filtriertem Lungensaft subkutan geimpft): Milz-
tumor, unter dem Epikard viele kleine Blutungen und blutige Suffusionen.
Im Dickdarm zahlreiche diphtherische Geschwüre von Linsengröße
bis zur Größe eines silbernen Zwanzigpfennigstückes. Gekrösdrüsen geschwollen
und mit kleinen Blutungen durchsetzt; auch die Kehlgangs-, Bug- und Knie-
faltendrüsen mäßig geschwollen, aber ohne Blutungen. Vereinzelte Blutungen
in der Nierenrinde.
Herzblutkoagula des am 20. September 1906 verendeten Ferkels V
waren inzwischen zu einem neuen Infektionsversuch verwandt
worden. Von dem in der oben beschriebenen Weise behandelten
Material erhielten am 5. Oktober:
Ferkel VII: 3 ccm filtriertes verd. Herzblut intrapleural
Ferkel VIII: 1 ccm nichtfiltr. „ „ „
Dieser Versuch wurde aber vorzeitig abgebrochen; die beiden
Tiere wurden gleichzeitig mit den Ferkeln V— XI der zweiten der
unter A aufgeführten Versuchsreihen am 9. Oktober getötet, damit
der bei diesen neun Tieren erhobene Befund zur Kontrolle des Er-
gebnisses der Impfungen bei Ferkel I— VI dieser Versuchsreihe
diene. Alle diese genannten Tiere entstammten derselben Zucht
und waren während der Versuchsdauer im Hygienischen Institut in
verschiedenen Buchten desselben Stallgebäudes vollständig getrennt
gehalten worden.
Ferkel VII zeigte keine Veränderungen, insbesondere erwies
sich der Darmkanal als intakt.
— 141 —
Ferkel VIII wies nur an der Impfstelle eine haselnußgroße
Hepatisation und einen sehr zarten fibrinösen Belag auf. Der ganze
Verdauungsapparat war gesund.
Von den Ferkeln V — XI der zweiten Schweiueseuche-Versuchs-
reihe waren fünf Tiere vollkommen gesund, während zwei, intra-
pulmonal geimpfte Tiere nur eine beginnende Lungenbrustfellent-
zündung aufwiesen. Auch von diesen sieben Tieren hat keines an
Schweinepest gelitten.
Im Versuch V hat mithin das filtrierte Lungenmaterial
von einem aus einem Schweinepestbestand stammenden
Schwein, das anatomisch nur die Veränderungen der
Schweineseuche aufwies*), bei beiden hiermit geimpften
Schweinen Schweinepest, bei dem intrapleural geimpften
gleichzeitig die Veränderungen der Schweineseuche er-
zeugt. Nicht filtrierter Lungensaft desnämlichenSchweines
hat entweder eine Septikämie oder akute Schweinepest
hervorgerufen. Nicht filtriertes Herzblut verursachte bei
der Übertragung auf gesunde Tiere eine rasch tödlich
endigende Pneumopleuresie (bei intrapleuraler Übertragung)
oder eine hämorrhagische Enteritis (bei subkutaner Über-
tragung).
Übertragungsversuche mit Material zweiter Generation.
Zur weiteren Klärung des eigenartigen Falles wurde das Herz-
blut von Ferkel in der Versuchsreihe V (intrapleural mit nicht
filtriertem Lungensaft geimpft und hierauf an Septikämie erkrankt)
verdünnt und filtriert und auch ein Filtrat von Herzblut und er-
krankten Darmteilen des Ferkels I der gleichen Versuchsreihe
(intrapleural mit filtriertem Lungensaft geimpft und hierauf an
Schweinepest und Schweineseuche erkrankt) hergestellt. Es wurden
am 17. Oktober 1906 geimpft:
Ferkel IX mit 3 ccm filtr. Herzblut v. Ferkel III subkutan
Ferkel X „10 „ „ „ u. Darm v. Ferkel I „
r erkel XI „ 20 „ „ „ „ „ „ „
Am 27. Oktober 1906 war Ferkel IX, an dem man erst am
Tage vorher Krankheitserscheinungen, allerdings ziemlich schwere
und stürmische, bemerkt hatte, tot. Die Obduktion ergab:
*) Vgl. Ferkel b des Versuches IV.
— 142 —
Schwere hämorrhagische Entzündung des Blind- und Grimm-
darms, die sich durch diffuse, schwarzrote Verfärbung und sehr Btarke
Schwellung der Schleimhaut kennzeichnet, ferner blutige Durchtränkung der
geschwollenen Gekrösdrüsen, in geiingerem Grade auch der übrigen Lymph-
drüsen, parenchymatöse Trübung des Herzmuskels und der Nieren, leichte
Trübung der Leber, geringer Milztumor. Die Lunge ist in allen Teilen
lufthaltig.
Ferkel X und XI wurden am 2. November 1906 getötet.
Bei dem letztgenannten Tier konnten keine Veränderungen nach-
gewiesen werden. Ferkel X dagegen war an Schweinepest
erkrankt:
In seinem Blinddarm findet sich ein mehr als linsengroßes Geschwür,
dessen Grund mit graugelbem, trockenem Belage bedeckt ist, der der Unter-
lage fest anhaftet. Die Schleimhaut am Rande des Geschwürs ist gewulstet,
gerötet und enthält einzelne punktförmige Blutungen. An der Hüftblinddarm-
klappe findet sich eine markstückgroße Stelle, an der die Schleimhaut
grau, trocken und zunderartig zerfallen ist. Der Grimmdarm weist auf der
Höhe der Falten entzündliche Rötung, vereinzelte Blutungen und graugelbe,
mürbe, zerklüftete Massen auf, nach deren Entfernung ein Defekt in der rauhen
und getrübten Schleimhaut zurückbleibt. Außerdem finden sich, über den
ganzen Grimmdarm verteilt, 9 runde oder ovale, doppeltlinsen- bis pfennigstück-
große Geschwüre; ihr Grund zeigt dieselbe Beschaffenheit wie das oben be-
schriebene Blinddarmgeschwür. Die Umgebung ist bei mehreren Geschwüren
wallartig geschwollen, gerötet und trägt punktförmige, bis hirsekorngroße
Blutungen. An einigen Geschwüren beginnt der Belag sich abzustoßen und
vom Rande her Vernarbung einzutreten. An den Parenchymen liegen keine
Veränderungen vor. Das Brustfell besitzt spiegelnden Glanz und ist durch-
sichtig, die Lungen sind in allen Teilen lufthaltig.
Aus der Milz und dem Herzblut von Ferkel X wurden Kul-
turen angelegt; ferner sind mit Milzgewebe und Darmgeschwüren
je zwei graue Mäuse geimpft worden. Alle vier Impftiere gingen
nach 2, 3 und 4 Tagen ein und enthielten in ihrem Herzblut
Bakterien, die gezüchtet und durch biologische Prüfung als Schweine-
pestbazillen erkannt wurden.
Ferkel XII und XIII, die beiden Kontrolltiere, wurden bis
zum 6. November am Leben gelassen und nach der Schlachtung
gesund befunden.
Somit hat die Verimpfung des Filtrats zweiter Gene-
ration des Ausgangsmaterials der Versuchsreihe V (Filtrat
von Ferkel I) bei einem Ferkel, das hiernach erkrankt ist,
die Erscheinungen der Schweinepest hervorgerufen.
Material von Ferkel IX der Versuchsreihe mit Material zweiter
Generation wurde zu einer erneuten Infektion verwandt, einmal
— 143 —
um das Wesen der bei diesem Ferkel nachgewiesenen blutigen
Darmentzündung weiter zu klären und dann, um auch an diesem
Material die Übertragbarkeit der Schweinepest, die bereits einmal
durch filtriertes Virus hervorgerufen wurde, durch erneute Ver-
impfung des filtrierten Ansteckungsträgers zu prüfen. Ferkel IX
der Versuchsreihe mit Material zweiter Generation ist am 17. Ok-
tober 1906 mit filtriertem Herzblut von Ferkel HI subkutan infiziert
worden, das seinerseits mit nicht filtriertem Lungensaft erster Gene-
ration intrapleural geimpft worden war. Das Herzblut vom Ferkel IX
wurde verdünnt und filtriert und das Filtrat nach Prüfung auf Keim-
freiheit am 2. November 190(5 an zwei Tiere verimpft. Es erhielten
Ferkel XIV: 10 ccm des Filtrats subkutan,
XV- 7
Als Kontrolltiere wurden Ferkel XVI und XVII in demselben
Baum in einem abseits stehenden Behälter gehalten. Am 8. November
1906 wurde ferner keimfreies Filtrat vom Darm des Ferkels IX
in einer Menge von 20 ccm subkutan an Ferkel XVIII verimpft,
fär das Ferkel XIX und XX als Kontrolltiere dienten. (Es wurde
mit diesem Material nur ein Tier infiziert, weil weitere zurzeit
nicht zur Verfügung standen.)
Bei den Ferkeln XIV und XV ist 9 Tage nach der Impfung
eine offensichtliche Erkrankung beobachtet worden, die sich all-
mählich verschlimmerte. Um möglichst viel Blut für andere Zwecke
zu gewinnen, sind die Tiere am 19. November 1906 getötet worden.
Ferkel XIV hatte ein krustöses Ekzem auf Rücken und
Schultern, übelriechenden Durchfall und war abgemagert.
Obduktionsbefund: Unmittelbar neben der Hüftblinddarm-
klappe findet sich eine etwa markstückgroße Geschwürsfläche mit
schmutzig graugelbem, fest anhaftendem Belag und leicht geschwollenem
Sande. Fünf cm weiter im Blinddarm ein linsengroßes Geschwür mit
geschwollenem, gerötetem Rande. Im weiteren Verlauf des Blinddarmes noch
zwei Geschwüre von der gleichen Beschaffenheit. Die Schleimhaut ist in
der ganzen Ausdehnung des Blinddarmes ein wenig geschwollen, zum Teil in
Falten gelegt, auf der Höhe der Falten sind streckenweise punktförmige
Blutungen zugegen. In der Rindenschicht der Nieren, dicht unter der Kapsel
sieht man auf jeder Seite 12— 20 punktförmige Blutungen. Auf der hinteren
Hälfte der ventralen Fläche der rechten Niere ist eine tiefe narbige Ein-
ziehung, an der die fibröse Kapsel mit der Rindenschicht verwachsen ist.
Die Organe der Brusthöhle sind ohne Abweichung.
Ferkel XV war mit Ekzem und Durchfall behaftet wie das
der gleichen Impfling unterworfene Ferkel XIV.
— 144 —
Obduktionsbefund: Es finden sich eine mehr als markstückgroße
Geschwürsfläche an der Hüftblinddarmklappe, ferner im Blinddarm
drei, im Grimmdarm zwei linsen- bis erbsengroße Geschwüre. Das Lungen-
fell ist überall glatt, glänzend und durchsichtig, die Lunge lufthaltig, mit Aus-
nahme des rechten Herzlappens, der nicht retrahiert, graurot, derb und luftleer ist.
Durch Kulturen aus den Milzen und durch Impfung von Mäusen
mit Material von Darmgeschwüren konnte in diesen beiden Fällen
der Bacillus suipestifer nicht nachgewiesen werden.
Die beiden am 26. November 1906 getöteten Kontrolltiere
XVI und XVII waren gesund.
Auch das am 8. November 1906 mit 20 ccm keimfreien Fil-
trats aus Ferkel IX infizierte Ferkel XVIII ist, gleichwie die
beiden Kontrolltiere Nr. XIX und XX, nicht erkrankt, wie sich bei
der Tötung der Tiere am 26. und 27. November 1906 herausstellte.
Die Übertragungder Schweinepestwar demnachauch in
diesem Versuch in zweiter Generation bei zweien von den
drfci Impflingen durch filtriertes, auf Keimfreiheit geprüftes
Material gelungen. Hervorzuheben ist, daß filtriertes Blut sehr
infektiös war, während sich filtrierter Dannauszug als avirulent erwies.
Übersichtliche Darstellung der Übertragung der Schweinepest in verschiedenen
Generationen durch filtriertes Virus.
Versuch V.
Schwein aus E. Hepatisierte Lunge:
Nicht filtrierter Auszug, Filtrierter Auszug,
intrapleural verimpft an intrapleural verimpft an
Ferkel III, Ferkel I,
gestorben an Septikämie. erkrankt an Schweinepest und
Herzblut, filtriert, Schweineseuche,
subkutan verimpft an Herzblut und Darmauszug, filtriert,
Ferkel IX, subkutan verimpft an
gestorben an Schweinepest. Ferkel X, Ferkel XI,
Herzblut, filtriert, erkrankt an gesund
subkutan verimpft an Schweinepest. geblieben.
Ferkel XIV, Ferkel XV,
erkrankt an erkrankt an
Schweinepest. Schweinepost.
Versuch TL
Aus J. in Ostpreußen erhielt das Hygienische Institut durch
Herrn Veterinärrat K. am 6. Oktober 1906 zwei Dickdärme mit
zugehörigen Gekrösen von Läuferschweinen.
— 145 —
An der schon in Fäulnis begriffenen Schleimhaut der Därme
ist zu erkennen, daß die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut
auf weite Strecken hin grau, trübe und trocken sind. Die Gekrös-
drüsen sind, soweit mitgesandt, geschwollen und saftreich.
Die erkrankten Darm teile werden in einer sterilisierten Fleisch-
hackmaschine gemahlen, aufgeschwemmt und filtriert; das Filtrat wird
auf Keimfreiheit geprüft und in der Menge von je 20 ccm subkutan an
Ferkel I und II verimpft. Diese beiden und zwei zur Kontrolle die-
nende Tiere werden in zwei Behältern in einem und demselben Raum
untergebracht. Sie zeigen während einer dreiwöchigen Beobachtungs-
zeit keine Krankheitserscheinungen und werden auch bei der am
29. Oktober erfolgten Tötung und Obduktion gesund befunden.
Schweinepest konnte in diesem Falle durch Injektion
filtrierten Materials nicht übertragen werden.
Versuch VII.
Zwei Ferkel aus einer großen Zucht in Ostpreußen, von denen
eines tot hier ankam, das andere am 14. Oktober 1906 getötet wurde,
dienten zu dem folgenden Versuch.
Befund bei den eingesandten Ferkeln:
Bei Ferkel a werden fibrinöse Pleuritis, Hepatisation der beiden
Spitzen- und der Herzlappen sowie der dreikantigen Spitze des rechten Zwerch-
fellappens, ferner vereinzelte Geschwüre und diffuse diphtherische
Auflagerungen und Vergrößerung, zum Teil auch Verkäsung der
Follikel festgestellt.
Ferkel b zeigt Hepatisationen in gleicher Ausdehnung und im Blind-
und Grimmdann einzelne glatte Narben.
Von keimfreiem, aus den erkrankten Lungenteilen und dem
Herzblut beider Ferkel gewonnenen Filtrat erhalten am 17. Ok-
tober 1906 ts, , 1 T m kl .
Ferkel I: 10 ccm subkutan
Ferkel II: 5 ccm subkutan.
Als Kontrolltiere dienen zu diesem Versuch die schon als
Kontrolltiere für die ebenfalls am 17. Oktober geimpften Ferkel IX
bis XI des Versuches V benutzten Ferkel XII und XIII.
Die geimpften Tiere entwickeln sich leidlich gut und werden
nach der Tötung als vollkommen gesund befunden.
Eine Übertragung der Schweineseuche oder -pest hat
also in diesem Versuch durch filtriertes Material nicht
stattgefunden.
Zeitschrift für Infektionikrankheiton. II, 2/3. 10
- 146 —
Versuch VIII.
Aus einem durch Schweineseuche und -pest verseuchten Be-
stand des Kreises J. in der Provinz Posen erhielt das Institut auf
Veranlassung des Herrn Kreistierarztes P. am 19. Oktober eine
Anzahl kranker Läufer eingesandt. Von dreien dieser Tiere dienten
die erkrankten Organe zur Herstellung keimfreier Filtrate.
Befund bei den zu dem Versuch ausgewählten Tieren:
Ferkel a ist schlecht genährt und hat kurz vor der Tötung 39,7° C
Mastdarmtemperatur. An den inneren Organen werden graue Hepatisation
der Spitzen- und Herzlappen und der vordersten Teile der Zwerchfellappen,
sowie chronische fibröse Pleuritis im Bereich dieser Abschnitte, endlich
zahlreiche bis zehnpfennigstfickgroße Geschwüre im Dickdarm nachgewiesen.
Ferkel b (Temp. 38,5° C vor der Tötung): Graue, zum Teil gelbe
Hepatisation der Spitzen- und Herzlappen und chronische fibröse Pleu-
ritis. Im Darm keine Veränderungen nachweisbar.
Ferkel c: Pneumonie im Bereich der Spitzen- und Herzlappen und
diffuse diphtherische Beläge und Geschwüre bis zur Größe eines Zehn-
pfennigstückes im Dickdarm.
Aus dem von diesen Tieren unter den üblichen Kautelen ge-
wonnenen Blut wurden keimfreie Filtrate hergestellt, indem das sich
abscheidende Serum mit der gleichen Menge sterilisierter physiolo-
gischer Kochsalzlösung verdünnt und durch Pukallfilter geschickt
wurde. Am 3. November 190(5 erhielten vom Filtrat I (Ferkel a) die
Ferkel I und II subkutan 10 und 20 ccm, Ferkel EU und IV von
Filtrat II (Ferkel b) in gleicher Weise 10 und 20 ccm und
Ferkel V und VI die gleichen Mengen von Filtrat HI (Ferkel c).
Diese sechs Impflinge wurden mit zwei Kontrolltieren (Ferkel VII
und VIII) in verschiedenen Behältern eines Raumes gehalten und be-
obachtet. Weder während des Lebens, noch nach der Tötung
zeigte eines von ihnen Krankheitserscheinungen.
Durch filtriertes Blutserum der drei mit den anatomischen
Veränderungen der Schweineseuche und zum Teil auch der Schweine-
pest erkrankten Tiere aus einem und demselben Bestand konnte in
diesem Versuch eine Krankheit auf die geimpften Tiere nicht
übertragen werden.
Von acht Versuchen* die mit filtriertem Material von Schweinen
aus Schwcinrpcstht ständen ausgeführt fronten sind, haben fünf zu
einem positircn Krgehnis geführt.
Mithin ist erwiesen, daß auch die deutsehe Schweinepest,
gleichwie die amerikanische HfHjeholera. durch ein filtrierbares Virus
— 147 —
bedingt wird, und daß der Bacillus suipestifer erst sekundär in den
Körper der pestkrank gewordenen Schweine eindringt.
Von dem Schweinepestmaterial der Versuche VI — VIII, bei
dem sich eine Übertragung der Schweinepest nach erfolgter Filtration
nicht bewerkstelligen ließ, ist anzunehmen, daß in ihm das Virus
der Schireinepest flicht mehr oder nicht in solchen Mengen vorhanden
icar, um bei der erwählten Versuchsanordnung innerhalb der Versuchs-
xeit eine Erkrankung der Versuchstiere herbeiführen zu können.
Die Feststellung, daß der Ansteckungsstoff der Schweinepest
nicht der Bacillus suipestifer, sondern ein ultravisibles, filtrierbares
Virus ist, läßt für die Bekämpfung der Schweinepest mit Hilfe des
Bacillus suipestifer oder mit Hilfe der unter Verwendung dieses Mikro-
organismus gewonnenen Sera keinen Raum, mögen die Sera bakterizid
oder angeblich bakterizid-antitoxisch sein. Ostertag hat in einer
Anmerkung zu einem Referat Graberts über die Arbeit von Dorset,
Bolton und M'Bryde schon betont, es müsse anerkannt werden,
daß mit Serum, das auf die Schweinepestbazillen bakterizid wirkt,
bei der Bekämpfung der natürlichen Schweinepest befriedigende
Erfolge bis dahin nicht erzielt worden seien. Das Hygienische Institut
der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin hat auf Grund seiner in der
Praxis angestellten Versuche auch von der Empfehlung eines Schweine-
pestserums zur Bekämpfung der Schweinepest Abstand genommen,
obwohl es die Möglichkeit festgestellt hatte, ein sogenanntes
Schweinepestserum mit Hilfe des Bacillus suipestifer herzustellen,
das eine ungewöhnlich starke bakterizide Wirkung besitzt. Daß
in sämtlichen Ländern, in denen jahrelang — in Amerika, von wo jetzt
die Korrektur kam, über l1/2 Jahrzehnte lang — über Schweinepest
gearbeitet worden ist, der Bacillus suipestifer zum Ausgangspunkt
der bakteriologischen Bekämpfung der Schweinepest gemacht wurde,
ist ein bedauerlicher, durch eine Doktrin verschuldeter Irrtum. Der
Bacillus suipestifer hatte die bekannten drei Koch sehen Forderungen
für einen Krankheitserreger erfüllt und war deshalb ganz allgemein
für die Ursache der Schweinepest gehalten worden. Jetzt wissen
wir. daß der Bacillus suipestifer ein Saprophyt ist, der infolge einer
elektiven Symbiose in den Körper der pestkrank gewordenen Tiere
einzudringen und hier zu wachsen vermag. Mit dieser Erkenntnis ist
der Bekämpfung der Schweinepest ein neuer Weg gewiesen, der
hoffentlich zu einein schönen Erfolge führt.
10*
Beitrag zur pathologischen Anatomie der Bornaschen
Krankheit.
Von
Prof. H. Oppenheim
in Berlin.
(Mit Tafel I und IL)
Zur Untersuchung wurde mir am 17. Februar 1903 das Gehini,
das Rückenmark, ein Spinalganglion, einige peripherische Nerven
sowie Teile der Zungenmuskulatur, Extremitätenmuskulatur und der
Kaumuskeln eines an Bornascher Krankheit verendeten Pferdes*) von
Prof. Ostertag übergeben.
Das Material wurde kurze Zeit in Formol, dann in Müller-
scher Flüssigkeit gehärtet.
Aus dem Rückenmark wurden einzelne Stücke behufs Nißl-
Färbung im absoluten Alkohol gehärtet.
Zur Anwendung kamen folgende Färbungsmethoden: Nißl,
Marchi, Kannin-Alaunhämatoxylin, Kulschitski, Weigert, Pal,
Wolters, van Gieson, Rosin, Überosmiumsäure etc.
Die Nerven wurden an Quer- und Längsschnitten untersucht,
und zwar der Ischiadicus und ein Axillarnerv. Es überwiegen in
den Nerven die großen, breiten Fasern, die sich mit Osmiumsäure
tief schwarz färben; außerdem finden sich kleine Bündel schmaler
Fasern, die den Farbstoff weniger annehmen und im frischen Osmium-
säurepräparat sowie im Weigertpräparat bräunlich bis grau er-
scheinen, doch machen nur vereinzelte den Eindruck, als ob das Mark
atrophiert sei. Beim Vergleich mit entsprechenden Nerven eines
gesunden Pferdes muß man überhaupt den Befund als einen der
Norm entsprechenden bezeichnen.
*) S. nachfolgende Krankheitsgeschichte und Obduktionsbefund.
— U\) —
In dem Spinalganglion sind die Xervenfaserbündel ebenfalls
intakt, die Ganglienzellen selbst schön ausgebildet, von mehrfachen
Reihen dicht gedrängter Rundzellen umgeben.
An den frisch zerzupften und in Glyzerin oder Liq. Kalii acet.
untersuchten Muskeln der Vorderextremität nichts Pathologisches.
Im Zungenmuskel, der nach Härtung auf Quer- und Längsschnitten
untersucht wurde, schien es erst, als ob in einzelnen Fasern die
Querstreifung undeutlich, die Keine des Perimysium internum ver-
mehrt wären. Indes lehrte der Vergleich mit dem vom gesunden
Tier stammenden Präparat, daß nennenswerte Veränderungen nicht
vorliegen, auch nicht im Kaumuskel.
Die intramuskulären Nerven treten in Weigertpräparaten als
schwarz oder schwarzblau gefärbte Bündel hervor und bieten eine
durchaus normale Beschaffenheit.
Das Gehirn wurde nach kurzer Formolhärtung durch Frontal-
schnitte zerlegt, dann in Müll er scher Flüssigkeit weitergehärtet und
ein Teil der Segmente nach Einbettung in Zelloidin auf dünnen
Schnitten, die mit den obengenannten Farbstoffen tingiert wurden,
untersucht.
Während die mikroskopische Betrachtung dieser Schnitte an
vielen Stellen ein normales Verhalten ergibt, bieten sich an anderen
erhebliche Veränderungen. Und zwar sind es in erster Linie die
Meningen, die weichen Häute des Gehirns, die sich erkrankt erweisen.
Während an den normalen Stellen — z. B. Taf. I, Figur 1 a —
die Pia und Arachnoidea ein zartes, dünnes, mit dem bloßen Auge
als wellige Linie erscheinendes Blatt bilden, ist an anderen Stellen
(Taf. I, Fig. 2) die Verdickung der Meningen eine so erhebliche,
daß sie schon bei der makroskopischen Betrachtung in die Augen
springt (a').
Der Charakter der Veränderungen wird erst durch die mikro-
skopische Untersuchung ermittelt und durch Taf. II, Fig. 3, 4 und
5 illustriert.
Die starke Verbreiterung der Meningen ist zum großen Teil
durch die Zunahme des faserigen Gewebes bedingt. Die Bündel
und Blätter desselben sind in vielfachen Lagen übereinander-
geschichtet, verlaufen zwar zum größten Teil parallel der Oberfläche,
bilden aber auch, namentlich in den tieferen, der Rinde naheliegenden
Schichten, ein Flechtwerk von sich in den verschiedensten Richtungen
durchkreuzenden Fasern, von denen auch viele Ausläufer in die
— 150 —
Rinde selbst hineindringen. Außerdem besteht ein erheblicher
Grad von zelliger Infiltration. Auf den mit Alaunhämatoxylin
gefärbten oder nachgefärbten Schnitten ist die Kernvermehrung im
Bereich der Meningen eine zwar allgemeine, tritt aber ganz be-
sonders in den unmittelbar an die Rinde grenzenden Bezirken hervor.
(Vgl. i u. J auf Taf. II, Fig. 3 und 4.) Hier finden sich ganze
Nester und Herde dichtgedrängter Zellen, die dann auch noch in
die peripheren Schichten der Rinde zu verfolgen sind.
Zum größten Teil haben die Zellen den Charakter der Rund-
zellen oder Lymphozyten, an einigen Stellen (J in Fig. 3, das-
selbe in Fig. 5 bei starker Vergrößerung) sind es aber herdförmige
Ansammlungen großer, zum Teil mehrkerniger, zelliger
Gebilde.
Ferner ist es der Gefäßapparat, der einen wesentlichen
Anteil an dem Krankheitsprozesse hat. Die Gefäße sind zum Teil
erweitert, strotzend gefüllt, ihre Wandungen und Scheiden vielfach
zellig infiltriert. An vielen Stellen scheint es sich um neugebildete
Gefäße zu handeln, die man auch vielfach von der Pia aus in den
Kortex hineindringen sieht.
An einzelnen Stellen finden sich freie Blutungen im Gewebe
der Meningen, doch haben diese an keiner Stelle einen größeren
Umfang.
In der Hirnsubstanz selbst beschränken sich die Hauptver-
änderungen auf die der Pia anliegenden peripheren Schichten. In-
des werden doch auch hier und da krankhafte Prozesse tiefer im
Gewebe gefunden. Und zwar handelt es sich einmal um Rund-
zelleninfiltrate (vgl. z. B. i Taf. I, Fig. 6), andererseits um Herde,
die auf den gefärbten Schnitten schon bei der Betrachtung mit bloßem
Auge sich deutlich abheben. Bei mikroskopischer Untersuchung
sind die Zellen hier keineswegs vermehrt, auch sind die faserigen
Elemente der Neuroglia hier nicht oder nur stellenweise gewuchert,
die Nervenzellen und -Fasern rarefiziert und das ganze Gewebe wie
aufgelockert, schlechter, d. h. weniger gefärbt als die Umgebung.
Ein Teil dieser Herde ist um ein Gefäß angeordnet, dessen Wandung
verdickt und dessen nächste Umgebung sklerosiert erscheint. Alles
in allem hat man den Eindruck, als ob es sich um einen entzünd-
lichen Zustand handele, der wesentliche Veränderungen nur im
Bereich der nächsten Umgebung des Gefäßes hervorgerufen hat,
während in der weiteren nur Ödem und seröse Imbibition besteht-
— 151 —
Schließlich finden sich auch im Hirngewebe selbst an ver-
einzelten Stellen ein paar frische, wahrscheinlich agonale Blutungen.
Von dem Rückenmark wurden aus allen Höhen Schnitte her-
gestellt und nach den angeführten Methoden behandelt.
In Nißlpräparaten bieten einzelne Zellen des Vorderhorns das
Bild der Chromatolyse.
Graue und weiße Substanz erscheinen im übrigen in allen
Höhen normal — bis auf ein paar frische Blutungen, die sich in
einzelnen Höhen in der grauen Substanz finden. Die Meningen des
Rückenmarks sind ebenfalls an den meisten Stellen unverändert,
während an einigen eine Verdickung und zellige Infiltration von
ähnlicher Beschaffenheit wie die für das Hirn beschriebene hervor-
tritt. Im ganzen ist der Prozeß hier aber von weit geringerer In-
und Extensität.
Die aus Pons und Med. oblongata untersuchten Teile bieten
normale Verhältnisse.
Der Gesamtproxess efiaraktermert sich als eine nicht diffuse,
sondern partielle, lokalisierte oder disseminierte Meningoencephalitis
acuta non purulenta. Er erinnert sehr an die sog. akute, nicht-
eitrige Enzephalitis des Menschen, mit dem Unterschiede, daß
hier (beim Pferd) die Beteiligung der Meningen eine überwiegende
ist. Freilich kommen derartige Formen auch beim Menschen vor,
doch ist da in der Regel die herdförmige Erkrankung des Hirn-
gewebes das vorherrschende Moment. Es sind auch dieselben Zellen-
typen, wie sie in den enzephalitischen Herden des Menschen ge-
funden werden.
Es drängt sich noch die Frage, auf, ob die ganze Affektion
als eine sekundäre, traumatische aufzufassen ist, entstanden infolge
der Verletzungen, die sich das an Bornascher Krankheit leidende
Tier in der Regel zuzieht. Wenn ich das auch nicht bestimmt
verneinen kann, so ist es mir doch im hohen Grade unwahrscheinlich,
daß ein derartiger Prozeß, bei dem die gewöhnlichen traumatischen
Gewebeschädigungen, insbesondere größere Blutungen, ganz vermißt
werden, die Folge von Kopfverletzungen bildet, zumal Kontinuitäts-
trennungen des Schädels bei der Obduktion vermißt wurden.
Bei der Herstellung der Präparate wurde ich von meinem
Assistenten Herrn Privatdozenten Dr. Cassirer sowie von Martha
Oppenheim unterstützt.
— 152 —
Tafel-Erklärung (Tafel I und H).
Fig. 1. Schnitt aus einem Bezirk des Hirnmantels an normaler Stelle.
Bei a Meningen. Natürliche Größe.
Fig. 2. Schnitt aus einem erkrankten Gebiet. Bei a' die verdickten
Meningen (vgl. mit a Fig. 1). Natürliche Größe.
Fig. 3. Teil eines Schnittes, nach van Gieson gefärbt. Vergrößerung:
Leitz Okular 1, Objektiv 3. M = Meningen. R = Rinde. J = Herd zelliger
Infiltration.
Fig. 4. Aus einer anderen Stelle, die in ähnlicher Weise verändert ist,
wie die von Fig. 3. Bezeichnungen dieselben. Vergrößerung: Leitz Okular 3,
Objektiv 3.
Fig. 5. Zellen aus dem Herde J der Fig. 3 bei starker Vergrößerung.
Leitz Okular 3, Objektiv 9.
Fig 6. Teil eines Schnittes aus dem Grenzgebiet von Rinde und Mark.
Bei i Herd zelliger Infiltration. Vergrößerung: Leitz Okular 3, Objektiv 3.
Klinischer und Obduktionsbefund zu dem von Herrn
Professor H. Oppenheim untersuchten Fall von
Bornascher Krankheit.
Von
Prof. R. Ostertag.
Das Pferd, von dem die durch Herrn Professor Oppenheim
untersuchten Teile stammten, war eine 8 jährige kaltblütige Stute,
die vom Hygienischen Institut durch Vermittlung des Herrn Kreis-
tierarztes Liebener in Delitzsch erworben worden war. Das Tier
ist am 7. Februar 1903 mit der Bahn nach Berlin gebracht worden.
Am 8. Februar wurde bei ihm folgender Befand erhoben:
Ernährungszustand gut. Haarkleid glatt und glänzend. Äußere Körper-
wärme regelmäßig verteilt; die Ohren und Unterfuße fühlen sich kühler an
als die Haut des Rumpfes. Die Haut über dem Schädeldach nicht höher
temperiert. Beim Betasten der verschiedenen Körperstellen zeigt es sich, daß
die Haut in der Genickgegend abnorm empfindlich ist. Beim Druck auf da«
Genick steigt das Pferd in die Höhe. Ferner schlägt das Tier beim Betasten
des Euters aus.
Die Hautmuskeln lassen zeitweise vibrierende Bewegungen im Bereich
der Seitenbrust erkennen. Vibrierende Muskelzuckungen bestehen periodisch
auch an der Ober- und Unterlippe. In den anfallsfreien Pausen ist die Rima
oris krampfartig gespannt, so daß ein schmerzhafter Gesichtsausdruck entsteht.
— 153 —
Der Kopf wird im Freien leicht gesenkt gehalten. Im Stall stützt das
Tier den Kopf zeitweilig auf das Futtergeschirr oder senkt ihn neben dem
Futtergeschirr tief zu Boden. (Vgl. Fig. 1 und 2.)
Die Augenlider sind halb geschlossen. (Vgl. Fig. 1 und 3.) Lidbinde-
häute schmutzig gelblichrot
Zahl der Pulse 36 in der Minute. Der Puls ist klein, weich, rhythmisch
und äqual. Herzschlag mäßig deutlich fühlbar. Die Herztöne mäßig laut, ohne
Fig. 1. Pferd mit Bornascher Krankheit.
(Nach einer photographischen Aufnahme im Stalle.)
Aftergeräusche. Herzdämpfung nicht vergrößert. Die Innentemperatur beträgt
38,3° C.
Vorgelegtes Futter, Heu und Hafer, wird aus dem Futtergeschirr und
vom Boden aufgenommen und langsam, ferner mit hörbarem Aufeinander-
schlagen der Zähne gekaut. Zeitweilig setzt das Tier mit den Kaubewegungen
aus. Mitunter krampfhaftes Gähnen. Das Abschlucken geschieht in regel-
mäßiger Weise. Wasser wird nicht aufgenommen. Maulschleimhaut blaßrot
and mit zähem, schaumigem Speichel belegt. Hinterleib gefüllt. Darmgeräusche
auf der linken Seite unterdrückt, rechts mäßig lebhaft. Die Stute macht
häufig zitternde Bewegungen mit dem Schweife und drängt auf die Vagina
wie eine rossige Stute, hierbei eine große Menge glasigen Schleimes entleerend.
Kot und Urin sind nicht abgesetzt worden.
Zahl der Atemzüge 12 in der Minute. Die Atmung geschieht tief, mit-
unter seufzend. Ausgeatmete Luft nicht höher temperiert. Aus beiden Nasen-
öffnungen serös-schleimiger Ausfluß. Nasenschleimhaut spiegelnd, gelblichrot.
— 154 —
Linke Kehlgangsdrüse körnig geschwollen. Spontaner Husten besteht nicht
und läßt sich auch durch Druck auf den Kehlkopf nicht auslösen. Auskultation
und Perkussion der Lungen liefern ein normales Ergebnis.
Fig. 2. Pferd mit Bornaseher Krankheit.
(Nach einer photographiachcn Aufnahme im Stalle.)
Das Tier steht im Stalle mit gespreizten Beinen in bodenweiter Stellung
da (Fig. 2). Die Hinterbeine werden abwechselnd entlastet (Fig. 1 und 2). Das
Tier ist nur mit schwerer Mühe zum Zurücktreten zu bestimmen. Beim Heraus,
führen geschehen die Bewegungen schwerfällig und unsicher. Die Vorderfüße
werden schleichend vorgeführt und tastend mit den Zehen der Hufe zuerst auf
den Boden gesetzt; die Hinterfüße werden stark gebeugt. Überläßt man das
Pferd im Freien sich selbst, so geht es geradeaus mit leichter Biegung des
Kopfes nach links; es geht so weit, bis es auf Hindernisse mit dem Kopfe stößt.
Auf diese Weise aufgehalten, bleibt das Pferd still stehen. Wendungen
geschehen ungeschickt. Beim Zurückbringen in den Stall macht das Tier starke
Anstrengungen, um über die Schwelle der Tür zu gelangen. In seinem Stande
drängt es vorwärts bis zur Wand.
Beim Greifen in die Ohren, beim Treten auf die Kronen der Füße sowie bei
der Prüfung der Haut mit einer Nadel ist Empfindlichkeit vorhanden. Auf Zuruf
reagiert das Tier nicht immer. Dagegen schrickt es bei plötzlichen Geräuschen
wie beim Klatschen mit den Händen zusammen und zeigt dann auch zitternde
Muskelbewegungen im Bereich der Hinterschenkel und des Schwanzes. Werden
dem Tier die Vorderfüße gekreuzt, so verharrt es in dieser abnormen Stellung
länger als zwei Minuten. Beim Versuch, einen Vorderfuß hochzuheben, beugt
— 155 -
die Stute die Hinterfuße sehr stark und droht nach hinten überzustürzen.
Wiederholt schlägt das Pferd ohne Anlaß aus.
Die Untersuchung mit dem Augenspiegel ergibt, daß die Papillen
heilrot sind.
In der Nacht vom 8. zum 9. Februar wird auf eine Eseringabe eine größere
Menge Kotes abgesetzt. Gelegt hat sich das Tier nicht. P. 38, T. 38,5
(abends 38,6), A. 10. Am 9. Februar wird Futter nur aus der Krippe und
aus der Hand, dagegen nicht mehr vom Boden aufgenommen. Das Tier trinkt
im Laufe des Tages etwa einen halben Eimer Wasser, Peristaltik immer noch
unterdrückt.
Am 10. Februar P. 38, T. 38.7, A. 12. Heu wird aus der Krippe in ge-
ringer Menge aufgenommen. Die Stute trinkt auch Wasser, dem viel (0,5 kg
auf einen Eimer) Natrium sulfuricum zugesetzt ist Darmgeräusche rechter-
seits sehr lebhaft. Abgesetzter Kot festgeballt. Beim Kotabsatz zitternde
Bewegungen mit dem Schwänze. Häufiges Blitzen der Scham. Empfindlich-
keit der Haut am Rumpfe auf Nadelstiche herabgesetzt Das Tier wendet den
Kopf nach vorgehaltenem Futter. Hin und wieder wendet es den Kopf ohne
Fig. 3. Pferd mit Bornaseher Krankheit.
(Nach einer im Freien aufgenommenen Photographie.)
Anlaß nach links, um dann auf eine bestimmte Stelle zu stieren. Die Papillen
der Augen gelblichrot; die Pupillen reagieren langsam. Erhöhte Temperatur
der Haut des Schädeldaches besteht nicht.
— 156 —
11. Februar. Das Pferd hat sich nicht gelegt. P. 36, T. 38,7, A. 12.
Das Tier steht von der Krippe entfernt in seinem Stande und nimmt nur Futter
auf, das ihm vorgehalten wird. Nur zweimal geht es ganz allmählich zur
Krippe und frißt eine Weile aus ihr. Wasser wird nur aufgenommen, wenn
der Eimer dem Tier dicht unter das Maul gehalten wird. Das Pferd trinkt
auf diese Weise Wasser, gleichgültig ob dieses mit Glaubersalz versetzt ist
oder nicht. Neu aufgetreten sind klonische Kaumuskelkrämpfe, die minuten-
lang andauern. Die Pupillen sind starr und reagieren langsam. Empfindlich-
keit in den Ohren noch vorhanden, an den Kronen der Füße nicht mehr. Auf
Geräusche in der Nähe des Tieres erfolgt keine Reaktion mehr.
12. Februar. Das Pferd steht völlig apathisch in seinem Stande mit
leicht nach links gebeugtem Halse. Vorgehaltenes Futter wird aufgenommen,
gekaut und abgeschluckt; das Abgleiten der Bissen im Schlünde macht sich
langsam in der Schlundrinne bemerkbar. Wasser wird zuerst etwas getrunken,
dann verbleibt das Tier mit geschlossenen Lippen im Wasser und macht leere
Schluckbewegungen. Durch Einführen eines Fingers in die Maulhöhle kann
man sofort Trinken hervorrufen, das dann in normaler Weise geschieht. Kot
wird nicht abgesetzt.
13. Februar. P. 42, T. 38,5, A. 12. Das Tier steht zitternd im Stande
und droht umzufallen. Die Muskelkrämpfe im Bereich des Kopfes sind sel-
tener geworden. Vorgehaltenes Heu ergreift das Pferd hastig, kaut es und
schluckt es auch ab. In vorgehaltenen Hafer beißt es, während die Lippen
zittern, speichelt ihn stark ein und läßt ihn wieder seitlich aus dem Maule
fallen. Wasseraufnahme wie tags zuvor; der Kopf wird aber so weit in das
Wasser gehalten, daß sich die Nasenlöcher zur Hälfte im Wasser befinden.
Empfindung beim Greifen in die Ohren besteht nicht mehr. Auf Nadelstiche
erfolgt von den Hinterschenkeln bis zur 8. Rippe keine Reaktion mehr. Die
Konjunktiven sind höher gerötet.
14. Februar. P. 44, T. 38,6, A. 28. Konjunktiven höher gerötet; die
höhere Rötung verschwindet aber, wenn der Kopf des Tieres hochgebunden
wird. Die Pupillen sind im Stalle stark erweitert, verengern sich aber im
Freien. Das Tier vermag Hafer nicht mehr aufzunehmen; Rauhfutter, das in
das Maul geschoben wird, wird gekaut und abgeschluckt Wasseraufnahme
wie zuvor. Beim Einführen des Thermometers in den After tritt eine starke
Aufregung des Tieres ein; das Tier beugt die Hintergliedmaßen und schlägt
aus. Empfindung der Haut überall herabgesetzt.
15. Februar. P. 40, T. 38,3, A. 28. Völlige Teilnahmlosigkeit. Papillen
blaßrot Die Empfindlichkeit in den Ohren und der Haut am Kopfe, Halse
wie an den Seitenwänden der Brust ist wiedergekehrt. Futter wird freiwillig
nicht mehr aufgenommen; das Tier greift nur noch zeitweilig nach vorgehal-
tenem Futter mit den Lippen. In die Maulhöhle geschobenes Futter wird ge-
kaut, die Ballen bleiben aber zwischen den Backzähnen und der Backen-
schleimhaut stecken. Das Tier sucht die Futterballen durch exzessive Kau-
bewegungen wieder zwischen die Backzähne zu bekommen. Der rechte Vorder-
fuß wird in der Regel nach vorn gestellt, die Hinterfüße werden abwechselnd
entlastet. Das Tier droht wiederholt umzufallen. Beim Hinausführen bricht es
zusammen, springt aber sofort wieder auf. Sich selbst tiberlassen, geht das Tier
— 157 —
nur einige Schritte mit nach links gebeugtem Halse und tief gesenktem Kopf
vorwärts.
16. Februar. P. 40, T. 38,4. A. 22. Die Sklera tritt infolge Rotation der
Bnlbi nach außen an beiden Augen als ein mehrere Millimeter breiter Streifen
hervor. Langfutter wird nur gekaut, wenn es in die Maulhöhle geschoben
wird, und kann nur abgeschluckt werden, wenn Futter nachgeschoben wird.
Sonst kaut das Tier unter starker Salivation und laßt schließlich den Bissen
fallen. Das Tier sucht den Bissen wieder zu ergreifen, was ihm aber nicht
gelingt. Gegen Mittag hört das Abschlucken auch bei der angegebenen Hilfe
ganzlich auf. In vorgehaltenes Wasser steckt das Tier den Kopf bis über die
Nasenöffnungen; Trinken findet auch beim Einführen eines Fingers in die Maul-
spalte nicht mehr statt Nur wenn das Schlauchende eines mit Wasser gefüllten
Irrigators in die Maulhöhle eingeführt wird, trinkt das Tier. Hinterleib stark
aufgezogen. Weder Kot- noch Urinabsatz. Das Tier steht mit gespreizten
Vorderbeinen und abwechselnd entlasteten Hinterbeinen im Stand. Es fällt im
Laufe des Tages um und vermag sich nicht wieder zu erheben. Das Tier
stirbt, nachdem es andauernd Laufbewegungen ausgeführt und wiederholt den
Versuch gemacht hat, sich mit der Vorderhand zu erheben, in der Nacht zum
17. Februar.
Die am Morgen des 17. Februar vorgenommene Obduktion
hatte folgendes Ergebnis:
Totenstarre vorhanden. Panniculus adiposus und retroperitoneales
Fettgewebe stark entwickelt Lage der Baucheingeweide normal. Abnormer
Inhalt in der Bauchhöhle nicht vorhanden. Der Darmkanal mit flüssigem
Inhalt mäßig gefüllt. Der Magen zusammengefallen. Milz 60 cm lang, 30 cm
breit, 4 cm dick. Oberfläche stahlblau, Parenchym glänzend schwarz; Trabekel-
werk deutlich hervortretend, Pulpa nur in mäßiger Menge abstreifbar. Im
Kardiateil der Magenschleimhaut zahlreiche Erosionen von Linsen- bis Zehn-
pfennigstückgröße, z. T. flächenartig zusammengeflossen. Der Pylorusteil der
Magenschleimhaut sowie die Schleimhaut des Darmes bis auf diejenige der rechten
oberen Grimmdarmlage ohne Abweichung. Die Schleimhaut der rechten
oberen Lage des Grimmdarmes bis zur magenähnlichen Erweiterung schmutzig
graubraun und gleichmäßig geschwollen. Leber leicht geschwollen, graugelb
und trübe.
Beide Nieren mäßig vergrößert, Rindenschicht graurot und leicht getrübt.
Lungen ohne Veränderung.
Unter dem Epikard und Endokard vereinzelte Blutungen. Myokard
gelbgrau, trübe und weicher als normal.
Die Skelettmuskulatur ist graurot und trübe.
Am Gehirn und Rückenmark ist makroskopisch außer starker Füllung
der Venen und starkem feuchtem Glanz der Schnittflächen nichts Abnormes
zu erkennen. Auch an den peripheren Nerven kann mit bloßem Auge eine
Abweichung nicht ermittelt werden.
(Aus dem Physiologischen Institut der veterinärmedizinischen
Fakultät der Universität Zürich.)
Zur Theorie der Hätnolyse.
(Mit Berücksichtigung der veterinärmedizinisch wichtigen Verhältnisse
und der vergleichenden Pathologie.)
Von
Dr. Walter Frei
in Zürich.
I. Einleitung.
Es ist bekannt, daß die Möglichkeit der Immunisierung ge-
geben ist durch die Fähigkeit des Organismus, Antikörper zu er-
zeugen gegen genuine Eiweißkörper ungeformten oder geformten
(als Zellen) Zustandes, wenn sie als solche, d. h. ohne denaturiert
zu sein, in den Kreislauf gelangen. Nach ihrer Funktion —
die, wenn sie immunisatorisch erzeugt werden, meist spezifisch
ist — und nach den Stoffen, gegen die sie gerichtet sind, den
Antigenen, werden die Antikörper bekanntlich wie folgt benannt:
Antikörper gegen
„ .. ,. ... TT \ = Bakterizidine, Bakteriolysine, Bak-
Zellen pflanzlichen Ursprungs } A . . x. . J
* j tenoagglutinine.
Sonstige Eiweißkörper pflanz- j
liehen Ursprungs (Toxine, Bak- ! = Antitoxine, Präzipitine.
terien-Filtrate) )
= Zytotoxine und Zytolysine (z. B. Ne-
phrotoxin, Hepatotoxin, Leukozyto-
toxin, Spermatoxin, Myotoxin etc.),
Hämagglutinine, Hämolysine.
Sonstige Eiweißkörper (Serum, l = Präzipitine, Antipräzipitine, Antizyto-
Antikörper) I toxine, Antilysine.
„ . , „, | = Antifermente (z. B. Antipepsin, Anti-
Fermente »tierischen und pflanz- ,ab Antiemulgini ^^in»**,
hohen Ursprungs j Fibrinantifcrment etc.).
Zellen tierischen Ursprungs
— 159 —
Die Bakterizidine, Zytotoxine und Hämolysine sind komplex,
d. h. sie bestellen aus zwei Substanzen, einer wärmestabilen, dem
Ambozeptor und einer wärmelabilen, die bei 56° zerstört wird und
Alexin oder Komplement heißt. Nur die Kombination beider ist
wirksam. Es ist bemerkenswert, daß sowohl Antikörper wie Anti-
gene Kolloide sind, daß bis heute nur gegen Kolloide Antikörper
erzeugt worden sind, und daß die allgemeinste Reaktion des Orga-
nismus auf Antigeneinfuhr das Fieber ist, dessen Entstehung wohl
mit der Antikörperbildung zusammenhängt.
Zangger1) hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß die
Antikörper Kolloide sind, daß ihre Funktionen durch den Kolloidal-
zustand allein erklärt werden können, und zwar der folgenden
charakteristischen Eigenschaften wegen: Sie kristallisieren und di-
alysieren meist nicht, verändern sich permanent und sozusagen
spontan, da sie gegen alle Einflüsse sehr empfindlich sind, beson-
ders gegen langandauernde höhere Temperaturen. (Die Alexine
gehen schon bei 56° zugrunde). Da die Antikörper neben der
Temperaturempfindlichkeit auch durch Elektrolyte sehr leicht und
irreversibel verändert werden, hat man sie nicht wie die Eiweiß-
körper als solche chemisch rein durch Aussalzen darstellen können.
Das Typische wird ihnen eben durch den Kolloidalzustand verliehen.
Zur Wirksamkeit bedürfen sie aber gewisser Salzionen in geringen
Mengen, ohne die sie überhaupt nicht wirken und existieren zu
können scheinen.2) Nach Salzzusatz bekommen sie die Eigenschaften
wieder, wenn sie diese durch Dialyse verloren haben (London).
Ich beschränke mich auf die Hämolysine, diejenigen Serum-
stoffe, die, mit entsprechenden Blutkörperchen zusammengebracht,
diese auflösen, d. h. das Hämoglobin verläßt durch die veränderte
oder zerstörte Hülle der Blutzellen hindurch das Stroma derselben,
ein Vorgang, den wir Hämolyse nennen.
Es sind Krankheiten, Heilungsvorgänge und therapeutische
Eingriffe bekannt, bei denen Hämolyse stattfindet. Schon längst
bekannt ist die unliebsame Rolle der Normalserumhämolysine bei
») Zentralbl., f. Bakt , Orig. XXXIV, 1903, Nr. 5. Zentralbl. f. Bakt ,
Kef. XXXVI, 1905, Nr. 8/9. Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte 1904, Nr. 3.
Übersicht: Jahresber. ü. d. Leist. a. d. Geb. d. Vet-Med. von Ellenberger
u. Schütz 1905/06.
2) Zur Einleitung in dieses Gebiet vgl. meine Arbeit „Über Kolloide*4,
Berl. tierärztl. Wochenschr. 1905, Nr 21.
— 160 -
der Transfusion. Artfremdes Blut im Kreislauf wird zerstört
(Magendie 1842, Brown-S6quard 1855, Landois 1865—1875,
Ponfick 1875). Das ausgetretene Hämoglobin wirkt toxisch auf
die Nieren; es finden unangenehme Gerinnungen statt, was wohl
auf das Vorhandensein von Präzipitinen im fremden Blut zurück-
zuführen ist; denn Mioni1) hat gefunden, daß das Blut des be-
handelten Tieres der Gerinnungsfähigkeit verlustig geht. Außerdem
sinken arterieller Blutdruck und Leukozytenzahl. Bei einer zweiten
Einfuhr heterogener Blutelemente treten diese letzteren Erschei-
nungen nicht mehr auf, da das Tier immunisiert ist (Mioni 1. c.
b. Hund). Die intravaskuläre Zerstörung des fremden Blutes
findet, außer durch die schon vorhandenen Lysine, auch statt durch
die entstehenden Immunkörper, und zwar vergeht vom Zeitpunkt
der Injektion an bis zum ersten Auftreten derselben eine gewisse,
durch quantitative Steigerung des eingeführten Blutes nicht unter ein
Minimum herabzudrückende Inkubationszeit, die beispielsweise bei
einem mit Ochsenblut behandelten Kaninchen 92 Stunden be-
trug (Sachs2).
Hämolytische Antikörper entstehen auch (als unliebsame Neben-
produkte) bei der Injektion gleichartigen virulenten Blutes oder
zellfreien Serums zur Erzeugung von Antitoxinen und Bakterizidinen.
Diese Isolysine können bei der nachherigen Verwendung des
Immunserums zu Heilzwecken speziell auch in der Veteri-
närpraxis bei einer Anzahl irgendwie disponierter Tiere den Tod
durch Hämoglobinurie herbeiführen. (Theiler.3)
Der Resorption von Hämatomen und hämorrhagischen ent-
zündlichen Exsudaten muß auch Hämolyse und nachherige Auf-
lösung der Stromata vorangehen, was natürlich eine gewisse Zeit
braucht. Über die Resorption von Blut im Peritoneum hat Le sage4)
ausgedehnte Untersuchungen gemacht. Bei Autotransfusion, d. h.
Überleiten des Blutes von der Karotis in die Bauchhöhle desselben
Tieres entsteht kein Fieber und keine Hämoglobinurie (wie dies
bei Injektion artfremden Blutes der Fall ist. Es werden also keine
Autolysine gebildet).
>) Archiv, international, de physiol. III. 3. (Ref. Zentralbl. f. Physiol.
XX 5, 1906.)
,J) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1903.
3) Zentralbl. f. Bakt., Ref. 34, 1904, 770.
4) These de Paris, 1902, A. 13, 14.
— 161 —
Das infundierte Blut gerinnt nicht (wie z, B. oft bei großen
Hodensackhämatonien beim Hengst beobachtet werden kann) und
ist auch nach nachherigem Herausnehmen im Glas nur sehr lang-
sam, und wenn es lange Zeit im Peritoneum gelegen, auch nicht
auf Zusatz von Fibrinferment zum Gerinnen zu bringen.1) Die
Resorption beginnt nach ca. 8/4 Stunden, verläuft rasch und ohne
Hämolyse; denn im roten Inhalt des Ductus thoracicus werden
unbeschädigte Blutkörperchen gefunden. Ähnliches beobachtete
Lesage bei Transfusion artgleichen Blutes eines andern Tieres.
Doch treten in einzelnen Fällen Isohämolysine auf (Ehrlich). Wie
oben bemerkt, ist diese Tatsache für die Tierimmunisierung von
großer Bedeutung (Th eiler). Phagozytose findet nach Lesage in
geringem Grade statt; auch Meier2) beobachtete solche in patho-
logischen Fällen. Bemerkenswert ist, daß ins subperitoneale Ge-
webe oder zwischen die Blätter des Mesenteriums infundiertes Blut,
das also nicht mit der freien Oberfläche des Peritoneums in Berührung
kommt, nicht direkt resorbiert wird.
Hämolyse kommt auch vor bei der Haemoglobinuria paro-
xysmalis hominis. Blut, während des Anfalles entnommen, ab-
gekühlt und wieder erwärmt, löst sich auf (Landsteiner). Hier
scheint also die Kälte als hämolytischer Faktor, oder wenigstens
als die Kolloidreaktion begünstigendes Moment aufzutreten.
Auch hier ist ein komplexes Hämolysin, dessen Bindung an
die Blutkörperchen nur bei einer Temperatur stattfindet, die unter
37° ist, und gegen das ein Antihämolysin bei Kaninchen erzeugt
wurde, das in vitro die lösende Kraft des Serums einiger Kranken
aufhob. (Eason.3)
Vielleicht spielt die Kälte auch eine Rolle bei der schwarzen
Harn winde des Pferdes. Das Typische dieser Krankheit ist eine
Muskeldegeneration, verbunden mit Hämoglobinaustritt. Wie bei der
Hämolyse handelt es sich um Durchlässigmachen (oder Zerstören)
einer Membran, des Sarkolemmas, und weil dabei auch die Per-
]) Dies gilt nur, wenn alle Vorsichtsmaßregeln beobachtet wurden.
Insbesondere darf keine Peritonitis zustande kommen. Die Ungerinnbarkeit
ist wohl auf Antifermente zurückzuführen, deren Entstehungsort die Leber sein
dürfte. (Vgl. Gley, Pachou, Hedin, Delezenne.) (Der gerichtlichen Me-
dizin ist die oben erwähnte Tatsache übrigens längst bekannt.)
*) Diss. Zürich, 1905.
s) Journal of Pathology and Bact. Vol. XL 1906.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 2/3. 11
— 162 —
meabilität desselben für Ionen und Moleküle eine andere wird, muß
auf den dadurch qualitativ und quantitativ veränderten Austausch
derselben mit der Umgebung eine Funktionsstörung oder Funktions-
unfähigkeit der Muskelzelle folgen. Denn die Kontraktionsmöglichkeit
des Muskels ist, wie die Funktionen aller Kolloide, an die Gegen-
wart ganz bestimmter Ionen und ein Mengenoptimum derselben
gebunden. (Vgl. Webster1), 0 verton, Pauli, Verh. d. Natur-
forscher und Ärzte, Stuttgart 1906. Quellungszeit, Analogien mit
Gelatine.)
Blutkörperchenzerstörungen kommen auch vor bei Anämie,
bei Vergiftungen mit Säponin, Digitoxin, Zyklamin, mit Sublimat
und Phenylhydrazin. Bienengift2) und Schlangengifte wirken
hämolytisch. Blutzerfall wird ferner beobachtet bei Verbren-
nungen8) (Erhitzen über 65° zerstört die Erythrozyten) bei Ikterus
(Natrium taurocholat. wirkt hämolytisch), bei Stoffwechselkrankheiten
mit giftigen Zerfallprodukten im Blut; Urämie4), bei verschiedeneu
Infektionskrankheiten: Sepsis durch Strepto-, Staphylokokken.
Milzbrand, Typhus, Tetanus, Cholera, Texasfieber, Malaria, bei einer
Pseudotuberkulose der Vögel (Filtrate und Dialysate auch im Reagenz-
glas) Bryner.5)
Praktische Verwendung kann die Hämolyse als biologische
Reaktion finden bei der Analyse von Nahrungs- und Genußmitteln.
z. B. zur Toxizitätsbestimmung von Spirituosen.6) (Limonaden ent-
halten Saponin.)
In dem austretenden Hämoglobin haben wir einen bequemen
qualitativen, und bei richtiger Versuchsanordnung auch quantitativen
Indikator der Hämolyse. Immerhin hebe ich jetzt schon als be-
achtenswert hervor, daß das Resultat, das wir messen, das ist die
Farbenstärke des Hämoglobins, die Folge einer Reihe von Vor-
gängen ist, die mit einander verknüpft sind. Also wird der Verlauf
der Reaktion beherrscht durch die langsamste Teilreaktion der Kette.
Diese Teilreaktionen sind — wie weiter unten für die Kolloidhämolyse
l) Decennial Publications of the Univ. Chicago, Vol. X. 1902.
*) Schutt, Diss., Erlangen, 1902.
3) Pfeiffer, Virch. Arch., 180, 367: vgl. auch Burkhardt, Arch. f.
klinische Chirurgie, Bd. 75, 1905.
4) Laqueur, Festschrift für Orth, 1906.
5) Inang.-Diss., Zürich, 1906.
6) Van de Velde, Bioch. Zeitschr., I. 1, 1906.
— 163 —
des näheren begründet werden wird — physikalischer oder physi-
kalisch-chemischer Natur; denn es müssen sich folgen: Absorption
eines Kolloids durch ein anderes (des Hämolysins durch das Blut-
körperchen), Lösung oder Durchlässigmachen der Kolloidmembran
der Erythrozyten durch ein Kolloid oder einen Kolloidkomplex,
Diffusion des Kolloids Hämoglobin. Die weitgehenden Analogien in
der Wirkung und Entstehung der Hämolysine mit den Bakterizidinen
und anderen Zytolysinen legten es deshalb nahe, sich dieses be-
quemsten Hilfsmittels zu tieferem Eindringen in das Wesen der
Immunkörperentstehung als eines allgemein biologischen Vorganges
zu bedienen. Es liegt heute über die Hämolyse eine große Reihe
von Untersuchungen vor, deren allerwichtigsten Ergebnisse ich hier
anfuhren und nach einer bestimmten Richtung diskutieren will.
Belfanti und Carbone1), dann Bord et2) machten die Beob-
achtung, daß nach Injektion von Blut eines Tieres A in ein anders-
artiges Tier B das Serum von B die Fähigkeit erlangt, die Blut-
körperchen von A (in vitro) aufzulösen. Aber nicht durch Blutinjektion
allein kann man ein hämolytisches Serum bekommen, und außerdem
ist die blutlösende Fähigkeit nicht die einzige Eigenschaft desselben.
Serumhämolysine erhält man durch Injektion von Blut, zell-
freiem Serum,«3) Milch,3)4) Harn,3) Spermatozoen,5) Flimmerzellen,6)
Lymphdrüsenbrei, Organzellen,7) wenn diese Eiweißkörper nicht
denaturiert sind.8) Daneben entstehen noch andere Antikörper, so
bei Serumeinspritzung spezifische Präzipitine; bei Einverleibung
von Kuhmilch gewinnt man ein Serum, das außer der Eigenschaft,
Rinderblut zu lösen, Rinderserum präzipitiert, Kuh- und Ziegenmilch
!) Giornale della R. Accad. d. Med. d. Torino, 1898.
*) Ann. Past. 1898/99. v. Dungern, (Münch. med. Wochenschr., 1899,
Xr. 38) und Landsteiner (Zentralbl. f. Bakt., I 25, 1899) machten ähnliche
Experimente.
3) Sachs, Ergebn. d. allg. Path. und path. Anat. von Lubarsch-Oster-
tag, 7. Jahrgang.
4) Moro, Wien. klin. Wochenschr. 1901. Meyer und Aschoff, Berl.
klin. Wochenschr. 1902, Nr. 27.
5) Meyer u. Aschoff l. c.
*) v. Dungern, Die Antikörper, Jena 1903, S. 30.
Ö Michaelis u. Fleischmann, Zeitschr. f. klin. Med., 68, 1906 S. 463.
*) Mit 20 Min. auf 120° erhitzter Milch kann man nur noch Koaguline.
dagegen keine Hämolysine mehr erzeugen (Meyer und Asch off 1. c.) Blut-
körperchen, 2 Std. 120° haben die Fähigkeit, Antikörperbildung auszulösen,
fast vollständig verloren. (Doepner, Zentralbl. f. Bakt. I, 40, Heft 4, 1906.)
11*
— 164 —
koaguliert und Stiersamen immobilisiert. Das Antispermatozoen-
serum wirkt auch koagulierend, ebenso das Antitrachealepithelserum
(Meyer und Aschoff 1. c).
Die nach Einfuhr dieser verschiedenen Stoffe entstandenen
Immunkörper sind spezifisch in dem Sinne, daß die gebildeten Anti-
stoffe nur gegen die Zellen oder Eiweißkörper derjenigen Tierart
(oder verwandter Arten) gerichtet sind, von der die Antigene her-
stammen, und daß derjenige Immunkörper, der direkt gegen die Zelle,
die seine Bildung auslöste, gerichtet ist, quantitativ und qualitativ
überwiegt. So löst also das Serum einer mit Hammelblut vorbe-
handelten Ziege nur Hammelblut;1) ein Kaninchen, dem Ziegenblut
injiziert wurde, liefert ein Serum, das aber außer Ziegenblut in
geringem Grade auch Rinderblut löst.2) Außerdem wirkt ein durch
Vorbehandlung mit Blut gewonnenes Serum stärker hämolytisch als
ein mit Flimmerepithelien, Milch oder Spermatozoen gewonnenes,*)
und ein Epithelimmunserum verschont Blutkörperchen (die es sonst
löst), wenn ihm mit diesen gleichzeitig Epithelzellen beigemischt
werden;4) oder allgemein: die Immunkörper werden von denjenigen
Zellen, die ihre Bildung ausgelöst haben, am besten absorbiert. -1)
Hämolysine können auch immunisatorisch erzeugt werden gegen
Blutkörperchen derselben Art. So z. B. entsteht durch Behandlung
einer Ziege mit Ziegenblut ein Isolysinserum, das Blutkörperchen
einiger anderer Ziegen auflöst.^) Auch bei Kaninchen hat man
immunisatorisch Isolysine entstehen sehen (M. Ascoli6) und im ge-
wöhnlichen menschlichen Serum wurden solche gefunden, desgleichen
Isoagglutinine (Ascoli6), Landsteiner7), Eisenberg8) u. a.) eben-
so bei Spatzen (Casagrandi)9). Autolysine, d.h. Stoffe, die die
Blutkörperchen in ihrem eigenen Serum (desselben Individuums)
auflösen, scheinen unter normalen Verhältnissen nicht vorzukommen.
>) Ehrlich u. Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1899, Nr. 1, I. Mitt.
Vgl. auch v. Dungern u. Landsteiner 1. c.
a) Ehrlich u. Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1901, Nr. 21.
3) v. Dungern, Die Antikörper, Jena 1903, S. 55.
*) v. Dungern, Miinch. med. Wochenschr. 1899, Nr. 38, 1900 Nr. 2tf:
„Die Antikörper", S. 30.
b) Ehrlich u. Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1900, Nr. 21, IILMitt.
tij Münch. med. Wochenschr. 1901.
7) Zentralbl. f. Bakt. 1900, B. 27.
8) Wiener klin. Wochenschr. 1901. Nr. 42.
3) Atti soc. Malaria, Bd. VI. (Ref. Bioch. Zentralbl., IV, S. 237.)
— 165 —
hingegen in Krankheitsfällen. So will Pergola1) im Blute von
Syphilitikern nnd Casagrandi bei Malaria Tertiana Autolysine nach-
gewiesen haben.2)
Die Ursprungsstätten der Hämolysine sind wahrscheinlich
die blutbildenden Organe, Milz, Knochenmark, Lymphdrüsen, für die
Alexine hauptsächlich die Leukozyten. (Nach Metschnikoff sollen
die mononukleären Leukozyten, die Makrophagen, Hämolysine [Makro-
zytase], die polynukleären Mikrophagen Bakterizidine [Mikrozytase]
erzeugen.)
Im Organismus sind diese Antikörper folgenderweise verteilt3) :
Knochen- .
mark A Fen" Ödem Exsudat Au*en- Milch Urin Fötus Ei
j »i * toneum kammer
und Blut
Alexin . . . + + selten selten — — — ? ?
Ambozeptor -f +++ — — ? — ? V
Über die Bindungsverhältnisse des Ambozeptors mit der Blut-
zelle einerseits und mit dem Komplement andererseits haben haupt-
sächlich Ehrlich und Morgenroth Untersuchungen gemacht. Für
uns sind folgende Experimente von Wichtigkeit:
1. Ein für Blut der Tierart A hämolytisches Normal- oder
Imraimserum wird 30 Minuten auf 56° erhitzt: Es löst nicht mehr,
ist inaktiv (Temperaturempfindlichkeit der Kolloide!). Fügt man
nun frisches, für A nicht hämolytisches Serum, das also nur (nicht
spezifische) Alexine enthält, zum inaktiven Serum, so wird es
reaktiviert, d. h. es löst jetzt Blut A wieder auf. Am besten
reaktiviert Serum, das mit demjenigen, das den Immunkörper pro-
duziert hat, gleichartig ist. Oft aber kann sogar das Serum der
Tierart A zur Reaktivierung benutzt werden.4)
2. Ein immunisatorisch erzeugtes, für Hammelblut spezifisches
Hämolysinserum wird inaktiviert und eine Zeitlang mit Hammelblut
versetzt; durch Zentrifugieren werden Körperchen und Flüssigkeit
getrennt; letztere mit normalem Ziegenserum (Komplemente) ver-
mischt (reaktiviert) löst nicht; hingegen werden die Körperchen
!) Accad. dei Fisiocritici Siena. 28, I, 05. Ref. Biocb, ZentrbL Bd. IV,
S. 121.
*) Casagrandi 1. c. hatte die Blutkörperchen des Malariakranken vor
der Autolyse sensibilisiert durch auf 56° erwärmtes Serum eines mit dein Blnt
des Patienten vorbehandelten Meerschweinchens.
*) Zusammenstellung von Zangger, Zentralbl. f. Bakt, 34, 1903, Nr. 5.
4) Ehrlich u. Morgenroth, Berlin, klin. Wochensohr, 1809, Nr. L
— 166 —
jetzt auf Zusatz von (sonst gar nicht lösendem) normalem Ziegen-
serum aufgelöst. Behandelt man statt Hammelblutkörperchen z. B.
Kaninchenerythrozyten mit dem Hammelblutimmunserum, so werden
diese nicht gelöst.1)
3. Ein hämolytisches Normal- oder Immunserum A wird
zwischen 0 und 3° längere Zeit mit den entsprechenden Blut-
körperchen stehen gelassen. Es findet keine Lösung statt. Nun
zentrifugiert man und kann dann folgendes konstatieren2) (Temperatur
über 15°):
Sediment (Blutk.) -f- Komplettierserum (neues Serum, Alexine) = Lösung.
Zentrifugenflüssigkeit -f- Normalserum + Blutk. = keine Lösung.
„ + inaktiviertes Immunserum -}- Blutk.A = Lösung.
4. Ziegenserum löst Meerschweinchen- und Kaninchenblut und
kann (wenn inaktiviert) durch Pferdeserum reaktiviert werden. Läßt
man inaktives Ziegenserum + Meerschweinchenblutkörperchen einige
Zeit (eine halbe Stunde) bei Zimmertemperatur beisammen und
zentrifugiert dann, so löst die mit Pferdeserum reaktivierte Flüssig-
keit nicht mehr Meerschweinchenblut, sondern nur noch Kaninchen-
blut, während das Sediment auf Zusatz von Pferdeserum und Auf-
schwemmen in NaCl gelöst wird.3)
5. Ziegenserum, filtriert durch Pukallfilter: das Filtrat löst
nur noch Meerschweinchenblut, kaum noch Kaninchenblut; auf
Zusatz von Pferdeserum aber löst es letzteres.8)
6. Hundeserum löst Meerschweinchenblut. Inaktiviertes Hunde-
serum kann durch normales Meerschweinchen- und Pferdeserum
reaktiviert werden. Reaktiviert man mit dem letzteren, so ist zur
Auflösung einer bestimmten Blutmenge sechsmal so viel Hundeserum
nötig, als wenn dasselbe durch Meerschweinchenserum reaktiviert
wird.3)
Aus diesen Experimenten geht folgendes hervor:
Zur Hämolyse sind zwei Substanzen (kolloidaler Art, s. o.)
notwendig, von denen die eine der meist spezifische, thermostabile
Ambozeptor oder Immunkörper, die andere das nicht spezifische,
thermolabile Komplement oder Alexin4) ist. Keine von beiden ist
l) Ehrlich u. Sachs, Berlin, klin. Wochenschr. 1899, Nr. 22. Henri
(Compt. rend. Soc. biol.) hat eine ganze Reihe von normalen hämolytischen
Seren aufgestellt.
9) Ehrlich u. Sachs, Berlin, klin. Wochenschr. 1899, Nr. 22.
3) Ehrlich u. Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1900, Nr. 31.
4) Es gibt auch thermostabile Alexine, Ehrlich u. Sachs, 1. c.
— 167 —
allein wirksam (1, 3). Die wirksamste Kombination entsteht, wenn
beide Komponenten von derselben Tierart stammen (Ausnahme: 6);
also zeigen auch die Komplemente eine gewisse geringgradige
Spezifität (1, 6). Der Ambozeptor wird bei allen Temperaturen
nur von den adäquaten Blutkörperchen absorbiert1) (2, 3, 4); das
Komplement wird in der Kälte weder vom Ambozeptor noch von
den Körperchen gebunden (3). Im Serum sind Ambozeptor und
Komplement meist unverbunden. Aus einem hämolytischen Serum
können zwei verschiedene Blutarten zwei verschiedene adäquate
Ambozeptoren absorbieren (42). Die Blutkörperchen zeigen also
elektives Absorptionsvermögen gegenüber dem Ambozeptor, und erst
wenn sie sich damit beladen haben, kann auch das Alexin gebunden
werden, worauf Hämolyse, Lösung, eintritt. Daß die beiden
Komponenten im Serum nicht in äquivalenten Mengen vorhanden
sind, erkennt man daran, daß man seine globulizide Kraft durch
Komplementzusatz steigern kann.
Wir haben also in den Seren der verschiedenen Tierarten zwei
große Gruppen von kolloiden Stoffen. Passende Zusammenstellung
eines Gliedes der einen Gruppe mit einem entsprechenden der andern
gibt eine hämolytisch wirksame Kombination. Die Glieder der einen
Gruppe (Ambozeptoren) zeigen spezifische Absorbierbarkeit durch
Blutkörperchen und werden meist bei der Immunisierung quantitativ
gesteigert; den Gliedern der andern Gruppe (Alexine) fehlen diese
Eigenschaften: sie bleiben bei der Immunisation quantitativ ungefähr
konstant, und man kann bei ihren Verbindungen mit den Ambozeptoren
oder dem Komplex Blutkörperchen-Ambozeptor höchstens von einem
artgleichen Optimum sprechen. (Vgl. Exp. 1.)
Der Effekt der vereinigten Einwirkung von Ambozeptor und
Komplement auf das Blutkörperchen ist seine Auflösung. Dabei
hat der Ambozeptor eine ähnliche Funktion wrie die Beize bei der
adjektiven Färbung (Bordet). Aber auch durch den Ambozeptor
allein erleiden die Blutkörperchen Veränderungen in dem Sinne, daß
J) Spezifische Absorptionen: Stärke absorbiert Jod, Ackerboden Kali-
salze (Na-Salze nicht spezifisch). Koll. Manganihydroxyd absorbiert bei Ein-
wirkung auf neutrale Alkalisalze Alkalihydroxyd, und die Säure bleibt zurück.
"Spring, Lindner u. Picton, Whitney u. Ober, Biltz).
f) Man habe zwei hämolyt. Seren a und b, von denen a die Blutart a*
und b die Blutart b' auflöse. Versetzt man nun die Mischung a + b mit einer
Blutart, z. B. a' im Überschuß, so ist die Mischung nachher für die andere
Blutart, also b', unwirksam. (Bordet, Ann. Pasteur 1901.)
— 168 —
sie nach vollkommener Sättigung mit demselben keine Hämolysin-
produktion mehr auszulösen vermögen.1)
Der Komplexität der Hämolysine entsprechend, werden gegen
sie auch zweierlei Antihämolysine erzeugt, Antiimmunkörper und
Antikomplement; auch diese sind spezifisch (Ausnahmen in bezug auf
verwandte Arten vorbehalten) und kommen auch im Normalserum vor.
Die Hemmungswirkung, die normales Serum gegen andere
blutlösende Substanzen, außerdem bei anderen Immunkörperreaktionen
(Agglutination, Präzipitation) ausübt, ist bekannt und hat eine
Parallele in der Hemmung von anderen Kolloidreaktionen durch
Kolloide, z. B. die Verhinderung der Elektrolytausflockung von
Mastixemulsion durch Gelatine2) oder die Hemmung der Hämolyse
durch koDoidales Fe(OH)3.*)
Die Erscheinungen der Immunkörperreaktionen im allgemeinen
und der Hämolyse im speziellen hat Ehrlich mit der Seitenketten-
theorie chemisch zu erklären versucht. Zangger aber hat (1902 ff.)
darauf hingewiesen, daß man mit Rücksicht auf den Kolloidalzustand
der Antikörper sich fragen muß, was diese typischen physikalischen
Eigentümlichkeiten bei den Reaktionen für eine Rolle spielen, und
ob sie erklären, was die chemische Auffassung nicht erklären kann.
Nur dieser Zustand ist bekannt, alles Chemische nur Hypothese,
und verdeckt durch den Kolloidalzustand.
In meiner Arbeit soll der physikalisch-chemische Standpunkt
des weiteren gerechtfertigt werden, indem ich speziell für die
Hämolyse unter Benutzung neuer Tatsachen und eigener Experimente
zeigen werde, daß sie eine Reaktion ist, bei der zur Hauptsache
physikalisch-chemische Gesetze den Vorgang bis in die einzelnen
Reaktionsphasen hinein beherrschen.
II. Die Beaktionssubstanzen.
I. Die Blutkörperchen.
Es wird am Platze sein, etwas über die Struktur der roten
Blut zellen vorauszuschicken. Die Ansichten hierüber sind ver-
») von Düngern, Miinch. med. Wochenschr. 1900, Nr. 20. Sachs,
Zentralbl. f. Bakt., I. Abt. Bd. 30, 1901, Nr. 13.
9) Neißer u. Friedemann, Münch. med. Wocbenachr. 1903, Nr. 11.
3) Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, S. 224.
Henri u. Lcvy, Comptes rendus Soc. Biol., Juli 1906.
— 169 —
schieden. Nach Rollett1) besteht das Blutkörperchen aus dem
hyalinen Stroma, das die osmotisch wirksamen Substanzen enthält
(Brückes Oikoid) und dem Endosoma (Brückes Zooid), in dem
das Hämoglobin in amorphem, ungelöstem (weil zu wenig IL^O)
Zustand fixiert ist. Eine Membran soll nicht vorhanden sein.
Hamburger2) hat eine ähnliche Ansicht: Die roten Blutkörperchen
bestehen aus einem protoplasmatischen Netz, in dessen geschlosse-
nen oder nicht geschlossenen Maschen sich eine flüssige oder
halbflüssige rotgefärbte Masse befindet; letztere repräsentiert das
wasseranziehende Vermögen (enthält also die Salze). Die äußere
protoplasmatische Begrenzung ist semipermeabel. Koeppe3) nimmt
eine semipermeable Hülle aus fettähnlichen Substanzen an (Lipoide,
Cholesterin und Lezithin, nach Analogie mit 0 verton). Albrecht4)
spricht von einer Oberflächenschicht, die fettartig und in der Wärme
flüssig ist (sie läßt sich beim Frosch durch Ausquetschen in der
Kälte als Membran gewinnen).
Vollständig einig gehen Schäfer5) und Weidenreich6). Letz-
terer schreibt: „Die roten Blutkörperchen sind Flüssigkeitsblasen,
in denen die Hämoglobinlösung von einer Membran umschlossen
ist; diese Membran enthält Eiweißstoffe als formbildende Grund-
lage und ist imprägniert mit Lezithin und Cholesterin".
Als Kolloidkomplexe müssen die Blutkörperchen elektrische
Ladung haben, und zwar ist nach Iscovesco7) die Hülle elektro-
negativ, das Innere elektropositiv.
Ich möchte hier nachweisen, was für physikalisch-chemische
besetze die Annahme einer Oberflächenmembran zwingend fordern,
wie sich diese Gesetze hier anwenden lassen und was sie erklären
und entscheiden.
Die Annahme einer Membran oder wenigstens einer Ober-
*) Pflügers Archiv, 82, 255, 1900.
*) Osmot. Druck u. Ionenlehre in d. med. Wissenschaft, Wiesbaden,
1902. I. Bd.
*) Pflugers Arch. 99, 33 ff. 1903, ibid. 107, 86 u. 183, 1905. Gryns,
Püüg. Arch., 109, 289, 1905 bestreitet eine Membran im Sinne Koeppes und
sagt, das Ganze verhalte sich wie eine halbdurchlässige Wand.
4) Sitzungsber. d. Münch. morphol.-pbysiol. Ges., XIX, 2, S. 16. (lief.
Zentralbl. f. Pbysiol. XIX, S. 19.)
*) Anat. Anzeiger, XXVI, 22/23, 8. 589.
*) Anat Anzeiger, XXVII, 24, 583, 1906.
7) Comptes rendus Soc. Biol., 00, 276. Feb. 1906.
— 170 —
flächenmembran wird gestützt durch die Untersuchungen von
Devaux1), Eamsden2) und Metkalf3), deren Befunde zugleich
eine Erklärung bieten. An der Oberfläche der Lösungen von Ei-
weiß (Milch z. B.), Saponin, Gummigutt, Mastix (Devaux) und
Pepton (Metkalf, Devaux), Farbstofflösungen (Rohde4) bilden
sich Membranen, die aus koagulierter Kolloidsubstanz bestehen.
Analog ist die Bildung von Koagulationsmembranen beim Schütteln
von Eiweißlösungen mit Luft oder anderen Gasen (Ramsden).
Devaux fand, daß ein in Wasser suspendierter Tropfen einer Ei-
weißlösung sich mit einer dünnen Schicht koagulierten Eiweißes
umgibt (künstliche Zelle), d. h. wenn Eiweiß Differenzen der Ober-
flächenspannung unterworfen wird, geht es in die Oberflächen-
(Grenz-) Schicht hinein, weil es die Oberflächenspannung herunter-
setzt, und durch die Konzentration und mit der Zeit wird es fest,
es gerinnt. Der Ort, wo die „Koagulations"membran sich bildet, ist
also immer eine Oberfläche, d. h. eine scharfe Begrenzung zweier,
nicht in allen Verhältnissen mischbarer Medien, Flüssigkeiten oder
einer Flüssigkeit gegen ein Gas (sog. freie Oberfläche). (Vgl.
auch Haptogenmembran der Milchkügelchen. Quincke seit 1870
[Ann. d. Physik].)
Da nun das Blutplasma eine andere Oberflächenspannung hat
als das Stroma der Körperchen, ist die Erklärung des Zustande-
kommens der Erythrozytenhülle durch Oberflächenspannungsdiffe-
renzen gegeben.5) Damit ist nicht gesagt, daß, wenn man durch
l) Proc. verbaux. Bordeaux, Nov. et Dec. 1903, Jan. 1904.
*) Zeitschr. f. physikal. Chemie, 47, 336, 1904.
3) Feste Pepton haut eben auf einer Wasseroberfläche. Zeitschr. f. physi-
kal. Chemie, 52, 1. Heft, 1905.
*) Fuchsin u. Methylviolett, Annal. d. Physik, 19, 935, 1906. Auch Hg-
Oberfläche wird fest. Schutt, ibid. 18, 712, 1904.
5) Die Tendenz der Häutchenbildung haben besonders ein Teil der Kol-
loide, aber auch Öle und Fette Es bleibt noch zu untersuchen, wie groß
diese Tendenz bei Lipoiden, ist (ob größer oder geringer als bei Eiweiß),
welche Rolle überhaupt diese Substanzen bei dem superfiziellen Koagulations-
prozeß spielen. Es liegt aber auf der Hand, daß eine mit Lezithin oder Cho-
lesterin imprägnierte Eiweißgerinnungshaut (Erythrozyt) andere Eigenschaften
haben kann als eine solche aus reinem Eiweiß, auch mit Bezug auf Permea-
bilität
Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß bei dem Gerinnungsprozeß auch
die elektrische Ladung der beteiligten Kolloide (Stroma negativ, Plasma ent-
— 171 —
entsprechende Zusätze zum Serum, überhaupt Medium, diese Diffe-
renzen authebt, dann auch die schon längst bestehende Membran
verschwinden, d. h. Hämolyse stattfinden müsse; denn es gibt nach
Ramsden in der Mutterflüssigkeit lösliche und unlösliche Ober-
flächenhäute.
Nachdem nun nach diesbezüglichen direkten Literaturangaben,
sowie nach eigenen theoretischen Erörterungen die Existenz und
die physikalischen Ursachen einer besonderen Erythrozytenhülle
dargetan ist, möchte ich an der Hand der physikalisch-chemischen
Literatur zeigen, was für Eigenschaften diese Membran haben muß.
Die Membran ist ein Kolloid von fester Konsistenz;
sie muß also außer den spezifischen Membraneigenschaften
noch die allgemeinen Kolloideigenschaften haben. Die
Eigenschaften der Blutkörpermembran lassen sich in folgendes
Schema einreihen:
hält beiderlei Kolloide, Iscovesco 1. c.) nicht bedeutungslos ist, und daß
Oberflächenspannung und elektrische Ladung der Kolloide in einem gewissen
Konnex stehen könnten (vgl. Lippmannphänomen).
Wenn man die Blutkörperchen zerstückelt, nehmen die Teilstücke 1. Kugel-
form an. 2. behalten sie das Hämoglobin fAlbrecht, Verh. d. deutschen path.Ges.,
Bd. 5, 1903, zit. n. Koeppe, Pflügers Arch. 107. 92). Die Ursache der ersten
Erscheinung ist, wie bei der Tropfenbildung in flüssigen Medien, die Ober-
flächenspannung des Teilstückes, die der zweiten dürfte nach dem oben Ge-
sagten die durch die Oberflächenspannungsdifferenz gegenüber dem Medium
entstehende Verdichtung (= Membran) sein. — Nach Verreiben der Blutkör-
perchen mit Sand und Aufschwemmen des Breies in NaCl tritt hingegen Hä-
molyse ein (Rywosch, Zentrbl. f. Physiol. 1», 388).
Daß Blutgifte Lipoidmembranen tatsächlich für Hämoglobin durchgängig
machen, hat Pascucci (Hofm. Beitr. 6, 552, 1905) an mit Lezithin-Cholesterin
imprägniertem Seidenstoff gezeigt Zusatz von Lezithin oder Cholesterin zum
Gift verhindert außerdem die Destruktion der künstlichen Lipoidmembran
dnreh dasselbe.
Es ist kaum zweifelhaft, daß Oberflächenkräfte auch sonst bei der
Bildung von Membranen im Organismus eine Rolle spielen, z. B. Zellmembra-
nen, Kernmembranen (B tt t s c h 1 i s Schaumstruktur des Protoplasmas), Rh u m b 1 e r,
Naturwissenschaft!. Rundschau 1905, Juli 1906 u. Starke, Annöe biologique 28.
Von Interesse ist noch ein Befund Ramsdens, daß nämlich eine Luft-
blase in einer Suspension mit Begierde suspendierte Partikel aufliest und sie
an dtr Oberfläche festhält. (Oberflächenattraktion, weil die Oberflächenspannung
mit der Kleinheit der Luftblase noch zunimmt). Auf ähnliche Weise mag ein
Blutkörperchen Kolloidteilchen an sich ziehen.
— 172 —
\s AU|t*uteUe Kolloidcigenschaften.
U ttmnftuftbukeit durch Elektrolyt«?,
* KoUoide,gleicherLadun^
^ ^ ^^ ■ entgegengesetzter Ladung,
i * n-- r-:.:«« KriataUoiden ' Ionen*
„ , ( Moleknien.
. !.••-■ ••
«* ^-r-m-a-ri- ' -u: . -: jt-r m«i V-rindennig Altern.
. ~* : — - n ^ **s-llä ;lz -i*. v.)a den«>n aus Kräfte auf die
~ ■ -ü F -^«r^heinung^n der elektWen
-:-i-. i irva der Blutkörper-
:-. * -•-: -ui Etfktn.Iyte und Kolloide.
- :--r.rj*^ K»H«jM ist (Iscovesco).
■ s*v - 5C»iI»'Me ihre Wirksamkeit
. _ • i .• »• M-mbnin. Selbstverständlich
~~-:: - ^.ih oi« iit eindrnckslos. (Vgl.
zA iie kleinen aber zahlreichen
■ ..>m-ii lith Sparen in den Blwt-
.— - srii ^q.etaell verändern. Ihr
z -i^ai Augenblick ein anderer.
:~-r^:ten and der chemischen
- \ ;. i»ik xplex aufbaut.
• : _ : i»-r Membran ist von besonderer
Ä -•-. »> t> Absorption von lytischeu
"■-ur der gesamten Hämolyse-
:*o •^•*ivin«ii2:keit aber ist abhängig* :
— J.-U- i^r Membran (und des zu ab-
- \ ^>mnstruktur durch Hitze und
>. . -sC niüren):
^ ^iru Druck der zu absorbierenden
^si^
:els (vgl. Webster 1. c).
— 173
IL Spezifische Membraneigenschaften der Blutkör-
perchenhülle. Die Membran trennt den Bliitkörpercheninhalt von
der Umgebung, dem Blutplasma und reguliert zugleich kraft ihrer
elektiven Permeabilität (s. u.), d. i. des elektiven Lösungs Vermögens
tür die an sie herantretenden Stoffe, den Durchtritt und Austausch
derselben. Diese Substanzen sind nach Bottazzi:1)
Im Körperchen
im l'hisma
Eiweiß
Eiweiß
Hämoglobin
Kolloide
Lezithin3;
Lezithin
Jekorin iBaldi)
Cholesterin?
HaO
Ha0
Zucker
Harnstoff
Harnstoff
/Na- (wenig)
Nr
K-
K-
Kristalloide
Io-
<
Mg"
Mg-
Ca-
SO/
n en
HP03"
HP03"
C03"
C03"
Cl'
cv
>
oir
Die Membran bildet einen geschlossenen Sack, dessen InlialtsgrtfÖe ab-
hängig ist von den auf ihn von innen und außen einwirkenden Kräften, die,
soll jene unverändert bleiben, sich das Gleichgewicht halten tutiesen. Diese
Kräfte werden repräsentiert durch den
Druck d. gelösten Moleküle u. Ionen Druck d. gelüsten Moleküle 11. Ionen
(osmot. Druck), (osmot Druck),
Quellungsdruck, Spannung der Membran selbst,
von innen. Oberflächen druck,
von außen.
Vorbedingung ist aber der Durchtritt von Flüssigkeit.
Nicht alle Kristalloide sind osmotisch wirksam; denn da die
Kolloide und besonders die Eiweißkörper zu ihrem funktionsfähigen
physikalischen Zustand eines integrierenden Elektrolytgehaltes be-
!) Lebrb d. physiol. Chemie, Leipzig u. Wien, 1904, 54 ff, 2, Bd. Die
Tabelle enthält nur die wichtigeren Bestandteile.
2) Nach Hoppe-Seyler an Hämoglobin gebunden.
— 174 —
dürfen, ist es wahrscheinlich, daß von den Ionen des Blutes immer
ein gewisser Prozentsatz osmotisch inaktiv ist (verdeckt, Pfeffer1).
Der Spannungsdruck, der von der Membran selbst auf das
Innere ausgeübt wird, ist abhängig von dem Dehnungsgrad und
der Elastizität2) der Wand, muß also parallel den Größenvariationen
dieser beiden Faktoren zu- oder abnehmen. Er muß also z. B. bei
Anwachsen des osmot. Binnendruckes infolge der dabei stattfindenden
Volumvermehrung der Blutzelle durch Wasseraufnahme und der
damit einhergehenden Dehnung und Elastizitätsbeanspruchung der
Membran größer werden (Pantanelli).
Die Dicke der Oberflächenmembranen ist nach Devaux mit
dem Molekulardurchmesser gleicher Größenordnung.
Die Diffusionseigenschaften der Membran, d. h. ihre
Permeabilität8) für eine beschränkte Anzahl von gelösten Stoffen,
die sog. Semipermeabilität oder das elektive Lösungsvermögen,
sind für das Leben der Zelle von allergrößter Wichtigkeit. Nach
Hamburger3) ist die Außenzone der roten Blutkörperchen permeabel
für Anionen der fixen Alkalisalze, freie Säuren und Alkalien, NH4-
Ionen, für Alkohole (je weniger OH desto besser), Aldehyde.
Ketone, Ester, Antipyrin, Harnstoff, Galleusäuren und deren Salze.
Saponin(?); impermeabel für Zuckerarten, Arabit, Mannit, für die
Kationen Ca, Sr, Ba, Mg; wenig permeabel für neutrale Amido-
säuren (Glykokoll, Asparagin). Pathologisch ist es, wenn sich die
!) Vgl. Osborne, Americ. Journ. of Physiology, 84, 84, 1906.
*) Die Elastizität von Peptonhäutchen nimmt mit der Zeit zu, mit stei-
gender Temperatur (Metkalf) ab (Blutkörperchenmembran, Fieber).
3) Über Permeabilität d. Erythrozytenhülle haben hauptsächlich Unter-
suchungen gemacht: Gryns, Üb. d. Einfluß gelöster Stoffe auf d. roten Blutk.
in Verbindg. mit den Erscheinungen d. Osmose u. Diffusion. Pflügers Arcli.
68, 86. 1896. — Koeppe, D. osmot. Druck als Ursache d. Stoffaustausches
zw. roten Blutk. u. Salzlösungen (Hämatokritmethode) ibid. 67, 189. 1897. —
Eykmann, Üb. d. Permeabilität d. roten Blutk. ibid. 68, 58. 1897. — Hedin,
(Gefrierpunktsdepression) ibid. 68,229, 1897. — Oker-Blom, Durchlässigkeit
d. roten Blutk. f. versch. Stoffe, beurteilt n d. elektr. Leitfähigkeit, ibid 81,
167,1900. — Hamburger, Resultate s. Arbeiten, gesammelt in „Osmot. Druck
und Ionenlehre in der mediz. Wissensch.", I. Bd., Wiesbaden 1902. — C alu-
gar eanu, Rech. d. Physiol. experiment. u. de Chim. phys. sur l'Hömatolyse.
These de Paris 1902. — Van der Schroeff, Diss. Bern. 1903. — Höber,
(Kataphoretisch) Pflügers Arch., 101, 627, 1904. — Koeppe, Die Semi-
permeable Wand d. Erythrozyten, ibid. 107, 81. 1905.
— 175 —
Permeabilität auch auf andere Stoffe erstreckt, d. i. wenn die Membran
derart verändert ist, daß sie auch andere Körper in sich löst.
Wenn nun die Membran für ein Ion eines im Körperchen sich
befindenden Salzes — sagen wir für das negative — durchlässig
ist, so wird dieses infolge seines osmot. Druckes austreten. Da-
durch entstehen infolge Scheidung der Elektrizitäten (das + Ion
bleibt innen) elektrostatische Kräfte, die, wenn sie dem osmot.
Druck der austretenden Ionen gleich geworden, einer ferneren Aus-
wanderung derselben Einhalt tun. (Ostwald,1) Galeotti,2) Tower,*)
Chanoz.4)
Es bildet sich also eine elektrische Doppelschicht (+ innen,
— außen) mit einer gewissen Potentialdifferenz. Diese ist allerdings
sehr klein, da die Ionentrennung und Auswanderung praktisch sehr
gering ist. Da nun die Oberflächenspannung umgekehrt proportional
geht der Potentialdifferenz in der elektrischen Doppelschicht,5) die
Potentialdifferenz aber durch Elektrolyt- oder Kolloidzusätze zur
Außenflüssigkeit Variationen erleiden kann, hat man es in der
Hand, durch geeignete Behandlung des Mediums die Oberflächen-
spannung der Blutkörperchen (in vitro) zu verändern. Es ist aber
nicht unwahrscheinlich, daß dadurch sekundär die Eigenschaften
der Wand verändert werden können, so daß wir es dann mit
anderen Durchtrittsbedingungen für Kristalloide und Kolloide, für
lösende Agentien und auch für das Hämoglobin zu tun haben.
Wenn man z. B. in unserm Falle, wo Austritt des negativen
Ions angenommen wurde, einen Elektrolyt zusetzt, dessen positives
Ion mit dem ausgetretenen negativen eine (elektrisch neutrale) Ver-
bindung eingeht, hört die elektrische Doppelschicht und damit die
Potentialdifferenz auf; theoretisch wird sie = 0, die Oberflächen-
spannung muß also groß werden. Bringt man aber in das Menstruum
einen Elektrolyt, dessen Ionen in Außenflüssigkeit und Blutkörperchen-
x) Elektr. Eigenschaften halbdurchlässiger Scheidewände. Zeitschr. f.
physik. Chem., 6, 71, 1890.
*) Permeabilität tierisch. Membranen. Zeitschr. f. phys. Ch., 40,481, 1902.
Elektromotor. Kräfte a. semipermeablen Wänden, ibid 49, 542, 1904.
*) Potentialdifferenzen an den Berührungsflächen verd. Lösungen, ibid.
20, 198, 1896, ferner Journ. de Chimie Phys. p. 1. 1905. Vgl. auch W. Bein,
Wiedemanns Ann. 4«, 53, 1892. Zeitschr. f. physik. Gh., 28, 439, 1899.
*) Journal de Physiologie et de Pathologie generale. Sept. 1905. Ann.
de TUniversite de Lyon. I, 18, 1906.
5) Vgl. Freundlich, Zeitschr. f. physikal. Chem., 44, 129, 1903.
— 176 —
wand verschiedene Löslichkeit haben, so verteilen sich positive und
negative Ionen eben ihrer Löslichkeit entsprechend auf diese beiden
Lösungsmittel (N ernst.1) Selbstverständlich spielt bei dieser
Ionenverteilung auf Menstruum und Blutkörperchenhiille die Ab-
sorptionsfähigkeit derselben auch eine Rolle. (Vgl. I. 2.)
Nehmen wir nun die schon erwähnte elektr. Doppelschicht an,
so wird diese auf zweierlei Art modifiziert werden können: 1. Die
+ Ionen sind in der Wand besser löslich als in der Flüssigkeit;
sie werden sich also der bessern Löslichkeit und Absorbierbarkeit
entsprechend in jener ansammeln (Fig. la); 2. Haben aber die nega-
tiven Ionen in der Wand stärkere Lösungstension und Absorbierbar-
keit, so werden sie sich in derselben anhäufen (vgl. Fig. 1£). In
++++++
Fig. 1.
innen
Wand
aussen/
++++++
vtmmxt
v&tmm
jedem Fall aber werden Ionen in die Wand hineingehen und da-
durch die elektr. Doppelschicht verändern. Ganz ähnlich müssen
Kolloide mit ihrer elektr. Ladung wirken.
Kommt z. B. ein positiv geladenes Kolloid mit den ausgetretenen
negativen Ionen in Kontakt, so kann sich durch partielle Ausflockung
eine Art Mantel um das Blutkörperchen bilden, der für den Austritt
des Hämoglobins hinderlich sein kann (ebenso bei der Agglutination.
Entstehung der Agglutinationsschicht).
Es kommt nicht zur Bildung einer elektrischen Doppelschicht,
wenn man der Flüssigkeit den ausgetretenen Ionen elektrisch gleiche
zufügt, die durch die Membran hindurchgehen und sich dann mit
den zurückgebliebenen verbinden können (Ostwald 1. c).
Selbstverständlich können auch Doppelschichten durch partiellen
Ionendurchtritt von außen nach innen zustande kommen.
Spezielle experimentelle Untersuchungen zu diesen theoretischen
Erörterungen liegen wenige vor. Ich wollte bloß die verschiedenen
Möglichkeiten der Variation tierischer Membranen und
gleichzeitig Wege zu ihrer Erforschung andeuten.
*) Zeitschr. f. physikal. Ch. 9, 139, 1892.
— 177 —
Ob das Hämoglobin noch besonders auf irgendeine Art im
Blutkörperchen fixiert ist, wissen wir nicht; jedenfalls würde eine
derartige Bindung den Verlauf der Hämolyse nur noch kompli-
zieren.« Was wir heute wissen, ist, daß die Hämolyse eine Membran-
reaktion ist. Die Mittel zur Zerstörung oder Permeabili-
sierung aber sind:
I. Dynamische:
a) mechanische (Zerreißen, Zerreiben),
b) osmotische,
c) thermische,
d) photodynamische,
e) elektrisch-dynamische.
IL Materielle:
a) Kolloide,
b) Kristalloide Chemikalien.
Als Indikatoren für den Grad der Destruktion der Membran
benützen wir meist das austretende Hämoglobin, für pathologische
Permeabilität für Elektrolyte die Leitfähigkeit,1) und für Ionen
und Moleküle zusammen die Gefrierpunktdepression.
Die verschiedenen Arten des Durchlässigmachens oder der
Zerstörung der Membran, sind:
(I. Permeabilisierung i auf der
IL Auflösung (direkte Zerstörung, maximale ganzen Aus-
Quellung I Dehnung.
Im. Plasmoptyse (A.Fischer), Kontraktion mit Zustande-
kommen kleiner Risse, gefolgt von Iläuioglobinaus tritt,
IV. Platzen (Gefrieren, Hypotonie).
Unsere Ansichten, dargelegt im vorliegenden ersten Teil dieses
Kapitels, sind kurzgefaßt:
Die roten Blutkörperchen haben eine Membran,
worunter eine besondere Grenz- oder Oberflächenschicht
jjes Stromas gegen das Blutplasma zu verstehen ist.
Die Entstehungsursache ist die Differenz der Ober-
flächenspannungen dieser beiden Kolloidkomplexe, resp,
die Oberflächenspannung des Stromas.
Die Eigenschaften dieser Membran sind:
l) Calugareanu 1. c. — Zangger und Naville: Hei Saponinhämolys©
mit geringen Dosen nimmt die Leitfähigkeit zu, bevor der Hü mugtobin austritt
beginnt (mündl. Mitteilg.).
Zeitschrift fftr Infektionskrankheiten. II, 9 3. 12
— 178 —
1. Die prinzipiellen Eigenschaften der Kolloidsub-
stanzen (Beeinflußbarkeit durch Temperatur, Elektrolyte,
Kolloide usw., Altern);
2. die spezifischen Membraneigenschaften, Funktion
als trennende Schicht, Dicke, Elastizität, elektive Per-
meabilität.
Variationen der Kolloideigenschaften durch die er-
wähnten Faktoren werden also auf die spez. Membran-
eigenschaften, speziell die Permeabilität für Ionen, Mole-
küle und Kolloide rückwirken (Temperatur, Elektrolyt-
zusätze, elektr. Doppelschicht).
Hämolytische Stoffe sind also nur diejenigen, die
die Membran derart verändern, daß das Hämoglobin ab-
diffundieren kann. Die Hämolyse ist also nach dem
heutigen Stand des Wissens eine typische Membran-
reaktion, ein Spezialfall pathologischer Permeabilisierung
einer tierischen Membran.
2. Die hämolytischen und ihre antagonistischen (d. h. reaktionshemmenden)
Faktoren.
A. Hämolyse bewirkende Faktoren.
I. Physikalische (unter chemisch-indifferenten
Bedingungen).
1. Osmotische Druckschwankungen. Hypertonie und
Hypotonie. In sehr konz. Zuckerlösungen verlieren die Blut-
körperchen Hämoglobin und Salze (1 *). Die Hämolyse bei Hypotonie
ist auf ein Quellen durch Wasseraufnahme bis zum Platzen zurück-
zuführen (2, 3).
2. Thermische Einwirkungen. Bei Wiederauftauen ver-
lieren gefrorene Blutkörperchen ihr Hämoglobin (4). Die Ursache
ist vermutlich eine mechanische Ausdehnung beim Gefrieren, Quetschen
der Membran und des Stromas durch Eiskristalle. Erwärmen von
Blut auf 00—70° läßt Hämoglobin austreten (5). Koeppe (6)
spricht von einem Schmelzpunkt der Lipoidhülle, der in verschiedenen
isotonischen Lösungen verschieden hoch ist. Wärme begünstigt
l) Vgl. die Literaturangaben S. 181.
— 179 —
auch die Hämolyse durch bei gewöhnlicher Temperatur nicht
lösende Substanzen (Koeppe s. u.).
3. Mechanische Insulte. Nach mehrstündigem gelinden
Schütteln konnte ich leichte Hämolyse beobachten. Zerreibt man
Blutkörperchen mit trocknem Sand, schwemmt nachher mit NaCl
(0,9proz.) auf, so sieht man das Hämoglobin sich in der Flüssigkeit
verteilen (7).
4. Elektrische Entladungsschläge von Leydener Flaschen
und Induktorien lassen Farbstoff austreten (8, 9). Elektrische
Schläge fuhren auch zu Desorganisation von Pflanzenzellenproto-
plasma (10).1
5. Photodynamische Substanzen, Eosin (11), Methylen-
blau, Methylenazur, Safranin, Resazurin, Neutralrot, Fluoreszein
wirken nur dann hämolytisch, wenn das Gemisch photodynamische
Substanz-Blut der Sonne ausgesetzt wird (12). Da Gegenwart
von Sauerstoff integrierendes Moment ist, könnte die Wirkung auch
chemischer Natur sein. Intensive Beleuchtung desorganisiert auch
Pflanzenzellplasma, wobei auch O-Anwesenheit notwendig ist. Mem-
brandestruktion wurde nicht untersucht (13).
6. Kolloide und Suspensionen in isotonischen Medien.
a. Ein Kolloid allein, unmittelbare Hämolyse.
Künstlich dargestellte Kolloide, Kieselsäure (14), Eisen-
hvdroxyd (15), Suspensionen von BaS04 und CaFe2 (16), koll.
Hg (17).
Lysine höherer Pflanzen: Rizin, Abrin, Krotin, Phallin,
Robin (18). Digitonin, Zyklamin, Saponin (19).
Bakteriolysine (einfache oder bis heute nicht in Bestandteile
zerlegte Lysine) : Tetanolysin, Staphylolysin, Streptolysin (20), Pyo-
zyaneolysin, Typholysin, Lysine von Micrococcus candicans, auran-
tiacus und tetragenus, Vibrio Paris, Choleravibrionen, Hühner-
cholerabazillen, Diphtheriestämmen, Bacterium megatherium (21),
Fränkelscher Diplokokkus (22), Bazillen einer Pseudotuberkulose (23).
Tierische Lysine: Aalserum (24), Schlangengift, Krötengift
(Phrynolysin), Spinnengift (Arachnolysin) (25), Bienengift (26).
(Schlangengift bedarf für einige Blutarten der Aktivation durch
Lezithin.) Organextrakte (27), Karzinomextrakte (28), Natrium-
taurocholat (29).
b. Zwei Kolloide (mittelbare Hämolyse).
* 12*
— 180 —
a. Die eine oder andere Komponente allein vermag zu lösen,
aber schwächer oder viel langsamer als die Kombination. Kiesel-
säure + Kaninchenserum löst Kaninchenblut (30) (Kaninchenserum
allein löst nicht); Schlangengift und Lezithin (31) lösen Rinder-
blut, während das Kobragift allein dies nicht tut. Kolloidale Kiesel-
säure + Lezithin ist eine Parallele dazu (32). Eisenhydroxydkolloid
+ Hundeserum löst Huhnblut schneller als das Serum allein (33).
Auf die Hämolyse durch andere Kolloidkomplexe, Saponin+Fe(OH)s
(34). Saponin+Natriumtaurocholat (35) und Serummischungen (36)
werden wir noch zu sprechen kommen.
ß. Die eine oder andere Komponente allein löst nicht. Hier-
her gehören die komplexen Serumhämolysine von normalen und
Immunseren. (Ambozeptor + Komplement (37).
II. Chemische (unter physikalisch (osmot.) indifferenten
Bedingungen).
Koeppe (38) fand, daß zum sicheren Zustandekommen einer
vollständigen Hämolyse mit Chloroform, Äther, Schwefelkohlenstoff,
Azeton, Alkohol in gewissen Konzentrationen auch eine bestimmte
Höhe der Temperatur mitwirkendes Moment ist. Alkohol, Azeton,
Chloralhydrat in hoher Konzentration lösen nicht, sondern fällen.
Über die Wirkungsintensität der einwertigen, gesättigten, primären,
normalen Alkohole ist bekannt, daß jeder Alkohol der homologen
Reihe dreimal wirksamer ist als der vorhergehende (39).
Da den erwähnten, blutkörperchenlösenden Stoffen nur die
Fähigkeit, Fette aufzulösen, gemeinsam ist, könnte ihre Wirkung
eine physikalische sein, bestehend in der Lösung der Lipoidhülle
der roten Blutkörperchen. (Analogieschluß wie 0 verton 1901
Narkose.)
Hämolytisch wirken Säuren, Basen, Salze und Ionen: Salz-,
Schwefel-, Salpeter-, Chromsäure, Pikrin-, Oxal-, Essig-, (40) Ameisen-,
Wein- und Zitronensäure. Hohe Temperatur und wachsende Kon-
zentration sind begünstigende Momente. Ähnlichen Einfluß hat die
Temperatur bei der Wirkung von Kali- und Natronlauge, Ammon-
hydroxyd und Kaliumkarbonat (Koeppe 1. c). Von blutlösenden
Salzen sind zu nennen: (NH4)2S04, (NH4)2COa, NH4C1, Nau,C03 (41),
HgCl2 (42). Auch Harnstoff löst (41, 43) in allen Konzentrationen.
Sublimat in hohen Konzentrationen fällt, d. h. koaguliert das Proto-
plasma des Erythrozyten, so daß der Farbstoff nicht mehr austreten
— 181 —
kann, und zwar muß die Fällungskonzentration bei Blutarten mit
hohem Hämoglobingehalt höher sein als bei Blut mit wenig Farb-
stoff (44). Pyrogallol, Glyzerin (45), Anilin (sog. Blutgifte, speziell
bei Hautmitteln).
Hämolytische Alkaloide: Chinolin, Kokain, Atropin (46).
B. Hemmungen der H&molyse.1)
I. Durch Kolloide und Suspensionen. Serum, d. h. natür-
liche und immunisatorisch erzeugte Antihämolysine (47), Hämo-
globin (48), Lezithin (49), Cholesterin (50), Blutkörperchen (51),
kolloidal. Eisenhydroxyd (31, 52), Gele (53), Aszitesflflssigkeit
(eigene Beobachtung).
n. Durch Ionen (54).
HE. Durch Verschiebungen der Temperatur außerhalb
des Optimums (wie bei allen Reaktionen, die ein Temperaturopti-
mum haben).
Literatur und Anmerkungen zu vorstehender Übersicht:
1. Calugareanu, These de Paris, 1902. 2.3. Koeppe, Pflügers Arch.
99, 39, 1903. 107, 86, 1905. 4 5. 6. vgl. 2. 7. Rywosch, Zentralbl. f. Physiol.
19, 388, 1905. 8. Rollett, Pflügers Arch. 82, 259, 1900. 9. Hermann, Pflügers
Arch. 91, 164, 1902 10. Klemm, Jahrb. f. Wissenschaft Botanik 28, 625, 1895.
11. H. Pfeifer, Wien. klin. Wochenschr. 18, 220 u. 328, 1905. 12. Sacharoff
u Sachs. Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 7. 13. Pringsheim, Jahrb. f.
wissenschaftl Botanik 12, 326, 340. 19. Robert, Saponinsubst, Stuttgart 1904.
Zangger, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 13. Levy, Comptes rendus
Soc. Biol. 1906, Nr. 25. Ransom, Deutsche med. Wochenschr. 1901, Nr. 16.
Brandl, Arch. f. exp. Path. 64, 245. 18. Sachs, Ergeb. d. allg. Path. u.
path. Anat. von Lubarsch-Ostertag, 7. Jahrg. (Zusammenstellung u. Literatur).
20. Kerner, Diss. Zürich, 1905. 21. Craw, Proc. Roy. Soc. B. Vol 76, Nr. 508,
1905. 22. Zusammenstellung Sachs' I.e. Milzbrand: Wunschheim, Arch. f.
Hyg. 54, 185. 1905. (Ref. Zentralbl. f. Physiol. 19, 914, berichtet auch über
andere Bakteriolysine.) Dasselbe Gueskine, These de Paris 1905, Nr. 440
(Ref. Biochem. Zentralbl. 5, 128). 23. Bryn er, Diss. Zürich 1906. 24. Camus u.
Gley, Comptes rendus Soc.Biol. T.140, 1717. (Ref. Zentralbl f. Physiol 19, 515.)
25. Sachs, Sammelref. über tier. Toxine als hämolyt. Gifte. Biochem. Zentralbl.
5, 257 u. 305. 26. Schutt, Diss. Erlangen 1902 u. Langer, Arch. int. de
Pharmacodyn. VI, 1899 (zit. n. Sachs). 27. Korschun u. Morgenroth, Berl.
klin. Wochenschr. 1902, Nr. 37. 28. Kullmann, Z. f. klin. Med. 58, 1904
(Ref. Zentralbl. f. allg. Path u. path. Anat. 16, Nr. 6, 1905). Die hämolytischen
Substanzen der Organextrakte und Karzinomextrakte sind koktostabil, alkohol-
i) Vgl. III. Kap.
— 182 —
löslich and nicht komplex. Inwieweit nicht kolloide Eiweißzerfallprodukte
dabei mitwirken, ist nicht bekannt. 29. Zangger, Comptes rendus Soc. Biol.
1905, Nr. 87. 14. Landsteiner u. Jagic\ Münch. med. Wochenschr. 1904,
Nr. 27. 15. Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, 224;
s. 34, Levy 1. c 16. Gengou, Comptes rendus de l'acad. des Sciences, April 1904.
17. Walter Frei, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1905, Nr 21. 30.32. Landsteiner
u. Jagi£ 1. c. 31. Kyes zit. bei Sachs 1. c. 33. Cernovodeanu u. Henri,
1. c. 34. Levy. 1. c. 35. Zangger, 1. c. 36. Cernovodeanu u. Henri,
Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 18. 37. Literatur findet sich bei v. Dungern,
Die Antikörper, Jena 1903. Sachs, Lubarsch-Ostertags Ergebn. Asch off,
Ehrlichs Seitenkettentheorie u. ihre Anwendung auf die künstlichen Immuni-
sierungsprozesse. Zeitschr. f. allg. Physiol., Heft 3/4. Bechhold, Ungelöste
Fragen etc., Wien. klin. Wochenschr. 1905, Nr. 25. 38. Koeppe, Pflügers
Arch. 90, 75, 1903. 39. Fühner u. Neubauer, Zentralbl. f. Physiol. 20, 117,
1906. 40. Robert, Comptes rendus Soc. Biol. 1906, Nr 7. 41. Koeppe,
Pflügers Arch. 67, 196. Bulloch, Journ. of. Physiol. 42. Detre u. Seilei,
Wien. klin. Wochenschr. 1904, Nr. 30, 45, 46, 49. 41. u. 43. Gryns, Pflügers
Arch. 63, 100, 1896. 44. Joupand, Comptes rendus Soc. Biol. 69, 572. Bef.
Zentralbl. f. Physiol. 19, 1905, 1014. 45. Vincent u. Dopter, Comptes rendus
Soc. Biol. 1905, Nr.37. 46. Martin, Sitzungsber. d. physik.-med. Soc. zu Erlangen,
35. Heft, 1903. 47. Robert, Comptes rendus Soc. Biol. 1906, Nr. 14, vgl. unter
37. 48. Walter Frei, Comptes rendus Soc. Biol. 1906, Nr. 13, 45. 49. Detre
u. Seilei 1. c, vgl. auch Sachs. Sammelref. über tierische Hämolysine.
50. vgl. 19. 49. u. 50. Lipoide: Detre u. Seilei, Wien. klin. Wochenschr.
1905, 1089. Landsteiner u. Eisler, Wien. klin. Rundschau, 13. u. 24, 1905.
Eisler, Wien. klin. Wochenschr. 1905. Nr. 27. 51. Zangger, Comptes rendus
Soc. Biol. 1905, Nr. 13. 15. u. 52. Levy, Comptes rendus Soc. Biol. Nr. 25,
1906. 53. Biltz, Much u. Siebert, Behrings Beitr. Heft 10. 54. vgl. 45.
Im Organismus können nun Blutkörperchen zugrunde gehen
bei den verschiedenen schon erwähnten Krankheiten und thera-
peutischen Eingriffen. Selbstverständlich fallen immer die weniger
resistenten Erythrozyten dem schädigenden Einfluß zum Opfer.
Hämolyse findet statt in vivo
durch Kolloidalsubstanzen; das ist am häufigsten der Fall
bei den verschiedenen Arten von Sepsis, bei Transfusionen, Serum-
injektion zum Zwecke der Immunisierung (Theiler), bei Vergif-
tungen mit Phytalbumosen (6a), bei Schlangenbissen, bei Bienen-
und Skorpionenstichen, bei Ikterus;
durch tiefe Temperaturen bei Erfrieren einzelner Organe.
Kälte kommt außerdem als begünstigendes Moment in Betracht bei
der paroxysmalen Hämoglobinurie des Menschen, wahrscheinlich
auch bei der schwarzen Harn winde des Pferdes;
durch hohe Temperaturen bei Verbrennungen.
— 183 —
Osmot. Druckdifferenzen können während des Lebens
nicht zur blutlösenden Höhe kommen, da der Organismus mit
Zähigkeit am konstanten osmot. Druck festhält, und weil bei
starken Variationen desselben andere, lebenswichtigere Zellen zu-
erst sterben. Es ist wahrscheinlich, daß bei der Narkose mit
Chloroform oder Äther auch Blutkörperchen zugrunde gehen.
Natürlich ist nicht gesagt, daß bei diesen verschiedenen
schädigenden Einwirkungen immer Hämoglobinurie eintreten müsse;
die Zerstörungen können so geringgradig sein, daß sie klinisch
gar nicht oder nur bei sehr genauer Untersuchung wahrzu-
nehmen sind.
Unsere Untersuchungen und Betrachtungen befassen sich in
der Hauptsache mit der Hämolyse durch Kolloide, weil diese in
vivo vorwiegend in Betracht kommt, weil die Immunkörper über-
haupt, wie schon erwähnt, Kolloide sind, und weil sich auf diese
Weise Ausblicke auf allgemein biologische Gebiete erwarten lassen.
(Vgl. das bereits über Membranen Gesagte.) Denn wir sind be-
rechtigt, aus parallelen Reaktionen der von den Physikochemikern
studierten und auch chemisch bekannten anorganischen Kolloide
mit Immunkörperreaktionen, speziell der Hämolyse, Schlüsse zu
ziehen in Bezug auf die Natur dieser letzteren. Parallelen der Vor-
gänge der Kolloidhämolyse mit gewöhnlichen Kolloidreaktionen sind
zu erwarten; lassen sich aber Parallelen finden, so müssen sie Stützen
für die physikalisch-chemische Erklärung der Hämolyse ergeben.
Chemische Kräfte werden durch den Kolloidzustand zurück-
gedrängt (Duclaux1). Deshalb bildet der letztere das in die Augen
springende Kriterium der bei der Hämolyse in vivo (durch Serum-
hämolysine z. B. auch in vitro) und den übrigen Immunkörper-
reaktionen in Frage stehenden aktiven Substanzen. Versuche der
Reindarstellung dieser letzteren mußten scheitern, weil durch die
dabei notwendigen Eingriffe das spezifisch Wirksame an ihnen, d. i.
eben ihr Kolloidalzustand — der abhängig ist von Bedingungen,
die beim Versuch der Reindarstellung ausgeschaltet werden, speziell
Elektrolyte — verloren ging.
Schon aus diesen Erwägungen resultiert eine Berechtigung
unseres physikalisch-chemischen Standpunktes, eine Berechtigung,
die Vorgänge zu analysieren und die erklärbaren hervorzuheben aus
dem Gesamtkomplex, den wir Hämolyse nennen.
l) Conf. Soc. chimique de Paris, 3. Dez. 1904.
— 184 —
HL Beeinflussung des Reaktionsverlaufes durch Ver-
änderungen der reagierenden Substanzen.
Die Membran, die Lysine, das Hämoglobin sind Kolloide. Da
nun die Zustandsform der Kolloide sehr leicht beeinflußbar ist,
müssen Änderungen in den äußeren Umständen bei der Hämolyse
sich bemerkbar machen, speziell in bezug auf die hauptsächlich
in Betracht kommende Membran oder Hülle der Blutkörperchen,
bezüglich deren wir die Möglichkeiten der Variation im IL Kapitel
besprochen haben. Einflüsse auf die Reaktionssubstanzen müssen sich
aber hauptsächlich kundgeben als Veränderungen der Reaktions-
geschwindigkeit, d. h. als Verkürzung oder Verlängerung der Re-
aktionszeit in toto, bestimmt vom Zeitpunkt der Mischung bis zur
vollständigen Klärung bei vollständiger Hämolyse. Veränderungen
der einzelnen Zeitphasen sind — die genau bestimmbare Phase der
Absorption des lytischen Kolloids durch die Körperchen ausgenom-
men — vorläufig nicht zu kontrollieren.
Die Blutkörperchen als Kolloidkomplexe müssen sich vor
allem auch durch Elektrolyte verändern lassen. In einer Zucker-
lösung werden sie sich also anders verhalten als in einer Salz-
lösung und in verschiedenen Salzlösungen verschieden (Bulloch),
je nach ihrer Permeabilität für Ionen und der Valenz und ent-
sprechend dem Fällungseffekt und der Natur der letzteren. Es ist
also nicht verwunderlich, wenn die Geschwindigkeit der Hämolyse
bei Zusatz verschiedener Salze verschieden ist, da die Permea-
bilität der Kolloidmembran für Hämoglobin von Ionen
verschieden beeinflußt werden kann. So werden in physio-
logischer Kochsalzlösung gewaschene und suspendierte Blutkörperchen
des Hammels durch Kobragift nicht gelöst oder agglutiniert (Kyes).
Unterwirft man sie aber der gleichen Manipulation in isotonischer
Zuckerlösung, so tritt Agglutination ein, gefolgt von Hämolyse
(Goebel.1) Zusatz von Mineralsalzen verhindert die Agglutination.
In lOproz. Zuckerlösung aber geschieht sie trotz Anwesenheit be-
trächtlicher Salzmengen. Da die Blutkörperchen nach Calu-
gareanu2) sogar in isotonischer Zuckerlösung Salze verlieren,
müssen wir nach Goebels Befunden annehmen, daß die in den
Erythrozyten anwesenden Salze eine Bedeutung haben für die
l) Comptes rendus Soc. Biol. 1905. No. 9.
a) These de Paris. 1902.
— 185 —
Resistenz derselben gegen Kolloide, daß die Membran durch inten-
siveren Salzverlust, vielleicht durch die Diffusion, so verändert
werden kann, daß das Hämoglobin ohne weiteren Zusatz eines
lösenden Agens von selbst abdiffundiert (Calugareanu: Blut-
körperchen, in ll,2proz. Zuckerlösung gewaschen, verlieren zuerst
Salze, dann Farbstoff). Durch die Abdiflusion der Salze aus den
Körperchen muß die Umgebung, verglichen mit dem Inhalt der-
selben, hypertonisch werden und sie müssen schrumpfen (da Zucker
nach Hamburger nicht durch diese Membran diffundiert).
In Zuckerlösung können Blutkörperchen sich derart verändern,
daß sie schon auf Zusatz einiger Tropfen NaCl agglutiniert werden
(Girard-Mangin und V. Henri.1)
Weitere Veränderungen der Blutkörperchen durch verschiedene
Agentien siehe Kap. II, vgl. auch „Aktivatoren", „Hemmungen*4.
Ein hämolytisches Kolloid kann hauptsächlich beeinflußt weiden
durch
1 Elektrolyte:
a) aus den Körperchen kommend,
b) in der Außenflüssigkeit vorhanden.
2. Kolloide:
sl) gleicher clektr. Ladung,
b) entgegengesetzter clektr. Ladung
Durch einen dieser Faktoren oder Kombinationen derselben
entstehen Veränderungen der Oberflächenspannung, der Kohäsion
und der Viskosität im Medium, überhaupt molekularphysikalische
Variationen, die für Strukturen der Blutkörperchen und die Ad-
häsions- und Adsorptionsverhältnisse zu denselben von Bedeutung sind.
Daß Salze aus den roten Blutzellen austreten, hat Calu-
gareanu mit der Leitfähigkeitsmethode (Vergrößerung von A) kon-
statiert. Wir haben also nie reine Kolloidwirkung vor uns, auch
wenn wir statt der usuellen Suspensionsflüssigkeit — physiologische
NaCl-Lösung — isotonische Zuckerlösung benutzen. Immer wird
das lösende Kolloid Ionen enthalten, deren Wirkung sich sogar in
Präzipitationen eines entgegengesetzt geladenen, bei der Hämolyse
mitbeteiligten Kolloids äußern kann (Cernovodeanu und Henri.-)
Es kann dadurch zu Agglutination der Körperchen und zu Kolloid-
mantelbildung um dieselben kommen, wodurch die Abdiffusion des
Hämoglobins verhindert oder wenigstens gehemmt wird. Außerdem
*) Comptes rendus Soc. Biol. 1904. Bd. 56, 931.
*) Comptes rendus Soc. Biol. 1905, No. 5. 224.
— 186 —
findet bei der erwähnten Präzipitation Verminderung oder Ver-
langsamung der Hämolyse statt durch Quantitätsverminderung des
lösenden Agens, einmal um den zur Präzipitation notwendigen Anteil,
zum andern, um die von den gefällten Massen mitgerissene und ab-
sorbierte Menge.
Eine sehr kleine Quantität von Antiserum, das bei Fällung
Präzipitate gibt und das hämolytische Komplement mitreißt, macht
das hämolytische Komplement schon vor der Fällungszone inaktiv. l)
Die Ionenwirkung zeigt sich auch in Kerners (I.e.) Ver-
suchen, wo die Hämolyse durch Streptokokken bei Zusatz von
2proz. NaCl-Lösung langsamer stattfindet, als wenn bloß t/jproz.
Kochsalzlösung zugesetzt wird.
Kolloide werden bekanntlich auch durch ihresgleichen beeinflußt.
Also: Das im Verlauf der Reaktion frei werdende Hämoglobin wird
sich nicht indifferent verhalten gegenüber dem lytischen Kolloid.2)
Wie ich beobachten konnte, hemmt Zusatz von Hämoglobin die Hämo-
lyse, und besonders stark dann, wenn es vor dem Blutkörperchenzu-
satz mit dem Hämolytikum (z. B. Saponin) gemischt wird. Ob aber das
im Beginn einer Reaktion freigewordene Hämoglobin auf den weiteren
Verlauf derselben auch hemmend einwirkt, ist fraglich; jedenfalls ist
die Wirkung eine ganz geringe, da die gesamte notwendige Menge
des Lösungskolloids sehr früh absorbiert wird, also bevor der Farb-
stoffaustritt beginnt (Zangger3), (Cernovodeanu, Henri4). Bei
fraktioniertem Zusatz des lösenden Stoffes wird das Hämoglobin
seine Hemmungswirkung dann entfalten können, wenn letzte
Fraktionen nach begonnener Auflösung zugesetzt werden. Je später
man z. B. die zweite Hälfte des Saponins zusetzt, desto geringer
die Hämolyse (Henri, Zangger, 1. c).
Da Kolloide ohne bestimmte Zusätze mit der Zeit sich
„spontan" verändern, altern, müssen dieselben Blutkörperchen mit
den gleichen Mengen derselben Saponinlösung zu verschiedenen
Zeiten verschiedene Resultate ergeben (vgl. Tabelle 1).
Die verschiedene Empfindlichkeit verschiedener Blutarten gegen
*) Neißer u. Sachs. Die forensische Blutdifferenzierung durch anti-
hämolyt. Wirkung. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 2, 1906.
a) Henri, Lalou, Mayer, Stodel. Comptes rendus Soc. Biol. 1903 D6z.
3) Comptes rendus Soc. Biol 1905, No. 13.
4) Comptes rendus Soc. Biol. 1905, No. 10.
187
Tabelle 1.
16. Februar 1905. Temperatur 37°.
Hundeblut
lOproz.
+ Saponin
l%o
Hämoglobin
ccm
ccm
%
1 %
n. 25-80 Min.
n. 76 Min.
40
+ 0,5
35,0
42,4
20
+ 0,5 4- n. IMin 20 Blk.
23,7
25,9
10
+ 0,5+,, 1 „ 30 „
66,6
93,3
20
+ 0,5+ „2 „ 20 „
53,8
60,9
10
+ 0,5+,, 2 „ 30 „
51,8
68,6
17. Februar 1905. Temperatur 31,4°.
n. 10 Min.
n. 66 Min.
n. 110 Min.
%
/o
0/
/o
40
+ 0,5
10,6
21,5
31,1
20
+ 0,5 + n. IMin. 20 Blk.
10,6
12,1
12,5
20
+ 0,5+ „ 1 „ 20NaCl.
11,0
12,3
12,9
10
+ o,5 + „ 1 „ 30 Blk.
38,8
45,1
46,6
10 |
+ 0,5+ „ 1 „ 30NaCl.
77,7
87,4
93,3
20 '
+ 0,5+ „ 2 „ 20 Blk.
11,9
13,3
—
20
+ 0,5+ „ 2 „ 20NaCl.
18,9
19,4
21,5
18. Februar 1905. Temperatur 31,4°.
40
20
20
20
+ 0,5
+ 0,5 + n. IMin. 20 Blk.
+ 0,5+ „2 „ 10 „
+ 0,5+ „ 2 ,. 20NaCl.
°/o
7,0
12,1
9,2
»Min.
n.1101
°/o
%
6,1
6,6
8,4
8,5
3,7
14,5
9,8
11,9
Saponin und taurochols. Natrium zeigen Tabelle 2 und 3 (S. 188 und
189). Der Einfluß der Temperatur wird später behandelt werden.
Die verschiedenen Einwirkungen auf die Reaktionskörper
äußern sich in Vergrößerung oder Verkleinerung der Reaktions-
geschwindigkeit. Stoffe, die die Reaktionszeit verkürzen, wollen
wir nach Kyes Vorgang
Aktivatoren
nennen. Dieser Autor fand, daß sonst gegen Kobragift widerstands-
fähige Blutkörperchen bei Zusatz von Lezithin aufgelöst werden.
Er nannte das Lezithin den Aktivator des Schlangengiftes.
188
Tabelle 2.
1. April 1905. Temperatur 29,3°.
25 ccm Blut-
aufschwemmung
vom
S aponin
Hämoglobin nach
20 Minuten
%
%
46 Minuten
/o
Pferd .
Schwein
Ochsen.
Kalb
Schaf.
0,12
0,25
0,5
1,0
0,12
0,25
0,5
1,0
0,12
0,25
0,5
1,0
0,12
0,25
0,5
1,0
0,12
0,25
0,5
1,0
2,9
10,0
40,0
80,0
3,2
20,0
66,6
100,0
11,1
14,4
9,1
11,1
1,2
2,4
11,1
33,3
3,3
11J
50,0
100,0
22,0
80,0
100,0
4,9
20,0
16,6
1,4
3,8
14,4
40,0
Reihenfolge nach Empfindlichkeit: 1. Schwein, 2. Pferd, 3. Schaf,
4. Ochse und Kalb.
Kr erklärte die Wirkung des letzteren auf empfindliche Blut-
körperchen allein durch die Aktivierung derselben durch das in
den Körperchen enthaltene Lezithin, ohne das das Kobragift über-
haupt nicht lösen könne. Daß die Widerstandsfähigkeit der Hammel-
blutkörperchen durch Waschen in Zuckerlösung verloren geht
(Goebel 1. c), zeigt, daß die Salze auf den Zustand der Körperchen-
hülle Einfluß haben (vielleicht hier speziell auf das Lezithin). Durch
Kombination von Kobra- und anderen Schlangengiften, ferner auch
Skorpiongiften mit Lezithin kann man sonst giftfeste Blutzellen zur
Lösung bringen.
— 189 —
Tabelle 8.
3. April 1905. Temperatur 29,3°.
25 ccm Blut-
aufschwemmung
(lOproz.) vom
Na- tauroch.
1 proz.
ccm
Hämoglobin nach
20 Minuten
60 Minuten
%
180 Minuten
Pferd .
Schwein
Schaf.
0,25
0,5
1,0
2,0
4,0
0,25
0,5
1,0
2,0
4,0
0,25
0,5
1,0
2,0
4,0
7,8
8,2
10,1
10,7
12,0
16,0
23,1
17,6
19,1
20,6
30,0
8,0
9,9
11,7
14,4
13,1
17,1
23,1
28,6
20,0
20,6
22,6
37,5
10,3
13,3
14,3
19,1
100,0
16,0
19,6
25,5
34,3
42,8
31,5
26,1
37,5
60,0
100,0
Reihenfolge nach Empfindlichkeit: 1. Schaf, 2. Schwein, 3. Pferd.
Nach Landsteiner u. JagiS1) gibt eine Kombination von
Lezithin mit kolloidaler Kieselsäure eine hämolytische Kombination,
was von den Autoren mit Recht als Parallele zu Kyes' Beob-
achtung gedeutet wird (Parallele auch zur Beizfärbung).
Nach meinen Erfahrungen ist taurocholsaures Natrium ein
Aktivator für Saponin (in bestimmten Grenzen, vgl. C. r. Soc. Biol.,
Dec. 1905).
1 ccm Hundeblut 5 proz. -|-4 ccm NaCl 0,9 + Na-tauroch. 1 proz. -f- nach
5 Min. 7s ccm ViüProz- Saponinlösung: Hämolyse vollendet;
bei 5 Na-taurochol. nach 29 Sek.
„ 15 „ „35 „
ohne „ „ 35 „
bei 10 „ und unmittelbar darauf folgendem
Saponinzusatz nach 34 Sek., bei 10 Na-taurochol. ohne Saponin nach 10 Stunden
noch nicht völlig gelöst.
Die Tatsache, daß die aktivierende Wirkung an ein Mengen-
optimum des Aktivators gebunden ist, stellt eine Parallele dar zur
l) Mtinch. med. Wochenschr. 1904, Nr. 27.
— 190 —
sogenannten Komplementablenkung durch einen Überschuß von
Ambozeptoren, d. h. wenn nicht die optimale Ambozeptorenmenge
vorhanden ist, findet die Reaktion nicht vollständig statt. Im Gegen-
satz zu den Ambozeptoren sind aber diese Aktivatoren nicht spe-
zifisch. — Da bei der Hämolyse durch Serummischungen die Wir-
kung größer ist als die Summe der Partialhämolysen,1) müssen wir
auch hier eine gegenseitige Aktivierung annehmen. Ein inter-
essanter Fall von gegenseitiger Unterstützung zweier hitzelabiler
Kolloide ist der folgende:2)
Blutk. Pferd + Serum Ochs = keine Hämolyse
„ Pferd -\- Serum Pferd = „ „
„ Pferd -j- Serum Pferd -f- Serum Ochs = Hämolyse.
Man kann hier nicht sagen, das eine oder andere Serum ent-
halte den Aktivator (ebensowenig im vorigen Fall), auch nicht, das
Ochsenserum enthalte das Komplement für den Pferdeserum-Ambo-
zeptor oder umgekehrt; denn wenn man das eine oder das andere
Serum auf 56° erwärmt, tritt keine Auflösung mehr ein.
Wir haben hier mindestens zwei temperaturempfindliche Kol-
loide vor uns, die zusammen eine typische, spezifisch lytische Kom-
bination ergeben. War eine Komponente aber auf 56° erwärmt,
so wirkte die Kombination nicht mehr lösend. Hier hört die Giltig-
keit der allgemeinen heutigen Auffassung auf; nach der Ehrlich-
schen Theorie ist dieses Phänomen nicht zu erklären.
Interessant ist die sog. Sensibilisierung von Blutkörperchen
durch ein sonst schützendes Kolloid. Pferdeserum hemmt die Auf-
lösung von Huhnblut durch Hundeserum. Läßt man aber Pferde-
serum eine Zeitlang in Kontakt mit den Huhnblutkörperchen, zen-
trifiigiert dann ab, schwemmt in NaCl auf und setzt jetzt Hunde-
serum hinzu, so findet man, daß die Körperchen viel leichter
aufgelöst werden, und zwar sind sie um so sensibler, je größer die
Menge des Pferdeserums war. Es ist jedoch ein gewisses Optimum
zu konstatieren (vgl. die Kurve Fig. 2). Ganz wie das Pferdeserum
verhält sich das (sonst hemmende) koll. Eisenhydroxyd.8)4)
1) Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, No. 18.
Comptes rendus Acad. Sciences, 22. Mai 1905.
2) Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1906.
3) Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Xr. 18.
4; Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 5.
Vgl. Larguier desBancels, Kinase ersetzt durch Kolloide (Toluidinblau) bei
Pankreassaft im Verein mit Elektrolyten, Comptes rendus Soc. Biol. 141, 144, 1905.
— 191 —
Auch Ionen können auf hämolytische Seren forderlich ein-
wirken. CaCLg aktiviert Bakterienhämotysin;1) Mg-Salze zeigen bei
der Aktivation von Serumhämolysinen ein Mengenoptimum. Daß
Fig. 2.
50
40
30
20
fO
0
8>
Wachsende Mengen von Pferdeserum, die mit 5 com Hühnerblut bei 31° 1 Stunde
in Kontakt gewesen. Hämolyse durch nachher zugesetztes Hundeserum (konstante
Menge).
(Nach Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1906, Nr. 18.)
z. B. dialysiertes Hundeserum viel weniger intensiv blutlösend
wirkt (Cernovodeanu u. Henri2) zeigt deutlich die Wichtigkeit
der Ionen für die Wirksamkeit der Kolloide.
Die Hemmungen der Hämolyse.
Wie ein Kolloid begünstigend auf die Funktion eines andern
einwirken kann, so ist auch eine Hemmung oder gänzliche Ver-
hinderung der Wirkung einer Kolloidsubstanz durch eine andere
möglich. Schon lange kennen die Experimentatoren die Hemmung
oder Verhinderung der Hämolyse durch Serum in vitro, d. h. die
Tatsache, daß ungewaschene Blutkörperchen weit langsamer ihr
Hämoglobin abgeben oder überhaupt nicht aufgelöst werden. In
vivo bildet diese Eigenschaft des Serums und Plasmas einen
wichtigen Schutz gegen alle lytischen Stoffe, seien es Normal- oder
Immunsera, Bakteriolysine oder Blutgifte (Sublimat Saponin).
Die erwähnte hemmende oder verhindernde Eigenschaft des
Serums hat man bestimmten Körpern desselben zugeschrieben, den
Antihämolysinen, in normalen Seren vorkommend und auch
l) Vincent Dopter u. Billet, Comptes rendus Soc. Biol. 1906, Nr. 9.
*) Comptes rendus Soc. Biol. 1906. 571, Nr. 12. Vgl. Delezenne,
Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 34. Ca-Salze aktivieren Pankreassaft.
— 192 —
immunisatorisch durch Hämolysininjektion zu erzeugen (s. Kap. I).
Die Spezifität der Bildung der letzteren ist wieder keine absolut
durchgehende; denn es ist z. B. zwar der Antitetanolysingehalt
des Tetanusimmunserums größer als der des gewöhnlichen Serums;
aber er ist auch größer im Antitypholysin-, Antipyozyaneolysin-
und Antidiphtherieserum, wenn auch in den drei letzteren nicht in
dem Grade wie im Tetanusimmunserum.1)
Es wurde auch versucht, die Hemmungsstoffe durch Behandeln
mit verschiedenen Lösungs- oder Fällungsmitteln aus den Seren zu
isolieren. So machte Sachs alkohollösliche, Eisler (1. c.) alkohol-
und ätherlösliche Serumextrakte, die Blutkörperchen gegen Tetano-
lysin schützten. Detre u. Seilei2) extrahierten mit Benzin eine
antitetanische und mit Chloroform eine gegen Sublimat schützende
Substanz. Daß Alkoholniederschläge aus Serum die Blutkörperchen
gegen Staphylolysin schützen, fanden Eisler, 1. c, gegen Sublimat
Detre u. Seil ei, 1. c, und Sachs.3) Man hält nun die alkohol-,
äther-, Chloroform- und benzinlöslichen Extrakte aus den Seren,
die die Hämolyse hemmen, für Lipoide (Lezithin und Cholesterin).
Das Extrakt schützt Blutkörperchen, durch die Behandlung aber
verliert das Serum von seiner schützenden Fähigkeit. Die alkohol-
fällbaren Antihämolysine aber werden als Eiweißkörper betrachtet.
Da es gelungen, aus Blutkörperchen einerseits Hämolyse
hemmende Ätherextrakte zu gewinnen, da andererseits die so behan-
delten Blutkörperchen weniger leicht Hämolysin an sich ziehen, ist
der Lipoidgehalt der Erythrozyten als bedeutsam für die Bindung
des Hämolysins an dieselben erklärt worden. (Landsteiner und
Eisler*)Senimhämolysin, Tetanoly sin, Detre und Seilei, 1. c, machen
das Lezithin für die Bindung von HgClg an die Blutzellen verantwort-
lich.) Die Ätherextrakte aus Blutkörperchen zeigen sogar eine ge-
wisse Spezifität, indem sie die Blutkörperchen am besten schützen,
die mit denjenigen, aus denen das Extrakt bereitet wurde, gleich-
artig sind (Landsteiner und Eisler).
Die Spezifität läßt sich durch Mischungsverhältnisse erklären,
da die Lipoide Gemische sind aus verschiedenen chemisch definierten
Körpern.
») Eisler, Wien. klin. Wochenschr. 1905 Nr. 27 u. 30.
8) Wien. klin. Wochenschr. 1905, Nr. 18 u. 42.
3) Wien. klin. Wochenschr. 1905, Nr. 35.
4) Zentralbl f. Bakt. 89, Heft 3, 1905.
— 193 —
Wie zu erwarten war, haben diese Extrakte und Alkoholnieder-
schläge schwächere Hemmungswirkung als natives Serum, da sie die
wirksamen Stoffe in einem andern physikalischen Zustand enthalten.
Die Annahme, die man nach der Ehrlich'schen Theorie machen
müßte, daß nämlich diejenige Substanz im Blutkörperchen, die das
Hämolysin an sich zieht, die also, extrahiert, Blutkörperchen schützt,
indem sie das hämolytische Serum hemmt, identisch sei mit der
hämolysinauslösenden, ist nicht zutreffend. Bang und Forßmann1)
haben gefunden, daß die beiden Eigenschaften der Bindung des
hämolyt. Ambozeptors und der Auslösung der Hämolysinbildung
auch zwei verschiedenen Körpern zukommt, die bis heute nur physi-
kalisch definiert sind, und zwar kommt die ersterwähnte Fähigkeit
dem Neutralisator zu, der mit Alkohol oder Azeton aus den Blut-
körperchen extrahiert werden kann, weil er in diesen Solventien
löslich ist. Der Neutralisator löst keine Hämolysinbildung aus.
Dem Immunisator kommt diese letztere Fähigkeit zu, hingegen
bindet er nicht den hämolyt. Ambozeptor. Er ist löslich in kochen-
dem Chloroform und Benzol, nicht in Azeton und Alkohol. Beide
Körper sind kochbeständig und spezifisch.
Im Blutkörperchen müssen die beiden Körper in gewissem
Zusammenhang sein, da man durch Injektion von mit hämolytischen
Ambozeptoren beladenen Blutkörperchen keine Hämolysinbildung
hervorrufen kann, (von Dungern, Sachs.)
Wie Serum, hemmt auch Aszites -Flüssigkeit die Hämolyse
durch Saponin (eigene Beobachtung).
Die Resultate eigener Versuche über Serumhemmung bringen
die umstehenden Tabellen (4 und 5).
Es existiert keine direkte Proportionalität zwischen den Wir-
kungen der verschiedenen Mengen von Saponin und dem hemmenden
Serum. Vergleichen wir z. B. die Reihen 2 und 3, so ist das Verhältnis
der Saponinmengen 1:2, der Serummengen 1:1 und der entsprechen-
den Resultate 1:5; in Reihe 4 und 7 verhalten sich die Saponin-
mengen wie 1 : 2, die Resultate ebenfalls 1 : 2, die Serumquanta
aber wie 1:4,5. In der 5. und 6. Reihe verhalten sich die Saponin-
und Serummengen wie 1 : 2, das Resultat aber ist nicht verdoppelt,
sondern versiebenfacht. Um z. B., wie in Reihe 3 und 7 (58 Min.),
das gleiche Resultat zu erhalten, mußte man das Saponin ver-
doppeln, das Serum aber verneunfachen.
*) Zentralbl. f. Bakt. (Orig.) 40, S. 151. Hofmeisters Beitr. 8, 240, 1906.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 2/3. 13
— 194 —
Tabelle 4.
17. März 1905. Temperatur 29°.
Pferdeblut + Saponin -f- Pferdeserum
% Hämoglobin nach
28 Min.
58 Min.
88 Min.
1. 40 com Blutk
. -f Sap. 0,25
15,7
20,0
21,4
2. 40 „
+ „ 0,25 + Ser. 0,1 ccm
10,5
15,0
15,0
3. 40 „
+ „ 0,5 + „ 0,1 „
50,0
60,0
60,0
4. 40 „
+ „ 0,5 + „ 0,2 „
30,0
33,3
37,5
5.40 „
+ „ 0,5 + „ 0,3 „
14,3
17,5
17,5
6. 40 „
+ „ 1,0 + „ «,6 „
100,0
100,0
100,0
7. 40 „
+ „ 1,0 + „ 0,9 „
60,0
60,0
60,0
8. 40 „
+ „ 1,0 + „ 1,6 „
3,3
5,2
6,2
9. 40 „
+ „ 2,0 + „ 1,8 „
100,0
100,0
100,0
10.40 „
+ „ 2,0 + „ 3,2 „
13,0
23,1
27,2
11. 40 n
+ „ 2,0 + „ 5,0 „
1,3
2,5
3,2
Tabelle 6.
2. März 1905. Temperatur 29°.
10°/0 Hundeblut + Na-taurochol. lproz.
Häm
15 Min.
oglobin
50 Min.
nach
110 Min.
30 ccm
30 „
i + 1,0 ccm
1,0 -f- 0,5 Huhnserum
5,1
5,6
30,6
4,0
30 „
1,0 -f- 0,5 Pferdeserum
—
—
3,5
30 „
1,0 + 0,5 n 56°
—
—
4,4
30 B
1,0 -j- 0,5 Hundeserum
—
_
4,0
30 „
1,0 + 0,5 Huhnserum
56°
—
—
3,5
30 „
1,0 -f 0,5 Pferdeserum
—
—
2,5
30 „
30 „
30 n
30 „
Gemische 30 Min. 56°
+ 0,5 Hundeser. + n. 5 M.
+ 1,0 Na. tch. +,5,
+ 0,3Sap. + „ 1 „
+ 0,3 „ + „ 1 „
1,0 Na tch.
0,3 Sap.
0,5 Hundeser.
1,0 Na tch.
4,7
19,2
6,5
100,0
4,9
21,7
6,5
100,0
5,5
22,2
6,7
100,0
Als allgemeine Gesetzmäßigkeit ergibt sich, daß bei Ver-
doppelung der Saponindosis die neutralisierende Dosis des Serums in
grober Annäherung verdreifacht; werden muß, um dasselbe Resultat
zu ergeben. Doch bei sehr kleinen und sehr großen Dosen gilt
diese Gesetzmäßigkeit nicht mehr.
— 195 —
Die Sera hemmen auch, wenn sie auf 56° erhitzt werden.
Die Reihenfolge bei der Mischung ist von Bedeutung.
Es gibt auch künstlich dargestellte Kolloide, die, analog dem
Serum, ein anderes Kolloid in seiner blutlösenden Wirkung beein-
trächtigen können. Henri u. Cernovodeanu (1. c.) beobachteten,
daß bei geeigneter Versuchsanordnung das koll. Eisenhydrat die
Auflösung von Huhnblut durch Hundeserum hemmt. Ich konnte
diese Befunde bestätigen:
Tabelle 6.
l/ioProz- Saponinlösung (isotonisiert) + 5proz. Emulsion gewaschener
Hundeblutkörperchen.
Dauer
Vers. 1. V» ccm Sap. + 1 c^m
Blut +2
7» ,, ,. +1 ,,
„ +2
Vers. 2. '/, „ „ +1 „
,, +2
V» ,, „ +1 ..
., +2
V» .» >. +1 >.
.. +2
V. „ » +i ..
,. +2
„ 0,9 + 4 gtt. Fe(OH)3 29 „
.. 0,9 20 „
„ 0,9 + 1 gtt Fe(OH), 29 „
„ 0,9 -|- 2 „ „ 37 „
„ 0,9 -(- 3 „ „ 45 „
Wie Cholesterin, hemmt auch Lezithin die Saponinhämolyse:
1 ccm Blut -f- 0,5 ccm Sap. + 3 ccm NaCl komplett gelöst in: .... 24 Sek.
1 n » + °»5 » » + 2 » u -h 1 ccm Lez.-Emuls. ... 15 „
1 „ Lez.-Emuls. +0,5 ccm Sap. + 2 ccm NaCl-f nach 10 Min. 1 ccm Blut 27 „
m
/
*i 60
/
-5j W
f
^ £Ji
If
20
^
<!
7
7
Fig. 3.
Abszisse 1 :
Na-taurocholat ]
n n:
Saponin | wachsende
„ HI:
Gemisch 1 Sap.: 1 Mengen
52 Na-taur. )
Die Kurven sind nicht direkt quantitativ ver-
gleichbar, da im Gemisch (III) nicht dieselben
Quantitäten der beiden hämolytischen Substanzen
sind wie in I und II.
(Nach Zangger, Coraptee rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 37.
Die folgenden Kurven sollen die Wirkung von Kolloidmischungen
versinnbildlichen, bei denen Hemmung zu konstatieren ist. Natrium
taurocholat., Cholesterin, Ochsenserum, Pferdeserum ergeben ganz
ähnliche Hemmungskurven (Fig. 3, 4, 5, 6).
13*
— 196 —
Fig. 4.
s
so
70
60
50
fifl
30
W
0
Hemmung.
N atriumtau rocholat (wachsend)
-f 0,5 eem Saponin (konstant).
(Nach Zangger, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 37.)
Fig. 5.
o
'V
8»
5
50
30
20
10
0
Hemmung.
Pferdeserum (wachsend)
+ 0,3 Hundescrum (konstant).
(Nach Cernovodeanu u. Henri, Comptes rendus Soc.
Biol. 190J, Nr. 18.)
denn Saponin +10 ccm Blut und 1 Min.
Daß unter Umstän-
den selbst Blutkörper-
chen den Verlauf einer
Hämolysereaktion in
ungünstigem Sinne be-
einflussen können, ha-
ben Cernovodeanu
u. Henri1) sowie
Zangger2) gezeigt.
Die beiden erstgenann-
ten Autoren hatten
3 Tubenserien von je
3 Stück. Tub. 1 ent-
hielt neben lösendem
Hundeserum 40 ccm
Huhnblut, Tub. 2 =
20 ccm Blut und Tub. 3
= 10 ccm Blut. Das
Resultat nach 250 Min.
war, daß in Tub. 3 die
Häniolyse am stärksten,
in Tub. 1 am schwäch-
sten war (eine Serie
ausgenommen). Die
Autoren fuhren die Ver-
langsamung der Reak-
tion in Tub. 1 und 2
auf eine Verdünnung
des Hundeserums durch
die Blutkörperchen zu-
rück. Zanggers Ver-
suche aber sprechen
dafür, daß die Hem-
mung nicht allein auf
Rechnung der Verdün-
nung zu setzen ist;
später 30 ccm Blut ergeben
l) Comptes rendus Soc. Biol. 1905. Nr. 5.
aj Comptes rendus Soc. Biol. 1905.. Nr. 13.
— 1<>7 —
in 10 Min. weniger Hämoglobin (19,5), als wenn man statt der zweiten
Blutfraktion 30 ccm physiol. Kochsalzlösung zusetzt (27,0). Wahr-
scheinlich ist das quantitativ geringere Resultat im ersten Fall
auf eine weitgehende Verteilung auf die später zugesetzten Blut-
körperchen zurückzuführen, wodurch natürlich der Anteil des
einzelnen an der lösenden Substanz geringer wird, d. h. der noch
absorbierbare erreicht nicht den Schwellenwert zur hämolytischen
Wirkung bei den später zugesetzten, weshalb in der gegebenen Zeit
ein geringeres Endresultat herauskommt.
Wie eine Fermentreaktion in ihrem weiteren Verlauf durch
das Reaktionsprodukt ungünstig beeinflußt werden kann, so auch
Fig. 6.
WO
SO
€0
v
i
\
\
s
^
\
7
-N
20
0
\
^
Hemmungen.
Abszisse I: 0,002 g Saponin + wachsende Menge Ochsenserum.
„ II: 0,04 g Saponin + wachsende Menge Cholesterin.
(Nach Madien u. Nogochl, Acad. Roy. des Sciences de Danmark 1904, Nr. 6.)
die Hämolyse. Hämoglobin hemmt. Ich konstatierte1) diese Hemmung
durch direkte Beobachtung der Reaktionsdauer bei verschieden
großen Hämoglobinzusätzen.
lOproz. Hämoglobinlösung in destilliertem HjO, 1 ccm Hunde-
blut + 1 ccm t/ioP™2' Saponinlösung, 1. Serie: Zeit in Sekunden bei
Hämoglobin, 2. Serie: bei ebensoviel NaCl. (Kontrollserie:)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 gtt Hb. resp. NaCl
1. Serie 55 67 72 62 61 66 68 73 Sek.
2. „ 47 44 48 55 49 48 49 46 49 „
In den zwei folgenden Versuchsserien kam eine ca. lOproz.,
mit NaCl isotonisch gemachte Hämoglobinlösung zur Anwendung,
») Comptes rendus Soc. Biol. 1906. Nr. 13.
— 198 —
gewaschenes Hundeblut in 5proz. Emulsion, lpromill. Saponinlösung.
Die Sekundenzahlen sind die Mittel von fünf Beobachtungen.
Tabelle 7- Dauer
1. 2 ccm NaCl + 1 ccm Blk. + 0,5 ccm Sap 44 Sek.
2. 2,25 „ „ -(- 1 ,, ,, -f- O,o „ „ 47 „
3. 2,5 „ „ + 1 „ „ + 0,5 „ ,, 58 „
4. 2,0 „ „ + 1 „ „ + 0,5 Hb + n. 10 Min. 0,5 Sap. 105 „
5. 2,0 „ „ + 1 „ „ + 0,5 ., + n. 5 „ 0,5 „ . 93 „
6. 2,0 „ „ + 1 „ „ + 0,25 ,. + n. 5 „ 0,5 „ . 69 „
1.2 ccm NaCl + 1 ccm Blk. + 0,5 ccm Sap 28 Sek.
2. 2,5 „ ,,-fl „ „ + 0,5 „ , 28 „
«. 3 „ „ -f- 1 „ „ -f- 0,5 „ „ 30 „
4. 2 „ „ + 1 „ „ + 0,5 Hb + 0,5 Sap 38 „
5. 2 „ „ + 1 „ „ + 1 »t + 0,o „ .... 56 „
6. 2 „ „ + 1 ,, „ + °*5 n + n 80 Min. 0,5 Sap. 34 „
7. 2 „ „ + 1 „ „ + 0,5 „ + n. 60 „ 0,5 „ 34 „
8. 2 „ + 0,5 Hb + 0,5 Sap. + n. 15 Min 1 Blk .... 64 „
9. 2 „ + 0,5 „ + 0,5 „ + n. 5 „ 1 „ .... 63 „
10. 2 „ + 0,5 „ + 0,5 „ + n. 2 „ 1 „ .... 65 „
Hämoglobin hemmt in jedem Fall, am stärksten aber, wenn
es vor den Blutkörperchen zum Saponin zugesetzt wird. Es ist
also anzunehmen, daß es das Saponin vor der Absorption durch die
Körperchen schützt, wonach also eine Hemmungswirkung des bei
einer Reaktion freiwerdenden Farbstoffes auf den Verlauf derselben
ausgeschlossen erscheint, da das Saponin zum größten Teil oder
sogar vollständig absorbiert ist (s. o.).
Wir haben zwei Kolloide kennen gelernt: das Lezithin und
das Eisenh}Tdroxyd, die sowohl hemmend als fördernd auf die Hä-
molyse wirken können. Eisenhydroxyd beschleunigt, wenn es mit
den Blutkörperchen vor dem Zusatz des Serums gemischt wird. Es
fixiert sich dann auf den Körperchen und die Wirkung des nach-
folgenden Serums superponiert sich. Bringt man aber Serum, d. h.
— Kolloid mit dem Eisenhydroxyd (+ Kolloid) zusammen, muß Fällung
und dementsprechend Schwächung in der Wirkung die Folge sein.
Bei der Hemmung durch Lezithin und bei der aktivierenden Funktion
desselben scheinen hingegen ganz andere, neuartige Kolloidkomplexe
zu entstehen (s. u.). Ähnliches muß man bei der sensibilisierenden
Wirkung des sonst hemmenden Pferdeserums auf die Blutkörperchen
des Huhnes annehmen.
— 199 —
Daß Elektrolyte ftir Kolloidwirkungen von Bedeutung sind,
ist bekannt. Magnesiumsalze steigern die Wirkung hämolytischer
Sera. Auch das Umgekehrte kommt vor (Bulloch, Robert). So
berichtet Gryns (1. c.) von einer Verhinderung der Hämolyse durch
NaCl (in isot. NaCl-Lösung suspendierte Blutkörperchen werden
durch Harnstoff nicht gelöst, während Harnstoff allein auch in isot.
Lösung Blutkörperchen zerstört), und nach Goebel1) verhindert
NaCl in einer Blutemulsion in Zuckerwasser, die Hämolyse durch
Kobragift. Daß ferner Essigsäure in isot. Zuckerlösung stärkere
hämolytische Kraft entfaltet als in Kochsalzlösung, muß ebenfalls
in der schätzenden Wirkung der letzteren begründet sein.3)
Dialysiertes Serum allein hemmt nicht; es müssen gewisse
Ionen dabei sein. Im Gegensatz dazu hemmt NaCl die Hemmungs-
wirkung des Serums, begünstigt also auf diese Weise die Hämolyse
(Robert).
Kobragift wird durch CaCLj unwirksam gemacht8)
(Schluß im nächsten Heft,)
l) Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 9.
*) Bobert, Mlle., Comptes rendus Soc. Biol. 60. 354. 1906 Nr. 7.
*) Vincent Dopter, Billet, 1. c.
Zur Konservierung der Immunsera für die Praxis.
* Von
M. Prettner,
Tierarzt in Prag.
Bei der Herstellung des Rotlaufserums im Großen ist eine
Konservierung desselben nicht zu umgehen. Schon der Umstand,
daß die Sera verschiedener Tiere gemischt werden müssen, ergibt
die Möglichkeit einer bakteriellen Verunreinigung. Die Erfahrung
lehrt ferner, daß die zum Zweck der Schutzimpfung abgegebenen
größeren Flaschen mit Serum in der Praxis in der Regel ohne be-
sondere Vorsichtsmaßregeln geöffnet und oft nicht an einem Tage
verbraucht werden. Hierdurch ist eine besondere Gefahr der Ver-
unreinigung gegeben, der nur durch den Zusatz von Konservierungs-
mitteln zum Serum vorgebeugt werden kann.
Meistens wird zur Konservierung der Immunsera Karbolsäure
in 0,5proz. Lösung verwendet. Sie darf dem Serum in höchstens
Gproz. Lösung zugesetzt werden, da sonst infolge der eiweiß-
fällenden Wirkung des Phenols bemerkenswerte Trübungen des
Serums entstehen. (Eine ziemlich starke Trübung macht sich so
noch beim Zusatz lOproz. Karbolsäure bemerkbar.) Die Verwen-
dung einer derartig schwachen Karbollösung bedingt eine ziemlich
starke Verdünnung des Serums. Auf 1 ccm Serum kommen 0,1 ccm
oproz. Karbolsäure, auf 100 ccm Serum 10 ccm und auf 10 Liter
Serum 1 Liter Karbolwasser. Aber selbst beim Zusatz einer der-
artig schwachen Karbolsäurelösung verursacht das Phenol im Laufe
der Zeit immer noch Eiweißföllungen, die sich als Bodensatz im
Serum zeigen. Diese Eiweißfällungen könnten eine Bedeutung in-
sofern haben, als durch sie auch Immunstoffe mitgerissen werden
können, wodurch der Wert des Serums vermindert werden würde.
Um diese Verhältnisse zu studieren, wurden die Fällungen,
die nach Zusatz reiner konzentrierter (Acidum carbolicum liquefactum)
— 201 —
und nach öproz. Karbolsäure bis zum Gehalt von 0,5 °/0 in
100 ccin Rinderserum im Verlauf von 24 Stunden entstehen,
genauer untersucht. (Dieser Zeitraum genügt, da es sich haupt-
ssächlich nur um die Fällungen handeln kann, die sofort oder inner-
halb kurzer Zeit entstehen; denn nur solche können den Wert
des Serums beeinträchtigen. Nach längerer Zeit entstehen ja in
jedem Serum Niederschläge.)
1. 100 ccm Rinderserum werden mit 0,5 ccm reiner Karbolsäure versetzt
Nach 24 Stunden wird filtriert, der Rückstand getrocknet und gewogen. Ge-
wicht: 0,051 g.
2. 100 ccm Rinderserum werden mit 5proz. EarbolsäurelOsung bis zu
einem Gehalt von 0,5 ° 0 Karbol versetzt. Nach 24 Stunden wird filtriert, der
Rückstand getrocknet und gewogen. Gewicht: 0,288 g.
Von sonstigen antiseptischen Mitteln kam Chinosol zur Ver-
wendung, das in den Mengen von 0,1 g (in 0,5 ccm Wasser gelöst)
zugesetzt wurde. Chinosol ergab einen Niederschlag von 0,0102 g.
Die fällende Wirkung des Chinosols ist somit um
etwa die Hälfte geringer. Es würde daher, entsprechende
bakterizide Wirkung vorausgesetzt, sich zur Serumkonservierung
wrohl eignen.
Nach Angaben der chemischen Fabrik, die das Chinosol her-
stellt, ist dieses phenolfreies oxychinolsaures Kalium. Es soll (nach
Dr. Aufrecht-Berlin) 40mal stärker desinfizierend wirken als Kar-
bolsäure. In 0,15proz. Lösung wirkt es auf Bakterien entwick-
lungshemmend, in 2proz. Lösung desinfiziert es. Zum Zweck der
Nachprüfung der bakterienabtötenden Kraft des Chinosols wurde fol-
gender Versuch angestellt:
I. Staphylokokken-Bouillonkultur (24 Standen alt):
a) 1 ccm Kultur -f- 1 ccm 2proz. Chinosollösung = lproz. Lösung.
b) 1 ccm „ + 0>5 ccm 2proz. „ -f- 0,5 NaCl-Lösung = Vaproz.
Lösung.
c) 1 ccm „ + 0,1 ccm 2proz. „ +0,9 „ — 0,lproz.
Lösung.
II. Typhus-Bouillonkultur (24 Stunden alt):
a) 1 ccm Kultur + 1 ccm 2proz. Chinosollösung = lproz. Lösung.
b) 1 ccm „ + 0,5 ccm 2proz. „ + 0,5 NaCl-Lösung — l ,proz.
Lösung.
c) 1 ccm „ + 0,1 ccm 2proz. „ +0,9 „ =0,lproz.
Lösung.
— 202 —
III. Rotlaufbazillenkultur (24 Standen alt):
a) 1 ccm Kultur -f- 1 ccm 2proz. Chinosollösung = lproz. Lösung.
b) 1 ccm „ -f~ 0,5 ccm 2proz. „ -f- 0|ö NaCl-Lösung = Vjproz.
Lösung.
c) 1 ccm „ -f- 0,1 ccm 2proz. „ +0,9 „ = 0,lproz.
Lösung.
Von diesen Stammlösungen wurde in verschiedenen Zeiträumen
1 Öse in je 1 ccm Bouillon übertragen, 24 Stunden in Thermostaten
gelassen und dann untersucht. Das Ergebnis zeigen folgende
Tabellen.*)
I. Staphylokokken-Bouillonkultur (24 Stunden alt).
Nach
Nach
Nach
V4 Stande
1 Stande
3 Standen
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Nach
24 Standen
lproz. Chinosollösg. + + + 0
0,5proz. „ + + + +
0,lproz. „ + + + +
II. Typhus-Bouillonkultur (24 Stunden alt).
Nach
Nach
Nach
V4 8tunde
1 Stande
3 Standen
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Nach
24 Standen
lproz. Chinosollösg. + + + 0
O.öproz. „ + + + +
0,lproz. „ + + ; + +
III. Rotlauf-Bouillonkultur (24 Stunden alt).
lproz. Chinosollösg.
0,5proz. „
0,lproz. ,
Nach
Vi Stunde
+
+
+
Nach
1 Stande
+
+
+
Nach Nach
3 Stunden 24 Standen
0
+
+
0
0
0
Chinosol besitzt somit sehr geringe bakterizide Fähig-
keiten. Für die Serumkonservierung ließ sich daher nichts
von diesem Präparat erwarten.
Zu der gleichen chemischen Gruppe von Desinfizientien ge-
hört das Diaptherin, das relativ ungiftig und in gleichen Teilen
Wasser löslich ist.
*) +
o
Wachstum, also keine Abtötung der Bakterien,
kein Wachstum, also Abtötung.
— 203 —
Das Diaptherin wurde von Emmerich (München) eingeführt.
Es wird im Großen in der chemischen Fabrik Merck in Darmstadt
unter Aufsicht von Prof. Emmerich hergestellt.
Das Diaptherin wurde in der chirurgischen Praxis zuerst f on
Kronacher in 1j2 — lproz. Lösung verwendet. Es ätzt die Wunden
nicht und verursacht keine Ekzeme. Es schwärzt jedoch die Instru-
mente. Heutzutage wird das Diaptherin nur wenig mehr verwendet.
Zur Konservierung des Serums wurde das Präparat bisher
noch von niemand benutzt.
Das Diaptherin zeigte, in Serum gelöst, in meinen Versuchen
folgendes Verhalten bezüglich der Fällung des Eiweißes:
Zu 100 ccm Rinderserum wird 0,1 g Diaptherin, in 0,5 ccm Wasser ge-
löst, zugesetzt Nach 24 Stunden wird filtriert, der Rückstand getrocknet und
gewogen. Gewicht: 0,0109 g.
Es fällt also um die Hälfte weniger Eiweiß als Kar-
bolsäure, und zwar trotzdem es im Vergleich zu Karbol-
säure (0,5: 10 ccm) in stark konzentrierter Lösung (0,1 :0,5 ccm)
zugesetzt wurde.
Bevor ich weitere Versuche anstellte, prüfte ich die bakterien-
tötende Kraft des Präparates.
1. Staphylokokken-Bouillonkultur.
1) 1 ccm Kultur + 1 ccm 2 proz. Diaptherinlösung = lproz. LöBung.
2) 1 „ „ +0,5 „ „ „ + 0,5NaCl = V. »
3) 1 „ „ +0,1 „ „ „ +0,9 „ =0,1 ,
IL Der gleiche Versuch mit Typhus-Bouillonkultur.
III. Der gleiche Versuch mit Rotlauf-Bouillonkultur.
Von diesen Stammlösungen wurde in verschiedenen Intervallen
in Bouillon übertragen und letztere 24 Stunden im Thermostaten
belassen. Es ergab sich folgendes Resultat:
I. Staphylokokken-Bouillonkultur
(24 Stunden alt).
Nach
V« Stunde
Nach
1 Stande
Nach
6 Standen
Nftcb
M Standen
1 proz. DiaptherinlöBg.
0,5 proz.
0,1 proz. „
+
+
+
0
+
+
0
0
+
0
0
0
— 204 —
IL Typhus-Bouillonkultur (24 Standen alt).
lproz. Diaptherinlösg.
0,5proz. „
0,lproz.
Nach
Nach
Nach
V« Stande
1 8tnnde
6 Standen
+
+
0
+
+
0
+
+
+
Nach
S4 8tnnden
0
0
0
III. Rotlauf-Bouillonkultur (24
Stunden
alt).
Nach
1/4 Stande
Nach
1 8tunde
Nach
6 Standen
Nach
U 8tonden
lproz Diaptherinlösg.
O.öproz. n
0,lproz. „
0
+
+
0
+
+
0
0
0
0
0
0
Die bakterienabtötende Kraft des Diaptherins ist so-
mit bedeutend stärker als die des Chinosols.
Nunmehr wurden die konservierenden Eigenschaften des Di-
aptherins geprüft und zu diesem Zweck folgende Versuche unter-
nommen:
Zu 6 Eprouvetten mit je 5 ccm Rinderserum (inaktiviert durch halb-
stündige Erwärmung auf 65° C, um seine normale bakterizide Kraft auszu-
schalten) wird je 0,25 ccm 2proz. Diaptherinlösung (= 0,lproz. Lösung) zu-
gesetzt
Mit diesen 6 Röhrchen wurden folgende Versuche durchgeführt:
Eprouvette a) 1 ccm Bouillonkultur des Staphylokokkus, 1 ccm der Rotlauf-
kultur, 1 ccm der Typhuskultur werden gemischt. Von dieser
Mischung wird 1 Tropfen in das Serum gebracht und dieses
dann bei 37° C gehalten.
„ b) Von der Kulturmischung wird 1 Tropfen in das Serum gebracht
und dieses bei Zimmertemperatur gehalten.
„ c) Die Eprouvette mit dem nicht infizierten Serum wird offen bei
37° C gehalten.
„ d) Die Eprouvette mit dem nicht infizierten Serum wird offen bei
Zimmertemperatur gehalten.
„ e) Der Eprouvette wird Zimmerstaub zugesetzt und dann bei 37 u C
gehalten.
„ f) Der Eprouvette wird Staub beigemischt und dann bei Zimmer-
temperatur gehalten.
Alle Eprouvetten, die bei Zimmertemperatur gehalten worden waren,
auch die mit Staub verunreinigten, blieben 6 Tage hindurch (länger wurde die
Beobachtung nicht fortgesetzt) ganz klar.
Die 6 Tage bei 37° C gehaltene offene Eprouvette blieb klar.
— 205 —
Die mit dem Bakteriengemisch geimpfte und bei 37° C gehaltene Eprou-
vette zeigte nach 48 Stunden schwaches Wachstum.
Die mit Staub infizierte und bei 37° C gehaltene Eprouvette zeigte nach
24 Stunden Wachstum und war nach 48 Stunden ganz trübe geworden.
Das Diaptherin ist also ein vorzüglich konservieren-
des Mittel.
Wenn das Serum rein gewonnen wird, kann es durch Diaptherin
sehr lange vor dem Verderben geschützt werden. Dies zeigen weitere
Versuche, in denen sogar defibriniertes Blut, das sehr leicht verdirbt,
längere Zeit durch Diaptherin konserviert wurde.
600 ccm Serum werden zu je 100 ccm in Erlenmey ersehe Kolben ver-
teilt und je mit 0,1 ccm Diaptherin, in 0,5 ccm Wasser gelöst, versetzt.
600 ccm Serum, zu je 100 ccm in Erlenmeyersche Kolben verteilt und
je 0,5 ccm Karbolsäure in 5proz. Lösung zugesetzt.
Alle 12 Kolben werden unter einer Glasglocke offen stehen gelassen.
Das mit Karbol versetzte Serum zeigt nach einem Monat deut-
lichen Fäulnisgeruch. Das mit Diaptherin versetzte Serum bleibt
drei Monate ohne jede Spur von Verderbnis.
Defibriniertes Blut wird zu je 100 ccm mit 0,1 ccm Diaptherin -f- 0,5 ccm
Wasser und mit 0,5 ccm Karbolsäure in 5proz. Lösung gemischt, dann offen
bei Zimmertemperatur stehen gelassen.
Das mit Diaptherin konservierte Blut bleibt zwei Monate hin-
durch ohne Geruch. Das mit Karbolsäure versetzte Blut ist dagegen
nach 14 Tagen faul.
Weiterhin wurde noch untersucht, ob das Diaptherin bei
längerer Aufbewahrung die Schutzstoffe des Serums nicht schädigt.
Es wurde Rotlaufserum (je 10 ccm) mit 0,1 °/0> 0,5 % und 1 % Diaptherin
versetzt. Vor der Konservierung schützte das Serum in der Menge von 0,5 ccm
Tauben gegen 0,5 ccm Kultur, Mäuse in der Menge von 0,01 ccm gegen
0,1 ccm Kultur.
Bei der erneuten Prüfung nach Ablauf eines Jahres
ist eine merkliche Verminderung des Schutzwertes nicht
eingetreten.
Da angegeben wird, daß das Diaptherin sehr wenig giftig ist,
wurde auch seine Wirkung auf Mäuse geprüft:
2 Mäuse erhalten 0,5 ccm einer 1 proz. Lösung intraperitoneal. Sie sterben
binnen zwei Stunden.
2 Mäuse erhalten 0,5 ccm einer 0,5 proz. Lösung subkutan. Sie bleiben
am Leben.
2 Mäuse erhalten 0,5 ccm einer 0,1 proz. Lösung intraperitoneal. Sie
bleiben am Leben.
— 206 —
Es ist somit die Giftigkeit des Diaptherins derjenigen
der Karbolsäure ungefähr gleich.
Nach diesen Vorversuchen wurde das Diaptherin in den Jahren
1904— 190G zur Konservierung des von mir erzeugten Rotlauf-
serums benutzt. Es wurden 600 Liter, die in dieser Zeit gewonnen
worden waren, mit 0,1 °/0 Diaptherin konserviert. Alles Serum,
steril entnommen, wurde in Flaschen von 10 1 Inhalt gesammelt,
damit sich dasselbe absetze. Nach der Mischung wurden je 10 1 mit
10 g Diaptherin, in 20 ccm Wasser gelöst, versetzt. Alles Serum
blieb steril und war von guter Wirkung in der Praxis.
Auf Grund meiner Versuche und Erfahrungen kann ich dem-
nach das Diaptherin (O,lproz.), da es wenig Fällungen verursacht,
in gleichen Teilen Wasser löslich ist und gute bakterizide Eigen-
schaften besitzt, sehr zur Konservierung der Immunsera empfehlen.
Cysticercus der Taenia tenuicollis Rud. aus Cricetus
frumentarius Pall.
Von
Prof. Dr. K. Wolffhügel.
Im Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu
Berlin wurden, anläßlich von Trypanosomenstudien, in den Lebern
zweier Hamster, Cricetus frumentarius Pall., zwei Exemplare von
Zystizerken gefunden, und zwar eines am 17. Dezember 1901, ein
zweites am 12. Januar 1902. Die Hamster stammten aus der
Provinz Sachsen und waren im Monat November oder anfangs
Dezember 1901 eingefangen worden. In frischem Zustande boten
sich die Zystizerken als kleine, über die Leberoberfläche vor-
springende, wasserklare Bläschen dar. Dieselben wurden in toto in
Glyzerin zwischen Objektträger und Deckgläschen konserviert.
Präparat vom 17. Dezember 1901. Der gepreßte, runde Zystizerkus bat
einen Durchmesser von 3,57 mm Seine Blasenwand ist dicht mit Kalkkörperchen
durchsetzt, die meisten mit folgenden Maßen:
Kalkkörperchen rundlich 0,252 mm : 0,021 mm Durchmesser
oval 0,021 „ : 0,014 „
„ kreisrund 0,025 „ „
Im Skolex finden sich viel kleinere Kalkkörperchen, nämlich in dem Ge-
webe zwischen Rostellarzapfen und den Saugnäpfen und um die letzteren. Diese
kleineren Kalkkörperchen sind meist ellipsoid und von 0,0092 mm : 0,0043 mm
Durchmesser. Der Skolex, der direkt seinen Scheitel der Besichtigung dar-
bietet, mißt in seinen beiden Querdurchmessern 0,408 mm und 0,476 mm. Die
Saugnäpfe sind von folgenden Durchmessern:
1. Saugnapf oval 0,1476 mm
„ -Öffnung „ 0,028 „
2. , „ 0,1044 „
-Öffnung . . . 0,018 „
3. „ 0,1116 „
„ -Öffnung . . . 0,032 „
4. „ 0,1152 „
„ -Öffnung . . . 0,0216 „
0,1188 mm
0,043 „
0,158 „
0,0576 „
0,1476 „
0,054 „
0,144 „
0,068 „
— 208 —
Das Rostellum (von der Scheitelfläche gesehen) ist ellipsoid von 0,0756 mm
und 0,108 mm Durchmessern. Der Hakenkranz hat ebenfalls die Form eines
Ellipsoides und ist von 0,097 mm und 0,0396 mm Durchmesser. Im Hakenkranz
stehen die Haken in 2 Reihen zu je 36 Haken, so daß also 72 Haken vorhanden
sind. Die Haken stehen sehr dicht nebeneinander und bieten sich derart dar,
daß der Zahnfortsatz und die Sichel einer Hakenreihe in der Aufsicht von
vorn zu sehen sind. Es handelt sich wohl um die äußere (hintere) Hakenreihe,
der Zahnfortsatz liegt peripher, die Sichelspitze mehr zentral, das Rostellum
ist demnach teilweise noch eingezogen. Der Zahnfortsatz ist 0,0048 mm breit
und in der Medianlinie durch eine seichte Rinne oberflächlich geteilt, also
zweilappig.
Exemplar vom 12. Januar 1902.
Der Durchmesser dieses Zystizerkus (in Glyzerin montiert) beträgt
3,40 mm. Der Skolex ist etwas unregelmäßig gequetscht und von 0,51 mm
und 0,306 mm Durchmesser. Rostellum ellipsoid, von 0,0576 mm und 0,1404 mm
Durchmesser. Hakenkranz ellipsoid, von 0,115 mm und 0,0288 mm Durchmesser.
1. Saugnapf 0,1296 mm und 0,1728 mm Durchmesser.
2. „ 0,176 „ „ 0,1008 „
3. „ 0,176 „ „ 0,1008 „
4. „ ist unregelmäßig durch die Quetschung.
Die größten Kalkkörperchen von 0 0144 mm und 0,018 mm Durchmesser.
Der Hakenkranz ist doppelreihig, enthält 36 Haken in jeder Reihe und ist
daher ans 72 Haken zusammengesetzt. Zum Studium der Hakenform wurde
dieser Zystizerkus zerzupft.
Die Messung isolierter Haken gab folgende Maße:
Länge der Haken
Abstand der Zahnspitze
von der Sichelspitze
Abstand der Zahnspitze
vom Ende des Wurxelfortsatze«
0,0224 0,0096 j 0,019
0,0224 0,0096 0,0176
0,024 0,0096 ' 0,0224
0,0192 0,0096 ' 0,0176
0,024 0,0128 | 0,0176
0,0224 0,0128 ■ 0,014
0,0224 0,0128 0,0176
0,0232 0,0128 ( 0,0176
0,024 0,0128 ; 0,018
Beim Vergleich der Zeichnungen aller dieser gemessenen Haken ergab
sich, daß die Haken mit 0,0096 mm Abstand der Zahnspitze von der Sichel-
spitze sich von den Haken mit 0,0128 mm Abstand der Zahnspitze von der
Sichelspitze auch deutlich in der Form unterschieden. So glaube ich mich
berechtigt, je die eine Form als einer Reihe des Hakenkranzes angehörig
zu betrachten, allerdings vermag ich nicht zu sagen, welcher, der äußeren oder
inneren.
— 209 -
Von den beschriebenen Zystizerken oder Taenien lassen sich
unsere beiden Zystizerkusexemplare, die zweifelsohne gleichartig
sind, auf Taenia tenuicollis Rud. beziehen. Nach Dujardin1) und
Leuckart2) besitzt der Skolex der Taenia (Dujardin) 0,55mm Durch-
messer, bei unseren beiden Exemplaren 0,408 mir und 0,476 mm
sowie 0,51 mm und 0,306 mm Durchmesser, welche Unterschiede nicht
gegen eine Identität sprechen. Den Durchmesser des Rostellums der
Taenie gibt Leuckart zu 0,1 mm an, bei den beiden eben beschrie-
benen Zystizerken fanden sich folgende Durchmesser des ellipsoiden
Rostellums: 0,0756 mm : 0,108 mm und 0,0576 mm : 0,1404 mm.
Die Saugnäpfe werden von Dujardin flir die Taenie von
0,17 mm Breite angegeben, welches Maß auch mit den von uns
gefundenen Werten sich vereinbaren läßt. Dujardin fand 52 Haken
in zwei Reihen von 0,02 mm Länge. Leuckart gibt 0,02 mm Länge
der Haken an und 0,11 mm als Abstand der Zahnspitze von der
Sichelspitze, was sicher ein Druckfehler ist und 0,011 mm heißen
soll (was sich schon aus der Betrachtung der Abbildung eines
Hakens bei Leuckart Taf. II t ergibt). Den Abstand zwischen
Zahnspitze und Ende des Wurzelfortsatzes gibt Leuckart zu
0,017 mm an, also alles Hakenmaße, die mit den von uns gefun-
denen gut übereinstimmen, von Linstow8) bestätigt Dujardins
Angabe, daß die Haken in zwei Reihen stehen, die Form sei aber
nicht, wie die bisherigen Beschreiber angeben, in beiden Reihen
gleich, sondern die der äußeren Reihe mässen 0,024 mm, die der
inneren 0,021 mm, und es fehle bei ersteren an der Innenseite die
winklige Einziehung. Wie unsere Messung an neun isolierten Haken
ergeben hat, war bei einer Gruppe ein Abstand von 0,0096 mm
zwischen Zahnspitze und Sichelspitze vorhanden. Diese Haken
stimmen in ihrer Form unter sich überein und auch mit den Ab-
bildungen, die Dujardin unter B2, Leuckart in Taf. II t und
von Linstow unter b von einem 0,021 mm langen Haken gegeben
haben. Bei ihnen ist also auch „die Grenze zwischen Sichel und
Wurzelfortsatz auf der Rückseite beständig durch einen sehr merk-
lichen scharfen Einschnitt bezeichnet, so daß die Konturen dieser
Rückseite (in der Profillage des Hakens) von zwei aufeinanderfol-
genden, ziemlich gleichmäßigen Bogen gebildet werden (Leuckart)/*
Der Form nach sind diese Haken nach von Linstow der inneren
Hakenreihe angehörig. Die Haken, die wir von 0,0128 mm Ab-
stand zwischen Zahn und Sichelspitze gefunden haben, stimmen
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 2,3. 14
— 210 —
ebenfalls unter sich in ihrer Form überein und mit der Form,
die von Linstow unter a darstellt, als den Haken eigen, die
0,024 mm lang sind. Ebenfalls fehlt diesen von uns beobachteten
Haken auch „an der Innenseite die winklige Einziehung (von Lin-
stow)", sie gehören der Form nach, nach von Linstow, der
äußeren Reihe an. Wir haben also, wie von Linstow, zwei ver-
schiedene Hakenformen gefunden, dagegen, daß dieselben in der Mehr-
zahl von derselben Länge waren, und daß einige Verschiedenheiten
in der Länge nicht auch an bestimmte Hakenformen gebunden sind,
wie dies von Linstow angibt.
Nach allem fand ich bei Zystizerkus der Taenia tenuicollis
Rud. 72 Haken in zwei Reihen, zu je 36, angeordnet, in der Mehr-
zahl von gleicher Länge. Eine Reihe enthält Haken, die in der
Form von denen der zweiten Reihe konstant abweichen, welche
Formverschiedenheiten von von Linstow schon längst nach-
gewiesen hat. Der Zystizerkus der Taenia tenuicollis Rud. ist bis-
her in der Leber von Hypudaeus und Talpa europaea gefunden
worden, unbekannt war sein Vorkommen in der Leber des Ham-
sters (Oricetus frumentarius Fall.). Nach Brehm (Tierleben) sind
der Hamster und der Maulwurf Lieblingsspeisen des Iltis und des
Hermelins, und diese beiden Musteliden sind auch wirklich als die
definitiven Wirte der Taenia tenuicollis Rud. bekannt.
Literatur.
») Dujardin, M. F.: Histoire naturelle des Helminthes, 1845. p. 558, pl. 12,
tig. B 1 n. B 2.
3) Leuckart, Rud.: Die Blasenbandwürmer und ihre Entwicklung, 1856, S. 69
u. 70. Taf. II Fig. 1 1.
3; von Linstow, 0.: Taenia tenuicollis Rud. Archiv für Naturgeschichte.
1884, S 143-144. Tab. X, Fig. 35.
(Aus dem Bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer
für die Provinz Pommern.)
Untersuchungen über die Desinfektionskraft des
Antiformins.*)
Von
Dr. F. Schmitt
in Stettin.
I. Allgemeines Ober das Antiformin.
Das Antiformin ist eine gelbliche, fast klare Flüssigkeit. Es
enthält in geringer Menge gelblichweiße Körnchen, die, wenn
man sie aufwirbelt, stets wieder rasch zu Boden sinken. Diese
Körnchen sind in Wasser unlöslich; Salzsäure löst dieselben unter
starkem Brausen und unter Entwicklung kräftigen Chlorgeruchs auf.
Läßt man Antiformin durch Filtrierpapier laufen, so wird es voll-
kommen klar; es bildet sich jedoch in einiger Zeit wieder ein etwas
flockiger Bodensatz.
Das Antiformin ist schwerer als Wasser; es ist mit Wasser
in jedem Verhältniß mischbar. Die Lösungen sind weiß und klar;
es entsteht aber alsbald ein allerdings ganz unbedeutender Boden-
satz, der sich durch Schütteln feinst verteilen läßt.
Das Antiformin hat in Substanz und in seinen wässerigen Lö-
sungen einen kräftigen, eigenartigen, aber nicht besonders unan-
genehmen Geruch; der spezifische Geruch des Chlors und frischer
Lauge wiegt vor. Frisch bereitete 5proz. Lösungen riechen beinahe
stärker als das konzentrierte Antiformin.
Das Antiformin und seine wässerigen Lösungen reagieren stark
alkalisch.
*) Die Versuche wurden ausgeführt und werden veröffentlicht im Auf-
trage des Herrn Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
— 212 —
Das zur Prüfung übergebene Antiformin war in Korbflaschen
von 60 kg Nettoinhalt enthalten. Die Flaschen waren mittelst
Tonstopfen und Gips gut verschlossen; die Tonstopfen waren in den
Flaschenhals eingegipst.
Bringt man Antiformin in Flaschen mit eingeschliffenem Glas-
stopfen, so ist der Stopfen nach einiger Zeit wie festgekittet; zer-
schlägt man den Flaschenhals, so findet man eine aus weißen
Körnchen bestehende Kittschicht.
Fließt das konzentrierte Antiformin über die Gläser, so bleibt
eine dünne Lage weißen Pulvers zurück, das, wie auch die oben-
erwähnte Kittschicht, durch Salzsäure unter Aufbrausen gelöst wird
und dabei stark nach Chlor riecht.
Gummistopfen werden von dem konzentrierten Antiformin nicht
sehr stark angegriffen; Korkstopfen werden an ihrem unteren Ende
rasch gelb verfärbt und aufgeweicht.
Der Patentschrift des Kaiserlichen Patentamtes — Nr. 133 895,
Klasse 6f, ausgegeben den 14. August 1902 — entnehme ich über
das Antiformin folgendes:
Das Reinigungsmittel besteht aus 1 Teil Alkalihypochloritlösung, -}- l/j bis
1 Teil Alkalihydrat.
Es kann in verschiedener Weise hergestellt werden. Am einfachsten
geschieht es durch Umsetzen von Chlorkalk mit Soda, Trennen der gebildeten
Natriumhypochloritlösung von der Kalkfällung und Zusetzen des Natriumhydrates.
Wenn man die Mengen so berechnet, daß das Produkt 10u/0 Natriumhypo-
chlorit und 5—10% Natriumhydrat enthält, so kann es beim Gebrauch im all-
gemeinen mit 20 Teilen Wasser verdünnt werden.
Ein geringerer Alkaligehalt als der angegebene hat sich als unförderlich,
ein höherer dagegen, durch Beeinträchtigung der keimtötenden Kraft des Hypo-
chlorits, als direkt schädlich erwiesen.
Das Alkalihypochlorit bzw. die Javellesche Lauge*) hat außer der des-
infizierenden auch noch eine große schleimlösende Kraft; durch Zusatz von
Alkalihydrat wird die Lösung in noch höherem Grade schleimlösend.
Der Gehalt des Reinigungsmittels an Alkalihydrat bringt aber noch
andere Vorteile mit sich. Die Javellesche Lauge ist außerordentlich unbestän-
dig, sie verliert rasch einen großen Teil des aktiven Chlors und belästigt durch
intensiven Chlorgeruch die Arbeiter; der mit Hydrat versetzten Lauge haften
alle diese Übelstände nicht an, sie ist fast geruchlos.
Die Erfinder des Antiformins sind der Ingenieur Viktor
Törnell und der Braumeister Axel Sjöö in Stockholm. Das Anti-
*) Eau de Javelle ist eine wässerige, viel freie unterchlorige Säure ent-
haltende Lösung von Kaliumhypochlorit.
— 213 —
formin wird hergestellt und vertrieben durch die Antiformin- Kom-
pagnie, Hans Knorr, Berlin-Charlottenburg 5.
Das Antiformin ist etwas billiger als Kresolseifenlösung; 60 kg
kosten exklusive Verpackung und Fracht etwa 24,50 N.
II. Gutachten Ober das Antiformin.
Von der Antiformin-Komp. wurden mir, auf mein Ersuchen hin,
einige Gutachten gesandt, die erstattet sind von der Versuchsanstalt
für Brauindustrie in Böhmen zu Prag, von der Österr. Versuchs-
station und Akademie für Brauindustrie in Wien, von der Versuchs-
und Lehranstalt für Brauerei in Berlin, von dem Laboratorium der
Ersten wissenschaftlichen Station für das Brauwesen in New-York,
von Alfred Jörgensen in Kopenhagen und von Dr. Piorkowski
in Berlin.
Nach den brauereitechnischen Gutachten, die der Kritik zu-
gängliche Einzelheiten zumeist nicht oder nur in geringem Um-
fange enthalten, ist das Antiformin in 2— 12proz. Lösungen ein
vorzügliches Reinigungs- und Desinfektionsmittel für die Gärungs-
industrie.
Das Gutachten Dr. Piorkowskis lautet:
.... habe . . . .die Tatsache bestätigt gefunden, daß Antiformin in
5 — 6proz. Lösung fast augenblicklieb die vegetativen Formen der pathogenen
Mikroorganismen abtötet.
Es wurden zu den Versuchen herangezogen die Bazillen der Geflügel-
cholera, der Schweineseuche, des Rotlaufs, der Pneumonie, der Druse, der
Diphtherie und des Milzbrandes. Alle diese Bakterien konnten sofort, je nach
ihrer Art, von 2— 6proz. Lösungen vernichtet werden. Mit 6proz. Lösung
konnten jedenfalls alle Bakterienarten abgetötet werden. Selbst Milzbrand-
sporen wurden durch eine 6proz. Lösung in der Entwicklung gehemmt, mit
lOproz. Lösung nach 10 Stunden abgetötet.
Das Mittel wurde zumeist in Kulturen angewendet, wo es sofortige
Agglutination hervorrief. Wurde den wirklichen Verhältnissen entsprechend
auf Holz oder Metall angetrocknetes Material verwendet, und das Mittel mit
dem Pinsel aufgetragen oder direkt versprengt, dann stellten sich die Verhält-
nisse noch günstiger.
Hiernach dürfte sich Antiformin als Desinfektionsmittel, wie namentlich
zum Reinigen und Desinfizieren von Viehtransportwagen, Stallen etc. vorzüg-
lich empfehlen.
— 214 —
III. Eigene Versuche.
Das Antiformin wurde geprüft in seiner Wirkung auf
den Erreger des Rotlaufs der Schweine (Bact. erysipelatos suum),
„ „ der Schweineseuche (Bac. suisepticus),
„ „ der Schweinepest (Bac. suipestifer),
„ „ der Kälberruhr (Bact. coli vitulosepticum),
„ „ der ansteckenden Lungen - Brustfellentzündung der
Kälber,
., „ der Geflügelcholera (Bac. avisepticus),
„ „ der Druse der Pferde (Streptococcus equi),
„ „ der Tuberkulose (Bac. tuberculosis),
„ „ des Milzbrandes (Bac. anthracis), sowie dessen Sporen
und gegen den Bac. pyogenes suis.
Sämtliche Bakterienarten waren vor Beginn der Desinfektions-
versuche biochemisch geprüft worden. Unmittelbar vor jedem
Versuch wurden die Kulturen mikroskopisch auf Reinheit geprüft.
Abgeschlossen wurde jeder Versuch — auf die Prüfung des
Tuberkelbazillus bezieht sich dies nicht — erst dann, wenn die
Kulturen 8 Tage im Brutschrank gestanden hatten. Ob Wachstum
eingetreten war oder nicht, konnte makroskopisch entschieden werden;
stets wurden jedoch Stichproben und erforderlichenfalls auch die
ganzen Versuchsreihen mikroskopisch geprüft.
Für das Bact. erysipelatos suum wurde eine Nährbouillon ver-
wendet, die aus magerem Rindfleisch und nach den Angaben
Heims*) angefertigt war; bereits nach 20-— 24 Stunden war in
dieser Bouillon das Wachstum deutlich erkennbar.
Der Bac. pyogenes suis wurde in einer Mischung von einem
Teil Blutserum und vier Teilen gewöhnlicher Nährbouillon ge-
züchtet. Für alle übrigen Bakterien wurde eine aus frischem Pferde-
fleisch hergestellte, schwach alkalische Bouillon benutzt. Auf Zusatz
einiger Tropfen 1 proz. Phenolphtaleins zeigte dieselbe einen ganz
schwachen, gerade noch erkennbaren Rosaschimmer.
Das Wachstum war in dieser Bouillon nach 10—48 Stunden
stets sehr stark. Auch der Erreger der Druse wuchs ungemein
üppig, er trübte nach zweitägigem Wachstum die Bouillon stark
und gleichmäßig; war aber die Reaktion der Bouillon auch nur eine
Spur stärker oder schwächer alkalisch, so wuchs der Drusestrepto-
*) Heim, Lohrb. d. Bakteriologie, 2. Auflage, 1898, S. 181.
— 215 —
kokkus, auch bei sehr reichlicher Einsaat, entweder überhaupt nicht,
oder doch nur sehr spärlich und agglutiniert.
Die Desinfektionslösungen hatten, wenn sie zur Verwendung
kamen, Zimmertemperatur.
a) Bestimmung des entwicklungshemmenden (anti-
septischen) Wertes des Antiformins.
Es wurde zunächst das Verhalten der obengenannten Bakterien —
mit Ausnahme des Tuberkelbazillus, des Bac. pyogenes und der
Milzbrandsporen — gegen 0,001 bis 0,1 proz. Lösungen von Anti-
formin untersucht.
Zu 9,8 ccm steriler Bouillon wurde 0,1 ccm gut gewachsener,
durch Schütteln feinst verteilter, 12 — 36 stündiger Bouillonkultur
gebracht; dann wurde jeweils 0,1 ccm verschieden starken Anti-
formins zugesetzt, und es wurde durch kräftiges Schütteln gründlichst
gemischt. Zuerst wurden alle Bakterien eingesät, dann wurde die
jeweils schwächste Antiforminlösung gefertigt und sofort zu den
bezüglichen Kulturen gebracht. Verwendet wurden hierzu 1 ccm
haltende Meßpipetten, geteilt in 0,01 ccm. Für jede Bakterienart
wurde ein Kontrollversuch gemacht; zu 9,9 ccm Bouillon kam jeweils
0.1 ccm der bezüglichen Kultur.
Unterschiede im Wachstum der Kontrollröhrchen und der
schwächsten Antiforminlösungen wurden nicht beobachtet.
Am widerstandsfähigsten erwies sich der Bac. avisepticus, dann
folgten in geringem Abstände die übrigen Bakterien mit Ausnahme
des Erregers des Schweinerotlaufs und der Druse, welch letztere
viel empfindlicher waren.
In den Kulturen des Geflügelcholerabazillus war nach 3 bis
5 Stunden bereits etwas Wachstum zu sehen; nach 7—9 Stunden
war in den Kulturen aller Bakterien Wachstum deutlich erkennbar,
die Kulturen des Rotlaufbazillus und des Drusestreptokokkus aus-
genommen. In den stärkeren Antiforminlösungen war jedoch das
Wachstum etwas geringer als in den schwächeren; am Tage darauf
hatte sich dieser Unterschied aber ausgeglichen.
Die Entwicklung des Bact. erysipelatos suum wurde durch
O,0()G proz. Antiforminlösung bereits verzögert, gehemmt wurde
die Entwicklung desselben durch 0,08 proz. Lösung.
Der Streptococcus equi wuchs zuletzt noch in 0,08 proz. Anti-
forminlösung.
— 216 —
Die Versuche mit dem Rotlauf bazillus und besonders mit dem
Drusestreptokokkus ergaben nicht so „glatte Reihen" wie die
Versuche mit den übrigen Bakterien. Ich lasse es unentschieden,
ob dies zurückzufahren ist auf das langsame Wachstum der beiden
Bakterienarten, oder ob dieses Verhalten seine Begründung darin
hat, daß bei den Rotlaufbazillen, und namentlich bei den Druse-
streptokokken, ganz beträchtliche Unterschiede in der Widerstands-
fähigkeit der einzelnen Individuen bestehen.
In einer zweiten Versuchsreihe wurden 0,2— 5proz. Antiformin-
lösungen in gleicher Weise geprüft, auch gegen Milzbrandsporen.
Die 2proz. Lösungen des Antiformins in Bouillon hatten
bereits einen deutlichen gelben Schimmer, die öproz. waren nahezu
quittengelb.
Bereits bei der Herstellung der 0,7 — 0,8proz. Lösungen fielen
feine gelatinöse Flocken aus; die Trübung der Bouillon bzw. der
flockige Niederschlag war um so beträchtlicher, je stärker die
Antiforminlösungen wurden.
Die 0,2proz. Lösung des Antiformins verlangsamte die Ent-
wicklung etwas. Der Erreger der Geflügelcholera war auch hier am
widerstandsfähigsten.
Die Entwicklung des Bac. avisepticus unterblieb in der 0,7proz.
Lösung; desgleichen die des Bac. suipestifer und des Bact. coli
vitulosepticum, wie ich den Kälberruhr-Kolibazillus nennen möchte.
Der Bac. suisepticus, der Erreger der ansteckenden Lungen-Brustfell-
entzündung der Kälber, sowie der Milzbrandbazillus wuchsen nicht
mehr in der 0,5proz. Lösung. Das Auskeimen der Milzbrandsporen
wurde schon durch die 0,3proz. Lösung des Antiformins verhindert.*)
b) Bestimmung des keimtötenden (desinfizierenden)
Wertes des Antiformins.
Bestimmte Mengen der Bakterien wurden gemischt mit be-
stimmten Mengen des Antiformins. Von diesem Bakterien-Des-
infektionsgemisch wurden dann nach bestimmten Zeiträumen jeweils
gleiche Mengen entnommen und in je 10,0 ccm Nährbouillon ge-
bracht. Es wurde dann sofort sorgfältigst gemischt, um die Bak-
*) Mehrere, den entwicklungshemmenden und keimtötenden Wert des
Antiformins zeigende Tabellen, die dem Bericht an den Minister beigefügt
waren, sind hier nicht wiedergegeben, weil sie zum Verständnis der Aus-
führungen nicht unbedingt erforderlich sind.
— 217 —
terien dem Einfluß des mitübertragenen Desinfektionsstoffes tun-
lichst zu entziehen. Die Röhrchen kamen dann auf acht Tage in
den Brutschrank.
Es wurden immer frisch bereitete Antiforminlösungen ver-
wendet, Ausnahmen sind besonders vermerkt.
Stets ging ein Kontrollversuch mit Sublimat und ein KontroU-
versuch mit dem Lösungsmittel des Antiformins sowie mit der Sub-
stanz, in der die Bakterien aufgeschwemmt waren, nebenher.
öproz. Antiforminlösung wurde verglichen mit lpromilliger
Sublimatlösung, lproz. Antiformin entsprechend mit 0,2promilligem
Sublimat. Die Sublimatlösungen waren mittelst Angererscher Pa-
stillen bereitet.
Anfangs wurde viel mit Pipetten gearbeitet, die ja ein ge-
naueres Abmessen gestatten sollen, später aber nur noch mit der
Platinöse.
Wenn ich Pipetten — 1 ccm-Pipetten — verwendete, so über-
trug ich jeweils 0,1 ccm des Bakterien-Desinfektionsgemisches; ich
hatte dann gewöhnlich 4,9 und 4,5 ccm Desinfektionslösung, ge-
mischt mit 0,1 und 0,5 ccm Kultur.
Bei den Versuchen, in denen ich jeweils 1 Öse des Bakterien-
Desinfektionsgemisches übertrug, mußte die Bakterienmenge viel
höher gewählt werden; ich nahm dann gewöhnlich gleiche Teile
Kultur und Desinfektionsmittel. Benutzt wurde stets dieselbe Öse.
Ich fand bei diesen Versuchen die Öse der Pipette überlegen.
Mit der Öse kann man viel rascher arbeiten als mit den Pipetten,
auch kann man den beim Gebrauch der letzteren stets benötigten
Gehilfen vielfach entbehren.
Bei beiden Verfahren wird zugleich mit den Bakterien etwas
Desinfektionsstoff übertragen; bei Verwendung der Platinöse war
dies jedoch nie so viel, daß dadurch die Entwicklung der Bakterien
beeinträchtigt worden wäre; beim Pipettenverfahren jedoch konnte
die Entwicklung zumal der empfindlicheren Bakterien durch stärkere
Antiforminlösung beeinträchtigt und durch die Sublimatlösungen so-
gar verhindert werden.
um jeweils Gewißheit darüber zu haben, ob die mitübertragene
Desinfektionslösung das Wachstum der Bakterien unterdrücke oder
beeinträchtige, wurden bei jedem Desinfektionsversuch die ent-
sprechenden Mengen Kultur und Desinfektionsstoff in ein Kontroll-
röhrchen zu 10 ccm Bouillon gebracht.
— 218 —
Um auch einen Maßstab für die relative Geschwindigkeit des
Bakterienwachstums zu haben, wurde ferner jeweils in ein weiteres
Kontrollröhrchen die entsprechende Menge Kultur allein eingesät.
Der Tuberkelbazillus wurde auf eine andere, später zu be-
sprechende Weise geprüft.
5proz. Antiforminlösung tötete die geprüften Bakterien, wenn
nicht sofort, so doch innerhalb einer halben Minute ab, selbst dann,
wenn es, wie bei den Milzbrand- und Schweineseuchebazillen, nicht
immer gelungen war, die Kulturen durch Schütteln feinst zu ver-
teilen. Bis das Mischen jeweils geschehen war und bis das Bak-
terien-Desinfektionsgemisch in die Nährbouillou übertragen war,
verging stets eine halbe Minute; es trat dann aber in der Bouillon
niemals mehr Wachstum ein.
Auch wenn das Antiformin nicht gegen Bouillonkulturen ge-
prüft wurde, sondern gegen Bakterien, die in Harn, Milch oder in
Blutserum gewachsen oder aufgeschwemmt waren, so wurde doch nach
J/2 Minute langer Einwirkung Wachstum nicht mehr beobachtet.
2,5proz. Antiforminlösung tötete Bouillonkulturen gleichfalls
in einer halben Minute ab; 1/2proz. Lösung, sofern sie frisch be-
reitet war, leistete dies in l;.2 — 1 Minute.
Ältere 1/2Proz- Lösungen, auch wenn sie in gutschließenden
Gefäßen aufbewahrt waren, vermochten dies — wohl infolge Ver-
lustes von Chlor — allerdings nicht mehr.
Während frisch bereitetes V2Proz- Antiformin die Erreger der
Geflügelcholera in einer Minute getötet hatte, brachte eine 43 Tage
alte, in einem Glase mit eingeschliffenem Glasstopfen aufbewahrte
V2proz. Antiforminlösung dies während 12 Stunden nicht zustande.
0,1 pro miliiges Sublimat tötete stets sofort.
2,5proz. Antiformin vernichtete die in Harn gewachsenen oder
aufgeschwemmten Bakterien gleichfalls binnen einer halben Minute,
in Milch oder Blutserum gewachsene oder aufgeschwemmte Kul-
turen aber erst in 5—6 Minuten.
1/3proz. Antiformin leistete dies gegen in Harn gewachsene
oder aufgeschwemmte Kulturen gleichfalls, tötete in Milch oder in
Blutserum gewachsene oder aufgeschwemmte Kulturen aber erst
in ö— 10 Minuten; durch 0,1 promilliges Sublimat wurden letztere
in 3 Minuten vernichtet.
Wesentliche Unterschiede wurden nicht bemerkt, wenn das Anti-
formin, anstatt mit Wasser, mit Nährbouillon oder mit Harn verdünnt
— 219 —
war. Wenn dagegen Blutserum zur Verdünnung genommen worden
war, so trat wenigstens in der Abtötung der widerstandsfähigeren
Bakterien, wie z. B. das Bac. avisepticus etwas Verzögerung ein; in
sterilem Schweineharn gewachsene Bakterien des Schweinerotlaufes
wurden jedoch durch VoP1*02- Serum- Antiformin noch binnen 1/2 Minute
vernichtet.
In Bildung begriffene, noch nicht ganz fertige Milzbrandsporen,
wurden in Bouillon durch 5proz. Antiformin binnen einer Minute
so geschädigt, daß sie nicht zur Auskeimung gelangten.
In Nährbouillon feinst aufgeschwemmte Milzbrandsporen wurden
durch 2,5proz. Antiformin nach 7 Stunden abgetötet. Wurden die
Sporen aber in Blutserum feinst aufgeschwemmt, so war das Wachstum
durch 9 Stunden langes Verweilen in oproz. Antiforminlösung zwar
etwas gehemmt, es trat aber selbst nach 12 Stunden langer Ein-
wirkung des Antiformins noch üppige Entwicklung ein, während eine
lpromillige Sublimatlösung die Sporen innerhalb 3 Stunden abge-
tötet hatte.
Zu erwähnen sind hier noch die Veränderungen, die das Anti-
formin in Kulturen, sowie in Milch und Blutserum hervorbrachte.
Wiederholt wurde beobachtet, daß das Antiformin in feinst
verteilten Kulturen (Bouillonkulturen. Aufschwemmungen in Harn,
Milch und Blutserum) zarte Flocken ausfällte oder bereits vorhanden
gewesene Fädchen und Körnchen stark aufquellen machte. Harn
wurde durch die in Betracht kommenden Mengen des Antiformins
kaum verändert. Milch wurde durch öproz. Antiformin sofort gelblich
gefärbt; 18 Stunden später war die Milch feinflockig; nach weiteren
24 Stunden war sie umgewandelt in eine gelbgraue, weiche Gallerte.
Blutserum wurde durch 2,oproz. Antiformin wenig verändert, durch
öproz. aber wurde es stark aufgehellt und gelblich verfärbt
Zur Prüfung des Tuberkelbazillus wurde nicht das Kultur-
verfahren, sondern der hierfür empfindlichere und verläßlichere Tier-
versuch in Anwendung gebracht.
Glyzerin- Agar, der mit ^jj-l'^mm hohen, zusammenhängen-
den, krümeligen Kolonien des Tuberkelbazillus dicht bewachsen
war, wurde in öproz. Antiforminlösung gelegt. Nach 2 Minuten
und dann von Zeit zu Zeit wurde mittelst einer 2 Milligramm fassenden
Öse Kulturmaterial entnommen, in Schälchen mit je 20 ccm steriler
physiologischer Kochsalzlösung gebracht und mittelst eines sterilen
Glasstabes zerdrückt. Nach 2 Stunden wurden die Körnchen mit der
— 220 —
Spritze aufgenommen und subkutan an 200—300 g schwere Meer-
schweinchen verimpft. Keines dieser Tiere wurde tuberkulös. Das
Kontrollmeerschweinchen starb nach 5 Wochen an allgemeiner
Tuberkulose; dieses war mit 1 Öse Kultur geimpft, die gleich-
falls 2 Stunden lang in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung ge-
legen hatte, in die zugleich mit dem Material auch 1 Öse öproz.
Antiformins übertragen worden war.
Zu einem weiteren Versuch wurde Milch einer eutertuber-
kulösen Kuh verwendet. Das Sekret war in dicker Schicht schmutzig
weißgrau; in dünner Schicht sah es fast aus wie gewässerte nor-
male Milch, enthielt aber zahlreiche, feine griesige Körnchen.
Tuberkelbazillen konnten im Milchausstrich nicht nachgewiesen
werden, wohl aber im Zentrifugenschlamm. Dieser war gelblich-
grau und zähschleimig. Er wurde in 1 — 2 mm dicker Schicht und
in Form quadratischer Felder von etwa 5 mm Seitenlänge auf
Deckgläschen ausgestrichen. Diese wurden dann in öproz. Anti-
forminlösung gebracht. Nach einer halben Minute, nach 2, 4, 7, 10,
15, 20 und 30 Minuten nahm ich dann je 2 Deckgläschen heraus,
ließ das überschüssige Antiformin auf Filtrierpapier abfließen,
schwenkte die Gläschen jeweils in Schälchen mit 20 ccm steriler
physiologischer Kochsalzlösung ab und legte sie dann in andere,
gleichfalls mit 20 ccm Kochsalzlösung gefüllte Schälchen. Beim
Abschwenken löste sich von dem Zentrifugenschlamm stets eine
Wolke feinster Körnchen ab, die um so stärker war, je länger
das Material in der Antiforminlösung gelegen hatte. In dem
zweiten Schälchen der sterilen Kochsalzlösung blieben die Deck-
gläser 2 Stunden. Dann wurde das Material mit dem Messer von
dem Glase abgelöst, in 1 mm breite Streifen geschnitten, mit der
Spritze aufgenommen, und zusammen mit 1 ccm der Kochsalzlösung
je einem 200—300 g schweren Meerschweinchen subkutan oder intra-
peritoneal eingespritzt.
Bei den 2 Kontrollmeerschweinchen, die mit entsprechend
behandeltem Material geimpft waren, konnte durch Betasten der
bezüglichen Lymphdrüsen schon nach 3 Wochen Tuberkulose fest-
gestellt werden, bei den Antiforminmeerschweinchen damals aber
noch nicht. Als diese Tiere nach seehswöehentlicher Versuchsdauer
getötet wurden, war Drüsenschwellung intra vitam nur bei der
ersten Hälfte zu fühlen gewesen: tuberkulöse Veränderungen wurden
indes bei allen Tieren aufgefunden. Es war aber sehr deutlich zu
— 221 —
sehen, daß die Tuberkulose um so vorgeschrittener war, je kürzere
Zeit das tuberkulöse Material in der Antiforminlösung geweilt hatte.
Daß hier eine vollständige Abtötung in der Zeit von 30 Minuten
nicht zustande kam, steht im Einklang mit der Erfahrung, daß
tuberkulöses Sputum auch durch Sublimat erst nach längerer Ein-
wirkung desinfiziert wird. Es kann hieraus auch ersehen werden,
in welch hohem Maße die Wirkung der Desinfektionsmittel abhängig
ist von einer vorausgehenden mechanischen Lockerung schwer zu-
gänglichen infektiösen Materials.
IV. Verwendung des Antiformins in der Praxis.
öproz. Antiforminlösung wurde während mehrerer Monate ver-
wendet zur Reinigung und Desinfektion der zur Aufbewahrung von
kleinen Versuchstieren dienenden Behälter, sowie des zum Institut
gehörenden Versuchsstalles für größere Tiere. Der Geruch war
nicht in erheblichem Maße lästig, haftete jedoch oft 1 — 2 Tage.
Die Tiere — Färsen, Esel, Schafe, Meerschweinchen und Mäuse —
konnten jedoch, ohne daß Antichlor (Natriumhyposulfit) zur Ver-
wendung gekommen wäre, stets sofort wieder in die gereinigten
Buchten, Töpfe und Kisten gebracht werden. Die Reinigung und
Desinfektion war stets eine vollkommene; Milzbrand kam allerdings
nie in Betracht.
Die Fähigkeit des Antiformins, tote organische Substanzen zu
durchdringen, ist erstaunlich.
Ein Stück Fell eines verendeten Kalbes sah nach 24 stündigem
Verweilen in öproz., in einem kalten Zimmer aufgestellten Anti-
forminlösung wie halbgekocht aus: das Unterhautbindegewebe war
sulzig geworden; die Farbe der Haare — schwarz und weiß —
war nicht angegriffen.
Schweinsborsten, die ich vorher mit Wasser und Seife hatte
säubern lassen, wurden nach kurzem Verweilen in öproz. Anti-
formin ganz schleimig.
Die Oberhaut der Hände wird durch 1— öproz., nicht er-
wärmte Antiforminlösung gelockert, die Hände werden sofort schlüpf-
rig und zwar in höherem Maße als durch Kresolseifenlösung. Auf
40° erwärmte öproz. Antiforminlösung macht die Hände in sehr
hohem Grade schlüpfrig.
— 222 —
Die behaarte Haut der Tiere wird durch 5 proz. Antiformin
nicht geschädigt.
Einem schwarzweißen Rinde ließ ich die Füße, den Unter-
bauch und die Unterbrust mit 5 proz. lauwarmer Antiforminlösung
gründlich abbürsten, ohne daß dies in irgendeiner Hinsicht un-
angenehme Folgen gehabt hätte.
6 Meerschweinchen ließ ich in öproz., auf 40° C erwärmter
Antiforminlösung baden. Die Tiere wurden J/2, 1, 2, 5, 10 und
15 Minuten in die Lösung getaucht, so daß nur der Kopf heraussah.
Dann wurde das Antiformin leicht aus den Haaren gestreift, und die
Tiere kamen in eine mit Stroh ausgelegte Kiste neben die Heizung.
Sie fraßen sofort wieder; Vergiftungserscheinungen wurden nicht beob-
achtet. Die Spitzen der weißen Haare des 15 Minuten lang gebadeten,
kurzhaarigen Meerschweinchens waren jedoch ganz leicht gelbbraun
verfärbt; bei dem 10 Minuten lang gebadeten, halblanghaarigen
Meerschweinchen waren aber die Spitzen der weißen Haare ganz
gelbbraun geworden, und auch der Schaft derselben war teilweise
verfärbt.
Das öproz. Antiformin greift Metalle und Metallack nicht an,
Kork und Gummi, Watte, Schnur und Stricke werden nicht merk-
lich verändert. Auch Leinwand zeigt nach viertelstündiger Ein-
wirkung keine Schädigung, nach 24 stündiger Einwirkung aber
ist sie gelb und brüchig. Leder wird durch vorübergehendes Bürsten
kaum angegriffen. Ölfarbenanstriche aber werden, je nach ihrer
Güte, durch 1 — oprozentige Lösungen teils stark gelockert, teils
vollkommen aufgelöst, insbesondere wenn das Antiformin mit der
Bürste aufgetragen wird. Auch Möbellack und Politur wird stark
angegriffen oder aufgelöst. Mit Karbolineum getränktes Holz zeigt
nach dein Abbürsten keine nachteilige Veränderung.
Kleidung und Schuhwerk des Wärters, der die Desinfektion
des Versuchsstalles jeweils vorzunehmen hatte, wurden nicht be-
merkenswert geschädigt.
V. Zusammenfassung der Ergebnisse.
Das Antiformin besitzt in 5 proz. und schwächeren,
wässerigen Lösungen eine hervorragende reinigende Kraft;
es bringt tote organische Substanzen stark zum Aufquellen
und löst sie teilweise. Es macht jedoch die Hände ziemlich
— 223 —
schlüpfrig und greift Ölfarben stark an. Der Geruch ist
nicht in besonderem Maße belästigend.
Auch die antiseptische und desinfizierende Wirkung
des Antiformins ist recht bedeutend. Die frisch bereitete
f>proz. Lösung tötet in Nährbouillon, Harn, Milch oder Blut-
serum gewachsene oder aufgeschwemmte tierpathogene
Bakterien (Bact. erysipelatos suum, Bac. suisepticus, Bac.
suipestifer, Bact. coli vitulosepticum, Erreger der an-
steckenden Lungen-Brustfellentzündung der Kälber, Bac.
avisepticus, Streptococcus equi, Bac. anthracis und Bac.
pyogenes suis) anscheinend sofort. */2— lx/2 mm hohe
Rasen des Tuberkelbazillus werden binnen zwei Minuten
infektionsuntüchtig. Schon die 0,3proz. Lösung verhindert
das Auskeimen der Milzbrandsporen; aber selbst die öproz.
Lösung tötet die Milzbrandsporen in angemessener Zeit
nicht ab.
Die frisch bereitete öproz. wässerige Lösung des Anti-
formins kann demnach empfohlen werden als Reinigungs-
und Desinfektionsmittel für alle diejenigen Fälle der
landwirtschaftlichen und tierärztlichen Praxis, in denen
Milzbrand nicht in Frage kommt und in denen die er-
wähnten unerwünschten Eigenschaften des Mittels nicht
stören.
(Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin.)
Untersuchungen Ober Sporulation der Milzbrandkeime
und ihre Bedeutung für die Nachprüfung der Milzbrand-
diagnose.
Von
Reinhold Eberle.
Seit der Erforschung der Biologie des Milzbranderregers durch
Robert Koch ist es für notwendig erachtet worden, die auf den
pathologisch- anatomischen Befund gestützte Diagnose durch den
bakteriologischen Nachweis des Erregers sicher zu stellen. Die
bakteriologische Untersuchung vergrößerte aber zunächst die Schwie-
rigkeiten, anstatt sie zu verringern, da sie sich in der Hauptsache
auf den farberischen Nachweis der Milzbrandbazillen beschränkte,
und es sich herausstellte, daß es milzbrandähnliche Bazillen gibt,
die Kadaverbazillen. Da entdeckte Johne an den Milzbrandbazillen
eine durch besondere Färbemethoden feststellbare Kapsel. Nunmehr
glaubte man in der Lage zu sein, jeden Milzbrandfall sicher nach-
zuweisen. Diese Annahme bestätigte sich aber nicht, weil die
Darstellbarkeit der Kapsel an den Milzbrandbazillen von be-
schränkter Dauer ist. Zur Kontrolle und Ergänzung kamen daher
bald weitere Hilfsmittel in Anwendung, zuerst die Impfung und
die Kultur. Namentlich letztere, auf die gelegentlich von Fränkel
hingewiesen und deren große Bedeutung für den Milzbrandnachweis
bei Tieren durch verschiedene Publikationen des Hygienischen
Instituts der Berliner Tierärztlichen Hochschule (Bongert, Kaest-
ner) dargetan wurde, spielt jetzt bei der bakteriologischen Sicherung
der Milzbranddiagnose die ihr gebührende Rolle.
Kultur und Tierversuch lassen sich der Regel nach nur in
Laboratorien und Instituten mit den hier zur Verfügung stehenden
Hilfsmitteln und durch die hier vorhandenen geschulten Kräfte aus-
führen. Deshalb muß Milzbrandmaterial versandt werden. Anfangs
— 225 -
geschah der Versand von Blut und Organbrei in flüssigem Zustande,
dann in dünnen Objektträgerausstrichen (Troester). Olt empfahl den
Versand auf Kartoffelscheiben, Bongert und Ho sang schlugen vor,
Blut in dicker Schicht auf Objektträgern einzutrocknen, Kaestner
empfahl die Eintrocknung außer auf Glas auf Wolle und Papier,
und Fischoeder benutzte Tuben von besonderer Beschaffenheit.
Der Wert der Eintrocknung des Untersuchungsmaterials in
dicker Schicht, der durch die Versuche von Bongert, Hosang
und Kaestner erwiesen ist, beruht nach Ansicht dieser Autoren
auf der Konservierung der Milzbrandbazillen.
Ein neues Verfahren ist die Straßburger Gipsstabmethode, die
von Forster und seiner Schule angegeben und bereits in dieser
Zeitschrift*) von Jacobsthal und Pfersdorff eingehend behandelt
worden ist. Nach der ersten Publikation über diese neue Methode
zum Versand von Milzbrandmaterial von Marx er, und ehe die Arbeit
von Jacobsthal und Pfersdorff erschienen war, habe ich auf An-
regung des Leiters des Hygienischen Instituts der Berliner Tier-
ärztlichen Hochschule die Gipsstabmethode einer Prüfung unterzogen.
Meine Untersuchungen erstreckten sich auf:
1. Die Prüfung der für die Sporulation der Milzbrandkeime
günstigsten Materialien, speziell der Gipsstäbe;
2. die Feststellung der für die Sporulation erforderlichen
Temperatur;
3. die Prüfung des Verhältnisses der Feuchtigkeit des
Versandmaterials oder des verdächtigen Untersuchungs-
materials sowohl zum Eintritt der Sporulation, als auch
zur Erhaltung der Sporulationsfähigkeit der Milzbrand-
bazillen, d. h. zu ihrer Fähigkeit zu Fäden auszuwachsen
und Sporen zu bilden;
4. die Ermittelung der Lichteinwirkung auf die Sporu-
lation der Milzbrandbazillen.
Das Ergebnis meiner Untersuchungen, die ich in extenso als
Arbeit aus dem Hygienischen Institut der Berliner Tierärztlichen
Hochschule veröffentlichen werde, läßt sich in folgenden Schlußsätzen
zusammenfassen:
1. Die Straßburger Gipsstabmethode ist zum Versand von
Milzbrand und milzbrandverdächtigem Material zwecks bakterio-
logischer Feststellung des Milzbrandes sehr geeignet.
*) Bd. l, S. 102.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, S/S. 15
— 226 —
2. Der Vorteil des Verfahrens beruht darauf, daß es bei Be-
folgung der von Forst er und seinen Schülern angegebenen Be-
handlung möglich ist, die Milzbrandbazillen auf den Gipsstäben zur
Sporulation zu bringen.
3. Auch auf anderen Substraten (Pappdeckel insbesondere),
die nach der Forst ersehen Methode behandelt werden, tritt
Sporulation der Milzbrandbazillen ein.
4. Für das Zustandekommen der Sporulation kann als unbedingt
erforderlich nur gelten: Die Anwesenheit von Sauerstoff, eines be-
stimmten Maßes von Feuchtigkeit und einer bestimmten Temperatur.
5. Fehlt letzterer Faktor, z. B. während des Transports zur
kälteren Jahreszeit (in den Monaten November-April), so verlieren
die Bazillen trotzdem ihre Fähigkeit, zu Sporen auszukeimen, nicht,
wenn das Substrat genügend feucht erhalten wird. Die Sporulation
kann bei genügender Feuchtigkeit des Materials noch nach Verlauf
von mehreren Tagen einsetzen, wenn der fehlende Faktor, d. h.
die genügende Wärme (Temperatur von ca. 20° C), hinzukommt.
6. Diffuses Tageslicht übt auf die Sporulation von Milzbrand-
bazillen in Blut oder Organsaft bei 1 — 2 tägiger Einwirkung keinen
schädigenden Einfluß aus.
7. Der Nährboden an sich ist für die Sporulation ziemlich
bedeutungslos; dies geht unter anderem daraus hervor, daß ganz
dünnes Aufstreichen auf feuchten Gips und etwas dickeres auf
sterilen Objektträger den Eintritt der Sporulation unter den sub 4
angegebenen Bedingungen ermöglicht.
8. Daß sich mittelst des Gipsstabverfahrens (und der diesem
entsprechenden, mit anderem porösem Material arbeitenden Verfahren)
der Milzbrandnachweis unter Umständen länger ermöglichen läßt,
als bei der Eintrocknung des Milzbrandmaterials in dicker Schicht,
dürfte dadurch zu erklären sein, daß bei jenem sofort nach dem
Aufstreichen milzbrandkeimhaltigen Materials in dünner Schicht der
schädigende Einfluß der Anaerobier gehemmt oder beseitigt wird,
während bei der Eintrocknung in dicker Lage dies wohl nur in
der oberflächlichsten Schicht der Fall ist. Dazu kommt noch bei
dem Gipsstabverfahren (und den diesem entsprechenden, oben er-
wähnten Verfahren) die Gelegenheit besserer Sauerstoflumspülung
als ein die Sporulation der Milzbrandbazillen begünstigender Faktor.
Ober eine Ledermaske als Hilfsmittel zur klinischen
Feststellung der Lungentuberkulose des Rindes.
Von
Dr. med. vet. L. Opalka,
Assistenten am Bakteriologischen Laboratorium der Landwirtschaftskammer
für die Prolins Brandenburg In Berlin.
Die klinische Untersuchung der Rinder auf Lungentuberkulose
findet bei der Durchfuhrung des von Professor Dr. Ostertag
empfohlenen Tuberkulosetilgungsverfahrens in der Weise statt, daß
man die Tiere zu tiefen Einatmungen veranlaßt und hierauf aus-
kultiert. Auf diese Weise werden abnorme Lungengeräusche hörbar,
die bei ruhiger Atmung nicht wahrgenommen werden können. Die
tiefen Einatmungen können auf zweierlei Art ausgelöst werden.
Entweder läßt man die Tiere traben oder man hält ihnen für kurze
Zeit die Nasenöffnungen zu.
Da das Traben aus verschiedenen Gründen (Mangel an Raum,
an Leuten, ungünstige Witterung, Widersetzlichkeit und Unbändig-
keit mancher Tiere, Klagen des Besitzers über geringeren Milch-
ertrag nach dem Traben usw.) nicht immer durchfuhrbar ist, so
wird häufig der zweite Weg zur Herbeiführung tiefer Einatmungen
gewählt.
Zum Zuhalten der Nasenöflnungen bedient man sich gewöhn-
lich eines Gehilfen, der mit der linken Hand den Kopf des Tieres
stützt und mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die
Nasenlöcher des Tieres zudrückt, nachdem diese mit einem mehr-
fach zusammengelegten Handtuch bedeckt worden sind. Als Ersatz
für diese lebende Hilfe habe ich eine Ledermaske zur Kompression
der Nasenöflnungen konstruiert.
Sie hat die Form eines Tabaksbeutels, ist am Vorderteil mit
zwei nach innen hineinragenden Vorsprüngen versehen, die die
Nasenöflnungen vollständig verschließen. Die hierdurch bedingte
15*
— 228 —
Atemnot veranlaßt nach der Abnahme der Maske einerseits sofortige
Auslösung von Hustenstößen bei Tieren mit Hustenreiz und sodann
eine verstärkte Inspiration, die längere Zeit anhält und daher eine
eingehende Auskultation der Lungen ermöglicht. Mittelst einer
um den äußeren Rand laufenden Schnur kann die Maske bequem um
den Nasenrücken des Rindes befestigt werden. Zum Anlegen, des-
gleichen zur Abnahme der Maske sind Handgriffe vorhanden. Ihre
Reinigung und Desinfektion ist leicht ausführbar.
Erhältlich ist die Maske bei der Instrumentenfabrik von
Hauptner in Berlin.
Referate.
Die Negri sehen Körperchen und ihre Bedeutung für
die Diagnose der Tollwut.
Sammelreferat.
Von
Dr. Albert Bohne,
Assistenzarzt am Hafenkrankenhaus zu Hamburg.
(Mit Tafel III.)
Seitdem Pasteur seine Methode der Schutzimpfung gegen Tollwut
angegeben hatte, war es nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern
von eminent praktischer Bedeutung, möglichst bald in der Lage zu sein,
die Wutdiagnose richtig stellen zu können. Alle Bemühungen der patho-
logischen Anatomen, für Lyssa charakteristische Veränderungen zu finden,
schlugen fehl; entweder waren diese für Lyssa nicht spezifisch oder nicht
konstant. Daher mußte die Mitteilung Negri s über seine Untersuchungen
von Gehirnen wutkranker Hunde großes Aufsehen erregen. Zuerst etwas
skeptisch aufgenommen, wurde sie jedoch bald von zahlreichen Nachunter-
suchera bestätigt und erweitert, sodaß jetzt bereits eine verhältnismäßig
umfangreiche Literatur über die sogenannten Negrischen Körperchen
vorliegt.
Negri fand im Ammonshorn wutkranker Hunde eigenartige Gebilde,
die er bei keiner anderen Krankheit nachweisen konnte. Diese Körperchen
(vgl. Tafel III sowie Fig. 1 und 2) liegen meist intrazellulär und sind von
sehr verschiedener Größe, die zwischen 1 und 27 n schwankt. Die Gestalt
ist wechselnd und meist durch die Lage der Körperchen in der Nervenzelle
bestimmt. In den Körpern der Nervenzellen ist die Gestalt meist eine
runde, wenn sie nicht durch den Kern zu einer ovalen gemacht wird,
dagegen nehmen die Körperchen in den Fortsätzen der Nervenzellen eine
spindelförmige Gestalt an. Im Innern zeigen die N. K.*) eine vakuolen-
artige Struktur. Die Größe dieser Einschlüsse ist verschieden; in den
*) N. K. = Negrische Körperchen.
— 230 —
Fig. 1. Negrisches Körperchen in einer
Ganglicnzcllc. Links der Kern, rechts das
Negrische Körperchen.
(Nach einer Mikrophotographie [Zeifi, Apochr.
2 mm, Komp.-Ok. 8]>
kleineren sind sie gleich groß, während in den größeren ein Kranz kleinerer
Vakuolen ein bis zwei größere umgibt.
Diese Befunde konnte Negri regelmäßig machen und zögerte nicht, die
Gebilde als Parasiten anzusprechen. Dieser Veröffentlichung Negris folgten
nun bald Arbeiten anderer Autoren, die die Angaben Negris in jeder Hin-
sicht bestätigten. So berichteten
Volpino über 37 untersuchte
Fälle, d'Amato über 32, Daddi
über 134, Luzzani undMacchi
über 197, Abbas und Bormans
über 93, Poor über 16, Verf.
über 170 Fälle. Es kamen natür-
lich vorwiegend Gehirne von Hun-
den zur Untersuchung, daneben
auch solche von Menschen, Katzen,
Pferden, Rindern und Kaninchen.
In allen Fällen wurden die N. K.
mit wenigen Ausnahmen gefun-
den, und zwar in Übereinstim-
mung mit dem Tierversuch. Nie-
mals kam es vor, daß die zur Kontrolle geimpften Tiere nicht
erkrankten, wenn die N. K. gefunden wurden. Wenn nun auch
die Anwesenheit der N. K. bei Lyssa als sicher festgestellt gelten konnte,
so waren doch weitere Kontrollen notwendig. Als solche kann man die Fälle
ansehen, bei denen sowohl der Nachweis der N. K. als auch der Tierversuch
negativ ausgefallen war. Jedoch mußte das Fehlen der N. K. auch bei sol-
chen Krankheiten erwiesen werden, die unter gleichen oder ähnlichen Symp-
tomen verlaufen wie Lyssa. Derartige Untersuchungen liegen bereits von
mehreren Autoren vor (Domenicis,
Marzocchi, Pace, Poor, Verf.).
Weder bei Tetanus- und Strychnin-
vergiftung, noch bei Staupe, Epilepsie,
Dysenterie, noch bei einer mit einem
Gumma der Regio rolandica behafte-
ten Frau, noch bei Hunden, die meh-
rere Tage gehungert hatten, wurden
N. K. gefunden. Es sind zwar von
Fig. 2. Negrisches Körperchen einigen Autoren (Bayon, Domeni-
(rechts) in einer zerfallenen Ganglien- eis, Pace) Einschlüsse, besonders
zelle. Links das noch erhaltene Kern- im Kern vorkommend, beschrieben
körperchen der Ganglienzelle. j • j l • j • j _^ jo
<X.ch einer Mikrophotographie [Z . I 0, WOrden» Jed0Ch 8Uld 81e derartig, daß
Apochr. 2 mm, Komp.-ok. 8]i. sie niemals zu einer Verwechslung
— 231 —
Anlaß geben können, wie alle Autoren übereinstimmend versichern. Verf.
hat bei seinen Untersuchungen öfters die Beobachtung machen können,
daß die Kernkörpereben einerseits eine ähnliche Struktur zeigen wie die
N. K. und andererseits noch erhalten sind, wenn die Zelle und der Kern
bereits zerstört sind (vgl. Fig. 2). Um auch den ungeübten Untersucher vor
Irrtümern zu bewahren, empfiehlt daher Verf., die Diagnose auf Wut nur
dann zu stellen, wenn das N. K. in einer gut erhaltenen Nervenzelle liegt.
Die Lage der N. K. ist in der Regel intrazellulär; liegen sie außerhalb
der Zellen, so hat man den Eindruck, als wenn die zugehörige Zelle zer-
stört sei. Aber nicht in allen Zellen sind die N. K. gleichmäßig zu finden.
Schon Negri hat gezeigt, und alle Nachuntersucher haben es bestätigen
können, daß die Hauptfundstelle für N. K. die großen Ganglienzellen des
Ammonshorns sind; weit spärlicher begegnet man ihnen in den Pur k inj e-
schen Zellen des Kleinhirns, sowie in den großen Zellen der Hirnrinde.
In den übrigen Bezirken des Gehirns sind sie sehr selten. Luzzani22)
fand sie auch im Ganglion Gasseri und Ganglion nodosum, Negri30)
in der Brücke und im Rückenmark. Einen weiteren Beitrag zu dieser
Frage finden wir in der sehr inhaltsreichen Arbeit von Williams und
Lowden49). Diese Forscher fanden die N. K. zum ersten Male außerhalb
der Nervenzellen, nämlich in den großen Lymphzellen der perivaskulären
Lymphräume an der Basis des Ammonshorns. Nach den neueren Unter-
suchungen scheinen die N. K. im Zentralnervensystem verbreiteter zu sein,
als man zuerst annahm.
Die Frage, ob die N. K. auch bei Tieren, die mit Virus fixe ge-
impft sind, vorkommen, wurde von mehreren Autoren verneint. Nachdem
aber diesen negativen Resultaten andere Autoren (Xegri, Baschieri,
Verf.) zweifellose positive entgegensetzen konnten, kann diese Frage als
im bejahenden Sinne gelöst gelten. Allerdings lauten die übereinstimmen-
den Angaben dahin, daß bei Virus fixe die N. K außerordentlich spärlich
vertreten und wesentlich kleiner sind als bei Straßenvirus.
Mit welcher Methode kann man nun die N. K. am besten zu
Gesicht bekommen? Da kann man sagen, daß fast jeder Autor, der
sich mit den N. K. beschäftigt hat, auch eine besondere Darstellungsmethode
angegeben hat. Auch Verf. ist in dieser Lage und wird sich daher darauf
beschränken, um nicht pro domo sprechen zu müssen, die verschiedenen
Methoden anzuführen. Auf diese Weise ist der Leser imstande, sich die-
jenige selbst auszusuchen, die ihm am passendsten erscheint.
Zuvor möchte ich mir einige einleitende Bemerkungen gestatten.
Bei der Auswahl der Methode hat man in erster Linie die Ziele zu be-
rücksichtigen, die man verfolgt. Will man zu diagnostischen Zwecken die
N. K. möglichst schnell und deutlich zur Anschauung bringen, so wird
man natürlich einen anderen Weg einschlagen müssen, als wenn man die
— 232 —
Struktur der N. K. studieren will. Für diagnostische Zwecke muß die
Methode imstande sein, auf möglichst einfache Weise in möglichst kurzer
Zeit die N. K. eindeutig zur Anschauung zu bringen. Für einfach aber
kann ich eine Methode nicht halten, die bei negativem Ausfall der einen
auf eine zweite verweist, wenn sie z. B., falls in gefärbten oder un-
gefärbten Ausstrichen nichts gefunden wird, die Anfertigung von Schnitten
erforderlich macht. Denn nach meinen Erfahrungen an der Wutschutz-
abteilung des Königl. Instituts für Infektionskrankheiten zu Berlin wird
einmal eine große Zahl von Gehirnen zur Untersuchung eingesandt, die
sich als nicht lyssakrank erweisen; sodann sind die Gehirne ziemlich
häufig, in denen die N. K. nur in geringer Zahl vorkommen. In beiden
Fällen wäre also eine doppelte Untersuchung notwendig.
In seiner ersten Arbeit empfiehlt Negri29) die Herstellung von Zupf-
präparaten und Aufsuchung der Körperchen im ungefärbten Zustande.
Führte dieser Weg nicht zum Ziel, so behandelte Negri Stückchen vom
Ammonshorn in folgender Weise:
Fixierung in Zenker scher Flüssigkeit.
Einbettung in Paraffin.
Färbung nach Mann:
Mannsche Lösung (lproz. wäßrige Eosinlösung 35 ccm,
lproz. wäßrige Methylenblaulösung 35 ccm,
Aqua dest. 100 ccm) 24 Std.
Abspülung in Wasser.
„ ,, Alkohol abs.
Alkohol abs. mit Zusatz von Natronlauge (auf 30 ccm Alkohol abs.
5 Tropfen einer 1 proz. Lösung von Natronlauge in Alk. abs.)
Abspülen in Alk. abs.
,, „ Wasser.
,. „ Wasser, das mit Essigsäure leicht angesäuert ist.
Schnelles Entwässern.
Einbetton.
Später bediente sich Negri32) zur Fixierung einer Mischung von
gleichen Teilen einer gesättigten Sublimatlösung und Alkohol und zur
Färbung sauren Hämatoxylins nach Ehrlich und Hämatins nach Apathy.
Eine ähnliche Methode hat Fasoli10) angegeben:
Fixierung in Zenker scher Flüssigkeit: 24 Std.
Einbetten, Schneiden.
Färbung:
Wäßrige Eosinlösung 5—10 Min. unter leichtem Erwärmen.
Abspülen in Wasser.
Differenzieren in einer Lösung von Ätznatron in Alk. abs. (4—5
Tropfen Ätznatron in 50 ccm Alk. abs.)
Abspulen mit Wasser.
— 233 —
Wäßrige Methylenblaulösung, bis die Schnitte blauviolett gefärbt sind.
Abspülen mit Wasser.
Einbetten.
Zur schnellen Gewinnung einer Diagnose schlugen Abbas und Bor-
mans1) folgenden Weg vor:
Stücke des Ammonshorns von 3—4 mm Dicke kommen in
lproz. Osmiumsäure auf 5—6 Std.
Waschen in Wasser !/a Std
Alkohol abs. 3-5 Std.
Schneiden mit der Hand.
Untersuchung in Glyzerin.
Die Kernkörperchen und die N. K. werden tief braun.
Noch einfacher verfuhr Bertarelli9):
Fixierung in lOproz. Formalin 2 Std.
Schneiden mit dem Gefriermikrotom.
Antrocknen im Brutschrank bei 37°.
Färbung nach Romano wski.
Die N. K. erscheinen blaßrot.
Zum Studium der Struktur empfahl Volpino45) die Färbung mittels
Pikrokarmin:
Pikrokarmin 24 Std.
Abwaschen mit Wasser.
Verdünnte Methylenblaulösung bis zu starker Blaufärbung.
Auswaschen in Wasser.
Differenzieren in pikrinsaurem Alkohol.
Resultat: Kerne der Leukozyten und Nervenzellen rot, das Protoplasma gelb-
rosa, die roten Blutkörperchen gelb, die N. K. gelb oder grünlichgelb, die
vakuolenartigen Gebilde erscheinen gelblichrosa. In diesen umschließt eine
helle Partie eine andere Substanz von granuliertem Aussehen, die sich stark
färbt, und zwar tief blau oder schwarzblau.
Williams und Lowden49) fertigen Ausstriche an und verfahren
dabei in folgender Weise: Sie verteilen mit einem Deckglas ein Stückchen
vom Ammonshorn auf einem Objektträger fein und lassen es lufttrocken
werden. Die Färbung geschieht entweder mit Giemsalösung oder nach
Mollory:
Färbung mit Giemsalösung:
Fixieren in Methylalkohol 5 Min.
Färben mit Giemsalösung l/9— 3 Std.
Auswaschen mit fließendem Wasser 3 Min., nachdem bei dicken
Schnitten eine Differenzierung durch Eintauchen in 50proz. Methyl-
alkohol vorausgegangen ist.
Abtrocknen mit Fließpapier.
— 234 —
Resultat: Das Plasma der N. K. erscheint blau, der zentrale Teil blaurot oder
blau, die roten Blutkörperchen gelblich, das Plasma der Nervenzellen blau, die
Kerne rot, die Kernkörperchen blau.
Für diagnostische Zwecke kürzten die Autoren das Verfahren in der
Weise ab, daß sie mit einer aus gleichen Teilen Giemsalösung und destil-
liertem Wasser bestehenden Mischung 10 Min. färbten.
Färbung nach Mallory:
Fixieren in Zenker scher Flüssigkeit Vs Std.
Abspülen in Wasser
96proz. Jodalkohol 7a Std.
Alkohol abs. 1 , Std.
Eosin 20 Min.
Wasser.
Methylenblaulösung 15 Min.
Differenzieren in 95proz Alkohol 1—5 Min.
Abtrocknen mit Fließpapier.
Resultat: Plasma der N. K. magenta, die zentralen Körperchen dunkelblau,
das Plasma der Nervenzellen hellblau, die Kerne dunkler blau, die roten Blut-
zöllen rot.
Nach Williams and Lowden eignet sich die Giemsaf&rbung gut
zum Studium der Struktur und bei altem und weichem Hirngewebe, die
Färbung nach Mallory für die Diagnose. Am meisten empfiehlt sich,
beide Methoden anzuwenden. Wurden auf diesem Wege die N. K. nicht
gefunden, so wurden Schnitte nach folgender Methode angefertigt:
Fixierung in Zenker scher Flüssigkeit 8/i Std.
Auswaschen in Wasser 5 Min.
80proz. Jodalkohol 24 Std.
95proz. Jodalkohol 24 Std.
95proz Alkohol 24 Std.
Alkohol abs. 4-6 Std.
Zedernöl bis zur Klarheit.
Zedernöl-Paraffin von 52° aa 2 Std.
Paraffin von 52° 2 Std.
Einbetten.
Schneiden, Aufkleben.
Färbung nach Mallory.
Ähnlich wie Williams und Lowden verfährt Frothingham20),
doch macht er Klatschpräparate von einem Durchschnitt des Ammonshorns.
Auch er sucht die N. K. in Schnitten, wenn die Klatschpräparate ein nega-
tives Resultat ergeben.
Schnittmethode nach Frothingham:
Fixieren in Zenker scher Flüssigkeit 4 Std.
95proz. Alkohol mehrere Stunden.
Alkohol abs. Vj% Std.
— 235 —
Alkohol abs. Chloroform aa 20-30 Min.
Chloroform 20—30 Min.
Gesättigte Lösung von Chloroform und Paraffin 20—30 Min.
Paraffin von 55° Schmelzp. l1/, Std.
Einbetten.
Schneiden.
Aufkleben der Schnitte mit Glyzerineiweiß.
Trocknen bei 55° 17a Std.
Xylol.
Alkohol abs.
95proz. Alkohol.
Gesättigter Jodalkohol 5—10 Min.
95proz. Alkohol
Wasser.
Färben 15—30 Min. in gleichen Teilen von Unnas Farblösung*) und
5proz. wäßriger Eosinlösung.
Wasser.
Unnas Farblösung 3—5 Min.
Walser.
Differenzieren in 95proz. Alkohol unter Kontrolle des Mikroskops.
Alkohol abs.
Xylol.
Balsam.
Anfertigung von Klatschpräparaten nach Frothingham: Auf
eine senkrecht zur Längsachse herausgeschnittene Scheibe des Ammonshorns
drücke man einen gereinigten Objektträger, und zwar mache man auf einen
solchen 4—8 Abdrücke. Bevor diese völlig getrocknet sind, werden sie in
folgender Weise weiterbcarbeitet:
Zenkersche Flüssigkeit 11/,— 2 Std.
Wasser.
95proz Alkohol 5—10 Min.
Gesättigter Jodalkohol 5—10 Min.
95proz. Alkohol.
Wasser.
Färbung wie bei Schnitten.
Resultat: Zellkörper und Kern blaßblau, Kernkörperchen dunkelblau, die roten
Blutzellen blaßrot, die N. K. zeigen ein eigenartiges Purpurblaßrot und ent-
halten im Inneren oft farblose oder blaue Gebilde von verschiedener Gestalt
und Größe.
Die Klatschpräparate können auch (nach Frothingham) nach fol-
*) Unnas Blau: Unnas Farblösung:
Methylenblau (Grübler) . . 1,0 Unnas Blau 1,0
Kaliumkarbonat 1,0 Wasser 4,0
Wasser 100.0
— 236 —
genden beiden Methoden behandelt werden, doch leisten diese nicht das-
selbe, wie die Fixierung mit Zenker scher Flüssigkeit:
Lufttrocken werden lassen.
95proz. Alkohol 5—10 Min.
Jodlösung 10 Min.
95proz. Alkohol.
Wasser.
Färben wie bei den Schnitten.
Oder:
Trocknen und mit geringer Wärme fixieren.
Gesättigte alkoholische Eosinlösung 15 Min.
Wasser.
Löfflers alkalisches Methylenblau 3—5 Min.
Wasser.
Differenzieren in 95proz. Alkohol usw.
Daß Klatsch- und Ausstrichpräparate in vielen Fällen zum Ziele
fähren, hat auch Baschieri5) bestätigt. Er empfiehlt folgende Färbung:
Fixieren in Alkohol, bevor die Präparate lufttrocken geworden sind.
Färben in folgender Lösung:
Alkoh. Eosin . . . 1,0 , ^. v n , „
Alkohol abs. . . . 100,0 Die Lösung muß warm hergestellt und
Eisessig» 0 3 ' nac^ ^em Erkalten filtriert werden.
Wasser 20—30 Sek.
Wäßrige Lösung von 0,5proz. Methylenblau 1 Min.
Wasser 20—30 Sek.
Differenzieren in 90— 95proz. Alkohol 30—40 Sek.
Alkohol, Xylol, Balsam.
Resultat: Zellen blau, die N. K. rot; sie enthalten blau gefärbte Granula.
Während Verf.6) mit der Nachprüfung der Negri sehen Arbeiten be-
schäftigt war, veröffentlichten Henke und Zeller51) ihre Methode der
Schnelleinbettung mittelst Azeton und Paraffin. Die vorgenommenen Ver-
suche befriedigten Verf. derartig, daß er sich in der Folge zu diagnosti-
schen Zwecken nur noch dieses Verfahrens bediente. Verf. ging dabei in
folgender Weise vor:
Fixierung von 7*— 3 4 mm dicken Scheiben aus dem Ammonshorn in
ca. 15 cem Azeton bei 37°, bis die Stückchen die Konsistenz wie
nach Alkoholhärtung haben, was meist nach 30— 40 Min. der Fall ist.
Flüssiges Paraffin von 55° Schmelzpunkt 60—75 Min.
Einbetten, Schneiden.
AufTangen der Schnitte in kaltem Wasser, dem etwas Gummiarabikum
zugesetzt ist.
Antrocknen an einem warmen Ort, z. B. auf dem Paraffinofen.
Färbung in Mann scher Lösung (s. oben) 7a— * Min.
Kurzes Abspülen in Wasser.
„ ., ,, Alkohol abs.
— 237 —
Alkohol ab 8. mit Zusatz von Natronlauge (s. oben) 15—20 Sek.
Abspülen in Alkohol abs.
Wasser 1 Min.
Wasser, das mit Essigsäure leicht angesäuert ist, 2 Min.
Schnelles Entwässern.
Xylol, Balsam.
Es gelingt auf diese Weise leicht, schon in drei Stunden Schnitt-
präparate herzustellen, und man erhält auch bei ziemlich zersetztem Hirn-
gewebe noch brauchbare Resultate. Statt weiterer Beschreibung verweist
Verf. auf die beigegebene Tafel III und die beiden Textfiguren. Sowohl
die nach der Natur angefertigte Zeichnung der Tafel wie die Mikrophoto-
gramme stammen von Präparaten, die in der angegebenen Weise behan-
delt sind.
Neuerdings werden im Königl. Institut für Infektionskrankheiten die
Schnitte für diagnostische Zwecke etwas anders gefärbt, wie mir der
Vorsteher der Wutschutzabteilung, Herr Dr. Lentz, liebenswürdigerweise
mündlich mitteilte.
Nachdem er, wie Verf., die Stücke fixiert und eingebettet hat,
bringt er die Schnitte
für 1 Min. in eine Farblösung, bestehend aus
Eosin (extra B. Höchst) 0,5.
60proz. Alkohol 100,0.
Abspülen in Wasser.
Färben 1 Min. in Löff ler schein Methylenblau.
Abspülen in Wasser.
Abtrocknen mit Fließpapier.
Differenzieren in Alkohol mit Zusatz von Natronlauge (s. Färbung
nach Mann), bis die Schnitte blaßrosa oder blaßblau ge-
worden sind.
Differenzieren in Alkohol abs. und Essigsäure (auf 20,0 Alkohol
1 gtt. 50proz. Essigsäure), bis die Ganglienzellenzüge noch
eben als schwache blaue Linien zu sehen sind.
Alkohol abs.
Xylol.
Balsam.
Da sich nach dieser Methode nur die N. E. rot färben, außerdem
die in ihnen enthaltenen Granula scharf hervortreten, wird das Aufsuchen
der N. K. wesentlich erleichtert in den Fällen, in denen die N. K. spär-
lich vertreten sind.
Bei der Darstellung der feineren Verhältnisse der N. K. leistete Verf.
die Färbung nach Held gute Dienste:
— 238 —
Fixierung und Einbettung wie eben angegeben.
Anfertigung von 2—4 dünnen Schnitten.
Aufkleben.
Entfernung des Paraffins.
Färben auf dem Objektträger 1—2 Min. unter leichtem Erwärmen in
Erythrosin .... 1,0
Aqua dest 150,0
Eisessig gtt. 2.
Auswaschen in Wasser.
Nachfärben mit folgender Lösung:
Wäßrige Azetonlösung (1 : 20)
Niß Ische Methylenblauseifenlösung äa.
bis der Azetongeruch verschwunden ist, dann erkalten lassen.
Differenzieren in VaoProz Alaunlösung, bis der Schnitt rötlich wird.
Abspülen in Wasser.
Schnelles Entwässern.
Welche Differenzierung können wir nun innerhalb der
N. K. auf dem Wege der Färbung erreichen?
Volpino4") konnte bei Färbung nach Laveran folgende Gebilde
darstellen: Eine feste, hyaline, blau gefärbte Membran umschließt eine
homogene, strukturlose, rot gefärbte Masse. In dieser liegen größere und
kleinere vakuolenartige, kaum rosa oder sehr schwach blau gefärbte Ge-
bilde, die ihrerseits sehr kleine intensiv blau gefärbte, punkt-, ring- oder
stabförmige Eörperchen enthalten.
Nach Williams und Lowden40) kann man an den größeren
Formen der N. K. eine Grundsubstanz erkennen. In ihr liegt der Kern,
der in seinem Innern in einem farblosen Zentrum ein exzentrisch liegen-
des Karyosom aufweist. Um den Kern liegt das Chromatin, das in den
kleineren Formen punktförmig, in den größeren ring- und stabförmig er-
scheint. Die Grundsubstanz ist vollkommen homogen, zeigt keinerlei
Struktur und ist basophil. Die letztere Eigenschaft haben die N. K. mit
den Malariaprotozoen gemein, und sie wird deshalb von den genannten
Autoren als ein Beweis für die parasitäre Natur der N. K. herangezogen.
Der Streit um die Frage: Sind die N. K. Parasiten oder nur
Zerfallsprodukte von Gewebe, ist so alt wie die N. K. selbst.
Negri erklärte bereits in seiner ersten Arbeit die Körperchen für
die Erreger der Wut, fand aber zunächst lebhaften Widerspruch. So wies
Schüder*7) auf die Filtrierbarkeit des Wutvirus hin, womit die Größe
der N. K. nicht in Einklang zu bringen wäre. Seitdem war man eifrig
beschäftigt, die Frage auf experimentellem W7ege zu lösen. Es boten sich
hierzu verschiedene Möglichkeiten. Bertarelli71), Williams . und
Lowden49) suchten festzustellen, ob zeitliche Beziehungen zwischen dem
Auftreten der N. K. und dem Eintritt der Infektiosität des Zentralnerven-
— 239 —
Systems bestehen. Doch während Bertarelli die N. K. erst bei Beginn
der ersten Symptome nachzuweisen vermochte, fanden Williams und
Lowden sie weit früher. Ihrer Wichtigkeit wegen seien die Resultate
ausführlich wiedergegeben:
Die genannten Autoren infizierten 10 Kaninchen mit Virus fixe und
töteten sie nach verschiedenen Zeiten. Es wurden Ausstriche und Schnitte
nach der oben beschriebenen Methode gefärbt Am 1. und 2. Tage wurden
X. K. nicht gefunden, am 3. ein einziges in den großen Lympbzelleu der
perivaskulären Lymphräume an der Basis des Ammonshorns, am 4. einige un-
zweifelhafte in den großen Nervenzellen des Bulbus olfactorius, des Ammons-
horns und de» motorischen Gebiets der Hirnrinde, am 5. Tage eine bescheidene
Zahl in denselben Bezirken und in vereinzelten Zellen durch das ganze Gehirn,
am 6. in denselben Gebieten und in der Medulla oblongata, an den Übrigen
Tagen Überall sehr zahlreiche N. K.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn diese Befunde von anderen
Autoren bestätigt und erweitert würden.
Bertarelli8) und Daddi17) unterwarfen Gehirne von wutkranken
Tieren der Einwirkung von Hitze, Austrocknung, Verwesung, Mazeration
und Glyzerin und konnten feststellen, daß die N. K. noch gut erhalten
sind, wenn die Virulenz bereits erloschen ist. Einen anderen Weg schlug
D'Amato ein. Er brachte Stückchen vom Ammonshorn eines lyssakranken
Tieres unter die Dura mater von Kaninchen, die er nach verschiedenen
Zeiten tötete. Während im eingeführten Stück Ammonshorn N. E. ge-
funden wurden, fehlten sie stets in der darunter liegenden Hirnsubstanz.
Gegen die Einwände Schüders richteten sich die Versuche
di Vesteas,39) Bertarellis und Volpinos13). Bei ihren Versuchen
gelang es ihnen niemals, die Virulenz von Hirngewebe durch Filtrieren
selbst bei häufiger Wiederholung und bei einem Druck von 3 Atmosphären
zu erschöpfen. Stets erwies sich der Rückstand noch als virulent. Mit
Recht schließen diese Autoren daraus, daß es Wuterreger oder Formen
derselben geben muß, die größer sind als die Poren der benutzten Filter-
kerzen, nämlich als 0,5 i*.
Ob der von Volpino47) oder der von Williams und Lowden4-')
aus den gefundenen Bildern zusammengesetzte Entwicklungskreislauf der
Wirklichkeit entspricht, muß die Zukunft lehren. Nur so viel kann ich
sagen, daß ich den größten Teil der von Williams und Lowden ge-
zeichneten Formen von N. K. ebenfalls in meinen Präparaten gesehen
habe. Ich halte es aber für verfrüht, die N. K. schon in die Klasse der
Mikrosporidien einzureihen, da die Ähnlichkeit einzelner Entwicklungs-
bilder noch nicht beweisend für die Zusammengehörigkeit ist. Anderer-
seits weiß man bei den Mikrosporidien nichts von solchen unsichtbaren
Formen, wie wir sie bei den N. K. annehmen müssen, da sie in mehreren
— 240 —
Teilen des Zentralnervensystems noch nicht gefunden worden sind, obgleich
diese sich als virulent erwiesen.
Kürzlich hat auch der bekannte Watforscher Babes4) zn dieser
Frage das Wort ergriffen. Er faßt die N. K. als Reaktionsprodukte der
Nervenzellen gegen das Eindringen der Wuterreger auf. Als diese be-
trachtet er runde, schwarze oder blaue Granulationen, die er in großer
Menge in den nach ihm benannten B ab es sehen Wutknötchen gefunden hat.
Welches nun auch die Natur der N. E. sein mag, bis jetzt sind
sie das wertvollste Mittel, das uns auf einfache Weise zu einer
schnellen Wutdiagnose verhilft.
Literatur.
Abkürzungen: C. f. B.: Centralblatt für Bakteriologie. — Z. f. H. u. I.:
Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. — R. c. d. cl. med.: Rivista
crittica de clinica medica. — A. d. Tl. P.: Annales de l'Institut Pasteur. —
B. d. l'I. P.: Bulletin de l'Institut Pasteur.
x) Abba und Bormans, Sur le diagnostic histologique de la rage. A. d.
VI. P. t. 29 p. 49.
a) d'Amato, Sulla etiologia della rabbia. Atti del congresso di Med. int.,
Padova, 1903 p. 4.
3) d'Amato, I corpi di Negri in rapporto all' etiologia e alla diagnosi della
rabbia. La Riforma medica. 1904. no. 23.
*) Babes, Über die N. K. und die Parasiten der Tollwut. Romania medicala
1906. 11-12.
r') Bas c hier i, Sulla diagnosi rapida della rabbia. Soc. med. chirur. di
Bologna, 1906.
") A. Bohne, Beitrag zur diagnostischen Verwertbarkeit der N. K. Z. f. H.
u. I. 1905, Bd. 52.
7) A. Bongiovanni, Die N. K. und die durch Virus fixe verursachte Wut-
infektion mit langsamem Verlauf. C. f. B. 1906, Bd. 41.
H) Bertare lli, Über Virulenzmodifikationen des Wutvirus und Veränderungen
der N. K. C. f. B. 1904, Bd. 42.
•) Bertarelli, Experimentelle Untersuchungen und Beobachtungen über die
Tollwut. C. f. B. Bd. 39, Nr. 4.
"') Bertarelli, Die N. K. im Nervensystem der wutkranken Tiere, ihr dia-
gnostischer Wert und ihre Bedeutung. C. f. B. Ref. Bd. 37.
,!) Bertarelli und Volpino, Nachforschungen und experimentelle Be-
obachtungen über die Tollwut C. f. B. 1904, Bd. 35.
la) Bertarelli und Volpino, Morphologische und biologische Beobachtungen
über einen Fall von Lyssa beim Menschen mit besonderer Berücksichtigung
der Gegenwart und Verteilung der N. K. im Zentralnervensystem. C. f. B.
1904, Bd. 35.
— 241 —
13) Bertarelli und Volpino, Experimentelle Untersuchungen über die Wut.
Filtration des Straßenvirus und Erschöpfung des Virus durch das Filter.
C. f. B. 1904, Bd. 37.
u) ßosc, Recherches sur Ätiologie de la rage. Oompt. rend. de la Societe de
biologie. 1903.
15) Daddi, Suir eziologia dell' idrofobia. R. c. d. cl. med. 1903.
16 ; Daddi, Süll' eziologia della rabbia. R. c. d. cl. med. 1903, no. 22.
17j Daddi, Ricerche sulla rabbia. R. c. d. cl. med. 1904, no. 21—22.
1M) Dommenicis, Sul valore della diagnosi estologica nella rabbia. Poli-
clinico sez. prat. 1904, no. 29.
I9; Fasoli, Sulla colorazione dei corpi di Negri nella infezione rabida. Poli-
clinico sez. prat. 1904, no. 7.
93 ) L. Frothingham, The rapid diagnosis of Rabies. The Journal of Medical
Research. Vol. 14, no. 3.
21 ) B. Galli-Valerio, Recherches experimentales sur la rage des rata avec
Observation sur la rage du surmulot, de la souris et du mulot. C. f. B.
1905. Bd. 40.
22) Luzani, Nachweisung der spezifischen Parasiten in einem Falle von Toll-
wut beim Menschen. C. f. B. 1904, Bd. 36.
**) Luzani, Zur Diagnose der Tollwut. Z. f. H. u. I. 19U5.
**) Luzani u. Macchi, Z. f. H. u. I. 1905.
**) Maas, Ein Fall von Lyssa humana. Münch. Med. Wochenschr. 1905, Nr. 3.
x) Marzocchi, Contributo alle questione della speeifita dei corpi di Negri.
Arch. per le sc. med. Bd. 28, 1904.
27) Negri, Boll. della soc. med. chir. di Pavia. 1903, Mars.
") Negri, Riforma medica 1903, p. 636.
®) Negri, Z. f. H. u. I. 1903, Bd. 43.
»0 Negri, Zur Ätiologie der Tollwut Z. f. H. u. I. 1903, Bd. 44.
3J) Negri, Bollettino della Soc. med. chir. di Pavia, 1904, 22 janv.
**) Negri, SulF eziologia della rabbia. Bol. Soc. med.-chirurg. di Pavia 1905,
30 juin.
s3) Pace, Osservazioni e ricerche sulla rabbia. Atti dei 13. congresso di
medicina interna, Padova 1903.
34) Pace, Sopra aleune formazioni eosinofile, simulanti i corpi di Negri, nelle
cellule dei gangli cerebro-spinali delF uomo idrofobo. Riforma med.
1904, no. 25.
Ä) W. Poor, Pathological studies in rabies. Proceed of the N. Y. Patholog.
Society 1904, octobre.
x) J. Schiff mann, Zur Kenntnis der N. K. Z. f. H. u. I. 1906, Bd. 52.
37) Sc hü der, Der Negrische Erreger der Tollwut D. med. Wochenschr.
1903, Nr. 39.
**) Strazzi, Das N. K. und die Schnell diagnose der Wut. La clinica vet.
1904, no. 42.
**) di Vestea, De piu recenti studii circa la natura dei Virus rabido. Giorn.
italiano de Sc. Medic. 1903, no. 6—7.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. IT, 2 3. 16
— 242 —
40 ) di Vcstea, Ulteriori osservazioni circa la filtrabilita del virus rabido. La
Medicina ital. 1904, no. 13.
41) Volpino, Sopra alcuni riperti morfologici nelle cellule nevrose di animali
affetti di rabbia sperimentale. Riv. d'Igiene e san. publ. 1903, 1 April.
4a) Volpino, Sulla fine strattura del corpi di Negri nella rabbia. Gazz. med.
Ital. 1904, no. 13.
43j Volpino, Sulla diagnosi estologica della rabbia. Riv. d'Igiene e san.
publ. 1904, Bd. 15.
■") Volpino, Su alcune modificazioni che presenteno i corpusculi contenuti
neir interno dei corpi di Negri. Ibidem, Bd. 16.
45) Volpino, Sulla struttura dei corpuscoli contenti nelF interno dei corpi
di Negri. Ibidem, 1905, Bd. 16.
4C) Volpino, Sulla struttura dei corpi descritti di Negri nella rabbia. Arch.
per le sc. med. 1904, Bd. 28.
47 ) Volpino, Über die Bedeutung der in den N. K. enthaltenen Innenkör-
perchen und ihren wahrscheinlichen Entwicklungsgang. C. f. B. Ref. Bd. 37.
**) A. Willains, Negri bodies with special reference to diagnosis. Proceed. of
the N. Y. patholog. Society. 1905, Bd. 5.
49) A. Williams und Lowden, The Journal of infectious diseases. 1906,
no. 8, Bd. 3.
50) Zaccaria, Sulla presenza e distributione dei corpi di Negri in un casa di
rabbia umana. Ann. d'Igiene speriment. 1905, Bd. 15.
bi) Henke und Zeller, Zentralblatt f. pathol. Anatomie u. allg. Pathol.
1905, Nr. 2.
Erklärung der Tafel III.
Schnitt aus dem Ammonshorn eines tollwutkranken Hundes. Färbung
nach Mann. Negri sehe Körperchen rot. Zeiß, Apochr. 2 mm, Komp.-Ok. 8.
Nach der Natur gezeichnet.
Allgemeine Bakteriologie.
Winslow, C. E. A., u. Rogers, A. F., A Statistical study of general
characters in the Coccaceae.
(The Journ. of Infectious Diseases, Vol. 3, 1906, S. 485—546.)
Verff. haben versucht, ein natürliches System der Coccaceae
mit Hilfe der statistischen Methode aufzustellen. Gewisse
morphologische und biologische Charaktere, die bisher als Merkmale der
Art galten, sind nicht konstant, sondern unter den verschiedensten äußeren
Einflüssen variabel. Die Verff. haben daher unter 500 von ihnen isolierten
Kokkenarten auf Grund der statistischen Methode zwei Familien und fünf
Arten aufzustellen vermocht, deren Glieder sich durch Konstanz genereller
— 243 —
Merkmale auszeichnen. Das natürliche System der Verff. ist hiernach
folgendes :
Familie Coccaceae.
I. Unter-Familie: Paracoccaceae (Winslow und Rogers).
Genus 1. Diplococcus (Weichselbaum).
Hierzu gehört: D. pneumoniae (Weich.), D. weichselbaumii
(Trev.) und D. gonorrhoeae (Neißer).
Genus 2. Streptococcus (Billroth).
Hierzu gehört: St. erysipelatos (Fehleisen).
Genus 3. Aurococcus, n. g.
Hierzu gehört: A. aureus (Rosenbach).
GenuB 4. Albococcus, n. g.
Hierzu gehört: A. pyogenes (Rosenbach), A. rhenanus
(Migula), A. candicans (Flügge) und A. canescens (Migula).
II Unter-Familie: Metacoccaceae (Winslow und Rogers).
Genus 5. Micrococcus (Hallier).
Hierzugehört: M. orbicularis (Ravenel), M. luteus (Schröter)
Cohn und M. ochraceus (Rosenthal).
Genus 6. Sarcina (Goodsir).
Hierzu gehört : S. ventriculi (G o o d s i r), S. aurantiaca (F 1 ü g g e),
S. subflava (Ravenel), S. tetragena (Mendoza) Mig.
Genus 7. Rhodococcus, n. g. (Saprophyten). '
Hierzu gehört: R. cinnabareus (Flügge), R roseus (Flügge),
R. fulvus (Cohn), R. agilis (Ali Cohen), R. rosaceus (Lindner)
und R. incarnatus (Gruber).
Betr. die nähere Charakteristik siehe Original. Kaestner (Berlin).
Buxton, B. H., u. Torrey, J. C, Studie s in absorption.
(The Journ. of Medical Research, 1906, 8. 5—73.)
Verff. haben über die Absorptionsverhältnisse innerhalb der
Bauchhöhle Untersuchungen an Meerschweinchen und Kaninchen an-
gestellt, indem sie den Tieren schwarze Tusche, rote Blutkörperchen von
Hühnern und Typhusbazillensuspensionen intraperitoneal einverleibten.
Hinsichtlich der Absorption der amorphen Partikel der Tusche
ergab sich, daß sie besonders von den polynukleären Zellen (Mikrophagen)
aufgenommen werden, während die großen mononnkleären Zellen (Makro-
phagen) sich vorzugsweise der Körperzellen bemächtigen. In den Organen,
Milz und Leber, wird Tusche erst nach zwei Stunden in merkbarer Menge,
und zwar in freier Form vorgefunden. Nach 4 Stunden findet sie sich inner-
halb der Leukozyten, und die Milz ist dann mit schwarzem Pigment über-
schwemmt. Nach gewissen Perioden, nach 6 und 24 Stunden usw., ist
immer eine vorübergehende Abnahme des Pigmentgehaltes wahrnehmbar.
Nach Einverleibung von Typhusbazillen ergab sich folgendes:
IG*
— 244 —
1. Die Typhusbazillen können zum größten Teil der Vernichtung sofort
anheimfallen, bo daß nur wenige oder gar keine zu den Organen gelangen.
2. Die Vernichtung kann auch langsamer, etwa während der Dauer einer
Stunde nach der Impfung erfolgen.
3. Im letzteren Falle finden große Mengen der Bazillen fast augenblicklich
ihren Weg in die Blutbahn, worauf sie s* fort in den verschiedenen Organen
abgelagert werden.
4. Die einzelnen Organe haben eine sehr verschiedene Fähigkeit, die
Bazillen zurückzuhalten; die Leber wird am meisten überschwemmt.
5. Die Zahl der Bazillen in den Organen nimmt rapide nach Ablauf der
ersten Minuten ab und steigt erst wieder nach etwa zwei Stunden.
6. Während der zweiten bis sechsten Stunde erfolgt eine bedeutende
Zunahme der Bazillen, wahrscheinlich infolge Erschöpfung der bakteriziden
Tätigkeit der Körpersäfte.
7. Während der 6. bis 24. Stunde erfolgt wieder eine Abnahme der
Bazillen, und zwar in rapider Weise in der Leber, langsamer in der Milz. Diese
zweite Periode der Abnahme ist wahrscheinlich der Wirkung der Phagozyten
zuzuschreiben, möglicherweise auch der Wiederherstellung der bakteriziden
Kräfte.
8. Weder der Harn noch die Galle scheint für die Ausscheidung der
Bazillen in Betracht zu kommen.
Die Rolle des Zwerchfells bei der Absorption läßt sich in
folgenden Sätzen kennzeichnen:
1. Nach intraperitonealer Injektion amorpher Partikel in Suspension
dringen diese unmittelbar in die Lymphapparate des Zwerchfells ein.
2. Von dem Zwerchfell werden die Partikel auf dem Wege der vorderen
mediastinalen Lymphdrttsenstränge und Lymphdrüsen dem Ductus thoracicua
zugeführt und gelangen so, fast unmittelbar nach der Injektion in die Blutbahn.
3. Die Partikel sind innerhalb der Bauchhöhle zuerst frei und werden
später von Phagozyten aufgenommen.
4. In den vorderen Mittelfeilymphdrüsen erfolgt die Phagozytose durch
die Makrophagen (mononukleäre Zellen), während die polynukleären Zellen
(Mikrophagen) hierhei nur eine Nebenrolle spielen. Dieses gilt nicht nur mit
Bezug auf amorphe Partikel und Körperzellen, sondern auch auf Bakterien.
Verhalten des Netzes bei der Absorption:
1. Fast unmittelbar nach der intraperitonealen Einverleibung amorpher
Partikel lagert sich auf der Oberfläche des Netzes Fibrin ab, in dessen Masse
Partikel und Phagozyten eingeschlossen werden.
2. Die Makrophagen bemächtigen sich sofort der Partikel und sind von
ihnen schon innerhalb 10 Minuten erfüllt, von roten Vogelblutkörperchen erst
in etwa einer Stunde.
3. Falls sich die Makrophagen nicht überladen haben, dringen sie in
das Gewebe ein und werden zu Zellen mit langen ästigen Ausläufern (trailers
oder Klasmatozyten Ranviers).
4. Sofern die Partikel verdaulich sind (Vogelblutzellen), werden sie
schnell verdaut.
— 245 —
5. Unverdauliche Partikel (Tusche) verbleiben in den Makrophagen und
„trauert monatelang.
6. Auch auf dem Omentum sind die Phagozyten vorzugsweise Makrophagen,
während die polynukleären Zellen nur eine nebensächliche Bedeutung haben.
Verhalten des Netzes bei der Absorption von Typhus-
bazillen, die intraperitoneal eingeführt wurden:
1. Die Bazillen werden in ungeheurer Zahl auf der Oberfläche des
Netzes fixiert
2. Einige liegen frei in dem Fibrinniederschlag, andere über die Oberfläche
der sogenannten „Milchflecke" (Vorstufen sich neu bildender Kapillarnetze) des
Netzes verteilt
3. Einige sind auch in Makrophagen enthalten.
4. Die Bazillen können rapider Vernichtung, sei es extrazellulär, sei es
intrazellulär, anheimfallen oder teilweise einige Zeit intakt bleiben.
Auch den Typhusbazillen gegenüber haben die Makrophagen vorzugs-
weise die Aufgabe der Phagozytose, können aber hierbei der Unterstützung
seitens der polynukleären Zellen nicht entraten.
Der Arbeit sind außerordentlich instruktive Photogramme und Zeich-
nungen beigefügt. Kaestner (Berlin).
Angelis, D. de, Etüde de la flore microbienne des cavite's nasales
du cheval.
(Recueil de med. vet , Bd. 83, 1906, S. 31—35.)
Bei 10 Pferden fanden sich 10 mal Streptokokken, lOmal Staphylo-
kokken, 3 mal Kokkobazillen, 8 mal Heubazillen, 3 mal Streptobazillen und
4 mal Schimmelpilze. Die Streptokokken and Staphylokokken waren wenig
pathogen für die kleinen Versuchstiere.
Pferde dagegen reagierten sowohl lokal als auch allgemein auf die
Einverleibung beider Bakterienai ten, erlangten indessen selbst nach wieder-
holter Vorbehandlung mit denselben keine Immunität. Junaek (Breslau).
Seiter, H., Bakterien im gesunden Körpergewebe und deren Ein-
trittspforten.
(Zcitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 54, 1906, 8. 363—384.)
Leber, Milz, Nieren und das Blut sind unter normalen Verhältnissen
keimfrei. Die Darmschleimhaut und die Haut sind nicht undurchlässig für
Bakterien, die in den Mesenterial- und Hautlymphdrüsen zurückgehalten
werden. Die Drüsen bilden ein Bollwerk gegen das Blut und die übrigen
Organe.
Die Lungen sind nicht immer keimfrei: Starke Inspirationen ver-
mögen Tröpfchen mit Mikroorganismen in die Lungen zu tragen, desgleichen
können Keime bei der Nahrungsaufnahme in die Lungen und von dort in
die bronchialen Lymphdrüsen gelangen. Bvgge (KM).
— 246 —
Bau, O., Morphologische Veränderungen der Bakterien im Tier-
körper.
(Wiener klin. Wochenschr., 19. Jahrg., 1906, S. 1278—1281.)
Wenn man Meerschweinchen intraperitoneal kleine Mengen Milzbrand-
bazillen ans Kulturen injiziert, so verschwinden diese zunächst rasch, um
nach einiger Zeit in einer anderen Form, als sie die injizierten Kultur-
bazillen besaßen, im Peritoneum wieder zu erscheinen. Sie sind in allen
Dimensionen größer geworden, färben sich intensiv und sind von einer
Kapsel umgeben. Überträgt man solche „tierische" Bazillen auf andere
Versuchstiere, so töten sie diese schneller als „Kulturbazillen". Die Ver-
abreichung von Bakteriensubstanz in größerer Menge (auch von Bakterien-
extrakten) beschleunigt die Ausbildung der „tierischen" Form der Bazillen,
wobei ihr Verschwinden in den ersten Infektionsstunden viel weniger
in die Erscheinung tritt. Die Methoden der Vermehrung der Bazillen sind
solche, die geeignet sind, Komplement zu binden. An die erwähnten Be-
obachtungen werden vom Verf. theoretische Erörterungen geknüpft. J.
Weleminsky, F., Über Züchtung von Mikroorganismen in strömen-
den Nährböden.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., 1. Abt., Orig., Bd. 52, 1906, S. 280 n. 376.)
Es ist für die Mikroorganismen durchaus nicht gleichgültig, ob sie
in der Ruhe (gewöhnliche Kultur) oder in fließendem Medium (Blut
Wasserlauf) sich entwickeln. Angabe mehrerer Apparate zur Erzeugung,
der Strömung. Aktinomyzes und Tuberkulose wachsen minimal im strömen-
den Nährboden, Anthrax, Schweineseuche, Streptokokken sehr reichlich,
aber anscheinend mit Neigung zu schneller Degeneration.
E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Ruediger, 0. F., The cause of green coloration of bacterial colonies
in blood agar plates.
(The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906, S. 663-665.)
Die Grünfärbung von Bakterienkolonien auf Blutagar ist zurück-
zuführen auf Bildung von Säure (wahrscheinlich Milchsäure) und deren
Einwirkung auf die roten Blutkörperchen. B. coli communis erzeugt auf
Blutagar starke Hämolyse. Kaestner {Berlin).
Graham-Smith, Diphtheria and Diphtheria-like Bacilli.
(The Journ. of Hygiene, Vol. 6, 1906, S. 286—295.)
Versuch zur Unterscheidung von Diphtherie- und Pseudodiphtherie-
bazillen durch ihr biologisches Verhalten in zucker- und kohlehydrathal-
tigen Nährböden. Kaestner (Berlin).
Caminiti, R., Sulla Stafilolisina.
(Riforma Medica, Nr. 40, 1904.)
C. gibt eine Darstellung der Ehrl ich sehen Seitenkettentheorie, ehe
er auf seine eigenen Versuche eingeht, in denen er zeigt, daß die hä-
— 247 —
molytißche Kraft des Staphylococcus pyogenes aureus sich mit
der gesteigerten Virulenz der Kokken ändert and daß die Hä-
molyse im direkten Verhältnis zur Virulenz der Keime steht.
Pfeiler (Berlin).
Wolff-Eisner, A., Über Komponenten des Tetanustoxins bei An-
wendung von wasserfreiem Salzsäuregas bei der Tem-
peratur der flüssigen Luft.
(Miinch. med. Wochenschr., 53. Jahrg., 1906, S. 2145—2147.)
Verf. gelang es, mit der Methode von Bergell (Einwirkenlassen von
wasserfreiem Salzsäuregas bei der Temperatur der flüssigen Luft) beim
Tetanustoxin die todbringende Wirkung von der krampferregenden zu
trennen. J.
Rolly, Experimentelle Untersuchungen über das biologische Ver-
halten der Bakterien im Dickdarm.
(Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, 8. 1733—1737.)
„Die Tätigkeit des normalen Dickdarmes ist imstande, teils durch
Elimination, teils vielleicht durch direkte Tötung die ihm fremden Bazillen
wegzuschaffen und wieder die normale Dickdarmflora herzustellen." Bei
einer Erkrankung der Dickdarmschleimhaut jedoch kann sich eine abnorme
Bakterienvegetation entwickeln. J.
Infektionskrankheiten.
Enders, Beiträge zur Kenntnis und zur Differentialdiagnose der
pektoralen Form der Schweineseuche.
(Bert, tierärztl. Wochenschr., 1906, S. 867-870.)
Der Verf. nimmt auf Grund der von ihm gesammelten Erfahrungen
den Standpunkt ein, daß das pathologisch-anatomische Bild der Schweine-
seuche ein wechselndes ist, und daß
„1. die katarrhalische Form der Lungenentzündung bei Schweineseuche
heute die Regel ist;
2. daß es spezifische, infektiöse, nach den bakteriologischen Ergeb-
nissen unzweifelhaft der Schweineseuche zugehörige Pleuritiden
ohne Pneumonie und umgekehrt Schweineseuche - Pneumonien
katarrhalischer Natur ohne jedwede Miterkrankung der Pleura gibt.
Schweineseuche kann in Form ausschließlicher Erkrankung des
Brustfelles verlaufen und braucht keineswegs mit einer Lungenent-
zündung vergesellschaftet zu sein.
Fälle als Schweineseuche nur dann anzusprechen, wenn sie das
Bild einer kruppösen Pneumonie zeigen, halteich veterinärpolizei-
lich für bedenklich und verhängnisvoll. "
— 248 —
Diese Sätze treffen im allgemeinen vollständig zu, stellen aber keines-
wegs neue Tatsachen fest. Ich habe in meiner im Frühjahr dieses Jahres
erschienenen Monographie die verschiedenen anatomischen Formen, unter
denen die pektorale Schweineseuche auftreten kann, des Näheren beschrieben,
wobei auch die Punkte, auf die der Verf. in vorstehenden Sätzen hinweist,
eingehend erörtert worden sind. — E. betont, daß die „katarrhalische" Form
der Lungenentzündung heute die Regel ist. Demgegenüber ist jedoch zu
bemerken, daß die gewöhnlich mit diesem Namen belegte chronische
Schweineseuchepneumonie, histologisch betrachtet, in der Regel nicht den
Charakter einer katarrhalischen, sondern einer zelligen, granulierenden
Entzündung besitzt.
Ohne auf die von E. gegebene, zum Teil nicht ganz klare nähere
Schilderung der pathologisch-anatomischen Verhältnisse einzugehen, möchte
ich noch bemerken, daß mir die von E. mit Bezug auf die Differential-
diagnose erwähnte, als Katarrhalpneumonie bezeichnete „Erkältungs-
pneumonie'', die „namentlich bei jungen, in kalten Ställen aufgestellten
Schweinen oder bei Tieren, welche besonders im Herbst und Winter auf
Märkten und Eisenbahntransporten von den Unbilden naßkalter Witterung
betroffen werden, beobachtet wird" und die „geradezu einen enzootischen
Charakter" annehmen kann, zur Schweineseuche zu gehören scheint. Wir
wissen ja, daß die chronische Schweineseuche sehr oft verhältnismäßig
gutartig verläuft, solange die erkrankten Tiere unter günstigen Verhält-
nissen gebalten werden, daß aber die Krankheit sich bei diesen Tieren
verschlimmert und häufig bösartig wird, sobald . sie schädigenden Einflüssen
(Kälte, Nässe, Transporten) ausgesetzt werden. Auf diese Weise dürfte
sich auch die „Erkältungspneumonie" und deren „enzootischer Charakter"
erklären. Der vom Verf. angeführte, mit negativem Erfolg bakteriologisch
untersuchte Fall von „Erkältungspneumonie" beweist keineswegs, daß keine
Schweineseuche vorlag: denn die bakteriologische Untersuchung kann bei
der Diagnose der chronischen Schweineseuche nicht als ausschlaggebend
angesehen werden. Von Junack und mir ist festgestellt worden, daß hier
auch eine genaue bakteriologische Untersuchung (Kultur und Tierversuch)
des veränderten Lungengewebes in einer gewissen Zahl von Fällen nicht
zum Ziele führt, weil die Zahl und die Virulenz der vorhandenen Schwein e-
seucbebakterien zu gering sind. Um einen solchen Fall dürfte es sich, zu-
mal alle übrigen Umstände, die Verf. anführt, für Schweineseuche sprechen,
auch in dem von ihm erwähnten Beispiel gehandelt haben. Die Tatsache,
daß in einer gewissen Zahl der Fälle von typischer chronischer Schweine-
seuche der Bacillus suisepticus nicht nachgewiesen werden kann, sollte die
Sachverständigen mahnen, mit der Diagnose von „Erkältungspneumonien"
beim Schwein auch bei bakteriologischer Untersuchung sehr vorsichtig
zu sein. Joe st.
— 249 —
Koske, F., Untersuchungen aber Schweinepest.
(Arb. a. d. Kais. Gesundheitsamt, Bd. 24, 1906, S. 305—345.)
Die Veröffentlichungen von Dorset, Bolton u. McBryde über das
Virus der perakuten Form der amerikanischen Schweinepest waren für K.
Veranlassung, Versuche mit dem Filtrat des Blutes eines an Schweinepest
akut eingegangenen Schweines anzustellen. Auf Grund des negativen
Ergebnisses derselben ist er geneigt, anzunehmen, daß die von den
amerikanischen Autoren beobachtete Krankheit eine Seuche
sui generis sei, die sich mit der Schweinepest komplizieren
kann, daß aber als der Erreger der in Deutschland vor-
kommenden Schweinepest der B. suipestifer angesehen werden
muß. Von den morphologischen und biologischen Eigenschaften des
letzteren folgt eine eingehende Schilderung, aus der hervorzuheben ist,
daß Schweinepeßtbakterien sich im 1 m tief vergrabenen Ferkelkadaver
bis zu 160 Tagen lebensfähig zu erhalten vermögen.
Zur Herstellung von Immunserum erwies sich der Esel sehr
geeignet. Diese Versuche wurden nur mit einem einzigen Bakterienstamm
vorgenommen, da sich bei früheren Versuchen des Verf. über Schweine-
seuche herausgestellt hatte, daß erhebliche Unterschiede in der Agglu-
tinations- und Schutzwirkung zwischen monovalenten und polyvalenten
Seris nicht bestehen. Das Koske sehe Serum vermochte zwar bei nach-
folgender Infektion, ebenso wie die zum Vergleich herangezogenen, im
Handel befindlichen Schweinepestsera, mit Ausnahme des Jeß-Pior-
kowski8chen, die Versuchstiere vor dem Tode, aber nicht vor einer
Entwicklungshemmung zu schützen. Dagegen glaubt K., daß eine ge-
nügende Schutzwirkung durch Verbindung der passiven mit der aktiven
Immunisierung zu erreichen sein wird. Eine aktive Immunisierung läßt
sich, ähnlich wie des Verf. Versuche über Schweineseuche ergeben haben,
in der Weise erzielen, daß den Ferkeln zunächst 0,5 cem 20 Minuten bei
60° abgetöteter 24 stündiger Bouillonkultur in die Bauchhöhle und 7 Tage
darauf 1,0 cem lebender Bonillonkultur in die Muskulatur der Innenfläche
eines Hinterschenkels eingespritzt wird. Grabert (Berlin}.
Hutyra, Zur Ätiologie der Schweinepest und Schweineseuche.
(Bert, tierärztl. Wochenschr., 1906, 8. 607—610.)
Angeregt durch die Untersuchungen amerikanischer Autoren über
die Filtrierbarkeit des Ansteckungsstoffes der Hogcholera, hat Verf. einige
Versuche mit dem filtrierten Blut und Lungensaft eines wegen akuter
SchweineBeuchepneumonie notgeschlachteten Schweines angestellt. Nach
den Ergebnissen dieser Versuche glaubt Verf. die Möglichkeit, daß auch
der Ansteckungsstoff der Schweineseuche ultravisibel und filtrierbar sei,
und der Bac. suisepticus nur eine sekundäre Bolle spiele, nicht außer acht
lassen zu sollen. Bierbaum (Berlin).
— 250 —
Ostertag, Ist das Virus der Scbweineseuche und der Schweine-
pest filtrierbar?
(Berl. tierärztl. Wochenschr., Nr. 34, 1906, S. 623—626.)
Gegenüber der von Hntyra aufgeworfenen Frage, ob nicht vielleicht
auch das Virus der Schweineseuche filtrierbar sei*), weist Verf. auf die
von ihm mit filtriertem Lungensaft scbweineseuchekranker Ferkel an-
gestellten, negativ verlaufenen Infektionsversuche hin. Die Versuche
Hutyras hält 0. nicht für beweiskräftig, da sie wahrscheinlich mit
Schweinepestmaterial angestellt worden sind. Es gelang 0., mit dem aus
Amerika stammenden filtrierten und unfiltrierten Blutserum eines an Hog-
cholera gestorbenen Schweines, eine der perakuten Schweinepest ähnliche
Septikämie zu erzeugen. Schweine, die zu einem künstlich mit Hogcholera
infizierten und septikämisch erkrankten Tier gesetzt wurden, erkrankten
unter den typischen Erscheinungen der Schweinepest. Bierbaum (Berlin}.
Theiler, Die Schweinepest und die Schweineseuche in Süd-
afrika.
(Fortschr. der Veterinärhyg., 1906, S. 121-128.)
Die klinischen und anatomischen Erscheinungen sind bei der süd-
afrikanischen Schweinepest dieselben wie bei der europäischen und ameri-
kanischen. Es gelang dem Verf. nicht, in Südafrika den Bac. suipestifer,
den er auch nicht für den Erreger der dortigen Schweinepest hält, nach-
zuweisen. Der Verf. vermochte jedoch, durch Blutinjektion die Krankheit
zu tibertragen. Schweineseuche allein fand Verf. nur in einem Falle, sonst
immer in Gesellschaft mit Schweinepest; den Bac. suisepticus sieht er
daher für einen Saprophyten an, der nur unter besonderen Bedingungen
virulent wird. Resow (Frankfurt a. Oj.
Weber, A., Die Infektion des Menschen mit den Tuberkelbazillen
des Rindes (Perlsuchtbazillen).
Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, 1980—1984.)
„Die Tuberkulose des Menschen ist keine ätiologisch einheitliche
Erkrankung, es kommen vielmehr für sie zwei einander allerdings sehr
nahestehende Krankheitserreger in Betracht, die Bazillen des Typus
liumanus, die eigentlichen Erreger der menschlichen Tuberkulose und die
Bazillen des Typus bovinus, die Erreger der Tuberkulose des Rindes, der
Perlsucht, Die Perlsuchtinfektion spielt jedoch im Vergleich zu der In-
fektion mit menschlichen Tuberkelbazillen eine nur geringe Rolle. Sie
macht nur einen Teil derjenigen Formen von Tuberkulose aus, deren Ein-
gangspforte im Verdauungskanal zu suchen ist, der primären Darm- und
Mesenterialdrüsen-, sowie der Halsdrtisentuberkulose, und zwar vorzugsweise
*) Vgl. das vorhergehende Referat.
— 251 —
nur im Kindesalter; sie ist insofern auch von geringerer Bedeutung, als
die Möglichkeit einer weiteren Übertragung von Mensch zu Mensch bei
ihr eine sehr geringe ist; bisher ist eine solche überhaupt noch nicht be-
obachtet worden." J.
Eisenmann, Des l£sions occasionnees par le rouget chronique
du porc.
(Jonrn. de med. vet., 1906, S. 530-538 u. 677—588.)
Verf. untersuchte die Folgen des chronischen Rotlaufs bei 28, teils
durch natürliche Ansteckung erkrankten, teils geimpften Schweinen ana-
tomisch, histologisch und bakteriologisch und fand 13mal Endocarditis
verrucosa, 11 mal deformierende Arthritis, 6mal Hepatitis oder Nekrose der
Leber, 7mal Gastritis, lOmal Enteritis, 7mal Veränderungen der Haut
(Rötung, Blasenbildung, Borstenfäule), 5mal Perikarditis, 4mal Bronchitis,
6mal Pneumonie, 3mal Pleuritis, 2mal Peritonitis, 2mal Milztumor, lmal
Schwellung der Speicheldrüsen, 3mal Nephritis, lmal Hämorrhagien der
Pia und häufig Schwellung der Lymphdrüsen. Resow (Frankfurt a. 0.).
Rabinowitsch, L., Neuere experimentelle Untersuchungen über
Tuberkulose.
(Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg, 1906, S. 1809—1811.)
Die angestellten Untersuchungen haben nach der Verfn. ergeben, daß
sich nicht nur beim Menschen, sondern auch beim Rind Tuberkelbazillen
finden, die in bezug auf ihr kulturelles Verhalten und ihre Virulenz einer-
seits den menschlichen, andererseits den Rindertuberkelbazillen entsprechen.
Verfn. gewann aus „tuberkulösen Milchproben" vom Rind Tb., die kul-
turell und in ihrer Virulenz nicht von menschlichen Tb. abwichen. Sie
ist der Ansicht, daß, falls wir die Herkunft der Tb. nach ihren kulturellen
Eigenschaften und ihrer Virulenz zu bestimmen uns für berechtigt halten,
die Rindertuberkulose auf den Menschen und die menschliche Tuberkulose
auf das Rind als übertragbar gelten muß.*) Verfn. glaubt ferner, daß der
einzelnen Tierspezies keine besondere Disposition für die eine oder andere
Tuberkelbazillenform eigen ist, sondern daß die Gelegenheit entscheidet,
*) Der Befund von Tb. mit den Eigenschaften der menschlichen Tb. (und
auch mit den Eigenschaften von „Übergangsformen ") in der Kuhmilch würde
nur dann als beweiskräftig im angegebenen Sinne gelten können, wenn die
Milch unter Kautelen gewonnen wurde, die die Möglichkeit einer zufälligen
Verunreinigung ausschlössen. Über die Gewinnung der „tuberkulösen Milch-
proben" gibt Verfn. indessen nichts an. — Die Frage, ob menschliche Tb. als
Erreger spontaner Tuberkulose des Rindes in Frage kommen, kann einwand-
frei nur durch Untersuchung von spontan tuberkulös erkranktem Gewebe des
Rindes beantwortet werden. Joest.
— 252 —
mit welcher Form sich ein Individuum infiziert. (Beispiel: Papageien, die
je nach der Infektionsgelegenheit bald mit menschlichen Tb., bald mit
Geflügeltb. infiziert gefunden werden.) J.
Aujeszky, A., Experimentelle Untersuchungen mit dem bei 37°
gezüchteten Fischtuberkelbazillus Dubard.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Orig., Bd. 52, 1906, S. 392.)
Um den Fischtuberkelbazillus für Meerschweinchen virulent zu machen,
genügt schon — ohne vorherige Tierpassage — allmählich eingeleitete
Gewöhnung an die Temperatur von 37°; Ratten, Mäuse und Kaninchen
erlagen ebenfalls der Infektion. Tauben und Hühner blieben refraktär, ebenso
zwei Kälber. Ein subkutan geimpftes Kalb bekam einen lokalen Abszeß.
Die von den Meerschweinchen wieder gezüchteten Tuberkelbazillen zeigten
die Morphologie der Warmblütertuberkulose und waren bei Zimmertempera-
tur nicht mehr züchtbar. E. Jacobsthal (Frankfurt a. M.j
Smith, Th.9 Note on the stability of the cultural characters of
tubercle bacilli with special reference to the pro-
duction of capsules.
(Transact. of the flrst Meeting of the National Assoc. for the Study and
Prevention of Tuberculosis. S. 1—14.)
Die Erklärung der Tatsache, daß frisch isolierte Tuberkelbazillen
auf demselben Kulturmedium, auf dem sie bei längerer Fortzüchtung üppig
gedeihen, nur schwer zum Wachstum zu bringen sind, sucht S. darin,
daß ihre Außenschicht Veränderungen erleidet, durch die sie für die Ab-
sorption von Nährstoffen aus dem Kulturmedium durchlässiger wird. Die
an dem frisch aus dem lebenden Gewebe isolierten Bazillus feste Hülle
wird bei fortgesetzter künstlicher Züchtung anscheinend im Übermaß pro-
duziert und dadurch gewissermaßen schleimig, so daß die einzelnen In-
dividuen mehr zusammenhaften. Bei dem Typus humanus tritt diese Be-
schaffenheit schon sehr früh auf, bei dem Typ. bovin us dagegen erst spät.
Auf dieses Verhalten ist auch der Unterschied in dem makroskopischen und
mikroskopischen Aussehen beider Typen zurückzuführen. Durch Ände-
rungen in der Beschaffenheit des Nährbodens (z. B. durch Gallertigwerden
des erstarrten Serums infolge zufälliger Ansiedlung fremder Pilze) können
diese Unterschiede verwischt werden.
Eine Andeutung von dem Vorhandensein einer Kapsel an längere
Zeit fortgezüchteten Tuberkelbazillen läßt sich erzielen, wenn man sie
20 — 30 Minuten lang mit kaltem Karbolfuchsin färbt und dann mit sehr
verdünnter (VioProz.) Essigsäure behandelt. Man sieht dann die Bazillen
häutig ungefärbt auf schwachgefärbtem Grunde oder bei längerer Ein-
wirkung die roten Stäbchen von einem weißen Hof umgeben.
Gräber t (Berlin).
- 253 —
Marmorek, A., Resorption toter Tuberkelbazillen.
(Bert. klin. Wochcnscly., 43. Jahrg., 1906, S. 1179—1180.)
Bisher galten abgetötete Tuberkelbazillen, unter die Haut von Ver-
suchstieren gebracht, für nicht resorbierbar. Sie bilden kalte Abszesse.
Verf. fand demgegenüber, daß eine Resorption toter Tb. von der Subkutis
des Kaninchens ans möglich ist, wenn man die Tb. so fein verreibt, daß
sie nicht mehr in Elümpchen zusammenhängen. Am leichtesten gelingt
dies bei jungen Tb. Wenn man von fein verteilten jungen Tb. kleine
Mengen einspritzt, so tritt ein kalter Abszeß höchst selten auf, und die
Bazillen verschwinden in verhältnismäßig kurzer Zeit. J.
Wassermann, A.f u. Brück, G, Über das Vorhandensein von Anti-
tuberkulin im tuberkulösen Gewebe.
(Münch. med. Wochenschr., 53. Jahrg., 1906, S. 2396—2399.)
Die Verff. hatten bereits früher festgestellt1), daß im tuberkulösen
Gewebe nicht nur Tuberkulin, sondern auch (beim Vorhandensein noch
reaktionsfähigen Gewebes) Antituberkulin sich nachweisen läßt. Von den
Verff. wird erneut der Beweis für die Richtigkeit der früheren Fest-
stellungen erbracht. ./.
Baumgarten, P. v., Experimente über hämatogene Lymphdrüsen-
tuberkulose.
(Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, 8. 1333—1334.)
Verf. ist der Ansicht, daß die Häufigkeit des Vorkommens der
lymphogenen Infektion der Lymphdrüsen zum Nachteil des hämatogenen
Infektionsmodus bisher überschätzt worden sei. Versuche an Kaninchen,
denen teils menschliche Tuberkelbazillen, teils Rindertuberkelbazillen in die
Blntbahn eingespritzt wurden, und die nach 12 — 20 Tagen starben, ergaben,
daß sämtliche Lymphdrüsen tuberkulös erkrankt waren. Je früher die Tiere
gestorben waren, um so mehr überwog die Lymphdrüsentuberkulose über
die Tuberkulose der übrigen Organe. Die Tuberkelbazillen siedeln sich also
mit einer gewissen Vorliebe gerade in den Lymphdrüsen an. Verf. glaubt,
daß unter diesen Umständen eine isolierte, primäre Lymphdrüsentuber-
kulose auch bei plazentarer Infektion eintreten kann. J.
Küster, E., Über Kaltblütertuberkulose.
(Habilitationsschrift [Freiburg i. B.], Leipzig 1905, 65 Ss., 6 Taf.)
Verf. faßt die Resultate seiner Untersuchungen in folgenden Sätzen
zusammen:
„1. Es gibt eine spontan auftretende, wohlcharakterisierte Frosch-
tnberkulose, die mit den von Dubard bei Karpfen, von F. F. Friedmann
l) Vgl. das Referat S. 421 des I. Bandes dieser Zeitschr.
— 254 -
bei Schildkröten gefundenen Tuberkulosen in vielen Beziehungen über-
einstimmt.
2. Sowohl in der Leber von Fröschen, die mit Warmblütertuberkel-
bazillen geimpft waren, als auch von solchen, die niemals irgendwie ge-
impft wurden, können sich säurefeste Stäbchen finden, die morphologisch
und kulturell den Tbc Fr.1) ähnlich sind. Ob wir es in ersterem Fall mit
einer Umwandlung von Warmblütertuberkelbazillen in Kaltblütertuberkel-
bazillen oder in beiden Fällen mit einem Frühstadium der spontanen
Froschtuberkulose zu tun haben, harrt noch der Aufklärung.
3. In der Umgebung von Fröschen (im Wasser, Schlamm und Moos
der Froschbehälter) konnte ich hier in Freiburg säurefeste Stäbchen mit
dem Charakter der Tbc Fr. nicht nachweisen.
4. Die anatomischen Veränderungen, die ich durch Impfung von
Fröschen, Eidechsen und Ringelnattern mit TbcM. und TbcH. erzielte,
stimmen im wesentlichen mit denen früherer Untersucher überein
5. Auch bei Eidechsen, Ringelnattern und Schildkröten, die mit
Warmblütertuberkelbazillen geimpft waren, konnte ich aus der Leber
Bazillen züchten, die den Bazillen der Froschtuberkulose morphologisch
und kulturell identisch sind." J.
Bang, Chronische Pseudotuberkulose Darmentzündung beim
Rind.
(Berl. tierärztl. Wochenschr., 1906, 759-763.)
Verf. hat 15 Kühe, die an sogenannter chronischer tuberkulöser
Darmentzündung litten, in seiner Klinik untersucht. Das Hauptsymptom
der Krankheit bildet ein chronischer, jeder Behandlung trotzender Durchfall.
Bei der Sektion findet sich die Schleimhaut des Dünndarmes stellenweise
stark verdickt. Mikroskopisch sieht man in den Zotten Haufen von großen,
unregelmäßigen epitheloiden Zellen mit einzelnen oder mehreren großen,
ovalen Kernen, die von kleinen, säurefesten Stäbchen förmlich vollgestopft
sind. Während frühere Beobachter diese Bazillen für wirkliche Tuberkel-
bazillen gehalten haben, hat Verf. nachgewiesen, daß es sich um Psendo-
tuberkelbazillen handelt. Zur genauen Klärung hält Verf. noch weitere
Versuche für notwendig. Bierbaum (Berlin).
Noack, Beobachtungen über Pseudotuberkulose der Schafe und
deren Beziehungen zur Echinokokkeninvasion.
(Deutsche tierärztl. Wochenschr., 1906, S. 346—348.)
Grünliche Farbe, zähe Konsistenz, Einschmelzung der gesamten
Lymphdrüsenmasse und Zwiebelschalenbildung der Käseherde kennzeichnen
1 ) Der Verf. bezeichnet als Tbc Fr. Froschtuberkelbazillen, als Tbc M.
menschliche Tb, als TbcH. Hühnertb.
— 255 —
die Pseudotuberkulose schon makroskopisch mit ziemlicher Sicherheit gegen-
über der Tuberkulose. Bei der bakteriologischen Prüfung fand Verf.
konstant kurze, plumpe, leicht färbbare, grampositive, fakultativ anaerobe,
unbewegliche, sporenlose Bakterien, die auf Blutserum einen typischen
Belag lieferten und bei Kaninchen und Meerschweinchen bei Verimpfung
Abszesse erzeugten, bei letzteren Tieren schon bei Verfütterung. Mög-
licherweise dienen die Echinokokkenembryonen als Transportmittel der
Bakterien der Pseudotuberkulose; denn die verkästen Echinokokken ver-
schiedener Schlachttiere beherbergten besonders Kolibakterien und Staphylo-
kokken. Resow (Frankfurt a. Oj
Hutyra, F., Untersuchungen über die Pathogenese der Rotz-
krankheit.
(Zeitschr. f. Tiermed., Bd. 11, 1907, S. 1—62.)
Anknüpfend an die Versuche von Nocard und Schütz, sowie die
späteren von Dedjulin, Mac Fadyean und Bonome, stellte sich H. die
Aufgabe, durch eine Reihe von Ansteckungsversuchen an Pferden und
Eseln beizutragen zur Entscheidung der Frage, wo im Gefolge der ali-
mentären Infektion der primäre rotzige Prozeß einsetzt, ob ferner primärer
Lungenrotz überhaupt vorkommt und schließlich, ob die jungen Rotz-
knötchen beim Lungenrotz als „Fleischwärzchen", wie Nocard meint,
oder als das Produkt einer Pnenmonia fibrinosa miliaris aufzufassen sind.
Aus seinen interessanten Versuchen, deren eingehende Beschreibung
durch mehrere Abbildungen im Text, sowie Temperaturkurven und eine
Tafel mit Darstellungen histologischer Schnitte von Rotzknötchen erläutert
wird, zieht Verf. folgende Schlüsse:
„Die Rotzkrankheit läßt sich durch Verfütterung von Rotzvirus
leicht erzeugen.
Die intestinale Infektion mit geringen Virusmengen hat unmittelbar
eine allgemeine Blutinfektion und im Anschluß an dieselbe eine Lokali-
sation des Prozesses auf die Lunge, als das hierzu besonders disponierte
Organ, also primären Lungenrotz zur Folge. Das Virus regt hier zu-
nächst eine kleinzellige Infiltration der Gefäßwände und des perivaskulären
Bindegewebes an, als deren Folge im peribronchialen Bindegewebe tuberkel-
ähnliche, grau durchscheinende Granulationsknötchen, im alveolären Lungen-
gewebe aber Hepatisationsknötchen entstehen. Im späteren Verlauf tritt
der katarrhalisch-pneumonische Charakter des Prozesses immer mehr in
den Vordergrund.
Inhalation von mit Rotzbazillen geschwängerter Luft hat für ge-
wöhnlich zunächst nur eine akute Erkrankung der untersten Teile der
Nasenhöhlen zur Folge, wozu sich später auf metastatischem Wege eine
Erkrankung der Lungen gesellen kann.
— 256 —
Die natürliche Infektion erfolgt für gewöhnlich von den
Verdauungswegen aus, während die Ansteckung von den Luftwegen
aus kaum eine nennenswerte Rolle spielt.
Der Nasenrotz pflegt sich, ebenso wie der Hautrotz, als sekundärer
Prozeß der Erkrankung innerer Organe, besonders der Lungen, anzu-
schließen. Qrabert (BerlinL
de Haan, J., u. Hoogkamer, C. J«, Beitrag zur Kenntnis des Malleins
als Diagnostikum und Heilmittel für Rotz.
(Zcitichr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 55, 1906, S. 132-170.)
In stark verseuchten Pferdebeständen gelang es Verf. durch An-
wendung von Mallein den Rotz zu tilgen. Nach der Reaktion wurden
drei Gruppen (Kranke, Verdächtige und Gesunde) aufgestellt. Als rotz-
krank wurden Pferde angesehen, wenn ihre Körpertemperatur nach
34 Stunden 1,5° C über die Norm gestiegen war, als rotzfrei, wenn am
2. Tage die Temperatur 38,4° C nicht überschritten hatte. Die kranken
Tiere, die keine klinischen Rotzsymptome zeigen und die verdächtigen
sind alle 4 Wochen aufs neue zu malleinisieren. Bei der folgenden
negativen Reaktion können dann die ersteren übergehen zu der Gruppe
der Verdächtigen, die letzteren zu den Gesunden.
Wiederholte Malleinisation befördert die Heilung. Bugge (Kiel).
Mrowka, Lymphangitis epizootica unter Pferden und Maultieren
in Deutsch-Südwestafrika.
(Zeitschr. f. Vet-Knnde, 18. Jahrg., 1906, S. 261—265.)
Die Krankheit ist in das Schutzgebiet aus dem Kapland, wo sie
sich seit dem Burenkrieg ausgebreitet hat, eingeschleppt worden. Für
die DifFerentialdiagnose gegen Hautrotz ist die Tatsache von Bedeutung,
daß die Erkrankung stets einen chronischen Verlauf nimmt, ohne auf das
Allgemeinbefinden und den Ernährungszustand der befallenen Tiere trotz
monatelanger Dauer im geringsten einzuwirken. Die Diagnose wird er-
schwert, wenn die lymphangitischen Veränderungen auch auf die Nasen-
schleimhäute übergreifen, wie in 2 Fällen von Paine beobachtet wurde.
Für die Therapie ist die frühzeitige Behandlung der der Infektion zum
Ausgang dienenden Wunden mit Ätzmitteln zu empfehlen, um das Vor-
dringen des Sacharomyces farciminosus in die Lymphbahnen zu verhüten.
Qrabert (Berlin).
Müller, R.f Zur Ätiologie der Geflügeldiphtherie.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., Bd. 11, 1906, S. 423-426, 515—523, 621-628.)
M. züchtete aus den diphtherisch erkrankten Teilen von 6 Hühnern,
die aus 3 Seuchenherden stammten, auf Blutagarplatten ein Stäbchen, das
sich als Verwandter des Erregers der menschlichen Diphtherie erwies.
— 257 —
Mit Reinkulturen desselben gelang es, das typische Krankheitsbild zu er-
zeugen. M. sieht daher dieses Stäbchen als Erreger der, nicht mit den
Geflügelpocken zu verwechselnden Krankheit an und bezeichnet es als
„Hühnerdiphtheriebazillus".
Es ist ein ziemlich schlankes Stäbchen, kleiner als der Diphtherie-
bazillus, färbt sich gut nach Gram und zeigt die für Mitglieder der
Diphtheriegruppe charakteristische Parallellagerung und V- Formen. Bei
18° findet kein Wachstum statt, bestes Wachstum bei Bruttemperatur.
Oberflächenaussaaten auf Blutagar zeigen nach 24 Stunden kleine Kolonien,
die nach 48 Stunden eine charakteristische Hofbildung im durchfallenden
Licht erkennen lassen. Ein guter Nährboden für den Hühnerdiphtherie-
bazillus ist auch Serumagar. Bei Schüttelkulturen im Agar lassen sich
verschiedene Schichten erkennen, in denen abwechselnd Wachstum vor-
handen ist und fehlt. Gelatine wird verflüssigt, in Milch tritt Gerinnung
ein. Eine Toxinbildung, analog der des Diphtheriebazillus, scheint nicht
stattzufinden. Qrabert (Berlin}. .
Dammann, G, u. Manegold, O., Die Schlafkrankheit der Hühner.
(Archiv für wissenschaftl. u. prakt. Tierheilk., Bd. 33, 1906, S. 41—70.)
Im Jahre 1904 beobachteten die Verff. in einem Hühnerbestande
eine Krankheit, deren auffallendstes Symptom eine mehr oder weniger aus-
geprägte Schlafsucht war. Aus diesem Grunde wurde die Bezeichnung
„Schlafkrankheit der Hühner" gewählt, zumal letztere in erster Linie für
Hühner in Frage kommt. Die erkrankten Hühner zeigen trauriges Aussehen,
rauhes Gefieder, verschlossene, geschwollene Augen, Schnupfen, blassen
Kamm. Sie fressen immer gut, bewegen sich auch nach dem Fressen.
Meistens sitzen sie still und zusammengekauert, oft stunden-, ja tagelang
schlafend, den Kopf im Gefieder. Die Tiere gehen unter hochgradiger
Abmagerung zugrunde. Das Eierlegen hört ganz auf, dies dauert auch
noch nach Ablauf der Krankheit bei vielen Tieren l/2 ^anr lan£ an-
Als Erreger fanden Verff. lange Streptokokken, die von einer Kapsel
umgeben waren. Dieselben wachsen auf gebräuchlichen Nährböden gut,
besonders aber auf Blutserum, dem 6% Glyzerin zugesetzt ist. Die
Streptokokken entfärben sich nicht nach Gram. Die Toxinbildung ist
stark. Die Erreger werden durch Austrocknung, Hitze und gewöhnliche
Desinfektionsmittel leicht abgetötet. Die Streptokokken sind pathogen für
Tauben, Kaninchen, weiße Mäuse, graue Hausmäuse, auch konnte die Krank-
heit auf Lämmer und Hunde übertragen werden.
Bei der Sektion findet man stark abgemagerte Kadaver, die hoch-
gradig anämisch sind. Die Abmagerung ist bedingt durch die starke
Toxinbildung des Streptococcus capsulatus gallinarum (Toxin-
kachexie. Ferner "findet man Katarrh der Kopfschleimhäute, mehr oder
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 2/3. 17
— 258 —
weniger starke entzündliche Veränderungen am Darmkanal und sonst das
Bild der Septikämie. Die Inkubationszeit beträgt 8—14 Tage. Krank-
heitsdauer bis 3 Wochen. v. Sande (Frankfurt a. M.j.
Levaditi et Manou&lian, Nouvelles recherches sur la spirillose des
poules.
(Ann. de l'Institut Pasteur, Bd. 20, 1906, S. 693— 600.)
Es fand sich nicht nur im Blute, sondern auch im Gewebe, ins-
besondere der Leber und Milz, eine — von Nekrotisierung begleitete —
Vermehrung und Anhäufung der Spirillen. In Leberzellen selbst konnten
sie nicht gefunden werden. Die Vermehrung der Spirillen erfolgt wahr-
scheinlich durch Querteilung. Das Verschwinden der Spirillen aus dem
Blute beruht auf Phagozytose durch Makrophagen in der Milz, durch die
Kup ferschen Sternzellen in der Leber. Es gelang, die Spirillen in den
Eiern der erkrankten Tiere nachzuweisen; es wird vermutet, daß sie durch
Vermittlung von Wanderzellen dorthin gelangen.
E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj
Schiffmann, J., Zur Histologie der Hühnerpest.
(Wiener klin. Wochenschr., 19. Jahrg., 1906, S. 1347-1348.)
Verf. fand im Großhirn von Gänsen, die mit dem Virus der Hühner-
pest (Gehirnemulsion) intramuskulär infiziert und an Hühnerpest zugrunde
gegangen waren, ovale, runde oder nierenförniige Körperchen, die zum Teil
in Ganglienzellen, zum Teil außerhalb derselben gelegen waren, und die
sich mit Triazid nach Pappenheim und nach Mann charakteristisch
färbten. Diese Gebilde ließen sich im Kleinhirn und Rückenmark der
Gänse nicht nachweisen. Sie fanden sich überhaupt nicht bef normalen
Gänsen und ebenso nicht bei an Hühnerpest verendeten Hühnern. Sie
haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Negri sehen Körperchen. Ob es
sich um Degenerationsprodukte oder Parasiten handelt, muß vorläufig
dahingestellt bleiben. J.
Hell, Bemerkungen zur Ätiologie der Brustseuche.
(Zeitachr. f. Vct.-Kunde, 18. Jahrg., 1906, S. 159—162.)
Verf. glaubt, bis zum Beweise des Gegenteils daran festhalten zu
müssen, daß die Atmungsorgane in erster Linie als die gewöhn-
liche Eingangspforte des Ansteckungsstoffes der Brustseuche
anzusehen sind. Der in neuerer Zeit geäußerten Annahme, daß den
Fliegen oder sonstigen Insekten eine Bedeutung für die Verbreitung der
Seuche beigelegt werden müsse, steht Verf. skeptisch gegenüber, da sie
mit den bisherigen Erfahrungen nicht im Einklang steht. Der Ansicht,
daß das reine Bild der Brustseuche ein fieberhafter Katarrh der Luftwege
— 259 —
ohne Lokalisation in der Lunge darstellt, daß die Erkrankung der letzteren
vielmehr als Komplikation aufzufassen ist, vermag sich H. nicht anzu-
schließen. Orabert (Berlin).
Thoms, P., Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder unter
besonderer Berücksichtigung der pathologisch -histo-
logischen Veränderungen der Scheidenschleimhaut.
(Monaten, f. prakt. Tierheilk., Bd. 17, 1906, 8. 193—211.)
Nach einer kurzen Einleitung über die Verbreitung und wissenschaft-
liche Bedeutung des ansteckenden Scheidenkatarrhs und nach Erwähnung
der einschlägigen Literatur beschreibt Verf. seine eigenen Untersuchungen,
die Häufigkeit und Erscheinungen des ansteckenden Scheiden-
katarrhs, sowie die pathologisch-anatomischen Veränderungen der
Scheidenschleimhaut behandeln. Die Ergebnisse lassen sich folgender-
maßen zusammenfassen:
Die am 4. oder 5. Tage nach der Ansteckung bei Rindern von
jedem Alter auf der Vorhofschleimhaut der Scheide auftretenden Knötchen
sind auf eine Infektion durch Diplo- oder Streptokokken zurückzuführen.
Histologisch stellen diese Knötchen Einlagerungen von Rundzellen lympho-
zytären Charakters (Follikel) in die Scbleimhautpapillen dar, wodurch
letztere kolbenförmig verdickt erscheinen. Die Follikel selbst entstehen
aus den schon in der normalen Schleimhaut mehr oder weniger zahlreich
vorhandenen zirkumskripten Anhäufungen von Rundzellen oder in dem an
Rundzellen reichen zytogenen Gewebe der Tunica propria. Im Stadium
der Abheilung bilden sich die Follikel allmählich wieder zurück, doch
scheint nach Ansicht des Verf. die Abheilung der Krankheit nicht un-
bedingt an das völlige Verschwinden der Knötchen gebunden zu sein.
Poppe (Leipzig).
Martens, Infektiöse katarrhalische Bronchitis und Pneumonie
bei Rindvieh.
(Berl. tierarztl. Wochenschr., 1906, 8. 655/6.)
Verf. beobachtete eine infektiöse katarrhalische Bronchitis und Pneu-
monie bei Rindern, die zur Verwechslung mit Lungenseuche hätte Anlaß
geben können. Eine bakteriologische Untersuchung ist leider unterblieben.
Bierbaum ( Berlin) .
Porcher, Ch.9 Untersuchungen über die Zusammensetzung des
Harnes bei Tollwut.
(Biochemische Zeitschr., Bd. 2, 1906, S. 291—306.)
Verf. hat den Harn verschiedener tollwutkranker oder tollwut-
verdächtiger Tiere, die zum Teil für diese Studien geimpft, zum Teil
als verdächtig der Klinik (der tierärztlichen Hochschule zu Lyon) ein-
geliefert waren, untersucht und, soweit es sich nicht um Kadaver han-
17*
— 260 —
delte, auch den während der Krankheit abgesetzten Harn zur Untersuchung
herangezogen. So gelangte der Harn von Hunden, Ziegen, Kaninchen,
Hammeln, Eseln, Katzen usw. zur Analyse. Bei allen diesen Tieren konnte
eine Tollwutglykosurie beobachtet werden. Das Auftreten derselben
ist bestimmten Regeln nicht unterworfen. Bei einigen Ziegen fand sich
z. B. der Zucker erst einige Tage nach dem Erscheinen der ersten Symp-
tome, während er in einem Falle schon am ersten Tage auftrat. Die Höhe
der Zuckerausscheidung ist großen Schwankungen unterworfen, doch dürfte
bei Pflanzenfressern die Ausscheidung reichlicher sein. Ein Zusammen-
hang der Glykosurie mit der Form der Tollwut und der Virulenz des Giftes
konnte auch nicht gefunden werden. Verf. schreibt der Feststellung
der Wutglyko8urie, die er für nervösen Ursprungs ansieht, wenigstens in
den Fällen, wo der Nachweis des Traubenzuckers im Harn positiv aus-
gefallen ist, einen größeren Wert zu, als der Feststellung der ganglionären
Krankheitserscheinungen und der Negrischen Körperchen. Verf. betont den
Wert der Untersuchung des Harnes auf Zucker seitens des Tierarztes,
wenn Tollwutverdacht vorliegt, da Fälle vorkommen, in denen dieser Nach-
weis allein genügt, um die Diagnose auf die richtige Fährte zu weisen.
Scheunert (Dresden).
Negri, A.9 Über Filtration des Vakzinevirus.
(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 64, 1906, S. 327—346.)
Durch 15 — 22tägige Mazeration von Vakzinematerial in 10 Gewichts-
teilen sterilisierten destillierten Wassers und Filtration durch Berkefeld-
kerzen V. und N. erhielt Verf ein keimfreies Filtrat, das auf der Kornea
des Kaninchens Guarnierische Körperchen und auf der Haut des Rindes und
Menschen typische Pusteln erzeugte. Demnach gehört das Vakzinevirus
zu den ultramikroskopischen Krankheitserregern. Bugge (Kid).
Carini, A., Beitrag zur Kenntnis der Filtrierbarkeit des Vakzine-
virus.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Orig., Bd. 52, 1906, S. 325.)
Bestätigung des Befundes von Negri, daß das Virus filtrierbar ist.
Vorbedingung scheint aber eine vorherige mehrwöchentliche Mazeration
ZU sein. E. Jacobsthal (Frankfurt o. Mj.
Wenyon, C. AL, Spirochaetosis of mice due to spirochaeta muris
n. sp. in the blood.
(The Journ. of Hygiene, Vol. 6, No. 5, 1906, S. 580—585.)
Verf. fand in dem Blut einer braunen Maus neben Trypanosomen
Spirochäten. Durch Überimpfung auf Mäuse gelang es Verf., die Spirochäte
zu isolieren. Diese zeigte starke aktive Beweglichkeit; Kern oder
Membran waren an ihr nicht nachweisbar. Dieselbe Spirochäte wurde in
Läusen, die bei den infizierten Mäusen gefunden wurden, beobachtet,
— 261 —
jedoch gelang es nicht, die Spirochäte auf Mäuse durch infizierte Läuse
zu übertragen. Ebensowenig Erfolg hatte die Verimpfung von spirochäten-
haltigem Danninhalt von Mäusen. Hoffmann (Breslau).
Entwicklungshemmung.
Hofer, Über die Vorgänge der Selbstreinigung im Wasser.
(Münch. med. Wochenschr., 1906, Nr. 47.)
Als die hauptsächlichsten biologischen Faktoren der Selbstreinigung
sah man bisher die Bakterien an. Auf Grund seiner Untersuchungen des
iBarwassers glaubt der Verf. jedoch annehmen zu müssen, daß die wesent-
lichste .Arbeit bei der Selbstreinigung nicht den Bakterien, sondern viel-
mehr neben den Abwasserpilzen hauptsächlich den Wassertieren, wie
Protozoen, Schlammwürmern, Insektenlarven usw. zukomme. Da diese
Tiere zum größten Teil am und im Boden leben, so dürfte die Selbst-
reinigung vornehmlich eine Funktion des Bodens sein. Dausel (Berlin).
Tizzoni, Gn u. Bongiovanni, A„ Weiteres über die Behandlung der
Wut mittelst Radiumstrahlen und über den Mechanis-
mus ihrer Wirkung.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., 1. Abt., Originale, Bd. 52, 1906, S. 80-83, 161-170.)
Schon früher hatten die Verff. nachgewiesen, daß in vitro durch
Radiumstrahlen das fixe Virus in zwei Stunden zerstört wird, daß ferner
dieselbe Wirkung auch Im lebenden Tier, dem irgendwie das Virus in-
jiziert war, erzielt werden kann. Die Radium Wirkung auf das infizierte
Tier ist abhängig von der Intensität der radioaktiven Quelle und der
Dauer der Applikation. Die Applikation auf das Auge, die unter den
Versuchsbedingungen der Verff. ohne jegliche Schädigung des Tieres ge-
schehen kann, hat ceteris paribus eine zehnmal intensivere Wirkung. Das
durch Radiumstrahlen zersetzte fixe Virus kann bei intraokularer Injektion
eines Tropfens als Vakzin gegen das Straßenvirus dienen. Zu ihren Ver-
suchen brauchten die Verff. meist 2 cg reinen Radiumbromids mit einem
Werte von 100000 R.-E., es war in dem Apparat Armet de Lisles
(mit Glimmerplättchen) montiert. Das Fehlen schädlicher Nebenwirkungen
wird der Ausschaltung der Emanation zugeschrieben. Man hatte bei infi-
zierten Tieren eine sicherere Heilwirkung durch acht einstündige, als
durch eine achtstündige Applikation. Es wurde untersucht, welcher von
den vom Radium ausgehenden Strahlenarten die Wirkung auf das Wutvirus
zuzuschreiben ist. Dabei fand sich eine kaum nennenswerte Wirkung
durch die /-Strahlen; auch die «-Strahlen sind kaum wirksam oder unter-
— 262 —
stützen nur die Wirkung der (den Kathodenstrahlen ähnlichen) /ff-Strahlen,
denen die Hauptwirkung zukommt. Bei Benutzung eines fixen Virus, das
sonst am 7. Versuchstage tötete, gelang die Heilung von Tieren auch
noch nach 5 Tagen, also im vierten Fünftel der Gesamtkrankheitszeit, und
zwar nachdem schon 24 Stunden deutliche Wutsymptome aufgetreten waren.
Bei der Bestimmung der Dosis curativa minima desselben Radiumprä-
parates ergab sich nach B1/2 Krankheitstagen 18 Stunden, bei sofortiger
Anwendung 8 Stunden; eine Proportion zwischen Krankheitstagen und der
nötigen Minimaldosis besteht nicht. Schließlich gelang die Bestimmung
der nötigen Heildosis für ein Tier auf photographischem Wege. Appliziert
man nämlich das Radium auf das Auge, so hat die Schnittfläche eines
durch die Hirnmitte gelegten Schnittes nur dann eine deutliche Wirksam-
keit auf die photographische Platte, wenn die Applikation einer der Dosis
curativa minima entsprechenden Zeit gedauert hat. Für den Menschen
wird so die nötige Dosis berechnet; für ihn brauchte man ein Präparat
mit rund 5 Millionen R.-E. E. Jacobsthal (Frankfurt a, Mj.
Tizzoni, G., et Bongiovanni, De l'action du radium sur le virus
rabique. Räponse k nos contradicteurs.
(Ann. de l'Institut Pasteur, Bd. 20, 1906, S. 682-688.)
Im ganzen werden zu den vorstehend referierten Ergebnissen keine
neuen hinzugefügt. Jedoch ergeben sich bei der Besprechung der Nach-
untersuchungen eine Menge Einzelheiten, deren Nichtbeachtung zu Fehl-
resultaten führen kann. E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Immunität — Schutzimpfung.
Jensen, Über die Schutzimpfung gegen Bradsot.
(Berl. tierärztl. Wochenschr., 1906, 743/4.)
Zar Schutzimpfung gegen die Bradsot sind bisher hauptsächlich drei
Methoden in Anwendung gebracht worden:
1. Eine in einer Bouillon -Pferdeserummischung unter Wasserstoff
gezüchtete Reinkultur wird nach erfolgter Sporenbildung zur Trockenheit
eingedampft und in Mengen von 0,005 — 0,03 g subkutan verimpft.
2. Die in der beschriebenen Weise behandelte Kultur wird mit
Immnntrockenserum, das durch intravenöse Injektionen virulenter Kultur
von Pferden gewonnen wird, in bestimmtem Verhältnis gemischt und sub-
kutan injiziert.
3. Seidenfäden werden 3—4 Wochen in einer Zucker- oder Serum-
bouillonkultur gehalten und bei 40—45° getrocknet. Die Fäden werden
— 263 —
mit einer Nadel durch eine Hautfalte an der Innenseite des Schenkels
gezogen und bleiben liegen.
Die Erfolge dieser Impfmethoden sind zwar noch nicht vollständig
befriedigend, doch ist bereits eine bedeutende Herabsetzung der Verluste
an Bradsot erreicht worden. Bierbaum [Berlin.}
Kitt, Th«, Ein Versuch einer Druseschutzimpfung mit abgetöteten
Drusestreptokokken.
(Monatsh. f. prakt. Tierheilkde., Bd. 17, 1906, S. 363—367.)
Zwecks aktiver Immunisierung behandelte Verf. zwei Fohlen mit
wiederholten intravenösen Injektionen von durch Hitze (53—55° C) ab-
getöteten Drusestreptokokken (Serumbouillonkulturen), die sich für Mäuse
derartig virulent erwiesen, daß diese teils nach wenigen Tagen, teils nach
2—3 Wochen an einer tödlichen Druseinfektion eingingen. Trotzdem die
beiden Versuchspferde keine Impfreaktion (Störung im Allgemeinbefinden,
Fieber) zeigten, und daher eine Antikörperbildung und Immunität nicht
recht zu erwarten war, ertrugen sie dennoch eine Fütterungsinfektion
mit Druseeiter, eine Kontaktinfektion durch Einreiben von Druseeiter auf
die Nasenschleimhaut und eine Kohabitation mit einem drusekranken
Pferde ohne jedes Zeichen einer Erkrankung. Ein drittes Fohlen, das
durch dreimalige Impfung mit durch Hitze abgetöteter Streptokokkenhai-
tiger Serumbouillonkultur vorbehandelt war, erkrankte jedoch, als es einer
Infektion ausgesetzt wurde, an typischer Druse. Als Grund für diesen
Ausfall, der nicht zugunsten der Methode sprechen würde, nimmt Verf.
an, daß letzteres Tier infolge nur dreimaliger Impfung noch keine genü-
gende Grundimmunität erworben hatte, während die erstgenannten Tiere
durch sieben intravenöse Vorimpfungen aktiv immunisiert worden waren.
Da sich nun eine öfters zu wiederholende Impfung mit abgetöteten Druse-
streptokokken aus verschiedenen Gründen für die Schutzimpfung gegen
Druse in der Praxis nicht eignen würde und die rein passive Immunisie-
rung mit Seruminjektionen nur zu kurze Zeit anhält, so schlägt Verf.
vor, über eine kombinierte Impfmethode und die Dauer der aktiven
Immunität bei kürzerer Erhitzungszeit der Kulturen weitere Versuche an-
zustellen. Poppe (Ijcipxig).
Ludwig, J., Tierexperimentelle Untersuchungen über Druse mit
besonderer Berücksichtigung der Immunisierung von
Kaninchen.
(Monatsh. f. prakt. Tierheilkde., Bd. 17, 1906, S. 289—321.)
Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu folgenden Schlüssen :
Die aktive Immunisierung von Kaninchen gegen Druse gelingt am
leichtesten mit durch Hitze oder Jodtrichlorid abgetöteten Kulturen bei
— 264 —
intraperitonealer oder subkutaner Impfung und kann mittelst weniger In-
jektionen rasch hoch getrieben werden.
Drusestreptokokken sind bei subkutaner Impfung für Kaninchen fast
avirulent, bei intraperitonealer Impfung wirken sie auch in mäßigen Dosen
tödlich.
Bei längerer Fortzüchtung auf künstlichen Nährböden sinkt die
Virulenz.
Die intraperitoneale Impfung läßt sich zur Bestimmung des Virulenz-
grades zum Zwecke der Serumschutzbestimmung leicht verwerten.
Das aus dem Blut von Kaninchen, die mit Drusestreptokokken vor-
behandelt wurden, gewonnene Serum schützt schon in kleinen Dosen
(Of01 ccm) bei gleichzeitiger Injektion in die Bauchhöhle gegen das
Doppelte der geringsten sicher tödlichen Dosis (kleinere Dosen verzögern
den Tod des Tieres; größere Serumdosen schützen gegen das Vielfache
der tödlichen Kulturdosis).
Die passive Immunisierung mittelst Seruminjektion hält selbst bei
Benutzung großer Serummengen nur kurze Zeit an.
Praktische Versuche sind anzustellen, ob das aus dem Kaninchen
gewonnene Serum für Pferde eine ebenso gute Wirkung hat wie für Ka-
ninchen (Verf. hält die Heilimpfung für aussichtsvoller als die prophy-
laktische Immunisierung). Poppe (Ijipzig).
Morgenroth, J., u. Carpi, U., Über ein Toxolezithid des Bienen-
giftes.
(Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, S. 1424—1425.)
„Das Bienengift enthält — analog den Schlangengiften und dem
Skorpiongift — eine Substanz (Prolezithid) von toxin- oder ambozeptor-
artigem Charakter, die sich mit Lezithin zu einem eigenartigen, hämoly-
tisch wirkenden Toxolezithid vereinigt." J.
Moreschi, C, Über den Wert des Komplementablenkungsverfahrens
in der bakteriologischen Diagnostik.
(Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, S. 1243—1244.)
Bei Typhus entsprach das Komplementablenkungsverfahren nicht den
Erwartungen in diagnostischer Hinsicht. J.
Korschun, S., Über Antagonismus zwischen normalen und immunen
bakteriziden Sera.
(Münch. med. Wochenschr., 53. Jahrg., 1906, S. 1612—1613.)
Serum von Pferden, die mit Dysenterie- oder Typhuskulturen vor-
behandelt wurden, hemmt die bakterizide Wirkung verschiedener normaler
Sera auf die entsprechenden (Dysenterie-, Typhus-) Bakterien. Dabei
schüzt ein gewisses Immunserum nur diejenige Art von Bakterien, die
zu seiner Herstellung diente, d. h. das Dysenterieserum schützt nur Dysenterie-
— 265 —
bazillen, das Typhusserum nur Typhusbazillen. Diese Tatsache läßt sich
mit der Komplementwirkung erklären. J.
Weill-HalI6 et Leraaire, H., Antitoxine et präcipitine.
(Compt. rend. de la Soc. de Biologie, Bd. 61, 1906, S. 407.)
Zu den Versuchen wurde „Antipferdeserum" von Kaninchen mit
Diphtherieserum vom Pferde gemischt. Das Präzipitat riß beträchtliche
Mengen des Diphtherie-Antitoxins mit. Der größte Teil davon
ließ sich mit H20 oder NaCl-Lösung während 6 stündiger Einwirkung
wieder isolieren.
Hamburger hatte das Verschwinden von Antitoxin bei Präzi-
pitierung als rein mechanischen Vorgang erklärt; Wassermann und
Brück glaubten es durch Bildung eines „Antiambozeptors" verursacht.
Die erstere und leicht verständliche Annahme ist somit durch den ein-
fachen Versuch bewiesen. Die Autoren weisen darauf hin, daß die Kennt-
nis dieser Ergebnisse für Immunisierungsversuche wichtig sind.
Sieber ( Hamburg.)
Jobling, J. W., Über den Einfluß erhöhter Temperaturen auf das
Agglutinationsphänomen.
(Zeitaehr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 53, 1906, S. 554—560.)
Verf. bestätigte die Befunde Porges und Dreyers für Typhus,
daß nämlich die Erhitzung auf 70° C die Agglutinabilität herabsetzt, eine
solche auf 100° C sie wiederum erhöht, und die abzentrifngierten und ge-
waschenen Bakterien dem Serum in vitro keine nachweisbare Menge Agglu-
tinin entziehen. Es geht demnach bei der Erhitzung auf höhere Temperatur
der größte Teil der agglutinierenden Substanz aus dem Innern des
Bakterienleibes in die Aufschwemmungsflüssigkeit über. Trotzdem kann
durch die Verimpf ung solcher erhitzter und gewaschener Bakterien bei
Tieren ein agglutinierendes Serum erzeugt werden. Die Hitze wirkt nicht
auf die spezifischen, bei der Agglutination in Betracht kommenden Sub-
stanzen ein, sondern wirkt als rein physikalisches Moment.
Bugge (Kiel).
Shibayama, G., Zur Agglutinoidfrage.
(Zentraibl. f. Bakt usw., I. Abt., Bd. 42, 1906, S. 64-68, 144—150.)
Verf. kommt zu folgenden Schlußsätzen:
1. Die bei langem Stehen oder bei Wärmeeinwirkung im Typhuspferde-
serum gebildete Agglutinoidzone verschwindet bei Zusatz von Kaninchen-
normalserum durch die Wirkung des Normalagglutinins. 2. Pferde-, Hunde-,
Meerschweinchen-, Hühner-, Taubenserum hat nicht diese Wirkung. 3. Die
Wirkung verschwindet durch Einwirkung von 56°, während 10' auf das
Kaninchenserum. 4. Agglutinoidzonen von Kaninchentyphusserum ver-
schwinden nicht durch Kaninchennormalserum. 5. Die Widerstandsfähig-
— 266 —
keit der Agglutinine gegen Erhitzen ist bei verschiedenen Typhuspferde-
seris verschieden. 6. Die Verschiedenheit tritt auch bei demselben Serum
auf, je nach der Verschiedenheit der zur Verdünnung des Serums gewähl-
ten Flüssigkeit (physiol. Kochsalzlösung oder Wasser). Das Verschwinden
der Agglntinoidzone durch Zusatz von Normalkaninchenserum beruht nicht
auf der komptementartigen Wirkung des Normalkaninchenserums, sondern
auf der Ablenkung des Agglutinoides. E. Jacobsthal f Frankfurt a. M.j.
Trommsdorf, R., Experimentelle Studien über die Ursachen der
durch verschiedene Schädlichkeiten bedingten Herab-
setzung der natürlichen Widerstandskraft gegen In-
fektionen (Resistenz), ein Beitrag zur Immunitätslehre.
(Arch. f. Hygiene, Bd. 59, 1906, 8. 1—90.)
In der Einleitung sehr ausführliche Zusammenstellung der bis-
herigen Untersuchungen auf diesem Gebiet. T. wandte planmäßig (im all-
gemeinen bei Meerschweinchen) folgende Schädigungen an: 1. Abkühlung,
2. Ermüdung (in der Tretmühle), 3. Hunger, 4. Alkohol in kleinen und
großen Dosen Von den sehr zahlreichen Versuchen seien folgende her-
vorgehoben. Die Alexine des kreisenden Blutes wurden durch keine der
Schädigungen sicher beeinflußt (Prüfung durch Hämolyse und Bakterizidie).
Die Schädigungen (sub 1—3) beeinflussen dagegen aufs stärkste die Pha-
gozytose im Peritoneum des Meerschweinchens, dem präparierte Hühner-
blutkörperchen injiziert worden sind, und zwar findet sich außer starker
Hemmung der Leukozytenzuwanderung eine verminderte Freßtätigkeit der
Leukozyten, sowie eine Verlangsamung der extrazellulären Lyse der Blut-
körperchen. Nach des Verf. Meinung spielen für die Resistenz des Orga-
nismus die Alexine eine gleich große Rolle wie die Phagozytose. Wenn
im Blute keine Alexinverminderung konstatiert wurde, so liege das an der
schnellen Regeneration der Alexine, die erst in der Agonie aufhöre; in der
Bauchhöhle werden sie so schnell resorbiert, weil sie nicht so schnell in
die Peritoneallymphe übergehen. Weiterhin wurde die Regenerations-
fähigkeit der Alexine im hämolytischen Versuch dadurch geprüft, daß durch
intravasale Injektion von Rinderblut die Alexine absorbiert werden; nach
24 Stunden zeigten dann normale Tiere wieder normalen Alexingehalt,
überkältete und übermüdete nur minimalen. Alle Schädigungsarten ergaben
eine Erhöhung der Empfänglichkeit für Infektionen (Typhus intraperi-
toneal), ferner eine Herabsetzung der Bildung spezifischer Schutzstoffe
(geprüft an Bakterizidie, Agglutininbildung, Bildung hämolytischer Arabo-
zeptoren). Bemerkenswert ist, daß dagegen einmalige kleine Alkohol-
dosen sowie einmalige mäßige Muskelanstrengung die Schutzkörperbildung
begünstigt, ferner, daß die chronisch alkoholvergifteten Tiere trotz der
doch objektiv nachweisbaren Resistenzverminderung sämtlich starke Ge-
wichtszunahmen hatten.
— 267 —
T. sieht das Wesen der Resistenz in der Reaktionsbereitschaft
des Organismus, charakterisiert durch die Bewegungs- und Freßfähigkeit
der Leukozyten, das Alexinbildungs vermögen, das Bildungsvermögen für
spezifische Schutzstoffe. Wesentlich ist also die Reaktionsfähigkeit auf
Reize; ihre Aufhebung ist das, was wir „Prädisposition" nennen.
E. Jacobsthal (Frankfurt a. M.).
Pease, H. D., and Pearce, R. MM Liver necrosis and venous throm-
bosis in horses actively immunised with diphtheria
and tetanus toxins and with Streptococci and their
products.
(The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906, S. 619 637.)
Verff. beschreiben mehrere Fälle von Lebernekrose und Venenthrom-
bose bei Pferden, die aktiv mit Toxinen von Diphtherie- und Tetanus-
bazillen usw. immunisiert worden waren. Die gen. pathologischen Ver-
änderungen sind auf die spezifische Wirkung der Toxine zurückzuführen.
Kaestner (Berlin).
Moussu, (L, Le bilan actuel de la vaccination et de la s£rothera-
pie antituberculeuse.
(Rec. de mäd. v6t, Bd. 83, 1906, S. 741—758.)
v. Behring hat sich bei der Verteidigung seiner Immunisierungs-
methode gegen die Rindertuberkulose besonders auf die vorzüglichen Resul-
tate seines Verfahrens in dem französischen Orte Melun berufen.
M. führt in einer sehr lesenswerten zusammenfassenden Studie diese
Erfolge auf ein sehr bescheidenes Maß zurück. Den Hauptfehler bei der
Anstellung der Versuche in Melun sieht M. darin, daß dieselben zu früh-
zeitig abgebrochen wurden und im wesentlichen den praktischen Erforder-
nissen nicht entsprachen.
Nach der neueren Empfehlung v. Behrings vom Jahre 1904 sind die
Tiere in Melun zuerst mit 4 mg und drei Monate später mit 20 mg Bovo-
vakzin intravenös geimpft worden, nachdem eine vorhergehende Tuberkulin-
injektion bei allen Tieren ohne Reaktion geblieben war. Die vakzinier-
ten Tiere sind dann unter Zuhilfenahme der nötigen Kontrolltiere in
dreierlei Art auf die zu erlangende Immunität geprüft worden.
1. Ein Teil der Tiere und 6 Kontrolliere sind 3 Monate nach der zweiten
Vakzination mit abgewogenen Mengen virulenter Rindertuberkel-
bazillen intravenös geimpft worden; nach sechsmonatiger Beobach-
tungszeit sind die Tiere getötet worden. Von den 6 Kontrolltieren
starben 3 während der 6 Monate an Tuberkulose, die anderen 3 zeig-
ten bei der Sektion umfangreiche tuberkulöse Veränderungen. Von
den vorbehandelten Tieren zeigten 4 keine makroskopischen Verände-
rungen; ein Tier wies geringgradige Herde in der hinteren Mediastinal-
drüse und das sechste Tier gleichartige Herde in den Bronchial- und
Mediastinaldrüsen auf.
— 268 —
Es schien dies also ein Beweis zu sein, daß das in Melun gebrauchte
Bovovakzin für die behandelten Tiere nicht „offensiv" war und auch eine
gewisse nicht abzuleugnende Immunität bei den Tieren erzeugt hatte.
2. Eine zweite Serie der Tiere erhielt subkutan virulente Rindertuberkcl-
bazillen. Von den 7 Kontrolltieren zeigten sich bei 5 Lungentuber-
kulose, bei 2 Tieren nur Bronchialdrüsentuberkulose. Bei den vakzi-
nierten Tieren zeigten sich in vier Fällen nur Herde an den Impf-
stellen, zweimal war die Bugdrüse und einmal die Drüse am Brust-
eingang affiziert.
Von beiden Versuchstieren hat nun M. von je drei Stellen kleine
Stückchen anscheinend gesunder Lymphdrüsen (Bronchial-, Mediastinal-
und Bugdrtisen) intramuskulär an Meerschweinchen verimpft; diese sind
stets tuberkulös infiziert worden. Also 6 Monate nach der Vakzination
waren die zu den Probeimpfungen verwandten Bazillen noch
infektionstüchtig. Die Erfahrungen der menschlichen Pathologie
(Knochentuberkulose), nach denen die Tuberkulose oft latent bleibt und
erst bei ungünstigen Bedingungen wieder floride wird, drängen M. zu
dem Schluß, daß auch bei den vorstehend genannten Tieren, wenn sie
länger als 6 Monate gelebt hätten, unter ungünstigen Umständen, wie sie
Laktation, Trächtigkeit, schlechte Ernährung und andere Krankheiten dar-
stellen, von den in den Lymphdrüsen latent verbliebenen Bazillen aus sich
eine offensichtliche Tuberkulose hätte entwickeln können.
3. Für die dritte Serie der vakzinierten Tiere endlich hatte es M. durch-
gesetzt, daß diese, wie es den natürlichen Verhältnissen entspricht,
mit Tieren mit offener Tuberkulose während eines Jahres zusammen-
gebracht wurden.
Eines dieser Tiere zeigte bei der Obduktion schwere tuberkulöse
Veränderungen der Bronchial-, Mediastinal- und Mesenterialdrüsen
sowie auch der Lungen.
Ein zweites Tier zeigte weniger ausgesprochene Drüsenaffektionen.
Endlich starb ein Tier, das ein Jahr nach der Vakzination intravenös
mit virulenten Bazillen geimpft worden war, an generalisierter
Tuberkulose.
M. führt an, daß in Belgien die Hälfte der vakzinierten Tiere bei
der Sektion tuberkulöse Veränderungen aufwies, und daß ein vakziniertes
Tier sich infiziert hatte, nachdem es nur 5 Monate der Kohabitation mit
einem Tier mit offener Tuberkulose ausgesetzt gewesen war.
Auch den von de Schweinitz, Pearson, Koch und Schütz an-
gegebenen Verfahren spricht M. auf Grund der bisherigen Erfahrungen
einen praktischen Wert ab. Zum Schluß resümiert sich M. dahin, daß
durch die bisherigen Impfmethoden zwar die Resistenz der
Tiere erhöht wird, daß jedoch eine den praktischen Bedürfnissen
— 269 —
entsprechende Immunität nicht entsteht („on renforce la resistance
des sujets miß en experience, mais on ne fait pas de vaccination pratique.")
Auch von den bisher hergestellten Immnnseris verspricht
sich M. nicht viel. Er konnte zwar mit einem nach unseren heutigen
Anschauungen hoch wirksamen Serum einen stark tuberkulösen Hund klinisch
gesund machen (die Tuberkulinreaktion blieb bestehen), er brauchte aber
dazu so große Serummengen, daß auch dieses Serum für den Menschen
und noch mehr für unsere großen Haustiere praktisch ohne jede Bedeu-
tung wäre. Junack (Bentheim).
Thomassen, M. H. J. P., De immuniseering van het rund tegen
de tuberculose. (Die Immunisierung des Kindes gegen die
Tuberkulose.)
(Haag, 1906, 60 Ss.)
Diese Arbeit, die letzte des am 21. Dezember so plötzlich verstor-
benen Utrechter Forschers enthält, abgesehen von entsprechenden Lite-
raturangaben, eigene Untersuchungen des Verf.:
a) Intravenöse Applikation von einer großen Dosis frisch kulti-
vierter humaner Bazillen.
b) Intraperitoneale Applikation humaner Bazillen.
c) Intravenöse Applikation schwerer virulenter boviner Bazillen.
d) Humane Bazillen, intravenös in steigenden Dosen von 0,001
bis 0,010 Gramm.
e) Humane Bazillen, intravenös in steigenden Dosen von' 0,001
bis 0,010 und 0,025 Gramm.
f) Impfung mit in vacuo getrockneten humanen Bazillen (Bovo-
vakzin von Behring).
g) Immunisierung mit bovinen Bazillen,
h) Filtrat von Kulturen (Tuberkulin).
i) Serum von zwei hyperimmunisierten Rindern.
Th. schließt aus seinen Untersuchungen, daß es, wenigstens beim
Rinde, möglich ist, die Empfänglichkeit für Tuberkulose erheb-
lich herabzusetzen, ja die Tiere für kürzere oder längere Zeit total
immun zu machen. Die zur Immunisierung verwendeten Bazillen müssen
einen gewissen Virulenzgrad besitzen. Tiere, mit frischen humanen Kul-
turen immunisiert, zeigten größere Resistenz virulenten bovinen Bazillen
gegenüber, als solche, die mit getrockneten und stark abgeschwächten
humanen Bazillen des Behring -Instituts behandelt waren. Die ein-
malige Impfung nach Koch- Schütz von sehr schwach virulenten humanen
Bazillen in einer Dosis von 10 — 30 Milligramm erspart Mühe und Zeit. Th.
sah jedoch starke Abmagerung und zeitweise einen Wachstumsstillstand; des-
wegen hält er diese einmalige Impfung für die Praxis nicht wünschenswert.
— 270 —
Es ist abzuwarten, ob stark mitigierte Bazillen eine genügende immuni-
sierende Kraft besitzen, die Klimm ersehen Experimente mit a virulenten
humanen Bazillen besitzen in dieser Hinsicht Interesse. Nach Th. ist vorläufig
am meisten zu empfehlen (vgl. Koch, Schütz, Pearson, Neufeld, Arloing)
die Anwendung von frisch kultivierten, aber nicht zu virulenten
humanen Bazillen in steigenden Dosen von 1 — 25 Milligramm. Am besten ist
die intravenöse Applikation. Die Kälber können nach der vierten Woche
geimpft werden. Die Bazillenmenge von 1 — 25 Milligramm wird genommen
von einer Kartoffel- oder Serumkultur und in einem Mörser mit physio-
logischer NaCl-Lösung emulgiert. Tiere mit feiner Haut und feinen Knochen
sind in der Regel empfänglicher für Tuberkelbazillen als Tiere gröberen
Schlages. Eine Terminaldosis von 10 Milligramm war nicht immer ge-
nügend zur Erreichung des höchsten Immunitätsgrades. 25 Milligramm
sind vorzuziehen. Immunisierung mit Serum und Filtrat von Bouillon-
kulturen ist für die Praxis nicht empfehlenswert.
Zur Kontrolle der Immunität injizierte Th. den immunisierten Tieren
intravenös oder subkutan eine Dose virulenter boviner Bazillen. Der
Versuch einer natürlichen Infektion in infizierten Stallungen wurde von
ihm nicht in Anwendung gebracht. Th. ist der Meinung, daß die intra-
venöse Injektion von relativ großen Massen virulenter boviner Bazillen
eher infiziert, wie die natürliche Infektion in verseuchten Herden. (Es
ist jedoch hierbei zu bedenken, daß die natürliche Infektion auf
längerem Wege arbeitet, „la cohabitation intime et permanente"
von Nocard. Ref.) Wenn die natürliche Infektion intensiver wirkt als
die experimentelle, dann erwartet Th. aus guten Gründen nicht viel von
den Resultaten mit den Behringschen Impftieren, weil, wie erwähnt,
diese Tiere eine experimentelle Infektion meistens ertragen.
Th. erachtet die Zeit für gekommen, mit der Immunisierung der Kälber
im Alter von vier Wochen anzufangen. Markus (Utrecht).
Parasiten und parasitäre Krankheiten.
Creutz, H., Das afrikanische Küstenfieber.
(Berl. tierärztl. Wochenschr., 1906, S. 843-844.»
Das afrikanische Küstenfieber der Rinder gehört zur gleichen Kate*
gorie von Krankheiten wie die Malaria und Hämoglobinurie. Die Über-
tragung geschieht durch Zecken des Genus „Rhipizephalus". Durch das
Blut eines erkrankten Tieres läßt sich die Krankheit auf gesunde Tiere
nicht übertragen, auch gelingt es nicht, Rinder durch Behandlung mit dem
— 271 —
Blut erkrankter Tiere immun zu machen. Als Vorbeugemittel empfiehlt
Verf. Arsenikbäder zur Vernichtung der Zeckenbrut. Bierbaum (Berlin),
Nuttall9 Q. H. F., u. Graham-Smith, 0. S.f Canine Piroplasmosis.
(The Journ. of Hygiene, Vol. 6, Nr. 5, 1906, p. 586-644.)
Die Verff. stellten eingehende Untersuchungen über den Lebenslauf
von Piroplasma canis an, indem sie die Parasiten in gefärbtem Zustande
untersuchten und die hierbei gefundenen Formen denen gegenüberstellten,
die sie an den ungefärbten, lebenden Parasiten im hängenden Tropfen be-
obachten konnten.
Aus den zahlreichen Beobachtungen schließen sie, daß es eine freie
und eine intrazelluläre Form des Parasiten gibt. Die freien Parasiten,
die spindelförmig, birnförmig oder oval gestaltet sind und einen kurzen*
Fortsatz sowie eine Geißel besitzen, dringen in rote Blutkörperchen
ein und nehmen in diesen eine rundliche Form an. Nach einer kurzen
Ruhe geht die runde Form unter gleichzeitigem Wachstum des Parasiten
in die amöboide über. Aus der amöboiden Form entwickelt sich wieder
die ursprüngliche birnförmige. In dieser verlassen die Parasiten entweder
die Blutkörperchen, um andere heimzusuchen, oder sie teilen sich in
mehrere birnförmige Individuen, die durch Fortsätze verbunden sind und
sich nach kurzer Zeit trennen, um das Blutkörperchen zu verlassen und
wiederum andere zu befallen. Die Blutkörperchen gehen nach der Aus-
wanderung zugrunde. Die Parasiten treten am 8. bis 9. Tage nach der
Infektion im Blute auf und zeigen eine sehr starke Vermehrung. Verff.
glauben, daß im Hund nur die ungeschlechtliche Form der Fortpflanzung
vorkommt. Hoffmann {Breslau),
Wetzl, J.9 Über die Piroplasmose der Hunde.
(Zeitschr. f. Tiermed., 10. Bd., 1906, S. 369—379.)
W. beschreibt einen in d$r Tierärztlichen Hochschule zu Budapest
beobachteten Fall von Hundepiroplasmose. Der Patient, ein sechsjähriger
Jagdhund, genas nach ca. 14 Tage langem Kranksein. Die Behandlung
bestand in künstlicher Ernährung mit Eiern, Zucker, Milch und Ferrum
peptonatum cum arseno. Durch Verimpfung des Blutes konnte die Krank-
heit auf zwei gesunde Hunde übertragen werden, bei denen sie nach fünf
Tagen zum Ausbruch kam. Orabert (Berlin),
Spielmeyer, W.f Experimentelle Tabes bei Hunden (Trypanoso-
mentabes).
(Müneh. med. Wochcnscbr., 53. Jahrg., 1906, S. 2338-2340.)
Verf. teilt Versuche mit, aus denen hervorgeht, „daß sich infolge
von Trypano8omeninfektion (benutzt wurde Tryp. Brucei) degenerative
Veränderungen im Zentralnervensystem von Hunden entwickeln können,
— 272 —
die denen bei der gewöhnlichen postsyphilitischen Tabes des Menschen
prinzipiell gleich sind". ./.
Brickman, Q. J., Beitrag znr Kenntnis der Malaria beim Pferde.
(Svensk Veterinärtidskrift, 1906, Heft 3.)
Der Verf. hat im Bezirk Wärterbotten eine chronisch verlaufende
Krankheit des Pferdes, zunächst eine perniziöse Anämie, beobachtet. Die
Krankheit soll ziemlich allgemein sein — 1904/05 hatte der Verf. im
ganzen 152 Fälle in Behandlung. Diese traten hauptsächlich im Herbst
und im Winter auf, nur wenige im Frühling und keiner in der wärmsten
Zeit. Die angegriffenen Tiere werden schlaff und matt, schwitzen und er-
müden leicht, und ihre Freß- und Trinklust nimmt ab. Oft erscheinen an
der Mähne, dem Rücken und den Lenden kleine juckende Knötchen. Später
werden die Schleimhäute blaß, es stellen sich Ödeme der Gliedmaßen wie
auch Bauchwassersucht ein. Während der Sommerzeit bessert sich das
Leiden. Fieber wird nicht beobachtet, eher sogar subnormale Temperatur.
Diejenigen Tiere, die im Sommer im Stall gefüttert werden, bleiben in
der Regel von der Krankheit verschont; Füllen scheinen weniger empfänglich
zu sein.
Im Blute der angegriffenen Pferde glaubt der Verf. die Ursache
nachgewiesen zu haben — einen Parasiten des Blutes, den er zu den
Piroplasmen- oder Malariaparasiten rechnet. Er fand ihn in 40 — 50 Fällen.
Dieser Parasit zeigt sich in Form kleiner runder oder ovaler, stark lichtbrechen-
der Körperchen, die innerhalb oder außerhalb der roten Blutkörperchen liegen.
Gewöhnlich sieht man nur einen einzelnen Parasiten, zuweilen jedoch zwei,
seltener noch mehr (drei, vier, sechs). Mitunter sah der Verf. zwei,
bisweilen drei Parasiten miteinander vereint, die dann oval und gegeneinander
zugespitzt waren; in einem Falle gewahrte er eicheiförmige Bildungen
und in einem anderen Falle nierenförmige, die im Begriffe standen, sich
zu teilen. Gewöhnlich wird ein Parasit auf 50—100 (oder 300) rote
Blutkörperchen angetroffen. Die größten Parasiten hatten einen Durch-
messer von yd, die kleinsten von 7»— Vao des Durchmessers eines roten
Blutkörperchens.
Der Verf. glaubt, daß Mücken die Krankheit übertragen, ohne jedoch
Anhaltspunkte für diese Annahme zu haben. Seine Überimpfungsversuche
(ein Schaf und ein Pferd) ergaben negative Resultate. Die Abhandlung ist
von zwei photographischen Wiedergaben von Blutpräparaten begleitet, die
jedoch nicht überzeugend wirken.
Beim Rind kommt in derselben Gegend eine ähnliche Krankheit
vor. Bin tun t ersuchungen ergaben hier ein negatives Resultat.
L. Bahr f Kopenhagen).
— 273 —
Novy, F. G., The trypanosomes of tsetse flies.
(The Journ. of infectious Disease^ Vol. 3, No. 3, 1906.)
Koch hatte seinerzeit angegeben, daß es ihm gelungen wäre, die
Entwicklungsformen des Trypanosoma Brucei (Erreger der Nagana hei
Tieren) und des Tryp. gambiense (Erreger der Schlafkrankheit bei Menschen)
im Körper (Verdauungstraktus und Ovar) der Tsetsefliege, besonders der
Glossina fusca, nachzuweisen. Auf Grund eingehender Untersuchungen
erklärt N. die Schlußfolgerungen Kochs für irrtümlich. Die von Koch
beschriebenen angeblichen Entwicklungs- und Vermehrungsformen der
gen. pathogenen Trypanosomenarten sind harmlose Symbionten des Ver-
dauungstraktus und Ovars der Tsetsefliegen. Schon Gray und Tulloch
wiesen Trypanosomen im Körper von Tsetsefliegen auf einer gänzlich un-
bewohnten Insel nach. Der von ihm (Koch) selbst gestellten Forderung,
eine Trypanosomenart nur dann als charakterisiert zu betrachten, wenn
ihre Entwicklungsgeschichte, wenigstens in den wesentlichen Teilen, er-
mittelt ist, hat Koch bei der Bewertung seiner Untersuchungsergebnisse
nicht gentigt.
Die Untersuchungsergebnisse des Verf. werden beweiskräftig durch
folgende Tatsachen gestützt: 1. Die ektogenen Formen der Trypanosomen
sind bedeutend größer, wie die entogenen Formen. 2. Ihr Vorkommen in
Fliegen, die nachweislich nicht von infizierten Tieren Blut gesaugt haben.
3. Die Weiterentwicklung pathogener Arten im Körper von Fliegen, die
infiziertes Blut gesaugt haben, ist nicht beobachtet worden. 4. Es gelingt
nicht, empfängliche Tiere durch diese Fliegen künstlich zu infizieren.
5. Die Trypanosomen der Fliegen verhalten sich analog, wie die bei Stech-
mücken als Symbionten nachgewiesenen Trypanosomenarten.
Kaestner (Berlin).
Cazalbou, L., La Souma.
(Rev. gen. de med. vet., Bd. 8, 1906, S. 250—248.)
Im französischen Sudan im Nigertale, besonders zwischen dem
14. bis 16. Breitengrade, findet sich bei Rindern und Pferden eine Trypa-
nosomiasis „la Souma" genannt, die namentlich in den Monaten Mai, Juni
und Juli zu Todesfällen führt. Von Kindern wird besonders das Zebu be-
fallen, die Mortalität beträgt etwa 40%. Die Symptome sind langsame
Abmagerung nach etwa 3 Monaten, ferner Augentränen und Ödeme, be-
sonders an dem Zebubuckel. Im letzten Krankheitsstadium treten Anämie
und erschöpfende Durchfälle auf. Der Urin ist gewöhnlich klar und frei
von Eiweiß. Trypanosomen sind in jedem Krankheitsstadium im Blute
sehr selten. Die Krankheitsdauer beträgt 8 (Zebu) bis 12 Monate. Über-
stehen der Krankheit hat Immunität im Gefolge.
Beim Pferde tritt Abmagerung schon im 2. Monat auf, das Augen-
tränen tritt weniger in Erscheinung, dafür aber finden sich Ödeme der
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 2,3. 18
— 274 —
Hoden und Hodenhüllen, des Schlauches und der Gliedmaßen. Im weiteren
Verlauf treten Paresen der Nachhand auf, die nach einigen Remissionen
meist zu Paraplegien führen. Jetzt stellt sich auch eine allgemeine Anämie
ein. Die Krankheitsdauer beträgt 6—12 Monate. Der Tod ist die Regel.
Trypanosomen sind stets selten im Blut. Die Stuten abortieren gewöhnlich.
Das Trypanosoma der Souma hat nach Laver an keine besonderen
morphologischen Eigenschaften, die es von den anderen bekannten Arten
sicher unterscheiden lassen. Im Gegensatz zu den meisten anderen patho-
genen Trypanosomen ist es nicht infektionsfähig für Ratten, Mäuse, Meer-
schweinchen, Hunde und Katzen. Dagegen sind Schafe, Ziegen, Antilopen,
Rinder und Pferde künstlich zu infizieren; diese Tiere zeigen dann die-
selben Krankheitssymptome wie bei natürlicher Infektion und sterben auch
meist unter gleichen Erscheinungen.
Tsetsefliegen wurden in den meist betroffenen Bezirken niemals auf-
gefunden, dagegen viele Tabanus- und Stomoxysarten. Auch einige häufig
beobachtete blutsaugende Ektoparasiten können nach F. vielleicht unter
Umständen die Infektion vermitteln.
Der schleichende Verlauf der Souma erschwert eine Bekämpfung, es
empfehlen sich Überwachung des Viehhandels und Keulung jedes er-
krankten Tieres. Junaek (Bentheim).
Theiler, Trypanosomiase chez les Chameauz.
(Rev. g6n. de med. vet, Bd. 8, 1906, S. 298—303.)
Bei 36 aus dem Somalilande nach Prätoria eingeführten Kamelen
stellte Th. eine Trypanosomiasis fest. Die exakte Diagnose konnte nur
einige Male durch doppelte Verimpfung von Blut an Hunden gestellt
werden; in dem Blut der Kamele selbst fanden sich nie die Para-
siten. Th., der bezüglich der Nagana- und Surra-Frage im Gegensatz zu
Koch den dualistischen Standpunkt vertritt, stellte durch vergleichende
Infektionsversuche an neun Tierarten mit den fraglichen und den Nagana-
parasiten fest, daß es sich in diesem Falle um Surra handelte.
Hinsichtlich der Veterinärpolizei ist Th. der Meinung, daß alle ein-
geschleppten Trypanosomiasen so lange bekämpft werden müssen, bis nicht
feststeht, daß die betreffende Krankheit nur eine bestimmte Fliegenart
als Zwischenwirt benutzt, die in dem Lande nicht vorkommt.
Junaek (Bentheim),
Mesnil, F., et Rouget, J., Sensibilitä des Ruminants et des Singes
au Trypanoßome de la Dourine.
(Ann. de linst. Pasteur, Bd. 20, 1906, 8. 689—696.)
Versuche mit einem starken Virus ergaben, daß die Trypanosomen
-der Dourine auch Wiederkäuer und Affen infizieren können. Damit fällt
— 275 —
der von Nocard aufgestellte Unterschied zwischen der Dourine und der
algerischen Trypanosomenkrankheit. E. Jacobsthal ( Frankfurt o. M.J.
Sergent, Ed., et Sergent, Et, Etudes sur les trypanosomiases de
Berberie en 1905.
(Ann. de linst. Pasteur, Bd. 20, 1906, 8. 665—681.)
Historischer und geographischer Überblick über den Gegenstand.
Die „Debab-Krankheit" ist klinisch etwas von der Dourine verschieden.
Übertragung durch verschiedene Tabanidenarten möglich, und zwar so-
gleich nach dem Saugen an einem erkrankten Tier. Andere Übertra-
gungsarten unwahrscheinlich; experimentell, im Gegensatz zur Dourine,
Übertragung auf dem Schleimhautwege unmöglich. Infektiosität des Virus
für Mäuse, Ratten, Kaninchen. Überstehen der Krankheit verlieh Mäusen
relative Immunität. Röntgenstrahlen verschlimmerten eher das Krank-
heitsbild. Von „Debab" werden hauptsächlich Dromedare befallen, weniger
häufig Pferde. E. Jacobsthal (Frankfurt a, M.J.
Franfa, C, u. Athias, M., Recherches sur les Trypanosomes des
Amphibiens. I. Les Trypanosomes de la Rana esculenta.
(Aren, de l'Inst. Royal de Bacteriol. Camara Pestana, Bd. 1, Heft 1,
S. 127—166.)
Die Verff. geben eine eingehende Beschreibung der von ihnen bei
ca. 50 Grasfröschen beobachteten Trypanosomen. Sie unterscheiden Tr.
loricatum oder costatum, Tr. rotatorium, Tr. inopinatum, Tr. elegans und
Tr. undulans. (Wabert (Berlin).
Magalhss, A. de, Sur le traitement des Rats infectls par le
Trypanosoma gambiense au moyen de l'acide ars£neux
et du trypanrot.
(Arch. de Fingt Royal de Bactäriol. Camara Pestana, Bd. 1, Heft 1,
S. 171-176.)
Ms. Versuche ergaben die Unwirksamkeit der vorgenannten Behand-
lungsmethoden. Grabert (Berlin.)
V14sf F., La strueture et les affinite's de Trypanosoma Balbianii.
(Corapt. rend. de la Soc. de Biologie, Bd. 69, 1906, S. 408.)
V. bildet neben dem Trypanosoma Balbianii mit undulierender Mem-
bran auch solche mit peritrichen Geißeln ab, die vielfach miteinander
verflochten sind und glaubt an zwei Formen des Erregers.
(Die Betrachtung der Abbildungen ergibt, daß es sich um Kunst-
produkte handelt; die durch die Präparation beschädigten Exemplare
lassen deutlich mechanisch losgerissene Myoneme erkennen, die V. für
Geißeln hält. [Der Ref.]) Sieber (Hamburg).
18*
— 276 —
Ooebel, O., La nagana chez la poule.
(Compt. rend. de la Soc. de Biologie, Bd. 61, 1906, S. 321.)
G. infizierte Hühner mit Nagana-Trypanosomen durch Injektion
von defibriniertem Meerschweinchenblut (mit Naganaparasiten) in den
Kamm. Intra vitam waren im Blute keine Parasiten nachweisbar, dagegen
gelang die Überimpfung auf Meerschweinchen mit dem Blute der infizierten
Hühner. Die Untersuchungen ergaben, daß die Trypanosomen 2—55 Tage
im Hühnerblut blieben. Eine Abschwächung durch einmalige Hühner-
passage für Meerschweinchen erfolgte nicht. Eine zweite Trypanosomen-
infektion von Hühnern, deren Blut Meerschweinchen nicht mehr infizierte,
ergab, daß bei Huhn I das Blut nach 3—12 Tagen, bei Huhn II nach
3—22 Tagen nicht imstande war, Meerschweinchen zu infizieren; es
scheint also, daß eine Immunität sich gebildet hatte. Sieber (Hamburg).
Pricolo, A., Le trypanosome de la souris. Cycle de de>eloppe-
ment des trypanosomes chez le foetus.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., 1. Abt., Orig., Bd. 52, 1906. S. 231.)
Das vielleicht mit dem Tbiroux sehen identische Trypanosoma fand
sich sehr häufig bei Mus musculus. Abbildung des Entwicklungszyklus.
E. Jacobsthal (Frankfurt a. M.J
Sanfelice, Fr., Über diepathogene Wirkung der Blastomyzeten. Ein
Beitrag zur Ätiologie des sog. Farcinus cryptococcicus.
(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 54, 1906, 8. 299—326.)
Verf. konnte bezüglich der Ursache des Rryptokokkenwurmes, der in
Südfrankreich, Süditalien, Algier und Japan oft unter den Pferden beobachtet
wurde, die Angaben Rivoltas, Tokishiges, Marcones und Baruchellos
bestätigen, er beschreibt eingehend den Cryptococcus Rivolta s. fareiminosus
= Farcinus cryptococcicus. Bugge (Kiel).
Harz, C. O., Achlya Hoferi Harz, eine neue Saprolegniazee auf
lebenden Fischen.
(Allg. Fincherei-Zeitung, 31. Jahrg., 1900, S. 365-368.)
Auf böhmischen Spiegelkarpfen kürzlich beobachtet: Große, weißliche
Pilzrasen, die nur ganz langsam die Hautschichten durchwachsen und vor
der Muskulatur Halt machen. In Gesellschaft der Pilze dringen auch Bak-
terien in die Gewebe ein, und es kommt dann zu größeren Zerstörungen.
F. Schmüt (Stettin).
Schuberg, A., Zur Beurteilung der nach 0. Schmidt in malignen
Tumoren auftretenden protozoenähnlichen Mikroorga-
nismen.*)
(Manch, med. Wochenschr., 53. Jahrg., 1906, S. 2159—2161.)
Der Verf. fand in den ihm von Schmidt vorgelegten Präparaten
keine protozoenähnlichen Mikroorganismen besonderer Art. Die ihm vor-
*) Vgl. das Referat S. .">09 des ersten Bandes dieser Zeitschrift.
— 277 -
gezeigten Gebilde waren Fettröpfchen und Dinge sehr verschiedener Herkunft
(verquollene rote Blutkörperchen, Myelinfiguren, verschiedene, vermutlich
durch Verunreinigung in die Präparate gelangte Mikroorganismen usw.).
J.
Ijima, J., On a new cestode larva parasitic in man.
(The Journ. of the College of Science, Imperial University ot Tokyo,
Japan, Vol. 20, Art. 7.)
Bei einer wegen eines Inguinalbruches in Behandlung stehenden
Japanerin fanden sich im subkutanen Bindegewebe in der Gegend des
Ligamentum Pouparti Parasiten in ungeheurer Anzahl, die von I. als Zestoden-
larven erkannt, den Bothriozephaliden zugezählt und mit dem Namen
plerocerco'ides prolifer bezeichnet wurden. Die Arbeit Is. gibt eine genaue
Beschreibung der anatomischen Verhältnisse des Plerocercoids. Da die ge-
schlechtsreifen Formen noch unbekannt und Übertragungs versuche bisher
fehlgeschlagen sind, ist eine Darstellung des Entwicklungszyklus des Para-
siten vorderhand unmöglich, wird aber von I. in Aussicht gestellt.
Pfeiler {Berlin),
Hygiene im engeren Sinne.
Barnstein, F., u. Volhard, J., Über Verdaulichkeit der Gersten-
graupenabfälle.
(Die landwirtschaftl. VersuchsHtat., Bd. 65, 1906, S. 222— 236.)
Versuche an Hammeln ergaben, daß bei der Gerste die Verdaulich-
keit um so höher liegt, je mehlreicher die Abfälle sind. Die Rohnährstofl'e
der Gerste werden etwas besser ausgenutzt als die des Roggens und
Weizens, eine Beobachtung, die auch mit den Erfahrungen der Praxis,
nach denen den Gerstenmehlprodukten bessere Nährwirkung zukommt als
den Roggen- und Weizen abfallen, vollkommen in Einklang steht.
Scheunert (Dresden).
Bierbaum, K«, Beitrag zur Giftigkeit des Semen Ricini communis.
(Inang.-Diss. [Gießen], Gotha, 1906, 62 88..)
Verf. hat, da sich in der Literatur Angaben über die zur Vergiftung
von Haustieren notwendigen Mengen des Rizinussamens nur in beschränk-
tem Maße fanden, Fütterungs versuche an Pferden, Ziegen, Hammeln,
Schweinen, Hunden, Kaninchen, Hühnern, Tauben und Enten angestellt.
Die Versuche ergaben, daß die Giftigkeit der Rizinussamen für
Tiere bei Verfütterung bisher überschätzt worden ist. Die
tödliche Dosis beträgt: für Pferde 0,3 g, für Schweine 1,5—3,1 g, für
— 278 —
Hände 0,63 g, für Kaninchen 0,7—1 g, für Höhner 13,3 g, für Enten 6,7 g
pro 1 kg Lebendgewicht. Für Ziegen, Hammel und Tauben konnte sie
nicht ermittelt werden, doch erwiesen sich ziemlich große Mengen als un-
schädlich. Der Nachweis von Teilen der Rizinussamen in einem
verdächtigen Futtermittel genügt deshalb allein nicht, um
etwaige Erkrankungen auf die Rizinussamen zurückzuführen,
vielmehr ist in jedem Falle auf die Bestimmung der Menge und auf ent-
sprechende Fütterungsversuche Bedacht zu nehmen. Die Schalen der
Rizinussamen sind ungiftig, enthalten aber anscheinend doch sehr geringe
Mengen des giftigen Bestandteiles, des Rizins. Ref. des Autors.
Mosselmann, 0., Empoisonnement de betes bovines par les
graines du haricot de Lima (phaseolus lunatus) et
recherches sur la toxicite" de cette plante comestible.
(Auual. de med. v6t, 55. Annee, 1906, 8. 141-153 u. 205-215).
M. faßt die Ergebnisse seiner Forschungen über vorstehenden Gegen-
stand folgendermaßen zusammen:
1. Die Früchte einiger Arten Phaseolus lunatus enthalten soviel
Glykoside, die bei Gärungsvorgängen Blausäure abspalten, daß 500 g der
Bohnen unsere großen Herbivoren zu töten vermögen. Größere, auch ge-
kochte Quantitäten können noch tödlich wirken.
2. Die Blätter dieser Arten enthalten freie Blausäure, deren Gehalt
aber nach dem Alter der Blätter oder der Zeit der Ernte schwankt. Sie
sind weniger gefährlich, weil die Pflanzenfresser sie wegen ihres Blau-
säuregehaltes nicht aufnehmen.
Kaninchen und Meerschweinchen verweigern nach zweitägigem Hungern
ihre Aufnahme. '
3. Es ist nach den Erfahrungen mit anderen giftigen Futtermitteln
nicht anzunehmen, daß alle Arten von Phaseolus lunatus giftige Früchte
liefern. Klima, Boden und Art der Kultur spielen hierbei wahrscheinlich
eine Rolle. .Junack (Breslau).
Haselhof, Über die der Landwirtschaft durch chlorhaltige Ab-
wässer drohenden Gefahren.
(Amtabi. der Landwirtschaftskanimer für den Regierungsbezirk Kassel,
10. Jahrg., 1906, Nr. 32, S. 379—380.)
Für Gegenden, in denen Kalilager abgebaut werden, besteht die
Gefahr, daß die natürlichen Wasserläufe durch die salzhaltigen Abwässer
verunreinigt werden. Eine Reinigung der Abwässer durch Entfernung der
Salze ist in den meisten Fällen nicht lohnend und somit undurchführbar.
Im Interesse der Anlieger der verunreinigten Flüsse fordert H. eine ständige
unparteiische Kontrolle des Salzgehaltes der Flüsse (Untersuchung auf
— 279 —
Härte und Chlorgehalt). Die Leine und Innerste werden im Auftrage der
Regierung bereits durch eine Versuchsstation in Hildesheim in dieser Hin-
sicht geprüft; bei Überschreitung eines festgesetzten Härtegrades kann die
Einschränkung oder Einstellung des Betriebes verfügt werden.
Nachteile chloridhaltiger Abwässer: Wasser, das schon 0,1
bis 1,0 g Chlornatrium, Chlorkalzium oder Chlormagnesium in 1 Liter enthält,
wirkt stark lösend auf die Pflanzennährstoffe des Bodens. Der Pflanzenwuchs
(Kieselwiesen) wird deshalb anfangs günstig beeinflußt, der Boden verarmt
aber sehr rasch, und wenn die Vegetation fehlt, versickern die gelösten
Nährstoffe nutzlos in den Untergrund. Durch Dichtschlämmung des Bodens
wirken noch besonders die natriumchloridhaltigen Wässer nachteilig.
Die Fische können sich der zumeist nur allmählich eintretenden Erhöhung
des Salzgehaltes verhältnismäßig gut anpassen ; sie sterben erst, wenn 15 g
Chlornatrium und 6—7 g Chlorkalzium oder Chlormagnesium in 1 Liter Wasser
enthalten sind.
Die Haustiere nehmen Wasser mit 8 g Chlornatrium in 1 Liter noch
gern; Chlorkajzium und Ghlormagnesinm sind aber nur in geringerer Menge
zulässig, wegen des längeren Nachgeschmackes des Clorkalziums und wegen
der abführenden Wirkung der Magnesiumsalze. F. Schmitt (Stettin).
Zollikofer, Blutsverwandtschaftszucht bei Schweinen.
(Mitteil. d. Vereinig, deutsch. Schweinezüchter, 1906.)
Verf. weist auf die Gefahren der Blutsverwandtschaftszucht —
schwache Würfe, kränkliche Ferkel, Befruchtungsmangel bei Ebern — hin
und empfiehlt, um die Leistungsfähigkeit der Schweinezucht zu erhöhen,
Begelnng der Eberhaltung durch Schweinezuchtgenossenschaften, obli-
gatorische Eberkörung und andere Einrichtungen. Dausel (Berlin).
Untersuchungsmethoden.
Ruzicka, St, Eine neue einfache Methode zur Herstellung sauer-
stoffreier Luftatmosphäre (als Methode zur einfachen,
verläßlichen Züchtung von strengen Anaeroben).
(Arch. f. Hygiene, Bd. 58, 1906, 4. Heft, S. 327—344.)
Die Methode beruht auf der Kombination zweier Prinzipien : 1. Auf-
zehrung des Sauerstoffs in einer großen Menge mittelst eines Wasserstoff-
flämmchen8; 2. darauffolgend der letzten Sauerstoffspuren mit alkalischer
Pyrogallollösung. Das Ganze geschieht unter einer Glasglocke. Zugleich
gibt ein neuer, sehr feiner Indikator (durch Traubenzucker reduzierter
— 280 —
Indigo) an, ob tatsächlich aller Sauerstoff absorbiert ist. Einzelheiten
siehe im Original. E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Zieler, K., Zar Darstellung der Leukozytenkörnelungen sowie
der Zellstrukturen und der Bakterien im Gewebe.
(Zentralbl. f. allg. Pathol. u. pathol. Anatomie, Bd. 17, 1906, 8. 433-436.)
Es handelt sich um ein im ganzen außerordentlich einfaches und
bequemes Verfahren, bei dem die Paraffinschnitte mit dem May-Grün-
waldschen Farbstoff gefärbt und dann mit Azeton differenziert und ent-
wässert werden. Ref. kann aus eigner Erfahrung das Verfahren, z. B.
bei der Untersuchung von Anämien und gramnegativen Bakterien im Ge-
webe warm empfehlen. E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Hesse, W. u. Niedner, Die quantitative Bestimmung von Bakterien
in Flüssigkeiten.
(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektion »krankh., Bd. 53, 1906, S. 259—280.)
Die Verff. fordern ein einheitliches Verfahren bei der quantitativen
bakteriologischen Untersuchung von Flüssigkeiten und empfehlen den
Heyden-Agar. Die Züchtungsdauer soll drei Wochen bei Zimmertemperatur
betragen, die Zählungen sollen nur unter dem Mikroskop vorgenommen
werden. Bugge (Kid).
Bulloch, W., u. Craw, J. A., On a new porcelain filter.
(The Journ. of Hygiene, Vol. 6, 1906, S. 408—420.)
Verff. geben anläßlich der Prüfung eines neuen Porzellanfilters,
,,DouJton white porcelain filter", ein sinnreiches Verfahren an, das es
ermöglicht, die einzelnen Filter rücksichtlich ihrer Leistungsfähigkeit
mit einander zu vergleichen. KaesUier (Berlin).
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Originalarbeiten.
Zur Ätiologie der Schweinepest und der Schweineseuche.
Von
Fror. Dr. Hutyra
in Budapest.
Unter dem obigen Titel veröffentlichte ich in einer kurzen
Mitteilung1) einige Versuche, deren Ergebnis mich die Frage auf-
werfen ließ, ob nicht auch die Schweineseuche, ähnlich wie die
Schweinepest, in letzter Instanz durch einen ultramikroskopischen
Mikroorganismus hervorgerufen werde.
Ich konnte nämlich im Laufe meiner Versuche zunächst den Be-
fund der amerikanischen Forscher deSchweinitz und Dorset sowie
Dorset, Bolton und McBry de, wonach bakterienfreies, filtriertes
Blut oder Blutserum eine akute hämorrhagische Septikämie zu er-
zeugen vermag, für die in Ungarn herrschende Schweinepest be-
stätigen, wobei ich bei den mit filtriertem Pestmaterial infizierten
Ferkeln mitunter auch Schwellung und Verschwärung der solitären
Follikel sowie in einem Fall auch eine streifenförmige oberfläch-
liche Nekrose der Schleimhaut des Grimmdarmes beobachtete. Außer-
dem fand ich aber, daß filtriertes Blutserum oder filtrierter Lungen-
und Milzsaft eines Schweines aus einem mit Pest infizierten
Bestände, dessen Obduktion jedoch ausschließlich die akute Schweine-
seuche kennzeichnende Veränderungen, bei ebenfalls ausschließlicher
Anwesenheit von bipolaren ovoiden Bazillen im hepatisierten
Lungengewebe, nachgewiesen hatte, eine ähnliche krankmachende
Wirkung auf gesunde Ferkel ausübte. Hierzu kam noch, daß
*) Berliner tierärztliche Wochenschrift. 1906, Nr. 32.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 4/5. 19
— 282 —
bei manchen der auf diese Weise infizierten Ferkel sich auch
eine akute Hepatisation der Lungen mit bipolaren Bazillen ent-
wickelte. Diese Befunde legten die Möglichkeit nahe, daß auch
dem Bacillus suisepticus fiir gewöhnlich in ähnlicher Weise lediglich
eine sekundäre Rolle zukommt, wie sie von den amerikanischen
Forschem bei der Schweinepest fiir den Bacillus suipestifer voraus-
gesetzt wird.
Mit Bezugnahme auf diese Mitteilung veröffentlichte bald
darauf Ostertag1) seine diesbezüglichen Erfahrungen. Nach kurzer
Erwähnung früherer Versuche von Pütz aus dem Jahre 1904, wo-
nach es mit filtriertem Lungensaft von Schweinen, die mit der
chronischen Schweineseuche behaftet waren, nicht gelang, ge-
sunde Ferkel krank zu machen, berichtet er über ebenfalls resultat-
los abgelaufene Versuche mit filtriertem Material von zwei pest-
kranken Schweinen (in beiden Fällen scheint die Krankheit nicht
mehr akut gewesen zu sein). Dahingegen gelang es ihm, durch
subkutane Verimpfung von direkt aus Amerika beschafftem Blut-
serum eines an Hogcholera gestorbenen Schweines bei Ferkein
eine tödliche akute septikämische Erkrankung zu erzeugen. Ferner
sind zwei weitere Ferkel, die mit einem der geimpften Tiere zu-
sammengesperrt waren, ebenfalls schwer erkrankt und erwiesen
sich bei der Sektion mit charakteristischen Veränderungen der
Schweinepest, insbesondere mit umfangreicher Diphtherie der Dick-
darmschleimhaut behaftet. Seiner Ansicht nach sprachen diese
Versuche gegen die Annahme, daß das Virus der jetzt in Deutsch-
land herrschenden subakuten und chronischen Schweinepest filtrier-
bar sei, doch fugte er hierzu die Bemerkung, daß die Frage der
Ätiologie auch fiir die in Deutschland als Schweinepest bezeichnete
Krankheit noch weiterer Prüfung bedürfe.
Neuere Versuche über die Filtrierbarkeit des Schweineseuche-
virus werden nicht angeführt.
Wiewohl ich in dieser Mitteilung üstertags keineswegs eine
Widerlegung meiner obenerwähnten Auffassung zu erblicken ver-
mochte, so enthielt ich mich vorläufig jeder Erwiderung auf die-
selbe, insbesondere aus dem Grunde, weil der Autor, eine aus-
führlichere Darlegung der Ergebnisse seiner diesbezüglichen Unter-
suchungen in Aussicht stellte. Da dies nun in Bd. II, H. 2/3 der
l) Berliner tierärztliche Wochenschrift, 1906, Nr. 34.
— 283 —
„Zeitschrift fiir Infektionskrankheiten usw." erfolgt ist, will ich der
strittigen Frage diesmal etwas näher treten.
In Schweinebeständen, in denen die Schweinepest aufge-
treten ist, kommen bekanntlich verhältnismäßig nur selten solche
Fälle vor, bei denen die Sektion ausschließlich fiir die Pest cha-
rakteristische anatomische Veränderungen nachweist. In der Mehr-
zahl der Fälle sind neben den letzteren, mitunter in sehr bedeu-
tender Ausdehnung, auch Veränderungen insbesondere in den Lungen
vorhanden, die allgemein als die Schweineseuche kennzeichnend auf-
gefaßt werden. Außerdem gibt es aber, wieder in verhältnismäßig
geringer Zahl, am häufigsten aber im Beginn der Seuchenansbrüche.
auch Fälle, in denen sich ausschließlich der Schweineseuche zu-
kommende anatomische Krankheitsprozesse durch die Obduktion
nachweisen lassen.
Bis in die letzte Zeit hinein, insolange nämlich der Bacillus
suipestifer und der Bacillus suisepticns als ausschließliche Erreger
der Schweinepest und der Schweineseuche betrachtet wurden, faßte
man die Fälle der zweiten Kategorie als Produkte einer Misch-
infektion auf, bedingt durch die zwei Bakterienarten, und fährte
Epizootien mit diesem Charakter und den abwechslungsreichen
anatomischen Befunden ebenfalls auf eine solche Mischinfektion
zurück, wohingegen Fälle der dritten Kategorie auch bei gleich-
zeitigem Herrschen der Schweinepest ganz anstandslos als reine
Schweineseuche angesprochen wurden.
Diese Auffassung stützte sich, abgesehen von den grobanatomi-
schen Merkmalen, auch auf Ergebnisse bakteriologischer Unter-
suchungen, indem durch letztere bald nur die eine, bald ausschließ-
lich die andere, bald aber gleichzeitig beide Bakterienarten im
kranken Tierkörper nachgewiesen werden konnten.1) Die Fälle
von Mischinfektionen galten somit als ein überaus häufiges Vor-
kommnis, eine Meinungsverschiedenheit bestand nur darüber, welcher
l) So fand z. B. Preis z (Ätiologische Studien über Schweinepest und
Schweineseptikämie, Budapest 1897) von 80 hierauf untersuchten Fällen in
21 Fällen nur den Bac. suipestifer, in 39 Fällen nur den Bac. suisepticus, in
10 Fällen aber gleichzeitig beide Bazillen, welches Verhältnis sich jedoch bei
der schwierigeren Nachweisbarkeit des Bac. suipestifer in der Wirklichkeit
mehr zugunsten des letzteren und der Mischinfektionen gestalten dürfte.
19*
— 284 —
von den zwei Bazillen in solchen Fällen als der primäre Angreifer
zu betrachten sei. Während Preisz der Ansicht war, daß die
primäre Infektion des Organismus durch den Bac. suipestifer erfolgt
und der Bac. suisepticus erst nachträglich von den durch den
ersteren erzeugten Darmläsionen aus in die Gewebe eindringt, glaubte
Lignieres im Gegenteil, daß die Pestinfektion durch eine voraus-
gehende Erkrankung an Schweineseuche leichter und rascher ge-
staltet wird, und Joest1) vertrat letzthin die Auffassung, daß so-
wohl die Schweineseuche- wie auch die Schweinepestinfektion das
Primäre sein kann, obwohl er es für wahrscheinlich erachtet, daß
bei vielen Mischinfektionen nicht die Pest, sondern die Seuche die
Frimäraffektion darstellt.
Bis in die neueste Zeit wurde somit die Frage, ob in einem
gegebenen Fall Schweinepest, Schweineseuche oder aber eine Misch-
infektion vorliege, lediglich auf Grand des grobanatomischen und
des bakteriologischen Befundes entschieden, insbesondere galt
eine akute hämorrhagische Septikämie oder eine akute nekrotisie-
rende Pleuropneumonie bei ausschließlichem Vorhandensein von
bipolaren ovoiden Bakterien im Blut oder im erkrankten Gewebe
als ein untrügliches Merkmal der reinen akuten Schweineseuche,
ebenso wie Fälle von hämorrhagischer Septikämie oder ausschließ-
liche spezifische Darmveränderungen mit dem Pestbazillus allein als
reine Schweinepest bezeichnet wurden.
Dabei galten die beiden Bazillen als die eigentlichen Erreger
der zwei Krankheiten, jedoch mit dem Bemerken, daß sie auch
gleichzeitig in ein und demselben Tierkörper ihre spezifische patho-
gene Wirkung entfalten können.
Infolge der Arbeiten der amerikanischen Forscher änderte
sich von Grund aus die Sachlage hinsichtlich der Schweinepest.
Nunmehr unterliegt es kaum einem Zweifel mehr, daß diese Krank-
heit eigentlich durch ein ultramikroskopisches Virus hervorgerufen
wird, und daß der Bacillus suipestifer erst hinterher in den Körper
des bereits pestkranken Tieres eindringt. Seine Rolle ist allerdings
auch in dieser Einschränkung durchaus nicht belanglos; denn die
eigentümlichen Dann Veränderungen werden, wie dies positive Er-
gebnisse mit Reinkulturen des Pestbazillus angestellter Ansteckungs-
versuche lehren, zweifellos wenigstens zum Teil durch diesen Bazillus
x) Schweineseuelic und Schweinepest, Jena 1906.
- 285 —
erzeugt. Er vermag somit nicht bloß als Saprophyt in bereits kranke
Gewebe einzudringen und hier zu wachsen, sondern hier auch emi-
nent pathogene Eigenschaften zu entfalten. Immerhin ist seine
Rolle lediglich eine sekundäre, an der Ausbreitung der Pest aber
scheint ihm überhaupt kein Anteil zuzukommen.
Wenn nun der eine der zwei, früher als spezifische Krank-
heitserreger so ziemlich gleichwertig betrachteten Bazillen als ein
lediglich fakultativer Parasit und die eigentümliche Dannerkrankung
als ein im Grunde genommen nebensächlicher Befund erkannt ist,
dann drängt sich unwillkürlich die Frage auf, welche Bedeutung
die in von der Pest verseuchten Beständen so häufigen Pneumonien
und damit auch die im pneumonischen Gewebe nachweisbaren
bipolaren ovoiden Bazillen besitzen? Diesbezüglich erscheint von
vornherein die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß auch dieser
Bazillus erst nachträglich den pestkrank gewordenen Tierkörper an-
greift und somit ebenfalls lediglich eine sekundäre, wenngleich flir
den weiteren Verlauf der Krankheit ebenfalls wichtige Rolle spielt.
Im Laufe meiner Versuche über die Filtrierbarkeit des Pest-
virus, wobei ich selbstverständlich die nötigen Vorsichtsmaß-
regeln anwendete und insbesondere die zu impfenden Versuchs-
tiere mindestens eine Woche vorher auf ihren Gesundheitszustand
beobachten ließ, fand ich nun u. a., daß filtriertes Blut und filtrierte
Lungensubstanz eines, wohl aus einem mit Pest verseuchten Bestände
herstammenden Schweines, das jedoch ausschließlich für die akute
Schweineseuche charakteristische Veränderungen darbot (in den
hepatisierten Lungen ausschließlich virulente bipolare ovoide Bazillen,
Darmschleimhaut durchwegs glatt!), eine ganz ähnliche krank-
machende Wirkung auf junge Ferkel ausübt, wie filtriertes Material
von auch anatomisch pestkranken Schweinen. Zudem stellte die
Sektion bei zwei Ferkeln, wovon das eine mit dem Ausgangsmateriah
das andere aber mit Material zweiter Generation behandelt worden
war, neuerdings Pneumonie und herdförmige Nekrose mit bipolaren
Bazillen im erkrankten Gewebe fest, bei dein an zweiter Stelle
genannten Tier (IIa) außerdem auch Schwellung der Dickdarmfollikel,
wie eine solche bei der Pest beobachtet wird.1)
J) Beim Ferkel Ia war dies nicht der Fall: denn in den Follikeln
waren, wie ich seinerzeit hervorhob, «ausschließlich Streptokokken vor-
handen. Der Befund war ähnlich wie beim Ferkel des Versuchs I, Versuchs-
reihe A, von Ostertag und Stadie.
— 286 —
Dieses Versuchsergebnis ließ sich kaum in einer anderen als
in der Weise richtig deuten, daß sich bei den Versuchsferkeln im
Anschluß an die künstliche Pestinfektion nachträglich bipolare
Bazillen im Lungengewebe angesiedelt und dort einen entzündlichen
und nekrotischen Prozeß erzeugt hatten. In Übereinstimmung hier-
mit durfte ich annehmen, daß auch bei jenem Schwein, das das
Ausgangsmaterial lieferte, die Pneumonie sich in ähnlicher Weise,
wie bei den künstlich infizierten Ferkeln, nämlich sekundär entwickelt
hatte. Da nun dieses Schwein ausschließlich fiir die akute Schweine-
seuche charakteristische pathologische Veränderungen zeigte, mußte
ich sozusagen notwendigerweise zu der Vermutung gelangen, daß
auch die akute Schweineseuche, zumindest beim Herrschen der
Schweinepest, in letzter Instanz durch ein ultravisibles Virus erzeugt
werde, und daher dem Bac. suisepticus eine ähnliche, lediglich
sekundäre Rolle zukomme, wie dem Bac. suipestifer.
Selbstverständlich hatte ich da nur die klassische, durch eine
multiple nekrotisierende Pneumonie gekennzeichnete, akute und die
aus einer solchen hervorgegangene chronische Schweineseuche vor
Augen, während ich die ätiologische Identität der von vornherein
chronischen Schweineseuche der jungen Ferkel mit der ersteren
als noch weiterer, unzweideutiger Beweise bedürftig bezeichnete.
Ebenso ließ ich die Frage, betreffend die Identität der spezifischen
ultravisiblen Krankheitserreger der Schweinepest und der Schweine-
seuche offen, wiewohl der Umstand, daß das mit Schweineseuche
behaftete Schwein aus einem mit Pest infizierten Bestände her-
stammte, allerdings für die Identität der beiden Krankheitserreger
sprach.
Diese Auffassung erscheint mir nun weder durch die erste
Mitteilung von Ostertag noch durch die ausfuhrlichere Arbeit von
Ostertag und Stadie widerlegt zu sein, vielmehr glaube ich in
den jüngst veröffentlichten Versuchen der letzteren Autoren eher
eine Bestätigung meiner Auffassung erblicken zu dürfen.
In denselben wurde einerseits reines Schweineseuchematerial
(( truppe A), andererseits solches von pestkranken oder von aus
Pestbeständen herstammenden Schweinen (Gruppe B) verwendet.
Da ich auf die Gruppe A weiter unten zurückzukommen gedenke,
so will ich von der Besprechung derselben vorläufig absehen und
mich vorerst mit den Versuchen über die Filtrierbark eit des Schweine-
pestvirus beschäftigen.
- 287 —
Von den 17 Schweinen, die zu diesen Versuchen das Material
erster Generation lieferten, waren nur drei Stück (Vers. II,
Vers. DI, Ferkel e und f) ausschließlich mit die Pest charak-
terisierenden anatomischen Veränderungen behaftet, und da das Blut
der letzteren zwei Ferkel mit solchem von einem Ferkel (d), das
auch an Schweineseuchepneumonie litt, vermengt wurde, so ist
eigentlich zu den Versuchen nur in einem Fall ganz reines Pest-
material verwendet worden.
Von den übrigen 14 Schweinen ist für 2 Stück der Zustand
der Lungen, weil nur Dickdärme und Gekröse vorlagen, unbekannt
(Vers. VII), 11 Schweine aber zeigten bei der Obduktion neben
einer mehr oder weniger ausgeprägten diphtherischen Erkrankung
des Darmes gleichzeitig auch pneumonische oder plenropneumonische
Veränderungen und 1 Stück sogar ausschließlich letztere. Für
7 dieser Fälle ist der bakteriologische Befund zwar nicht ange-
geben, doch geht man kaum fehl, wenn man nach dem makro-
skopischen Aussehen annimmt, daß die Pneumonie oder Pleuro-
pneumonie zumindest in einem Teil dieser Fälle durch den
Schweineseuchebazillus verursacht war, zumal auch der Pestbazillus
hier nicht eruiert wurde; in den übrigen 4 Fällen aber gelang es,
den Bacillus suisepticus im hepatisierten Lungengewebe tatsächlich
nachzuweisen. Ein bedeutender Teil der für die Übertragungs-
versuche verwendeten Schweine war mithin nicht ausschließlich
mit der Schweinepest, sondern gleichzeitig mit der Schweineseuche
behaftet; es lagen daher hier, im Sinne der bisher üblichen Nomen-
klatur, Fälle von Mischinfektion vor.
Ein besonderes Interesse besitzt der Versuch V, zu dem das
Material ein junges Ferkel lieferte, dessen Obduktion ausschließ-
lich eine für die akute Schweineseuche charakteristische Pleuro-
pneumonie ergab. Bipolare ovoide Bazillen gelang es zwar weder
durch Kultur noch durch Mäuseimpfungen nachzuweisen, doch be-
tonen die Verff. selbst, daß nach dem anatomischen Befund der
Fall als Schweinesenche angesehen werden mußte, und daß die
mit diesem Material angestellten Versuche lediglich aus dem Grunde
unter den Pestversuchen angeführt wurden, weil es nach Mitteilung
des Einsenders aus einem Bestand stammte, in dem gleichzeitig
Schweinepest herrschte; außerdem ist aber ein mit nicht fil-
triertem Herzblut dieses Schweines intrapleural geimpftes Ferkel
an typischer akuter Schweineseuche verendet, und diesmal war
— 288 —
auch der bakteriologische Befund bezüglich der Schweineseuche-
bazillen positiv.
Von den acht Versuchen nun, die mit filtriertem Material von
aus Schweinepestbeständen herstammenden, aber mit ziemlich ver-
schiedenen Organveränderungen behafteten Schweinen ausgeführt
worden sind, haben fünf zu einem positiven Ergebnis geführt, in-
dem die mit solchem Material geimpften Ferkel zum großen Teil
schwer erkrankten und bei der Sektion auch auf Pest hinweisende
anatomische Organveränderungen (Geschwüre und diphtherische
Schorfe auf der entzündeten Schleimhaut des Blind- und Grimm-
darmes) darboten.
Damit haben die Veiif., im Gegensatz zu ihren früheren Be»
funden, nicht nur den Beweis erbracht, daß Blut und Organsäfte
auch deutscher pestkranker Schweine ein ultravisibles Virus ent-
halten, das eine akute hämorrhagische Septikämie hervorzurufen
imstande ist, wie dies die genannten amerikanischen Forscher fiir
die Hogcholera gefunden haben, sondern auch bestimmt nach-
gewiesen, daß sich im Gefolge einer solchen Infektion auch die
Schweinepest im anatomischen Sinne entwickelt, wodurch wohl
auch der letzte Zweifel bezüglich der ätiologischen Eolle jenes
filtrierbaren Ansteckungsstoflfes für das Zustandekommen dieser
Krankheit beseitigt erscheint.
Dieses Ergebnis war völlig unabhängig von dem anatomischen
Befund bei den Tieren, denen das Impfmaterial entnommen worden
war, insbesondere erzeugte auch filtriertes Material von dem mit
ausschließlicher Schweineseuchepneumonie behafteten Schwein der
Schweinepest zukommende anatomische Organveränderungen bei
den damit geimpften Ferkeln. Es enthielt somit auch dieses
Tier, trotzdem seine Krankheit anatomisch als reine akute Schweine-
seuche anzusehen war, in den Gewebssäften das filtrierbare Virus
der Schweinepest, ähnlich wie in dem von mir mitgeteilten Fall,
wo der anatomische Befund jenem ganz analog war.
Es fragt sich nun, in welcher Beziehung in diesen zwei
Fällen die Pleuropneumonie zu der Pestinfektion stand. Li Oster-
tag und Stadies Fall gelang es zwar nicht, im erkrankten
Lungengewebe den Bacillus suisepticus direkt nachzuweisen; da
jedoch, wie bereits erwähnt, ein mit nicht filtriertem Blut dieses
Schweines intrapleural geimpftes Ferkel an typischer akuter
Schweineseuche mit positivem Bazillenbefund erkrankte, kann es
— 2*9 —
keinem Zweifel unterliegen, daß im Körper des ersteren dieser
Bazillus in virulentem Zustand vorhanden war. l) Andererseits ent-
hielt in meinem Fall die hepatisierte Lunge massenhaft virulente
bipolare Bazillen, so daß dieser Fall nicht nur grobanatomisch,
sondern auch bakteriologisch als typische Schweineseuche betrachtet
werden mußte.
Für die Erklärung dieser zwTei Fälle können nur zwei Mög-
lichkeiten herangezogen werden. Entweder haben bei diesen zwei
Tieren zwei verschiedene Infektionen ganz unabhängig von ein-
ander zwei verschiedene Krankheitsprozesse angeregt, wovon jedoch
nur der eine, die Schweineseuche, sich in makroskopisch erkenn-
baren Organveränderungen kundgab, oder aber es entwickelte sich
die Schweineseuchepneumonie erst in sekundärer Weise bei
Tieren, die bereits vorher durch das filtrierbare Pestvirus angegriffen
worden waren.
Die gleichen Erklärungsmöglichkeiten bestehen auch für jene
häufigen Fälle, in denen neben makroskopischen Darm Verände-
rungen, wie sie als für die Pest charakteristisch betrachtet werden,
gleichzeitig auch die Schweineseuche kennzeichnende Pneumonien
oder Pleuropneumonien, zum Teil mit positivem Bazillenbefund,
vorhanden waren. Auch hier muß man die letzteren Erkrankungen
entweder als völlig unabhängig von der Schweinepest und dem-
gemäß als ganz zufallig betrachten, oder aber annehmen, daß sich
dieselben in sekundärer Weise, im Anschluß und sogar in ursäch-
lichem Zusammenhang mit der Pestinfektion entwickelten.
Bei der überaus großen Häufigkeit solcher kombinierten Sek-
tionsbefunde — in Pestbeständen sind in der Mehrzahl der Fälle
sowohl der Darm als auch die Lungen gleichzeitig erkrankt und
häufig sowrohl der Bacillus suipestifer als auch der Bacillus sui-
septicus vorhanden — läßt sich ein bloß zufälliges Zusammen-
treffen der zweierlei Krankheitsprozesse kaum vorstellen. Viel mehr
Wahrscheinlichkeit besitzt dagegen die Annahme, daß dem
') Bei einom Ferkel (III) erzeugte nicht filtriertes Lungenmaterial, bei
einem anderen aber (V) nicht filtriertes Blut eine akute Septikämie und eine
hämorrhagische Darmentzündung. Da der bakteriologische Befund diesbezüg-
lich nicht angegeben ist, erscheint die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß
es sich in diesen beiden Fällen um eine ebenfalls durch den Bac. suisopticus
erzeugte Septikämie gehandelt hat.
— 2<>0 —
Bacillus suisepticus in der Ätiologie der Schweineseuche eine ähn-
liche Rolle zukommt wie dem Bacillus suipestifer, daß mithin beide
Bakterien erst sekundär, in dem vom Pestvirus bereits vorher an-
gegriffenen Organismus, gleichzeitig oder eines nach dem anderen,
ihre pathogeue Wirkung entfalten und dann bald, und zwar zumeist
beide gleichzeitig, bald aber nur der eine, auch anatomisch nach-
weisbare Veränderungen hervorrufen.
Stellt man sich auf den Standpunkt, daß der gesunde Orga-
nismus in primärer Weise durch das filtrierbare Pestvirus ange-
griffen wird, so wäre es eigentlich schwer einzusehen, warum in
dem nunmehr geschwächten Tierkörper stets nur eine fakultativ
pathogene Bakterienart ihre krankmachende Wirkung entfalten
könnte. Es ist allerdings auffallend, daß bei der Pest eben die
Magendarmschleimhaut so häufig und in so charakteristischer Weise
erkrankt. Vielleicht liegt dies daran, daß zufolge der primären
Allgemeininfektion vornehmlich die Schleimhaut des Verdauungs-
apparates in ihrer vitalen Resistenz geschwächt wird, zufolgedessen
normale Bewohner des Magendarmkanales, darunter in erster Reihe
der Bacillus suipestifer,1) außerdem aber event. auch andere Bak-
terien (Nekrosebazillus, Streptokokken usw.) ihr Zerstorungswerk
in demselben zu beginnen vermögen. Dasselbe darf aber mit eben-
soviel Recht auch für die Schleimhaut der Luftwege und für die
in den letzteren bei gesunden Schweinen ebenfalls nicht selten
vorhandenen bipolaren ovoiden Bakterien vorausgesetzt werden.
Gibt man dies zu, so muß man notwendigerweise auch der Mög-
lichkeit Raum geben, daß in dem mit Pest infizierten Organismus
sich nachträglich eine typische Schweineseuehepneuinonie entwickeln
kann. Diese Organerkrankung kann dann, je nach den einzelnen
Fällen, das anatomische Krankheitsbild beherrschen, allenfalls aber
auch ausschließlich vorhanden sein.
*) Die Beziehungen dieses Bazillus zu den Vertretern der Koli- und
Paratyphnsgruppe werden nunmehr noch genauer zu erforschen sein. Außerdem
drängt sieh auch die Frage auf, ob der Bacillus suipestifer ausschließlich
bei pestkranken oder aber event. auch bei anderweitig primär erkrankten
Schweinen die Schleimhaut des Intestinaltraktus anzugreifen vermag. Will
man nicht zwischen dem Pestvirus und dem Bacillus suipestifer eine ganz be-
sondere Affini tut annehmen, so läßt sich diese Möglichkeit a priori nicht von
der Hand weisen, bejahenden Falles würden sich aber hieraus neue Schwierig-
keiten für die makroskopische Diagoosc der Schweinepest ergeben.
— 291 —
Die Annahme übrigens, daß unter dem Einfluß des Pestvirus
sich eine Schweineseuchepneumonie entwickeln könne, findet eine
gewichtige Stütze in den Ergebnissen der mit filtriertem Material
pestkranker Schweine angestellten Ansteckungsversuche. Ebenso
wie ich in meinen Versuchen wiederholt, fanden auch Ostertag
und Stadie bei drei mit filtriertem Blutserum und Lungensaft be-
handelten Ferkeln bei der Obduktion eine Pneumonie vor; in einem
Fall (Vers. III, Ferkel III) gelang es zwar nicht, im Lungengewebe
Bakterien nachzuweisen, und für die anderen zwei Fälle (Vers. V,
Ferkel I und XV) wird der Bakterienbefund nicht angegeben, doch
betonen die Verff. bezüglich des ersteren dieser zwei Fälle in ihrer
Schlußfolgerung ausdrücklich, daß das filtrierte Lungenmaterial nicht
nur Schweinepest, sondern auch die Veränderungen der Schweine-
seuche erzeugt habe. Ich selbst fand in beiden diesbezüglichen
veröffentlichten Fällen (Ferkel Ia und IIa, letzteres mit Pestvirus
zweiter Generation geimpft) bipolare Bazillen im hepatisierten
Lungengewebe.
Auf Grund dieser Versuchsergebnisse und der vorangeschickten
theoretischen Erwägungen gelangt man notgedrungen zu der Schluß-
folgerung, daß im Anschluß an die primäre Pestinfektion
sich sekundär nicht nur die für die Schweinepest charak-
teristischen, sondern auch die die Schweineseuche kenn-
zeichnenden anatomischen Veränderungen, zweifellos
durch den Bacillus suipestifer oder den Bacillus sui-
septicus erzeugt, entwickeln können, daß somit nicht nur
die anatomische Schweinepest, sondern auch die anato-
mische Schweineseuche, wie letztere in Pestbeständen
teils mit der ersteren vergesellschaftet, teils ohne die-
selbe vorzukommen pflegt, in letzter Instanz durch einen
ultramikroskopischen Mikroorganismus, und zwar, wie ich
nunmehr ausdrücklich betonen will, durch das filtrierbare Pest-
virus erzeugt wird.
Damit fallen aber die Schranken, die diese Krankheitsformen
nach der im Laufe des letzten Jahrzehntes allgemein für richtig
betrachteten Auffassung getrennt haben, und es gelangt die
von Billings in Amerika vor zwei Jahrzehnten und
später auch von deutschen Forschern verfochtene unisti-
sche Auffassung bezüglich der Ätiologie der Schweine-
pest und der Schweineseuche, wenn auch aus anderen
— 202 —
Gründen und in einem wesentlich modifizierten »sinne,
abermals zur Geltung.1)
Gemäß dieser — neuen — unistischen Anschauung wird man
in Zukunft vom ätiologischen Standpunkt aus wieder nur mit einer
Krankheit, der Schweinepest, zu rechnen haben, die sich jedoch,
je nach der Art der Sekundärinfektion, in verschiedenen klini-
schen und anatomischen Krankheitsbildern, und zwar als reine
Septikämie, als Schweinepest bzw. als Schweineseuche in anatomi-
schem Sinne oder aber in diesen beiden Krankheitsformell zu-
kommenden anatomischen Organveränderungen offenbaren kann.
Wollte man die in der Wirklichkeit recht scharf hervortretenden
Unterschiede in den Krankheitsbildern mit besonderen Benennungen
bezeichnen, so könnte man, unter Weglassung des verwirren-
den Ausdrucks „Schweineseuche'', diese recht wohl als septi-
kämische, intestinale, pektorale oder gemischte Form der
Schweinepest unterscheiden, selbstverständlich unter dem aus-
drücklichen Vorbehalt, daß die intestinalen und pektoralen Organ-
veränderungen als sekundäre Komplikationen und daher streng
genommen auch nicht zum Wesen der Schweinepest gehörig aul-
zufassen sind.
Wesentlich bleibt die Identität des primären ätiologischen
Momentes, das Vorhandensein eines ultravisiblen Ansteckungsstoffes
in den akuten Fällen, und gegen dieses Moment wird sich künftig-
hin auch die Bekämpfung der Seuche zu richten haben.
In den vorstehenden Ausführungen hatte ich ausschließlich
die klassische Schweineseuche vor Augen, wie sie, zuerst von
Löffle r und Schütz vor mehr als zwanzig Jahren beschrieben,
bis zur Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts all-
gemein aufgefaßt wurde.2) Hauptsächliche Merkmale derselben
J) Es bedarf wohl keines weiteren Nachweises, daß jene Forscher aus-
schließlich die klassische Schweineseuche und nicht die erst viel später als
chronische Schweineseuche bezeichnete Krankheit der Ferkel vor Augen hatten.
2) Preisz wies bereits auf die mit Sicherheit kaum widerlegbare Mög-
lichkeit hin, daß die von Schütz im Jahre 1886 beschriebenen Fälle vielleicht
nicht reine „Schweineseuche* waren, da in einem Fall die Lymphdrüsen Ver-
änderungen zeigten, wie sie bei der chronischen Schweinepest vorzukommen
pflegen. Außerdem waren in zwei weiteren Fällen (Schweine aus Putlitz) Ver-
— 293 -
sind, abgesehen von der Anwesenheit des Bacillus suisepticus im Blut
oder in den erkrankten Organen und den entzündlichen Exsudaten,
in den perakuten Fällen Erscheinungen einer hämorrhagischen
Septikämie, in den akuten Fällen multiple nekrotisierende Pneu-
monie, häufig mit fibrinöser oder serofibrinöser Entzündung der
Änderungen im Kehlkopf und im Magen vorbanden, wie sie ähnlich ebenfalls
bei der Schweinepest beobachtet werden.
'Überhaupt ist die Auffassung, wonach die letztere Krankheit erst im
Jahre 1887 nach Deutschland eingeschleppt wurde, durchaus nicht bewiesen.
Koloffs Beschreibung (Virchows Archiv, Bd. 36) der von ihm der Tuberkulose
zugerechneten „käsigen Darmentzündung" aus dein Jahre 186G paßt in vielen
Punkten ganz genau auf die Darm Veränderungen bei der Schweinepest, und
man würde heutzutage einen ähnlichen Sektionsbefund ganz anstandslos für
Schweinepest erklären, zumal auf der »Schleimhaut des Dickdarmes auch die
für die Pest so charakteristischen knotenartigeu Erhebungen, ferner auch auf
der entzündeten Magenschleimhaut Verschorfungen beschrieben werden.
Übrigens erwähnen gelegentlich auch andere Autoren Darmveränderungen,
wie sie jetzt als die Pest kennzeichnend aufgefaßt werden. So beschreibt Pütz
im Jahre 1882 (Die Seuchen und Herdekrankheiten unserer Haustiere, Stutt-
gart) beim Rotlauf folgenden Befund: „Die Peyerschcn Platten sind deutlich
geschwellt und ebenso die solitären Follikel der Hüftblinddarmklappe und
des Grimmdarmes. Auf der Darmschleimhaut finden sich im Bereiche dieser
Schwellungen Geschwüre, welche im Grimm darm durch Konfluenz oft einen
Durchmesser von mehreren Zentimetern erlangen." Roll sagt im Jahre 1885
(Lehrbuch der Pathologie und Therapie der Haustiere, 5. Aufl., Wien) bei der
Besprechung des Rotlaufs, daß „die Peyerschen Plaques sowie die solitären
Follikel auf der lleozökalklappe und im Grimmdarm als verschieden gestaltete,
bisweilen zusammenfließende, aus Gewebsnekrose hervorgegangene Geschwüre"
sitzen. Ebenso erwähnen auch Friedberger und Froh n er bereits im Jahre
1887 (Spez. Pathologie und Therapie der Haustiere, 1. Aufl., Stuttgart), daß
man beim Rotlauf „weniger häufig umschriebene Schleimhautstellen des Blind-
darmes und Vorderkolons erkrankt findet und zwar in der Form einer diph-
theritischen Affektion", daß ferner Schottelius sehr häutig „eine Versch wä-
rung und Verschorfung der solitären und agminierten Follikel4* beobachtet
habe, und daß auch nach Johne diese Ulzerationen in hochgradigen Fällen
nie fehlen.
Nicht unerwähnt mag endlich bleiben, daß nach Klein die Schweine-
pest, für die er im «Jahre 1878 die Benennung „infektiöse Pncuinocnteritis
(Hog-Plague, llog-cholera, Swine-fever)" vorschlug, in England bereits seit
dem Jahre 1862 in starker seuchenhafter Ausbreitung herrscht. Die Möglich-
keit einer Einschleppung der Krankheit nach dem Kontinent (mit englischen
Zuchtschweinen?) war somit immerhin schon lange vor dem Jahre 1887 ge-
geben, und es ist der Umstand gewiß bemerkenswert, daß Roloff die „käsige
Darmentzündung" in der Provinz Sachsen eben bei Schweinen englischer
Rasse beobachtet hat.
— 294 —
serösen Häute, in den chronischen Fällen aber kleinere oder größere
nekrotische Herde, mitunter große Sequester in den Lungen bei
gleichzeitiger chronischer Entzündung der serösen Häute. Als
solche tritt sie in die Erscheinung bei Seuchengängen mit aus-
geprägt kontagiösem Charakter, wobei die chronische Form sich
bei Tieren zu entwickeln pflegt, die vorher einen akuten Anfall über-
standen haben.
Diese Schweineseuche, die nunmehr wrohl zumeist als mit der
Schweineseuche kombinierte Schweinepest oder als pektorale Form
dieser Krankheit aufgefaßt werden darf, gelangt demgemäß zumeist
in Schweinebeständen zur Beobachtung, die mit der Schweine-
pest infiziert sind. Von solchen herstammende, mit anatomisch
reiner Schweineseuche behaftete Schweine vermögen gesunde Be-
stände leicht zu infizieren, die sich hierauf gewöhnlich in rascher
Folge ereignenden Krankheitsfälle bieten aber dann bald das ana-
tomische Bild der Schweineseuche, bald jenes der Schweinepest,
zumeist aber jenes einer Mischinfektion dar. Dahingegen wird
diese Schweineseuche ohne Schweinepest als verheerende Seuche
in großen Schweinebeständen nicht beobachtet, zumindest wurde
die gegenteilige Ansicht meines Wissens durch tatsächliche Be-
obachtungen von Seuchenzügen mit diesem Charakter bisher nicht
bewiesen.
Von dieser klassischen Schweineseuche sehr verschieden ist
jene Krankheit, die seit einigen Jahren in Deutschland als chro-
nische Schweineseuche der Ferkel beschrieben wird. Es
handelt sich da lediglich um eine Hepatisation einzelner Lungen-
lappen mit einer eigentümlich festweichen Konsistenz und einer
grauroten, glatten, feuchten, mitunter auch gelb gesprenkelten Schnitt-
fläche der erkrankten Lungenlappen (schlaffe Hepatisation). Dabei
besteht gewöhnlich eine mehr oder weniger ausgeprägte fibrinöse
Pleuritis, sowie allenfalls eine ähnliche Entzündung sonstiger seröser
Häute. Außerdem kommen Komplikationen mit der Pyobazillose
sowie mit katarrhalischen Prozessen überhaupt sehr häufig vor.
Die Auffassung, wonach die chronische Schweineseuche der
Ferkel mit der klassischen Schweineseuche identisch sein soll, fußt in
erster Reihe auf dem häufigen, aber durchaus nicht konstanten Vor-
handensein von bipolaren ovoiden Bazillen im kranken Lungen-
gewebe; für die Richtigkeit derselben werden aber auch andere
Gründe angeführt.
- 295 —
Nach Ostertags Ansicht, die in Deutschland, wie $s scheint,
zurzeit fast allgemein geteilt wird, soll sich die früher in ihrer
klassischen Form häufig beobachtete Schweineseuche seit der Mitte
der neunziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts bedeutend ge-
mildert haben, sie gelange nunmehr zumeist in der oben er-
wähnten chronischen Form und als solche gewöhnlich unter ganz
jungen Ferkeln, hier aber oft in großer Ausbreitung zur Beobachtung,
Zugegeben ohne weiteres, daß die frühere klassische Schweine-
seuche — wohl die gewöhnlich mit Schweinepest vergesellschaftete
Schweineseuche; denn als solche war sie früher allgemein bekannt —
sich in Deutschland im Laufe des erwähnten Zeitraumes tatsächlich
gemildert hat — eine solche Milderung, jedoch ohne Änderung des
anatomischen Krankheitsbildes, sondern nur bezüglich des Krankheits-
verlaufes, wurde ja auch anderwärts beobachtet — so folgt daraus
meines Erachtens noch nicht, daß die jetzt häufig be-
obachtete chronische Krankheit der Ferkel tatsächlich
eine mildere Form der früheren verheerenden akuten
Schweineseuche, richtiger der mit dieser kombinierten
Schweinepest sei. Tatsache ist nur, daß in gewissen Gegenden
Deutschlands Ferkel häufig an einer, vorher wenig beachteten
Pneumonie erkranken, eine direkte Umwandlung der früheren Seuche
wurde aber nicht beobachtet, und ein strikter Beweis hierfür ließe
sich nach der Natur der Sache auch schwer erbringen. Demgegen-
über besteht die Möglichkeit, daß sich in den betreffenden Gegenden
eine, wohl auch früher schon sporadisch und stellenweise vielleicht
auch in enzootischer Ausbreitung beobachtete Krankheit,1) mög-
licherweise unter dem Einfluß der in neuerer Zeit geänderten wirt-
schaftlichen Verhältnisse, besonders stark eingenistet hat. Jeden-
falls bemerkenswert ist diesbezüglich der Umstand, daß eine
ähnliche Umwandlung des Seuchencharakters anderwärts, obschon
ähnliche Erkrankunngen von Ferkeln, mitunter auch in enzootischer
Ausbreitung, seit jeher überall vorkommen, nicht beobachtet wurde.
Ferner, daß gegenwärtig in Deutschland sehr häufig ganz junge
Ferkel, z. T. kurze Zeit nach der Geburt ergriffen werden, wohin-
*) Diese wurde u. a. vod Fiedeler und Bleisch im Jahre 1889 be-
schrieben, Lüpke aber trennte sie in einer kritischen Besprechung scharf von
der Löffler-Schtttzschen Schweineseuche auf Grund des völlig verschiedenen
anatomischen Befundes (Zentralblatt f. all gem. Pathologie und pathol. Anatomie
1890, Bd. I).
— 298 —
exsudative Pleuritis scheint dies allerdings der Fall zu sein, letztere
ist aber durchaus nicht stets vorhanden).
Tatsächlich steht somit nur so viel fest, daß beim Ferkel-
husten im pneumonischen Gewebe häufig derselbe Bazillus vor-
handen ist wie wir ihn in den Lungen an der klassischen Schweine-
seuche erkrankter Schweine finden; dies beweist aber noch immer
nicht, daß beide Prozesse durch diesen Bazillus oder durch ihn
allein erzeugt wrerden.
Zugegeben aber, daß der Bacillus suisepticus, abweichend von
seiner experimentell konstatierten, gewöhnlichen pathogenen Wirkung,
auch eine von der akuten mortifizierenden Pneumonie anatomisch
wesentlich verschiedene „schlaffe Pneumonie" hervorzurufen fähig
wäre, so würde noch immer Unklarheit über die Vorbedingungen be-
stehen, unter denen er diese eigentümliche, seiner Natur so wenig
entsprechende Wirkung zu entfalten vermag. In dem einen Fall,
bei der klassischen Schweineseuche, ist es zweifelsohne die primäre
Ansteckimg mit dem ultravisiblen Pestvirus, in anderen Fällen
könnten es allenfalls sonstige Einflüsse sein, die die vitale Re-
sistenz des Organismus schwächen und damit seine Gewebe für
den bipolaren Bazillus, ebenso wie für sonstige fakultative Parasiten
zugänglich machen. Es besteht mit einem Wort Unklarheit über
die eigentliche Natur und über die primären Ursachen der unter
dem Namen „Schweineseuche" zusammengefaßten Erkrankungen und
somit auch — dies aber ist vom praktischen Standpunkt überaus
wichtig — über ihren epidemiologischen Charakter.
Diesbezüglich muß immer wieder darauf hingewiesen werden,
daß reine Schweineseuche-Epidemien mit akutem und verheerendem
Charakter bisher nicht beobachtet wurden, ]) daß vielmehr in ganz
gesunden Schweinebeständen ab und zu sich Krankheitsfalle er-
eignen, die klinisch und anatomisch sowie auch bakteriologisch
vollkommen der akuten Schweineseuche entsprechen und dennoch
vereinzelt bleiben oder sich im schlimmsten Fall, inmitten von
großen Beständen, auf einige wenige Tiere beschränken. Und
doch ist in den erkrankten Geweben der Bacillus suisepticus in
sehr virulentem Zustande vorhanden, und er gelangt ohne Zweifel
aus dem kranken Körper auch in die Außenwelt, von wo aus er
!) Dies wird auch für Deutschland u. a. von Schmidt, sowie von
Grips, Gla^e und Niebcrle ausdrücklich betont (Fortschritte der Veteriniir-
hygiene 1905, Nr. 1-6).
— 299 ■--
leicht in jenen gesunder Tiere eindringen kann. Bleiben letztere
trotzdem gesund, so läßt sich dies nur in der Weise deuten, daß
zur Erzeugung der Krankheit außer dem Bacillus suisepticus auch
noch andere Faktoren nötig sind, die der Entfaltung der patho-
genen Eigenschaften des letzteren Vorschub leisten, und ohne deren
Hinzutreten der gesunde Organismus demselben einen hinreichenden
Widerstand zu leisten vermag.
Ferner ist es eine wiederholt festgestellte Tatsache, daß auf
Schleimhäuten gesunder Tiere und insbesondere im Nasen* und
Rachenschleim vorher stets gesunder Schweine ganz seuchefreier
Bestände, sowie auch in der Außenwelt, bipolare ovoide Bakterien
vorkommen. Gegen die Identität derselben und namentlich der
nicht sehr zutreffend sogenannten „Sputiinibaktprien" mit den echten
Schweineseuchebazillen konnten bisher ausschließlich Virulenznnter-
schiede angeführt werden, indem nämlich die ersteren fiir gewöhn-
lich, aber durchaus nicht immer, eine geringere Virulenz besitzen
als die ersteren. Virulenzunterschiede haben aber längst aufgehört.
als entscheidende Merkmale von Bakterieiiarten zu gelten» Sie
werden auch für die verhältnismäßig sehr konstanten Varietäten
des Tuberkelbazillus nicht als solche angesehen; um so weniger
kommt ihnen ein solcher Wert für ein Bakterium zu, das bekannt-
lich bereits unter sehr geringen modifizierenden Einflössen seine
Virulenz innerhalb sehr weiter Grenzen ändert. Zudem gelingt es,
die ursprünglich schwache Virulenz durch Tierpassagen sehr er-
heblich, event. bis zum Maximum zu steigern. Karlinski konnte
ferner experimentell nachweisen, daß die „Nputumbakterieir* bei
anderweitiger Erkrankung des Tieres aggressiv werden und schwere
akute Erkrankungen hervorrufen können. Endlich besitzen auch
die aus kranken Lungen herausgezüchteten, gewiß echten Schweine-
seuchebazillen durchaus nicht stets einen hohen Virulenzgrad, und es
sind insbesondere die aus chronisch schweiiiesencbekranken Tieren
isolierten bipolaren ovoiden Bakterien in der Regel verhältnismäßig
wenig virulent (Joest).
Zieht man demgegenüber die sonst vollkommene Überein-
stimmung in den morphologischen und kulturellen Eigenschaften
der Schweineseuchebakterien mit den ..sputumbakterieir" oder den
saprophytischen bipolaren ovoiden Bazillen in Betracht, so findet
man keinen stichhaltigen Grund, deren Artidentität zu bezweifeln;
Hieraus folgt aber, daß auch die letztsten unter für sie günstigen
20*
— 300 —
Umständen virulent werden und im Tierkörper, insbesondere aber
in den Atmungsorganen pathologische Prozesse erzeugen können,
wie denn auch Joest, der sonst der Auffassung hinzuneigen
scheint, daß die Sputumbakterien mit den echten Schweineseuche-
bazillen nicht identisch sind, der Überzeugung Ausdruck verleiht,
daß „die Sputumbakterien unter besonderen Umständen bei ihrem
eigenen Wirt eine Erkrankung der Lunge hervorrufen können44,
wobei er aber nicht glaubt, daß eine solche Erkrankung „in epi-
demiologischer Hinsicht allein (d. h. ohne Schweinepest oder andere,
die Resistenz des Organismus herabsetzende Momente) gefährlich
werden könne44.
Diese, die Resistenz des Organismus herabsetzenden Momente
haben nun, meiner Ansicht nach, eine ausschlaggebende Bedeutung
für die Beurteilung der Ätiologie der sogenannten chronischen
Schweineseuche der Ferkel.
Die Berichte über das Vorkommen und die Ausbreitung der
Krankheit lauten übereinstimmend dahin, daß dieselbe vornehmlich
unter Tieren in zartem jugendlichen Alter, ferner in kalten, feuchten
Stallungen, vielfach in solchen mit kalten Zementböden (Zement-
krankheit!) zu herrschen pflegt.
Ferner kommt hier der Umstand in Betracht, daß die Schweine-
zucht in Deutschland im Laufe des letzten Jahrzehntes einen außer-
ordentlich starken Aufschwung genommen hat (von 1904 auf 1906
allein in Preußen eine Vermehrung des Bestandes um 22°/0!). Dieser
Aufschwung ging aber notwendigerweise mit einer intensiveren Zucht
und einer Verfeinerung des Zuchtmaterials, sowie wohl auch mit
einer anderweitigen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse
(neue Baulichkeiten, gedrängteres Zusammenhalten der Tiere, Ver-
fütterung von Molkereiprodukten etc.) einher.
Auffällig ist es nun, daß die stärkere Ausbreitung der sog.
chronischen Schweineseuche sowie die vorausgesetzte Milderung und
Änderung des Charakters der früheren akuten Schweineseuche mit
diesem Aufschwung der Schweinezucht zeitlich — Mitte der neun-
ziger Jahre! — genau zusammenfällt. Andererseits sind die ange-
führten Umstände nur allzusehr geeignet, den Organismus jugend-
licher Tiere für die verschiedensten Krankheiten und insbesondere
für katarrhalisch-entzündliche Prozesse empfänglich zu machen und
ihre natürliche Widerstandsfähigkeit gegenüber fakultativ patho-
genen Spaltpilzen mehr oder weniger erheblich herabzusetzen. Da
— 301 —
aber bipolare ovoide Bakterien in der Natur weit verbreitet siud
und auch in den Luft- und Verdauungswegen von Schweinen vor-
kommen, so ließe es sich ungezwungen erklären, daß diese unter
solchen Verhältnissen, allenfalls unterstützt von sonstigen, eben-
falls fakultativen oder auch obligaten Parasiten (Bac. pyogenes
suis!), Lungenentzündungen erzeugen, die bei den unter gleichen,
hygienisch wenig günstigen Verhältnissen gehaltenen Tieren ebenso
leicht einen enzootischen Charakter annehmen können.
Wie ersichtlich, ließe sich sowohl das sporadische Vorkommen
als auch das enzootische Herrschen des Ferkelsterbens auch dann
aus dem fakultativ parasitären Charakter des ovoiden Bakteriums
erklären, falls letzteres tatsächlich die eigentliche und alleinige
Ursache der Erkrankung wäre. Da aber der Beweis hierfür nicht
erbracht ist, vielmehr der ovoide Bazillus seiner Eigenart nach
akute entzündliche Prozesse zu erzeugen pflegt und auch nicht
immer im erkrankten Lungengewebe nachzuweisen ist, hat die An-
nahme viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich, daß er, als ein in den
Luftwegen häufiger, fakultativ pathogener Parasit, an der Erkrankung
nur mittelbar oder sekundär beteiligt ist.1) Jedenfalls bedarf die
Pathogenese der letzteren noch einer weiteren gründlichen Er-
forschung. Zurzeit scheint nur so viel in hohem Grade wahrschein-
lich zu sein, daß sie eine den Ferkeln eigentümliche Krankheit
darstellt, auf deren Auftreten den Organismus schwächende Ein-
wirkungen von maßgebendem Einfluß sind, und bei deren Entwicklung
wahrscheinlich mehrere, zumeist fakultativ pathogene Spaltpilze
eine Rolle spielen.
Meiner Ansicht nach ist diese Krankheit der katarrhalischen
Pneumonie der Kälber und der Lämmer an die Seite zu stellen, bei
der ovoide bipolare Bakterien sehr wahrscheinlich ebenfalls häufig
mit im Spiel sind, und die unter ungünstigen hygienischen Verhält-
nissen ebenfalls in enzootischer Ausbreitung vorkommt. Daß in-
zwischen die kranken Tiere fiir ihre gesunden Gefährten nicht
immer ungefährlich sind, vielmehr die letzteren anstecken können,
ist gar nicht zu verwundern; denn es ist ohne weiteres verständ-
lich, daß in ihrer Resistenz ohnehin schon geschwächte Tiere leich-
l) Die akuten Exazerbationen der chronischen Pneumonie dürfton vor-
nehmlich oder vielleicht auch ausschließlich durch die pathogene Wirkung des
bereits vorher im Lungengewebe vorhanden gewesenen bipolaren Bazillus be-
dingt sein.
— 302 -
ter erkranken werden, falls sie mit den Auswürfen und Entleerungen
ihrer kranken Gefährten ovoide und sonstige Bakterien in größerer
Menge aufnehmen, zumal dieselben, eben weil sie aus einem kranken
Körper herstammen, gewöhnlich bereits eine höhere Virulenz besitzen,
als die in den Luftwegen gesunder Tiere schmarotzenden Spaltpilze
derselben Arten. Aus diesem Grunde kann auch ein krankes Tier die
Krankheit eventuell in bisher gesunde Ferkelbestände einschleppen,
insbesondere wenn letztere ebenfalls hygienisch ungünstig situiert
und daher für die Krankheit in höherein Grade empfänglich sind.
Die Ansteckungsfähigkeit der kranken Tiere bewegt sich
jedoch offenbar innerhalb sehr enger Grenzen, und jedenfalls bedarf
es noch des Nachweises, daß kranke, junge Ferkel auch unter gün-
stigen Verhältnissen lebende, etwas ältere Tiere anzustecken und
unter denselben ebenfalls seuchenhafte Erkrankungen hervorzurufen
vermögen. Nach den zurzeit vorliegenden Berichten scheint dies
nicht der Fall zu sein, wie denn ein Umsichgreifen der Krankheit,
analog anderen, evident ansteckenden Tierseuchen, die sich ohne
Rücksicht auf die hygienischen Verhältnisse und das Alter der Tiere
von Bestand auf Bestand ausbreiten, nicht beobachtet wird.
Hinsichtlich der sporadischen akuten Schweineseuche
dürfte wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß diese durch den
Bacillus suisepticus hervorgerufen wird ; denn die anatomischen Ver-
änderungen stimmen vollkommen mit jenen bei der Schweineseuche-
pneumonie pestkranker Schweine überein. Allerdings können außer-
dem auch andere, mehr oder weniger pathogene Bakterien sich an
dem Prozeß in sekundärer Weise beteiligen; denn in den hepati-
sierten Lungen werden solche hier ebenfalls nicht selten an-
getroffen, so Staphylo- und Streptokokken, der Bacillus pyogenes
suis, der Bacillus pyocyaneus, Kolibazillen u. a. Die Bedingungen
für das Auftreten dieser Krankheitsform sind zurzeit noch eben-
sowenig bekannt, wie für das zeitweilige Auftreten der Rinder-
und Wildseuche sowie der Büffelseuche. Den Organismus schwä-
chende äußere Einflüsse einerseits, eine Steigerung der Virulenz
des fakultativ pathogenen, ubiquitären, bipolaren ovoiden Bakteriums
andererseits, scheinen hier eine bedeutsame Rolle zu spielen. Diese
Krankheiten haben das gemein, daß sie ohne nachweisbare Ein-
schleppung plötzlich auftauchen und dann allenfalls auch einen en-
zootischen Charakter annehmen, dabei aber immer auf ein ge-
wisses Gebiet beschränkt bleiben. Für ihre sehr nahe Verwandt-
— 303 —
Schaft spricht sehr ausdrücklich die Erfahrung-, daß bei Erkrankungen
von Wild, Rindern oder Büffeln bisweilen auch Schweine unter
akuten Erscheinungen erkranken. Insbesondere nach dem Auftreten
der Büffelseuche wird ziemlich häufig die Erfahrung gemacht, daß
iu den betroffenen Gehöften auch Schweine unter den Symptomen
der akuten Schweineseuche schwer erkranken, wobei aber die Er-
krankungen von Schweinen stets auf die betreffenden Gehöfte be-
schränkt bleiben und niemals eine epizootische Ausbreitung erlangen.
Das häufige Hinzutreten einer heftigen Rachenentzündung scheint
dafür zu sprechen, daß sich Schweine durch Verzehren von massen-
haftem virulenten Material, ähnlich wie beim Milzbrand, anzu-
stecken vermögen. Daß aber dies nicht immer genügt, das beweist
die experimentelle Erfahrung, wonach es durch Verfütterung viru-
lenter Reinkulturen nicht gelingt, Schweine krank zu machen. An-
dererseits beweist das bald ganz sporadische, bald auf eng um-
schriebene Gebiete beschränkte Auftreten der Krankheit die, wenn
überhaupt vorhandene, so gewiß nur sehr geringe Ansteckungs-
fahigkeit der kraiiken Tiere.
Der prinzipielle Unterschied zwischen der Schweinepest bzw.
der in Pestbeständen vorkommenden Schweineseuche und der reinen
akuten Schweinesenche sowie der katarrhalischen Pneumonie der
Ferkel bestünde hiernach darin, daß die Schweinepest und die mit
ihr komplizierte Schweineseuche einen eminent kontagiösen Charak-
ter besitzt und sich als solche in den Schweinebeständen ohne
Rücksicht auf das Alter und den sonstigen Gesundheitszustand der
Tiere durch den Schweine verkehr rasch auf große Gebiete aus-
breitet, wohingegen bei den zwei letzteren Krankheiten der kon-
tagiöse Charakter sehr stark in den Hintergrund tritt oder sich
nur dort betätigt, wo die natürliche Resistenz der Tiere bereits
durch anderweitige schwächende Einwirkungen herabgesetzt wurde.
Dieser Unterschied ist aber in veterinärpolizeilicher Beziehung von
hoher Bedeutung; denn pestkranke Schweine gefährden, gleichviel
ob sich ihre Krankheit in Pest- oder Schweineseuchesymptomen
äußert, Schweinebestände überhaupt, ohne Rücksicht auf die ört-
lichen Verhältnisse sowie die Haltung der Tiere, wohingegen mit
reiner Schweineseuche oder mit der katarrhalischen Pneumonie
behaftete Tiere nur unter gewissen Umständen und letztere, wie es
scheint, vorwiegend nur für ganz junge Ferkel gefährlich werden.
— 304 —
Mit der im obigen skizzierten Auffassung des Wesens der
sogenannten chronischen Schweineseuche der Ferkel und der spora-
dischen akuten Schweineseuche stehen die negativen Ergebnisse
der Versuche von Pütz sowie jene von Ostertag und Stadie
über die Filtrierbarkeit des Virus der reinen Schweineseuche durch-
aus im Einklang. Als Ansteckungsstoff sind hier ausschließlich
Bakterien diesseits der mikroskopischen Sichtbarkeitsgrenze be-
tätigt, diese aber werden durch Bakterienfilter zurückgehalten, und
demgemäß besitzt das Filtrat auch keine pathogenen Eigenschaften.
Dies schließt freilich nicht aus, daß mitunter ein Schwein, dessen
Obduktion ausschließlich anatomische Merkmale der akuten Schweine-
seuche nachweist, ein auch in filtriertem Zustande krankmachendes
Material liefert; dann wurde aber das Tier ursprünglich durch
Pestvirus angesteckt, und demgemäß ist seine Krankheit auch als
Schweinepest und nicht als Schweineseuche aufzufassen.
Die Entscheidung darüber, ob in einem einzelnen Fall reine
Schweineseuche oder aber Schweinepest mit Schweineseuche-
symptomen vorliegt, wird sich in der Praxis mitunter recht schwer
gestalten. Liegen neben der entzündlichen Erkrankung der Lunge
gleichzeitig auch Verschorfungen, runde Geschwüre mit mißfarbigem
Belag oder gar knopfartige Schorfe auf der Schleimhaut des Ver-
dauungskanals mit oder ohne Schwellung der Lymphdrüsen vor,
dann wird man stets eine Pestinfektion anzunehmen haben, während
andererseits eine durchweg chronische Lungenentzündung („schlaffe
Pneumonie") mit oder ohne fibrinöse Pleuritis von vornherein als
von der eigentlichen Schweineseuche völlig unabhängige katarrhali-
sche Pneumonie aufzufassen sein wird. In letzterem Sinne werden
auch jene Fälle zu beurteilen sein, in denen die Erkrankung nach dem
klinischen und dem anatomischen Befund als eine chronische
katarrhalische Pneumonie begonnen und erst hinterher, vielleicht
unter dem Einfluß anamnestisch nachgewiesener schädlicher Ein-
wirkungen, einen akuten Verlauf genommen hat (in solchen Fällen
findet man neben der schlaffen Pneumonie, zumeist an den Spitzen
der vorderen Lungenlappen, weiter nach oben und rückwärts eine
akute kruppös-katarrhalische Entzündung).
Handelt es sich dagegen ausschließlich um eine reine
hämorrhagische Septikämie oder um eine akute, kruppös-katarrha-
lische, hämorrhagische oder nekrotisierende Pneumonie mit oder
ohne fibrinöse Pleuritis, oder aber um chronische Residuen einer
— 305 —
vorausgegangenen akuten Pneumonie (große nekrotische Herde,
Sequester), so vermag der anatomische Befund auch mitsamt dem
mikroskopischen und kulturellen Befund keine Aufklärung über das
eigentliche Wesen der Erkrankung zu erteilen. In solchen Fällen
wird der Filtrierversuch maßgebend sein, wofern er ein positives
Resultat ergibt, indem er dann entschieden das Vorliegen einer
Pestinfektion beweist. Demgegenüber kommt einem negativen Er-
gebnis eines solchen Versuchs bei weitem nicht dieselbe Beweis-
kraft zu; denn es kann das vorher in den Organsäften vorhanden
gewesene Pestvirus aus dem Körper bereits zum größten Teil oder
auch ganz verschwunden sein. In solchen Fällen wird man die
Entscheidung davon abhängig machen müssen, ob das Tier aus
einem Pestbestand herstammt und ob bei Gefährten desselben
auch auf die Pest hinweisende Organveränderungen vorgefunden
wurden, oder aber ob es sich um einen sporadischen Fall aus einer
auch seither gesunden Herde handelt. Es müssen mit einem Wort
insbesondere in solchen Fällen auch die epidemiologischen Momente
entsprechend berücksichtigt und für die Stellung der Diagnose an-
gemessen verwertet werden.
Alles dies bedeutet selbstverständlich eine nicht geringe Er-
schwerung des diagnostischen Verfahrens gegenüber dem bisherigen
Zustand, wo allein der bakteriologische Nachweis von bipolaren
ovoiden Bakterien in entzündlich veränderten Organen genügt hatte,
den jeweilig vorgelegenen Fall als Schweineseuche und damit als
eine unter allen Umständen gefährliche ansteckende Erkrankung zu
kennzeichnen. Dem Nachweise von, wenn auch hochviru-
lenten, bipolaren ovoiden Bazillen wird in Hinkunft nur
ein sehr bedingter und untergeordneter diagnostischer
Wert zukommen und für sich allein keineswegs für die
Stellung der Diagnose „Schweineseuche" genügen1), sondern
es werden, wie gesagt, die grob-anatomischen Organveränderungen,
in zweifelhaften Fällen aber die epidemiologischen Nebenumstände
und die Art der Erkrankung von Tieren derselben Gruppe, mehr
als bisher zu berücksichtigen sein. Zum Glück sind solche zweifel-
!) Preisz, der derselben Ansicht ist, macht die sehr zutreffende Be-
merkung, daß es ebenso unstatthaft wäre, aus der Gegenwart des Bacillus
suisepticus allein auf Schweineseuche zu folgern, wie z. B. auf Grund des
Nachweises von Streptokokken im Nasenschleim von Pferden die Druse zu
diagnostizieren. (Zeitschr. f. Tiermedizin 1907, Bd. XI, Heft 3.)
- 306 -
hafte Fälle, nämlich solche der anatomisch reinen akuten Schweine-
seuche, ziemlich selten, die Mühe aber, die auf die völlige Klar-
stellung ihrer Natur verwendet werden muß, wird reichlich ent-
schädigt werden durch die Möglichkeit, für das weitere Vorgehen
Vorkehrungsmaßregeln bezeichnen zu können, die, dem Wesen
der vorliegenden Krankheit genauer angepaßt, mehr zielbewußt
und daher wohl auch ersprießlicher sein werden.1)
Schon mit Rücksicht auf eine solche erfolgreiche Bekämpfung
der drei Krankheiten wird trotz aller Schwierigkeiten eine mög-
lichst scharfe Trennung der Schweinepest (die verschieden tlichsten
Mischformen inbegriffen) von der reinen Schweineseuche und von
der katarrhalischen Pneumonie der Ferkel stets anzustreben sein;
denn insbesondere die Anwendung etwaiger spezifischer prophy-
laktischer oder Heilverfahren setzt selbstverständlich eine genaue
Diagnose voraus.
l) Die vom preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und
Forsten am 4. Februar 1907 erlassenen „Neuen Bestimmungen über die Be-
kämpfung der Seuchen der Schweine" stehen bereits auf dem Standpunkt, daß
nicht jeder Fall von Schweineseuchc, sondern nur „die ansteckende, in der
Regel in der Form einer Entzündung der Brustorgane verlaufende Krankheit
der Schweine, sofern sie mit erheblichen Störungen des Allgemeinbefindens
einhergeht", zum Ausgangspunkt von veterinär-polizeilichen Maßregeln zu machen
sei. Es gelangt somit hierin die Auffassung zum Ausdruck, daß die Gefähr-
lichkeit und Anstcckungsfahigkeit der Krankheit nicht durch die Anwesenheit
des Bacillus suisepticus, sondern durch andere Umstände bedingt ist Damit
erscheint aber die Anschauung über die ätiologische Holle dieses Bakteriums
sehr bedeutend erschüttert. Zur Begründung der obigen Maßregel wird zwar
angeführt, daß „Fälle von krankhafter Veränderung der Brustorgane, in denen
die Erreger der Schweineseuche nicht mehr nachgewiesen werden können,
oder in denen die Erreger nicht mehr virulent sind, für die Verbreitung der
Seuche nicht mehr von Bedeutung sein können". Nun geht aber die Nach-
weisbarkeit oder die Virulenz des Bacillus bipolaris septicus durchaus nicht
Hand in Hand mit der Schwere der Erkrankung ; denn er kann auch bei hoch-
gradiger Pleuropneumonie schwer oder gar nicht nachweisbar sein und um-
gekehrt. Es gibt daher insbesondere das klinische Krankheitsbild eines
gegebenen Falles keinen Aufschluß darüber, in welcher Zahl und Virulenz
ovoide Bakterien im Körper des erkrankten Tieres vorhanden sind.
Auf ähnlicher Grundlage könnte man veterinär-polizeilich u. a. auch die
Fälle von Schweinepest gesondert behandeln, je nachdem das filtrierbare Pest-
virus im Körper des kranken Tieres voraussichtlich noch vorhanden ist oder nicht.
Eine solche Trennung der Seuchenfällc nach der Schwere der Erkrankung,
— 307 —
Bezüglich der Terminologie wäre es meiner Ansicht nach am
zweckmäßigsten — falls es sich noch überhaupt durchführen ließe — ,
die Benennung „Schweineseuche", die ohnehin schon vielfache Ver-
wirrung angestiftet hat, in Hinkunft ganz außer Gebrauch zu
setzen. Das Wort besagt eigentlich streng genommen nur, daß
eine Seuche unter Schweinen herrscht, und könnten daher füglich
auch der Rotlauf, die Schweinepest, die Tuberkulose etc. als
Schweineseuche im weiteren Sinne des Wortes bezeichnet werden.
Zudem paßt diese Benennung nach den obigen Ausführungen auch
nicht für sämtliche hier in Betracht kommende und insbesondere
nicht für die sporadischen Erkrankungsfälle.
Dieselbe hatte auch bisher eine ziemlich unklare Bedeutung,
faßte man doch darunter bald nur die ausschließlich durch den
Bacillus suisepticus verursachten Krankheiten, bald aber, besonders
im praktischen Leben, außerdem auch die Mischinfektionen mit der
Schweinepest zusammen, wobei man, um den behandelten Gegen-
stand genauer zu bezeichnen, gezwungen war, sogar nationale Bei-
wörter hinzuzufügen und von einer „deutschen'' oder „amerikani-
schen4' Schweineseuche zu sprechen. Vollends unzutreffend aber ist
eine solche Benennung für die katarrhalische Pneumonie der Ferkel,
•schon aus dem Grunde, weil die ätiologische Rolle des Bacillus
suisepticus als primären ursächlichen Faktors hier zumindest zweifel-
haft ist. Aber auch in dem Fall, daß dieser Bazillus an dem
Lungenprozeß tatsächlich in hervorragender Weise beteiligt wäre,
ohne Rttcksicht auf das, sonst in dieser Beziehung allein maßgebende spezitische
ätiologische Moment, steht in der Veterinär-polizeilichen Seuchenbekämpfung
einzig da und läßt sich mit dem Standpunkt der Verordnung bezüglich des
Erregers der Schweineseuche schwer vereinbaren.
Bemerkenswert ist übrigens jener Passus in den „Neuen Bestimmungen",
wonach es bei chronisch schweineseuchekranken Sehweinen — darin sind wohl
auch die pneumonischen Ferkel initinbegriffen — bei Verwendung der üblichen
Menge des Ausgangsmaterials in einem Drittel der Fälle (!) nicht mehr
gelingt, die ovoiden Bakterien aus den erkrankten Organen zu isolieren, in den
Fällen aber, wo dies gelingt, dieselben oft so wenig virulent sind, daß
sie nur in ungewöhnlich großen Mengen Versuchstiere zu töten vermögen.
Dies stimmt mit den bakteriologischen Befunden vollkommen überein, jene
Angabe aber, daß, wenn in einem Bestände die akute Form der Schweine-
seuche herrscht, sowohl ältere als jüngere Tiere erkranken und die Erkrankung
in einem hohen Prozentsatz der Fälle (bis zu 75%) zum Tode führt, wird,
sofern darunter die reine, nicht mit Schweinepest komplizierte akute Schweine-
seuche geraeint ist, durch tatsächliche Beobachtungen nicht gestützt.
- 308 —
wäre die Benennung wenig passend; denn ebenso, wie man beim
Auftreten einer, wenn auch enzootischen Pneumonie unter Kälbern
oder Lämmern nicht von einer Rinder- oder Schafseuche spricht,
erscheint es nicht angezeigt, die analoge Erkrankung der Ferkel
als Schweineseuche zu bezeichnen.
Obschon nun die akute multiple mortifizierende Pneu-
monie als selbständige Krankheit nicht „seuchenhaft" zu herrschen
pflegt, so dürfte es dennoch angemessen erscheinen, diese in
Würdigung der grundlegenden Forschungen von Löffler und
Schütz sowie mit Rücksicht auf die historische Entwicklung der
Frage auch künftighin als „Schweineseuche" zu bezeichnen, zu-
mal der Bacillus suisepticus auch reine Septikämie zu erzeugen
imstande ist (Löffler hatte eben einen solchen Fall untersucht1).
Bieten sich im vorliegenden Fall hinreichende Anhaltspunkte für
die Annahme, daß die Krankheit selbständig aufgetreten ist, so
wird ihr nicht kontagiöser Charakter entsprechend zu betonen und
der betreffende Fall auch veterinär-polizeilich in diesem Sinne zu
behandeln sein. In der großen Mehrzahl der Fälle wird es sich
freilich lediglich um eine Komplikation der Schweinepest handeln,
wo dann die Kontagiosität sehr stark hervortritt und demgemäß
auch energische Vorkehrungs- und Tilgungsmaßregeln erheischt.2)
!) Schütz selbst hielt seinerzeit die Wahl des Namens „Schweineseuche
oder Schweineseptikämie" für wenig zutreffend und sprach sich für die vor-
läufige Beibehaltung desselben lediglich aus dem Grunde aus, weil nicht mit
Sicherheit dargetan war, daß nur die Lunge als Atrium für die krankheits-
erregenden Bakterien anzusehen ist.
a) In der englischen Sprache erscheint ebenfalls eine scharfe Trennung
der Hogcholera (= Schweinepest) von der Swine-plague (= Schweine-
seuche = akute multiple mortifizierende Pneumonie) geboten, während der
Name „Swine-fever* als viel zu unklar am besten ganz außer Gebrauch zu
setzen wäre. — In der französischen Sprache ist die Benennung der reinen
Schweineseuche als Pasteurellose du porc, falls der Name „Pasteurellose*
überhaupt beibehalten werden soll, mehr zutreffend als jene als Pneumonie
contagieuse, mit Rücksicht auf den gewöhnlich nicht kontagiösen Charakter
der Krankheit Für die Peste du porc ist der neuerdings von Ligniere 8
vorgeschlagene Name „Salmonellose" nunmehr ganz unzutreffend geworden,
während die Benennung der Schweinepest als „Pneumo-enterite infec-
tieuse" auf die septikämischc Form der Krankheit nicht paßt. — Bezüglich
der katarrhalischen Pneumonie der Ferkel hat man außerhalb Deutsch-
lands bisher offenbar kein Bedürfnis gefühlt, dieselbe mit der akuten klassi-
schen Schweineseuche in nähero Beziehung zu bringen.
— 309 -
Von dieser Schweineseuche wäre die neuerer Zeit als „chro-
nische Schweineseuche44 bezeichnete Krankheit der Ferkel als
„katarrhalische Pneumonie44 oder allenfalls als „enzootische
Pneumonie der Ferkel44 scharf zu trennen und ihre Ätiologie
in dem oben skizzierten Sinn zu umschreiben, unter besonderer
Betonung der prädisponierenden Momente sowie der gelegentlichen
Ansteckungsfähigkeit lediglich für ganz junge Tiere, während die
unmittelbare ätiologische Rolle der in solchen Fällen im erkrankten
Lungengewebe vorgefundenen verschiedenen Bakterien noch einer
weiteren, eingehenderen Erforschung bedarf.
(Aus dem Institut für Seuchenlehre der Tierärztlichen Hochschule
zu Stuttgart.)
Über ein durch verdorbenes Futter verursachtes
Pferdesterben.
Zugleich ein Beitrag zur Kenntnis der „enzootischen Spinalparalyse44
der Pferde.
Von
Professor Dr. W. Zwick.
(Mit Tafel IV und V.)
Die Untersuchungen, die den nachfolgenden Ausführungen zu-
grunde liegen, reichen auf die Jahre 1903 und 1904 zurück. Die
vorliegende Veröffentlichung ist die fast wörtliche Wiedergabe
eines Berichtes, den ich im August 1905 an das Königliche Medi-
zinalkollegium und das Königliche Ministerium des Innern erstattete.
Diese hohe Behörde hat meine Versuche durch Gewährung besonderer
Mittel unterstützt, für welche Förderung ich auch an dieser Stelle
meinen Dank auszusprechen mir erlaube.
Am 11. Oktober 1903 brach unter dem Pferdebestande der
nahe bei Tübingen gelegenen Brauerei ,,Waldhörnle" eine Krank-
heit aus, die in rascher Aufeinanderfolge sämtliche in den Stallungen
der Brauerei befindlichen Pferde ergriff. Bis zum 17. Oktober, also
innerhalb sechs Tagen, verendeten 17 Pferde; nur ein einziges, das
zu Beginn der Krankheit in die medizinische Klinik der Tierärzt-
lichen Hochschule verbracht worden war, erholte sich allmählich
wieder. Ungefähr zwei Monate später, am 28. Dezember 1903,
erkrankten vier weitere der Brauerei gehörige Pferde, zwei von
ihnen starben, zwei wurden wieder gesund, jedoch war das eine
erst nach einer nahezu einjährigen Rekonvaleszenzzeit wieder in
vollem Maße gebrauchsfähig. Die Gesamtzahl der verendeten Pferde
— 311 —
betrog- demnach 19, die der erkrankten 22. Der durch die Krank-
heit verursachte Schaden wurde auf ungefähr 25 000 M. berechnet.
Sämtliche gestorbenen Pferde gehörten dem kaltblütigen Schlage
an. Der Krankheit erlagen ohne Unterschied Tiere der verschie-
denen Altersstufen; das jüngste war 7, das älteste 18 Jahre alt.
Die Dauer der Krankheit, vom Hervortreten der ersten Symptome
bis zum Tode, schwankte zwischen 8 und 72 Stunden. Die Mehr-
zahl der Pferde starb nach durchschnittlich 1H stündigem Kranksein.
Symptome.
Die Erscheinungen waren bei allen Pferden die gleichen. Im
Vordergründe des Symptomenbildes stand eine Kreuzschwäche
mit darauffolgender Lähmung der Nachhand. Mehrere Pferde
erkrankten während der Arbeit vor dem Wagen; sie hatten ihr
Morgenfutter mit Appetit verzehrt und wurden, wie gewöhnlich,
zu Bierfuhren benutzt. Unterwegs stellte sich plötzlich Schweiß-
ausbruch ein. und zwar so sehr, daß die Tiere förmlich in Schweiß
gebadet waren; ihre Kräfte begannen nachzulassen, sie mußten
häufig angetrieben werden, ihr Gang wurde mehr und mehr unsicher
und schwankend. Nur mit Mühe erreichten sie den Stall, wo sie sich
alsbald niederlegten, um nicht wieder aufzustehen. Wurden die
Pferde während der Ruhe im Stalle von der Krankheit überrascht,
so machten sich die ersten Anzeichen in der Weise bemerkbar, daß
sie unruhig hin und her trippelten, sich bald hinlegten, bald wieder
aufstanden; dies wiederholte sich verschiedene Male, bis sie schließ-
lich kraftlos liegen blieben. Das Bewußtsein der Pferde war nicht
oder nur kurze Zeit vor dem Tode getrübt, sie erhoben den Kopf,
sahen sich oft nach dem Hinterleib um und gaben zuweilen stöh-
nende Laute von sich. Mit den Vordergliedmaßen machten sie
von Zeit zu Zeit Anstrengung, sich aufzurichten, aber die Nach-
hand war außer diesem Willensbereich, sie schien völlig gelähmt.
Meistens legten sich die Tiere platt auf eine Seite und führten Schwimm-
bewegungen mit den Vordergliedmaßen aus, während die Hinter-
extremitäten unbeweglich seitwärts gestreckt wurden. Die Kücken-,
Kruppen- und Oberschenkelmuskulatur fühlte sich hart an. Die
Empfindung in der Nachhand war zwar nicht völlig aufgehoben,
jedoch herabgesetzt, bei Applikation von Nadelstichen reagierten die
Tiere nicht immer prompt und deutlich. Waren einmal offensichtliche
— 312 —
Krankheitserscheinungen zugegen, so verschmähten die Tiere in der
Regel das Futter gänzlich; einige von ihnen nahmen zwar im Anfang
der Krankheit von den vorgelegten Möhren die eine oder andere
auf, kauten sie aber nicht und konnten sie auch nicht abschlucken.
Schob man ihnen Mohrrübenstücke ins Maul, so blieben diese dort
ungekaut liegen. Dagegen hatten einige der Pferde die ihnen ver-
abreichten Eingüsse abgeschluckt.
Die innere Körperwärme war bei sämtlichen Pferden von
Anfang bis zu Ende der Krankheit normal bis höchstens hoch-
normal (38—39° ('), nie fieberhaft gesteigert, auch die Zahl der
Pulse und Atemzüge überschritt die Norm nicht oder kaum.
Der Kot war unverändert, der Kotabsatz nicht erschwert, auch
nicht das Urinieren; der Harn hatte normales Aussehen. Bei der
von mir in einem Fall vorgenommenen genaueren Untersuchung des
Harns konnten auf mikroskopischem Wege Kierenepithelien in
mäßiger Menge, jedoch durch die chemische Untersuchung keine
abnormen Bestandteile nachgewiesen werden.
Obduktionsbefund.
Ich hatte Gelegenheit, zusammen mit Herrn Oberamtstierarzt
Kieß in Tübingen, die Obduktion zweier, der Krankheit erlegenen
Pferde vorzunehmen. In einem Fall ergab sich folgender Befund:
Leichte parenchymatöse Trübung des Herzmuskels, der Leber und
Nieren, subepikardiale Hämorrhagien entlang dem Sulc. coronarius
und den Sulci longitudinales, stellenweise fleckige und streifige
Rötungen und Schwellungen der Schleimhaut des Dünndarms. Am
Gehirn und Rückenmark konnten, wie ausdrücklich bemerkt sei,
makroskopische Veränderungen nicht wahrgenommen werden.
Die Obduktion des zweiten Pferdes war trotz sorgfältigster
Untersuchung ergebnislos.
Von dreien der verendeten Pferde wurde mir je ein Femur
zugestellt, an dem nach sagittaler Halbierung auffällige Ver-
änderungen zutage traten.
Die Spongiosa, namentlich die der oberen Epiphyse, weniger die der
unteren, war sehr stark blutig infiltriert ; unter der aus dem Maschenwerk vor-
quellenden, dunkelbraunroten bis schwarzroten, weichschmierigen Infiltrations-
masse verschwanden die Knochenbälkchen fast völlig. In zwei der unter-
suchten Oberschenkelknochen war auch die Oberfläche des Fettmarks diffus
schwarzbraunrot verfärbt und in einem dieser Röhrenknochen fiel — und zwar
— 313 —
nahe der Grenze der Spongiosa der oberen Epiphyse gegen die Markhöhle —
ein ovaler, ca. 5 cm langer, 3 cm breiter schwarzbrauner Blutherd auf, der sich
von seiner Umgebung scharf abhob und von dieser leicht loszulösen war. Im
dritten Oberschenkelknochen war das gelbe Fettmark auf seiner Oberfläche
weniger blutig infiltriert, jedoch fanden sich auch hier in der Tiefe zerstreute
kleinere Blutungen.
Ermittlungen und Erwägungen zum Zwecke der Feststellung der
Krankheitsursache.
Im Brennpunkt des wissenschaftlichen und wirtschaftlichen
Interesses stand die Frage nach der Ursache des Massensterbens.
Handelt es sich um eine ansteckende Krankheit, ist ein veterinär-
polizeiliches Eingreifen geboten, das waren weitere sich aufdrängende
und bedeutungsvolle Fragen, namentlich angesichts der wachsenden
Besorgnis der Tübinger Pferdebesitzer, die eine Übertragung der
Krankheit auf ihre Pferde befürchteten.
Bei dem Suchen nach der Krankheitsquelle mußte der Ver-
dacht sich in erster Linie auf das Futter lenken. Er wurde nahe-
gelegt deshalb, weil drei Tage vor dem Auftreten des ersten
Krankheitsfalles ein Futterwechsel vorgenommen und an Stelle des
bis dahin verfütterten Heues das von der Gemarkung „Beben-
hausen", und zwar von der dortigen „Farrenwiese" stammende
verabreicht worden war. Der Verdacht mußte sich bei der Be-
sichtigung dieses Heues noch bestärken: Es stäubte sehr stark
und hatte einen üblen, muffigen Geruch. Ich sandte einige Proben
dieses Heues und eine Probe des den Pferden verfütterten Hafers
zur Begutachtung an die Landwirtschaftliche Versuchsstation in
Hohenheim, deren Vorstand, Herr Dr. Zielstorff, die Güte hatte,
mir folgenden Bescheid zukommen zu lassen:
„Das Heu, bezeichnet als Futter Nr. 3, besteht hauptsächlich aus Gräsern,
enthält auch mäßig Sauergräser und Wiesenkräuter, jedoch fast gar keine Klee-
und keine Wickenarten; in der Probe sind auch Schachtelhalme beobachtet
worden. Das Heu riecht dumpfig und stäubt stark, woraus zu schließen ist,
daß es schlecht eingebracht und verdorben ist und sich deswegen nicht für
Ffitterungszwecke eignet.
Das Hou, bezeichnet als «Futter aus Paket* , ist grobstengelig, mißfarben
und von unangenehmem, muffigem Geruch, stark stäubend, enthält mehr Sauer-
gräser, selten ein Blatt einer Kleeart, keine Wicken, kommt wahrscheinlich
von einer Sumpfwiese her und ist verdorben, minderwertiger als vorherige
Probe und gleichfalls für Futterungszwecke ungeeignet.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 4/5. 21
— 314 —
Der Hafer ist unverdorben, jedoch von geringer Qualität nnd verunreinigt
mit folgenden fremden nnd Unkrautsamen: Gewöhnliche Wicke, Zitterlinsen,
Flughafer, Hopfen- und Steinklee in Hülsen, Klebskraut, Ackersenf, Acker-
hahnen fuß, Kornrade, Taumcllolch, Ackerwinde, Hanfnessel, Ackorfuchsschwanz,
Brunelle, Gänsefuß, Knäuel, Sauerampfer, Gauchheil in Kapseln und Spuren
von Mutterkorn von einer Grasart, endlich Haferspelzen. Der Hafer sollte
daher vor der Verfütterung geputzt werden/
Dieser Befund war ganz und gar dazu angetan, die dem Heu
geschenkte Aufmerksamkeit noch zu verschärfen. Auch sonstige
Erhebungen und Erwägungen führten unter Ausschluß anderer
Möglichkeiten auf das Heu als Krankheitsursache zurück. Die
Pferde waren auf verschiedene Stallungen verteilt, 13 standen in
den beiden Stallungen des Wirtschaftsgebäudes der Brauerei, vier
waren in dem etwa ein Kilometer vom „Waldhömle" entfernten
„Bläsibad"-Stall untergebracht. Die Erkrankungen kamen ab-
wechslungsweise bald in diesem, bald in jenen Ställen vor. Das
Futter war für alle Pferde das gleiche; das Heu wurde im „Wald-
hörnle" mit Stroh zu Häcksel geschnitten, von diesem erhielten
sämtliche drei Gruppen von Pferden. Der außerdem für die Pferde
bestimmte Hafer war zwar unrein, aber, wie sich aus der von ihm
gegebenen Beschreibung entnehmen läßt, unschädlich ; übrigens war
derselbe schon seit ungefähr vier Wochen vor jener Begebenheit
gefüttert worden.
Das Trinkwasser für die Pferde des „Waldhömle" lieferte
und liefert noch eine Wasserleitung, die ausschließlich den Zwecken
der Brauerei dient; das Wasser ist teils Quellwasser, teils stammt
es aus einer etwa 40 Meter von der Brauerei entfernten Wasser-
stube, in der das Grundwasser sich sammelt. Beide Wassersorten
werden einem Reservoir und von diesem durch eine Wasser-
leitung dem Stall zugeführt. Dieses Wasser wurde seit langem zum
Tränken der Pferde benützt, und es waren auch fremde in die Gast-
stallung eingestellte Pferde damit getränkt worden, ohne daß jemals
eine nachteilige Wirkung sich ergeben hätte. Auch förderte die
nähere Untersuchung dieses Wassers weder nach der chemischen
noch bakteriologischen Seite irgendwelche Verdachtsmomente zu-
tage. Die im „Bläsibad" einquartierten, gleichfalls erkrankten und
verendeten Pferde hatten übrigens anderes Wasser bekommen, das
ein zu diesem Gehöft gehöriger Kesselbrunnen lieferte.
Die Stallverhältnisse entsprachen vollauf den hygienischen
Anforderungen. Die Ställe waren geräumig, gut ventiliert, der
— 315 —
Boden war in dem einen Stall aus Zement, in den anderen aus
Asphalt hergestellt. Jedes Pferd hatte seinen besonderen, durch
Bretterwände abgetrennten Kastenstand mit zugehöriger Einzel-
krippe. Als Streu fand schon seit langem Torf Verwendung.
Neuankäufe von Pferden waren in letzter Zeit vor dem Ein-
tritt des Ereignisses nicht gemacht worden. In Tübingen und der
ganzen Umgebung war eine ähnliche Krankheit bis dahin nicht
bekannt gewesen.
Man hatte die Pferde in der näheren und weiteren Umgebung
von Tübingen zum Bierfahren benutzt; sie waren dabei zwar mit
anderen Pferden hin und wieder in Berührung gekommen, ohne daß
sich jedoch an diese Tatsache irgendwelche Folgerungen knüpfen
ließen. An die mit den erkrankten Pferden zuvor benutzten, nicht
desinfizierten Wagen wurden Mietspferde gespannt, die Fuhrknechte
der Brauerei übernahmen später diese Mietspferde, — aber un-
geachtet jeglicher Vorsichtsmaßregel blieb die Krankheit auf die
der Brauerei gehörigen Pferde beschränkt. Allerdings war noch
bekannt geworden, daß auch ein fremdes, vorübergehend in den
Gaststall der Brauerei eingestellt gewesenes Pferd unter denselben
Erscheinungen erkrankt und auch gestorben sei wie die Brauerei-
pferde; aber gerade dieses Vorkommnis lieferte einen wertvollen
Beitrag zur Feststellung der Ursache der Krankheit. Es ergab
sich nämlich bei genauer Nachforschung, daß der Besitzer des
Pferdes von dem in der Scheune des „Waldhörnle" befindlichen
Häckselvorrat seinen beiden Pferden vorgesetzt hatte. Eines der-
selben, und zwar das als besserer Fresser bekannte, erkrankte
unter denselben Erscheinungen wie die Brauereipferde und starb
nach zweitägigem Kranksein.
Zum Zwecke der Anstellung eines Fütterungsversuches kaufte
die Brauerei zwei Pferde an. Diese Pferde wurden in einen der
Ställe eingestellt, der zur Aufnahme der verendeten Pferde gedient
hatte, und zwar ohne daß zuvor eine Desinfektion des Raumes
stattgefunden hatte. Dem einen der beiden Versuchspferde wurde
unverdächtiges Heu gereicht, dem zweiten jedoch verdorbenes; von
letzterem erhielt außerdem noch ein Ziegenbock. Die beiden letzt-
genannten Tiere erkrankten und starben innerhalb acht Tagen
nach Beginn des Fütterungsversuches, während das andere Pferd
gesund blieb. Der Ausfall dieses Fütterungsversuches bewies also
hinreichend, daß die Beschuldigung des Heues gerechtfertigt war.
21*
— 316 —
Zu all dem war noch das plötzliche und stürmische, explosions-
artige Einsetzen der Krankheit und ihr rasches Übergreifen auf
den gesamten Pferdebestand beachtenswert. Diesem gehäuften,
nach Raum und Zeit sehr beschränkten Sterben mußte eine gemein-
same, allen Pferden zu gleicher Zeit zugängliche Schädlichkeit
zugrunde liegen, die nach Lage der Dinge einzig und allein in dem
Heu gesucht werden mußte.
Diese anscheinend gegen alle Anfechtungen geschützte Schluß-
folgerung erlitt jedoch einen Stoß. Am 28. Dezember, also mehr
als zwei Monate nach jenem ersten Sterben, erkrankten vier weitere,
der Brauerei gehörige Pferde, und zwar unter denselben Symptomen
wie die früheren, auch starben zwei von ihnen nach nur eintägiger
Krankheit. % Diese neuen Erkrankungs- und Todesfälle überraschten
um so mehr, als nach Angabe der mit der Überwachung und Pflege
der Pferde betrauten Personen alles geschehen war, um eine Ver-
bindung mit den früheren Krankheitsfällen und dem Ursprungsherd
abzuschneiden. Die Pferde, um die es sich handelte, waren vier-
zehn Tage vor ihrer Erkrankung angekauft worden und man hatte
sie von Anfang an in eine Tübinger Stallung, nämlich in diejenige
des Gasthauses „Zum Anker", das etwa drei Kilometer vom „Wald-
hörnle" entfernt liegt, eingestellt. Das an die Pferde verfütterte Heu
sei, so wurde berichtet, seiner Herkunft nach ein ganz anderes ge-
wesen und es sei bis zu seiner Verwendung in einer Scheune der
dem „Waldhörnle" benachbarten Gemeinde Derendingen aufbewahrt
und dortselbst zusammen mit ebenda untergebrachtem Haferstroh
zu Häcksel verarbeitet worden. Dieses Futter sei alsdann jeweils
nach Bedarf in Säcken an seinen Bestimmungsort, den „Anker-
stall" in Tübingen, verbracht worden. Da der Vorrat an jenem
Heu bald erschöpft war, so hatte man schon seit dem 16. Dezember
an die Pferde Kleeheu verfuttert, das auf dem Heuboden des
„Waldhörnle" untergebracht war, auf demselben, auf dem auch das
verdächtige Heu gelagert hatte, jedoch getrennt von diesem. Jenes
Kleeheu bot keinerlei Merkmale einer schlechten Beschaffenheit und
enthielt auch keine schädlichen Bestandteile. Der noch außerdem
verfütterte Hafer bestand zu zwei Dritteln aus neu angekauftem
und ihm war noch ein Drittel des alten, früher verfütterten, bei-
gegeben worden. Die Frage, ob denn nicht auch vom „Beben-
hauser" Heu den Pferden verabreicht worden sei, wurde ausdrück-
lich verneint. In ganz derselben Weise und mit dem nämlichen
— 317 —
Futter seien auch, so wurde mitgeteilt, die beiden in der Stallung
des Gasthofs „Zur Post" in Tübingen eingestellten, ebenfalls neu
angekauften Pferde gefüttert worden, von ihnen sei aber keines
erkrankt.
Diese neue Begebenheit erregte allgemeines Aufsehen, und mehr
und mehr faßte der Glaube an die Einwirkung einer „bösen Hand"
Wurzel. Es fand dieser Verdacht auch darin seinen Ausdruck, daß
die Polizei sich anschickte, der Angelegenheit näherzutreten und
Nachforschungen anzustellen:
Die zur wissenschaftlichen Untersuchung am 28. Dezember,
also am Tage des Ereignisses, nach Tübingen entsandte und aus
den Herren Oberregierungsrat Beißwänger, Professor Dr. Klett
und dem Berichterstatter bestehende Kommission vermochte in die
Situation zunächst noch kein völlig klares Licht zu bringen. Aber
eingedenk der schwerwiegenden Verdachtsmomente, die sich gegen
das Bebenhauser Heu angesammelt hatten, wurde der Vermutung
Kaum gegeben, es werde wahrscheinlich doch verbotenerweise durch
den einen oder andern Fuhrknecht außer dem Kleeheu von dem
beschuldigten Heu dem für die Pferde bestimmten Futter beigegeben
worden sein. Es war ohnehin bemerkt worden, daß diese Leute
nicht an die schädliche Wirkung des Heues glauben wollten, viel-
mehr eher geneigt waren, haltlosen Gerüchten ihr Ohr zu leihen.1)
Um den Beweis für die Schädlichkeit des Heues noch zwin-
gender zu gestalten, wurde angeordnet, es solle einem Versuchs-
pferd der noch vorhandene, vorwiegend aus Bodensatz bestehende
Restvorrat des Bebenhauser Heues vorgelegt werden. Der Versuch
konnte sofort eingeleitet werden, da ein Pferd, — das schon er-
wähnte Kontrollpferd — , seit 24. November im Stalle des „Wald-
hörale" bereit stand. Dieses war bis zum 1(>. Dezember mit dem
„Derendinger" Heu gefüttert worden. Vom 1(5.— 24. Dezember
hatte es, ebenso wie die genannten vier Pferde. Kleeheu erhalten,
das auf dem Boden des „Waldhörnle" gelagert hatte. Von letzt-
genanntem Tage ab war ihm sodann das verdächtige Bebenhauser
Heu zur Fütterung vorgelegt worden, und nun sollte es am 29. De-
zember und während der nächstfolgenden Tage den* schon bezeich-
neten Bodensatz erhalten. Am 2. Januar traten die ersten Krank-
heitserscheinungen auf, das Pferd hielt sich noch bis zum Abend
l) Es batte sich das Gerücht verbreitet, die Pferde seien von „böser*
Hand* mit einer Nadel ins Genick gestochen worden.
— 31H —
des 3. Januar aufrecht, brach dann zusammen und konnte nicht
mehr aufstehen; in der Nacht vom 6./7. Januar verendete es.
Laut Mitteilung von Herrn Oberamtstierarzt Kieß, der diesen Ver-
such überwachte und sich auch sonst sehr verdienstvoll der ganzen
Angelegenheit angenommen hatte, stimmten das Krankheits- und
Sektionsbild mit den früher gewonnenen völlig überein; nur habe
sich das Versuchspferd, das dem leichten und veredelten Schlage
angehörte, viel widerstandsfähiger erwiesen als die Kaltblütler der
Brauerei. Die überzeugende Kraft dieses Versuchsergebnisses mußte
jeglichen Zweifel an der Schädlichkeit des fraglichen Heues zum
Schwinden bringen. Es mußte also solches Heu dem Futter bei-
gegeben worden sein. Zwar blieb trotz der deutlichen Sprache
dieses Versuchsergebnisses eine Bestätigung von Seiten des betei-
ligten Personals zunächst noch aus. Später berichtete mir aber
der Leiter der Brauerei, ein Knecht habe eingestanden, daß er in
der Tat von dem berüchtigten Heu an jene in Tübingen eingestellten
Pferde verfüttert habe, als der Vorrat an anderem Heu zur Neige
ging. Auch der Widerspruch, der in der ausschließlichen Er-
krankung der im „AnkerstaU" befindlichen Pferde bei gleichzeitigem
Verschontbleiben der im „Poststall" eingestellten zu liegen schien,
fand seine befriedigende Erklärung. Jene, die „Ankerpferde'*,
waren nach mehrfacher übereinstimmender Aussage bessere Fresser
als die „Postpferde44, und diese hatten ohnedies von dem gefähr-
lichen Futter weniger erhalten, da der sonst noch vorhandene
Futtervorrat bei ihnen zwei Tage länger ausgereicht hatte. Sofort
nach dem Eintreten der Krankheitsfälle im „Anker44 war den „Post-
pferden44 der noch vorhandene Restbestand an schädlichem Heu
entzogen, und so waren diese gerettet worden.
Obwohl nun zwar das Heu als Träger einer Schädlichkeit un-
zweifelhaft sichergestellt war, so herrschte immer noch völlige
Unklarheit über ihre Natur. Von Giftpflanzen waren in dem Heu
Herbstzeitlose und Schachtelhalm vertreten. Für die Annahme
einer Kolchikumvergiftung fehlte es aber an der nötigen Stütze
sowohl im Hinblick auf den klinischen, als auch auf den patho-
logisch-anatomischen Befund. Bei keinem Pferd konnten während
des Lebens Reizungserscheinungen, weder an den Organen des Ver-
dauungs-, noch an denjenigen des Harnapparats festgestellt werden;
auch der Obduktionsbefund bot nichts, was die Annahme einer
solchen Vergiftung gerechtfertigt hätte. Dagegen paßte das beob-
— 319 —
achtete Krankheitsbild schon eher in den Rahmen der „Schachtel-
halmvergiftung", da diese bekanntlich bei den erkrankten Tieren
in einem schwankenden und taumelnden Gang und einer schließ-
lichen Lähmung der Nachhand sich äußert. Mit einer solchen
Auffassung war jedoch der verhältnismäßig geringe Gehalt des
Futters an Pflanzen dieser Art nicht recht in Einklang zu bringen.
Die späterhin von mir mit unverdorbenem „Bebenhauser" Heu an-
gestellten umfangreichen Fütterungsversuche, zu denen mehrere
Pferde während längerer Zeit herangezogen wurden, und zwar ohne
zu erkranken, beseitigten mit Bestimmtheit den Verdacht einer
Pflanzenvergiftung. — Bemerkt sei noch, daß auch der Gedanke
an eine durch Futterpilze verursachte Vergiftung im Hinblick auf
die von Professor Kirchner in Hohenheim gütigst vorgenommene
und negativ ausgefallene Untersuchung des Heues gleich von vorn-
herein abgelehnt werden mußte.
Bakteriologischer Befund.
Die auf bakteriologischer Grundlage angestellten, die Er-
forschung der Ursache bezweckenden Untersuchungen, an denen sich
meine früheren Assistenten, die Herren Den zier und Dobler, be-
teiligten, fahrten zu einem positiven Ergebnis. Als Ausgangs-
material für die Untersuchungen dienten Organe eines am 29. Dezember
in Tübingen der Krankheit erlegenen Pferdes und des am (>./7. Ja-
nuar im „Waldhörnle" verendeten Versuchspferdes. Von den aus
Leber, Nieren, Milz und Knochenmark des erstgenannten Pferdes
mit je einer Öse unter die Haut geimpften weißen Mäusen starben
diejenigen, denen Milzgewebe einverleibt worden war, und zwar die
eine am fünften, die andere am sechsten Tage nach der Infektion.
Am 7. Januar wurden Impfungen aus Milz, Leber und Niere des
letztgenannten Pferdes ebenfalls an weißen Mäusen unternommen
mit dem Erfolg, daß je eine aus Milz und Niere subkutan geimpfte
weiße Maus am 3. und 13. Tage p. inf. starb. In den Organen
sämtlicher gestorbener Mäuse fand ich Diplokokken, die bei den
weiteren kulturellen Prüfungen durchaus gleiches Verhalten zeigten.
Von dem einen der am 28. Dezember erkrankten beiden Pferde
konnte auch zu Lebzeiten Harn unter sterilen Kautelen gewonnen
werden, aus dem sich ebenfalls die bezeichneten Bakterien rein-
züchten ließen.
— 320 —
Morphologie des Krankheitserregers.
Der mikroskopische Nachweis der Kokken in den Organen
der erkrankten Pferde gelingt nicht leicht. Es hängt dies ebenso-
wohl von dem oft recht spärlichen Vorkommen als von der Form
dieser Mikroorganismen ab, die ein Übersehen nm so leichter zuläßt,
als die beim Ausstreichen der Gewebspartikelchen sich ergebenden
körperlichen Zerfallsprodukte nicht selten eine kokkenähnliche Ge-
stalt besitzen. Auch in den aus Organen der geimpften Mäuse
hergestellten Ausstrichpräparaten stieß das Suchen der Erreger
zuweilen auf Schwierigkeiten. Stets waren sie aber an der Impf-
stelle in großer Zahl, ja geradezu in Reinkultur vorhanden.
Die Färbung gelingt mit sämtlichen gebräuchlichen Anilin-
farbstoffen; auch bei Anwendung der 6 ramschen Methode bleiben
sie gefärbt. In den nach Gram gefärbten Kulturausstrichpräparaten
erscheinen allerdings bisweilen einzelne Kettenglieder weniger satt
gefärbt, namentlich bei längerer Alkoholeinwirkung. In der Refrei
sieht man die Bakterien bei Betrachtung der gefärbten Gewebsaus-
striche in Diplokokkenform, zuweilen auch als Monokokken; hin
und wieder bekommt man auch kurze, aus vier, höchstens sechs
Einzelgliedern bestehende Ketten zu Gesicht, jedoch kann man sich
des Eindrucks nicht erwehren, als handle es sich in solchen Fällen
um zufallig aneinandergereihte Diplokokken und nicht um einen
engeren und festeren Streptokokkenverband (Taf. IV, Fig. 2 u. 3).
Die Größe des Diplokokkus beträgt durchschnittlich 1 //.
In den Kulturausstrichen aus flüssigen Nährböden (Bouillon,
Serum) bieten sich die Erreger in Streptokokkenform dar. Die
speziell aus der Bouillonkultur hergestellten Ausstriche ließen
neben kürzeren Ketten auch solche in der Zahl von 20 und mehr
Einzelgliedern erkennen (vergl. Taf.IV, Fig.4). Die Abstände zwischen
den Kettengliedern sind nicht gleich groß, auf einen zwischen zwei
Einzelkokken vorhandenen kleinen Zwischenraum folgt stets ein
größerer so daß die Ketten aus aneinander gereihten Diplokokken zu-
sammengesetzt scheinen. Nicht selten sieht man die Ketten in größerer
Zahl beisammen liegen, zuweilen sogar in Knäuelform. Der Teilungs-
vorgang vollzieht sich ausschließlich in der Richtung der Querachse
der Kette. Die in flüssigem Blutserum gezüchteten Kokken wuchsen
zu kürzeren Ketten aus, sie bestanden aus höchstens 10—12 Einzel-
gliedern, deren Umrisse sich sehr scharf abhoben.
— 321 —
Kulturelle Merkmale des Krankheitserregers.
1. Bouillon. In der sowohl aus Pferde- als Rindfleisch
hergestellten Bouillon mit lproz. Peptonzusatz (Pepton Witte) geht
die Entwicklung der Kultur sehr rasch und üppig vor sich, auch
nimmt sie hier ein sehr charakteristisches Gepräge an. Bei Ein-
saat von kokkenhaltigem Gewebsinaterial treten schon nach
24 Stunden mehr oder weniger dicke Flocken auf, die sich zu einem
mäßigen grauweißen Bodensatz in der Kuppe des Reagensglases an-
sammeln. Von diesem Bodensatz sieht man Flocken an der Glaswand
bis zur Oberfläche des Nährmedinms emporstreben. Niemals war aber
der Wandbelag so dicht, daß nicht die Einzelflocken als solche
makroskopisch kenntlich geblieben wären; stets klebten sie der Glas-
wand fest an, so daß ein Teil auch bei heftigem Schütteln des
Röhrchens an ihr haften blieb. Niemals trug die ganze Innen-
fläche des Röhrchens jenen flockigen Wandbelag; ein Teil seiner
Rundung war stets frei davon. Die Bouillon blieb immer klar.
Das beschriebene Bild bewahrte sich mit großer Konstanz, auf dem
langen Wege der Züchtung (Taf. V. Fig. 1).
2. Gelatine. Entlang dem Impfstich kann man am zweiten
Tage nach der Impfung des Nährbodens feinste, kleinen Luftbläschen
vergleichbare Pünktchen beobachten. Diese werden allmählich
größer, weiß und opak. In direkter Umgebung der Einstichstelle
ist ein nagelkopfartiges Wachstum bemerkbar. Das Nährmaterial
wird nicht verflüssigt (Taf. V, Fig. 2).
Auf der Gelatinestrichkultur bemerkt man anfanglich zarte,
durchsichtige, punktförmige Kolonien, die allmählich bis zur Größe
eines Stecknadelkopfes heranwachsen, eine weiße Farbe annehmen
und undurchsichtig werden. Sie sind scharf berandet und zeigen
keine Neigung zur Verschmelzung, selbst wenn sie dicht beisammen
sitzen. Auch bei Zusatz von Traubenzucker und Glyzerin zum
Nährboden vollzieht sich das Wachstum in der gleichen Form
(Taf. V, Fig. 3).
Ü. Agar. Im Agarstich kommt es ungefähr 1 cm unterhalb
der Oberfläche zum Wachstum in Form eines Bandes mit ge-
lappten Rändern. Im Verlauf des Bandes, und zwar sowohl an
dessen mittlerer als randständiger Partie, treten kleinste, weiße
Einzelkolonien auf. Das Wachstum geht auch bei Ausschluß der
Luft, in hochgeschichtetem Agar, vor sich (Taf. V, Fig. 4).
— 322 —
Auf schiefem Agar blieb das Wachstum aus.
4. Blutserum. In flüssigem Rinderblutserum sammelt sich
allmählich ein geringer, flockiger Bodensatz au; das Serum bleibt
völlig klar.
5. Kartoffel. Auf diesem Nährboden wurde kein Wachstum
beobachtet.
6. Milch wird langsam zum Gerinnen gebracht. Auf schräg
erstarrter Kolostralmilch wächst der Streptokokkus üppig, anfangs
in Form einzelner, dünner, dicht beieinander liegender punkt-
förmiger Kolonien, die allmählich zu einem dichten grauweißen,
schmierigen Belag zusammenfließen. Im gefärbten Ausstrich einer
solchen Kultur zeigen sich die Streptokokken von einem lichten Hof
umgeben.
Biologie des Erregers.
Am besten gedeiht der Streptokokkus bei 37° C; auch bei
Zimmertemperatur wächst er, nur etwas langsamer.
Ein 10 Minuten langes Erwärmen im Wasserbade bei (>0°C
vernichtet ihn ebenso sicher wie eine 5 Minuten lang einwirkende
Temperatur von 75° C.
Nach einer (5 stündigen Bestrahlung durch intensives Sonnen-
licht (im Monat Juli) erwies sich seine Virulenz nicht im geringsten
herabgesetzt.
Nach 7tägiger Eintrocknung an Seidenfiiden konnte zwar
noch Wachstum nach Übertragung auf Bouillon beobachtet werden.
Die Kultur hatte aber, wie eine Prüfung durch den Mäuseversuch
ergab, ihre Virulenz völlig eingebüßt.
Sublimat 1 : 1000, oproz. Karbolsäurelösung, 2proz. Kreolin-
lösung (Kreolin -Pearson) töten die Streptokokken sofort; 2proz.
Lysollösung (Lysol- Schul ke u. Mayr) nach 10 Sekunden; 2proz.
Bazillollösung (Bazillol- Sende u. Co.), 2proz. Septoformlösung
(Septoform-Gesellschaft, Köln a. Rhein) nach 2 Minuten noch nicht ;
in 2proz. Sodalösung waren noch nach 2 Tagen lebensfähige Strepto-
kokken nachweisbar.
Aus dem bakterienfreien Filtrat von sechs- bis zehntägigen
Bouillonkulturen mit Dosen von 1 ccm intraperitoneal geimpfte Mäuse
blieben am Leben; dasselbe Ergebnis lieferte die einmalige und selbst
wiederholte intraperitoneale Einverleibung 30 Wochen alter, nach-
— 32a —
weislich abgestorbener Bouillonkulturen in Mengen von lj2 — 1 ccm.
Daraus wäre zu schließen, daß von den Kokken weder in die Nähr-
flüssigkeit ein Toxin abgegeben wird, noch ein solches in der
Leibessubstanz enthalten ist. Immerhin bleibt die Möglichkeit
offen, daß die Kokken in Kontakt oder Wechselwirkung mit dem
Gewrebe des Tierkörpers Gifte bilden.
Pathogenes Verhalten des Erregers.
a) Mäuse. Die ursprünglich aus Organen der erkrankten
Pferde unter die Haut geimpften weißen Mäuse starben innerhalb
3 — 13 Tagen. Durch direktes Weiterimjifen von Maus auf
Maus wurde die Virulenz wesentlich erhöht. Im allgemeinen ge-
nügte bei subkutaner Impfung mit Gewebsmaterial eine 0,001 g
fassende Öse, um eine 15 — 20 g schwere weiße Maus innerhalb
24 Stunden zu töten.
An der Impfstelle war bei manchen Tieren eine geringe Menge Eiler
angesammelt. Der Bakterienbefund in Ausstrichen aus Organen war ein
schwankender. Manchmal fanden sie sich vereinzelt vor, bo daß nur auf dem
Wege des Kulturversuches sichere Auskunft über ihre Anwesenheit erlangt
werden konnte, in anderen Fällen waren sie recht zahlreich vertreten und dann
in Milz, Leber und Nieren ungefähr gleichmäßig verteil t. Im Herzblut war
ihre Zahl eine verhältnismäßig spärliche.
Nach Impfung in die Bauchhöhle starben die Mäuse durch
Gaben von V10 ccm einer 24 stündigen Bouilhmkultur innerhalb zwei
bis drei Tagen, größere Mengen C/4— Vi WäJ desselben Impf-
materials führten den Tod meistens nach 1H— 24, zuweilen schon
nach 12—24 Stunden herbei. Auch durch Fütterung von Kulturen
konnten die Versuchsmäuse getötet werden; nach Verabreichung
von Weißbrot schnitten, die mit einer 24sttadigeji Bouillonkiiltui
getränkt worden waren, starben die Tiere innerhalb 2—8 Tagen.
Setzte man Versuchsmäusen die Organe ihrer der Impi'krankheit
erlegenen Genossen vor, so waren die so gefütterten Tiere schon
nach 24— 3G Stunden tot. Die Krankheit sitscI Innungen der auf
die eine oder andere Weise infizierten Tiere stimmten überein.
Einige Stunden nach der Impfung kauerten sich diu Tiere ziiBaimneu,
atmeten angestrengt, die Haare waren gesträubl die Augen durch eitrige«
Sekret verklebt. Mühsam und schwerfällig geschah der Ortswechsel; im
Bereich der Nachhand stellten sich Lähminigserschcinungen ein.
*■ <
Fig. 1. Maus 29, subkutan geimpft
am 20. Januar 1904, abends 5 Dir mit
einer Öse aus Milz, Maus 28: gest.
21. Januar 11)04, nachmittags 3 Ihr.
(Photographiert am 21. Januar 1901,
morgens 10 Uhr.)
— 324 —
wobei die Gliedmaßen steif nach rück-
warts gestreckt und, falls man das Tier
zur Bewegung antrieb, beim Gehen nach-
geschleppt wurden (Textfig. 1).
Im Sektionsbild trat die Schwel-
A lung der Milz und Leber besonders hervor,
^^ zuweilen fand sich auch Schwellung der
Körperlymphdrüsen; bei vorausgegangener
intraperitonealer Impfung fand man eine
mehr oder weniger reichliche Ansammlung
einer scrumäbnlichen Flüssigkeit in der
Bauchhöhle.
b) Meerschweinchen. Auch
diese Versuchstiere fallen der frag-
lichen Streptokokkeninfektion zum
Opfer. Allerdings sind zur Erzielung
einer tödlichen Wirkung sowohl bei
intraperitonealer als subkutaner Imp-
fung größere Dosen, in der Regel
1— 2ccm, notwendig. Das klinische
Bild und der Sektionsbefund sind die gleichen wie bei den Mäusen.
Spinale Lähmungen spastischen Charakters treten im Verlauf der
Krankheit, die je nach
der Menge des Infektions-
materials l-l\ Tage dauert,
auf (Textfig. 2).
c) Kaninchen. Diese
Tiere waren empfänglicher
für die Streptokokken-
infektion als die Meer-
schweinchen. Nach einer
längere Zeit fortgesetzten
Passage durch den Mäuse-
körper verloren aber die
Kokken an krankmachen-
der Energie auch für Ka-
ninchen. Die angewandten
Dosen für Tieie im Ge-
wicht von KHK)— 1500 g
betrugen 0,f> — 3 ccm. Zur
intraperitonealen Impfung
Fig. 2. Meerschweinchen 12, .subkutan geimpft am
23. Februar 11)04 mit V» ccm Houillonkultur (.aus
Milz, Meerschweinchen lh; gest. 24. Februar 1904,
nachmittags 1 Flir.
t Holographiert ca. 4. Stunden vor dem Tode.)
— 325
genügte in derRegel die der kleineren Grenzzahl entsprechende Menge,
während für Einspritzungen unter die Haut das Mehrfache derselben
als Todesdosis notwendig war. Bei direkter Überimpfung von Tier
auf Tier waren 2—3 Ösen aus Milz, Leber oder Nieren hinreichend,
um beim Verbringen unter die Haut oder durch Einreiben auf die
durch Abschneiden der Ohrspitze
geschaffene Wunde den Tod des
Versuchstieres herbeizuführen.
Zur Kennzeichnung des
Krankheitsbildes gebe ich hier
den Krankheitsverlauf bei Impf-
kaninchen 3 wieder, auf das sich
Textfig. 3 bezieht.
Dieses 1040 g schwere Kanin-
chen erhält am 19. Januar 1904 '/, ccin
einer Btägigen Bouillonkultur von
Ms. 23 (t vom 15./ 10. 04). Am näch-
sten Tage hat das Tier an Munter-
keit verloren, die Freßlust ist gering,
es liegt viel am Boden, am Abend
stellen sich Lähmungserschei-
nungen ein: Die Hintergliedmaßen
werden bewegungslos nach rückwärts
gestreckt, die Vordergliedmaßen seit-
wärts gespreizt. Wie schlafend liegt
es, auf Unterbrust und Unterbauch
ruhend, am Boden, die Augen sind .
geschlossen, die Atmung ist beschleunigt, aber nicht auffällig angestrengt. Am
Abend des 21. Januar 1904 stirbt das Tier. Der Obduktionsbefund ist derselbe
wie bei den Mäusen.
Fig. 3. Kaninchen 3, subkutan geimpft am
19. Januar 1904 mit 0,5 cem Houillonkultur,
gest. am 21. Januar 1904, abends 6 Uhr.
(Photographien : 21. Januar 1904, morgens 9 Uhr.)
Ansteckungsversuche an Pferden.
1. Yersuch. Das etwa 18 Jahre alte Pferd (Anatomiepferd)1) er-
hielt am 5. Januar 1904 2f> cem Bouillonkultur in die linke Jugu-
laiis eingespritzt.
Ungefähr 4 Stunden nach der Impfung zittert das Pferd sehr stark, hängt
den Kopf zu Boden, scharrt oft mit den Vorderbeinen. Die Temperatur hält
sich in normalen Grenzen, erhebt sich mittags 2 Uhr auf ihr Maximum (38,5° (').
Am folgenden Tag macht sich eine erhebliche Störung des Allgemeinbefindens
l) Dieses Pferd war in entgegenkommendster Weise von Herrn Direktor
Dr. Sußdorf überlassen worden. Hierfür sei auch an dieser Stelle ver-
bindlichster Dank gesagt.
— 326 —
bei dem Pferde bemerkbar. Es frißt nicht mehr, ist apathisch gegen seine
Umgebung. Während es früher nach Personen, die in seinen Stand traten,
ausschlug, benimmt es sich hierbei jetzt völlig gleichgültig; oft hebt es
bald das eine, bald das andere Bein vom Boden. — Für Anatomiezwecke be-
nötigt, wurde das Pferd am 8. Januar 1904 morgens getötet. Kurz vor der
Tötung wurde unter sterilen Kautelen Blut aus der Jugularvene entnommen,
um festzustellen, ob die eingespritzten Bakterien sich noch im Blute befanden.
In der Tat war dies der Fall; denn in den mit Blut beschickten Bouillon-
röhrchen gingen nach einigen Tagen typische Kulturen in voller Reinheit auf.
Ausdrücklich sei hervorgehoben, daß zur Zeit der Blutentnahme keine fieber-
hafte Erhöhung der Temperatur (38,2° C) bei dem Pferde zu verzeichnen war.
Ich betone dies deshalb, weil auch die natürlich erkrankten Pferde eine Tem-
peratursteigerung vermissen ließen, ein Umstand, der anfanglich den Gedanken
an eine Infektionskrankheit zurückdrängte.
Bei der Sektion fanden sich nur wenige und unerhebliche Verände-
rungen: Kleine streifenförmige und fleckige Blutungen da und dort unter der
Serosa des Dünn- und Dickdarmes, Schwellung der Leber und Nieren, feinste
Blutungen in der Rindenschicht dieses Organs und eine etwa einmarkstückgroße
Blutung in der Schleimhaut des Nierenbeckens. — Aus Herzblut, Milz und
Nieren konnte der Erreger in Reinkultur gezüchtet werden.
2. Versach. Pferd, Rappstute, etwa lf> Jahre alt, wird am
23. März 1904 eingestellt. Bei der Untersuchung vor der Infektion
können an dem Tier keinerlei Krankheitserscheinungen wahr-
genommen werden. Das Pferd ist bei gutem Appetit, und sein Be-
wregungsapparat befindet sich vollkommen in Ordnung; Puls 34,
Atmung 12, Temperatur 37,7° C.
Über die Art und Weise der Infektion und die damit erzielten
Erfolge gibt die nachfolgende Tabelle (S. 327 u. 328) nähere Auskunft.
Sektionsbefund. Am rechten Hüftböcker und an den Augenbogen
haarlose, wunde Stellen; das rechte Augenlid ödomatös geschwollen, deut-
liche Schwellung in der Umgebung des linken Sprunggelenks und des linken
Vordermittelfußes. Nach Abnahme der Haut zeigt sich an den vom Dekubitus
betroffenen Körperstellen das Unterhautbindegewebe wässerig -sulzig infiltriert.
Leber geschwollen, ihre Ränder wulstig abgerundet, von lehmgelber
Farbe, Struktur verwischt, Leberparcnehym brüchig: ein leichter Fingereindruck
genügt, um den Zusammenhang zu sprengen.
Milz ungleichmäßig geschwollen, Ränder abgerundet, unter ihrem Überzug
verhältnismäßig zahlreiche dunkclbraunrote Hämorrhagien, Pulpa etwas weich.
Nieren goschwollen, ihre Kapsel schwer abziehbar, Oberfläche von matt-
braungelber Farbe, die Grenzen der einzelnen Schichten undeutlich, Rinden-
parenehym deutlich getrübt, Glomcruli wenig hervortretend. — Herzmuskel
graubraun, trüb, brüchig.
Beim Absetzen (Ich Kopfes fließt aus dem Wirbclkanal ziemlich viel rötlich
gefärbtes Serum ab. Am Lendenmark unter der Pia zahlreiche Blutungen, nament-
lich an der Ventralfläche; Gehirn ohne makroskopisch sichtbare Veränderungen.
— 327
. Kultur-
Datum | dosis
! (Bouillon-
kultur)
Art der Ein-
verleibung
Herkunft der
Kultur
Ergebnis der Impfung
26.3.04
27.3.04
28. 3. 04
20 ccm ; intravenös
20 ccm intravenös
Herzblut von
Mw. 15,
t 24.3.05
Niere vom
Kaninchen 1
f 27. 3. 04
3 4.04
4.4.04
5.4.04
7.-17.4.
04
18. 4. 04
19. 4. 04
' Beim Yorfttamn im Schritt deut^
Heb ii lleivegangaitorungen Im
He fei eh der Naidihend r de*
i 'T-i-r-i überkotei, ttolperi und
kommt togir /.ti Fall.
IMe Injektion fand morgeni 0 1'far
Rtatt, Aber da frißt d» Pferd
nicht mehr mit gewohntem
Appetit; flEe e müh nie 11 ][*■■
i,Mjl_'iitigss<rirui] gen alnd not'h
deutlich aimgepfflgT, Im Stalle
Rieht das Pferd bald die eine,
bald die amlere GUedmiue
#egen den Leib, Die Tempe-
ratur steigt auf 40,6" C und
halt Hielt mich am u ach »t folgen-
den Tag auf dieser HO he. Fntter-
.ni.l i ietränkaufaahme hcMero
■4*1 1- ti in den folgenden Tagen
allmählich wieder; die Tempe-
ratur r-igi hn-.-tM'ii \ i.Lii J.
und twar am -. -I. LH hli zur
ftorm*
20 ccm
Herzblut und
Niere vom
Kaninchen 14,
t 2. 4. 04
20 ccm
intravenös
30 ccm
25 ccm
intravenös
Milz, Kanincl i
14, f 2. 4. 04
Leber von Mb.
79, f 17. 4. 04
dgl.
Appetit Tertingert, das Pferd be»
Laatel abwechadungEi'n'eiie die
eine oder andere Hinterglied»
matte tmd Keift beim Geben
ein eigeniuinllehuj hahnentritt-
.linili. h-- Hochheben dieior
(.Mied matten.
Auüi'r den Eetatan geführten kein»
□ es i nenn w h rtem Kran k he I t»er-
Beheinangen. Uai Pferd nimmt
st- in Futter * wn r langsam, aber
vollständig Auf.
Allgemeinbefinden den Pferdes
nlefet teitürt; es wird tftgllrh
eine halbe Stunde ln:wegl,
iJna narh geschehener Injektion
dem Pferd vorgelegte Fntter
wird ver»ehmAhT, inch bei der
Mittag- und A bend All t Wring int
der Apj+etit verringert.
Dcullieb ausgeprägte Kren*-
»i-hwache | du Pferd Miwrankt
in der Nae Nhaml, geht gespannt
und ßberkotet filtere Naeh dar
Injektion ist rtnu Pferd traurig»
Inü! den Kopf h An gen, ver*
»rhmaht du* d arg erflehte
Futter; in Kni»'- und Sprung-
geieiiksbcugeuAltuug iteht es
in leinetn Stand.
— 328 —
Datum
Kultur-
dosis
Bouillonkultur
Art der Ein-
verleibung
Herkunft der
Kultur
Ergebnis der Impfung
20.4.04
21.4.04
30 ccm ' intravenös
Herzblut von
Ms. 78,
+ 17.4.04
Dm Pferd wird morgen« am
Boden liegend angetroffen; es
macht vergebliehe Anstrengung,
aufzustehen. Mit sachgemlfier,
kräftiger Unterstützung gelingt
es, das Tier wieder auf die
Beine zu bringen ; es steht da-
nach mit tief gesenktem Kopfe
da und kümmert sich nicht um
seine Umgebung. Im Bereich
der Kruppenmuskulatur macht
sich Muskelzittern bemerkbar.
Der Hafer liegt seit gestern
unbertthrt in der Krippe, das
Heu wird langsam und unlustig
verzehrt, Wasser wird mit Hast
aufgenommen.
Das Befinden des Tieres ver-
schlimmert sich zusehends. Ks
wird ihm ein Hangegurt zur
Verfügung gestellt, den es inei-
stet s mit seinem Vollgewicbt
belastet. Nach seiner Hlowejr-
nshme am 26.4.04 legt es sich
sofort nieder.
Am 1. 6. 04 hat sich das Be-
finden des Tieres so sehr ver-
schlimmert, daß sein Ver-
enden für die Nacht zu erwarten
steht Um die Sektion möglichst
im Anschluß an den Tod des
Tieres vornehmen zu können,
wird es am 2. 6. 04 mittags um
2 Uhr dureh Haltschnitt gelötet
3. Versach. Diesem Versuch lag in erster Linie die Absicht
zugrunde, festzustellen, ob das Bebenhauser Heu an und für sich
schon eine gesundheitsschädliche Wirkung bei Pferden entfalten könne.
Zu diesem Zweck sollte eine größere Menge des unverdorbenen
Heues, das von der Bebenhauser „Farrenwiese" stammte und mit
dem verdorbenen Quantum nicht in Berührung gebracht worden war,
während längerer Zeit an ein Pferd verfuttert werden. Als Ver-
suchspferd fand ein 13 jähriger, mittelschwerer Rappwallach Ver-
wendung. Nach Maßgabe der vor der Impfung vorgenommenen
Untersuchung war das Tier vollkommen gesund. Temperatur durch-
schnittlich 37,8, P. 36, A. 14.
Vom 26. März bis 21. April erhielt das Pferd Tag für Tag und ins-
gesamt 105 kg fraglichen Heues. Es hatto also am Ende des Fttttemngsver-
suebes eine erheblich größere Menge dieses Futters verzehrt als durchschnittlich
die verendeten Pferde. Trotzdem war sein Befinden anhaltend gut geblieben.
Nachdem die Heufiitterung kein positives Ergebnis geliefert hatte, wurde
zur Fütterung von Reinkulturen, und zwar von solchen, die aus dem Mäuse-
kOrper in Bouillon gezüchtet worden waren, geschritten. Teils in Form von Ein-
— 329 —
schüttungen, unter Verwendung von Wasser als Vehikel, teils der angefeuchteten
Kleie beigemischt, wurden sie verabreicht. Die folgende Tabelle lädt die
näheren Einzelheiten ersehen.
Datum
Kultur- Art der Ver- 1
dosis abreichung
Herkunft der
Kultur
Ergebnis
23.4.04 : 30 ccra
26.4.04 30 ccm
27.4.04 30 ccm
28. 4. 04 ' 50 ccm norgi. |
SO cem mittag«
29. 4. 04 30 ccm ,
3.5.04 50 ccm
i
4.5.04 35 ccm j
7. 5. 04 60 ccm
9. 5. 04 25 ccra
10.5.04 80 ccm
12.5.04 30 ccm
13.5.04 40 ccm
per os
Milz, Kan. 13
t 22.4.04
Niere, Ms. 87
t 25.4.04
Milz, Ms. 87
t 25.4.04
Milz, Ms. 88
t 25. 4. 04
Milz, Ms. 93
t 27.4.04
Milz, Ms. 99
t 27.4.04
Milz, Ms. 100
f 1.5.05
Im Befinden de« Tier«« l«t kein« .
Änrieruug eingetreten.
Milz, M8. 105
t 6.5.04
Milz, Ms. 104
t 7.5.04
Milz, Ms. 106
t 8.5.04
Milz, Ms. 110
t 11.5.04
Milz, Ms. 117
t 10.5.04
Beim Herausführen ans dem Stall
flllt an dem Pferd sein steif or,
gespannter Gang anf. Nachdem
es etwa 8 Minuten Im Scbritt
gegangen ist, stellt sich «eine
Kürperachse immer schräger
aur Bewegungsrlehtang und
tchlieflltch geradezu senkrecht
au Ihr ein, wobei da« Pferd
nach der linken Seite nmiu-
fallen droht; übrigen» ist «ein
Allgemeinbefinden nicht ge-
stört Temp. 57,9, P. 56, A. IS.
Die Kulturen wurden in Gela-
tinekapseln eingeschlossen
verabreicht.
Die bei dem Pferde vor 8 Tagen
beobachteten lokomotoiischen
Störungen sind bis heute fast
vollständig versehwunden.
Nachdem alle diese Versuche, abgesehen von der erwähnten
vorübergehenden Lokomotionsstörnng, kein nennenswertes Ergebnis
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 4/5.
— 330 -
geliefert hatten, wurde von ihrer Fortsetzung Abstand genommen.
Das Pferd verblieb noch sechs Wochen unter Beobachtung, ohne
daß sich während dieser Zeit etwas Besonderes ergeben hätte.
4. Yersuch. Das Yersuchspferd ist eine schwarzbraune Stute,
früheres Ulanenpferd. Die eingehende Untersuchung vor der In-
fektion ließ keine Anhaltspunkte für eine Gesundheitsstörung ge-
winnen. Bewegungsapparat vollkommen in Ordnung. Temp. 37,3,
P. 38, A. 14. Tag der Einstellung: 29. 6. 04.
Zunächst dient auch dieses Pferd zu Fütterungsversuchen
mit dem von der Brauerei übersandten, unverdorbenen Bebenhauser
Heu. Bis zum 19. Juli nahm das Tier insgesamt die dem Gewicht
von 75 kg entsprechende Menge, ohne Schaden zu nehmen, auf.
Vom 19. Juli ab wurde zu der Fütterung von Bouillonreinkulturen,
die teils aus geimpften Mäusen, teils aus Meerschweinchen und Kaninchen
gezüchtet worden waren, übergegangen. Obwohl das Versnchspferd bis zum
31. 7. 04 insgesamt drei Liter virulenter Kultur, meistens unter Kleie gemischt,
aufgenommen hatte, blieb doch sein Befinden stets ungetrübt Das Pferd
wurde zu weiteren Versuchen nicht benützt, vielmehr gegen das nächstfolgende
eingetauscht. Die Freigabe erfolgte deshalb, weil es nicht ausgeschlossen
schien, daß die gehäufte Aufnahme von Kulturen eine gewisse Unempfänglich-
keit in dessen Organismus geschaffen haben konnte, die auch bei Anwendung
eines anderen Impfmodus sich eventuell bemerkbar machen und zu Fehlresul-
taten führen konnte.
5. Yersuch. Das am 3. 10. 04 an Stelle des Versuchspferdes 4
übernommene fünfte Pferd ist ein kleiner, kräftiger Braunwallach,
14 Jahre alt. Allgemeinbefinden und Bewegungsapparat zeigen
keine Störung. T. 37,4, P. 34, A. 10.
In folgender Tabelle (S. 331) sind die Versuche mit diesem
Tier und ihr Ergebnis niedergelegt.
Sektionsbefund. Maßige Schwellung der Leber und leichte Trübung
ihres Parenchyms. Milz und Nieren ohne auffällige Veränderungen. Entlang
den Koronargefäßen des Herzens zahlreiche Ekchymosen. Herzmuskel schlaff,
getrübt. Von den durch sagittal verlaufende Sägeschnitte zerlegten Röhren-
knochen bietet die linke Tibia eine bemerkenswerte Veränderung insofern, als
das Knochenmark im Bereich der proximalen Epiphyse infolge blutiger In-
filtration dunkelbraunrot verfärbt, weich und schmierig ist.
Bakteriologischer Befund. In den ans Milz, Knochenmark, Gehirn-
ventrikclflüssigkeit angelegten Kulturen gingen die zur Impfung benutzten
Streptokokken in Gemeinschaft mit Stäbchen vom Koli-Typus «auf. Die Rein-
züchtung gelang leicht durch das Plattcnverfahren. Von den subkutan mit
je einer Öse geimpften Mäusen starben diejenigen, die Material aus Milz,
Gehirnparcnchym, Vcntrikelflüssigkeit erhalten hatten, am zweiten Tage p. inf.
— 331 -
Datum
der
Impfung , BoilUlonkultar
I Kultur-
I dosis
Art der Ein-
verleibung
Herkunft der
Kultur
Ergebnis der Impfung
6.10.04
7.10.04
8.10.04
11.10.04
20 com intravenös
30 ccm
30 ccm
30 ccm
13. 10 04 30 ccm
14.10.04 |
Herzblut,
Ms. 209
Herzblut,
Ms. 206 u. 208
Milz, Ms. 212
Milz, Ms. 204
t 26. 9. 04
Milz und Leber.
Ms. 205
Das Pferd geht unsicher und
schwankend, namentlich bei
der Bewegung Im Trab. Appetit
nicht wesentlich beeinträchtigt.
Die Frefllust des Pferdes ist
verringert. Beim Vorführen
schwankt es sehr stark mit
der Nachhand und droht nach
der Seite umsufalleo, knickt
auch Öfters in der Nachhand
susammen.
Das Pferd wurde morgens tot
angetroffen.
Aus den Organen der Mäuse konnten die Streptokokken in Reinkultur ge-
züchtet werden.
6. Versuch. Diesen Versuchen am Pferd reiht sich noch eine
zufällige, einem Experiment gleichzusetzende Beobachtung an einem
Esel an. Ein vierjähriger Eselhengst, der am ganzen Körper mit
einem krustösen Ekzem behaftet und in der medizinischen Klinik
vom 9. 1. 05 behandelt worden war, wurde nach seiner Heilung
von seinem Besitzer nicht abgeholt.
Er verblieb daher der Hochschule und sollte später zu einem
bestimmten Versuch Verwendung finden; er wurde vorläufig in den-
selben Stall eingestellt, in dem sich gerade das Versuchspferd 3
befand.
Am 7. Mai, nach Utägigem Aufenthalt dortselbst, fiel an dem Esel
auf, daß er nicht mehr mit derselben Lust wie zuvor sein Futter verzehrte,
matt und hinfällig war, meistens lag, nur mühsam sich erhob und nur schwer
von der Stelle gebracht werden konnte. Namentlich machte sich eine große
Schwäche der Nachband an ihm bemerkbar, fibrilläre Muskelzuckungen in der
Kruppen- und Oberschenkelmuskulatur traten auf. Die Temperatur bewegte
sich vom 14. Mai unter 35° C (!). Der Puls war schwach, kaum fühlbar, in
der Minute waren 52 Schläge zu zählen. Der Atem war sehr beschleunigt,
jedoch oberflächlich. In den nächsten Tagen verschlimmerte sich das Befinden
des Tieres erheblich. Es zitterte am ganzen Leib, lag sehr viel und konnte
nur mit kräftiger Unterstützung auf die Beine gebracht werden. War dies ge-
22*
— 332 —
Jungen, so stand es mit gespreizten Gliedmafien da, ängstlich jede Bewegung
vermeidend und so, als ob es jeden Augenblick umfallen werde. Die
Atmung war tief und angestrengt, fibrilläre Muskelzuckungen traten im Gebiet
der Gesichtsmuskeln, im Bereich der schon genannten Muskelgruppen sowie an
der Halsmuskulatur auf.
Das Rätsel der plötzlichen Erkrankung des Esels löste sich
bald. Der mit seiner Pflege bfetraute Wärter hatte zum Tränken
denselben Eimer benützt, in dem dem Versuchspferd jeweils die
Bouillonkulturen vorgesetzt worden waren. In diesem Tränkeimer
waren stets kleine Reste der Kulturen zurückgeblieben. Am 18. Mai
wurde der Esel in der Agonie getötet.
Obduktionsbefund: Herzmuskel schlaff, graubraun verfärbt; Leber
vergrößert, auf dem Durchschnitt graubraun verfärbt, brüchig. Milz leicht ge-
schwollen. Die verschiedenen Körperlymphdrüsen, vorwiegend die zum Darm
gehörigen, geschwollen. Am Gehirn und an dessen Adnexen keine sinn-
fällige Veränderung.
Bei mikroskopischer Untersuchung der aus verschiedenen Organen her-
gestellten Ausstrichpräparate fanden sich, und zwar besonders in den aus
Leber angefertigten, zahlreiche Diplokokken. In den aus Leber, Nieren und
einer geschwollenen Darmlymphdrüse angelegten Bouillon- und Agarplatten-
kulturen gingen DiploStreptokokken teils in Reinkultur, teils in Gesellschaft
von Bakterien des Kolitypus auf. Die aus Leber geimpfte weiße Maus starb
nach 3 Tagen; in ihren Organen und auch im Herzblut waren die Kokken
in großer Zahl vertreten. Die weiterhin fortgesetzte Züchtung unter
Benutzung verschiedener Nährböden ergab die völlige kulturelle Überein-
stimmung mit den fraglichen Streptokokken, so daß also über die Todes-
ursache des Esels keine Zweifel bestehen blieben.
Diejenigen Fütterungsversuche, die mit verdorbenem Heu an-
gestellt worden waren, hatten den Tod der beiden Versuchspferde
und eines Ziegenbocks zur Folge, während andererseits solche, zu
denen das seinem Ursprung nach gleiche, von derselben Wiese
stammende, aber keine Merkmale einer Zersetzung darbietende Heu
Verwendung fand, ergebnislos verliefen. (Vgl. Versuch 3 u. 4.)
Dies läßt nur die eine, ungezwungene Deutung zu,
daß dem Heu nicht von vornherein eine für Pferde
gesundheitsschädliche Eigenschaft anhaftete, diese ihm
vielmehr nachträglich erst verliehen wurde. Wie eine
nähere Nachforschung ergab, war das Heu von der Wiese aus an zwei
verschiedenen Örtlichkeiten untergebracht worden. Die ersten
zwei Wagen Heu hatte man in einem mit schadhaftem Dach ver-
— 333 —
sehenen Schuppen aufbewahrt, woselbst es verregnete, während der
Rest eine anderweitige und bessere Unterkunft fand. Auch nach
dem Ankauf des Heues seitens der Brauerei blieben die beiden Be-
stände getrennt; der verdorbene Teil- kam auf den Heuboden im
„Waldhörnle", der andere wurde nach dem „Bläsibad" verbracht.
Man fand später den Heuboden im „Waldhörnle" an verschiedenett
Stellen durchnäßt, ein Umstand, der zu der Annahme berechtigt,
daß das Futter auch an seinem zweiten Lagerplatz schädigenden
Einflüssen ausgesetzt war. Endlich wurde berichtet, es seien in
dem Heu zwei tote Katzen gefunden worden. Ob und inwieweit
dieser Fund mit der schlechten Beschaffenheit des Heues in Zu-
sammenhang gebracht werden kann, mag dahingestellt bleiben.
Man könnte ja dem Gedanken Raum geben, die Katzen seien die
ursprünglichen Träger der Streptokokken gewesen und es seien
diese aus dem Katzenkörper gewissermaßen ausgelaugt worden und
so allmählich in das Futter gelangt. Aber eine derartige Erwrägung
ließ sich experimentell nicht stützen, sie kann deshalb nicht weiter
in Betracht gezogen werden. Jedenfalls trug die Feuchtig-
keit des Heues dazu bei, Zersetzungsvorgänge einzuleiten,
zu unterhalten und auch den von mir als Krankheitserreger
beschuldigten Streptokokken die nötige Voraussetzung
für ihr Fortkommen zu schaffen.
Betrachten wir das Ergebnis der mit Reinkulturen angestellten
Infektionsversuche, so haben die Impfungen kleiner Ver-
suchstiere nicht nur die Pathogenität der Streptokokken erwiesen,
sondern es konnte auch bei Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen
ein Krankheitsbild zur Entwicklung gebracht werden, das mit dem
bei den verendeten Pferden beobachteten eine weitgehende Überein-
stimmung aufzuweisen hatte. Hier wie dort war die lähmungsartige
Bewegungsstörung der Nachhand das hervorstechendste Symptom.
Eine krankmachende Wirkung, die namentlich auf den Be-
wegungsapparat sich erstreckte, entfalteten die Streptokokken bei
Pferden erst nach wiederholter intravenöser Impfung. Gesamt-
mengen von 110—165 ccm mußten zur Erzielung einer tödlichen
Wirkung einverleibt werden. An und für sich betrachtet, mag ja
ein solches Quantum als massiv zu bezeichnen sein, nicht aber
relativ genommen, nach Anrechnung und Abzug der, im Hinblick
auf das ausschließliche und dürftige Boden- und Wandwachstum
der Streptokokken in Bouillon, nicht unbeträchtlichen bakterienfreien
— nu —
Nährflüssigkeit. — So beurteilt, läßt sich die „wirksame Substanz"
ihrer Menge nach schätzungsweise auf ungefähr l/lQ der oben be-
zeichneten reduzieren.
Einen nicht zu unterschätzenden Faktor hat man noch in die
Beurteilung des Resultats der Tierversuche einzusetzen, nämlich
die Virulenz, jenes höchst rätselhafte und geradezu kapriziöse
Phänomen, wie sie Pfeiffer1) so treffend charakterisiert. Daß
sie gerade bei den Streptokokken in den weitesten Grenzen
schwankt, darüber belehren uns Untersuchungen von v. Lingels-
heim,2) Knorr,3) Petruschky,4) Koch und Petruschky5) zur
Genüge. Noch weit davon entfernt, die verschiedenen Ursachen
dieser Virulenzschwankungen zu kennen, wissen wir doch, daß, wie
bei anderen Bakterien, die Züchtung auf künstlichen Nährböden
virulenzschwächend wirkt. Nachgewiesenermaßen ist auch die fort-
gesetzte Übertragung der Streptokokken auf eine bestimmte Tierart
imstande, die pathogene Energie für eine andere nicht unerheblich,
ja bis zur Avirulenz herabzusetzen. Eine experimentell erhärtete
Tatsache ist es, daß für Kaninchen und Meerschweinchen höchst
pathogene Streptokokken dem Menschen gegenüber indifferent sich
verhalten können und umgekehrt.6) Ein solch reziprokes Verhalten
scheint nach meinen Erfahrungen auch flir die Maus einer-, das
Pferd andererseits im vorliegenden Falle zu bestehen. Jedenfalls
ist aber die Tatsache hervorzuheben, daß jeweils bei Überimpfung
der Streptokokken vom Pferd auf die Maus der Tod des letzteren
Tieres erst nach längerer Frist sich einstellte, als durchschnittlich
bei späterer Überimpfung von Maus auf Maus.
Die in der Hauptsache negativ verlaufenen Fütterungsversuche
mit Reinkulturen der Streptokokken können die ätiologische Be-
deutung der letzteren nicht in Frage stellen, einmal deshalb nicht,
!) Pfeiffer, Zur Theorie der Virulenz. Festschrift zum sechzigsten
Geburtstag von Robert Koch. Jena 1903.
9) von Lingelsheim, „Streptokokken** in Kolle- Wassermann, Hand-
buch der pathogenen Mikroorganismen, Bd. 3.
3) Knorr, Experimentelle Untersuchungen über den Streptococcus longus,
Zeitschrift f. Hyg. u. Infekt ionskrankh., Bd. 13.
4) Petruschky, Beobachtungen über Erysipel-Impfungen am Menschen,
ibid. Bd. 23
5) Koch, R„ u. Petruschky, Beobachtungen über Erysipel-Impfungen
am Menschen, ibid. Bd. 23.
6) Knorr, l. c.
— 335 —
weil ja die Infektion per os bei dem empfänglicheren Eselhengst
die Möglichkeit einer solchen dargetau hat; sodann finden wir ein
Analogon zu diesem refraktären Verhalten gegenüber künstlicher
Infektion mit Reinkulturen u. a. auch bei Milzbrand. Im Gegen-
satz zu ihrer ausgesprochenen Disposition für eine spontane Mil£-
branderkrankung legen die Kinder gegenüber der künstlichen Iäl
fektion eine nicht unerhebliche Resistenz an den Tag (Sobernheim1}
und selbst die Verabreichung erheblicher Quantitäten hoclrvirulenten^
sporenhaltigen Materials kann den beabsichtigten Erfolg vermissen
lassen (eigener Versuch). Noch viel mehr gilt das Gesagte fiir den
Schweinerotlauf; vergebliche künstliche Ansteckungsversuche mit
Reinkulturen des Erregers und Gewebsmaterial, das ihn enthält,
beweisen dies hinlänglich (Schottelius,2) Voges und Schütz8).
Und doch wird niemand weder für Milzbrand noch für Schweine-
rotlauf das Zustandekommen der natürlichen Ansteckung auf dem
Wege des Verdauungskanales leugnen wollen.
Beim Suchen nach ähnlichen Fällen und Vorkommnissen, so-
weit solche in der Literatur Darstellung gefunden haben, stößt
eine kritisch abwägende Prüfung auf gewisse Schwierigkeiten. Sie
ergeben sich einmal aus den oft recht mangelhaften Beschreibungen,
zum andern hat das Fehlen genauerer ätiologischer Untersuchungen
einer bestimmten Stellungnahme Grenzen gezogen. Ich will es
hier unterlassen, das gesamte einschlägige Material sichtend zu be-
handeln, vielmehr nur auf einige nach der oder jener Richtung
beachtenswerte Veröffentlichungen Bezug nehmen.
In erster Linie erregte meine Aufmerksamkeit die von Streit4)
in vortrefflicher und erschöpfender Weise gegebene Schilderung
eines Pferdesterbens, und zwar deshalb, weil er als Ursache der
akut und fieberlos und auch sonst ganz ähnlich der Tübinger ver-
laufenden Pferdekrankheit gleichfalls Diplo-Streptokokken fand. Es
') Sobernheim, „Milzbrand" in Kollo -Wassermann, Handbuch der
pathogenen Mikroorganismen, Bd. 2.
s) Lydtin u. Schottelius, Der Rotlauf der Schweine. Wiesbaden 1885.
3) Voges u. Schütz, Impfungen gegen den Rotlauf der Schweine, Zeit-
schrift für Hygiene und Infektionskrankh. 1898, Bd. 28.
4) Streit, Beitrag zur Kenntnis der Cerebrospinalmeningitis infectiosa
der Pferde. Berl. tierärztl. Wochenschrift 1903.
— 336 —
handelte sich um fünf Pferde eines Farmers, die innerhalb fünf
Tagen starben. Die wesentlichen Symptome bestanden in Lähmung
des Schlundkopfes sowie der Nachhand, schwerer psychischer De-
pression, fibrillären Zuckungen in den Schulter- und Halsmuskeln.
Aus dem Meningealexsudat konnte er einen für kleine Versuchs-
tiere (Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse) höchst pathogenen Strepto-
kokkus gewinnen. Die bei den Pferden angetroffene Pachy- und
Leptomenkigitis serosa veranlaßten Streit, fragliche Krankheit als
Cerebrospinalmeningitis infectiosa und den Erreger als „dem Borna-
streptokokkus sehr ähnlich, vielleicht identisch mit ihm", zu be-
zeichnen. Meines Erachtens unterscheiden aber der bei der
Bornaschen Krankheit negative Sektionsbefund (Johne,1) Oster-
tag2), der langsamere Verlauf und endlich gewisse Besonderheiten
der als Ursache beschuldigten Streptokokken beide Krankheiten
genugsam. Da bei dem Tübinger Pferdesterben ausgesprochene
zerebrospinale Veränderungen nicht zugegen waren, und auch die
Streptokokken andere morphologische und kulturelle Merkmale dar-
bieten, so kann ich bezüglich jener Krankheit zwar eine gewisse
Verwandtschaft, nicht aber eine Gleichstellung anerkennen.
Die Durchsicht der in der Literatur niedergelegten Fälle
fortsetzend, sehe ich von der nicht unerheblichen Zahl derjenigen
ab, die zwar in klinischer Hinsicht große Ähnlichkeit mit dem
Tübinger Pferdesterben haben, aber nach ihrer Ursache von den
Autoren zu den Befallpilzkrankheiten gezählt werden; ich greife
vielmehr nur solche Pferde-Enzootien heraus, deren analoger Krank-
heitsverlauf die verwandtschaftlichen Beziehungen nahelegt, die
aber nach der ätiologischen Seite rätselhaft bleiben. Die Bezeich-
nungen, unter denen man sie antrifft, lauten verschieden. Bald ist
die Rede von einer „infektiösen Cerebrospinalmeningitis", ein anderes
Mal von „kontagiöser Rückenmarksentzündung", fernerhin begegnet
man Überschriften wie „infektiöse Paraplegie", „Rückenmarks-
typhus", „infektiöses Pferdesterben" usw.
Sehr viele Berührungspunkte mit dem Tübinger Pferdesterben
bietet eine von Schmid beschriebene „Infektionskrankheit bei
') Johne, Zur Kenntnis der seuchenartigen Cerebrospinalmeningitis der
Pferde. Deutsche Zeitschrift f. Tienned. u. vergl. Pathologie 1896.
2) Ostertag, in Friedberger-Fröhner, Lehrbuch der speziellen Pathologie
und Therapie, 1904, II. Bd., „Bornasche Krankheit".
— 337 —
Pferden",1) die im Jahre 1885 unter dem zwölf Stück zählenden
Pferdebestande eines in der Nähe von Aachen isoliert liegenden
Gehöftes auftrat und den Tod von acht Tieren herbeiführte. Das
Krankheitsbild war folgendes:
Ohne jegliche Vorboten stellte sich bei den Pferden eine lähmungsartige
Schwäche der Nachhand ein, so daß sie nach dem Niederlegen nicht mehr
aufzustehen vermochten. Vorgelegtes Futter und Getränk nahmen sie mit
großem Appetit auf. Anzeichen , von Fieber fehlten vollständig. Die Tem-
peratur bewegte sich zwischen 38 und 38, 5 ü C. Die Zahl der Pulse betrug
36 — 40, die der Atemzüge 10—12 pro Minute. Die Empfindung in der Nach-
band war etwas abgeschwächt. Allmählich griff die Lähmung auch auf die
Vorhand über, die Tiere legten sich platt auf die eine oder andere Seite,
schlugen mit allen Vieren und atmeten heftig. Die Temperatur blieb auch
dann noch auf 38° C, erhob sich höchstens auf 39° C, in zwei Fällen sank
sie vor dem Tode auf 37° C. Der letale Ausgang stellte sich innerhalb
weniger bis höchstens 36 Stunden ein.
Die Autopsie erbrachte keine bestimmte Erklärung für die Ursache
der Todesfälle. Es fand sich eine parenchymatöse Degeneration der Leber
und des Herzmuskels, fernerhin waren entzündliche Veränderungen mit einigen
Erosionen an der Schleimhaut des Magens und Dünndarms zugegen. Bei
einem kurz vor dem Tode geschlachteten Pferde fehlten krankhafte Ver-
änderungen vollständig. Die Organe des Zentralnervensystems waren, wie
Schmid ausdrücklich hervorhebt, bei allen gefallenen Pferden intakt.
Obwohl das Heu und der Hafer ihrer Beschaffenheit nach
nichts zu wünschen übrig ließen, wurde doch ein Futterwechsel
vorgenommen, auch verbrachte man die Pferde in einen anderen
Stall und tränkte sie mit anderem Wasser; trotzdem kamen noch
Krankheits- und Todesfälle vor. Die Ursache der Krankheit blieb
in Dunkel gehüllt.
Stockfleth2) beschreibt ein „enzootisches Rückenmarks-
leiden", das im Jahre 1852 unter den Pferden in der Umgebung
von Kopenhagen sich verbreitete. Gewöhnlich wurden die Tiere,
die am Abend zuvor sich noch wohl befanden, am nächsten Morgen
gelähmt im Stall angetroffen; ausnahmsweise nur trat die Krank-
heit während der Arbeit auf. Die erkrankten Pferde blieben bei
Appetit, der Puls und die Atmung hielten sich in normalen Grenzen
bis kurz vor dem Tode, der gewöhnlich innerhalb 24 Stunden ein-
trat. Die Hälfte der erkrankten Tiere starb, die geheilten
l) Schmid, Eine Infektionskrankheit bei Pferden. Archiv f. wissensch.
u. prakt Tierheilk., 1885, S. 407.
a) Zit nach Thomassen, Contribution ä l'etude des malad ies du Systeme
nerveux. Annales de med. vet. 1893, 8. 355.
— 33* —
behielten, und zwar zuweilen monatelang, eine Schwäche in der
Nachhand. Als anatomische Veränderungen konnte man eine In-
jektion der Gehirnhäute und serösen Erguß zwischen den Hüllen
des Gehirns und Rückenmarks beobachten.
Der dänische Tierarzt Friis von Aarhus1) berichtet von
einer analogen Enzootie bei sechs Pferden eines Stalles; er stellt
sie der von Stock fl et h beschriebenen an die Seite und bringt sie
mit verdorbenem Futter in Zusammenhang.
Quentin de Seraukourt2) hat eine unter Lähmungserschei-
nungen verlaufende Pferdekrankheit in einem Dorf in den Argonnen
(Departement Maas) im Jahre 1884 beobachtet. Von sieben Pferden
gingen vier schon nach 15 — 20 stündiger Krankheit ein; zwei
schleppten sich einige Tage hin, um dann ebenfalls zu sterben;
das siebente, weniger schwer erkrankte, genas nach mehreren
Wochen. Eine Vergiftung war auszuschließen.
Zum zweiten Male begegnete Quentin de Seraukourt im
Jahre 1898 derselben Krankheit, der in einem mit sechs
Pferden besetzten Stall drei zum Opfer fielen, während die anderen
drei noch längere Zeit an einer Schwäche der Xachhand litten und
Tag für Tag aufgehoben werden mußten.
Die französische Literatur ist eine sehr ausgiebige Fundgrube
für einschlägige Beispiele. Der letzterwähnten Mitteilung schließen
sich gleichlautende an von Grange et Magnin.8)
Es handelte sich um vier Pferde eines abgelegenen Gehöfts, die sämtlich
unter Lähmungserscheinungen zugrunde gingen. Der rasch tödliche Verlauf
ließ anfänglich an eine absichtliche oder zufällige Vergiftung glauben, aber
die Untersuchung des Futters und die chemische Untersuchung des Magen-
inhalts wiesen einen solchen Verdacht zurück und legten vielmehr einen
infektiösen Ursprung nahe. Der Stall wurde mit neuem Pflaster versehen, die
Wände erhielten einen neuen Anstrich; alsdann blieb die Krankheit aus.
Bemerkenswert ist, daß bei der Obduktion das Gewebe rings um die Organe
des Urogcnitalapparats von einer serösen, an manchen Stellen zu einer
gelatinösen Masse geronnenen Flüssigkeit durchtränkt war. Das Rückenmark
war hyperämisch, sein Lumbaiabschnitt beherbergte einen Erweichungsherd.
Dieselben pathologisch-anatomischen Veränderungen fand auch
Comeny,4) der an zwei verschiedenen Orten der Krankheit bei
!) Zit. n. Thomas sen 1. c. S. 356.
s) Kecuoil de med. vet. 1898, S. 423 u. 549.
3) Grange et Magnin, Paraplegie infectieuse. Recueil de med. vet.
1897, S. 491.
4) Comeny, Recueil de med. vet. 1888.
— 339 —
Kavalleriepferden begegnete. Das von ihm gezeichnete klinische
Bild paßt in den schon mehrfach skizzierten Rahmen. Der Autor
ist von der kontagiösen Natur der Krankheit überzeugt und sieht
als Eintrittspforte der Infektionserreger die Harnwege an. Die von
Nocard angestellten bakteriologischen Untersuchungen haben be-
züglich der Natur des Virus keine Aufklärung zu erbringen ver-
mocht.
Wie ich der wiederholt erwähnten Abhandlung Thomassens
entnehme, ist die Krankheit auch in Belgien vielfach schon auf-
getreten; die dortigen Tierärzte Thiernesse, Andr6, Gerard,
Derache, Degive, Dessart und Lorge haben Mitteilungen
darüber veröffentlicht.
Alle Veröffentlichungen stimmen in den Hauptzügen nach der
klinischen und epidemiologischen Seite überein. Schwäche und
Lähmungserscheinungen in der Nachhand, sehr rascher
tödlicher Verlauf bei fehlendem Fieber, fast gleichzeitige
und ausnahmslose Erkrankung sämtlicher Pferde eines
Stalles, strenge Lokalisation der Krankheit auf eine be-
stimmte Örtlichkeit — das sind die Merkmale der fraglichen
Krankheit, die Thomassen1) mit dem Namen „enzootische Spinal-
paralyse" belegt hat. Ob dieselbe durch einen einheitlichen Erreger
hervorgerufen wird, dies zu unterscheiden, muß der weiteren Forschung
überlassen bleiben.
Erwähnt sei noch, daß gegen das Leiden die verschiedensten
Mittel des Arzneischatzes vergeblich Anwendung fanden. Ich habe
versucht, auf serotherapeutischem Wege Heilung zu erzielen. Von
einem Pferde, das sich von der Krankheit wieder vollständig erholt
hatte, wurde Serum gewonnen und in der Menge von je 100 ccm
einem erkrankten Pferde in ötägigem Zeitabstand zweimal ein-
gespritzt. Nach einer Mitteilung des Herrn Oberamtstierarztes
Kieß sei daraufhin die Heilung verhältnismäßig rasch und voll-
ständig erfolgt, während dies bei einem andern, gleichzeitig er-
krankten und nicht behandelten Pferd erst etwa nach Jahresfrist
der Fall war. Dieses letztere litt während jener ganzen Zeit an
einer Schwäche der Nachhand und mußte jeden Morgen aufgehoben
werden. Oberamtstierarzt Kieß hält das möglichst frühzeitige
l) Thomassen, Enzootische Spinalparalyse bei Pferden. Monatshefte
für prakt. Tierheilk. 1903, Bd 14, 8. 1 ff.
— 340 —
Verbringen der erkrankten Pferde in einen Hängegurt für sehr
zweckmäßig und der Heilung förderlich.
Die Krankheit erlosch in Tübingen endgültig, als ausschließ-
lich neu angekauftes Heu verfüttert wurde. Um ganz sicher zu
gehen, war auch eine gründliche . Desinfektion der Stallungen vor-
genommen worden.
Erktthmg der Tafel IV usd V.
Tafel IV, Fig. 1. Ausstrich ans Reinkultur auf Kolostralmilch. Färbung mit
Gentianaviolett. Vergrößerung 940.
Fig. 2. Ausstrich aus Niere, Kaninchen. Färbung mit Gentiana-
violett. Vergrößerung 940.
Fig. 3. Ausstrich aus Leber, Maus. Fuchsinfarbung. Vergrößerung 940.
Fig. 4. Ausstrich aus Bouillon-Beinkultur. Fuchsinfarbung. Ver-
größerung 940.
Tafel V, Fig. 1-4. Wachstum der Streptokokken in und auf Bouillon, Gelatine,
Agar-
(Aus der epizootologischen Abteilung des Kaiserlichen Institutes
f. experim. Medizin zu St. Petersburg. Leiter: A. Wladimiroff.)
Über Trypanosoma Lewis! und seine Verbreitung
in St. Petersburg.
Von
W. L. Yakimoff.
Das im Jahre 1878 von Lewis (1) in Kalkutta bei Mus decu-
manus und Mus rufescens entdeckte Trypanosoma der grauen Ratten
stellt einen Kosmopoliten dar. Die grauen Ratten sämtlicher Welt-
teile enthalten in verschiedenem Prozentsatz diesen Parasiten. Das
Buch von Laveran und Mesnil (2) enthält ein langes Register
von Ortschaften, in denen graue Ratten mit Trypanosomen infiziert
gefunden worden sind.
In Rußland hat schon zu einer Zeit, da die Lehre von den
Trypanosomen kaum am Horizont aufgetaucht war, nämlich im
Jahre 1845 (also viel früher als Lewis) Groß (2) als erster diese
Trypanosomen in der Umgegend von Moskau beobachtet. Er fand
sie im Blute von Waldmäusen und Maulwürfen in Form von beweg-
lichen Würmchen, „die so zahlreich waren, daß sie kaum unter-
schieden werden konnten". Übrigens bezweifeln Laveran und
Mesnil (2) die Identität des Trypanosoma Lewisi und des Groß-
schen Befundes, da ihrer Meinung nach die Waldmaus (Mus sylva-
ticus) sogar gegen intraperitoneale Injektion des echten Trypano-
soma Lewisi durchaus immun ist.
Im südlichen Rußland haben sodann Danilewsky (1886 bis
1889) und Schalaschnikow (1888) den Parasiten beobachtet.
In St. Petersburg sind die wilden grauen Ratten ebenfalls
nicht frei von diesem Protozoon, wie Tartakowsky (3) zuerst
nachweisen konnte. Dieser Autor erkannte jedoch die Natur dieser
— 342 —
Trypanosomen nicht und hielt sie fälschlicherweise für den Erreger
der indischen Krankheit Surra.
Dieser Fehler ist leicht aufzudecken: Trypanosoma Evansi,
der Erreger der Surra, unterscheidet sich von Trypanosoma Lewisi
in radikaler Weise durch seine Pathogenität:1) Trypanosoma Evansi
kann leicht sämtlichen Laboratoriumstieren angeimpft werden,
während wir mit den Trypanosomen der Petersburger Ratten kein
einziges Laboratoriumstier, außer grauen, weißen und fleckigen
Ratten infizieren konnten; außerdem unterscheidet sich Trypano-
soma Evansi morphologisch von dem Parasiten der Petersburger
Ratten, der sämtliche Merkmale von Trypanosoma Lewisi besitzt.
Nachdem wir seit dem Jahre 1902 graue Ratten in St. Peters-
burg untersucht haben, können wir gegenwärtig die prozentuale
Verbreitung der Trypanosomose unter ihnen bestimmen.
Es erwies sich, daß von den 150 grauen Ratten, deren wir
von Ende 1902 bis Ende 1906 habhaft werden konnten, 62 Stück,
d.h. 41,3 °/o2) mit Trypanosoma Lewisi infiziert waren.
Tartakowski sagt in seiner Veröffentlichung, daß nicht alle
Teile St. Petersburgs mit Trypanosomen infizierte Ratten aufweisen
(z. B. die Gegend des Ismailowschen Regiments, die Umgebung des
Smolnaklosters und die Puschkinstraße).
Wir können diese Beobachtung nicht bestätigen. Wir nahmen
Ratten aus folgenden Stadtbezirken: der Apotheker- und Steininsel,
dem Galeerenhafen, der Gartenstraße, der Wyborger Seite, dem
Kalaschnikow - Kai und dem Kolomnastadtteil zur Untersuchung
und fanden überall mit Trypanosomen infizierte Exemplare.
Auf welche Weise werden nun die Ratten von diesen Parasiten
infiziert?
Rabinowitsch und Kempner (4), sowie Laveran und
Mesnil (5) beschuldigen Flöhe und Läuse als Überträger der In-
fektion. Diese Parasiten beißen, nachdem sie sich an Blut von
mit Trypanosomen infizierten Tieren vollgesogen haben, gesunde
Tiere und infizieren dieselben auf diese Weise. Laveran und
Mesnil fanden im Magen von Läusen in hämolysiertem Blute
wohlerhaltene Trypanosomen. Dasselbe sahen Rabinowitsch und
') Trypanosoma Lewisi halten viele Autoren für nichtpathogen.
2) Dank der größeren Zahl untersuchter Ratten sind wir gegenwartig
imstande, die Infektionsziffer, die wir in einer früheren Veröffentlichung mit-
geteilt hatten (über 50%), zu berichtigen.
— 343 —
Kempner bei Flöhen: Sie zerrieben Flöhe in physiologischer Koch-
salzlösung, injizierten diese Emulsion gesunden Ratten intraperi-
toneal und erzielten hierbei in drei Fällen fünfmal die Infektion.
Dasselbe bestätigen auch Sivori und Lecler ((>).
Aus diesem Grunde kann man also schon theoretisch an-
nehmen, daß die Ratten beim engen Zusammenleben durch Ver-
mittlung dieser Insekten infiziert werden. Einen tatsächlichen
Beweis hierfür haben Rabinowitsch und Kempner (4), sowie
Laveran und Mesnil (5) erbracht, indem sie kranke Ratten mit
gesunden zusammensetzten oder Flöhe von kranken auf gesunde
Ratten übersiedeln ließen.
Wir konnten dasselbe beobachten.
Am 9. Oktober 1902 wurden sechs weiße Ratten paarweise,
und zwar je eine gesunde mit je einer infizierten, zusammengesetzt.
Am 5. Dezember fanden sich bei einer von den drei gesunden
Ratten Trypanosomen.
Ist nun dieser Infektionsmodus durch Vermittlung von Insekten
der einzige?
Vor allem wollen wir uns folgende Tabelle, in der die Anzahl
der gefangenen Ratten nach Monaten angegeben ist, ansehen.
t~
hm
u
Im
Ratton
S ! §
i
CO
s
•* !
ebr
ärz
'es
§>
A
©
O *
Ganzen
•-a
fe |S
<
£
*-} j •-*
<
X | O Ä
Ö
mit Trypanosomen . .
6
3 4 6 4
-89
1 5
9
7
62
1
(41,3%)
ohne Trypanosomen .
2 i 6 9. 7 1 2
— 2 1 8
—
6 22
24
88
1
i
i i
(58,7»/,)
Im Ganzen
8
9
13
13
6
— !io
17
1
11
31
31
150
Wir mttUtSn erwarten, daß die Zahl infizierter Tiere in der
kalten Jahreszeit (Oktober bis März), während der die Ratten
dichter zusammenleben, also Insekten leichter von einem Tier zum
anderen hinüberwandern können, relativ größer sei, als in der
warmen Jahreszeit (April bis August).
In Wirklichkeit jedoch sehen wir dieses nicht. Gerade in
der warmen Jahreszeit erwiesen sich von 46 Ratten 58,7 °/0 als
— 344 —
infiziert, während in der kalten Jahreszeit von 104 Ratten nur
33,6 °/0 infiziert waren.
Deshalb ist anzunehmen, daß die Übertragung von Trypano-
somen durch Insekten nicht den einzigen Infektionsmodus darstellt,
und wir müssen nach anderen Wegen der Verbreitung von Trypano-
somen unter den Ratten suchen.
In dieser Beziehung wäre zunächst darauf hinzuweisen, daß
Ratten durch Bisse, bei denen, wie das vor kurzem Lignieres (21)
bewiesen hat, Trypanosomen auf gesunde Tiere übertragen werden,
einander infizieren können. Ferner muß man auch die Gewohnheit
der Ratten, ihre sterbenden oder toten Genossen zu verzehren, in
Betracht ziehen.
Es braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden, daß in den
Fällen, in denen die Ratten mit Schrunden, Geschwüren oder Riß-
wunden in der Mundhöhle behaftet sind, die Invasion von Trypano-
somen beim Verzehren infizierter Kadaver unbestreitbar möglich ist.
Aber auch in den Fällen, in denen solche Verletzungen fehlen, ist
eine Infektion durch gesunde Schleimhäute nicht zurückzuweisen.
So konnten wir in Gemeinschaft mit Fräulein N. Schiller (7) nach-
weisen, daß eine Infektion unserer Versuchstiere mit verschiedenen
Trypanosomen durch die Schleimhäute des Verdauungstraktus in
53°/0 sämtlicher Fälle zustande kam.
Wir machten speziell drei Fütterungsversuche mit Substanzen,
die Trypanosoma Lewisi enthielten und kamen in sämtlichen drei
Fällen zu einem positiven Ergebnis.
Erste Beobachtung. Am 14. Januar 1903 wurden einer weißen Ratte
die parenchymatösen Organe einer mit Tryp. Lewisi infizierten anderen weißen
Ratte zum Fressen gegeben.
Am 1. Februar fanden sich Trypanosomen im Blute.
Zweite Beobachtung. Am 10. April 1906 wurden die parenchyma-
tösen Organe einer infizierten grauen Ratte an zwei weiße Ratten verfüttert.
15. April: Keine Trypanosomen. 19. April: Es finden sich Trypanosomen im
Blute der Ratten. In Anbetracht ihrer Menge ist anzunehmen, daß sich die
Parasiten bereits am 18. April oder sogar schon am 17. April im Blute der
beiden Tiere gezeigt haben.
Vor Beginn der Fütterung war das Blut unserer Tiere mit negativem
Resultat auf das Vorhandensein von Trypanosomen untersucht worden.
Francis (8) sieht die Möglichkeit einer peroralen Infektion
als unbedingt an. Er flößte zwölf Ratten mit Trypanosomen in-
fiziertes Blut in den Magen ein, und von diesen wurden elf infiziert.
Beim Verzehren ihrer infizierten Genossen aber hatte er von sieben
— 345 -
weißen Ratten bei fünf Exemplaren und bei fünf grauen Ratten ein
positives Resultat zu verzeichnen.
Wir finden es also, trotz der negativen Versuchsergebnisse von
Rabinowitsch und Kempner, sowie von Laveran und Mesnil,
durchaus nicht unmöglich, daß die Trypanosomose der grauen
Ratten außer durch Insekten auch auf peroralem Wege (namentlich
wenn die Gefräßigkeit dieser Tiere in Betracht gezogen wird),
selbst bei intakter Schleimhaut des Verdauungstraktus, weiter ver-
breitet werden kann.
Ist nun das Trypanosoma Lewisi für Ratten pathogen oder
ist es für diese ganz unschädlich?
Die Angaben der verschiedenen Autoren gehen in diesem
Punkte weit auseinander. Was zunächst die künstlich mit Tryp.
Lewisi infizierten weißen und scheckigen Ratten betrifft, so be-
haupten einige, daß auf sie diese Trypanosomen keine pathogene
Wirkung ausüben [Rabinowitsch und Kempner (4), Laveran
und Mesnil (2), (5), Mußgrave und Clegg (9)]. Andere erkennen
seine Pathogenität an (Francis 8). Wieder andere endlich geben
sie nur bedingt zu. Jürgens (10) z.B. spricht von der Patho-
genität des Tryp. Lewisi für junge Ratten (für 16 von 47), Mc Xeal
und Novy (11) behaupten, daß die Trypanosomen einer bestimmten
Provenienz pathogen sein können, diejenigen einer anderen wieder
nicht.
Was nun die wild lebenden Ratten anbetrifft, so sind unsere
diesbezüglichen Kenntnisse sehr karg. Tartakowsky z. B. be-
hauptet, daß das Trypanosoma Lewisi einen für sie pathogenen
Parasiten darstellt, da seine Ratten trotz ergiebiger Nahrung pro-
gressiv abmagerten und vor ihrem Tode einen hohen Grad von
Inanition erreichten. Schalaschnikow macht keine näheren An-
gaben, jedoch gingen bei ihm einige Ratten zugrunde. Die voll-
kommene Unschädlichkeit des Parasiten erkennen sein Entdecker
Lewis, sowie Danilewsky und Crookshank (13) an. Laveran
und Mesnil (2) meinen, daß die spontane Infektion von wild
lebenden Ratten augenscheinlich gut vertragen wird.
Inbetreff der Angaben Tartakowsky s müssen wir bemerken,
daß sie wohl kaum in Betracht kommen, da er Trypanosoma Lewisi
mit Trypanosoma Evansi verwechselt hat.
Entsprechend unseren Untersuchungen an natürlich infizierten
grauen und künstlich infizierten weißen Ratten ist Tryp. Lewisi
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 4/5. 23
— 346 -
für weiße Ratten pathogen, jedoch nur bedingt: Mit diesem Para-
siten infizierte Ratten lebten bei mir zuweilen sehr lange nach der
Infektion (bis zu drei Monaten).
Jedenfalls wirkt das Tryp. Lewisi auf den Organismus wohl
kaum so schädlich ein, wie die pathogenen Trypanosomen (Nagana,
Mal de Caderas, Surra, Dourine, El-Debub u. a.). Unter anderem
äußert sich die schädliche Wirkung der pathogenen Trypanosomen
in Verarmung des Blutes an roten Blutkörperchen, die freilich an
sich für die Tiere nicht tödlich ist (der Tod bei Trypanosomoseu
wird vielmehr durch die Konkurrenz einer ganzen Reihe von Ur-
sachen bedingt). In einer unserer Arbeiten haben wir den Prozent-
satz der zugrunde gehenden Erythrozyten bei Nagana und Mal de
Caderas berechnet und gefunden, daß er bei ihnen bis zu 40, 50,
55 und sogar 67% beträgt.
Wir zählten die roten Blutkörperchen und die Trypanosomen
im Blute von auf natürlichem Wege mit Trypanosomose infizierten
grauen Ratten und fanden in 1 Kubikmillimeter folgende Mengen:
Anzahl der
Erythrozyten in
1 cbmin
Anzahl der
Trypanosomen in
1 cbmm
Junge graue
Ratte Nr. 1 .
6464000
14 588
n p
„
Nr. 2 .
5 652000
3125
r> n
V
Nr. 3 .
8 608 000
8385
v »
r
Nr. 4 .
. | 7312000
1047
Erwachsene „
T*
Nr. 5 .
. , 5088000
8 333
» »
r>
Nr. 6 .
5456000
2084
Ohne aus diesen spärlichen Beobachtungen endgültige Schlüsse*
zu ziehen, können wir uns jedoch der Bemerkung nicht enthalten,
daß bei all diesen grauen Ratten die Trypanosomen augenscheinlich
wenig auf die roten Blutkörperchen eingewirkt hatten. In der Tat
ist bei denjenigen Ratten, die die größte Anzahl von Trypanosomen
aufweisen (Nr. 1 und 3), nichtsdestoweniger die Erythrozytenzahl
eine größere (6 464 000 und 8 608 000), und andererseits bei den-
jenigen, die weniger Trypanosomen enthielten (Nr. 2 und 6), eine
geringere (5 052 000 und 5 456 000).
Das Verhältnis der Trypanosomenanzahl zur Krythrozyten-
anzahl aber ist in unseren Fällen folgendes:
— 347
bei Ratte Nr. 1 .
. 1: 440
bei Ratte Nr. 4 .
. 1 : 6983
• . Nr. 2 .
. 1:1776
„ Nr. ö .
. 1: 610
„ . Nr. 3 .
.. 1:1093
- Nr. 6 .
. 1:2138
Wir sehen also, daß bei der natürlichen Infektion mit Tryp.
Lewisi bei grauen Ratten niemals so kolossale Mengen der Para-
siten zu finden sind, wie bei den an Nagana erkrankten Ratten
(bis zu 1 309 000 in 1 Kubikmillimeter). Auch das Verhältnis
zwischen Trypanosomenquantität und Erythrozytenmenge ist hier
gleichfalls kein so enges (höchstens 1 : 440), wie bei der Nagana,
wo es 1 : 2 bis 1 : 3 beträgt. Wir haben freilich auch bei Katten-
trypanosomen kein so enges Verhältnis zwischen Parasiten- und
Erythrozytenquantität beobachtet, wie Laveran und Mesnil. Diese
Autoren behaupten, daß das Verhältnis bei natürlicher Infektion
1 : 2 bis 1 : 3 beträgt und daß in Ausnahmefallen sogar 1 —2 Para-
siten auf ein rotes Blutkörperchen kommen.
Wie sich also erweist, wirken die Trypanosomen der Peters-
burger grauen Ratten nicht so verderblich auf das Blut ein, wie
die Naganatrypanosomen.
Eine der schädlichen Wirkungen des Vorhandenseins von
Trypanosomen im Blute ist folglich bei Infektion mit Tryp. Lewisi
ausgeschlossen, ganz abgesehen davon, daß die „pathogenen" Try-
panosomen die Ratten im Laufe mehrerer Tage töten, was für
Trypan. Lewisi nicht zutrifft.
Weiter stellten wir einige Beobachtungen über die Lebens-
fähigkeit des Tryp. Lewisi an. Wir gössen trypanosomenhaltiges
Blut in Probiergläschen und erwärmten sie bei verschiedener Tem-
peratur im Wasserbade.
Es starben die Trypanosomen:
bei 40° C nach 7 Stunden bei 46° C nach 6 Minuten
„ 43° C „ 1 Std. 10 Min. * 47° C „ 5
r 44° C „ 50 Minuten „ 48° C „ 2
„ 45° C „ 9 „ 50° C . 2-3 „
Diese Zahlen sind mit denjenigen anderer Autoren fast
identisch. Bei Jürgens lebten die Trypanosomen bei 37° 2—4
Tage, bei Laveran und Mesnil bei 50° 5 Minuten. Jürgens
hat aber auch Trypanosomen gesehen, die, ohne ihre pathogene
Wirkung einzubüßen, im Laufe von zwei Stunden eine Temperatur
von 50° C mit darauffolgender allmählicher Abkühlung ertrugen,
jedoch wirkte Erhitzung auf 57 ° auf sie tödlich ein.
23*
— 348 —
Unseren Beobachtungen nach gehen die Nagana-Trypanosomen
nicht zugrunde, wenn man sie im Wasserbade eine Stunde lang auf
41 ° C oder aber 2 Stunden 15 Minuten auf 40 ° C erhitzt, und die
mit derartig erwärmtem Blut infizierten Tiere erkranken, wenn
auch mit einiger Verspätung; drei Stunden langes Verweilen bei
diesen Temperaturen tötet die Parasiten unfehlbar. Ebenso werden
die Parasiten der Nagana getötet durch eine Erwärmung von fünf
Minuten auf 45 ° C, von 20 Minuten auf 44 ° C, von 25 Minuten
auf 43 ° C und von 40 Minuten auf 42 ° C, und es bleiben mit der-
artigem Blut infizierte Tiere intakt.
Was die Trypanosomen des Mal de Caderas anbetrifft, so haben
wir gefunden, daß eine Temperatur von 40° C dieselben in
4V2 Stunden, von 41 ° C in 4 Stunden, von 42 ° C in 40 Minuten,
von 44° C in 12 Minuten und von 45° C in 6 Minuten tötet.
Aus diesen Angaben ersehen wir, daß das Tryp. Lewisi einen
resistenteren Organismus darstellt, als die Erreger der Nagana und
des Mal de Caderas.
In gleicher Weise versuchten wir Blut, das Tryp. Lewisi ent-
hielt, bei 15° C aufzubewahren. Unsere diesbezüglichen Beob-
achtungen ergaben folgende Resultate:
In einer ersten Beobachtung fanden wir, daß die Bewegungen
der Trypanosomen nach zwei Tagen anfingen, weniger energisch
zu sein. Vom dritten Tage an begannen die Trypanosomen zu-
grunde zu gehen ; die Bewegungen der überlebenden wurden immer
träger, bis sie am 15. Tage völlig aufhörten. In zwei weiteren
Beobachtungen lebte Trypanosoma Lewisi bei 15° C nur 14 Tage.
Vergleichen wir hiermit unsere Erfahrungen über die Lebens-
fähigkeit der Trypanosomen der Nagana und des Mal de Caderas
bei fast gleicher Temperatur, so finden wir, daß die pathogenen
Trypanosomen weniger lebensfähig sind, als die Trypanosomen der
grauen Ratten (die ersteren leben bei 19° C höchstens 6 Tage).
Diese unsere Beobachtungen stimmen mit denjenigen anderer
Autoren überein. Bei Danilewsky (14) lebten die Parasiten unter
denselben Bedingungen 8—9 Tage, junge Exemplare aber sogar
10 — 12 Tage; bei Laveran und Mesnil lebten die Trypanosomen
im Sommer im Laboratorium 4 Tage, im Winter aber (mit Ratten-,
Hühner- und Taubenserum vermengt) 18 Tage.
Bei 37 ° C im Brutschrank lebten unsere Trypanosomen ca.
drei Tage.
— 349 —
Auch in diesem Falle sind die Trypanosomen der grauen
Ratten lebensfähiger, als die Trypaaosomen der Nagana und des
Mal de Caderas, die nicht einmal einen Tag lang die Brutschrank-
temperatur vertragen.
Bei niedriger Temperatur (— 17,5°C) lebten unsere Trypano-
somen in einem Falle über zwei Tage. Das Blut war in Kapillar-
röhrchen gefüllt und im Freien in Schnee aufgestellt. Nach zwei-
mal 24 Stnnden waren noch lebende Trypanosomen vorhanden.
Nach weiteren 14 Stunden fanden sich nur noch tote. Trypanosomen.
Derselbe Befund konnte bei einem zweiten Versuch erhoben werden:
Um die Mittagszeit wurde Blut in Kapillarröhrchen im Freien einer
Temperatur von — 11° C ausgesetzt. Im Laufe der Nacht stieg die Temperatur
auf —2° C. Die Trypanosomen lebten noch um die Mittagszeit des zweit-
folgenden Tages, und erst am Nachmittag des dritten Tages waren keine
lebenden Trypanosomen mehr vorhanden.
In diesem Punkte gehen unsere Beobachtungen mit denjenigen
von Jürgens etwas auseinander. Bei ihm lebte nämlich das Tryp.
Lewisi bei einer Temperatur von —2 bis —8° C im Durchschnitt
acht Tage.
Unseren Beobachtungen nach leben die Trypanosomen der
Nagana und des Mal de Caderas bei dieser Temperatur ebenso
lange, wie das Tryp. Lewisi.
Bei noch niedrigerer Temperatur, in einem Gemisch von Schnee
und Salz, lebten unsere Trypanosomen nur sehr kurze Zeit.
Als das Rattenblut, in Kapillarröhrchen eingeschmolzen, in ein Probier-
glas gestellt wurde, das sich in der Kältemischung befand, betrug die Tem-
peratur in demselben —19° C, nach weiteren 10 Minuten —20° C. Bei genauer
Beobachtung fand sich nach 25 Minuten bei dieser Temperatur nur noch ein
Trypanosoma, das durch seine trägen Bewegungen die Eiskristalle auseinander-
schob. Nach einer Stunde bei einer Temperatur von —19° C waren keine
beweglichen Trypanosomen mehr zu sehen.
Bei Laveran und Mesnil war Blut, das im Laufe von zwei
Stunden in einem Gemisch von Schnee und Salz (wo die Temperatur
zwischen —15,5 und —18,5° C schwankte) gestanden hatte und
darauf wieder erwärmt worden war, trotzdem ansteckend, obgleich
die meisten Trypanosomen ihre Beweglichkeit eingebüßt hatten.
Wir verfolgten die Beweglichkeit unserer Trypanosomen auch
auf dem Objektträger, obgleich wir dfeser Untersuchungsmethode
keine große Bedeutung beimessen können. Die Ergebnisse unserer
Beobachtungen waren folgende:
- 350 —
Wurde Blut bei +4 ° C aufbewahrt, so sah man in demselben
die Trypanosomen noch nach einem Tage sich bewegen; nach zwei
Tagen lagen sie alle unbeweglich. Genau den gleichen Befund er-
hielten wir bei +12 ° 0. Wenn aber das Blut bei 37 ° V gehalten
wurde, so war schon nach 24 Stunden keine Bewegung mehr zu
erkennen.
Kommt nun das Trypanosoma Lewisi bei weißen Ratten spontan
vor? Schalaschnikow (12) sagt, daß er diesen Parasiten im Blut
von aus St. Petersburg mitgebrachten weißen Ratten gesehen hat.
Tartakowsky (3) behauptet, daß es bei weißen und scheckigen
Ratten, die in den Laboratorien St. Petersburgs gezüchtet werden,
wenn auch selten, so doch immerhin vorkommt.
Wir untersuchten mehrere Hundert weißer und scheckiger
Ratten und haben bei ihnen nie ein Trypanosoma ausfindig machen
können. Dasselbe geben auch andere Autoren an [Kaestner (17)
u. a.]. Übrigens darf die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden,
daß, wenn weiße und graue Ratten zusammenleben, die ersteren an
Trypanosomose erkranken können. Ein solcher Fall wurde in
unserem Laboratorium beobachtet, wo weiße Ratten, die in einem
hölzernen Kasten lebten, in ihrem Blut Trypanosomen enthielten.
Weitere Beobachtung ergab, daß durch ein Loch in diesem Kasten
eine graue Ratte hineingelangte. Über zwei ähnliche Fälle berichtet
auch Terry (18).
Es fragt sich nun, ob auch andere Tiere durch das Trypano-
soma Lewisi infiziert werden können? Stellen wir uns auf den
Standpunkt von Tartakowsky (3), daß das Trypanosoma der
St. Petersburger grauen Ratten und der Parasit der indischen
Surra identisch sind („man darf annehmen, daß auch bei Ratten
die Trypanosomen eine Krankheit hervorrufen, die mit vollem
Recht als Surra bezeichnet werden kann. Da die Surra den oben
angeführten Daten nach unter den Ratten St. Petersburgs nicht zu
den Seltenheiten gehört . . ."), so müssen wir erwarten, daß auch
andere Tiere durch sie infiziert werden können. Tartakowsky
verwechselt jedoch augenscheinlich zwei ganz verschiedene Dinge:
Sind die Petersburger Ratten mit Tryp. Lewisi infiziert, so leiden
sie nicht an Surra und umgekehrt. Weder die übrigen Autoren
noch auch wir selbst konnten jemals eine Infektion bei anderen
Tieren hervorrufen. Ganz ohne Erfolg versuchten wir zahlreiche
weiße Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen, Hunde, Hühner,
— 351 —
Tauben und Frösche mit dem Trypanosoma der Petersburger Ratten
zu infizieren. Die Infektion nahmen wir subkutan, intraperitoneal
und sogar bei einigen Tieren intravenös vor, jedoch erkrankte nie
ein einziges von den Tieren. Aus der Literatur ist bekannt, daß
nur sehr junge Meerschweinchen mit dem Tryp. Lewisi infiziert
werden können und daß selbst hier der Parasit sehr bald aus dem
infizierten Organismus verschwindet.
Es liegt also kein Grund vor, die Verbreitung der Trypanoso-
mose unter den Tierbeständen St. Petersburgs zii befürchten, da
das im Blut der grauen Ratten lebende Trypanosoma nur Ratten
und sonst keine andere Tierart infiziert.
Literatur.
1. Lewis, Annual Report of san. com. with ftov. of India. 1878. Zit. nach
Laveran und Mesnil.
2 Laveran et Mesnil, Trypanosom es et Trypanosomiases. Paris 1904.
3. M. G. Tartakowsky, Über Surra der grauen Ratten (Mus decumanus).
Archiv Weterinarnych Nauk, 1901, Bd. XI (Russisch).
4. Rabinowitscb und Kempner, Beitrag zur Kenntnis der Blutparasiten,
speziell der Ratten -Trypanosomen. Zeitschr. f. Hyg. 1899. Bd. XXX. —
Die Trypanosomen in der Menschen- und Tierpathologie. Zentralbl. f.
Bakt. Originale, Bd. XXXIV. 1903.
5. Laveran et Mesnil, Recherches morphologiques et experi mentales sur
le Trypanosome des rats. Ann. de Tlnst. Pasteur. T. XV. 1901.
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Mesnil.
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durch die Schleimhaut des Verdauungstraktus. Zentralbl. f. Bakt. Orig. 1907.
8. Francis, Bull. No 11 Hyg. Lab. U. S. Pub. Health and Mar. Hosp. Serv.
Washington, 1903. Zit. nach Laveran et Mesnil und Mc Neal und Novy.
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reference to Surra in the Philippino Islands. Biological Lab o rat., Manilla.
No. 5. 1903.
10. Jürgens, Beitr. zur Biologie der Ratten-Trypanosomen. Archiv f. Hyg.
Bd. XLII. 1902.
11. McNeal and Novy, The Life History of Trypanosoma Lewisi and Tryp.
Brncei. Journ. of infect. Diseases. 1904. No. 4.
12. Schalaschnikow, Untersuchungen über den Blutparasitismus von Kalt-
und Warmblütern. Archiv Weterinarnych Nauk. 1888. Bd. II. (Russisch.)
— 352 —
13. Crookshank, Flagellated Organismus in the blood. Journ. of the R.
Soc. Nov. 1886.
14. W. J. Danilewsky, Untersuchungen über vergleichende Parasitologie.
1888. (Russisch.)
15. W. L. Yak im off, Zur Frage von den Blutveränderungen bei experimen-
tellen Trypanosomosen. Wjestnik Obschtschestwennoi Weterinaryi. 1905.
Nr. 24 [vorläufige Mitteilung] (Russisch), cf. Zentralbl. f. Bakteriol. Ref.
Bd. XXXVIÜ, 1906.
16. W. L. Yakimoff, Zur Biologie der Trypanosomen der Nagana und des
Mal de Caderas. Zentralbl. f. Bakt. Origin. 1904. Bd. XXXVII.
17. Paul Kaestner, Die tierpathogenen Protozoen. Berlin 1906.
18. B. T. Terry, An epidemie of Trypanosomiasis among white rata. Trans.
Chicago path. Soc. T. VI. avr. 1905.
19. Alvares, Sur la frequence des Trypanosomes de Lewis chez les rats a
Lisbonne. C. R. du XV Congres internat. de medeciue, 1906, III. Section.
20. Hultgen, Preliminary Report on the Trypanosoma Lewisi in Chicago.
Trans. Chic. path. Soc. T. VI. Dec. 1905. Zit. nach Bull, de l'Inst. Pasteur.
No. 11. 1906.
21. Ligniere s, Les maladies tropicales des animauz domestiques. Vortrag,
gehalten auf dem tierärztlichen Kongreß zu Budapest 1905.
Über die Resistenzerhöhung bei der Schutzimpfung
gegen die Rotlaufseptikämie.
Von
M. Prettner,
Tierant in Prag.
Die Tatsache, daß das Überstehen einer Infektionskrankheit
einen verschieden langen Schutz gegen eine neuerliche Infektion
gleicher Art verleiht, bildet bekanntlich die Grundlage der künst-
lichen Immunisierung mittelst der als Ursache verschiedener Seuchen
erkannten Bakterien.
Es wurden auf Grund der Beobachtung, daß auch das Über-
stehen einer Infektion in leichter Form Schutz gegen eine solche
schwerer Art verleiht, hauptsächlich abgeschwächte Krankheits-
erreger zur aktiven Immunisierung verwendet.
Der Begründer der planmäßigen aktiven Immunisierung,
Pasteur, impfte mit abgeschwächten Rotlaufbazillen gegen die
Rotlaufseptikämie der Schweine zuerst im Jahre 1882 in dem von
Rotlauf schwer heimgesuchten Departement Vaucluse. Der Erfolg
war sehr befriedigend; in den Versuchsherden kamen keine neuen
Erkrankungsfälle mehr vor. In den Jahren 1886—1897 wurden
118 229 Schweine geimpft, der Verlust bezifferte sich auf 1,68%,
während er vor der Impfling 20°/0 betragen hatte.
Der Pasteur sehe Rotlaufimpfstoff verleiht den Tieren zwar
einen genügenden Schutz, verursacht aber ziemlich bedeutende Impf-
verluste. Nach der Impfung mit Pasteurschen Kulturen entsteht
eine allgemeine, fieberhafte Reaktion, die tagelang andauert. Wäh-
rend dieser entwickeln sich in dem Körper die Schutzstoffe. Es
zeigte sich, daß neun Tage nach der Pasteurschen Impfung noch
lebende Rotlaufbakterien im Blute der Impflinge vorhanden waren.
Diese Bakterien töteten Mäuse binnen vier Tagen (Voges und
Schütz). Der Schutz, den die Pasteursche Impfung gewährt,
— 354 —
ist ein langandauernder, die Gefahr, daß die Schweine an Impf-
rotlauf erkranken, ist jedoch ziemlich groß.
Heutzutage bedient man sich zur Schutzimpfung gegen den
Schweinerotlauf weniger der Pasteur sehen, als vielmehr fast aus-
schließlich der verbesserten Methode von Lorenz, die in einer Kom-
bination passiver und aktiver Immunisierung (Verimpfung von Rot-
laufserum und Rotlaufkultur) besteht. Einzelne Autoren haben
gegen diese Methode auf Grund theoretischer Erwägungen Einwände
erhoben, indem sie anführten, daß das Rotlaufserum, wenn es bak-
terizid wirke, die Wirkung der mitgeimpften Rotlauf bazillen aufheben
müsse, da es sie abtöte, und wenn es antitoxisch wirke, die Rotlauf-
bazillengifte paralysiere. Deshalb könne die durch die Kultur-
impfung erzeugte aktive Immunität nicht bedeutend sein, und daher
könne auch die Dauer des Impfschutzes nur gering sein (Voges).
Wenn diese auf theoretischem Wege gewonnenen Schlüsse auch nicht
zutreflFen, so ist der Mechanismus der kombinierten Rotlaufschutz-
impfung nach Lorenz (Simultanmethode) keineswegs theoretisch
vollkommen geklärt.
Nach dem natürlichen Überstehen der Rotlaufseptikämie tritt
in der Regel eine lebenslängliche Immunität gegen Rotlauf ein.
Nach der Impfung mit Serum und lebenden Rotlaufbazillen da-
gegen entsteht nur eine verschieden lange Erhöhung der Resistenz
der Impflinge gegen Rotlauf. Lorenz hat angegeben, daß diese
nach einmaliger Impfung fünf bis sechs Monate andauere.
Die Impflingen in der Praxis lehren uns jedoch, daß die Re-
sistenzerhöhung in vielen Fällen von weit kürzerer Dauer ist. Die
Ursache dieser Erscheinung suchte man zuerst in der geringen Virulenz
der benutzten Kulturen (die sich allerdings zur Vermeidung des
Impfrotlaufes als vorteilhaft erwiesen hat). Da mir die Virulenz der
Kulturen für die Dauer des Impfschutzes sehr wesentlich erschien,
so wurden von mir bei den heurigen Impfungen nur vollvirulente Kul-
turen (direkt aus Taubenblut gezüchtet) zur Impfung herausgegeben.
Das mit diesen Kulturen zur Impfling versandte Serum war
entsprechend hochwertig, und zwar schützten 0,3 cciri eine Taube
gegen 0,5 cem Kultur (bei getrennter Impfling: das Serum in den
einen, die Kultur in den andern Brustmuskel). Auch bei der
Mischungsmethode schützten 0,1 cem des Serums (nicht konserviert)
vollkommen gegen 0.5 cem Kultur. Nur in zwei Fällen trat bei
der Benutzung dieser Impfstoffe in der Praxis Impfrotlauf auf.
— S55 -
Trotz der Virulenz der Kultur war die ResistenzerhÖhung in einigen
Fällen kürzer als erwartet.
Der Umstand, daß die Simultanmethode bei der Rotlauf-
impfung keine Immunität, sondern nur eine ResistenzerhÖhung be-
dingt, die vielen Schwankungen unterliegt, war für mich die Ver-
anlassung, die Bedingungen dieser Resistenzerhöhung zum Gegen-
stand experimenteller Studien zu machen; die dabei gewonnenen
Ergebnisse sind in vorliegender Arbeit niedergelegt.
Zunächst wurde der Gehalt des Blutes an Schutzstoffen bei Schwei-
nen, die nach der Lorenzschen Simultanmethode, und solchen, die
nach der Pasteurschen Methode geimpft worden waren, untersucht.
Nach den Angaben von Voges und Schütz erwies sich das
Serum von Schweinen, die die Impfung nach Pasteur überstanden
hatten, als hochwertig, indem es Tauben in der Menge von 0,1 cem
gegen eine tödliche Kulturmenge schützte. Diese Angabe wurde
von mir experimentell nachgeprüft.
I. Zwei Schweine — Nr. 1 und 2 — (einheimische veredelte Tiere,
sechs Monate alt) bekommen je 0,5 cem abgeschwächter Rotlaufbazillenkultur
(Kaninchenpassage durch zwei Generationen) subkutan am linken Oberschenkel.
Beide Tiere sind am dritten Tage nach der Impfung leicht krank,
erholen sich jedoch bald wieder.
Acht Tage später wird' ihnen Blut entnommen. Das Serum schützt
in der Dosis von 1,5 cem gegen 0,5 cem Kultur.
Die Schweine bekommen 14 Tage nach der ersten eine zweite Injektion
von 1 cem virulenter Rotlauf bazillenkultur (Taubenpassage). Sie reagieren auf
diese Injektion lediglich mit verminderter Freßlust während zweier Tage. In
ihrem aus der Ohrvene entnommenen Blute waren zwei Tage nach der In-
jektion virulente Rotlauf keime nachweisbar.
Nach weiteren acht Tagen wurde den Schweinen neuerlich Blut ent-
nommen. Das gesammelte Serum schützt Tauben in der Dosis von
0,5 cem gegen 0,5 cem Kultur, wie das folgende Protokoll zeigt:
12. Februar. 2 Tauben: 0,5 cem Serum von Schwein Nr. 1 am rechten
Flügel, 0,5 cem Kultur am linken Flügel.
12. Februar. 2 Tauben werden ebenso geimpft, jedoch mit Serum von
Schwein Nr. 2.
2 Kontrolltauben erhalten 0,5 cem Kultur (ohne Serum).
Die Kontrolltauben sterben in 2Va Tagen, während die mit Serum gleich-
zeitig geimpften am Leben bleiben.
Es vermag also der Organismus empfänglicher Tiere nach
Injektion relativ geringer Mengen von Infektionsstoff, sofern sich
die Bakterien im Körper halten können, eine recht beträchtliche
Menge von Schntzstoffen zu bilden.
— 356 —
II. Zwei weitere Schweine (desselben Alters wie im Versuch Nr.I, sie stamm-
ten von demselben Wurfe) werden nach der Simultanmethode geimpft, indem jedes
Tier 5 ccm eines hochwertigen Serums und 0,5 ccm hochvirulenter Kultur erhält
Acht Tage nach der Injektion wird den Schweinen Blut entnommen.
Das Serum erweist sich als wirkungslos; selbst 1,5 ccm Serum schützen
Tauben nicht
14 Tage nach der Impfung erhielten die Schweine wieder 5 ccm Serum
und 1 ccm Kultur subkutan. Das acht Tage später entzogene Serum
erweist sich wiederum als wirkungslos.
Nach weiteren zehn Tagen bekommen die Schweine 0,5 ccm Kultur (ohne
Serum), und jetzt erst schützt das acht Tage später entnommene
Serum Tauben in der Menge von 1 ccm gegen 0,5 ccm Kultur. Erst
als die Schweine noch eine weitere Injektion von 1 ccm Kultur (ohne Serum)
bekommen, steigt der Titer des Serums auf 0,5 ccm Serum (gegen 0,5 ccm Kultur).
Nach der Injektion von Serum und Kultur ließen sich im Blute der
Schweine die Rotlauf bakterien nicht nachweisen; erst als Kultur allein gegeben
worden war, waren solche durch Kultur und Tierversuch nachweisbar.
Es scheint somit das mitinjizierte Serum die Bakterien, wahr-
scheinlich durch Vermittlung des Organismus, so stark zu beein-
flussen, daß sich eine nachweisbare Menge von Schutzstoffen nicht
bilden kann, während bei alleiniger Impfung mit Kultur, wobei der
Organismus, auf sich selbst angewiesen, sich gegen die Infektion
wehren muß, Schutzstoffe entstehen.
Es handelt sich bei der Simultanmethode nicht um eine eigent-
liche aktive Immunisierung, sondern um eine sozusagen modi-
fizierte und höhere Art der passiven Immunisierung, Durch das
Serum werden hinreichend Stoffe in den Organismus gebracht, die
im Verein mit seinen Zellen die Bakterien vernichten. Es verhalten
sich die Zellen dabei, obwohl aktiv mitbeteiligt, indessen viel
träger als bei alleiniger Injektion von Bakterien, die ohne fremde
Beihilfe von ihnen überwunden werden müssen.
Die Vermutung, daß durch Einspritzung von Serum und
Bakterien eine viel kürzer dauernde Resistenzerhöhung bei den
Impflingen entsteht, als bei alleiniger Impfung mit Kulturen, wird
durch weitere Experimente bestätigt.
HL a) 6 Mäuse erhalten
0,001 ccm Rotlaufschiitzserum intraperit. gegen 0,01 ccm Kultur subkut
b) 6 Mäuse erhalten
0,01 ccm Rotlaufschutzserum intraperit. gegen 0,01 ccm Kultur subkut.
c) 4 Mäuse erhalten
0,1 ccm Rotlaufschutzserum intraperit. gegen 0,01 com Kultur subkut.
d) 4 Mäuse erhalten
0,5 ccm Rotlaufschutzserum intraperit. gegen 0,01 ccm Kultur subkut
— 357 —
Von den Mäusen der Reihe a sterben 3 binnen 10—14 Tagen an Rotlauf-
septikämie, 3 bleiben am Leben. Von der Reihe b sterben 2, von der Reihe
c und d bleiben alle am Leben.
Zwei Monate nach der ersten Injektion werden alle am Leben gebliebenen
Mäuse mit 0,01 cem Kultur infiziert.
Die Mäuse, die mit 0,1 cem sowie 0,5 cem Serum und 0,01 cem Kultur vor-
behandelt waren, sterben, und zwar die mit 0,1 cem Serum vorbehandelten binnen
2l/j— 3 Tagen, an Rotlaufseptikämie, wie die mikroskopische und kulturelle
Untersuchung zeigte. Die übrigen aus den Reihen a und b bleiben am Leben.
Infolge der Einimpfung einer großen Menge von Serum
(0,1 cem und 0,5 cem gegenüber 0,01 cem Kultur) entwickelte sich
eine nur kurz dauernde Resistenzerhöhung bei den Mäusen; die
Bakterien haben nicht genügend im Organismus wirken können und
deshalb nur eine ganz kurze Immunität erzeugt.
Anders verlief der Versuch, sobald den Mäusen nachher noch
Kultur eingeimpft wurde:
IV. a) 6 Mäuse erhalten 0,01 cem Rotlaufsehutzserum -f~ °>01 ccm Kultur
b) 6 „ „ 0,01 „ „ . + 0,01 „
Von der Reihe a sterben 2 Mäuse nach 8 Tagen, 4 bleiben am Leben.
Nach 10 Tagen bekommen alle übrigen Mäuse der Reihe a und b 0,01 ccm
Kultur (ohne Serum).
Zwei Monate später werden alle Mäuse mit 0,01 ccm Kultur infiziert; sie
bleiben alle am Leben.
(Die zu beiden Immunisierungen wie die zu der später erfolgten Infektion
benutzten Kulturen waren direkt von Tauben gezüchtet, also hoch virulent.)
2 Kontrolltiere, mit 0,01 ccm Kultur subkutan geimpft, starben binnen 2l/3 Tagen
Anders ist das Ergebnis, wenn schwache Kulturen benutzt
werden:
V. a) 6 Mäuse erhalten 0,001 ccm Schutzserum 4- 0,01 ccm Kultur
(ein schwacher, im Laboratorium durch 10 Generationen
fortgezüchteter Stamm)
1>) 4 Mäuse erbalten 0,01 ccm Schutzserum -f- 0,01 ccm derselben Kultur.
2 Kontrolltiere erbalten 0,01 ccm derselben Kultur (ohne Serum); sie
sterben erst am 6. Tage nach der Injektion.
Nach 2 Monaten werden die Mäuse mit Rotlaufbakterien aus Taubenblut
infiziert, die Mäuse der Reihe a bleiben am Leben, die der Reihe b sterben
binnen 3 Tagen.
Dieser Fall illustriert sehr anschaulich, daß die Mitinjektion
des Serums in diesem Falle auch nach relativ kleiner Dosis
(0,01 ccm) bei schwacher Kultur eine nicht genügende Resistenz-
erhöhung bedingte, erst als die Dosis des Serums auf 0,001 ccm
fiel, war der Reiz auf den Organismus seitens der schwach virulenten
Bakterien ein genügender.
— 358 —
Aus diesen Versuchen ist zu schließen, daß die Re-
sistenz des Organismus um so höher wird, je mehr ihm
selbst die Abwehr der Infektion überlassen bleibt. Es muß
also bei der Simultanimpfung die passive Immunität, während
der die einverleibten Schutzstoffe im Organismus kreisen (bis zu
10 — 15 Tagen nach der Injektion), für die Erreichung der ver-
schiedenen Resistenz durch die aktive Immunisierung von großer
Bedeutung sein. Die folgenden Versuche wurden unternommen, um
Aufklärung über diese Frage zu erhalten.
VI. a) 6 Mäuse erhalten 0,01 cem Serum + 0,01 cem Kultur
t>) 4 n 0,1 „ „ + 0,01 „
Eine Maus der Reihe a stirbt am 8. Tage. Je 2 Mäuse der Reihe a und h
erhalten nach 10 Tagen 0,01 cem Kultur (ohne Serum), je 2 weitere Mäuse
der Reihe a tmd b erhalten nach 24 Tagen ebenfalls 0,01 cem Kultur
Zwei Monate später erhalten alle Mäuse 0,1 cem Kultur.
Alle schon nach 10 Tagen geimpften Mäuse sterben, während die nach
24 Tagen geimpften Mäuse auch diese erhöhte Kulturdosis vertragen.
Daraus läßt sich schließen, daß die passive Immunität durch das
Serum noch 10 Tage nach der kombinierten Impfimg vorhanden war und
die Ausbildung einer aktiven Immunität höheren Grades verhindert
hat, während nach 24 Tagen der Organismus durch die Kulturinjektion
bereits so stark gereizt wurde, daß er aktiv immun werden mußte.
Ähnliche Versuche an Tauben, bei denen man mit größeren
Dosen arbeiten muß, zeigen die verschiedenartige Resistenzerhöhung
bei Anwendung von Serum noch klarer.
VII. a) 4 Tauben erhalten 2 cem Rotlaufserum + 0,5 cem Rotlaufkultar
b) 4 1 „ m + 0,5 „
c) 4 0,5 , r + 0,5 „
Nach 2 Monaten wird 0,5 cem Kultur eingespritzt, die Tauben der Reihe a
sterben binnen 3 Tagen an Rotlaufseptikämie, die anderen bleiben am Leben.
VIII. a) 4 Tauben erhalten 1 cem Rotlaufscrum + 0,1 cem Rotlaufkultar
b) 4 0,5 „ ?, + 0,1 „
c)4 0,1 „ m +0,1 ,
Nach 2 Monaten werden 0,5 cem Rotlauf kultur injiziert: Die Tauben der
Reihe a und b sterben binnen 3—4 Tagen, die der Reihe c bleiben am Leben.
IX. a) 4 Tauben erhalten 0,1 cem Rotlaufserum + 0,01 cem Rotlauf kultur
b)4 . - 0,01 „ „ +0,01 „
c) 4 „ 0,001 „ „ + 0,0i r
Nach 2 Monaten Injektion von 0,5 cem Rotlaufkultur: Die Tauben der
Reihe a sterben binnen 4 Tagen, die der Reihe b und c bleiben am Leben.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß der Grad und
die Dauer der erlangten Resistenz von dem Verhältnis
— 359 -
zwischen Serum- uud Kulturmeuge abhängt. Je weniger
Serum gegeben wird, eine um so bessere aktive Immunität
entsteht.
Diese in den vorangehenden Versuchsreihen gesammelten
experimentellen Ergebnisse erklären die verschieden lang andauernde
Resistenzerhöhung, die die Rotlaufschutzimpfimg in Gestalt der
Simultanmethode bewirkt. Das Beste wäre eine zweimalige Impfung,
wie diese in Frankreich immer ausgeführt wird. Damit wird die
Resistenzerhöhung zu einer zweckentsprechenden. Bei der ersten
Impfung, bei der Serum und Kultur eingeimpft werden, entsteht je
nach der Wertigkeit des Serums und der Virulenz und Menge der Kultur
eine verschieden hohe Resistenz, wobei auch die Individualität des
Organismus wohl eine Rolle spielt. Bei der zweiten Impfung, die
12—14 Tage nach der ersten erfolgt, und bei der lediglich Kultur
injiziert wird, tritt die Leistung des Organismus in den Vordergrund :
So entsteht eine erhöhte, bis einjährige Resistenz der Impflinge. Bei
der Simultanmethode handelt es sich zunächst um eine mehr vor-
übergehende Steigerung der natürlichen Widerstandsfähigkeit, wie
sie auch durch verschiedenartige andere Reize, freilich verschieden
stark, hervorgerufen werden kann (so z. B. auch durch schwache
Immunsera, normales Serum, Bakterien anderer Art usw.). Die
Resistenz steigert sich bei der Applikation von hochwertigem Serum
und sehr virulenter Kultur in bezug auf ihre Dauer und Intensität.
Wer oft Versuche an Schweinen mit Rotlauf durchgeführt hat,
dem ist bekannt, daß es Schweinerassen gibt, die sich gar nicht
mit Rotlauf infizieren lassen, ferner daß es einzelne Individuen
empfänglicher Rassen gibt, die selbst 0,5 ccm Kultur ohne Schaden
vertragen, und daß andererseits manche Individuen äußerst empfäng-
lich sind. Bei keiner anderen Tierseptikämie spielt Alter, Rasse
und Individualität eine so große Rolle wie bei der Rotlaufseptikämie.
Bei der gegen Rotlauf jetzt angewandten Simultan-
methode scheint es sich mir im wesentlichen um eine Art
passiven Impfschutzes zu handeln, der hier zwar eine
beträchtlich erhöhte Resistenz bedeutet, eine Resistenz,
die aber nicht mit derjenigen zu vergleichen ist, die durch
reine aktive Immunisierung erzeugt wird.
Prag, Oktober 1906.
(Aus dem Physiologischen Institut der veterinärmedizinischen
Fakultät der Universität Zürich.)
Zur Theorie der Hämolyse.
(Mit Berücksichtigung der veterinärmedizinisch wichtigen Verhältnisse
nnd der vergleichenden Pathologie.)
Von
Dr. Walter Frei
in ZOrich.
(Schluß.)
IV. Die Gesetze der Hämolyse.
Wenn bei der Hämolyse nicht die Kriterien einer chemischen
Reaktion zu finden sind, können wir sie auch nicht als chemische
Reaktion ansprechen.
Die hier in Betracht kommenden Gesetze chemischer Reaktionen
aber sind die folgenden:
I. Gesetze der Reaktionsgeschwindigkeit.
a) Einfluß der Konzentration der reagierenden Stoffe. Die
Reaktionsgeschwindigkeit ist proportional dem Produkt der
Konzentrationen beider Stoffe (bimolekulare Reaktion, Ost-
wald1) oder dem Produkt der aktiven Mengen (Bredig2).
ß) Einfluß des Aggregatzustandes der Reaktionssubstanzen.
In einem heterogenen System ist die Reaktionsgeschwindigkeit
der Größe der Berührungs- oder Trennungsflächen der
Phasen proportional. Im übrigen ist sie auch von der
Konzentration an diesen Flächen abhängig, und diese
1) Ostwald, Grundriß d. allg. Chemie, 3 Auflage.
2) Bredig, Elemente der ehem. Kinetik, mit besond. Bern cks ich tigong
der Katalyse u. der Formentwirkung. Asher-Spiro, Ergebn. d. Pbysiolog.
I., S. 34, 1. Jalrg. 1902.
— 361 —
wiederum wird beeinflußt werden können durch die Diffusions-
verhältnisse. (Ostwald, S. 301 und 302, s. a. Xernst,
Brunner, 1(.K>4.)
y) Der Einfluß der Temperatur ist derart, daß durch Steigerung
um rund 10° die Geschwindigkeit mehr als verdoppelt wird
(im homogenen System).
n. Das Gesetz der konstanten multiplen Proportion.
Ad la in bezug auf die Hämolyse. Die Hämolyse ist eine
Reaktion im heterogenen System; aus diesem Grunde müssen
vor allem physikalische, hauptsächlich Diffusionsgesetze Geltung
haben.1) Die Phasen dieses Systems sind:
1. Flüssige Phase, d. i. die Suspensionsflüssigkeit, in der das
lösende Agens, Kristalloid oder häufiger noch Kolloid, enthalten ist.
Im letzteren Fall ist das System sozusagen doppelt heterogen.
2. Festflüssige, Kolloidphase = die Erythrozyten, deren
Außenzone wir als „koaguliert*', als Membran angenommen haben.
Soll das Volum der Blutkörperchen unverändert bleiben, so müssen
die zentrifugal und zentripetal auf die Hülle einwirkenden Kräfte
sich das Gleichgewicht halten (vgl. Kap. IL 1). Wie wir schon
sahen, können in vitro infolge Mangels eines entsprechenden osmo-
tischen Partialgegendruckes Ionen aus den Blntzellen in das Men-
struum hinausdiffundieren.
Es läßt sich schon a priori annehmen, daß die Reaktions-
geschwindigkeit mit der Konzentrationszunahme der beiden Reaktions-
substanzen oder der einen oder andern bei gleichbleibender absoluter
Menge zunehmen muß, da die Distanzen der aktiven Komplexe,
somit die Wanderungszeiten der sich bewegenden — und das werden
die kleinen Kolloidteilchen sein — kürzer werden. Die Ergebnisse
meiner Versuche über Verdünnung, d. h Konzentrationsabnahme der
Blutkörperchen sowohl als des hämolytischen Agens bestätigen dies:
1 ccm YioP1"02- Saponinlösnng + wachsende Mengen von KaCl
ülAl 0123456 7 8 9 ccm NaCl
1 ccm 5proz. Blutemuls. 17 <* 27 c* 35 ^ 58 58 62 78 Sek.
2 ccm Blutemulsion . . 62 78 93 112 136 167 173 180 Sek.
(Vgl. Fig. 7.)
l) Nernst, Zeitschr. f. physikal. Chem., 47, 52, 1904, dessen Schüler
Brunner ibid. S. 54.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 4/5. 24
— 302 —
Die Reaktionsdauer nimmt mit zunehmender Verdünnung zu.
d. h. die Reaktionsgeschwindigkeit wird geringer. Die Tabelle 8
zeigt, wie der Hämoglobingehalt der Flüssigkeit mit wachsendem
Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung zuerst rasch, dann aber
nur noch wenig abnimmt. In beiden Fällen existiert aber nicht
unmittelbare Proportionalität zwischen Verdünnung und Reaktions-
zeit, resp. zwischen Konzentration und hämolytischem Effekt.
Fig. 7.
4
so
in
70
60
50
1/
I,
30
w
10
* Z 3 t 5 6 7 S
ccm NaCl- Lösung.
Zeitkurve bei Verdünnung.
Bei II: Jeder Toil strich der Ordinate 2 Sek.
Tabelle 8.
% Hämoglobin nach
10 Min. 35 Min.
20 ccm Blut + 0,5 ccm
Sap. 1% . . .
. . 100 100
20 , „ +10 „
NaCl + 0,5 ccm .
30,2 37,1
20 „ „ +20 „
■ +0.5 „ . .
20,0 25,5
20 „ m +30 „
, +0,5 „ .
8,0 10,2
20 „ „ +40 „
„ +0,5 m .
5,5 6,2
20 „ „ +50 „
„ +0,5 „ .
(Vgl. Fig. 8.)
4,6
Nach diesen Befunden allein kann es noch nicht ge-
rechtfertigt sein, die Hämolyse eine physikalische Reaktion zn
nennen; denn die Resultate lassen sich noch mit der chemischen
— 363 -
Auffassung des Vorganges vereinbaren, wenn auch keine durch-
greifende Proportionalität besteht zwischen dem Produkt der
Konzentrationen und dem Effekt oder der Geschwindigkeit.
Ad I /*. Da die Hämolyse, wie schon hervorgehoben, in
einem heterogenen System stattfindet, müssen Diffusionsvorgänge
dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Geschwindigkeit der Hämo-
lyse ist zum weitaus größten Teil abhängig von der Geschwindig-
keit, mit der das hämolytische Kolloid zum Blutkörperchen hin,
und — sofern das überhaupt stattfindet, was wir heute noch gar
nicht sicher wissen — durch die Koagulationsmembran hindurch-
WO
40
Fig
.8.
y
\
\
\
\\
s
§ "
s
c 20
4
}
/
0
z
0
J
0
f
0
SO
Zusatz von physiologischer Kochsahlösung.
Verdünnung.
diffundiert, außerdem von der Zeit, die das Hämoglobin braucht,
durch die alterierte Hülle hindurch nach außen zu treten (s. u.).
Die Diffusionsgesetze sind folgende:
a) Die diffundierte Stoflmenge (hier lösendes Kolloid oder
Kristalloid, bzw. Hämoglobin) ist dem Wegquerschnitt direkt,
der Länge des Weges umgekehrt proportional (Ostwald I.e. 195).
b) Der Diffusionswiderstand wird durch die Reibung der diffun-
dierenden Teilchen (hämolytisches Kolloid an der Flüssigkeit, event.
an der Membran, Hämoglobin in der Membran und in der Außen-
flüssigkeit) repräsentiert, und diese ist dem Gesamtquerschnitt der
Teilchen einer gegebenen diffundierenden Menge proportional, muß
also mit der Kleinheit der Teilchen zunehmen (Ostwald).
c) Die Temperatur begünstigt die Diffusion. (Näheres läßt sich
für Kolloide nicht sagen.)
Die Diffusionsgeschwindigkeit endlich ist außer dem Wider-
stand vom Diflusionsdruck abhängig, und zwar nimmt sie mit ihm
24*
— 364 —
zu oder ab. Der Diffusionsdruck aber ist proportional der Konzen-
tration des diffundierenden Stoffes, nimmt also stetig ab im Ver-
lauf der Diffusion, indem immer mehr Teilchen weggehen. Die
Diffusionsgeschwindigkeit ist also im Anfang des Prozesses am
größten und nimmt dann ab, wenn der wegdiffundierende Stoff
nicht ständig ersetzt wird. Dies muß nun auch für das hämo-
lytische Kolloid und das Hämoglobin gelten.1)
Zu a und b ist außerdem noch folgendes, auf die Hämolyse
bezügliche zu bemerken:
Da die Weglänge für die nahe bei einem Blutkörperchen ge-
legenen Kolloidteilchen kleiner, die Zahl der letztern aber bei hoher
Konzentration des hämolytischen Kolloids groß ist, muß eo ipso die
diffundierte Menge derselben, also die hämolytische Wirkung bei
Konzentrationserhöhung des lösenden Kolloids, größer werden.
Erhöhung der Viskosität einer Flüssigkeit erhöht den Wider-
stand für diffundierende Kristalloide kaum, auch Eintritt derselben
in die Kolloidhülle der Erythrozyten nicht. Anders die hämolyt.
Kolloide. Ein Eindringen derselben in die Membran ist nicht un-
wahrscheinlich, da Kolloide andere gern absorbieren. Dadurch er-
fährt aber der Diffusionswiderstand eine ganz eminente Steigerung.
Eine erhebliche Komplikation der Diffusionsverhältnisse bedingt
die Eigenbewegimg der Blutkörperchen (vgl. Bredig, Zeitschr. für
Elektrochem., Nu. 32, 1906), ein Umstand, der bis heute nicht berück-
sichtigt wurde bei den Untersuchungen über den quantitativen Ver-
lauf der Absorption des Hämolytikums und des Austretens des Farb-
stoffes. In relativ kurzer Zeit senken sich die Blutkörperchen, der
Schwerkraft folgend, wodurch ihre Verteilung im Medium ungleich-
mäßig wird. Sie bleibt nur in hohen Tuben (wie wir sie immer
verwendeten) in einer relativ großen Mittelzone gleichmäßig.
Bei einem Sinken um die Höhe ihres Durchmessers kommen
die Blutkörperchen, besonders bei den gewöhnlich angewendeten
niedrigen Konzentrationen, 5—10proz. Emulsion, mit einem neuen,
ihrem Inhalt entsprechenden Volumen neuer hämolyt. Lösung in Be-
rührung, und so bei jedem weiteren Sinken in der ersten Zeit. Wie-
vielmal die umgebende Konzentration erneuert wird, kann man sich
erst vorstellen, wenn man bedenkt, daß sie durch Sinken um 1 mm
l) Vgl. Nernst, Zeitschr. f. physik. Chera. 47, 52 1904. Brunner,
ibid. S, 54.
- 365 —
ca. 200mal ihr Volumen an umgebender Flüssigkeit verdrängen und
an Hämolysin erschöpfen können.
Von Wichtigkeit ist das Verhältnis der Fallgeschwindigkeit der
Erythrozyten zur Schnelligkeit, mit der sie das lösende Agens ab-
sorbieren. Ist die erstere, verglichen mit der letzteren, sehr gering,
so kann die ganze zur Lösung ausreichende Lysinmenge von den
Körperchen noch ganz im Anfangsstadium des Sinkens absorbiert
werden. In diesem Fall sind die Absorptionsverhältnisse auch des-
wegen günstige, gleichmäßige, weil das Körperchen nur eine kurze
Strecke durchlaufen kann und also nicht in viel tiefere, an Lysin
— durch vorher hier passierte Blutkörperchen — verarmte Schichten
kommt. Unter denselben günstigen Bedingungen vollzieht sich die
Abdifihsion des Hämoglobins, weil das Blutkörperchen in hämo-
globinärmere Zonen fallt.
Ist aber die Fallgeschwindigkeit im Vergleich zur Absorptions-
schnelligkeit groß, so werden sich viele Blutkörperchen in der unteren
Portion des Gefäßes ansammeln, während immer noch Absorption
stattfindet; dadurch muß es zu Verarmung des Mrdiums an Kolloid*
teilchen kommen, d. h. die Absorptionsverhältnisse werden ungünstig.
Ebenso wird die AbditFusion des Farbstoffes in diesen tiefen Schichtet!
gehindert sein, weil das relativ geringe Quantum an Zwischenflüssig-
keit bald mit demselben gesättigt ist.
Zwischen diesen angedeuteten Grenzfallen gibt es natürlich
eine ganze Reihe von räumlichen und zeitlichen Variation?«,
Zieht man noch in Erwägung, daß die Dep<miersdmetligkeit
der Zellen abhängig ist von ihrem spez. Gewicht, und ihrem Vulumen,
sowie vom spez. Gewicht der Suspensionsflüssigkeit, und daß beide
spez. Gewichte durch Veränderungen des Kolloidgehaltes (z. R durch
gegenseitigen Kristalloidaustausch) variiert werden können, so sieht
man ein, daß die Bewegung der Blutkörperchen von ganz wesent-
lichem Einfluß auf den Verlauf der Hämolyse ist, ] )
Der Angriff des lytischen Agens richtet sich also gegen die
Membran der Blutkörperchen, d. h. er findet in einer Fläche statt.
Der Einfluß dieser Fläche auf die Reaktionsgeschwindigkeit wird
von folgenden Faktoren abhängig sein:
') Auch elektrische Ströme dürften bei diesem Falle entstehen wie in
Mastixemulsionen. Vgl. Quincke, Pogg. Ann. 107. 1. 1859 110. W> m>0;
Drud. Ann. 7. 63. 1902.
— m -
1. Von der Größe der Fläche. Je größer die Fläche, desto
mehr Kolloidteilchen werden auf derselben angreifen können. Ton
zwei gleichen Volumina verschieden großer Blutkörperchen müssen
also die kleineren rascher von demselben Lösungsmittel zerstört
werden, weil ihre .Oberflächensumme größer ist als die der größeren.
Experimentell läßt sich dies aber nicht nachweisen, weil Blut-
körperchen verschiedener Größe auch verschiedenen Tierarten an-
gehören, und man deshalb die raschere oder langsamere Auflösung
derselben nicht allein auf ihre Größe, sondern auch auf ihre
Membranresistenz zurückfahren muß.
2. Vom Krümmungsgrad der einzelnen Flächen, der mit
ihrer Summe wächst, d. h. der Krümmungsradius wird kleiner.
Wie Kauf ler1) gezeigt hat, ist die Konzentration in einer Zelle
immer größer als im Außenraum, und zwar ist die Differenz der
Konzentrationen auf der konkaven und konvexen Seite der Trennungs-
fläche um so größer, je stärker der Krümmungsgrad dieser letzteren
ist. Diese Konzentrationsdifferenz muß aber notwendigerweise die
erwähnte elektrische Doppelschicht und damit die kolloidale Membran
beeinflussen. Bringt man ein gegebenes Volumen roter Blutkörperchen
in eine Salzlösung, für deren eine Ionenart die Membran intra-
permeabel ist, so ziehen, nach Eintritt der Ionen in das Körperchen,
dieselben H20 an und werden demnach größer.2) Damit wächst
die Oberflächensumme, und der Krümmungsradius wird größer.
Hand in Hand damit geht die Verminderung der Konzentrations-
differenz von innen und außen mit den eben erwähnten Folgen.
Ad I /. Den Einfluß der Temperatur auf die Reaktions-
geschwindigkeit zeigt folgender Versuch (Tab. 9).
Die Geschwindigkeit ist also tatsächlich bei höherer Tempe-
ratur größer, aber anfangs erheblich mehr als verdoppelt bei Erhöhung
um 10°. Dann aber existiert ein Temperaturoptimum bei 37—40°.
wie bei den Fermentreaktionen. Diese Tatsachen sprechen sehr
gegen die chemische Natur der Reaktion.
Noch deutlicher spricht gegen die chemische Natur der Re-
aktion das Nichtgelten des Gesetzes der konstanten multiplen Pro-
portionen (Tab. 10).
l) Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch., Wien. Math. nat. KI.
Bd. 43, 686. 1902.
,J) Koeppe, Hamburger 1. c.
— 367 —
l ccm Blut + 1 ccm l/10proz. Saponinlösung 1ji Stunde im
Wasserthennostaten, dann ^ Stunde bei annähernd gleicher Touren-
zahl zentrifugiert Die Daten des Hämoglobins sind die Mittelzahlen
von je vier Parallelbeobachtungen.
Tabelle 9.
Temperatur
Hämoglobin
Temperatur
Hämoglobin
%
100
15°
20°
25°
9
21
40
67
80°
87°
45°
65
86
76
Tabelle 10.
Hämoglobin nach
Handeblut
NaCl
Sap. l°/oo
8-10 Min.
85 Min.
(andere Serie)
40
8,75
0,25
2,7
4,2
40
8,5
0,5
6,5
IM
40
8,0
1,0
13,6
42,8
40
2,0
2,0
54,0
75,0
40
1,0
3,0
100,0
100,0
40
0,0
4,0
100,0
100,0
Bilden z. B. 0,5 ccm Saponin mit einer gewissen Menge Blut
eine Verbindung, der 6,7 Hämoglobin entspricht, so müßten sich
2 ccm Saponin mit der vierfachen Blutmenge verbinden und auch
die vierfache Hämoglobinmenge liefern. Dies ist aber nicht der
Fall. Dasselbe geht hervor aus den Versuchen von Cemovodeanu
und Henri1) mit Hundeserum und Huhnblut (letzteres immer in
derselben Quantität angewandt. Die doppelte Menge Serum ver-
bindet sich nicht mit dem entsprechenden Vielfachen des Blutes,
sondern mit ganz verschiedenen Multipeln:
Nach Nach Nach Nach
36 Min. 76 Min. 107 Min. 200 Min.
0,5 Herum 10,0 19,5 23,6 29,0 Hämogl.
1,0 „ 66,6 78,5 &">,0 90,0
») Comptee rendue Soc. Biol. 1905, Nr. 2.
— 368 —
Ehrlich und Morgenroth1) geben an, daß die Blutkörperchen
viele Multipla der Hämolysindosis aufnehmen können, die zur Auf-
lösung genügen würde. Wäre die Hämolyse eine chemische Reaktion,
so müßte fraktionierter Zusatz der reagierenden Stoffe das End-
resultat unverändert lassen. Wir werden aber später noch sehen,
daß die Art und Weise des Zusatzes von ganz -erheblichem
Einfluß auf das Endresultat ist. — Aus alledem ergibt sich,
daß die Hämolyse keine rein chemische Reaktion sein kann, d. h.
das uns heute ajn diesem Vorgang Bekannte ist nur physikalischer
Deutung zugänglich. Weiter unten werden wir erfahren, daß sich
aus der Kolloidnatur der Reaktionssubstanzen ganz befriedigende
Erklärungen herleiten lassen.
Nachdem Zangger2) als erster auf die Kolloidnatur der Anti-
körper hingewiesen, begannen die Angriffe auf die Immunitäts-
probleme mit den Waffen der physikalischen Chemie (Kolloide)
durch Biltz, Landsteiner, Pauli, Neißer und Friedemann,
Bechhold, (iengou, Henri und seine Mitarbeiterinnen, Girard-
Mangin undCernovodeanu.
Im Jährte 1904 begann ich meine Versuche über Agglutination
und Hämolyäe mit den verschiedensten Kolloiden: Kieselsäure,
Gelatine, Stärke, Lezithin- und Kolophoniumemulsionen, BaS04-
Suspensionen,' Eisenhydroxyd, mit verschiedenen kolloidalen Metallen
(die ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Castoro verdanke)
Au, Pt, Ag, Hg, Fe, Os, ferner mit einigen Seren. Ä)
In demselben Jahr teilten Landsteiner und Jagic mit, daß
•hämolytische Ambozeptoren sich durch kolloidale Kieselsäure ersetzen
lassen,4) und daß Kieselsäure + Lezithin eine hämolytische Kom-
bination gibt/') ferner Gengou:ß) Suspensionen von BaS04 und
CaFl2 in isotonischer Lösung bewirken Hämotyse, und Henri7) er-
l) Berl. kliu. Wochenschr. 1901, Nr. 10.
a, Zentralbl. f. Bakt. 84, Nr. 5, 1905. Antrittsrede 1902, Schw. Aren. f.
Tierheilkunde 1903, S. 1.
3) Einige Neuergebnisse der Versuche des Jahres 1904, die zumeist
Vor-, Probe- und Kontroll versuche waren, sind kurz in meiner Arbeit über
Kolloide, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1905, Nr. 21, erwähnt. (Vgl. Referat
Zentralbl. f. Bakt. (Referate) 1905, 36, 234.
4) Wien. klin. Wochenschr. 1904, Nr. 3.
5) Münch. med. Wochenschr. 1904, Nr. 27.
6) Oomptes rendus Acad. Sciences, April 1904.
7) Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Nr. 5.
— 369 -
zeugte Hämolyse durch kolloidales Eisenhydroxyd. Die meisten Ver-
suche wurden von mir nachgeprüft und richtig befunden. Systematische
und quantitative Untersuchungen auf physikalisch*chemischer Basis
wurden dann von Henri, Zangger und mir ausgeführt, deren für uns
hier wichtige Ergebnisse ich nach erwähnten Gesichtspunkten anführe.
Hämolyse durch ein Kolloid allein mit einer Blutkörperchensorte.
Ad- oder Absorption eines Sols durch eine kolloidale
Membran. Die Reaktionskurve. Der Reaktionsverlauf setzt
sich nach Zangger aus mindestens fünf zeitlichen Komponenten
zusammen:
a) Absorption der lytischen Stoffe durch die Erythrozyten ;
b) Konzentrationsverschiebungen an der Oberfläche;
c) Nachdiflusion zu und in die Körperchen (oder Membran)
hinein;
d) die noch unbekannte Lösungs Wirkung;1)
e) Diffusion des Hämoglobins:
Diffusion im Körperchen bis an dessen Oberfläche,
Diffusion vom Körperchen weg in die Flüssigkeit
a, b und c sind Diffusions- oder analoge Vorgänge, die den
erörterten Gesetzen folgen, a ist eine gewisse Latenzzeit, die sich
an der eigentlichen Kurve nicht beteiligt und die abhängig ist von der
Natur der Körperchen und der lytischen Substanz. Sie repräsentiert
die Absorptionszeit der ersten und größten Lysinmengen (vielleicht
der gesamten Menge). Das Hämolysin des Hundeaentms wird von
Pferdeblut rascher absorbiert als von Huhnblut, nämlich in den ersten
fünf Minuten, von letzterem in den ersten zehn Minuten (Cerno-
vodeanu und Henri)2); Saponin wird von Hundeblut zum größten
Teil in der ersten Minute schon absorbiert (Zangger;s). Nach der
Latenzzeit erfolgt der Austritt des Farbstoffes, und zwar am An-
fang mit Macht, nachher langsamer, so daß sich der Kurvenverlauf
der Abszisse (Zeitachse) nähert. (Fig. 9 und 10.)
l) Die Lösung ist die Zerstörung der koll. Membran durch ein Kolloid
und ähnelt der Verdauung koagulierter Eiweißstoffe durch Fermente oder der
Peptisierung von Gelen. Sollten aber, was allerdings durch den Koltouteu-
stand der beteiligten Körper unwahrscheinlich gemacht wird, auch chemische
Vorgänge stattfinden, so kann dies nur in dieser Phase möglich »ein.
') Comptes rendus Soc. Biol. 1905 Nr. 11.
3) Comptes rendus Soc. Biol. 1905 Nr. 13^
— 372 -
15.
Tabelle 11.
Februar 1905. Temperatur 31°.
Blk. Hund
Saponin
Hämogl
ob i n
lOproz.
17.«
nach
ccm
| ccm
1
90-
-95 Min. |
200 Min.
40
+ 0,5
5,2
5,7
20
• + 0,5 + n. 2 Min.
20 Blk. Hd.
3,5
4,0
10
, + 0.5 + n. 2 „
30 „ „
77,5
100,0
40
+ 0,1 +n. 10 ,,
0.4 Sap.
3,5
4,3
40
+ 0,25 + n.l0 „
0,25 „
2,3 |
2,6
40
20
10
20
10
Temperatur 37°.
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
+ n.
+ n.
+ n.
+ n.
1 Min. 20 Blk.
1 „ 30 „
2 ,, 2) „
2 „ 30 „
25-80 Min.
75 Min.
37,5 ;
45,4
Hd.
25,4
27,7
»♦
71,4 i
100,0
?'
57,7
65,2
»
55,5
68,1
Tabelle 12.
17. Februar 1905. Temperatur 31,4°.
Blk. Hund
Saponin
Hämoglobin
lOproz.
1 °
1 ÜÜ
nach
ccm
com
15 Min.
40
+ 0,5
5,0
20
+ 0,5 +
n.
1 Min.
20 Blk. Hd.
5,0
20
+ 0,5 +
n.
1 „
20 NaCl
5,5
10
+ 0,5 +
n.
1 „
30 Blk. Hd.
19,6
10
+ 0 5 +
n.
1 „
30 NaCl
38,0
20
+ 0,5 +
n.
2 „
20 Blk. Hd.
6,0
Tabelle 18.
Blk. Hund
lOproz. !
ccm
Hämoglobin
nach
I
81°. 1 0°.
40
40
40
40
+ 1 gtt. Sap. + n. 20 Min. 9 gtt.
+ 5 „ „ +H.20 „ 5 „
r S „ „ +n.20 „ 2 „
+ 10 „ .,
40 Min.
24,4
21,2
26,3
34,2
100 Min. i 12 Stdn.
35.3 1 72,0
25,2 54,5
85,6 I 66,6
43.4 92,3
— 373 —
08
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^
— 374 —
auf einer beschränkten Anzahl derselben, die aber dann eben voll-
ständig gelöst wird.
Cernovodeanu u. Henri1) machten weiter folgendes Experi-
ment mit Huhnblut und Hundeserum (da mir die Zahlen nicht mehr
zur Verfügung stehen, gebe ich die relativen Verhältnisse mit Buch-
stabeD- Resultat nach 250 Min :
0,25 Ser. 0,5 Ser. 1,0 Ser.
1. Tubns: 40 ccm Blut + Serum a b c
2. „ 20 ccm Blut 4- Ser. + n. 10 Min. 20 ccm Blut >a = a' >b = b' c
3. „ lOccm Blut -f Ser. 4-n.lOMin. 30ccmBlut >a' >b' <c
natürlich ist a <r b < c.
Die Autoren geben folgende plausible Erklärung: In den
Tuben 2 und 3 wird das Serum (0,25 und 0,5, Tub. 3 mit 1,0 Serum
nimmt eine Ausnahmestellung ein) weniger verdünnt durch die
erste Fraktion von 20 und 10 ccm Blut, weshalb die Absorption
des Hämolysins rascher erfolgt, und nach meiner Meinung wäre
noch hinzuzufügen, daß in Tub. 3 eine stärkere Kondensation der
Kolloidteilchen statthat als in 2 und 1.
Quantitätsvariationen der Reaktionssubstanzen.
1. Ein Kolloid und eine Blutart,
Es existiert keine direkte Proportionalität zwischen Saponin-
menge und -Wirkung; es läßt sich vielmehr eine optimale Partie
konstatieren zwischen 0,5 und 1,0 ccm Saponin (Tabelle 16), wo
Tabelle 16 (vgl. Fig. 11).
17. März 1905.
10 ccm Huhnblut + V10promill. Saponinlösung. Temperatur 89°.
Saponin
Hämoglobin
ccm
0/
/Ü
%
%
nach 80 Min.
nach 65 Hin.
nach 90 Hin.
■3 « 0'1
—
2,5
2,9
* 8. 0,2
1,9
2,5
3,0
§* ß 0,5
2,4
3,0
3,3
7?5
. 3,8
13,6
3 'S & °>75
33,3
42,8
50,0
£ I ^
66,6
75,0
86,0
+ " 2,0
100,0
100,0
100,0
*) Comptes rendus 8oc.*Biol. 1905. No. 5.
- 375 -
Tabelle 17.
1. Fobruar 1905. Temperatur 31°.
Hunde-
NaCl
Saponin
Hämoglobin nach
blut
17»
8-10 H.
1 85 M.
90 M.
210 M.
cctn
rem
cem
%
0/
0/
/o
%
8,75
0,25
2,69
3,7
4,18
3,5
0,5
6,52
7,89 8,35
8,69
40 |
3,0
1,0
13,63
18,74
21,43
21,43
5 Tage aH
2,0
2,0
54,09
63,16
85,71
85,71
1,0
3,0
100,0
—
—
—
0,0
4,0
100,0
—
—
—
/
3,75
0,25
3,94
4,21 - 4,84
8,33
3,5
0,5
13,33
14,28 1 14,63
16,21
40
3,0
1,0
37,5
42,85 ! 46,1
50,0
Sai-iniv 3,
2,0
2,0
60,0
75,0 ' 75,0
—
Kftrp^rrhnn ! Tag**
1*0
3,0
100,0
100,0 ' 100,0
100,0
>
0,0
4,0
100,0
100,0 1 100,0
100,0
23,75
0,25
4,81
5,22
6,8
6,39
1
23,5
0,5
6,8
7,22 ! 8,0
8,1
20
23,0
1,0
23,0
25,0 : 27,27
27,27
22,0
2,0
60,0
75,0 .92,8
100,0
21,0
3,0
92,3
100,0 ; 100,0
100,0
20,0
4,0
92,3
100,0 j 100,0
100,0
40
3,75
0,25
16,34
20,0 , 23,6
—
40
3,5
0,5
30,91
36,17
42,5
—
40
3,0
1,0
56,6
68,0
68,0
—
20
23,75
0,25
9,52
10,53
13,24
27,02
20
23,5
0,5
34,48
4444
54,05
62,5 :
20
28,0
1,0
52,63
86,95
1000
100,0
10
33,75
0,25
8,7
10,1
11,1
14,5
K6rp*rrhen .",
10
33,5
0,5
23,4
31,5
38,3
44,2 ,
Saponin t Tage alt
10
33,0
1,0
53,5
76,6
82,1
88,4
20
23,75
0,25
11,6
14,0
15,9
60,5
20
23,5
0,5
30,2
35,3
40,3
46,0
20
23,0
1,0
79,3
88,4
100,0
100,0
gleiche Saponinzunahme eine weit größere Effektsteigerung bedingt
als unter- oder oberhalb dieser Menge. Da wir wissen, daLi auch bei
der Agglutination (Henri u. Girard-Mangin)1) und Präzipitation
l) Comptes rendus Soc. Biol. 1904. T. 56, 931.
376
(Neißer u. Friedemann1), beim Ausflocken kollodialer Lösungen
(Biltz)2) optimale Mengen gefunden werden, kann uns diese Er-
scheinung nicht befremden, da sie eben auch eine Kolloidfunktion
ist. Es ist auch nicht verwunderlich, daß sich aus den Versuchs-
ergebnissen von Cernovodeanu u. Henri3) ganz ähnliche Kurven
herstellen lassen (Fig. 12).
Fig. 11.
80
60
\*
zo
0,10,10,5 0,5 0,75 1
Sapontn.
Die Blutkörpcrclicnmciigc ist konstant.
2. Ein Kolloid und zwei Blutarten.
Die Totalhämolyse ist geringer als die Summe der Partial-
hämolysen (Cernovodeanu u. Henri4):
in 21 Min.
20 ccm Huhnblut + 20 ccm NaCl -f 0,7 ccm Serum . . 46 Hb.
20 „ Pferdeblut + 20 „ „ 22 Hb.
20 „ „ +20 ccm Huhnblut + 0,7 ccm Serum . . 49 Hb.
») Mttnch. med. Wochensch. 1901. Nr. 11 u. 19.
2) Ber. d. deutschen ehem. Ges. 1904. 37. Nr. 5.
3) Comptes rendus Soc. Biol. 1905. Nr. 2.
4) Comptes rendus Soc Biol., 1905, Nr. 11, und Comptes rendus Acad.
Sciences, Mai 1905.
— 377 —
In dieser interessanten Erscheinung sehen die Autoren, nicht
ohne Berechtigung einen Beweis gegen die Pluralität der Serum*
hämolysine; zur vollen Entscheidung aber hätten spezifische Ab-
sorptionsversuche in der Kälte gemacht werden sollen. Erinnern
wir uns daran, daß zum Zustandekommen eines gewissen hämo-
700
Fi«
. 12.
80
1
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1
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0,7t
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Hundeserum.
Bei gleichbleibender Menge der HuhnblutkÖrpercht'ii.
(Nach Henri, Comptes rendus Soc. Biol. 1905, Kr. l-.i
lytischen Effektes eine bestimmte Kondensationsrlidtte der Kolloid-
teilchen auf den zu lösenden Blutkörperchen (Schwellenwert) not-
wendig ist, so erscheint uns das Phänomen, dalS das Resultat bei
der gemeinschaftlichen Lösung zweier Blutarten geringer ist als
die Summe der Partialhämolysen, erklärlich; denn die in allen drei
Fällen gleiche Serummenge muß sich im dritten Fall auf zu viel
Blutkörperchen verteilen. Die Erscheinung hat Ähnlichkeit mit
Zanggers Experiment, wobei statt zweier verschiedener Blutarten
zwei gleiche Fraktionen derselben Blutart verwendet wurden, und wo
bei Anwendung beider Fraktionen auf einmal das Resultat das-
selbe war, wie wenn statt einer Fraktion Na Ol zugesetzt wurde.
Zeitschrift fllr Infektionskrankheiten. II, 4,5. -■'
— 378 —
Kurve 13 zeigt den Effekt bei Fraktionierung, wobei die zweite
Fraktion aus einer andern Blutkörperchensorte besteht.
8. Konibinätionswlrkuiigeii zweier Kolloide.
Einiges, was besser in jenem Zusammenhang gesagt wird, das
man auch hierher rechnen könnte, findet sich im vorigen Kapitel
unter „Aktivatoren" und „Hemmungen".
Das bekannteste Beispiel des Zusammenwirkens zweier Kolloide
ist die Kombination Ambozeptor-Komplement. Es sind Kolloide ver-
schiedener Empfindlichkeit und — nach Difiundierbarkeit — ver-
schiedener Teilgröße, sie zeigen die Eigentümlichkeit, daß sie ge-
wöhnlich getrennt sind im Serum und nur dann zusammenwirken,
Fig. 13.
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%
ts
Minuten,
Konstante Mengen von Saponin und Hnndeblnt Nach verschiedenen Zeiten (Abszisse)
wird jeweils dieselbe Menge des viel empfindlicheren Huhnblutes beigegeben als
Indikator für die Absorptionsgeschwindigkeit des Saponins.
wenn eben ein anzugreifender Stoff vorhanden ist. Blutkörperchen
können von ihnen ganz verschiedene, zur Auflösung genügende Mul-
tipla aufnehmen. Dies spricht dafür, daß wir es mit Absorptions-
erscheinungen zu tun haben, wie speziell bei Kolloiden.
Im ersten Kapitel haben wir gesehen, daß es nicht gleichgültig
ist, mit welchem Serum man ein inaktiviertes Serum reaktiviert,
Hundeserum löst Meerschweinchenblut. Meerschweinchenserum und
Pferdeserum reaktivieren inaktives Hundeserum. Findet die Akti-
vierung durch Pferdeserum statt, so ist zur Auflösung einer be-
stimmten Meerschweinchenblutmenge eine sechsmal größere Quantität
— 379 —
von Hundeserum erforderlich, als wenn man mit Meerschweinöhen-
serum aktiviert. Das ist eigentlich zu erwarten; denn die Serum-
antikörper (Alexine) von Pferd und Meerschweinchen sind zwei art-
verschiedene Kolloide und müssen deshalb auf die mit Hundeserum
sensibilisierten Blutkörperchen vom Meerschweinchen verschiedene
Wirkung zeigen.
Wie bereits erwähnt, gibt Ochsenserum mit Pferdeserum einen
Pferdeblut lösenden Kolloidkomplex, während eines der beiden Sera
allein wirkungslos ist. Die Wirkung ist fünfmal stärker, wenn die
Mischung einige Zeit vor dem Gebrauch stattfindet. Da Kolloide,
besonders diejenigen des Serums, sehr temperaturempfindlich sind —
die Viskosität des Serums nimmt mit dem Erwärmen sehr wenig
Fig. 14.
50
*0
| 30
I m
10
T
W
^*
TT
ILs*
^
Hundegcntm
0,6 cvm.
0,4 ec»U
Ruhnaermn
allein*
0,5 0,75 1
Huhnserum.
f,5
Seromkombinationen.
Die Effektoteigernng mit zunehmender Menge des Hahnserums bei konstanter Menge
des Hundeserums ist nicht bei allen Kurven gleich groß. Wie IV zeigt, kimu der
Grad der Hämolyse mit zunehmender Menge des Huhnsemma aogar abnehmen«
zu, bis es opaleszent wird, die Kolloide desselben werden instabiler,
so daß sie durch Eisenhydroxyd leichter ausgefällt werden1) - ist,
wie zu erwarten, die Kombination unwirksam, wenn eines der beiden
Seren auf 55° erwärmt wurde. Die Funktion des Zustande* der
Seren bei der gegenseitigen Einwirkung auf einander und auf die
Körperchen ist evident. Versetzt man eine Mischung von zwei Air
l) Mayer, Henri und Ccrnovodeanu, Comptes renchiB Sog. Biol.
1905, No. 18. (Vgl. Biltz, Freundlich, 1. c.)
— 380 —
zwei verschiedene Blutarten hämolyt. Seren mit einer der beiden
Blutsorten im Überschuß, so ist die Mischung nachher für die andere
Blutart unwirksam.1) Unter Außerachtlassung der Spezifität haben
die Körperchen eben die Hämolysine der beiden Sera gewissermaßen
als ein komplexes Kolloid absorbiert.
Quantitative Untersuchungen mit Serum — oder Kolloid-
mischungen — machten Cernovodeanu und Henri (s. o.) und
Fig. 15.
0,3
Rundeserum.
Scramkombinationen.
I. Hundeserum allein.
II. 0,5 ccm Hiihn.seriun.
III. 0,75 „ „
(FiffK* 13 u. 14 nach den Zahlen von Cernovodeanu u. Henri.)
IV. 1,0 ccm Huhnacrnin.
V. 1,5 .,
fanden, daß die Wirkung einer Mischung zweier hämolytischer Seren
stärker ist, als die Summe der Partialwirkungen der beiden Seren
allein. 20 ccm Pferdeblut + 0,5 ccm Hundeserum — 11,8 Hb.
20 „ „ + 1,0 „ Huhnseruin -= 11,1 „
20 „ „ 4- 0.5 „ Hundeserum
+ 1,0 „ Huhnserum ?= 57,1 „
!) Bordet, Ann. Pasteur 1901, zit. n. v. Dungern, rDie Antikörper*.
— 381 —
Tabelle 18.
1. März 1905. Temperatur = 29°.
°'0 Hämo-
globin
nach
80 üb.
nach
1251».
80,2
100
47,3 i 49,3
nach 1
55 üb. !
26,6
45,8
90,0
91,6
47,1
86,8
91,6
40 ccm Pferdeblut + 0,25 ccm Sap. + 0*5 Na.taur. lproz.
gleich nach einander
40 ccm Pferdeblut + 0,5 ccm Na. taur. + 0,25 ccm Sap. ,
30 ccm Hundeblut + 0,5 ccm Na.taur. '
30 „ „ +0,5 „ Na.tch. + n. 10 Min. 0,12 Sap.
30 „ „ +0,12 „ Sap. + n. 10 Min. 0,5 Na.tch. .
30 „ „ +0,5 „ Na.tch. + 0,12 ccm Sap. . . .
10 Min. bei 30°
Tabelle 19.
1. März 1905. Temperatur = 29«.
Nach
25 Min.
Nach
60 Min.
Nach
120 Min.
/ 30 Hundebl. + 0,5 Na.taur + n 5 Min.
0,2 Sap.
10,0
11,4
13,1
1 30 „
+ 0,5
ji "*" »i 5 »
0,3
ii
12,5
18,5
25,0
'30 „
+ 0,5
11 * 11 ö „
0,5
ii
50,0
55,5
55,5
(30
+ 0.75
11 ' 11 Ö „
0,2
ii
11,9
14,3
{30 ,.
+ 0,75
»> ' 11 ö „
0,3
ii
16?1
20,0
21,7
'30 „
+ 0,75
ti • j» o „
0,5
II
20,0
31,3
(30
+ 0,5
i» • » ö „
0,3
1»
12,5
30 „
+ 0,75
» "" ti 5 )t
0,3
»1
16,1
'30 „
+ 1,0
ii *" ii " ii
0,3
tl
17,7
80 Hundeblut + 0,5 Na.taur
. .
5.1
5,6
Kontroll-
«ersuch
30
+ 0,75 „
.
8,6
8,3
8,77
30
+ 1,0 „
.
11,1
13,1
15,7
30
+ 0,2 Sap. .
8,9
10,2
11,1
lao
+ 0,3 „ .
50,0
50,0
50,0
Aus den Kombinationen verschiedener Serummengen von Huhn
und Hund auf Pferdeblut (nach Cernovodeanu und Henri, nach
deren Zahlen die nebenstehenden Kurven gezeichnet sind), ist zu
382 —
ersehen, das sich die Wirkungen nicht immer quantitativ addieren,
sondern daß in einzelnen Fällen Optima zu erkennen sind, dali
sogar Hemmungen zustande kommen (Fig. 15, V), wo also die
Kombination der Kolloide schwächer wirkt, als eine Komponente
allein. Das sind Erscheinungen, die durchaus als Parallelen schon
erwähnter Kolloidreaktionen zu betrachten sind.
Ich selbst machte Untersuchungen mit Mischungen von Saponin
und taurocholsaurem Natrium (Tab. 18 u. 19).
Zur Erläuterung der Kombinationswirkung von Xatriumtauro-
cholat und Saponin diene die Zusammenstellung der Hämoglobin-
werte in absteigender Reihenfolge mit den zugehörigen Mengen
der beiden. (Siehe Tabelle 20.)
Tabelle 20.
Na.taur. i
Sap.
Hämoglobin nach
2 proz.
1 promill.
25 Hin.
f -
0,3
50
0,5
0,5
50
l0,75
0,5
20
(1,0
0,3
17,7
a 0,75
0,3
16,1
10,5
0,3
12,5
0,75
0,2
11,9
1,0
—
11,1
0,5
0,2
10,0
-
0,2
8,9
0,75
—
8,6
0,5
—
5,1
Aus den Versuchen geht folgendes hervor:
Die Reihenfolge der Zusätze ist von Einfluß auf das End-
resultat, und zwar ist dasselbe größer, wenn das bedeutend stärker
lösende Saponin zuerst mit den Körperchen in Kontakt kommt
(Tab. 18). Schon hieraus läßt sich auf eine Hemmung des Saponins
durch Na. taurocholat schließen.
Die beiden hämolytischen Kolloide ergeben keine Mischung
(wie hämolyt. Seren), deren Wirkung größer wäre als die Summe
der Partialwirkungen, sondern in unsern Versuchen ist die Wirkung
der Kombination nicht einmal größer als der Eifekt, den die eine
Komponente, Saponin, allein zustande bringt.
— 383 —
Das taurocholsaure Na spielt eine zweifache Rolle. Bis zu
einer Menge von 0,5 ccm mit 0,3 ccm Saponin herab hemmt es;
die Hämolyse von 0,2 ccm Saponin aber fördert es quantitativ;
aber trotzdem erreicht hier das Resultat auch nicht die Summe
der Partialeffekte (nicht 8,6 + 8,0, sondern nur 11,9 und nicht
5,1 + 8,9, sondern bloß 10,0).
Die erwähnte Hemmung nimmt aber merkwürdigerweise mit
der Menge des Na-tch. nicht zu, sondern ab (Tab. 20a), indem sich
noch die Lösungsfähigkeit desselben geltend zu machen scheint.
Der zuerst herabgesetzte Lösungswert des Saponins wird also nach-
her durch das Na-tch. quantitativ gehoben.
Die Wirkungen von Kolloidmischungen bei zeitlich verschie-
denen Zusätzen zeigen nachstehende Ergebnisse von Cernovodeanu
ii. Henri (1. c).
a) Blutk. + Serum = 27,0 Hb.
b) „ 4- koll. Eisenhydrat =^ . 15,6 „
c) „ + Eisenhydr. + Ser. = 22,2 „
d) „ + Serum 4- Eisenhydr. = 6,7 „
e) „ + Serum + nach 10 Min. Eisenhydr. -^ . . . . 10,0 „
f) „ + Eisenhydr. + nach 10 Min. Serum = . . . . 27,0 „
g) Serum + Eisenhydr. nach 5 Min. Blutk. = Spur.
Die verschiedenen Phänomene werden von den Autoren fol-
gendermaßen erklärt:
c) Das Ferrihydroxyd fixiert sich auf den Körperchen; das
nachfolgende Serum wird ebenfalls absorbiert. Resultat: Beschleu-
nigung, verglichen mit b.
d) Das Serum (— Kolloid) gibt mit dem Eisenhydrat (+ Kol-
loid) einen Niederschlag, deswegen Verlangsamung.
e) Da das koll. Eisenhydroxyd 10 Minuten später zugegeben
wird, hat das Serum Zeit, sich zu fixieren; es kann deshalb vom
Eisenhydroxyd nicht oder nur teilweise gefällt werden, weshalb die
Hemmung weniger stark ist.
f) Das Hydroxyd sensibilisiert während zehn Minuten die Blut-
körperchen (vgl. das sonst hemmende Pferdeserum unter „Aktiva-
toren"); deshalb ist die Hämolyse sehr ausgiebig.
g) Die beiden Kolloide haben 2eit, sich vollständig auszufällen,
wodurch sie unwirksam werden.
Außerdem erkennen wir auch hier, daß die Reihenfolge der
Zusätze bedeutungsvoll ist.
ymm
— 384 —
Ein Rückblick auf die Kombinationswirkungen von zwei Kol-
loiden ergibt:
Kolloide können sich gegenseitig hemmen oder bei der Lösung
unterstützen, und zwar ist im letzteren Fall entweder keine der
beiden Komponenten imstande allein zu lösen (Beispiel: Ambo-
zeptor + Komplement, sowie die erwähnte pferdeblutlösende Mischung
von Pferde- und Ochsenserum) oder beide Komponenten wirken
auch einzeln hämolytisch in verschiedenem Grade, und für solche
Mischungen existieren in bezug auf Wirkungsgrad zwei Möglich-
keiten:
1. Die Wirkung zweier hämolytischer Kolloide ist stärker als
die Summe der Einzelwirkungen (Seren), oder
2. Die Wirkung ist größer, als eine Partialwirkung, aber
kleiner, als die andere, so daß man hier schon von einer Hemmung
sprechen könnte. (Saponin + taurochols. Na, Eisenhydroxyd + Serum
Anordnung c.)
Die Reihenfolge, in der die Reaktionssubstanzen zusammen-
gebracht werden, ist von Einfluß auf das Endresultat. Dasselbe
ist größer, wenn von zwei Kolloiden gleicher Ladung das stärker
lösende zuerst zugegeben wird, als wenn man. umgekehrt verfahrt.
(Saponin + Na-tch.)
Sind die beiden Kolloide aber verschiedenen Vorzeichens, so
kommt es zur Fällung, wrenn sie in Abwesenheit von Blutkörperchen
gemischt werden (Eisenhydroxyd + Serum). Ist ein Kolloid aber
von Blutkörperchen absorbiert, so tritt keine oder geringgradige
Fällung ein, und der Effekt ist größer (Eisenhydroxyd + Serum).
Aus alledem geht hervor, daß bei den Zusätzen die Zeit als
wirksamer Faktor in Funktion tritt, als Folge der Kolloidnatur der
Substanzen (der Effekt ist größer, wenn die Mischung eine Zeit-
lang vor Gebrauch stattfindet, ebenso bei der mehrfach erwähnten
Mischung von Pferde- und Ochsenserum) und der Absorptions-
vorgänge (Eisenhydroxyd und Serum).
Fassen wir nun die hämolytischen Eigenschaften von dem
Gemisch Pferdeserum-Ochsenserum, Huhnserum + Hundeserum ins
Auge, erinnern wrir uns ferner des Verhaltens von Serum + Eisen-
hydroxyd und der Saponin-Natriumtaurocholatgemische, so werden
wir zu der Annahme gedrängt, daß beim Vermischen von zwei
Kolloiden jedes einzelne als Individuum verschwindet und ein neues,
— 385 —
komplexes Kolloid entsteht, sozusagen eine Kolloidverbindung mit
neuen oder graduell von denen der anfänglichen Kolloide ver-
schiedenen Eigenschaften. Da jede Komponente als selbständiges
Individuum unter- und in dem neuen Komplex aufgeht, kann das
Resultat der Wirkung des letzteren nicht gleich sein der Summe
der Einzelresultate. Die Wirkung einer solchen Mischung ist ver-
schieden nach Natur und Menge der Ausgangsprodukte.
In dieser Annahme liegt eine Erklärungsmöglichkeit für die
so verschiedenen Wirkungserscheinungen der erwähnten Kolloid-
kombinationen.
V. Zusammenfassung. Schluß.
1. Das Wesen der Hämolyse liegt in der Permeabilisierung
einer Membran, der Lipoidhülle der Erythrozyten. Die uns bei
diesem Vorgang wahrnehmbaren Erscheinungen sind physikalische
und lassen sich demgemäß nur physikalisch-chemisch deuten^ Es
soll natürlich nicht geleugnet werden, daß bei der feineren Destruktion
der Membran auch chemische Prozesse mitspielen können. Aber
— sofern solche wirklich stattfinden — sie sind bis heute nicht
beobachtet worden. A priori sind solche nicht anzunehmen, da der
Kolloidalzustand der beteiligten Stoffe chemische Kräfte zurückdrängt
2. Das prinzipiell wichtige, das wir von der Hämolyse wissen,
ist: Die Serumhämolysine sowohl, wie auch die. Blutkörperchen mit
ihrer Oberflächenkoagulationsmembran sind kolloidal. Deshalb wird
die Wirksamkeit der ersteren und der Widerstand der letzteren
beeinflußt durch positive oder negative Elektrizität — sei sie nun
durch Ionen oder durch Kolloide hergebracht — und durch Tempe-
raturschwankungen, wie wir im II. und III. Kapitel ausführlich dar-
legten. Die Veränderungen der Reaktionssubstanzen äußern sich in
Veränderungen der Reaktionsgeschwindigkeit. Diese aber ist vom
zeitlichen Verlauf, von verschiedenen aufeinander folgenden, sich
bedingenden Vorgängen abhängig, die zur Hauptsache Diffusions»-
und Absorptionsprozesse sind (Lösungs- und Quellungsprozesse).
Für diese Vorgänge aber gelten physikalische Gesetze.
3. Es lassen sich aus dem Gebiet der physikalischen Chemie
Parallelen finden zu den Vorgängen bei der Hämolyse. Auch in
der unorganisierten Natur gibt es spezifische Absorptionen, wie wir
— 386 —
<
früher sahen. Die Spezifität kann also nicht als Beweis für 4ie
chemische Natur der Bindung der Hämolysine an die Blutkörperchen
geltend gemacht werden. Hemmungen sind auch bei Reaktionen
anorganischer Kolloide beobachtet worden, die Schutzwirkung auf
Kolloide durch Kolloide, z. B. die Stabilisierung eines Kolloids gegen
Ausfällung durch Elektrolyte oder seinesgleichen entgegengesetzter
Ladung. (Biltz, Zsigmondy.) Die Hemmungen aber sind aller
Wahrscheinlichkeit nach auf Absorption zurückzuführen.
Kolloide zeigen ein Mengenoptimum der Wirkung, z. B. bei
gegenseitiger Ausfällung (Henri, Biltz, Bechhold, Neißer und
Friedemann u. A. 1. c). Ein solches Optimum zeigen auch hämo-
lytische Kolloide, und zwar sowohl Seren wie auch das Saponin.
(Vgl. Kurven Nr. 11 und 12.)
4. Die durchgehende Analogie der hämolytischen Wirkung
bekannter Kolloide, Salponin, Eisenhydroxyd, taurocholsaures Na,
Kieselsäure mit den Serumkolloiden, den Hämolysinen, spricht daför,
daß die Hämolyse eine Kolloidreaktion ist und sich deshalb nach
physikalisch-chemischen Gesetzen abspielt. Dafür zeugt auch die
Ersetzbarkeit des Ambozeptors durch kolloidale Kieselsäure.
5. Für eine physikalisch-chemische Auffassung sprechen auch
die beiden Parallelen mit den Wirkungen der Fermente, die ja
auch physikalisch-chemisch gedeutet werden, nämlich die Tatsache,
daß Temperaturerhöhungen um 10° die Reaktionsgeschwindigkeit
nicht verdoppelt, wie dies bei chemischen Reaktionen der Fall,
sondern daß ein Temperaturoptimum existiert, das bei der Hämolyse
bei 37° liegt, die Reaktion nur in engen Temperaturgrenzen möglich
ist (ca. 30—40°), und ferner die begünstigende oder verzögernde
Einwirkung von Ionen.
6. Gegen eine rein chemische Deutung führen wir ferner die
Tatsache ins Feld, daß das Gesetz der konstanten multiplen
Proportionen für die Hämolyse als Mengenreaktion keine Gültig-
keit hat.
7. Der hier von uns nach physikalisch-chemischen Gesichts-
punkten beleuchtete Prozeß der Permeabilisierung einer Membran
mit dem Farbstoflfaustritt als Indikator ist ein Spezialfall. Es ist
wahrscheinlich, daß im allgemeinen im Organismus bei der Zer-
störung von Membranen, Zellmembranen oder der pathologischen
Permeabilisierung derselben für Kristalloide und Kolloide die hier
betonten isolierten Faktoren tätig sind oder auch diese Prozesse
— 387 —
sich nach den hier auseinandergesetzten Regeln vollziehen (z. B.
bei der Bakteriolyse, Zytolyse, Nekrose).
Das Endergebnis unserer Untersuchungen ist:
Die Hämolyse ist die Folge von Veränderungen der
Permeabilitätsverhältnisse oder völligen Zerstörung einer
Membran. Die dabei stattfindenden Einzelvorgänge sind
physikalisch -chemischer Natur. Begleitende chemische
Prozesse sind uns unbekannt. Die Gesetze der Hämolyse
sind Gesetze der physikalischen Chemie.
Die bestimmte meßbare Hämolyse ist die Resultante
einer Reihe einander folgender. -sich bedingender Prozesse,
die alle bestimmten Gesetzen der Physik und physikali-
schen Chemie folgen. Die diesen Gesetzen entsprechenden
Reaktionskurven (deren Anfange zeitlich verschieden sind) super-
poniert ergeben die Kurve der Hämolyse;
Die Experimente zur vorliegenden Arbeit wurden im physio-
logischen Institut der vet.-med. Fakultät der Universität Zürich
während meiner Assistentenzeit ausgeführt. Es ist mir eine angenehme
Pflicht, dem Chef des Instituts, Herrn Prof. Dr. H. Zangger,
meinem hochverehrten Lehrer, für die vielen Anregungen, Rat-
schläge und Unterstützung mit Literatur auch hier meinen herz-
lichsten Dank auszusprechen.
Beitrag zur Darstellung der Negrischen Körperchen.
. Von
Dr. Willy Pfeiler,
Assistenten am Hygienischen Institut der König]. Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Nach Bohne (1) kann man bei Anwendung der von Henke
und Zeller (2) angegebenen Schnelleinbettungsmethode mittelst
Azeton und Paraffin schon in drei Stunden Schnitte herstellen, die
den Nachweis der Tollwut ermöglichen, wenn sie nach einer der
vielen Methoden gefärbt werden, die für die Darstellung der Xegri-
Körperchen angewandt wrorden sind. Bohne selbst empfiehlt die
Mann sehe Färbung, die er modifiziert hat, indem er die Schnitte
nicht wie Mann 24 Stunden, sondern nur 1 2— 4 Minuten in der
Farblösung läßt. Das Bohne sehe Verfahren gestaltet sich alsdann
so: Fixierung, Härtung und Entwässerung in Azeton in 30— 40
Minuten. Darauf ein Aufenthalt von GO— 75 Minuten in Paraffin.
Die Stücke werden, wenn sie gründlich durchtränkt sind, ein-
gebettet, geschnitten, aufgeklebt, angetrocknet und dann, nachdem
sie von Paraffin befreit sind, in der Mannschen Farblösung (35 cem
1 proz. wrässeriger Methylenblaulösung + 35 cem 1 proz. wässeriger
Eosinlösung + 100 cem destillierten Wassers) 1j2 — 4 Minuten ge-
lassen. Es folgt ein kurzes Abspülen mit Wasser, worauf die
Schnitte für kurze Zeit in absoluten Alkohol kommen. Aus diesem
werden sie auf 15—20 Sekunden in absoluten Alkohol gebracht, dem
auf je 30 cem Alkohol 5 Tropfen einer 1 proz. Lösung von Natronlauge
in absolutem Alkohol zugefügt sind* um nach abermaligem Ab-
spülen mit absolutem Alkohol auf eine Minute in Wasser gestellt
zu werden. Hierauf kommen die Objektträger auf 2 Minuten in
Wasser, das mit Essigsäure leicht angesäuert ist. Die Schnitte
werden dann im steigenden Alkohol schnell entwässert und montiert.
— 389 —
Wenn die Schnitte nun nicht einzeln in Schalen gefärbt
werden sollen, sondern Wert darauf gelegt wird, mehrere Schnitte
oder Schnittserien oder ganze Schnittbänder auf einmal zu färben,
so werden sie, soweit es sich um Paraffinobjekte handelt, auf dem
Deckglas oder dem Objektträger entweder mit Wasser durch ein-
fache Flächenattraktion oder mit Hilfe eines Klebemittels, wie es
z. B. das Glyzerineiweiß ist, angeklebt. Dann müssen die Schnitte
langsam antrocknen, wobei je nach der Höhe der die Aus- und
Äntrocknung bewirkenden Wärme mehrere, oft bis zu sechs oder
zwölf Stunden vergehen.
Ich möchte mir nun gestatten, um das Arbeiten nach der
Bohne sehen Methode noch schneller zu gestalten, auf ein Verfahren
aufmerksam zu machen, das es erlaubt, die von dem Mikrotom-
messer herunterkommenden Schnitte oder Schnittbänder sofort nach
dem Schneiden in die Färbeflüssigkeiten zu bringen. Ich verdanke
die Kenntnis dieses Verfahrens, das ich seit langem anwende,
einer persönlichen Mitteilung des Herrn Professor J. v. Apäthy.
Auf den in der üblichen Weise in dünnster Schicht mit
(Ttyzerineiweiß bestrichenen Deckgläschen oder Objektträgern ordne
ich die Schnitte in der von mir gewünschten Weise, indem ich sie
mit Hilfe eines feinen Kamelhaarpinsels auf der dünnen Schicht
destillierten Wassers, die sich über der Eiweißschicht befindet,
bewege. Darauf strecke ich die Schnitte auf einem auf 58 ° ein-
gestellten Paraffinofen. Zu diesem Zweck bringe ich auf den Ofen
1—2 Tropfen Wasser und lege die beschickten Objektträger für
einen Augenblick auf diese Stelle des Paraffinofens. Das Wasser
verbreitet sich sogleich überallhin unter dem Objektträger und be-
wirkt infolge der gleichmäßigen Erwärmung eine vollkommene
Streckung der Schnitte. Nun sauge ich das überschüssige Wasser
ab und bedecke den Objektträger mit einem Streifen feinsten, sati-
nierten Löschpapiers von gleicher Größe, den ich mit TOproz.
Alkohol befeuchtet habe. Über diesen Streifen lege ich noch zwei
bis drei andere Lagen, bis die Flüssigkeit die oberste Schicht des
Löschpapiers kaum noch durchfeuchtet. Mit dem gestreckten Finger
fahre ich dann mehrmals unter sanftem Druck über das Löschpapier
und drücke so die Schnitte auf ihrer Unterlage an. Dann liebe ich
die einzelnen Lagen des Papiers nacheinander ab, ohne befürchten
zu müssen, daß sich ein Schnitt verrückt hat oder am Papier haften
geblieben ist. Den Rest der noch auf dem Objektträger vorhandenen
— 390 —
Flüssigkeit lasse ich verdunsten, indem ich denselben auf fiinf bis
zehn Minuten in einen auf 38° eingestellten Brutschrank lege. So-
bald die Schnitte trocken sind, „schmelze ich sie an", d. h. ich
lege sie für kurze Zeit in den Paraffinofen bei 58°. Dort belasse
ich sie so lange, bis ich sehe, daß das Paraffin geschmolzen ist und
die Schnitte gewissermaßen durchsichtig geworden sind. Da die
Schnitte vollständig festgeklebt sind, schadet ihnen auch ein etwas
längerer Aufenthalt bei '58° nichts. Das Paraffin erstarrt später
wieder, und nun bringe ich die Objektträger in Xylol, Benzol oder
Chlorofprm und kann sie sowohl durch alkoholische als auch
wässerige Flüssigkeiten führen. Die Schnitte haften absolut fest.
Neuerdings habe ich die Schnitte auch nach der Streckung,
ohne sie vorher mit angefeuchtetem Löschpapier anzudrücken, ein-
fach antrocknen lassen und sie dann „angeschmolzen". Die so be-
handelten Schnitte sind mir nie weggeschwommen. Eine Viertel-
stunde nach dem Schneiden sind die Präparate schon montiert und
zur mikroskopischen Durchsicht fertig.
Für die Färbung meiner Schnitte bediene ich mich nicht der
Mann sehen Methode, da diese mir einerseits zu umständlich ist,
andererseits einige Aufmerksamkeit seitens des Färbenden für die
Differenzierung erfordert, so daß sie mir für die Hand des Un-
geübten, wie es der Studierende ist, nicht einfach genug dünken
will. Unter den von mir erprobten Färbungen scheint mir die von
Frothingham (4) angegebene Eosin-Methylenblaufärbung wegen
ihrer Einfachheit am geeignetsten für die Darstellung der Negri-
Körperchen zu sein. Frothingham förbt mit gesättigtem alkoholi-
schen Eosin 15 Minuten und mit Löfflers alkalischem Methylen-
blau 3—5 Minuten nach, um schließlich in 95proz. Alkohol zu
entfärben.
Ich verfahre so, daß ich die Schnitte zunächst mit einer
V2— 1 proz. wässerigen Eosinlösung überfärbe, sie dann in Wasser
abspüle, ohne weiteres in eine 1 proz. alkalische Löfflerblaulösung
übertrage, hier gleichfalls überfärbe und die Schnitte dann nach
vorherigem Abspülen in Wasser in 96 proz. Alkohol, dem ich einige
Tropfen einer 72proz. Eosinlösung zugesetzt habe, so lange diffe-
renziere, bis die Schnitte schwach rosa erscheinen und die Stellen,
an denen sich Anhäufungen von Ganglienzellen befinden, sich gegen
die Grundfarbe bläulich abheben.
- 391 -
Unter dem Mikroskop zeigen sich dann gegen den leicht rosa
gefärbten Grund die Ganglienzellen mattblau mit blauem Kern und
etwas dunklerem Kernkörperchen und den leuchtend rosa gefärbten
Xegri-Körperchen mit ihren gut differenzierten Einschlüssen, wäh-
rend die mit den Wutkörpern eventuell zu verwechselnden roten
Blutkörperchen einen gelbroten Ton angenommen haben.
Literatur.
1. Bohne, Beitrag zur diagnostischen Verwertbarkeit der Negri sehen Kör-
perchen. Zt für Hyg. n. Infektionskr., 52. Bd., 1. Hft, S. 87.
2. Henke n. Zelle r9 Zentralblatt f. allgem. Pathologie u. patholog. Anatomie,
1905, Nr. 2.
3. Heim, Lehrbuch der Bakteriologie, 8. Aufl., S. 61.
4. Frothingham, The rapid diagnosis of Rabies. Jouro of Medic. Research,
VoL XIV. No. 3 (New Series Vol. IX) 1906.
Referate.
Über Opsonine (bakteriotrope Substanzen).
Sammelreferat. .:.<_
Von
Prof. E. Joest.
Bekanntlich sind die Anschauungen über das Wesen der Immuni-
tät geteilt. Es stehen sich die Me t seh nik off sehe Phagozyten theorie
und die humorale Theorie gegenüber. Metschnikoff erblickt die Ursache
der Immunität darin, daß gewisse Zellen des Organismus, insbesondere die
Leukozyten, die in den Tierkörper eingedrungenen pathogenen Bakterien
in sich aufnehmen und verdauen. Nach der humoralen Theorie sind es
die zellfreien Körpersäfte, vor allen Dingen das Blutserum, die bakterien-
oder giftfeindliche Schutzstoffe (Antikörper) enthalten. In Deutschland
hat die humorale Theorie, gestützt vor allem durch die epochemachenden
Arbeiten v. Behrings und Ehrlichs, am meisten Anklang gefunden.
Die Forschungen über die Schutzstoffe des Serums haben, wie be-
kannt, dazu geführt, hier zwei scharf getrennte Typen von Antikörpern,
bakterizid und antitoxisch wirkende, zu unterscheiden. Diese beiden Typen
schienen sämtliche Schutzstoffe des Serums zu umfassen, andersgeartete
Schutzstoffe schienen nicht zu existieren. Ein Serum konnte also nach
dieser Ansicht nur bakterizid oder antitoxisch wirken, eine dritte Möglich-
keit kam nicht in Frage. Neuere Untersuchungen, besonders von Wright
sowie Neufeld und Rimpau, haben indessen gezeigt, daß dieser Schluß
nicht richtig ist, „daß es (Neufeld und Rimpau) vielmehr noch
eine dritte Art von spezifischer Serumwirkung gibt, die weder
dem Typus der antitoxischen, noch dem der bakteriziden Sera
folgt. Dieselbe steht zwar im Prinzip der bakteriziden nahe, aber sie
bedarf im Gegensatz zu dieser einer direkten zellulären Mitwirkung" und
gründet sich damit auf die Metschnikoff sehe Phagozytentheorie.
— 393 —
Von dieser Serumwirkung soll in vorliegendem Sammelreferat die
Rede sein.
Denys und Leclef*) waren die ersten, die anf eine die Phago-
zytose fördernde Wirkung eines Immunserums (Antistreptokokkenserum)
hinwiesen. Denys und Leclef zeigten im Reagenzglase, daß das Serum
ihrer gegen Streptokokken immunisierten Kaninchen die Phagozytose gegen-
über den Streptokokken mächtig anregt. Sie machten folgende Versuche:
1. Leukozyten von normalen Kaninchen + normales Kaninchenserum
-f- Streptokokken. 2. Leukozyten von gegen Streptokokken immunisierten
Kaninchen -f" normales Kaninchenserum -f~ Streptokokken. 3. Leukozyten von
normalen Kaninchen -f- Antistreptokokkenserum -f Streptokokken. 4. Leuko-
zyten von gegen Streptokokken immunisierten Kaninchen + Antistreptokokken-
serum + Streptokokken. — Resultat: In Versuch 1 und 2 keine oder ganz
geringe Phagozytose, in Versuch 3 und 4 lebhafte Phagozytose mit Abtötung
der Streptokokken.
Denys und Leclef folgern aus diesen Ergebnissen: „Chez le lapin
Vaccine' le leucocyte tient du s£rum son pouvoir d'englober et de de'truire
le streptocoqne."
Die Opsonlnlehre Wrights.
Sehr eingehende Untersuchungen über die Beziehungen des Serums
zur Phagozytose stellten Wright und seine Schüler an.
Bereits im Jahre 1902 hatten Wright und Windsor2) nach-
gewiesen, daß das menschliche Serum nicht die geringste bakterizide
Wirkung auf den Staphylococcus pyogenes ausübt. Mit dieser Beobachtung
begnügte sich Wright jedoch nicht, er versuchte vielmehr, auf dem Boden
der Metschnikoff sehen Lehre stehend, zu ermitteln, ob das Serum nicht
doch indirekt, durch Beeinflussung der Phagozytose bei der Zerstörung der
Staphylokokken mitwirkte.3) Er stellte bei seinen Versuchen fest, daß
das Serum tatsächlich einen solchen Einfluß ausübt, und zwar in dem
Sinne, daß es die Phagozytose fördert.
Um exakt arbeiten zu können, war es notwendig, die phagozytäre
Wirkung des zu untersuchenden Blutes und den Einfluß des
Serums auf die Phagozytose zahlenmäßig zu bestimmen. Wright
und Douglas4) wandten dabei eine Modifikation einer zuerst von Leish-
man5) angegebenen Methode an:
») La cellule T. 11, 1895.
*) Journ. of Hygiene, Vol. 2, 1902, Nr. 4.
*) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 72, 1903, Nr. 483.
4) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 72, 1903, Nr. 483.
*) Brit. med. Journ., 1902.
Zeltachrift für Infektionskrankheiten. II, 4/5. 26
früfS
— 3$4
1» Man nimmt ein Volumen Blut des Individuums, dessen Serum auf
seinen Einfluß auf die Phagozytose untersucht werden soll, und befreit das
Blut durch Zentrifugieren von den Blutkörperchen. T
2. Man entzieht irgendeinem gesunden Individuum Blut und' mischt es
zu einem Zehntel seines Volumens mit lOproz. Natriumzitratlösung. Durch
Zentrifugieren und wiederholtes Waschen mit physiologischer Kochsalzlösung
gewinnt man die reinen Blutkörperchen. Von diesen nimmt man das gleiche
Volumen wie bei 1.
- 3. Man nimmt endlich ein gleiches Volumen Bakteriensuspension, die durch
Schütteln einer 24 stündigen Agarkultur mit physiologischer Kochsalzlösung
und Zentrifugieren (zur Entfernung von verklumpten Bakterien) gewonnen wird.
Diese drei Volumina werden gemischt, das Gemenge wird für etwa
15 Minuten im Brutschrank bei 37° C gehalten. Dann macht man Ausstrich-
präparate, die nach der L eis hm an sehen Modifikation der Romanowski-
Färbung1) tingiert und dann mit der Immersion untersucht werden.
Wright nennt die Substanzen im Blutserum, die die Phagozytose
fördern, Opsonine2) (lat.: opsono, ich bereite die Nahrungsmittel zur
Mahlzeit vor. Hier werden die Bakterien für die Phagozytose vorbereitet).
Später spricht Wright3) auch von diesen Substanzen als Von einem
„incitor element" (lat.: incito, ich eile, ich beschleunige [sc die
Phagozytose]). Ohne Opsonine findet nach Wright keine Phagozytose
statt. Suspendiert man Leukozyten in einem Serum, dem seine Opsonine
entzogen worden sind, oder in physiologischer Kochsalzlösung, so sind sie
(die Leukozyten) so gut wie unfähig, Phagozytose auszuüben. Ent-
sprechende Ergebnisse hatten auch Gruber und Futaki4) bei ihren
Versuchen über Phagozytose in aktivem und inaktivem Serum. (L 8 hl ein*)
und Bächer6) fanden dagegen, daß auch Leukozyten an sich [ohne Serum]
eine gewisse Phagozytose leisten können.)
Durch Zählung der von den polynukleären Leukozyten bei der vor-
stehend angegebenen Versuchsanordnung aufgenommenen Bakterien in einer
Anzahl von Zellen (es werden die Bakterien in etwa 25 Zellen gezählt) und
durch Division der Gesamtmenge der gefressenen Bakterien durch die Zahl der
fressenden Phagozyten bestimmt Wright7) den „phagozytären Index".
l) Brit. med. Journ. 1901.
*) Deutsche med. Wochenschr., 30. Jahrg., 1904, Nr. 52. — Proc. of the
Roy. Soc, Vol. 73, 1904, Nr. 490. - Ibidem. Vol. 74, 1904, Nr. 499. — Ibidem.
Vol. 77, 1906. — Weinstein, Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, Nr. 80.
— Fyshe, Montreal med. Journ. 1906.
*) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 77, 1906.
4) Hünch. med. Wochenschr. 1906, Nr. 6.
5) Ann. de l'Inst. Pasteur, T. 19, 1905.
6) Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh., Bd. 56, 1907.
7) Proc. of the Roy; Soc, Vol. 73, 1904, Nr. 490. — Weinstein, Berl.
klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, Nr. 30.
— 395 —
Um die opsonische Kraft eines gegebenen Serums zu bestimmen,,
wird sein phagozytärer Index mit dem des Serums eines beliebigen
gesunden Individuums verglichen. Der phagozytäre Index des gegebe-
nen Serums, dividiert durch den phagozytären Index des gesunden
Serums, gibt die „opsonische Kraft" oder den „opsonischen Index"
des gegebenen Serums an.1) Beträgt z. B. der phagozytäre Index
des gegebenen Serums 30, derjenige des Serums des Gesunden 20,
so berechnet sich die opsonische Kraft oder der opsonische Index wie
folgt: 30: 20 = 1,5. Oder: Beträgt der phagozytäre Index eines gegebenen
Serums 14, der des gesunden Serums 20, so ist der opsonische Index
14 : 20 = 0,7.2) Dabei ist zu bemerken, daß der phagozytäre Index des
Serums gesunder Individuen nach Bulloch3) und Urwick4) nur inner-
halb enger Grenzen schwankt, also ziemlich konstant ist.
Die Massenwirkung der Schutzstoffe der Blutflüssigkeit auf die in
den Körper eingedrungenen Bakterien bezeichnet Wright5) als „bakterio-
tropischen Druck".
Wright und seine Mitarbeiter, unter denen besonders Douglas zu
nennen ist, sowie Bulloch bestimmten die opsonische Kraft des Blut-
serums bei verschiedenen Krankheiten gegenüber den betreffenden Krank-
heitserregern.
Daß gesunde Individuen in ihrem Blutserum Opsonin enthalten,
und daß der Opsoningehalt ihres Blutes ziemlich konstant ist, wurde
bereits erwähnt. (Der Opsoningehalt des Blutes Gesunder kann deshalb ja
auch als Maßstab für die opsonische Kraft des Blutserums kranker Individuen
benutzt werden.) Nach Eilet6) wird durch körperliche Anstrengungen der
opsonische Index herabgesetzt. Wright und Douglas7) fanden, daß die
Opsoninwirkung des normalen Blutserums sich einer ganzen Reihe von
pathogenen Bakterien gegenüber zeigt: Staphylococcus pyogenes, Bacillus
pestis, Micrococcus melitensis, Diplococcüs pneumoniae, Bacterium coli,
Bacillus dysenteriae, Bacillus anthracis, Bacillus typhosus, Vibrio cholerae
») Proc. of the Roy. Soc, Vol. 74, 1904, Nr. 499. — Bulloch, The
Practitioner, 1905. — Weinstein, Berl. klin. Wochenschr., 48. Jahrg., 1906,
Nr. 30.
*) Neuerdings it>t Simon (Journ. of Americ. med. Assoc. 1907, Nr. 2)
dafür eingetreten, der Bestimmung des opsonischen Index nicht, wie Wright
es tut, die Zahl der aufgefressenen Bakterien, sondern die Anzahl der die
Phagozytose ausübenden Leukozyten („Prozentindex") zugrunde zu legen.
3j The Practitioner, 1905.
4) Brit med. Journ., 1905.
5) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 74, 1904, Nr. 499.
6) Brit med. Journ. 1906.
7) Proc. of the Roy. Socr Vol. 73, 1904, Nr. 490.
26*
%•«-*
— 396 —
asiaticae erwiesen sich als der Phagozytose unterworfen und beeinflußbar
durch Opsonin. Lediglich der Bacillus diphtheriae und der Xerosebazillus
zeigten sich bei den Versuchen von Wright and Douglas unempfänglich
für die Opsoninwirkung des Serums. Neuerdings hat jedoch Heque1)
gezeigt, daß auch der Diphtheriebazillus leicht der Phagozytose unterliegt. —
Im übrigen enthält normales Serum Opsonin auch für heterologe rote
Blutkörperchen („Hämopsonin") . 2)
Von Infektionskrankheiten wurden von Wright und Douglas
zuerst durch Staphylokokken bedingte Lokalaffektionen des Menschen
(Akne, Furunkulose, Sykose) untersucht. Des weiteren wurden die Tuber-
kulose in ihren verschiedenen Formen, die Pneumonien und andere
Krankheiten geprüft.
Wright stellte dabei fest, daß während des Verlaufes akuter All-
gemeininfektionen der Gehalt der Körperflüssigkeiten an Opsonin schwankt,
im allgemeinen aber eine zunehmende Tendenz zeigt. Besonders tritt die
Zunahme der opsonischen Kraft während der Genesung hervor. Ferner
zeigten Wright und Douglas, daß bei chronischen lokalen Staphylokokken-
infektionen und bei Tuberkulose die Phagozytose mangelhaft ist, eine
Erscheinung, die auf einem Fehlen von Opsonin beruht. Wright3) scheidet
die bakteriellen Infektionen in bezug auf das Verhalten des opsonischen Index
in zwei Kategorien: In streng lokale Infektionen und in System-
infektionen. Bei ersteren (z.B. chronischen Staphylokokkeninfektionen,
lokaler Tuberkulose), findet man stets eine geringe opsonische Kraft des
Blutes, weil hier keine bakteriellen Stoffe ins Blut gelangen, und so auch
keine vermehrte Opsoninproduktion ausgelöst werden kann. Bei letzteren
(z. B. akuten fieberhaften Allgemeininfektionen) schwankt der opsonische
Index, je nachdem die Schutzstoffbildung stark oder schwach ist. Bei der
Pneumonie ist nach Wolf 4) der opsonische Index gegenüber den Pneumokokken
zunächst herabgesetzt; er steigt in günstig verlaufenden Fällen (in denen
er seine Höhe bald nach der Krisis erreicht), in ungünstig verlaufenden
Fällen dagegen bleibt er dauernd niedrig. Ähnliche Resultate in bezug
auf die krupöse Pneumonie erhielt auch Macdonald.5) Da, wie aus vor-
stehend Gesagtem hervorgeht, günstig verlaufende Erkrankungen im all-
gemeinen höhere opsonische Werte aufweisen als ungünstig verlaufende,
so könnte man der Bestimmung des opsonischen Index einen prognostischen
») The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906, Nr. 3.
3) Hektoen, Journ. of the americ. med. Assoc, 1906. — The Journ. of
infectious Diseases, Vol. 3, 1906, Nr. 5.
3) Medico-chirurgical Transact, Vol. 89, 1905.
4) The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906, Nr. 5.
5) Transact. of the Pathol. Soc. of London, Vol. 57, 1906, Part I.
— 397 —
und diagnostischen Wert beimessen. Das ist jedoch, wie Ball och1) her-
vorhebt, bezüglich der Prognose im allgemeinen nicht zulässig. Bei der
Tuberkulose jedoch besitzt nach Wright2) die Bestimmung des tuberkulo-
opsonischen Index-'*) Wert für die Diagnose dieser Krankheit.
Ans den vorstehend angeführten Tatsachen schloß Wright. daß der
Verlauf der Infektionen wesentlich von der Phagozytose ab-
hängt, und daß diese hinwiederum abhängig ist von dem Gehalt
der Körperflüssigkeiten an Opsonin. War diese Annahme richtig, so
mußten sich die Infektionen in günstigem Sinne beeinflussen lassen, wenn
es gelang, die herabgesetzte Phagozytose zu heben, was nur durch eine
Steigerung der opsonischen Kraft der Körperflüssigkeiten möglich war.
Das Bestreben Wrights lichtete sich deshalb darauf, die opsonischen
Kräfte seiner an Infektionen leidenden Kranken künstlich zu
vermehren.
Wie läßt sich eine Vermehrung der Opsonine im Organismus herbeiführen? —
Das Wrightsche Heilverfahren.
Wright stellte fest, daß sich auf dem Wege der aktiven Immuni-
sierung die opsonische Kraft des Blutes des Kranken steigern läßt. Er
benutzt zur Immunisierung eine „Vaccine", die aus den abgetöteten Er*
regern der jeweils vorliegenden Krankheit besteht. Nehmen wir einen
Fall von durch Staphylokokken verursachter Furunkulose an. Aus dem Eiter
eines Furunkels wird durch Züchtung auf Agar eine Reinkultur des
Staphylokokkus hergestellt, die mit physiologischer Kochsalzlösung auf-
geschwemmt und durch Erwärmung auf 60—70° C sterilisiert wird. (Bei
der Tuberkulose wird das Koch sehe Neutuberkulin [TR] als Vaccine
benutzt.) Da Wright streng quantitativ arbeitet, so ermittelt er vor
der Anwendung der Vaccine deren Stärke, indem er durch eine
besondere Methode4) die Zahl der in einem bestimmten Volumen der Auf-
schwemmung enthaltenen Bakterien bestimmt. Die Injektion der Vaccine
erfolgt subkutan.
Die Inokulationen der Vaccine (es werden deren in der Regel
mehrere gemacht) geschehen nicht beliebig, sondern die Zeit der
l) The Practitioner, 1905.
3> Proc. of the Roy. Soc, Vol. 77, 1906.
3) Über das Verhalten des tuberkuloopsonischen Index bei normalen und
tuberkulösen Individuen haben jüngst Potter, Ditman und Norman (Journ.
of Americ. med. Assoc. 1906) eingehend berichtet.
4) Vgl. Wright, Proc. of the Roy. Soc, Vol. 74, 1904, Nr. 499. -
Bull och, The Practitioner, 1905, — Weinstein, Berl. klin. Wochenschr., 1906,
Nr. 30.
— 398 —
Injektion und die Menge des Impfstoffes werden bestimmt durch
den jeweiligen Stand des opsonischen Index des Blutes des
Patienten. Die Vaccination wird genauestens durch fortlaufende Be-
stimmungen des opsonischen Index kontrolliert. Das ist der wesentlichste
Punkt des Wright sehen Heilverfahrens.
Jede Inokulation der Vaccine hat regelmäßig eine Reihe bestimmter
Erscheinungen im Gefolge: Zunächst bedingt die Vaccination eine Art
Intoxikation, einen Zustand, während dessen der opsonische Index des Blutes
sinkt („negative Phase")» Diese negative Phase ist länger oder kürzer,
je nachdem eine größere oder kleinere Dosis Vaccine verabreicht wurde.
Klinisch drückt sie sich oft durch eine Temperatursteigerung aus. Auf
die negative Phase folgt eine „positive Phase", während der der
opsonische Index hoch steht. In dieser Phase ist die Resistenz des be-
treffenden Individuums gesteigert. Nach der positiven Phase erhält sich
der opsonische Index des Blutes eine gewisse Zeit auf einem Niveau, das
etwas höher ist als der ursprüngliche opsonische Wert.
Impft man nun von neuem, und tut man dies während der negativen
Phase, so tritt eine Kumulation im negativen Sinne ein, d. h. die negative
Phase wird verstärkt und verlängert. Impft man dagegen während der
positiven Phase, so tritt eine Kumulation im positiven Sinne ein, ein
Zustand, der ja durch die Impfungen erreicht werden soll. Es kommt also
sehr darauf an, den richtigen Zeitpunkt für jede neue Injektion von
Vaccine zu treffen, und dies ermöglicht eben die fortlaufende Bestimmung
des opsonischen Index des betreffenden Individuums.
Die Dosen der Vaccine werden bei den verschiedenen Krankheiten
verschieden bemessen. Auch sie richten sich nach dem Stande des opsoni-
schen Index. Wright1) betont, daß es notwendig ist, in jedem Falle
mit den kleinsten Dosen von Vaccine zu arbeiten, mit Dosen, die gerade
noch eine ausreichende Reaktion auslösen, ferner die Injektion derselben Dosis
erst dann zu wiederholen, wenn der Effekt der vorhergehenden Injektion
vorüber ist und die Dosis nur dann zu steigern, wenn keine genügende
Reaktion mehr erzielt wird.
Das Heilverfahren Wrights ist also eine aktive Immuni-
sierung,, die sich nur dadurch von anderen aktiven Immuni-
sierungen unterscheidet, daß die Injektionen streng nach Maß-
gabe des opsonischen Index ausgeführt werden.
Die praktischen Erfolge am kranken Menschen, die Wright mit
seinem Verfahren erzielte und die von anderer Seite, besonders von
Bull och voll bestätigt wurden, sind außerordentlich gute.
In erster Linie wurden lokale chronische Staphylokokken-
*) Medice- chirurgical Transact., Vol. 89, 1905.
— 399 —
infektionen, wie Akne, Furunkulosis, Sykosis, der Behandlung unter-
worfen. Der Erfolg war selbst in veralteten Fällen, die zum Teil jeder
anderen Behandlung trotzten, ein sehr guter.1) Auch Weinstein2),
Fy ehe3) sowie Turton und Parkin4) berichten über günstige Ergeb-
nisse bei Akne, Furunkulosis5), Sykosis and Peritonitiden. Akute Infek-
tionen eignen sich weniger zur spezifischen Behandlung, hier kann sie
sogar schaden.6)
Des weiteren wurde das Wrightsche Verfahren bei verschiedenen
Formen von Tuberkulose, insbesondere bei lokaler Tuberkulös«
(Lupus, tuberkulöse Ulzerationen der Subkutis, Lymphdrüsentuberkulose usw.)
angewandt. (Als Vaccine diente hier das Kochsche Neutuberkulin [TR].7)
Auch hier waren die Erfolge ausgezeichnet.8) In fast allen Fällen trat
Besserung, in vielen Fällen Heilung ein. .
Die bakteriotropen Substanzen Neufeld und Rimpaus.
Unabhängig von Wright haben 1904 Neufeld und Rimpau*) bei
ihren Studien über Streptokokken- und Pneumokokkenimmunität festgestellt,
0 Vgl. bes. Bulloch, The Practitioner, 1905.
*) Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, Nr. 30. .
3) Montreal medic. Journ. 1906.
«) The Lancet 1906.
&) Wright und Bulloch stellten fest, daß in Abszessen, die durch
Staphylokokken und Tuborkelbazillen bedingt sind, der Eiter kein Op-
sonin enthält, obgleich das Blut der betreffenden Patienten reich daran
sein kann. Die günstige Wirkung der einfachen Eröffnung der Abszesse auf
die Heilung der Erkrankung erklärt Wright damit, daß er annimmt, daß nach
der Eröffnung des Abszesses die aus der Öffnungswunde in die Abszeßhöble
fließende Lymphe und das Blut ihre opsonischen Kräfte in Aktion treten
lassen. Ähnlich erklärt Wright auch die günstige Wirkung der Punktion bei
tuberkulösen Peritonitiden des Menschen. Hier ist es der Ersatz des tuber-
kulösen Exsudates durch neue, opsoninhaltige Lymphe, die die Heilung bqwirl^U
6) French, The Practitioner 1906. , . ,,
7) Das Heilverfahren W rights bei Tuberkulose entspricht somit der
Tuberkulinbehandlung. Nur führt Wright diese Behandlung' unter steter ge-
nauer Beachtung des opsonischen Index aus.
8) Wright, Medico-chirurgical Transactions, Vol. 89, 1905. — Clinical
Journ. 1904. — Bulloch, Transack of the Pathol. Soc. of .London, Vol. 56,
Part. HI, 1905. - Boss, Brit, med. Journ. 1906. — Crace^Calvert, Brit
med. Journ. 1906. — Bradshaw und Glynn, Liverpool medico-chirurg.
Journ. 1906. -*; Türton und Parkin, The Lancet 1906.
9) Deutsche med. Wochenschr., 1904, Nr. 40.
— 400 —
dai> die betreffenden Immunsera auf die zugehörigen Bakterien haupt-
sächlich dadurch wirken, daß sie diese für die Phagozytose geeigneter
machen, Tn einer späteren ausführlichen Arbeit1) haben diese Forscher
die Sera, die derart auf die Bakterien einwirken, „bakteriotrope" Sera
und die spezifischen Stoffe der Sera, um die es sich hier handelt,
bakteriotrope Substanzen genannt. „Der Name besagt nichts weiter, als
datt unter dem Einfluß des Serums eine Umwandlung oder Umstimmung der
Bakterien stattfindet, als deren Ausdruck wir zunächst nur ihr verändertes
Verhalten den Leukozyten gegenüber kennen."
Die Untersuchungen von Neufeld und Rimpau dienten, im Gegen-
satz zu denjenigen Wrights, lediglich wissenschaftlichen Zwecken.
Praktische Konsequenzen haben Neufeld und Rimpau aus ihren Unter-
Buchungen bisher nicht gezogen.
Wirkung und Wesen der Opsonine (der bakteriotropen Substanzen).
Bereits Metschnikoff2) hatte beobachtet, daß gewisse Immunsera
weder bakterizid noch antitoxisch wirken, daß sie im Tierkörper
trotzdem verhindern, daß die betreffenden Bakterien pathogen wirken.
,,<m fretiüber diesen Resultaten mußten wir einen gewissen stimulierenden
Effekt les Serums auf die Schutzapparate des Körpers, besonders auf
die Phagozyten, annehmen." Nach Metschnikoff wären somit in der-
artigen Seris „Stimuline", die Leukozyten zur Phagozytose anregen,
enthalten. Metschnikoffs Schüler haben die Lehre von den Stimulinen
weiter vertreten, so Mesnil3) bezüglich des Rotlaufserums, Besredka4)
bezüglich des Antistreptokokkenserums.'')
Bei diesen Stimulinen handelt es sich offenbar um dieselben Sub-
stanzen, die später von Wright als Opsonine und von Neufeld und
Uimpaii als bakteriotrope Substanzen bezeichnet worden sind. Die
letztgenannten Forscher sowie Bulloch haben aber gezeigt, daß
diese Substanzen nicht als Stimulantien oder Exzitantien auf die
Leukozyten wirken, wie Metschnikoff annahm, sondern daß sie einen
spezifischen Einfluß auf die betreffenden Bakterien ausüben,
in dem Sinne, daß diese leichter der Phagozytose anheimfallen.
M Zeitschr. f. Hyg. u. Infekt., Bd. 51, 1905.
Metschnikoff, Immunität bei Infektionskrankheiten (Deutsche Aus-
grabe ■. .Ima 1902.
Annal. de l'Inst. Pasteur, T. 13, 1899.
* lindem, 1904.
Neuerdings hat jedoch ein Schüler Metschnikoffs, Bächer (Zeit-
l nu f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 56, 1907), die opsonische Wirkung des
Serum* auf die Bakterien im Sinne Wrights anerkannt.
— 401 —
Daß die Opsonine (Bakteriotropine) tatsächlich lediglich auf die Bakterien
nnd nicht auf die Leukozyten wirken, ergibt sich aus der Tatsache, daß
man mit Hilfe des Absorptionsversuches einem Serum sein Opsonin durch
die betreffenden Bakterien entziehen kann. Wenn man also opsoninhaltiges
Serum auf Bakterien einwirken läßt, so wird das Opsonin von den Bakterien
gebunden. Der entsprechende Versuch mit Leukozyten ergibt ein negatives
Resultat.1) Dieses Ergebnis entspricht, worauf besonders Neufeld und
Rimpau hinweisen, vollkommen den Ehrlichschen Anschauungen! Wir
immunisieren ein Tier mit Bakterien. Dabei können nur Stoffe entstehen,
die wieder auf Bakterien, nicht aber solche, die auf Leukozyten ein-
wirken.
Durch den Absorptionsversuch läßt sich auch zeigen, daß das
Opsonin eines normalen Serums komplex ist; denn wenn wir das
Serum z. B. zuerst mit Staphylokokken zusammenbringen und diese dann
durch Zentrifugieren entfernen, so hat dieses Serum seine opsonische Kraft
gegenüber Staphylokokken verloren, während diese Kraft anderen Bakterien,
z. B. dem B. pyocyaneus oder dem Tuberkelbazillus gegenüber erhalten
geblieben ist (Bulloch und Western2). Ein Individuum kann deshalb
auch normalerweise einen hohen Opsoningehalt für eine Bakterienart
(z. B. Tuberkelbazillen) haben, für eine andere Art (z. B. Staphylokokken)
dagegen nicht.
Bei der aktiven Immunisierung tritt eine spezifische Vermehrung
des Opsonins ein, das auf den zur Immunisierung benutzten Bazillus ein-
paßt. Behandelt man z. B. ein Individuum mit Koch schein Neutuberkulin
(TR), so tritt eine Vermehrung des Tuberkuloopsonins im Serum ein,
während die Menge des schon im normalen Serum vorhandenen Staphylo-
kokkenopsonins unverändert bleibt (Bulloch und Western3), Keith3).
Außer dem spezifischen Opsonin kann ein Immunserum auch noch Gruppen-
Opsonine enthalten, analog den spezifischen und Gruppenagglutininen
(Hektoen*).
') Daß bei immunisierten Tieren nicht der Leukozyt, sondern die
Blutflüssigkeit Träger der spezifischen Eigenschaften ist, geht daraus her-
vor, daß man beim Phagozytoseversuch in vitro die Leukozyten des immuni-
sierten Tieres durch Leukozyten eines beliebigen Tieres ersetzen kann. Phago-
zytose findet auch in diesem Falle statt, sofern das benutzte Serum Opsonin
enthält. Der Leukozyt ist also einmehr indifferenter Faktor. (Neufeld
und Rimpau [Zeitschr. f. Hyg. u. Infekt., Bd. 51, 1905], Bulloch undAtkin
[Proc. of the Roy. Soc, Vol. 74, 1905], Roas [Brit. med. Journ. 1906], Brooke
[Dublin Journ. of medic. Science 1906].)
*) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 77, 1906.
3) Transact. of the Pathol. Soc. of London, Vol. 57, 1906, Part I.
*) The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906.
— 402 —
Die Opsonine wirken streng spezifisch. Das Tuberkulo-
opsonin z. B. befördert also lediglich die Phagozytose von Tuberkel-
bazillen, nicht aber die anderer Bakterien. Für jede pathogene Bakterien-
art existiert ein spezifisches Opsonin, das sich durch spezifische Behand-
lung (Vaccination) vermehren läßt.
Daß die Opsonine im Immunserum und im Normalserum in bezug
auf ihre Resistenz gegen Hitze und Licht identisch sind, haben AVright
und Reid1) sowie Dean2) gezeigt.
Welcher Art die Veränderung ist, die die Bakterien unter der Ein-
wirkung des Opsonins erleiden, ist noch nicht sicher festgestellt. Man
könnte vermuten, daß das Opsonin die Bakterien abtötet oder erheblich
schädigt, und daß dadurch die Phagozytose erleichtert werde. Versuche
mit durch Hitze abgetöteten Bakterien ergaben indessen, daß „eine
Schädigung irgendwelcher Art nicht gentigt, um das Phänomen der Pha-
gozytose auszulösen, sondern daß hierzu das Bakterium in einer ganz
spezifischen Weise, eben durch Bindung des Jmmunkörpers' beeinflußt sein
muß" (Neufeld und Rimpau). Die letztgenannten Forscher konnten es
wahrscheinlich machen, daß ihre bakteriotrope Substanz in der Weise auf
die Bakterien einwirkt, daß durch sie besonders jene Rezeptoren der
Bakterienzelle, „die Träger der Virulenz des betreffenden Bakteriums
sind, besetzt und dadurch außer Funktion gesetzt werden".
Das Opsonin (Bakteriotropin) ist nicht identisch mit irgendeinem der
bekannten Antikörper des Serums.3) In seinem Gesamtverhalten ist es,
wie aus den beiden Arbeiten Neufeld und Rimpaus zu entnehmen ist,
mit dem bakteriolytischen Ambozeptor in Parallele zu setzen, ohne daß es
natürlich als solcher angesprochen werden darf, ebensowenig, wie das
Opsonin zu den Agglutininen geholt. Es gehört auch nicht zu den Kom-
plementen; denn die Opsoninwirkung eines Serums bleibt auch dann erhalten,
wenn man seine Komplemente durch Erwärmung zerstört (Hektoen4).
Neufeld und Rimpau haben sich die Frage vorgelegt, ob die bakterio-
tropen Substanzen nicht ebenso der Komplettierung bedürfen wie die
Ambozeptoren. Sie vermochten die Mitwirkung der Komplemente des
Serums auszuschließen. Sie vermuteten indessen ein mitwirkendes Kom-
plement im Innern der Leukozyten. Es gelang ihnen jedoch nicht, ans
den Leukozyten Stoffe zu gewinnen, die die Richtigkeit dieser Vermutung
bewiesen hätten.
>) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 77, 1906.
a) Zentralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Ref., 1905.
3) Bull och und Atkin, Proc. of the Roy. Soc, Vol. 74, 1905. —
Hektoen, The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906. — Ross, Brit
med. Journ. 1906.
4) The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906.
— 403 —
Sind Opsonine und bakteriotrope Substanzen identisch?
Im vorstehenden ist als selbstverständlich angenommen worden, daß
das Opsonin W rights und die bakteriotrope Substanz Nenfeld und
R im paus identisch sind. Es ist hier noch kurz die Frage zu erörtern,
ob dies tatsächlich der Fall ist. Das Opsonin und die bakteriotrope
Substanz stimmen in der Art ihrer Wirkung sowie in ihren sonstigen
Eigenschaften vollkommen überein. Nur hinsichtlich eines Punktfes scheint
ein unterschied zu bestehen, nämlich in bezug auf das Verhalten der
Substanzen gegenüber der Wärme. Wright gibt an, daß das Opsonin
thermolabil sei, Neufeld und Kim p au dagegen heben hervor, daß ihre
bakteriotrope Substanz „relativ hitzebeständig" sei. Nach allem, was über
diese Frage bisher publiziert worden ist, ist anzunehmen, daß ein Gegen«
satz zwischen den beiden hier in Frage stehenden Substanzen in bezug
auf ihre Hitzebeständigkeit kaum existiert. Es geht aus verschiedenen
Arbeiten hervor, daß das Opsonin hitzebeständiger ist als die Komplemente,
daß es aber bei einer Temperatur, die die Ambozeptoren noch intakt läßt,
partiell zerstört wird. (Vgl. z. B. die Arbeiten von Hektoen1) und
Keith.2) Demnach wäre auch das Opsonin als relativ hitzebeständig zu
bezeichnen. Diese Tatsache bedeutet eine Übereinstimmung des Opsonins
und der bakteriotropen Substanz auch hinsichtlich ihres Verhaltens gegen*
über der Wärme. Aus alledem ergibt sich, daß Opsonin und bak-
teriotrope Substanz identisch sein müssen.
In der Tiermedizin hat die Wri glitsche Heilmethode meines Wissens
eine Anwendung bisher nicht gefunden. Es erscheint mir indessen des
Versuches wert, sie auch hier einmal anzuwenden. Die Druse des Pferdes
z. 6. wäre eine Erkrankung, bei der Erfolg am ehesten erwartet werden
könnte.
Allgemeine Bakteriologie.
Cao, &, Sul passaggio dei germi a traverso le larvS di alcuni
insetti. (Über das Verhalten, von Mikroorganismen im
Verdauungstraktus der Larven einiger Insekten.)
(Annali dlgiene spcrimentale, Vol. 16 (Nuova »Serie), 1906, S. 645/664).
Die Mikrobenflora des Verdauungstraktus der Larven der ver*
schiedenen Fleischfliegenarten ist fast ebenso zusammengesetzt, wie die
!) The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906.
3) Proc. of the Roy. Soc, Vol. 77, 1906.
— 404 —
Bakterienflora faulenden Fleisches. Die Mikroben gehören zam größten
Teil zur Proteusgruppe, znr Gruppe des Bacillus subtilis, der Kokken, der
typhus- und koliähnlichen Bakterien und des Bacillus fluorescens. Die
Flora ist bei den verschiedenen Fleischarten dieselbe, gleichgültig, ob das
Fleisch von Warm- oder Kaltblütern stammt. Im Darmtraktus der Larven
scheinen die Bakterien eine größere Virulenz zu haben als die Bakterien
des faulenden Fleisches, aus dem sie stammen.
Der Inhalt der Eier der Fliegen ist steril, an ihrer äußeren Um-
hüllung aber haften zahlreiche lebensfähige und virulente Keime. So kommt
die Infektion des Fleisches außer durch die natürlichen Ursachen auch
durch die Ablage der Eier und der Fäces seitens der Fliegen zustande.
Pfeiler (Berlin).
Uffenheimer, A., Weitere Studien über die Durchlässigkeit des
Magendarmkanales für Bakterien.
(Deutsche med. Wochenscbr., 32. Jahrg., 1906, S. 1851—1854.)
Verf. teilt ergänzend zu seinen früheren Untersuchungen mit, daß
der Bacillus prodigiosus, in das Rektum von Versuchstieren gebracht, mit
Kr*IWr Schnelligkeit nicht nur den Darm, entgegen der Peristaltik, bis zum
Magen zu durchwandern pflegt, sondern auch von diesem weiter bis zur
Ifachenhöhle gelangt, von wo er leicht in die Trachea und Lunge aspiriert
werden kann. Aus dieser Tatsache geht hervor, daß die Resultate von
Schloßmann und Engel1) mit Tuberkelbazillen nicht einwandfrei sind.
J.
Clairmont, P., Über das Verhalten des Speichels gegenüber
Bakterien.
(Wiener klin. Wochenschr., 19. Jahrg., 1906, S. 1397—1407.)
Verf. stellte umfangreiche Versuche mit dem Speichel von Menschen,
Hunden, Katzen, Kaninchen, Ziegen und Affen an und gelangte zu fol-
genden Ergebnissen:
.Wenn Wunden in der Mundhöhle per primam heilen, so ist dies vor
all cni auf zwei Momente zurückzuführen, auf die schlechten Existenzbedin-
gung n für Bakterien und die mechanische Wegschwemmung derselben durch
den Speichel. Von einer bakteriziden Wirkung des Speichels
(Typhu% Koli, Vibrionen, Staphylokokken, Streptokokken, Milzbrand) kann
inj allgemeinen nicht gesprochen werden. Jedoch findet eine geringe
Arr/ahl von Keimen im Speichel so ungünstige Lebensbedingungen, daß sie
zugrunde gehen. In dieser Wirkung ist der Speichel der physiologischen
Kmh*ulzlÖ8ung an die Seite zu stellen. Der menschliche Speichel steht in
diese? Hinsicht dem einzelner Tiere nach.
Neben individuellen Schwankungen sind Unterschiede zwischen dem
Spei* hei der Glandula submaxillaris und dem der Glandula parotis für die
»j Vgl. das Referat, Bd. I., S. 496.
— 405 —
meisten Tierarten zu konstatieren. Die erstere liefert in der Regel einen
Speichel, der gegenüber Bakterien keine oder nur eine geringe schädigende
Wirkung entfaltet. Das Parotissekret verschiedener Tiere und des Menschen
ist jedoch imstande, eine deutliche, das Wachstum der Mikroorganismen hem-
mende Wirkung auszuüben, so daß eine beschränkte Anzahl derselben zu-
grunde geht. Bei Ziegen (Wiederkäuern) ist diese Wirkung des Parotis-
speichels weitaus am intensivsten.
Unter den schlechten Existenzbedingungen, die der Speichel bietet,
scheinen vor allem die pyogenen Infektionserreger, die Staphylokokken und
Streptokokken, zu leiden; die letzteren zeigen auch in vitro, bei Züchtung in
Speichel, bzw. in Nährböden mit Speichelzusatz das für die Mundhöhle be-
kannte Wachstum in langen Ketten als Ausdruck der schlechteren Fort-
entwicklung. Virulenzabschwächende Momente sind daneben im Speichel für
Streptokokken nicht sicher nachzuweisen.
Wird dem Speichel Bouillon zugesetzt, so werden die Existenzbedin»
gungen für Bakterien gute, d. h. von einer das Wachstum der Bakterien hem-
menden Wirkung des Speichels ist nach Zusatz eines guten Nährbodens nichts
mehr zu konstatieren.
Wird die Speichelsekretion bei Tieren oder beim Menschen künstlich
angeregt, so kann nach einiger Zeit fortdauernden Speichelflusses der auf-
gefangene Speichel steril sein oder so wenige Keime enthalten, daß dieselben
sich nicht vermehren, sondern zugmnde gehen. Die im sezernierenden Stadium
exzidierte Parotisdrüse zeigt eine auffallende Resistenz gegen Fäulnis u J,
Tunnicliff, R., The identity of fusiform bacilli and spirilla.
(The Journ. of infectious Diseases, Vol. 3, 1906.)
Spirillen oder Spirochaeten sind nur ein Entwicklungsstadium fusi-
former Bazillen. Zu den Protozoen gehören sie nicht.
Kaestner (Berlin}.
Hibler, v., Über die Differentialdiagnose der pathogenen
Anaerobien.
(Verhandl. der Deutschen Patholog. Gcsellsch., 9. Tagung, [Meran] 190&,
S. 118.)
Zum Studium der Differentialdiagnose verschiedener pathogener
Anaerobien gibt v. H. ein systematisches festes Untersuchungsverfahren
an. Abgesehen von der Größe und Gestalt der Mikrobien, sind in der
Sporenbildung, der Form und Lage der Sporen und besonders in dem Ver-
halten der Sporen gegenüber Einwirkungen von Siedehitze beachtenswerte
Verschiedenheiten vorhanden. Hinsichtlich der Bildung von Granulöse,
Involutionsformen und inbetreff ihrer Bewegungsfähigkeit bieten nur wenige
Bakterienarten einigermaßen konstante Verschiedenheiten dar.
Hinsichtlich der Befähigung zur Verflüssigung von Gelatine kann
man die pathogenen Anaerobien in drei Gruppen scheiden: a) die über-
— 406 —
haupt nicht verflüssigenden, b) die nur Gelatine verflüssigenden und
c) die außer Gelatine noch durch Hitze koagulierte Eiweißarten (Serum-,
Hydrops-Flüssigkeiten) verflüssigenden.
Im Verhalten der verschiedenen Arten gegenüber Milch sind vier
Gruppen zu unterscheiden: a) die Milch wird nicht verändert; b) die Milch
wird rasch und stürmisch unter Ausfällung des Kaseins und unter reich-
licher Säure- und Gasbildung vergoren; c) dieselbe Veränderung wie
unter b, jedoch treten diese Erscheinungen später und langsamer auf;
d) das ausgefällte Kasein gelangt bei Einwirkung der Arten dieser Gruppe
unter Alkalibildung zur Lösung.
Bei der Verwendung von Gehirnbrei zur Züchtung konnte v. H. die
untersuchten Arten in zwei Gruppen trennen, wovon die eine dem Gehirn-
brei eine schwarze Färbung verleiht, während die andere den Gehirnbrei
nicht verändert.
Je nachdem die Kolonien der untersuchten Arten in Gelatine eine
radiäre Strahlung zeigen oder nicht, lassen sich zwei Gruppen unter-
scheiden.
Aber auch noch in anderer Beziehung können auf das Verhalten der
Kolonien in Gelatine Unterscheidungen gegründet werden, und zwar dann,
wenn man in Rücksicht zieht, ob mit der einsetzenden Verflüssigung die
Form der Kolonien geändert wird oder nicht.
Bezüglich der pathogenen Eigenschaften der verschiedenen Anaerobien
bei Prüfung im Tierexperiment ist zu unterscheiden, ob sie durch toxische
Stoffwechselprodukte wirken oder progressive Entzündungen hervorrufen.
Ferner ist der Umstand von Wichtigkeit, ob die Infektion mit Gewebs-
emphysem verläuft oder nicht.
Weiter ist der wichtige Unterschied zu würdigen, den die in Be-
tracht kommenden anaeroben Arten bei Impfversuchen, und zwar inbezug
auf die Eigentümlichkeit der Verbände zeigen, in denen sich die Mikrobien
auf den serösen Häuten der unter ihrer Einwirkung verendeten Versuchs-
tiere finden.
Im weiteren beschäftigt sich v. H. mit der Frage, wodurch die in
der Variabilität gegebenen Hindernisse einer ausreichenden Differential-
diagnose behoben werden können. Zum Schluß kommt Verf. darauf zu
sprechen, daß es ihm bei Anwendung des von ihm angegebenen methodi-
schen Untersuchungsweges immer gelang, die typischen Eigentümlichkeiten
des Bauschbrandbazillus festzustellen. Immer wurde er dabei nach allen
Richtungen hin von der Verschiedenheit des Rauschbrandbazillus und des
unbeweglichen Buttersäurebazillus von Schattenfroh und Graßberger
überzeugt. Lariseh (Berlin*.
— 407 —
Infektionskrankheiten.
FraenkeU G, u. Baumann, E.f Untersuchungen über die Infektiosität
verschiedener Kultaren des Tuberkelbazillus.
(Zeitsctar. f. Hygiene u. InfektionBkrankh., Bd. 54, 1906, S. 246—261.)
Znr Virulenzbestimmung der Tuberkelbazillen haben sich nur Meer-
schweinchen bewährt, Kaninchen, Ratten und Mäuse waren unbrauchbar.
Der Virulenzgrad schwankte zwischen 1 : 1000 Millionen und 1 : 100 000
Millionen, nur ein seit vielen Jahren auf künstlichem Nährboden gezüchteter
Stamm infizierte im Verhältnis 1 : 1000. Die Bazillen waren teils direkt
aus tuberkulösen menschlichen Produkten, teils aus damit infizierten Ver-
suchstieren gewonnen. Unterschiede wurden dabei nicht bemerkt. Es
muß demnach ein Tuberkelbazillus zur Infektion eines Meerschweinchens
genügen. Bugge (Kül).
Bartel, J., Zur Biologie des Perlsuchtbazillus.
^Wiener klin. Wochenschr., 20. Jahrg., 1907, S. 165—157.)
Es gelang dem Verf., Rindertuberkelbazillen (ebenso wie humane
Tuberkelbazillen) durch längeres Einwirkenlassen von Organsubstanzen
(Milz-, Lymphdrüsen-, Leber-, Nieren-, Lungensubstanz vom Kaninchen)
auf dieselben in einen Zustand der Avirulenz überzuführen (während Blut
vom Kaninchen eine solche Wirkung nicht besaß). Mit derart avirulent
gemachten Rindertuberkelbazillen „vakzinierte" Versuchstiere (Kaninchen)
zeigten eine erhöhte Resistenz gegenüber einer virulenten Infektion, der
das Kontrolltier in der üblichen Zeit erlag. J.
Cadlac, Echanges de bacilles de Koch entre les diverses espäces.
(Jonrn. de med. v6t, 1906, S. 469—478, 547—555, 597—619.)
Verf. hält Rind, Schaf, Ziege, Pferd, Esel, Maultier, Hund, Katze
und Geflügel, mit Ausnahme des Papageis, der ebenso wie das Schwein
empfänglich ist, für fast refraktär gegenüber der Infektion durch humane
Tuberkelbazillen unter natürlichen Verhältnissen, ungeeignete Experimente,
wie intravenöse oder intraperitoneale Impfung oder die Verwendung abnorm
hoher Dosen können für die Beurteilung der Verhältnisse bei der natür-
lichen Ansteckung nicht verwendet werden. Die bovinen Tuberkelbazillen
sind viel virulenter als die humanen und wohl allen Haussäugetieren und
dem Menschen gefährlich. Die Geflügeltuberkelbazillen sind infektiös bei
Ziegen und Schweinen, vielleicht auch bei Pferden, nicht aber bei Rindern.
Verf. spricht die Vermutung aus, daß die Tuberkelbazillen auch Sapro-
phyten sind, die sich im Körper jeder Tierart differenzieren und beim
Übergang von einer Tierart auf die andere ihre Eigenschaften ändern
können. Resoic (Frankfurt a. d. Oj.
— 408 —
Meyer, L., Über das Verhalten des Kuheuters gegenüber künst-
licher Infektion mit Rinder- and Menschentuberkel-
bazillen.
(Zeitschr. f. Tiermcd., Bd. 10, 1906, S. 162-197 n. S. 241—276.)
Nach einer Übersicht über die bisher ausgeführten Versuche, be-
treffend die Übertragung der menschlichen Tuberkulose auf das Rind, sowie
über die Versuche und Beobachtungen, betreffend die Übertragung der
Rindertuberkulose auf den Menschen schildert Meyer seine eigenen inter-
essanten Versuche, die nach einer nicht häufig befolgten Methode, der
Infektion vom Zitzenkanal des Euters aus, angestellt wurden.
Während die galaktogene Infektion mit zwei virulenten mensch-
lichen Tuberkelbazillenstämmen bei einer hochträchtigen Kuh keine Euter-
tuberkulose hervorzurufen vermochte, und auch die beiden mit dem Euter-
sekret dieser Kuh ernährten Kälber nicht an Tuberkulose erkrankten,
obwohl das Sekret, wie durch Verimpfung an Meerschweinchen erwiesen
wurde, noch nach sieben Wochen virulente Tuberkelbazillen enthielt, führte
die gleiche Infektion mit Rindertuberkelbazillen bei einer zweiten hoch-
trächtigen Kuh zu einer mit völligem Kräfteverfall einhergehenden, hoch-
gradigen Eutertuberkulose. Das von diesem Versuchstier genährte Kalb
wies bei der nach 34tägiger Versuchsdauer vorgenommenen Schlachtung
akute Miliartuberkulose der serösen Häute in Bauch- und Brusthöhle, Tuber-
kulose der Darmlymphdrüsen mit peripherer Verkäsung und Tuberkulose
der rechten Bronchialdrüse auf.
Diese Versuche bestätigen somit aufs neue die Tatsache, daß die
Virulenz der Rinder- und Menschentuberkelbazillen für das Rind nicht die
gleiche ist. Andererseits ist ihre Zahl zu gering, um daraus weitergehende
Schlüsse ziehen zu können. Orabert (Berlin}»
Baumgarten, P. v., Zur Kritik der aszendierenden Tuberkulose
im weiblichen Genitaltrakt.
(Bert. klin. Wochenschr., 44. Jahrg., 1907, S. 65—68.)
Verf. weist gegenüber Jung und Bennecke darauf hin, „daß bei
ungehindertem Sekretabfluß der tuberkulöse Prozeß innerhalb des Genital-
traktus sich ausschließlich in deszendierender Richtung ausbreitet, und daß
eine zweifellos aszendierende Ausbreitung nur bei nachweisbarer Hemmung1
des Sekretabflusses stattfindet."1) J.
l) Auch beim Rinde ist die Tuberkulose des Endometriums nach meinen
Beobachtungen in der Mehrzahl der Fälle auf eine r deszendierende * Ausbreitung
der Erkrankung (durch Vermittlung der Tuben von der Peritonealhöhle aus
bei Peritonealtuberkulose) zurückzuführen. Joeat.
Zeitschrift f/nfektimiskrankheitm etc. derffanstiere Bit ff.
TaflV.
Y.roick. Kruoo tisch*. Spinalparalyse.
Fi3.l.
Fig. 2
Fig. 3
Fig. f.
Fee. Dotier:
V P.\Si:'?Ltö ßirlx S'i'.t'i
Zeitschrift f. Infektionskrankheiten etc. der Haustiere. Bd. 11. Tafel V.
Zwick, Enzootischt Spinalparalyse.
£
£
£
£
/>c . Dobler.
Alb.Frnch) Kunstanstaif, Berlin //'.
Originalarbeiten.
Studien über die Lecksucht der Rinder.1)
Von
Professor Dr. R. Ostertag und Professor Dr. N. Zuntz
Kgl. Tier&retl. Hochschule Kgl Landw. Hochschule
su Berlin.
Mit dem Namen „Lecksucht" wird bekanntlich jene chronisch
verlaufende Krankheit der Rinder bezeichnet, die sich in Ver-
dauungs- und nervösen Störungen äußert. Die Tiere zeigen zuerst
verringerten Appetit und unterdrücktes Wiederkauen und häufig
Verstopfung. Dann stellt sich ein abnormer Geschmack ein. Die
Tiere lassen ihr gewöhnliches Futter liegen und bekunden eine
krankhafte Begierde nach unverdaulichen Gegenständen, wie Mörtel,
Steinen, Holz, Anbindestricken, Kleidungsstücken, Harn, Kot, Jauche.
Anfanglich belecken die kranken Tiere die Wände und Krippen und
ihre Nachbartiere nur zeitweilig. In den höheren Graden des
Leidens geschieht dies unausgesetzt, fast Tag und Nacht. Im Freien
wühlen die Tiere den Boden auf, fressen ihrer sonstigen Gewohn-
heit entgegen zähes Gras und junge Sprossen von Bäumen und
Sträuchern. Sobald sich der abnorme Appetit eingestellt hat, gehen
die Tiere im Ernährungszustande zurück, werden schreckhaft und
empfindlich, magern schließlich bis zum Skelett ab und gehen durch
Verhungern zugrunde. Auf Grund des eigenartigen Vorkommens
in gewissen Gegenden und des vorzugsweisen Auftretens bei Kühen
und Jungrindern hat man angenommen, daß es sich bei der Leck-
sucht um eine durch eine chronische Ernährungsstörung bedingte
l) Summarischer Bericht über das Ergebnis der Untersuchungen, die von
den Verff. im Auftrage des Kgl. preußischen Ministeriums für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten über die Lecksucht in der Johannisburger Heide aus-
geführt worden sind, nach in der Zentralmoorkommission erstatteten Referaten.
Die ausführliche Arbeit mit den Versuchsbelegen folgt nach.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten II, U. 27
— 410 —
Krankheit handle, bei der ein mangelhafter, mit der Boden-
beschaffenheit zusammenhängender Pfianzenwuchs die letzte Ur-
sache bilde.
Tatsächlich ist festgestellt, daß die Lecksucht in gewissen
Gegenden stationär ist und alljährlich während des Winters ge-
ringere oder größere Opfer fordert. Solche Gegenden befinden sich
im sächsischen Erzgebirge, im bayrischen Wald, im westlichen
Algäu, iin Donaumoos, im badischen Schwarzwald und auf der
Schwäbischen Alb. In den von der Lecksucht heimgesuchten
Gegenden tritt die Krankheit in bestimmten Gehöften seit einer
langen Reihe von Jahren ständig auf und zeigt sich in anderen
Gehöften nur gelegentlich, in Jahren, in denen sich die Futter-
verhältnisse ungünstig gestaltet haben.
In den letzten zehn Jahren h^ben sich die geschilderten
Krankheitserscheinungen in hochgradiger Weise in einigen ost-
preußischen Moorgebieten geltend gemacht. Die segensreichen
Wirkungen der in der Johannisburger Heide ausgeführten um-
fassenden Meliorationen drohten durch diese Kalamität illusorisch
zu werden.
Auf Anregung der Zentral-Moorkommission fand eine örtliche
Untersuchung der Sachlage durch eine Kommission statt, der der
Geh. Ober- Regierungsrat Fleischer, Prof. Tacke, Dr. Weber
und der eine von uns (0.) angehörten. Die Kommission besichtigte
zusammen mit Delegierten der Kgl. Regierung zu Gumbinnen eine
Reihe von Gehöften im Kreise Johannisburg, von denen ein Teil
nach den Angaben der Besitzer und des Kreistierarztes Veterinär-
rats Kleinpaul zu Johannisburg von Lecksucht heimgesucht wurde,
während der andere Teil davon frei war.
Das Ergebnis der örtlichen Untersuchungen war, daß Leck-
sucht in der Johannisburger Heide bereits aufgetreten ist, ehe die
Moorwiesen daselbst melioriert wurden, daß die Krankheit hauptsäch-
lich bei Jungvieh und nur in solchen Ställen beobachtet wird, in denen
Moorwiesenheu zur Verffitterung gelangt, daß sie in Gehöften, die
ihr Heu von Lehm- und Sandböden beziehen, nicht vorkommt, und
daß der Pissekfluß zum Teil eine Grenzscheide zwischen Lecksucht-
und lecksuchtfreien Gehöften bildet. In keinem Falle konnte aber
damals sicher festgestellt werden, daß die Angabe der Interessenten
.zutraf, daß die Lecksucht ausschließlich durch die Melioration der
in Betracht kommenden Wiesen hervorgerufen wurde, wenn aucli
— 411 —
einzelne Besitzer mit großer Bestimmtheit behaupteten, die Leck-
sucht sei erst seit der Zeit der Meliorationen als Kalamität hervor-
getreten.
Nun ließen in den Lecksuchtgehöften auch die äußeren Ver-
hältnisse, unter denen die Tiere gehalten wurden, zu wünschen
übrig. Es war mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Stall-,
Boden-, Wasser- und klimatischen Verhältnisse bei der Entstehung
der Krankheit eine Rolle spielten. Aus diesem Grunde «betrachtete
es die Kommission als erste, für die gesamten Untersuchungen
grundlegende Aufgabe, daß durch Versuche nachgewiesen wurde,
ob tatsächlich das Moorwiesenheu und dieses allein im-
stande ist, Lecksucht zu erzeugen.
Diese Versuche sind in umfassendster Weise ausgeführt worden.
Die Möglichkeit hierzu boten die reichen Mittel, die der Herr
Landwirtschaftsminister für die Versuche zur Verfügung stellte.
Die Versuche sind im Kreise Johannisburg und in Berlin aus-
geführt worden. Im Kreise Johannisburg wurden je sechs Kälber
aus Lecksuchtgehöften und lecksuchtfreien Gehöften auf der Ober-
försterei Turoscheln untergebracht. Je drei Kälber der verschiedenen
Herkunft wurden zu einer Gruppe (I und II) vereinigt. Die eine
Gruppe (II) erhielt Heu aus lecksuchtfreier Gegend, die andere (I)
ein gleichmäßiges Gemisch von einer meliorierten und einer nicht
meliorierten Moorwiese. Im übrigen sind die Kälber ganz gleich
gehalten worden. Die Versuche wurden ausgeführt unter Leitung
des Veterinärrats Kleinpaul von dem Oberförster Mandt.
In Berlin wurden gleichfalls je sechs Kälber aus Lecksucht-
gehöften und lecksuchtfreien Gehöften aufgestellt und in zwei
Hauptgruppen mit je zwei und drei Tieren verschiedener Herkunft
eingeteilt. Eine dritte Gruppe bestand aus zwei Tieren (darunter
eins aus einem Lecksuchtgehöft), die als Kontrolltiere dienen sollten.
Die eine Gruppe (I) bekam das Heu der nicht meliorierten Moor-
wiese, die andere (II) das Heu der meliorierten Moorwiese, das
auch in Turoscheln, dort aber in Mischung, verfüttert wurde. Die
Kontrolltiere erhielten Heu aus der Umgebung von Berlin.
Bei den hiesigen Versuchen sollten mit der genauen Kontrolle
der aufgenommenen Futtermengen und der steten klinischen Beob-
achtung der Versuchstiere exakte StofFwechselversuche verbunden
werden, in denen nicht nur die Verdaulichkeit des Futters nach
den üblichen Methoden ermittelt, sondern auch durch eine genaue
27*
— 412 —
quantitative Verfolgung der Einnahmen und Ausgaben des Tier-
körpers an allen wesentlichen organischen und anorganischen Nähr-
stoffen untersucht wurde, ob hier Anomalien nachweisbar seien.
Die klinische Kontrolle geschah bei diesen Versuchen durch
Tierarzt Dr. Foth, später wurde sie von den Tierärzten Dr. Titze
und Dause 1 vorgenommen; die chemischen Arbeiten sind von
Dr. Strigel und Dr. Aron ausgeführt worden. Durch Blutanalysen
hat außerdem Dr. Mohr, Oberarzt an der Charit^, unsere Arbeiten
unterstützt.
Die Fütterungsversuche sind in Turoscheln und Berlin am
5. Dezember 1902 begonnen worden.
Sämtliche Kälber nahmen zunächst gut zu, auch diejenigen,
die mit Meliorationswiesenheu gefüttert wurden. Dies hielt
einige Wochen an. Hierauf traten aber deutliche Unterschiede
hervor. Die Moorwiesentiere fraßen langsam, wählerisch, bekamen
ein rauhes Haarkleid und Läuse — ein bekanntes Symptom von
Ernährungsstörungen bei Kälbern. Von den sechs Moorwiesenheu-
tieren in Turoscheln gingen drei schon drei Wochen, die übrigen
drei elf Wochen nach Beginn des Versuches im Ernährungszustand
andauernd zurück. Gleichzeitig stellten sich Nagen und Lecken ein:
die Tiere magerten zum Skelett ab und sind zum Teil gestorben.
Das erste Tier, das starb, war ein Moorwiesentier (Kalb VI)
der Gruppe I zu Turoscheln. Es starb am 14. Februar 1903, schon
zehn Wochen nach Beginn des Fütterungsversuchs, nachdem sein
Gewicht von 112 kg auf 90 kg zurückgegangen war. Bei der
Sektion, die in Berlin ausgeführt wurde, sind hochgradigste Ab-
magerung, völliger Schwund des Fettgewebes, Schwund der Muskeln
und der drüsigen Eingeweide, Schwund der Knochenrinde an den
Röhrenknochen, abnorme Brüchigkeit der Rippen und auffällige
Blutarmut nachgewiesen worden. Das verendete Tier war fast so
blutleer wie ein geschlachtetes.
Das Parallelkalb Nr. XII aus der Turoschelner Gruppe IT, die
mit Heu aus lecksuchtfreier Gegend gefüttert wurde, war das
schwächste von sämtlichen Versuchskälbern gewesen, hat bei der
Einstellung nur 70 kg gewogen und bis zum 24. März, dem Tage
der Besichtigung durch uns beide, um 32 kg zugenommen.
Die am 24. März 1903 noch lebenden fünf Versuchskälber der
Turoschelner Gruppe I machten den kläglichsten, heruntergekommen-
sten Eindruck, nagten an Holz, fraßen Papier und Tuchlappen.
— 413 -
Das Gesamtgewicht der Kälber der Versuchsgruppe I, das des ge-
storbenen mit eingerechnet, betrug zu Beginn des Versuches 620 kg,
zu Ende des Versuches 620,5 kg, mithin Zunahme — 0 °/0.
Bei Gruppe II Turoscheln war das Anfangsgewicht 652,5 kg,
das Endgewicht 881,5 kg. Die Zunahme war sonach 229 kg = 35%.
Sämtliche Kälber der Versuchsgruppe II machten einen vorzüglichen,
sehr munteren, gut genährten Eindruck, zeigten ein glattes, glänzen-
des Haarkleid und waren frei von krankhaften Erscheinungen.
Dies ist um so mehr zu vermerken, als das Heu, das die
Tiere der Versuchsgruppe II erhalten haben, durchaus kein Heu
erster Güte gewesen war.
Von den Kälbern der Turoschelner Versuchsgruppe I sind
nachträglich noch drei gestorben, je eins im April, Juli und August,
die beiden letzten auf der Waldweide. Bei allen diesen Tieren
wurde der nämliche Befund wie bei dem zuerst gestorbenen Kalbe
erhoben.
In Berlin haben auch zunächst alle Kälber gut zugenommen,
die Naturwiesentiere (Gruppe I) aber besser als die Kunstwiesen-
tiere (Gruppe II). Die erste Störung trat bei den hiesigen Kälbern
in der zweiten Hälfte des Monats Januar 1903 ein. Sie zeigten
Nachlassen der Freßlust, Lecken, Nagen am Holz der Raufen und
am Lederzeug der Nachbartiere, Auftreten von Läusen. Diese
Erscheinungen verloren sich bis Anfang Februar wieder. Während
des Monats Februar stellte sich wieder Gewichtszunahme ein, die
bei den Naturwiesentieren mit einer Ausnahme bis Ende Juni an-
hielt. Ende März 1903 waren alle Naturwiesentiere, ohne Aus-
nahme, in einem ziemlich guten bis guten Ernährungszustand,
munter und aufmerksam auf die Umgebung. Drei Tiere hatten
auch eine weiche, elastische Haut, die beiden anderen dagegen eine
derbe, fest anliegende Haut und ein rauhes Haarkleid. Die Gewichts-
zunahme der fünf Kälber der Gruppe I vom 5. Dezember bis 3. April
schwankte zwischen 11 und 38 kg (= 13 bis 37 °/0 des Anfangs-
gewichtes); die absolute Gesamtgewichtszunahme war 126 kg.
Bei den Kälbern der Versuchsgruppe II ging von Anfang März
an die Futteraufnahme und dementsprechend auch der Ernährungs-
zustand zurück. Die Tiere nahmen vom 6. März bis 3. April 1903
um 6—16 kg ab. Die Gesamtgewichtsveränderung seit Beginn des
Versuches bis zum 3. April schwankte zwischen 6,5 kg Abnahme
und 13,5 kg Zunahme und betrug durchschnittlich 4,1 kg Zunahme
— 414 —
== 4,5 °/0 des Anfangsgewichtes. Am 3. April waren alle Versuchs-
tiere der Versuchsgruppe U stark abgemagert, hatten ein rauhes,
glanzloses Haarkleid und stark eingefallene Muskulatur. Sie fraßen
langsam, wählerisch, benagten gegenseitig ihr Lederzeug, nagten
an den Stricken, an der Wand und fraßen zum Teil Papier, sowie
vorgeworfene wollene Lappen.
Von den Versuchstieren der Gruppe I sind nachträglich auf
der Weide zwei Tiere (im September), von denen der Gruppe II
gleichfalls zwei Stück zugrunde gegangen, das eine am 1. Juni,
das zweite am 4. Mai. Auch bei diesen Tieren wurde der nämliche
Befund erhoben wie bei dem ersten, in Turoscheln gestorbenen
Kalbe.
Die beiden Kontrolltiere (Gruppe III), die mit Heu aus der
Umgegend von Berlin gefüttert wurden, haben dauernd zugenommen,
das eine um 45,5 kg = 41 °/0, das andere um 73,6 kg = 61%
seines Anfangsgewichtes. Die Tiere waren frei von jeglichen
Krankheitserscheinungen, auch von Läusen, geblieben, und letzteres,
obwohl sie mit dem gleichen Putzzeug gereinigt wurden, wie die
mit Läusen behafteten Tiere der Gruppen I und II. Das erstgenannte
Kontrolltier, das die geringere Gewichtszunahme (45,5 kg) aufwies,
hatte gleichwohl eine mehr als zweimal größere Gewichtszunahme
als sämtliche Versuchstiere der Gruppe II zusammen.
Während der Versuchszeit wurden acht quantitative Stoff-
wechselversuche ausgeführt, von denen immer je zwei gleichzeitig
nebeneinander durchgeführt wurden.
I A. 15.— 22. Dezember 1902 . . . Naturheu (Moorwiese) Kalb V.
IB. 15.— 22. „ 1902 . . . Meliorationsheu (Moorwiese) Kalb VI.
II A. 26. Januar bis 6. Februar 1903 Hiesiges Heu Kalb XI. '
II B. 26. „ „ 6. „ 1903 Meliorationshou (Moorwiese) Kalb VI.
III A. 13.— 20. März 1903 Naturheu (Moorwiese) Kalb IX.
III B. 13.— 20. „ 1903 Meliorationsheu (Moorwiese)
Kalb VIII. Höhe der Lecksucht
IV A. 22.-29. Mai 1903 Hiesiges Heu Kalb XI.
IV B. 22.-30. „ 1903 Meliorationsheu Kalb X.
Aus den Ergebnissen dieser Versuche, die in der ausführlichen
Veröffentlichung unserer Versuche genau besprochen werden sollen,
sei hier nur hervorgehoben, daß die Verdaulichkeit der organischen
Nährstoffe in dem schädlichen Meliorationsheu durchaus nicht
schlechter war als in dem hiesigen Heu.
— 415 —
Die auffälligste Anomalie des Moorwiesenheus war
sein geringer Natrongehalt, der in dem Heu der meliorierten
Wiese noch viel schärfer hervortrat als in dem der Naturwiese.
Mit dem geringen Natrongehalt ging eine relative Zunahme
des Kalis Hand in Hand, von dem das Meliorationsheu doppelt
so viel enthielt als das Naturheu. Beide Moorwiesenheu-Arten
waren ferner arm an Kalk, und auch dieser Nachteil trat in dem
Meliorationsheu viel stärker in die Erscheinung.
Die Stoffwechselversuche zeigten nun, daß die geringe Natrium-
menge den Bedarf nicht deckte — die Ausscheidung in Harn und
Kot war namentlich in den späteren Stadien der ausgesprochenen
Lecksucht größer als die Zufuhr — , während zugleich erhebliche
Mengen von Kalisalzen im Tierkörper zurückgehalten wurden. Die
Zurückhaltung der Kalksalze war viel geringer, als sie bei
normalem Wachstum der Knochen hätte sein müssen, und
auch der Ansatz von Phosphorsäure blieb hinter der Norm
zurück. Das letztere Ergebnis der Bilanzversuche harmonierte
mit dem Ergebnis der Sektionen der an Lecksucht verendeten
Tiere. Deren Skelett zeigte auffallenden Mangel an kompakter
Substanz, Verminderung der Wandstärke der Röhrenknochen bei
vollkommen normaler chemischer Zusammensetzung des vorhandenen
Knochengewebes. Ein zweiter konstanter Befund, der sich nament-
lich in den späteren Versuchen immer wieder ergab, waren die
wässerige Beschaffenheit des Blutes, sein geringer Gehalt an roten
Blutkörperchen und an Hämoglobin und die auffallend geringe
Menge des gesamten im Körper vorhandenen Blutes.
Durch diese Befunde war der Weg für weitere Unter-
suchungen vorgeschrieben.
Es wurde zunächst versucht, durch Beigabe von Kochsalz,
sowie von Kalk und Phosphorsäure, ferner von Eisenpräparaten
heilend und vorbeugend zu wirken — mit im wesentlichen nega-
tivem Erfolg. Die Schädlichkeit war also nicht durch Kom-
pensation der abnormen Zusammensetzung der Heuasche zu
beseitigen. Wenn die Aschenbestandteile überhaupt Bedeutung
hatten, mußten sie auf das Wachstum der Pflanzen wirken. Aus
dieser Erwägung entstanden weitere Versuchsreihen, in denen ein-
mal durch Natrondüngung (Chilisalpeter) nicht ganz ohne Erfolg
versucht wurde, ein normales, bekömmliches Heu zu erzeugen, und
in denen ferner untersucht worden ist, ob etwa nur einige der das
— 41(> —
Heu zusammensetzenden Pflanzen die schädliche Wirkung ausübten.
Es zeigte sich, daß auf den Moorwiesen produziertes reines Kleeheu
keine schädlichen Wirkungen hatte.
Sodann galt eine Reihe von Versuchen der Prüfung der Frage,
ob etwa die Schädlichkeit nur in bestimmten Wachstumsphasen des
Moorwiesengrases bestehe, und ob durch irgend eine Zubereitung das
Heu bekömmlich gemacht werden könne.
Der Winter 1903/04 war vorwiegend der Untersuchung der letzt-
genannten Frage gewidmet. Es wurden am 4. August 1903
13 Kälber aufgestellt und zunächst bis zum 1. Oktober mit un-
verdächtigem, hiesigem Heu gefüttert, um das normale Wachstum
der Versuchstiere zu prüfen. Dann wurden sie in vier möglichst
gleichmäßige Gruppen geteilt, deren erste das Heu einer meliorierten
Moorwiese ohne weiteres erhielt, während dasselbe Heu filr
Gruppe H mit siedendem Wasser,
Gruppe IH mit kaltem, durch Ammoniak alkalisch gemachtem
Wasser,
Gruppe IV mit kaltem, durch Salzsäure angesäuertem Wasser
ausgelaugt wurde.
Durch diese Behandlung sollten hypothetische Giftstoffe des
Moorwiesenheus entfernt werden; unvermeidlich wurde hierdurch
aber auch ein erheblicher Teil der Mineralstoffe und organischen
Nährstoffe ausgelaugt. Am stärksten war der Verlust bei dem mit.
Säure behandelten Heu, am geringsten bei dem mit Ammoniak
behandelten, wie folgende Zahlen zeigen:
Heu Nr. 1 Heu Nr. 2 Heu Nr. 3 Heu Nr. 4
unverändert Wasser Ammoniak Säure
Aschegehalt . 6,07% 3,40 °/0 4,38% 2,44%
Kali .... 1,97% 0,44% 0,53% 0,20%
Kalk .... 0,84% 0,83% 0,90% 0,38%
Phosphorsäure. 0,63% 0,49% 0,63% 0,39%
Die Fütterungsversuche ergaben, daß die Behandlung mit
siedendem Wasser (Dämpfen) in der Tat das Heu bekömm-
lich gemacht hat.
Die mit gedämpftem Heu fünf Monate lang gefutterten Kälber
waren nach Ablauf dieser Zeit noch sehr munter und zeigten auch
ein höheres Gewicht als bei der Einstellung in den Versuch. Zu-
nahme --- 1 6,5 °/0 des Anfangsgewichts. Als der Versuch mit gedämpf-
— 417 —
tem Heu länger, auf acht Monate, ausgedehnt wurde, erkrankten
auch die mit gedämpftem Heu gefütterten Versuchstiere. Immerhin
war es aber möglich gewesen, die Versuchstiere mit gedämpftem
Heu über den Winter verhältnismäßig gut hinwegzubringen.
Die mit unverändertem Moorwiesenheu genährten Tiere taten
aufs neue dessen Schädlichkeit dar. Das mit Ammoniak und mehr
noch das mit Säure behandelte Heu hatten gleichfalls ihre Schäd-
lichkeit nicht eingebüßt, und es konnte auch durch Zugabe von
Mineralstoffen als Ersatz der ausgelaugten ein befriedigendes Re-
sultat der Verfiitterung des mit Ammoniak und Säure ausgelaugten
Moorwiesenheus nicht erzielt werden.
Als ein gutes Mittel zur Vermeidung der Schädlich-
keit des Moorwiesenheus hat sich die Selbsterhitzung des
Heus erwiesen. Von einer Meliorationswiese, deren in gewöhn-
licher Weise gewonnenes Dürrheu stets Lecksucht erzeugte, wurde
ein Teil des Ertrages in Form von Braunheu geworben und an
drei etwa ^4 Jahr alte Kälber verfuttert. Der Versuch begann am
18. November 1903 und dauerte bis zum 31. März 1904. Die
Tiere haben mithin etwa 41/2 Monate Braunheu erhalten. Sie sind
bis zum 8. März 1904 in Turoscheln gewesen, in demselben Stall,
in dem ein Jahr zuvor die Versuchskälber nach Verfutterung des
Dürrheus der nämlichen Wiese unter Beigabe des weniger schäd-
lichen Naturwiesenheus bereits nach vier und sieben Wochen an
Lecksucht erkrankt sind. Die mit Braunheu gefütterten Tiere haben
sich während des Versuches gut entwickelt. Sie machten am Ende
des Versuches den Eindruck durchaus gesunder und vollkommen
munterer Tiere. Sie haben während des Versuches um 100 kg =
32,9 % des Anfangsgewichtes zugenommen. Dieses günstige Ergeb-
nis zeigte sich auch, als der Versuch an denselben Tieren weitere
drei Monate in Berlin fortgesetzt wurde. Später hat es sich gezeigt,
daß es wesentlich ist, daß die Braunheubereitung vorschriftsmäßig
erfolgt, daß das in Diemen von bestimmter Größe verbrachte Gras
sechs bis zwölf Wochen in dieser Lagerung verbleibt; denn nur
dann stellen sich die Selbsterhitzung und die hierdurch bedingten
Veränderungen des Heus ein. Mit Braunheu, das wegen Schimmelung
nach kurzer, nur siebentägiger Lagerung wieder auseinandergerissen
und dann wieder zusammengebracht wurde, ist der gleich günstige
Erfolg wie mit dem vorschriftsmäßig gewonnenen Braunheu nicht
erzielt worden.
— 418 —
Ein weiteres bedeutungsvolles Ergebnis wurde durch
Beweiden der das schädliche Heu liefernden Wiesen er-
zielt. Die auf den Lecksuchtmoorwiesen fünf Monate lang ge-
weideten Tiere blieben gesund und nahmen um 35—40 °/0 an
Gewicht zu.
Der Weidegang erwies sich auch als das einzige
sichere, wenn auch nur langsam wirkende Heilmittel der
Leck su cht. Weder durch Medikamente (Apoinorphin), noch durch
Verabreichung von Kraftfiittermitteln, Haferschrot, Leinkuchen. Lein-
kuchen und Leinsamen, Gras, Klee, noch durchZugabe vonMelasse, von
Salz oder von Heidekraut und Tannenreis — letzteres wurde mit
Rücksicht auf den behaupteten heilenden Einfluß der Waldweide ver-
sucht ' — konnten die stärker erkrankten Tiere geheilt werden.
Heilung wurde in unseren Versuchen nur erzielt — und das steht
mit den Beobachtungen der Praxis durchaus im Einklang — dadurch,
daß die lecksuchtkranken Tiere auf die Weide gebracht wurden.1)
Solche Heilungsversuche durch Weidegang sind mit Erfolg
ausgeführt worden in Kletzke in der Priegnitz mit in Berlin durch
Fütterung mit Moorwiesenheu krank gemachten Kälbern und in
Turoscheln auf einer Waldweide mit Johannisburger Versuchstieren.
Das günstige Ergebnis der Weideversuche auf meliorierten
Wiesen, deren Dürrheu schädlich wrar, veranlaßte Untersuchungen
über die Ursache dieser merkwürdigen Tatsache. Die Annahme,
daß durch die Gewinnung des Grases zu Heu schädliche, Lecksucht
erzeugende Stoffe entstehen könnten, war nicht wahrscheinlich.
Dagegen konnte eine Erklärung für die verschiedene Wirkung des
Grases und Heus darin gefunden werden, daß das Heu aus den
blühenden und reifen- Pflanzen besteht, während das Gras, das die
Tiere während des Weideganges aufnehmen, den früheren Vegeta-
tionsstadien angehört. Nun können aber Pflanzen, die im unreifen
Zustand unschädlich sind, im reifen Zustande schädliche Stoffe ent-
halten. Man denke an die Herbstzeitlose, deren starkes Gift, das
Colchicin, sich erst in der Periode der Samenbildung entwickelt.
Um hierüber Klarheit zu bekommen, wurden von einer Lecksucht-
!) Der völlig negative Ausfall der Heilungsversuche mit Leinkuchen und
Leinsamen steht im unmittelbaren Gegensatz zu günstigen Ergebnissen, die
die bayerische Moorkulturkommission nach ihrer Angabe (vgl. Niederschrift
über die am 21. Juli 1906 abgehaltene Sitzung) durch die Verabreichung dieser
Futtermittel bei einer kleinen Anzahl von Versuchstieren erzielt hat,
— 419 -
moorwiese statt der üblichen zwei Schnitte deren drei gewonnen und
zu Dürrheu bereitet. Der dritte Schnitt wurde so früh im Herbst
genommen, daß noch ein vierter Schnitt heranwachsen konnte. Dieser
konnte aber nicht gewonnen werden, weil das Gras durch Frost
gelitten hatte und so klein blieb, daß es die Sense nicht faßte.
Das Kalb, das den ersten Schnitt erhalten hat, ist gesund
geblieben und sehr gut gediehen. Es hat in fünf Monaten um
45 kg = rund 32 °/0 seines Anfangsgewichtes zugenommen. Das
Kontrollkalb, das mit hiesigem Heu ernährt worden ist, hat etwa
in gleicher Weise, nämlich um 52 kg = 293/4 °/0 seines Anfangs-
gewichtes zugenommen. Bei den Kälbern dagegen, die zweiten
und dritten Schnitt erhalten haben, sind die Erscheinungen der
Lecksucht früh hervorgetreten. Der Versuch hat am 6. November
1904 begonnen, die Kälber hatten schon am 22. und 30. Dezember
ihr Höchstgewicht erreicht — anfängliche Zunahme des Körper-
gewichtes wird bei an Lecksucht erkrankenden Tieren regelmäßig
beobachtet — und sie begannen bereits Mitte Januar und Februar
1905 zu nagen und zu lecken.
Der erste Schnitt erwies sich hiernach als bekömm-
lich, der zweite und dritte als Lecksucht erzeugend.
Ein weiterer Versuch ist mit Grummet angestellt worden.
Das Grummet einer Meliorationswiese erzeugte wäh-
rend des fünf Monate dauernden Versuches bei sämtlichen
drei Versuchskälbern nur die krankhaften Merkmale des
Leckens und Nagens, dagegen keine weitere Störung. Die Tiere
nahmen an Gewicht um 18— 24 kg = 16l/a — 17 °/0 ihres Anfangs-
gewichtes zu, so daß sie durch Fütterung mit dem Grummetheu
verhältnismäßig gut über den Winter hinwegzubringen waren.
Die letzten Versuche, die angestellt worden sind, betrafen die
Erforschung der Wirkung des Kleeheus, das von einer Lecksucht
erzeugenden Moorwiese gewonnen worden war. Mit solchem Klee-
heu sind im Verlauf des vergangenen Winters drei Kälber gefuttert
worden. Zur Kontrolle wurden daneben drei Kälber aufgestellt,
die gewöhnliches Dürrhen von einer Lecksucht erzeugenden Wiese
erhielten. Das Dürrheu, das von derselben Wiese stammte, die in
den Vorjahren zu den Versuchen benutzt worden war, in denen das
Heu prompt Lecksucht erzeugt hatte, entfaltete in diesem Jahre
eine geringere schädliche Wirkung als im Jahre zuvor. Dies
wurde im vergangenen Winter auch in Johannisburg festgestellt,
— 420 —
und derartige Schwankungen in der krankmachenden Wirkung sind
in allen Lecksuchtgegenden beobachtet worden. Immerhin sind
aber die Unterschiede in dem Einfluß der Kleeheu- und Grasheu-
fütterung in den Versuchen sehr deutlich hervorgetreten. Die drei
Kleeheutiere haben von Mitte November 1905 an bis zum
31. März 1906 durchweg erheblich zugenommen, und zwar um
29, 36 und 73 kg, insgesamt um 29,5 % des Anfangsgewichtes, also
um so viel, wie das mit hiesigem Heu ernährte Kontrollkalb. Bei den
drei Grastieren betrug die Gesamtzunahme nur 5°/0 des Anfangs-
gewichtes. Bei der Fortsetzung des Versuchs während der Dauer von
drei weiteren Monaten haben die Kleeheutiere um 34, 61 und 98 kg
zugenommen, insgesamt also um 193 kg = 41 % des Anfangs-
gewichtes, während bei den Grasheutieren eine Gewichtsabnahme
um 9°/0 des Anfangsgewichtes stattgeftmden hat. Es besteht also
ein Unterschied in der Gewichtszunahme um mehr als 50 °/0 gegen-
über dem Anfangsgewicht bei den mit Klee- und Grasheu von
meliorierten Moorwiesen gefütterten Kälbern. Zur Gewinnung von
Kleeheu war eine Parzelle mit Trifolium pratense, hybridum, repens
und Medicago lupulina, in der Hauptsache aber mit Trifolium repens
nach einem Vorschlage des Professors Tacke besät worden. Der
Klee ist im Frühjahr 1904 auf einer umgebrochenen Moorwiese mit
Hafer ausgesät worden. Die Wiese lieferte nach Angabe de*
Veterinärrats Kleinpaul eine gute Haferernte. Auch die Klee-
ernte war gut, nur war der Klee nicht so dickstenglig und dick-
blättrig, wie auf dem Acker gewachsener Klee.
Wir glauben aus der Gesamtzahl unserer Versuche und Beobach-
tungen nachstehende Folgerungen ziehen zu dürfen, deren Be-
gründung im einzelnen der ausführlichen Publikation vorbehalten
bleiben muß.
1. Das Heu von Moorwiesen der Johannisburger Heide vermag
die als Lecksucht bezeichnete Krankheit des Rindes zu erzeugen.
2. Das Heu von meliorierten Moorwiesen zeigt diese Wirkung
in höherem Grade als das Heu nicht meliorierter Wiesen.
3. Die krankmachende Wirkung des Heus einer und der-
selben Wiese ist nicht in allen Jahrgängen gleich stark.
4. Die durch Moorwiesenheu erzeugte Lecksucht des Rindes
ist als eine Vergiftung aufzufassen, die sich durch eine Störung
der Futterauihahme und des Stoffwechsels, speziell der Blut- und
- 421 —
Knochenbildung, sowie durch die krankhafte Neigung, zu nagen und
zu lecken, kennzeichnet.
5. Welcher Art das Gift oder die Gifte in dem Moorwiesen-
heu sind, konnte nicht festgestellt werden. Da das Moorwiesenheu
erst nach längerer Verabreichung schädigend wirkt, ist anzunehmen,
daß der Giftstoff nur in sehr kleinen Mengen in dem Heu enthalten
ist und allmählich, kumulativ, so schädigt, daß sich die schweren
Stoffwechselstörungen ausbilden.
Daß vielleicht mehrere Giftstoffe in Frage kommen, darauf
weist das Ergebnis des Versuches der Fütterung mit Grummet hin,
das zwar die perverse Neigung zum Nagen und Lecken, dagegen
nicht die schweren Ernährungsstörungen, die der Lecksucht eigen-
tümlich sind, hervorrief. Die Grummettiere haben genagt und geleckt,
sind aber nicht abgemagert, sondern haben an Gewicht zugenommen.
6. Das Zustandekommen der Lecksucht wird durch ungünstige
äußere Einflüsse begünstigt.
Die vergleichenden Fütterungsversuche im Kreise Johannis-
burg und in Berlin haben ergeben, daß die Krankheit in einem
warmen und gut belichteten Stall später und milder auftritt als
in einem kalten und mangelhaft belichteten Stall.
Die Erfahrung im Kreise Johannisburg lehrt auch, daß sich
die Krankheit in kurzen, milden Wintern weniger heftig zeigt als
in langen, strengen Wintern.
7. An Pferde kann das Moorwiesenheu, das bei Rindern Leck-
sucht hervorruft, ohne Nachteil verfuttert werden.
8. Durch Dämpfen kann die in dem Moorwiesenheu enthaltene
Schädlichkeit so weit zerstört werden, daß Kälber fünf Monate
lang mit dem Heu gefüttert werden können, ohne an Lecksucht
zu erkranken.
9. Durch die Gewinnung des Moorwiesenertrages in Form von
Braunheu kann die Schädlichkeit vollständig beseitigt werden.
10. Als unschädlich und gut bekömmlich hat sich das Heu
von einem sehr früh, vor der Blüte der Gräser ausgeführten Schnitt
erwiesen, wogegen der zweite und dritte Schnitt der nämlichen
Wiese stark Lecksucht erzeugendes Heu lieferte. Wenig schädlich
ist Grummet. Auch das Heu einer mit Chilisalpeter gedüngten
Wiese hat sich als verhältnismäßig wenig schädlich gezeigt.
11. Unschädlich und gut bekömmlich ist das Gras von Moor-
wiesen beim Weidegang.
— 422 —
12. Als unschädlich und gut bekömmlich hat sich auch Klee-
heu, das auf einer Moorwiese gewonnen wurde, herausgestellt.
13. Lecksuchtkrank gewordene Tiere genesen beim Weidegang,
wenn die Lecksucht noch nicht zur völligen Entkräftung geführt
hat. Medikamente und die Verabreichung von Kraftfuttermitteln
sind bei ausgesprochen lecksuchtkranken Tieren ohne Weidegang
nicht von Erfolg.
14. Durch Beigabe von Natriumsalzen und Kalziumphosphat
zum Futter wird dessen Lecksucht erzeugende Wirkung nicht be-
seitigt oder gemildert.
Mildern lassen sich hiernach die Schädigungen, die bei Rindern
nach Verfülternng von Moorwiesenhm auftreten:
durch Verabreichung des Grummets an Rinder und Ver-
fütterung des Heus an Pferde;
durch frühzeitiges Mähen der Wiesen und Verabreichung
des ersten Schnittes an Rinder, des zweiten und dritten
Schnittes an Pferde;
durch Dämpfen des Heus;
endlich durch Beigabe von Chilisalpeter zum üblichen
Dünger der Moorwiesen.
Verhütet kann die Lecksucht werden:
durch Benutzung der Moorwiesen als Weide;
durch Braunheubereitung an Stelle der Dürrheubereitung;
durch Kleeansaat auf den Moorwiesen.
Zu den Maßregeln, die die Schädigungen zu mildern geeignet
sind, möchten wir bemerken, daß die Heidebauern in Johannisburg
jetzt schon das Heu als Pferdefutter verkaufen, und daß sie besser
daran tun, nur so viel Vieh zu halten, als sie mit Grummet durch
den Winter bringen können, als daß sie sich einen der Heu- und
Grummeternte entsprechenden Viehbestand zulegen, der während
des Winters lecksüchtig wird. Ein Hektar Moorwiese liefert nach
der Auskunft des Veterinärrats Kleinpaul in der Johannisburger
Heide etwa 38 Zentner Heu und 36 Zentner Grummet.
Der frühe erste Schnitt würde nach Kleinpaul vor Johanni
zu nehmen sein. Diese Zeit sei in der Johannisburger Gegend
auch für die Werbung günstig, da die Witterung vor Johanni besser
sei als nach Johanni. Zu bedenken ist nur, daß ein früher erster
Schnitt nur wenig ergiebig ist. Bei unseren Versuchen lieferte der
— 423 —
erste Schnitt nur 8l/2 Zentner, der zweite dagegen lß1^ Zentner,
der dritte lö1^ Zentner auf den Hektar, der erste Schnitt also
nicht einmal den vierten Teil des Gesamtertrages.
Der Durchfährung der Chilisalpeterdüngung dürften in der
Praxis durch den Kostenpunkt Schwierigkeiten begegnen. Sie ver-
ursacht auf den Hektar eine Mehrausgabe für Düngemittel von etwa
40 Mark bei einem Preise von 11 bis 12 Mark für den Zentner.
Hierzu kommen noch 40 Mark für die Düngung mit Kainit und
Thomasschlacke. 80 Mark für die Düngung eines Hektars sei den
Johannisburger Heidebauern aber zu viel, sagt Veterinärrat Klein-
paul, der sich als ein ausgezeichneter Kenner der hier in Frage
kommenden Verhältnisse erwiesen hat. Auch bei der Dämpfung
des Heus ist zu berücksichtigen, daß sie Zeit und Geld kostet.
Günstiger steht es mit den Verhütungsmitteln.
Braunheu kann bei gutem Willen und wenn die Intelligenz
in der Johannisburger Heide, die Landwirtschaft treibenden Förster,
mit gutem Beispiel vorangehen, an Stelle des Dürrheus ohne be-
sondere Mühe gewonnen. werden. In dem Dorfe Snopken im Kreise
Johannisburg hat bereits ein kleinerer Landwirt, dessen Viehbestand
in den Vorjahren stark unter der Lecksucht zu leiden hatte, 1905
Braunheu bereitet, und der Versuch ist so gelungen, daß er sein
Vieh diesmal „leidlich gut", wie Veterinärrat Kfeinpaul schreibt,
durch den Winter gebracht hat.
Die Ansaat von Klee auf dem Moorboden hat gewisse Schwierig-
keiten wegen der Graswüchsigkeit des Moorbodens, wie Professor
Dr. Tacke und Veterinärrat Kleinpaul übereinstimmend angegeben
haben. Der Klee wird alsbald von Gras durchsetzt. Um dauernd
reines Kleeheu zu erzielen, wäre alle zwei Jahre ein Umbrechen
der Moorwiesen erforderlich. Dies ist zu kostspielig. Einfacher
läßt sich nach den Johannisburger Auskünften ein vorwiegender
Kleebestand sichern dadurch, daß die Wiesen jährlich aufgerissen
und mit Klee nachgesät werden. Es wäre erwünscht, wenn durch
Anbauversuche auf dem Johannisburger Moor, die von der Moor-
versuchsstation zu leiten wären, festgestellt würde, welche Kleeart
sich auf dem Johannisburger Moor am besten behauptet.
Eine Vorbeugungsmaßregel, die ohne jegliche Schwierigkeit
ausgeführt werden kann, ist, wie die angestellten Versuche ergeben
haben, der Weidegang. Von den Königlichen Förstern in der
Johannisburger Heide ist der Weidegang auf den Dienstwiesen
— 424 —
bereits begonnen worden, nachdem die Wiesen entsprechend vor-
bereitet worden sind (Andrücken der Wiesen im Frühjahr mit einer
schweren Walze nnd Auslegen der Gräben mit Reisig).
Es wird Sache des einzelnen Besitzers sein, dasjenige Vor-
bengungsmittel anzuwenden, das ihm nach Lage seiner wirtschaft-
lichen Verhältnisse am zweckmäßigsten zu sein scheint. Einsichtige
Besitzer werden auch, um recht viel einwandfreies Rindviehfutter
für den Winter zu erhalten, mehr als bisher von der Möglichkeit
Gebrauch machen, auf den Moorböden Korn und Hackfrüchte zu
bauen, um auf dem verfügbaren Sand, der bis jetzt zu Ackerland
verwendet wurde, Gras- und Kleeheu zu gewinnen.
Unsere mühevollen und kostspieligen Versuche sind nicht ver-
geblich gewesen. Sie haben zwar kein Mittel ergeben, das in allen
Wirtschaften ohne jede Änderung der bisherigen Wirtschaftsweise
die Lecksucht zu verhüten geeignet wäre, sie haben aber ver-
schiedene Wege gewiesen, auf denen bei gutem Willen der Besitzer
in den verschiedenen Wirtschaften die Lecksucht beseitigt werden
kann. Werden diese Wege beschritten, dann werden auch der
Johannisburger Heide die Segnungen, die anderen Gegenden durch
die Melioration der Moorböden erwachsen sind, im vollen Umfange
zugute kommen.
(Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin.)
Weitere Untersuchungen über die Ätiologie der
Schweineseuche und Schweinepest
Zweite Mitteilung
von
Professor Dr. IL Ostertag und Repetitor Dr. A. Stadie.
Im letzten Heft dieser Zeitschrift hat Professor Dr. Hutyra
den Standpunkt, den er in der Frage der Ätiologie der Schweinepest
und Schweineseuche einnimmt, eingehend dargelegt. Die Aus-
führungen Hutyras gipfeln in der Vertretung der Annahme, daß
nicht nur die Schweinepest, sondern auch die Schweineseuche in
letzter, oder richtiger ausgedrückt, in erster Instanz durch das
filtrierbare Schweinepestvirus erzeugt werde. Dieses ermögliche
sowohl den Eintritt des Bac. suipestifer wie den des Bac. suisepticus
in den Organismus der Schweine. Hutyra hat hierbei, wie er betont,
die „klassische Schweineseuche" vor Augen, wie sie seinerzeit von
Löffler und Schütz beschrieben worden sei, die nach seiner
Meinung zumeist in Schweinepestbeständen auftritt, er will von
dieser die Krankheit unterschieden wissen, die seit einiger Zeit in
Deutschland als „chronische Schweineseuche der Ferkel" beschrieben
werde. Letztere Krankheit sei von der klassischen, akuten Schweine-
seuche scharf zu trennen. Für die chronische Schweineseuche mit
ihrer „gelegentlichen Ansteckungsfähigkeit lediglich für ganz junge
Tiere" seien prädisponierende Momente von großer Bedeutung. Die
unmittelbare ätiologische Kolle der bei dieser Krankheit im er-
krankten Lungengewebe vorgefundenen verschiedenen Bakterien be-
dürfe noch weiterer Erforschung. Für Hutyra ist es noch nicht
ausgemacht, daß die chronische Schweineseuche durch den Bac.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 6. 28
— 426 —
suisepticus bedingt wird, während er die unmittelbare ätiologische
Bedeutung dieses Bazillus für die akute Schweineseuche selbst betont.
Hutyra wurde zu der unistischen Annahme der prima causa
der Schweinepest und Schweineseuche durch zwei Umstände geleitet,
einmal durch die allbekannte und niemals bestrittene Tatsache,
daß in Schweinepestbeständen gleichzeitig Pneumonien aufzutreten
pflegen, und dann durch seinen einen Versuch, in dem er
durch filtriertes Material eines mit anatomischer Schweineseuche be-
hafteten Schweines Schweinepest erzeugen konnte. Ein ähnliches
Ergebnis hatten auch wir in einem Falle. In unserem Falle hat
es sich aber um ein Schwein aus einem Bestände gehandelt, in dem
nach Mitteilung des Einsenders gleichzeitig Schweinepest herrschte,
und Hutyra gibt jetzt gleichfalls mit positiver Bestimmtheit an.
daß er bei seinem fraglichen Versuch Material aus einem Schweine-
pestbestand in Händen gehabt habe. Nun kann man Hutyra darin
vollkommen zustimmen, daß die Schweinepesterkrankung die Ent-
stehung der sie häufig komplizierenden, durch den Bac. suisepticus be-
dingten Schweineseucheerkrankung begünstigt. Darüber besteht Ein-
helligkeit unter allen, die über Schweinepest und Schweineseuche
gearbeitet haben, bis auf Billings, dessen Schatten durch Hutyra s
Formulierung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen der die
Schweinepest komplizierenden Schweineseuche und der Schweinepest
aus der Versenkung der Literatur heraufbeschworen wird. Man
kann Hutyra auch die Art der Formulierung dieses Abhängigkeits-
verhältnisses konzedieren, da über die Sache selbst längst voll-
ständige Übereinstimmung der Ansichten herrscht. Nicht begründet
aber ist u. E. nach dem vorliegenden Tatsachenmaterial die
Deduktion, daß auch die reine, unabhängig von der Schweinepest
auftretende Schweineseuche durch das filtrierbare Schweinepestviras
erzeugt werde. Zu dieser Annahme reicht Hutyras und unser
Versuch nicht aus, da es sich in beiden Fällen um Schweine ans
Schweinepestbeständen gehandelt hat. Bei dem Hutyra sehen Fall
kommt noch hinzu, daß der anatomische Befund bei den zu den Ver-
suchen benutzten Kontrollferkeln nicht bekannt oder jedenfalls nicht
mitgeteilt worden ist.
Als wir das Ergebnis unseres, dem Hutyraschen entsprechen-
den Versuches vor Augen hatten, stürmten auf uns ganz ähnliche
Erwägungen ein, wie sie Hutyra veröffentlicht hat. Wir haben
aber einen Versuch für keine ausreichende Grundlage gehalten.
— 427 —
daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen, sondern vorerst weitere,
eindeutige Experimente zur Klärung der Sachlage für erforderlich
gehalten. Solche Versuche sind von uns inzwischen angestellt worden.
Über ihr Ergebnis soll, soweit es nicht schon im Heft 2/3 des
laufenden Bandes dieser Zeitschrift mitgeteilt worden ist, am
Schlüsse dieser Abhandlung berichtet werden. Es möge aber hier
gleich erwähnt sein, daß der Ausfall der weiteren von uns angestellten
Versuche für die Richtigkeit der Huty raschen Annahme nicht spricht.
Hutyra hat die Sachlage etwas verwirrt und die Verstän-
digung erschwert durch seine theoretische Trennung der in Deutsch-
land herrschenden reinen Schweineseuche von der „klassischen
Schweineseuche", wie er sie versteht. Ohne diese nach unserer
Ansicht unbegründete Trennung bestände zwischen der Hutyraschen
und unserer Auffassung über die Ätiologie der Schweineseuche gar
keine Divergenz. Denn auch Hutyra behauptet nicht, daß die
unmittelbare Ursache der die Schweinepest komplizierenden Schweine-
seuche ein filtrierbares Virus ist, sondern hebt selbst hervor, daß
diese der Bacillus suisepticus sei, und Hutyra behauptet ferner
nicht, daß das Virus der reinen, in Deutschland herrschenden Schweine-
seuche filtrierbar sei. Er neigt aber der s. Z. von Preisz aus-
gesprochenen Meinung zu, daß die von Schütz im Jahre 1886
beschriebenen Fälle gar nicht Fälle von reiner Schweineseuche,
sondern nur Komplikationen von Schweinepest gewesen seien und
vertritt auch die weitere von Preisz aufgestellte Hypothese, daß
die „klassische Schweineseuche" ohne Schweinepest als verheerende
Seuche in großen Schweinebeständen gar nicht beobachtet werde.
Wir zweifeln nicht daran, daß dieser Standpunkt in dem Er-
gebnis der Sektionen, die Preisz und Hutyra in Ungarn gemacht
haben, eine Stütze hat, müssen aber betonen, daß die Verallgemeinerung
der Preisz sehen Hypothese willkürlich ist. Die Unzulässigkeit
der Annahme von Preisz ergibt sich aus den Beobachtungen in
Deutschland, an denen der eine von uns nun seit 20 Jahren beteiligt
ist. Ostertag hat in den achtziger Jahren Gelegenheit gehabt,
das beanstandete Material auf dem hiesigen Zentralschlachthof zu
untersuchen und hat in den ersten Jahren seiner Tätigkeit daselbst
wohl akute Schweineseuche, bei den hiermit behafteten Tieren aber
niemals die der Schweinepest eigentümlichen Veränderungen nach-
weisen können, obwohl er diese von dänischen Präparaten, die in der
Sammlung des Hamburger Schlachthofes aufbewahrt waren, sehr gut
28*
— 428 —
kannte. Dann hatte er seit 1896 reiche Gelegenheit, Tiere aus
gleichen Beständen in größerer Zahl zu untersuchen und der Aus-
schlachtung ganzer Bestände anzuwohnen, in denen lediglich das
Herrschen von Schweineseuche ohne Schweinepest festzustellen war.
Beck und Koske1) haben bei den Sektionen spontan gefallener
Tiere auch auf die Mischinfektion der Schweineseuche mit Schweine-
pest geachtet und unter 18 darauf untersuchten Fällen nur dreimal
eine solche Mischinfektion feststellen können. Junack2) hat vom
1. Juni 1902 bis 1. Juni 1905 2603 ganze Schweinekadaver oder
die Lungen und den Darmkanal von Schweinen untersucht und in
1323 Fällen reine Schweineseuche und nur in 319 Fällen Schweinepest
oder Schweinepest, kompliziert mit Schweineseuche ermittelt. Über
ganz konforme Erfahrungen verfügen die meisten älteren deutschen
beamteten Tierärzte. Die deutschen beamteten Tierärzte wissen
auch, daß es ganze Bezirke gibt, in denen nur reine Schweine-
seuche herrscht, und andere, in denen sie als Komplikation der
Schweinepest auftritt.
Nun sagt Hutyra, er stelle nicht in Abrede, daß eine Pneu-
monie ohne Schweinepest bei Schweinen in Deutschland vorkomme,
bestreiten aber müsse er, daß diese Pneumonie mit der klassischen
Schweineseuche, die zumeist in Schweinepestbeständen auftrete,
etwas zu tun habe.
Hutyra leugnet die Identität hauptsächlich deshalb, weil die in
Deutschland auftretende reine Schweineseuche nunmehr gewöhnlich
chronisch und nur bei ganz jungen Ferkeln zur Beobachtung komme.
Eine Umwandlung der früheren verheerenden, akuten (klassischen)
Schweineseuche in die milde Seuche der Ferkel sei noch nicht be-
obachtet worden. Von der milden Seuche würden sehr häufig ganz
junge Ferkel, z. T. kurze Zeit nach der Geburt ergriffen, während
solche jungen Tiere von der akuten Seuche gewöhnlich verschont
blieben. Die von Ostertag ausgeführten Versuche, durch Einatmen-
lassen von verändertem Lungenmaterial und von Reinkulturen aus
Material von akuter Schweineseuche sowohl akute als auch
chronische Schweineseuche zu erzeugen, seien nicht beweiskräftig,
da in einem Falle nicht ausgeschlossen sei, daß außer den ovoiden
auch sonstige Bakterien inhaliert worden seien, und im anderen
neben Staphylokokken- und Streptokokkenkolonien nur spärliche
1 ) Arbeiten ans dem Kais. Gesundheitsamt 22. Bd., 1905, S. 429 502.
*) Diese Zeitschr. 1. Bd., 1906, S. 153/166.
— 42» —
Kolonien von Schweineseuchebakterien aufgegangen seien. Noch
weniger Beweiskraft spricht H. der Tatsache zu, daß die milde Form
der in Deutschland herrschenden Schweineseuche durch äußere
Einflüsse (Transporte, anderweitige Erkrankungen usw.) akut werde.
Denn dies beweise nur, daß der im pneumonischen Lungengewebe
vorhandene Bac. suisepticus seiner spezifischen Wirkung gemäß eine
akute Pneumonie hervorzurufen vermöge. Hierzu komme, daß in
den entzündeten Lungenteilen der Bac. suisepticus häufig, aber nicht
immer zugegen sei. Im übrigen sei der Beweis für die ätiologische
Bedeutung der ovoiden Bakterien für die chronische Schweine-
seuche noch nicht erbracht. Dann kommt Hutyra wieder dar-
auf zurück, daß reine Schweineseucheepidemien mit akutem, ver-
heerendem Charakter noch nicht beobachtet worden seien, während
es sporadische Fälle von Pneumonien gebe, die klinisch, anatomisch
und bakteriologisch vollkommen der akuten Schweineseuche ent-
sprächen. Auch seien die ovoiden „Sputumbakterien" in den
oberen Luftwegen zu beachten, die unter bestimmten, die Resistenz
des Organismus herabsetzenden Umständen zu einer Erkrankung
der Träger dieser Bakterien fuhren könnten. Prädisponierende
Umstände hätten überhaupt eine ausschlaggebende Bedeutung für
das Zustandekommen der chronischen Schweineseuche (kalte Ställe,
intensive Zucht). Weiter bewege sich die Ansteckungsf&higkeit
der in Deutschland herrschenden chronischen Schweineseuche in sehr
engen Grenzen, und es bedürfe noch des Nachweises, daß kranke Ferkel
auch unter günstigen Verhältnissen lebende, etwas ältere Tiere anzu-
stecken vermögen. Hiernach sagt Hutyra, werde dem Nachweis der
ovoiden Bakterien in Zukunft nur ein sehr bedingter und untergeord-
neter diagnostischer Wert zukommen, und er werde für sich allein
keineswegs für die Stellung der Diagnose „Schweineseuche" genügen.
Hutyra nimmt auch auf die neuen vom preußischen Ministerium
für Landwirtschaft am 4. Februar 1907 erlassenen Bestimmungen
über die Bekämpfung der Seuchen der Schweine Bezug und gibt der
Ansicht Raum, durch die Motivierung der Beschränkung der Maß-
regeln auf bestimmte Formen der Schweineseuche erscheine die
Anschauung über die ätiologische Rolle der ovoiden Bakterien sehr
erschüttert. Diese Auslegung wird die Verfasser des Erlasses über-
raschen; denn diese wollten das, was Hutyra aus dem Erlaß
gefolgert hat, gewiß nicht zum Ausdruck bringen. Als bemerkens-
wert bezeichnet Hutyra auch jenen Passus in den neuen Be-
— 430 —
Stimmungen, daß es bei chronisch schweineseuchekranken Schweinen
bei Verwendung der üblichen Menge von Ausgangsmaterial in einem
Drittel der Fälle nicht gelingt, den ovoiden Bac. suisepticus aus
den erkrankten Organen zu isolieren. Endlich hält Hutyra die
Angabe in den neuen Bestimmungen, daß an akuter Schweineseuche
nicht bloß jüngere, sondern auch ältere Tiere erkranken, und daß in
diesem Falle die Erkrankung in einem hohen Prozentsatz (bis zu 75°/0)
zum Tode führt, durch tatsächliche Beobachtungen für nicht gestützt!
Wir wollen gleich beim letzten Punkt verweilen, weil er den
Kernpunkt der Hutyraschen Argumentation gegen die Annahme
einer reinen, als selbständige Seuche auftretenden Schweineseuche
bildet, auf den er in seinen interessanten Erwägungen immer wieder
zurückkommt. Sicherlich würde Hutyra seine Zweifel darüber, daß
es eine reine, verheerend auftretende Schweineseuche in Deutschland
gibt, unterdrückt haben, wenn er darüber informiert gewesen wäre,
wie die neuen, vom preußischen Landwirtschaftsministerium erlasse-
nen Bestimmungen über die Bekämpfung der Schweineseuchen zu-
stande gekommen sind. Die Angabe, daß die reine Schweineseuche
akut auftreten und alte wie junge Tiere ergreifen und bis zu 75%
der betroffenen Tiere dahinraffen kann, ist das Urteil nicht nur der
wissenschaftlichen Sachverständigen, die mit der Untersuchung und
Bekämpfung der Schweineseuchen im Königreich Preußen zu tun haben,
son4ern auch sämtlicher leitender Veterinärbeamten, derenAufgabe die
Überwachung der Seuchenbekämpfung im Königreich Preußen bildet.
Es ist — leider! — nicht zutreffend, daß die Krankheit, die
wir in Deutschland als Schweineseuche bezeichnen, lediglich eine
Krankheit „ganz junger Tiere" ist, nur chronisch auftritt und nur
gelegentlich Ansteckungsfähigkeit besitzt. Im Interesse der deutschen
Schweinehaltung wäre zu wünschen, es verhielte sich so wie
Hutyra meint. Vielleicht vermißt Hutyra zahlreichere Beschrei-
bungen der akuten Schweineseuche durch deutsche Tierärzte. Dem
ist entgegen zu halten, daß die Beobachtungen über akute Schweine-
seuclie nicht beschrieben werden, weil sie nichts Ungewöhnliches
sind. Es teilt ja auch niemand mehr Beobachtungen über akute
Schweinepest oder über gewöhnliche Maul- und Klauenseuche in
besonderen Publikationen mit1).
*) Vgl. im übrigen die Veröffentlichungen Bermbachs und Nevermanns
aus den Jahresveterinärberichten der beamteten Tierärzte Preußens 1900 S.87— 88,
1901 S. 129, 1903 S. 114-120, 1904 S. 124—127.
— 431 —
Es ist auch, beiläufig bemerkt, nicht richtig, daß von der
reinen Schweineseuche nur ganz junge Tiere bald nach der Geburt
befallen werden. Die Schweineseuche erzeugt vielmehr sehr häufig
zur Zeit des Absetzens die ersten offensichtlichen Krankheitserschei-
nungen, genau wie es Hutyra bei der klassischen Schweineseuche
beobachtet hat. Im übrigen wäre nach dem, was wir über das
Wesen der Infektion wissen, ein solcher zeitlicher Unterschied in
dem Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen zur Differenzie-
rung zweier Erkrankungen ebensowenig geeignet, wie bestimmte
anatomische Unterschiede der Formen der Entzündung bei Erregern,
die Entzündungen hervorrufen können.
Es trifft weiter leider nicht zu, daß die reine Schweineseuche nur
unter mangelhaften hygienischen Verhältnissen vorkommt, wenn diese
auch wie bei vielen anderen Infektionskrankheiten auf den Verlauf
der Seuche ungünstig einwirken. Die Schweineseuche bricht vielmehr
auch unter den günstigsten hygienischen Verhältnissen aus,
und kranke Tiere vermögen die Seuche auch in Bestände, die
unter den günstigsten hygienischen Verhältnissen leben, einzu-
schleppen. Man trifft die Schweineseuche in Zuchtbetrieben, in
denen mit Rücksicht auf das wertvolle Tiermaterial alle hygie*
nischen Forderungen erfüllt sind, und sieht sie nach Ankauf er-
krankter Tiere in Beständen sich ausbreiten, die in Musterstallungen
untergebracht sind. Auch dies sind Tatsachen, die in Deutschland
den mit der Seuchenfeststellung und Seuchentilgung betrauten Tier-
ärzten allbekannt sind.1)
Der Beweis, daß die akute, verheerend auftretende „klassische
Schweineseuche" im Sinne der Beschreibung von Schütz mit der
jetzt in Deutschland vorwiegend herrschenden chronischen Schweine-
seuche unmittelbar zusammenhängt, ist, außer in den bakteriologischen
Befunden, in den im Hygienischen Institut ausgeführten Übertragungs-
versuchen und dem Akutwerden chronischer Schweineseuche unter
dem Einfluß ungünstiger Verhältnisse, noch in folgenden epide-
miologischen Tatsachen zu finden:
1. Die akute Schweineseuche geht in chronische über, wie
u. a. auch .Beck und Koske, 2) sowie Gutbrod3) auf Grund
ihrer Beobachtungen hervorgehoben haben, und wie wir seit der
*) Vgl. auch Nevermann, Veröffentlichungen 1903, S. 115.
*) Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt 22. Band, S. 429—502.
3) Wochenschr. f. Tierheilkunde und Viehzucht 1904, S. 549
— 432 —
Zeit wissen, seit der an Stelle der früher allgemein üblich gewesenen
Ausschlachtung von durch Schweineseuche verseuchten Zuchtbe-
ständen die Heranzüchtung gesunder Bestände aus verseuchten
nach den Vorschlägen Ostertags und Wassermanns, mit Erfolg
versucht wird.1)
2. Die chronische und die akute Schweineseuche können in
ein und demselben Bestand gleichzeitig herrschen.
3. Nach der Einfuhr eines chronisch kranken Tieres in einen
bis dahin unverseuchten Bestand kann die akute, dezimierende
Schweineseuche ausbrechen, worauf u. a. auch Arndt,2) Klebba3)
und Hock4) aufmerksam gemacht haben, und worüber die Schweine-
mäster sehr traurige Erfahrungen besitzen. Uns sind Mästereien
aus der unmittelbaren und weiteren Umgebung von Berlin, aus
Westpreußen, Pommern und der Rheinprovinz bekannt, die auf-
gegeben wurden, weil durch Ankauf chronisch kranker Schweine
wiederholt akute Schweineseuche eingeschleppt wurde, die die
Schlachtung der ganzen, ausschließlich aus älteren Tieren bestehen-
den Bestände notwendig machte. Die Mäster haben sich in diesen
Fällen gegen die wiederholte Einschleppung der akuten Schweine-
seuche durch chronisch kranke Tiere selbst dadurch nicht schützen
können, daß sie nur noch angemästete Tiere im Gewicht von etwa
75 kg zur Mast aufstellten.
Warum Hutyra das Akutwerden der chronischen Schweine-
seuche unter dem Einfluß von Transporten nicht für beweiskräftig
für die Wesenseinheit der akuten und chronischen Schweineseuche
hält, ist aus seiner Beweisführung nicht zu entnehmen. Denn
seine Folgerung steht im Widerspruch mit der zutreffenden Inter-
pretation der Pathogenese dieser Fälle.
Was die im Hygienischen Institut der hiesigen Tierärztlichen
Hochschule ausgeführten Versuche anbelangt, in denen durch Ein-
atmenlassen von verändertem Lungenmaterial und von Reinkulturen
aus Material von akuter Schweineseuche sowohl akute als auch chro-
nische Schweineseuche erzeugt wurde, so können wir zu der Aus-
stellungHutyras zum erstenFalle bemerken, daß das Versuchsmaterial
in diesem Fall (entzündetes Lungengewebe) nach Ausweis des Ver-
1) Vgl. auch Bembach und Nevermann a. d. a. 0.
2) S. Bernbach, a. a. 0. 1902, S. 172.
3) S. Nevermann, a. a. 0. 1903, S. 114-115.
4) Mitteilungen des Vereins Badischer Tierärzte 1904, S. 173.
— 433 —
Suchsprotokolls den Bac. suisepticus in Reinkultur enthielt. Die
Kritik an dem zweiten Falle dürfte sich durch den völlig negativen
Ausfall blinder Inhalationsversuche erledigen, die mit großen Mengen
steriler Bouillon angestellt wurden, und bei denen auch die Luft-
keime, Staphylokokken und Streptokokken, die im zweiten Falle
neben den Schweineseuchebakterien im verdichteten Lungengewebe
des Versuchsferkels gefunden wurden, inhaliert werden konnten.
Also muß das krankmachende Agens bei den mit dem Bac.
suisepticus angestellten Versuchen die Inhalation der Schweine-
seuchebakterien gewesen sein, obwohl sich in den Lungen der krank
gemachten Schweine neben den Schweineseuchebakterien auch noch
Staphylokokken und Streptokokken vorfanden. Der Befund einer
geringen Zahl von Schweineseuchebakterien ist nicht weiter auf-
fallend. Denn eine geringe Zahl von Schweineseuchebakterien kann
man auch in Fällen von reiner Schweineseuche feststellen, in denen
lediglich Schweineseuchebakterien im Organismus zugegen sind
(vgl. z. B. den bakteriologischen Befund bei dem künstlich infizierten
Ferkel Nr. XXXIV der nachfolgenden Versuchsreihe II). Etwas
ganz Ähnliches findet man bekanntlich bei tuberkulösen Abszessen
und bei der menschlichen Influenza.
Die von Hutyra zitierten Übertragungs versuche sind im
übrigen nicht die einzigen, die im Hygienischen Institut mit Material
von akut schweineseuchekranken Schweinen angestellt worden
sind. Hutyra kann sich durch Wiederholung solcher Versuche
leicht überzeugen, daß man mit Material von akuter, wie von
chronischer Schweineseuche künstlich sowohl das anatomische Bild
der akuten wie das der chronischen Schweineseuche erzeugen kann,
wie dies auch die 133 Versuche an Ferkeln ergeben, die Beck und
Koske1) mit Reinkulturen von Schweineseuchebazillen ausgeführt
haben. Beck und Koske haben mit der gleichen Kultur je nach
der Art der Vorbehandlung der Tiere akute und chronische Schweine-
seuche erzielt.
Auch die Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchungen
der natürlichen Fälle unserer chronischen Schweineseuche lassen
keinen Zweifel über den Zusammenhang mit der akuten, bei
der Hutyra, wie erwähnt, die unmittelbare Erregerschaft des
Bacillus suisepticus anerkennt. Bei der akuten Schweineseuche
i) A. a. 0.
— 434 —
findet sich bei der Tötung der erkrankten Tiere der ovoide Bacillus
suisepticus in den erkrankten Brusteingeweiden und auch im
Blut in Reinkultur. Bei der chronischen Schweineseuche ist der
Bac. suisepticus z. T. in Reinkultur, z. T. neben anderen Bakterien,
neben Luftkeimen, zugegen, die man in den oberen Luft-
wegen normal antrifft. Die Erklärung für diese verschieden-
artigen bakteriologischen Befunde liegt in dem verschiedenen
anatomischen Charakter der Lungenentzündungen bei der akuten
und chronischen Schweineseuche, worauf Ostertag bereits in
einem amtlichen Bericht vom 10. April 1905 hingewiesen hat,
dessen hierauf bezügliche Angaben nachstehend folgen sollen.
Bei der akuten Schweineseuche werden die Schweineseuchebakterien
außer im Blut auch in den entzündeten Teilen der Lungen, des Brustfells
und Herzbeutels nachgewiesen, und zwar auch in den letztgenannten Teilen
in Reinkultur, wenn die Tiere während des akuten Stadiums der Er-
krankung zugrunde gehen oder getutet werden. Diese merkwürdige Tat-
sache findet durch zwei Umstände ihre Erklärung, einmal dadurch, daß die
Lungen nichtpathogene Keime, die ihnen mit dem Luftstrom zugeführt werden,
zu vernichten vermögen, und dann durch die Art des Exsudates, durch das die
Lungenalveolen bei der akuten Schweineseuche ausgefüllt werden. Bei der
akuten Schweineseuche wird eine gerinnende Masse, Fibrin, in die Alveolen
der Lungen abgeschieden, wodurch die Alveolen ausgegossen und gegen die Zu-
fuhr von Luftkeimen abgeschlossen werden. Aus diesen Gründen enthalten
die entzündeten Teile bei der akuten Schweineseuche nur diejenigen Mikro-
organismen, die die Erkrankung selbst hervorrufen. Ebenso verhält es sich mit
den entzündeten Teilen des Brustfells und Herzbeutels bei akuter Schweine-
seuche, die in den auf ihnen lagernden fibrinösen Exsudaten gleichfalls die
Erreger der Schweineseuche in Reinkultur beherbergen. Bei der chronischen
Schweineseuche ist dies anders. Hierbei ist, wie die histologische Unter-
suchung an die Abteilung II des Instituts eingesandter Lungen ergeben hat,
zwar auch ein Teil der Alveolen mit Fibrin ausgegossen, die Mehrzahl
der Alveolen zeigt aber die Erscheinungen der Entzündung mit Ab-
stoßung von Epithelien, Auswanderung von Blutkörperchen und Ausscheidung
von Blutflüssigkeit in die Alveolen der Lungen. Dieses mehr flüssige Ent-
zündungsprodukt gelangt in die Endbronchien und gewährt den mit der
Atmungsluft zugeführten Keimen die Möglichkeit zu ihrer Vermehrung. Auf
diese Verhältnisse bin ich bereits bei den Untersuchungen über die Brust-
seuche der Pferde hingewiesen worden. Wenn ich den Tieren im Beginn des
akuten Stadiums der Erkrankung mit einer Harpune Teile des entzündeten
Lungengewebes entnahm, erwiesen sich diese als keimfrei, ebenso wie das
Material, das nach Anlegung des Luftröhrenschnitts aus den unteren Teilen
der Luftröhre entnommen wurde. Geschah die Entnahme des Materials, nach-
dem die Lösung des Exsudats begonnen hatte, so konnten sowohl in den
Lungen, als auch in Schleimflocken aus der Luftröhre Bakterien verschiedener
— 435 —
Art (Streptokokken, Staphylokokken, Diplokokken, Bacterium coli) nach-
gewiesen werden. Bei der Untersuchung von Lungen, die die anatomischen
Veränderungen der chronischen Schweineseuche darbieten, findet man gewöhnlich
auch ein Bakteriengemisch. Verhältnismäßig häufig sind, wie der Vorsteher der
Abteilung II des Instituts, Dr. Junack, festgestellt hat, Kokken verschiedener
Art (große und kleine Diplokokken, darunter Kokken von der Form des
Diploooccus pneumoniae, Streptokokken, Staphylococcus pyogenes albus) und
Bacterium coli. Seltener sind Staphylococcus pyogenes aureus und citreus,
Bacillus pyocyaneus, Bacillus pyogenes und feine, nicht gramfeste, auf Agar
wachsende Stäbchen. Sehr selten wurden Sarzinen (Sarcina lutea und aurantiaca),
Bacillus prodigiosus und eine auf Agar sehr spärlich wachsende Hefeart fest-
gestellt Influenzaartige Bakterien, die Frank in den Lungen schweine-
seuchekranker Schweine gesehen haben will, konnten auch durch die Kultur
auf Blutagar, auf dem der Influenzabazillus des Menschen wächst nicht er-
mittelt werden. Es fanden sich zwar zuweilen in gefärbten Ausstrich-
präparaten Bakterien, die nach Form und Lagerung mit den Influenzabazillen
des Menschen Ähnlichkeit besaßen. Durch die Kultur ist aber festgestellt
worden, daß es sich um Influenzabazillen nicht gehandelt hat Die Bakterien,
die in den Lungen chronisch schweineseuchekranker Tiere neben dem Bac.
suisepticus bei den in der Abteilung II des Instituts ausgeführten Untersuchungen
ermittelt wurden, entsprachen den Luftkeimen, die man auch auf der Haut, auf
Schleimhäuten, z. B. auf der Schleimhaut des Kehlkopfes und des obersten
Teiles der Luftröhre findet. Dies gilt insbesondere von den Kokken, dem
Bacillus pyocyaneus und den Sarzinen.
Mit den aus den Lungen chronisch schweineseuchekranker
Schweine isolierten ovoiden Bakterien sind im Hygienischen Institut
Dutzende von Infektionsversuchen bei Schweinen angestellt worden,
die ebenso wie die Massenversuche von Beck undKoske1) bald
das anatomische Bild der perakuten, bald das der akuten und
bald das der chronischen Schweineseuche ergeben haben. Mit
Begleitbakterien konnte von uns nur einmal in einem Falle, in dem
das Versuchstier frühzeitig, 36 Stunden nach der Infektion, starb,
ein der akuten Schweineseuche ähnliches Krankheitsbild erzeugt
werden, und zwar durch Inhalierenlassen des Staphylococcus
pyogenes aureus in großer Menge. Die mit den übrigen Begleit-
bakterien (Bac. coli, andere Stäbchen, Staphylococcus pyogenes
albus, Diplokokken und Streptokokken) ausgeführten Versuche er-
zeugten entweder nichts — bei der Inhalation — oder nur Abszesse
oder umschriebene nekrotische Herde — bei intrathorakaler Impfung.
Auch bei subkutaner und intravenöser Verimpfung der Begleit-
bakterien war es nicht möglich, eine der Schweineseuche anatomisch
») A. a. 0.
— 436 —
entsprechende Erkrankung hervorzurufen, während dies bekanntlich
mit dem Bac. suisepticus gelingt (vgl. auch Beck und Koske a. a. (X).
Damit dürfte die Bolle, die die ovoiden Schweineseuche-
bazillen einerseits und die häufigsten Begleitbakterien andererseits
bei dem Zustandekommen der Schweineseuche spielen, doch etwas
geklärt sein. Es ist auch nochmals darauf hinzuweisen, daß blinde
Inhalationsversuche mit steriler Bouillon, bei denen die Luftkeime,
die sich als Begleitbakterien in den Lungen schweineseuchekranker
Tiere finden, sicherlich auch in die Lungen gelangen, stets ohne
Ergebnis gewesen sind.
Erwägt man nun bei alledem, daß nur die ovoiden Bakterien
in den Lungen schweineseuchekranker Tiere der Regel nach und in
einem ansehnlichen Teil der Fälle in Reinkultur vorkommen, so
heißt es doch, den Tatsachen Zwang antun, die ätiologische Bedeutung
des ovoiden Bac. suisepticus für die reine, in Deutschland
herrschende Schweineseuche leugnen zu wollen. Bei der mensch-
lichen Influenza, bei der der bakteriologische Befund jetzt, im Gegen-
satz zu früher, ebenso ist wie bei der chronischen Schweineseuche
(s. S. 437 u. 438), ist dies niemand in den Sinn gekommen.
Was die Bedeutung der ovoiden, der Schweineseuche morpho-
logisch und biologisch entsprechenden „Sputumbakterien" in den
oberen Luftwegen für das Zustandekommen der Schweineseuche
anbelangt, so glauben auch wir, daß das filtrierbare Schweine-
pestvirus diesen Bakterien gegenüber, die in allen ihren Eigen-
schaften mit dem Bac. suisepticus übereinstimmen können, die gleiche
elektive Symbiose zeigt wie gegenüber dem Bac. suipestifer. Im
übrigen scheinen diese „Sputumbakterien44 aber selbständig oder
bei anderen Primärerkrankungen als Schweinepest keine oder
jedenfalls keine der Schweineseuche ähnliche Erkrankung hervor-
zurufen. Denn die amtlichen Ermittlungen beim Ausbruch der
Schweineseuche weisen regelmäßig auf Einschleppungen der Krank-
heit durch zugekaufte Tiere hin. Würden die saprophytisch in
den oberen Luft- und Verdauungswegen häufig vorhandenen
schweineseucheähnlichen Bakterien selbständig die Fähigkeit haben,
Schweineseuche zu erzeugen, dann müßten, wie u. W. zuerst
Joest1) und auch Beck und Koske2) zutreffend betont haben, spon-
') Schweineseuche und Schweinepest in Kolle-W aasermann, Handbach
der pathogenen Mikroorganismen, Bd. III, S. 621.
2) A. a. 0.
— 437 —
taue, nicht auf Einschleppung zurückzuführende Seuchenausbrüche
häufig sein. Bezüglich der anscheinend sporadischen Schweineseuche-
fälle, die sich in größeren Beständen ereignen, ist zu bedenken,
daß es auch vereinzelt auftretende Fälle von Brustseuche und
vereinzelte Fälle von Geflügelcholera in großen Beständen gibt.
Das Vorkommen vereinzelter Fälle von Geflügelcholera in Trans-
porten von 1000 und mehr Stück Gänsen und Hühnern hat im
Königreich Preußen zu amtlichen Untersuchungen Veranlassung ge-
geben, die es außer allen Zweifel gestellt haben, daß es solche
sporadischen Fälle von Geflügelcholera in großen Beständen gibt,
und es ist bemerkenswert, daß in Beständen, in denen solche
sporadischen Fälle festgestellt worden sind, z. T. nach einigen
Wochen die Geflügelcholera verheerend ausbrach.1)
Die Angabe in den neuen preußischen Bestimmungen über die
Bekämpfung der Schweineseuchen, daß der Bac. suisepticus zurzeit
in einem Drittel der Fälle bei Verwendung der üblichen Mengen
von Ausgangsmaterial nicht mehr nachweisbar ist, stützt sich auf
die Ermittlungen meines früheren Mitarbeiters Dr. Junack2).
Hutyra bestätigt diese Angabe, versieht sie aber mit einem Aus-
rufiingszeichen. Hierzu möchten wir bemerken, daß bei der mensch-
lichen Influenza eine ganz ähnliche Verschiebung des bakteriolo-
gischen Befundes im Laufe der letzten zehn Jahre festgestellt worden
ist, worauf schon Junack unter Bezugnahme auf die Angaben von
Pick und Jochmann auf dem vorletzten Kongreß für innere
Medizin hingewiesen hat. Pick und Jochmann betonten, der
Charakter der Influenza habe sich im Laufe der Jahre so geändert,
daß man bei den Patienten oft die Erreger nicht mehr nachweisen
könne. Ferner wurde in jüngster Zeit von Tedesko3) berichtet,
daß im Jahr 1900 bei den am Kais. Franz Josef-Spital zu Wien
ausgeführten Influenzauntersuchungen, und zwar bei klinisch als
akut imponierenden und als Influenza diagnostizierten Lungen-
affektionen die bakteriologischen Wahrnehmungen mit denen der
früheren Jahre nicht mehr übereinstimmten. Dieser langsam und in
fließenden Etappen zutage tretende Unterschied zwischen klinischem
Verhalten und bakteriologischem Befund erhellt am besten aus
l) Vgl. hiermit auch Nevermann. Veröffentlichungen aus den Jahres-
veterinärberichten der beamteten Tierärzte Preußens für das Jahr 1905, S. 130/155.
*) A. a. 0.
3) Zentralbl. f. Bakteriologie, Originale, 43. Bd., H. 5.
- 438 —
einigen Beispielen, die Tedesko anfuhrt. 1896 hatten alle fünf als
Influenza bezeichneten Fälle den bakteriologischen Vermerk: Fast
rein, überwiegend Influenzabazillen, auf 30 Kolonien Influenzabazillen
eine fremde Kolonie.
Dagegen waren
1897 unter 17 klinischen Influenzen nur 10 = 58,8 %,
1898 „ 69 „ „ „ 23 = 33 ^
1899 „ 59 „ „ „ 38 = 64 %
1900 „ 51 „ „ „ 30 = 59 o/o?
mit reichlichem Befund an Influenzabazillen. Immer deutlicher
treten, wie Tedesko betont, auch andere Katarrh- und Eiter-
erreger in den Vordergrund, und in den warmen Monaten ver-
schwinden die Influenzabazillen fast völlig aus dem Sputum. Also
hat bei der menschlichen Influenza ein ganz ähnliches Verhältnis
Platz gegriffen wie bei der Schweineseuche.
Was endlich die bakteriologische Diagnose der Schweineseuche
anbetrifft, so ist es wohl noch niemand beigekommen, lediglich
auf den Befund von ovoiden Bakterien an irgendeiner Stelle des
Schweinekörpers die Diagnose der Schweineseuche zu stützen.
Das hieße in der Tat den Fehler des törichten Mannes begehen, der
aus dem Befund von Streptokokken im Nasenschleim das Vorliegen
von Druse folgern wollte, wie Preisz richtig exemplifiziert hat.
Auf den Nachweis von ovoiden Bakterien ist stets nur im Zusammen-
hang mit vorliegenden pathologisch -anatomischen Veränderungen
diagnostisches Gewicht gelegt worden. Über die diagnostische Be-
wertung des Bac. suisepticus haben sich im übrigen die neuen
preußischen Bestimmungen über die Bekämpfung der Tierseuchen
in klarer Weise ausgesprochen.
Weitere theoretische Erörterungen dürften zur Förderung der
Erkenntnis des Wesens der Schweineseuche kaum beitragen. Die
Schweineseuche gehört glücklicherweise zu den Krankheiten, die
der experimentellen Erforschung zugänglich sind. Einwandfreie
Versuche müssen daher über strittige Punkte die Entscheidung
bringen, und wir werden uns in der Folge auf die Mitteilung
unserer Versuchsergebnisse und der hieraus abzuleitenden Folge-
rungen beschränken. So wie die tatsächlichen Feststellungen über die
reine, ohne Schweinepest auftretende Schweineseuche heute liegen,
dürfte es weder begründet sein, eine „klassische" Schweineseuche
— 439 —
von einer nichtklassischen zu unterscheiden, noch berechtigt sein, die
Filtrierbarkeit des Erregers der reinen Schweineseuche in erster
oder letzter Instanz anzunehmen. Für eine solche Annahme geben
auch die Ergebnisse der fortgesetzten Untersuchungen, die wir
über die Filtrierbarkeit des Virus der Schweineseuche angestellt
haben, keine Stütze.
Diese Untersuchungen sind wie folgt verlaufen:
I. Versuche Ober die Filtrierbarkeit des Virus mit Material von
schweineseuchekranken Tieren.1)
Versuch L
Aus S. in Schlesien wurden dem Institut am 29. November 1906
durch den zuständigen Kreistierarzt die Lungen eines notge-
schlachteten älteren Schweines (Läufers) eingesandt, an denen die
Spitzen-, Herz- und Anhangslappen sowie der vordere
untere Abschnitt des Zwerchfellappens der rechten Lunge,
der Herzlappen und verschiedene Abschnitte des Zwerch-
fellappens der linken Lunge groß, graurot oder rotbraun,
derb, luftleer, auf der Schnittfläche glatt und feucht waren.
Die Pleura war über einzelnen der genannten Teile verdickt.
Am Darm waren nach Angabe des Einsenders Veränderungen nicht
nachzuweisen gewesen.
Agarkulturen aus den pneumonischen Teilen ergaben nur
Schweineseucheerreger; zwei geimpfte graue Mäuse gingen am
vierten Tage an Schweineseuche ein.
') In unserer ersten gemeinschaftlichen Mitteilung haben wir Bd. 11,
Heft 2 u. 3, S. 134 dieser Zeitschrift mitgeteilt, daß bei einem subkutan mit
filtriertem Blutserum pestkranker Ferkel geimpften Versuchstier (Ferkel Nr. III)
eine Hepatisation des rechten Herzlappens festgestellt wurde, deren Ursache
durch den Kultur- und Mäuseversuch nicht aufgeklärt werden konnte. Zur
weiteren Untersuchung des Falles wurde der hepatisierte Lungenlappen zer-
kleinert, aufgeschwemmt und filtriert und nicht filtriert an je 2 weitere Ferkel
verimpft. Am 20. Dezember 1906 erhielt Ferkel a 3 cera nicht filtrierte Auf-
schwemmung intrapleural, Ferkel b die doppelte Menge subkutan. Von der
filtrierten und auf Sterilität geprüften Aufschwemmung wurden je 10 cem
intrapleural und subkutan an Ferkel c und d verimpft. Alle vier Tiere wiesen
bei der nach 16 und 20 Tagen erfolgten Tötung keine Veränderung auf. Mithin
war auch durch den Versuch an Ferkeln nicht festzustellen, wodurch die
partielle Pneumonie bei dem hier in Rede stehenden Versuchsferkel III bedingt
worden ist
— 440 —
Von dem aus den erkrankten Lungenabschnitten hergestellten
Filtrat, dessen Keimfreiheit wie in den nachfolgend geschilderten
Fällen durch Überimpfung von je 0,2 ccm in zwei Röhrchen mit
Nährbouillon geprüft worden war, erhielten:
Ferkel I 10 ccm intrapleural,
Ferkel II 20 ccm subkutan.
Eine Erkrankung der Versuchstiere ist hiernach nicht ein-
getreten. Die Tiere wurden nach 3xj% Wochen getötet und auch bei
der Sektion als vollständig gesund befunden.
Versuch IL
Durch Herrn Kollegen L. in P. (Ostpreußen) wurden 2 Läufer
im Gewicht von je etwa 40 kg und 1 Ferkel eingesandt.
Obduktionsbefund: Der Läufer a weist nach der Schlachtung nur
noch Residuen der Schweineseuche auf.
Bei Läufer b findet man das Lungenfell allseitig mit dem Rippenfell
und dem serösen Überzug des Zwerchfells verwachsen. Auch die Leber ist
mit Zwerchfell und Magen verwachsen. Die durch lockeres, zartes Bindegewebe"
bedingten Verwachsungen lassen sich überall durch kräftigen Zug noch lösen.
Lungen- und Leberoberfläche erscheinen alsdann allseitig mit zottigen, röt-
lichen, zarten Anhängseln besetzt. Die Lungen zeigen außerdem an ihrer
Oberfläche verschiedene, unregelmäßige Einziehungen im Bereich der
beiderseitigen Spitzen- und Herzlappen und des rechten Zwerchfellappens.
Einzelne Lobuli des rechten Spitzen-, die Hälfte des rechten Herz-
und kleine Teile des rechten Zwerchfellappens, sowie der ganze
linke Herzlappen und Teile des linken Spitzenlappens sind nicht
retrahiert, graurot, derb, luftleer, auf der Schnittfläche feucht und glatt
Die Lymphdrüsen an der Lungenwurzel sind geschwollen, auf dem Durchschnitt
saftreich. Der seröse Überzug der Milz zeigt dieselben Veränderungen wie
der von Lungen und Leber. Alle anderen Organe, speziell der Verdauungs-
kanal, sind ohne Abweichungen.
Ferkel c: Hepatisation des größten Teils beider Herzlappen,
des vorderen Abschnittes des rechten Zwerchfellappens und eines
Teiles des Anhangslappens. Pleura und Perikard glatt, glänzend und
durchsichtig. Der ganze Verdauungsapparat intakt.
Aus den Herzlappen der Ferkel b und c wurden durch
Kulturversuch und Impfung Schweineseuchebazillen in Reinkultur
frewonnen.
Wie in früheren Jahren, wurde die Virulenz des Materials
durch Verimpfung kernhaltiger Aufschwemmung erkrankten
Lungengewebes in Bouillon an Ferkel geprüft. Es erhielten:
— 441 —
Ferkel III 3 ccm intrapleural.
Ferkel IV 6 ccm subkutan.
Ferkel III starb nach 9 Tagen an akuter Schweineseuche. In
den veränderten Lungenteilen waren Schweineseuchebazillen in
Reinkultur nachzuweisen. Ferkel IV blieb am Leben und wies bei
der 3 Wochen nach der Jmpfung vorgenommenen Tötung keine
Veränderungen auf.
Ein mit 10 ccm Filtrat von entzündetem Lungengewebe
intrapleural geimpftes Tier, Ferkel V, erkrankte ebenfalls nicht
und war bei der Tötung, gleichwie zwei nicht vorbehandelte
Kontrolltiere, gut genährt und frei von Veränderungen.
Versuch III.
Aus M. (Prov. Sachsen) wurde uns durch Herrn Kollegen K.
zu Versuchszwecken ein lebendes Ferkel überlassen, nach dessen
Tötung Hepatisation des rechten Herz-, sowie des linken
Spitzen- und Herzlappens und einzelner angrenzender
Lobuli des Zwerchfellappens festgestellt wurde. Alle anderen
Organe, insbesondere der Darm, waren ohne Veränderungen. Agar-
knlturen, aus dem rechten Herzlappen angelegt, enthielten ver-
schiedene Arten von Keimen; zwei weiße Mäuse, mit Stückchen
des gleichen Lungenabschnittes infiziert, gingen nach zwei
und drei Tagen ein und lieferten beide Reinkulturen des Schweine-
seucheerregers.
30 ccm eines aus den erkrankten Lungenlappen in der
üblichen Weise hergestellten keimfreien Filtrates vermochten bei
intrapleuraler Einverleibuiig einen Impfling (Ferkel VI) während
des drei Wochen dauernden Versuchs nicht krank zu machen.
Versuch IV.
Am 18. Januar 1907 sandte ein Züchter des Kreises K. (Posen)
im Auftrage des Kreistierarztes zwei lebende Läufer zur Unter-
suchung ein. Beide Tiere litten an reiner Schweineseuche. Das
erste Tier hatte eine chronische Pneumonie, die sich auf die vor-
deren Lappen und kleine, angrenzende Abschnitte beider
Zwerchfe Happen erstreckte; das zweite Tier wies außerdem
eine zum Teil noch fibrinöse, zum Teil schon chronische, fibröse
Pleuritis und Perikarditis auf.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 6. 29
— 442 —
Direkte Agarkulturen aus dem ersten Läufer enthielten ovoide
und koliähnliche Stäbchen, daneben noch gramfeste Kokken, die
meist als Diplokokken gelagert waren. Aus dem zweiten Tier
konnten schweineseucheähnliche Bakterien in der Kultur nicht nach-
gewiesen werden, sie mochten wohl durch die üppig gewachsenen
koliartigen Bazillen überwuchert sein; denn Mäuse, die mit Material
von diesem zweiten Ferkel geimpft waren, gingen an einer Infektion
durch den Bac. suisepticus ein.
Blutserum von beiden getöteten Tieren wurde mit dergleichen
Menge physiologischer Kochsalzlösung verdünnt und dann filtriert.
Ein zweites Filtrat ist aus den hepatisierten Lungen her-
gestellt worden. Es erhielten:
Ferkel VE 30 ccm filtriertes Blutserum intrapleural,
Ferkel VTII 30 ccm filtrierten Lungensaft intrapleuraL
Keines der beiden Tiere ist erkrankt. Auch im Ernährungs-
zustande blieben sie bis zur Tötung zwei Kontrolltieren gleich.
Versuch V.
Am 31. Januar 1907 wurde aus einer großen Züchterei in 0.
(Schlesien) eine Anzahl toter, unter den Erscheinungen der Schweine-
seuche erkrankt gewesener Ferkel eingesendet. Keins der Tiere
litt an Schweinepest; bei allen war reine Schweineseuche zugegen.
Von drei Tieren wurden die Lungen als Impfmaterial für den folgenden
Versuch ausgewählt.
Die Lunge I wies graue Hepatisation des linken Spitzen-,
Herz- und des unteren Drittels des Zwerchfellappens, rechts der-
selben Teile und des Anhangslappens auf; das Lungenfell trug überall
vereinzelte pleuritische Adhäsionen.
Die Lunge II zeigte dieselben Veränderungen in derselben Ausdehnung.
Lunge III: Hepatisation des rechten Spitzen- und des
größeren Teils des Herzlappens, sowie des linken Spitzen- und
Herz- und eines kleinen Teils des Zwerchfellappens.
Der Herzbeutel war bei allen drei Tieren intakt.
Zwei mit hepatisierten Lungenstückchen geimpfte weiße Mänse
blieben am Leben, die direkten Kulturen zeigten Überwucherung
der gewachsenen Keime durch koliähnliche Bakterien.
Aus den erkrankten Teilen hergestelltes Filtrat wurde am
12. Februar 1907 an Ferkel IX in einer Menge von 30 ccm
intrapleural verimpft, das jedoch durch diesen Eingriff keine
Störung seiner Gesundheit erlitt.
— 443 —
Versuch TL
Aus dem Kreise S. (Provinz Brandenburg) stammte das
Material, das zu dem nachstehenden Versuch diente.
Es handelte sich um ein verendetes halb erwachsenes Tier.
Obduktionsbefund: Die Spitzen- und Herzlappen beiderseits
sowie je ein Drittel der Zwerchfellappen und der größte Teil des
Anhangslappens sind nicht retrahiert, graurot, derb, luftleer, auf
dem Durchschnitt fein granuliert. Die Pleura der erkrankten Teile
ist mit zarten, graugelben, abziehbaren Belägen bedeckt. Der linke Spitzen-
und Herzlappen, sowie Herz- und Zwerchfellappen sind mit einander verklebt.
Alle anderen Organe sind unverändert
Zwei Agarröhrchen wurden mit mehreren Ösen Lungensaft aus
dem linken Zwerchfellappen beschickt, auch wurden zwei graue
Mäuse mit ebenda entnommenem Material geimpft. Die Mäuse
gingen nach ein bis zwei Tagen ein und lieferten beide Reinkulturen
von Schweineseuche; die Agarkulturen enthielten wohl ovoide, nicht
gramfeste Bakterien, daneben aber auch noch andere Bakterienarten
in großer Zahl, wie sie in Kadavern angetroffen werden, die in
nicht mehr ganz frischem Zustand zur Untersuchung kommen.
Keimfreies Filtrat, aus den mit fibrinöser Pneumonie behafteten
Lungenteilen des verendeten Tieres gewonnen, erwies sich als
nicht pathogen.
Ferkel X, mit 30 ccm des Filtrates intrapleural geimpft,
hat sich während der nächsten drei Wochen bis zur Tötung eben-
sogut entwickelt, wie zwei Kontrolltiere, die Ferkel XI und XII, und
wie diese nach der Tötung als frei von Veränderungen erwiesen.
Versuch VII.
Durch Herrn Kreistierarzt N. in N. (Brandenburg) erhielten
wir zwei lebende Ferkel aus einem Bestände, in dem schon vorher
durch Einsendung eines Kadavers das Herrschen der Schweine-
seuche konstatiert war.
Das Ferkel a wies graue Hepatisation der beiderseitigen
Spitzen- nnd Herzlappen und eines kleinen Teils des rechten
Zwerchfellappens auf; außerdem bestand eine lockere bindegewebige Ver-
wachsung zwischen rechtem Herz- und Zwerchfellappen.
Ferkel b zeigte dieselben Veränderungen an den Spitzen-
und Herzlappen, daneben aber Entzündung beider Zwerchfell-
lappen in größererAusdehnung und teilweise Verwachsung der Herz- mit
den Zwerchfellappen und des rechten Herzlappens mit dem Herzbeutel.
Alle übrigen Organe waren bei beiden Tieren unverändert
29*
— 444 —
Es gelang, aus den direkten Agarkulturen, die aus entzündeten
Lungenteilen von Ferkel a angelegt worden waren, Schweineseuche-
erreger zu isolieren. Gleichzeitig waren in den Kulturen koli-
ähnliche Stäbchen und vereinzelte Streptokokken aufgegangen. Die
beiden geimpften Mäuse gingen erst nach drei und vier Tagen ein ;
sie lieferten Reinkulturen des Bac. suisepticus.
Unfiltriertes Blutserum der beiden Ferkel, dessen Keimfreiheit
durch Überimpfung in Bouillon nachgewiesen worden war, wurde
am 5. März 1907 verimpft:
an Ferkel XIII zu 10 ccm
,, ,, XIV „ 20 „
I intrapleural.
Als die beiden Tiere, die nach der Verimpfung des Materials
gesund blieben, nach 18 Tagen getötet wurden, ließen sie keine
anatomischen Veränderungen als Reaktion auf diesen Eingriff mehr
erkennen.
Versuch Till.
Ende Februar 1907 erhielt das Institut aus der Umgebung
von Berlin wieder zwei lebende Ferkel eingeschickt. Der nach der
alsbald erfolgten Tötung erhobene Befund war folgender:
Ferkel a: Spitzen- und Herzlappen beiderseits, sowie einzelne
der vordersten Läppchen der beiden Zwerchfellappen und der
größere Teil des Anhangslappens sind graurot, derb, nicht retra-
hiert, auf der Schnittfläche glatt und feucht. Es besteht eine Verwachsung
des linken Herzlappens mit dem Zwerchfellappen.
Ferkel b: Hepatisation beider Spitzen- und Herzlappen, eines
kleinen Abschnittes der beiden Zwerchfellappen und des ganzen
Anhangslappens; bindegewebige Verwachsung des linken Herzlappens mit
dem Zwerchfellappen und mit dem Herzbeutel und des rechten Herzlappens
mit dem rechten Zwerchfellappen. In den hepatisierten Teilen der linken
Lunge schimmern 6 hirsekorn- bis linsengroße, graugelbe Herde
durch die Pleura hindurch.
Alle übrigen Teile, speziell der Dann, sind bei beiden Ferkeln intakt.
In den Ausstrichen aus den grauir<*lben linsengroßen Herden
findet sich der Bac. pyogenes suis in großer Menge. In den hepati-
sierten Abschnitten ließen sich kulturell ovoide, nicht gramfeste
Bakterien nachweisen; sie waren von den reichlich vorhandenen
Begleitbakterien überwuchert. Durch Mäuseimpfiing wurden in vier
Tagen Reinkulturen des Bac. suisepticus gewonnen.
— 445 —
Blutserum von diesen Tieren, mit sterilem Wasser im Ver-
hältnis 2:1 verdünnt und durch Reichelfilter von Keimen befreit,
wurde am 2. März 1907 verimpft an:
Ferkel XV zu 10 ccm
XVI „ 30 „ | intr*Pleural-
Die Tiere wurden nicht krank. Auch keimfreier Lungen-
saft, aus den pneumonisch veränderten Teilen entnommen, an
Ferkel XVII zu 10 ccm intrapleural verimpft, machte dieses
Tier nicht krank.
Alle drei Versuchstiere waren bei der nach drei Wochen er-
folgenden Tötung ohne Veränderungen und gleich gut genährt wie
zwei nicht geimpfte, sonst aber unter den gleichen Bedingungen
gehaltene Kontrolltiere.
Versuch IX.
Herr Kreistierarzt W. in S. (Brandenburg) sandte am
20. Februar 1907 ein totes Ferkel mit dem Ersuchen um Fest-
stellung der Diagnose an das Institut ein. Das Tier stammte von
einem Wurfe, von dem bereits sechs Stück innerhalb kurzer Zeit
nach dem Verkauf in zwei verschiedenen Gehöften verendet waren.
Bei zwei Obduktionen hatte der Sachverständige nach seinen ein-
gehenden Befundangaben (dunkelrote Verfärbung der Haut, Lungen-
ödem, subepikardiale Blutungen, Magendarmentzündung, parenchy-
matöse Hepatitis und Nephritis, geringer Milztumor) die Erschei-
nungen der Septikämie festgestellt. Die Obduktion des eingesandten
Tieres ergab:
Pleura costalis und Pleura pulmonalis der ganzen linken Lunge,
sowie des Herzlappens und eines Teiles des Spitzenlappens der rechten Lunge
sind mit sehr zarten, feinen, abziehbaren Belägen bedeckt; das unter
diesen zutage tretende Lungenfell ist rauh und glanzlos. Die gleichen Ver-
änderungen zeigen Peri- und Epikard. Der ganze Herz-, ein Teil des
Spitzen- und ein kleiner Abschnitt des Zwerchfellappens der
linken Lunge, sowie der Herzlappen der rechten Lunge sind volu-
minös, schwarzrot, derb, luftleer, auf der Schnittfläche glatt und feucht.
Myokard graurot und schwach getrübt. Die Flächen der Milz sind schwach
gewölbt, die Ränder leicht abgerundet, die Pulpa ist nicht wesentlich vermehrt
Die Ränder der Leber sind etwas stumpf, das Organ ist auf dem Durchschnitt
sehr blutreich, braunrot bis blaurot mit einem Stich ins graue, Konsistenz
mürbe. Die Nieren sind schlaff und welk, die Rinde ist graurot bis grau,
trübe. Am Darmkanal sind keine wesentlichen Abweichungen erkennbar. Die
— 446 —
Lymphdrüsen, insbesondere die Submaxillar-, Subparotideal-, Bug- und Kniekehl-
lymphdrüsen sind geschwollen, auf dem Durchschnitt graurot und sehr feucht.
Die aus den Hepatisationen angelegten Kulturen enthalten über-
wiegend nicht gramfeste ovoide Bakterien, daneben auch solche vom
Kolitypus. Durch Abimpfen gelingt die Isolierung der Schweine-
seuchebakterien, die durch die biologische Prüfung auch als solche
bestätigt werden. Die geimpften, nach 24 — 48 Stunden gestorbenen
grauen Mäuse lieferten Reinkulturen des Bac. suisepticus.
Aus den hepatisierten Lungenlappen wurde mittelst Heim-
schen Asbestfilters ein keimfreies Filtrat gewonnen und an Ferkel
XVlil in der Menge von 10 intrapleural verimpft. Die Impfung
war wirkungslos; das Tier war bei der 3 Wochen später erfol-
genden Tötung gesund.
Versuch X.
Herr Kreistierarzt L. in C. (Brandenburg) sandte am 15. März
d. J. zwei lebende Ferkel im Alter von 8—10 Wochen, die nach
der Tötung beide graue Hepatisation der ganzen Spitzen- und
Herzlappen und kleiner Abschnitte der Zwerchfellappen auf-
wiesen. Bei dem zweiten Tiere bestanden außerdem noch lockere
bindegewebige Verwachsungen zwischen den Lungenlappen der
rechten Seite.
Die Isolierung des Bac. suisepticus aus den entzündeten
Lungenteilen gelang nicht. Zwei mit Lungensaft aus den hepa-
tisierten Lappen besäte Agarröhrchen blieben steril, und es versagte
auch der Tierversuch.
Das von beiden Tieren erhaltene Blutserum wurde verdünnt,
filtriert und am 23. März verimpft an:
Ferkel XIX zu 20 ccm, \ . . . .
„ XX „ 30 ,/ ) ^trapleural.
Diese Infektion hatte keinen Einfluß auf das Befinden der
Tiere, die auch bei der Tötung keine Veränderung erkennen ließen.
Versuch XI«
Dasselbe negative Resultat wurde mit Material erzielt, das wir
von Herrn Kollegen B. in W. (Rheinprovinz) am 20. März erhielten.
Die entzündeten Lungenteile des 3 Monate alten, an reiner, chronischer
Schweineseuche leidenden Schweines (graue Hepatisation der
Vorderlappen, diffuse chronische fibröse Pleuritis und Perikarditis).
— 447 —
aus denen sowohl direkt als auch durch Tierimpfung Reinkulturen
des Bac. suisepticus erhalten wurden, wurden in der üblichen Weise
zu Filtraten verarbeitet. Diese vermochten in Mengen von 20 und
30 ccm bei intrapleuraler Verimpftmg keine Erkrankung zweier
infizierter Tiere (Ferkel XXI und XXII) zu veranlassen.
Versuch XII.
Am 3. April 1907 erhielt das Hygienische Institut von Herrn
Kollegen M. in W. (Mecklenburg) zwei getötete Ferkel zugesandt,
bei denen der nachfolgende Befund erhoben worden ist:
Ferkel a: Der ganze Spitzen- und Herz- sowie einzelne an-
grenzende Lobuli des Zwerchfellappens der linken Lunge und der
Herz-, der Anhangslappen und etwa ein Drittel des Zwerchfell-
lappens der rechten Lunge sind nicht retrahiert, gleichmäßig
graurot, derb, luftleer, auf der Schnittfläche glatt und feucht.
Pleura und Perikard sind in allen Teilen glatt, glänzend und durchsichtig.
Alle anderen Organe, insbesondere der Dann, sind ohne Veränderungen.
Ferkel b: Hepatisation des linken Spitzen- und Herzlappens
und einzelner Lobuli des Zwerchfellappens und des rechten Spitzen-
lappens. Dann ebenfalls ohne Abweichungen von der Norm.
Mit Material aus den hepatisierten Lungenabschnitten von
Ferkel a werden zwei Agarröhrchen besät und zwei graue Mäuse
geimpft. Letztere gehen nach drei Tagen ein; aus ihrem Herzblut
werden Reinkulturen des Bac. suisepticus gezüchtet. Aus den
direkten Kulturen konnten die Schweineseucheerreger aus einem
Gemisch von Streptokokken, coliähnlichen Stäbchen und . großen,
plumpen, gramfesten Bazillen, die gleichzeitig gewachsen waren,
nicht isoliert werden.
Aus den hepatisierten Teilen beider Ferkel wurde in der
üblichen Weise ein Filtrat hergestellt, dessen Keimfreiheit durch
Übertragung einer Probe mittelst Pipette in Bouillonröhrchen ge-
prüft worden ist. Das keimfreie Filtrat erhielt am 6. April 1907:
Ferkel XXIII in der Gesamtmenge von 20 ccm intrapleural.
Das Tier wurde am 26. April getötet und gesund befanden.
Versuch XIII.
Aus der Züchterei zu L. in Mecklenburg erhielten wir am
8. April 1907 zwei gestorbene Ferkel eingesandt.
Ferkel a ist ein etwa zwei Wochen altes, ziemlich gut entwickeltes
Tier. Beide Pleurasäcke enthalten 10— 20 ccm einer grauroten, trüben,
— 448 —
mit Flocken und größeren Fetzen vermischten Flüssigkeit. Lungen-
und Rippenfell sowie die Herzlappen der Lungen mit den Spitzen-
und Zwerchfellappen verklebt. Die Pleura ist mit grauweißen bis grau-
gelben, dünnen, in Form von Platten abziehbaren Belägen bedeckt. Beide
Spitzen- und Herzlappen sowie der Anhangslappen und etwa der
vierte Teil des rechten Zwerchfellappens sind nicht rotrahiert,
graurot, in einzelnen Teilen schwarzrot. derb, luftleer, auf der
Schnittfläche glatt und feucht. Der Vordauungsapparat ist unversehrt.
Ferkel b ist etwa sechs Wochen alt. Kippen- und Lungenfell sind
in der Höhe von Spitzen- und Herzlappen beiderseits verwachsen, auch die
Zwerchfellappen sind mit dem Zwerchfell verwachsen, desgleichen
die einzelnen Lungenlappen untereinander. Das Lungenfell ist an
einzelnen Steilen verdickt, milchig getrübt und undurchsichtig, an anderen
mit bindegewebigen Zotten besetzt. Die Lungenoberfläche ist uneben, sie
zeigt unregelmäßige Einziehungen. Der rechte Spitzen- und etwa die
Hälfte des linken Spitzen- und Herzlappens sind graurot, nicht
retrahiert, derb und luftleer. Der Anhangslappen ist von mehreren
graugrünen bis graugelben, unregelmäßig geformten, scharf ab-
gegrenzten Herden mit trockener Durchschnittsfläche durchsetzt;
diese sind von grauweißen, derben Bindegewebszügen einge-
schlossen. Der Rest des Lappens ist hepatisiert Peri- und Epi-
kard sind in allen Teilen miteinander verwachsen. Veränderungen
an anderen Organen fehlen.
Durch Tierimpfung wurden aus den hepatisierten Teilen von
Ferkel a Reinkulturen des Bac. suisepticus gewonnen. Aus beiden
Lungen wurde ein Filtrat hergestellt, das nach Feststellung der
Keimfreiheit
Ferkel XXIV in der Gesamtmenge von 40 cem intrapleural
eingespritzt wurde.
Dieser Eingriff hatte jedoch keine Erkrankung des Tieres zur
Folge, wie durch die nach drei Wochen vorgenommene Tötung und
Obduktion bewiesen wurde.
Versuch XIV.
Herr Kollege B. in P. (Pommern) sandte am 26. April 1907
ein acht Wochen altes, trotz der Impfung mit polyvalentem Serum
erkranktes, daher auf seinen Rat getötetes Ferkel ein.
Befund: Das Tier ist schlecht genährt, zeigt schleimig-eitrigen Ausfluß
aus beiden Augen und krustüses Ekzem an den Ohren und auf dem Kücken.
Das Rippenfell ist zum Teil mit dem Lungenfell verklebt; Rippen-
und Lungenfell sind in ihren vorderen Abschnitten mit grau-
gelben, in Form von dünnen Platten abziehbaren Belägen bedeckt
Der linke Spitzenlappen ist mit dem Herzlappen, der rechte Herz-
— 449 —
mit dorn Zwerchfellappen und der Anhangslappen mit dem Herz-
beutel verklebt. Der ganze linke Spitzen- und Herz-, sowie ein-
zelne Lobuli des Zwerchfellappens, ferner der ganze rechte
Spitzen- und Herzlappen, sowie umfangreiche Teile des Zwerch-
fellappens und der ganze Anhangslappen sind nicht retrahiert,
graurot, in einzelnen Läppchen schwarzrot, derb, luftleer, aut
dem Durchschnitt glatt und feucht. Die Blätter des Herzbeutels sind
nicht verändert. Die Schleimhaut einzelner Abschnitte des Dünn- und auch
des Dickdarms ist streifig, zum Teil fleckig gerötet und geringgradig ge-
schwollen. Alle anderen Teile sind gesund.
Im Herzblut konnten kulturell Schweineseuchebazillen nicht
nachgewiesen werden; in den akut hepatisierten Lungenabschnitten
waren sie dagegen in Reinkultur vorhanden. Graue Mäuse starben
vor Ablauf des zweiten Tages an hämorrhagischer Septikämie.
Von den aus dem erkrankten Lungensaft gewonnenen 75 ccm
Filtrat erhielten am 1. Mai 1907
Ferkel XXV: 40 ccm intrapleural
„ XXVI: 35 „
Ferkel XXVII und XXVEII wurden als Kontrollferkel unter den-
selben Bedingungen und im gleichen Raum in einem anderen Käfig
gehalten. Alle vier Tiere wurden am 18. Mai 1907 getötet.
Bei den beiden geimpften Tieren wurde eine durch einzelne,
zarte, lange Bindegewebsstränge bedingte, lockere Verwachsung
einer umschriebenen Stelle der Zwerchfellappen mit dem Rippenfell
nachgewiesen. Die Einstichstelle im rechten Zwerchfellappen war
in Form eines braunroten, stecknadelkopfgroßen Fleckes nach-
weisbar. Die Lungen waren aber in allen Teilen lufthaltig. Auch
an anderen Organen lagen Veränderungen nicht vor. Die Kontroll-
tiere waren ebenfalls gesund.
In sämtlichen 14 Versuchen hat es sich wie bei den früher
im Hygienischen Institut vorgenommenen Übertragungsversuchen ge-
zeigt, daß durch die Verimpfung keimfreien Materials (Blutserum
und Lungensaft) von schweineseuchekranken Schivcincn die Schweine-
seuche auf gesunde Tiere nicht übertragen werden kann. Die Über-
tragung gelang auch in den Fällen von akuter Schweinesenche nicht,
die das Ausgangsmaterial xu den Versuchen VI, IX, XI IIa und
XIV gebildet haben.
— 450 —
Im Anschluß hieran teilen wir noch die Ergebnisse einiger
Versuche mit, zu denen Schweine das Material geliefert haben, die
Schweinepest und als Komplikation Schweineseuche aufwiesen. Auch
der Ausfall dieser Versuche wirft ein Licht auf die Frage der
Filtrierbarkeit des Virus der Schweineseuche.
II. Übertragungsversuche mit filtriertem Material von Schweinepest- und
gleichzeitig schweineseuchekranken Tieren.
Versuch I.
Aus G., Kreis J., in der Provinz Posen wurden am 3. De-
zember 1906 drei schlecht genährte, in der Entwicklung zurück-
gebliebene Läufer eingesandt, die nach der Tötung folgende Ver-
änderungen aufwiesen:
Ferkel a: Der Spitzen-, Herz- und der vordere untere Abschnitt
des Zwerchfellappens der linken Lunge, sowie der Herzlappen und
einzelne Lobali des Zwerchfell- und des Anhangslappens der rechten Lunge
sind nicht retrahiert, derb, luftleer, auf dem Durchschnitt graurot,
glatt und feucht. Im Grimm darm finden sich fünf isolierte, etwa mark-
stückgroße Flächen in der Schleimhaut, die ein mit graugelben, zerklüfteten,
fest anhaftenden, trüben Belägen bedecktes Zentrum und eine lh—3U cm breite,
aus grauweißem, glattem Bindegewebe bestehende periphere Zone erkennen
lassen. Weitere Veränderungen sind nicht nachzuweisen.
Ferkel b: Hepatisation wie bei Ferkel a, den Spitzen- und Herz-
lappen, einzelne Lobuli des Zwerchfellappens der linken Lunge und dieselben
Lungenabschnitte und einen Teil des Anhangslappens der rechten Lunge um*
fassend. Innerhalb des hepatisierten Gewebes sechs einzelne, graugelbe, nekro-
tische Herde bis zu Erbsengröße. Verwachsung des Zwerchfell- mit dem Herz-
lappen beiderseits. Im Blind- und Grimmdarm fünf pfennig- bis markstück-
große, glatte, rötliche, in der Peripherie bräunlich pigmentierte Narben.
Ferkel c: Graue Hepatisation des rechten Spitzen- und Herz-
lappens und des vorderen Drittels des Zwerchfellappens, sowie ein-
zelner Läppchen des linken Herz- und Zwerchfellappens. Nekrose
eines keilförmigen, walnußgroßen Lungenabschnittes im rechten
Zwerchfe Happen; Verwachsung des Lungenfells in der Umgebung dieses nekro-
tischen Herdes mit dem Rippenfell. Im Dickdarm vier fast markstückgroße,
abheilende Geschwürsflächen von der bei Ferkel a beschriebenen Beschaffenheit.
Die Schleimhaut in der ganzen Ausdehnung leicht geschwollen und gerötet
und an einzelnen Stellen mit graugelben, trockenen Belägen bedeckt
Von sechs grauen Mäusen, die mit kleinen Partikelchen der
erkrankten Darmwand des Ferkels c subkutan geimpft waren,
gingen zwei am vierten und fünften Tage an einer Infektion durch
— 451 —
den Bac. suipestifer zugrunde. Der Bac. suisepticus wurde
durch den Tierversuch aus den erkrankten Lungenteilen rein
gewonnen und auch aus den direkt angelegten Kulturen isoliert.
Das unter allen Vorsichtsmaßregeln aufgefangene Blut der
drei Ferkel diente zu einem Übertragungsversuch in der Weise,
daß das Blutserum mit physiologischer Kochsalzlösung im Ver-
hältnis 2 : 1 verdünnt und durch Tonfilter filtriert wurde. Von dem
Filtrat erhielten am 8. Dezember:
Ferkel XXIX und XXX je '20 ccm subkutan.
Beide Tiere sind hiernach gesund geblieben und auch bei der
am 28. Dezember erfolgten Tötung und Obduktion ohne Abweichungen
befunden worden.
Die hepatisierten Lungenabschnitte der drei ein-
gesandten Schweine fanden zu einem weiteren Versuch Verwendung.
Die zerkleinerten und zerquetschten Teile wurden mit 300 ccm
steriler Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Von dieser Aufschwemmung
erhielt, nachdem sie vermittelst eines Fließpapierfilters von gröberen
Bestandteilen befreit war, am 8. Dezember 1906:
Ferkel XXXI 10 ccm subkutan.
Durch diesen Versuch sollte die Virulenz des nicht filtrierten
Materials bewiesen werden. Am gleichen Tage erhielten von der
inzwischen vermittelst Reichelfilter von Keimen befreiten und
dann auf Sterilität durch Übertragen in Bouillonröhrchen geprüften
Aufschwemmung :
Ferkel XXXII 30 ccm subkutan.
Ferkel XXXIII 10 ccm intrapleural.
Das Ferkel XXXI wurde nach mehrtägiger Krankheit am
Morgen des 15. Dezember tot gefunden.
Die Obduktion ergab hochgradigen Ikterus, ausgebreitetes, ent-
zündliches Ödem in der Umgebung der Impfstelle und die Erscheinungen
der Septikämie. Auf den mit Ödemflüssigkeit und mit Herzblut besäten
Agarnährböden kamen Reinkulturen des Bac. suisepticus zur Entwicklung.
Die Versuchstiere XXXII und XXXIH wurden am 28. De-
zember 1906 getötet,
Ferkel XXXII war vollkommen gesund.
Bei der Obduktion von Ferkel XXXIII wurden in der Schleim-
haut des Blind- und Grimmdarms, zumeist auf d6r Höhe der Falten,
unzählige flache, Stecknadelkopf- bis linsengroße, vereinzelt erbsen-
— 452 —
große Geschwüre mit gerötetem Grunde und" wallartig erhabenem
Rande nachgewiesen. Die zugehörigen Lymphdrüsen waren ein
wenig geschwollen und saftreich, alle anderen Organe unverändert.
Es ist also in diesem Falle filtriertes Blut von schweinepest-
kranken Tieren, die gleichzeitig mit Schweineseuche behaftet waren,
bei subkutaner Impfung nicht imstande gewesen, eine Krankheit
auszulösen. Durch intrapleurale Verimpfung filtrierten
Lungensaftes der schweinepestkranken Tiere wurde
Schweinepest, dagegen keine Schweineseuche, durch sub-
kutane Verimpfung nicht filtrierten Lungensaftes die
septikämische Form der Schweineseuche hervorgerufen.
T ersuch IL
Herr Bezirkstierarzt E. in W. (Mecklenburg) stellte uns aus
einem verseuchten Bestände seines Bezirkes 5 kranke Läufer zur
Verfügung. Zwei von diesen, die an akuter Schweineseuche im
Gefolge von Schweinepest litten, dienten zu Versuchen:
Ferkel a: Graue Hepatisation des ganzen Spitzen- und Herz-
lappens und der vorderen Abschnitte des Zwerchfellappens bei-
derseits sowie des Anhangslappens. Fibrinöse Pleuritis im Bereich
der erkrankten Teile; fibrinöse Perikarditis; parenchymatöse Myokarditis. In der
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes findet man zahllose linsen- bis
erbsengroße, graugelbe bis gelbbraune, über die Oberfläche der
Darm Schleimhaut her vorragende, fest mit der Unter läge verbundene
Auflagerungen. In der Nähe der Hüftblinddarmklappe und im weiteren Ver-
laufe des Grimmdarms sind dieselben an mehreren Stellen zu ausgebreiteten
Herden zusammengeflossen. In anderen Teilen bilden sie zusammenhängende,
schmale, graugelbe Streifen, die senkrecht zur Längsachse des Darms der Lage
der Schleimhautfalten entsprechend verlaufen. Ein Teil dieser Auflagerungen
fühlt sich rauh und derb an und knirscht beim Durchschneiden. Die Milz ist
leicht geschwollen. An den anderen Organen sind keine Veränderungen.
Ferkel b: Hepatisation eines Toils des linken Spitzen- und
Herzlappens, sowie des ganzen rechten Spitzen- und Herzlappens
und einzelner Lobuli des rechten Zwerchfellappens; fibrinöse
Pleuritis; Schwellung der Milz. Umschriebene Diphtherie der Blind-
darmschleimhaut; Geschwüre im Grimmdarm, zum Teil abgeheilt;
Entzündung des Dünndarms.
Zwei mit hepatisierten Teilen von Ferkel a geimpfte graue
Mäuse gingen vor Ablauf von 4H Stunden ein. Aus ihrem Herz-
blut wurden Reinkulturen von Schweineseuchebazillen ge-
wonnen, während die direkt aus der Lunge des tot hier angekommenen
— 453 —
Tieres angelegten Agarkulturen ein Gemenge verschiedener Bak-
terien, darunter auch ovoider, enthielten. Auch der Bac. suipestifer
wurde in Reinkultur aus dem Herzblut einer von zwei mit diphthe-
rischen Stückchen der Darmschleimhaut geimpften Mäusen erhalten.
Die hepatisierten Lungenabschnitte beider Tiere wurden
zerkleinert und in 300 ccm steriler Kochsalzlösung aufgeschwemmt.
Um die Virulenz dieser Flüssigkeit zu prüfen, sind am 20. De-
zember 1906 verimpft worden:
an Ferkel XXXIV 6 ccm subkutan;
an Ferkel XXXV 3 ccm intrapleural.
Ferkel XXXIV starb nach 30 Stunden.
Die Obduktion des Tieres ergibt entzündliches Ödem in der Gegend
der linken Kniefalte, der Impfstelle, parenchymatöse Myokarditis, Hepatitis
und Nephritis.
Auf Agarnährböden, die mit Herzblut des Kadavers beschickt
wurden, wuchsen spärliche Kolonien des Bacillus suisepticus.
Ferkel XXXV wurde am 28. Dezember 1906 getötet, da es
schon seit mehreren Tagen schwere Krankheitserscheinungen zeigte.
Bei der Obduktion des in schlechtem Nährzustande befindlichen Tieres
wird rechtsseitige fibrinöse Pleuritis, fibrinöse Perikarditis, Hepati-
sation des größten Teiles des rechten Zwerchfellappens und eine
leichte parenchymatöse Myokarditis nachgewiesen. In dem hepatisierten Gewebe
befindet sich ein bohnengroßer, nach der Pleura kraterförmig sich öffnender
Herd, der mit grüngelbem, eiterähnlichem Inhalt gefüllt ist. In der Umgebung
dieses Herdes sind die interlobulären Bindegewebszüge verbreitert und eitrig
infiltriert. In der Rindenschicht der Nieren dicht unter der leicht abziehbaren
fibrösen Kapsel finden sich zahlreiche punktförmige, dunkelrote Flecke. Die
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes weist eine größere
Anzahl linsen- bis pfennigstückgroßer, graugelber bis graugrüner,
trockener, trüber Herde auf. Durch Zusammenfließen mehrerer Herde
sind an einzelnen Stellen grüngelbe Flächen von unregelmäßiger Ausdehnung
entstanden. Die Lymphknoten des Dickdarms sind geschwollen, sehr feucht,
graurot, zum Teil schwarzrot.
Es wurden je zwei graue Mäuse geimpft mit hepatisierten
Lungenteilen und mit Teilen diphtherischer Darmschleimhaut.
Sämtliche Mäuse verendeten nach 48 bis 72 Stunden. Aus den
ersten beiden ergaben sich Schweineseuchebazillen, aus den letz-
teren konnten Schweinepestbazillen nicht gezüchtet werden. Die mit
Herzblut dieser Mäuse beschickten Agarröhrchen blieben steril.
Inzwischen war die kernhaltige Flüssigkeit, von der ein kleiner
Teil zur Infektion der Ferkel XXXIV und XXXV entnommen war,
— 454 —
durch Tonfilter geschickt worden. Von dem so erhaltenen keim-
freien Filtrat erhielten am 24. Dezember 1906:
Ferkel XXXVI 10 ccm intrapleural,
Ferkel XXXVII 13 ccm subkutan.
Beide Tiere erwiesen sich bei der nach drei Wochen erfolgten
Tötung als vollkommen gesund; selbst die Injektionsstelle war bei
Ferkel XXXVI an Rippen- und Lungenfell nicht mehr nachzuweisen.
Eine Aufschwemmung von entzündeten Lungenteilen der
schweineseuche- und gleichzeitig schweinpestkranken Schweine hat in
diesem Falle im filtrierten Zustande nichts erzeugt, im unfiltriertem
dagegen bei subkutaner Injektion eine Schweineseuche-
septikämie und bei intrapleuraler Injektion akute Schweine-
seuche und gleichzeitig Schweinepest. Mithin hat in
diesem Falle die gleichzeitige Schweineseucheinfektion
das Zustandekommen der Schweinepestinfektion be-
günstigt.
Versuch III.
HeiT Kreistierarzt 0. in H. (Westfalen) sandte am 19. De-
zember 1906 ein getötetes Schwein von annähernd 1 Ztr. Gewicht
dem Institut ein.
Obduktionsbefund: An den Lungen sind die Spitzen- und Herz-
lappen beiderseits, etwa das vordere Drittel des rechten und ein
kleiner Teil des linken Zwerchfellappens, sowie der größere Teil
des Anhangslappens groß, graurot, derb, luftleer, auf der Schnittfläche
glatt und feucht. Innerhalb dieser hepatisierten Teile sieht man
zahlreiche, meist dicht unter der Pleura gelegene, gelbgraue, teil-
weise mit einem schmalen, roten Hof umgebene Stecknadelkopf-
es linsengroße Herde. In der Nähe der Basis der Zwerchfellappen fühlt
man beiderseits in der Tiefe des lufthaltigen Lungengewebes mehrere bis
bohnengroße, derbe Herde, die auf dem Durchschnitt gelbgrau bis grünlich-
grau, trocken und trübe erscheinen und von einer grauweißen Bindegewebs-
kapsel umgeben sind. Das Lungenfell ist beiderseits mit dem Rippen-
fell verwachsen; es besteht auch teilweise Verwachsung der einzelnen
Lungenlappen untereinander. Das Lungenfell ist in einzelnen Teilen verdickt
und undurchsichtig, an anderen Teilen trägt es zottige, bindegewebige
Anhängsel. Die Magenschleimhaut ist in der Fundusdrüsengegend fleckig
gerötet und leicht geschwollen. In der Blind- und Grimmdarmschleim-
haut findet sich eine größere Anzahl flacher, linsenförmiger, z. T.
auch langgestreckter, auf dem Kamm der Falten befindlicher
Geschwüre. Daneben befinden sich Defekte von gleicher Gestalt, die in
der Vernarb ung begriffen sind. Leber und Nieren sind durch Fäulnis verändert
— 455 —
Je zwei graue Mäuse wurden geimpft mit hepatjsierten und
nekrotischen Lungenteilen. Alle vier Tiere starben innerhalb vier
Tagen, aus ihrem Herzblut wurden Reinkulturen des Schweine-
seucheerregers gezüchtet. Die direkten Kulturen aus dem hepati-
sierten Gewebe enthielten ovoide Bakterien, die aber aus der großen
Zahl fremder Bakterien, die in dem nicht mehr frischen Material
vorhanden gewesen waren, nicht isoliert und näher geprüft wurden.
Die hepatisierten Lungenteile wurden, wie üblich, zer-
kleinert, aufgeschwemmt, durch ein Fließpapierfilter und dann durch
ein Tonfilter geschickt. Eine Probe dieses Materials wurde, bevor
es das Tonfilter passierte, am 24. Dezember verimpft:
an Ferkel XXXVHI 3 ccm intrapleural,
an Ferkel XXXIX 6 ccm subkutan.
Ferkel XXXVin starb nach sechs Tagen und wies parenchyma-
töse Myokarditis, Hepatitis, Nephritis und Myositis, sowie fibrinöse
Pleuritis, Perihepatitis und Perisplenitis, Milztumor und eine leichte
Entzündung der hinteren Abschnitte des Grimmdarms auf. Kulturen
aus Herzblut und Milz enthielten sämtlich ovoide Bakterien, daneben
aber auch noch größere, längere Bakterien, die aber nicht den
Charakter der Schweinepestbazillen trugen. Eine Kultur aus Milz
enthielt auch Kokken, die sich im Ausstrich als gramfeste, kurze
Streptokokken präsentierten. Mit Milzgewebe subkutan infizierte
Mäuse gingen in der Nacht vom zweiten zum dritten Tage ein;
das Herzblut der einen enthielt, wie die Kulturen lehrten, nur
Schweineseuchebazillen, das der anderen auch noch Streptokokken,
die den oben genannten glichen.
Ferkel XXXIX wurde vier Wochen nach der Impfung getötet.
Obduktionsbefund: Die Schleimhaut des Dickdarms zeigt
geringe Schwellung und Faltenbildung. Auf der Höhe vieler Falten
ist sie bedeckt mit grauen bis graugelben, trockenen, zerklüfteten,
fest anhaftenden Belägen.
Das durch Reiche Ische Tonfilter erhaltene keimfreie Filtrat
war inzwischen am 5. Januar 1907 verimpft worden:
An Ferkel XXXX zu 10 ccm intrapleural,
an Ferkel XXXXI zu 10 ccm subkutan.
Zur Kontrolle dienten zwei nicht behandelte Tiere, Nr. XXXXII
und XXXXin. Diese vier Tiere wurden nach dreiwöchiger Be-
obachtung getötet und gesund befunden.
— 45G —
Auch in diesem Falle war keimfreies Material eines
schweinepestkranken Schweines unwirksam, während die sub-
kutane Verimpfung des gleichzeitig den Bacillus suisepticus
enthaltenden Materials Schweinepest hervorrief.
Aus den mit Material von Schweinepest- und gleichzeitig schweine-
seuchekranken Tieren angestellten Versuchen geht einmal erneut die
Übertragungsmöglichkeit der deutschen Schweinepest durch filtriertes
Material von erkrankten Tieren hervor. (Versuch L) In dem Ver-
such I hat sich auch gezeigt, dass die intrapleurale Infektion — wie
bei anderen Infektionskrankheiten — wirksamer ist, als die subkutane.
Aus den vorstehenden Versuchen geht ferner in Überein-
stimmung mit den Ergebnissen der mit reiner Schweineseuche
angestellten Versuche hervor, dass auch das Virus der die Schweifte-
pest komplizierenden Schtveineseuche kein filtrierbares ist. Denn
durch die intrapleurale Injektion filtrierten Lungenmaterials umrde
bei Fall I keine Schweineseuche, sondern Schweinepest hervorgerufen.
Andererseits hatte die Übertragung nicht filtrierten, den Bac. sui-
septicus enthaltenden Lungenmaterials bei intrapleuraler Einver-
leibung stets, x. T. auch bei subkutaner Einverleibung \ eine Er-
krankung an Schweineseuche zur Folge (Versuch 7, II und III).
Endlich ist den Versuchen (II und III) zu entnehmen, dass
die gleichzeitige Verimpfung des Bac. suisepticus die Infektion von
Schweinen mit Schweinepestvirus zu begünstigen vermag.
Nachtrag.
Bemerkungen zu der Abhandlung von Dr. Schreiber „Zur Ätiologie
der Schweinepest'.
Der Leiter des Bakteriologischen Instituts der Serumgesell-
schaft m. b. H. in Landsberg a. W.? Dr. Schreiber, hält nach
einem von ihm in Nr. 18 der „Berl. tit»rärztl. Wochenschr." vom
2. Mai d. Js. veröffentlichten Artikel an der ätiologischen Bedeu-
tung des Bacillus suipestifer für die Schweinepest fest und beruft
sich darauf, daß es ihm in vielen Versuchen sicher gelungen sei,
bei Schweinen mit dem Bacillus suipestifer alle Formen der
Schweinepest experimentell zu erzeugen. Mit filtriertem Virus
gelinge es nur dann, Schweinepest zu erzeugen, wenn der Bac.
— 457 —
suipestifer im Schweineorganismus zugegen sei. Das filtrierbare
Virus sei nichts anderes, als „das in Wechselwirkung mit dem
Organismus gebildete Toxin, das als sogenanntes Aggressin im
Sinne Bails infektionsbefördernd wirkt und den Schweinepest-
bazillus, der wie der Rotlautbazillus ein häufiger Bewohner des
Darms ist, mobilisiert41. Der Schweinepestbazillus gehe in seinen
eigenen Stoffwechselprodukten, wenn diese eine „bestimmte Kon-
zentration" erreicht haben, zugrunde, so daß in diesen Fällen
Bakterien im Tierkörper nicht nachzuweisen seien. Die ätiologi-
sche Bedeutung des Bac. suipestifer für die Schweinepest sieht
Schreiber auch noch darin, daß der Schweinebestand seines In-
stituts, der mit Hilfe des Bac. suipestifer immunisiert wurde, nach
Einschleppung der Schweinepest von Verlusten verschont blieb,
und daß es nicht gelang, durch intravenöse Injektion von filtrier-
tem Virus aus genuinen Fällen bei den immunisierten Tieren
Schweinepest zu erzeugen. Schreiber ist überzeugt, daß es mög-
lich sei, die Schweinepest durch passive und aktive Immunisierung
mittelst des Bac. suipestifer fernzuhalten. Nur müsse das Serum
direkt von Schweinen gewonnen werden.
An diesen Angaben ist wohl nur soviel zutreffend, daß es möglich
ist, mit dem Bac. suipestifer die der Schweinepest eigentümlichen
Nekrosen zu erzeugen. Dieser Umstand hat ja bekanntlich den
für die Bekämpfung der Schweinepest so bedauerlichen Irrtum ver-
ursacht, daß der Bac. suipestifer der Erreger der Schweinepest sei. Die
tödliche Infektion von Schweinen durch den Bac. suipestifer gelingt
aber von der Unterhaut und dem Verdauungskanal aus nur bei
Verwendung sehr großer Mengen, und auch dann nicht immer,
während von filtriertem Blut sehr kleine Mengen genügen, um den
Tod unter allen Erscheinungen der Schweinepest hervorzurufen.
Ferner läßt sich die Schweinepest durch filtriertes Blut auch dann
übertragen, wenn der Bac. suipestifer nicht im Organismus nach-
weisbar ist (eigene Untersuchungen und Theiler). Die Annahme,
daß der Bac. suipestifer bei einer bestimmten Konzentration seiner
Stoffwechselprodukte zugrunde gehe und sich deshalb oft dem
Nachweis entziehe, ist eine Hypothese, deren Unrichtigkeit sich
daraus ergibt, daß sich der Bac. suipestifer bei künstlicher Ein-
führung in den Organismus in den durch ihn bedingten nekrotischen
Herden ganz erstaunlich lange lebensfähig erhält. Der Deutungs-
versuch Schreibers, das filtrierbare Virus der Schweinepest sei
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 6 30
— 458 —
nichts anderes als das filtrierte Aggressin des Bac. suipestifer,
wird durch die experimentelle Tatsache widerlegt, daß durch Sui-
pestifer-Aggressin, das aus dem Schweinekörper gewonnen ist, bei
gesunden Schweinen die Schweinepest nicht erzeugt und auch eine
Immunität gegen die natürliche Ansteckung nicht hervorgerufen
wird. Ferner läßt sich durch Verimpfung des Blutes von Tieren,
die mit dem Bac. suipestifer infiziert wurden und nach der Theorie
Schreibers die Schweinepest-Aggressine enthalten müßten, die
Schweinepest nicht herbeifähren, wie schon Dorset, Bolton und
Mc. Bryde angegeben haben. Endlich läßt sich mit Hilfe des
Bac. suipestifer zwar gegen diesen Mikroorganismus, aber nicht
gegen die Schweinepest immunisieren. Diese von den amerikanischen
Forschern und hier übereinstimmend festgestellte Tatsache wird
durch die summarischen Angaben Schreibers, daß seine Immuni-
sierung mit Hilfe des Bac. suipestifer gegen Schweinepest schütze,
nicht aus der Welt geschaßt. Hätte die Schreibersche Immuni-
sierung einen Erfolg, dann wäre die Schweinepest nicht mehr die
so sehr gefürchtete Krankheit von heute. Auch Serum, das bei
Schweinen mit Hilfe des Bac. suipestifer gewonnen wird, ist,
wie im Hygienischen Institut hiesiger Tierärztlichen Hochschule
schon, vor bald zehn Jahren festgestellt wurde, kein Mittel zur Be-
kämpfung der Schweinepest. Als einfachster Weg zur Klärung
empfehle ich, die von mir gemachten Versuche zu wiederholen.
Schweine mit sog. Schweinepestserum oder dem Bac. suipestifer
vorzubehandeln und dann mit der gleichen Zahl von Kontroll-
tieren aus der gleichen Bezugsquelle in einen durch Schweinepest
verseuchten Bestand zu verbringen. Hierbei zeigt es sich, daß der
Bac. suipestifer und ein mit seiner Hilfe hergestelltes Serum
im Kampfe gegen die Schweinepest keinen Schutz zu geben vermag.
Wenn man sich diese Tatsachen vor Augen hält und weiter
berücksichtigt, daß mit filtriertem Blut krank gemachte Schweine,
wie schon Dorset, Bolton und Mc. Bryde gezeigt haben, gegen
die natürliche Infektion durch Schweinepest immun sind, dann darf
man eine weitere Diskussion darüber, ob das Kontagium der
Schweinepest ein filtrierbares Virus und nicht der Bac. suipestifer
ist, als müßig bezeichnen.
Die infektiöse Rückenmarksentzündung oder schwarze
Harn winde.
Eine Monographie auf Grund experimenteller Erforschung und
praktischer Erfahrung.
Von
Prof. Dr. M. Schlegel,
Tor« Und des tierbygieniichen Instituts der Universität Frtiburj i. Br.
(Mit Taf. VI- VIII.)
Einleitung.
Die infektiöse Rückenmarksentzündung lenkt schon seit mehr
als fünf Jahren die regste Aufmerksamkeit auf sich, da sie wieder-
holt als gefürchtete Pferdesterbe viele Pferdebestände ganz oder
großenteils dezimiert. Als ich sodann die charakteristischen patho-
logisch-anatomischen Veränderungen der Krankheit und das eigen-
artige Auftreten des Erregers in denselben erkannt hatte, trat
ich dem Gedanken näher, welche Ätiologie der bislang nach ihrer
kausalen Hinsicht in tiefes Dunkel gehüllten schwarzen Harnwinde
zukomme. So manche Berührungspunkte dieser beiden Krankheiten,
wie die Lähmungszustände der Nachhand, die Schwarzfärbung des
Harns, die Nierenveränderungen, die auffällige Blutdissolution u. s. f.,
ließen mich bei diesen beiden Krankheitsformen auf eine gemein-
same ätiologische Grundlage schließen, und in der Tat haben nach
langen mühevollen Arbeiten die exakt durchgeführten klinischen,
pathologisch - anatomischen und bakteriologischen Untersuchungen
einer Auswahl der aus verschiedensten Gegenden herrührenden
Fälle von schwarzer Harnwinde gelehrt und bewiesen, daß diese
beiden Krankheiten, wie im nachfolgenden in allen Stücken begründet
werden soll, durchaus identisch sind.
Nach dieser gewonnenen Erkenntnis erschien es vor allen
Dingen unerläßlich, eine erschöpfende, alle Teile der Seuche um-
fassende Monographie der infektiösen Rückenmarksentzündung oder
30*
— 460 —
der schwarzen Haniwinde unter gebührender Würdigung und Berück-
sichtigung des kritisch gesichteten, von unseren Autoren überlieferten
Erfahrungsmaterials zu verfassen und die Lehre der Ursachen der
Entstehung der Krankheit, ihre epidemiologischen Eigentümlichkeiten
in das richtige Licht zu stellen, sowie die bisher bestehenden
traditionellen irrtümlichen Anschauungen über die Veranlassung zur
Entwicklung der Krankheit zu widerlegen bzw. mit den tatsäch-
lichen dispositionellen Verhältnissen in Einklang zu bringen; der
bisherigen Erkältungstheorie kann sonach nur noch die Rolle eines
disponierenden oder okkasionellen Momentes konzediert werden,
während die Hypothese der Autointoxikation ganz und gar fallen
muß. Der bakteriologische Nachweis des Streptococcus melanogenes
als regelmäßiger Saprophyt im Pferdedarm und seine gelegentliche
Umwandlung in den gefährlichen Infektionsträger wird der Seuchen-
forschung einen Wegweiser dafür abgeben, daß künftighin mehr
Wert auf die Berücksichtigung der Darmbakterien zu legen ist.
Von größter Wichtigkeit erschien es sodann, dem prakti-
zierenden und beamteten Tierarzt eine zuverlässige klare, unter
Berücksichtigung meiner neuesten Erforschungen abgefaßte Be-
schreibung des klinischen und pathologisch-anatomischen Teiles der
Krankheit an die Hand zu geben. Dabei war es von besonderer
Bedeutung, im epidemiologischen Teile den eigenartigen Seuchen-
charakter der Krankheit an der Hand einer größeren Auswahl von
mir beobachteter verschiedenartiger Seuchengänge zu schildern, die
die Eigenschaften der Streptokokkenseptikämie als Seuche illustrieren
sollen. Darnach erscheint es im öffentlichen Interesse geboten, der
Frage einer veterinärpolizeilichen Bekämpfung der infektiösen
Rückenmarksentzündung näherzutreten, da diese zweifellos als
eine der schädlichsten und weitverbreitetsten Pferdeseuchen Platz
gegriffen hat.
Für den Praktiker war des weiteren das Kapitel über die
Therapie und Prophylaxis und über die praktische Bekämpfung
der Seuche von größter Wichtigkeit, weshalb diesem Teil eine
besonders sorgfältige Ausarbeitung auf Grund der gewonnenen Er-
fahrungen zugewendet worden ist. Wiewohl der perakut und akut
verlaufenden Form der Streptokokkenseptikämie mit therapeutischen
Maßnahmen kaum Einhalt geboten werden kann, so läßt sich doch
bei den subakuten und chronisch verlaufenden Fällen therapeutisch
manches erreichen, und durch die Erweckung des allseitigen Inter-
— 461 —
esses an dieser, die Landwirtschaft in noch unberechenbarer Weise
schädigenden Seuche werden in Zukunft auf Grund der entwickelten
und vorgeschlagenen prophylaktischen Maßnahmen viele Pferde-
bestände vor der geflirchteten Infektion nach dem bewährten Lehr-
satz „Vorbeugen ist besser denn Heilen" bewahrt werden können.
Die ausführliche Beschreibung meiner weiteren biologischen
Erforschungen des von mir im Jahre 1906 entdeckten In-
fektionsträgers, des Streptococcus melanogenes, die ich teilweise
schon in Nr, 25 der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift von 1906
publiziert habe, war unumgänglich nötig, sofern man eine richtige
Erklärung über die hämatolytische Wirksamkeit und über die im
Blut und Harn vor sich gehenden, durch den spezifischen Krank-
heitsstoff bewirkten, in der Pathologie in solchem Grade einzig
dastehenden Umsetzungsprozesse des Hämoglobins in Melanin zur
Veranschaulichung bringen wollte.
Geschichte und Literatur.
Die historischen Überlieferungen über die Definition der in-
fektiösen Rückenmarksentzündung oder der schwarzen Harnwinde
ergeben eine große Reihe von Synonymen, die von alters her, und
zwar nach den Angaben Fröhners1) im ersten Drittel des 19. Jahr-
hunderts, unter den verschiedensten Namen kursierten. Im Jahre
1906 habe ich diese Krankheit als infektiöse Rückenmarksentzündung
in allen Teilen erforscht und auf Grund des klinischen Haupt-
symptomes, der Rückenmarksentzündung und Rückenmarkslähmung,
als „infektiöse Rückenmarksentzündung des Pferdes"
(„Meningomyelitis hämorrhagica infectiosa equi"), „in-
fektiöse Rückenmarkslähmung des Pferdes (Paralysis infectiosa)",
„infektiöse Osteomyelitis des Pferdes", „Streptokokkenseptikämie"
benannt, Bezeichnungen, denen ich die von jeher gebräuchlichen
Namen der nunmehr mit der infektiösen Rückenmarksentzündung
identischen und dieser Seuche einverleibten schwarzen Harnwinde
wie „Lumbago gravis equi", „Hämoglobinämie des Pferdes", „toxä-
mische Hämoglobinurie", „Kreuzverschlag", „Rückenmarkstyphus",
„epizootische Paraplegie", „akuter Morbus Brightii" als Synonyme
hinzufuge.
2) Friedberger u. Fröbner, Lehrbuch der speziellen Pathologie und
Therapie.
— 462 —
In der Literatur wird seit Mitte des vorigen Jahrhunderts
eine eigenartige, in ihrem Wesen völlig unbekannte, seuchenhaft
auftretende Kückenmarkslähmung erwähnt. — Eine in Indien unter
den Pferden seuchenhaft aufgetretene Lähmung des Hinterteils be-
schrieb unter dem Namen „Kamri" Burke.1) — In Frankreich
beschrieb Com6ny bei Kavalleriepferden eine seuchenhafte, unter
Lähmungen auftretende Enzootie, die akut und subakut unter
Fiebererscheinungen letal verlief. Die Sektion ergab keine greif-
baren Veränderungen, und die Krankheitsursache blieb unaufgeklärt.
Dieselbe ursächlich unaufgeklärte, stets tödlich mit Lähmung
verlaufende Pferdeseuche beschrieben Mulotte2) und die französi-
schen Tierärzte Grange u. Maguin,*) Quentin de Seraucourt;4)
auch hier blieb die Ursache unaufgeklärt. — In Wien beobachtete
Szerdahelyi eine ähnliche seuchenartige Krankheit bei Militär-
pferden. — In Dänemark ist nach Dahlström5) eine infektiöse
Kreuzlähmung ohne besondere Organveränderungen schon seit
50 Jahren bekannt und wurde mit der Hämoglobinurie für identisch
gehalten; dieselbe beobachteten auch Christiansen6) und Ras-
mussen7) in Dänemark bei Fohlen. — In Deutschland berichtete
eine Reihe von Autoren von Zeit zu Zeit über* eine seuchenhafte
Rückenmarkslähmung, wie Kuli,8) Arnheim,9) Blome, Lück, Ölle-
rich,10) Schmidt,11) Daweke,12) Lothes und Bongartz18) und
Dieckerhoff.14) Bezirkstierarzt Prietsch15) in Grimma beobachtete
nach Maisfutterung „schwarze Harnwinde" enzootisch; Erscheinungen,
l) Burke, The Veterinarian 70, S. 263, 570.
a) Mulotte, Rec. de m6d. vet. 1897, S. 750.
3) Grange u. Maguin, Rec. de med. v6t. 1897, S. 491.
4) Quentin de Seraucourt, Rec. de meU v6t. 1898, S. 423 u. 549.
5) Dahlström, Schwedische Zeitschrift 1898, S. 188.
6) Christiansen, Maanedsskr. f. Dyrl., 13. Bd., S. 169 u. 171.
7) Rasmussen, ibidem, S. 94.
8) Kuli, Veröff. a. d. Jahres -Veterinärber. d. b. T. Preußens f. 1900—1902.
9) Arnheim, ibidem 1901, S. 26.
lü) Blome, Lück, Öllerich, ibidem 1903, S. 19 u. 20.
") Schmidt, Archiv f. wiss. u. prakt. Tierheilkunde 1885, S. 407, u.
1901, S. 306.
ia) Daweke, ibidem 1901, S. 305.
13) Lothes u. Bongartz, Berliner Tierärztl. Wochenschr. 1899, S. 535.
14; Dieckerhoff, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
15) Prietsch, Bericht f. d. Veterinärwesen i. Königreich Sachsen f. d.
Jahr 1893, S. 114.
— 463 —
Verlauf und pathologische Veränderungen bei den erkrankten elf
Pferden sprechen für das Vorliegen infektiöser Rückenmarks-
entzündung. Es wurden also schon von Prietsch identische Fälle
von schwarzer Harnwinde und infektiöser Kückenmarksentzündung
beobachtet. — Die wirkliche Natur dieser geschilderten Pferde-
krankheiten kann nach den bestehenden Mitteilungen nicht sicher
erkannt werden und möglicherweise sind dieselben ätiologisch ver-
schiedenartig. Soviel aber ist über jeden Zweifel erhaben, daß seit
langem in den verschiedenen deutschen Bundesstaaten, Preußen,
Sachsen, Baden, Württemberg, Hessen, Elsaß-Lothringen usw., eine
von Zeit zu Zeit verheerende und gefürchtete Rückenmarksseuche
unter Pferdebeständen auftrat, welche mit Vergiftungen u. s. f. ver-
wechselt und nicht als schwarze Harnwinde erkannt wurde. In
Preußen kam diese Seuche in den Jahren 1901 und 1903 (Veröff.
a. d. Jahres -Veterinärber. d. b. T. Preußens 1901 u. 1903) über die
Kreise Pr.-Eylau, Hamm, Arnsberg, Euskirchen, die Rheinprovinz usw.
verbreitet vor. Der erste Autor, welcher durch Abtrennung
dieser Krankheit von der Harnwinde, von Vergiftungen usw. den
über das dunkle Wesen dieser Pferdeseuche gehüllten Schleier
lüftete, war im Jahre 1904 Herr Kollege Eberbach,1) Tierarzt
und Direktor der badischen Pferdeversicherungsanstalt in Karlsruhe,
auf dessen Ersuchen ich zuerst im Herbst 1902 Skeletteile von
zwei an seuchenhaftem Rückenmarksverschlag erkrankten Pferden
bakteriologisch untersucht habe.
In Bayern, Württemberg und dem übrigen Süddeutschland
wurde die Krankheit (nach dem Aussehen des dunklen Harnes)
schwarze Harnwinde genannt, was zur Folge hatte, daß man nur solche
Fälle mit entsprechend verfärb tem Harn irrtümlicherweise als schwarze
Harnwinde gelten ließ. Im allgemeinen wurde die Ansicht aus-
gesprochen, daß die schwarze Harnwinde schon von alters her bekannt
sei und eine der ältesten Pferdekrankheiten darstelle; andere Autoren
haben dagegen beobachtet, daß diese Krankheit erst seit dem ge-
bräuchlichen Ausnützen der Arbeitskraft schwerer Pferdeschläge zu
schweren Lastfuhrwerken in den Vordergrund getreten sei, zumal
edlere Pferderassen zum Rückenmarksschlag zweifellos weniger
inklinieren. Gemäß einer literarischen Zusammenstellung Fröhners2)
finden sich in den tierärztlichen Zeitschriften seit 1840 Veröffent-
*) Eberbach, Mitteilungen des Vereins bad. Tierärzte, 1904, S. 53— 59.
*) Fröhner, Archiv für wissensch. und prakt. Tierheilk., 1884, Bd. 10.
— 464 —
lichungen über die Krankheit. Da bei derselben die Hämoglobinurie
oft fehlt, so hielt Fröhner1) diese Bezeichnung von Bollinger
für unzweckmäßig, vielmehr sollte das Wesentliche der Erkrankung
in einer Myositis rheumatica mit Auflösung des Muskelfarbstoffes
und Übergang desselben in das Blut beruhen, er behauptete irrtüm-
ich, daß die Krankheit ohne Erkältung noch niemals beobachtet worden
sei; Fröhner bevorzugte daher den Namen rheumatische Hämoglobin-
ämie; die Muskelerkrankung wurde demnach für die Primäraffektion
gehalten. Gegen diese Erkältungstheorie sprach sich Bongartz2)
begründend aus, da es der praktischen Erfahrung widersprach, die
Krankheit lediglich auf Erkältung zurückzuführen.
Im Jahre 1852 beschrieb Hofer8) die schwarze Harnwinde
und ihre Erscheinungen zuerst ausführlich, worauf in der Folgezeit
die Krankheit häufiger diagnostiziert wurde; als Hauptveränderungen
galten die Blutdyskrasie, die Erkrankung des Rückenmarks, die
Entzündung der Nieren und die Entzündung der Skelettmuskulatur.
Die Blutdissolution stellte man sich als eine typhöse vor, indem
man sie mit den Blutveränderungen des Milzbrandes verglich.
Sticker4) beurteilte die Krankheit als eine Kreuzlähmung,
hervorgerufen durch den Genuß giftiger Futterstoffe. Auf Grund
des raschen Ausbruches der Krankheit nannte man dieselbe Rücken-
marksapoplexie.
Frank5) hielt die Krankheit für eine Spinalparalyse mit
sekundärer Lähmung der Nierennerven ; dieser Autor wies auch ganz
richtig zuerst auf die blutige Verfärbung des Urins hin, die nicht
durch intakte Erythrozyten, sondern durch aufgelöstes und aus-
geschiedenes Hämoglobin veranlaßt werde.
Vogel6) war der erste, welcher die schwarze Harnwinde als eine
wirkliche Infektionskrankheit, primäre faulige Blutvergiftung, bezeich-
nete; er bezeichnete auch die Bluterkrankung als das Primäre,
nicht die Rückenmarksparalyse, und war der Ansicht, daß septische
oder andere deletäre Stoffe in das Blut gelangen, weshalb er die
Karnkheit toxämische oder dyskrasische Rückenmarkslähmung nannte.
*) Fröhner, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
3) Bongartz, Archiv für wissensch. und prakt. Tierheilk. 1885.
3) Hof er, Wiener Vierteljahrsschrift 1852.
4) Sticker, Preußische Mitteilungen 1856.
5) Frank, Adams Wochenschrift 1873.
6) Vogel, Repertorium 1873 und 1875.
- 465 —
Weinmann1) und Lechleuthner2) sowie Albert3) be-
zeichneten die Krankheit als eine primäre Muskelaffektion, die durch
eine rheumatische Entzündung der Lendenmuskeln bedingt werde.
Friedb erger4) schlug für die Krankheit den Namen Wind-
rehe vor, da dieselbe durch Erkältung hervorgerufen werde, das
Rückenmark erkranke primär, die Nieren sekundär.
Siedamgrotzky und Hofmeister5) veröffentlichten umfang-
reiche Untersuchungen über das Wesen der Krankheit; nach ihnen
sollten primär oder sekundär durch allgemeine Veränderungen der
Muskulatur Blutveränderungen entstehen, bei welchen es zur Auf-
lösung der roten Blutkörperchen durch die Produkte der gesteigerten
regressiven Stoffmetamorphose im Muskel, zur Hämoglobinurie und
nachher zur Nephritis kommt; gleichzeitig schilderte Siedamgrotzky
die anatomischen Veränderungen der Skelettmuskulatur. Nach spä-
teren Untersuchungen über die Zersetzung des Harnes erklären
diese beide Autoren6) die Erscheinungen der Krankheit als durch eine
Blutintoxikation entstehend, wobei toxische Stoffe plötzlich in großer
Menge dem Blute zuströmen und die Auflösung der Blutkörperchen
bedingen sollten, und zwar supponierten sie als Gift den Harnstoff und
die in seiner Begleitung auftretenden Extraktivstoffe, worauf sich die
toxämische Hämoglobinurie bilde.
Näher kommen dem Wesen der schwarzen Harnwinde die An-
sichten von Kolb, Spinola, Bollinger u. a. Nach Bollinger7)
besteht die Krankheit in Hämoglobinurie, in Albuminurie und in
Lähmung oder lähmungsartigen Zuständen der Nachhand; irrtümlich
nahm er aber an, daß der Lähmung eine Rückenmarksaffektion
nicht zugrunde liege, sondern die Hämoglobinurie beruhe in einer
Autointoxikation, wobei durch die Einwirkung des Gehens oder der
Kälte ein toxisches Agens (Ferment, Ermüdungsprodukte) entstünden,
welche die roten Blutkörperchen zerstörten und Nephritis mit Hämo-
globinurie erzeugten. Dieser Autor stellte die Erkältung als Krank-
') Weinmann, Adams Wochenschrift 1860.
") Lechleuthner, Adams Wochenschrift 1868.
3) Albert, Adams Wochenschrift 1877.
<)Friedberger, Pütz' Zeitschrift, I, 1873.
5) Siedamgrotzky und Hofmeister, Bericht über das Veterinär-
wesen im Königreich Sachsen, 19. Jahrgang, 1874.
6) Siedamgrotzky und Hofmeister, Bericht über das Veterinär-
wesen im Königreich Sachsen, 23. Jahrgang, 1878.
T) Bollinger, Deutsche Zeitschrift für Tiermedizin 1877.
— 466 —
heitsursache in Abrede; das veranlassende Agens sollte dem Körper
mit der Nahrung zugeführt werden, weshalb Bollinger die Be-
zeichnung toxämische Hämoglobinurie vorschlug. Diese sympto-
matologische Bezeichnung umfaßte nicht (wie auch andere Namen)
die niederen Grade der Krankheit, bei welchen die Ausscheidung
von Hämoglobin durch den Harn fehlt.
Utz1) teilte die Krankheit in eine akute Form ein, wobei die
Lähmungserscheinungen von Anfang an auftreten, und eine subakute
Form, bei der sich die Lähmung erst vom dritten bis fünften Krank-
heitstage ab einstellt; dieser Autor2) schilderte in einem Vortrage
gelegentlich der Sitzung des Vereins badischer Tierärzte am
31. August 1878 eingehend die Eigenschaften der Krankheit. An
den Vortrag schloß sich eine lebhafte Diskussion an, nach der Utz
die schwarze Harnwinde damals vor etwa 20 Jahren im Groß-
herzogtum Baden nie beobachtete; schon damals erkrankten mehr
Pferde des schweren Arbeitsschlages als dies früher der Fall war.
Nach Utz, Schlieff und Stratthaus wurden aber auch Militär-
pferde von der Krankheit ergriffen, und Lydtin konstatierte, daß
die ätiologisch beschuldigte Weißrübenfütterung allein nicht in
Betracht komme, da die Krankheit auch bei Pferden, die keine
Rüben erhalten, beobachtet werde. Heute muß aber betont werden,
daß die schon früher beobachtete nachteilige Rübenfütterung, ebenso
wie die Verfütterung anderer unzweckmäßiger Futtermittel, wenn
sie zu Blähungen und Magen-Darmkatarrhen fuhren, ein disposi-
tionelles Moment für das Eindringen des Krankheitserregers vom
Darme aus in den Körper schafft und damit der Entstehung der
Krankheit Vorschub leistet.
Dieck erhoff3) hob in erster Linie die entzündliche Affektion
der Muskeln und Knochen des Hinterteils hervor, die nie fehle und
mit heftigen Schmerzen verbunden sei, weshalb ihm der Name
Lumbago gravis am passendsten erschien; er erkannte das Wesen
in einer akuten Allgemeinkrankheit mit schwerer parenchymatöser
Muskelentzündung, in einer blutigen Infiltration des Knochenmarks,
in akuter Nephritis mit Hämoglobinurie.
Haubner, Friedberger, Csokor und Dexler hielten die
Krankheit für eine Rückenmarksentzündung, während die älteren
l) Utz, Badische tierärztliche Mitteilungen 1871, S. 97.
a) Derselbe, Badische tierärztliche Mitteilungen 1878, S. 177.
3) Dieckerhoff, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
— 467 —
Autoren, wie Hofer, Hering, Bruckmüller, Pflug und Zttndel,
die Erkrankung als Nierenentzündung (akuten Morbus Brightii)
interpretierten.
So kam es denn, daß die Ansichten über das Wesen der
Krankheit von jeher weit auseinandergingen, worauf schon die zahl-
reichen unpassenden Benennungen derselben hinweisen, die nicht das
eigentliche Wesen, sondern die einzelnen Hauptsymptome der Krank-
heit in sich begreifen, was zur Folge hatte, daß nur bestimmte,
diesen Voraussetzungen entsprechende Krankheitsfälle der schwarzen
Harnwinde zugerechnet wurden, während andere, ätiologisch eben-
falls hierher gehörige Erkrankungen irrtümlich ausgeschlossen
worden sind.
Im Großherzogtum Baden habe ich in den Jahren 1903—1907
in 15 Amtsbezirken (Schwetzingen, Heidelberg, Pforzheim, Breisach,
Freiburg, Säckingen, Meßkirch, Engen, Bühl, Waldkirch, Überlingen,
Villingen, Achern, Oberkirch, Weinheim), in 21 Ortschaften, bei
53 verendeten Pferden, sowie im Elsaß in einer Ortschaft bei drei
verendeten Pferden die infektiöse Rückenmarksentzündung oder
schwarze Harnwinde pathologisch-anatomisch und bakteriologisch
festgestellt. In Wirklichkeit kommt die Streptokokkensenche aber
viel häufiger vor.
Dieses Pferdematerial lieferte die Grundsteine für die be-
schriebenen Forschungsergebnisse und zum Aufbau der vorliegenden
Monographie über diese neue Pferdeseuche, mit deren Publikation
ich bis zur völligen Ergründung aller Teile derselben zurückhielt,
so daß mit einem Schlage diese interessante Tierseuche jetzt in
ihrer ganzen Ätiologie, pathologischen Anatomie, Symptomatologie
und hinsichtlich der Prophylaxis und Therapie aufgeklärt ist.
Es handelt sich um eine spezifische Streptokokkenseptikämie
des Pferdes, die sich mit Vorliebe im Rückenmark und seinen
Häuten, im Mark der Skelettknochen, in den Nieren und in dem
flüssigen Gewebe des Blutes lokalisiert. Auf Grund des klinischen
Hauptsymptomes, der Lähmung der Nachhand, habe ich die Krank-
heit (inkl. der schwarzen Harnwinde) „infektiöse Rückenmarksent-
zündung44, hervorgerufen durch den von mir entdeckten und er-
forschten Streptococcus melanogenes, benannt. Seltsam ist es, aber
durch mich zur Evidenz bewiesen, wenn mitten im Rückenmark
und inmitten der Wirbel- und Röhrenknochen des kranken Pferde-
körpers bald wie in Reinkulturen zahlreiche, bald spärliche Diplo-
- 468 —
Streptokokken als Ursache einer Seuche gefunden werden. — Sollte
nicht diese charakteristische Krankheitsentwicklung neue Ausblicke
in die Genese anderer, noch ungenügend bekannter Krankheiten
des Zentralnervensystems und der Knochen bringen und zu leb-
hafterer Untersuchung dieser Körperteile Anregung geben!
Bisher ist diese spezifische Rückenmarksseuche offenbar mit
verschiedenen anderen Krankheiten, wie der idiopathischen Rücken-
marksentzündung, mit Vergiftungen, mit perniziöser Anämie, mit
Kolik, mit einfachem Magendarmkatarrh, mit der Bornaschen Pferde-
seuche, mit einfachen Nierenentzündungen, vielleicht auch mit Milz-
brand und Petechialfieber vielfach verwechselt worden. Diese Krank-
heit fügt den betroffenen Pferdebesitzern und der Landwirtschaft
überhaupt einen noch gar nicht übersehbaren Schaden bei, indem
sie zumeist mehrere Pferde rasch aufeinander oder sukzessive in
längeren Zwischenräumen in einem Bestände befällt, sie hat daher
ein allgemeines, ökonomisch und wissenschaftlich gleich wichtiges
Interesse.
Vorkommen und Disposition.
Die tierärztliche Erfahrung hat bisher nicht mit Sicherheit
konstatieren können, daß die infektiöse Rückenmarksentzündung
oder die schwarze Harnwinde außer bei dem Pferde auch noch bei
anderen Haustieren und beim Menschen vorkommt, wiewohl ver-
schiedene Behauptungen über das Auftreten der Krankheit bei
Schafen, Hunden und beim Geflügel bestehen.
Zur Erkrankung an schwarzer Harnwinde oder infektiöser
Rückenmarksentzündung disponieren nicht alle Pferderassen gleich.
Daß die schweren Arbeitspferde zur Krankheit viel häufiger in-
klinieren als die edlen Pferderassen, wird schon seit vielen Jahr-
zehnten hervorgehoben. Dieser Umstand dürfte aber mehr darin
beruhen, daß die Pferde der schweren Schläge den besprochenen
dispositionellen Verhältnissen häufiger ausgesetzt sind als die edlen
Herde; denn nach den Berichten der Inspektion für das Militär-
Veterinärwesen sind in der deutschen Armee vom 1. Januar 1879
bis 1. Oktober 1885 im ganzen 66 Pferde von der Krankheit be-
fallen worden.« Geschlecht, Farbe und Alter sind ohne wesent-
lichen Einfluß auf die Krankheitsanlage; jedoch ist bekannt, daß
das mittlere Alter, vom dritten bis zum achten Jahre, vorwiegend
betroffen wird.
— 469 —
Mit Vorliebe werden solche Pferde, die frisch zugekauft worden
sind, von der Krankheit ergriffen, während unter dem alten Be-
stände Erkrankungen seltener sind. Auf einem Gute trat unter
den Rindern, trotzdem schwerkranke Pferde im Rinderstalle ver-
endeten, die Krankheit nicht auf; ebenso kamen Erkrankungen
unter Schafen, Ziegen und Schweinen nicht vor. Auch Menschen
scheinen sich gegen diese Krankheit refraktär zu verhalten, wenig-
stens führten viele Tierärzte mit kleinen Verletzungen ungestraft
Sektionen an solchen Pferdekadavem aus, obwohl sie sich nicht
desinfiziert hatten.
Das Pferdegeschlecht besitzt demnach eine Gattungsdisposition
für diese Streptokokkeninfektion; aber nicht alle Pferde eines von
der infektiösen Rückenmarksentzündung befallenen Bestandes er-
kranken, sondern es bleiben zumeist einige Pferde von der Seuche
verschont. Das Pferd muß daher dieser Seuche gegenüber außer
der Gattungsdisposition auch eine individuelle Disposition besitzen.
Ätiologie und Pathogenese.
Hinsichtlich der Entstehungsursache der Krankheit richteten
sich die ersten Gedanken auf die Möglichkeit des Befallenseins
verschiedener Futtermittel oder des Wassers mit dem Infektions-
träger. Als aber eine wiederholte Nachforschung über die Her-
kunft der Futtermittel sowie eine eingehende Untersuchung der-
selben ihre tadellose Beschaffenheit erwiesen hatten, und zumal die
Krankheit seit Jahren die Pferde anderer Stallabteilungen, die mit
demselben Wasser und denselben Futtermitteln gefuttert wurden,
verschonte, während unter den Arbeitspferden einer anderen Stall-
abteilung, in welcher die an dieser Krankheit verendeten Tiere stets
durch Zukauf ersetzt worden waren, periodische Krankheitsfälle
von infektiöser Rückenmarksentzündung auftraten, so konnte diese
Entstehungsweise vermittelst infizierter Futterstoffe kaum in Be-
tracht kommen. Aus denselben Gründen erschien es unwahrschein-
lich, daß dem Trinkwasser, da Quelle, Leitung und Beschaffenheit
einwandfrei erschienen, eine ätiologische Bedeutung zukomme. Es
wurde nun weiterhin die Möglichkeit des Befallenwerdens in der
Krippe übriggebliebener feuchter, zersetzter Futterreste durch den
Infektionsträger aus der Luft erforscht, zumal auch die Stall-
einrichtungen den hygienischen Anforderungen keineswegs ent-
— 470 —
sprachen; in einem verseuchten Gehöft lief beispielsweise die
Jauche des Einderstalles durch den Pferdestall, die Stallböden
waren überdies nur einfach gepflastert, so daß die Jauche den
Boden durchsetzte und eine Desinfektion unmöglich war. Nachdem
aber auch hierin Wandel geschaffen, ein vollkommen einwurfsfreier,
wasserdichter Stallboden aus Dörritsteinen und Wände mit Zement-
verputz und Zementkrippen geschaffen waren, stellte sich wiederum
die Krankheit ein, trotzdem vorher täglich gründliche Reinigung
der Futterkrippen und zeitweise Desinfektion des gesamten Stalles
und der Brunnentröge vorgenommen wurden. Dies alles legte den
Gedanken nahe, daß die Infektionsquelle im gesunden Pferde selbst
liege. Als daher der Darmkanal von gewerblich geschlachteten
gesunden Pferden sowie von an anderweitigen Krankheiten ver-
endeten Pferden und von an infektiöser Rückenmarksentzündung
gefallenen Pferden bakteriologisch untersucht wurde, stellte sich
die überraschende Tatsache heraus, daß im Darmkanal der ge-
sunden Pferde die Streptokokken auf der oberflächlichen Schleim-
hautschicht des vorderen Dünndarmabschnittes, aber auch des
Zökums und Kolons saprophytisch leben. Ebenso wurden sie bei
anderweitig erkrankten Pferden im Darmkanal nachgewiesen,
während sie dagegen bei diesen und gesunden Pferden in den
inneren Organen und im Knochenmark fehlten. Ingleichen fanden
sich im Darmkanal eines an schwarzer Harnwinde verendeten
Pferdes die Diplostreptokokken, während sie im Knochenmark
dieses Pferdes nicht vorhanden waren. Im Darmkanal der an
Streptokokkenseptikämie verendeten Pferde fanden sich die Diplo-
streptokokken erheblich zahlreicher, auch andere Darmsaprophyten
waren zahlreicher vorhanden.
Durch die weiteren Beobachtungen hatte sich sodann heraus-
gestellt, daß solche an dieser Streptokokkenseuche erkrankte Pferde
vor und bei Beginn der Krankheit an schleichenden Magendarm-
katarrhen gelitten hatten, deren Veranlassung auf Mais-, Kleien-,
Rüben- und Kartoffelfutterung, ferner auf Verfütterung gefrorener
Torfmelasse usw. zurückgeführt werden konnte. Wiewohl nun diese
Futtermittel an sich von tadelloser Beschaffenheit waren, ist bekannt,
daß ihre dauernde und intensive Verfütterung bei gewissen Pferden
leicht Magen- und Darmkatarrhe erzeugen kann. Bei vielen an
Streptokokkenseptikämie gefallenen Pferden begann die Krankheit
unter dem Bilde eines Magendarmkatarrhs, bald bestand Verstopfung,
— 471 —
bald Durchfall und Flatulenz; erst dann folgten Glieder- und Knochen-
schmerzen, Überköten, Stellen der Füße unter den Leib, Lähmungs-
zustände der Nachhand, mittelgradiges Fieber, Melaninurie. Infolge
der Mais-, Rüben-, Kartoffel-, gefrorene Melasse- und Kleienffltterung
sowie der dadurch bedingten Magendarmkatarrhe, insbesondere aber
bei noch anderweitigen ungünstigen Einflüssen, wie Überfütterung,
Überanstrengungen durch schwere Arbeit, Erhitzungen und Schweiß-
ausbruch, Erkältungen, mangelhafte Fütterung und Pflege, schlechte
Stallungen u. s. f., tritt bei den betroffenen Pferden eine all-
gemeine Schwächung der Konstitution ein, wonach dem Eindringen
der bisher als harmlose Saprophyten im Darm lebenden Diplostrepto-
kokken wesentlicher Vorschub geleistet wird. Das bei solchen Darm-
veränderungen der normalen schützenden Schleimschicht entbehrende
Darmrohr und die zersetzten Futterstoffe schaffen den Diplostrepto-
kokken für ihre unbegrenzte Vermehrung einen günstigen Nährboden;
stellenweise wird zudem die Epithelschicht der Schleimhaut ab-
geschuppt, so daß die in Massen vorhandenen Streptokokken
gegebenenfalls auch unter lokaler wechselseitiger pathogener Ein-
wirkung anderer Darmbakterien unschwer in die oberflächlich ge-
legenenLymph- undBlutgefäße des nunmehr geschwächten Organismus
einzudringen vermögen. Dieser Vorgang wird sich vorwegs von
den Ausführungsgängen der Darmdrüsen aus abspielen, an denen
sich die Streptokokken auch bei gesunden Pferden am zahlreichsten
vorfinden. Außer diesen bezeichneten Verhältnissen gibt es noch
viele andere ätiologische Momente, die bei gewissen Pferden eine
individuelle Disposition veranlassen und das Zustandekommen dieser
Infektion wirksam begünstigen, wie die zahlreichen Biß- und Saug-
stellen der verschiedensten Darmparasiten bei Pferden. So beher-
bergten beispielsweise von mir sezierte, an Streptokokkenseptikämie
gefallene Pferde zahlreiche Östraslarven im Magen, massenhaft Spul-
würmer, und in einem Falle fand sich in einem Lebergallengang
mitten in der Leber ein großes weibliches Exemplar der Ascaris
megalocephala, wobei auffälligerweise die Schleimhäute aller Gallen-
gänge massenhafte Hämorrhagien und die Leber eine erhebliche
Schwellung aufwiesen. Ferner aber hat sich herausgestellt, daß
vor allem frisch zugekaufte, an die örtlichen Verhältnisse noch
nicht akkomodierte Pferde für diese Infektionskrankheit disponiert sind.
Gelang nun dem Infektionsträger das beträchtliche Vordringen
in das Lymphgebiet des Darmkanals und in die allgemeinen Lymph-
— 472 —
und Blutbahnen, so entfaltet er seine pathogenen Wirkungen unter
gleichzeitiger Steigerung seiner Virulenz. Da die Gekröslymph-
drüsen stark vergrößert und durchblutet sind, so dürfte sich die
Infektion zunächst vorwiegend durch die Lymphgefaßgebiete des
Darmkanals vollziehen. Sind dann die Diplostreptokokken ver-
mittelst des Blutkreislaufes im Körper verbreitet, so wird ihre
Vermehrung an den Prädilektionssitzen, wie in den Nieren, der
Milz, dem Knochen- und Rückenmark, im Blut erfolgen. Massen-
haft finden sich die Diplostreptokokken in den Blutextravasaten
der Nieren und Nierenlymphdrüsen (woselbst sie oft haufenweise
nach Art der Phagozytose in Lymphzellen und Nierenepithelien ein-
geschlossen sind), in den Blutungen der Lienaldrüsen und der Milz
(woselbst sie oft zahlreich in Milzzellen eingeschlossen sind). In
beträchtlicher Anzahl treten ferner die Diplostreptokokken im roten
und gelben Mark der Röhrenknochen, in den Markräumen der
Spongiosa der Rücken- und Lendenwirbel, sowie im Gefaßblute der
Pia mater spinalis auf; aber auch inmitten der Rückenmarksubstanz,
besonders in der um den Zentralkanal gelegenen grauen Substanz und
in den Blutextravasaten der Pia mater spinalis kommen die Erreger
zahlreich vor, und zwar liegen sie hier oft zu Haufen im Protoplasma-
leib der Zellen beisammen. Ausnahmsweise günstige Wachstums-
bedingungen sind dem Erreger im roten Mark der Wirbel- und
Röhrenknochen geboten, woselbst sich die Bildung der roten Blut-
körperchen und deren Vorstufen abspielt. Die Diplostreptokokken
rufen in den Markräumen der Spongiosa Entzündung und, wie im
Blute selbst, Auflösung der roten Blutkörperchen sowie Umwand-
lung des Hämoglobins in Melanin hervor, so daß auf den Knochen-
querschnitten eine augenfällige dunkelbraune bis tintenschwarze
Verfärbung in Erscheinung tritt; auch dieserhalb verdient der Er-
reger die Benennung Str. melanogenes, wie noch weiterhin erörtert
wird. In den Nieren gelangen die Streptokokken nach Berstung
von Kapillaren in den Harn, wodurch dieser wie bei Hämo-
globinurie des Pferdes bierbraun und blutig verfärbt sein kann
und den Erreger in geringerer oder größerer Anzahl enthält. So
bedingt der Str. melanogenes, welcher durch Ausscheidung giftiger
Stoffwechselprodukte besonders die Gefäßwände schädigt und die
lokale Entzündung erheblich verstärkt, eine allgemeine Strepto-
kokkenseptikämie bei den an infektiöser Rückenmarksentzündung
oder an schwarzer Harnwinde erkrankten Pferden. Infolge der
— 473 —
Ausscheidungen des jetzt hochvirulenten Erregers mit Kot und
Harn wird der Stand und Stall der Pferde verseucht, wodurch
dann die Einzelkrankheit zu der gefürchteten Stallepidemie führen
kann.
Aber auch auf künstliche Art läßt sich diese Streptokokken-
septikämie bei Versuchstieren experimentell dadurch erzeugen, daß
man beispielsweise einer Maus streptokokkenhaltigen Darmabstrich
von gesunden Pferden in genügender Menge in die Unterhaut ver-
impft und Streptokokken-Reinkulturen, welche in allen Stücken mit
dem weiterhin beschriebenen Str. melanogenes übereinstimmen, her-
stellt. Infiziert man mit den so gewonnenen Streptokokken Ver-
suchstiere, so hat man es überraschenderweise in seiner Macht, die
in jeder Hinsicht mit der geschilderten Streptokokkenseptikämie
identische Infektion künstlich hervorzurufen.
Auf Grund weiterer Untersuchungen und Erfahrungen muß
ich konstatieren, daß die schwarze Harnwinde in extenso ätiologisch
und pathogenetisch zu der infektiösen Rückenmarksentzündung ge-
hört. Eine Reihe exakter klinischer, pathologisch-anatomischer und
bakteriologischer Untersuchungen von Fällen typischer schwarzer
Harnwinde haben dies gelehrt und bewiesen. Zudem konnte durch
sorgfaltige Beobachtungen dargetan werden, daß auch bei schwarzer
Harnwinde oder infektiöser Rückenmarksentzündung das voraus-
gegangene ein- oder mehrtägige Ruhestadium bzw. auch Überflitterung
fehlen, und daß die Kruppenmuskulatur besonders in akut verlaufenden
Fällen bald durch Schwellung gespannt war, bald normale Konsistenz
besaß. Der Harn ist bei infektiöser Rückenmarksentzündung bei
vielen Fällen in ganz gleicher Weise verfärbt und verändert wie
bei schwarzer Harnwinde; andererseits kann bekanntlich auch bei
letzterer die Verfärbung des Harnes fehlen.
Das ein- oder mehrtägige Ruhen der Pferde hat für die Ent-
stehung der schwarzen Harnwinde oder der infektiösen Rücken-
marksentzündung an sich wenig Bedeutung. Neben dem einen
Pferde eines Bestandes nämlich, welches an Harnwinde oder infektiöser
Rückenmarksentzündung erkrankt, können denselben Verhältnissen
hundert andere Pferde ausgesetzt sein, ohne daß hieraus bei den
letzteren eine Krankheit entstünde. Bekanntlich wird schon in den
ältesten Beobachtungen hervorgehoben, daß weniger das Ruhen als
solches, wie vielmehr die während dieser Ruhezeit vorkommende,
unsinnige Überfütterung der an Sonn- und Feiertagen ruhenden
Zeitschrift fßr Infektionskrankheiten. II, G. 31
- 474 ~
Pferde ursächlich mit der Entwicklung der schwarzen Harnwinde
bzw. jetzt infektiösen Rückenmarksentzündung in kausalen Konnex
zu bringen ist und schädigend wirkt, was nach meiner Ansicht
vollständig richtig, aber dahin zu interpretieren ist, daß durch der-
artige unmäßige Überfiitterungen und durch die im Anschluß
daran entstehenden Stagnationen der Darmingesta, sowie durch
gefährliche Verdauungsstörungen • und Darmveränderungen, Futter-
anschoppungen u. s. f. gerade bei Pferden, welche ruhen, Blähungen
und Darmkatarrhe u. s. f. entstehen, die zur Folge haben, daß be-
sonders hierunter leidende Darmpartien ihrer schützenden Schleim-
schicht verlustig gehen, worauf dem Eindringen des Infektions-
trägers, der Diplostreptokokken, Tür und Tor geöffnet wird. In
einem solchen Darm und in dessen mit eiweißreichem Schleim,
eventuell auch Blut untermischten Inhaltsmengen finden die Diplo-
streptokokken für ihre Vermehrungs- und Entwicklungsbedingungen
bei gleichzeitigen, das Bakterienwachstum begünstigenden Temperatur-
verhältnissen einen in geeigneter Weise vorbereiteten Nährboden;
der Infektionsstoff vermag dann leicht in die oberflächlich gelegenen
Blut- und Lymphgefäße einzudringen, gelangt zunächst in die Gekrös-
drüsen, die vorwegs vergrößert und entzündet sind, und hierauf
mit dem großen Blutkreislauf in alle Körperorgane.
Ein solches im Inkubationsstadium der infektiösen Rücken-
marksentzündung oder der schwarzen Harnwinde befindliches
Pferd erkrankt leicht begreiflich nunmehr plötzlich und schwer,
sowie es, was ja am Montag früh bzw. am Tage nach der Ruhe
und Überfütterung oft der Fall ist, rasch und schwer arbeiten soll.
So kommt es dann, daß die im ersten Krankheitsstadium der in-
fektiösen Eückenmarksentzündung oder der schwarzen Harnwinde
stehenden Pferde bei der am Tage nach der Ruhe und Über-
ftttterung an sie gestellten, meist auch außergewöhnlich schweren
Arbeit nicht mehr genügen können, überraschenderweise unterwegs
zusammenbrechen und schwerkrank daliegen, ganz wie dies bei
einer Reihe anderer Infektionskrankheiten in geläufiger Weise be-
kannt ist.
Diese dispositionellen Verhältnisse, welche die Entstehung der
infektiösen Rückenmarksentzündung oder der schwarzen Harnwinde
überaus begünstigen, kommen, wie leicht erhellt, lediglich für dis-
ponierte bzw. schon infizierte Pferde in Betracht, während ceteris
paribus andere Pferde desselben Bestandes nicht an infektiöser
~ 475 —
Rückenmarksentzündung oder schwarzer Harnwinde zu erkranken
brauchen und de facto auch nicht erkranken.
Dagegen kann auch eine andere Krankheit, die unter ähn-
lichen dispositionellen Voraussetzungen entsteht, Platz greifen, näm-
lich die Kolik, die ebenfalls durch unrichtige Fütterung am Sonn-
tag und anderen Ruhetagen bei Pferden oft auftritt und bei den
ruhenden Tieren schwere Darmschädigungen hervorruft, da eben
die Peristaltik des Darmes nicht mehr in der gebührenden Weise
funktioniert und die angehäuften, stagnierenden Ingesta nicht richtig
verarbeitet und in dem beispiellos langen Pferdedarmrohr nur un-
genügend fortbewegt werden. Dazu kommt, daß die nicht zu
unterschätzenden, gerade die Verdauung bei Herbivoren günstig unter-
stützenden Körperbewegungen an solchen Tagen in Wegfall kommen.
Enthält daher ein derartig disponiertes Pferd hinreichend
virulente Diplostreptokokken in größerer Menge in seinem Darm-
rohr, so ist die Entstehung der infektiösen Rückenmarksentzündung
oder schwarzen Harnwinde die Folge; ist dies nicht der Fall, so
können andere Krankheiten, wie Kolik Platz greifen, oder aber die
anderen in gleicher Kondition befindlichen Pferde können ver-
schont bleiben. Fraglos kommen ferner noch andere disponierende
Momente wie schwere Überanstrengungen, Erhitzungen, Schwitzen,
Erkältungen, dunstige Stallungen, schlechte Futtermittel, schlechte
Pflege u. dgl. m. in Betracht, welche die Pathogenese der infektiösen
Rückenmarksentzündung oder schwarzen Harnwinde in besonderem
Maße begünstigen.
Die vorausgegangenen Erörterungen erklären zur Genüge,
welche Würdigung dem Ruhestadium und der Überfütterung, die
übrigens vielfach überschätzt und unrichtig gedeutet worden sind,
für den kausalen Zusammenhang der schwarzen Harnwinde bzw.
infektiösen Rückenmarksentzündung gebührt. Daß durch regel-
mäßige Bewegung und zweckdienliche Fütterung, Pflege und
Haltung der Pferde derart schwere Krankheiten abgewendet werden
können, liegt auf der Hand. Andererseits muß aber ausdrücklich
betont werden, daß infektiöse Rückenmarksentzündung oder schwarze
Harnwinde oft genug ohne vorausgegangene Ruhepause oder Über-
fütterung und noch unter anderen, schon eingangs gebührend ex-
plizierten Bedingungen entstehen kann.
Hieraus ist auch ersichtlich, warum vorwegs die im ökonomi-
schen Dienste arbeitenden schweren Pferderassen, die eben den
31*
v*v
— 47G —
nachteiligen disponierenden Verhältnissen in erster Linie und häufig
ausgesetzt sind, an infektiöser Rückenmarksentzündung oder schwarzer
Harnwinde erkranken, während aber auch die Halbblut- und Voll-
blutpferde sich durchaus nicht immun erweisen, wie eine Reihe kon-
statierter umfangreicher Seuchenausbrüche von infektiöser Rücken-
marksentzündung und schwarzer Harnwinde unter den Armeepferden
beispielsweise Frankreichs, Österreichs und Deutschlands sowie
eigene Beobachtungen bewiesen haben.
Akklimatisierte, schon lange in einem Bestände befindliche
Pferde besitzen gegen die Erkrankung der infektiösen Rücken-
marksentzündung eine weitgehende natürliche Resistenz, die da-
durch als entstanden zu erklären ist, daß solche Pferde im Laufe
der Zeit kleinere oder weniger virulente Mengen des Infektions-
stoffes in ihren Organismus aufnehmen und dadurch aktiv immun
werden, was für frisch zugekaufte bzw. importierte Pferde in
das Gegenteil verkehrt sein kann, weshalb die letzteren, wie
durch zahlreiche Beobachtungen festgestellt wurde, vorherrschend
zur infektiösen Rückenmarkserkrankung inklinieren. Daß man
in der Tat imstande ist, Pferde, Kaninchen, Meerschweinchen
und Mäuse gegen infektiöse Rückenmarksentzündung aktiv zu
immunisieren, haben mich eine Reihe von Experimentaluntersuchungen
an Pferden und kleinen Versuchstieren gelehrt, welche zum Teil
beträchtlichere Infektionen mit dem Str. melanogenes überstanden
und sich in der Folgezeit gegen weitere Infektionen refraktär er-
wiesen haben.
Nachdem in einem Pferdebestande die infektiöse Rückenmarks-
entzündung einmal ausgebrochen ist und die Stallungen und Gerät-
schaften mit dem virulenten Infektionsträger durchseucht worden
sind, so kann, wie beobachtet wurde, die Krankheit auch nach er-
folgter Infektion von Quetschungen, Schürfungen oder Druckschäden
der Haut oder von Wunden aus ihren Ursprung nehmen.
Alles in allem genommen, muß daher die bislang aufgerich-
tete Scheidewand zwischen schwarzer Harnwinde und infektiöser
Rückenmarksentzündung fallen. Beide Krankheiten sind auf gleiche
ätiologische Grundlagen zu stellen. Damit wächst die ökonomische
und veterinärpolizeiliche Bedeutung der infektiösen Rückenmarks-
entzündung in ungeahnter Weise, sie repräsentiert offenbar eine
der schädlichsten Pferdeseuchen, welcher hinsichtlich der Verhütung
und Bekämpfung die ernsteste Beachtung gebührt.
- 477 —
Beurteilung der traditionellen Lehre von der schwarzen Harnwinde.
Von alters her hat man der Ernährung und Fütterung der
Pferde einen bestimmenden Einfluß auf die Entstehung der schwarzen
Harnwinde zugeschrieben. Man sah die in gutem Ernährungszustand
befindlichen Pferde, die fetten, gemästeten Pferde am meisten, sel-
tener magere Pferde erkranken, und in direkten Zusammenhang
mit dem Einfluß der schädigenden Fütterung wurde auch die an-
haltende Ruhe im Stalle gebracht. Die Krankheit sollte besonders
bei schweren Arbeitspferden, welche zu Weihnachten, Ostern und
Pfingsten zwei oder drei Festtage im Stalle verblieben und in
dieser Zeit reichlich mit Körnerfutter gefiittert wurden, am fol-
genden Tage zu Anfang der Arbeitsleistung entstehen.
Fröhner und andere Autoren betonten in erster Linie die
Erkältung nach mehrtägiger Stallruhe und starker Fütterung der
Pferde als häufigsten ursächlichen Faktor. Die Erkältungstheorie
wurde darauf gestützt, daß die Pferde zumeist nach dem Heraus-
nehmen aus dem Stalle bei der Arbeitsleistung erkranken. Dieser
Ansicht widerspricht aber der Umstand, daß auch noch im Stalle
befindliche Pferde ergriffen werden; es kann somit der Erkältung
ein derartig ursächlicher Einfluß nicht konzediert werden, und zwar
auch deshalb nicht, weil fast ausschließlich Pferde, die durch schwere
Arbeit und durch die Witterungsunbilden abgehärtet sind, erkranken;
auch ist nicht einzusehen, warum solche Pferde durch mehrtägige
Ruhe und kräftige Fütterung für Erkältungen empfänglich gemacht
werden, da dies eigentlich der Erfahrung über Erkältungskrank-
heiten widerspricht. Auch der Umstand, daß die Pferde erst nach
dem Herausnehmen aus dem Stalle erkranken, begründet keines-
wegs die Erkältung, welche sonach nur als okkasioneller oder dis-
ponierender Faktor gelten kann; denn es würde sonst die Krank-
heit gerade bei anderen Pferden, die nach noch längerer Stallruhe
besonders zu Erkältungen neigen, vorwiegend oft vorkommen, was
aber nicht der Fall ist. Die Erkältungs- und Überfütterungstheorie
beruht daher auf falscher Voraussetzung und teilweise unrichtiger
Beobachtung, da diese Anschuldigungen, wie ich wiederholt nach-
zuweisen in der Lage war, bei den meisten Fällen von infektiöser
Rückenmarksentzündung oder schwarzer Harnwinde fehlen.
Die Theorie der Autointoxikation, wonach Albuminate bei
reicher Zufuhr toxische Wirkungen hervorbringen, wurde namentlich
— 478 ---
von Bollinger, Dieckerhoff, Schmidt-Mühlheim, W. Eber u. a.
vertreten; das spezifische Gift, welches die Blutauf lösung, den Zerfall
der Muskulatur und die Prozesse in den Nieren und im Knochen-
mark hervorrufen sollte, blieb unbekannt; man glaubte, daß reich-
liche Zufuhr und mangelhafter Verbrauch von Proteinsubstanzen
die wichtigsten Faktoren für das Zustandekommen der schwarzen
Harnwinde seien. Die Bildung des Giftes im Körper ließ man
durch die Wirkung eines spezifischen Fermentes auf die Albuminate
des Blutes entstehen. Dabei übersah man, daß in manchen Ge-
höften und Gegenden die Krankheit unter den Pferden gehäuft
auftritt, wogegen unter denselben Verhältnissen gehaltene Pferde
verschont bleiben, was doch den Wegweiser für das Vorliegen
einer Infektionskrankheit hätte abgeben müssen. Daß verdorbene
Futtermittel die Krankheit nicht veranlassen, wurde schon von
Siedamgrotzky zutreffend hervorgehoben, desgleichen daß auch bei
tadelloser Fütterung die schwarze Harnwinde vorkomme; dagegen
beobachtete man ganz richtig schon damals, daß im Anschluß an
die Verfutterung von Mehl, von Weiß- und Dickrüben, von Runkel-
rüben und Kartoffeln die Krankheit auftrete.
Auch die außergewöhnlich rasche Ausbildung vieler Krank-
heitsfälle mußte auf das Vorliegen einer Infektionskrankheit und auf
einen spezifischen Infektionsstoff hinweisen, welcher zum Knochen-
mark, Rückenmark und den Nieren eine besondere Affinität besitzt.
Die parenchymatösen Entzündungsprozesse (Myositis parenchyma-
tosa) gerade in den Muskeln der Nachhand mußten ferner nahe-
legen, daß diese Prozesse sekundär und dem Grade nach mehr
oder weniger von der Erkrankung des Rückenmarks abhängen;
ebenso konnte die starke Blutauflösung, die lackfarbene Beschaffen-
heit des Blutes auf das Vorliegen einer Infektionskrankheit hin-
weisen; die Hämoglobinämie und Hämoglobinurie an sich ist kein
spezifischer Vorgang, welcher bekanntlich durch verschiedene unorgani-
sche und organische Gifte veranlaßt werden kann.
Dieselbe Bedeutung eines okkasionellen bzw. disponierenden
Momentes kommt wie der Erkältung auch der Überanstrengung der
Pferde bei der Entstehung der Krankheit zu; man glaubte, daß
durch Überanstrengung, durch Überhetzen, durch Distanzfahrten
und -ritte, durch anstrengende Transporte eine Muskelentzündung
in der Nachhand, namentlich der Psoasmuskeln, des Longissimus
dorsi, der Glutäen, des Quadriceps femoris und der Ankonäen zu-
— 479 —
stände komme; dieselbe sah man zutreffend entweder allgemein oder
an einzelnen Muskeln, einseitig oder doppelseitig, mit oder ohne
Hämoglobinurie verlaufen. Nur in wenigen Hämoglobinuriefällen
fand man Erkältung oder Überanstrengung ausgeschlossen, und
diese Erkrankungen wurden in einer dem Wesen der Krankheit
näherkommenden Weise als infektiöse bzw. toxämische, hämotogene
Hämoglobinämie aufgefaßt.
Epidemiologie.
Der Infektionsträger der infektiösen Rückenmarksentzündung
oder der schwarzen Harnwinde, der Strept. melanogenes, kommt,
wie ich nachgewiesen habe, als regelmäßiger Saprophyt im Darm
ganz gesunder Pferde, auch anderweitig erkrankter Pferde und
zahlreich im Darmkanal der an Streptokokkenseptikämie erkrankten
Pferde vor. Unter besonders geeigneten, im Kapitel der Ätiologie
und Pathogenese näher beschriebenen, dispositionellen Voraus-
setzungen nimmt dieser Saprophyt bei Steigerung seiner Virulenz
pathogene Eigenschaften an, indem er in den derartig disponierten
Pferdekörper vom Darmrohr aus eindringt, nunmehr seine volle
Pathogenität entfaltet, mit dem Blutkreislauf im ganzen Körper
verbreitet wird und sich in den für die Erkrankung eine besondere
Gewebsdisposition besitzenden Organen, so im Rückenmark, im
Knochenmark, in den Nieren und in der Blutflüssigkeit ansiedelt.
In diesen Erkrankungsherden findet eine intensive Vermehrung des
Infektionsträgers statt, von wo aus der Gesamtorganismus vom
Infektionsstoff überflutet wird und der generalisierten Streptokokken-
septikämie unterliegen kann. Ein solches, im Pferdebestande zuerst
auf rein spontanem Wege an Streptokokkenseptikämie erkranktes
Pferd scheidet sodann, wie bewiesen, die Diplostreptokokken massen-
haft mit dem Kot, mit dem Harn, mit dem Schweiß, mit Nasen-
und Maulschleim und - mit der Atmungslnft in die Außenwelt ab,
so daß die Stallung, die Gerätschaften, die Geschirre, die Futter-
mittel, die Luft mit hochinfektiösem Ansteckungsstoff durchseucht
werden. So entsteht denn im Sinne einer miasmatischen Krankheit
(Schweinerotlauf, malignes Ödem, Kälberruhr usw.) ein sporadischer
Fall der infektiösen Rückenmarksentzündung auf rein spontanem
Wege. Es kommt deshalb die infektiöse Rückenmarksentzündung
unter den Pferden betroffener Stallungen immer wieder vor.
— 480 -
Von dieser Zeit ab sind die übrigen Stallinsassen bei direkten
oder indirekten Berührungen mit dem Patienten großer Krankheits-
gefahr ausgesetzt, da sie den hochinfektiösen, vom kranken Tier
ausgeschiedenen Infektionsstoff durch Hautverletzungen, durch Ein-
atmung oder, was am häufigsten vorkommt, durch Verzehren von
infizierten Futtermitteln und Wasser aufnehmen können, so daß
sich in kürzester Zeit aus dem spontan entstandenen sporadischen
Krankheitsfall rasch eine kontagiöse Stallseuche (Enzootie) nach Art
des Schweinerotlaufes oder Milzbrandes entwickeln kann, welcher
zumeist die Mehrzahl der gefährdeten Pferde zum Opfer fallt.
Gelangen die im Inkubationsstadium befindlichen oder die sub-
akuten oder chronisch kranken Pferde auf die Straße, an Brunnen,
in fremde Ställe u. s. f., so kann sich durch Verschleppung und
Verbreitung des Infektionsstotfes seitens der kranken Tiere oder
durch Zwischenträger die infektiöse Rückenmarksentzündung auf
mehrere Pferdebestände einer Ortschaft nach Art einer Ortsseuche
(Enzootie) ausbreiten. Aber auch auf ganze Distrikte und Länder
breitet sich die infektiöse Rückenmarksentzündung wie eine Epizootie
aus, sie kommt sowohl auf hohen Gebirgen, wie in Tälern und in
' der Ebene vor. Die infektiöse Rückenmarksentzündung ist in allen
deutschen Bundesstaaten und in den übrigen europäischen Ländern,
namentlich in Frankreich und Österreich-Ungarn usw. verbreitet.
Die einzelnen Seuchengänge der infektiösen Rückenmarks-
entzündung können sich in Beziehung auf die Schwere der Er-
krankungen sehr verschieden verhalten, wie im Kapitel der Prognose
näher ausgeführt ist. In manchen Seuchengängen verläuft die
infektiöse Rückenmarksentzündung auffallend günstig mit einer
Verlustziffer von bloß 20— 40°/0, während in anderen Seuchen-
gängen dagegen die erstaunliche Mortalitätsziffer von 80 — 10O°/o
nachzuweisen ist.
Bezüglich seiner Vermehrung ist der Infektionsstoff haupt-
sächlich auf den Pferdekörper angewiesen, er kann sich aber auch
in der Außenwelt längere Zeit lebensfähig und virulent erhalten.
Das Kontagium ist fix und flüchtig. Die infektiöse Rückenmarks-
entzündung ist somit eine miasmatisch-kontagiöse Krankheit.
Seit meiner ersten Veröffentlichung über die infektiöse Rücken-
marksentzündung in der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift 190ti,
Nr. 25, habe ich eine Reihe von neuen Seuchenausbrüchen sowohl
klinisch wie pathologisch-anatomisch und bakteriologisch untersucht
481 -
und meine Erfahrungen durch neue wertwolle Beobachtungen be-
reichert, die im nachstehenden wegen ihres fachwissenschaftlichen
und volkswirtschaftlichen Interesses der Öffentlichkeit übergeben
werden sollen.
Die Seuche kam vorwegs als akute Krankheitsform vor,
während die chronischen Erkrankungsfälle mehr in den Hinter-
grund traten.
I. Es handelte sich zunächst um den Seuchenausbruch in einem
neun Pferde umfassenden Bestände, von welchen Mitte Mai 1906 sieben
Pferde innerhalb zwei bis drei Wochen jeweils an der akuten Krank-
heitsform verendet sind. Die Krankheit befiel die einzelnen Pferde
teils während der Arbeit, teils in der Ruhe; sie wurden im Hinter-
teil gelähmt, brachen zusammen und zeigten die übrigen geläufigen
Erscheinungen der schwarzen Harnwinde oder der infektiösen
Rückenmarksentzündung. Nur zwei Pferde blieben in der Folgezeit
von der Seuche verschont.
Bei diesen Krankheitsfällen bestanden die Sektionsveränderungen in
Hyperämie der die Oberschenkelknochen zunächst umgebenden Muskulatur und
des Periosts, während die darumliegenden dickeren Muskelpartien wie bei
schwarzer Harnwinde hochgradig parenchymatös degeneriert und graugelb ver-
färbt waren. Die proximale Spongiosa des Femur enthielt münzengroße,
blutig infiltrierte, schwarzrote Entzündungsherde, während die Spongiosa der
distalen Epiphyse nur einige kleine hämorrhagische Flecke zeigte, wahr-
scheinlich deshalb, weil vom Trochanter medius aus und durch die oberen Er-
nährungslöcher des Knochens größere Ernährungsgefäße in die obere Epiphyse
eintreten und im Verlauf derselben größere Blutungen zustande kommen lassen.
In der vorderen Hälfte des gelben Markzylinders fand sich ein hühnereigroßer,
scharf begrenzter, auf der Schnittfläche glatter, homogener, schwarzroter, hämor-
rhagisch-fibrinöser Infarkt, welcher von der Umgebung scharf demarkiert war und
sich, wie dies regelmäßig beobachtet werden kann, im Anschluß an die aus
der vorderen Femurwand in den gelben Markzylinder übertretenden Ernährunga-
getaße entwickelt. Die Tibia war auf dem Sägeschnitt unverändert. Der
Humerus zeigte im gelben Markzylinder einige blutige Herde. Die Spongiosa
der Wirbel enthielt umschriebene schwarzrote, hämorrhagische Infiltrationen,
im Wirbelkanal zahlreiche Blutaustrittc. Die Nieren stark geschwollen, Rinde
verbreitert, graurot, sowohl in Rinden- als Markschicht zahlreiche kleine hoch-
rote Blutpunkte und Blutfleckchen (hämorrhagisch-parenchymatöse Nephritis).
Die Leber war stark hyperämisch und die Milz zeigte mittelgradigen Milz-
tumor. Der Darm war fleckig und streifig gerötet, mit dickem, geleeartigem,
aufgelockertem Schleim bedeckt. Die Diplostreptokokken wurden bei diesen
Pferden bakteriologisch im Darmschleim, in der Milz, in den Nieren, im
Knochenmark, in der Spongiosa der Wirbel, im Exsudat des Rückenmarks-
kanals spärlich bis zahlreich festgestellt.
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IL Auf einem Sclüoßgute verendeten zwei Ponies innerhalb
14 Tage an der akuten Form der Streptokokkenseptikämie unter
den gleichen Erscheinungen, welche sich zuerst in Unruhe, dann in
großer Hinfälligkeit, erschwerter Atmung und anfanglich übel-
riechendem Durchfall äußerten; schon innerhalb eines Tages fahrte
die Krankheit jeweils zum Tode.
Die Serosa aller Organe, insonderheit des Darmes, des Zwerchfells, des
Herzens, des Herzbeutels und der Lungen enthielt massenhaft braunrote, punkt-
förmige bis fleckige Hämorrhagien, in denen durch die bakteriologische Unter-
suchung zahlreiche Diplostreptokokken nachgewiesen wurden. Die Seuche
hatte Ähnlichkeit mit Milzbrand, welcher jedoch durch den negativen bakterio-
logischen Befund mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte.
III. Gelegentlich eines weiteren Seuchenausbruches im Elsaß
verlor ein Pferdebesitzer drei Pferde an der subakuten Form der
infektiösen Rückenmarksentzündung. Die Krankheitsfälle verliefen
unter dem klinischen Bilde der perniziösen Anämie, nur das häufige
Urinieren und die gelblich-ikterische Verfärbung der Schleimhäute
begründeten den Verdacht auf infektiöse Rückenmarksentzündung.
Die Krankheit begann mit einem leichten Magen-Darmkatarrh, unter-
drückter Freßlust, großer Schwäche und Abmagerung. Temparatur
mittelhochgradig, Pulse 85, Atemzüge 25. Nach innerlicher Be-
handlung mit Natrium salicylicum besserte sich das Leiden, die
Temperatur fiel wieder ab, die katarrhalischen Darmerscheinungen
verschwanden, Appetit wieder gut. Die Lähmung der Nachhand
stellte sich erst kurze Zeit vor dem Tode ein. Diese Fälle waren
unheilbar.
Der Krankheitsverlauf erstreckte sich auf sechs Wochen und
beweist, daß die meisten Fälle von perniziöser Anämie durch die
Infektion des Str. melanogenes bewirkt werden.
Die Spongiosa und das gelbe Mark der Oberschenkelknochen — die
Röhrenknochen waren in diesen Fällen vorwiegend erkrankt — enthielten zahl-
reiche, teils begrenzte, teils mehr diffuse hämorrhagisch-fibrinöse Infarzierungen.
Die Veränderungen der Rtickenmarkshäute und des Rückenmarks waren in
diesen Fällen weniger intensiv. Die Leber hyperämisch und geschwollen;
die Nieren hämorrhagisch-parenchymatös entzündet; die Milz wenig verändert.
Sowohl im Saft der erkrankten Knochenpartien als auch im Abstrich
der Leber fand sich dor Str. melanogenes mäßig zahlreich.
IV. Ein schwer schädigender Seuchenausbruch von infektiöser
Rückenmarksentziindung ereignete sich in dem neun Pferde um-
fassenden Bestände einer Kunstmühle, in welcher binnen eines Zeit-
- 483 -
raumes von etwa vier Wochen sechs wertvolle schwere Zug-
pferde gefallen sind. Die Krankheit verlief akut und dauerte zumeist
nur 1—2 Tage, zumal bei den ersten vier Pferden, die innerhalb
vier Tagen verendet sind. Die Pferde hatten große, viele Stunden
weite Touren an schweren Lastfuhren von morgens früh bis abends
spät zu leisten und erwiesen sich zuerst „schlapp". Nachdem die
Pferde eingespannt waren, erkrankten die einen plötzlich unterwegs
und konnten nur mit Mühe heimtransportiert werden; im Stalle
legten sie sich oder sie brachen zusammen und konnten sich nicht
mehr erheben, also ein gleicher Vorgang, wie er im Anfang der
schwarzen Harnwinde beobachtet wird. Ein Pferd erkrankte im
Stalle selbst, und zwar wie die andern Pferde unter Schweißaus-
bruch, großer Mattigkeit und Hinfälligkeit; die Pferde wurden gleich
auf allen vier Füßen, besonders aber den hinteren, hochgradig
schwach und drohten zusammenzubrechen. Im Stalle lagen die
Pferde auf einer Seite ziemlich ruhig, nahmen auch Futter auf; die
Kruppen- und Lendenmuskulatur etwas gespannt, Schweif, Mast-
darm und Harnblase nicht gelähmt, Harn etwas rötlich verfärbt und
trüb, ab und zu führten die liegenden Pferde mit den Füßen
schwimmende und schlagende Bewegungen aus, Kopf und Hals
wurden zuweilen aufgerichtet. Die Temperatur der Pferde war
hochnormal, Pulse 70—80 und darüber. Die Empfindlichkeit war
bei den einen Pferden nur in der Nachhand, bei anderen auf der
ganzen Hinterhand, am Rumpf bis zur Schulter völlig aufgehoben,
so daß man mit Nadeln tief einstechen konnte, ohne daß die Pferde
hierauf an den genannten Stellen reagierten; dagegen war das
Gefühl an der Schulter, am Halse und Kopf erhalten. Die Pferde
verendeten ohne besonderen Todeskampf; bei einigen dieser Pferde
ging ein Ruhestadium voraus, während es bei anderen fehlte und
letztere schon einige Stunden nach der Heimkehr noch vor Mitter-
nacht erkrankten.
Die Sektionsveränderungen bestanden in Milztumor, besonders zahlreichen
schwarzroten punkt- und fleckförmigen Blutungen unter der Milzkapsel, Leber-
schwellung, parenchymatös-hämorrhagischer Nephritis: Nieren schwarzrot bis
blaurot, sie hellten sich einige Zeit an der Luft liegend hellrot auf, Nieren
durch Schwellung um die Hälfte vergrößert, von weicher Konsistenz, Schnitt-
fläche stark vorspringend, Nierenrinde verbreitert, graurot, Rindenzeichnung
verwischt, in Rinden- und Markschicht zahlreiche strich- und punktförmige
Blutungen, Nierenlymphdrilsen durch Schwellung, Entzündung und Blutungen
walnußgroß, braunrot gefleckt. Im Fettmark und roten Mark der Oberschenkel-
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knochen fanden sich bis gänseeigroße hämorrhagisch-fibrinöse Infarzierungen,
zum Teil sich anschließend an den Eintritt der Ernährungsgefäße in das Fett-
mark. Auf der gelben Marksäule der Tibia zahlreiche braunrote, fleckige
Hämorrhagicn. Spongiosa der Lendenwirbel schwarzrot erweicht. Auf und
unter der harten Rückenmarkshaut finden sich fibrinös blutige Auflagerungen, in
welchen Diplostroptokokken massenhaft enthalten sind. Harte Rückenmarks-
haut diffus karminrot verfärbt, verdickt, aufgequollen. Arachnoidea spinalis
hochrot Die größeren und kleinsten Gefäße stark hyperämiert, durch Injektion
beträchtlich ektasiert. In der um den Canalis centralis gelegenen grauen
Rtickenmarkssubstanz finden sich massenhaft feinste punkt- und fleckförmige
Hämorrhagien und seröse Infiltration, so daß die Marksnbstanz daselbst im
Zustande der roten Erweichung sich findet. Muskulatur der Oberschenkel, der
Kruppe, der Lenden, der Schulter, des Herzens hochgradig parenchymatös
degeneriert und serös infiltriert Schleimhaut des Darmes fleckig gerötet mit
geleeartigem Schleimbelag.
Durch die bakterioskopische Untersuchung wurden auf den Rückenmarks-
häuton, in der Rückenmarkssubstanz, in den erkrankten Herden des roten und
gelben Markes der Röhrenknochen und in der Spongiosa der Lendenwirbel,
in Nieren-, Nierenlymphdrüsen-, Milz- und Leber-Abstrichen sowie auf der
Schleimhaut des Darmes die Diplostreptokokken in den einen Fällen mäßig
zahlreich, in anderen sehr zahlreich nachgewiesen, auf Nährböden rein gezüchtet,
und bei den mit diesem Material infizierten Versuchstieren konnte die tödlich
verlaufene Streptokokkenseptikämie erzeugt werden.
V. Zu derselben Zeit erkrankte an der subakuten Form der
infektiösen Rückenmarksentzündung das einem größeren Pferde-
bestande von neun Pferden einer Brauerei angehörige Pferd; die
Krankheit dauerte acht Tage und verlief letal. Das Pferd magerte
seit zwei Wochen stark ab und zeigte darauf die bekannten kli-
nischen Erscheinungen der infektiösen Rückenmarksentzündung, be-
sonders Schwanken im Hinterteil, unsicherer Gang in den Hinter-
gliedmaßen, Empfindungslosigkeit in der ganzen Hinterhand bis zu
den falschen Rippenbögen. Das Pferd ertrug ohne Reaktion an
Hinterextremitäten, Kruppe und Flanken tiefere Nadelstiche. Die
Kruppenmuskulatur war auffällig derb, härter als normal. Im
Schritt ging das Pferd noch gut, während es nur sehr schwer in
Trab zu bringen war, wobei der Gang beschwerlich und unbeholfen
erschien. Zudem stellte sich starkes Abmagern und Zusammenfallen
im Bauch ein, die Schleimhäute anämisch, gelblich verfärbt. Dieser
Patient hatte deshalb im Lebendzustand wieder mehr Ähnlichkeit
mit dem klinischen Bilde der perniziösen Anämie.
Zehn Wochen später trat die ansteckende Rückenmarks-
entzündung bei einem weiteren Pferde desselben Bestandes auf.
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Die Erscheinungen waren ähnliche, wie sie bei der schwarzen Harn-
winde beobachtet werden.
Der Sektionsbefund beider Fälle bestand in den bekannten Verände-
rungen der infektiösen Rückenmarksentzündung, besonders in hämorrhagischer
Osteomyelitis und Periostitis. In den erkrankten Herden wurden bakteriologisch
die Diplostreptokokken zahlreich nachgewiesen.
VI. In einem andern Amtsbezirk brach die infektiöse Rücken-
marksentzündung bei einem Pferde unter Erscheinungen der von
mir geschilderten Streptokokkenseptikämie aus und verlief schon
nach zwei Tagen tödlich, während die zwei übrigen Pferde des
Bestandes verschont blieben.
Die Sektionsveränderungen waren für ansteckende Rückenmarksentzün-
dung charakteristisch: Im gelben Markzylinder des Femur fand sich ein hühnerei-
großer dunkelbraunroter, hämorrhagischer Infarkt. Der Humerus enthielt auf
der Oberfläche des Fettmarkzylinders einen taubeneigroßen hämorrhagisch-
fibrinösen Infarkt. Die Nieren waren erweicht, geschwollen, vergrößert, Rinde
granrot, Rindenzeichnung verwischt (parenchymatöse Nephritis). Die Milz
zeigte mittelgradigen akuten Tumor mit zahlreichen Hämorrhagien unter der
Kapsel. Der Darm war fleckig gerötet, mit vermehrtem Schleimbelag. Der
Str. melanogenes wurde im Abstrich der erkrankten Herde des Knochenmarks,
der Nieren und der Milz mikroskopisch mäßig zahlreich nachgewiesen und in
Kulturen rein gezüchtet.
VII. Nach Ablauf von zehn Wochen erkrankte in einer be-
nachbarten Gemeinde ein Pferd unter den offensichtlichen Erschei-
nungen der Streptokokkenseptikämie, welches der Besitzer wegen Aus-
sichtslosigkeit auf Heilung töten ließ; nach mehreren Wochen
befiel die Seuche ein zweites Pferd ; die übrigen neun Pferde blieben
in der Folgezeit gesund.
Die Veränderungen bestanden in Hyperämie und entzündlicher Infil-
tration der Markzellen der Wirbel, der Spongiosa; das Endost der Wirbel war
dunkelschwarzblau verfärbt, hyperämisch. Im Epiduralraum fand sich rötlich
getrübte Flüssigkeit, die Dura mater spinalis gleichmäßig und fleckig gerötet.
Arachnoidea spinalis hochrot verfärbt, Gefäße prall gefüllt, erheblich erweitert,
die feinsten Kapillaren ramiform injiziert, deutlich vortretend. Die graue
Rückenmarkssubstanz erwies sich in der Umgebung des Canalis centralis auf
Querschnitten mit zahlreichen feinsten punkt- und strichförmigen Hämorrhagien
infiltriert und serös erweicht (Meningitis spinalis acuta, Myelitis hämorrhagica
mit roter Erweichung). Femur und Humerus zeigten hämorrhagische Periostitis
und Osteomyelitis. Die Darmbeinschaufeln sind durch blutig-entzündliche In-
filtration der Spongiosa und der Knochentafeln tintenschwarzblau verfärbt.
Nieren durch Schwellung vergrößert, erweicht, durch die Oberfläche sind zahl-
reiche feine Blutpunkte, die oft in Gruppen zusammenliegen, sichtbar; an
anderen Stellen sind die Nieren fleck weise graugelb verfärbt. Schnittfläche vor-
— 48G -
springend, Rinde verbreitert, graurot mit massenhaften, staubförmigen, feinsten
Blutungen in Rinde und Marksubstanz (akute hämorrhagisch-parenchymatöse
Nephritis;.
Die Diplostreptokokkcn wurden in den veränderten Partien mäßig zahl-
reich nachgewiesen.
VIII. Zur gleichen Zeit und in demselben Amtsbezirk er-
krankte von fünf Pferden das eine, welches abmagerte, stark
schwitzte, im Hinterteil schwankte und auf der Kruppenmuskulatur
nicht gespannt war, hochgradige Fiebertemperatur, unfuhlbaren Puls
und beschleunigtes Atmen zeigte.
Bei der Sektion erwies sich das Kadaver abgemagert, Totenstarre fehlte.
Blut teerartig, lackfarben. In der Bauchhöhle blutig-seröse Flüssigkeit, die
Darmschleimhaut gerötet und aufgelockert, Leber durch trübe Schwellung ver-
größert; parenchymatös-hämorrhagische Nephritis, Milztumor, in der Brusthöhle
blutig-seröse Flüssigkeit, Pleura unverändert, Herzmuskulatur durch hochgradige
parenchymatöse Degeneration graurot, mürbe, wie gekocht. Lungen hyper-
ämisch. Femur und Humerus zeigen hämorrhagische Osteomyelitis und hä-
morrhagische Periostitis. Der Str. melanogenes wurde spärlich nachgewiesen
(infektiöse Rückenmarksentzündung).
IX. In einem anderweitigen Distrikt befiel ein akuter seuchen-
hafter Verschlag der Nachhand die vier Pferde eines Holz- und
Steinfuhrmannes derart überraschend und heftig, daß innerhalb
dreier Tage drei Pferde erkrankten und verendeten; zwei Pferde
verschieden an einem Tage, das dritte am andern darauf. Es waren
Halbblut- und Kaltblutkreuzungen beiderlei Geschlechts im Alter
von 14—18 Jahren; der Ernährungszustand war bei den drei ver-
endeten Pferden ein guter. Ein viertes, beiderseits mondblindes,
minderwertiges Pferd blieb verschont, nachdem es rechtzeitig
separiert worden war. Die Fütterung der Pferde, die verabreichten
Futtermittel und das Wasser waren in jeder Beziehung tadellos.
Die Pferde wurden täglich zu Langholz-, Scheiterholz- und Stein-
fuhren verwendet, was wiederholte Anstrengungen, Erhitzungen und
Erkältungen derselben (prädisponierende Momente für die Entstehung
der ansteckenden Myelitis) bei schlechter Witterung mit sich brachte ;
zudem befanden sich im Stalle der vier Pferde noch drei Kühe und
ein Kalb. Die Stalluft war daher dunstig; die Jauche floß un-
genügend ab; unter dem hölzernen Stallboden fand sich die Jauche-
grube. Die Pferde kamen mit fremden im letzten Vierteljahre nach
Art des Betriebes nicht in Berührung.
Der Verlauf, die Erscheinungen und Sektionsveränderungen
waren bei den drei Pferden übereinstimmend, die zuerst bei der
— 487 -
Arbeit „schlapp" wurden, schwitzten, im Hinterteile steif gingen,
stolperten, schwankten; Futter- und Getränkaufnahme waren relativ
gut. Die Lähmung der Nachhand, der allgemeine Schweißausbruch
nahmen zu; im Hängegurt konnten die Pferde wieder mehrere
Stunden stehen und trippelten mit den Hinterfüßen. Zwei Pferde
setzten wie bei schwarzer Harnwinde wiederholt dunkelbraunen,
blutig verfärbten Harn ab. Die Muskulatur war gespannt, derb
wie bei Harnwinde. Die Pferde brachen bei freiem Sensorium
unter ausgebreitetem Schweißausbruch zusammen, führten am Boden
wTie bei Harnwinde schwimmende und schlagende Bewegungen mit
den Füßen aus und verendeten ohne auffällige Agonie. Das kli-
nische Bild und der Krankheitsverlauf dieser drei verendeten Pferde
glich durchaus dem bei schwarzer Harnwinde.
Wiewohl dem Pferdebesitzer wiederholt insinuiert wurde,
längere Zeit vom Zukauf neuer Pferde abzusehen, so erstand der-
selbe schon nach 14 Tagen wieder zwei neue Pferde, von denen
das eine (achtjährige Braunstute) vier Wochen darauf nach einer
zweiwöchigen Krankheitsdauer verendete.
Pathologisch-anatomische Veränderungen bei den vier gefallenen Pferden:
Kadaver abgemagert, Totenstarre fehlt; Kadaver auffällig rasch in Fäulnis
übergehend (allgemeine Septikämie!); Blut lackfarben, dickflüssig, schwarzrot;
Skelettmuskulatur der Kruppe, der Lenden (des Longissimus dorsi, des Psoas
major und minor), der Ankonäen und des Herzmuskels sind infolge hoch-
gradiger parenchymatöser Degeneration und hochgradiger seröser Infiltration
im inter- und intramuskulären Bindegewebe bzw. infolge parenchymatöser
Myositis mürbe, brüchig, graurot, wie gekocht und von kleineren und größeren
Blutungen durchsetzt; in der Nähe der Oberschenkelknochen und der Lenden-
wirbel finden sich bis handtellergroße Blutlachen, alles Veränderungen, wie sie
von altersher bei schwarzer Harnwinde vorzukommen pflegen.
In der Bauchhöhle ca. 2 Liter rötlich getrübter Flüssigkeit. Bauchfell
stellenweise getrübt, undurchsichtig, gerötet; Gefäße des Peritoneums ramiform
injiziert. Im Verlauf der Gefäße der Darmserosa zahlreiche punkt- und fleck-
förmige Blutungen. Magen und Darm wenig gefüllt, Schleimhaut fleckig und
streifig gerötet, mit vermehrtem Schleimbelag. Trübe Schwellung der Leber;
mittelgradiger Milztumor mit schwarzroten subkapsulären Blutungen; die Milz
enthält eine gleich veränderte hühnereigroße Nebenmilz. Nieren durch Schwel-
lung um die Hälfte vergrößert, graurot, erweicht, Rindenzeichnung verwischt,
mit hanfkorngroßen Blutungen. Blasenschleimhaut gerötet, von schleimig-
blutigem Harn bedeckt. Lungen zeigen Stauungshyperämie und agonales Ödem.
Knochen: Spongiosa des Femur auf der Sägefläche mit tintenschwarzen
Verfärbungen, mürbe; Markräume blutig infiltriert; Fettmark durch hämor-
rhagisch-fibrinöse Infarkte schwarz gefärbt oder breiig erweicht.
— 488 —
! Wirbel: Auf der Spaltfläche pechschwarz; Markzcllen teils durch blutige
Infiltrationen ausgefüllt, teils ist die Wirbelspongiosa porös, brüchig und ent-
hält überlinsengroße Lakunen Rückenmarkshäute entzündlich gerötet, Gefäße
hyperämiert; Rückenmark selbst durch zahlreiche Blutungen und rote Er-
weichung in einen dickrahmigen, gelbrötlichen Brei umgewandelt. Diese mye-
litischen Veränderungen beziehen sich lediglich auf das durch Fäulnis nicht
veränderte Lendenmark, während die nach vorn gelegenen Rückenmark-, Hals-
mark- und Gehirn Substanz, abgesehen von geringgradiger Stauungshyperämie
und Stauungsödem, eine normalfeste Konsistenz aufweisen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Meningitis spinalis hämorrhagica;
rote Erweichung des Rückenmarks; hämorrhagisch -fibrinöse Osteomyelitis;
1 parenchymatöse Nephritis; trübe Schwellung der Leber; akuter Milztumor;
i Darmkatarrh; hochgradige parenchymatöse Degeneration, seröse Infiltration
bzw. parenchymatöse Myositis des Herzens und der Muskulatur der Kruppe,
| der Lende und Schulter. Diese Veränderungen sind für infektiöse Rücken-
! marksentzündung (schwarze Harnwinde) charakteristisch; überdies wurde in
| den Nieren (zahlreich), der Milz (zahlreich), den Rückenmark shäuten und dem
1 Rückenmark (spärlich), in der Knochensponogiosa (spärlich) und in der Darm-
wand (zahlreich) der Str. melanogenes mikroskopisch nachgewiesen, in Kul-
turen rein gezüchtet und bei den infizierten Versuchstieren die Streptokokken-
septikämie hervorgerufen.
X. In einer abgelegenen Ortschaft brach unter dem Pferde-
bestand die chronische Form der Rückenmarkslähmung zuerst bei
einem vierjährigen, selbstgezogenen Pferd und fünf Wochen später
bei dem zehnjährigen Pferde unter gleichen Symptomen aus. Beide
Pferde wurden wegen Aussichtslosigkeit auf Heilung, das erste
nach einer Krankheitsdauer von beiläufig neun Wochen, das zweite
nach einer Krankheitszeit von sieben Wochen in einem größeren
Schlachthof geschlachtet. Das Fleisch wurde von den Konsumenten
ohne bekanntgewordene Schädigung ihrer Gesundheit genossen.
Die Pferde ließen zuerst bei der Arbeit nach, magerten dann
ab, während die Futteraufnahme gut blieb. Die Patienten zeigten
sich dann abgeschlagen und gerieten leicht in Schweiß, zeigten auf
der Nachhand Schwanken und brachen im Stalle zusammen. Die
Muskulatur des Oberschenkels und der Kruppe wurden atrophisch,
der Herzschlag pochend, stürmisch, Temperatur mittelhochgradig.
Bei der pathologisch-anatomischen und bakteriologischen Untersuchung
der Organe wurde an der Milz mächtiger Milztumor festgestellt; dieselbe war
76 cm lang, 22 cm breit, 5Va cm dick, 81/« Pfund schwer, von braunrötlicher
Farbe, derber als normal, Schnittfläche himbeerrot, interstitielles Gewebe ver-
breitert, die Follikel stark vergrößert, die lienalen Lymphdrüsen kastaniengroß,
braunrot gefleckt (mächtiger, chronischer Milztumor). Die Nieren sind ver-
größert, die fettarme Kapsel ist gespannt, nur mit Substanzverlusten abziehbar
— 489 -
die Nieren sind hellbraunrot und enthalten zahlreiche, stecknadelkopfgroße
Blutextravasate, sie sind schwer schneidbar, derb, Rinde schwer zu brechen,
Rindenzeichnuog undeutlich, hellbrannrot; in Rinde und Markschicht punkt-
förmige Blutextravasate, das interlobuläre Bindegewebe verbreitert, im Nieren-
becken eingedickter, schleimiger, mit abgeschuppten Epithelien untermischter
Harn (chronische, diffuse Nephritis). Schleimhaut des Darmes geringgradig
katarrhalisch entzündet.
Im Abstrich der Nieren, Milz, in den Milzlymphdrüsen und auf der
Darmmukosa wurde bakteriologisch der Streptococcus melagenes spärlich
nachgewiesen.
XI. In demselben Bestände, in welchem in den Jahren 1903
bis Februar 1906 im ganzen zehn Pferde an infektiöser Rückenmarks-
entzündung gefallen waren, brach Mitte Januar 1907 die Strepto-
kokkenseptikämie aufs neue aus. Die betroffene sechsjährige Schimmel-
stute, welche vom Mai v. J. ab als Ökonomiepferd in Gebrauch war,
ist seit sechs Wochen ganz übermäßig angestrengt worden. Am 15. Ja-
nuar d. J. erkrankte das Pferd offensichtlich unter den bekannten Er-
scheinungen der infektiösen Rückenmarksentzündung, nachdem es
einige Zeit vorher eine von der Hautschürfung an der Innenfläche
des linken Hinterschenkels ausgegangene Wundinfektion überstanden
hatte, worauf sich bei diesem Pferd Abmagerung einstellte; drei
Tage darauf (am 18. Januar) verendete das Pferd.
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen waren folgende:
Milz: Enorm vergrößert, 5 cm dick, Ränder stark abgerundet, Kapsel
tief schwarzblau mit bohnengroßen, schwarzen subkapsulären Petechien; Kon-
sistenz erweicht, Schnittfläche stark vorspringend, schwarzbraun; Follikel ver-
größert; Pulpa breiig, von erbsen- bis bohnengroßen schwarzen Blutungen
durchsetzt. An der Luft hellt sich die Milzoberfläche und Schnittfläche hell-
rot auf.
Leber: Durch Schwellung stark vergrößert, weicher als normal, graurot
bis gelbbraun. Unter der Glissonschen Kapsel finden sich zahlreiche schwarze
Blutungen. Schnittfläche braungelb, vorspringend, fettig glänzend, Läppchen-
zeichnung verwischt. Die PortaldrHsen sind durch entzündliche Schwellung
und zahlreiche Blutungen auf ein dreifingerdickes Paket vergrößert, dunkel-
braun gefleckt
Nieren: Fast um das Doppelte vergrößert, blaurot; Gefäße der Nieren-
kapsel ramiform injiziert, Kapsel nur mit Substanzverlusten abziehbar; die
Nierenoberfläche zeigt zahlreiche punktförmige Blutungen. Konsistenz der
Nieren weich, Schnittfläche stark vorspringend, fettig glänzend, Rinde grau-
gelb, Zeichnung verwischt. In Rinden- und Markschicht sowie auf der Schleim-
haut des Nierenbeckens finden sich zahlreiche kleinste Blutextravasate. Die
Nierenlymphdrüsen sind durch akute Entzündung gänseeigroß, dunkelbraunrot,
mit zahlreichen schwarzbraunen Blutungen.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 6. 32
— 490 —
Darm: Enthält mehrere Exemplare von Asearis megalocephala, Dann-
schleimhaut partienweise katarrhalisch entzündet; im Verlauf der Darmgefäße
finden sich zahlreiche kleinste Blutaustritte.
Oberschenkelknochen: Enthält in der Spongiosa der oberen Epiphyse
überefilöffelgroße, schwarzrote, blutige Infiltrationsherde, welche stark erweicht
und leicht schneidbar sind. Am Übergang des roten in das gelbe Mark findet
sich ein walnußgroßer, abgegrenzter, schwarzbrauner, blutig-fibrinöser, homo-
gener Infarkt, welcher sich im Anschlüsse an die vom roten in das gelbe Mark
eintretenden Ernährungsgefäße an der Vorderfläche des gelben Markzylinders
gebildet hat. Auf der übrigen Oberfläche des gelben Markylinders sind massen-
hafte dunkelbraunrote, Stecknadelkopf- bis linsengroße Blutungen. Das Periost
zeigt zahlreiche kleinste Blutpunkte.
Die Sägeflächen der Rückenwirbel weisen eine schwarzbraune, erweichte,
mürbe Spongiosa auf, welche sich leicht sägen läßt und deren Markzellen mit
hämorrhagischen Infiltraten erfüllt sind, in welchen sich Diplostreptokokken
finden. Im ganzen Epiduralraum des Lendenmarks finden sich zwischen Endost
und Dura mater in dem daselbst gelegenen lockeren Binde- und Fettgewebe
bis zentimeterdicke geronnene, braunrote, blutig-fibrinöse Infiltrationen und Auf-
lagerungen, welche sich auch auf die Nervenwurzeln und die durch die Zwischen-
wirbellöcher austretenden Nerven fortsetzen. Arachnoidea spinalis durch seröse
Infiltration gelatinös aufgequollen; Gefäße der Pia mater spinalis außer-
ordentlich stark gefüllt, erweitert, intensiv braunrot gefärbt; die feinsten Ka-
pillaren treten wie stark injiziert hervor; im Verlauf der Blutgefäße finden sich
feinste Blutextravasate. Die graue Substanz der Dorsal- und Ventralhörner ist
infolge zahlreicher kleinster Blutinfiltrationen und frischen Blutungen in eine
orangerötliche, erweichte, breiige Masse verwandelt, während die darum-
gelegene weiße Kückenmarkssubstanz fester ist (Meningitis spinalis fibrinosa
und hämorrhagica, rote Erweichung der grauen Bückenmarkssubstanz).
Der Streptococcus melanogenes wurde bakteriologisch wie folgt in den
einzelnen Organen spärlich bis maßig zahlreich nachgewiesen: im Abstriche
der Milz, der Leber, der Nieren, des Harns, des Femur, der Rückenmarkshäute
und auf der Darmschleimhaut. Die mit dem veränderten Organsaft infizierten
Versuchstiere sind an Streptokokkenseptikämie verendet. Aus letzteren wie aus
den kranken Pferdeorganen wurde der Streptococcus melanogenes rein gezüchtet.
XII. Auf dem hohen Schwarzwald erkrankte am 29. De-
zember 1906 eine acht Jahre alte Braunstute, schwerer Landschlag,
gut genährt, unter den Erscheinungen der schwarzen Harnwinde,
nachdem das Pferd drei Tage im Stall gestanden hatte, mit den
gleichen Futterrationen von Häcksel und Hafer wie früher gefuttert
worden war. An diesem Tage ging das Pferd bei kalter Witterung
vor dem Holzschlitten ohne jede Bewegungsstörung und wurde
1/2 Stunde vom Hofe des Besitzers entfernt in einen kalten Gast-
stall gestellt. Beim Verlassen desselben hat das Pferd zunächst in
der Nachhand einen schwankenden Gang gezeigt, auf dem Rück-
— 491 —
wege zum Hof stürzte das Pferd zusammen und konnte nur mit
Hilfe einer Schleife heimgebracht werden. Die Temperatur war
38,8° C, Puls 50, schwach, Futterauftiahme relativ gut, Konjunktiven
schmutzigrot, starker partieller Schweißausbruch. Die Defäkation
unterdrückt, das Rektum enthält feste Kotmassen, Harnblase stark
mit dunkel-schwarzrotem Harn gefüllt, welcher nur durch Druck vom
Rektum her schubweise entleert wird. Kruppenmuskulatur gespannt.
Sensibilität der Nachhand auf Nadelstiche deutlich, indem das Pferd da-
rauf um sich schlägt; Sensorium frei. Nach Verbringen in die Hänge-
gurte vermag das Pferd nur auf den Vorderfüßen zu stehen, die Hinter-
hand ist völlig gelähmt. Auf dem Boden liegend, richtet sich das
Pferd mit der Vorderhand zuweilen auf (hundesitzige Stellung). Am
zweiten Tage hellt sich der Harn kaffeebraun auf. Nach einer Krank-
heitsdauer von drei Wochen und nach vorübergehender Besserung
wurde der Patient wegen Aussichtslosigkeit auf Heilung getötet.
(Dieser Besitzer verlor in seinem Stalle von jeher seine Pferde
an schwarzer Harnwinde; ein Pferd erkrankte vor zwei Jahren an
Harnwinde, erholte sich wieder, behielt aber eine langandauernde
Schwäche in der Nachhand, sodaß es geschlachtet werden mußte.)
Pathologisch- anatomische Veränderungen :
Die Muskeln der Oberschenkel und Lende, insbesondere die Psoas -
muskeln und der Longissimus dorsi sind von weicher Konsistenz, von grau-
gelber bis grauroter Farbe, das inter- und intramuskuläre Bindegewebe stark
serös infiltriert und von zahlreichen kleineren und größeren Blutungen durch-
setzt. Der Longissimus dorsi im Zustande parenchymatöser Degeneration,
gleichzeitig aber infolge starker Hyperämie schwarzrot verfärbt.
Femur: Die umgebende Muskulatur stark parenchymatös degeneriert)
Periost blutig verfärbt. Spongiosa der oberen Epiphysen schwarzrot verfärbt,
Markräume durch hämorrhagisch-fibrinöse Infiltration verstrichen, Bälkchen und
Blättchen erweicht, mürbe, bequem schneidbar, an anderen Stellen enthält die
Spongiosa lakunenartige, linsengroße Hohlräume. Das gelbe Mark ist am vor-
deren und oberen Teil von einer gänseeigroßen, breiigweichen, hämorrhagisch-
fibrinösen, schwarzroten Infarzierung durchsetzt. Spongiosa der distalen Epi-
physe enthält zahlreiche linsengroße Hämorrhagien.
Milz: 63 cm lang, 22 cm breit, bl!Q cm dick, zeigt an der Oberfläche
beulenartige Vorsprünge. Farbe dunkelblaurot, Konsistenz ziemlich derb,
Ränder abgerundet, unter der Kapsel finden sich zahlreiche schwarzrote Hä-
morrhagien. Schnittfläche dunkelschwarzbraun, ziemlich fest; Trabekel und
Septen durch chronische Bindegewebswucherung mäßig verbreitert; Follikel
etwas vorspringend; Milzparenchym teilweise von schwarzroten Blutungen
durchsetzt. Milzlymphdrüsen durch serös-hämorrhagische Infiltration vergrößert
(chronischer Milztumor).
32*
— 492 —
Nieren: Durch Schwellung stark vergrößert, erweicht, blaurot verfärbt
Kapsel infolge seröser Infiltration und Blutungen leicht abziehbar; in der Nieren-
oberfläche zahlreiche schwarzrote bis blaurote Blutpunkte; Nierenschnittfläche
stark vorspringend, fettig glänzend; Rinden-, besonders aber Harkschicht
schwarzbraun, mit zahlreichen punkt- und strichfönnigen Blutextra vasaten,
Rindenzeichnung verwischt; im Nierenbecken blutig-schleimiger Harn, welcher
mäßig zahlreich Diplostreptokokken enthält In der Schleimhaut des Nieren-
beckens und Harnleiters finden sich zahlreiche Hämorrhagien.
Darm: Enthält mäßige Mengen flüssigen Futterbreies, Schleimhaut un-
verändert, die venösen Gefäße stark ramiform injiziert, enthalten in ihrem
Verlaufe kleinere und größere Petechien.
Die Rttckenmarkshäute mit Exsudat bedeckt, Gefäße der Pia mater
spinalis stark hyperämisch; die graue Substanz der Dorsal- und Ventralhörner
ist in eine breiig erweichte, rötliche Masse verwandelt, in deren Peripherie
kleinste Blutextravasate sind (rote Erweichung der grauen Rückenmarkssubstanz).
Der Streptococcus melanogenes wurde mäßig zahlreich in den Rucken -
markshäuten, im Rückenmark, in der Spongiosa der Wirbel, im roten und
gelben Knochenmark, in der Lenden- und Oberschenkelmuskulatur (an manchen
Stellen zahlreich), in den Nieren, im Harn, in der Milz und Darmschleimhaut
nachgewiesen. Geimpft wurden eine Maus mit Nieren- und Milzsubstanz, eine
Maus mit Rückenmark- und Wirbelspongiosa und eine Maus mit Harn,
die alle an Streptokokken septikämie verendet sind. Der Streptococcus me-
lanogenes wurde sowohl aus den erkrankten Pferdeorganen wie aus den
Impftieren rein gezüchtet.
Dieser Erkrankungsfall wurde von Seiten des behandelnden Tierärzte«
als schwarze Harnwinde diagnostiziert; die Sektionsveränderungen und die
bakteriologische Untersuchung haben aber bestimmt ergeben, daß dieses Pferd
an infektiöser Rückenmarksentzündung erkrankt und verendet ist.
XIII. In einer am Schwarzwald gelegenen Stadt erkrankte
einem Holzfuhrmann das eine zweier Pferde (sechs Jahre alter
Hengst) unter den Erscheinungen einer Nieren- und Herzkrankheit,
nachdem dasselbe zum schweren Zuge verwendet worden war; nach
mehrwöchiger Krankheitsdauer wurde das Pferd in der Nachhand
gelähmt, worauf es wegen Aussichtslosigkeit auf Heilung und wegen
beginnender allgemeiner Wassersucht geschlachtet wurde.
Sektionsveränderungen. Wäßrige Infiltration des subkutanen und inter-
muskulären Bindegewebes. Chronische Pen-, Epi- und Endokarditis mit Trübung
und Verdickung der serösen Häute und mit zahlreichen serös-salzigen und
hämorrhagischen Infiltrationen unter denselben. Beträchtliche Hypertrophie
des rechten Herzens, Verdünnung und Ektasie der linken Herzwand; Bikus-
pidalklappe leicht fibrös verdickt (chronische Peri- und Endokarditis).
Leichte Trübung und Verdickung der Lungenpleura, Lungenlymphdrüse
mäßig vergrößert (geringgradige chronische Pleuritis).
Leber: 80 cm breit, 50 cm hoch, 10 cm dick. Das Gewicht der Leber
beträgt 14,200 kg. Die Leber ist hart, muskatnußbraun, fleckweise gelblich-
— 493 —
grünlich gallig infiltriert; Schnittfläche vorspringend, die interstitiellen Binde-
gew ebszüge sind bis 1 cm dick, Zentralvenen stark gefüllt (hochgradige hyper-
trophische Leberzirrhose).
Milz: Im Zustande eines mittelhochgradigen chronischen Milztumors.
Lienaldrüsen hyperplastisch. Unter der Kapsel zahlreiche schwarzrote
Hämorrhagien.
Nieren: Durch chronische Nephritis erheblich vergrößert, hart, graugelb,
Kapsel nur mit Substanzverlusten abziehbar, Rinde vorspringend, graugelb,
Rindenzeichnung völlig verwischt, in der Rinde und Marksubstanz strich- und
fleckförmige Blutungen. Im Nierenbecken bis erbsengroße Blutextravasate
(chronische Nephritis).
Durch die mikroskopische Untersuchung wurden in Abstrichen der Nieren,
in den Nierenlymphdrüsen und im Harn, ferner in der Leber, in der Milz, unter
dem Endokard und Epikard Diplostreptokokken mäßig zahlreich nachgewiesen;
als Streptokokkus kam der Erreger nur einzeln vor, während die Diploform
häufig war. Zwei Mäuse wurden mit einer Emulsion von erkranktem Organ-
gewebe subkutan und intraperitoneal infiziert, sie verendeten nach zwei Tagen
an infektiöser Rückenmarksentzündung. In ihren Organen waren die Diplo-
streptokokken sehr zahlreich vorhanden.
Aus den Pferdeorganen und aus den Mäusen wurde Streptococcus
melanogenes rein gezüchtet Dies ist also ein Fall von chronischer infektiöser
Rückenmarksentzündung unter vorwiegender Miterkrankung des Herzens (Epi-
und Perikarditis), worauf sich allgemeine Wassersucht anschloß.
XIV. In einem Distrikt der Rheinebene kommt die schwarze
Harnwinde ziemlich oft vor, aber nicht mehr in dem Umfang wie
vor 15 — 20 Jahren, weil angeblich in prophylaktischer Hinsicht mehr
als früher geschieht. Die schwer erkrankten Pferde werden dann
oft, wenn noch tunlich, an Pferdemetzger verkauft. Am 13. Fe-
bruar d. J. wurde, an der Lastfuhre ziehend, ein zehn Jahre altes
belgisches Wallachpferd einer Brauereigesellschaft plötzlich von
typischer schwarzer Harnwinde befallen und lag ca. drei Stunden
auf der Straße, bis es in eine Stallung geschleift werden konnte;
tags darauf verendete das Pferd, dessen Kadaver rasch in Ver-
wesung überging.
Pathologisch-anatomische Veränderungen.
Milz: 60 cm lang, 28 cm breit, 4l/2 cm dick, dunkelbraunrot, schlaff,
weich, Ränder abgerundet. Über die Oberfläche springen beulenförmige, eß-
löffelgroße Stellen vor. Unter der Milzkapsel finden sich zahlreiche kleinste
Hämorrhagien und bohnengroße schwarzrote Petechien; Schnittfläche schwarz-
rot, vorspringend, Pulpa erweicht (akuter Milztumor).
Nieren: Erweicht, schlaff, in toto vergrößert, von dunkelbraunroter Farbe.
Durch die Nierenoberfläche sind zahlreiche punktförmige oder in Gruppen zu-
sammenliegende braunrote Hämorrhagien sichtbar; Nierenschnittfläche vor-
springend, erweicht, Rinde lehmgelb, Rindenzeichnung verwischt, in der Rinden-
— 494 —
und Markschicht finden sich in der Nähe der Blutgefäße kleinste Hämorrhagica
Nierenbeckenscbleimhaut entzündlich gerötet (akute parenchymatös- hämor-
rhagische Nephritis).
Darm: Infolge Stauungshyperämie sind die venösen Gefäße stark gefüllt.
In ihrem Verlaufe finden sich kleine Biutextravasate; Schleimhaut mit grau-
weißem, glasigem Schleim bedeckt.
Femur: Periost teils punkt- und fleckförmig gerötet, teils diffus dunkel-
braunrot, die Sägescbnittfläche der Spongiosa der proximalen Epiphyse ist
schwarzbraun, morsch, brüchig, saftreich, die Markzellen sind durch serös-hämor-
rhagische Infiltration verstrichen. Die distale Spongiosa, durch fleckige Hä-
morrhagien gerötet, besitzt aber normale knochenharte Konsistenz; das gelbe
Mark ist infolge ausgebreiteter hämorrhagischer Infarzierung fast ganz in eine
schwarzbraune blutig-breiige Flüssigkeit umgewandelt, welche beim Aufsagen
des Knochens teilweise ausfließt; an der Übergangsstelle des gelben in das
rote Mark finden sich in letzterem zahlreiche wickenkorn- bis erbsengroße La-
kunen, welche mit blutiger, getrübter Flüssigkeit erfüllt sind (hämorrhagische
Osteomyelitis mit Erweichung des gelben und roten Markes).
Die Muskeln der Lenden Wirbelsäule (Psoa8muskeln,Longissimus dorsi usw.)
sind teils von Blutungen durchsetzt, teils sind sie infolge hochgradiger paren-
chymatöser Degeneration grau bis graurot verfärbt. In Zupfpraparaten mit
2proz. Essigsäurezusatz sieht man in den noch erhaltenen Muskelfasern dio
Querstreifung auffallend deutlich. Es erscheinen die Bowmanschen Disks zu-
nächst in ihrem Gefüge gelockert und deutlicher sichtbar, darauf erfolgt der
Zerfall in der Faser erst stellenweise, um sich dann auf die ganze Länge und
Breite derselben auszudehnen, so daß die Muskelfaser anstatt die bekannte
Querstreifung lauter Zerfallstrümmer wie Körner und Schollen aufweist, an
andern Fasern erfolgt der Zerfall mehr in der Richtung der Längsstreifung;
in stark degenerierten Muskeln sind ganze Gesichtsfelder in diese körnig-
schollige Zerfallsmasse umgewandelt (hochgradige parenchymatöse Degeneration
der Skelettmuskulatur).
Wirbelsäule: Die Spongiosa der Wirbel ist erweicht, mürbe, schwarzbraun,
die Markzellen sind größtenteils verstrichen. Im lockeren Gewebe zwischen
Endost und Dura mater findet sich blutig-schmieriges Exsudat, in welchem
Diplostreptokokken nachgewiesen worden sind. Pia mater spinal is gerötet,
Gefäße stark injiziert, die Rückenmarkssubstanz ist rahmähnlich breiig erweicht,
von weißrötlicher bis gelber Färbung (geringgradige Myelitis und Meningitis
spinalis).
Durch die bakterioskopische Untersuchung sind in der Rückenmarkssubstanz
(spärlich), im Epiduralraum (mäßig zahlreich), im Abstrich von den Rücken-
markshäuten (spärlich), in der Muskulatur (spärlich), im gelben und roten
Knochenmark (spärlich), in der Milz, der Leber und den Nieren (mäßig zahl-
reich), im Harn und auf der Darmschleimhaut (ziemlich zahlreich), Diplo-
streptokokken nachgewiesen worden. Mit der erkrankten Organsubstanz (Rücken-
mark, Knochenmark, Milz, Nieren) wurde eine Reihe von Versuchstieren infiziert,
welche alle an Streptokokkenseptikämie nach ein bis zwei Tagen verendet sind;
sie zeigten Milztumor, Rötung des Periosts, des Femur, hämorrhagische Ent-
— 495 —
zündnng des Knochen- und Rückenmarks; in ihren Organen fanden sich die Diplo-
streptokokken mehr oder weniger zahlreich. Aus den Versuchstieren und aus
den kranken Pferdeorganen wurde der Streptococcus melanogenes rein gezüchtet
Dieser typische Fall von schwarzer Harnwinde wurde somit als infektöse
Rückenmarksentzündung erkannt.
Pathologische Anatomie der infektiösen Rückenmarksentzündung oder der
schwarzen Harnwinde.
Kadaver mehr oder weniger abgemagert, anämisch, zuweilen
durchgelegen, Totenstarre wenig ausgeprägt, Hinterleib leer, ein-
gefallen, Panniculus adiposus mehr oder weniger geschwunden. Die
Kadaver gehen rasch (Septikämie!) in Fäulnis über.
Das Blut ist schlecht geronnen, schwarzrot, von lackförmiger,
teerartiger Beschaffenheit. Nach der nur unvollkommenen Gerinnung
des Blutes scheidet sich ein rötlich bis schwarz gefärbtes, hämo-
globin- bzw. melaninhaltiges Serum ab; Hutyra und Marek1) fanden
den Hämoglobingehalt des Blutes eher etwas herabgesetzt (am
Fleischlschen Apparat unter 70°, gegenüber dem normalen von
70—80°). Nach Siedamgrotzky und Hofmeister (1. c.) ist das
Blut reich an Harnstoff und Extraktivstoffen, welche zum Teil
Umsatzprodukte der umfangreichen Stoffmetamorphose vorstellen;
nach den hämometrischen Untersuchungen Schindelkas2) ist der
Hämoglobingehalt solchen Blutes viel größer als bei gesunden
Pferden, da zu der gewöhnlichen Hämoglobinmenge des Blutes bei
schwarzer Harnwinde noch der infolge des umfangreichen Muskel-
Zerfalls frei werdende, mit dem Hämoglobin identische Muskel-
farbstoff hinzukommt. Durch die mikroskopische Untersuchung
findet man im Blute und in den Blutextravasaten oft große Mengen
von Hämatoidinkristallen. Diese scheinbaren Widersprüche im Vor-
kommen des Hämoglobingehaltes werden mit den Blutverände-
rungen, mit der Auflösung der Erythrozyten, mit der Umsetzung
des Hämoglobins in Melanin (Melaninämie) durch den Erreger, so-
wie mit der erfolgten Ablagerung der zersetzten Blutbestandteile
in den Körperorganen (Milz, Lymphdrüsen, Nieren, Knochenmark)
bzw. mit der erfolgten Ausscheidung im Harn zusammenhängen.
Bei diesen Vorgängen vermindert sich die Anzahl der roten Blut-
1) Hutyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie 1905.
2) Schindelka, Österreichische Vierteljahrsschrift 1888.
— 496 —
zellen ganz beträchtlich; Hutyra und Marek (1. c.) stellten eine
Verminderung der roten Blutkörperchen von 7 500000—8 000000
auf 7 200000— 6 450000 fest. Schon aus diesen Gründen erscheint
bei dieser Krankheit der Aderlaß kontraindiziert!
In der Bauchhöhle sind ein bis mehrere Liter gelblich-rötlich
getrübte Flüssigkeit angesammelt. Peritoneum mehr oder weniger
getrübt, Parietal- und Viszeralblatt können von zahlreichen Hä-
morrhagien durchsetzt sein; stellenweise findet sich Fibrinauf-
lagerung. Das Exsudat enthält zahlreiche Eiterkörperchen und
Diplostreptokokken (serös-hämorrhagische bis fibrinös-eitrige Pe-
ritonitis).
Magendarm kollabiert, enthält wenig Inhalt; Schleimhaut des
Darmkanals zeigt fleckige Rötungen; im Verlaufe der Darmgefaße
finden sich zahlreiche größere und kleinere Blutextravasate, welche
bei der Betrachtung des gegen das durchfallende Licht gehaltenen
Darmstückes deutlich wahrnehmbar sind; im Dickdarm finden sich
zuweilen sulzige Schwellungen. Gekrösdrüsen, oft auch die Lenden-
und Darmbeindrüsen markig geschwollen, entzündlich gerötet, um
das Mehrfache vergrößert, serös-hämorrhagisch infiltriert.
Leber durch Schwellung stark vergrößert, hyperämisch; unter
der Glissonschen Kapsel finden sich oft zahlreiche größere und
kleinere Blutextravasate; Leber erweicht, brüchig, Schnittfläche
von dunkelbraunroter bis grauroter Farbe, fettig glänzend, getrübt,
Läppchenzeichnung verwischt; Schleimhaut der größeren und
kleineren Gallengänge oft mit zahlreichen Hämorrhagien; Portal-
drüsen geschwollen und entzündlich gerötet (parenchymatöse De-
generation bis parenchymatöse Hepatitis).
Nieren sind in leichten Krankheitsfallen und bei subakutem
sowie chronischem Verlauf weniger stark verändert; bei perakutem
und akutem Verlauf der Krankheit entsteht regelmäßig eine akute
hämorrhagisch-parenchymatöse Nephritis mit starker Schwellung und
hochgradiger Erweichung der Nieren; infolge dieser breiformigen
Beschaffenheit können die Nieren nur schwer exenteriert werden:
dieselben sind infolge hochgradiger entzündlicher Schwellung oft
bis auf die Hälfte vergrößert, die Fettkapsel mehr oder weniger
geschwunden, Capsula fibrosa bei akuter Nephritis infolge seröser
Infiltration unter dieselbe meist leicht, bei chronischer Nephritis
aber nur mit Substanzverlusten abziehbar; die Nierenkapsel selbst
dunkelbläulich verfärbt, Gefäße stark injiziert, Nierenoberflache
— 497 —
dnnkelbraunrot mit einem Stich ins Bläuliche; durch die Nieren-
oberfläche sind zahlreiche stecknadelkopfgroße Hämorrhagien und
bis talergroße diffuse Rötungen sichtbar; Schnittfläche stark vor-
springend, fettig- glänzend, sehr blut- und saftreich; Rinde ver-
breitert, Rindenzeichnung verwischt, getrübt, Rinde graurot und
ebenso wie die dunkelblaurote Markschicht von zahlreichen feinsten,
oft staubförmigen Blutpunkten, Blutfleckchen und strichförmigen
Blutextravasaten durchsetzt; Konsistenz festweich bis breiig. Harn-
kanälchen, Nierenbecken und Harnleiter sind zumeist mit zahl-
reichen punkt- und fleckförmigen Blutextravasaten besetzt und mit
dickschleimigem bis blutigem Harn erfüllt, welcher mehr oder
weniger zahlreich Diplostreptokokken enthält. Liegen die halbierten
Nieren einige Zeit an der Luft, so hellen sie sich (ähnlich wie
Milzbrandblut) infolge Absorbierung von Sauerstoff ziegelrot auf.
Nierenlymphdrüsen durch Schwellung und serös-hämorrhagische In-
filtration stark entzündet, welschnußgroß und fleckig braunrot.
Bei der histologischen und bakteriologisch -mikroskopischen
Untersuchung von Nierenschnitten fallen zunächst die zahlreichen
ausgebreiteten Blutextravasate und die stark injizierten Gefäße
sowohl im intertubulären Gewebe wie in den Glomeruli auf; es
sind nämlich netzförmige und lakunäre fleckige Blutungen überaus
zahlreich. Überall zwischen den roten Blutkörperchen sind mehr
oder weniger zahlreich Diplostreptokokken nachweisbar. Die toxi-
schen von denselben abgesonderten Stoffwechselprodukte, welche
im Blute kursieren und in den Nieren zur Ausscheidung gelangen
bzw. daselbst erzeugt werden, schädigen zunächst die Blutgefäß-
wände in den Nieren wie im übrigen Körper und bewirken auch
Zerstörung, Zerfall und Auflösung der roten Blutkörperchen, so
daß auf der Höhe der Krankheit eine ausgebreitete Blutdyskrasie
(Hämatolysis) mit Austritt von Blutbestandteilen in das Nieren-
gewebe zustande kommt, wobei sich gleichzeitig die Diplostrepto-
kokken rasch und zahlreich vermehren können. Sind auf diese
Weise die vasa afferentia in den Nieren verstopft, so können sie
bersten, worauf Blutungen und Blutharnen oder Hämoglobinurie in Er-
scheinung treten. Die zur Ausscheidung kommenden, für die Nieren
schädlichen Stoffwechselprodukte der Streptokokken alterieren dann
weiterhin die Nierenepithelien, so daß Nekrose, Degeneration, Zer-
fall und Abschuppung derselben, sowie Ansammlung von körnigem
Exsudat und Blut, körnigem Blutfarbstoff, wie Verstopfung der
— 498 —
Harnkanälchen mit Zylindern folgen, welche an Nierenschnitten
sehr zahlreich als walzen- oder schlauchartige Ausgüsse in den
Tubuli recti und contorti, verschieden lang und dick, veranschau-
licht werden können.
Nach Ponfick stellt sich infolge der Blutauflösung das Aus-
scheiden des Hämoglobins durch die Nieren erst ein, wenn die
Menge des im Blute frei zirkulierenden Hämoglobins llG0 der Ge-
samtsumme des Körperhämoglobins übersteigt, woraus leicht erhellt,
warum in besonders leichteren Fällen die Melaninurie fehlt. Infolge
der Hämoglobinurie bilden sich dann auch Hämoglobininfarkte in
den Nieren. In den von der Kapsel zurückgedrängten Glomeruli
finden sich häufig halbmondförmig gestaltete oder über den ganzen
Glomerulus ausgebreitete Blut- und Fibringerinnsel. An anderen
Stellen ist die Bowmansche Kapsel durch eingestreute Rundzellen
und Fibroblasten mehr oder weniger verdickt, die Glomeruli selbst
zurückgezogen, von Fibroblasten und von beginnenden fibrillären
Bindegewebsstreifen durchzogen. Außer den zahlreichen Blutungen
im intertubulären Gewebe, welche dicht verstreutes, körniges Blut-
pigment enthalten, sind an anderen Stellen Infiltrationen von Leuko-
zyten, namentlich aber Neubildungen von Fibroblasten im erheblich
verbreiterten ' interstitiellen Gewebe sichtbar, wodurch die derbere
Konsistenz bei chronischen Fällen zustande kommt (akute, subakute
bis chronische hämorrhagisch-parenchymatöse Nephritis).
Die Nebennieren sind durch starke Hyperämie und durch
serös-hämorrhagische Infiltrationen erheblich vergrößert; ihre Rinden-
schicht enthält viele Blutpunkte.
Die Harnblase enthält meist l\2 bis 1 Liter eines dicklichen,
schleimigen, getrübten, oft blutig verfärbten, bis dunkelbierbraunen
oder schokoladefarbigen Harnes; die Blasenschleimhaut von Hä-
morrhagien durchsetzt.
Im Urin sind mikroskopisch Harnkristalle in größerer Menge,
rote und weiße Blutkörperchen, Nierenrindenepithelien, Pflaster-
epithelien aus dem Nierenbecken und der Harnblase, Epithelzylinder,
granulierte Zylinder, Blutkörperchenzylinder und Hämoglobinzylinder
infolge parenchymatös-hämorrhagischer und desquamativer Nephritis
nachweisbar. Durch die bakterioskopische Untersuchung sind die
Diplostreptokokken in größerer oder geringerer Anzahl festzustellen.
Das Vorhandensein von gelöstem Hämoglobin im Harn, der
Nachweis der Hämoglobinurie, wird spektralanalytisch mit Hilfe
— 499 —
des Spektroskops festgestellt. Der Farbstoff der roten Blutkörperchen
und der Muskeln, das Hämoglobin, tritt in drei Arten auf: Im sauer-
stoffhaltigen Blute ist das an die roten Blutkörperchen gebundene
Oxyhämoglobin enthalten, welches sich im Harn nur bei gleichzeitig
vorhandenem frischen Blute befindet, wenn also Hämaturie besteht;
diese kann bei Streptokokkenseptikämie in geringerem oder stärkerem
Grade neben Hämoglobinurie vorhanden sein. Das Methämoglobin
ist bei der Hämoglobinurie vorwiegend im Harn enthalten und
unterscheidet sich von Oxyhämoglobin dadurch, daß der Sauerstoff
infolge fester Bindung nicht mehr abgegeben werden kann; das
Methämoglobin bildet sich nach Einwirkung von Infektionsstoffen
und deren Toxinen oder von Giften. Oxyhämoglobin ohne Sauer-
stoff ist reduziertes Hämoglobin und kommt im Harn nur selten
vor. Das Vorhandensein von Hämoglobin ohne Spektralanalyse
kann praktisch mit einiger Sicherheit dann nachgewiesen werden,
wenn im Harn keine roten Blutkörperchen, dabei aber doch eine
blutrote Verfärbung und viel Eiweiß enthalten sind; auch die
Hellersche Probe (Kochen mit Kalilauge, bei Vorhandensein von
Blutfarbstoff scheidet sich rötliches, bei durchfallendem Licht grün-
liches Sediment aus) ist zum Nachweis des Blutfarbstoffes für die
Zwecke der Praxis am meisten geeignet. Das Hämoglobin kann
sowohl aus der quergestreiften Muskulatur, dem Muskelfarbstoff,
wie auch aus den roten Blutkörperchen entstammen, und je nach
der Ausscheidung des einen oder anderen Farbstoffes entsteht
Hämoglobinämie und Hämoglobinurie, so daß eine myogene oder
hämatogene Hämoglobinämie und Hämoglobinurie vorhanden sein
können, welche bei dieser Krankheit stets durch infektiösen Einfluß in-
folge der Einwirkung der Streptokokkentoxine bedingt werden,
nicht aber infolge Erkältung der äußeren Decke, wie früher an-
genommen wurde.
Durch die chemische Untersuchung sind im Harn der an
Streptokokkenseptikämie erkrankten Pferde Gallenfarbstoffe und viel
Eiweiß nachzuweisen.
An der Milz findet sich oftmals keine Schwellung; in anderen
Fällen ist dieselbe ganz erheblich in toto vergrößert, sowohl bei
akuten und chronischen Fällen kann sie um das Drei- bis Vierfache,
wie ich wiederholt festzustellen Gelegenheit hatte, vergrößert sein.
So war die Milz in einem chronisch verlaufenen Falle von Strepto-
kokkenseptikämie 76 cm lang, 22 cm breit, 51/., cm dick und 8*/2 Pfund
— 500 —
schwer. Oft besitzt die Milz an der Oberfläche beulenartige Vor-
spränge; die Ränder sind abgerundet, anter der Kapsel sind oft
zahlreiche punkt- und fleckförmige, schwarzrote Blutungen, während
die Milz selbst dunkelblau gefärbt ist; die Schnittfläche ist dunkel-
braunrot bis schwarzrot, die Pulpa erweicht und herdweise oder im
ganzen mit schwarzenBlutungen durchsetzt, in welchen oftHämatoidin-
kristalle zahlreich vorhanden sind. Bei subakutem und chronischem
Verlauf sieht man die Trabekel und Septen durch Wucherung
verbreitert, die Follikel hyperplastisch, vorspringend, die Farbe der
Schnittfläche dunkelbraunrot, die Konsistenz mehr oder weniger
derb. Die lienalen Lymphdrüsen durch Schwellung und Hämorrhagien
vergrößert und braunrot gefleckt. In den Blutungen der Milz und
der Milzlymphdrüsen finden sich zahlreiche Diplostreptokokken
(akuter bis chronischer Milztumor).
Brusthöhle: Serosa derselben enthält Hämorrhagien, welche oft
zahlreich im Verlauf der Blutgefäße, in der Kranzfurche und in
den Längenfurchen angetroffen werden. In einem Falle war die
Pleura pulmonalis infolge geringgradiger chronischer Pleuritis ver-
dickt und getrübt; im gleichen Falle war der Herzbeutel durch
serös-blutige Flüssigkeit mehr oder weniger gefüllt; ferner bestand
chronische Peri-, Epi- und Endokarditis mit Trübung und Verdickung
der serösen Häute und mit zahlreichen serös-sulzigen und hämorrha-
gischen Infiltrationen unter denselben; auch war beträchtliche Hyper-
trophie des rechten Herzens, Verdünnung und Ektasie der linken
Herz wand vorhanden; die Bikuspidalklappe war fibrös verdickt
(chronische Peri- und Endokarditis).
Das Myokard ist graurot, mürbe, wie gekocht aussehend (hoch-
gradige parenchymatöse Degeneration des Herzmuskels).
Die Lungen finden sich zumeist im Zustande eines hoch-
gradigen agonalen Ödems und weisen, wie die venösen Gefäße des
Darmes, die Veränderungen einer beträchtlichen Stauungshyperämie
auf. Wenn die Pferde während der Krankheit längere Zeit auf einer
Seite lagen, so zeigt die unten befindliche Lunge stark ausgeprägte
Hypostase, zufolge deren es nicht selten zu Blutaustritten kommt, in
welchen Hämatoidinkristalle angehäuft sein können. DieLungenlymph-
drüsen sind zufolge markiger Schwellung mehr oder weniger ver-
größert. Die Schleimhaut der Trachea ist, wie die übrigen Körper-
schleimhäute und wie auch die serösen Auskleidungen, oft von zahl-
reichen linsen- bis erbsen- bis bohnengroßen Hämorrhagien durchsetzt.
— 501 —
Veränderungen im Skelett sind bei schwarzer Harnwinde
zuerst Zucker1) in Württemberg aufgefallen. Bei einem schwer-
kranken, mit starker Hämatolysis behafteten Pferde, dessen Organe
hämorrhagisch durchtränkt waren, sah die Marksubstanz der durch-
brochenen Rippen und der Rückenwirbel schwarzbraun aus; doch
zog dieser Autor aus diesem Befände keine weiteren Schlüsse.
Dieckerhoff2) gebührt das Verdienst, die Veränderungen des
Knochenmarks bei schwarzer Harnwinde zuerst als einen wesent-
lichen Bestandteil des Sektionsbefundes dieser Krankheit hervor-
gehoben zu haben, wodurch auch die Zugehörigkeit der schwarzen
Harnwinde zur infektiösen Rückenmarksentzündung evident erscheint.
Im Skelett können fast alle Knochen geringere oder stärkere
Veränderungen aufweisen. Charakteristisch und vorwiegend aber
sind die Röhrenknochen, und zwar die beiden Oberschenkelknochen,
die Armbeine, die Beckenknochen, die Lenden- und Rückenwirbel,
die Rippen u. s. f. verändert. Das Periost ist stark gerötet, stellen-
weise verdickt, die Gef&ße desselben sind stark injiziert; in und
unter dem Periost finden sich zahlreiche kleinste punkt- und fleck-
förmige bis diffuse Blutungen (Periostitis haemorrhagica).
Die durch sagittale Sägeschnitte halbierten Oberschenkel-
knochen und Oberarmbeine zeigen die für diese Krankheit typischen
Veränderungen (vgl. die Abbildung auf Tafel VIT): die Substantia
corticaJis weist strich- und punktförmige Blutungen kleinster Art
auf. Die Spongiosa enthält erbsen- bis hühnereigroße oder difluse
hämorrhagisch-fibrinöse, zirkumskripte Infiltrationen und ist tief
braunrot bis dunkelschwarzrot verfärbt. Die Markräume des Fach-
werks der Knochenbälkchen und Knochenblättchen sind durch tief-
schwarzrote blutige und entzündliche schwarzrote Infiltrationen er-
füllt und deshalb verstrichen oder über die Oberfläche vorspringend.
Die veränderte Spongiosa ist stark erweicht, mürbe, morsch, das
Fachwerk leicht drückbar und schneidbar. Die so veränderte
Spongiosa erstreckt sich auch in die Markhöhle, entlang der Ober-
fläche der Medulla ossium flava weiter in die Tiefe als normal. —
Die gelbe Marksubstanz ist weiter in der Tiefe (Mitte) von erbsen-
bis hühnereigroßen, dunkelbraunroten bis tuschschwarzen, blutigen
bis fibrinösen Infiltrationen durchsetzt; diese Herde sehen auf der
Schnittfläche teils himbeergeleeähnlich, teils homogen, glatt, glänzend,
0 Hering, Repertorium Bd. 38, 1877.
*) Dieckerhoff, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
— 502 —
fast durchscheinend aus und sind vom umgebenden gesunden Mark
sequesterähnlich demarkiert. Diese tiefschwarzroten Entzündungs-
herde hellen sich nach einiger Zeit bei Luftzutritt wieder auf. An
anderen Stellen ist der gelbe Markzylinder an der Oberfläche
dunkelbraunrot gefleckt, seine Gefäße sind stark injiziert, wieder
andere Stellen des gelben Markes und auch des angrenzenden roten
Markes sind durch serös-schleimige Degeneration lakunär in linsen-
bis bohnengroßen Höhlungen erweicht, verflüssigt, getrübt und röt-
lich verfärbt; aus solchen im gelben oder roten Mark befindlichen
zystoiden kleineren und größeren, oft bindegewebig ausgekleideten
Hohlräumen fließt beim Aufsägen der Knochen blutig seröse bis
schleimige Flüssigkeit aus. Am in- und extensivsten sind die Ver-
änderungen im gelben Markzylinder des Femur, welcher an der
vorderen und oberen Fläche im Anschluß und Verlauf an die aus
der Spongiosa austretenden Ernährungsgefäße regelmäßig eine
charakteristische, blutig-fibrinöse, scharf abgegrenzte Infarzierung
von schwarzroter Farbe und bis zu Gänseeigröße aufweist. Von
diesem hämorrhagischen Infiltrationsherd ist oft nahezu der ganze
Markzylinder durchsetzt, so daß nur an der unteren und hinteren
Fläche desselben auf der Schnittfläche noch ein schmaler, V2 bis 1 cm
breiter weißgelber Streifen unverändert bleibt; in anderen Fällen
ist der gelbe Markzylinder in der gesamten Markhöhle wie ver-
schwunden und in eine serös-blutige,, fast tintenschwarze Flüssig-
keit umgewandelt, durch welche von der Spongiosa her noch die
Knochenspangen mit Bindegewebe hinwegziehen, so daß der größere
Teil beim Aufsägen abfließt. Die Veränderungen der Spongiosa
in der oberen Epiphyse sind konstant vorhanden und dem Grade
nach viel stärker ausgeprägt als in der fast normalen distalen
Epiphyse. Dieser für infektiöse Rückenmarksentzündung oder
schwarze Harnwinde konstante Befund verdankt seine Entstehung
dem Verlauf der von oben- und vornher durch die Corticalis in
die Spongiosa und von hier in den gelben Markzylinder eintretenden
Ernährungsgefaße, welche zufolge der Veränderungen per diapedesin
oder per rhexin Blut entleeren und ihren Gefößbezirk, wie be-
schrieben, in eine hämorrhagisch-fibrinöse Infarzierung versetzen.
Später kann das Blutserum mehr oder weniger resorbiert werden.
und die fibrinöse Infiltration wandelt sich nach und nach in Binde-
gewebe um. Die Veränderungen in anderen Röhrenknochen der
Hinter- und Vordergliedmaßen fand ich nur stellenweise und in
— 503 —
geringem Grade; namentlich ist die Oberfläche des Markzylinders
der Tibia und des Radius, sowie der Metakarpal- und Metatarsal-
knochen von zahlreichen dunkelbraunroten fleckigen, hanfkorn- bis
erbsengroßen Blutungen bedeckt, so daß derselbe manchmal wie
braunrot getigert aussieht, aber auch erbsen- bis bohnen- bis hasel-
nußgroße blutige Herde können sich im gelben und roten Mark des
Humerus und der übrigen genannten Röhrenknochen befinden.
Wirbelsäule: Die Wirbel sind, von außen betrachtet, tief-
schwarzblau. Die Spaltflächen der Lenden- und Rückenwirbel
erscheinen überdies blutreich, tiefschwarzrot bis sepiafarben. Die
Markräume der Spongiosa sind durch blutige und entzündliche
Infiltrate erfüDt und die Knochenbälkchen und Knochenblättchen
erweicht, morsch, so daß das sonst harte knöcherne Fachwerk leicht
drückbar und schneidbar ist. Wenn der Abdecker das Kadaver
abspaltet, so gleitet das Beil wider sein Erwarten oft auf einen
Hieb durch ein bis zwei Wirbel hindurch, so mürbe und nachgiebig
ist die Knochensubstanz geworden. Die Spaltflächen der Wirbel
sehen frisch häufig pechschwarz aus, können sich aber an der Luft
infolge erneuter Oxydation (ähnlich wie eine Milzbrandmilz oder
Milzbrandblut) in kurzer Zeit ziegelrot aufhellen.
Aber auch die platten Knochen, namentlich die Darmbein-
schaufeln und die Rippen, zeichnen sich durch ähnliche wie an den
Wirbeln beschriebene Veränderungen aus; schon durch die äußeren
Knochentafeln scheint die tiefschwarzblaue Verfärbung durch, und
die Diploe dieser Knochen ist ebenso wie die Spongiosa der Röhren-
knochen verändert. Bei diesen Knochenveränderungen ist am
auffälligsten die unglaublich schwarze Verfärbung, welche teils auf
die Hämatolysis und die Entzündungsvorgänge in den Knochen
selbst, teils auf die Ablagerung von zertrümmerten Erythrozyten
und von Hämoglobin sowie von Hämatoidinkristallen zurückzu-
führen ist.
Die histologisch -bakteriologische Untersuchung zahlreicher,
nach verschiedenen Färbemethoden dargestellter Schnitte des ver-
änderten Knochenmarkes hat gelehrt, daß das mit Diplostrepto-
kokken infizierte Knochenmark zunächst entzündliche Zustände
hämorrhagischen Charakters aufweist, hochgradige Hyperämie und
zahlreiche Blutextravasate im Verlauf der Gefäße und größere
lakunäre Blutungen, ferner herrschen diffuse blutige Infiltrationen
in das Zwischengewebe vor. In vielen Fällen finden sich im
— 504 —
bindegewebigen Retikulum außer reichlichen Hämorrhagien nach
der Weigert sehen Färbung leicht darstellbare ausgebreitete Fibrin-
netze und Fibrinzüge; auch tritt amorphes, kömiges und scholliges
Blutpigment von gelber bis dunkelbrauner Farbe, entstanden durch
Zerfall von zahlreichen Blutkörperchen, auf. Zwischen den Blut-
körperchen und am Rande der Hämorrhagien finden sich mehr oder
weniger zahlreiche Diplostreptokokken, deren Stoffwechselprodukte
giftig und entzündungserregend auf die blutbildenden Organe ein-
wirken, das Blut auflösen und den Blutfarbstoff umsetzen (Schwarz-
färbung zufolge Umwandlung des Hämoglobins in Melanin). Des
weiteren stellt sich eiue starke Vermehrung der farblosen und der
gefärbten Zellen des Knochenmarkes ein und führt zu produktiven
fibroplastischen Wucherungen der Knochenmarkzellen; ferner Infil-
tration von zahlreichen Fibroplasien, durch welche das retikuläre
Bindegewebe erheblich verbreitert wird, und weiterhin dringt der
Wucherungsprozeß in die Hohlräume der zur Resorption gelangten
Fettzellen vor. Ferner stellen sich Neubildungen zahlreicher Gefäße
und Einsprossung zarter fibrillärer Bindegewebszüge ein (hämorrha-
gisch-fibrinöse bis fibroplastische Osteomyelitis).
Eitrige Einschmelzungen in der durch diese Streptokokken
infizierten Medulla ossium rubra oder flava konnte ich in den unter-
suchten Fällen niemals nachweisen.
Zur makroskopischen Besichtigung wurden die Rückenmarks-
häute und das Rückenmark bei den sezierten, an Streptokokken-
septikämie oder an schwarzer Harnwinde verendeten Pferden durch
Eröffnung des Wirbelkanals freigelegt; für die pathologisch-histo-
logische und bakteriologische Untersuchung sind eine Serie von
Rückenmarksschnitten nach den entsprechenden Färbemethoden be-
handelt worden. Die krankhaften Veränderungen des Rückenmarks
und seiner Häute sind konstant, können aber verschiedengradig auf-
treten und schwanken von einer entzündlichen Hyperämie bis zur
hochgradigsten hämorrhagischen Meningitis und Myelitis spinalis
oder bis zur totalen Erweichung der Rückenmarkssubstanz; sie
spielen sich vorwiegend in der Pia mater spinalis und in der
grauen Substanz des Rückenmarks ab. Im Cavum epidurale zwi-
schen dem Endost der Wirbel und der Dura mater spinalis findet
sich wäßrig blutiges, getrübtes Exsudat oder es sind beträchtliche,
1 /2 bis 1 cm dicke blutig-fibrinöse Einlagerungen in das daselbst be-
findliche lockere Binde- und Fettgewebe vorhanden, welche Diplo-
— 505 —
Streptokokken enthalten. Diese krankhaften Veränderungen setzen
sich in gleichem Grade auf die vom Rückenmark aus durch die
Zwischenwirbellöcher in den Körper abgehenden Nervenstränge fort.
Sowohl in dem im Epiduralraum gelegenen Binde- und Fettgewebe,
als auch in der Umgebung der zur Seite des Ligam. longitudinale
dorsale verlaufenden Wirbelblutleiter finden sich stärkere Blut-
austritte.
Die Arachnoidea spinalis erscheint durch serös-gallertige In-
filtration stark aufgequollen, und in den subduralen und subarachnoi-
dealen Räumen findet sich serös-blutiges getrübtes Exsudat, in
welchem die Diplostreptokokken enthalten sind. Die an der Ober-
fläche getrübte Pia mater spinalis fallt zunächst durch ihre hoch-
geröteten, teils feinste Kapillarnetze bildenden, teils stark ektasierten
Blutgefäße auf, in deren Verlauf massenhafte kleinste staub- bis
punkt- und fleckförmige Blutextravasate hervortreten, in welchen
Diplostreptokokken nachweisbar sind; solche Blutungen finden sich
auch an den Gefäßen in der Fissura mediana ventralis. Außer
diesen Hämorrhagien erweist sich die Pia mater spinalis durch
serös-ödematöse Infiltration verbreitert.
Der Rückenmarksstrang kann bei infektiöser Rückenmarks-
entzündung oder schwarzer Harnwinde, soweit es sich um das
Lendenmark und die cauda equina handelt, außerordentlich stark ver-
ändert sein. Zunächst ist das Lendenmark stark erweicht, wie
weicher Käse oder Rahm zerfließend, sowie die Pia mater eröffnet
wurde; wiewohl diese Erweichung mit dem Grade der Fäulnis rezi-
prok fortschreitet, ist doch die Rückenmarkserweichung bei dieser
Krankheit keineswegs die Folge von Fäulnis, sondern ein Ausfluß
der massenhaften apoplektischen Blutextravasate und der gleich-
zeitigen entzündlichen Infiltration im Lendenmark. Der Beweis
hierfür läßt sich leicht dadurch erbringen, daß man das hochgradig
erweichte Lendenmark eines an Streptokokkenseptikämie verendeten
Pferdes mit der Konsistenz des Brust- und Halsmarkes und des
Gehirnes vergleicht, welche die normale feste Konsistenz aufweisen,
währenddem das Lendenmark zu einem gelbrötlichen Brei erweicht
erscheint.
Die Rückenmarksquerschnitte zeigen nämlich um den Zentral-
kanal in der grauen Substanz und von hier nach der Rückenmarks-
oberfläche ausstrahlend massenhafte gelbrote oder schwarzrote punkt-,
flecken- und strichförmige, feinste nicht abwischbare Blutaustritte;
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 6. 33
— 506 —
die Blutgefäße sind erweitert, stark injiziert und von extravasierten
Erythrozyten umgeben; auch rötliche unverwischbare Fleckchen,
welche teils durch Diapedese, teils per rhexin ausgetretenen, oft
fein verteilten Erythrozyten entsprechen, finden sich auf den Quer-
schnitten, woselbst zugleich die graue Rückenmarkssubstanz be-
sonders der Dorsal- und Ventralhörner infolge entzündlicher Exsu-
dation erweicht erscheint (Myelomalacia rubra, rote Erweichung).
Diese Erweichung findet sich strangförmig um den Canalis centralis
herum und mehr oder weniger auf die graue Substanz beschränkt»
während die umliegende weiße Rückenmarkssubstanz noch normale
feste Konsistenz und weiße Farbe zeigt; bei vorgeschrittenerem
Krankheitsgrade breitet sich die Entzündung und Erweichung auch
auf die weiße Substanz aus. Späterhin können sich bei eventueller
Rekonvaleszenz an diesen Stellen Wucherungen des Gliagewebes
und gegebenenfalls atrophische Zustände einstellen. Auch die Blut-
extravasate in der Rückenmarkssubstanz beherbergen die Diplo-
streptokokken. Dieselben können auf hämatogenem Wege zunächst
den Blutgefäßen der Rückenmarkshäute und des Rückenmarks zu-
geführt werden, deren Wände durch die toxisch wirkenden Stoff-
wechselprodukte des Infektionsträgers entzündlich verändert bzw.
zur Berstung gebracht werden, woraus die vom Rückenmark aus-
gehenden beschriebenen schweren Funktionsstörungen resultieren
(infektiöse hämorrhagische Meningomyelitis spinalis bzw. Myeloma-
lacia rubra).
Die krankhaften Veränderungen der quergestreiften Skelett-
muskeln sind nicht so konstant wie die beschriebenen Verände-
rungen des Rückenmarks, Knochenmarks und der Nieren, und können
der Art und dem Grade nach sehr wechselnd sein; die Muskeln
werden in eine eigenartige parenchymatöse Degeneration versetzt,
welche in besonders hohem Grade an den Lenden- und Darmbein-
muskeln, wie in den Psoasmuskeln, im Longissimus dorsi, ferner
im Quadriceps femoris, an den Ober- und Unterschenkelmuskeln,
den Gesäßmuskeln, an den Schulter- und Armbeinmuskeln, in den
großen und breiten Brustmuskeln angetroffen wird. In erster Linie
aber sind es immer die Muskeln der Nachhand, also der Lenden,
des Beckens, der Kruppe, des Ober- und Unterschenkels, abhängend
von dem Grade der Lendenmarksentzündung, und erst bei auf-
steigender Erkrankung des Brustmarkes erkranken auch die An-
konäen stärker. Die entzündliche Trübung des Fleisches steigert
— 507 —
sich mit zunehmender Krankheit; das Muskelfleisch erblaßt und
erlangt eine eigentümliche dunkelmattbraune Verfärbung, oder das
Aussehen des Fleisches macht einer hellgelblichen, getrübten, fisch-
fleischähnlichen Färbung Platz. Die Konsistenz des Fleisches ist
weich, mürbe, brüchig, wie gekocht, so daß dasselbe mit den
Fingern und Händen, an welchen häufig die zerrissenen Muskel-
fasern hängen bleiben, unschwer durchbohrt werden kann. Das
kranke Fleisch ist auf dem Durchschnitt entweder trüb und trocken
oder infolge serös-hämorrhagischer Infiltration mehr oder weniger
stark serös durchfeuchtet und ödematös geschwollen.
Die entzündlichen Zustände der Muskulatur laufen vorwegs
im inter- und intramuskulären Bindegewebe, in dem Perimysium
und den Faszien ab, während die Muskelfasern selbst dadurch Er-
nährungsstörungen erleiden, zufolge deren die Myodegeneration zu-
stande kommt. In der Hauptsache sind es Veränderungen in der
Querstreiftmg, welche zerfällt und körnigen oder scholligen Ab-
lagerungen, sowie der Einlagerung hyaliner Substanzen Platz macht;
dieselben erfüllen an Stelle der zerfallenen Quer- und Längsstreifung
den Sarkolemmaschlauch und entstanden dadurch, daß die Saft-
strömung und Nahrungszufuhr mehr oder weniger, und zwar durch
örtliche und allgemeine Veränderungen des Blutes, unterbrochen
wurden. Diese degenerativ-entzündlichen Vorgänge in der Muskulatur
werden bei der infektiösen Rückenmarksentzündung oder bei der
schwarzen Harnwinde durch den Streptococcus melanogenes bzw.
dessen toxisch wirkende Stoffwechselprodukte und Mukoproteine
bedingt.
Diese Muskelveränderungen sind also hämatogenen Ursprungs;
keinesfaUs aber ist diese Muskelentzündung die Folge der Ein-
wirkung von Erkältungen und des supponierten Freiwerdens des
Hämoglobins im Körper, wie bisher angenommen worden ist; viel-
mehr sind es die schädigenden biologisch-toxischen Einflüsse der
Diplostreptokokken, welche, wie in den übrigen Organen, zunächst
die Wände der größeren und kleinsten Muskelgefäße alterieren, zu
zahlreichen Gefäßzerreißungen und Blutextravasaten fähren. Aus
diesem Grunde sieht die Muskulatur auch zuerst dunkelmattbraun
bis schwärzlich aus (besonders der Longissimus dorsi), da zu dieser
Zeit die Muskulatur hyperämisch und das Blut schwarzrot und
lackfarben ist. In weiter vorgeschrittenen Muskelveränderungen,
nach erfolgtem Zerfall des kontraktilen Inhalts, wird die Färbung
33*
— 508 —
hellgelblich, wachsartig, da in dieser Zeit zufolge der Streptokokken-
toxinwirkung das Blut aufgelöst, das Hämoglobin in Melanin um-
gewandelt wird und darauf letzteres zur Resorption gelangt. Den-
selben Veränderungen kann der -MuskelfarbstolF unterliegen. Aus
diesen Gründen erklärt es sich auch, daß die so veränderte Mus-
kulatur bei infektiöser Rückenmarksentzündung ebenso wie die
Nieren und das Knochenmark sich beim Liegen an der freien Luft
in kurzer Zeit oxydieren und ziegelrot aufhellen.
Einen Haupteinfluß bei der Entstehung der hochgradigen
Muskelveränderungen bringt ferner der Ausfall der physiologischen
Funktionen des Lenden- bzw. Brustmarkes zuwege, indem die
physiologische Wirkung der trophischen Nerven, der sensiblen und
motorischen Nerven, die Einflüsse der Vasokonstriktoren und der
vasodilatatorischen Nerven zufolge der totalen Lähmung und Er-
weichung des Marks je nach dem Grade der Rückenmarksveränderung
ausfallen, so daß auch dieserhalb neben anderen krankhaften Prozessen
die Nahrungszufulir in den Muskeln abgeschnitten wird.
Offenbar gehen denn auch diese entzündlichen Prozesse von
dem inter- und intramuskulären Bindegewebe aus, welches in den
größeren Muskellagen nebst den Faszien entweder entzündlich
gerötet oder stark serös-ödematös bis hämorrhagisch infiltriert ist.
oder es finden sich im Muskelbindegewebe, namentlich in den unter
der Lendenwirbelsäule gelegenen Psoasmuskeln, in den Kruppen-
muskeln und in den um den Oberschenkel herum gelegenen Muskeln u. s. f.
handteller- bis handflächengroße, tintenschwarze Blutlachen, oder
aber es sind im intramuskulären Gewebe kleinere Petechien und
sepiafarbene Hämorrhagien.
Die mikroskopischen Veränderungen der Muskeln1) sind bei
infektiöser Rückenmarksentzündung oder bei schwarzer Harnwinde
ebenso verschiedengradig wie die makroskopischen; die Muskelfasern
sind durch serös-ödematische oder hämorrhagische Infiltrate aus-
einander gedrängt, die im inter- und intramuskulären Bindegewebe
verlaufenden Blutgefäße sind infolge Hyperämie außerordentlich
stark injiziert und erweitert; überall sind im Zwischengewebe größere
und kleinere, oft netzartig oder lakunär angeordnete Blutextra-
vasate, in welchen sich die Diplostreptokokken oft haufenweise,
oder nur spärlich vorfinden; kraft ihres hämolytischen Vermögens
!) Vgl. auch Zschokke, Über Degenerationsformen der Stammes-
mußkulatur. Schweizer Archiv 1898, Bd. 40, 8. 97.
— 509 —
lösen sie die roten Blutkörperchen auf und setzen das Hämoglobin
in schwarzen Farbstoff um; da und dort findet man im intermuskulären
Bindegewebe entzündliche, zellige Infiltrationen wie beispielsweise
von Leukozyten. Die Muskelfasern sind stellenweise oder ganz mit
feinen, staubartigen Körnchen oder mit größeren Zerfallschollen
durchsetzt und grauschwarz, getrübt; lösen sich nach Essigsäure*
zusatz die Körnchen auf, so sind es Eiweißpräzipitate, also albu-
minöse Trübungen, oder aber die stark lichtbrechenden, gröberen
Granula verschwinden nach Essigsäurezusatz nicht und färben sich
bei Einwirkung von Osmium dunkler bis braun, so daß es sich um
Fettkörnchen, um fettige Degeneration handelt. Das makroskopische
Aussehen der Muskulatur verändert sich bei geringradigerDegeneration
kaum, welche aber mikroskopisch unschwer feststellbar ist. Die
kontraktile Substanz kann aber auch hyalin oder wachsartig degeneriert
sein; der kontraktile Inhalt ist dann in homogene, glasig glänzende,
quadratische oder rundliche Schollen umgesetzt. In Rekonvaleszenz-
fällen treten Regenerationsprozesse auf, die veränderten Muskelfasern
werden mehr oder weniger durch Wucherung der Muskelkerne ersetzt.
Bei hochgradiger parenchymatöser Myositis ist die morsche Muskulatur
gelbrötlich, das Muskelbindegewebe serös, sulzig oder hämorrhagisch
infiltriert (Polymyositis parenchymatosa s. hämorrhagica).
Alle Körperlymphdrüsen, namentlich aber die der Nieren, der
Leber, der Milz, des Gekröses sind durch serös-hämorrhagische In-
filtrationen vergrößert, fleckig braunrot, die perifollikulären Lymph-
räume mit Zellen ausgefüllt (serös-hämorrhagische Lymphadenitis).
Auf allen serösen Häuten und Schleimhäuten des Körpers
finden sich, da es sich um Septikämie handelt, mehr oder weniger
zahlreiche, kleinere und größere Petechien, auf deren Vorhanden-
sein schon Dieckerhoff1) hinwies, doch führte er ihre Entstehung
unrichtigerweise auf den Todesakt zurück.
Die Kadaver der an infektiöser Rückenmarksentzündung oder
schwarzer Harnwinde gefallenen Pferde zeigen allgemeine Neigung
zu blutigen Diffusionen.
Symptomatologie.
Wie schon aus dem wechselnden Verlauf der Krankheit
ersichtlich, sind auch die Erscheinungen bei den einzelnen Pferden
!) Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
— 510 —
recht verschieden. Im allgemeinen kann man nach meinen Er-
fahrungen zweckmäßig (besonders beim subakuten und chronischen
Verlauf) ein okkultes, gewöhnlich längeres Krankheitsstadium und
ein apertes, zumeist kürzeres Stadium der Krankheit unterscheiden.
Die Erscheinungen des okkulten Stadiums bekommt der Tier-
arzt zwar meist nicht zu Gesicht, sie sind aber für denselben hin-
sichtlich der Erhebung des Vorberichtes und für die Feststellung
der Krankheit und Unterscheidung derselben von den zu verwech-
selnden anderen Krankheiten außerordentlich wichtig. Das erste,
was man von der Krankheit bei subakutem und chronischem Ver-
lauf gemeinhin beobachtet, ist die Abmagerung. Bei derselben
Fütterung, Pflege und Arbeit magert das betroffene Pferd in un-
erklärlicher Weise ab und wird allmählich blutarm. Ein solches
Pferd wird bei der Arbeit leichter matt als das Paßpferd, dauert
im Zuge, namentlich bergauf und an schweren Lasten, nicht mehr
so aus wie das Paßpferd, muß zur Arbeit mehr angetrieben werden,
bleibt leichter stehen und arbeitet beschwerlicher. Die Freßlust
vermindert sich nur wenig, die Körpertemperatur ist normal. Dann
beobachtet man bei den betroffenen Pferden Schwäche in der
Nachhand, der Gang wird im Hinterteil schwach, unsicher und
schwankend; oft wird die Lahmheit irrtümlich auf Verrenkung
zurückgeführt. Die Pferde fuhren die Hinterfüße, ähnlich wie bei
Hüftlahmheit, im Bogen und langsam nach vorn, können die Glied-
maßen (namentlich beim Übergang in das aperte Stadium) nicht hin-
reichend heben, so daß sie die Zehe oft über den Boden schleifen;
der eine oder andere Hinterfuß wird nachgeschleppt; die Gelenk-
winkel bleiben mehr geöflhet, wodurch die Gliedmaßen zu lang zu
werden scheinen. Die Pferde überknicken im Fessel, sie stolpern
leicht, sie zittern und geraten zuerst in leichteres Schwitzen und
späterhin in stärkeren Schweißausbruch, je nach der Arbeit und
dem Krankheitsgrade. Im Stalle zeigen die Pferde oft Trippeln
mit den Hinterfüßen, Zusammenstellen der Hinterfüße, Vorsetzen
der Hinterfüße unter den Bauch; ferner beobachtet man zumeist
krampfartige Kontraktionen an den Lenden-, Kruppen- und Bauch-
muskeln, welche sich in Härte und Steifigkeit der Nachhand kund-
geben.
Hengste können zum Decken nicht mehr verwendet werden,
da sie nicht mehr springen können; sie sind so matt und ab-
geschlagen, daß sie von den Stuten herunterfallen. Namentlich ist
— 511 —
das Decken infolge der großen Schwäche in der Nachhand und in
der Lendenpartie unmöglich.
Je nach dem Verlaufe der Krankheit dauert dieses okkulte
Stadium nur bis zu wenigen Tagen oder Stunden (akute oder per-
akute Form), öder einige Wochen (subakute Form), oder einige
Monate (chronische Form).
Das aperte Stadium der Krankheit, mit dem die akuten
Fälle ohne Vorboten zu beginnen pflegen, tritt meist mit dem Zu-
sammenbrechen der Pferde in Erscheinung, welches das Haupt-
kriterium für die klinische Feststellung der infektiösen Rücken-
marksentzündung oder der schwarzen Harnwinde ist. Während die
Pferde am leeren Wagen gehen oder vor Lastwagen schwer ziehen
oder im Stalle in der Ruhe sich befinden, brechen dieselben in der
Hinterhand zusammen und sind unvermögend, sich zu erheben, oder
können nur unter Nachhilfe oder bei heftigem Antreiben wieder
aufstehen. Nicht selten stürzen die Tiere in ganz apoplektischer
Weise zu Boden. Sodann fuhren sie, am Boden liegend, vergebliche
Anstrengungen aus, wieder aufzustehen, bei großer Unruhe arbeiten
sie mit den Füßen (Marschierbewegungen), indem sie zufolge der
heftigsten Schmerzempfindungen mit den hinteren und vorderen
Gliedmaßen schlenkernde, schlagende und schwimmende Bewegungen
ausführen, so daß sie oft mit den Hufen den Boden aufwühlen.
Manche Patienten heben oft den Kopf empor und schlagen ihn
wieder mit Heftigkeit gegen den Boden oder nach rückwärts. Die
überaus starken Schmerzen infolge der intensiven Rückenmarks- und
Knochenmarksentzündung veranlassen oft die am Boden liegenden
Pferde zu lautem, brummendem Stöhnen.
Die Patienten geraten infolge Atembeschwerden und Angst
oft in starken Schweißausbruch, sie sind zuweilen ganz in Schweiß
gebadet. Wenn die Tiere im Freien stürzen, so können sie oft-
mals nur mit Hilfe einer Schleife oder eines Wagens in den Stall
zurückgebracht werden. Diese Vorgänge können sich unabhängig
von einem ein- oder mehrtägigen Ruhestadium und unabhängig von
der Fütterung im Stalle und ebenso unabhängig von abnormaler
Stallwärme oder schlechter Ventilation des Stalles abwickeln,
welchen höchstens die Rolle von okkasionellen oder prädisponieren-
den Momenten eingeräumt werden kann; für einen Teil der Er-
krankungsfalle mag das Auftreten der Krankheit im Anschluß au
solche Zufälle und nach dem Herausnehmen der Pferde in die
— 512 —
Kälte zutreffen, und hat man bisher in einseitiger Weise gerade
diese Erkrankungen als typische schwarze Harnwinde gedeutet und
irrtümlicherweise andere Fälle der schwarzen Harnwinde oder in-
fektiösen Rückenmarksentzündung, bei welchen diese Zufälle eben
fehlen, ausgeschlossen.
Die Pferde zeigen dann Gelbfärbung und schmutzige Be-
schaffenheit der Konjunktiven (hämatogener Ikterus infolge der
Blutdissolution) und sind namentlich bei der chronischen Form zu-
weilen bis zum Gerippe abgemagert, so daß sie gegenüber ihrem
früheren, vollen Ernährungszustände stark entstellt sind.
Eine Steigerung der Innentemperatur fehlt oftmals, und zwar
nicht selten bei recht schweren Krankheitsfällen. Manche Pferde
zeigen beim akuten, subakuten oder chronischen Verlauf hoch-
gradiges Fieber, welches besonders im Verlauf der schweren Fälle
bedeutenden graduellen Schwankungen unterliegt; es können Tempe-
raturen von 39 — 40 — 41, ja sogar bis 42° erhoben werden. Die
Pulsfrequenz ist dagegen gewöhnlich gesteigert und beträgt 60 bis
80 bis 100 Schläge und darüber in der Minute. Der Arterienpuls
ist anfänglich noch kräftig, später schwach, weich bis unfuhlbar.
Der Herzschlag ist pochend, zuweilen arhythmisch. Die Atmung ist
erschwert, beschleunigt und dyspnoisch. Die Körpertemperatur ist
ungleichmäßig verteilt; die Kruppe und Hinterfüße sind kühl.
Die stehenden Pferde zeigen steife Haltung des Hinterteiles
und der Bauchmuskeln, Trippeln mit den Hinterfußen, ungleich-
mäßiges Belasten der Füße, Unruhe, öfteres Niederlegen und
Stöhnen, sowie beim Gehen Lahmheit oder gespannten Gang,
Schwitzen. Die Erschwerung bzw. das Unvermögen zum Stehen
und zum Gehen können teils durch die Lähmung des Bückenmarks,
teils durch die heftigen Schmerzempfindungen in den Knochen und
den Muskeln bedingt werden.
Der Appetit ist häufig ganz normal, das Durstgfcfühl oft ge-
steigert, während sich in anderen Fällen die Futteraufhahme ver-
mindert; dagegen ist weder das Kauen noch das Schlucken, wie
ausdrücklich hervorgehoben werden soll, erschwert. Oft fallt die
Verminderung oder Unterdrückung der Peristaltik auf; der Kot-
absatz ist zuweilen mehr oder weniger verzögert, der Kot klein-
geballt und trocken.
Ein auffallendes Symptom ist besonders in den schwereren
Graden der Erkrankung die Hämoglobinurie, welche ich richtiger
— 513 —
„Melaninurie" benenne. Früher hielt man dieselbe für die Krank-
heit pathognostisch und nie fehlend ; sehr oft aber fehlt das Hämo-
globin im Harn ganz, namentlich in den leichteren und chronisch
verlaufenden Fällen, wie schon aus der Ätiologie und Pathogenese her-
vorgeht. Vielfach aber enthält der Harn Hämoglobin oder Methämo-
globin und deren Umsetzungsprodukte (Melanin) und sieht dann
burgunderrot, schmutzig-bierbraun, grauschwarz bis tintenschwarz
aus, da der Strept. melanogenes kraft seines hämolytischen Ver-
mögens die Blutkörperchen auflöst und das freigewordene Hämo-
globin in Melanin umsetzt, ein Vorgang, welcher in überzeugender
uud klassischer Weise auf Blutnährböden (Blutbouillon, Blutagar),
welche mit dem Str. melanogenes geimpft wurden, künstlich im
Experiment erzeugt werden kann (cf. Biologie des Erregers). Ferner
enthält der Harn, namentlich bei ausgebreiteter hämorrhagischer
Nephritis, Blut, viel Eiweiß und Gallenfarbstoffe, weiterhin Exsudat-
zylinder, weiße und rote Blutkörperchen, desquamierte Nieren-
rindenepithelien und Pflasterepithelien; ferner ist der Harn oft
reich an Harnstoff und Extraktivstoffen. Die Reaktion des Harns
ist gewöhnlich alkalisch. Das spezifische Gewicht ist gemeinhin
normal.
Die Veränderungen des Harns der an Streptokokkenseptikämie
oder schwarzer Harnwinde erkrankten Pferde besitzen daher keine
konstante diagnostische Bedeutung, da besonders in leichteren und
chronisch verlaufenden Fällen der Harn mehr oder weniger unver-
ändert sein kann. Bei leichter Erkrankung und Genesung inner-
halb eines Tages bleibt manchmal der Harn frei von Hämoglobin,
Melanin und Eiweiß. Im ausgeprägten Krankheitsstadium stellen
sich die Pferde häufig zum Harnabsatz an; sie stellen sich lange
beim Harnabsatz hin und drängen auf den Harn, während derselbe
zuweilen nur tropfenweise abgesetzt wird, so daß die Erscheinungen
einer vorhandenen Nierenentzündung zu registrieren sind. Der
Harnzwang kann teils bei der Arbeit, teils auch im Stall beobachtet
werden, und der Harndrang besteht gewöhnlich bis zum Eintritt
des Todes. Gleichzeitig mit dem Harndrang schachten die männ-
lichen Pferde öfter aus.
Durch die Palpation der gelähmten Hinterhand lassen sich an
den erkrankten Muskeln der Lenden, der Kruppe, des Ober- und
Unterschenkels oft heftige Schmerzen auslösen. Die Muskulatur
kann derb, gespannt und höher temperiert sein; oft findet man die
— 514 —
Muskulatur infolge der serös-ödematösen oder hämorrhagischen Infil-
tration der Snbkntis, des inter- nnd intramuskulären Bindegewebes
geschwollen; noch stehende Pferde beugen sich unter der Palpation
wie bei Nierenentzündungen ein; häufig aber können diese Ver-
änderungen an der Muskulatur fehlen, welche dann, je nach dem
Verlauf und Grad der Krankheit, ganz unverändert erscheinen kann.
Die Empfindung ist in der Nachhand auf Berührungen und Nadel-
stiche hin häufig noch erhalten, in starken Krankheitsgraden da-
gegen ist die Empfindlichkeit herabgemindert oder ganz aufgehoben,
so daß die Pferde ohne jede Reaktion tiefe Nadelstiche bis in die
Unterhaut ertragen. Die Gefühllosigkeit kann sich weiterhin auch
auf die übrigen Körperpartien, auf die Mittelhand und auch auf
die Vorderhand ausbreiten, während ich am Hals und am Kopf der
Pferde das Gefühl stets erhalten fand.
Späterhin können sich die Pferde nicht mehr erheben; sie
bleiben ganz liegen und bekommen fast konstant, falls sie nicht
vorher verenden oder länger als zwei Tage am Boden liegen,
Dekubitus. Vorwegs tritt derselbe bei der chronischen Form, aber
auch bei der akuten in die Erscheinung an den Hüftknochen, an den
Rippen, an den Schultern und am Kopfe. Oft können sich die
Pferde nach Art der hundesitzigen Stellung mit der Vorderhand
noch aufrichten, fallen aber wieder hin, bis auch die Vorderfuße
gelähmt sind; auch der Kopf kann zuweilen nicht mehr getragen
werden, worauf dann an den Augenbogen faustdicke Schwellungen
entstehen. Wenn die Pferde bei reichlicher Streu von Zeit zu Zeit
auf die andere Seite gelegt werden, oder wenn sie in die Hänge-
gurte hochgenommen werden können, so wird dadurch dem Dekubitus
vorgebeugt, mit der Zeit aber tritt derselbe bei der Hilflosigkeit
der Tiere auf beiden Seiten ausgebreitet auf und trägt zu baldigem
Todeseintritt wesentlich bei; jedoch gehen die Pferde keinesfalls
ausschließlich an Dekubitus ein, da über die Hälfte der erkrankten
und verendeten Pferde keinen namhaften Dekubitus hatte.
Das Sensorium ist im allgemeinen vollkommen frei, nur beim
Vorhandensein von mittelhochgradigem und hochgradigem Fieber
stellen sich Störungen in der Psyche ein. Bei beiderseitiger hoch-
gradiger Nephritis mit langsamem Verlauf können auch urämische
Erscheinungen auftreten, wobei Benommenheit der Psyche und
urämische Krämpfe und auch bisweilen kollerartige Gehirnstörungen
vorkommen. Zuweilen tritt bei teilweisem oder ganzem Abfall der
— 515 —
Temperatur scheinbar Besserung ein, worauf das Leiden wieder
um so stürmischer einsetzt. Nach hochgradiger Abmagerung und
Erschöpfung tritt der Tod der Tiere oft ohne auffälligen Todes-
kampf ein. In anderen Fällen, bei welchen die Lähmung weniger
ausgeprägt ist, verenden die Pferde unter großer Unruhe, starken
Schmerzen und heftigem Todeskampf.
Verlauf und Ausgang.
Die Krankheit endet meist innerhalb einiger Tage letal; doch
ist der Verlauf bei den einzelnen Pferden außerordentlich variierend,
so daß genauere Angaben hierüber schwierig sind. Der Krank-
heitsverlauf richtet sich hauptsächlich nach dem Grade und der
Mannigfaltigkeit der Lokalprozesse. Die graduellen Verschieden-
heiten der Symptome sind von der Menge und der Virulenz des
sich im Körper vermehrenden Streptococcus melanogenes abhängig.
Bei geringgradiger Erkrankung zeigen die Pferde nur eine Steif-
heit, eine krampfhafte Kontraktion (Hoffmann) in den Muskeln
der Nachhand an einer oder beiden Seiten mit leichter Hämo-
globinurie, welche nicht selten ganz tibersehen wird; die Patienten
erhalten sich mit Mühe im Stehen, und nach wenigen Stunden endet
die Krankheit schon mit Genesung (abortiver Verlauf), oder bei
manchen Pferden dauern die starke Muskelspannung und die
Störungen im Gang, wie Einknicken mit den Fesseln und völliges
Überköten, einen bis drei Tage lang, worauf völlige Genesung er-
folgt; doch ist zu beachten, daß im Krankheitsverlauf Exazerbationen
vorkommen, indem manche akute oder subakute Fälle in einen ganz
leichten, chronischen Zustand übergehen, bei welchem sich periodi-
sche Exazerbationen nach unzweckmäßiger Haltung oder infolge
Überanstrengungen einstellen. Rezidive scheinen sich bei dieser
Seuche in Wirklichkeit nicht einzustellen, manche Pferde aber er-
kranken bei Reinfektionen wieder aufs neue; so wurde beobachtet,
daß Pferde binnen eines Jahres zweimal affiziert worden sind.
Der Verlauf in einem größeren Pferdebestande kann ebenso
wechselnd auftreten, indem bald ein bis mehrere Pferde, bald
alle Pferde fallen. Gewöhnlich beobachtete ich, daß von vier
Pferden eines und von sieben bis neun Pferden zwei bis drei Pferde
von der Seuche verschont blieben; in anderen Fällen fiel von einem
großen Pferdebestande zuerst ein Pferd und nach mehreren Wochen
— 516 —
ein zweites an der subakuten Krankheitsform. Die Seuche kann
also, wie im epidemiologischen Teil näher ausgeführt ist, bald
sporadisch (wie miasmatische Krankheiten), bald enzootisch (wie
eine Stall- oder Ortsseuche) in Erscheinung treten. Gerade dieses
endemische Auftreten mußte schon früher bei der schwarzen Harn-
winde auf das Wesen einer Infektionskrankheit hinweisen. Das
einmalige Überstehen der Krankheit scheint nicht konstant natürlich
erworbene Immunität zu hinterlassen.
Im allgemeinen kann der Verlauf: 1. akut (inklusive des per-
akuten Verlaufes), 2. subakut, 3. chronisch sein.
Die meisten erkrankten Pferde verenden rasch, wie nach einem
bis mehreren (drei bis fünf) Tagen (akuter bzw. perakuter Verlauf),
oftmals sind die Patienten bei der perakuten Form schon in kürzester
Zeit im Rückenmark total gelähmt und gehen nach sechs bis zwölf
Stunden zugrunde. Auf den Krankheitsverlauf üben die Haltung
und Verpflegung bei manchen Patienten großen Einfluß aus; kleine,
ungenügend ventilierte Stallungen fuhren zur baldigen Dyspnoe und
zu umfangreichem Dekubitus.
Tatsächlich haben auch Schmidt1) im Großherzogtum Baden,
Mayer2) und Schust2) in Württemberg und auch norddeutsche
Tierärzte die schwarze Harnwinde als Ortsseuche beobachtet.
Bei zahlreichen Pferden verläuft die Krankheit subakut und
dauert eine bis drei Wochen. Auf den subakuten Verlauf der
schwarzen Harnwinde, wobei sich die Patienten drei bis fünf Tage
stehend erhalten, hat zuerst Utz3) hingewiesen; es finden sich
dann starke Spannung in den Lenden- und Kruppenmuskeln, in
den Ankonäen und Kaumuskeln. Das Stehen und Gehen verursacht
den Pferden erhebliche Beschwerden; doch vermögen sie vom
Liegen mit Unterstützung noch aufzustehen; auch die Bauch-
muskulatur wird dann stark kontrahiert, aufgezogen, und die Tiere
zeigen Zittern und Schwitzen; gleichzeitig kann Melaninurie be-
stehen. Die Pferde können nach einigen Tagen zusammenstürzen,
ohne wieder aufzukommen, so daß dann diese Form in akuten
Verlauf mit letalem Ausgang übergeht.
Die chronische Form der infektiösen Rückenmarksentzündung
oder der schwarzen Harnwinde kommt viel öfter vor, als allgemein
*) Schmidt, Badische tierärztliche Mitteilungen 1887.
2) Hering, Repertorium 1875 und 1877.
3) Utz, Badische tierärztliche Mitteilungen 1871.
— 517 —
angenommen wird, und die chronisch verlaufende Krankheit wird
sehr oft mit anderen Krankheiten (namentlich mit perniziöser
Anämie) verwechselt. Solche Pferde können bis zu ^4 Jahr krank
sein, wenn sie nicht schon vorher wegen Aussichtslosigkeit getötet
werden. Die ck erhoff1) hat zuerst auf die Wichtigkeit hingewiesen,
daß es Kreuzrhehe mit chronischem Verlauf gibt. Bei der chronisch
verlaufenden Form dieser Seuche und wenn schwerere Fälle in
Genesung übergehen, bleiben häufig Lähmungen in der Nachhand
zurück.
Es kann eine ein- oder beiderseitige Parese der Nachhand
infolge partieller Kückenmarkslähmung bei chronischer Meningo-
myelitis spinalis wochen- und monatelang bestehen bleiben; dabei
kann sich in bestimmten Muskelgruppen starke Muskelatrophie, so
an den Kniescheibenstreckern, an Kruppen- und Grätenmuskeln u. s. f.,
ausbilden, so daß die Pferde wegen dauernder Untauglichkeit oft
doch noch getötet werden müssen.
Endet die Krankheit letal, so geht die Parese der Nachhand
nach und nach in vollständige Paralyse des Rückenmarks über.
Die große Unruhe der Patienten vermehrt sich, die Atmung wird
infolge Lungenhypostase, Lungenödem oder infolge der Herz-
schwäche dyspnoisch, und es tritt allgemeiner Dekubitus ein; es
trübt sich dann auch das Bewußtsein, und unter dem Bilde der
allgemeinen Streptokokkenseptikämie, der Herzlähmung (schwere
Degeneration des Herzmuskels) oder der Urämie stellt sich der
letale Ausgang ein.
In schweren Krankheitsfällen kommt die Genesung nicht oft
zustande und fast immer nur dann, wenn die Patienten mit Unter-
stützung zum Stehen gebracht oder in den Hängegurt emporgehoben
werden; es läßt sich leicht erkennen, daß anhaltendes Stehen der
kranken Pferde die Zirkulation und Atmung erheblich unterstützt,
für eine gleichmäßigere Blutverteilung sorgt und die Respiration
erleichtert; dadurch kann der Patient Zeit gewinnen, die Infektion
leichter zu überstehen.
Ungünstig pflegen auch alle jene Fälle der Streptokokken-
septikämie zu verlaufen, bei welchen es zur Ausbildung einer
beiderseitigen parenchymatösen Nephritis gekommen ist. Der akute
Krankheitsprozeß der Nieren geht in chronische Nierenveränderungen
*) Dieckerhoff, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
— 518 —
über, wodurch zumeist irreparable Zustände mit ihren Folgen re-
sultieren, und ungünstig sind auch alle Krankheitsfälle der Strepto-
kokkenseptikämie zu beurteilen, welche infolge der akuten Rücken-
marksapoplexie bzw. der hämorrhagischen Rückenmarkserweichung-
zu vollkommener Paralyse der Nachhand geführt haben.
Dagegen können auch die schwereren Veränderungen des
roten und gelben Knochenmarks relativ leichter zur restitutio ad
integrum gelangen. Die graduellen Veränderungen im Rückenmark,
Knochenmark und in den Nieren können in den einzelnen Erkrankungs-
fällen außerordentlich schwanken. Bald sind vorwiegend das Rücken-
mark und seine Häute, bald vornehmlich die Röhrenknochen, bald
vorherrschend die Nieren erkrankt, während in anderen Fällen
wieder mehr die Hämatolysis infolge der allgemeinen Septikämie
besonders in den perakut verlaufenden Fällen prädominiert. Die
hämorrhagische Meningomyelitis spinalis, die Osteomyelitis haemor-
rhagica sowie die Nephritis parenchymatosa s. haemorrhagica sind
aber stets konstante und charakteristische Veränderungen der in-
fektiösen Rückenmarksentzündung oder der schwarzen Harnwinde.
Die hämorrhagische bzw. parenchymatöse Polymyositis hängt in
gradueller Hinsicht vorwegs von dem Krankheitsgrade der Rücken-
marks- und Rückenmarkshautentzündung ab; die Muskulatur kann
aber auch bis zu einem gewissen Grade selbständig erkranken,
indem auf hämatogenem Wege die Diplostreptokokken sich in den
feinsten Blutgefäßen der Muskulatur niederlassen und von da aus
ihr Zerstörungswerk beginnen.
Auch Perikarditis und Endokarditis mit konsekutiven wasser-
süchtigen Erscheinungen, wie serös-sulzige Infiltration des Unter-
hautzellgewebes an der Ünterbrust und am Unterbauch, serös-hämor-
rhagische Infiltrate im intermuskulären Bindegewebe, Ansammlung
von seröser Flüssigkeit in der Bauch-, Brust- und Herzbeutelhöhle
habe ich bei der chronischen Form der Streptokokkenseptikämie
bei gleichzeitiger beiderseitiger chronischer Nephritis und mit un-
günstigem Ausgang beobachtet.
Differentialdiagnose.
Die vorwürfige Krankheit kann in mehrfacher Hinsicht ver-
wechselt wrerden und ist, wie die Geschichte der infektiösen Rücken-
marksentzündung oder der schwarzen Harnwinde lehrt, tatsächlich
auch sehr häufig verwechselt worden. Vollständig ausgebildete
— 519 —
Krankheitsfälle sind relativ leicht zu diagnostizieren, namentlich
dann, wenn der Tierarzt über ihre Entwicklung die Anamnese in
wünschenswerter Weise ermitteln kann. Die leichteren Fälle und
die chronisch verlaufenden Erkrankungen mit wenig scharf aus-
geprägten Symptomen dagegen sind leichter zu verwechseln, so daß
deren Diagnostizierung viel Umsicht erfordert und die genaue
Kenntnis einer Reihe von Krankheiten voraussetzt, welche bei den
Pferden ähnliche Krankheitszustände hervorrufen. Immerhin ist
durch die ätiologischen und pathogenetischen Erforschungen das
Bild der infektiösen Rückenmarksentzündung oder der schwarzen
Harnwinde und seine Entstehung derart aufgeklärt, daß nunmehr
die Diagnose bei sorgfältiger Untersuchung gesichert werden kann.
Die Feststellung der Krankheit gründet sich auf die anam-
nestischen Erhebungen, auf die Erscheinungen des okkulten Stadiums
(Abmagerung, Blutarmut, Schlaffwerden, Lähmungszustände der
Hintergliedmaßen, Schwitzen usw.), auf die Erscheinungen des
aperten Stadiums, wie Parese oder Paralyse der Hinterhand (Haupt-
symptom), große Unruhe, universeller Schweißausbruch, Gelbfärbung
der Konjunktiven (Blutdissolution), mittelhochgradiges Fieber, erhöhte
Pulsfrequenz und Atemnot mit Stöhnen infolge heftiger Schmerzen,
Hämoglobinurie und Melaninurie, Albuminurie, Diplostreptokokken im
Harn, Exsudatzylinder, weiße und rote Blutkörperchen infolge
Nephritis, unterdrückte Peristaltik, Harndrang und Harnzwang, Über-
empfindlichkeit, Gefühllosigkeit oder ödematöse Schwellung der Nach-
hand, ausgebreiteter Dekubitus, freies Sensorium; ferner anatomisch
in erster Linie auf die charakteristische hämorrhagische Meningo-
myelitis spinalis, eventuell auf die hämorrhagisch-parenchymatöse
Myositis, auf die hämorrhagische Osteomyelitis mit Schwarzfarbung
des Knochenmarks, die parenchymatös-hämorrhagische Nephritis, den
akuten oder chronischen Milztumor und auf die allgemeinen Ver-
änderungen der Septikämie (Lymphdrüsenentzündungen, Petechien
der Serösen und Schleimhäute, Hämatolysis, sowie endlich auf das
seuchenhafte Auftreten.
Von den mit der infektiösen Rückenmarksentzündung
zu verwechselnden Krankheiten sind nachstehende be-
merkenswert:
]. Die einfache Myelitis und Meningitis sind in ihrem
Vorkommen beim Pferde noch recht wenig bekannt, entstehen nach
traumatischen Einwirkungen (Stößen, Schlägen, Erschütterungen,
— 520 —
Wirbelbrüchen, schwerem Ziehen, rheumatischen Schädigungen usw.)
und sind durch Lähmung der Nachhand, durch erhöhte oder auf-
gehobene Sensibilität der Hautnerven, durch Lähmung der Harn-
blase und des Mastdarms und den fast ausschließlich chronischen
Verlauf ausgezeichnet. Bei der infektiösen Rückenmarksentzündung
ist die Empfindung der Haut fast konstant vermindert oder aul-
gehoben, der Kotabsatz ist nicht wesentlich gestört, während der
Harn meistens zurückgehalten wird; der Verlauf kann akut, subakut
oder chronisch sein; die infektiöse Rückenmarksentzündung kann
sich seuchenhaft auf mehrere Pferde ausbreiten.
2. Die Bornasche Pferdekrankheit ist eine miasmatische
Infektionskrankheit, entsteht nach Aufnahme infizierten Wassers
oder Futters und äußert sich durch fibrilläre Muskelzuckungen an
Kopf, Hals und Schultern, durch Schreckhaftigkeit, Vorwärtsdrängen,
Manegebewegungen, Lähmungen, hochgradige psychische Depression.
Schlafsucht, Kaubeschwerden und Schlinglähmung; der Kotabsatz ist
unterdrückt. Bei infektiöser Rückenmarksentzündung fehlen zerebrale
Erscheinungen. Bei beiden Krankheiten besteht der Erreger in durch-
aus verschiedenartigen Streptokokken, welche zwar morphologisch
ähnlich aussehen, aber in der biologischen Wirkung sich ebenso diffe-
rent verhalten, wie beispielsweise die Typhusbazillen des Menschen
und das Bacterium coli, oder wie Milzbrandbazillen und Proteusarten.
3. Narkotische Vergiftungen. Zufolge Vorkommens von
Giften in Futterstoffen, nach der Aufnahme von Giften mit dem
Futter, können mit Lähmung verbundene Erkrankungen des Rücken-
marks und seiner Häute verursacht werden; solche Gifte sind Korn-
radesamen (Agrostemma Githago), das Rohr (Arundo Phragmites),
der Schachtelhalm (Equisetum palustre), Solaninvergiftung usf. Der-
art erkrankte Pferde bekunden oftmals keine Störung des Allgemein-
befindens, zeigen aber einen schwankenden Gang und vermögen bei
schweren Krankheitsfällen nicht mehr aufzustehen. Von Vergiftungen
unterscheidet sich die infektiöse Rückenmarksentzündung bei Be-
achtung der bezeichneten Hauptsymptome unschwer und besonders
dadurch, daß nie alle Pferde wie bei Vergiftungen auf einmal er-
kranken, sondern zuerst eins oder zwei, dann sukzessive die anderen
Stallinsassen.
4. Mit einfachem Magen -Darmkatarrh kann nur das
Anfangsstadium der infektiösen Rückenmarksentzündung verwechselt
werden, bevor die Lähmungserscheinungen auftreten.
— 521 —
5. Die Kolik, welche zu den Krankheiten des Digestions-
apparates gehört, kann in der Regel mit infektiöser Rückenmarks-
entzündung nicht verwechselt werden; in manchen Fällen aber
liegen die kolikkranken Pferde, besonders im Endstadium der Krank-
heit, wie gelähmt am Boden, sind wie in Schweiß gebadet und können
nicht mehr aufstehen. Die sorgfältige Berücksichtigung der Anamnese,
der bezeichneten klinischen Symptome und des Verlaufs geben hin-
reichende Fingerzeige, um eine Verwechslung beider Krankheiten
zu vermeiden.
6. Die einfache Nierenentzündung, Milzbrand, Petechial-
fieber, Thrombose der hinteren Aorta, der Becken- und Schenkel-
arterien, Frakturen der Wirbelsäule und der Beckenknochen, Huf-
rhehe sind bei sorgfältiger Untersuchung nicht zu verwechseln.
Prognose.
Die Prognose ist je nach dem Krankheitsverlauf und nach
dem Grade der Krankheitsfalle außerordentlich verschieden zu be-
urteilen. Die Mortalitätsziffer richtet sich, wie aus der Ätiologie
und Pathogenese zu entnehmen ist, vorwegs nach dem Pferdeschlag,
nach der individuellen Disposition, nach der Menge und Virulenz
des aufgenommenen Infektionsstoffes und nach den örtlichen Ver-
hältnissen, unter welchen die erkrankten Pferde gehalten und ge-
pflegt werden. Gemeinhin involviert die Krankheit stets eine große
Gefahr für die Pferde. Die Verluste an erkrankten Tieren können,
wie ich wiederholt beobachtet habe, 70—100 % betragen, besonders
bei den schweren, gut genährten, wie gemästeten Zugpferden,
welche auch leicht dem Dekubitus und der Herzlähmung verfallen;
die Krankheit der leichteren und mageren Pferde hingegen ist
günstiger zu beurteilen, obwohl auch bei der Vorhersage ebenfalls
Vorsicht nötig fällt, eingedenk der sich leicht einstellenden Exacer-
bationen. Vermögen die Tiere infolge vollständiger Paralyse weder
selbst aufzustehen, noch im Hängegurt sich aufrecht zu erhalten,
so ist die Prognose ungünstig, wiewohl in manchen Fällen die
Patienten ungeachtet mehrtägiger Lähmung und Liegens sich noch
erholen können; auf Genesung ist auch dann zu rechnen, wenn nacli
Ablauf von einem bis drei Tagen die Lähmungszustände der Nach-
hand oder die Kontraktionen der Kruppen- und Bauchmuskulatur
und die Verfärbung des Harns verschwinden. Wenn beim akuten
ZeiUclirifl fllr Infektionskrankheiten. II. G. 34
— 522 —
Verlauf nach Verfluß von zwei bis fünf Tagen die Aufrichtung in-
folge ausgebreiteter Lähmung unmöglich ist, so endet die Krankheit
fast ausschließlich letal; eine ungünstige Prognose erheischen auch
die Fälle von beiderseitiger difluser Nephritis mit grauschwarzer
Verfärbung (Melaninurie) und reichen Eiweißmengen des Harns,
wie schon unter dem Verlauf der Krankheit näher erörtert wurde.
Auch die oft vorkommenden Fälle der subakuten und chronischen
Krankheitsform sind im allgemeinen ungünstig zu beurteilen, da
die Pferde oft an dem hinzugetretenen Dekubitus eingehen, oder
sie müssen, wenn sich die Krankheit über Wochen und Monate
hinzieht, aus ökonomischen Gründen geschlachtet werden.
Günstig gestaltet sich die Prognose bei den leichterkrankten
Pferden, falls sie sich stehend erhalten können, und noch bei jenen
Erkrankungen, bei welchen die Pferde vom zweiten bis fünften
Krankheitstage ab aufgerichtet werden oder selbständig aufstehen,
oder unter Anwendung von Flaschenzügen, eines Hängegurtes sich
stehend erhalten können. In leichteren Seuchengängen genesen oft
die Patienten unerwartet rasch, so daß die Verluste auf höchstens
20— 40°/0 der Fälle zu veranschlagen sind, während in anderen
Seuchengängen nach Aufnahme größerer Mengen des virulenten
Streptococcus melanogenes unaufhaltbar ganze Pferdebestände aus-
sterben, was dann zu einer unheimlichen Kalamität für die be-
troffenen Pferdebesitzer ausartet.
Die Mortalitätsziffern können daher außerordentlich schwanken.
Nach Hutyra und Marek1) sind in den Jahren 1890—1902 von
57 kranken Pferden 28 Stück = 49°/0 verendet, die Mortalitäte-
ziffer schwankte aber in den einzelnen Jahren sehr bedeutend.
Bay stellt die Mortalität (zitiert nach Friedberger und Fröhner-)
bei 368 beobachteten Fällen auf 70%, Stockfleth auf 50%.
Bouley auf 60°/0, Grimm auf 40%; an der Stuttgarter Klinik
stellt sie sich nach den Berechnungen Fröhners auf 40%; an der
Münchener nur auf 20%; in den Jahren 1890/1895 belief sie sich
in der preußischen Armee auf 40—50%. Die gänzliche Heilung
gehört daher zu den spärlichen Vorkommnissen, und die Genesung
erfolgt langsam.
l) Hutyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie 1905.
a) Friedberger und Fröhner, Lehrbuch der speziellen Pathologie
und Therapie.
— 523 —
Prophylaxis und Therapie.
Vor allem ist notwendig, die gefährdeten Pferde vor allen
prädisponierenden Momenten zu schätzen: Es sollen Überanstren-
gungen, Erhitzungen, Erkältungen, einseitige die Verdauung störende
Fütterung, namentlich von Mais, Kleie, Melasse, Rüben, Kartoffeln,
von gefrorenen oder verdorbenen Futtermitteln usw., streng vermieden
werden. Man verabreiche daher den gefährdeten Tieren nur
hygienisch einwandfreie, durch kranke Herde nicht infizierte, leicht
verdauliche, kräftigende Futtermittel und Wasser, wie beispiels-
weise gutes Wiesenheu, tadellosen Hafer, welcher weder zu neu
und gärend, noch zu alt und multrig, noch mit Unkrautsamen ver-
unreinigt sein soll. Keinesfalls dürfen ferner die Pferde durch zu
intensive Fütterung überernährt werden, da hierdurch die Verdauungs-
organe überlastet werden, öfter schleichende Gärungen und Verdauungs-
störungen und im Anschluß daran die Streptokokkeninfektion sich
einstellen; es sollen die Pferde stets regelmäßig unter richtiger
Berücksichtigung der Arbeitsleistung gefuttert werden, deshalb be-
• messe man auch an Sonntagen die Futterrationen entsprechend ge-
ringer. Der regelmäßigen Bewegung der Pferde an Sonn- und
Feiertagen kann somit höchstens ein schützender Nutzen eingeräumt
werden. Daß aber dadurch, wie bisher angenommen, die Krankheit
tatsächlich unterdrückt werden könne, erscheint nach der jetzigen
Sachlage der Ätiologie und der Pathogenese mindestens übertrieben.
Die Patienten sollen tunlichst in zweckmäßig eingerichteten
Ställen untergebracht und zur Verhütung des Dekubitus auf reich-
liche Streu gelagert und einen halben oder auch ganzen Tag ruhig
liegen; alle vier bis fünf Stunden soll das liegende Pferd von einer
Seite auf die andere umgewendet werden; dann aber sollen die
Patienten womöglich zur Verhütung von Lungenhypostase und der
bedrohlichen Herzschwäche zum Stehen oder in eine Hängegurte
gebracht werden.
Der viel gerühmte Heilerfolg des Aderlasses scheint bei der
jetzigen Sachlage fraglich, ja kontraindiziert, und zwar bestimmt
nachteilig in jenen Fällen, bei welchen es infolge Ausbildung einer
hämorrhagischen Nephritis und einer allgemeinen Hämatolysis zur
Hämoglobinurie bzw. Melaninurie gekommen ist; dagegen kann die
Einverleibung größerer Mengen physiologischer Kochsalzlösung intra-
venös oder subkutan gute Dienste leisten.
34*
— 524 -
Bei vorhandener Harnverhaltung bzw. Parese der Harnblase
ist die Entleerung des Harnes durch Druck mit der flachen Hand
vom Mastdarm her anzustreben, gegebenenfalls ist die Harnentleerung
vermittelst des Katheters zu bewirken. Zur Beförderung der Weg-
samkeit der erkrankten Nieren und der Melaninausscheidung durch
den Harn, verabreicht man den Patienten viel Wasser in dünnen
Tränken, gegebenenfalls auch Wasser mit frischer Milch oder
Zuckerwasser nach Hink. Zur Entleerung des zurückgehaltenen
Kotes können größere Mengen lauwarmen Seifenwassers in das
Rectum infundiert und zur Anregung der Darmtätigkeit Mittelsalze
(besonders Natrium sulfuricum im Trinkwasser) verabreicht werden.
Zur Verhütung der Blutstauung in inneren Organen ist die Ver-
teilung und Ableitung des Blutes nach den peripheren Körperteilen
und die Wiederherstellung der regelmäßig verteilten Körperwärme
durch tüchtiges Frottieren und Einreiben spirituöser Mittel (Kampher-
spiritus), durch Prießnitz-Umschläge oder durch Auflegen eines heißen
Kartoffelsackes auf die Lenden und durch Bandagieren der Füße zu
befördern; kontraindiziert erscheinen scharfe Einreibungen von Kan-
thariden, Terpentinöl und Oleum sinapis bzw. die Anwendung des
Senfteiges, da hierdurch die ohnehin nicht aufzuhaltende Nephritis
sich verschlimmern könnte; aus demselben Grunde sind auch alle
innerlichen, die Nieren reizenden Medikamente, wie Acidum sali-
cylicum usw. kontraindiziert, und mit Rücksicht auf den herunter-
gekommenen Kräfteznstand empfiehlt es sich nicht, heftig wirkende
Gifte zu applizieren.
Von medikamentösen Mitteln sind in erster Linie die inner-
lichen Desinfektionsmittel ins Auge zu fassen, wie Kreolin, Lysol.
Solveol, Xeroform, Natrium salicylicum, besonders Chinin, Antipyrin.
welche am besten in entsprechenden Verdünnungen im Flachssamen-
schleim oder als Latwerge gegeben werden können. Des weiteren
ist, worauf zuerst Tierarzt Alfons Hauger aufmerksam machte.
Damholidum siccum 2f>,0 g in Latwergenform, auf dreimal innerhalb
eines Tages, mit gutem Erfolge angewendet worden; die Wirkung
desselben hat sich bekanntlich bei der epizootischen Hämoglobinurie
des Rindes glänzend bewährt, sie beruht darin, daß den Patienten
das infolge der Hämatolysis verloren gegangene Hämoglobin wieder
ersetzt wird, so daß der Pferdekörper Zeit und Kräftigung gewinnt,
die Infektion sicherer zu überstehen; dieses Mittel verdient daher
seine Anwendung bei dieser Streptokokkenseptikämie in erster Linie
— 525 —
Nutzbringend ist feiner die Applikation von Morphium (0.5 :
15,0 Aqu. destill, subkutan), Bromkalium in Dosen von 50,0—75,0 g
nach dem Vorgang von Ho ff mann1) und Metzger,2) um wenigstens
die heftigsten Schmerzen der Patienten zu lindem; ferner empfiehlt
sich Alkohol, schwarzer Kaffee, Kampheröl subkutan usw. zur
Hebung der Herzschwäche.
Bei zurückbleibenden Lähmungszuständen der Nachhand in-
folge partieller, chronischer Meningomyelitis spinalis und bei der
chronischen Form der infektiösen Rückenmarksentzündung ist die
Gewöhnung der Pferde an regelmäßige Bewegungen vorteilhaft,
indem man die Tiere täglich eine halbe bis eine Stunde frei bewegt
und späterhin zu leichten Arbeiten benützt. Ferner können die
zurückbleibenden Lähmungszustände mit Massage, mit Spirituosen
Einreibungen auf die Lendenpartie, mit Elektrizität, besonders aber
mit Strychnin usw. behandelt werden.
Bekämpfung der infektiösen Rückenmarksentzündung oder der
schwarzen Harnwinde.
Ist in einem Pferdebestande die infektiöse Rückenmarks-
entzündung ausgebrochen, so sollen hinsichtlich der Unterdrückung
und Verhütung einer Verschleppung der Krankheit die übrigen
Insassen durch Separation vor Ansteckung bewahrt werden. Die
gesunden Pferde werden in un verseuchten, zweckmäßig eingerichteten
Räumlichkeiten untergebracht und, falls sie sich vermutlich im Inku-
bationsstadium befinden, ebenso wie die Kranken mit inneren Des-
infektionsmitteln behandelt, man verwende vorläufig die Pferde nur zu
kleineren Arbeiten und schütze sie vor den bezeiclineten nachteiligen
Einflüssen. Da die kranken Tiere, wie gezeigt, den hochvirulenten
Infektionsstotf durch den Kot, durch den Harn, durch den Schweiß,
Nasen- und Maulschleim, durch die Ausatmung ausscheiden, dem-
nach den Standort und den Stall mit hochinfektiösem Ansteckungs-
stoff verseuchen, so ist eine gründliche Reinigung und Desinfektion
des Standes, des Stalles und der Gerätschaften, sowie der von
kranken Pferden benutzten Geschirre erforderlich; nötigenfalls
wäre der Stall mit undurchlässigem Boden, Wänden usw. auszu-
*) Hoff mann, Berliner tierärztliche Wochenschrift 1895, Nr. 51.
") Metzger, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 1896, S. 389 und
1897, S. 449.
— 526 —
statten. Da frisch zugekaufte Pferde erfahrungsgemäß besonders
zur Erkrankung disponieren, so sollte während der Seuchengefahr von
der Anschaffung neuer Pferde abgesehen werden, und später ersetze
man probeweise den Pferdebestand durch minderwertige Pferde;
frisch zugekaufte Pferde maßten gegebenenfalls separiert gehalten
werden.
Da die an infektiöser Rückenmarksentztodung erkrankten
Pferde, solange sie noch zur Arbeit verwendet werden können, was
namentlich im Inkubationsstadium der Krankheit und bei der sub-
akuten und chronischen Form der Seuche möglich ist, den hoch-
infektiösen Krankheitsstoflf durch die Ausscheidungen des Körpers
in die Umgebung verschleppen und dadurch die benachbarten Pferde-
bestände gefährden können, so erscheinen veterinärpolizeiliche Maß-
nahmen im öffentlichen Interesse geboten, zumal da die Krankheit
nach den neuesten Erfahrungen eine der verbreitetsten und schäd-
lichsten Pferdeseuchen vorstellt und namentlich auch im Hinblick
auf das vermehrte Auftreten der Seuche in der Neuzeit, welche
nicht selten, wie die gewonnenen Erfahrungen in allen Bundes-
staaten lehren, als ein unaufhaltsames Pferdesterben auftreten kann.
Das öffentliche Interesse würde eine Auswahl veterinärpolizeilicher
Maßregeln erheischen, wie Belehrung der Pferdebesitzer über das
Wesen, den Verlauf und die Erscheinungen der Krankheit, Anzeige-
pflicht, Gehöft- bzw. Stallsperre, Separation der gesunden Pferde,
unschädliche Beseitigung der gefallenen Pferde vermittelst Rindei>
gespannes, gründliche Reinigung und Desinfektion der verseuchten
Stallungen unter polizeilicher Aufsicht.
Fleischbeschau.
Wie mir bekannt, wurde eine Anzahl von an subakuter und
chronischer infektiöser Rückenmarksentzündung oder schwarzer Harn-
winde erkrankter Pferde geschlachtet und deren Fleisch zum mensch-
lichen Genüsse ohne jeglichen Nachteil der Konsumenten zugelassen.
Wie schon eingangs erörtert worden ist, wirkt der Streptococcus
melanogenes spezifisch auf den Pferdekörper pathogen, während
andere Tierarten und der Mensch sich diesem InfektionsstofF gegen-
über nach den bisherigen Beobachtungen immun erweisen. Doch
ist zu beachten, daß nach Ostertag in Altena i. W. nach dem
Genuß des Fleisches eines solchen notgeschlachteten Pferdes eine
— . 527 —
Anzahl Personen und ein Arbeiter tödlich erkrankten. Von altersher
wurde das Fleisch von Pferden mit schwarzer Harnwinde, soweit
dasselbe substanziell nicht verändert war und von fieberlosen Tieren
herstammte, ohne jeden Schaden genossen; jedenfalls kann das sub-
stanziell unveränderte Fleisch von den sofort im Beginn der Krank-
heit abgeschlachteten, sowie von den zur Genesung gekommenen
oder nur mit partiellen Lähmungen geringeren Grades behafteten,
fieberfreien Pferden ohne Bedenken nach Beseitigung eventuell ver-
änderter Organteile (Rückenmark, Röhrenknochen, Muskeldegene-
rationen, Nieren) zum menschlichen Genüsse zugelassen werden.
Nach der ganzen Sachlage muß aber ausdrücklich betont werden,
daß das Fleisch von Pferden mit allgemeiner Streptokokkenseptikämie
wegen der drohenden Toxinwirkung und der leichten Zersetzung
desselben eine folgenschwere Gesundheitschädlichkeit involvieren
kann, weshalb in solchen Fällen der ganze Tierkörper unschädlich
beseitigt werden muß.
Ätiologie.
Morphologie des Streptococcus melanogenes.
Diese Streptokokken sind paternoster-ähnlich aneinandergereihte
Verbände, welche aus lauter Diplokokken zusammengesetzt sind.
Die einzelnen Kokken erweisen sich hinsichtlich der Gestalt nicht
als kugelrund, sondern sie zeigen leichte Abplattungen an den Be-
rührungsstellen der Einzelglieder, also in der Querrichtung der
Kette, so daß die Diplokokkenpaare mit ihren breiten Polen an-
einanderliegen. Das Wachstum der Ketten erfolgt daher durch
Längenwachstum und Querteilung. Dieser Streptokokkus scheint
sich nur nach einer Richtung des Raumes zu teilen. Diese aus wieder-
holter Teilung eines Kokkus sich bildenden Ketten können, je nach
den Organteilen und den Nährböden, auf denen sie gewachsen sind,
kürzer oder länger sein. Ferner sind sie zumeist gerade verlaufend,
namentlich die kürzeren Ketten, doch kommen auch gewnnden und
geschlängelt verfaulende (bei längeren Ketten) Formen vor. Bei
chronischen Fällen der Streptokokkenseuche des Pferdes tritt dieser
Erreger außer in Kettenform in den erkrankten Organen vorwiegend
in Diploform auf; bei akut verlaufenden Fällen und in serösen
Flüssigkeiten kommt er dagegen hauptsächlich als Streptokokkus
vor. Die längsten Ketten bilden sich in Bouillonkulturen und im
— 528 —
Kondenswasser von seimigem Agar. Da eine auffällige Schleim-
bildung oder Kapselbildung bei diesem Streptokokkus fehlt, so
lösen sich die Ketten beim Schütteln flüssiger Nährböden oder bei
unzweckmäßigem Ausstreichen auf Deckgläser leicht auf, zerreißen
und erscheinen dann in Diploform oder als kürzere Ketten von vier
oder sechs Gliedern. In 1 proz. alkalischer Nährbouillon, im Kondens-
wasser von Agarkulturen, in der Leber von Kaninchen, im Bauch-
höhlenexsudat, den Nieren, sowie auch im Knochenmark der Röhren-
knochen, mitten in den Wirbelknochen und im Rückenmarkskanal
von Versuchstieren oder von spontan erkrankten, akut bzw. subaktit
verendeten Pferden sind die längsten Ketten anzutreffen. Aus
Bouillonkulturen gefertigte Ausstriche zeigen (neben kurzen) durch das
ganze Gesichtsfeld mehr oder weniger geschlängelt verlaufende Ketten.
Die Färbung des Str. melanogenes gelingt im allgemeinen
leicht mit allen gebräuchlichen Anilinfarben; zweckmäßig färbt
man ihn mit Löfflers Methylenblau ein bis zwei Minuten lang.
Auch nach der Romanowskischen Färbemethode lassen sich diese
Diplostreptokokken schön darstellen. Dagegen entfärben sie sich
rasch nach der Gramschen Methode, gleichgültig ob das Unter-
suchungsmaterial aus den erkrankten Organgeweben der Versuchs-
tiere oder spontan erkrankter und verendeter Pferde stammt, oder
ob die Ausstriche Reinkulturen entnommen sind.
Die Größe der Einzelkokken beträgt 0,4 //; ein Diplokokkus
dieses Erregers besitzt eine Länge von 1 (i. Der Streptokokkus
ist zumeist aus vier bis acht Diplokokken zusammengesetzt. In
Bouillon- und Agarkulturen, sowie mitten in der Spongiosa der
Knochen (Wirbel), in Kaninchenlebern usw. treten nicht selten lange
Ketten bis zu 20 Diplokokkenpaaren und darüber auf. Diese Großen-
verhältnisse sind sowohl bei den aus Organsäften herrührenden
Erregern, als auch bei den aus Reinkulturen gewonnenen Formen
ziemlich konstant. Im allgemeinen imponiert der Str. melanogenes
durch seine feine, grazile Gestalt und durch seine kleinen Formen,
besonders wenn sie mit anderen Streptokokken in Vergleich gestellt
werden.
Biologie des Streptococcus melanogenes.
Nach meiner Erfahrung stellt der Strept. melanogenes ein
fakultativ pathogenes Bakterium dar, welches sowohl auf toten
pflanzlichen und tierischen Substraten im Darmrohr des Pferdes
- 529 -
saprophytisch zu vegetieren, als auch im lebenden Pferdekörper
den bekannten pathogenen Parasitismus zu entfalten vermag.
Das Temperaturoptimum des Str. melanogenes liegt bei 37° C;
er wächst aber auch noch bei niedrigeren Temperaturen bis zu
25— 20° C; bei Zimmertemperatur sistiert das Wachstum. Er ge-
deiht am besten auf schrägem und geradem alkalischem Glyzerinagar
und Bouillon, aber auch auf Blutserum und Gelatine usw.
Diese Diplostreptokokken wachsen am besten bei O-Zutritt,
können aber auch bei O-Abschlnß, wenn auch wesentlich langsamer,
wachsen.
Die Diplostreptokokken sind in den erkrankten Pferdeorganeri
oft mit größeren Kokken, dem Bacterium coli und anderen sapro-
phytischen Bakterien vergesellschaftet, so daß ihre Reinzüchtnng,
besonders aber wegen ihres spärlichen Vorkommens, Schwierig-
keit macht.
Agars trich: Bei dünnem Aussäen treten nach einem bis
zwei Tagen gleichmäßige, i-punktgroße, scharf umschriebene, grau-
weiße bis leicht bläuliche, an der Oberfläche glatte, tautröpfchen-
ähnliche Kolonien auf, die im ganzen ein dünnes, spärliches Wachs-
tum präsentieren. Unter diesen zahlreichen feinen Kolonien gehen
oft einzelne wesentlich größere, dickere auf, welche keine Verun-
reinigung der Kultur sind. Im Kondenswasser bildet sich ein leicht-
flockiges, grauweißes Wachstum, das aus lauter Streptokokken besteht.
Agar st ich: Im Stichkanal wächst ein grauweißer, dünner,
schlanker Faden, welcher in die Umgebung kleinste, flaumhaar-
älinliche Ausläufer entsendet, um die obere Stichöflhung herum nur
spärliches Wachstum.
In Bouillon wachsen die Diplostreptokokken zunächst zu
zahlreichen, Stecknadelkopf- bis hanfkorngroßen, weißen, runden,
schneeballenformigen Körnern und Knäuelchen (Kolonien) aus, welche
sich am Boden und an den Wandungen des Glases ansetzen; nach
Eintritt stärkeren Wachstums sammelt sich am Boden des Reagier-
glases ein weißer, großflockiger Niederschlag an, welcher beim
Schütteln in der Bouillon schwimmt. Die Bouillon selbst ist dabei
goldgelb und vollkommen klar. Mikroskopisch bestehen diese
Flöckchen aus lauter Diplostreptokokken, welche aber beim Aus-
streichen auf Deckgläser leicht zerrissen werden, und sie zerfallen
dann in kurze Strepto- und Diplokokken; zum Unterschiede von
den in Agar gewachsenen, ganz gleichmäßig großen Streptokokken
— 530 -
variiert die Größe der in Bouillon aufgegangenen ein wenig. Meist
sind sie hier etwas dicker. Im allgemeinen beträgt der Durch-
messer eines Kokkus 0,4 Mikra.
Auf Serum bilden die Diplostreptokokken nach 24stündigem
Wachstum im Thermostaten kleinste bis stecknadelkopfgroße, um-
schriebene, an der Oberfläche glatte, hellgrauweiße, dünne Kolonien,
welche bei stärkerem Aussäen zu dünnen Bändern konfluieren. Das
Serum wird durch das Diplostreptokokkenwachstum weder verflüssigt
noch erweicht.
Auf schräger Gelatine tritt das Diplostreptokokkenwachstum
als winzig kleine bis i-punktgroße Kolonien auf, welche bei dicker
Aussaat granulierte, bläulich-weiße, dünnere oder dickere, grau-
gelbliche, im ganzen äußerst zarte Bänder bilden.
Im Gelatinestich entstehen graugelbliche, zusammenhängende,
schlanke Fäden oder Bruchstücke von solchen, oder rundliche Ko-
lonien; um den oberen Einstich herum ist das Wachstum spärlich.
Das Wachstum auf Gelatine tritt entsprechend der niedrigen Tempera-
tur erst nach mehreren Tagen deutlich in Erscheinung. Die Gelatine
wird durch das Diplostreptokokkenwachstum weder verflüssigt noch
erweicht.
Die Milch hat sich praktisch zur Züchtung des Streptococcus
melanogenes nicht ausgezeichnet. Auch in differentialdiagnostischer
Richtung zur Unterscheidung des Streptococcus melanogenes von
anderen Streptokokken hat die Milch keine besonderen Vorzüge.
Die Kartoffeln sind für die Züchtung des Streptococcus
melanogenes ebensowenig wie für andere Streptokokken ein ge-
eignetes Nährsubstrat; es tritt auf denselben erst nach mehrtägigem
Stehen im Brutofen Streptokokkenwachstum auf, welches sich von
der Kartoffeloberfläche nur wenig abhebt. Das Wachstum des
Streptococcus melanogenes sieht auf Kartoffeln wie bei anderen
Streptokokken (Streptococcus pyogenes equi, Mastitisstreptokokken
usw.) hellgrauweiß und feucht aus und bildet einen ebenso be-
schaffenen, zusammenhängenden Strich oder Band. Entnimmt man
das Material nadelspitzenvoll zu Deckglasausstrichen, so findet sich
reichlicheres Streptokokkenwachstum, als man (makroskopisch be-
trachtet) erwartet. Der Streptococcus melanogenes bildet dabei
wie die anderen Streptokokken zahlreiche Involutionsformen; in-
mitten der Ketten finden sich blasige, um das Mehrfache größere
und intensiver gefärbte Diploformen oder auch stark blasig auf-
— 531 —
getriebene, kokkenförmige Gestalten, was am besten illustriert, daß
die Kartoffeln zum Züchten der Streptokokken keinen günstigen
Nährboden darstellen.
Blutbouillon wurde in der Weise hergestellt, daß einem
Röhrchen (10 ccm) steriler Bouillon sechs bis acht Tropfen frisches
defibriniertes, durch ein steriles Filter filtriertes Blut von gewerb-
lich geschlachteten Pferden oder Rindern beigemischt wurden. Dieser
Nährboden wurde sodann mit Reinkulturen des Streptococcus melano-
genes, sowie mit Reinkulturen des Str. pyogenes aus der eitrigen
Gelenkhöhle eines Pferdes, des Str. pyogenes, reingezüchtet aus
dem Hodenabszeß eines Ebers und dem Str. mastitidis aus der
Milch einer euterkranken Kuh geimpft. Diese Kulturen blieben je-
weils durch 24 Stunden in dem Thermostaten bei 38° C stehen und
während weiterer zwei oder mehrerer Tage untersucht. Dabei
ergab sich das interessante Resultat, daß sich zunächst bei allen
Kulturen das in der Bouillon befindliche Blut mehr oder weniger
am Boden absetzte, während darüber die ungefärbte Bouillon sich
fand. Augenfällige Artunterschiede zwischen dem Str. melanogenes
und den übrigen genannten Streptokokkenreinkulturen bestanden
darin, daß die Kulturen des Str. melanogenes eine schwarzrote Ver-
färbung zeigten, welche beim Umschütteln der Bouillon ein wässerig
dunkelbierbraunes Aussehen und lackfarbene Beschaffenheit verlieh;
die darin noch vorhandenen Blutflöckchen blieben tintenschwarz
gefärbt. • Der Str. melanogenes löst daher vermöge seiner hämo-
lytischen Kraft die roten Blutkörperchen mehr oder weniger voll-
ständig auf und setzt das Hämoglobin in Melanin um — Vorgänge,
wie sie in den durch den Str. melanogenes hervorgerufenen Ver-
änderungen der Organgewebe erkrankter Pferde, namentlich in den
Muskeln, im Blute, in der Spongiosa der Knochen, welche die
schon erwähnte tintenschwarze Verfärbung aufweisen, sich ab-
spielen. Dieser Streptokokkus darf somit zur Artunterscheidung
gegenüber anderen Streptokokken mit Recht den Namen Str. melano-
genes beanspruchen. Denn ganz anders repräsentieren sich die
Kulturen der übrigen, in den Vergleich einbezogenen Streptokokken-
reinkulturen, deren Blutfarbstoff gar nicht oder doch in weit ge-
ringerem Grade aufgelöst wird; infolgedessen erscheint hier die
Bouillonkultur nach dem Umschütteln wieder blutig-hellrot gefärbt.
Diese Unterschiede treten vergleichsweise bei durchfallendem oder
auffallendem Licht um so deutlicher hervor.
— 532 -
Außer den schon erwähnten Unterschieden zwischen der Blut-
bouillonkultur des Str. melanogenes und den anderen bezeichneten
Streptokokkenreinkulturen — es dürfen selbstverständlich nur wirk-
liche Reinkulturen (verunreinigte Kulturen sind vom Vergleich aus-
zuschließen) in Betracht gezogen werden — ist bei der mikro-
skopischen Untersuchung der Deckglasausstriche ersichtlich, daß
der Str. melanogenes zwischen den zahlreichen Blutkörperchen sich
massenhaft vermehrt und dieselben auflöst. Man findet die in Auf-
lösung begriffenen roten Blutkörperchen entweder ganz farblos oder
nur noch verwaschen gelbrötlich. Viele derselben sind, und dies
namentlich in der nächsten Umgebung der Streptokokken, mehr
oder weniger stark zerfallen. Dadurch wird es bedingt, daß nach
dem Umschütteln dieser so veränderten Blutbouillonkultur des
iStr. melanogenes keine richtige Hellrotfärbung derselben mehr in
Erscheinung tritt, sondern dieselbe einer dunkelbierbraunen, schwarz-
roten (lackfarbenen) Verfärbung Platz macht. Im allgemeinen
wachsen in der Blutbouillonkultur alle genannten Streptokokken-
sorten sehr rasch und ausgiebig, und es treten in derselben überaus
lange Kettenbildungen auf.
Blutagar1) verwendete ich zu Ztichtungszwecken und zur
Artunterscheidung von Streptokokken ebenfalls mit Vorteil. Zur
Herstellung des Blutagars benutzte ich gewöhnliches alkalisches
Glyzerinagar mit der Abweichung, daß zu ,/2 1 ll/2 g Agar-Agar-
substanz mehr zugefügt wurde. Der auf 43—48° abgekühlten
Agarmasse setzte ich Blut in einem Verhältnis von 5 : 1 zu. Das
Blut wurde von gewerblich geschlachteten Pferden, Rindern, Kälbern
und Schweinen möglichst steril in sterilisierten mit Glasperlen ver-
sehenen Gläsern aufgefangen, durch kräftiges Schütteln defibriniert.
tunlichst blutwarm durch ein sterilisiertes Filter filtriert und mit
der Agarmasse durch rasches Umschwenken vermischt. Sofort
wurde dann das Blutagar in sterile Petrischalen zu einer beiläufig
4-6 mm dicken Nährbodenschicht ausgegossen und zum Erstarren
abgekühlt. Hierauf machte ich die Deckelinnenfläche und die Nähr-
bodenoberfläche durch Ansengen über der Gasflamme tunlichst trocken
und keimfrei; sodann sind die einzelnen Blutagarplatten mit Eein-
v) Eine grundlegende Arbeit über die Unterscheidung der für den
Menschen pathogenen Streptokokken durch Blutagar hat der hierdurch sehr
verdiente H. Schottmüller, Münchener medizin. Wochenschr. Nr. 20 u. 21.
1903, geliefert.
- 533 —
kulturen des Str. melanogenes und mit der Reinkultur des Str.
pyogenes aus der eitrigen Gelenkhöhle des Pferdes, mit der Rein-
kultur des Str. pyogenes, gezüchtet aus dem Hodenabszeß eines
Ebers, und mit der Reinkultur des Str. mastitidis, reingezüchtet
aus der Milch einer euterkranken Kuh, in der Weise geimpft
worden, daß mit einer kleinen Öse voll Kultur etwa zwei parallel
laufende Bänder in entsprechenden Abständen gezogen wurden; die
Kulturen verblieben darauf 24 — 48 Stunden hindurch im Thermo-
staten bei 38° C und sind darauf makroskopisch und mikroskopisch
untersucht worden. Es war dabei die überaus interessante Tat-
sache festzustellen, daß zunächst hinsichtlich der Wachstums-
erscheinungen des Str. melanogenes gegenüber denjenigen der
übrigen genannten Streptokokken manifeste Unterschiede in Er-
scheinung treten. In der Umgebung (in einer Entfernung von etwa
2—4 mm) der aufgegangenen Kolonien des Str. melanogenes erschien
vermöge seiner hämolytischen Kraft schon bis zum nächsten Tage
eine Schwarzfärbung in Bandform und in deren Mitte eine schmale,
glasige, homogene Aufhellung in dem sonst hellroten Blutagar. In
der um die Kolonien gelegenen Umgebung entstand also infolge
der Blutauflösung zunächst eine deutlich tiefbraunschwarze Ver-
färbung in Gestalt eines raupenförmigen Streifens, in dessen Mitte
direkt um die Kolonien durch Resorption des umgesetzten Hämo-
globins nach und nach sich eine glasige Aufhellungszone geltend
machte. Die zunächst um das Streptokokkenwachstum gelegene
Aufhellungszone ist bei durchfallendem Licht am deutlichsten zu
sehen, während der tiefschwarzbraune Hof bei schief einfallendem
bzw. bei auffallendem Lichte sich am schönsten sichtbar macht.
Die hofartige Schwarzfärbung und auch die intensive Aufhellung
ist für den Str. melanogenes charakteristisch, wonach ich letzteren
auch benannt habe (s. Taf. VI, Fig. 1 u. 2). Vergleicht man nun
mit diesen bezeichneten Reaktions- und Wachstumserscheinungen
des Str. melanogenes, dessen Kolonien auf Blutagar wie auf an-
deren Nährböden hellgrauweiß und rundlich, aber hier wesentlich
kräftiger aussehen, das Kolonienwachstum des Str. pyogen, equi,
Str. pyogen, suis und des Str. mastitidis, so ergibt sich, daß diese
letzteren Streptokokkenarten auf Blutagar ähnlich wachsen. Da-
gegen wird zwar in der nächsten Umgebung dieser Streptokokken-
kolonien der Blutfarbstoff ebenfalls teilweise aufgehellt, allein dies
geschieht in weit geringerem Grade als durch den Str. melanogenes,
— 534 —
und die beschriebene Schwarzfärbung bleibt bei diesen anderen ge-
nannten Streptokokken aus. Somit ist durch das Wachstum des
Str. melanogenes auf Blutagar eine ähnliche Blutveränderung wie
in Blutbouillon herbeizuführen. Durch die Einwirkung des Wachs-
tums des Str. melanogenes tritt in der nächsten Umgebung des-
selben, infolge Auflösung der Erythrozyten und Resorption des
Hämoglobins, gänzliche Aufhellung des Blutagars ein, während in
der weiteren Umgebung durch die Wirkungen des Str. melanogenes
eine Umwandlung des roten Blutfarbstoffs in eine schwarze Modi-
fikation (Melanin) zustande gebracht wird. Diese Reaktions- und
Wachstumserscheinungen des Str. melanogenes stellen sich auf und
in den Blutnährböden, gleichgültig ob deren Blut von Pferden oder
Rindern, Kälbern, Schweinen oder vom Menschen stammt, in der-
selben Weise ein.
Es muß nun ausdrücklich hervorgehoben werden, daß diese
Wachstums- und Reaktionserscheinungen des Str. melanogenes nicht
in allen Fällen so typisch und leicht, wie es den Anschein haben
könnte, sich darstellen lassen; namentlich hat es seine Schwierig-
keit, auf diesen Blutnährböden, welche man (um den Blutfarbstoff
nicht zu schädigen) bei stärkeren Hitzegraden nicht sterilisieren
kann, reine Kulturen der zu vergleichenden Streptokokken (unreine
Kulturen sind natürlich vom Vergleich auszuschließen) zu erzielen.
Oft wachsen auch saprophy tische Bakterien, unter welchen es
Kolonien von Stäbchen gibt, die den Blutnährboden auch aufhellen;
solche Blutagarplatten können zwecks fraglicher Untersuchung nicht
verwendet werden. Ferner kommt es vor, daß beim Ausstreichen
der Reinkulturen saprophytische Bakterien mit in den Strich aus-
gesät werden und wachsen. Auch derart verunreinigte Kulturen
sind unbrauchbar. Es ist auch keine leichte Sache, das brauch-
bare Mischungsverhältnis zwischen Agar und Blut bis zum richtigen
Hellrot zu treffen und den Nährboden weder in einer zu dünnen
noch zu dicken Schicht auszugießen.
Auf Blutagar wächst der Str. melanogenes vorwiegend in der
Diploform und bildet derselbe auch auf den Blutnährböden keine nach-
weisbare Gallerthülle.
Tierexperimente.
Mit einer Reihe von spontan aufgetretenen und letal ver-
laufenen Krankheitställen der Pferde wurden Übertragungsversuche
— 535 —
an Mäusen, Kaninchen, Meerschweinchen in größerer Anzahl an-
gestellt, wobei sich in auffälliger Weise ergab, daß die Herbei-
führung erfolgreicher Infektionsversuche ihre Schwierigkeit hat; es
stellte sich heraus, daß die Pathogenität der Streptokokken je nach
dem Verlauf und der Intensität der Pferdekrankheitsfälle eine recht
verschiedene ist, und es ergab sich bei diesen Prüfungen die wich-
tige Tatsache, daß die Virulenz der Streptokokken von akut ver-
laufenden, spontanen Krankheitsfällen (abgesehen von dem zahl-
reicheren Vorkommen des Erregers) viel hochgradiger ist, während
die Streptokokkenvirulenz von chronisch verlaufenden Fällen eine
viel geringere sein kann. Diese Abschwächung der Streptokokken
geht in sehr chronischen Krankheitsfällen zuweilen bis zur
Avirulenz; dieselben werden dann schon vor dem Tode des
Pferdes aus dem Körper ausgeschieden. Dazu kommt, daß bei
chronischem Verlauf dieser Pferdekrankheit der Erreger in fast
allen Körperorganen überaus spärlich vorkommt, so daß die experi-
mentelle Erzeugung der Streptokokkenseptikämie bei Versuchstieren
nicht selten fehlschlägt und zur Irreführung verleitet, zumal dann
der Erreger fast ausschließlich in Diploform und nicht als Strepto-
kokkus vorhanden ist; auch sind bei spärlichem Auftreten der Diplo-
kokken leicht Verwechslungen mit ähnlichen Gebilden (Eiweiß- und
Farbenniederschläge usw.) möglich. In allen akut verlaufenden
Fällen dagegen kann der Nachweis dieser Streptokokkenseuche
auch durch das Tierexperiment unschwer erbracht werden, sofern
nicht zu geringe Mengen des Organsaftes Verwendung finden. Es
wurden erkrankte Milz-, Nieren-, Leber-, Lymphdrüsensubstanz,
Knochenmark und Rückenmark der spontan verendeten oder ge-
töteten kranken Pferde mit steriler Bouillon zu einer Emulsion
verrieben, durch ein steriles, engmaschiges Sieb geseit und mit
gut sterilisierter Spritze in entsprechender Menge teils subkutan, teils
intraperitoneal verimpft; in anderen Fällen wurde ein entsprechendes
Stückchen erkrankten Organgewebes subkutan verimpft.
Auch Infektionen per os wurden bei diesen Versuchstieren
mit Erfolg ausgeführt, indem an Kaninchen und Meerschweinchen
erkrankte streptokokkenhaltige Organteile verfuttert worden sind.
Demnach bestätigte auch das Tierexperiment, daß die spontane
Streptokokkeninfektion vom Darmkanal aus ihren Ursprung nehmen
kann. Auf welche Weise nun immer die Infektion bei den Ver-
suchstieren ausgeführt wurde, es entstand stets eine metastasierende
— 536 -
Allgemeinseptikämie. Bei subkutaner Applikation bildet sich im
Bindegewebe der Impfstelle eine phlegmonöse Entzündung mit
eitriger Einschmelzung des Gewebes und Generalisierung des Pro-
zesses; letztere kommt bei intraperitonealer Einverleibung unter
Bildung einer seroflbrinösen bis eitrigen Peritonitis rasch zustande.
An den Fütterungsversuch schließt sich Magendarmkatarrh, Ein-
dringen der Streptokokken durch die lädierte Schleimhaut bzw.
deren Drüsen in die Lymph- und Blutbahn und allgemeine Infektion
an. Mit Vorliebe etablieren sich darauf die Streptokokken in den
Nieren, der Leber, der Milz und deren Lymphdrüsen, sowie in den
Mesenterialdrüsen, ferner im Knochenmark, Rückenmark nebst seinen
Häuten, sowie in der Spongiosa der Skelettknochen, namentlich der
Oberschenkel- und Wirbelknochen. Die Krankheitserscheinungen
und der Verlauf sind bei Mäusen, Kaninchen und Meerschweinchen
etwa gleich.
Bald nach der Impfung werden die Impftiere (Mäuse, Kanin-
chen, Meerschweinchen) matt, abgeschlagen, sie fressen nicht
mehr und verkriechen sich, dann zeigen sie zunächst mehr oder
weniger vollständige Lähmung im Hinterteil, Mäuse und Meer-
schweinchen schleifen die Hinterfuße nach, die Kaninchen können
mit den Hinterfüßen nicht mehr hüpfen; sodann erstreckt sich die
Lähmung auf alle vier Füße und über den ganzen Körper, die Tiere
magern rasch stark ab und verenden unter allgemeinen Lähmungs-
erscheinungen. Je nach der Menge und der Virulenz des ein-
geimpften Infektionsmaterials verläuft die Krankheit bei den Mäusen
und Kaninchen zumeist nach 1—5 Tagen letal, während die Meer-
schweinchen sehr unterschiedlich nach 1—12 Tagen verenden.
Nach der Infektion genesen Mäuse im allgemeinen nicht oft, während
Kaninchen, namentlich aber Meerschweinchen, welche für diese
Streptokokkeninfektion eine weitgehende natürliche Resistenz be-
sitzen, öfters wieder gesund werden. Es gelingt namentlich die Über-
tragung der Krankheit von chronisch erkrankten Pferden auf diese
Versuchstiere nicht immer, während bei denselben die erfolgreiche
Ansteckung mit einmal gewonnenen Reinkulturen des Str. melanogenes
unschwer zu erzielen ist. Will man daher vom Pferd auf Versuchstiere
überimpfen, so geschieht dies am besten mit abgestuften Dosen des
Materials bei verschiedener Applikation an mehreren Versuchstieren.
Die Sektionsverändernngen stimmen bei Mäusen. Kanin-
chen und Meerschweinchen in eklatanter Weise mit denjenigen
— 537 —
von Pferden, welche an der spontanen Krankheit gefallen sind, überein.
So wie man bei Milzbrand an beliebigen Versuchstieren künstlich
ein und dieselbe Krankheit, wie sie bei den großen Herbivoren
unter natürlichen Verhältnissen auftritt, hervorrufen kann, so gelingt
dies interessanterweise auch im Impfexperiment bei der infektiösen
Rückenmarksentzündung. Die inneren Organe, das Rückenmark,
Knochenmark und die Spongiosa der Skelettknochen zeigen bei den
Versuchstieren dieselben charakteristischen Veränderungen }vie bei
Pferden.
An der Impfstelle findet sich fibrinös-eitrige Entzündung, erysipelatftse
Anschwellung in der Umgebung mit Entzündung und Anschwellung der regio-
nären Lymphgefäße und Lymphdrüsen. Die Blutgefäße der Unterhaut sind
stark injiziert, Blut dunkel, teerartig, flüssig, das Bauchfell getrübt, Gefäße
der Subserosa stark injiziert mit Hämorrhagien. Bauchhöhle enthält getrübtes,
graugelb-flockiges eiterkörperchenhaltiges Exsudat (fibrinös-eitrige Peritonitis).
Leber: Stark hyperämisch, geschwollen (trübe Schwellung). Akuter
Milztumor.
Nieren: Dunkelblaurot, stark hyperämisch, durch Schwellung vergrößert,
in der Nierenrinde starke Gefaßinjektion und zahlreiche kleinste Hämorrhagien
(hämorrhagische Nephritis).
Nebennieren: hyperämisch.
Harnblase oft mit blutig-rötlich gefärbtem Harn gefüllt, besonders bei
Kaninchen. Harn enthält zahlreiche Blasenepithelien und rote Blutkörperchen.
Die die Obersehenkelknochen umgebende Muskulatur blutig infiltriert.
Periost der Röhrenknochen gerötet, enthält Hämorrhagien, das Knochenmark
entzündet, erweicht, von Blutungen durchsetzt, wie Himbeergelee (namentlich
bei Kaninchen) nach Farbe und Beschaffenheit aussehend, stark erweicht, blutig,
flüssig (bei Mäusen) (hämorrhagische Periostis und Osteomyelitis).
Die Muskulatur ist in der Umgebung der Wirbelsäule, namentlich der
Lendenwirbel, stark hyperämiert, zuweilen durch Blutextravasate schwarzrot
verfärbt; die Spongiosa der Wirbel ist stark hyperämisch, erweicht und
schwarzrot bis tief braunschwarz. Im Rückenmarkskanal findet sich Exsudat,
die Rückenmarkshäute sind entzündlich verändert; die Arachnoidea spinalis
ist stark gelatinös aufgequollen, die Gefäße der Pia mater spinalis ganz auf-
fällig stark hyperämiert und die feinen Kapillarnetze ektasiert. Das Rücken-
mark zeigt auf Querschnitten kleinste punktförmige Hämorrhagien und deut-
liche Kapillarinjektionen, sowie stellenweise Erweichungen (Myelitis und Me-
ningitis spinalis haemorrhagica).
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Impftiere findet
sich im Eiter der Impfstelle, im Bauch- und Brusthöhlenexsudat
der Str. melanogenes sehr zahlreich, spärlicher ist er im Blut, über-
aus zahlreich in den Nieren (bei Mäusen und Kaninchen in der
Leber), bei Kaninchen desgleichen im Knochenmark des Femur, in
Zeitschrift fQr Infektionskrankheiten. II, 6. 35
— 538 -
der Spongiosa der Wirbel und im Rückenmark. Namentlich die
Leber und die Nieren enthalten die Diplostreptokokken massenhaft,
im blutig verfärbten Harn befinden sie sich neben zahlreichen
Blasenepithelien und roten Blutkörperchen.
Infektionsversuche an Pferden. Die Erfahrungen über
Infektionsversuche mit dem Str. melanogenes am Pferde, welche ich
teils schon im Jahre 1902, teils an dem nachher zu beschreibenden
Falle gewonnen habe, lehren, daß Pferde mit diesen Streptokokken-
reinkulturen auf dem Wege der Blutbahn kaum tödlich zu infizieren
sind, da ihnen größere Mengen dieser Streptokokkenbouillonkulturen
von 100 ccm und darüber endovenös eingespritzt werden können,
ohne daß sie tödlich erkranken, wiewohl sich in der Nachhand die
charakteristische Schwäche und unvollständige Lähmung, sowie der
steife Gang einstellen, nach und nach aber wieder verschwinden.
Auch per os kann die Krankheit nach dem Verfüttern von großen
Quantitäten von diesen Streptokokkenreinkulturen nicht mit Sicher-
heit erzeugt werden; offenbar können die Streptokokken durch die
unverletzten Verdauungswege nicht, oder in nur ungenügenden
Mengen in die Lymph- oder Blutbahnen eindringen. Das Blut
gesunder Pferde ist ferner imstande, durch seine reichlichen bak-
teriziden Kräfte diese Streptokokken in größeren Mengen abzu-
töten, auch werden sie durch Kot und Harn ausgeschieden, falls es
ihnen nicht vorher gelingt, sich an Haftstellen, lädiertem Organ-
gewebe festzusetzen. Es besteht daher begründete Aussicht auf
Gewinnung eines praktisch brauchbaren Impfstoffes. Durch die
intraperitoneale Applikation hingegen konnte diese Streptokokken-
septikämie beim Pferde unter Entstehung der charakteristischen
klinischen und anatomischen Kennmale in folgendem Falle experi-
mentell erzeugt werden.
Versuchspferd: Schwarzbrauner Wallach, 21 Jahre alt
158 cm hoch, bisher gesund und im Allgemeinbefinden normal, wird
am 22. Januar 1906 mit einer Bouillonreinkultur dieser Streptokokken
(gezüchtet aus dem am 14. Januar 1906 an spontaner Strepto-
kokkenseptikämie verendeten Pferde) endovenös, subkutan und intra-
peritoneal infiziert. Gleichzeitig mit diesem Pferd werden mit der-
selben Kultur zwei Mäuse und ein Kaninchen infiziert, welche nach
Ablauf eines Tages der Infektion erliegen.
Am 23. Januar 1906 zeigt das Pferd: T.38,5, P.64, A. 16. Das Befinden
ist außerordentlich verändert, Futter- und Getränkaufnahme unterdrückt, die
— 539 —
Injektionsstelle ist an der linken Schulter schmerzhaft und auf Sappenteller-
größe geschwollen, Schleimhäute des Kopfes gerötet, aus der Nase ergießt sich
tropfenweise serös-schleimiger Ausfluß. Atmung angestrengt mit lautem Schniefen,
Puls beschleunigt, Herzschlag pochend, Sensorium eingenommen, Kopf gesenkt:
das vorher muntere Pferd ist teilnahmslos. Im Hinterteil ist das Pferd schwach,
lehnt sich an die Wand, kann nicht hin- und hertreten, beim Gehen droht es
vor Schwäche in den Gliedmaßen zusammenzubrechen, Kruppen, Schulter- und
Halsmuskeln zittern.
24. Januar 1906. T. 37,8, P. 50, A. 12, Futteraufnahme gering, Sen-
sorium freier, Schwäche im Hinterteil geringer.
25. Januar 1906, 7 Uhr vormittags. T. 38,4, P. 48, A. 16.
25. Januar 1906, abends. T. 39,4, P. 100, A. 77, Atmung beschleunigt,
angestrengt, Pferd matt abgeschlagen, Futteraufnahme sistiert, bedeutende
Schwäche in der Nachhand und auf den Vorderfüßen; Anlehnen gegen die
Wand, abends Zusammenbrechen des Pferdes, es ist unvermögend aufzustehen,
mit den Füßen führt es schlenkernde und schwimmende Bewegungen aus, am
ganzen Körper Zittern und Schweißausbruch, Tod ohne besondere Krämpfe am
26. Januar 1906.
Die alsbald vorgenommene Sektion und bakteriologische
Untersuchung des Pferdekadavers ergab folgendes:
An der linken Schulter befindet sich eine diffuse, dicke, eitrig infiltrierte
Schwellung bis zum linken Karpalgelenk herab.
Muskulatur dunkelbraunrot, Blut schwarzrot, teerartig, lackfarben,
dickflüssig.
Bauchhöhle: Enthält ca. 1 1 gelber, getrübter Flüssigkeit, Peritoneum
mit vielen kleinsten Hämorrhagien.
Leber: Durch Schwellung auf das Doppelte vergrößert, mürbe, brüchig.
Milz: Unter der Kapsel sehr zahlreiche, kleinste Hämorrhagien, Milz
vergrößert, Pulpa schwarzrot erweicht.
Nieren: Blaurot, auf der Oberfläche sind zahlreiche, stecknadelkopfgroße
Hämorrhagien sichtbar, Schnittfläche vorspringend, außerordentlich blut- und
saftreich, Gefäße stark injiziert mit Blutaustritten. Rindenzeichnung undeutlich.
Harnblase: Serosa fleckig gerötet, Harn dunkelgelb, enthält zahlreiche
Plattenepithelien ; chemisch wurden Gallenfarbstoffe und Eiweiß in mäßigen
Mengen nachgewiesen.
Brusthöhle: Herzbeutel mit gelber Flüssigkeit angefüllt. Herz und Lunge
ohne nennenswerte Veränderungen.
Skelett: Muskulatur und Periost an den Oberschenkel- und Oberarm-
knochen stark hyperämisch von Hämorrhagien durchsetzt; das rote und gelbe
Mark der vier Röhrenknochen enthält erbsen- bis haselnußgroße zirkumskripte,
blutig-fibrinöse schwarzrote Infiltrationen; an anderen Stellen ist das gelbe Mark
gallertig und erweicht bis flüssig. Die im Knochen und im Mark verlaufenden
Blutgefäße stark injiziert mit zahlreichen Blutextra vasaten.
Wirbelsäule: Die die Wirbelsäule umgebende Muskulatur stark hyper-
ämisch dunkelbraunrot, Spongiosa der Wirbelspaltflächen auffallend blutreich,
schwarzrot, weicher. Im Rückenmarkskanal getrübte dunkelgelbe Flüssigkeit,
35*
— 540 -
Gefäße der Rückenmarkshäute stark hyperämisch, Mark auf Schnittflächen mit
kapillären Blutungen, stellenweise erweicht.
Diagnose: Serös eitrige Peritonitis, hämorrhagische Nephritis, Milztumor
hämorrhagisch-fibrinöse Osteomyelitis, Myelitis und Meningitis spinalis.
Bakteriologische Untersuchung: Aus Leber-, Milz-.
Nieren-, Lungensaft, Bronchialschleim, Knochenmark, Rückenmark,
dem Bauchhöhlenexsudat und Rückenmarkskanal wurden Deckglas-
ausstriche gefertigt, und überall mehr oder weniger zahlreich der
Str. melanogenes nachgewiesen. Aus dem Saft genannter Organe
dieses Pferdes wurden Kulturen auf Bouillon, Agar und Serum an-
gelegt, in welchen der Str. melanogenes reingezüchtet wurde,
die damit infizierten Versuchstiere ^starben wieder an dieser Strepto-
kokkenseptikämie.
Des weiteren wurde eine Reihe von Versuchstieren direkt
mit Peritonealexsudat und Knochenmark subkutan oder intraperitoneal
infiziert, welche alle nach ein bis zwei Tagen an dieser Streptokokken-
septikämie verendeten. Die Sektion der Impftiere ergab dieselben
charakteristischen Veränderungen, wie sie schon oben beschrieben
wurden, und auch in den Organen, im Knochen- und Rückenmark
dieser Impftiere wurden die Diplostreptokokken zahlreich nach-
gewiesen; der Harn der Kaninchen war blutig verfärbt und enthielt
ebenfalls Diplostreptokokken. Dieselben konnten aus den Organen
aller Impftiere reingezüchtet werden.
Der Str. melanogenes ist daher artverschieden (besonders in
seiner biologischen Wirkung) von anderen Streptokokken des Pferdes,
wie Str. pyogenes, Streptokokken der Druse, Bornastreptokokken.
Somit konnten alle ätiologischen Beweise hinsicht-
lich der Entstehung der infektiösen Rückenmarksentzun-
dung erbracht werden.
Zwecks Feststellung der infektiösen Rückenmarksentzündung
empfiehlt es sich, die Milz, Niere, einen aus den Muskeln geschälten
Oberschenkelknochen, die Lendenwirbelsäule samt Lendenmark und
ein abgebundenes Darmstück der erkrankten Pferde an Institute
gut verpackt als Expreßgut einzusenden.
Kasuistik.
1. Apfelachimmel8tate, Doppelpony; dieselbe stammt ans einem Pferde-
bestande, in welchem in den letzten 21 /, Jahren schon neun Pferde an infektiöser
Rückenmarks entzündung gefallen sind, und wurde im August angekauft, seit
- 541 —
sieben Tagen krank, ließ nach in der Freßlust und wurde leer, während der
letzten drei Tage traurig, matt, abgeschlagen, Gang schwankend. Seit gestern
Pferd zusammengebrochen, Harn dunkelbraunrot (wie bei schwarzer Harnwinde)
und Durchfall Am 14. Januar 19' 6, früh l/ß Uhr, Eintritt des Todes. Ein-
schlafen ohne Todeskampf, kein Stöhnen, keine Aufregungen, keine Bewußt-
seinsstörungen.
Bauchhöhle: Enthält ca. 3 1 klare, rötliche Flüssigkeit.
Magendarm: Wenig gefüllt, unter der Darmserosa und besonders unter
der des Gekröses zahlreiche Hämorrhagien (ähnlich wie bei Milzbrand). Auf
der Magenschleimhaut massenhaft Castros equi, im Dünndarm zahlreiche Exem-
plare von Ascaris megalocephala. Schleimhaut des Dünndarmes zeigt an ver-
schiedenen Stellen bis eßlöffelgroße, fleckige Rötungen. Schleimhaut des
Coecums und Kolons Ödematös aufgequollen.
Vordere Gekröswnrzel : Enthält ein altes, geringgradiges Aneurysma;
weder Dünndarm- noch Grimmdarmarterien thrombosiert.
Leber: Auf das Doppelte vergrößert, geschwollen, Lebergallengänge
stark erweitert, mit dicker Galle gefüllt. Schleimhaut der Gallengänge teil-
weise verdickt, durch auffallend zahlreiche Hämorrhagien fleckig gerötet. Schnitt-
fläche gallig-gelb bis grün verfärbt, fettig glänzend, Acini undeutlich, Bruch
leicht schmierig. In einem Gallengang befindet sich ein weiblicher Ascaris
megalocephala, ca. 20 cm lang, 0,5 cm breit, mitten durch die Leber gelegen.
Nieren: Geschwollen, Kapsel stellenweise schwer abziehbar, Oberfläche
punktförmig und fleckig bis auf Talergröße gerötet, Rindenscbicht auf der
Schnittfläche vorspringend, verbreitert, getrübt, graurot, im Verlauf der Ge-
fäße zahlreiche punkt- und strichförmige Blutextravasate ; Mark- und nament-
lich Grenzschicht dunkelbläulichrot, hochgradig hyperämisch; in der Schleim-
haut der Nierenbecken zahlreiche fleckige Hämorrhagien, Nierenbecken mit
eingedicktem, stark schleimigem, rötlichem Harn gefüllt; Diplostreptokokken
daselbst ziemlich zahlreich nachgewiesen.
Nebennieren vergrößert, Markschicht stark hyperämisch, Rindenschicht
graugelb.
Milz: Ums Doppelte vergrößert, dunkelbraunrot, weich, Ränder abge-
rundet, unter der Kapsel zahlreiche dunkelrotc, kleinere und größere Hämor-
rhagien, Schnittfläche in Konsistenz und Aussehen wie Himbeermus, zeigt
größere schwarzroto Blutextravasate. Diplostreptokokken spärlich.
Lymphdrüsen des Gekröses, der Leber, der Nieren und Milz durch stark
serös-hämorrhagische Infiltrationen um das Mehrfache vergrößert, geschwollen,
dunkelbraunrot gefleckt oder diffus blutig verfärbt. Diplostreptokokken ziem-
lich zahlreich vorhanden.
Lungo normal.
Herz: Hypertrophisch. Unter dem Epikard und Endokard finden sich
zahlreiche kleinere und größere Hämorrhagien, namentlich im Verlauf der
Gefäße der Kranzfurche und der Längsfurchen.
Klappenapparat ohne Sonderheiten, Myokard graurot, trübe, brüchig (fettige
Degeneration).
— 542 —
Röhrenknochen der Extremitäten: Die umgebende Muskulatur stark hyper-
ämisch; die entfernter gelegene graurot. Periost stark fleckig gerötet, Ge-
fäße desselben hyperämisch. Das rote Mark der Spongiosa weist herdförmige?
dunkelbraunrote bis schwarze, fleckige und diffuse hämorrhagische Infiltrationen
auf. Die stärksten Veränderungen befinden sich in der proximalen Epiphyse
in der Nähe des Hüftgelenkes. Im gelben Markzylinder findet sich ein hühnerei-
großer, schwarzroter, scharf begrenzter, hämorrhagisch-fibrinöser Herd; an einer
anderen Stelle liegt im Fettmark ein markstückgroßer, graugelber, durch serös-
schleimige Degeneration stark erweichter Herd, dessen Inhalt teilweise abge-
flossen ist. Diplostreptokokken mäßig zahlreich nachgewiesen.
Wirbelsäule: Die in deren Nähe gelegenen Muskelpartien (namentlich
die Psoasmuskeln) parenchymatös degeneriert; Wirbel auf der Spaltfläche stark
hyperämisch, schwarzrot bis tintenschwarz.
Rückenmark: Im Subdural- und Subarachnoidealraum findet sich eine
größere Menge rötlichen, getrübten Exsudates, welches ziemlich viel rote und
weiße Blutkörperchen und den Infektionsträger enthält. Gefäße der Dura matcr
spinalis und der Pia mater spinalis stark injiziert, Arachnoidea spinalis durch seröse
Infiltration stark gequollen; Querschnitt des Rückenmarkes enthält zahlreiche
punkt- und strichförmige Blutinfiltrationen und die Diplostreptokokken spärlich.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Parenchymatös-hämorrhagische Ne-
phritis, trübe Schwellung der Leber, akuter Milztumor, hämorrhagische Peri-
ostitis und Osteomyelitis, beträchtliche Myelitis und Meningitis spinalis, paren-
chymatöse Degeneration der Muskulatur, akute Lymphdrüsenentzündung, all-
gemeine Neigung des Kadavers zu blutigen Diffusionen (Paralysis infectiosa).
2. Stute, schwarzbraun, 11 Jahre alt
Anamnese: Beginn der Krankheit am 2. März 1906, nachdem das Pferd
schon seit etwa acht Tagen etwas Nasenausfluß aus dem rechten Nasenloch gezeigt
hatte. Acht Tage vor Anfang der Krankheit hat Besitzer begonnen, dem Pferde
Mais zu füttern. Keine Drüsenschwellung im Kehlgang Das Pferd zeigte
zeitweise Aufblähen, es war der Hinterleib auffallend stärker gefüllt, aufgebläht,
bald wieder eingefallen (schleichender Darmkatarrh). Kot- und Harnabsatz
anscheinend normal. Schwitzen wurde nicht beobachtet. Vom zweiten Tage
ab zeigte das Pferd grattligcn, breiten, steifen Gang, im Stalle beim Stehen
Trippeln mit den Hinterfüßen, Überköten der Fessel der Hinterfüße, Schwäche
im Hinterteil, Parese der Nachhand, hohe Temperaturen von 40—41° C. Bei
den Bewegungen des Pferdes in der Nachhand stellt sich infolge der Sehmerzen
rascheres Atmen ein. Am 3. März Zusammenbrechen (wie bei schwarzer Harn windet
und Anschwellung der Hinterfüße, unter Nachhilfe konnte das Pferd aufstehen:
am 6. März abermaliges Zusammenbrechen, es ist jetzt unvermögend, aufzustehen,
schwimmende Bewegungen mit den Füßen. Auf der linken Seite Dekubitus,
besonders an den Augenbogen. Eintritt des Todes am 7. März abends ohne
Todeskampf.
Sektion am 8. März, abends 6 Uhr.
A. Äußere Besichtigung: Kadaver abgemagert, Körperoberfläche zeigt
an verschiedenen Stellen Dekubitus. Aus dem rechten Nasenloch etwas Aus-
fluß. Hinterleib zusammengefallen, Totenstarre wenig entwickelt
— 543 —
B. Innere Besichtigung: Panniculus adiposus wenig entwickelt; Blut in
den Achselgefäßen und den Jugularvenen schlecht geronnen, dickflüssig,
schwarzrot, teerartig, lackfarben.
In der Bauchhöhle ca. 1 1 serös-blutige, trübe Flüssigkeit.
Magendarmkanal mäßig gefüllt, Schleimhaut des Dünndarmes mit zäh an-
haftendem, grauweißem Schleim bedeckt, stellenweise fleckig gerötet. Die
Darmdrüsen, namentlich die Peyerschen Platten, geschwollen, über die Ober-
fläche vorspringend, areoliert, Dickdarmschleimhaut stellenweise diffus dunkel-
rot verfärbt, aufgelockert.
Leber: Durch Schwellung stark vergrößert, Ränder abgerundet, mürbe,
brüchig.
Beide Nieren, namentlich aber die linke, durch Schwellung um die Hälfte
vergrößert, Rindenschicht graurot, Markschicht hyperämisch, dunkelblaurot und
mit zahlreichen Blutpunkten, Nierenlymphdrüsen stark geschwollen.
Milz: Unter der Kapsel finden sich bis linsengroße, fleckige, schwarzrote
Hämorrhagien in großer Anzahl; Milz in toto vergrößert, in der Milzpulpa,
welche stark erweicht ist, finden sich Blutaustritte bis zur Münzengröße. Milz-
lymphdrüsen bedeutend vergrößert.
Brusthöhle und Herzbeutelhöhle enthalten serös-blutige Flüssigkeit, Herz
auffallend schlaff, in Diastole befindlich, Herzbasis stark verbreitert, beide Herz»
hälften mit Agoniethromben und flüssigem, teerartigem, lackfarbenem Blut gefüllt.
Klappenapparat ohne Veränderung, Myokard graurot, mürbe, brüchig, wie gekocht.
Lungen: Stauungshyperämie und agonales Ödem, Kehlgangslymphdrüsen
normal.
Lokomotionsapparat: Die beiden Oberschenkelknochen zeigen in der in
ihrer Nähe gelegenen Muskulatur zum Teil größere, schwarzote Blutaustritte.
Periost dieser Knochen stark gerötet, hyperämiert, Corticalis mit zahlreichen
strich- und punktförmigen Blutungen; Spongiosa: Cellulae medulläres, besonders
der proximalen Epiphyse, durch blutige und fibrinöse Infiltrationen ausgefüllt,
verstrichen, glatt, glänzend, schwarzrot, an verschiedenen Stellen tief schwarz-
braun (Melaninanhäufung infolge Umsetzung des Blutfarbstoffes); Fachwerk der
Bälkchen und Blättchen erweicht, mit dem Fingernagel eindrückbar. Gelbes
Fettmark durch einen zirkumskripten, hühnereigroßen, blutig-fibrinösen Infil-
trationsherd fast in toto schwarzrot verfärbt.
Oberarmbein: Hämorrhagische Periostitis, hämorrhagische Ostitis, hämor-
rhagische, frische, herdförmige Entzündungen in der Spongiosa und etwas ältere
fibrinöse Infiltrationen im gelben Mark, welche großenteils zu myxomatös ent-
artetem, jungem Bindegewebe organisiert sind; letzteres ist zu erbsen- bis
bohnengroßen zystischen Membranen formiert, in dessen Maschenräumen wäß-
rige Blutflüssigkeit sich findet.
Wirbelsäule: Muskulatur in der Umgebung derselben mit Blutungen und
parenchymatös degeneriert; Spongiosa aller Teile der Wirbel, namentlich aber
der Wirbelkörper, schwarzrot bis tintenschwarz, erheblich erweicht, die Mark-
zeil en durch blutige Infiltrate ausgefüllt, verstrichen, leicht schneidbar, bröcklig,
Corticalis stark hyperämisch. Im Rückenmarkskanal blutig-rötliche Flüssigkeit.
Arachnoidea spinalis gallertig aufgequollen. Gefäße der Pia mator spinalis
— 544 —
mit dunkelrotem Blut stark gefüllt, auch die feinsten Kapillarnetze treten stark
hervor. Rückenmarkssubstanz herdförmig, rötlich verfärbt, erweicht, getrübt.
Mikroskopisches: In vielen Deckglasausstrichen wurden die Diplostrepto-
kokken mehr oder weniger zahlreich in folgenden Organteilen nachgewiesen:
in den Ausführungsgängen der Peyerschen Platten und in den fleckig-blutigen
Rötungen des Dünn- und Dickdarmes zahlreich unter anderen Saprophyten; in
der Leber mäßig zahlreich, in den Nieren und Nierenlymphdrüsen zahlreich,
in Milz und Milzlymphdrüsen mäßig zahlreich, im Femur zahlreich, im Htimerus
spärlich, in Tibia spärlich (Veränderungen gering), im Spongiosaabstrich mitten
aus den Wirbeln und den Beckenknochen sehr zahlreich, im Rückenmarks-
kanal und Rückenmark mäßig zahlreich.
Diagnose: Geringgradiger chronischer Darmkatarrh, trübe Schwellung
der Leber, hämorrhagisch-parenchymatöse Nephritis, Milztumor, hämorrhagisch-
parenchymatöse Degeneration dos Herzens, Hämatolysis, hämorrhagische Osteo-
myelitis der Röhrenknochen, der Wirbel- und Beckenknochen. Myelitis und
Meningitis spinalis (infektiöse Rückenmarksentzündung).
Erklärung der Tafeln.
Tafel VI.
Fig. 1. Blutagarplatte bei auffallendem Licht (Natürliche Größe.)
a) Drei Tage altes Wachstum des Streptococcus melanogenes;
b) melanotische Verfärbung in dessen Umgebung infolge Hämolyse und Um-
wandlung des roten Blutfarbstoffes;
d) Wachstum des Streptococcus mastitidis von der Kuh ohne Veränderung
des Hämoglobins.
Fig. 2. Dieselbe Blutagarplatte bei durchfallendem Licht.
a) Fünf Tage altes Wachstum des Streptococcus melanogenes;
b) Schwarzfärbung in dessen weiterer Umgebung durch Umwandlung des
Hämoglobins in Melanin;
c) in nächster Umgebung des Wachstums des Streptococcus melanogenes
macht die melanotische Verfärbung infolge Resorption des Farbstoffes
einer glasigen Aufhellung Platz;
d) Wachstum des Streptococcus mastitidis der Kuh ohne. Veränderung des
Hämoglobins.
Tafel VII.
Rechtes Oberschenkelbein des Pferdes mit Osteomyelitis haemorrhagica.
Sagittalschnitt, mediale Hälfte. (»/f der natürlichen Größe.)
a) Hämorrhagische Herde in den Markzollen der Spongiosa der Epiphysen
am hochgradigsten in der proximalen (in der Figur nach oben gekehrten)
Epiphyse;
b) hühnereigroße, blutig-fibrinöse Infiltration in der vorderen, oberen Partie
des gelben Markzylinders, welche glatt, homogen, scharf demarkiert und
im Anschlüsse an den Verlauf der Ernährungsgefäße entstanden ist;
o) normale medulla ossium flava.
— 545 —
Tafel VIII.
Fig. 1 u. 2. Eröffnete Lendenwirbelsäule des Pferdes mit Osteomyelitis hae-
morrhagica und mit Meningpmyelitis haemorrhagica (3/5 natürl. Größe),
kr = kranial; ka = kaudal; do = Dorsalfläche des Lendenmarkes.
a) Links in Fig. 1 der dorsale Teil des Wirbelkanals mit stark injizierten
Gefäßen und hämorrhagisch-fibrinösen Infiltraten im lockeren Gewebe des
Epiduralraumes, noch deutlicher rechts in Fig. 2, woselbst im Cavum
epidurale auf der uneröffneten Dura mater spinalis V»— 1 cm dicke hä-
morrhagisch-fibrinöse, dunkelbraunrote Exsudate liegen, welche sich auch
auf die austretenden Nervenstränge durch die Zwischenwirbellöcher fort-
setzen ;
b) bläulichgraue, getrübte Dura mater spinalis, durch welche hindurch die
stark gefüllten Blutgefäße sichtbar sind;
c) Sägeschnittfläche der Wirbel mit hochgradiger Osteomyelitis haemorrhagica
und dunkelbraunschwarzer Verfärbung der Spongiosa.
Fig. 3. Dorsalfläche des Lendenmarkes (natürliche Größe).
e) Hochgradig hyperämierte Blutgefäße der Pia mater spinalis;
f) zahlreiche kleinste Hämorrhagien.
Fig. 4. Querschnitt durch dasselbe Lendenmark (natürliche Größe).
g) Zahlreiche Kapillarapoplexien;
h) Myelomalacia rubra der grauen Substanz.
Fasciola hepatica L. im Leberparenchym.
Nebst einigen Bemerkungen über die „enzootische Leberentzündung
der Ferkel".
Von
Professor Dr. K. WolffbflgeL
Unlängst beschrieb Pfeiler1) einen interessanten Fall von
„Distomatose der Rehleber". Bis kastaniengroße Knoten, die im
Leberparenchym unter der Glissonschen Kapsel liegend, über die
Organoberfläche prominierten, besaßen eine knorpelharte Binde-
gewebskapsel und enthielten in einer, mit einer dunkelbraunroten
Flüssigkeit gefällten zentralen Höhlung je ein 16—20 mm langes
„unverkümmertes" Exemplar des Leberegels (Fasciola hepatica).
Ebensolche, aber jüngere Veränderungen habe ich untersucht.
Am 25. November 1900 wurde dem Hygienischen Institut der
Berliner Tierärztlichen Hochschule ein Stück Schweineleber ein-
geliefert. An der Leberoberfläche fanden sich zerstreut weißgelbe,
prominierende, runde Stellen von 8 mm und etwas mehr Durch-
messer. In deren Nachbarschaft ist das interstitielle Bindegewebe
der Leber verdickt. Als etwa erbsengroße Knoten erstrecken sich
die Erhabenheiten ins Lebergewebe. Die Knoten bestehen ans
einer 2 mm, an manchen Stellen bis 3 mm dicken Bindegewebs-
kapsel. In einer zentralen Höhle von bis 3 mm Durchmesser
findet sich ein brauner, dickflüssiger Inhalt, der aus Rundzellen
besteht. In dieser Masse fand sich bei zwei Knoten je ein Trema-
tode von sehr geringen Dimensionen. In Glyzerin montiert, zeigten
diese Parasiten bei der mikroskopischen Untersuchung folgendes:
Präparat 1.
Der Trematode ist eiförmig, mit vorderem stumpfem Pol.
Länge 1,27 mm.
Größte Breite 0,59 mm.
l) Zeitschrift f. Fleisch- und Milchhygiene, 17. Jahrg., 1907, S. 174.
— 547 —
Bauchsaugnapf rund, von 0,187 mm Durchmesser.
Mundsaugnapf 0,14 mm breit und 0,086 mm lang, sein Durchmesser von vorn
nach hinten.
Darmschenkel, wo sichtbar, mit Seitenzweigen, die sich je in zwei Ästchen
spalten. Letztere sind durch eine rote, aus Kristallnadeln bestehende
Masse bauchig ausgedehnt und reichen bis an die Seitenränder des
Parasiten.
Präparat 2.
Form des Trematoden oval, mit oralem stumpfem Pol.
Länge 1,29 mm.
Größte Breite 0,73 mm.
Ventraler Saugnapf rund, von 0,187 mm Durchmesser.
Mundsaugnapf nicht sichtbar.
Darmschenkel undeutlich.
Die beiden beschriebenen Trematoden sind, im Einklang mit
der Beschreibung und Abbildung von Thomas1), zweifelsohne
Jugendstadien von Fasciola hepatica L. und gehören zu den
kleinsten beobachteten Exemplaren. Thomas beschrieb ein
Exemplar von 1,1 mm und eins von 1,25 mm Länge; auch er
gab eine größte Breite von 0,7 mm an.
Die Anfangsstadien der von Pfeiler und mir beobachteten,
durch Fasciola hepatica gesetzten Veränderungen der Leber finden
wir schon längst in der Literatur beschrieben, und zwar zuerst
von Thomas.2) Leuckart schreibt hierüber: „Fälle frischer Ein-
wanderung sind leider bis jetzt erst einige untersucht worden.
Eine dieser wenigen Beobachtungen, von allen die früheste, ver-
danken wir Thomas. Sie betrifft das schon oben von uns an-
gezogene Schaflamm (in dem die beiden kleinen Leberegel gefunden
wurden), das noch eine Woche vor seinem Tode auf dem Infektions-
herde weidete. Bei oberflächlicher Betrachtung konnte die Leber
des Lammes fast für gesund gelten und doch enthielt dieselbe über
200 Egel, freilich sämtlich von nur geringer Größe (von 1—8 mm).
Die größere Menge der Parasiten bewohnte die engeren Gallen-
gänge, nicht die weiten, die kaum irgendwie verändert schienen.
Ein anderer Teil aber fand sich außerhalb der Gallenwege, je im
Mittelpunkt eines mehr oder minder stark erweichten Entzündungs-
herdes. Es waren vornehmlich die peripherischen Partien der Leber,
*) Leuckart, R, Die Parasiten des Menschen, 1. Bd., 2. Auflage,
S. 288, S. 289, Fig. 143.
*) 1. c. S. 303.
— 548 —
welche diese Parenchymwürmer beherbergten^ Besonders häufig
waren dieselben in der Nähe der Oberfläche, die an manchen Stellen
auch von den Parasiten durchbohrt war, so daß letztere mehr oder
minder weit hervorragten. Einzelne Exemplare lagen dicht unter
dem peritonealen Überzuge der Leber."
Auch Friedberger1) verdanken wir die Kenntnis von Ver-
änderungen durch ins Leberparenchym eingedrungene Trematoden
bei Schaflämmern. Er fand bis in die freie Leibeshöhle vorgedrungene
kleine Leberegel (F. hepatica). Hervorragungen an der Oberfläche
umschlossen vielfach einen Blutherd oder einen mit blutigem Inhalt
gefüllten Gang von 1 — 2 cm. Im Innern lag ein erst wenig ent-
wickeltes Distomum von 3—6 mm. „Das Parenchym der Leber
zeigte gleichfalls hier wie da, aber seltener als die Oberfläche
lakunäre Räume, die mit blutigem Inhalt gefällt waren und vereinzelt
wiederum ein unentwickeltes Distomum beherbergten44. In der Leber
eines anderen Lammes fand Friedberger unter anderem folgende
Veränderungen:2) „Die peripherischen Blutherde und blutgefiülten
Gänge waren in geringerer Anzahl vorhanden. Dafür aber enthielt
das derbe und an einzelnen Stellen deutlich sklerotische Leber-
gewebe zahlreiche verschieden große lakunäre Räume (zum Teil
von der Größe einer kleinen Erbse), die in einer blutig rotbraunen
Inhaltsmasse je ein unentwickeltes Distomum umschlossen. Die
Masse selbst zeigte bei mikroskopischer Untersuchung außer roten
und weißen Blutkörperchen eine Menge fettig degenerierter Leber-
zellen und deren Zerfallsprodukte. Ein Zusammenhang mit größeren
Lebergängen war nirgends, ein solcher mit Blutgefäßen wenigstens
nicht immer nachweisbar".
Bisher nahm man an, daß von den Egeln aus den hämorrha-
gischen Herden des Leberparenchyms einzelne sich3) „aus der
zerfallenen Gewebsmasse durch Übertritt in die benachbarten Gallen-
gänge dem Untergange entziehen mögen, die Mehrzahl aber doch
früher oder später demselben anheimzufallen scheine". Wie wir
gesehen haben, sind aber mitunter die Trematoden, trotzdem sie
sich unter anormalen Bedingungen befinden, lebenskräftiger, reizen
das Nachbargewebe zu reaktiver Entzündung und werden durch
l) Friedberger, Deutsche Zeitschr. f. Tiermed. u. vgl. Pathologie 1878,
Bd. II, S. 163
9) Zitat nach Leuckart: 1. c. S. 304 ff.
3) 1. c. S. 308.
— 549 —
Bindegewebe eingekapselt. In solcher Gefangenschaft scheint der
Parasit aber noch lange aushalten zu können, wie aus der knorpel-
harten Beschaffenheit der Kapsel der Knoten aus der Rehleber zu
schließen ist. Ob die pathologisch-anatomischen Veränderungen (Ab-
kapselung der Trematoden im Leberparenchym) auch gefunden
werden, ohne daß die Veränderungen durch Distomatose an den
Gallengängen zugegen wären, kann ich nach meinem Fall, da mir
nur ein Leberstück vorlag, nicht entscheiden. Pfeiler, der nicht
von einer Veränderung der Gallengänge der fraglichen Rehleber
spricht, wird die Frage bestimmt beantworten können.
Unter „Enzootischer Leberentzündung der Ferkel" be-
schreibt Kleinpaul1) eine Krankheit, die nichts anderes als Disto-
matose ist. Man stelle die Sektionsbefunde bei Ferkeln, wie sie
Kleinpaul gibt, denen gegenüber, die Friedberger (an oben er-
wähnter Stelle) von Lämmern, die an Distomatose gelitten hatten,
bekannt gab. Die beste Übereinstimmung der pathologischen
Prozesse der Ferkel- und Lammlebern, vor allem der durch ins
Leberparenchym eingewanderte, junge Trematoden gesetzten Ver-
änderungen! Nur fehlt in der Kl ein paul sehen Beschreibung der
Nachweis der jungen Fasciola hepatica. Das Suchen nach diesen
Parasiten in weiteren Fällen wird sicher von Erfolg gekrönt sein.
Das Verdienst Kleinpauls, als Erster das Krankheitsbild der Disto-
matose der Ferkel bekannt gegeben zu haben, wird der Erfolg,
den die hygienische Bekämpfung dieser Seuche verspricht, noch
mehr hervorheben.
l) Berliner tierärztliche Wochenschrift 1907, Nr. 9, 8. 131—132.
Über Pseudo-Maul- und Klauenseuche.
Von
Dr. med. vet Lothar Kantorowicz
in Mflhlberff a. Elbe.
In der Fachliteratur finden sich mehrfach seuchenhafte Er-
krankungen der äußeren Haut am Maule und der Maulschleimhaut
bei Rindern beschrieben, die größeres Interesse erweckten, da sie
in „gewissen Stadien zur Verwechslung mit Aphthenseuche fuhren
konnten". (Ostertag und Bugge.1) Es sind dies die Veröffent-
lichungen von Heß,2) Peters,8) Hajnal,4) Ostertag und Bugge1)
sowie Pusch.5)
Wenn die Darstellungen dieser Autoren auch in manchen
Punkten verschieden sind, so handelt es sich doch in allen Fällen
um eine Stomatitis, also lediglich um eine Pseudomaulseuche.
Ich hatte nun Gelegenheit, bei drei Kühen ein seuchenhaftes
Exanthem zu beobachten, und zwar nicht nur am Maule, sondern auch
am Euter und an den unteren Teilen der Gliedmaßen, also an den
bekannten Eruptionsstellen der Maul- und Klauenseuche. Hieraus
rechtfertigt sich die in der Überschrift gebrauchte Bezeichnung.
Die hier zu beschreibende Affektion trat im Mai vorigen Jahres
in einem Stalle des zum Rittergut M. gehörigen Vorwerks B. auf. Es
erkrankten drei in diesem Stalle stehende Kühe in gleicher Weise.
Klinischer Befand bei Kuh 1. Gut genährte Kuh mittleren Alters des
schwarzbunten Niederungsschlages. Außentemperatur ungleich verteilt, Flotz-
l) Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und
Hygiene der Haustiere 1905, Bd. 1.
9) Verhandlungen des internationalen tierärztl. Kongresses in Baden-
Baden 1899, S. 382.
*) Berl. tierärztl. Wochenschr. 1892, S. 25.
4) Berl. tierärztl. Wochenschr. 1901, S. 153.
*) Deutsche tierärztl. Wochenschr. 1906, S. 133.
— 551 —
manl trocken, Augen eingesunken, Pansen untätig, Defäkation verzögert. Das
Tier tritt von der Krippe zurück und zittert in der Nachhand. Puls: 100 in
der Minute, klein. Keine Milchsekretion.
Auf der Haut des Euters, und zwar sowohl im Bereich der Drüse selbst
wie an den Zitzen finden sich zahlreiche hirsekorn- bis linsengroße gelblich-
graue Knötchen mit einer Delle im Zentrum und einem rötlichen Hof. Daneben
sieht man aber auch, und zwar besonders an den Zitzen, einige perlmutter-
graue, dünnwandige, kleine Bläschen; anscheinend sind letztere teilweise
geplatzt, ihr mit Blut vermischter Inhalt ist zu Krusten eingetrocknet. Der
Versuch des Melkens ist dem Tier sehr schmerzhaft, Milch anscheinend normal.
Diagnose: Exanthem am Euter mit fieberhafter Allgemein-
erkrankung.
Therapie: Glaubersalz und Kaffee mit Branntwein innerlich
und Tannoformsalbe auf das gereinigte Euter.
Nach zwei Tagen hat sich das Allgemeinbefinden der Kuh gebessert,
insofern Futter- und Getränkaufnahme, sowie Wiederkauen und Defäkation
erfolgen. Das Exanthem ist indessen vom Euter auf die Innenseite der Hinter-
schenkel übergegangen und zeigt hier bereits eine ziemlich große Aus-
dehnung. Ferner macht sich jetzt eine in der Fesselbeuge beider Hinter-
schenkel beginnende Dermatitis bemerkbar, die im weiteren Verlauf über die
Sprunggelenke hinaufgeht und mit dem ersten Exanthem konfluiert. Hier
erscheinen die Haare gesträubt und bündelartig verklebt, wie die Borsten
eines Pinsels, in dem die Farbe eingetrocknet ist. Die Haut ist gerötet und
näßt stellenweise. Wo die Feuchtigkeit eingetrocknet ist, ist die Haut, rissig
lederhart und mit Borken und Krusten bedeckt. Hier erinnert das Bild an die
Ichthyosis des Menschen. Bläschen, aus denen die Flüssigkeit herrühren
könnte, sind auf der Haut nicht zu bemerken.
Eine auffallende Lahmheit auf dem rechten Hinterfuße ver-
anlaßte mich, die Kuh hinausfuhren zu lassen und die Klauen zu
untersuchen.
Die Untersuchung ergibt, daß die Haut im Klauenspalt übernormal
temperiert sowie gerötet, schmerzhaft und geschwollen ist.
Ich will gleich hier erwähnen, daß sich bei diesem Tier auf dem
rechten Hinterfuß trotz der üblichen Tannoform- und Teerbehandlung, ein
schweres Panaritium mit Eröffnung des Gelenkes entwickelte, das schließlich
die Exartikulation einer Klaue erforderlich machte.1)
Kuh 2 und 3 erkrankten in gleicher Weise. Auch bei
diesen Tieren war eine schmerzhafte Entzündung der Zwischen-
klauenhaut zu beobachten.
J) Hier sei beiläufig bemerkt, daß die Stelle zum Einstich des Lorbeer-
blattmessers bei der Klauenexartikulation nicht, wie Pfeiffer angibt, ca 3 cm,
sondern ca. 1 cm unter dem Saumband gelegen ist.
— 552 —
Die Tiere lagen viel, trippelten beim Stehen hin und her und hoben
abwechselnd die Füße. Die Hant im Klauenspalt schien gerötet und geschwollen.
Bei Kuh 3 entwickelte sich an der linken inneren Klaue ein Ballenpanaritiam
mit tiefem Substanzverlust. Auch selbst an den Vorderfüßen zeigten die Klanen
die entzündlichen Veränderungen. Die Folgeleiden der Klauenerkrankung
waren bei diesen Tieren jedoch nicht so schwerer Art wie bei Kuh 1.
Auch bei diesen Tieren trat die Affektion der Maulschleini-
haut mit der starken Salivation deutlich hervor.
In etwa drei Wochen war der Erkrankungsprozeß bei den
Kühen, die besonders, wohl infolge der schmerzhaften Zustände der
Gliedmaßen, abgemagert waren, abgelaufen. Nach der Heilung
erlangte die Milchsekretion wieder ihre frühere Höhe.
Der beschriebene Befund am Euter und an den Gliedmaßen
veranlaßte mich, eine Untersuchung der Maulhöhle vorzunehmen.
Doch diese war zunächst ergebnislos. Aber schon am nächsten
Tage fiel mir auf, daß zwei Kühe stark speichelten, und bald hörte
ich das bekannte „Schmatzen", wie es für die Maul- und Klauen-
seuche charakteristisch ist.
Bei allen drei Kühen traten nun, und zwar in derselben Reihen-
folge, wie sie an dem Exanthem erkrankt waren, folgende Er-
scheinungen am Maule auf:
Das Zahnfleisch des Unterkiefers und die Schleimhaut der Unterlippe
ist zunächst stark gerötet und geschwollen. Am nächsten Tage bemerke ich
auf dem Flotzmaul, an der Oberlippe und in der Nähe der Nasenöffnungen
einige linsengroße, gelblich-rötliche und graue Knötchen mit einer zentralen
Vertiefung und teilweise von einem roten Hof umgeben Weiterhin erscheint
die Schleimhaut auf dem Zahnfleisch des Unterkiefers rein gelb, stellenweise
aber grünlichbraun, sie liegt in zahlreichen, kleinen dicht benachbarten Fält-
elten wie die Hornblättchen am Hufe. Im weiteren Verlauf lösen sich diese
Fältchen zunder- und fetzenartig ab; die Knötchen an der Außenseite ver-
schwinden ohne weiteres; nur ganz vereinzelt sind nach einigen Tagen noch
kleine, oberflächliche, runde Defekte zu sehen.
Eine Behandlung der Maulschleimhaut unterließ ich absicht-
lich, zumal sie nicht unbedingt geboten schien.
Man hat bekanntlich bei Schlempemauke ganz vereinzelt
auch eine Affektion der Maulschleimhaut infolge Beleckens der
erkrankten Gliedmaßen beobachtet. Ein derartiges Belecken haben
weder ich noch das Personal in den vorliegenden Fällen gesehen.
Dies möchte ich hervorheben.
Das gleichzeitige Auftreten eines Exanthems an den Glied-
maßenenden und an der Maulschleimhaut und die eigenartigen Be-
— 553 —
gleiterscheinungen der Stomatitis mußten den Verdacht auf echte
Maul- und Klauenseuche erwecken. Daß es sich jedoch nicht um
diese Krankheit handelte, geht einwandfrei aus den weiter gemachten
Beobachtungen und einem Infektionsversuch hervor. In dem Stalle,
in dem die drei erkrankten Kühe standen, waren (an einer anderen
Wandseite des Raumes) noch vier bayrische Ochsen untergebracht.
Ferner beherbergte der Stall noch etwa 12 Schweine. Ich unter-
suchte diese Tiere, sie zeigten indessen keinerlei Krankheits-
erscheinungen und blieben auch des weiteren vollkommen gesund.
Zudem führte ich bei den Ochsen einen Übertragungsversuch in
der Weise aus, daß ich den Tieren Speichel der erkrankten Kühe
auf die Maulschleimhaut brachte. Auch diese Infektion, die bei
echter Maul- und Klauenseuche doch unzweifelhaft eine typische Er-
krankung herbeigeführt haben würde, blieb ergebnislos. Schlempe-
mauke, Quecksilbervergiftung, Kalkverätzung und dergl. waren mit
Sicherheit auszuschließen.
Übrigens bestätigte auch der zugezogene beamtete Tierarzt,
daß Maul- und Klauenseuche nicht vorliege.
Leider war es mir nicht möglich, ätiologische Untersuchungen
über die interessante Krankheit anzustellen.
Durch Herrn Kreistierarzt Hofherr (Herzberg) wurde ich
auf ein in Froehner-Wittlingers Handbuch1) enthaltenes Referat
über eine im Band 13 (1901) der Maanedsskrift for Dyrlaeger ver-
öffentlichte Beobachtung von Stribolt aufmerksam gemacht, die
in vielen Punkten mit der meinigen übereinstimmt. Auch im
Striboltschen Falle trat das Exanthem trilokulär auf. (Übrigens
hat nach Stribolt auch schon Bang ähnliche Beobachtungen
gemacht.) Stribolt sah das Leiden auf eine größere Zahl nur
weiblicher Tiere übergehen. Es scheint mir dieser Umstand be-
merkenswert, da auch in meinem Falle die Ochsen weder spontan
erkrankten noch künstlich infiziert werden konnten. Die von Oster-
tag und Bugge beschriebene Pseudomaulseuche erwies sich dagegen
ansteckend, und zwar auch für männliche Tiere.
Stribolt sucht, wie die verschiedenen anderen Beobachter,
die Ursache der Pseudomaulseuche in Futterschädlichkeiten, ins-
besondere beschuldigt er sommerliche Stallfütterung mit Klee. In
der Tat fiel auch meine Beobachtung in die erste Zeit der Grün-
kleefütterung; ich kann mir aber über das ursächliche Moment der
') Der preußische Kreistierarzt, Bd. 2, S. 75 u. 76.
Zeitschrift für Infektionskrankheiten. II, 6. 36
— 554 —
Fütterung kein Urteil bilden. Wie gesagt, war Schlempemauke in
meinem Falle ausgeschlossen.
Wichtig erscheint, daß Stribolt gleich mir Bläschen am Euter,
nicht aber am Maule gesehen hat; auch Ostertag und Bugge
betonen ausdrücklich, daß sie niemals Bläschen gesehen haben.
Nur Heß1) spricht mit Bestimmtheit von Bläschen:
„In ganz frischen Fällen findet man an der Zungenspitze und in sehr
ausgedehntem Maße auf der Maulschleimhaut und am Lippenrande hanfkorn-
bis erbsengroße, hochrote oder gelbliche Knötchen, die in der Mitte ein kleines,
graues, rasch platzendes Bläschen zeigen."
Solche Bläschen sind von echten Aphthen naturlich leicht zu
unterscheiden.
Peters2) hat gleich mir am Zahnfleisch des Ober- und Unter-
kiefers bräunliche Krusten gesehen, die ihm als Reste der zusammen-
getrockneten, geplatzten Blase erschienen. Ich glaube aber,
da ich die Vorgänge von Anfang an beobachten konnte, während
Peters die Tiere erst im Stadium der Abheilung zu sehen bekam, daß
auch dieser Beobachter nicht die Reste von Blasen, sondern, ebenso wie
ich, krupöse Beläge oder nekrotische Schleimhautfetzen gesehen hat.
Umfangreiche Beobachtungen von Pseudomaulseuche hat auch
Pusch3) in der sächsischen Aufzuchtstation Olbernhau gemacht,
und auch er betont, daß „Blasen im und in der Umgebung des
Maules immer fehlen4' und macht darauf aufmerksam, daß die im
Absterben befindliche Epitheldecke dicker sei, wie die in der Ab-
lösung befindliche freie Wandung der echten Aphthe, ein differential-
diagnostisch wichtiges Merkmal, das auch mir auffiel; hier die
verhältnismäßig dicken gelb-grünlichen Krupfetzen, dort graue,
zarte, häutchenartige Teile der geplatzten Bläschen. Übrigens stimmt
die Beschreibung von Pusch mit derjenigen von Ostertag und
Bugge überein, nur gelang es Pusch nicht, die Maulaffektion auf
Kälber künstlich zu übertragen.
Pusch erwähnt, daß die Pseudomaulseuche wirtschaftlich ohne
Bedeutung sei. Dies trifft allerdings für meine Beobachtungen nicht
ganz zu, und die größere wirtschaftliche Schädigung meiner Patienten
erklärt sich ja auch ohne weiteres aus der Miterkrankung des
Euters und der Klauen. Dauerte es doch fast drei Wochen, ehe
1) a. a. 0.
2) a. a. 0.
*) a. a. 0.
— 555 —
die Kühe ihre frühere Milchergiebigkeit wiedererlangten. Bei einem
größeren Bestände wäre also mit einem nicht unbedeutenden Ver-
lust zu rechnen gewesen. Außerdem magerten die Kühe, wie bereits
bemerkt, auffallend ab, sie haben sich erst allmählich wieder erholt.
Selbstverständlich beruht die weit größere Bedeutung der ge-
schilderten Erkrankung auf der Möglichkeit ihrer Verwechslung mit
echter Maul- und Klauenseuche. Die Möglichkeit einer solchen
Verwechslung liegt ganz besonders nahe, wenn die Affektion, wie
bei meinem Falle, sich nicht auf das Maul beschränkt, sondern auch
Euter und Klauen betrifft. Wichtig dabei ist auch das „Schmatzen",
das in meinen Fällen genau wie bei der echten Maul- und Klauen-
seuche auftrat. Andere Beobachter der Pseudomaulseuche haben
diese Erscheinung jedoch nicht bemerkt; es erklärt sich dies jeden-
falls wiederum dadurch, daß ich den Krankheitsverlauf von Anfang
an beobachten konnte, während die Erkrankung von anderer Seite
erst in mehr oder weniger vorgeschrittenem Stadium gesehen worden
ist. Übrigens ist ja das Schmatzen, ebenso wie die Salivation, nicht
ein Symptom der Maul- und Klauenseuche als solcher, sondern der
Stomatitis, und ich entsinne mich, es auch bei Quecksilbervergiftung
in typischer Weise gehört zu haben. Sonst ist in differential-
diagnostischer Beziehung gegenüber der echten Aphthenseuche
hervorzuheben, daß ich an den Klauen Bläschen nicht gesehen
habe; auch gehört bekanntlich das ausgedehnte mauke- bzw. raspe-
artige Exanthem, wie ich es gekennzeichnet habe, nicht zu den
Symptomen der echten Maul- und Klauenseuche. Auch die völlige
Integrität der Zunge ist bedeutungsvoll. Das differential-diagnostisch
wichtige Gesundbleiben der Stallgenossen (Ochsen und Schweine)
habe ich bereits erwähnt.
Kann, wie im vorliegenden Falle, der beamtete Tierarzt sich
über den Verlauf der geschilderten Pseudomaul- und Klauenseuche
von Anfang an hinreichend informieren, zieht er auch alle anderen
epidemiologischen Umstände, wie etwaigen Zugang neuer Tiere,
Seuchenverhältnisse in der Gegend und dergl. in Erwägung, so
wird im allgemeinen die Diagnose nicht schwierig sein. Schwierig
dagegen würde sich die Beurteilung des Leidens gestalten, wenn man
Tiere unbekannter Herkunft mit fast abgeheilten Läsionen im Maule,
mit wunden Eutern und Klauen auf einem Viehmarkte vor sich hat.
36*
Referate.
Infektionskrankheiten.
Moussu, 0^ Die Milch tuberkulöser Kühe. Beobachtungen über
die Entstehung der tuberkulösen Euterentzündung.
(Archiv f. Wissenschaft!, u. prakt. Tierheilk., Bd. 32, 1906, S. 279— 2W.)
Verf. führt aus, daß die Milch solcher Kühe, die lediglich
auf Tuberkulin reagieren, ohne klinische Erscheinungen der
Tuberkulose zu haben, für menschliche Nahrung ungeeignet
ist, da in derselben Tuberkelbazillen vorhanden sein können.
Wenn das Euter tuberkulosefrei ist, so kann die Euterlymphdrüse infiziert
sein. Die Tuberkelbazillen können aber zu dieser Drüse nur gelangen,
wenn sie das Enter passiert haben; dabei wird ein Teil der Bazillen mit
der Milch ausgeschieden, wodurch diese vorübergehend Tuberkelbazillen
enthalten kann.
Verf. verlangt, daß die Milch aller tuberkulösen Kühe ausnahmslos
von der Verwertung als Nahrungsmittel ausgeschlossen wird; denn die
Eutertuberkulose sei im Anfangsstadium nicht zu diagnostizieren, und die
latenten Formen können durch Tuberkulininjektion nachgewiesen werden.
Gesunde Kälber können nach einigen Monaten mit Tuberkulose in-
fiziert' werden, wenn sie mit anscheinend normaler Milch, die jedoch von
ausgesprochen tuberkulösen Kühen stammt, ernährt werden.
r. Sande (Frankfurt a. M.J.
Salmon, Tuberculosis of the food-producing animals.
(ü. S. Dcp. of Agricult. Bur. of Animal Industry, Bull. Nr. 38, Washington 1906.)
Eine zur Belehrung von Rindviehzüchtern bestimmte Monographie,
die hauptsächlich ziemlich eingehend über die Forschungen der letzten
Jahre referiert.
Für die Bekämpfung der Rindertuberkulose erblickt S. das beste
Mittel in der Anwendung des Tuberkulins, vielleicht später, wenn die
— 557 —
Untersuchungen darüber ein brauchbares Ergebnis gezeitigt haben, in Ver-
bindung mit der Immunisierung. Dazu ist die Mitwirkung des Staates
erforderlich, in der Weise, daß er die Kosten für die Tuberkulinimpfung
auf sich nimmt, allgemeine Fleischbeschau für Rinder anordnet, um die
tuberkulösen Bestände ausfindig zu machen, Entschädigung für Konfiska-
tionen durch die Fleischbeschau, staatliche Beaufsichtigung der Desinfektion
in Beständen, die durch Schlachtung der reagierenden Tiere tuberkulosefrei
gemacht werden sollen. Nach S.s Schätzung sind in den V. St. Amerikas
5% der Binder tuberkulös. Die Krankheit kommt in allen Gegenden,
auch in den Weidedistrikten der westlichen Staaten und im Felsengebirge
vor. Die Zahl der tuberkulosefreien Bestände wird auf 80% geschätzt.
Zur Durchführung der von den einzelnen Staaten zu ergreifenden Maß-
regeln sind veterinärpolizeiliche Bestimmungen von Seiten der bundes-
staatlichen Regierung erforderlich, die den Verkehr mit Rindvieh zwischen
den Einzelstaaten regeln. Qrabert (Berlin).
Beitzke, H., Über den Weg der Tuberkelbazillen von der Mund-
und Rachenhöhle zu den Lungen, mit besonderer Be-
rücksichtigung der Verhältnisse beim Kinde.
(VirchowB Archiv, Bd. 184, 1906.)
1. Es existieren keine zuführenden Lymphgefäße von der Kette der
zervikalen Lymphdrüsen zu den bronchialen Drüsen.
2. Für eine tuberkulöse Infektion der Lungen von den Halsdrüsen
aus kommt nur der Weg durch die Trunci lymphatici und die obere Hohl-
vene in Betracht.
3. Dieser Infektionsweg ist aber — wenigstens beim Kinde — praktisch
ohne wesentliche Bedeutung. Die Infektion der Lungen oder Bronchial-
drüsen kommt beim Kinde vielmehr in der Regel durch Aspiration von
Tuberkelbazillen in den Bronchialbaum zustande. Eine absteigende Zervikal-
drüsentuberkulose geht manchmal unabhängig davon nebenher.
4. Die aspirierten Bazillen können in der Atemluft enthalten sein,
sie können aber auch aus dem Munde stammen, in den sie mit infizierter
Nahrung oder durch Kontakt (Schmutzinfektion) gelangt sind.
C. LiebrecJti (Dresden).
Karwacki, L., u. Benni, W., Über die quantitativen Verhältnisse
bei der Agglutination der Tuberkelbazillen.
(Zentralbl. f. Bakt. usw., I. Abt, Orig., Bd. 52, 1906, S. 252 u. S. 345.)
Die Versuche sind im ganzen analog mit den bekannten Versuchen
Eisenberg und Volks angeordnet und ergaben auch für die Tuberkel-
bazillen ähnliche Resultate. Da es auf die Konzentration der Bazillen-
aufschwemmung ankommt, erhält man mit sämtlichen bisher üblichen
— 558 —
Tuberkelbazillenemulsionen (Arloing-Courmont, Koch, v. Behring)
keine einheitlichen Agglutinationsresultate. Deswegen wird eine „Normal*
aufschwemmung" anch für serodiagnostische Versuche empfohlen.
E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Botiome, A., Präzipitin-Reaktion als diagnostisches Mittel der
Tuberkulose und zur Differenzierung zwischen Men-
schen- und Rindertuberkulose.
( Zentral bl. f. Bakt. usw., I. Abt, Orig., Bd. 43, 1906/07, S. 391—407.)
Die Blutsera von tuberkulösen Menschen und Rindern üben auf
bazillenfreie Extrakte von Tuberkeln sowie von Tuberkelbazillen eine
präzipitierende Wirkung aus. Diese Eigenschaft besitzt manchmal in be-
schränktem Maße auch das Blutserum gesunder Menschen, sie fehlt da-
gegen im Serum normaler Rinder. Dieser Umstand kann daher für die
Diagnose der Rindertuberkulose nutzbar gemacht werden.
Sowohl bei der spontanen Tuberkulose des Rindes wie auch bei der
künstlichen Infektion von Meerschweinchen läßt sich nachweisen, daß die
präzipitierende Wirkung des Immunserums eine spezifische für den an
seiner Entstehung beteiligten Tuberkelbazillentypus ist, so daß dadurch
ein Beweis für den Unterschied zwischen den Tuberkelbazillen des Men-
schen und des Rindes erbracht wird. Im Organismus des Kaninchens, und
in geringerem Grade auch in dem des Menschen, ruft allerdings die Ein-
führung des einen Tuberkelbazillentypus die Bildung von Präzipitinen her-
vor, die nicht nur auf die Extrakte aus dem zur Impfung verwendeten,
sondern auch auf die aus dem anderen Bazillentypus, wenn auch in ge-
ringerem Grade, einwirken. Orabert (Berlin).
Carini, A., Fehlergebnisse der Tuberkulinprobe beim Rindvieh.
(Archiv für wissensch. u. prakt. Tierheilk., Bd. 32, 1906, S. 562-573.)
Die im Impfinstitut Bern zwecks Darstellung von Lymphe zur Ver-
wendung kommenden Tiere wurden vorher einer Tuberkulinprobe unter-
worfen. Nach erfolgter Abimpfung wurden die Tiere der Schlachtbank
zugeführt, wobei von 361 nicht reagierenden Tieren 17,4 Proz. tuberkulös
befunden wurden. C. behauptet daher, daß man in der Praxis mit mehr
als 10 und 14 Proz. Fehlergebnissen rechnen müsse.
Fehlergebnisse können eintreten, wenn das verimpfte Tuberkulin zu
schwach war, um eine genügende Reaktion auszulösen, oder aber bei
wiederholter Injektion, da sich dann der Tierkörper an Tuberkulin gewöhnt
und nicht reagiert. Ferner ist ein sehr wichtiges Moment dadurch gegeben,
daß viele Individuen zu einer Zeit reagieren, die entweder vor oder nach der-
jenigen fällt, in der gewohnheitsgemäß die Körpertemperatur aufgenommen
wird. Wegen Ausschaltung letzterer Fehlfälle wäre es notwendig, daß
— 559 —
die Temperaturaufnahme von der 5. bis zur 36. Staude post injectionem
geschieht. v. Sande (Frankfurt a. MJ.
Schröder, E. C, n. Mohler, J. R., The tuberculin test of hogs and
some methods of their infection with tuberculosis.
(U. S. Dep. of A gric, Bur. of Anim. Industry, Bulletin No. 88, 1906, 51 Ss.)
Die Tuberkulinprobe ist bei Schweinen mit demselben Erfolg an-
wendbar wie beim Rindvieh. Die Infektion der Schweine mit Tuberkulose
erfolgt meist durch das Futter, und zwar auf der Weide, wenn diese von
tuberkulösen Rindern begangen worden ist. Die Infektionsgefahr durch
die Fäces kranker Rinder ist eine ungleich größere als die bei der Auf-
nahme der Milch eutertuberkulöser Kühe. Interessant ist die Feststellung,
daß sich Tuberkelbazillen in den Fäces und dem Inhalt des Rektums von
Rindern nachweisen lassen, die infiziertes Wasser erhalten haben. Die
Bazillen passieren den Yerdauungstraktus, ohne ihre Pathogenität zu
verlieren. Pfeiler (Berlin).
Litten, JVL, u. Levy, F., Über atypische Aktinomykose.
(Deutsche med. Wochenachr., 32. Jahrg., 1906, S. 1772-1775.)
Die Verff. fanden bei einer 44jährigen Frau mit eitrigen Prozessen in
verschiedenen Organen im Abszeßeiter kleine weißliche aktinomyzesähnliche
Körnchen, die aus einem dichten Knäuel von verschlungenen Pilzfäden ge-
bildet wurden. Der isolierte Pilz unterschied sich vom typischen Aktino-
myzes durch das Fehlen von Keulendrusen, durch mannigfache Ab-
weichungen in Wachstum und Morphologie sowie durch seine Pathogenität.
J.
Braun, Ist die Taube als Testobjekt für die Prüfung eines
Geflügelcholeraserums untauglich?
(Fortsein-, d. Vet.-Hyg., 1906, S. 174—184 u. 198—211.)
Auf Grund seiner Experimente mit Geflügelcholeraserum von
Schreiber, Jeß-Piorkowski und Klett-Braun schließt Verf., daß
die Taube sich als Testobjekt nicht eignet, ausgezeichnet dagegen die
Maus. Resow (Frankfurt a. d. O.J.
Lode, A», Zur Biologie des Erregers der Hühnerpest (Kyano-
lophia gallinarum).
(Zentralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Orig., Bd. 43, 1906/07, S. 356-359.)
Während das Glyzerin auf die Bakteriazeen eine beträchtliche bak-
terizide ^Wirkung ausübt, wird das Virus der Pocken, der Tollwut und
der Syphilis, deren Erreger vermutlich zu den Protozoen gehören, dadurch
wenig geschädigt. In dieser Hinsicht, sowie auch dem Chloroform und
Toluol gegenüber, zeigt das Virus der Hühnerpest nach den Versuchen L,s
— 560 —
in Aufschwemmungen keine erheblichen Unterschiede von den Bakterien,
so daß man daraus nicht anf seine Protozoennatur schließen könnte. Da-
gegen stellt die Aufbewahrung von Organstücken in Glyzerin ein bequemes
Verfahren dar, um sich stets im Laboratorium infektiöses Impfmaterial zu
halten, wenn man nur etwa alle drei bis vier Monate den Impfstoff ein Huhn
passieren läßt. Qrabert (Berlin).
Ludewig, Zusammenfassender Bericht über „Brustseuche" in
der Armee.
(Zeitschr. f. Vet-Kunde, 19. Jahrg., 1907, S. 1—14 u. 49-66.)
Ein Auszug aus der gesamten Brustseucheliteratur, der namentlich eine
übersichtliche Zusammenstellung der in den statistischen Veterinär-Sanitäts-
berichten der preußischen Armee und in der Zeitschr. f. Vet.-Kunde nieder-
gelegten Erfahrungen über die in der Armee gegen die Seuche ergriffenen
Maßregeln, über die Schutzimpfung, Absonderung, das Durchseuchen, den
Freiluftaufenthalt usw., enthält. Grabert (Berlin).
Dujardin-Beautnetz, E., Transmission de la peripneumonie des
bovidös aux especes ovine et caprine.
(Ann. de llnatitut Pasteur, Bd. 20, 1906, S. 449—466.)
Die Übertragung des Virus der Lungenseuche auf Hammel und
Ziegen gelang durch den Kunstgriff, daß die Kultur des Virus auf in be-
stimmter Weise zubereitetem Hammelbouillon-Hammelserum oder Ziegen-
bouillon-Ziegenserum geschah; die so gewonnenen Kulturen sind auch für
das Bind virulent, während Rinderbouillonserumkultur Hammel und Ziege
unbeeinflußt läßt. Je nach der Menge des injizierten Materials konnte
Erkrankung mit und ohne Inkubation erzeugt werden. Typischer Verlauf
auch bei der experimentellen Infektion der Ovinen und Kaprinen. In die
Zitze eines Mutterschafes injiziertes Virus hielt sich fünf Monate in der
Milch virulent. Kein Fieber. Immunität gegen weitere Infektion. Auf
Pferdebouillonserum gewachsene Kulturen waren für alle versuchten Tiere
avirulent. Eine Anzahl damit geimpfter Rinder waren gegen eine Supra-
infektion mit gewöhnlicher virulenter Kultur immun. Es wurde auch
ein ziemlich stark agglutinierend und präzipitierend wirkendes Pferde-
serum durch viermonatige Immunisierung mit Pferdebouillonserumkulturen
gewonnen (Titer 1 : 50 bis 1 : 200). Dieses Serum gab bei ultramikro-
skopischer Betrachtung spezifische Reaktion mit dem Serum von zwei
Rindern, die vor vier Monaten eine leichte Lungenseuche überstanden
hatten. E. Jacobsthal (Frankfurt a. Mj.
Sachregister.')
Seite
Absorption 243
Achlya Hoferi bei Fischen 276
Actinomyces albus 98
Adsorptionsverbindungen 69
Affentuberkulose, spontane 95
Affen, Wirkung der Tuberkclbazillcn des Menschen und des Kindes auf. 95
Agglutination, Wirknng der Temperatur auf die 265
Agglutination der Tuberkelbazillen, quantitative Verhältnisse bei der . . f>57
AgglutinokL 265
Aggressine 69
Aktinomykose, atypische 559
Amphibien, Trypanosomen der 275
Anaerobien, pathogene, Differcntialdiagnose 405
Anaerobenzüchtung 112, 279
Antagonismus zwischen normalen und immunen bakteriziden Sera . . . 264
Antiformin 211
Antikomplemente H4
Antitoxine 265
Antituberkulin im tuberkulösen Gewebe 253
Arsenige Säure gegen Trypanosoma gambiense 275
Asbestfilter 78
Bakterien, Durchlässigkeit des Darmkanals für 404
Bakterien im Dickdarm, biologisches Verhalten 247
Bakterien in Flüssigkeiten, quantitative Bestimmung 280
Bakterien im gesunden Körpergewebe 245
Bakterien im Gewebe, Darstellung 280
Bakterien, morphologische Veränderungen im Tierkörper 246
Bakterien, Mutation bei 85
Bakterien, Verhalten des Speichels gegenüber 404
Bakterien, Züchtung in strömenden Nährböden 216
Bakterienfilter , 280
Bakterienflora der Nasenhöhle dos Pferdes 245
l) Die sich auf Originalarbeiten beziehenden Stich worto sind gesperrt
gedruckt
— S62 —
Seite
Bakterienkolonien auf Blutagarplatten (Ursache der grünen Färbung^ • • 246
Bakteriotrope Substanzen 392
Bazillen, fusiforme 405
Berberei, Trypanosomenkrankheiten 275
Beschälseuche 107
Bienengift 264
Bilharziosis in Indien 101
Blastomykosis 108
Blastomyzeten, patbogenc Wirkung 276
Blutdifferenzierung 70
Blutverwandtschaftszucbt bei Schweinen 279
Bohnen, giftige 111, 112
Bornasche Krankheit, pathologische Anatomie ... 14#, 152
Bradsot, Schutzimpfung 262
Bronchitis, infektiöse, katarrhalische beim Rinde 259
Brustseuche, Ätiologie 25s
Brustseuche des Pferdes, Ätiologie (Spirochäten) 91
Brustseuche in der Armee 560
Buddisierung der Milch 99
Chlorhaltige Abwässer 278
Choleraimmunität 70
Darmgärung 111
Desinfektion durch Jodlösungcn 100
Desinfektion von Stallungen mit Formaldchydlösungcn ... 43
Dickdarm, biologisches Verhalten der Bakterien im 217
Diphtherie und diphtberieähnliche Bakterien 246
Dourine 107
Dourine, Empfänglichkeit der Wiederkäuer und Affen 274
Druseimmnnisierung 263
Echinokokkenflüssigkeit 10
Echinokokkeninvasion, deren Beziehung zur Pseudotuberkulose .... 254
Elefanten, hämorrhagische Septikämie der 96
Enteisenung des Wassers 111
Euterentzündung, tuberkulöse, Entstehung 556
Fäulnisprodukte, sterile, Einfluß auf Milzbrandbazillen 99
Farcinus cryptococcicus, Ätiologie 276
Fasciola hepatica im Leberparenchym 546
Fibrinogenproduktion 89
Filter aus Asbest 78
Fischtuberkelbazillus Dubard 252
Flagellaten im Magendarmkanal des Pferdeegels 106
Fliegen als Verbreiter von Tuberkelbazillen 95
Frosch, Trypanosomen beim 275
Fusiforme Bazillen und Spirillen 405
— 563 —
Seite
Gastruslarvenkrankheit der Pferde 106
Geflügeldiphtherie, Ätiologie 90, 256
Geflügelcholeraserum, Taube als Testobjekt für die Prüfling des ... 559
Gerstengraupenabfälle, Verdaulichkeit 277
Hämagglutinine 70
Haemamoeba leucaemiae magna 108
Hämolyse 158, 360
Hämolysine 81
Hämorrhagische Septikämie bei Elefanten 98
Harn, Zusammensetzung bei Tollwut 259
Harnwinde, schwarze 459
Heteroalbumosen, Bedeutung für den tierischen Organismus 111
Hogcholeragruppe 93
Hogcholera, Immunisierung gegen .100
Hund, Experimentelle Tabes 271
Hund, Piroplasmose v 271
Hühner, Schlafkrankheit 257
Hühner, Spirillose 258
Hühnercholera, Immunisierung mit Aggressinen und Bakterienaufschwem-
mnngen 101
Hühnerpest 1
Hühnerpest, Biologie des Erregers 559
Hühnerpest, Histologie 258
Hygienische Grundsätze für den Bau von Stallungen .... 29
Immunsera, Konservierung der 200
Immunisierungsprozeß 70
Immunitätsforschung im Jahre 1905/06 67
Infektionen, Herabsetzung der natürlichen Widerstandskraft gegen . . . 266
Infektiosität verschiedener Kulturen des Tuberkelbazillus 407
Insekten, Mikroorganismen im Darm von 403
Jodlösungen, Lugolsche, desinfizierende Eigenschaften 100
Kaltblütertuberkulose 253
Kamel, Trypanosomiasis beim 106, 274
Kokkazeen, Systematik 242
Komplementablenkung in der forensischen Praxis 70
Komplementablenkungsverfahren bei der Typhus-Diagnostik 264
Kraftfuttermittel, Einfluß fettreicher und fettarmer auf die Milchsekretion 108
Küstenfieber, afrikanisches 270
Leberegel im Leberparenchym 546
Leberentzünduüg, onzootische der Ferkel 546
Lebernekrose bei Pferden bei der Diphtherie- und Tetanusimmunisierung 267
Lecksucht der Rinder 409
Ledermaske zur klinischen Feststellung der Lungentuber-
kulose des Rindes 227
Leukozytenkörnelungen, Darstellung der 280
— ÖCA —
Seit«*
Leukozytose bei der Wutschutzimpfung 101
Limabohnc 278
Limabobne, Giftwirkung 112
Linguatula rhinaria 104
Lugolsche Jodlösungen, desinfizierende Eigenschaften 100
Lungenseuche, Übertragung auf Schaf und Ziege 560
Lungentuberkulose des Rindes, klinische Feststellung der . 2*27
Lymphangitis epizootica der Pferde und Maultiere 256
Lymphdrüsentuberkulose, hämatogene 2f)3
Magendarmkanal, Durchlässigkeit für Bakterien 404
Malaria beim Pferd 272
Malleln als Diagnostikum und Heilmittel 256
Maus, Spirochätose 260
Maus, Trypanosomen der 276
Meningomyelitis haemorrhagica infectiosa equi 92
Mikrobiologie, Freie Vereinigung, Bericht über die erste Tagung ... 66
Mikroorganismen im Verdauungstraktna der Larven einiger Insekten . . 403
Mikroorganismen, protozoenähnlichc in malignen Tumoren 276
Mikroorganismen, Züchtung in strömenden Nährböden 246
Milch, Tuberkelbazillen in 58
Milch, tuberkulöse, durch Buddisierung zu sterilisieren 99
Milch tuberkulöser Tiere 556
Milchproduktion, Wirkung der einzelnen Nährstoffe auf die 109
Milchsekretion, Einfluß fettreicher und fettarmer Kraftfuttermittel auf die 108
Milzbrand, Infektion und Resistenz 68
Milzbrandähnlicher Bazillus beim Pferd 93
Milzbrandbazillen, Phagozytose der 70
Milzbrandbazillen, Wirkung steriler Fäulnisproduktc auf dieselben ... 99
Milzbrandserum, aktive Substanz 100
Milzbrandkeime, Sporulation der 224
Mutation bei Bakterien 85
Nagana beim Huhn 276
Nährböden, strömende 246
Nasenhöhle des Pferdes, Bakterienflora der 345
Negrische Körperchen, Bedeutung für die Diagnose der Tollwut . . . 229
Negrische Körperchen, Darstellung 380
Opsonine 392
Parasitismus der Pentastomen 104
Paratyphus 80
Paratyphusimmunität . . ; 70
Pathogene Anaerobien, Differentialdiagnose 405
Pentastomen 104
Peripneumonie, Übertragung auf Schaf und Ziege .V50
Perlsuchtbazillus, Biologie 407
— 565 —
Seite
Perlsuchtbazillen, Infektion des Menschen mit 250
Pestbazillen, Phagozytose der 70
Pferdesterben, durch verdorbenes Futter verursachtes . . . 310
Phagozytose bei Cholera-, Typhus- und Paratyphusimmunität 70
Phagozytose von Pest- und Milzbrandbazillen 70
Phaseolus lunatus, Giftwirkung 112, 278
Piroplasmose der Hunde 271
Piroplasmose des Pferdes 107
Pleuropneumonie des Pferdes, Ätiologie (Spirochäten) 91
Pneumonie 259
Porzellanfilter 280
Präzipitin 265
Präzipitinreaktion als diagnostisches Mittel bei der Tuberkulose . . . 558
Präzipitinreaktion zur Unterscheidung von Menschen- und Rindertuber-
kulose 558
Protozoenähnliche Mikroorganismen in malignen Tumoren 276
Pseudo-Maul- und Klauenseuche 550
Pseudotuberkulose der Schafe, deren Beziehung zur Echinokokkeninvasion 254
Pseudotuberkulöse Darmentzündung beim Rind 254
Radiumstrahlen bei Wut 261, 262
Ratten, neues Trypanosoma bei 106
Ratte. Trichinen bei der 62
Resistenz, Herabsetzung der 266
Rizinussamen, Giftigkeit 277
Rinderpest in Südafrika 99
Rotlauf, chronischer, pathologische Veränderungen 251
Rotlaufseptikämie, Resistenzerhöhung bei der Schutzimpfung
gegen 353
Rotz, pathologische Anatomie %
Rotzkrankheit, Pathogenese 255
Rückenmarksentzündung, infektiöse, des Pferdes 459
Saprolegniaceen bei Fischen 276
Scheidenentzündung, brandige, der Kühe 97
Scheidenkatarrh des Rindes, pathologisch-histologische Veränderungen . 259
Schlafkrankheit der Hühner 257
Schwarze Harnwinde 459
Schweinepest 249
Schweinepest in Südafrika 250
Schweinepest, Ätiologie 113, 249, 281, 425, 456
Schweinepest, Filtricrbarkeit des Virus der 113, 250
Schweinepest, Immunisierung mit Bakterienextrakten 100
Schweinepestsera 113
Schweineseuche in Südafrika 250
Schweineseuche, Ätiologie 113,249,281,425
Schweineseuche, Filtricrbarkeit des Virus der 113, 250
— 566 —
Seite
Schweineseuche, pektorale Form, pathologische Anatomie und Differential
diagnose 247
Semen Ricini communis, Giftigkeit 277
Sera, normale und immune bakterizide Sera, Antagonismus zwischen beiden 264
Slubbo des Renntieres 96
Souma 273
Speichel, Verhalten gegenüber Bakterien 404
Spinalparalyse, enzootische der Pferde 310
Spirillen 405
Spirillose der- Hühner 258
Spirochaete pallida 89, 107
Spirochätose der Haus , 260
Spiropterose des Schlundes des Hundes in Tunis 105
Stallungen, Desinfektion mit Formaldehydlösungen 43
Stallungen, Hygienische Grundsätze für den Bau von .... 29
Staphylococcus aureus, Einfluß auf die Fibrinogenproduktion 89
Staphylolysin 246
Staupe der Hunde 97
Surra 106
Syphilis, experimentelle 89
Syphilisimmunität - 89
Tabes, experimentelle bei Hunden 271
Taenia tenuicollis, Zystizerkus der 207
Tetanustoxin, Komponenten des 247
Thrombose, venöse, bei Pferden bei aktiver Immunisierung 267
Tibarsa 106
Tollwut, Ätiologie und Diagnose 97
Tollwut, Behandlung mit Radiumstrahlen 261
Tollwut, Negrische Körperchen 229
Tollwut, Zusammensetzung des Harnes 259
Tollwutschutzimpfung, Leukozytose bei der 101
Toxine 81
Trichine, Biologie 102
Trichinen bei der Ratte 62
Trichinöse Fäkalien, Fütterungsversuche mit 104
Trypanosoma, neues, bei Ratten 106
Trypanosoma Balbiani 275
Trypanosoma gambiense bei Ratten 275
Trypanosoma Lewisi 341
Trypanosomen der Amphibien 275
Trypanosomen der Dourine, Empfänglichkeit der Wiederkäuer und Affen 274
Trypanosoma der Maus 276
Trypanosomen der Tsetsefliege 273
Trypanosomenkrankheiton der Berberei 275
Trypanosomiasis beim Kamel 106, 274
Trypanosomiasis beim Vieh 106
— 567 —
Seite
Trypanosomentabes bei Händen 271
Trypanosomen, Vertilgung in Organen 107
Trypanrot gegen Trypanosoma gambiense 275
Tsetsefliege, Trypanosomen der 273
Tuberkelbazillus, Beständigkeit der Kulturmerkmale 252
Tuberkelbazillus, Infektiosität verschiedener Kulturen des 407
Tuberkelbazillen, quantitative Beziehungen der Infektion mit 77
Tuberkelbazillen, quantitative Verhältnisse bei der Agglutination . . . 557
Tuberkelbazillus, Verbreitung durch Fliegen 95
Tuberkelbazillus, Wirkung auf verschiedene Tierarten 487
Tuberkelbazillen, tote, Resorption 253
Tuberkelbazillen in Versandmilch 58
Tuberkelbazillus des Rindes, Infektion des Menschen mit dem .... 250
Tuberkelbazillus des Rindes und des Menschen, Verhalten des Kuheuters
gegenüber künstlicher Infektion mit 408
Tuberkelbazillenstämme des Menschen und des Rindes, Wirkung auf
anthropoide Affen 95
Tuberkulinprobe beim Rind, Fehlergebnisse 558
Tuberkulinprobe beim Schwein 559
Tuberkulin, Wirkung vom Verdauungskanal aus 101
Tuberkulose der Affen, spontane 95
Tuberkulose, Infektion von der Mund- und Rachenhöhle aus beim Kinde 557
Tuberkulose der Kaltblüter . . . 253
Tuberkulose des Menschen und der Tiere, Beziehungen zwischen der . . 93
Tuberkulose des Rindes, Schutzimpfung 102
Tuberkulose der Schlachttiere 556
Tuberkulose, aszendierende, im weiblichen Genitaltrakt 408
Tuberkulose, experimentelle Untersuchungen 251
Tuberkulose, Schutzimpfung 267, 269
Tuberkulose, Serotherapie 90, 267
Typhusbazillen, Züchtung mittelst der Gallenkultur 78
Typhusdiagnose, Technik 79
Typhusimmunität 70
Typhusimmunisierung 86
Vakzinevirus, Filtrierbarkeit des 260
Vibrio Metschnikoff, Immunisierung gegen 69
Vibrionen 81
Wasser, Selbstreinigung , 261
Zellstrukturen 280
Zestodenlarven beim Menschen 277
Zystizerkus der Taenia tenuicollis 207
Zystizerkenfltissigkeit 10
Autorenregister.
Angelis
Ascoli .
Athias .
Aujeszky
Bahr .
Bail . .
Bang .
Barn stein
Bartel .
Baruchello
Baucel .
Baumann
Baumgarten,
Beger .
Beitzke
Benni .
Bergmann
Breton .
Bierbaum
Bohne .
Bongiovan
Bonome
Braun .
Brickmann
Brück .
Bugge .
Bulloch
Buxton .
Cadeac .
Cahnette
Caminiti
Cao . .
Carini .
Carpi
Di
Seite
245
100
275
252
62
246
254
277
407
91
101
. 407
253, 408
. 109
. 557
. 557
97, 99
. 101
. 277
. 229
261, 262
558
559
272
253
1
280
243
407
101
246
403
558
264
260,
Seite
Carre 97
Cazalbou .... 273
Citron .... 93, 100
Clairmont .... 404
Craw 280
Creutz 270
Dammann. . . . 257
Darras 111
Dujardin-Beaumetz 560
Dungern, v. . . . 95
Durme, van . . . 107
Eberle 224
Eisenmann . . . 251
Enders 247
Evans 98
Fingerling . 108, 109
Fraenkel .... 407
Franca 275
Frei .... 158, 360
Goebel ... 100, 276
Graham .... 108
Graham-Smith 246, 271
Haan, de .... 256
Hansen . . . . 111
Harz 276
Haselhof , ... 278
Hell 258
Heller 107
Henriques .... 111
Hesse 280
Hibler, v 405
| Hofor 261
Hüyberg . . 102, 104
Hoogkamer . . . 256
Seite
Huntemüller . .
. 101
Hutyra . . 249,
255, 281
Ijima . . . .
. 277
Irons . . . .
. 108
Jensen . . . .
. 262
Jobling . . .
. 265
Joest . . . .
10, 392
Kantorowicz . .
. 550
Karwacki . . .
. 557
Kitt
. 263
Koch . . . .
. 104
Korschun . . .
. 264
Koske . . . ,
. 249
Kroning . .
. 106
Kuhn . . . .
. 58
Küster . . .
. 253
Lemaire . .
. . 265
Levaditi . .
. . 253
Levy . . . ,
. 559
Lingard . .
. 106
Litten . . .
. 559
Lode
. . 559
Loewit . . .
. 108
Lord . . .
. . 95
Lowden . . .
. . 97
Ludwig . .
. . 263
Ludewig . .
. . 560
Magalhis, de
. . 275
Maitre, le . .
. . 105
Manegold . .
. . 257
Manouelian .
. . 25«
Marmorek . .
. . -253
M arten 8 . .
. . 259
Mesnil . . .
. . 274
569 -
Seite
Meyer 408
Montgomery . . 93, 104
Mohler 559
Morgen .... 109
Moreschi .... 264
Morgenroth ... 264
Mosselmann . 112, 278
Moussu . . 267, 556
Mrowka .... 256
Müller 256
Negri 260
Nicolas 101
Niedner ... 280
Noack 254
Novy 273
Nußbaum .... 29
Nutall 271
Olsen 96
Opalka 227
Oppenheim . . . 148
Oppenheimer. . . 111
Ostertag 1, 113, 152, 250
409, 425
Pearce 267
Pease .
Pfeiler .
Porcher
Prettner
106, 267
. . 388
. . 259
200, 353
Pricolo . . ,
Rabinowitsch
251
Rogers . .
Rolly . .
Rossy . .
Rouget . .
Ruediger .
Ruzicka .
Salmon . .
Sanfelice .
Schiffmann
Schlegel .
Schlipp
Schmitt
Schnürer .
Schreiber .
Schröder .
Schuberg .
Schütz . .
Seiter .
Sergent, Ed
Sergent, £t.
Shibayama
Smidt . .
Smith . .
Spielmeyer
Stadie . .
Seite
. 91, 276
93, 95, 107
. 242
. 247
98
. 274
. 246
112, 279
. 556
. 276
. 258
92, 459
99
. 211
. 43
111, 456
. 559
. 276
%
. 245
. 275
. 275
. 265
95
. 252
. 271
113, 425
Strelinger .
Theiler 106,
Thomas
Thomassen
Tizzoni
Torrey . .
Trommsdorf
Tunnicliff .
Turner . .
Uffenheimer
Vles . . .
Volhard .
Wassermann
Weber . .
Weill-Halle
Weleminsky
Wenyon
Wetzel . .
Williams .
Winslow .
Wolff-Eisner
Wolffhügel
Yakimoff .
Zieler . .
Zollikofer .
Zuntz . .
Zwick .
Seite
... 102
107, 250, 274
. 259
. 269
261, 262
. 243
. 266
. 405
99
. 404
. 275
. 277
66, 253
. 250
. 265
. 246
. 260
. 271
97
. 242
. 247
207, 546
. 341
. 280
. 279
. 409
. 310
Zeitschrift f. Infektionskrankheiten etc. der Haustiere Band IL
Tafel VI.
Schlegel, Infektiöse Rückenmarks-
entzündung des Pferdes»
Fig. 1.
Fig. 2.
Zeitschrift f. Infektionskrankheiten etc. der Haustiere Sand II.
Tafel VII.
Schlegel, Infektiöse Rückenmarks-
entzündung des Pferdes.
Zätsckriß fln/ikiionskrankkeit&i etc. der Haustiere, ßd. R
TaflW.
Schlegel, Jn/ekiwse- Rückenmarks,
entzä/uhingdeslferdes.
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Zeitschrift für
Infektionskrankheiten
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m
ZE311
v.2
N? 628384
Zeitschrift fUr
Infektionskrankheiten .
Wl
ZE311
v.2
HtALTH
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DAVIS