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Full text of "Zeitschrift für Mathematik und Physik"

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[ 


Zeitschrift 


fttr 


Mathematik  und  Physik 


herausgegeben 


unter  der  Terantwortlicben  Redaction 

▼on 

Dr.  B.  Mehmke  und  Dr.  XL  Cantor. 

Supplement  znm  TiemndTierzIgsten  Jahrganir. 

Der  Supplemente  vierzelinteB. 


Zugleich  der 

Abhandlungen  zur  Geschichte  der  Mathematik 

neuntes  Heft. 


Mit  einem  Porträt  in  Heliogravüre,  zwei  Tafeln  und  66  Figuren  im  Text. 


^' 


Leipzig, 

Druck  und  Verlag  von  B.  6.  Teubner. 

1899. 


Abhandlungen 


zur 


Geschichte  der  Mathematik. 

Neuntes  Heft. 

Hit  einem  PorirAt  in  Helio^ravttre,  zwei  Tafeln  und  56  Figuren  im  Text. 


Herrn 

Hofrat  und  Professor  Dr.  Moritz  Cantor 

bei  der  70.  Wiederkelir  des  Tages  seiner  Gebnrt  am  23.  August  1899 
dargebraoM  von  seinen  Frennden  und  Verebrern. 


Im  Auftrage  herausgegeben 

von 

M.  ^urtze  und         S.  Günther 

in  Thom.  in  München. 


»        -.',..       #    . 


Leipzig, 

Druck  and  Verlag  yon  B.  G.  Teabner. 

1899. 
K 


19295r^ 


•  • 


Aue  Rechte,  eioBchlieaBllch  des  Uebenetzungsrechtes^  yorbehalien. 


Verehrter  Meister,  werter  Kollege  nnd  Freund! 

Ein  schönes  und  seltenes  Fest  ist  Urnen  heute  zu  feiern  vergönnt. 
Wohl  mancher  erreicht  das  Alter  des  Psalmisten^  aber  es  in  solch 
jugendlicher  Frische^  ohne  Zeichen  irgendwelchen  Nachlassens  der 
geistigen  und  körperlichen  Kräfte ^  zu  erreichen,  das  ist  eine  seltene 
Oabe,  über  die  sich  mit  Ihnen  AUe  freuen  dürfen,  welche  Ihnen  nahe 
stehen.  Schon  seit  achtundvierzig  Jahren  wird  Ihr  Name  litterarisch 
genannt;  aber  erst  als  reifer  Vierziger  gingen  Sie  an  jene  gewaltige 
Arbeit,  deren  schönen  Abschluß  wir  vor  kurzem  erleben  durften,  und 
in  einem  Alter,  welches  wohl  eher  zur  Entlastung  nach  schaflfensreichem 
Leben  auffordern  würde,  schufen  Sie  das  groüse,  auf  zahlreiche  vor- 
bereitende Veröflfentlichungen  gestützte  Werk,  welches  als  umfassendes 
Handbuch  eines  noch  niemals  in  dieser  Weise  behandelten  Wissens- 
zweiges für  alle  Zeiten  den  Jüngern  der  exakten  Wissenschaften  zeigen 
wird,  welch  eine  Fülle  auch  der  Vergangenheit  innewohnt.  Eine  un- 
ermefsliche  Anregung  geht  von  Ihren  „Vorlesungen  über  die  Geschichte 
der  Mathematik'^  aus,  und  alle  anderen  Völker  sehen  sich  auf  das 
Standard  Work  des  deutschen  Forschers  hingewiesen,  ebenso  wie  auch 
Ihnen  allein  die  Einbürgerung  unserer  Disziplin  als  eines  selbständigen 
akademischen  Lehrgegenstandes  an  den  Hochschulen  —  und  zwar  nicht 
blofs  an  solchen  deutscher  Zunge  —  zu  danken  ist. 

Diese  Gemeinsamkeit  der  wissenschaftlichen  Interessen,  keine 
Trennung  der  Länder  und  Völker  kennend,  spricht  sich  auch  aus  in 
der  vorliegenden  Schrift,  welche  eine  Anzahl  Ihrer  dankbaren  Freunde 
und  Verehrer  Urnen  an  Ihrem  Ehrentage  überreichen  möchte.  Nehmen 
Sie  dieselbe  freundlich  auf  als  einen  sprechenden  Beweis  der  Thatsache, 
daCs  Ihr  Beispiel  und  Ihre  Thätigkeit  allenthalben  in  der  gebildeten 
Welt  zur  Nacheiferung  erzogen  haben. 

Thorn  und  München,  im  August  1899. 

Die  Herausgeber. 


Inhalts  -  Verzeiclmis. 

Seite 

D^veloppement  des  proc^d^s  servants  ä  d^compoeer  le  qnotien  en  quan- 

ii^me.    Par  V.  V.  Bobtnih  k  Mobcou 1—  13 

Zur  Geschichte  der  prosthaphaeretischen  Methode  in  der  Trigonometrie. 

Von  A.  Y.  Braxthmühl  in  Manchen 15 —  29 

Notes   on   the  History   of  Logarithms.    By  Florian  Cajori,  Colorado 

Springs  (Colo.)  U.  S.  A 31—  39 

Der  Tractatns  Qaadrantis  des  Bobertns  Anglicus  in  deutscher  Über- 
setzung aus  dem  Jahre  1477.    Von  Maikiicliax  Ccbtze  in  Thom      41 —  63 

Zur  Greschichte  der  Prinzipien  der  Infinitesimalrechnung.  Die  Kritiker 
der  „Theorie  des  fonctions  analytiques'*  yon  Lagrange.  Von 
S.  DiCKSTEDf  in  Warschau 66 —  79 

P.  W.  Wargentin  und  die  sogenannte  Halley'sche  Methode.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  der  mathematischen  Statistik.  Yon  G.  Enbström 
im  Stockholm 81—  95 

lotomo  ad  un  inedito  e  sconosciuto  Trattato  di  Mechaniche  di  Galileo 
Gralilei  nell*  Archive  di  S.  A.  il  Principe  di  Thum-Taxis  in  Ratis- 
bona.    Notizie  di  Antonio  Favaro,  Padoya 97—104 

Zur  Geschichte  der  Längenbestimmung  zur  See.    Von  Eugen  Gelcich 

in  Triest 105—111 

Die  Geometrie  von  Le  Giere  und  Ozonam,  ein  interessantes  mathe- 
matisches Plagiat  aus  dem  Ende  des  XYII.  Jahrhunderts.  Von 
J.  H.  Graf  in  Bern 113—122 

Nikolaus   Yon  Gusa  und  seine  Beziehungen  zur  mathematischen  und 

physikalischen  Geographie.   Yon  Sieouund  Günthrr  in  München     123 — 152 

On  an  allasion  in  AristoÜe  to  a  construction  for  parallels.    By  T.  S. 

HxATH,  Cambridge 153—160 

Byzantinische  Analekten.    Yon  J.  L.  Hbibero  in  Kopenhagen 161 — 174 

Über  die  Aufgaben  einer  Geschichte  der  Physik.    Yon  August  Hbllbr 

in  Budapest 176—189 

Winkelmessungen   durch   die   Hipparchische   Dioptra.    Yon  Friedrich 

HuLTscH  in  Dresden 191—209 

Des  Bheticus  Canon  doctrinae  triangulomm  und  Yieta*s  Canon  mathe- 

maticus.    Yon  Karl  Hunrath  in  Rendsburg  - 211 — 240 

11  «Giomale  de*  Letterati  d*  Italia"  di  Yenezia  e  la  „Baccolta  Calo- 
gerä**  come  fonti  per  la  storia  delle  matematiche  nel  secolo  XYUI. 
di  Gnro  Loria,  Genoya 241—274 


Ylll  Inhalts -Yerzeichoia. 

Seit« 

Notes  snr  le  caract^re  g^omötriqae  de  rancienne  astronomie.  Par  Paul 

Mahsiov,  Gand 276—292 

Über  die  Encyklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften.    Von  W. 

Franz  Meter  in  Königsberg  in  Preufsen 293 — 299 

^  Zur  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher 

Sprache.    Von  Felix  Mcixer  in  Losehwitz 301 — 333 

Die  Rechenmethoden  auf  dem  griechischen  Abakas.  Von  Alfred  Nagl 

in  Wien 335--367 

Die   Geschichte   der  exakten   Wissenschaften   und   der  Nutzen  ihres 

Studiums.  Von  Ferdinand  Bossnreroer  in  Frankfurt  am  Main.  359 — 381 
Die  Unyerzagt^schen  Linienkoordinaten.  Ein  Beitrag  zur  Greschichte  der 

analytischen  Greometrie.  Von  Ferdinand  Bcdio  in  Zürich  .  .  .  383 — 397 
Franz  Adolph  Taurinus.  Ein  Beitrag  zur  Vorgeschichte  der  nicht- 
euklidischen (Geometrie.    Von  Paul  Stackel  in  Kiel 397 — 427 

Johann   Scheubel,   ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts. 

Von  H.  Staigmüller  in  Stuttgart 429—469 

Mathematik  bei  den  Juden  (l&Ol — 1660).    Von  Moritz  STEiNscHNsmER 

in  Berlin 471—483 

Bemerkungen  zur  Geschichte   der  altgriechischen   Mathematik.    Von 

Ambros  Sturm  in  Seitenstetten 485 — 490 

Der  Loculus  Archimedius  oder  das  Syntemachion  des  Archimedes.  Zum 

ersten  Male  nach   zwei  Manuscripten  der  Kgl.  Bibliothek   zu 

Berlin  herausgegeben  und  übersetzt  yon  Heinrich  Suter  in  Zürich  491 — 500 

Les  «Excerpta  ex  M.SS.  B.  Des-Gartes».   Par  Paul  Tannery  ä  Pantin.  501—513 

Einige  Additionsmaschinen.    Von  Crdedrich  August  Unoer  in  Leipzig.  515 — 535 

Zur  Geschichte  der  deutschen  Algebra.  Von  E.  Wappler  in  Zwickau.  537 — 554 
Pierre  Fermat's  Streit  mit  John  Wallis.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

der  Zahlentheorie.  Von  Gustav  Wbrthsdc  in  Frankfurt  am  Main  555 — 576 
Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.   Von  Emil  Wohlwill 

in  Hamburg 577—624 

Verzeichnis  der  mathematischen  Schriften  des  Hofrat  Professor  Dr.  Moritz 

Cantor  (1851—1899).    Zusammengestellt  von  M.  Gurtzs  in  Thorn  625—650 

Namenyerzeichnis 651 — 657 


Ubm 


DftVELOPPEMENT  DES  PßOCEDElS  SEßVANTS 
Ä  DfiCOMPOSEß  LE  aUOTIENT  EN  aUANTlfiMES. 


PAB 


V.  V.  BOBYNIN 


1    MOSOOÜ. 


▲bh.  sar  OMoh.  d.  MftUwm.    DC. 


•  •         • 

Apr^s  l'emploi  exclusif  du  caicul  firactionnaire  sous  la  forme  d^^  nei^- 

bres  concrets  la  pbase  suivante  du  caicul  des  fractions  abstraites  est  repri*': 

sentee  par  les  quantiemes.  ^)     II  n'j  a  que  celles-ci  qui  soient  a  la  portee 

des  caiculateurs  de  ces  temps  la  de  tout  le  domaine  des  ftuctions  abstraites. 

Toutes  les  autres  se  fondant  pour  la  forme  avec  les  nombres  entiers,  si 

elles  apparaissent  meme  au  calculateur  de  iMpoque  en  questiou,  c'est  sous 

une  forme  si  vague  pour  la  raison  qu'elle  exclue  toute  pos8ibilit6  d'op6rer 

dessus  des  r^gles  d'arithmetique,  en  debors  du  caicul  des  nombres  concrets. 

II  en  resulta  le  besoin  d'exprimer  le  quotient  en  quanti^mes,  en  cas  d'un 

reste  obtenu.    Alors  qu'on  en  etait  a  la  connaissance  primitive  des  fractions 

abstraites  sous  la  forme  qui  leur  ^tait  propre  et  qui  ne  dependait  pas  du 

caicul  des  nombres  concrets,  le  proces  servant  a  exprimer  la  partie  fraction- 

naire  du   quotient  au  mojen  des   quanti^mes  ne   pouvait    avoir   Heu   que 

d'apres  un  schäme   foumi  par  le  caicul  des  nombres  concrets.     Tel  fat  le 

proced4  de  la  diyision  d'un  nombre  concret  par  un  nombre  abstrait.     üne 

fois  qu'on  j  arriye  a  un  reste  moindre  que  le  diviseur  on  est  bien  forcä 

de  reduire  ce  reste  en  Tmites  concretes  des  ordres  inf^rieurs,  afin  de  pou- 

Toir  continuer  l'operation.     Le  meme  procede  applique  a  la   diyision  des 

nombres  entiers  abstraits  en  rendait  ^videmment  possible  la  suite  du  procis 

apres  qu'on  eut  obtenu  un  reste  moindre  que  le  diviseur.    Dans  ce  cas  le 

procede  examine  consistait  a  transformer  le  reste  obtenu  en  des  subdivisions 

de  Tunite  dont   le    nombre  excMerait  le  diviseur.     Nous    cbercberions    en 

vam,  a  l'appui  de  ces  reflexions,  des  indications  directes  dans  le  peu  de 

documents   que    nous   ofEre  la  litt^rature  mathämatique    des    epoques    cor- 

respondantes.   Nous  crojons  toutefois  pouvoir  les  admettre  comme  les  seules 

qni  s'imposent  imp^rieusement  a  quiconque  ait  observe  le  caicul  fraction- 

naire  dans  sa  marcbe  primitive  et  d^taill^. 

La  forme  du  proc4de  en  question  ^tait  donc  ainsi  con^ue:  le  dividende 
inferieur  au  diviseur  ou  le  reste  obtenu  par  Taction  de  diviser,  ^tait  mul- 
^pli4  par  le  moindre  des  nombres  dont  les  produits  avec  lui  exc^dent  le 


1)  y.  BoBTMnr,  Eaquisse  de  rhistoire  da  caicul  fractionnaire.    Bibliotheca 
Mathematica  1896,  p.  97—101. 


4  V.  V,  Bobynin: 

divisenr.  II  n'est  pas  difficile  de.^n^tfter  qae  ce  nombre  est  tonjonrs  k 
partie  entiere  da  qnotient  aiufii^^tee  d'une  nnite  et  provenant  de  la  diyi- 
sion  dn  diyiseur  par  le  diyi&^nde  on  par  le  reste.  Le  prodnit  de  ce  nombre 
avec  le  dividende  mite  *;foiS  diyise  par  le  diviseur  donne  tonjoars  pour 
qnotient  une  umlüi 'ef  •  an  reste.  Cette  nnite  deyant  etre  encore  divisee  par 
le  nombrQ  qui  a  Wrvi  de  mnltiplicatenr  an  dividende  primitif,  la  division 
oper^ 'jiojfQcdL  ponr  la  fraction  examinee  la  premi^re  des  fractions  de  la 
di^on^osition  cherchee  on  dn  qnotient  en  qnantiemes.  La  seconde  parüe 
'. '*»:ßi('8era  formee  par  la  fraction  dont  le  nnmeratenr  fait  le  reste  obtenn  et 
*%  'le  d^nominatenr  —  le  prodnit  dn  divisenr  avec  le  nombre  dont  le  divi- 
dende avait  ete  mnltiplie.  Si  ce  reste  est  l'nnit^,  la  seconde  partie  dn 
resnltat  de  la  division  repondant  egalement  an  bnt  ponrsnivi  fera  la  seconde 
fraction  de  la  decomposition  cherchee  en  la  terminant.  Si  an  contraire  le 
reste  n'est  pas  Fnnit^,  il  est  sonmis  anx  memes  Operations  qne  le  dividende. 
On  agit  de  meme  avec  les  restes  snivants  jnsqn'a  ce  qn'on  en  obtienne  nn 

qni  äqnivale  a  1,  on  qni  rende  possible  Tapplica- 
tion    de    qnelqne    antre    procede.     En    voici    nn 
exemple  mis  en  pratiqne,  tel   qne    nons  le  pre- 
sente  la  decomposition  en  qnantiemes  dn  qnotient 
13  :  17.     Nons  en  tronvons  le  resnltat  dans  les 
tables  dn  papyms  greco-egyptien  d'Akhmim  datant 
dn  VII  on  VTII  s.  de  Tere  chr^tienne.  *)   Le  pro- 
cede en  qnestion  appliqne  60  fois  dans  les  calcnls 
de  ces  tables  atteste  la  largeur  de  son  emploi  en 
antiqnite.    II  devient  de  moins  en  moins  freqnent 
dans    les   epoqnes    suivantes   ainsi    qne   le  pronvent  les   50  problemes  dn 
papyms  d'Akhmim  datant  d'nne  epoqne  post^rienre  a  ses  tables,  et  dont 
les  solntions  ne  le  pr^sentent  qne  6  fois.     Nons  nons  convaincons  de  son 
abandon  final  par  ce   fait  notable  qne  Leonardo  Pibano  en  d^crivant  en 
details  tons  les  procedes  servant  a  decomposer  les  fractions  en  qnantiemes 
et  connns  a  la  fin  dn  XII  s.,    n'en    fait   ancnne  mention  dans  le  c^lebre 
Liber  Abbaci.*) 

C'est  anssi  le  calcnl  des  nombres  concrets  qni  contribna  a  tronver 
nne  antre  m^thode  fondamentale  ponr  decomposer  les  fractions  en  qnan- 
tiemes. Elle  ent  d'abord  nn  caract^re  tont  priv4  et  ne  se  g^neralisa 
qn'apr^s  nne  application  lente  et  vari^e  a  des  cas  tonjonrs  nonveanx.   Les 

2)  J.  Bah^lbt,  Le  papyrus  math^matique  d*Akhmim.  M^moires  pabli^s  par 
les  membres  de  la  mission  arch^ologique  fran9ai8e  aa  Caire.  Tome  neuvi^me. 
1-er  fascicnle.    Paris  1898,  p.  1—^9. 

8)  Scritti  di  Lbonardo  Pisano  I,  p.  77—83. 


18 

13        111 

X  2 

17        2     4    68 

26 
17 

n        1 
^=-2 

9 

M 

X  2 

18 

"        1 

17 

^  =  4 
1 

68 

1 

D^Teloppement  des  proc^d^s  serrant  k  d^ompoaer  le  quotient  en  quanti^mes.        5 

rapports  existant  entre  les  diff^rentes  unites  des  mesores  homogenes  et  per- 
mettant  d'en  remplacer  les  eqnivalents  d'un  ordre  inf^rieur  par  les  unites 
coirespondantes  d'an  ordre  superienr,  donnerent  les  premiers  exemples 
nombreux  des  quotients  rednits  a  des  quantiimes  et  obtenus  a  la  snite  de 
la  division  d'un  nombre  quelconque  par  son  multiple  ou,  ce  qui  en  dit 
antant,  par  des  fractions  dont  les  denominateurs  sont  les  multiples  de  leurs 
numerateurs.  Bepresentant  la  conversion  des  mesures  inferieures  en  mesures 
snperieures  dans  son  ensemble  cette  metiiode  avait  un  cbaractere  tout 
general  a  l'4poque  ou  le  calcul  fracüonnaire  etait  exclusivement  figure  par 
celni  des  nombres  concrets.  Lorsque  l'emploi  exclusif  de  cette  forme  eut 
disparu  et  que  le  calcul  des  fractions  abstraites  apparut  en  se  däveloppant 
en  dehors  d'elle,  le  proc^e  en  question  se  trouva  seulement  applique  aux 
fractions  dont  le  d^nominateur  est  le  multiple  du  numärateur.  Dans  son 
liiber  Abbaci  en  decriyant  les  metbodes  servant  a  reduire  les  fractions  en 
qnantiemes,  Leonardo  Pisano  met  cette  forme  primitive  et  fondamentale 
en  premier  Heu  sous  le  nom  sousentendu  de  „prima  differentia".  Le  meme 
li-vre  la  cite  comme  indispensable  en  affaires  de  commerce.  Nous  la  trou- 
Tons  employee  dans  tous  les  cas  qui  s'y  rapportent  dans  le  papyrus 
d'Akbmim. 

Les  cas  nombreux  de  la  reduction  ascendante  ayant  pour  r^sultat  un 
nombre  complexe  repr^sentirent  les  premiers  exemples  de  l'extension  de  la 
methode  prec^ente  au  cas  ou  le  dividende  peut  etre  decompos^  en  parties 
äquivalentes  aux  facteurs  du  diviseur  ou  leurs  multiples,  üne  teile  ac- 
ception  de  ces  exemples  aura  pu  ecbapper  toutefois  aux  anciens  caJculateurs 
et  dut  rester,  par  consequent,  sans  influence  notable  sur  l'origine  et  le 
progres  de  Textension  citee.  La  simplicite  de  Tid^e  fut  la  force  de  cette 
extension,  en  permettant  de  la  decouvrir  directement  sans  d'autres  indica- 
tions.  Geai  la  aussi  que  nous  devons  cbercber  la  cause  principale,  l'unique 
peut-etre,  de  son  origine  et  de  son  progres  successif.  L'emploi  en  ayant 
atteint  un  degr^  consid^rable ,  Textension  citee  en  devint  un  nouveau 
xnoyen  independant  servant  a  exprimer  le  quotient  dans  les  quantiemes. 
Cest  dans  ce  sens  que  nous  le  trouvons  decrit  dans  le  Liber  Abbaci  sous 
le  nom  de  la  „secunda  differentia^\  Le  papyrus  d'Akhmim  nous  donne  aussi 
ttne  indication  d^taill^e  sur  la  maniere  de  proc^er  dans  les  caJculs  d'apres 
cette  methode  appliquee  a  chaque  cas  particulier. 

Excepte  l'application  pure  et  directe  dans  les  cas  qui  la  reclamaient, 
la  nouvelle  methode  servit  encore  largement  le  premier  des  procedes  fon- 
damentaux  primitifis  et  decrit  plus  baut  toutes  les  fois  que  le  reste  obtenu 
par  la  division  n'etait  pas  1  et  qu'il  ne  realisait  point  les  conditions  du 
second  procM4  fondamental.     Parmi  les  cas  nombreux  que  nous  foumit  a 


6  V.  V.  Bobynin: 

ce  sajet  le  papjms  d'Akhmim  citons  comme  exemple  la  maltiplication  de  15 
par  Tg  (voyez  cidessus). 

Le  premier  des  procedes  fondamentaux  primitifs  cites  plus  haut  et 
qu'oD  pourrait  appeler  celui  de  la  division  n'est  pas  tonjours  emploje 
dans  la  simplicite  de  sa  forme  originaire.  Les  ecartements  en  consistent  a 
multiplier  le  dividende  par  an  nombre  plus  grand  que  ne  le  reclamait  le 
procedä.  Bs  s'expliquent  tout  d'abord  par  la  conception  vague  qu'on  avait 
de  sa  nature  et  de  ses  qualites.  Plus  tard  les  calculateurs  qui  ayaient 
compris  la  cbose  eurent  recours  a  ces  ecartements  dans  le  but  d'obtenir 
des  decompositions  du  quotient  en  quantiemes  plus  commodes  pour  eux. 
Or  la  decomposition  etait  a  cette  epoque  d'autant  moins  commode  que  les 
denominateurs  de  plusieurs  ou  de  l'une  des  fractions  en  etaient  plus  grands. 
ün  trop  grand  nombre  de  membres  formant  la  decomposition  etait  aussi 
envisage  comme  un  empecbement  quoique  moindre  que  le  premier.  Le 
papjrus  d'Akhmim  nous  presente  16  cas  d'ecartements  semblables  et   tous 

ayant  pour  but  de  trouver  des  decompositions  mieux 
adaptables.  A  quel  point  cependant  un  grand  nombre 
de  membres  etait  considere  comme  un  empecbement 
moindre  pour  la  decomposition  que  ne  Tätait  la  pre- 
sence  d'une  fraction  a  un  grand  d^nominateur,  le  pa- 
pjrus d'Akbmim  le  prouve  suffisamment,  dans  Texemple 
donne  par  la  decomposition  provenant  de  la  multiplica- 

tion  de  12  par  jr-     Opirie  suiyant  la  mithode  de  la 

division  dans  la  simplicite  de  sa  forme  originaire,  ainsi 
4  38  76   qu'on  le  voit  dans   Texemple  ci-joint,  la  decomposition 

n'a  que  3  membres  dont  le  moindre  est  jr^*    Op^ree  suivant  Tecartement 

admis  dans  le  papyrus,  eile  en  a  5  dont  le  moindre  est  ytt'    Les  nombres 

servant  a  multiplier  le  dividende  ou 
Tun  des  restes  dans  ces  Ecartements 
excedent  ceux  qu^en  exige  la  forme 
pure  de  la  methode  ordinairement 
de  1,  et  seulement  dans  trois  cas 
sur  seize  de  2.  Une  augmentation 
si  insignifiante  du  nombre  emploje 
comme  multiplicateur  fait  que  le 
quotient  a  trouver  n'excede  pas  2, 
et  que  dans  6  cas  il  est  1.  Les  fractions  des  decompositions  foumies 
par  les    quotients    Äquivalents  a   2    sont  tantot  reduites  en  quantiemes  a 


15 

X  2 

19    . 

30 

1^,  1  -  2 
11 

X  2 

22 

19    1 

19 

1  "^  4 

o    3    2  +  1 

O  ^B   S=5  - 

76    76 

15    1111 

19 

2  4  38  7 

12 

12 

X  2 

»8    1 

'        2 

X  2 

24 

24 

'^        1 
^--2 

19 

19 

6 

5 

X  4 

1?   1 

X  6 

20 

30' 

19   , 
A-12 

19  1 

19 

1 

1 

152 

11 

6  +  8  +  2 
12  19 

D^veloppement  des  proc^d^s  serraiit  k  d^composer  le  quotient  en  qaanti^mes.        7 

Taide  de  la  seconde  des  denx  metbodes  fondamentales  cit^s  plus  haut  et 
qoi  pent  etre  appell^  (tout  conrt)  celle  de  la  reduction  par  le  numi- 
ratenr  (on  celle  de  la  division  des  termes  de  la  fraction  par  le  nnmera- 

tenr),  tantot  elles  eqnivalent  a  -^^  c'est-a-dire  a  la  senle  des  fractions  au 

munerateur  excedant  1,  qni  alt  ete  a  la  portee  des  calciilatem*s  anciens  et 
par  la  admise  dans  les  decompositions  cherch^es. 

En  comparant  les  proces  des  calculs  exiges  par  la  decomposition  du 
seul  et  meme  quotient  suivant  la  mithode  de  la  diyision  employee  dans 
sa  forme  pure  et  simple,  avec  Tadmission  des  ^rtements  cit4s  plus  baut, 
on  ne  peut  s'empecher  de  remarquer  que  ces  demiers  diminuent  le  nombre 
des  diyisions  successives  et  abregent  ainsi  le  proces.  Non  obstant  le  däsir 
bien  naturel  d'obtenir  dans  la  decomposition  des  formes  plus  commodes, 
cette  circonstance  devait  pousser  les  calculateurs  a  une  admission  toujours 
plus  frequente  et  plus  consciente  des  ecartements  en  question.  Le  besoin 
de  d^mposer  a  leur  tour  les  quotients  obtenus  avec  ces  ecartements  et 
repr^sentes  par  les  fractions  aux  num^rateurs  excedant  1,  en  att^nuait 
toatefois  le  profit,  dans  certains  cas  jusqu'a  Tanäantir.  Les  cas  oü  il  etait 
possible  d'appliquer  a  ces  quotients  la  metbode  de  la  reduction  par  le 
munerateur,  des  cas  analogues  a  ceux  que  nous  trouvons  dans  le  papyrus 
d'Akbmim,  for9aient  les  calculateurs,  afin  de  realiser  cette  possibilite, 
d'employer  pour  multiplier  le  dividende  et  les  restes,  des  nombres  non 
Premiers  et  cela  avec  un  succes  d'autant  plus  grand  que  le  nombre  de 
facteurs  premiers  qui  les  composaient  itadt  plus  considärable.  Avec  plus 
de  clarte  et  a  cause  d'un  emploi  frequent  dans  la  metbode  de  la  diyision 
soQS  toutes  ses  formes,  avec  plus  de  force  encore,  la  metbode  de  decom- 
poser  le  num^rateur  en  parties  equiyalentes  aux  facteurs  du  dänominateur, 
demontrait  Tutilite  et  le  besoin  urgent  d'employer  dans  le  but  indique  les 
nombres  non  premiers  renfermant  le  plus  grand  nombre  possible  de  facteurs 
premiers.  Parfois  quand  le  nombre  non  premier  ^tait  adroitement  cboisi, 
toute  la  decomposition  du  quotient  suivant  la  metbode  de  division  se 
reduisait  dans  son  proces  a  Taction  de  diviser  toute  seule.  La  metbode 
de  diviser  par  le  num^rateur  et  celle  de  decomposer  le  numerateui-  en 
parties  ^uivalentes  aux  facteurs  du  denominateur  etaient  alors  appliquees 
au  quotient  et  aux  restes  obtenus.  Ces  cas  de  plus  en  plus  frequents 
enrent  pour  resultat  final  de  donner  a  la  m^thode  de  division  une  forme 
nouveUe  et  extirieurement  bien  differente.  D'apr^s  la  description  donnee 
par  Leonardo  Pibano  dans  son  Liber  Abbaci,  non  sous  une  forme  gene- 
rale, mais  dans  des  exemples  prives,  cette  forme  qu'il  nommait  „regula  uni- 
Tersalis   in   disgregatione   partium   numerorum*',    etait    ainsi   con9ue.     On 


8  V.  V.  Bobynin: 

choisissait  an  nombre  non  premier  renfermant  le  plus  possible  de  factenrs 

Premiers   (par  exemple  12,  24,  36,  48,  60  etc.)  et  restant  compris  entre 

la  xnoitii  da  d^nominatenr  de  la  fraction  a  decomposer  et  le  meine  d^no* 

minatenr  double.    Ce  nombre  est  multiplie  par  le  niimeratear  et  le  prodnit 

obtenu  diyise  par  le  denominateur.    Le  quotient  qni  sait  est  diyise  par  le 

nombre  non  premier  pris  comme  mnltiplicateor,    et    le   nouveau    quotient 

decompose    en   quantiemes    d'apres    celle    des   methodes  examinees  qui  s'j 

prete  le  mieux.     Getto  regle  de  Leonardo  Pisako  exprimee  a  Faide  des 

signes  algebriques  actuels  repr^nte  la  nouvelle  forme  de  la  methode  de 

diyision  ainsi  con^ue: 

a        am  /     t     r\  a     i      r 

m 


==(«  +  t)-  =  ^  + 


b  b   ""  ~  V  ^  b /  ""       M  ^  bm^ 

m  4tant  un  nombre  tir^  de  la  suite  des  nombres  contenus  entre  ^  ^^  ^^ 

et  pouyant  se  decomposer  en  le  plus  grand  nombre  de  facteurs  premiers. 
Cette  forme  fut  developpee  dans  une  antiquite  profonde,  quelques  mille- 
naires  avant  Leonardo  Pisano.  Dans  le  Papyrus  de  Bhind^)  nous  trou- 
Yons  en  effet  que  tous  les  quotients  provenant  du  nombre  2  divisä  par  les 
impairs  de  5  a  99  sont  d^ompos^s  en  quantiemes  au  moyen  de  la 
methode  de  diyision  dans  cette  forme  ci.  Les  autres  metbodes  qui  y 
sont  employees  en  memo  temps  se  trouyent  exclusiyement  limitees  a 
Celle  de  la  diyision  par  le  numärateur  et  a  celle  de  la  decomposition 
du  numerateur  en  parties  equiyalentes  aux  facteurs  du  denominateur. 
La  Beule  difference,  insignifiante  toutefois,  qui  existe  entre  Tapplication 
de  la  forme  examinäe  dans  le  Papyrus  de  Bhind  et  la  description 
que  nous  en  donne  Leonardo  Pisano,  consiste  en  cela,  que  les 
nombres  non  premiers  emploj^  dans  le  premier  sont  toujours  contenus 
entre  le  denominateur  entier  de  la  fraction  a  decomposer  et  la  moitie  de 
celui-ci.  La  methode  de  la  diyision  est  employee  dans  cette  forme  a  cote 
de  sa  forme  primitiye  a  Fepoque  du  Papyrus  de  Bhind  et  meme  beaucoup 
plus  tard.  Par  exemple,  nous  la  notons  8  fois  dans  les  tables  du  papyrus 
d'Akhmim.  Ainsi  que  dans  celui  de  Bhind  eile  s'y  trouye  appliquee  toutes 
les  fois  que   le  nombre  2   est   diyise   par    les   impairs    de  5  a  19,    en  en 

exceptant  deux  ( 2  •  :rr  et  2  •  —  j ,  ou  la  decomposition  suit  la  forme  pri- 
mitiye de  la  methode  de  la  diyision,  c'est-a-dire  dans  6  cas  seulement.  Les 
deux  demiers  cas  sont  figures  par  la  multiplication  du  nombre  3  par   -y 

et  ^r*     Dans   l'espace    de   temps  ecoule  entre  les  tables  d'Akhmim  et  le 

13 


4)  A.  EiiBRLOHB,  Ein  mathematisches  Handbach  der  alten  Aegypter.  (Papyrns 
Rhind  des  British  Museum.)    Erster  Band  (Leipzig  1877),  p.  SO— 48. 


IMTeloppement  des  procädda  aervant  k  decomposer  le  qnotient  en  quanii^mes.        9 

Liber  Abbaci  remploi  de  la  m^thode  de  la  division  dans  sa  forme  examin^e 
en  avait  fait  disparaitre  la  forme  primitive  aa  point  qne  Leonardo  Pisano 
dat  rignorer.  G^est  la  8eiüe  raison  du  reste  qui  en  expliqne  Tabsence  dans 
son  Liber  Abbaci. 

Ainsi  qne  la  methode  de  la  division  elle-meme,  sa  forme  examinee 
tont  a  rheure  et  ponvant  s'appliqner  egalement  a  tons  les  qnotients  on 
fractions,  possede  nne  gäniralit^  parfaite.  Cest  pourquoi  T^pithite  „d'uni- 
verselle"  qni  lui  a  ete  donn4  par  Leonardo  Pisano  la  caract^rise  enti^rement 
Nons  ne  savons  pas  qne  la  m^thode  de  la  division  ait  fait  des  progris 
an  dela. 

Les  denx  m^thodes  fondamentales  servant  a  d^omposer  le  qnotient  en 
qnanti^mes,  voire  celle  de  la  division  et  Celle  de  la  rednction  par  le  nnm^ 
ratenr,  ont  nne  diff^rence  essentielle  dans  le  caractere  tont  geniral  de  la 
premiere  et  tont  priv^  de  la  seconde.  A  la  snite  de  cette  diff<irence  cha- 
cnne  des  denx  m^thodes  se  developpa  a  sa  maniere,  dans  nne  direction 
dissemblable  a  Tantre.  Effectivement,  tandis  qne  le  progres  de  la  premiere 
consistait  a  simplifier  et  a  abr&ger  le  proces  dn  calcnl,  celni  de  la  seconde 
s'occnpait  exclnsivement  a  repandre  son  proced^  sur  de  nonveanx  genres  de 
fractions,  afin  d'aniver  a  nne  forme  Egalement  applicable  a  tontes  les 
fractions.  Cest  dans  cette  direction  qne  se  developpa  la  seconde  methode 
elle-mSme  et  le  premier  cas  de  son  extension  on  la  methode  de  la  ii- 
composition  du  nnm^ratenr  en  partiefl  äquivalentes  aux  factenrs  du  d^- 
nominatenr.  Nons  suivrons  d^abord  le  progr&s  de  la  methode  elle-meme 
ponr  passer  ensnite  a  son  extension  premiere.  II  est  a  remarquer  pour  le 
premier  cas  qne  nons  pouvons  en  observer  le  developpement  exclnsivement 
a  Faide  des  connaissances  foumies  par  le  Liber  Abbaci,  c'est-a-dire  dans 
les  formes  du  calcnl  fractionnaire  qui  en  ont  remplace  la  forme  primitive, 
repr^ientee  par  le  calcnl  des  nombres  concrets. 

Le  moyen  le  plus  grave,  le  seul  peut  etre,  de  repandre  la  methode 
de  la  rednction  par  le  numerateur  sur  les  groupes  des  fractions  qui  ne 
donnent  pas  lieu  a  son  application  imm^ate,  fut  foumi  par  nne  Observa- 
tion tonte  simple.  Elle  montrait  qu'en  augmentant  le  denominateur  de  1, 
la  differenoe  entre  la  premiere  fraction  et  la  seconde  est  toujours  equi- 
▼alente  au  qnotient  provenant  de  la  division  de  Fune  par  le  denominateur 
de  l'antre.  Dans  des  cas  particnliers,  lorsqne  le  denominateur  augmente 
^  1  devient  le  multiple  du  numerateur,  la  fraction  transformäe  ainsi  qne 
la  diffSrence  entre  eile  et  sa  premiere  forme  sont  repr^sent^s,  nne  fois  la 
i^nction  par  le  numerateur  op^r^e,  conune  des  quantiimes.  De  cette 
maniere  Fobservation  indiqu^e  permet  de  decomposer  la  fraction  en  une 
somme  de  denx  quanti^mes  amenes  a  cette  forme  par  Fapplication  de  la 


10  V.  V.  Bobjnin: 

methode  de  la  redaction  par  le  numeratear.  Antrement  dii,  eile  en  repand 
Tapplication  snr  tont  le  groape  des  fractions,  dont  les  denominatears 
aagment^  de  1  deviennent  les  multiples  de  lenrs  nmnmkteiirs.  Leonabdo 
PiSANO  d^rit  la  regle  exprimant  cette  nouyelle  fonne  de  la  mithode  de  la 
rednction  par  le  nrnn^rateor  en  troisieme  lieu  et  sons  le  nom  de  la  „tertia 
di£ferentia  disgregatioiiis^. 

Cette  nonvelle  extension  de  la  methode  de  la  r^uctioii  par  le  nuine- 
rateur  appliqu^e  aux  fractions  n'appartenant  point  an  gronpe  qni  en  ad- 
mettait  Tapplication  abontit  natnrellement  a  des  calcnls  manques.  Les 
calcnlatenrs  firent  alors  connaissance  des  fractions  qn'on  amenait  a  ce 
gronpe  en  en  diminuant  le  nnmeratenr  de  n'importe  qnel  nombre,  on,  ce 
qni  vent  dire  la  meme  cbose,  d'nn  gronpe  de  fractions  dont  les  denomina- 
tenrs  angmentes  de  1  deviennent  les  multiples  de  la  diffiirence  entre  le 
nnmeratenr  et  un  nombre  quelconque.  En  separant  de  chacune  des  fractions 
de  ce  gronpe  la  part  qui  avait  le  nombre  indiqui  pour  nnmeratenr,  on 
decomposait  la  fraction  primitive  en  deuz,  nommement  celle  qni  representait 
la  partie  separee  et  celle  qni  avait  pour  nnmeratenr  la  difference  entre  le 
nnmeratenr  primitif  et  celni  de  la  partie  separee.  La  seconde  de  ces 
fractions,  appartenant  an^  fractions  du  gronpe  examine  plus  haut,  admet 
tonjours  Tapplication  de  la  methode  de  la  rednction  par  le  nnmeratenr. 
Qnant  a  la  premiere  eile  ne  Tadmet  que  dans  les  cas  oh,  son  nnmeratenr 
equivaut  a  l'un  des  facteurs  du  denominateur.  Les  fractions  possedant  cette 
qualite  particuli^re  forment  ^videmment  un  gronpe  nouveau,  admettant 
Tapplication  de  la  methode  de  la  rednction  par  le  nnmeratenr  a  leur  com- 
plete  d^omposition  en  quantiemes,  c'est-a-dire  sans  recourir  a  l'aide  des 
autres  m^thodes.  Cependant,  a  F^poque  de  la  phase  du  calcul  fractionnaire 
en  question,  les  calcnlatenrs  ne  connaissaient  pas  encore  oe  gronpe  de 
fractions  dans  sa  forme  generale,  teile  que  nous  venons  de  la  repr&enter. 
Ils  n'en  connaissaient  que  les  plus  simples  representants,  et  ceux-la  anssi 
dans  un  nombre  fort  limit^,  trois  a  peine,  ainsi  que  le  prouve  Toeuvre  de 
Leonardo  Pisano.  Suivant  ce  demier  ils  savaient  qu'en  augmentant  le 
denominateur  de  1  on  le  rendait  multiple:  1)  de  la  difference  entre  le 
nnmeratenr  et  Tunite  au  denominatenr,  represent^  par  un  nombre  premier; 
2)  de  la  difference  entre  le  nnmeratenr  et  le  nombre  2  au  denominateur 
qui  est  un  nombre  pair;  3)  enfin  de  la  difference  entre  le  nnmeratenr  et 
le  nombre  3  au  denominateur  qui  est  le  multiple  de  3.  Les  regles  servant 
dans  ces  cas  a  decomposer  les  fractions  en  quantiemes  a  Taide  des  pro- 
cedes  indiquäs  tont  a  Thenre  sont  expos^es  dans  le  Liber  Abbaci  sons  les 
titres  correspondants  de  „quarta  differentia  disgregationis*^  „quinta  differentia^^ 
et  „sexta  differentia'^ 


D^Teloppement  des  proc^d^  Berrant  ö.  d^omposer  le  quotient  en  qnanti^mes.      11 


Des  observations  du  meme  genre  snr  les  qnalites  des  fractions  ont  pa 
amener  a  ^tendre  la  metbode  de  la  reduction  par  le  num^rateur  seulement 
sor  un  petit  nombre  de  groupes  des  fractioDS,  qui  n'en  admettaient  point 
Tapplication  immediate.    Ils  n'^taient  pas  a  meme  de  donner  a  la  metbode 
de    la   reduction   par   le   nomeratenr   la  generalit^  desiree,  et  Ton  obtint 
celle-ei  a  l'aide  d'one  tonte  autre  voie.     Les  cas  de  Fapplioation  manquee 
de  la  metbode  de  la  rednction  par  le  numeratenr  avaient  montre  ans  cal- 
cnlatenrs  attentift  qn'en  divisant  le  numeratenr   et  le  denominatenr  d'une 
fraction  inferieure  a  Tunite  par  son  numeratenr,  on  obtient  1  pour  nume- 
ratenr, et  pour  denominatenr  un  nombre  entier  avec  une  fraction  inferieure 
a  Tunite.     £n  rejetant  celle-ci  on  avait  une  fraction  plus  grande  que  la 
premiere,  au  contraire,  en  Taugmentant  jusqu'a  1,  on  en  ayait  une  plus 
petite.    Cette  demiere  ayant  Tunite  pour  numeratenr  pouvait  etre  enyisag^e 
comme  le  premier  membre  de  la  decomposition  en  quanti^mes  de  la  fraction 
donnee.    Pour  en  obtenir  les  autres  membres  il  n'j  avait  qu'a  soumettre  a 
la  meme  decomposition  la  difiiirence  entre  la  fraction  donnee  et  celle  qu^on 
acceptait  comme  le  premier  membre  de  sa  decompositioD.    Le  meme  proces, 
definissant  comme  nons  venons  de  le  voir,  le  premier  membre  de  la  de- 
composition aura  evidemment  pu  etre  applique  a  cette  difference  d'abord, 
a  la  difference  suivante  plus  tard,  etc.  jusqu'a  ce  qu'on  en  arrivät  enfin  a 
la  difference   repr^sentee  par  un  quantieme,   ou   reduite  a  cette  forme  a 
Taide  de  Tune  des  mitbodes  prealablement  connues.     Le  nouveau  procede 
de  decomposer  les  fraotions  en  quanti^mes,  decouvert  ainsi  par  les  calcula- 
tenrs  attentifs,  conduit  possible  d'appliquer  a  toutes  les  fractions  sans  ex- 
ception  la  metbode  de  la  reduction  par  le   numeratenr  —  on,  ce  qui  est 
plns  precis,  le  proces  du  calcul  qui  la  composait  —  et  repondait  de  cette 
mani^  au  but  d'en  g^neraliser   Tapplication,  auquel    tendait   le    progris 
de  la  metbode  elle-meme.    Leonardo  Pisano  dans  son  Liber  Abbaci  reprä- 
sente ce  nouveau  procede,  ou  plutot  la  regle  qui  en  exprime  le  proces  du 
calcul,  dans  une  description  detaill^e  et  sous  le  nom  de  la  „septima  diffe- 
rentia*^     Nous  y  trouvons  d'abord  la  remarque  qu'il  faut  Templojer  dans 
les  cas  oi.  les  procedes  qui  le  precedent  dans  le  cours  du  livre  se  trouvent 
inapplicables.     Nous  lisons  ensuite  que  son  application  aux  fractions  de- 
composees,  snivant  les  rhglea  du  deuxieme,  quatrieme,  cinquieme  et  sixieme 
de  ces  procedes  nous  amkie  a  de  meilleurs  resultats  que  n'en  donne  Tap- 
plication  de  cea  memes  r^gles.  A  Tepoque  de  Leonardo  Pisano,  ces  procedes  ci 
epoisaient  justement  pour  la  metbode  de  la  reduction  par  le  numeratenr  tous 
les  cas  connus  de  son  extension.     Par  consequent,  on  ne  peut  s'empecber 
de  voir  que  Fendroit  cite  du  Liber  Abbaci  timoigne,  par  le  fait  meme  de 
son  existence,  que   si  la  decomposition   des  fractions  en  quanti^mes  n'est 


12  V.  V.  Bobynin: 

pas  abandonnee  dans  Tayenir,  tons  ces  proced^s  seront  remplaces  dans  la 
pratiqne  da  calcul  par  la  septieme  regle  tonte  setde,  comme  donnant  les 
resnltats  les  plus  commodes.  La  geniralite  de  son  application  n'anrait 
Sans  donte  fait  qne  d'en  hater  racoomplissement. 

Le  progris  initial  da  procede  de  decomposer  le  namerateor  en  parties 
eqaivalentes  aux  factears  da  d^nominateor,  saivant  la  mani^re  citee  plus 
haut  et  repr^sentant  le  premier  cas  de  la  r^daction  par  le  namerateor  dans 
son  extension,  ne  noas  est  donne  qae  par  le  papjras  d'Akhmim.  Tont  en 
etant  tris  complet  le  Liber  Abbaci  ne  contient  pas  d'indications  a  ce  sajet 
Cela  tient  peat-etre  a  ce  qae  les  r^saltats  du  progres  en  qaestion  ont  ete 
abandonn^s  a  F^poque  ou  ce  livre  fnt  ^rit,  ou  a  ce  qae  Femploi  en  devint 
si  rare,  que  Leonardo  Pisano  ne  fnt  pas  a  m§me  de  les  connaitre. 
Quoiqn'il  en  soit  nous  constatons  le  manque  de  ces  resultats  dans  des 
manuscrits  ant^rieurs  au  papjrus  d'Akhmim,  et  nous  en  constatons  la  pre- 
sence  justement  dans  celui-ci,  appartenant  a  la  litteratnre  mathematiqne 
grecque  et  posterieur  de  deux  ou  trois  si^cles  seulement  a  Diophante 
d'Alexandrie  dont  Tactivite  marque  le  point  colminant  du  progres  de 
rarithmitique  en  Orece.  Cela  nous  am&ne  a  croire  que  ces  resultats  ne 
sont  pas  atteints  d'une  mani^re  empirique,  c^est-a-dire  en  faisant  la  con- 
naissance  des  proprietes  des  qnotients  ou  des  fractions,  comme  la  plupart 
des  procedäs  cites  plus  haut,  mais  par  une  voie  sp^culative,  a  Taide  des 
transfortnations  du  quotient  ou  de  la  fraction  dans  un  bat  d^termin^.  C'est 
ce  qui  arriye  en  effet.  La  m^thode  servant  a  d^omposer  le  diyidende  en 
parties  equivalentes  aux  facteurs  du  diyiseur  dans  les  deux  cas  de  son 
extension  employes  dans  le  papjrus  d'Akhmim  pour  les  sortes  de  la  division 
qui  n'en  admettent  point  Fapplication  imm^diate,  est  facilement  dMuite  de 
rinvariabilit^  du  quotient  alors  que  le  diyidende  et  le  diyiseur  sont  mul- 
tiplies  par  un  seul  et  meme  nombre.  Le  premier  et  le  plus  grave  de  ces 
cas  se  rapportait  a  la  forme  de  la  diyision  oü  la  somme  des  facteurs  du 
diyiseur  faisait  le  multiple  du  diyidende.  Afin  que  celui-ci  Tegalat,  autre- 
ment  dit:  afin  d'amener  la  diyision  dans  le  cas  examinä  a  la  forme  qui 
permettrait  Tapplication  du  procede  que  Ton  youdrait  repandre,  il  n'j  ayait 
qu'a  multiplier  le  diyidende  et  le  diyiseur  par  le  quotient  proyenant  de  la 
somme  des  facteurs  du  diyiseur,  diyisee  par  le  diyidende.  Cette  transfor- 
mation  et  Celles  qui  la  suiyent  exprimees  dans  les  signes  algebriques  actuels 
nous  donnent  les  identites  que  yoici,  representant  le  cas  de  Fextension  a 
examiner: 

a:hc  =  aq  :  hcq  =  (h  +  c)  :  ^cq=-  +  ^^, 
ou  6  +  c  =  ag.     Le    second    cas    de    Textension,    cite    dans   le   papyrus 


D^TOloppement  dea  proc^d^a  aerrant  ä  d^compoaer  le  quotient  en  quanti^mea.     13 

d'Akhmim,  consiste  dans  l'application  immediate  du  procis  des  calcnls  fixe 
par  le  premier  cas,  a  la  transformation  des  cas  de  la  division,  dans  les- 
quels  le  nombre,  proTenant  de  Taddition  de  quelques  facteurs  du  diyiseur 
aux  multiples  de  ses  autres  facteurs,  devient  le  multiple  du  diyidende. 
Cette  application  figur^  en  signes  algebriques  actuels  nous  donne  les  iden- 
tites  suiyantes 

a  i  hc  =  aq  :  hcq  =  (&  +  mc)  :  hcq  = [-(*'*•  ^o) » 

eq 

oü  &  -}"  mc  8»  ag.  La  seconde  partie  de  l'expression  obtenue  demande  a 
son  tour  la  decomposition  en  quantiemes  d'apres  Tun  des  procid^  connus. 
Le  calcul  ne  peut  se  passer  de  cette  Operation  que  dans  le  cas  particulier, 
lorsque  le  nombre  m  est  un  des  facteurs  du  diyiseur  hq.  Dans  les  exemples 
que  nous  foumit  ce  cas  particulier  dans  le  papyrus  d'Akbmim,  m  est  tou- 
jouis  Tun  des  diyiseurs  du  nombre  h,  Excepte  ces  exemples  le  meme 
papjms  nous  en  donne  d'autres  pour  le  cas  gen^ral. 

Appartenant  a  Tepoque  oii  les  mathematiques  grecques  se  trouyaient 
en  decadence,  le  papyrus  d'Akhmim  ne  renferme  aucune  description  des 
procedes  que  nous  y  trouyons  employes  pour  exprimer  le  quotient  en  quan- 
tiemes. On  n'y  Toit  que  des  Operations  successiyes  faisant  partie  des  procis 
du  calcul  qui  representent  ces  proc4des,  mais  sans  explications.  II  faut 
ajouter  que  les  exemples,  auxquels  est  appliqu^e  dans  les  deux  cas  de  son 
extension  donnes  par  le  papyrus,  la  decomposition  du  numerateur  en  parties 
equiyalentes  aux  facteurs  du  dänominateur,  doiyent  etre  cit^  au  nombre 
des  plus  simples.  Cela  tient  a  ce  qu'ils  ne  fönt  usage  que  de  la  decom- 
position du  d^nominateur  en  deux  facteurs,  ainsi  que  nous  Tayons  introduit 
dans  les  formules  gin^rales  precMentes,  afin  de  les  faire  accorder  ayec 
Tonginal. 


m'iyf 


ZUB  GESCHICHTE  DER 


PROSTHAPHAERETISCHEN  METHODE 


IN  DER  TRIGONOMETRIE. 


VON 

A.  V.  BSAXTNHOHL 

IM  mDhchbn. 


Herr  M.  Caktor  hat  an  mehreren  Stellen^)  seiner  Geschichte  der 
Mathematik  darauf  aufmerksam  gemacht,  welche  Bedeutung  die  Methode 
der  Prosthaphäresis  Tor  Erfindung  der  Logarithmen  für  die  Astronomen 
besafs,  und  ihre  geschichtliche  Entwickelung  in  allgemeinen  Umrissen  mit 
gewohnter  Meisterschaft  gezeichnet.  Vielleicht  bietet  es  daher  etwas  Inter- 
esse, wenn  ich  hier  einige  spezielle  Bemerkungen  über  ihren  Gebrauch,  so- 
wie einige  Belege  zu  ihrer  Entstehungs-  und  Entwickelungsgeschichte  mit- 
teile, die  mir  bei  einem  eingehenden  Studium  der  trigonometrischen  Me- 
thoden jener  Zeit  begegneten. 

In  einer  kleinen  Abhandlung,  die  1896  in  der  BibUofheca  mathcmoHca 
(105 — 108)  erschien,  glaube  ich  den  Nachweis  geführt  zu  haben,  daTs  der 
Erfinder  dieser  Methode  im  Abendlande  der  bekannte  Johann  Werner  tou 
Nürnberg  ist,  wie  dies,  allerdings  ohne  zwingenden  Beweis,  schon  Montucla^ 
behauptete.  Da  aber  Werner's  Schrift  „De  triangtilis  per  maxmorum  cir- 
aüorum  segmenta  construdis  lihri  Y*\  in  deren  drittem  Buche  er  die 
Prosthaph&resis  auseinandersetzte,  nie  im  Drucke  erschien,  so  geriet  die 
Methode  in  Vergessenheit  uud  tauchte  erst  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
wieder  yon  Neuem  auf,  wo  sie  ihre  Yolle  Ausbildung  erfuhr.  Über  diese 
Wiedererfindung  wollen  wir  uns  etwas  n&her  verbreiten. 

um  das  Jahr  1584  kam  an  den  Hof  des  Landgrafen  Wilhelm  IV. 
von  Hessen,  der  Kassel  zu  einem  Zentralpunkt  astronomischer  Forschung 
gemacht  hatte,  ein  gewisser  Paul  Wittich  (1555? — 1587)  aus  Breslau, 
welcher  sich  von  1580 — 1581*)  bei  Tycho  Brahe  auf  der  Insel  Hveen 
aufgehalten  hatte,  und   blieb    daselbst   Iftngere    Zeit.     Von   ihm   berichtet 


1)  Bd.  II,  417,  690,  658. 

2)  Bigott  des  MaOiematigues.  I,  684.  Im  Cod.  lat.  man.,  24101,  t.  18  finde 
ich  nachtrSglich  noch  eine  BestflÜgung  meiner  Ansicht,  indem  daselbst  Joh. 
PiAiTOKiua  Wmbxee  direkt  als  den  Erfinder  bezeichnet. 

S)  Diese  Datumsbeatimmung  ergibt  sich  aas  dem  Briefwechsel  Ttcho's  mit 
HioiGTOB  und  ScuLTBTDs.  Friis,  Ttohonib  Brahb  epi8k>lae  ab  crnno  1568  usque 
od  aMMfm  1587.  Hauniae  1876 — 86  in  4^.  Ans  dem  Briefe  Ttcho'b  Tom  4.  Not. 
1580  an  Haoboius  geht  (p.  66)  hervor,  dafs  Wittich  um  diese  Zeit  schon  auf 
üranieDlnirg  war,  and  ans  4em  Schreiben  an  Scultbtus  vom  12.  Okt.  1581  (p.68— 59), 
ds^  er  die  Insel  Hveen  bereits  wieder  verlassen  hatte. 

Abk  nr  G«mIi.  d.  Mathom.   IX.  2 


18  A.  Y.  Brannmühl: 

Batharüs  ürsus^)  (Reimers),  „er  habe  den  ersten  Fall  der  sogenannten 
prosthaph&retischen  Methode  den  Kasseler  Astronomen  als  eine  Beclmnngs- 
methode  gezeigt,  welche  schon  längere  Zeit  auf  der  üranienbarg  bei  astro- 
nomischen Rechnungen  angewendet  werde,  ohne  jedoch  einen  Beweis  dafor 
anzugeben.  Jobbt  Bürqi,  der  damals  Hofuhrenmacher  des  Landgrafen  war, 
habe  dann  daf&r  einen  so  frachtbaren  Beweis  gefanden,  daijs  aas  ihm  die 
anderen  prosthaphäretischen  Fälle  and  sein  (des  ürsus)  Beweis,  ja  die  Anf- 
lösang  aller  Dreiecke  darch  diese  Methode  yermittelst  der  Sinusse,  Tan- 
genten und  Sekanten  hergeleitet  werden  können«  Hiervon  habe  dann  Jacob 
CuRTius  dem  Clayius  Nachricht  gegeben,  der  diese  Erfindung  erweitert 
und  auch  dem  Tycho  1590  darüber  geschrieben  habe." 

untersuchen  wir  die  Richtigkeit  dieser  Erzählung  etwas  genauer,  so 
haben  wir  zuerst  die  Erfindung  der  Prosthaphäresis  auf  der  üranienburg 
zu  besprechen.  Die  Stelle'^),  an  welcher  Werner  mit  Hinweis  auf  seine 
Dreiecksbücher  die  prosthaphäretische  Methode  anwendet^  um  die  Länge  der 
l^ca  virginis  zu  finden,  kannte  Tycho  Brahe  nachweisbar,  denn  er  spricht 
oft  von  Werner's  Schrift  „De  motu  odavae  splMcrae"  und  greift  speziell 
dessen  Beobachtung  der  Spica  an^).  Doch  konnte  ihn  der  Wortlaut  jener 
Stelle  nur  auf  die  Existenz  eines  praktischeren  Rechnungs Verfahrens,  als 
das  gewöhnliche  ist,  aufmerksam  machen,  das  Verfahren  selbst  war  absolut 
nicht  daraus  zu  entnehmen.  Dagegen  ist  es  nicht  unmöglich,  dafs  Tycho 
in  die  Dreiecksbücher  Werner's  direkt  Einsicht  bekam,  als  er  1575  Deutsch- 
land durchreiste  und  speziell  in  Wittenberg  war.  Denn  dieselben  waren 
nach  Werner's  Tode  in  die  Hände  Hartmann's  in  Nürnberg  und  von 
diesem  an  G.  J.  Rhaeticus  gekonmien,  der  längere  Zeit  in  Wittenberg 
gelehrt  hatte,  und  in  dessen  Nachlasse  (er  starb  1576)  sie  sich  noch  fan- 
den, als  sie  Christmakn  in  Heidelberg  erhielt.^)  Doch  abgesehen  von 
dieser    wohl    kaum    mehr    beweisbaren  Vermutung   ist   es    sicher,    dafs 


4)  ScHsiBEL  teilt  in  seiner  Einleitung  zur  mathem.  Bücherkenntnis,  7.  Stück, 
Breslau  1786  mit  (p.  17  ff.),  dafs  Reimers  das  Angeführte  in  dem  Werke  Tractattu 
de  aatronamicis  hypothesibus.  Pragae  1697  in  4*^.  angebe;  aber  auch  in  desselben 
Autors  Schrift  Fundamentum  astranomicum  1688  in  4^  finde  ich  p.  16  den  Wimen 
erwfthnt. 

6)  Dieselbe  steht  in  Jo.  Wehhbri  de  motu  octavae  sphaerae  traetahu  primus. 
Propositio  IL  Norimbergae  1622.  Vgl.  Camtob,  Geschichte  der  Mathematik  II.  418  ff. 

6)  Z.  B.  in  seinem  Briefe  vom  20.  Jannar  1687  an  Rothmanh.  T.  Brahei 
^^iskUarum  osfrofiom.  libri.  Norimb.  1601  in  4^  p.  76,  femer  in  Astnmomiae  in- 
gtaur€ttae  Progyni'nasmata  1602.  p.  221. 

7)  M.  CAirroR,  Geschichte  der  Mathematik,  n  417  und  666,  sowie  Christmak!«, 
Theoria  hmae  ex  noms  hypothesibus  et  ohservationÜms  iemonstrata.  Heidelbergae 
1611  fol.  p.  124. 


Zur  Geschichte  der  proathaph&retiBchen  Methode  in  der  Trigonometrie.     19 

TrcHO  im  Yerein  mit  Wittich  schon  1580  die  prosthaphäretische 
Methode  aasarbeitete. 

Dies  geht  zonäohst  aus  jenem  Briefe  desselben  vom  4.  November  1580 
an  Hao£Oius  hervor,  der  den  Wittich  an  Tycho  empfohlen  hatte,  indem 
hier  Ttcho  ausdrücklich  sagt,  dafs  er   sich  im  Verein  mit  Wittioh  (com- 
fnunicata  opera)  viel  mit  der  Ausbildung  der  Prosthaph&resis  beschäftigte, 
die  von  der  unangenehmen  Multiplikation  und  Division  befreie,  und   dafs 
jener  die  Grundlagen  hierzu  gelegt  habe,  allerdings  auf  Mitteilungen 
hin,  die  er  seiner  Zeit  von  Tycho  erhalten   habe,  als  dieser  mit  ihm  in 
Wittenberg   zusanmien   war   (1575).^     Auch   Kepler  nennt   die    Prostha- 
phareais    einmal    ein    „artifidum   Tychonicum''^),    dann    wieder    „negoHum 
Wittichianuim"  und  „refftda  WitUchiana*';  er  nahm  also  wohl  auch  an,  dafs 
sie  durch   Zusammenwirken  beider  zustande  kam,  wie  es   auch  am  wahr- 
scheinlichsten ist     Übrigens  war  Tycho  bekanntlich  viel  weniger  gewandt 
im  Rechnen,    als  im  Beobachten  und  verdankte  daher  ohne  Zweifel  dem 
Wittich  nach  dieser  Richtung  viel.     In  der  That  bezeichnet  er  ihn  auch 
wiederholt  als  sehr  geschickt  in  der  Mathematik  ^^).     Ein  weiteres  Zeugnis 
dafOr,  dals  Tycho  und  Wittich  in  gemeinsamer  Arbeit  die  fragliche  Me- 
thode  ausbildeten,   gibt   uns  Tycho's    langjähriger  Schüler  Longomontan, 
bdem  er  in  seiner  Astranomia  Danica  beide  ausdrücklich  als  die  Erfinder 
derselben  bezeichnet.  ^^) 

8)  Friis,  a.  a.  0.  65.  ,J^am  et  ego  talibw  (trianguhrutn  campendiis)  insttdavi 
cUque  in  posierum  uUerius,  voltmte  numine,  inaudabo,  quo  haec  ratio  quae  per 
TCQoe^atpcclQiifiv  proeedit  absque  taediosa  multiplictxtione  et  divisione  plenius  ex- 
eolatfir  ei  JocupUatur^  in  quüms  tarnen  iOe  needwn  soHs  est  verscttus  sed  asstiescet 
tueeemve.  Vieue  enim  is,  quod  et  eponte  fatetur,  saUem  initia  qtMedam  hie  ieeisse 
adwumitw  iis  verbia  quae  se  a  me  audivisae,  dum  semel  Wittembergam  ipso  illic 
studenU  traeirem  et  me  horum  studiorum  caussa  convenisset,  licet  ego  eorum  recor- 
dari  non  potuerim/' 

9)  Opera  onmia.    Ed.  Frisch  IT.  439  Anmerkmig  94. 

10)  So  sagt  er  in  jenem  Schreiben  an  Rothmann  vom  20.  Jan.  1687  „.  .  .  ob 
ingemosam  in  Maihematieis  praeeertim  quoad  Geometriam  attinet  soüerHam  .  .  ." 
und  in  einem  firiefe  vom  16.  August  1588  an  denselben  (p.  118  ebenda)  „,  .  .  in 
Geometria  et  Triangulorum  ac  numerontm  tractaiione  expeditior  et  felicior  eraif' 
als  im  Beobachten  nämlich;  endlich  kommt  er  am  14.  Jan.  1696  Rothmann  gegen- 
über noch  einmal  auf  ihn  zu  sprechen,  indem  er  sagt,  er  habe  Wittich's  Ehre  in 
keiner  Weise  verletst  (indem  er  ihn  n&mlich  beschuldigt,  dem  Landgrafen  vieles 
all  seine  eigene  Erfindung  mitgeteilt  sn  haben,  was  Ttcho  angehöre)  sondern. 
A«^'  lantde  dignua  erat  Wittiehiua,  videlicet  in  Oeometricia,  et  compendiia 
quihuadam  triangulorum  laudavi  etc.",  a.  a.  0.  296. 

11)  A.  a.  0.  p.  10  heifst  es:  ,ßi  awtem  de  huiua  compendii  inventore  opua 
^^Merat  .  .  .;  neminem  certe  habeo^  Tychone  noatro  et  Vitichio  VratiaHaiüienai  anti- 
^iorem:  quorum  aeilicet  mutua  opera  primum  anno  1582,  in  Huaena,  aphaeriea 

2* 


20 


A.  ▼.  Brannmüfal: 


In  der  Yon  mir  mitgeteilten  Erz&hlong  heifst  es  weiter,  Büroi  habe 
für  den  ersten  Fall  der  prosthaph&retischen  Methode  einen  Beweis  er- 
dacht n.  s.  w.  BuBoi  seihst  hat  hieräher  nichts  verSffentlicht,  aber  Bbihebs 
teilt  in  seinem  Fundamentum  astronomicufn,  1588.  16^  nnd  17'  die  beiden 
wichtigsten  Begeln  mit,  indem  er  bessüglich  ihrer  Ableitung  auf  beistehende 
Diagramme   verweist,   von    denen   er   das   erste  dem  Paul  WrmcB,  das 


V    X 


zweite  dem  BARTHOLOXArs  ScrLTSiTS  widmet,  der  ein  Werk  über 
Sonnennhren  geschrieben  hatte.  Es  sei  in  beiden  Figuren  arc^F  =  a, 
arc  SF  =  arc  MN  =  ßj  dann  ist  in  der  ersten  «  +  ^  <  90®,  in  der  zweiten 
«  +  ^  >  9lV>.  Femer  sei  FDM±AB  und  BC,  DE,  FG,  MH±ÄY 
gefüll,  HK  =FG  =  MB,  bezüglich  HB  ==  JPG  gemadit,  und  MO  nnd 
JP^  1.  KS  gezogen,  das  |  MF  ISnft;  macht  man  dann  noch  JDL  l  ÄT^ 
dann  ist  in  der  ersten  Figur  aro  rJI=90*—  /J  +  a,  arc  YF=  9(f  —ß  —  a, 
MB  =  sin  (90®  —  /J  +  a)  ,  FG  =  HK=MB  =  sin  (90®  —  /J  —  o). 
Aber  LH  =  DE=  \BH  =  \\^MH—MB)  =  \[wi  (90®  —  ß  +  «) 
—  sin  (90^  —  ^  —  a^  i .  Femer  ist  ÄC  =  sin  c,  AD  =  JP^  »=  sin  /J  und 
AB :  AD  =  BC :  DE,  somit  für  AB  =  sin  tot. 

^1)  Sin  tot:  sin^  =  sinc:^  { sin  (90®  ~  jj  +  «)  —  an  (90®  — /J  —  a) } , 
nnd  ans  der  zweiten  Figur  folgt  durch  analoge  Überiegungen 

(n^  8intot:  cos^=cos«:i  {sini^  + 9iV>  — «)  — an^^  — 90^-f-a)} . 

Nach  dorn  von  R  Wolf  beigebrachten  Beweismateiial^    giaube  ich, 


trian^i*hM   taii  ptufwmifute  pro  itmdüm»  Urmmkis  mnA 
ISdä  kt  nach  dem  oben  Bemerictcn  nicht  richtig. 
li.  AstnnoviM^  Mittahngai  XXXn  5^— ö!».  VgL  «ach  Pmcrs« 
Khn  mam^me  Ed,  setmmdm,  An^  Viml.  mxs.    in  A\   lib.  V 


Das 


Zar  Geschichte  der  prosthaphäretischen  Methode  in  der  Trigonometrie.     21 

dafs  diese  beiden  Beweise  auf  Rechnung  BüRofs  zu  setzen  sind,  der  sicher 
auch  den  ni.  Fall  kannte,  welcher  für  a  -j-  ß  =  90^  eintritt  und  aller- 
dings erst  von  Clayius  publiziert  wurde.  Dieser,  heilst  es  in  unserer  Er- 
zählung, habe  von  Jacob  Curtius  Nachricht  erhalten  und  die  Erfindung 
erweitert  In  der  That  hat  er  nicht  nur  den  eben  erwähnten  Zwischenfall 
angemerkt,  sondern  zum  erstenmale  in  einer  Druckschrift,  in  seinem 
Astrolabium  von  1593^')  eine  ausführliche  Darstellung  der  prosthaphäre- 
tischen Begeln  und  ihrer  Anwendung  auf  die  Berechnung  des  ebenen  Drei- 
eckes und  auf  alle  sechs  Fundamentalgleichungen  des  rechtwinkligen 
sphärischen  Dreieckes  gegeben. 

Kamen  dabei  Tangenten  Yor,  wie  z.  B.  in  der  Formel  sin  tot :  tg  d 
=  ig  q>  i  X,  so  setzte  er  tg  d  =  sin  er,  ig  q)  ^=^  sin  ß  und  wandte  die  prostha- 
phäretische  Methode  auf  diese  Funktionen  an.  Dies  ^g  aber  natürlich 
nur  so  lange,  als  der  Zahlenwert  der  Tangente  den  Sinus  totus  nicht  über- 
schritt-, war  dies  der  Fall,  also  etwa  tg  9  >  10",  so  dividierte  er  das 
betreffende  Glied  mit  10",  setzte  den  Best  »=  sin  /3  und  mufste  dann  nach 
Anwendung  der  Prosthaphäresis  auf  das  Produkt  sin  a  sin  ß  noch  das  Produkt 
aus  sin  a  und  dem  Quotienten  addieren.  Ähnlich  im  Falle  beide  Faktoren 
den  Radius  der  Tafel  überstiegen.     Stand  femer  der  Sinus  totus   nicht  an 

der  ersten  Stelle  der  Proportion,  z.B.  a:10*  =  h  :  x,  so  dafs  a;  =  10"  — 

zu  berechnen  war,   so  setzte  er  a  =  cosec  a  =  — ,    b  =  sia  ß.    woraus 

sich  wieder  x  =  10"  sin  a  sin  /3  ergab,  das  auf  die  angeführte  Weise  weiter- 
bebandelt  wurde.  Erst  durch  diese  beiden  Erweiterungen,  die  Clayius ^^) 
zuerst  Yeröffentlichte,  womit  jedoch  nicht  gesagt  sein  soll,  dafs  sie  nicht 
anch  BüROi  und  andere  schon  in  Erwägung  gezogen  hatten,  erhielt  die 
Methode  jene  Allgemeinheit,  die  sie  zur  bequemeren  Ausführung  von  Multi- 
plikationen und  Divisionen  grofser  Zahlen  befähigte  und  namentlich  für 
den  rechnenden  Astronomen  zu  einem  unentbehrlichen  Hilfsmittel  machte, 
bis  sie  durch  Erfindung  der  Logarithmen  langsam  verdrängt  wurde.  ^^) 


13)  Opera  malhematica  Chb.  Cljlvu.  Mognntiae  1612.  2\  1. 11  94  ff. 

14)  Clavius  verhehlte  sich  jedoch  keineswegs,  dafs  die  Methode  durch  das 
Umrechnen  an  Genauigkeit  verliert,  wenn  statt  der  Sinusse  die  übrigen  Funk- 
tionen eintreten;  man  suchte  jedoch  hierbei  durch  Benutzung  vielstelliger  Tafeln 
abzuhelfen. 

15)  Dafs  anch  andere  diese  Ausdehnung  der  Methode  vor  der  YerÖffent- 
licbong  des  Clavius  schon  vornahmen,  geht  ans  einem  Schreiben  des  froheren 
^ii.  Prokanzlers  Jacob  Cübtiub  an  Ttcbo  vom  Jahre  1590  hervor  (Astnmamiae 
if^ttwratae  meehanica  1602  in  fol.).  Es  heifst  daselbst:  „Ex  N,  N.  Plagiarii  tut 
(nftmlich  de«  Ubsus)  Ubeüo,  quem  Fundamenhim  astronomieum  inscripsit  unicoque 
^>«a  diagrammate ,   qiwd  Paulo   Wittichio    dedicatit,   construxi    ego   praeteritis 


22  A.  y.  Braunmühl: 

Etwas  später  als  Clavius,  nämlich  1598^^,  hat  ein  gewisser  Melchior 
JoESTEL,  der  aus  Dresden  ^^)  stammte  und  in  Wittenberg  Mathematik  lehrte, 
diese  Methode  für  alle  möglichen  Fälle  durchgearbeitet   und   sie   auf  die 
Behandlung  aller  Dreiecke  angewandt.     Ob  sein  ausführlicher  Traktat  im 
Drucke  erschienen  ist,  weÜB  ich  nicht,  halte  es  aber  nicht  für  wahischeiih 
lieh;    dagegen    ist  er  noch  handschriftlich  in  der  Hofbibliothek  zu  Wien 
{Cod,  palat,  10686  Nr.  67)   vorhanden^®),  worauf  mich  Herr  Max  Gubtze 
gütigst  aufmerksam  machte.     Diese  Handschrift  habe  ich  eingesehen  und 
mache  daraus  folgende  Mitteilungen.     Der   erste  Traktat,  der  in  dem  an- 
geführten Codex   enthalten    ist,  führt  den  Titel  ^,Melchiobis  Jostelu  Lo- 
gistica  Prosihaphaeresis  Astronomka"  und  umfällst  drei  Begeln  (auf  16  Folio- 
seiten).    Die  erste  (p.  1  — 12)   gibt  in  einem  Wortlaut  für  die  drei  Fälle 
a  +  j3  =  90<>,  a  +  /3  <  90®  und  a  +  /3  >  90®  die  prosthaphäretische  Um- 
setzung des  Produktes  sin  a  •  sin  ß.     Die  Beweise  stimmen  mit  denen,  die 
ich  oben  mitgeteilt  habe,  überein,  werden  an  schön  und  exakt  gezeichneten 
Figuren  geführt  und  durch  Zahlenbeispiele  erläutert.     Dabei  mag  Yorübei^ 
gehend    bemerkt   werden,    dafs   Joestel   sich    im   Gegensatze    zu   anderen 
zeitgenössischen  Schriftstellern,   die  alles  in  extenso  ausschreiben,  der  ab- 
kürzenden   Schreibweise    st  =  sinus   totus,    sr  <=»  sin.  rectus,    T  8=^  tangens 
bedient  und  dieselbe  konsequent  beibehält.     An  die  erste  Begel  schHefst 
sich  unter  „Notandum"  die  Behandlung  der  Fälle  an,  in  welchen  an  zweiter 
oder  dritter  Stelle  der   aufzulösenden  Proportion  eine  Tangente,  Sekante^ 
ein  Sinusversus  oder  sonst  eine  beliebige  Zahl  steht     Hierbei  werden  wie- 
der drei  Fälle  unterschieden,  je  nachdem  jedes  dieser  Glieder  kleiner  ist 


dicbus  .  .  .  novam  spJiaerieorum  triangulorum  dodrinam,  in  qua  per  täbulcan 
sinuutn  tangentium  et  secantium  omnes  tarn  reciangulorum  quam  obUquangu- 
lorum  casus,  sine  ulla  mtdtij)licatione  vel  divisione  per  solam  additionem  et  sub- 
tractionem  facillime  perficiuniur.  Eam  quoque  ad  te  mitterem,  nisi  seirem  te  rem 
iotam,  solo  eo  diagramma  inspecto  facile  executurum.*'  Davon  wird  GüSTirs  in 
jenem  in  unserer  Erzäblang  erwähnten  Briefe  wohl  dem  Glayius  Mitteilung  ge- 
macht haben. 

16)  Dieses  Datam  gibt  LoNaoMOHTAH,  a.  a.  0.  10  „.  .  .  Ouius  rei  (der  Prostba- 
pliareftis)  documentum  miM  primum  cmno  1598  vir  iXU  humanissimMS ,  coram  vdut 
amico  imimo  ostendit," 

17)  G.  Ekbstsöm,  Bibliotheca  mathematica.  Anmerk.  *)  zu  meiner  Beant- 
wortung der  Anfrage  68. 

18)  ScBEiBsL  teilt  in  seiner  Einleitung  zur  matbem.  Bücherkenntnis,  7.  Stück, 
Breslau  1776  in  8®.  p.  19  mit,  dtSa  er  «ich  im  Besitze  einer  Abschrift  dieses 
Traktates  befinde.  Da  aber  am  Ende  derselben  steht:  Deseripta  haec  suni  tx 
ipsius  JossTELu  Manuscripto  Prid.  Idus  Äug,  CIDIOCIX.  tu.  DBSS.  Wittebergae, 
das  mir  yor liegende  Manuskript  aber  gar  keine  Datumsangabe  enthält,  so  sind 
sie  jedenfalls  nicht  identisch. 


Zur  Goflchichte  der  prosÜiaphftreiischeii  Methode  in  der  Trigonometrie.     23 

als  der  Sinns  totus,  oder  eines  derselben  oder  beide  den  Sintis  totus  über- 
treffen. Überall  werden  Beispiele  beigefügt  und  die  Bechnong  wird  an 
geometrischen  Figuren  erläutert.  Die  zweite  Begel  (p.  12 — 15)  erstreckt 
sich  anf  den  Fall,  dafs  das  zweite  oder  dritte  Proportionsglied  den  Sinns 
totus  enthält,  wofür  wieder  Beispiele  gerechnet  und  an  Figuren  demonstriert 
werden.  Kommt  endlich  der  Sinns  totus  in  keinem  Gliede  der  Proportion 
vor,  so  muis,  wie  die  dritte  Begel  (p.  15 — 17)  lehrt,  die  Prosthaphäresis 
doppelt  angewendet  werden.  Hat  man  z.  B.  x  ans  der  Proportion  zu  be- 
rechnen a  :  &  SB  c  :  o;,  so  bildet  man:  aih^^^smioiiy  und  dann 
sin  tot :  j^  ^  c  :  a;,  und  bestimmt  zuerst  p  und  dann  x  mit  den  vorher- 
gehenden Begeln. 

Auf  die  Anwendungen,  die  Joestel  von  dieser  bis  ins  Detail  aus- 
gearbeiteten Methode  macht,  werde  ich  weiter  unten  zu  sprechen  kommen, 
wenn  wir  seine  Vorläufer  darin  kennen  gelernt  haben. 

Nachdem  die  Methode  einmal  als  praktisch  erkannt  war,  wurde  sie 
auch  sofort  auf  die  verschiedensten  Probleme  der  sphärischen  Astro- 
nomie angewendet,  selbst  wo  es  sich  um  die  Behandlung  schiefwinkliger 
Dreiecke  handelte,  und  Rbtmeto  behauptet, ^^)  die  Anwendung  auf  die 
letzteren  rühre  ebenfalls  von  Bübgi  her.  Sodann  löst  er  „mit  der  Methode 
von  BüROi^  die  beiden  Aufgaben,  die  Winkel  aus  den  drei  Seiten  und  aus 
zwei  Seiten  und  dem  eingeschlossenen  Winkel  die  dritte  Seite  zu  be- 
rechnen.*^) 

Diese  Methode  ist  nichts  anderes  als  die  direkt  aus  der 
Figur  des  Analemmas  entnommene  Umgestaltung  des  Cosinus- 
satzes mittelst  der  Prosthaphäresis.  Durch  Projektion  der  Engel  auf 
die  Meridianebene  gewinnt  er  direkt  aus  der  Figur  als  primtmh  inventum  den 
Ausdruck*^)  J  { sin  (90®  —  &  +  c)  -f  sin  (c  —  90®  +  6) }  und  als  secmdum 
inventum-.  ^  { sin  (90®  —  &  +  c)  —  sin  (c  —  90®  +  &) ) ,  denen  sich  als  in- 
tmiim  ierHum  sin  (90®  —  a)  —  ^  (sin  (90®  — & -f  c)  —  sin  (c—dO^  +  h)} 
anreiht 

Der  gesuchte  '^  A  folgt  dann  aus  der  Proportion: 

cos  Ä  :  sin.  tot.  =^  mvent.  tertium  :  invent,  primum, 
d.h.  also  in  unserer  Schreibweise,  es  wird  A  aus 

19)  Ftmdamenhm  as^,  19''. 

20)  £a  heifut  dort:  „Eodemgue  Byrgiano  modo,  verumque  Byrgianum  myro- 
^i^mn  veramqw  ac  genuinam  Casaellanatn  seu  Hassiacam  Ästrotwmiam  redolente 
ortefieio  soJvere  docebimtis",  und  22'  preist  er  Bübqi  in  der  überschwenglichsten 
Weite,  indem  er  sagt:  „.  .  .  atque  admirare  (ledor)  Byrgianam  aolertiam  ,  .  .  ac 
^<m^  {ignoace,  qwMtü  molestüs  ac  Udiis  ab  ipso  summo  artefice  liberati  mmus . . . 

21)  Das  sphärische  Dreieck  ist  hier  mit  ABC  bezeichnet,  seine  Seiten,  wie 
g^br&Qchlich,  mit  a,  &,  c. 


24 


A.  y.  Braunmfihl: 


.  CQg  g  —  {{ coB  (6  —  c)  -f  CQg  (^  4"  <?)} 

i  { cos  (6  —  c)  —  COB  (6  +  <^) } 


(1) 


berechnet,  um  die  Einfachheit  der  Bechnong  zu  erkennen,  beachte  man 
den  Gang  derselben:  Man  schlägt  zuerst  die  Sinnsse  der  Summe  und  der 
Differenz  von  c  und  90^  —  b  auf,  der  erste  zum  zweiten  addiert  und  die 
Summe  halbiert,  gibt  das  inv,  primum,  dieses  von  dem  ersten  Sinus  ab- 
gezogen, gibt  das  inventum  secimdum,  welches  wieder  von  sin  (90^  —  a) 
abgezogen,  das  inv.  terHum  liefert  Die  Auflösung  der  Proportion  gibt  dann 
sin  (90^  —  Ä\  zu  dem  man  mittelst  der  Tafel  Ä  bestimmt. 

Bei  der  Lösung  der  zweiten  Aufgabe,  welche  die  Berechnung  der  Formel 

cosa*»!  {cos(6  — c)-}-cos(&+c))  +l{cos(& — c)-'COs{h'^c)]eosÄ      (2) 

involviert,  ist  aber  BOrgi,  wie  Wolf")   und  nach  ihm  Herr  Cantor**) 

mitgeteilt  haben,  noch  weiter  ge- 
gangen, indem  er  auch  die  letzte  noch 
nötige  Multiplikation  zu  ersparen 
lehrte  und  hierzu,  wie  wir  heute 
^Sl  ö  V\.,^^        \         sagen,  einen  Hil&winkel  einf&brte. 

Wie  dies  geschah,  ist  in  dem 
"l^  Werke  des  BARTHOLOMAEUsPmscus 
9  ausgeföhrt,  der  die  Methode  ans- 
drdcklich  als  von  Bübgi  herstammend 
angibt**)  Wir  wollen  seine  Rech- 
nung an  dem  von  ihm  mitgeteilten 
Beispiel  erlftutem,  wobei  wir  uns 
genau  an  die  dort  gegebene  Schreib- 
weise halten,  um  zu  zeigen,  wie 
man  damals  verfuhr.  Es  sei  in 
Figur  3  gegeben  AJB  =  r  =  26^20',  BC^a^  59* 58',  ^B  =  50'4', 
gesucht  A  C  —  ^ 

26*20'  ^— arcGA'  — t) 
8iV»_3'  (^=  aw  F*r  —  aro  (^D  =  90*  —  fl^l 
^mme:  56*  5:?"'  (,=  are  DiV  ^,  Sin.—  DP  =  8355991 
IMff.  3«  42'  v=  w«  ^^<f^    gin  — PJ?^    645323  v=  Dr) 

Sununt? Pr  ■»  8971314 
Hirn*  TP  —  44v<5657  ==  ImrmL  I 
PR  =r  iw  _    645323 
Di£      J»  T  =  :iV4Ö^  ^=  sin  x\ 

tt    AstrMKv.ii»cke  Mitleilai^im  XXXll  61.  :i;|^  Cjkxrv«  IL  590. 

il^  R  l^Tis^:,  rri#jiifc'«i'f'^     AttÄ    t    J^lire   1«0$     l»L  A«t.  ▼.  IW«    173 


Zar  Geschichte  der  proBthaphftreiiBchen  Methode  in  der  Trigonometrie.     25 
IBerauB  mittelst  der  Tafel: 

Summe:  =  72«  39'     1,5"  Sin.=  9545031 

Diff.        ==  27«  28'  58,5"  Sin.=  4614841 

Diff.=  4930190 

Hälfte  =  CO  =  XT  =  2465095  =  Invent,  IL 

4485657  «-  Invent.  I. 
Summe  LP  =  6950752  «»  Sin.  des  Compl.  der 

der  dritten  Seite. 

Die  Rechnung  wird  in  unserer  Schreibweise  durch  die  Formel 

cos  6  =  ^  { cos  (a  —  c)  +  cos  (a  +  c) }  +  ^  { sin  (jB  +  a?)  —  sin  (jB  —  x)]    (3) 

dargestellt,   indem    sin  o;  =  ^  { cos  (a  —  c)  —  cos  (a  -\-  c)}    gesetzt    wird. 
M.  JoEBTEL  hat  diese  Methode  auch  noch  auf  den  Fall  der  Gleichung  (l) 

S.  10   ausgedehnt,^)    indem  er  daselbst  den  Zähler  =  sin  ;r,  den  Nenner 

Bin  üs 
=s  cosec  y  setzte  und  dann   «^  sin  ;b  sin  y   wieder  prosthaphäretisch 

behandelte. 

So  unzweifelhaft  es  mir  ist,  daljB  diese  letzten  endgiltigen  Ver 
besserongen,  d.  h.  die  EinflÜurung  der  Hilfswinkel  Bi3saiB,  beziehungsweise 
JoESTELS  Eigentum  sind,  ebenso  bin  ich  überzeugt,  dafs,  trotz  Behiebs' 
gegenteiliger  ausdrOcklicher  Behauptung,  die  Anwendung  der  Prosthaphäresis 
auf  die  schiefwinkligen  Dreiecke,  schon  Yon  Wittich  und  Ttcho  voll- 
zogen wurde.  Um  diese  Ansicht  zu  begründen,  müssen  wir  zuerst  einen 
Blick  auf  ein  von  Tycho  hinterlassenes  Manuskript^)  über  Trigonometrie 
werfen,  das  zwischen  1591  und  1595  niedergeschrieben  wurde.  Dasselbe 
ist  nach  Angabe  des  Herausgebers  dem  sogenannten  kleinen  Kanon  des 
Khaticus  von  1551'^  angebunden,  und  schon  dieser  Umstand  weist  darauf 


86)  In  dem  oben  ziüerten  Kodex  folgt  nämlich  nach  der  ProtÜun^phaereM 
Äi^nmomiea  noch  ein  Traktat:  ^^xlchiorib  Jokstblu  TriangtUa  Ästronomica  tum 
sfhaeriea,  tum  reetilinea"  (p.  17—68).  Obige  Methode  findet  sich  daselbst  p.  36 
ond  a9  angewendet. 

86)  Es  fährt  den  Titel:  Trianffuhrum  planorum  et  9phaer%earum  praxia 
maihemaUea,  befindet  sich  in  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  zn  Prag  und  ist  von 
F.  J.  SsTODncKA  1886  in  Photographotypie  heransgegeben  worden.  Vgl.  auch 
Cabtos  n  666. 

87)  Von  diesem  Kanon,  in  welchem  sich  zum  erstenmale  alle  sechs  trigono- 
metmchen  Funktionen  tabellitiert  finden,  und  der  schon  bald  nach  seinem  Er- 
scheinen zu  den  grOfsten  Seltenheiten  zählte,  besitzt  die  Münchener  Hof-  und 
Staatsbibliothek  ein  Exemplar. 


hin    dafs   es  nur  "Notizen  eutii^^^i  ^Cho   für  sich  und  seine  Schüler 

zum  Gebrauche  dieses  Kanons  machte,  oKne  zunächst  an  eine  Publikation 
der  Schrift  zu  denken.  Diese  Ansicbt  vrird  noch  dadurch  bestätigt,  dafs 
die  Figuren  nur  angedeutet,  Beweise  aber  nirgends  ausgeführt  sind.*^ 

In  dieser  Schrift,  die  auch  sonst  manches  Interessante  enthält,  wendet 
Tycho  seine  prosthaphäretische  Methode  auf  die  Lösung  der  beiden  Auf- 
gaben an,  die  wir  bei  Ratmarus  ürsus  fanden  (Dogma  VI  und  IX  der 
sphärischen  Dreiecke)  und  zwar  ganz  in  derselben  Weise,  wie  es  dieser 
dem  BüRGi  zuschreibt,  nur  kennt  er  die  endgiltige  Verbesserung  des 
letzteren  noch  nicht  und  behält  deshalb  die  letzte  Multiplikation  bei.  Auch 
behandelt  er  in  gleicher  Weise  den  einen  der  polaren  Fälle,  wobei  er  jedoch 
ein  falsches  Zeichen  angibt,  da  er  einfach  nur  Seiten  und  Winkel  yer- 
tauscht  (Dogma  YII). 

Da  das  vorliegende  Manuskript  Tycho's  £rühestens  von  1591  stammt, 
so  hätten  wir  keinen  Grund  gehabt,  oben  die  von  Reimers  behauptete 
Priorität  BüRofs  inbezug  auf  die  prosthaphäretische  Umgestaltung  des 
Cosinussatzes  in  Frage  zu  stellen,  wenn  nicht  verschiedene  Stellen  in  dem 
uns  noch  erhaltenen  Briefwechsel  des  dänischen  Astronomen  darauf  hin- 
wiesen, dafs  er  schon  lange  im  Besitze  jener  Anwendungen  war,  ja  dab 
Exemplare  seines  Heftes  schon  früher  existierten  und  sich  in  den  Händen 
seiner  Schüler  befanden.  Was  ich  über  diesen  Punkt  auffinden  konnte, 
will  ich  im  Folgenden  zusammenstellen. 

Anschliefsend  an  eine  Bemerkung  Ttchos  im  zweiten  Buche  seines 
Werkes  „De  Äetherei  tnmidi  recentiorUms  phaenommis",  wo  er  p.  281  an- 
gibt, dafs  man  aus  zwei  Seiten  und  dem  Zwischenwinkel  die  anderen  Winkel 
und  die  dritte  Seite  in  einem  ebenen  Dreieck  auch  ohne  ZerfäUung  des- 
selben in  zwei  rechtwinklige  berechnen  könne,  ersucht  Magini  ^)  den  Gellius 
Sasoerides,^)  er  möge  ihm  dieses  Verfahren  übermitteln.  In  seiner  Ant- 
wort auf  diesen  Brief '^)  teüt  ihm  Sascerides  mit,  an  diese  Methode  könne 
er  sich  nicht  mehr  erinnern,  dagegen  schreibt  er  ihm  „aus  dem  Gedächtnis^ 
gerade  jene  prosthaphäretische  Lösung  der  beiden  Aufgaben,  aus  zwei  Seiten 


28)  In  einem  Briefe  an  seinen  Schüler  Gellius  Sascerides  vom  lyil.  1591  sagt 
Ttcho  allerdings,  dafs  er  diese  seine  Methode  im  ersten  Teile  seiner  Astronomie 
veröfifentlichen  werde.  (Ah.  Favabo.  Carteggio  inedito  di  Ticone  Bbahs  etc,  con 
G.  A.  Maoini.    Bologna  1886.  in  8^  204.)    Das  ist  aber  nicht  geschehen. 

29)  Brief  Tom  16.  Juli  1590.    A.  Favabo,  Carteggio.  387. 

SO)  Gellius  Sascebidbs  (1562—1612)  studierte  1581—87  in  Wittenberg  und 
kam  dann  zu  Tycho,  wo  er  bis  1588  blieb.  1589  lernte  er  Maoimi  in  Padua 
kennen,  mit  dem  er  in  lebhaften  Briefwechsel  trat. 

31)  Carteggio,  p.  368  flP. 


Zur  Geschichte  der  prosthaphäretischen  Methode  in  der  Trigonometrie.     27 

und  dem  eingeschlossenen  Winkel  und  ans  drei  Seiten  in  einem  sphä- 
rischen Dreiecke  die  übrigen  Stücke  zn  finden,  die  Tycho  in  seinem  VI. 
und  IX.  Dogma  gibt  und  sagt,  dais  er  sie  früher  einmal  bei  Tycho  gelernt 
liabe.^  Im  weiteren  Texte  seines  Briefes  sagt  er  dann,  dafe  diese  Regeln 
wohl  1588  von  Ubsus  veröffentlicht  worden  seien,  aber  dem  Tycho  an- 
gehörten; Ubsus  habe  sie,  wenn  nicht  durch  Tycho  selbst,  bei  dem  er  sich 
früher  ebenfalls  aufgehalten,  so  doch  durch  den  Landgrafen  von  Hessen 
er&hren,  dem  sie  ein  gewisser  Paul  WrrriCH  mitgeteilt  habe.  Endlich 
▼erspricht  er  Magini,  sich  wegen  der  fraglichen  Aufgabe  über  das  ebene 
Dreieck  an  Tycho  selbst  zu  wenden.  Das  thut  er  denn  auch  und  teilt 
Tychos'  Antwort  dem  Magini  in  einem  Briefe  vom  l./IL  91  wörtlich 
mit.^)  Die  für  uns  wichtige  Stelle  in  diesem  Antwortschreiben  lautet: 
„Wie  man  aus  zwei  Seiten  und  dem  eingeschlossenen  Winkel  in  einem 
(ebenen)  Dreieck  das  Übrige  ohne  Benützung  der  Höhe  leichter  findet,  als 
gewöhnlich,  kannst  du  ihm  aus  meinem  (Tycho's)  IY.  Dogma ^)  über  die 
ebenen  Dreiecke  erklären,  damit  er  zufrieden  ist.  Auch  ist  es  mir  nicht 
unangenehm,  wenn  du  ihm  die  Operationen  mittelst  des  VI.  und  IX.  Dogmas 
unserer  8&tze  mitteilst,  zumal  da  ich  sehe,  dafs  gegenwärtig  die  Beweise 
für  diese  und  ähnliche  Sätze  von  anderen,  die  sich  mit  fremden  Federn 
schmücken,  verbreitet  werden.  Die  Sache  verhält  sich  nämlich  so,  dafs 
jener  Plagiator  ürsus^^)  jene  Beweise  und  kompendiosen  Zahlenrechnungen 
inbezug  auf  die  Dreiecke,  welche  er  for  die  seinigen  ausgab,  von  dem 
Automatenverfertiger  des  Landgrafen  Just  Bürgi  erhielt,  der  sie  von  Wittich 
erlangt  hatte.  Dem  Wittich  aber  hatte  ich,  als  er  vor  deiner  (Sascerides) 
Ankunft  bei  mir,  einige  Zeit  hier  verweüte,  über  diese  und  andere  auf 
leichtere  Behandlung  der  Mathematik  bezüglichen  Dinge  rückhaltlos  Mit- 
teilungen gemacht,  und  dieser  verbreitete  manche  derselben  .  •  .,  als  er 
von  hier  zu  dem  Landgrafen  von  Hessen  sich  begeben  hatte.  Diese  werden 
nun  von  anderen  schamlos  mit  frecher  Stirn  als  ihre  eigenen  Erfindungen 
ausgegeben,  so  dafs  dem  eigentlichen  Erfinder  fast  keine  Ehre  mehr 
bleibt  .  .  ." 

Da  nun  bekanntlich  Tycho  kein  sehr  glaubwürdiger  Zeuge  ist,  wenn 


38)  ,^  cum  mihi  de  rdiquM  non  consUt,  iUam  suppwtationem  triangulärem, 
euiuß  faeit  mentionem  (Ttcho  nämlich),  qucun  ipse  ailiquando  a  chrisnmo  Ttchone 
aceepi,  lUbens  tecum,  gwmtwm  memoria  suppeditat,  communicabo.  a.  a.  0.  388. 

38)  A.  a.  0.  200—204. 

34)  Dieses  Dogma  enthält  den  von  Thomas  Fivk  in  seiner  Oeometria  rotundi 
1583  p.  282  nnd  292  snm  erstenmale  veröffentlichten  Tangentensats. 

35)  Anf  Ubsub  war  Tycho  schon  deshalb  sehr  erbost,  weil  jener  behauptete, 
das  l^chonische  Weltsystem  zuerst  erfanden  xu  haben. 


28  A.  y.  Braanmühl: 

es  gilt,  seinem  eigenen  Ruhme  zu  dienen,  so  möchte  ich  die  Richtigkeit 
der  hier  ausgesprochenen  Behauptung,  seine  Sätze  seien  ganz  seine  eigene 
Erfindung,  in  Zweifel  ziehen,^)  zumal  diese  Behauptung  mit  jener  weiter 
oben  angeführten  Briefstelle,  nach  welcher  Wittioh  nicht  nur  die  Orond- 
lagen  der  Theorie  schuf,  sondern  auch  bei  ihrer  Ausarbeitung  stark  be- 
teiligt war,  nicht  übereinstimmt.  Dagegen  gestattet  die  angezogene  Stelle 
im  Zusammenhalt  mit  den  Aussagen  des  Sascerides  wohl  den  Schlufs, 
dafs  seit  Wittich's  Anwesenheit  auf  üranienburg  jene  vereinfachenden 
Rechnungsmethoden  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung,  also  auch  auf  die  schief- 
winkligen Dreiecke,  daselbst  in  Anwendung  kamen,  und  die  Aufzeichnungen 
schon  existierten,  die  wir  aus  Tycho's  Manuskript  kennen. 

Zum  Schlüsse  meiner  Betrachtungen  will  ich  noch  kurz  auf  jenen  in 
Anmerkung  25  zu  S.  11  erw&hnten  zweiten  Traktat  des  Melchior  Joestel 
eingehen,  weil  dieser  die  vollkommenste  Durcharbeitung  der  Anwendung  der 
Prosthaphftresis  auf  die  Lösung  sämtlicher  Dreiecksfälle  bietet,  die  damals 
geleistet  wurde,  und  überdies  noch  keine  Besprechung  von  Seite  eines  Ge- 
schichtsschreibers erfahren  hat. 

Anschliefsend  an  Rhaeticus  (das  Opm  Palatinum  desselben  war  1596 
erschienen)  gibt  er  zunächst  (p.  18 — 21)  eine  Unterscheidung  der  ver- 
schiedenen „Spezies''  oder  „Formae",  wie  sie  Rhaeticus  nennt,  der  sphä- 
rischen Dreiecke,  indem  er  für  die  rechtwinkeligen  sechs,  für  die  schief- 
winkeligen 10  Fälle  unterscheidet.  Es  war  dies  damals  noch  nötig,  da 
man  ja  die  Funktionen  negativer  Winkel  oder  von  Winkeln  gi-öfser  als  90^ 
(mit  Ausnahme  des  Sinus  eines  Winkels  im  zweiten  Quadranten)  nicht  zu 
bilden  verstand.  Zur  Lösung  der  bekannten  Fundamentalaufgaben  der 
Dreieckslehre  gibt  er  dann  13  Theoreme  an,  wobei  er  sich  bestrebt,  nur 
die  Funktion  Sinus  zu  benützen,  da  er  alle  Lösungen  mit  der  prostha- 
phäretischen  Methode  behandelt  und,  wie  Clavius,  sehr  wohl  weifs,  dafs 
hierzu  die  Sinusse  am  verwendbarsten  sind.  Die  von  ihm  mitgeteilten 
Theoreme  waren  damals  sämtlich  längst  bekannt,  neu  war  nur  ihre  Formu- 
lierung im  Sinne  der  Prosthaphäresis  mit  EinschluTs  aller  möglichen  Fälle. 
Gerade  dieses  Hineinpressen  aller  Möglichkeiten  in  den  Wortlaut  eines  ein- 
zigen Satzes  macht  aber  die  Theoreme  äufserst  schwerfällig.  So  nimmt  z.  B. 
der  Wortlaut  des  Cosinussatzes  eine  ganze  Folioseite  (34)  ein.^^)  Dagegen 
sind  die  zahlreichen  numerischen  Beispiele,  die  jeder  Regel  beigegeben  sind. 


36)  Wittich  gegenüber  brauchte  sich  Tycho  damals  auch  nicht  mehr  in  Acht 
zu  nehmen,  da  derselbe  bereits  1687  gestorben  war. 

37)  Das   Gleiche  gilt  von   dem   Cosinnssatze   für   die  Winkel  (p.  38),   der 
übrigens  im  Gegensatze  za  Tycho  für  alle  einzelnen  Fälle  richtig  angegeben  wird. 


Zur  Geschichte  der  prosthaphäreiischen  Methode  in  der  Trigonometrie.     29 

in  eleganter  und  übersichtlicher  Weise  dnrchgerechnet,  ähnlich  wie  wir  das 
in  dem  Beispiele  ans  Prnscüs'  Trigonometrie  sahen.  ^) 

Joestel's  Abhandlung  ist  weit  über  die  Grenzen  Wittenbergs  hinaus 
bekannt  geworden,  wenn  sie  auch  kaum  jemals  im  Drucke  erschienen  sein 
dürfte,  und  hat  jedenfalls  dazu  beigetragen,  dafs  sich  die  Prosthaphftresis 
noch  lange  nach  Erfindung  der  Logarithmen  erhielt.  So  schlofs  sich 
LoNGOMONTAN  in  Seiner  schon  erw&hnten  Astronomia  Danica  1622  YöUig 
an  JoESTBL  an  und  gab  der  Methode  in  dieser  ausgebildeten  Form  noch 
den  Yonug  vor  den  ihm  wohlbekannten  Logarithmen,  „weil  nach  seiner 
Ansicht  die  Lehre  Yon  den  Logarithmen  zu  sehr  Yon  dem  best&ndigen  Ein- 
blick in  den  Gang  des  Beweises  ablenke,  der  doch  den  Lernenden  ganz 
besonders  notwendig  sei"  (ebenda  p.  10).  Dieses  urteil  stand  damals  nicht 
vereinzelt  da  und  hatte  auch  eine  gewisse  Berechtigung,  da  die  Theorie 
der  Logarithmen  noch  keineswegs  so  fest  fundiert  war,  wie  es  heute  der 
FaU  ist. 

Ein  Beweis  dafür,  wie  schwer  sich  die  Astronomen  von  der  lieb- 
gewonnenen Methode  trennten,  ist,  daüs  noch  1634  der  Hamburger  Frobenius 
in  seinem  „Ciavis  wniversae  trigonometruie"  neben  den  Logarithmen  sich 
ihrer  bedient,  und  1636  der  jüdische  Astronom  Emanuel  Porto  in  Padua 
in  seinem  „Porio  Astronomko"  an  Joestel's  Abhandlung  sich  anschliefsend 
die  prosthaph&retische  Methode  in  extenso  entwickelt.'^) 

88)  Die  drei  Theoreme,  mit.  denen  die  ebene  Trigonometrie  behandelt  ist, 
bieten  kein  weiteres  Interesse. 

39)  Vgl.  Werthbdi,  Monatsschrift  f3r  Geschichte  und  Wissenschaft  des  Juden- 
thuns.    41.  Jahrgang.  616  ff. 


iiiiU 


NOTES 
ON  THE  HISTORY  OF  LOGARITHMS 

BY 

FLORIAN  CAJORI, 

COLOBAOO    SPBINGS  ,    COLO. ,   ü.  B.  A. 


In  this  paper  we  shall  consider  two  points  in  the  history  of  log&rithms: 

(1)  the  origin  and  prevalence,  dnring  the  seTenteenth  and  eighteenth 
centurieSf  of  the  error  regarding  the  identity  of  natural  logarithms  and  those 
pnblished  by  Napier  in  his  Mnifid  U^arUhmarum  ccmonis  descripHo  of  1614; 

(2)  the  earliest  pnblication  of  a  table  of  natural  logarithms. 

The  iheory  of  natural  (^hyperbolic^')  logarithms  apparenüy  first  sng'- 
gested  itself  to  mathematicians  engaged  in  the  mensnration  of  Spaces 
between  the  hyperbola  and  its  asymptotes.  Abont  a  qnarter  of  a  Century 
later,  in  1695,  Edmund  HALiiBT  discarded  geometrioal  fignres  and  pnblished 
a  renuu*kable  artide  containing  a  porely  arithmetioal  theoiy  of  logarithms.^) 
In  this  original  and  meritorions  inyestigation  he  lays  great  stress  npon 
what  we  now  call  the  'Snodnlas^.  By  Napibr's  logarithms  Halubt  ander* 
Stands  those  which  give  Bbigos's  logarithms,  when  divided  by  2.302  585 
or  when  mnltiplied  by  0.43429448.  From  this  statement  it  appears  that 
Halley  considered  Napier's  logarithms  to  be  identical  with  natoral  loga- 
rithms, and  we  mnst  look  npon  him  as  one  of  the  first  (perhaps  the  first) 
to  commit  this  error.  That  the  two  Systems  are  not  identical  is  shown  by 
the  following  formula^): 

logifX  =  10^  log,—,  I. 

Dnring  the  eighteenth  Century  this  misunderstanding  regarding  the  two 
Systems  does  not  appear  to  have  been  as  wide-spread  as  it  was  later.  On 
Consulting  mathematical  dictionaries  and  other  books  of  the  seyenteenth 
and  eighteenth  centuries,  which  are  accessible  to  me,  I  find  that  YrrALi^ 
and  OzANAM^)  do  not  touch  the  point  in  question,  for  the  former  directs 

1)  PKü,  Tram,,  1695,  No.  216.  His  article  is  known  to  me  only  throogh 
the  accomit  of  it  given  in  Hurroir,  Mtäh,  TahUs,  5^^  ed.,  London,  1811,  pp.  107—110; 
M.  Caitob,  Oesdt.  d.  Mafh.^  m.,  pp.  80— 82;  R.  Rsiff,  Gesch,  d.  unendlichen 
Heiken,  Tfibingen,  1889,  pp.  88—40;  E.  Stons,  New  Maihematicdd  DicUonary^ 
2*^  ed.,  1743,  article  **Logarithm8'\ 

2}  Consult  S.  QüirrHBB,  Vermiedae  üntersud^.,  Leipzig,  1876,  pp.  271—278. 

S)  HisEoimfo  YiTALi,  Lexieon  Mathenuttieum,  Parisiis,  1668,  article 
"Logarithmi". 

4)  M.  OsAMAif,  Dietionaire  mathemoHque,  Paris,  1691,  p.  60. 

Abh.  cor  OMoh.  d.  Mfttham.   IX  3 


34  Florian  Cajori: 

his  remarks  to  common  logarithms,  while  the  latter  devotes  only  six  lines 
to  the  whole  subject  of  logarithms.  A  faller  treatment  is  given  by  E.  Stone.^) 
He  speaks  of  Napier's  and  of  natural  logarithms  without  confusing  the 
two,  though,  to  be  sure,  he  nowhere  distinctly  contrasts  the  two  Systems. 
8AVERIEN*)  briefly  describes  Napier's  logarithms.  "Neper  appelle  0  le  sinns 
entier,  de  Sorte  que  les  logarithmes  vont  en  decroissant,  pendant  que  les 
sinus  vont  en  croissant,  &  qu'ils  deviennent  par-la  negatifs,  c'est-a-dire 
moins  que  rien,  pendant  que  les  tangentes  deyiennent  plus  grandes  que 
le  ra:!ion,  c'est-a-dire  qu'elles  vont  au  dessos  de  45  degres.  Ainm  ces  loga- 
rithmes sont  tous  diffirens  de  ceux  dont  nous  nons  servons  aujourd'hni/'  But 
the  author  contradicts  himself,  for  on  the  very  same  page  he  says  that 
the  'logarithmes  de  Neper  . .  .  ont  une  forme  differente  de  ceux  de  Brigqe 
dont  on  fait  commun^ment  usage.  Cependant  un  de  ces  logarithmes  est  a 
un  logarithme  correspondant  de  Brigge,  comme  2.302585092994^)  est  a 
1000000000000".  The  author  does  not  explain  how  it  is  possible  for 
Napier's  logarithms  to  increase  as  the  sine  decreases,  and  at  the  same 
time  to  be  derivable  from  Brioos's  in  the  manner  specified.  The  confiosion 
appears  to  have  arisen  from  the  desire  to  associate  Napier's  name  with 
logarithms,  at  a  time  when  logarithms  of  the  kind  published  by  him  were 
becoming  obsolete  and  his  books  on  logarithms  were  very  scarce,  while 
tables  of  natural  logarithms  were  not  usually  accessible. 

The  confusion  marked  in  the  writings  of  Hallet  and  Saverien  spread 
among  French  writers.  Montuola,  the  great  mathematical  historian  of  the 
eighteenth  Century,  made  the  same  mistake;^)  Bossut  helped  to  perpetuate 
the  error. ^)  In  England  Charles  Hutton,  who  in  1785  published  the 
first  edition  of  his  Mathematical  Tahles  (which  includes  an  elaborate  and 
in  many  respects  excellent  history  of  logarithms)  describes  Napier's  loga- 
rithms correctly,^®)  but  subsequently  (p.  85)  he  speaks  of ''the  right-angled 
hyperbola,   the  side  of  whose  Square  inscribed  at  the  Vertex  is  1,  gives 

5)  Op.  dt^  article  *^Logarithm8^\ 

6)  Monaieur  Saykrien,  Didumnaire  Universel  de  Math^matique  et  de  Fhysiqyke, 
Paris,  1763,  Tome  second,  article  "Logarithme".  In  Cantor's  Gesch.  d,  Math., 
HL,  p.  490,  the  date  of  this  dictionary  is  erroneouely  given  as  1762. 

7)  The  decimal  point  in  this  number  is  evidently  a  misprint.  It  shoiüd 
have  been  omitted.  Savebien's  inaccuracy  as  a  writer  is  illustrated  by  hia  state- 
ment  that  Nafibb  took  the  sinus  totus  equal  to  zero.  As  a  matter  of  fact,  "Savom 
took  the  logarithm  of  the  sinu8  totus  equal  to  zero. 

8)  MoNTucLA,  Histoire  des  mathdmatiques,  Tome  11.,  Paris,  1768,  p.  21. 

9)  Charles  Bossut,  Essai  sur  Vhistoire  genitale  des  mathdmatigues ,  Paris, 
1802,  Tome  L,  pp.  268-271. 

10)  Hutton,  op,  dt.,  6*»>  ed.,  pp.  26—27,  42—49. 


Notes  on  the  Hhtory  of  Logaiithms.  35 

Napier's  logarithms''.  De  Morgan  carefullj  explains  the  difference  between 
Napier's  and  natural  logaiithms  in  the  article  ^'Tables''  in  the  English 
Cydopaedia,  but  in  De  Morgan^s  Budget  of  Paradoxes  (p.  70)  Günther 
has  foand  a  passage  which  is  inaccurate.  ^^) 

Of  german  books,  wo  have  consnlted  Christian  Wolff/^)  who  speaks 
of  Napier's  and  Briqgs's  logaiithms,  bat  does  not  mention  the  natural. 
It  is  a  pleasare  to  find  that  Kästner  presents  the  subject  in  a  way  free 
of  error.  In  his  Gesdiichte^^  he  refers  to  an  article,  which  he  had  written, 
setting  forth  the  exact  relation  between  the  two  Systems.  Nevertheless 
the  misconception  became  prevalent  in  Germany  also.  So  wide-spread  was 
this  error  in  Eorope  that  Wackbrbarth  was  induced  to  make  the  following 
Statement  :^^)  ''Dans  presqne  tons  les  ouvrages  elementaires  anglais,  fran^ais 
et  allemands,  dont  on  fait  osage  dans  Fenseignement  des  mathematiques, 
ü  est  dit  que  les  logarithmes  natnrels  ou  hyperboliques  sont  identiques  aux 
logarithmes  neperiens." 

Proceeding  to  the  question  relating  to  the  earliest  publication  of  tables 
of  natural  logarithms,  we  meet  the  name  of  John  Speidell,  who,  in  1619, 
bronght  out  his  New  Logarithmes,  only  five  years  affcer  Napier's  publication 
of  the  Descfiptio,  Speidell's  book  received  little  attention,  either  during 
his  life-time  or  since.  It  would  seem  as  if  the  earliest  publication  of  a 
table  of  natural  logarithms  should  be  mentioned  in  histories  of  mathematics, 
bat,  so  far  as  I  know,  no  general  history  by  a  German,  French,  or  British 
anthor,  takes  notice  of  Speidell.  The  great  English  Dictionary  of  National 
Biography,  now  being  completed,  does  not  give  his  name,  although  it  men- 
tions  old  writers  of  elementary  arithmetics,  such  as  Hodder  and  Hunt. 
However,  Speidell's  New  Logarithmes  has  been  described  in  at  least  three 
special  historical  articles.  Hütton  speaks  of  it  in  the  "Introduction^^  to 
his  Tahles;^^)  Augustus  db  Morgan  makes  a  careful  study  of  bis  book  in 
the  article  "Tables"  in  the  English  Cydopaedia;  J.  W.  L.  Glaisher  gives 
a  brief  account  of  Speidell's  work  in  the  report  on  "Tables"  in  the 
British  Association  Beport,  1873,  pp.  1 — 176. 

I  have  tried  for  a  long  time  to  secure  a  copy  of  Speidell's  work, 
but  have  failed.  Through  the  kindness  of  Dr.  Garnbtt  of  the  British 
Mnseum  I  have  before  me  photographs  of  the  title -page  of  the  edition  of 
1622  and  of  one  page  of  the  tables.     The  titie-page  is  as  foUows: 

11)  GüHTHBR,  op,  cit,  p.  273. 

12)  Mathematisches  Lexicon,  Leipzig,  1716,  article,  ''Logarithmus^*. 

13)  KiflTNEB,  Gesch,  d.  Math.  B^'  Band,  1799,  p.  87. 

14)  Les  Mondes,  Tome  XXYI,  p.  626. 
16)  Op,  dt,  ISll,  p.  80. 

3« 


36  Florian  Gajori: 


NEW 

LOGARITHMES 

THE 

Firft  inuention  whereof,  was,  by  d^eHo^ 
nourablcLo  :IohnNbpa  iRVaron 

oF  Marchifton ,  and  Printed  ac  Edinboig  m 

SiPilMd^  Anno :  i  tf  1 4*  In  whofe?fe  wat 

and  is  rcquircd  thc  knowledsc  of  AI- 

brticflll  Addirlon  m4  Subftiip 
Alon^accordiogto 

4*tod«» 

Thefe  bcing  Extraded  (rom  and  out of  them  (chey  be- 

ing  (irft  ouerreenC)Correfted,and  amcndcd)  require  um 

ac  all  any  skill  in  Algebra,  orCoi&kcnuaiberSp 

But  oiay  be  vfed  by  cucry  one  thac  c^n  oocly  addc 

and  Subftraft,in  whoie  numbcrStaccordiog 

CO  the  Common  or  Tulgar  Aritkme» 

ticke^withottc  any  con  (idcra* 

cionorrcfpeAof 

^and—» 


bee  foidcat  bis  dwellinghoufein  the  Ficids^  onthc 

backe  Mtof  Drury  Lme^heLyattacfmai 

llceecc  and  cheNciir  Play% 

houfe« 


Notes  on  the  Histoxy  of  Logarithms. 


37 


The  tiUe  of  this  book  is  of  interest  because  it  contains  about  all  the 
information  we  possess  regarding  Speidell's  profession,  place  of  residence 
and  motiye  in  modifying  Napieb's  logarithms.  His  sole  object  was  to 
simplify  matters  for  persons  unacquainted  with  the  ose  of  negative  quan- 
tities.  Just  what  changes  were  made  maj  be  seen  best  bj  comparing  the 
foUowing  specimens  of  Napier's  and  Speidell's  tables. 

Gr.  From  Napibr's  Tables, 

0  0  + 1  — 


miD. 

Sinus 

Logarithmi 

DifFerentiae 

Logarithmi 

Sinus 

0 

1 
2 

0 
2909 
6818 

Tnünitum 
81426681 
74494213 

Infinitum 
81426680 
74494211 

0 
1 
2 

10000000 

10000000 

9999998 

60 
69 
68 

3 
4 

ö 

8727 
11636 
14644 

70439664 
67662746 
66331316 

70439660 
67662739 
66331304 

4 

7 

11 

9999996 
9999993 
9999989 

67 
66 
66 

• 

■ 

27 
28 
29 

78639 
81448 
84367 

48467431 
48103763 
47762869 

48467122 
48103431 
47762603 

309 
332 
336 

9999692 
9999668 
9999644 

33 
32 
31 

30 

87266 

47413862 

47413471 

381 

9999619 

30 

Deg.O. 


89 


From  Speidell's  Tables, 
Nombers  for  the 


M. 

Sine. 

Comp. 

Tangent.") 

Comp. 

Secant. 

Comp. 

30 
31 
32 

626861 
629140 
632316 

999996 
999996 
999996 

626866 
629144 
632320 

474136 
470866 
467680 

4 
4 
4 

474139 
470860 
467686 

30 
29 
28 

33 
34 

35 

636392 

638377 
541276 

999996 
999996 
999996 

636397 
688382 
641281 

464603 
461618 
468719 

6 
6 
6 

464608 
461623 
468724 

27 

26 
26 

,i          ^                     • 

67 

58 
59 

589934 
591783 
598492 

999986 
999986 
999986 

689947 
691797 
698607 

410063 
408203 
406493 

14 
14 
16 

410066 
408217 
406608 

3 
2 
1 

60 

596172 

999986 

696188 

404812 

16 

404828 

0 

Comp. 

Sine. 

Comp. 

Tangent. 

Comp. 

Secant. 

M. 

Nombers  for  the 


89.  Deg. 


16}  This  period  is  omitted  in  the  original  work. 


38 


Florian  Ca^Ori 


Speidell  did  not  advance  a  new  iheory.  He  simply  aimed  to  make 
all  the  logarithms  in  bis  table  positive.  To  achieve  this  he  subiraoted 
Napieb's  numbers  from  10^  and  then  discarded  tbe  last  two  digits.  Napier 
gave  sin.  30'=  87265  (the  radius  being  taken  10''  units)  and  the 
log,  sin.  30'  =s  47413852.  Subtracting  this  logarithm  from  10^  leaves 
52586148.  Speidell  gives  in  bis  table  log.  sin.  30'=  525861.  In  both 
Napier's  and  Speidell's  tables  the  logarithms  appear  as  integral  numbers. 
The  same  is  true  of  the  values  for  the  sines  in  Napifr's  tables:  Sin.  30' 
is  really  equal  to  0.0087265.  The  natural  logarithm  of  this  fraction  is 
5.25861.  Hence  it  follows  that  Speidell's  number  is  the  natural  logarithm 
of  0.0087265  with  10  added  to  the  characteristic,  the  decimal  point  being 
omitted.  That  Speidell's  process  of  subtracting  Napier's  logarithms  from 
10^  will,  in  all  cases,  yield  natural  logarithms  of  x'  with  the  charakteristic 

in  excess  bj  10  and  with  the  decimal  point  left  out,  follows  at  once  firom 

10' 
the    examination    of  Equation  I.     For,    subtracting    10'  log,  —  from  10® 

sc 

gives  10'  (10  -f-  log,  x')^  where   ^'=  Tq?  *     Strictly   speaking    Speidell's 

logarithms,  as  thej  stand,  are  not  logarithms  to  a  constant  quantity  taken 
as  a  base.  But,  if  the  decimal  point  is  inserted  after  the  characteristic, 
then  we  have  natural  logarithms  to  the  base  e=  2.718...,  with  the 
characteristic  (in  all  cases  except  for  the  secants  and  the  latter  half  of 
the  tangents)  increased  by  10. 

The  later  editions  of  Speidell's  tables  include  also  logarithms  (to 
six  places)  of  numbers  1  (l)  1000.  As  before,  the  decimal  point  is  left 
out.  In  this  table,  as  none  of  the  characteristics  are  negative,  he  did  not 
add  10.  For  770  he  gives  6646388,  the  natural  logarithm  being  6.646388. 

Editions  of  Speidell's  tables  appear  to  have  been  issued  in 
1620,  1621,  1622,  1623,  1624,  1627,  1628.  Baron  Maseres,  in  bis 
Scriptores  Logarithmici,  1791 — 1807,  reprinted  the  logarithms  of  numbers 
from  the  'S^enth  inpression^',  dated  1628.  De  Morgan  says  that  Speidell, 
in  bis  Briefe  Treaiise  of  SphaericcUl  Triangles,  mentions  and  complains  of 
those  who  had  printed  bis  work  without  an  atom  of  alteration,  and  yet 
dispraised  it  in  their  prefaces  for  want  of  alterations.    To  them  he  says: 

**If  thou  canst  amend  it, 
So  shall  the  Arte  increase: 
If  thou  canst  not:  commend  it, 
Else,  preethee,  hould  thy  peace". 

This  unfair  treatment  of  himself  Speidell  attributes  to  bis  not  having 
been  at  Oxford  or  Cambridge  —  "not  hauing  seene  one  of  the  Vniuersities." 


Notes  on  the  History  of  Logariihms.  39 

De  Morgan  was  not  able  to  find  a  trace  of  the  smallest  reprodaction  bj 
another  band  and  he  doubts  the  trathfidness  of  Speidell's  statement. 

The  question  to  what  extent  Speidell  influenced  later  writers  is  an 
interesting  one.  According  to  De  Morgan,  he  was  very  little  known;  Con- 
tinental writers  seldom  niention  him;  Wallis  knows  nothing  of  him.  I  myself 
have  examined  the  works  (previously  mentioned  in  this  article)  by  Vitali, 
Ozanam,  Wolfp,  Stone,  Saverien,  Montucla,  Bossut  without  finding 
Speidell's  name.  His  infiuence  seems  indeed  to  have  approached  the 
limit  zero. 

An  inspection  of  the  list  of  tables  in  the  article  ^'Tables'^  in  the 
English  Oydapaedia,  as  well  as  the  list  in  the  British  Association  Eeport 
of  1873  has  failed  to  reveal  the  publication  of  tables  of  natural  logarithms 
between  the  time  of  Speidell  and  that  of  J.  H.  Lambert.  The  latter  in- 
clnded  in  his  Zusätze  mt  dm  LogariUimischen  und  Trigonometrischen  Tabellen, 
1770,  natural  logarithms,  to  seven  places,  of  1  (1)  100  and  1  (.01)  10; 
also  of  1  (1)  10,  to  25  places.  The  smaller  ränge  of  these  tables  and  the 
larger  nnmber  of  decimal  places  to  which  they  are  computed  lead  ns  to 
belieye  that  they  were  constnicted  independently  of  Speidell's.  Directly 
after  the  pablication  of  Wolfram's  elaborate  tables  of  natural  logarithms, 
in  1778,  such  tables  became  more  fashionable. 

Colorado  College,  Colorado  Springs,  Coh. 


:m336 


DER  TRACTATU8  ttUADMNTIS  DES  ßOBERTUS  AN6LICU8 
IN  DEUTSCHER  ÜBERSETZUNG  AUS  DEM  JAHRE  1477. 


HERAUBGEOEBEM  VON 


:4%\n% 


lAN  CÜBTZE 

in  THOBM. 


Herr  Paul  Tamnery  hat  Ende  1897  das  lateinische  Original  einer 
Abhandlang  üher  den  Quadranten  eines  gewissen  Bobertus  Akolicus  aus 
Montpellier  zugleich  mit  einer  mittelgriechisohen  Übersetzung  derselben  in 
den  y^otices  et  exfraits  des  manuscrits  de  la  BiblioÜiequc  Nationale'*  ver- 
öffentlicht.^) Er  hat  darin  nebenbei  darauf  hingewiesen,  dafs  ich  im  Codex 
germankus  Monacensis  328  eine  deutsche  Übersetzung  dieses  Tractatus  ge- 
fanden habe.^)  Diese  Übersetzung  dürfte  etwa  aus  der  Zeit  von  1477 
stammen,  von  welcher  andere  gleichartig  geschriebene  Stücke  der  Hand- 
schrift datiert  sind.  Mathematische  deutsche  Handschriften  sowohl  wie 
Druckschriften  aus  so  früher  Zeit  gehören,  wie  allgemein  bekannt  ist,  zu 
den  gröDsesten  Seltenheiten,  und  ich  glaube  daher  der  Kenntnis  deutscher 
Mathematik  des  XV.  Jahrhunderts  einen  Dienst  zu  erweisen,  wenn  ich  im 
Nachfolgenden  einen  Abdruck  dieser  Übersetzung  veröffentliche. 

Der  Ogm.  328  ist  ein  Folioband  von  285  mm  Höhe  und  200  mm  Breite 
und  enthalt  ein  ungezähltes  und  174  gez&hlte  Blätter.  Unsere  Abhandlung 
umfafst  davon  Blatt  62'  bis  73'.  Dem  Übersetzer  ging  es  mehr  um  die 
praktischen  Anwendungen  des  Quadranten  als  um  die  Beschreibung  der 
Emrichtung  eines  solchen.  Als  er  n&mlich  in  seiner  Übersetzung  zu  dieser 
Darlegung  gelangt,  schreibt  er  sehr  naiv:  „Wie  man  den  quadrantten 
machen  sol,  das  hat  vil  geschrift,  die  ich  vnder  wegen  lasz  vmb  kürcz 
willen,  wann  die  figur  des  quadranten  jn  dem  buch  gemalt  das  aigentlichen 
anszweist/*  Nach  dem  Schlüsse  des  Textes  der  Arbeit  Bobert's  fügt  unser 
Autor  aber  noch  die  Übersetzung  eines  weitem  Traktates  hinzu,  welcher 
sich  mit  der  Messung  der  Orölse  der  Hinunelskörper:  Mond,  Sonne,  Planeten 
imd  Fixsterne  beschäftigt,  die  Gröfse  des  Erdhalbmessers  als  Einheit  ge- 
nommen. Hierbei  erwähnt  er  Ptolemaeus,  Geber,  Alfraoanus  und  einen 
gewissen  Maximones,  der  nach  dem  Zusanunenhange  des  Chalif  Mamun  (um 


1)  Lt  traue  du  guadrant  de  Maure  Robebt  Anol^s  (Montpellier,  XIII*  siedle), 
Texte  latin  et  ancienne  traduction  greeque.  Publies  par  M.  Paul  TAMiniBT.  (Tird 
des  Notices  et  Extraits  des  Manuscrita  de  la  Btbliothegue  Nationale  et  autres  Biblio- 
iheques  Tome  XXXV,  2*  partü).  Paris  Imprimerie  Nationale.  MDCCCXCVIl. 
2  Bltt.,  80  S.  4«. 

2)  A.  a.  0.,  p.  10,  Anm.  2. 


44  Maximilian  Curtze: 

800  n.  Chr.)  sein  muTs.  Seine  MaTse  sind  eben  die  des  Chalif  Mahun,  nach 
welchen  ein  Grad  des  Himmels  auf  der  Erde  einer  Entfemang  ?on 
56V8  Meilon  ^  4000  Ellen  entspricht^  so  dafs  der  Gesamtnmfang  der  Erde 
20  400  Meilen  beträgt.  Daraus  ergiebt  sich  der  Durchmesser  nahezu  zu 
6500  Meilen,  „vil  nach'^  sagt  unser  Übersetzer. 

Die  Angaben  über  die  Durchmesser  der  Himmelskörper  und  ihres  In- 
haltes lassen  sich  nicht  gut  mit  einander  yereinigen.  Sie  scheinen  aus  ver- 
schiedenen Quellen  genommen  zu  sein.  Interessant  ist  jedenfalls  die  Be- 
merkung, man  könne  rings  um  die  Erde  von  Ost  nach  West  oder  umgekehrt 
herumfahren,  aber  nicht  nach  Norden  oder  Süden.  Nach  der  einen  Bichtang 
hindere  die  grofse  E&lte,  nach  der  andern  die  grolle  Hitze.  Auch  die 
Notiz  über  die  Oegenfüfsler  ist  der  Beachtung  wert 

Die  Übersetzungen  der  mathematischen  Kunstausdrücke  ist  ebenfalls 
nicht  ohne  Interesse.  So  übersetzt  unser  Yedsaser  gradus  mit  Staffel, 
differcntia  und  distanüa  mit  Z wiestand,  Cursor  mit  Louffer,  perpm- 
dk^dum  in  der  Bedeutung  Bleiloth  mit  Bichtklocz,  cemth  mit  gleich- 
mafs  der  Nacht,  polus  mit  des  Himels  Nah.  Linea  drcumfererUidis 
ist  ihm  die  „umfürige"  Linie;  radius  visuaUs  wird  durch  Schein  des 
Gesichts  gegeben.  Ganz  natürlich  ist  ufkbra  reda  und  versa  für  ihn  der 
rechte  und  der  verkehrte  Schatten;  Conus  giebt  er  einmal  durch  Knopf 
ein  andermal  durch  Ort,  d.  h.  Ecke,  wieder.  SaHs  curidlUer  übersetzt  er 
mit  gar  hoffentlichen;  nuUHplicare  heifst  ihm  gemert;  drcumfereniia 
die  umbgebende  Zarg;  arm  ist  die  hofstat;  Unea  perpendicularis  eine 
geriebt  Hni;  Cf^adias  aber  die  begrifflichkeit.  Durch  eine  Saul  wird 
0>lwmmt  wiedergegeben,  ein  modius  roiundus  ist  ein  schibloten  schefel, 
wie  donn  auch  die  Rundung  des  Himmels  und  der  Erde  durch  Bchiblechti- 
k<»it  wiedergegeben  wird.  Dofhtm  ist  eine  kuf,  dagegen  wird  vas  durch 
vasi  übersetits 

Nacihdem  P.  T.\MKCitT  die  n(ttigen  ErklSnxngen  des  Textes  auch  in 
maiheniaii$oher  Hinsicht  gti^ben  hat,  erübrigt  es  sich  für  mich,  hier  noch- 
mals auf  dit^ben  lurückiukommen.  Besseren  Verständnisses  halber  habe 
ich  jiHV^di  die  Figuren  des  CihU^x  hL  mom.  I(fii6:f,  welcher  das  lateinische 
Original  d«4r  Abhandlung  enthsUt^  «infikgen  zu  müssen  geglaubt. 

Thorn,  IS,  lWemb«r  18i>^ 


Der  Tractatiu  Quadranids  des  Bobertus  Anglicus. 


45 


Geometria  ist  ain  kaust  von  messnng  des  erttrichs,  vnd  hat  zwai  tail  62,  i. 
iheorieam  Tnd  pracHcam,  Theoricam  (I)  ist,  die  allain  mit  der  ge- 
dechtüsse  beschawnng  die  gleichnnsse  der  grösze  ynd  ir  messnng  ansieht; 
practica  ist^  wann  wir  ains  dings  ynbekannten  grois  mit  begriflicher  be- 
w&ning  messen.  Aber  der  kfinstlichen  messang,  die  genant  ist  pracüca, 
sjnt  drei  gestaltnns:  cMmetiria,  pUmimetria,  skriometria  Altimetria  ist, 
wann  wir  allein  ains  hochen  dings  leng  snchen;  planimetria  ist,  wann 
wir  ains  eben  dings  praite  suchen;  steriometria  ist,  wann  wir  ains  dings 
lenge,  praite  ynd  tieffe  suchen.    Mit  der  ersten  masz  suchen  wir  Tnd  messen 


2>estirum.  latu^ 


Fig.  1. 


^e  linigischen  messung;  mit  der  andern  die  b6dinischen  messnng;  mit  der 
^tteii  die  leiplichen  messung. 

Dammb  tailen  wir  das  poch,  darjnn  wir  aller  ding  messung  leren,  ja 
zwai  tail,   nachdem   ynd  es  zu  der  inf&rung  der  kunst  gehört.     In  dem 


46  Maxiffli^i»^  Curtzet 

ersten  tail  lernen  wir  yon  ains  Quadranten  zusamenseczung,  der  genant  ist 
von  ainem  vierden  tail  ains  zirckels,  den  er  hat.  In  dem  andern  tail  von 
dem  werck,  das  dadurch  ge&bt  wirt,  vnd  seiner  nuczung. 

Daramb  ain  quadrant  ist  ain  werk  gezüg,  der  da  hat  ain  vierden  tail 
ains  zirckels  vnd  etlicher  buchstab  züge,  dadurch  wir  Staffel')  der  sunnen 
vnd  jr  naigung  vnd  der  steren  hSche  mügend  genemen,  stund  der  zeit  ent- 
scheiden, der  ding  h6che,  der  stette  zwjstand^),  der  land  lengemng  vnd  der 
brunnen  tiefung  erfindung.    Wie  man  den  quadrantten  machen  sol,  das  hat 

6«,  II.  |vil  geschriffc,  die  ich  vnder  wegen  lasz  vmb  kurcz  willen,  wann  die  figur 
des  quadranten  jn  dem  buch  gemalt  das  aigenlichen  ausz weist.  (Fig.l  a.v.S.) 

62',  I.  1 1.  Wann  du  den  quadranten  hast,  vnd  wilt  wissen  die  höchin  der  sunnen 

dadurch  in  aller  stund,  secz  den  punct  des  quadranten  a  gen  der  sunnen, 
vnd  den  punct  c  gen  dir,  vnd  lasz  dein  schein  durch  baide  löcher  der  zwair 
tabeln,  die  gelöchert  sind,  schinen,  vnd  sich,  wölchen  Staffel  ausz  den  stafeln 
in  dem  saum^)  des  quadranten  die  meszschnur  abschnid,  vnd  sich  die 
zal  des  stafels  darob  genomen,  vnd  die  selb  zal  der  stafel  weiset  die  hSche 
der  sunnen  etc. 

In  welchem  stafel  die  sunn  sej. 

2.  Wiltu  wissen,    in    wie   m&ngen    stafel    des    zaichens   die  sunn  sey 
C2',  II.  durch   den  louffer,^)   sich,  jn  |  welchem  monat  vnd  jn  wie  mangem  tage 

des  selben  monacz,  vnd  leg  den  faden  mit  dem  richtklocz  ^)  auf  den  tag  jn 
dem  louffer,  vnd  merck  auf  welches  zeichen  vnder  demselben  monat  vnd 
auf  welchem  staffeis  des  Zeichens  der<  velt,  wann  in  dem  zaichen  vnd  jn 
dem  Staffel  ist  dye  sunn. 

Von  der  naigung  der  sunnen. 

3.  Wiltu  wissen  die  neigung  der  sunnen,  vnd  wie  jr  zwystand  sey  von 
der  glychnusz  der  nacht  durch  den  louffer,  so  leg  den  faden  auf  den  an- 
fang  des  widers  vnd  der  wage,  vnd  merck  den  Staffel  jn  den  säum,  darauf 
der  richtklocz  veli  Damach  leg  anderweit  den  faden  auf  den  Staffel,  dar 
jnn  die  sunn  ist,  nach  der  gecz  gesagten  kunst,  vnd  merck  aber  den  Staffel 

CS,  I.  jn  dem  säum,  darauf  der  richtklocz  |  velt,  vnd  rechen  in  dem  säum,  wie 
manch  Staffel  sey  von  dem  ersten  gemerckten  bisz  zu  dem  andern  ge- 
merckten,  denn  also  grofz  wirt  die  naigung  der  sunnen  die  selben  zeit. 

Von  der  praite  des  landes. 

4.  Wyltu  vrissen  die  praite  des  lands,  das  ist  der  zwistand^)  des 
puncten  ob  deinem  haubt  von  der  gleichnufze  der  nacht ^)  oder  die  höchin 

8)  gradus.  4)  differentia.  5)  limhus.  6)  Cursor.  7)  perpendiculum. 
8)  distantia,        9)  cenith. 


Der  Tractfttns  QaadrantiB  des  Bob^ius  Anglicus.  47 

des  hymels  nab^^,  das  des  gleichen  ist,  so  nim  die  höchin  der  sunnen  jn 
mittemtage,  als  sj  in  dem  wider  oder  in  der  wage  ist,  vnd  dieselben  hüch 
zeuch  ab  yon  90  staffeln,  tind  das  Tbrig  wirt  braite  des  lands  oder  höchin 
des  hjmels  nah. 

5.  Oder  also:  Nim  die  höchin  der  stinnen  in  mitemtag  als  vor,  vnd 
von  der  höchin  der  snnnen  wirt  abgezogen  jr  naigung  desselben  tages,  ist 

sy  jn  wester  zaichen,  oder  wirt  hin  zu  |  getan,  ist  sy  jn  mittags   zaiches,  6s,u. 
vnd  was  nach  dem  abziechen  oder  z&  t&n  vber  pleibt,  sol  abgezogen  wer- 
den  von    90  staffeln,   so    hastu    die  praite  des  lands  oder   die   hoch  des 
hymels  nah. 

6.  Oder  also:  Nim  die  höchy  ains  stäten  steren  der  merklich  sey  bei 
des  hymels  nah,  wann  er  ist  in  der  gr6sten  hoch  des  nachtes,  vnd  die 
hoch  desselben  steren,  wann  er  ist  in  der  minsten  hoch  der  selben  nacht 
oder  ainer  andern,  vnd  die  minder  hoch  sol  abgezogen  werden  von  der 
gröfsem  höchin,  vnd  der  halbtail  des  vnderschaids  sol  zu  getan  wei*den  der 
mindern  hoch,  vnd  was  davon  bekSmbt,  ist  die  hoch  des  hymels  nah  oder 
braite  des  landes. 

Von  den  stunden. 

7.  Wiltu  aber  wissen  die  standen  des  tags  jn  allem  land,  so  sich  die 
braite  des  |  lands  oder  höchy  des  hymels  nah,  als  vorgesagt  ist,  die  ist  auf  es',  i. 
dem  perge  pesselan^^)  44   Staffel  vil  nach  vnd  gleich   im  48   Staffel,  und 
rechen  also  vil  Staffel  jn  dem  säum  des  quadranten  anzeheben  an  der  syten, 

do  die  gelöcherten  tabeln  aufgeheft  synd,  vnd  wa  dy  zal  ain  end  hat  bey, 
bewege  den  louffer  bisz  der  anfang  des  widers  velt  gerichcz  vnder  den 
richtklocz,  vnd  die  selb  stat  der  zeit  jn  dem  quadranten  wirt  des  lands. 

8.  Oder  also:  Nym  die  höchin  der  sunnen  in  mittemtage  vnd  bewege 
den  richtklocz  nicht  von  der  stat,  darein  er  velt,  vnd  bewege  den  louffer 
als  lang,  bisz  der  tag,  in  des  mittage  du  genomen  hast  die  höchi,  velt  vnder 
den  richtklocz,  vnd  das  die  ewig  stat  des  landes.    Darumb  wann  der  louffer 

also  geschickt  ist  |  so  leg  den  richtklocz  auf  den  tag,  des  stund  wilt  haben,  es',  u. 
und  z&ch  den  margariten  als  lang,  bisz  das  er  velt  auf  die  umbfdrigen 
lingen,  die  letzten,  die  da  ist  ain  end  der  6  stund.  Damach  lasz  den 
schein  der  sunnen  gen  durch  beide  I6eher,  vnd  merck  die  stat  des  mar- 
gariten jn  den  stunden,  wann. die  zaigt  dir  die  stand  des  tags,  darin  du 
bist.  Wann  velt  sy  auf  die  ersten  vmfiirigen  linigen,^^)  so  wirt  die  erst 
die  stand  erfült,  auf  der  andern  die  ander,  vnd  also  für  sich  aus. 

9.  Wiltu  aber  das  haben  durch  den   quadranten  an  den  louffer,  nim 
in  4  tafeln  des  quadranten  stafel  der  sunnen,  vnd  mit  stafel  der  sunnen 

10)  polU8.       11)  In  Montepesaolano,        12)  Unea  circumferentiaiis. 


48 


Maximilian  Gartse: 


in  der  tabeln  der  naigang  nym  jr  naigang  viid  zaich  die  ab  ron  pnite 
des  landS|  dar  jnn  du  biet,  ob  die  sunn  ist  in  wester  zaichen,  oder  dii 
«<L  die  hjn  ifi,  ob  die  |  sunn  ist  in  mittags  zaicben;  vnd  was  nach  dem  ab- 
Biecben  oder  s&  tun  vber  pleibt,  das  behalt,  vnd  also  vil  stafel  rechen  io 
dem  sanm  Ton  der  sajten  des  quadranten,  darauf  die  gelöcherten  tabek 
gekeft  sind,  Tnd  leg  den  riohtklocz,  da  die  sal  ain  end  hat,  nnd  bewege 
den  margariten  su  sGlichem  tage.  Dann  last  den  schein  der  sonnen  gen 
durch  baidft  l6cher,  vnd  merck  die  stat,  da  der  margariten  hin  yelt,  so 
chastn  die  stand  als  vor. 

Von  der  hSchin  se  messen. 

XachmSglichen'^)  ist  lesagen  von  den  messnngen,  des  ersten  der  ding 
die  efh«Vhening. 

10.  üanunb  wilto  wissen  die  hoch  ains  grofsen  dings,   da  man  zu 

«^  n  kc^w^a  asag,  sich  die  htüchin  des  dings  durch  beide  IScher  mit  ainem  |  ange, 

Ted  gang  lii  dem  ding  oder  Ton  dem  ding   als  Til,  bis  der  richtkloci  velt 

auf  die  mitein  linigen  des  quadranten,  das  ist 
auf  15  staleL  Dana^  ajm  die  hOchin  deins 
aogen  bis  lü  der  soleii  des  luis  Tnd  nim  als  tu 
hinder  dich,  als  tu  die  hSebbi  deins  äugen  ist 
lU  diMT  esdeu,  Tnd  ttondc  die  sUL  Danach  misz, 
vii^  TÜ  »hiWli  eeres  iwiscLen  item  selben  marck 
Tud  dM-  giundfesi  des  duns  oder  ains  anden 
diaiffSk  das  du  uiUMsa  vik^  so  haste  dw  hOchin. 

I  Is  l^  aKNT  das  dti^  uWIrt  auf  aiMr  eWs  slat^  «»  srck  liw  poncten 
aa  A(«f^  ^tiai^^  4a»  «ke  wwwew^u  wili^  d^s;  dM-  rkhikäict  TaiSl  aaf  die  linigen 

«SS  ix  dM-  ^ 

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Der  Tractatua  Qoadrantis  des  Robertas  Anglicus. 


49 


Fig.  4. 


12.  Oder  also:  Sich  an  die  höchin  ains  dings  durch  baide  löcher  als 
vor,  ynd  merck  anf  welche  stat  des  quadranten  der  richtklocz  vall;  vnd 
bestätt  er  auf  der  seitien  des  rechten  schatten,  das  ist  in  der  rechten 
sejtten,  so  nym  die  zal  des  rechten 
schatten  ^^)  anzusehen,  auf  wie  manig 
punct  der  richtklocz  yelt.  Ist  aber, 
das  er  velt  auf  die  sjten  des  Ter- 
kerten  schaten/^)  so  nim  die  |  zal 
des  verkerten  schaten,  vnd  mit  der- 
selben puncten  zal  tail  144,  vnd 
was  darausz  get  nach  der  tailung, 
das  nim.  Damach  misz  den  zwistand 
zwischen  dir  vnd  dem  turen,  vnd  was  in  dem  zwystand  wirt,  das  mer  mit 
zwölfen,  vnd  was  dauon  wirt,  das  tail  mit  der  zal  der  schaten  puncten 
vorgenomen,  vnd  was  darausz  get,  auf  das  tu,  wie  vil  deiner  höchin  ist, 
vnd  was  also  pleibi,  das  wirt  die  hoch  des  durens.     (Fig.  4.) 

Von  der  sunnen  höchin. 

13.  Item  das  selb  wirt,  wann  die  sunn  scheint,  durch  den  schatten 
also.  Du  solt  baiten,  bis  die  sunn  wirt  jn  der  höchin  45  Staffel,  so  ist 
der  schatt  ain  jetlichen  dings  dem  ding  gleich.  Den  misz  den  schatten, 
so  hastu  die  höchin  des  diDgs. 

14.  Aber  in  den  andern  stunden,  so  wirt  die  gleichnüs  des  schaten 
ain  yeÜichen  dings  zu  |  dem  ding,  als  in 
derselben  stund  ist  die  gleichnüs  der  zal 
der  punct  des  rechten  schatten  zu  12.  Also 
wer  es  6  puncten  in  dem  rechten  schatten, 
die  sind  der  halbtail  von  12,  denn  wirt 
der  schatt  das  halbtail  des  dings  in  der 
höchin,  vnd  also  von  der  andern  zal. 
(Fig.  6.) 

14.  Aber  darzu,  das  du  wissest  alle 
stund  die  schatten  zenemen,  so  mustu 
den  rechten  schaten  in  den  verkerten  vnd  herwider  vmb  verwechseln. 
Danunb  wiltu  aus  dem  verkerten  schatten  hab  die  zal  der  zal  puncten  des 
rechten  schaten,  so  tail  mit  der  zal  des  verkerten  schaten  in  144,  vnd  was 
d&raus  get  nach  der  tailung,  das  wirt  die  zal  der  puncten  des  rechten 
schatten.     Wiltu  wissen  die  verkerten  schatten  durch  die  rechten,  so  tail 


64',  n. 


66,1. 


Fig.  6. 


14)  umbra  recta,       15)  umhra  teraa. 

Abb.  nur  Geich.  d.  Mathem  IX. 


50 


Maximilian  Curtze: 


65,  n.  144  mit  der  zal  der  pnncten  des  rechten  schatten  |  so  get  ansz  der  tailiiog 
die  zal  der  pnncten  des  verkerten  schaten. 

Von  der  tnren  höchin. 

15.  Ist  aber  der  tnren,  das  man  nicht  dar  zu  komen  mag,  den  man 
menen  will,  so  sich  sein  höchin  durch  beide  löcher  der  quadranten,  vnd 
fe^ieli  an  die  zal  der  pnncten  des  rechten  schatten  als  vor,  vnd  leg  ain  zaicheo 
an  die  stat,  da  dn  gestanden  bist  in  stund  der  mercknng;  vnd  wiss,  das  die 

löcher  gar  eng  sdllen 
sein,  durch  die  der  sehein 
des  gesichts^  zu  be- 
griffhng  ^^  des  dings  gen 
sol,  oder  es  wbrt  bald 
irmng  in  der  kunsL 
Damach  ge  femer  yon 
dem  tnren  oder  nScber 
zu  hin  zu  nach  der 
rechten  linigen,  vnd  sich  die  höchin  des  turens  anderwet  an,  vnd  such  die 
zal  der  pnncten  des  rechten  schaten  zii  dem  stand,  da  du  zu  dem  andern 
<s',L  mal  I  stest,  vnd  leg  aber  ain  zaichen  an  die  selbe  stat,  vnd  misz,  wie  tu 
sehnch  seien  zwischen  der  zwaier  zaichen,  vnd  behalt  dieselben  zal.  Dar- 
nach zeuch  die  mynnem  zal  des  rechten  schaten  von  der  grösseren  ynd 
behalt  die  vnderschaid,  vnd  den  zwjstant  zwischen  der  zwair  zaichen  gemer 
mit  12,  Tnd  was  davon  kompt,  das  tail  mit  der  vnderschaid  vorgenomeDf 
vnd  dem,  das  daransz  get,  dii  dein  höchin  zu,  vnd  was  da  bleipt,  wird  die 
höchin  des  dums.     (Fig.  6.) 

16.  Ist  aber,  das  du   stest  in  ainem  tal  vnd  ains  tnrens  höchin,  die 
auf  ainem  perg  stet,  messen  wild,  so  merck  des  ersten  die  höohin  des  bergs 


Z*tUUMO 


Flg.  T. 

mitt  zwain  stenden  jn  masz,  als  vor  gesagt  ist.     Damach  merck  die  höchin 
des  berges  vnd  des  tums   mit   ainander,    vnd  züch  die  höchin   des  bei^ 

16;  hmIims  visualis.         17)  eamprehensio. 


Der  Tractatus  Qaadrantis  des  Bobertus  Anglicus. 


51 


Fig.  8. 


yon  I  der  gansz  gesammten  höchin  mit  ainander,  vnd  was  ybrig  bleibt,  das  65',  n. 
ist  die  hCchin  des  dnrns  anf  das  genewest.     (Fig.  7.) 

An  den  qnadranten. 

17.  Ist  aber,  das  du  nit  ainen  quadranten  hast,  vnd  oilt  mesen  die 
bSch  ains  dings,  so  nim  ain  ruten,  die  aufgericht  werd  an  ainer  eben  stat 
krad  yber  sich,  ynd  das  sj  hab  ain  mercklich  leng,  vnd  leg  dich  denn  mit 
deinem  angen  zu  der  erden  vnd  ruck  dich  mit  dem  haupt  her  vnd  dar, 
bisz  der  schein  des  gesichts  vber  die 

hochin  der  ruten  get  vber  die  höch- 
sten stat  des  dums.  Darnach  merck, 
wie  vil  ist  zwischen  der  stat,  da  dein 
ang  gelegen  ist,  als  du  die  höchin 
gemerckt  hast,  bis  an  die  vndersten  stat 
des  turens,  vnd  die  selben  gemer  mit 
der   zal  der  ruten  leng,    darüber  du 

gesechen  hast,   vnd  das  alles,  |  was  davon  kompt,   tail  mit  dem  zwistand  66,  i. 
zwischen  des  äugen  vnd  der  ruten,  das  sind  die  zwü  stet,  ain  da  dein  aug 
auf  der  erden  ist  gelegen,  vnd  die   ander,  da  die  rut  gesteck  ist  in  der 
abmerckung,   so  get  daraus  die  hoch  des  turns  durch  die  zal  die  da  haist 
qnociens,  das  ist,  wie  oft  in  dem  tail  ain  zal  von  der  andern  gezogen.    (Fig.  8.) 

Von  dem  schatten. 

18.  Item  das  selb  anders  durch  der  ding  schatten.     Wann  ain  ding, 
des  höchin  du  uilt  wissen,  schatten  macht  auf  ainer  eben,  so  nim  ain  auf- 
gereckt ruten  auf  ainer  eben  gerad  vber  sich  bei  dem  end  des  schatten  des 
dings,  das  du  messen  wilt,  jn  völlicher 
nächi,  das  ain  tail  der  ruten  velt  in 
den  schaten  vnd  das  ander  tail  ausz 
dem  schatten,  vnd  merck  die  stat  in 
der  ruten,    da  der  |  schatt  an   hebt 
die  ruten  zerüren,  vnd  mit  der  leng 
der  raten,  die  da  ist  zwischen  der 

nirung  des  schaten  vnd  der  eben,  sol  gemert  werden  die  leng  des  ganczen 
schatten,  der  da  ist  zwischen  dem  vndertail  des  dings,  das  du  messen  wilt^ 
vnd  den  knöpf  *^  des  schatten,  vnd  was  davon  kompt,  das  tail  mit  der  leng 
des  schatten,  die  da  ist  zwischen  den  knöpf  des  schatten  vnd  der  ruten, 
vnd  darausz  get  die  höchin  des  dings,  das  zemessen  ist.     (Fig.  9.) 


6«,n 


Flg.  9. 


18)  eanus. 


4* 


52 


Maximilian  Cnrtze: 


(I 


611,  r 


X 


»>■ ,  n 


Von  dem  Spiegel. 

19.  Itom   anders  ynd  gar  hoff  liehen  ^^).     Es  werd  ain   Spiegel  gelegt 

auf  ainer  eben,  vnd  gang  her 
vnd  dar,  bis  da  siebest  die  hoch 
des  dings  jn  dem  Spiegel;  vod 
mit  der  böchin  dains  äugen  tod 
der  eben  sol  gemert*)  werden 
der  zwistand  zwischen  den  andern , 
tail  des  dings  vnd  dem  spiegeL 
vnd  was  davon  knmpt,  sol  ge- 
taut weixlen  mit  der  zwistand  zwischen  deinem  fiisz  vnd  dem  Spiegel;  vnd 
daraus  got  die  hOohin  des  dings,  das  man  miszt     (Fig.  10.) 

Das  ander  tail  der  messungknnst,  die  da  haist  planimetria, 
hat  xwat  tail.  Das  erst  von  der  kanst  zemessen  das  eben  allein 
jn  die  long,  das  ander  ist  von  der  kunst  zemessen  jn  die  lang 
vnd  jn  die  braito.     Von  dem  ersten  ist  vor  ze  sagen. 

Von  der  leng. 

'iO.  Wann  du  wilt  messen  die  leng  ains  eben  dings  mit  dem  qaadranten, 

so  stand   an  ainom   end  dos  eben  vnd  sieb  an  das  ander  end  durch  baide 

^  lecher,   vnd  halt  das  ort*^)  des 

quadranten,  daran  der  faden  mit 
dem  nagel  geheft  ist,  gen  dir  zu 
den  äugen,  vnd  das  ort,  da  des 
laufers  tabel  jnn  get,  halt  gen 
der  eben,  die  ze  |  messen  ist,  vnd 
$0  das  end  also  gesechen  ist, 
dann  whi  gtM\\Muen  dio  $^\  de«  nvhten  {^hatten,  vnd  die  bSchin  von  deines 
,^*V,o^n  9\\  dem  ^^^^?  wut  j;:tMuert  mit  13,  Was  danon  kompt^  das  wirt  ge- 
teilt nut  «Ut  »al  de.<  i>vhten  ^'h;Ktten  vor^niMnen,  so  get  darausz  die  leng 
d«vr  r)vn,  d»e  sewesüi^n  i^t^     v^V»  ^^^ 


VN«  n. 


Von  ainor  rxun 

i^l  iVW  äImn  5^u  ^^nad^^wten  K^  w;Ti  *;n  r.;l  gt^md  anf  gericht  an 
*;ri4''W  rvj'^o  *^<v  oK^n»  i\>  v^\^  eUtn.h  xv^rr  ^Ä.>j«^r^  vnd  m  aiiiiem  ebenbild, 
OÄN  o$   ,>4^vl4n*   \^>   >o^'Nto^M«uh   x\u\\^   ^\  si  *l;c  oVn  iT^eisea  ftr,   vnd  die 


^;^'  rh  w»v*/- 


1^'»'    ««  «      »u    ,>ÄNr 


«r  f^f^imK 


Der  Tractatus  Quadrantis  des  Bobertus  Anglicus. 


53 


aufgericht   ab.     Vnd   an    der  auf  gerichten  ruten   sei  ain  ander  nit  mit 

geleicher  zwistand  dem  eben,  die  da  macbent  sy  ainen  rechten  winckel  mit 

der  rut  a&,  vnd  sj  die  ander 

rut  cd.    Damach  bei  der  anf- 

gerichten   ruten  |  wird  gehabt 

dein  aug,  vnd  wird  angesechen 

do    ander  end  der  eben,    vnd 

wirt  gemerckt  der  punct  jn  der 

ruten  cc2,  darnach  der  schein 

des  gesichts  get,   vnd  derselb 

punct  in  der  lini  der  riiten  cd  sy  der  punct  dy  durch  den  get  der  schein. 

Damach  mit  der  leng  cd  gemer  die  leog  a&,  vnd  was  dauon  kompt,  das 

tail  mit  der  leng  ac,  vnd  daraus  get  c&,  die  leng,  die  gesucht  ist.    (Fig.  12.) 


67,1 


Fig.  1«. 


Von  dem  Spiegel« 

22.  Dasselb  wirt  mit  ainem  Spiegel,  der  vor  ward  verstanden  die  ober 
tignr  ligend  in  der  eben,  wird  hir  verstanden,  die  aufgerecht  sei,  vnd  |  die  67,  n 
lini,   die   dort  bedeit  hat 

die  hoch,  wird  nu  bedeiten     *^n  y\f 

die   lengi   der   eben,    vnd 

die  ander  die  bedeit  vor 

hat  die  eben,  sj  nun  die 

lini,  die  gerichcz  an  stat 

der    leng    in     der    eben. 

Darein  sol  gelegt  werden 

der  Spiegel  aufgericht  auf 

sainer  Seiten  ein;   vnd  du 

wirst  sten    zwischen  dem 

Spiegel  vnd  dem  end  der 

eben,  vnd  wirst    damach 

wireken  als  vor.    Vnd  merck,  das  der  Spiegel  sol  ciain  sein,  vnd  sol  alweg 

mitten  in  dem  Spiegel  sechen  das  end  der  hoch  oder  der  leng.     (Fig.  13.) 

Von  eben  vnd  praite. 

23.  Wiltu  aber  messen  die  eben  in  leng  vnd  jn  praite,  so  wirt  denn 
öie  eben  aintweders  zircklis**)  oder  wincklis.*')  Ist  sy  zircklis,  so  wirt  das 
halbtail  des  dyameters  gefiert  in  den  halbtail  der  vmbgenden  zarg,^)  vnd 


Fig.  18. 


22)  cireulare.       23)  angulare,        24)  circumferentia. 


54 


Maximilian  Curtze: 


das  davon  knmpt,  gibt  die  ho£Eistat  der  ganczen  zircklichen  eben.    Aber  die 
67,1.  grösz  der  vmbgenden  zarg  |  wirt  als  gehabt.   Der  djametter  sol  getriblieit 


«r.  IL  Ä 


Fig.  14. 

werden,  vnd  der  sibendtail  sol  jm  zugetan  werden;  was  dauon  kumpt,  gibt 
die  grösz  der  vmbgenden  zarg.     (Fig.  14.) 

24.  Ist  aber  der  boden  triwincklis,^^)  sint  dan  dy  sytten  glich,  so 
wirt  also  gemessen,  ain  tail  des  dryangels  wird  getailt  in  zwai  glich  tail^ 
vnd  von  dem  puncten  der  tailong  wirt  gezogen  ain  recht  lini  zu  dem 
winckel  da  gen  vber,  vnd  die  lini  also  gezogen  wirt  mit  der  zal  irer  leng 

gefort  jn  den  ainen  tail  der  sytten,  die  ge- 
dailt  ist,  so  hat  man  die  grdsz  des  triangels, 
(Fig.  15.) 

25.  Ist  aber,  das  der  driangel  allain  zwo 
glych  Seiten  hat,  vnd  die  dritt  vnglich  ist,  so 
tail  die  selben  in  zwai  glyche  tail,  vnd  Ton 
dem  puncten  der  tailong  züch  ain  lini  zu  dem 
gegen  vber,  vnd  der  ain  halbtail  der  getauten 
sejten  sol  gefÜrt  werden  jn  die  |  lini,  die  ge- 
zognen ist  von  dem  puncten  in  dem  winckel, 
vnd  was  davon  kumpt,  gibt  die  hoffistat^) 
(Fig.  16.) 

26.  Ist  aber  der  dryangel  von  dry  vn- 
glychen  seilten,  so  sol  aus  ainem  winckel  ain 
glich  g^richt  lini^  gezogen  werden  zu  der 
Seiten  dar  get  gegen  vber,  vnd  die  selb  seit, 
darauf  die  gleich  gericht  lini  feit,   sol  gefurt 

wenien  jn  die  selben  lini,   vnd  was  dauon  kumpt,    des  halbtail  gibt  d^e 
hoflfeut     (Pig.  17.) 


Fi«.  16. 


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ins. 


Der  Tractatus  Quadrantis  des  Bobertus  Anglicas. 


oo 


Von  der  fiernng. 

27.  Wilta  aber  ainen  genirten  boden^  messen,  so  ftlr  ain  sejten  in  die 
ander,  ynd  danon  kompt  die  hofstat,  das  ist,  so  die  vier  Seiten  gleich  sind.  (Fig.  18.) 


Fig.  18. 


IMg.  19. 


Von  den  wincklen. 

28.  Sint  sj  aber  winklis,'^)  so  fier  die  mindern  Seiten  in  die  merern, 
ynd  was  davon  kompt,  gibt  die  hofstat.     (Fig.  19.) 

Von  den  5  orten. 

29.  Wiltn  aber  ains  Sorten**)  boden 
hofstat  haben,  ist  er  gljcher  syten,  so  sol  |  /  *  \  68.1. 
ain  seit  in  sich  selber  gef&rt  werden,  ynd  das 
danon  kompt,  sol  mit  drejen  gemert  werden, 
Ynd  yon  der  summ,  die  darausz  kompt,  sol 
abgezogen  werden  ainest  die  gröfz  ainer  Seiten, 
Tnd  der  halbtail  der  ybrigen  gibt  die  hofstat. 
(Fig.  20.)                                                                                       Pi^.  ^. 

Von  der  prnnnen  messang. 

Es  ist  gesagt  yon  der  messung  der  ding  hoch  ynd  eben,  nun 
wollen  wir  yon  der  prnnnen  tief  ynd  jr  be- 
grifflichait  sagen. 

30.  Dammb  ob  du  ains  pronnen  tief  wilt  mes- 
sen, so  sich  mit  dem  qoadranten  yon  der  ainen  syten  c 
des  bronnen  oben  hin  ab  das  end  der  andern  Seiten 
gegen  yber  jn  der  tiefß  des  pronnen,  ynd  yor  an 
sol  gemerckt  werden  grösz  des  djameters  der  praite 
des  pnmnen.    Dammb  jn  der  stund  der  merckung  sol 

genomen  werden  die  zal  der  puncten  des  schat  |  ten  in  /  es,  11. 

der  Sitten  des  quadranten;  ynd  gemer  die  gröfz  des  dya- 
meters  braite  des  pnmnen  mit  12,  ynd  tail  das  mit  der 
zal  der  puncten  des  schatten,  ynd  daraus  get  die  tiefe  b 
des  pnmnen.     (Fig.  21.) 

28)  qmd/ra^i»im.       29)  qmdrofngvium,       30)  penUkganum 


Fig   21. 


56 


Maximilian  Gurtze: 


31.  Wiltu  aber  des  prunnen  begriff  lichhait'*)  haben ,  durch  die  hof- 
stat  also  fanden,  als  vorgesagt  ist,  gemer  die  tiefe  des  prunnen,  vnd  was 
dauon  kumpt,  gibt  sein  begriffenlichbait,  dz  ist,  wie  vil  darin  get,  das  er 
vol  werd. 

Von  ainer  saul. 

32.  Wiltu  aber  grösz  ainer  saul^*)  suchen,  so  nym  die  grosz  der 
praite  der  saul  vnd  fär  die  jn  sich  selber,  so  hastu  die  hofstat.  Mit  der- 
selben hofstat  gemer  ain  sejten  der  saul,  vnd  waz  dauon  kompt,  gibt  die 
grösz  der  saul.     (Fig.  22.) 

• 

Von  der  synwel. 

68,1.  33.  Wiltu  aber  aines  schibloten  schefels'^)  begrif  |  lichenhait  wiszen, 

f  so  sei  genomen  werden  der  dyameters  des  boden  jn  dem  schefel  vnd  der 

dyametei*s  oben  an  dem  brait,  vnd  süUen  gelycht  werden,  vnd  der  halbtail 


Flg.  U. 


Fig.  23. 


des  vbertreffens  an  dem  groszem  getan  zu  dem  clainem,  so  wirt  den  funden 
die  hofstat  des  boden,  als  vor  gesagt  ist  von  dem  zirckel;  vnd  wie  vil  die 
hofstat  hat,  damit  sol  gemert  werden  die  hoch  des  scheffeis,  so  hastu,  das 
gesucht  ist.     (Fig.  23.) 

Von  der  masz. 

34.  Ist,  das  du  hast  ain  ciain  masz,  dz  das  ains  pfenning  oder  zwaier 
wert  weins  fassent  ist,  so  sol  die  grösz  des  schöffels  tailt  werden  mit  der 
zal  des  clainen  masz  grösz,  vnd  die  zal  quociens  wist,  wie  oft  die  clain 
masz  in  dem  schöffel  begrifen  ist.  Vnd  also,  ob  dz  ciain  hat  ains  pfennings 
wert  weins,  so  wirt  man  wisen,  wie  fil  pfennings  wert**)  in  dem  scböffel 
68',n.sint.  I  (Fig.  23.) 


31)  capaeitas.        82)  columpna.       38)  modii  rottmd«.        84)  dmmriaJtHi. 


Der  Tractatue  Quadrantis  des  Bobertus  Anglicus. 


67 


Von  ainer  küf. 

35.  Wiltu  aber  ainer  kuf  ^)  begriffenlichait  haben,  so  soltu  des  ersten 
vinden  die  hofstat  des  bodens  der  küfen  mit  seinem  dyameter,  als  vor  ge- 


Fig.  24. 

sagt  ist.  Darnach  njm  die  leng  nach  des  weins  begriffenlichait,  vnd  mit 
der  leng  sol  gemert  werden  die  hofstat,  vnd  was  davon  kompt,  gibt  der 
küfen  begrifenlichaii     (Fig.  24.) 

Von  ainer  masz. 

36.  Ist  aber,  das  du  hast  ainen  scheffel,  vnd  wilt  wisen,  wie  oft  die 
küf  den  schefel  begrif,  so  nim  sein  grösz  dui'ch  das  vorgesagt,  vnd  die 
grOsz  der  kufen  so  getailt  werden  mit  der  grösz  des  scheffeis,  so  wiszt  die 
zal  quociens,  wie  oft  der  schöffel  in  der  kufen' begrif en  wirt.  Also  ob  der 
scheffel  ains  pfenning  wert  begrjrft,  so  waistu  dabei,  wie  vil  pfenning  wert 
in  der  kufen  sjnd. 

Vieregget. 

37.  Wiltu  aber  ains  vier  |  winckligen  vasses'®)  begriffung  wissen,  S0  69,i 
sol  genomen   werden   die  hofstat  des   bodens  nach   der  vorgesagten  kunst. 


^d  die  hofstat  sol  gemert  werden  mit  der  höche  des  fases,  vnd  was  dauon 
^ompt,  das  gibt  sein  begrifung.     (Fig.  25.) 


36)  dcinm,        36)  vas. 


58  Maximilian  Curtze: 

Von  ainem  yasz. 

38.  Wilta  aber  wisen  ains  fases  begriffdng,  das  nicht  rechter  selten 
hat,  das  in  der  mitti  weiter  ist,  so  sol  die  mittel  braite  gelycht  werden 
mit  der  braite  der  äussern  tail  mit  der  vorgenanten  konst.  Die  selb  brait 
also  geljcht  vnd  jn  die  leng  des  fasz  gef&rt  gibt  sein  begriffong. 

Von  dem  messen  des  erttrichs  vnd  des  gstirens. 

39.  Ptholomeus  vnd  die  andern  weisen  haben  geseczt  den  Ijb^  der 
erden   ain  gemain  masz,  dar  mit  der  planeten  lyb  gemesen  wurden,  vnd 

«9,  n.  haben  geseczt  den  halben  tail  der  erden  djamet  |  ters  ain  gemain  mas, 
damit  sy  die  dieselben  steren  zwistand  von  dem  center  der  erden  mesen  haben. 

Von  dem  erttrich. 

40.  Es  was  möglich  mit  der  erden  djameter  ze  messen,  wann  erklärt 
sej,  das  der  erden  center  jn  der  sper  ist  des  himels  center.  Darnmb  ist 
notturft,  das  die  schyblechtigkait^)  der  erden  sei  in  gleichem  zwistand  mit 
der  schjblechtigkait  des  hjmels.  Darvmb  so  wir  giengen  auf  dem  boden 
der  erden  vnder  aines  mittaglichen  gemerck  f&rwar,  so  wurd  dem,  der  da 
gieng  gen  den  tail  vor  dem  zu  getan  in  der  erhöchung  des  hymels  nab 
von  dem  orizon,  vnd  dem,  der  da  gieng  gen  den  tail  des  mittags,  wurd 
dauon  gemindert.     Vnd  durch  das   also  haben  wir  funden  die  grösz  vnsz 

69^,1.  abnemung  |  auf  der  erden  die  glychsamkeit  sej  der  glaichung  ains  stafels 
von  der  schjblechtikait  des  hymels,  ob  wir  weren  meszen  ain  spacium 
zwischen  zwaier  stet,  die  an  der  erhöchung  mit  ainer  stafel  vnderschaid 
hatten.  Wann  du  die  selben  grölz  gemerst  mit  360,  das  ist  die  zal  der 
stafel  des  hymels,  so  get  darausz  ain  zirckel,  der  tailen  ist  die  sper  der 
erden  in  zwai  halb.  Und  wenn  wir  dz  halb  tailen  mit  3^,,  das  ist  die 
gleichung  der  vmbfArung  zu  dem  dyameter,  was  darausz  get,  wirt  der 
dyameter  der  erden  sper. 

41.  Es  ist  he  wärt  zu  den  zyten  Maximonis '^),  das  glichung  ains  stafels 
von  der  schyblechtikait  der  erden  hat  56  mil  vnd  2  tercz  ainer  mil,  mit 
dem  masz,  da  durch  die  mil  hat  4000  elenpogen  nach  der  geometry,  der 

Qc,' IT.  yetlicher  hat  ainen  schlich  vnd  ainen  halben,  |  darvmb  wann  du  gemerst 
die  glichung  ains  stafels  mit  360,  das  ist  die  sum  der  schyblechtikait  des 
himels,  so  wirt  gesamdt  schyblechtikeit  der  erd,  die  hat  20400;  vnd  wann 
die  schyblechtikait  getailt  wirt  mit  3^?,  so  get  daraus  die  grölz  des  dja- 
meters  der  erden,  der  hat  6500  rayl  vil  nach. 


37)  corpus.       88)  rotunditas.       39)  Soll  den  Ohalif  MamIk  bedeuten. 


Der  Tractatos  Quadrantifl  des  Robertus  Anglicus.  59 

Von  dem  mann. 

42.  Ptholomeus  beweist  von  dem  maun,  das  der  djameter  seins  leibs, 
wann  er  stet  jn  der  lengem  leng  seiner  kraisz,  ist  glich  dem  djameter 
des  libs  der  simn  in  dem  angesicht.  Er  beweist  auch,  das  der  djameter 
des  libs  der  sannen  bekomet  von  dem  zirckel  31  minnt  vnd  ainen  drittail 
ains  minuts,  das  ist  20  secnnd  yil  nach.  Damach  spricht  er,  das  die  leng 
der  snnnen  von  dem  halbtail  |  des  djameters  der  erden  ist  ains,  ynd  die  7o,  i 
leng  der  ansem  tails  der  schul  des  schaten  von  dem  zenter  der  erden  ist 
368  mit  der  selben  grösz,  vnd  das  die  leng  des  zenters  in  dem  knrczen 
zirckels  des  manns  von  dem  zenter  der  erden,  wann  der  selb  zenter  wer  jn 
dem  aux  seins  epizickels,  ist  59  der  selben  gröfz. 

43.  Danunb  spricht  Geber,  es  ist  dadurch  bewjst  die  gljchung  jet- 
licher  zweier  Rechter  djameter  zu  dem  djameter  der  erden.  Darumb  ist 
die  glichung  des  maims  diameter  zu  dem  djameter  der  erden  ain  gleichung 
f£lnfer  vnd  ains  halben  zu  ainem.  Aber  die  glichung  der  sunnen  djameter 
zu  des  mauns  diameter  ist  18  vnd  35  vnd  ains  halben  zu  ainem. 

44.  Es  hat  auch  Geber  gesproch,  |  das  aus  den  glidmasen,  da  durch  70,  u 
gljchung   des  mauns  lib  zu  dem  lib  der  erden  ist  als  ain  glichung  ains 

zii  39  ynd  ainen  yiertaU  vil  nach,  vnd  glichung  der  simnen  lib  zu  dem 
lib  der  erden  ist  glichung  166  zu  ainem  vil  nach,  vnd  glichung  der  sonnen 
lib  zu  des  mauns  lib  ist  glichung  6644  vnd  ains  halben  zu  ainem. 

45.  Ptolomeus  hat  bewjszt  das  mas  zwaier  lib,  als  ist  der  sunnen 
vnd  des  mauns,  aber  er  hat  nicht  gesagt  das,  was  der  andern  steren  der- 
selben avisen  ist  licht  nach  der  glichnis,  damit  er  gewirckt  hat  jn  der 
sunnen  vnd  jn  dem  maun,  als  ist  auch  licht  ze  wissen  von  den  andern 
stem  ir  lib. 

Von  den  7  liben  der  7  planeten. 

46.  Der  diameter  des  libs  mercurii  jn  dem  angesicht,   nach  dem  als 

be  I  wert  ist  vnd  wirt,  ist  das  15tail  der  sunnen  djameters;  vnd  der  dja-  70,1. 
meter  veneris  ist  das  lOtail  der  sunnen  djameters;  vnd  der  djameter  marcis 
ist  dz  20tail  der  sunnen  djameters;  vnd  der  djameter  jouis  ist  das  12tail 
der  sunnen  djameters;  vnd  der  djameter  satumi  ist  das  18tail  des  sunnen 
djameters;  vnd  ains  jetlichen  stäten  steren  I5tail  des  djameters  der  erden 
ist  das  20tail  des  djameters  jn  angesicht  der  sunnen. 

Von  den  7  diameter  der  7  planeten  zu  dem  erttrich  zemesen. 

47.  Aber  irrer  djameter  gröfz  nach  dem  djameter  der  erden  sint  also. 
Ber  djameter  des  libs  mercurii  ist  das   18tail  der  erden  djameters;   des 


60  «a^^^^^^^  Curtze: 

70',  n.  veneris  ist  dz  3tail  ains  StÄuS',  >  ^er  dyameter  |  marcis  ist  glich  der 
erden  dyameter  vnd  das  6  vnd  vil  ilacli  ains  7tail8.  Der  dyameter  jonis 
ist  glich  der  erden  dyameter;  saturni  ist  glich  dem  dyameter  der  erden 
ainen  4tail  vnd  ain  halbes  vnd  ain  ciain  minder;  der  dyameter  ain  yet- 
lichen  stäten  stären  der  gröszem  ist  glich  der  erden  diameter  vnd  ain  yier- 
tail  vnd  ain  halbs. 


Aber  von  den  liben  der  7   planeten. 

48.  Darumb  ist  dz  mas  der  lyb  derselben  steren  also.  Der  Hb  mer- 
curii  ist  ain  tail  von  21000  des  libs  der  erden;  der  Hb  veneris  ist  das 
37tail  der  erden;  der  Hb  jonis  ist  glich  der  erden  zu  95  malen;  vnd  sa- 
tumus  ist  gHch  der  erden  90mal  vnd  ainest.  Aber  der  steten  steren  ain 
yetlicher  der  grösten  ist  glich  der  erden  108  mal.     Aller  stftten  steren  leng 

71, 1.  von  I  dem  zenter  der  erden  ist  ain,  aber  ir  grösz  sind  vnglich. 

49.  Von  der  ersten  grösz  15  steren.  Die  grösz  ist  gesagt  15  der 
groszen,  die  in  der  ersten  grösz  sint. 

In  der  andern  grösz.  Darumb  der,  die  da  sint  jn  der  andern  grösz, 
ist  yetlicher  gHch  der  erden. 

In  der  driten  grösz.  Und  yetlicher  der,  die  da  sint  jn  der  dritten 
grösz,  ist  gHch  der  erden  70mal  zwirnd. 

Die  vierd  grösz.  Und  yetlicher  der,  die  da  sint  in  der  vierden 
71,  II.  grösz,  ist  glich  der  erd  50mal  vierstund.  | 

Die  fünft  grösz.  Und  yetlicher  der,  die  da  sint  in  der  fünften 
grösz,  ist  glich  der  erden  dOmal. 

In  der  sechsten  grösz.  Und  yetlicher  der,  die  da  sint  in  der 
sechsten  grösz,  ist  gHch  der  erden  ISmal,  vnd  welcher  clainer  sind,  werden 
nit  gesechen. 


Von  dem  diameter  der  stilistenden  steren  zeraesen  zu  den 

diameter  der  erden. 

50.  Dauon  mag  gehabt  werden  das  masz  irer  dyameter  zu  dem  dia- 
meter der  erden.  Darumb  wirt  der  dyameter  der  steren,  die  da  sind  in 
der  andern  grösz,  zii  dem  dyameter  der  erden  zeglichen  als  der  erden  dya- 
71',  I.  meter  zu  |  molen  vnd  ein  halbs,  vnd  das  ist  ains  clainen  dings  minder 
denn  des  satumus  dyameter.  Aber  der  steren  in  der  dritten  grösz  zu  vier- 
malen vnd  ain  6tail  vil  nach;  der  jn  der  vierden  zu  3  vnd  4  molen  vnd 
ain  5teil  vil  nach;  der  in  der  fünften  zu  3  vnd  4  vnd  18  ains  mals  vil 
nach;  der  sechsten  zu  2  vnd  4  vnd  8  ains  nials. 


Der  Tractatus  Quodrantis  des  Roberius  AnglicuB.  61 

Von  den  mylen. 

51.  Der  halbtail  der  erden  djameters,  damit  der  steren  leng  gevrsacht 
Wirt,  ist  3d60  meil,  wann  die  nächer  leng  des  mauns  von  der  erden  sy 
33mal  ynd  ain  halbs  glych  dem  halben  tails  der  erden  dyameters,  daz  ist 
10937  myl  ynd  ain  halb  mil,  ynd  die  lenger  leng  des  manns  ist  66  mal 
ynd   ain   6tail  ains  mals  glich  dem   halben  tail  der  erden  dyameters,  das 

ist  542750  meil.  Aber  |  die  leng  yeneris,  die  da  ist  die  nächer  gen  der  71,  u. 
lengem  leng  der  sunnen,  ist  608  mal  glych  dem  halben  tail  der  erden  dya- 
meters ynd  ain  halbs  yil  nach,  das  ist  1965000  myl;  ynd  die  lenger  leng, 
die  da  ist  die  nächer  leng  marcis,  ist  1220  mal  glych  den  halben  tail  der 
erden  dyameters,  das  ist  3965000  meil;  ynd  die  länger  leng  marcis,  die 
da  ist  die  nächer  leng  jonis,  ist  8876  mal  glich  den  halben  tail  der  erden 
dyameters,  das  ist  2887000  meil;  aber  die  lenger  leng  jonis,  das  ist  die 
nächer  leng  satomi  ist  410045  mal  glich  dem  halben  tail  der  erden  dya- 
meters, das  ist  46816250  myl;  ynd  die  lenger  leng  satnmi,  die  da  glich 
ist  den  stäten  steren  lengerung,  ist  zu  2000100  malen  glich  dem  halben 
tail  der  erden  dyameters,  das  ist  65357500  stafel,  die  werden  |  milen  yon  n,  1. 
Alfragako  anszgezogen  in  dem '  9  capitel,  wann  daselbst  hat  er  gesprochen 
dz  56  meil  ynd  2  tercz  ainer  mil  antworten  glych  ainem  yetlichen  stafel 
des  himels. 

Von  den  7  climat. 

52.  Dammb  wirt  gesechen,  wie  yil  stafel  sind  in  der  braite  des 
ersten  lantschafts.  Also  wirt  erhöcht  des  hymels  nah,  als  gesagt  wirt 
in  dem  Anfang  des  ersten,  mit  12  staffeln  ynd  aines  halben  ynd  ainem 
viertail  ains  staffeis.  Aber  jn  dem  end  mit  20  stafeln  ynd  ainem  halben. 
Nun  so  wir  daz  miner  yon  dem  grossem  ziechen,  so  werden  in  der  ynder- 
schaid  7  Staffel  ynd  ain  halber  ynd  ain  yiertail,  das  ist  die  leng  des  ersten 
lantschafte  nach  den   stafeln  des  hymels;    darnach  yetlichs  stafel  56  meil, 

mit  7  zu  gemeren,  so  bekomen  392  |  meil.  Damach  yon  ietlichs  stafels72,n. 
terezen  werden  14  quart,  ynd  der  halbtail  des  stafels  gewint  28  myl  ynd 
ain  tercs,  die  werden  zii  den  ersten  getan,  myl  zu  mylen  ynd  tercz  zu 
terezen,  so  werden  darausz  420  meyl  ynd  15  terezen,  ynd  ist  ybrig  14  mail 
vnd  ain  halb  tercz,  der  wirt  nicht  geacht.  Aber  die  myl  werden  zu  den 
ersten  getan,  so  wirt  dar  ausz  434  myl,  ynd  wann  15  tercz  tund  5  gancz, 
so  werden  dafQr  genomen  5  myl  ynd  zu  den  ersten  getan,  so  wirt  dar  ausz 
439  myl,  die  sind  in  rechter  warhait  jn  dem  ersten  lantschaft.  Aber  so 
nicht  mer  denn  ains  gebricht  yon  440,  das  ain  gerämpt  zal  ist,  so  tut 
man  das  ain  darczü,  ynd  wirt  yollkomenlich  die  selb  zal. 


62  HaxitniUftiti  ^^^^^^^ 

Von  der  andern  lantschaften. 

72, 1.  53.  Von  den  andern  |  lantschaften  wirck  desglichen  alweg  ainen  siafel 

'  zegeben  56  vnd  2  tercz,  den  halben  tail  28  vnd  ain  tercz,  den  viertail  14 
vnd  ain  halb  tercz,  vnd  dem  dritt  ains  stafels  19  in  masz  als  vor,  so  ge- 
winnest du  yetlich  braite. 

Aber  des  andern  lantschafts  braite  ist  in  dem  hjmel  allain  7 
Staffel,  den  sayen  glich  nach  der  yorgeschrieben  1er  392  mil,  die  recht  ze- 
glichen  mit  den  terczen  gebricht  nicht  mer  denn  3  von  400,  das  ain  ge- 
rümpt  zal  ist,  die  wirt  vollkomenlich  aufgelegt. 

Die  dritt  lantschaft.  Aber  die  braite  des  dritten  lantschafts  in  dem 
hymel  ist  6  stafel  vnd  ain  halb  tercz  ains  staffeis,  die  thun  auf  der  erden 
350  myL 

Die  yierd  lantschaft.     Aber  die  braite  des  vierden  lantschafts  ist 
72, II.  in    dem  hymel   5  stafel  vnd  ain  tercz,    die   thiind   auf  der  erd  |  en   293. 
Das  ist  nicht  ain  gerümpt  zal,  aber  mit  den  terczen  zeglichen  gebricht  mit 
7  von  300;  die  wirt  aufgelegt. 

Die  fünft  lantschaft.  Aber  die  braite  des  fünften  lantschafts  ist 
in  dem  hymel  4  Staffel  vnd  ain  halber,  die  thund  auf  der  erden  252  meil. 

Die  sechst  lantschaft.  Aber  die  braite  des  sechsten  lantschafts 
ist  in  dem  hymel  3  stafel  vnd  ain  halber,  thund  auf  der  erden  196  myl-, 
so  die  mit  den  terczen  gelichet  werden,  seczt  man  die  verümpten  zal  200. 
'  Die  sybend  lantschaft.  Aber  der  7  lantschafts  braite  ist  in  dem 
hymel  3  stafel  vnd  ain  viertail,  die  thiind  auf  der  erden  184  myl.  Aber 
die  zal  ist  nicht  jn  der  schrift,  sunder  die  nächst  gröser  zal  darnach,  das 
ist  185,  wann  es  was  ain  ciain  vber  bleiben. 

Von  den  leiten  von  Orient  vnd  occident. 

73,1.  54.  Merck,  das  die  leit  by  dem  aufgang  sint  widerfüszig  |  den  leiten 

bei  dem  vndergang.     Dort  get  die  sunn  allweg  auf,  da  get  sie  allweg  vnder. 

Von  dem  center  der  weit. 

55.  Es  ist  wunder,  zu  dem  center  der  weit  velt,  was  swer  ist,  wann 
da  schecz  ich,  sey  dz  vnderst  jn  der  grösem  zwystand,  dauon  ist  müglich, 
dz  kain  bosz  smack  zu  den  höchsten  müg  vberfaren,  so  das  swer  abveli 
Aber  zu  dem  firmament  auf  stigen  die  allerlychtesten  ding,  wann  zii  dem 
vndersten  ist  der  fal  lychtlich  zu  tun,  aber  zu  dem  obersten  ist  swarlich 
aufzstygen.  Darumb  ist  der  weg  zii  der  hell  lycht  vnd  eben,  vnd  der 
weg  zu  dem  himel  eng  vnd  swer;  gar  vil  gand  hyn  ab,  es  stigen  aber  gar 
wenig  hinauf. 


Der  Tractatns  Quadrantis  des  RobeituB  Anglicus.  63 

Von  dem  vmbgaiig  des  ertrichs. 

56.  Der  mensch  möcht  von  dem  anfgang  der  sonnen  vmb  gen  von 
ainem  end  |  zu  dem  andern  vnd  hyn  wider  an  die  selben  stat  auf  dem  land  73,  u. 
oder  ze  wasser  jn  schiffen,  dz  er  jn  gl  jeher  masz  des  wasers  kern  von 
Orient  gen  occident  vnd  des  gljch  hin  wider  vmb;  aber  nicht  gen  norden, 
wann  da  y5nter  die  ewigen  kelti,  vnd  och  nicht  gen  mittemtage,  wann  da 
fand  er  die  ewigen  hicze. 

Von  dem  himel  ächsen  oder  nahen. 

57.  Die  himelsnaben  sind  nicht  vest  noch  stet;  wann  sj  wancken  vnd 
zittern  auf  vnd  ab  als  äin  schif  auf  dem  mer,  als  dz  an  der  sper  mag  ge- 
sechen  werden. 

Das  hat  ain  end. 


m^v^ 


ZUR  GESCHICHTE 
DEE  PRINZIPIEN  DER  INFINITESIMALRECHNUNG. 

DIE  EBITIEEB 
DER  „THtOBIE  DES  FONCTIONS  A2fALYTIQDES"  VON  LAGRANGE 

VON 
S.  DICKSTEIN 

IN   WAB8CHAU. 


Abb.  nr  Q«Mh.  d.  Matbem.    Öt- 


\ 


Die  Onmdlagen  der  höheren  Analysis  nach  den  verschiedenen  Anf- 
fassnngen  von  Leibniz,  Newton^  Euleb  und  d'ÄLEMBERT  schienen  den  nach 
Klarheit  der  Prinzipien  strebenden  Mathematikern  des  XYIII.  Jahrhunderts 
von  der  Strenge  der  Alten  sehr  entfernt  und  in  eine  dunkle  Metaphysik 
eingehüllt  zu  sein.^)  Man  suchte  eine  Methode  und  glaubte  eine  solche 
finden  zu  können,  welche  von  Infinitesimal-  oder  Orenzbetrachtungen  granz 
frei  wftre,  und  die  Grundlagen  der  höheren  Analjsis  auf  dieselbe  Weise  ent- 
wickele, wie  die  gewöhnliche  Analysis  ihre  Sätze  über  endliche  Grölsen.') 

Den  ersten  Gedanken  zu  einer  solchen  Umbildung  erfafste  Lagranoe 
in  einer  Abhandlung,  die  in  den  Memoiren  der  Berliner  Akademie  unter  d. 
Titel:  ,JSur  une  nauveUe  espece  du  calcid  relaiif  ä  la  di/f&entiaHon  et  Vint^- 
gration  des  quantiUs  variables"  im  Jahre  1772^)  erschien.  Hier  giebt 
Laqrange  einen  neuen,   rein  formalen  Beweis  für  die  Taylor'sche  Reihe ^), 


1)  8.  M.  CiJrTOR,  Vorlesmigen  über  Geschichte  der  Mathematik  lU.  B.  1898. 
p.  714 — 718;  M.  Simon,  Zar  Geschichte  mid  Philosophie  der  Differentialrechnung 
in  den  ,yAbhandlangen  sur  Geschichte  der  Mathematik"  Ym.  Heft.  1898.  — 
LiaRAvos  bespricht  in  der  Einleitung  zn  seiner  „Theorie  des  fonctions  anaiyiiquei^* 
die  oben  genannten  Methoden  und  Auch  Lahdbv's  „Besidual  ÄncdysisU  und  sagt: 
„Ces  vanoHons  dans  la  manUre  d'äablir  et  de  präsenter  les  principes  du  caleul 
differentiel  et  mime  la  dinaminatum  de  et  edleuA  montrefU,  ce  me  semble,  qu*on 
n'aoait  pas  saisi  la  vMtable  iMorie  quoiqu'on  etU  trowd  d'abard  les  r^gles  les  plus 
ftmpZeg  et  les  plus  commodes  pour  U  micanisme  des  opirationtf'  (8.  ed.  1847.  p.  4.  5). 
Vgl.  anch  Lagbamos^s  „LeQons  swr  le  calctd  des  fonctions,  Legon  premihref*  (Ausgabe 
Tom  J.  1806.  p.  1—8). 

8)  S.  CaUsiü  des  fonctions  S.  6 

8)  Oeuvres,  t  VII,  p.  824— 82& 

4)  Der  Beweis  besteht  in  der  Annahme,  dafs,  wenn  u  eine  Funktion  von 
X  igt,  dann; 

u{x  +  i)^u{x)+pi+p'V+'" 

Seilt  man  erstens  x -{-  m  vok  Stelle  Ton  «,  zweitens  o  -f*  £  ui  Stelle  Ton  £,  so 
erhält  man  zwei  Entwickelungen  fGLr  «  (o;  -f*  S  +  »)•  ^^^  Vergleich  derselben 
iStri  m  Relationen  zwischen  den  Coefßcienten  der  Reihe  f fir  «  (dP  -f-  £)«  ^^^  ^^1* 
chea  sich  die  erwünschte  Form  ergiebt.  Vgl.  Rbiff,  Geschichte  der  nnend- 
Hchen  Reihen  1889.  p.  160. 


68  ^*  ^^o: 

und  maclit  die  Bemerkung,  dats  dieselu^  ^ur  Grundlage  einer  neuen  Methode 
der  Infinitesimalrechnung  gemacht  werden  könne.^) 

Die  Ausführung  dieses  Gedankens  schien  damals  so  wichtig,  da£s  mehrere 
Mathematiker  durch  diese  Bemerkung  von  Lagranqe  angeregt  oder  vielleicht 
auch  unabhängig  von  ihm,  dieses  Ziel  zu  erreichen  bestrebt  waren.  Bekannt 
sind  die  bezüglichen  Versuche  von  Condorcet^,  Arbogast^,  Pasquich*), 


6)  „Le  ccUcul  diffire^itiel  considere  dans  toute  sa  gineraHiU  consisU  ä  trouver 
directement  et  par  des  procedes  simples  et  faciles  les  fofictions  p,  p'  p"  •  •  •  2,  3%  3"  •  •  • 
deriv^  de  la  fonctum  u,  et  le  calcül  integral  cotisiste  ä  retrouver  la  fimction  u  par 
le  mayen  de  cttte  demüre  fonction.  Cette  notion  des  calcüls  differentiel  et  inUgrai 
me  parait  la  plus  claire  et  la  plus  simple  qu'on  n'avait  encore  donnee;  eile  est  comme 
on  voit,  independantc  de  toute  mctaphysique  et  de  toute  theorie  des  quantitis  infinit 
mefit  petites  ou  evanouissantes^'  (Abhandl.  aus  d.  J.  1772). 

6)  Über  CoNDOBC£T*s  Versuch  berichtet  Lacboix  in  seinem  Tratte  du  col.  diff. 
et  int.  (30  ed.  p.  XXII). 

7)  AsBooAST  hat  der  Pariser  Akademie  im  Jahre  1789  eine  Abhandlung  vor- 
gelegt, die  den  Titel  hatte :  ,^ssai  sur  des  nouveaux  principes  du  ealcul  diff&entiel 
et  ifUegräl,  indipendants  de  la  theorie  des  infinement  petits  et  des  limitetf'  (s.  die 
Vorrede  zu  dem  „Calcul  des  derivations^^  desselben  Verfassers,  Strafsburg  1800). 
LAaRANOE  erwähnt  diese  Arbeit  in  der  Einleitung  zu  seiner  „TlUorie  des  fonetions 
analytiques^' ;  sie  wurde  nicht  gedruckt.  Vgl.  Lacboix,  Traite  de  calcul  diffirentiel 
et  integral.   Freface  p.  XXIX. 

8)  Pasquich,  Anfangsgründe  einer  neuen  Exponentialrechnung,  im 
VIII.  Hefte  des  Hindenburg'schen  Archivs  der  reinen  und  angewandten  Mathematik 
1798.  S.  386 — 424.  Diese  Schrift  war  uns  nicht  zugänglich,  aber  die  Hauptzüge 
der  darin  entwickelten  Methode  von  Pasquich  entnehmen  wir  ans  dem  kurzen 
Berichte  über  dieselbe,  der  in  der  Schrift  v.  Johann  Schule:  „Sehr  leichte 
und  kurze  Entwickelung  einiger  der  wichtigsten  mathematischen 
Theorien*'  (Königsberg  1803)  enthalten  ist  Pasquich  postuliert  die  Form  der 
Entwickelung  y  =^  Asf^  -^  B^  •\-  Cs^  +  '  *  '  1  wenn  man  in  dieser  Reihe  jedes 
Glied  mit  seinem  Exponenten  von  z  multipliziert,  so  hat  man  das  sogenannte 
Exponential  von  ^,  welches  durch  By  bezeichnet  wird.    Es  ist  also: 

61/  =  aAz""  +  hBs?  +  eCz''  H 

Hieraus  ergeben  sich  die  Hauptsätze: 
B  -  xy  '=  y  »  sx  -j-  X  '  sy;    «  •  a?"  —  nx  ^    •  sx;    f  .  —  =3  2 2 , .  .  . 

Die  Grundoperationen  der  Exponentialrechnung  sind  also  mit  denen  der  Differential- 
rechnung einerlei.  Allein  Pasquich  —  so  lesen  wir  weiter  —  ist  von  der  Absicht 
durch  seinen  Calcul  den  Leibnizischen  verdrängen  zu  wollen,  selbst  so  weit  ent- 
fernt, dafs  er  im  „Intelligenzblatte  der  Allg.  Litt.  Zeitung**  1798,  N.  99 
ausdrücklich  erklSxt,  wie  er  jeden  neuen  Calcul,  wodurch  man  das  zu  ersetoen 
suche,  was  der  schlecht  abgehandelten  Differentialrechnung  fehlt^  für  ganz  ent- 
behrlich halte.  —  Aus  derselben  Quelle  entnehmen  wir  noch,  das  Gbüsom*8  neue 


Zur  Geschichte  der  Prinzipien  der  Infinitesimalrechnong.  69 

Servois*)  u.  a.  Die  „Th^hrie  des  fondions  analytiques''  ist  aber  die  be- 
deutenste  auf  diesem  Oedanken  fnfsende  Arbeit,  in  welcher  Laoranoe  nicht 
nur  das  Ganze  der  Differential-  und  Integralrechnang  nach  einer  einheit- 
lichen Methode  darlegt,  sondern  auch  die  Anwendungen  der  Analysis  auf  geo- 
metrische und  mechanische  Probleme  nach  derselben  Betrachtungsweise  be- 
handelt. *«) 

Den  Prinzipien  der  Lagrange'schen  Methode  liegen  folgende  zwei  Be- 
hauptungen zu  Grunde: 

1)  Eine  jede  Funktion  ist  im  allgemeinen  in  eine  unendliche  nach 
ganzen  positiven  Potenzen  des  Arguments  fortschreitende  Reihe  entwickelbar. 

2)  Infinitesimal-  oder  Grenzbetrachtungen  sind  zur  BegrCLndung  der 
höheren  Analysis  gar  nicht  nötig;  dieses  ganze  Grebiet  der  Wissenschaft  kann 
man  sehr  einfach  auf  algebraische  Weise  aus  dem  in  der  ersten  Behauptung 
ausgedrückten  Satz  entwickeln. 


„Expositionsrechnung*'  {Mimoire  swr  Je  CküciH  d'Expositian  invenie  par  Jban  Phi- 
lippe Qbusoh,  profe98€ur  royal  des  maihSmcUiques,  Berlin  1802)  mit  der  Paaquich*- 
schen  Exponentialrechnang  im  Wesentlichen  übereinstimmt. 

9)  SsBYOis  hat  zwei  Abhandlungen  über  die  Prinzipien  der  höheren  Analysis 
der  Pariser  Akademie  in  den  Jahren  1806  mid  1809  überreicht.  Dieselben  wurden 
nicht  gedrackt.  Der  in  den  ,^naks  de  MaiMmatiques"  Y,  p.  98—141  (1814—1815) 
publizierte  Aufsatz:  „Essai  sur  un  nouveau  mode  d'exposvHan  des  prtncipes  du 
cakul  diffirenUeV'  ist  ein  Auszug  aus  jenen  Arbeiten.  Die  Differenzen  und  Diffe- 
rentiale Yon  Funktionen  werden  hier  vom  Standpunkte  der  Theorie  der  Operationen 
betrachtet  {„La  diffirenee  et  la  diffirentielle  posskient  deux  propriitis  en  c(mimwn: 
d*Hft  distributives  et  eammutatvoes  entre  eHesf*).  Sbbyois'  Standpunkt  in  Betreff  der 
Infinitesimalmethode  charakterisiert  der  folgende  Passus,  den  wir  aus  seinem 
aweiten  in  demselben  Bande  der  ,^nndUs  de  MaÜkimatiqueff*  (p.  141—170)  und 
haoptaftchlich  gegen  WnoiisKi^s  Philosophie  des  Unendlichen  (s.  unten)  gerichteten 
Artikel:  „BSflexions  sur  Jes  divers  systhnes  d'exposition  des  principes  du  calcul 
differentiel  et  particuliirement  sur  la  doetrine  des  infiniment  petitsf'  entnehmen: 
,/e  suis  convaincu  gue  la  mähode  infinit^maie  Wa  m  ne  peut  avair  de  thdorie 
gu*en  pratique;  d'est  un  instrument  dangereux  entre  Jes  tnains  des  commenfants  qui 
imprime  nieessairement  et  powr  Jongtetnps  un  caractire  de  gauchSrie,  de  pussiJanimite 
Ä  kurs  redierehes  dana  la  carriire  des  appJieaiions,  Enßn  anticipant  ä  mon  taur 
«*r  k  jugefnent  de  la  postMte  fose  prendre  que  cette  mdthode  sera  un  jour  accusü 
^  avec  raison  d'avoir  ritardi  le  progris  des  sciences  mathimatiques," 

10)  Das  Werk  erschien  im  Jahre  1797  unter  dem  Titel:  „TMorie  des  fondions 
^^fMiytiques  contenant  Jes  principes  du  caJcul  differentieJ^  d^gagds  de  taute  consideration 
d'wfinUmenis  petits,  d'evanouissants,  de  Jimites  et  de  fluxions,  et  rdduits  ä  Vanalyse 
^»h^brique  des  quofUit^s  finietf*  (2»  Aufl.  1813,  3^  besorgt  durch  Sbbbbt  im  Jahre 
1S47,  auch  Oeuvres  IX).  Ein  wichtiger  Kommentar  dazu,  zum  Teil  auch  ein  selb- 
ständiges Werk  sind  die  „Legons  sur  le  caJcul  des  fonction^*  (zweite  Auflage  1806, 
OeworsB  X). 


70  S.  Dickstein: 

Die  erste  Behauptung  sucht  Lagranoe  auf  folgende  Weise  zu  recht- 
fertigen. Ist  f{(t)  eine  Funktion  der  Variahlen  x  und  setzt  man  x  -|-  t, 
wo  i  eine  beliebige  Gröljse  ist,  an  Stelle  von  x^  so  wird  die  Funktion  f{x'\-%) 
in  der  Form  einer  Reihe  f{x)  +  j)i  -f"  ?**  "I"  ♦**'  +  '  *  *  darstellbar;  |>,  5,  r-« 
sind  Funktionen  von  a;,  die  von  i  unabhängig  sein  sollen.  Diese  Yorans- 
setzung,  sagt  er,  wird  ^durch  die  Entwickelungen  bekannter  Funktionen  be- 
-stätigt,  aber  niemand  suchte  bisher  dieselbe  a  priori  zu  begründen.  Die 
Begründung  soll  darin  bestehen,  daiÜB  für  allgemeine  (unbestimmte)  Werte 
von  X  und  i  obige  Reihe  keine  gebrochenen  und  negativen  Potenzen  Ton  i 
enthalten  dürfe.  Enthielte  sie  nämlich  gebrochene  Potenzen,  so  würde  die 
Anzahl  der  yerschiedenen  Werte  der  Reihe  für  f{x  +  i)  —  Lagrange  hat 
hier  mit  Wurzelgröfsen  behaftete  Funktionen  im  Auge  —  gröfser  sein  als 
die  Anzahl  der  yerschiedenen  Werte  der  Funktion  f{x)\  was  ungereimt  ist^^) 
Enthielte  aber  die  Entwickelung  für  fix-^-t)  negative  Potenzen  von  t^  so 
würde  f{x-\-i)  für  i  =  0,  also  die  Funktion  f{x)  selbst,  unendlich,  was 
nur  für  einzelne  Werte  von  x  stattfinden  kann. 

Ist  die  Entwickelung  der  Funktion  ({x-^t)  in  die  Reihe 

*     /"(üp)  +-?*  +  ?**  +  ♦'**  +  ••' 

auf  diese  Weise  begründet,  so  ist  damit  auch  die  zweite  Behauptung  ge- 
rechtfertigt. Die  Coefficienten  i?,  $,  f,  •  •  •  der  Reihe  sind  Funktionen  von  i\ 
nennt  man  den  ersten  Coefßcienten  j^die  de ri vierte  Funktion  der  pri- 
mitiven Funktion  f{x)  und  bezeichnet  sie  durch  f  {x)^  so  wird  —  wie 
leicht  zu  beweisen  ist  —  2  g  gleich  der  Derivierten  von  i?,  3  r  gleich  der 
Derivierten  von  q  u.  s.  w.  Auf  diese  Weise  erhält  man  die  aufeinander 
folgenden  Derivierten  der  gegebenen  Function:  die  erste  f(x)'==p^  die 
zweite  /^'  (x)  =  2  g,  die  dritte  /^''  (a?)  =  2  •  3  •  r  u.  s.  w.  Diese  Derivierten 
oder  Ableitungen  der  gegebenen  Funktion  sind  mit  den  nach  der  Infinitesimal- 
oder Grenzmethode  erhaltenen  Differentialquotienten  identisch,  aber  schein- 
bar ganz  ohne  Grenzbetrachtungen  hergeleitet  Somit  werden  nach  Lagrakoe 
in  der  weiteren  Entwickelung  der  ganzen  Lehre  Infinitesimalbetrachtungen 
entbehrlich. 

Die    grofse   Autorität   des  Namens  Lagrakge   hat   der   „TJiSorie  des 
foncUons  cmalytiques**  schnelle  Verbreitung  und  grofsen  Einflufs  gesichert. 


11)  „Cette  dSmonstratian''  —  sagt  Lagrange  —  ,jie8t  generale  et  riffoureuse, 
tont  que  X  et  i  demeurent  indäerminees;  tnaü  eüe  cesserait  de  Vetre,  si  Von  dowmt 
ä  x  des  vaiewrs  düerminüa;  car  il  serait  possible  que  ees  valewrs  ditruissent  quel- 
ques radieaux  dans  f(x)  qui  powrraiefilt  nianmoins  subsister  dam  f(x)."  {Thkim 
des  /*.  3<^.  ed.  p.  9.)  Einige  Fälle,  in  welchen  „la  rigle  generale  est  en  difautf*  unter- 
sucht Lagranok  im  Kapitel  V  seines  Werkes. 


Zur  Geschichte  der  Friiuipieii  der  Infinitesimalrechnung.  71 

Man  bewanderte  den  Beichtom  des  Inhalts  nnd  die  Vorzüge  der  vortreff- 
liehen  DarsteUung,  während  man  der  Begründnngsweise  der  Prinzipien  der 
Methode  zuerst  weniger  Anfmerksamkeit  schenkte.^^ 

Cabnot  in  seiner  bekannten  Schrift:  „Beflexions  sur  la  metaphysique 
du  calctd  infinitesimal"  betrachtet  die  Lagrange'sche  Methode  als  eine 
Art    der    „Mähode    des    inditerminees".      Ihre   Grundlage    ist    ihm    ganz 


12)  In  dem  „Rapport  historique  sur  le  progris  des  sciences  depuis  1789  et 
sur   leur  äat  actueP*  (Paris  1810)  lesen  wir  folgendes:    ,^.  Lagbakoe  dans  son 
memoire  eiUibre  avait  dSpose  une  de  ees  idies  fieondes  qui  n*appartiennewt  qu'aux 
genies  de  premier  ordre;  ü  aoait  indigud  les  moyens  de  ramener  au  caleul  purement 
aigebrigue  les  procedSs  du  caleul  infimtesimcil  en  icartawt  soigneusement  toute  Vidie 
de   Vinfini,     Frappis  de  ce  trait  de  lumiire  pHusieurs  giomitres  cherchaient  des 
develqppements  que  nul  ne  pottvait  donner  aussi  hien  que  Vinventeur,    M.  Lagrahge 
ayant  aeeepti  les  fonetions  d'instituteur  de  Vicole  polyteehnique  y  cria  sous  les  yeux 
de  ses  auditeurs  toutes  les  parties  dont  ü  a  depuis  composi  son  Traiti  des  fonetions 
analffiiqykes,  ouvrage  elassique  dont  ü  serait  bien  superßu  de  faire  aujowrd'hui 
Vüoge  et  qu'%1  suffU  d'aieoir  eitS  etc."      Cbbllb  (Darstellung   der  Rechnung 
mit    yeränderlichen    Gröfsen,  Bd.  I  1813  p.  39  u.  ff.)    schreibt:    „In   dem 
ganzen  umfange  der  Prinzipien  der  Entwickelung,  ja  selbst  der  Anwendung  der 
Rechnung  mit  yeränderlichen  Grölsen  innerhalb  des  Calculs  findet  sich  auch  nicht 
eine  Spur  Ton  der  Notwendigkeit  der  Idee  des  sogenannten  Unendlichen,  die  die 
Dunkelheit  in  diesem  Teile  des  Calculs  hervorgebracht  zu  haben  scheint . . .  Zwar 
giebt  es  allerdings  einen  Ort,  wo  die  Idee  des  Unendlichen  notwendig  gewesen, 
oder  yielleicht  noch  jetzt  mehr  oder  weniger  notwendig  sein  kann  (nftmlich  die 
Anwendung  des  Calculs  auf  BaumgrOfsen),  allein  dieser  Ort  liegt  nicht  innerhalb 
des  Oalenls . . .  Was  die  Schw&che   auf  der  Stelle  der  Anwendungen  des  Calculs 
betrifit,  so  ist  bekanntlich  auch  diese  in  der  That  schon  gehoben,  denn  derselbe 
greise  Mann,  dem  man  die  Berichtigung  der  Ideen  über  die  Bechaung  des  Yer- 
ändtflichen  überhaupt  verdankt,  hat  auch  hier  bewiesen,  dafs  die  Ideen  des  Un- 
endlichen wenigstens  entbehrlich  und  der  Übergang  vom  Caleul  zur  Anwendung 
vennittelst  Vorstellung  möglich  sei,   die  an  Strenge  und  Eigentümlichkeit  den 
geometrischen  Vorstellungen  der  Alten  gleichen/* 

Ober  Lagrahgb's  Methode  haben  auch  früher  Johamn  Schulz  (1.  c.\  £.  G.  Fibchisb 
(Ober  den  eigentlichen  Sinn  der  höheren  Analysis,  Berlin  1808)  sehr 
günstig  geurteOt. 

Um  auch  Philosophen  zu  citieren,  sagen  wir,  dafs  Comtb  in  seinem  „Cowrs 
de  Philosophie  positiv^*  (I  vol.  1829)  die  Lagrange*sche  Methode  „la  pHus  ration- 
neUe  et  la  phu  phHosophique  de  tautet^*  nennt;  nur  für  die  Anwendungen  scheint 
ne  ihm  zu  kompliziert  zu  sein.  HsonL*s  Logik,  (nach  C.  Fbantz:  „Die  Philoso- 
phie der  Mathematik  1842)  erklftrte  die  Methode  von  Laoranob  als  die  am 
meisten  wissenschaftliche. 

Den  Taylor'schen  Satz,  welcher  die  Grundlage  der  Lagrange*8chen  Methode 
bildet,  suchte  man  auf  verschiedene  Weise  zu  begründen.    Die  bezügliche  Litte- 
ratur  findet  man  in  Klüobls  Mathem.  Wörterbuch,  5«'  Teil  l«'  Band  1881 
Artikel  „Tajlor*s  Lehrsatz";  vgl.  auch  Bbiff  1.  c.  p.  156  u.  ff. 


72  S.  Dickstein: 

sicher  ^^),  die  eigentliche  Schwierigkeit  zur  Annahme  dieser  ,^ichtvol]en 
Methode^^  sieht  er  nur  in  der  Neuheit  des  Lagrange'sehen  Algorithmus,  dessen 
Anwendung  eine  völlige  ümarheitung  der  gesamten  bezüglichen  liitteratnr 
nach  sich  ziehen  müTste.^^)  Eine  eigentliche  Kritik  der  Prinzipien  der 
Lagrange' sehen  Methode  finden  wir  bei  Caknot  nicht. 

Lacroix  sucht  in  seinem  groljsen  „Tratte  du  ccUcul  differenUd  et  inie- 
gral*'  den  Taylor'schen  Satz  auf  indukÜTe  Weise  d.  h.  fOr  besondere  Klassen 
von  Funktionen  zu  begründen.  Die  ihm  bekannten  Beweise  des  Satzes  be- 
friedigen ihn  nicht,  weil  sie  zu  abstrakt  sind  und  nicht  von  der  Pflicht 
befreien  die  Ausnahmefälle  einer  besonderen  Betrachtung  unterziehen  zu 
müssen. ^^)  Im  dritten  Bande  seines  Werkes,  yielleicht  durch  einige  da- 
zwischen erschienene  Kritiken^  von  welchen  gleich  die  Bede  sein  wird,  be- 
einflufst,  scheint  er  manche  Zweifel  an  der  Begründungsweise  der  ersten 
Behauptung  von  Lagrakoe  zu  hegen  ^^),  aber  ein  bestimmtes  und  sicheres  ) 
Prinzip  an  deren  Stelle  giebt  er  nicht.  j 

Merkwürdigerweise    sind   die    ersten    Zweifel   an   der   Richtigkeit  der 


13)  „Afm  de  eonserver,  dans  toiU  le  cours  de  ms  Operations,  VexacUtuJe 
rigoureuse  dont  ü  s'est  faxt  la  loi  de  ne  jamats  s^icarter^  Lagranoe,  q%U  fM  anssi 
usage  des  diffirenUelles,  sous  uns  auire  d6nomination  et  sous  une  autre  «lokrfum,  les 
consid^e  comme  des  quantitSs  finies,  indetermin^,  En  consSquenee ,  il  ne  fiigUgt 
aucun  terme  et  prend  ses  differentieUes  comme  on  le  faxt  dans  le  calcul  aux  differenccs 
finies,  CPest  ä  quoi  ü  parvient  par  U  tMorhne  de  Taylor,  dont  il  fait  la  hose  (Ze 
sa  doctrine^  et  qu*il  dimontre  directement  par  l'andlyse  ordinaire,  tandis  qu'avant 
lui  on  r^e  Vavait  encore  demontrS  que  par  le  secowrs  meme  du  Calcul  differentid^ 
(5.  Aufl.  S.  156). 

14)  Ainsi^  par  exempU,  il  faudrait  refondre  toutes  les  coüections  (»caddmigues, 
tous  les  6crits  d'EmJOL  et  ceux  de  Lagbamob  lui-memef'  (1.  c.  p.  158). 

15)  Seconde  Edition  1810. 1  Vol.  p.  XXL  „Ges  proposUiomf' ,  sagt  er,  ^  genS- 
rales  en  apparence,  ont  plus  d'ülat  que  d'uHhti^  puisqu'elles  ne  dispensent^  par  de 
Vexamen  des  cos  oiH,  eUes  sont  en  dSfaut;  il  vaut  mieux  ne  montrer  ces  eas  qw 
succesivement  f  ä  mesure  qu'Hs  se  prSsentent  d'euX'memes,  que  de  les  faire  prevok 
d'a/vance  et  comme  des  accessoires,  au  moment  ou  U  lectewr  n'embrasse  qWaioec  peine 
le  petit  nombre  d'idies  principales  que  vous  lui  präsentes" 

16)  „JEn  rapportant  ici  (Chap.  UI  du  1  Vol.  p.  339)  le  raisonnement  sur  Uqvel 
s'appuie  Laoranoe  pour  prononcer  que  le  diveloppement  gineral  de  l'accroissemetit 
d'une  fonction  ordonnee  suivant  les  puissances  de  celui  de  la  variable  indSpendante 
ne  doit  point  conlemr  de  puissances  fractionnaires  de  ce  dernier,  &est  ä  dessin  qite 
je  me  suis  servi  du  mot  „paraitf'  (ligne  II  en  remontant),  parce  qu'en  effet  ce  n^esi 
la  qu'un  apergu  qui  anrait  besoin  d'etre  justifid  par  des  pretwes  que  Vauteur  de  h 
„Th^rie  des  fonctionsf*  n'a  point  donnies.  Le  principe  quHl  emploie  est  tres  ad- 
missibU  comme  explication  de  la  circonstance  qui  rend  la  sirie  de  Tatlob  inapfH- 
cable^  mais  nonpas  comme  un  principe  imdent  par  lui  mSme  dans  Vetat  giniral  i'cs 
choses*'  (Lacboix,  Traite  etc.  UI  1819,  p.  629—630). 


Zur  Geschichte  der  Prinzipien  der  Infinitesimalrechnung.  73 

Lagrange'schen   Prinzipien    von    nichtfranzösischen    Mathematikern   erhoben 
worden:  von  Bubja,  Wrok8ki,  Sniadbcki,  Bolzano. 

In  einer  Abhandlung  unter  dem  Titel:  ,ßur  le  devehppement  des  fonctions 
tn  series"  (Memoires  de  TAcademie  de  Berlin,  1801,  S.  21)  sagt  Burja, 
daÜB  zwar  der  Versuch  Laorakge's  Behauptung  filr  einfachere  Funktionen 
bestätige,  aber  man  sehe  nicht  ein,  warum  dieselbe  auch  fär  veryäckeltere 
Funktionen  wahr  sein  müsse.    Der  zweite  Teil  der  Lagrange'schen  Beweis- 
fahrung  (n&mlich  die  Relationen  zwischen  den  Coefficienten  betreffend)  sei 
zwar  ganz  richtig,  aber  es  bleibe  doch  eine  Schwierigkeit,  nämlich  die  Be- 
gründung der  Möglichkeit  der  Entwickelung.    Bukja  glaubt  dieser  Schwierig- 
keit auf  folgende  Weise   aus  dem  Wege  zu  gehen:  „Man  sage  nicht,  dals 
jede  Funktion  in   eine  unendliche  nach  ganzen  positiven  Potenzen  des  Ar- 
guments fortschreitende  Keihe  entwickelbar  sein  müsse,  sondern  nur,  dafs 
man  jede  Funktion  so  behandeln  könne,  als  wenn  sie  in  eine  solche  Potenz- 
reihe entwickelbar  wäre.    Der  weitere  Fortgang  der  Rechnung,  nämlich  die 
Bestimmung  der  Coefficienten,  wird  dann  zeigen,  wann  diese  Annahme  als 
begründet,  wann  aber  als  unzulänglich  zu  betrachten  ist^S^^ 

Tiefer  wurde  die  Sache  von  Wronski  erfafst.  Als  eifriger  Anhänger 
der  Leibnizischen  Differentialmethode  und  der  Kantischen  Philosophie  pro- 
testiert er  energisch  gegen  die  Verbannung  des  unendlichen  aus  der  Analysis. 
In  seinem  Werke:  „Philosophie  der  Mathematik^'  erklärt  er  die  Grundlage 
der  Lagrange'schen  Methode  als  wissenschaftlich  falsch,  weil  dieselbe  ein  all- 
gemeines theoretisches  Gebiet,  d.  h.  die  Differentialrechnung,  auf  eine 
spezielle  technische  Form,  als  welche  er  die  Taylor'sche  Reihe  betrachtet, 
zu  begründen  sucht.^^  In  einer  besonderen  Schrift  u.  d.  T.:  „Befutation 
de  la  Theorie  des  fondums  analytiques  de  LAGRANaE'^  (Paris  1812)^^  werden 


17)  Einen  ähnlichen  (bedanken  scheint  Ohx  in  seiner  Schrift  „Geist  der 
Differential-  nnd  Integralrechnung  1846:  —  wie  wir  den  Worten  von 
HiiTKEL  (Art.  Grenze  in  der  „Allgem.  Encykl.  der  Wiss.  n.  d.  E.  von  Ebbch  und 
Gbcus"  XC.  1871)  entnehmen  können  —  ausgesprochen  zn  haben. 

18)  ItUroducHon  ä  la  Philosophie  des  maihimatiques  et  Technie  de  Valgorithmie 
par  Jf.    Eoiksi  de  Whohski  Paris  1811. 

19)  Die  Schrift  besteht  aus  drei  Stücken.  Das  erste  (p.  1-— 40)  auch  unter 
dem  Titel:  „E^utaiüm  etc.''  wurde  der  Pariser  Akademie  vorgelegt,  aber  durch 
die  Berichterstatter  Lboehdbb  und  Arago  abgelehnt.  Das  zweite  Stück  (p.  41—81) 
handelt  über  die:  „Insufissance  de  la  dSmonstration  du  ihiorhme  de  Tatlob,  teniee 
pof  M.  Poissoh''.  Das  dritte  (p.  88—110):  „Quelques  observations  concemant  U 
rappoti  faü  ä  la  Glosse  des  sciences  de  VlnstiM  pour  le  premier  de  ces  mimoiretf' 
ist  eine  in  sehr  gereiztem  Tone  geschriebene  Replik.  In  den  Noten  behandelt 
WBoisu:  Algorithmische  Fakult&ten,  progressire  und  regressiye  Differenzen  und 
giebt  einen  rein  formalen  Beweis  der  allgemeinen  Entwickelung  nach  Fakultäten. 


74  S-  Dickstein: 

die  Prinzipien  der  Lagrange'schen  Methode  einer  ansfäbrlichen  Analyse  unter- 
worfen.    Den  Ausgangspunkt  bei  Lagrange  bilden  die  Formeln: 

1)  /-(X  +  i)  -=  ^  +  Bi  +  Ci«  +  .  . .;     2)  f(x  +  0  =  fip)  +  »i»- 

Woher,  fragt  Wronski,  kommt  uns  die  Kenntnis  der  Form  1),  wie  kann 
man  ihre  Möglichkeit  begründen,  ist  eine  jede  Funktion  fix-^-i)  als  solche, 
mit  der  Beihe  1)  identisch  oder  nur  gleichwertig?  Lagrange  behauptet, 
dafs  die  Entwickelung  im  allgemeinen  nur  ganze  positive  Potenzen  von  i 
enthalten  müsse,  und  dafs  nur  für  spezielle  Werte  von  x  gebrochene  und 
negative  Potenzen  in  der  Beihe  vorkommen  können.  Nach  Wronski  kann 
eine  jede  Funktion  9  {()  im  allgemeinen  in  eine  Beihe  nach  Potenzen  z.  B. 

von  a  -f'  K  ^  entwickelt  werden  ^  und  das  wechselseitige  Kompensieren  der 
Glieder  mit  gebrochenen  Exponenten  von  »,  von  welcher  bei  Lagrange  die 
Bede  ist,  kann  sich  nur  als  Besultat  der  Ausrechnung  des  Wertes  för 
spezielle  Werte  von  x  ergeben.  Die  Lagrange'schen  Prinzipien  könnten 
also  höchstens  hypothetischen  Wert  und  daher  die  Methode  selbst  nor 
problematische  Gewüüsheit  besitzen,  während  doch  die  Differentialrechniuig 
apodiktisch  sein  soll.  Wäre  aber  auch  die  Begründung  bei  Lagrange 
ganz  fehlerfrei,  so  würden  doch  seine  Prinzipien  zur  Darlegung  der  Infini- 
tesimalrechnung unzureichend  sein.  Denn  niemals  könnten  die  Sfttze  l)  nnd 
2)  eine  unabhängige  und  absolute  Erklärung  der  Coefificienten  Ä^B^C" 
ergeben.  Die  Natur  derselben  kann  keineswegs  durch  die  Bezeichnung  der 
Btolle,  welche  sie  in  der  unendlichen  Beihe  einnehmen,  präzisiert  werden. 
Würden  wir  eine  allgemeinere  Entwickelungsreihe,  z.  B.  die  nach  den  Fakol- 
iäten  von  g){x)  fortschreitende  Beihe 

i^(x  +  i)  =  F{x+j)  +  r  (x)ip(xy/^  +  r'  (x)  ip(xy/^  + ' " 

/um  Ausgangspunkte  nehmen,  so  würden  wir  zu  ganz  anderen  Derivierten 
Ifollilirt  werden.     Dieselben  hätten  im  betrachteten  Falle  die  Form 

MMi(  IUI'  luinndlich  kleine  Werte  von  J  ^nd  für  g)(t)  =  t  würden  diese 
liuMvihrUtti  dio  (Gestalt 

U(i)  IH0  AtiNtlrflcke  W  im  Zähler  sind  die  zuerst  von  WxorfsKi  eingefBhrten 
|Mlti>ii<h4  fuiiil  JMtfcrantial)-Determinanten,  die  bei  ihm  „fondiofis  se^in"  heiTsen 
Miiil  JnUI.  11II.  t,Wrim$kiane"  genannt  werden.  Für  i  mufs  eine  der  Wurzeln  der 
iilti)i4iMfiuttM  <!'  I»;  —  <>  genommen  werden. 


Zur  Geachichie  der  Prinzipien  der  Infiniteaimalrechnong.  75 

x^/,N_  dF(x  +  i)        p../  N_d«F(a:+i)  / •  _  ^^ 

-^ W  = äi '     ^   W  =     i.2.d7«^»  .  .  .  (t  =  0) 

annehmen,  wo  ef  die  unendlich  kleinen  Differenzen  bezeichnen.  Erst  die  Be- 
trachtang  dieser  durch  die  unendlich  kleinen  Inkremente  definierten  Gröfsen 
erklärt  nach  Wronski  die  Bedeutung  der  Derivierten  F'{x)^  F'' (x)  -  • ' 
Zwei  Jahre  nach  der  ,^^futation"  erscheint  wieder  eine  neue  Schrift 
von  Wronski:  „Philosophie  de  Vinfini,  contenani  des  contre-reflexions  et  r6- 
flexions  sur  la  mäaphysique  du  caicul  infinMsimal*'}^)  In  ihrem  kritisch- 
polemischen Teile  ist  dieselbe  hauptsächlich  gegen  Carkot's:  „Bdflexions 
stir  la  metaphysique  du  caicul  infinUesimcU"  und  auch  gegen  die  zweite  Auf- 
lage der  Lagrange'schen  „Theorie  des  fonctions  analytiques"  gerichtet.  Wronski 
wiederholt  hier  ausführlich  seine  früheren  Einwände  gegen  die  Prinzipien 
von  Lagrange.  In  dem  positiv-historischen  Teile  der  Schrift  unterzieht  er 
alle  bekannten  Methoden  der  Begründung  der  höheren  Analysis  einer  ver- 
gleichenden Betrachtung  vom  Standpunkte  seiner  Philosophie.'^)    Als  Schlufs 


21)  Die  Schrift  besteht  aus  folgenden  Stücken:  1)  Gontre-rSflexions  sur  la 
metaphifsique  du  caicul  infimtesimal  (p.  1~  30).  2)  Phüoaophie  de  ccHctU  infinitesi- 
mal  (32--68).  3)  B^ponse  d  la  seconde  edition  de  la  TMorie  des  fonctions  analyti- 
ques  de  Laoramoe''  (p.  69 — 98).  4)  Sur  Veloge  de  M.  le  comte  de  Laobange  (p.  99 — 121). 
In  den  Noten  behandelt  Wbonski:  „die  allgemeine  Methode  der  Approximation 
oder  die  algorithmische  Exhaustionsmethode  (p.  121 — 166)  und  die  primitive  Bil- 
dung der  Differentiale*'  (p.  167 — 171).    Die  Behandlung  ist  rein  formal. 

22)  Um  den  Leser  eine  Einsicht  in  Wbohski^s  Betrachtungsweise  zu  gewähren, 
geben  wir  hier  einen  kurzen  auf  die  Metaphysik  der  Infinitesimalrechnung  sich 
beziehenden  Auszug  aus  dieser  Schrift  (p.  34  u.  ff.) :  „Avant  tout,  il  faut  reconnaUre  que 
Videede  Vinfini  est  unproduit  inteUeetuel  tout  ä  fait  ddfferent  de  celui  qui  constitue  la 
conception  cV%tne  quantite  finie.    Ce  sont  deux  fonctions  de  notre  savoir  tout  ä  fait 
hiHeroghies.  Vune,  Va  conception  d'une  quantiti  finie  est  un  produit  de  l'enten- 
dement  qui,  sous  les  conditions  du  temps  qui  lui  sont  propres,  introduit  une  unite 
intellectueBe  ou  une  significatian  dans  Vetre  opposi  au  savoir,  L'autre,  Vi  die  de  Vin- 
fini est  un  produit  de  la  raison  qui,  en  lui-meme,  se  trou/ve  hors  des  conditions 
du  temps  et  par  eonsSquent  inapplicable  ou  transeendentale  dans  Vusage  constitutif 
que  nous  fcUsons  du  savoir  pour  la  connaissanee  de  VHre.  Employi  au  moins  d'une 
mani^  regulative,  en  le  soumettant,par  Vinfluence  du  jugement,  aux  conditions  du 
temps  qui  hU  sont  ärangbres,  ce  produit  de  la  raison^  Vidie  de  Vinfini,  tramsformee 
OMM»  en  Vidie  de  Vindifini  sert  ä  lier  les  coneeptions  mime  que  nous  avons  de  la 
qtumtitd  .  . .   (Test  cette  importante  distinetion  transeendentale,  qui  est  le  noeud  de 
la  mäaphysique  du  caicul  infinitesimal  ...    Le  premier  risuUat  que  nous  obtenons 
de  eette  dinstinetion  transeendentale  est  le  precepte  nigatif  de  ne  pas  confondre 
dans  VÄlgoriffunie  les  Uns  ohjectives  des  quantitis  finies  avec  les  lois  pure- 
9t€nt  subjectives  des  quantitds  infinitSsimales  .  .  .  Or,  ce  principe  des 
lois  subjectives  faisant  Votjet  du  caicul  infinitisimdl  n'est  autre  rien  que  le  grand 
principe  meme  du  caicul  infinitdsimal,  savoir:  „Tkux  quantitis  qui  ne  diffirent 


.  DickBtF^in: 

dieser    Betrachtung    ergeh  eint    die    Behauptung    der    Unzulänglichkeit 
Lagrange'schen  Methode, 

Sniadecki,  der  seioe  Einwände  gegen  die  Grundprinzipien  der  ..Th^ 
des  ibncliotis"  LACiRAur.E  persönlich  (1804)  vorgelegt  haben  so!I,  erklärt! 
seiner  Schrift*^),  dafs  dessen  Methode  im  Grunde  genomtuen  mit  der  Gre 
niethode  identisch  ist.  Laorange  dividiert  die  Gleichung  für  die  entwickaÜ 
Differenz  f(x  ~\-  i)  —  /  (-i^)  durch  den  Zuwachs  i  und  betrachtet  dec  Qu 
tienten  für  i  =  0;  es  wird  dann  die  eine  Seite  der  Gleichung  -  , 
aber  enthält  ein  von  i  freies  Glied  d.  i.  den  Wert  des  Düferentialquotieata 
Während  aber  die  Grenzmethode  ganz  klar  ist,  lilfst  uns  die  Begründoi 
bei  Laqranob  unbefriedigt,  weil  sein  Hauptsatz,  dafs  man  i  so  klein  wäbli 
könne,  dafs  jedes  Glied  der  (konvergenten)  Reihe  f(x)  -j-  ip  +  ('17  +  -i 
gröfser  sei  als  die  Summe  aller  darauf  folgender  Glieder  in  der  Reib 
theorie  zwar  unzweifelhaft  wahr,  aber  in  der  Differentialrechnung,  die  o 
blofs  approximativ  verfiLhrt,  als  l^rinzip  nicht  gelten  darf. 

Wenn  auch  die  meisten  Einwände  der  oben  genannten  Kritiker  1 
unberechtigt  waren,  eine  definitive  Lösung  der  Frage  konnten  sie  doch  niol 
erbringen.  Dieselbe  konnte  nur  von  einer  tieferen  Auffassung  des  Funktion! 
begriffes,  von  einer  strengeren  Behandlung  der  Stetigkeits-  und  Konvergeni- 
fragen  ausgehen.  Bolzano  ist  vielleicht  der  erste  Mathematiker  im  XIX.  Jahr- 
hundert, der  ein  feineres  Gefühl  für  eine  strenge  Behandlung  der  GniDd~ 
Probleme  der  Mathematik  hesafs.  In  seinen  von  den  Zeitgenossen  leider 
nicht  gehörig  beachteten  oder  schief  beurteilten  Schriften,  bemühte  sicfa 
Bolzano  ein  strengeres  Verfahren  für  die  Beweise  mehrerer  Grunds&tze  d^f 
höheren  Anal^is  zu  schaffen.  Er  hat  den  richtigen  Begriff  der  Stetigkeit 
der  Funktionen  eingeführt**),  einen  wichtigen  Satz  Über  die  Grenze  der  Ve^ 


eiUre  elles  que  d'um  quanlile  indefinimenl  plus  petlte,  sont  rigoweusement  igi^f/'- 
E»  folgt  dann  die  „metaphjaiache  Deduktion"  dieses  FriniipB.  Gsnaom  ggji 
S&RV018  haben  diese  Philosophie  der  Mathematik  von  WnoiIaKt  sebr  atharf  an- 
gegriffen. 

23)  J.  Shiadecki!  0.  JiSzEFiE  LrDwiKu  DE  LAonKsoE, pititrs:ym  ;ieomt 
mieku.    Wibo  1816  (polniich). 

^4)  „Nach  einer  richtigen  ErklüruDg  versteht  man  unter  der  l^giienti 
dafB  eine  Funktion  f{xj  für  alle  Werte  von  x,  die  inner-  oder  aufaerha.\y,  ~ 
Grenzen  liegen,  nach  dem  GeaelKe  der  Stetigkeit  sich  Tindre,  nur  ^^  ^q\^ 
wenn  x  irgend  ein  solcher  Werth  ist,  der  Unterachied  fix  +  a»)  —  *>  ,^\  ^inni 
lila  jede  gegebene  Gröfse  gemacht  werden  könne,  wenn  mun  ra  bo  tVci-  »\*  '^ 
Diir  immer  will,  annehmen  kann"  {„Hein  anal jtieclier  Bcwei  ^  ,gg  V>e^* 
»wischen  je  iwei  Werten,  die  ein  entgegang^  ^U*^^*  ^' 
migdtena  eine  reelle  Wuriel  derGleicW/*      ..Ue«« 


Zur  Geschichte  der  Prinzipien  der. Infinitesimalrechnung.  77 

änderlichen  Grö&e  formnliert^)  und  der  Beihentheorie  einen  allgemeinen 
Konvergenzsatz  zn  Gnmde  gelegt.^)  Schon  aus  diesen  Sätzen  würde  sich 
eine  strengere  EritilE  der  Lagrange'schen  Methode  als  bisher  ergeben  können. 
Was  den  Tajlor'schen  Satz  betrift,  so  kann  Bolzano  nicht  verbergen,  dafs 
er  ihn  nicht  ganz  in  dem  Sinne  und  in  der  Allgemeinheit  zugebe,  wie  man 
ihn  gewöhnlich  darstellt.  Er  hatte  sich  blofs  zum  Gesetze  gemacht  den 
Satz  nur  unter  solchen  ümschr&nkungen  und  auf  eine  solche  Art  zu  ge- 
brauchen, wie  er  es  nach  seinen  eigenen  Begriffen  glaubt  rechtfertigen  zu  können 
und  zu  seiner  Zeit  thun  wilL'^  Ob  er  das  gethan  und  seine  Betrachtungen  über 
den  Taylor'schen  Satz  niedergeschrieben  hat,  wissen  wir  nicht^  Jedenfalls 
haben  die  Gedanken  Bolzano's  den  Beifall  der  damaligen  Mathematiker  nicht 
erworben  und  blieben  ohne  Einfluls  auf  die  Entwickelung  der  Analysis.*^) 
£s  war  Cauchy  vorbehalten  die  Beformperiode  der  Wissenschaft  zu  beginnen. 
Über  die  von  Caucht  in  seinen  grundlegenden  Werken  {Cowrs  d'ana- 
hfse  (dgünique  1821,  Büumd  des  leqons  donnSes  ä  VikoU polytedtmque  1823, 
Leqons  sur  le  ccdcul  diff&enüd  etc.  1829  etc.)  aufgestellten  Prinzipien  der 
Methode  der  unendlich  kleinen  Gröfsen,  über  die  Grundlage  seiner  Funktionen 
und  Beihentheorie    brauchen  wir   hier   nicht    näher  zu  berichten^),    denn 


26)  ^Wenn  eine  Eigenschaft  M  nicht  allen  Werten  einer  yeränderlichen 
Gröfse  Xf  wohl  aber  allen,  die  kleiner  sind,  als  ein  gewisses  «,  zukömmt,  so  giebt 
es  allemal  eine  Gröfse  ü,  welche  die  gröfste  derjenigen  ist,  von  der  behauptet 
werden  kann,  dafs  alle  kleineren  x  die  Eigenschaft  M  besitzen'*  (daselbst  p.  41). 
Dieser  Satz  wurde  von  Wxoebstsabs  in  seinen  Vorlesungen  yerwendet. 

12  n  n+r 

26)  „Wenn  eine  Beihe  von  Groben  F{x\  F{x)  -  •  •  F{x)  •  •  •  F{x)  von  der 

n 

Beschaffenheit  ist,  dafs  der  Unterschied  zwischen  ihrem  n-ten  Gliede  F{x)  und 

«  +  '• 
jedem  späteren  F{x\  sei  dieses  von  jenem  noch  so  weit  entfernt,  kleiner  als  jede 

gegebene  Gröfse  rerbleibt,  so  giebt  es  jedesmal  eine  gewisse  bettftndige  Gröfse, 

Q&d  iwar  nur  eine,  der  sich  die  Glieder  dieser  Beihe  immer  mehr  n&hem,  und 

der  sie  so  nahe  kommen  können,  als  man  nur  will,  wenn  man  die  Beihe  weit 

genug  fortiefait'*  (daselbst  p.  86). 

27)  Die  drei  Probleme  der  Bektifikation,  der  Gomplanation  und 
der  Cubirung  u.  s.  w.  Leipzig  1817,  p.  11. 

28)  8.  auch  BoLZAHo,  „Paradozien  des  Unendlichen^*  (1860).  Zweite  unver- 
änderte Auflage.  Berlin  1889.  p.  69.  Vielleicht  wvden  noch  manche  Arbeiten  von 
BouAso  in  seinem  Nachlasse  angefunden  werden.  Vgl.  F.  J.  Studhicka,  Bericht 
über  die  mathematischen  und  naturwissenschaftlichen  Publikationen 
der  kg.  böhmischen  Ges.  d.  Wiss.  w&hrend  ihres  hundertjährigen  Be- 
standes, Prag  1884.  p.  119. 

29)  Eine  Würdigung  der  Leistungen  Bolzaho^s  geben  Hakkxl  (Art.  Grenze 
in  der  AUg.Encykl.  yon  Ebsch  und  Gbdbbb)  und  0.  Stolz  (Bolziho'b  Bedeutung 
in  der  Geschichte  der  Infinitesimalrechnung,  Math.  Ann.  XIX). 

30)  Wir  citieren  nur  folgende  Worte  aus  den  Vorreden  zu  den  Cawn  d'ana^ 


8.  DiokBtei 

diese   Leistungen    beherrschen    noch    gegenwärtig    das    gesamte   Gebiet  J 
Aoalfsis.     Durch   diese    Arbeiten    von    Cauchv   sind   die   Infinitesimal - 
Grenzmethoden    von    jener  gefürchteten    Metaphysik   befreit  and  die 
über  die  Giltigkeit  der  Prinzipien  der  Lagrauge'schen  Methode  vollhoofi 
erledigt  worden. 

Die    späteren    Kritiker    and    Historiker,    wie    Uouiuiot'"^,    HakkelH 
pREYCi-NET**!,    Mambion**J,    Vivasti'^)    u.  a.    konnten    schon    in    den  ] 
sprecbnngen  der  Lagronge'scheu  Methode  die  von  den  älteren  Kritikema 
Uobenen  Einwände  durch  mathematisch  überzeugende  Belege  verstärken.] 

Das  unmittelbare  Ziel,  welches  LAon^uiiiE  durch  seine  Methode  znj 
reichen  suchte,  wurde  zwar  nicht  eiTeicht'^),  aber  die  Potenzreihe,  der  i 


lyse  und  den  Lei'.  ^«''  '<^  calcub  „En  pattaid  de  la  coHttnuite  des  fonctwtu  jt 
pu  me  dispettser  de  faire  aimutitre  hs  propriWÄ  priiicipalt«  des  quantitcs  inßm 
petiteg,  propriiiis  qui  titneiit  de  base  au  calcttl  inßttitetimal .  . .  Quant  aux 
thodes  fai  ehereM  ä  Imr  doniur  touU  la  rigueur  gu'o«  exige  m  geomctrie,  dt  manitn 
n  ne  jamaü  recourir  mtx  raisons  tirees  de  la  generalitd  de  l'ätgebre.  Lta  rawone 
de  cette  espice,  guoique  ossk  eommutiemeta  adptüea  .  .  .  ne  peuvetU  Hre  eonaidMai, 
ee  me  semble,  qae  eomme  den  induetions  propres  ä  faire  pretsenlir  quelquitfois  la 
oifrile  mais  gut  s'accordent  peu  aeee  l'exaelitude  m  vantee  dts  sciencea  tnath^aUqMt. 
On  doit  meme  obuerver  qu'elles  tmdent  ä  faire  attribuer  aux  farmules  algibrxquea  mw 
itendue  inddfinie,  tandis  que  dans  la  realile  la  plupart  de  eeg  formulet  aubeietenl 
uniquement  sous  certatnes  conditions  et  potir  certaine»  valeure  des  qtiavtites  qu'etits 
renfermenl." 

,Jja  forviule  de  Taylor  tte  peut  plus  itre  admite  comme  generale,  gu'autoM 
qu'elle  est  reduite  ä  un  nombre  fini  de  ttrmes  et  completü  par  un  reste.  Je  n'igiwrt 
pae  gu'en  fatsant  d'abord  abstraetion  de  ce  regte  VUlustre  auteur  de  Ja  „Micani^ 
analytique"  a  pria  la  formule  dont  it  s'agit  pour  base  de  sa  Ü\6orie  des  ftmctiont 
derivees.  Mais  malgri  tout  (e  respect  gue  commande  une  «  gra/nde  autorite.  In 
plupart  des  geovietres  t'accordenl  niainienant  ä  reeonnaitTe  l'ineertitude  det  resultals 
avxquels  on  peut  itre  conduit  pnr  Vemploi  des  senes  divergentes.  II  y  a  plm,  U 
thiorhne  de  Tiilor  senMe  dans  certains  cas  fownir  le  developpement  d'itne  fonction 
en  Serie  convergente  quoigue  la  somnte  de  la  serie  differe  essentiellement  de  la  foticlion 
propoue."  Das  klaBBische  von  Cauchv  gegebene  Beispiel  einer  solchen  Funktion 
i«t  wohlbekannt  S.  Stolz,  GrundEüge  der  Differential-  und  Integral- 
rechnung I,  Bd.  p.  106. 

31)  CuüBsoi,  Traue  lilemetttaiTe  des  fonctions  et  du  aal.  inf.  1841. 

32)  Samei^,  Art  Graute  1.  c. 

33)  FsBvcotKT,  De  Fanalyse  infinitesimale.     Paria   18S1,  2  iä.  p.  2SS. 
84)  HAasioa,  Sesumi  du  eours  tj'onolyse  infinitäimale.   Paris  1 
36)  G.  ViTAMii,  II  eoncMo  d'  infvnitegima  e  la  ma  applicaxitme  nelia  malen 

Mnntova  1894,  p.  97.  12-1. 

30)  Der  Einfluls   der  in  der  „Theorie  des  fonction»  analj/tigties"  ontbaltenea 

Gcaichtspnnkte  und  Methoden  ist  noch  jetit  merkbar.    Gine  WSrdigung  ihrer  ge- 

BcbicMi:»'        ''ledeatong  findet  man  bei  Bauj.  u.  Nöiveb;    ,rDie  Entwickeluog 

braiachen  Funktionen  in   älterer  und   neoeret 


p.  SMifl 
alemtMeä^ 


Zur  G^Bchichte  der  Prinzipien  der  Infinitesimalrechnung.  79 

gangspnnkt  seiner  Betrachtangen ,  wurde  bekanntlich  in  einer  neuen  durch 
Caucht^s  Vorarbeiten  vorbereiteten  präziseren  Auffassung  das  Fundament  der 
modernen  Theorie  der  analytischen  Funktionen,  wie  sie  uns  in  den  Schöpfungen 
Yon  Weiebsträss'^  und  M^rat^  jetzt  fertig  dasteht 

Es  ist  auch  nicht  zu  verkennen,  daljs  die  Tendenz,  welche  Laoranoe 
in  seiner  Schöpfung  leitete,  n&ndich  die  Algebraisierung  der  höheren  Ana- 
lysis,  nicht  ohne  Einwirkung  geblieben  ist.  Dieselbe  Denkweise  hatte  auch 
in  unserer  Zeit  zwei  grofse  Vertreter:  einen  Weierstrass  und  einen 
Kronecker.  Ob  diese  algebraisierende  oder  gar  arithmetisierende  Richtung 
wissenschaftliche  Resultate  in  völliger  ünabh&ngigkeit  von  jener  zweiten 
Denkweise  —  wir  nennen  sie  intuitiv  —  hervorzubringen  im  stände  sei, 
ist  eine  Frage,  die  wir  hier  nicht  erörtern  können.^')  Es  scheint  aber  das 
Zusammenwirken  beider  Sichtungen  ein  m&chtiger  Faktor  der  Förderung 
der  Wissenschaft  zu  sein.  Die  „Theorie  des  fonctions  analytiqiAes"  hat  zu 
beiden  Sichtungen  beigetragen,  indem  sie  die  schöpferischen  Oeister  je  nach 
Individualität  zur  Erweiterung  und  Vervollständigung  der  in  ihr  liegenden 
Ansätze  in  der  einen  und  in  der  anderen  Sichtung  anregte. 


Zeit'^'im  III.  B.  des  „Jahresberichtes  der  Deutschen  Mathematiker -Vereinigung" 
Berlin  1894,  p.  150—166. 

37)  „N(mB  sommea  dibarania  (par  Ja  conception  de  Weierstrass^"  —  sagt 
PoiKcABi  in  seiner  neuesten  Arbeit,  L'oetivre  nuUfUmcttique  de  Weierstrass''  (Acta 
mathemaiica  XXII  p.  7)  ^/ies  dovUs  qwi  au  süeJedemier  et  dana  la  premüre  moiM 
de  ee  tiide  iusaülaient  sauvent  les  penseurs  ä  propoa  dee  principes  du  cäleul  tn/im- 
täiwuü  et  ausei  de  ceux  que  pauvait  provoquer  par  ses  laetinea  la  iMorie  des  fonctions 
amlytiqttes  de  Laoramob.  Toute  eela  n'est  plus  an^ourd'hui  que  de  Vhistaire  an- 
detme."  Ein  Bmchstflck  dieser  ,^istoire  anciewnef*  haben  wir  versucht  im  gegen- 
i^itigen  Artikel  su  geben. 

88)  M^RAT,  ^Jje^fons  wmveUes  sur  V Analyse  infinüSsimdk  et  ses  appUeations 
Swmäriq^etf"  4  Bde.  1894—98.  Seinen  Standpunkt  erklärt  Mj^rat  in  der  Vorrede 
tarn  L  Bande,  insb.  p.  XIV— XVni. 

39)  Vgl.  Eleih,  The  JEvansUm  CoUoquium.  1894.  p.41  und  Über  Arithmeti- 
liemng  der  Mathematik  (Nachrichten  der  kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaft 
in  Götfcingen,  1895  S.  82—91).  Vgl.  anch  die  oben  citierte  Arbeit  von  Poihcark 
p.  16—18  und  FknasHBiM,  „Irrationalsahlen  nnd  Gonvergens  unendlicher 
ProiesBe^'  in  der  EncyklojAdie  der  mathem.  Wissenschaften,  I  Bd.  1^  Heft  p.  64. 

Warschau,  im  Dezember  1898. 

8.  Dickstein. 


mo33 


P.  W.  WAMENTIN 

UND  DIE  SOGENANNTE  HALLEY'SCHE  METHODE. 

EIN  BEITBAO 
ZUR  GESCHICHTE  DER  MATHEMATISCHEN  STATISTIK 


VON 

G.  ENESTRÖM 

TU   STOCKHOLM. 


A.bL  nr  0«Mh.  d.  M»ih«m.    IX  6 


In  der  ßeyölkerangsstatistik  sind  bekanntlicli  verschiedene  Methoden 
angewendet  worden  nm  Sterblicbkeitstafeln  herzustellen.  Von  theoretischem 
GesichtBpnnkte  ans  ist  es  offenbar  am  einfachsten  eine  Anzahl  yon  Per- 
sonen während  ihres  ganzen  Lebens  zu  beobachten  und  dabei  zu  notieren^ 
wie  yiele  yon  ihnen  1,  2,  3,  u.  s.  w.  Jahre  erfüllen;  hierdurch  erhält  man 
nämlich  ohne  jeden  Calcnl  unmittelbar  die  gewtLnschte  Tafel.  Indessen 
kann  dieses  Verfahren,  das  bei  Leibrentnem  anwendbar,  wenn  auch  nicht 
immer  empfehlenswert  ist,  nur  ausnahmweise  f&r  eine  ganze  Bevölkerung 
benutzt  werden,  teils  wegen  der  Ein-  und  Auswanderung,  teils  weil  die 
Sterbelisten  oft  nur  das  Alter,  aber  nicht  zugleich  da^  Geburtsjahr  der 
Verstorbenen  enthalten,  so  dafs  man  nicht  im  Stande  ist,  das  Absterben 
der  besonderen  Jahresgenerationen  zu  verfolgen.  Darum  ward  man  ver- 
aolaüst,  sich  nach  anderen  Methoden  umzusehen,  und  in  der  That  sind 
deren  viele  ersonnen  worden;  ein  zu  empfehlendes  Verfahren  ist  z.  B.  zuerst 
mit  Hilfe  der  Volksz&hlungs-  und  Sterbelisten  Sterblichkeitswahrscheinlich- 
keiten for  die  verschiedenen  Altersstufen  zu  bestinmien,  und  dann,  nach- 
dem man  eine  beliebige  Anfangszahl,  z.  B.  100,000  gewählt  hat,  durch 
wiederholte  Multiplikation  die  successiven  Zahlen  der  Überlebenden  zu 
berechnen.^) 

Im  achtzehnten  Jahrhimdert  gab  es  aber  in  den  meisten  Ländern 
kerne  Volkszählungen,  xmd  man  bediente  sich  darum  einer  anderen  Methode, 
die  gewöhnlich  die  HALLEV^sche  genannt  wird.  Nach  dieser  Methode  brauchte 


1)  Andere  Methoden  sind  z.  B.  die  HEBRHAior'sche  und  die  sogenannte  An- 
baltiache,  welche  beide  nnr  von  Sterbelisten  und  Geburtenzahlen  Grebrauch  machen 
(Biehe  KxAPP,  Über  die  ErmiUlung  der  Sterblichkeit  aus  den  Aufzeichnungen  der 
Bevolkerungsiftatistik,  Leipzig  1868,  S.  84 — 97).  Diese  Methoden,  von  denen  letztere 
l)e8onderB  auf  die  Geburtenvertellmig  Bficksicht  nimmt,  würden  zwar  empfehlens- 
wert sein,  wenn  die  Sterblichkeit  während  einer  längeren  Zeit  unveränderlich 
wäre;  da  aber  dies  im  Allgemeinen  nicht  zutrifft,  kann  man  ihnen  keinen 
grSfgeren  Wert  beimessen;  jeden&llB  sind  sie  unanwendbar,  wenn  man  die  Sterb- 
lichkeit in  einem  bestimmten  Zeiträume  näher  untersuchen  will.  Der  Ansicht 
KxApp's  (a.  a.  0.  S.  97),  die  Anhaltische  Methode  sei  nicht  nur  die  strengste,  sondern 
auch  die  einiige  strenge  unter  den  bisher  bekannten  indirekten  Methoden,  kann 
ich  Übrigens  nicht  beistimmen. 

6* 


84  G.  EnestrOm: 

man  nur  die  Zahlen  der  Verstorbenen  eines  Zeitraums,  geordnet  nach  Alters- 
klassen, zu  kennen,  um  durch  allmähliche  Summation  dieser  Zahlen,  Tom 
höchsten  Alter  ab,  die  Absterbeordnung  einer  Generation  herzuleiieQ. 
Wenn  also  im  beobachteten  Zeitraum  mx  Personen  im  Alter  yon  x/x  -f  1 
Jahren  gestorben  waren,  und  wenn  a>/a>  -|-  1  das  höchste  beobachtete  Sterbe- 
alter war,  so  folgerte  man,  dafs  aus  einer  Generation  von 

»»0  +  %  +  »»2  H f-  «*«> 

Personen  die  Anzahl  derer,  die  ein  Alter  von  x  Jahren  erreichen  würden, 
gleich 

m^  +  wix+i  +  nix-^2  +  •  •  •  +  Wo, 

war,  und  um  die  Absterbeordnung  einer  Generation  von  z.  B.  100,000  Per- 
sonen zu  erhalten,  genügte  es,  die  ursprünglichen  Zahlen  mit 

100,000 

^0  +  »»1  +  »*i  +  •  •  •  +  «>« 

ZU  multiplizieren. 

Es  ist  unmittelbar  einleuchtend,  daüis  im  allgemeinen^)  das  soeben 
geschilderte  Verfahren  nur  dann  gültig  ist,  wenn  man  Yon  der  Voraus- 
setzung einer  stationären  Bevölkerung  ausgeht,  und  dafs  es  also  in  den 
meisten  Fällen  ein  mehr  oder  weniger  fehlerhaftes  Resultat')  giebt;  folg- 
lich ist  es  eigentlich  als  ein  Notmittel  zu  betrachten,  dessen  Anwendung 
beschränkt  werden  muTs  auf  Fälle,  wo  die  Verteilung  der  Bevölkerung 
nach  Altersklassen  entweder  gar  nicht,  oder  wenigstens  nicht  mit  Genauig- 
keit ermittelt  werden  kann. 

Bekanntlich  war  Schweden  das  er^te  Land,  wo  die  statistischen  Er- 
hebungen nicht  nur  Geborene  und  Verstorbene,  sondern  auch  Lebende,  nach 
Altersklassen  geordnet,  umfafsten,  und  man  könnte  darum  vermuten,  dals 
die  sogenannte  HALLEv'sche  Methode  in  diesem  Lande  zuerst  verworfen 
werden  würde,  besonders  als  die  erste  wissenschaftliche  Bearbeitung  des 
schwedischen  Bevölkerungsmaterials  in  die  Hände  des  vorzüglichen  Astronomen 
P.  W.  Wargenti»  (1717—1783)  fiel.  Lidessen  ist  Knapp  in  seiner  Theorie 
des  BevöJkenmgswechsds  zu  dem  Resultate  gelangt,  dalüs  Wakgemtin  in 
seinen  bevölkerungsstatistischen  Arbeiten  nicht  nur  diese  Methode  ohne  Vor- 
behalt benutzte,  sondern  auch  dieselbe  zuerst  als  von  Hallet  herrührend 
bezeichnete,  und  dadurch  zu  einem  literarhistorischen  Lrtum  Anlafs  gab; 
nach  Enapp's  Untersuchung  hat  nämlich  Halley  selbst  die  Methode  nicht 
benutzt.     Zugleich  hat  sich  Knapp  über  Wargentin  als  theoretischen  Be- 


2)  In  seiner  soeben  citierten  Arbeit  hat  E[happ  (S.  88—84)  die  Bedingungen, 
unter  welchen  die  sogenannte  ELALLST'sche  Methode  gültig  ist,  ontersncht. 

3)  Vgl.  Knapp,  Theorie  des  Bevölkerungswechsels  (Braunschweig  1874),  S.  66 — 66. 


P.  W.  Wargentin  und  ctie  sogenannte  Halley^sche  Methode.  85 

Yölkernngsstatistiker  selu'  ungünstig  ausgesprochen.  Zwar  beruft  er  sich 
dabei  nur  auf  die  erste  Abhandlung,  in  der  Wargentin  die  Ermittelung 
der  Sterblichkeit  behandelt  hat,  und  da  es  schon  yon  einigen  Verfassern^) 
bemerkt  worden  ist,  dals  dieser  in  seiner  späteren  Abhandlung  über  den- 
selben Gegenstand  sich  einer  ganz  anderen  Methode  als  der  sogenannten 
HALiiET^schen  bediente,  so  könnte  es  scheinen,  als  ob  es  unnötig  w&re,  auf 
Knapp's  wesentlichste  Bemerkung  gegen  Warqentin  Bücksicht  zu  nehmen. 
Da  aber  diese  Bemerkung  von  anderen  Verfassern  wiederholt  worden  ist,^) 
und  da  es  jedenfalls  von  Interesse  sein  kann,  zu  entscheiden,  in  wieweit 
Knapp's  harte  Beurteilung  der  WAROENTiN'schen  bevölkerungsstatistischen  Ar- 
beiten berechtigt  ist,  so  werde  ich  mir  erlauben,  an  dieser  Stelle  nfther  auf  sie 
einzugehen.  Besonders  beabsichtige  ich  die  zwei  folgenden  Fragen  zu  be- 
antworten: 

1)  Hat  Warqentin  ohne  Vorbehalt  die  sogenannte  HALLEVsche  Me- 
thode benutzt,  um  die  Absterbeordnung  einer  ganzen  Bevölkerung  zu  er- 
mitteln? 

2)  Hat  Wargentin  diese  Methode  als  yon  HaujEt  herrührend  be- 
zeichnet? 

I. 

Schon  in  .einer  1754  yeröffentlichten  bevölkerungsstatistischen  Abhand- 
lung^ hatte  Wargentin  Gelegenheit  im  Vorübergehen  die  Frage  nach  der 
Ermittelung  der  Sterblichkeitsverhältnisse  einer  ganzen  Bevölkerung  zu  be- 
rühren. Es  handelte  sich  aber  dort  nicht  um  die  Bestimmung  der  Absterbe- 
ordnung, d.  h.  wie  eine  gegebene  Anzahl  von  Altersgenossen  sich  im  Laufe 
ihres  Alters  vermindern,  sondern  um  die  Sterblichkeitsziffer,  d.  h.  das  Verhältnis 


4)  Siehe  z.  B.  Nicandeb,  Täbeü-värkets  tüktand  ifiran  1772  tm  95.  YUi  Om 
de  lefvandea  ßrh&Uande  tili  hvarandra  och  tül  de  döda,  %  alla  atdrar^  smnt  den 
satmoUka  ßr  dem  aterstaende  lifstiden,  [Svenska]  vetenskapsakademiens 
nya  handlingar  22,  1801,  S.  67 — 68.  —  Jamsb,  Over  de  eonsiructie  en  afronding 
tan  sterftetafeU  (Amsterdam  1886),  S.  10—14.  —  Wsstkboaabd,  StatisHkens  Theori 
i  Grundrids  (Kjöbenhavn  1890),  S.  284. 

6)  Siehe  z.  B.  die  von  Liffbbt  verfafste  Notiz  über  Warosntin  im  Hand- 
värterbueh  der  Staatswissensehaßen,  herausgegeben  von  J.  Comsad,  W.  Lsxib,  L.  Elstbb, 
E.  LoEnva,  B.  VI  (Jena  1894),  S.  608—604. 

6)  Wabobittih,  Anmärkningar  om  nyttan  af  arliga  förtehningar  pa  födda 
odi  döda  %  eiland;  Svenska  vetenakapsacademiens  handlingar  15,  1764, 
S.  161—172,  241—264.  —  Anmerkungen  vom  Nt^zen  der  jährlichen  Verzeichnisse 
der  Gebohmen  und  Verstorbenen  in  einem  Lande;  Der  schwedischen  Aka- 
demie der  Wissenschaften  Abhandlungen,  übersetzt  von  A. G.  Kastneb 
16,  1754  (Leipzig  1766),  S.  163—174,  246-266. 


86  G-  ^**^tröm: 

zwischen  der  Anzahl  der  j&hrlichen  SterbeföUe  nnd  der  Anzahl  der  Leben* 
den.  Wargentin  bemerkte  nämlich,  dafs  in  einem  und  demselben  Landa 
dies  Verhältnis  jedes  Jahr  nahezu  dasselbe  ist,  und  daüs  es  selbstverständlich 
unmittelbar  berechnet  werden  könne,  wenn  sowohl  die  Anzahl  der  SterbefUle 
als  die  Anzahl  der  Lebenden  bekannt  wären,  daüs  aber  das  Verhältnis  auch 
auf  einem  anderen,  yon  Halley  angewiesenen  Weg  allein  ans  den  Zahlen 
der  Verstorbenen  eines  Zeitranms,  geordnet  nach  Altersklassen,  zu  bestimmen 
sei.  Hallet  hätte  nämlich  ein  Verfahren  angegeben,  um  die  Anzahl  der 
Lebenden  aus    den  soeben  erwähnten  Zahlen  zu  berechnen.^) 

Im  folgenden  Jahre  ^)  entwickelte  Waroentin  dies  Verfahren  und  wen- 
dete es  auf  schwedisches  Bevölkerungsmaterial  an;  aus  den  Sterbelisten 
erhielt  er  unmittelbar  die  Zahlen  der  im  Jahre  1749  in  Schweden  Ver- 
storbenen, geordnet  nach  Altersklassen,  und  durch  gewöhnliche  Proportions- 
rechnung leitete  er  dann  eine  Tafel  her,  welche  zeigte,  wie  1000  Verstorbene 
sich  auf  die  verschiedenen  Altersklassen  verteilten.  Aus  dieser  Tafel  be- 
rechnete er  femer  durch  successive  AdditioDen  eine  andere,  welche  sich  auf 
eine  Anzahl  von  1000  Geborenen  bezog  und  die  Anzahl  der  Lebenden  in 
verschiedenen  Altersstufen  angab.  Aus  der  Überschrifb  der  ersten  Tafel  ^ 
geht  nicht  deutlich  hervor,  ob  diese  Tafel  die  in  einem  Zeitraum  oder  die 


7)  Waboentin,  Änmärkningar  om  nyttan  af  ärliga  förtekningar  pa  födda  oeh 
döda  %  et  land;  a.  a.  0.  15,  1754,  S.  246.  —  Anmerhmgen  vom  Nutzen  der  jähr- 
lichen Verzeichnisse  der  Oebohmen  tmd  Verstorbenen  in  einem  Lande;  a.  a.  0. 16, 
1764,  S.  249—260:  „Die  Zahl  derer,  die  jährlich  in  einem  Lande  sterben,  ist  ein 
bestimmter  Theil  der  Anzahl  aller  Lebenden,  der  also  durch  VerseichniBse  der  Ver- 
storbenen kann  berechnet  werden,  wenn  man  nur  zuvor  weifs,  was  fSr  ein  grober 

Theil  die  erste  Zahl  von  der  letztem  ist,  welche  Verhältniss anf  v^ejerlej 

Art  kann  entdecket  werden.  Die  eine  ist  ihrem  Gnmde  nach  einfftcher,  aber  in 
der  Bewerkstellig^g  schwerer,  und  bestehet  darinnen,  dafs  man  Verzeichnisse 
nicht  nur   aller  jährlich  Gebohmen,  Verheiratheten   und  Verstorbenen,  sondern 

auch  aller  Lebenden  einfordert. Aber  Halley  hat  (Phil.  Trans.  196  N.) 

einen  sinnreichen  Weg  zu  Erhaltung  eben  der  Absicht  gewiesen,  nämlich  blols 
aus  den  Verzeichnissen  der  Verstorbenen,  wenn  sie  jedes  Alter  beym  Tode  an- 
geben, die  Menge  der  noch  Lebenden  zu  berechnen.    Diese  letztere  Art  will  ich  J 
ein  anderesmal  erklären.*' 

8)  Waboektin,  Änmärkningar  om  nyttan  af  ärliga  förtekningar  pa  födda 
och  döda  i  et  land;  Svenska  vetenskapsacademiens  handlingar  16,  1766, 
S.  1-15,  81-96,  161—170,  241—253.  —  Anmerhmgen  vom  Nutzen  der  jährlichen 
Verzeichnisse  Geböhmer  und  Verstorbener  in  einem  Lande;  Der  schwedischen 
Akademie  der  Wissenschaften  Abhandlungen,  übersetzt  von  A.  G. 
Kästneb  17,  1756  (Leipzig  1767),  S.  8—16,  81—94,  169—167,  289—260. 

9)  Wabobntin,  ^nmärÄmn^ar etc.;  a.a.O.  16, 1765,  S. 88.  —  ^nmeribttn^enetc.; 
a.  a.  0.  17,  1755,  S.  87:  „Erste  Tafel,  welche  zeiget,  wie  viel  Menschen  in  jedem 
Alter  sterben,  wenn  aus  allen  Altem  zusammen  1000  sterben." 


F.  W.  Wargentin  nnd  die  sogenannte  Halley^sche  Methode.  87 

im  Laufe  des  Absterbens  einer  Generation  stattfindenden  Sterbefälle  betreffen 
sollte,  aber  aas  einer  Stelle/^)  welche  der  Tafel  vorangeht,  kann  man 
schlieTsen,  dals  es  sich  fOr  Wargbntin  zonftchst  nur  um  Sterbefälle  in  einem 
Zeitraum  handelte.  Auf  der  anderen  Seite  erhellt  aus  der  Erklärung 
zur  zweiten  Tafel,  ^^)  dafs  diese  sich  auf  eine  Generation  beziehen  mufs. 
Wauqbmtin  leitete  also  wirklich  aus  den  Zahlen  der  in  einem  Zeitraum 
Verstorbenen  die  Zahlen  der  Lebenden  in  der  Sterblichkeitstafel  her,  und 
dies  ist  ja  nur  fftr  eine  stationäre  BoYölkerung  zulässig.  Er  berechnete 
auch  aus  der  zweiten  Tafel  Sterblichkeitsprozente  (eigentlich  reciproke 
Werte  der  Sterblichkeitsprozente)  für  yerschiedene  Altersklassen,^')  was 
noch  deutlicher  zeigt,  d&Cs  er  wirklich  eine  Generation  und  nicht  gleich- 
zeitig Lebende  in  Betracht  nahm.  Knappes  erste  Anmerkung  scheint  also 
wirklich  zuzutreffen,  aber  man  darf  nicht  ohne  Weiteres  daraus  schliefsen, 
dafs  Waboentin  die  Bedingtheit  des  angewendeten  Verfahrens  nicht  kannte. 
Die  schwedischen  Volkszählungslisten,  welche  Wa&gektin  1755  zur  Ver- 
fügung hatte,  waren  nämHoh  unzuverlässig,^')  und  wenn  man  unter  solchen 


10)  Waboentin,  Änmärkningar  etc.; a.a.O.  16, 1765,  S.87.  —  Anmerkungen  etc. ; 
a.  a.  O.  17,  1766,  S.  86:  „Die  erste  Tafel  zeiget,  wenn  tausend  Menschen  an  ge- 
wöhnlichen Krankheiten  an  einem  Orte  sterben,  wie  viel  dieser  Todten  jedem  Alter 
zugehOren.*' 

11)  Wabgentin,  Änmärkningar  etc. ;  a.  a.  0. 16^  1755,  S.  90.  —  Anmerkungen  etc. ; 
a.  a.  0.  17,  1766,  S.  89:  „Die  zweite  Tafel  zeiget,  wie  viel  Menschen  Yon  1000, 
die  auf  die  Welt  kommen,  [ohngefähr]  ein  gewisses  Alter  erreichen,  wenn  so  viel 
in  eben  der  Zeit  nnd  in  der  Ordnung  sterben,  wie  die  Reihen  der  ersten  Tafel 
imter  eben  den  Ziffera  angeben.**  —  Das  eingeklammerte  Wort  findet  sich  nicht 
im  schwedischen  Original,  sondern  ist  vom  Übersetzer  hinzngefttgt  worden. 

12)  WAnasHTm,  Änmärkningar  etc.;  a.  a.  0.  16,  1766,  S.  91—92.  —  An- 
merkwngen  etc.;  a.  a.  0.  17,  1766,  S.  90:  „Anch  können  wir  aus  der  anderen  Tafel 
finden,  wie  die  Lebenskraft  des  Menschen  von  der  Geburt  an  einige  Jahre  schnell 
conimmt.*' 

18)  Siehe  WABeunnv,  Änmärkningar  etc.;  a.  a.  0.  16,  1766,  S.  166.  —  An- 
mtrhmgen  etc.;  a.  a.  0.  17,  1766,  8.  164:  ,Jch  habe  sehr  yiel  Ursache,  die  Nach- 
richten   als  unrichtig  in  Verdacht  su  haben,  da  yermuthlich  eine  Menge 

Lente  mögen  nnbedachtsamlich  seyn  übersehen  worden.^*  —  Vgl.  Wabgbntin,  Mar- 
tdiUeUn  i  Sverige,  i  anledning  af  tahelUverkei;  [Svenska]  vetenskapsacade- 
miens  handlingar  27,  1766,  S.  2—8.  —  Von  der  SUrblichkeit  in  Schweden, 
mdi  dem  TaibeUenwerke;  Der  schwedischen  Akademie  der  Wissenschaften 
Abhandlungen,  übersetzt  von  A.  G.  Eastneb  28,  1766  (Leipzig  1768), 
S.  4:  „Ausserdem  hatte  ich  anch  Ursache  zu  zweifeln ,  ob  diese  einjährigen  Ta- 
bellen in  allen  Stücken  richtig  wären;  denn  sie  enthielten  das  Jahr  1749,  da  das 
Tabellenwerk  zuerst  eingerichtet  ward.  Vermuthlich  konnten  auch  anfangs  viel 
Fehler  eingeschlichen  seyn,  da  die  Hochwürdige  Geistlichkeit  an  eine  so  neue, 
mflhBame  und  schwere  Verrichtung  noch  nicht  gewöhnt  war^^ 


l^iusi&nden  die  AbBterbeordnung  ^^  bestimmen  wünscht,  mnCs  man  ji 
falls  mit  einem  approximativen  Resultate  —  und  ein  solches  giebt 
sogenannte  tJALLEY'sclie  Methode  —  sich  begnügen,  um  den  theoretiE 
Standpunkt  Wakoentin's  beurteilen  zu  können,  ist  es  also  nötig, 
Belegstellen  aulzusuchen,  und  eine  solche,  welche  die  hier  vorliegende 
betrifft,  giebt  es  in  der  schon  citierten  Abhandlung  vom  Jahre  1 
Wargestin  hob  hier  hervor,  dafs  die  H.iLLEv'sehe  Methode  für  Schwi 
kein  richtiges  Resultat  geben  konnte,  weil  in  diesem  Lande  die  Zahl 
jährlich  Geborenen  der  Zahl  der  j&hrliuli  Yerstorbenen  nicht  gleich  wa 
Ferner  bewies  er  ausführlich,  dafs  in  einem  Lande,  wo  die  Zahl  der 
borenen  gröfser  ist,  als  die  Zahl  der  Verstorbenen,  die  älteren  Alterskli 
verhSJtnismäfsig  geringzUh liger  sind  als  die  Absterbeordnung  verlangt,  und  u 
gekehrt.'^)  Aber  auch  hier  mufs  man  sich  hüten  in  Wahoentin' 
zuviel  hinein!;ulegen ;  in  der  That  versteht  er  hier  wie  immer  unter  „Hai-let' 
Methode"  nur  die  Berechnung  der  ganzen  Anzahl  der  Lebenden  in  ei 
Lande  mit  Benutzung  von  Sterbelisten  nach  dem  Alter,  aber  nk/ii  die 
niittelnng  der  Absterbe  Ordnung  aus  diesen  Sterbelisten.  Man  sieht  aber 
leicht  ein,  dal's  die  Sterblichkeitstafel  sehr  wohl  richtig  sein  könnte,  und 
dennoch,  wegen  des  Anwachsens  der  Bevölkerung,  ihre  Summe  gröfser  als 
die  Zahl  der  Lebeaden  ausfallen  kann.  Die  einzigen  Worte  der  citierten 
Stelle,  welche  sich  auf  unsHre  Frage  beziehen,  sind  diese;  „Ich  habe  gewiesen, 
wie  viel  Menschen  von   1000  ein  gewisses  Alter  erreichen;  tcoieg  r 

14)  Wakokntik,  Amnäricningar  etc.;    a.  a.  O.  16,  1765,  S.  161—162. 
merkungeti  etc.;  a.  a.  0.  13,  17S5,  8.  159—160:  „Im  nädiatvorbergehendei 

dieeer  Anmerkun^n  habe  ich gewiesen,  wie  viel  Menschen  von  1000, 

in  einem  Jahre  in  einem  gewiagen  Lande  zur  Welt  kommen,  ein  gewisBes  Älter 
erreichen;    wobey    man    annimmt,    dasa    in    diesem    Lande    auch    jB,hrlich    lOUU 

sterben. Wollte  man  hieraus  Berechnungen  für  jedes  Jahr  von  1  bis  90 

machen,  und  alle  gefundene  Zahlen  in  eine  Summe  zusammen  rechnen,  so  würde 
solche  die  Menge  aller  za  einet  Zeit  lebenden  Menschen  vorstellen,  wemi  in 
jedem  der  vorhergehenden  90  Jahre  ohngefUhr  1000  sowohl  gelioliren  werden,  als 
sterben.  So  berechnete  Hallbv  die  Menge  der  Einwohner  in  Breslau,  welches 
auch  nach  den  angenommenen  Grundsätzen   vüllig   richtig   ist.     Wenn    aber    est' 

weder  mehr  gobohren  werden,  als  eterben,  oder  das  (iegentheü  geschiebt, — 

so  kann  Hallby'b  Methode  mit  der  Wahrheit  nicht  vollkommen  überein  stimmen; 
denn  im  ersten  Falle  musa  die  Anzahl  von  Menschen  kleiner  und  im  letzten 
gräeser  seyn,  als  die  Berech nungaart  ergtebt.  Indessen  ist  es  nützlich,  diese 
Berechnung  als  ein  Mittel  und  als  eine  sichere  Anleitung  anzunehmen;  aas  Ver- 
zeichnissen der  Qebobmen,  Verstorbenen  und  Lebenden  auf  einige  Jahre  zu 
erforschen,  ob  sich  diu  Menge  des  Volkes  in  den  vorhergehenden  90  Jahren  ver- 
mehret oder  vermindert  bat,  und  wie  viel  solches  geschehen  iat." 

16)  W\iioESTiN,   Änmiiriningiir  etc.;  a.  a.  U.    16,  1755,  S.  i 
mcrkungc  etc.;  a.  u.  0.   17,  1766,  S,  163—164. 


an- 


1Ü6— 166.  —  Alfjj 


P.  W.  Wargentin  und  die  sogenannte  Halley'Bclie  Methode.  89 

nimnU,   dafs   auch  jährlich  1000  sterben",   und  diese  Worte   würden   ent- 
scheidend sein,  wenn  man  nicht  wüTste,  dafs  gerade  in  dem  Falle,  auf  den 
Wargentin  hier  ansdrücklioh  verweist,  die  Annahme  nickt  zutraf;  jetzt  aber 
kann  ich  auf  die  kursiv  gedruckten  Worte  kein  eigentliches  Gewicht  legen. 
Die  citierte  Stelle  giebt  also  meiner  Ansicht  nach  keinen  direkten  AufschluDs 
ober  die  Frage,   welche   uns  hier  interessiert,  und  auf  indirektem  Wege 
kann  man   auch  nicht  zu  irgend  einem  sicheren  Schlufs  gelangen.     Zwar 
konnte  man  bemerken,  daHs  Wargentin,  der  ja  dargethan   hatte,  dafs   in 
einem  Lande  mit  nicht  stationärer  Bevölkerung  die  Altersverteilung  der  in 
einem  Zeitpunkte  Lebenden  von  der  der  Überlebenden  in  der  Sterblichkeits- 
tafel verschieden  ist,  auch  wissen  muüste,  dais  zwischen  der  Altersverteilung 
der  in  einem   Zeiträume  Verstorbenen   und   der   der  Verstorbenen   in   der 
Sterblichkeitstafel    ein    entsprechender   Unterschied    stattfindet;    aber    man 
könnte   ebenso  gut  behaupten,  Wargentin   habe    dieser  Frage   keine   be- 
sondere Aufinerksamkeit  gewidmet     Der  Zweck  seiner  Abhandlung  war  ja 
nur  die  Nützlichkeit  jährlicher  Verzeichnisse  von  Geborenen  und  Verstor- 
benen  zu  beweisen,  und  die  Absterbeordnung  brauchte  er  eigentlich  nur, 
um  auszufinden,  ob  die  Bevölkerung  Schwedens  im  Wachsen  oder  Abnehmen 
war.     Für  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  spricht  auch  die  ziemlich  unbe- 
stimmte Ausdrucksweise,  deren  Wargentin  sich  bediente,  als  er  seine  Sterb- 
lichkeitstafel berechnet  hatte  und  dann  zur  Frage  über  die  Zahl  der  Leben- 
den überging.^*) 

Die  bisherige  Untersuchung  hat  also  ein  wesentlich  negatives 
Resultat  ergeben.  Auf  der  einen  Seite  hat  Wargentin  thatsftchlich  die 
sogenannte  HALLEVsche  Methode  benutzt,  um  die  Absterbeordnung  zu 
bestimmen,  ohne  bei  Anwendung  dieser  Absterbeordnung  ausdrücklich 
hervorzuheben,  dafs  die  Methode  in  den  meisten  Fällen  ungenau  ist;  auf 
der  anderen  Seite  aber  gab  es  in  Schweden  noch  keine  zuverlässigen 
Erhebungen  über  die  Altersverteilung  der  Bevölkerung,  und  da  Wargentin 
nötig  hatte,  eine  wenigstens  annähernd  gültige  Absterbeordnung  zu  ermitteln, 
maÜBte  er  irgend  ein  Verfahren  wählen,  das  ausschüefslich  oder  vorzugs- 
weise auf  Sterbelisten  gegründet  werden  konnte. 

Ein  ganz  anderes  Aussehen  bekommt  die  Frage  über  Wargbntin's 
Standpunkt  hinsichtlich  der  sogenannten  HALLEv'schen  Methode,  wenn  wir 
seine  im  Jahre  1766   veröffentlichte  Abhandlung  über  die  Sterblichkeit  in 


16)  Wabobctih,  Anmärkmngar  etc.;  a.a.O.  16,  1756,  S.  164.  — -  An- 
merhungen  ete.;  a.  a.  0.  17,  1766,  S.  162:  „Aus  der  ersten  Reihe  sehen  wir  hier, 
^b,  wenn  die  Menge  in  einer  Zeit  von  neunzig  Jahren  weder  merklich  vermehret 
noch  Termindert  wird,  gegen  1000  jährlich  auf  die  Welt  kommende  Kinder, 
32  U$  33000  Menschen  leben  müssen/* 


90  ö.  Eneström: 

Schweden  ^^)  in  Betracht  nehmen;  auffallender  Weise  hat  Knapp  diese  Ab- 
handlung gar  nicht  erwähnt.  Hier  finden  wir  nämlich  eine  vollständig 
durchgeführte  Anwendung  nicht  nur  der  Sterbelisten,  sondern  auch  der 
Volkszählungslisten  um  die  Sterblichkeitsprozente  für  verschiedene  (in  äex 
Regel  fünQ  ährige)  Altersklassen  zu  ermitteln.  Wargentin  bemerkt  aus- 
drücklich, der  kürzeste  Weg,  um  die  Absterbeordnung  zu  finden,  sei  die 
Zahlen  der  Verstorbenen  und  der  Lebenden  zu  vergleichen,^^)  w&hrend  er 
die  sogenannte  HALLEv'sche  Methode  weder  benutzt,  noch  erwähnt.  Für 
die  Berechnung  der  Sterblichkeitsprozente  waren  ihm  jährliche  Bterbelisten 
für  1755 — 1763  und  Volkszählungslisten  für  die  drei  Jahre  1757,  1760, 
1763  zugänglich,  und  dies  Material  wendete  er  so  an,  dafs  er  für  jede 
Altersklasse  die  Mittelzahlen  der  in  den  Jahren  1755—1757,  1758 — 1760, 
1761 — 1763  Verstorbenen  beziehungsweise  mit  den  Zahlen  der  Lebenden 
in  den  Jahren  1757,  1760,  1763  verglich;  auf  diese  Weise  erhielt  er 
verschiedene  Reihen  von  Sterblichkeitsprozenten.  Zwar  kannte  man  ein- 
wenden, dafs,  da  die  Bevölkerung  Schwedens  im  Anwachsen  war,  diese 
Sterblichkeitsprozente  zu  klein  sein  mufsten,  aber  Wargentin  machte  darauf 
aufmerksam,  dafs  die  Volkszählungen  wahrscheinlich  nicht  die  ganze  Be- 
völkerung umfafst  hatten,  also  die  Zahlen  der  Lebenden  zu  klein  waren,  ^') 
und  vielleicht  war  eben  dieser  Umstand  für  Wargentin's  Verfahren  be< 
stimmend.  Man  hätte  erwarten  können,  dafs  Wargentin  auch  hier  eine 
gewöhnliche  Sterblichkeitstafel  hergeleitet  hätte,  aber  daran  scheint  er  nicht 
gedacht  zu  haben;  hieraus  zu  schliersen,  dafs  er  die  Absterbeordnung  nicht 
aus  der  Tafel  der  Sterblichkeitsprozente  berechnen  konnte,  hieÜBe  aber  ihm 
zu  wenig  Scharfsinn  zuzutrauen.  Übrigens  hat  Wargentin  auch  später 
ähnliche  Berechnungen  mit  Hilfe  von  schwedischem  statistischen  Material 
aus  den  Jahren  1765 — 1776  ausgeführt;  ein  Auszug  daraus  ist  von 
R.  Price  in  der  4.  Auflage  (1783)  seiner  Observaüons  on  reversiofumß 
pajfments  veröffentlicht  worden.**) 


17)  Siehe  Anmerkung  13). 

18)  Wabgbntin,  Mortaliteten  i  Sverige  etc.;  a.  a.  0.  S.  8.  —  Die  SterbliMceit 
in  Schtoeden  etc.;  a.  a.  0.  S.  6:  „Das  leichteste  Mittel,  die  Ordnung  der  Sterblich- 
keit zu  finden,  besteht  darinnen,  dass  man  die  Menge  der  Verstorbenen  und  der 
Lebenden  in  einem  Jahre  mit  einander  vergleicht/^ 

19)  WABororriN,  Mortaliteten  i  Sverige  etc. ;  a.  a.  0.  S.  18.  —  Die  SterlHushkeit 
in  Schweden  etc.;  a.  a.  0.  S.  14:    „Aus  vielen  Ursachen  scheint  es  leichter,  dass 

einige  Lebende  bey  der  Rechnung  sind  ausgelassen  worden; dieserwegen 

ist  mir  sehr  wahrscheinlicb,  dass  die  Menge  des  Volks in  diesen  Tabelleii 

eher  zn  gering  als  zu  gross  angegeben  ist.'* 

20)  Siehe  z.  B.  Nicandkr,  a.  a.  0.  S.  58 


P.  W.  Wargeotin  and  die  sogenannte  Hal]e7*8che  Methode.  91 

II. 

In  seiner  1693  gedruckten  Abhandlung  über  die  Schätzung  der  Grade  der 
Sterblichkeit'^)  hat  Halley  die  Bevölkerungszahl  der  Stadt  Breslau  so 
bestimmt,  dafs  er  zuerst  eine  Tafel  der  Lebenden  in  jeder  einjährigen  Altei*s- 
stufe  aufstellte  und  dann  die  sämtlichen  Zahlen  der  Tafel  summierte.  Um 
die  Tafel  selbst  zu  berechnen,  bekam  er  aus  Breslau  Aufzeichnungen,  teils 
über  die  in  den  fünf  Kalenderjahren  1687 — 1691  Verstorbenen,  nach  Alters- 
klassen geordnet,  teils  über  die  in  denselben  fünf  Jahren  geborenen  Kinder. 
Nach  diesen  Aufzeichnungen  waren  in  einem  mittleren  Kalenderjahre 
1174  Menschen  verstorben  und  1238  Kinder  geboren,  also  fast  ebenso  viele 
verstorben  als  geboren;  unter  den  Verstorbenen  befanden  sich  348  im  ersten 
Altersjahre  und  198  im  Alter  von  1  bis  6  Jahren.  Für  die  folgenden 
Altersstufen  teilte  Halley  eine  besondere  Tafel  mit,  welche  jedoch  an  zwei 
Stellen  Lücken  hatte. '^  Ohne  näher  anzugeben,  wie  er  das  ihm  vorliegende 
Material  benutzt  hatte,  stellte  er  die  zuerst  erwähnte  Tafel  auf;  die  zwei 
eisten  Zahlen  dieser  Tafel  sind  1000  und  855.  Da  1000  die  erste  Zahl 
ist,  könnte  man  glauben,  Halley  habe  diese  willkürlich  gewählt,  aber  da 
die  Summe  aller  Zahlen  in  der  Tafel  als  Zahl  der  in  Breslau  lebenden 
Bevölkerung  gelten  sollte,  mujjs  man  eine  andere  Erklärung  der  Zahl  1000 
Suchen,  und  Knapp  hat  bemerkt,^)  dafs  1000  das  Mittel  zwischen  1174  und 
1174  —  348  s=3  826  ist,  das  heifst,  das  Mittel  zwischen  der  Anzahl  der  Neu- 
geborenen und  der  Anzahl  derer,  welche  das  Ende  des  1.  Altersjahres  er- 
reichen, vorausgesetzt  dafs  in  jedem  Jahre  die  Neugeborenen  genau  ebenso 
viel  wären  wie  die  Verstorbenen ;  mit  Bezugnahme  hierauf  könnte  also  1000 
ungefthr  die  Zahl  der  Lebenden  im  1.  Altersjahre  repräsentieren.  Nun  ist 
aber  Halley  ausdrücklich  von  der  Annahme  ausgegangen,  dafs  in  Breslau 
jährlich    1238    Kinder   geboren    wurden,   und   es   mufs    also    eine    bessere 


81)  Hallsy,  An  esiimcUe  of  the  degrees  of  the  martalUy  of  mankind  drawn 
from  cwrious  tdbUs  of  (fte  births  and  funerah  at  the  eity  of  Breslaw.  —  Some 
fwrther  consideraUons  on  (he  Breslaw  biUs  of  mortälity,'  Philosophical  Trans- 
»ctions  17,  1693,  696—610,  664—666. 

22)  Diese  Lücken  sind  wahrscheinlich  durch  den  Druck  entstanden.  Das 
von  Uallbt  angewendete  Material  ist  trotz  wiederholter  Nachforschungen  in  ver- 
schiedenen Archiven  and  Bibliotheken  noch  nicht  aufgefunden  worden,  aber  eine 
Bekonstraktion  desselben,  mit  Benutzung  der  Tauf-  und  Todtenbücher  Breslaues, 
ist  fon  J.  GkItzsr  ausgeftlhrt  worden  nnd  auf  den  Seiten  64 — 60  der  Monographie: 
Edmtmd  HaUey  und  Caspar  Newmann.  Ein  Beitrag  zur  GesehidUe  der  Be- 
voücerung^StatisHk  (Breslau  1883)  veröffentlicht.  Die  GRÄTzsR'schen  Zahlen  stimmen 
whr  gut,  wenn  anch  nicht  immer  genau,  mit  den  HALLKT'schen. 

23)  Kmatf,  Theorie  de$  BevöUcerungswechaeU,  8.  129. 


92  G.  Enegtröm: 

Erklämng  der  Zahl  1000  gesucht  werden.  Zu  diesem  Zwecke  ist  to 
anderen  Verfassern^)  darauf  hingewiesen  worden,  dafs,  wenn  1238  Kind« 
jährlich  gehören  werden  und  348  von  diesen  im  1.  Altersjahre  sterhei 
wegen   der   schnellen  Ahnahme    der  Sterblichkeit ,  die  Anzahl    der  gleicl 

zeitig  Lebenden  in  dieser  Altersstufe  nicht  etwa  =  106« 

sondern  fast  genau  1000  sein  wird.  Die  übrigen  Zahlen  in  der  HAL.LET'sche 
Sterblichkeitstafel  können  dagegen  nicht  unmittelbar  aus  dem  gegebene 
Material  hergeleitet  werden,  und  man  mufs  darum  annehmen,  Eüllle 
habe  die  ursprünglichen  Zahlen  auf  irgend  eine  Weise  korrigiert  oder  aui 
geglichen.  *^) 

Ist  es  also  wahr,  dafs  Halle y  seine  Sterblichkeitstafel  fast  am 
schliefslich  auf  Aufzeichnungen  über  die  Altersverteilung  der  in  einem  Zeil 
räum  Verstorbenen  gründete,  so  steht  es  dennoch  fest,  dafs  er  gar  nid 
die  später  sogenannte  HALLEY^sche  Methode  als  allgemein  gültig  angegebe 
hat,  und  er  hat  sie  auch  nicht  in  ihrer  typischen  Form  benutzt.  Enaf 
hat  also  Recht,  als  er  bemerkt,  dafs  diese  Methode  sich  bei  Halley  ni: 
spuren  weise  findet,'^  und  wenn  es  bewiesen  werden  kann,  dafs  Wargemti 
sie  diesem  letzteren  zugeschrieben  hat,  liegt  hierin  ohne  Zweifel  ein  literai 
historischer  Irrtum. 

Nehmen  wir  jetzt  die  schon  citierten  Abhandlungen  Wargentin's  yo 
den  Jahren  1754  und  1755  in  Betracht,  so  finden  wir  zwar,  dafs  dort  yo 
der  HALLEY'schen  Methode   oder  Berechnungsart^^)  gesprochen  wird,   abe 


24)  Siehe  Lindelöf,  Ndgra  betrakteUer  öfoer  de  sUUisHska  beräkningarn 
rörande  lifslängden,  Promotiansprogram  rHelsingforis  1873),  S.  18 — 19.  —  OsiT»» 
a.  a.  0.  S.  80.  —  Wksteboaabd,  a.  a.  0.  S.  280. 

25)  Gbätzer  hat  a.  a.  0.  S.  78 — 80  zu  beweisen  versucht,  dafs  Hallet  di 
ihm  Yorgelegte  Material  vollständig  korrekt  nach  den  Prinzipien  der  graphische 
Ausgleichmig  von  Beobachtungen  behandelte,  aber  der  Beweis  dieser  Behaupton 
scheint  mir  ein  wenig  zu  kühn. 

26)  Ehapp,  Theorie  des  Bevölkerungswechseh,  S.  180. 

27)  Waboentin,  Änmärkningar  etc.;  a.  a.  0.  15,  1754,  S.  169,  246;  16,  175i 
S.  162,  165.  —  Anmerkungen  etc.;  a.a.O.  16,  1754,  S.  170  (siehe  unten  Anm. 28 
250  (siehe  Anm.  7);  17,  1755,  S.  160  (siehe  Anm.  14),  168  („Hallbt'b  Art,  di 
Menge  der  Leute  in  einem  Lande  zu  berechnen").  —  Nur  an  einer  Stelle  braucli 
WABGENTm  den  Ausdruck:  „HALLBr'sche  Berechnung",  ohne  dafs  es  aus  dem  Zi 
sammenhange  deutlich  hervorgeht,  dafs  er  von  der  Berechnung  der  ganzen  Zal 
der  Lebenden  sprechen  will;  siehe  Änmärkningar  etc.;  a.  a.  0. 16,  1756,  S.  168.  - 
Anmerkungen  etc.;  a.  a.  0.  17,  1755,  S.  160:  „Ich  habe  daher  geglaubet,  recht  z 

thnn,  wenn  ich den  Ausschlag mit  demjenigen  vergliche,  wa 

nach  der  Eäiunuekem  Bereehnung  heraus  könmit."  —  Über  den  Ausdruck :  „Hallet' 
V«  Balia  imtAii  Anm.  83. 


P.  W.  Wargentin  und  die  sogenannte  Hallej^'sche  Methode.  93 

wie  wir  schon  früher  im  Vorübergehen  bemerkt  haben,  bezieht  sich  dieser 
Aosdrack  nicht  darauf,  auf  irgend  eine  Weise  die  Absterbeordnnng  aus 
den  Sterbelisten  zu  bestimmen,  sondern  nur  auf  die  Berechnung  der  ganzen 
Anzahl  der  Lebenden  aus  diesen  Listen.  Nun  könnte  es  zwar  scheinen, 
a]s  ob  der  Unterschied  in  der  That  ohne  Belang  wftre,  da  man,  um  die 
ganze  Anzahl  der  Lebenden  zu  erhalten,  zuerst  die  Zahlen  der  Lebenden  in 
verschiedenen  Altersstufen,  d.  h.  gerade  die  Absterbeordnimg,  berechnen 
muls,  und  es  ist  ja  nicht  unwahrscheinlich,  daCB  Waroentin,  wenn  er  der 
sogenannten  HALLST^schen  Methode  einen  Namen  hfttte  geben  wollen,  sie 
gerade  so  genannt  hfttte,  aber  dies  ist  wohl  etwas  ganz  anders,  als  die 
Benennung  wirklich  benutzt  zu  haben.  In  einem  Punkte  hat  Wabgentin 
jedoch  Hallet  mifsyerstanden:  jener  sagt  nftmlich,^  Hallet  habe  für 
Breslau  sich  nur  der  Sterbelisten  bedient,  aber  mit  dieser  üngenauigkeit 
kann  man  um  so  mehr  Nachsicht  haben,  als  ja  Knapp  selbst  der  Ansicht 
gewesen  ist,  die  HALLET'sche  Anfangszahl  1000  sei  nur  aus  den  Sterbe- 
listen hergeleitet  worden. 

Femer  tadelt  Knapp  bei  Wargentin,^)  dafs  er:  1)  ^schlich  Hallet 
ein  gewisses  Verfahren  bei  der  Anwendung  des  Breslauer  Materials  zu- 
schrieb; 2)  bei  der  Umrechnung  von  Kersseboom's  und  Deparcieux'  Tafeln 
den  Begriff  der  aus  einer  Generation  Verstorbenen  mit  dem  Begriff  der  in 
einem  Zeiträume  Verstorbenen  yermischte,  und  dadurch  den  Anlafs  zu  der 
sachlichen  Vermengung  der  Absterbeordnung  mit  der  Altersyerteilung  der 
in  einem  Zeitraum  Verstorbenen  gab;  3)  den  Vorbehalt,  unter  welchem 
allein  die  sogenannte  HALLEVsche  Methode  gültig  ist,  d.  h.  dafs  die  Be- 
▼Slkenmg  als  stationär  betrachtet  werden  kann,  verschwieg.  Sein  Urteil 
über  Wargentin  als  theoretischen  Bevölkerungsstatistiker  fa&t  Knapp  da- 
hin zusammen,^)  dafs  jener  teils  sich  mit  einer  dürftigen  Kenntnis  seiner 
Yorlftufer  begnügte  und  an  den  neuen  Stoff  keinen  neuen  Gedanken  heran- 
brachte, teils  alle  yon  diesen  Vorlftufem  schon  gewonnenen  Unterscheidungen 
zwischen  (Gesamtheiten  von  Lebenden  und  Verstorbenen  verwischte  und  eine 


88)  Wasobotin,  Änmarkmngar  etc.;  a.  a.  0.  16,  1754,  S.  169,  246.  —  An- 
merhmgm  etc.;  a.  a.  0.  16,  1754,  S.  250  (siehe  Anm.  7).  —  Auf  Seite  170  der 
deutschen  Übersetzung  der  soeben  citierten  WABOsirmi^schen  Abhandlung  findet 
neh  folgender  Passus:  „Nachdem  Hallst  aus  der  Anzahl  der  jährlich  Gebohmen 
und  Verstorbenen  in  Breslau  auf  eine  Art,  die  weiter  unten  soll  erkläret  werden, 
obngefähr  die  Menge  der  Einwohner  der  Stadt,  grosser  und  kleiner,  ausgerechnet 
lu^**,  aber  die  swei  von  mir  unterstrichenen  Worte  sind  vom  Übersetser  ein- 
geschaltet worden. 

29)  Ehapp,  Theorie  des  Bevölkerwngswechsds,  S.  74,  75. 

30)  Khatp,  Theorie  des  Bevolkerungswed^sels,  S.  78,  75. 


94  Gt'  Eneström:  .      . 

Disziplin,  die  in  strengster  Weise  sich  zu  entwickeln  begonnen  hatte,  zam 
Stillstand  brachte. 

Die  erste  dieser  Bemerknngen  scheint  mir  auf  einem  MüsTerst&ndnis 
von  Knappes  Seite  zu  beruhen.  An  der  betreffenden  Stelle  referierte 
Waroentin  über  die  von  Hallet  yeröffentlichten  Zahlen  der  in  Breslao 
Verstorbenen'^)  und  bemerkte  daim,  dafs  Ballet  diese  Zahlen  „gefonden" 
hatte, '^  womit  er  ohne  Zweifel  nur  sagen  wollte,  dafs  Hallet  sie  in  den 
ihm  übermittelten  Aufzeichnungen  gefunden  hatte;  über  Hallet's  Verfahren 
bei  der  Bearbeitung  dieser  Aufzeichnungen  äufsert  sich  Wargentin  an  der 
citierten  Stelle  gar  nicht.'') 

Die  zweite  Bemerkung  dürfte  zum  Teil  richtig  sein,  und  würde  za 
befugtem  Tadel  gegen  Wargentik  veranlassen  können,  wenn  dieser  eine 
Darstellung  der  Methoden  zur  exakten  Berechnung  der  Absterbeordnang 
beabsichtigt  hätte;  da  aber  dies  nicht  der  Fall  ist,  und  da  Wargentin  für 
seinen  Zweck  nur  approximative  Zahlen  nötig  hatte,  scheint  mir  die  Be- 
merkung zum  Teil  ohne  Belang,  zum  Teil  uniichtig. 

Die  dritte  Bemerkung  endlich  dürfte  weniger  begiündet  sein  als  die 
zweite,  da  Wargentin,  obgleich  er  keinen  eigentlichen  Anlaüs  hatte,  die 
Aufmerksamkeit  auf  die  Bedingtheit  der  sogenannten  HALLEv'schen  Methode 


81)  Warokntih,  Anmärkningar  etc.;  a.  a.  0.  16,  1755,  S.  85.  —  An- 
merkungen etc.;  a.  a.  0.  17,  1765,  S.  84—85. 

82)  Wabosntin,  Anmärkningar  etc.;  a.  a.  0.  16,  1766,  S.  87.  —  An- 
merkungen etc.;  a.  a.  0.  17,  1756,  S.  86:  „Die  erste  Reihe  enthält  die  VerhältiuMe 
der  Verstorbenen  für  jedes  Alter,  wie  Hallst  sie  gefunden  h|it,  da  er  sich  der  bres- 
laaischen  Nachrichten  bedienet."  Die  deutsche  Übersetzung  hätte  korrekter  sein 
können;  in  der  That  sagt  Wargentin:  „Den  första  Golumnen  utmärker  f5rliallaiidet 
af  de  dödas  antal  fSr  hyar  &lder,  säsom  Hallet  det  funnit  i  Breslau"  (die 
erste  Reibe  giebt  die  relativen  Zahlen  der  Verstorbenen  für  jedes  Alter  an,  wie 
Hallet  es  in  Breslau  gefunden  hatte). 

83)  Wenn  Westeboaahd  a.  a.  0.  286,   in   nahem  AnschluTs  an  Knapp,  sagt: 

„Wargentin opfattede  Hallst'b  Methode  som  om  han  knn  havde  fordelt 

Dödsfaldene  pro  mille  for  deraf  at  danne  en  OTerleyelsestayle",  so  kann  er  sich 
swar  auf  eine  Stelle  in  der  WABGENToi^schen  Abhandlung  vom  Jahre  1766  berufen, 
wo  es  S.  168  der  deutschen  Übersetinng  heifst:  „Die  erste  Reihe  zeiget,  wie  viel 
Menschen  in  jedem  Alter  zu  finden  wären,  wenn  naeh  Hallbt's  Voraussetzung  jähr- 
lich 1000  Kinder  auf  die  Welt  kämen,  und  1000  Menschen  yon  allen  Altom  en- 
sammen  stürben"  (ygl.  Anmärkningar  etc.;  a.  a.  0. 10,  1765,  S.  164)^  aber  der  yon 
mir  unterstrichene  Ausdruck  kann  wohl  auf  eine  kleine  Achtlosigkeit  von  Wabokntdi's 
Seite  beruhen.  Sonst  wäre  dies  die  einiige  Stelle,  wo  Wabgsntix  behauptet  hätte, 
da(^  Hallet,  um  seine  Sterblichkeitstafel  herzuleiten,  die  Summe  der  Verstorbenen 
gleich  1000  setite,  und  dann,  mit  Benutsuiig  der  beobachteten  Sterbefalle,  diese 
1000  Verstorbonrii  auf  die  Torschiedenen  Altersstafen  verteilte. 


P.  W.  Wargenim  und  die  sogenannte  EbUey'sche  Methode.  95 

zu  lenken,  wenigstens    einmal^)    diese  Bedingtheit  im  Yorubergehen    an- 
dentete. 

In  Bezug  auf  Enapp's  zusammenfassendes  urteil  erlaube  ich  mir  zu 
bemerken,  daCs  es  augenscheinlich  zu  hart  ist.  Es  mag  sein,  dafs  Warqentin 
die  Arbeiten  seiner  Vorlftufer  nicht  eingehend  studiert  hatte, ^)  und  es  ist 
richtig,  dafs  er  die  Ermittelung  der  Sterblichkeit  aus  Sterbe-,  Geburts-  und 
Yolksz&hlungslisten  nicht  systematisch  behandelte,  aber  auf  der  anderen 
Seite  hatte  er  sich  eine  solche  Aufgabe  gar  nicht  vorgelegt.  Dafs  die 
Theorie  der  Sterblichkeitsmessung  durch  Wargentin's  Zuthun  zum  Still- 
stand gebracht  wurde,  dtkrfte  nicht  bewiesen  werden  können,  und  dafs  er 
an  den  neuen  Stoff  wenigstens  einen  —  wenn  auch  sehr  nahe  liegenden  — 
Gedanken  heranbrachte,  geht  aus  dem,  was  ich  oben  von  seiner  späteren 
Abhandlung  angef&hrt  habe,  herror. 


Auf  Grund  der  yorhergehenden  Untersuchung  kOnnen  wir  also  die  zwei 
besonders  aufgestellten  Fragen  in  folgender  Weise  beantworten: 

1)  Wabgentin  benutzte  zwar  einmal  die  sogenannte  HALLET^sche  Me- 
thode, aber  damals  hatte  er  keine  zuverlässigen  Yolkszfthlungslisten  zur 
Yerf&gung;  spftter  als  er  solche  bekommen  hatte,  ward  diese  Methode  von 
ihm  weder  benutzt  noch  erwfthnt; 

2)  Waboentin  hat  der  sogenannten  HALLEY'schen  Methode  keinen  be- 
sonderen Namen  gegeben;  dagegen  hat  er  unrichtig  das  Yerfahren,  wodurch 
man  die  ganze  Bevölkerung  eines  Landes  wwr  aus  den  Sterbelisten  berechnet, 
als  von  HAiiLEY  herrührend  bezeichnet. 


34)  Siehe  Anm.  14). 

35)  Dafs  Wabgkntdi  seine  Vorläufer  auf  dem  Gebiete  der  Bevölkerungs- 
Biatistik  nicht  ganz  Übersehen  hatte,  geht  ans  seinen  Abhandlungen  hervor;  siehe 
t.  B.  Anmäribtffi^ar  etc.;  a.  a.  0.  10,  1756,  S.  2—4,  85—87  {Anmtrkwngen  etc.; 
a.  a.  0. 17, 1766,  S.  5—6,  84 — 86),  wo  er  u.  A.  Gbaunt,  Pettt,  Süssmilch,  Kebssb- 
BooM,  Dbpabcibux  uud  Simpson  citiert. 


m^3i 


INTORNO  AD  UN  INEDITO  E  SCONOSCIUTO 


TRATTATO  DI  MECCANICHE  DI  GALILEO  GALILEI 


NELL'  ABCmVIO  DI  8.  A.  IL  PRINCIPE  DI  THURN-TAXIS  IN  RATI8B0NA. 


NOTIZIA  DI 


ANTONIO  FAVARO, 

PBomiosa  KmiAA  n.  üm-vsBiiT a  si  padota,  dxuittobb  ümlul  aDCBiom  itacioicai«*  sn*La  opna 

Dl  OAIiILBO  OALILSI  BOTTO   QLl  AUSPICII  DI  S.  M.  IL  BB   D*nAI.IA. 


A,bh.  nr  OmoK  d.  Matham.    IX. 


Narra  Vimcenzio  YiviAia,  nel  racoonto  istorico  cb'egli  detto  intorno 
alla  Yita  del  sno  Maestro,  che,  fra  le  yarie  scrittare  da  Galileo  stese  „a 
contemplazione  dei  suoi  Scolari,  nel  tempo  in  cai  fa  lettore  di  matematiche 
nello  Stadio  di  Padova"  fa  „an  trattato  di  Meccaniche  che  ya  attomo 
manoscritto,  e  che  poi  nel  1634,  tradotto  in  lingua  francese,  fa  stampato 
in  Parigi  dal  P.  Marino  Merssnnio,  e  ulümamenie  nel  1649  fa  pabblicato 
in  Bayenna  dal  Cayalier  Luca  Danesi/'^)  In  una  bozza  aatografiEi  di 
qaesto  layoro  del  YiyiANi,  la  qnale  e  arricchita  di  parecchie  gionte  e  cor- 
rezioni,  si  rinyenne  assegnata  aUa  composizione  di  questa  scrittora  gali- 
leiana  la  data  dell'  anno  1593,^)  e  quantanqae  Taatore  non  soi&aghi  tale 
soa  incidentale  asserzione  con  alcun  documento,  ne  dica  in  base  a  qoali 
elementi  egli  Vabbia  dedotta,  ed  ancora  il  trattato  in  queatione,  il  quäle 
e,  per  importanza,  di  gran  langa  snperiore  a  tntti  gli  altri  che  il  sommo 
filosofo  difttese  per  nso  dei  snoi  Scolari,  lasci  ragioneyolmente  snpporre  un 
ingegno  piii  maturo  d'anni,  pure  non  mancano  argomenti  per  tenerla  esatta, 
0  per  meglio  dire  non  mancayano  prima  che  il  manoscritto  inedito  e 
sconosciato,  il  qaale  porge  argomento  alla  presente  notizia,  ayesse  con- 
triboito  a  recare  nnoya  luce  anche  a  questo  proposito. 

n  troyare  infatti  che  in  qnalche  trattato  di  fortificazioni  del  tempo  ^) 


1)  FasH  Oomolari  deü*  Äccademia  Fiorentina  di  Salyino  Salvibi  Consolo 
della  medesima  e  Bettore  generale  dello  Stadio  di  Firense,  eco.  In  Firenze, 
M.DCCXyiL  Nella  stamperia  di  8.  A.  B.  per  Gio.  Gastano  Tabtoti  e  Samti 
FiAHcm,  pag.  406. 

2)  Biblioteca  Nazionale  di  Firenze.  —  Manoscritti  Galileiani.  Parte  I.  Tomo  I, 
car.  85  tergo, 

8)  DeOe  farHßeationi  di  Bcohaxüto  Lount  nobile  fiorentino.  Libro  Qainto. 
Boffe  eon  faeüissime  äimostrcUiani  m  dkhiarano  le  Sciewse  deUe  Meceaniehe  e  la 
praUta  di  fabbricare,  c<m  le  piu  certe  regole,  diverei  etnmmti  e  maethine  per 
dzare  eon  poea  forga  grandimmi  peei.  —  iS  queeto  il  titolo  speciale  del  libro,  il 
qnale  occapa  le  pag.  196— 24S  dell*  opera  intitolata:  Le  forUfiotUioni  di  Buonaiuto 
Loim,  nobüe  fiorentino*  Nuovamente  riatampate,  corrette  et  ampliate  di  tatto 
qnello  che  mancaya  per  la  lor  oompita  perfettione  con  Taggionta  del  sesto 
libro,  ece.  In  Venetia,  M.DGJX,  presse  Fbamcbsco  Bampazzbtto.  —  11  PoaoiALi 
attriboisce  la  prima  edizione  di  qnest*  opera  all'  anno  1696,  ed  il  Bicmjardi 
8l  1597. 


?• 


100 


Antonio  Favn 


sono  comprese  le  mecccmiche  come  parte  iutegi'ant«,  si  gindic^  potesse  i 
Tocarsi  come  dounmento  in  appoggio  della  surriferita  asserüoae-  avcndo  n 
nltrevolte  indotto  che,  appunto  nell'  anno  suolastico  1593—93,  Gai.iu 
iiiaegnö  pnbblicamente  le  fortifica/.ioni,*)  ed  esistendo  nella  Biblioteca  J 
brosiana  di  Milane  un  codice  coutenente  od  compendio  di  taie  mat«ria  o 
la  data  del   25  raaggio   1593.*) 

A  qnesto  proposito  TOgliaiiio  ancora  ricordare  come  fra  i  vi 
menti  delte  pubbliche  lettnre  di  Galilijo,  registratl  nei  Rotoli  delV 
versitä  Ari.iäta  dello  Studio  di  I'adova,  i  quali  pervenuero  fim 
troviamo  indicate  le  „Questioni  meccaniche  di  Aristotele"*);  m 
sarebbe  potuto  affermaie  ehe  del  trattato  al  quäle  accenna  il  Viviasi,  i 
che  dopo  la  prima  pabblicazioue  del  Dangsi  fu  ristarapato  in  tutte  le 
edizioni  delle  opere  di  Galileo,  egli  usasse  nel  pubblico  iDsegnamento, 
raentre  invece  h  certo  che  se  ne  servi  per  quello  privato ,  e  potressimo 
anehe  citare  nomi  di  Scolari  che  udirono  da  CJaltleo  private  leiioni  io- 
tiOrno  a  ijuesti  argomenti,  e  che  da  lui  ebbero  copia  della  scrittura. ') 
Anzi,  con  tutta  probabilitü  appariengono  a  (jnesta  provenienza  alcani  degli 
esemplari  manoscritti  che  di  tale  scrittura  ci  furono  conseiTati,  e  dei  ijuali 
ci  siamo  serviti  per  la  ristampa  del  trattato   aella  EdisioDe  Naziouale.") 


4)  Gai.ii.eo  Galilki  e  lo  Studio  di  Faäora  per  Abtokiu  FAViso.  Vol.  I.  Fireo«, 
SQCcesBOri  Lt  Monhoer,  1863,  pag.  1T3. 

ö)  Mb«.  D.  3'28  Far.  Inf.  „Brere  trattato  del  Sr.  Galileo  Gald.ei  lettor  di  Mathem. 
nello  Studio  di  Padova,  doTB  per  via  di  compendio  insegna  il  ntodo  di  fortificar 
le  citta,  et  d'eapugnnrle.  Diviao  in  due  parti;  25  maggio  1593."  C(r.  Le  Opert 
di  Galileo  Galilei.  Edizione  Nationale  sotto  gli  auspicii  di  S.  H.  il  Re  d'Italia. 
Toi.  II.  Firenie,  tip.  di  6.  BARiiiutA,  1S91,  p.  9.  —  I!  Drisewater  {The  life  of 
Gaulro  Galilei,  «titA  iUuntrations  of  the  advatuxtiiettt  of  experimenlal  philowpliy. 
MDCCCXXIX.  London,  ptinted  by  Williau  CLon'se,  p.  76)  lo  dice,  ma  non 
Haprenino  invero  con  quäl  foDdamento,  „publighed  in  löBi." 

6)  Archivio  Unireraitario  di  Padoya.  —  Hotuli  Artistarum.  Pars  Prior. 
152U~1739,  pac.  43  Urgo:  „Ad  Mathematicatn.  —  Eic.  D.  Galu.kus  Oalh.xl-s  Flo- 
rcntioua.  —  Leg.  Elclidi»  Element»  et  Mecbanicaa  AswTotRLia  Quaeationea,  hora 
t«rlia  pomeridiana." 

7)  Porgono  in  tale  argomento  graudisBimo  ainto  e  preziosi  elementi  i  ricordi 
antografi  di  Galilko,  nei  quali  trovaaai  regiatrati  i  provonti  del  suo  pcivalo  in- 
Begnamento.  Cfr.  Oalilki>  Galilei  e  lo  Studio  di  Patiova  per  Antonio  Favaho. 
Vol.  II.     Firenze,  Sncce&sori  Lk  Mumbikr,  18»3.  pag.  194—195. 

8)  Le  Opere  di  Galilk»  Galilri.  Edizioae  Nazionale  aotto  gli  auspicii  di 
S.  M.  il  Ee  d'Italia.  Vol.  n.  Firenae,  tip.  di  G,  BAaufeRA,  1891,  p.  155— IM.  — 
Kell'  Awertimento  premeaao  alla  riproduzione  della  acrittura  aooo  citati  dieci 
manoBcritti  di  essa,  nesauno  dei  qaali  per<>  reea  data  dt  lorte  aicuna.  Due  di 
queati  codici  appartengono  alla  Biblioteca  Naiionale  di  Farigi,  ad  il  Sig! 
C.  Henht   nel   porgerne  noÜKia  »crive  (GAt.n.ßK 


*  *  . 


Intomo  ad  an  inedito  e  soonosciuto  Tiidlat6  *di  Jleccaniche  di  Galileo  Galilei.   101 

•  •    • 
Che  tale  trattato  dal  resto  sia  stato '  vejrAntoiite  composto  da  Galileo 

e  per   aso   dei  suoi  discepoli  nel  tempo   delU  sUa :  l^ttura  di  Fadova,  lo 

afferma  egli  stesso  nei  D^iäloghi  deUe  Nuave  Scienee/^ti^t^ndo:  „mi  fa  qui 

mestieri  esplicare  qnello   che  in  an  antico   trattato  di-meccsniche,  scritto 

gia  in  Padoya  dal  nostro  Accademico  sol   per  uso   de'  suöi  ^IsCopoli,  fa 

diffasamente  e  concladentemente  dimostrato  in  occasione  di  coüsiäArare  la 

ongine  e  natara  del  maraviglioso  stmmento  della  yite/'^)   Altra  mdnziQfie; 

e  che  non  vogliamo  passare  sotto  silenzio,  e  qaella  contenata  nella  risposia 

ad  ana  lettera  di  G.  B.  Baliaki^  che  sotto  il  19  agosto  1639  gli  scriyeTa: 

„Rispetto    alla   forza  della   percossa,  se  avrö  tempo,   ne  faro  ricopiare  il 

discorso  che  h  registrato  nel  sno  trattato  delle  meccaniche  e  lo  mandero 

a  V.  8/'^^)    A  cai  Galileo:    „La  scrittara  intomo  alla  percossa  e  assola- 

tamente  mia,  fatta  gia  piii  di  qaarant'  anni  sono/'^^)     Ammesso  adonqae 

ehe  Tappendice  sia  coetanea  al  trattato,  o,  com'  h  pia  verosimile,  ad  esso 

posteriore I  Galileo,  con  tale  afifermazione  lo  farebbe   risalire  a  prima  del 

1599. 

Ua,  per  qoanto  fondamento  yoglia  par  riconoscersi  nelle  sorriferite  in- 

dozioni,  astrazion  fatta  dall'  approssimato  riferimento  teste  addotto  e  dalle 

noüzie    desonte    dagli    appanti    relatiyi   al   priyato    insegnamento    e    che, 

per  cih  che  conceme  le  meccaniche,  non  risalgono  oltre  il  1602,  nalla  di 


DocumenU  fwuoeaux  tirü  des  BiblioiMques  de  Paris,  [Memorie  della  Glasse  di 
scienze  morali,  storiche  e  filologiche  della  B.  Accademia  dei  Lincei.  Vol.  Y^, 
Sedüta  del  20  giugno  1880.]  Roma,  coi  tipi  del  Salviucci,  1880,  pag.  6):  „Ces 
mannBcritB  ont  Tint^rH  de  präsenter,  ä  c6tä  de  yariantes  corieuseB,  deux  dates 
qni  fixent  T^poque  de  la  composition  de  Touvrage:  an  commencement,  la  date 
da  10  f4vneT  1623,  ä  la  fin,  celle  da  10  mars  1628."  Ora  qaeste  date  potranno 
bensi  indicare  il  giorno  in  coi  fa  cominciata  e  qaello  in  cui  fa  compiata  la 
copia  di  ano  degli  esemplari,  poiche,  qaanto  al  secondo,  esso  reca  di  fronte  al 
Fine  la  data  „1627";  ma,  dopo  qaanto  yeniamo  esponendo  a  tale  proposito, 
Btimiamo  saperfluo  l'insistere  ^er  dimostrare  che  non  possono  menomamente 
riferini  al  tempo  in  cai  il  trattato  fa  da  Galileo  composto. 

9)  Lc  Opere  di  Galileo  Galilei.  Edizione  Nazionale  sotto  gli  aaspicü  di 
S.  M.  il  Be  dltalia.    Vol.  YIII.    Firenze,  tip.  di  G.  BABBisA,  1898,  pag.  216. 

10)  Le  Opere  di  Galileo  Galilei.  Prima  edizione  completa,  ecc.  Tomo  X. 
Firenze,  1853,  p.  362.  —  Nei  Manoscritti  Galileiani  della  Biblioteca  Nazionale  di 
Firenze,  e  precisamente  a  car.  98  e  seg.  del  Tomo  V  della  Parte  Y,  h  contenata 
qoeita  copia  fatta  di  pagno  del  Baliari,  sal  tergo  della  qaale  si  legge:  „Della 
psrcoua,  discorso  mio  primo  ed  antico**  fatto  scriyere  da  Galilbo  ormai  cieco. 

11)  Nötigte  8U  la  festa  centenaria  di  Galileo  Galilei  ceUbrcUa  a  Pisa  U 
t8  fMraio  1864  coli'  aggiunta  di  alcune  lettere  inedite  di  Galileo  possedute  dälla 
BitHi^^eea  Nazionale  di  Müano  e  per  la  prima  volta  ülustrate  da  Giuseppe  Sacciu. 
Milane,  tip.  di  Dom.  Salvi  e  C*>.  1864,  pag.  41. 


•  - 


102  Antonie  Fuvaro: 

•*  •      • 

.  •"•  :•*' 

preciso  e  di  sicoro  si  sap€fTa'':fizmra  intomo   al  tempo  nel  qnale  Gaijleo 
si  occnpö  delle  meccamclje  A  stese  intomo  ad  esse  nna  scrittora. 

Ora,    nell'   spfäti\  Sei   corrente    anno  1898,  a  mezzo  dell'  egregio  e 

•       %    *»  * 
carissimo  mia  antied  amico,  il  prof.  Sigishondo  Günther  della  Scacla  poli 

tecnica  dKVojiaco,  il  sigr.  Dottore  Cornelio  Will,  Gonsigliere  ed  Archi- 

vista  *dr.5.*  A.  il  Principe  di  Thubn-Ta2is,  mi  feoe  sapere,  essergli  aTrenuto 

/di  '^pam  la  mano  sopra  an  fondo  di  manoscritti  italiani,  in  imo  dei  quali 

/.  ^itrovava  nna  scrittora  attribuita  a  Galileo,  ed  offirendomi  di  invianneli 

*  a£6nch&  io   potessi    prenderii  in  esame.    Aocettata  con  animo  graüssimo  k 

generosa  offerta,  ho  potnto  esaminare  con  mio  pienissimo  agio  i  suaceennati 

manoscritti   italiani,  depositati  proyyisoriamente  presso  la  Biblioteca  üni- 

yersitaria  di  Padova,  e  di  tale  esame  riferiri  qoi  sommariamente  il  risnltato 

per  ci6  che  conceme  le  cose  galileiane  in  essi  rinyennte. 

Cominciero  pertanto  dal  riferire  che  tra  quelle  carte,  in  nn  mano- 
scritto  miscellaneo,  e  precisamente  a  car.  220  recto  —  235  tergo^  rinTemii 
an  naoYO  esemplare  del  trattato  Delle  Meccaniche  di  Galileo,  ma  privo 
del  nome  di  aatore,  recando  esso  soltanto  il  titolo  della  scrittora  nei 
termini  seguenti:  „Delle  utilitit  che  si  traggono  dalla  scienza  mecchanica 
et  saoi  stmmenti/^  ^  copia  di  mano  tra  la  fine  del  secolo  XVI  ed  il 
principio  del  XVll,  piattosto  scorretta  e  con  molte  varianti  tanto  nel  testo 
quanto  nelle  figore,  pero  di  nessana  importanza  quanto  al  contesto.  In 
tale  manoscritto  non  h  contenata  integra  la  scrittora  galileiana,  la  qnale 
finisce  in  tronco  circa  ad  on  terzo  del  capitolo  relativo  aUa  yite.^ 

Un  altrd  manoscritto  di  qoesto  medesimo  fondo,  il  qoale,  oome  mi 
apprese  ona  gentile  comonioazione  dello  stesso  gentiüssimo  signor  Do^re 
Will,  venne  yerosimilmente  portato  in  Germania  dal  Principe  EiuiANTfo 
DI  FÜRSTEKBERO,  gia  scolaro  del  P.  Atanasio  Eircher  in  Borna  nel  1646, 
e  pervenne  poi  nella  sede  attoale  in  segoito  alle  olteriori  relazioni  di 
parentela  della  Casa  principesca  dei  Fürstenbbrg  con  i  Principi  di  Thubk- 
Taxis,  mi  serbava  ben  altra  e  maggiore  sorpresa. 

II  manoscritA  misora  mm.  276  X  mm.  209,  e  composto  di  14  carte 
scritte  di  mano  della  prima  meta  del  secolo  XYII  ed  e  intitolato:  „Delle 
Meccaniche  lette  in  Padova  dal  s'.  Galileo  Galilei  Tanno  1594."^')  Esso 


12)  E  precisamente  con  la  parola  „ugaali**  a  metä  della  lin.  19  öella 
pag.  181  nel  Vol.  n  della  Edizione  Nazionale. 

13)  Notiamo  come  questa  data  ,,1594*^  venga  a  confermare  mirabümesU} 
rasserzione  snrriferita  del  Viyiahi  e  da  lui  aggiunta  in  ona  nota  al  suo  citato 
layoro,  eBsendo  sommamente  probabile  che  se  Gaxjlso  lesse  solle  Mecoanicbe 
Tanno  1594,  cio^  nell*  anno  scolastico  1693 — 94,  ayrä  preparate  le  rdative  lesioni 
appunto  nel  1593. 


Intomo  ad  tm  inedito  e  sconoaeinto  Trattaio  di  MeccanicBe  di  Galileo  Galilei.   103 

apparisoe  completo  ed  alla  fine  vi  si  legge,  scritta  della  stessa  mano,  la 
segaente  annotaadone:  „Biscontrate  in  Borna  apreeso  Mons^  Ciampoli  il  di 
della  Catedra  di  S.  Pieiro  di  Antiooliia  aUi  22  febraro  1627/' 

Ora,  poiche  e  ben  noto  che  Monsignore  OiovAioin  Ciampoli  fu  scolaro 
di  Galilbo  in  Padova  e  gli  fd  poi  sempre  amico  affezionato  e  devoto, 
tanto  anzi  da  perdere  per  amor  sno  la  eocelsa  ponzione  che  oconpaya  aUa 
Corte  Pontifieia,  h  onedibile  che,  o  prima  o  poi,  egli  abbia  avnto  da  Gauleo 
stesao  la  scrittora  snlia  qnale  Tenne  esemplata  la  copia  presentemente  nell' 
Adiivio  di  8.  A.  il  Principe  Thuriv-Tazib;  e  che  ad  ogni  modo,  se  Mdü- 
signore  dAMPOU  lasdaya  che  alizi  ne  riecontrasse  snl  sno  esemplare  nna 
copia,  era  ben  certo  dell'  antenticita  della  scrittnora  da  Itd  posseduta. 
D'altronde  i  caratteri  estend  del  manosoritto,  e  le  stesse  notizie  che  si  hanno 
circa  Facquisto  di  easo  da  parte  dell'  attnale  proprietario,  non  permettono 
alcon  dnbbio  intomo  alla  aQtentioit&  della  acriitnra,  la  qnale  — *  e  qtd 
ToleYamo  venirne  —  non  e  per  nnlla  afiEatto  nn  nnovo  esemplare  della 
scrittora  galüeiana,  gia  nota  ed  alle  stampe,  sulle  meccaniche,  ma  da  essa 
fomialmente  diyersa. 

n  oriterio  generale  che  noi  ci  siamo  formati  dei  rapporti,  nei  quaU  la 
nnoya  e  finora  soonosdata  scrittnra  sta  rispetto  all'  altra  gia  ben  nota, 
consiste  in  cii>  che  essa  rappresenti  nna  prima  stesura  del  irattato,  la 
qnale  servi  a  Oalilbo  per  il  pabblico  insegnamento,  e  fors'  anco  soltanto 
nna  Serie  ordinata  di  appnnti  personali  che  doTevano  serrirgli  di  gnida 
per  le  pobbliche  lezioni,  e  che  egli  poi  ampli6  e  perfezion^,  dandori  forma 
di  Tero  ed  organico  trattato  scientifico,  del  qnale  nso  tanto  per  l'in* 
segnamento  privato,  qnanto  per  rilaseiame  copia  ai  sooi  pri?ati  uditori. 

£  questo  ci  semlnra  si  rileri  anzitutto  dalla  introduzione,  la  qnale, 
mentre  nel  trattato  gia  noto  ha  foima  ragionata  di  chiara  e  diffdsa  tratta- 
sione  sdentifica,  in  qnesV  altra  scrittora  si  ridnce  alle  poche  linee  generali 
segaenti: 

„La  scienza  delle  Meccaniche  e  qnella  feusnlta  la  quäle  ci  insegna  le 
ragioni  e  ci  rende  le  cause  de  gli  effetti  miracolosi  che  vegghiamo  farsi 
con  diyersi  istrumenti,  ora  col  mubvere  ed  alzare  pesi  grandisslmi  con 
pocbissima  forza,  e  volendo  noi  di  presente  discorrere  intomo  a  questa 
materia,  per  procedere  ordinatamente  cominceremo  a  speculare  la  natura 
de  i  primi  e  piu  semplici  istrumenti,  a  i  quali  gli  altri  si  reducano  o 
d'essi  si  compongano,  e  son  detti  primi  istrumenti  di  numero  5,  cioe  la 
lieva,  Targano,  la  taglia,  la  yite  ed  il  conio,  o  la  forza  della  percossa,  i 
quali  tntti  si  riducano  ancora  d'nn  certo  modo  d'un  solo,  cioe  alla  libra 
0  Tero  bilancia:  per6  fa  dimestiero  intendere  e  possedere  benissimo  la 
natura  deUa  libra,  la  quäle  c4ngengneremo  dichiarare  al  presente " 


104  Antonio  Fay aro :  Int.  ad  un  ined.  e  scon.  Tratt.  di  Meccaniche  di  Gal.  Galilei 

E  qui  imprende  a  trattare  dei  varii  argomenti  enunciati,  ayendo  in 
mira  di  dimostrare  il  principio  generale  che  ,4a  forza,  il  peso  e  la  distania, 
come  anco  il  tempo,  servono  la  medesima  proporzione/*  La  esposinone 
pero  non  ha  luogo  neU'  oidine  medesimo  nel  qnale  i  varii  argomenti  sono 
annunziati  nella  introduzione,  ed  una  inesattezza  nella  nmnerazione  dei 
capitoli  lascia  sapporre  che  questo  sia  da  impntarsi  ad  un  disordine  dei 
manoscritto  dal  quäle  la  copia  venne  esemplata;  rispetto  alla  quäle  dob- 
biamo  ancora  aggiungere  che,  se  il  riscontro,  il  quäle  si  afferma  essere 
stato  fatto,  fu  esatto,  anche  Toriginale  posseduto  dal  Ciampoli  era  piuttosto 
scorretto,  trovandosi  numerosi  trascorsi  di  penna,  i  quali  sono  certamente 
da  attribuirsi  all'  amanuense. 

Del  testo  dei  trattato  gia  noto  noi  troviamo  in  quesf  altra  scrittnn 
un  capitolo  esattamente  conforme,  ed  h  quelle  che  nel  primo  ha  il  titolo 
„Della  coclea  d'ÄRCHiMEDE  per  levar  Tacqua'^^^)  noientre  nel  secondo  e  in- 
titolato  erroneamente  „Della  yite^';  e  diciamo  erroneamente,  non  foss'  al^ 
perch^  tale  titolo  ripete  quelle  dei  capitolo  precedente. 

Sarebbe  qui,  a  parer  nostro,  affatto  fuori  di  luogo  una  minuta  analisi 
della  singole  differenze  tra  le  due  scritture,  analisi  dei  resto  la  qnale, 
quanto  al  divario  caratteristico  che  fra  esse  corre,  condurrebbe  alla  con- 
chiusione  superiormente  esposta;  soltanto  porremo  in  evidenza  che  la  scrit- 
tura  teste  scoperta  presenta  due  capitoli  in  piii,  Tuno  che  tratta  „Delli 
strumenti  composti"  e  Taltro  „Della  vite  perpetua'^  e  che,  finalmente,  come 
h  gia  risultato  dalla  introduzione,  il  capitolo  ultimo  relativo  alla  fom 
della  percossa  tro verebbe  con  maggiore  evidenza  la  sua  ragione  di  essere, 
conoie  concemente  uno  dei  „piu  semplici  istrumenti'\  cioe  il  „conio^S 

Pill  esatti  e  minuti  particolari  intomo  alle  differenze  tra  le  due  scrit- 
ture relative  agli  stessi  argomenti  saranno  posti  in  evidenza  daUa  pubbÜ- 
cazione  che  al  piu  presto  ci  proponiamo  di  fare  dei  trattato,  l'esistenza  dei 
quäle  viene  qui  per  la  prima  volta  rivelata  agli  studiosi. 


14)  Xe  Opere  di  Galileo  Galilei.    Edizione  Nazionale  sotto  gli  aaspicü  di 
S.  M.  il  Be  d^Italia.   Vol.  II.   Firenze,  tip.  di  G.  Babb^ba,  1891,  pag  186—187. 


2miyi 


ZUB  GESCHICHTE 

DER  LÄNGENBE8TIMMÜNG  ZUR  SEE. 


VON 


EUGEN  OELdCH, 

KAI8BRL.   KÖNIGL.    HEOIEBÜNOSHAT   IK   THIB8T. 


I. 

-Die   Geschichte  des  sogenannten  Problems  der  Meereslilnge   ist  zwar 
schon  oft  und  verschiedenartig,  doch  noch  immer  nicht  mit  jener  Gründ- 
lichkeit besprochen  und  untersucht  worden,  welche  einer  Aufgabe  zukommt, 
die  Seelenten,  Gelehrten  und  Kfinstlem  Jahrhunderte  lang  so  viel  zu  schaffen 
gab.    Insbesondere  schildern  die  einschlftgigen  Monographien  (denn  ein  yoU- 
stUndiges,  die  Geschichte  der  Nautik  behandelndes  Werk  fehlt  bekanntlich 
noch  immer)  die  Mühen  nicht,  welchen  sich  die  Seeleute  unterwarfen,  um 
aus  der  Beobachtung  von  Monddistanzen  möglichst  genaue  Längen  zu  er- 
halten.    In    dieser  Beziehung   müssen   wir   so  manchen  unserer  Vorfahren 
geradezu  Bewunderung  zollen  und  wir  können  uns  heute  gar  keinen  Begriff 
mehr  von  dem  Fleifse  machen,  der  im  vergangenen  und  zu  Beginn  noch 
unseres  Jahrhundertes  auf  die  Berechnung   von  Monddistanzen    verwendet 
wurde,     um  nur  einige  Beispiele  hierüber  anzuführen,    sei   zunächst   der 
Admiral   Ebusbnstbbn    genannt,    der    von    seinen     Schif^of&zieren    nicht 
weniger  als  1028  Monddistanzen  beobachten  xmd  berechnen  liefs,   um  die 
Lage  eines  Punktes  bei  Kangasaki  möglichst  genau   zu  erhalten.     Jacob 
Cook   leistete    auf  seinen  Weltreisen  ebenfalls  grofsartiges.    Für  die  Be- 
stimmung der  Länge  von  Ship-Cove  im  Charlotten  Sund  auf  Neuseeland 
wurden  unter  seiner  Leitung  103  Reihen,  jede  Beihe  zu  6  Monddistanzeu) 
beobachtet     Die   Länge   von  Tongatabu  (Frenndschafteinseln)    wurde    aus 
1000  Monddistanzen,  jene  des  Cap  Finisterre  aus  42  Reihen,  die  Länge 
des  Peter-  und  Paulshafen  aus   146  Reihen   ermittelt  u«  s.  w.     Selbst  die 
Pelzhändler,    welche   die   N.  W.  Küsten  Amerikas   für   Handelszwecke   er^ 
forschten,  begnügten  sich  selten  mit  Gruppen  von  weniger  als  20  Mond- 
distanzen. 

Man  sollte  nun  glauben,  dafs  derartig  umfangreiche  Beobachtungen 
die  jeweiligen  Beobachtongsfehler  eliminierten  und  dafs  die  ermittelten 
Längen  sdemlich  genau  ausfielen.  Erübrigende  Differenzen  wären  dann  der 
ünvollständigkeit  der  damaligen  Tafehi  und  der  für  die  Berechnung  der- 
selben benützten  astronomischen  GmndgröDsen  zuzuschreiben. 

Verfasser  dieser  Zeilen  hat  nun  eine  Analyse  der  CooK*schen  Be« 
obtchtungen  versndbit,  allein  man  stöfst  bei  derselben  auf  Hindernisse,  die 


108  Eugen  Gelcich: 

vorläufig  gar  nicht  zu  überwinden  sind.  Während  nämlich  manchmal  die 
CooK^schen  Längen  mit  den  heutigen  vorzüglich  übereinstimmen,  ergeben 
sich  andere  Male  so  beträchtliche  Differenzen,  dafs  diese  WechselföUe  in 
keiner  Weise,  in  Zusammenhang  zu  bringen  sind.  Man  muls  vielmehr  zu 
dem  Schlüsse  kommen,  dals  so  mancher  Punkt  im  Grofsen  Ozean  noch  immer 
auf  Grund  älteren  Beobachtungsmateriales  eingetragen  wird.  Man  kSnnte 
zwar  zu  den  Breitenbestimmungen  als  Kontrolle  greifen,  aber  auch  hier 
wiederholt  sich  dieselbe  Erscheinung,  nämlich  manchmal  beträchtliche  Ab- 
weichungen, manchmal  vorzügliche  Übereinstimmung.  Betrachtet  man  einige 
der  in  Europa  und  auf  den  Atlantischen  Inseln  von  Cook  ausgefährteo 
Bestimmungen^  so  hat  man  folgende  Beispiele: 

St.  Agnes  auf  Scilly,  Breite  nach  Cook  49®  53'  30",  nach  Domcke's 
Tafeln  49®  49'  — 

Pick  von  Teneriffa  nach  Cook  28®  18',  nach  Domcke  28®  16'  — 

Nordspitze  von  Bonavista  Cook  16®  17',  Domckb  16®  13'. 

Im  Durchschnitt  und  in  runder  Zahl  sind  die  CooK'schen  Breiten 
um  3'  zu  grofs;  wenn  also  diese  Breiten  aus  Meridianhöhen  und  mit  den- 
selben Instrumenten  ermittelt  wurden,  mit  welchen  man  auch  die  Mond- 
distanzen  beobachtete,  so  wäre  der  mögliche  Fehler  der  letzteren  infolge 
des  wahrscheinlichen  Instrumentenfehlers  circa  iVg®.  ungefähr  derselbe 
Fehler  in  der  Breite  ergiebt  sich  bei  Karakahua  (Cook  19®  29',  neuere 
englische  Seekarten  19®  25').  Dagegen  ergiebt  die  CooK'sche  Breite  von 
Tongatabu  (21®  8')  einen  Fehler  von  20',  gegenüber  der  Angabe  der 
neueren  englischen  Seekarten  (21®  30')  und  die  CooK'sche  Breite  von 
Waimoa  (21®  56'  15")  ist  um  fast  18'  gröfser  als  jene,  welche  in  den 
Tafeln  von  Domcke  (21®  38')  enthalten  ist.  Andere  Male  ist  die  Über- 
einstimmung beider  Coordioaten  eine  zu  auffällige,  wie  z.  B.: 

Christiners  Insel  nach  Cook  Br.  1®  59',  Länge  202®  30',  nach  den 
englischen  Karten  1®  59';  202®  30' 

Karakahua  nach  Cook  19®  29';  204®  — ^  nach  den  englischen  Karten 
19®  25';  204®. 

Peter-  und  Paulshafen  nach  Cook  53®;  158®  43'  16",  nach  Domcke 
53®  1';  158®  40-3'. 

Es  ist  somit  höchst  wahrscheinlich,  dafs  Christiners  Insel  und  Karakahua 
noch  immer  nach  den  Angaben  Cook's  eingetragen  werden. 

Cook  hatte  auf  seiner  dritten  Reise  auch  einen  Chronometer  von 
KENDAiiL  mit,  dessen  Stand  und  Gang  in  Greenwich  bestimmt  worden 
war.  Der  Stand  am  11.  Mai  1776  betrug  +  3"  31-890',  der  tägliche 
Gang  -|-  1*209".  Die  Kontrolle  des  Ganges  erfolgte  einige  Male  während 
der  Beise,  leider  sind  in  der  FoRSTER'schen  Ausgabe  der  CooK'schen  Beisen 


Zar  Geschichte  der  Längenbestimmung  zur  See.  109 

die  nenbestimmten  Gänge  nicht  angegeben,  dafCLr  wurden  einigemale  die 
Resultate  der  Länge  so  angeführt,  wie  sie  sich  mit  dem  ursprünglichen 
und  mit  dem  im  letzten  Hafen  ermittelten  Oange  ergaben. 

Sei  es  nun,  dafs  man  die  Chronometerlängen  mit  den  neueren  An- 
gaben, oder  mit  den  von  Cook  aus  Monddistanzen  ermittelten,  oder  die 
mit  dem  ursprünglichen  und  mit  dem  zuletzt  ermittelten  Gang  berechneten 
Längen  untereinander  vergleicht,  eine  SchluTsfassung  wird  abermals  durch 
die  sehr  abweichenden  Differenzen  ungemein  erschwert.  Im  Atlantischen 
Ozean  ergab  nämlich  das  Chronometer  zumeist  eine  westliche  Versetzung 
zuerst  von  5  bis  6',  die  später  bis  zu  22'  heransteigt. 

Im  weiteren  Verlauf  der  Beisebeschreibung  finden  wir  folgende  An- 
gaben: 

Länge  von  Ship  Cove: 

Mit  dem  ursprünglichen  Gang  175<>  26'  30' 

Mit  dem  am  Cap  bestimmten  Gang  174^  56'  12' 


\'f 


k/' 


Differenz             30' 

18" 

Waimoa: 

Mit  dem  ursprünglichen  Gang                       202®  — 

Mit  dem  Gang  aus  Ulietea                           200®  21' 

Differenz        1®  39' 

Karakahua: 

Mit  dem  ursprünglichen  Gang                       204®     7' 

15" 

Nach  den  Beobachtungen  auf  Unalaschka  203®  37' 

22" 

Differenz    —     29'  53" 

Können  aber  die  während  der  Beise  erfolgten  Eontrollen  des  Ganges 
Anhaltspunkte  für  die  Diskussion  liefern?  Wohl  auch  nicht,  da  zu  Cook's 
Zeiten  die  Längen  von  Ulietea  und  Unalaschka  gewifs  nur  sehr  beiläufig 
bekannt  waren,  und  somit  eine  genaue  Bestimmung  des  Uhrstandes  gegen 
Greenwich  gar  nicht  zuHefsen. 

Dies  aUes  lälst  erkennen,  mit  welchen  Schwierigkeiten  die  Seeleute  in 
der  vorchronometrischen  Zeit  und  noch  in  den  ersten  Dezennien  nach  der 
Erfindung  des  Chronometers  bezüglich  einer  richtigen  Navigationsführung 
ZQ  kämpfen  hatten.  Die  Breite  blieb  immer  noch  das  einzige  Argument, 
worauf  man  sich  einigermafsen  verlassen  konnte. 

Man  bestimmte  allerdings  die  Länge  so  gut  als  möglich,  handelte  es 
sich  aber  um  das  Anlaufen  des  Landes,  so  bestimmte  man  mit  grofser 
Sorgfalt  die  Ankunftsbreite,  und  segelte  dann  im  Bestimmungsparallel  Ost- 
West,  bis  sich  das  Land  zeigte. 


110  Eugen  Qelcieh: 

II. 

Der  Mangel  eines  ausführlichen  Werkes  über  die  Gesehichte  der 
nautischen  Wissenschaft  hat  gar  oft  die  Folge  gehabt,  dafs  Methoden  und 
sogar  Instrumente,  welche  unsere  YorfiBLhren  schon  erfanden  und  erdachten. 
unter  anderen  Namen  in  unseren  Tagen  als  „Neuigkeiten^^  wieder  in  Vor- 
schlag kamen.  In  dieser  Beziehung  war  das  Wiedererscheinen  der  Methode 
und  der  Tafel  von  Elford  für  die  Reduktion  der  Monddistansen  als 
sogenannte  „Neger-Tafel"  im  Jahre  1881  deshalb  sonderbar  und  interessant, 
weil  doch  Weyer  kurze  Zeit  vorher  in  einer  Abhandlung  über  die  kürzeste 
Berechnungsart  der  Monddistanzen,  die  Methode  von  EiiFORD  eingehend  be- 
sprochen hatte,  ^)  und  weil  die  vermeintliche  „neue  Methode**  von  fast  allen 
nautischen  Zeitschriften  des  Kontinentes^)  wiedergegeben  wurde.  Sonderbar 
war  es  doch  auch,  dafis  das  „Hydrographie  Office"  in  London  „bj  order  of 
the  Lords  Commissionars  of  the  Admiraltj"  eine  „New  Method  of  Clearing 
the  Lunar  Distance**  von  G.  B.  Airy  im  Jahre  1881  veröffentlichte,  die 
schon  Legendre  1806  erdacht  hatte.')  Wenn  nun  so  grofse  Körperschaften^ 
als  z.  B.  die  Herausgeber  von  nautischen  Zeitschriften  oder  des  Hydrographie 
Office  der  englischen  Admiralität  in  bezug  auf  Geschichte  der  Nautik  s«"» 
sehr  irren,  so  darf  man  sich  nicht  wundem,  wenn  Ähnliches  einzelnen 
Autoren  passiert.  So  findet  man  z.  B.  in  Freeden's  Lehrbuch  der  Navi- 
gation (1864)  als  Methode  von  Dukthorn  folgende  angefahrt: 

1)      sin  vers  D  ==  sin  vers  {H —  li)  -|-  ♦»  [sin  vers  D^  —  sin  vers  (H^  —  h^] 

^x  cos  H  cos  h 

^  cos  JEij  cos  \ 

Nun  bildet  aber  die  voranstehende  Gleichung  eine  Methode  fär  sich  und  ist 
in  der  Geschichte  der  Nautik  als  Methode  von  Mackay  (1793)^)  bekannt. 
Wohl  entsteht  letztere  aus  der  DüNTHORN^schen  Gleichung:^) 

3)  cos  2)  ^  cos  (if  —  ä)  —  m  [cos  {H^  —  h^  —  cos  D^] 


1)  Annalen  der  Hydr.  und  marit.  Meteorologie.  1881,  S.  177. 

2)  Sbmioli,  Metodo  e  tavole  del  negrerio  Krauts,  in  Rivista  maritUma  18dl 
I  S.  539  ff.  —  PsTRO  SmcoLo,  Dimostrazione  di  un  nnovo  metodo  per  la  determina- 
zione  delle  distanze  InDari.  A.  a.  0.  11  608  ff.  —  Dubois,  Tables  dn  n^grier  in 
Revue  marit.  et  colon.  Bd.  69.  8.  249  ff.  —  B.  .  .  Die  Neger-Tafehi  in  Mitth.  ans 
dem  Geb.  des  Seewesens.  Bd.  IX  8.  621.  ~  Endlich  war  ein  Aufsats  über  diesen 
Gegenstand  auch  in  der  Hcmsa  enthalten. 

3)  Annalen  der  Hjdr.  und  marit.  Meteor.  1882  S.  844  ff. 

4)  Andsbw  Mackay,  The  Theorie  and  practise  of  finding  the  longitude. 
London  1798. 

6)  Naut  Alman.  1767. 


Zur  Geschichte  der  Längenbestiminung  sur  See.  111 

einfach  dadurch,  dafs  man  3)  von  1  =  1  abzieht,  aber  es  besteht  in  der 
praktischen  Anwendung  der  beiden  Gleichungen  insofern  ein  wesentlicher 
Unterschied,  als  Mackat  die  Umformung  eigens  zu  dem  Zwecke  yomahm, 
um  den   Zeichenwechsel  bei  cos  D  far  D  >  90^  zu  yermeiden. 

Ein  ganz  neues,  soeben  erschienenes  nautisches  Werk,  bringt  die 
DuKTHORM^Bche  Gleichung  sogar  als  nicht  logarithmische  Methode 
von  Bremikeb.  Es  wird  nämlich  unter  dem  Titel  „Methode  von  Bremiker" 
die  Oleichnng  von  Dunthorn  abgeleitet,  und  sodann  gesetzt: 

H  —h   =tt 

^1  —  Äi  =  Ua 

m  cos  u«  =»  cos  u 

m  cos  l>i  =  cos  iX, 
woraus  folgt: 

cos  D  =  cos  w  -|-  cos  iX  —  cos  u. 

Das  bezügliche  Bechnungsbeispiel  sieht  dann  wie  folgt  aus: 

log  cos  IT  = 
log  sec  ITj  == 
log  cos  %  "» 
log  sec  Äj  -=» 


log  w   =  —  —   —  —  log  m  = 
log  cos  Ug  =  log  cos  Dl  = 


log  cos  u'  =  log  cos  D'  = 

nat.  cos  u  = 

nat.  cos  iX  = 

nat.  cos  u  — 


nat  cos  D   =» 
D   = 

Das  ist  augenscheinlich  die  Methode  von  Dunthorn,  die  im  Übrigen  auch 
in  allen,  oder  wenigstens  in  mehreren  Auflagen  von  Albrecht  und  Vierow's 
Navigation  so  steht. 


vvyoM/ 


DIE  ÖEOMETBIE  VON  LE  CLEBC  UND  OZONAM, 

EIN  ^ERESSANTES  MATHEMATISCHES  PLAGIAT 
AUS  DEM  ENDE  DES  XVII.  JAHRHUNDERTS. 


VON 


J.  H.  OBAF 

IN   BEBM. 


Alih.  s.  OMch.  d.  lUthani.    IX.  8 


1699  erschien  in  Bern: 

„Neue  Uebung  der  Feldmefs-Kunst.  So  wol  auff  dem  Papier  |  als  auff 
dem  Feld.  In  einer  neuen  Ordnung  und  besonderen  Manier  auffgesetzt. 
Von  Hrn.  Ozokam,  Professore  Matheseos.  Oder  Nouvdle  pratique  de  Ja 
Geometrie,  sur  le  papier  et  sur  Je  terrain,  Avec  un  nouvel  ordre,  et  u/ne 
methode  particuUere,  Far  Msr,  Ozonam,  Professeur  des  Mathematiques. 
A  Beme,  Bans  Vifif^mmerie  de  Leurs  ExeeUences.  Far  Andr£  Huguenet. 
1699."  — 

R.  WoLP*)  spricht  von  dem  Werklein  als  einer  ausserordentlichen 
Seltenheit;  das  Exemplar,  welches  ihm  zu  Gesichte  kam,  gehörte  Herrn 
Stadtgerichtspräsidenten  Escher  in  Zürich  und  war  1713  im  Besitz  des 
hanptsächlich  für  Bern  wichtigen  Ingenieurs  und  Kartographen  Johann 
Adam  Eiedigbr*)  (1680 — 1756),  der  von  1710—1717  in  Zürich  gelebt 
hat  Das  Werklein  ist  aber  doch  so  selten  nicht;  denn  ein  Exemplar 
ündet  sich  in  der  Stadtbibliothek  Bern  und  in  meinem  eigenen  Besitz  sind 
zwei  tadellose  Exemplare,  die  ich  nach  und  nach  antiquarisch  erworben 
habe.  Biese  Bemer  Ausgabe  ist  mir  sehr  aufgefallen  und  mufs  auffallen. 
Sie  zählt  187  S.  klein  8^  Text  deutsch  und  ftunzösisch,  sowie  9  S.  Register 
deutsch  und  französisch  und  handelt  zuerst:  Von  der  Feldmeüs-Kunst  ins- 
gemein. —  Von  ihrem  Ursprung.  —  Von  ihrer  Nutzbarkeit.  —  Anfang  der 
Geometrie.  —  Von  dem  Düpflein. —  Von  der  Linie. —  Von  dem  Winckel.  — 
Von  dem  üeberzug.")  —  Von  den  aus  geraden  Linien  bestehenden  Figuren.  — 
Von  den  vierseitigen  Figuren.  —  Von  den  krununen  Figuren.  —  Von  den 
vermischten  Figuren.  —  Von  den  regulierten  und  irregulierten  Figuren.  — 
Von  den  ungezweiffelten  Sprüchen/)  —  Von  den  Anforderungen,  welche  zu 
den  Verrichtungen  dienen. 

Dann  folgt:  S.  46 — 74.    Das  Erste  Buch.    Von  der  Beschreibung  der 
Lmien.  —  S.  76 — 108.     Das    Ander   Buch.     Von    der    Beschreibung    der 


1)  Zürcher  Vierteljahrschrift  XXX.    Notizen  zur  Eulturgesch.  Nr.  371. 

2)  Graf,  Gesch.  der  Math.  n.  Natnrw.  in  Bern.  Landen  III,  1.  Heft.  S.  63—84. 

3)  d.  h.  der  Fl&che. 

4)  d.  b.  Axiomata. 

8* 


116 


J.  H.  Graf! 


flachen  Fignren.  —  8.  110 — 140.  Das  Dritt  Buch.  Ton  der  BinBclireibiiiig 
der  Figrnren.  —  8.  142—162.  Das  Tierdt  Buch.  Von  der  Umschnibnog 
der  Figuren.  —  8.  164 — 186.  Das  Fönfft  Buch.  Von  den  Proportionierten 
Figuren. 

Was  das  Werk  aber  vor  Allem  interessant  macht,  sind  die  67  in  den 
Text  gedruckten  Kupfertafeln  Ton  90  mm  HShe  aaf  60  mm  Breite.  In 
allgemeinen  zeigt  jede  Tafel  in  der  oberen  Partie  die  zum  Test  notwendig 
planimetrische  Figur,  der  untere  Teil  hingegen  wird  gewShnlick  durch  clif 
Ausickt  einer  Landschaft,  einer  H&usergruppe  oder  einer  kriegerischen  Soeae 
oder  irgend  ein  Genrebildchen  ausgefällt;  davon  einige  Beispiele: 

Zur  Konstruktion  einer  Parallelen  zu  einer  gegebeneu  Geraden  findei 
sich  unten  eine  Duellscene  mit  4  Personen  and  Hintergrund. 

Zur  Konstruktion  eines  gleichseitigen  Dreiecks  sehen  wir  eine  hoUto- 


discfae  Kanatl&ndschaft  mit  einer  Festung  am  Ufer. 

Zur  Konstruktion:  Auff  eine  gegebene  Linie  ein  reguliertes  Viel"^ 


Die  Geometrie  von  Lo  Clerc  und  Oioimid, 


117 


wie  man  es  verlanget  j  zn  bescbreiben,  von  12  bifs  anff  34.  Seiten  findet 
sich  onten  eine  artilleristische  Scene,  die,  wie  ich  spKt«r  zeigen  werde, 
zur   £ntdeckiuig    des   Terfuaers   Yeranlassang   war,   n.  a.  w.     Alle   diese 


l'/f 


Vignetten  sind  anfserordentlich  fein  gestochen  und  verleihen  dem  Werl- 
lein  einen  eigenartigen  Beiz.  Diese  prachtvollen  Kupferstiche  erregten 
aber  auch  in  uns  schon  frühe  ein  gewisses  Milstrauen  gegen  den  Verfasser 
und  den  Drucker.  1889  äofserten  wir  uns  folgendermalsen:^)  „Es  ist  sehr 
■afmiig,  daTs,  trotzdem  das  Büchlein  in  Bern  bei  ändk^  Hudubhet  ge- 
eckt Bein  will,  sich  nirgends  eine  Spur  von  demselben  erwähnt  findet, 
während  sonst  damals  in  Bern  der  Druck  jedes  anderen  Buches   wohl  an- 


6)  QuM,  Gesch.  der  Math.  n.  Naturw.  UI,  1.  Heft.  S.  6.  7. 


118  J.  H.  Graf: 

gegeben  und  von  der  Censur  erlaubt  war.  Wenn  man  das  Büchlein  dnrdh 
blättert  und  den  feinen  Druck  bemerkt,  so  drängt  sieb  immer  der  Gedaab 
auf,  daÜ5  die  Angabe:  „Ä  Berne,  Dans  Viniprimerie  de  JLeurs  Excdlenceif 
eine  fictive  ist." 

Ich  sprach  damals  die  Vermutung  aus,  dafs  wir  ein  Büchlein  vor  um 
haben,  das  im  Interesse  des  bemischen  Offizierskorps,  von  welchen  ja  viele 
Mitglieder  ihre  militärische  Carriere  schon  dazumal  in  Holland  absolvierten 
abgefafst  worden  sei;  wenn  es  aber  in  Bern  verfafst  worden  wäre,  so  kSnnte 
nach  meiner  damaligen  Ansicht  nur  der  intelligente  Provisor  Jacob  Kuentzl 
der  damals  mit  Erfolg  in  Bern  in  Mathematik  unterrichtete,  der  Autor  sein. 
Die  Sache  liefs  mir  lange  Zeit  keine  Buhe  und  ein  Zufall   sollte  mir  auf 
die   Spur   verhelfen.     Anläfslich    meines    Besuches    der  Weltausstellung  in 
Paris  1889  bemerkte  mein  Schwager,  Herr  Treuthardt,  mit  dem  ich  sehr 
oft  über  das  OzoMAM'sche  Werk  sprach,  bei  einem  Antiquar  rue  Vaugiraid 
am   Schaufenster   ein   aufgeschlagenes  Büchlein,  wo  die  gleiche  Pigor  zu 
sehen  war  wie  jene   erwähnte,  mit   der  artilleristischen  Gruppe  zur  Kon- 
struktion des  12.  bis  24.  Seits.     Ich   erwarb  das  Buch  und  bei  genauerer 
Durchsicht    stellte    es    sich  heraus,   dafs  ich  das  Original  zu  dem   Bemer 
Büchlein    vor   mir  hatte.     Schon   der  Verfasser  ist  falsch  angegeben.    Es 
giebt  keinen  „Ozomam  professor  Matheseos*^,  sondern,  wie  allbekannt,  existierte 
ein   eifriger  mathematischer  Schriftsteller  Jacques  Ozanam  (1680 — 1717), 
ein  reicher  Privatmann  aus  ursprünglich  jüdischer  Familie,  der  Lehrer  der 
Mathematik  in  Lyon,  dann   in  Paris  und  auch  Mitglied  der  Akademie  der 
Wissenschaften  war.  Unter  seinen  zahlreichen  Werken,  die  in  Pogobndorf  II 
angegeben  sind,  findet  sich  allerdings  La  geoni^rie  prcUique  etc.  1684,  12^. 
ferner  gab  er  1691  Boulanger's  Geomäric  pratique  12®  heraus.    Das  vor- 
liegende Buch  hat  aber  mit  diesen  Werken  dieses  damals  beliebten  mathe- 
matischen Schriftstellers  gar  nichts  gemein.    Die  in  Bern  herausgekommene 
„Neue    Uebung    der    Feldmesskunst    etc.    oder    NouveUe    pratique    de    k 
(jeomctric^^   hat   als  Vorlage   das  von   mir   1889   in   Paris  gefundene   Werl 
mit  dem  Titel:     Pratique  de  la  Geometrie  sur  le  papier  et  sur  h  tcrrain. 
Ou  par  une  mähode  nouvelle  et  singtdicre  Von  pmt  avec  fadWe  et  en  peu 
de  fenips   se  perfectionner    en   cette   sclence.      Ä  Paris,   Sur   le  Quay   rfes 
Augustin^,  joignant  luporte  de  VEglise,  d  Vlinage  Nostre-Banie,  MDCLXXXIl 
Avec  pi'ivilege  du  Roy"     Der  Verfasser  ist  S.  Le  Clerc,  wie  er  sich  in 
Vorwoi-t   unterschreibt.     Sebastien  Le  Clerc   wurde  am  26.  IX.  1637  in 
Metz  geboren.     Sein  Vater,    der  105  Jahre    alt    wurde,   ein  Goldschmied, 
geschickter  Zeichner  und  Stecher,  scheint   sein   einziger  Lehrer  gewesen  zu 
sein.     Schon    12 jährig    soll    Sebastien    Le    Clerc    Aufserordentliches    im 
Zeichnen  geleistet  haben,  schon  7 jährig  habe  er  gelernt,  mit  den  Gravier- 


Die  Geometrie  yon  Le  Clerc  und  Ozonam.  1X9 

instnunenten  mnzngehen.  Gegen  1654,  also  17 jährig,  machte  er  11  Stücke: 
„Täbleaux  de  VinsHtuUon  des  Maihurins*'^  bis  1661  folgten  weitere  106  Stücke 
ans  der  Passion  Jssu-CHRiS'n,  dann  die  Tafeln  zu  dem  1664  in  Nancy 
erschienenen  sehr  seltenen  Band  ,Jje  triotnphe  de  Charles  IV^S  Le  Clerc 
war  auch  sehr  erfahren  in  der  Befestignngskanst  und  wurde  Ingömeur- 
(i€Ogr<Bphe  beim  Marschall  de  la  Ferti^.  In  dieser  Eigenschaft  machte  er 
die  Pläne  der  meisten  festen  Plätze  von  Messin  und  dem  Gebiet  von  Yerdun. 
Als  er  erfuhr,  dafs  der  Phm  von  Marsal  unter  einem  andern  Autor  als 
seinem  Namen  erschienen  sei,  verliefs  er  sein  Amt  und  kam  1665  nach 
Paris,  um  eine  Stelle  im  Genie-Korps  zu  erhalten.  Durch  die  Bekannt- 
schaft mit  dem  Maler  Ch.  Le  Brun  wurde  er  aber  hiervon  abspenstig 
gemacht  und  der  Oravierkunst  erhalten.  Er  publizierte  in  Paris  zuerst  das 
oben  genannte  Werk:  La  Pratique  de  la  geomärie,  Paris  1669  in  12^,  das 
er  mit  82,  später  mit  99  hübschen  Figuren  versah,  und  womit  er  einen 
grolsen  Erfolg  hatte.  Colbert  liefs  ihm  1669  eine  Wohnung  in  der  Ecole 
des  Gobelins  anweisen  und  verschaffte  ihm  eine  Pension  von  600  Thalem. 
Hier  gab  er  mit  Le  Brun  die  Tapisseries  du  Bm  1670  heraus;  1672  wurde 
Le  Clerc  einstimmig  Mitglied  der  Academie  Boycde  de  Peinture,  1690 
Graveur  du  Rai  und  Professor  der  Perspektive,  welche  Funktion  er  bis  1699 
behielt  1706  wurde  er  Chevalier  ramam.  Er  starb  den  25.  Oktober  1714 
in  Paris  und  noch  in  seinem  Todesjahr  erschien  sein  Tratte  d'ardiUecture, 
2  Bde.  in  4^  mit  184  Platten,  ein  Werk,  welches  Peter  der  Grosse  ins 
Russische  übersetzen  liels. 

Er  war  ein  überaus  fleilsiger  Stecher,  bei  BOOO  Stücke  und  zwar 
meist  seiner  eigenen  Erfindung  sind  ihm  zu  verdanken.  Er  liebte  seine 
Kunst  und  zeigte  in  allen  seinen  Arbeiten  eine  bewunderungswürdige  Ge- 
nauigkeit der  Zeichnung  und  Feinheit  der  Ausführung.  Er  liebte  es  gerade 
so  kleine  Bildchen  zu  machen,  wie  sein  Büchlein  sie  zeigt.  Mariette 
feiert  ihn  in  seinem  Eloge  als  den  berühmtesten  Stecher  seiner  Zeit,  der 
es  verstanden  habe,  seine  Kenntnisse  weit  über  das  gewöhnliche  Mafs  hin- 
aas auszudehnen.^ 

Das  für  uns  wichtigste  Druckwerk  ist  seine  „Pratiquc  de  la  QSometrie, 
sur  le  papier  et  sur  le  terrain!",  von  welcher  wir  so  glücklich  waren  die 
zweite  Ausgabe  aus  dem  Jahre  1682  zu  erhalten.  Eine  dritte  hat  Le  Clerc 
1700  selbst  noch  besorgt.  Das  Werklein  ist  dem  Marquis  de  Seignelay 
gewidmet  und  nach  dem  Auszug  aus  dem  PriviUge  du  Boy  datiert  vom 
7.  Oktober  1668  ist  es  dem   Thomas  Jollt,  Marchand'Lün'aire  ä  Patis 


6)  Man  vgl.  Le  catdloffue  raisonne  avec  un  abregi  de  sa  vie  par  Joubbbt,  Paris 
1774.    2  Vol.  in  8* 


120  J.  H.  Graf: 

erlaubt,  ein  Buch  betitelt  „PriUique  de  la  geometrie  sur  le  papier  et  sur  k 
terrain  oomposie  par  le  8ieu/r  Le  Clerc^'  zu  drucken.     Der  Druck  warde 
zum  ersten  Mal  beendig  den  17.  November  1668.    Ganz  wie  im  beschrie- 
benen Bemer  Exemplar  bespricht  Lb  Clerc  S.  1 — 44  den  Ursprung,  den 
Nutzen    und  die  Prinzipien  der  Geometrie,   giebt  einige  Definitionen  and 
Axiomata.     Das  erste  Buch  S.  45 — 76  handelt  von  der  Konstruktion  der 
Linien,  es  werden  14  Aufgaben  gelöst,  leider  fehlen,  offenbar  blofs  durch 
ein  Versehen,  der  leere  Platz  ist  da,  die  Kupfertafeln  zur  ersten  AuiQD[sbe. 
Das  zweite  Buch,  8.  77 — 108,  handelt  von  der  Konstruktion  der  ebenes 
Figuren,   15  Aufgaben,  es  fehlt  wieder  ditf  Kupfertafel  zur  zweiten  Auf- 
gabe; die  Aufgabe  16,  welche  in  der  Bemer  Ausgabe  vorhanden  ist,  nftm- 
lich  sur  une  ligne  droUe  proposie  construire  deux  redangles  sdon  une  raison 
dofinie  nebst  Tafel  ist   die   12.  Aufgabe  im  Y.  Buch  bei  Le  Ci^brc.    Das 
m.  Buch  S.  109 — 141  behandelt  die  einem  Kreis  und  Vielecken  einbesehrie- 
benen  Vielecke  in  15  Aufgaben.     Bei  Aufgabe  7  ist  in  meinem  Exemplar 
leider   ein   Blatt    herausgerissen.     Das   IV.  Buch    8.  142 — 162    bringt  in 
10  Aufgaben  die  Lehre  von  den  umschriebenen  Figuren  und  das  V.  Buch 
S.  163 — 185  endlich  von  den  proportionierten  Linien  in  12  Aufgaben,  wo, 
wie  schon  bemerkt,   die  Xu.  Aufgabe  beim  Bemer  Exemplar  als  16.  des 
in.  Buches  figuriert    Diese  künstlerische  Vermischung  von  geometrischer 
Figur  und  malerischem  Bild  ist  eine  Darstellungsweise,    wie   wir  sie 
sonst  niemals   getroffen   haben  und    die  jedermann   auffallen    muiSi.    Man 
kann  sich  dieselbe  nur  dadurch  erkl&ren,  da&  in  Ls  Clbro  der  Maler  und 
der  Mathematiker  sich  vereint  vorfanden.    So  steUt  sich  denn  das  Bttehkiii 
Le  Clbrc's  als  ein  auDserordentlich  originelles,  wertvolles  und  offianbar  lange 
Zeit  in  Gebrauch  befindliches  dar,  als  ein  Werk,  das  von  den  Zeitgenossen 
überaus  gewürdigt  worden  ist  und  uns  heutzutage  noch  als  ein  Bijon  lud 
ein  Unikum  vorkommen  mulÜB.     Es    ist   nun    sofort   klar,   dafis    ein  Werk^ 
das   sich   als   so   überaus   brauchbar  erwiesen  hatte,  übersetzt  und  nacli' 
gedruckt  wurde  und  zwar  natürlich  von  den  Niederlftndem,  die  ja  bekannt- 
lich damals  in  der  schonungslosesten  Weise  litterarische  Freibeuterei  be- 
trieben und  jedes  irgendwie  brauchbare  Opus  nachdruckten.  Der  hollftndiscbe 
Nachdruck,  in  dessen  Besitz  ich  auch  dundi  Zufall  gelangt  bin,  hat  nun 
Titel:  Nova  Geometria  Practica  super  Charta  et  solo.    lAbeOus  in  quo  iiom 
tradüur  Methodtts,  cu^fus  ope  facilis  sU  ac  hrevis,  ad  summa  hujusee  Scien^^ 
fasHgia,   cursus.     Amstdodami    Apud   Georgium   Oallet   MDCXCII.    Di^ 
Titelvignette,  die  Mathesis-  und  den  Autor  darstellend,  ist  im  französiselien 
Original   nicht  vorhanden,   also    neu.     Mein  Exemplar   gehörte  dem  Abbe 
GoLLEiM.     Der  Inhalt  stimmt  nun   vollständig  mit  dem  Original,  nur  ist 
die  Widmung  an  Domino  Marghioni  de  Seionelat,  wie  auch  der  ganze 


Die  Geometrie  von  Le  Clerc  und  Ozonam.  121 

übrige  Text  lateinisch.    Bei  der  WidmuDg  fehlt  begreiflicherweise  die  Unter- 
schrift des  Autors. 

Die  Eupfertafeln  sind  in  der  gleichen  Zahl  wie  im  Original  vorhanden, 
ziemlich  getreu  nachgezeichnet  und  sicher  neu  gestochen  worden,  was  an 
sehr  vielen  kleinen,  aber  auffallenden  Details  nachgewiesen  werden  kann. 
Auf  8. 155  und  157  ist  dem  holländischen  Drucker  Oallet  eine  Verwechs- 
lung der  Platten  passiert  Das  königlich  französische  Privilegium  ist  selbst- 
verstSndlich  nicht  mehr  abgedruckt,  sonst  stimmt  alles  mit  dem  französischen 
Original. 

Leider  haben  aber  nicht  nur  die  Niederländer  das  Werklein  Lb  Clerc's 
nachgedruckt,  sondern  auch  die  Bemer;  denn  das  Eingangs  dieser  Arbeit 
erwähnte  Werk  qualifiziert  sich  als  nichts  anderes,  als  ein  bemerischer  Nach-> 
druck,  ja  sogar  als  ein  Plagiat.     Dies  zu  thun,  lag  in  der  Sache  selbst 
kein  zwingender  Onmd  vor.    Das  Werklein  Le  Clerc's  war  stets  auf  dem 
Markte  zu  erhalten,  existiert  doch  noch  eine  Ausgabe  aus  dem  Jahre  1744, 
welche  ich  auch  zufällig  erwerben  konnte.  Das  Exemplar  war  1777  im  Besitz 
eines  Michael  Mathieu,    1813   eines  Chbisttan  Fbiedrioh  L'abmirance, 
Heilbronn    8.  8ept     Der   Titel   stimmt   vollständig   mit   dem   Originaltitel 
von  1669,  nur  ist  beigefügt:  ^^ar  Sebastien  Le  Clerc,  Graveur  du  Bm^\ 
A  Paris  dies  Oh.  A  Jombebt,  Imprimeur'Libraire  du  Boi  en  son  ÄrHüerie, 
rue  Bauphine^  ä  Vlmage  Nofre-Dame,  MDCCXLIV,  Ävec  priviUge  du  Ä»." 
Die  Titel  Vignette,  die  Mathesis  und  der  Autor,    denn  unter  seinem  Bild 
steht  deutlich  graviert  Le  Clerc,  ist  auch  vorhanden,  wie  auch  die  Wid- 
mung an  den  Marquis  de  Sbignelay  mit  absolut  den  gleichen  Emblemen 
und  Initialen.  Auch  ist  die  letztere  wieder  unterzeichnet  vom  Autor;  der  Text 
ist  der  gleiche,  wie  in  der  IL  Ausgabe,  die  Platten  stimmen  meistens  auch, 
nur  sind  sie  numeriert  und  mit  einem  Hinweis  auf  die  Textseite  versehen. 
Gewöhnlich   sind   zwei  Platten   auf  die  Vorder-    und   die  Rückseite   eines 
Blattes    gedruckt.     Immerhin    mögen    einige    Eupferplatten    neu    erstellt 
worden  sein,  so  zur  Propos.  n  des  I.  Buches,  zu  Propos.  I  des  ü.  Buches, 
zu  Propos.  IX  und  X  des  m.  Buches,  zu  Propos.  I,  III  und  IX  des  IV. 
Baches,  es  mflssen  also  von  den  83  Platten  sechs  verloren  gegangen  sein. 
Die  Bemer  Ausgabe  stellt  sich  demnach  dar  als  ein  doppelsprachiges 
Plagiat  der  NouveUe  Prcttique  de  la  QSometrie  von  Le  Clerc.   Nicht  nur  unter 
einem  fingierten  Verfasser  herausgegeben,  sind  auch  die  Eupferplatten  vom 
Le  ÜLEBc'schen  Buch  einfach  handwerksmäfsig  nachgestochen  worden,  denn 
was  in  den  Le  CLERc'schen  Vignetten  rechts  ist,  ist  links  im  Bemer  Exemplar, 
80  dafs  also  sicher  der  Oraveur  mit  dem  Spiegel  gearbeitet  hat    Wer  der 
Grateur  war,  ist  mir  noch  unerfindlich,  ebenso  kann    man   bezüglich    des 
deutschen  Übersetzers  nur  eine  Vermutung  aussprechen.  Von  den  83  Eupfer- 


122  J.  H.  Graf:  Die  Geometrie  von  Le  Clerc  und  Ozonam. 

platten  zeigt  einzig  die  Tafel  anf  S.  185  eine  Abweichung  in  der  geometrische 
^g^r  gegen  die  Ausgaben  von  1682  und  1692.  Dazu  kommt  nodi  dj 
sohon  angedeutete  Versetzung  der  12.  Aufgabe  des  V.  Buches,  sonst  find( 
überall  materielle  Übereinstimmung  statt. 

Was  nun  den  Buchdrucker  und  Herausgeber  Andkeas  Huguenet  ai 
betrifft,  so  verhält  sich  die  Sache  folgendermaJDsen .  Von  1679  an  hat< 
Gabriel  Thormann  von  Bern  die  obrigkeitliche  Buchdruckerei  erhalten  od 
da  er  nicht  selbst  Buchdrucker  war,  so  hatte  er  Associes  und  sehr  wak 
scheinlich  gehörte  zu  denselben  auch  Andr^  Huguenet,  der  dann  die  tec^ 
nische  Leitung  der  Druckerei  besorgte.  Es  heifst  auf  Mandaten  und  Schu 
büchem  aus  den  Jahren  1684.  85.  86.  90.  92.  93.  97.  1700:  getruckt  : 
Bern,  in  hoch-obrigkeitlicher  Truckerej  durch  „Andreas  Huguenet^'  xh 
nach  1706:  „u4  Berne,  Dans  Vlfnprimerie  de  L.L.  Excdlences.  Far  And: 
Huguenet.'^  Die  obrigkeitliche  Druckerey  neben  dem  Rathaus  hatte  das  P 
cUc{fium  exdimvum  zum  Druck  von  Schulbüchern.  Damals  schon  als  Geo 
Sonnleitner,  der  Vorgänger  Thormann's,  dieselbe  noch  inne  hatte,  gab 
schon  Bücher  mathematischen  Inhalts  heraus,  wie  z.B.  1661  Arithmetica:  I 
new  künstlich  Beehen-Buch  mit  der  Ziffer:  etc.  Durch  weiland  H.  Heinri 
Strübi  der  newen  Teutschen  Schul  zu  Zürych  Ordinarium  Schul-  u 
Rechen-Meister,  und  1698  erst  wurde  auf  Begehren  des  Anton  Vulpi,  ] 
habers  der  zweiten,  der  oberen  Druckerei  in  Bern,  Schiffeli,  einem  Assoc 
Thormann's,  vom  Rat  eröffnet,  dafs  genanntes  Privilegium  auf  10  Jak 
eingeschränkt  sei  und  ihm  angeraten,  er  solle  lieber  auf  die  Schulbuch 
als  Firmaangabe  seinen  Namen  als  den  der  obrigkeitlichen  Druckerei  setze 
Die  letztere  Mahnung  bezieht  sich  offenbar  darauf,  dafs  die  Bezeichnoi 
„In  hoch-obrigkeitlicher  Druckerey"  vor  Andri^  Huguenet  niemals  gebrauc 
worden  ist  Alle  seine  Vorgänger  wie  Sonnleitner,  Stuber,  le  Frei 
hatten  etwa  blofs  zu  setzen  gewagt:  Getruckt  zu  Bern,  bj  Georg  Son 
LEiTNER,  besteltem  Buchdrucker.  So  noch  1676.  Durch  die  Beisetzun 
„-4  Berne,  Dans  Vlmprimerie  de  Lews  ExeeUetices,  Far  Andri^  Huguenb 
erhält  das  unter  dem  Verfasser  „Ozonam^*  erschienene  Plagiat  von  De  Cler< 
Geometrie  noch  ein  besonderes  Relief.  Es  ist  aufserordentlich  verdacht 
dafs  dieses  gewifs  wertvolle  Werk  in  keinen  bernischen  Regierungsakt 
erwähnt  wird,  während  doch  jede  noch  so  unbedeutende  Druckschrift  d 
Censur  unterlag.  Es  kann  höchstens  als  Entschuldigung  gelten,  dafs  m; 
vielleicht  diesem  litterarischen  Frevel  gegenüber  deshalb  ein  Auge  zudrück' 
weil  mit  dem  Druck  dieses  Büchleins  der  Ausbildung  des  beruisehen  Offizia 
korps  grofse  Dienste  geleistet  werden  konnten. 


:mw 


NIKOLAUS  VON  CÜSA 

IN  SEINEN  BEZIEHUNGEN 
ZUR  MATHEMATISCHEN  UND  PHYSIKALISCHEN  GEOGRAPHIE 

VON 

SIEOMÜND  GÜNTHER 

IX    MÜNCUEM. 


I 


Von  dem  Manne,  den  diese  Skizze  unter  einem  ganz  bestinmiten  Ge- 
sichtspunkte betrachten  will,  darf  man  wohl  auch,  wie  von  manchem  an- 
deren sagen,  dafs  sein  Charakterbild  in  der  Geschichte  schwanke.  Als 
kirchlicher  Politiker  und  Theologe  hat  er  sehr  verschiedene  Beurteilungen 
erleiden  müssen,  und  auch  seine  Stellung  in  der  Geschichte  der  exakten 
Wissenschaften  hat  erst  in  neuester  Zeit  die  Klärung  erfahren,  deren  sie 
in  hohem  Malse  bedurfte.  Je  mehr  man  sich  mit  dieser  eigenartigen  Ge- 
lehrtenfigur der  beginnenden  Frührenaissance  beschäftigt,  umsomehr  wird 
man  geneigt  sein,  dem  Lobe  beizupflichten,  welches  M.  Cantor  dem  den- 
kenden Mathematiker  Cusa  zollt ^),  und  gerade  dann,  wenn  man  insbe- 
sondere diejenigen  Disziplinen  ins  Auge  faüst,  die  in  der  Überschrift  vor- 
liegender Studie  genannt  werden,  lernt  man  die  Richtigkeit  dessen,  was 
Cantor  sagt,  mehr  und  mehr  begreifen.  Eine  zusanunenhftngende  Schil- 
derung dieser  Seite  von  Cusas  Wirksamkeit  hat  bislang  gefehlt,  obwohl  es 
nicht  an  Äuüserungen  und  Andeutungen  fehlt,  die  in  solchem  Sinne  ver- 
wertet werden  kOnnen,  und  wir  hoffen  deshalb,  dafs  unser  Versuch,  das 
Bild  des  Mannes  entsprechend  auszugestalten,  als  ein  berechtigter  anerkannt 
werden  wird.  Ein  kurzer  Blick  auf  die  wechselvollen  Schicksale  des  Cu- 
SAHER8,  verbunden  mit  gedrängter  Hervorhebung  dessen,  was  ihm  in  der 
Geschichte  der  Wissenschaften  bisher  schon  einen  geachteten  Platz  gesichert 
bat,  dürfte  als  Einleitung  zu  der  Behandlung  seiner  Verdienste  auf  engerem 
Wissensgebiete  nicht  zu  umgehen  sein. 

Geboren  im  Jahre  1401  zu  Cnes  an  der  Mosel,  hat  Nikolaus  Ekebs^) 


1)  CavtoSy  Vorlesungen  über  die  Geschichte  der  Mathematik,  2.  Band,  Leipzig 
1892,  S.  194.  Es  heifst  hier,  dafs  nur  Cusa  allein  unter  den  Mathematikern  \or 
fiiaioMoarTAH  y^als  genialer  Kopf  mit  dem  Stempel  des  Erfinders  ansgezeichnet** 
war.  —  Noch  nicht  scheint  beachtet  worden  zu  sein,  dafs  es  auch,  in  wenig  spä- 
terer Zeil,  einen  Mathematiker  JoHAinns  Cusahus  gab,  der  im  Jahre  1614  bei  den 
bekannten  Wiener  Buchdrucker  Vixtob  und  SmaBsnus  einen  „Algorithmus  pro- 
jectOium  de  integris*^  erscheinen  liels.  Es  wäre  wohl  der  Mühe  wert,  zu  er- 
fonchen,  ob  zwischen  den  beiden  Personen,  welche  den  Namen  Cusahus  tragen, 
lieh  irgendwelcher  Zusammenhang  nachweisen  läfst. 

2)  Der  flBnfzehnj&hrige  Knabe  wurde  als  „Nicolaus  Cancbb  db  Coeszb  cleri- 
^  Trever,  d|foc.'*  in  das  Matrikelbnch  der  Neckaruniversit&t  eingetragen  (Tüpkb, 


126  Siegmund  Günther: 

(Chrvpffs)  seine  Erziehung  hauptsächlich  in  der  damals  berühmten  Schidi 
zu  Deventer  erhalten,  welche  von  den  „Brüdern  des  gemeinsamen  LebeaiF 
begründet  worden  war^).  In  Padua  holte  er  sich  die  später  ihn  anszeidi^ 
nende  mathematische  Bildung;  sei  es  nun,  dafs  der  damalige  Lehrer  da 
Faches  an  der  berühmten  Hochschule,  Prosdociho  de'  Beldomandi,  mm 
namhaften  Einflufs  auf  ihn  übte^),  sei  es,  dafs  die  innigen  Beziehimgeii 
in  welche  der  junge  Mann  mit  dem  älteren  Paolo  Toscanblli  (Paului 
Flokentinus,  Paulus  Physicus)  trat,  die  Stelle  regelrechten  ünterrichtei 
ersetzten^).  Nach  kurz  währendem  juridischem  Intermezzo  trat  Cusa,  wu 
ihn  von  da  ab  die  Zeitgenossen  zu  nennen  pflegten,  in  die  Dienste  dei 
Kirche;  in  ihnen  stieg  er  bald  von  Stufe  zu  Stufe,  und  nachdem  er  dii 
freieren  Anschauungen,  welche  von  ihm  auf  dem  Konzile  von  Basel  ver 
treten  worden  waren,  aufgegeben  hatte,  sah  er  sich  bald  als  päpstliche) 
Delegat  und  Bischof  von  Brixen  auf  der  Höhe  äufserer  Erfolge,  wobei  e 
freilich  auch  an  Kämpfen  aller  Art  nicht  fehlte^).  Dieselben  hörten  and 
dann  nicht  vollständig  auf,  als  Nikolaus,  zum  Kardinale  erhoben,  seinei 
Wohnsitz  in  Rom  nahm,  doch  ist  immerhin  gerade  diese  Zeit  des  sp&te 
Mannesalters  eine  besonders  förderliche  geworden^).  Cusa  starb  im  Jabi 
1464,  nahezu  gleichzeitig  mit  dem  ihm  befreundeten  Papste  Pius  11.,  d( 

Die  Matrikel  der  Universität  Heidelberg  von  1386  bis  1662,  1.  Band,  Heidelbe 
1884—86,  S.  128). 

S)  l)Ox,  Der  dentsche  Kardinal  Nikolaus  von  Cusa  und  die  Kirche  sein 
Zeit,  1.  Band,  Begensburg  1847,  S.  97  ff.;  Scharpff,  Der  Kardinal  und  Bisch 
Nikolaus  von  Cusa  als  Reformator  in  Kirche,  Reich  und  Philosophie  des  XY.  Jal 
hunderts,  Tübingen  1871,  S.  102  ff. 

4)  Cantor,  a.  a.  0.,  S.  187  ff.  Eingehend  erteilt  über  die  Lebensumstän 
und  litterarischen  Leistungen  von  Cusa^s  mutmafslichem  Lehrer  Auskunft  Fava 
{Intomo  alla  vita  ed  alle  opere  di  Prosdocimo  de*  Beldomandi,  matemaiieo  pai 
vano  del  secolo  XV,  Bull,  di  bibl.  e  di  atoria  deUe  scienze  mat.  e  fis,,  13.  Bai 
S.  Iff.;  Appendice,  ebenda,  18.  Band,  S.  405  ff. 

5)  Charakteristiken  des  in  der  Geschichte  der  Erdkunde  eine  so  bedeutsai 
liolle  spielenden  Mannes  gaben  Ximenrs  {Del  vecchio  e  nuovo  gnomone  fiorentii 
Florenz  1767)  und  Uzielli  (Paolo  dal  Pozzo  Toscanelli,  inspiratore  deUa  seopn 
(V America,  Florenz  1892). 

6)  Wohl  als  einer  der  ersten  hat  der  alte  Reimmann  (Versuch  einer  Einl 
tung  in  die  Historiam  Literariam  derer  Teutschen,  2.  Teil,  Halle  1725,  S.  262 
dem  Kirchenffirsten  Charakterlosigkeit  vorgeworfen.  Milder  urteilt  C.  F.  Baoc 
HAUS  (Gregor  von  Heimburg  ;  ein  Beitrag  zur  deutschen  Geschichte  des  XV.  Ja] 
hunderts,  Leipzig  1861,  S.  151  ff.);  er  meint,  Cusa  habe  deshalb  die  unlengbf 
Schwenkung  vollzogen,  weil  er  unter  dem  Schutze  der  bisher  bestrittenen  Pap 
Suprematie  eher  seine  wissenschaftlichen  Studien  fortsetzen  zu  können  hoffen  dnrf 

7)  Die  Periode  verhältnismäfsiger  Ruhe  beginnt  erst  mit  dem  Jahre  14 
(Übinoer,  Kardinallegat  Nikolaus  Ci'sanus  in  Deutschland  1451 — 52,  München  188 


NikolauB  von  Cusa  in  seinen  Beziehungen  znr  mathem.  u.  physik.  Geographie.     127 

als  Enea  Silvio  de'  Picoolomini  in  seiner  Lebenslauf  bahn  viele  verwandte 
Züge  anzuweisen  hatte  ^,  sowohl  was  die  Liebe  zur  Wissenschaft,  als  auch 
was  die  wechselvollen  Geschicke  und  Gesinnungswechsel  betrifft. 

Als  Mathematiker  haben  den  Kardinal  Schanz^)  und  Cantor  (s.  o.) 
uns  nahe  gebracht,  und  Schanz  hat  auch  den  astronomischen  Studien  des 
umfassend  gebildeten  Gelehrten  eine  dankenswerte  Monographie^^)  gewidmet. 
Positive  Leistungen,  auf  denen  eine  folgende  Generation  weiterbauen  konnte, 
sind  von  ihm  aUerdings  nicht  zu  verzeichnen;  seine  Bestrebungen,  eine 
Philosophie  der  Mathematik  zu  schaffen,  entbehrten  der  Einheitlichkeit  und 
Systematik;  seine  Kreisquadraturen  mufsten  sich  die  bekaonte  Widerlegung 
durch  Bbgiomontan  gefallen  lassen;  die  erste  Wahrnehmung  von  Rollkurven 
hat  man  ihm  mit  Unrecht  zugeschrieben^^).  Und  trotzdem  bleibt  Camtors 
oben  angeführter  Ausspruch  wahr,  denn  niemals  blieb  Cuaa  bei  der  üblichen 
Kommentierung  und  Kontrovertierung  hergebrachter  Lehren  stehen,  sondern 
es  arbeitete  mftchtig  in  ihm,  über  das  Durchschnittswissen  seines  Zeitalters 
hinauszugehen,  und  selbst  dann,  wenn  seine  mächtige  Phantasie  ihn  in  ein 
Wirrsal  dunkler  Ideen  hineinführt,  wird  dasselbe  oft  überraschend  durch 
plötzliche  Geistesblitze  erhellt.  Eine  leichte  Aufgabe  ist  es  freilich  nicht, 
sich  in  seine  Werke  mit  ihrer  schwerfälligen  Terminologie  und  mit  den 
eigentümlichen  Gedankenkonstruktionen  der  Spätscholastik  hineinzulesen,  aber 
belohnend  ist  es  für  den,  der  die  selbständige  Arbeit  auch  im  fremdartigen, 
äuTserlich  wenig  ansprechenden  Gewände  zu  schätzen  versteht.  Nach  dieser 
Seite  hin  will  auch  der  vorliegende  Beitrag  zur  besseren  Erkenntnis  einer 
der  merkwürdigsten  Erscheinungen  der  deutschen  Gelehrtengeschichte  zu 
wirken  suchen.  Cusa  hat  auf  den  Gebieten  der  mathematischen  und 
physischen  Erdkunde  viele  originelle  Meinungen  geäufsert,  viele 
Anregungen  gegeben,  die  nur  leider  langsam  oder  gar  nicht 
wirksam  wurden,  weil  es  dem  Urheber  an  Mufse  und  Gelegenheit 


8)  Hierüber  gibt  genauere  Nachweisungen  Voior  (Enxa  Silvio  de'  Picoolomini, 
als  Papst  Piufl  DBB  zwBiTB,  und  sein  Zeitalter,  2.  Band,  Berlin  1868,  S.  302  ff.). 

9)  ScHAMK,  Der  Kardinal  Nikolaus  vob  Cusa  als  Mathematiker,  Rottweil  1872. 

10)  Schahs,  Die  astronomischen  Anschauungen  des  Nikolaus  von  Cusa  und 
»einer  Zeit,  Rottweil  1878. 

11)  Die  irrige  Behauptung  von  Wallis  (Philosophicdl  Transaetions,  1697, 
S.  661  ff.),  dafs  die  Zykloide  bereits  Ton  Cusa  als  solche  bemerkt  und  betrachtet 
wofden  sei,  hat  sich  sehr  z&hlebig  erwiesen,  so  dafs  sogar  noch  Qubtelet  (Histoire 
da  ma(himalig%»e8  et  phyaiquts  chee  les  Beiges,  Brüssel  1871,  S.  68  ff.)  sich  dadurch 
t&Qicben  lieb.  Thats&chlich  hat  jedoch  Cusa  zwar  dem  Rollen  eine«  Kreises  auf 
gndümger  Unterlage,  nicht  jedoch  dem  von  einem  Punkte  des  Umfanges  be- 
«^ebenen  Wege  seine  Aufmerksamkeit  zugewendet  (Gönthbb,  War  die  Zykloide 
WeiU  im  XV.  Jahrhundert  bekannt?  Bibl.  Math.,  I,  S.  8  ff.). 


128  Siegmund  Günther: 

gebrach,  znzasehen,  ob  auch  die  von  ihm  gepflanzten  Frftclite 
znr  Beife  gediehen.  OewÜE  ist  man  auch  bisher  nicht  achtlos  an  dissem 
TeDe  von  Cusas  schriftstellerischer  Th&tigkeit  vorübergegangen,  aber  ein« 
zusammenhängende,  kritische  Würdigung  wurde  noch  vermilst  und  soll  nnn- 
mehr  an  diesem  Orte  gegeben  werden.  — 

Vor  allem  tritt  uns  da  die  oft  aufgeworfene,  aber  noch  niemals  er 
schöpfend  erledigte  Frage  entgegen,  ob  der  Cusambr  den  Yorl&ufera  d^ 
CopPERNicus  zugerechnet  werden  dürfe.  Im  engeren  Sinne  kann  davon  ge- 
wüs  keine  Rede  sein,  denn  der  Reformator  der  Sternkunde  war  ganz  nod 
gar  unbeeinfluist  von  den  Anschauungen  seines  deutschen  Landsmannes,  den 
er  schwerlich  gekannt  hat^^).  Man  muJb  jedenMls,  wenn  man  einen  Zn- 
sanunenhang  ausfindig  machen  will,  von  jeder  unmittelbaren  Besiehnng 
völlig  absehen.  Wenn  man  aber  das  Wort  Vorläufer  in  der  Weise  deuten 
will,  dals  Cusas  Auftreten  der  coppemicanischen  Reform  vorgearbeitet,  dals 
dasselbe  den  Boden  bereitet  habe,  auf  welchem  sich  der  stolze  Ban  einer 
neuen  Kosmologie  erheben  sollte,  so  wird  an  der  Bezeichnung  kaum  etwas 
auszusetzen  sein.  An  positiver  Sachkenntnis  vermag  der  Mosellftnder  dem 
Preuüsen  allerdings  nicht  die  Stange  zu  halten;  man  mag  immerhin  die 
ehrende  Erklärung  des  Faber  Stapulensis  billigen,  dals  kein  Zeitgenoaie 
so  tief  wie  Cusa  in  Mathematik  und  Astronomie  eingedrungen  sei  ^;  man 
mag  auch  der  eingehenden  und  verständigen  Kritik  der  alfonsinischen  Ta- 
feln ^^)  sich  erinnern  —  zu  jener  konsequenten  Durchdringung  eines  Orond* 
gedankens,  wie  wir  sie  bei  dem  stillen  Denker  Copfermiccs  finden,  wtre 
Cusa  unter  keinen  Umständen  befähigt  gewesen.  Aber  in  einem  anderen, 
nicht  minder  wichtigen  Punkte  kam  der  Kardinal  dem  Frauenburger  Dom- 
herrn gleich,  wenn  er  ihn  darin  nicht  sogar  noch  Aberragte.  Das  war  die 
absolute  RAcksichtslosigkeit  gegen  eine  geheiligte  Überlieferung,   die  emmi 


t%)  ComBMicrs  nennt  in  der  Einleitung  zu  den  MR^^u^iones*'  als  seine 
Vorbilder  PmLOLArs«  H«Baci.mait  Pomticcs,  EcmAirus  msd  EbciTA«,  nicht  aber  Gru 
vTgL  Pkow«,  Nikolaus  ComaiocuB,  1.  Band,  II,  8.  499). 

IS)  Geeehiehte  der  Astronomie  von  den  ältesten  Mt  anf  gegenwärtige  Zeiten, 
I.  Band,  Gbemniti  m%  8.  140.  Auch  Ccsab  grimmiger  Gegner,  der  allen  Winkel- 
tJIgea  abholde,  redliche  Gaseoa  ton  HsiiiBijme,  müsdentei  die  Studien  des  erBteren, 
de»  er  „wrtlwnrtk»  seHiltf»'*  anredet,  so  sehr,  dafs  er  dem  Prälaten  geheuneo 
Verkehr  mit  Dämonen  rar  Last  legte  (Dex,  1.  Band,  8.  SIS). 

14)  JtojMimhP  GilffMhirti  J?ieermA'n.  m  Cäruto  i\ririf  Ckrdmmlit  Nicolai  di 
tV«A,  Sämtliche  Wevke,  8l  IlMC  Wir  halten  mm  an  die  gewOhnHcfa  stielte 
Ueaaalatt«gabe,  welche  1666  bei  Haaoacnma  in  Basel  heranskam  und  künftig 
•toli  dnn^  Ox  O.  0.  beaeichnet  werden  soU.  Odsa  war  Beriehtentatter  des  todi 
Koniü  in  Ba»el  1^  die  daauJs  schon  ab  dringend  erkannte  KaknderverbessaiiDg 
nisdeifee» taten  AmeehnniM  ^P^^wb«  a.  a.  O.,  &  66). 


NikolAas  von  Cusa  in  seinen  Beziehungen  snr  mathem.  u.  physik.  Geographie.    1 29 

libertas,  wie  sich  Kepler  nachmals  so  wahr  und  treffend  ausgedrückt  hat. 
Nikolaus  von  Cusa  hat  die  erkenntnistheoretischen  Grandlagen  für  eine 
heliozentrische  Weltanschauung  gelegt,  ohwohl  er  von  dieser  persönlich  weit 
entfernt  und  keineswegs  geneigt  war,  der  Sonne  die  Bedeutung  eines  Zentral- 
gestimes beizulegen,  um  hierüber  ins  klare  zu  konmien,  werden  wir  nicht 
umhin  können,  uns  zuvor  mit  dem  Philosophen  Cusa  zu  beschäftigen, 
der  dem  Astronomen  noch  überlegen  ist,  jedenfalls  aber  zuerst  zu  hören 
ist,  ehe  wir  auch  den  anderen  zum  Worte  gelangen  lassen. 

Die  Thatsache,  daTs  bei  Cusa  auch  schon  jene  Auffassung  der  sinn- 
lich wahrnehmbaren  Welt  im  Umrisse  uns  entgegentritt,  welche  drei  Jahr- 
hunderte spftter  durch  Kants  kritizistische  Analyse  zum  Oemeingute  der 
Philosophie  und  Naturwissenschaft;  gemacht  ward,  ist  von  Falckenbero 
besonders  bestimmt  hervorgehoben  worden.  „Nichts  wird  so  erkannt,  wie 
es  ist,  und  wie  es  etwa  einem  vollkommenen  Intellekt  erkennbar  wäre^'^^). 
Ebenso  wie  der  Kardinal,  der  dem  geltenden  hierarchischen  Rechte  so  man- 
ches Zugeständnis  zu  machen  genötigt  war,  alle  Bechtsverh&ltnisse  nur  von 
dem  Naturrechte  ableitet  ^^,  welches  mit  dem  Menschen  geboren  und  von 
Hause  aus  dem  menschlichen  Verstände  eingeprägt  ist,  so  suchte  er  auch 
im  übrigen  den  Quellen  unserer  Erkenntnis  nachzuspüren,  und  dabei  ver- 
blieb er  so  wenig  auf  den  peripatetischen  Wegen,  auf  welchen  ihn  —  zu- 
sammen mit  Yalla,  Vives  und  Aobicola  —  Schleiermacher  ^^)  wandeln  läfst, 
dafs  man  ihn  vielmehr  eher,  wie  dies  Eucken^^)  thut,  als  einen  Anhänger 
der  Neuplatoniker  gelten  lassen  mufs.  In  zwei  Richtungen  bricht  er  dem 
Portschritte  des  menschlichen  Denkens  die  Bahn;  er  unterscheidet  zwischen 
dem  wirklichen  Wesen  der  Dinge  und  dem  Bilde,  welches  sich  der  Mensch 
kraft  seines  unvollkommenen  Anschauungsvermögens  von  den  Dingen  macht  ^^), 
Qod  er  bricht  mit  der  von  der  christlichen  Philosophie  ängstlich  festgehaltenen 


16)  FALCKBBBsBa,  Au%abe  und  Wesen  der  Erkenntnis  bei  Nikolaus  von  Cucs, 
Breslau  1880,  8.  89. 

16)  ZiMMBKicAini,  Die  kirchlichen  YerfassungslAmpfe  im  XV.  Jahrhundert, 
Breshiu  1882,  S.  92. 

17)  ScHLBRRMACHKB-H.  RiTTsit,  (^eschichte  der  Philosophie,  Berlin  1889,  S.  246. 

18)  EüCKKN,  Untersuchungen  zur  Qeschichte  der  älteren  deutschen  Philosophie, 
PhiL  Monatshefte,  14.  Band,  S.  449  ff. ;  Beiträge  zur  Geschichte  der  neueren  Philo- 
sophie, vomämlich  der  deutschen,  Heidelberg  1886,  S.  6  ff. 

19)  Man  vergleiche  hiezu  auch  noch  eine  weitere  Bemerkung  von  Falcjkeitbbbo 
(Onmdzflge  der  Philosophie  des  Nikolaus  Cusanüb  mit  besonderer  BerScksichtigung 
der  Lehre  vom  Erkennen,  Breslau  1880,  S.  117):  „Die  Ansicht  des  Cvsaxkbm  über 
die  Erkenntnisfähigkeit  stellt  sich  dar  als  Phaenomenalismus,  wenn  es  er- 
IsuU  ist,  diesen  Ausdruck  in  der  Bedeutung  zu  gebrauchen,  dafs  eine  Erkenntnis 
der  blofsen  Erscheinung  zugestanden,  eine  präzise  des  WIbscus  bestritten  wird.*^ 

ASh  ftur  Oetoh.  d   AUthem    IX.  1) 


130  Siegmund  Gflnther: 

Doktrin  von  der  Endlichkeit  der  Welt,  welche  im  ptolemaeischen  Systeme 
mit  seinen  Exystallsphären  die  festeste  Stütze  gefunden  hatte.  Ganz  zu- 
treffend erkennt  Descabtes  in  dieser  Beseitigung  der  den  freien  Flug  des 
Geistes  ebenso  wie  eine  höhere  Auffassung  vom  Wesen  Gottes  hindernden 
Sehranken  ein  Verdienst  des  Cusakers^).  Die  Welt  ist  für  diesen  einerlei 
mit  dem  „privativ  Unendlichen" ;  die  „Weltseelen"  der  neuplatonischen  Sdiale 
ziehen  sich  zusammen  in  eine  einzige,  wahre  Weltseele,  Gk>tt  selbst,  und 
weil  Gott,  der  allgegenwärtige,  überall  ist,  so  befindet  sich  der  Mittelpunkt 
der  Welt  überall,  eine  Peripherie  an  keinem  Orte.  Damit  ist  das  berfihmte 
Buch  „von  der  gelehrten  Unwissenheit",  zweifellos  das  geistvollste,  welches 
aus  CusAs  Feder  hervorging,  seinem  Wesen  nach  bestimmt.  Die  Thatsadlie, 
dafs  die  Erde  sich  bewegt,  ist  für  den  Autor  durchaus  nicht  die  in  erster 
Linie  wichtige;  sie  ergibt  sich  von  selbst,  da  es  etwas  unbewegtes  im  Welt- 
all nicht  geben  kann.  Der  Umstand,  dafs  Cusa,  so  wenig  auch  seine  Be- 
griffsbestimmung unseren  heutigen  Ansprüchen  genügen  kann,  zuerst  den 
Unterschied  zwischen  absoluter  und  relativer  Bewegung  erkannt 
hat,  wird  von  L.  Lange ^^)  ins  richtige  Licht  gesetzt;  wir  erachten  es  nicht 
für  unmöglich,  dafs  die  cartesische  ZerfllUung  der  Bewegung  in  einen  „mohts, 
ut  vulgo  sumiiur**  und  in  einen  „moius  ex  rei  veritate  considercUu^*^  die 
cusanische  Begriffsscheidung  zum  Ausgangspunkte  nimmt,  um  so  mehr,  da 
auch  in  beiden  Fällen  ein  analoges  Beispiel  zur  Erläuterung  herangesogen 
wird«»). 


20)  In  dem  von  Cousin  herausgegebenen  Briefvrechsel  des  Cabtssiüs  liest  man 
(Ep.  I,  36)  folgendes:  „iVtmi*m  menitm  Cardinalem  Gusaitum  doctareaque  aUos  fh- 
rimos  suppasuisse  mu/ndum  infinitum  .  .  ." 

21)  L.  Langk,  Die  geschichtliche  Entwicklang  des  Bewegungabegriffes  und 
ihr  voraussichtliches  Endergebnis;  ein  Beitrag  zur  historischen  Ejritik  der  mecha- 
nischen  Prinzipien,  Leipzig  1886,  S.  14  ff.  Qewifs  hat,  wie  hier  dargethan  wird, 
die  Verwechslung  des  Absolaten  und  des  Unendlichen  Cusa^s  Einsicht  nicht  aas 
einer  gewissen  Trübung  herauskommen  lassen,  allein  bei  alledem  war  doch  durch 
peine  Sprengung  der  bisher  jeder  tieferen  Auffassung  des  kosmologischen  Problemes 
vriederstrebenden  Fesseln  viel  erreicht. 

22)  L.  Lakoe,  S.  34  ff. 

23)  Die  charakteristische  Stelle  im  „Liter  de  docta  iffnorcuUia"  lautet  (C.  0. 0^ 
S.  39):  ,^am  twhis  manifestum  est,  terram  istam  in  veritate  moveri,  licet  nofns  hoc 
non  appareat,  cum  non  appraehendimus  motum  nm  per  quandam  comparaiionm 
ad  fixum/'  Zum  Belege  wird  verwiesen  auf  ein  Schiff,  welches  auf  uferlosem  Ge- 
wässer —  so  dafs  also  dem  Auge  keine  ruhenden  Vergleichsobjekte  sich  dar- 
bieten —  sanft  dahingleitet.  Wer  sich  auf  dem  Verdecke  des  Schiffes  befindet, 
empfindet  nichts  von  einer  Fortbewegung.  Schahptf  (Der  Kardinal  nnd  Bischof 
Nikolaus  vom  Cüsa  als  Reformator  in  Kirche,  Reich  und  Philosophie  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts,  Tübingen  1871,  S.  118  ff.)  hat  das  hauptsächlich  in  betraeht 


Nikolaus  Yon  Casa  in  seinen  Beziehungen  zur  mathem.  a.  physik.  Geographie.    131 

Jetzt  sind  wir  in  die  Lage  versetzt,  nns  über  Cusa's  Stellung  in  der 
Vorgeschichte  der  coppemieanischen  Beform  ein  sicheres  Urteil  zn  bilden. 
Daran  ist  nicht  zu  denken^),  dals  bei  ihm,  wie  Scharpff  meint;  eine 
Vorwegnahme  der  drei  Bewegungen,  welche  nach  Coppernicus  dem  Erd- 
körper eingepflanzt  sind,  zu  Sachen  wftre;  am  wenigsten  am  bezeichneten 
Orte,  wo  nur  von  Bewegung  schlechtweg  gesprochen  wird.  Hier  konunt 
es  vielmehr  dem  Autor  einzig  darauf  an,  den  Glauben  zu  zerstören,  als 
sei  unserer  Erde  von  der  Vorsehung  irgend  eine  Bevorzugung  vor  anderen 
Weltkörpem  zugeteilt  worden.  Die  y,sphaera  odava",  welche  nach  der  herr- 
schenden Theorie  etwas  sehr  reelles  sein  sollte  und  durch  den  —  übrigens 
mit  CusA  befineundeten^'^)  —  Pbubbach  wiederum  bewulst  zu  einer  mate- 
riellen Kiystallsphftre  gemacht  worden  war**)  —  existierte  fbx  ersteren 
nicht;  er  bedient  sich  zwar  des  nun  einmal  vorhandenen  Namens^,  ähn- 
lich, wie  wir  ja  auch  in  übertragenem  Sinne  von  einer  Himmelskugel  reden, 
aber  mit  der  Wesenheit  derselben  hatte  er  einfEbrallemal  aufgeräumt  Da 
es  femer  gewifs  ist,  was  Schabpff  berichtet*^),  da&  Cusa  kurz  vor  seinem 
Lebensende,  1463,  mit  der  Niederschrift  eines  Traktates  „De  figura  mu/ndi** 
begonnen  hatte,  so  müssen  wir  entweder  annehmen,  dafs  bei  ihm  —  auch 


kommende  elfte  Kapitel  vom  zweiten  Bache  der  genannten  Schrift  ins  Deutsche 
fibertragen,  darin  aber  fehlgegriffen,  dafs  er  die  allgemeinen  Spekulationen  Cusa^s 
auf  das  coppemicanische  System  Übertrug,  mit  welchem  sie  nichts  zu  thnn  haben. 

24)  Die  drei  ooppeniicanischen  Bewegungen  sind  bekanntlich  die  Achsen- 
drehung  der  Erde,  der  Umlaaf  der  Erde  am  die  Sonne  und  eine  thats&chlich  nicht 
Torhandene  Achsenschwankong,  welche  den  Parallelismas  der  Erdachse  aufrecht 
erhalten  sollte,  aber  schon  bald  von  Rothmann,  and  bestimmter  von  Galilei,  als 
unzaUUsig  erkannt  warde  (B.  Wolf,  Geschichte  der  Astronomie,  Mflnchen  1877, 
S.  SS8). 

S6)  Hierüber  teilt  näheres  mit  Schabpff  (a.  a.  0.,  S.  807  iL). 

86)  Man  darf  mit  Pbubbaoh*8  Wiederaoffirischong  der  alten  eudozisch-aristo- 
teliichen  Hypothese  von  den  homozentrischen  Sphären  nicht  so  hart  ins  Gericht 
gehen,  wie  dies  z.  B.  B.  Wolf  (Geschichte  der  Astronomie,  München  1877,  S.  212) 
thnt;  fiberhanpt  läfst  dieses  vortreffliche  Werk  die  sonst  an  ihm  zu  rühmende 
Objektmt&t  einigermafsen  vermissen  in  den  von  der  vorcoppemicanischen  Periode 
hsiidelnden  Abschnitten.  Piubbagh  and  Bboiomohtah  mafsten  die  alten  Weltsysteme 
ent  bis  aaf  den  hAchstmöglichen  Grad  der  Verfeinerang  bringen,  ehe  sich  end- 
gütig ergab,  dafs  die  Betretang  dieser  Wege  za  keinem  Erfolge  fahren  konnte. 

27)  Wir  zitieren  nach  Schabpff  (S.  121):  „Die  Erde  ist  also  nicht  das  Zen- 
trom,  anch  nicht  f&r  die  erste  oder  irgend  eine  andere  Sphäre;  auch  das  Er- 
icheiaan  der  sechs  Himmelszeichen"  -*  des  halben  Tierkreises  —  „Über  dem  Ho- 
nionte  berechtigt  nicht  zu  dem  Schlosse,  die  Erde  sei  im  Zentrom  der  achten 
Sphäre.«* 

28)  SoHAftPVF,  S.  281.  Die  Andeatang  ist  in  der  Schrift  ,J)e  venaiume  sa- 
pientia^  enthalten. 

9* 


132  Siegmund  Günther: 

auf  diesem  Gebiete  —  ein  Wechsel  der  Überzeugung  eintrat,  oder  d&fs  er 
eben  noch  einmal  nachdrücklich  beweisen  wollte,  die  Welt  habe  keine 
Figur.  Wie  sollte  sie  auch,  da  ihre  Unendlichkeit  und  ünbegrenztheit, 
zwei  Begriffe,  die  damals  noch  nicht  als  verschiedene  sich  darstellen  konnteD, 
ausdröcklich  festgestellt  waren?  Und  Cüsa's  Definition  des  Kosmos  ent- 
sprang nicht  etwa  nur  einem  gelegentlichen  Einfalle,  sondern  er  war,  als 
er  sie  gab,  mit  der  Geschichte  der  astronomischen  Lehrmeinungen  wohl 
vertraut  und  wufste  insbesondere^^),  daiüs  sich  früher  schon  Stimmen  gegen 
die  Herrschaft  des  Ptolemaeus  hatten  vernehmen  lassen.  Wir  werden 
weiter  unten  auf  diese  unbekannte  Schrift  und  auf  die  Möglichkeit  zurück- 
kommen, dafs  sich  von  ihrem  Inhalte  doch  einiges  erhalten  hat. 

Verbleiben  wir  mithin  fürs  erste  bei  der  „docta  iffnorantia'*,  deren 
Faust-Charakter  —  „habe  gelernt,  daHs  wir  nichts  wissen  können^^  —  Zeit- 
genossen und  Spätere  begreiflich  genug  oft  milsverstanden  haben^),  and 
nehmen  wir  noch  Abstand  von  dem  Fragmente,  welches  einer  präziseren 
Festsetzung  der  Natur  der  Erdbewegung  dienen  sollte,  so  können  wir  si^en. 
dafs  in  der  That  Cusa  einen  Platz  unter  den  Vorläufern  Coppernics  ver- 
dient. Nicht  übel  kennzeichnet  Poggendorff^^)  die  Art  dieser  Voigänger- 
schafk:  er  verhalte  sich  zu  Coppernicus,  wie  etwa  Hus  zu  Luther. 
Nur  ist  der  böhmische  Nationalheld,  bei  dem  sich  religiöser  Ernst  und 
politische   Agitationslust    ganz   eigenartig   in   einander   mengen,    in   keiner 

29)  In  der  Abhandlung  über  die  spanischen  Tafeln  bespricht  Cusa  die  radi- 
kale Auflehnmig  des  Arabers  Alpbtrjloius  gegen  Ptolsüakub  (vgl.  Gühthkb,  Stu- 
dien Eur  G^eschichte  der  mathematischen  und  physikalischen  Geographie,  Halle 
1879,  S.  78  ff.). 

30)  Aufserordentlich  philiströs  ist  z.  B.,  was  Mäpt,!«  (Gteschichte  der  Astro- 
nomie von  der  ältesten  bis  auf  die  neueste  Zeit,  1.  Band,  Braonschweig  1873, 
S.  116  ff.)  über  Cüsa  zu  sagen  weifs.  Aber  auch  Wolfes  Urteil  (s.  o.)  entspricht 
dem  wahren  Sachverhalte  wenig;  Cusa  ist  ein  „Mystiker",  und  damit  ist  alles  sb- 
gethan.  Hätte  es  nur  recht  viele  derartige  Mystiker  gegeben!  ^Hr  möchten  lom 
Beweise  filr  die  freie  Denkart  dieses  tiefsinnigen  Mannes  auch  auf  eine  wenig 
beachtete  Stelle  der  Schrift  ,J)e  genest"  (C.  0.  0.,  S.  ISO)  aufmerksam  machen, 
wo  gewisse  theologische  Einwürfe  gegen  eine  freiere  Interpretation  des  HexsS- 
merons  auf  ihren  wahren  Wert  geprüft  werden.  Zöcklkb,  der  diese  Arbeit  wohl 
kennt  und  den  Cusahek  in  eingehender  Darlegung  gegen  den  Vorwurf  des  Psn- 
theismns  verteidigt,  wie  er  zum  öfteren  und  am  schärfsten  von  Lswicxi  {De  Cis- 
DiNALis  CusAKi  pantheismo  dissertatio,  Münster  1875)  erhoben  wurde,  der  überhsnpt 
die  Bedentong  Cusa^s  voll  anerkennt  (Geschichte  der  Besiehnngen  zwischen  Theo- 
logie und  Naturwissenschaft,  1.  Abteilung,  Gütersloh  1877,  S.  857  ff.,  451  ff.),  ist 
auf  den  interessanten  Dialog  über  die  Genesis  leider  nicht  eingegangen. 

81)  PoGGKXDOBFF,  Gcschichte  der  Physik,  Leipzig  1879,  S.  114  ff.  Vgl.  auch 
Pkschel-Ruoe,  Geschichte  der  Erdkunde  bis  auf  A  v.  Humiioldt  und  C.  Bitteb, 
München  1877,  S.  383. 


Nikolaus  Ton  Gosa  in  seinen  Besiehungen  zur  mathem.  u.  physik.  Geographie.     1 33 

Weise,  die  persönliche  Tapferkeit  etwa  abgerechnet,  mit  dem  Reformator 
zu  vergleichen,  während  Cusa,  soweit  es  blos  auf  die  Höhe  und  ünab- 
h&ngigkeit  der  kosmischen  Anschauungen  ankommt,  sich  unbedenklich  an 
Copi'ERNics  Seite  stellen  darf.  Denn  der  springende  Punkt  ist  doch  inmier 
der,  ob  die  Erde  als  etwas  selbständiges,  von  allen  übrigen  Weltkörpem 
verschiedenes  oder  ob  sie  als  ein  Stern,  wie  die  anderen,  anzusehen  ist. 
Sie  ist  letzteres,  fireüich  ein  „edler"  Stern  ^^,  der  aber  seinem  Wesen  nach 
nicht  auf  eine  besondere  Substanz  zurückzuführen  ist.  Damit  ist  die 
aristotelische  Elementenlehre  über  den  Haufen  geworfen;  damit 
ist  ein  Ferment  von  gröCster  Tragweite  in  die  Naturwissenschaft  hinein- 
getragen und  dem  Dogma  von  der  Suprematie  der  Erde  der  Boden  ent- 
zogen. Wenn  in  den  folgenden  zwei  Jahrhunderten  gegen  das  coppemi- 
canische  System  nicht  nur  polemisiert,  sondern  mit  allen  erlaubten  und 
unerlaubten  Mitteln  der  Kampf  erö&et  wurde,  so  trug  an  der  steigenden 
Erbitterung  weit  weniger  die  astronomische  Theorie  die  Schuld,  um  welche 
sich  die  Mehrzahl  der  Gegner  wenig  kümmerte,  sondern  der  unselige  Glaube, 
dafs  die  Entthronung  der  Erde  einen  Bruch  mit  den  Grundlehren  des  Christen- 
tums bedeute'').     Und  wer  so  dachte,  der  mochte  Cusa's  grolsartige  Eon- 


SS)  SoHAJiprr,  S.  124.  „Die  Erde  ist  ein  edler  Stern,  der  Licht,  Wärme  und 
Einwirkung  von  allen  anderen  Sternen  in  verschiedener  Weise  empfängt.'' 

33)  Kaum  irgendwo  finden  wir  diese  in  ihren  Konsequenzen  so  nachteilige 
Meinung  gleich  deutlich  ausgesprochen,  wie  bei  Mklanchthoh  {Inüia  doctrinae 
phiftieae^  dietata  in  Aakdemia  Vitebergensi ,  Leipzig  1659,  fol.  34,  11).  Nachdem 
den  philosophischen  Argumenten  gegen  die  vermessene  und  leichtfertige  Vor- 
stellung einer  Mehrheit  der  Welten  ihr  Becht  geworden  ist,  fährt  der  berühmte 
Lehrer  fort:  ,J3ed  nobis  inEccksia^  et  facüius  et  neeesaarium  est  asseewrare,  imi- 
cum  Ute  üMffMfum,  qma  eoelestis  doctrina  htmc  mundmn,  in  qw)  se  Deus  patefecit, 
m  quo  9uam  doctrinam  hominibus  tradidit,  et  in  quo  Filium  humano  generi  miait, 
conditum  esse  a  Deo  adfirmat/'  Solche  Erwftgnngen  bewirkten,  dafs  die  pro- 
ieatantische  Kirche  im  Anfange  der  heliozentrischen  Weltanschauung  sogar  noch 
entschiedener,  als  die  katholische,  sich  widersetzte.  Die  Endlichkeit  der  Welt 
gilt  als  feststehend;  ein  so  gründlich  mathematisch  gebildeter  Mann,  wie  Jobanh 
▼.  Gmjirosai,  der  erste  selbständige  Vertreter  dieser  Wissenschaft  an  der  Uni- 
Tenit&t  Wien,  hatte  in  einem  handschriftlichen  Dokumente,  dessen  kulturgeschicht- 
liche Bedeutung  sehr  hoch  zu  veranschlagen  ist,,  der  hergebrachten  Weltordnung 
eine  änlserst  bcbtimmte,  auch  ihrer  naiven  Ausdrucksweise  halber  bemerkens- 
werte Formulierung  erteüt  (vgl.  Gükthxb,  Studien  zur  Geschichte  der  mathema- 
tiichen  und  physikalischen  G^graphie,  S.  267  ff.).  Das  Manuskript  ist  in  nieder- 
denticher  Sprache  abgefafst,  wahrscheinlich  eine  Abschrift  nach  einer  Vorlesung 
JoEAn's,  der  als  Autor  direkt  genannt  wird.  Jenseits  der  Sphäre  des  „primum 
mobile'^  kommt  der  Rurige  hymel",  worin  sich  Gott  in  seiner  Dreieinigkeit  und 
die  Jungfrau  Maria  aufhalten.  Auch  die  einzelnen  Klassen  der  selig  gewordenen 
Menschen  haben  je  eine  besondere  Sphäre  angewiesen  erhalten.    Wie  hoch  müssen 


134  Siegmnnd  Günther: 

zeptionen,  in  welchen  man  mit  Fug  den  Keim  von  Leibniz'  Monadologie 
und  prästabilierter  Weltharmonie  aufgedeckt  hat^),  vielleicht  för  bed^ik* 
licher  halten,  als  das  wesentlich  mathematische  und  darum  nur  Wenigen 
zugängliche  Buch  der  Coppebnious. 

Die  mathematische  Geographie  wird  yon  den  Philosophemen  Cusa's 
auch  insofern  näher  berührt,  als  aus  denselben  eine  Rückwirkung  auf  das 
folgen  mufste,  was  man  mit  einem  wenig  bezeichnenden  Namen  Plurali- 
tfttshjpothese  genannt  hat.  In  der  Litteratur  über  die  Frage,  ob  es 
menschenähnliche  Geschöpfe  auch  auf  anderen  Weltkörpem  geben  könne, 
ist  dieser  ältere  Vertreter  der  bejahenden  Ansicht  viel  zu  wenig  berück- 
sichtigt worden^).  Cusa  nahm  generell  die  Möglichkeit  einer  Bewohnbar- 
keit aller  Himmelskörper  an^),  hielt  aber  dafür,  dals  die  Beschaffenheit 
dieser  Bewohner  keineswegs  die  gleiche,  sondern  durch  die  Eigenart  des 
betreffenden  Sternes  bedingt  sei.  Den  Bonnenwesen  möge  wohl  ein  höherer 
Rang  eignen  gegenüber  den  irdischen  Menschen,  welche  mehr  „fnakriaks 
et  grossi"  seien.  Doch  ist  auch  die  Erde  nicht  etwa  eine  tote  Masse,  son- 
dern ein  lebendiger  Organismus;  das  Felsgerüste  entspricht  den  Knocheo, 
die  Flüsse  gleichen  den  Adern,  die  Bäume  den  Haaren  des  menschlii^en 
Leibes.  80  weit  jedoch  ging  Cusa  nicht,  dals  er  dem  Erdkörper  wirklich 
animalische  Funktionen  zugeschrieben  hätte,  wie  dies  nachher  Kepler, 
Goethe   und   der   Naturphilosoph    Hugi   gethan   haben '^).     Es   unterli^ 

wir  einen  Eirchenfarsten  bewerten,  der  es  unternahm,  in  ein  so  kraCB-anthropo- 
morphistischeB,  ja  geradeza  materialistisches  Ghristentom  Bresche  zu  l^geii  und 
einem  reineren  Gottesbegriffe  die  Bahn  zu  ebnen!  Wir  finden  nicht,  dali  die 
theologischen  Biographen  Cusa^s  gerade  dieses  Moment  gebührend  henrorgehoben 
haben;  warmn  sie  es  nicht  thaten,  wollen  wir  hier  da^iingestellt  sein  lassen. 

84)  Den  Znsammenhang  erkennt  man  am  besten  durch  das  Stodinm  einer 
Abhandlung  R.  Zimhebmamn's  (Der  Kardinal  Nikolaus  CüSAifüs  als  Vorl&ofer  Led- 
NIZBN8,  Sitznngsber.  d.  Akademie  zu  Wien,  Phil.-hist.  Kl.,  1858,  8.  306  ff.). 

36)  Besonders  empfehlenswert  ist  Pesohel'b  Essay  „Ober  die  Ploralii&t  der 
Welten**  (Abhandlangen  zur  Erd-  und  Völkerkunde,  herausg^.  von  Loswihbebg, 
2.  Band,  Leipzig  1878,  S.  187  ff.).  Dem  modernen  Standpunkte  unseres  WiBseiu 
pafst  sich  noch  besser  an  J.  Scheikbb  (Die  Bewohnbarkeit  der  Welten,  Himmel 
und  Erde,  8.  Band,  S.  18  ff.). 

36)  ScHABPFF,  a.  a.  0.;  Düx,>2.  Band,  S.  328  ff.;  Clskutb,  Giobdaho  Bbuito  and 
Nikolaus  von  Cüsa,  Bonn  1847,  S.  20  ff. 

37)  Zu  yergleichen  Bind  mit  Rücksicht  auf  die  sonderbare,  sp&terhin  weflent- 
lieh  auf  den  Gezeiten  des  Meeres  fafsende  und  zuerst  bei  den  Stoikern  nachweis- 
bare Lehre  vom  „Erdtiere**  die  folgenden  Schriften:  H.  Bbeobb,  G^eschichte  der 
wisBenschafblichen  Erdkrmde  der  Griechen,  4.  Abteilang,  Leipzig  1893,  S.  75; 
Hederich,  Goethe  und  die  physikalische  Geographie,  Münchener  Geographische 
Studien,  6.  Heft;  Pixis,  Kepler  als  Geograph,  ebenda,  6.  Heft;  Hcroi,  Gnmdzüge 
einer  allgemeinen  Naturansicht:  Die  Erde  als  Organismus,  Solothom  1841. 


Nikolaai  von  Gasa  in  seinen  Besiehnngen  zur  mathem.  u.  physik.  Geographie.     135 

keinem  Zweifel,  dais  Qiordano  Bruno,  als  er  die  ünzfthligkeit  der  Welten 
▼erkündete,  von  Cusa,  dem  anch  sonst  hoch  verehrten,  in  erster  Linie  be* 
einfluist  war'^),  und  auch  weiterhin  machen  sich  Sparen  bemerklich,  dafs 
gerade  dieser  Teil  cosanischer  Lehren  eine  besonders  bereitwillige  Aufnahme 
gefunden  hat. 

Wer  einmal  soweit  gegangen  war,  dem  mufste  es  nahe  liegen,  zwi- 
schen der  Erde  und  anderen  Gestirnen  direkte  Vergleiche  zu  ziehen,  und 
zwar  nicht  blos  solche,  welche  einer  gewissen  mathematischen  Eontrolle 
f&hig  waren.  In  diese  letztere  Klasse  gehören  die  ganz  richtigen,  am  be- 
zeichneten Orte  gemachten  Angaben,  dais  die  Erde  den  Mond  und  Merkur 
an  Gröüse  übertreffe.  Cusa  geht  noch  weiter  und  tritt  mit  einer  kühnen 
Konjektur  über  die  Beschaffenheit  des  Sonnenkörpers  hervor,  welche 

von  jeher  viel  Aufsehen  erregt  und  insbesondere  damals,  als  die  Sonnenphysik 

* 

noch  nicht  den  gegenwärtigen  Grad  der  Ausbildung  erreicht  hatte,  geradezu 
Bewunderung  entzündet  hatte,  weil  sie  sich  wie  eine  Divination  der  Wahrheit 
darstellte.  Man  sollte  jedoch  nicht  vergessen,  dafs  der  Kardinal  hier  absicht- 
lich seiner  Phantasie  freien  Lauf  liefs  und  seinen  Äufserungen  kaum  eine 
eigentlich  wissenschaftliche  Bedeutung  beigemessen  wissen  wollte;  sonst  stünde 
nicht  am  Bande  der  einschlägigen  Partie  des  cusanischen  Werkes  das  zumeist 
ganz  übersehene  Wort  ,Jitfpm"  (<J«voff,  Traum) '^),  Indem  wir  wieder  auf 
Scharpff's  Verdeutschung^)  Bezug  nehmen,  geben  wir  die  solare  Hypothese 
CrsA's  wieder,  wie  folgt:  „Betrachtet  man  den  Sonnenkörper,  so  hat  er  zu 
seinem  Kerne  eine  Art  Erde,  zum  Umkreise  eine  wie  Feuer  leuchtende  Masse, 
dazwischen  eine  Art  wässeriger  Wolken  und  eine  reinere  Luft,  also  zusammen 
die  vier  Elemente  der  Erde^).  Stünde  daher  jemand  auTserhalb  der  Re- 
gion des  Feuers,  so  würde  ihm  diese  Erde  durch  das  Medium  des  Feuers 
im  ganzen  Umfange  ihres  Gebietes  wie  ein  leuchtender  Stern  vorkommen. 


38)  Doch  ging  Cusa.  nicht  so  weit,  eine  Beseelung  der  einzelnen  Himmels- 
körper voranssnsetsen  (vgl.  Euhlbhbsck,  Giobdaho  Bbüno^s  Reformation  des  Him- 
mels, Leipng  1889,  8.  866). 

39)  A  V.  HcxBOLDT  (Kosmos,  3.  Band,  S.  289  der  Cottaschen  Nenanflage, 
Stuttgart  8.  a.)  betont  die  Notwendigkeit,  den  Randnoten  die  vom  Autor  offenbar 
gewUnschte  Beachtung  zu  schenken. 

40)  SCHABPVF,  8.  123  ff. 

41)  Dies  widerspricht  nicht  etwa  der  früheren  Angabe  von  Cüsa's  gegen- 
«itslichem  Verhalten  gegen  die  peripatetisch-scholastische  Elementenlehre.  Denn 
dioe  verlangte  ja  eben,  dafs  die  Gestirne  aus  einem  selbständigen,  der  Erde 
'ramdartigen ,  ätherischen  Stoffe  gebildet  seien,  und  unsere  Vorlage  spricht  sich 
IQ  gVDsien  vollster  Wesensgleichheit  zwischen  sämtlichen  Weltkörpem  ans;  ein 
^  j«ae  Zeit  gewagter  Gedanke,  dessen  vollständige  Bestätigung  inzwischen  durch 
^e  spektralanalytische  Forschung  erbracht  worden  ist. 


136  Siegmund  Günther: 

wie  uns,  die  wir  im  Umkreise  der  Region  der  Somie  uns  befinden,  die 
Sonne  überaus  hell  leuchtend  vorkommt."  Clembns  meinte ^^,  solche 
Äufserungen  wären  nur  verständlich,  wenn  man  annehme,  Gdsa  habe  etwas 
von  den  Sonnenflecken  gewuüst)  aber  Humboldt  (a.  a.  0.)  erklärt  sich  mit 
Recht  gegen  diese  geschichtlich  unhaltbare  Vermutung.  So  viel  ist  ja  wahr: 
Damals,  als  die  Wilson- Her  sehe  Ische  Sonnenfleckentheorie  allgemein  ge- 
billigt war,  mochte  man  billig  über  Cusa's  Worte  erstaunen,  die  zwar  nicht 
eben  klar  sind,  aber  doch  dahin  gedeutet  werden  können,  dafs  an  eine 
dunkle  Sonnenkugel,  umflutet  von  einer  Licht  und  Wärme  ausstrahlendeD 
Photosphäre,  gedacht  worden  sei.  Wenn  man  übrigens  aufmerksam  in  der 
Zeile  fortliest,  so  sieht  man^'),  dais  Cusa  auch  dem  Monde,  und  wahr- 
scheinlich nicht  minder  den  übrigen  Planeten,  eine  ähnliche  Zusammeih 
setzung  aus  konzentrischen  Elementarhüllen  zuschrieb  und  für  die  Soone 
keine  Ausnahmestellung  beanspruchen  wollte.  In  hohem  Maise  merkwürdig 
bleibt  der  ganze  Abschnitt  gleichwohl  als  ein  Versuch^),  die  Natur  der 
Gestirne  aus  den  für  die  Erde  giltigen  Gesetzen  abzuleiten,  Astro-  and 
Geophysik  zu  einander  in  Wechselbeziehung  zu  setzen. 

Wir  erfuhren  soeben,  dais  der  geistvolle  Theosoph  zwischen  den  Sätzen, 
welche  er  aufstellte,  wohl  unterschied;  von  denen,  welche  ihm  als  gesichert 
erschienen,  trennte  er  die  „Träumereien^',  deren  wir  Erwähnung  thaten, 
und  wieder  andere  lagen  für  ihn  in  der  Mitte  zwischen  voller  Wahrheit 
und  abenteuerlicher  Spekulation.  Letztere  bezeichnete  er  als  „para/ämi'". 
Dahin  gehört  der  Ausspruch,  dafs  die  Gestalt  der  Erde  nicht  voll- 
kommen sphärisch  und  dais  die  Bahn,  in  welcher  sich  dieselbe  bewegt, 


42)  Clembrs,  a.  a.  0.,  S.  101.  Sicherlich  war  CusVs  Idee  mafsgebend  för 
GioBDANo  Bbüno'b  viel  weitergehende  Eonstraktionen  siir  Lehre  von  den  phyiischeo 
Eigenschaften  der  Sonne  (Kuhlbhbeck,  a.  a.  0.,  S.  366).  Er  sagt  einmal  (Bkuxn- 
HOFEB,  GiOBDANo  Bbuho's  Weltanschauong  und  Verhängnis,  Leipzig  1888,  S.  168): 
,ßli  ricordo  d'aver  tnsto  il  Ousano,  di  cui  ü  giudizio  so  che  non  riprovaU,  t7  qwk 
vitale,  che  anco  il  sole  abbia  parti  dissimüari,  came  la  luna  e  la  terra/*  Dies  var 
aber  ein  Mifsverständnis;  an  ünregelmäfsigkeiten  der  Oberfläche  dachte  Ceti 
nicht,  sondern  lediglich  an  eine  sphärische  Schichtung  der  Elementatmaterien  in 
der  Kugel  des  in  Rede  stehenden  Weltkörpers. 

48)  „Der  Mond  erscheint  uns  nicht  so  hell,  Tielleicht,  weil  wir  in  seueoi 
Umkreise  mehr  den  zentralen  Teilen  näher  stehen,  etwa  der  wässerigen  Region 
desselben."  Daraus  geht  doch  hervor,  dafs  der  Aufbau  der  beiden  Körper,  der 
Soime  und  des  Mondes,  als  ein  wesentlich  gleichförmiger,  die  gleichen  ßesUnd- 
teile  aufweisender  vorausgesetzt  war. 

44)  Abgesehen  von  der  (pBeudo?-)plutarchi8chen  Schrift  „De  fade  in  orbe 
lunae"  kannte  man  keine  solchen  Versuche,  bis  dann  Kbpleb  sich  mit  seiner  gaa- 
zen  Genialität  auf  dieses  Feld  warf  (vgl.  Lunw.  Qüntbeb,  Kefleb's  Tnom  Tom 
Mond,  Leipzig  1898). 


Nikolaus  toh  Gosa  in  seinen  Beziehungen  zur  mathem.  u.  physik.  Qeographie.     137 

nicht  vollkommen  kreisförmig  sei^^).  Wir  fahlen  nns  auJGser  stände, 
den  Gedankengang  des  sich  gerne  in  ein  gewisses  Dunkel  hüllenden  Schrift- 
stellers^ nachzudenken;  am  nächsten  liegt  es  wohl,  dafs  derselbe  nur  der 
prinzipiellen  Überzengung  Ausdruck  verleihen  wollte,  nichts  Geschaffenes 
erfireue  sich  einer  absoluten  Vollkommenheit.  Man  darf  aber  auch  an  die 
nnregelmälsige  Oberflftchenkonfiguration  der  Erde,  an  ihre  Gliederung  in 
Gebirge  und  Flachländer,  sowie  an  die  Exzenter  und  Epizykeln  denken, 
mit  welchen  die  Gelehrten  den  Weltraum  bevölkert  hatten,  und  mit  denen 
sich  der  praktische  Astronom  notwendig  abfinden  mufste^^),  so  wenig  sie 
dem  Philosophen  sympathisch  sein  mochten. 


45)  C.  0.  0.,  S.  89.  „Terra  etiam  ista  non  est  sphaerica,  tU  quiäatn  dixerunt, 
licet  tendat  ad  sphaericitatem  ,  .  ,  et  eius  motus  circularis,  sed  perfectior  esse  posset/' 

46)  Die  von  einem  Historiker  (C.  F.  Bbockhaus,  Nicolai  Cusami  de  concilii 
universalis  potestate  sententia  expiicata,  Leipzig  1867,  S.  XIII)  gerügte  Gewohnheit 
des  Kardinales,  vom  eigentlichen  Behandlongsgegenstande  abzuschweifen  und  da- 
durch die  Durchsichtigkeit  der  GedankenentwicUung  zu  gefährden,  tritt  auch  in 
den  philosophisch-naturwissenschaftlichen  Schriften  oft  genug  unliebsam  zu  tage. 

47)  Als  solcher  bewährt  sich  Gusi.  in  seinem  Gutachten  über  die  Kalender - 
reform  (vgl.  Schanz,  Die  astron.  Anschauungen  etc.,  S.  17  ff.)  und  in  seiner  Kritik 
des  alfonsioischen  Tafelwerkes.    Sein  Vorschlag  (R.  Wolf,  a.  a.  0.,  S.  829),  dem 
Pfingstsonntag,  24.  Mai,  des  Jahres  1439,  sofort  als  Pfingstmontag  den  1.  Juni 
folgen  zu  lassen  und  zur  Hintanhaltung  späterer  Verwirrung  der  Zeitrechnung 
jedem  304.  Jahre  den  Schalttag  zu  entziehen,  ist  ein  recht  rationeller,  wenn  auch 
der  zweite  Teil  nicht  die  Übersichtlichkeit  besitzt,  welche  man  der  gregorianischen 
Einrichtung  nachrühmen  mufs.   —   Noch   deutlicher  offenbart  sich  des  Güsanus 
Vertrautheit  mit  dem  gesamten  astronomischen  Wissen  seiner  Epoche  in  der  Ab- 
handlung über  die  Planetentafeln   (C.  0.  0.,  8.  1168  ff.);   eben   diesem  Zeitalter 
bringt  er  freilich  auch  seinen  Zoll  dar  durch  die  Behauptung,  dafs  der  Bückgang 
der  Aequinoktialpunkte  kein  gleichförmiger  sei,  und  dafs  um  die  Zeit  von  Christi 
Geburt  diese  Bewegung  eine  besonders  rasche  gewesen  sei.    Diese  Irrlehre  be- 
herrschte ja  das  ganze  Mittelalter  und  fand  selbst  in  Coppernicus  noch  einen  An- 
hänger, der  aber  doch  die  schlimmsten  Auswüchse  beseitigte  (vgl.  Gunthxb,  Der 
Wapowski- Brief  des  Coppebmicus  und  Wbemsr's  Traktat  über  die  Bewegung  der 
achten  Sphäre,  Mitteil.  d.  Coppem.-Ver.  f.  Wissensch.  u.  Kunst  zu  Thom,  2.  Heft, 
S.  3  ff.).    Scharfsinnig  bemerkt  Cusa,  die  Elemente  der  Planetenbewegungen  seien 
von  König  Alpokb  vielfach  falsch  bestimmt  worden,  aber  durch  einen  glücklichen 
Zufall  glichen  sich  wenigstens  beim  Finstemiskalkul  die  Fehler  so  ziemlich  aus, 
und  darum  habe  man  sich  bei  den  unrichtigen  Daten  allzu  leicht  beruhigt.    „Et 
hoc  muUos  magnos  et  famatos  Philosophos  duxit  in  credülitatem  predictarum  tabu- 
larum"  (C.  0.  0.,  S.  1173).    Als  der  erste,  der  dem  „libros  del  saber"  das  kritische 
Mesier  ansetzte,   wie   A.  Math   behauptete   (Das   Studium   der  Mathematik   im 
^V.  Jahrhundert,  Bayer.  Annalen,  III,  1,  S.  200),  ist  Cusa  übrigens  unter  keinen 
Umständen  anzuerkennen,  und  aus  seinen  eigenen  Darlegungen  erhellt  auch  nicht, 
daCi  er  sich  ein  solches  Verdienst,  das  ihm  nicht  zukam,  irgendwie  zuzueignen 
geneigt  gewesen  wlkxe.  —  Inwieweit  Güsa  bei  den  (27  -f  37  =)  64  Stempositionen 


138  Siegmand  Günther: 

Auch  eine  nnseres  Wissens  bisher  noch  gar  nicht  beachtete  Stelle  des 
inhaltreichen  Baches,  mit  welchem  wir  uns  zur  Zeit  besdi&ftigen,  sei  bier 
kurz  berührt.  Die  Astrologen  des  Altertums  hatten  Betrachtungen  über 
die  Abhängigkeit  klimatischer  und  anderweiter  Yerh&ltniflse  der  einzebieo 
Erdgegenden  angestellt,  je  nachdem  dieselben  dem  Einflüsse  gewisser  Ge- 
stirne unterstehen;  man  hatte  eine  geographische  Astrologie  geechsifen, 
mit  der  erst  in  jüngster  Zeit  die  Wissenschaft  sich  ernstlicher  zu  befttfaen 
angefangen  hat^.  Cusa  hält  als  klarer  Denker  nichts  von  dieser  Aßer- 
wissenschaft;  es  sei,  sagt  er^^),  dem  Menschen  yerwehrt,  die  Länder  der 
Erde  nach  ihrer  angeblichen  Abhängigkeit  von  den  Stellungen  der  Himmels- 
körper in  edlere  und  weniger  edle  einzuteilen. 

Die  Geschichte  der  Kosmologie  darf  auch  die  Thatsache  nicht  mit  Still- 
schweigen übergehen,  dafs  bei  Cusa  eine  erste  bestimmte  Erfassung 
des  Beharrungsgesetzes  nachzuweisen  ist^).  Um  seine  abstrakten  Lehren 
über  Gott-  und  Menschheit  zu  versinnlichen,  machte  Cusa  Gebrauch  von  einem 
Spiele,  dessen  symbolische  Bedeutung  Anlafs  zur  Verfassung  einer  eigenen 
Schriffc  („De  ludo  gUM*)  gegeben  hat**).  Eine  völlig  glatte  Kugel,  anf 
absolut  glatter  ebener  Unterlage  dahinrollend ,  kann  niemals  zur  Buhe 
kommen.  Gerade  so  verhält  es  sich  bei  den  hinunlischen  Kreisbewegongen; 
die  dauernde  Bewegung  ist  da  der  Normalfall,  die  unterbrochene  ein  Aus- 
nahmefall. Aufserordentlich  wichtig  ist  die  Erkenntnis,  dafs  die  Be- 
wegungstendenz  in  dem  bewegten  Körper  selbst  steckt  und 
nicht,  wie  Aristoteles  wollte,  vom  umgebenden  Medium  abhängt 


beteiligt  ist,  welche  der  Ausgabe  seiner  Werke  (0.  0.  0.,  S.  1174  ff.)  angefügt  und, 
wird  sich  (Sghahz,  a.  a.  0.,  8.  80)  nicht  mehr  entscheiden  lassen;  die  Überschrift 
lautet:  ,ßUÜae  inerrantes  ex  Cardinälis  CusAin,  Nicesi,  et  Allia^cissib  observaUomlm 
8uppiUakuf*,  Alliaobnsib  ist  der  Kardinal  D^Aillt,  Nicsrus  jedenfalls  Hvriici 
von  Nicaea;  darüber,  dafs  Cüsa  auch  Stembeobachtongen  angestellt  habe,  ist  sonit 
nichts  bekannt.  In  Jahr's  „Astron.  Unterhaltungen*^  (Jahrgang  1864,  S.  41S)  ge- 
schieht eines  aus  Kupfer  gefertigrten  Astrolabiums  Erw&hnung,  welches  lum  Nach- 
lasse des  Kardinales  gehört  haben  und  noch  jetzt  in  seinem  Heimatsorte  auf- 
bewahrt werden  soll.  Mit  einem  solchen  Instrumente  kann  Cusa  immerhin  die 
bewuPsten  Ekliptikkoordinaten,  die  auch  nur  in  sehr  runden  Zahlen  eingetragen 
sind,  selber  ermittelt  haben. 

48)  Man  sehe  die  Mitteilungen  hierfiber  bei  Hablsb  (Astrologie  im  Altertom, 
Zwickau  1879),  sowie  bei  Boll  (Studien  über  Claudius  Ptolbkasus,  Leipzig  1896). 

49)  C.  0.  0.,  S.  40.  „Quare  patet,  per  hominem  tum  esic  seUnU,  an  regio  Um 
Sit  ifi  ffradu  perfectiori  et  iffnobiliori,  respectu  regionum  steüarutn  oJtariMi  . .  " 

50)  Wohlwill,  Die  Entdeckung  des  Beharmngsgeseties,  Zeitschr.  f.  Völker- 
psychologie u.  Sprachwissenschaft,  14.  Band,  S.  875  ff. 

51)  SoBAJtFFP,  S.  220 ff.;  KÄ8TNEB,  Geschichte  der  Mathematik,  1.  Band,  Göt- 
tingen 1796,  S.  410  ff. 


Nikolaas  von  Ciua  in  Beinen  Beziehungen  zur  mathem .  u.  physik.  Geographie.     139 

Man  weüs,  dafs  Gaui^ei  mit  der  Bekämpfung  dieses  Grundsatzes  eine  rationelle 
Bewegungslehre  begrftndete^^,  aber  schon  vor  ihm  war  Cusa  des  wirklichen 
Sachverhaltes  inne  geworden.  Dieser  Ruhm  mufs  ihm  verbleiben,  auch 
wenn  man  mit  Woblwill  (s.  o.)  zuzugeben  bereit  ist,  daüs  der  Begriff  des 
,,motus  impressus'*  (ßvvcciiig  ivdo^eusa)  bereits  den  älteren  griechischen  und 
arabischen  Auslegern  des  Stagiriten  mehr  oder  weniger  zum  Bewufstsein 
gekommen  sei. 

Wir  können  von  Cusas  Verdiensten  um  die  Astronomie  nicht  Abschied 
nehmen,  ohne  uns  noch  mit  dem  vielleicht  wichtigsten  Schriftstücke  zu  be- 
schäftigen, welches  von  ihm  auf  unsere  Tage  gelangt  ist.  Als  Clemens 
anläfslich  der  Vorstudien,  welche  er  für  seine  uns  bereits  bekannte  Schrift 
über  Cusa  und  Bruno  anstellte,  die  Bibliothek  des  aus  der  Hinterlassen- 
schaft des  Kardinals  reich  ausgestatteten  Hospitales  in  Cues  durchsuchte, 
fiel  ihm  ein  Autograph  des  Donators  in  die  Hände,  welches  er  veröffent- 
lichte.^; Derselbe  ist  um  deswillen  von  so  hoher  Wichtigkeit,  weil  Cusa 
in  diesem  Schriftstücke  seine  früheren,  ziemlich  allgemeinen 
Andeutungen  über  die  Bewegung  der  Erde  schärfer  präzisiert 
Ohne  Zweifel  entstanmit  dasselbe  dem  späteren  Lebensalter  des  Schreibers; 
derselbe  hatte  wohl  gefühlt,  dafs  die  unbestimmten  Ausführungen  der  „docta 
ignorantia"  eine  astronomisch  fafsbare,  authentische  Interpretation  erheischten, 
und  eine  solche  lieferte  er  hier.  Ob  in  der  Absicht,  auch  sie  der  Öffent- 
lichkeit zu  übergeben,  das  müssen  wir  unentschieden  lassen.  Da  wir  den 
Sinn  der  sehr  gedrängten  Darstellung  schon  bei  früherer  (Gelegenheit^)  auf- 
geklärt zu  haben  glauben,  so  begnügen  wir  uns  mit  Wiedergabe  der  drei 
Leitsätze,  in  welche  wir  damals  den  Inhalt  zusammendrängten. 

Es  dreht  sieh  danach  I.  die  Erde  in  24  Stunden  von  Ost  nach  West 
um  eine  ihrer  Bichtung  nach  mit  der  Verbindungslinie  der  Weltpole  zu- 
sammenfallende Achse.  Gleichzeitig  aber  dreht  sich  auch  11.  die  achte  Sphäre 
mit  allen  zwischen  ihr  und  der  Erde  befindlijchen  Weltkörpem  in  entgegen- 
gesetztem Sinne,  also  von  West  nach  Ost,  um  die  gleiche  Achse,  und  zwar 
ist  ihre  Umdrehungsgeschwindigkeit  doppelt  so  grofs,  als  diejenige  der  Erde. 
HL  Auch  die  Sonne  nimmt  an  diesem  ostwestlichen  Umschwünge  teil,  aber 
derselbe  wird  durch  die  Eigenbewegung  dieses  Gestirnes  derart  verlangsamt, 
d&&  im  Laufe  eines  Jahres  das  Zurückbleiben   gerade   auf  360^  anwächst. 

Man  staunt  über  die  Komplikation,  welche  diese  Anordnung  zuwege 
bringt  allein  man  kann  nicht  in  Abrede  stellen,  dafs  der  angestrebte  Zweck, 


52)  Vgl.  hiezu  Hbllkb  ,  Geschichte  der  Physik  von  Abistotel£8  bis  auf  die 
neueste  Zeit,  1.  Band,  Stuttgart  1882,  S.  53,  S.  377  ff. 

58)  CuMBVB,  S.  98  ff.        54)  Gümthsr,  Stadien  etc.,  S.  27  ff. 


r-Bieß^^und  Günther: 

dio    tSgiiche    Dmdrehang   der   Himinelskugel    und    den   Wecltj 
von  Tag  und  Nacbt  zu  erklären,  auch  auf  diesem  umst&ndliol 
W^ge  erreicht  wird.    Die  Ueschwindigkeit  der  Erde  von  Ost  gegen 
ist,  wenn  vrir  diesen  Drehsinn  durch  das  Zeichen  Minas  kennzeichnen,  ^ 
—  sT '    ^^j^)^^  ^^^  achten  Sphäre  ist  positiv  zu   nehmen  and   hat  i 
CusA  den  Wert  -^ ;  als  resultierende  Geschwindigkeit  erhatten  wir  sonf 

ft.     j-     r-  3     —  360  +  720        360  ,  ■         ,.   j-  I. 

für  die  Erde   — ■■  -■   ■ ■  ^  -^7- ,  gerade  so,  wie  sich  dies  auch  1 

würde,  wenn  die  Erde  allein  eine  Umdrehung  von  West  nach  Ost  I 
die  St«rnsphäre  dagegen  stillstände.  Weshalb,  diese  Frage  drängt  sich  u 
da  gebieterisch  auf,  weshalb  liefs  sich  ein  so  selbständiger  Denker  nicht  an 
der  ungleich  einfacheren  Annahme  der  blol'sen  Erddrehung  genügen,  soodera 
baute  ein  so  eigenartig  verwickeltes  System  auf?  Eine  voll  befriedigende 
Antwort  auf  diese  Frage  vermag  heutzutage  niemand  mehr  zu  geben,  aber 
dennoch  gieht  es  Überlegungen,  welche  vielleicht  eine  gewisse  Einsicht  in 
den  Ideengang  vermitteln,  dessen  Resultat  in  der  soeben  besprochenen 
Rotation  sl  ehre  vor  uns  liegt. 

Eine  vorurteilsfreie  Vergleichung  der  letzteren  mit  den  kühnen  Hypo- 
these u  des  Hauptwerkes  mufa  philosophisch  zu  gunsten  des  letzteren 
ausfallen,  wlihreud  allerdings  Derjenige,  der  sich  anf  einen  sozosageo 
geometrischen  Standpunkt  stellt,  die  unzweideutige  Charakteristik  der 
Uradrehnngs Vorgänge  vorziehen  könnte.  Die  achte  Sphäre,  welche  das  Bnoh 
..De  iloiia  itinofaiilia"  so  gut  wie  beseitigt  hatte,  welche  dort  nur  noch 
den  Wert  einer  bequemen  Kodewendung  besafe,  ist  nunmehr  wieder  zu 
einem  reellen  Wesen  geworden,  denn  nur  einen  Körper  kann  man  sieb  als 
mit  Achsendrehung  begabt  vorstellen.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  glauben 
wir  einer  Hypothese  Raum  geben  zu  dürfen,  die  nicht  als  allzu  keck  er- 
scheineii  wird.  Es  war  oben  von  einem  in  Verlust  geratenen 
Traktate  über  die  Gestalt  der  Welt  die  Rede;  als  ein  Konzept 
für  diese  Schrift  steht  möglicherweise  das  von  Clem»:nr  ent- 
deckte Bruchstück  vor  uns.  Mit  dem  Alter  und  seiner  Rangerhöhung 
mögen  dem  Kardinale  zweierlei  Bedenken  aufgestiegen  sein:  einerseits,  ob 
nicht  das  vordem  errichtete  Lehrgebäude  gar  zu  kühn  und  luftig  befunden 
werden  müchte,  und  andererseits,  ob  nicht  eine  exaktere  mathematische 
Begründung  der  einstmals  rücksichtslos  hingeworfenen  Gedanken  angezeigt 
sei.  Er  führte  diese  Begründung  durch  und  erreichte  dadurch  zugleich  den 
Vorteil,  allen  Schwierigkeiten  der  Kirchenlebre  aus  dem  Wege  zu  gehen, 
ohne  doch  mit  dem  Prinzipe  universeller  Bewegung  in  Widersprach 
zu   geraten.     Auch  dann  jedoch,  wenn  wir  uns   diesem  Versuche  der  Be- 


Nikolaus  Ton  Cusa  in  seinen  Beziehimgen  zur  maihem.  u.  physik.  Geographie.     14 1 

seitigong  einer  nnlengbaren  Disharmonie  zwischen  dem  jüngeren  nnd  alteren 
CusANUS  zuneigen,  bleibt  derselbe  ein  bewuTster  Vorläufer  des  Coppernicus, 
wie  ja  auch  noch  nach  dessen  Auftreten  die  Zahl  derjenigen  gar  nicht 
klein  war,  welche  die  tägliche  Bewegung  des  ErdbaUes  zugaben  und  nur 
die  jährliche  leugneten^).  Eine  genauere  Erforschung  der  Oeschichte  dieser 
Yermittlungslehre  wäre  recht  wünschenswert.  — 

NiKoiiAus  VON  CuES  hat  sich,  wie  erst  die  neueste  Zeit  uns  belehrte, 
auch  als  Kartograph  hervorgethan,  und  die  Geschichte  der  Eartenprojektions- 
lehre  gedenkt  seines  Namens  als  eines  der  ersten,  welche  den  rohen  Hand- 
Zeichnungen  des  Mittelalters  gesetzmäfsige  Netzentwürfe  substituierten. 
Soviel  uns  bekannt,  war  es  Bbeusino^),  der  die  Thatsache,  dafs  von  Cusa 
eine  Karte  Mitteleuropas  erhalten  sei,  der  Gegenwart  ins  Gedächtnis  zurück- 
rief. Er  bezeichnete  den  grossen  Mäzen  der  mathematisch-geographischen 
Disziplinen,  Willibald  Pirckheymer,  als  denjenigen,  dem  man  die  Bettung 
der  Karte  zu  danken  habe,  ei'wähnte  aber  zugleich,  dafis  schon  Ortelius 
Yon  deren  Existenz  nur  noch  durch  ein  Zitat  gevmfst  habe.  Genauer  be- 
kannt sind  wir  mit  der  Karte  erst  durch  einen  Aufsatz  S.  Euoes^^) 
geworden,  und  an  diesen  knüpfte  A.  E.  v.  Nordenskiöld  an^),  von  dem 
wir  erfuhren,  dals  Cusa's  Karte  unter  denjenigen,  welche  nicht  auf  den 
ptolemaeischen  Archetypus  zurückgehen,  die  zweite  ist,  die  ein  vollstän- 
diges Gradnetz  trägt.  Die  erste  ist  diejenige  der  Länder  des  hohen  euro- 
päischen Nordens  von  Clavüs***).  Zu  dem,  was  Buqb  brachte,  war  Metelka®®) 


65)  Zwei  Astronomen,  welche  auf  solche  Weise  zwischen  Ptolemaeus  und 
ComBncuB  einen  Ausgleich  herbeizufahren  strebten,  waren  Orioanüs  und  Lonqo- 
MosTAOTs  (Kabthsr,  a.  a.  0.,  4.  Band,  Göttingen  1800,  S.  112 ff.,  118).  Es  zeigt 
sich,  dafs  die  Neigung  zu  diesem  Kompromisse  gerade  bei  den  Anhängern  Tycho 
BiAHss  eine  besonders  grofse  war. 

66)  Bbxüsiso,  Leitfaden  durch  das  Wiegenalter  der  Kartographie,  Frankfort  a.  M. 
1883,  8.  11. 

57)  8.  RuQB,  Ein  Jubiläum  der  deutschen  Kartographie,  Qlobus,  60.  Band, 
S.4ff. 

58)  V.  NoBDBirsiaÖLD,  Bidrag  tiU  Nordens  älästa  kartografi,  Stockholm  1892; 
hriplus;  An  Essay  on  the  early  History  of  Charts  and  Sailing-DireeHans,  trans- 
toed  6y  Bathsh,  Stockholm  1897,  S.  54. 

69)  Über  diesen  ältesten  eigentlichen  Geographen  Skandinaviens  orientiei-t 
am  iQyerUtoaigsten  Stobm  (Den  damske  geograf  Ci^udius  Ci^vus  eller  Nikolaus 
Nran,  Tmer,  1889,  8.  189  ff.;  1891,  S.  13  ff.). 

60)  Mbtklka,  0  mape  Kard.  MikuiJ.se  Cust  z  prostredka  XV,  stoleH,  Vestnik 
^.  Cesk6  spolecnosH  näuk,  tfida  filosoficko-histaricko-jazykoZ'pytnä,  1895,  III  (Prag 
^895).  Der  Verfasser  verdankt  Herrn  Prof.  Metelka  eine  deutsche  Übersetzung 
ilieses  Essays,  durch  welchen,  wie  erwähnt,  die  Ergebnisse  der  Untersuchung 
KuQu  teils  bestätigt,  teils  auch  in  einzelnen  Punkten  weiter  ausgestaltet  werden. 


142  Siegmund  Gflnther: 

einige  wertvolle  Ergänzangen  zu  liefern  in  der  Lage,  indem  er  festzasteüec 
yermochte,  dafs  vier  Exemplare  der  CusA-Earte  heute  noch  Yorhanden  sind; 
je  eines  derselben  befindet  sich  im  Britischen  Museum  zu  London,  in  der 
durch  ihre  historischen  Reliquien  ausgezeichneten  Militftrbibliothek  zu  Weimar, 
in  der  Eartensammlung  des  Germanischen  Nationalmuseums  zu  NflznbeTg 
und  in  der  Plankammer  des  Armeekonservatoriums  zu  München.  Eine  Nach- 
bildung des  Londoner  und  des  Münchener  Exemplares  ist  jeweils  den  Ab- 
handlungen von  RuOE  imd  Metelka  beigegeben  ^^);  die  Verschiedenheiten 
sind  natürlich  gering^ftkgig  und  beziehen  sich  wesentlich  blos  auf  die  von 
den  Schicksalen  der  Originalkarte  Nachricht  gebenden  Aufschriften.  Diese 
letztere  erschien  1491  zu  Eichst&tt  an  der  Altmühl,  in  welcher  Stadt  unter 
der  Begierung  des  Bischofs  Wilhelm  von  Reiohbnau  ein  lebhaftes  wissen- 
schaftliches Treiben  herrschte  ^^). 

Die  Karte  war  in  Kupfer  gestochen,  wie  dies  im  Kindesalter  der 
deutschen  Kartographie  allgemein  üblich  war;  erst  um  1500  lOste  der 
Holzschnitt  den  Kupferstich  ab,  um  etwa  fünfzig  Jahre  später  wieder  lang- 


61)  Das  Londoner  Exemplar  entstammt  dem  Jahre  1491,  das  Münchener  dem 
Jahre  1580.     Wenn   trotz   dieses   nicht   unbeträchtlichen  Altersunterschiedes  be- 
hauptet werden  konnte,  beide  Abdrücke  seien  eigentlich   identisch,  so  hat  es 
damit  folgende  Bewandnis.   Nicht  Pirckheymeb,  ^er  Nfimbeiger,  welchen  BBxrnio 
als  Mittelsmann  bezeichnet  hatte,  sondern  der  ihm  allerdings  geistesverwandte 
Augsburger  Konrad  Peutinoeb,  mit  dessen  Name  ja  auch  die  Bettung  einer  hoch- 
wichtigen römischen  Strafsenkarte  unlöslich  verbunden   ist,  hatte   die  Original- 
platte  der  CusA-Karte   angekauft  und  übergab  sie   dem  bekannten  Maler  Hixs 
BuBGKMAiB  (1473—1581)  zur  Vervielfältigung  und  VerOfienilichung.    Letitere  be- 
Borgrte   der  Baseler  Buchfdhrer  Cbatakder   mit  Zuziehung   des   sachverstäadigeD 
Kosmographen  Sebastian  Münstbb.    Dieser    Sachverhalt  erschlielst  sich  aus  den 
Legenden  der  Karte,  durch  welche  bewiesen  wird,  dafs  die  Münchener  Karte  ron 
derselben  Platte  abgenommen  ward,  wie  ihre  Vorgängerinnen.    Mbtklka  (a.  a.  U 
S.  4)  zitiert  auch  noch  die  bekräftigenden  Angaben  in  dem  Buche  von  Obmoiii 
(Curieuse  Gedanken  von   den  vornehmsten   und   accuratesten   Alten   und  Neuen 
Land-Charten ,  Frankfurt  a.  M.-Leipzig  1718).     Wenn  Mbtblka  glaubt,  dafi  nodi 
einige  Unsicherheit  über  den  relativen  Anteil  der  drei  Arbeitsgenossen  Bcbgkiiaii, 
MüNSTEB  und  Cbatakdeb  obwalte,  so  hoffen  wir  auch  diese  jetzt  beseitigt  zu  hahen. 
Der  erstere  besorgte  die  technische  Abnahme  und  die  künstlerische  Ausschmückung 
im  Stile  der  Zeit;  der  zweitgenannte  überwachte  die  Korrektheit  der  Herstelloog 
der  Abzüge   und   lieferte   den    geographischen   Kommentar;    Obataiii>bb  endlich 
brachte  das  fertige  Werk  in  den  Handel.    Die  Nachweisungen  Mbtblka's  sind  mit 
Dank  aufzunehmen,  und  gleiches  gilt  für  die  Unterstützung,  welche  ihm  dabei 
der  Münchener  Topograph  H.  Lutz  angedeihen  liefiB;  letzterem  ist  aach  der  Ver- 
fasser far  geleistete  Hilfe  mehrfach  verbunden. 

62)  Vgl.  in  dieser  Hinsicht  Sax,  Die  Bischöfe  und  Reichsfttrsten  von  Eicb- 
statt,  1.  Band,  Landshnt  1884,  S.  802  ff. 


Nikolani  7on  Cosa  in  seinen  Beziehungen  zur  maihem.  n .  physik.  Geograpliie.    143 

sam  durch  die  Chalkographie  verdrängt  zu  werden  ^^).  Neben  dem  Münchener 
Blatte  treten  die  drei  älteren  Stiche  hinsichtlich  der  Deutlichkeit  und  Über- 
sichtlichkeit sehr  zurück,  und  wer  top i sehe  Studien  auf  der  Karte  an- 
stellen will,  wie  sie  an  diesem  Orte  selbstverständlich  auTser  unserer  Absicht 
liegen^),  wird  wohl  thun,  sich  an  die  Faksimilierung  Metelka's  zu  halten. 
Eine  verkleinerte  Abbildung  derselben  ist  diesen  Zeilen  beigefügt,  einzig  in 
der  Absicht,  die  von  Cusa  gewählte  Projektionsart  zu  verdeutlichen. 

Es  ist  dies  die  modifizierte  Methode  des  Ptolsmaeus,  der  bekanntlich 
für  die  zeichnerische  Wiedergabe  gröfserer  oder  kleinerer  Teile  der  Erd- 
oberfläche verschiedene  Verfahrungsweisen  an  die  Hand  gegeben  hat,  die 
im  1.  und  8.  Buche  seiner  „Greographie'*  enthalten  sind^^).  ursprünglich 
l&oft  ja  allerdings  die  ptolemaeische  Eegelprojektion  darauf  hinaus,  dafs 
die  Meridiane  durch  konvergente,  zum  Mittelmeridiane  symmetrisch  an- 
geordnete gerade  Linien,  die  Parallelen  aber  durch  konzentrische  Kreis- 
bogen dargestellt  werden  soUen.  Solange  es  sich  indessen  um  einen  nicht 
beträchtlichen  Erdraum  handelt,  wird  der  Fehler  nicht  grofs  sein,  der  ent- 
steht, wenn  man  den  Mittelpunkt  dieser  Kreise,  welcher  der  Erdachse  an- 
gehört, in  die  Unendlichkeit  fallen  und  die  Breitenkreise  in  ein  System 
paralleler  gerader  Linien  degenerieren  läfst,  so  dafs  folglich  die  Begrenzung 
der  Karte  mit  dem  Perimeter  eines  Trapezes  zusammenfällt,  wie  wir  dies 
auch  bei  der  Cu&^-Karte  sehen.  Wir  &agen  uns  nun,  wie  der  Kardinal 
zu  Werke  ging,  nachdem  er  den  Plan  gefafst  hatte,  eine  „Landtafel^ 
Deutschlands  und  seiner  Nachbargebiete  auszuführen. 


63)  V.   NOBDBHBKIÖLD,  PeripluS,   S.  159. 

64)  Solche  Detailprflfnng  verlohnt  auch  kaum  mehr,  da  die  am  meisten  in 
die  Aogen  fallenden  Mängel  der  CusA-Earte  bereits  von  Mühstbb  ermittelt  und 
zosammengestellt  worden  sind.  Im  August  1630  widmete  derselbe  seinem  Gönner 
PxrmexK  eine  diesen  Zweck  verfolgende  Abhandlung  (Gennaniae  atque  aliarum 
rtgummm,  quae  ad  imperium  usque  Constantinopolitanitm  protenduntwr,  deacripHo, 
yer  Skbabtiavux  MmisTSBUM  ex  histarieis  atque  cosmograjphis ,  pro  Tabula  Nicolai 
CusAi  intdligefida  exeerpta,  lUm  eiusdem  ttibülae  Canon),  Die  namentlich  ll5r  die 
historische  Länderkunde  belangreiche  Erörterung  ist  jetzt  leicht  zugänglich  ge- 
worden, weil  sie  von  Galloib  ab  Anhang  in  seine  bekannte  Monographie  (Les 
9^ograp/ie8  aUemands  de  la  renaissance,  Paris  1890,  S.  258  ff.)  aufgenommen  wurde. 

66)  Diese  Projektionen  behandeln:  Mollweidb,  Die  Mappiemngskunst  des 
Gl.  Ptolbiaxdb,  Monatl.  Korresp.  zur  Beförd.  d.  £rd-  und  Himmelsknnde,  11.  Band, 
S.  822  ff;  Wilbbrq-Grashof,  Ausgabe  der  Geographie  des  Ptolbmakus,  I.Band, 
Esaen  1888  (Einleitung);  D'Atueac,  Coup  d'oeä  historigue  sur  la  projeetum  des 
^^»U»  de  ffeographiej  Bull  de  la  soc,  de  giogr,,  1868,  S.  288 ff.;  Gsbhaim,  Traite 
^  prqjectUme  des  earUs  giogra/j^iques,  Paris  1866,  S.  214  ff.;  Tissot-Hamusb,  Die 
Netzentwdrfe  geographischer  Karten,  Stuttgart  1887,  S.  88  ff.,  145  ff.;  H.  Beboeb, 
&•  a.  0.,  4.  Abi,  S.  142  ff 


144  Siegmund  Günther: 

Gerade  damals,  als  diese  Karte  entstand  —  und  zwar  war  mn  1461 
die  Zeichnung  vollendet,  welche  dann  noch  dreüjsig  Jahre  auf  allgemeineres 
Bekanntwerden  warten  mufste  —  weilte  auch  in  Italien  jener  Mönch  NiKOLAr.s 
von  Reichenbach  (Oberpfalz),  welcher  als  der  eigentliche  Wiedererwecker 
des  Geographen  Ptolemaeus  im  Abendlande  geehrt  werden  muijs.    Dieser 
Nikolaus  Germanus,  irrtümlich  De  Donis  genannt,  war  es  eben,  der  die 
erwähnte  Abänderung  der  konischen  Abbildung  und  die  TrapezkonstroktioD, 
wenn  dieses  Wort  gestattet  ist,  allgemein  durchflihrte^).     Wenn  wir  nao, 
wie  auch  Ruoe   (a.  a.  0.)  betont,   erkennen,  dafs  die  technischen  Einzel- 
heiten bei  CusA  genau  die  gleichen  wie  bei  Nikolaus  Germakus  sind,  so 
liegt  wohl  die  Vermutung  nicht  ferne,  beide  Männer  hätten  auf  welschem 
Boden    Bekanntschaft   geschlossen,    und    der   Kardinal,    der    sich   dazumal 
gewifs  schon  mit  seinem  {^lane  trug,  habe  bei  dem  Landsmanne  noch  einiges 
gelernt,  was  ihm  bei  der  Verwirklichung  dieser  Absicht  zu  statten  kommen 
konnte.     Denkbar  wäre  selbstredend  auch  das  umgekehrte  Verhältnis,  dais 
der  bayerische  Mönch  erst  durch  den  Kardinal  zu  seinen  kartographiscbeo 
Arbeiten  angefeuert  worden  und  auf  die  Vereinfachung  des  ptolemaeischen 
Kartenbildes   hingelenkt  worden    sei.     Übrigens    wird   man    auch   der  uns 
bekannten   Beziehungen   Cusas    zu  Toscanelli   eingedenk   bleiben  müssen, 
den  sein  Zeitalter  als  den  ersten  Kosmographen  pries  (Libri,  Histoke  des 
Sciences  mathSmatiques  en  IMie,  3.  Band,  Paris  1840,  S.  71).    DaHs  freilich 
Paulus  Florentimus,  wiewohl  er  sich   als   geschickter  Kartenzeichner  be- 
währt hat,  nicht   gerade  das  trpipezfßrmige  Bild  bevorzugt  hat,  ist  durch 
H.  Waqnbr's  Untersuchung  (Die  Rekonstruktion  der  ToscANELLi-Karte  vom 
Jahre  1474  und  die  Pseudo-Facsimilia  des  BEHAiM-Globus  vom  Jahre  1492, 
Nachr.  v.  d.  Gott.  Gel.  Gesellsch.,  1894,  S.  208  ff.)   so  gut  wie  gewils  ge- 
macht worden.     Die  Motive,  unter  denen  der  Florentiner ,  auf  den  Mabco 
Polo  indirekt  und  Niccolo  de'Conti  direkt  einwirkten,  sich  zur  Anfertigung 
jener  Karte  verstand,  beleuchtet  des  näheren  Apelt  (Die  Reformation  der 
Sternkunde;  ein  Beitrag  zur  deutschen  Kulturgeschichte,  Jena  1852,  8. 7 ff), 
der   auch   über  Cusa's  Anteil   an   der  Vorbereitung   der  von  Coppbrniccs 
herbeigeführten  Revolution  der  Geister  gesunde  Ansichten  äufsert  (a.  a.  0., 
S.  21  ff.).     Auch   wenn   es    sich   aber   so   verhält,  wie  zuerst  angenonuDeo, 
wird  doch  Ruoe's  Charakteristik^^)  nicht  geändert:    „Cusa's  Karte  ist  die 


66)  Gallois,  a.  a.  0.,  S.  18. 

67)  RuQE,  S.  5.  Indem  dieser  Geschichtschreiber  der  Erdkunde  einen  Bi^ck- 
blick  auf  die  Entwicklung  der  deutschen  Kartographie  wirft,  kommt  er  so  der 
Schlursfolgerung  (S.  8),  dafs  erst  wieder  die  kritische  Karte  Deutschlands  too 
Gkuhari)  Mkbcatob  (1585)  als  eine  Weiterffihmng  des  Werkes  aneuseheo  sei. 
welches  Nikolaus  von  Cüeb  so  vielversprechend  inauguriert  hatte. 


Nikolaus  Ton  Gusa  in  seinen  Beziehungen  zur  maihem.  u.  physik.  Geographie.     145 

erste  gedruckte'  Originalkarte,  die  uns  Mitteleuropa  nicht  nach  der  Vor- 
stellung der  alten  Griechen,  sondern  nach  der  lehensvoUen  Auffassung  eines 
modernen  Beobachters,  der  das  Land  auf  vielfachen  Reisen  kennen  gelernt 
hatte,  vor  Augen  führt."  Auf  manche  an  sich  das  Interesse  des  Fach- 
mannes erweckende  Einzelheit  kann  hier  nicht  eingegangen  werden  ^^);  es 
muDs  sein  Bewenden  dabei  haben,  dafs  die  Geschichte  der  mathematischen 
Geographie  ihn  als  den  ersten  zu  feiern  hat,  der  unter  den  Neueren 
eine  auf'korrekter  Projektion  beruhende  Landkarte  herzustellen 
wagte  und  einen  glücklichen  Erfolg  dieses  Wagnisses  gesehen 
haben  würde,,  wenn  ihm  länger  zu  leben  beschieden  gewesen 
wäre.^*)  — 

Derselbe  Mann,  dessen  Berufsarbeit  ihm  die  gröfsten  Mühsale  auf- 
erlegt«, und  der  trotzdem  die  Mufse  fand,  in  seinen  schriftstellerischen 
Arbeiten  Samenkörner  aller  Art  auszustreuen,  die  nur  freilich  in  jener  Zeit 
nur  allzu  oft  auf  steiniges  Erdreich  fielen,  hat  auch  gewissen  Teilen  der 
physikalischen  Erdkunde  wertvolle  Anregungen  gegeben,  von  denen 
wir  sehen  werden,  dafs  sie  wenigstens  zum  Teile  auch  nach  seinem  Hin- 
scheiden noch  nachwirkten  und  der  Wissenschaft  wirklich  nützten.  Cusa 
hatte  offensichtlich  Neigung  für  naturwissenschaftliche  Dinge  ^^)  und  drängte 
in  seiner  einschlägigen  Schrift  ^^)  (,Jdiotae  de  statids  experimenlis  diälogu^") 


68)  Das  Heimatland  der  deutschen  Karte,  Italien,  verrät  sich  u.  a.  durch  die 
Einteilung  der  Breitengrade  in  je  60  Miglien  (resp.  12  Teile  zu  je  5  Miglien). 
Astronomische  Fizpunkte  war  Cusa  damals  nur  in  geringer  Zahl  auszunützen  im- 
stande; nur  fSr  Würzburg,  Erfurt,  Lübeck  und  die  einer  blühenden  Hochschule 
sich  erfreuende,  damals  deutschpolnische  Stadt  Erakau  stimmen  seine  Positionen 
mit  denen  der  alfonainischen  Tafeln  (s.  o.)  überein.  Der  Mangel  zuverlässiger  Orts- 
bestimmungen verschuldete  auch  die  hauptsächlichsten  Gebrechen  der  Karte, 
insonderheit  das  gänzliche  Fehlen  des  Rheinknies  zwischen  Mainz  und  Bingen. 
Der  deutsche  Hauptstrom  behält  durchweg  eine  sudnördliche  Richtung  bei. 

69)  Auch  bei  einer  anderen  Gelegenheit  scheint  Cusa  in  der  Geschichte  der 
K&rtograpbie  genannt  werden  zu  müssen.  Derselbe  war  nämlich  bei  der  Aus- 
gabe des  ,J[tinerarium  Antonini^^,  welche  1494  zu  Venedig  erfolgte,  insofern  be- 
teiligt, als  er  früher  sich  um  die  Textesreinigung  der  vorhandenen  Kodizeä  bemüht 
hatte.  (Vgl  Wbssblino,  VeUra  Bomanorum  itinera,  Amsterdam  1727;  Itinerarium 
AjiTomn  AuGusTi  et  Hisrosoltmitani^  ed.  Pabthst-Pihdeb^  Berlin  1848,  S.  XVII; 
J.  V.  Abcbhach,  Die  Wiener  Universität  und  ihre  Humanisten  im  Zeitalter  Kaiser 
MAxnm.iAw's  L,  Wien  1877,  S.  263.)  Diese  noch  zu  wenig  geklärte  Angelegenheit 
wäre  einer  besonderen  Untersuchung  wohl  würdig. 

70)  Während  er  sich  in  einer  schlimmen  politischen  Verwicklung  befand, 
spricht  Cusa  (Scuabppf,  S.  316)  in  den  Einleitungsworten  zu  einer  theologischen 
Scbrift  davon,  er  sei  mit  ^^rbm'um  collectio'*^  mit  Botanisieren,  beschäftigt 
gewesen. 

71)  C.  0.  0.,  B.  172  ff.  Eigentlich  unterhalten  sich  Autor,  Idiota  (Cüsa  selbst) 

Abb.  rar  Gesch.  d.  Maihem.    IX.  10 


Sieg^^tod  Günther: 

eine  Fülle   vou  Beobachtungen  Und    Bemerkungen   zusammen,    welche  von 

reiflichem  Nachdenken  Zeugnis  ahlegen,  wennschon  es  durchweg  bei 
Aphorismen  verbleibt  und  eiu  tieferes  Eingehen  auf  die  im  Fluge  berührten 
Probleme  vermifst  wird.  Von  diesem  Dialoge,  in  welchem  sieh  der  PhiloBoph 
mit  einem  Mechaniker  unterhalt,  sind  zwei  deutsche  Übersetzungea 
vorbanden");  ein  untrüglicher  Beweis  dafür,  dafs  die  Mit-  und  Naehwell 
in  dieser  Sammlung  eine  wertvolle  Bereicherung  der  Litt^ratur  erWickl«, 
Die  Historiker  haben  von  der  Schrift,  wie  sich  das  von  seihst  versteht, 
ausnahmslos  Notiz  genommen  und  mehr  oder  minder  ausfühi-liche  Auszag« 
ihren  eigenen  Werken  einverleibt;  vor  allem  ist  in  dieser  Beziebnng 
Kaeötneh^')  zu  nennen. 

Es  gab  damals  keinen  anderen  physikalischen  Apparat  von  grofier 
Exaktheit,  als  die  Wage,  welche  Cusa  nicht  nur  in  der  gewöhnlichen  Form 
als  zweiarmigen,  sondern  auch  als  einarmigeu  Hebel  (Schnellwage,  rODÜKhe 
Wage)  kannte.  Mit  ihr  werden  alle  die  zahlreichen  Experimente 
des  Dialoges  angestellt,  und  das  war  gewifs  kein  Fehlgriff.")  Freilicii 
sind  manche  der  vorgeschlagenen  Versuche  so  beschaffen,  dafs  sie  sich  in 
Wirklichkeit  gar  nicht  oder  doch  nur  unter  grofsen  Schwierigkeiten  an- 
stellen lassen,  aber  doch  hat  Lassivitz '■''}  recht,  wenn  er  bemerkt:  „Diese 
Versuche  sind  immerhin  bemerkenswert  als  die  ersten  AnftLnge,  eine  selb- 
stündige,  auf  Beobachtung  beruhende  Natnrforschung  durch  metbodiscbe 
Vorschläge  für  ihre  Untereuchung  in  Anregung  zu  bringen.'"*)    Wu"  wollen 

und  Orator;  die  deutsche  DberaetxnDg  hat  die  eiwühnte,  der  Sache  niich  auch 
ganz  zutreffeude  Änderung  der  Pcreonea  betbätigt. 

Tä)  Die  jüngere  derxelben  Bcbeint  sehr  eeltcn  zu  sein;  wir  tilieren  tediglii:li 
nach  DDx  {'i.  Band,  S.  370 If.),  dafs  B.  Bbameb  den  Dialog  deutsch  herausgegebei 
habe  (Marburg  i.  H.  IG19),  Bekannter  ist  jedenfalle  die  von  B.ivirs  in  seinei 
deutschen  Vitmiv  aufgeDoinmene  VerdeutscbuDg,  Sie  bildet  einen  Anhang'  diesei 
Werkes  (Vitbdvil-b;  des  allernambafligialen  und  bociierfaiensten,  römischei 
Architect  und  kunstreichen  Werck  oder  Bawmeysters,  Mabci  Vitbcvij  Polliomu 
zehen  Bücher  von  der  Architectur  und  künstlichem  fiawen,  Ba^el  1&T6). 

79]  KABSTHEn,  a.  a.  0.,  2.  Band,  Güttingen  ITDT,  S.  isa  ff. 

74)  Die  J(-LLr'ei'he  Metbode,  die  Erddichte  miltclät  feiner  WUgnngen 
beetimmen,  wird  von  Züppritk  (Die  Fortschvitte  der  Geophysik,  Geo.  Jahrb.,  9.  Ban^ 
ä.  &)  als  eine  beeoaders  vertrauenswürdige  bezeichnet,  „weil  daa  Instrument,  di 
Wage,  unt«r  allen  physikalischen  Mefeapp traten  theoretisch  wie  praktisch  a> 
besten  bekannt  ond  am  leichtesten  kontrollierbar  ist". 

TS)  Lashwitz,  Geschichte  der  Atomistik,  t.  Band,  Hamburg- Leipzig  189( 
8.  278  ff. 

76)  Ähalich  ist  die  Beurteilung  Rosehbkboeb's  gehalten  (Die  Oeschichta  de 
Physik  in  Grundzügeu,  I.Teil,  Bmunschweig  1863,  S.  106 ff.):  „Diese  projektierend' 
Physik  ist  der   erste  Anfang  der  experimentierenden   Physik."     Lasswitz   sowob 


i 


NikolaiiB  Ton  Cusa  in  Beinen  Beziehnngen  zur  mathem.  u.  physik.  Greographie.     1 47 

den  Inhalt  der  Unterredungen  jetzt  etwas  nfther  kennen  lernen,  indem  wir 
eben  nnr  bei  denjenigen  Partien  verweilen,  welche  direkt  oder  indirekt  die 
Physik  der  Erde  zu  fördern  bestimmt  sind. 

Dem  durch  Wägung  zu  führenden  Nachweise,  dafs  die  Pflanzen  ihre 
Nahrung  wesentlich  aus  dem  Wasser  ziehen,  folgt  ein  Exkurs  auf  die  ver- 
steinende  Kraft  mancher  Quellen^^);  einzelnen  Quellen,  wie  eine  solche 
angeblich  in  Ungarn  gefunden  werde,  eigne  sogar  das  Vermögen,  Metalle 
in  andere  Metalle  zu  verwandeln;  in  diesem  Falle  Eisen  in  Kupfer.  Hoher 
Nachdruck  wird  auf  die  Ermittlung  der  spezifischen  Gewichte  verschie- 
dener Körper  gelegt.  Wenn  man  das  spezifische  Gewicht  der  Erde  kennt, 
so  hat  man,  da  auch  deren  Radius  gegeben  ist,  zugleich  das  wirkliche  Gewicht 
der  Erdkugel ^^);  es  ist  wohl  das  erste  Mal,  dafs  eine  solche  Bestimmung 
als  möglich  hingestellt  wird.  Sofort  wird  dann  weiter  gegangen  zu  der 
hygrometrischen  Wage,  dem  frühesten  geschichtlich  erkennbaren  Yer- 
snche,  die  Luftfeuchtigkeit  zu  messen  und  diese  Messung  für 
die  Witterungsprognose  zu  verwerten.  Man  kann  ja  den  triftigen 
Einwand  erheben  ^^),  auch  Phu^on  und  Heron  hatten  bereits  die  hygrosko- 
pischen Eigenschaften  gewisser  Substanzen  gekannt^),   allein  es  bleibt  für 


wie  RoaxmBBBOBR  spielen  auf  die  grofse  Verwandtschaft  an,  welche  swischen  Cusa^s 
Dialoge  and  der  „Wage  der  Weisheit"  des  Arabers  Alkhazini  besteht,  von 
welchem  Werke  Rosbhbsbobb  (a.  a.  0.,  S.  79  ff.)  sehr  merkwürdige  Einzelheiten 
mitteilt.  Der  Kardinal,  der  Bclbst  eine  Kritik  des  Korans  verfafste  (Schaspff, 
S.  242  ff.),  war  mit  orientalischer  Gelehrsamkeit  nicht  unbekannt;  durfte  man  an- 
nehmen, dafs  seine  statischen  Elemente  durch  die  Kenntnisnahme  einer  arabischen 
Quellenschrift  beeinflnfst  waren?  Auch  M.  Cantor's  an  einen  weiteren  Leserkreis 
sich  wendender  Essay  „Kardinal  Nikolaus  tok  Cusa;  ein  Geistesbild  aus  dem 
XV.  Jahrhundert**  (Nord  und  Sdd.  Eine  deutsche  Monatsschr.,  herausg.  von  Dr.  Paul 
LiHDAu.  LXIX,  188—202,  1894)  geht  auf  die  aus  hier  beschäftigenden  Fragen 
in  Kürze  ein  und  wird  der  Eigenart  des  seltenen  Mannes  jedenfalls  gerechter, 
&!•  K.  T.  Fravtl's  sehr  ausführlicher  Artikel  im  V.  Bande  der  „A.  D.  Biographie**; 
ähnlich,  wie  Maedlsb,  glaubt  auch  der  Münchener  Philosoph  dadurch,  dafs  er 
den  Casaner  als  „Mystiker**  hinstellt,  einer  tieferen  Prüfung  seiner  Lehren  über- 
hoben SU  sein.  — 

77)  C.  0.  0.,  S.  176.  „Sic  experimur,  certam  tiquam  in  lapides  verti,  ut  aquam 
tn  glaeiem,  ei  virtutem  indurativam  et  lapificativam  certis  fontihus  «nesse,  ^t  im- 
P^^Oa  indurofU  in  lapidem." 

78)  Wenn  d  die  Dichte,  r  der  Erdhalbmesser  ist,  so  kann  man  das  Erd- 
gewicht gleich  %r*%d  setzen.  Cusa  meint  nun  offenbar,  wenn  er  es  auch  nicht 
deoUich  anspricht,  dafs,  wenn  man  von  recht  vielen  der  Erde  angehörigen  Stoffen 
die  spezifischen  Gewichte  kenne,  das  arithmetische  Mittel  derselben  ungef&hr 
gleich  d  sein  werde. 

79)  Hbllbr,  a.  a.  0.,  1.  Band,  S.  220. 

BO)  Genauer  orientiert  über  die  Bolle,  welche   bei  den  Mechanismen  der 

10* 


148  Siegmund  Günther: 

CusA  immer  noch  das  Verdienst  übrig,  an  quantitative  Bestimmung  ncd 
an  weitere  Benützung  des  Ergebnisses  gedacht  zu  haben.  Er  nimmt  ein 
Quantum  Wolle,  weil  dieser  Stoff  den  atmosphärischen  Wasserdampf  leicbt 
aufsaugt,  und  wenn  er  das  Gewicht  zu  verschiedenen  Zeiten  verscbiedec 
findet,  so  weiTs  er^^),  dafs  in  einem  Falle  mehr,  im  anderen  weniger 
Feuchtigkeit  in  der  Luft  enthalten  gewesen  ist.  Es  wSre  das  freilich  eii 
etwas  primitives  Verfahren,  allein  man  wird  Poggendorff**)  darin  bei- 
treten müssen,  dafs  alle  die  älteren  Vorrichtungen,  wie  man  sie  von  Mer- 
8£NNE,  Santorio,  Maignan  u.  a.  kennt,  weder  dem  Prinzipe  noch  der  Aus- 
führung nach  auf  einen  besonderen  Vorzug  vor  Cusa's  Verfahren  Anspruch 
machen  können. 

Einem  anderen  Bereiche  gehört  der  Bat  an,  die  Sonnen  wärmen  ver- 
schiedener Elimate  zu  vergleichen;  man  soll  eine  bestimmte  Anzahl 
von  Körnern  der  nämlichen  Getreideart,  welche  auf  Ackerfeldern  gleicher 
Bonität  und  unter  sonst  ganz  gleichen  Verhältnissen  gewachsen  sind,  ab- 
wägen^); da,  wo  das  Gewicht  das  grö&ere  ist,  war  auch  die  Intensität 
der  Bestrahlung  durch  die  Sonne  eine  gröfisere.  Man  kann  auch  ebenso 
vorgehen,  um  die  Stärke  der  Erwärmung  auf  Berggipfeln  und  in  Tbftlen 
für  Orte  gleicher  geographischer  Breite  nach  gegenseitigem  Verhältnis  ans- 
zumitteln.  Daran  reihen  sich  Betrachtungen  über  den  Luftwiderstand, 
der  sich,  je  nach  der  Gestalt,  gegen  gleich  schwere  Körper  von  abweichen- 
der Gestalt  auch  verschieden  offenbaren  wird.  An  der  Wasseruhr  —  bei 
Rivius  ist  an  deren  Stelle  die  volkstümlichere  Sanduhr  getreten  —  wird 
die  Zeit  gemessen,  welche  bezüglich  eine  Kugel  und  eine  Platte  beim  Heiab- 
falhm  von  gleicher  Höhe  zum  Zurücklegen  dieses  Fallraumes  brauchen, 
wobcji  auch  auf  die  Unterstützung  des  Vogelfluges  durch  den  Widerstand 
rlnr  Luft  aufmerksam  gemacht  wird. 

Die  Wasseruhr  (clepsydra)  ist  überhaupt  in  der  Regel  der  Helfer  aus 

IjriHctuNcben  Physiker  die  Absorption  des  Wasserdampfes  dorch  gewisse  Materien 
0|iiiilt|  eine  Abhandlung  von  W.  Schmidt  (Hbron  von  Alexandria,  Kovbad  Dastpopivs 
Uli«!  iliti  Btrafsburger  astronomische  Münsterahr,  Abb.  z.  Gesch.  d.  Math.,  VIII, 
M    MH;. 

Hj;  PooüKNDOUFP,  a.  a.  0.,  S.  387. 

hUj  (!.  i).  0.,  S.  176.  „Äic  eiiam  posses  venari'*  (herausbringen)  „differenHam 
i'ifhtrtu  huÜHf  in  loco  montium  et  vallium,  in  eadem  linea  ortus  et  occasn^*  (die 
ilttiiiNdlliMn  Meridiane  angehören). 

HH)  Die  Wasseruhr  an  sich  ist  viel  älter;  sie  geht  auf  das  griechische  Alter- 
\u\\\  iCikNiiiii  h),  vielleicht  sogar  auf  das  assyrische  zurück  (R.  Wolf,  a.  a.  0., 
kl  \*\\  M  I.  Ncm  ist  bei  Cusa  lediglich  das  Abwägen  des  ausgeflossenen  Wassers, 
"•(iHi.uil  iituii  frflber  das  Sinken  desselben  im  Hauptgefäfse  durch  eine  an  diesem 
.(«i4i'.lHii(.liii«  Tüilung  markiert  hatte. 


Nikolaus  Ton  Cusa  in  seinen  Beziehungen  zur  mathem.  n.  physik.  Geographie.     1 49 


der  Not.  Ein  Wasserbehälter  hat  unten  eine  kleine  Offnang,  aus  welcher 
stetig  Flüssigkeit  in  ein  darunter  gestelltes  Mefsgefäfs  abfliefst;  die  Quantität 
Wasser,  welche  sich  in  jenem  innerhalb  einer  bestimmten  Zeit  ansammelt, 
gilt  unmittelbar  als  Zeitmafs.  Man  kann  sich  dieses  Hilfsmittels  zu  astro- 
nomischen Zwecken  bedienen,  die  Differenz  zwischen  Sonnen-  und 
Sterntag  ausfindig  machen.  Sogar  als  eine  Art  von  Thermometer, 
dieser  Gedanke  gemahnt  besonders  an  Alkhazini,  ist  die  Wage  zu  verwenden, 
denn  das  Gewicht  des  Wassers  variiert  mit  der  Temperatur.^)  Ihren 
Triumph  jedoch  feiert  die  Uhr  und  deren  physikalische  Nutzanwendung  bei 
der  Aufgabe,  die  Tiefe  eines  Gewässers  ohne  eigentliche  Lotung 
zu  finden.  Wenn  wir  die  etwas  umständliche  Schilderung^)  mit  kurzen 
Worten  charakterisieren  wollen,  so  können  wir  so  uns  ausdrücken.  Ein 
schwerer  Körper,  mit  dem  ein  leichter  in  Verbindung  steht,  sinkt  im  Wasser 
ein  und  legt  in  der  Zeit  t^  den  unbekannten  Weg  5^  zurück,  während  man 
sich  durch  vorgängigen  Versuch  vergewissert  hat,  dafs  die  bekannte  Tiefe  s 
in  der  Zeit  t  durchmessen  wird.  Die  Zeiten  werden  den  Wassermengen  p^ 
und  p  proportional  gesetzt,  welche  resp.  beim  wirklichen  Versuche  und 
beim  Vorversuche  ausgeflossen  sind.     Dann  hat  man: 


84)  C.  0.  0.,  S,  178.    „Orator.    Nonne  cdlorem  et  fngus,  sicciteUem  et  humi- 
ditütem  temporis,  possemus  tali  modo  venari?    Idiota.    Possenius  certe  .  .   *' 

85)  Um  auch  von  der  deutschen  Version  einen  Begriff  zu  geben,  stellen  wir 
lateinischen  und  deutschen  Text  hier  neben  einander: 


C.  0.  0.,  S.  177.    „Orator.  Audivi, 

gnodam  ifistrumenio  voluisse  normuU 

los  maris  profunditatem  venari.  Idiota. 

Cum  pluinbo  fieret,  ad  instar  Lunae 

fonnato,  oeto  dierum:  ita  tarnen  y  quod 

camu  imum  9it  ponderosiua,  et  (üiud 

lmu8,  et  tn  leviari,  pomum  aut  ali- 

^id  Uve,  tali  instrumento  appenda- 

tw,  ij^itod  plumibo  in  f%mdum  pomum 

trahente,  et  prima  cum  ponderosiori 

V^e  terram  tangente,  et  se  sie  sttc- 

wme  inelinante:  pomum  de  comu 

liberatum,  sursum  revertatur,  hahita 

9cmtia,per  simüe  piumbum  et  pomum 

in(üiaaqua,notaeprofunditati8,  Nam 

^  diversiUUe  panderum  aquae  ex  cle- 

P*ydra,  a  tempore  prcjeetionis  plumhi, 

^  fttersioms  pomi  in  diversis  aquis, 


Bnnus,  S.  MDXLIX.  ,,Durch  dergleichen 
Instrument  der  Uhren  oder  Sandhorologien, 
mag  man  die  tieffe  des  Meeres  und  jedes 
Wassers  erfinden,  dann  so  man  ein  In- 
strument von  Pley  machet,  in  der  gestatt 
des  mons,  der  anff  acht  Tag  lang  nach 
dem  Newen  Mond  scheinet,  dieser  gestalt, 
und  auff  das  ein  Hom  oder  Spitze  ein 
Apffel  stecket,  unnd  also  zu  grundt 
sencken  lasset,  so  bald  es  den  Boden  be- 
rfirt,  so  ledigt  sich  der  Apffel  herab,  und 
schnell  feret  er  über  sich ,  so  viel  dann 
Sands  heraufs  gelauffen,  sol  man  abwegen, 
dann  das  Instrument  mit  dem  Apffel  in  ein 
ander  Wasser  gleicher  gestalt  gethan, 
welches  tieffe  uns  bekannt  sein  sol,  dann 
das  Gewicht  eygentlichen  gemerckt  defs 
aafslauffenden  Sands,  und  gegen  einander 
verglichen,  zeigt  an  die  Proportion  der 
tieffe." 


150  Siegmand  Günther: 

Da  ^,  p  und  Py^  bekannt  sind,  so  berechnet  sich  s^  ans  einer  einfachen  Pro- 
portion. Dafs  in  Wirklichkeit  keine  der  beiden  Proportionalitftten  ni  Becht 
besteht,  dafs  folglich  auch  Wassertiefen  auf  solche  Weise  nnr  dann  mit 
einigermafsen  leidlicher  Genauigkeit  ermittelt  werden  können,  wenn  sie  sieb 
in  sehr  bescheidenen  Grenzen  halten,  bedarf  kaum  der  Herroihebong. 
Originell  und  folgenreich  ist  nur  der  glückliche  Einfall,  die 
Zeiten  t  und  i^  dadurch  zu  fixieren,  dafs  der  leichte  Zusatz- 
körper, den  der  schwere  mit  hinab  genommen  hatte,  sich  beim 
Auftreffen  auf  dem  Grunde  ablöst  und  wieder  zur  Oberfläche 
zurückkehrt.  An  der  Fortbildung  dieses  Prinzipes  hat  die  Folgezeit  mit 
dem  gröfsten  Erfolge  gearbeitet^),  aber  diese  Idee  selbst  war  das  geistige 
Eigentum  des  deutschen  Gelehrten,  und   zwar  zu  einer  Zeit,   als  för  eine 


86)  Die  Entwicklnngsstadien  dieser  verwendbaren  bathometriachen  Methode 
anlangend  vgl.  Güsther,  Die  bathomet riechen  Inatrumente  und  Methoden,  Zeitschr. 
f.  InstnimenteDkande,  1882,  S.  392 ff.,  431  ff.;  Wolkehhauxr ,  Zar  Geschiebt«  der 
Tiefenmeasungen, Deutache  Bundschan  f  Geogr.  n.  Stat.,  1.  Band,  S.  589  ff.; Güstheb, 
Handbuch  der  Geophysik,  2.  Band,  Stuttgart  1899,  S.  397  ff.  Die  Tiefenmesfiiag 
CuBA^a  wird  auch  von  Ebbtbchmer  (Die  pbyaiache  Geographie  des  Mittelalters,  Wien- 
Olmütz  1890,  S.  66  ff.)  besprochen.  Über  Cuba  ging  zuerst  erheblich  hinaas  der- 
übrigena  zweifellos  durch  Riviua  beeinflufste  —  Deutachungar  Chb.  Pöhler;  b.  dea«en 
geomeiriaches  Lehrbuch  (Aine  kurtze  unn  grandliche  anleytung  zu  dem  rechten 
Verstand  Geometriae,  Dillingen  1663,  S.  662  ff.).  Seine  Auslöaungsverrichtung  ist 
ganz  ainnreich  erdacht,  aber  noch  etwas  unbeholfen;  hinaichtlich  der  Wasser- 
wftgung  hat  keine  Änderung  platzgegriffen.  Eine  ganz  ähnliche  Yerbeaaenmg  des 
primitiven  Verfahrens  war  diejenige  dea  Blahcahus  {ßT^koita  MMmdi  «ev  Ootm- 
graphia,  Bologna  1620,  S.  108),  der  allerdinga  aelbat  wieder  einen  Banmeiater  Lio 
Aldbrti  ah  Erfinder  namhaft  macht.  In  den  Haken,  den  die  achwere  Sinkkng«! 
unten  an  aich  trägt,  ist  ein  spezifiach  leichterer,  gekrümmter  Körper  so  ein- 
gehängt, dafa  die  Aualöaung  beim  leichtesten,  Ton  unten  kommenden  Stofae  er- 
folgen mufa,  während  CusA'a  Apfel  sehr  leicht  noch  längere  Zeit  an  aeinem  Halb- 
monde stecken  bleiben  konnte.  Daniel  Schwenter  {Delicicie  Physico-Maäiematkae, 
Nürnberg  1626,  S.  514 ff.)  hält  aich  teila  an  Pühlbb,  teile  an  Ritzub.  Die  Apparate 
von  HooKE,  Bagialli,  Molinelli,  Stipbiaan  LuiaciuB  (vgl.  wegen  der  ihrer  Zeit  viel 
beRprochenen  Tiefe naonde  dea  letzteren  GxLBERT'a  Annalen  der  Phjaik,  30. Band, 
B.  417  ff.)  verfolgen  aämtlich  den  gleichen  Endzweck,  ana  der  zwiachen  dem  Ver- 
ach  winden  dea  kombinierten  und  dem  Wiederaufbauchen  dea  leichten  Körpers 
verstrichenen  Zeit  die  Tiefe  zu  berechnen.  Dieaen  Plan  hat  man,  als  in  der 
Praxia  illuaoriach,  nach  und  nach  fallen  laasen,  aber  daa  AualOaungaprinzip  ai> 
solch 08  hat  aich  bia  auf  den  heutigen  Tag  erhalten,  ao  wenig  auch  dem  äaTseren 
Anscheine  nach  die  feinainnig  auagedachten  Tiefenlote  einea  Brooks,  BELnAr, 
HidnuKR,  Prinzen  von  Mokaco  u.  a.  w.  mit  CuaA^a  Inatrumentchen  gemein  haben 
mögen. 


Nikolaas  von  Cusa  in  seinen  Beziehungen  sor  xnathem.  u.  physik.  Geographie.     151 

wissenschaftliche  Meeres-  und  Gewässerkunde  noch  nicht  einmal  die  ersten 
Grundlinien  gezogen  waren.  ^^ 

Wir  sind  am  Ende.  Eine  zusammenfassende  Schilderung  dessen,  was 
Nkolaus  von  Cubs  den  exakten  geographischen  Disziplinen  gewesen,  hat 
ungeachtet  so  vieler  vorzüglicher  Yorarheiten  bislang  gefehlt,  und  so  mag 
der  Versuch,  ein  solches  Gesamtbild  zu  zeichnen,  wohl  seine  Rechtfertigung 
in  sich  tragen.  Der  Mann,  der  vor  Coppebnicus  die  Erystallsphären 
der  griechischen  Himmelskunde  zertrümmerte,  der  offen  die 
Wesensgleichheit  der  Erde  mit  den  anderen  Weltkörpern  ver- 
kündete, der  ganz  allgemein  die  Erdbewegung  und  konkreter  auch 
die  Erdrotation  lehrte,  der  den  wesentlichen  Inhalt  des  Gali- 
leischen  Trägheitsgesetzes  vorher  erkannte,  der  als  der  erste 
Neuere  eine  Landkarte  in  korrektem  geometrischem  Netze  entwarf, 
der  endlich  thermometrische,h7grometrische  und  bathometrische 
Methoden  angab,  denen  ausnahmslos  die  theoretische  Berechti- 
gung nicht  abzusprechen  ist  —  dieser  Mann  verdient  ohne  Zweifel 


87)  Als   eigentlicher  Erfinder   des   bathometrischen  Verfahrens   ist  freilich 
wohl  CüSA  nicht  anzusehen.   Dasselbe  dürfte  auf  die  römischen  Gromatiker  zurück- 
gehen, denn  Curtze  (Prcietica  Geometriae^  ein  anonymer  Traktat  aus  dem  Ende  des 
XII.  Jahrhunderts,  Monatshefte  f.  Math.  u.  Phjs.,  VIII.,  S.  193  ff.)  teilt  aus  einer 
alten  mittelalterlichen  Handschrift  nachstehende  merkwürdige  Stelle  mit  (S.  213): 
yyKtc  praetermiUere  debemus^   quin  quidatn  etiam  profunditatem   sUignorum    vel 
flumimm  tali  arte  se  metiri  promittant  .  .  ."    Ein  „globus  cum  ansulaf*  wird  Ter- 
senkt;  fjmmptoque  astrolapsu  hör  am  immissionis  düigerUer  attendunt  .  .  ."    Dann 
kommt  das  in  die  „Ansala"  eingeh&ngte,  spezifisch  leichtere  Anhängsel  wieder  an 
die  Oberfläche.    „Quo  emergente  rursum  horoscopum  horae  praesentis  instan8  in- 
rentum  düigenter  nottU,  et  quantum  temporis  a  primo  momento  immissionia  usque 
ad  demersionem  fluxerit,  cautissima  comput(sHone  distinguit.'^    Neben  diesem  Zeit- 
messungsmodns,  der  also  auf  ein  damals  geläufiges  chronometrisches  Instrument 
bezog  nimmt,   kommt   zn   gleichem  Zweck   auch  noch   die  Wasseruhr  zur  Ver- 
wendung.   Diese  Art  der  Tiefenmessung  l&fst  sich  aber  auch  früher  schon  nach- 
weisen (vgl.  Olueru^  OetMjres  de  Gebbert,  pape  sous  U  nom  de  Sylyestre  II.  col- 
lationees  sur  Us  manuscrite,  precedies  de  sa  biographie,  auivies  de  notes  critiques  et 
^iittoriques,  Paris  1867,  S.  446;  M.  Cantob,  Die  römischen  Agrimensoren  und  ihre 
Stellang  in   der  (beschichte    der   Feldmefskunst;    eine   historisch-mathematische 
Uotersnchung,  Leipzig  1876,   S.  168).    Für  Cusa   bleibt   angesichts   dieser   Tbat- 
^achen  zweierlei  als  Eigentum  bestehen:  Erstlich  hat  er  an  dem  sinkenden 
Körper  die  sehr  einfache  Auslösungsvorrichtung  angebracht,  welche 
^T  beschreibt,  und  zum  zweiten  substituiert  er  bei  Anwendung  der 
Wasseruhr  der  etwas  unzuverlässigen  Volumbestimmnng  die  ungleich 
exaktere  Wägung.  —  Merkwürdig  ist,  daPs  Schwentbb^s  Auslösung  sich  wieder 
mehr  derjenigen  der  antik-mittelalterlichen  Vorschrift  nähert,  als  derjenigen,  Ton 
welcher  der  ältere  deutsche  Gelehrte  Gebrauch  macht. 


152    S.  Günther:  Nikolaus  y.  Cosa in  s.  Bexiebg.  z.  mathem.  u.  pbysik.  Geographie. 

in  der  Geschichte  der  angewandten  Mathematik  sowohl,  wie  ancli 
der  Erdkunde  einen  Ehrenplatz.  Wenn  seine  Thätigkeit  einen  esoterischen 
Charakter  hatte,  den  folgenden  Generationen  nicht  in  dem  Mafse  zu  gnte  kam, 
wie  es  zn  wünschen  gewesen  wäre,  so  liegt  dies  yomehmlich  an  seiner  dem 
Lehrbemfe  wenig  günstigen  äufseren  Lebensstellung,  und  Cusa  erscheint  als 
Schicksalsgenosse    des  ihm   in  so  manchen  Hinsichten   ähnlichen  Lionabik» 
DA  Vinci,  aus  dessen  Handschriftenbänden   die  Forschung  auch    erst  müh- 
selig die  Fülle  dessen  herausschalt,  was  dieser  geniale  Mensch   erdacht  und 
geschaffen  hatte.     Der  Geschichte  erwftchst  umso  mehr  die  Pflicht,  das  an 
den  Tag   zu   bringren,  was   einer   früheren  Zeit  durch  ein  Zusammentreffen 
vielfältiger  nachteiliger  Umstände  entgehen  muDste. 


T^i^yu 


ON  AN  ALLUSION  IN  ARISTOTLE 
TO  A  CONSTRUCTION  FOR  PARALLELS 


BY 


Db.  T.  L.  HEATH, 

CAMBRIDGE. 


In  tbe  Analjtica  priora  II  c.  16  Aristotlb  is  discussing  the  pe- 
titio  principii,  which  he  illostrates  by  reference  to  the  procednre  ad- 
opted bj  certain  persons,  whom  he  does  not  name,  in  dealing  with  parallels. 
The  passage  in  ite  context  is  as  follows  (p.  64^  38  —  65*  9). 

ToCfro  [sc.  xb  iv  i^y  aluus^ai]  d'  lau  (iiv  ofireo  noutv  9x6% 
ii%vq  ii^wMm  xh  fCf^wulfUvavy  iv8i%stai  Sk  *al  furaßdwag  ht  &lhi  &vta 
%&v  TUfpvTwtiov  dl  imCvov  ÖBCxwc^ai  Stic  xovxatv  iacoÖBMVvvai  xb  i^ 
^^ff,  olov  bI  xb  A  ÖBtxvvoi  dta  xoü  E,  xb  81  B  diic  xoü  P,  xb  8k  F 
nsipvnbg  stri  8eUwa^ai  8ia  roCf  A'  avfißaivBi  ya(f  etixb  8i  aixoü  xb 
A  8ei%vivai  xovg  afkm  avXXoyiioiiivovg.  otcbq  noiovöiv  ot  xicg 
na^aXlfllovg  olofiBvoi  yqifpBiV  Xav^dvovöi  yiiQ  avxol  iav- 
xoi)g  xoiaüxa  Xafißavovxsgj  &  oi%  oTöv  xb  i7to8Bi^ai  fiii  oi- 
a&v  x&v  7ca(falXriX(ov.  &cxb  cv^ttlvBt  xoXg  offroi  Cvlloyiiof/dvoig 
huicxov  bIvm  XiyBiVj  bI  l&tiv  IxaOxoV  ofkm  8^  Saiav  Icxai  8i  ainov 
yvwöxov'  Stcb^  aSvvaxov. 

^^This  maj  be  done  in  the  form  of  assuming  directly  what  is 
in  qnestion;  but  it  is  also  possible  to  pass  to  certain  other  things 
which  are  naturally  proved  by  means  of  it,  and  by  means  of  these 
things  to  demonstrate  the  original  proposition,  as,  for  example,  if 
one  were  to  prove  A  by  means  of  B,  and  B  by  means  of  C,  when 
C  would  naturally  have  been  proved  by  means  of  A,  for  in  effect 
those  who  argne  in  this  manner  prove  A  by  means  of  itself.  This 
is  what  is  done  by  those  who  think  that  they  draw  par- 
allels; for  they  anconsciously  assume  such  things  as  it 
is  not  possible  to  demonstrate  if  parallels  do  not  exist. 
Thns  in  e£fect  thcse  who  argne  in  this  manner  say  that  such  and 
such  a  thing  exists  if  it  exists;  and  at  this  rate  everything  will 
be  known  per  se:  which  is  impossible.'' 
Upon  this  passage  the  scholiast  quoted  on  p.  47  of  Waitz's  edition 
of  the  Organen  has  the  following  note. 

i8Uiig  yqwpBiv  iXiyovxo  ot  iv  yBmfiBXQCa  &no8BMvvvxBgj  iiCBiSii  xaxtc- 
yQdq>ovxBg  a3te8BC»wov.     Xiysi  8i  iv  ccqx^  alxBiö^aiy  iav  ti^  oxi  TcaQ- 


im 


'T-  L.  Heath: 


dXXfiXol  elöLv  anodsMvvri  diie  roilf  TtäOav  eidtiav  eig  dvo  si^k 
IfinlTtxoviSav  tag  ivtbg  ycavUcg  8vo  dQ^atg  taag  noulv'  xoüxo  ya^  crii 
St'  öeix^elri^  tb  ovo  ÖQ^aig  löag  tlvai  rag  ivxbg  yavlag,  dm»  mu 
dXXriXol  elöiv  al  ei^eüci. 

^'The  Word  yQcc(peiv  was  speciallj  nsed  of  those  who  demonstrat 

thiDgs  in  geometiy,  since  thej  were  wont  to  demonstrate  them  b 

drawing  diagrams.   Aristotle  then  sajs  that  it  is  begging  the  qnes 

tion   if  anj  one  demonstrates  that  (straight  lines)   are  parallel  b^ 

means   of  the  fact  that  anj  straight  line   which  falls  upon  (the 

two  straight  lines  makes  the  interior  angles  eqaal  to    two  ligh 

angles;    for  this  fact,  namelj  that  the  interior  angles  are  eqnal  t< 

two   right   angles,   would   itself  have  been   proved   from   the  par 

allelism  of  the  straight  lines/^ 

It  is  a  small  point,  bat  I  do  not  think  that  the  scholiast's  intei 

pretation  of  the  word  ygdipHv  is  right  in  this  particular  case.     It  is  tra 

that  the  word  very  commonlj  has  the  meaning  here  ascribed  to  it.    Amon 

plentj  of  instances,  two  good  ones  occorring  in  Archimedes  maj  be  qaote< 

Thns  (1)  in  the  preface  to  On  the  Sphere  and  Cjlinder  II  he  speal 

of  ^^such   theorems  and  problems  as  are  investigated  (yQdq>€xai)  hy  meai 

of  these  theorems^^,   and  again  (2)  in  the  preface  to  the  Quadrature  < 

the  Parabola  he  says,  "some  of  those  who  in  former  times  occupied  theo 

selyes  with  geometry  tried  to  prove  (yQdq>eiv)  that  it  is  possible  to  find 

rectilineal  area  equal  to  a  given  circle  and  to  a  given  segment  of  a  circle' 

Aristotle  too  uses  the  word  elsewhere  in  the  same  special  sense  (Topic 

S  3,  158^  30):   "some  things  in  mathematics  also  seem  to  be  difficult  < 

demonstration  (oi  ^aölag  ygatpsö^at)  for  want  of  a  definition  . .  .  /'.    No 

withstanding  the  frequencj  of  this   use   of  yqdfpeiv,  1  do   not  think  th 

oiofuvoi  tag  TcaQaXX'qXovg  yqa(pzvv   could  quite   bear  the  meaning  ^H^hinkii 

they  prove  parallelism'^;   and  it  seems  more  natural  to  assign  to  ^^ 

q>siv  its  ordinary  signification  of  drawing. 

Waitz  interprets  yQdq>uv  in   this   sense   and  explains  the  passage 
bis  usual  lucid  way:   "Admittunt   hoc   vitium  in   demonstrando  qai  line 
aequidistantes  ita  ducendas  esse  docent,  ut  aequales  sint  ii  anguli,  quom 
aequalitas  demonstrari  non  potest  nisi   ex  eo  quod  lineae  sumnntor  aeqt 
distantes/' 

It  will  be  observed  that  Waitz  speaks  of  the  equality  of  tl 
alternate  angles  which  two  parallel  straight  lines  make  with  anoth 
straight  line  meeting  them;  the  scholiast  refeis  to  the  equality  of  tl 
two  interior  angles  on  the  same  side  to  two  right  angles.  The: 
two  properties  of  parallels  however  come   to  the  same  thing,  each  beis 


On  an  allnsion  in  Aristotle  to  a  constraction  for  parallels.  157 

easilj  deduced  from  the  other;  and  whether  constraction  or  demon- 
stration  is  implied  bj  yqdipuv  is  immaterial  also,  since,  even  if  con- 
straction is  meant,  a  constraction  in  geometrj  is  not  complete  onless 
followed  bj  a  demonstration  that  what  was  reqaired  is  in  fact  done. 

Let  OS  now  compare  the  constraction  or  demonstration  as  thas  ex- 
plained  with  Eüclid's  coorse  of  procedore  in  Book  I  of  the  Elements. 
In  I.  27  he  proves  that,  if  a  straight  line  falling  on  two  straight  lines 
makes  the  alternate  angles  eqaal  to  one  another,  the  two  straight 
lines  are  parallel,  and  in  I.  28  he  proves  that,  if  a  straight  line  faUing 
on  two  straight  lines  makes  the  interior  angles  on  the  same  side 
eqaal  to  two  right  angles,  the  two  straight  lines  are  parallel;  lastly 
in  L  31  he  draws,  throngh  a  given  point  A,  a  parallel  to  a  given  straight 
line  BC  bj  joiniug  A  to  anj  point  D  on  BC  and  then  drawing  throagh  A 
a  straight  line  EA  making,  with  AD,  the  alternate  angle  EAD  eqaal  to 
the  alternate  angle  ADC.  That  is,  if  we  accept  the  Interpretation  of  the 
passage  of  Aristotle  given  by  the  scholiast  and  Waitz,  Aristotle  mast 
be  sapposed  to  saj  that  the  argament  in  the  three  propositions  of  Euclid 
referred  to  involves  a  petitio  principii. 

Bat  is  it  trae  that  we  haye  here  a  petitio  principii?  I  think  that, 
if  the  qaestion  is  considered  for  a  moment,  it  will  be  clear  that  there  is 
no  petitio  principii  whatever  inyolved.  Euclid  defines  parallel  straight 
lines  as  straight  lines  which,  being  in  the  same  plane,  will  never  meet 
howeyer  far  thej  are  prodaced  in  either  direction.  Then  in  I.  27,  28  he 
prores  that,  if  the  alternate  angles  are  eqaal,  or  if  the  two  interior  angles 
on  the  same  side  are  equal  to  two  right  angles,  the  two  straight  lines  in 
qnestion  will  never  meet  however  far  thej  are  prodaced;  whence,  bj  the 
definition,  thej  are  parallel.  Lastly  in  I.  31  he  draws  a  straight  line 
in  accordance  with  the  criterion  of  parallelism  famished  by  I.  27,  and  it 
follows  that  the  straight  line  so  drawn  is  parallel  to  the  given  straight 
line.  There  is  not  here  even  any  assamption  of  a  difficalt  Postalate  sach 
fts  Postalate  5;  and  the  Observation  of  Waitz  that  the  eqaality  of  the 
(alternate)  angles  cannot  be  proved  except  from  the  fact  that  parallel 
straight  lines  are  taken  is  certainly  not  trae,  becaase  one  angle  is  drawn 
eqnal  to  the  other  angle  (an  Operation  which  L  23  has  tanght  as  to 
effect  vnthoat  any  reference  to  parallels),  and  the  eqaality  of  the  angles 
does  not  dopend  apon  the  existence  of  parallels  or  apon  anything  eise 
than  the  constraction. 

Farther  than  this,  I  think  that  we  may  conclade  from  other  passages 
of  ABisTOTiiE  himself  that  he  woald  not  have  regarded  Eüclid's  procedore 
as  open  to  the  Charge  of  petitio  principii.     Thas  in  Anal.  post.  I  5 


158  T.  L.  Heath: 

(74*  12),  where  he  is  showing  that  anodet^ig  should  be  not  only  %ata 
itttvx6q  bat  xQvxov  Tt^xov  %a%6hyv^  he  mentions  as  an  instance  the  proof 
that  ^'right  angles  do  not  meet"  (bj  which  of  conrse  he  means  that  stnight 
lines  making  the  two  interior  angles  eqnal  to  two  right  angles  will  not 
meet),  observing  that  it  is  not  enoogh  to  prove  this  in  the  case  where 
each  of  the  two  angles  is  right,  because  this  is  onlj  one  way  in  which 
the  two  angles  can  be  eqnal  to  two  right  angles,  whereas  the  propertj 
depends  on  the  equalitj  of  the  sum  of  the  angles  to  two  right  angles, 
while  the  individual  angles  maj  bear  anj  ratio  to  one  another.  Can  it 
be  snpposed  that  Aristotle  woold  have  referred  to  the  general  proof  in 
this  case  as  a  scientific  iatodtii^g  if  he  had  regarded  it  as  a  petitio 
principii? 

I  think  it  clear  therefore  that  the  Interpretation  of  the  scholiast  and 
Waitz  cannot  be  right,  and  that  Aristotle  must  have  referred  to  some 
other  constmction  for  parallels  given  by  some  contemporary  geometers. 
What  then  was  this  alternative  constmction?  I  think  that  the  comment 
of  Philoponus  on  the  passage  gives  a  eine.  Philoponus  does  in  fact 
allude  to  a  constmction  different  from  Euclxd's,  and,  though  the  de- 
scription  of  it  is  somewhat  vagae,  it  seems  possible  to  make  ont  its 
essential  featores: 

(Philoponus  f.  CXI^)  xh  avfth  itoiaüCt  %al  ot  xag  lULi^idX'lj^ov^ 

y^aipovxBg^  xb  iv  a^^  aUtlö^ai'   ßovlovxai  ya(f  naQaXX'qlovg  Bv^iia; 

icrcb   xov   (Uörifiß(fivoii   xvxlov   TUJtxayqcnlfai   Svvaxovj   %al   la(ißav(fv6i 

öfllisiöv  &g  diuZv  %1%XQV  tk^X   xh  iTchcsdov  ixslvov,   luxl   oOxag  h- 

ßdllov(Si>   xicg   iv^slag,      wxl   o   Itijti^Tcr»,   rot^o   Bikrimai'    6  ya^  fi^ 

avyx^OQSw  ylyvea^ai  xiiv  TCagcilXriXov  ovSh  xb  ötiiutov  avyxmqiqaei  huivo. 

^*The  same  thing  is  done  by  those  who  draw  parallels,  namelj 

begging  the   original   qnestion;    for   they  will    have   it  that  it  is 

possible  to   draw  parallel  straight  lines  from  the  meridian  circle, 

and  they  assume  a  point,   so  to  say,   falling  on  the  plane  of  that 

circle,  and  thos  they  draw  the  straight  lines.     And  what  was  sooght 

is  thereby  assnmed;  for  he  who  does  not  admit  the  genesis  of  the 

parallel  will  not  admit  the  point  referred  to  either/' 

What  is  meant  is,  I  think,   somewhat  as  foUows.     Given  a  straight 

line  and  a  point  through  which  we  have  to  draw  a  parallel  to  it,  «re 

are  to  suppose  that  the  given  straight  line  is  placed  in  the  plane  of  the 

meridian.     Then  we   are   told   to   draw   through   the  given  point  another 

straight  line  in  the  plane  of  the  meridian  (strictly  speaking,  it  shoold  he 

a  plane  parallel  to  the  plane  of  the  meridian,  bat  the  idea  is  that,  com- 

pared  with  the  size  of  the  meridian  circle,  the  distance  of  the  given  point 


On  an  allusion  in  Aristotle  io  a  constraction  for  parallels.  159 

from  the  given  straight  line  is  negligible).  But  how  are  we  to  draw, 
through  the  point,  a  straight  line  in  the  plane  of  the  meridian?  It  is 
practicallj  equivalent  (says  Philoponus,  as  I  read  him)  to  assmning  an- 
other  verj  distant  point  in  the  meridian  plane  and  joining  the  given  point 
to  it  (the  assumed  point  must  be  at  a  very  great  distance,  becanse  other- 
wise  the  distance  of  the  given  point  from  the  given  straight  line  woald 
not  be  negligible  in  comparison  with  its  distance  from  the  assumed  point). 
Bat  again,  how  can  we  join  a  point  to  another  point  so  distant  that  no 
mler  will  reach  to  it?  The  objector  will  not  grant  us  the  existence  of 
a  point  in  the  meridian  plane  which  can  be  used  to  draw  a  straight  line 
to.  He  will,  in  fact,  assert  (and  rightlj)  that  we  cannot  reallj  direct  a 
straight  line  to  the  assumed  distant  point  except  bj  drawing  it,  without 
more  ado,  parallel  to  the  given  straight  line.  And  herein  is  the  pe- 
titio  principii. 

In  modern  mathematical  language  we  maj  put  the  matter  thus.  As- 
soming  that  two  straight  lines  whose  intersection  is  at  an  infinite  distance 
are  parallel,  we  are  to  imagine  an  infinitelj  distant  point  on  the  given 
straight  line^  and  we  are  to  draw  another  straight  line  from  the  given 
point  to  the  infinitelj  distant  point  We  cannot  in  practice  do  this,  and 
the  infinitelj  distant  point  is  of  no  use  to  us;  our  onlj  method  is  to 
draw  a  parallel  to  begin  with,  in  order,  as  it  were,  to  locate  the  in- 
finitelj distant  point.  The  objector  will  rightlj  saj  that  the  infinitelj 
distant  point  cannot  be  admitted  at  all  except  as  the  verj  point  in  which 
a  parallel  will  intersect  the  given  straight  line;  and  the  petitio  prin- 
cipii is  obvious. 

If  the    method   of  drawing  parallels   condemned  bj  Aristotle   was 

substantiallj  that  above  described,   the  idea  underljing  it  would  be  curi- 

ouslj  similar  to   that  which  suggested  to  the   editors   of  certain  English 

text-books    of  elementarj  geometrj    (e.  g.  J.  M.  Wilson)   the   direction 

theorj  of  parallels.     According  to  this  theorj  different  straight  lines  maj 

bäte  either  the  same  or  di£ferent  directions,  and  parallels  are  then  defined 

as  straight  lines  which  are  not  parts  of  the  same  straight  line  but  have 

tbe  same  direction.     But  these  editors  give  us  no  definition  or  notion 

of  direction  except  with  reference  to  straight  lines  which  meet,   and  then 

they  straightwaj  proceed  to  use  the  term  with  reference  to  straight  lines 

which  do  not  meet,   though  thej  can  attach  no  geometrical  meaning  to 

the  same  direction  as  applied  to  the  latter  class  of  lines.     The  logical 

fallacj  could    not  be  better  exposed    than    it    is    bj   C.  L.  Dodoson   in 

SucLiD  and  bis  modern  rivals,  the  fact  being  that  the  whole  idea  of 

the  same  direction  as  applied  to  non-coincident  straight  lines  is  derived 


160     T.  L.  Heath:  On  an  allasion  in  Aristotle  to  a  constniction  for  panllek 

from  snbsequent  knowledge  of  the  properties  of  parallels.  And  it  woaiii 
seem  that  practicallj  Aristotle  had,  even  before  Eüclid's  time,  exposed 
bj  anticipation  the  very  petitio  principii  inyolved  in  the  qnite  recent 
attempt  to  sapplant  Eüclid's  argnment  bj  a  theory  of  direction  whidi 
no  doabt  strack  its  aathors  as  being  original. 


l 


Wim 


BYZANTINISCHE  ANALEKTEN 


TON 

J.  L.  HEIBEBG 

IX   KOPXNHAOBN. 


Abh.  rar  OeMh.  d.  MatheiiL   H.  U 


Die  Geschichte  der  Mathematik  in  Byzanz  zu  schreiben  ist  zur  Zeit 
nicht  möglich;  das  Material  dazu  ist  nur  zum  kleinsten  Teil  herausgegeben, 
nod  wer  in  einer  gröfseren  Handschriftensammlung  herumsucht,  wird  zu- 
nächst von  der  Menge  der  byzantinischen  Anekdota  eher  erdrückt  als  er- 
muntert. Mathematischer  Gewinn  oder  Genufs  steht  dabei  nicht  zu  erwarten, 
und  doch  muls  die  Arbeit  gethan  werden.  Nicht  nur  hängt  von  den  Stu- 
dien der  Byzantiner  die  Überlieferung  der  alten  griechischen  Mathematiker 
ab,  sondern  auch  die  wichtigsten  Probleme  der  Geschichte  der  Mathematik 
im  Mittelalter  können  bei  der  grofsen  Rolle,  die  Byzanz  im  geistigen  Leben 
gespielt  hat,  erst  richtig  gestellt  und  gelöst  werden,  wenn  die  verschiedenen 
Einflüsse,  die  in  Byzanz  selbst  sich  kreuzten,  klar  gelegt  sind.  So  ist  die 
Geschichte  des  praktischen  Rechnens,  des  Decimalsystems  und  der  Zahl- 
zeichen noch  immer  recht  unklar,  und  obgleich  die  Byzantiner  auf  diesem 
Gebiet  vielleicht  mehr  als  sonst  die  Empfänger  waren,  verdient  doch,  was 
sich  auf  diese  Fragen  bezieht,  besondere  Beachtung.  Ich  werde  daher  hier 
etwas  Material  für  diese  Fragen  vorlegen  und  zugleich  auf  einige  Hand- 
schriften aufmerksam  machen,  die  mir  für  die  Geschichte  der  exakten 
Wissenschaft  in  Byzanz  nicht  uninteressant  scheinen;  vielleicht  kann  das 
dazu  beitragen,  dafs  ein  anderer  die  Bearbeitung  dieses  Gebiets  in .  An- 
griff nimmt. 

I. 

Der  Codex  Phil.  Gr.  65  der  Wiener  Hofbibliothek,  von  Büsbecke  in 

Konstantinopel    angekauft,    enthält    eine    grofse    Sammlung   byzantinischer 

Rechenaufgaben,    ohne   Zweifel  vom  Schreiber  selbst  zusammengestellt   im 

XV.  Jahrhundert.     Die  Zahlen    sind   mit   den  griechischen   Zahlbuchstaben 

geschrieben,  aber  nach   dem  Decimalsystem;   Null   ist  L|   oder  in   gewissen 

Teilen  %  also  z.  B.  aa  11,  |3lj  20,  aqL|q  1000  u.  s.  w.     Accentuation  und 

Orthographie  ist  ganz  verwildert;  es  kommt  vor  oQi^fMtxtKri^  Xiyi,  i%lvovgy 

ivdtafi  (ä  &p^a6B)y  yXitT€tVj  IXavco  (=  BLefTtov),  yiyovat  (=  yiyovB\  %aQa- 

exißaGi  (ä  naQuOKiviöfi)  u.  s.  w.,    auch    rein   neugriechische   Formen  wie 

v(i  laßHj  va  ißgeig^  und   zahlreiche   Fremdwörter.     Ich    gebe    eine    nähere 

Beschreibung. 

11* 


164  J.  L.  Heiberg: 

fol.  1^ — 2  tuqI  toi)  nwghiöxi  tldivat  xohg  %axa  xhv  NiKOfiojiav  uXimi 
ovxag  oQi^iMvg,     foL  3  leer. 

fol.  4 — 9  MayBvnvov  y^fofifi  ^tB^l  xoü  n&g  icxt  6  dixa  xilsiog  a^iOfio^. 
von  dem  Aristoteleserklärer  Leon  ^aoentinos^)  aas  dem  XIV.  JahrL;  iü 
diesem  Stuck  ist  die  Orthographie  viel  korrekter,  weil  der  Schreiber  hier 
eine  ältere  Vorlage  hatte,     fol.  10  leer. 

fol.  11 — 14'  Kapitelindex  zum  folgenden  Werke  (242  Abschnitte! 
fol.  14^  leer^. 

fol.  15 — 126'  ein  anonymes  systematisches  Bechenbuch  (die  vier  Recben- 
arten  mit  Multiplikationstabelle,  Fl&chenberechnungen,  auch  des  Kreis^ 
Volumenberechnungen  von  Häusern,  Tonnen,  Weinfössem  u.  s.  w.  mit  Fi- 
guren). Der  Anfang  lautet  in  berichtigter  Orthographie,  aber  mit  den 
sonstigen  Fehlem: 

er.  ^H  xijg  UQi&iirixixrjg  (li^oSog  xs  xal  fiexccxiC^ufig  dvo  xavovag  iu^- 
xi%oi)g  Hjti  %ai  ov  fcleiovag'  xa  i»iv  ilaxxova  TtolhxTclaöuxiofUva  yivi6^ 
fieiiov  xb  &JCOxile(S(ia^  ^tuq  riv  jtQoxeQOVy  xcc  Sh  fu^ova  iiigri  duxxBfivouBva  u 
xal  fi€Qi^6(Uva  iläxxova  Ttdvxag  ylvtc^ai  xoü  TCgdxov  fuyi^ovg  xal  r^g  rov- 
xov  Ttocoxfjxog.  xovxo  xoLvvv  o^tog  {%ovTog  %olXol  fdv  TtoXXoK^  luMov; 
nQOxeiQOxdxag  xal  &aq>alBtg  liuiQafSavxo  i^EVQBiv  xal  imvo^Cat^  &Cxb  ioS(fftdef; 
Sfiov  xal  7iQOXBlQ(og  duQBVvav  xoig  iTCi^vixovfUvoig  airt&v  fUgsiSi^  xSvu  it^ 
xb  fut^ov  &q>OQ&(St  x&vxE  ngbg  xb  Ikaxxav.  ^  Ttei^fa  Sh  xcbv  ngctyiiotov  xat 
6  luxxgbg  xQOvog  6  Ttdvxa  dvvdfuvog  i^evQstv  (tiv  xal  iiupavl^etv  xa  firpfa 
ovxa^  xa  Svxa  6h  nlühv  Xi^^  TtaQadovvai  xal  {moT^ffnxt  Svvofuvog  xa  yivo- 
fuva  &g  fij^  Svxay  xa^&g  xal  0O(p6g  xig^)  Xiyei 

oTtag  6  juox^ä^  Tiavagl^firixog  %^6vog 
qwei  xa  x^wtxa  xal  (pavivxa  x^wtxBxai^ 
iöet^Bv  'fif/Mg  JCQoyBVQOxdxfiv  xal   &a(palfj   (li^odovj    tjxtg   ti^lßxBxo   \uv  lut^ 
xcbv  navxa  xaX&g  Eldoxatv  xal  llav   ßoqxoxaxcov  Ihqe&Vj  Tt^g  '^li&g  Si  ov% 
l(pd'a(S£  yevio^ai  yvtoQifiog  aCxri  ^  fiid'odog^  AXl*  iid  ^olv*")  Xav^vov6a  xal; 
dtfxtxatg  "fni&v  (liffBöi  xioag   di^lri  iyivBXO  Tcqog  xivag  x&v  anb  xotg  ^IxahJtok 


1)  Der  Anfang:  ni^l  x&v  di%a  xaxriyogi&v  xov  'AQiaxoxilovg  noXloi  xing  xffi 
did(pOQOi  aotpol  iirjyifaavxo  f  fnxä  x&v  noU&v  dh  xal  diatpSgav  iirjyiix&v  Am  vu 
Mayivxiv6g  xig  6  xäg  dexa  xaxriyogiag  xaX&g  i^iyytu&iiBvog  j  3cxig  xbqI  xo9  xA?  ^ 
dixa  &Qt9yk6g  iaxi  xiXsiog  leyBi  xaiixa.    Vgl.  Eeumbaohbb  Oesch.  d.  byz.  Litt'  S.  431. 

2)  Diese  14  Blätter  ohne  Qaatemionenzahlen;  der  Best  besteht  ans  nome* 
Herten  Lagen  Ton  je  8  Blättern  (I^r.  12  hat  nur  4,  Ton  Nr.  20  ist  nur  1  Blatt  übrig)- 

3)  SoFHOKLKS,  Aias  646 — 47,  etwas  ungenau  citiert.    xq^xixai  auf  Rasur. 

4)  nV"  die  Hds. 


Byzantinische  Analekten.  165 

^^61  ovTtov  AcerCvcav'  TtQog  ixeCvovg  dh  iSvvalJic^ewg  %aqi,v  nuxl  nqayuaxtlag 
Ivsniv  Tta^ayevofUvovg  xal  xfj  (SvvavaaxQOiffj  lucl  nv%v^  ravzayi/  ijuuSE  a(pC^€t 
itaQoyivofiivovg  lyvtoqlo^  %al  di^li}  iyivsto,  olfiat  8iy  ort  ov  nXelovg  x&v 
hunbv  xQOvmv  eigi^  aStr^  f^  fU^odog  Kai  yvaQifiog  yiyovs  ngog  uvag  tdov 
TOtg  ^IxixXixoig  iUq€6i  ivxav^  iXav^ave  8h  nakiv  i^Mg  toi;^  t^v  ^EkXriviniiv 
ylSxtxav  imata(iivovg  %i>  X'^öe^)  iyizlqri^.  vvv  ii  wxl  fifutg  6  XQOvog  örjXov 
Tovro  i'jfoiriiSi,  Tva  de  fir^,  &g  i^ötj  g>d'döavxeg  etnofuv,  ^V^  itccgaöoüvai  Tcdhv 
fnutg  rcrvTi^v^)  naqucaxevaiS'g  i  nuvxa  dwdfievog  x^ovo^  oi7t<o  wxlcbg  iv  "fifitv 
TtayEfo&elöa  %al  jtlaxvv^etda  '^  (iidi)dogj  fueiUov  dh  xal  ayvcmsxog  xoig  noXXotg 
m  ovöUj  iSo^s  f^fiiv  SUaiov  slvat  xal  avctyTUxtov  (idXiöxa  öuxyQcirpaö^ai  xav- 
trjVy  &g  av  %al  xotg  fti^^oo  elSoiSi  nal  ßovkofUvoig  xavxriv  fia^eiv  yvtogifAOg 
yhritM. 

ß.  tuqI  x&v  dina  ar^fuCcoVj  St*  &v  nag  ^rjtpog  ylvexat» 
itt  xovxo  ycQ&rov  ytvmaiutv,  Sxt  aCxr^  4}  (li^odog  xe  nal  [UxayBlqiCtg  6i%a 
^'ffifp&v  iiovav  arineia  iqaxat  xcrt  oi  nXilova^  fuxcc  xtbv  dixa  8h  xovxmv  Criiuloav 
iwaiu^a^  sl  iwaxov  ioxt  r^v  '^fi&v  q>avxaclav  xaxi%Btv  xiiv  dtiloviUvriv  Ttoco- 
zritaj  i^a^i^ii^öat  &g  stjutv  luxl  xi^v  ^dfifiov  aixTiv'  i^K^t  xocovxov  TtQoßaiveiv 
ivvavxat  xenha  xic  dixa  ari(uia,  eUsl  Sh  xa  dixa  xavxa  OtKula  SfAOta^  (iäklov 
dl  xavxa  xic  xipf  iMtviffv  %al  noXtxtvo\Uvriv'')  dr(kovCav  i^uv  fjti^odov  (tixQt 
Tfi&v  iwia  arjiislanfj  xb  dh  di%azev  l^et  atjfiuovj  Siteff  euod'afisv  yqoLq>Hv^  oxt 
^l&iu%a  6fifUtfo<Saa^at  oidiv^  fifxt  dh  xb  itaQOv  L|.  Tva  öh  xal  (SatpiiSxeQOv 
iittv  yivfittu  xb  Xsyofuvovy  itayju^xx^^)  Cot  xavxa  nal  i»xi^iiiat,  &g  i^g^ 

aßyd6fsiri»l\ 

xttl  xb  (ihv  nQSnxov  ffyovv  xb  ahpa  driXot  ?va,  &g  %al  M  xfjg  notvtjg  nal 
itoltx€vo(iivfig  lu^odov  oCxcog  Xafißavsxatj  xb  Sh  ßfjxa  örikot  dvo,  xal  l|^g 
ifw&jg  l^ijlfit^  T^ff  ^rixagy  7j;xtg  SriXot  iwia'  xb  8h  iXd%töxov  xal  ic^axav  Jtdv- 
Twv  öfiiuiov,  Svu^  iaxl  xb  jtoQov  L|,  oiihv  övvaxat  Svfl&aaij  &XV  laxt  xal 
avTo  fiiv  dfiXantKbv  x&v  ngoxt^SfAivcav  avroS  (Srifuhov^  aixb  dh  xa<&'  aixb  xb 
^  oi  dvvatat  dtiX&öal  xt'  xb  yaQ  oiihv  ovöevdg  iöxt  ifiXcntitov,  öib  xal 
ovSkv  yifdtjpsxat'  iv  oo  yaq  xoiup  xb  L|  eigtCTinai^  oiöevog  iöxt  dfiXantxogj 
xa^0$  axoXcv^ODg  iQOVfUv  öa(piaxBQ0v. 

Nach  der  Ansicht  des  Verfassers  ist  also  das  Decimalsjstem  von  den 
Persern  (die  Bezeichnung  &Qt^fMl  üeifitKoi  findet  sich  ebenso  im  Bcbolion 


6)  xCdi  die  Hds.,  vielleicht  xot6vdi. 

6)  ttt^ri  die  Hds.  wie  oben  S.  164  iXatxo.  Der  folgende  Nom.  ij  (li^oSog 
ist  absolut,  wie  überhaupt  der  Verfall  der  Easussyntaz  sehr  weit  geht;  das  Stück 
ist  daher  auch  für  die  Sprache  interessant. 

7)  Geschrieben  no  xhßoykivr^. 

8)  Geschrieben  9Ut  %aQdxo.    Im  folgenden  av  xa^a  xal  ixr^ctfiOi. 


166 


J.  L.  Heiberg: 


des  Neoi'hytos,  s.  Tannery  Revue  archeologique  1885  S.  101)  erfundeu 
nnd  im  XIY.  Jahrhundert  etwa  nach  Italien  gekommen,  bei  den  Griech^D 
aber  noch  immer  so  gut  wie  unbekannt.  Das  Rechenbuch  des  Maxihos 
Planudes  hat  also  in  den  Kreisen,  in  denen  der  Verfasser  lebt,  wenig 
Erfolg  gehabt.  Besonders  merkwürdig  ist,  dafs  er  von  den  indischen  Ziffern 
keine  Ahnung  hat.  Das  Zeichen  ^  fOr  Null  bedeutet  sonst  5;  umgekehri 
kommt  0  für  5  (wie  jetzt  im  Türkischen)  in  byzantinischen  Euklidscholien 
vor  (EucLioi8  Op.  Y  S.  XIX).  Man  hat  also  in  Konstantinopel  eine  Zelt 
lang  die  neue  Methode  mit  Beibehaltung  der  alten  Zahlenbuchstaben  geölt, 
wohl  namentlich  im  täglichen  Verkehr. 

Das  Rechenbuch  schliefst  fol.  126'  mit  den  Worten  im  T^g  miaa; 
aaq>iöxBQov.  Es  kommt  darin  auch  eine  Tafel  der  Quadratwurzeln  vor, 
aber  die  meisten  Rubriken  sind  leer  gelassen.  Ausgerechnet  sind  folgende 
Wurzeln  (die  Quadratzahlen,  die  bis  36  da  sind,  lasse  ich  fort): 


(am  Rande  a  xal 


) 


aB 


^  i]  Ql^a     ß  xal 


ß^ 


?  ^  ^««  ß  x«i  g 

«M  ^)  ^^«  y  lud  — 

aa  i5  ^ß!«  y  9Lal  — 

aß  i]  ^t'f«  y  xal  ^ 

(am  Rande  y  nal 

ay  ^  $i^tt  y  xal  ^ 

ad  i5  ^/f«  y  xal  — 


af}ce 
7^ 


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M    i;  §ita     y  xai  ~ 


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ßß  ^  ^«« 
ßy  4  ^/fa 

ßS  ^  Qita 

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ßt  4  ^«« 

ßn  ^  f  ^« 

ß^  4i  (i^a 

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0  xai  ^— 
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0   %ttl  — 

0  xai  -^-— 

d  xcd  ^ 
dp 

0  xat  — 
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tt^ 

e  xal  — 

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«  xal  — 

f£ 


s  xai 


SS 


€  xa£  — 


yy  ij  fi^a      £  xal  — 


Byzantinische  Analekien. 


167 


^^  1}  ^^a     ^  %al 


ad- 


df 


aaa  ^  ^/{icr  aL|  xai  — ^^ 


dd^ 


aaß  ^  ^/£'a  aL|  xal  —^ 


aa£  '^  ^/^a  al\  nal 


aa^  4i  ^/fa  «q  xai  ^ 


aß^  fi  ^Ita  a^  nal  ^ 


aßß  1}  (l^a   aa  xal 


aßy  ^  §lia   aa  fuxl  -gg 
«Jf  -^  ^/fa   a|5  xal  — 


at{a  ^  ^^a  aL|  xcd  -^ 

aljd  ^  ^^a  ai\  xal  -^ 

attlj  1}  ^^a  aL|  xal  --^ 

fol.  126^ — 140',  flüchtiger  und  mit  dunklerer  Tinte  geschrieben,  aber 
doch  wahrscheinlich  von  derselben  Hand,  enth&lt  gelöste  Rechenaufgaben 
(z.  T.  Gesellschaftsrechnung).  Null  wird  hier  *  geschrieben  (l|  kommt  nicht 
Tor).     Aaikng: 

fd^odog  ^&v  t(^i&v  anlfj  (Regula  de  tri) 
^  Sh  t&v  x^Ubv  fU^odog  6  Ttjg  Xay^6riwlg  iidvxtg  iötl^  xa^&g  (pfjöiv   6 

"xalttvokiyog,     Iv  iitodily^uctog  %dQtv  keym^uv^  oxi  %icdiov  m'    ^  htavXriai  %ig 

ita  (pXovaffüov  oe,  t6  dh  Tunaktiip^ev  m    %  ytovlit  n^bg  &£^ov  ilg  r^v  avti^v 
xifiiiv  ivaloymg.     noöa  oq>€lXei  Xaßeiv; 

CO     ai  —  9  fiß 


fl,y,t  i  «d  r  i- 


OffZ 


Zur  Probe  habe  ich  hier  die  tolle  Orthographie  beibehalten;  eine  Über- 
Setzung  wird  daher  yielleicht  nicht  überflüssig  sein. 

Die  einfache  Regula  de  tri. 

Die  Regula  de  tri  aber  ist  der  Wahrsager  der  Rechenkunst,  wie  das 
alte  Wort^)  besagt.     Sagen  wir  z.  B.,  da&  Jemand  7  Ellen  ^^)  Seidenstoff 

9)  6  nalaiol6yog  iet  wohl  so  riel  als  6  nalatbg  l6yog;  an  einen  Kaiser  yom 
HMae  der  Pal&ologen  zu  denken  scheint  mir  wenig  ansprechend. 
10)  Das  Compendium  ist  nC%agy  d.  h.  »ij^as. 


168  J-  Ti.  Heiberg: 

verkauft  hat  far  15  Golden ^^),  den  Best  aber,  9  Ellen,  yerkanft  er  u 
einen  anderen  verhältnismäfsig  zu  demselben  Preis.  Wie  yiel  soll  er  da- 
für haben? 

®     15  —  9  k62 

9  xl>c3x5  L  19     7'  4 


135  x7x7 

So  yiel  verlangt  er  für  9  Ellen. 

Es  folgen  Beispiele  von  Regula  de  tri  mit  Brüchen  (lutit  r^ncKffiatciy). 
fol.  140"" — 142  leer.  Dann  ein  nicht  gezähltes  Blatt,  recto  leer,  verso  nnd 
fol.  143''  mit  der  Schrift  des  ersten  Teils  getilgte  Bechenexempel. 

fol.  143^ — 145  Bruchrechnungen;  alles  mit  der  Schrift  des  ersten  Teils, 
wie  überhaupt  der  Rest  der  Handschrift. 

fol.  146'  leer  (nur  einige  Zahlen  mit  der  flüchtigen  Schrift). 

fol.  146^  Die  64  fortschreitenden  Verdoppelungen  des  Schachbretts 
(fol.  146^ — 147'  ist  alles  bis  auf  die  Zahlen  mit  der  flüchtigen  Hand,  aber 
mit  der  Tinte  der  ersten  geschrieben): 

JtJtXa(Sia(S(ibg  toü  i€ct(fi%lov. 
a         a  yH  fySi}£l|^^ 

u.  s.  w. 

S»  e-      S»  S*  ö-  2» 

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fol.  147'  nach  2  Proben:  i^oü^ai  oiv  i  dinka^tuü^g  x&v  ^t^  «^ 
ig  xoaovtov'  o&soi  yicQ  ot  a%  ^f^t  %ul  x6noi  Sr^loiksi  ^  fii^ag  nd  If^i 

11)  Das  Gompendium  scheint  nnr  so  aufgelöst  werden  in  können,  wie  icb 
oben  geschrieben  habe;  sonst  steht  in  den  Rechenbeispielen  gewöhnlich  flof^ 
SS  qfXtoQÜx  (ygl.  novlsiv  »»  noaXeCv). 


Byzantinische  Analekten. 


169 


jt^lanaq  tuA  ßaß  yiq^g  xal  y^  l^i&vug^  %a\  fi$ö  fuXuyvvia  xofl  tt^  xtkiadag 
%al  i}L|i}.  %al  yitQ  at  xikucdeg  x&v  xikiddcDv  kiyovxat  iiikiovvuc^  at  iiXiadeq 
St  %&v  HLÜuovvUav  liyovxai,  ktys&vsg^  at  %iXiadeg  dh  r3w  leystovarv  yi^fug,  at 
8s  nXiaiBg  x&v  yi^iianf  Kqtöitig,  at  di  xtliadsg  x&v  %QÜS7t<av  fiifre^,  %al  ofkoa 
iriloihai  ^^')   täw  a^  ^i^iov  %al  xontav  ycocoxrig. 

Die  Namen  yiQfug  (oder  viQfUg)^  xQlcmg  und  fäq^xsg  sind  mir  un- 
bekannt. 

fol.  147^ — 152'  WurzelauBziehung  (auch  Kubikwurzeln). 

fol.  152^  leer.  fol.  153 — 156  n^ql  x&v  xqi&v  avvxgSgxov  x&v  i%6vxmv 
iawuvoöai,  q>6qftov  vfiihg  (so!). 

foL  157 — 159'  andere  Rechnungen,     fol.  159^  (ult.)  leer. 

n. 

Cod.  Mareianus  6r.  333  saec.  XV  (beschrieben  von  Zanbtti  und  bei 
MoRELLi  Bibliotheca  manuscr.  S.  212  ff.)  enth&lt  fol.  32'  nach  dem  Schriftchen 
des  I8AAK  Aroybos  üe^I  eiQicetag  x&v  xexQaya>vi%&v  nXevQ&v  re&v  ft^  (titmv 
nxQttyAv&v  a^i^ii&v  eine  Tafel  der  Quadratwurzeln  der  Zahlen  von  1  bis 
102  in  Sexagesimalbrachen,  die  derselben  Abhandlung  folgt  in  cod.  Vatic* 
Gr.  1058  fol.  32"^.  Ich  lege  den  Text  des  Vaticanus  zu  Grunde  (A)  und 
bezeichne  den  Mareianus  als  B;  nur  schreibe  ich  mit  B  ö  für  Null,  wäh- 
rend A  immer  q  hat,  was  an  das  soeben  besprochene  Rechenbuch  erinnert. 

'IZx^Cig  xiXQay€»vi9i&v  nkevQ&v  x3nf  &7t6  [lovadog  nal  itpe^g  &Qi^fi&v. 


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10 


15 


11  «*]  -a  e  corr.  B. 

12  v8'\  corr.  ex  v%  B. 


IS)  Immer  geschrieben  %na%Swag,       13)  8i!\X^/bv%ai  ot  die  Hds. 


170 


J.  L.  Heiberg: 


10 


15 


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21  c]  A,  |]  B. 


fol.  88'  nach  einigen  Scholien  zu  Euklid  hat  B  am  Rande  (vgl.  Eücudis 
a  ß  y.  d  B    <s  i  n  ^ 
Op.  V  S.  XIX)  |p|JüSOL|VA9 

lvii%ol  i^t^i/LoL 

Da  A  ein  nicht  uninteressantes  Corpus  späterer  Astronomie  enth&lt 
(wie  cod.  Vatic.  Gr.  1059,  s.  Krumbacher  Gesch.  d.  byz.  Litterai'  8.  626; 
beschrieben  von  Usener  Ad  historiam  astronomiae  synibola,  Bonn  1876), 
mag  hier  eine  Beschreibung  stehen. 

Cod.  Vatic.  Gr.  1058  chartac.  saec.  XV  ist  von  mehreren  Händen  ge- 
schrieben (den  Hauptschreiber  nenne  ich  a).     Sie  enthält: 

fol.  1 — 7'  mehrere  Tafeln,  u.  a.  Länge  und  Breite  einiger  Städte  (»)• 
fol.  7^ — 8  Vergleichungstabelle  verschiedener  Monate  (a). 
fol.  9—12'  Kalendemotizen  für  die  Jahre  ,h^g  —  ,?  (1428— 92)(a) 
fol.  12' — 19  'Itfaax  ^A(^qov  fä&oöoi  xai  l^fii}v»a£  toov  xb  xvxiwv  xov 
TiaCyalkov  xal  hiQcav  ivayKalaiv  (a). 


Byzantinische  Analekten.  171 

fol.  20 — 21'  von  demselben  dit^ig^  oxi  ^  iL  rov  öejerefiß^lov  ictl  nv^lag 
a^il  xoü  ¥tovg  (a). 

fol.  21^ — 28  derselbe  t^  Olvauity  wuq,  ^Avö^vlntp  fu^odovg  ahrfiavxi 
loyuMg  ix^ia^at  rilucx&v  tuA  ceX7ivi€tx&v  xvnktov  tuA  to&v  xovxotg  inofii- 
vmv  (a). 

fol.  29'  t6  ötOQ^&^hv  TictCxakiov  inb  Ni,%r^6qov  q>iXoa6fpov  tov  rj^o^a, 
ntql  oi  Tucl  6  ^AiyyvQog  iv  x^  ävani^a  ^ri^etöy  (U^oda  duXdfLßctve  (a). 

fol.  29^ — 32'  xov  AffyvQOv  tm^I  sv^iaeoag  x&v  xtxqaytovuubv  liUvqdyif  x&v 
fii]  Qfitcbv  xexQayiovtov  a^i^ii&v  (a). 

fol.  32^  die  oben  mitgeteilte  Quadratwnrzeltafel  (a). 

fol.  33 — 52  das  Einmaleins  in  grofser  Ausführlichkeit  (a). 

fol.  53 — 77'  astronomische  Tafeln  (a). 

fol.  77' — 83  Itidoatg  Big  xb  ^lovdainbv  i^oTCxiQvyov  (a). 

fol.  84 — 86'  naqadoctg  Cvvxofiog  xol  6atpi6xctxri  xf^g  ^ij^o^o^uc^g  iyu- 
(TTij^i^^  (a),  d.  h.  das  Bechenbnch  des  Nigol.  Rhabdas. 

foL  86' — 91'  das  Bechenbuch  des  Planudes  (a),  unvollständig. 

fol.  91'  leer.  fol.  92 — 118'  loi?  cotpmtaxov  uexQtyö  xvq.  FBfOQylov  xov 
Xj^aoxoxxi}  i^'^yriCtg  Eig  t^v  avvxa^iv  x&v  üeQCanf  ixxe^susa  n^bg  xbv  avxov 
aiiltpbv  ^hoawfiv  xbv  XuQCucvlxriv  (a). 

foL  118' — 128'  ein  anonymes  astronomisches  Werk  in  24  Kapiteln, 
ine.  (nach  dem  Eapitelindex)  xb  x&v  ^A^aßcov  trog,  des,  intb  yfjv  lUCovQa- 
voOcav  (a). 

fol.  128' — 129'  ein  anderes  anonymes  Stück  mit  einer  Figur,  ine,  Icxiov 
ort  1^  xiivfij  des.  xaXbv  elg  öccxQonag  (a). 

foL  129'  %uv6viov  x&v  iaikav&v  &sxi^&v  ixxe^Hfiivov  iv  IxBi  jiuivd  iath 
xrlaimg  xofffiov  üega&v  öh  t(;ic  (1346,  bis  hierher  geht  wohl  also  das  Werk 
des  Chbt80kokkbs,  vgl.  Erumbagher  Gesch.  d.  byz.  Litt*  S.  622)  (a). 

fol.  130 — 142  Ttagdioaig  elg  xovg  IlBQötiiovg  nQOxelqovg  navovag  xi^g 
oßx(iavoiilag  (wohl  von  Asgykos,  s.  Erumbagher  8.  623)  (a). 

fol.  143  — 145  fU^odog  öt  ^g  itQojelqmg  eiql6%o^v  xovg  IIsQaixovg 
^i^ftovg  xoig  anXoig  ixasi  x&v  cusxi^ayv  dia  x&v  ifutqoc^Ev  ysYQ^tfifiivGiv  xa- 
vovlunf  (a). 

fol.  146 — 236  i>ersische  astronomische  Tafeln  (a). 

fol.  237 — 245  Ttolfiiui  £iafiilf  xoü  lHqcov  n€Ql  xfjg  didaavuxklag  xov 
^qoUßov  (a). 

fol.  246 — 249  'Itforax  toD  ^Ai^QOÜ  fU^odog  Tre^l  iigiatog  avvodcDv  xs 
Mfi  :cttvtfcX^vcj)i;  (jbri  x&v  iv  t^  övvxa^ei  [Ptolem.  VI  3j  navovlav  lUxccTtOiti- 
^(tftt  ngbg  xbv  6ia  Bv^avxlov  fuarnißQwov  (a). 

fol.  250  ilftitpotpogla  lUtvaeXtivucKiig  Cv^vylag  iideiicxt%f\g  iv  Ixei  &jtb  xxl- 
ö«öS  xo0fiov  ^g^ti  (1410)  (a). 


172  J.  L.  Heiberg: 

fol.  251 — 253'  ilfriq)og>OQC€c  övvodi%f}g  av^vylag  yevofuvrig  iv  i%u  cbw 
%tl<SB<ag  7100 fwv  /f^t  (1409)  (a). 

fol.  258' — 254'  luql  rot?  ij  avaXoyw)  7UxXov(iivov  aitoiBixtixov  xgonov 
u.  s.  w.  (a). 

fol.  254^—258'  astronomische  Tafeln  (a).     foL  258'^  leer. 

fol.  259 — 260  dtic  övvt6ii<av  eS^BCig  xora  xbv  fijrovfi^vov  'Ptiiiuaxov 
fii^va  n.  s.  w.  (a;  von  hier  an  eine  flüchtigere  Hand  aus  derselben  Zeit). 

fol.  261 — 273"^  anonymes  astronomisches  Werk  in  vielen  Kapiteln 
(I  jteql  xf^g  Biqiösmg  xfjg  xoü  ^l/bv  Iäo^^j),  ine.  ^rfco^vxai  ot  if^voi  x&v 
IIb^&v. 

fol.  273^ — 321'  ein  gröfseres  astronomisches  Werk  in  vielen  (totgta 
mit  Unterabteilungen,  von  Zavx^a^.     fol.  321^  leer. 

fol.  322 — 331  nBQi  xrjg  ixßoXfjg  xoij  av^fUQivoii  x&v  \9iwf  cbti  t^ 
&aq>aXovg  Cwxa^Btug  xoü  Zavx^a^fi  (^I%dv{ov  geschrieben  o  c-). 

fol.  332 — 459  astronomische  Tafeln  (u.  a.  Stemkatalog). 

fol.  460 — 463  fä&oöog  ji  öbi  TuxxccaKBvd^BLv  &^oa%67tov  flro*  &0x(K)lccßov. 

fol.  464 — 471'  l^id^Baig  jwOodw^  r^g  x<yG  'aax^oXaßov  TiccxccYQaipfjg  tai 
XQTjaBfog, 

fol.  471^  ^lUQOBVQBöig  (römische  Monatsnamen). 

fol.  472  -  499'  TtQokByofUva  xfjg  (uyaXrig  awxd^Bo^g  mit  Anhängen,  ans 
einer  Handschrift  der  Syntaxis  des  Ptolemaios;  vgl.  Boll  Studien  über 
Ptolbmäus  S.  128  ff.  Auf  den  Anhang  komme  ich  im  2.  Band  meiner 
Ausgabe  der  Syntaxis  zurück. 

fol.  499'~^  einige  Rechnungen  von  einer  dritten  Hand. 

m. 

Einige  der  hier  angeführten  Schriften  stehen  auch  in  der  ähnlichen 
Sammelhandschrift  Marcianus  Gr.  323  saec.  XV  (Beschreibung  bei  Zanetti 
und  bei  Morelli  Bibliotheca  manuscr.  S.  203);  das  Rechenbuch  des  Pla- 
NUDES  bricht  ab  an  derselben  Stelle  (mit  biQovg  di  S.  14,  9  ed.  Gerhardt); 
fol.  25—36'"  steht  ebenso  das  Einmaleins,  fol.  152'' — 159  %av6vux  xov  nol- 
XcatXctöucaiioi}  x&v  i^tiKOöc&v.  Aber  auf  dem  letzten  Blatte  findet  sich  eine 
mir  sonst  nicht  vorgekommene  Zusammenstellung  von  Zahlzeichen,  die  ich 
hier  folgen  lasse. 

fol.  487'  V  p*  \Jü'  g'  O'  if  V  A'  y        i'  iv  iy  ip*  iCT  io*  il|*  iv  lA*  i^' 

{•  p-  p-  er  ö'  t|'  V*  Ä'  i:         i   •  •   ji*    pro*    ij'   V'  A'  i 

n&aa  jtXBVQcc  itp^  iavxf^g  (lies  iavziiv)  TtoXXanlaaux^oiUvfi  fUxXeixai  S^  ovofuaioV' 

^  dvvafug  %^  wißog  A^A'  dvvafwdvvafug  Ax^  dvvafUxvßog  %%  nvßwvßog  ? 

aXoyog  &Qi^ii6g  T  lei^lfig. 


Byiantiniache  ▲oalekten. 


173 


fol.  487^  sieht  folgendermaAen  ans: 


«  H  (f 

^  HH  tf 

y  HHH  T 

I  i  HHHH  V 

n  «      [h]  q> 

ni  «       fHJH  X 

nil         t       [HJHH  1^ 

Hill      1,     |h1hhh     » 

nun       »       [HJHHHH    ^ 
'«       ZZ  i* 

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avco^ev  Xthadegj  fuxä  xqUbv  luvxfi- 
ftcrtoDV  x&v  avfod'sv  ^wxiy  6vQ(iaxmv 
TotH  (lies  x&v)  ix  itkaylov  (ivQuiöig, 


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174  J.  L.  Heiberg:  BjEantinisohe  Analekten. 

Die    Tabelle    links    enthält    eine    sonderbare    Nachbildung    der     alten 

attischen  Zahlzeichen.     Die  Darstellung   der  indischen   Ziffern  rechts    (mit 

0  =  5)  zeigt  die  eigentümliche  Verkennung  des  Positionssystems  (mit  dem 

Null  über  den  bedeutenden  Ziffern),  die  Tanne ry  im  Scholion  des  Neo- 

PHYT08  nachweist  und  bespricht  Bevue  archeologique  1885  S.  101;  neu  ist 

die  Verquickung  dieses  Prinzipä'roit  dem  griechischen  Tausend-Strich  (0^^) 

bei  den  Myriaden.     Die  letzte  Zeile,  wo  das  wirkliche  Positionssjstem  zur 

Anwendung  kommen  soll,  ist  ganz  verschrieben;  es  mttfste  heifsen  (öööö^?^ 

vielleicht  eher  <tj5>  <t>^).  Ipp.  Ilpd-  '^I^M-     I>er  Schreiber   hat    offenbar 

W       !>• 
die  Sache  nicht  verstanden;    auch  die  Schreibfehler  in   der  Erkl&mog  des 

Systems  (vielleicht  steht  zu  Anfang  gar  avcD  statt  &vbv)  beweisen,  dafs  er 

das  ganze  nur  kopiert,  nicht  selbst  zusammengestellt  hat. 

Kopenhagen  im  Juni  1898. 


whm 


ÜBER  DIE  AUFGABEN 

EINER  GESCHICHTE  DER  PHYSIK 


VON 

AUGUST  HELLEB 

nr   BUDAPEST. 


In  ansem  Tagen  ist  das  Interesse  fdr  die  Entwicklungsprozesse  auf 
geistigem  Gebiete  in  stetigem  Wachstume  begriffen,  gleichsam  als  verlangte 
der  menseUiebe  Geist  sich  im  Spiegel  der  Yorüberrauscbenden  und  der 
längst  vorübergezogenen  Zeit  zu  betrachten.  Das  grolse  Problem  der  Be- 
ziehungen des  einzelnen  Menschen  und  der  ganzen  Menschheit  zur  Natur 
und  den  einzelnen  Faktoren  derselben,  gehört  zu  den  fesselndsten  Gegen- 
ständen, welche  den  Gedankengang  jedes  weiter  ausblickenden  Menschen  in 
dauernder  Weise  in  Anspruch  zu  nehmen  vermag;  es  bildet  zugleich  den 
Inhalt  von  den  Vorstellungen  der  einfachsten  religiösen  und  mythologischen 
Anschauungen,  gleich  wie  von  jenen  der  philosophischen  Systeme  aller 
Zeiten.  Hervorgebracht  durch  einen  unbekannten  Schöpfungsakt,  oder  her- 
vorgegangen aus  einer  unabsehbar  langen  Entwicklungsreihe  von  Lebewesen 
and  hineingestellt  in  einen  wunderbar  zusammengesetzten  Mechanismus,  den 
wir  unsere  Welt  nennen,  ausgerüstet  mit  mehr  oder  weniger  geeigneten 
Werkzeugen  zur  Aufiiahme  der  Einwirkungen  der  aufser  unserm  Organis- 
mus befindlichen  Dinge  und  zugleich  versehen  mit  geistigem  Vermögen 
diese  Eindrücke  mit  einander  zu  verknüpfen  und  daraus  ein  Abbild  jener 
änisem  Welt  herzustellen,  hat  der  Mensch  im  Laufe  der  Jahrtausende 
seines  denkenden  Lebens  eine  lange,  schier  unüberblickbare  Reihe  von  An- 
schauungen geschaffen,  welche  das  Weltbild,  gleichsam  eine  Projektion  des 
Makrokosmos  in  den  Mikrokosmos  der  menschlichen  Seele,  darstellen. 

Den  Eigentümlichkeiten  der  auffassenden  und  verbindenden  Fähigkeit 
des  sinnlichen  und  seelischen  Organismus  entsprechend,  hat  dieses  Weltbild 
bei  den  verschiedensten  Denkern  in  den  verschiedensten  Zeiträumen  ähn- 
liche Züge,  wobei  die  Anschauungen,  wie  das  Resultat  jeden  org^ischen 
Prozesses  ihren  in  der  Natur  des  menschlichen  Geistes  begründeten,  gesetz- 
mäisigen  Entwicklungsgang  aufweisen. 

Einen  derartigen  Entwicklungsgang  verfolgen  wir  in  der  Geschichte 
einer  jeden  Wissenschaft.  Er  ist  verworren,  wo  es  sich  um  die  Anschauungen 
über  den  geistigen  Organismus  handelt  und  um  die  letzten  Fragen,  zu 
denen  unser  Denkvermögen  drängt,  wenn  wir  somit  die  Thätigkeit  des 
Denkorgans  auf  sich  selbst  zu  richten  beginnen.  Auf  diesem  Gebiete  haben 
die  Bemühungen   von   Jahrtausende    alter   Gedankenarbeit  zu  keinem   be- 

Abh.  sor  Goch.  d.  Matham.    IX.  12 


178  August  Heller: 

friedigenden  Resultate  geföhrt,  so  bedeutend  auch  sonst  die  Ausbeute  an 
weiten  Blicken  in  das  Denkreich  des  menschlichen  Geistes  sein  möge,  die 
auf  diese  Weise  gewonnen  wurde. 

Anders  steht  es  mit  den  Erscheinungen  der  Natur,  die  wir  physi- 
kalische Erscheinungen  nennen,  in  deren  Entwicklungsgang  wir  allerdiiigs 
einen  bei  weitem  tieferen  Einblick  gewinnen  können.  Wohl  ist  auch  hier 
die  Entstehung  der  wissenschaftlichen  Grundvorstellungen  in  tiefes  Dunkel 
gehüllt.  Durch  ungefüge  Yergleichungen  sucht  der  menschliche  Geist  sii -h 
ein  Bild  von  der  Umgebung  zu  machen,  das  allerdings  nur  eine  ganz  robe 
Skizze  sein  kann.  Als  ersten  Schritt  finden  wir  bei  allen  NaturrSlkem  den 
extremsten  Anthropomorphismus,  dem  Menschen  gleichgeartete,  wenn  aneli 
direkt  sinnlich  nicht  wahrnehmbare  Wesen  sind  es,  welchen  sftmtliche  Er- 
scheinungen der  umgebenden  Welt  zugeschrieben  werden.  Der  anthropo- 
morphistische  Zug  ist  ein  in  der  menschlichen  Natur  tief  gründender  and 
selbst  auf  den  höchsten  Stufen  der  Kultur  nachweisbarer.  Selbst  in  der 
Naturwissenschaft  der  Gegenwart  ist  er  deutlich  vorhanden,  wenn  die 
fundamentalen  Begriffe  der  Mechanik  durch  Empfindungen  im  menschlicben 
Organismus  ausgedrückt  werden,  wie  dies  der  Fall  ist  beim  Begriffe  der 
anziehenden  und  abstofsenden  Kraft  und  beim  Begriffe  der  geleisteten 
mechanischen  Arbeit,  wo  der  erste  aus  dem  GefCkhle  der  Muskelspannung, 
der  zweite  aus  dem  der  Empfindung  der  Ermüdung  hervorgegangen  ist. 

Dieser  anthropomorphistische  Zug,  der  in  den  andern  Wissenszweigen 
ebenfalls  und  zwar  gewöhnlich  in  gröfserem  Mafse  hervortritt,  Islst  sieb 
durch  die  ganze  Entwicklungsgeschichte  der  Wissenschaft  verfolgen  und 
drückt  derselben  sein  charakteristisches  Gepräge  auf. 

Die  Anschauungen  über  die  natürlichen  Dinge  hängen  von  der  Geistes* 
richtung  und  von  dem  Kulturzustande  eines  Volkes  ab.  Dasjenige  Volk 
des  Altertums,  dessen  Entwicklung  auf  diesem  Gebiete  wir  am  besten 
kennen  und  welches  auf  diesem  Gebiete  durch  ihre  Verbindungen  mit  den 
übrigen  Kulturvölkern  auch  das  meiste  bieten  kann,  ist  das  Griechenrolk, 
in  deren  Fufsstapfen  in  Bezug  auf  philosophisches  Denken  und  Katar- 
anschauung die  Römer  treten.  So  wunderbar  entwickelt  die  intuitiren 
Erkenntnisse  der  grofsen  Wahrheiten  bezüglich  unseres  Seins  bei  den  phi- 
losophischen Denkern  Griechenlands  sind,  so  kindisch  und  ungefüge  sind 
ihre  Vorstellungen  über  die  einfachsten  Naturerscheinungen.  In  ergreifenden, 
erhabenen  Worten  spricht  Lücretius  die  starren  materialistischen  Ad* 
schauungen  des  Epikuros  Über  die  Vergänglichkeit  des  menschlichen  D&* 
Seins  aus;  wo  er  jedoch  an  die  Erklärung  der  uns  umgebenden  Erschei- 
nungen herantritt,  giebt  er  blofs  urteilslose,  unhaltbare  Annahmen. 

Nichtsdestoweniger   hat    die    alte    Welt    es    in    der   physischen   Welt- 


über  die  Aufgaben  einer  Gtoschichte  der  Physik.  179 

aDScbauung  doch  genug  weit  gebracht,  am  weitesten  wohl  in  der  Schaffang 
eines  künstlich  ausgedachten  Weltsjstemes,  wenn  sie  auch  eben  in  dieser 
Richtung  auf  ganz  falscher  F&hrte  war. 

Viele  Jahrhunderte  hindurch,  in  welchen  der  menschliche  Geist  um 
andere  Güter  kämpfte,  blieb  das  Erbe  des  dahingeschwundenen  Altertums 
onverstanden.  Es  mufste  erst  aus  seinen  Trünmiem  wieder  hervorgeholt 
werden,  bevor  vom  Weiterbauen  auf  dem  alten  Fundamente  wieder  die 
Rede  sein  konnte. 

Die  Denkweise  des  mittelalterlichen  Scholasticismus,  der  Denker  der 
klösterlichen  Schulen  ist  wohl  auch  in  unsern  Tagen  nicht  völlig  aus- 
gestorben,  doch  ist  sie  derzeit,  wenigstens  auf  dem  Gebiete  der  Erfahrungs- 
wissenschaften, ganzlich  in  den  Hintergrund  gedrängt.  In  ihrer  Blütezeit, 
im  Mittelalter,  beschränkte  sie  sich  zuerst  auf  die  Theologie,  deren  in 
seiner  Wesenheit  unantastbarer,  über  jede  kritische  Bemerkung  erhabener 
Inhalt  den  Gegenstand  des  Studiums  bildete.  Als  teilweise  durch  Ver- 
mittlung arabischer  Übersetzungen  Aristoteles  und  andere  philosophische 
Schriftsteller  bekannt  wurden,  da  warf  sich  die  scholastische  Wissenschaft 
mit  grofsem  Eifer  auf  dieses  Material,  um  es  in  derselben  Weise  zu  be- 
handeln, wie  das  theologische.  An  dem  Autor  durfte  nicht  gerührt  wei-den; 
Aristoteles'  Schriften  galten  fast  als  so  unantastbar  heilig,  als  die  Bücher 
der  heiligen  Schrift.  Es  konnte  in  den  zwei  Richtungen  des  Scholasticismus, 
dem  Realismus  und  dem  Nominalismus,  nur  dai-über  gestritten  werden,  ob 
die  Denkbarkeit  eines  Begriffes  dessen  Realität  beweise,  oder  ob  dessen 
Nominaldefinition  genüge. 

Die  Herrschaft  des  Scholasticismus  ging  mit  dem  fünfzehnten  Jahr- 
hundert zur  Neige;  das  Ansehen  desselben  verblafste  zur  Zeit  der  Wieder- 
geburt der  Wissenschaft;  doch  machte  er  seinen  unheilvollen  Einflufs  noch 
fast  zwei  Jahrhunderte  hindurch  geltend.  Sein  Einflufs  ist  auch  heute  noch 
in  engeren  Kreisen  fühlbar. 

Jene  Schriften,  welche  im  Mittelalter  den  Gegenstand  einer  blofs  auf 
das  Äu&ere  gerichteten  Behandlung  bildeten,  wurden  bedeutend  vermehrt 
durch  die  vielen  aus  dem  griechischen  Osten  dazugekommenen  und  wurden 
in  ganz  anderer  Weise  benutzt.  Die  Wissenschaft  befreite  sich  von  der 
Fessel  der  unbedingten  Autorität  dieser  Schriften,  indem  sie  deren  Behaup- 
tungen mit  der  im  Wege  der  Erfahrung  erkannten  Wirklichkeit  verglich 
und  überall  Kritik  an  denselben  übte. 

Die  Durchforschung  von  überlieferten  schriftlichen  Aufzeichnungen,  wenn 
diese  aus  einer  femabliegenden  Zeit  stammen,  hat  ihre  grofsen  Schwierig- 
l^eiten.  Die  Sprache  der  alten  Völker  verstehen  wir  wohl,  so  lange  es  sich 
tim  Gegenständliches  handelt,  um  sinnliche,  greifbare  Dinge,  um  Beziehungen 

12* 


180  August  Heller: 

und  Verhältnisse  der  menschlichen  Gesellschaft;  schwer  yerstandlich  ond 
vieldeutig  wird  jedoch  die  Sprache,  wenn  der  vor  mehr  als  einem  Jahr- 
tausende Schreibende  mit  dem  sprachlichen  Ansdmcke  bezüglich  eines  der 
Sinnenwelt  entrückten  Begriffes  ringt.  Nehmen  wir  diese  Schwierigkeit 
doch  selbst  in  den  Schriften  unserer  eigenen  Zeit,  in  uns  durchaus  be- 
kannten und  heimischen  Sprachen  wahr,  sobald  es  sich  um  ErOrtenmgen 
und  Begriffsbestimmungen  handelt  Der  Autor  k&mpfb  häufig  selbst  in 
seiner  eigenen  Muttersprache  mit  dem  Ausdrucke  seiner  Gedanken,  er  setzt 
zwei  oder  drei  ähnliche  Ausdrücke  um  einen  Begriff  zu  definieren  und 
zeigt  dadui'ch,  dafs  keiner  dieser  Ausdrücke  vollständig  dem  Sinne  des 
Auszudrückenden  entspreche.  Dieselbe  Schwierigkeit  wird  jedermann  fühlen, 
der  ein  wissenschaftliches  Werk  aus  einer  in  die  andere  Sprache  übertrfigL 

Die  Sprachen  aller  Völker  haben  sich  als  Verständigungsmittel  der 
sinnlichen  Welt  herausgebildet.  Sobald  wir  den  Bedürfnissen  der  Gedankt- 
weit  entsprechen  wollen,  mufs  das  Wort  seiner  eigentlichen  Bedeutung  eot- 
zogen  werden,  es  mufs  zu  Analogien  und  Gleichnissen  gegriffen  werden, 
um  diesem  Zwecke  zu  genügen.  So  wird  unsere  wissenschaftliche  Sprache 
zu  einer  wahren  Zeichensprache,  in  der  das  betreffende  Wort  schliefslich 
jeden  Zusammenhang  mit  seiner  ureigenen  Bedeutung  verliert  In  der 
mathematischen  Zeichensprache  hat  man  sich  gänzlich  von  der  Wortspniche 
befreit.  Kurz  zu  bezeichnende  Zahlzeichen,  Buchstaben  und  andere  Sjod- 
hole  drücken  Beziehungen  und  Verhältnisse,  allerdings  nur  solche  von 
Quantitäten  und  äufserlichen  Beziehungen  aus  und  bilden  Aussprüche,  welche 
in  Worte  umgesetzt  entweder  höchst  langwierig  und  schwerfällig  sein  wür- 
den, oder  mitunter  gar  nicht  ausgedrückt  werden  könnten. 

Die  Entwicklung  der  Sprache  als  Ausdrucksmittel  f&r  die  Geistes- 
wissenschaften und  die  Philosophie  im  Allgemeinen  ist  ein  Moment,  das 
meiner  Ansicht  nach  noch  nicht  genügend  in  Betracht  gezogen  worden. 
Und  doch  kann  darüber  kein  Zweifel  obwalten,  dals  es  sich  hiebei  um  ein 
wichtiges,  höchst  interessantes  Problem  handelt  Wenn  wir  auch  nicht  den 
Satz  aussprechen  wollen,  dafs  wir  in  Worten  denken,  so  ist  es  doch  ein 
Etwas,  eine  Kluft,  die  zvrischen  dem  Begriffe  an  sich  und  dem  Ausdrucke 
desselben,  seiner  Bezeichnung  liegt,  mit  der  wir  Urteile  und  Schlüsse  bilden 
und  Systeme  bereiten.  Dafs  es  nicht  auf  das  bezeichnende  Wort  ankonunt, 
das  zeigt  ja  die  Identität  der  abstrakten  Begriffe,  welche  bei  den  Menschen 
verschiedener  Zungen  entstehen.  Dafs  aber  das  Wortzeichen,  das  irgend 
eine  Sprache  für  einen  Begriff  anwendet,  entschieden  rückwirkend  ist  auf 
die  Begriffsbildung  selbst,  das  erfährt  jeder,  der  —  wie  oben  erwähnt  — 
eine  abstrakte  Materie  in  einer  Sprache  ausgedrückt  in  einer  andern  Sprache 
auszudrücken  unternimmt.     Niemals  wird  es  z.  B.  gelingen,  Kant's  „Kritik 


über  die  Aorgaben  einer  Geschichte  der  Physik.  181 

der  reinen  Yernanfb^*  in  einer  andern,  z.  B.  der  französischen  Sprache  in 
der  ToUen  Pr&gnanz  des  Originals  wiederzugeben;  nnvermeidlich  wird  es 
den  fremden  Hanch  der  fremden  Sprache  an  sich  tragen.  —  Um  wie  viel 
weniger  dürfen  wir  erwarten,  dafs  vnr  in  den  Übersetzungen  eines  uns 
sprachlich  weit  abliegenden  Autors,  sei  es  ein  griechischer  oder  gar  ein 
indischer  oder  orientalischer  den  genauen  Sinn  desselben  auffinden  werden, 
den  wir  vielmehr  oftmals  nur  ahnen  können,  wenn  er  sich  nicht  sphinx- 
artig unserem  Verstftndnisse  entzieht. 

Die  Quellen  filr  die  Geschichte  der  Entwicklung  der  Wissenschaft  sind 
im  Allgemeinen  viel  tiefer  liegend,  als  jene  der  Geschichte  der  Welt- 
ereignisse. Für  ihre  Entwicklungsvorgänge  haben  wir  keine  Chronisten, 
wie  für  die  grofsen  Staatsaktionen,  für  die  ftufseriichen  Vorg&nge  in  den 
rerschiedenen  Ländern  der  zivilisierten  Welt.  Im  verborgenen  Dunkel  des 
Denkergehimes  entwickeln  sich  jene  Gedanken,  welche  der  Forscher  sich 
über  die  allgemeinen  philosophischen  Fragen  und  über  die  Naturvorgänge 
bildet.  Die  greifbaren  Resultate  dieses  Nachdenkens,  die  Entdeckungen 
and  Erfindungen,  mit  deren  Hilfe  er  sich  die  Naturmächte  dienstbar  macht, 
liegen  so  weit  ab  von  den  primären  Elementen  dieses  Gedankenprozesses, 
dafs  der  Zusammenhang  mit  demselben  nur  schwer  zu  erforschen  ist.  So 
ist  es  denn  auch  erklärlich,  dafs  spätere  Geschlechter  an  dem  Buch- 
staben der  Schrift  hingen,  dafs  die  Befreiung  vom  Worte  des  Autors  erst 
nach  langen  gewaltigen  Geisteskämpfen  gelang,  welche  die  Freiheit  der 
Kritik,  die  Wertschätzung  der  Erfahrung  und  die  Einsicht  über  das  rich- 
tige Erkennen  der  Thatsachen  durchsetzten,  gegenüber  von  unsicheren  Wahr- 
nehmungen eines  alten  Beobachters,  dessen  Verläfslichkeit  in  keiner  Weise 
zu  kontrollieren  ist. 

Wir  würden  uns  jedoch  einer  grofsen  Täuschung  hingeben,  wenn  wh- 
glanben  würden,  dalis  dieser  Frozefs  mit  dem  Verfalle  der  mittelalterlichen 
Scholastik  endgiltig  abgeschlossen  sei,  dals  in  der  neuern  Zeit  die  Wissen- 
schaft über  die  Natur  unbeirrt  von  allen  Banden  ihren  freien  Weg  wandle. 
Auf  jedem  Schritte  begegnen  wir  dem  schädlichen,  die  freie  Entwicklung 
hemmenden,  sie  oftmals  in  falsche  Richtung  drängenden  Einflufs  der  be- 
^iiüsten  und  nnbewufsten  Autoritätsmacht.  Der  Entwicklungsgang  der 
Wissenschaft  ist  als  menschliches  Erzeugnis  eben  allen  Unvollkommenheiten 
unterworfen,  die  unserer  menschlichen  Natur  nun  einmal  zu  eigen  sind. 

Es  mag  als  paradox  erscheinen,  wenn  wir  es  aussprechen,  dals  jeder 
groCse  Denker  neben  dem  mächtigen  fi$rdernden  Einfluls  auf  die  Entwicklung 
«iner  besseren,  vollständigeren  Naturerkenntnis  gleichzeitig  einen  hemmenden, 
sch&dlichen  EinfluJGs  ausübt.  Jedes  System,  das  ein  menschlicher  Genius 
zu  errichten  vermag,  hat  sein  eigenes  Leben,  seinen  eigenen  Entwicklungs- 


182  August  Heller: 

gang,  der  je  weiter  er  fortschreitet,  sich  nm  so  mehr  von  der  Wirklichkeit 
abwendet.  Und  ein  solches  System  ^  hat  es  sich  einmal  im  Gehirne  der 
Nachlebenden  festgesetzt,  beeinflujjst  deren  Blick,  so  dafs  der  freien  Auf- 
fassung der  Thatsachen  Zwang  angethan  wird.  Denn  die  Auffassung  der 
ErfahruDgsthatsachen  ist  keinesfalls  eine  eindeutige,  wir  können  ein  ufid 
denselben  sicher  beobachteten  Vorgang  in  mancherlei  Weise  erörtern.  Die 
grofsen,  phantasievoUen  Theorien  eines  Descar  i  e$,  welche  den  Beifall  ihrer 
Zeit  errungen,  drängten  lange  Zeit  hindurch  die  weit  voUkomeneren  eines 
Newton  in  den  Hintergrund,  so  dafs  des  letzteren  Anschauungen  gleich- 
sam verstohlen  in  die  Schulen  seines  eigenen  englischen  Vaterlandes  ein- 
geschmuggelt werden  mufsten.  Und  wenn  wir  des  grofsen  Newton  Wir- 
kung auf  die  Philosophia  naturalis  der  nachfolgenden  Perioden  betrachtenV 
—  Mit  seiner  Entdeckung  des  Gesetzes  der  Schwerkraft  hat  er  eine  der 
gröfsten  Entdeckungen  aller  Zeiten  gemacht,  wobei  wir  natürlich  auch  nicht 
aus  den  Augen  lassen  dürfen,  dafs  seine  Entdeckung  das  notwendige  letzte 
Glied  einer  langen  Entwicklungsreihe  war,  das  früher  oder  spftter  zn  Tage 
treten  mufste.  Über  ein  halbes  Jahrhundert  dauerte  es,  bis  Newton^s  Lehie 
sämtliche  Katheder  erobert  hatte.  Von  dieser  Zeit  an  begann  jene  Lehre 
ihre  Wirkung  über  das  weite  Gebiet  der  Physik  geltend  zu  machen.  Diese 
Wirkung  war  in  vieler  Beziehung  wohlth&tig  und  fordernd,  doch  in  mancher 
Richtung  auch  in*efuhrend  und  damit  von  hemmender  Wirkung.  Die  schooen 
Untersuchungen,  mit  welchen  Coulomb  das  Gesetz  der  NEWTOü'schen  Fem- 
wirkung auf  die  anziehenden  und  abstoüsenden  Erftfbe  der  Elektrizität  und 
des  Magnetismus  anwendete,  gaben  diesem  ganzen  Zweige  der  Physik  eise 
Richtung,  welche  später  als  eine  nicht  dem  Wesen  der  Erscheinungen  ent- 
sprechende erkannt  wurde.  Als  Ampi&re  ein  dem  NEWTON'schen  Gesetzt 
entsprechendes  Gesetz  auf  die  gegenseitige  Wirkung  der  elektrischen  Ströme 
errichtete,  mufste  er  diesem  Gewalt  anthun,  und  im  WEBER'schen  elektrischen 
Grundgesetze  kam  ein  angreifbarer  Satz  zum  Ausspruche,  wenn  dieses  Ge- 
setz in  anderer  Beziehung  auch  zu  wichtigen  SchluMolgerongen  geführt  hat 
Die  Experimentaluntersuchungen  Faradat's  haben  uns  auf  diesem  Gebiete 
ganz  andere  Wege  gewiesen  und  die  Schlag  auf  Schlag  zu  neuen,  nner- 
warteten  Erfahrungen  führenden  Untersuchungen,  an  der  zur  Zeit  mehrere 
hundert  wohlgeschulter,  gelehrter  Experimentatoren  beteiligt  sind,  haben  so 
vieles  neues  Erkenntnisraaterial  herbeigeschafft,  dais  nicht  blofs  auf  dem 
Gebiete  der  Elektrizität  und  des  Magnetismus,  sondern  auf  dem  der  ganzen 
Physik  groDse  Umwandlungen  in  unserer  aUgemeinen  Naturanschaunog  be- 
vorstehen. 

Doch   kehren   wir   zu   Newtons  Einflufs   auf  die   Naturlehre  zarflcL 
Wenige  haben,  wie  er  auf  unsere  physikalischen  Anschauungen  einen  gröfsern 


über  diu  Aufgaben  einer  Geschichte  der  Physik.  183 

Einflals  ausgeübt.  Sein  groJGser  Geist  schuf  Ordnung  in  der  Lehre  vom 
Lichte.  Er  wies  die  Zerlegung  des  weilsen  Lichtes  in  farbige,  einfache 
Lichtgattungen  nach.  Er  stellte  eine  wohlgefügte  Lichttheorie  auf  und 
eben  diese  Theorie,  welche  die  wohl  loser  gefügte,  jedoch  auf  richtiger 
Basis  ruhende  HuvGENs'sche  Schwingungstheorie  verdrängte,  beherrschte 
weit  über  ein  Jahrhundert  die  Anschauungen  der  ersten  Physiker  und  konnte 
erat  spät,  im  gegenwärtigen  Jahrhundert  durch  unzweifelhafte  Erfahrungen 
überwunden  werden. 

Nur  in  Kurzem  weisen  wir  noch  auf  die  Schwierigkeiten  hin,  unter 
welchen  Bobert  Mayer's  grundlegende  Gedanken  über  die  Energielehre  zur 
Geltung  gelangten.  Diese  kurz  angedeuteten  Thatsachen  zeigen  uns  klar, 
daJs  die  Herrschaft  der  Autorität  —  wenn  auch  halb  und  halb  unbewulst 
—  in  unsem  Tagen  ebenso  vorhanden  ist,  als  damals  als  man  die  Ver- 
breiter neuer  Ideen  zum  Scheiterhaufen  führte.  —  Die  Geschichte  der  Physik 
ist  eben,  so  wie  die  jedes  andern  Wissenszweiges  ein  fortlaufender  Kampf 
von  verschieden  gerichteten  Ideenzügen. 

Die  Geschichte  der  Physik  ist  übrigens  als  eine  ganz  junge  Wissen- 
schaft zu  betrachten,  so  wie  ja  im  Allgemeinen  das  Bedürfnis  nach  der 
Eiforschung  des  Entwicklungsganges  unseres  Wissens  sich  erst  im  Laufe 
unseres  Jahrhundertes  geltend  machte.  Was  man  vor  hundert  Jahren  unter 
einer  Geschichte  der  Physik  verstand,  ist  von  unsem  gegenwärtigen  An- 
forderungen wesentlich  verschieden.  Es  handelte  sich  damals  mehr  um  die 
Geschichte  der  Entdeckungen  und  Erfindungen,  wobei,  bei  vollständigem 
Mangel  an  Kritik,  die  gewöhnlich  auf  Effekt  berechneten  und  übertreibenden 
Erzählungen  des  Altertums  und  jene  des  leichtgläubigen  Mittelalters  als 
volle  Wahrheit  angenommen  wurden. 

Doch  auch  in  der  Entdeckungsgeschichte  viel  späterer  Zeit,   selbst  in 
der  Periode,  in  der  wir  leben,  giebt  es  viele  Unsicherheiten  in  dieser  Be- 
gebung.    Die  Zeit,  in  welcher  eine  bedeutende  Entdeckung  gemacht  wird, 
die  am  besten  befähigt  wäre  die  Thatsachen  einer  strengen  Kritik  zu  unter- 
ziehen, lä£st  diese  unbeachtet  an  sich  vorübergehen,  da  sie  ja  gewöhnlich 
die  Tragweite  einer  neuen,  anfänglich  gewöhnlich  in  unvollständiger,  nebel- 
hafter Gestalt  auftretenden  Entdeckung  nicht  nach  Gebühr  zu  bewerten  ver- 
klag.   Einer  der  prägnantesten,    von  uns  jetzt  am  besten   überblickbaren 
Fälle  ist  der  eben  vordem  erwähnte  der  Entdeckung  des  Gesetzes  von  der 
Erhaltung  der  Energie.     Die  Schwierigkeit  wird  durch  die  grofse  Zahl  der 
Teilnehmer    an    einer   Entdeckung    wesentlich    vermehrt.     Persönliche    und 
nationale  Interessen  und  Empfindlichkeiten   machen   die   Lösung  des  Pro- 
blemes  noch   bedeutend  schwieriger,   als  wenn  die   Entdeckung  auf  einen 
Forscher  zurückzuführen  wäre.    Eine  ganze  Beihe  von  Prätendenten,  lebende 


184  August  Heller: 

und  tote,  erscheinen  auf  der  Bildflftche,   sobald  eine  derartige  Entdeckiug 
zu  einer  bedeutenden  gestempelt  wird. 

So  sind  wir  in  mancher  Beziehung  noch  nicht  einmal  über  die  Vor- 
arbeiten zu  einer  befriedigenden  Geschichte  der  Physik  hinaus.  Das  znr 
Verfügung  stehende  Material  ist  noch  recht  mangelhaft.  So  manches  was 
die  gröfsten  Denker  über  ihre  Ideen  bezüglich  ihrer  phTsikalischen  Ansichten 
geschrieben  haben,  liegt  in  verschiedenen  Archiven  begraben,  die  wisseo- 
schaftlichen  Korrespondenzen,  welche  eben  in  der  Zeit  vor  der  Begründung 
der  fachwissenschaftlichen  Journale  von  so  hervoiTagender  Bedeutung  sind, 
sind  nur  zum  Teile  herausgegeben  und  somit  für  das  wissenschaftliche 
Publikum  unzugänglich. 

Wenn  nun  teilweise  das  Material  für  eine  Greschichte  der  Physik  anch 
herbeigeschafft  ist,  so  sind  wir  doch  von  der  Errichtung  des  eigentlicheii 
Gebäudes  noch  recht  weit  entfernt.  Bisher  giebt  es  blofs  Versuche  znr 
Lösung  des  Problems.  Als  den  Kern  desselben  müssen  wir  die  Geschiehte 
der  Entwicklung  der  Ideen  bezeichnen,  welche  dieser  Wissenschaft  zu  Grande 
liegen.  Es  ist  zu  zeigen,  wie  der  menschliche  Geist  sich  das  Problem  des 
Weltgeschehens,  soweit  dies  Gegenstand  der  Physik  ist,  zurechtgelegt  hat, 
die  Hypothesen  und  Theorien,  die  er  ersinnen  mu&te,  um  unsere  heutige 
Weltanschauung  aufzurichten,  aus  den  immerhin  höchst  onvoUständigen 
Erfahrungen,  die  uns  auf  Grund  unserer  Sinneseindrücke  zukonmien,  welche 
uns  ja  nur  nach  einigen  beschränkten  Richtungen  Eindrücke  zutragen, 
während  uns  ein  grofser  Teil  der  Qualitäten  vermöge  der  Einseitigkeit 
unserer  Organisation  für  ewige  Zeit  unzugänglich  bleiben  rnuDs. 

Die  Ausfüllung  der  so  bleibenden  Lücken  zu  bewerkstelligen,  mufsten 
Annahmen  ausgedacht  werden,  welche  der  erfahnmgsm&fsigen  Bestätigung 
absolut  unzugänglich  änd. 

So  haben  diese  Hypotiiesen  und  Theorien  ihre  eigene  Geschichte.  Sie 
entstanden,  vergröfserten  den  Kreis  ihrer  Anwendbarkeit  und  den  Grad 
ihrer  Wahrscheinlichkeit,  bis  sie  an  die  Grenze  ihrer  Wirksamkeit  gelangt 
waren,  worauf  sie  hinfällig  wurden,  um  anderen  Plats  zu  machen,  welche 
inx wischen  aufgesproGst  und  herangewachsen  vraren.  Wir  können  auch  mit 
vieler  Sicherheit  vorhersagen,  dafe  auch  jene  Theorien,  welche  jetzt  zn 
Recht  bestehen  und  übeneugende  Kraft  ausüben,  seiner  Zeit  weiter  aus- 
greifenden Annahmen  werden  Raum  geben  müssen. 

Und  was  nach  ihnen  kommen  wiri,  wird  seine  längere  oder  kfinere 
Zeit  bestehen,  um  wieder  dem  unerbittlichen  Lose  der  Vergänglichkeit 
anheim  xu  lallen.  Denn  jede  dieser  Theorien  ist  ein  dem  jeweiligen  Stande 
der  Erfahnuig  und  der  Denkweise  ihrer  Zeit  ent^rechendes  Produkt,  das 
sich  lum  Teile  auf  Annahmen  stüut,  welche  der  reicheren  Erfahrung  mid 


Ober  die  Aufgaben  einer  Geschichte  der  Physik.  1^5 

dem  anf  Grund  derselben  Yorgeschrittenen  Denkprozesse  nicht  mehr  Stand 
halten  kann.  Die  Theorien  wachsen  und  grünen  am  Baume  der  Erkenntnis 
—  um  Ernst  Mach's  schönes  Gleichnis  zu  gebrauchen  —  damit  sie  schliefs- 
lich  verwelken  und  abfallen,  nachdem  sie  wfthrend  der  Periode  ihrer  Lebens- 
zeit den  Erkenntnisbaum  gen&hrt  und  sein  Wachstum  gefördert  haben. 

Wir  sollen  deshalb  auch  jene  Theorien  stets  in  Ehren  halten,  wenn 
sie  schon  längst  ihre  Geltung  eingebtLfst  haben,  denn  durch  sie  sind  wir 
dahin  gelangt,  wo  unsere  Kenntnis  und  unsere  Anschauung  von  der  sinn- 
lich erfaüsbaren  Natur  sich  gegenwärtig  befindet,  und  die  heute  geltenden 
und  spätere  Theorien  werden  der  Wissenschaft  dieselben  Dienste  leisten, 
als  dies  die  längst  überwundenen  Theorien  einem  früheren  Stande  der 
Wissenschaft  leisteten. 

Diesen  Gesichtspunkt  mufs  eine  Geschichte  unserer  Wissenschaft  stets 
Yor  Augen  halten,  er  mufs  ein  wichtiges  Moment  der  Darstellung  bilden. 

In  unseren  Tagen  vollzieht  sich  wieder  ein  Umschwung  in  unseren 
Anschauungen,  wie  ihn  die  Entwicklung  unserer  Wissenschaft  häufig  auf- 
weist. Wir  sehen  die  vor  drei  Jahrhunderten  erneuerte  alte  Theorie  der 
Atomistik  wanken.  Der  Begriff  der  Materie,  deren  Existenz,  trotz  der  vielen 
Schwierigkeiten,  welche  sie  dem  Philosophen  sowohl,  als  dem  Physiker  be- 
reitete, niemals  angefochten  worden,  beginnt  ihre  Bedeutung  für  die  phjsi- 
kalischen  Grundanschauungen  einzubüfsen.  Als  Substrat  unserer  Sinnes- 
eindrücke bildete  sie  stets  die  Grundlage  des  Geschehens,  das  Greifbare  in 
der  Natur.  Doch  schon  die  ersten  unvollkommenen  Erfahrungen  wiesen 
aof  ein  sinnfälliges,  ungreifbares  Etwas,  das  nicht  Materie  ist  und  doch 
in  sinnliche  Erscheinung  tritt. 

Es  entstand  eine  unüberbrückbare  Kluft  zwischen  zwei  Klassen  von 
Naturerscheinungen;  in  die  erste  gehörten  jene,  bei  welchen  die  zur  Erde 
strebende  Materie  die  Grundlage  der  Erscheinung  bildete,  während  die  zweite 
die  Klasse  der  Imponderabilien  vorsteUt.  Für  die  letzteren  wurde  das 
Phantom  der  schwerelosen  Materie  erfunden,  welches  auch  aus  der  heutigen 
Physik  noch  nicht  verschwunden  ist.  Die  grofse  Umwälzung  in  den  Grund- 
anschauungen der  Physik,  wie  sie  in  unserm  Jahrhundert  sich  vollzogen 
und  sich  noch  gegenwärtig  vollzieht,  hat  mit  dem  Licht-  und  Wärmestoffe, 
dem  Fluidum  der  Elektrizität  und  des  Magnetismus  gründlich  aufgeräumt, 
ja  es  scheint,  als  ob  die  immer  mächtiger  anschwellende  Geistesrichtung 
auch  selbst  vor  der  durch  Jahrtausende  unangefochtenen  Gmndanschauung 
der  Materie  nicht  zurückweiche. 

Die  optischen  Entdeckungen  zu  Beginn  des  Jahrhunderts  haben  die 
Lichterscheinungen  auf  die  Schwingung  eines  Mediums  zurückgeführt,  von 
welchem  solche  Eigenschaften  gefordert  werden,  die  den  sämtlichen  Eigen- 


186  AuguBt  Heller: 

Schäften  jedweder  Materie  direkt  widersprechen.    Es  giebt  darinnen  Schwierig* 
keiten,  Über  die  keine  Künstelei  der  Theorie  hinwegtäuschen  kann. 

Die  grofse  Entdeckung  Robert  Mayer's  und  seiner  Zeitgenossen  hat 
der  Bedeutung  der  Materie  einen  rein  mechanischen  Begriff  vorgeschoben, 
den  der  Energie,  die  Yordem  in  der  Mechanik  als  abgeleiteter  Begriff  be- 
kannt war.  Die  wunderbaren  Entdeckungen  Faraday's  und  in  unscm 
Tagen  die  von  Heinrich  Budolf  Hertz  haben,  nachdem  die  grofsen  Ent- 
deckungen auf  dem  Gebiete  der  strömenden  Elektrizität  in  der  ersten  Hälfte 
des  Jahrhunderts  den  engen  Zusammenhang  zwischen  Elektrizität  und  Magne- 
tismus gezeigt,  die  nahe  Beziehung  zwischen  den  optischen  und  den  elektrisch- 
magnetischen  Erscheinungen  erwiesen,  welche  Beziehung  Faraday's  geniale 
Intuition  schon  ein  halbes  Jahrhundert  vorher  ahnte. 

Die  Physik,  wie  die  Philosophie,  ja  wie  die  ganze  Wissenschaft  strebt 
einer  einheitlichen  Weltanschauung  zu,  was  jedem,  der  dem  Entwicklungs- 
gang mit  offenen  Augen  folgt,  auffallen  mufs.  Die  sinnenföllige  mechanische 
Theorie  kann  gegenwärtig  nicht  mehr  als  die  die  gesamte  Physik  be- 
herrschende Theorie  betrachtet  werden  Es  besteht  der  Kampf  zwischen 
der  Energetik  und  der  Atomistik,  ein  Kampf^  der  voraussichtlich  noch 
lange  andauern  wird.  Die  Atomistik,  eine  in  sich  gefestigte,  Jahrhunderte 
alte  Theorie  wird  nur  langsam  den  Platz  räumen,  sie  hat  den  gewaltigen 
Vorzug  für  sich,  dafs  die  ganze  Theorie  der  Physik  ihr  auf  den  Leib  sn- 
geschnitten  ist,  während  die  neue  Theorie  der  Energetik  noch  ihre  Kinder- 
krankheiten nicht  durchgemacht  hat  Trotzdem  scheint  doch  behauptet 
wei*den  zu  können,  dafs  die  nächste  Zukunft  ihr  gehöre. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  über  die  Grenzpfähle  der  Physik,  auf  ein 
weitoi^s  Ctebiet,  das  Beich  des  Lebens.  Könnte  man  es  wohl  für  möglich 
halten,  dal^  für  die  physikalischen  und  für  die  darüber  hinausliegenden 
Lebenserscheinungen  zwei  oder  mehrere  von  einander  ganz  unabhängige,  ja 
sich  vielleicht  sogar  widersprechende  Gnindanschannngen  aufjgestellt  weisen 
konnten)  V  Unser  Denkvermögen  würde  sich  gegen  eine  derartige  Zumutung 
eneixisch  vorwahren,  da  die  Welt  eine  ist,  in  deren  ineinandergreifenden 
iiebieten  nur  ein  Gesetx  herrschen  kann. 

Zwar  wurde  der  Versuch  gemacht  die  physiologischen  Prozesse  als 
ph^Ysikalischo  und  chemische  aufzufassen.  Die  Physiologen  der  neuesten 
/oit  wissen  es  jedoch,  wie  wenig  dieser  Veisach  gelangen  ist.  Die  Phy- 
siologie sucht  die  Eleiuente  des  Organismiis  nicht  in  den  physikalischen 
Atomen I  sondern  in  der  unsterblichen  Zelle,  deren  geheimnisvolle  Lebens- 
^i^eheiuun^m  wohl  noch  langt«  die  Forschung  beschäftigen  werden. 

Tiui  wie  soll  sich  dit»  i>hjsikalische  Aofiassang  la  den  grofsen  Mi- 
mAw   \iu»eivi  Daseins  veorfaalten?     IW  kraise  Malenaüsmus  hat  immer  zu 


über  die  Aufgaben  eiaer  Geschichte  der  Physik.  187 

einer  schmfthlichen  Niederlage  geführt,  so  oft  er  das  unfafsliche  Welt- 
Problem  zu  einem  simpeln  Bechenexempel  machen  wollte.  Dieses  Problem 
ist  zu  fein  angelegt,  um  von  solchen  stumpfen  Werkzeugen  angegriffen 
za  werden.  £s  scheint,  als  müsse  das  menschliche  Denken  noch  eine  Reihe 
weiterer  Kreise  vollenden,  um  zu  einem  gröfsern  Ausblick  über  jene  Fragen 
zu  gelangen.  Die  unz&hügen  philosophischen  Systeme  vieler  Jahrhunderte 
haben  blofs  die  Pr&zisiemng  der  vorliegenden  Probleme  gebracht^  nicht  die 
Lösung  selbst.  Die  unfruchtbaren  Bemühungen  führen  zur  Überzeugung, 
da&  aus  der  sinnlich  wahrnehmbaren  Natur  stammende  Anschauungen  be- 
rufen seien,  neue  Formen  zu  schaffen,  aus  welchen  ein  weiter  umfassendes 
philosophisches  System  hervorgehen  könnte.  Die  Idee  von  Stoff  und  der 
ihm  innewohnenden  Kraft  tritt  in  der  physikalischen  Auffassung  in  den 
Hintergrond.  In  allerdings  noch  ziemlich  schattenhaften  Umrissen  zeigt 
sich  eine  höherstehende  Idee,  besser  geeignet  dem  nach  Einheit  strebenden 
Geiste  zu  genügen.  Was  wir  als  unanfechtbares  Wesen  der  Aulsenwelt 
glaubten,  was  wir  die  durch  direkte  Sinneseindrücke  wahrnehmbare  Ma- 
terie nannten,  die  wir  übrigens  in  unverständlicher  Weise  mit  Kräften  aus- 
statteten, um  sie  aus  ihrer  toten  ünbeweglichkeit  in  Wirkungsföhigkeit  zu 
versetzen,  das  zeigt  sich  immer  mehr  als  eine  von  den  vielen  Abstraktionen, 
mit  denen  wir  in  der  Mechanik  rechnen,  eine  Abstraktion,  welche  selbst 
im  Gebiete  der  rein  physikalischen  Erscheinungen  nicht  mehr  Stand  hält. 

Allerdings  sind  wir  noch  weit  davon  entfernt,  unsere  energetische 
Theorie  auf  die  Erscheinungen  des  organischen  und  des  physischen  Lebens 
anzuwenden.  Unsere  Lei  naturwissenschaftlichen  Untei'suchungen  mit  Er- 
folg gebrauchten  quantitativen  Messungen  sind  schwer,  gewöhnlich  gar 
nicht  in  jenen  Untersuchungen  anzuwenden.  Für  die  Werte  festsetzende 
Vergleichung  von  Qualitäten  fehlt  uns  gänzlich  die  Fähigkeit. 

Unsere  naturwissenschaftliche  Forschung  hat  sich  seit  geraumer  Zeit 
Ton  der  philosophischen  Richtung  entfernt.  Es  giebt  mancherlei  Ursachen, 
welche  diese  Trennung  hervorgerufen.  Einer  der  bedeutendsten  Gründe 
war  wohl  die  erfolgreiche  Entwicklung  der  experimentellen  Forschung, 
welche  jene,  die  sich  derselben  widmeten,  fast  vollständig  von  andern 
Studien  abzogen.  Der  groDse  Forscher  Faraday  ist  ein  treffliches  Beispiel 
für  den  ohne  regelmälsige  Schulung  seines  Geistes,  ganz  auf  eigener  Fährte 
dahinschreitenden  Denker,  der  uneingenommen  von  allen  erlernten  Systemen, 
sich  sein  eigenes  System  schuf. 

In  den  letzten  Jahrzehnten  hat  sich  der  Gegensatz  zwischen  der  philo- 
sophischen und  der  mathematisch-experimentellen  Richtung  bedeutend  ab- 
g^hwächt.  Auf  beiden  Seiten  macht  sich  die  Einsicht  geltend,  dafs  die 
beiden  Bichtungen    unsers   Denkens    auf  einander   angewiesen   sind.      Die 


188  August  Heller: 

philosophische  Schulnng  kann  dem  experimentierenden  Gelehrten  nur  zu  Gate 
kommen,  sie  wird  ihm  die  Wege  zeigen  seine  firfahningsresultate  braneh- 
baren  Theorien  einzuordnen,  sie  wird  seinen  Untersuchnngen  eine  Temimft* 
gemftfse  Richtung  geben  und  ihn  vor  ziellosen  Versuchen  bewahren. 

Anderseits  haben  auch  die  Philosophen  eingesehen,  dai£  sie  in  den 
Naturwissenschaften  zielbewufste  Forschungsweise  finden  und  daCs  die  Me- 
thoden derselben  oftmals  auch  in  den  Geisteswissenschaften  erfolgreich  Ter- 
wendet  werden  können.  Auch  das  konnten  sie  aus  den  Naturwissenschaften 
ersehen,  dafs  die  Aufrichtung  von  Systemen  aus  reinen  Begriffen  zu  keinem 
praktisch  verwertbaren  Resultate  führe,  während  die  Tielf&ltigen,  erfolg- 
reichen Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  experimentellen  Psychologie  ein  reiches 
Material  für  die  Erkenntnistheorie  geliefert  haben.  Wir  dürfen  uns  aller- 
dings nicht  verhehlen,  dafs  alle  diese  Untersuchungen  nur  eben  an  die 
Grenze  der  eigentlichen  Psychologie  reichen.  Ebensowenig  wie  von  dieser 
sogenannten  experimentellen  Psychologie,  können  wir  von  der  Sozialstatistik 
erwarten,  dafs  sie  die  Probleme  der  eigentlichen  Psychologie  lösen  werde. 

Wenn  wir  das  eigentliche  Ziel  einer  Geschichte  der  Naturwissenschaft, 
in  erster  Linie  einer  Geschichte  der  Physik  und  etwa  der  ihr  enge  ver- 
wandten Chemie  in  der  Darstellung  des  Ideenganges  der  physikalischen 
Welterkenntnis  feststellen  und  die  zur  Verfügung  stehenden  Quellen  be- 
trachten, so  finden  wir  uns  vor  einem  schier  unübersehbaren,  mannigfaltigen 
Material,  dessen  Bearbeitung  nicht  die  Arbeit  eines  einzigen  Menschen, 
sondern  die  Arbeit  von  Generationen  erfordert  Zwar  wurde  schon  so 
manches  auf  diesem  Gebiete  geleistet,  doch  sind  das  alles  noch  vorbereitende 
Arbeiten.  Je  weiter  eine  Quelle  seitlich  von  uns  abliegt,  um  so  grOfser 
die  Versuchung  unsere  Auffassung  den  oft  vieldeutigen,  kargen  Worten 
des  alten  Schriftstellers  untenulegen.  Zudem  ist  auch  vieles  verloren  ge- 
gangen, und  doch  mufs  es  unser  Streben  sein  uns  eine  wo  möglich  voll- 
ständige Kenntnis  über  die  Gedankenwelt  deijenigen  grofsen  Denker  zn 
verschaffen,  welche  die  Trftger  des  Entwicklungsganges  der  wissenschaft- 
lichen Ideen  waren.  Übrigens  wird  jede  Greschichtsdarstellung  mehr  oder 
weniger  subjektiv  und  der  Denkweise  der  eigenen  Zeit  entsprechend  geerbt 
sein.  Nur  die  eingehende  Kenntnis  der  allgemeinen  Denkweise  jener  längst- 
vergangenen  Zeit  kann  uns  teilweise  vor  diesem  Fehler  bewahren. 

Es  konnte  nicht  meine  Absicht  sein,  in  diesem  Artikel  alles  das  aus- 
führlich darzulegen,  was  ich  als  Aufgabe  einer  in  jeder  Hinsicht  ent- 
sprechenden Geschichte  der  Physik  halte  und  somit  eine  voUstftndige  Auf- 
führung der  sämtlichen  Requisiten  lu  geben.  Es  ist  stets  Sache  des 
Schriftstellers  sieh  seinen,  den  „kOnigtichen'^  Weg  sa  finden,  jedoch  die 
Haupterfdrdemisse   lassen  sich  kun  wohl  in  folgendem  ansspreGhen.    I^i^ 


über  die  Aufgaben  einer  Geschichte  der  Physik.  189 

Geschichte  der  Physik  ist  der  vomehmste  Teil  der  Entwicklnngsgeschichte 
unseres  Natturerkennens  und  der  darauf  bezüglichen  Weltanschauung.  Seine 
Hauptaufgabe  ist  die  Entwicklungsgeschichte  der  physikalischen  Ideen.  Diese 
bildet  gleichsam  die  innere  Geschichte  der  Physik,  um  welche  sich  als  ftufsere 
die  Geschichte  des  Lebens-  und  Werdeganges  der  Förderer  und  Forscher 
der  Physik  und  jene  der  Resultate  ihres  Forschens  und  Nachdenkens  hemm- 
legt. Das  Zustandekommen  einer  derartigen  Geschichte  setzt  das  Studium 
eines  unabsehbaren  Quellenmaterials  voraus,  welchem  gegenüber  der  Ge- 
schichtsschreiber die  umsichtigste  Kritik  in  Anwendung  bringen  mufs. 

Am  besten  wird  der  die  Aufgabe  gelöst  haben,  der  imstande  ist  die 
Fäden  zu  entwirren,  die  von  dem  G^dankeninhalte  eines  jeden  Forschers 
ZQ  dem  seiner  Vorfahren  und  Zeitgenossen  reichen,  der  imstande  ist  den 
hiednrch  entstehenden  Zug  der  Ideen  in  ihrer  Entstehung,  Entwicklung 
nnd  Verschmelzung  zu  folgen  und  der  diesen  ganzen  Prozefs  übersehend, 
denselben  in  klarer  Weise  darstellen  kann. 

In  dieser  Art  behandelt,  stellt  sich  die  Geschichte  der  Physik  als  ein 
wichtiger  Bestandteil  jener  der  Philosophie  dar,  wobei  letztere  als  Ge- 
schichte des  menschlichen  Denkens  in  seiner  Allgemeinheit  aufzufassen  ist. 


my^^ 


WINKELMESSUNGEN 


DURCH  DIE  HIPPARCHISCHE  DIOPTRA. 


VON 


FRIEDRICH  HÜLTSCH 

IN    DRESDEN. 


Die  Versuche  der  griechischen  Astronomen  kleinste  Winkel  zu  messen 
haben  angeknüpft  an  die  Bestimmung  des  Gesichtswinkels,  unter  dem  der 
Sonnendurchmesser  erscheint.  Vorhergegangen  war  eine  Vergleichung  des 
Sonnendurchmessers  mit  der  Bahn,  welche  die  Sonne  an  einem  Aquinoctial- 
tage  von  einem  Aufgange  bis  zum  andern  zu  beschreiben  scheint.  Das  aus 
einem  Gefäfse  stetig  und  gleichmäfsig  ablaufende  Wasser  wurde  während 
der  Zeit,  die  von  dem  Aufleuchten  des  ersten  Sonnenstrahles  bis  zum  Auf- 
tauchen der  vollen  Scheibe  über  dem  Horizonte  verging,  in  ein  zweites 
Gef^s,  und  nach  vollendetem  Aufgange  sofort  in  ein  drittes  gröfseres 
Gef&fs  geleitet,  welches  die  weiter  bis  zum  Anfang  des  nächsten  Sonnen- 
aufganges abfliefsende  Wassermenge  aufnahm^).  Dann  ergab  sich,  dafs  das 
während  eines  Sonnenaufganges  abgeflossene  Wasservolumen  zu  dem  während 
der  übrigen  Zeit  bis  zum  nächsten  Aufgang  abgeflossenen  Volumen  sich 
annähernd  wie  1  :  719  verhielt.  Auf  den  von  der  Sonne  in  einem  Tages- 
lauf durchmessenen  Himmelskreis  kamen  also  720  Sonnendurchmesser,  und 
da  der  Zodiacus  seit  ältester  Zeit  in  360  Teile  und  jeder  Teil  weiter  in 
Sechzigstel  zerlegt  wurde,  so  war  der  Sonnendurchmesser  auf  30  Sechzigste! 
oder,  wie  wir  jetzt  sagen,  auf  30  Minuten  eines  Grades  annähernd  be- 
stimmt. Dieses  babylonische  Mafs  hat  wahrscheinlich  schon  Thales  und 
nach  ihm  Eudoxos,  später  sicherlich  Aristarchos  gekannt^). 

1)  Achill,  isag.  in  Arati  phaenom.  18  (Uranolog.  Pbtav.,  Paris  1630,  S.  137), 
HsBOM,  itegl  hd^itav  mgocxonBimv^  bei  Pboklos  vnotvncoaig  S.  107  f.  Idbler,  Über 
die  Sternkunde  der  Chaldäer,  Abhandl.  der  Beri.  Akad.  181^16,  hist.philol.  Kl., 
S.  214.  Bbahdm,  Mfinz-,  Mafs-  and  Gewichtswesen  in  Vorderasien  S.  17  ff.  Bilfinoeb, 
Die  babylonische  Doppel  stände ,  Progr.  des  Eberhard-Ludwigs-Gymn.  in  Stuttgart 
1888  S.  21  ff.  HüLTScH,  Poseidonios  über  die  Gröfse  und  Entfernung  der  Sonne, 
Abhanill.  der  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu  Göttingen,  philol.-hist.  Kl,  N.  F.  ßd.  J. 
Nr.  5,  S.  41  f  Einer  anderen  Tradition  folgt  Klbohbobb,  %wiX.  ^eojQÜc  iiete^ti^mv 
11 1  (S.  136 — 138  Zibolbb).  Nach  ihm  sollen  die  Ägypter  mit  Hülfe  von  Wasser- 
obren  (^mk  t&v  'bdoolayüap)  den  gröfsien  Himmelskreis  gleich  750  Sonnendurch- 
messern  gefanden  haben. 

9)  Dioo.  L.  I  1,  24  berichtet  „nach  einigen  Gewährsmännern  (wxtd  %ivagy\ 
dafe  Thalbs  die  Sonne  720 mal  so  grofs  als  den  Mond  angesetzt  habe.  Diese 
Angabe  würde  Tielleicht  verdächtig  erscheinen,  wenn  die  Zahl  720  nicht  in  nahem 
Zasammenhange  mit  der  Sonnenmessung  des  Eudoxos  stände.    Wir  werden  also 

Abb.  war  OeMh   d.  Mathem   IX.  13 


194  Friedrich  Hnltsch: 

Das  Verfahren,  die  Zeit  des  Sonnenaufgangs  mit  der  Zeit  von  24  Iqni- 
noctialstunden  durch  WasserabfluTs  zu  vergleichen,  hat  Heron  in  dem  Werkt 
Über  Wasseruhren  einer  Eontrolle  unterzogen  und  dadurch  vervoUkommnet 
dafs  er  einen  Ablauf  des  Wassers  in  die  Mafsgefäfse  unter  stets  gleich- 
mäfsigem  Drucke  vorsah  und  im  ersten  Buche  seiner  Schrift  noch  besonder 
zeigte,  auf  welche  Weise  diese  Gleichmäfsigkeit  herzustellen  ist').  Die 
hauptsächliche  Voraussetzung  mufste  dabei  sein,  dals  das  Vonatsgeftfs 
immer  gleichroftfsig  voll  blieb,  mithin  einen  stetigen  Zuflufs  von  oben  e^ 
hielt  Da  es  nun  nicht  möglich  war,  diesen  Zuflufs  so  zu  regeb,  d&fi 
genau  so  viel  Wasser  von  oben  hinzukam  als  unten  ablief,  so  blieb  nur 
übrig,  dafs  der  Zuflufs  von  oben  ein  wenig  reichlicher  war  als  der  Abflii£> 
nach  unten.  Wenn  dann  am  oberen  Bande  des  Gefllfses  eine  entsprechend 
breite  Abflufstelle  vorgesehen  war,  über  welche  der  geringe,  von  oben  hinzn- 
strömende  Überschufs  stetig  und  ohne  das  Wasser  im  Gef&fse  in  nnrnliige 

die  Sch&tzang  der  SooneDgröfse  durch  Thalss  als  eine  Hypothese  derselben  Art 
ansehen  wie  ähnliche  Vermutungen,  die  später  bei  Abchucedbs,  bei  Poseidoitios 
und  anderen  Philosophen  sich  finden.  Die  Durchmesser  von  Sonne  und  Mond 
erschienen  den  Alten  als  gleich;  allein  in  Wirklichkeit  mufste  schon  ein  Thalk.« 
die  Sonne  für  merklich  gröfser  als  den  Mond  halten.  Wenn  nun  jedes  ?on  bei- 
den Gestirnen  in  seiner  Sphäre  Kreise  beschrieb,  auf  welche,  nach  der  Lehre  der 
Babylonier,  je  720  Durchmesser  zu  rechnen  waren,  so  war  vielleicht  die  Sphlre 
der  Sonne  um  so  viel  weiter  entfernt  als  die  des  Mondes,  dafs  der  Durchmesaer 
der  Sonne  zwar  dem  des  Mondes  gleich  erschien,  in  Wirklichkeit  aber  das  Vulumei 
der  Sonne  720  mal  so  grofs  als  das  des  Mondes  war.    Hiemach  würden  aaf  deo 

Sonnendurchmesser  y720  ==  8,9628  Monddurchmesser  kommen,  und  diese  Zahl 
finden  wir  (nach  Ancmif.  aren.  1,  9  S.  248,  7  Heibkro)  in  der  Abrundung  snf 
9  Ganze  bei  Eunoxos  wieder.  Bei  diesem,  dem  ersten  methodischen  AstronomeD 
unter  den  Griechen,  war  diese  Schätzung  nicht  mehr  eine  blofse  Vermutong,  flon- 
dem  sie  beruhte  auf  dem  Versuche  aus  der  Beobachtung  der  Sonnenfinsternine 
Schlüsse  lu  liehen.  Wurde  dann  weiter  der  Monddurchmeaser  «=  y,  Erddurch- 
messer gerechnet^  so  ergab  sich  die  Sonne  27  mal  so  grois  als  die  Erde,  ein  Ver- 
hältnis, dem  noch  nm  ein  Jahrhundert  später  EaATOsnmna  gefolgt  sein  soU.  Vgl 
„PosKmoinos  über  die  GrOfse  und  Entfernung  der  Sonne"*,  Abhandl.  der  Geselbch. 
der  Wissensch.  tu  G^ttingen  a.  a.  0.  S.  4  ff.  —  Dafs  Ajostabchos  (wie  die  Baby- 
lonier) den  scheinbaren  Sonnendurchmesser  als  %,9  des  Zodiacns  bestimmt  hat, 
beieugt  AscRiM.  aren.  1,  10  S.  248,  19.  Bei  Hbibsbo  ist  in  der  Obersetinng  S.  849 
hinter  pariem  sepiitkgmUesiwkam  ausgefallen  ei  vteestmoM. 

3)  PnoKLos,  ^nm^nm€ts  xAw  dnpavofuwAp  ^o^^mmt  S.  107  Ealmaz  «orl  9& 
TOF,  o«Qi(  9V(i(kci9H  ««^'  ofMrli.ir  fvctw  vdoTO«  inlmßfiw  x^6pow^  Uyoiuv  3*ff  wi 
Tfpwir  6  pi;{ari«6€  h  xoCs  sf^l  ^^upv  a^^o«Kosct«Mr  idiät^s.  Pawos  bei  Thio 
in  Ptolkm,  magn.  eamkuct.  S.  262,  2:  ok«c  *^  mtp^vn  tb  iw  w  äyjiup  vSa^ 
Mtt9'  6u«e2f|r  (v^w  jf Cr  ^mi^nißw  li^mv  h  xm  «e^»  xAv  ^qUb9  nt^onxmUf.  - 
Über  die  Aufschrift  ^«of^ra«if  des  Werke«  des  Paon.os  vgl  Posdd.,  über  die 
Gr5fse  n.  s.  w.  S.  9,  Anm.  6. 


Winkelmesflimgeii  durch  die  Hipparchische  Dioptra.  195 

Bewegung  za  yersetzen  seitlich  abtr&ufelte,  so  war  genügend  gesorgt,  dafs 
der  Wasserdruck  im  Gef&fse  immer  der  gleiche  blieb. 

Da  Proklos  aus  der  Schrift  Herons  über  die  Wasseruhren  einiges 
wörtlich  zitiert,  so  möge  hier  eine  Übersetzung  dieses  bisher  noch  wenig  be- 
achteten Fragmentes  folgen^):  „Es  wird  ein  Geföfs  angefertigt,  das  ähnlich 
wie  die  Elepsjdra  eine  Öffnung  nahe  dem  Boden ^J  hat,  durch  welche  das 
Wasser  gleichmäfsig,  wie  es  Brauch  ist,  herausfliefsen  kann.  Dieses  wird 
so  vorgerichtet,  dafs  der  Ausflufs  beginnt,  sobald  die  Sonne  den  ersten 
Strahl  Tom  Horizont  aus  versendet,  und  das  Wasser,  das  in  der  Zeit,  bis 
die  Sonnenscheibe  über  den  Horizont  gekommen  ist,  in  ein  mit  Mafsstrichen 
versehenes  Oefäfs^)  abgeflossen  ist,  wird  in  besondere  Verwahrung  genommen^). 
Sodann  wird  die  Wassermenge^  welche  sp&ter  in  der  ganzen  Zeit  von  Tag 
und  Nacht  bis  zum  nächsten  Aufgange  gleichmäisig  und  stetig  abgeflossen 
ist,  in  einem  andern  Oefllfse  gemessen^),  und  so  wird  ermittelt,  wie  viele 
Mal  in  diesem  Volumen  das  Volumen  des  während  des  Sonnenaufganges 
[in  dem  kleineren  Gefäfse]  gesammelten  Wassers  enthalten  ist.  Diese 
Volomina  werden  den  Zeiten  proportional  sein,  d.  h.  wie  ein  Volumen  zu 
dem  andern,  so  verhält  sich  die  eine  Zeit  zur  andern/^ 

4)  *Titot^<ßCtg  S.  107  f.  Halma.  Nachdem  ich  im  J.  1898  die  vorliegende 
Abhandlung  an  den  Herausgeber  der  Festschrift  abgesendet  hatte,  ist  vor  kureem 
Bd.  I  der  Werke  Hekons,  herausg.  von  W.  ScmciDT,  erschienen.  Daselbst  findet 
sich  das  Fragment  aus  Proklos  S.  456  f.  und  nachträglich  ist  S.  506  f.  der  Bericht 
des  Pappos,  auf  den  ich  in  der  Berliner  Philol.  Wochenschr.  1899,  Sp.  47  f.  hin- 
gewiesen hatte,  beigeffigt  worden. 

5)  Die  Bestimmnng  „nahe  dem  Boden",  ngbg  x&  nvd'fiivt^  fehlt  bei  Proklos, 
ist  aber  bei  Pappos  an  der  noch  anzuführenden  Stelle  erbalten.  Daraus  geht  zu- 
gleich hervor,  dafs  das  von  Hsron  pneum,  I  4  gezeigte  Verfahren  hier  keine  An* 
Wendung  gefunden  hat. 

6)  Auch  diese  Angabe  fehlt  bei  Proklos.  Pappos  soll  nach  der  Baseler  Aus- 
gabe geschrieben  haben  e^g  ti  nBQUx^fiBvov  &yy8iov.  Hier  fehlt  vielleicht  y^afi- 
l^oig  Tor  fUQHx6(UP09  oder  die  Lesart  ist  in  anderer  Weise  verderbt.  Vermutlich 
hat  HsRos  ein  Gkföls  ans  durchscheinendem  Hörn  gemeint,  auf  welchem  durch 
eingeritzte  Linien  die  einzelnen  Unterabteilungen  des  ganzen  Mafsgefäfses  unter* 
schieden  waren.    Vgl  Metrol.  Script.  I,  B.  80.  211,  10—12.  217,  14  Hultsch. 

7)  7^  (s^0ap  vSmQ  .  .  .  tpvldttetai  x^9^  Proklos,  (pvldaaovtsg  tb  ^fCOQ" 
^(vsffv  {iato4(vüaw  Babil.)  MmQ  Pappos.  Qemeint  ist  offenbar  die  Aufbewahrung 
in  einem  verschUefsbaren  Gefäfse,  das  bis  zum  nächsten  Morgen  in  den  Keller 
gestellt  wurde,  um  ein  Verdunsten  der  Flüssigkeit  möglichst  zu  verbaten. 

8)  Der  Abdruck  bei  Halma  ist  arg  verderbt.  Hbron  hat  wahrscheinlich 
geschrieben  dftaX&g  %ul  iiVBuXt^ntmg  (viv,  iv  itigip  &yyB£(a  na^aitttgsCtai,  Zu 
«al  Avtnl^tiog  (Verderbnis  statt  &VB%lBijncag)  hatte  ein  Interpolator  xal  äna^ermg 
ond  SU  (vBiv  (Verderbnis  statt  (viv)  (bHouv  am  Bande  beigeschrieben  und  diese 
Glossen  sind  dann,  die  letztere  noch  dazu  an  einer  falschen  Stelle,  in  den  Text 
gekommen. 

13» 


196  Friedrich  Hultsoh: 

Auch  Pappos,  der  um  etwa  150  Jahre  vor  Pboklos  sdirieb,  hat  in 
seinem  Kommentare  zum  fünften  Buche  der  Syntax  des  Ptolekaios  dk 
Schrift  Hebons  über  Wasseruhren  benutzt^,  diese  jedoch  nur  betreffs  des 
schon  erwähnten  Beweises  für  die  Oleichmäfsigkeit  des  Wasserabflusses  siti^ 

Leider  schweigt  die  Überlieferung  über  das  Ergebnis  der  Heromscbeii 
Yergleichungen  der  Wasserrolumina.  Ptolemaios  hat  sie  nicht  berück- 
sichtigt, weil  sie  ihm  ungeeignet  erschienen,  die  genauen  Mause  der  Durch- 
messer von  Sonne  und  Mond  zu  ermitteln^);  doch  darf  man  wohl  yer- 
muten,  dafs  die  Nachprüfung  des  babylonischen  Verfahrens  durch  Hebos 
für  den  Sonnendurchmesser  etwas  über  0^30'  bis  etwa  zu  0^32'  er- 
geben hat. 

Auf  den  richtigen  Weg,  um  zur  Lösung  des  Problems  zu  gelangen, 
hat  zuerst  Archimedes  (aren.  1,  10  ff.)  hingewiesen.  Nach  der  Anschaniuig 
der  Alten  sieht  imser  Auge  die  Gegenstände  durch  Strahlen,  die  es  von 
sich  ausgehen  l&fst^^).  Es  war  nun  zu  versuehen,  einen  Punkt  im  Auge 
zu  bestimmen,  von  welchem  aus  zwei  Strahlen  je  zu  einem  Ende  des 
Sonnendurchmessers  gehen.  Zu  diesem  Zwecke  setzte  er  ein  langes  J^cht- 
scheit  auf  ein  Fufsgestell,  dessen  Höhe  es  ermöglichte,  nach  der  Soddb,  so 
lange  sie  noch  dem  Horizonte  nahe  war  und  ihr  Licht  weniger  blendete  ^j, 
über  das  Richtscheit  hin  zu  blicken.  Das  Auge  des  Beobachters  befaod 
sich  also  am  Anfiange  des  Richtscheites  und  auf  diesem  lag  (wohl  in  einei 
auf  der  oberen  Fl&che  desselben  Iftngshin  gezogenen  flachen  Rinne)  eine 
Kugel  Yon  ungefähr  gleicher  Gröfse  wie  der  Augapfel.  Nach  dem  Ende 
des  Richtscheites  hin  stand  aber  ein  kleiner,  gerader  Cjlinder,  der  in  die 
geeignete  Entfernung  gebracht  wurde,  um  die  Sonne  gerade  zu  verdunkeln 
Der   normale    Querschnitt    dieses   Cjlinders    bildete   also    die    Basis   eines 

9)  Trko  Aux.  in  Ptoum.  wuign.  etmstmct,  V,  Basel  1638,  S.  261  f.  In  dieser 
bisher  einiigen  Gesamtausgabe  des  TmonBchen  Kommentan  ist  %u  Anfang  des 
V.  Baches  (S.  231)  Pappos  Ton  Alexandria  als  Verfasser  beMiehnet;  sp&ter  (S.  336) 
heifsi  es  Ute t  Toe  /Icbnro«  und  es  folgt  ein  Zosats  vob  Bimwo^  tlg  xb  Uikof  w 
ilchnrov;  aber  Ton  8.  245  an  bis  som  Ende  des  Buches  lindei  sich  unter  der  Aof- 
schrifl  %6  Sh  iii^g  toO  ilavxo«  wieder  der  Kommentar  dieses  Aatora.  Besser  ist  der 
Text  des  Pappos  in  dem  cod.  Lamenl  plnl  XXVHI,  18.  cod.  Vatic.  Gr.  183  ood 
anderen  Handschriften  efhalten.  Bei  Tbbov  heilsi  jedes  eunelne  Buch  des  Kod- 
mentars  ^«^in^fMe,  bei  Pappos  extflier:  s.  meine  Voirede  in  Papti  collect  Bd.IH, 

s,  xra  f. 

10>  Ptolkm.  synl  V  14,  S.  416,  20  Hbobmi. 

11)  KciEU  optic;  def.  1—^.  Damiaitos  Schrift  ftber  Optik,  heranqg.  tob 
R.  ScvGxs,  1— a.  OdmuBE,  Qesch.  der  Mathwnatilr  und  der  Natnrwisa.  im  Alter- 
tnn,  Iw.  Meuns  Handh.  der  klass.  Altntnmswias.  Y\  &  268. 

12)  Ai^n.  S.  250, 14  Hub.:  Utwq  yn^  ißimr^  svd  »  i^iSmn  nak  9v9a^f^ 
ft%  inmfXfwi^^ty  wo  ich  fri  nach  Konjektur  statt  des  fiba^iefertoi  rot  sdmibe. 


Winkelmessungen  durch  die  Hipparchische  Diopira.  197 

gleichschenkligen  Dreiecks,  dessen  Seiten  die  erwähnte,  nahe  dem  Auge 
befindliche  Engel  je  an  einem  Punkte  berührten  und  dann  im  Auge  selbst 
sich  zur  Spitze  des  Dreiecks  vereinigten.  So  hatte  Archimbdes,  ohne  eine 
eigentliche  Yorrichtung  zum  Visieren  zu  kennen,  eine  ungefähre  Darstellung 
des  Winkels  BÄC  zu.  Wege  gebracht, 
anter  welchem  der  Sonnendurchmesser 
dem  Beobachter  erscheint  (Fig.  1).  Auf 
eine  genaue  Bestimmung  konnte  es 
ihm  gar  nicht  ankommen,  da  er  für 
sebe  Sandrechnung  nur  die  Begrenzung 
brauchte,  dals  die  Basis  BC  des  Drei- 
ecks BÄC  gröfser  ist  als  die  Seite  des  in  den  Kreis  BC  eingeschriebenen 
Tausendeckes,  woraus  er  dann  weiter  folgerte,  dafs  der  Winkel  BÄC  tji 
einem  grODsten  Himmelskreise  eine  Sehne  abteilt,  die  gröiser  ist  als  die 
Seite  des  in  diesen  £[reis  eingeschriebenen  Tausendeckes.  Dazu  genügte 
es  ihm,  nachdem  Basis  und  Seiten  des  Dreiecks  BÄC^  ohne  ihre  Dimen- 
sionen zu  yerkleinem,  auf  einer  Tafel  eingezeichnet  waren,  mit  dem  Eadius 
AC  von  C  über  B  hinaus  eine  Peripherie  zu  beschreiben,  deren  Sehne  die 
Seite  des  in  den  Kreis  BC  eingeschriebenen  Zehnecks  war.  Durch  forir 
gesetzte  Halbierung  erhielt  er  dann  eine  Peripherie,  die  160 mal  in  dem 
ganzen  Perimeter  enthalten  war.  Hienron  nahm  er  einmal  den  vierten,  ein 
anderes  Mal  den  fünften  Teil  und  fand  so,  dafs  die  Sehne  des  von  ihm 
beobachteten  Centriwinkels  kleiner  war  als  die  Seite  des  eingeschriebenen 
640eckes  und  grOfser  als  die  Seite  des  eingeschriebenen  SOOeckes,  mithin 
auch  gröiser  als  die  Seite  des  eingeschriebenen  Tausendeckes. 

Nach  der  handschriftlichen  Überlieferung  ist  die  obere  Grenze  von 
Archimedeb  noch  um  ein  weniges  enger  gezogen  worden.  Statt  der  an- 
gefahrten Teile  der   ganzen  Peripherie  giebt  er  in  der  Sandrechnung  Teile 

des  Quadranten  an.    So  würde  er  als  obere  Grenze  7^  des  rechten  Winkels 

loU 

erhalten  haben;  statt  dessen  aber  hat  er,  wenn   nicht  etwa  ein  Fehler  in 

Ä  .  .  11 

die  Überlieferung  eingedrungen  ist,  den  etwas  geringeren  Wert  t^j  ,  d.  i.  :r^ 

einer  Peripherie  gewählt,  deren  Sehne  gleich  der  Seite  des  in  den  Kreis 
eingeschriebenen   41eckes  ist.     Setzen    wir   nun    statt  der  ARCHiMEDischen 

^^^^  isl  ^^^  iöö  ^^^  Quadranten  die  entsprechenden  sexagesimalen  Teile 

des  Kreises,  so  erhalten  wir  ^B  =  0^S3'  und  ^  JB  =  0<>27'.  Im  Mittel 

war  also  Archimedes  bei  der  Bestinunung  zu  0^30'  stehen  geblieben  und 
im  ganzen  hatte  er,  da  er  einen  Fehler  von  3  Minuten  nach  beiden  Seiten 
hin  offen  lassen  mufste,  minder  genau  beobachtet  als  die  Babjlonier;  allein 


198  Friedrich  Hultsch: 

die  neu  gefundene  Methode,  Winkel  direkt  mit  dem  Auge  zu  messen,  sollte 
bahnbrechend  weiter  wirken. 

Es  galt  zunächst  die  schwerfällige  Rechnung  nach  den  Seiten  ein- 
geschriebener Vielecke  zu  beseitigen  und  die  Sehne  eines  jeden  Kreisbogens 
ein  für  alle  Mal  nach  ihrem  Verhältnisse  zum  Diameter  zu  bestimmen. 
Wenn  auch  die  Überlieferung  schweigt,  so  spricht  doch  alle  Wahrschein- 
lichkeit dafür,  dafs  Hipparchos  es  war,  der  zuerst  diese  Verhältnisse  be- 
rechnet und  sie  in  einer  ähnlichen  Übersicht  wie  später  Ptoubmaios  in 
seinem  tuxvovmv  tc5v  iv  %vida  sv&ei&v^)  zusammengestellt  hat.  Er  hat  in 
einem  umfänglichen  Werke  von  zw5lf  Büchern,  das  als  nifayfiaxila  i&v  iv 
xvTÜLoi  evd'Bimv  zitiert  wird^^),  über  die  Kreisbögen  und  ihre  Sehnen  ge- 
handelt, er  hat  femer  die  Theorie  der  Epicyklen  und  das  gesamte  Gebiet 
der  rechnenden  Astronomie  in  nahezu  gleichem  umfange  beherrscht,  wie 
später  Ptolemaios,  dessen  Syntax  zu  einem  grofsen  Teile  auf  Werken  dfö 
Hipparchos  fufst;  er  mnfs  also  auch  die  Orundanschauungen  und  die 
leitenden  Sätze  gekannt  haben,  nach  denen  für  einen  jeden  im  Halbkreise 
gegebenen  Winkel  das  Verhältnis  der  Sehne  zum  Diameter  bestimmt  und 
damit,  wie  sofort  sich  zeigen  wird,  die  Sinusfunktion  als  Grundformel  der 
Trigonometrie  eingeführt  wurde. 

Ausgegangen  ist  schon  Hipparchos,  ähnlich  wie  die  Neueren,  vom 
rechtwinkligen  Dreieck,  nur  dafs  ihm  jede  der  beiden  Katheten  als  Sehne 
(ct>Ocf€c  iv  xvjtXe})  und  die  Hypotenuse  als  Diameter  galt.  Wenn  er  also 
das  Verhältnis  einer  Sehne  zum  Diameter   ausrechnete,  so  hatte   er  damit 

den  Sinus  eines  auf  dieser  Sehne  stehenden  Peri- 
pheriewinkels gefunden;  er  schrieb  aber  zu  diesem 
Verhältnisse  nicht,  wie  später  die  Inder,  Araber 
und  die  Neueren,  den  Peripherie winkel,  sondern 
den  entsprechenden  Centriwinkel  hinzu  (Fig.  2). 
Nehmen  wir  an,  daÜB  er  als  Beobachter,  Tom 
Standpunkte  A  aus,  den  Winkel  BÄC^=3e^  und  damit  zugleich  die 
Sehne  jBC  als  Seite  des  in  den  Kreis  eingeschriebenen  Zehneckes  bestimmt 
hatte.  Nun  hätte  es  am  nächsten  gelegen,  diese  und  ebenso  jede  andere 
Sehne  nach  ihrem  Verhältnis  zum  Radius  zu  bestimmen  und  dieser  An- 
schauung ist  er  soweit  gefolgt,  dafs  er  fortan  nach  sexagesimalen  Teilen 


13)  Srnt  I  11  vlO)  S.  48  ff.  Hubsm. 

14^  Trso  in  Ptolsm.  BjnU  I  S.  110  Hauia:  didunm  fi^v  o^  %al  ^Ima^V? 
ii  n^aymwtM  x^w  h  «riira  f v^(«A»  h  iß*  ßtßUot^.  Dafs  das  Werk,  wie  Sisekihl, 
Grieche  Litteratur  in  der  Alexandrinerseit  I  S.  771  annimmt^  wt^l  xi^  nifttjjuntüii 
T^i  fr  %rnlm  ft^^<lAv  betitelt  gewe;seii  sei,  ist  mir  nicht  wahracheinlicb. 


Winkelmessungen  durch  die  Hipparchische  Diopira.  199 

des  Radius  rechnete  ^^).  Allein  der  Boden  des  rechtwinkligen  Dreiecks  sollte 
nicht  verlassen  werden;  es  wurde  also  BC  zur  Kathete  des  in  den  Halb- 
kreis eingeschriebenen  Dreiecks,  dessen  Hypotenuse  der  Diameter  ist.    Nun 

wurde  das  Verhältnis  yrr^    in   Einhundertzwanzigsteln   des   Diameters   und 

deren  sexagesimalen  Teilen  ausgerechnet.  Es  ist  klar,  dafs  wir  für  dieses  Ver- 
hältnis keine  besondere  Benennung  zu  suchen,  sondern  es  einfach  als  Sinus  zu 
bezeichnen  hätten,  wenn  Hipp  arg  hos  und  mit  ihm  die  späteren  griechischen 
Astronomen  dasselbe  als  Funktion  des  Peripheriewinkels  BBC  hätten  gelten 
lassen.    Da  dies  aber  nicht  geschehen  ist,  müssen  wir  für  die  HiPPARcmsche 

Funktion  y^p  eine  allgemeine  Bezeichnung  suchen  und  dürften  mit  -r-, — '- 

das  Wesentliche  in  kürzester  Form  treffen.  Dieses  Verhältnis  erschien  nun 
dem  HippARCHOS,  vom  Standpunkte  des  beobachtenden  Astronomen  aus,  als 
eine  Funktion  des  Winkels,  den  er  ins  Auge  fafste,  d.  i.  des  Centriwiskels 
BÄC,  und  so  hat  er  es  in  seinem  durch  Ptolemaios  überlieferten  mcvoviov 
x(bv  iv  mvmXfü  ti^tuQiv  aufgeführt.  Wir  gewinnen  also  für  die  HiPPARCHische 
Funktion  des  Gesichtswinkels  o»  die  allgemeine  Formel 

chord.  .      <D  iirv 

-rr. (0  =  Sm.  -^  "). 

diam.  2     ^ 

Statt  der  Sechzigstel  des  Radius  waren  Einhundertzwanzigstel  des 
Diameters  eingetreten.  Da  nun  jeder  dieser  Teile  weiter  in  erste  und 
zweite  Sechzigstel   zerfiel,    so    entstand    eine   kleinste  Einheit    im  Betrage 

von  0^0'!"  =  .  oa  ^^^  des  Diameters,  deren  Vielfache  in  den  Sehnentafeln 

bei  der  eb^ta  eines  jeden  Winkels  verzeichnet  wurden  ^'^).    Als  Beispiel  sei 
die  Sehne  zu  0^30'  (Ptolem.,  Sjnt.  I,  S.  38  Heib.)  angeführt.    Sie  betrug 

0^31' 25"  =7^1^  des  Diameters  =0,0043634.    Vermindern  wir  diesen 


15)  Ein  tikfjfia  hat  ihm,  wie  später  dem  Ptolskaios,  als  —r  des  Radius  ge- 

60 

gölten  m^d  diese  Einheit  ist  dann  weiter,  wie  ans  den  Tafeln  der  B^eiai  und 
litfuond  bei  Ptolbm.  synt.  I  11  (10)  herrorgeht,  in  erste,  zweite  und  dritte 
Sechzigitel  zerlegt  worden.  Vgl.  in  Pault-Wissowa's  Bealencyklopädie  der  klass. 
AltertnmswisB.  Arithmetica  Sp.  1076  f. 

16)  TAKinEBT,   Bist,  de  Vastronomie  ancienne  S.  62,  Anm.  1   bezeichnet  nach 
ttbUchem  Branche   mit  crd.  das  VerhältniB   der  Sehne   zum  Kadius   und   setzt 

■ 

demnach  crd,  m  =  2 — ~ — ;   allein   das   Verhältnis   zum   Diameter   mufs    bei- 

behalten  and  recbnnngsmftfsig  durchgeftlhrt  werden,  wenn  wir  das  Verfahren  der 
griecbificben  Astronomen  uns  TerBttndlich  machen  wollen. 

17)  Vgl.  Zbuthbn,  Gesch.  der  Mathem.  S.  230  f. 


200  Friedrich  Hultsch: 

Wert  nur  um  0,0000001,   d.  i.  um  ~  des  kleinsten  von  Hifpaschob  ge- 

setzten  Teiles  des  Diameters,  so  erbalten  wir  mit  0,0043633  die  genaue 
fünfstellige  Ausrechnung  des  Sinus  der  Hälfte  von  0^  30"^. 

Femer  ergiebt  sich,  dafs  die  Hipparchisch-Ptolemftischen  Tafeln,  die 

von  0^30'  bis  180^  in  Abstufungen  von  je  -^  Orad  reichen,  sobald  man 

statt   eines  jeden   dort  verzeichneten   Winkels  dessen  Hälfte   einsetzt,  eise 

Sinustabelle  darstellen,  die  in  Abstufungen  von  je  -r-  Grad  von  0^  15'  bis  90* 
sich  erstreckt^®). 

In  der  von  Hippabchos  verfafsten   itqay^uxxBla  xSiv  iv  xvnlm  tv^mv 
sind  vermutlich  auch  Anweisungen  zum  Gebrauche  der  von  ihm  erfundenen 
Di  Optra   enthalten    gewesen.     Er   hat   dort  das  Instrument  so  genau  be- 
schrieben,  dafs  Ptolemaios   es  wieder   herstellen  und  ähnliche  Messungen 
wie  jener  vornehmen  konnte  ^^).     Es  war  ein  vier  Ellen   langes  Richtscheit 
(x€XQ<x7t7ixvg  %av6v).     Da    nun   Ptolemaios    ausdrücklich  bemerkt,  d&fs  er 
8tcc  T^g  iv  ToS  TMvovi  xoTafieT^ijtfeog  die  HiPPARCmschen  Bestimmungen  der 
Durchmesser  von  Sonne  und  Mond  kontrolliert  habe,  so  folgt   daraus  zu- 
nächst,   dafs   das  Richtscheit  mit   einer  Skala   versehen   war,   auf  welcher 
gleiche   Unterabteilungen   des   Ma&stabes  verzeichnet  waren.     Das  können 
keine    anderen    gewesen    sein    als  die  Fingerbreiten  (^axrvAo«),  von  denen 
nach  allgemein  griechischem  Brauche  24  auf  die  Elle,  mithin  96  auf  den 
ganzen    Mafsstab    kamen.     Als    Teile    des    Daktjlos    waren    wahrscheiiüich 
Hälften,  Viertel  und  Achtel  eingetragen^). 

Natürlich    mufste,    um  die   scheinbaren  Durchmesser   von   Sonne  und 
Mond   messen    zu    können,    an   der  Dioptra  noch  ein  zweiter  Ma&stab  im 


18)  Zeuthbn,  Gtesch.  der  Mathem.  S.  230.  288.  Vgl.  auch  Idblbs,  Ober  die 
Trigonometrie  der  Alten,  Zach's  monaÜ.  Correspondenz  zur  Beförderung  der  Erd- 
und  Himmelakunde,  Juli  1812,  S.  22  f. 

19)  Synt.  V  14,  S.  417,  1—16.  20—24  Heib.  Entsprechend  dem  S.  416,  23 
vorhergehenden  Aorist  sror^j/Ti^ffaficO-tt  und  den  S.  417,  18.  20  folgenden  Imper- 
fekten  iidvvocto  und  Hazetpotivhvo  ist  S.  417,  6  t^QÜmoiJ^v  als  Imperfekt  zu  fusen 
und  dann  Z.  18  mit  Halma  naTeXafißavöfM^a  statt  des  handschriftlichen  tato- 
XaiißavdikB&a  zu  schreiben.  Vgl.  V  2,  S.  366,  1 — 7  itrufoüiisp  —  ncttelappdfono 
(pass.)  —  naxeXaikßavöiied'a  (med.). 

20)  Vgl.  meine  Griechische  und  römische  Metrologie'  S.  361.  Dafs  aocb 
Sechzehntel,  wie  auf  altägyptischen  Mafsstäben,  eingetragen  waren,  ist  nicht  wahr- 
scheinlich, weil  schon  das  Achtel  des  Daktylos  auf  den  äofsersten  Grad  der  Ge- 
nauigkeit führte,  der  bei  den  Messungen  durch  die  HiFPABcnische  Dioptra  xa 
erreichen  war.  Auch  Abobimbdbs  hat  in  seiner  Sandrechnong  (2, 4  S.  264,  25)  du 
Achtel  des  Daktylos  als  kleinstes  Mafs  vor  sich  gehabt  nnd  auf  dieses  6  Durch- 
messer  von  Mobnkömem  gerechnet. 


W^iDkelmesBungen  durch  die  Hipparchische  Dioptra.  201 

rechten  Winkel  zu  der  Skala  des  Richtscheites  angebracht  sein.  Dies 
war,  wie  Ptolemaios  andeutet ^^),  eine  kleine  Platte  (rc^ißiiattov)  ^  deren 
halbe  Breite  die  eine  Kathete  eines  rechtwinkligen  Dreiecks  bildete,  während 
die  andere  Kathete  durch  den  Abstand  des  Plättchens  vom  Auge  des  Be- 
obachters gegeben  war.  Das  Nähere  erhellt  aus  dem  Berichte  des  Pappob 
im  Kommentar  zum  V.  Buche  des  Ptolemaios^):  „Man  verfertigt  ein  Richt- 
scheit, das  mindestens  vier  Ellen  lang  und  genügend  hoch  und  breit  ist, 
um  eine  feste  Unterlage  zu  bieten.  In  die  obere  Fläche  desselben 
sei  mitten  in  der  Längenrichtung  eine  Rinne  dergestalt  eingeschnitten, 
dafs  ein  beilförmiger,  darin  eingefügter  Keil  leicht  vor-  und  rück- 
wärts geschoben  werden  kann  (Fig.  3).  Mit  dem  Keile  sei  eine 
kleine  Platte  verbunden,  die  im  rechten  Winkel  zum  Richtscheite  -pig.  s. 
steht  und  an  einer  beliebigen  Stelle  der  Rinne  verbleiben  kann.  Ein 
anderes  Plättchen  wird  am  Anfange  des  Richtscheites  und  in  fester  Ver- 
bindung mit  diesem  angebracht,  das  eine  feine  Öffnung  zum  Durchsehen 
nicht  unten  (unmittelbar  bei  dem  Richtscheite),  sondern  in  der  Mitte  hat, 
damit,  wenn  unser  Auge  durch  diese  Öffnung  blickt,  die  von  demselben 
nach  dem  beweglichen  Plättchen  ausgehen- 
den und  die  [vertikalen]  Ränder  desselben  j[\ 
berührenden  Geradenden  scheinbaren  Sonnen- 
dorchmesser,  indem  sie  dessen  Endpunkte  ^'  ^' 

berühren,  umfassen  können.  Wenn  wir  nun,  bei  der  [in  Fig.  4  angegebenen] 
Stellung  des  beweglichen  Plättchens,  nahe  dem  Horizonte  den  einen  End- 
punkt des  Sonnendurchmessers  über  Z  hinaus  durch  den  Strahl  KZ,   den 


21)  Synt.  V  14,  S  417,  20—23:  xjjg  iv  taig  inißoXaig  xov  iningoad-i^aavxog 
nhitovg  inl  tb  (tfl%og  tov  navovog  tb  &nb  tfjg  Öipemg  inl  tb  nQi0fidtiovy  TtXfiaxaig 
o^«ai(,  nccQauitQTJatcag.  Die  richtige  Lesart  nXtiaxatg  o^aatg  (statt  nXeicTTjg  o^arig) 
ist  in  der  Handschrift  D  uod  bei  Pafpos  erhalten;  sie  deutet  auf  die  verschie- 
denen Stellungen  hin,  die  das  Plättchen  bei  verschiedenen  Beobachtungen  ein- 
lummt.  Jede  von  diesen  vielen  Stellungen  bedingt  eine  besondere,  aus  den  oben 
ao^fiihrten  Elementen  abgeleitete  Messung  (naQaiiitgrjcig).  Die  ursprangliche 
Niederschrift  des  Ptolsmaios  ist  auch  V  1,  S.  351,  13  sowohl  in  D  als  bei  Pappos 
tiberUefert  (vgl.  Liter.  Centralbl.  1898,  Sp.  1899  f.),  und  daraus  folgt  weiter,  dafs 
I  8.  64,  13  nach  den  Spuren  in  D  xtxgdyavov  xfl  nif^itpfQt^a  zu  schreiben  ist. 

22)  Thbo  in  Ptolem.  niagn.  construct.  S.  262.  Meine  freier  gehaltene  Ober- 
aeUoBg  giebt  das  Wesentliche  wieder,  berichtigt  einiges  stillschweigend  und  läfst 
weg,  was  nicht  notwendig  für  die  zu  den  Figuren  4 — 6  gegebenen  Erklärungen 
erforderlich  ist.  Pappos  selbst  hat  ein  yollständiges  Bild  der  Dioptra  beigefügt. 
(He  fordere  Platte  mit  der  Yisieröffnung  K  hat  er  durch  £<^,  das  bewegliche 
Plättchen  durch  rj  nnd  dessen  Breite  durch  T/f,  bez.  PNJ^  die  obere  Fläche 
des  Richtscheites  durch  AB  nnd  die  längshin  eingegrabene  Rinne  durch  770 
beieichnet 


202 


Friedrich  Hnltsch: 


Fig.  5. 


andern  Endpunkt  aber  über  S  hinaus  durch  den  Strahl  KS  erblicken,  so 
werden  wir  sagen,  dafs  der  Winkel  ZKS  den  Sonnendurchmesser  nmf&fei 
Wenn  aber  der  letztere  nicht  durch  die  Gerade  X8,  sondern  allein  durch 

KZ  erblickt  werden  sollte,  so  wird  man 
das  Plättchen  entfernter  vom  Auge  ein- 
stellen müssen  (Fig.  5),  damit  der  Winkel 
kleiner  werde  und  der  von  der  O&uiigX 
nach  den  Rändern  des  Plättchens  gehende 
Gesichtswinkel  den  Sonnendurchmesser  umfasse,  wie  es  bei  dem  Winkel 
AKM  zutiifft.  Wenn  aber  der  eine  Endpunkt  des  Sonnendurchmessers 
durch  die  Gerade  KA  erblickt  wird,  der  andere  Endpunkt   aber  über  die 

Gerade  KM  hinausfällt,  soda&  ein  Teil 
des  Sonnenkörpers  über  die  Breite  des 
Plättchens  hinaus  sichtbar  wird,  mnis  man 
wiederum  das  Plättchen  bewegen  und  es 
näher  dem  Auge  in  ruhige  Lage  bringen  (Fig.  6),  bis  ein  gröfserer  Winkel, 
der  den  Sonnendurchmesser  umfafst,  wie  es  bei  A'KM'  zutrifit,  he^ 
gestellt  ist/^ 

Wenn  \rir  nun  in  dem  gleichschenkligen  Dreieck  ZKB  (Fig.  4)  ans  £ 
die  Normale  zu  Z6  ziehen,  die  in  F  auftrifit,  und  den  Sonnendurchmesser 
mit  JE  bezeichnen  (Fig.  7),  so  ist  es  klar,  dafs  sowohl  ZF^  d.  i.  die  halbe 

Breite  des  beweglichen  Plftttchens,  als  auch 
Xr*,  deren  Länge  von  der  Skala  des  Richt- 
scheites abgelesen  wird,  gegeben  sind.  Dem- 


Plg.  6. 


Flg   7- 


nach  ist  auch  KZ  und  das  Verhältnis 
chord. 


2ÄZ» 


d.  i.  die  HiPPARCHische  Funktion  -^ — '-  des  Winkels  X,  gegeben.     Da  wir 

nun,  wie  bald  sich  zeigen  wird,  wenigstens  eine  Messung  des  Monddorch- 
messers  durch  Hipp  arohos  kennen,  und  daraus  auf  andere  Messungen  an- 
nähernd schliefsen  können,  so  sind  wir  im  Stande,  die  Breite  des  den  Mond 
oder  die  Sonne  verdeckenden  Plättchens  zu  bestimmen. 

Zuerst    finden    wir,    dafs    dieser    Deckstreifen    weniger    breit    als 

7 

-  Daktjlos  war.    Denn  wenn  ein  Streifen  Ton  dieser  Breite  am  Ende  des 

RiohtscbeiteS)  d.  i.  96  Daktylen  Tom  Auge  entfernt,  eingestellt  war,  so  ver- 
dockte er  einen  Bogen  von  nahezu  0^31' 18".  Das  war  dann  der  kleinste 
Winkel,  der  auf  der  Dioptra  gemessen  werden  konnte;  allein  das  Instrument 
mufste  auch  auf  kUnnere  Winkel  bis  herab  zu  O^SO'^  eingerichtet  sein. 
dumit  durch  unmittelbare  Messung  festgestellt  werden  konnte,  da(is  der 
8onnendurchnu's:>or  gWU*scr  sei,  als  die  Babylonier  ihn  angenommen  hatten. 


Winkelmessusgen  durch  die  Hipparcfaische  Dioptra.  203 

Zweitens  ergiebt  sich,  dafs  der  Deckstreifen  breiter  als  -^  Daktjlos 

gewesen  ist  Denn  wenn  ein  Streifen  von  dieser  Breite  auf  72  Daktylen 
EDtfemnng  eingestellt  war,  so  verdeckte  er  einen  Bogen  von  ungef&hr 
0^29 '60";  HippARCHOS  hatte  also,  um  Winkel  über  0^30'  zu  messen, 
statt  einer  Dioptra  von  vier  Ellen  nur  eine  solche  von  drei  Ellen  gebraucht. 

7  ß 

Also  hatte  der  Deckstreifen  eine  Breite  zwischen  -g-  und  -^  Daktjlos. 

Nehmen  wir  das  Mittel  =  —  Daktylos,  so  verdeckte  ein  Streifen  von  dieser 

Breite,  wenn  er  auf  86  Daktylen  eingestellt  war,  einen  Bogen  von  un- 
gefähr 0^  30',  und  wenn  auf  76  Daktylen,  einen  Bogen  von  nahezu  0^  34'. 
Mithin  vollzogen  sich  die  für  E^pparchos  in  Betracht  kommenden  Messungen 
innerhalb  der  vierten,  auf  der  Skala  eingetragenen  Elle  in  einer  Entfernung 
zwischen  drei  Ellen  vier  Daktylen  und  drei  Ellen  14  Daktylen.     Das  war 

offenbar  eine  zweckmftfsige  Einrichtung  des  Instrumentes,  und  es  kommt 

3  1 

dabei  auch  noch  in  Betracht,  dafe  die  Streifenbreite  von  -^  Daktylos  gleich  ^ 

der  Elle  war,  mithin  dieses  kleine  Mafs  durch  fortschreitende  Halbierung 
der  Elle  möglichst  genau  dargestellt  werden  konnte. 

Eine  sichere  Zurückführung  des  von  Hippabghos  angewendeten  Ellen- 
mafses  auf  neueres  Mafs  ist  leider  nicht  möglich,  da  über  die  verschiedenen 
griechischen  L&ngenmalse  zwar  viele  Vermutungen  aufgestellt,  aber  einwand- 
freie Ergebnisse  bisher  nicht  gewonnen  sind.  Wir  begnügen  uns  daher  mit 
der  Umgrenzung,  dals  die  HippARcnische  Elle  zwischen  den  Mafsen  der 
königlichen  ägyptischen  und  der  römischen  Elle,  d.  i.  zwischen  0,525  und 
0,4436  m,  gestanden  hat.  Das  Richtscheit  maus  daher  zwischen  2,10  und 
1,77  UL  Ein  Daktylos  der  Skala  ist  zwischen  21,9  und  18,5  mm  und  die 
Breite  des  Deckstreifens  zwischen  16,4  und  13,9  mm  anzusetzen. 

Nach  Ptolemaios^')  sind  von  Hipparchos  auf  seiner  Dioptra  „sehr 
viele^'  verschiedene  Stellungen  des  Deckstreifens  beobachtet  und  daraus  ver- 
schiedene Werte  für  die  scheinbaren  Sonnen-  und  Monddurchmesser  be- 
rechnet worden.  Doch  ist  uns  von  den  Ergebnissen  dieser  Beobachtungen 
nur  eines  zahlenmftiÜBig  überliefert.  Er  hat  gefunden,  dafs  der  Durchmesser 
des  Mondes  nahezu  650  mal  in  dem  Kreise  enthalten  ist,  den  dieses  Ge- 
stirn scheinbar    beschreibt^).     Damit   war   offenbar    ein    Mittel    aus   ver- 


23)  Synt.  V  14,  S.  417,  20—28.  Eine  erklärende  Übersetzung  der  Stelle  wird 
später  folgen. 

24)  Ptolem.  synt.  FV  9  (8)  z.  Anf. :  evyxQmfisvot  natoc  rbv  "innagxov  xm  xi}v 
^flijvijir  l^avotfMcxtg  i»^v  %€cl  ftBwri%ovtdiitg  ^yytcta  KatafiBxgtiv  tbv  ISiov  nvnlov. 
Diese  Angabe  wiederholt  Papp,  synag.  VI,  S.  556,  14  Hultsch. 


204  Friedrich  Holtsch: 

schiedenen  MessuDgen  geraeint,  je  nachdem  der  Mond  näher  oder  ferne 
Erde  stand.  Die  Division  von  360^  durch  650  führt  auf  einen  mitt 
Monddurchmesser  von  0°  33'  14"  (genauer  0®  33'  13,85"),  und  dieses  Res 
ist  um  so  beachtenswerter,  als  Ptolemaios,  der  allerlei  Einwendungen 
gegen  erhebt,  doch  durch  seine  eigenen  Messungen  zu  einem  nur  unn 
lieh  abweichenden  Ergebnisse  gekommen  ist;  denn  nach  ihm  hat  der  M 
durchmesser  in  der  Erdfeme  0^31' 20"*^),  in  der  Erdnahe  0®  35' 20 
mithin  im  Mittel  0^  33'  20"  betragen.  Da  nun  die  FTOLEMÄischen  An 
über  die  wirklichen  Werte  des  scheinbaren  Monddurchmessers  =»  29 
für  die  Erdferne  und  32' 51"  für  die  Erdnähe  merklich  hinausgehen, 
HiPPARCHische  Mittel  aber  relativ  etwas  genauer  ist  als  das  PTOLEMAiscl 
so  darf  man  annehmen,  dafs  auch  die  Einzelmessungen  des  Hippar( 
je  nach  der  gi'öfseren  oder  geringeren  Entfernung  des  Mondes  von 
Erde,  so  genau  ausgefallen  sind,  als  es  nur  immer  bei  der  ünvoUkom 
heit  seiner  Dioptra  möglich  war.  Wie  er  bei  der  Beobachtung  des 
Sichtswinkels,  unter  welchem  der  mittlere  Monddurchmesser  erscheint, 
das  wirkliche  Mafs  um  2'  6"  hinausgekommen  war,  so  mögen  auch 
übrigen  Messungen  mit  einem  Fehler  von  reichlich  zwei  Minuten  bei 
gewesen  sein. 

Das  ist  leicht  erklärlich.  Denn  von  einer  Abbiendung  der  Soi 
oder  Mondstrahlen  durch  farbiges  Glas  verlautet  nichts,  und  wenn 
auch  die  Visieröffnung  möglichst  fein  herstellte  und  zur  Beobachtung 
Sonne,  wie  Archimedes  es  vorgeschrieben  hatte,  die  Zeit  ihres  Auf( 
wählte,  während  man  in  die  Mondscheibe,  auch  wenn  sie  hoch  am  Hii 
stand,  mit  geringerer  Blendung  blicken  konnte,  so  mufste  doch  die  Sei 
heit  des  Deckstreifens  merkliche  Fehler  bei  den  Beobachtungen  veranli 
Wenn   also    in   dem   einen   uns  bekannten  Falle  Hipparchos  den  Ges: 

Winkel  nur  um  •  2'  6",  d.  i.  um    etwa    ^e    ^^^    genauen  Betrages,    zu 

genommen   hatte,  so  war  das  weder  an   sich   noch   im  Vergleich   mit 
pTOLEMÄischen  Messungen  ein  ungünstiges  Ergebnis. 

So  kehren  wir  noch  einmal  zu  dem  Ansätze  des  mittleren  A 
durchmessers  auf  33' 14"  zurück  und  behaupten,  daüs  Hipparchos, 
nach  seinen  Beobachtungen  des  Mondlaufes  recht  wohl  wufste,  wani 
Mond  in  mittlerer  Entfernung  von  der  Erde  sich  befand,  durch  seine  Di 
einen  von  jenen  33'  14"  nicht  weit  entfernten  Wert  unmittelbar  beoba 

26)  Ptolem.  V  14,  S.  421,  4  f  vgl.  mit  417,  24—418,  6.  Papp.  Bynag.  S 
17—19. 

26)  Papp.  S.  666,  19. 

27)  Mittel  des  MonddnrchmesBers  nach  den  neueren  Beobachtungen  =a  £ 
nach  HippABcuoB  =  33'  14",  nach  Ptolemaios  »  33'  20''. 


WinkelmesBiingen  durch  die  Hippaxoliische  Diopira. 


205 


\$ji   Dam   mufste  sunäcbst  ein  für  kleinste  Winkelmessongen  geeigneter 

Ausschnitt  einer  Sehnentafel  Torbereitet  sein. 

Zu  einem  Winkel  von  0^30'  gehörte,  wie  vor  kurzem  gezeigt  wurde, 
chord. 


£0  Fonktion 


diam. 


(P  31'  26",  und  zwischen  0^  30'  und  1®  entsprach  dem 


2Bwachs  von  je  1  Minute  ein  Mehr  yon  0^  1'  2"  50"  =  0,0001454,  d.  h.  die 
Yatnderungen  der  HipPARCHischen  Sehnenfunktion  wurden  proportional  den 

Yertndemngen  der  Bogen  gerechnet^).     Daher  dürfen   auch    die  je   einer 

chord 
Bogensekonde    entsprechenden    Veränderungen    der    Funktion    -r-, — '    als 

ßOstel  von   0^1' 2'' 50'"    gerechnet    werden,    wie   der   folgende    Ausschnitt 
einer  Sehnentafel  fGb:  die  Winkel  von  30'  bis  34'  es  ausweist: 


Winkel 

_     ...       chord. 

Funktion  -^^ — 

diam. 

Interpolation 

ö'30'  0" 

OP  31'  26"  —  0,0043633 

Differenz  fdr  je  1  Sekunde 

O^SCSO" 
0«S1'  0" 

OP  31'  66"  =  0,0044360 
OP  32'  28"  =  0,0045087 

Ol»  0'  1"  2,833'"  =  0,000  002  424 

0*31' 80" 

OP  32'  69"  —  0,0046816 

OMSr   0" 

OP  38'  31"  =.  0,0046642 

0«32'30" 

OP  34'    2"  =  0,0047269 

o«3r  0" 

OP  34'  33"  —  0,0047996 

©•33'  30" 

• 

OP  36'    6"  =  0,0048723 

«•34'   0" 

OP  36'  36"  —  0,0049460 

Je  nachdem  nun  yom  Auge  des  Beobachters  aus  der  Deckstreifen  der 
Diopira  in  einer  Entfernung  von  77^  oder  77^  Daktylen  den  Mond  ver- 
deekte,  erschien  sein  Durchmesser  in  einem  Winkel  von  nahezu  33'  10" 
oder  33'  16".  Die  Einrichtung  der  Skala  ermöglichte  es  aber,  noch  einen 
iwischen  diesen  Grenzen  liegenden  Winkel  zu  beobachten.  Wenn  der  Deck- 
streifen  auf  einen  Abstand  von  77^  Daktylen  eingestellt  werden  muTste, 
um  den  in  mittlerer  Entfernung  von  der  Erde  befindlichen  Mond  gerade  zu 
rerdecken,  so  war  daraus  die  Funktion 

chord.  Z9 


diam. 


^y^r-^m 


zu  berechnen  (Fig.  7).  Durch  die  Dioptra  waren  gegeben  Z  6  =  J , 
lCr=  77f.  Die  Ausrechnung  nach  -sexagesimaler  Bechnungsweise  war 
zmr  umstftndlich^,   führte   aber  doch,  wenn    man  mit  einer  Annäherung 

SS)  Ptolbm.  syni.  I  10  (9),  S.  47  f.  Camtob,  Vorles.  über  Gesch.  der  Mathem.  P 
S.  391  617.    TAMMBEr,  Hist.  de  Vastranamie  ancienne  S.  64. 

29)  Vgl.  in  Pauly-Wissowa's  Realencyklopädie  Arithmetica§ll.  16. 


206  Friedrich  Hultsch: 

anf  ganze  Sekunden  sich  begnügte,  zu  dem  gesicherten  Ergebnisse 

chord. 


diam. 


iC  =  OP  34'  47". 


Dieser   durch  Beobachtung  gefundene  Wert  war  nach   der  Torhergehenden 

Sehnentafel  um  0^0'  14"  gröfser  als  0^34' 33"  =  ^^  33' 0",  und  diea^ 

Mehr  entsprach  sehr  nahe  einem  Zuwachs  von  13  Sekunden  zu  dem  Winkel 
von  0^33'.  Also  war  durch  die  Dioptra  ein  Winkel  von  0^33' 13"  be- 
obachtet worden,  und  es  ergab  sich  nun  leicht,  dafs  dieser  Winkel  lyytcia, 
d.  i.  nach  der  Sprache  der  alten  Astronomen  „mit  einem  nicht  in  Betracht 
kommenden  Fehler^^  650  mal  in  den  360  Graden  der  Ereisperipherie  ent- 
halten war**). 

Die  HiPPARCHische  Bestimmung  des  mittleren  Monddurchmessers  hat 
den  durch  neuere  Beobachtungen  gefundenen  Wert  um  2'  6"  übertroffen 
(S.  204).  Nahezu  derselbe  Fehler  mag  auch  untergelaufen  sein^  wenn  der  Mond 
in  der  Erdfeme  beobachtet  wurde.  Dies  würde  auf  einen  HipPARcmschen  An- 
satz zu  ungefähr  31 '3  2"  statt  2  9' 2  6"  führen,  und  diesem  Werte  gleich  soll  nach 
Ptolemaios  (V  S.  417,  3 — 6)  der  scheinbare  Sonnendurchmesser,  gleichTiel 
ob  die  Sonne  näher  oder  femer  zur  Erde  stand,  befanden  worden  sein. 
Wenn  nun  derselbe  Autor  kurz  darauf  (S.  417,  12 — 16)  bemerkt,  er  habe 
den  Winkel,  unter  dem  sowohl  der  Mond  in  der  Erdfeme  als  anch  dit' 
Sonne,  gleichviel  ob  sie  der  Erde  näher  oder  femer  sei,  erscheine,  um  ein 
beträchtliches  kleiner  gefunden  als  die  verschiedenen  Winkel,  welche 
HippARCHos  je  nach  der  gröfseren  oder  geringeren  Entfernung  beider  Ge- 
stirne gemessen  hatte,  so  trifft  diese  Ausstellung  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  zu  (haben  wir  doch  selbst  in  dem  einen  überlieferten  Falle  ein 
Zuviel  von  etwa  -|^g-  des  wirklichen  Wertes  annehmen  müssen);  aber  jeden- 
falls sind  die  Fehler  der  HiPPARcnischen  Messungen  merklich  geringer 
gewesen,  als  sie  einst  dem  Ptolemaios  erschienen.  Denn  wenn  dieser 
(S.  421,  4  f.)  nur  einen  Winkel  von  31' 20"  für  den  Sonnendurchmesser 
zuläfst,  so  ist  das  anfällig  weniger  als  das  Mittel  von  32'  4",  welches  die 
zuverlässigen  Messungen  der  Neuzeit  zwischen  dem  Maximum  von  32' 37 
und  dem  Minimum  von  31' 32"  ergeben  haben,  und  dem  entsprechend 
mufsten  auch  die  HiPPARcnischen  Fehler  dem  Ptolemaios  gröfser  erscheinen, 
als  sie  es  in  Wirklichkeit  waren. 

Noch  eine  Ausstellung  erhebt  der  Verfasser  der  Syntax  (S.417, 16^24) 


30)  Die  Auarechnung  0«33'  13"  x  660  ergiebt  369*  60' 60";  mithin  brancbte 
der  darch  Beobachtung  gefundene  Winkel  von  33'  13"  nur  um  weniger  al«  ^i<^^ 
Sekunde  (genauer  um  0,86  Sekunde:  oben  S.  204)  vergröfaert  zu  werden,  nm,  mi^ 
660  multipliziert,  360^  tn  ergeben. 


WiDkelmessnngen  durch  die  Hippftrchische  Dioptra.  207 

gegen  die  Messungen  seines  grolBen  Vorgängers.  Wir  geben  die  Stelle  in 
einer  freieren,  einige  Schwierigkeiten  des  Textes  ebnenden  Übersetzung: 
,,denn  die  Einrichtung  der  Dioptra  ermöglichte  es,  die  Fälle  festzustellen, 
wo  Sonne  und  Mond  unter  dem  gleichen  Winkel  erschienen,  weil  dann 
keine  weitere  Messung  (d.  i.  Ausrechnung  nach  der  Entfernung  des  Deck- 
streifens vom  Auge  u.  s.  w.)  nötig  war;  allein  es  blieb  uns  zweifelhaft, 
nnter  einem  wie  grofsen  Winkel  (bei  jeder  einzelnen  Messung)  die  Durch- 
messer erschienen,  weü  jenes  die  Sonne  oder  den  Mond  yerdeckende  Plättchen 
sehr  viele  yerschiedene  Stellungen''^)  längs  dem  Richtscheite  einnahm  und 
demnach  auch  in  verschiedenen  Entfernungen  vom  Auge  stand,  sodafs  die 
daraus  abzuleitende  Winkelmessung  leicht  von  der  erforderlichen  Genauig- 
keit abirren  konnte". 

Also  gerade  das,  was  die  Hauptsache  bei  der  HippARCHischen  Dioptra 
war,  die  Berechnung  des  Oesichtswinkels  aus  der  gegebenen  Breite  des 
Deckstreifens  und  dessen  jeweiliger  Entfernung  vom  Auge,  läüst  Ptolgmaios 
nicht  gelten;  nur  wenn  der  Deckstreifen  bei  verschiedenen  Beobachtungen 
gleich  weit  vom  Auge  zu  stehen  kommt,  möge  man  daraus  schliefsen,  dafs 
die  beobachteten  Gestirne  unter  gleichem  Gesichtswinkel  erscheinen;  sowie 
aber  verschiedene  Stellungen  des  Deckstreifens  in  Betracht  kommen,  habe 
man  die  Dioptra  bei  Seite  zu  lassen,  denn  die  nach  den  verschiedenen  Ab- 
ständen des  Deckstreifens  vom  Auge  anzustellenden  Berechnungen  seien 
unzuverlässig.  Hier  liegt  offenbar  ein  Irrtum  des  Schriftstellers  vor,  der 
darin  seine  Erklärung  finden  mag,  dafs  ihm  diese  so  langwierigen  sexa- 
gesimalen  Ausrechnungen  nicht  die  Mühe  zu  lohnen  schienen,  die  man 
dabei  aufzuwenden  hatte.  Das  ist  jedoch  kein  stichhaltiger  Grund;  denn 
wenn  wirklich  der  Deckstreifen  bei  einem  gewissen  Abstände  Sonne  oder 
Mond  genau  verdeckte,  bei  einem  geringeren  oder  gröfseren  Abstände  aber 
einen  zu  grofsen  oder  zu  kleinen  Gesichtwinkel  erzeugte,  so  waren  die 
daraus  folgenden  Berechnungen  untrüglich  und  die  Schwierigkeit,  sie  durch- 
zuführen, kam  dabei  nicht  in  Betracht.  Also  durfte  eine  berechtigte  Kritik 
nur  bei  der  Frage  einsetzen,  ob  der  schmale  Deckstreifen  gegenüber  dem 
blendenden  Lichte  des  Gestiras  ausreichende  Gewähr  dafür  bot,  dafs 
genau  die  richtige  Deckungsstelle  auf  der  Skala  des  Richtscheites  ermittelt 
wurde. 

Auch  pROKLOB  hat  sich  in  seiner  schon  mehrfach  erwähnten  Hypotj- 


81)  Pafpos  S.  262  g.  E.  erklärt  die  oben  (S.  201,  Anm.  21)  angeführten  Worte 
des  Ptolxmaios  iv  taig  inißoXaig  .  .  .  nlsiaraig  olicaig  durch  iv  nlBiataig  im- 
^Icug,  twnim  naQatpotfaig  (oi  yor^  ^vmtat,  d.  h.  es  kommt  nicht  blofs  ein  Fall 
in  Betracht). 


Flg.  8. 


208  Friedrich  Haltsch: 

posis'^)  über  die  HippARCiiische  Dioptra  geäuÜBert.  Zwar  stimmt  er  meistras 
mit  Fappos  überein;  doch  findet  sich  eine  haupts&chliche  Abweichmig^  die 
der  Berichterstatter  aus  einer  uns  unbekannten  Quelle  entnommen  hat.  La 
der  am  Anfange  des  Richtscheites  befestigten  Platte  soll  die  YisierSffimng  F 
möglichst  nahe  der  oberen  Fläche  desselben  angebracht  sein  und  die  be- 
wegliche Platte,    die    gröfser   als  der  Deckstreifen   bei  Pappos   zu   denken 

isty  soll  unten  mit  einer  kleinen 
Öffnung  B,  in  gleicher  Höhe  mit  T, 
aufserdem  in  geeigneter  Höhe  über 
B  mit  einer  zweiten  Offiimig  Z 
(die  auf  der  yon  der  oberen  FlSdie 
des  Bichtscheites  aus  durch  B  ge- 
führten Normalen  liegen  soll)  versehen  sein  (Fig.  8).  Dann  habe  man  zur 
Zeit  des  Aufgangs  oder  Untergangs  der  Sonne  die  Dioptra  so  zu  richteiu 
dafs  die  verlängerte  Gerade  FB  genau  den  Endpunkt  J  des  parallel  mit 
ZB  gezogenen  Sonnendurchmessers,  und  FZ  genau  den  Endpunkt  E  berühre. 
Über  die  hieran  zu  knüpfenden  Ausrechnungen  schweigt  PROKiiOS;  es 
ist  aber  klar,  dafs  der  von  ihm  benutzte  Autor  mit  ZBF  einen  rechten 
Winkel  bezeichnet  hat,  wonach  aus  den  gegebenen  Katheten  ZB  und  BF 

zunächst  die  Hypotenuse  FZ   und  dann  das  Veiii&ltnis   Yf    auszurechnen 

war.  Damit  war  der  Sinus  des  Winkels  F  gefunden.  Nun  sind  zwei 
Möglichkeiten  zu  setzen.  Entweder  hat  der  unbekannte  Autor  noch  keine 
Sinustafeln  vor  sich  gehabt,  sodafs  er  durch  eine  Nebenrechnung  auf  die 

Funktion  -r- 2F  kommen  und  mit  Hülfe  einer  BbppARcmschen  Tafel 

diam. 

den  Winkel  2F  und  zuletzt  die  H&lfte  davon  bestimmen  mulste,  oder  er 
hatte  —  was  wohl  wahrscheinlicher  ist  —  von  vornherein  seine  Dioptn 
so  eingerichtet,  dafs  er  unmittelbar  sin  F  ausrechnen  und  in  einem  dazn 
geeigneten  Ausschnitte  einer  Sinustafel  den  Winkel  F  auffinden  konnte. 
Nun  habe  ich  früher  nachgewiesen,  dals  der  Wert  3,1416  f^  jr,  der  bei 
dem  Inder  Aryabiiatta  (geb.  476)  sich  findet,  schon  um  ein  oder  zwei 
Jahrhunderte  früher  von  einem  griechischen  Mathematiker  aufgestellt  wor- 
den ist,  der  nach  einer  von  ApOLx.oinos  überkommenen  Methode  den  Kreis- 
umfang  als  Mittel  aus  den  Perimetern  des  96-  und  des  192eckes  in 
Mjfriadenbrüchen  berechnet  hat^).     Da  nun  im  engen  Zusammenhange  da- 


3i^  S.  109—111  Halma.  In  diesem  AbschniUe  ist  8.  110  a.  E.  «b«  ainoi 
^MTf^fTtfc  und  S.  111,  la  naQtiSiißtito  (statt  xo^dofiocTo)  vi^  wahrscheinlich  auch 
S.  110,  30  ^eto^»  ra  sehreiben. 

SS>  Zur  KreismessuDg  des  ABCHnotDcs,  Zeitschr.  f&r  Mathem.  mid  Phys., 
hist>liier.  Abieil.  1894,  S.  167  -  169. 


Winkelmessungen  durcli  die  Hipparchische  Dioptra. 


209 


mit  die  Inder  ein  Verfahren  ausgebildet  haben,  wonach  die  Sehne  des  ein- 

QgAO 

geschriebenen   96eckes   gleich   dem  Bogen  von    -^  =  3®  45'   gesetzt   und 

daraus  weiter  Tafeln  der  Sinus  sowohl  von  gröfseren  als  kleineren  Winkeln 
entwickelt  wurden*^),  so  spricht  eine  gewisse  Wahi-scheinlichkeit  dafür,  dafs 
die  Einfuhmng  des  Sinus  in  die  Trigonometrie  ebenso  wie  jene  Ausrechnung 
Ton  n  in  Mjriadenbrüchen  aus  einer  griechischen  Quelle  stammt'^). 


34)  Cahtob,  Vorles.  l\  S.  616  f.    Tanmbbt,  Bist,  de  l'astron,  S.  64. 

35)  Wenn  der  seinem  Namen  nach  nicht  bekannte  griechische  Mathematiker, 
dessen  BestinimuDg  von  n  =s  3,1416  von  Abyabhatta  aufgenommen  wurde,  auch 
die  Sinuflfunktion  gekannt  und  angewendet  hat,  so  würde  man  die  früheste  Her- 
stellung Yon  Sinustafeln  in  das  dritte  bis  vierte  Jahrh.  n.  Chr.  zu  verlegen  haben; 
man  darf  aber  immerhin  die  Möglichkeit  offen  lassen,  dafs  schon  zur  Zeit  des 
HippABCHos  oder  vielleicht  noch  etwas  frflher  griechische  Mathematiker  statt  der 

Funktion  -r-. '-  die  für  eine  Weiterentwickelong  der  Trigonometrie  günstigere 

aiam. 

Stnusfnnktion  benutzt  haben.   Vgl.  Tannert,  Hist.  de  Vastron.  S.  66  g.  B.    Zbuthbn, 

Gesch.  der  Mathem.  S.  288. 


Abh.  sar  Oeach.  d.  iCathem.    IX. 


14 


T/n/h^n 


DES  RHETICUS  CANON  DOCTßlNAE  TßlANGULOßUM 
IJOT  VIETA'S  CANON  MATHEMATICUS. 


VON 

KAHL  HUNRA.TH, 

BIHDSBURG. 


14 


Zn  den  selten  gewordenen  mathematischen  Schriften,  welche  die  Stän- 
dische Landes-Bibliothek  zu  Kassel  birgt,  gehören 

Canon  doctrinae  triangulorum,  nunc  primum  a  Georoio  Joachimo 
Bhetigo,  in  lucem  edütis,  Lipsiae  1551,  (s.  Graesse,  Tresor  de 
liyres  rares  et  precieux,  tome  VI,  p.  102,  zweite  Spalte) 


und 


Canon    mathematicus    seu    ad    Triangula    cum    Ädpendicibus, 
Lutetiae  1579, 


nebst 


Fbancisci  Vietaei,  Universalium  inspectionum  ad  Canonem 
mathematicum  liber  singularis,  Lutetiae  1579  (s.  Cantob, 
Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik,  2.  Band,  S.  537). 

Die  erste  Schrift  umfalst  nur  12  Blätter  in  Quart,  je  vier  mit  einem 
Buchstaben  bezeichnet.  Das  erste  Blatt,  J.^,  gibt  nur  den  Titel,  das  zweite 
Blatt,  ^,  auf  der  Vorderseite  ein  Gedicht.  Auf  der  Rückseite  von  A^ 
beginnt  die  Tafel  und  reicht  bis  auf  die  Vorderseite  des  Blattes  G^.  Die 
letzten  Seiten  enthalten    den  ,J)ialogus   de   canone   doctrinae   triangulorum 

JOACHIMI    BhETICI^. 

Die  Tafel  gibt  die  trigonometrischen  Linien  für  den  Halbmesser  10  000  000 
von  10'  zu  10',  hat  einen  doppelten  Eingang,  geht  also  in  fortschreitender 
Bichtong  Yon  0^  bis  45<>.  Auf  die  Seite  fallen  7®,  auf  die  letzte  Seite  3®. 
Eine  Doppelseite  sieht  folgendermafsen  aus: 


214 


Karl  Hanrath: 


(linke  Seite)  (rechte  Seite) 

Ccmon  dodrinae  trianffuhrum  in  quo      cum  angulo  recto  in  pUmitie  partium 


35 

0 

10 

20 

80 

40 

60 

36 

0 

triquetri 


Bubtendeni  ftogulum 

rectum 

i-j 

d 

*i 

*i 

O 

Ü 

n 

a 

'S 

S 

'S 

S 

•m4 

P 

P 

P4 



- 



Main«  latus 
inoluden- 


d 

o 

o 


P 


tium  angnlnm 

rectü 

6 

•** 

^ 

9 

a 

U 

9 

J» 

& 

& 

! 

10000000  ponäur 


Minug  latus  indudantiam 
angulum  rectum 


f 

h 

d 
o 

O 

» 


m 


S 


0,55 
50' 
40 

30 
20 
10 

0,51 


1    I 


I 


3 

s      ^ 

a     & 


4J 

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«3 

•«4 

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« 

fr 

o 

« 

P 

^ 

P 

P 

Die  Zahlen  f&r  die  trigonometrischen  Linien  sind  schwarz,  die  für  die 
Differeioen  rot  gedrackt,  die  zogehSrigen  ÜberschrifUm  umgekehrt;  rot  ge- 
druckt  sind  auch  bei  den  EingSUigen  die  Zahlen  für  die  Minuten,  die  Zahl 
10  000  000  und  die  Worte  ^Maius  latus  indudentium  angulum  rectü.  Di^ 
Einrichtung  der  Tafel  ist  dieselbe,  wie  im  „Opus  Palatinum^;  was  man 
wohl  mit  Recht  yermissen  könnte,  wäre  eine  FuMeiste: 


!    Sabtendent  angulam         ICaios latus includentiam     .Minus latus indadentiom 
rectum  |         angulum  recfö  |       angolom  rectum 

Nach  unserer  Beseichnungsweise  enthalten  die  sechs  Spalten  der  Beibe  nach 
die  Werte  ftür 

10^-sina,     10^  cosa,     lO'seca,     lO'tg«,     lO^coseca,    lO'-cotcf 

für    a<45* 


Des  RheticQB  Canon  docirinae  iriaDgnloram  n.  Vieia*8  Canon  maihematicas.    21Ö 

Der  Dialog  wird  zwischen  einem  „Hospes*'  und  einem  „Philomathes" 
gefohrt.  Der  „Philomathes"  scheint  identisch  mit  dem  Verfasser  des  ein- 
führenden Gedichts  auf  der  ersten  Seite  des  Blattes  Äij  zu  sein,  der  sich 
folgendermalsen  unterschreibt: 

Mathias  S.  B. 


Aas  dem  Inhalt  des  Gesprächs  möchte  ich  hervorheben: 

Rheticus  gehe  bei  der  Auflösung  der  Dreiecke  seinen  eigenen  Weg, 

besonders  bei  der  Auflösung  der  sphärischen.     Seinen  Ausgang  nehme  er 

Yom   ebenen   rechtwinkligen   Dreieck.     In   der   ersten  Reihe  seines  Canons 

setze  er  die  Hypotenuse  =  10000  000;  dann  sei   das  Perpendiculum 

die  halbe  Sehne  des  doppelten  Winkels  oder  der  siniis  rectus  der  Araber, 

die  Basis    aber   der  sinus  secimdus  oder  die  halbe  Sehne   des  doppelten 

Komplementwinkels.    Und  ohne  Anwendung  des  Pythagoreischen  Lehrsatzes, 

nur  durch  Multiplikation  oder  Division,  ergebe    sich  aus  der  ersten  Reihe 

sowohl  die  zweite,   als  auch  die  dritte,  indem  man  fClr  die  zweite  Reihe 

die  grölsere,  far  die  dritte  Reihe  die  kleinere  E[athete  =»  10  000  000  setze. 

Links  lese   man   in   der  Tafel   einen  Winkel  <  45^,   rechts   einen    solchen 

>  45^  ab.     Bei  der  Auflösung  der  sphärischen  Dreiecke   {doctrina  irtque- 

trorum  glohi)  folge  Rheticus  weder  dem  Ptolemaeus  noch  Gebeb,  dessen 

Methode  von  Peubbach,  Reoiomontan  und  Werner  ausgebaut  sei,  sondern 

gehe  von   der  Betrachtung  von  Pyramiden  aus,  deren  gemeinsame  Spitze 

der  Mittelpunkt  der  Kugel  sei  und  deren  Grundflächen  ebene  Dreiecke  seien. 

Gemeint  ist  das  Verfahren,  welches  in  den  beiden  Abhandlungen  des  „Opus 

Matinum" 

Gbobgh  JoACHDa  Rhetici  de  trianffuUs  globi  cum  angtüo  reäo,  1596, 
nnd 

L.  Valentini  Othonis  ParihenopolUam  de  tnanguäs  glohi  sme  anr 
gido  recto  lihri  quinque,  1596, 

entwickelt  ist.  Der  Verfasser  der  zweiten  Abhandlung,  der  bekannte  Schüler 
des  Bheticus,  scheint  f&r  sich  nur  die  Ausarbeitung  in  Anspruch  zu  nehmen, 
indem  er  im  Schlufsworte  sagt:  Ita  igUur  tmiversa  Triangtdorum  doctrina 
(Asoluta  est,  et  quidem  ea  me&iodo,  quam  auctor  huius  operis  Georgius 
JoACHiMus  Rheticus  instituU.  Die  Behandlung,  welche  Otho  dem  schief- 
winkligen sphärischen  Dreieck  zu  teil  werden  läfst,  ist  übrigens  nach 
unserem  Geschmack  unglaublich  weitschweifig. 


216  iS&rl  Hnnrath: 

Eigentümlich  ber&hrt  es,  dafs  Bheticus  in  seinem  Dialog  den  Satz 
von  den  vier  Gröfsen  als  ^^invenium''  bezeichnet,  „gtiod  5t&i  Geber 
ascni^'.  Richtig  ist  die  Bemerkung,  die  Bheticus  dem  Hospes  des  Dialogs 
in  den  Mund  legt:  immerito  Ptolomaeum  a  Oebbo  repr^iendi,  quod  in 
guantitatibus  sex  perquirat  ignotum,  hoc  emm  Geber  in  qucdwyr  tantum 
vesiigai,  et  tarnen  Ptolomaeo  quoque  iUae  non  nisi  qtuUuar  sunt,  si  ad 
compcndia  Logistices  respexetis. 

Hier  sei  mir  eine  kleine  Abschweifung  zu  Geber  gestattet 

Kästner  in  seiner  Geschichte  der  Mathematik,  Bd.  1,  S.  581,  nimmi 
in  Geber's  Definition: 

sinus  arcus  est  medietas  cordis  dupli  mus^) 

cordis  für   den  Genetiv  von    car-^   es    liegt   ein    einfacher  Dmckfehler  vor, 
cordis  statt  cor  da e^  wie  es  beständig')  statt  chordae  heifst 

Nach  Cantor')  könnte  es  scheinen,  dafs  Geber  im  13.  Satze  des 
ersten  Buches  den  Sinussatz  nur  in  seiner  Anwendung  auf  die  Hypotenuse 
und  eine  Kathete  eines  rechtwinkligen  sphärischen  Dreiecks  lehre.  Dies  ist 
aber  nicht  der  Fall.     Denn  der  Satz  lautet  bei  Geber: 

Omnis  trianguli  ex  arcubus  circtdarum  magnerum  proporUo  stitt» 
cuiusq^e  lateris  ad  sinum  arcus  anguti,  ati  subtensum  est,  est  pro- 
portio  una. 

Den  Beweis  führt  Geber  zunächst  für  das  rechtwinklige  sphärische  Dreiecl^ 
dann  für  das  schiefwinklige;  daher  mag  der  LTtum  entstanden  sein. 

Noch  ein  Wort  über  das  Verhältnis  Beoiomomtan's  zu  Geber.  Ab- 
hängig von  Geber  erscheint  Begiomomtan  in  dem  Satz  von  den  vier 
Gröfsen  (bei  jenem  IIb.  I,  prop.  Xu,  bei  diesem  de  Triangulis  lib.  IV,  prop.  XV). 
Ebenso  entsprechen  dem  13.  Satze')  Geber's  die  proposs.  XYI  und  XVII 
Beoiomontan's  im  lib.  IV  de  Triang.  In  der  prop.  XVI  behandelt  Begiomontan' 
den  Satz  fär  das  rechtwinklige,  in  XYII  für  das  schiefwinklige  sphärische 
Dreieck.  Der  Beweis  der  prop.  XYII  ist  genau  der  Geber's.  Endlich  ent- 
spricht dem  14.  Satze')  Geber's  die  XYIU,  dem  15.  Satze')  Gebeb's  die 
XIX.  Prop.  Begiomontan's  im  lib.  IV  de  Triang,  Der  Fortschritt  bei 
Beoiomontan  besteht  darin,  dafs  er  seine  Lehrsätze  XYI,  XYlll,  XIX  auch 


1)  Gkbsr's  neun  BQcher  der  Astronomie,  in  der  von  Apiam  zu  Nfirnberg 
1584  herausgegebenen  lateinischen  Obersetiung  GERHijiD*8  toh  Cremoka,  S.  3. 
3^  ».  B.  a,  a.  0.  S.  18,  Z.  2. 
3)  Cantok,  Vorleaungen  fiber  Geschichte  der  Mathematik,  1.  Bd.,  S.  683. 


Des  Bheticas  Canon  doctrinae  triangnlorum  u.  Vieta's  Canon  mathematicns.    217 

f&r  die  F&lle  beweist,  dafs  beide  Katheten  durch  stumpfe  Winkel,  oder  die 
eine  durch  einen  stumpfen,  die  andere  durch  einen  spitzen  Winkel  gemessen 
wird,  während  Geber  sich  bei  seinen  Beweisen  auf  den  Fall  beschränkt, 
dafs  diese  beiden  ebenen  Winkel  spitze  sind. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  so  selten  gewordenen  Werke  Vi^ta's. 

Das  Kasseler  Exemplar  ist  in  einem  reich  verzierten  Einband  ent- 
halten, der  auf  der  Vorderseite  das  hessische,  auf  der  Bückseite  das  wür- 
tembergische  Wappen  trägt,  ähnlich  wie  der  Einband  von  Rothmanm's 
Handschrift  „Tabida  observationum  steUarum  fixarum"  und  andere  alte 
Einbände  der  Kasseler  Landes-Bibliothek.  Das  weist  mit  Sicherheit  als 
ersten  Besitzer  den  1592  verstorbenen  Landgrafen  Wilhelm  IV  nach,  der 
mit  Sabina  von  WOrtembero  vermählt  war,  den  bekannten  Förderer  der 
Astronomie  und  ihrer  Hülfswissenschaften.  Auch  enthält  das  Exemplar 
handschriftliche  Verbesserungen  aus  alter  Zeit,  die  aber  von  geringem  Be- 
lang sind. 

Der  knapp  bemessene  Baum  gestattet  mir  nur   das  Wesentlichste  des 
Inhalts  anzugeben.^) 

Die  Einrichtung  der  Tafel  ist  folgende  (Vorderseite  des  Blattes  Bij): 


4)  Die  bibliographische  BescbreibuDg  des  Werks  siehe  bei  Ghässb,  tresor  de 
Itvres  rarfs  et  precieux,  Bd.  VII,  S.  312.  Das  Kasseler  Exemplar  gehört  zu  denen, 
di«  aaf  der  BQckseite  des  ersten  Blattes  den  „Elenchus  adpendicum"  bringen 
und  bei  denen  der  das  „Canonian  triangnlorum,  Ad  nnguUu  partes  quadratUis 
CircuH,  aecundum  E^iitortddmv  (ho  immer  bei  Vista)  Logisticem"  enthaltende 
Bogen  u&bexeichnet  ist  (son»t  mit  ***  bezeichnet). 


216 


r,  » 


Ei- 
von    dt' 
ascrihif'\ 
in    d('n    '»' 
quaniittilil 
vestiyai,   t 
cofnpunlc' 

Hi. . 

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in  CiEii 


C07'(Us    ! 

cordi^ 

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ersten 
und  (' 
aber  i 


Den 

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häi" 

Grr 
Eb. 
Rr. 

de 
1)1 

si- 


14 


4,640 
1,^56,549 

4,605 
1,251,994 


4,626 
1,260,651 

4,590 
1,255,981 


xxvii 

XXVI 


-««  t 


3,868 

1,146,848 

3,842 


3,854 

1,151,199 

3,827 


1,143,006    1,147,372 


TortU 


I 

Faecundiaslmöque 

S  Canone  Faeovado 


^  ^^ 


Paip«ndi- 
colnm 


Hypote-  I 
niisft 

I 


100,000 
BasU 


Scnp 

LXXXV. 
Put 


OOQgU 

Ferpeii^- 

colo 
PMiph«rU 

dftti 

lotd- 


pirü£| 


*  ***  ErxiofiguU 


«       »»^i 


<if4nicki,  ebenso  bei  den  EiDgäogen  di^  ^^^ 
lortia',  endlich  auch  die  AsfaBgsbncii^tii)« 


'   <  aacD  doctrinae  trianguloniin  n.  Vieta's  Canon  mathematicus.    219 

US  in  der  vierten  Spalte  100,316 1  statt  100,516 1,  in  der  sechsten 

'^t)0,671  statt  1,260,651.  Abgesehen  von  diesen  Druckfehlern  ist  mehr- 

letzte  Stelle  ungenau.    Für  die  Funktionen  der  zweiten  und  vierten 

<mi\  an  der  gewählten  Stelle  auch  noch  die  Zehntel  angegeben. 

'.«'  Tafel  hat  einen  doppelten  Eingang,  geht  daher  in  fortschreitender 

Mng   bis    45^  und  giebt  die  trigonometrischen  Linien  von  Minute  zu 

..V.    Jede  Seite  enthält  die  Funktionen  eines  halben  Grades,  linke  und 

.   Seite  zusammen  die  Funktionen  eines  ganzen  Grades.    Nach  unserer 

•  liuungs weise  geben  die  sechs  Spalten  der  Reihe   nach  die  Werte  für 

-ina,  10*  cos  a,  10*  tg«,  10*  See  a,  10*  cot«,  10*  cosec  a  •  •  für  a  <  45*^. 
Zur  weiteren  Erklärung  ziehe  ich  heran 
Yi£TA£   C^era  mcUhemaHca  ed.  Fr.  v.  Schooten,  Lugd.  Bat.,  1646, 

S.  415  ff. 
,.Expon€Uur  drcidtis  cuitis  E  cewtrum,'  quadrisedus  ä  duabus  diametris 
VKG,  HEJ,  it  in  quadrcmte  drciUi  HG  sumalur  quaecunque  peripheria 
''M,  &  cadani  m  semidiametruin  EG,  EH  perpendiada  MK,  ML,     Sed 


&  tangai  drculufn  ad  M  recta  MN,  quam  continuatae  semidiametri  EG,  EH 
seccfU  in  N,  0.  Tria  igitur  in  conspicuo  swnt  triangula  plana  redangtda 
sMia,  Primum  EKM  seu  MLE,  Secundum  EMN,  Tertium  OME,  latus 
unum  EM,  commune  habentia,  quod  qmdem  primi  ß  Hypotenusa,  secundi 
^flww,  tertU  Perpendicidum,  quando  iHdelicet  anguius  MEK,  cuius  amplitu- 
^*ftem  per^Jieria  GM  definit,  acuti  nomine  exauditur.  Idemque  latus  commune 
^^  consHttntur  semidiameter  drculi,  Canon  igitur  mcUhematicus  adsumit 
yus  EM  partiadarum  100000,  sedaque  GH  Ufariam  in  P,  promovä  P*) 

6)  8oU  M  heifsen. 


220  Karl  Hunrath: 

punctum  per  quaecu/nque  peripheriae  GH  segmenta,  id  est  ex  instituia  parti- 
tione,  per  sexagesma  quaecu/nque  partium  quadragenarum  quinarum  scrupda, 
quae  sint  loca  J2700,  Et  totidem  exhibita  terna  simüia  trianguta  reäangula. 
Punctum  M  mobile  consistU  in  P,  quoniam  ab  eo  signo  idem  ed  pro- 
gressus  versus  H,  qui  regressus  versus  Q.  Itaque  MH  convertüur  in  quan- 
dam  MG  dt  vice  versa,  ut  invertenda  quoque  Sit  sola  denominaiio  latenm 
vd  angulorum** 

Die  Figur  enthält  alle  trigonometrischen  Linien;  denn  wenn  mao 
<^  MEN  mit  a  bezeichnet  und  den  Halbmesser  EM  ==  1  setzt,  so  ist  nach 
unserer  Bezeichnungsweise 

MK  =  sin  a,     EK  «=  ML  =  cos  a,     MN  «=  tg  a,     EN  =  sec  a, 

OM  =  cot  a,     OE  =s  cosec  a. 

Zu  der  Bezeichnung  Triangulum  planum  rectangulum  circulo 
adcommodatum  (Kopf  der  Tafel,  s.  S.  218)  s.  S.  417  a.  a.  0.: 

—  „Itaque  in  accommodatione  trianguli  plani  ad  circidwn  serie 

primd^  Perpendiculum  fit  semissis  inscriptae  duph  peripheriae,  ejus  videlicd 
quae  anguU  acuti  vel  sui  extcrioris  amplitudinem  definit,  Basis  semissis 
inscr^tae  duph  religui  d  recto,  seu  complementi.   Hypotenusa  semidiaimeter. 

In  Serie  secunda,  Perpendiculum  fit  semissis  circumscriptae  du]^ 
peripheriae.  Basis  setnidiameter,  Hypotenusa  educta  e  centro  ad  tnäam 
semissis  circumscriptae  duplo  peripheriae. 

In  Serie  tertia,  Perpendiculum  ß  semidiameter.  Basis  sevmssis 
circumscriptae  duplo  complementi.  Hypotenusa  educta  e  centro  ad  meto» 
semissis  circumscriptae  duplo  complementi. 

Quoniam  vero  trianguium  ipsum  non  omne  descrUntur  intra  vd  cvrca 
circulum^  ideo  ne  vocum  catachresis  quempiam  ddudat,  dicüur  rudmcuk 
triangulum  circulo  adcommodari" 

Zu  den  Ausdrücken  Canon  faecundus,  C.  faecundissimus  s.  a.  a.0 
S.  417: 

,JSx  canonibus  deinde  Sinuum  derivaveruni  recentiores  Canonem  semis- 
sium  drcumscriptorum,  quem  dixere  Faecundum,  d'  Canonem  edudaru» 
e  centro,  quem  dixere  Faecundissimum  dt  Beneficum,  Hypotenusis  ad- 
dictum.*' 

Das  eine  ist  also  die  Tafel  der  Tangenten  bezw.  Cotangenten,  das 
andere  die  Tafel  der  Secanten  beiw.  Cosecanten. 

Dem  Canon  math.  unmittelbar  angeheftet  ist  im  Kasseler  Exemplar 
der  mit  ^^'^'^  bezeichnet«  Bogen,  welcher  auf  iwei  nebeneinanderstehenden 
Blatten!  Matkemati  Canonis  Epitome  enthält 


Des  Bheticoa  Canon  doctrinae  trianguloram  u.  Vieta's  Canon  mathematicuB.    221 

Es  ist  eine  von  Grad  zu  Grad  fortschreitende  Tafel  mit  doppeltem 
Eingang,  welche  die  trigonometrischen  Linien  für  den  Halbmesser  100000 
anf  Tausendstel  angiebt.  Gegen  den  Canon  math.  hinzugefügt  sind  die 
zn  den  Winkeln  gehörigen  Bogen,  ebenfalls  für  den  Halbmesser  100000  auf 
Tausendstel  berechnet. 

Es  folgt  auf  24  Blftttem,  je  vier  mit  griechischen  Buchstaben  (cc  bis  ^\ 
aber  auch  mit  Seitenzahlen,  (l — 48)  bezeichnet,  das  Canonian  triangtdorum 
Laterum  rationalium.  Auf  Seite  3  beginnt  die  eigentliche  Tafel  und  reicht 
bis  Seite  45.  Zur  Erklärung  der  Tafel  gehe  ich  von  den  beiden  letzten 
Seiten  aus  (s.  die  folgenden  beiden  Seiten).  Zur  Erklärung  benutze  ich, 
anfser  den  auf  S.  47   (die  Seiten  46  und  48   sind  unbedruckt)  gegebenen 

Syntaxis  Numerorum  Canonij 
und  Syntaxis  numerorum  in  Justo  Canone, 

aus  Vi^TABi  Univ,  insp.  ad  Can,  math,  lib.  sing,  die  prop.  III:  Consectarium, 
quod  esto  Norma  Canonij  (S.  4flF.). 

Dort  heifst  es  auf  S.  6,  Z.  2 — 4:  ....  „contenti  fuimus  per  singulos 
CB^)  impares  numeros  centum  progredi,  eosque  continua  duplä  progressione 
Geometricd  augere,  ad  metam  usque  sex  figurarum,  üUra  quam  effusa  hujus- 
modi  priimorum  numerorum  (sc.  haseos)  vastitas  vix  ad  rem  quicquam  con- 
ducere  visa  est'* 

Vi^TA  will  die  Basis  der  Reihe  nach  den  ersten  100  ungraden  Zahlen 
gleich  setzen,  von  1  bis  199,  dann  den  Zahlen  1.  2,  3.  2,  ....  199.  2;  1.  2', 
3.  2',  ....  199.  2'  usw.  bis  zu  der  letzten  so  gebildeten  Zahl,  welche 
6  Stellen  bat.  Wirklich  ist  Vi^ta  bei  Berechnung  der  Tafel  so  vorgegangen, 
ordnet  dann  aber  nach  der  wachsenden  Gröfse  der  fOr  die  Basis  eingesetzten 
Zahlen.  Anf  der  45.  Seite  unten  (s.  die  folgende  Seite)  steht  als  numerus  prinms 
haseos  1,  dann  folgen  nach  oben  die  Zahlen  2,  3,  4  usw.  bis  200  (200  auf 
S.  40,  Z.  1),  darauf  die  geraden  Zahlen  von  202—400  (S.  39—37),  dann 
die  durch  4  teilbaren  Zahlen  wn  404—800  (S.  36—34)  und  so  fort  Zu- 
letzt auf  S.  3  unten  steht  827  392  =  101.2",  nach  oben  als  letzte  Zahl 
999424  =  122.2",  darüber  noch  „<tc."  In  der  That  ist  123.2"  =  1007  616 


6)  Lib.  sing.,  prop.  I  (S.  2):  TrianguU  plant  Beetanguli  Diagramma  &  Notae. 
Änguli  Latera 


C,  perpehia  nota  anguU  AB,  Perpetua  nota  Uypo-  ^ 

Beeti  tenusae  Becti  vel  Hy-  *§ 

B ,  aciUus  a  Perpendicuh  potenusae  simpliciter,  }^ 

subtemus  <k  %ax'  ifox^v,  vtpote  \ 

Ä,  acutus    subtensus  a  angtdi  nobtlioris  ^ 

Base.  AC,  Perpendieulum 

CB,  Basis  ^ 


222 


Karl  Hnnrath: 


Beilage  zu 


44 


CANONION  TRIANGVLORVM 


68 
67 

66 
65 


SeriM 

in 


l,701,470lj 


36 
36 


-S3 


1,698,629— 


902,777-- 


877,867 


7^ 

9" 
1 


Hypoteniua 


SeriM 

n 


100,173 


37 
231 


5,887 


103 
281 


8«lftM 

I 


99,827 


161 
1,167 


897,222— 

872,142-^ 
'        7 


Perpendi- 
oiüum 


100,000 
BMis 


99,849 


79 


•<■ 


8  IS 

^88*13  11,076;^ 


1,229 


13 

m 

11,391^ 


Peipendi- 
enlnm 


BmU 


10Q,pOO 


Des  Rheticas  Canon  doctrinae  triangnloram  n.  Vieta*B  Canon  mathematicus.    223 
Seite  221  und  224  und  225. 


1 

LATERVM  RATIONALIVM                                       45 

> 

■                        Bexies 

1              1 

Series 

n 

Series 

m 

1 

11,724^ 
*       29 

'                   932 
12,076—— 
,        '        1,093 

99.810I5 

76 

99268 

'       1,093 

11,8051 
196 

100,6944- 

100,737  ^^ 
»217 

847,068^^ 

23 

821,969— 

'       33 

862,94lA 
828,030i^ 

34 
33 

4 

80,000 

60,000 

133,3334- 
0 

166,666-|- 

76,000 

126,000 

92,307^ 

38,461^3 

240,000 

260,000 

41,666  J 

108,3334" 
3 

3 

100,000 

• 

• 

• 

• 

100,000 

2 

• 

• 

• 

• 

• 

• 

1 

1 

Bm&b                  Pexpendi- 

cnlnm 

BMis               Hypotenusa 

Ferpendi-         Hypotenasa 
cölum 

primi 

>OS 

100,000 
HypoteniiM 

1 

100,000 
Pevpendiciiluin 

100,000 
Basis 

in 

224  Karl  Hunrath: 

die  erste  mit  7,  999  424  die  letzte  mit  6  Stellen  geschriebene  Ztihl  dieser 
arithmetischen  Progression  mit  der  Differenz  2^'=  8192. 

In  der  angezogenen  prop.  III  des  lib.  sing,  lehrt  Yii^ta  die  Berechnmig 
Pythagoreischer  Dreiecke,  indem  er  von  folgendem  Satze  ausgeht  Ist 
ÄB"^)    die    Hypotenuse    eines    rechtwinkligen     Dreiecks    ABC^    ist   ferner 

±?jrJ^=  1^  so  ist  AB  ~  1  =^C+  1  =  (^)%der^^=  (^) +1, 
AC  =  (—ä~)  —  1-  Vi^TA  zeigt  das  Verfahren  an  einer  ganzen  Reihe  von 
Beispielen,  von  denen  ich  anführe:  für  CB  =  3  ist  -4 J5  =  ( - }  +1=3^. 

Äc-Q'-i-.l. 

In  der  Syntaxis  Numerorum  Canonij  giebt  nun  Vi^ta  Regeln, 
die,  in  unsere  Zeichensprache  übersetzt,  so  lauten  würden:  Greht  man  tod 
einem  solchen  rechtwinkligen  ^  ABC  aus,  nimmt  in  der  Figur  auf  Seite  219 
A  NEM  <^  MEK  <^  EOM  r^ABCsm  und  setzt  EM  =  100000,  so  ist 
für  Ser.  III.  EM  =  100  000  die  Basis, 

EN  die  Hypotenuse  =  100000—  +  iMMiO  «) 

MN  das  Perpendiculum  =  100  000  ~  —  ^^  ') , 
für  Ser.  IL    EM  =  100000  das  Perpendiculum, 

EO  die  Hypotenuse  =  100000  +    ^^  =  lOOOOO  +  -g^,      -    ' 

\  2  7  "" 
MO  die  Basis  =  100  000  ~ 


7)  S.  Anm.  6  p.  221. 

(¥)  +  ^ 

8)  Offenbar  aus  100  000  •  ^-^  =  100  000  •  -^^ — j^- 

9)  „    „  100000.^  =  100000-  AJ^^^^ 

1 


AB 

10)     „    „  100  000 .  — —  =  100  000 . 


100  000 


Des  Rheticas  Canon  docirinae  trianguloram  u.  Vieia^s  Canon  mathematicus.    225 

mr  Ser.  I.    EM  =  100  000  die  Hypotenuse, 

MK  das  Perpendiculum  =  100000  —  !??^?^  =  lOOOOO  —      ^'J^^^      ") 

(¥)  + 1 

EK  die  Basis  =  100000—^. 

Um  das  Verfahren  an  einem  Beispiel  zu  zeigen :  Setzt  man  BC  =  34, 
also  AC=  17*—  1  =  288,  AB  ^  17*+  1  =  290,  so  ist  100000  — 

+  L«^  =  850000  +  2941±  =  852.941  A,  JOOOOO  .  ^  _  i^ 
=  847,058^,  100000  +  ^^^=100000  +  694^  =  100,694^,  100000-^^ 

=  11,805^,    100000  —  ^^^=99,310-,    100000-^^=11,7242*. 

Das  sind  die  auf  S.  45,  Z.  1  (s.  S.  223,  Z.  5)  für  £(7  =  34  angegebenen  sechs 
Werte,  von  rechts  nach  links  gelesen. 

Über  den  Zweck  des  Canonion  spricht  sich  Vi^ta  selbst  im  lib.  sing., 
S.  6,  Z.  1  und  2,  folgendermafsen  aus:  ,yNohis  in  constructione  Canonij  ea 
praeeipue  cura  fuit^  isque  scqpus,  ut  in  summa  angulorum  aculie  res  fclidus 
d:  propius  verö,  quam  fortd  per  Canonis  kvqIov  progressionem  liceret,  quoties 
opere  prctium  videhaiur, '  examinaretur/' 

Sehen  wir  uns  nun  die  einleitenden  Worte  zur  Syniaxis  numerorum 
in  Justo  Canon e  an.  Sie  lauten:  Cum  sitit  Prostaphaereses^^)  in  serie 
iertid  suhdupla  ad  Faecundum  dimidiac  Besiduae  Peripheriae,  adsumantur 
eae  ahs  Fragmentis,  utpote  per  continuam  odonarij  numeii  progressionem^ 
viddicet  S,  16,  24,  32,  40  etc„  doncc  ad  Prostaphaeresim^*)  20,212  (soll 
heiisen  20,712)  deueniatur,  quae  fere  est  subdupla  ad  Faecundum  Peri- 
pheriae xx^,  cum  semisse.  Et  locus,  in  quem  cadit  Prostaphaeresis^^)  8  primus 
esto^  16  seciidus,  24  tertius,  et  sie  de  reliquis  et  erunt  2,589  loca.  Qui  numerus 
accedit  ad  2,700,  numerum  scrupuloru  partium  xlv.  et  locorum  consequenter, 
qui  solent  constitui  in  Canone  irrationälium;  et  ita  Canonici  numeri  con- 
flantor,  et  constituuntor.  Et  Peripheriae  e  Canonibus  Faecundis^  uti  eae  con- 
gruunt  constituarum  (soll  heifsen  constitutarum)  Prostaphaereseon,  du- 
plantor;  Et  e  regione  numerorum  coUocantor. 

'BC\^ 


m- 


AG 
11)  Offenbar  aus  100  000  •  — =  =  100  000  •  ^  ^  , 


=  100  000  . 


\  2  / 
1  — 


m-'j 


12)  Bei  Vi^A  immer  mit  t  statt  mit  th  geschrieben. 

Abb.  rar  Omch.  d.  Mathem.    IX.  15 


226  Karl  Hnnrath: 

„Cum    sint   Prostaphaereses   in    serie    tertia   subdupla    ad  Faecunäm 

dimidiae  Residtme  Peripheriae" :  die  Prostaphäresis  in  serie  III  (s.  o.) 

100000    .^         EN—MN        lO^Beca  — 10«^  tga        10»,  ,    . 

-BC-  '^*  =  2 = 2 =  ^(sec«-tga) 

10*    1— sina         10»     1  — C08  (90<^— a)         1    ,^r  ,    90®— a      ^^.,    9ö«-c 
2         cos«  2  Bin  (90®— a)  2    "^^     ^       2       i    ^^   45      2 

der  Faecwndus  dimidiae  JResiduae  Peripheriae, 

„adsumantur  eae  dbs  Fragmentis,  utpote  per  continuam  octonarij  numeripro- 

gressionem,  videlicd  8,  16,  24,  32,  40  etc.,  donec  ad  Prostaphaeresim  20,712 

Jp  ]^ TLf  AT 

deumiatur":  es  soUen  für  EM  =  100000  und  ^  =8-1,  82,  83 

und  so  weiter  bis  8  •  2,589  =  20,712  EN  und  MN  berechnet  werden.  Für 
die  Berechnung  der  trigonometrischen  Linien  giebt  die  Syntaxis  numt- 
rorum  in  Justo  Canone  selbst  folgende  Kegeln: 
für  Ser.  IH.  EM  =  100000  die  Basis; 

^^^  ,.     „       ^                    2600000000      ,    EN—MN^^\ 
EN  die  Hypotenuse  =  ^eN^MN\  "^ « ' 

\  2  ) 

»^TiTj      «           j-     1                2600000000          EN^MN^^) 
MN  das  Perpendiculum  =    ^^ mn\ 2 ' 

\  2  ) 

für  Ser.  ü.    EM  =  100000  das  Perpendiculum; 

iHi^  j-     TT        *  '       ^/^n/w^    I     (JS^iV'—^af-^    100000  1*) 

EO  die  Hypotenuse  =  100000  +  -^^ ^^^ ^; 

MO  die  Basis  =  2  (EN  —  MN)  +  ^^^^^^^^^ 
mr  Ser.  I.    EM  =  100000  die  Hypotenuse; 

MK  das  Perpendiculum  =  100000  -  (EILl^l.}^^  "); 

EK  die  Basis  =  2  (EN—MN)  -  ^-Mj^^I^'")- 


IS)  2  500  000  000  : 


EN  —  Jlf A-       /ÄJtfx«    EN ^MN       EN+MN 


-m 


2 
U)^EM  +  EM j^^^_=-3^^^. 

^iV  —  ^JV       EM    MN 


16^  =  ir.v  —  EM 


EN  EN 


17^  «  j^, — ^     -  Die  Prc«thapbä«»8  [—^r^]  "* 

iniümlich  ala  ^tulditima*  stati  ala  ^oblaHmM*  haeidmeL 


Des  Rheticas  Canon  doctrinae  triangalornm  n.  Vieta^s  Canon  mathematicus.     227 

„quae  fere  est  suhdupla  ad  Faecundum  Peripheriae  xxij,  cum  semisse". 
Nun  ist  ^- 10*^  tg  22^°=  20710,68,      also     sehr     nahe     der     Prostha- 

phäresis  20712. 

„Qui  numerus  accedü"  bis  zum  SchluTs:  in  den  Sinn  dieser  Worte  bin 
ich  nicht  eingedrungen. 

Jedenfalls  handelt  es  sich  um  ein  Verfahren,  die  irrationalen  Zahlen 
des  Canon  mathematicus  durch  die  rationalen  MaTszahlen  Pythagoreischer 
Dreiecke  zu  kontrolieren,  ein  Verfahren,  das,  mag  es  gestaltet  sein  wie  es 
will,  Sufserst  mühsam  ist.  Aber  auch  da  erhebt  sich  noch  eine  Frage: 
Warum  enth&lt  das  „Canonion"  nur  einen  Teil  der  Zahlen  von  der  Form 
8n  als  numeri  primi  haseos,  sodafs  wieder  besondere  Kegeln  für  die  Be- 
rechnung der  trigonometrischen  Linien  für  die  fehlenden  Zahlen  aufgestellt 
werden  müssen? 

Auf  das  „Ca^wnion"  folgt  noch 

1)  ein  im  Kasseler  Exemplar  unbezeichneter,  nach  Oraesse  (s.  o.)  in 
andern  Exemplaren  mit  ***  bezeichneter  Bogen,  enthaltend 

Canonion  hiangulorum.  Ad  singulas  partes  quadrantis  Circuli,  secwndum 

E^fxovra^oov  Logisticem, 
eine  Tafel,   die   von  Grad  zu  Grad  die   trigonometrischen  Linien  in  Seza- 
gesünalbrüchen  angiebt, 

2)  ein  mit  *  bezeichneter  Bogen,  überschrieben 

Ad  Logisticem  per  F^&Mvxaöag,  TaheUa^ 
eine  Multiplikationstafel,  ein  „Einmaleins",  für  Sexagesimalbrüche, 

3)  ein  mit  **  bezeichneter  Bogen,  überschrieben 

FracOonum  apud  Maihematicos  usitatamm  alterius  in  alteram  redudionibus, 

tälnUa  adcommoda^ 
eine  Tafel  zum  Umrechnen  von  Sexagesimalbrüchen  in  gemeine  Brüche  und 
für  die  umgekehrte  Aufgabe. 

Es  bleibt  noch  übrig,  den  Inhalt  von 
Framcisci  Vi^taei   UniversaUum    inspedionum   ad   canonem    mcUhematicum 

Über  singularis 
anzugeben.    Hierbei  sei  vorweg  bemerkt,  dafs  ständig  unsere  jetzige  Formel- 
sprache von  mir  angewandt  wird  und  überall  ^^),  wo  Vi^ta  den  Kreishalb- 
messer 100000  gebraucht,  ich  denselben  =  1  setze. 

8.  1  enthält  den  Titel,  S.  2  die  prop.  I,  die  schon  auf  8.  8  in  der 
Anm.  wiedergegeben  ist,  S.  3  als  prop.  11  den  Pythagoreischen  Lehrsatz  in 
Form  der  beiden  Proportionen:  {AB  +  AC)  :  CB  =  CB  :  {AB  —  AC) 
Tind  (AB  +  CB)  :AC  =  AC: {AB  —  CB).    Auf  S.  4—7  prop.ül,  die  bei 

18)  Ausgenommen:  prop.  XXV,  7)  und  23). 

15* 


228 


Karl  Hunrath: 


Erkläning  des  „Canonion'*  (S.  221)  benutzt  worden  ist.  S.  8  (9)  prop.H'  iV» 
Triangulum  planum  redangulum  circulo  adcommodaium  inscriptione  (circvm- 
scriptione)  —  s.  o.  S.  220  —  mit  Figuren. 

Auf  S.  10  behandelt  prop.  VI  die  TriangtUa  mscripta: 


1)    s^=r,  s^=Y27\  55=1/3 


^  »  ^10 


55=}^r*+  *io   [^"  ^®  Seite  des  einbeschr.  regelm.  n-ecks] 

2)  cos flf  ^yi  —  sin*«, 

3)  sin  vers  a  =  1  —  cos  «  =  2  sin*  — 


4)    (2  sin  — r-^j  =  (sin  a  —  sin  /3)*+  (cos  ß  —  cos  «)*, 

unde  Consectarium: 

sin  ((•)0®+  6)  —  sin  (60®—  6)  =  sin  tf . 

^Et  ided,  Datis  Sinubtis  ad  partes  XXX.  dantur  Sinus  reliqui  M 
Additionis,  vel  Subtradionis  riä\-  also,  wenn  die  Sinus  und  die  Cosinus  (die 
^sinus  reliquorum  i  recfo*)  der  Winkel  bis  30®  bekannt  sind,  liefert  die>e 
Formel   die  Sinus   (und  Cosinus)   der  übrigen  Winkel   nur   durch  Addition 


und  SubtxiO^iion.     Zu   don  3  erst^^n  Sauen  die  Figuren  auf  S.  12     ^^^"^ 
4.  Satze  auf  S,  13  oben^iiteheiide  Figur: 


also  lk>gen  Ay  ---  <i  ♦    IV^gt^n  By  =  ß.    Sehne  AB  ==  2  sin  — ; 


-f 


AC  --  sin  «1  -     &in  ß,  BV  -=  00s  i  —  iv>5  «,  AB^=  A(^+  CB'. 


Des  BheidcuB  Canon  doctrinae  triangulorum  n.  VieWs  Canon  mathematdcus.    229 

Ynr  Äy=  60®+  ö,  By  =  ßO^—  ö,  also  Bogen  AB  =  2ö  ist,  wenn 
B  mit  dem  Kreismittelpnnkt  M  verbunden  ¥rird,  -^  ABM  =  90^ — J, 
^  CBM  =  BMy  =  60®—  ^,  also  ^ABC  =  (90®—  ^)  —  (60®—  ö)  =  30. 

Daher  AC  =  l  AB=  sin  *,  und  da  iiC  auch  =  sin  (60®+  d)  —  sin  (60®—^) 

ist,  so  folgt 

sin  (60®+  ^)  —  sin  (60®—  d)  =  sm  ö . 

Auf  S.  11  in  prop.  VII  für  die  Trianffida  circumscripta  angegeben: 

1)  der  Winkel  des  gleichseitigen  Dreiecks  =  60® 

2)  cosec  a  +  cot  a  =  cot  — , 

3}  cosec  a  —  cot  a  =  tg  — 

Figur  zu  2)  und  3)  auf  S.  13. 

S.  14,  Prop.  Vlll.     Definitionen. 

S.  15,  Prop.  rX.     3,141 5926637  >«>  3,141 5926535, 

Mittelwert  3,1415926536; 

(dazu  in  den  Additamenta  auf  S.  69  noch  angegeben:  r  =  0,318309886  2 
in  Teilen  der  Peripherie) 

0,0002908882056  >  sin  l'>  0,000290888 1959, 

Mittelwert  0,000 290 888  204  6 . 

8.  16,  Prop.  X.  Definitionen. 

8.  16 — 17  eine  längere  Auslassung  über  Einrichtung  und  Berechnung 
der  Tafel.  In  derselben  wird  den  Dezimalbrüchen  der  Vorzug  vor  den 
Sexagesimalbrüchen  gegeben. 

8.  18 — 22,  Propp.  XI — Xlll.  Trigonometrische  Sätze,  an  rechtwinkligen 
ebenen  Dreiecken  abgeleitet.  Als  Beispiele  führe  ich  an  von  8.  20  in 
Prop.  Xm: 

1)  1  :  2  sin  —  =  sin  — :  (l  —  cos  a)  =  sin  (90® —  —  j  :  sin  a 

2)  1  :  2  sin        -  -  =  sin  — -^ :  (cos  ß  —  cos  a) 

=  cos    ~r    :  (sin  a  —  sin  /3); 
es  ist  also 

1)  1  —  cos  a  ==  2  sin*—      und     sin  a  =  2  sin  ~  cos 


2)  cos  p  —  cos  a  =  2  sm  — ^  sm 


ßßd  sin  a  —  sin  ^  =  2  sin  — r-^  cos  ~^^ 


230  Karl  Hunrath: 

S.  23:  Prop.  XIY,    Sinus -Satz  für   das   ebene    rechtwinklige  Dreieck, 
abgeleitet  „ex  inscriptione  Trianguli  in  Circulo". 

S.  24:  Prop.  XV,  l)  Cosinus-Satz. 

S.  25    (so  lies  st.  33): 

Prop.  XV,  2)  Derselbe  Satz  mit  anderer  Ableitung. 
3)  „Änceps  tnanguLum*^  wenn  a,  h,  a  gegeben  sind. 

S.  26    (nicht  34): 

Prop.  XV,  4)  Ein  A  ÄBD  mit  umbeschriebenem  Kreise,  Trans- 
versale DG  verlängcfrt  bis  zum  Durchschnitt  mit  dem  Kreise  in  Z, 
d2ainDG:BG=ÄG:GL  (Sehnen-Satz)  \md2I)G<ÄD-\-BD. 

S.  26—28: 

Prop.  XV,  5)  In  Miscdlaneis  denigue  Pianorum  SdecUores  ali- 
quot AncUogiae,  ac  primum 

EIAIKXITEPAI. 

j)  Proportionen  am  rechtwinkligen  Dreieck,  in  dem  die  Höhe   zur 

Hypotenuse  konstruiert  ist. 

ij)  —  v)  Verwickeitere  Sätze,  z.  B.  iiij  ein  Satz  über  das   in  ein  Dreieck 

beschriebene  Quadrat. 

S.  28  und  29.         rENNIKXlTEPAMO- 

j)  In  linea  redn: 

y\  [(»  +  »)■- (<■■+  »■)] i o  -  » :|/j[(«  +  »)'- (»'+»*)! 

ij)  In  linea  seäa  media  et  extrema  ratione: 
a:x  =  x:(a  —  x);   a;  =l/a*+ (-g) — 2^5   (»  +  ^):  «  =  a  :  a?; 

(2  a  —  x) :  (a  —  x)=  a  :  — r — ;   (a  —  a;) :  «  =  (2  x  —  a) :  (a  —  x). 

iij)  In  duabtis  lineis. 
a:h  =  ah'.h^  =  ^)  a^  :  ah. 

iiij)  In  tribus  praporUonalibus. 

Wenn  a:h  =  b  :  c^     dann     a:  c  =  a^  :h^ 
und») 


-v>^*-(i)'-y(»+i)"-(irK»+»)- 


19)  yevtniittQai  ist  gemeint. 

20)  Aus  den  Additam.  (S.  69)  ergänzt. 


Des  Kheticus  Canon  doctrinae  iriangulomm  u.  Vieta's  Canon  mathematicus.    231 

v)  In  quatuor  continue  proportionaUbus. 
Wenn  a:6  =  fe:c=c:el,     dann     a  :  el  =  &*  :  c*. 

vj)  Sectio  qmdrati 
(a  +  bf  =  a*  +  6«  +  2a&  =  2a*  +  26»  —  (a  —  6)*. 

vij)  Sectio  cubi. 
(a  +  hy  =  a«  +  6«  +  3a&*  +  3a*5. 

Noch  anf  S.  29: 

Prop.  XY,  6)  „Qiuituor  continue  ProportionaUum  Diagrammata**, 
3  Figuren,  in  die  solche  4  stetig  proportionierte  Linien  ein- 
gezeichnet sind. 

S.  30: 

Prop.  XV,  7)  ,^x  dato  rectangtdo  aequaU  ei,  quod  sab  Lateribtis 

contmetur,  cum  Differentid,  vd  aggregcUo  eorundem,  dantur  Latera/* 

Also  gegeben  x^  y  und  xy^   gefordert  x  und  y.     Die  Lösung  ist  sehr 
weitschweifig.     In   den  Additamenta  (S.  69)    die   elegante  Lösung:    suche 

m  -  m'  ±  * 

8.  31  (so  Ues  statt  39): 

Prop.  XY,  8)  ,^x  dato  rectanfffdo  aequali  ei,  quod  sub  Lateribus 

continetur,  cum  Batione  eorundem,  aUerius  ad  aUerum,  dantur 

Latera" 
Also  die  Aufgabe,  aus      x  -  y   und   x  :y      x  und  y  zu  finden.     Hier 
soll  aus  den  „Additamenta^*  (S.  70,  71)  eingefügt  werden: 

Prop.  XV,  9)  Begula,  quam  vocant,  Falsi, 

,J3i  duae  proponantur  lineae,  ä  tertid  qudpiam  discr^antes,  dt  nota  sU 
affeäio  xUarum  discrepantium,  defidentiae,  an  excessus,  ipsa  etiam  ratio 
deficientiarum,  vd  excessuum  inter  se,  vd  excessus  ad  deficientiam,  erit  tertia 
Linea  data,"     Es  werden  also  drei  Fälle  unterschieden: 

L   (a  —  x)  :{b  —  o?)  =  m  :  » ,         IL    (x  —  a)  :  (x  —  b)  =  m:n^ 

in.    (a  —  x)  :  (x  —  b)  =  m:  n. 

Die  Lösungen  werden  auf  geometrischem  Wege  gesucht;    zu  II  auch  ein 
Zahlenbeispiel:  (x—12):(x  —  36)  =  12  :  8 ,  also  =3:2,  Lösung  84. 

8.  32  (so  lies  statt  40)  u.  33: 

Prop.  XVI:  Plani  obliquanguli  in  obliquangula  secti  theoria 
dt  adsequendi  Meffiodus  aliquibus  dcUis. 
Das  Bcbiefwinklige  Dreieck  ABB    sei   durch  DG   in  zwei   schiefwinklige 
Dreiecke  DOÄ  und  DGB  geteilt,  und  gegeben  sei  ^ÄDB,  DGiGB 
oder  DG  :  GÄ,   femer   GB  :  GA,     Dann    seien   die  Dreiecke  DGÄ   und 


232 


Karl  Hunrath: 


DGB  (der  Gestalt  nach)    bestimmt.      0  Mittelpunkt  des  umbeschriebenen 

Kreises,   OM  ±  AB,    OB  _L  DG,     Aus  LG'DG  =  GA'  GB   und  den 

gegebenen    Verhältnissen     l&fst    sich    die 

Mafszahl  für  LG  finden,  ebenso  die  }a^{h- 

GA  +  GB 


zahl  für  r  aus 


:  sin  AOI)^  die 


für  LB  aus  ^^"t  ^^i  die  für  GB  aus 
LB  —  LG,    Femer  ist  sin  ÄOX  =  ?- 

5f 


und  sin  ADB  = 


2r 


also    sin  i20Z  = 


AB 
DL 


'  sin  ADB     und     ÄO  =  r  cos  BOL 


Dann  kann  man  tg  GOB  aus  GBiBO 
finden;  endlich  aus  OM  -=  r  cos  ^DO  und  MG  =  BG  —  ^^  +  ^'^ 
die  tg  G^Otf. 

(S.  32,  Z.  5  V.  u.  lies  GL  statt  ^X,  S.  33,  Z.  2  lies  ©012  statt  gOa, 
S.  33,  Z.  7  V.  u.  Ues  GO<y  statt  gOn,) 

S.  34:  Prop.  XVII.  Für  das  sphärische  rechtwinklige  Dreieck  sollen 
dieselben  Bezeichnungen  gelten,  wie  für  das  ebene  rechtwinklige,  also  AB 
für  die  Hypotenuse  u.  s.  w.  (s.  Prop.  1). 

S.  35 — 41:  Propp.  XVIII  bis  XXII.  Auflösung  des  sphärischen  recht 
winkligen  Dreiecks,  im  Wesentlichen  übereinstimmend  mit  Op.  math.  ed. 
V.  ScHOOTEN,  S.  427  und  428. 

NB.    Auf  S.  72  und  73  Verbesserung  der  Seiten  36  und  37. 

S.  42,  43:  Prop.  XXIII  (verdruckt  XXII).  1)  Sphärischer  Sinussati, 
2)  seine  Anwendung,  3)  Teilung  des  schiefwinkligen  sphärischen  Dreiecks 
in  zwei  rechtwinklige. 

S.  44—49:  Prop.  XXIV  ...  auf  S.  44  fehlt  die  Angabe  der  Prop, 
ergänzt  auf  S.  74  unter  „ErrcUa  alia  nonnuHa*'. 

1)  (S.  44)  Ex  coaceruatione  duarum  Peripheriarum,  &  ratione  simum 
eonmdem,  discernentur  Peripheriae. 

2)  (S.  45)  Ex  differentia  duarum  Peripheriarum,  tS;  rcUione  smum 
corundem,  discernentur  Peripheriae. 

3)  (S.  46 — 49)  Schiefwinkliges  sphärisches  Dreieck,  wenn  entweder 
die  Seiten  oder  die  Winkel  gegeben  sind.  Auflösungen  in  eogem 
Anschlufs  an  Regiomontan,  der  citiert  wird. 

S.  50,  Prop.  XXrV  (soll  heilsen  XXV,  verbessert  auf  S.  74).  Angulum 
Planisphaericum. 


Des  Rheticus  Canon  doctrinae  triangaloram  u.  Yieta*8  Canon  mathematicus.    233 

1)    In  Planisphaericis  Ka9okiwotsQa. 

I,  Vi  Diameter  ad  Biametrum,  itu  est  Perijpheria  ad  Peripheriam, 
Papp.  Theor,  5  lib.  xj. 

II.  Angultis  ex  Peripheria  <&  Diametro  minor  est  angülo  Recto,  sed 
maior  quouis  Acute.    Buch  Prop.  16  lib.  iij  Element. 

S.  51: 

Prop.  XXV,  2)  arc  10  800'  =  3,141  592  663  6 

arc  1'  =  0,000  290  888  208  672 

1  =  arc  3  437',746  770  3  (also  arc  57^7' 44  ",806  22). 

3)  Teilung  nach  dem  goldenen  Schnitt. 

Tota                      Maius  segm.  Minus  segm. 

1  0,618  033  988  9  0,381966  0112 

2,618  033  988  9  1,618  033  988  9  1 

1,618  033  988  9                      1  0,618  033  988  9. 

Tota  Proportionalis  inter  totam  dt  maius  segmentum 

1  0,786  151377  7 

1,272  019  649  6  1. 

Tota  continuata  minore  segmento  Minus  segmentum 

1,3819600112  0,3819600112 

1  0,276  393  202  2 
3,618  033  988  9  1. 

4)  Geodaesia  Triangülorum.    Sätze  über  den  Flächeninhalt  von 
Dreiecken. 

S.  52: 

Prep.  XXV,  5)  Geodaesia  Circuli. 

6)  Geodaesia  Sphaerarum. 

7)  Ad  Circulos  Superfidesque  Sphaerarum  e  Diametris,  &  harum 
solidüates  e  Cubis,  dt  e  contra  Adpositi  numeri. 


Diameter. 


200000 


'  Quadratum  Diametri.    Circulus.  Plana  Superficies,  süth 

quadrupla  Sphctericae  super ficiei. 


400  000  000  00  314  159  265  36 

100000     100  000000  00  78  539  816  34 

159  577   II  254  647  908  94  200000  00000 

112  838     127  323  954  47  100  00000000 


234  Karl  Hunrath 


Ci/Hms,  SolidUas  Sphaerae. 

8  000  000  000  4  188  890  205  «) 

10  000  000  000  5  235  987  766 


Diameter. 
2  000  *i) 
2  155  ") 

S.  52: 

Prop.  XXV,  8)  Äd   Sphaeras    e  Diametris  &  e   canka,  Ardi- 


medaea  mensura. 

Diameter.  QfiodrcUum 
Diametri. 


Cübus.  Sphaera. 


4Ö^*^*         16Ö0      „eiööö^^*^*       Papaverferi—^Ar€na€^)f€ri 

Bei  7)   und   8)  sind  die  auf  S.  74   angegebenen  Yet-bessenugen  be- 
nutzt worden. 

S.  53: 

Prop.  XXV,  9)  Quadratura  Hippocratica  Menisci.  Mit  Figur  und 
eingeschriebenen  Zahlen. 

10)  Pardbole,    Figur  mit  den  Abscissen  3,  6,  9  und  den  Ordi- 
naten  >/27,  }/54,  ^81    (Parameter  also  9). 

11)  Quadratura   Parabdes   Eudidaea.     Figur   mit  eingeschrie- 
benen Zahlen. 

12)  Laktö    QuadrcUi    Circulo    circumscripti    2,     tnscripii 
1,414  213  5624,  aequcUis  1,772  453  850  9. 

S.  54: 

Prop.  XXV,  13)  Duae  Mediae  continue  proportionales  inter  Smi- 
dianieirum,  <£*  Latus  Quadrati  inscripti 

1,122  462  05     und     1,259  92106. 

14)  Duae  Mediae  in  eädem  proporHone  coniinua  inter  L.  Qm- 
drati  inscripti,  d:  L.  drcumscripti,  seu  Diametrum: 

1,587  401  06     und     1,781  797  44. 

15)  Duae  ex  his  Mediae  inier  Semi-diamelrum,  dt  Diame^rm- 

Norma  duplicationis  cutn: 
1,259  921  06     und     1,587  401  06. 


5    - 


dl)  Diese    Zahlen    sind    auf   S.  1-k    gegen    einander    Tertaascht;    äbrigeos 

I  10  000  OOlTööö  <  S  154. 

:äd^  Soll  heirsen  4  188  7»0  205 

:i3^  Archiubdbs    seUt    1   paparer   —        \        digiti  =  10  000   Sandkörner, 

64  000 


Des  Rheticaa  Canon  docirinae  iriangnloram  u.  Vieta's  Canon  mathematicus.    235 

8.54: 

Prep.  XXV,  16)  PrqparUonaHs  Media  inter  L.  QttadrcUi  inscripti, 

dt  L.  circwnscripti: 

1,681  792  84. 


17)  Figur  zu  13). 

18)  Figur  zu  16). 


S.  55: 


Prep.  XXV,  1 9)  Deteda  tandem  reductionis  Peripheriae  ad  Uneam 

rectam,  dt  tetragonismi  circuli  Orontiana  dt  aliorum  pseudographia. 

Eine  lange  Auseinandersetzung  über  die  Möglichkeit  der  Rektifikation 

der  Kreislinie  und  die   Quadratur  der  Kreisfläche.     Von  Interesse  scheint 

mir  zu  sein,  dafs  Vi^ta  für  die  Unmöglichkeit  der  Lösung  beider  Aufgaben 

eintritt,  wenn  auch  mit  Gründen,  die  nicht  durchschlagend  sind. 

Am  Schlu£s  dieser  Auseinandersetzung  sagt  Vi^ta: 

Älteru  latus  e  medijs  proportionalibus  inter  lattis  inscripti,  dt  circum- 
scripü  prodidit  Orontius  aeqtiale  quadranti  Perimetri,  alterü  lateri  Quadrati 
Circulo  aequaUs. 

Vi^A  weist  diese  Behauptungen  mit  der  Begründung  zurück: 
die  erste  mittlere  Proportionale  (s.  Prep.  XXV,  14)  sei 

>  1,587  40,         Y   aber   <  1,570  80, 

die  zweite  mittlere  Proportionale  (eod.  1.)  sei 

>  1,871  79 ,         y«  aber  <  1,772  46. 

Schluiswort:  „Arguitur  no  dissimüi  methodo  in  älijs  aliorümque  Tetra- 
gonismis  error,  dt  Vitium,  vt  amnino  äbhorrenda  sit  ista  ingeniorum  crux, 
dt  operä  dt  otio  deinceps  non  äbutedum,  praesertim  vbi  semel  nacti  fueri- 
nius  expeditum  dt  facUem  Tetragomsmum,  dt  satis  propinquum  vero"  Es 
folgen  dann 

S.  56—58: 

Prep.  XXV,  20)  und  21)  Näherungs- Konstruktionen  für  beide 
Aufgaben,  die  aus  den  Op.  math.  ed.  v.  Schooten  S.  392,  393 
schon  bekannt  sind;  beide  kommen  darauf  hinaus,  dafs 
jt  —  0,6  (3  +  y5 ) ,  also  =  3,141  64  gesetzt  wird.  ^) 


24)  Cantob,  Bd.  2,  S.  646,  547.  —  Aus  der  „Maihematid  Canonis  Epitom^* 
(s.  0.  S.  220,  221)  ergiebt  sich  arc  \h^  =  0,261  799,  also  arc  150^  »  2,  617  99;  das 

ist  annähernd   (s.  0.    S.  233,    Z.  13)  2,618  03  =  — ^^-^  •    Folglich 

w  ==  arc  180«  =  x  ^'^  ^^^*^  =  4" '     ^    o        =  ^»^  (*  +  V'^)- 


236 


Karl  Hunrath: 


Noch  auf  S.  58: 

Prop.  XXV,  22)  Uti  Scctor  quüibet  comtnode  quadrdur,  modo  ratk* 
Perimetri  ad  Basim  Sectoris  non  ignoretur,     Lösung  unter  An- 
wendung von  XXV,  21). 
23)  Latera  Quinque  regularium  carporum  mscriptorum  S]^4ieraK. 

(unter  Berücksichtigung   der    auf   S.  74  unter  Errata  alia  nonrndln 
gegebenen  Berichtigungen.) 

Qualium  Diameter  Sphaerae   L.  40000000  000 


Taliutn  Latus  Pyramidis, 
seu  Tetraedri 


L.  26  666  666  666-1- 

«5 


Latus  Cubi,  seu  Exaedri      L.  13  333  333  333  — 


Latus  Octaedri 
Laius  Icosaedri 
Latus  Dodecaedri 


L.  20000000000 

X.  11  055  728  090  iyyvaxa 

L.     5  092  880  149  iyyvata 


200000 


163  299 


OOOOO 


310^8  25 


115470^?^ 


141421 


195146 


71364 


356  24 


222  42 


417  95 


rfi 


Die    Seite    des    Icosa^ders    ist   berechnet   worden    aus    rV^ — VÖ^B, 
also  aus 

V2  '  W^  —  yS^lO^^  =  ]/20 000 000 000  —  8  944  271  910 

=  1/11055  728  090, 


die  des  Dodecatjders  aus    *■    l/-« r  T  P    ^^ 


aus 


V 


16666666666 


-^— 1/3  333  333  333y=  129099^^^ 


57  735^- 


S.  59: 

Prop.  XXV,  24)  Duplicatio  Cubi. 

Diese  Näherungs-Konstruktion  gewährt  einen  Blick  in   die  Gedanken- 
Werkstatt  Vi^ta's: 

Nach  XXV,  14)  ist  1,78179744  =  1,41421356  >/¥  =  /F  ^2 

„      XXV,  16)    „    1,681  79284  =  }^2. 1,41421356  =  YJ  y^ 

Nun  ist  1,781797  44  —  1,68179284  =  0,10000460,  also  sehr  nahe  =^, 

Man   kann   daher  näherungsweise  Y^  Y^  =  V^  •  V^  +  Jö  ^^^'  ^  ^^ 
=  a  Y^  ~h  ön  '  ^  Y^  setzen.     Vii-^ta  spricht  das  so  aus:  „5t  sunt  qtuümr 


20 


25)  Soll  heifsen    163  299 


310  18 


26)  Soll  heifsen  106  146 


222  42 


Des  Eheticus  Canon  doctrinae  triangulorum  u.  Vieta^s  Canon  mathematicus.    237 

Bectae  continud  proportionales,  quarum  Quarta  sit  dupla  cul  Primam  poteniid: 
Erit  Tertia,  ut  Media  proportionälis  inter  Potentem  RedangtUum  siib  mediis 
vel  extremis  contentum,  dt  Quartam,  continuata  vigesimä  parte  Qiiartae  Syyvata/* 

Tst  a  :  X  =  X  :y  =  y  :  a  V^,  also  a;  =  a  Y^  und  y  '^=^  a  |^, 


so  giebt   Y  ay  2  a  y2    oder  r  a .  a  ]/2    (beides  =  a  y2  ),    vermehrt    um 
^,^^ayY    annähernd    aYJ.      Wirklich    ist    1/2"+ —  ]/2"==  1,259  918. 

yii=  1,259  921. 

Die  Konstraktion  gestaltet  sich  sehr  einfach:  Suche  zwischen  der  Seite 
und  der  Diagonale  des  Quadrats,  über  welchem  der  Würfel  errichtet  ist,  die 

mittlere  Proportionale  und  verlängere  dieselbe  um  ^  der  Diagonale. 

S.  60 — 66.  Demonstratio  Limitum  Andtogiae  Perimetri  Circuli  ad  Bia- 
metrum. 

Am  besten  glaube  ich  die  Darstellung  mit  S.  64,  65  zu  beginnen. 

1  V^ 

ViiSta  geht  aus  von  sin  30^  =  -^^  schliefst  dann  cos  30®  =  —  zwi- 
schen Grenzen  ein: 

0,866  025  403  8  >  cos  30®  >  0,866  025  403  7,  ebenso  sin  vers  30®: 

0,133  974  596  2  <  sin  vers  30®  <  0,133  974  596  3,        bUdet  dann 

0,066  987  298  1<  Y  sin  vers  30®  <  0,066  987  298  2,  also 

0,066  987  298  1  <  sin^  15®  <  0,066  987  298  2  und 

0,933  012  701  9  >  cos^  15®  >  0,933  012  701  8,  daher 

0,965  925  826  3  >  cos  15®  >  0,965  925  826  2 

0,034  074  173  7  <  sin  vers  15®  <  0,034  074  173  8  u.  s.  w. 

Auf  S.  63  wird  tg*  a  berechnet  aus  sin^  a  :  cos^  a,  der  obere  Grenz- 
wert aus  dem  oberen  für  sin*  a,  dem  unteren  für  cos^  a,  der  untere  Grenz- 
wert aus  dem  unteren  für  sin*  a,  dem  oberen  für  cos*  er,  also 

669  872  982  ^  i.  2  1  cO  -^      ^^  ^"^2  981 
9  330127  018"^^  -^9  330127  019     ^ 

0,071  796  769  9  >  tg*  15®  >  0,071  796  769  7  u.  s.  w. 
Nach  S.  62,  Abs.  1  soU  cot*  y  aus  2  (cot*  a  +  cosec*  a)  —  tg*  --*') 


27)  S.  62,  Abs.  2,  abgeleitet  aus  Prop.  XV,  5)  ,,Y^vi%mx6Qai^^  vj: 

2(a»  +  6«)  —  (a  —  h)*  =  (a  +  6)» 
tür    a  =  cosec  u,    6  =  cot  a,  a  —  b  =  cosec  a  —  cot  «  =  tg  — -, 

a  -{-  b  =  cosec  a  -\-  cot  a  =  cot  —  • 


238  Karl  Hnnrath: 

berechnet  werden.     Da  cot*  30  =  3,  cosec*  30  =  4,  und  (s.  2  Z.  Yorber) 

0,071 796  769  9  >tg*  15®  >  0,071 796  769  7  ist,  ergibt  sich 
2  (4  +  3)  — 0,071  7967697  >cotM50>  2  (4  +  3)  —  0,071 7967699     oder 

13,9282032303  >  cot*  15®  >  13,9282032301. 

Für  30®  sind  die  Werte  für  cot*  o  und  cosec*  er,  3  bezw.  4,  genau. 
Weiter  soll  nach  S.  62,  Abs.  5,  so  verfahren  werden:   nm  die  i     .        ! 

Grenze  fär  cot*  -=r  zu  finden,  sollen  ftlr  cosec  o  und  cot  or  die  !     .  ! 

2  '  Innterenl 

«"""•■^  »"«'*  f  ^«  IlTl  «—«*  ""^«^  "^ 

Endlich  (S.  62,  Abs.  3)  soll  cosec*«  aus   1  +  cot*  «  berechnet  wer- 
den, z.  B. 

14,9282032303  >  cosec*  15®  >  14,9282022301. 

Auf  S.  60  und  61  eine  Tafel,  welche  die  Grenzwerte  für  die  Quadrate 

der  Sinus,  der  Cosinus,  der  Tangenten,  der  Cotagenten  und  der  Cosekanten 

60*  225' 

enthält  für  die  Winkel  bis  zu  -^y^,  also  bis  zu  gTg«" 

8.  66,  Abs.  1.  «*  > ^^läö^, 

coüec'  

ti 

wenn  n  die  Zahl  der  Seiten  des  einbeschriebenen  regelmäfsigen  Vielecks  be* 

180^ 
deutet  und  för  cosec* der  obere  Grenzwert  genommen  wird.    Die  Tafel 

auf  S.  CO,  61  geht  bis  zum  Vieleck  mit  3.2^^  =  393216  Seiten  und  giebt 

..      180^  60^  _  m[ 

3.2"""   2"   ~  8192  ' 

15666162125,4  >  cosec*  a  >  15666162125,0. 

^^-^  «*  >    »;roi6?m.4  -i-  >  9.86960440076. 

also  «>  3,1415926535. 


S.  66,  Abs.  2:  ä*  < 


n« 


^,  180«  ' 
cot' 


n 

180* 


für  die  gleiche  Bedeutung  von  n  und  den  unteren  Grenzwert  von  cot^ 
Nun  ist  nach  der  Tafel  auf  S.  60,  61 

15  666 162 124,4  >  cot*  a>  15666162124,0, 

daher  .*  <  ^JJ^röSSi;«  «^-  <  9,^69604401 66, 

also  n<  3,141592653  7. 


Des  Kheticns  Canon  doctrinae  triangulorum  n.  Vieta^s  Canon  m&thematicuB.    239 

S.  67.    Demonstratio  Idmitum  Sinus  unius  scruptUL 

Nach  den  Theoremata  ad  angulares  sectiones,  demonstrata  per 
Alexandruh  Andersokum,  [Vietab  op.  math.  ed.  v.  Schootbn  (pag.  286 — 
304)]  könnte  man  vennuten,  dafs  bei  der  Berechnung  von  sin  1'  Vi^ta 
nach  den  dort  (8.  303,  304)  gegebenen  Regeln^)  verfahren  sei,  zumal  da 
Anderson  im  SchluTswort  (S.  304)  die  ,^eäionum  angularium  prvncipia  ex 
purioris  Anaiyseos  fönte  derivaiä"  als  „a  maximo  iam  a  multis  saecülis 
Mathematico  Francisco  Vieta  olim  excogiiaia  et  prqposita"  bezeichnet.  Das 
ist  aber  keineswegs  der  Fall. 

Vielmehr  entnimmt  Vi^ta  aus  der  Tafel  auf  S.  60,  61 

cosec*  -^  <  3  824  746,945  886  102  6, 

also  sin*  -^  >  0,000  000  261  455  205  834 

und  cosec*  |^  >  lö  298  986,783  264  742  9, 

also  sin*  1%  >  0,000  000  065  363  805  733. 

n  •   a  .'  ^  128»    .   2  226'  .^       .    -  225'     .  ^ 

Da  nun  sm"  1  <  -^^  sirr  -j^,  wenn  für  sm'  r^  em  zu  groiser,  und 

^  266»    .   2  225'  .   2  226'     .  ...        _    , 

^  226^  ^   "266"'      "       "     ^^°  "256"  ^^  ^^  Wemer  Wert 


eingesetzt  wird,  so  ist 

128» 
226 


sin*  1'  <  --li  •  0,000  000  261  455  205  834 


oder  <  0,000  000  084  615  948  100, 

aber  >  |^  •  0,000  000  065  363  805  733 

oder  >  0,000  000  084  61 5  942  565 , 

und  als  Grenzwerte  ergeben  sich  für  sin  V 

0,000  290  888  205  6     und     0,000  290  888  195  9. 


28)  Berechne  aus  der  Teilung  des  HalbmesserB  nach  dem  goldenen  Schnitt 

18* 
sin  18*,  dann   auf  algebraischem  Wege   sin —-—»  sin  3*36';   femer  auf  alge- 

6 

60*  20* 

braiBchem  Wege  sin  — -—  »  sin  20*  und  sin  --— -  =  sin  6*40',    hierauf  ein  S^  20', 

•odaon  sin  (3*86'— 3*20')  =»  sin  16'  und  unter  fortgesetstem  Halbieren  des 
Argaments  sin  8',  sin  4',  sin  2',  sin  1'«.  Die  durch  ein  Annäherungs verfahren  zu 
lösenden  Gleichungen  sind  (Probl.  I  und  II,  a.  a.  0.  S.  301)  8r»  chord  a  —  chord»  a 
=  r»  chord  3a  und  br*  chord  a  —  6r»  chord»  a  -f-  chord*  a  ^^  r^  chord  6«. 


240    Karl  Hunratb:  Des  Rheticus  Canon  doctr.  triang.  n.  Vieta^i  Canon  mi 

„Qiwniam  verö  inier  Peripherias  ^  dr  —  vnius  scrupuH,  nan  onmU^l 

media  est  Peripheria  ^^  quaesita,  sed  hoc  maior  -^z,  iUd  vero  minor  5^^ 

I>ifferentia  inter  sinum  maiorem  &  minorem  inaeguäliier  secanda  est,  servaü  -1 
Analogiü,   dt  maius  segmentum  addendum  minori  verä,   vd  ä  maiore  mimtm 
auferendtim^  vt  prodeat  (andern  Sinus  vnius  scrupuU  saUs  accuraie" 

Gemeint  ist  die  Anwendnng  der  Regala  Falsi  (Prop.  XV,  9)  fiir  dei^ 
dritten  Fall,  {a  —  x)  :  (x  —  h)  =  m  :  n.     ViiTA  giebt  a.  a.  0.  die  L5snn» 

X  =  h  -{ i —  (a  —  b)      oder      =  a i —  (a  —  b\ 

'm  +  ti^  ^  m-\-  n^  ' 

Dieses  Verfahren  würde  für  sin  1'  den  Wert  0,000  290  888  204  3  lieferii 
während  Vi^ta  sowohl  auf  S.  67,  als  auch  auf  S.  15  an  letzter  Stelle  eine 
6  angiebt. 

Schlulswort  auf  S.  67: 

Porro  Sinu  vnius  scrupuU  satis  accurafe  iia  comparafo,  comparantur  ex 
Änalog^ia  la  ifispectiortis  Xlllae  sinus  duorum  scrupulorum,  ddnde  quatvor, 
pöst  och,  sexdecim,  dt  ita  coniinub  duplando.  Sinus  vero  ad  tria  scrup^ 
vcl  ex  collatione  duorum  extrcmorum  shtis  accurate  constituetur^) ,  ex  9110 
deinde  sinus  elicietur  sex  scrupulorum,  XII.  XXIV  dt  iia  deincq)s,  donee 
Canonica  serits,  pro  instituti  rationc  crnnpUatur.     Ätque  hie  esto  iandem 

Explicitus 

Univcrsalium  Inspectionum  ad  Canonem 

Mathematicum,  Liher  singularis. 


99 
29)  So  lies  für  - 


256 
30)  Gemeint  ist  wohl,  sin  3'  geniSgend  genau  aus  ^ 


m'i^ 


IL  „GIOßNALE  DE'  LETTERATI  D'ITALIA«  DI  VENEZIA 

E  U  „RACCOLTA  CALOGERl" 

COME  FONTI  PER  LA  STORIA  DELLE  MATEHATICHE  NEL  SECOLO  XYIIL 

DI 

GINO  LORIA 

QENOYA. 


Abh.  rar  atfloh.  d.  lUthaiB.   DC.  16 


I. 

n  1665  h  sommamente  memorabile  nella  storia  letteraria  del  mondo 
intero  perche  in  quell'  anno  comincio  ad  uscire  in  Parigi  il  Journal  des 
Savants^  che  e  la  prima  pubblicazione  periodica  ayente  per  compito  di  render 
conto  delle  nuove  prodnzioni  dell'  nmano  ingegno.  Quäle  sia  stato  il  snc- 
cesso  di  tale  impresa,  magnanima  ed  ardita  ad  an  tempo,  quäle  sia  stata 
V  accoglienza  che  ricevette,  quäle  e  quanta  la  influenza  che  esercitö,  non  e 
qui  luogo  per  descrivere.  Lnporta  inyece  di  notare  che  1'  Italia  non  rimase 
spettatrice  indifferente  a  quella  pubblicazione  di  nuoYO  genere^).  Ed  invero 
a  parüre  dal  1668  e  sino  al  1681  V  Abate  Francesco  Nazari  pubblico  a 
Borna  un  Gi/omaU  d€  Letterati^  il  quäle  e  in  parte  una  traduzione  di  quelle 
francese,  ma  in  parte  h  una  raccolta  di  notizie  sopra  lavori  italiani  non 
menzionate  in  quelle.  L'  esempio  del  Nazari  venne  ben  tosto  seguito  in 
varie  parti  deUa  penisola,  onde  sono  numerose  le  pubblicazioni  italiane*  di 
quell'  epoca  tagliate  sul  modello  del  Jourtuü  des  Savants:  cosi  Pietro 
MoRETn  e  Francesco  Miletti  diressero  dal  1671  al  1689  il  Oiomale 
Veneto,  il  Padre  Boberti  e  V  Abate  Bacchini  diedero  fuori  dal  1686  al 
1689  il  Oiamale  di  Parma^  al  quäle  seguirono  dal  1692  al  1697  il  Giar- 
nale  di  Modena,  dal  1688  al  1689  il  Giomale  di  Fenrara,  nel  1696  a 
Yenezia  la  Qaüeria  di  Minerva  e  uel  1701  il  Oran  Griarnäle  di  ForU. 

Questi  giomali  —  la  cui  imperfezione  puo  misurarsi  dalla  vita  effimera 
che  ebbero  —  seryirono,  se  non  ad  altro,  a  porre  in  piena  luce  la  somma 
nülita  di  un'  opera  periodica  contenente  dei  resoconti  fedeli  intomo  alle 
opere  stampate  in  Italia,  senza  escludere  quelle  investigazioni  parziali  troppo 
brevi  per  dare  argomento  ad  un  intero  libro.  Onde  non  deve  recare  mera- 
viglia  se  ad  un  letterato  di  alta  e  ben  acquistata  rinomanza,  quäl  era 
Apostolo  Zeno,  abbia  sorriso  1'  idea  di  porsi  alla  testa  di  un'  impresa  di 
tal  fatta,  se  non  abbia  penato  a  trovare  nel  fratello  suo  Pier  Catarino 
Zbko  e  in  Scipione  Maffei,  Antonio  Yallisneri  e  Giovanni  Poleni  quattro 
coadiutori  dotti,  intelligenti,   yolonterosi,  e  nel  Granduca  di  Toscana  un 

1)  liO  si  potrebbe  credere  osserrando  che,  fra  i  periodici  analoghi  al  Jottmäl 
det  Sanants  ricordati  da  M.  Caivtor,  (Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik, 
T.  m,  p.  g)y  non  se  ne  trova  alcuno  di  patria  italiana. 

16* 


244  Gino  Loria: 

protettore  augusto  e  potente.  Per  tal  modo  pote  venir  pabblicato  a  Venezia 
nel  1710  il  primo  volume  del  GiomcUe  de'  Meraä  d'  Italia.  La  piaota 
novella  niise  bentosto  salde  radici,  tanto  che  poti  soprayvivere  al  morbo, 
che  sembraya  dovesse  tomarle  fatale,  da  cui  venne  colpita  nel  1718,  per 
la  chiamata  a  Vienna  di  colui  che  avevala  seminata  e  con  tanto  amore 
coltivata.  Nella  direzione  del  Giamale  ad  Apostolo  segui  Pier  Catakixo 
Zeno;  tale  passaggio  segna  nn'  indiscntibile  decadimento  di  quel  periodico: 
tnttavia  esso  poih  ragginngere  il  trentasettesimo  voliime,  senza  cont&re 
i  tre,  di  eguale  formato,  intitolati  Supplementi  al  Gi&male  d<f  leiteraii  d*  Italia^ 
che  apparrero  sotto  la  protezione  del  Dnca  di  Parma  Francesco  I,  per 
cnra  del  Conte  Oirolamo  Leoni  e  coli'  ajnto  di  Jacopo  Hiccati^.  La 
malattia  e  poi  le  morte  di  Pier  Catarino  fecero  interrompere  la  pubbli- 
cazione  del  Criamale]  piu  tardi  Teditore  rinsci  a  meitere  insieme  nn 
XXXVIII  tomo,  a  cni  poi  ne  vennero  aggiunti  due  altri:  ma  il  1740  segsa 
la  morte  deir  ottima  effemeride  in  cui  per  trent'  anni  si  e  fedelmente  riflessa 
la  vita  intelletaale  d'  Italia. 

Dnrante  il  periodo  di  decadenza  e  dopo  che  si  spense  il  CHormüe  df 
letterati  d*  Itdlia,  altre  opere  congeneri  vennero  concepite  ed  effettoate  in 
ogni  parte  del  bei  paese,  a  Yenezia  come  a  Firenze,  a  Roma  non  meno 
che  a  Palermo.  Non  importa  V  ennmerarle  tatte,  ma  bisogna  citane 
almeno  tre.  üna  e  intitolata  Osservazioni  letterarie  che  possono  servire  ö\ 
continuazione  al  Otomale  d€  Letter ati  d*  Itaiia;  e  ona  pubblicazione  in  sei 
tomi  fatta  de  Scipione  Maffei,  sotto  gli  auspici  dell'  imperatore  Carlo  AT 
durante  gli  anni  1737  — 1740.  üna  seconda  e  la  Minerva,  o  sia  Nuofv 
Giornale  d€  letterati  d'  Italia,  nscita  a  Venezia  del  1762  al  1766  sotto  la 
protezione  di  Ferdikando  IV,  re  delle  Due  Sicilie:  essende  questo  periodico 
ed  il  precedente  informati  in  massima  ai  concetti  che  Apostolo  Zeno  pose 
a  base  di  quello  da  lui  fondato,  devono  considerarsi  come  an  natanüe  pro- 
seguimento  di  questo.  Simile  ufficio,  rispetto  ai  Supplementi  pin  sopra 
citati,  fa  la  RaccoUa  di  opuscoli  scienHfiei  e  fUologici  compilati  daANOioLo 
Calogera:  di  questa  coUezione,  importantissima  per  la  storia  scieutifica 
dell'  Italia,  mi  occuperö  nella  seconda  parte  del  presente  articolo.  Qui  osserto 
che  il  Giornale  d€  letterati  d'  Itulia  con  i  Supplementi,  le  Osservazioni  del 
Maffei  e  la  Minerva  formano  un  tutto  che  i  matematici  conoscono  forse 
unicamente  perch^  accolsero  alcuni  scritti  di  Jacopo  Biccati  e  quegli 
4^8chediasmi  matematici»  che  trassero  dall'  oscurita  il  Conte  di  Fagnaxo 
e  lo  posero   in   prima  linea  fra  i  dotti  dell'  eta  che  fu  sua.     Ms,  poicb^ 


2)  tl  questi  la  «persona  dotta  a  meraviglia»  con  cui  il  oompilaiore  dice 
d'essersi  consigliato. 


li  cGiornale  de*  Lettcraii  dltalia»  di  Venezia  e  la  «Raccolta  Calogerä».    245 

quegli  articoli  vennero  ripnbblicati  nella  raccolta  delle  Opere  del  Ricgati 
e  questi  schediasmi  sono  mcigna  pars  delle  famose  Produzioni  tnatemcUiche, 
nessano,  o  quasi,  pensa  oggi  di  ricorrere  ai  simpatici  volumetti  in  - 18. 
che  per  primi  li  accolsero.  Da  ci6  deriva  che  alcune  altre  non  trascnrabili 
iDvestigasioiii,  pnbblicate  nel  Qiomale  del  qnale  ci  stiamo  occnpando, 
passarono  inosserrate  anche  ai  piu  diligenti  ctdtori  della  storia  delle  scienze 
esatte.     Per  rimediare  a  tal  fatto  deplorevole,  presentiamo  qni  il  completo 

Inäice  delle  memorie  matematiche  contenute  nel 
cGiornale  d€  letterati  d*  Iial%a%  di  Venezia. 

1.  Metodo  d'  investigare  V  Orbite  de'  Pianeti,  nell'  ipotesi  che  le  forze 
central!  o  pure  le  gravita  degli  stessi  Pianeti  sono  in  ragione  reciproca  de' 
qoadrati  delle  distanze,  che  i  medesimi  tengon  dal  Centro,  a  cui  si  dirigono 
le  forze  stesse.  Del  Sig.  6io.  Jacopo  Ermanno'),  Pnbblico  Professore  di 
Matematica  nello  Studio  di  Padova.     T.  11,  1710,  p.  447—467. 

2.  Metodo  di  trovare  V  orbita,  che  descrivono  i  Pianeti,  qualunque 
sia  la  loro  forza  chiamata  Centrale,  con  una  regola  per  la  detta  forza  dentro 
un  mezzo  di  Variante  densita,  che  resista  al  mobile.  Del  Sig.  Giuseppe 
Verzaglia,  da  Cesena.     T.  ni,  1710,  p.  495 — 510. 

3.  Tre  problemi  Geometrici  con  un  Sistema  sopra  la  Gravita^  proposti 
dal  Sig.  GiovAMNi  Ceya,  e  sciolü  dal  Sig.  Bernardino  Zendrini.  T.  IV, 
1710,  p.  316—340. 

4.  Coniinuazione  dell'  Articolo  XY  del  Tom.  II  di  questo  Giomale; 
0Y?ero:  Soluzione  generale  del  Problema  inverso  delle  Forze  centrali,  per 
via  del  metodo  ivi  proposto,  e  solo  applicato  ad  un'  ipotesi  particolare. 
Con  r  aggiunta  d'  una  Soluzione  d'  un'  (sie)  altro  Problema  piu  generale 
toccante  le  forze  requisite  ad  un  mobile  per  deacrivere  in  un  mezzo 
fluide  e  resistente  (qual  sia  la  legge  delle  resistenze)  una  data  Curva. 
Del  Sig.  Gig.  Jacopo  Ermanmg,  Pubblico  Professore  di  Matematiche  nello 
Studio  di  Padova.     T.  V,  1711,  p.  312—335. 

5.  Risiretto  di  una  lettera  del  Sig.  Varigngn  dell'  Accademia  Regia 
delle  Scienze  di  Parigi,  ad  un  suo  Amico  in  Italia,  circa  la  controversia 
deipitt  (*'  Infiniti]  tradotto  dal  Prancese  in  Italiano.  T.  V,  1711,  p.  336—341. 

6.  Breve  aggiunta  agli  articoli  XV  e  XVI  del  Secondo,  e  Quinto 
Tome  del  Giomale  de'  letterati  d'  Italia.  Del  Sig.  Jacopo  Ermanno. 
T.  VI,  1711. 

7.  Estratto  di  una  Lettera  del  P.  Guido  Granoi  al  sig.  N.  N.  in 
nsposta   di    quella    del    Sig.    Varigngn    inserita    nel    Giornale   precedente 

8)  HnicANM. 


246  Gino  Loria: 

Articolo  XVII   circa   la  controversia  dei   Piü  che  InfinüL     T.  VI,  1711, 
p.  308—314. 

8.  Considerazioni  sopra  1'  articolo  XVI  del  Tomo  V  del  Giomale  de* 
Letterati,  nel  qnale  si  tratta  del  Problema  inverso  generale  delle  föne 
centrali  nel  voto,  e  di  questo  in  un  mezzo  floido,  e  resistente,  presapposu 
qualsia  legge  delle  resistenze.  Del  Sig.  Giuseppe  Vebzaqlia,  da  Ceseio. 
T.  VI,  1711,  p.  411—440. 

9.  Biflessioni  geometriche  in  difesa  dell'  Articolo  XVI  del  T.  V  del 
Giomale  de'  Letterati,  intomo  ai  Problem!  delle  forze  Centrali  nel  voto, 
e  nel  pleno,  contro  Y  impugnazioni  fattene  nell'  art  XI  del  tomo  sesto 
del  Giomale.  Del  Sig:  Jacopo  Ermanno,  Pnbbl.  Prof.  di  Matematiche  nello 
Studio  di  Padova.     T.  VII,  1712,  p.  173—229. 

10.  Modo  generale  di  ritrovare  la  linea  di  refrazione,  che  viene  d&* 
corpi  celesti  alla  superficie  della  terra  in  qualsivoglia  supposizione  di  den- 
Sita  Variante  dell'  aria,  supposta  pure  qaesta  di  figora  sferica  intomo  all» 
terra,  con  la  legge  della  forza  centrale,  che  obbliga  il  raggio  a  descriTere 
la  stessa  linea  di  refrazione.  Del  Sig.  Bernardino  Zenorinl  T.  VII,  1712, 
p.  136—166. 

11.  Soluzione  generale  del  Problema  inverso  intomo  a'  raggi  oscnla- 
tori,  cioe,  data  in  quäl  si  sia  maniera  per  V  ordinata  V  espressione  del 
raggio  osculatore,  determinar  la  curva,  a  cui  convenga  una  tal  espressiooe. 
Del  Sig.  Conte  Jacopo  Riccato.  T.  XI  p.  204—220.  [Riprodotto  in  0.  B. 
(ss  Opere  dd  Conte  Jacopo  Biccati  Nobile  Trevigiano,  Lncca  1761 — 1765), 
T.  m,  p.  1—8.] 

12.  Metodo  faßüe  di  determinare  la  legge  delle  forze  Centrali,  e  con- 
tinuamente  applicate  al  mobile,  perche  questo  in  vigore  di  quelle  forte 
descriva  nel  pleno  qualunque  curva  data;  con  alcune  oosiderazioni  impor- 
tanti  sopra  la  natura  delle  fonse  continuamente  applicate.  Del  Sig.  Jacopo 
Ermanno,  Pubblico  Professore  delle  Matematiche  nello  Studio  di  Padon. 
T.  Xm,  1713,  p.  321—362. 

13.  Proposizione,  e  Soluzione  di  due  Problemi  Meccanici  ultimamente 
pubbUcati.     T.  XV,  1713,  p.  82. 

§  1.  Problemi  Meccanici  proposti  a'  Matematici  d'  Italia  da  Pret« 
Studupesi  Canonico  Perugino  p.  83 — 84. 

§  2.  Soluzione  dei  suddetti  Problemi  Meccanici,  data  dal  P.  Maestro 
D.  Guido  Grandi,  Camaldolese,  Professore  Ordinario  di  Filosofia  nello  studio 
di  Pisa  ecc.  p.  84—87. 

§  3.  Soluzione  dei  suddetti  Problemi  Meccanici,  data  dal  Sig.  Givuo 
Carlo  de'  Pagnani,  Patrizio  di  Sinigaglia  p.  87 — 96. 

14.  Breve  schediasma  geometrico  per  la  costruzione  di  una  gran  parte 


n  cGiornale  de*  Letterati  dltalia»  di  Veneada  e  la  «Raccolta  Caloger^».    247 

dell'  eqnazioni  differenziali  del  primo  grado.     Del  Big.  Dottor  Oabbriello 
Manfredi.     T.  XVm,  1714,  p.  309—315. 

15.  Yita  di  Fedebico  Cohmakdimo  scritta  da  Monsignor  Bernardino 
BAI.DI,  da  ürbino,  Abate  di  6uasta)Ia.     T.  XIX,  1714,  p.  140—185. 

16.  Bisposta  ad  alcune  opposizioni  fatte  dal  Sig.  Giovanni  Bernulli 
{sk)  alla  solozione  del  Problema  inverso  delle  forze  centrali  nel  yoto  in 
ragione  redprooa  de'  quadrati  delle  distanze,  pubblicata  dal  Sig.  Jacopo 
Ebmanko  nel  seoondo  Tomo  del  Giomale  de'  Letterati  d'  Italia,  Art.  XIV. 
Del  Sig.  Gonte  Jacopo  Riccato.  T.  XIX,  1714,  p.  185—190.  [V.  anche 
0.  Ä   T.  m,  p.  20—29.] 

17.  Problema  proposto  dal  Sig.  Giulio  Carlo  de'  Fagnani.     T.  XIX, 

1714,  p.  438. 

18.  Annotazioni  del  Sig.  Niccolö  Bernulli,  Nipote  del  Sig.  Giovanni, 
sopra  lo  Schediasma  del  Sig.  Conte  Jacopo  Riccato  pnbblicato  nel  Tomo 
decimonono  del  Giomale  de'  Letterati  d'  Italia,  Articolo  VH.  Coli'  annessa 
solnzione  propria  del  Problema  inverso  delle  forze  centrali  agenti  in  un 
mezzo  resistente,  dedotta  da  principj  medesimi  del  Signor  Newton.    T.  XX, 

1715,  p.  317—351.     [V.  anche  0.  JB.    T.  m,  p.  29— 42.] 

19.  Awertimento  sopra  il  Problema  proposto  a'  Greometri  d'  Italia^) 
T.  XXI,  1715,  p.  422. 

20.  Controrisposta  alle  Annotazioni  del  Sig.  Niccolo  Bernulli  inse- 
rite  nel  XX  Giomale  d'  Italia  Art.  XIII  con  un  metodo  di  separar  le  in- 
determinate  nell'  eqoazioni  differenziali,  e  con  aJcane  riflessioni  intomo  le 
föne  centrali,  tanto  nel  voto,  qnanto  nel  pleno.  Del  Sig.  Co.  Jacopo  Riccato. 
T.  XXI,  1715,  p.  304—354.   [0.  JB.,  T.  HI,  p.  42—59.]*^*»)  (vedi  a  p.  273). 

21.  Nuovo  Metodo  per  rettificare  la  differenza  di  dne  Arcbi  (imo  del 
qoali  e  dato)  in  infinite  specie  di  Parabole  irretificabili,  con  la  Soluzione 
del  Problema  proposto  nel  XIX  di  questo  Giomale,  p.  438,  del  Sig.  Giulio 
Carlo  de*  Pagnani.  T.  XXII,  1715,  p.  229—262.  [Riprodotto  in  P.  M. 
{^ProdugUmi  Matmaüche,  Pesaro,  1750),  T.  H,  p.  317—330.] 

22.  Solozione  del  Problema  proposto  nel  Tomo  XX  del  Giomale  de' 
Letterati  d'  Italia,  Artic.  XHI  ove,  posto  per  centro  delle  forze  centripete 
il  termine  d'  nna  dritta  linea,  dimandasi  in  quäl  ipotesi  di  forze  i  tempi 
delle  discese,  dopo  la  quiete  di  oiasoim  pnnto  di  essa  linea,  fino  al  centro, 

4)  n  problema  fu  proposto  da  Niccolo  Bbbnodlli  nella  chiusa  dell*  articolo 
&.  18.  La  direzione  del  Giobnalb  aTverte  di  averne  riceynte  parecchie  solozioni, 
che  DOn  pabblica  perchä  la  questione  h  assai  facile  ed  h  risoluta  da  una  parabola 
cnViea.  Tnttavia  a  qnel  problema  sono  consacrate  le  memorie  contrassegnate,  nel 
preiente  Indice,  con  i  numeri  20  e  22. 


248  Gino  Loria: 

sieno  proporzionali  alle  forze  corriapondenti  a'   principj   delle  diaoese.    Del 
Sig.  Sebastiano  Checcozzi,  Vicentino.     T.  XXIII,  1716,  p.  163—181. 

23.  Bisposta  del  Sig.  Nicgolo  Bernulli,  Nipote  del  Sig.  Giovasm,  a 
quelle  cose  che  11  Sig.  Conie  Jacopo  Biccato  inseii  nel  T.  XXI  del  Gior- 
nale  de'  Letterati  d'  Italia  aU'  artic.  Vin.  T.  XXIV,  1716,  p.  105-139. 
[0.  JJ.,  T.  m,  p.  69  -  67.] 

24.  Giunta  allo  Schediasma,  inseiito  nel  XXII  tomo  del  Giornale,  so- 
pra  la  maniera  di  rettificare,  la  dififerenza  dl  due  Archi  in  infinite  specie 
di  Cnrve  Paraboliche,  con  una  nuova  proprieta  della  Parabola  d'  Abcbimede, 
ec.  Del  Sig.  Giulio  Carlo  de'  Paonani.  T.  XXIV,  1716,  p.  362-875. 
[V.  anche  P.  Jf.,  T.  II,  p.  331—335.] 

25.  Teorema  da  cni  si  deduce  una  nuova  misura  degli  Archi  EUittici, 
Iperbolici  e  Cicloidali.  Del  Sig.  Giulio  Carlo  de'  Pagnani.  T.  XX\7. 
p.  266—279.     [P.M.,  T.  ü,  p.  336—340.] 

26.  Teorema  nuovo  concemente  il  Calcolo  Integrale,  di  Giuuo  Cabl<j 
de'  Paonani.     T.  XXVII,  1717,  p.  395—400. 

27.  Osserrazione  intomo  al  Teorema  proposto  dal  Sig.  Giuuo  Carlo 
de'  Paonani  nell'  art  XI  del  Tomo  XXVII  del  Giornale  de'  Leiterati 
d'Italia.  Del  Sig.  Niocolo  Bernulli,  Pubblico  Professore  di  Mattemafcica 
nello  Studio  di  Padova.     T.  XXIX,  1718,  p.  150—163. 

28.  Dimostrazione  Analitica  di  un  teorema  il  quäl  serye  per  la  soln* 
zione  del  Problema  proposto  nel  T.  XX  del  Giornale  de'  Letterati  d'  Itaüa 
all'  Art.  Xni.  Del  Sig.  Nicgolö  Bernulli,  Pubblico  Professore  di  Matte- 
matica  nello  Studio  di  Padova.     T.  XXIX,  1718,  p.  163—171. 

29 — 30.  Metodo  per  misurare  la  Lemniscata,  del  Sig.  Giuuo  Cablo 
de'  Paonani.  Schediasma  Primo,  T.  XXIX,  1718,  p.  258—269.  Schediasma 
Secondo,  T.  XXX,  1718,  p.  87—11.  [P.  M.  T.  11,  p.  343-348  e  356-368.] 

31.  Difesa  dell'  Art  XI  del  Tomo  XXVII  di  questo  Giornale,  del  Sig. 
Giulio  Carlo  de'  Paonani.     T.  XXXI,  1718,  p.  65—82. 

32.  Compimento  delle  Soluzioni  analitiche  del  problema  proposto  nel 
tomo  XX  articolo  XIII,  del  nostro  Giornale,  dato  da'  Signori  Niccolo 
Bernulli  e  Bastiano  Checcozzi.     T.  XXXIU^  1721,  p.  174 — 198. 

33.  Metodo  per  trovare  nuove  misure  negli  arohi  della  parabola  cnbica 
primaria,  del  Sig.  Conte  Giulio  Carlo  de'  Paonani,  T.  XXXIV,  1722, 
p.  148—158.     [P.  M.  T.  n,  p.  369—374.] 

34.  Supplemente  al  Quinto  Libro  di  Euclide,  del  sig.  Co:  Giulio  Carlo 
de'  Paonanl  T.  XXX Vin,  1726—27,  p.  390—304.  [P.  M.,  T.  ü, 
p.  423—464.]^) 

6)  II  Faqnako  h  ritoroato  sallo  stesso  tema  con  maggior  larghezsa  nella  Temo 
generale  delle  proparziani  geometriche,  che  si  legge  in  P.  M.  T.  I,  p.  1—422. 


II  «Giornale  de*  Letiei-ati  dltalia»  di  Yenezia  e  la  «Raccolta  Calogerä».    249 

35.  Difesa  dell'  Aiticolo  VII  del  Tomo  XXXI  del  Giomale  de'  Lette- 
rati d'  Italia  in  risposta  alla  Dissertazione  pubblicata  dal  Sig.  Niccolo 
Bernulli  negli  Atti  di  Lipsia  delF  anno  1720  nel  Mese  di  Luglio,  con  la 
solnzione  d'  un  problema  spettante  al  Calcolo  Integrale.  Del  Sig.  Conte 
GiüLio  Cablo  db'  Faghaml  Supplementi,  T.  I,  1722,  p.  157 — 200.  [P.  M,, 
T.  I,  p.  275—282.] 

36.  Della  proporzione,  che  passa  fra  le  affezioni  sensibili,  e  la  forza 
degli  obbietti  esistenti,  da  cui  vengono  prodotte:  Dissertazione  fisico-mate- 
raatica  del  Sig.  Conte  Jacopo  Riccato.  Supplementi,  T.1, 1722,  p.  114 — 141. 
[0.  B.,  T.  m,  p.  287—297.] 

37.  Solnzione  d'  an  problema  appartenente  al  Calcolo  Integrale:  Del 
Sig.  Gabbriello  Manfredi  Pubblico  Professore  di  Analisi  nell'  üniversita 
di  Bologna.     Supplementi,  T.  II,  1722,  p.  241—269. 

38.  Sopra  le  leggi  delle  resistenze,  con  le  quali  i  mezzi  fluidi  ritardano 
il  moto  de'  corpi  solidi.  Dissertazione  Fisico-Matematica  del  Sig.  Co :  Jacopo 
Riccato.   Supplementi,  T.  II,  1722,  p.  313—343.   [0.  B.,  T.  HI,  p.  376—386.] 

39.  Due  Soluzioni  d'  un  problema  spettante  al  Calcolo  Integrale. 
Dissertazione  del  Signor  Conte  Giulio  Carlo  de'  Fagnani,  Supplementi, 
T.  III,  1726,  p.  181—216.     [P.  M„  T.  I,  p.  293—307.] 

40.  Nnova,  e  generale  proprieta  de'  Poligoni,  del  Sig.  Co:  Giulio  Carlo 
de'  Pagnahi,  T.  XXXVI,  1724,  p.  230—240.    [P.  M„  T.  II,  p.  201—209.] 

Lo  spazio  di  cui  disponiamo  non  consente  che  noi  ci  addentriamo  in 
una  completa  analisi  di  queste  memorie,  non  pocbe  delle  quali  hanno  uno 
spiccato  carattere  polemico.  Vogliamo  per&  fare  un  eccezione  a  favore  di 
dae  di  coloro  che  coUaborarono  al  OiomcUe  de'  letterati  d'  Italia, 

La  prima  conceiTie  Bernardino  Baldi,  il  quäle  ha  somministrata  (v. 
la  memoria  n.  15  dell'  Indicc  precedente)  la  biografia  piu  completa  e  parti- 
colareggiata  a  noi  nota  di  Federico  Commakdino,  erudito  assai  benemerito 
a  cui  il  Libri  aveva  dedicate  poche  linee  della  sua  storia^);  tale  biografia 
appartiene  alla  Serie  di  Vite  inedite  di  matematici  itaHiani  scritte  da  Ber- 
KARDiNo  Baldi,  di  cui  alcuni  elementi  vennero  pubblicati  dal  Narducci^), 
e  de?e  annoverarsi  fra  le  migliori,  forse  perche  ha  per  soggetto  uno  che 
fa  compatriotta  e  contemporaneo  delF  autore.  La  seconda  eccezione  e  a 
beneficio  di  Gabbriello  Manfredi,  distinto  analista,  non  isfaggito  all'  atten- 
zione  del  Montücla*)  e   del  Pogoendorpp*),  ma  che  e  in  pericolo  di  venire 

C)  Histoire  des  sdences  math^atiques  en  Italie,  T.  UI  (Paris  1840)  p.  118—121. 

7)  Bülkitino  di  Bibliografia  ecc,,  T.  XIX,  p.  885—640  e  T.  XX,  p.  197—308. 

8)  Histoire  des  Mathematiques,  Nouvelle  Edition,  T.  II,  p.  198,  T.  lU,  p.  135 
e  155.  9)  Biogr.'lit  Handwörterbuch,  T.  II,  p.  33. 


250  Gino  Loria: 

travolto  nel  gran  mare  delF  oblio,  non  avendo  otienaio  nn  posto  nelle 
Vorlesungen  di  M.  Cantor.  Di  lui  troviamo  nn  articolo  nel  GiomaU  de 
letterati  (▼.  n.  14  dell'  Indice)  ed  nno  nei  SupplemenH  (y.  n.  36).  Nel 
primo  si  legge  la  integrazione  delle  equazioni  differenziali  di  I  ordine  e 
primo  grado  omogenee  fra  dne  variabili  x^  y  mediante  la   consneta  sosd- 

tuzione  f  =  ~;  ora  tale  risnltato  e  tale  prooedimento  si  sogliono^^)  attri- 

buire  a  Giovamni  Bernoulli,  il  qnale  ne  fece  nna  fogace  menzione  negli 
Ada  eruditorum  deir  anno  1725  e  li  espose  poi  V  anno  segaente^^).  Sic- 
come  d'  altronde  V  articolo  del  Makfredi  fu  stampato  nel  1714,  coa  —  at- 
tenendoci  alla  data  di  pubblicazione  come  unico  criterio  per  risolTere  le 
questiooi  di  priorita  —  sembra  inevitabile  la  conclusione:  V  integrasiont 
delle  equazioni  differenziali  omogenee  di  I  ordine  con  due  varia- 
bili appartiene  a  G.  Manfredi.  n  secondo  lavoro  del  Manfredi  risolfe 
una  qnestione  fondamentale  di  calcolo  integrale  che  Brock  Tatlob  KJtn 
proposta  e  che  V  Hermann  aveva  toccata.  Qnesti,  negli  Acta  Enidii(mim 
deir  Agosto  1719^'),  aveva  pubblicata  la  proposizione  affermante  che  „qnalsia 
trinomio  della  forma  a?^  -{-  2nax^  '^'  a^  e  decomponibile  in  fatton  qua- 
dratici,  purche  m  sia  una  potenza  di  2"^  da  ciö  egli  dedusse  che,  in  tale 
ipotesi,  r  integrale 


f: 


dx 


puo  esprimersi  mediante  archi  di  circolo  e  di  iperbole;  orbene  nell'  artieolo 
citato  del  Manfredi  (articolo  che  porta  la  data  6  Agosto  1620)  e  dimosttato 
che,  in  generale,  di  analoga  espressione  e  snscettibile  ogni  integrale  della 
forma 


qualunqne  siano  gY  interi  jp,  q^  r,  f,  u.  Tale  estensione  e  degna  di  nota, 
non  soltanto  perche  risolve  completamente  la  qaestione  proposta  dal  TAYiiOR, 
ma  anche  perche  libera  V  enunciato  della  stessa  da  nna  condizione  restrit- 
tiva  snperflua.  AI  citato  risnltato  il  Manfredi  giunge  mostrando  prima  come 
si  possano  decomporre  in  fattori  lineari  o  qnadratici  tntti  i  binomi  del  tipo 
jr**  4-  a"*  qualonque  sia  Tintero  m,  e  poi  trasformando  V  integrale  precedente 

10)  Camtok,  VorJemngen,  T.  m,  p.  460e  p.  581. 

in  JH  inkgrütionOms  oeqHtiHomm  differenUaUmm  (Comment  Acad.  Petnp- 
T  1,  17:^  oppure  Jon.  Bbkkovlu,  Operm  ommia,  T.  m,  1742,  p.  108). 
1:2"^  V.  rarticolo  Sointio  dmorum  prMemuiium  etc. 


n  cGiornale  de*  Letterati  dltalia>  di  Venezia  e  la  «Raocolta  Calogerä>.     251 

mediante  la  sostitnzione  x  <»  ^9.  Qnesto  aiüficio  e  tattodi  largamente 
applicato  e  quella  decomposizione  — '  benche  avrebbe  bisogno  di  qualche 
osseryazione  complementare  che  ponesse  in  luce  F  esiatenza  di  radici  reali 
nelle  eqnazioni  ausiliari  invocate  —  merita  di  Yenire  apprezzata  da  chiun- 
que  abbia  presente  lo  stato  della  teoria  delle  eqnazioni  in  principio  del 
SecXVin. 

Qneaie  dne  prodnzioni  matematiche  dimostrano  che  il  Manfbedi  seppe 
mantenere  le  proxaesse  che  aveva  date  qaando  neJ  1707  aveya  pubblicato 
un*  opera^  —  la  prima  std  calcolo  integrale  che  abbia  visto    la  Ince  in 
Italia  —  colla  qnale  egli  intese  di  sopperire  alla  seconda  parte  dell'  Ana- 
lyse des  infiniment^  petits  che  la  morte  vieto  al  Marchese  de  l'  HÖpital  di 
pnbblicare.     Qneir  opera  non  ha  oggi  la  notorieta  di  cni  ayrebbe  diritto,  e 
poiche  e  ormai  una  vera  rarita  bibliografica^^),  cosi  non  mi  si  dara  torto  di 
dedicare  qualche  linea  ad  espome  il  piano  e  la  materia.  ^^^^^  (vedi  a  p.  273). 
Essa  Consta  di  sei  sezioni.   La  I  deye    ntendersi  come  ona  introdnzione, 
ayendo  essa  per  intento  di  insegnare  come  si  ottenga  1'  equazione  diffe- 
renziale  (di  I  ordine  sempre)   a  cni  soddisfa  ona  cnrya  soggetta  a  certe 
condizioni  geometriche;  tale  risultato  si  consegue  serrendosi  delle  espressioni 
che  hanno  la  snttangente  e  la  sunnormale,  la  tangente  e  la  normale,  1'  area 
ecc.  di  qualsia  cnira,  non  soltanto  nel  caso  in  cni  questa  si  riferisca  ad  un 
sistema  cartesiano  ortogonale,  ma  (lo  si  noti)  anche   qaando  si  prendano 
come  coordinate  di  nn  ponto  di  un  piano  la  lunghezza  della  normale  con- 
dotta  da  esse  ad  una  data  curva  (considerata  come  asse)  e  Y  aroo  della 
stessa  compreso  fra  il  piede   di  quella  normale  ed  un*  origine  fissa^^);  un 
gran  numero    di   esempi   bene   scelti   illustrano  il  procedimento   generale. 
Altrettanti  se  ne  troyano  nella  11  Sezione,  ove  V  autore  entra  nel  tema 
scelto,  trattando  della  costruzione  delle  eqnazioni   differenziali  di  I  ordine 
e  I  grado  in  cui  le  due  yariabili  sono  separate.    Della  stessa  natura  sono 
le  eqnazioni  della  forma  dy  *-  f{x)dx  alle  quali  e  dedicata  la  m  Sezione, 


13)  De  eorutructüme  aeguationum  difTerefUiaUum  primi   grcLdm   (Bononiae 
MDCCVn).    Cfr.  GiomaU  de  UUerati  d'IUüia.    T.I,  1710,  p.  891-411. 

14)  Soltanto  dopo  reiterate  ricerche  io  ne  trovai  una  copia,  senza  tavole, 
nella  Biblioteca  Nasionale  di  Firenze. 

16)  Tale  caso  speciale  delle  coordinate  in  generale  coDcepite  da  Lkibniz 
(ef.  Cahtob,  Vorlesungen,  T.  DI,  p.  204),  appartiene  al  Manfbedi?  Altri  risponda. 
Io  noto  che,  in  qaesto  sistema  di  coordinate,  come  sattangente  si  aasume  il 
wgmento  della  tangente  all*  asse  compreso  fra  il  relatiro  ponto  di  contatto  e  la  sua 
inteneiione  con  la  tangente  nel  pnnto  corrispondente  della  cnrva.  Per  tale 
legmento  il  Makfsbdi  da  nna  espressione  assai  semplice,  salla  cui  esattezsa  ho 
qualche  dobbio,  per  dissipare  o  confermare  il  quäle  occorrerebbe  di  avere  Botto 
occhio  la  figura  au  cui  ragionava  il  matematico  bologneae 


252  Gino  Loria: 

r  importanza  della  quäle  sta  specialmente  nelle  OBsenrazioni  esposte  dair 
auiore  sugli  esempi  da  lui  considerati.  Alle  equazioni  differenziali  di  I  or- 
dine  e  grado  superiore,  a  variabili  separate,  e  dedicata  la  segaente  sesione 
IV,  e  la  Y  a  quelle  di  I  ordine  e  I  grado,  in  cui  le  variabili  si  possono 
separare  con  semplici  operazioni  algebriche.  L'  ultima  sezione  dell'  open 
manfrediana  e  quella  di  maggior  valore,  perche  contiene  una  serie  di  arti* 
fiel  mediante  cui  si  possono  separare  le  variabili  in  certe  equazioni  diffe- 
renziali. Ecco  quali  sono  e  quali  operazioni  il  Mampbedi  suggerisce  di 
applicarvi: 

ydx — xdy^^aydy\  s'  integra  scrivendola:  ti  — =  a-^; 

ydx  —  xdyms  f{y)yäy\  s*  integra  scrivendola:  cf  —  «=  l^^l—^^^\ . 
adx^=^ydy  —  xdy\  s'  integra  colla  sostituzione  y^^a log z\ 

^-^^ —  r  equazione  data  puo 

.    zdy  —  ydz        htdz 
scnversi:  — - — =-^ —  =  —s— : 


b^'^^dy  =  &*~*  ^(x) dx  -{■  ^if  (x)y*dx\  colla  sostituzione  y  =  — ^  si  ridoce 

alla  forma  prucedente^^). 

Bastino  questi  cenni  a  dimostrare  come  a  Gabbriello  Manfredi  non 
si  possa  negare  un  bei  posto  nella  storia  del  calcolo  integrale:  egli,  in&tti, 
non  solo  determino  la  natura  analitica  di  un'  importante  classe  di  integrali,  noo 
solo  cerco  di  mettere  un  po'  d'  ordine  nelle  cognizioni  che  avevano  i  geo- 
metri  del  tempo  suo  intomo  alla  costruzione  delle  equazioni  differenziali 
di  I  ordine,  ma  suggeri  dei  metodi  per  integrare  tali  equazioni,  che,  per 
la  loro  genialita  ed  estensione,  costituiscono  un  vero  progresso  dell'  analisi 
matematica. 

Bitomiamo,  dopo  questa  digressione,  al  tema  proprio  del  presente  la- 
voro  per  osservare  che  il  GHamale  de^  letterati  d!  Itdlia  merita  di  essere 
annoverato  fra  le  fonti  preziose  a  cui  deve  attingere  lo  storico  della  mate- 
matica —  oltrech^  pei  lavori  originali,  di  cui  presentammo  V  elenco  completo, 
e  per  le  biografie  di  uomini  illustri  che  contiene  —  per  le  abbondanti  infor- 


le)  Anche  le  equazioni  analoghe  i  cui  primt  membri  aono  ydx  -^xd^ 
sono  incidentalemente  considerate  dal  noatro  antore  che  le  integra  scriresdo 
quei  primi  membri  d{xy). 

17)  I  metodi  del  Manprbdi  furono  ulteriormente  svoltt  ed  ampliati  da 
J.  RiccATi  (v.  0.  F.,  T.  I,  p.  483  e  geg.). 


n  «Gioniale  de'  LeUerati  d'ltalia»  di  Venezia  e  la  «Raccolta  Calogerä».    253 

mazioni  ivi  sparse  intomo  alle  opere  maiematiche  che  yidero  la  Ince  in  Italia 
nella  prima  meta  del  See.  XYIU,  opere  in  gran  parte  sepolte  negli  scaffali 
delle  nostre  biblioteche  e  che(al  pari  di  quella  del  Makfbbdi)  sono  in  pro- 
cinto  di  scomparire  dal  catalogo  di  quelle  che  segnano  an  passo  in  avanti 
nel  cammino  che  gnida  alla  venia.  Taccio  dei  docnmenti  ivi  analizzati 
riferentisi  ad  una  questione  dibattata  con  tenacia  e  vivacita  tra  il  celebre 
Abate  camaldoleae  Guido  Grandi  ed  Albssandro  Marchbtti,  oggi  ricordato, 
meno  come  fisico  e  matematico,  che  come  elegante  traduttore  di  Lucrezio^^); 
e  fo  rapido  cenno  di  una  macchina  aritmetica,  differente  da  quelle  di 
Pascal  e  Leibmiz,  che  il  Marchese  Giovanni  Foleni  ha  immaginata^^)  e 
di  cni  il  Criamale  riferisce  una  descrizione  diffusa  e  fedele^).  Yoglio  poi 
richiamare  V  attenzione  di  chi  legge  sulla  versione  latina^^)  eseguita  a 
Padova  degli  ilAnents  de  giomäne,  suivis  d'  un  traiU  des  logarithmes  del 
DucA  DI  BoROOGNA  (1682  — 1712)**),  il  ben  noto  discepolo  di  Pänälon, 
che  fu  padre  di  Luiai  XV.  Dalla  particolareggiata  analisi  inserita  nel 
Giomdle^)  degli  „ElemenH  geomdnci  del  Serenissimo  duca  di  Borooona, 
la  cni  morte  immatura  ha  tronche  nel  piü  bei  fiore  1'  alte  speranze  che  i 
snoi  popoli  avevano  di  lui  concepute^^  si  apprende,  fra  V  altro,  che  in  essi 
,,si  legge  una  dimostrazione  aritmetica  di  Madame  la  duchesse  du  Maine, 
perche  in  quattro  termini  proporzionali,  il  prodotto  dei  mezzi  sia  eguale 
al  prodotto  degli  estremi''.  Ecco  dunque  un  nuovo  nome  da  aggiungere  a 
quelle  dei  rappresentanti  che  il  sesso  gentile  possiede  nell'  assemblea  dei 
cnltori  delle  scienze  esatte! 

Mentre  tali  notizie  fomite  dal  G-iomale  saranno  giudicate  forse  da  ta- 
Inoo  come  oggetti  di  pura  curiosita,  altre  possiedono  un  valore  difficilmente 
reYocabile  in  dubbio,  se  non  altro  perchi  concemono  un  matematico  ormai 
dimenticato;  alludo  a  quelle  relative  alla  seguente  opera:  Ludovici  a  Bipa, 
astronamifie  ac  metereologiae  in  gymnasio  patavmo  professoris^  MisceUanea 
(Venetiisl725).  Orbene  dall'  analisi  fatta  di  esse  nel  Criomäle  d^leUeraä^) 
apprendiamo   come  nella  MisceUanea  siano  contenute  delle  ricerche  di  cal* 


18)  Chi  desidera  notizie  su  di  lui  riccorra  all*  Elogio  del  Signore  Alesbandro 
Marchftti  in  GiornäU  de*  Letterati  d'Itdlia,  T.  XXI,  1716,  p.  213—260. 

19)  loAHHis  PoLEin  MisceUanea:  hoc  est  I  Dissertatio  de  Barometris  et  Ther- 
wmehris.  U  Machinae  Ärühmeticae,  i^qus  usus  descriptio.  m  De  Sectionibus 
Con/icis  BaraHelorum  in  SorolagOs  Solaribus  Tractaius,  Venetiit,  1709. 

20)  T.  I,  p.  381—886. 

21)  Serenissimi  Bdboundias  Dccis  Elementa  Geometrica,  ex  GctUico  sermone 
in  Latinum  iranslcUa  ad  usum  Seminarii  Patavini,  etc.    Patavii  1713. 

22)  Deir  originale  non  mi  h  nota  che  una  edizione  parigina  del  1728. 

23)  T.  XIV,  1713,  p.  293—816. 

24)  T.  XXXVn,  1726,  p.  269—272. 


254  Gino  Loria: 

colo  integrale  aventi  per  tema  gli  otto  teoremi  che  Giovakni  Bebkoulu 
ha  enunciati  nella  chinsa  della  memoria  Cla/r,  Tatlosi  maO^emaUd  angli 
Pröblema  onälyHcum,  guod  amnüms  geometris  non  angUs  prqposuU,  ^uäfm 
(Acta  erud.  lAps.,  1719,  p.  256;  oppore  Joh.  Bebnoulli,  Opera  oiwua, 
1742,  T.  n,  p.  402).  Qnesti  teoremi  fnrono  dimostrati  sin  dal  1720  h 
NicoLo,  figlio  di  OiovAMNi  Bernoulli  (y.  Acta  erud.  Lips.  1720,  p.  471; 
oppnre  Jon.  Bernoulli,  Opera  omnia,  1742,  T.  ü,  p.  419),  ende  le  di- 
mostrazioni  ordite  collo  stesso  intento  dal  Bipa  non  banne  11  pregio  dellä 
novita.  Ma  egli  ha  di  piu  osservato  che  gli  otto  integral!  di  coi  parlano  i 
teoi*emi  del  Bernoulli  sono  tatti  compresi  nel  seguente 

(^dx 


e+faß 


e+faß 


e  che  i   casi   d'  integrabilita    contemplati  dal    celebre  geometra  di  Basileä 
corrispondono  al  supporre  intero  e  positive  nno  dei  nmneri  seguenti: 

1         ^        m       »1  +  1         .        — m  —  1+^      »  +  1— a  —  «a 
n 1 ,     — ' 1,      ^?-^,     — -^^ i i- 

q  q'  q  '  «  '  « 

Tali  condizioni  sono  sufficienti,  ma  non  necessarie,  giacche  e  noto  che 

(prescindendo    dal    caso  di  n  intero),   per  1'  integrabilita  basta   sia   interri 

(ancbe  negative)  uno  dei  nmneri 

I»  +  1       m  4-  1 

— ! —       — ! n. 

q       '  q 

Tattavia  V  osservazione  del  Bipa  ha  il  sue  yalore,  perche  serve  di  ponte 
fra  le  indagini  del  Bernoulli  e  Y  antica  osservazione  di  Newton^),  che 

fa0^  (c  +  feny  de 

e  esprimibile  sotto  forma  finita  qnando  h  un  nnmere  intero  positivo; 

essa  segna  una  tappa  nella  via  che  condnsse   alla  teoria  dell'  integraziooe 
dei  differenziali  binemi. 

Le  indagini  del  Bipa  di  cni  ora  facemme  cenno,  come  quelle  del  Ma5- 
FREDi  anteriermente  schizzate,  sono  altrettante  testimonianze  dell'  Interesse 
che  prevarono  gV  Italiani  pei  nuovi  calceli,  sono  altrettanti  titoli  per 
valutare  il  centribute  che  essi  diedero  alla  costitazione  del  calcelo  integral^- 
II  non  trovare  cenno  di  tali  investigazioni  nelle  migliori  storie  delle  mate* 
matiche,  mestra  come  a  ragione  Scipione  Maffei  lamentasse  la  poca  dif- 
fnsione  che  a  suoi  tempi  avevano  in  Europa  le  opere  italiane.    „Ha  certa- 


25)  Cf.  Caktor,  Vorlesungen,  T.  III,  p.  179. 


II  «Giomale  de^  Letterati  d'Ilalia>  di  Venezia  e  la  «Raccolta  Calogerä>.    255 

mente^',  egli  acriveTa^),  „1'  Italia  di  che  prender  meraviglia  non  che  d'  in- 
centivo,  nell'  applicazion  loro  (degli  stranieri)  nelle  bell'  opere,  nell'  ntilissime 
e  dottissime  imprese:  ma  siaci  permesso  dire,  che  qnalobe  cosa  pnr  manca 
in  quelle  paiü,  doye  de'  libri  Italiani  non  si  prende  cnra.  Parrebbe  in- 
credibil  talvolta,  che  in  paesi,  dove  fin  dell'  aJtro  Emisfero  tntte  le  notizie 
abbondano,  di  molte  cose  d'  Italia  si  resti  non  di  rado  all'  oscnro.  Vi  si 
ndira  per  modo  d'  esempio  spacciar  per  nnova  osservazione,  o  dottrina,  che 
in  Italia  h  gia  trita;  yi  si  pnblicheranno  opinioni  o  distmtte  gia,  o  rese 
almeno  in  libri  Italiani  molto  ambigae,  senza  aver  di  esse  alcnn  Itune;  non 
Yi  si  conosceranno  opere  di  sommo  prezzo  in  materie,  delle  qnali  tatto  di 

si  scriye Degninsi  dtuique  qnei  bravi  e  vivaci  spiriti  di  affi&ticarsi  alcnn 

poco,  per  ben  comprendeme  (deüa  Imgua  itcdiana)  la  forza,  e  non  credano 
di  poca  cnriosita  i  nostri  libri,  ma  ci  restitaiscano  almeno  in  parte  quell' 
onore,  che  noi  facciamo  a  i  loro,  de'  quali  cosi  grand'  estimazione  giustamente 
abbiamo,  e  per  godere  i  quali  ne'  lor  natiyi  lingnaggi  non  pochi  tra  noi  ben 
impiegata  stimano  ogni  fatica.'* 

n. 

Mentre  il  CHomale  d^  letteroH  aveva  per  iscopo  precipuo  di  dare  notizie 
intomo  al  movimento  del  pensiero,  in  tutti  i  campi  ove  esplica  la  sua  at- 
tivita,  un'  altra  pubblicazione  periodica  italiana  dello  scorso  secolo  ebbe  per 
intento  di  adunare  quegli  scritti,  sopra  questioni  speciali,  che,  per  la  loro 
piccola  mole,  rischiaYano  di  andare  dispersi  e  poi  dimenticati.  Tale  Bac- 
coUa  ebbe  dunque  un  indirizzo  somigliante  a  quelle  che  possiedono  gli 
odiemi  Atti  accademici;  anzi  1'  importanza  di  essa  proviene  in  massima 
parte  appunto  dall'  essere  sorta  in  un'  epoca  in  cui,  al  di  qua  delle  Alpi, 
Qon  erasi  ancora  cominciato  a  stampare  regolarmente  i  lavori  dei  yari  so- 
dalizi  sdentifici;  si  pu6  perfino  asserire  che  fu  il  successo  da  cui  essa  Tenne 
coronata  che  persuase  dell'  opportunita  delle  pubblicazione  di  questi^*^.  E  non 
deve  essere  cagione  di  alcuna  meraviglia  il  constatare  che  essa  declini,  sino  a 
perdere  qualunque  yalore  scientifico,  quando  la  Corporazione  fondata  a  Torino 
da  Lagrange,  la  Societa  Italiana  delle  Scienze,  le  Accademie  di  Bologna,  Siena 
e  Kapoli,  nonche  le  altre  associazioni  congeneri,  cominciarono  a  dar  fuori 


86)  OnervoBumi  letterarie  che  possano  servir  di  cantinuazione  cd  Giomale  de' 
leUerati  d'lUüia,  T.  I,  1787,  p.  XIX— XX. 

87)  Lo  fa  credere,  fra  Taltro,  alcone  parole  scritte  al  CalogerI  dal  Mubatori 
ad£  16  Giogno  1746,  oye  egli  dice  cd'ayere  tra  sä  conchiuso  che  ancbe  lltalia 
iavrebbe  ingegni  da  poter  gareggiare  coi  Signori  Accademici  di  Parigi,  se  vi  fosse 
Chi  pagaaae  e  raunasse  i  nostri  dltalia>.  Sono  riferite  dal  Maitdelli  nelle  Memorie 
citate  nella  segnente  nota. 


256  Gino  Loria: 

qnei  volnmi  di  memorie,  ove  sono  raccolti  i  maggiori  contribnti  dati  dsil' 
Italia  alla  matematica  in  qaest'  ultimo  secolo. 

La  RaccoUa  di  cni  vogliamo  occaparci  fu  compilata  dal  Padre  D.  Ax- 
GELo  Calooera  (nato  il  7  Settembre  1699,  morto  il  26  Settembre  1766 ^'i 
durante  tutto  il  primo  periodo  di  vita  che  ebbe;  la  di  lai  benefica  aziooe 
si  estese  ancbe  ai  primi  quindici  volomi  della  Nuova  lUuxoUa,  che  ne  np- 
presenta  il  secondo  periodo;  alla  morte  fa  surrogato  da  D.  Fortunato  Ma5- 
DELLi.  Ad  addossarsi  il  grave  carico  della  direzione  della  BaccoUa^)  il 
Calooera  fu  sorretto  cod  yalidamente  da  Catbrino  Zeko,  che  qnesti  „si 
puo  asserire  essere  stato  V  autore  di  quesi/  opera,  aveudone  siimolato  il 
P.  Calooera,  e  continuamente  somministrati  dottissimi  opuscoli.»  Ebbe  poi 
validi  ajuti  dal  celebre  medico  Antonio  Vallisneri,  dall'  Ab.  Facciolati 
(Padova),  da  D.  M.  Manni  (Firenze),  da  L.  A.  Muratori  (Modena),  da 
J.  M.  CoMO  (Napoli)  e  da  altri.  Con  tale  bnllante  stato  maggiore  e  col 
concorso  di  eminent!  coUaboratori  (fra  i  quali  spiccano  i  membri  delle  Fa- 
miglie  Fagnano  e  Biccati),  il  Calooera  fu  in  grado  di  assicunire  aUs 
propria  Baccolta  la  vittoria  sopra  opposizioni  non  rare,  in  ispecie  di  scod- 
giurare  il  pericolo  da  cui  venne  minacciata  quando  nel  1740  comincio  a 
Venezia  una  pubblicazione  congenere^). 

Per  porgere  anzitutto  un'  idea  generale  di  quanto,  relative  alla  mate- 
matica pura,  si  contenga  nella  Baccolta  Calooera,  diamo  qui  ansittoiG 
r  elenco  degli  scritti  su  tale  argomento,  che  essa  contiene: 

Baccolta  di  OpuscoU  scientifici,  e  fUologici,  61  Vol.  in  18**.  Venexi» 

1.  P.  Thomaeph  Maphaei  de  usu  Matheseos  in  Theologicis,  et  diversa 
circa  principium  universale  staticum  Galilaei  et  Cartesii  sententia.  Disser* 
tationes  duae  epistolares.     T.  II,  1729,  p.  355 — 468. 

2.  Metodo  per  trovare,  quelle  curve,  nelle  quali  1'  angolo  fatto  dalle 
corde  (che  partono  tutte  da  un  punto)  e  dall'  asse  sta  all'  angolo  fatto 
dalle  normali  alla  curva,  e  dal  medesimo  asse  in  data  ragione  di  namero 
a  numero.  Schediasmi  due  del  Sig.  Conte  Oiulio  Carlo  de'  Fagnaki. 
T.  m,  1730,  p.  5—28.  Schediasma  terzo.  T.  VII,  1732,  p.  1—27.  [ßi- 
prodotti  in  P.  M.,  T.  H,  p.  375—402.] 


28)  Per  maggiori  particolari  si  ricorra  alle  Memorie  deüa  vOa  dd  P-  ^ 
Ahgiolo  CALoasBl  scritie  d(ü  Padre  lettare  D.  Fobtuhato  Maxoelli  (Nuom  Bac- 
colta, T.  XXVm,  p.  3—78). 

29)  Dianzi  il  GalooerI,  sotto  il  pseudonimo  di  Giovanni  Anoxu  avera  pnb- 
blicato  a  Venezia  dae  volnmi  della  Storia  lettcraria  d' Europa^  tradotU  daSä 
lingua  Francese  neW  Italiana  e  due  del  Giomale  de^  letterati  di  Europa  per  stf 
vire  di  continuatione  aUa  Storia  letteraria  d' Europa. 

80)  La  Miscellanea  di  varie  operette. 


n  «Giornale  de'  Letteraii  dltalia>  di  Venezia  e  la  «Baccolta  Galogerä>.   257 

3.  Osserrazioni  sopra  il  Secondo  e  Terzo  Schediasma  del  Conte  Giuuo 
Carlo  de'  Faonami  in  coi  si  e  data  la  costruzione  algebraica  di  quelle 
curve,  nelle  qoali  Y  angolo  fatto  dalle  corde,  e  dall'  asse,  sta  all'  angolo 
fatto  dalle  normali  alla  cnrya,  e  dalF  asse  in  ragione  costante  di  numero 
a  numero,  del  medesimo  Conte  de'  Fagmani.  T.  X,  1734,  p.  1 — 12.  [V.  P.  M. 
p.  403—407.] 

4.  Osservazioni  sopra  la  descrizione  della  cicloide  geometrica  primaria, 
che  serye  d'  esempio  nel  terzo  Schediasma  del  Conte  Giulio  Carlo  de' 
Fagnani,  circa  la  maniera  di  costmire  quelle  curve,  nelle  quali  1'  angolo 
fatto  dalle  corde,  e  dall'  asse  sta  all'  angolo  fatto  dalle  normali  alla  curva, 
e  dall'  asse  in  una  data  ragione  di  numero  a  numero;  con  aJtre  osserrazioni 
sopra  la  Lemniscata  dello  stesso  Conte  de'  Fagnanl  T.  X,  1734,  p.  13 — 26. 
[P.  M^  T.  n,  p.  408—414.] 

5.  Teorema  generale,  da  cui  si  deduce  la  giusta  determinazione  de' 
premi  dovuti  in  ogni  sorta  di  Lotti  all'  uso  di  Borna,  per  ogni  sorta  di 
combinazioni  di  numeri,  che  in  essi  possa  giocarsi,  anche  con  la  condizione 
che  i  numeri  delle  combinazioni  da  giocarsi  serbino  un  luogo,  o  sia  ordine 
fisso  nell'  estrazione.  Del  Conte  Giulio  Carlo  de'  Fagnani.  T.  XII,  1735, 
p.  473—491.  [P.  M.  T.  I,  p.  497—505.] 

6.  Due  nuove  maniere  di  risolvere  algebraicamente  1'  equazioni  qua- 
draticbe.  Del  Conte  Giulio  Carlo  de' Fagnanl  T.  XII,  1735,  p.  493—503. 
[P.  M.   T.  I,  p.  465—469.] 

7.  NuoYO  metodo  per  risolvere  algebraicamente  1'  equazioni  del  quarto 
grado,  applicabile  anche  alla  resoluzione  dell'  equazione  del  secondo  grado, 
de  Co:  Giulio  Carlo  de' Fagnanl  T.  Xm,  1736,  p.  107— 118.  [P.  3f ., 
T.  I,  p.  470—475.] 

8.  NuoYa  maniera  di  risolvere  algebraicamente  1'  Equazioni  cubiche, 
dedotta  dal  nuovo  metodo  di  risolvere  1'  Equazioni  del  quarto  grado,  del 
Conte  Giulio  Carlo  de' Fagnani.  T.  XIV,  1737,  p.  227—240.  [P.  Jf., 
T.  I,  p.  476—482.] 

9.  Altro  nuovo  metodo  per  la  resoluzione  algebraica,  del  Conte  Giulio 
Caklo  db'Fagnahi.    T.  XV,  1737,  p.  507—530.  [P.  Jlf.,  T.  I,  p.  483—493.] 

10.  Due  teorez^  da'  quali  si  deduce  la  risoluzione  analitica  d'  infinite 
spezie  d'  equazioni  sempre  piu  composte  in  infinite,  e  la  sezione  indefinita 
degli  archi  circolari  mediante  alcune  formole  generali  e  finite,  del  Conte 
Giulio  Carlo  de'  Fagnani.  T.  XVHF,  1738,  p.  275—316.  [P.  M.^  T.  n, 
p.  426—443.] 

11.  Soluzione  fatta  dal  Sig.  Conte  Giulio  Carlo  de'  Fagnani  d'  un 
problema  propostogli  dal  Reverendiss.  Padre  Abate  Esgenerale  D.  Guido 
Grandl     T.  XIX,  1739,  p.  369—385.  [P.  Jf.,  T.  II,  p.  212—217.] 

Abb.  tau  Oetob.  d.  M«them.   IX.  17 


n 


258  Gino  Loria: 

12.  De  parabolis  et  hyperbolis  ex  novo  solido  seeandis.  Epistola  Be» 
verendissimi  P.  Guidokis  Grandi  Camalduensis  Abatis  ex-generalis  ad  Ad. 
Rever.  P.  Pbteum  ürseolum  a  Ponte  Lectorem  Camalduensem.  T.  XXIL 
1740,  p.  29—36. 

13.  Bisposta  alla  dissertazione  del  Big.  Niccolo  Bermulli  inserita  nü  ; 
Tomo  IX  de'  Supplement!  agli  Atti  di  Lipsia.     Del  Sig.  Conte  Gian  Frak- 
CEsco  Onorio  de'  Faonani.     T.  XXni,  1741,  p.  67 — 111. 

14.  Lettere  di  Galileo  Galilei  al  Padre  F.  Fuloenzio  Miganzio  Se^ 
vitÄ.     T.  XXVI,  1742,  p.  477—498. 

15.  Varie  soluzioni  d'  un  problema  concernente  il  Metodo  de'  Minum 
del  Conte  Giulio  Carlo  de'Faonanl  T.  XXVII,  1742,  p.  377— 405.  [P.Jf^ 
T.  II,  p.  218—232.] 

16.  Jacobi  Callixti  Beroomatis  Quadratnra  trianguli  mixtilinei  ex 
methodo  indiyisibilium.     T.  XXXI,  1744,  p.  301—305. 

17.  Secularia  Torricelliana  ab  Georgio  Mathia  Böse  indicata,  T.  XXXII, 
1745,  p.  1—29. 

18.  Georgiae  Mathiae  Bosae  Secularia  Torricelliana  Oratio.  T.AUUI, 
1745,  p.  31—58. 

19.  Metodo  generale  per  ritrovare  infinite  serie  di  triangoli  rettaogoli, 
di  cui  non  sono  che  casi  particolari  i  proposti  da  Pitaoora,  e  da  Platonk. 
Lettera  de'  Signori  Conti  Girolaho,  e  Giuseppe  Bikaldis  al  Beverendisdino 
Padre  D.  Giacomo  Stallini  C.  B.  S.  chiarissimo  Professors  di  Filosofia 
raorale  nelF  üniversita  di  Padova.     T.  XXXV,  1746,  p.  337—354. 

20.  Saggio  di  una  nuova  teoria  dei  numeri  figurati,  e  del  loro  yirio 
uso,  massimamente  nella  somma  delle  serie  infinite.   Dissertazione  dei  Siguoin 
Conti  GiROLAMO,   e   Giuseppe  Rinaldis  Nobili  del   Sacro  Romano  Impei 
T.  XXXVm,  1748,  p.  147—224. 

21.  GuiDONis  Ferraru  Soc.  Jesu  de  P.  Thoma  Ceya  ejosdem  Societa 
Commentarius.     T.  XLIV,  1750,  p.  257— 278. 

22.  De  numeralium  notarum  minuscularum  origine.   Dissertatio  matl — : 
matico-critica.     T.  XLVUI,  1753,  p.  19— 110. 

23.  Sopra  la  soluzione  inserta  negli  Atti  di  Lipsia  del  mese  di  Marzo  17 
del  problema  algebraico  proposto   nel  Mese  di  Ottobre  1749.     T.  XLV^I 
1753,  p.  235—240. 

24.  Lettera  deir  Ab.  D.  Gaetano  Marzagaglia  al  chiarissimo  Sig^ 
Gabriel  Manfredi,  Matematico  prestantissimo  e  Segretario  del  Senate:^ 
Bologna.     T.  XLIX,  1753,  p.  143—157. 

Nuova  Raccolta  d'  OpmcoU  scientifici  e  ßdlogici,     48  Vol.  in     IS 
Venezia. 

25.  Lettera  del  Signor  Giovanni  Galfi  al  Signor  Flavio  Gangini  coä- 


D  «Giornale  de'  Leiterati  dltalia>  di  Yenezia  e  la  «Raccolta  CalogeriL».     359 

tenente  alcnae  osservasdoiii  intomo  tre  articoli  dell'  opera  dal  Signor  Colin 
Maclaurin  sopra  il  Calcolo  delle  FlüSsionL     T.  I,  1755,  p.  221 — 237. 

26.  Biflessioni  in  occasione  dello  scritto  del  Bignor  Bermamno  inserto 
negli  Atti  di  Lipsia  dell'  anno  1752,  mese  di  Kovembre,  sopra  il  Problema 
Algebraico  proposto  in  detti  Atti  nelF  anno  1749,  mese  di  Ottobre.  Si 
da  qni  la  solnzione  d'  altri  problemi  consimili,  con  i  Teoremi  Algebraici, 
onde  essi  problemi  dipendono.  Del  Signor  Giulio  Cablo  Toschi  di  Faqnano, 
Marchese  DI  sant'  Onoäio.     T.  n,  1756,  p.  403 — 433. 

27.  Mnltisezione  degli  archi  di  cerchio  per  approssimazione  secondo  nn 
certo  genere  di  nnmeri  impari,  del  Signor  Marchese  di  Sant'  Onorio  Oiulio 
de' Toschi  di  Fagnano.     T.  IV,  1758,  p.  205— 213. 

28.  NoYum  arcnnm  parabolae  Apollonianae  Mensnrae.  Anctore  Archi- 
diacono  Johanne  Francisco  de  Tuscms  de  Faqnano  ex  Sancti  Honorh 
Marchionibub.     T.  XVn,  1768;  opuscolo  V  di  pag.  17. 

29.  Integratio  qnorundam  qnantitatum  differentialinm  quae  originem 
habent  a  lineis  qnae  ad  circalnm  refertor.  Anctore  Archidiacono  Johanne 
Francischib  db  Tuschis  a  Faqnano  etc.     T.  XXII,  1772;  op.  I,  p.  16. 

30.  Bednctio  fanctionum  trascendentalinm  simplicium,  qnae  a  Circnlo 
petentor,  et  qnonim  oniversalior  est  usus.  Auetore  Archidiacono  Johanne 
Francischis  de  Tuscms  a  Faqnano.     T.  XXII,  1722;  op.  II,  p.  19. 

31.  Theorema  calcoli  integraJis.  Anctore  Archidiacono  Francisco  de 
Tcscms  FAQNANa     T.  X7CTT,  1772;  op.  m,  p.  35. 

32.  Delle  figore  piane  isoperimetre  contenenü  le  massime  snperficie. 
Dissertazione  del  Sig.  Co:  Giordano  Biccati.  T.  XXÜI,  1772;  op.  Ym, 
P»g.  14. 

33.  Della  maniera  di  costmire  un  Portico,  che  ascende  Inngo  un  piano 
inclinato  all'  orizzonte.  Dissertazione  del  Sig.  Co:  Giordano  Biccati. 
T.  XXm,  1772;  op.  IX,  p.  6. 

34.  Demonstratio  circnli  qnadratnrae  ex  infinita  qnorundam  rectangu- 
lomm  Serie  a  Cartesio  olim  deductae,  atque  in  ejusdem  Opusculis  posthu- 
mis  absque  demonstratione  editae.  Auetore  Archidiacono  Johanne  Francisco 
DE  Tuscms  A  Faqnano.     T.  XXIV,  1773;  op.  V,  p.  17. 

35.  Dissertazione  del  Sig.  Co:  Giordano  Biccati  che  lo  studio  delle 
Matematiche  non  favorisce  la  miscredenza.   T.  XXVlli,  1775;  op.  V,  p.  14. 

36.  Lettera  contenente  alcune  rüiessioni  sopra  un  passo  del  Tomo  I 
del  naoTO  Giomale  d'Italia  stampato  in  Modena.  Lettera  air  autore  della 
relazione  delle  Istituzioni  analitiche  delF  Ab.  Co:  Vincenzo  Biccati,  inserita 
nel  nuoTO  Giomale  d'Italia,  Tomo  I,  II  e  m.  —  T.  XXX,  1776;  op.  IH, 
pag.  25. 

17* 


260  GiikO  Loria: 

37.  Nnova  maniera  di  costmire  le  Scale  ellittiche.  Del  Sig.  Co: 
GiOBDANO  RiccATi,  T.  XXXV,  1780;  op.  VI,  p.  8. 

Dei  layori  teste  enmnerati  nno  si  riferisce  alla  storia  propiiamente 
detta  (n.  22),  toccando  quella  parte  del  nostro  sistema  di  nmnerazione  die 
si  saol  chiamare  «qnestione  Boeziana»;  Th.  H.  Mabtin  lo  ha  ricordato  nelk 
sue  Becherches  nouveües  concemant  les  origmes  de  nak-e  Systeme  de  mmera- 
Hon  iaite  (Bevue  Arch^ologiqne,  T.  JUll,  1857;  nota  (3)).  Dne  altri 
(nn.  1  e  35)  concemono  la  filosofia  delle  matematiche,  ed  h  £aciie  capii« 
perch^  noi  non  ci  arrestiamo  ad  esporne  il  contennto.  Additiamo  di  sfnggita 
alcnne  lettere  di  Oai^ileo  (n.  18),  la  cui  pnbblicazione  non  trovammo  segna- 
lata  nell'  Indice  cronologico  del  Carteggio  Galüeiano  per  cura  di  Antonk» 
Favaro  (Firenze,  1896);  altrettanto  facciamo  per  alconi  scritti  comme- 
morativi  (nn.  17  e  18),  biografici  (n.  21)  o  concementi  le  appliciiiosj 
della  geometria  all'  architettnra  (nn.  33  e  37).  E  passiamo  ad  esporre  tuu 
snccinta  analisi  di  quanto  di  interessante  abbiamo  incontrato,  leggendo  gli 
altri  articoli  nominati. 

Algebra  e  Trigonometria. 

Metodi  ideati  dal  Conte  di  Fagnano  per  risolvere  le  equazioni  di  2^, 
3^  e  4®  grado.  Alla  risoluzione  delle  eqnazioni  di  2®,  3°  e  4®  gr&do  H 
Conte  di  Fagnano  ha  dedicate  le  memorie  nn.  6,  7,  8  e  9  e  parte  di  qnella 
che  reca  il  n.  10;  le  prime  qnattro  sono  semplicemente  citate  dal  Mat- 
THiESSEN  (Grundgüge  der  antiken  und  modernen  Algd>ra  der  liüerdlen 
Gleichungen,  Leipzig  1878,  p.  975).  —  Qnella  che  reca  il  n.  6  si  riferisce 
esclnsiyamente  ad  eqnazioni  di  2®  grado  e  contiene  dne  nnovi  metodi  per 
risolverle,  che  risnltano  dalle  segnenti  formole: 

4V  _  /x«  —  hy         x*  —  b^ ,    -1  /  4&« 


(1) 


1^ 

8 


n.  x^'^h^  =  ax,         3i^  +  2bx+b^-={a+2b)x, 

^  ~  a  +  2b~  ^""(6  +  «)«'  a  +  2b~  U  +  W  ' 


X  —  b  iT/a  —  26 


-±n 


x-\-b        -^  f    a  -f  26 


n  «Giomale  de'  Lelierati  dltalia»  di  Venezia  e  la  cRaccolta  Calogera».    261 


(2)  ^  =  6^S±>^X^«) 

Pia  importante  \  la  memoria  n.  7,  ove  il  Fagnano  scioglie  in  vari  modi 
Teqaazione  biquadratica  completa 

(3)  0  —  m%^  +  no?  +  j?«*  +  g«  +  r, 
combinandola  coli'  identita 

(4)  {zn^  +  ya?  +  «)*  =  i?*aJ*  +  Izy^  +  (y*  +  2jpu)a:'  +  "Ixjux  + 1**, 

cioe  addizionando  alla  (4)  la  (3)  moltiplicata  per  ana  nnova  quantiU 
ausiliare  U  Si  faccia  anzitatto  t  ^sa  y  e  si  disponga  di  ;?  e  u  in  modo  che 
nell'  eqnazione  risultante 

(zx*  +  yx+  uy  =  (g^  +  my) (X^  -^  (2zy  +  ny)3i^  +  (y^  +  2zu  +  py) x^ 

+  (22^u  +  qy)x  +  (ti«  +  xry) 

scompajano  i  termini  secondo  e  qnarto.     Üiö  esige  si  assnma   5  »» —. 

ti  ^ 1- ;   allora  qaesta  diyiene 

(-Ix  +  y* -- 1-)*- ß- +  «y)^*  +  (y«  +  j,y +  ^i)*»+ (l'  +  r^)  . 

£  affinch^  il  secondo  membro  risulti,  come  il  primo  ^,  un  qnadrato  perfetto 
^  si  deve  scegliere  per  modo  che  si  abbia: 

esegniti  i  calcoli  si  ottiene  nn'  eqnazione  (risolyente)  in  j^  di  3^  gnido, 
mediante  la  quäle  la  risolozione  dell'  eqnazione  proposta  e  ricondotta  a 
qnella  di  equazioni  quadratiche.  Allo  stesso  risnltato  si  perviene  facendo 
( s  —  4  ir  e  disponendo  di  y  e  u  in  modo  che  nel  secondo  membro  deir 
eqnazione  risnltante  manchino  i  termini  in  o;^  e  x^;  oppore  facendo  t=^  —  4  m 
e  disponendo  di  j^  e  u  di  maniera  che  nel  secondo  membro  deir  eqnazione 
ottenuta  manchino  i  termini  in  o^  e  o;*.*') 

Un  concetto  somigliante  e  applicable  all'  eqnazione  generale  del  2®  grado 

(5)  0  =  wo;' +  MX +!>, 

31)  Cf.  Matthisssbh,  op.  cit.  p.  S21. 

32)  Y.  andbe  Tarticolo  Formola  generaU  per  la  resoluzione  analitica  deUe 
tqnaziom  del  4\  del  3»  e  del  2^  grado  (P.  M.,  T.  II,  p.  444—449)  ove  il  Faohaho 
ifniUa  in  modo  analoge  le  segnente  identita 


262  Gino  Loria: 


cbe  il  Faonano  accoppia  all'  identita 

(6)  {yx  +  uf  =  y^T?  +  2yux  +  t*« , 
deriyandone  la  segoente: 

{yx  +  uf  =  (y*  —  mt)  x*  +  (2yu  —  nt)x  +  (u^—pt) 

e  facendo  nna  Yolta  t^^u^^p^  ^^^Y'  ^^^  seconda  volta  i  =  y^m^ 
u  SS  _ :  in  eniiumbi  i  casi  ottiene  la  formola  nota. 

Piu   riposta    h   Fapplicazione    del    medesimo    concetto    all'  eqnaaone 
generale  di  terzo  grado: 

(7)  it*  +  nx* +  |?a;  +  2  =  0; 

il  Faonano  la  ottiene  (n.  8)  moltiplicando  quest'  equazione  pel  binomio 
x  -j-  y^  e  combinando  quindi  la  eqnazione  risultante 

0  =  jc*  +  (n  +  y)a?'  +  (p  +  ny)x*  +  (q+py)x  +  qy 

coli'  identita 

Per  breyita  passo  sotto  silenzio  la  risolozione  dell'  eqnazione  cubica  esposta 
dal  Faonano  nella  memoria  n.  11;  con  maggior  ragione  fo  altrettanto  di 
qnella  che  egli  feoe  conosoere  nel  T.  I  (p.  494 — 496)  delle  P.  M.  percbe, 
in  ultima  analisi,  non  differisce  dalla  notissima  solozione  di  Huddb,  modi- 
ficata  da  Laobanoe.  ^  Ma  non  e  lecito  il  non  indicare  il  metodo 
esposto  nella  memoria  n.  10,  che  sembra  superiore  a  tatti  gli  altri, 
se  non  altro  perche  motte  in  Ince  meridiana  il  fatto  che  risolrere  an' 
equazione  altro  non  e  che  trasformame  il  primo  membro. 

n  fondamento  di  questo  metodo  risiede  nel  aeguente  teorema:  iUh 
equazione 

(8)  2y<r-^  =  (x  +  Vx*  +  <^f±  (x  —  }/z*qpc*/ 
soatarisce  l'altra 

(9)  2x0«      -  (jf  +  yy*  +  c^j«  +  (y-Vy^  +  c*j-t. 

II  Faonano  lo  dimostra  con  semplici  trasformazioni  algebriohe  ed  in- 
yita  il  lettore  a  paragonarlo  con  quanto  il  de  Hoiyrb  espose  nell'  articolo 
Ae^iuatioHHm  guarumlam  potestatcs  etc.  (PhiL  Transactions^  No.  309,  1707; 
oppure  i4(^i  entd.  Febhn^o  1709),  articolo  di  cui  egli  afferma  avere  arnto 

33^  et  BlArraiB8»x,  p.  4^7. 


H  «Giomale  de'  Letterati  dltalia»  di  Venezia  e  la  «Raccolta  Calogerä.>.    263 

conoscenza  dopo  di  essere  giunio  a  qnel  leoreina.  —  Gib  posto,   se  nella 

(8)  (9)  si  prendono  i  segni  superiori  e  si  snppone  a=  3, 7-  =/?,  —  -ry=Q^ 

la  prima  diyiene 

cioe  r  eqnazione  generale  di  terz'  ordine  priva  del   secondo  termine,  e  la 
seconda  da 


'-{-i-+V^+ff+{-i-W+€) 


3 


che  e  la  nota  fonnola  di  Cardano.  —  II  Faonako  agginnge  che  simil- 
mente  si  pnö  risolvere  1'  eqnazione  di  secondo  grado 

z^  -}-  pz  -}-  q  ='  0] 

bisogna   percio    previamente    trasformarla   in    una    biqnadratica,    ponendo 

Poieh^  il  Faonano  e  assai  meno  noto  come  algebrista  di  qnel  che  sia 
come  analista,  ci  sia  lecito,  prima  di  abbandonare  qnesto  argomento,  di 
attrarre  V  attenzione  degli  stndiosi  snlla  Soluzione  di  quaUro  prohlemi  cma- 
liiici  da'  quaU  si  deduce  can  metodo  uniforme  la  resoluzione  ddP  equaziani 
dd  secondo,  del  terzo  e  dd  quarto  grado  (P.  Jf.,  T.  ü,  p.  450—468).**) 
Sono  iri  anzitntto  stabilite  le  qnattro  segnenti  identita: 

(10)  (a  +  6  +  c)«  =  (a  +  2c)  (a  +  6  +  c)  +  6»  +  a&  —  c*  —  ac. 

(11)  (a  +  6  +  c)»  =  3c(a  +  6  +  c)«  +  3  {ah  —  c«)  (a  +  5  +  c) 

-{-a^+h^  -^-c^  —  ahc. 
ri2)     (a  +  &-f.c)*  =  (2c*+ 4a6)(a  + 5  +  c)» 

+  (4a>+46«c)(a  +  &  +  c) 
+  a*  +  6*  —  c*  —  2a^h^  +  4a5cl 
Paragonando  la  prima  con  F  eqnazione 

si  vede  che  questa  a  qnella  si  idenüfica  ponendo 

x  =  a-f"2>  +  c,       a-f-2c  =  n,       h^ -{- ah  —  c^  —  ac=p\ 
e  da  qneste  si  irae  la  solita  formola.     Similmente  la  (11)  si  pno  identi- 

34)  A  completare  Telenco  dei  layori  del  Fagmano  sulla  risolusione  delle 
equazioni  letterali,  citiamo  VÄppliccusione  deW  algoritmo  nuovo  Ma  risoliuione 
onaHitica  deü'  equazumi  del  secondo  dd  terzo  e  del  qttarto  grado  (P.  M.,  T.  I, 
p.  423 — 464).  L'<  algoritmo  naoYO»  iri  applicato  poggia  sali*  ipotesi  che  come 
prodotto  di  dne  nameri  p,  9,  si  assama,  invece  di  -^  pq^  la  qaaniitä  — pq;  il 
Paohaxo  ae  ne  seire  per  dimosfcrare  che  gli  ordinär i  numeri  immaginari  non  hanno 
noIla  di  assnrdo. 


264  Gino  Loria: 

ficare  all'  equazione  generale  di  3^  grado;  si  gionge  cod,  con  metodo 
sostanziabnente  identico,  aUe  farmole  stabüite  dal  Gbunert  piu  dt  im 
secolo  dopo  Faonano.  *^)  Agginngiamo  che  analogamente  si  puo  risolyere 
V  eqnazione  biqnadratica,  mediante  le  identita  (12):  tal  modo  di  procedere 
\  nella  sostanza,  identico  a  quello  che  porta  il  nome  del  Grunert^);  ne 
differisce  per  cio  solo  che  qnesti  parte,  invece  che  daUa  (12),  da  un'altn 
identita  congenere. 

Sül  caso  irriducibüe,  Nella  memoria  n.  24  il  Marzaoaolia '^)  espone 
al  sno  maestro  Gabriele  Manfredi  im  procedimento  per  giostificare  k 
presenza  di  quantita  immaginarie  nelle  formole  cardaniche  relative  ad  nn 
equazione  cnbica  a  radici  reali;  esso  consiste  nell'  osservare  che,  posto 
X  ssss  y  -^  e^  per  risolyere  V  eqnazione  a;*  +  jpo?  +  g'  ««  0,  bisogna  e  basta 
determinare  due  nnmeri  tali  che  si  abbia  3y;?  =  — 1>,  y' +  ^' =  —  r; 
ora   da   nn   gmppo    di    proposizioni    stabilite    dall'  antore  emerge  che,  se 

^  -f-  -^  <  0,  a  questo  sistema  e  impossibile  soddisfare  con  nnmeri  realL 

Tearia  dei  numeri  e  Calcolo  combinat&rio.  Nella  prefiazione  (datata 
8  Maggie  1753)  alla  stessa  memoria  il  Marzaqaolia  annanda  di  iTere 
risolnti  i  segnenti  problemi:  I.  Dato  nn  nnmero  intero  non  qnadrato  a> 
trovare  infiniti  nnmeri  interi  x  tali  che  aa^  '\'l  sia  nn  qnadrato.  II.  Tro- 
yare  nn  intero  decomponibile  n  Yolte  nella  somma  di  dne  qnadratl 
III.  Determinare  di  qnanti  triangoli  rettangoli  V  intero  (a'  -j*  ^')  ^ 
(<?'{'  J'^)  n  (p^  -\-  ^)f  (sie!)  pno  essere  ipotenusa.  Se  e  dove  il  Mabia- 
OAOLIA  abbia  esposte  le  ideate  solnzioni,  ci  e  ignoto^):  qnal  grado  di 
noyita  possedessero  a'  suoi  tempi,  si  vede,  osserrando  che  il  I  problema 
altro  non  e  che  il  notissimo  problema  di  Pell  proposto  da  Fermat  ai  mat«- 
matici  inglesi  e  risolto  da  Lord  Brounker  in  nn  modo  che  Walus  fece 
conoscere  nelle  sue  Opere  (1695  — 1699)  e  che  Eulero  riespose  (1770) 
nella  sna  Algebra  (II  Parte,  II  Sez.  Cap.  7°):  tale  soluzione  ha  V  incon- 
yeniente  di  non  mettere  in  Ince  la  possibilita  di  risolyere  il  problema 
qualunqne  sia  a  e  fu  snrrogata  con  altra  perfetta  da  Laqranoe  (cfr. 
Leqendre,  Zahlcntheorie,  deutseh  von  H.  Maser,  T.  I,  Leipzig,  1886^  p.  60). 
II  n  dei  referiti  problemi  fu  risolto  da  Fermat  in  una  delle  sne  osse^ 
yazioni  a  Diofanto  (Oeuvres,  ed.  Tannery  et  Henry,  T.  I,  1891,  p.  293, 
e  T.  III,  1896,  p.  243);   forse  il  Marzaoaqlia  troyö,  prima  di  LEGEKDas 


35)  Archiv  für  Math.,  T.  XL,  1863,  p.  246.    Cfr.  Matthib88bk,  p.  452. 

36)  Afthiv  für  Math,,  T.  XL,  1863,  p.  394.     Cfr.  Mattris88kk,  p.  664. 

37)  Non  ricordato  dal  Poqoshdobff. 

38)  Abbia  ricorso  inyano  anche  alla  BibUoteca  maiemaitiea  del  Biccaioi  ore 
al  Majuuqaolia  ^  dedicato  an  ariieolo  (T.  U,  1873—76,  col.  129—131). 


n  cGioniale  de*  Leiterafci  dltalia»  di  Yenezia  e  la  «Raccolta  GalogeriL>.    265 

(V.  Vol.  dt.  p.  310),  la  dimostrazione  di  quanto  il  scmmo  geometra  fran- 
cese  erasi  contentato  di  asserire.  A  qneste  osservazioni  di  Fermat  sembra 
anche  collegato  il  HI  degli  eniinciati  problemi. — Molto  minore  importanza 
possiede  nn  altro  scritto  sulla  teoria  dei  nomeri  (n.  19),  nel  qnale  gli 
autori,  per  costamire  dei  triangoli  rettangoli  in  nmneri  razionali  o?,  y,  jb, 
pongono  (coxne  gia  fece  Diopahto)  »  «=  n ,  y  =»  pvi?  —  g ,  jg  —  jpn*  -}-  q , 
con  la  condizione  4j>g  ss  l^  ed  attribtdscono  a  p,  g  yalori  nnmerici  parti- 
colari:  nascono  cod  delle  tabelle,  a  coi  certamente  neBsnno  ayra  mai  occa- 
sione  di  licorrere!  —  Pia  tardi  i  medesimi  antori  somministrarono  alla 
Raccolta  nn  lavoro  piu  originale  (n.  20),  ayente  per  iscopo  di  fondare  una 
teoria  dei  fiumeri  poligonaU  geometrici  analoga  a  quella  che,  sin  dai  tempi 
di  Ipsicle  (se  non  prima),  erasi  eretta  solla  consideraadone  di  mia  progres- 
sione  aritmetica.     Essi  partono  per  cio  dalla  progressione  geometrica 

a,     wa,     «»*a,     ...,     w*~^a,     ...; 

sommandone  i  primi  n  termini  (n  »=  1,  2,  . . .)  ottengono  la  nuova  serie 

ma — o  fffa  —  a  m^a  —  a  m^a  —  a 


i  coi  elementi  si  chiamano  numeri  figurati  geometri  di  I  ardine,  Sommando 
n  termini  di  questa  nnova  serie  (n  »=  1 ,  2 ,  .  .  .)  si  otierranno  similmente 
i  numeri  figurati  geometrici  di  II  ordine,  E  cosi  prosegaendo  si  otterra 
come  espressione  doli'  n"^  numero  figorato  di  (p  -{-  ^)™^  ordine  la  seguente: 

i»«+j»_^p-ia  fnP-^a        n(n  +  l)     w'"^*a 

fi 


« (n  +  1)  •  •  •  (n  +  P  —  1) 


1-2  •  •  •  p 


a. 


Gli  antori  si  arrestano  poi  a  far  conoscere  alcnne  applicazioni  delle 
considenudoni  svolte.  In  nna  di  esse  estendono  certe  serie  considerate  da 
GiovANwi  Bernoulli  (Opera  omnia^  1742,  T.  IV,  p.  1)  e  Fontenelle 
(Mem,  de  Paris,  1722).  Neil'  altra  essi  ricordano  che  nel  Journal  de 
Trevoux  (Settembre  e  Ottobre  1701)  era  stato  proposto  di  «trovare  la 
curra  di  cni  le  Ordinate  segnono  la  progressione  dei  nnmeri  natnrali  e  le 
ascisse  qnelle  dei  nnmeri  triangolari>  e  che  esso  erastato  risolto  dal  Carr^ 
{Mem.  de  Paris,  1701)  e  poi  esteso  dal  Fontenelle  a  tntti  i  poligoni 
aritmetici  (Elem.  de  la  gSom,  de  l'Infini,  Sect.  Vn,  P.  n);  per  analogia  si 
propoogono  di  4ctroYare  la  natura  di  quelle  curve,  le  cni  ordinate  seguono 
1&  progressione  dei  nnmeri  natnrali  e  le  ascisse  la  progressione  dei  nnmeri 
figurati  geometrici  di  p^°  ordine»;  tale  curva  si  costmisce  mediante  nna 
logaritmica  ed  nna  cnnra  parabolica. 


266  Clino  Loria: 

Non  abbandoneremo  V  analisi  combinatoria  senza  citare  nn  lavoro 
del  Faonano  (n.  5)'^),  ove  alctme  formole  fondamentali  di  essa  sono  appli- 
cate  a  riflolvere  il  segaente  problema  di  probabilita:  cTroTare  ne'  loui 
air  OSO  di  Borna  il  nnmero  di  tatti  i  casi  possibili  fayoTeroli  e  di  tntti 
i  casi  possibili  contrari  a  chi  gioca  nna  combiDazione  di  g  nnmeri  oon  \i 
condizione  che  in  essa  si  contengano  f  numeri  i  qnali  abbiano  nn  Inogo 
fisso  nell*  estrazione».  Detto  fi  il  numero  dei  numeri  fra  cui  si  estne,  U 
probabilita  della  yincita  e 

p  =  n(n  — i)...(ft-^^  +  l) 


(e-/^(e -./•-!). ..(e-y  +  i) 

Ora  poich^  «ne'  lotti  all'  nso  di  Borna  tra  la  spesa  e  la  ricompeua 
deye  conrere  la  medesima  proporzione,  che  passa  tra  il  numero  de'  casi  pos- 
sibili favoroYoli  e  il  numero  de'  casi  possibili  contrari  >,  com  si  oonclnde  il 
seguente  teorema:  Se  d  rappresenta  la  spesa  contribuita  dal  giuocatore  e  p 
la  ricompensa  che  gli  si  deve  se  yince,  si  avra: 

p  =  dP—d.*^) 

EUminojsione.  Kegli  Ada  erud,  del  1749  (p.  627)  il  Fagnano,  sotto 
il  yelo  dell'  anonimo,  propose  il  seguente  problema:  «Date  le  eqaaziooi 
aj*  CBS  2>x*  -|-  ga?  +  r ,  aj*  =  foi?  +  §7?  -f"  *^  4*  *"  i  determinare  i  coeffi- 
cienti  f^  g^  h  in  modo  che  uno  stesso  valore  di  x  soddisfi  le  due  eqüi- 
zioni».  Pure  sotto  il  yelo  dell'  anonimo  egli  riassunse  (y.  n.  23)  la  soh- 
zione  che  ne  fu  data  da  0.  F.  Baermann  negli  Ada  dal  1750^^);  in  tale 
Boluzione  ^  e  ^  yengono  ottenuti  in  funzione  di  /",  il  quäle  rimane  arbitraiio, 
come  poteyasi  preyedere/^  Del  problema  e  del  riassunto  egli  si  confesso 
autore  in  un  layoro  (n.  26)  oye  yengono  insegnate  delle  considerazioni  die 
riyelano  la  genesi  della  questione  ed  un  nuoyo  modo  di  scioglierla  e  poi 
di  generalizzarla.  lyi  il  nostro  autore  stabilisce  differenti  proposizioni  ck 
si  possono  compendiare  nel  seguente  enunciato:  «II  polinomio 

—  (t*~  +  aiu— 1  H h  a«-iu  +  ^^^^  +  •  •  •  +  ■^) 

+  Om+i«*"'""*  H ha« 

89)  Qaesto  layoro  non  h  ricordato  in  Ä  History  of  ihe  ma(htmaUeal  Thm^ 
of  Probabilüg  ^Cambridge  and  London,  1866)  del  Todhchtss. 

40)  Altre  queationi  analoghe  alle  surriferita,  in  qdo  ad  alcane  proposixiooi 
combinatorie  che  Ti  ai  oollegano,  si  irovano  in  P.  M.,  T.  I,  p.  506—528. 

41)  Eaxerpiae   Epistolae   G.  F.  Bbbaiakni   mathem.    in  Acad.    WiUeb.  J^f 
Publici,  ad  J.  0.  M.  (Nova  Acta  Eruditorum,  Anno  MDCCL,  p.  134—135). 

42)  Cf.  ancbe:  G.  Bairmanni  Ändlysis  problenuUis  aJgelrici  etc.    {Nova  id^ 
Eiiiditorum,  Anno  MDCCLII,  p.  665-669). 


«»-" 


II  «Giomale  de'  Letterati  dltalia»  di  Yenezia  e  la  «Raccolta  Calogerä>.    267 
e  diTisilnle  per  x  —  u.»     Per  consequenza,   se  u  e  radice  delF  eqnazione 

X*=»J>Ä*  +  3*  +  ♦'j 

^  =  (^—i  —  üi  —  i)^  +  ^^^  +  ^^^  +  ^ 

sara  an  eqnazione  avente  iina  radice  comnne  con  quella.  Similmente  si 
potra  trasformare  ogni  eqnazione  priva  di  nn  qnalnnqne  sno  termine,  in 
altra  completa.  II  Faonano  riconosce  che  contro  qnesto  pro  cedimento  si 
pno  far  yalere  Y  ignoranza  delle  formole  di  risolnzione  delle  eqnazioni  di 
grado  >  4,  ma  replica  notando  che  la  loro  conoscenza,  nel  caso  attnale, 
si  pn&  concedere,  come  nell'  alta  geometria  si  ammette  1'  effet  tnabilita  di 
qnaisia  qnadratura.  Da  nltimo  egli  nu)8tra  che  f(x)  —  f(u)  e  sempre 
divisibile  per  x  —  u  mentre  f(x)  —  /*( —  w)  lo  e  per  ä  +  i*. 

Formole  per  la  moUipUccuione  degli  archi,  Ritomiamo  snlla  memoria 
n.  10  per  osservare  come,  nel  passare  dair  eqnazione  antecedentemente 
segnata  (8)  alla  (9)  s'  incontri  la  segnente: 

(10)  c«-i(y  +  yy^  —  c^)  =  x  +  yS«+V. 

Ora  differenziandola  e  diyidendo  1'  eqnazione  risnltante  per  la  primi- 

tiya  si  ottiene 

dy  dx 

Vy*  —  c»  i/ä*  —  c» 

Similmente 

dy  dx 


Yy*  +  c*  yjc»  +  c* 

Faeendo  qiu   c=  1,   y  =^  gy—l ,  x  =*  uy—  1  essa  diyiene 


dz  du 

a 


yi— xr«  yi  — u»  ' 

mentre  le  (8)  e  (9)  assnmono  il  segnente  aspetto: 

(n)  •  jL  i 

2uy=T  =  (^yiTT  +  yizz^y^  (^yiTi  —  yi  —  z% 

D^  altronde  1'  eqnazione  preoedente  integrata  da 

arc  sen  iP  =»  a  arc  sen  u 
0  anche 

arc  corda  «  =»  a  arc  corda  u ; 

e  poiche  dalle  (ll),  fatti  i  calcoli,  scomparo  ogni  traccia  d'  immaginario, 
cosi  esse  porgono  la  solnzione  del  problema  della  moltiplicazione  degli  archi. 
11  Faonano  le  ha  variamente  trasformate,  ottenendo  cosi,  non  solo  delle 
formole  gia  stabilite  da  Giovanni  Bernoulli  {Acta  Erud.  1712;  Opera 
onmia,  T.  T,   p.  511)   e  dal  Lagnt  (itfem.  de  Paris^    1705),    ma  altre  in 


268  Gino  Loria: 

coi  entrano  le  secanti  degli  angoli  considerati.^')  —  Non  pago  di  qnest« 
solnzioni  del  problema  della  diyisione  degli  archi  il  Faghano  ne  diede  un 
altra  per  approssimazione  (n.  27)  basata  solF  identita 


2*± 

ora  r  espressione 

2*j:i 

3       ' 

ove  si  prenda  il  segno  -|~  ^^  ^  ^  dispari  e  il  segno  —  se  ^  pari,  e  s^npre 
an  intero  </,  onde  la  formola  precedente  si  pno  scrivere  nei  dne  modi  segnenti: 

A  _%A    .^A    .    ZA    y^A    . 

<7    ""   2*   —  2"  "^  2"  —  2**  """  ' 

^  _9^    \9^    \9^    \9^    x 
8    ~   2*   —  2"  "^  2"  —  2**  "* 

che  potranno  ntilizzarsi  per  diyidere,  mediante  bisezioni  ripetnte,  T  angolo 
^  in  3  o  ^  parti  egaali. 

Cfeometria  elementare. 

Jlfa^^tifi«  t  mimmi,  61i  scritti  nn.  11  e  15  contengono  le  solnzioni 
dei  due  segnenti  problemi:  I.  Sia  data  la  retta  AB  tagliata  per  metain 
G  da  nna  retta  CF  fiacente  con  AB  \  angolo  semiretto  ACB,  detennisare 

SU  GF  il  ponto  JE?  tale  che  il  qnoaente  =^j risulti  massimo  o  mi- 

nimo.  Per  m  »>  3,  n  »s  1  si  ritroYa  nna  qnesüone  proposta  al  FAOi^iNO 
da  Guido  Grandi.  n  (snggerito  al  Fagkano  dal  P.  Orazio  Bobgonsio): 
Dati  in  nn  piano  an  angolo  ed  an  cerchio,  troyare  qaella  tangente  al 
cerchio  di  cai  \  minimo  il  segmento  intercetto  fra  i  lati  dell'  angolo^> 
Maggiore  Interesse  teorico  possiede  la  memoria  n.  32,  ove  Giordano  Biccati 
si  propose  di  fondare  la  teoria  degli  isoperimetri  nel  piano  sopra  sempÜci 
consideraiioni  geometriche  elementare:  e  \  intento  stesso  di  an  ben  ooto 
oposcolo  del  geometra  greco  Zekodoro,  del  qaale  il  nostro  aatore  sembr« 
abbia  ignorata  la  esisienia,  qoantanque  eso  sia  stato  pabblicato  a  Basilea 
sin  dal  1538,  assieme  al  Commmio  aW  AlmagesU)  di  Teone  Ai.e88Aki)IU>o 
Quadrahim  dd  cftxhkh  Nella  AmH)tationes  in  locum  quendam  CM^' 
iui  drttiU  qwidraturam  speriimtem  {Xori  Camm.  Feirop,,  T.  VIll,  Fetrop 


48^  Cfr.  aache  uno  schediasma  presenUto  dal  Faoxaso  all'  Accademia  degii 
ArvAiti  di  lioma  e  pubblicato  in  F.  M.  T.  II,  p.  469—476  col  ütolo  Altro  «e^ 
per  /«  jariTHHi«  i^hfiniim  dt^i  «rcAi  cirtokai  sensa  i?  wmssidio  ddU  Serie. 

44^  IVr  »Itra  probWnia  cottf!«oere  a  qnesti  dne,  si  xegga  P.  Jlf.,  "^  ^ 
p  it^— ill. 


II  «Giomale  de'  Letteraii  d*Italia>  di  Yeneada  e  la  cBaccolta  Calogerä».    269 

1763,  p.  157 — 168)  Eülero  ha  dimostrato  nn  procedimento  per  quadrare 
il  cerchio,  che  si  troYa  segnalato  in  un  frammento  tolto  dai  manoscritti 
di  Cartesio.  Tale  procedimento  pa6  enimciarsi  algebricamente  cosi:  „Se 
si  determinano  snccessivamente  le  quantita  positive  x^^  x^j  a^,  ...  per 
modo  che  sia: 

(a  +  Xi) 0?!  =  ^,   (a  +  Xj-f  a:j)a'j  =  ^,   (a  + x^  + x^'^x;)x^  =  ^,'" 

si  ayia 

ö  +  ^i  +  ^a+ÄsH =  -^"• 

GiORDANO  RiccATi  avendo  appreso  qnesto  procedimento  dagli  Ada 
Erud.  1763,  Yolle  (y.  n.  34)  dimostrarlo  elementarmente  e  yi  pervenne 
fondandosi  sopra  qneste  due  proposizioni :  1.  L'  area  del  poligono 
regolare    di  2n   lati    inscritto    nel   cerchio    di   raggio  R  &  egnale    ad   an 

rettangolo  aYente  per  lati  —  ed  il  perimetro  del  poligono  di  n  lati  inscritto 

nel  medesimo  cerchio.  2.  U  area  di  un  cerchio  h  media  proporzionale  tra 
r  area  di  qnalnnque  poligono  regolare  ad  esso  circoscritto  e  qnella  di  an 
poligono  isoperimetro  e  simile  al  primo. 

Segiom  piane  dd  paräboloide  iperholico.  GhjiDO  Grandi  si  h  proposto  di 
mostrare  (y.  n.  12),  che,  oltre  ai  coni  ed  ai  cilindri,  esistono  altre  superficie 
afODti  per  sezioni  piane  delle  parabole  e  delle  iperboli.  A  tale  scopo  considera 
nn  prisma  aYente  per  basi  i  due  triangoli  ÄBE,  DCF  e  lo  sega  con  an 
piano  parallelo  alla  faccia  BCFE;  ottiene  cosi  solle  dae  basi  le  rette  fra 
loro  parallele  GH,  ML,  e  condace  &X;  il  laogo  di  tatte  le  rette  h  ana  super- 
fieie  in  cai  si  troYano  infinite  iperboli  ed  infinite  parabole:  cih  h  oggi  evidente 
dal  momento  che  qaella  saperficie  altro  non  h  che  an  paräboloide  iperholico. 

Caleolo  inflnitesimale  e  applicazioni  geometriehe. 

PoHemica,  criHca,  metodisHca.  Nel  T.  XXYII  del  GHomdU  d€  letteraH 
(f  Italia^)  il  Conte  Giulio  Faqnano  ammise  come  possibile  di  giangere 
ad  an'  eqnazione  differenziale  del  segaente  tipo 

f^da^        X  da?  dxdy         y  dx 

senza  sapporre  costante  dy  o  dx,  Tale  asserzione  fa  combattata  di  Nigolo 
Bebnoulli  {Ada  erud,  T.  XXIX),  il  qaale  la  ritenne  legittima  soltanto  per 
c=s — h,     n  Fagkano  rispose    nel  T.  XXXI  del   GiomaU  snddetto**)    e 


46)  V.  il  n.  26  deir  Indice  coDtennto  nella  1  parte  del  presente  scritto. 
46)  Y.  il  D.  31  deir  Indice  succitato. 


270  Gino  Loria: 

provoci  cou  an  nuoYO  scritto  del  suo  oppositore  {Acta  erud.,  Snppl.  T.  H). 
£d  a  qnesto  nnovo  attacco  il  Fagnano  „fece  rispondere^  dal  proprio  figlio: 
mi  esprimo  coffl  perchi  la  parte  dottrinale  della  memoria  n.  13  fu  inseriu 
sotto  il  nome  del  padre  nel  T.  11  (p.  282—291)  delle  R  M. 

AI  pari  di  qnesto  scritto  polemico,  possiede  an  certo  yalore  permaneDte 
anche  la  memoria  pseudonima  n.  25,  ove  Y  autore  —  che  h  sicuramente  Giulio 
Faqnano  (nome  di  cui  Giovanni  Galfi  e  Flaviö  Gangini  sono  anagnnmii) 
—  rivendica  all'  antore  delle  P.  Jtf.  le  indagini  sulla  lemniscata  esposte  d^ 
Maclaurin  nel  sno  Trattato  deUe  flussioni,  adducendo  come  prova  il  fatio 
che  i  relativi  studi  del  Fagnano  risalgono  agli  anni  1715  —  1718,  mentre 
r  opera  del  Maclaurin  usci  in  Inglese  nel  1742  e  sette  anni  dopo  in 
Francese.  1/  antore  corregge  poi  un'  errata  rappresentazione  geometrica  che 
si  troya  nell'  Art.  802  di  qnel  Trattato  e  stabilisce  nn  teorema  sull^  iper- 
bole  iyi  assnnto  senza  dimostrazione  (Ait.  799  e  927). 

Interessantissime  sono  le  due  lettere  di  Yincenzo  Biccati  di  coi  consts 
lo  scritto  n.  36.  La  prima,  non  gia  perch^  contiene  nna  riTendieazione  di 
priorita,  ma  perche  richiama  alla  memoria  il  fatto  che  il  Riccati  mede- 
simo^^)  e  Paolo  Frisi^)  si  occnparono  pin  di  an  secolo  fa  di  an  punto 
notevolissimo  del  piano  di  an  triangolo:  parlo  di  qael  ponto  per  cni  e 
minima  la  somma  delle  distanze  dei  yertici^^);  e  dimostrarono  geometrica* 
mente  essere  desso  qnel  pnnto  le  cai  congiangenti  con  i  yertici  stessi  fonnaDO 
a  dae  a  dae  angoli  fra  loro  egaali.  La  seconda,  non  gia  per  ayere  toocaU 
ana  qaestione^^)  a  coi  piii  tardi  Gregokio  Fomtana^^)  consacro  un  aiü- 
colo  speciale,  ma  perche  fa  yedere  che  Y.  Biccati  per  primo  ebbe  d 
attuö  V  idea  di  (andere  il  calcolo  differenziale  colV  integrah 
„Se  ayessi  —  egli  scriye  —  scelto  il  metodo  di  parlar  prima  del  Calcolo 
differenziale,  e  delle  affezioni  delle  carye,  che  da  esso  dedaconsi;  appresso 
del  Calcolo  integrale,  e  delle  affezioni,  che  ne  abbisognano,  yoi^^)  avrest« 

47)  Nelle  Instüutiones  a/ndl/ifticae  a  Y.  Riccato  et  H.  Saladoto  (Bononiae,  1760. 

48)  De  problenuUibus  quibusdam  maximorum  et  minimorum  (Atii  dell'  icc. 
di  Siena,  T.  IV,  1771). 

49)  Sa  tal  punto  attirö  rattenztone  dei  geometri  il  Fbrmat  propooendo 
il  problema:  «Datis  tribus  punctis,  quartum  reperire,  a  quo  si  ducantar  tr» 
rectae  ad  data  puneta,  summa  trium  haram  rectanim  sit  minima  quuititv» 
(Oeuvres  de  Fermat,  ed.  Tahhkby  et  Hkitoy,  T.  I,  1891,  p.  158). 

50)  Se  ogoi  settore  circoUre  sia  esprimibile  mediante  nn  seitore  iperboHoo 
imm*aginario. 

61)  Sopra  i  logaritmi  delle  quantitä  negative  e  sopra  gVimmaginan  (Meni 
delle  See.  Ital.  delle  Scienze,  T.  I,  1782,  p.  183—202). 

52)  Questa  lettera  h  in  risposta  a  tre  articoli  di  G.  Pbssuti  iaseriti  m 
Nuovo  GiortuOe  de'  letterati  d'ItaUa  (T.  I,  p.  50,  T.  U,  p.  29,  T.  HI,  p.  78).  H 
Pessuti  replicö  con  le  RifkssUmi  analitidie  etc.  (Livomo,  1777). 


II  «Giornale  de*  Leiieratd  d'Italia»  di  Venezia  e  la  «Baccolta  Calogerä».    271 

ragione  d'  appormi  iwa  perpetua  coufusione,  e  d'  aver  fuori  d'  ogni  bnon 
ordine    mescolata  tma   cosa   coli'  altra.     Ma  il  mio   metodo  e  interamente 
diverso;  e  voi  doYreste  esaminare  s'  esso  sia  buono  e  ordinato,  non  se  sia 
conforme  a  metodi  altnii.     Acciocche  siate  in  istato  di  fare  meglio  cotal 
disamina,  ye  1'  esporro  minutamente.    Mio  disegno  e  stato  d'  unire  insieme 
il  calcolo  differenziale  e  integrale,  dividendo  V  Opera  in  dne  parti.     Nella 
prima  traito  delle  prime  differenze,  nella  seconda  delle  differenze  seconde  e 
alteriori.     Qnanto  alla  prima  la  divido  in  due  libri.     Nel  primo  tratto  di 
quella  parte  del  calcolo  differenziale,  che  conduce  o  scioglie  formole  com- 
poste  d'  una  sola  yanabile.    Egli  e  yero  che  mostro  nel  principio  la  diffe- 
renziazione,  ed  integrazione  d'  alcnne  semplicissime  formole  a  dne  yariabili; 
perche  ne  faccio  uso  in  progresso  in  alcnne  formole  d'  una  yariabile.     Ma 
la  üusilita,   e  V  eleganza  permette  agli  antori  una  d  discreta  liberta.     Kel 
secondo   libro  tratto  di  quella  parte  del   calcolo  differenziale  e   integrale, 
ehe  conduce,  o   scioglie  formole  composte  di  due  o  piu  yariabili.     Nelle 
seconda  parte,  che  forma  il  terzo  libro,  parle  del  calcolo  differenzio-differen- 
ziale,  e  del  suo  integrale.     Sembrami  d'  avere   esattamente   eseguito  cosl 
fatto  metodo,  che  mi  sono  proposto.  -*-  Eccoyi  la  ragione,  che  m'ha  in- 
dotto  ad  abbandonare  il  metodo  ^ntico.     Se   ayessi  prima  parlato  del  cal- 
colo differenziale  e  poi  dell'  integrale,   sarebbe  stato  di  mestieri,   che  col 
differenziale  troyassi  le  formole,  e  con  essi  sciogliessi  i  problemi  diretti; 
indi  passando  all'  integrale  le^  richiamassi  di  nuovo  per  appUcarle  ai  pro* 

blemi  inyersi,  il  che  porta  lunghezza  e  nojosa  ripetizione Quanto  a' 

principianti ,  io  n'ho  fatte  replicate  prove,  e  y'  assicuro  che  il  mio  metodo 
riesce  loro  piu  facile  del  comune.**  Sia  questa  lunga  citazione  giustificata 
dal  fatto  che  la  questione  didattica  della  fnsione  del  calcolo  differenziale 
coir  integrale  e  oggi  all'  ordine  del  giomo! 

Formole  di  mtegraeione,  Alla  Nuova  Baccolta  Fagnano  figlio  ha  som- 
ministrato  tre  articoli  (nn.  29,  30,  31)  tutti  relatiyi  a  certi  integral!  gia 
coDosciuti.     Nel  primo  deduce  dall'  identita 

.•  f„  «^        (l  +  ttgxr-q^ttga:)* 
(l  +  »tga:)*  +  (l-»tgir)« 

altre  analoghe  che  portano  a  concludere  la  relazione  seguente 


/*  dx    .      /       ig  nx       \  « 
\g7ix  \Yi  +  tg^nxj 


nonche  altre  somiglianti;  cosi  resta  illustrata  un  asserzione  contenuta  nel 
§.  XI  della  memoria  di  Giovanni  Bernoulli  intitolata  Continualio  matcriae 
(^f  trajedoriis  redprods  (Acta  Erud.,  Suppl.  T.  IX;  Opera  otnnia,  T.  II, 
p-  600).     L'  articolo  secondo  conceme  invece  gli  integrali: 


272  Gino  Loria: 

dx 


/'  dx       r  dx       r     dx  r 

coB  a;'    ^  cos'ä'    J   cos  ar  sen  o;  '    J  Bew'x 

e  si  riattacca  a  ricerche  di  Eulero;  il  terzo  invece  si  connette  nnoTamente 
a   risultati    di   Oiov.  Bebnoulli,    tendendo    a   dimostrare    le   ridnaone  di 

/^ ~r-  a    I -'  —  Tntte  qneste  indagini   sono   eTidentemente 

connesse  a  quelle  (che  risalgono  al  1718)  i  cui  risultati  sono  conaegn&ti 
neue  Solueione  di  ire  pröblemi  di  calcolo  vntegrcde  (P.  itf.,  T.  II,  p.  492— 
503),  ove  OiULio  Carlo  de'  Faonaki,  gionse  alla  rettificazione  della  cmra 
logaritmica  con  metodo  proprio,  differente  da  quelli  (a  lui,  del  resto  ignoti) 
che  condnssero  il  Marchese  de  iJ  Höpital  (1692),  Huygens  (1693),  Jacopo 
EiccATi  (1715)"),  e  Cotes  (1722)  allo'stesso  risultato. 

H  teorema  dd  binomio  per  un  esponmte  qualunque.  Contemponmee 
alle  investigazioni  di  Fagnano  padre,  teste  citate,  sono  quelle,  di  gran  langi 
piu  importanti,  contenute  nell'  articolo  Maniera  di  far  servire  aüa  geomeiria 
alcune  dignitä  immaginarie  (P.  M,,  T.  n,  p.  476 — 492),  ove,  assai  prima  di 
EuLEBo,  sono  considerate  e  trattate  in  modo  originale  le  potenze  ad  espo- 
nente  immaginario.     Ivi  il  nostro  autore  considera  la  quantita 

^=H-T-  +  ^^^**  +  --^2-l— ^  +  - 

e  si  domanda  quäle  ne  sia  1'  espressione  in  tennini  finiti,  qualunqne  sia  ». 
Per  rispondere  osserra  che,  differenziando  rü^petto  a  a:,  si  ottiene 

dE  n       ^  .       dE  dn 

=  -z—, —  E    ossia     -r=r  =  n 


dx         1  4-  X  E  1  +  x 

donde  int^grando  si  ricaya 

cioe  il  teorema  del  binomio  per  un  esponente  qualunque.  II  Fagnanu 
applica  questo  importantissimo  risultato  ad  esprimere  in  sene  dl  quantita 
reali  le  seguenti  quantita  apparentemente  immaginarie 


e  se  ne  serre  per  risolvere  il  problema  seguente:  „Dati  il  cerchio  di  raggio 
1  e  la  iperbola  equilatera  di  potenza  1,  troyare  il  settore  del  primo  cbe 
equiyale  all'  area  compresa  fra  V  iperbola,  1'  asse  delle  x  e  le  Ordinate  re- 
lative alle  asscisse  1  e  a:  -j-  l.**  E  condude:  „e  dunque  motivo  di  sperare, 
che  questa  mia  invenzione  giungera  a&tto  nuova  agli  analisti,  poiche,  p«r 


63)  V.  la  Vita  del  Contb  Jacofo  Riccati    senHa  dal  Cav.  C.  di  Eovffo  in 
0.  Ä,  T.  IV,  p.  XIV. 


n  «Giornale  de'  Letterati  d*Italia>  di  Venezia  e  la  «Raccolta  Galogerä».     273 

quanto  i  a  me  noto,  niano  di  essi  a  mai  dato  segno  di  credere  che  si 
potesse  far  nso  delle  qaantita  innalzate  a  dignita  immaginarie/' 

ArM  di  conica  a  differenza  rettificäbile;  spirali  siniisoidi.  Per  non 
allangare  olteriormente  questo  scritto  non  analizzo  il  lavoro  n.  28,  di  cui 
e  palese  e  confessato  il  legame  con  uno  inserito  in  P.  M.  (T.  11,  p.  504  — 
510);  e  per  quanto  conceme  le  memorie  nn.  2,  3  e  4  mi  basti  ricordare^) 
che  esse  fanno  risalire  al  Conte  di  Faonano  la  scoperta  delle  spirali 
sinusoidL 

Non  h  infreqnente  Y  ndire  afifermare  (anche  da'  gindici  pin  benevoli) 
che,  prima  del  1850,  i  matematici  Italiani  lavorarono  isolatemente,  senza 
prendere  parte  al  grande  moyimento  intellettaale  che  fece  raggiungere  alle 
Scienze  esatte  lo  stato  in  cui  attoalmente  si  trovano.  Da  quanto  esponemmo 
nelle  pagine  precedenti  —  oye,  in  quasi  ogni  linea,  s' incontra  il  nome  dt 
qnalche  sommo  matematico  oltramontano  —  risulta  che  quelF  affermazione 
e  disformo  dal  yero,  almeno  per  quanto  conceme  11  See.  XVlll.  I  lavori 
del  RuFFiNi  e  del  Mälfatti,  del  Paoli  e  del  Fontana,  del  Bordoni  e  del 
Mainardi,  e  di  altri  minori,  bastano  ad  estendere  la  portata  di  tale  con- 
clnsione  sino  alla  meta  del  Secolo  attuale. 


5i)  Cf.  Q-.  LoRiA,  InUgrali  Euleriani  e  spirali  tinusoidi  (Resoconti  dell'  Acc. 
di  Praga,  1897). 


4  bis)  In  questo  articolo  h  esposto  quel  procedimento  per  integare  certe 
eqnasioni  differensiali  che  ri  chiama  metodo  deUa  dimezgaia  separazione.  Qaeeto 
metodo  fa  comnnicato  nel  1714  da  J.  Riccatt  a  B.  Zbndrini  e  qnesti,  a  mezzö 
del  BoTTBOUBT,  lo  portö  a  conoscenza  di  Leibniz,  che  cosi  giadicollo,  in  una  lettera 
diretta  al  Boüsoubt  stesso,  da  Hannover  nel  Dicembre  dell*  anno  suddetto,  e  che 
non  si  trova  nei  MaÜh.  Schriften,  ed.  Gxbhabx>t:  «Le  diiBCOura  Analytique  de  yotre 
Ami,  snr  la  mani^re  de  s^parer  les  inconnues  dans  les  Equations  diff^rentielles, 
me  parait  ing^nienz,  et  ses  m^ditations  m^ritent  d*^tre  culti?^e8  et  ^claircies  plus 
amplement.  Je  compare  ces  sortes  de  m^thodes  ayec  les  diffi^rents  tours  d'adresse 
dont  on  se  sert  dans  le  calcul  de  Diophante,  quand  il  s'agit  de  r^soudre  les 
i^nationa  en  nombres  rationnaux.  Je  ne  sais  si  c'est  M.  Zbndriiii,  on  quelque 
antre  Ami  que  tous  avez  en  Italic.  Quelqu'il  soit,  il  parait  capable  de  donner 
qoelqne  chose  de  considdrable,  et  je  vons  supplie,  Monsieur,  de  Feshorter  ä 
poorauivre.  Cependant  il  faut  que  je  dise  qu'il  y  a  des  säparations  des  inconnues 
dana  les  diffärentielles,  qui  ne  soffisent  point  pour  en  tirer  les  quadratures,  quoique 
on  alt  coutome  de  prendre  Tun  pour  Tautre»  {Opere  del  ConU  Jacopo  Riccati^ 
NoMe  Trevtgiano,  T.  I.  Lucca  1761,  p.  436). 

14  bis)  Ayendo  il  Mahfbkdi  fatto  omaggio  della  sna  opera  a  Leibhiz,  rice- 
▼ette  da  questi  la  seguente  lettera,   aasai  lusinghiera  ed  interessante,   che  il 
Abhdir  Getoh.  d.  M«th«m.    IX.  18 


274    Gino  Loritt:  II  «Giorn.  de*  Letter,  dltalia»  di  Yenesia e  la  «Bacc.  Calogen». 

Fabroni  ba  pubblicata  per  primo  {Vitae  liälorum  doctrinae  exceUentium  etc^  T.V, 
Pisis  MDCGLXXIX,  p.  223—224)  e  che  non  trovb  posto  in  LeibnizeM  Math.  SAriftm, 
ed.  Gebhiadt 

IlluBtrissimo  et  celeberrimo  Viro  Gabubli  Manfsedio  Guilelkus  Leibxitius  S.  P.  T. 

Pro  manere  egregio  gratias  et  meo  et  pnblico  nomine  tibi  ago.  Debebit 
tibi  Italia,  aliisque  paucis,  ne  expera  sit  elegantioris,  profnndiorisqae  Geo- 
metriae  nuper  apertae.  Nee  dnbito,  yestra  ingenio  magnos  in  ea  progressns 
factara,  nbi  semel  rectae  viae  institerint.  Vobis  totam  prope  Algebra  debemoi, 
qnalifl  bactenns  habetur;  nam  cubici  gradus  reaolatio  Scipiohis  Fsbbei,  et 
biqaadratici  est  Ludovici  FERiuRn.  In  Gteometria  sublimiore  coeperaot  prae- 
clari  aliqnid  agere  Cavalb&iüs  et  Tobbiceluus  ;  sed  cum  in  ipsis  initiis  haedsseot, 
alii  eorom  studiis  adiuti  progressi  sunt  longios,  tandemque  res  ad  qacddaia 
Analyseos  seu  Calculi  genus  a  me  perducta  est.  Eam  qnis  videtor  multum  abesae 
a  perfectione?  cum  ne  in  Algebra  quidem  hacienus  aliquis  publice  processent 
ultra  quartum  gradum,  ant  saltem  ^iam  longius  progrediendi  ostenderit.  Ta 
quidem  eleganti,  atque  utili  compendio  sparsim  exposita  complezus.  es,  ot  facUiai 
apparet,  quid  adhuc  desideretur.  Aequationem  di£Perentialem ,  quam  sub  finem 
Operis  construis  ita  resolvere  soleo;  si  fit  dy  :  dx  '^  z  -i-  vy^  posito  o,  et  s  dar! 

per  X    utcumque.    Fiet   y  =*  nfz  dx  in    et    log  n  ^^CydXy    sea   }r       =«, 

adeoque  tandem  erit  y  ^^  h*^^  'Cfzdx  :  6*^*  *). 

Optet  autem  regressu  facto  Catalogos  ezhiberi  aequationum  differentialiam 
tractabilium,  ut,  oblata  aliqua,  conatituere  facilius  possimus  primo  aspectn,  an  sit 
in  potestate.  Sed  maxime  prodest  artem  exerceri  per  problemata,  yeluti  si  qoia  tibi 
proponat  in  superficiebus  datis  minimam  a  dato  puncto  ad  datum  dacere,  aliaque 
id  genus.  Per  problemata  enim,  et  ingenium  acuitur,  et  acientia  augetur,  atque 
in  usus  transfertur. 

Ceterum  mihi  semper  gratissimum  erit,  tuo  vel  amicomm  tuorum  discere, 
quid  apud  vos  in  proyehendis  scientiis  geratur.  Kam  et  anatomiam  pulchre  apa<i 
vos  excoli  Video.  Sed  Medicina  ipse  ubique  adhuc  squallet,  nee  reperta  satia  ad 
usum  accomodantur.  Itaque  felicioribus  saeculis,  id  est  quibus  homines  et  maiime 
Principe«,  magis  rem  Suam  curent,  transcribere  haeo  oportet.  Qaod  auperest 
vale,  et  fave. 

Dabam  Hannoverae,  10.  April  1708. 


;^^3-% 


]SrOTE   Süß  LE  CARACTME  G:ßOM£TRIQUE 

DE  L'ANCIENNE  ASTRONOMIE 


PAK  LE 


Db.  PAUL  MAITSION, 

PHOFSaSBUB    1  lVnIVRBSIT^   DB    OAND,    MBMBBB    DB    L^ACAD^ltlB   BOTALB    DB   BBLGIQUB. 


18' 


ffMatkemata  mathtmatieU  teribuntur,**    Covwuno. 

1.  Objet  de  la  presente  note.^)  Les  travauz  de  Böckh,  de  Th.-H.  Martin, 
de  ScHiAPARELLi,  de  P.  Tanneby  et  de  leurs  continaatears  sur  rastronomie 
des  Grecs;  cenx  des  savants  qui,  avec  Curtze,  ont  fait  connaitre  la  yie  et 
roenvre  de  Copernic;  les  recherches  qni  ont  abouti  a  la  pnblication  com- 
plete  du  proc^  de  OALiii^  et  a  celle  d'ane  Donvelle  edition  de  ses 
Oeuvres;  enfin  des  ecrits  recents  de  Poincar^  et  de  Duhem  snr  la  Philo- 
sophie des  scienoes  phjsiqaes,  ont  attire  Fattention  snr  le  role  preponde- 
rant  qu'a  joue  dans  le  pass^  et  qne  jonera  dans  Tavenir,  Texplication  pure- 
ment  g^mitrique,  ou  si  Ton  veut,  cinematique,  des  ph4nomenes  naturels. 

N&uimoins,  on  n'a  pas  encore  reuni,  jusqu'a  present  que  nous  sa- 
chions,  dans  un  ecrit  special,  les  temoignages  anciens  et  modernes  qui 
prouvent  que,  depuis  deux  mille  ans,  il  j  a  une  tradition  de  plus  en  plus 
daire  tendant  a  ätablir  cette  proposition  fondamentale:  «Pour  qu'une 
theorie  scientifique  (quantitative)  de  Tünivers  soit  satisfai- 
sante,  il  suffit  qu'elle  rende  compte  des  phenomenes,  au  point 
de  vue  purement  g^ometrique  ou  cin^matique.> 

Si  nous  en  avions  eu  le  temps,  nous  eussions  youlu  tenter  la  collec- 
tion  de  textes  dont  nous  venons  de  parier;  mais  a  defaut  du  memoire  de- 
taille  qu'il  nous  a  ^te  impossible  de  faire,  nous  crojons  utile  d'en  donner, 
dans  cette  note,  au  moins  une  esquisse,  ou  plutot  d'en  r^unir  quelques 
fragments  qui  pourront  faire  connsdtre  la  tendance  generale  de  la  science, 
signalee  plus  haut. 

2.  Les  sept  systimes  de  rancienne  astronomie.    On  peut  distinguer 

dans  Fancienne  astronomie,  sept  sjstemes  pour  rendre  compte  des  mouve 
ments  erlöstes:  1^  Le  Systeme  du  feu  central,  de  Philolaus.  Dans  ce 
Systeme,  un  astre  imaginaire  (rAntiterre),  la  Terre,  la  Lune,  le  Soleil,  les 
cinq  planet^s  (Mercure,  Venus,  Mars,  Jupiter  et  Satume),  et  enfin  la  spb&re 
des  etoiles  fixes,  circulent  autour  du  centre  du  monde,  occupe  par  le  feu 


1)  NoQB  appelons  ancienne  astronomie  (nous  ne  disons  pas  astronomie 
ancienne)  celle  qui,  de  FmLOLAVs  k  Ticho  Bbah^,  explique  les  mouvements 
Celestes  par  la  combinaison  de  mouvements  circulaires.  Poar  nous,  Vastronomie 
moderne  conomence  avec  KisnxR. 


r-T.«   ieä  ^her«3  homocentriqne  d'fiuüOXE,  duu  leqnel 
ks  aonvenuats  U3«s  compliqnes  aatoor  de  It  Terre, 

u  .-«Dtre  da  moode  et  ä  one  distance  inTuüble  de 
j:  -x^ieme  d'Hi&ACUDE  DU  PoKT  oQ  de  ron  de  ses  con- 
t  -yvTiMne.  ]ea  etoilea  sont  fixes,  la  Terre  a  an  monte- 
ü^in»  «c   esc   le   centre   dn   monde   et  da   moavemeDt 

-^  iu  Siji^il.  nikis  le  Soleil  est  le  centre  dn  monTement 
.3c>--ef.  t"  Le  sjsteme  d'ABiSTABQLE  de  Samos:  le 
>   ht  xonde:  ü  «st  le  centre  du  mouTetnent  propre  des 

r™  -  A  Tr^r»  est  eneore  le  centre  du  monvement  propre 
,:  5T-<cfmi!  d'HiPPABtiCE  et  de  Ptol£h£e,  o&  totu  let 
'  -^Bvets  '.-uToIuns,   oa  composes  de  monvemenls  cimi- 

1   T-r;?.   nplacee   an   centre   dn    monde   et  immobUf. 
«Tt«:i\  jä  toos  les  astres  ont  des  monvements  circn- 

Ä  'Bi.'UTumeats  ctrcnlaireB,  aatonr  du  Soleil,  sappox 
T-  i-j  xii&de.  7*  Le  Systeme  de  Ticho  Bhah^  oÜ  le 
7^  -:>2*;c.;3  oat  des  monTemente  composes  de  motiTe- 
;^  '■.aor'i^  aaii>aT  dn  Soleit,  le  Soleil  et  la  Lone  autoDr 
rrr,  ir.nitiöili'  an  centre  da  monde,  est  d'aülenn  anssi 
,,^^;    ,-;r-:ii.ii«  des  etoiles  fixes. 

H.-v  '  s^^!ticm'>  moderne  en  assjgaant  anx  planetes  ei 
•F:r-^i:(  jü'~'^i^ae  «ntoor  dn  Soleil,  monvement  qni  eqoi- 
-^a  '  •-  ti-mlfrr  htftin  de  monremente  circnlairea,  comrae 
fl  Ä».  *rrtfs  de  FoiTUER,  Enfin  Newton,  par  sa  decon- 
j  ,;.  ,.rsc::tr,  detnontre  qne  les  moavements  elementiiirs 
-.'tv   «^»ira   $oaC   des  combinaisons,    en  nombre  fmi,  de 

.  .^^    •■•i'H.viiigu««  on   paraboUqnes,   incessammest  va 


nKrit    <-i<m['te    dea    phenom^nes    Celestes,    de 
.\a    Ifj-oier,   ä  part  le  troisi^e   et  le  qm 
%  «|iUvtH».  -fui  ^nt  compl^tement  ^niralent«,  ä  ce 


»  r\.<dT«i«»ir  el  U  PhfBiqne  ehez  les  Aaiäm. 

Mi  iviuittitT  de  la  diversit^  des  assertioas  qni  sont 

fc,  «»<«<■:  ••'*  i'^'f''  ''w  monde  se  trouve,  ou  It  ("> 

^    r^.it   imHtt'Mf  (Eudoxe,   ProLiiife,  Ticho- 

^P  .     i'tiM    tm-uriimid  de  rotailoH  (H^RACLUie  W 

»MW^».    VV'l'KKM.) 

m^.!^..!..  u'a{i|>artienDent  pas  ä  l'AstrDDomie  fto- 
j.^^ihv'    '•»    AticienS;  elles   sont  emprunlees  pu 


r 


Note  Bur  le  caractöre  g^om^trique  de  rancienne  astronomie.  279 

las  Astronomes  a  la  Phjsiqne,  c'est-a-dire  a  cette  parüe  de  la  Philosophie 
qoe  noos  appelons  Cosmologie.  Ponr  les  Anciens,  a  partir  du  temps 
d'ARiSTOTE,  «c'est  la  Phjsiqne  qui  foumit  an  moins  les  principes  des  ex- 
phcations»,  remarque  P.  Tanmebt;  «rastrologie  [Fastronomie]  n'intervient 
qne  ponr  le  d^yeloppement  mathematiqae  de  ces  principes >^.  «Les  mathe- 
matidens,  d'apres  Aristote,  dit  de  meme  Schiaparelli,  en  faisant  des 
hypotheses  astronomiques  ne  cherchent  pas  a  determiner  comment  les  choses 
6ont  Yraiment  dans  la  natnre,  mais  seulement  a  representer  les  mouvements 
Celestes  d'nne  maniere  qui  ne  r^pngne  pas  anx  phenomines  et  soit  com- 
mode  ponr  lenr  calcul  et  lenr  prediction. » ') 

Dans  ses  heUes  etndes  sur  les  sjstemes  de  Orecs,  Schiaparelli  a  inis 
en  Inmiere,  relatiTement  a  cette  distinction  entre  T Astronomie  et  la  Phj- 
siqne, nn  passage  de  Posidonius,  r^snme  on  cite  par  Oehimus  et  conserve 
par  SiMPLicius,  on  cette  distinction  est  fortement  marqnee.  Nons  nons 
contenterons  d'en  citer  la  conclnsion:  ^'OXtos  yoQ  av%  lauv  iaxQoXoyov  xb 
yinbvaiy  xi  ii^iiaUv  iöxi  x^  (pv6ei^  %al  Ttota  xic  nuvtixa^  iXkic  iitad'iiSeig 
tiöfiyoviuyog  t&v  (liv  fuvövrcov,  x&v  di  Mvovfiivavy  cwmu  xlöiv  ino^icsaiv 
iau)lov9ffiii  xit  naxit  xinf  oiQovbv  tpatvofuva.  AriTCxiov  6h  ttbx^  ^W^S  nagic 
xoü  gnfCtnady  ca^g  elvai  %al  iiucXicg  %al  xixayfMivag  Kivrfiiig  tc&v  &cxqmv^ 
dl  &v  itstoiel^si  iy%vxkiov  oiiUtv  xiiv  jof^lav  andvxmvy  x&v  (tkv  xcrra  na- 
QoXl'^iovg^  x&v  6h  xorra  Xo^ovg  xvnlovg  stXovfiivtov,:^^)  On  pent  la  tradnire 
a  pen  pres  ainsi:  «D'nne  maniere  absolne,  il  n'apparüent  pas  a  Tastronome 
de  sayoir  ce  qni  est  fixe  par  natnre  et  ce  qui  se  ment;  mais  parmi  les 
hypothises  relatives  a  ce  qni  est  immobile  et  a  ce  qni  se  ment,  il  exa- 
mine  qneUes  sont  Celles  qni  correspondent  anx  ph^nomenes  Celestes.  II 
doit  reconrir  an  phjsicien  ponr  les  principes  [de  ses  recherches,  afin  de 
sayoir,  par  exemple]  qne  les  monvements  des  astres  sont  simples  et  regn- 


2)  Beekerehes  sur  Vhistoire  de  Vastronomie  grecque  (Paris,  Qauthibb -Villarb, 
1893),  p.  28. 

3)  Origine  del  Sistema  planetario  eliocefUrico  pressi  %  öreci  (Memorie  del 
R.  Istitato  Lombarde,  Classe  di  aeienze  matematiche  e  natumli,  Vol.  XVIII — ^IX  della 
Serie  III  —  Fascicolo  V,  1898),  p.  70.  Un  exposä  d^taillä  de  r^yolation  parement 
tr^mätrique  des  diyers  ^stämes  de  rancienne  astronomie,  principalement  d'apr^s 
ScHUFABKLu,  SC  trouvc  dans  TmBioN,  Paur  ragtnmomie  grecque  (Reyue  des  qaestions 
Bcientifiqnes,  Louvain,  1898,  2«  s^rie,  t  XV,  pp.  6—47, 435—476;  t.XVI,  pp.  111—168). 

4)  Nons  citons  ce  passage  d'apr^s  le  Memoire  de  ScmAPARELLi  indiqu^  plus 
haut  (p.  100),  et  nous  Ini  empruntons  la  substance  de  notre  tradnction  (p.  86). 
ScHUPABCLLi  ayait  dejä  attir^  Tattention  aar  le  passage  de  Posidoxius  dans  son 
Chibro  Memoire  sur  les  Pr^cnrseurs  de  Copbbhic  dans  Tantiquit^.  Voir  la  tra- 
dnction allemande  de  Curtzb:  Die  Vorläufer  des  Copkbhicüs  im  Alterthum  (Leipzig, 
1H76,  QüAjTDT  und  Händel),  pp.  68-70  note;  pp.  102—103,  n»  XL. 


280  Panl  Mansion: 

lierement  ordonnes;  au  moyen  de  ces  mouvements,  il  prouvera  ensuite  qae 
le  choeur  de  toos  les  astres  est  circnlaire,  soit  parallelement,  soit  oblique- 
ment  [a  T^quateur].  > 

Voici  nn  autre  passage,  non  moins  caracteristique,  d'ÄDRASTE  d'ApHKo- 
DI8IAS,  cite  par  Th^on  de  Smtrne:  «Quoiqne  Hipparque  ne  fat  pas  un 
physicien  et  qa'il  n'eat  pas  considere  avec  soin  qaels  sont  les  mouTe- 
ments  reels  tels  qn'ils  sont  dans  la  natnre  et  ceux  qni  ne  sont  qu'appa- 
rents  ou  accidentels,  toutefois,  etc.>^) 

Comme  on  le  voit,  pour  les  Grecs,  c'est  au  physicien  seul  a  decider 
ce  qni  est  immobile  on  ce  qni  se  ment;  il  snffit  a  Fastronome  d'expliqoer 
les  ph^nomenes,  de  sauver  les  apparences,  si  Ton  peut  ainsi  dire,  en  em- 
ployant  nne  expression  fran9ai8e  qni  tradnit  exactement  les  termes  grecs 
et  latins  correspondants.  Dn  moment  qn'il  en  est  ainsi,  on  comprend  pom^ 
qnoi  les  Grecs  ont  pu  passer  si  facilement  da  Systeme  d'HiäRACiJDE  vv 
Pont  a  celni  d^ÄHiSTARQUE,  et  de  celni-ci  a  celui  d'HiPPARQUE:  ils  n'avaient 
pas  a  s'inquieter  des  realites  dont  le  domaine  ^tait  resenre  aox  physiciens; 
le  passage  d'nn  Systeme  a  nn  autre  etait  une  question  de  geometrie.  On 
connaissait  d'ailleurs,  depnis  Euclide^),  les  principes  fondamentaox  snr  le 
mouvement  relatif,  necessaires  pour  savoir  ce  que  devenaient  les  pheno- 
menes  quand  on  rempla^ait  un  Systeme  par  nn  autre. 

4.  Ptolimee.  PTOLämäE,  comme  astronome,  partage  la  maniere  de 
voir  de  ses  pr^decesseurs  sur  Findiffiirence  du  choix  des  hypotheses,  da 
moment  qu'elles  ezpliquent  les  phinomenes. 

Dans  les  sept  premiers  chapitres  du  livre  I  de  F Almageste,  il  expose 
le  plan  de  son  ouvrage  et  en  fait  connaitre  les  hypotheses  fondamentales 
deduites  autant  que  possible  de  Fobservation.  Par  exemple,  il  n'admet  pas 
que  la  Terre  ait  un  mouvement  de  translation,  parce  que  les  etoiles  fixes 
n'ont  pas  de  parallaxe. 

Mais  quand  il  s'agit  de  Fimmobilite  de  la  Terre  ou  de  sa  rotation 
diume,  il  est  bien  force  d'admettre  qu'ou  point  de  vue  de  ViisU-onomie,  ks 
deux  hypotheses   sont  admissibles   et  mime  que  la  seconde  est  plus  simple. 


6)  ScHiAPAitELLi,  Mdm.  p.  75. 

6)  Delambbb,  dam  son  Histoire  de  V Astronomie  aneienne  (p.  60)  doime  a  ce 
snjet  les  denx  th^or^mes  suiTants  de  VOptique  d*£ucLiDB:  «Si  plusieura  objeti 
sont  en  mouvement  et  un  seul  iranquille,  il  parait  se  mouvoir  en  sens  oppose. 
Si  plusiears  corps  se  meuvent  avec  des  vitesses  inegales  et  que  Foeil  soit  empörte 
dans  le  meme  sens,  les  objets  qni  auront  la  m^me  yitesse  qae  Foeil  parattront 
stationnaires;  cenx  qni  auront  une  vitesse  plus  grande  parattront  avancer;  enfin 
ceux  qni  aaront  une  vitesse  moindre  paraitront  aller  en  arri^re».  (Voir  F^dition 
de  VOptique  de  Hkibbbo,  p.  110.) 


Note  8ur  le  caractöre  g^m^trique  de  rancienne  astronomie.  281 

S'il  la  rejette,  c^est  au  nom  de  la  phjsique:  «II  7  a  des  gens,  dit-il,  qni 
tont  en  se  rendant  a  ces  raisons  [contre  un  monvement  de  la  Terre, 
commun  avec  les  antres  corps  graves],  parce  qn'il  n'j  a  rien  a  y  opposer, 
pr^tendent  qne  rien  n'empeche  de  supposer,  par  exemple,  qne  le  ciel  etant 
immobile,  la  Terre  tonme  antonr  de  son  axe,  d'occident  en  Orient,  en 
faisant  cette  revolution  une  fois  par  jour  a  tres  peu  pres;  on  qne  si  Vxm 
et  Fantre  tonment,  c'est  antonr  dn  memo  axe,  conune  nons  avons  dit  et 
d'une  maniere  conforme  anx  rapports  qne  nons  observons  entre  enx.  H 
est  vrai  qne,  quant  aux  astres  eux  mSmes  et  en  ne  considSrant  que  les 
phenomhhes,  rien  n'empeche  peut-äre  qt^e,  pour  plus  de  simplicite,  ceHa 
ne  $oU  ainsi.  Mais  ces  gens-la  ne  sentent  pas  combien,  sons  le  rapport  de 
ce  qni  se  passe  antonr  de  nons  et  dans  Tair,  lenr  opinion  est  ridicnle  .... 
Les  Corps  qni  ne  seraient  pas  appnyes  snr  eile  (la  Terre)  paraitraient 
tonjonrs  ayoir  nn  monvement  contraire  au  sien  ....  S'ils  disaient  qne 
laüunosphere  est  emportee  par  la  Terre  avec  la  meme  vitesse  qne  celle-ci 
dans  sa  revolution  [rotation  diume]  il  n'en  serait  pas  moins  vrai  que  les 
Corps  qui  y  sont  contenus,  n'auraient  pas  la  meme  vitesse;  ou  s'ils  en 
etaient  entraines  conune  ne  formant  qu'nn  corps  avec  Tair,  on  n'en  verrait 
aucnn  preceder  ni  snivre;  mais  tons  paraitraient  stationnaires;  et  soit  qu'ils 
Tolassent  ou  fussent  lances,  aucnn  n'avancerait  ou  ne  s'ecarterait  jamais; 
c'est  pourtant  ce  que  nons  vojons  arriver,  comme  si  le  monvement  de  la 
Teire  ne  devait  lenr  causer  ni  retard,  ni  acc^leration»  (Traduction  Halma, 
I,  pp.  19,  20,  21). 

Apres  avoir  ainsi  rejete  la  rotation  diume  de  la  Terre,  au  nom  de 
la  pkysique,  et  non  pas  de  Tastronomie,  et  avoir  ezpose  ses  antres  postulats 
fondamentanx,  il  dit,  dans  son  chapitre  7:  «Ces  hjpotheses  Etaient  nn 
preUminaire  indispensable  pour  les  details  ou  nous  allons  entrer  . . .  EUes 
seront  d'aäleurs  confirmSes  par  lewr  accord  avec  les  ph^nomdnes  qui  seront 
demontres  dans  la  suite.> 

A  partir  de  ce  moment,  Ptol^mi^e  n'est  plus  qu'astronome  et  quand 
plnsienrs  hjpothises  expliqnent  nn  phänomene  determine,  il  choisit  Tune 
on  Vautre  ä  volonte,  par  exemple,  celle  de  Teplcycle  ou  de  Texcentrique, 
ponr  le  Soleil  et  la  Lune:  «La  vraie  cause  de  cette  apparence  d'irregularite 
[dans  le  monvement  du  soleil]  peut  s'expliquer  par  deux  suppositions  pre- 
mieres  et  simples.  L'nne  ou  Tautre  rendra  egalement  raison  des  phenom&nes> 
(Halma,  I,  p.  170).  «Nous  pourrions  Egalement  expliquer  la  premi^re  in- 
egalite  [de  la  Lune]  par  l'epicjcle  et  par  Texcentrique;  mais  comme  nous 
avons  denx  in^galites,  nous  jugeons  plus  convenable  d'employer  Tune  des 
hjpotheses  ponr  la  premiere  inegalite  et  Tantre  pour  la  seconde»  (Halma, 
1,  p.  239). 


Paul  MoDHion: 

Plus  loiti,  il  al&rme  pinsieura  fois  qua  l'essenüel  est  d'expliquer  l«t 
mouvementfi  Celestes  par  des  hjpotheses  suffisautes.  Voici  encore  une  cUt- 
tioD  en  ce  sens:  «II  faat  aatant  qu'oD  peut,  adapter  les  bypotbeses  1« 
plus  simples  auz  mouvements  Celestes^  mais  si  elles  ne  suffisent  pas,  0 
fsut  en  cboisir  d'autres  qui  les  expHquent  mieui»  (Hai.ma,  II,  p.  3T4}. 

5.  Saint  Thomas  d'Aqnin.  Au  moyen  äge,  on  peut  citer  8.  THOm»; 
D'AtjtiN  comme  le  plus  illustre  repr^sentant  de  la  Theologie  et  da  k' 
Philosophie;  comme  tel,  il  a  eu  la  plus  gracde  influeuce  sur  les  theologieui 
et  les  philosophes  ulterieurs.  Hii'leu  ')  a  fait  connaitre  ua  pasaage  de 
son  commentaire  du  De  focio  d'AHts-roTE  oü  il  dit  tres  nettement  qn«  \t 
ohoii  des  hypotbesee  est  iudifierent,  eu  AstroDomie.  «^torj  (il  s'agjt  d» 
l'eiplication  du  mouveraent  des  planetes]  äiam  posimni  Aslrolopi  (ftvrrri- 
Hiodc  facere  conati  sunt.  Illorum  autem  suppasHiones,  ipms  adinvmrrml 
non  vsl  necessarium  esse  veras:  licet  mint  talibus  stipposUionü>us  factia  ap. 
pareanf  solvere,  non  tarnen  oportet  dicere  Ä*is  supposUiones  esse  vtras.  ijuin 
forte  seeundum  aliquem  modum  nondum  ab  homintbus  comprc- 
hensum  apparentia  circa  Stellas  salvantur.  Aristoteles:  tarnen  »iit»t 
httiusmodi  suppositiontbus  ad  qualUntem  moluum  lanqitam  veris.* 

Noüs  avona  rencontre  dans  la  Sotitme  theologique  (1,  32,  I,  ad  2),  tm 
autre  passage  plus  cat4garique  encore  dans  le  m€me  sens:  v  Aii  seemiAwih 
dicaidum,  quod  ad  aUqwim  rem  dupücUer  inducitur  ratio.  Uno  modo  oj 
probartdum  suffidenter  aliqttam  radicem;  sicut  in  scientia  naturali  indneiliir 
ratio  SKfficiens  ad  probandum  quod  coeU  motus  scmpcr  sit  uniformis  tdod- 
talis.  Alio  modo  inducitur  ratio  non  quae  suffidenter  probet  radieem,  «d] 
quae  radid  tarn  imposüae  ostendat  congraere  conseguentes  effectus:  «iäitj^ 
astrologia  ponÜur  ratio  esxentricorum  et  epiq/dontm  ex  hoc,  quod  hac  f 
tionc  facta  possunt  salcari  apparentia  sensibilia  circa  nwlas  coelcstrs!  i 
tarnen  ratio  haec  est  suffidenter  probans,  quin  etiam  forte  i 
posilianc  facta  salvari  possent.» 


T)  Cito  p.  65,  not«  dana  le  IV,  Heft  des  Mitteilungen  des  CojquTnicut-Tm 
■u  Thorn.  M.  Hiplbb  renToie  ä  IMdition  de  Paniie  des  OenTres  de  3.  T 
t.  XIX,  p.  730.  Noua  aToni  TMfid  le  passage  dans  le  t.  II  de  l'Mition  de  Van 
de  1693,  p.  4y,  col,  1,  de  la  eeconde  pagination.  A  la  p,  53,  col.  2  de  cett«  an- 
niete iJdilioii,  OD  lit;  €P0B8Umus  auttm  et  breetue  dicere  quod  quiditm  EtKurrg 
PoNTicna  posuit  terram  in  medio  moveri  et  coclum  quiesccre:  cuiut  opiniotum  hit 
Aristoteleh  ponit>.  Ari«tole  cite  cette  opinion,  mais  ne  Tatlribue  pai  ä  Hui- 
DLIDEB  DU  FoKT,  quB  S.  Ti]o»;i8  conDaiasait  donc  d'ailleurs.  NotoDs  aussi  qoe 
fiiPLBR  (I.c.p.56,  note  3)  cite  encore  ce  qui  suit  de  S.  Thoiiab:  «rmiwsi» 
dieli  articuli  [de  motibus  coeleüibusj  vf.l  porum  vel  nAi'I  faciunl  i 
fiäei,  sed  sunt  penüus  physici»  (S.  Tb.  Aq.  Opp.  Parmae,  SVI,  p.  16i). 


I  ad  (lodfMH 

M 


Note  aar  le  caractöre  g^om^triqne  de  rancienne  astronomie.  283 

Cette  remarqne  tr^s  joste  de  S.  Thoicas  que  l'accord  d'ane  hjpothese 
avec  les  faits  ne  pronye  pas  la  realite  de  cette  hjpothise  semble  avoir  en 
plus  tard  one  grande  inflaence. 

6.  Le  Gomineiitariolns  de  Copernie;  la  Nairatioii  prima  de  Rheticns. 

Le  premier  de  ces  ecrits  est  astronomique  dans  le  sens  strict  dn  mot  U 
a  pour  titre:  Nicolai  Gopebnici  de  hypothesihus  motuum  caelestium 
a  se  constitutis  Commentariolus.  Copernic  rejette  les  hypotheses  de 
ses  devanciers  comifle  insuffisantes;  il  en  propose  de  nouvelles:  rimmobilite 
da  soleil,  la  mobilit^  de  la  terre,  etc.,  sans  s'occnper  le  moins  du  monde 
si  elles  soat  yraies  ou  non.  II  demande  seulement  qu'on  lai  permette 
de  les  admettre  comine  postolats:  Si  noMs  aliquae  petitiones  . .  .  con- 
cedantur,  quae  hoc  ordine  sequuntur  (Mittheilnngen  des  Coppemicus- 
Vereins,  Heft  I,  p.  6). 

La  NarrctHo  prima  de  Bheticus  est  ecrite  dans  le  meme  esprit  astro- 
nomique: D'nn  bout  a  Tantre  de  ce  Memoire,  Tanteur  ne  cesse  de  parier 
d'hjpoth^s  explicatiYes  des  moayements  Celestes,  les  nnes  anciennes  et 
deyenaes  insuffisantes,  les  autres  nouvelles  et  expliquant  les  noayeUes  in- 
egalites;  il  en  montre  la  conyenance  an  point  de  yue  philosopbique  (yoir, 
par  exemple,  p.  465  de  Y^ition  SSculaire  da  liyre  de  Copernic,  le  passage 
relatif  a  rimmobilite  de  la  hniti^me  spb^re),  mais  il  n'affinne  pas  qu'elles 
soient  necessaires  et  fait  la  distinction  habituelle  entre  le  role  du  pbjsicien 
et  celui  du  mathematicien.     Montrons-le  par  quelques  citations: 

ciVtfiMim  atUem,  ut  terrae  mohiUtate  apparentias  in  codo  plerasque  fieri 

posse,   aut  certe  commodissime  salvari  assumeret,    eutn  [Copernicum] 

aequinodiarum  ....  praecessio,  et  edipUcae  obliquitatis  mutatio  induxit^  {ßd, 

sie,  p.  460).     €Et  qwd   Dfominum]  praeceptorem  moverä,    ut  tanquam 

f^aihematicus  aptanh  motus  globi  rationem  non  assumeret,  cum  videret  tali 

assumpta  hypothesi  ad  certam  rerum  coeiesHum  doctrinam  constUuendam 

nodtö  unicam  odavam  sphaeram  eamque  immotam,  .  .  ,,  sufficero  (ßd.  sec, 

p.  461).     €Cumque  haud  ignores,   quem  locum  hypotheses  seu  iheoriae  apud 

^rofiomos  habeant,  et  in  quantum  mathematicus  a  physico  differat, 

do  {id.  sie,  p.  463).  —  H  est  persuade  d'ailleurs  que  les  hypotheses 

de  Copernic  sont  les  meilleures  possibles  et  qu'ARiBTOTE  et  Ptol^m^e  s'y 

convertiraient  s'ils  reyenaient  a  la  yie  (pp.  463,  464).     Mais  jusqu'au  bout, 

il  les  appelle  des  hypotheses,  meme  au  moment  oü  il  en  fait  le  plus  grand 

eloge  possible  en  disant  qu'elles  sont  pour  ainsi  dire  identiques  aux  pheno- 

menes:  <Eo  vero  gratiorem   tibi   uiramque  [NarraiionemJ  fore  spero,   quo 

clarius  artificum  proposUis  ohservatiombus  ita  D,  praeceptoris  mei  hypotheses 

^oig  qwivofiivoig  consentire  videbis,  ut  etiam  int  er  se  tanquam  bona  de- 

tinitio  cum  definito  converti  possinti^  {id.  sec,  p.  489). 


284  Paul  Manaion: 

7.  Le  livre  des  Revolntiong  de  Copernic.    Dans  le  livre  des  Bero- 

lutions,  Copernic  ne  se  tient  pas  exclosivement  snr  le  terrain  de  TAstro- 
nomie  comme  dans  le  Commentarioltis.  Dans  las  chapitres  7  et  8  du 
livre  I,  il  aborde  franchement  la  qaestion  philosophique  da  mouTement  de 
la  Terre  et  de  rimmobilite  dn  Soleil.  Dans  la  d^cace  an  pape,  il  toncbe 
meme  a  la  qnestion  tb^ologique,  qoi  derait  tenir  nne  si  grande  pk» 
dans  les  discussions  relatives  au  Systeme  du  monde,  au  temps  de  Gaulee, 
mais  c'est  pour  Tecarter.  * 

A.  Dans  cette  dedicace  au  pape,  Copernic  fait  rhistoire  de  sa  pensee: 
les  hypotheses  courantäs  ne  rendant  pas  bien  compte  des  ph^nomenes,  11 
a  cru  devoir  partir  de  la  supposition  de  la  mobilite  de  la  Terre,  sonteane 
aütrefois  par  quelques  Anciens,  pour  donner  de  meilleures  explications  des 
faits  que  ses  predecesseurs:  nQuia  scieham  (üüs  ante  me  hanc  coneessam 
Ubertatem,  ut  quoslihet  fingerent  drculos  ad  denumsirandum  pkamomeaa 
asirorum,  exisHmavi  mihi  qu>oque  facüe  penmtH,  ut  experirer,  an  posif^ 
terrae  äliguo  motu  firmiores  demonstrationes  quam  tUorum  esseni,  inveniri  » 
revoluHone  arbium  cadestium  possenL  Atque  ikt  ego  positis  matüms  qws 
terrae  infra  tribuon,  etc.  (Ed.  sie.,  p.  6).  Quoiqu'on  en  ait  dit,  toate 
cette  dedicace,  a  part  la  fin  dont  nous  allons  parier,  est  ecrite  au  point  de 
vue  astronomique,  c'est-a-dire  que  Copernic  n'y  parle  du  mouvement  de  \i 
Terre  que  comme  d'une  hypoOiese  ezplicative  des  ph4nomines  Celestes.  C« 
qui  le  prouve  bien,  c'est  que  la  Congr^gation  de  FIndex,  dans  les  cäebrps 
corrections  qu'elle  a  fait  au  livre  des  Bevolutions,  dans  son  Jfomftim  da 
15  mai  1620  (voir  le  BuOdUfio  de  Boncompaqni,  IX,  p.  704,  note)  n'j  a 
trouve  rien  a  retrancher  sauf  les  dix  lignes  {ßld.  sec.^  p.  7,  1.  16 — 25)  oa 

Copernic  ezprime  son  dedain  pour  les  furraiolo/ot  qui,  ne  sachant  rien  des 

» 

mathematiques,  se  melent  d'en  juger  en  s'appuyant  a  tort  snr  rEcritore 
sainte.  Mais  le  bei  aphorisme  par  lequel  il  teimine  ce  passage:  ifaA^ 
mata  matkematicis  scribuntur,  prouve  que,  dans  sa  pens^,  son  livre  est 
avant  tout  astronomique. 

B.  Dans  les  premiers  chapitres  du  livre  I  des  Bevolutions,  Copebkic, 
a  rimitation  de  Ptoli^i^  au  debut  de  TAhnageste,  expose  les  hypoth^s 
fondamentales  qui  vont  etre  la  base  de  son  ouvrage.  Au  eh.  5  et  6,  il 
agite  les  deux  questions  ou  il  va  se  separer  de  ProLäMi&E:  la  Terre  est- 
eile  inmiobile;  est-elle  le  centre  du  monde?  A  propos  de  la  premiere,  ü 
pose,  avec  la  meme  darte  qu'EucLiDs,  le  principe  du  mouvement  relatif: 
itOmnis  enim  quae  f'idetur  secundum  locum  mutoHo,  aui  est  propter  spedataf 
rei  moium,  mU  videfUis,  aut  certe  disparem  utriusqi»e  mutaüonem»  (tä.  sec. 
p.  16).  Puis  appliquant  la  chose  a  la  Terre,  il  observe  que  tont  moüYe- 
ment  attribue  a  celle-ci  aura  sa  repercnssion  en  sens  inverse,  dans  le  mon* 


Note  Bur  le  caraciäre  g^omätrique  de  rancienne  astronODiie.  285 

Tement  des  astres.  Cest,  comme  on  yoit  le  principe  meme  de  tont  son 
liyre.  Mais  ce  mouvement  eat-il  reel?  la  terre  n'est-elle  pas  an  centre  da 
monde  ?  la  sphere  des  etoiles  fixes  est-elle  immobile  oomme  il  le  condnt,  par  in- 
doction,  aa  eh.  6,  de  la  lentenr  croissante  des  mouvements  des  planstes 
qoand  elles  sont  plus  4loign^s  de  nous?  Ce  sont  ces  qnestions  qu'il  exa- 
mine  en  philosopbe,  en  pbysicien,  dans  les  obapitres  7  et  8.  La,  et  Ui 
seolement,  il  expose  et  refate  de  son  mieox,  sans  faire  du  tout  ititervenir 
Vastronamie,  les  raisons  tir^es  de  la  pbjsique  par  Abistote  et  Ptolj£m]£s 
pour  etablir  Timmobiliti  de  la  Terre®).  H  conclnt  modestement:  «Vides 
ergo,  quod  ex  his  amnilms  probahilior  sit  mohilitas  terrae  quam  e^ 
9ttte5,  praeserüm  in  quoHdiana  revohdume,  tanquam  terrae  maxime  propria^y 
(Ed.  sie,  p.  24),  Cette  discnssion  pbilosopbiqne  termin^,  il  revient  a 
Tastronomie,  ponr  ne  plus  la  qnitter,  dans  son  cbapitre  9,  ou  il  acbeve 
Fexpose  des  hypotbises  fondamentales  de  son  livre:  il  indique,  comment  par 
mdoetion,  on  pent  etre  amen^  a  attribuer  plusienrs  mouvements  a  la  Terre 
et  il  resnme  tris  bien,  en  nne  senle  pbrase,  comment  il  poorra,  au  mojen  de 
ces  hypotheses,  expliquer  tous  les  pb^nomenes  (ßkt*  sie.,  p.  25). 

C.  Tont  le  reste  du  livre  des  Revolntions  est  pnrement  astronomiqne 
comme  celni  de  Ptol^m^e  apres  les  sept  premiers  cbapitres  du  debut. 
Comme  Ptol^m^,  Copbbmic  sait  que  ses  explications  sont  independantes 
de  la  y&rite  objective  des  principes  qui  en  sont  la  base;  ces  prindpes 
sont  des  bypotbeses  explicatives  et  rien  de  plus.  Voici  quelques  citations 
emprunt^  a  T^Idition  s^culaire  a  l'appui  de  cette  mani^re  de  voir:  mjam 
ipsum  motum  [terrae]  m  sumvma  eocponemus,  quatenus  apparentia  per  ipsum 
tanquam  hppothesim  demonstrentum  (p.  31,  1.  3 — 4),  «...  er  motu  terrae 
-^.  quo  tanquam  principio  et  hypothesi  utemur  in  demonsiratkmibus  aU- 
onmw  (p.  34,  1.  18 — 19).  Dans  Tanoien  Mannscrit,  retrouv^  de  nos  jonrs, 
yient  ensuite  nn  passage  efiac^,  commen9ant  par  ces  mots:  cc£^  si  fateamur 
solis  hmaeque  cursum  m  immobiHiate  quoque  terrae  demonatrari  posse,  in 
caäeris  vero  erranübus  minus  congruU»  (p.  34,  L  6 — 7  de  la  note),  pnis 
im  autre  effae^  aussi  (p.  36,  note  1.  9 — 18)  on  Copesnic  dit,  presque 
comme  PosmoMius,  que  Tastronome  empmnte  ses  principes  a  la  pbysiqne: 


8)  Nont  ayons  analys^  les  raisons  de  Copbbnic,  dans  les  ÄnnaJes  de  la 
SocieU  teientifique  de  BruxeUes,  1894,  t.  XVHI,  !«•  partie,  pp.  12-16.  Dana  le 
Monitum  de  la  congrägation  de  Tlndex  de  1620,  on  dit  ä  propos  du  cbapitre  8: 
^T(ftum  hoc  Caput  passet  expungi:  quia  ex  professo  tractat  de  veritate  motus  terrae, 
^m  9o\vit  veterum  rationes  probantes  eius  quietem;  cum  tarnen  problematice 
viieaiur  Joqui,  ui  Studiosus  saiisfiat  et  series  et  ordo  libri  integer  maneat,  emendetur 
^  infm>.  Suivent  denx  corrections  insignifiantes,  pnis  la  suppression  de  la  con- 
cliuion  cit^  dans  le  texte  depais  vides,  jasque  propria. 


286  Paul  Mansion: 

«Quae  ex  philosophia  materidli  ad  institutumem  nostram  necessaria  vidtbwuhir 
tanquam  principia  et  hypotheses  . .  .  summatim   recensuimus,    Assum- 
psitnus  etiam  guibusdam  revoUäionibtAS   mobüem   esse   terram  ...»    Dass 
rintrodaction  du  livre  11,  il  annonce  qull  va  s'occuper  du  moayement  di- 
ume,  brievement  parce  qu'on  en  a  traite  sufißsamment  avant  Im:  «Atfcti 
refert,  si  quod  Uli  per  quietwh  terram  et  mundi  verOginem  demonstranft,  hoe 
nos  ex  opposiio  siiscipierUes  ad  eandem  concurramus  metarn,  quamam  k  bi- 
quae  ad  invicem  sunt,  ita  contingit,  ut   vicissim  sihi    ipsis  consrn- 
tiant  {fid.  sec,^  p.  73).  —   Le  titre  du  eh.  3  du  livre  HI  est:  f^Ejipo- 
theses  quibf4S  a^equinoctiorum  ohliquUaiisque  signiferi  et  aeqmnoctiaUs  nrnta-  ; 
tio  demansiaturn  (J^'d.  sec,  p.  163).  —  Dans  les  quatre  premi^res  editiocs,  | 
on    trouve    ce  passage  (efface    dans   Fancien    Manusorit):    aJEstque  pri^sus 
eadem   demonstratio,  si  terra  in  f  quiesceret  atque  sol  in   ab  c  äramevr-  | 
rente  moveretur,  ut  apud  Ptoleheum  et  äliosn  (^.  sdc,  p.  204,  denieres 
lignes  de  la  note).  —  Delambre  (dans  son  Histoire  de  VAstonomie  modtmf.  \ 
p.  134)  fait  remarquer  que  Copernic  sait,  comme  PtoliSmiSe,  que  Ton  pent 
expliquer  les  mouvements  de  plusieurs  manieres.     C'est  ce  qu'il  fait,  par  I 
exemple,  pour  Mercure,  livre  Y,  c.  32:    De   alia   quadam   raiione  ac- 
cessus   a  c  recessus.     uPrius  autem  quam  recedamus  a  Mercurio  pUuvii 
älium  adkuc  modum  recensere  priore  non  minus  credibilem,  per  quem  \ 
accessus  et  recessus  iUe  fieri  ac  inteOAgi  possit»  (^.  sec,,  p.  394).  —  Enfin,  an 
debut  du  livre  VI,  il  caract^rise  tr&s  bien  son  explication  des  mouvemest» 
des  planstes  en  latitude,  comparee  a  celle  des  anciens:    uQuae  igitur  pristi 
Mathemaüci  hie  etiam  per  stäbüiUxtem  terrae  demonstrasse  rati  siumt,  eadem 
per  assumptam  ejus   mobilitatem  majori   fortasse   compendio,  ac 
magis  apposite  facturi  sumusn  (iid,  sic^,  p.  412). 

üne  preuve  ä  posteriori  du  caractere  purement  astronomique  dn  livre 
de  Copernic,  c'est  que  la  Congregation  de  Tlndex,  dans  son  Momtxm^  na 
plus  trouv^  a  corriger  dans  tout  Fouvrage,  a  partir  du  eh.  12  du  Livre  I 
jusqu'a  la  fin  (de  la  page  35  a  la  page  444  de  TEdition  s^culaire)  qne 
ce  qui  suit:  In  Üb.  4,  cap,  20.  p.  122.  «/ti  titulo  capitis  dde  rerbo 
(horum  trium  syderum)  quia  terra  non  est  sidusin  (Boncompagni,  loc  cit). 
Le  titre  en  question  etait:  «De  magniiudine  horum  trium  syderum,  soiis, 
lunae  et  terrae  ac  invicem  comparationen  (^d.  sec.,  p.  282,  1.  29). 

8.  La  pr^face  d'Osiander.  On  peut  tirer  de  ce  qui  precede  les  coo- 
clusions  suivantes:  1^  Au  point  de  vue  theologique,  Copernic  ne  croit  pas 
la  doctrine  de  la  mobilite  de  la  Terre  contraire  a  la  Bible  (fin  de  la  de- 
dicace  au  pape).  2®  Au  point  de  vue  phUosophique,  il  la  trouve  plus  pro- 
bable que  Celle  de  rimmobilite  de  la  Terre  (c.  7  et  8  du  Livre  I  des  Be- 
volutions).     3^  Au  point  de  vue  astronomique,  Copernic  prouve  que  Vhjpo- 


Note  Bur  le  caractäre  g^m^trique  de  rancienne  astronomie.  287 

these  de  la  mobilite  de  la  Terre  explique  les  phinom^nes  d'une  mani^re 
plus  simple  que  Thypoth^se  contraire;  mais  il  sait  qne  ceUe-ci  pent  anssi 
senrir  a  les  ezpliquer  {CommefUariolus ;  tont  le  liyre  des  B^lutions), 

OsiANDER,  oxL  bien  est  moins  persnadä  qne  Copernic  an  point  de  vne 

philosophique  et  th^ologiqne,  oa  il  craint  plus  qne  Copernic  les  p^ripate- 

ticiens  et  les  theologiens.     C'est  ponrquoi  il  conseiUe  a  Copernic  d'^crire 

ane  preface  purement  astronomique  a  son  liyre:   <De  hypothesibus  ego  sie 

srnsi  semper  non  esse  artiaUos  fidd,  sed  fundamenta  ccUculi,  ita  ut  eHamsi 

fdsae  sint,  modo  moimim  g>aiv6fuva  exaäe  exhibeant  nihü  referat. . . .  QiMre 

pkmsibüe  fore  viderdur  si  hoc  de  re   in  praefaäane  nonnihil   atHngeres.% 

H  eciit  la  meme  chose,  le  meme  joor,  a  Bheticus  qui  se  tronve  prös  de 

Copernic  (Prowe,  Copemicus^  I.  Band,  11.  Theil,  p.  622 — 623).    On  ignore 

qneUe  a  ^te  la  r^ponse  de  Copernic.     Ce  qui  est  le  plus  probable,  c'est 

qua  Copernic,  sans  rien  changer  a  son  Uvre,  a  laisse  a  Osiander  le  soin 

d'ecrire,  90us  sa  propre  responsabüit^,  une  preface  dans  le    sens  indique. 

O'est  ce  qu^OsiANDER  a  fait,  sans  toucher  en  rien  aux  opinions  ihSolagiques 

ä  phüosopMques  de  Copernic  relatiyes  a  la  mobilite  de  la  Terre.     Dans  le 

celebre  ayant-propos  intitolä:  Ad  ledorem  de  hjfpoihesibus  hujus  operis  (^. 

s^^  p.  1)  Osiander  se  contente  d'ezposer,  ayec  nne  grande  clart^,  le  role 

des  bypoth^ses  en  astronomie.     II  termine  cet  expose  de  la  doctrine  tradi- 

tionnelle  a  ce  srget  par  ces  mots:  uNeque  quisguam,  quod  ad  hypotheses 

attinet,   quicquam   certi  ah  astronomia  ea^edet,   cum  nthü   iaHe  praestare 

queati^  (id.  sec.,  p.  2).     C'est  an  fond  la  meme  pensee  qne  celle  de  Saint 

Thomas  exposee  plus  baut. 

Cet  ayant-propos  d'OsiANDER  a  scandalis4  Kepler  et  beanconp  de  sa- 

vants  de  notre  temps,  qni  ignorent  on  onblient  la  distinction  ancienne  entre 

Tastronomie  et  la  pbjsiqne.     Mais  cette  distinction  ^tait  dassiqne  an  temps 

d'OsiANDER  et  apres  Ini,  comme  on  pent  le  yoir  dans  le  liyre  de  Prowe, 

qui  fait  a  ce  snjet  des  citations  caract^ristiqnes  de  Gemma  Frisivs  (p.  392, 

393),  de  M^ANCHTHON  (p.  627),    de  Müllerus  (p.  627),  de  Fr.  Bacon 

(p.  526).     En  yoici  nne  de  Descartes  dans  le  meme  sens:  «Les  astro- 

nomes  ont  inyent^  trois  di£f<&rentes  bypotbeses  on  snppositions  qn'ils  ont 

senlement  tacb^  de  rendre  propres  a  expliqner  tons  les  pb^nomenes,  sans 

s'&rreter  particnlierement  a  examiner  si  elles  etaient  en  cela  conformes  a 

la  Y«rite>  {Prinäpes  de  la  Philosophie,  td.  Cousm,  3*»  partie,  n®  16,  p.  188). 

Osiander  n'a  donc  pas  trabi  la  pensee  de  Copernic;  il  s'est  content^ 

de  parier  de  la  partie  astronomique    des  BevoltUions,   en    en    laissant  de 

cote,  par  pmdence  on  parceqn'il  n'etait  pas  conyaincn,  la  partie  pbiloso- 

phiqne  et  la  partie  thiologiqne. 

9.  OaliUe.     Copernic  est  ayant  tont  astronome  dans  le  sens  striot 


288  PauI  Mansion: 

du  mot;  il  n'est  philosophe  oa  physicien  qn'accidentellement  C'est  rin- 
verse  poor  GaliliSe.  Galil^e  est^  dans  le  sens  ancien,  bien  moios  astnh 
nome^)  que  physicien:  des  hjpoiheses  explicatives  commodes  poor  Le  caknl 
ne  lui  suffisent  pas;  c'est  la  r^alite  qa'il  vent  atteindre:  il  yent  sayoir  t^ 
qui  est  immobile  et  ce  qui  se  meut.  Sa  yraie  gloire  d'aiUems,  cest 
d'avoir  ete  le  fondateur  de  la  Methode,  indnctive,  experimentale  et  matht- 
matiqne  a  la  fois,  en  philosophie  natureUe;  c'est  ensuite,  d'avoir  renvene 
la  vieille  conception  dualistique  (physique  terrestre,  phjsique  Celeste]  de 
rünivers,  enfin  d'avoii'  trouve  les  premi^res  lois  de  la  djnamiqne,  a  propos 
de  la  chute  des  corps  pesants.  Mais,  si  physicien  qn'il  soit,  il  sait  ties 
bien,  qnel  est,  d'apres  la  tradition,  Tobjet  de  TAstronomie.  On  a  de  lai 
an  TraUato  deda  Sfera  avvero  Cosmografia  (Vol.  ü  de  l'Edition  FATiso, 
pp.  203 — 255)  oii  il  ezpose,  avec  sa  nettete  habituelle,  ses  idees  sor  ee 
sujet  La  cosmogpraphie  oa  description  da  monde,  dit-il  en  substanoe,  ne 
s'occape  pas  de  tout  ce  qai  regarde  le  monde:  eile  traite  du  nombre,  de  la 
distribution,  de  la  figare,  de  la  grandeur,  de  la  distance  et  sortoot  des 
moavements  des  parties  du  monde  en  laissant  la  eonsideration  de  la  sab- 
stance  et  des  qoalites  de  ces  parties  aa  physicien  (filosofo  naturale).  Le 
cosmographe  obserye  les  apparences  ou  ph^nom^Hes;  il  imagine  ensnit«  des 
hypoth^es  oa  suppositions  telles  qa'elles  r^pondent  aax  apparences;  en  troi- 
sieme  liea,  il  proaye  par  des  demonstratians  giomäriques  qae  les  pheno- 
m^nes  s'ensuivent  des  hypothises;  enfin,  il  fait  des  calctds  qui  pennetteot 
de  retroaver  a  cbaqae  moment  la  position  des  corps  Celestes  {L.  c^  pp.  211— 
212).  Dans  ce  coars  d'astronomie ,  GaliliSe  part  de  lliypoth^  qne  la 
Terre  est  immobile,  bien  qu'il  fat,  depais  longtemps,  persnade  de  la  doc- 
trine  contraire  (il  la  Signale  dans  son  chapitre  6),  parce  qa'il  sait  que  Tod 
peat  sauver  les  apparences,  en  partant  de  Tone  et  Taatre  sapposition. 

En  maints  endroits  de  ses  oavrages,  il  a  indiqa^  avec  nettete  ce  qoi 
distingae  le  physicien  de  l'astronome,  oa  comme  il  dit,  Tastronome  pl^lo- 
sophe  de  Fastronome  pur,  ou  astronome  calculatewr.  Voici,  par  exemple, 
ane  citation  de  son  livre  sar  les  Taches  Solaires*  (Ed.  Ventüri,  171^, 
t.  II,  pp.  98 — 99;  id.  Pavaro,  t.  V,  p.  102):  «ei  va  retinendo  come  veri, 
e  reali,  e  realmente  tra  loro  distinti,  e  mobili  qaelli  Eccentrici  totalmente, 
0  in  parte  qaei  Deferenti,  Eqaanti,  Epicicli,  ec.  posti  da  i  pwri  AsifMM» 
per  facilitare  i  loro  calcoli,  ma  non  gia  da  ritenersi  per  tau  dagli  Asiro- 


9)  n  Ta  mSme  ^t^  trop  pea.  Dand  son  Dialogo  de  1682,  il  a  pabli<$  ose 
hypoth^se  sur  Torigine  des  planstes,  qui  est  incompatible  avec  les  lois  de  Eif^^ 
(son  ami  et  son  correspondant) ,  pabli^es  depais  longtemps.  Yoir  notre  articie  i 
ce  stget,  dans  les  Ännales  de  la  SocUU  scientifique  de  BruxeHes,  1894,  t  XTIH) 
!"•  portie,  pp.  46—49,  90—92. 


Note  snr  le  caractöre  g^om^trique  de  Taiicienne  astronomie.  289 

nomi  FUosofi,  11  quali  oltre  alla  cura  del  salvare  in  quahmgue  modo  Tap- 
parenze,  cercano  d'investigare,  come  problema  massimo  ed  ammirando,  la 
rera  cosHtueione  deU'  üniverso,  poiohe  tal  costituzione  e,  ed  e  in  nno  solo 
modo,  Yero,  reale,  ed  impossibile  ad  essere  altramente  >  .  . . 

La  difiünction  est  encore  plus  fortemeift  marqnee  dans  le  celibre 
Dialogo  de  1632  qui  amena  la  condamnation  de  Galil^e  en  1633. 
Dans  cet  onyrage,  Galil^e  expose  Fensemble  des  decouvertes  par  lesquelles 
il  renouYelle  la  methode,  renyerse  la  physique  aristotelicienne  et  fait  con« 
naitre  les  lois  de  la  chute  des  corps;  il  croit  aassi  ponvoir  demontrer  la 
realite  da  double  mouvement  de  la  Terre,  au  moyen  de  sa  celebre  preuve 
tiree  des  marees.  An  fond,  le  livre  est  donc  r Miste  et  appartient  tout 
entier  a  la  Physique  ou  a  la  Philosophie  fuüureUe,  Mais  qnand  Galil^e  y 
parie  du  Systeme  du  monde,  il  est  lie  par  le  decret  de  la  Congregation  de 
rindex  da  5  mars  1616;  c'est  poorqnoi  il  dissimnle  son  vrai  bat:  il  de- 
clare  au  debut,  il  declare  a  la  fin  et  en  d'autres  endroits  qu'il  ne  parle 
qn'hypothetiqaement,  par  jeu  d'esprit,  bref  qu'il  fait  de  V Astronomie  pure, 
«Ho  presa  nel  discorso  la  parte  copemicana  procedendo  in  pura  ipotesi 
matemaiica.  .  .  .  Si  esamineranno  li  fenomeni  celesti,  rinforzando  Tipotesi 
copemicana. . .  agginngendo  nuove  specolazioni,  li  quali  perö  servano  per  fa- 
cilitä  d'astronomiu ,  non  per  necessitä  di  natura,^  II  appelle  ensuite  sa 
tbeorie  des  marees  una  fantasia  ingegnosa  (l^d.  Sonzogno,  Milan,  1877; 
pp.  19 — 20;  ed.  Pavako  pp.  29 — 30).  «II  principale  scopo  dei  puri  astro- 
wmn  e  il  render  solamente  ragione  delle  apparenze  nei  corpi  celesti,  e  ad 
e^  ed  ai  movimenti  delle  stelle  adattar  tali  strutture  e  composizioni  di 
cerchi,  che  i  moti  secando  quelli  calcolati  respondano  alla  medesime  appa- 
renze, poeo  corandosi  di  ammetter  qualche  esorbitanza,  che  in  fatto  per 
altn  respetti  ayesse  del  difficile>  (Ed.  Sonz.,  p.  306;  äd.  Fav.,  p.  369).  A 
la  fin,  il  eite  et  semble  admettre  l'argament  d'ÜRBAiN  VllI:  Dieu  peut  pro- 
duire  les  marees  autrement  que  ne  Texplique  GaliliSe  et,  par  soite,  la  de- 
monstration  da  mouvement  de  la  Terre  qu'il  en  tire  n'est  pas  probante. 
Antrement  dit,  de  ce  qu'one'  hypothese  explique  les  ph^nomenes,  il  n'en 
resolte  nullement  qu'elle  soit  la  seule  possible:  c'est  au  fond  la  remarque 
d'OsiANDER  et,  avant  lui,  de  S.  Thomas. 

On  sait  que  Galilj^e  n'a  pu  persuader  a  ses  juges  qü'il  se  tenait 
Traiment  sur  le  terrain  de  Thypothese  et  il  a  ete  condamne:  il  Ta  et^  au 
nom  de  la  Philosophie  et,  par  consequence,  de  la  Theologie,  mais  nullement 
aa  nom  de  FAstronomie  dans  le  sens  strict  du  mot^^).    Ses  juges  de  1633, 


10)  Yoir  notre  article   sur  ce   point,   Annales  de  la  Sociäd  seientißque  de 
BnaeUes,  189«,  t.  XXm,  1«"  partie,  pp.  62—67. 

Abb.  rar  Geioh.  d.  MAthem.  IX.  19 


290  Fb,\i\  Mansioa: 

les  auteurs  dn  Monitum  de  1620,  cite  plus  haut,  et  ses  adversaires,  philo- 
sophes  ou  theologiens,  en  1616,  avaient,  en  effet,  snr  T Astronomie  propn- 
ment  dite  et  snr  le  role  des  hypotheses  dans  cette  science,  les  idees  tndi- 
tionnelles  exposees  dans  le  präsent  travail.  Ponr  le  montrer,  il  safifin  de 
faire  une  citation  caracteristique,  que  nous  empnmtons  a  tme  lettre  ecrite, 
le  l2  avril  1615,  a  Foscarini,  par  Bellarmin,  a  cette  epoqne  le  plns  celebre 
des  adversaires  de  Thypothese  beliocentriqne ,  an  point  de  Yue  philosopbiqQ^ 
et  theologique:  «Y(estra)  F(atemita)  e  il  Big.  Galileo  facciano  pradente 
mente  a  contentarsi  di  parlare  ex  suppositkme  e  non  assolutamente  &nne 
io  ho  sempre  creduto,  che  abbia  parlato  il  Gopernico,  perche  il  dire,  cbt> 
snpposta  la  terra  si  mnove  e  il  sole  stia  ferme  si  salvano  tatte  le  appa- 
renze,  meglio  che  con  porre  gli  eccentrici  e  epicicli,  e  benissimo  defcto  e 
non  ha  pericolo  nessono  e  qtiesto  hasta  al  matematicoi^  (Grisab,  Gdüfi' 
Studien,  Beilage  IX,  p.  367.     Begensborg,  Pustet  1882). 

La  condamnation  de  Galil^e  en  1633  a  eu  peut-etre  une  inflneoce 
facheuse  sur  le  developpement  de  Texeg^se  biblique,  mais  eile  n'en  a  pas 
eu  sur  celui  de  TAstronomie,  parce  qu'apr&s  comme  avant,  on  la  regardait 
comme  la  science  des  ph^nomlnes  Celestes. 

10.  Conclnsion.  La  question  du  centre  du  monde,  soulevee  tout  de 
fois  par  les  philosophes  depuis  Philolaus  jusqu'a  Galil^e,  a  disparu  des 
preoccupations  du  monde  savant,  parce  que  Ton  ignore  si  rüniveis  pent 
etre  assimile  a  un  corps  geometrique  ayant  un  centre.  Le  Soleil  d'ailleuis, 
depuis  la  publication  du  liyre  des  Frindpia  de  Newton,  en  1687,  a  perda 
la  place  privilegiee  qu'on  lui  avait  assigne  dans  Fünivers  apres  Copebxic; 
il  est  devenu  une  etoile  comme  les  autres. 

Ensuite,  on  a  reconnu  peu  a  peu  qu'il  est  impössible  de  donner  un 
sens  pr^cis  a  Tantique  question :  qu'esi-ce  gm  est  immobile,  qu'est-ce  qw  ^ 
meut,  parce  que  se  mouvoi/r  ou  etre  immobile  sont  des  termes  tont  relatifi 
Par  suite,  les  assertions,  en  apparence  contradictoires  de  Ptol^e  etdf 
CoPERNic  sur  le  mouvement  du  Soleil  ou  de  la  Terre  ne  presentent  ancone 
antinomie;  ce  sont  deux  maniires  equiyalentes  d'exprimer  un  senl  et 
meme  fait. 

£n  gen^ral,  totU  ce  qu^ü  y  a  de  quanütatif  dans  les  phenomen^  ^^ 
mouvement  de  points  malerids  est  dScrü  d'une  maniire  adäquate  et  eovivßi 
si  Von  fait  oonnaUre  ä  (Plaque  instant  les  distances  muiueUes  de  ces  p(^^' 
Les  anciens  astronomes  avaient  sans  doute  le  sentiment  conius  de  cette 
yerite  fondamentaJe  quand  ils  disaient  que  le  choix  des  hypotheses  eipli- 
catiyes  des  phenomenes  Celestes  est  indifferent;  ils  comprenaient  vagaement 
que  ces   hypotheses  etaient  au  fond   equivalentes  a  une  description  con* 


Note  sur  le  caractöre  gdom^triqae  de  rancienne  astronomie.  291 

densee  des  phenomenes  (voir  ci  dessiis  la  demiere  citation  de  Bheticus), 
et  c'est  ponrquoi  ils  se  servaient  si  hardiment  de  suppositions  tres  diverses 
en  apparence  les  nnes  des  autres. 

Gaulle  a  entreyu  la  relativite  essentielle  du  monvement  quand  il  dit  et 
pronye,  dans  le  Diahgo  (Ed.  Sonz.,  pp.  20, 175,  etc.;  iä, Fay.,  pp.  30,  214,  etc.) 
qu'aaciine  exp^rience  (faite  sur  la  Terre)  ne  peut  etablir  que  la  Terre  est  en 
moHTement  on  est  immobile.  Le  principe  de  la  relativite  est  indiqaä  plus 
explidtement  par  Descabtes  (Op.  c,  2®  partie,  n^  29,  p.  143):  «Lorsque 
nons  verrons  que  deuz  corps  qui  se  touchent  immediatement  seront  trans- 
portes  Tun  d'un  cote  et  Fautre  d'un  autre  et  seront  reciproquement  se- 
pares,  nous  ne  ferons  point  de  difficulte  de  dire  qu'il  j  a  tout  autant  de 
monvement  en  Fun  comme  en  Fautre.»  —  Apris  les  Prindpes  de  Newton, 
on  crot,  pendant  quelque  temps,  que  Fon  possedait  une  explication  d^fna- 
mique  du  monde,  mais  on  reconnut  assez  vite  qu'elle  etait  puremeüt  cirn^ 
matique  comme  Celles  de  Fancienne  astronomie:  les  iquations  diffA'entiefles 
de  la  m^mque  cmalyHque,  äant  Squivälentes  d  leurs  Migrales,  ne  contiennent, 
au  fond,  comme  cettes-d,  que  des  distances.  4cTout  ce  que  nous  vojons  bien 
distinctement  dans  le  mouvement  d'un  corps,  dit  d'ÄLEMBERT  dans  sa  Dy- 
namique,  c'est  qu'il  parcourt  un  certain  espace  et  qu'il  emploie  un  certain 
temps  a  le  parcourir;  c'est  donc  de  cette  seule  idee  qu'on  doit  tirer  tous 
les  principes  de  la  mecanique,  quand  on  veut  les  demontrer  d'une  maniere 
nette  et  preise.  Aussi  ne  sera-t-on  pas  surpris  qu'en  cons^quence  de  cette 
reflexion,  j'aie  pour  ainsi  dire  d^tourn^  la  vue  de  dessus  les  causes  mo- 
trices  pour  n'envisager  uniquement  que  le  mouvement  qu'elles  produisent.> 
—  «L.  J.  DU  BuAT  (1824)»,  dit  de  Saint  Venant,  «d^finit  les  forces  accele- 
ratrices  de  simples  accroissements  de  vitesse  et  les  forces  motrices  des  pro- 
dnits  de  ces  accroissements  par  les  masses.»  —  4cQuel  que  soit  un  probl^me 
de  Mecanique  terrestre  ou  Celeste,  dit  encore  de  Saint  Venant,  les  forces 
n'entrent  jamais  ni  dans  les  donn^es,  ni  dans  le  resultat  cherchä  de  la  So- 
lution. On  les  fait  intervenir  pour  resoudre  et  on  les  elimine  ensuite,  afin 
de  n'avoir  finalement  que  du  temps,  ou  des  distances  ou  des  vitesses,  comme 
en  commen9ant»^^).  Jacobi  est  du  meme  avis  dans  sa  celebre  th&se  (1825): 
*  Theoria  Mechanices  analyüca  causam  agnoscere  nuUam  poitst ;  quidni,  sicuii 
differeniialia  prima  velocitatis  nomini,  secunda  virium  insiqnimus,  simüe 
qwd  ad  aUiora  quoque  differeniialia  oMibeatur^  de  quihus  iheoremata  pro- 
pom  possint  prorsus  analoga  iis  quae  de  vi  et  de  vdocitaie  drcumferuntur^ 
{Werke,  HI,  p.  44). 


11)  Pour  ces  citations,  voir  Moiono,  Statique^  Paris,  Gaüthieh  Villahs,  1868, 
pp.  XXm— XXV. 

19* 


292  Paul  Mansion:  Note  aar  le  caractöre  g^om^trique  derancienne  astronomie. 

Duhamel   a  expose  d'nne  maniere  d^taill^e,   la  these  de  la  relaÜTite 
essentielle  du  mouTement,  dans  son  ouvrage  Des  Mähodes  dans  les  sdencts 
de  raisonnemcnt  (Paris,  Gauthier- Villars,  2®  partie,  1866,  n**  5,  pp.  5—6; 
4*'partie,  1870,  ii<^  4,  pp.  XVn— XIX,  n^  163,  pp.  223—225).     Fillnsti^s 
geom^tres  ou  physiciens  (Eirchhoff,  Helmholtz,  Poincari£,  Duhem)  con- 
siderent  de  plns  en   plus  la  Mecanique  rationelle  et  la  Phjsiqne  mathe* 
matique  a  un  point  de  vue  porement  cinematique  et  relatiyiste.    Poincar^, 
dans  une  preface  celebre,  a  d^montre  le  theor^me  soiyant:   «Si  an  pheno- 
m^ne  comporte  une  explication  m^anique  complete,  il  en  comportera  une 
infinite  d'autres  qui  rendraient  egalement  bien  compte  de  toutes  les  pard- 
cularites  r^velees  par  Texperience»  {EledridJti  et  OpUgue,  1890,  Paris,  Carr£; 
p.  XrV).    Les  theories  mathematiques,  dit-il  ailleurs,  ont  «pour  but  unique 
de   coordonner   les   lois   phjrsiques    que    Texperience    nous    fait   connaitre» 
{Theorie  mathimaJtique  de  la  htmiere,  1889,  Paris,  Garr^,  Pref.  p.  I).   Duhem 
a  publie  sur  le  meme  sujet  une  Serie   d'articles  qui  epuisent  pour  ainsi 
dire  la  question  et  mettent  dans  une  lumiere  complete  la  vraie  portee  des 
tbeories    mathematiques  relatives   a   la  nature^^).     Nous  ne  pouvons   quj 
renvojer   le   lecteur,   a   qui   nous    rappelons,   pour   terminer,    le    mot   de 
CoPERNic:  MoGiemcUa  mathemaHcis  scribuntur,  afin  qu'il  n'attribue  pas  a  notr« 
th&se  une  portee  m^taphysique  qu'elle  n'a  pas. 

12)  Quelques  rSflexions  au  sujet  des  (hiories  physiques  (Revue  des  Questions 
scientifiques,  1892,  2«  serie,  T,  139—177).  —  Physique  et  metaphysique  (Ib.,  1893, 
2*  serie,  t.  IV,  pp.  56—83).  L'^volution  des  theories  physiques  du  X  VII*  siede 
jusgu'ä  nos  jours  (Ib.,  1896,  2°  serie,  t.  X,  pp.  463—499). 


ÜBER  DIE  ENCYKLOPÄDIE 
DER     MATHEMATISCHEN  WISSENSCHAFTEN. 


VOM 


W.  FR.  MEYER 

IN    KÖNIGSBERQ   l/p. 


In  der  Vorrede  zum  letzten  Halbbande  seiner  umfassenden  „Geschiebte 
der  Mathematik'^  spricht  der  verehrte  Jubilar  den  Wunsch  und  die  Hoff- 
nnng  ans,  dafs  sein  Lebenswerk  eine  Fortsetzung  für  dieses  Jahr- 
hundert finden  möge. 

In  gewisaißm  Sinne  ist  die  ,,Encyklop&die''  bestimmt,  die  fragliche 
Lücke  anszuftülen.  Zweifellos  wird  der  Encyklopädie  ein  Vorzug  mangeln, 
der  das  CAHTon'sche  Werk  auszeichnet,  die  strenge  Einheitlichkeit,  die  das 
Ganze  durchzieht.  Aber  ist  es  nicht  ebenso  berechtigt,  die  verschieden- 
artigen mathematischen  Bichtungen,  die  gerade  die  zweite  H&lfte  dieses 
Jahrhunderts  aufweist,  dadurch  zum  unmittelbarsten  Ausdruck  zu  bringen, 
d&fs  ein  ansehnlicher  Teil  der  lebenden  Vertreter  dieser  Richtungen  pro 
parte  virili  selbst  zum  Wort  kommt?  Es  sei  erlaubt,  das  Prinzip  der  En- 
eyklop&die  in  Gestalt  eines  Paradozons  zusammenzufassen:  die  geschlossenste 
Einheitlichkeit  hinsichtlich  der  dogmatischen  Vorschriften  fOr  die  historische 
Auffassung  und  die  objektive  Darstellung  —  für  die  litterarischen  Quellen- 
angaben und  Bezeichnungsweisen — Ebmd  in  Ebmd  mit  der  freiesten  indivi- 
duellen Bethätigung,  .mit  dem  Rechte  jedes  Mitarbeiters,  seine  Grund- 
anffassungen  vom  Wesen  seiner  Wissenschaft  überhaupt  innerhalb  seines 
spezifischen  Themas  zur  gröfstmöglichen  Geltung  zu  bringen.  Dafs  die 
LOsQBg  dieses  Paradoxons  einer  fortlaufenden  Verständigung  darüber  be- 
darf, inwieweit  der  starre  Buchstabe  der  Gksetzesvorschrift  einer  geistigen 
Differenzierung  fUiig  ist,  inwiefern  die  Freiheit  des  Willens  unbeschadet 
des  Kausalnexus  der  Dinge  zur  Wirkung  kommt  —  das  ist  sicher  die 
Hanptsehwierigkeit  des  ganzen  Unternehmens,  das  seinen  „Existenznach- 
weia^  auf  jeder  Stufe  seiner  Entwickelung  stets  von  Neuem  zu  führen  ge- 
nötigt ist. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  vielen  Einzelnheiten  des  der  En- 
cyUopftdie  nach  langen  Vorbereitungen  zu  Grunde  gelegten  Programms 
einzugehen.  Nur  ein  delikater  Punkt  sei  kurz  berührt,  der  bereits  von 
verschiedenen  Seiten  diskutiert  ist,  weshalb  sich  die  Stoffeinteilung  der 
EncyUop&die  nach  Gliederung  und  Bezeichnung  nicht  an  die  von  der 
Pariser  Kommission  festgelegt  Norm  gehalten  hat. 


296  W.  Fr.  Meyer: 

Vorab  sei  betont,  dafs  irgend  ein  künstlich  genährter  Gegensatz  hva- 
bei  nicht  bestanden  hat  und  nicht  besteht.  Wenn  ein  direkter  AnscUois 
an  jene  im  Übrigen  vortreffliche  Normierung  für  die  Zwecke  der  Encjkb- 
pädie  nicht  opportun  erschien,  so  lag  das  einmal  an  der  weitgehenden  Unter- 
teilung des  Stoffes  (man  vgl.  den  Baum,  den  dort  die  Elementannathematik 
einnimmt,  etwa  im  Verhältnis  zur  „Mengenlehre"),  sodann  aber  daran,  d^fs 
eine  so  ausgeprägte  Individualisierung  der  einzelnen  Disziplinen  ihrem  be- 
ständigen Ineinandergreifen  hinderlich  zu  sein  schien. 

Diese  inneren  Wechselbeziehungen,  die  gerade  einen  Haaptcfaaiaktenug 
der  modernen  Mathematik  kennzeichnen,  schienen  durch  fortUrafende  Ver- 
weise auf  die  rein  äufserlich  numerierten  einzelnen  Artikel,  bei  denen  der 
Leser  jederzeit  direkt  sich  Rats  erholen  kann,  greifbarer  und  praktischer 
hervorzutreten. 

Wir  beschränken  uns  nunmehr  darauf,  aus  der  Fülle  des  Stoffes,  der 
in  den  zwei  bisher  erschienenen  Heften  niedergelegt  ist,  einzelne  Mflrhnalft 
herauszugreifen. 

Der  erste  Artikel,  I  A  1,  von  H.  Schubert,  behandelt  die  Gnmdlagen 
der  elementaren  Arithmetik.  Der  Leser  wird,  wenn  er  es  auch  sonst  nicht 
wufste,  sofort  den  Eindruck  erhalten,  dafs  dem  Verfasser  auf  dem  frag- 
lichen Gebiete  eine  langjährige  Erfahrung  zu  Gebote  steht. 

Die  Anmerkungen  der  ersten  Seiten  geben  eine  Vorstellung  davon,  zn 
welcher  Ausdehnung  und  Bedeutung  die  „Psychologie*^  der  Arith- 
metik gelangt  ist.  Die  elementarsten  Operationen,  die  man  früher  wie 
etwas  Selbstverständliches  entgegennahm,  erscheinen  der  neueren  Forschiuig 
nur  als  Endglieder  eines  langen,  teils  bewulisten,  teils  unbewnlsten  Denk- 
prozesses. 

Im  weiteren  Verlauf  der  Entwickelung  tritt  immer  deutlicher  das 
leitende  „Prinzip  der  Permanenz"  hervor,  das  in  seiner  auaführlichen 
und  vorsichtigen  Fassung  sehr  wohl  geeignet  erscheint,  bekannte  Ver- 
knüpfungsgesetze für  bekannte  Zahlengebiete  auf  neu  geschaflfone  Zahlen- 
gebiete zu  übertragen. 

Überblickt  man  den  ganzen  Artikel,  so  ist  man  geradezu  eiistaimt  über 
die  geringe  Anzahl  der  arithmetischen  Begriffe  und  Sätze,  die  der  unend- 
lich ausgedehnten  Analjsis  als  Fundament  dienen. 

Der  zweite  Artikel,  I  A  2,  von  E.  Netto,  giebt  auf  denkbar  knappstem 
Baume  eine  Übersicht  dessen,  was  bisher  auf  dem  Gebiete  der  Kombinatorik 
und  insbesondere  ihrer  Hauptanwendung,  der  Theorie  der  Detenninanteii 
geleistet  ist. 

Wie  kaum  ein  anderer  Artikel,  erhebt  er  sich,  von  den  elementarsten 
kombinatorischen  Operationen  ausgehend  zu  den  feinsten  und  verwickeltsten 


über  die  Encyklopädie  der  Mathematischen  Wiseenschaften.  297 

Determinantensätzen.  Über  dem  Ganzen  schwebt  ersichtlich  der  ERONECKER'sche 
Geist  der  Kritik,  der  mit  den  rein  formalen  üntersnchnngen  der  älteren 
Eombinatoriker  gar  strenge  ins  Gericht  geht,  aber  dafür  überall  bestrebt 
ist^  dem  toten  Buchstaben  der  Formel  eine  8eele  einzuflöfsen.  Andererseits 
konnte  man  fast  bedauern,  dafs  nicht  derselbe  Stoff  zugleich  von  einem 
Engländer  bearbeitet  werden  konnte;  wir  sind  ja  aber  in  der  Lage,  das 
grolse  historische  Werk  von  Th.  Muir  über  Determinanten  zu  besitzen. 

Wir  kommen  zu  I  A  3,  „den  Irrationalzahlen  und  der  Konvergenz 
unendlicher  Prozesse^'  von  A.  Prinosheim.  Wir  geben  der  Hoffnung  Raum, 
d&Ts  gerade  dieser  Artikel,  der  den  Übergang  von  der  Arithmetik  zur 
eigentlichen  Analysis  verkörpert,  bei  den  Lehrern  der  mittleren  und  höheren 
Schulen  eine  eingehende  Würdigung  finden  möge.  Der  rühmlichst  bekannte 
Verfasser  hat  keine  Mühe  gescheut,  selbst  auf  die  Gefahr  zu  grofser  Aus- 
führlichkeit hin,  seinen  delikaten  Stoff  nicht  nur  faTslich  und  elegant  dar- 
zustellen, sondern  ihn  auch  mit  einer  Fülle  wörtlicher  Zitate  aus  mathe- 
matischen Klassikern  auszustatten,  um  beim  Leser  historischen  Sinn  zu  erwecken.' 

Bekanntlich  spielt  der  Verfasser  in  neueren  polemischen  Auseinander- 
setzungen über  den  Wert  und  die  Tragweite  der  logischen  und  intuitiven 
Methoden  eine  ma&gebende  Rolle;  aber  selbst  wenn  man  ihn  als  ültra- 
Logiker  bezeichnen  wollte,  mülüste  man  ihm  zugeben,  dafs  er  hier  seinen 
Überzeugungen  einen  möglichst  objektiven  Ausdruck  verliehen  hai  Die 
Kunst  der  Darstellung  ist  freilich  eine  so  lebhafte  und  bestechende,  dafs 
der  Leser  alle  Mühe  hat,  seinen  eigenen  Standpunkt  zu  wahren.  Verfolgt 
man  die  Entwickelung  der  Lehre  von  den  unendlichen  Reihen,  und  ver- 
gleicht man  den  mangelhaften  Standpunkt  eines  Lagranoe  mit  den  Schlufs- 
theoremen  des  Verfassers  selbst,  die  in  ihrer  Schärfe  und  Allgemeinheit 
schwerlich  noch  überboten  werden  dürften,  so  mufs  man  zu  der  Erkenntnis 
gelangen,  dafs  das  19.  Jahrhundert  mehr  wie  jedes  frühere,  einen  völligen 
Umschwung  in  der  Mathematik  herbeigeführt  hat;  man  mufs  freilich  auch 
wünschen,  dafs  die  bis  zur  äufsersten  Grenze  ausgebildete  Theorie  den  in 
ihr  aufgespeicherten  unermefslichen  Gedankenvorrat  den  Anwendungen  auf 
Natorwissenachaften  und  Technik  zugute  kommen  lassen  möge,  um  nicht 
das  esoterische  Besitztum  weniger  Auserwählter  zu  bleiben,  sondera  um  in 
den  Fortschritt  der  Kultur  mit  starker  Hand  einzugreifen. 

In  I  A  4  entwickelt  E.  Study  die  Theorie  der  gemeinen  und  höheren 
komplexen  Gröfsen.  Es  steht  zu  hoffen,  dafs  Alle,  die  bisher  noch  Vor- 
nrieile  metaphysischer  Art  gegen  die  Verwendung  komplexer  Gröisen  ge- 
hegt haben,  durch  die  Leetüre  dieser  klar  und  überzeugend  geschriebenen 
Abhandlung  eines  Besseren  belehrt  werden.  Von  besonderem  Interesse 
dfirften   in   pädagogischer   und   erkenntnistheoretischer   Hinsicht    die   Aus- 


298  W.  Fr.  Meyer: 

fdhrtmgen  über  die  linearen  Gruppen  a;'=  x  +  ö,  x'=  ax^  a:'=  ax  +  &, 

a;'=  — ^,  sein,  und  die  Erweiterung  ihres  Wirkungsbereiches,  Ms  man 

die  auftretenden  Gröfsen  als  komplex  ansieht.  Die  Lehre  der  hQheren 
komplexen  Gröfsen  (von  der  Form  Oi^i  +  a^e»  +  •  •  •  +  ^^»)  ist  eine  der 
jüngsten  Schöpfungen  der  Mathematik,  um  deren  Aufbau  der  Verfasser 
selbst  sich  wesentlich  verdient  gemacht  hat;  ihre  Theorie  wird  dadurch 
verwickelter,  aber  auch  interessanter,  als  bei  der  Multiplikation  der  neaen 
Zahlen  das  kommutative  Gesetz  fallen  gelassen  wird«  üeber  die  Verwend- 
barkeit der  neuen  Theorie  werden  vorderhand  die  Meinungen  noch  geteilt 
sein;  schon  jetzt  ist  aber  zuzugeben,  daüs  die  Algebra,  die  Lehre  der  konti- 
nuierlichen Gruppen,  die  Zahlentheorie  vermöge  der  höheren  komplexen 
Zahlen  ihren  Gesichtskreis  wesentlich  erweitert  haben.  Ein  bedeutender 
erkenntnistheoretischer  Vorteil  zeigt  sich  darin,  dafs  über  die  Stellung  der 
Quatemionen  zu  verwandten  Gröfsen  volle  Klarheit  geschaffen  wird. 

Der  folgende  Artikel  I  A  5  über  „Mengenlehre*^  von  A.  Schoekfues 
dürfte  der  sein,  der  an  die  Fassungskraft  der  Leser  die  gröbsten  Anforde- 
rungen stellt.  Handelt  es  sich  doch  um  die  von  G.  Cantor  begründet« 
Theorie  der  transfiniten  Zahlen,  die,  anflUiglich  lebhaft  beanstandet,  znr 
Zeit  einen  immer  gröfseren  Ereis  von  Anhängern  und  Bearbeitern  göwinnt. 
und  in  alle  Teile  der  Analjsis  und  Geometrie  als  ein  KlassifikatJonsprinap 
ersten  Banges  einzudringen  berechtiget  erscheint. 

Schon  die  Originalarbeiten  erheischen  zu  ihrem  Studium  eine  mnh* 
same  und  andauernde  Mitarbeit;  es  hielse  daher  Unmögliches  verlangen, 
wollte  jemand  blofs  an  der  Hand  der  vorliegenden  überaus  gedrftngteo 
Wiedergabe  die  Tragweite  der  erklärten  Begriffe  erfassen.  Man  muljs  aber 
dem  Verfasser  um  so  mehr  zu  Dank  verpflichtet  sein,  dals  er  mit  Erfolg 
bestrebt  gewesen  ist,  mit  nüchterner  Vorurteilslosigkeit  überall  den  reales 
Kern  aus  den  verwickelten  Erscheinungen  herauszuschälen,  und  alle  irgend- 
wie transcendentalen  Spekulationen  als  hier  nicht  her  gehörig  beiseite  ZQ 
schieben.  Dafs  gerade  bei  einem  solchen  Gebiete  eine  sorgfUtige  und 
kritisch  gesichtete  Litteraturzusammenstellung  von  besonderem  Werte  ist, 
liegt  auf  der  Hand. 

In  glücklicherer  Lage  war  der  Bearbeiter  von  I  A  6,  der  „Endliches 
diskreten  Gruppen^\  H.  Burkhabdt,  insofern  die  Leistungsfähigkeit  dieser 
von  Cacchy  ins  Leben  gerufenen  Theorie  längst  aulser  Fra^e  stehtw  Per 
Text  in  seinem  Lapidarstile  gleicht,  wenn  das  Bild  erlaubt  ist,  einer  Ge* 
setzestafel.  Der  Verfasser  war  wohl  zu  dieser  Condensation  um  so  eher 
berechtigt,  als  gerade  sein  Stoff  in  einer  Reihe  ausgezeichneter  Lehrbücher 
durchgearbeitet  ist,   und    konnte   das  Hauptgewicht   in   die  Anmerkusgeo 


über  die  Encyklopädie  der  Mathemaiischen  Wissenschaften.  299 

verlegen,  die  denn  in  der  That  eine  ganze  Oeschichte  von  menschlicher 
Geistesarbeit  erzählen.  In  der  neuesten  Fortentwickelnng  der  Lehre  machen 
sich  zwei  sehr  verschiedenartige  Strömungen  bemerklich;  w&hrend  sich  anf 
ier  einen  Seite  in  Fragen  der  praktischen  Abzählbarkeit  gewisser  Grruppen 
eine  Art  Sport  herausgebildet  hat,  der  vor  keiner  noch  so  mühsamen 
empirischen  Rechnung  zurückschreckt,  stehen  auf  der  anderen  Seite  ganz 
neue  und  ans  der  Tiefe  geschöpfte  Begriffsbildungen,  die  ungeahnte  Per- 
spektiven für  die  Zukunft  erö&en. 

Mag  es  bei  diesen  Bemerkungen,  die  doch  nur  ein  aphoristisches  Ge- 
präge tragen,  sein  Bewenden  haben;  sollten  sie  ein  allgemeineres  Interesse 
fnr  den  Fortgang  des  Werkes  erwecken,  so  haben  sie  ihren  Zweck  erfüllt. 
Eine  von  angesehener  Seite  ausgesprochene  Befürchtung  wird  sich  hoffent- 
lich nicht  bewahrheiten,  daCs  nämlich  die  Encyklopädie  fast  unmittelbar 
nach  ihrem  Erscheinen  bereits  „veraltet"  sein  würde.  Wir  glauben  viel- 
mehr, dals  sie  allen  späteren  Untersuchungen  ähnlicher  Natur  zur  blei- 
benden Grundlage  dienen  wird,  xmd  dafs  der  in  ihr  lebendige  Geist 
historisch -kritischer  Erfassung  jüngster  Dezennien  in  seiner  unmittelbaren 
Wirkung  sich  stets  gleich  bleiben  wird.  Wenn  sich  das  Gefühl  für  die 
Unterscheidung  zwischen  quantitativer  und  qualitativer,  äuüserer  und  innerer 
Vermehrung  des  Wissensstoffes  immer  mehr  verfeinem  wird,  wenn  das  Be- 
streben wachsend  dahin  gehen  wird,  ausgedehnte  Gruppen  von  Sätzen  als 
im  wesentlichen  gleichwertig,  als  „Varietäten  eines  und  desselben  Stamm- 
typns^'  zu  erkennen,  dann  wird  auch  die  jetzt  so  drohend  scheinende  Ge- 
fahr zurücktreten,  dafs  die  Wissenschaft  an  der  Überwucherung  mit  un- 
übersehbarem Einzelmaterial  erstickt. 


mw  ^ 


ZUR  TERMINOLOGIE  DER 
ÄLTESTEN  MATHEMATISCHEN  SCHRIFTEN 

IN  DEUTSCHER  SPRACHE. 


VON 

FELIX   ntÜLLER 

IN   LOSCHWITZ. 


Wer  die  historische  Entwickeltmg  der  mathematischen  Wissenschaften 
studiert  hat,  der  wird  nicht  erstaunt  sein  üher  die  grofse  Zahl  von  Fremd- 
wörtern, deren  sich  deutsche  Mathematiker  bedient  haben  und  noch  be- 
dienen. Müssen  sie  doch  die  Quellen  ihrer  Wissenschaft  in  griechischen, 
lateinischen,  arabischen,  italienischen,  französischen  und  englischen  Schriften 
suchen.  Mit  dem  Inhalt  der  Wissenschaft  sind  auch  die  fremdsprachlichen 
Eunstausdrücke  entlehnt.  Bei  der  Herübemahme  aber  war  es  den 
Deutschen  nicht  in  gleichem  Mafse  möglich  wie  andern  Völkern,  die  deutsche 
Sprache  durch  Aufnahme  fremder  Wurzeln  zu  bereichem.  „Wenn  das  Neu- 
hochdeutsche, sagt  Ernst  Eckstein^),  wie  seinerzeit  das  Althochdeutsche, 
das  Angelsächsische  und  noch  in  späterer  Zeit  die  romanischen  Sprachen, 
—  die  Kraft  besäüse;  fremdsprachliche  Elemente  so  mit  dem  eigenen  Sprach- 
safte zu  durchdringen,  wie  dies  der  triebmächtige  Baumstamm  mit  den 
ihm  aufgepfropften  Schöfslingen  thut,  so  würde  die  Fremdwort  er  frage 
fUr  uns  ebensowenig  Yorhanden  sein,  wie  für  die  Franzosen,  Italiener, 
Spanier  u.  s.  w."  — 

Die  moderne  Sprachreinigungsbewegung  hat  auch  unsre  Wissenschaft, 
die  Mathematik,  nicht  verschont.  Sie  will  zahlreiche  mathematische  Fremd- 
wörter, die  Jahrhunderte  hindurch  bestanden  haben,  und  an  welche  sich 
im  Laufe  der  Zeit  eine  reiche  Begriffsfulle  geknüpft  hat,  mit  einem  Male 
über  Bord  werfen.  So  soll  das  Wort  Geometrie,  das  eine  mehr  als 
zweitausend  Jahre  alte  Geschichte  hat,  durch  das  Wort  Baumlehre  er- 
setzt werden,  das  überdies  längst  in  ganz  anderem  Sinne  für  eine  rein 
metaphysische  Doktrin  in  Gebrauch  ist.  Es  ist  schon  wiederholt  und  mit 
Becht  hervorgehoben  worden,  dafs  die  modernen  Puristen  das  Kind  mit 
dem  Bade  ausschütten.  Müssen  wir  uns  doch  häufig  die  von  ihnen  ent- 
stellten mathematischen  Sätze,  um  sie  zu  verstehen,  in  die  Sprache  der 
gebildeten  Mathematiker  zurückübersetzen^).     Wenn   ein   modemer  Mathe- 

1)  Ebhst  EcxsTEnr.  Verstehen  wir  Deutech?  Volkstümliche  Sprachunter- 
BQchmigen.    Leipzig  1894.    Die  Fremdwörter,  S.  125. 

2)  Wir  erinnern  an  den  mifshandelten  Pythagoras:  „Die  GFesamtfaeit  der  Ge- 
vierten über  den  beiden  Gesenkten  ist  gleich  der  Gevierten  über  der  Unter- 
ipannenden". 


304  Felix  Maller: 

matiker  sich  berufen  glaubt,  „als  neuer  Herkules  den  Augiasstall  der 
mathematischen  Sprache  von  Fremdwörtern  zu  reinigen'',  so  ist  sein  unter- 
fangen nur  ein  Beweis  dafür,  dafs  er  mit  der  historischen  Entwickelang 
seiner  Wissenschaft;  nicht  vertraut  ist.  Wie  Überhaupt  das  Studium  der 
Geschichte  einer  Wissenschaft  den  Gelehrten  zur  Bescheidenheit  enieht, 
indem  sie  ihn  vor  Überschätzung  seiner  eigenen  Leistungen  bewahrt,  so 
zeigt  es  ihm  auch,  dafs  es  niemals  gelingen  wird,  durch  eine  geschickt'^ 
Verdeutschung  Ersatz  für  zahlreiche  Fremdwörter  zu  finden. 

Der  nachstehende  Aufsatz,  welcher  sich  mit  der  Terminologie  der 
ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache  be- 
schäftigt, hat  insbesondere  den  Zweck,  zu  zeigen,  daCs  die  Versuche,  fremd- 
sprachliche mathematische  Kunstwörter  durch  deutsche  zu  ersetzen,  schon 
sehr  alt  sind  und  dals  sie  sich  stetig,  bald  mit  gröfserem,  bald  mit  ge- 
ringerem Erfolge  wiederholt  haben.  Das  Studium  der  mathematischen 
Nomenklatur  ist  nicht  nur  in  rein  sprachlicher  Beziehung  von  Wichtig- 
keit, es  dient  uns  auch  in  der  Geschichte  der  Mathematik  dazu,  die  Quellen 
zu  finden,  aus  denen  ein  Schriftsteller  geschöpft.  In  M.  Cautor's  groÜBem 
Geschichtswerke  finden  sich  zahlreiche  Belege  dafür.  Eine  Durchforschang 
der  älteren  deutschen  mathematischen  Litteratur  mit  besonderer  Bücksidit 
auf  Verdeutschungen  von  Fremdwörtern  wird  zugleich  einen  nütslichen  Wink 
geben  dafür,  inwieweit  Sprachreinigungsversuche  berechtigt  sind  und  wel- 
chen Erfolg  dieselben  für  die  Zukunft  versprechen. 


L  Teil. 

Chronologische  Übersicht  &ber  die  für  die  mathematische  TemüDologie 

wichtigen  Quellen. 

Bevor  wir  an  unsre  eigentliche  Aufgabe  gehen,  wollen  wir  eine  kune 
chronologische  Übersicht  über  die  ältesten  und  älteren  mathematischeD 
Schriften,  die  in  deutscher  Sprache  abgefafet  sind,  geben  und  auf  deren 
Bedeutung  für  die  mathematische  Terminologie  im  allgemeinen  aufineiksam 
machen.     Dieselbe  ergiebt  sich  häufig  schon  aus  dem  Titel. 

Als  der  Erste,  welcher  mathematische  Lehren  in  deutscher  Sprache 
geschrieben  haben  soll,  wird  der  gelehrte  Klostergeistliche  Notker  Labeo 
zu   St.  Gallen   genannt,   der  um   das   Jahr  1000   lebte').     Von   ihm  sagt 


3)  S.  GöifTHBB,  Geschichte  dea  mathematiBchen  Unterrichts  im  deotscheo 
Mittelalter  bis  zum  Jahre  1525.  Monumeuta  Germamae  Paedagogica  III.  Berlio 
1887,  S.  45. 


Zar  Terminologie  der  ältesten  mathematisclien  Schriften  in  dentscher  Sprache.    305 

Stalin  (Württemb.  (beschichte  I,  1841,  S.  616),  er  habe  die  erste  Arith- 
metik in  deutscher  Sprache,  wahrscheinlich  eine  freie  Bearbeitung  der 
Arithmetik  des  Boethius,  verfalst,  und  Ahbros  (Geschichte  der  Musik  U, 
1864,  S.  99)  nennt  Notker  als  Verfasser  der  ältesten  bis  jetzt  bekannten 
Schrift  über  Theorie  der  Musik. 

In  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  schrieb  Eonrad  von  Megenberg, 
DomheiT  zu  Begensburg,  eine  Bearbeitung  der  Sphära  des  Sacrobosco  in 
mittelhochdeutscher  Sprache^).  Auf  dieses  „erste  deutsche  Handbüchlein 
der  Physik  und  Astronomie"  hat  zuerst  Dieher^)  aufmerksam  gemacht. 
Da,  wie  Diemer  nachgewiesen  hat,  die  „deutsche  Sphära"  Konrad  Hein- 
fogel's  vom  Jahre  1516  ein  wenig  erweiterter  Abdruck  der  MEOENBERo'schen 
Bearbeitung  ist,  so  werden  wir  später  darauf  zurückkommen. 

Die  älteste  uns  erhaltene  geometrische  Schrift  in  deutscher  Sprache 
ist  die  Geometria  Culmensis.  So  bezeichnet  man  eine  für  Feldmesser 
bestimmte  Anleitung  zur  Ausmessung  von  Flächen,  die  auf  Veranlassung 
des  Hochmeisters  des  deutschen  Ordens  Conrad  von  Jüngingen  um  1400 
Ton  einem  unbekannten  Verfasser  zusammengestellt  wurde  ^).  Dieses  Buch 
hat  neben  dem  lateinischen  Text  eine  deutsche  Übersetzung.  Es  wurde 
unter  starker  Benutzung  der  Practica  geomdriae  demonstrativa  des  Domi- 
Micus  Parisiensis  yerfafst^).  Es  ist  für  die  mathematische  Terminologie 
von  grolser  Wichtigkeit. 

Aus  dem  Anfange  des  XV.  Jahrhunderts  stammt  ein  in  deutscher 
Sprache  geschriebener  arithmetischer  Traktat,  der  sich  in  einem  Wiener 
Codex  (no.  3029)  befindet^).  Herr  A.  Nagl,  der  ihn  zuerst  erwähnt,  giebt 
Ton  demselben  an,  dais  er  ganz  auf  dem  Boden  der  italienischen  Praxis 
stehe.  Die  Verpflanzung  der  italienischen  Arithmetik  nach  Deutschland 
wird  noch  durch  zwei  andere  Algorithmus-Traktate  bezeugt,  die  ebenfalls 
deutsch   geschrieben    sind   und   sich   in   den  Münchener  Handschriften  des 


4)  GÜHTHBB,  1.  c.  S.  167. 

5}  DiEMEB,  Kleine  Beiträge  zar  altem  deutschen  Sprache  und  Litteratur, 
Wien  1851,  S.  60  flF. 

6)  Geometria  Culmensis,  Ein  agronomischer  Traktat  ans  der  Zeit  des  Hoch- 
meiiters  Cohbad  ton  Jdmgihobn  (1393 — 1407).  Herausgegeben  von  Dr.  H.  Mendthal. 
Leiprig  1886.     76  8.  8«. 

7)  Über  den  Inhalt  s.  M.  Caktor,  Yorlesungen  Aber  Geschichte  der  Mathe- 
matik, n,  1892,  S.  137—141.  Über  den  Dominicub  Pauisiknsis  vgl  M.  Curtze, 
Mathematisch-historische  Miscellen.    8.   Biblioth.  math.  (2)  IX,  1895,  S.  107. 

8)  Altebd  Naol,  Über  eine  Algorithmus-Schrift  des  Xu.  Jahrhunderts  etc. 
Z.  f.  Math.  n.  Phys.  XXXIV;  Bist.  litt.  Abt.  S.  145. 

Abh.  cur  Omch.  d.  Mathem.  IX.  20 


306  Felix  Malier: 

XV.  Jahrhunderts  no.  4162  und  no.  7088  befinden^.  Im  Beginne  des  letz- 
teren wird  das  Rechnen  (der  Algorithmus)  „die  Kunst  des  weisen  hoch- 
gelehrten meisters  Algi'*  genannt.  Hoffentlich  werden  diese  ältesten  Bechen- 
bücher  bald  herausgegeben  werden. 

Spätestens  im  Jahre  1445  schrieb  ein  Hildesheimer  8iaflsschüler 
Bkrmuakjd  ein  elementares  fiechenbuch  in  niederdeutscher  Sprache,  durch 
dessen  Herausgabe  und  Übersetzung  Herr  Friedrich  Ukger^^)  sich  ein 
grol^s  Verdienst  erworben  hat.  Trotzdem  es  deutsch  geschrieben,  sind  die 
lateinischen  Kunstausdrücke  beibehalten. 

Ein  Bruchstück  einer  Algebra  in  deutscher  Sprache  aus  dem  Jahre 
1461,  sowie  eine  vollständige  Abhandlung  über  denselben  Gegenstand,  auch 
in  deutscher  Sprache,  mit  dem  lateinischen  Titel:  ^Begula  delacose  secon- 
diuu  6  capitula',  finden  sich  untermischt  mit  lateinischen  Manuskripten  in 
der  Handschrift  der  königl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  München  Nr.  14908. 
Auf  dieselbe  hatte  zuerst  Gerhardt  aufmerksam  gemacht ^^).  Später  hat 
M.  C^URTZR^')  sämtliche  Stücke  des  Sammelbandes  herausgegeben  und  er- 
läutert Bemerkenswert  ist,  dafs  in  einigen  dieser  Stücke  lateinische  und 
deutsche  Sprache  abwechseln. 

Die  Geometria  Culmensis  lehrte,  Figuren  auszumessen;  die  erste  An- 
leitung in  deutscher  Sprache  ^  geometrische  Figuren  richtig  zu  zeichneo^ 
enthält  eine  unter  dem  Namen  „Geometria  deutsch*'  bekannte  Schrift 
Hhidsloff,  der  diese  Schrift  in  seinem  Buche:  „Die  Bauhütte  des  Mittel- 
altei^  in  Deutschland*^  Nürnberg  1844,  Seite  95  —  99  abdruckt,  fSigt  dem 
'IHtel  hinzu:  „angeblich  von  Hans  Hösch  von  Gmünd  1472".  S.  Günther 
hat  diese  Geometrie  in  einem  Sammelband  mathematischer  Druckwerke  der 
Nürnberger  Stadtbibliothek,  ohne  Angabe  von  Verfasser,  Druckort,  Zeit  etc. 
a\üget\inden  und  veröffentlicht^').  M.  Cürtze  bemerkt  zu  dieser  YerOffent- 
Uuhung,  dafs  sich  in  der  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek  ein  Mann- 
ukvipt  aus  ^em  Jahre  1477  befindet,  das  auf  Blatt  62 — 73  ebenfalls  eine 
(huuuetria  (Feldmefskunst),  deutsch,  enthält,  die  offenbar  von  der  ohigen 

\»  Naui*,  l  0.  S.  168  Anm. 

10)  Fuiiw«icn  Ungbr,  Das  älteste  deutsche  Rechenbuch,  herausgegeben  uod 
üliiutiUt.  Z,  f.  Math.  D.  Phys.  XXXIH,  1888,  Hist.-litt,  Abt.  S.  126—146.  Vgl. 
\\   r\mi»H,  Vorl.  üb.  Gesch.  d.  Math.  11,  159—160. 

in  (Uhhahdt,  Zur  Geschichte  der  Algebra  in  Deutschland.   Berl.  Monatsber. 

X'^)  M.  OrsTiK.  Ein  Beitrag  stur  Geschichte  der  Algebra  in  Deutschland  in 
^\iut]6ubuieu  Jahrhundert.  Z.  f.  Math.  u.  Phys.  XL,  Suppl.  1896.  Abh.  «.  Gesch. 
k\    M4tk4.     Ueft  7.    8.  81—142. 

l.i.)  ä.  QüNTiu«,  Zur  Geschichte  der  deutschen  Mathematik  im  fonfiehnten 
i.jaUuuauit.     t.  f  Math,  u.  Phys.  XX,  1875;  Hist-Utt.  Abt.  S.  1  ff. 


Zur  Terminologie  der  älteaten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  307 

verschieden  ist^^).  Aneh  die  erstgenannte  Geometria  deutsch  bietet  in 
sprachlicher  Hinsicht  manches  Interessante. 

In  der  zweiten  H&lfte  des  XY.  Jahrhunderts  worden  in  Deutschland 
zahlreiche  Yorschriften  gegeben,  wie  auf  den  Linien  zn  rechnen  sei^^). 
Es  erscheint  nnn  eine  von  dem  Abacus-  und  Kolnmnenrechnen  wesentlich 
Terschiedene  Becbnnng  mit  Bechenp fennigen  oder  Baitpfennigen  (jetons, 
piojeetilia,  oonnters)  anf  der  Bechenbank  oder  der  Bankir,  auf  der 
wagerechte  Linien  gezogen  sind,  welche  den  auf  oder  zwischen  ihnen 
liegenden  Zahlen  oder  Marken  ihren  Wert  verleihen.  Die  nächst  höhere 
Lidie  giebt  den  zehnfachen,  der  Zwischenraum  (spatium)  zwischen  ihr  und 
der  nSehst  tieferen  den  fünffachen  Wert  der  letzteren.  Der  Yerbreitung 
der  praktischen  Arithmetik  kam  die  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  ganz 
besonders  zu  statten.  In  der  ersten  H&lfte  des  XYL  Jahrhunderts  wurden 
zahheiche  Bechenbücher  durch  den  Druck  yeröffentlicht  ^^. 

Yon  deutschen  gedruckten  Bechenbüchern  sind  wohl  die  ältesten 
die  beiden  von  Heinrich  Petzbnsteiner  in  Bamberg  1482  und  1483  ge- 
dmekten^^.  Yon  dem  ersteren,  dessen  Yerfasser  Ulrich  Wagner,  ein 
Nürnberger  Bechenmeister,  ist  nur  ein  winziges  Fragment  erhalten.  Das 
zweite,  wahrscheinlich  auch  von  Ulrich  Waonbr  yerfaist,  wird  gewöhnlich 
„das  Bamberger  Bechenbuch  von  1483*'  genannt.  Eine  eingehende  Schil- 
derung desselben  giebt  Cantor  in  seinen  Yorlesungen^®). 

In  dem  oben  angefCÜirten  Buche  von  Heideloff  ist  unmittelbar  hinter 
der  Oeometria  deutsch  abgedruckt  (8.  101 — 116):  „Das  Beifsbüchlein 
der  HaTsbretter  von  Matthias  Boritzer,  Dommeister  von  Begensburg  1486/' 
Beilsbüchlein  ist  Zeichenbüchlein,  Mafsbretter  sind  Schablonen.  Der  ur- 
sprfingliche  Titel  war:  „Mathes  Boriczer,  Dz  Puechlen  der  fialen  gerech* 
tikait.'^  Fiale  ist  die  mit  Blumenkn&ufen  und  Blattwerk  verzierte  Spitzsäule 
der  gothischen  Baukunst  ^^).  Übersetzt  und  erl&utert  wurde  dieses  Büchlein 
von  Reichehspfrger  (Trier  1845).  Aus  derselben  Zeit  stammt  «ine  vielfach 
ähnliche  Anweisung  zur  Zeichnung  der  Spitzsftulen  von  Hans  Schhutter^ 
VATR,  das  V.  EssENWEiK  ueu  herausgegeben^). 

14)  M.  CuBTBB,  Bemerkungen  zu  dem  Aufsätze  Güntheb's.   Ebenda  S.  57  ff.  — 
Der  Anfsatz  von  1477  ist  oben  S.  40 — 63  zum  Abdruck  gekommen. 
16)  Vgl.  M.  Caätob,  Vorl.  üb.  Gesch.  d.  Math.  II,  198  ff. 

16)  Alfbxd  Nagl,  1.  c.  S.  146  Anm.  o.  S.  168  Anin. 

17)  Fb.  ÜMaxB,  Die  Methodik  der  praktischen  Arithmetik  in  historischer  Ent- 
wickelang vom  Ausgange  des  Mittelalters  bis  auf  die  (Gegenwart.  Leipzig  1888, 
8.  86,  37  u.  ff. 

18)  1.  c.  n,  202—208. 

19)  8.  GüHTH^,  Gesch.  d.  math.  IJnt.  S.  342  ff. 

20)  Anzeiger  f.  Kunde  der  Vorzeit  1881,  Sp.  66  ff.  Nach  Gümtheb  1.  c.  S.  343  Anm. 

20* 


-     ^r-r     »l^ 


Felix  Malier: 

OST  Begtüomimg  des  Inhaltes  von  Hohlm&Isen 
'   bedienten,    so    gehören    aneh   die 


.—         •»»•,••  *  ^^^ *      ^ ^-^ 


ü»   Hiastelhnig   und    Anwendung    der  Yisiennte 

Lxtsantur.     Das  älteste  deutsch  geschriebene 

Ekn*^.  gedruckt  zu  Bamberg  1487,  hat  zum 

fpoBSK,  auch  Hanks  Bbiefmaler  genannt.  ^\). 

las  Baaboger  Rechenbuch  erschien  im  Druck 

te    -E»±usfr  3SB.  T-bI  wGctlich  aus  ersterem  entlehnt:  „Behede 

«^.  iseosac  iccf  ^I^sl  tanffmanschaflFt",  von  Johann  Widmax 

Wäcehx  ans  drei  Teilen:   l)  von  Kunst  Tud 
mit  ganzen  und  gebrochenen  Zahlen, 
^      rtii'isic    iur  LH    Proportionen   nach  Jordanus,   Begeldeth), 
.^     jc     .r:  u:»  ~Isii«2L  cu  A  Gecunetria  genannt  ist  (praktische  Mefs- 

^  rt  '^acrca  A^  ITl  Jahxhuiiderts  mehren  sich  die   in  deutscher 

»  -      ?^-:iu29r-a^H2^H:«a    Ic^cöäib öcher ,    sowohl    diejenigen,    welche  das 

-^    .^i    .^.:tt*.  AiS^  ÜM»  welche  das  „Bechnen  auf  der  Peder^,  d.  h. 

^.-  ^.  «^    .^rrv^OAtift  leiLren.     Da  diese  Bücher  sich  in  der  Dar- 

.    .^.     --^  .•,:!  $i!«£%ra.   w  geaögte  es  flBbr  unsere  Zwecke,  einige  der 

^ .  • .  -^    „o&i&a^cuj^cix  .tema  Titel  wir  hier  folgen  lassen. 

..    cL      'S^^Uii.tirüiXMr  lu  Oppenheim):  Ain  New  geordnet 

z    xx^    X'^^  I:ai«a  mit  Bechenpfeningen:  den  Jungen 

^     ^^^^.  .^riB   ^onscft  md  hendeln   leychtlich   zu  lernen  ndt 

..     *.-uT»*:i.     Cvi^aa^eim  1514.    24  Blätter.    8^    3.  Aufl.  1518, 

^-o^tu  xutvl  .in:»«»nf  ZiiS^m;  dieselben,  „die  gemeinen  oder  ziffe^ 

^^«.     v^.     :ur    ia  aiu\   wo  sie  erklärt   und   mit  der  römischen 

....x,.»^-i    '.^**»  v^r^lichen  werden;  im  übrigen  werden  nur  r5- 

v^vA>ss.«haN  i^l472  SU  Efslingen  —  1540,  Wiedererwecker 

^^sM^ax^:    Aia  New    geordnet   Bechenbiechlin  mit 

;.^   ^»^^avlvti  Schülern  zu  Nutz,  Inhaltet  die  Siben  Species 

>^  .J-*  i«r  Keg^l  de  Trj  und  sechs  Begeln  und  Spruch  von 

•>^«  ».i   A:ixit»rft  guten  Fragen,  den  Kyndem  zum  Anfang 

.^w^x  ^'^*i.    ^^^^'  Ö<>»). 

.<*..k  X  »Atk.  Uni  S.  328  ff. 

^    %   'j«.v\  ^oA  Kosa   und   sein  Bechenbuch   findet  man  in 

l^.  IVkitle»,  Die  deutsche  Cofs.    Z.  f.  Math.  o. 

V  ^J    ft.  Ue$ch.  d.  Math.  Heft  2,  S.  1—124;  S.  GüirrHss, 

^      4  r.    bV  VxoKR,  Die  Methodik  etc.    S.  40  ff.,  u.  a. 

_^    .    >^^  nennt  Gfiosa  Rbichkuitbin,   dessen  Bechen* 


Zar  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  309 

Um  die  chronologische  Reihenfolge  unsrer  Quellen  festzuhalten,  müssen 
wir  hier  einschieben  Jacob  Köbel:  Ejn  new  geordet  Yjsirbnch.  Helt 
yi-  Wie  man  vff  eins  yden  Lands  Eych  vn  Mafs,  ein  gerecht  Vysirut 
mach€  yn  do  mit  ein  ygklich  onbekant  VaCs  yysieren,  anch  synen  Inhalt 
erlernen  solle.  Den  anhebenden  Schalem  Visirens  Leichtlich,  mit  Figuren 
vnnd  Exempeln  zu  lernen,  angezeigt.  Angehengt  Tafeln.  Oppenheym.  1515. 
29  S.  4®. 

Der  berühmte  Rechenmeister  Adam  Riesb  (auch  Ries,  Rys,  Ryse),  geb. 
1492  zu  Staffelstein  bei  Lichtenfels  in  Franken,  gest.  1559  zu  Annaberg, 
hat  drei  verschiedene  Rechenbücher  geschrieben,  die  alle  mehrfache  Auf- 
kgen  erlebten^).  Das  erste,  welches  nur  das  Linienrechnen  lehrt,  stammt 
ans  dem  Jahre  1518:  „Rechnüg  auff  der  linihen  gemacht".  Die  Aus- 
gabe Ton  1530  hat  62  S.  kl.  8^.  Das  zweite  heilst:  „Rechenung  auff 
der  Linihen  vn  Federn,  Auf  allerley  handthirung  gemacht".  Erfurt 
1522.  Zweite  Auflage  1529,  101  S.  kl.  Oktav.  Das  dritte:  „Rechnung 
nach  der  lenge,  auff  den  Linihen  vnd  Feder.  Darzu  forteil  vnd  be- 
hendigkeit  durch  die  Proportiones  Practica  genant.  Mit  grüntlichem  vnter- 
rieht  des  visirens^^  Leipzig  1550,  196  Blätter  4^,  legt  den  Schwerpunkt 
anf  das  praktische  Rechnen,  nachdem  es  zuerst  das  Rechnen  auf  Linien  und 
dami  das  Zifferrechnen  vorgetragen,  und  giebt  eine  grolse  Zahl  von  Auf- 
gaben.   „Nach  der  lenge^^  heilst  ohne  Abkürzung. 

Auch  unter  den  eigentlichen  Gelehrten,  die  noch  lange  Zeit  hindurch 
lateinisch  zu  schreiben  pflegten,  finden  wir  einige,  die  es  nicht  verschmähten, 
eine  Anweisung  zur  praktischen  Arithmetik  in  deutscher  Sprache  heraus- 
zugeben: Henricus  Grammateub,  Chbistoph  Rüdolff,  Peter  Apian  und 
Michael  Stifel. 

Das  Rechenbuch  des  Grammateub  (Heinrich  Schreiber,  Lehrer  an 
der  Wiener  Universität,  später  zu  Erfurt'^),  giebt  in  seinem  Titel  den  voU- 


bnch  1532  erschien,  als  einen  der  Ersten  in  Deutschland,  welcher  Arithmetik  und 
Dichtkunst  zu  vereinigen  bestrebt  war.  Aach  Böschenbtein  kleidet  seine  Regeln 
in  Verslein,  z.  B.  fOr  die  RegtHa  fusti  (Bmttorechnung)  : 

Regel  fuBti  drea  ding  haben  wil  Was  jedem  tail  zu  zim  und  bleib 

Lanier  mirain  mit  nrnstera  zil  Das  an  sejn  stat  in  die  regel  schreib 

AqCb  dem  muster  thu'  den  fasti  formiren  Fürohin  beyden  fragen  nach  practycier 
Den  darnach  vom  lautem  subtrahireu.        Fusti  beyd  possen  in  ain  summa  sunmiir. 

Anch  in  WmicAM's  Älgarithmua  Unedlis  (ca.  1497)  finden  sich  lateinische  Hexa- 
meter, welche  die  Nameration  erklären.  (E.  Wappler,  Beitrag  z.  Gresch.  d.  Math. 
Z.  f.  Math.  u.  Phys.  XXXIV.  1889,  Suppl.  S.  147  ff.) 

24)  AusfOhrliches  fiber  Adam  Riesb  s.  bei  ünobb,  Die  Methodik  der  prakt. 
Ar.  etc.  S.  48—63. 

26)  M.  Cahtob,  Vorl.  11,  S.  363  ff. 


J-lLi¥£il€r: 

^    ,~._   1-iw  £.Lz>tlich  Baech,  welches  gar  gewiss 

i.  .    ^»    _<Mi~yTT  Begel  Detre,  welschen  practie,  regeln 

-4«.  xrisjüsriii  schöne  vn  zu  wissen   notdfirfflig 

— -mt^-^'u.'.     xxiih.  nach  den  proportion  der  konst  des 

.  .  •» .  -*w^»<«>iit  USX  lutajlen  monochordum,  oige^fejffen 

4S    er  ^tindnng  Pjthagore.    Wejtter  ist  hieiynnen 

•.     ^  :ontal  (d.  i  Journal),  Kaps  (E[a8salmch  fnr 

..     -.«««ui'.e  ut^Id)  Tnd  schnldbuch.     Visier  Rathen  ni 

-^  *«     mi  a^aagel  mit  vil  andern  Instigen  stdcken  der 

•6  Bi^tter,  klein  8^.    Zu  den  letateren  Stöcken 

1«^   .e»  Würfels. 

«.ovjji«  Sphära,  yon  der  wir  schon  oben  sprachen,  hat 
^.-^itdli:}^  getentscht  durch  mejster  ComAOT  Hbt>*- 
^    .^       >tt  aofiuiek  oder  fondament  der  ghenen,   die  da 
w;^    i^r  A^tronomy.'^    Cöln  1519.    7  Bogen,  gr.  8^. 

t«u  auch  eine  Anleitung  zum  Ziffeireehnen:   „Mit 

^. .    ««.bidd^rn  I  durch  die  zeifersahl  zu  rechnS   |  Ein 
.a      den  angenden   SchtQem  d'  rechnüg  zu  ere  ge* 
.     j  JO.     40  Blfttter.    8®. 

v.^k'  von  Jauer,  der  bedeutendste  Schaler  des   G&ajI' 

.k>    i^ie  Lehrbuch  der  Algebra  in  Deutschland.    ,,Bd- 

Uechnung  durch  die  kunst  |  reiohen  regehi  Algebra, 

.t>  iw  oi's  g^nennt  werden.     Dar  |  innen  alles  so  tiBülich 

^     .iuch  ^Win  auls  Tleilsigem  Lesen  on  allen  mftndtlichS 

-  ^   dxn  wenWn.    Hindangesetzt  die  meinüg  aller  dere  |  so 

.  ..U'u   n)g^Ia  an  |  gehangen.     Einem  jeden  üebhalwr  I 

^     ..v^  oi^t^ulich.  I  Zusamen  bracht  durch  Christofen  Ba- 

..w    ivuu>che  Künstler  des  XYI.  Jahrhunderts,  Axarbcht 

.\  S  i>^^*  1471,  gest.  1528),  widmete  Handwerkern  und 

i«..^  ^uui  richtigen  geometrischen  Zeichnen:  „Ünder- 

V  «:i^  mit  dem  zirckel  und  riehtscheTt,  in  LinJAiy^  ebenen 

Vruheim   1525.    89  S.  foL     Dieses  Buch  ist  für 

>.>ii4Uv>Iogie   Ton   grolser  Wichtigkeit,   da  Dürbb  den 

^.  uci  mC^gUchst  Termeidet  und  Tiele  wohl  selbstgewfthlte 

.1  »lu^  Stelle  setzt 

.viK»«   obt*n,  dcifs  Christoph  Btdolff  auch  eine  An- 
»sa  ^tahru'ben.     Sie  erschien  zuerst  1526  zu  Wien. 

1,  S^  4^1  tr  ~  &  GCsrm^  üaterr.  L  Mittela.  &  361  £ 


Inologie  der  ältesten  mathematisclien  Schriften  in  deutscher  Sprache.  311 

liehe  Bechnung  mit  der  Ziffer  vnd  mit  den  zalpfenningS,  sampt 

lachen  Practica  ynd  allerlei  forteil  auff  die  Begel  de  Tri."  Auch  1540. 

r  gelehrte  Petrus   Apianus   (eigentlich  Bibnewitz,   Professor   der 

nie  an  der  üniyersität  zu  Ingolstadt,  gest.  daselbst  1552)  ist  auch 

r   einer   Kaufmannsrechnong   in    drei  Büchern.     yfEin  newe   ynd 

Tündte  ynderweisung  aller  Eanffmans  Rechnung  in  dreien 

mit  schönen    Regeln   ynd  fragstClcken  begriffen.     Sonderlich  was 

and  behendigkeit  in  der  Welschen  Practica  ynnd  Tollsten  gebraucht 

lesgleichen  yormals  weder  inn  Teutscher  noch  in  Welischer  Spraa- 

c.    getruckt."     Vorwort   1527.     Frankfurt  1537   (nach  Treutlein 

>32). 

TEB  Apianus   ist  auch    als  Erfinder  trigonometrischer  Instrumente 

t.      Sein    Instrumentum   prmi    mobüis    dient    zur  Auffindung   des 

lud  Sinus  yersus'*^.     In  der  E.  Bibliothek  zu  Berlin  fanden  wir: 

ans  Apiani  astronomicus  et  jam  recens  inyentus  et  nunc  primum 

1532.    Ingolstadii,  und  Folium  populi,   instrumentum  a  Petro 

jam  recens  inyentum  etc.     „In  diesem  neuen  Instrument,  das  die 

hat  eines  blats,  werden  durch  den  Sonnenschein  in  der  gantzen  Welt 

m  die  genaue  Stunden  des  Tages,  und  aus  derselbigen,  yermittels 

>lats,  magst  du  die  Stunden  yom  Auf  ynd  Niedergang  der  Sonnen, 

:hen  die  Judenstand  (welche  durch  die  gantze  Bibel  im  Alten  ynd 

Testament  gebraucht  werden)  leichtlich  erkennen/'    Ingolstadt  1533. 

ing  und  Erklärung. 

ine  ausführlichere  Anleitung  zum  Gebrauche  des  Quadranten,  zugleich 

n  Elementen  des  praktischen  Messens,  giebt  Joannes  Stöffler  yon 

igenn.     »Von  künstlicher  Abmessung  aller  grölse,  ebene  oder 

in   die  lenge,  höhe,  breite  ynnd  tiefe,  als  graben,  Cistemen  ynd 

Q,  Man  mög  daizu  kommen  oder  nit,  mit  einem  Astrolabio  ynd  Qua- 

i,  oder  mefsleiter.     Aus  wahrem  grund  der  Geometrie,  Perspectiua 

ithmetic.  Allen  werokleuten,  Bawleuten,  Büchsenmeistem,  Feldmessern, 

)dennan  nützlich  zu  gebrauchen.     Ein  gar  künstlich  Sonnuhr,  Hora- 

ilimbatu  genant,  alle  Stunden  des  Sonnen  schein  nach,   gründtlich 

lien.    Einn  yast  leichtes  künstlichs  Geometrisch  Instrument,   damit 

isen  alle  höhe,  weite  ynnd  tiefe.  Als  thüm,  gebew,  bäum,  felder, 

tiefe  graben,  brunnen,  laier  usw.  wie  die  sein  mögen.    Durch  herrn 

Philipsen  Weiss   Schöffen   ynnd    des   Baths    zu   Frankfurt   an  tag  ge- 

benn."    1536. 


27)  M.  Cahtob^  Vorl.  II,  S.  371,   nach  S.  Günther^  Peter   und  Philip  Afian 
Abb.  d.  k.  böhm.  GW.  (6)  XI,  S.  27. 


Feli] 


lllei 


„Der  nntzlicben  vnd  freyea  kunat  Geometria  haben  sich  bishero  [  wen^ 
in  vnserer  Teutschen  sprach  angenomen",  heifst  es  in  der  Widmung,  ^ 
WoLPFGANG  Schmidt,  Bechenmeiater  zu  Bamberg,  seiner  Geonietrie  vortuf. 
schickt.  „Für  alle  künstliche  werckleat  |  als  Steinmetzen  |  Maler  j  Büj. 
hawer  {  Schreiner  |  vn  dergl,  küsstner"  ist  hestimmt:  „Das  erst  Buek 
der  Geometria.  Ein  kurtzc  vttt«rweisuDg  |  was  ]  vn  warauff  Geometrie 
gegründet  sey  |  vud  wie  man  |  nach  anwejsung  der  selben  |  mit  dem  Circkil 
vnd  Kichtscheydt  |  allerley  Lini  |  Flech  j  vnd  Cörper  aurstheyien  |  Tnd  |  ij 
fOrgegebener  proportion  |  machen  soll."     Nürnberg  1539.     127  S.  4""*), 

Dafs  wir  bei  unsrer  sprachlichen  Durchmnaterung  der  deutschen  na- 
thematischen  Schriften  die  bedeutenderen  Werke  eines  Gelehrten  übergeha 
und  bei  deu  minder  bedeutenden  verweilen  müssen,  kommt  uns  am  deat* 
liebsten  zum  Bewufstsein  bei  Michael  Stifel'^.  Seine  „Deutsch« 
Ärithmetica,  inhaltend  die  Hausrechnung,  deutsche  Cofs,  Kirchrechniui^ 
Nürnberg  1545.  92  Bl.  i\  lehrt  das  Sechnen  auf  den  Linien  in  seinem  guign 
umfange  bis  zur  Wm^elausziehung,  ferner  die  CoEs  bis  zu  Aufgaben  Über  qua- 
dratische Gleichungen  und  endlich  die  Kiruhenrechnung,  computns  ecde- 
siastieus.  Zu  erwähnen  ist  hier:  „Die  Cofs  Chhibtofps  RunoLifFfl,  ail 
schönen  Exempeln  der  Cofs  durch  Micuabl  Stifel  Gebefsert  und  sehr  g» 
mehrt."  Königsberg  i.  Pr.  1553 — 1564,  eine  neue  Bearbeitnng  des  obn 
gerannten  ersten  deutschen  Lehrbuchs  der  Algebra. 

Zn  gleicher  Zeit  mit  Ai>am  Riese's  „Rechnung  nach  der  Lenge",  d» 
wir  schon  oben  vorweggenommen,  erschien:  Jiliuann  Aluert'b  (BmW 
meistere  zu  Wittemberg):  „Becbenbüchlein  auf  der  Federn  |  Ganb 
leicht  I  aus  rechtem  grund  |  Li  Gantzen  yud  Gebrochen  |  Neben  angehefftem 
viilangst  ausgelafsenem  Bächlein  „Auf  den  Linien"  |  Dem  etnfeitigeii  ge- 
meinen Mann  und  anhebenden  der  Ärithmetica  zu  gut."  3.  Aufl.  1550. 
Wittemberg.     180  S.  8». 

Nicht  blofs  umfangreicher,  sondern  auch  weit  besser  alB  die  bisher 
genannten  Rechenbücher  ist  das  des  Simon  Jacob  von  Cobuko  (Rechen- 
meisters und  Bathschreibere  zu  Frankfart  a.  M.):  „Ein  New  vnd  Wol- 
gegründt  Bechenbnch  |  auf  den  Linien  vn  Ziffern  |  sampt  der  Welschen 
Praetic  vnd  allerley  vortheilen  |  neben  der  extraction  Radicum, 
Proportionen  |  mit  vilen  lustigen  Fragen  vn  Auffgaben  |  etc.     Deisglei 


•iH)  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  über  den  lohalt  und  die  Bedeutnng  der  TMtl 
iina  benutzten  Suhiiften  Äuafahrlichee  zu  eagen.    So  ganz  unbedentend,  ' 
M,  CiiiTOB  (Vorl.  II,  412)  meint,  scheint  uue   die  Geometrie  Woi-kfcüio  i 
nicht  zu  sein. 

29)  Äuafahrli-         ">>**  SririiL  und  sein  Hauptwerk,    die  Ärithmetica  iilrgn,  1 
findet  1,  Kap.  XLU,  S,  äli4  ff. 


r  17ennmologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  313 

v^ollkomner  Bericht  der  Regel  Falsi  |  mit  neuwen  Inuentionibus,  De- 
»nst^rationibTis  |  vnd  vortheilen  |  so  bifs  anher  |  für  ynmüglich  geschetzt  | 
t>«i!s€rt  j  dergleichen  noch  nie  an  tag  kommen,  und  dann  von  der  Geo- 
»iaria,  wie  man  manoherley  Felder  vnd  ebne  |  anch  allerley  Corpora  | 
gxi.laria  ynd  Irregnlaria  |  meinen  |  Aream  finden  vn  rechnen  sol." 
^zikiiirt  a.  Main.  1565.  352  S.  4^.  Die  Vorrede  stammt  ans  dem  Jahre 
»S2.  Er  bedient  sich  lateinischer  und  griechischer  Knnstausdrücke  and 
ebt    nur  vereinzelt  bei  der  Erklärong  derselben   deutsche  Übersetzungen 

l^ach  dem  Tode  Jacob  Eöbel's  (f  1533  zu  Oppenheim)  erschien 
tine  „Geometrei  von  künstlichem  Mefsen  vnd  absehen  allerhand 
5he,  fleche,  ebene,  weite  vnd  breite.  Als  Thüm,  Kirchen,  bftw,  bäum, 
eider  vnd  ftcker  usw.  mit  künstlich  zuberejtem  Jacobstab,  Philosophischem 
pie^el,  Schatten  vnd  Mefsruten,  Durch  schöne  Figurn  vnd  Exempel.'^ 
Oppenheim.  1553.  55  S.  Auf  S.  14  steht  ein  neuer  Titel:  „Ein  künstlich 
abtile  vnderrichtunge,  Wie  durch  einen  Spiegel  Ein  Höhe  eines  thurms 
Lnch  die  L&nge  einer  Ebene  Als  äcker,  Wisen  usw.  erkennen  vnd  erfarenn 
»olt«  Darzu  in  der  Vorrede  Warumb  das  Spiegelglafs  erfunden.  Jetzo 
lein  Jacobstab  angehencket  von  Jacob  Köbel.  Anno  1531.''  Ein  dritter 
litel  auf  Seite  23  lautet:  „Von  mefsen  vnd  thejlen  des  Erdtrichs,  Ecker 
md  Velder,  in  was  form  vnd  gestalt  die  sein.  Durch  Jacob  Köbel  be- 
schrieben.*'    Ohne  Datum. 

Endlich  finden  wir  eine  deutsche  Übersetzung  des  Euklid,  allerdings 
zunächst  nur  der  3  arithmetischen  Bücher.  Johann  Scueybl:  Das  sibend  | 
acht  vnd  neunt  buch  |  des  hochberühmten  Mathematici  Euclidis 
Megarensis^)  |  in  welchen  der  Operationen  vnnd  regulen  aller  genudner 
rechnung  |  vrsach  grund  vnd  fundament  |  angezaigt  wirt  |  .  • .  aufs,  dem 
latein  ins  teütsch  gebracht  |  vnd  mit  gemainen  exemplen  also  illustrirt 
vnnd  an  tag  geben  |  das  sj  ein  jeder  gemainer  Rechner  leichtlich  ver* 
stehn  I  vnnd  jme  nutz  machen  kan."     Augspurg  1555.    237  S.    8^. 

Um  dieselbe  Zeit  mufs  auch  Wilhelm  Holtzmann,  genannt  Xylander 
(1532  in  Augsburg  —  1576  zu  Heidelberg,  als  Professor  des  Griechischen) 
seine  Euklidübersetzung  begonnen  haben.  Dieselbe  erschien  zu  Basel  1562. 
Sie  hat  den  Titel:  „Die  Sechs  Erste  Bücher  Euclidis  |  Vom  Anfang 
oder  Grund  der  Geometrj.  In  welchen  der  rechte  Grund  |  nit  allain  der 
Geometrj   (versteh   alles   kunstlichen  |  gewisen  |  vnd  vortailigen    gebrauchs 


30)  Diese  Verwechselung  des  Mathematikers  Euklid  mit  dem  Philosophen, 
welche  dnrch  den  lateinischen  Schriftsteller  Valebius  Maxdius  veranlafst  war, 
dauerte  bis  auf  Claviub  1574.    8.  M.  Cawtob,  Vorl.  I,  224,  II,  512. 


314  Felix  Müller: 

des  Zirckels  |  Linials  oder  Bichtscheittes  vnd  andrer  werkiedge  i  sö  iü 
allerlaj  abmefsen  dienstlich)  sonder  auch  der  fCümenisten  stnck  nA  TortiL 
der  Bechenkhonst  |  ftirgeschrieben  vnd  dargethan  ist.  —  Ans  Gfiediiscb; 
sprach  in  die  Teütsch  gebracht  |  aigentlioh  erkl&rt  |  Auch  mit  reistaL!- 
lichen  Exempeln  |  gründlichen  Figuren  |  vnd  allerlaj  den  nnti  for  «^ 
stellenden  Anhängen  geziert  |  Dermafsen  vormals  in  Teüischer  spiidi  l^ 
gesehen  worden.  —  Alles  zu  lieb  vnd  gebrauch  den  Eunstüebeiidai  Ti- 
schen I  so  sich  der  Geometij  vnd  Rechenkunst  anmalsen  |  mit  Tidfthi&s 
mühe  vnd  arbeit  zum  trewlichsten  eramet  vnd  in  Tmckh  gegeben  '.*"  Wie 
die  Vorrede  sagt,  ist  das  Buch  bestimmt  ffSac  Künstler,  als  Makr,  (Vi- 
schmiede,  Baumeister  und  andere,  die  griechischer  und  lateimseliflr  Kissie 
und  Sprachen  unerfahreiL  „Es  soll  sich  auch  niemand  verwundem,  ^ 
ich  etliche  fremde  Wörtlein  hierin  beibehalten,  und  als  wohlbekiant  noä 
leutsche  gebraucht  hab:  Als  nftmlich  seiend:  Proposition,  Operation,  Stnr 
tur,  Distants,  Excelk,  Collect,  Best  und  andere  äergL  Dann  ich  das  nh 
allein  nach  dem  Brauch  der  alten  Gelehrten  gethan  hab,  wekhe  in  an 
Sprach  solche  auslindische,  aber  sehr  bequeme  und  bedentlieiie  WSite 
angenommen  und  gleichsam  mit  dem  Bürgerrecht  begabt  haben  (wie  dos 
auch  beim  Cicerone  eine  gute  Anahl  giiechiacha'  WSrtlein  jeriihebsi; 
ja  auch  aller  freien  Künste  Namen  giiedüscher  Sprachen  vorbehalten  saeci. 
sondern  auch  zuvor  in  teutscher  ^rächen  mehr  fr^emde  Wörtkin  gebnocb 
werden,  weder  vielleicht  nutz  und  loblich:  dafs  ieih  hoff  mir  hierin  naeb- 
lugeben  sei,  ob  ich  Neuerung  lu  vmneaden  etiidie  wohlgebzasehte  m^ 
im  Schwank  gehende  dieser  Künsten  Benennungen  bleiben  lafiMn  nnd  ü\ 
in  t«utsohe  verlndert  habe,  sonderlieh  diewdl  z.  T.  dieselben  vonnils  ht 
kannt,  (aU  in  der  Becbenknnst:  Addieren,  Subtrahieren,  MnltiiiliiieRii, 
DiTidiei«n,  Facit^  Quotient,  Best,  Snnun  odo-  C^Olec^  Radix  Qoadntio.&. 
im  Meisen:  Centram,  Diameter,  Cireumferentz,  Tiia&gel,  Qnadnt,  6aä\ 
CathetuSs  Hjpotenus  u.  s.  w.)  z.  Teü  von  mir  also  geni^saBi  an  ihren  Om 
erkllrt)  dafs  sidi  nionand  bald  daran  stoisoi  wird.^  — 

Nadi  einen  Zwisdienraum  von  48  Jahren  tgsthmai  äne  neae  Hkt 
Setzung  d^  €  ersten  Bücher  der  Elemente  von  Snos  IIajbius  (aas  Gnstia' 
hausen,  Fümlidi  Bnnd^lmigischcai  Matlwmatjkw):  ^Die  Ersten  SkI^ 
Bücher  Elementornm  EiiLJDiis.  In  weldien  die  Anfibig  vnd  Grüd 
der  tieometria  ordentlich  gelehrt,  vnd  gründlich  erwiesen  wetden,  mit  ^ 
derm  Fleifs  md  Mühe  auis  Ghechiscber  in  vnsere  Bohe  dentsehe  Spv^ 
überi!esetaeet,  vnd  mit  versUndlicben  £senqtehi  in  Idmen  vnd  ganeio^s 
Batiowil  Zahlen,  Auch  mit  Newen  Fi^ruren,  anff  das  lachtest  vnd  aigefli 
liehest  erklaret.  Alles  z»  sonderen  Nutz  den  jenigen,  so  sich  der  G^ 
meta-iv  im  Ivechnen,  Krie^fewesen,  Feltm&£sen^  Bauen  vnd  anden  Könstffl 


r  Terminologie  der  ältesten  mathemaÜscHen  Schriften  in  deutacher  Sprache.  315 

lud  Handtwerckern  zu  gebrauchen  haben."  Onoltzbach  1610.  Christian 
id  JoACBiH  Ebnst,  Markgrafen  zu  Brandenbarg,  gewidmet.  „Etliche 
iechische  Termini  oder  Wörter,  die  ich  im  Verdeutschen  hab  behalten, 
e    liab  ich  alle  jedwedes  an  seinem  Ort  erkläret." 

Ein  an  neuen  Übersetzungen  lateinischer  Kunstausdrücke  ins  Deutsche 
tiches  Buch  ist  die  deutsche  Bearbeitung,  die  der  groJGse  Astronom  Johannes 
Epr.sR  von  seiner  Nova  Stereomdria  doliorum  vinariarum^^)  selbst  be- 
trete. „Aufszug  aufs  der  vralten  Mefse-Eunst  Abchimrdis  vnd 
sroselben  newlich  in  Latein  aufsgangener  Ergentosung,  betreffend  Bechnung 
3r  körperlichen  Figuren,  holen  Gefeben  vnd  Weinfässer,  sonderlich  defs 
österreichischen,  so  ynder  allen  anderen  den  artigsten  Schick  hat.  Er- 
lärung  vnd  Bestättigung  der  österreichischen  Weinvisier-Buthen,  vnd  dero- 
3lben  sonderbaren  gantz  leichten  behenden  Gebrauchs  an  den  Landfäfsem. 
Irweitterung  defsen  auff  die  aufsländische,  so  auch  auf  das  Geschütz  vnd 
[u^eln.  Sampt  einem  sehr  nutzlichen  Anhang  yon  Yergleichung  dels  landt- 
;ebräuchigen  Gewichts,  Elen,  Klaflfter,  Schuch,  Wein*  vnd  Traid-Maais  vnder 
inander  vnd  mit  andern  aufsländischen,  auch  Alt-Bömischen/'  Lintz  1616. 
Im  jedermann  das  Verständnis  der  Kunstausdrücke  zu  vermitteln,  hat 
Kepler  ein  deutsch-lateinisches  Verzeichnis  dieser  Termini  vorausgeschickt. 

Eine  grolse  Zahl  verdeutschter  Kunstwörter  enthält  die  praktische 
Geometrie  von  Daniel  Scuwbnter  (1585  zu  Nürnberg  geb.,  1628 
Professor  der  Mathematik  und  der  orientalischen  Sprachen  zu  Altdorf). 
„Geometriae  practicae  novae  et  auctae  libri  IV",  Nürnberg  1625, 
mehrfach  aufgelegt,  auch  1667.  820  S.  gr.  8^.  Derselbe  ist  auch  bekannt 
durch  seine  ^Deliciae  Physicc-Mathematicae',  oder  ^Mathematische 
vnd  Philosophische  Erquickstunden'.  „Darinnen  Sechshundert  drej 
vnd  sechzig  Schöne,  Liebliche  vnd  Annehmliche  Kunststücklein,  Auffgaben 
vnd  Fragen,  aufs  der  Bechenkunst,  Landtmessen,  Perspectiv,  Naturkündigung 
vnd  andern  Wilsenschafften  genomen,  begriffen  seindt."  Nürnberg  1636. 
574  S.  gr.  8®.  Eine  Fortsetzung  derselben  gab  der  als  deutscher  Dichter 
and  Gründer  des  Pegnesischen  Blumenordens  bekannte  Georg  Philipp 
Harsdörffer:  „Der  Mathematischen  und  Philosophischen  Er- 
qnickstunden  Zwejter  Theil.'^    Nürnberg  1651.    695  S.  gr.  8^ 

„Damit  der  unvergleichliche  Archimedes  nunmehr  kein  Sicilianer  mehr, 
sondern  ein  Teutscher  sein,  auch  recht  und  ungestümmelt,  ohne  Beimischung 
fremder  Wörter,   reden  möchte",  fertigte  Johann  Christoph  Sturm  (geb. 


31)  Über  die  Bedeutung  dieses  Werkes  ffir  die  Stereometrie  s.  M.  Camtor, 
Vorl.  n,  750  ff.,  und  Gsshi&d'b,  Gesch.  d.  Math,  in  Deutschland.  Mfinchen  1877, 
S.  109  ff. 


316  Felix  Müller: 

1635,  seit  1669  Professor  der  Mathematik  nnd  Physik  in  Altdorf)  eine 
Übersetzung  der  Werke  des  Archimedes:  ,,Des  unyergleichlichei 
Arohimedis  Kunstbücher  oder  Heutigs  Tags  befindliche  Schriften.  Ans 
dem  Oriechischen  in  das  Hochdeutsche  übersetzt  und  mit  nohtwendiga 
Anmerkungen  durch  und  durch  erläutert."  Nümbei^  1670.  427  +  32  S.foL 
In  dem  Vorbericht  heifst  es  weiter:  „Wann  dann  zu  solchem  End  liek 
Lateinische  und  Grriechische  Kunstwörter  aufs  neue  haben  verteutscht  wa- 
den  müTsen,  welche  den  kunstliebenden  Leser,  bis  er  deroselben  gewohoet^ 
etwas  anstehen  machen  möchten,  als  haben  wir  solche  YerteutsehtmgeQ 
sambt  ihren  gleichgeltenden  und  bekannten  Lateinischen  und  Oriechisehen 
Wörtern  in  einem  gedoppelten  Register  nach  derer  Buchstaben  Ordntmg 
hier  voransetzen  wollen;  damit  man  im  Falle  bedürfens  sich  daher  Balits 
erhohlen,  und,  an  statt  der  büsher  gebräuchlichen  fremden,  die  teatscb« 
Kunstwörter  allgemach  ge wohnen,  und  also  mit  denen  Teutschen  teniscb 
zu  reden  lernen  möge."  Im  Text  hat  Sturm  den  Verdeutschungen  meist 
den  lateinischen  resp.  griechischen  Namen  in  Klammem  hinzugef&gt. 

Während  Holtssmann  und  Simon  Marius  nur  die  ersten  6  Bücher  der 
Elemente  des  Euklid  übersetzt  hatten,  erschien  im  Jahre  1694  eine  deutsch? 
Übersetzung  der  8  geometrischen  Bücher,  also  1 — 6  und  11  und  12,  unter 
dem  Titel:  „Teutsch-Bedender  Euclides,  Oder  Acht  Bücher  Von  Denen 
Anfängen  Der  Meüs-Kunst  |  Auff  eine  neue  und  gantz  leichte  Art  |  za  Nü- 
tzen Allen  Generalen  |  Ligeniem  |  Natur-  und  Warheit-Kündigem  |  Bau- 
Meistern  I  Künstlern  und  Handwerckem.  Li  Teutscher  Sprach  eingerichtet 
und  bewiesen  |  durch  A.  E.  B.  V.  P."  Wien.  375  S.  4®.  Der  Übereetier 
ist  BuRCKHARDT  VON  PiRKENSTEiN.  Er  nennt  sich  in  der  2.  Auflage  za 
Frankfurt  1699»^). 

Wir  haben  noch  eine  Übersetzung  der  ersten  6  Bücher  der  Euklidiscbeo 
Elemente  zu  nennen,  von  Samuel  Beyher:  „In  Teutscher  Sprache  vor- 
gestellter Euclides,  Delsen  VI  erste  Bücher  auf  sonderbare  Art  |  Mit 
Algebraischen  Zeichen  |  also  eingerichtet  sind  |  dafs  man  derselben  Beweise 
auch  in  andern  Sprachen  gebrauchen  kann/'  Kiel  1697.  392  S.  4®.  Das 
Buch  ist  für  uns  dadurch  merkwürdig,  dafs  der  Verfasser  alle  Fremdwörter 
ohne  Ausnahme  verdeutscht;  er  fügt  allerdings  meist  die  lateinischen  Aus- 
drücke in  Klammem  hinzu. 

Wir  schliefsen  unsre  Litteraturübersicht  mit  der  ersten  dentschen 
Encjklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften,  die  allerdings  schon  is 
das  XYIII.  Jahrhundert  hinüberreicht.  Sie  ist  verfafst  von  dem  Sohne  d^ 
oben  genannten  Johann  Christian  Sturm,  von  Leonhard  Christoph  Stürm, 


32)  J.  Rooo.  Handbuch  der  mathematischen  Literatur.  Tübingen  1830,  S.  3?o. 


Zur  Terminologie  der  Utesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  317 

inter  dem   Titel:  „Enrtzer  Begriff  der  gesambten  Mathesis  |  Bestehend  in 
J  Tbeilen."    Frankfurt  a.  0.  1707. 

Charakteristisch  für  die  Terminologie  dieser  älteren  mathematischen 
Schriften  in  deutscher  Sprache  ist,  dafs  die  Mehrzahl  derselben  nicht  für 
jrelebrte  bestimmt  war,  sondern  für  solche  Leser,  die  der  lateinischen  und 
griechischen  Sprache  unkundig  waren.  Aus  den  deutschen  Bechenbüchem 
M>llten  die  Kinder  des  Volks  lernen;  die  geometrischen  Schriften  deutscher 
Sprache  sollten  den  Handwerkern  und  Eünsüem  die  für  ihren  Beruf  er- 
forderlichen Kenntnisse  mitteilen.  Das  war  für  die  meisten  der  im  Vor- 
bergehenden  genannten  Verfasser  der  Grund,  Fremdwörter  zu  vermeiden 
and  dieselben  möglichst  durch  deutsche  Wörter  zu  ersetzen.  Von  einer 
sogenannten  Sprachreinigung  im  modernen  Sinne  war  also  durchaus  nicht 
die  Bede.  In  den  meisten  der  obigen  Schriften  dienen  die  Verdeutschungen 
lediglich  dazu,  das  Fremdwort  zu  erklären.  Daher  finden  sie  sich  auch 
häufig  nur  in  den  den  Lehren  yoraufgehenden  Definitionen;  im  nachfolgenden 
Texte  werden  dann  wieder  die  Fremdwörter  wie  deutsche  Wörter  gebraucht. 
Häufig  werden  auch  im  Texte  beide  Ausdrücke  zugleich  angewendet,  das 
Fremdwort  voran  und  das  deutsche  in  Klammem,  oder  umgekehrt. 


n.  Teil. 
Über  altere  Yersnche,  matliematiselie  Knnstansdrftcke  zu  yerdentsclieii. 

Die  für  uns  in  Frage  kommende  Litteraturepoche  umfafst,  wie  aus 
dem  vorigen  Abschnitt  zu  ersehen  ist,  ungefähr  drei  Jahrhunderte,  von  ca 
1400 — 1700.  Um  den  uns  zugewiesenen  Baum  nicht  zu  überschreiten, 
müssen  wir  uns  mit  einer  möglichst  knappen  Übersicht  über  die  Ver- 
deutschungen mathematischer  Kunstausdrücke  begnügen,  welche 
wir  in  den  oben  angeführten  Schriften  gefunden  haben.  Wir  befolgen  dabei 
die  systematische  Anordnung. 

A.  Allgemeines:  Mathematische  Disziplinen.     Methode. 

Über  die  Wandelung  der  Namen  unserer  Wissenschaft  und  ihrer  Dis- 
ziplinen haben  wir  bereits  in  einem  früheren  Aufsatze  ausführlicher  be- 
richtet^). Die  einzelnen  Disziplinen  der  „gesamten  Mathesis",  wie  es  in 
^em  Compendium  des  Leonhakd  Christoph  Sturm  heilst,  werden  „Künste" 
genannt,  wohl  weil  einige  derselben  im  Mittelalter  zu  den  artes  liberales 
zählten.     Die  ars  calculatoria  ist  die  Kunst  der  Zahl  (Geom.  Culm.),  die 

33)  Feux  Müllkb.  Hiatoriflch- etymologische  Studien  über  mathematische 
Tenninologie.    Gymn.  Pr.    Berlin  1887,  S.  6  ff. 


318  Felix  Müller: 

Kunst  arithmetica  ist  die  Bechenkanst,  die  Kunst  Geometria,  die  erfanose 
oder  Erdmessung  (Geom.  Culm.,  Schwenter  u.  a.)  wird  Mefskunst  genannt, 
der  geometra  Mefskünstler  (J.  Stürm)  oder  Landmesser  (ScHWEirrEs);  aD- 
gemeiner  definiert  Simon  Jacob:  Gbometria  ist  die  Kunst  alle  GrOÜKn  m 
messen.     Die   Algebra   oder  Cofs,    „die  bei  den  Alten  Kunst  yon  BingeL 
heilst''  (Stifel)'^),  könnte  man  Stellkunst  nennen,  sagt  Leonhard  C&iusTOPa 
Sturm;  Astronomie  ist  Stemkunst,  statica  Wagkunst,  mecbanica  Hebe-  oder 
Bewegkunst^  optica  Sebekunst,  catoptrica   Spiegelkunst,   Cbronologia  Zeit- 
kunst.    Aucb  die  Edelkunst  musica  gebort  zu  den  mathematiscben  Künstle. 
Wie  die  gesamte  Matbesis  in  die  erwägende  (tbeoretiscbe)  und  austbend^ 
(praktiscbe)  geteilt  wird,  so  aucb  die  Geometrie.    Die  Geometria  Cnlmensis 
lebrt  die  wirkende  ertmose.     Scbliefslicb   ist  zu  erwähnen,  dals  Logistik 
speciosa  mit  Buchstabenrechnung  (J.  Chr.  Sturm),  Planimetrie  mit  Ermessmg 
der  Ebene,  Stereometria  Messung  körperlicher  Dinge  (Schwenter),  Cosmia 
Wissenschaft  des  Himmels  und  der  Gestirne  (L.  Sturm)  übersetzt  wird. 

Die  Methode  oder  Lebrart  (J.  und  L.  Sturm)  unterscheidet  sich  in 
analytische,  d.  b.  grundforschende  und  synthetische  oder  grundsetzende 
(J.  Sturm).  Analysis  heilst  Grundforschung  (J.  Sturm)  oder  LOsekan^t 
(Bether).  Für  Axiom,  notio  communis,  wird  gebraucht:  allgemeine  Wissen- 
schaft, allgemeine  Lehre,  gemeine  Erkenntnis  oder  Verstand,  Grundsprneh, 
Grundsatz  oder  unerweislicher  Ausspruch.  Definition  ist  Beschreibung,  Er- 
klärung, Worterklärung,  Auslegung;  definitio  nominalis  Benennung.  Posta* 
latum  wird  übersetzt  Aufgabe  oder  Vorgabe,  Begehrung  oder  Anfordemog. 
Forderung  oder  Heischung,  Beding;  Propositio  heifst  meist  Fürgabe  oder 
Vorgabe,  Lehrsatz  (Schwenter  und  J.  Sturm),  Vortrag  oder  Hanpts&tz 
(Reyher),  und  Stifel  sagt  Propositz.  Bei  Michael  Stifel  findet  man 
mehrfach  den  Versuch,  den  Fremdworten  durch  Vermeidung  der  lateiniscbei] 
Endungen  -ion,  -itas  u.  a.  einen  deutschen  Klang  zu  geben;  er  bemScbtigt 
sich  des  fremden  Wortstammes  und  versieht  ihn  mit  deutschem  Auslant*^) 
Aus  Demonstratio  macht  Stifel  Demonstratz;  andere  Übersetzen  Beweisung 
oder  Beweis.  Demonstratio  directa  ist  bei  L.  Sturm  klarer,  und  indirecta 
überzeugender  Beweis.  Porisma  ist  Anbang  oder  Zugabe;  ooroUarium  oder 
consectarium  ist  Folge  oder  Nachsatz;  problema  Aufgabe,  aber  auch  Hand- 
griff (Pirkenstein)  oder  Werkstück  (Bether);  theorema  Betrachtang  oder 


34)  cosa,  Ding,  biefs  die  Unbekannte  bei  den  iiaUenischen  Mathematikern 
des  XIV.  Jahrhunderts;  s.  M.  Cautor,  Vorl.  II,  145  ff. 

36)  Ernst  Eckstbin  (1.  c.  S.  125)  hebt  hervor,  dafs  gerade  auf  diese  Wei^ 
die  deutsche  Sprache  durch  viele  Lehnwörter  hätte  bereichert  werden  könoea- 
Die  lateinisch  oder  romanisch  klingenden  Endungen,  die  wir  leider  beibehalteo 
haben,  sind  es,  die  das  feinere  Sprachgeföhl  verletsen. 


Ixur  Tenniiiologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  319 

Beweisstück  (Bether),  lemma  ist  Lehnsatz  oder  Hülfsatz,  auch  Erleichterung 
Pirkenstein)  nnd  Vorsatz  (Beyhbr);  Scholion  Anmerkiuig  oder  Erinnerung; 
>rincipinm  Yorhetrachtung;  operatio  Handgriff^  Ausföhrang,  Wirkung;  hjpo- 
iiesis,  assonuptum,  Angenommenes. 

B.  Elementares  Beebnen. 

Im  elementaren  Bechnen  hediente  man   sich,  wie  wir  schon  oben  ge- 
sehen, anfänglich  der  römischen  Zahlzeichen,  welche  gemeine  deutsche  Zahlen 
genannt  wurden,   und   sp&ter   der   „Barbarischen  Ziffern^'    (HarsdÖrffer). 
Pur  letztere  hatte  man  den  Namen  Figuren  (Köbel,  Apiak,  Stipel),  doch 
trat   das  Wort    Ziffer    oder   Zifferzahl    schon    mehrfach    g^gen    Ende    des 
IV.  Jahrhunderts  auf  und  wird  in  der  Mitte  des  XYI.  Jahrhunderts  all- 
gemein.    Von  den  neun  bedeutlichen  Figuren,  iigurae  significativae,  unter- 
schied sich  die  Nulla,  die  unbedeutliche  Figur.     Das  Wort  nulla  kommt  in 
Italien  zuerst  bei  Lucas  de  Boroo  (1494),  in  Deutschland  bei  Köbel  und 
BöscHEKSTEm  (1514)    vor.      Figur   wird    von  Böschenstein   für    Species, 
Kechnujjgsart,  gebraucht     Die    9   elementaren   Bechnungsarten    mit   ihren 
deutschen  Erldttrungen  waren  folgende:  1.  Numeratio  —  Zählung,  2.  Additio 
—  Zusammenthuung,   auch  Zusammenraytung,   3.  Subtractio  —  Abziehung, 
4.  Duplatio  —  Zwiefachung,  5.  Multiplicatio  —  Mannigfaltigung,  Yielmachung, 
Mehrung,  6.  Mediatio  —  Halbmachung,  Zweiteilung,  7.  Divisio  —  Teilung, 
8.  Progressio  —  Fürz&hlung,  Aufsteigung,  Fortgehung,  9.  Extractio  radicum, 
Ansziehung  der  Wurzeln.    Widman  bezeichnet  mit  Mehrung  die  2.,  4.,  5.,  mit 
Minderung  die  3.,  6.,  7.,  mit  Mittelmais  die  1.,  8.,  9.  Bechnungsart.     Dem- 
entsprechend gebraucht  man  f£br   numerieren  —  zfthlen;   die  Ordnung  der 
Zahl  (Stifel)  hiefs  bei  den  meisten  Stelle  oder  Stett,   die  in   der  Sand- 
rechnung   des  Archimedes   auftretende  Oktade   heifst  bei  J.  Sturm  Zahl- 
achter; addieren  —  hinzusetzen,  zusammenlegen,  zusammensetzen,  zusammen- 
geben;   subtrahieren   —   abziehen,    abnehmen;    duplieren  —  zwiefUltigen, 
zwiefachen;  multiplizieren  —  mehren,  mannigfaltigen,  vielfUtigen,  vielmachen; 
medieren  —  halbieren,  httlften,  halbteilen;  dividieren  —  teilen;  progredieren 
—  Itirz&hlen;  radicem  extrahieren  —  Wurzel  ausziehen.     Für  Sununa,  Ag- 
gtBgat,    Collect  gebraucht  HarsdÖrffer  Zahlsammlung.     Pluszeichen   und 
Minuszeichen  übersetzt  Beyher  Zusammensetzungs-  und  Abzugszeichen.    Bei 
der  Subtraktion    auf  den    Linien    werden    die    Beohenpfennige    aufgehoben 
(elevare),  daher  „es  hebt  sich  auf^.     Best,  Facit,  Belikt,  Differentia  werden 
iixur  selten  durch  Unterschied  ersetzt  (J.  Sturm).     Die  mensa  oder  mensula 
Pythagorae,    der   pythagoreische    Tisch    oder   Tafel    der   Mannigfaltigung 
(Köbel),  ist  das  Einmaleins.    Produkt  wird  durch  HarsdÖrffer  verdeutscht 
Anskuoft,  durch  J.  Sturm  das  Kommende,  das  Entspringende.     Dividendus 


320  Felix  Müller: 

ist  bei  ScHEYBL  geteilte  Zahl,  divisor  teilende  Zahl  oder  Teiler.  Für  paß 
aliqnota  sagt  Pirkenstein  gerad  aufmessender  Teil,  L.  Stubm  Teil;  (bt  pan 
aliqnanta  Ersterer  nicht  gerad  aufmessender  Teil,  L.  Stubm  Stack  mrs 
Zahl.  Quotus  ist  bei  J.  Storm  Teilungszähler.  Die  fractiones  oder  mxr 
tiae  vulgares  seu  mercatoriae,  die  gemeinen  Br&che,  werden  nnterschiedc 
von  den  fractiones  astronomicae  seu  minutiae  phjsicae,  den  Sexagesimal 
brüchen.  Dem  Besolvieren,  Auflösen  (Simon  Jacob)  oder  der  Besolnü 
(Stifel)  steht  gegenüber  das  Reduzieren,  Aufgelöstes  zu  Ganzen  maeba 
(S.  Jacob).  Für  Proba  hat  die  Geometria  Culmensis  Bewening,  ebe&>j 
EÖBEL,  letzterer  auch  Probierung,  und  Stifel  Probatz.  Die  Progressk 
ist  entweder  continua,  eine  natürliche  oder  in  natürlicher  Ordnung,  oder 
discontinua,  unterschnitten  oder  in  gleichen  Mitteln.  Differenz  oder  Ene^ 
heifst  hier  Übertretung  oder  Unterschied.  Für  Exponent  der  Progression, 
oder  signatura  (Apian)  hat  Harsdörffer  Benennung  der  Progre^  Badix 
quadrata  ist  gevierte  Wurzelzahl  oder  yiereckete  Wurzel  oder  bei  Schwdtö 
Quadratwurzel.  Numeri  abstracti  übersetzt  Holtzmann  ledige  Zahlen  ^ 
numeri  concreti  benannte  Zahlen. 

Das  Wort  Algorithmus^)  bedeutet  meist  Rechnen  überhaupt  J£m 
Lehre  der  Species"  erklärt  Simon  Jacob,  ähnlich  Euoolff.  Am  häufigst«: 
wird  es  für  Ziffemiechnen,  selten  für  Abacusrechnen  gebraucht  Algoiitli- 
mus  linealis  ist  Rechnung  auf  den  Linien.  Die  Spacia  zwischen  den  Um 
heifsen  bei  Eöbel  Feidunge.  Der  Name  der  Cambien  oder  Bankire  koimt 
yon  campus,  Feld;  daher  auch  das  italienische  cambiare,  wechseln. 

Besondere  Namen  finden  wir  fär  eine  gvofse  Anzahl  von  Bechnnngs 
regeln.  Die  wichtigste  derselben  ist  die  Regel  de  tri,  regula  de  tribiu 
numeris,  Regel  von  drei  bekannten  Zahlen  (Simon  Jacob),  nämlich  vm&^ 
emptionis,  Zahl  des  Kaufs  oder  der  Ware,  numerus  pretii,  Zahl  des  Geldes, 
numerus  quaestionis,  Zahl  der  Frage  (Böschenstein).  Weil  sie  kostbar  i2b<i 
nützlich,  wird  sie  auch  regula  aurea,  güldene  Regel  genannt,  oder  regnl^ 
magistralis,  ein  meisterlich  Ordnung  (Böschenstein).  Man  unterscheidet 
regula  de  tri  conversa  sive  eversa,  verkehrte  oder  umgekehrte,  und  comp^ 
sita,  zwiefache  (Apian).  Andere  Regeln  sind:  regula  consortii  sive  sodetatü 
Gesellschaft  (der  Kauf leute),  Regel  yom  Wucher  (d.  i.  Zinseszinsrecbnnng). 
Regel  vom  Wechsel  (d.  i.  Umrechnung  von  Oeldsorten),  regula  cecis,  eoef^ . 
coecis,  zekis,  oder  virginum  oder  potatorum  (Lösung  unbestimmter  GleichnngeD 
1.  Grades),  von  Zeche  (die  mehrere  in  verschiedenem  Verhältnis  zn  bezableo 
haben).     Practica,  Praktik  heilst  behende  Rechnung  (Scheybl)  oder  sabtü« 


86)  Über  den  Ursprung  des  Wortes  Algorithmus  b.  Felix  Müueb,  W^- 
bist.  Studien,  S.  16. 


Zar  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  321 

Behendigkeit  (Simon  Jacob).  Die  Welsche  Praktik  ist  eine  von  den  Walen 
überkommene  Rechnung  mit  Vorteil  und  Behendigkeit  (Riese).  Der  Vorteil 
>esteht  in  der  Distraktion,  Zerstreuung  oder  ZerfUUung  (Stifel),  d.  h.  nach 
[Kantor '^  Zerlegung  eines  gebrochenen  Multiplikators  in  eine  Summe  von 
sogen.  Stammbrüchen,  d.  h.  Brüchen  mit  dem  Zähler  1.  Endlich  sei  noch 
erwähnt  die  ToUetrechnung;  sie  „lernet  durch  die  Rechenpfennig  ein  Metall 
ans  dem  andern  ziehen'^  (Apian),  d.  h.  den  Feingehalt  der  Legierungen  be- 
stimmen. Das  Wort  Tollet  kommt  wahrscheinlich  aus  dem  italienischen 
tavoletta,  Täfelchen '^). 

C.  Arithmetik  und  Algebra. 

Bis   in  den  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  behielt  man  die  römische 
Einteilung   der   Zahlen    in    die    folgenden    3    Arten    (oder   Manieren)    bei: 
1.  numeri    digiti,    Fingerzahlen    (Einer),    2.   numeri    articuli,    Gliedzahlen 
(Zehner),   3.  numeri  compositi  sive   mixti,   (aus  Einem  und  Zehnem)    zu- 
sammengesetzte   Zahlen.      Earbdörffer   unterscheidet  numerus  monadicus, 
einzehlige  Zahl,  und  numerus  decadicus,  Zehner.    Nach  der  Zusammensetzung 
aus  Faktoren  gab  es  mannigfaltige  Oruppierungen.     Eine  Primzahl  nannte 
ScHEYBL  erste  Zahl,   Schwenter  ungeteilte,    nit  prim  ist  komponiert  oder 
gemacht.     Numerus  par,  impar  wird  wörtlich  mit  gleiche,  ungleiche  Zahl 
übersetzt  in  einem  Münchener  Codex  v.J.  1461'^),  bei  Apiak  und  L.  Sturm; 
Scheybl,  Stifel  u.  a.   sagen  gerade  und  ungerade;  pariter  par  (2")  ist 
gleich-gleich  oder  zugleich   gerad    (Scheybl),  pariter  impar  [2(2«  +  1)] 
gleich-ungleich  oder  zugleich  ungerad,  pariter  par  et  pariter  impar  [2"(2n  -f-  1)], 
nngleich  gleich  oder  zugleich  gerad  und  zugleich  ungerad,  impariter  impar 
[(2m  -f-  l)  (2»  +  l)]  ungleich  ungerad.    Die  aus  2  Faktoren  (Seiten)  zu- 
sammengesetzte Zahl,   numerus  planus  seu   superficialis,  heifst  flache  oder 
ehene  Zahl  (Scheybl)  oder  Fl&chenzahl  (L.  Sturm);   die  aus  3  Seiten  be- 
stehende,   numerus    solidus    seu   corporalis,    heifst    feste   oder   dicke    Zahl 
(Scheybl)  oder  körperliche  Zahl  (Simon  Jacob)  oder  Eörperzahl  (L.  Sturm). 
Im  Vergleich  der  Zahl    mit   der  Summe    ihrer  Faktoren    unterschied  man 
nach  Thbon  von  Smyrma  numerus  perfectus,  ganz  gerechte  (Münch.  Codex), 
vollkommene  Zahl  (Scheybl,  Schwenter,  Stifel  u.  a.),  numerus  deficiens, 
gebrechende    (Münch.   Codex)   oder  mangelhafte   Zahl,   numerus    abundans, 
überflüssige   oder  überschiefsende   Zahl.      Multiplex    ist    eine   mannigfaltige 

37)  M.   Caktob,   Bezension   in    Z.  f.  Math.  XX,  1876,   Hist.-lit.  Abt.  S.  68; 
8.  auch  Trkutlein,  Das  Rechnen  im  16.  Jahrb.  1.  c.  S.  92  fl". 

38)  S.  Günther,  Gesch.  d.  math.  ünt.  S.  322;  M.  Cantor,  Vorl.  II,  203. 

39)  M.  CuRTZE,  Mathematisch -historische  Miscellen.  Nr.  5.  Bibl.  math  (2)  IX 
1B95,  S.  89. 

Abh.  m  G«Mh.  d.  Mathem.  IX.  21 


322  Felix  Maller: 

Zahl  (Scheybl)  oder  eine  vielfache  Grofse  (PuauaKTBiK,  Bcyher  il  &.)• 
submnltiplex  ein  ünteryielfach  (Pirrekstein).  Für  potentia  „könnte  ibh 
sagen  Vermögen,  ein  recht  wunderliches  Wort*',  meint  J.  Sturm.  Qnadnt 
wird  übersetzt  gevierte  Zahl  oder  yiereckete  Zahl  oder  Vierkantzahl,  sack 
sagt  man  dafür  die  Quadratz  (Simon  Jacob).  Quadrieren  ist  Hehmng  mi 
sich  selbst  (Geom.  Culm.)  oder  Führen  durch  sich  selbst  (J.  Sturm),  qim^. 
driert,  in  sich  selbst  gemacht  (J.  Sturm).  Die  rationale  Zahl  ist  eine  un. 
sprechliche  Zahl  (Holtzmanx)  oder  wohlgeschickte  (Chr.  Budolff);  eiM 
irrationale  dagegen  eine  unaussprechliche  oder  ganz  ungeschickte;  för  sordu 
sagt  HoLTZMANN  Unnatürliche,  Stifel  surdische,  L.  Sturm  surde  Zahl.  Cois- 
municantes,  mittelmäfsige  Zahlen  (Stifel,  Budolff)  werden  erst  dnnh 
Heben  rational  zu  einander.  Positiv  und  negativ  übersetzt  Stifel  zugesetzt 
und  abgezogen. 

Werden  zwei   Zahlen  mit  einander  verglichen,   so   bildet  man  die  (1) 
Verhältnis,  auch  Schick  (Kepler);  ratio,   Zusammenhaltung  zweier  Dinge, 
die  eines  Geschlechts  (Simon  Jacob);  setzt  man  zwei  Verhältnisse  einander 
gleich,  so  entsteht  die  Proportio,  Proportz,  Vergleichung,  gleiche  Verhälinii 
oder    das  Ebenmafä,    oder    Gleichförmigkeit    der  Verhältnisse;   proportilick 
geteilt  (Holtzmank)  hellst  in  gleichem  Verhältnis  geteilt.     ProportionalituL 
&vaXoyla^  ist  Vergleichung  der  Proportzen  (Simon  Jacob).    Das  Vorderglied, 
antecedens,  heifst  vorgehend;  das  Binterglied,  consequens,  nachfolgend  oder 
nachgehend.      Proportionalzahlen    {a  :b  ^=  c:  d)    sind    vergleichliche   oder 
gleichverhaltende  oder  ebenmäfsige  Zahlen.    Für  die  Verhältnisse  hatte  man 
zahlreiche  Namen ;  ratio  dupla,  doppelte  Verhältnis  (2  a  :  a),  tripla,  dreifaehe 
(3a  :a),   quadrupla,   vierfache   (4a  :a),   multiplex,    vielfältige    oder  reine 
(n a :  a),  subdupla,  unterdoppelte  (w :  a,  wo  m  <  2  a),  subtripla  (m :  a,  wo  t»  <  3a), 
superparticularis,  überteilige  (1  -{-nm)^  sesquialtera,  anderthalbige  (da :2a), 
sesquitertia,  eineindrittelfache  oder  überdreiteilige  (4a  :  Sa),   subsupeiparü- 
cularis,  unten  überteilig  (n :  n -f- l)»  superpartiens,  überteilend  (n-fit:!», 
wo  fc  <  n),  subsuperpartiens,  unten  überteilend  (»  :  n  +  A),  multiplex  snpe^ 
particularis,  vielfach  überteilig  {mn  +  1  :  n),  multiplex  superpartiens,  viel- 
fach   überteilend    (wm  +  ^'-w);    ratio    duplicata    [a:c  =  (a:h)^  ist  ein 
zweimaliges,  gedoppeltes  oder  zweifach  gröfseres  Verhältnis,  und  triplicata 
[a  :  d  =  (ii :  b)^    dreimaliges,    dreifach    gröfseres.     Auch   die   genera,  Ge- 
schlechter, der  Proportzen  sind  hier  zu  nennen,  die  aus  a:h  ^=  c:  d  folgen: 
inversa,  umgewendet  oder  umgekehrt  (h  :  a  =  d  :  c),  composita,  zusammen" 
gesetzt,  zusammengebracht,  zusammengethan,  gesammelt,  versammelt  (a  -[-  ( :  b 
=  c  -\-  d:  c?),  und  zwar  verbunden  vorwürts  (L.  Sturm)  (n  -{-  h :  a  =  c  -]-  die) 
oder  verbunden  rückwärts  {a  -{-  b  :h  =  c  -{-  d  :  c/),  disjuncta,  zerteilt,  von 
einander  geschieden   (a  —  b  :  a  =  c  —  d  :  r-^   a  —  b  :b  =  c  —  rf  :  ^)|  con- 


ar  Teiminologie  der  äKesien  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.   323 

ersa,  verwendet,  heraasge wendet  (a  :  a  —  h  '=  e:  c  —  d);  endlich  permu- 
ata,  Terwechselt,  wechselweis  (a:<;  =  &:{{),  welche  nicht  aas  der  ersten 
3lgt.  In  der  stetigen  Proportion  oder  ordentlichen  Ebenmäfsigkeit  (Bether) 
leifst  die  mittlere  Proportionale  entweder  Mittelzahl  (Apian)  oder  mittlere 
benmäfsige  Gröfse  (Reyher)  oder  mittlere  gleichverhaltende  (J.  Sturm). 
Sehliefslich  bemerken  wir  noch,  dafs  commensurable  Gröisen  gleichmäfsige 
leifsen,  incoounensurable  nngleichmlüjsige  (PiRKEMSTEnr,  J.  Sturm)  oder  nn- 
insammenmeMiche  (J.  Sturm). 

Von  den  figurierten  Zahlen  sind  hier  zu  erwähnen:  nnmems  angularis, 
(Vinkelzahl  (drei-  oder  viereckige),  circularis,  Zirkelzahl,  pyramidalis,  drei- 
>der  vierst&ndige,  musicus.  Kling-  oder  Singzahl  (Harsdörffer). 

Neben  Equation  oder  Equatz  (Stifbl)  wird  Yergleichung  gebraucht; 
combinatio  ist  Paarung  (Schwentrr),  combinieren  paaren. 

D.  Ebene  Geometrie. 

Bei  der  grofsen  Mannigfaltigkeit  der  Ausdrücke,  welche  die  geome- 
trischen Begriffe  erfahren  haben,  wird  es  hier  häufiger  als  in  den  vorher- 
gehenden Abschnitten  notwendig  sein,  den  einzelnen  Verdeutschungen  die 
Namen  der  Übersetzer  hinzuzufügen.  Zugleich  muTs  wiederholt  darauf  auf- 
merksam  gemacht  werden,  dafs  mehrere  der  genannten  Schriftsteller  sich 
der  deutschen  Ausdrücke  nur  bedienen,  um  den  fremdsprachlichen  Eunst- 
ausdruck  zu  erklären. 

1.    Allgemeines.    Die   Planimetria   ist    eine    Ermessung    der    Ebene 
(Schwenter),  für  grofse  Entfernungen   gebraucht  man  Geodäsia.     Die  Di- 
mensionen (Ausstreckungen  nach  Holtzmann)  sind  Länge,  Breite  und  Höhe 
oder  Tiefe.     Für  spatium  sagt  Schwenter  Weite,  ebenso  für  das  sonst  all- 
gemein gebrauchte  Distantz.     Mensuratio  übersetzt  Kepler  Eych.    Von  In- 
strumenten  zum  Zeichnen  und  Messen   wird    am   häufigsten    erwähnt    das 
Lineal  oder  Bichtscheidt  (Geom.  deutsch,  Dürer,  Sc  hmid,  Schwentbr)  oder 
Höltzlein  (Rbyher),  der  Cirkel  oder  Passer  (Bether),  dessen  Spitze  Fufs 
oder  Ort  (Geom.  deutsch)   oder  Stift  (Beyhbr)  heifst,   der  Gnomon  oder 
Winkelmafs  (Geom.  Culm.,  Beyher),  Winkelhaken  (Holtzmann,  Sohwentek), 
Winkelkreuz,  crucze  (Geonu  Culm.),  femer  das  mefsegeczew  (Geom.  Culm.), 
d.  h.  die  MeljBstange,  die  scala  altimetra  oder  Mefsleiter  (Stöffler),  die 
Bussole  oder  das  Magnetkästchen  (L.  Sturm),  das  perpendiculum  oder  die 
Bleiwage  (Schwenter).     Alhidada   ist   der  Begel  Zeiger  (Stöffler).     In 
der  Qeometria   Culmensis  wird  triarbor  übersetzt  drebom,   d.  i.  Dreibaum 
oder  Tragebaum ;  vielleicht  ein  aus  den  drei  Schenkeln  zweier  gleichen  Neben- 
winkel bestehendes  Instrument,  das  dazu  diente,  einen  rechten  Winkel  an- 

ztitragen*,  rechter  oder  gerechter  drebom  wird  auch  für  gerade  senkrechte 

21* 


324  Felix  Müller: 

Linie  (cathetas)  gebraucht.  Geometrisch  zeichnen  heifst  reilsen,  anfreifs^o 
(Düker,  Kepler,  Schwekter).  Die  L($8ang  der  Aufgaben  kann  nach  Dikie 
sein  entweder  mechanice  (d.  h.  annähernd  richtig)  oder  demonstrative,  d.  k 
kunstrichtig  (J.  Sturm). 

2.  Elementargebilde.  Der  Punkt  ist  ein  Stüpffen  (Schmid),  Stöpff- 
lein  (SiMOK  Jacob),  Düttel  oder  Düpffelein  oder  Tipflin  (Holtziiaw. 
ßoHWENTER,  Reyher)  odcr  ein  Tupf  (J.  Sturm).  Linie  ist  ein  langer  BL^s 
(Geom.  deutsch,  Sohmid,  Simon  Jacob)  oder  ein  Strich  (Schmid,  Keplee. 
PiRRENSTEiN,  Bbther) ;  rccta  linea  ist  gerade  oder  scheidtrecht  lini  (Schmu». 
gestrackte  oder  rechte  Linj  (HoLTZMAim),  Gerade  oder  Strecke  (Kepler. 
gerader  Strich  oder  Zug  (Rether)  ;  curva  linea  ist  ein  gebogen  Bils  (Geoc. 
deutsch),  eine  krumme  oder  gebogene  Linie  (Schmid,  Holtzmann),  ein 
krummer  Zug  (Rether);  concav  ist  eingebogen  oder  hohl,  convex  ausgebogec 
(Dürer,  Schmid,  Simon  Jacob).  Der  Richtung  nach  ist  die  gerade  Lioic 
erstens  horizontal,  d.  i.  überzwerg  (Geom.  deutsch,  Dürer,  Köbel),  oder 
wagrecht  (J.  Sturm,  Schwester),  zweitens  perpendicular  oder  aufrecht 
(Köbel,  Dürer),  wagrecht  (Dürer,  Schmid,  Schwenter,  Simon  Jxcot, 
Simon  Marius),  bleirecht  (Pirkenstein,  Rether),  schnurgerecht  (Holtz- 
mann);  Schmid  sagt:  „aufrecht,  wagrecht,  winkelrecht,  bleirecht  ist  alles  eic 
Ding'^  Das  Lot  ist  bei  Reyher  ein  bleirechter  Senkstrich  oder  nur  Seoi:- 
strich.  Drittens  kann  die  Gerade  weder  horizontal  noch  perpendicular  seu: 
dann  heifst  sie  schlenun  lini  (^Dörer),  oder  schlimmst  treffend  (KeplesI 
d«  i.  unter  schiefem  Winkel,  oder  überzwerg  (Simon  Marius)  oder  über  er 
^Ort  ist  Ecke)  und  ortlini  (^Dürer).  Parallele  Linien,  equidistantes,  faeiTsen 
parr  oder  barlini  (^Dürsr\  gleichst&ndige  (Apian),  Nebenlinien  oder  ebec 
ft>nv  [d.  i.  gleichfeme]  (^SchmidX  gleich  weitige  (Simon  Jacob,  SchwektebI 
gleichlaufende  (^Kepler,  ScmvExrER,  Harsdorffbr,  Pikken8teik,  J.  StüsmI 
Nebeustriche  (Rbtucr). 

Angulu$  ist  überall  Winkel;  aber  ^wenn  man  ihn  von  aulsen  siebt. 
heifst  e:!i  Kck^  ^DCrsrX  Man  onteischeidet  flache  oder  ebene  Winkel  nnd 
ki^qH'Hiohe  ^Schmid,  Uoltzmanx,  Schwekter,  Pirrejisteik.  Bether).  Je 
naobdt>m  der  Winkel  vc^n  zwei  Gi^ndon  oder  tob  zwei  krummen  Lioieo 
<hW  Ton  eitt^r  Gt^radt^n  und  einor  krummen  Linie  eingeschlossen  wurde. 
nannte  n\an  ihn  damals  nvhtlinischer  i^Sdios  Marics^  Schwesttsr),  geM- 
Unu^hti^r  ^l\RKtx>^rKix''\  g^^radstnohi^r  \^Rethcr^  Winkel,  oder  kromm- 
liv.iÄ*b«^r^  knimmliniohT^r  ^Schvextkr,  Pirkesbstcix^  ,  oder  drittois  rer 
w^r.cT«  r,  vt^nniso>.:or  W^r.kt^I  ^^s-awKXTERY  Der  Gr<S&e  nadi  ist  der  Winkel 
l"^  »c\uus  -  -  ÄrbarC  sj^iTä^  <^^:uiir  ^S-c^hmux  Sok^x  Harics,  Keplek,  Pmoa- 
sriiiN^  L  i^t.Rv'  ^v,i^T  tfr.^  ^I^kkr,  ScHMm,  Soti^x  Varits',  2^  rectus  — 
lYv^l  J\  ävä^  SNi^v^NttK,  L.  St.rm^»  s?fr«vht  .DCrer,  Holttmaxx),  recht- 


ur  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.   325 

lefsig  (Chr.  Rüdolfp),  ein  rechter  Winkelhack  (Schmid),  und  3)  obtusus  — 
eit  (DÜREB,  ScHHiD,  Simon  Jacob,  Simon  Marius,  Holtzmmnn,  Schwenter) 
der  stumpf  (DijRER,  Schwenter,  L.  Sturm,  J.  Sturm);  vertez  heifst 
cbeitelpunkt  (J.  Sturm),  Gipfel,  Wipfel,  Wirbel  (Kepler);  anguli  verti- 
iles  sind  Scheitel-  oder  Kreuzwinkel  (J.  Stürm);  anguli  alterni  —  Wechsel- 
rinkel  (J.  Stürm). 

3.  Geradlinige  Figuren«  Superficies,  welche  lang  und  breit  ist,  heifst 
lache  (ScHMiD,  Bether,  J.  und  L.  Sturm);  superficies  plana  ist  velt  oder 
lecht  gevilde  (Geom.  Culm.),  Veldung  (Qeom.  deutsch,  Simon  Jacob, 
Kepler),  ebenes  Feld  (Dürer,  Kepler),  ebene  Fläche,  gerade  oder  scheidt- 
echte  Fl&che  oder  Ebene  (Schmid),  Ebene  (Dijrer,  J.  und  L.  Sturm). 
reradliuige  Figuren  heifsen  rechtwendig  velt  oder  gevilde  (Geom.  Culm.), 
•"elder  (Dijrer),  rechtlinische  Figuren  (Holtzmann,  Schwester),  geradseitige 
lestalten  (Betber),  Flächen  oder  Figuren  (L.  Sturm),  latus,  Seite,  heifst 
n  der  Geom.  Culm.  want.  Für  Triangulus  sagen  alle  bis  auf  J.  Sturm 
friangely  nur  selten  Dreieck;  doch  Beyher  gebraucht  nur  Dreieck,  die 
jeom.  Culm.  geer,  diy  wynkelecht  velt  oder  gevilde,  und  Schmid  drei- 
^ckicht  feld,  Triangel,  dreieckige  Flech,  Dreiort.  Auch  hier  wird,  wie  beim 
Winkel,  unterschieden:  rechtlinischer ,  kmmmlinischer,  vermischtlinischer 
rriangel  (Schwenter).  Triangulus  orthogonius  sive  rectangulus  wird  über- 
setzt rechtwinkelecht  geer  (Geom.  Culm.),  winkelrechter  Triangel  (Simon 
Marius,  Schwenter,  Pirkenstein),  rechteckiger  oder  winkelmessiger  Tri* 
aDgel  (Holtzmann),  rechtwinkliger  Triangel  (Schmid,  Pirkenstein  u.  a.); 
acutangulus  ist  spitzig  (Schmid,  Schwenter),  scharfwinklig  (Schmid, 
Schwenter  ,  Holtzmann,  Pirkenstein)  ,  scharfeckigt  (Holtzmann,  Simon 
Marius),  spitzwinklig  (Bether,  J.  u.  L.  Sturm);  obtusangulus  sive  am- 
blygonius:  stumpf  (Schmid),  weit  (Schwenter),  weiteckigt  (Holtzmann, 
Simon  Marius),  stumpfvrinklig  (Schwenter,  Pirkenstein,  J.  u.  L.  Sturm  u.  a.); 
obliquangnlas  unrechtwinklig  (Schwenter);  ferner  equilaterus:  gljchwendig 
(Qeom.  Culm.),  gleichseitig  (Pirkenstein,  Simon  Marius,  Schwenter  u.  a.) ; 
scalenus:  unglych wendig,  ungleichseitig;  isosceles:  gleichfOfsig  (Simon  Ma- 
niv8,  Holtzmann,  J.  Stürm).  Die  drei  Seiten  des  rechtwinkligen  Dreiecks 
beilisen  basis  (sie  stand  bei  Vermessungen  horizontal),  cathetus  und  hjpo- 
t/ienasa  (sie!);  die  basis  heifst  auch  Grundlinie;  cathetus  „ist  eine  ge- 
senkte Lini,  die  auffrecht  oder  wagrecht *^)  Seite"  (Schmid);  hypotÄenusa 
l^immer  mit  th  geschrieben !),  die  unterzogene  (Holtzmann)  ist  „die  in  einem 
rechtwmkligen  Triangel  über  Ort  [Eck]  geht"  (Schmid).  Von  einer  dem 
Winkel  gegenüberliegenden  Seite  heifst  es,   sie  ist  dem  Winkel  unterzogen 


40)  wagerecht  wird,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  für  vertikal  gebraucht. 


n2r»  Felix  Maller: 

(lloLTZMVNN,  Simon  Marius  u.  a.)  oder  nnterstreckt  (Simon  Jacob),  odtr 
sio  nnterapannt  (Pirkenstein)  oder  überspannt  (Reyher)  den  Winkel;  tos 
Rwoi  Seit4>n  wird  der  Winkel  begriifen  (Holtzmann)  oder  beschlossen  (Sinor 
Maku  s^» 

Tetragonnm  sive  quadrilatenim  wird  übersetzt  vierwjnkelen  oder  vitf- 

cciipfi^n   govilde,   quadraugil   (Geom.   Cnhn.),    yierecket   rechtwinklig  Figir 

iskr  Fiorung  (^Df  rer),  gefiert  Feld  oder  Vierort  (Schmid),  vierseilige  Figur 

^Si>i\\x   ^1acob\    yiereckigte    Figur    oder   vierseitige    Flftche    (Schwestke'. 

Wniwg  odor  Viereck  (Harsdörffer),  Viereck  (selten  Schwbnter,  Reyho^« 

J    StirmV     Das  Wort  Qiiadi-at  (Simon  Jacob  u.  a)  wechselt  ab  mit  vier- 

A^Vtvht   Vierkanten  veld   (Geom.  Culm.),   gelierte  Ebene  (Dürer),  Vierra? 

txWr  gt^recht  Vierung  (Geom.  deutsch,  Holtzmann,  Kepler),  recht  Geviertj 

t^d^r  Vierung  (Schmid\  gefierte  Flache,  in  vier  rechten  Winkeln  und  gl«- 

<^Wn  ^^oiten  beschlossen  (Riese),  regulierte  Vierung  (Schwenter),  gleich- 

sf'itijr«^^  und    gleichwinkliges  Viereck  (Harsdörffer,  Rether),  gleichvier 

"feiMii^Ct^   Figur    oder  gleiches    Viereck   (Pirkenstein).     Quadratische  Malst 

Mi^d  virkante  mose  (Geom.  Culm.),  superficies  pedalis  quadrata,  geviret  m 

^ylt<^\\\s    i\ihn.\    Schachtschuh,    Kreuzschuh,   viereckichter    Schuh   (Köbel. 

\     Su  hm\     Oblongum  ist  lang  sjten  gevilde,  daz  vier  rechte  winkel  ba: 

^\Uvw  i^Ouv),  ablange  Vierung  (Schmid,  Kepler),  verlengte  Vierung  (Simi-n 

>v\\v»\   nvhtwinklig  verlängte  oder  überlengte  Vierung  (Dürer),  winkel- 

>%sht\vt  )^MraVlt»)ogiiunm  (Simon  Marius,  Holtzmaicx),  winkelrechte  ablang*^ 

v^tot^  yvrW)gt(«  Vioning  (Simon  Marius,  Holtzmann,  Pirkenstein),  läoglicht 

\kv)vvIl   \^Kkviikk\    längliches  Rechteck  (L.  Sturm).     Rhombus  wird  in  der 

vuK^m    V\Uiu.   ^Imuhabjm^^)   genannt,   femer  öbersetit   gleichseitige  Raste 

v^xU'k    vt^'dks'hmit    Vif^r\)rt-   (Schmid),   geschoben   Qnadnt  (Simon  Jacob\  ge- 

*siu>V5U*  Vu^n«^  \^SiMON  Marius,  Holtzmann"!,   Rant«  oder  Rautenvieruog 

^w  »t\M.\^KK\  )Uuh^  ^Kki'ler,  Harsdörffer,  L.  Sturm,  Reyher),  auch  g^ 

.vhs'\u  \  u'uvK  iKkmikkV    Rhomboides,  ein  schiefwinkliges  ParallelogranuD. 

N>  \   \\>^^   >uuiUs)   ^himhahvm  (Goodl  Cubn.),   ablänge  Raute  oder  ge- 

,»1..^;    \v>Um\<Io   Vii^nux^  ^^Si^hmid),    ablauge  Raatenfiemng  (Dürek),  g(^ 

'\    ^  »    \\^iou»5^^  Vxt^mng  \^ Simon  Jacob),  gesebrftgte  überlengte  Vienujg 

.V  A  M  \K'^  v^  Uxu  vsM  vnn\  ablange  Raute  oder  RauteiiTiening  (Schwenter l 

\kvM\\'^  xsUn^  abUngfs  oder  geschobenes  Yiereck  (Harsdörffer. 

K^u»\*   >hWv   nobenstrichiges   Viereck    (RetherX     Endlich  ht]l< 
>  ...  .^^'A   y^Vus^w»   i\üm.\  spiefseckig  Yieieck  i^Kefueb),  Tischleifl 


\     \\    v4h    o^'*uubin   iokI   elmubarifft  sind  tob  den  EaklidfiberseUern 
\  .   »    s,i  ..  b^4,\tv»)^*ttou^^uea    ArcLaAST.  CjoirAsrs  u.  a.\    S.  M.  CAM^'^t 


/,UT  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  327 

(Schwenter),  ungleiche  Vierung  (Pirkenstein,  Simon  Marius,  Schwenter), 
iini^leichlaufendseitiges  Viereck  (J.  Sturm),  ungeschickt  Viereck  (Rether) 
Complementa  [bei  uns  Ergänzungsparallelogramme,  die  von  der  Diagonale 
durchschnitten  werden]  heüjsen  Ausfüllungen  (Simon  Marius,  Pirkenstein) 
oder  Erfull-Parallelogramma  (Schwenter).  Die  beiden  Ausfüllungen  mit 
einem  der  übrigen  Quadrate  bilden  den  Gnomon,  Winkelhaken  oder  Winkel- 
nials  (Pirkenstein,  Schwenter). 

Es   wird   nicht    ohne   Interesse    sein,    den    Wortlaut    des   pythago- 
reischen Lehrsatzes  bei  einigen  der  älteren  Schriftsteller  zu  vergleichen. 
In    der  Geometria  Culmensis   (1400)  heifst  es:    „Alzo  wirt  das   yierkante 
Yeld,  gemessen  ts  der  langen  want,  alzo  gros  alz  dy  beyde  yierkante,  dy 
do    werden  gemessen  von  den  zwen  wenden  des   geren,  dy  do  czusamene 
treten  in  dem  rechten  wynkel."     In  dem  Bechenbuche  Simon  Jacobs  von 
Cobm^  (1552)  lautet  dieser  Satz:    „In  einem  jeden  triangulo  Orthogonio, 
thun  die   beyde    quadrat,    basis   und    catheti,    samentlich   so  yiel  als  das 
quadrat  Hypothenuse."     Holtzmann  (1562)  übersetzt  Buch  I,  Fürgab  47: 
^In  den  winkelrechten  triangeln  ist  das  quadrat  der  seitten,  so  vnder  den 
gerechten  winckel  gezogen  wird,  gleich  so  grofs  als  beyde  quadrat  sambtlich 
der  andern  zweier  seitten,  welche  den  gerechten  winckel  begreiffen."     End- 
lich sagt  der  alle  Fremdwörter  mit  Consequenz  vermeidende  Samuel  Reyher 
(1697):  „In  jedwedem  rechtwincklichten  Dreyeck,  ist  das  gleichseitige  und 
gleichydncklichte  Viereck,  welches  von  dem  Strich,  so  dem  rechten  Winckel 
entgegen  stehet,  gemacht  wird,  eben  so  grofs,  als  die  beeden  Vierecke  zu- 
sammen, welche  von  den  beeden  Seiten,  so  den  rechten  Winckel  begreiffen, 
gemacht  werden." 

Wir  wenden  uns  nun  zu    den  Vielecken.     Poligonium  ist  ein  vil- 
wendig  gevilde  oder  vmmereyte  (Geom.  Culm.),  ein  vileckicht  feld  (Schmid), 
eine  vielseitige  Figur  (Simon  Jacob,  Simon  Marius),  oder  vieleckigte  Figur 
(Pirkenstein,  Schwenter),  eine  vieleckigte  Gestalt  (Beyhbr),  ein  Vieleck 
(Pirkenstein,  J.  Sturm).     Man  unterscheidet  vieleckigte  regulierte  Figuren 
und  unregulierte  (Simon  Jacob,  Schwenter);   erstere  heifsen  auch  geord- 
nete (Kepler),  gleichseitige  (Holtzmann),  gleichecket  (Dürer),  gleichseitig 
und  gleicheckigt  (Pirkenstein);  letztere  ungeschickt  und  ungleich  (Holtz- 
MAim).     In   der  Geometria  deutsch   wird   ein    gerecht   FfLnfort,    Siebenoii, 
Achtort  u.  s.  w.  gezeichnet.     Ein  Vieleck  mit  einspringenden  Winkeln  heisst 
in  der  Geometria  Culmensis  campus  tortuosus  seu  eztraeminens ,  ein  wan- 
schaffen  gevilde.     Peripheria  polygoni  ist  vmmereyte  (Geom.  Culm.),   Um- 
zäunung (Kepler),  Umlauf  (J.  Stürm).    Für  Diagonale  finden  wir  twerlini 
i^Geom.  Culm.),  über  Ort  Lini  (Geom,  deutsch),   überzwerchenlini  (Köbel), 
Ecklini  überoii  (Schmid),  Ortlini  (Dürer),  Zwerglini  (Dürer,  Pirkenstein), 


328  Felix  Müller: 

Zwerlinie,  Querlinie,  Durchzug  (Kepler),  Zwergstrich  (Beyher).  Für  Basis 
wird  auch  gesagt  Boden  (Scheybl,  Holtzmann),  Grundlinie  (Smoit  JACot^ 
HoLTZMANN,  J.  Sturh),  Bodenlinie  (Kepler),  Gmndseite  (Simon  Marius^ 
Grundstrich  (Beyher).  Corauscus,  römisch  coraustus,  Scheitellinie  [d.  L 
durch  den  Scheitel  parallel  zum  Horizont],  erkl&rt  Sjmon  Jacob  als  „mi: 
der  Basis  parallel  oder  gleichweitig/^  Schliefslich  sei  bemerkt,  daüs  der  In- 
halt einer  Figur,  area  oder  caropus,  genannt  wird  gevilde  oder  behaldimg 
(Geom.  Culm),  Feidung  (Simon  Jacob,  Holtzmann). 

4.  Kreis.  Beim  Kreise  ist  zu  unterscheiden  die  Kreislinie  und  die 
Kreisfläche.  Circulus,  die  Linie,  heifst  in  unserm  Zeitabschnitt  meistens 
Cirkel,  aber  auch  runder  Büb  (Geom.  dtsch.),  Cirkellinie  (Scumid,  Düees. 
Scuwenter),  scheublich  oder  runde  Lini  (Schmid),  Kreis  oder  Kreislinie 
(Harsdörffer,  Beyher,  J.  und  L.  Sturm).  Area  circularis  heiüst  cirkel- 
yelt,  cirkelgevilde,  schejbelechter  ackir  (Geom.  Culm.),  Cirkelfeld  (Kepler^ 
runde  Ebene  (Simon  Jacob),  Kreis  (Harsdörffer,  Beyher),  Kreisfläche 
(J.  Sturm).  Centrum  bleibt  bei  den  meisten;  doch  findet  sich  auch  Mittel- 
punkt (Schmid,  Dürer,  Pirkenstein,  Schwenter)  oder  Mitteldüpffel  (Beyhee). 
Circumferentia,  peripheria  ist  ymmesweyff  des  cirkels  oder  vmmecrejds 
(Greom.  Culm.),  ganzer  runder  Bifs  (Geom.  dtsch.,  Schmid),  Umkreis  (Köbel, 
Simon  Marius,  Kepler,  Pibkenstein,  Schwenter,  J.  Sturm),  Umkreis  oder 
Kreiszug  (Beyher).  Semicirculus  ist  Halbkreis  (Beyher,  J.  Stürm).  Für 
Quadrant  sagt  Döber  rechter  Quadrant,  Pirkenstein  Viertelbogen,  J.  Stibk 
Viertelskreis  oder  Kreisviertel.  Arcus  circuli  wird  übersetzt  Cirkeltnm 
[plur.  *ümmer]  (Schmid,  Schwenter),  runder  Bus  (Geom.  dtsch.),  Bogen 
(Kepler,  Schwenter,  Beyher)  oder  Kreisbogen  (J.  Sturm).  Diameter  ist 
Mittelrifs  (Schmid)  oder  Durchzug  (Schmid,  Ejbpler),  Dnrchschneider  (Simon 
Marius,  Schwenter),  Durchschlag  (Beyher),  Durchmesser  (J.  Stliu). 
Badius  heilst  fast  überall  halber  Diameter  (z.  B.  Dürer,  Simon  Jacob, 
Pirkenstein),  aber  auch  Halbmesser  (J.  und  L.  Sturm).  Chorda  (Simon 
Jacob,  L.  Sturm)  oder  subtensa  wird  übersetzt  ein  unterzogener  Bifs  oder 
Senne  (Schmid),  Unterzug  oder  Senne  (Kepler),  Senne  (Schwenter) 
Sagitta  ist  die  Höhe  eines  Cirkelschnittes  oder  Boltz  (Kepler).  Tangeiis 
ist  Anstreicher  (Kepler),  eine  Linie,  die  einen  Cirkel  anrühret  (Dcbeci 
Simon  Marius,  Pirkenstein,  Schwenter),  anröhrender  Strich  oder  Bäiir* 
strich  (Beyher);  secans  Durchschneider  (Kepler),  Zerschneidende  (Holtz- 
mann). Sector  circuli,  „Cirkelzahn,  eigentlich  zu  teutsch  der  Schuster  Werk- 
mefser"  (Kepler),  wird  auch  übersetzt  Ausschnitx  eines  Cirkels  (Pirken- 
stein), Kreisteil  {J.  Sturm),  Kreisschnitt  (Rbvhbr);  segmentum  circuli  ist 
Stuck  ¥on  dem  cirkelvelde  (Geom.  Culm.),  Schnitz  eines  Cirkels  (Kepleb. 
Pikklnstkin),  Cirkelslück  i^Simon  Jacob,  Schwenter),  Stück  eines  Zirkels 


Zur  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.   329 

(Holtzmann),  Kreisabschnitt  (Simon  Marius),  Ereisschnitt  (J.  Sturm), 
Kreisstück  (Beyheb).  Angulus  in  segmento  ist  ein  Winkel  in  einem  Schnitz 
oder  auf  einem  Stück  oder  auf  dem  Umkreis  (Holtzmann,  Pireenstein), 
oder  in  einem  Kreis  stehender  oder  Kreisstückswinkel  (Bbyher).  Statt  des 
Winkels  bei  dem  Centro  (Holtzmann)  wird  auch  gesagt  Mittelpnnktswinkel 
(Pirkenstein),  Mitteldüpffelswinkel  (Reyher).  Qnadratora  circnli,  die  Ver- 
gleichnng  eines  Cirkels  und  eines  Quadrats  (Dürer),  heilst  Kreisvierung 
(Pirkenstein,  J.  Sturm);  quadrieren  ist  Vierkanten  (Geom.  Culm.),  qua- 
dratrix  die  Vierungslinie  (Schwenter,  J.  Sturm).  Bectificieren  bedeutet 
einen  gerunden  rifs  scheidtrecht  machen  (Qeom.  dtsch.). 

5.  Andere  kramme  Linien.    Nächst  dem  Kreise  sind  die  wichtigsten 
krummlinigen  Figuren,  krump wendig  velder   (Geom.  Culm.),    die    sectiones 
conicae,  Kegelschnitte  (Kepler),  Kegellinien  (J.  Sturm).    Auf  sie  fuhrt  die 
Aufgabe,  ein  Rechteck  von  gegebener  Gr(5i!se  an  eine  Gerade  von  gegebener 
L&nge  anzutragen^'),  applicare,  oder  anzuschlagen  (Reyher),  daher  mangel- 
haftens   angeschlagenes   und   übertreffendes    oder    überschiefsendes    Viereck 
(Reyheb).      Ordinatim   applicatae  übersetzt  J.   Sturm  ordentlich   gezogene 
Linien.    Die  Ellipse  heilst  ablanger  Girkel  oder  Eilinie  (Kepler),  wennechtyn 
gevilde  (Geom.  Culm.),  ablange  runde  Linie  (Schwenter),   Ovallinie  oder 
die    kleine    Kegeleierlinie    (Harsdörffer),    Eilinie    (Dürer),    ermangelnde 
Kegellinie  (J.  Sturm),  Langrundung  (L.  Sturm);  die  Hyperbel  Gabellinie 
i Durer),   Hohllinie  oder  auch  gebrochene  Eierlinie  (Harsdörffer),   über- 
treffende Kegellinie  (Schwenter,  J.  Sturm);  die  Parabel  Brennlinie  (Dürer, 
Kepler,  Schwenter,  Harsdörffer,  L.  Sturm),  rechtwinkliger  Kegelschnitt 
(Kepler),  vergleichende  Kegellinie  (J.  Sturm)  ^').     Parameter,  latus  rectum, 
übersetzt  J.  Sturm  Mitmesser.    Asymptote  ist  „die  Lini,  die  in  die  weitten 
läuft   vnd    nimmer    mehr    zu    keym    end   kombt"    (Dürer)    oder   niemals 
zusammenkommende  Linie  (J.  Sturm). 

Von  andern  krummen  Linien  sei  erw&hnt  der  Cylinderschnitt,  Walger- 
schnitt  (Kepler),  conchois,  die  Muschellinie  (Dürer,  J.  Sturm,  Schwenter, 
Harsdörffer),  linea  aranei,  die  Spinnenlinie  (Dürer,  Schwenter),  ovalis, 
Eilinie  (Kep&er,  Schwenter,  J.  Sturm),  spiralis,  Schneckenlinie  (Schmio, 
Kepler,  Schwenter,  J.  und  L.  Sturm),  helica,  Schraubenlinie  (Dürer, 
Schhid),  flexuosa  seu  serpentina,  Schlangenlinie  (Scumid,  Schwenter). 
Eine  aus  Kreisbogen  hergestellte  „einem  wolgestalten  ey  gleiche"  Linie  ist 
Dürer's  Eylinie.  Die  lunula  Hippocratis'  heifst  Mondsfigur  (Simon  Jacob), 
Mond  (Schwenter),  Halbmond  (J.  Sturm). 

42)  Siehe  Euclidis  Eiern enta  C.  I,  pr.  44. 

43)  Nach  Mexächmus  hiefsen  die  Kegelschnitte  i^  toi)  6lvy<ovlov,  di^oytoviov, 
^f^^lvymviov  *avov  TOfii};  vgl.  Felix  Müller,  Histor.-etymol.  Studien,  ].  c.  S.  24£F. 


330  Felix  Malier: 

6.  Vergleiehmig  von  Strecken  nnd  Figuren.  Commensurable  Strecken 

werden  gemeinrnftllsliche  (Pirkenstein)  oder  gleichm&I^ige  (Bethek,  J. Sturm!, 
incommensurable  aber  angleichm&fsige  (J.  Sturm)  genannt.  Proportioiud« 
Linien  gleichverhaltende  (Pirkenstein,  J.  Bturm)  oder  ebenmäfsige  (Bether  ; 
die  mittlere  Proportionale  heilst  Mittellinie  (Schwenter),  mitüerer  eben- 
mttfsiger  Strich  (Reyher),  mittlere  Gleichverhaltende  (J.  Sturm).  Die  Ver- 
doppelang des  W&rfels  führt  auf  die  Aufgabe,  zu  zwei  gegebenen  Liniee 
zwei  gerecht  Mittellini  (Dürer)  oder  zwei  Linien  in  ordentlicher  Proportioü 
(Schwenter)  zu  zeichnen.  Die  divina  proportio  des  Paoiuolo  (um  1509\ 
der  goldene  Schnitt,  die  göttliche  Verhältnis  ist  die  Aufgabe,  eine  Linie 
media  et  extrema  ratione  seciren  (Schwenter),  oder  nach  der  Sofsersten 
und  mittleren  Verhältnis  teilen  (Pirkenstein,  Beyher). 

Die  Ähnlichkeit  der  Figuren  heifst  vielfach  Gleichförmigkeit.  Similb 
heifst  in  Art  und  Gestalt  ähnlich  (Schmid),  gleichförmig  und  gleichgestelll 
(Pirkensteen),  oder  nur  ähnlich  (Kepler)  oder  gleichförmig  (Schwekter, 
Simon  Marius,  Holtzmann),  gleichähnlich  (Revher).  Homologe  Geraden 
in  gleichförmigen  Vielecken  heifsen  gleichförmig-haltnus  sagende  (Poieen- 
stbin)  oder  verhältnis-ähnliche  Geraden  (Reyher). 

7.  Trigonometrisches.  Bei  der  Beschreibung  des  zur  Feldmessung  be- 
nutzten  Quadranten  ti*itt  vor  allen  die  schon  den  Arabern  eigentümliche  Winkel- 
AinkÜon  umbra,  Schatten,  auf;  umbra  recta,  rechter  Schatten,  ist  die 
Cotangente;  umbra  versa,  verkehrter  Schatten,  die  Tangente.  Apian  hat 
die  drei  Funktionen  sinus,  sinus  versus,  sinus  complementi,  unsein  oosinos. 
Die  Sekante  wurde  von  Eopperxiki  s  in  die  Wissenachaft  als  neue  trigono- 
metrische Funktion  eingeführt ;  er  nannte  sie  Hjpotennse,  entsprechend  der 
Tangente  als  Kathete  ^^V  Sinus  wird  von  Simon  Jacob  medietas  cbordae, 
von  Kkplkk  halbe  Sehne  genannt  Sinus  totns,  der  ganie  Sinus  (ScHWEXTEfi'i 
i$t  der  halbe  Diameter  (Simon  Jacob);  änus  rectus,  der  rechte  Sinns 
(^iHnnvRNfKK'^;  und  sinus  versus  oder  sagitta^  ist  Bolta  (Kepler)  oder  Pfeil 
(S.uwkntkkX  Der  Name  Trigonometrie  kommt  wahracheinlich  als  Titel 
tuersi  bei  Pmscv&  (159o'>  vor*^\ 

£.  Storoomotrie. 

Die  Stereometrie  lehrt  die  Messung  körperlicher  Dinge  (Schwenter^ 
Ihr  Ge^ustand  ist  der  Coq>as,  das  Solidnm  (lang,  iNneil,  tief)  (Simon 
vlAOxkt^V  vHler  da:?  Dichte  « PiKK.rNsri:iN  •.  die  volle  leibhafte  Figur  (Keplers 
der  Leichnam  » H  KK&iH^KrrrK\  der  KC^qp^r  ScuittD,  L.  Sturm).  Grenzeß 
vier  Kv^r^vr  s.itid  teils  plar.**  Kber^en.  teils  currae  superficies,  krumme  oder 

44^  M    V-vx^v»*.  WH.  IL  S.  «^ 
4.^    M    CixTv«.  Vocl  IL  S  X^J. 


Zur  Terminologie  der  ältesten  mathematischen  Schriften  in  deutscher  Sprache.  331 

gebogene  Fl&chen,  oder  fiundnngen.    Solid!  planum  yel  hedra  ist  die  Wand 
(Keplkr);  basis  solidi  der  Boden  (Kepler)  oder  die  Grundfläche  (J.  Stlrm), 
planum  superius  der  Tisch  (Kepler).    Zwei  sich  schneidende  Ebenen  bilden 
das  angulum  Bolidum,  den  dichten  Winkel  (Pirkenstein)  oder  körperlichen 
Winkel  (Schmid,  Schwekter),  der  dreiecket  oder  gegiert  sein  kann.    Plana 
parallela   sind   gleichweit    abstehende   Ebenen   (Pirkensteik)   oder   Neben- 
fiächen  (Reyher).     Die   Kante,   latus   solidi,    ist  ein   langes   Eck,   Reifen, 
Schärfe  (Kepler)   oder  scharfe  Seite  (Dürer).     Die  Corpora  unterscheiden 
sich  in  colnmnaria  und  pyramidalia  (Simon  Jacob).     Der  Cubus   ist  ein 
geviert  Corpus  (Köbel,  Dürer),  recht  gevierter   Würfel   (Kepler),    oder 
Würfel  (Dürer,  Pirkenstein,  J.  u.  L.  Sturm,  Beyher  u.  a.).     Cubikelle 
ist  gewürfelte  Elle  (Cur.  BrboLFF).     Parallelepipedum  übersetzt  Kepler 
Quadratstuck  oder  viereckts  gefierte  S&ule,  L.  Stcrm  parallel  viereckigter 
Stock;   parallelepipedon  rectangulum   ist  gerade  Sftnle  (Kepler).     Prisma 
oder  seratile  ist  Zwerstuck,  Speidel,  Wecken  (Kepler),  Ecksftule  (Pirken- 
stein, J.  Sturm),  eckigte  Säule,  und  zwar  drei-,  vier-,  fünfeckigte  Säule 
(Dürer,  L.  Stürm),  oder  gerader  gleichdicker  Stock  (L.  Sturm),     Corpus 
pyramidale  übersetzt  Schmid  feuerförmiger  Körper,   wohl  in  der  Meinung, 
pyramis  komme  von  itÜQ^  Feuer  her.    Piremus  heifst  bei  den  alten  Ägyptern 
die  Seitenkante  der  Pyramide,  und  es  wurde  dieser  Name  bei  den  Oriechen 
zum  Namen  des    ganzen  Körpers.     Bei  Plato^^)    ist   allerdings   die  regel- 
mäfsige  Pyramide,  das  Tetraeder,  das  Symbol  des  Feuers.    Sonst  heilst  die 
Pyramide  meist  Spitzsäule  (Pirkenstein,  Harsdörffer,  J.  Sturm)  oder  zu- 
gespitzte Säule  (Kepler),  und  zwar  3-,  4-,  5-  eckigt;  pyi*amis  laterata  aber 
ist  bei  Schmid  eckigte  Feuerform.    Superficies  prismatis  übersetzt  J.  Sturm 
einfach  mit   Eckfläche.     Die   abgestumpfte   Pyramide    heifst    Stumpf  oder 
F^tock  oder  Trum  (plur.  Trümmer).    Volumen  ist  körperlicher  Inhalt  (Simon 
Jacob),  FüUe,  Raum,  Leib  (Lepler),  cubischer  Inhalt  (L.  Sturm). 

Die  regelmäfsigen  Polyeder  heifsen  corpora  regularia,  regulierte  Körper 
(Schmid  u.  a.),  die  allenthalben  gleich  sind  von  Feldern,  Ecken  und  Seiten 
(Dürer).  Ein  yon  Dreiecken  begrenzter  Körper  ist  ein  drianglich  corpus 
(Dürer).  Polyeder  wird  übersetzt  yielecket  corpus  (Schmid)  oder  viel- 
flftchige  Figur  (Pirkenstein).  Tetraeder  ist  eine  viergleicheckigte  Spitz- 
Säule  (L.  Sturm),  Octaeder  doppelte  yiereckigte  und  gleichseitige  Spitzsäule 
(L.  Sturm),  Icosaeder  ein  kuglichter  Körper  von  20  gleichseitigen  Triangeln, 
Dodecaeder  ein  kuglichter  Körper  von    12  regulär  Fünfecken  (L.  Sturm). 


46)  Plato  TimaeuB  §  115,  Dialogi  ed.  Beckeb  Pars  III,  vol.  11,  p.  71.  Daby- 
roDiud  AiliTfLov  seu  Dictionarium  maihemcUicum ,  1573,  p.  20:  'igni  dicunt  pro- 
pf^iionalem  este  pyramideni*. 


332  Felix  Müller: 

ScHMiD,  PiRKENBTEiN  Und  ScHWENTER  sagOD^  sie  h&tten  die  Namen  der  foni 
regelmäfsigen  Körper  nicht  zu  verdeutschen  gewulist.  Corpora  iiregoiana 
heifsen  unregulierte  (Dürer)  oder  nit  regulierte  (Schuid).  Obeliscus  wird 
spitzige  Säule  oder  yiereckigter  Pyramis  genannt  (Schwenter). 

Wir  kommen  nun  zu  den  Körpern,  die  eine  curva  superficies,  Run- 
dung (Kepler)  oder  gehogene  Ehene  (Dürer)  haben.  Der  Cjlinder  ist 
eine  runde  Sftule  oder  Runds&ule  (Dürer,  Schmid,  Kepler,  Simon  Jacob, 
J.  u.  L.  Sturm),  auch  Walze  (Pirkenstein,  Kepler)  oder  Walger,  Welle 
(Kepler)  genannt.  Sein  Mantel  heilst  bogne  Ebene  (Dürer),  Bimdflichf 
(J.  Sturm),  äufserlich  Feld  oder  Bock,  Rohr,  Binde  (Kepler).  Conus  ist 
aufrechter  Kegel  (Simon  Jacob),  oder  Kegel  (Harsdörffer,  Pireexstein. 
J.  und  L.  Sturm),  oder  Bundspitz  (Harsdörffer)  oder  pyramis  rotunda, 
runde  Feuerform  (Schmid);  seine  Basis  heilst  Grund  (Dürer),  Gmndfliche 
oder  Grundscheibe  (Kepler,  J.  Sturm);  seine  Achse  Axt  oder  Graat  (Kepler): 
sein  Mantel  runde  Fläche  oder  Bundfläche  (J.  Sturm)  oder  rundes  Dach, 
Binde,  Bock  (Kepler).  Truncus  coni  ist  Kegelstück  (J.  Sturm),  abgeschnit- 
tener oder  gestumpfter  Kegel  (Simon  Jacob),  oder  Stumpf,  Stock,  Tnun 
(Kepler).  Bhombus  solidum,  zween  gesellete  Kegel  (Kepler),  heilst  Doppel- 
kegel oder  Kegelweck  (J.  Sturm). 

Sphaera  ist  meist  die  Kugel  oder  die  spheer  (Dürer,  Sacrobosco- 
Heynfooel);  ihre  superficies  ist  kuglete  Ebene  (Dürer),  äuDserste  Fl&che 
der  Kugel  (Simon  Jacob)  oder  Kugelfiäche  (J.  Sturm),  ihre  axis  Acbs 
(Hbynpogel),  Ecks  (Schmid),  Axlini  (Dürer),  Axt  (Schwenter),  Achse 
(Pirkenstein),  Mittellinie  (J.  Sturm).  Segmentum  sphaericum  ist  Engel- 
schnitz  (Dürer,  Kepler),  oder  Kugelschnitt  (J.  Sturm);  sector  sphaericns 
Kugelteil  (J.  Sturm),  Kugelzahn  (Kepler);  Calotte  das  runde  Feld  des 
Kugelschnitzes  oder  das  Hütlein  (Kepler);  zona  der  Gürtel  (Kepler). 

An  die  Kugel  knüpfen  wir  einige  Kunstausdrücke  aus  der  mathe- 
matischen Geographie.  Axis  mundi  ist  Axt  der  Welt  (Durer)  oder 
Achsstrich  (L.  Sturm);  polus  Angelpunkt  (L.  Sturm),  polus  mundi  Welt- 
angel. Ist  die  Achse  senkrecht,  so  ist  die  spheer  aufgericht,  ist  die  Achse 
schräg,  eine  schlemme  spheer  (Heynfogel).  Von  den  Himmelskreisen  sind 
folgende  zu  nennen:  der  Äquator  ist  ebenechter  Kreis  oder  Gleicher  des 
Tags  und  der  Nacht  (Heynfooel);  Horizont  Augenender  (Heynfogel),  ho- 
rizontalische Fl&che  (Schwenter),  Gesichts-Ender  (L.  Sturm);  Meridianus 
Mittagslinie  (Dürer),  Mittagskreis  (L.  Sturm),  Mittagscirkel  (Schwexteb), 
Mittentager  Kreyfs  (Heynfooel);  circuli  tropici  Sonnenwendkreise  (Hev>- 
fogel,  L.  Sturm);  circuli  polares  Poluskreise  (L.  Sturm);  circuli  latitu- 
dinis,  longitudinis ,  declinationis  Kreise  der  Breite,  Länge,  Abweichung 
(L.  Sturm);   zodiacus  zeichen  tragender  Kreis  (Heynfogel)   oder  Thierkrei^ 


Zur  Terminologie  der  ältesten  mathematiachen  Schriften  in  deutecher  Sprache.  333 

(Apian,  Heynpoqel),  ecliptica  Sonnenstrafse  (L.  Sturm).  Merkwürdigerweise 
übersetzt  Heynfogel  colori  die  zweyen  waldt  ochssen  Krejfs,  nach  der  Ety- 
mologie des  Wortes  Kolur  „von  xcoXov,  membnim,  und  oti^o^,  bos  Silvester'' 
des  Sacrobosco^^.  Bekanntlich  kommt  Eolur  von  xöXov^og,  abgestutzt, 
weil  diese  Ki^ise  nirgend  vollständig  zu  sehen  sind.  Rectascension  ist  ge- 
sirackte  Aufrichtung  (Heynfogel).  Zona  torrida  verbrennter  Gürtel  (Kepler); 
FLxsteme  heifsen  auch  Haftsteme  (J.  Sturm),  Kometen  Schwanzsteme 
(L.  Sturm).  Epicykel  ist  Oberkreis  (Heynpoqel).  Schwenfer  sagt:  „Die 
Teutschen  nennen  die  Epakten  Pacten." 

Zum  Schlufs  seien  die  Namen  einiger  Körper  genannt,  die  J.  Sturm 
und  Kepler  der  Messekunst  Archimedis  entlehnt  oder  neu  ersonnen  haben. 
Sphäroides  ist  eine  kugelähnliche  Figur^  Afterkugel  (J.  Sturm),  auch  ablange 
Kugel,  gedruckte  Kugel  (Kepler);  conoides  eine  kegelähnliche  Figur,  After- 
kegel (J.  Sturm),  hyperbolicum  ein  Arbishaufen,  Bergkülbel  (Kepler),  pa- 
rabolicam  Heuschober  (Kepler).  Von  den  zahlreichen  Körpern,  die  Kjbpler 
in  seiner  Doliometria  erwähnt,  nennen  wir  schliefslich  folgende:  malum 
Apfelmnd,  citrium  Citronenrund,  oliva  Olivenrund,  prunum  Z wespenrund, 
fusum  Spulenrund. 


47)  S.  Günther,  Math,  ünterr.  im  Mittelalter,  S.  185  Anm. 


umn^ 


DIE  RECHENMETHODEN 
AUF  DEM  GRIECHISCHEN  ABAKUS. 


VON 


ALFRED   NAOL 

IN    WIEN. 


Es  ist  eine  interessante  und  für  manch  anderen  Zweig  der  Kultur- 
geschiebte  belehrende  Thatsache,  dafs  die  Methoden  der  einfachsten  ele- 
mentaren Rechnungen,  die  wir  heute  als  einen  Gegenstand  des  ersten 
Unterrichts  zu  betrachten  gewohnt  sind,  das  Bemühen  von  Jahrtausenden 
und  unzähliger  Geschlechter  in  Anspruch  genommen  haben.  Wir  begegnen 
auf  diesem  langen  Wege  hervorragenden  Namen  des  geistigen  Lebens,  aber, 
was  vielleicht  noch  mehr  sagen  will,  die  praktische  Bedeutung  der  Sache, 
die  der  Wissenschaft  wie  dem  gemeinen  Leben  stündlich  sich  aufdrängende 
Notwendigkeit,  mit  Zahlenaufgaben  auf  eine  einfache  sichere  Art  fertig  zu 
werden,  hat  die  stete  Anteilnahme  aller  Kreise  des  Volkslebens  zu  dieser 
Aufgabe  herangerufen. 

Frühzeitig  stellen  sich  sehr  anerkennenswerte  Fortschritte  auf  diesem 
Gebiete  ein,  aber  es  mangelt  auch  nicht  an  Bückschritten,  und  seltsamer- 
weise haben  wir  einen  solchen  gerade  bei  dem  Volke  zu  bemerken,  dem  die 
Menschheit  ihre  wichtigsten  Kulturfortschritte  verdankt. 

Die  Griechen  haben  das  Rechnen   auf  dem  Rechenbrette  höchst  wahr- 
scheinlich von  den  Ägyptern  überkommen.    Herodot  (2,  36),  indem  er  von 
den  Elementarkenntnissen  der  Ägypter  berichtet   und  selbe  mit  denen  der 
Griechen  vergleicht,   macht  die   Bemerkung,   dafs  beide  Völker  die  Schrift 
und  das  Rechnen  mit  den  Rechensteinen  (koyliovxai  t|;^90i<ri)  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  führen:  die  Griechen  von  der  Linken  zur  Rechten,  die 
Ägypter  aber  umgekehrt.   Es  ist  allerdings  die  einzige  Spur,  die  wir  trotz  der 
zahlreichen   Schriftmonumente    des   bilder-  und   schreibseligen  Kulturvolkes 
am  Nil  von  diesem  Gegenstande,  der  doch  so  manchen  AnlaTs  zu  bildlicher 
Darstellung  giebt,  dort  bisher  entdecken  konnten.  Er  war  mit  seinem  Apparate, 
dem  mit  einem  Linienschema  versehenen  Brette  (griechisch  a/3a|,  latein. 
ohacus)  und  den  zugehörigen  Steinen,  tfffi<poi^  calculi  auch  [coZctiZ«]  äbaculi 
(PuNius  h.  n.  36, 199),  eine  ziemlich  schwerfällige,  unhandliche  Einrichtung, 
die  namentlich  auch  den  grolsen  Nachteil  hatte,  im  Bedarfsfalle  nicht  immer 
zur  Hand  zu  sein.     Aber  die  Methode   ihrer  Numeration  war  ein  voll- 
Btftndig   und   genau  entwickeltes  dekadisches   Stellensystem,    in 
welchem   jede    Stelle    durch    eine    Kolumne,    den    Raum    zwischen    zwei 
Linien,   dargestellt   war    und    durch   Einlage    der   entsprechenden    Anzahl 

Abh.  sar  Gesch.  d.  IfAthem.  IX.  22 


338  Alfred  Nagl: 

jener  zeicbenlosen  Steinchen  fanktionierte.  Stellen,  die  keine  Einheiten  ent- 
hielten und  im  indisch -arabischen  Systeme  durch  das  Nnllzeichen  aus- 
gedrückt werden,  zeigten  diese  ihre  Bedentang  auf  dem  Abakns  einfach 
durch  das  Leerbleiben  der  betreffenden  Kolumnen  an.  Die  Anordnung  der 
Zahlendarstellung  war  dabei  der  unsrigen,  von  der  Einerstelle  nach  links 
aufsteigenden  genau  entsprechend. 

Es  scheint  vielleicht  ein  einfacher,  naheliegender  Gedanke,  da(s  mu 
das  vorgezeichnete  umständliche  Linienschema  des  Bechenbrettes  weggelassen 
und  die  leeren  Stellen  als  solche  durch  eine  kennbare  Marke  bezeichnet 
hätte,  von  welchem  Standpunkte  dann  zur  Verwendung  Yon  einfachen  Zahl- 
zeichen für  die  9  Einheiten  anstatt  der  zeichenlosen  Steinchen,  mit  einem 
Worte  zur  schriftlichen  dekadischen  Numeration  in  heutiger  Form  eben- 
falls nur  noch  ein  kleiner  Schritt  gewesen  wäre.  Aber  der  Schritt  mlte^ 
blieb  und  der  erklärliche  Drang  nach  einer  rein  schriftlichen  Methode  führte 
auf  den  schon  angedeuteten  Abweg. 

Die  Griechen  halfen  sich  nämlich  —  die  ältesten  Spuren  reichen  nicht 
vor  das  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  zurück  und  finden  sich  im  Ägypten  der 
Ptolemäer,  —  in  der  Weise,  dafs  sie  ihrem  Schriftalphabet,  yermehrt  durch 
die  3  alten  Episemen  auf  27  Zeichen,  die  Bedeutung  yon  Zahlzeichen  gaben^ 
je  9  Zeichen  für  die  Einer,  Zehner  und  Hunderter,  die  dann  mit  Bei- 
setzung yon  Strichelchen  links  in  die  nächst  höheren  Stellenkategorien  der 
Tausender,  Zehn-  und  Hunderttausender  übersetzt  werden  konnten.  Das 
Schema  dieser  Numeration  war  das  folgende: 


A 

B 

r 

A 

6 

C 

z 

H 

0 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

1 

K 

A 

M 

N 

S 

o 

P 

9 

10 

20 

30 

40 

60 

60 

70 

80 

90 

P 

E 

T 

Y 

0 

X 

4» 

a 

•2^ 

100 

200 

300 

400 

500 

600 

700 

800 

900 

Wir  finden  diese  Methode  der  Zahlendarstellung  in  allen  mathematischen 
Schriften  der  Folgezeit,  und  nicht  wenige  derselben  geben  uns  durch  Bei- 
spiele auch  ein  ziemlich  klares  Bild  dayon,  wie  die  Bechenmethode  in  der- 
selben beschaffen  war.  Der  allerdings  unleugbare  Vorteil  der  schrifUichen 
Rechnung  erscheint  dabei  durch  den  Verlust  des  dekadischen  DarstellnogS' 
sjstems  mehr  als  aufgewogen  und  es  trat  an  dessen  Stelle  nxm  eine  mehr 
auf  geschickte  Handhabung  im  einzelnen  Falle,  als  auf  strenge  und  sichere 
Systematik  gegründete  Rechen  weise,  die  kaum  den  Namen  einer  Methode 
yerdiente.  Im  Multiplizieren  wurden  die  einzelnen  erhaltenen  Teilprodnitte 
nacheinander  hingeschrieben  wie  ein  gewöhnlicher  Schrifttext,  yon  dem 


Die  Rechenmethoden  anf  dem  griechischen  Abakus.  339 

dann  eine  solche  Bechnung  überhaupt  in  der  änfseren  Erscheinung  nur 
durch  die  Strichelchen  unterschied,  und  es  war  Sache  weiterer  zweckmäfsiger 
Verwendung  dieser  Aufschreibung,  daraus  die  Endsumme  zu  ermitteln. 
Besondere  Schwierigkeiten  bot  die  Bestimmung  der  dekadischen  Potenz  der 
Produkte  aus  den  einzelnen  Faktoren  und  noch  höhere  natürlich  die  Durch- 
führung einer  selbst  einfachen  Division.  Selbst  in  dem  von  den  griechischen 
Astronomen  angenommenen  Systeme  der  Sexagesimalbrüche,  das,  unseren 
Dezimalbrüchen  im  Prinzipe  Yöllig  gleichstehend,  an  sich  zur  Stellendarstellung 
hindrängte,  fand  die  alphabetische  Numeration  statt.  Doch  kamen  dabei  die 
sexagesimalen  Stellen  durch  die  trennenden  Zeichen:  ^iiovQaij  gradus  (Ganze), 

'la  n^xa^  mmutae  primae  (^) ,  "xa  davxeQa^  minutae  secundae  i^^  =  ^^^j  , 

"ta  xQlxoy  mkiutae  tertiae  (rp  =»  oiäoö/  ^'  ®*  ^"  *^  schönem  graphischem 

Ausdrucke.  Aber  für  uns  haben  die  erhaltenen  Operationsbeispiele  in  alpha- 
betischen Zeichen^)  den  besonderen  Wert,  daTs  sie  uns  ermöglichen,  die 
Rechenmethoden  auf  dem  Abakus  mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  bestinounen. 
Mit  der  Einrichtung  des  griechischen  Abakus  werden  wir  bekannt  ge- 
macht durch  yerschiedene  gelegentliche  Bemerkungen  in  litterarischen  Texten 
nnd  durch  einige  erhaltene  Monumente,  hauptsächlich  aber  durch  eine  an- 
fangs des  Jahres  1846  auf  der  Insel  Salamis  bei  Athen  gefandene  Marmor- 
t&fel,  daher  gewöhnlich  als  die  salaminische  bezeichnet.')    Form  und  Ein- 


1)  a.  Abchucsdss  {Waiinlvrig  mid  KvnXov  fiixQfjaig)  und  Eutokios  in  Archdiedis 
Opera  onmia  cum  commentarits  EüTocn  ed.  J.  L.  Heibbbo.  Lipsiae  1S81.  b.  Theon; 
9i<o9og  'AXtiavdQiatg  *Tx6iivrifitt  ilg  xb  ng&xov  xijg  üxoUpLaiov  Ma^.  cvvxd^Bmg. 
TexU  et  trad.  fr,  par  Halma.  Paris  1821.  e.  Hsbon;  Heronis  Älexandrini  Geometri- 
corum  et  sUreom.  rel.  ed.  Froed.  Hultsch,  Berol.  1864. 

2)  Die  oftgenannte  salaminische  Tafel  hatte  während  der  Drucklegung  dieser 
Sehrift  ihre  Geschichte.  Sie  wurde  auf  mein  Ersuchen  zu  Athen  und  auf  Salamis 
gesucht,  leider  yergebens  und  mufs  Torl&u6g  als  yerschoUen  betrachtet  wer- 
ben. Die  seinerzeit  unmittelbar  nach  ihrer  Entdeckung  an  Ort  und  Stelle  an- 
gefertigte Zeichnung  bei  Rakoab^  in  der  Bevue  archäologique  IIl  (Paris  1846)  p.  296 
ist  also  dermalen  als  ihr  einziges  Überbleibsel  hinzunehmen.  (Vergl.  ebenda 
p.  305  LsTaoKHB  über  die  Zahlzeichen  und  p.  401  Vincsnt  über  die  Tafel  selbst.) 
Es  ist  daher  eine  genaue  Nachbildung  hievon  hier  vorangestellt.  Zum  Glücke 
^t  BASQABift  durch  genaue  Beschreibong  und  Mafsangaben  das  Monument 
wenigstens  für  das  Studium  in  technischer  Richtung  gerettet.  Er  giebt  an  in 
MetenuaTs:  Lftnge  der  Tafel  1-6,  Breite  0*75,  Abstand  des  Schemas  der  fünf 
Linien  yom  nahen  Schmalrande  0*26,  L&nge  seiner  Linien  0-27,  deren  Abstand 
untereinander  003,  Abstand  des  Schemas  der  elf  Linien  vom  vorigen  0*5,  Länge 
seiner  Linien  0-88,  deren  Abstand  unter  einander  0036,  Höhe  der  Zahlzeichen  an 
den  beiden  lAngsseiten  der  Tafel  0013,  ihr  gegenseitiger  Abstand  004,  Höbe 
der  Zahlzeichen  an  der  Schmalseite  und  der  Ejreuze  in  den  elf  Linien  0-02,  ihr 

22  • 


840  Alfred  Nagl: 

ricbtung  mögen  aus  der  beifolgenden  Bildtafel  entnommen  werden.  Die  ab- 
weichenden Meinungen  über  diese  Tafel  will  ich  noch  am  Schlüsse  würdigen 
und  mich  hier  unmittelbar  ihrer  Funktion  nach  meinen  Ergebnissen  n- 
wenden. 

Vor  allem  ist  die  Numerati on  auf  dem  Linienschema  dieser  Tafel 
yMlig  au&er  Zweifel  und  fOr  uns  unmittelbar  anschaulich  durch  die  ganz 
gleich«  Kinriehtung  von  noch  allgemein  im  Oebrauch  stehenden  BecbsB- 
lunuj^chinen;  der  chinesisch-japanischen  Soru-Ban')  und  des  russischen  Tsehotö. 
NaauiwUich  aber  sind  die  erhaltenen  antik-rOmischen  Abakus-Exemplare,  ^t 
in  xii^  «iMtUchen  Spalten  ftlr  die  Teil-  oder  Bruchgröisen  wesentlich  dieselbe 
Kiu^'iv'htuiitlf  Beigen,  wie  die  salaminische  Tafel,  ein  erster  und  entscheidender 
IWw^  iUr  ^1^  «i^ntliche  Bestinmiung  dieser  Tafel.  Wie  auf  dem  romiscben 
AWi^u»*"^    dii^  $«itlidi   rechts   befindlichen    Spalten   durch    die    unmittelbar 

AlwtiaMx^  ^^  iKN  M<^l«rs  I>i«  Krhaltnng  der  Tafel  war  nach  Baxoab^  eine  TollkommeDe. 
yKu^<^  NAohluldoait  den^ben  in  Holt  nach  diesen  Mafsangaben  hat  sich  mir  fot 
s)Mt  ^UuUttw  al«  »ehr  erspriefslich  erwiesen.) 

Di^te  Anmerkung  bildet  somit  eine  Art  Kachtragsbericht.  D&mit 
ul  ab^t  iu|ri^ich  die  weitere  Nachricht  iq  verbinden,  dafs  das  Suchen  nach  der 
IWVI  Kaxua.w&*s  tur  Entdeckung  einer  anderen  Tafel  dieser  Art,  gleich- 
iVUs  auf  Salamis  geföhrt  hat  (April  1S99),  welche,  wie  ich  yemehme,  in  da^ 
iVnUalmQoeam  in  Athen  überführt  werden  soll.  Herr  Professor  Eubitschkk  (Wien , 
%)«m  ich  n&r  die^  Vermittlungen  grof>exi  Dank  seh  aide,  hat  mir  von  der  neuen 
Kntdeokuag  eine  Photographie  überlassen.    Damach   ist   diese  Marmortafel  der 
wvriijt'n  Hsi  vollkommen  gleich,  sowohl  an  Grüfte,  als  in  der  Einrichtung.   Kur 
^v»cheint  ihre  Ausführung  weniger  sorgfältig,  die  Zahlzeichen  sind  in  allen  drei 
Kolhf^u  von  gleicher  Höhe  und,  was  hier  sehr  bedeutsam,   die   Zeichen  der 
K^ihe  an  der  einen  Schmalseite  stehen  aufrecht  nach  aufeen,  gleich 
d«M)«^  der  beiden  Laagseiten.    Dieser  Umstand  berührt  ein  wesentliches  Moment 
dt>r  nachfolgenden  Ausführungen.    Ich   muis  mir  vorbehalten,   der  neuen  Eni- 
d«>cVang  späterhin  womöglich  gerecht  lu  werden,  übergebe  aber  dennoch  diete 
.Vib^ii  dem  Urteile  der  wiesenschafUichen  Welt  in  dem  Gefühle,  dals  durch  die- 
ioU^  aichUidesto weniger  die  Einsicht  in  die  Technik  des  Rechnens  auf  dem  antikes 
Al^kku«   g«^fördert  werden  dürfte.    Indes  hat  die  operative   Verwendung  dieier 
/:vv\ohi\ur«4h«  im  Sinne  meiner  Darstellung  auch  nach  ihrer  Stellung  auf  der  neu 
outsiiH'kt^o^  Tufol   keine  Schwierigkeit  und  es  mag  vielleicht  diese  Richtung  der 
/ou'hw   nach    aufsen   lediglich    der  Bequemlichkeit   des   Schrifthauers    insn- 
«v  U\«ibi\u  «eiu.    Die  Tafel  ist  der  Breite  nach  in  der  Mitte  entswei  gesprungen. 

a^  Vwgl.  darüber  Alfrsd  Wssital  in  den  „Mittheilnngen  der  deutsches 
iKt;,olUch)^t\  tCir  Natioaalükon.  und  Völkerkunde  Ostasiens.«*  Yokohama  und  Berlin 
y.\>>ui.u^  U<\  H^  <^  S.  %1:  Über  die  chinesisch-japanische  Rechenmaschine;  Heftd 
;s  4i.  tivvir44^  lur  t)t\»ohichte  der  Mathematik  in  Japan;  S.  64:  Über  das  Wahr- 
biij^oi^  uut'  vl^*  Keoh««ma$ohine.  —  Vorzügliche,   ihren  Gegenstand   erschöpfende 

U  Ata^iUiuv^j^,  die  wichtigste  bei  Mascis  Vslsse,  Opera,  Nürnberg  1682, 


Die  Rechenmethoden  auf  dem  griechischen  Abakus.  341 

dabeistehenden  Brachzeichen  für  ^  (sexttUa)^  ^  (stcüicus)  und  ^  der  Unze 
{semunda;  die  Spalte  der  uncia  jedoch  ist  rechts  an  das  Schema  der  ganzen 
GrOiGsen  unmittelbar  angeschlossen)  bezeichnet  sind,  so  zeigen  auf  dem  sala- 
minischen  die  an  dessen  Ränder  verwiesenen  Zahlzeichen  in  ihrer  Reihen- 
folge von  rechts  nach  links  ganz  deutlich  an,  dafs  das  kleinere  Linienschema 
rechts  (wir  stehen  an  der  Längsseite  der  Tafel  mit  der  yoUständigsten 
Zahlenreihe)  mit  seinen  vier  Kolumnen  f&r  die  TeilgrÖfsen  der  Drachme 
bestimmt  ist,  nämlich  der  Reihe  nach  für  die  Aufnahme  von  ^  (X  Chal- 
kns),  ^  (T,  Tetartemorion),  -^  (C,  Hemiobolion)  und  ^  (I,  Obolos)  der 
Einheit,  während  die  weiter  folgenden  Zahlzeichen  sich  auf  die  ganzen 
Zahlen  (Drachmen)  und  auf  die  Kolumnen  des  groJOsen  Linienschemas  be- 
ziehen, zunächst  mit  der  Einheit  (H,  dem  attischen  Zeichen  für  die  Drachme) 
und  deren  Fünffachem  (P  für  Ttivrs)^  dann  den  Zehnem  (A,  dixa  und  P 
für  50),  den  Hundertern  (H,  hcctov  und  P  für  500)  und  den  Tausendern 
(X,  iPuoi  und  P  für  5000).*)  Das  letzte  Zeichen  links,  T,  bedeutet  das 
Talent,  6000  Drachmen,  und  so  steht  diese  yoUständigste  der  drei  Zahlen- 
reihen in  genauer  Übereinstimmung  mit  dem  noch  im  Mittelalter  wieder- 
klingenden, schönen  und  für  die  Sache  sehr  anschaulichen  Gleichnisse  bei 
PoLTBius  5,  26:  „Denn  in  Wahrheit  sind  diese  (es  handelt  sich  dort  um 
einen  am  makedonischen  Königshofe  in  Ungnade  gefallenen  Günstling)  zu , 
vergleichen  den  Rechensteinen  auf  dem  Rechentische.  Denn  auch  diese  gelten 
je  nach  dem  Willen  des  Rechnenden  bald  nur  einen  Chalkus  und  alsbald 
wieder  ein  Talent!"«) 


p.  422,  819,  842,    in  Natargröfse.    Erhaltene    Monmnente    je    eines    zu    Paris 
and  Rom.    Auch  Welsxb^s  Abakus  ist  yerschollen. 

5)  Diese  nach  einem  Grammatiker  des  zweiten  Jahrhmiderts  n.  Chr.  recht 
nnzutreffend  als  herodianische  benannten  Zeichen,  waren  in  Wirklichkeit  die 
unprünglichen  Zahlzeichen  der  Griechen.  Sie  sind,  wie  sich  zeigt,  nichts  anderes, 
als  die  Anfangabuchstabeo  der  betreffenden  Zahlwörter.  Ausgabe  des  Herodian 
Ton  A.  LxHz,  Leipzig  1867.  —  Der  knappe  Raum  dieser  Abhandlung  gestattet 
nicht,  den  Anteil  Terschiedener  Grelebrter  an  der  Aufklärung  der  Zeichen  dieses 
Abakus  hervorzuheben.  Ober  die  Teilung  des  att.  Obols  in  8,  nicht  6  Chalkus 
vergl.  BoBCKH,  Metrol.  Unt.  24.  32.  Archäol.  Ztg.  1847,  p.  44  (Ges.  kl.  Seh.  VI,  464). 
HcLTscH,  Metro),  ss.  gr.  157,  Index  vv.  ößoX6g,  x''^^*^^,  xBxaQtriii6Qtov. 

6)  1[>rT<»(  yaQ  slaiv  o^toi  naQocnX'/iatot  taSg  inl  t&v  &paiiii<ov  rprjipoig'  'Eneivai 
tf  y^9,  xatä  xijv  t(H)  ffnitp^iocvrog  ßovlriaiv  &Qti  xccXuoüVj  xal  naQavx^xa  tdlavxov 
^vfttvtai.  —  Einen  Ähnlichen  Ausspruch  legt  Diogenes  Laebtits  I,  60  dem  Solon  bei. 
Die  fir  das  Verständnis  dieses  Monumentes  sehr  wichtige  Stelle  des  Poltbius  hat 
Bchon  RAMOABii  bezogen ,  ohne  jedoch  auf  ihre  so  bezeichnende  Übereiostimmung 
mit  der  vollst&ndigen  Zahlenreihe  auf  der  salaminischen  Tafel  aufmerksam  zu 
werden. 


342  Alfred  Nagl: 

Der  einzelne  Stein  galt  also,  in  eine  Kolumne  eingelegt^,  eine  Ein- 
heit derselben,  handelte  es  sich  nun  um  eine  Bruchkolumne,  oder  um  eine 
dekadische  Stelle.    Dabei  ist,  ganz  genau  wie  bei  der  ostasiatischen  Becken- 
maschine   und    dem   römischen  Abakus,  im  grofsen  Linienscfaema  der  Teil 
jeder  Kolumne  über  der  waagrechten  Mittellinie  für  die  Fünffachen  hesümmt, 
ein  Umstand,  der  auch  durch  die  pentadischen  Zeichen  der  drei  Zahlenreihen 
deutlich  markiert  erscheint.     Die  Zahl  9  z.  B.  wird  somit  in  jeder  Stelle 
durch  4  Steine  unterhalb  und  1  Stein  oberhalb  dieser  Querlinie  dargestellt 
Das  Kreuz   zwischen   der   zweiten   und  der  dritten  Kolumne  scheidet  die 
Zehner-  von    der  Hunderterstelle®)    und   vor   der  Marke  in  der  Mitte  d@ 
Schemas  wird  die  Stelle  der  Zehntausender  erreicht,  der  Myriaden,  welche 
in  der  griechischen  Zahlendarstellung  und  Benennung  eine  bedeutsam  ah- 
schlieÜBende  Bolle  spielen.     So  kann  sich   die  Darstellung  der  Zahlen  auf 
dem  grofsen  Linien-  oder  yielmehr   Kolunmenschema   genau  angepaist  der 
griechischen  Numeration  und  mit  guter  Übersicht  yollziehen.    Dabei  ist  der 
beträchtliche    Baum  zwischen  beiden  Linienschemen  vorixefflich  für 
die  Aufnahme  eines  entsprechenden  Yorrates  von  Bechensteinen   geeignet, 
um  von  da  nach  beiden  Seiten  hin  f£ür  die  Darstellung  der  TeilgrOüsen  und 
der  ganzen  Zahlen  mit  gleicher  Bequemlichkeit  yerschoben  zu  werden.   Die 
geschmackvolle,  von  echt  attischem  Feinsinn    zeugende  Einrichtung  dieser 
Tafel  ist  überhaupt  eine  Eigenschaft,    die    sich  sowohl  an  dieser,  wie  an 
manch  anderer  der  noch  zu  besprechenden  Einzelnheiten  bew&hrt. 

Wir  denken  uns  also  den  Bechnenden  an  jener  Längsseite  der  Tafel 
stehend,  welche  die  voUkonmienste  der  drei  Zahlenreihen  aufweist,  ein  Um- 
stand, der  im  Zusammenhange  seine  Begründung  finden  wird.  Der  Rechner 
hat  die  Kolumnen  der  vier  Teilgröfsen  zu  seiner  Rechten  und  auf  den- 
jenigen der  ganzen  Zahlen  vollzieht  sich,  entsprechend  der  Folge  jener 
Zahlzeichen  am  unteren  Bande  der  Tafel,  die  Numeration  dekadisch  auf- 
steigend von  rechts  nach  links. 

Wie  bei  allen  Systemen  des  Bechenbrettes  mit  beweglichen .  Steinen« 
so  besteht  auch  hier  das  Addieren  lediglich  in  einem  Zulegen,  „Hinzn- 
geben"  von  Steinchen  zu  der  in  den  Kolumnen  liegenden  Zahl  mit  nach- 


7)  Dafa  hierbei  die  Kolumnen  als  solche  und  nicht  die  Linien  fangiertes, 
geht  auf  das  bestimmteste  schon  aus  der  Übereinstimmiuig  der  Anzahl  der  Seiten- 
kolmnnen  mit  den  vier  Zahlzeichen  der  Teilgröfsen  hervor. 

8)  Als  Unterteilung  der  vierstelligen  Numeration  der  Griechen;  denn 
bekanntlich  teilten  dieselbe  sprachlich  und  graphisch  ihre  Zahlen  nicht  wie  wir 
nach  drei  Stellen  z.  B.  987.654,321,  sondern  nach  vier:  9.8765  i321  und  sagten: 
9  Myriadenmal  8765  Myriaden  etc.  Vergl.  Abghimsdbb,  Sandrechnung  a.  a.  0-, 
Appollomios  bei  Pappob,  II  passim. 


Die  Rechenmethoden  anf  dem  griechischen  Abakua.  343 

folgender  Ordnung  der  Numeration.  Diese  geschieht  gelegentlich  w&hrencl 
der  Rechnungsoperation  nnd  einfach  in  der  Weise,  dafs  von  den  angesam- 
melten Steinchen  je  fOnf  im  unteren  Teil  einer  Kolumne  durch  einen  ein- 
zelnen im  oberen  (pentadischen)  Teile  derselben  und  je  zwei  Steinchen  im 
pentadischen  Teile  durch  eines  im  unteren  Teile  der  nächst  höheren  Ko- 
lumne ersetzt  werden.  Wie  sich  dann  durch  die  entsprechende  Bückauf- 
l5siing  die  Subtraktion,  das  „Wegnehmen''  vollziehe,  bedarf  hier  wohl 
keiner  besonderen  Darstellung, 

Das  Problem  der  Bechenmethode  auf  dem  Abakus  beginnt  überhaupt 
stets  bei  der  Multiplikation.  Diese  ist  auch  im  Mittelalter,  in  der 
GsRBEBT'schen  Schule  und  beim  Bechnen  auf  den  Linien,  der  nftchste  Ziel- 
punkt der  Lehrschriften,  welche  uns  von  beiden  Methoden  reichlich  er- 
halten sind.  Aber  für  den  römischen,  sowie  für  den  uns  hier  interessieren- 
den griechischen  Abakus  fehlt  uns  eine  so  unmittelbare  Quelle  und  wir 
müssen  dieselbe  durch  das  schwierigere  und  weniger  sichere  Mittel  der 
Kombination  ersetzen. 

Gewisse  Einzelheiten  der  salaminischen  Tafel  geben  hierbei  wertrollen 
Anhalt.  Der  eigentliche  Schlüssel  für  die  Lösung  besteht  aber  darin,  dais 
die  Methoden  der  uns  erhaltenen  griechischen  Schriftrechnungen  deutlich 
ihren  Ursprung  auf  dem  Abakus  verraten,  insbesondere,  weil  ihre  ünvoll- 
kommenheiten  sich  aus  dem  Wesen  des  Abakus  naturgemäfs  erklären  und 
auf  demselben  sich  geradezu  in  Vorzüge  verwandeln.  Es  liegt  übrigens 
schon  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  man  die  durch  Jahrhunderte  ausschliels- 
lich  geübte  Methode  auf  dem  Abakus  ohne  weiters  auf  das  schriftliche 
Rechnen  wird  übertragen  haben,  so  weit  sich  dabei  aus  der  Verschiedenheit 
beider  Einrichtungen  nicht  ein  allzugrofses  Hindernis  ergab. 

Höchst  unvollkommen  und  ungeschickt  ist  in  der  griechischen  Schrift- 
rechnung die  unverwandt  festgehaltene  Methode,  die  Multiplikation  mit 
den  zwei  höchsten  Stellen  zu  beginnen;  sie  wird  sodann  mit  jedem 
einzelnen  Faktor  des  Multiplikators  durch  den  ganzen  Multiplikanden  ein- 
scfaliefslich  der  unveränderten  Bruchzahlen  fortgesetzt,  wobei  jedes  einzelne 
Produkt  der  Beihe  nach  hingeschrieben  wird. 

Die  Operation  stöfst  hier  gleich  bei  Beginn  an  die  charakteristische 
Schwierigkeit  in  der  Bestinmiung  der  dekadischen  Potenz  der  einzelnen 
Produkte,  der  in  der  Positionsarithmetik  sogenannten  Stellenbestimmung. 
Das  Einmaleins  lehrt,  dafs  ^'  mal  O'  gleich  vi'  ist  (6  X  9  «»  54).  Warum 
aber  ist  fi  mal  %  gleich  9)^*'  Myriaden  (6000X900  =  5400000)?  Wir 
loseQ  heutzutage  diese  Aufgabe  durch  die  Addition  der  Anzahl  der  den 
beiden  Faktoren  vorausgehenden  Stellen,  wenn  nicht  im  einzelnen  Falle 
^n  der  graphische  Aufbau  der  Stellenrechnung  uns  jede  Denkarbeit  ab- 


344  Alfred  Nagl: 

■ 

nimmt.     Aber  die  griechische    Schriftrechnong   muTsie    sich   da  mit  ein^ 

viel  amständlicheren  Yorstellung  geholfen  haben,  insofern  sie  nicht  immer 

auf  die  Stellenregel  des  Arohimedes   zurückging.     Diese  for  die  Schrift- 

rechnung    aufgestellte  Begel  ist  aber  ein  Beweis,  dals  ihre  Metiiode  dem 

Abakas    entstammt,  denn    sie    beruht    durchaus    auf    der  Z&blung 

Yon  dekadischen  Stellen  oder  Kolumnen.     Aber  auch  ihr  Ansgaogs- 

punkt,  die  vorhergehende  Feststellung  der  Faktoren-Einheiten  ohne  Bäc\- 

sieht   auf   deren   dekadische   Stellung,    für  welche    Einheiten  die  GneeliHi 

sogar  einen  technischen  Ausdruck,  nv^fiiveg^  haben*),  ist  mit  der  Technik 

ihrer  Schriftrechnung  nur  unvollkommen  vereinbar. 

Die   Stellenregel    des   Arohimedes    findet  sich  in  einer  bekazmtti: 

Stelle  seiner  Sandrechnung  {Wan(il%fig),    Nachdem  er  gezeigt  hat^  wie  dmch 

die  systematisch  aufsteigenden   Zahlenausdrücke  selbst  die  gr5£sten  Mengen 

(der  Sand  der  Erdoberfläche)  zum  Ausdruck  gebracht  werden  können,  f^rt 

er  fort:  „Dienlich  ist  aber  auch  das  zu  wissen:  wenn   von  Zahlen,  welche 

zu  der  Monade  (Einerstelle)  in  einer  gewissen  Proportion  (avaXoyUt)  stehen, 

etwelche  von  ihnen  unter  sich  multipliziert  werden  sollen,  die  in  derselben 

Proportion  stehen,  so  wird  auch  das  Produkt  in  der  nämlichen  Proportion 

(zu  ihnen)  stehen,  indem  es  von  dem  gröllseren  der  beiden  Multiplikatoren 

soweit  absteht,  als  der  kleinere  derselben  von  der  Monade  in  seiner  Pro* 

portion  absteht;  von  der  Monade  aber  wird  es  um  eine  Stelle  weniger  weit 

abstehen,    als    die  (Abstand8-)Zahl   beider   Faktoren   von    der  Monade  m- 

sammen  beträgt.*'^)     Verstftndlich  ist  also    diese  Doppelregel  kaum  ohne 

die  Httlfsmittel  der  Stellenarithmetik,  und  es  lädst  sich  nicht  verkenneo,  difs 

der  griechische  Schriftrechner  mit  der  ganzen  Fassung  dieser  Begel  auf  die 

Vorstellung  des  Abakus    zurückverwiesen   war.^)     Sie  ergiebt  nach  ihres 


9)  Er  findet  sich  in  dieser  Bedentnng  bei  Pappos,  fragm.  lib.  II ,  Sati  2T. 

10)  Text  nach  der  Ausgabe  von  Hbibero  2,  870:  Xffiijütfutw  di  icti  wi  tut 
yiyvo»«mtffi«iro«r.  il  %a  ä^i^fU»9  Soib  tag  {kowddog  Awaloyov  i69Tmw  voUcnr^''^' 
tnrti  T(vf(  illttXovQ  t&v  i%  tag  a^äg  äwuloylag^  6  y$96fU9ag  6^o£mQ  itftf^tVn 
i%  tag  ttvtäg  <hraXo/^c,  inixnv  inb  fikw  vod  luifSwog  töf  nolleadtttiaiavff 
ÄXXalovg^  ocovg  6  ildtttav  tAv  noUaxlacui^dwttap  imb  (tovddog  dyoiloyov  itiif*- 
icnb  dl  tag  i^owadog  ätfi^Bi  ivl  ilattovag^  rj  Scog  ictlw  6  i^U^itbg  ewanfpcti^^ 
c^*g  &Mixowtt  &Mb  lutvadog  oi  noUtailtt^uxidwtig  iXhilovg,  Ober  indojüty  f^ 
pofiio  im  rein  mathemaÜBchen  Sinne,  vergleicfae  die  klassische  Stelle  bei  ?J^-y 
Timaems  7.    Cicuo,  TVataais  4.  5. 

11)  Die  Unmöglichkeit^  die  Stellenbestimmong  nach  dieser  Begel  auch  nu^ 
den  graphischen  Hülfsmitteln  der  griechischen  Scbriftrechnnng  zn  bewerkatelÜgc^ 
soll  damit  nicht  behauptet  sein.  Man  konnte  die  ivaloyicci  und  die  ^^  Abstände" 
des  AftcHiitKDKs  immerhin  auch  auf  den  dekadisch  angeordneten  Beiben  ^^ 
alphabetischen  Zahbeichen  nach  nnatter  oben  gegebenen  DarsteUnng  bestiouD^ 


Die  Bechenmethoden  auf  dem  griechiflchen  Abakus.  345 

beiden  Formaliemngeo,  wenn  wir  die  Stellenzahl  der  beiden  Faktoren  durch 
a  und  b  ausdrücken,  fbr  die  Stelle  des  Produktes  (nämlich  für  die  Einer- 
stelle desselben)  die  Formel: 

^  «=  a  +  ^  —  1- 
Treten  wir  nun  mit  dieser  Operationsregel  an  den  Abakus  und  zwar 
an   die  vorbezeichnete   Stelle  der  Längsseite  mit  der  längsten  Zahlenreihe, 
5o   macht  sich  unverweilt  ein  weiterer  hier  wichtiger  Umstand  bemerkbar. 
Der  Bechner  hat  dann  die  Zeichenreihe  an  der  andern  Längsseite  umgekehrt 
Tor  sich,  dieselbe  kommt  daher  für  ihn   augenscheinlich   aufser  Betracht. 
Dagegen  steht  diejenige   an  seinem    eigenen   Standplatze  aufrecht  vor  ihm 
und   zwar   in    einer   Lage,    welche    einem    beständigen    Ln- Auge -behalten 
minder  günstig  ist.   Wohl  aber  entspricht  dieser  letzteren  Anforderung  auf 
das  beste  die  Zeichenreihe  an  der  linken  Schmalseite  der  Tafel  und  sie  hat 
für  diesen  Zweck  augenscheinlich  dadurch  noch  eine  besondere  Eignung  er- 
halten, dafs  ihre  Zeichen  erheblich  gröfser  sind  als  diejenigen  der 
beiden  Längsseiten.     Ohne  Frage   ist  also  diesen  beiden  Zeichenreihen 
nicht  blofs  eine  explikative,  die  Bedeutung  der  Kolumnen   anzeigende  Be- 
deutung,  sondern    eine   besondere  Funktion  in    den   Bechnungsoperationen 
selbst  zugedacht,  und  welche  diese  Funktion  sei,  ist  für  den   praktischen 
Kenner  der  Eigentümlichkeiten  des  Abakusrechnens  unschwer  zu  erraten. 

In  allen  Formen  des  Abakus  tritt  nämlich  beim  Multiplizieren  das  Be- 
dürfnis nach  dem  Festhalten  der  beiden  Faktoren  auf.  Der  chinesisch- 
japanische hilft  sich  da  durch  eine  starke  Verlängerung  seiner  der  antik- 
römischen sehr  nahe  kommenden  Einrichtung,  wobei  dann  mehrere  Zahlen 
nebeneinander  auf  dem  Abakus  platzfinden,  und  durch  eine  sehr  sinnreiche 
Technik  des  schrittweisen  Yerdrängens  des  Multiplikators.  Aber  der  Abakus 
der  BOmer  in  den  erhaltenen  Stücken  mit  verschiebbaren  Knöpfen^)  ver^ 
langt,  daÜB  man  die  Faktoren  entweder  mit  geschriebenen  Zahlzeichen  oder, 
wenigstens  einen  derselben,  mit  den  Fingern  notiere.  Das  bedingte  also  ein 
Hitwirken  der  Schrift  oder  auch  des  Gedächtnisses  beim  Bechnen,  wodurch 
dieses  noch  umständlicher  wurde. 

Die  Salaminische  Tafel  gestattet  nun  mit  ihren  Zahlenreihen  ein  An- 
setzen der  beiden  Faktoren,  und  es  ist  ganz  handgreiflich,  dafs  die 
untere  Zeichenreihe  beim  Bechnenden  für  die  Aufnahme  des  Multiplikators 
bestimmt  war,    diejenige    an  der   linken   Seite  aber,   mit  ihren   gröfseren, 


12)  Sie  entsprechen  genau  den  sog.  Eömern  des  ostasiatischen.  Übrigens 
benutiten  die  BOmer  gleich  den  Griechen  auch  eine  Tafel  mit  freibewegliohen 
Rechensteinen,  wie  dies  in  der  Natur  der  Sache  liegt  und  aus  zahlreichen  lite- 
nritchen  Andeutungen  heryorgeht 


346  Alfred  Nagl: 

stärker  markierteii  Zeichen,  för  die  des  Mnltiplikaiiden,  der  während  der 
BechnaDg  unveräudert  bleiben  nnd  beständig  im  Auge  behalten  werdoi 
mofs,  während  man  sich  yom  Multiplikator  die  eben  fongierende  ßtelk 
nur  einmal  anzusehen  und  dann  zu  merken  pflegte.  Aus  der  Technik  der 
ganzen  Methode  gelangt  man  auch  zu  der  Einsicht,  daCs  man  als  Multipli- 
kanden auf  dem  Abakus  in  der  Begel  die  an  Stellen  geringere  Zahl  iim- 
gieren  liefs,  was  auch  die  salaminische  Tafel  selbst  durch  die  kürzere  Beihe 
der  Zahlzeichen  an  der  Bchmalseite  anzudeuten  scheint. 

Die  Art  und  Weise  der  Markierung  der  Zahlen  auf  den  beiden  Zeiches- 
reihen  entbehrt  allerdings  jeder  Überlieferung;  es  sind  aber  ihre  genaueres 
Einzelnheiten  auch  gleichgiltig.  NatOrlich  geschah  sie  ebenfalls  durch  Auf- 
legen von  Steinchen  auf  die  Zeichen,  ganz  analog  wie  in  den  Eolamnen, 
also  bis  zu  yier  Steinchen  auf  den  dekadischen  und  durch  je  ein  Steinehen 
auf  den  pentadischen  Zeichen.  Dabei  wird  man,  sobald  die  Funktion  eines 
pentadischen  Zeichens  erforderlich  geworden,  dessen  Steinchen  mit  den* 
jenigen  des  dekadischen  zusanunengerückt  haben,  sodafs  sich  för  jede  deka- 
dische Stelle  eine  deutlich  geschiedene,  das  Anwenden  der  archimedischen 
Begel  erleichternde  Gruppe  darstellte.  Auch  wird,  um  die  Zeichen  sichtbar 
zu  erhalten,  das  Auflegen  der  Steinohen  nicht  auf  den  Zeichen,  sondern 
über  oder  unter  denselben  gegen  das  Innere  oder  Äufsere  der  Tafel  zn 
stattgefunden  haben. 

Bei  der  Wahl  eines  besondem  Bechenbeispieles  haben  wir  zu  erwftgBo, 
dafs  die  Multiplikation  Yon  Teilgröllsen,  wie  sie  die  Seitenkolumnen  nnd  die 
Zeichenreihe  der  salaminischen  Tafel  darstellen,  untereinander  praktisch  auch 
im  gemeinen  Leben  allerdings  Yorkommen  muIlBte,  da  das  System  der  Ge- 
wichte bei  den  Griechen  mit  den^jenigen  der  Geldteilung  völlig  übereio* 
stimmte,  ja  das  letitere  wohl  unmittelbar,  wie  das  römische,  aus  dem  Ve^ 
kehre  der  Zuwägung  des  Geldmetalles  entstanden  war.^') 

Die  Rechnung  in  gemeinen  ßrüchen,  die  wegen  ihrer  Anwend- 
barkeit auf  alle  Teilgröfsen  neben  den  Stellenbrflchen  (Sexagesimal-  und 
Dezimalbrüchen)  stets  eine  wichtige  Funktion  behalten  wird,  bildet  den 
wunden  Punkt  des  Abakus.  Auf  diesem  kann  gleichzeitig  nur  eine  ganz 
beschriLnkte  Zahl  yon  Brüchen,  für  die  die  Kolumnen  in  vomhinein  ra  be- 
stimmen sind,  dargestellt  und  verwendet  werden.  .Für  den  täglichen  Ver- 
kehr genügt  dies  allerdings,  allein  genauere  Rechnungen  drängen  hier  xv 

13)  Yei^l  HiXTScH,  Metit^logie  §  19.  Die  Drachme  in  6  Obolen  (bei.  der 
Stater  lu  IS  Obolen)  fügt  sich  genau  in  daa  Zwölfersytiem.  Die  TeUuig  d» 
ObolM  (—  S  Halb-,  4  Viertelobolen  und  8  ChaUnis)  berahi  auf  fortgeaetster  fiftl- 
bienmg  dieser  kleiasten  Mafaeinheit 


Die  Bechenmethoden  auf  dem  griechischen  Abakns.  347 

Schrift.     Die  Teilgröfsen  der  griechischen  Metrologie  gestatten  nur  die  Dar- 
stellung folgender  Brüche  und  ihrer  Vielfachen: 

I     C     T     X 

^  dargestellt  durch     3     —     —     — 

*  «  »         2 

i  „  »  1        1     —     — 

i        „  „-11- 

rsr        »  «  ^ 

I^F         w  .  M       —     —       ^       ^ 

r?        V  «  ^      T 

TT  «  w  ^i 

TB"  «  »  ''"T 

IT  «  »  ^ 

(Die  aniserdem  noch  darstellbaren  Brüche:  i  + 14'  "*  Ai  ^^'^^  H"  A 
^^  iV  "f"  1^  ^^  völlig  unpraktisch.) 

Die  Darstellung  dieser  Brüche   auf  dem  Abakus  kann  bei   dem  noch 
genau  in  dieses  System  fallenden  Bruch  -^  für  den  halben  Chalkus  wohl 
durch  ein  einfaches  Anskunftsmittel   erfolgen,  wie  allenfalls  Auflage  eines 
Steines  unterhalb  der  Chalkus-Kolumne.     Dagegen  fllllt  auf,   dafk  die  so 
naheliegende  Multiplikation  des  Obolus  mit  sich  selber  (i  X  i^=  ij^)  ohne 
ein  solches  Auskunftsmittel   für   den  ^  -  Chalkus  (allenfalls  Auflage  eines 
Steines   oberhalb  der  Kolumnen)  auf  dem  Abakus   nicht   ausführbar  ist. 
Dasselbe  gilt  für  die  Vielfa^^hen  dieser  hier  wichtigen  Bruchgrölse:  -f^  und  ^. 
Die  Multiplikation  dieser  Brüche  mit  ganzen    Zahlen  bietet   an  sich 
keine  grofse   Schwierigkeit.     Von  den  dekadischen   Einheiten  ergiebt  z.  B. 
die  Multiplikation  von  10000  mit  | :  1666^,  mit  ^ :  833|  u.  s.  w.,  was 
alles  einfach  darstellbar  ist,   aber  entweder  vorher  im  Kopfe  ausgerechnet, 
oder  Yon   vornherein   gemerkt  werden    muTs.     Beides    ist   der   praktischen 
Natar  des  Abakosrechnens,  bei  dem  man  mit  dem  Einmaleins  zur  Not  sogar 
io  der  Einschr&nkung  auf  1 — 5   seine  Auslangen  findet,  durchaus  zuwider. 
Die  Hitbenutzung  einer  vorgerichteten  Multiplikationstabelle  ist  daher 
^  diese  Einrichtung  ein  unabweisbares  Bedürfnis.     Die   nachfolgende  Auf- 
stellung einer  solchen  Tabelle  macht  natürlich  keinen  Anspruch  auf  Identiät 
^ii  einem  antiken  Formulare,  wohl  aber  wird  sich  dem  praktischen  Rechner 
ihr«  ünentbehrlichkeit  sofort  klarstellen,  sowie  er  bei  den  BraohgrOfsen  an- 


348  Alfred  Nagl: 

gelangt  ist.  Die  Zahlendarstellung  mit  den  altattischen  Zahlzeidien  ent- 
spricht darin  genau  den  Mustern,  die  uns  aus  den  attischen  ürknnden  be- 
kannt sind.^^)  Die  sich  hierbei  aufdrängende  Wahrnehmung,  d&Cs  diese 
schriftliche  Zahlendarstellung  in  genauer  Übereinstimmung  mit  der  media- 
nischen auf  dem  Abakus  selber  steht,  ist  fClr  die  Geschichte  dieser  Zahl- 
zeichen zu  wichtig,  als  dafs  hier  über  diese  Andeutung  hinausgegangec 
werden  könnte.  Für  die  Benützung  der  Tabelle  selbst  ist  nur  zu  bemerken, 
dafs  ihre  Produktansätze,  da  sie  aus  dekadischen  Einheiten  und  Stamm- 
brüchen  entstanden  sind,  im  einzelnen  Anwendungsfalle  mit  den  Pythmenes 
zu  multiplizieren  sind. 

Die  in  den  mathematischen  Schriften  der  Griechen  uns  erhaltenen 
Multiplikationsbeispiele  sind  durchweg  Quadrierungen  yon  Zahlen,  da  ae 
insgesamt  der  Prüfiomg  von  Quadratwurzeln  dienen.  Nichtsdestoweniger 
glaube  ich  ein  solches  einem  freiangenommenen  vorziehen  zu  sollen.  Ich 
wähle  hier,  als  der  Praxis  der  Geldrechnung  auch  in  den  Teilgröfsen  ent- 
sprechend, ein  Beispiel  bei  Eutokios  aus  denjenigen  zum  HL  Theoreme  der 
archimedischen  Kreisrechnung  ^^):  3013^  ^  X  3013^  |.  Es  siebt  in  der 
Originalform  ^^  mit  beigefügter  Darstellung  nach  modemer  Sechen  weise  ans 
wie  folgt: 

3013  i  i 
mit  3013  \  \ 

9,000.000,  30.000,  9.000,  1500,  750 

30.000,  100,  30,  5,  2i 

9000,  30,  9,  li,  i  +  i 
1500,  5,  li,  i,  i 

K  750,  2i,  i,  i,  i,  ^ 


^y*y    L     0 

inl 

^yiy    L     0 

M  M  fi'  ^a<p'  '^v 

M  q'  r  b'  ß'  L" 

fi'  A'  &'  a    L"  L" 

fi^>    £    a    L     0      ij 

6fi(yv 

tf;v    p    L     L     0     i; 

// 


tt 


gleich  9082689^^ 

14)  A.  BoBCKH,  ürk.  über   das  Seewesen   des  attischen  Staates  (StaaUhani* 
haltung  d.  A.  III)  und  Corp.  J.  G.  1  p.  184  ta.  Attic.  I  p.  48.  II,  II,  p.  1  bs. 

16)  Edit.  Heibebg  8,  S.  290.  Eutokios  schrieb  im  6.  Jahrhundert  n.  Chr.,  aUeio 
seine  Methode  ist  ganz  unyer&ndert  die  altgriechische  SchriftrechnnDg.  Di^ 
mathematischen  Schriften  der  Griechen  haben  zahlreiche  Beispiele  in  geneiseD 
Brüchen,  bei  denen  anch  in  unserer  modernen  Schriftrechnnng  die  deksdlBcbe 
Stellenmethode  nur  eine  beschränkte  Anwendung  hat.  Der  Text  bei  Vixam 
bedarf  mancher  Verbesserungen.  S.  296  Note  1  Linie  2  y.  o.  mnfs  es  hei/Mo 
1838^,  anstatt  ■^. 

16)  Und  mit  Unterlassung  jedes  unhistorischen  Versuches  einer  dekadisclzeB 
Anordnung,  wie  er  in  den  Ausgaben  gemeinhin  zutage  tritt.  Auch  der  SummeQ- 
strich  ist  quellenwidrig. 


Die  Bachenmethoden  auf  dem  griechiBohen  Abakua. 


349 


Maltiplikationstabelle  für  die  TeilgrSfsen  der  Drachme. 


oooo 

xi 


1666^ 
833| 
416* 
208 1 


M 

I 
C 

T 
X 


1000 

Xi 


1^ 


100 


166| 

m 


X 

I 
c 

T 
X 


H 


xPHr'APhmi 

PHHHAAAhhhll 

HHHHAPHIII 

HHPhhhIl 


HPAPHIII 
nAAAhhhll 
AAAAhllll 
AAIIIII 


xi- 

16* 

1 

APHIII 

T»I 

81 

C 

Phhhll 

^ 

H 

T 

hhhhl 

%h 

2l»T 

X 

hhC 

10 

A 

xt  = 

1* 

1 

hllll 

^ 

i 

C 

Hill 

A 

liVT 

HC 

iS 

iA 

X 

IT 

1 

h 

xt- 

i 

1 

1 

T«f 

T»l 

c 

C 

Vi 

iV 

T 

T 

A 

A 

X 

X 

I 


Xi-ijSr  I 


e 


Xi 


II 

"3^    C 


0 


III 

TT   ^ 


M 


ccc 


Xi. 


X  * 


T 
X 


II 


X 
7 


c 

T 
X 

X 


T 
X 


M 


TTT 


xi  = 


X 


48 


XXX 


xi=>A  I 


350  Alfred  Kagl: 

Um  der  Praxis  des  täglichen  Verkehres  noch  nfther  xa  kommen,  wollen 
wir  aufserdem  in  dem  einen  Faktor  die  höchste  Stelle  3000  wcgkssen, 
wodorch  auch  die  erste  Prodoktenreihe  wegfällt.  Das  Ergebnis  ist  dun 
(3013^  +  i)  X  (13|  +  i)  =  414393V ,     in    altattischer    Darstellimg: 

MMMMXHHHHAAAPhhhHTX. 

Die  Anstellung  der  Aufgabe  zeigt  zunächst  sämtliche  Eolumnen  leer 
und  den  kleineren  Faktor  als  Multiplikanden,  somit  die  nachfolgeode 
Form  der  beiden  Zahlenreihen: 


X  Die   Multiplikation  beginnt  der  Faktor  3000  der  Reihe  nach  mit 

>"  den   Multiplikanden   10  Ganze,   3   Gkmze,    3   Obolen  und  3  Halb- 
---•••  obolen,    deren    Produkte    gleichzeitig    in    die    Eolumnen    eingelegt 

Q.  werden.    Jeder  Multiplikator  wird  nach  Beendigung  seiner  Funktion 

<]  •  vom  Abakus  (untere  Beihe)  entfernt.    Bei  Beendigung  der  Mnitipü- 

^  0                    AAA          kation    steht    daher    die    untere   Zahlenreik 

E.  •             •     #f  #          leer   und   das   (Gesamtprodukt    liegt   in  des 

Es  ergeben  sich  im  vorliegenden  Falle  folgende  Einzelprodokte: 

Multiplikand  10   Ganze  (Drachmen),    3   Ganze,    3  Obolen, 

3  Halbobolen. 

a)  mit  Faktor  3000  Ganze  ergiebt  30  000  H 

9  000 

1600 

760 

b)  „  „  10       „  „  100 


30 
6 


n 


2  .      3  1 


^)        «  w  ^1»  n  ^0 

9 


n 

n 
n 


1    »       ^  w 


d)     „  „  3  Obolen  „  6 


„      3  „    3  C 


n 


"~  M       1-  w     1    n 

""  n  »     1^    w    ^    ' 


?)      „         „  3  Halbobolen  „  2  „     3  „ 


n      4  „     1    „ 

w  11     1    »    * 


w  n 


Summa  41  435  h  20  I  7  C  3  T  1  X 
Summa  nach  Ordnung  der  Numeration  4 1  439  h  —  I  —  CiTIa 
oder  41439^,  wie  oben. 


Die  Bechenmeihoden  auf  dem  griechiflclien  Abakus. 


351 


Die  AnsitLhraiig  auf  dem  Abakus  beginnt  also  mit  der  Multiplikation 
3  X  1  »^  3  und  der  Stellenbestimmung  4-(~2  —  1  =  5,  d.  i.  Einlage 
von  3  Psepben  in  den  unteren  Teil  der  fttnffcen  Kolumne.  ^^)  Folgt  die 
Multiplikation  des  Faktors  3  mit  3,  dann  mit  3  Obolen^^)  und  mit 
3  Halbobolen  und  die  Einlage  der  Produkte  9  in  der  vierten,  15  in  der 
dritten  und  vierten,  75  in  der  zweiten  und  dritten  Kolumne,  unter  gleich- 
zeitiger Ordnung  der  Numeration.  Es  befinden  sich  jetzt  an  Rechensteinen: 
in  Kolumne  5  unterer  Teil  4  Stftck,  in  Kolumne  4  unterer  Teil  1  Stück, 
in  Kolumne  3  unterer  Teil  2  Stück,  in  Kolumne  2  oberer  Teil  1  Stück, 
und  Kolumne  1  ist  noch  leer,  ebenso  die  Kolumnen  der  Teilgröfsen; 
Snmme  41  250  u.  s.  w.  Am  Schlüsse  der  ganzen  Bechnung  steht  an  der 
Seitenreihe  nach  wie  vor  der  Ansatz  13  Oanze  (Drachmen),  3  Obolen, 
3  Halbobolen,  die  untere  Reihe  ist  leer  und  das  Linienschema  bietet 
folgende  Gestalt: 


\^ 

• 

4 

1  •  M  i 

Mit  der  dargestellten  Lage  des  Abakus  am  Schlufs  der  ganzen  Mul- 
tiplikation haben  wir  zugleich  schon  einen  wichtigen  Schritt  in  unserer 
letzten  Aufgabe,  der  Feststellung  der  Divisionsmethode,  gewonnen, 
n&mlich  die  Anstellung  der  Aufgabe.  Der  Dividend  lag  in  den  Kolumnen, 
der  Divisor  war  markiert  an  der  linken  Seitenreihe  und  die  untere  Reihe 
stand  leer  für  die  Aufiiahme  der  Quotienten.  Ganz  unvermeidlich  mufste 
ja  der  griechische  Abacist  nach  Beendigung  einer  jeden  Multiplikation 
darauf  geraten,   dafs    sich    die    dargestellte   Operation    genau   auf 


17)  Man  wird  praküsch  mit  der  StellenbestimmnDg  beginnen,  die  Stelle 
zunächst  dm'ch  Einlage  eines  Steines  in  die  betreffende  Kolumne  ganz  unten 
markieren  und  demselben  dann  nach  Multiplikation  der  Pythmenen  die  Ergänzung 
aof  das  Produkt  zulegen. 

18)  An  dieser  Stelle  beginnt  die  Funktion  der  Multiplikationstabelle.  Die 
beiden  Pythmenen  sind  8  und  8.  Man  wird  nun  in  der  Tabelle  den  Faktor 
X  (1000)  mit  I  (I)  aufsuchen^  von  dem  Produkte  HPAPhllll  jede  einzelne 
Zahl  oder  Zahlengruppe  mit  den  beiden  I^thmenen  8  und  3  multiplizieren  und 
die  Produkte  in  die  betreffenden  Kolumnen  einlegen.  Für  die  n&chstfolgende 
Multiplikation  3000  mit  8  Halbobolen  dient  dann  gleicherweise  der  unmittelbar 
folgende  Ansata  der  Tabelle. 


352  Alfred  Nagl: 

demselben  Wege  auch  wieder  integrieren  lasse.  Und  so  hmi 
über  die  Divisionsmethode  der  Griechen  auf  dem  Abakus,  wenigstens  ie 
ihrer  Wesenheit,  kein  Zweifel  übrig  bleiben.  Dabei  ist  immer  zu  meiieD, 
dafs  die  Wahl  eines  zn  kleinen  Quotienten,  die  in  unserer  Schziflrechniug 
als  ein  Fehler  sich  darstellt,  auf  dem  Abakus  den  Gang  der  Operatios 
wohl  um  je  einen  Schritt  verlängert,  ein  Zulegen  des  ergänzenden  Qao- 
tienten  und  ein  wiederholtes  Herausnehmen  des  Produktes  aus  dem  io  des 
Kolumnen  angestellten  Dividenden  erfordert,  sonst  aber  keinerlei  UnznkQnus* 
lichkeit  verursacht.  Es  handelt  sich  dann  hierbei  nur  noch  dämm,  die 
Numeration  auf  der  unteren  Zeiohenreihe,  wo  jetsd  die  Quotienten  ent- 
stehen, in  analoger  Weise  zu  ordnen,  wie  dies  bei  der  Multiplikation  is 
den  Kolumnen  geschehen  mufste.  Für  die  Stellenbestimmung  der  eiit- 
zelnen  Quotienten  gilt  die  komplementäre  Form  der  archimedischen  Mnl- 
tiplikationsregel : 

a  =  p  —  6  +  1 ; 

die  um  1  erhöhte  dekadische  Stellenzahl  des  Dividendus  (n&mlich  der  Einer- 
stelle desselben)  weniger  der  Stellenzahl  des  Divisors  bestimmt  die  dekadische 
Stellung  des  Quotienten.  Wie  sich  dann  die  Subtraktion  des  Produktes  vas> 
dem  in  den  Kolumnen  stehenden  Dividenden  mit  den  hiezu  nötigen  Auf- 
lösungen vollziehe,  bedarf  hier  eben&lls  keiner  besonderen  Erlänterong. 

Von  Darstellungen  der  Division  habe  ich  in  den  griechischen  Schrift- 
rechnungen  ein  einziges  Beispiel  gefanden,  in  Theons  Kommentar  znr  niathe- 
matischen  Sjntaxis  des  Ptolemäus,  und  zwar  mit  Sexagesimalbrüchen.  i 
Wir  können  daher  auf  die  Darstellung  dieser  Operation  im  Einzelnen  hier 
nicht  eingehen,  sondern  wollen  daraus  nur  die  wichtige  Regel  anmerken, 
welche  Theon  für  die  Division  von  Brüchen  durch  Brüche  im  Sexagesimal- 
sjstem  hervorhebt,  weil  die  Kenntnis  einer  analogen  Regel  auch  für  die 
Operation  mit  gemeinen  Brüchen  notwendig  war,  wenn  nicht  wieder  die 
Multiplikationstabelle  in   Gebrauch    genommen   wurde.      „Es  geben ^\  sagt 

Theon  a.  a.  0.,  „die  Minutae  primae  [zic  iCQSna  i^rixovta  =  w^  durch  Game 
gemessen  (tcb^I  ftiv  (lotQag  iiBQii6(Afva)  wieder  |>nma<;;  gemessen  durch  i^nfft^^ 
geben  sie  Ganze;  die  secundae  (rx^  =  ägö)  geteilt  durch  Ganze  geben 
secundaej   durch  primae  geben  sie  primae,   die  tertiae  (gös)    g®^^'  ^^^ 

19)  Das  Beispiel  findet  sich  im  nennten  Kapitel  des  Kommentara  zum  erstes 
Buche  der  Syntaxis.  Ptolsicascs  lebte  um  die  Mitte  des  zweiten,  Tbbon  gegen 
Ende  des  vierten  Jahrhunderts  n.  Chr.,  beide  eu  Alexandrien.  Es  liegt  keisc 
Andeutung  vor,  dafs  sich  die  griechische  Rechenweise  in  diesem  ZeitnniDC 
irgendwie  verändert  habe. 


Die  Rechenmethoden  auf  dem  griechischen  Abakus.  358 

primae  geben  secundae  u.  s.  w.".  Es  ist  die  Divisionsregel,  die  wir  in 
unseren  Dezimalbrüchen  wiederfinden  können.  Theon  nimmt  für  das  Bei- 
spiel der  DiTision  den  Ansatz 

1515«  20'  15"  :  25»  12'  10"  (l515  +  ^J  +  ^  :  25  +  g  +  ^)- 

Er  beginnt  sogleich  mit  der  Bestimmung  des  grOfsten  Quotienten  60, 
und  so  können  wir  voraussetzen,  dafs  ein  geübter  Rechner  auch  auf  dem 
Abakus,  gleich  uns,  mit  der  Messung  des  Divisors  in  der  höchsten  Stelle 
des  Divideiidus  begonnen  und  dabei  für  die  Stellenbestimmung  des  Quo- 
tienten jener  komplementären  Form  der  archimedischen  Regel  sich  bedient 
haben  werde.  ^)  Dklambrb  in  seinem  sehr  lesenswerten  Kapitel  über  die 
Arithmetik  der  Griechen'^),  für  die  er  den  Mangel  einer  didaktischen  Dar- 
stellung der  Rechnungsoperationen  (Logistik)  als  auffallend  bezeichnet,  hebt 
hervor,  dals  die  Griechen  gleich  uns  ihre  Divisionen  von  links  nach  rechts 
ausgeführt  haben;  er  meint  aber,  ihre  Operationen  seien  umständlicher  als 
die  unsrigen  gewesen  und  hätten  seitliche  Teiloperationen  und  Subdivisionen 
notwendig  gemacht:  „les  tdUmnemenis  et  Ua  essaüs  de  quoHmts  äaieni  plus 
frequenis  et  plus  longa."  In  Bezug  auf  die  schriftliche  Methode  der  Griechen 
sind  diese  Bemerkungen  ohne  Zweifel  richtig.  Für  den  Abakus  treffen  sie 
aber  keineswegs  zu,  da  auf  diesem  gerade  die  Division  durch  das  natürliche 
Anwachsen  von  allenfalls  zu  klein  gewählten  Quotienten  eine  wesentliche 
Erleichterung  und  einen  ruhigen  Gang  gewann.  — 

Die  angeführten  Stellen  bei  Hbbodot  und  Polybius,  aber  auch  andere, 
wie  bei  Aribtophanbs:  „Zuerst  nun  überrechne  dir's  obenhin,  nicht  mit 
Bechensteinen,  sondern  blofs  mit  der  Hand''"),  zeigen  deutlieh,  wie  diese 
Einrichtung  neben  der  Fingerrechnung  vor  dem  Aufkommen  der  schrift- 
lichen Methode  die  einzige  und  allgemeine  Rechenweise  der  Griechen  ge- 
wesen war.  Insbesondere  möchte  ich  aus  dem  aasschliefslidhen  Gebrauche 
der  sog.  Herodianischen  Zahlzeichen  in  den  von  Boeckh")  herausgegebenen 
Urkunden,  das  Seewesen  der  Athener  betreffend,  den  Schluls  ziehen,  da& 


20)  Es  verdient  angemerkt  zu  werden,  dafs  die  archimedische  Stellenregel 
und  ihre  Fonktion  im  Mittelalter  unter  ähnlichen  Verhältnissen  wieder  znm  Vor- 
schein kommt  Vergl.  meine  Schrift:  „Das  Quadripartitum  des  Joannes  db  Murib 
und  das  praktische  Rechnen  im  vierzehnten  Jahrhundert/'  Abhandlungen  zur 
Geacbichte  der  Matbem.  V,  185—146. 

21)  DsLAKBiiB,  Histoire  de  TAstronomie  ancienne,  vol.  II  (Paris  1817)  chap.  I 
P-  28,  Resum^.  Eine  logistische  Schrift  wird  erwähnt  Ton  Eutoxxos  a.  a.  0^ 
n&Dilich  die  Logistika  des  Maonob. 

22)  Vespae,  ?.  666 :  Kai  n(f&%ov  {lIv  l6Ytcai  tpavltog  (lii  %l»/iipoig  iclV  intb  x^t^» 

23)  Vgl.  Anm.  14. 

Abh.  m  GMcb.  d.  Mathmn.  IX.  23 


354  Alfred  Nagl: 

zu  Athen  bis  tief  in  das  dritte  Jahrhundert  v.  Chr.  der  Abakns  neben  der 
Fingerrechnung  die  ausschlieijsliche  oder  doch  vornehmliche  praktische  Bei^h- 
nungseinrichtang  geblieben  ist.  In  der  That  zeigt  sich  gerade  die  sala- 
minische  Tafel  in  ausgezeichneter  Weise  geeignet,  die  Funktion  einer 
Pechentafel  zu  erfüllen. 

Ich  gehe  nnn  an  die  Aufgabe,  die  abweichenden  Meinungen  über  diese 
Tafel  zu  prüfen. 

Eine  Ansicht,  dafs  die  Stellung  des  Operierenden  anoi  leiehenloseo 
Schmalrande  gewesen  sei^),  konnte  nur  den  mehrfachen,  hMat  mm- 
länglichen  Zeichnungen  der  Tafel  entsprungen  sein.  Die  Probe  anf  die 
wirklichen  ^Dimensionen  ergiebt,  dafs  der  Rechner  von  dort  aus  nicht  einmal 
das  mittlere  Linienschema  mehr  mit  Leichtigkeit  erreicht,  die  Zahlenreihen 
der  Längsseiten  beide  umgekehrt  (!)  vor  sich  gehabt  und  diejenige  der 
anderen  Schmalseite  kaum  mehr  gesehen  haben  würde. 

Eine  andere  Meinung  geht  dahin,  dafs  diese  Tafel  zugleich  auch  oder 
ausschliefslich  als  Spieltafel  gedient  habe.  Man  dachte  sich  oflfonbar  u 
die  zweite  L&ngsseite,  wegen  der  dort  befindlichen  Zahlzeichen,  eine  zweite 
Person,  also  zwei  sich  gegenüberstehende  Spieler.  Allein  abgesehen  davon, 
dafs  die  in  jedem  Anbetracht  vollständige  Übereinstimmung  der  salaminischen 
Tafel  mit  dem  römischen  Rechenabakus  und  insbesondere  ihre  geradezu 
vortreffliche  Einrichtung  für  diesen  Zweck  keinen  plausiblen  Grund  übrig 
lassen,  bei  derselben  an  eine  andere  Verwendung  zu  denken,  so  stOfst  ihre 
Benutzung  als  Spieltafel  auf  starke  Bedenken.  Spiele,  soweit  sie  Zahlen 
und  deren  Verhältnisse  zum  Gegenstand  haben,  bewegen  sich  aus  nabe- 
liegenden Gründen  ausschliefslich  in  ganzen  Zahlen.  Was  sollten  also 
hierbei  die  Kolumnen  und  Zeichen  für  die  Teilzahlen?  Die  Brettspiele  der 
Alten  kennen  wir  übrigens  ziemlich  vollständig,  es  ist  keins  daronter, 
welches  mit  dieser  Tafel  sich  irgendwie  in  Zusammenhang  bringen  liefse. 

Den  Anlafls  zu  dieser  Meinung  hat  die  Zahlenreihe  an  der  zweiten 
Längsseite  gegeben.  Es  ist  allerdings  nicht  erweislich,  wozu  sie  gedient 
habe.  Die  annehmbarste  Deutung  scheint  mir  ihre  Bestimmung  f&r  sog. 
linkshändige  Personen,  da  solche  an  der  andern  Seite  allerdings  nicht  on- 
wesentlich  behindert  gewesen  wären.     Am  allerwenigsten   ist  die  Ansicht 


24)  FuEDLEnr  in  Zeitschr.  f.  Math.  u.  Pbys.  IX  (1864)  S.  297  und  Zahlzeicbeo 
S.  74.  FmEDLEnr  hatte  das  Mirsgeschick,  von  der  salaminischen  Tafel  nur  die  io 
Zeichnung  und  Verhältnissen  ganz  falsche  Darstelinng  in  Oebhakdt^s  ArcL  Ztg. 
1848,  S.  42  zu  kennen.  Über  die  von  ihm  angezweifelte  Traneversallinie  TergL 
den  an  Ort  und  Stelle  geschriebenen  Brief  IUhojjiA's  a.  a.  0.  295:  ^Üne  li^ 
iransversdU  coupe  ces  onze  lignes  perpetidieulairement  et  en  deux  parties  egales.^' 


Die  Bechenmethoden  auf  dem  griecbiBcben  Abakna.  355 

annehmbar,  dals  diese  Tafel  als  Rechentafel  und  gelegentlich  zugleich  auch 
dem  frivolen  Zwecke  des  Spieles  gedient  habe,  denn  dazu  ist  der  Oegen- 
satz  im  Charakter-beider  Bestimmungen  ein  zu  gro&er. 

Didaktische  Schriften,  welche  das  Rechnen  auf  dem  Abakas  zum 
Gegenstände  hatten,  sind  uns  aus  dem  Altertume  nicht  erhalten,  ja  es  be- 
stehen überhaupt  nur  sehr  unsichere  Anhaltspunkte,  dals  solche  Lehr- 
anweisungen existiert  haben.  Sie  stolsen  stets  an  die  Unausf&hrbarkeit 
ausreichender  bildlicher  Darstellungen.  Diese  Methode  ist  im  besonderen 
dazu  bestimmt,  auf  der  Tafel  selbst  und  durch  unmittelbare  Operationen 
gelehrt,  gezeigt  zu  werden. 

Die  Griechen  haben  bekanntlich  das  Rechnen  nicht  der  Arithmetik 
(Lehre  yon  dem  Wesen  und  den  Eigenschaften  der  Zahlen),  sondern  der 
Geometrie  als  „Logistik"  angegliedert.  Auch  dieser  auffallende  Umstand 
findet  seine  Erklftrung  im  Abakus,  in  der  mechanischen  Einrichtung  f£br 
das  Rechnen,  also  in  einem  rein  ftufserlichen  Umstände.  Das  Brett,  welches 
fär  die  darstellende  Geometrie  bestimmt  war,  diente  zugleich  der  Logistik. 
Nur  muls  da  gegen  die  aus  der  steten  Verbindung  von  G^metrie,  Brett 
und  Staub,  dann  den  Rechnungsoperationen  heryorgegangene  Meinung,  als 
ob  gleich  den  geometrischen  auch  den  logistischen  Operationen  die  Staub- 
flftche  gedient  hfttte,  Widerspruch  erhoben  werden.  Eine  einfache  prak- 
tische Probe,  wonicht  das  Nachdenken  an  sich,  genügt,  um  zu  erkennen, 
dafs  ein  Rechnen  nach  der  Methode  des  Abakus  auf  einem  in  den  Staub 
gezeichneten  Eolumnenschema  einfach  widersinnig  gewesen  w&re.  Das  be- 
ständige Hemmgreifen  im  Staube  und  die  notwendige  Folge  hiervon,  das 
Verwischen  der  Linien,  machen  jede  weitere  Ausführung  hierüber  entbeh]> 
lieb.  Es  ist  aber  nicht  abzusehen,  warum  die  Griechen  nicht  gleich  von 
Tomeherein  darauf  verfallen  sein  sollten,  die  eine  Seite  des  Brettes,  mit 
vielleicht  erhabenen  Rändern,  für  die  Aufnahme  der  Staubfl&che  zu 
den  geometrischen  Zeichnungen  und  Schriftbeweisen,  die  andere  aber  zur 
Aufnahme  des  Rechnungsabakus,  beigestellt  mit  dauernden  Farben,  zu  be- 
stimmen. 

Mit  dieser  Rechentafel  haben  also  die  Griechen  in  der  That  ein  sehr 
rein  und  praktisch  entwickeltes'  dekadisches  Stellenrechnen  verlassen,  dessen 
Voizfige  durch  die  grölsere  Bequemlichkeit  der  griechischen  Schriftrechnung 
nicht  entferat  aufgewogen  worden.  Übrigens  haben  sie  damit  in  der 
Kulturgeschichte  wenig  Glück  gehabt.  Denn  aufser  der  Sphäre  ihres  un- 
mittelbaren Eultureinflusses  —  die  Hebräer  haben  die  griechische  Methode 
der  Alphabetzahlen  angenommen,  und  die  griechischen  Alphabetzahlen 
finden  sieb  auch  in  den  Handschriften  der  gotischen  Ulfilas- Bibel  — ,  hat 

28* 


356  Alfred  Nagh 

kein  Volk  diese  Methode  aDgenommen,  insbesondere  nicht  das  römiscbe. 
oder  irgend  ein  anderes  Volk  des  Abendlandes  im  Mittelalter.  Der  Zweck 
jeder  Rechenmethode,  das  Ged&chtnis  des  Rechnenden  zn  entlasten,  ihsi 
dorch  graphische  Hilfsmittel  die  geistige  Vorstellung  der  Zahlenbewegungoi 
nach  Möglichkeit  abzunehmen,  wird  durch  die  schriftliche  Methode  der 
Griechen  in  einer  weit  unvollkommeneren  Weise  erreicht,  wie  dnrch  (b 
Abakus.  Es  ist  also  nicht  zu  verwundern,  dafs  die  Praxis  des  AbendkDds 
dem  letzteren  sich  niemals  abwandte. 

Noch  möge  schliefslich  bemerkt  werden,  dafs  die  salaminisehe  Tafel 
keineswegs  das  einzige  Monument  des  griechischen  Abakus  ist.  Dazu  g^ 
hört  auch  ein  anfangs  der  70er  Jahre  auf  Naxos  gefundenes  sog.  cipiafu 
(Mefsvorrichtung)  ^^),  eine  Steintafel  mit  FlüssigkeitsmaCsen,  welche  am 
Schmalrande  rechts  die  Zahlzeichen: 

XPHPAPhTIC 

hat  (das  T  also  hier  ein  Vielfaches  des  Obol,  am  wahrscheinlichsten  ein 
Triobolion),  augenscheinlich  zu  den  Geldrechnungen  bestimmt.  Insbesondere 
aber  kann  hier  nicht  unerwähnt  bleiben  die  Darstellung  des  rechnenden 
Tributeinnehmers  auf  der  berühmten,  in  einem  Grabe  bei  Canosa  (Cann- 
sium,  sw.  von  Barletta)  gefundenen  sog.  Dariusvase.^^)  Derselbe  hat  den 
Abakus  vor  sich  mit  der  Zeichenreihe  an  der  rechten  Seite.  Die  Dar- 
stellung ist  nur  rudimentär'^),  es  fehlt  das  Linienschema,  aber  die  Psepbeo 
sind  darauf  ersichtlich  (HsYDEMAmr  hält  sie  irrig  für  aufgezähltes  Geld). 
Die  Zeichen  haben  die  böoüsche  Form,  ihre  Reihe  beginnt  anstatt  des 
Talentzeichens  mit  dem  der  Myriade,  M,  dem  das  böotische  Tansender- 
zeichen  folgt.  Es  fehlen  die  in  der  That  überflüssigen  pentadischen  Zeichen 
und    selbst    das    vorhandene    P    ist    nur   iirig    anstatt    des    böotischen 

25)  Siehe  A.  Ddmont  in  Revue  arch^ol.  N.  8.  XXVI  (1878),  43.  In  diese 
Klasse  gehört  wahrscheinlich  auch  das  Fragment  aus  Thyrrheion  in  Akanuuueo. 
Bull,  de  corr.  hellen.  X  (1886),  179.  —  Siehe  nun  auch  Anm.  2.  Nach  Doion 
a.  a.  0.  46  soll  die  Tafel  BAsaAB^b's  sich  damals  (1878)  im  Masenm  des  „Tharmi 
der  Winde"  sa  Athen  befanden  haben. 

26)  Jetzt  im  Musenm  za  Neapel.  Abbildung  in  Monumenti  ined.  pMl.  diff 
ist.  dl  corr.  arch.  DC  (1869—1878)  tav.  LX.  YergL  H.  H«tdkmaäh  in  den  Ätmaii 
dieses  Institutes,  XLV  (1873),  20  und  über  die  böotischen  Zahlzeichen:  F.  Aschxbos 
in  Gebbardt'b  Arch.  Ztg.  1867,  Nr.  108  f.  HfeTtmcAmr,  Die  Vaaensammlong  dei 
Mus.  naz.  zu  Neapel  b.  8268  und  p.  671,  Bobgkh  in  C.  J.  G.  I,  p.  744^  Fu^ 
£1.  epig.  gr.  p.  348. 

27)  Ähnlich  wie  die  Darstellung  der  Linienrechnung  auf  einem  Eupfenücbe 
bei  Van  Look,  Hedendaagsche  Penningkunde  S.  162. 


Die  Bechenmethoden  auf  dem  griechischen  Abaktus. 


357 


Einerzeichens  I  eingestellt.  Es  folgen  noch:  O,  das  böotische  Zeichen  für 
den  Obol,  <  für  den  Halbobol  und  T  für  das  Tetartemorion,  den  Viertel- 
obol.  Das  Zeichen  des  Chalkus  fehlt  Diese  Darstellung,  welche  so  schön 
den  Zweck  der  salaminischen  Tafel  zur  ftuliseren  Erscheinung  bringt,  möge 
hier  als  Schlufsvignette  unseren  Ausfuhrungen  nachfolgen. 


m  ^i 


DIE  GESCHICHTE  DER  EXAKTEN  WISSENSCHAFTEN 
UND  DER  NUTZEN  IHRES  STUDIUMS. 


VON 

FERD.  BOSENBERGER 

IN   FRANKFURT   AM   MAIN. 


Die  Wissenschaften  sind  entwicklungsföhige  Einzelwesen  von  perso- 
nellem Charakter  mit  zeitlich  ganz  bestimmten  Entwicklungsrichtnngen,  and 
fast  mehr  noch  als  bei  menschlichen  Personen  hängt  der  momentane  Cha- 
rakter bei  einer  Wissenschaft  von  ihrer  Vorentwicklang  ab.  Man  sagt, 
daJOs  jeder  tierische  Organismus  alle  Perioden  seines  Werdens,  ja  selbst  alle 
Entwicklungsstufen,  durch  welche  seine  Vorfahren  hindurchgegangen,  noch 
in  deutlich  erkennbaren  Resten  an  sich  trage.  Sicherer  aber  noch  als  für 
tierische  Individuen  gilt  dieser  Satz  für  das  Wesen  und  das  Werden  einer 
sich  organisch  entwickelnden  Wissenschaft. 

Trotzdem  verkennt  man  vielfach,  selbst  in  Kreisen,  die  sich  mit 
gr&fstem  Eifer  und  gröfstem  Erfolg  um  den  Fortschritt  der  exakten  Wissen- 
schaften bemühen,  den  Wert  der  Geschichte  dieser  Wissenschaften  und  hält 
sich  von  geschichtlichen  Studien  fast  geflissentlich  fem.  Gerade  den  er- 
staunlich schnellen  Fortschritt  der  experimentellen  Disziplinen  benutzt  man 
wohl  auf  dieser  Seite,  um  das  zurückschauende,  scheinbar  den  Fortschritt 
nur  verlangsamende  geschichtliche  Studium  zur  Zeit  noch  als  unthunlich 
und  selbst  unmöglich  oder  doch  als  schädlich  oder  wenigstens  als 
einen  für  diese  Wissenschaften  unnützen  Luxus  zu  bezeichnen.  Solchen 
Angriffen  und  Ansichten,  die,  allerdingrs  mehr  unausgesprochen,  sich  doch 
noch  immer  wirksam  zeigen,  mit  einigen  Sätzen  gegenüber  zu  treten,  hielt 
ich  in  dieser  Festschrift  ftlr  besonders  am  Platze. 

Die  Behauptung  einer  Unmöglichkeit  der  Geschichtschreibung  für  ent- 
wicklungsflQiige  Wissenschaften,  die  schon  eine  reiche  Vergangenheit  haben, 
klingt  allerdings  von  vornherein  paradox,  erhält  aber  durch  die  Begrenzung 
auf  bestimmte  Wissenschaften  und  bestimmte  Momente  ihrer  Entwicklung 
einen  immerhin  möglichen  und  begreiflichen  Sinn.  Man  giebt  nämlich  bei 
jener  Behauptung  ganz  gern  zu,  dafs  sogenannte  tote  Wissenschaften, 
deren  Entwicklung  längst  abgeschlossen  ist,  notwendig  historisch  begriffen 
werden  müssen  und  nur  so  verstanden  werden  können,  will  aber  die 
exakten  Wissenschaften  dann  um  so  strenger  von  einer  solchen  Be- 
handlung ausschliefsen,  weil  sie  in  ihrem  schnellen  Flusse  derselben  nicht 
standhielten;  von  einer  Geschichte  dieser  Wissenschaften  könne  danach  erst 


362  Ferd.  Rosenberger: 

in  Stillstandsperioden  der  Entwicklung  ernster  die  Bede  sein,  die  aber  ia 
absehbarer  Zeit  kaum  zu  erwarten  wftren.  Doch  ist  damit  die  Trennaog 
zwischen  den  toten  und  lebendigen  Wissenschaften  entschieden  zu  streng 
gefalüst,  denn  in  Wirklichkeit  giebt  es  keinen  so  absoluten  Unterschied 
zwischen  denselben,  daüs  man  die  einen  als  durchaus  historisch  und  die 
andern  als  nur  modern  bezeichnen  könnte.  W&re  eine  Wissenschaft  wirk- 
lich ganz  entwicklungsunffthig  geworden,  so  würde  sie  dadurch  den  Zu- 
samraenhang  mit  der  menschlichen  Erfahrung  yerloren  und  aufgehört  haben 
als  Wissenschaft  zu  existieren.  Umgekehrt  aber  giebt  es  auch  keine  noch 
so  lebendige  Wissenschaft,  die  nur  in  der  Gegenwart  existierte  und  die  nicht 
zu  jeder  Zeit  einen  gewissen  Abschlufs  erstrebte,  der  eine  Grenze  zwi- 
schen der  in  Bildung  begriffenen  Gegenwart  und  der  vollendeten 
Vergangenheit  setzte.  Jede  Zeitepoche  ist  bemüht,  sich  auf  Grund  der 
gewonnenen  Erfahrungen  eine  geschlossene  Weltanschauung  zu  bilden;  nnd 
je  mehr  man  von  den  Erfolgen  der  Gegenwart  Überzeugt  ist,  desto  mehr 
wird  man  glauben,  nur  von  diesen  aus  das  bis  jetzt  Errungene  verstehen 
zu  können.  Viele  für  den  Fortschritt  begeisterte  Forscher  behaupten  aller- 
dings, dafs  es  während  der  Epochen  schnellster  Entwicklung  nicht  an  der 
Zeit  sei  Geschichte  zu  schreiben,  und  nehmen  daraus  Veranlassung  ihre 
geschichtlichen  Studien  ad  calendas  graecas  zu  vertagen.  Doch  hat  ihne& 
das  thatsächliche  Geschehen  nie  wirklich  Becht  gegeben,  und  meist  sind  in 
den  Perioden  schnellsten  Fortschreitens  einer  Wissenschaft  auch  geschicht- 
liche Darstellungen  ihres  Werdens  zahlreich  versucht  worden.  Dement- 
sprechend hat  gerade  die  physikalische  Disziplin,  welche  in  der  Neoseit 
sich  am  schnellsten  entwickelte,  die  Elektrik,  nicht  die  wenigsten,  son- 
dern, vielmehr  die  meisten  Schilderungen  ihrer  Entwicklungsgeschichte 
aufzuweisen,  und  diese  Darstellungen  sind  nicht  in  Perioden  Verhältnis* 
mäfsigen  Stillstands,  sondern  vielmehr  in  Zeiten  schnellsten  Fortschreitens, 
wie  nach  der  Erfindung  der  Elektrisiermaschine  und  der  Verstftrkungsflasehe, 
nach  der  Entdeckung  des  Galvanismus  und  endlich  in  der  Gegenwart  er 
schienen. 

Dieselbe  Schwierigkeit,  welche  man  hier  der  Geschichtsschreibung  ent- 
gegenhält, das  ewig  Veränderliche,  die  stete  Weiterentwicklung  ihres  Gegen- 
standes, stellt  sich  übrigens  auch  den  Darstellungen,  der  systematisches 
Wissenschaft  selbst  entgegen.  In  der  That  veralten  in  fruchtbaren  wissen- 
schaftlichen Epochen  die  Lehrbücher  der  systematischen  Wissenschaften  noch 
schneller  als  die  geschichtlichen  Darstellungen,  und  manche  von  dieses 
werden  schon  während  des  Zeitraums  von  ihrer  Niederschrift  bis  zn  ihrem 
Erscheinen  im  Buchhandel  durch  die  Ereignisse  überholt  Aber  diese  That- 
Sache  hat  doch  niemals  weder  von  der  Ausarbeitung,  noch  von  dem  An- 


Die  GeBchichte  der  exakten  WisaeDBchaften  nnd  der  Nutzen  ihres  StadiumB.    363 

kaof  nnd  dem  Gebrauch  solcher  Bücher  zurückgehalten,  sondern  hat  viel- 
mehr das  Entstehen  immer  neuer  Bücher  nur  befördert.  Ist  es  aber  zu 
jeder  Zeit  möglich  die  Wissenschaft  trotz  des  nie  endenden  Fortschritts  als 
ein  systematisches  Ganze  darzustellen,  so  kann  es  auch  zu  keiner  Zeit  un- 
möglich sein,  die  Geschichte  dieses  Systems  zu  schreiben.  Die  exakten 
Wissenschaften  sind  allerdings  bei  der  stetig  wachsenden  Erfahrung  in 
immerwährender  Umbildung  begriffen,  die  von  Niemand  zum  Stillstand  ge- 
bracht werden  kann;  aber  jeder  einzelne  Forscher  hat  doch  das  Recht  und 
die  Pflicht,  fOr  sich  zu  jeder  Zeit  innezuhalten,  um  in  rückwärtsschauender 
Betrachtung  die  Entwicklung  und  damit  das  Wesen  der  Wissenschaft  selbst 
zu  übersehen  und  zu  erforschen.  Mag  es  sein,  dafs  das  Bedürfnis  hierzu 
in  verschiedenen  Zeiten  nur  mehr  oder  weniger  intensiv  und  oft  nur  recht 
yereinzelt  empfunden  wird;  der  gänzliche  Abweis  aller  historisch-kritischen 
Betrachtungen  erscheint  doch  auch  für  die  exakten  Wissenschaften  niemals 
wirklich  objektiv  begründet  und  nur  das  Resultat  persönlicher,  subjektiver 
Empfindungen  zu  sein. 

Lälst  sich  auf  diese  Weise  die  Behauptung  einer  Unmöglichkeit  der 
ßeschichtsschreibung  fGü:  keine  Zeit  aufrecht  erhalten,  so  hält  man  auf 
manchen  Seiten  um  so  eifriger  an  der  Charakterisierung  der  Geschichte  als 
eines  wenigstens  zu  gewissen  Zeiten  und  für  gewisse  Stufen  der  wissen- 
schaftlichen Ausbildung  schädlichen  Moments  fest.  In  der  That  giebt  es 
nicht  wenige  bedeutende  Forscher  und  erfolgreiche  Lehrer,  welche,  wenn 
auch  nicht  für  den  vollendeten  Gelehrten,  so  doch  für  Schüler  und  noch 
nicht  selbständige  Mitarbeiter  geschichtliche  Betrachtungen  als  schädlich 
zurückweisen  und  in  weiten  Kreisen  damit  Beifall  finden.  Eine  junge, 
schneUlebige  Wissenschaft,  macht  man  geltend,  kann  Zeitverluste  schlecht 
Yertragen,  und  bedarf  der  Arbeitskräfte  aller  ihrer  Jünger,  um  bei  der 
günstigen  Gelegenheit  durch  die  gemeinsame  Anstrengung  einen  bedeu- 
tenden Schritt  vorwärts  zu  thun  und  das  Interesse  nicht  erkalten  zu 
lassen.  Ist  durch  fruchtbare  Entdeckungen  einmal  die  Möglichkeit  schnellen 
Fortschreitens  gegeben,  so  mufs  der  neue  Ej-eis  der  dadurch  bedingten  Er- 
fahrungen schnell  durchlaufen  werden,  weil  neue  Ideen  in  ihrer  ersten  Ju- 
gend immer  am  kräftigsten  wirken.  Es  hat  auch,  so  sagt  man  nicht  ganz 
der  Wahrheit  gemäfs,  in  Zeiten  schnellsten  wissenschaftlichen  Fortschritts 
gar  Niemand  Lust,  sich  um  alte  Geschichten  zu  kümmern  und  seine  Zeit 
mit  dem  Studium  veralteter  und  wertloser  Ansichten  zu  verlieren.  Jede 
junge,  kräftige  Wissenschaft  ist  danach,  wie  überhaupt  die  Jugend, 
nnhistorischen  Sinnes,  und  es  ist  ein  sicheres  Zeichen  des  Alters, 
wenn  eine  Wissenschaft  in  historischen  Erinnerungen  zu  schwärmen  an^gt. 

Indessen  ist  eine  solche   Übertragung   der  menschlichen  Begriffe    von 


364  Ferd.  Bosenberger: 

Jung  und  Alt  auf  eine  sich  ohne  Ende  fortentwickelnde  Wissenschaft  doch 
nie  gerechtfertigt.  Eine  Wissenschaft;  ist,  wie  die  Götter  Griechenkods, 
immer  alt  und  jung  zu  gleicher  Zeit,  je  nachdem  man  sie  in  Bezug  anf 
ihre  Vergangenheit  oder  Zukunft  betrachtet;  immer  hat  die  Wissenschaft, 
wie  das  Alter,  eine  grofse  Vergangenheit  hinter  sich  und,  wie  die  Jugend, 
eine  grofse  Zukunft  vor  sich.  Schon  die  griechischen  Naturphilosophen  sahen 
ihre  Wissenschaft  jedenfalls  mit  Recht  für  sehr  alt  an  und  Aristotel£s 
z.  B.  zitiert  in  seinen  Werken  häufig  die  Meinungen  der  „Alten"  &ber 
das  vorliegende  Thema.  Wir  aber  halten  heutzutage  nach  mehr  als  zwei- 
tausendjähriger Entwicklung  noch  dafClr,  dafs  die  Naturwissenschaften  in 
frischester  Jugendblüte  begriffen  seien.  Alle  Wissenschaften  müssen 
Janusköpfe  tragen  und  können  ohne  die  Fähigkeit  des  gleichzeitigen  Bück- 
und  Vorwärtsschauens  nicht  in  richtiger  normaler  Weise  sich  entwickeln. 
Glücklicherweise  sind  auch  demgemäfs  die  Anlagen  und  Neigxmgen  der 
wissenschaftlichen  Arbeiter  verschieden.  Die  Einen  sind  begierig  und  f^ 
dem  Neuen  nachzuforschen  und  dieses  hervorzubringen,  das  sind  die  Pioniere 
der  Wissenschaft;  die  Andern  sind  mehr  beflissen  und  mehr  geeignet,  di« 
innere  Kultur  der  eroberten  Gebiete  zu  fördern,  das  sind  die  Männer  der 
Gesetze  und  der  Geschichte.  Beide  müssen  nach  ihrer  eigenen  veischie- 
denen  Art  verschieden  verwendet  werden.  Nicht  Jeder  kann,  wie  Cäsar, 
Feldherr  und  Geschichtsschreiber  zu  gleicher  Zeit  sein,  aber  beide  sind  sie 
für  die  Entwicklung  der  Menschheit  nötig.  Die  systematische  Durch- 
arbeitung wie  die  historische  Darstellung  müssen  sich  zur  Vollendung  der 
Wissenschaft  ergänzen,  und  schädlich  könnte  die  geschichtliche  Behandlnng 
nur  wirken,  wenn  dieselbe  zu  sehr  die  systematische  Arbeit  überwucherte, 
aber  auch  das  wäre  kein  Fehler  der  Geschichte  selbst,  sondern  nur  ein^ 
Mifsbrauchs,  den  man  wohl  in  absehbarer  Zeit  nicht  zu  befürchten  hat 

Wesentlicher  und  besser  begründet  erscheint  ein  andrer  Versuch  die 
Schädlichkeit  der  Geschichte  der  Wissenschaften  für  die  Entwicklung  ihrer 
Jünger  aus  dem  Charakter  der  Geschichte  abzuleiten.  Den  Urhebern  solcher 
Versuche  wird  die  Geschichte  vor  allem  durch  die  kritische  Natur  Ter 
dächtig,  die  ihr  wesentlich  ist,  sowie  durch  die  vielfache  Beschäftigong  mit 
längst  veralteten  Ansichten  und  Theorien,  oder  gar  offenbaren  IrrtfimerB, 
die  sie  doch  als  oft  hochwichtige  Momente  früherer  Entwicklungsstofen 
nicht  übersehen  darf.  Von  dieser  Seite  aus  erscheinen  allerdings  geschicht- 
liche Betrachtungen  als  eine  nicht  unbedeutende  Gefahr  für  die  sichere 
Aneignung  des  positiven,  materiellen  Wissens,  für  das  richtige  Eingewöhnen 
in  die  Fundamentalanschauungen  der  Wissenschaft,  für  das  feste  Einprägen 
der  gegenwärtig  geltenden  Theorien,  oder  kurz,  als  eine  Gefahr  f&r  die 
Erweckung  und  Erhaltung  der  richtigen  Überzeugung  von  der  unomstöls- 


Die  Geschichte  der  exakten  WisBenschaften  und  der  Nutzen  ihres  Studiums.     365 

Heben  Aatorit&t  der  Wissenschaft.  Es  ist  auch  richtig,  dal^  jeder  Schüler 
znerst  die  Wissenschaften  autoritativ  und  dogmatisch  aufaehmen,  dafs  er 
von  sichern  oder  wenigstens  für  sicher  gehaltenen  Fundamenten  aus  ge- 
führt werden  mufs,  wenn  er  überhaupt  Sicherheit  und  Elarbeit  in  seinen 
Anschauungen  erlangen  soll.  Jedenfalls  darf  der  Schüler  in  der  ersten 
Aufnahme  des  wissenschaftlichen  Materials  nicht  dadurch  gestört  werden, 
dafs  er  die  theoretischen  Vorstellungen  gleich  von  vornherein  in  allen 
den  Lichtem  sehen  lernt,  in  denen  sie  jemals  seit  ihrer  Entwicklung  ge- 
scbiUert,  und  dafs  ihm  gleich  von  vornherein  klar  gemacht  wird,  wie  viel 
und  wie  stark  sich  auch  die  exakten  Wissenschaften  im  Laufe  der  Zeit 
geirrt  haben.  Aber  einerseits  besteht  doch  die  Geschichte  nicht  blofs  aus 
Kritik  und  kann  sich  derselben,  wo  sie  nicht  angebracht  erscheint,  wohl 
enthalten;  und  andererseits  darf  auch  die  Begrenzung  des  Schülers  auf 
eine  blols  dogmatische  Aufnahme  der  theoretischen  Wissenschaft  nicht  zu 
weit  ausgedehnt  werden,  wenn  der  Schüler  nicht  zeitlebens  nur  Schüler 
bleiben  und  immer  nur  als  Handwerksgeselle,  nie  als  Meister  arbeiten  soll. 
Wie  weit  man  mit  einer  solchen  übertriebenen  pädagogischen  Beschränkung 
des  Urteils  kommt,  wie  schädlich  ein  solch  übertriebenes  Fernhalten 
von  der  Kritik  der  Entwicklung  der  Wissenschaften  überhaupt  werden 
kann,  das  zeigt  nicht  blofs  die  Scholastik  des  Mittelalters,  sondern 
auch  die  der  nachfolgenden  Perioden,  die  Neuzeit  nicht  ausgenommen. 
Die  Geschichte  der  exakten  Wissenschafben,  vor  allem  die  der  Entdeckungen 
und  Erfindungen,  enthält  eine  Menge  von  Momenten,  die  rein  erzählender 
Xatur  zur  Ej-itik  nicht  herausfordern  und  nicht  verfahi*en  und  die  darum 
auch  im  Anfange  des  Studiums  keine  kritische  Unsicherheit  verursachen, 
sondern  nur  anregend  und  antreibend  wirken  können.  Von  welcher  Zeit 
an  und  wie  weit  daneben  auch  die  historische  Kritik  Berücksichtigung 
finden  soll,  das  hängt  sowohl  vom  Lehrer  wie  vom  Schüler  ab  und 
mnlis  zum  guten  Teile  dem  Takte  des  ersteren  überlassen  bleiben. 

Gerade  für  die  Einführung  in  die  Wissenschaft  bietet  die  geschicht- 
liche Behandlung  so  viele  Vorteile  und  erscheint  so  natürlich,  dafs  nicht 
wenige  Lehrer  eine  rein  historische  Methode  für  den  Anfangs- 
unterricht empfohlen  und  mit  gutem  Erfolge  angewandt  haben.  Trotz- 
dem möchte  ich  dieselbe  doch  nicht  in  aller  Strenge  und  voller  Ausschliefs- 
lichkeit  gut  heifsen,  denn  die  thatsächlich  geschehene  Entwicklung  der 
Wissenschaften  war  doch  niemals  durch  das  Wesen  der  letzteren  allein, 
sondern  oft  mehr  noch  durch  andere  äufserliche  Faktoren,  wie  die  zur  Zeit 
herrschenden  religiösen,  nationalen  und  politischen  Zustände,  die  per- 
sönlichen Verhältnisse  der  Bearbeiter,  die  gleichzeitige  Entwicklung  ver- 
wandter Wissenschaften  etc.  bedingt.    Die  historische  Entwicklung  zeigt 


366  Ferd.  Bosenberger: 

darum  keineswegs  an  allen  Stellen  den  natürlichsten  und  kürzesten  Zugaiig 
zu  den  Schätzen  der  Wissenschaft,  sonst  müTste  man  in  den  Gang  des 
Unterrichts  auch  alle  Winkelzüge  der  wissenschaftlichen  Entwicklnog, 
die  Durchgänge  durch  Afterwissenschaften,  wie  Astrologie,  Alchemie  etc. 
aufnehmen,  was  zwar  nicht  unmöglich,  vielleicht  auch  nicht  schädlidi,  aber 
doch  für  die  meisten  Fälle  zeitverschwendend  wäre.  Der  Anfangs- 
unterricht in  den  exakten  Wissenschaften  wird  überhaupt  nicht 
einem  methodischen  Prinzip  nur  in  aller  Strenge  folgen  dürfen, 
sondern  wird,  mehr  eklektischer  Natur,  gemäfs  den  einzelnen  Themati 
sich  bald  rein  auf  die  Beschreibung  beschranken,  bald  mehr  der  histo- 
rischen Entwicklung  folgen  müssen,  wobei  man  den  letztem  W^ 
noch  immer  als  den  natürlichsten  und  darum  verständlichsten  bevor 
zugen  darf. 

Die  Behauptungen  der  Unmöglichkeit  und  Schädlichkeit  können  der 
Geschichtsschreibung  der  exakten  Wissenschaften  kaum  gefährlich  werden, 
weil  das  Bedürfnis  der  wissenschaftlichen  Entwicklung  doch  über  sie  hinaie- 
treibt.  Bösartiger  und  nachteiliger  dagegen  ist  die  Bezeichnung  der  histo- 
rischen Studien  als  eines  für  die  Wissenschaften  selbst  wertlosen  Luxus, 
weil  sie  eine  bequeme  scholastische  Einseitigkeit  der  Forachung  be- 
günstigt, zu  der  so  wie  so  schon  mancherlei  Neigung  vorhanden  ist  Diesem 
Vorwurfe  müssen  wir  darum  ausführlicher  und  positiver  dadurch  entgegnen, 
dafs  wir  die  Notwendigkeit  und  den  Wert  historischer  Forschnngen 
für  die  Wissenschaften  direkt  nachzuweisen  suchen. 

Nehmen  wir  das  Allgemeinste  zuerst.  Die  Entwicklung  der  Wissen* 
Schäften  bildet  nur  einen  Teil  der  Entwicklung  des  Menscbengeistes 
überhaupt,  aber  einen  der  wichtigsten.  Wer  die  historische  Entwicklung 
der  Wissenschaften  nicht  kennt  und  versteht,  der  wird  auch  die  Entwicklung 
des  Menschengeschlechts  überhaupt  nie  ganz  richtig  beurteilen  kfinneii 
Seit  den  ältesten  Zeiten  zwar  hat  man  als  das  eigentliche  Gebiet  der  Ge- 
schichte immer  nur  die  politische  Historie,  die  Geschichte  der  Staaten- 
bildungen, der  Staatsmänner,  der  Eriegshelden  und  der  Kämpfe  betrachtet 
und  hat  dabei  das  Studium  der  wissenschaftlichen  Entwicklung  ftlr 
unnötig  erachtet.  Doch  ist  leicht  einzusehen,  dais  selbst  die  politi^b« 
Ckschichte  ohne  Berücksichtigung  der  wissenschaftlichen  Entwicklung  io 
vollständigster  Weise  nicht  begriffen  werden  kann,  dafs  vielmehr  zur  Er- 
klärung der  politischen  Geschehnisse  ebenso  wie  politische  Mächte  ancb 
wissenschaftliche  Kräfte  herangezogen  werden  müssen.  Dafs  in  den 
ältesten  Zeiten  das  letztere  Moment  kaum  hervortrat,  darf  nicht  Wunder 
nehmen,  da  die  Wissenschaften  damals  ihren  jetzigen  allgemeinen  Einfiufs 
noch  nicht  erlangt  hatten,  sondern  fast  ausschlielslich  die  Sache  einer  kleinen 


Die  Geschichte  der  exakten  WissenBchaften  und  der  Nutzen  ihres  Studioms.    367 

^zahl  von  Aristokraten  des  Geistes  geblieben  waren.  Wahrscheinlich  aber 
V7ar  anch  im  Altertum  schon  jener  EinfluXis  grOfser,  als  wir  jetzt  noch  be- 
Doerken  können.  WüTsten  wir  mehr  und  Gründlicheres  über  die  Natur- 
and  technischen  Kenntnisse  der  Alten,  vielleicht  dürften  wir  auch  für 
lamals  schon  einen  bedeutenderen  Einflufs  der  Wissenschaften  auf  die 
Entwicklung  der  Kulturvölker  konstatieren.  In  der  frühesten  Zeit  waren 
wohl  die  treibenden  Kräfte  fast  ausschliefslich  religiöser,  künstlerischer 
and  sozialer  Natur  oder  traten  doch  in  solchen  Formen  auf.  Je  mehr 
aber  die  Wissenschaften  wuchsen,  je  mehr  sie  vor  allem  nach  der  tech- 
Dischen  Seite  hin  sich  ausbildeten,  desto  stärker  wurde  umgekehrt  ihre 
Rückwirkung  auf  religiöse,  soziale  und  künstlerische  Vorstellungen  und 
iamit  auf  den  Fortschritt  imd  das  Leben  der  Menschheit  überhaupt.  Die 
politische  und  soziale  Entwicklung  Europas,  des  hauptsächlichsten  Kultur- 
trägers der  modernen  Welt,  hängt  heutzutage  in  der  Hauptsache  von  seinen 
Zusammenhängen  mit  und  seinen  Gegensätzen  zu  den  anderen  Erdteilen 
ab.  Diese  Verbindungen  und  Gegensätze  aber  beruhen  ihrer 
Stärke  und  ihrem  Charakter  nach  fast  ausschliefslich  auf  der 
Entwicklung  der  exakten  Wissenschaften,  ihrer  Technik  und  den 
darauf  gegründeten  Industrien.  Sagt  man  doch  einzelnen  Völkern  in 
der  Gegenwart  geradezu  nach,  daüs  sie  friedliche  Verbindungen  wie 
kriegerische  Verwicklungen  nur  nach  dem  Einflüsse  einschätzten,  den  dieselben 
auf  ihre  Industrie  und  ihren  Handel  ausüben  könnten.  Die  zweck- 
mäfsige  Anpassung  der  Völker  für  den  Kampf  ums  Dasein  ge- 
schieht in  unserer  Zeit  vor  allem  auf  technischem  und  wissen- 
schaftlichem Gebiete,  und  selbst  die  Kriegstüchtigkeit  macht 
hiervon  kaum  eine  Ausnahme.  Darum  ist  das  Verständnis  der  wissen- 
schaftlicben  Entwicklung  selbst  für  die  politische  Geschichte  eine  notwendige 
Vorbedingung. 

Also  mufs  der  üni Versalhistoriker,  so  schliefst  man  von  Seiten  der 
exakten  Wissenschaften  nun  gern  weiter,  auch  die  Geschichte  der  Wissen- 
schaften mit  grofser  Sorgfalt  studieren,  das  ist  ebensosehr  sein  Recht  wie 
seine  Pflicht;  die  Männer  der  Einzel  Wissenschaften  aber  haben  mit  ihrer 
Geschichte  direkt  nichts  zu  thun  und  sind  in  dieser  Beziehung  zu  nichts 
verpflichtet  Indessen  bedeuten  solche  Aussprüche  doch  weiter  nichts,  als 
dafs  man  die  Sache,  deren  Notwendigkeit  man  im  Vordersatz  schon  zu- 
gegeben hat,  im  Nachsatz  wieder  für  unmöglich  erklärt.  Die  Geschichte 
einer  Wissenschaft  kann  zweckentsprechend  nur  der  schreiben,  der  diese 
Wissenschaft  von  den  Fundamenten  bis  zur  Spitze  völlig  studiert  und  be- 
griffen hat.  Welchen  Grad  von  Genie  aber  müGste  man  danach  von  einem 
Geschichtsschreiber  verlangen,  der  als  Universalhistoriker  zur  richtigen  Schil- 


368  Ferd.  Boaenberger: 

derang  der  Entwicklung  der  Menschheit  die  Entwickelnngsgeschickte  der 
Wissenschaften  selbst  originell  und  fundamental  erforschen  sollte?  h 
kann  nichts  Sichereres  geben  als  den  Satz,  dafs  die  Geschichte  der  exaktes 
Wissenschaften  entweder  von  den  Einzelforschem  selbst  oder  gar  nicht  ge- 
schrieben wird.  Erst  wenn  die  Einzelwissenschaften  selbst  ihre  eigene  EdI- 
Wicklung  studiert  und  geschildert  haben,  kann  auch  der  üniversalhistonker 
auf  Grund  solcher  Studien  eine  angemessene  Schilderung  der  menschlichen 
Entwicklung  nach  allen  Richtungen  hin  versuchen. 

Der  thatsächliche  Erfolg  giebt  davon  deutlich  Zeugnis.  Mehr  imd 
mehr  hat  man  in  neuerer  Zeit  die  Geschichte  der  geistigen  Kultur 
in  die  allgemeine  Geschichtswissenschaft  aufgenommen.  In  den  Werkec 
über  Weltgeschichte  sowohl  wie  in  den  speziellen  Yölkergeschichten  finden 
sich  zwischen  den  einzelnen  Teilen  der  politischen  Geschichte  weitere  Ab- 
schnitte zur  Schilderung  des  kulturellen  Fortschritts  an  passenden  Ortec 
eingeschoben,  und  nicht  blofs  in  rein  wissenschaftlichen  Werken  ist  das 
der  Fall,  auch  manche  Schulbücher  machen  ernsthaft  gemeinte  YersaclK> 
über  das  gesamte  geistige  Leben  der  einzelnen  Zeitepochen  übersichtlich  zn 
referieren.  Leider  kommen  dabei  überall  die  exakten  Wissenschaftes 
am  schlechtesten  weg.  Sehr  häufig  merkt  man,  dafs  diese  Wissenscbaft«s 
auf  unsem  hohem  Schulen  eine  ganz  isolierte,  wenig  beachtete  nnd 
unzureichende  Stellung  einnehmen,  und  dafs  sie  vielen  Besuchern  dieser 
Anstalten  immer  fremdartige  und  kaum  begriffene  Erscheinungen  geblieben 
sind.  Die  Abschnitte  in  den  Lehrbüchern  über  die  zeitweilige  Entwicklung 
der  exakten  Wissenschaften  sind  gegenüber  denen  über  die  sogenannteo 
Geisteswissenschaften,  vor  allem  auch  gegenüber  denen  über  Kunst  nod 
Künstler,  von  unterscheidender  Knappheit  und  enthalten  vielfach  weiter 
nichts  als  einige  dürftige  persönliche  Notizen.  Ja  manchmal  sieht  es  sogv 
so  aus,  als  wären  sie  nur  aus  einzelnen  Schul-  und  Studienerinnerongen, 
die  schon  Jahrzehnte  zurückgreifen,  zusammengesetzt.  Die  landläofigsteiiT 
längst  veralteten  Phrasen,  unwahrscheinliche,  fabelhafte  Entdeckongsge- 
schichten  und  Glorifikationen  populär  gewesener,  aber  wissenschaftlich  weniger 
bedeutender  Männer  bilden  den  Inhalt  solcher  Abschnitte,  die  oft  auch  keinen 
anderen  Zweck  als  den  der  äulsem  Dekoration  haben. 

Man  darf  aus  diesen  Thatsachen  den  Historikern  keinen  Vorwurf 
machen,  wohl  aber  mit  vollem  Recht  den  Männern  der  Einzel  Wissen- 
schaften, die  der  Geschichte  ihrer  Spezialdisziplinen  selbst  nicht  das  g^ 
nügende  Literesse  entgegenbringen.  Es  ist  die  Pflicht  eines  jeden  Mensches, 
der  beansprucht  auf  der  Höhe  seiner  Zeit  zu  stehen,  sich  bis  zu  einem  g^ 
wissen  Grade  über  die  Entwicklung  und  den  gegenwärtigen  Stand 
der  Kultur   zu    unterrichten.     Das    wird   aber  weniger  dadurch  möglid) 


Die  Geschichte  der  exakten  Wisaenschaften  und  der  Nutzen  ihres  Studiums.    369 

sein,  d&fo  er  alle  Wissenschaften  systematisch  durchstudiert,  da  eben  der 
systematische  Zusammenhang  eine  zweckmäfsige  Begrensnmg  schwer  gestattet, 
als  yielmehr  dadurch,  dafs  er  das  historische  Werden  und  Wachsen  der 
Kultur  in  grofsen  Zügen  yerfolgt.  Dazu  soll  allerdings  der  üniyersal- 
histoiiker  durch  die  allgemeine  Kulturgeschichte  in  erster  Linie  be- 
hilflich fein,  aber  eben  diese  Pflicht  wird  er,  in  Bezug  auf  die  Erfahrungs- 
wissenschaften Yor  allem,  nie  gentlgend  erfElllen  können,  wenn  nicht 
die  Einzelwissenschaften  ihr  Material  historisch  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
selbst  verarbeitet  und  ihre  Geschichte  schon  geschrieben  haben. 

Es  ist  auch  eine  Pflicht  der  exakten  Wissenschaften  gegen  sich 
selbst,  die  Bedeutung  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung  für  die  Kultur 
möglichst  weit  verständlich  darzulegen  und  dadurch  das  allgemeine  In- 
teresse wach  zu  erhalten.  Die  exakten  Wissenschaften  stehen  der  All- 
gemeinheit des  schwierigen  Zugangs  und  Verständnisses  halber  ungünstiger 
als  andre  Wissenschaften  gegenüber.  Das  beeinflufst  nicht  blofs  die  Wert- 
schätzung ihrer  selbst,  wie  ihrer  Bearbeiter,  sondern  übt  zuletzt  auch  einen 
hemmenden  Einflufs  auf  ihre  Verbreitung  und  vielleicht  auch  auf  ihr 
Wachstum  aus.  Die  in  manchen  hochgebildeten  Kreisen  uns  auch  in  der 
Gegenwart  noch  immer  gegenübertretende  geringe  Bekanntschaft  mit  den 
exakten  Wissenschaften  könnte  jedenfalls  am  ehesten  durch  eine  passend  ge- 
schriebene Geschichte  der  wissenschaftlichen  Ideen  und  Prinzipien  gebessert 
werden,  die  ein  gutes,  wenn  nicht  das  beste  Teil  der  Wissenschaften  ent- 
hält. Einzelne  erfolgreiche  Versuche,  wie  z.  B.  die  Geschichte  der  in- 
duktiven Wissenschaften  von  Whewbll,  sprechen  stark  dafür. 

Besonders  auffällig  und  folgenreich  ist  die  geringe  Beachtung, 
welche  der  Geschichte  der  exakten  Wissenschaften  im  Unterricht  auf 
niederen  wie  höheren  Schulen  zu  teil  wird,  während  doch  gerade  hier 
auf  dieses  im  guten  Sinne  populäre  und  allgemeiner  verbindende  Element 
ein  besonderer  Nachdruck  gelegt  werden  sollte.  In  der  Methode,  wie  in 
dem  ganzen  systematisch-theoretischen  Aufbau  sind  die  empirischen  von 
den  philologischen  Wissenschaften  der  Schule  weit  getrennt;  in  der  Ge- 
schichte aber  berühren  sie  sich  vielfach  in  verschiedenen  Zeiten,  Völkern 
und  einzelnen  Persönlichkeiten,  so  dafs  durch  die  Geschichte  der  Wissen- 
schaften vielfache  Verbindungen  und  sogar  eine  gewisse  Einheit  im  unter- 
richte der  Schule  hergestellt  werden  könnten,  die  sonst  vollständig  fehlen, 
und  die  doch  eine  ganz  allgemeine  nützliche  Überleitung  des  Interesses 
von  einer  Gruppe  der  Wissenschaften  auf  die  andere  sehr  erleichtem. 

Wie  schon  angedeutet,  kann  man  nicht  behaupten,  dafs  die  empirischen 
Wissenschaften  in  dieser  Beziehung  ihre  Pflicht  bis  jetzt  bereits  voll  erfüllt 
bitten.    Von  den  wissenschaftlichen  Akademien  herab  bis  anf  unsere 

Abh.  inr  OMch.  d.  Mathem.   IX  24 


370  Ferd.  Bosenberger: 

niederen  Schalen  zeigt  sich  eine  Zwiespftltigkeit  der  Bildung,  die 
anf  der  einen  Seite  als  philosophisch-historisch  und  auf  der  andern 
Seite  als  mathematisch-naturwissenschaftlich  bezeichnet  wird.  Mag 
nun  diese  Zwiespältigkeit  auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  der  Methode  und 
noch  mehr  in  der  schulgemftfsen  Entwicklung  der  Wissenschaften  seM 
begr&ndet  sein,  so  ist  sie  doch,  einerseits  durch  das  kolossale  Anwadises 
des  Materials  tmd  andererseits  durch  den  Wegfall  des  yerbind enden 
Einflusses  der  Philosophie,  die  sich  selbt  nach  jenen  beiden  Bichtnngen 
zweigeteilt  hat,  viel  gröfser  geworden,  als  für  die  Entwicklung  unserer 
modernen  Gresamtkultur  wünschenswert  und  nützlich  ist.  Den  grSfsteo 
Schaden  haben  wohl  dabei,  wenigstens  in  Bezug  auf  den  Schulunterriebt, 
die  empirischen  Wissenschaften  erlitten,  denn  sie  sind  am  stärksten  nr 
Seite  gedrängt  worden,  aber  sie  sind  dabei  auch  insofern  nicht  ohne  Schuld 
geblieben,  als  sie  die  Erforschung  ihrer  eigenen  historischen  Entwicklung 
vernachlässigten  und  dadurch  die  alle  Wissenschaften  ursprünglich  verbin- 
denden Fäden  in  Vergessenheit  geraten  liefsen. 

Alle  andern  haben  mehr  als  die  Naturwissenschaften  för  die  Erkenntnis 
ihrer  historischen  Entwicklung  gethan  und  haben  dadurch  ihre  Bedeutnng 
für  die  allgemeine  Geistesbildung  in  steter  Erinnerung  erhalten.  Fürdie 
philosophisch-historischen  Wissenschaften  ist  das  allerdings  nicht  weiter 
wunderbar,  ja  hier  erscheint  es  oft  nur  natürlich,  dafs  der  Unterricht  sich 
mehr  auf  die  historische  Entwicklung  konzentriert  und  der  Vortrag  der 
systematisch -theoretischen  Wissenschaft  dagegen  zurücktritt,  oder  dafs  der 
Unterricht,  wie  meist  in  der  Philosphie,  sich  ganz  in  eine  historische  Kritik 
der  vorhandenen  Systeme  auflöst.  Aber  charakteristischer  Weise  haben  in 
neuerer  Zeit  auch  die  Künste,  die  doch  ebenfalls  an  einen  starken  Fort- 
schritt ihrer  Entwicklung  in  der  Gegenwart  glauben,  sich  mit  allgemeiner 
Zustimmung  und  vielem  Erfolg  auf  das  Studium  ihrer  Geschichte  geworfen. 
Die  meisten  Kunstschulen,  wie  viele  Universitäten  und  technischen 
Hochschulen,  haben  besondere  Professuren  für  Kunstgeschichte  er- 
richtet und  die  Kunsthistoriker  üben  durch  ihre  Kritik  auf  die  Entwicklang 
der  modernen  Kunst  keinen  geringen  Einfluüs  aus.  Selbst  einige  Mittel- 
schulen, die  höheren  Töchterschulen  wohl  ausnahmslos,  lassen  Konst- 
geschichte  auf  ihren  Stundenplänen  paradieren,  und  manche  Mütter,  die 
ohne  Verlegenheit  ihre  gänzliche  Unbekanntschaft  mit  dem  Wesen  und  der 
Entwicklung  physikalischer  Instrumente  und  Maschinen,  die  sie  täglich  vor 
Augen  haben,  gestehen,  würden  es  für  eine  Schande  halten,  wenn  ihre 
Töchter  nicht  zu  jeder  Zeit  mit  einem  kleinen  Vortrag  über  eine  beliebige 
längst  ausgestorbene  Malerschule  brillieren  köimten. 

In  den   Kreisen   der  Naturwissenschaftler    läJGst  man   sich  eine  solche 


Die  Geschiebte  der  exakten  Wisaenscbaften  und  der  Nutzen  ihres  Stadiums.    371 

Zurücksetzung  wohl  wenig  kümmern,  ja  manchmal  hat  es  gar  den  Anschein, 
als  ob  man  in  diesen  Kreisen  auf  den  Charakter  der  empirischen  Wissen- 
schaften als  durchaus  modemer  Errungenschaften  zu  stolz  sei,  um  nicht 
der  eigenen  langen  Vergangenheit  und  ihrer  mannigfachen  Fehl- 
schläge und  Irrtümer  sich  einigermafseu  zu  schämen.  Man  setzt  sich 
darum  wohl  mit  voller  Absicht  in  einen  Gegensatz  zu  den  andern 
Wissenschaften,  um  das  eigene  ausnahmsweise  schnelle  Vorwärtsschreiten  um 
so  kräftiger  zu  markieren.  Das  aber  hat  eben  auch  seine  Nachteile.  Indem 
die  exakten  Wissenschaften  sich  selbst  isolieren,  rufen  sie  auch  eine  gegen 
sich  gerichtete  Ausschliefsung  hervor,  durch  welche  die  Allgemeinheit  ihres 
Einflusses  und  ihrer  richtigen  Würdigung  vermindert  wird.  Die  exakten 
Wissenschafken  haben  sich  thatsächlich  durch  die  Macht,  die  sie  im  Leben 
der  Völker  wie  des  Einzelnen  ausüben,  eine  einzige  Stellung  und  ein  un- 
begrenztes Ansehen  in  den  weitesten  Kreisen  erworben,  dafs  aber  ihre 
Kenntnis  dem  entsprechend  auch  in  der  ganzen  gelehrten  Welt  ver- 
breitet und  ihre  Wertschätzung  eine  ganz  angemessene  sei,  kann  man 
keineswegs  mit  voller  Sicherheit  behaupten.  Jedenfalls  trifft  man  auch  in 
gelehrten  Kreisen  noch  gar  merkwürdig  schiefe  Ansichten  über  Natur- 
Yorgänge  und  ihr  Wesen  an,  deren  Beseitigung  doch  wohl  bei  einem  besseren 
AnschluDs  der  exakten  Wissenschaften  an  die  historische  Betrachtung  unserer 
Erkenntnis  eine  beschleunigtere  sein  könnte. 

Gehen  wir  nach  dieser  Besprechung  der  Aufsenstellung  zur  Wür- 
digung des  Einflusses  über,  den  die  Geschichte  auf  die  exakten  Wissen- 
schaften selbst  nach  innen  auszuüben  vermag.  Die  Art  die  Geschichte 
der  exakten  Wissenschaften  zu  studieren  und  darzustellen  kann  eine  mehr- 
fach verschiedene  sein,  und  je  nach  dieser  Art  ist  ihre  Aufnahme 
immer  eine  verschiedene  gewesen.  Dem  Ursprünge  interessanter  wissen- 
schaftlicher Entdeckungen  und  Aufsehen  erregender  Erfindungen  ist 
man  zu  allen  Zeiten  nicht  allein  in  den  Kreisen  der  Fachleute,  sondei-n 
unter  den  Gebildeten  überhaupt  mit  groDsem  Eifer  nachgegangen,  auch  die 
Persönlichkeiten  und  Lebensumstände  der  Entdecker  und  Erfinder 
haben  immer  die  weitesten  Kreise  in  hohem  Mafse  interessiert.  Aber  diese 
Art  des  historischen  Studiums  hat  meist  einen  zufälligen  und  etwas  di- 
lettantischen Anstrich  gehabt,  weil  die  Wahl  der  dabei  behandelten  Sachen 
ond  Personen  immer  weniger  durch  das  Interesse  an  der  wissenschaftlichen 
Entwicklung  als  vielmehr  durch  zufällige  Modethemata  und  zeitweilig 
herrschende  Sympathien  für  gewisse  Personen  und  Theorien  bestimmt 
war.  Nicht  immer  die  wichtigsten  Momente  wurden  dabei  aus  dem  Flusse 
der  Entwicklung  aufgenommen  und  epochemachende  Faktoren  blieben  bei 
<lie8er  Art   von   Geschichtsforschung    oft   ganz   unbeachtet.     Die    einzelnen 

24  • 


372  Ferd.  Rosenberger: 

Schilderangen,  ohne  Berücksichtigung  des  historischen  Zusammenhangs  be- 
arbeitet, halten  oft  einer  weitsichtigeren  Kritik  kaum  Stand,  und  die  sagen- 
haften Elemente,  welche  vielfach  aufgenommen  werden,  entziehen  sich  Ton 
vornherein  der  Eontrole.  Damm  bedarf  diese  Einzelgeschichtschreibnn? 
so  freudig  und  dankbar  ihre  Mitarbeiterschaft  auch  zu  begrälsen  ist,  doch 
immer  noch  einer  sorg^tigen  Nachprüfung  durch  eine  weiter  ausholende, 
den  Zusammenhang  erfassende  und  den  momentanen  Charakter  der  Wissen- 
schaffe  wohl  berücksichtigende  allgemeinere  Geschichtsforschung. 

Die  Geschichte  der  Entdecker  und  Erfinder  giebt  der  Zeit  wie  der  Ma- 
terie nach  eng  begrenzte  Bilder.  Zeitlich  weiter  greifend,  aber  materiell 
doch  noch  immer  ziemlich  beschränkt,  ist  auch  die  Geschichte  der  ein- 
zelnen wissenschaftlichen  Theorien,  die  darum,  obgleich  unab- 
hängiger als  die  vorige,  doch  immer  noch  der  Gesamtgeschichte  der  betref- 
fenden Wissenschaften  zur  kritischen  Ergänzung  bedarf.  Auch  die  Geschichte 
der  einzelnen  Theorien  ist  schon  immer  fleifsiger  studiert  und  häufiger 
als  ein  Bedür&is  empfunden  worden.  Der  selbständige  Forscher,  welcher 
sich  lange  Zeit  mit  der  Lösung  einer  Aufgabe  intensiv  beschäftigt,  ist 
durch  verschiedene  Gründe  auf  das  geschichtliche  Studium  derselben  hin- 
gewiesen. Er  muis  nachsehen,  ob  diese  Aufgabe  nicht  früher  schon  einmal 
ganz  oder  für  den  damaligen  Standpunkt  genügend  gelöst  ist  und  ob  er 
nicht  mit  einer  eigenen  Bearbeitung  derselben  nur  Arbeit  zweiter  Hand 
liefern  würde;  oder  ob  nicht  wenigstens  die  Aufgabe  früher  schon  begonnen 
und  angedeutet  worden,  so  dafs  seine  Arbeit  nur  in  der  Vollendung  und 
besseren  Begründung  der  Lösung  zu  bestehen  braucht;  oder  ob  nicht  im 
schlimmsten  Falle  die  geplante  Lösung  bereits  als  irrtümlich  oder  gar  un- 
möglich nachgewiesen  ist.  Durch  solche  Studien  aber  wird  der  Forscher 
von  selbst  wohl  in  den  meisten  Fällen  so  viel  reines  Literesse  an  der  frü- 
heren Entwicklung  der  fraglichen  Theorie  gewinnen,  da£s  er  nicht  allein 
diese  speziell,  sondern  auch  die  andern  gleichzeitig  entstandenen  und  gegen- 
seitig sich  beeinflussenden  Theorien  mit  studiert  und  kritisiert  Viele  der 
bedeutendsten  Gelehrten  haben  durch  die  Veröffentlichungen  solcher  Stadien 
nicht  blofs  der  Wissenschaft  Dienste  geleistet,  sondern  auch  das  Verständnis 
und  die  allgemeine  Würdigung  ihrer  eigenen  Arbeit  sehr  erleichtert  und 
beschleunigt. 

Eine  dahin  zielende  geschichtliche  Einleitung  sollte  jeder  Autor 
seiner  Arbeit  vorausschicken,  und  er  sollte  dabei  nicht  unterlassen,  die 
Entwicklung  und  Entstehung  seiner  Arbeit  gleich  mit  zu  schildern, 
so  sehr  ihm  vielleicht  auch  das  Offenlegen  der  eigenen  Gedankengänge, 
erfolgreicher,  aber  besonders  auch  erfolgloser,  widerstehen  mag.  Niemand 
kann  den  Schaden,   welchen  eine  Unterlassungssünde  des  Autors  in  dieser 


Die  Greschichte  der  exakten  WisBenscbaften  und  der  Nutzen  ihres  Stadiums.    373 

Beziehung  verursacht,  der  Wissenschaft  gegenüber  wieder  völlig  gnt  machen, 
und  je  bedeutender  der  Forscher  war,  desto  unersetzlicher  wird  der  Verlust 
sein.     Auch    von  Freunden,    Gesellschafts*   und    Zeitgenossen    erfolgreicher 
Gelehrter   muTs  man  ähnliche  Dienste  erwarten,   denn  sie  vermögen  noch 
aus  eigener  sicherster  Beobachtung  Aufschlüsse  über  die  Entwicklung  wissen- 
schaftlicher Fortschritte   zu  geben,    die   später    auf  keine  Weise   mehr  zu 
erlangen  sind.     Nur  aus  Berichten  von  Zeitgenossen  kann   der  wissen- 
schaftliche  Grund  und  die  Stimmung  erkannt  werden,  aus  denen  die 
wissenschaftlichen  Theorien   und  Systeme   hervorwachsen   und  wissenschaft- 
liche Entdeckungen  und  Erfindungen  scheinbar  plötzlich  hervorgebrochen  sind. 
Indessen  sind  die  Geschichten  der  einzelnen  wissenschaftlichen  Theorien 
noch  immer,  auch  in  ihrer  Summe,  noch  nicht  die  Geschichte  der  Wissen- 
schaft   selbst.     Die    Arbeiten,    welche    die    geschichtliche   Entwicklung   der 
zeitweilig  geltenden  oder   auch  noch  zur  Geltung  zu  bringenden  Theorien 
behandeln,   haben  einerseits  inuner  noch   ein  nur  beschränktes  Gesichtsfeld 
und  nehmen   anderei*seits,  eben   weil  sie  von  den  in   der  Gegenwart  vor- 
handenen Theorien  ausgehen,  ihren  Beurteilungsmafsstab  nur  aus  der 
Gegenwart.     Die  Geschichte  der  Gesamtwissenschaft  aber  mufs  nicht  blofs 
die  in  Geltung  gebliebenen,  sondern  auch   die   aufgegebenen  Theorien 
mit  in  Betracht  ziehen,  um  die  Entwicklung  richtig  zu  verstehen.     Die  ge- 
schichtlichen Darstellungen  der  einzelnen  Entdeckungen  und  Theorien  müssen 
als  Grundlage  ihrer  Betrachtungen  von  der  Gegenwart  ausgehen,  weil  ihnen 
das  allgemeine   historische   Fundament   fehlt.     Darin   ähneln   diese 
Darstellungen    der   systematisch-theoretischen    Schilderung   der 
Wissenschaft,  die  ebenfalls  von  der  Gegenwart  ausgehend,  zwar  Exkurse  in 
die  Vergangenheit  nicht  zu  scheuen  braucht,  aber  doch  immer  diese  letz- 
tern aus  der  erstem  zu  erklären  sich  bemüht.  Die  Geschichte  hingegen 
versucht    die    Weltanschauungen    der    Vergangenheit    zu    rekon- 
struieren und  aus  ihnen  ein  Verständnis  der  Gegenwart  zu  gewinnen.    In 
diesem  Gegensatze  der  geschichtlichen  gegen  die  systematische  Methode  der 
Forschung  scheint  mir  der  Hauptwert  der  ersteren  als   einer  notwen- 
digen Ergänzung  der  letzteren  zu  liegen. 

Die  systematisch-theoretische  Darstellung  schliesst  mit  der 
Gegenwart  ab  und  stellt  die  Wissenschaft  als  eine  mit  dieser  vollendete 
Sache  vor,  die  ihren  Zusammenhang  nur  in  sich  selbst  hat.  Alle  in  der 
Vergangenheit  liegenden  Entwicklungsmomente  können  dabei  aufser  Be- 
tracht bleiben.  Denn  entweder  haben  sie  sich  als  wahre,  bleibende  Er- 
rangenschaften  erwiesen,  dann  sind  sie  in  der  systematischen  Wissenschaft 
gegenwärtig  noch  vollkommen  erhalten;  oder  sie  beruhten  nur  auf  seitdem 
erkannten  Fehlem  und  Irrtümern,  dann   ist  ihre  Berücksichtigung  für  die 


374  Ferd.  Rosenberger: 

Gegenwart  unnütz  und  vielleicht  sogar  schädlich.  Auch  weitere  Ausblicke 
in  die  Zukunft,  Ideen  über  eine  mögliche  Weiterentwicklung  darf  man 
von  der  systematischen  Wissenschaft  kaum  erwarten,  denn  dazu  ist  eines- 
teils eine  richtige  Beurteilung  der  Vergangenheit  nötig  und  andemteils  steht 
die  Überzeugung  von  der  Vollkommenheit  der  Gegenwart  ihnen  hindernd 
entgegen. 

Es  ist  nur  menschlich  natürlich,  daiä  jede  Gegenwart  sich  selbst  eine 
gewisse  Vollendung  zuerkennt,  die  alle  Vergangenheit  übertrifft  and  einer 
ergänzenden  Zukunft  nicht  bedarf.  Forscher  wie  Lehrer  der  Wissen- 
schaften sind  mit  wachsendem  Erfolg  ihrer  Thätigkeit  in  immer 
wachsender  Versuchung  die  gegenwärtige  Wissenschaft  als 
vollendet  und  unveränderlich  zu  behandeln  und  jedem  Versuche 
einer  Umgestaltung  oder  einer  Ersetzung  älterer  geltender  Theo- 
rien durch  neuere  eine  Zeitlang  wenigstens  entgegenzutreten. 
Der  originelle  Forscher  hat  sich  die  Theorien  gewählt  oder  selbst  kon- 
struiert, die  seinen  Erfahrungen  am  besten  entsprechen;  wie  weit  er  davon 
zu  Gunsten  neuer,  fremder  Theorien  abgehen  will,  das  hängt,  auiÜser  von 
der  Güte  und  Überzeugungskraft  dieser  Theorien  selbst,  auch  noch  von  der 
Weite  seines  Blicks,  seinem  Egoismus  und  seiner  Anlage  zur  Herrschaft  ab. 
Meist  wird  er  es  doch  als  eine  Art  von  Niederlage  empfinden,  wenn  er 
neuen  fremden  Theorien  den  Vorzug  vor  eigenen  oder  doch  von  ihm  an- 
erkannten und  benutzten  zugestehen  muTs. 

Fast  noch  stärker  aber  als  der  originelle  Forscher  erscheint  der  Lehrer 
an  das  Dogma  von  der  Vollkommenheit  der  gegenwärtigen  Wissenschaft 
gebunden.  Nehmen  wir  an,  dafs  der  Lehrer  neben  seinem  pädagogisch- 
methodischen Fortschreiten  auch  noch  Zeit  findet,  dem  Fortschreiten  der  zn 
lehrenden  Wissenschaft  selbst  zu  folgen,  so  fragt  es  sich  immer  noch,  wie 
weit  er  diese  Fortschritte  auch  seinen  Schülern  nahe  bringen  will.  Für  das 
Verständnis  und  das  Interesse  des  Schülers  ist  in  erster  Linie  ein 
einfaches,  festes  und  klares  System  nötig,  das  durch  keine  Va- 
rianten verdunkelt  und  durch  keine  üngewifsheiten  unsicher  wird; 
ohne  die  Einfachheit  haftet  dasselbe  nicht  im  Kopfe  des  Schülers  nnd 
Zweifel  an  der  Sicherheit  setzen  die  Lembegierde  meist  auf  ein  Minimoni 
herunter.  Lembegierde  ist  immer  mit  einem  gewissen  Enthusiasmus  yer 
bunden,  der  kritische  Ausstellungen  und  Hinweise  auf  Schwächen  und  Ün- 
vollkonunenheiten  des  Lehrgegenstandes  nur  schlecht  verträgt.  Auf  allen 
Gebieten  der  Wissenschaften  sind  die  verehrtesten  und  daruia  auch  er- 
folgreichsten Lehrer  inmier  die  gewesen,  die  mit  festester  Über- 
zeugung und  gröfster  Sicherheit,  oder  wenigstens  mit  dem  Anschein 
solcher,  ihre  Lehren  vortrugen.     Nun  kann   der  Lehrer,   und  er  mufs  es, 


Die  Geschichte  der  exakten  Wiasenschaften  und  der  Natzen  ihres  Studioms.     375 

wenn  er  seine  Pflicht  ganz  erfOllen  will,  für  sich  seihst  an  dem  vorzu- 
tragenden Lehrstoff  eingehendste  und  vollwichtigste  Kritik  ühen  und  doch 
denselben  seinen  Schtdem  mit  grö&ter  Sicherheit  und  ohne  jeden  Schein 
des  Zweifels  vorführen,  immerhin  wird  die  Gefahr  sehr  nahe  liegen,  die 
Sicherheit  des  Vortrages  bei  vielen  Wiederholungen  unwill- 
kürlich auf  das  Vorgetragene  selbst  zu  übertragen  und  das  viel- 
leicht um  so  mehr,  je  mehr  Wert  auf  die  methodische  Vollkommenheit 
gelegt  wird.  Dabei  mufs  aber  nicht  blofs  die  Wissenschaft,  sondern  auch 
der  Unterricht  zuletzt  selbst  Schaden  leiden. 

Aller  Unterricht  in  den  Wissenschaften  strebt  nach  zwei 
Idealen,  der  festen  Einprägung  von  positivem  Wissen  und  der 
Erziehung  zu  freier  selbstftndiger  Prüfung;  das  erste  wird  am 
besten  durch  einen  scholastisch-dogmatischen  Vortrag  der  systematischen 
Wissenschaft,  das  zweite  durch  eine  historisch-kritische  Behandlung  der  Ent- 
wicklung der  Wissenschafben  erreicht.  Beide  Methoden  des  Unterrichts  ge- 
hören zusammen  und  er^nzen  einander  in  notwendiger  Weise,  werden  aber 
vielfach  doch  einseitig  bevorzugt  Legt  man  den  Hauptwert  auf  die  prak- 
tische Verwendung  der  Wissenschaft,  auf  ein  immer  bereites,  zur  technischen 
Verwendung  nutzbares  Wissen  und  Können,  so  ist  die  dogmatische  Lehr- 
methode ohne  Frage  vorzuziehen.  Hat  man  aber  die  Wissenschaft  als 
solche  besonders  im  Auge,  soll  der  Schüler  auch  selbst  einmal  ein  Meiste t 
der  Wissenschaft  werden,  so  wird  man  der  kritisch-historischen  Mef- 
thode  den  Vorzug  geben.  Aufsichtsbehörden  und  Praktiker,  denek 
es  vor  allem  auf  eine  leichte  Übersichtlichkeit  der  Erfolge  ankommt, 
begünstigen  meist  die  erstere  Lehrmethode.  Lehrer  aber,  die  ihre  Schuld 
nicht  blofs  zu  Nachahmern  und  Handwerkern,  sondern  auch  für  selbständige 
Ar1)eit  vorbilden  sollen,  bedürfen  eines  feinen,  schwer  zu  erwerbenden  Taktes*, 
um  beide  Methoden  in  richtiger  Weise  mit  einander  zu  verbinden. 

Jedenfalls  ist  das,  was  der  Lehrer  in  dieser  Richtung  zu  Ungunat^ii 
der  letzteren  Methode  sündigen  sollte,  schwer  wieder  gut  zu  machen,  und 
viele  nicht  besonders  veranlagte  Geister  finden  wohl  nach  einem  rein  dog- 
matischen Unterricht  niemals  den  Weg  zu  einer  eigenen  angemessenen  )tiM 
tiefer  gehenden  Kritik.  Jede  theoretische  Wissenschaft  hebt  mit  Axioäföh 
&D,  die  nur  nach  gewissenhafter  Prüfung  ihres  Sicherheitsgrades  als  nfäht 
angenommen  werden  dürfen.  Dem  Schüler,  der  einer  solchen  Prüfung 
noch  nicht  fUiig  ist,  mufs  die  Autorität  des  Lehrers  dieselbe  ersetzten, 
und  diese  Autorität  wirkt  oft  mächtiger  als  eine  eigene  Überzeugtiiilg, 
weil  bei  der  letzteren  sowohl  die  Gründe  für  als  wider  erwogen,  hti 
der  ersteren  aber  alle  widersprechenden  Momente  mit  Absicht  unter- 
drückt werden.    Einen  gewissen  Dogmatismus  kann  auch  der  kritiäch^ 


376  Ferd.  Rosenberger: 

Forscher  nicht  entbehren,  der  nur  darin  keinen  Schaden  anrichten  kum. 
weil  er  in  seiner  hypothetischen  Natur  erkannt  ist.  Absolut  dem 
Fortschritt  hinderlich  aber  ist  jener  scholastische  Dogmatismns^ 
der  die  Autorität  der  Schule  als  vollgültigen  Grund  seines  Wis- 
sens anerkennt,  ohne  mit  Bewufstsein  die  Stftrke  dieses  Grundes  unter- 
sucht zu  haben,  ja  ohne  nur  ein  Bedürfnis  nach  einer  solchen  Unteisnchung 
zu  fühlen. 

Die  böse  Bolle,  welche  die  Scholastik  im  Mittelalter  gespielt  hat,  wird 
oft  mit  viel  Entrüstung  erwähnt,  aber  mancher,  der  sich  in  dieser  Ach- 
tung gar  nicht  genug  zu  thun  weüs,  steckt  selbst  noch  tief  in  einem 
Scholasticismus,  der  nur  moderne  Formen  angenommen  hat.  Gerade  da, 
wo  man  die  Vergangenheit,  von  der  man  nichts  zu  lernen  vermag,  mit 
gröfster  Yerachtimg  behandelt,  wo  man  der  Gegenwart  erst  die  Ent- 
deckung der  allein  wahren  wissenschaftlichen  Methode  und  der  dar- 
aus resultierenden  vollendeten  Wissenschaft  zuschreibt,  wo  man  für  die 
Zukunft  vielleicht  noch  einige  Anfügungen  und  Fortbildungen,  aber  keine 
fundamentalen  Umgestaltungen  der  Anschauungen  mehr  als  mög- 
lich anerkennt,  gerade  da  ist  man  unbewufst  dem  Scholasticismus  am 
nächsten. 

Der  Scholasticismus  bildet  immer  ein  tragisches  Moment  in 
der  Wissenschaft.  Nicht  bloDs,  dafs  er  die  Entwicklung  der  Wissenschaft 
hemmt  und  zeitweise  ganz  zum  Stillstand  bringt,  auch  die  einzelnen 
Forscher,  besonders  die  genialen,  werden  von  ihm  oft  auf  lange  Zeit 
gehindert  oder  ganz  unterdrückt  und  um  die  ihnen  gebührende  Anerkennoog 
und  den  notwendigen  Einflufs  gebracht.  Aus  der  Scholastik  vor  allem  ent- 
springt jener  geistige  Hochmut,  der  ohne  innere  sachliche  Gründe  das 
Gute  und  Bessere  nur  darum  verwirft,  weil  es  nach  der  sanktionierten 
Schultheorie  nicht  zu  begreifen  ist,  oder  auch  nur  nicht  nach  der  rich- 
tigen Methode  gewonnen  erscheint.  Und  dieser  Scholasticismus  wirkt  mn 
so  nachteiliger,  je  bequemer  er  ist.  Neue  Theorien  nach  ihrem  inneren 
Werte  zu  beurteilen,  dazu  gehört  eine  dem  Autor  selbst  kongeniale  Nator, 
und  oft  ist  ein  richtiger  Entscheid  erst  nach  längerer  allgemeiner  Prülnng 
möglich.  Die  Theorie  dagegen  auf  ihre  Übereinstimmung  oder  Nichtüber- 
einstimmung mit  den  Lehren  der  Schule  zu  untersuchen,  dazu  ist  nur  eine 
genaue  Kenntnis  dieser  letzteren  oder  auch  nur  ein  gewisser  Instinkt  föi 
das  der  Schule  Angemessene  erforderlich.  Scholastisch  angehauchte  Ge- 
lehrte sind  darum  zu  allen  Zeiten  die  schnell-bereitesten  und  sichersten,  aber 
auch  die  starrsinnigsten  und  erbarmungslosesten  Kritiker  gewesen. 

Man  mufs  zugeben,  dafs  der  Scholasticismus  auch  Nutzen  bringen 
kann  und  bis  zu  einem  gewissen  Gi*ade  seine  Berechtigung  hat.    Neo^ 


Die  Geachichte  der  exakten  Wissenschaften  und  der  Natzen  ihres  Stadiams.    377 

aufstrebende  Theorien  gleichen  jungen  Pfl&nzchen,  deren  Bewurzelung  oft 
noch  so  zart  ist,  daüis  wohl  der  kundige  Gärtner  ihr  Leben  sichern,  dafs 
aber  ein  nur  einigermafsen  rauher  Wind  sie  vielleicht  in  ihrem  Wachstum 
zum  Stillstand  bringen  oder  auch  gänzlich  vernichten  kann.  Für  solche 
Pflänzchen  bildet  wohl  der  Scholasticismus,  wenn  er  sich  ihrer  annimmt, 
ein  Schutzhaus,  das  sie  so  lange  bewahrt,  bis  sie  durch  vielfache  Pflege 
und  Unterstützung  erstarkt,  auch  einem  scharfen  Klima  zu  trotzen  ver- 
mögen. Aus  diesem  Grunde  haben  kluge  Forscher  zu  allen  Zeiten  und 
vielfach  mit  Erfolg  vei'sucht,  ihre  Entdeckungen  und  originellen  Theorien 
dem  Scholasticismus  als  vollkommen  angemessene  Produkte  der  geltenden 
Schule  unterzuschieben,  auch  wenn  dieselben  nur  äufserlich  etwas  nach  den 
Schulformen  zugestutzt  und  sonst  wesentlich  gegnerischer  Natur  waren. 
Leider  ist  der  Scholasticismus  immer  mehr  beflissen,  gesunden  Nachwuchs 
zu  ersticken  und  längst  Verrottetes  zu  bewahren,  als  Neues  und  Frucht- 
bares in  eigene  Pflege  zu  nehmen,  weil  er  seiner  ganzen  Natur  nach  der 
Buhe  und  Beharrung  besonders  zugeneigt  ist,  und  es  immer  eines 
günstigen  kräftigen  Gegengewichts  bedarf,  um  die  schädlichen  Wirkungen 
dieser  Beharrungskraft  aufzuheben. 

Ein  solches  dem  Scholasticismus  entgegenwirkendes  Prinzip 
ist  die  Geschichte,  welche  im  Gegensatz  zu  dem  Bilde  des  Stillstandes, 
das  sich  die  Scholastik  ausmalt,  die  Wissenschaften  im  steten  Flusse,  in 
nie  zu  vollendender  Entwicklung  zeigt.  Dieser  Gegensatz  tritt  auch 
überall  deutlich  hervor  und  wird  auf  den  beiden  Seiten  fast  instinktiv 
gefühlt  Wo  der  Scholasticismus  herrscht,  da  ist  die  Geschichte  verpönt 
oder  darf  doch  nur  in  verkümmerter  Form,  als  Entwicklungsgeschichte  der 
Schnlmeinungen,  gelehrt  werden.  Umgekehrt,  wo  man  die  Geschichte  der 
Wissenschaften  allgemein  und  unbehindert  studiert,  da  ist  die  Herrschaft 
einer  veralteten  Scholastik  auf  die  Dauer  nicht  mehr  zu  halten.  Man  hat 
wohl  öfter  der  Geschichte  der  Wissenschaften  einen  reaktionären  Charakter 
zugeschrieben,  in  Wahrheit  könnte  man  ihr  ebenso  gut  revolutionäre  Nei- 
gungen andichten,  denn  ihre  Aufgabe  ist  die  Schilderung  des  ewigen  Über- 
gangs vom  Alten  zum  Neuen,  des  unendlichen  Werdens. 

In  diesem  negativen,  antischolastischen  Momente  liegt  ein  Haupt- 
wert  der  Geschichte,  doch  entbehrt  sie  auch  eines  direkten  positiven 
Einflusses  auf  die  Zukunft  der  Wissenschaft  nicht.  Die  Entwicklung 
einer  Wissenschaft  gleicht  einer  krummen  Linie  oder  gekrümmten  Fläche, 
deren  Gesetz  oder  mathematische  Formel  nicht  bekannt  ist,  und  die  man 
darum  auch  nicht  genau  konstruieren  kann.  Je  mehr  man  aber  Punkte 
derselben,  je  genauer  man  eines  ihrer  Stücke  kennen  lernt,  mit  desto 
gröijserer  Genauigkeit  wird  es  auch  möglich  sein,   ihre  Fortsetzung   nach 


378  Ferd.  Rosenberger: 

rückwärts  und  vorwärts  zu  erraten  und  die  Biohtnng  ihres  Laufes  bis  taf 
einige  Entfernung  hin  anzugeben.  Wer  die  geschichtliche  Entwicklung  d^ 
Wissenschaft  in  einer  gewissen  Zeitperiode  genau  erkannt  und  Terstandeii 
hat,  der  mufs  daraus  mit  ziemlicher  Sicherheit  auf  die  Tendenz  der  Ent- 
wicklung in  der  nächsten  Vergangenheit  und  Zukunft  zu  schlielsen  ver- 
mögen; der  mufs  ceteris  paribus  am  besten  in  der  Lage  sein,  die  Aii%ibeii 
zu  erkennen,  welche  die  fortschreitende  Wissenschaft  der  Forschung  stellt 
und  der  wird  auch  am  ehesten  eine  Idee  über  die  Art  der  Lösungen  in 
fassen  im  Stande  sein.  Die  systematische  Wissenschaft  giebt  nur 
Punkte  aus  der  Entwicklungslinie,  die  Geschichte  versucht  diese 
zur  Linie  selbst  zu  ergänzen.  Die  systematische  Wissenschaft  fafst  die 
Wissenschaft  in  einzelnen  zeitlichen  Momenten,  die  Greschichte  ftigt  die 
Richtung  oder  Tendenz  des  Fortschreitens  hinzu.  Die  Gesamtwissenschaft 
aber  kann  nicht  nur  die  einer  einzelnen  Zeit  sein,  sondern  mufs  alle  Ent- 
Wicklungsmomente  in  sich  enthalten.  Darum  ist  die  Geschichte  def 
Wissenschaften  den  letzteren  nicht  blofs  interessant  und  nützlieh, 
sondern  neben  den  systematisch  -  theoretischen  Bearbeitungen  auch  not- 
wendig. 

Dabei  mufs  freilich  vorausgesetzt  werden,  dafs  auch  die  Art  Ge- 
schichte zu  schreiben  eine  angemessene  ist,  und  dafs  wirklich  die 
Entwicklung  im  allgemeinen  erfafst  wird,  d.  h.  dafs  der  historische 
Zusammenhang  richtig  erkannt  und  alle  Thatsachen,  nicht  blofs  die 
einer  gewissen  Schulmeinxmg  günstigen,  in  ihrer  Bedeutung  unparteiisch 
gewürdigt  werden.  Wir  haben  schon  zugegeben,  dafs  die  chronikenar% 
Berichterstattung,  die  biographischen  Schilderungen,  wie  die  juridiach-phil(h 
logischen  Prioritätsverhandlungen  für  die  Geschichte  der  Wissenschaften 
förderlich  und  von  unersetzlichem  Nutzen  sind;  fGbr  den  eigentlichen  Fort- 
schritt und  das  innere  Verständnis  aber  haben  sie  geringeren  Wert  nod 
die  zuletzt  besprochenen  hohen  Dienste  können  sie  den  Wissenschaften 
keineswegs  leisten.  Es  ist  jedenfalls  interessant  und  belehrend,  wenn  io 
ausführlichen  geschickt  verfafsten  Abhandlungen  der  erste  Autor  einer 
epochemachenden  Erfindung  oder  Entdeckung  unzweifelhaft  festgestellt  wird, 
für  das  Verständnis  des  Wesens  der  wissenschaftlichen  Entwicklung  aber 
würde  in  den  meisten  dieser  Fälle  eine  richtige  Schilderung  des  wissen- 
schaftlichen Charakters  der  betreffenden  Zeit  und  des  betreffenden  OtU& 
wichtiger  sein  als  der  Name  des  Erfinders,  wenn  nicht  dessen  Name  etwa 
schon  selbst  ein  ganzes  wissenschaftliches  Progranmi  bedeutet. 

Auch  die  scholastische  Methode  der  Geschichtsschreibung,  welcbe 
wohl  den  Zusammenhang  der  Entwicklungen  zu  kennzeichnen  verspricht, 
aber  doch  nur  die  zur  Zeit  in  der  Schule  geltenden  Theorien  berücksichtigt^ 


)ie  Geschichte  der  exakten  Wisse aschaften  und  der  Nutzen  ihres  Stadiums.    379 

lat  ftür  die  Wissenschaft  nicht  den  Nutzen,  den  sie  haben  könnte.  Die 
cholastische  (jeschichtsschreibung  erhebt  zwar  häufig  den  Anspruch  die 
tinzig  richtige  und  sichere  Art  der  Geschichtsschreibung  zu  sein,  aber  ihrem 
[aDzen  Charakter  und  ihren  ausgesprochenen  Zielen  nach  kann  sie  das  nie 
rerden,  weil  sie  nur  unvollständige  und  darum  einseitige  Anschauungen 
ermittelt  und  so  die  wahre,  thatsächliche  Entwicklung  oft  mehr  verdunkelt 
ils  erleuchtet.  Die  scholastische  Historie  mag  vielleicht  direkt  aus  den 
Quellen  schöpfen  und  kann  dabei  doch  zn  falschen  Bildern  kommen,  weil 
ie  nicht  alle  Quellen  und  selbst  die  in  Betracht  gezogenen  nur  e in- 
seitig benutzt.  Sie  will  allerdings  Entwicklung  schildern,  aber  doch  nur 
lie  der  gegenwärtig  herrschenden  Schultheorien,  während  sie  alle  andern 
rheorien,  mögen  sie  auch  zu  ihrer  Zeit  den  gröfsten  EinfluDs  geübt  haben, 
gänzlich  zu  vernachlässigen  pflegt.  Am  allerwenigsten  von  allen  kann  man 
lie  scholastischen  Geschichtsschreiber  als  kompetent  zur  Beurteilung  wissen- 
ichafllicher  Theorien  anerkennen,  denn  gröüser  noch  als  in  der  systematisch- 
heoretischen  Wissenschaft  ist  die  Blindheit  der  Scholastik  in  der  Geschichte. 
L)ort,  in  der  Gegenwart,  drängen  sich  doch  die  feindlichen  Systeme  der 
Beachtung  noch  unabweisbar  auf  und  lassen  sich  nicht  ohne  weiteres  tot- 
ichweigen;  hier  aber  in  der  Vergangenheit  reichen  die  ausgelebten  Systeme 
^ar  nicht  direkt  an  den  Forscher  heran  und  müssen  erst  zweckbewuTst  von 
lern  sie  verdeckenden  Staub  und  Geröll  befreit  werden. 

Die  experimentellen  Wissenschaften  haben  in  den  letzten  Jahr- 
lunderten  eine  solche  Kraft  des  Fortschritts  gezeigt,  sie  haben  eine 
solche  Menge  grofs artiger  Erfolge  errungen,  dafs  man  in  der  Neuzeit 
vielfach  alle  Kraft  des  wissenschaftlichen  Fortschritts  nur  dem  geschickten 
Bxperiment  hat  zuschreiben  und  die  Wirksamkeit  genialer  Ideen  ganz 
äbersehen  wollen.  Diese  Meinung  hat  sich  dann  nach  gut  scholastischer 
Art  auch  nicht  selten  dem  Geschichtsschreiber  der  Wissenschaften  mitgeteilt. 
Ideenreiche  Geister,  die  zwar  nicht  selbst  neue  experimentelle  Ent- 
deckungen erzielten,  die  aber  doch  zu  ihrer  Zeit  durch  die  Zusammenfassung 
fhr  von  andern  erlangten  Beobachtungsresultate  zu  theoretischen  Systemen 
einen  ungehenren  Einflufs  auf  die  wissenschaftliche  Entwicklung  aus- 
übten, hat  man  demgemäfs  mit  dem  Fluche  der  Vergessenheit  bedeckt 
and  öfters  ihre  blofse  Erwähnung  in  der  Geschichte  als  ein  Zeichen  von 
unwissenschaftlichem  Geiste  angesehen.  Ja  selbst  unzweifelhaft  er- 
folgreiche Experimentatoren  wurden  wohl  gern,  wenn  sie  zur  Erklärung  der 
Erscheinungen  weitergehende  hypothetische  Elemente  au&unehmen 
sich  nicht  enthalten  konnten,  einer  geheimen  Neigung  zu  phantastischen 
Abweichungen  von  der  allein  richtigen  wissenschaftlichen  Methode  angeklagt 
Q&d  danach   der  Erwähnung  in   der  echten  Wissenschaft  nicht  mehr  für 


380  Ferd.  Rosenberger: 

nnzweifelhaffc  wert  gehalten.  Wer  aber  der  Geschichte  der  Wissensehafteii 
mit  unparteiischer  Aufmerksamkeit  folgt,  der  mufs  ohne  Weigern  zngeb^L 
dafs  z.  B.  ohne  ein  gründliches  Studium  des  verlästerten  Natarphilosopbes 
Descartes,  an  dessen  Gegnerschaft  die  neuzeitliche  Phjsik  sich  entwickelte, 
auch  diese  selbst  nicht  richtig  vei^standen  werden  kann,  und  d&fs  sieb  di^ 
NEWTON'sche  Phjsik,  zu  der  die  Physiker  sich  gegenwärtig  noch  zna 
grOfsten  Teile  bekennen,  sich  nicht  richtig  schildern  läfst  ohne  eine  grtd- 
liehe  Bekanntschaft  mit  dem  DEscARTEs'schen  Weltsystem,  das  I^ewtvs 
ein  halbes  Jahrhundert  lang  bekämpfbe.  Wer  durch  geschichtliche  Studien 
sich  davon  überzeugt,  wie  •  vollständig  die  kinetischen  Theorien  d^i 
Schwere  und  des  Lichts  durch  so  geniale  Physiker  und  Mathematiker 
wie  Hocke,  Huygens,  Euleb  u.  a.  im  17.  und  18.  Jahrhundert  schon  ent 
wickelt  waren,  wie  vollständig  sie  dann  aber  durch  die  NEWTON'sche  Phjsil 
aus  dem  Gesichtskreis  und  fast  auch  aus  dem  Gedächtnis  der  Phjsiker 
verdrängt  schienen  und  wie  sie  doch  im  letzten  Jahrhundert  wenigstens 
teilweise  wieder  den  unbestrittenen  Sieg  an  ihre  Fahnen  heften  konnten, 
der  wird  auch  nicht  so  sicher,  wie  es  manchmal  scheint,  darüber  §«in 
dürfen,  daüs  unter  den  vergangenen  und  vernichteten  Hypothesen  nielit 
doch  noch  einige  sind,  die  später  in  neubearbeiteter  und  verbesserter 
Ausgabe  wieder  aufleben  können. 

Die  scholastische  Art,  das  Werden  der  Wissenschaft  als  eine  Ent 
Wicklung  zu  schildern,  die  nur  die  gegenwärtige  Wissenschaft  zum  Ziele 
gehabt  und  mit  dieser  ihr  natürliches  Ende  erreicht  hat,  ruft  leicht  jene 
schädliche  Selbstgenügsamkeit  hervor,  die  an  dem  wissenschaftlicki 
Fortschritt  nur  zu  bewundem  weifs,  wie  herrlich  weit  wir  es  gerade  in 
der  Gegenwart  gebracht,  und  die  kaum  ein  Bedürfnis  des  Fortschreiten? 
mehr  empfindet. 

Glücklicherweise  aber  trägt  jede  Art  der  Geschichtschreibnng  ancl^ 
die  scholastische,  ein  ihre  Schäden  korrigierendes  Moment  schon  in  sieii 
Indem  die  Geschichtsforschung  das  wissenschaftliche  Werden  zu  ergründfD 
versucht,  ist  sie  gezwungen  vor  allem  zu  erforschen,  welche  Einflüsse  die 
verwandten  Wissenschaften,  Disziplin  und  Theorien  auf  einander  ansübec 
und  findet  so  genügende  Veranlassung  alle  treibenden  Momente  in  der 
Entwicklung  zu  beobachten.  In  diesem  leisen  Zwange,  den  die  Geschichts- 
forschung zu  allen  Zeiten  ausübt  und  ausgeübt  hat,  scheint  mir  ihr  Hanp^ 
wert  für  die  Wissenschaft  selbst  zu  liegen. 

Diesen  Satz  und  damit  den  Wert  der  Geschichtsforschung  wird  ma^ 
aber  wohl  auch  kaum  ernstlich  bestreiten,  man  wird  vielleicht  im  (regi'D- 
teil  den  vorhergehenden  Ausführungen  den  Vorwurf  machen,  dafe  sie  zQ 
schwarz  gemalt  und  den  exakten  Wissenschaften  ünterlassungssänden  t^' 


0ie  Gesehiehie  der  exakten  Wissenschaften  nnd  der  Nutzen  ihres  Studiums.    381 

gesdirieben  haben,  die  diese  niemals  begangen.  Das  wäre  allerdings  ein 
^onniif,  der  mir  hier  an  dieser  Stelle  besonders  schmerzlich  sein  würde. 
Dom  der  Mann,  dem  diese  Abhandlung  gewidmet  iet,  hat  nicht  bloijs  selbst 
unter  allgemeinem  Beifall  an  einem  Beispiel  gezeigt,  wie  Geschichte  der  ex- 
altoD  Wissenschaften  geschrieben  werden  soll,  sondern  auch  allgemein  als  Mit- 
ndaktenr  der  Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik  die  historische  Er- 
Imehung  der  exakten  Wissenschaften  aufs  Mächtigste  geft^rdert.  Unser 
teitalter  bezeichnet  sich  allerdings  wissenschaftlich  gern  als  ein  rein 
jBodernes,  doch  l&fst  sich  schwer  verkennen,  dafs  es  trotzdem  mit  Erfolg 
kemüht  ist,  besonders  nach  methodischer  Seite  hin,  seine  historischen 
Anschauungen  zu  erweitern  und  zu  vertiefen.  Die  historisch- 
kritischen Darstellungen  der  Entwicklung  der  exakten  Wissenschaften  und 
ibier  Teile,  welche  in  letzter  Zeit  mehrfach  erschienen  sind,  zeugen  dafür 
in  nicht  mifiszuverstehender  Weise. 

Doch  betrifft  dies  bis  jetzt  nur  mehr  noch  einzelne  besondere  Kreise 
und  die  Allgemeinheit  verhält  sich  gegen  die  historisch- kritische  Erforschung 
der  exakten  Wissenschaften  immer  noch  zum  gröfsten  Teile  interessenlos 
nnd  ablehnend.  Jedenfalls  hat  der  Verfasser  die  im  vorhergehenden  be- 
impften Angriffe  nicht  fingiert,  sondern  wirklichen  Erfahrungen  entnommen. 
Demgemäls  ist  es  dem  Verfasser  auch  an  keiner  Stelle  in  den  Sinn  ge- 
konunen,  unsere  Meister  über  den  ihnen  jedenfalls  wohlbekannten  Wert 
der  Geschichte  belehren  zu  wollen,  und  seine  Absicht  war  es  nur  diesen 
Wert  der  Allgemeinheit  der  Forschungsgenossen  in  deutlichster  Weise  vor 
Augen  zu  stellen  und  die  fruchtbare  Verwendung  der  Geschichte  auch  im 
Unterrichte  der  exakten  Wissenschaften  möglichst  eindringlich  za  empfehlen. 


IWW 


DIE  UNVERZAGTSCHEN  LINIENKOORDINATEN. 

BIN  BEITRAG 
ZUR  GESCHICHTE  DER  ANALYTISCHEN  GEOMETRIE 


VON 

FERDINAND  RUDIO 

TN    ZÜRICH. 


Wenn  ich  bei  dem  hentigen  festlichen  Anlasse  anf  eine  Arbeit  meines 
hochverehrten  ehemaligen  Lehrers  Wilhelm  Unverzagt  zurückgreife,  so  ist 
das  nicht  ganz  zufällig.  War  er  es  doch,  dem  ich  die  erste  persönliche  Be- 
kanntschaft mit  dem  Manne  verdanke,  dem  diese  Blätter  gewidmet  sind. 

Es  war  in  Wiesbaden  auf  der  Philologenversanmilung  des  Jahres  1877. 
Unverzagt  hatte  in  der  mathematisch-naturwissenschaftlichen  Sektion  seine 
damals  Aufsehen  erregenden  Thesen  über  die  Ausdehnung  des  mathematischen 
Unterrichtes  an  den  Realgymnasien  aufgestellt  und  verteidigt  und  hatte 
durch  die  Wucht  seiner  Argumente,  mehr  aber  wohl  noch  durch  den  eigen- 
tümlichen Zauber  seiner  zugleich  imponierenden  und  gewinnenden  Persön- 
lichkeit selbst  solche  Fachgenossen  zu  überzeugen  gewufst,  die  mit  der  aus- 
gesprochenen Absicht,  seine  Thesen  zu  bekämpfen,  in  der  Sitzung  erschienen 
waren«  An  der  Diskussion  beteiligte  sich  auch  Morffz  Cantor.  Mit  grofser 
Wärme  trat  er  für  die  UKVERZAGT'schen  Thesen  ein,  die,  wie  er  ausführte, 
geeignet  seien,  den  höheren  Realanstalten  den  Charakter  „mathematischer 
Gymnasien^'  zu  verleihen  und  ihnen  so  eine  ebenbürtige  Stellung  gegenüber 
den  humanistischen  Gymnasien  zu  verschaffen. 

Ich  hatte,  damals  ein  junger  Student,  ebenfalls  an  der  Sitzung  teil- 
genommen und  konnte,  von  Unverzagt  dazu  aufgefordert,  nachher  aus 
eigener  Erfahrung  und  mit  gutem  Gewissen  Herrn  Cantor  und  anderen 
bezeugen,  daüs  der  UNVERZAGT'sche  Unterrichtsplan  niemals  mit  einer  Über- 
lastung der  Schüler  verbunden  gewesen  war. 

Wenn  ich  bei  dieser  Erinnerung  heute  verweile,  so  geschieht  es  aus 
zwei  Gründen.  Zunächst  ist  die  Arbeit,  über  die  ich  berichten  will,  aus 
dem  UnvERZAGT'schen  Unterrichte  hervorgegangen.  Sodann  aber  erinnere 
ich  mich  noch  jetzt  deutlich  des  Gefühles  der  Dankbarkeit,  das  ich  dem  mir 
bisher  finemd  gewesenen  Manne  gegenüber  empfand,  der  sich  so  warm  der 
Verteidigung  meines  Lehrers  angenonunen  hatte.  Ich  darf  dies  heute  als 
ein  freundliches  Omen  betrachten,  wenn  ich  auch  freilich  damals  noch  nicht 
ahnen  konnte,  zu  wie  grofsem  Danke  ich  dereinst  Moritz  Camtor  verpflichtet 
sein  würde. 

Abh.  SU  OMch.  d.  Matham  IX.  26 


386  Ferdinand  Budio: 

In  neuerer  Zeit  ist  wiederholt  und  mit  Erfolg,  namentlich  in  der  an- 
gewandten Mathematik,  von  einem  eigentümlichen  Eoordinatensysteme  6e- 
hranch  gemacht  worden,  das  die   gerade  Linie  in  analoger  Weise  in  iwd 
Fimdamentalpirnkten  in  Beziehung  hringt  wie  das  kartesische  Sjstem  des 
Punkt  zu  zwei  Fundamentalgeraden,    unter  den  hier  in  Betracht  komm^deD 
Arbeiten  sind  namentlich  die  des  Herrn  M.  d'Ooaqne  zu  nennen.    Es  genügt 
an   dieser   Stelle,  auf  die   Abhandlung   des  Herrn  lillKHMyK   zu  Terweisen: 
„Beispiele  graphischer  Tafeln  mit  Bemerkungen  über  die  Methode  der  fincht- 
rechten  Punkte"  (Ztschr.  f.  Math.  u.  Phys.,  Jahrg.  46).     In  dieser,  die  Litte- 
ratur  sehr  eingehend   berücksichtigenden  Abhandlung  findet  sich  die  Be- 
merkung, dafs  das  in  Bede  stehende  Koordinatensystem  schon  zehn  Jaiire 
vor  M.  d'Ocagme  von  Herrn  K.  Schwering  (im  Jahresberichte  für  1874  des 
Westfälischen  Provinzialvereins)  eingefOhrt  worden   seL     Es  ist  aber  tat- 
sächlich älteren  Ursprungs  und  systematisch  schon  von  Unverzagt  behandelt 
worden  in  der  dem  „Jahresbericht  über  das  EgL  Realgynmasium  zu  Wiesbaden 
von  Ostern  1870  bis  Ostern  1871"  vorausgehenden  Programmschrift:  „Über  eis 
einfaches  Koordinatensystem  der  Geraden".    Obwohl  diese  Abhandlung  zum  T«il 
in  desselben  Verfassers  „Theorie  der  goniometrischen  und  der  longimetnscheii 
Quatemionen"  (Wiesbaden,  1876)  verarbeitet  und  auch  von  der  Kritik  nicht 
übersehen  worden  ist,  scheint  sie  doch  ganz   in  Vergessenheit  geraten  zq 
sein.    Bei  dem  Interesse,  das  dem  Gegenstände  neuerdings  entgegeogebracM 
wird,  dürfte  es  sich  daher  rechtfertigen,  die  Arbeit  Unverzagtes  wieder  au 
das  Tageslicht  zu  ziehen.     Ich   werde  mich  aber  bei  ihrer  Wiedergabe  im 
wesentlichen  auf  Definitionen  und  Besultate  beschrftnken. 

Das  Koordinatensystem,  um  dessen  Verwertung  es  sich  hier  handelt^ 
war  von  Unverzagt  in  erster  Linie  zur  Belebung  seines  Unterrichtes  in 
der  analytischen  Geometrie  ersonnen  worden,  wie  er  es  überhaupt  liebte, 
sich  aufserhalb  der  ausgetretenen  Geleise  zu  bewegen  und  seinen  Schülern 
neue  Wege  zu  zeigen.  Das  Prinzip  der  Dualität  bot  ihm  AnlaTs,  f&r  die 
gerade  Linie,  als  Element,  ein  dem  gewöhnlichen  Koordinatensysteme  dual 
gegenüberstehendes  einzufuhren.  So  verwandelten  sich  von  selbst  die  beiden 
Koordinatenachsen  mit  ihrem  Schnittpunkte  in  zwei  Fundumentalpunkte  mit 
ihrer  Verbindungslinie.  Den  Winkeln  des  alten  Systemes  standen  Strecken 
in  dem  neuen  gegenüber.  An  die  Stelle  der  Winkelfunktionen  mufeten 
daher  Streckenfunktionen,  oder,  wie  sie  Unverzagt  nannte,  langmehrisdiC 
Funktionen  treten.  Diese  werden  folgendermafsen  definiert.  Teilt  man  eine 
Strecke  a6,  nach  Festsetzung  einer  Längeneinheit  (am  einfachsten  dB  selbst) 
und  einer  positiven  Eichtung,  innerlich  oder  ftulserlich  durch  einen 
Punkt  c,    so    lassen   sich  aus  den  Strecken  ac,  cb,  ob,   die  mit  einander 


Die  ünverzagt^schen  Linienkoordinaten.  387 

durch  die  Gleichung  ac  -^  ch  ^=  ai  verhunden  sind,  sechs  Quotienten  bil- 
den, n&mlich: 

ac      cb      oc 

ah'    aV    cb» 
ob     ab     cb 
ac*    cb»    ac' 

Diese  werden  nun  Sinus,  Kosinus,  Tangente^  Kosekante,  Sekante  und  Kotan- 
gente der  Strecke  ac  in  Bezug  auf  ai  genannt  und  kurz  durch  sin  C,  cos  c,  etc. 
bezeichnet.  Zwischen  den  so  definierten  sechs  longimetrischen  Funktionen 
bestehen  die  sechs  Oleichungen: 

sin  c  -|-  cos  c  a=  1,  sin  c  .  cosec  c  »=  1, 

1  +  tg  c    =»  sec  c,  cos  c  .  sec  c     — =  1, 

1  -f-  ctg  c  =  cosec  c,  tg  c  .  ctg  c     =1, 

die  es  gestatten,  jede  longimetrische  Funktion  durch  jede  andere  auszu- 
drücken.  Auch  Additionstheoreme,  die  denen  der  goniometrischen  Funktionen 
analog  sind,  lassen  sich  leicht  aufstellen,  wie  z.  B. 

sin  (c  —  b)  =  sin  c  .  cos  b  —  coc  c  .  sin  b       u.  a. 

Im  übrigen  erscheinen  die  longimetrischen  wie  die  goniometrischen  Funktionen 

als  spezielle  Fftlle  der  allgemeinen  Winkelfunktionen,  d.  h.   der  aus  dem 

schiefwinkligen  Dreiecke  abgeleiteten  Funktionen   Sinus,  Kosinus  etc.     In 

der  That  erh&lt  man  aus  der  diesem  Dreiecke  entnonunenen  allgemeinen 

Gleichung 

sin*  9  4"  ßos*  9  -|-  2  sin  9  cos  9  .  X; «»  1, 

wo  k  den  Kosinus  in  der  herkömmlichen  Bedeutung  des  Wortes  bedeutet, 
für  Ä;  =:  0  die  Grundgleichung  sin'  9  -{•  cos'  9  =^  1  der  goniometrischen  und 
und  für  Ä;  SB  1  die  Grundgleichung  sin  9  -|-  ^o^  tp  ==^  1  der  longimetrischen 
Funktionen. 

Nach  diesen  Vorbereitungen  führt  nun  Unverzagt  sein  Koordinaten- 
system mit  folgenden  Worten  ein:  „Zieht  man  durch  zwei  feste  Punkte 
Iq  und  ^^  deren  Abstand  e  heifse,  zwei  parallele  Geraden,  die  wir  die  Achsen 
nennen  wollen,  während  die  durch  {^  und  ^  bestimmte  Gerade  den  Namen 
Gnuid-  oder  Mittellinie  des  Koordinatensystems  führen  möge,  so  ist  jede 
Gerade  m  in  der  Ebene  der  Achsen  ihrer  Lage  nach  bestimmt  durch  die  auf 
den  Achsen  bestimmten  Schnittpunkte  £  und  tf.  Da  diese  Punkte  selbst 
durch  ihre  Abstände  von  |q  und  %  festgelegt  sind,  so  werden  wir  diese 
mit  X  und  y  bezeichneten  Strecken  die  Koordinaten  der  Geraden  m  nennen. 
Zugleich  möge  auf  der  Geraden  j^tf^  die  Richtung  von  (q  nach  ^q  als  die 

positive  gelten  und  die  Koordinaten  selbst  mit  dem  positiven  oder  negativen 

26  • 


388 


Ferdinand  Radio: 


Zeichen  in  Rechnung  gebracht  werden,  je  nachdem  sie  Stücke  auf  der  eines 
oder  der  anderen  Seite  von  Iq^q  angeben/* 

Aus  diesen  Definitionen  erhftlt  man  sofort  eine  Reihe  von  Folgenmgen. 

So  ergiebt  sich  bei- 
spielsweise die  Ltge 
des  Schnittpunktes  m 
der  Greraden  {x,  y) 
mit  der  Ifittellinie  aus 
der  Gleichung 

tgm ^, 

die  auch  für  den  Fall 
unendlich  grolser  Ko- 
ordinaten ihre  Gültigkeit  behftli  Sind  zwei  Geraden  (^1,^1)  und  {x^^ffi) 
gegeben,  so  erhftlt  man  für  den  (in  der  Richtung  der  Achsen  gemesseneD) 
Abstand  d  ihres  Schnittpunktes  von  der  Mittellinie  die  Formel 


d  = 


«iyt-ar,y, 


während  der  Ausdruck 


(«i-yi)-(«i~yi)' 


die  Tangente  dieses  Schnittpunktes  in  Bezug  auf  den  (in  der  Richtung  der 
Mittellinie  gemessenen)  Abstand  der  beiden  Achsen  darstellt.  Wenn  die 
Achsen  auf  der  Mittellinie  senkrecht  stehen,  so  ist  die  goniometrische  Tan- 
gente des  Winkels  9  der  beiden  Geraden 

woraus  sich  ergiebt,  daüs  für  o:^  —  ^t"^^  tft  —  ^i  ^®  beiden  Geraden  ein- 
ander parallel  sind  und  fftr  (x^  —  yj  (^i  —  yj)  ™  —  «*  auf  einander  senk- 
recht stehen. 

Auch  für  den  Flftcheninhalt  eines  durch  drei  Geraden  (op^,  y^),  {x^  9i) 
und  (pc^^  y^  bestimmten  Dreiecks  erhalt  man  einfeu^he  Formeln,  die  ä<^ 
dann  in  bekannter  Weise  sofort  auf  Polygone  von  n  Seiten  ausdehnen  lassen. 
Unter  der  Voraussetzung,  dafs  die  Achsen  senkrecht  zur  Mittellinie  sind, 
findet  man  für  den  Poljgoninhalt  J  die  Formel: 


2J=  '^ 


Die  üiiTerzagi^schen  Linienkoordinaten.  389 

Unyebzagt  fahrt  sodann  auch  ein  den  Pölarkoordinaten  des  Punktes 
entsprechendes  Koordinatensystem  der  (reraden  ein:  „Zieht  man  durch  die 
Punkte  £  und  9,  wo  die  Gerade  m  die  Achsen  trifft,  Geraden  nach  be- 
ziehungsweise tfQ  und  ][qj  so  schneiden  dieselben  einander  im  Allgemeinen  in 
einem  Punkte  mj,  durch  dessen  Angabe  umgekehrt  auch  die  Gerade  m  be- 
stimmt  ist.  Legen  wir  nun  diesen  Punkt  in  Bezug  auf  unser  Koordinaten- 
system dadurch  fest,  daCs  wir  seinen  Abstand  u  von  Iq%  angeben  (diesen 
Abstand  parallel  zu  den  Achsen  genommen)  und  femer  das  Verhältnis,  in 
welchem  %  den  Abstand  der  Achsen  teilt,  so  ist  es  leicht,  mit  Hülfe  von 
u  und  der  longimetrischen  Funktionen  von  ttii  die  Werte  von  x  und  p 
anszudrücken.     Es  ist  n&mlich  allgemein,  wenn  wir  in  Zukunft  einfach  m 

statt  m^  schreiben, 

X  =  u  .  sec  m 

y  =  u  ,  cosec  m. 
Daraus  folgt 

1,1        Ix  I     .       \        i 

— —  =    -  (cos  m  +  sm  m)  =  — . 

Überdies  sieht  man,  dafs  u  gleich  der  Hälfte  der  Strecke  ist,  die  durch 
m  parallel  zu  den  Achsen  geht  und  Ton  der  Geraden  m  und  der  Mittellinie 
|^%  begrenzt  wird,  d.  h.  gleich  der  Hälfte  des  harmonischen  Mittels  aus 
X  und  y.  Es  ist  nun  ein  Leichtes,  eine  in  x  und  y  gegebene  Gleichung 
in  eine  solche  mit  u  und  m  zu  verwandeln.     So  ist  z.  B. 

rcy  =  +  Ä* 

die  Gleichung  der  Ellipse  oder  der  Hyperbel,  je  nachdem  man  die  rechte 

Seite  mit  positivem  oder  negativem  Zeichen  nimmt     Daraus    ergiebt  sich 

sofort 

u'  sec  m  .  cosec  m  =  +  ^ 
oder 

K*  =  +  **  sin  m  .  cos  m 

als  die  Polargleichungen  der  genannten  Kegelschnitte  u\  Linienkoordinaten. 
Jede  Gleichung   in  Polarkoordinaten   des  Punktes    bietet   somit  Stoff 
znr  Untersuchung  über  die  Bedeutung  derselben  Gleichung,   die  Variabeln 
als  Geradenkoordinaten  in  der  oben  gegebenen  Bedeutung  betrachtet.'* 

• 

Dies  sind  die  Grundlagen,  auf  denen  ünvebzagt  seine  analytische 
Geometrie  aufbaut.  Die  folgenden  Zeilen  geben  natürlich  nur  eine  kurze 
tibersicht. 

Die  Gleichung  eines  beliebigen  Punktes  m,  als  Träger  der  durch  ihn 
gehenden  Geraden  (x,y\  lautet: 

xcosm  -\-  y  smm  =p. 


390  Ferdinand  Rndio: 

wenn  p  den  (parallel  zu  den  Achsen  gemessenen)  Abstand  des  Ptmktes  m 
von  der  Mittellinie  bedeutet.  Diese  Gleichnng  ist  in  der  Form  identbrh 
mit  der  bekannten  HESSE'schen  Normalgleichtuig  der  Geraden.  Sie  wird 
daher  die  Normalgleichnng  des  Punktes  genannt.  Die  allgemeine  Gleichnng 
ersten  Grades  Ax  -{^  By  ^^  C  wird  in  die  Normalgleichnng  verwandelt,  in- 
dem man  sie  mit  Ä  -{-  B  dividiert  Ist  Ä  '\-  B  =s  0^  so  liegt  der  Pnokt 
Ax  -^  By  =^  C  im  Unendlichen. 

Schreibt  man  die  Normalgleichnng  in  der  Form 

x  cos  m  +  y  sin  m  —  i?  =  0, 

so  stellt,  Ähnlich  wie  bei  der  HESSE'schen  Normalgleichnng,  die  linke  S«it^ 
für  sich  den  (parallel  zn  den  Achsen  gerechneten)  Abstand  des  Punktes  n 
von  der  Geraden  (x,  y)  dar.  Dadnrch  tritt  die  Bedentnng  der  Gleiehtmg 
des  Pnnktes  scharf  hervor. 

Aber  auch  sonst  bestehen,  der  Natur  der  Sache  nach,  zahlreiche  Aoi- 
logien  zwischen  den  Gleichungen  des  Pnnktes  und  denen  der  Gfradeo^ 
Analogien,  deren  gemeinsame  Quelle  zumeist  der  Umstand  ist,  daCs  man  es 
in  beiden  Fftllen  mit  linearen  Gleichungen  zwischen  zwei  Veränderlichen  zc 

thun  hat. 

X  t/ 

So  stellt 1-  -|-  =aB  1  die  Gleichung  eines  Punktes  dar,  der,  mit  den 

Fundamentalpnnkten  verbunden,  die  Achsenabschnitte  a  und  b  liefert;  so  i>t 

*  =  ^ — —  die  Gleichung  des  Schnittpunktes  der  Geraden  (j,,  ,Vil 

(a?,,  y,)  etc. 

Teilt  ein  Punkt  m,  den  Abstand  der  Punkte  tn^  nnd  tn,,  deren  Normil- 
gleichungen  kurz  mit  u^  =:  0  und  u^  ^=  0  bezeichnet  werden  mOgen,  im 
Yerh&ltnis  Aii :  Ar^,  so  erh&lt  man  als  seine  Gleichung  k^u^  -j-  k^u^  =' 0.  Es 
ist  also  beispielsweise  u^  -f-  Ug  =»  0  die  Gleichung  des  Halbierungspankt/'>. 
u^  —  11,  as  0  die  Gleichung  des  unendlich  fernen  Punktes  von  ntintj,  nnd 
es  ergiebt  sich  femer  als  Bedingung  dafür,  dafs  drei  Punkte  if|  =  0,  Wj=(\ 
Ug  «=  0  in  einer  Geraden  liegen,  die  Existenz  dreier  Multiplikatoren  Jj. 
-4^,  -Ij,  für  die  identisch  Äy^u^  +  ^Mj  -{-  A^u^  =i  0  ist.  Liegen  die  dm 
Punkte  nicht  in  einer  Geraden,  so  ist  beispielsweise  u^  -f-  «^  ~h  «ij  =  0  die 
Gleichung  des  Schwerpunktes  des  von  ihnen  gebildeten  Dreiecks  etc. 

Unter  der  Annahme,  dafs  die  Achsen  senkrecht  zur  Mittellinie  stehen. 
kann  man  auch  den  Flächeninhalt  eines  Dreiecks  durch  eine  einÜKhe  For 
mel  ans  den  Gleichungen  seiner  Eckpunkte  bestinunen.  Sind  diese  Ton  der 
Form  Ax  -f-  By  =  C,  so  findet  man  leicht: 


2/  = 


{Ä,+B,){A,+B,)(A,  +  B,) 


Die  ÜDverzagt*8chen  Linienkoordinaten.  391 

Diese  Fonnel  gestaltet  sich  besonders  einfach  for  den  Fall,  dals  die 
Eckpunkte  durch  ihre  Normalgleichongen  gegeben  sind,  da  dann  der 
Nenner  =  1  wird. 

Ist  F  (x^y)  SS  0  die  Gleichung  einer  Kurve  in  Linienkoordinaten,  so 
ist  der  negative  Quotient  der  beiden  partiellen  Ableitungen  von  F  nach  y 
und  X  gleich  der  longimetrischen  Tangente  des  Berührungspunktes  (die  also 
hier  an  die  Stelle  des  Bichtungskoeffizienten  tritt),  und  die  Gleichung 

||(«--)+|f('»-y)  =  o 

ist  die  Gleichung  des  Berührungspunktes  der  Tangente  (x^  y). 

Unvebzagt  hat  die  Gleichung  des  Punktes  noch  auf  eine  bemerkens- 
werte Form  gebracht.  Man  kann  nämlich  offenbar  die  Normalgleichung 
X  cos  m  -|-  ^  sin  m  ==:  j)  auch  in  der  Form 

schreiben,  wenn  die  Elammerausdrücke  die  Abstände  der  darin  vorkommen- 
den parallellen  Strecken  bedeuten.  Dividiert  man  diese  Gleichung  mit  e, 
80  erhält  man  x  sin  (py)  +  y  sin  (xp)  =jp  sin  (xy).  Schreibt  man  aber 
hierin  z  statt  p  und  beachtet,  dafs  sin  (ssy)  =  —  sin  (ya)  ist,  so  konunt 
die  symmetrische  Gleichung  zum  Vorschein: 

X  sin  (y  xr)  -f-  y  sin  (zx)  -{-  z  sin  (xy)  =^0, 

Diese  Gleichung  enthält  drei  parallele  Strecken  und  drei  Abstände  auf  der 
Mittellinie,  die  durch  die  Bedingung  (x  y)  -{-  {y  z)  -^^  {z  x)  =>  0  mit  einander 
verbunden  sind.  Läfst  man  in  ihr  zwei  der  parallelen  Strecken  (und  ihren 
Abstand)  variabel,  alles  übrige  aber  (nach  Gröfse  und  Stelle)  konstant  sein, 
so  stellt  sie  jedesmal  eine  Punktgleichung  dar;  läfst  man  dagegen  die 
vorher  variabelen  Stücke  konstant  und  die  übrigen  variabel  sein,  so  stellt 
dieselbe  Gleichung  die  Gleichung  einer  Geraden  dar. 

Aber  nicht  nur  in  dem  hier  zu  Grunde  gelegten  Koordinatensysteme, 
auch  in  kartesischen  Koordinaten  stellt  dieselbe  Gleichung,  je  nachdem  man 
zwei  der  Parallelen  oder  eine  der  Parallelen  und  ihre  Abstände  variabel 
sein  läDst,  die  Gleichung  eines  Punktes  oder  einer  Geraden  dar. 

Die  grofse  Übereinstimmung  zvnschen  den  ÜNVEBZAGT'schen  Linien- 
koordinaten und  den  kartesischen  Punktkoordinaten  zeigt  sich  auch  bei  der 
Kfmdinaientransforfnatum,  So  wird  z.  B.  der  Übergang  von  den  Achsen 
^>^  zu  Achsen  ^d^x,  die  parallel  zu  den  alten  liegen,  während  die  Mittel- 
linie ihre  Li^  nicht  ändert  (was  bei  den  kartesischen  Koordinaten  dem 
Übergänge  von  einem  Systeme  zu  einem  anderen  mit  demselben  Anfftngs^ 
pimkte  entspricht),  durch  die  Gleichungen  vermittelt: 


392  Ferdinand  Radio: 

»  sin  Ji  ^  =  a?i  sin  E^  +  yi  sib  fojr 
y  sin  El  9i  =  Xj  sin  99i  +  yi  sin  jj  D. 

In  einer  Programmabhandlung,  die  nur  den  allgemeinen  Onudlaga 
gewidmet  ist,  findet  sich  natürlich  kein  Baum  för  eine  aasfOhrüehere  Be- 
handlung höherer  Gebilde,  unverzagt  beschxtekt  sieh  daher  anf  einige 
wenige  Andeutungen. 

Die  Oleichung 

Ai^  +  B%y  +  Cy*  +  -D«  +  i'y  +  JP=  0 
stellt  eine  Kwn>t  eweiter  Klasse  dar  und  zwar  eine  Ellipse,  eine  Parabel 
oder  eine  Hyperbel,  je  nachdem  man  von  dem  Punkte 

(2Ä  +  B)x  +  (B  +  2C)y  +  D  +  E^O 

keine,  eine,  oder  zwei  Tangenten  ziehen  kann.  Dieser  Punkt  ist  der  Mittel- 
punkt der  Kurve.  Er  liegt  bei  der  Parabel  im  Unendlichen,  woians  sich 
f&r  diese  das  besondere  Kennzeichen  .1  -^  J9  -f-  C  =»  0  ergiebt. 

Für  die  Gleichung  des  Poles  der  Geraden  (x^,  y^)  in  Bezug  anf  du 
Kurve  zweiter  Klasse  findet  man: 

(2Äx^  +  By^  +  D)x  +  {Bx^  +  2Cy^  +  E)y  + Dx^  +  Ey^-{'2F=^). 

Ist  (x^,  y^)  eine  Tangente,  so  ist  diese  Gleichung  die  Gleichxmg  des  Be- 
r&hrungspunktes. 

Mit  Benutzung  der  früher  eingeführten  Polarkoordinaten  erhält  mao 
die  Polargleuhung  der  Kurve  zweiter  Klasse: 

(Ä  See*  m  +  -B  sec  m  .  cosec  m  +  (7  cosec*  m)  «* 
+  (2>  sec  m  +  JSJ  cosec  m)  «  +  F  =  0, 

die  nun  fast  buchst&blich  dieselben  Betrachtungen  ^ulälst  wie  die  gewöhn- 
liche Polargleichung. 

Mit  Hülfe  der  oben  erwähnten  Transformationsformeln  kann  man  aneh 
leicht  Kegelschnittsgleichungen  in  besonders  einfacher  Form  gewinnen,  x-  B. 

von  denen  die  erste  eine  Ellipse,  die  zweite  eine  Hyperbel  und  die  dritte 
eine  Parabel  darstellt,  während  sich  bei  anderer  Wahl  der  Achsen  (mu 
lege  die  Koordinatenanftnge  in  die  Enden  eines  Durchmessers  und  lasse 
die  Achsen  dem  kozgugierten  parallel  gehen,  d.  h.  mit  den  Tangenten  ko* 
sammenfallen),  für  die  Ellipse  und  die  Hyperbel  die  Gleichung  eigeben: 

«y  =  + A^, 
in  denen  sich  eine  bekannte  Eigenschaft  dieser  Kurven  in  einfachster  Föns 
ausgedrückt  findet. 


Die  ünTenagVschen  Linienkoordinaten.  393 

Den  Schtafs  der  ÜNYBRZAGT'schen  Abhandlung  bildet  die  Einführung 
irimehischer  Koordinaten. 

Man  kann  die  Gleichung  eines  jeden  Punktes  u  =»  0  als  die  Summe 
der  mit  gewissen  Koeffizienten  multiplizierten  Gleichungen  dreier  beliebiger 
Punkte  tij=»Of  11^  =  0,  u^  =  0  darstellen,  vorausgesetzt  nur,  dafs  diese 
nicht  in  einer  Geraden  liegen.  Die  Gleichung  u  =  0  kann  also  stets  ge- 
schrieben werden  in  der  Form 

wo  A;,  {,  m  sich  in  bekannter  Weise  als  Quotienten  gewisser  Determinanten 
darstellen. 

Nimmt  man  nun  speziell  t^i  i^,  t^  in  der  Normalform  an,  so  stellen 
diese  Ausdrucke  die  den  Achsen  parallel  genommenen  Abstände  der  drei 
Punkte  tfi,  SS  0,  Uj  =  0,  u^  =  0  Ton  den  durch  den  Punkt  u  »s  Q  gehen- 
den Geraden  (x,  y)  dar.  Man  erhält  also  somit  eine  Gleichung  des  Punktes 
in  Linienkoordinaten  k^,  ti^,  ti^,  die  sich  als  die  parallel  zu  den  Achsen, 
d.  h.  zu  einer  beliebig  vorgeschriebenen  Bichtung,  genonunenen  Abstände 
der  Geraden  (x,  y)  von  drei  festen  Punkten  darstellen.  Diese  werden  daher 
jetzt  als  Fundamentalpunkte  eines  trimetrischen  Eoordinatensystemes  zu 
Grunde  gelegt. 

Die  Koordinaten  tii,  Kg,  Kg  sind  natürlich  nicht  von  einander  unab- 
hängig, sondern  durch  die  Gleichung 

mit  einander  verbunden,  in  der  die  h  nach  Grölse  und  Richtung  die  gegen- 
seitigen Abstände  der  drei  durch  die  Fundamentalpunkte  gehenden  neuen 
Achsen  bedeuten  und  J  den  Flächeninhalt  des  Fundamentaldreiecks  darstellt. 
Man  kann  leicht  die  geometrische  Bedeutung  der  in  der  Gleichung 
&tfi  -f-  {ti|  -|-  miig  auftretenden  Multiplikatoren  A;,  2,  in  angeben.  Es  zeigt 
sich,  dafjs  sie  proportional  den  Flächeninhalten  J^^  J^^^  J^  der  drei  Drei- 
ecke sind,  die  man  erhält,  wenn  man  den  Punkt  u  =  0  mit  den  Funda- 
mentalpunkten 2,  3;  3,  1;  1,  2  verbindet.  Dadurch  geht  die  homogene 
Pnnktgleichung  über  in: 

Drückt  man  die  Inhalte  der  Teildreiecke  durch  ihre  Höhen  r^,  t;,,  v^ 
nnd  ihre  Grundlinien  $„^  Sg^,  s^  aus,  so  erhält  man: 

LäCst  maa  in  dieser  Gleichung  r^,  t;|,  v,,  d.  h.  die  homogenen  Koordinaten 
des  Punkiee  variabel  werden,  so  stellt  dieselbe  Gleichung  auch  die  durch 


394  Ferdinand  Budio: 

die  homogenen  Koordinaten  u^,  ti,,  ti^  festgelegte  Gerade  dar,  wobei  die 
drei  Punktkoordinaten  durch  die  Gleichung 

mit  einander  yerbonden  sind.  - 

Unverzagt  wendet  sich  sodann  zu  dem  Zusammenhange,  der  zwischen 
seinen  und  den  PLÜCKER^schen  Koordinaten  besteht.  In  beiden  Koordinaten- 
systemen benutzt  man  zur  Festlegung  einer  Greraden  drei  yon  den  Fnnda- 
mentalpunkten  an  sie  gezogene  Strecken.  Während  diese  aber  hier  parallel 
einer  bestimmten,  unyerftnderlichen  Richtung  gehen,  stehen  sie  bei  Plücses 
senkrecht  auf  den  festzulegenden  Geraden,  verändern  also  ihre  Bicbtang 
von  Gerade  zu  Gerade.  Setzt  man  dasselbe  Pundamentaldreieck  voraas,  so 
erhält  man  die  PLüOKER'schen  Strecken,  indem  man  t^,  1<S9  *S  ^^^  ^ 
(veränderlichen)  Kosinus  des  Winkels  multipliziert,  den  jene  Lote  in  jeder 
Lage  der  Geraden  mit  der  festen  Richtung  der  durch  die  drei  Fundamental- 
punkte  gehenden  Achsen  bilden.  „Diese  Operation  ist  so  einfach,  dals  es 
auf  den  ersten  Blick  unnötig  scheinen  mag,  neue  Koordinaten  statt  der 
von  jenem  berühmten  Mathematiker  eingefEÜirten  zu  benutzen.  Allein  die 
von  uns  angewandten  Koordinaten  bieten  doch  einige  wesentliche  Vorteile. 
Zuerst  ist  es  ein  Vorzug,  dafs  sich,  bei  nur  zwei  Koordinaten  zur  Festlegung 
der  Geraden,  die  Gleichung  des  Punktes  in  sehr  einfacher,  ja  bei  der  Ton 
uns  adoptierten  Bezeichnung  mehrfach  in  identischer  Form  mit  der  Gleichmig 
der  Geraden  in  kartesischen  Koordinaten  ergiebt,  während  der  Versuch,  eine 
Gleichung  des  Punktes  zu  bekommen,  bei  Annahme  nur  zweier  Fnndamental- 
punkte  und  der  von  ihnen  auf  die  Gerade  gef&llten  Lote  als  Koordinaten 
der  Geraden  auf  komplizierte  Ausdrücke  höheren  Grades  führt  Ähnliches 
gilt  für  Kurven  zweiter  und  höherer  Klasse."  Als  einen  weiteren  nicht 
unwesentlichen  Vorzug  seiner  Koordinaten  der  geraden  Linie  hebt  ünvebzagt 
sodann  mit  Recht  hervor,  dafs  diese  durch  eine  Gleichung  ersten  Grades, 
nämlich  durch  die  einfache  Gleichung 

«i^ra  +  «2*81  +  ««3*12  =  2/ 
mit  einander  verbunden  sind,  während  bekanntlich  der  Zusammenhang  d(f 
PLtJCKER^schen  Koordinaten  ^j,  ^^t  ^s  d^^uxh  eine  Gleichung  etceUen  Grades 
ausgedrückt  wird,  die  mit  Benutzung  der  früheren  Bezeichnung  lautet: 

4(li-l«)(li-i»)+«»*,(l«-ls)(l.-li)+«f,(S»-li)(l.  -  5,)=4<^- 

„SchlieiÜBlich  darf  wohl  auch  die  Leichtigkeit  der  Ableitung  unserer 
Formeln  für  ihre  Angemessenheit  bei  geometrischen  Untersuchungen  sprechen 
. .  .  und  wir  fügen  nur  zu,  dafs  die  Übertragung  unserer  Betrachtang  Ton 
Punkten   in  der  Ebene  auf  Ebenen  im  Räume,  unter  Zuziehung  von  fier 


Die  ünyenagt'schen  Linienkoordinaten.  395 

parallelen  von  den  Eckpunkten  eines  Tetraeders  aasgehenden  Achsen,  ohne 
alle  Schwierigkeit  ist/^ 


Es  ist  hereits  gesagt  worden,  dafs  die  Abhandlung,  deren  Inhalt  hier 
in  ihren  wesentlichen  Teilen  wiedergegeben  wurde,  aus  dem  Unterrichte 
hervorgegangen  ist,  den  Unverzagt  an  dem  Realgymnasium  zu  Wiesbaden 
erteilt  hat.  Es  würde  daher  nahe  liegen,  noch  einiges  über  diesen  Unter- 
richt, der  sich  in  mehr  als  einer  Hinsicht  weit  Über  das  gewöhnliche  Ni- 
veau erhob,  zu  berichten  und  daran  Mitteilungen  über  das  Leben  und  die 
wissenschaftliche  Thfttigkeit  Unverzagtes  anzuknüpfen.  Ich  kann  mich  aber 
damit  begnügen,  auf  den  pietätvollen  Nekrolog  zu  verweisen,  den  Herr 
August  Schmidt  seinem  ehemaligen  Lehrer  und  späteren  Kollegen  gewidmet 
hat.  Er  ist  im  31.  Bande  der  Ztschr.  f.  Math.  u.  Phys.  veröffentlicht. 
Hier  sollen  nur  noch  einige  litterarhistorische  Bemerkungen  über  die  be- 
sprochenen Koordinaten  Platz  finden. 

Wie  schon  bemerkt,  ist  im  Jahre  1874  auch  Herr  Schwering  auf 
das  von  Unverzagt  drei  Jahre  vorher  veröffentlichte  Koordinatensystem 
geführt  worden.  Seine  im  „Dritten  Jahresberichte  des  Westfälischen  Pro- 
vinzial -Vereins  fär  Wissenschaft  und  Kunst  pro  1874"  veröffentlichte  Note 
ist  betitelt:  „Über  ein  neues  Linienkoordinatensystem.*^  Es  darf  übrigens 
noch  gesagt  werden,  dafs  Unverzagt  schon  längere  Zeit  vor  dem  Erscheinen 
seiner  Progranmiabhandlung  die  darin  behandelten  Parallelkoordinaten  in 
semem  Unterrichte  benutzt  hat.  Nachdem  Herr  Schwering  sich  mit  diesen 
Linienkoordinaten  noch  in  dem  im  21.  Bande  der  Ztschr.  f.  Math.  u.  Phys. 
veröffentlichten  Aufsatze:  „Über  ein  besonderes  Linienkoordinatensystem" 
sowie  in  einer  Programmabhandlung  des  Briloner  Gymnasiums  beschäftigt 
hatte,  fa&te  er  seine  Untersuchungen  in  dem  Buche  „Theorie  und  An- 
wendung der  Linienkoordinaten  in  der  analytischen  Geometrie  der  Ebene'' 
(Leipzig  1884)  zusammen.^)  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  seine 
Wege  und  seine  Resultate  sich  vielfach  mit  den  UNVERZAGT'schen  decken. 
Nur  geht  sein  Buch  viel  weiter  und  bietet  eine  in  sich  abgeschlossene  ana- 
lytische Greometrie,  während  es  Unverzagt  nur  auf  die  Grundlagen  ankam. 
Andererseits  erscheint  indessen  die  von  Schwering  zu  Gi*unde  gelegte  Vor- 
aussetzung, dafs  die  Achsen  senkrecht  auf  der  Mittellinie  stehen,  an  vielen 
Stellen  als  eine  unnötige,  ja  oft  störende  Beschränkung. 


1)  Siehe  auch  die  von  G.  Köhler  im  82.  Bande  der  Ztschr.  f.  Math.  n.  Pbys. 
veröffentlichte  Abhandlung:  ,,Zar  Einftlhrang  der  Linienkoordinaten  in  die  analy- 
tische Geometrie  der  Ebene.'* 


396  Ferdinand  Bodio: 

Im  Jahre  1884  hat  sodann  Herr  M.  d'OoAONE  dem  in  Bede  stehenden 
Koordinatensysteme  einen  in  den  Nout.  Ann.  de  Math,  erschienenen  eben- 
falls  grandlegenden  Aufsatz  ,jätude  de  deux  aysUmes  simples  de  coord(mnee$ 
tangenHeUes  dans  le  i^i^on''  gewidmet.  Anschliefsend  an  die  üntersnchttn^ 
von  Lalanne  hat  er  dann  noch  in  demselben  Jahre  in  dem  An&atze  ,J^ 
cede  nouveau  de  calcul  graphique^^  (Annales  des  ponts  et  chaossees,  1884} 
dieses  System  znnftchst  zur  graphischen  Lösung  trinomischer  Gleichungen 
benutzt  und  später  noch  eine  ganze  Reihe  Ton  Anwendungen  folgen  lassen. 
Die  bereits  erwähnte  Abhandlung  von  Herrn  Mkrhke  und  die  yon  dem- 
selben Verfasser  in  der  nämlichen  Zeitschrift  TcrOffentlichte  Mitteilung  „Über 
einen  Apparat  zur  Auflösung  numerischer  Gleichungen  mit  vier  oder  fünf 
Gliedern''  giebt  mannigfachen  Aufschlufs  über  die  Yerwertbarkeit  der  Panllpl- 
koordinaten  und  enthält  zugleich  eine  ausfEihrliche  Zusammenstellung  der 
bereits  ziemlich  umfangreich  gewordenen  Litteratur. 

Es  wäre  noch  die  Frage  zu  beantworten,  ob  nicht  schon  vor  ümvebzagt 
Parallelkoordinaten  der  geradeir  Linie  angewendet  worden  sind.  Soweit  ieh 
die  Litteratur  zu  übersehen  yermag,  könnten  Arbeiten  von  Flücker,  Möbius 
und  Chasles  in  Betracht  gezogen  werden.  Über  das  Verhältnis  seiner  Ko- 
ordinaten zu  den  PLÜCKEn'schen  hat  unverzagt  selbst  alles  Erforderliche 
gesagt  Wohl  aber  kann  man,  wenn  man  durchaus  will,  Spuren  seiner 
Koordinaten  in  dem  „Baiycentrischen  Calcul"  entdecken,  insofern  es  ein 
Leichtes  ist,  beispielsweise  die  Gleichung  des  Punktes  in  den  ÜNYERZAOT^schen 
Koordinaten  barjcentrisch  zu  deuten.  Li  der  That  bilden  derartige  Über- 
legungen auch  den  Ausgangspunkt  der  wiederholt  genannten  MEHMKF*9cben 
Abhandlung  „Beispiele  graphischer  Tafeln  etc."  Anders  liegt  die  Sache 
dagegen  bei  Chasles.  Li  seinem  Buche  „Le  calcul  smpUfi^'  (Paris  1894) 
macht  Herr  d'Ocagne  auf  Seite  110  die  Bemerkung  (auf  die  ich  durch 
Herrn  MKTTincR  aufmerksam  wurde):  „TotUefois,  VidSe  mime  de  ces  coordon- 
nies  appartient  ä  Chasles,  Correspondcmce  de  Qübtelet,  i  VL"  Li  diesem 
Bande,  Seite  81 ,  findet  sich  in  der  That  ein  an  A.  Quetelet  gerichteter 
Brief  yom  10.  Dezember  1829,  in  dem  Chasles  ein  Koordinatensystem  niit 
folgenden  Worten  einführt: 

„  Void  m  peu  de  mots,  mon  systime  de  coardatmies,  Tai  powr  W  ^ 
reprisenter  chaque  surface  par  tme  iquatUm  qui  donne,  tatus  ses  plans  toMgeas, 
de  mime  qu^  dans  le  sysUme  usiti,  ou  represente  cJiaque  surface  par  ^ 
iquatian  gut  donne  tous  ses  points, 

Pour  cela,  par  trois  points  fixes  A,  B,  C,  je  mdne  trois  axes  parälWes 
enire  eux.  TJn  plan  qudconque  rencontre  ces  axes  en  trois  points  doä  ks 
distances  aux  poMs  A,  B,  C  respecHvement,  sont  les  coordomiies  z,  /, ' 
du  plan. 


Die  UiiYerzagi*8cheii  Linienkoordinatexi.  397 

Une  Sqmäon  F  (x,  y,  z)  s=  Q  entre  ces  coardonnees  downe  Ueu  ä  uns 
mfimti  de  plans,  et  r^^ente,  par  cons4quent,  la  surface  envdoppe  de  tous 
ces  pUms. 

Si  cette  iquatHon  est  du  premier  degri^  eile  repr^ente  un  pomt," 

CHASiiES  yerwendet  sodann  dieses  Koordinatensystem  zum  Beweise 
eines  allgemeinen  fiftchentheoretischen  Satzes.  In  einer  Nachscbrifb  vom 
25.  Dez.  desselben  Jahres  giebt  er  noch  eine  weitere  Anwendung,  indem  er 
ein  fOr  die  Fl&chen  zweiten  Grades  gtiltiges  Theorem  beweist,  das  sich  als 
eine  Verallgemeinerung  des  bekannten  Satzes  yon  der  konstanten  Summe 
der  Quadrate  konjugierter  Halbmesser  darstellt. 

Der  Hinweis  d'Ocaqne's  auf  Chasles  ist  durchaus  berechtigt,  denn 
das  von  diesem  benutzte  Koordinatensystem  -  ist  nichts  anderes  als  die  Über- 
tragung des  ÜNVERZAOT'schen  auf  den  Baum.  Immerhin  handelt  es  sich  hier 
doch  nur  am  eine  ganz  singulare  Erscheinung.  Die  sysiemaHsche  Einfahrung 
nnd  Bearbeitung  des  in  Bede  stehenden  Koordinatensystemes,  wie  sie  durch 
Unterzagt,  ScRWERma  und  schliefslich  durch  d'Ocagne  selbst  yollzogen 
wurde,  ist  dadurch  keineswegs  überflüssig  geworden.  Unverzagt  eigentüm- 
lich bleibt  überdies  in  jedem  Falle  das  durch  seine  Einfachheit  ausgezeichnete 
trimekisdie  System,  mit  dem  er  die  analytische  Oeometrie  bereichert  hat. 


mvif 


FRANZ  ADOLPH  TAURINUS. 

Em  BEITBAG 
ZUR  TOBGESCmCHTE  DES  inCHTEUELIDISCHEN  GEOMETRIE 


VON 

FAUL  STACKE  L 

IN   KIEL. 


Im  Jahre  1895  habe  ich  anf  die  bis  dahin  übersehene  Thatsache  hin- 
gewiesen, dafs  Fbanz  Adolph  Taurinus  (1794 — 1874)  zuerst  angeregt 
durch  seinen  Onkel  F.  E.  Schweikart,  alsdann  beeinfluTst  dnrch  Gauss 
bemerkenswerte  selbständige  üntersuchnngen  über  die  Onmdlagen  der 
Geometrie  angestellt  und  insbesondere  schon  1826,  demnach  früher  als 
LoBATSCHEFSKT  Und  J.  BoLTAi,  eine  nichteuklidische  Trigonometrie  mit 
Anwendungen  auf  geometrische  Probleme  durch  den  Druck  yeröffentlicht 
hat*).  Auf  Grund  weiterer  Kachforschungen  beabsichtige  ich  hier  meine 
damaligen  Mitteilungen  in  yerschiedenen  Punkten  zu  vervoUstftndigen.  Vor 
allem  darf  ich  mit  Erlaubnis  der  Königlichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
zu  Gottingen  drei  in  deren  Besitz  befindliche  Briefe  Ton  Taurinus  an  Gauss 
ans  den  Jahren  1824,  1825  und  1829  der  Öffentlichkeit  zugänglich  machen, 
Briefe,  die  zu  dem  bereits  bekannten  Schreiben  Ton  Gauss  an  Taurinus 
(ans  dem  Jahre  1824)^)  eine  wichtige  Ergänzung  bilden. 


1. 

Tanrinos'  Lebensgang. 

Fran3b  Adolph  Taurinus  wurde  am  15.  November  1794  zu  König 
im  Odenwalde,  dem  damaligen  Begierungssitze  der  SchOnbergischen  Linie 
der  Grafen  Erbach,  geboren.  Seine  Eltern  waren  Julius  Ephraim  Taurinus, 
gräflich  Erbach -schönbergischer  Hofrat,  und  Luise  Julians  Sohweikart. 
Bereits  im  Jahre  1800  starb  der  kränkliche  Vater,  und  die  Mutter  siedelte 
nach  Ingelfingen  über,  wo  ihr  Schwiegervater  als  Hofrat  in  Fürstlich 
HoHENLOHsschen  Diensten  stand;  er  starb  jedoch  schon  1802.     Im  Jahre 

1)  Siehe  den  VI.  Abschnitt  des  von  mir  in  Gemeinschafb  mit  Fbibdbich  Engbi. 
heraiugegebenen  Werkes:  Die  Theorie  der  Parallellinien  von  Euklitl  bis 
anf  Gaufs,  eine  Urkundensammlong  zur  Vorgeschichte  der  nichteuklidischen 
Geometrie,  Leipzig  1895,  das  ich  im  Folgenden  mit  P.  Tb.  anfahren  werde. 

2)  P.  Th.  8.  249—260.  Am  Schlüsse  des  Bandes  befindet  sich  ein  Facsimile 
dieses  Briefes. 

AUu  rar  OMoh.  d.  Mathem.  IX.  26 


402  Paul  St&ckel: 

1811  scHlofs  sie  eine  zweite  Ehe  mit  dem  Juristen  Föber  in  Stnttgaii 
Fürer  war  zuerst  Rechtsanwalt  und  Notar  gewesen  nnd  dann  in  des 
Württembergiscben  Staatsdienst  übergetreten.  Aus  dieser  Ehe  stammte  der 
1898  zu  Dürrenberg  bei  Corbetha  verstorbene  Pastor  Fdreb,  dem  ich  die 
folgenden  Mitteilungen  über  Taurinub'  Leben  verdanke. 

Nachdem  Taurinus  zuerst  in  IngelJBngen  von  dem  dortigen  Hofprediger 
und  dann  in  Reicheisheim,  dem  Geburtsorte  seiner  Mutter,  von  seinem 
Onkel,  dem  Pfarrer  August  8ohweikart,  unterrichtet  worden  war,  absol- 
virte  er  die  Prima  des  Gymnasiums  zu  Darmstadt  und  ging  1814  nach 
Heidelberg,  um  sich  der  Jurisprudenz  zuzuwenden.  Im  Jahre  1815  hat  er 
sich  in  Paris  aufgehalten,  wo  sein  Vater,  der  inzwischen  in  die  prea£sisehe 
Rheinprovinz  übergesiedelt  war  und  während  des  Krieges  eine  Stellang  bei 
der  Armeepolizei  bekleidet  hatte,  zeitweilig  das  IX.  Arrondissement  Ter- 
waltete.  Nach  seiner  Rückkehr  bezog  er  1816  die  Universität  Gieüsen  ond 
ging  bald  darauf  nach  Göttingen,  wo  „er  sich  in  einer  einsamen  Garten- 
wohnung in  seine  Speculationen  vergrub";  unüberwindliche  Scheu  vor  Cffent- 
liebem  Auftreten  soll  ihm  sein  ganzes  Leben  hindurch  eigen  gewesen  sein. 
Seit  Ostern  1822  hat  er  ohne  Amt  und  Beruf,  sich  mannigfachen  wissen- 
schaftlichen Beschäftigungen  widmend,  in  dem  Hause  seines  Schwagen. 
des  Justizrates  Alexander  Hasenclever  in  EOln,  gewohnt,  der  eine  der 
glänzendsten  Zierden  der  rheinischen  Advocatenbank  war,  und  nach  dessen 
1838  erfolgtem  Tode  ist  er  Hausgenosse  seiner  Schwester,  der  Witwe 
Hasenclever's,  geblieben. 

Taurinus'  hinterlassene  Papiere  zeigen,  dafs  er  sich  nicht  nur  be- 
trächtliche Kenntnisse  in  der  höheren  Analjsis  und  in  der  mathematischen 
Physik  angeeignet,  sondern  daneben  auch  philosophische  und  linguistische 
Studien  getrieben  hat.  Veröffentlicht  hat  Taurinus  nur  zwei  kleine  Schriften, 
die  sich  auf  die  Grundlagen  der  Geometrie  beziehen  (1825  und  1826) 
Über  ihre  Entstehung  und  ihre  Bedeutung  für  die  Vorgeschichte  der  nicht- 
euklidischen Geometrie  soll  in  den  beiden  folgenden  Abschnitten  ausführlich 
gehandelt  werden.  Hier  sei  nur  bemerkt,  daCs  sie  nicht  die  Anerkenniug 
der  Mathematiker  von  Fach  fanden,  auf  die  Taurinus  gehofft  hatte.  & 
hat  zwar  noch  erlebt,  dafs  die  Ideen,  die  er  1826  entwickelt  hatte,  sich 
siegreich  Bahn  brachen,  denn  zu  der  Zeit,  wo  er  sein  Leben  beschloüs,  —  er 
ist  am  13.  Februar  1874  gestorben  —  begannen  die  UntersuchungeB  von 
Lobatschepskij  und  J.  Bolyai,  Biehann  und  Hblmholtz  bereits  Ver- 
ständnis zu  finden,  allein  es  ist  anzunehmen,  dafs  diese  erfreuliche  Wand- 
lung ihm  verborgen  geblieben  ist. 


Franz  Adolph  Taurinus.  403 

2. 

Die  Theorie  der  Parallellinien  vom  Jahre  1825. 

AuTser  dem  bereits  erwähnten  Pfarrer  Aügüst  Sohweikart  hatte 
Taurinus'  Matter  noch  einen  1780  in  Erbach  geborenen  Brader  Ferdinand 
Karl  Sohweikart.  Dieser  ist  von  1812  ab  in  Charkow,  von  1816  ab 
in  Marburg,  von  1821  ab')  in  Königsberg  Professor  der  Bechte  gewesen 
nnd  dort  1859  gestorben^).  Sohweikart,  der  sich,  wie  das  gerade  bei 
Juristen  früher  nicht  selten  gewesen  zu  sein  scheint,  seit  seiner  Studien- 
zeit für  Mathematik  interessirte,  hatte  1807  eine  von  gründlichem  Studium 
der  betreffenden  Literatur  zeugende  Schrift:  Die  Theorie  der  Parallel - 
linien  nebst  dem  Vorschlage  ihrer  Verbannung  aus  der  Geo- 
metrie erscheinen  lassen,  in  der  er  noch  ganz  auf  dem  Boden  der  Eu- 
klidischen Elemente  stehend  das  elfte  Axiom  durch  das  „Postulat  von 
Quadraten"  ersetzt  Sp&ter  hat  er  Untersuchungen  angestellt,  die  mit  denen 
von  Sacoheri  und  Lambert  auf  eine  Stufe  zu  stellen  sind,  und  hat  sich 
schlie&lich  zu  der  Conception  einer  widerspruchsfreien  Greometrie  durch- 
gearbeitet, in  der  das  elfte  Axiom  nicht  gilt  und  die  Summe  der  Winkel 
des  Dreiecks  kleiner  als  zwei  Bechte  ist.  Im  Jahre  1819  legte  er  seine 
bereits  während  seines  Aufenthaltes  in  Charkow  gewonnenen  Ideen  durch 
Vennittelung  seines  Kollegen  Gerling,  eines  Schülers  von  Gauss,  diesem 
vor.     Gauss'  Antwort  begann  mit  den  Worten: 

„Die  Notiz  von  Hr.  Pr.  Sohw.  hat  mir  ungemein  viel  Vergnügen  ge- 
macht und  ich  bitte  ihm  darüber  von  mir  recht  viel  Schönes  zu  sagen. 
Es  ist  mir  fast  alles  aus  der  Seele  geschrieben"^). 


3)  P.  Th.  S.  243  heifst  es  1820.  Dass  diese  aus  Justi's  Hessischer  Gelehrten- 
Geschichte  (Marburg  1831,  S.  622)  entnommene  nnd  auch  in  Pogoxndorff^s  Hand- 
wörterbnch  (Leipzig  1863,  Bd.  II,  Spalte  876)  übergegangene  Angabe  unrichtig 
ist,  zeigt  ein  Brief  von  Olbxbs  an  Bbssbl  vom  20.  Mai  1821  (Briefwechsel  zwischen 
Olbbes  und  Bbssxl,  herausgegeben  von  Ebmann.  Bd.  n.  S.  196),  in  dem  dieser 
schreibt:  ,Jch  kann  den  Herrn  Professor  Schwsickhabd  nicht  abreisen  lassen,  ohne 
ihm  einige  Zeilen  mitzugeben.  Ich  hoffe,  Sie  werden  in  diesem  neuen  Kollegen 
einen  angenehmen  Gesellschafter  und  vielleicht  Freund  erhalten." 

4)  WniTKB  (Artikel  „Fbbduiabd  Ejlbx.  Sghwsikabt**,  Allgemeine  Deutsche  Bio- 
graphie. Bd.  33,  Leipzig  1891.  S.  388)  bat  als  Todesjahr  1867  bezeichnet.  Diese 
P.  Tb.  8.  243  übernommene  Angabe  ist  irrtümlich,  Schwbikart  ist  vielmehr,  wie 
die  Akten  der  Universitftt  Königsberg  zeigen,  am  17.  August  1869  gestorben; 
dasselbe  Datum  findet  sich  auch  in  PooaxNDOBrF^s  Handwörterbuch,  Bd.  H. 
Spalte  876. 

6)  P.  Th.  S.  246.  Es  ist  mir  inzwischen  gelungen,  diese  merkwürdige  Notiz 
v^on  ScHwnKART  aufzufinden,  die  ebenso  wie  der  vollständige  Brief  von  Oadss  an 

26* 


404  Paul  St&ckel: 

Von  seiner  Entdecknog,  „dafs  unsere  Geometrie  nur  eine  relaÜTe 
Wahrheit  habe,  und  dafs  es  eine  höhere,  welche  ich  die  Astralgeometrie 
nenne,  gebe",  hat  Schweikabt  seinem  Neffen  Taubinus,  yon  dessen  mathe- 
matischer Begabung  er  eine  hohe  Meinung  gehabt  zu  haben  scheint,  k 
einem  Briefe  yom  1.  October  1820  Mitteilung  gemacht  und  ihn  aufgefordert 
er  möge  doch  zu  ihm  kommen.  Er  wies  ihn  darauf  hin,  dais  Gau&s  auf 
demselben  Wege  sei,  und  schlofs  mit  den  Worten:  „In  kurzer  Zeit  woide 
ich  Dich  in  diese  Ansicht  einfahren  kOnnen  und  Deinem  Erfindungsbriehe 
ein  weites  Feld  eröflEnen"^. 

Taurinus  hat  dieser  Einladung  nicht  Folge  geleistet.  Er  sagt  in 
seiner  Theorie  der  Parallellinien  (8.  91),  dafs  er  sich  mit  der  Astral- 
geometrie seines  Onkels  nicht  habe  befreunden  kOnnen^).  Erst  1824,  also 
zu  einer  Zeit,  wo  er  bereits  in  Köln  bei  seinem  Schwager  lebte,  hat  er 
sich  wieder  geometrischen  Studien  zugewendet,  yeranlafet  durch  den  Um- 
stand, dafs  ihm  „die  1807  in  Jena  erschienene  Schrift  desselben  8chweika£T 
in  die  H&nde  fie^^  Er  erkannte  den  Grundfehler  von  dessen  Demonstra- 
tionen in  dem  Postulate  von  Quadraten  und  yersuchte  auf  anderem  Wege 
das  elfte  Axiom  zu  beweisen.  Seinen  Beweisversuch  teilte  er  Schweikabt 
mit,  der  ihm  in  einem  Briefe  vom  12.  November  1824  dessen  ünzallng- 
lichkeit  darlegte  und  abermals  auf  seine  Astralgeometrie  hinwies,  die  Gauss' 
Zustimmung  gefunden  habe^). 

Noch  ehe  diese  Antwort  eintraf,  hatte  TAmtmus,  der  inzwischen  in 
seinen  Untersuchungen  weiter  gerückt  war  und  denselben  Weg  eingeschlagen 
hatte,  auf  dem  Saccheri  und  Lambert  ihm  vorangegangen  waren,  sich  an 
Gauss  selbst  gewendet.     Sein  Brief  lautete  folgendermafsen : 

„Euer  Hochwohlgeboren 

haben  Sich  durch  die  ausgezeichnetsten  Verdienste  um  die  Mathematik 
einen  so  hohen  Ruhm  begründet,  dass  ich  keinen  Augenblick  zweifelhaft 
sein  konnte,  an  wen  ich  mich  mit  einem  Anliegen  von  höchstem  Interesse 
mit  dem  grössten  Vertrauen  zu  wenden  hätte. 

Was  so  vieljährigen  Bemühungen  der  besten  Mathematiker  nicht  ge- 
lungen ist,  eine  befriedigende  Theorie  der  Parallellinien  aufzustellen,  ud^ 
so  einem  Mangel  der  Elementargeometrie  abzuhelfen,  den  jeder  Freund  der 


Gerlino  vom  16.  März  1819    in   dem  demnächst  erscheiiienden  VHI.  Bande  tob 
Gaüsb*  Werken  abgedruckt  werden  wird. 

6)  P.  Th.  S.  249. 

7)  Vergleiche  auch  die  Einleitung  zn  den  Oeometriae  prima  eUmenta,  S.  V, 
P.  Th.  S.  247. 

8)  P.  Th.  S.  246^246  sowie  Gauss'  Werke  Bd.  VQL 


Franz  Adolph  Taurinas. 


405 


selben  anangenehm  empfiBden  musste  —  das  schwebt  mir,  wenn  mich  nicht 
alles  tauscht,  als  ein  erreichbares,  ja  halb  erreichtes  Ziel  yor. 

Der  innliegende  Versuch  wird  Euer  Hochwohlgeboren  die  Überzeugung 
Terschaffen,  ob  meine  Hoffnung  begründet  ist,  und  ich  darf  wohl  um  die 
Gewogenheit  bitten,  sobald  mein  Versuch  Ihren  Beifall  hat,  mir  Ihre  An- 
sicht hierüber  baldmöglichst  mitzutheilen. 

Mit  der  grössten  Hochachtung 


Cöln  am  Rhein 
den  30.  October  1824. 


Euer  Hochwohlgeboren 

ergebenster  Diener 

A.  Taurinus 

bei  B.  Anwalt  Hasenclever. 


Wenn  ab,  cd  zwei  gerade  Linien  sind,  die  von  einer  dritten  ef  unter 
rechten  Winkeln  geschnitten  werden,  und  es  wird  yon  der  ab  auf  die  cd 
ein  Leih  ik  gefWt,  so  bleibt  es  zweifelhaft,  was  sich  bei  t  für  ein  Winkel 
gik  bilde,  ob  ein  stumpfer,  ein  rechter  oder  ein  spitzer  Winkel? 

Es  werde  yorerst  angenommen,  Winkel  giksej>2B^  so  lässt  sich 
folgendes  beweisen: 

1.)  alle  yon  ah  auf  cd  gefällten  Lothe  werden  desto  kleiner, 

je  weiter  sie  yon  ef  abstehen. 
2.)  Dabei  werden  die  Winkel  gik,  glm  .  .  .  immer  stumpfer. 
3.)  Zuletzt    müssen     sich    ab    und    cd     gehörig    yerlftngert, 

schneiden. 

Beweis. 

1.)  Es  sey  hk  =  gh=^ kfn=^  mo,  und  Winkel  gik  stumpf,  so  ist  ik<Cgh. 

Denn  es  sej  eben  so  gross,  so  w&ren  bei  i  rechte  Winkel,  wider  die 
Voraussetzung. 

Oder  es  sey  ik  grösser, 
dass  also  z.  B.  pk  =  gh. 
Ziehe  gp,  so  ist  Winkel 
g^h  =  pgh:  &her  pgh  <  JB, 
um  80  mehr  gip  <  12, 
wider  die  Annahme. 

Femer  ist  Im  <  ik. 
Denn  es  sey  eben  so  gross, 
so  ist  Winkel  lik-^Wm- 

kel  Um.  FftUe  das  Loth  iq,  welches,  da  Um  =  lik  ein  spit^^  \\^l^i\^) 
ist,  zwischen  l  und  m  fallen  muss:  alsdann  wäre  (/fN^yA>ik  •  im^ 
was  xuunöglich  ist 


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Pig.  1. 


406 


Paul  Stäckel: 


Oder  es  sej  Im  >  ik,  z.  B.  rm  =»  ik.  Ziehe  ir,  gr.  Es  Issst  sieh 
beweisen,  dass  grm  >  grh,  weil  gh  >  rm.  Es  ist  rik  =  irfn>grm 
>  rgh:  ferner  ril  >  rp2,  folglich  kil  >  ^^2  >  12,  wider  die  Voransaeizong, 
dass  gik  >  R. 

Ein  ähnlicher  Beweis  lässt  sich  fCbr  alle  Lothe  fahren,  nicht  nm 
wenn  hk  =^  gh  =  km  . . .,  sondern  ganz  allgemein  für  alle  Lothe:  sie  wer- 
den desto  kleiner,  je  mehr  sie  sich  von  ef  entfernen. 

2.)  Nun  sej  also  lm<,ik,  Fälle  die  Lothe  la,  iß,  so  ist  iß<la: 
denn    wenn    dieses   Verh&ltniss   bei    den   Linien    ab,   cd,    die    yon  der  (f 


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Pig.  a. 

rechtwinklicht  geschnitten  werden,  stattfindet,  so  muss  das  nemliche  aneb 
von  den  Linien  ki,  ml  gelten,  die  bei  k  und  m  auf  der  cd  rechtwinklicht 
stehen,  zumal  wenn  km  =»  gh:  denn  ausserdem  wäre  keine  Geometrie  mög- 
lich. Ist  aber  iß  <  la,  so  ist  auch  ilß  <  lia,  und  da  ilß  =»  mlfi,  so 
folgt  daraus,  dafs  die  Winkel  lik,  nlm  u.  s.  w.  desto  kleiner  werden,  je 
weiter  die  Lothe  von  ef  sich  entfernen. 

3.)  Sehr  leicht  folgt  daraus,  daiüs,  wenn  die  Lothe  la,  ny  u.  s.  w.  ge- 
fällt werden,  ly  >  ia  u.  s.  w.,  dagegen  ka  >  Im,  ym  >  no  (da  ny>?ß 
u.  s.  w.)  —  woraus  sich  denn  auch  mit  Nothwendigkeit  auf  ein  Schneiden 
der  Linien  ah,  cd  schliefsen  lässt,  sobald  sie  nur  gehörig  verlängert  wer- 
den, es  mag  auch  ia  anfangs  noch  so  unendlich  klein  sein. 


Es  lässt  sich  dagegen  auf  mehr  als  eine  Art  der  Beweis  fahren,  dass 
zwei  Linien,  die  auf  einer  dritten  senkrecht  stehen,  sich  unmöglich  schnei- 
den können.  Daher  ist  es  denn  auch  eine  unrichtige  Voraussetzung,  dass 
wenn  zwei  Linien  von  einer  dritten  unter  rechten  Winkeln  geschhito 
werden,  und  von  der  einen  auf  die  andre  ein  Loth  gefällt  wird,  dieses 
nach  der  schneidenden  Linie  zu  einen  stumpfen  Winkel  bilde. 

Hieraus   ergiebt  sich   der  Satz,   dals   die  Winkel   eines  Dreiecks  n- 


Fra^z  Adolph  Taurinus.  407 

sammen  nie  mehr  als  2  Rechte  ausmachen  können.  Denn  dieCs   sej   der 

Fall  in  ABC:   ßllle   AD.     Es  seyen  auch  in  ADC  mehr  als  2  22:  con- 
stmire    das    ähnliche    Dreieck   ACE,    dafs 

AE  =  DG:  es  ist  also  EAD  =  BGE,  >  i2.  ^[^ ->-■__  f 

Errichte   das  Loth  AF  und   CF,   so   wäre 
AFO  H,   welches   nach    dem  obigen  un- 

Nun  lässt  sich,  wie  ich  glaube,  auch  der  Beweis  führen,  dass  die 
Winkel  eines  Dreiecks  nicht  kleiner  sein  können,  als  2  E,  sondern  =  2  R: 
daraus  ergiebt  sich  dann  weiter,  dafs  wenn  2  Linien  mit  einer  dritten  sie 
schneidenden  nach  einer  Seite  hin  weniger  als  2  R  machen,  sie  sich  noth- 
wendig  schneiden  müssen." 

Um  auf  diese  Auseinandersetzungen  genauer  «einzugehen,  scheint  es 
zweckmäDsig,  zunächst  Gauss'  Antwort  mitzuteilen,  die  ich  bereits  1895 
(P.  Th.  S.  249—250)  yeröffentücht  habe.  Gauss  schreibt  am  8.  November 
1824: 

Ewr.  Wohlgeboren 

gefälliges  Schreiben  yom  30  Oct.  nebst  dem  beigefügten  kleinen  Aufsatz 
habe  ich  nicht  ohne  Vergnügen  gelesen,  um  so  mehr,  da  ich  sonst  ge- 
wohnt bin,  bei  der  Mehrzahl  der  Personen,  die  neue  Versuche  über  die 
sogenannte  Theorie  der  ParaUellinien  [machen,]  gar  keine  Spur  von  wah- 
rem geometrischen  Geiste  anzutreffen. 

Gegen  Düren  Versuch  habe  ich  nichts  (oder  nicht  viel)  anderes  zu  er- 
innern als  dass  er  unvollständig  ist  Zwar  lässt  Dire  Darstellung  des  Be- 
weises, dass  die  Summe  der  drei  Winkel  eines  ebnen  Dreiecks  nicht  gröüser 
als  180^  sejn  kann  in  Bücksicht  auf  geometrische  Schärfe  noch  zu  desi- 
deriren  übrig.  AUein  dies  würde  sich  ergänzen  lassen,  und  es  leidet  keinen 
Zweifel  dafs  jene  Unmöglichkeit  sich  auf  das  allerstrengste  beweisen  läfst. 
Ganz  anders  verhält  es  sich  aber  mit  dem  2°.  Theil,  dafs  die  Summe  der 
Winkel  nicht  kleiner  als  180^  seyn  kann;  dies  ist  der  eigentliche  Knoten, 
die  Klippe  woran  alles  scheitert.  Ich  vermuthe,  dass  Sie  sich  noch  nicht 
lange  mit  dem  Gegenstande  beschäftigt  haben.  Bei  mir  ist  es  über  30  Jahr, 
^d  ich  glaube  nicht,  dafs  jemand  sich  eben  mit  diesem  2°.  Theil  mehr 
beschäftigt  haben  könne  als  ich,  obgleich  ich  niemals  etwas  darüber  be- 
kannt gemacht  habe.  Die  Annahme,  dafs  die  Summe  der  3  Winkel  kleiner 
^i  als  180^,  führt  auf  eine  eigne  von  der  unsrigen  (Euclidischen)  ganz 
verschiedene  Geometrie,  die  in  sich  selbst  durchaus  consequent  ist,  und 
die  ich  für  mich  selbst  ganz  befriedigend  ausgebildet  habe,  so  dass  ich  jede 


^ 


408  Paul  Stftokel: 

Aufgabe  in  derselben  auflösen  kann  mit  Ausnahme  der  Besümmung  ebnf     ^e»  1 
Constante,  die  sich  a  priori  nicht  ausmitteln  lässt     Je  grOüser  man  diese 
Constante    annimmt,   desto   mehr   nähert   man   sich   der  Euclidischen  Geo.      t  ^ 
metrie  und  ein  unendlich  grosser  Werth  macht  beide  zusammenfallen,  ßj^      Ij^ 
Sätze  jener  Geometrie  scheinen  zum  Theil  paradox,  und  dem  üngeflbten     i'^  ^ 
ungereimt;  bei  genauerer  ruhiger  Überlegung  findet  man  aber,  dafli  sie  m 
sich    durchaus   nichts   unmögliches    enthalten.     So   z.  B.   können   die  diei 
Winkel  eines  Dreiecks  so  klein  werden  als  man  nur  wiU,  wenn  man  nur 
die  Seiten  grofs  genug  nehmen  darf,  dennoch  kann  der  Flächeninhalt  einw 
Dreiecks,  wie  grofs  auch  die  Seiten  genommen  werden,  nie  eine  bestimmiB 
Grenze    überschreiten,    ja    sie    nicht   einmahl    erreichen.      Alle   meine  Be- 
mühungen  einen  Widerspruch,  eine  Inconsequenz  in  dieser  Nicht-EudidiadLon 
Geometrie  zu  finden  sind  fruchtlos  gewesen,  und  das  Einzige  was  unserm 
Verstände  darin  widersteht,  ist  dafs  es,  wäre  sie  wahr,  im  Baume  eine   ^n 
sich   bestimmte   (wiewohl  uns   unbekannte)   Lineargrösse   geben  müa^te. 
Aber  mir  deucht,  wir  wissen,  trotz  der  Nichts  Sagenden  Wort-Weisheit   ^er 
Metaphjsiker  eigentlich  zu  wenig  oder  gar  nichts  über  das  wahre  Woaao 
des  Baumes,   als  dafs  wir  etwas  uns  unnatürlich  vorkommendes  mit  ^l^. 
solut  Unmöglich  verwechseln  dürfen.     Wäre  die  Nicht-Euclidische  Qeo> 
metrie  die  wahre,  und  jene  Constante  in  einigem  Verhältnisse  zu  solchen. 
Grössen  die  im  Bereich  unsrer  Messungen  auf  der  Erde  oder  am  ^'TimcrA 
liegen,   so   Hesse    sie   sich   a  posteriori   ausmitteln.     Ich  habe   daher  woXz^ 
zuweilen  im  Scherz  den  Wunsch  geäufsert,  dafs  die  Euclidische  Geomek^B'^ 
nicht  die  Wahre  wäre,  weil  wir  dann  ein  absolutes  Maass  a  priori  habo^^^^ 
würden. 

Von  einem  Manne,  der  sich  mir  als  einen  denkenden  Mathematische ^lj^^^ 
Kopf  gezeigt  hat,  fürchte  ich  nicht,  dafs  er  das  Vorstehende  miiverstehe:^^^ 
werde:  auf  jeden  Fall  aber  haben  Sie  es  nur  als  eine  Pri vat-Mittheilun^'^*" °fi 
anzusehen,  von  der  auf  keine  Weise  ein  öffentlicher  oder  zur  öffentlidk^^^^' 
keit  führenkönnender  Gebrauch  zu  machen  ist.  Vielleicht  werde  ich,  wi 
ich  einmahl  mehr  Müsse  gewinne,  als  in  meinen  gegenwärtigen  V 
nissen,  selbst  in  Zukunft  meine  Untersuchungen  bekannt  machen. 

Mit  Hochachtung  verharre  ich 

Ewr.  Wohlgeboren 
Göttingen  den  8  November  ergebenster  Diener 

1824.  C.  F.  Gauss. 

Aus  diesen  Briefen  ergiebt  sich  zunächst,  dafs  Taurinus  im  Octoiex- 
1824  noch  durchaus  der  Überzeugung  war,  das  elfte  Axiom  könne  and 
müsse  bewiesen,  d.  h.  aus   den  übrigen  Voraussetzungen  der  EuklidischeKi 


Fianx  Adolph  TaurmuB.  409 

Elemente  hergeleitet  werden,  dais  er  die  wesentliche  Identität  des  elften 
Axioms  mit  dem  Satze,  dals  die  Summe  der  Dreieckswinkel  2  Rechte  be- 
trage, erkannt  und  den  Beweis  für  diesen  Satz  auf  apagogischem  Wege 
dnichzofohien  yersadbt  hatte,  dafs  er  von  den  beiden  Möglichkeiten,  die 
alsdann  zu  betrachten  sind,  nur  die  eine,  bei  der  die  Winkelsumme  gröfser 
als  2  Rechte  Yorausgesetzt  wird,  genauer  untersucht  hatte  und  dals  es  ihm 
gelungen  war  ihre  Unvereinbarkeit  mit  den  Voraussetzungen  des  Euklidi- 
schen Systems  zu  zeigen,  dafs  er  jedoch  auf  diesem  Wege  bei  weitem 
nicht  so  tief  wie  Saocheri  und  Lambert  vorgedrungen  war,  welche  schon 
1733  und  1766  die  „Hypothese  des  stumpfen  Winkels*'  eingehend  unter- 
sucht hatten,  von  deren  Untersuchungen  jedoch  Taubinus  damals  noch  keine 
Kenntnis  besals. 

Demgegenüber  hatte  sich  Oauss  zu  derselben  Zeit  nicht  nur  nach 
langen  E&mpfen,  bei  denen  die  Frage,  ob  man  die  Existenz  einer  an  sich 
bestimmten  LineaigrOfse  annehmen  dürfe,  eine  wesentliche  Bolle  gespielt 
hat^)  zu  der  Überzeugung  von  der  logischen  Unanfechtbarkeit  einer  „nicht- 
euklidischen'^  Geometrie  durchgerungen,  in  der  die  Summe  der  Winkel 
des  Dreiecks  kleiner  als  2  Rechte  ist,  sondern  auch  diese  neue  Geometrie 
„für  sich  selbst  ganz  befriedigend  ausgebildet''^^).  Die  Worte:  „Ich  habe 
daher  wohl  zuweilen  im  Scherz  den  Wunsch  geäufsert,  dafs  die  Euklidische 
Geometrie  nicht  die  Wahre  wäre,  weil  wir  dann  ein  absolutes  Maus  a  priori 
hätten",  die  sich  übrigens  dem  Sinne  nach  genau  mit  einer  ÄuDserung 
Lambert^s  decken ^^),  stehen  damit  nicht  in  Widerspruch;  der  „Scherz"  be- 
zieht sich  augenscheinlich  nicht  auf  die  nichteuklidische  Geometrie,  sondern 
allein  auf  die  praktischen  Folgen,  die  die  Existenz  eines  absoluten  Mafses 
haben  würde. 

Endlich  wird  durch  die  beiden  Briefe  die  für  die  Vorgeschichte  der 
nichteuklidischen  Geometrie  bedeutungsvolle  Thatsache  festgestellt,  dals  Gauss 
und  Taübikus  erst  im  Jahre  1824  in  Beziehungen  zu  einander  getreten 
sind,  und  da  Gauss  keine  weiteren  Briefe  an  Taubinus  geschrieben  hat, 
wird  zugleich  der  Einflufs,  den  jener  auf  diesen  gehabt  haben  kann,  genau 
festgelegt  Damit  ist,  worauf  noch  zurückzukommen  sein  wird,  für  Taübikus 
die  selbständige  Entdeckung  der  nichteuklidischen  Trigonometrie 
gesichert,    die    freilich    Gauss   spätestens    seit   1819   besessen  haben  mufs. 


9)  Weitere  Aufschlüsse  hierüber  wird  Bd.yiII  der  GAüss'schen  Werke  geben. 

10)  Eine  ähnliche  Äufserung  findet  sich  auch  in  dem  Briefe  an  Gkblino  vom 
16.  Man  1819.  P.  Th.  S.  246.  Siehe  auch  die  Abhandlung  von  Friedrich  Emobl 
und  mir:  Gauss,  die  beiden  Bolyai  und  die  nichteuklidische  Geometrie, 
Mathematische  Annalen,  Bd.  49.  S.  160—161,  1897. 

U)  Lambsst^s  Parallelentheorie  §  80,  P.  Th.  S.  200. 


410  Paul  St&ckel: 

Nimmt  man  die  weitere  Thatsache  hinzn,  dafs  Schwbikabt  anabhängig  ton 
Gauss  die  Idee  der  „Astralgeometrie''  concipirt  hat  —  nach  einer  Aa&emfig 
GERLmos  bereits  w&hrend  seines  Aafenthaltes  in  Charkow  1812 — 1816", 
— ,  so  ergiebt  sich,  dals  die  Ansicht,  alle  Untersuchungen  über  nidit- 
euklidische  Geometrie  gingen  auf  Anregungen  yon  Gauss  zurück,  nicht  mehr 
haltbar  ist.  Damit  aber  rerliert  die  Frage,  ob  die  Untersuchungen  tod 
LoBATSCHEFSKU  uud  JoHANN  BoLTAi  direkt  oder  indirekt  durch  Gauss  rer- 
anla&t  sind^'),  ihre  principielle  Wichtigkeit;  womit  nicht  geleugnet  werden 
soll,  dals  es  sich  hierbei  um  ein  Yom  Standpunkte  des  Mathematikeis  wk 
des  Historikers  und  Psychologen  recht  interessantes  Problem  handelt. 

Doch  kehren  wir  zu  Taukinus  zurück,  für  den  die  freundlidie  Antwort^ 
die  ihm  ein  Mann  wie  Gauss  zukommen  liefs,  gewifs  ein  Ansporn  gewesen 
ist,  seine  Untersuchungen  über  die  Grundlagen  der  Geometrie  mit  emeutea 
Eifer  fortzufahren.  So  entstand  seine  erste  Schrift,  die  Theorie  der 
Parallellinien,  deren  Druck  im  März  1825  yoUendet  wurde.  Ehe 
Taurikus  sein  Erstlingswerk  dem  Buchhandel  übergab,  samdte  er  es  an 
Gauss  und  schrieb  ihm  bei  dieser  Gelegenheit  folgenden  Brief: 

Euer  Hochwohlgeboren 

weifs  ich  meinen  Dank  f&r  die  höchst  gütige  und  interessante  Beantwortung 
der  Anfrage,  die  ich  vor  ungefähr  vier  Monaten  an  Hochdieselbe  zu  richten 
so  frei  war,  nicht  besser  erkennen  zu  geben,  als  durch  Übersendong  bei- 
folgender kleiner  Schrift,  bevor  sie  noch  ins  Publicum  kommt.  Ich  würde 
mich  zur  Herausgabe  derselben  schwerlich  entschlossen  haben,  wenn  mir 
gleich  anfangs  bekannt  gewesen  wäre,  dafs  Leoendre  den  Beweis,  dem  ich 
als  einer  ganz  neuen  Entdeckung  einen  bedeutenden  Wert  beizulegen  ge- 
neigt war  —  dafs  nemlich  die  Summe  der  drei  Winkel  eines  ebenen  Drei- 
ecks zwei  Rechte  nicht  übersteigen  könne  —  bereits  vollkommen  befnedigend 
gefahrt  hat,  worauf  mich  erst  Hr.  Prof.  v.  Münchow  in  Bonn  aufmericsam 
gemacht  hat.  Hierdurch  verschwindet  also  das  vorzüglichste  Interesse, 
das  die  Schrift  aufserdem  für  den  Mathematiker  hätte  haben  können:  in- 
dessen  enthält   sie  dennoch  vielleicht  eine   oder  die  andere  neue  Ansicht 

Die  neue  Geometrie,  auf  welche  Ew.  Hochwohlgeboren  wegen  des,  zn 
einer  gründlichen  Theorie  der  Parallelen  noch  fehlenden  Beweises  mich  Ter- 
weisen,  ist  mir  seit  vier  Jahren  nichts  unbekanntes  und  mir  zuerst  von 
meinem  Oncle,  Professor  Schweikart,  damals  in  Marburg,  mitgetheilt  worden: 


12)  Yergl.  meine  Bemerkung  in  Erobl^b  Bach:  Nikolalj  Iwanowitsch  Lout- 
8CHEFBKU,  zwci  geometriBche  Abhandlungen.    Teil  IL.  Leipzig  1899,  S.  428. 

13)  P.  Th.  S.  242—243  und  Enobl,  a.  a.  0.,  a  378--382. 


Franz  Adolph  Taurinus.  411 

ich  vermochte  aber  ans  bloJGsen  Andeutongen  nicht,  die  Idee  davon  aufzu- 
fassen, bis  ich  vor  vier  Monaten  eben  jenen  Beweis,  den  ich  Euer  Hoch- 
wohlgeboren  mitzutheilen  die  Ehre  hatte,  auffand  und  so  von  selbst  auf  den 
Versuch  geleitet  wurde,  ein  geometrisches  System,  in  welchem  die  Summe 
der  Dreieckswinkel  kleiner,  als  zwei  Rechte  wäre,  zu  entwickeln.  Da  ich 
hierbei  auf  unerwartete  Schwierigkeiten  stiefs,  so  gab  ich  den  Versuch  bald 
auf  und  habe  mich  seitdem  nicht  mehr  damit  beschäftigt  Ich  konnte  um 
so  eher  darauf  verzichten,  als  mein  genannter  Oncle  mir  bemerkt  hatte,  dafs 
Euer  Hochwohlgeboren  dieselbe  Idee  lange  schon  und  weit  verfolgt  hätten. 
Indessen  hat  sich  bei  mir  gleich  anfangs  die  Ansicht  gebildet,  die  ich  in 
der  beiliegenden  Schrift  auszusprechen  gewagt  habe. 

Höchst  schätzbar  und  schmeichelhaft  wäre  es  mir,  wenn  Euer  Hoch- 
wohlgeboren  die  kleine  Schrift  einer  Durchsicht  und  Criük  würdig  fllnden 
und  die  Gewogenheit  haben  wollten,  mir  Ihre  Einwendungen  dagegen  oder 
das  ganze  Resultat  Ihrer  Beurtheilung  mitzutheilen.  Die  Schrift  wird  auf 
keinen  Fall  vor  vierzehn  Tagen  irgend  jemanden  bekannt  werden  und  ich  bin 
bereit  sie  sogleich  ganz  zu  unterdrücken,  wenn  es  Euer  Hochwohlgeboren 
im  mindesten  unangenehm  wäre,  daSa  der  gedachte  Gregenstand  zur  Sprache 
käme. 

Mit  der  Versicherung  der  ausgezeichnetsten  Hochachtung  und  Verehrung 
verharre  ich 

Euer  Hochwohlgeboren 

ergebenster  Diener 

F.  A.  Taurinus. 
C5ln  a.  Rh.,  den  20.  März  1825. 

Aus  dem  später  mitzuteilenden  Briefe  Taurinus'  an  Gauss  vom 
29.  Dezember  1829  geht  hervor,  dais  Gauss  das  Schreiben  vom  20.  März 
1825  nicht  beantwortet  hat.  Wenig  ermutigend  war  auch  die  Antwort, 
die  W.  A.  DiESTERWEO  (1782 — 1835),  damals  Professor  der  Mathematik 
an  der  Universität  Bonn,  ihm  auf  die  Zusendung  der  Theorie  derPa-< 
rallelen  am  15.  September  1825  zugehen  liefs.     Es  heifst  darin: 

„Ich  halte  es  fEbr  eine  äufserst  bedenkliche  Sache,  einen  Theil  seines 
Lebens  der  Aufstellung  einer  neuen  Parallelentheorie  zu  widmen.  Was 
EuKLiDES  nicht  konnte,  und  alle  grolsen  Mathematiker  nach  ihm  nicht 
konnten,  ist  gewifs  eine  sehr  schwer  zu  leistende  Sache.  Und  ohne  einen 
neuen  Grundsatz  an  die  Stelle  des  elften  Euklidischen  zu  setzen,  dürfte  es 
wohl  unausführbar  sein"^*). 


14)  Mitteiloog  von  Pastor  FtJsBB,  vergl.  S.  402  dieser  Abhandlang. 


-  ^ 


•♦• 


Pmal  8Uckel: 

^^    a»    TTitt-i-r.«    4^  Parallel linien  eine  ziemlich  seltene  Sdoift 

Übersicht  ihres  Inhalt«  sq  geben;  k 
en  Geometrie  wichtigsn  Stellen  luk 
akgedmckt^*).    In  der  Vorrede  (8.  3-14)  W 
Innptsftchlichsten  Ansichten,  Yonchl&ge  jd 
e   Axiom   anznf&hren  nnd  die  Gröndt 
Mit  ■  Midigen  Mifslingens  darzulegen^  und  ^\M 
m  Summe  der  Winkel  im  Dreiecke  ausgeben  nod 
Widersprach  aufiEudecken,  der  sich  ans  einer  viU 
ergeben  werde^.     Er  f&hrt  fori: 

Yersach  ma&t  sich  nicht  an,  zar  Wahiheii,  die  n 
Bnaühnngen  und  Forschungen  irachtlos  waren,  end* 
la  sein  und  dem  ürtheil  der  Mathematiker  yonagreifeL 
bleiben,  dais  über  den  51ten  Lehrsatz")  — nnd 
zu  seiner  Empfehlung  gereichen  könnte  —  Hen 
beifUlig  ausgesprochen  hat.     Das  bei  dem  Be- 
Yerfahren  ist  so  eigenthftmlich,  dals  der  Satz  in 
erstenmal  erscheint.^ 
-:      „j^    >^  15 — 72)  „Die   ersten  Elemente  der  Geomet^ie^ 
•  w .  -«^  IteMT  heginnen  sie  mit  52  Erkl&rungen  und  2  Fordenngen 
s  ^     .jfic  vv«adeB  durch  zwei  gegebene  Punkte,    eines  Kreises  mi 
a    1  .'^»a^iiiBkt  «ed  Halbmesser).    Dazu  konunen,  den  Koivai  Ivvoub 
->    m.  -Turiclwii,    10   „allgemeine    mathemaüsche   Grundsätze^,  nnd 
Tax^msts,   worauf  er  grolses  Gewicht  legt,    den  „Be- 
M-  GMoetrie**,  nach  dem  zwischen  zwei  Punkten  nur 


<?. 


^  .;  3  TO  LfhisStzen  und  Aufgaben  ein  System  der  Element« 

^X  ^  manchen  originellen  Gedanken  aufweist.    Hier 

dbüs  in  Lehrsatz  51  die  Hjrpothese  des  stampfen 

-a  Amt  Art,  wie   das  in  dem  Briefe    an  Gauss   toid 

sfx  ^»w^a^tt  ^w»  abgewiesen  wird.     W&hrend   der  Beweis 

■^^  ,g^  •'j^  ttur  auf  den  Königlichen  Bibliotheken   zu  Berlii 

^^^^  ^^  iiM   ruTertit&tebibliotheken    eu   Bonn    und    Jen( 

"'  ^^^  4^^*  der  Bibliothek  der  technischen  Hochschale  tk 


/^^'.vlUaien  S.  66:    „Wenn  zwei  Linien  ron    ein« 
^.jjl^  ^«echaitten  werden  und  ein  Loth  Ton  der  erste 
"^    "**     ^     »*KÄ*  «fci^  dw  ersten  nach  der  Seite    der   dritten   hJ 

^  IT^ata  aUe  dieee  Linien  keine  geraden  Linien  sein- 


Franz  Adolph  Tanrinas.  413 

ftkr  Lehrsatz  51,  bei  dem  mit  Nachdrack  die  Yoraassetznng  hervorgehoben 
wird,  dafs  „es  verstattet  ist  die  gerade  Linie  ins  unendliche  verlängert 
vorzustellen'^  als  gelungen  bezeichnet  werden  kann,  ist  der  Beweis  für 
den  folgenden  Lehrsatz  52:  „unter  den  beiden  übrigen  geometrischen 
Systemen  ist  das  Parallelsjstem ,  in  welchem  ein  Viereck  vier  Bechte 
enthalten  kann,  allein  geradlinig'^  durchaus  unzulänglich.  Taurinus  scheint 
das  selbst  gefühlt  zu  haben,  da  er  in  den  den  „Elementen''  angehängten 
Erläuterungen  (8.  73 — 88)  gegen  die  Hypothese  des  spitzen  Winkels  acht 
weitere  Gründe  anfühlt  (S.  86—87,  P.  Th.  S.  258—259).  Bemerkenswert 
ist,  dals  er  dabei,  wohl  durch  Oaüss'  Brief  beeinfluDst,  die  „innere  Conse- 
quenz  des  dritten  Systems"  ausdrücklich  anerkennt,  und  zum  Schlufs  (S.  88) 
als  seine  Überzeugung  ausspricht,  „dais  es  ein  solches  System  allerdings 
gebe;  dafs  wir  aber  zweifeln,  ob  es  eine  geradlinige  oder  eine  ebene 
Geometrie  sein  werde". 

Den  Schlufs  des  Werkchens  bildet  eine  Nachschrift  (S.  88 — 93,  vergl. 
auch  F.  Th.  S.  259 — 261),  in  der  sich  Taurinus  über  Legendre's  Unter- 
suchungen äuisert,  die  ihm  erst  während  des  Druckes  durch  die  Vermittelung 
von  Professor  v.  Münchow  in  Bonn  (1778 — 1836)  bekannt  geworden  waren. 

Später,  jedenfalls  erst  nach  dem  20.  März  1825,  hat  Taurinus  seiner 
Schrift  einen  Nachtrag  hinzugefügt  (8.  95—102,  P.  Th.  S.  261—266), 
der  für  die  Vorgeschichte  der  nichteuklidischen  Geometrie  von  besonderer 
Wichtigkeit  ist.  Augenscheinlich  hatten  ihn  die  Gründe,  die  er  gegen  das 
dritte  System  ins  Feld  geführt  hatte  und  die  in  Wahrheit,  um  mit  Laiibert 
zu  reden,  nur  „argumenta  ab  amore  et  invidia  ducta"  waren ^^),  auf  die 
Dauer  nicht  befriedigt,  und  so  war  er  dazu  geführt  worden,  dieses  System 
weiter  zu  entwickeln,  in  der  Ho&ung,  dadurch  einen  strengen  Beweis  für 
seinen  Lehrsatz  52  zu  gewinnen.  Auf  diese  Weise  ist  er,  wie  vor  ihm 
Sagcheri,  zu  dem  Begriffe  der  Grenzgeraden  und  zu  dem  Beweise  der 
Eiistenz  eines  gemeinsamen  Lotes  sich  nicht  schneidender  Geraden  gelangt  ^^) 
und  hat,  wie  vor  ihm  Lambert,  nachgewiesen,  dafs  dem  dritten  System  eine 
„Besiimmungsgröfse^'  („Parameter,  Axe,  Potenz^^)  eigen  ist,  die  man  will- 
kürlich annehmen  kann^).  Indem  er  auf  diese  unvermeidliche  Folge  der 
Annahme  einer  von  zwei  Rechten  verschiedenen  Winkelsnmme  des  Dreiecks 
hinwies,  glaubte  Taurinus  dem  Euklidischen  Systeme  die  Alleinherrschaft 
gesichert  zu  haben,  denn  „es  läfst  sich*^  meinte  er,  „gar  kein  Grund  ein- 


18)  Theorie  der  Parallellinien  §  81,  P.  Th.  S.  201. 

19)  Eudidea  ab  omni  naevo  vindieatus.  8. 48—45  und  68—70,  P.  Tb.  S.  87-<89 
ond  107—109. 

20)  Theorie  der  Parallellinien  §  79  und  80,  P.  Tb.  8.  199—201. 


414  Paul  Stäckel: 

sehen,  dem  einen  System  vor  allen  andern  eine  ausschliefsliche  Gültigkeit 
beizulegen,   man  mufs  vielmehr  die  gleichzeitige  Möglichkeit  aller  STSteoe     f'-'' 
annehmen    und    es    wären    also,   wenn   man    sie    als    geradlinig   betrachten     t^*^ 
wollte,  zwischen  zwei  Punkten  unendlich  viele  gerade  Linien  denkbar'^ 


^^ 


^ 


3. 

Die  Geometriae  prima  elementa  vom  Jabre  1826. 

Dafs  der  Theorie  der  Parallellinien  die  Anerkennung  der  Mathe- 
matiker von  Fach  nicht  zu  Teil  wurde,  hat  Taurinus  nicht  entmutigt,  war 
er  doch  selbst  mit  seiner  Erstlingsschrift  nicht  zufrieden,  „an  der  ihm  yielee 
nicht  gefieP'^^).     Dazu  kam,  dafs  er  gerade  zu  dieser  Zeit  Camebkr's  ?or- 
tre£fliche  Ausgabe   der  Euklidischen  Elemente  (Bd.  I.  Berlin  1824)  kennen 
lernte  und  aus  dem  Excursus  ad  El,  I.  29  (S.  402 — 442),  einer  noch  heute 
wertvollen   Geschichte  der  Versuche    das  elfte  Axiom  zu  beweisen,  etsah^ 
dafs  die  Beweismethode,  auf  die   er  in  seiner  Theorie  der  Parallelen  hin— 
gewiesen  hatte,  bereits  von  Saccheri  und  Lambert,  die  wir  im  Yorhev- 
gehenden  wiederholt  erwähnt  haben,   angewandt  worden   war").     Der  Vi^wr-  • 
sprüngliche   Zweck   der   Elementa  war  daher  eine  neue,  verbea^* 
serte    Darstellung    des    Systems    der   Geometrie    zu    geben,   d^i^ft 
Taurinus  in  der  Theorie  der  Parallellinien  entwickelt  hatte.    W        le 
bei  diesen  die  Nachschrift  und  der  Nachtrag,  so  ist  bei  jenen,  die  na  i      ch 
dem  Datum  der  Vorrede  zu  urteilen,  bereits  Ende  1825  druckfertig  gemac:^^it 
Worden  waren,   nach  Vollendung   des  Druckes  ein  Additamentum  ^'^^       ■"- 
gekommen,  in  dem  Taurinus  die  Ergebnisse  seiner  inzwischen  angestelltz^Aen 
Untersuchungen  niedergelegt  hat,  Untersuchungen,  die  ihn  zur  Entdecku^^wig 
der  nichteuklidischen  Trigonometrie  geführt  hatten. 


21)  Geometriae  prima  elementa  S.  VI.  P.  Th.  S.  248. 

22)  Geometriae  prima  elementa  S.  V.  P.  Th.  S.  248.   Dafs  Camereb'b  Ezcur    ^ns 
in  dem  von  Enoel  und  mir  herausgegebenen  Werke:  Die  Theorie  der  Paral^  ei- 
linien    Ton  Euklid    bis    auf  Gauss  nur  gelegentlich  erw&hnt  (S.  248  und  ^  l^\ 
aber  nicht  gebührend  gewürdigt  worden  ist,  lie^  daran,  daüa  ich  ihn  erst  wfthK-^nd 

des  Druckes  kennen  lernte.    Vor  allem  hätte  daselbst  in  der  Einleitung  S.  IE ly 

herTorgehoben  werden  müssen,  dafs  schon  Camereb  mit  groPsem  Nachdruck  and 
tiefem  Verständnis  auf  die  Untersuchungen  von  Saccheri  und  Lambert  Itin. 
gewiesen  hat  und  dafs  daher  Bkltrami  für  jenen,  Stäckel  für  diesen  nur  als 
Nachentdecker  gelten  können. 

Cavkrer's  Excwsus  enthält  auch  noch  eine  Reihe  weiterer  för  die  V^or- 
geschichte  der  nichteuklidischen  Geometrie  wichtiger  Literatnrangaben,  anf  clie 
ich  bei  andrer  Gelegenheit  eingehen  xu  können  hoffe. 


Franz  Adolph  Taurinus.  415 

Auf  die  Einleitung  (S.  in — VI)  folgen  entsprechend  den  ersten 
Elementen  der  Geometrie  die  Geometriaeprima  elementa;  sie  enthalten 
nach  einander  32  Definitiones,  2  Postulata,  6  Axiomata  und  26  Propositiones; 
die  26**  ist  Eoklids  elftes  Axiom.  Den  Schwerpunkt  bildet  die  Propositio 
XXIY:  ^Omnis  triangnli  rectilinei  tres  anguli  duobus  rectis  aequales  sunt." 
Der  Beweis  wird  apagogisch  geführt.  Bei  dem  Fall,  dafs  die  Summe  der 
Dreieckswinkel  gröfser  als  2  Rechte  vorausgesetzt  wird,  benutzt  Taukinus 
Leoendrb's  Methode  der  Aneinanderreihung  congruenter  Dreiecke^').  Bei 
dem  Fall,  da&  diese  Summe  kleiner  als  2  Rechte  vorausgesetzt  wird,  zeigt 
er  zuerst,  dalls  diese  Voraussetzung,  falls  sie  bei  einem  einzigen  Dreieck 
wirklich  erföllt  ist,  f&r  jedes  Dreieck  gilt,  beweist  darauf  die  Existenz  der 
LoBATSGHEFSKu'schen  Orenzgeraden  und  leitet  endlich  die  Existenz  des  ab- 
soluten Maises  her,  dessen  Willkürlichkeit  bedingt,  dafs  es  unendlich  viele 
geometrische  Systeme  giebt,  in  denen  die  ßumme  der  Winkel  des  Dreiecks 
kleiaer  als  zwei  Rechte  ist.  Aus  dieser  „Vielheit  der  möglichen  Systeme" 
folgert  er  endlich,  wie  in  dem  Nachtrage  zu  der  Theorie  der  Parallel- 
linien,  die  ünzul&ssigkeit  der  Annahme  eines  solchen  geometrischen 
Systemes. 

Es  folgen  (S.  43 — 64)  Observationes,  von  denen  diejenigen  zur 
Propositio  XXIV  (S.  53 — 64)  am  wichtigsten  sind**).  Taurinus  betont 
hier  abermals,  dafis  die  „neue  Geometrie^'  in  sich  widerspruchslos  sei,  giebt 
die  bei  ihr  geltende  Formel  für  den  Flächeninhalt  eines  Dreiecks  und  macht 
schliefslich  den  Versuch  eine  die  „gesamte  Geometrie*',  also  alle  drei  Hypo- 
thesen über  die  Winkelsumme,  umfassende  Trigonometrie  herzuleiten. 
Sind  nämlich  er,  /3,  y  die  durch  eine  constante  Linie  2nR  dividirten  Seiten 
a,  5,  c  eines  Dreiecks,  und  ist  Ä  der  der  Seite  a  gegenüberliegende  Winkel, 
so  setzt  er  die  Formel  an: 


A  = 


(C08  cc  —  cos  6  '  coB  y\ 
-. — -^ — ~ =^1 
Bin  p  •  sm  y        / 

yS(S^a){8-b){S-c)     ^Y' 


C(2S+  C) 

in  der  8  die  halbe  Sunmie  der  Seiten  und  C  eine  willkürliche  Constante 
bedeutet,  und  leitet  daraus  (S.  58 — 64)  eine  Reihe  von  Sätzen  ab,  die  in 
der  „neuen  Geometrie*'  gelten  sollen.  Wenn  auch  ein  grofser  Teil  dieser 
S&tze  richtig  ist,  so  mufs  doch  dieser  Versuch  einer  nichteuklidischen  Trigono- 
metrie als  durchaus  mifsglückt  bezeichnet  werden. 


23)  Lbobvdbb,   J^Himens  de   OeomÜrie,  zweite   Ausgabe,   Paris   1799,   Pro- 
pontioii  XIX. 

24)  Vergl.  P.  Th.  S.  269—270. 


416  Paal  St&ckel: 

Taubinus  Uhrt  jetzt  fort:  ^Dies  war  bereits  gedrackt,  und  es  blieb 
mir  nur  noch  übrig,  meine  Ansicht  über  das  wahre  Wesen  dieser  GeiHiietrie 
vorzubringen,  da  gelangte  ich  endlich  zu  der  Oewüsheit,  dals  steh  diese 
meine  Ansicht  wirklich  beweisen  lälst.  Von  An&ng  an  hatte  ich  nSmlicb 
die  Vermntong  gehegt,  dafs  eine  solche  Qeometrie  gewissermaisen  die  Um- 
kehmng  der  sphärischen  sei,  dafs  sie  Logarithmen  mit  sich  bringe  und  sid 
ans  der  allgemeinen  Formel  der  sphärischen  Geometrie  herleiten  lasse,  nnd 
ich  würde  mich  darüber  wnndem,  dafs  ich  eine  Sache,  die  so  klar  ist  nod 
die  för  jedermann  anf  der  Hand  liegt,  nicht  früher  dordischaat  habe  aod 
so  grofse  Weitläufigkeiten  nötig  hatte,  wenn  ich  mich  nicht  erinnerte,  d&Is 
gerade  Dinge,  die  ganz  selbstverständlich  erscheinen,  oft  sogar  bedeutendefi 
Männern  lange  verbolzen  geblieben  sind.     Die  Formel 

.  /C08  ai  —  cos  8%  •  cos  y t\  .        . — . 

^  :==  arc  cos  ( r—^. — k — -. — —]  {i^y-i) 

\         sinpt  '  Bin  y»  / 

wird  eine  Geometrie  bestimmen,  bei  der  alle  Dreiecke  weniger  als  zwei 
Rechte  enthalten,  wenn  nämlich  für  den  imaginären  Cosinus  oder  bess€r 
für  den  Cosinus  des  imaginären  Bogens  irgend  eine  Zahl  gesetzt  wird,  die 
gröfser  als  die  Einheit  ist.  Dabei  müssen  jedoch  von  den  Zahlen  er,  ß^ ; 
je  zwei  zusammen  gröfser  als  die  dritte  sein:  ich  denke  mir  nämlich,  d&fs 
diese  Zahlen  die  durch  eine  gewisse  constante  Linie  R  geteilten  Seiten 
eines  Dreiecks  sind  [während  Ä  den  der  Seite  a  gegenüberliegenden  Winkel 
bedeutet]." 

Diese  Zeilen  zeigen,  dafs  Taurinus  am  Anfange  des  Jahres  1836 
durch  eine  geniale  Intuition  zu  der  fundamentalen  Entdeckung 
gelangt  war,  dafs  die  Formeln  der  nichteuklidischen  TrigODO- 
metrie  aus  denen  der  sphärischen  Trigonometrie  hervorgeben, 
wenn  man  den  Radius  der  Kugel  imaginär  setzt.  Ich  habe  bei 
einer  andern  Gelegenheit  darauf  hingewiesen^),  dais  Lambert  diesem  Ge- 
danken schon  sehr  nahe  gewesen  war,  indem  er  folgende  Bemerkung 
machte**): 

„Hierbey  scheint  mir  merkwürdig  zu  sejn,  dals  die  zwote  HypoÜi^ 
statt  hat,  wenn  man  statt  ebener  Triangel  sphärische  nimmt,  weil  bei  diesen 
sowohl  die  Summe  der  Winkel  gröfser  als  180  Gr.  als  auch  der  Übendraf» 
dem  Flächenraume  des  Triangels  proportional  ist.  Noch  merkwürdiger 
scheint  es,  dafs,  was  ich  hier  von  den  sphärischen  Triangeln  sage,  sich  obo^ 
Bücksicht  auf  die  Schwierigkeit  der  Parallellinien  erweisen  lasse,  und  keinen 
andern   Grundsatz    voraussetzt,    als  dafs  jede   durch    den   Mittelpunkt  der 


26)  P.  Th.  S.  262. 

26)  Theorie  der  Parallellinien  §  82,  P.  Th.  S.  146  nnd  202—203. 


Franz  Adolph  Taorinas.  41? 

Kugel  gehende  ebene  Fl&che  die  Engel  in  zween  gleiche  Theile  theile.  Ich 
sollte  darans  fast  den  Schlnss  machen,  die  dritte  Hypothese  komme  bei 
einer  imaginären  Eugelfläche  vor.  Wenigstens  muiüs  immer  etwas  seyn, 
warum  sie  sich  bey  ebenen  Flächen  lange  nicht  so  leicht  umstofsen  läfst, 
als  es  sich  bey  der  zwoten  thnn  liefs/* 

Selbstverständlich  soll  durch  die  Anf&hrung  dieser  Äulsemng  Lambert's 
Taurikus'  Verdienst  nicht  im  mindesten  geschmälert  werden.  Er  war  so 
fast  mühelos  zu  einer  Einsicht  gelangt,  die  sich  Lobatschefsku^)  und 
Johann  Bolyai^)  erst  durch  lange  und  harte  Arbeit  erkämpft  haben,  in- 
dem sie  die  nichteuklidische  Qeometrie  systematisch  entwickelten  und  schliefs- 
lich  zu  den  Formeln  der  zugehörigen  Trigonometrie  gelangten^).  Auch 
far  Gauss  scheint  dasselbe  zu  gelten,  da  er  in  einem  Briefe  an  WoLFaANa 
BoLYAi  vom  6.  März  1832  sich  dahin  äufsert,  dafs  der  Weg,  den  dessen 
Sohn  Johann  eingeschlagen  habe,  fast  durchgehends  mit  seinen  eigenen  Me- 
ditationen übereinstimme^). 

Taxtrinus  hat  sich  aber  nicht  damit  begnügt,  die  Formeln  der  Trigo- 
nometrie in  der,  wie  er  sich  ausdrückt,  logarithmisch-sphärischen 
Geometrie  entdeckt  zu  haben,  er  hat  vielmehr  in  einem  Additamentum 
seiner  Elementa  (S.  69 — 74)  diese  Formeln  zur  Lösung  verschiedener  geo- 
metrischer Aufgaben  angewandt  und  ist  bis  zu  der  Berechnung  des  Um- 
fanges  und  Inhaltes  des  Kreises,  der  Oberfläche  und  des  Volumens  der 
Kugel  vorgedrungen.  Wenn  man  also  auch  seine  Entdeckung  der  nicht- 
euklidischen  Geometrie  einem  glücklichen  Zufall  zuschreiben  will,  so  hat 
er  doch  durch  sein  Additamentum  gezeigt,  dafs  er  diesen  Zufall  zu  wür- 
digen und  zu  benutzen  verstand,  und  das  wird  man  ihm  hoch  anrechnen, 
ohne  ihm  freilich    in  der  Geschichte  der  nichteuklidischen  Geometrie   den- 


27)  Vergl.  Emgbl,  a.  a.  0.  S.  871—373  nnd  S.  392—893  und  P.  Th.  S.  240. 

28)  P.  Th.  S.  241-242. 

29)  Dafs  diesQ  Formeln  in  diejenigen  der  sphärischen  Trigonometrie  über- 
gehen, wenn  man  den  Radius  der  Kugel  imaginär  seist,  scheinen  Lobatbchrpsku 
und  J.  BoLTAi  erst  nachträglich  erkannt  zu  haben.  Jener  bemerkt  es  am  Schlüsse 
seiner  Abhandlung:  0  HAnAJtAXl)  FEOMETPm  (Über  die  Anfangsgründe 
der  Geometrie)  vom  Jahre  1829  (siehe  Ehobl,  a.a.O.  8.  65),  dieser  sagt  darüber 
in  seiner  Appendix  kein  Wort,  aber  in  dem  zweiten  Bande  des  Tentamen 
(Maros  -  Väairhely  1833)  giebt  sein  Vater  Wolfoano  eine  ansfahrliche  Dar- 
Stellung  dieser  Entdeckong  Joraiih^s  (S.  380—885);  in  seinem  Kurzen  Grund - 
risi  vom  Jahre  1851  S.  85 — 86  ist  er  darauf  zurückgekommen;  hiernach  ist  die 
bezügliche  Stelle  F.  Th.  S.  146  zu  berichtigen. 

30)  Yergl.  P.  StIokkl,  Mitteilungen  aus  dem  Briefwechsel  von  Gauss 
nnd  W.  BoLTAz,  Nachrichten  der  E.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  G5ttingen. 
Math.-phys.  Klasse.    Jahrgang  1897.    S.  6—7. 

Abk  rar  OMeh.  d.  Mstham.  IX.  27 


418  Paul  8täckel: 

selben  Bang  wie  Gauss,  Lobatschefskij  und  J.  Boltai  zuerkennen  zn 
wollen,  denn  bei  Taurinus  vermifst  man  vor  allem  diejenige  Freiheit  der 
Auffassung  der  „neuen  Geometrie*',  zu  der  auiser  den  eben  genannten  For- 
schem auch  sein  Onkel  Sohwbika&t  gelangt  war. 

Anders  lautete  das  Urteil  der  Zeitgenossen.  „In  der  Periode  Toa 
1780 — 1830  waren  alle  Beweisversuche  [ftbr  das  elfte  Axiom]  gescheitert, 
und  man  war  schUefslich  dahin  gelangt,  die  Beschftftigung  mit  der  'beräeh- 
tigten'  fünften  Forderung  als  Vorrecht  unklarer  Köpfe  anzusehen  und  mit 
den  Bemühungen  um  die  Quadratur  des  £[reises  auf  eine  Stufe  zu  steileD. 
Dieses  Vorurteil  war  so  stark,  dafs,  um  mit  Hoüel  zu  reden,  selbst  eis 
Mann  von  so  imposanter  Autorität  wie  Gauss  mit  seinen  üntersuchongefi 
nicht  hervortrat,  *weil  er  das  Geschrei  der  Boeoter  scheute'."'^)  Die  An- 
erkennung, auf  die  Taixrikus  bei  den  Mathematikern  von  Fach  gehofft  hatk 
blieb  aus.  Augenscheinlich  hatte  Tausinus  die  klare  Erkenntnis,  wekh* 
wesentlichen  Fortschritt  in  der  Parallellentheorie  seine  Elementa  bedeu- 
teten. Um  so  gröfser  war  seine  Enttäuschung,  und  in  Unmut  und  Bitter- 
keit hat  er  den  Best  der  auf  seine  eigenen  Kosten  gedruckten  Auflage  d«r 
Elementa  den  Flammen  überliefert^^. 

Von  seiner  Stimmung  in  der  folgenden  Zeit  giebt  ein  Brief  Zeugnis, 
den  er  am  29.  Dezember  1829  an  Gauss  richtete: 

Euer  Hochwohlgeboren 

werden  es  einem  lebhaften  wissenschaftlichen  Eifer,  sowie  dem  unbegränzten 
Vertrauen,  mit  welchem  mich  Ihre  unsterblichen  Verdienste  stets  erfüllt 
haben,  zu  gute  halten,  wenn  ich  mich  aufis  neue  mit  einer  dringenden  Bitte 
an  Sie  wende:  denn  Sie  erinnern  Sich  ohne  Zweifel,  dals  ich  schon  einmal 
vor  längerer  Zeit  Dir  Urtheil  zu  erfahren  wünschte  über  einen  Gegenstand, 
der  mich  damals  lebhaft  beschäftigte,  nemlich  die  Theorie  der  Parallellinieii. 
Sie  hatten  damals  die  Güte  mich  mit  einer  baldigen  Antwort  zu  erfreuen 
und  mir  sehr  interessante  und  belehrende  Mittheilungen  zu  machen,  deren 
Werth  ich  sehr  wohl  erkenne:  dabei  behielten  Sie  Sich  aber  ?or,  von 
denselben  „keinen  öffentlichen  oder  zur  Öffentlichkeit  f&hrenkönnenden'' 
Gebrauch  zu  machen.    Da  ich  nun  seitdem  doch  zwei  Versuche  über  diesen 


31)  P.  Th.  8.  289. 

32)  So  kommt  es,  dafs  „die  Elementa  zn  den  8.elten8ten  Schriften  gebdren, 
welche  die  Bücherkunde  aufzn weisen  haV',  P.  Th.  S.  251.  Die  dort  gemachten 
Angaben  bedürfen  jedoch  insofern  der  Berichtigung,  als  auch  die  Königiicb^ 
Bibliothek  in  Berlin  die  Elementa  besitzt  nnd  als  sie  in  Roaa*8  Handbuch 
der  mathematischen  Literatur,  Erste  Abtheilung.  Tübingen  1830,  S.  361 
erwähnt  werden. 


Franz  Adolph  Taurinns.  419 

Gegenstand  bekannt  gemacht  habe,  os  hat  mich  seitdem  oft  der  Gedanke 
beunrohigt,  Ihr  Misfallen  dadurch  erregt,  oder  mich  in  Ihren  Augen  nicht 
hinlänglich  gerechtfertigt  zu  haben  ^.  Ich  habe  Ihnen  bemerkt,  dafs  die 
Idee  einer  möglichen  Entwicklung  eines  bisher  unbekannten  geometrischen 
Systems  mir  keineswegs  ganz  unbekannt  war,  da  ich  sie,  aber  freilich  auch 
nicht  mehr,  schon  einige  Jahre  fr&her  von  Pr.  Sohweikart  mitgetheilt 
erhalten  hatte;  die  mir  auch  so  lange  eine  Hieroglyphe  blieb,  bis  ich  zu- 
fUlig  selbst  veranlasst  wurde,  mich  mit  der  Th.  d.  P.  zu  beschäftigen.  Ich 
darf  nun  hinzuf&gen,  daüs  ich  das  ganze  Problem  eigentlich  schon  von  An- 
fang gewissermaassen  durchschaut  hatte:  denn  sobald  ich  bemerkt  hatte, 
dafs  die  Annahme  einer  Winkelsumme  >  180^,  consequent  verfolgt,  auf 
eine  sphärische  Geometrie  führt,  war  es  mein  erster  Gedanke,  dafs  dem 
entgegengesetzten  Falle  auch  eine  Bedeutung  gegeben  werden  könne,  und  ich 
vennuthete  sogleich,  dafs  diese  Hypothese  mit  der  wechselseitigen  Beziehung 
zwischen  Kreisbogen  und  Logarithmen  zusanimenhftngen  müfste.  Sie  werden 
mir  verzeihen,  wenn  ich  dem  Drange,  mir  so  wichtig  und  interessant  schei- 
nende Wahrheiten,  soweit  ich  sie  mit  Becht  f&r  mein  Eigenthum  halten 
zn  dürfen  glaubte,  der  Welt  nicht  vorzuenthalten,  nicht  widerstand.  Der 
Erfolg  bewies  mir,  dafs  Ihre  Autorit&t  dazu  gehört,  ihnen  Anerkennung  zu 
verschaffen,  und  dieser  erste  sohnftstellerische  Versuch  ist  aus  Übereilung, 
anstatt  wie  ich  gehofft  hatte,  mich  zu  empfehlen,  für  mich  eine  reiche 
Quelle  von  Unzufriedenheit  geworden.  Zwar  dafs  man  meine  Theorie  so 
gut  wie  gar  nicht  beachtet,  ihr  nicht  einmal  das  Verdienst  zuerkannt  hat, 
eine  Widerl^png  aller  andern  zu  enthalten  und  seitdem  mehrere,  selbst 
Grelle,  mit  neuen  unhaltbaren  Theorieen  aufgetreten  sind,  würde  mich 
mehr  freuen  als  betrüben:  allein  ich  sehe  mich  in  die  Nothwendigkeit  ver- 
setzt, mir  durch,  ein  gründliches,  an  Inhalt  und  Form  gleich  gediegenes 
Werk  die  Achtung  erst  zu  erwerben,  die  mir  meine  eisten  Verauche  un- 
möglich verschafft  haben  können:  und  so  nöthigt  mich  der  erste  Schritt 
auf  einer  Bahn  fortzuschreiten,  welche  ich  vielleicht  nicht  hätte  betreten 
sollen. 


33)  Wie  schon  S.  412  erwähnt  wurde,  hatte  sich  Tattbihus  in  der  Vorrede 
za  der  Theorie  der  Parallellinien  (S.  XIII)  auf  Gauss  berufen,  und  ebenso 
hatte  er  in  der  Vorrede  der  Elementa  (S.  V — VI)  Gauss  erwähnt  und  ihn  m- 
atändigst  gebeten,  seine  Ansichten  über  die  Parallelentheorie  eu  veröffentlichen, 
eb  Verfahren,  das  gegenüber  dem  ausdrücklichien  Wunsch  von  Gauss  nicht  un- 
liedenklich  erscheint,  wenn  auch  Taubihus  zu  seiner  Bechtfertigang  sich  darauf 
hätte  berufen  können,  dafs  er  nur  Gauss'  Urteil  über  seine,  Taubihus',  Arbeiten, 
dagegen  nicht  Gausses  Äufsemngen  in  Betreff  der  „Nichteuklidischen  Geometrie** 
veröffentlicht  habe. 

27» 


420  Pfttil  St&ckel: 

Vielleicht  irre  ich  mich  nicht,  wenn  ich  glauhe  in  der  Hjdrodjnanil 
einen  dankbaren  Stoff  gefiinden  zn  haben.  —  —  — 


Den  Rest  des  Briefes,  in  dem  Taurinus  seine  Ansichten  über 
„hydrodynamischen  Stofs^*  entwickelt,  unterdrücken  wir  nnd  bemerken  dv 
noch,  dals  er  sich  später  eifrig  mit  Hydrodynamik  beschäftigt  nnd  auf  eine 
Reihe  von  Erfindungen  in  diesem  Gebiete  Patente  genommen  hat,  die  aber 
alle  natzlos  blieben,  da  ihm  die  Mittel  fehlten,  sie  praktisch  ins  Werk  xa 
setzen**). 

Gauss  hat  weder  auf  diesen  Brief  noch  auf  einen  vierten  vom  1.  Oe- 
tober  1832  geantwortet,  der  für  unsere  Zwecke  belanglos  ist. 

Ganz  hat  es  übrigens  Taurinus  an  Anerkennung  nicht  gefehlt  Der 
bekannte  Physiker  G^oro  Simon  Ohm  (1788—1854),  der  von  1817  bis 
1826  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Köln  war,  und  der  sich,  wie  seine 
Arbeit:  Grundlinien  zu  einer  zweckmässigen  Behandlung  der  Geo- 
metrie, Erlangen  1817  zeigt,  eingehend  mit  den  Grundlagen  der  Geomete 
beschäftigt  hatte,  antwortete  auf  die  Zusendung  der  Elementa  mit  einem 
freundlichen  Briefe  vom  14.  April  1826.  „Die  Analogien^',  schreibt  Ohh, 
„die  Sie  mit  dem  Namen  logarithmisch -sphärische  Geometrie  bezeichne^ 
sind  überraschend  und,  wenn  ich  nicht  irre,  von  mehr  als  einer  Seite  her 
merkwürdig/'  Interessant  ist  auch,  dafs  Ohm  ausdrücklich  erklärt,  der 
Beweis  der  Propositio  XXIV  sei  ihm  dunkel,  er  finde  keinen  Widersprach 
in  der  Vielheit  der  Systeme**). 

Aufzeichnungen,  die  sich  in  Taurinus'  Nachlafs  gefunden  haben  und 
die  aus  dem  Jahre  1835  stammen,  zeigen,  dafs  er  später  zu  seinen  geo- 
metrischen Untersuchungen  zurückgekehrt  ist^).  Wir  entnehmen  ans  ilmen 
folgende  Stelle: 

„Die  Geometrie  behauptet  von  jeher  das  Ansehen  einer  Wissenschaft 
von  höchster  Gründlichkeit,  von  möglichster  Kraft  der  Überzeugung.  Ihr 
Ursprung  scheint  so  tief  in  dem  Geistesvermögen  zu  liegen,  ihr  Gang,  wie 
sie  Schritt  vor  Schritt  festen  Boden  gewinnt,  so  sicher  und  zuverlässig, 
daüs  sie  stets  als  das  Muster  wissenschaftlicher  Form  erschien,  nnd  es  war 
den  Mathematikern  nicht  zu  verdenken,  wenn  sie  im  Gegensatze  anderer, 
auf  schwankender  Erfahrung  oder  wechselnder  Ansicht  beruhender  Wissen- 
schaften von  der  ihrigen  eine  besonders  hohe  Meinung  hegten. 

Indessen  scheint  dem  grossen  Ansehen  der  Geometrie  ein  mehrfacher 
Irrthum  zu  Grunde  zu  liegen.     Es  giebt  nemlich  für  die  Geometrie  eine 


34)  Mitteilung  von  Pastor  FOreb. 


Franz  Adolph  Taminas.  421 

innere  nnd  eine  äufsere  Wahrheit  Jene  beschränkt  sich  daraaf,  dafs  die 
Geometrie  ein  in  sich  selbst  beschlossenes,  durchaas  conseqtientes  System 
ohne  logischen  Widersprach  bildet,  ohne  Frage  noch  von  ihrer  Anwendbar- 
keit aof  die  Erscheinangen  der  Aal^enwelt.  Diess  ist  der  Standpunkt,  von 
welchem  der  Mathematiker  seine  Wissenschaft  zu  betrachten  pflegt:  er 
nennt  sie  eine  reine,  von  aller  Erfahrung  unabhängige,  auch  nicht  noth- 
wendig  auf  sie  hinweisende  Wissenschaft  und  diese  Eigenthümlichkeit  wird 
häufig  als  ein  besonderer  Vorzug  hervorgehoben.  Soll  aber  die  Geometrie 
nicht  blois  ein  mufsiges  ErzeugnüGs  der  productiven  Einbildungskraft,  son- 
dern auch  von  praktischer  Bedeutung  sein,  so  fragt  es  sich,  ob  der  Geo- 
metrie auch  äussere  Wahrheit  zukomme,  eine  Untersuchung,  die  nicht  mehr 
rein  mathematisch  ist.  Dieser  Übergang  von  dem  reinen  Erkennen  zur 
Objectivität,  von  der  Construction  der  productiven  Einbildungskraft  zur 
Bestimmung  äufserer  Verhältnisse  hat  von  jeher  grofse  Schwierigkeiten  und 
Zweifel  verursacht. 

Aber  auch  abgesehen  von  dieser  eigenthümlichen  Schwierigkeit  ist  die 
Geometrie  noch  nicht  in  der  reinen  Entwicklung  dargestellt,  deren  sie 
fähig  ist. 

Die  Geometrie  gründet  sich  überhaupt  auf  das  Gesetz  der  Coincidenz, 
welches  aber  selbst  kein  Axiom  genannt  werden  kann,  und  überhaupt  hat 
die  Geometrie  gar  keine  Axiome  nöthig,  diese  müssen  gänzlich  aus  ihr 
verbannt  werden.  Dieser  Orundsatz  der  Coincidenz  besteht  darin,  daXs  die 
Geometrie  die  einfachsten  Elemente  des  Baumes,  nemlich  die  Linien,  als 
gleichartig  voraussetzt,  so,  dafs  in  den  Linien  eines  und  desselben  Systemes 
nichts  zu  unterscheiden  ist,  als  ihre  Gröfse.  Die  Coincidenz  ist  nicht  zu 
verwechseln  mit  der  Congruenz,  welche  nicht  nur  ein  Zusammenfallen,  son- 
dern auch  gleiche  Gränzen  oder  Gleichheit  fordert. 

Bogen  eines  und  desselben  Kreises  sind  also  gleichartig,  Kreisbogen 
xmd  gerade  Linien  sind  ungleichartig,  Kreisbogen  mit  verschiedenen  Halb- 
messern beschrieben,'  sind  nur  ähnlicher  Art. 

Die  Analysis,  die  eine  reine  Entwicklung  der  Geometrie  möglich 
macht,  leitet  aus  dieser  Bedingung  der  Coincidenz,  ohne  welche  gar  keine 
allgemeinen  Sätze  erhalten  werden  könnten^  ein  dreifaches  System  der  Geo- 
metrie her  und  erweist  die  Winkelsunmie  eines  Dreiecks  als  nothwendige 
Folge  von  der  dreifachen  Art  der  Linien. 

Dagegen  klebt  der  Elementar-Geometrie  nach  der  Methode  des  Euklid 
die  Unvollkommenheit  an,  dafs  sie  nur  die  geradlinige  Geometrie  betrachten 
will,  es  aber  nicht  vermeiden  kann,  da  sie  an  der  Anschauung  haftet  und 
nicht  den  rein  analytischen  Begriff  der  Linien  festhält,  alle  drei  Systeme 
zugleich  bis  zu  dem  Punkte  zu  betrachten,  wo  ihr  wesentlicher  Unterschied 


422  Panl  St&ckel: 

erst  recht  herrortritt  und  wo  sie  völlig  auseinander  geben  — ■  nemlich  da, 
wo  von  der  Summe  der  Winkel  die  Rede  ist  Diefs  ist  die  berüchtigte 
Lücke  in  der  Geometrie,  die  soviel  Versuche  über  die  Theorie  der  Parallel- 
linien  veranlasst  hat.  Das  Problem  besteht  hier  mathematisch  betrachtet 
in  nichts  weiter,  als  in  der  scharfen  Trennung  jener  drei  geometrischen 
Systeme  und  hat  insofern  nicht  die  mindeste  Schwierigkeit.  Der  Verf, 
glaubt,  dieses  Problem  mathematisch  vollkonunen  gelöst  zu  haben,  obgleich 
ihm  diese  Anerkennung  noch  nicht  zu  Theil  geworden  ist. 

Die  Mathematiker,  welche  an  seiner  Darstellung  keine  Befriedigong 
finden  möchten,  scheinen  theils  etwas  Unmögliches,  theils  aber  mehr  zu 
fordern,  als  die  Mathematik  leisten  kann. 

Sie  fordern  etwas  Unmögliches  einmal,   weil  sie  verlangen,  man  solle 
ihnen  nach   dem  Begriffe   der  geraden  Linie,    den    sie  von  Euklid  habeiL 
oder  den  sie  sich  auch  selbst  bestimmen,  die  Theorie  der  ParaUellinien  be- 
weisen.    Daher  sind  sie  sehr  zuMeden  mit  dem  Beweise,  dals  die  Winkel- 
summe  des  geradlinigen  Dreiecks  nicht  gröfser  als  zwei  Rechte  sein  könn^, 
wodurch  die  sphärische  Geometrie  ausgeschlossen  wird,  da  diese  Hypotheis.« 
immer  auf  ein  Schneiden  zweier  Linien  in  zwei  Punkten  führt,   was  d^-^D 
Euklidischen  Begriff  der  geraden  Linie  widerspricht.     Sie  verlangen  dah. 
für  die  entgegengesetzte  Hypothese  einen  gleich  bündigen  Beweis,   welch 
aber  nach  der  gewöhnlichen  Definition  der  geraden  Linien,  die  ein  solchk. 
System  nicht  unbedingt  ausschliefst,    eine  Unmöglichkeit  ist.     Stellt 
daher  eine   andere  Definition   auf,  die  ohne  den   allgemein  angenommen.' 
Eigenschaften  der  geraden  'Linie  zu  widersprechen,  doch  eine  strenge  Scb 
düng  aller  drei  Systeme  möglich  macht,  so  halten  sie  wohl  diese  für  et 
willkührliches,     vorausbedachtes,     dem    Resultat    der    Beweisführung    v 
greifendes  und  fühlen  sich  nicht  befriedigt. 

Sie  verlangen  aber  auch  zweitens  etwas  Unmögliches,  indem  sie 
dem,  dafs  man  ihnen  jenes  räthselhafte  geometrische  System,  das  weni 
als  zwei  rechte  Winkel  in  jedem  Dreiecke  enthält,  als  etwas  Absurdes 
stelle.  Allein  dieses  System  läfst  sich  nicht  vertilgen,  es  ist  schon  dartLsm 
möglich,  weil  es  gedacht  werden  kann  und  übrigens  von  völliger  inuer^Br 
Consequenz.  Schon  um  auch  hier  die  ewige  Dreizahl  zu  ergänzen,  hii^l^Jb 
es  als  möglich  gedacht  werden. 

Aber  genau  betrachtet  ist  es  etwas  anderes,  was  diese  Mathematik^^sr, 
ohne  mit  sich  selbst  im  Klaren  zu  sein,  fordern.  So  sehr  sie  nemlich  a — ..nf 
der  einen  Seite  ihre  Wissenschaft  als  eine  reine,  von  aller  Erfahrung 
abhängige   geltend  machen  möchten,    so    sehr   hängen  sie  auf  der  am 


Seite   an  der  Objectivität  und  behalten   stets   den  Parallellismus  Ewi8cl==ien 
der  reinen  Anschauung  und  der  Empirie  im  Auge.     Ihre  gerade  Linie  ^^3oIl 


Franz  Adolph  Taarinas.  423 

die  des  gemeinen  Lebens  sein.  Daher  werden  sie  sich  aaoh  nicht  eher 
befriedigen,  bis  man  ihnen  die  objective  Bedeutang  jenes  räthselhaften 
Systems  enthüllt,  bis  man  ihnen  beweist,  was  es  mit  der  Anwendang  des- 
selben auf  änfsere  Verhältnisse  för  eine  Bewandtniss  habe. 

Dieis  ist  allerdings  die  interessanteste  Seite  des  tiefsinnigen  Problemes, 
aber  sie  gehört  nicht  mehr  der  reinen  Mathematik  an,  sondern  ist  eine 
Frage  der  Physik." 

Auf  diese  recht  klaren  Auseinandersetzungen,  die  noch  heute  lesens- 
wert sind,  folgen  weitschweifige  Deduktionen  im  Stile  der  Naturphilosophie, 
die  darthun  sollen,  dafs  das  rätselhafte  dritte  System  für  die  Akustik  eine 
entsprechende  Bedeutung  besitze  wie  die  euklidische  Geometrie  für  die  Optik. 


4. 

J.  W.  H.  Lebmann's  Kritik  der  Theorie  der  Parallellinien  (1829). 

Als  ich  im  Jahre  1895  in  Gemeinschaft  mit  F.  Engel  die  Theorie 
der  Parallellinien  von  Euklid  bis  auf  Gauss  herausgab,  äuTserte 
ich  mich  dahin  (S.  252),  „dals  Schweikart  und  Taubinus  ein  bis  jetzt 
nicht  beachtetes,  jedoch  sehr  beachtenswertes  Mittelglied  bilden  zwischen 
Sacchebi  und  Lambebt  einerseits  und  Gauss,  Lobatschefskij  und  Bolyai 
andrerseits'^  Um  so  gröfser  war  meine  Überraschung,  als  ich  vor  kurzem 
entdeckte,  dais  diese  Behauptung  einer  Einschränkung  bedarf,  da  Taubinus' 
Theorie  der  Parallellinien  im  Jahre  1829  von  Jacob  Wilhelm  Heinbigh 
Lehmann  (1800  —  1863)  ausführlich  besprochen  worden  ist;  die  Geome- 
triae  prima  elementa  sind  freilich  auch  Lehmann  unbekannt  geblieben. 
Lehmann's  Schrift  fuhrt  den  langen  Titel: 

Mathematische  Abhandlungen,  betreffend  die  Begiündung  und  Bear- 
beitung verschiedener  mathematischer  Theorieen,  nebst  Idee  eines  Systems 
der  Wissenschaft,  und  einem  Anhange,  welcher  es  versucht,  die  EEPLEBSchen 
Gesetze  und  andere  Gegenstände  der  höheren  Mechanik  nach  der  antiken,  rein- 
geometrischen  Methode  zu  entwickeln.  Zerbst,  1829,  8^,  XII  -f-  539  S.,  4  Tfln. 

Es  scheint  selten  zu  sein,  denn  es  fehlt  sowohl  in  Poggendobff's 
Handwörterbuch  (Bd.  I,  Spalte  1411),  als  in  dem  von  mir  aufgestellten 
Verzeichnisse  von  Schriften  über  die  Parallelentheorie'*). 

S6)  P.Tb.  S. Sil  sind  Lebmamm's  Anfangsgründe  der  höheren  Mechanik 
aafgefSÜbrt.  Als  Gewährsmann  ist  Hill  angegeben  und  hinzagefügt,  dafs  sich  bei 
bei  diesem  die  Jahreszahl  1839  finde.  Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  daDs 
HaL,  der  die  Titel  nur  abgekürst  aagiebt,  das  Werk  vom  Jahre  1829  gemeint 
hat,  wonach  die  Angaben  in  dem  Verzeichnis  abzuändern  sind. 


424  Paul  8t&ckel: 

Taukinus  wird  zuerst  auf  S.  269 — 270  erwähnt.  Die  betreffende  Stelle 
lautet  im  Zusammenhange: 

„So  sehen  wir,  dafs  die  Sätze,  welche  dazu  vorbereiten,  die  Summe 
aller  Winkel  eines  Vielecks  aus  der  Seitenzahl  bestimmen  zu  können,  ohne 
die  Theorie  der  Parallelen  bewiesen  werden  können.  Aber  nun,  diese  Be- 
stimmung der  Summe  der  Winkel  selbst  yermögen  wir  nicht  ohne  die  ge- 
nannte Theorie  zu  geben;  denn  sie  hängt  von  der  Begründung  des  Satzes 
ab,  dafs  die  3  Winkel  eines  Dreieckes  zusammen  2  B  betragen. 

Bei  der  Oelegenheit  kann  ich  nicht  umhin,  auf  eine  merkwürdige  Ent- 
deckung aufmerksam  zu  machen,,  womit  Saccherius  und  Lambekt  im 
Yorigen  Jahrhundert,  wie  es  scheint,  unabhängig  von  einander,  die  Geo- 
metrie als  Kunst  ^)  bereichert  haben  (siehe  Hieson.  Saccherii  Euclides  ab 
omni  naevo  yindicatus,  Mediol.  1733;  Lamberts  Untersuchungen  über  die 
Theorie  der  Parallelen,  nach  seinem  Tode  herausgegeben  von  Berkoulli 
im  Leipziger  Magazin  für  Mathem.  2  St  1786.  p.  137  ff.  und  3.  St  p.  325  £). 
Beide  versuchten,  unabhängig  vom  11.  Orundsatze  des  Euclides,  den  Satz 
zu  beweisen,  dafs  die  Summe  der  Winkel  eines  Dreiecks  =  2  R  sei''). 

Neuerlich  hat  indessen  Hr.  Taurinus  in  seiner  Theorie  der  Parallel- 
linien  (EöUn,  1825),  der  die  ganze  Sache  mit  vielem  Fleilse  durchdacht 
und  auseinandergesetzt  hat,  sehr  richtig  nachgewiesen,  dals  dadurch,  in 
völliger  Strenge,  nach  euclidischer  Form,  nur  der  Satz  bewiesen  wird,  dais 
die  Winkel  eines  Dreiecks  zusammen  nicht  gröfser  als  2jR  sein  kQimeii. 
Aber  wenn  auch  nur  dieses  aus  den  28  ersten  Sätzen  des  Euclides  ohne 
weitere  Hilfe  bewiesen  werden  kann,  so  bleibt  es  immer  eine  interessante 
Entdeckung,  welche  wir  in  unser  System  der  Geometrie  mit  Freuden  reci- 
piren,  und,  unserm  gefassten  Plane  gemäfs,  in  den  vor  der  Theorie  der 
Parallelen  vorhergehenden  Abschnitt  verweisen.  Ich  theile  den  (rang  ^es 
Beweises  so  kurz  als  möglich  zusammengedrängt  mit*^ 

Nachdem  dies  gesehen  ist,  bespricht  Lehmann  (S.  275 — 277)  Taurinus' 
Vergleichung  der  drei  geometrischen  Systeme: 

„Herr  Taurinus  knüpft  in  der  gedachten  Schrift  an  dieses  BesnJtat 
eine  interessante  Vergleichung.  Er  macht  darauf  aufmerksam,  daüs  in  einem 
sphärischen  Dreieck  die  Summe  der  Winkel  allemal  >  222  ist^  und  dafs 
dieser  Satz  sich  gleichfalls  ohne  die  Parallelentheorie  darthun  lasse.  Er  seist 


86)  Lbhicann  versteht  unter  ,,Geometrie  als  Kunst^*:  „das  Bestreben  einer 
logischen  Herleitung  ans  möglichst  wenig  Axiomen^*. 

37)  Wie  ans  einer  Äufserong  Lebmahh's  (S.  3)  hervorgeht,  verdankt  er  —  ebenso 
wie  Taurinub  —  die  EenQÜiis  der  Schriften  Yon  Sacchbsi  und  Lahbkbt  dem  Ex- 
cur  ms  ad  El.  I.  29  von  Camsbeb. 


Franz  Adolph  Tanrinas.  425 

den  Grand  des  Unterschiedes  beider  Resultate  darein,  dafs  gerade  Linien 
sich  nur  in  einem  [Punkte,]  Bogen  gröfster  Kreise,  auf  einer  Kugelfläche  [,] 
aber  einander  in  zwei  Punkten  schneiden  können.  Er  fügt  zugleich  hinzu, 
dafs  sich  alle  diejenigen  planimetrischen  Sätze,  welche  die  Theorie  der 
Parallelen  nicht  voraussetzen,  ungeändert  auf  die  Kugelfläche  übertragen 
lassen,  wenn  man  nur  statt  der  geraden  Linien  Bogen  gröfster  Kreise,  statt 
der  Kreise  kleinere  Kreise  der  Kugelfläche  setzt,  und  dafs  sich  auf  diese 
Art  eine  sphärische  Geometrie  erdenken  lasse,  welche  mit  der  Planimetrie 
gleichen  Schritt  halte.  Und  das  ist  auch  ganz  gegrOndet,  und  wir  sehen 
einen  sehr  gelungenen,  schon  ziemlich  weit  ausgeführten  Versuch  dieser  Art 
in  den  Sphaericis  des  Theodobiub.  Der  Grund  der  Ähnlichkeit  der  ebenen 
und  der  sphärischen  Geometrie  liegt  augenscheinlich  in  der  Eigenschafb, 
welche  die  ebene  mit  der  Kugelfläche,  aber  mit  keiner  andern  Fläche  ge- 
mein hat,  dafs  alle  Theile  derselben  genau  aufeinander  passen;  dafs  aber 
von  der  Parallelentheorie  an  eine  Verschiedenheit  stattfindet,  hängt  damit 
zusammen,  da&  ein  Stück  der  Kugelfläche,  wenn  man  es  umwendet,  nicht 
mehr  auf  die  alte  Fläche  paust,  was  doch  bei  der  Ebene  stattfindet;  siehe, 
was  ich  darüber  schon  gesagt  babe^). 

Wenn  nun  aber  Herr  Taurinus,  auf  ähnliche  Art,  wie  schon  früher 
Saccherius  (siehe  die  vorhin  angeführte  Schrift),  weiter  fragt,  was  für  eine 
Geometrie  denn  das  geben  würde,  wo  man  setzt^  dafjs  die  Summe  der 
Winkel  eines  Dreiecks  kleiner  als  222  sei,  und  wenn  er  anfangt,  den 
Gedanken  auszuspinnen,  so  können  wir  darüber  kein  anderes  ürtheü  fällen, 
als  über  die  Rechnungen  mit  imaginären  Gröfsen;  man  kann  ein  sehr 
strenges  System  entwerfen,  was  erfolgen  würde,  wenn  etwas,  was  nicht 
wahr  ist,  wahr  wäre;  man  wird  aber,  wenn  man  auf  diesem  Wege  kein 
Resultat  für  reelle  GröiBen  erlangt,  bald  von  selbst  umkehren,  wohl  fühlend, 
dafs  man  sich  mit  blofsen  Chimären  beschäftigt.  Wir  haben  vermittelst  der 
Quadratwurzeln  aus  negativen  Gröfsen  manche  bedeutende  Entdeckungen 
gemacht,  die  sich  auf  reelle  GröDsen  beziehen,  und  die  uns  sonst  vielleicht 
ewig  verborgen  geblieben  wären;  ob  man  solche  Entdeckungen  auch  durch 
die  Fiction  einer  Geometrie,  worin  die  Winkel  eines  Dreiecks  <  2jß,  machen 
könne,  darüber  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Eine  andere  Frage  aber  ist  es,  ob  wir  nicht  den  ohne  die  Parallelen- 


38)  Der  von  Lbhicahn  angefahrte  Grund  ist  nicht  stichhaltig,  der  wahre 
Unterschied  der  parabolischen  nnd  der  elliptischen  Geometrie  liegt  vielmehr  in 
der  Forderung  der  anendlichen  Länge  der  geraden  Linie.  Dass  es  sich  so  verhält, 
hatte  schon  TAcanros  richtig  erkannt  (vergl.  seine  Theorie  der  Parallellinien  S.  67, 
sowie  die  Bemerkung  oben  8.  413)  und  sich  dadurch,  wie  schon  vor  ihm  Lambkbt, 
all  Vorgänger  BsniAm's  erwiesen;  vergl.  auch  P.  Th.  S.  262. 


426  Paul  St&ckel: 

theorie  geführten  Beweis,  dafs  die  Winkel  eines  Dreiecks  nicht  >  2fi  sein 
können,  die  Winkel  eines  sphärischen  Dreiecks  aber  >  272  sein  mössen, 
dankbar  annehmen  und  zu  einer  vollständigen  Begrundong  der  Parallelen- 
theorie für  die  Ebene  benutzen  sollen.  Die  Frage  kann  nur  die  sein,  ob 
man  etwa  die  Ebene  als  den  Zielpnnkt  ansehen  dürfe^  dem  sich  eine  Eagel- 
fläche,  wenn  ihr  Halbmesser  wächst,  nähert,  so  dafs  die  Abweichung  klein« 
werden  kann,  als  jede  gegebene  Abweichung,  und  ob  man,  dafs  eine  solche 
unendliche  Annäherung  stattfindet,  ohne  Hülfe  des  11^*^  Grundsatzes  d« 
EucLroES  oder  eines  aequiyalenten  Satzes  beweisen  könnne'^). 

Dafs  eine  solche  unendliche  Annäherung  wirklich  statt  findet,  wird  wol 
niemand  im  Ernst  bezweifeln;  schon  die  gemeine  Betrachtung,  wonach  mao 
ein  Stück  der  Erdoberfläche,  das  man  mit  einemmale  übersehen  kann,  für 
eben  zu  halten  geneigt  ist,  leitet  darauf.  Aber  ich  leugne,  dafs  sich  ein 
strenger,  kunstmäfsiger  Beweis  ohne  schon  begründete  Parallelentheorie  geben 
lasse.  Denn  solcher  Beweis  müfste  etwa  auf  folgende  Punkte  hinanslaufen. 
Es  sei  aus  dem  Puncto  C  der  unbegrenzten  Linie  AB  Fig.  40  ein 
nach  D  unbegrenztes  Perpendikel  CD  errichtet.  Man  schneide  nun  von 
CD  ein  beliebiges  Stück  CE  ab,  beschreibe  aus  E  durch  C  einen  Kreis,  und 

lasse  nun  die  ganze  Zeichnung  sich  um 
die  feststehende  Linie  CD  drehen,  so  ist 
klar,  dafs  die  Kreisperipherie  eine  Kugel- 
fläche,  die  Linie  AB  aber  eine  die  Kugel- 
fläche  berührende  Ebene  beschreiben  werde. 
Schneidet  man  von  CD  ein  gröfseres 
Stück  ab,  so  erhält  man  eine  Kugelflicbe. 
welche  der  berührenden  Ebene  nSher 
kommt.  Wollten  wir  nun  beweisen,  d&fs 
^^'  ^  die  Kugelfläche    sich    der  Ebene  so  sehr 

nähern  kann,  dafs  die  Abweichung  kleiner  wird,  als  jede  gegebene  Ab- 
weichung, so  müfsten  wir  auch  beweisen  können,  dafs  der  Kreis  sich  anf 
dieselbe  Art  der  geraden  Linie  AB  nähern  könne,  oder,  mit  andern  Worten, 
dafs  die  Entfernung  eines  Punctes  der  Peripherie  von  der  geraden 
Linie  AB^  in  jeder  gegebenen  Höhe  über  CD,  kleiner  werden  könne 
als  jede  gegebene  Gröfse.  Aber  so  lange  die  Parallelentheorie  nicht 
begründet  ist,  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  nicht  eine  Curve  FGG  statt 
finde,  welche  auf  derselben  Seite  der  Linie  AB  liegt,  als  der  Kreis,  und 
welche  AB  m  C  berührt,  und  welcher  sich  der  Kreis,   wenn  sein  Halb- 


39)  Mit  genau  denselben  Gedanken  hatte  sich  schon  Laobavob  beachiftigt 
und  ebenfalls  dessen  ündurchführbarkeit  erkannt;  siehe  P.  Tb.  S.  211— S12. 


Franz  Adolph  Taurmus.  427 

messer  w&chst,  nähert,  ohne  sie  jemals  zu  erreichen^^).  Ist  aber  erst  die 
Parallelentheorie  gegründet,  dann  ist  es  ein  leichtes,  ans  der  gegebenen  Ent- 
fernung eines  Ponctes  der  Peripherie  von  der  Linie  CA  and  von  der  Linie 
CD  den  Halbmesser  des  Ej*eises  zu  finden;  das  nämlich,  was  der  gegebenen 
Entfernung  des  Punctes  der  Peripherie  von  der  Linie  CA  noch  am  Durch- 
messer fehlt,  ist  (nach  Eucl.  6,  8,  Zus.)  die  3^  Proportionallinie  zu  den 
beiden  gegebenen  Entfernungen. 

Wir  gewinnen  also  auf  diesem  Wege  nichts  zur  Begründung  der  Paral- 
lelentheorie für  die  Ebene." 

Ob  diese  Äufserungen  zur  Kenntnis  von  Taurinus  gekommen  sind,  hat 
sich  nicht  ermitteln  lassen.  Dagegen  finden  sich  Lehmann's  Mathematische 
Abhandlungen  in  der  Gaufsbibliothek  zu  Göttingen,  und  Bandbemerkungen 
von  Oauss  zeigen,  dafs  von  diesem  das  Werk  gelesen  oder  wenigstens 
durchblättert  worden  ist.  Es  ist  das  auch  insofern  von  Interesse,  als  man 
daraus  schliessen  darf,  da&  Gauss,  wenn  nicht  schon  früher,  im  Jahre  1829 
von  den   Untersuchungen  Sacchrri's  und  Lambert's  erfahren  hat. 


40)  Die  Begriffe  des  Grenzkreises  und  der  Grenzkugel,  die  ans  hier 
entgegentreten,  fehlen  bei  Taurinus.  Sie  werden  wohl  znm  ersten  Male  in  Wachtkb's 
Demonstratio  AxiomcUis  in  Eticlideis  undecimi  (Danzig  1817)  eingeführt.  Die 
Angabe  P.  Th.  S.  38,  dafs  bereits  Sacchebi  zu  den  Oricyklen  Lobatschefsku'b 
gelangt  sei,  ist  irrtfimlich;  dieser  Irrtum  ist  bereits  ebendaselbbt  in  den  „Nach- 
tragen und  Berichtigungen**  S.  318  richtig  gestellt  worden. 

Kiel,  im  April  1899. 


Wiyi 


JOHANNES  SCHEÜBEL, 

EIN  DEDTSCHEB  ALGEBBAIKEB  DES  XVI.  JAHBHÜNOEBTS 


VON 
H.  STAIGMÜLLER 

ni    8TÜTTOART. 


Wenn  beute  die  Wissenschaften  ein  Gemeingut  aller  Kulturvölker  sind, 
nnd  wenn  sie  heute  ihre  Fortschritte  nur  dem  Zusammenwirken  aller  Kultur- 
völker verdanken,  so  liegt  doch  die  Zeit  nicht  allzufem  hinter  uns,  wo 
dieselben  noch  einen  nationalen  Charakter  trugen,  und  diese  oder  jene 
Wissenschaft  eben  nur  gerade  bei  diesem  oder  jenem  Volke  vorzugsweise 
Pflege  und  Förderung  fand.  So  zeigt  z.  B.  die  Geschichte,  dals  die  gröfste 
mathematische  Qeistesthat  des  XYI.  Jahrhunderts,  die  Bewältigung  der 
kubischen  Gleichung,  ausschliefslicbes  Eigentum  des  italienischen  Volkes  ist, 
während  im  gleichen  Jahrhundert  in  Deutschland  selbst  die  führenden  Geister 
auf  dem  Gebiete  der  Algebra  sich  der  Hauptsache  nach  mit  dem  Ruhme 
begnügen  müssen,  ihren  Volksgenossen  das  übermittelt  zu  haben,  was  andere 
Kulturvölker  zum  Teile  schon  längst  besafsen.  Doch  wie  hätte  man  das 
anch  anders  erwarten  können?  Die  an  die  Reformation  sich  anschliefsenden 
Zeit-  und  Streitfragen  absorbierten  das  ganze  wissenschaftliche  Interesse  in 
Deutschland.  Bezeichnend  hierfür  ist  es,  dals  der  bekannteste  deutsche 
Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts,  Michael  Stifel,  durch  seine  mystischen 
Zahlenspielereien  zur  rein  wissenschaftlichen  Beschäftigung  mit  Arithmetik 
and  Algebra  hingeleitet  wurde  und  später  wieder  von  dieser  zu  jenen 
zurückkehrte.  Ja  trotz  seiner  teilweise  wirklich  genialen  Leistungen  auf 
dem  Gebiete  der  Algebra  und  Zahlentheorie  und  trotz  des  bedenklichen 
Schiffbruchs  seiner  Zahlenmjstik  ^)  mafs  Stifel  der  „Wortrechnung^'  einen 
ungleich  höheren  Wert  bei  als  der  rein  wissenschaftlichen  Algebra. 

Wenn  nun  auch  stets  eine  Zeit  grofser  wissenschaftlicher  Leistungen 
und  Erfolge  den  Kulturgeschichtsforscher  in  erster  Linie  anziehen  wird,  so 
darf  er  sich  doch  auch  nicht  der  Darstellung  von  Perioden  entziehen,  in 
denen  keine  Marksteine  der  Entwicklung  einer  Wissenschaft  zu  geschicht- 
licher Forschung  anlocken.  Ja  die  Darstellung  einer  solchen  Zeit  bietet 
ihre  eigenen  Reize  dar;  handelt  es  sich  hierbei  doch  sehr  oft  darum,  die 
unscheinbaren  Samenkörner  einer  künftigen  Entwicklung  blofszulegen ,  zum 
mindesten  aber  gilt  es  die  Gründe  aufzudecken,  welche  jene  Stagnation  ver- 


1)  Stifu.  „berechnete"  aus  den  Zahlen  des  Baches  Daniel  den  Weltunter- 
gang auf  den  19.  Oktober  1633  früh  8  Uhr. 


432  H.  SUigmfiller: 

nmcfateiL  So  sehr  dnim  mach  z.  B.  in  der  Geschichte  der  Algehra 
XYL  Jalnhoiiderti  Italien  die  Blicke  des  Enltorhistorikers  auf  sich  zieb@i 
wild,  80  wenig  djurf  doselbe  sich  dadurch  verleiten  lassen,  die  gleichzeitige 
deutsche  Algdna  m  überMhen.  Er  hat  beiden  seine  Zeit  und  sein  Interesäe 
^eiehermafsen  xa  widmen,  nmls  er  sich  auch  zmn  Voraus  sagen,  dafs  er 
hier  ungleich  weniger  Nenes  m  Tage  zu  fördern  im  Stande  sein  wird  li« 
dort.  —  Nicht  zoletzt  aber  war  es  ein  persSnUches  Interesse,  das  micb  bei 
der  Wahl  meines  Themas  leitete,  galt  es  doch  einen  früheren  Lehrer  der 
üniyersität  T&bingen,  die  mir  seihst  einst  „alma  mater"  war,  einer  fast 
Y5lligen  Vergessenheit  m  entreifsen  und  för  ihn  denjenigen  Platz  in  der 
Geschichte  der  deutschen  Algebra  in  Anspruch  zu  nehmen,  der  ihm  n&c}} 
meinem  Dafürhalten  unbedingt  gehört 

Gerhasdt,  der  in  seiner  „(xeschichte  der  Mathematik  in  Deutschland^ 
ScHEUBEL  nicht  einmal  erwähnt,  kommt  bei  der  Behandlung  der  Algebra 
im  XVL  Jahrhundert  zu  dem  Schlüsse :  „Christoff  Rudolff  und  Michael 
Stifel,  die  herrorragendsten  deutschen  Algebristen  im  16.  Jahrhundert, 
gehörten  zu  keiner  öffentlichen  wissenschaftlichen  Korporation,  und  es  wiri 
sich  kaum  nachweisen  lassen,  dals  in  dieser  Zeit  die  Algebra  auf  den  Uni- 
yersitäten  Deutschlands  Gr^enstand  öffentlicher  Vorträge  war."  Möge  es 
den  folgenden  Zeilen  gelingen  den  Nachweis  zu  liefern,  daiÜs  in  Johakkes 
ScHEUBEL  ein  Vertreter  einer  deutschen  Hochschule  jenen  beiden  als  gleich- 
berechtigt zur  Seite  zu  stellen  ist,  der  es  auch  versuchte  der  Algebra  aka- 
demisches Bürgerrecht  zu  verschaffen. 

Von  Vorarbeiten,  welche  über  das  Mafs  einer  beiläufigen  Erwähnmig 
Scheubel's  oder  einer  nur  oberflächlichen  Darstellung  seiner  Leistungen 
hinausgehen,  habe  ich  nur  zwei  anzuführen.  Erstens  eine  kleine  bio- 
graphische Skizze  Scheubel's  von  der  Meisterhand  Bohnenberqer's^  und 
zweitens  die  einschlägigen  Partien  in  Treutlein's  verdienstvollen  Arbeiten 
über  „das  Rechnen  im  16.  Jahrhundert^'  und  über  „die  deutsche  Cofs^'^). 
Doch  ist  jene  Skizze  Manuskript  geblieben  und  umfaüst  nicht  einmal  ganz 
2%  Quartseiten,  und  mit  Treutlein's  Darstellung  und  Wertung  der  LeistoogeB 
Scheubel's  kann  ich  mich  in  keiner  Weise  einverstanden  erklären,  so  d&ls 
diese  Vorarbeiten  selbst  für  mich  mitbestimmend  waren  bei  der  Wahl 
meines  Themas. 

Ist  auch  heute  in  der  Geschichte  der  Mathematik  Soheubel  beinabe 
vergessen,  so  ermangelte  er  dagegen  keineswegs  der  verdienten  Anerkennung 


2)  Cod.  bist.  Fol.  657  der  Kgl.  öffentl.  Bibliothek  in  Stattgart.  BoanHEiBoo 
starb  1881  als  Professor  der  Mathematik,  Physik  und  Astronomie  in  Tübingen. 

3)  Zeitschrift  f.  Math.  n.  Ph.    Sappl.  zu  den  Jahr^ngen  XXII  n.  XXIV. 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algehraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    433 

seiner  Zeitgenossen,  dafür  ist  nns  Bürge  der  berühmte,  vielseitige  nnd  für 
das  damalige  gelehrte  Studium  so  einflulsreiche  Humanist  Pierre  de  la 
Bam^,  der  in  seinen  ^^scholae  maihemaUcae^^  die  berühmtesten  Vertreter  der 
Mathematik  an  deutschen  Hochschulen  aufz&hlt,  und  dabei  auch  Soheubbl^) 
nennt.  Ebenso  wissen  wir,  da&  Scheubbl  von  Mästlin^),  dem  Lehrer  und 
Freunde  Eepler's,  besonders  hochgehalten  wurde  ^).  und  der  bekannte 
Basler  Polyhistor  PaiitaiiEok  nahm  Scheubel  noch  zu  dessen  Lebzeiten  in 
sein  deutsches  Heldenbuch  anf^).  Aber  nur  zu  leicht  ist  es  verständlich, 
dafs  neben  der  Algebra  eines  Cardano  und  eines  Vieta  diejenige  Scheubel's 
in  den  Hintex^gmnd  treten  nnd  so  ihr  Autor  der  Vergessenheit  anheimfallen 
mulste. 

Johannes  Scheubel  (Joannes  Scheubelius^),  Johann  Scheybl^)) 
wurde  am  13.  August  1494^^)  in  Kirchheim  unter  Teck  geboren,  einem 
am  Nordfuls  der  schwäbischen  Alb  gelegenen  und  für  damalige  Zeit  stark 
befestigten  Städtchen,  das  schon  1381  an  Württemberg  gekonmien  war. 
Da  das  älteste  Kirchenbuch  in  Kirchheim  u.  T.,  ein  Taufbuch,  nur  bis  zum 
Jahre  1558  zurückreicht^^),  war  es  mir  nicht  möglich,  über  Scheubel's 
Familie  irgend  etwas  Sicheres  auffinden  zu  können.  Den  ersten  Unterricht 
empfing  Scheubel  jedenfalls  in  seinem  Heimatstädtchen  ^'),  das  sich  gerade 
damals  einer  für  jene  Zeit  hervorragend  guten  Schule  erfreute^).     Später 


4)  P.  Raio,  9eholarum  maihmaüearum  IIb.  XXXI.  Basil.  1569.  p.  66.  (üb.  U). 

5)  MlsTLDi  bezog  noch  zwei  Jahre  vor  Schkubsl's  Tod  die  Universität 
Tübingen. 

6)  Yergl.  Bohhbnberobr  a.  a.  0. 

7)  Proiopoffraphdae  heroum  atqiie  iüustrium  virorum  ioHus  Oermaniae  pars 
terUa;  AuÜiore  Hksuco  Pantalsohb  Fhy^ico  Basüensi.    Basileae  1666.  p.  459. 

8)  So  schreibt  sich  Schrubel  in  demjenigen  seiner  Werke,  welche  er  in 
lateinischer  Sprache  herausgab,  femer  in  den  beiden  lateinischen  Eingaben,  welche 
sich  von  ihm  erhalten  haben,  sowie  in  der  auf  Seite  447,  Anmerkung  47  erwähnten 
lateinischen  Widmung. 

9)  So  schreibt  sich  Scheubbl  in  dem  einzigen  Werke,  das  er  in  dentscher 
Sprache  erscheinen  liefs. 

10)  Yergl.  „Hartmahn,  Magisterbuch'*  Manuskript  der  Kgl.  ö£fentl.  Bibl.  in 
Stattgmrt:  Cod.  bist.  Q.  309  a  u.  b.  Zrllbb  fügt  dem  Geburtsdatum  Schbubbl^s 
noch  das  Wort  ^^emdhu^^  (Zwilling)  bei.  Yergl.  Zbllbr,  Merkwürdigkeiten  der  Uni- 
versität Tfibingen.    Tübingen  1743.  p.  496. 

11)  Diese  Notix  verdanke  ich  einer  freundlichen  Mitteilung  des  Herrn  Stadt- 
pfarrverweser  HBRELnasR  in  Eirchheim  u.  T. 

IS)  Yergl.  pABTALEoir  a.  a.  0.:  „in  patriaf', 

18)  Schon  im  Jahre  1249  existierte  in  Eirchheim  u.  T.  eine  Schule.  Ums 
Jahr  1600  wird  dem  dortigen  Schulmeister  zur  Pflicht  gemacht,  einen  Baccalaureus 
als  Provisor  su  halten,  desgleichen  wird  im  Jahre  1522  der  Schulmeister  Mbtsorr 

Abh.  zur  QaMh.  d.  M»tham.  JX.  28 


434  H.  StaigmüUer: 

bezog  ScHEUBEL  die  Universität  Wien  ^^).  Diese  Wahl  kann  uns  nicM  be- 
sonders auffallen,  wenn  wir  bedenken,  in  welch  engen  Beziehungen  Württem- 
berg von  1520  —  1534  zur  Habsbui^gischen  Dynastie  stand ^).  Wie  an 
keiner  zweiten  deutschen  Hochschule  blühte  damals  in  Wien  das  Stndinm 
der  Mathematik,  und  hier  legte  Scheubel  auch  den  Grund  zu  seinem  her- 
vorragenden Wissen  in  den  mathematischen  Disziplinen.  Besonders  f&r  die 
Frage  nach  den  Quellen,  aus  denen  Soheubel  seine  Kenntnisse  in  Aritk- 
metik  und  Algebra  schöpfte,  ist  der  Aufenthalt  desselben  an  der  Wiener 
Hochschule  und  überhaupt  in  Wien  von  Bedeutung  ^^).  Auch  werden  wir 
nicht  fehlgehen,  wenn  wir  annehmen,  dals  neben  dem  Studium  der  Mathe- 


verpflichtet,  „allweg  einen  geschickten  und  gelehrten  Provisor  za  halten".  Vergl. 
Pfaff,  Yersuch  einer  Gesch.  des  gel.  Unterr.  in  Württemberg  etc.   Ulm  1842.  p.  9. 

14)  „als  er  die  fandament  begriffen,  zöge  er  gehn  Wien,  and  stadieret  dz- 
selben  in  freyen  Künsten.  Weil  auch  za  seiner  Zeit  die  Mathematischen  Könst 
daselben  fleilsig  fürgelesen,  hat  er  sich  fömeddich  aoff  die  Arithmetica  an  Geo- 
metrey  begeben,  und  grossen  verstand  darinen  erlanget."  Vergl.  die  deutsche 
Aasgabe  von  Pahtalbom's  deutschem  Heldenbach:  Der  dritte  nnd  letste  Teil 
Teutscher  Nation  Warhafften  Helden  etc.  durch  Hsixbich  Pamtaleok,  Basel  1578, 
p.  443.  Die  kurze  Biographie,  welche  Paivtalboh  von  Scosübsl  bietet,  stdtit  sich 
der  Hauptsache  nach  auf  ein  Gedicht,  welches  Cblliüb  (Hobm),  der  spfttere  Tfibinger 
Professor,  als  etwa  19jähriger  Student  in  Tübingen  verfafste  and  P^stai^oh  iu- 
stellte.  Diese  Epigramme,  deren  Inhalt  somit  im  wesentlichen  wohl  sicher  auf 
ScHBUBEL  selbst  zurückgeht,  sind  in  der  lateinischen  Aasgabe  von  Pabtalboi's 
Heldenbuch  enthalten.  Wie  von  den  übrigen  behandelten  Personen  giebt  Pasti- 
LBOH  auch  von  Schbubbl  ein  Bildnis;  doch  stellen  sich  diese  Bilder  der  Haupt- 
sache nach  als  frei  erfunden  dar,  und  stimmen  nicht  einmal  in  den  verschiedeBeo 
Auflagen  völlig  überein.  Zwar  erscheint  es  kaum  glanblioh,  dafs  bei  einem  noch 
Lebenden  Pabtalbon  dem  Zeichner  nicht  wenigstens  eine  briefliche  Beschreibong 
zur  Verfügung  stellte,  und  eine  solche  hfttte  er  sich  sehr  leicht  mit  jenen  Epi* 
grammen  durch  Cblliub  verschaffen  können.  Das  Bild  Schbubbl^s  bei  Pabtauboi 
zeigt  ein  schön  und  scharf  geschnittenes,  von  einem  langen  Yollbiirte  nmrahmtes 
Gesicht. 

Da  die  Wiener  Matrikeln  nicht  veröffentlicht  sind,  war  es  mir  nicht  mög- 
lich, genau  die  Zeit  festzulegen,  während  welcher  Schbubbl  in  Wien  stodieite. 
Spätere  Daten  berechtigen  zu  der  Vermutung,  dafs  ScmmBSL  jedenfalls  nicht  mehr 
allzu  jung  war. 

16)  Der  schwäbische  Bund  hatte  nach  der  Vertreibnng  Herzog  Ulbigb's  im 
Jahre  1520  Württemberg  gegen  Ersatz  der  Eriegskosten  Kaiser  Kabl  V.  zur  Ver- 
fügung gestellt,  der  es  1622  seinem  Bruder,  dem  späteren  König  Fbbddiahd,  über- 
trug. Erst  nach  der  Schlacht  bei  Lauffen  (1584)  kehrte  Ulbioh  wieder  als  Herr 
in  sein  Erbland  zurück. 

16)  Da  der  mir  hier  zur  Verfügung  stehende  Raum  es  mir  nicht  erianbi» 
später  bei  der  Besprechung  von  Schbubbl's  Algebra  speciell  auf  deren  QasUeo 
einzugehen,  möchte  ich  hier  ganz  besonders  darauf  hinweisen,  wo  dieselben  la 
suchen  sind. 


Johannes  Scheubel,  ein  deatscher  Algebraiker  des  XYI.  Jahrhunderts.    435 

matik  die  damals  ganz  Deutschland  anfis  Tiefste  bewegenden  religiösen 
Zeit-  nnd  Streitfragen  Schbübel  in  ihren  Bannkreis  zogen,  und  dals  hierbei 
ßcHEUBKL  sich  der  nenen  Lehre  zuneigte;  nur  dies  kann  ihn  veranlafst 
haben,  sich  von  Wien  nach  Wittenberg  zu  begeben ^^).  Doch  scheint 
Scheubel  sich  nur  yorftbergehend  in  Wittenberg  aufgehalten  zu  haben, 
wenigstens  finde  ich  ihn  nicht  als  Studierenden  eingeschrieben^^.  Von 
Wittenberg  begab  sich  Soheubel  zur  Fortsetzung  seiner  mathematischen 
Studien  an  die  Universität  Leipzig  ^^),  die  sich  damals  in  den  F&chem, 
welche  für  Scheubel  mafsgebend  waren,  eines  nicht  unbedeutenden  Bufes 
erfreute,  und  zwar  lieÜB  er  sich  hier  im  Wintersemester  1532  immatriku- 
lieren^). Doch  war  seines  Bleibens  in  Leipzig  nicht  allzulange,  schon  im 
März  1535  finden  wir  Soheubel  als  Studierenden'^)  in  Tübingen '*),  und 
wohl  waren  es  wiederum  GrOnde,  welche  mit  der  damaligen  religiösen  Be- 
wegung^) zusammenhingen,  die  Soheubel  zu  diesem  Wechsel  bestimmten; 
ja  dieser  Schritt  und  die  dadurch  bedingte  spätere  Wirksamkeit  Scheubel's 
in  Tübingen  beweisen  uns,  dafs  derselbe  nicht  blofs  zur  neuen  Lehre  sich 
hinneigte,  sondern  ein  entschiedener  Anhänger  derselben  geworden  war^). 


17)  Yergl.  die  Epigramme  des  Cblliüs:  Lencorea  =  Wittenberg. 

18)  Vergl.  AUntm  Academiae  Vitebergemis,    Ed.  Föbstemahh,  Lips.  1841. 

19)  Yergl.  Pastaubok  a.  a.  0. 

20)  Vergl.  Codex  dipl  Sax.  Heg.  Zweitor  fiauptteil,  XYI.  Bd.  Die  Immatr. 
?on  1409—1569,  p.  609:  „1682  Wintersemester  .  .  .  Natio  Bayaronim:  Joanves 
ScHKUBKL  de  Eirchhain  .  .  .". 

21)  F&llt  uns  die  Erscheinong  eines  41  jährigen  Studenten  Yom  heutigen 
Standponkto  aus  betrachtet  znnftchst  auf,  so  liegt  doch  für  die  damaligen  Zeiteii 
nichts  so  ganz  aufserordentUches  darin. 

22)  Yergl.  Urkunden  zur  Gesch.  d.  Unir.  Tübingen  ans  den  Jahren  1476  bis 
1550.  Tfibingen  1877,  und  zwar  Matr.  Univ.  Tub.  1477—1645,  p.  658:  „1535 
Martii  .  .  Johanubs  Schbybkl  ex  Kirchen  sub  Theckh  .  .*'  Diese  Urkunden,  deren 
Vorrede  mit  einem  R.  unterzeichnet  ist,  wurden  Ton  dem  damaligen  Oberbiblio- 
thekar Professor  Dr.  Rudolf  toh  Roth  veröffentlicht. 

28)  Während  Heraog  Gsoro  tok  Sachssh  (f  1589)  mit  aller  Macht  die  neue 
Lehre  von  seiner  Hochschule  Leipzig  fem  zu  halten  suchte,  hatte  der  durch  die 
Schlacht  bei  Lauffen  wieder  in  den  Besitz  seines  Landes  gelangte  Herzog  Uuiich 
in  den  letzten  Monaten  des  Jahres  1534  mit  der  Reformation  der  Universität 
Tübingen  begonnen,  in  erster  Linie  unterstötzt  durch  jenen  Grtmasds,  der  auch 
in  der  Geschichte  der  Mathematik  als  Herausgeber  des  ersten  griechischen  Edklid'b 
einen  Ehrenplatz  einnimmt. 

24)  Und  zwar  der  streng  lutherischen  Richtung.  Wie  hätte  er  es  auch  sonst 
später  zum  Professor  an  der  UniversilAt  Tübingen  bringen  und  Tor  allem  solcher 
bleiben  können,  jener  Unirersität,  welcher  der  noch  neben  Scezubkl  wirkende 
Märtyrer  der  neuen  Lehre,  Pmi;.ipp  Ahah,  nicht  rechtgläubig  genug  war,  und 
wMehe  später  ans  demselben  Grunde  wie  ffir  Atiak,  so  auch  ffir  ihren  gr5ftte» 

28* 


436  H.  StaigmüUer: 

Hier  in  Tübingen  erwarb  sich  Sohbubel  1540  die  Magisterwürde ^),  und 
hier  brachte  endlich  das  Jahr  1544  dem  nim  50jährigen  Magister  die 
ersehnte  Stellung  als  Docent  der  Mathematik.  Noch  handelte  es  sich  aber 
nicht  um  eine  ordentliche  Professur,  sondern  nur  um  einen  Lehrauftng  in 
Arithmetik  und  Geometrie.  In  der  am  20.  Juli  1544  von  Herzog  Ulrich 
erlassenen  Ordnung  der  Artistenfakultät  in  Tübingen  lesen  wir  unter  an- 
derem: „Dieweil  dann  Mathematica  nit  die  geringst  vnder  den  bonis  aitibas 
ist,  So  soll  fürterhin  derselbigen  Professor  auch  im  Bat  der  Artisten  Facultet 
gezogen  vnd  gebraucht  werden,  Vnd  alweg  die  Materi,  so  er  zu  lesen  fnr- 
himpt,  mit  rat  vnd  yrtail  der  Artisten  Facultet  vnder  band  nemen,  damit 
er  nit  allain  den  Zuhörern,  Sonder  auch  allen  guten  Künsten  nutz,  forder- 
lich und  forstendig  sein  meg.  Darbej  dann  der  Imser  als  geschickt  Yod 
taugenlich  in  seiner  besoldung  gelassen  werden  ynd  alweg  sein  stund  rmb 
Zwolff  Vr  zu  mittag  haben  soll.  . . .  Mit  Maister  Johan  Soheüblih  soll 
gehandlet  werden,  das  er  vmb  ain  bestimpte  Besoldung  EucuDiai  zu  leses^ 
auch  Arithmetices  vnd  Geometrie  1er  den  Jungen  einzubilden^^). 

Im  Jahre  1544  wird  also,  neben  Imber  als  Ordinarius,  dem  Maister 
(„magister")  Scheubel  ein  Lehrauftrag  in  Geometrie  und  Arithmetik  ao 
der  Universität  Tübingen  zu  teil.  Aus  dem  so  von  Scheubel  angetreieneo 
Unterrichte  heraus  entstanden  nun  in  den  folgenden  Jahren  jene  Werke. 
die  uns  hier  zunächst  nur  insofern  interessieren,  als  sie  uns  in  ihren  Titeln 
und  Vorreden  biographische  Notizen  über  ihren  Autor  geben.  In  ihnen 
bezeichnet  sich  Scheubel  im  Jahre  1545  als  „Joannes  Scheubelius  bonarmn 
artium  magister^'  und  im  Jahre  1549  (März)  als  „magister  Joannes 
Scheubelius  ex  Kirckhain  sub  TecW.  Dagegen  zeigt  seine  Eukuld-Aos- 
gabe  vom  Jahre  1550  (April)  im  Titel  die  Worte:  „Authore  Joanhe 
ScHEUBELio,  in  inclyta  Academia  Tubingensi  Euclidis  professore  oidin&rio'^ 
und  diejenige  vom  Jahre  1555  trägt  die  Autorenangabe:  „durch  Magistnim 
Johann  Scheybl,  der  löblichen  vniuersitet  zu  Tübingen  des  Euclidis  and 
Arithmetic  Ordinarien^'.  In  der  Zeit  zwischen  dem  März  des  Jahres  1549 
und  dem  April  des  Jahres  1550  mufs  also  Scheubel  zum  Ordin&rins 
ernannt  worden  sein,  vergebens  aber  versuchte  ich  über  diese  Emennang 
im  Tübinger  Universitätsarchiv  irgend  eine  Notiz  aufzufinden^^).    Als  dann 


eigenen  Sohn,   ffir  Esflkr,  keinen  Plats   hatte,  und  doch  hatte  Ekplsb  gleich 
Apian  dem  neuen  Glauben  persönliche  Opfer  der  allerschwezBten  Art  gebracht 

25)  YergL  „Habtmakn,   MagiBterbuch'^    Roth   giebt  fälschlich  —  wohl  eis 
Druckfehler  —  das  Jahr  1646  an. 

26)  Yergl.  „KoTH,  Urkunden",    p.  235  nnd  236. 

27)  Von  den  in  Betracht  kommenden  Sammelb&nden  trilgt  der  eine  die  Be- 
zeichnung:   „Facult.  Philosoph.  G.  Prof.  math.  &  phyaiees.  L  1657—1700**.    Der- 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    437 

im  Jahre  1557  Imses  auf  seine  Professnr  Terzichtete  ^),  trat  nicht  Scheubbl 
in  diese  Stelle  ein,  sondern  der  Astronom  und  Geograph  Samuel  Sidero- 
CRATE8;  handelte  es  sich  doch  bei  dieser  Professur  neben  Mathematik  in 
erster  Linie  um  Astronomie.  Tübingen  hatte  somit  vom  Jahre  1550  bis 
zu  Scheubel's  Tod  zwei  mathematische  Professoren,  doch  beweist  die  Folge- 
zeit, dafs  dabei  nicht  an  die  definitive  Schafiung  einer  zweiten  mathema- 
tischen Professor  gedacht  werden  darf,  sondern  es  lag  ein  Ansnahmezostand 
vor,  welcher  wohl  eben  nnr  durch  persönliche  Verhftltnisse  bedingt  war; 
und  galt  schon  die  bleibende  Professur  ftir  Astronomie  und  Mathematik  als 
„eine  der  geringeren  Stellen^' ^,  so  ist  nicht  zu  yerwundem,  wenn  dies  in 
noch  höherem  Grade  bei  der  ad  hoc  geschaffenen  Stelle  ScHEUBEii's  der 
Fall  war.  Dementsprechend  finden  wir  auch,  dafs  Scheubel  schon  im  Jahre 
1551^)  und  dann  später  im  Jahre  1562^^)  noch  einmal  um  Erhöhung 
seines  Gehaltes  einkonunt.  Gerade  diese  zweite  Eingabe,  aus  der  wir  auch 
erfahren,  dafs  Scheubel  verheiratet  war,  läfst  einen  tiefen  Blick  thun  in 
die  finanziell  mehr  als  prekftre  Lage  des  Achtundsechzigjährigen,  und  erlaubt 
nns  Bückschlüsse  auf  alle  jene  Nöthe  und  Entbehrungen,  durch  welche  der- 
selbe in  langen  Jahren  hindurch  mufste'^),  bis  er  es  nur  ,^weit^'  gebracht 


selbe  beginnt  mit  folgenden  Nmnmem:  1)  Besignatio  Phil.  Imssbri  1667;  2)  literae 
S  IsEMMKKOBBi  1658;  2*}  Bericht  des  Apiam's  etc.;  8)  Entlassung  Apian^s  and  Ein- 
setzang  Mästuk*8;  etc."  Scheubel  wird  also  hier  überhaupt  nicht  erwähnt.  Der 
andere  jener  Bände  trägt  die  Aufschrift:  „Facultas  Philosoph.  F.  Professorum 
vocationes  electiones.  I.  1610—1699".  Auch  er  bietet  nichte  über  Scheubel*s  Er- 
nennung, dagegen  enthält  er  unter  den  Nummern  29  und  29*  zwei  Eingaben 
8cHKUBKL*8  an  den  akademischen  Senat  ans  den  Jahren  1663  und  1662,  welche 
beide  eine  kräftige  aber  nicht  leicht  zu  lesende  Handschrift  zeigen.  Die  Schrifb 
der  Eingabe  vom  Jahre  1662  laust  in  keiner  Weise  das  Alter  des  Schreibers 
ahnen.  In  der  ersten  dieser  Eingaben  beklagt  sich  Scheubel  bitter  über  das 
mangelhafte  Interesse,  das  die  Tübinger  akademische  Jugend  dem  Studium  der 
Mathematik  entgegenbringe,  und  legt  im  Sinne  jener  Zeit,  mit  Bezugnahme  auf 
das  klassische  Altertum,  die  hohe  Wichtigkeit  der  von  ihm  vertretenen  Disciplinen 
dar  In  der  zweiten  dieser  Eingaben  bittet  Scheubel  um  eine  ünterstCttznng  und 
Qm  Erhöhung  seiner  Besoldung.  Eine  Abschrift  beider  Eingaben  verdanke  ich 
der  Freundlichkeit  des  Herrn  Dr.  Köhlbe  in  Tübingen. 

28)  um  sich  ganz  seiner  Liebhaberei,  der  Herstellung  mechanischer  Kunst- 
werke, widmen  zu  können.    Vergl.  Roth,  Urkunden,  p.  167. 

29)  Vergl.  Roth,  Urkunden,  p.  167. 

30)  Vergl.  Zelleb,  Merkwürdigkeiten  etc.,  a.  a.  0.;   dabei  legt  ein  gewisser 
Halthasak  von  Gültlingbn  Fürbitte  für  Scheubel  ein. 

31)  Siebe  oben  Anm.  27  auf  S.  436. 

32)  Auch  Roth  schreibt  (s.  a.  a.  0.  p.  287):  „Er  bat  in  der  Folge  mit  allerlei 
l-Dgläck  und  Armut  zu  kämpfen.** 


438  H.  StaigmüUer: 

hatte  ^').  Wahrlich  nur  ein  hoher  Idealifimns,  nur  jene  tiefe  Liebe  zur 
Wissenschaft,  welche  nns  aus  allen  SoHBUBEL'schen  Vorreden,  sowie  im 
der  Senatseingabe  yom  Jahre  1553^)  entgegenlenchtet,  kann  za  solchen 
Opfern  bef&higen.  Diese  Liebe  zu  seiner  Wissenschaft  und  diese  Opfer, 
welche  Scheubel  seiner  Wissenschaft  brachte,  schildert  Helohiob  Adam^) 
mit  folgenden  schlichten  Worten:  „Joannem  Sobeubelium  accepkmis  Tubm- 
ganae  qtumdam  scholae  professorem  maüiemaiicum  insignem,  . . .  ad  Euguds 
ano^€l^e^g  cognoscendas  et  exphcandas,  omne  suum  conMisse  skidhim,  negledü 
re  /awiZtari"").  Am  20.  Pebroar  1570*^  starb  Sohbübbl  in  Tübingen*), 
woselbst  er  auch  begraben  wurde.  .  Seine  Instrumente  und  mathematischen 
Manuskripte  vermachte  er  der  Universität'^. 

Mit  dieser  dürftigen  biographischen  Skizze  Sohbubbl's  habe  idi  alles 
das  gegeben,  was  ich  an  wirklich  gesichertem  Material  über  die  ftuDsereo 
Lebensumstände  unseres  Autors  auffinden  konnte,  und  ich  mOchte  diese 
Skizze  nicht  abschliefsen,  ohne  Herrn  Oberstudienrat  Dr.  von  Hartmann  in 
Stuttgart,  Herrn  Oberbibliothekar  Dr.  Geigbk  in  Tübingen  und  Herrn 
Dr.  Köhler  in  Tübingen  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen  für  die 
vielfachen  Unterstützungen,  welche  sie  mir  beim  Zusammentragen  des  be- 
nützten Materials  zu  teil  werden  liefsen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  Schbübel's  Werken.  Hier  tritt  uns  eine  nn- 
gleich  reichere  Fülle  an  Material  entgegen,  und  es  würde  den  mir  zur  Ver- 
fügung stehenden  Baum  weit  überschreiten,  wollte  ich  eine  vollst&ndige  and 
gründliche  Analyse  und  Wertung  sämtlicher  Werke  Scheubel's  geben,  eines 
Autors,  der  in  gleicher  Weise  Arithmetik,  Algebra  und  Geometrie  in  den 
Kreis  seiner  Darstellungen  zog.     Ich  beschränke  mich  deshalb,  wie  schon 


83)  Ich  mOchte  nur  zwei  Sätze  aus  dieser  Eingabe  citiereo:  ,JEU)go  aukm 
V08,  mihi  iam  prebere  velitis  viginU  Fhrinos,  ddnde  vero  m  singtdas  angarias, 
non  quinque  tatUum  aed  decem  flarinos  dare  velüis!  Nam  üa  ego,  iam  quidem, 
creditorihus  saUsfacere  passwn,  curare  instiper,  ut  per  lume  aesUxkm  ligna  ä 
unum  cum  aliia  acqudram,  id  quod  necemtas  reqmrü/'^ 

34)  Anch  diese  Eingabe  enthält  den  Satz:  ,^  etiam  me  mitere  ae  tmükr 
vivere  cogi*'. 

36)  Litterarhistoriker,  gestorben  1622. 

36)  Vergl.  Vitae  Germanorum  Medieorum  etc.  a  Mblchioks  Adavo,  Franko- 
farti  a.  M.  1705:  Vita  Schegku,  p.  133. 

37)  Zellkb,  Merkwürdigkeiten  a.  a.  0.,  und  Melchios  Adam  etc.  a.  a.  0.  Da 
das  älteste  Totenbach  in  Tübingen  nur  bis  1596  zurückreicht,  welche  Angabe 
ich  einer  freundlichen  Mitteilung  des  Herrn  Stadtpfarrer  Gboss  in  Tabingen  Ter- 
danke,  ist  es  nicht  möglich,  dort  etwas  weiteres  zu  finden. 

38)  Wenn  Zelleb  auch  nicht  ausdrücklich  erwähnt,  dafs  Schsübkl  io 
Tübingen  starbt  so  geht  das  doch  aus  der  ganzen  Darstellung  hervor. 

39)  Vergl.  Zelleb,  Merkw.  a.  a.  0. 


Johannes  Schenbel,  ein  dentscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhnnderts.    439 

die  Fassung  des  Yon  mir  gewählten  Themas  zum  Ausdracke  bringt,  der 
Hauptsache  nach  auf  die  Darstellung  der  Leistungen  Scubübel's  in  der 
Algebra.  Handelt  es  sich  dabei  auch  nur  um  einen  yerh&ltnismäfsig  kleinen 
Brachteil  der  gesamten  litterarischen  Thätigkeit  unseres  Autors,  so  tritt 
doch  gerade  in  diesem  firuchteil  die  Bedeutung  Schbubel's  am  besten  zu 
Tage.  Allerdings  YoUst&ndig  stillschweigend  möchte  ich  an  Schbubel's 
arithmetischen  und  geometrischen  Werken  auch  nicht  vorbeigehen,  doch 
mufs  ich  mich  bei  ihnen  mit  ein  paar  Umrifslinien  begnftgen. 

Ein  Zug  ist  es,  der  alle  Werke  Soheubel's  mit  Ausnahme  eines  ein- 
zigen, des  letzten,  charakterisiert  und  nach  Umfang,  Inhalt  und  Form  der 
Darstellung  bestimmt:  sie  sind  aus  der  akademischen  Lehrth&tigkeit  heraus 
und  fCa  die  akademische  Lehrthfttigkeit  geschrieben,  widmet  er  doch  eines 
derselben  direkt  der  akademischen  Jugend  Tübingens.  Liegt  so  unserem 
Autor  nidits  femer,  als  in  seinen  Werken  nur  „Eigenes'^  geben  zu  wollen, 
so  ist  er  sich  doch  stolz  bewuTst,  darin  neben  dem  Fremden  auch  „Eigenes^* 
bieten  zu  können,  und  gleich  im  Dedikationsschreiben  des  ersten  Werkes, 
das  ScHEUBEL  im  Drucke  erscheinen  liefs,  sagt  er:  „nonnuUa  etiam  ipsi  inr 
uenimus  nequ(iquam  aspemanda''. 

Dieses  erste  Werk  Schbubel's  selbst  tr&gt  den  Titel:  ,yDe  namens  et 
diversis  retUombus  seu  reguHs  oomputaUofmm  optucuhnn,'  a  Joanne  Scheubelio 
composikim.  Non  solum  ad  usum  quendam  wdgarem^  sed  etiam  cognitionem 
ä  sdentiam  exquisiHorem  arUhmeUcae  accamodcUum,^,  und  am  Schlüsse  steht: 
yJApsiae  ex  Offidna  Michaelis  Blum,  a  restUuta  sähUe  Anno  M,B,XLV, 
Jdib.  Maij/*  Gewidmet  ist  das  Werk  den  Doktoren  und  Magistern  des 
Senates  der  üniyersität  Tübingen.  Es  zerf&llt  in  5  Traktate.  Im  ersten 
Traktat  behandelt  Schbubel  das  Rechnen  mit  ganzen  Zahlen  bis  zum  Aus- 
ziehen der  Kubikwurzel,  im  zweiten  das  Bechnen  mit  Yerhältnissen  und 
Proportionen,  im  dritten  das  Bechnen  mit  gemeinen  Brüchen  und  im  vierten 
das  Rechnen  mit  physischen  Brüchen^).    Im  fünften  Traktat,  dem  gröfsten 


40)  Bei  diesem  Bechnen  mit  „physischen*^  Brüchen  handelt  es  sich  zunächst 
um  da«  auf  die  Winkeleinteilung  zurfickgeföhrte  Rechnen  mit  SexageBimalbrüchen. 
Doch  ist  damit  der  Begriff  des  „physischen**  Braches  keineswegs  erschöpft,  sondern 
jede  ans  dem  wissenschaftlichen  oder  bürgerlichen  Leben  gegriffene  Einteilung 
emes  Qanzen  in  Teile  und  Unterabteilungen  kann  zur  Aufstellung  einer  Art  von 
absteigenden  Brüchen  verwendet  werden,  die  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unsere 
heotigen  Decimalbrüche  su  ersetzen  im  Stande  sind.  AUerdings  berührt  es  in 
hohem  Grade  eigentümlich,  zum  erstenmale  eine  Multiplikation  zu  sehen  wie  die 
folgende,  welche  eben  unserem  Traktate  entnommen  ist  (vergl.  fol.  Q.  5'):  „7  Gul- 
den 4  Schilling  6  Pfenig  wfirttembergischer  W&hrung  sollen  mit  7  Gulden 
7  Schilling  7  Pfenig  württemb.  Währ,  multipliziert  werden.**  Als  Resultat  errechnet 
ScnuBSL:  62  Gulden  8  Schilling  2^  Pfenig  württemb.  W&hr.   Da  nach  damaliger 


440  H.  Staigmuller: 

und  wichtigsten,  entwickelt  Scheubel  znnftchst  die  Begel  de  tri^^)  sos 
Euklid  YII,  19  nnd  knCLpft  daran  eine  sehr  grofse  Anzahl  von  Beispielen, 
wie  sie  in  den  landläufigen  Rechenbüchern  nach  allen  mGglidien  Etegeln  mit 
besonderen  Namen  gelöst  worden.  Weiterhin  behandelt  hier  Scheubbl  ginz 
allgemein  das  Wurzelansziehen  und  geht  dann  noch  über  zu  Aufgaben  geo- 
metrischer Art,  sowie  zu  Aufgaben  aus  den  Gebieten  der  arithmetisebeii, 
geometrischen  und  harmonischen  Progressionen.  Den  Beschlnfs  bilden  einige 
der  bekannten  arithmetischen  Epigramme  aus  der  griechischen  Anthologie. 

Scheubel  hat  diese  seine  Arithmetik  in  bewufstem  Gegensätze  sa  den 
damals  gebräuchlichen  Bechenbüchem  geschrieben ;  ihm  ist  das  BedmeD  nicht 
die  handwerksmftfsige  Ausübung  feststehender  Begeln,  die  man  sich  einprigt, 
ohne  nach  ihrem  „Woher^^  zu  firagen,  sondern  ihm  ist  das  Bechnen  eine 
Wissenschaft,  die  jedem,  der  auf  gelehrte  Bildung  Anspruch  macht,  nötig 
und  nützlich  ist,  eben  deshalb  auch  w&hlt  er  für  sein  Werk  die  lateinische 
Sprache. 

Bald  aber  fand  Scheubel  selbst,  dafs  dieses  Werk,  welches  die  gesamte 
Theorie  und  Praxis  der  damaligen  Bechenkunst  zur  Darstellung  bringen 
sollte,  doch  fElr  manche  Zwecke  zu  viel  bot  nnd  zu  groüse  Anfordnmgeo 
stellte.  Er  entschlofs  sich  daher  in  einem  kurzen  Kompendium  das  nötigste 
aus  der  Arithmetik  zusammenzufassen,  und  so  entstand  das  zweite  Werk 
Scheubbl's,  das  den  Titel  trägt:  Compendium  ArithmeHcae  Artis,  ut  breui»- 
simum  itu  Umgd  utüissimum  erudiendis  tyrombus,  non  solüm  propter  ordknm. 
quo  paucis  perstringuntur  huius  arlis  capita^  sed  eUam  causa  perspicuiiatis, 
guae  delectat  et  iuuat  discentes,  summaperi  expet^ndum:  per  Joakhem  Scbeu- 
BELiuM  adomatum  et  conscriptum»  Continct  autem  utrunque  hoc  Comperidim, 
numerorum  sciUcet  et  caladorum  seu  proiectüium  (ut  uocant)  rcUiodmatumm:' 
Am  Ende  steht:  „BasUeae,  per  Jacobum  Parcum,  expenHs  Joaknib  Opori>i. 
Anno  1549"  Dieses  Werk  ist  es,  das  Scheubel  der  Tübinger  akademischen 
Jugend  widmete.  Während  sein  erstes  Werk  254  Oktayblfttter  umfafst 
ist  dieses  „Compendium^'  auf  86  zusammengezogen,  und  dafis  dasselbe  in  der 
That  einem  Bedürfnis  entgegen  kam  und  yielfachen  Anklang  fand,  erseheo 
wir  daraus,  dafs  Scheubel  selbst  noch  im  Jahre  1560  eine  zweite  Ausgabe 
davon  besorgen  durfte.  Materielle  Änderungen  zeigt  diese  Neoausgabe 
eigentlich  keine,  dagegen  ist  dieselbe  formell  durch  besseren  Druck,  öber- 


württembergischer  Währung  1  Gulden  »  28  Schilling  und  1  Schilling  »  6  Pfeiu^ 
war,  80  bedeutet  eben  das  obige  Beispiel  nichts  anderes  als: 

\    ^  28  ^  168/     V  28  ^  168/  ^  28  ^  168 

il)  Die  er  selbst  allgemein  ^,r«^a  proportionum"  nennt. 


Johannes  Schenbel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    441 

sichtlichere  Anordnang^')  und  Beigabe  zweier.  Register  erheblich  yerbesseri 
Der  Titel  zeigt  nur  den  Beisatz:  lam  denub  ab  ipso  autore  recoffnUum  et 
emendakun".  Am  Schlüsse  steht  jetzt:  ^^cMeae  excudehat  Jagobus  Parcus, 
expensis  Joannis  Opobini,  anno  MJ),LX.  menae  MarHo/' 

Doch  wir  müssen  Ton  hier  wieder  zeitlich  zurückgehen,  wollen  wir  uns 
Dan  dem  dritten  Werke  Scheübel's,  seinem  Hauptwerke,  zuwenden.  Das- 
selbe zeigt  den  Titel:  „Euclidis  Meoarensis,  Phüosophi  et  MathemcUid  ex- 
ceUentissimi,  sex  Ubri  priores,  de  Geometricis  prindpiis,  Graeci  et  Latini,  imä 
cum  demonstratiomtms  propositionum,  absque  Uterarum  noUs,  tieris  ac  proprOs, 
et  alHs  quibiiisdain,  usum  earum  concernentitms^  non  citra  maxitnum  huius 
artis  shuliosorum  emolismentum  adiectis,  Algebrae  porro  regtdae,  propter 
numeromm  exempla,  passim  propositionibfAS  adiecta,  his  libris  praemissae  sunt, 
eaedemque  demonstrcUae.  Äuthore  Joanne  Scheubelio,  in  indyta  Äcademia 
Tubingensi  Euclidis  professore  ordmario*'  Am  Schlnis  steht:  „Basüeae,  per 
Joakmem  Hebuaoiuh,  Anno  sahiHs  hwmanae  M,B.L.     Mense  Septembri/* 

ScHEUBEL  widmet  diese  seine  Euklidausgabe  dem  bekannten  Augsburger 
Kaufherrn  Anton  Fugger  und  den  Söhnen  des  kaum  minder  bekannten 
Raimund  Fugger^^),  seinen  „Maecenaten^^,  denen  er  durch  vielfache  und 
anfsergewöhnliche  Beweise  einer  wohlwollenden  Gesinnung  und  einer  offenen 
Hand  sich  verbunden  fühlt.  In  dem  Dedikationsschreiben  legt  Scheubel 
genau  die  Motive  dar,  welche  ihn  bei  seiner  Arbeit  leiten.  Nichts  wäre 
Terfehlter,  als  wollte  man  hier  eine  auf  eigene  textkritische  Studien  basierte 
Euklidausgabe  erwarten,  ein  solcher  Gedanke  lag  der  damaligen  Zeit  nicht 
so  nahe  als  uns  heute,  ein  solcher  Gedanke  lag  vor  allem  Scheubel  ferne. 
Wohl  kennt  Scheubel  Euklidausgaben,  welche  nach  unseren  heutigen  Be- 
griffen weit  von  einander  abstehen,  doch  sind  die  in  denselben  zu  Tage 
tretenden  Verschiedenheiten  für  ihn  von  so  nebensächlicher  Bedeutung,  dafs 
er  dieselben  nicht  einmal  erwähnt.  Ausgaben,  die  in  direktem  Gegensatze 
in  einander  stehen,  und  von  denen  die  spätere  die  frühere  nicht  schroff 
genug  tadeln  kann,  wie  diejenige  des  Campanus  und  diejenige  des  Zahberti, 


42)  Vor  allem  durch  Ein  Schaltung  von  Kapitelüberschriften. 

43)  Die  beiden  von  Kaiser  Kabl  V.  in  den  Reichsgrafenstand  erhobenen 
Brüder  Radcuhd  und  Amtom  Fuooeb  sind  die  Ahnherrn  der  hente  noch  blühenden 
Linien  der  FucraKB.  Raimuhd  starb  schon  1686;  sein  zweiter  Sohn  Ubobo  war 
selbst  ein  nicht  ganz  unbedeutender  Mathematiker.  Amton,  der  erst  1660  starb, 
trügt  ~  obgleich  einst  von  Hütten  ob  seiner  Knausrigkeit  verspottet  —  nicht 
nut  Unrecht  den  Beinamen  eines  ,,Hortes  der  Armen  und  der  Gelehrten^S  Einen 
Beleg  statt  vieler  bietet  eben  sein  Verhältnis  zu  Schbubbl:  Ahtoh  Fuqobb,  ein 
Anhänger  der  alten  Lehre^  unterstützt  thatkräftig  den  armen  gelehrten  Schbubbl, 
einen  Anhänger  der  neuen  Lehre. 


442  H.  Staigmfiller: 

werden,  wie  überall  damals,  Redlich  nebeneinander  mit  gleieh  hohem  Lobe 
bedacht.  Doch  darf  uns  dies  nicht  auffallen,  ging  ja  Schbubel  —  wie 
eben  aus  der  Vorrede  nicht  unschwer  zu  entnehmen  ist  —  Yon  der  dam&ls 
ganz  allgemein  yerbreiteten  Ansicht  aus,  dals  nur  die  Lehrsätxe  „des  Eükud^ 
auf  Euklid  selbst  zurückzufahren  seien,  dafs  aber  die  beigegebenen  Beweise 
ein  geistiges  Eigentum  dieses  oder  jenes  Herausgebers  „des  Eukud**  dar- 
stellen, eine  Ansicht,  von  welcher  Spuren  sogar  schon  im  Altertome  Tor- 
zuliegen  scheinen.  Als  die  besten  ^^demonstralores^^  der  „Geometrie  des 
Megarenser^)  Eoklid^'  nennt  Sgheubel  unter  den  griechisch  schreibeDd«! 
Theon  und  Hypsikles,  unter  den  lateinisch  schreibenden  Campanus  und 
Zamberti.  Verdienen  dieselben  durch  ihre  Leistungen  auch  das  ihnen  ge- 
spendete hohe  Lob,  so  machen  sie  sich  doch  —  nach  Schbubel  —  dadurch 
eines  Fehlers  schuldig,  daCs  sie  bei  ihren  Beweisen  zur  Bezeichnnng  von 
Punkten  etc.  Buchstaben  verwenden .  Dadurch  sollen  sie  sich  nicht  nur  is 
einen  Gegensatz  zu  Euklid  stellen,  der  ja  seine  Lehrsätze  ohne  jenes  Hilfe- 
mittel  aussprach,  sondern  auch  die  Aufgabe  von  Lehrer  und  Schüler  er 
schweren,  indem  sie  ein  Element  hereinziehen,  das  nicht  blofs  überflüsag 
ist,  sondern  auch  verwirrend  wirkt.  „Kürzer  und  klarer^  sei  es,  eine  Sadie 
durch  die  ihr  direkt  zukonunenden  Bezeichnungen  dem  HOrer  vorzuiiähren,  als 
durch  Buchstaben,  die  sich  derselbe  erst  lange  zusammensuchen  muDs,  und  die 
in  keinem  inneren  Zusammenhange  mit  der  Sache  stehen.  Dementsprechend 
verzichtet  Sgiieubel  konsequent  auf  jede  Buchstabenbezeichnung  in  Figur 
und  Text,  und  sieht  darin  denjenigen  Vorzug,  der  in  erster  Linie  für  den 
Wert  seiner  Euklidausgabe  bestimmend  ist,  und  sie  vor  allen  andern  aus- 
zeichnet. ScHEUBEL  betont  ausdrücklich,  dafs  er  nicht  nur  als  Lehrer  mit 
dieser  seiner  Methode  die  allerbesten  Erfahrungen  gemacht  habe,  sondern 
auch  seine  Schüler  hätten  ihn  versichert,  dafs  sie  auf  diesem  Wege  ungleich 
leichter  und  angenehmer  ihr  Ziel  erreicht  hätten,  als  auf  dem  gewöhnliebeo. 
Als  Beispiel,  wie  Schbubel  seine  Methode  durchföhrt,  mSgen  aus  dem  Be- 
weise des  pythagoreischen  Lehrsatzes  diejenigen  Stellen  hier  wiedergegeben 
sein,  durch  welche  die  bekannten  Hifslinien  festgelegt»  werden:  „Demütatur 
ab  angulo  triangvHi  recto,  tanquam  d  puncto  dato,  super  suam  subtensam,*- 
Unea  perpendicularis^  atque  h<iec  ad  laius  usque  oppositum  per  quadrcüm 
continuetur,  et  erit  quadraium  laieris^  angulum  rectum  subtendenäs,  tu  duo 

paraUdogranima   dtumim,    quorum DernUankir   ab    anffulo  friwff^t 

recto,   ad   remotiores   ab  eo  duos  quadrati  tarn  diuisi   angulos,   duo  reäoe 


44)  Ganz  allgemein  wurde  damals  der  Geometer  Eukud  mit  dem  mehr  als 
100  Jahre  älteren  Philosophen  und  Schüler  des  Sokratbb,  dem  Megarenser  Ecsud 
Yerwechselt,  eine  Verwechslung,  welche  sich  schon  im  klassischen  Altertame  nach- 
weisen läfst. 


Johasnea  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrbanderts.    443 

Imeae Ducantur  tUUmö^  etiam  ad  €U>tUis  rectanguli  Manguli  angtdis  duae 

redae  lineae,  quarum  utraque  per  latus  eundem  angukim  siMendens,  usque 
ad  unguium  quadraii  iUum^  cui  idem  acuttts  hadenus  non  est  cammctus, 
cofUinuetur/' 

So  lange  der  Yortragende  Lehrer  oder  der  repetierende  Schüler  in  der 
Lage  ist,  seine  Worte  gegebenen  Falles  durch  ein  direktes  Hindeuten  auf 
bestimmte  Teile  einer  Figur  zu  illustrieren,  können  Buchstaben  umgangen 
werden,  und  in  diesen  engen  Grenzen  ist  den  Darlegungen  Scheubel's  nicht 
alle  Berechtigung  abzusprechen,  aber  in  allen  anderen  Fällen  wird  durch 
das  „notwendige  Übel''  der  Buchstaben  die  Beweisführung  entschieden  „kürzer 
tmd  klarer".  Und  zu  diesen  Fällen  gehOren  vor  allem  diejenigen,  in  welchen 
der  Druck  den  Beweis  übermitteln  soll.  Hier  eine  neue  Methode  einzu- 
fuhren, weil  dieselbe  sich  dort  bewährt  hat,  ist,  milde  bezeichnet,  eine 
,,SchruUe'^,  selbst  wenn  die  Durchführung,  wie  dies  bei  Scheubel  thatsäch- 
lieh  der  Fall  ist,  als  eine  gelungene  bezeichnet  werden  mulB. 

und  noch  eine  andere  „Schrulle''  ihres  Autors  weist  unsere  Euklid- 
ausgäbe  auf:  Wo  in  einzelnen  Sätzen  nur  immer  die  Fläche  eines  Dreiecks 
eine  Bolle  spielt,  fügt  Scheubel  numerische  Auswertungen  der  Heronischen 
Dreiecksformel  an,  d.  h.  der  Formel,  welche  in  unserer  heutigen  Zeichen- 
sprache lautet:  A  =  Ys  (s  —  a)  (s  —  &)  (*  —  c).  Solche  mehr  oder 
weniger  umfangreiche  Beigaben  zeigen  z.  B.  im  ersten  Buche  folgende  Sätze: 
34,  35,  36,  37,  40,  41,  42,  43  und  47.  Bei  Satz  34  z.  B.  handelt  es  sich 
darum  zu  zeigen,  dafs  jedes  Parallelogramm  durch  eine  Diagonale  halbiert 
wird.  Nachdem  Scheubel  den  Euklidischen  Beweis  auf  seine  Art  gegeben 
hat,  fährt  er  fort:  „Da  nun  aber  dieser  Satz  34  und  noch  viele  folgende 
in  Zahlen,  d.  h.  in  der  „diskreten  Quantität"  in  gleicher 'Weise  als  wahr 
erfunden  werden,  wie  in  der  „kontinuierlichen  Quantität"  so  ist  es  nötig,  um 
dies  bequemer  zu  zeigen,  mit  folgenden  Worten  eine  gewisse  allgemeine 
Regel  unten  anzufügen,  yermittelst  welcher  die  Flächen  aller  Arten  von 
Dreiecken  (sofern  nur  ihre  Seiten  bekannt  sind)  gefunden  werden  können." 
und  nun  folgt  in  Worte  gekleidet  die  Heronische  Formel,  und  zwar,  wie 
an  dieser  Stelle  nicht  anders  möglich,  ohne  jede  Andeutung,  auf  welchem 
Wege  dieselbe  erhalten  oder  bewiesen  werden  kann.  Des  weiteren  wird 
die  aufgestellte  Begel  auf  4  Folioseiten  an  nicht  weniger  als  9  Dreiecken  ^^) 
durchgeführt,  wobei  gegebenen  Falles  Bcheubbl  darauf  hinweist,  wie  die 
errechnete  Dreiecksfläche  der  Hälfte  des  zugehörigen  Parallelogramms  ent- 
spricht. Wie  wenig  er  dabei  komplizierten  Zahlenbeispielen  aus  dem  Wege 
geht,  mögen  die  folgenden  beiden  beweisen.     Das  eine  Mal  nötigt  ihn  seine 


46)  Damnter  sind  auch  rechtwinklige  Dreiecke  enthalten. 


444  H.  StaigmüUer: 

Figur  die  Fläche  eines  Dreiecks  zu  bestimmen,  dessen  Seiten  =  6, 11  und 

r  157  — y9680  sind,  ein  anderes  Mal  wiederholt  er  ein  einfaches  rationales 
Beispiel  in  irrationaler  Form,  indem  er  den  Inhalt  eines  Dreiecks  von  den 

Seiten  6,  1^40  +  Yblß  und  10  berechnet  In  ganz  analoger  Weise  behandelt 
ScHEUBEL,  um  noch  ein  Beispiel  anzuziehen,  den  Satz:  Dreiecke  von  gleicher 
Grundlinie  und  Höhe  sind  gleich  (35).  Nach  der  geometrischen  Durch- 
führung giebt  ScHEUBEL  eine  Figur,  in  welcher  3  Dreiecke  von  gleicher 
Höhe   auf  derselben   Grundlinie   stehen.     Den   Seiten    dieser  Dreiecke  sind 

folgende  Zahlen  beigedruckt:  8,  12,  12;  8,  }/l92,  Yssi-,  8,^228,  y452, 
daneben  steht:  „es  zeigt  die  Figur  3  Dreiecke,  von  welchen  durch  die 
folgende  BerechnuDg  gezeigt  werden  soll,  dafs  sie,  wie  „geometrice**  so  auch 
„per  numeros'^  gleich  seien^.  Dementsprechend  ftihrt  nun  Scheubel  för 
die  3  Dreiecke  die  Inhaltsberechnung  nach  der  Eeronischen  Formel  dnrth 

und  findet  jedesmal  den  Wert  }/2048,    den    er   annftherungsweise   („fere") 

23 

gleich  45  ^    setzt.     Ja  selbst   bei    einem    Satze   wie   dem  pythagoreischen 

kann  sich  Scheubel  eine  analoge  Beigabe  nicht  versagen;  auch  hier  be- 
rechnet er  den  Inhalt  der  Hilfsdreiecke  aus  ihren  Seiten  und  vergleicht  die 
Besultate  mit  den  entsprechenden  Rechtecken  und  Quadraten.  Aber  in 
keinem  einzigen  Falle  giebt  Scheubel  auch  nur  die  geringste  Andentang. 
auf  welchem  Wege  er  sich  die  numerischen  Werte  der  Seiten  der  zu  be- 
rechnenden Dreiecke  verschafft  hat. 

Was  will  nun  Scheubel  mit  allen  diesen  Beigaben?  Zur  Über- 
zeugung, dafs  die  betreffenden  Lehrsätze  wahr  seien,  tragen  diese  Rechnungen 
allerdings  —  wie  Kästner  ganz  richtig  bemerkt  —  nichts  bei.  Doch  das 
beabsichtigt  Scheubel  gar  nicht,  wie  sollte  er  es  auch;  geht  er  ja  am' 
diese  Rechnungen  immer  erst  ein,  nachdem  er  einen  strengen  Beweis  des 
betreffenden  Satzes  gegeben  hat.  Aber  Scheubel  giebt  jene  Beweise  „geo- 
metrice"  d.  h.  er  fuhrt  sie  direkt  an  den  stetigen  Raumgröfsen  diutk 
Neben  der  —  wenn  ich  so  sagen  darf  —  Mathematik  der  „stetigen  Gröüsen^ 
läuft  ihm  parallel  eine  Mathematik  „diskreter  Gröfsen'^;  jene  beschaff 
sich  mit  den  Raumgröfsen,  diese  mit  den  ZahlgrÖlsen.  In  diese  Mathematik 
der  diskreten  Gröfsen  gehört  ihm  der  Heronische  Satz,  was  sollte  Scheitel 
auch  im  Gebiete  der  Raumgröfsen  mit  jenem  Produkte  aus  4  Faktoren,  wie 
er  es  aufstellt,  anfangen?  In  seine  „Euklidische  Greometrie"  kann  er  diesen 
Satz  nicht  unterbringen,  braucht  ihn  aber  auch  nicht  einzuzwängen,  gehSri 
er  für  ihn  doch  einem  andern  Gebiete  an.  Will  Scheubel  aber  dennoch 
das  Parallellaufen  der  beiden  getrennten  Gebiete  illustrieren,  wie  könnte  er 
das  in  solch  ausgedehntem  Mause  in  einfacherer  und  für  ihn  als  Algebraiker 


Johannes  Scheabel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    445 

fruchtbarerer  Weise  erreichen,  als  dadurch,  dafs  er  eben  aus  jenem  Gebiete 
unsem  Satz  als  „Begel^'  herüber  nimmt.  DaTs  aber  Scheubel  einer  Euklid- 
ausgäbe  solches  Beiwerk  überhaupt  einfügt,  und  dafs  er  vor  allem  dem 
Beiwerk  einen  Umfang  einrftumt,  in  welchem  es  oft  die  Hauptsache  zu 
überwuchern  droht,  das  ist  es,  warum  ich  von  einer  „Schrulle^'  unseres 
Autors  gesprochen  habe. 

Eine  dritte  Eigentümlichkeit  unserer  Euklidausgabe  ist  es,  dafs  Soheubel 
ihr  einen  kurzen  Ahrifs  der  Algebra  Yorausschiokt,  mit  der  schon  im  Titel 
gegebenen  Begründung:  „Weiterhin  sind  sodann  die  Begeln  der  Algebra 
diesen  Büchern  Yorausgeschickt  und  bewiesen,  wegen  der  Zahlenbeispiele, 
welche  den  Lehrsätzen  allenthalben  beigefügt  sind.^'  Da  ich  im  zweiten 
Hauptteile  dieses  Ansatzes  eben  diese  Algebra  eingehender  behandeln  werde, 
mögen  hier  nur  ein  paar  allgemeine  Bemerkungen  vorausgeschickt  sein. 
Diese  „Algebra^',  obgleich  nur  76  Seiten  umfassend,  stellt  dennoch  eine 
Leistung  dar,  welcher  aus  der  Geschichte  der  deutschen  Algebra  des  XYI.  Jahr- 
hunderts nur  noch  „Chbibtoff  Budolff's  GoIs^  und  „Stifbl's  Arithmetica 
integra^'  an  die  Seite  gestellt  werden  können.  Und  wie  rasch  dieselbe  sich 
auch  die  Anerkennung  der  Zeitgenossen  erwarb,  sehen  wir  daraus,  dafs  kaum 
ein  Jahr  nach  dem  Erscheinen  unserer  Euklidausgabe  ein  „Separatabdruck^^ 
eben  dieser  Algebra  in  Paris  herauskam^®).  Da  es  mir  nicht  mOgUch  war, 
diesen  Abdruck  selbst  zu  bekommen,  gebe  ich  über  denselben  das,  was 
Pfaff  in  Kastner's  Geschichte  der  Mathematik  mitteilt:  „Von  Scheübel's 
Algebra  ÜEUid  ich  bej  meinem  Aufenthalte  in  Dresden,  eine  Ausgabe  in  Paris 
veranstaltet,  deren  Vorrede  mir  besonders  auffiel,  daher  ich  sie  auf  der 
Dresdener  Bibliothek  abgeschrieben  habe.  Der  Titel  ist:  Algebrcte  compen- 
diosa  faciUsque  descripUo  qua  depronwml/wr  magna  ÄrithmeHces  miracula. 
Äuthore  Joanne  Scheubeuo  MathemaUcarum  professore  in  Äcademia  Tubin- 
gensi.  Parisiis  apud  Gulielmum  Cauallat  in  pi/ngm  gaUina  ex  aduerso  col- 
legü  Cameracmsis  1551.  Cum  priuüegio.  Die  Vorrede  fängt  so  an:  Tgpo- 
graphus  ledari . .  Cum  viderem  {amice  lectar)  Algebra/m  a  perm/uUis  propter 
artis  praestantiam  commendari,  a  nimis  paucis  inUüigi  proter  obscuram  ejus 
descriptionem.  Bogau»  quarundam  senterUiam  de  Ubdlo  SoHEUBELn  qui  titulo 
brevem  Algebrae  descriptionem  pollicebatur.  Quam  cum  inteiUgerem  non  solum 
breuem  sed  etiam  facüem,  non  sum  passus  ut  eo  Ubro  tam  uUli  ac  eapetito 
diu  careres " 

Habe  ich  so  kurz  das  skizziert,  wodurch  sich  die  ScHEUBEL'sche  Euklid- 


46)  In  der  Bibliothek  des  britischen  Museoms,  welche  von  Scheubel^s 
sonstigen  Werken  nur  noch  dessen  Arithmetik  vom  Jahre  1545  besitzt,  ist  dieser 
Abdruck  sogar  in  zwei  nur  durch  den  Titel  verschiedenen  Ausgaben  vorhanden. 


446  H.  StaigmüHer: 

ausgrabe  vor  aDdern  auszeichnet,  beziehungsweise  von  ihmm  untersdiadei, 
so  möchte  ich  noch  mit  ein  paar  Worten  auf  ihre  allgemeine  ABordnnng 
zu  sprechen  kommen.  Scheubbl  schickt  jeweils  den  griechischen  Wortbnt 
der  einzelnen  Definitionen,  Lehrsätze  etc.  voraus,  sodann  folgt  eine  lateiniseke 
Wiedergabe  des  griechischen  Textes,  und  hieran  schlieisen  sich  bei  den  hskr- 
Sätzen  Beweise,  welche  durch  gute  Figuren  unterstütst  werden,  und  wekhe, 
abgesehen  von  den  schon  berührten  Eigentümlichkeiten,  den  bekannten 
Euklidischen  Beweisen  entsprechen.  Bei  der  oben  dargelegten  teictkritisefaeD 
Stellung  Scheubel's  hätte  es  wenig  Wert,  die  Abhängigkeit  desselben  tos 
den  Yorhandenen  Ausgaben  im  Einzelnen  festzulegen,  nur  das  mSge  hier 
gesagt  sein,  dafs  —  soweit  es  sich  nicht  um  Scbeubbl's  eigene  Zutbateo 
handelt  —  alles  sich  auf  damals  schon  im  Druck  yorliegende  Aufgaben 
zurückführen  lälst,  und  zwar  in  erster  Linie  auf  die  bekannte  im  Jahrs  1533 
durch  Grtnaeus  besorgte  griechische  Euklidausgabe. 

Wie  das  eben  besprochene  Werk  Scheubel's  in  engstem  Zusammenhang 
mit  dessen  akademischer  Lehrthätigkeit  stand,  so  wurde  eine  andere  V(h:- 
lesung,  welche  Schbubbl  hielt,  Veranlassung  zu  seiner  nächsten  Publikation. 
ScHBUBEii  „W^  nämlich  die  EpUomen  in  ÄrtütmeHcam  specukUivam  Boetbi, 
welche  ein  halbes  Jahrhundert  früher  Faser  StapuiiBnsis  (Jacquss  Leti&vke) 
unter  andern  Drucklegrungen  zur  Hebung  des  mathematischen  ünterriehts 
an  der  UniYersität  Paris  herausgegeben  hatte.  Obgleich  diese  Epitome  eine 
Reihe  von  Auflagen  erlebt  hatte,  war  sie  zu  Sgheübbl's  Zeit  im  Buch- 
handel vergriffen,  und  so  entschlofs  sich  Sciieubel,  eine  neue  Ausgabe  zu 
veranstalten.  Dieselbe  trägt  den  Titel:  „Jagobi  Fabbi  Stapulensis  w 
Arühmetica  Bobthi  e^Uame,  und  cum  difficiUorwn  locarum  expUcaHonäms  d 
ßguris  (qtUbus  cmtea  carebat)  nunc  per  JoANmiM  ScHsuBBLiuif  adomaUs 
et  adiecUs.  Accessü  Chbistibbki  Mobssiami  ArHhmetica  practica  etc.**  Am 
Schlüsse  des  Werkes  steht:  ,^a9ileae  excudebat  Henbious  Pbtbi,  menst 
Auffusto,  anno  M.D.LIIL"  Gewidmet  ist  die  Ausgabe  dem  Dekane  und 
den  Mitgliedern  der  Tübinger  Artistenfakultät. 

Die  äusserst  dürftige  Epitome  Lbfävbe's  zerfallt  in  vier  Teile.  Der 
erste  Teil  enthält  nichts  weiter  als  diejenigen  Begriffe  übersichtlich  zusammen- 
gestellt, welche  der  zweite  Teil  definiert  Hierbei  kommen  folgende  Zahl- 
begriffe  in  Betracht:  „numerus,  numerus  par  etc.;  numerus  prmns  etc.;  m- 
merus  linearis  etc.;  trigonus  etc,;  pyramis,  cutms  etc.;  medietas  aritkmetiea  etrJ' 
Der  dritte  Teil  handelt  sodann  von  den  Eigenschaften  dieser  Zahlen, 
und  in  einem  vierten  Teile  zeigte  Lef^vbe,  wo  das  von  ihm  Gebotene  bei 
BoETHius  und  JoRDANUS  Nemorarius  abgehandelt  wird.  Dem  zweiten  und 
dritten  Teile  giebt  nun  Sgheubel  in  seiner  Ausgabe  in  ziemlich  ausgedehntem 
Malsstabe  erläuternde  Figuren  und  Zusätze   bei,  welch  letztere  durch  des 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVL  Jahrhunderts.    447 

Druck  Yom  eigentlichen  Texte  unterschieden  werden.  Dagegen  l&fst  Scheubbl 
den  vierten  Teil  ganz  bei  Seite,  und  begründet  dies  damit,  dafs  derselbe  für 
einen  Studierenden,  der  weder  den  Boethius  noch  den  Jordanus  besitze, 
wertlos  sei.  Eine  Arithmetik  im  heutigen  Sinne,  wie  etwa  Soububel's 
„Compendiom",  bietet  diese  Epitome  also  in  keiner  Weise,  und  deshalb 
hatten  auch  schon  die  früheren  Ausgaben  einen  ergänzenden  Anhang. 
Speziell  bei  derjenigen  Ausgabe,  die  Scheubbl  seinem  Neudrucke  zu  Grunde 
legte,  war  dies  die  „ÄrUhmetica  pracUca  Chbistibrni  Morssiani'',  welche 
deshalb  auch  Schbubei«  beibehielt.  Diese  ArithtneUca  practica  behandelt 
kurz  und  bündig  das  gemeine  Bechnen  mit  ganzen  Zahlen  und  Brüchen, 
etwas  Wurzelausziehen,  sowie  die  Begeln  und  Beispiele  für  deigenigen  Teil 
der  gemeinen  Arithmetik,  den  man  heute  etwa  mit  dem  Namen  „das  bürger- 
liche Bedmen^^  bezeichnet. 

In  einem  gewissen  Gegensatze  zu  den  bisherigen  Publikationen 
Scheubel's  steht  dessen  letztes  Druckwerk,  zu  dem  wir  uns  nun  wenden. 
Hatte  Scheubel  seine  bisher  besprochenen  Arbeiten  eigentlich  nur  für  die 
studierende  Jugend  geschrieben,  so  wendet  er  sieh  in  diesem  seinem  letzten 
Werke  an  ein  ungleich  grö&eres  Publikum,  an  alle:  „so  die  Kunst  der 
Rechnung  liebhaben";  dementsprechend  bedient  er  sich  hier  auch  der  deutschen 
Sprache.  Das  Werk^^)  selbst  trftgt  den  Titel:  ^Das  sibend,  acht  vnd  neünt 
buch,  des  hochberümbten  Mathematici  Euolidis  MBaARBNSia,  in  welchen  der 
Operationen  Tund  regulen  aller  gemainer  rechnung,  yrsach  grund  vnd  fnn- 
dament,  angezaigt  wirt,  zu  gefallen  allen  den,  so  die  kunst  der  Bechnung 
liebhaben,  durch  Magistrum  Johauh  Schbtbl,  der  löblichen  yniuersitet  zu 
Tubingen  des  Eucuoia  vnd  Arithmetic  Ordinarien,  aufs  dem  latein  ins 
teütsch  gebracht,  ynnd  mit  gemainen  exemplen  also  illustrirt  ynnd  an  tag 
geben,  das  sj  ein  jeder  gemainer  Bechner  leichtlich  yerstehn,  ynnd  jme  nutz 
machen  kan."  Am  Ende  des  Buches  steht:  „Gedruckt  in  der  Kaiserlichen 
Beichsstat  Augspurg,  durch  Valbntin  Ottmab,  am  zehenden  tag  Aprilis,  im 
tausent  fünffhundert  und  im  f&nffundfünfftzigisten  Jar/^  Schbubbl  widmet 
dieses  Werk  dem  Pfalzgrafen  Otto  Hbxnbioh  (Otthbinbxch),  dem  Refor- 
mator der  Uniyersitftt  Heidelberg  und  Erbauer  des  nach  ihm  benannten 
Teiles  des  Heidelberger  Schlosses.  "^ 

In  zwei  getrennt  nebeneinander  herflieiaenden  Strömen  bewegte  sich  im 
16.  Jahrhundert  fast  aussehlieCslich  das  mathematische  Leben  und  Streben 
in  Deutschland.  Dort  der  Mathematikbetrieb  an  den  Hochschulen,  der  durch 
die  feststehenden  Vorschriften  in  betreff  der  Kompendien,  nach  denen  ge- 


47)  Das  Exemplar  der  Kgl.  Öffentl.  Bibl.  in  Stuttgart  zeigt  eine  Widmung 
Toa  ScBBUBBL*s  eigener  Hand. 


448  H.  Staigmüller: 

lesen  werden  mulste,  dazu  yerorteilt  war,  am  AlÜiergebrachten  kleben  zu 
bleiben;  bier  die  aus  den  Forderungen  des  bürgerlichen  Lebens  herror- 
gegangenen  Bechenschulen,  deren  ,,Meistei^  in  nicht  geringerer  Einseitigkeit 
eben  nur  die  Forderungen  der  Praxis  im  Auge  hatten,  und  nach  festes 
Regeln  ihre  Kunst  oder  besser  gesagt  ihr  Handwerk  betrieben.  Wagt« 
ScHEUBEL  mit  seiner  ersten  Euklidausgabe  den  schüchternen  Yersach  einer 
Reformation  des  Hochschulmathematikbetriebs  durch  die  ,,Ein8chmnggelai^ 
der  Algebra  in  den  engen  und  starren  Kreis  der  akademischen  Lehrroitrigi; 
so  hatte  diese  zweite  Euklidausgabe  eine  Reformation  des  handwerksm&Isiges 
Rechenbetriebs  an  den  Rechenschulen  im  Auge.  Scheubel  schreibt  hier^^): 
^so  hab  ich  nur  fürgenommen  yon  diser  kunst  Arithmetica,  in  welcher  id 
meins  achtens,  etwas  merers  als  maniger  annder,  durch  (jottes  hülff  Turd 
gnad,  auch  embsigen  angewenten  üejü^  begriffen,  von  des  gemainen  nutz 
wegen  etwas  zuschreiben.  Aber  nach  dem  die  gemain  Rechnung  von  sehr 
yil  ynd  gelerten  Rechenmajstem  genugsam  beschriben  ist,  hat  mir  nit  g^ 
zymmen  oder  gebüren  wollen,  mich  mit  dem  jenigen,  welches  Yon  yadem 
Yormals  berürt,  einzulassen,  sonder  mit  einem  tyeffem  ynnd  nSiigem  be- 
*  kümmeren/^  Was  Scheubel  unter  dem  „Tieferen  und  Nötigeren'^  yerstebt, 
das  ist  die  Hebung  des  damaligen  Rechenunterrichts  vom  Handwerk  zur 
Wissenschaft,  und  die  Vereinfachung  des  ganzen  Betriebs  dieses  üntenicbti 
Doch  ist  Scheubel  dabei  kein  Fanatiker,  der  einem  Prinzipe  zu  lieb  die 
Forderungen  der  Wirklichkeit  yemaohlftssigt  So  giebt  er  z.  B.  bei  der 
Behandlung  der  Gresellschaftsrechnungen  zuerst  die  Regel,  nach  welcher  die 
Rechenmeister  arbeiten  liefsen  und  setzt  dann  hinzu  ^):  „Thund  in  dem 
recht,  dann  also  mufs  man  mit  gleichnussen  den  gpnainen  vnnd  schmcb* 
uerstendigen  Jungem  begegnen."  Dann  aber  entwickelt  er  selbst  dzs  be- 
treffende Verfahren  aus  Euklid  VU,  12  und  13  und  fOgt  diesen  Dar- 
legungen die  folgende  „ermanung"  bei:  „Es  were,  freundlicher  Leser,  meiiis 
achtens  gar  fein,  das  der  kunst  rechnung  liebhabere,  so  mer  als  ein  gmainer 
Junger  wissen  will,  sich  mit  solchen  stücklen  zieret,  nit  allain  mit  anf- 
lesung  viler  exemplen  sich  bekümmeret,  sonnder  auch  ynderweilen  gedecbt 
wie  er  sein  Operation,  jetz  der  jetz  einer  andern  regeln  oder  eines  andem 
exempels,  mit  gründtlichem  verstand  vor  menigklichen  yerthedingen  lud 
handhaben  wolt,  wie  dann  das  ein  jeder  Rechenmaister  namens  hilbeo 
wifsen  solL"  In  ganz  fthnlicher  Weise  yerurteilt  Scheubel  noch  an  vieleo 
andern  Punkten  das  Gebahren  der  meisten  damaligen  Rechenmeister,  die 
keinerlei  Verlangen   spürten,   sich   Rechenschaft  über   die   yon  ihnen  T0^ 


48)  Im  DedicatioBsbriefe. 

49)  p.  XL. 


Johannes  Scheubel,  ein  deatscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhnnderts.    449 

getragenen  Regeln  zu  verschaffen,   die  sich  dafür  aber  darin  gefielen,   eine 

möglichst   grolse    Zahl    speziellster   Regeln    aufzustellen.      Gleich    bei    dem 

ersten   Beweise,   welchen   Scheubel   giebt,   schreibt  er^):   ,Jch  waiTs  wol, 

das  YÜ  der  teütschen  Rechner  nit  vil  fragen  nach  der  fürgaben  ^^)  gwifs- 

hait,  demonstration  oder  glanbwirdigen  darbringen,  lausen  sich  gnügen  an 

den  regulen   vnd  Operationen,    glauben   denen,   vnd   faren  fort/^     Und  an 

einer  andern  Stelle  sagt  Scheubel  ^^):  „Also  hastu  fraintlicher  lieber  Rechner, 

fanff  ftkmemer  regulen,  so  bej  allen  Rechenmajstem  in  gemaynem  vnnd 

majstem  brauch  sind,  demonstration  ynnd  grüntlich  herkommen  vernommen. 

Etwas  weitters  von  den  andern  regulen  der  gemainen  rechnung,  als  von 

der  regel  des  Gwins  und  verlusts,  des  Wechfsels,  des  Stichs  und  dergleichen, 

zusagen,  dejcht   mich  on    not,  dann  die  selben  all  aufs  der  regel  Detri 

jren  verstand  haben Man  soll  auch  nit  bald  von  aines  oder  zwaier 

exemplen  wegen,  welcher  soluirung  nit  von  stundan  naher  gehn  will,   ein 

anndere   regel   erdichten,    sonder  vil  mehr  arbayten,    die  selben  exemplen 

durch  die  fümemen  hauptregulen   sampt   dem   gmainen  verstand  auflesen 

und  verantworten.'^ 

•  . 

Gehe  Jich  nun  noch  mit  ein  paar  Worten  auf  die  uns  beschäftigende 

Euklidausgabe  selbst  ein.     Wie  Scheubel  schon  in  dem  Titel  hervorhebt, 

legt  er  seiner  Übersetzung  eine  lateinische  Ausgabe  zu  Grunde,  sagt  uns 

aber  nicht,  welche  Ausgabe  dies  war^).     Den  einzelnen  Definitionen  und 

Lehrsätzen   fügt  Scheubel  erläuternde  Zahlenbeispiele  an;    Beweise    giebt 

0 

er  nur  bei  einer  beschränkten  Zahl  von  Lehrsätzen  und  wählt  dabei  mit 
Vorliebe  solche,  welche  für  das  gemeine  Rechnen  von  Bedeutung  sind. 
An  sie  schlieM  er  dann  die  obenberührten  Ableitungen  bestinunter  Regeln 
der  praktischen  Arithmetik  an.  Doch  geht  Scheubel  in  solchen  Beigaben 
z.  B.  auch  auf  die  Summierung  der  geometrischen  Reihe  und  ähnliches  ein, 
oder  sucht,  um  ein  anderes  Beispiel  anzuziehen,  bei  IX,  36  eine  möglichst 
grofse  Zahl  vollkonmiener  Zahlen  zu  bestinunen.  Als  solche  findet  er: 
6,  28,  496,  8128,  2096128,  33550336,  536854528,  8589869056  und 
137438691328.  Allerdings  sind  von  diesen  9  Zahlen  die  5.  und  die  7. 
keine  vollkommenen  Zahlen,  aber  es  liegt  hier  nur  ein  Versehen  vor,  wäh- 
rend z.  B.  Scheubel's   berühmter   Zeitgenosse    Stifel   glaubte,  jede    Zahl 


60)  p.  XXVII. 

51)  So  übersetzte  Schbubel  das  Wort  propositio  ^=  ngivaoig, 

62)  p.  CXXXIX. 

53)  Vielleicht  war  es  jene  im  Jahre  1537  bei  Hbsuaoiüm  —  dem  Drucker  von 
Schsubbl'b  Hauptwerke  —  erechienene  lateinische  EuKLiDausgabe. 

Abh.  rar  Gaieh.  d.  MMhem.  IX.  29 


450  H.  Staigmüller: 

von  der  Form  2*"  (2*"+* —  1)  sei  eine  yoUkommene  ZaM,  sobald  fi  einöi 
der  Werte  1,  2,  3  etc.  in  inf.  annehme"). 

Wie  schon  im  Dedicationsbriefe,  so  yerspricht  anch  am  Schlüsse  un- 
seres Werkes  Scheubel  eine  Fortsetzung  desselben  durch  eine  Herausgabe 
des  X.  Buches;  allerdings  fügt  er  dort  den  einschränkenden  Beisatz  MnzQ: 
„und  ich  danckbarkait  yon  den  Bechnem  spüret'\  Diese  Dankbarkeit,  die 
er  wohl  an  der  Aufnahme  mals,  welche  sein  Werk  fand,  wurde  ihm,  wie 
es  scheint,  nicht  zu  Teil,  ich  wenigstens  konnte  keine  Spur  einer  Schenbel- 
schen  Ausgabe  dieses  X  Buches  finden. 

Überblicken  wir  nach  diesem  kurzen  Abrifs  der  litterarischen  ThStig- 
keit  Scheubel's  dieselbe  noch  einmal  als  Ganzes,  so  treten  uns  zwei  Züge 
als  charakteristisch  entgegen.  Einmal  sucht  Scheubel  zu  verhüten,  dals 
in  seinem  Fache  die  akademische  Lehrthätigkeit  im  Althergebracbten  er- 
starre und  alle  Fühlung  mit  den  Forderungen  des  praktischen  Lebens  Te^ 
liere,  und  zweitens  sucht  er  den  Bechenbetrieb,  wie  sich  derselbe  in  aas- 
schlieljslichem  Dienste  des  praktischen  Lebens  entwickelt  hatte,  vom  Handwerk 
zur  Wissenschaft  zu  erheben.  Scheubel  will  so  zwischen  zwei  damaL 
völlig  getrennten  Grebieten  geistigen  Lebens  Beziehungen  herstellen,  welche 
auf  beiden  Gebieten  befruchtend  wirken  sollten,  und  hfttte  er  kein  anderes 
Verdienst,  als  dasjenige,  das  eben  in  diesem  Streben  liegt,  so  mülste  ümi 
doch  schon  in  der  Geschichte  der  Mathematik  ein  ehrenvoller  Platz  ein- 
geräumt werden,  ja  dieses  Verdienst  allein  genügt,  um  ihm  in  der  Ge- 
schichte des  mathematischen  Unterrichts  in  Deutschland  eine  hervorragende 
Stelle  zu  sichern. 

Ehe  wir  aber  diesen  unsem  Abrifs  von  Scheubel's  litterarischer  Thfitig- 
keit  völlig  abschliefsen  dürfen,  müssen  wir  noch  auf  .eine  Streitfrage  zn 
sprechen  kommen.  Die  älteste  Landkarte  Württembergs  stammt  ans  dem 
Jahre  1559.  Sie  trägt  die  Überschrift  „Das  hochlöbliche  Fürstentomb 
Würtemberg  Anno  1559'\  und  zeigt  unten  rechts  statt  jeder  andern  Be- 
zeichnung ihres  Autors  die  beiden  Buchstaben  J  und  S  zu  einem  Slono- 
gramme  verschlungen,  und  daneben  auf  einer  Fahne  das  Tübinger  Wappen 
und  das  Wort  „Tübengen".  Gewöhnlich  gilt  als  Autor  dieser  Karte  ein 
„Johann  Sizlin,  Modist  in  Ulm."  Diese  Annahme  beruht  einzig  und  alleio 
auf  einer  völlig  unkontrollierbaren  handschriftlichen  Bemerkung^*)  des  Exem- 
plars der  Königl.  öffent.  Bibliothek  in  Stuttgart  und  ist  vollständig  verfehlt 


64)  Anfaer  den  verbleibenden  von  Scheubel  richtig  beatimmten  7  toU- 
kommenen  Zahlen  kennt  auch  die  heutige  Mathematik  nur  noch  awei  weitere. 
Vergl.  ScHüBBKT,  Mathematische  Mofaeatnnden.    Leipiig  1898.  p.  106. 

65)  „Author  creditnr  Johanh  Sdeun  modist  sn  Ulm". 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVT.  Jahrhunderts.    451 

und  wohl  nur  durch  ein  typisches  Beispiel  mehrfacher  Verwechslungen  ent- 
standen^.    Schon  durch  das  mit  dem  Monogramme  in  so  naher  Beziehung 
stehende  Wappen    und   Wort   „Tübengen"   ist  jede    Möglichkeit   an   einen 
Ulmer  Autor  zu  denken   ausgeschlossen,  und  vor  allem  gab   es  eben   um 
die  fragliche   Zeit   keinen    Modisten  Johann  Sizlin  in  Ulm.     Wollen   wir 
jenes    Monogramm    deuten,    so    müssen    wir   seinen   Träger   nnbedingt   in 
Tübingen  suchen,   und  da  kommen  wir  für  das  Jahr  1559  ungesucht  auf 
unsem    Johannes    Scheubel.     Ein    Kenner    altwürttembergischer    Eaiien, 
Hauber,  spricht  sich  —  allerdings  nur  sehr  vorsichtig  —  auch  in  diesem 
Sinne  aus,  leider « ohne  auf  seine  Vermutung  irgendwie  näher  einzugehend^). 
Ich  möchte  deshalb  kurz  hier  die  Gründe  aufzählen,  welche  diese  Deutung 
jenes  Monogramms  vielleicht   stützen   könnten.     Einmal   stellt  Pantalbon 
m  der  deutschen  Ausgabe  seines  Heldenbnches  Soheubel  mit  einem  Globus 
in  der  Hand  dar,   dann  scheint  aus  den  schon  mehrfach  angezogenen  Epi- 
grammen des  Celuus  hervorzugehen,  da£3  Scheubel  im  Stande  war,  Holz^ 
Schnittstöcke  selbst  zu  bearbeiten,  und  schliefslich  lä&t  sich  gerade  für  das 
Jahr  1559    ein    besonders   reger  Verkehr   Sohbubel's   mit  dem   bekannten 
Renner  des  Schwabenlandes  Crusius  nachweisen^.    Aber  es  sind  dies  lauter 
sehr  schwache  Gründe,  welche  nur  so  lange  zu  einem  Schlüsse  berechtigen, 
als  für  jenes  Monogramm  keine   andere  Deutung  vorliegt.     Nun  hat   sich 
mir  aber  eben  im  Verlaufe  dieser  Arbeit  eine  Deutung  dargeboten,  welche 
auf  den  oben  erwähnten  Kollegen  Scheubel's,  Samübl  Sideroceates,  führt. 
SiDRRocntATEB  hiefs  eigentlich  Eisenmenoer,   ein  Name,  der,  wie  ich  mich 
im  Tübinger  üniversitätsarchiv  überzeugte,   eben  dort  in  der  Form  „Isen- 
menqer"^^  auftritt.     Die  Gewalt,  welche  diese  Deutung  dem  Monogramme 
scheinbar  anthut,    wird    mehr   als  aufgewogen  durch   die  Thatsache,    dafs 
SmEROGRATES    ciu   berühmter  Geograph   war,   während   ich   bei   Soheubel 
nirgends  sichere  Spuren  einer  eingehenden  Beschäftigung  mit  geographischen 
Fragen  finden  konnte.     Doch  möchte  ich  ein  definitives  Urteil  erst  föUen, 


56)  Ein  NicoLAüB  Sitzlin  ist  1672^1683  Rektor  der  lateinischen  Schule  in 
Ulm;  ein  ,^odi8t  Sblzuh"  (von  1598  an  in  Ulm)  giebt  wohl  1572  eine  Karte  des 
schwäbischen  Kreises  heraus,  doch  heifst  derselbe  „David";  ein  „Johahnbs  Stölzlin** 
sticht  eine  von  einem  „JoHAimBS  Sblzlin"  gezeichnete  Karte  des  ülmischen 
Gebietes  in  Kupfer,  doch  lebten  diese  beiden  im  17.  Jahrhundert.  Vgl.  Wetermann, 
Nachrichten  von  Gelehrten  etc.   Ulm  1798,  und  Neue  Nachrichten  etc.    Ulm  1829. 

57)  „Ob  diese  (d.  h.  die  Buchstaben  J  und  S)  den  Namen  des  Stechers  oder 
Authoris  vielleicht  Johavnis  ScHSüSELn  bedeuten,  ist  mir  nicht  bekannt/*  Vergl. 
Historische  Nachricht  von  den  Land*  Charten  defs  Schwäbischen  Crairses  etc.  von 
M.  E.  D.  Haubbi.    Ulm  1774.  p.  74  u.  folgende. 

58}  VergL  Kastebb,  Gesch.  d.  Math.  1796.    Band  I.  p.  361. 
59)  Vergl.  oben  S.  436,  Anm.  27. 

29* 


452  H.  Staigmüller: 

wenn  ich  einmal  Mnse  gefanden  habe,  die  sonstigen  Leistungen  des  Sideso- 
CRATE8  näher  kennen  zu  lernen. 

Habe  ich  im  Vorstehenden  yersncht  eine  kurze  biogn^hiscbe  Skizu 
Scheubel's  sowie  eine  Übersicht  über  dessen  litterarische  Th&tigkeit  zu 
geben,  so  gehe  ich,  meinem  oben  dargelegten  Plane  entsprechend,  jetzt  diza 
über,  dessen  Leistungen  speziell  auf  dem  Gebiete  der  Algebra  etwas  ein- 
gehender zu  behandeln,  und  beginne  zu  diesem  Behufe  mit  einer  kunes 
Analyse  der  einzigen  algebraischen  Abhandlung  unseres  Autors,  eben  jener 
„brevis  regularum  algebrae  descriptio",  welche  Scheu  bel  seiner  Enklidaiis- 
gäbe  vorausschickte. 

Im  ersten  Kapitel,  das  die  Überschrift  „Numeratio"  tragt,  f&brt 
SoHEUBEL  zunächst  die  „Characteres"  ein,  durch  welche  die  Yerschiedeoen 
Potenzen  irgend  einer  Gröfse  (radix,  res),  beginnend  mit  der  0*^  Potent 
bezeichnet  werden.  Es  sind  dies  die  folgenden  damals  in  DeutschlaDd  ganz 
allgemein  yerbreiteten  Zeichen,  welche  z.  B.  auch  Budolff^)  und  Stifel^^i 
verwenden:  „qp,  ae»  %*  ce,  §j,  /j|,  jce,  ft/jj,  m  etc."  Da  aber  auf  diese 
Weise  die  Schwierigkeit  entsteht,  daTs  für  die  unbegrenzte  Zahl  der  Po- 
tenzen  der  radix  eine  unbegrenzte  Zahl  solcher  Zeichen  nötig  wäre,  so  will 
ScHEUBEL  jene  Potenzen  durch  die  Glieder  der  Zahlreihe,  die  ja  aoeh  qq- 
begrenzt  ist,  bezeichnen,  und  dementsprechend  führt  Scheubel  als  gleich- 
bedeutend mit  der  obigen  Zeichenreihe  die  folgende  Reihe  ein:  „N,  Ba^ 
Pri.,  Se.,  Ter.,  Quar.,  Quin.,  Sex.,  Sep.,  etc.",  deren  Zeichen  Abkünangeii 
der  Worte:  „numerus,  radix,  prima  quantitas  (weil  entstanden  durch  ein- 
malige Multiplikation),  secunda  quantitas,  etc."  darstellend^.  Weiterhin 
wird  in  diesem  ersten  Kapitel  noch  die  Bedeutung  der  Zeichen  (:  signa) 
+  und  —  erläutert.  Ein  Ausdruck  von  der  Form  30j  +  202e  — *  J^V 
oder  von  der  Form  30 pri.  -f"  20 ra.  —  ION  bedeutet  also  nach  unserer 
heutigen  Schreibweise  30x*  -f"  20a:  —  10.  In  4  weiteren  Kapiteln  wirJ 
sodann  die  Addition,  Subtraktion,  Multiplikation  und  Division  der  so  ein- 
geführten „cossischen  Gröfsen"**)  gelehrt  Nach  diesem  ersten  Abschnitt 
behandelt  S(!HEubkl  in  einem  zweiten  die  Addition,  Sublaraktion ,  Moltipli 
kation  und  Division  von  Brüchen  aus  cossischen  Gröfsen. 

Aus  dem  so  auf  13  Seiten  dargestellten  Algorithmus  der  CoDs  m5cbt« 
ich  zur  Charakterisierung  Soheubel's  nur  das  folgende  hervorheben.    Wie 


60)  VergL  Budolfp*s  Cofs  vom  Jahre  1625,  fol.  D,  2y. 

61)  Vergl.  Stipbl,  Arith.  integ.  1644,  fol.  236';  nur  hat  Stifsl  daa  Zeiefaen  f 
nicht,  sondern  setzt  dafür  1. 

62)  Einem  ähnlichen  Gedanken  begegnen  wir  schon  bei  Gbaioutbds. 

63)  Scheubel,  der  sich  eines  reineren  Latein  befleifsigt,  gebrancht  den  soiut 
verwendeten  Ausdruck  „numeri  eossici"  selbst  nicht. 


Johannes  Schenbel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    453 

in  andern  algebraischen  Werken  des  16^^  Jahrhunderts  findet  man  auch 
bei  ScHEUBEL  gewisse  Rechenregeln  aufgestellt,  welche  den  einzelnen  Bei- 
spielen zu  Grunde  gelegt  werden,  und  wie  dort,  so  wird  auch  hier  den 
einzelnen  Beispielen  jeweils  eine  „comprohatio  vel  examen  aperationis"  bei- 
gegeben, das  heiM  eine  Probe  durch  Einsetzung  eines  bestimmten  nume- 
rischen Wertes  für  die  radiz.  Aber  damit  begnügt  sich  Scheubel  keines- 
wegs, sondern  er  versucht  auch  das  von  ihm  gelehrte  Bechenverfahren 
abzuleiten;  und  da  gerade  diese  Ableitungen  für  Scheubel  charakteristisch 
sind,  möchte  ich  einige  derselben  mit  seinen  eigenen  Worten  Mriedergeben. 
Im  dritten  Kapitel,  welches  die  Subtraktion  behandelt,  stehen  unter 
andern  auch  die  beiden  Beispiele: 


Pri. 

N 

Pri. 

N 

12 

—  9 

12 

—  4 

8 

—  4 

und 

8 

—  9 

4  —  5  4  +5, 

welche  in  unserer  heutigen  Schreibweise  lauten  würden: 

(12a:«  — 9) -(8««  — 4)=  4a?*  — 5  und  (I2a?*— 4)  — (8a:*-9)— 4x*+5. 

Die  Yon  Scheubel  beigegebene  Ableitung  lautet  nun  folgendermafsen:  ^^In 
his  duohus  exempUs,  cum  in  täroque  nan  8  quantUates  primae,  sed  hae  in 
uno  quidem  minus  4,  in  altero  uerö,  minus  9  numeris  subtrdhendae  sint, 
8  pHniis  integre  subtracHs,  residuis  tandem  id  quod  plus  aequo  subtradum 
est,  iure  decedere  debet.  Quare  in  priori  quidem  exemplo,  loco  —  9,  cum 
4  aceedant,  tantum  —  5,  in  posteriori  uerö  loco  —  4,  cum  9  accedant, 
•^  bN  positum  est'*  Ebenso  enthftlt  das  4^  Kapitel,  in  welchem  die  Mul- 
tiplikation gelehrt  wird,  xmter  andern  folgende  3  Beispiele: 

7  pri.  +    4  ra.  7  pri.  —    4  ra.  9  ra. 

9  ra.  9  ra.  7  pri.  —    4  ra. 

63  se.  +  36  pri.  63  se.  —  36  pri.  63  se.  —  36  pri. 

dieselben  würden  heute  lauten: 

(7x*  +  4x)  9a?  =  63aj»  +  36a:*;     (7x*  —  4x)  ^x  =  63x«  —  36a?*; 

9a;  (7a?*  —  4a?)  =  63a?»  —  36a?*. 

Dazu  schreibt  Scheubel:  „Primum  exemplum  est  facüe,  cum  in  eo  tarn 
7  primae  quantitates  quam  4  radices,  cum  9  radicibus  muUiplicari  debeant, 
Secundi  autem,  et  tertii  exemplorum  ratio,  cum  sit  patUo  inuolutior,  expli- 
canda  communi  quadam  (quae  uersatur  in  huiusmodi  rebus)  notitia  esse 
uidetur.  In  secundo,  7  primae  solidae  ac  integrae  cum  9  radicibus,  in 
tertio,  9  radices  cum  7  itidem  integris  primis  multipliceniur:  hae  tamen  in- 
tfgrae  cum  non  sint,  sed  qua/ndam  decessionem  perpessae  sint  priuatiuo  signo 


454  H.  StaigmüUer: 

— ,  necesse  est,  ut  in  multiplicatume  tcmtum  decedcU,  quanium  non  legü^t 
accessU,  priori  summae  procreatae  ex  miUtipUcaiiane:  cUque  hie  quidany  qwm- 
htm  9  radices  cum  4  radicibus:  ülic  uerö,  4  radices  cum  9  radidibus  ml- 
tipUcatae  producunt,  id  quod  per  siffnum  diminutumis  —  fieri  dd>d,  m, 
—  36  pri.  —  36  pri.  Ex  quo  ratio  inteüigi  potest,  propter  gucim,  si  ««Öi- 
plicetur  -|-  cum  — ,  uel  contra  —  cum  -f"  •  ^*<^  plus,  sed  n^nus  pradmcokr. 
quod  et  ipsum  reguta  quadam  proposuerunt  in  Älgebricis  exerdk^,  gm  t^ 
notanda."  Ein  weiteres  Beispiel  des  4^°  Kapitels  hat  die  Form: 
8prL—      9N  8a?*—      9 

8  pri.—      9N  Die  heutige  Form        8a;*—      9 

64  ter. —    72  pri.  dieses  Beispiels  w&re:  64af* —    72ä^ 

—    72  pri.  +  81  N  —    72x'  +  81 

64  ter.  —  144  pri.  +  81  N  64a;*  —  144a;'  +  81. 

ScHEUBEL  erläuterte  dasselbe  in  folgender  Weise:  „Quomodo  8  primae  »» 
8  pri.  ut  totum  cum  toto  muttiplicari  debet,  item  quomodo  8  primae  —  9  >' 
cum  8  primis,  Postremd  8  primae  etiam  cum  8  primis  —  9  ^  suprä  osf«- 
dimus.  At  uerö  cum  in  hoc  exemplo  muitiplicandi  raUo  minus  sU  perspmi 
eam  explanare  obiter  hoc  loco  twlui,  ut  inteUigatur  scUicet  caussa  dim. 
propter  quam,  signo  —  notatis  numeris,  non  minus,  sed  plus  procreekür,  Aa 
quod  diuersum  quid,  quam  in  superioribus  hactenus  est  habikum,  esse  sdtt. 
MiUtiplicentur  igitur  8  primae  —  ^N  ut  dictum  est,  cum  8  pridms,  d  ^ 
ducentur  64  ter,  —  72  pri.  Sed  quia  non  cum  8  primis  iniegris,  uerim  a» 
iis,  detradione,  9  N  imminutis,  multiplicaUo  insUim  debet,  plus  qmm  p& 
erat,  priore  multiplicatione  est  procreatum,  quare  tä  comteniens  producahff 
numerus,  ratione  defectus  in  muUiplicante,  8  primae  nouies  ex  hoc  proM'> 
subtrahendae  erunt.  Ätqui  rursum,  cum  non  8  primae,  sed  hae  nUnus  9X 
multiplicari  debeant,  9N  rursus  nouies  addendae  sunt,  quod  tum  ß,  guatid'j 
minus  multiplicatur  per  minus  (id  quod  tertid  raUone  signorum,  -[-  t^-  -  w 
multiplicaiione  obseruari  debet).  Quo  demum  reddiio,  t^ems  produdyß  «« 
merus  apparebit.  Tribus  igitur  regulis  his  suprä  proposiiis,  omms  fmdtipli- 
catio,  ratione  quidem  signorum  -{^  dt  —  dbsolvitu/r:  quae  tarnen,  quia  pr^ 
et  ultima  coincidunt,  ad  dtms  regutas  reduci  possunt.  Prima.  Si  /Wfw/ 
eadem  signa  multiplicantis  et  muttiplicandae  quantUatis,  procreaius  ex  w«^*" 
plicatione  numerus  notaiur  signo  afßrmativo  +.  Secunda.  Si  fuermi  ^ 
diücrsa:  notatur  productus  ex  fmdtiplicatione  numerus  signo  priuatim  ft» 
negaiiuo  — ."  Und  noch  eine  2**  Ableitung  des  eben  behandelten  Produkts 
giebt  ScHEUBEL  mit  folgenden  Worten:  „MuUipUcenJtwr  primö  %pr%.  —  ^^ 
cum  8  primis  una,  postea  etiam  cum  dN  altera  quanHtate.  Svbtrahc^ 
deinde,  per  caput  praecedens,  posterius  productum  ä  priori,  ^  rdwf^ 
uerus  ex  multiplicatione  productus  numerus,  ut  sequitur: 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XYI.  Jahrhunderte.    455 

Productorum  suhtradio, 
Spri.—  9N  Spn.  —  9N  64  fer.  —     72 pri. 

cumSpn.  cum9N  12  pH.—    SIN 


64  ter.  —  12  pri.  12  pH.  —  Sl  N         64  ter.  —  144  i>rt.  +  81  JV^ 

Wenn  ich  in  diesen  Versuchen  Scheubel's  auch  keine  Beweise  sehe, 
die  allen  Fordemngen  entsprechen,  welche  die  heutige  Algebra  an  ihre 
Beweise  stellt,  so  kann  ich  doch  auf  der  andern  Seite  auch  Tbeutlein 
nicht  Terstehen,  wenn  derselbe  in  seiner  „deutschen  CoÜs"  —  in  welcher 
er  gerade  auch  Scheubel  in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen  zieht  —  zu 
dem  Schlüsse  kommt:  „Entsprechend  der  allgemeinen  Sitte  der  damaligen 
Zeit  ist  natürlich  von  einer  Begründung  der  Richtigkeit  solcher  Rechen- 
Vorschriften  (d.  h.  der  Zeichenregeln  für  die  Subtraktion  relativer  Zahlen) 
niemals  die  Rede^\  oder  gar  ein  anderesmal  schreibt:  „Von  einer  irgendwie 
auch  nur  plausibeln  Erläuterung  des  Grundes  solcher  Zeichenregel  (d.  h. 
der  Zeichenregel  für  die  Multiplikation  relativer  Zahlen)  ist  natürlich  nir- 
gends die  Rede"**). 

Als  Überleitung  zum  nächsten  Hauptabschnitt,  welcher  die  Lehre  von 
den  Gleichungen  enthält,  behandelt  Scheubel  ganz  kurz  die  Anwendung 
der  ,,reffula  proportioimim"  (Regel  detri)  in  Aufgaben  mit  cossischen  Zahlen. 
Die  Gleichungen  selbst  teilt  Scheubel,  soweit  er  sie  überhaupt  in  den 
Kreis  seiner  Betrachtungen  zieht,  in  3  Gruppen  ein,  je  nachdem  zu  ihrer 
Lösung  eine  AequaUo  pHma,  sectmda  oder  tertia  nötig  ist.  „ÄeqtuxHo  pHnia*' 
nennt  Scheubel  eine  Gleichung  zwischen  2  Gliedern,  welche  verschiedene 
pfCharaderes"  d.  h.  verschiedene  Potenzen  der  Unbekannten  enthalten,  eine 
solche  aeqwUio  prima  ist  z.  B.  die  folgende: 

4  sex.  aequantur  108  ter.,  d.  h.  4  a?'  =  108  a?*. 

„Aeguatio  secunda"  nennt  Scheubel  eine  dreigliedrige  Gleichung,  deren 
Glieder  3  aufeinander  folgende  „charaderes"  enthalten;  hierher  gehöi't  z.  B. 
die  Gleichung: 

1  pri.  +  12  N  aequales  8  ra.,  d.  h.  x^  -["  12  =  8a;. 

Nahe  verwandt^)  mit  der  „Aequatio  sectmda"  ist  die  „Aequatio  tertia",  nur 
folgen  sich  die  3  „charaderes"  nicht  unmittelbar  aber  doch  mit  gleichen 
Intervallen.     Eine  aequatio  tertia  wäre  z.  B.  folgende: 

Auch  hier,  bei  Scheubel's  Behandlung  der  Gleichungen,  beschränke  ich 
mich  darauf  nur  das  Wichtigste  hervorzuheben. 


64)  Vergl.  Trxutlkin,  die  deutsche  Gofs,  a.  a.  0.  p.  38  und  39. 

65)  „Tertia  aeqwitio  est  fere  eadem  cum  sectmda.** 


456  H.  Staigmflller: 

Nachdem  Scheubel  die  Lösung  der  tiequatio  prima  gezeigt  bat,  weist 
er  darauf  hin,  dafs  dieser  Lösung  die  reffula  de  proportionaiibus  zu  Grande 
liege,  welche  Regel,  gleich^e  das  erentuell  nötige  Wurzelausziehen,  im 
gemeinen  Rechnen  behandelt  zu  werden  pflege.  Von  den  beig^benen 
17  Textaufgaben  {Amigmaia  seu  quaesUones)  greife  ich  zwei  heraus.  Die 
Aufgabe  No.  15  lautet:  „72  soll  so  in  4  Teile  zerlegt  werden,  dab  der 
erste  Teil  |  des  2*^  und  3**°;  der  2*«  Teü  ^  des  3*«°  und  i^  &  der 
3**  Teil  die  Hälfte  der  4^°  und  ersten  werde."  Scheubel  löst  diese  Auf- 
gabe folgendermafsen:  Der  erste  Teil  sei  1  ra.,  so  beträgt  der  2^  nnd  3^ 
zusammen  7  ra.,  imd  der  4*®  72  N  —  8  ra. .  .  Nun  ist  der  2*®  Teil  \  des 
3^  und  4*«»,  also  J  des  2*«'»,  3**°  und  4**",  d.  h.  ^  von  72  N  -  1  o, 
also  gleich  12  N  —  ^  ra. . .  Die  4  Teile  sind  also:  1  ra.;  12  N  —  ^  r».; 
7^  ra.  —  12  N;  72  N  —  8  ra.  und  damit  erhält  man  die  Gleichung: 

7^  ra.  —  12  N    aequal.    36  N  —  3^  ra.; 
in  minimis: 

10}  ra.    aequal.    48  N     etc. 

Man  sieht,  wie  gewandt  Scheubel  die  EinfiÜirung  mehrer  unbekannten  m 
umgehen  weifs.  Das  zweite  Beispiel,  das  ich  herausgreife,  ist  die  Aufgabe 
No.  8.  Dieselbe  lautet:  „Eine  Zahl  ist  so  in  3  Teile  geteilt,  daCs  der  eiste 
Teil  zur  ganzen  Zahl  sich  wie  2  :  3,  der  zweite  Teil  zur  ganzen  Zahl  sich 
wie  1  :  2  und  der  um  4  vermehrte  dritte  Teil  zur  ganzen  Zahl  sich  wie 
3  : 4  verhält.  Gesucht  die  Zahl  und  ihre  Teüe.'^  Scheubel  fahrt  die 
Lösung  dieser  Aufgabe  auf  3  verschiedene  Arten  durch,  je  nadidem  er  die 
ganze  Zahl  oder  einen  der  beiden  ersten  Teile  als  unbekannte  einfahrt. 
Doch  interessiert  uns  hier  nicht  sowohl  der  Weg  der  Lösung  als  viehnehr 
das  Resultat  der  Aufgabe,  das  Scheubel  in  folgende  Worte  kleidet:  ,^adi: 
Impossibüe,  cum  tertia  pars  nihil  sit,  prapterea  quöd  d/uabus  prioribus  Mum 
et  plus  etiam  canueniat.  Vel  fadt:  Totus  numerus  4^.  Partes  uero: 
prima  2|^;  secunda  2^\;  tertia  — ^V  ^^  ^i^^  examvnari  potest  in  hunc 
modum  etc."  Und  nun  zeigt  Scheubel  eingehend,  wie  diese  Werte  allen 
in  der  Aufgabe  gestellten  Bedingungen  entsprechen.  Man  sieht  also, 
Scheubel  läfst  hier,  wie  auch  noch  in  einem  andern  Beispiele,  unter  Um- 
ständen eine  Lösung,  die  einen  negativen  Wert  enth&lt,  als  vollständig 
brauchbar  zu.  Es  kommt  eben  im  vorliegenden  Falle  alles  auf  die  Auf- 
fassung des  Begriffs  „Teil^'  an;  würde  es  sich  in  einem  analogen  Beispiel 
statt  um  eine  Zahl  und  ihre  Teile,  um  irgend  einen  physischen  R5ip^ 
und  seine  Teile  handeln,  so  würde  Scheubel-  seiner  Lösung  ein  ,fium  verus 
numerus"  beigesetzt  haben. 

Li  der  Behandlung  der  aequatio  secunda  d.  h.  der  quadratischen  Glei- 
chung fällt  zunächst  auf,  dafs  Scheubel  gegenüber  Stifel  scheinbar  wieder 


Johannes  Schenbel,  ein  deutsofaer  Algebraiker  des  XYI.  Jahrhunderts.    457 

eineo  Schritt  zurückgeht,   indem   er   hiebei   die    3   bekannten   kanonischen 
Formen  zn  Grande  legt: 

1)  Pri.  -f"  ^^  aequales  N;  2)  Ra.  -f"  N  aequales  pri.; 

3)  Pri.  -f-  N  aequales  ra. 

Aber  auf  der  einen  Seite  ist  die  Auffassung  Stifel's  von  der  Lösung  einer 
quadratischen  Gleichung  als  einer  Wurzelausziehung  aus  einem  cossischen 
Ausdrucke^)  nicht  einwandsfrei,  und  vor  allem  leicht  mifsverstftndlich,  und 
auf  der  andern  Seite  ist  bei  näherem  Zusehen  die  SriFKL^sche  Zusammenfassung 
doch  eine  blofs  ftulserliche,  ja  sogar  blofs  scheinbare.  Schon  in  der  Durch- 
führung der  einzelnen  Beispiele,  noch  mehr  in  den  Beweisen,  Tor  allem  aber 
in  der  Sonderstellung  der  Gleichungen  mit  zwei  Wurzeln  blickt  die  alte  Drei- 
teilung nicht  blofs  durch,  sondern  tritt  offen  zu  Tage.  So  bestechend  drum  auch 
im  ersten  Augenblicke  die  STiFEL^sche  Darstellung  sein  mag,  und  so  hohe 
Anerkennung  der  darin  liegende  Fingerzeig  auch  verdient,  so  ist  daneben 
Scheubel's  Darstellung  doch  auch  noch  berechtigt,  so  lange  eben  der  durch 
jenen  Fingerzeig  gewiesene  Schritt  nicht  auch  wirklich  vollzogen  ist.  Han- 
delt es  sich  aber  wie  bei  Scheubel  um  ein  Werk,  das  in  erster  Linie  den 
Zweck  verfolgt,  den  „tiro^^  in  die  Algebra  einzufahren,  dann  ist  Scheubel's 
Methode  unbedingt  der  SriFEL^schen  vorzuziehen. 

Ganz  unverständlich  ist  es  mir,  wenn  Treutlein  in  seiner  „deutschen 
Co£b*^,  nachdem  er  die  Bedeutung  der  Beweisführung  bei  Stifel  mit  vollem 
Bechte  sehr  hervorgehoben  hat,  in  Betreff  Scheubel's  schreibt ^^):  „Einen 
Beweis  fOr  die  Richtigkeit  des  Verfahrens  (d.  h.  der  zur  Lösung  quadratischer 
Gleichungen  aufgestellten  Begeln)  Iftfst  sich  das  von  Salignao  Beigebrachte 
kaum  nennen;  denn  es  ist  nur  verständlich,  wenn  man  an  Euklid's  Sätze 
II,  4,  5,  6  denkt;  Scheubel  verweist  einfach  auf  letztere."  Ja  gewifs  ver- 
weist SoHEUBBL  einfach  auf  letztere,  aber  dieses  Verweisen  findet  statt  in 
einer  Arbeit,  die  einer  EuKLioausgabe  vorausgeschickt  ist,  und  schlägt  man 
deshalb  ein  paar  Blätter  um,  so  findet  man  am  bezeichneten  Orte,  d.  h. 
eben  bei  den  Sätzen  11,  4,  5,  6  die  vollständig  durchgeführten  Beweise^). 
Es  handelt  sich  sowohl  bei  Stifel  als  auch  bei  Scheubel  um  Beweise  in 
geometrischem   Kleide,   wie   wir  sie   ganz   ähnlich,   wohl   aus  griechischen 


66)  SnrBL  schreibt  z.  B.  bei  der  Löaong  der  Gleichung  o?'  »  84  —  6x: 
„Cum  airtem  t^  sit  aegucUis  84  —  8  36>  ideo  requirenda  est  rttdix  de  hoc  connexo 
84  —  8  le  etc."    Vergl.  Stifel,  Arith.  int.  1644,  fol.  241^. 

67)  Vergl.  a.  a.  0.  p.  96. 

68)  Za  allem  tyberflusse  setzt  Schxubbl  jener  Verweisung  nach  die  Worte 
bei:  „Ed  itaque  cum  peruentum  fuerit,  harum  demonstrctHones  ac  simüitudines  quaa 
cwn  raUonibus  tHarum  propositionum  hahent,  indtcabimua/' 


und  welche  ieh  desblb 


-      ^         — -     fHT  wir  u«  iüe  Daistelliug  dieser 


jcfaen  DaisteUong  zu 
Beweis  Stifel's  nnr 
die  Bezugnahme  auf 
der  Unznllog- 
Dem  angezogecen 
-j=r~     ."  »#w  <r  "•.jr  ^roposiltoiK  (II,  ^ji 

3fctmdi  m  aeqm- 

:  ^fAtque  haec  ']tii- 

-^.  -r     # •••##!.'  ■**?   I«  regulis  Algthv. 

2     "♦-•r--^.-'..'Hr3t  kabetä,  eas  ^H» 

•-•      --wflNffN»'    -musJ^     Leider  blieb 

rae  Ansfohrang,  mii 

ftiZ!^  Mamiskripte  Ter- 

—  -r*  -r-a  seiner  Hand  finden 

ae    ^' mi.«is^' ji'tones  suhtilii/rif' 


•— •  -D 


■•     1 1 


^zTsu^  Bidit  anders  ra 

„r-     -*       -r^L  —  rar  bei  seiner  drittes 

..„-   .       .2T     j?"?     t  «^   £aim  iidi  nicht  ni.t 

,_:         -..^r-t:'^  :    JBei  dem  Cum 

L7«r  asibr^ten  können,  ist 

•f    .-::^.'i'..    iauj?  afcQ  beide  znlissi:' 

-;.  .    X  isi?**r  F^a*:^  ^r  identisch  nüf 

cu^  -SÄ?  Gieidinng  jenfr 

'»  ITTTTaa/a  fcat-  liandelt  e 

dff  eine  oder 

Ansicht  die 

,  -  •.-  ■    .  i:::;!.-.*  "^     3S  Feld:  „Von  zwei 

^    _.,«,t.    a     3Iltt3.     Für  eine  Kroß 

--r  -i       iIj*    E'nrr  als  Ton  der  Seid-- 

-     ^    -.  ii«  -^-TüiÄif  5*u^  42  Kwcec. 

^  ^     «SS     -MUbit    Svziiie  für  1  Krone. 


,e 


ch 


mr-na.  A.  a.  0.  p.  149. 


I 


a»    -  ^        fc  J^  J«?. 


JohanneB  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XYI.  Jahrhunderts.    459 

In  einer  ersten  Lösung  fährt  Scueubbl  die  betrefifende  Anzahl  der  Ellen 
des  zweiten  Stücks  als  unbekannte  ein  und  kommt  so  zu  der  Gleichung 

58  ra.  -|-  15  N  aequales  21  pri.   {Est  atUem  exemplum  canonis  secundi\ 

dadurch  erhält  er  fär  die  unbekannte  als  einzigen  Wert  3.  In  einer  zweiten 
Lösung  fuhrt  nun  Scheubel  die  gesuchte  Ellenzahl  des  ersten  Stücks  als 
Unbekannte  ein  und  kommt  so  auf  die  Gleichung 

216  ra.  aequales  63  pri.  -f"  10  N    (Est  aatem  exemplum  canonis  tertU). 

Diese  Gleichung  ergiebt  für  die  unbekannte  zwei  Werte,  von  denen  jedoch 
nur  der  eine  brauchbar  ist:  ^^manent  ^,  non  uertM:  fiel  ueniunt  3^  uerus 
numerus.^  Wie  Treutleik  hierzu  schreiben  kann:  „Scheitbel  müfste  eigent- 
lich die  beiden  Lösungen  ^  und  -^  zulassen",  kann  ich  ebenso  wenig  ver- 
stehen,  wie  den  daraus  gezogenen  Schlufs.  Vergleicht  man  hierzu  weiterhin 
das,  was  Stifel  in  seiner  Ausgabe  der  BuDOLFp'schen  Co£s  von  sich  aus 
der  „sechsten  regel  Christophori^^  vorausschickt'^^),  so  wird  man  finden, 
dafs  in  der  That  Stifel  und  Sohbubel  in  unserer  Frage  vollständig  überein- 
stimmen; ja  viel  eher  könnte  es  scheinen,  dafs  in  derselben  Scheubel  über 
Stifel  hinausging,  als  dafs  er  hinter  ihm  zurückblieb.  Stifel  verwirft 
z.  B.  die  Lösung  einer  Aufgabe,  welche  als  Teile  der  Zahl  10  die  beiden 
Zahlen  15  und  —  5  ergeben  würde,  während  Scheubel,  wie  wir  gesehen 
haben,  die  Lösung  einer  Aufgabe,  in  welcher  als  Teile  der  Zahl  4^  die 
Zahlen  2|^,  2^,  —  -^  auftreten,  nicht  unbedingt  zurückweist.  Doch  halte 
ich  diese  Gegenüberstellung  und  damit  auch  den  daraus  gezogenen  Schlufs 
nicht  für  berechtigt,  denn  in  den  angezogenen  Fällen  handelt  es  sich  bei 
Stifel  um  eine  quadratische  Gleichung,  bei  Scheubel  um  eine  lineare. 

Über  die  aequatio  tertia  geht  Scheubel  ziemlich  rasch  weg:  „JJaec 
nuUam  requirU  demanstrationem,  cum  ex  praecedentibus  duäbus  (quarum  de- 
monstraüones  unde  peti  deheant,  indicauimus)  composita  sit}^  Bemerken 
möchte  ich  dabei  nur  das  eine,  dafs  Scheubel  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes 
eine  Aufgabe  bringt,  welche  auf  eine  kubische  Gleichung  führt.  Scheubel 
fügt  dieser  nicht  hierher  gehörigen  Aufgabe  ohne  jedes  weitere  Wort  nur 
das  Resultat  bei. 

Nach  der  Behandlung  der  Gleichungen  geht  Scheubel  nun  über  zur 
Darstellung  der  Algorithmen  der  yfvumeri  surdif^'^^)  d.  h.  zum  Rechnen  mit 
irrationalen  Zahlen.  Hierbei  verwendet  Scheubel  als  Quadratwurzelzeichen 
entweder  die  Silbe  „ra."  oder  das  Zeichen  „/",  welche  beide  jeweils  dem 

9 

72)  Vergl.  Die  Cofs  Chbistoffs  Rudolffs  etc.  dnrch  Michael  Stifel  Gebessert 
ond  sehr  gemehrt.     Amsterdam  1615,  p.  671. 

73)  ,^ummi  igitur  surdi  sunt,  quorum  radices  desideratae,  nuimero  certo  ex- 
prtuae,  inueniri  negueimt"  (p.  86). 


460  H.  Staigmüller: 

Badicanden  vorangestellt  werden;  analog  bezeichnet  er  die  KubikiniRel 
dnrch  „ra.  cu."  oder  durch  „hv^"  ^nd  die  vierte  Wurzel  durch  ,^.  ra."  oder 
„vv^/^  Noch  eine  dritte  Art  von  Wurzelzeichen  entspringt  daraas,  dals 
z.  B.  die  Kubikwurzel  als  ^^radix  secimdae  quantUaiis^^  auch  angedeutet 
werden  kann  durch  ^^radix  56.",  doch  macht  Scheubel  von  dieser  Art  der 
Bezeichnung  keinen  weiteren  Gebrauch.  Zunächst  behandelt  Scheubel  den 
„ÄlgorUhmus  de  surdis  quadratorum" ,  d.  h.  das  Multiplizieren,  Dividieren, 
Addieren  und  Subtrahieren  von  Quadratwurzeln.  In  unserer  heutigen  Zeichen- 
sprache lauten  die  hierbei  zu  Grunde  gelegten  Regeln: 

1)  Ya-  yb  =  y^b 5       2)  yä:  yb  =  ]/j; 

3)  ^0"+  yb  =  Va  +  h  +  yTah    4)  Vo"—  j/ö  =  Va  +  b  — l/T^^ 

Doch  verwendet  Scheubel  die  beiden  letzten  Formeln  nur  in  beschrftnktem 
Mafse,  so  giebt  er  als  Resultat  der  Addition:  „ra.  15  ad  ra.  17**  wohl  die 
Zahlform  „ra.  col.  32  -|-  ^1020  an^^),  doch  f&gt  er  hinzu:  ^^AddwUwr  hmts- 
modi  numerorum  surdorum  mdices  commodius  per  particulatn  iüom  Plus, 
uel  per  eius  Signum  -|-,  quod  idem  est,  sie  til  17  -{-  m.  15."  Sind  aber 
diese  zu  addierenden  Wurzeln  „commensurabel  ^^)>"  so  kann  die  Addition  in 
einfacherer  Weise  vollzogen  werden  nach  dem  Schema 

1/ä7?  +  yÄTft»  =  yjfc  (a  +  6)* . 

Als  AbschluTs  der  Darlegung  einer  jeden  Operation  verweist  Scheubel  dv- 
auf,  dafs  die  inverse  Operation  „eso^men"  zu  ihr  ist. 

In  ganz  analoger  Weise  wie  das  eben  skizzierte  Rechnen  mit  Oiudrat- 
wurzeln  behandelt  Scheubel  weiterhin  das  Rechnen  mit  Wurzeln  dritten 
und  vierten  Grades,  nur  begnügt  er  sich  hier  bei  der  Addition  und  Sub- 
traktion incommensurabler  Wurzeln  ausschliefslich  mit  dem  einfachen 
Aggregate,  d.  h.  er  giebt  die  den  obigen  Formeln  3  und  4  entsprecheoden 
Formeln  nicht,  dagegen  zeigt  er  bei  der  Multiplikation  und  Division  der 
Wurzeln  vierten  Grades  in  einem  Anhange  die  Multiplikation  und  Dirisios 
ungleichnamiger  Wurzeln.  Ebenso  ist  auch  die  nun  folgende  Darstellung 
des  „Algorithmus  de  Binomiis  et  Residuis"  dem  Bisherigen  voUst&ndig  ent- 
sprechend. Die  Begriffe  „Binomium"  und  „Residuum^^  oder  „Apotome"  legt 
Scheubel  mit  Bezugnahme  auf  Euklid  X,  36  und  73  fest.    Hervorzuhebea 


74)  In  Betreff  der  Formeln  3  und  4  verweist  Schbubsl  auf  Eukud  II,  ^  '• 
an  welchen  Stellen  er  deren  Berechtigung  darlegt. 

76)  „Radix  collecti  32  +  /1020"  d.  h.  ^32  +  |/iÖ20 . 

76)  „Äc  commensurabiles  quidem  sunt,  gut  eUieuius  communis  numeri  diuifioi^ 
ad  quadratos  red%tci  possunt"  (p.  37). 


JohanneB  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhnnderts.    461 

wäre  etwa  nur  die  mit  Bezugnahme  auf  Euklid  YII,  17  aufgestellte  Form 

der  Division: 

w  j:  n^_  (m  ±  n)  (p  :p  q) 

p  ±  «      (p  ±  «)  (p  T  3)  * 

Schliefslich  behandelt  Scheubel  noch  in  einem  besonderen  Abschnitt 
das  Wurzelausziehen  aus  Binomen  und  Residuen,  und  giebt  zu  diesem 
Zwecke  nach  Euklid  X  die  bekannte  Einteilung  derselben  in  je  sechs  Ord- 
nungen. Das  Wurzelausziehen  selbst  wird  nach  einem  „canon  generalis^^ 
Yollzogen,  der  in  unserer  heutigen  Zeichensprache  lauten  würde: 

Ist  Y^>  Yh, 

so  ist  

Begnügt  sich  Scheubel  dabei  auch  zunächst  mit  der  Probe,  welche  in 
einem  nachherigen  Quadrieren  des  erhaltenen  Resultats  besteht,  so  verweist 
er  doch  am  Schlufs  noch  auf  eine  andere  Methode,  nach  welcher  auf  alge- 
braischem Wege  eine  solche  Wurzel  ausgezogen  werden  kann.  In  unsere 
heutige  Zeichensprache  übersetzt  lautet  diese  leicht  durchsichtige  und  auch 

schon  von  Stifel  gebotene  Methode:    Soll   aus  dem  Ausdruck  Ya  +  Y~b 

die  Quadratwurzel  gezogen  werden,  und  ist  ya>  yT,  so  bestimme  man 
die  beiden  Unbekannten  x  und  y  aus  folgenden  beiden  Gleichungen: 


«  +  y  =  ]/a,  und  ary  =  J  6,  dann  ist  r  V^+  Y^  "^  V^lh  Vv- 
Am  gegebenen  Orte^^)  zieht  Scheubel  nach  dieser  Methode  die  Wurzel  aus 
je  einem  Binom  zweiter  und  dritter  Art,  und  je  einem  Residuum  zweiter 
nnd  sechster  Art;  hierzu  wählt  er  Beispiele,  welche  er  schon  nach  dem  „canan 
generalis"  behandelt  hat.  Da  aber  Scheubel  nirgends  auf  Gleichungen  mit 
zwei  Unbekannten  eingeht,  werden  auch  hier  diese  Beispiele  mit  einer  Un- 
bekannten gelöst,  und  zwar  erreicht  das  Scheubel  wie  Stifel  einfach  durch 
folgende  Proportion  ä  :  -J^y^  =  \Y^'  (V^  ~"  ^)- 

Habe  ich  damit  Scheubel's  Behandlung  der  Irrationalgröfsen  darge- 
stellt, so  mufs  ich  noch  kurz  auf  das  Urteil  Treutlein's  über  diesen  Teil 
der  ScHEUBEL'schen  Algebra  eingehen.  Dieses  Urteil  lautet:  „In  der  Be- 
handlung der  Irrationalgröfsen  ist  ihm  offenbar  Rudolff  Vorbild,  so  dafs 
gegen  Stifel  ein  Rückschritt  stattfindet''^^).     Auch  dieses  Urteil  kann  ich 

77)  p.  a6/67. 

78)  VergL  a.  a.  0.  p.  20.  Dem  oben  dtierten  Urteile  folgt  der  Satz:  „die 
Einxelheiten  werden  geeigneten  Ortes  zur  Besprechung  kommen".  In  dem  Ab- 
schnitt III,  der  Yom  Rechnen  mit  Irrationalen  handelt,  sucht  man  aber  in  Betreff 
Vierer  Frage  yergeblich  nach  konkreten  Belegen  des  allgemeinen  Urteils. 


462  H.  Staigmüner: 

in  seinem  zweiten  Teile  nicht  unbedingt  als  berechtigt  ansehen.  Wohl  ist 
RuDOLFF  das  Vorbild  Scheubel^s,  dagegen  kann  ich  bei  letzterem  nirgends 
in  der  Behandlung  des  Irrationalen  einen  thats&chlichen  Rückschritt  gegen- 
über Stifel  finden.  Selbstverständlich  können  wir  nicht  erwarten,  dab 
ScHRUBEL  auf  den  76  Seiten  seiner  Algebra  eben  so  viel  bietet  als  Stifbi, 
auf  den  638  Seiten  seiner  Arithmetica  integra,  und  dann  dürfen  wir  vor 
allem  bei  der  Beurteilung  des  ScnEiiBEL'schen  Werkes  dessen  Zweck  nicht 
aus  dem  Auge  verlieren.  Dieser  Zweck  bedingt  es  z.  B.,  dafe  Schedbel 
der  Hauptsache  nach  nicht  über  die  Wurzeln  vierten  Grades  hinausgeht, 
und  dieser  Zweck  ist  vor  allem  auch  bei  der  Art  und  Weise  der  Anord- 
nung und  Darstellung  des  Stoffes  ausschlaggebend  gewesen. 

Als  Anhang  giebt  Scheubel  seiner  Algebra  auf  22  Seiten  eine  Samm- 
lung von  28  Textaufgaben  bei,  deren  Lösung  meist  durchgeführt  wiri   In 
Betreff  dieses  Anhangs  möchte  ich  nur  das  folgende  kurz  erwähnen.    Gldeh 
das  erste  Beispiel  knüpft  an  ein   rechtwinkliges  Dreieck  an,   dessen  Seiten 
sich  als  Residuen  darstellen ;  im  zehnten  Beispiel  ^^  wird  der  goldene  Schnitt 
algebraisch  behandelt.     Nach   dem  zwanzigsten  Beispiele  schiebt  Scheübrl 
fünf  Aufgaben  ein,  welche  der  bekannten  griechischen  Anthologie  entnommen 
sind^^).     Obgleich  Scheubel  nirgends  zwei  und  mehr  Unbekannte  verwendet, 
giebt  er  doch  auch  Aufgaben,  wie  z.  B.  folgende  ^^):  Drei  Zahlen  zu  suchen, 
von    denen    die    um    acht  vermehrte    erste   Zahl   gleich   einem   Drittel  der 
Summe  der  zweiten  und  dritten  werde.    Analog  soll:   n  -f-  8  =  i  (I  "f"!^^) 
und  III-[-8==I-|-II  werden.    Solche  Aufgaben  führt  Scheubel,  wie  wir  auch 
schon  oben  gesehen  haben  ^^),  sehr  gewandt  mit  einer  Unbekannten  durch,  doch 
begnügt  er  sich  bei  einigen  der  schwierigsten  der  hierhergehörigen  Beispiele 
mit  der  Angabe  des  Resultats.    Hervorheben  möchte  ich  noch  die  Aufgabe 
Nr.  21:  „Jemand  macht  eine  Reise  und  will  so  viele  Tage  fortbleiben  als 
er  Goldstücke  mit  sich  nahm.     Nun  gevrinnt  er  aber  zu  seinen  Ooldstücken 
jeden  Tag  soviel  hinzu,  als   er  je   am  Morgen   des  betreffenden  Tages  be- 
sitzt und  bringt  auf  diese  Weise  im  ganzen  524-  Goldstücke  zurück.     Wie 
viel  nahm  er  mit?''     Scheubel  löst  diese  Aufgabe  folgenderroafsen :  Hätte 
der  Reisende  drei  Goldstücke  mitgenommen,  so  hätte  er3-|-3-f"6H"  12=  24 


79)  „Eine  Zahl  so  in  2  Teile  zu  teilen,  dafs  das  Quadrat  des  gröfsereo 
Teiles  gleich  dem  Produkte  aus  der  ganzen  Zahl  und  dem  kleineren  Teile  werde/* 

80)  Es  sind  dies  diejenigen  Beispiele,  welche  Zirkel  unter  den  Nummern 
2,  4,  6,  9  und  46  aufführt.  Vergl.  Zirkel,  die  arith.  Epig.  der  griech.  Anth. 
Gyiunasialprogramm.  Bonn  1853.  Schrhrel  giebt  bei  diesen  Aufgaben  anoh  den 
griechischen  Text. 

81)  „No.  6". 

82)  Siehe  S.  466. 


Johannes  Schenbel,  ein  dentscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    463 

Goldstficke  heimgebracht;  hfttte  er  aber  vier  Goldstücke  mitgenommen,  so 
wSre  er  mit  4  +  4  -f  8  +  16  +  32  =  64  Goldstücken  heimgekehrt.  Man 
bezeichne  drum  die  mitgenommene  Baarschaft  des  Beisenden  mit  (3  -{-  x), 
wobei  also  ^  <  1  ist,  so  hatte  der  Reisende  am  Morgen  des  vierten  Tages 
(^3  -f  x)  +  (3  +  x)  +  2  (3  +  ic)  +  4  (3  +  x)  =  (24  +  8  a;)  Goldstücke. 
Im  ganzen  vierten  Tag  würde  er  also  gewinnen  (24  -{-  Sx)  Goldstücke, 
und  wenn  er  in  einem  Tage  (24  -{'  Sx)  Goldstücke  gewinnt,  so  gewinnt 
er  in  x  Tagen  x  -  (24  -^  Sx)  Goldstücke.  Damit  erhält  man  die  Gleichung 
(24  +  80?)  +  a:-  (24  -f  8a;)  =  52^,  welche  den  Wert  x=l  ergiebt.  Der 
Reisende  nahm  also  3f  Goldstücke  mit.  In  dieser  Lösung  liegt  ein  vollständig 
berechtigtes  Nähemngsverfahren  vor,  aber  Soheubel  scheint  von  der  That- 
Sache,  daCs  seine  Lösung  nur  ein  Nftherungsverfahren  darstellt,  kein  Be- 
wnfstsein  gehabt  zu  haben.  Bezeichnet  man  die  gesuchte  Anzahl  der  Gold- 
stücke mit  X,  so  würde  der  Aufgabe  folgende  Gleichung  entsprechen: 
X'2'=  52^,  und  damit  wäre  x  =  3,7915.®*) 

Wir  haben  oben  gesehen^),  wie  Scheubel  bei  der  Lehre  von  den 
Gleichungen  das  Wurzelausziehen  als  bekannt  voraussetzt  und  sich  deshalb 
damit  begnügt,  in  Betreff  dieser  Operation  auf  das  gemeine  Rechnen  zu 
verweisen.  Scheubel  ist  dazu  berechtigt,  denn  schon  in  seiner  Arithmetik 
Tom  Jahre  1545  finden  wir  eine  sehr  eingehende  Behandlung  dieses  Gegen- 
standes, auf  welche  ich  als  notwendige  Ergänzung  der  nun  abgeschlossenen 
Analyse  von  Scheubel's  Algebra  noch  kurz  eingehen  möchte.  Der  Anord- 
nung jenes  Werkes  zufolge  kommt  Soheubel  darin  an  zwei  verschiedenen 
Orten  auf  das  Radizieren  zu  sprechen,  nämlich  im  ersten  und  im  fünften 
Traktate.^).  Im  ersten  Traktate  behandelt  Scheubel  speziell  das  Quadrat- 
und  Kubikwurzelausziehen,  während  er  im  fünften  Traktate  das  Wurzelaus- 
ziehen ganz  allgemein  darstellt  und  bis  zur  24.  Wurzel  auch  praktisch 
verfolgt 

Nachdem  Scheubel  im  ersten  Traktate  die  Praxis  des  Quadratwurzel- 
ausziehens gezeigt  hat,  geht  er  dazu  über,  die  Berechtigung  des  gelehrten 
Verfahrens  darzulegen  und  benützt  dazu  einen  Lehrsatz,  der  in  unserer 
heutigen  Zeichensprache  lauten  würde: 

Sind  a,  h  etc.  je  <  10,  so  ist: 

(10a  +  by=  100a*+  2  •  lOah  +  5*; 
oder  aUgemein 


83)  Vergl.   zu   dieser   Aufgabe   auch:   Gantor,   Gesch.  der   Mathematik.  B, 

84)  Siehe  S.  466. 

85)  Vergl.  fol.  E,  2^  &  folgende  und  fol.  a,  8'  &  folgende. 


464  H.  Staigmfiller: 

(1000a  +  1006+  10c-\-dy=  1000000a*  +  100005*  +  100  c*  +  d* 

+  2  .  100000a6  +  2  •  1000(10a  + 6)c+ 2- 10(100a  +  105+c)(f. 

In  Betreff  dieses  Satzes  beruft  sich  Scheubel  auf:  ^^arUhmetices  demonskataf 
I,  32/^  doch  erläutert  und  beweist  er  denselben  auch  f&r  einen  speziellen 
Fall  durch  eine  geometrische  Figur.  Geht  eine  Wurzelausziehung  nicht 
auf,  so  lehrt  Scheubel  ein  Verfahren,  das  sich  folgendermaCsen  dar 
stellen  läfet.     Ist 

tt*  <  a*  +  5  <  (a  +  1)«,  so  ist  Va*  +  6  ro^  a  +  Yir+~i' 

Zur  .Rechtfertigung  dieses  Verfahrens  fährt  Scheubel  mit  Bemfung  aof 
^^demonsiratae  incerti  autoris  a/rUhmeüces  II,  33^^  den  Satz  an: 

(a*)  +  (2  o  +  1)  =  (a  +  1)', 

durch  welchen  auch  in  der  That  jenes  Nfthemngsverfahren  als  solches  ge- 
rechtfertigt ist,  und  ich  kann  nicht  verstehen,  warum  Treutlein  dies  nieiit 
anerkannt  hat^^).  In  ganz  analoger  Weise  behandelt  weiterhin  Scheubel 
das  Kubikwurzelausziehen.  Der  hier  zu  Grunde  gelegte  Satz  (arithm.  dem. 
I,  39)  lautet 

(100a  -f-  106  +  cY=  1000000a»  +  10006»  +  c» 

-f-3  •  10000a6(lOa  +  6)  +  3  •  lOOac  (lüOa  + 106  +  c) 
4-  3-  106c(l00a+  106 -fc), 

und  das  vorgetragene  Näherungsverfahren  läfst  sich  in  die  Form  kleiden: 
Ist  a»  <  a»  +  6  <  (a  +  l)»,  so  ist 


y  a»  +  6  ~  a  +  ;: 


6 


3a*  +  3o+  1 

Begründet  wird  dieses  Nftherungsverfahren  durch  den  Satz  (arith.  dem.  II,  34) 
a»  +  {(a  +  1)»  +  o«  +  (a  +  1)«}  =  («  +  1)». 

Auch  diese  Begründung  ist  vollständig  durchsichtig. 

Im  fünften  Traktate  lehrt  Scheubel  die  Praxis  des  Ausziehens  einer 
beliebigen  Wurzel  und  stellt  nach  einigen  einleitenden  Bemerknogen  eio 
Schema  der  Binomialkoefßzienten  bis  zum  16.  Grade  auf,  für  dessen  Bil- 
dung er  folgende  Vorschrift  giebt:  „Schreibe  die  natürliche  Zahlenreihe  vom 

2  Zweier  ab  zweimal  so  an,  da&  beide  Beibes 

3  3  im  Zweier  zusammenstofsen  und  einen  Win- 

• 

4            6  4                kel  bilden.     Addiere    nun  immer  je  zwei 

5          10         10  5           nebeneinander  stehende  Zahlen  und  schreib« 

6         15          20  15         6     die   Summe   unter   die   addierten  Zahlen' 

etc.  Durch    diese    Vorschrift    erh&lt   man  ^ 


86)  Das  Zeichen  „^^^^  möge  bedeaten:  „ann&henid  gleich". 

87)  Vergl.  Tbkutueih,  das  Rechnen  im  16.  Jahrhonderi    A.  a.  0.  p.  <»? 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVT.  Jahrhunderts.    465 

nebenstehende  Schema.  Eine  weitere  Tabelle  enthält  die  zehn  ersten-  Po- 
tenzen der  Zahlen  1 — 9.  Dnrch  diese  beiden  Beigaben  ist  nun  Scheubbl  in 
den  Stand  gesetzt,  die  allgemeine  Regel  für  das  Wurzelaasziehen  zu  voll- 
enden und  in  einer  grofsen  Zahl  von  Beispielen  bis  zum  vierundzwanzigsten 
Grade  hinauf  durchzufuhren.  Geht  die  Wurzel  nicht  auf,  so  empfiehlt 
ScHEUBEL  das  folgende  Verfahren:  Ist 

a»  <  a"  +  6  <  (a  +  1)", 
so  ist 

Zwar  kennt  Scheubel  auch  dasjenige  Verfahren,  das  die  folgenden  Gleichung: 


zum  Ausdrucke  bringt,  und  es  ist  mir  unerklärlich,  dafs  Drobibch  und 
Tkeutlein  die  Bekanntschaft  mit  diesem  Verfahren  nicht  auch  Scheubel 
zuschreiben^).  Allerdings  wenn  Scheubel  dieses  Verfahren  auch  kennt 
und  in  der  Theorie  billigt,  so  verwirft  er  dennoch  seine  Anwendung  im 
praktischen  Rechnen  mit  folgenden  Worten:  „Wenn  ich  dieses  Bestreben 
auch  nicht  ganz  verwerfe,  wodurch  jene  näher  an  die  Wahrheit  zu  gelangen 
versuchen.  Während  es  doch  ausgemacht  ist,  die  Sache  Hege  so,  dafs  sie 
nicht  erreicht  werden  kann,  so  wollte  ich  doch  lieber  da  stehen  bleiben,  wo 
die  Unmöglichkeit  zu  Tage  tritt,  als  in  leerer  Neugierde  weiterschreiten  um 
ein  Ziel  zu  erstreben,  das  bekanntermafsen  nicht  erreicht  werden  kann.^^^^) 
Ich  habe  diese  Begründung  deshalb  so  ausführlich  gegeben,  um  zu  zeigen, 
wie  völlig  haltlos  ein  Vorwurf  ist,  welcher  von  Drobibch  gegen  Scheubel 
erhoben  und  von  Treutlbin  nicht  unbedingt  zurückgewiesen  wurde,  nämlich 
der  Vorwurf,  Scheubel  habe  in  dem  oben  dargelegten  Näherungsverfahren 


88)  Vergl.  Tbeutlsih,  das  Bechnen  etc.  p.  70. 

89)  Hierbei  handelt  es  sich  zunächst  um  höhere  Wurzeln.    Das  einfachste 

Beispiel,  das  hier  Sohsubbl  behandelt,  lautet  y 8  760  864 ;  mit  6 stelligen  Loga- 
rithmen berechnet  ist  diese  Wurzel  gleich  64,389,  während  Scheubel's  Methode 
eisen  Wert  g^ebt,  der  nur  in  der  letzten  Stelle  davon  abweicht.  Wollte  man 
also  durch  Anhängen  von  Nullen  ,/Läher  an  die  Wahrheit  gelangen,"  so  müfste 
man  nicht  weniger  als  12  Nullen  anhängen.  Ein  praktischer  Versuch,  aus  der 
Qon  19 stelligen  Zahl  die  vierte  Wurzel  auszusieben,  zeigt,  dafs  Scheubbl  im 
Rechte  ist,  wenn  er  weiterhin  bemerkt,  dafs  man  da  seine  Zeit  doch  besser  an- 
wenden könne,  und  dabei  ist  das  angezogene  Beispiel  noch  das  einÜEMshste  von 
denjenigen,  die  in  Betracht  kommen. 

Abh.  BOT  Getoh.  d.  Matham.  IX.  30 


466  H.  Staigmäller: 

den  "Wert  a  -f  ^ — Xl  ^^^  ^^^  wirkliche  Wurzel  aus  (a*  +  h)  gehalten.") 

Doch  nicht  nur  aus  dieser  und  noch  einer  ganzen  Beihe  anderer  Stellen  geht 
unzweideutig  hervor,  dafs  Scheubel  den  Näherungscharakter  des  yon  ihm 
gelehrten  Verfahrens  kannte,  sondern  hei  der  Darlegung  jenes  Verfahrens 
selbst  im  fünften  Traktate  schreibt  Scheubel  ganz  unzweideutig:  „üf 
demonstrat  propositae  quantUatis  radicem  utcunque  aique  proximam^^^)  und  hier 
endlich  nennt  Scheubel  auch  die  Quelle,  welche  er  im  ersten  Traktate  so  oft 
citiert:  .^Algorithmus  demonstratus  incetii  autoris.^^)  Es  handelt  sich  also  hier- 
bei augenscheinlich  um  dasjenige  Werk,  welches  Johannes  Schöner  im  Jahre 
1534  unter  eben  diesem  Titel  nach  einem  Manuskripte  Begiomomtans  bei 
Peikejus  in  Nürnberg  herausgab^'),  und  als  dessen  Verfasser  mit  höchster 
Wahrscheinlichkeit  Jordanus  Nemorarius  nachgewiesen  ist.^) 

Bei  aller  Verschiedenheit  der  STiFEL'schen  und  ScHSUBEL'schen  Dar^ 
Stellung   des  Wurzelausziehens   bieten   beide   doch  manche  auffallende  Be- 
rührungspunkte  dar,   so  dafs  sich   die  Frage  nicht  umgehen  Iftüst:   wie  ist 
dieses  teilweise  Übereinstimmen  zu  erklären?  Die  Antwort  auf  diese  Frage 
mufs  unbedingt  dahin  lauten:  dadurch,  dafs  beide  aus  den  gleichen  Quellen 
schöpften.     Schon  die   so   nahe  bei  einander  liegenden  Datierungen  beider 
Werke    lassen    eine    tiefgehende   Abhängigkeit  des   jüngeren    vom   älterem 
kaum   annehmen,   erschien  doch   das  STiFEL'sche  Werk   im  Jahre  1544  m 
Nürnberg,    während    das   Scheube Lösche  Werk   schon   im   Mai    1545    seine 
Leiziger  Druckerei  verliel's,  und  zwar  als  Erstlingswerk  eines  damals  nodi 
völlig  unbekannten  Tübinger  Magisters,  dessen  Manuskript  sicher  nicht  noch 
feucht  schon  einen  Drucker  fand.     Noch  mehr  aber  spricht  eine  eingehende 
Vergleichung   beider   Werke   gegen   die   Annahme    einer  Abhängigkeit   des 
einen  vom   andern.     So  weifs  z.  B.  das   STiFEL'sche  Werk   bei  der   Lehre 
vom   Wurzelausziehen  ^*)  nichts  von  jener   Scheube Loschen  Formel   fÄr  die 
nte  Wurzel  aus  (a"  -|~  ^)i  ^^^  <^oc^  ^^^^  diese  Formel  eine  eingehende  Kenntnis 
der  Binomialkoeffizienten  voraus,  welche  Scheubel  deshalb  nicht  wohl  erst 
dem    STiFEL'schen    Werke    entnehmen    konnte.      Ebenso    tritt    überall    bei 


90)  Vergl.  Tbeutlein,  das  Rechnen  etc.  p.  67. 

91)  „Dies  zeigt  die  Wurzel  der  vorgelegten  Gröfse,  soweit  dies  immer  mög- 
lich ist,  und  zwar  eine  sehr  nahe".     (Vergl.  fol.  d,  6'.) 

92)  Vergl.  fol.  d,  6\ 

93)  Leider  konnte  ich   dieses  Werk  zur  ^Vergleichung  weder  auf  der  Stutt- 
garter noch  auf  der  Tübinger  Bibliothek  erhalten. 

94)  Vergl.  Cantob,  Gesch.  der  Math.  II.  p.  68  und  663. 

95)  Dagegen  legt  Stifkl   an  einem  andern  Orte  ein  Verfahren   zu  Grunde, 

das  von  dem  Gedanken  ausgeht  ya*  -{-  b  r^  a  -}-  i —  Vergl.  Arith.  integ.  fol.  209^. 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XYI.  Jahrhunderts.    467 

ScBEUBEL  ein  Vertrautsein  mit  der  Theorie  und  vor  allem  mit  der  Praxis 
des  Ansziehens  höherer  Wurzeln  zu  Tage,  das  sich  unmöglich  von  heute  auf 
morgen  erwerben  lä&t.  Dazu  nennt  auch  Scheubel  dieses  Ausziehen  eine 
Sache:  eHamnum  non  admodum  trita  neque  ttöttofa/'^)  So  hätte  Scheubel 
unmöglich  schreiben  können,  wäre  ihm  das  STiFBL^sche  Werk  vorgelegen. 
Es  tritt  uns  eben  in  diesen  parallelen  Leistungen  Stifel's  und  Scheubel's 
eine  Erscheinung  entgegen,  welche  die  Geschichte  der  Wissenschaften  sehr 
oft  zeigt. 

Hiermit  habe  ich  auch  die  spezielle  Übersicht  über  die  Leistungen 
Scheubel's  in  der  Algebra  beendigt;  und  yersuchen  wir  nun  auf  Grund 
derselben  ein  Gesamtbild  von  Scheubel  als  Mathematiker  speziell  als  Al> 
gebnüker  zu  entwerfen,  so  müssen  wir  uns  vor  allem  hüten,  nicht  durch 
Anlegung  eines  modernen  Mafsstabes  unhistorisch  zu  verfahren.  Wenn  wir 
z.  B.  bei  Gemica  Frisius   5  Jahre  früher  als  bei  Scheubel  jenes  Verfahren 

finden,  das  durch  die  Formel  Va^-j-fe  «^  a  +  \*  gekennzeichnet  wird, 
SO  sind  wir  von  unserem  heutigen  Standpunkte  aus  nur  zu  leicht  ge- 
neigt, in  der  Übertragung  desselben  Verfahrens  auf  die  Wurzel  )/a**  -|-  ^ 
etwas  Selbstverständliches  zu  sehen.  Zeigt  uns  aber  die  Geschichte  auf  der 
einen  Seite  jenes  erste  Verfahren  schon  ein  halbes  Jahrtausend  früher  bei 
Alkarchi,  auf  der  andern  Seite  aber  eben  Niemand,  der  in  der  langen 
Zwischenzeit  jenen  „selbstverständlichen"  Schritt  that,  so  wird  uns  jener 
Schritt  doch  in  einem  etwas  anderen  Licht  erscheinen,  und  wenn  ich  auch 
nicht  behaupten  kann  und  will,  dafs  Scheubel  den  ganzen  Schritt  allein 
von  sich  aus  that,  weil  uns  derselbe  bei  ihm  zum  ersten  Male  entgegentritt, 
so  kann  ihm  doch  das  Verdienst  nicht  abgesprochen  werden,  an  der  Ver- 
allgemeinerung, welche  jener  Schritt  bedeutet,  erfolgreich  mit  gearbeitet  zu 
Haben.  Und  wie  es  sich  hier  bei  einem  beliebig  herausgegriffenen  Beispiele 
verhält,  so  verhält  es  sich  auch  überall  da,  wo  wir  in  der  vorliegenden 
Analyse  der  Sgheube Loschen  Werke  etwas  Ähnlichem  begegneten  ^^).  Wir  dürfen, 
wollen  wir  anders  eine  historisch  gerechte  Würdigung  Scheubel's  durchfähren, 
denselben  nicht  aus  seiner  geschichtlichen  Umgebung  herausreifsen,  sondern 
müssen  ihn  betrachten  als  einen  „deutschen  Algebraiker  des  XVI.  Jahr- 
hunderts". 

Noch  hatte  damals  ctie  Algebra  kaum  aufgehört  eine  Art  Geheimlehre 
zu  sein,  die  dem  Eingeweihten  es  ermöglichte,  nach  festüberlieferten  Regeln 

96)  Vergl.  fol.  d,  7'. 

97)  Leider  erlanbt  es  mir  der  mir  hier  zur  VerfQgung  stehende  Raum  nicht, 
in  ausgedehnterem  Mafse  solchen  Vergleichungen  Scheubbl's  mit  seinen  Vor- 
gängern nachzugehen. 

80* 


468  H.  StaigHLflUer: 

Anfgaben  aufzulösen,  Tor  denen  jeder  Nichieingeweihie  Halt  machen  mnlsie; 
noch  war  es  möglich,  dafs  ein  Meister  wie  Riebe,  dem  das  Spridiwort  Un- 
sterblichkeit Terlieh,  bei  der  Lösong  quadratischer  Gleichungen  Ton  einer 
verfehlten  Formel  ausgehen  konnte.  Hier  war  es  schon  ein  hohes  Verdienst, 
wenn  ein  Mann  das  gesamte  da  und  dort  in  Deutschland  zu  hebende  Wissen 
in  Algebra  in  sich  aufnahm,  und  die  Zahl  derer  ist  klein,  welche  in  Deutsch- 
land damals  auch  nur  dieses  Verdienst  in  Anspruch  nehmen  konnten. 
ScHEUBEL  blieb  aber  hierbei  nicht  stehen,  sondern  er  mehrte  auch  das  über- 
kommene Erbe  an  wichtigen  Punkten.  Während  weiterhin  die  überwiegende 
Mehrzahl  der  Vertreter  der  Algebra  im  XVI.  Jahrhundert  in  Deutschlud 
aus  der  Praxis  der  Bechenschulen  hervorgegangen  war,  und  sich  deshalb. 
wenn  ich  so  sagen  darf,  mit  einer  zunftm&fsigen  Ausübung  ihrer  Kumt 
begnügte,  tritt  uns  dagegen  in  Scheubel  ein  Mathematiker  entgegen,  der, 
durch  die  strenge  Schule  Euklid's  gegangen,  auch  in  der  Darstellung 
der  Arithmetik  und  Algebra  die  Verpflichtung  fühlte,  nicht  nur  Begeh 
aufzustellen,  sondern  sie  auch  zu  beweisen,  sei  es,  daüs  er  zu  diesem 
Zwecke  da  und  dort  her  solche  Beweise  zusammentrug,  sei  es,  dafs  er  seli^ 
versuchte  solche  Beweise  aufzustellen.  In  dieser  grundsätzlichen  Einfiduw 
und  Durchführung  des  Beweises  in  den  Gebieten  der  gemeinen  Arithmetik 
und  der  deutschen  Cofs  liegt  ein  weiteres  Hauptverdienst  Scheubel's,  ein 
Verdienst,  an  dem  nur  sehr  wenige  Zeit-  und  Volksgenossen  ScHEUBixi 
einen  Anteil  haben,  und  keiner  von  ihnen  hat  daran  einen  so  grofsen  Anteil 
wie  Scheubel.  Welch  hervorragende  Bedeutung  Scheubel  auf  dem  Gebiete 
des  mathematischen  Unterrichts  in  Deutschland  beizulegen  ist,  und  zw&r 
sowohl  des  wissenschaftlichen  Hochschulunterricht«  als  auch  des  praktisebto 
ünterichts  in  den  Bechenschulen,  habe  ich  oben  gezeigt  und  dafs  schliefs- 
lieh  auch  in  seinem  Wirkungskreise  als  Hochschullehrer  Scheubel  nicht  ohn^ 
Erfolg  thätig  war,  das  dürfen  wir  aus  dem  ebenfalls  schon  angezogenen  Ur- 
teile Mästlim's  schliefsen,  jenes  Mastlin's,  der  selbst  wieder  der  Lehrer 
Kepler^s  war. 

Blicken  wir  unter  den  deutschen  Algebraikem  des  XVL  JahrhnndeHs 
uns  um,  so  tritt  uns  nur  einer  entgegen,  der  Scheubel  an  die  Seite  ge- 
stellt werden  kann:  Michael  Stifel.  Es  war  nicht  in  meiner  Absicht,  bei 
der  Darstellung  der  Leistungen  Scheubel's  die  Leistungen  Stifel's  als  Mafs- 
stab  zu  Grunde  zu  legen,  aber  die  nach  meiner  Überzeugung  unzutreffend«? 
Beurteilung  Scheubel's  durch  Treutleik  zwang  mich  mehrfach  anf  ebe 
Gegenülierstellung  beider  Forscher  einzugehen.  Doch  lag  mir  dabei  nichu 
femer  und  liegt  mir  nichts  femer,  als  Stifel's  wohlverdienten  BqIud 
schmälern  zu  wollen.  Nein,  auch  ich  halte  den  Autodidakten  Stifel  für 
den  genialeren  Ton  beiden,  und  nur  iiuXisere  Umstände  lieCsen  Stifel  mcht 


Johannes  Scheubel,  ein  deutscher  Algebraiker  des  XVI.  Jahrhunderts.    469 

zur  Yollen  Entfaltung  und  vor  allem  zur  strengen  Konzentration  seiner 
geistigen  Kräfte  auf  dem  Gebiete  der  Mathematik  gelangen.  Aber  eine 
Erwägung  der  Frage,  was  hätte  Stifel  an  Scheubel's  Stelle  geleistet,  kann 
darum  dennoch  in  keiner  Weise  Scheubel's  Verdiensten  Abbruch  thun.  Nur 
was  war,  und  nicht  was  hätte  sein  können,  ist  Objekt  der  Geschichte,  und 
so  zeigt  uns  dieselbe,  dafs,  wenn  auch  nicht  als  Algebraiker,  so  doch  als 
Mathematiker  im  Ganzen  Stifel  hinter  Scheubel  zurücktreten  mufs.  Treffend 
bemerkt  Caxtor^)  über  den  „Geometer"  Stifel:  „Von  einer  Ausfuhrung 
dieser  Absicht  (nämlich  eine  Geometrie  zu  schreiben)  ist  nichts  bekannt, 
wir  haben  indessen  keinen  Grund,  das  unterbleiben  besonders  zu  beklagen, 
wenn  wir  die  einzige  Stelle  betrachten,  an  welcher  Stifel  als  eigentlicher 
Geometer  sich  kundgiebt."  Doch  dürfen  wir  auf  der  andern  Seite  Stifel 
diesen  Mangel  nicht  besonders  hoch  anrechnen,  ist  derselbe  doch  durch 
dessen  Bildungsgang  bedingt.  Erst  in  reiferen  Jahren  führten  mystische 
Zahlengrübeleien  den  früheren  Mönch  zur  Algebra  hin,  und  die  Thatsache, 
wie  er  sich  hier  einarbeitete  und  gar  bald  nicht  blofs  das  ganze  Gebiet  der 
damaligen  Algebra  vollkommen  beherrschte,  sondern  auch  zielbewufst  in 
selbstthätiger  Weise  in  die  um-  und  Weiterbildung  dieser  Algebra  eingriff, 
wird  ihm  an  und  für  sich  schon  stets  einen  hervorragenden  Platz  in  der 
Geschichte  der  Mathematik  des  XVI.  Jahrhunderts  in  Deutschland  sichern. 
Möge  es  mir  gelungen  sein  zu  zeigen,  dals  in  eben  dieser  Geschichte  der 
Mathematik  des  XVI.  Jahrhunderts  in  Deutschland  auch  Johannes  Scheubel 
einen  Platz  verdient:  nicht  über,  nicht  unter,  sondern  neben  Michael  Stifel. 
Eingedenk  einer  Mahnung  Goethe's  möchte  ich  aber  meine  Arbeit  nicht 
mit  einer  Gegenüberstellung  und  Abwägung  der  Verdienste  dieser  beiden 
Männer  abschliefsen,  sondern  mit  dem  Ausdruck  der  Freude  darüber,  dafs 
die  deutsche  Algebra  des  XVI.  Jahrhunderts  doch  wenigstens  solche  Vertreter 
besafs  wie  Michael  Stifel  und  Johannes  Scheubel. 


98)  Vergl.  Cahtob,  Gesch.  d.  Math.  II,  p.  403. 


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MATHEMATIK  BEI  DEN  JUDEN 

(1501-1550) 


VON 


MORITZ  STEINSCHNEIDER 

IM    BERLIN. 


ä 


Unter  obiger  Überschrift  habe  ich  in  der  von  G.  Eneström  in  Stock- 
holm herausgegebenen  ,^ibliotheca  Mathematica",  seit  1893,  chronologisch 
geordnete  Notis&en  über  Gelehrte  jüdischer  Abknnft,  insbesondere  Autoren 
und  Schriften,  als  Materialien  zur  Geschichte  der  Wissenschaft  und  Kultur 
zusammengestellt.  Ich  bin  nunmehr,  Ende  des  Jahres  1898,  dort  erst  bis 
gegen  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  gelangt,  zugleich  fast  an  dem  Schlufs 
meines  83.  Lebensjahres;  also  darf  ich,  bei  dem  beschränkten  Baum,  den 
mir  der  liberale  Herr  Redakteur  gönnen  kann,  nur  sehr  zweifelhaft  an  die 
Fortfahrung  jener  Notizen  bis  zu  Ende  des  Mittelalters  denken,  welche  ich  mir 
dort  als  Ziel  gesteckt  habe.  Meine  Aufzeichnungen  reichen  allerdings  bis 
zum  Jahre  1840,  aber  die  Neuzeit,  deren  Anfang  ich  hier  als  ein  Specimen 
gebe,  unterscheidet  sich  vom  Mittelalter  derart,  dafs  die  allgemeinen  Be- 
merkungen, womit  ich  meine  Zusammenstellung  eröffiiete,  hier  einigermafsen 
zu  modifizieren  w&ren;  doch  mufs  ich  mich  darüber  auf  weniges  beschränken. 

Wir7haben  es  hier  mehr  mit  hebräischen  Drucken  zu  thun,  worüber 
bessere  Auskünfte  in  einigen  Katalogen  (Bodleiana,  Brit.  Museum,  Rosen- 
thal in  Amsterdam,  Benjacob,  Thesaurus,  Wilna  1862  —  vor  Först's 
Bibliotheca  Judaica  mufs  ich  warnen)  zu  finden  sind.  In  Bezug  auf  Hand- 
schriften, die  noch  immer  beachtenswert  sind,  findet  sich  Näheres  über  die 
hier  kurz  bezeichneten  Bibliotheken  und  Kataloge  in  meinen  „Vorlesungen 
über  die  Kunde  hebräischer  Handschr."  Leipzig  1897  (XIX.  Beiheft  zum 
Oentralblatt  für  Bibliothekswesen). 

Was  den  Inhalt  der  vorzuführenden  Schriften  und  dessen  Origina- 
lität betrifft,  so  erstreckt  sich  die  Thätigkeit  Einzelner  noch  immer  auf 
alle  Gebiete  der  Theorie  und  Anwendung;  und  diejenigen,  die  noch  immer 
das  Problem  von  der  Ausgleichung  des  Sonnen-  und  Mondjahres  auf  Grund- 
lage der  unantastbaren  traditionellen  Normen  im  Aufstellen  gröfserer  Ka- 
lendercjkeln  zu  lösen  suchen  und  dabei  jüngere  Beobachtungen  und 
fremde  astronomische  Tabellen  benutzen,  so  wie  die  Bearbeiter  kürzerer 
Kalenderperioden,  bekunden  doch  in  der  Regel  mehr  oder  weniger  Bekannt- 
schaft mit  den  derzeitigen  astronomischen  Theorien  überhaupt  und  mit  ein- 
zelnen nicht  jüdischen  Autoren  und  Schriften  insbesondere,  wofür  sie  als 
zeitgenössische  Quelle  herangezogen  zu  werden  verdienen. 


474  Moritz  Steinschneider: 

Eine  mehr  detaillirte  Charakteristik  einzelner  Länder  nnd  Periodm 
steht  mit  der  politischen  Geschichte  der  Juden  nnd  der  ihrer  Litteratoi  in 
zu  enger  Verbindung,  um  in  dieser  vorzugsweise  bibliographiscbeo 
Vorarbeit  auch  nur  skizziert  zu  werden. 

Ich  schliejfse  diese  Vorbemerkungen  mit  einer  Hinweisung  anf  die  Dif- 
ferenz des  Jahresanfangs  im  jüdischen  und  christlichen  Kalender,  so 
dals  das  Jahr  5261  noch  im  Herbste  1500  beginnt,  und  in  vielen  Filkn 
auf  genauere  Feststellung  des  Datums  zu  verzichten  ist. 

1501  Ms.  Schönblüm  (im  J.  1867):  Ibranot,  s.  unter  1412. 

1503  Kalenderregelu  beginnend  mit  dem  J.  5264;  Ms«  Michael  bii 
(Nbübaubr  1171  m). 

1504  Kalendarisches,  im  Oebetscjklus ,  Ritus  Bomagna,  gedmckt 
(Näheres  in  Hebr.  Bibliogr.  VH,  120,  XI,  17,  56,  105,  XVH,  107,  XIX,  31: 
vgl.  XX,  121). 

1504  Josef,  Sohn  des  Samuel,  des  Leibarztes  Papst  Julius  U., 
dessen  eigenes  Diplom  v.  J.  1504,  im  J.  1524  erneuert  wurde,  wird  aucli 
als  Mathematiker  bezeichnet;  doch  scheint  er  Nichts  veröffentlicht  zu  haben 
(Quellen  bei  Vooelstein  und  Bieger,  Geschichte  der  Juden  in  Rom  II,  85). 

1506  (5267)  beginnen  Tabellen  in  Ms.  Mich.  469  (Nbüb.  902*). 

1512—7  Tafeln?  s.  1559. 

1513  erschien  die  erste  wenig  bekannte  Ausgabe  von  Augüstinis 
Ricius,  De  motu  octavae  spherae^  opus  maffiemalicd  atque  j^niosofkiä 
plemmn ;  ejusdem  de  astronomiae  autoribus  (so)  epistola  (s.  RoNCOMPAONif  Bol- 
lettino  V,  1872  p.  469);  diese  erste  Ausgabe  ist  nicht  erw&hnt  in  d(f 
jüngeren  4.  Lutetiae  1521,  welche  meinem  weitläufigen  Artikel  im  CaUl. 
libr.  hebr.  Bodl.  col.  2143 — 45  zu  Grunde  liegt;  wozu  weiteres  über  den 
Verf.  (einen  Schüler  des  bekannten  Abraham  Sacut,  den  ich  schon  im 
Magazin  f.  d.  Lit.  d.  Auslandes  1848  S.  280  als  geborenen  Juden  erkannt«), 
über  das  Thema  und  die  Citate  des  Buches  s.  Zeitschr.  DMG.  YIU,  178, 
XXIV,  374,  XXV,  420.  Den  Anhang  (Epistola),  welcher  den  jüdischen  Ur- 
sprung der  Astronomie  beweisen  sollte,  ist  der  Herausgeber,  als  unwesent- 
lich und  (I)  weil  er  abhanden  gekonunen  ist,  schuldig  geblieben. 

1518  erschien  „Ain  neu  geordnet  Bechenbüchlein  mitt  (sie)  den  zyfeni: 
den  angenden  [für  angehenden]  schülem  zu  nutz  u.  s.  w.  durch  Joak 
BoBSGHEMSTEYN  You  EfsHugeu  priester'^  u.  s.  w.     Augspurg  1518.  4®. 

Panzbr,  Zusätze  S.  150  n.  924"".  Das  Exemplar  Heysb's  (Bacher 
schätz  n.  301),  das  die  k.  Bibliothek  in  Berlin  mit  der  ganzen  Sanunlnng 
erworben  hat,  liegt  mir  vor.    Boeschbnsteik  war  ein  Lehrer  des  Hebriüschen 


Mathematik  bei  den  Jaden  (1601—60).  475 

(s.  die  Quellen  in  meinem  Katalog  der  bebr.  Handschr.  in  München,  2.  Aufl. 
1895  n.  401,  Zusätze  zn  meinem  Handbuch  u.  s.  w  im  Centralblatt  für 
Bibliotheksw.  1896  S.  358),  protestierte  zwar  gegen  die  Zumutung  jüdischer 
Geburt  (im  J.  1472),  welche  jedoch  nicht  unwahrscheinlich  ist,  weshalb  er 
hier  nicht  fehlen  soll.  Wie  er  dazu  kam,  ein  ßechenbüchlein  herauszu- 
geben, Iftfst  sich  wohl  aus  seinen  dürftigen  Yerbttltnissen  erklären;  auch 
sein  Hebräisch  bleibt  im  Kreise  des  Elementaren. 

Das  Bücbelchen  (Titelbl.  mit  Holzschnitt,  Sign.  A — E  ungleich)  dürfte 
schon  selten  geworden  und  eine  kurze  Inhaltsangabe  nicht  überflüssig  sein. 
Es  beginnt:  „Welcher  lernen  will  anföngklichn  (sie)  rechnen  durch  die 
zyffer  ist  not  das  (sie)  er  wisse  un  fleissig  erkenne  die  figurn  der  zyffemn 
(sic).'^  Auf  die  9  Ziffern  folgt  ein  Beispiel  der  6  Positionswerte;  dann 
die  7  „Figuren",  1.  „Numeratio  Zelung'\  4  u.  5.  „Duplatio  Zwispilung  und 
Mediatio  Halbierung'^  nach  Einigen  in  6.  Multiplic.  Merung,  und  7.  Diviflio 
Tajlung  einbegriffen.  Jede  Bechnungsart  bietet  ein  einfaches  Beispiel  und 
Probe,  bei  der  Ausrechnung  wird  ein  X  fCkr  4  Ziffern  angewendet.  Dann 
folgt  das  Rechnen  in  Brüchen  („gebrochnen'^,  „geprochnes'\  „zerbrochnes'^), 
dann  Regula  de  Try,  oder  magistralis,  auch  aurea  (majsterliche,  guldine 
Ordnung),  dann  „Die  regel  der  Qesellschafften"  (sie)  worin  ein  Memorial- 
yers  von  6  Zeilen:  „Binden  und  fomen  (sie)  gleicb  nammen  (sie)  rieht''  u.s.w.; 
Regula  fusi,  beginnend  mit  einem  achtzeiligen  Vers.  Zuletzt  einige  Fragen, 
die  letzte:  „Es  seind  zwo  Frauen  die  Hand  ejer  bey  ainander  fall"  (s. 
unten  zum  J.  1537).  Die  letzte  Seite  enthält  die  Einteilung  von  müntz, 
gewicht,  mais  (fueder  12  aymer),  zejt,  elen  (Ellen). 

Bald  nach  1526  erschien  in  Venedig  bei  DANiBii  Bombeüo  eine  neue 
verbesserte  Ausgabe  des  von  Elia  Ha-Leyi  in  Eonstantinopel  (1520)  edirten 
Festgebetbuchs  (Machsor)  nach  dem  Ritus  Romagna  (Griechenland)  mit  Zu- 
sätzen Ton  Abraham  bek  Jomtob  Jbrusohalmi  (aus  Jerusalem).    Dieses  Buch, 
wovon  äufserst  wenige  vollständige  Exemplare  existieren  dürften,  enthält  einen 
Abschnitt  über  Kalenderwesen  f.  452  ff.,   mit   einem  stereotyp  gewordenen 
Citate  aus  dem  Talmud  (Sabbat,  E.  7)  beginnend.     Abraham  hat  die  dazu 
gehörenden  Tabellen  nach  den  neuen  Grundsätzen  des  Uluo  Beg  angelegt 
welche  er  an   einem  grofsen,  von  ihm   selbst  angefertigten,  von  Mi- 
nute (J)ak)   zu  Minute  geteilten  Instrumente,  dessen  Diagonale   beinahe 
24   Spannen   lang,   erprobt   und   bewährt   gefunden   hat.     Der  Name   des 
ÜLuo  Bbg  (dessen  Tafeln  —  1444,  nach  Stoiu:<OT,  Prol^gomines,  p.  34, 
falsch  1436   p.  36   —  schon  von    Elia  Babchiatsohi    angeführt   werden) 
ist  im  Druck    verstümmelt  (Hebr.  Bibliogr.  X,  120).     Ich  bemerke  noch: 
<las  Jahr  261    (^  1500)    wird    f.   458    erwähnt.     Abraham    ciüert  den 
Astronomen  Isak  Israeli  (der  1310  lebte)  und  tadelt  die  Tafeln  des  Ver- 


476  Morits  Steinechneider: 

fassers  der  „Flügel"  (IifMANUEL  ben  Jacob,  1365,  s.  Bibl.  Mathem.  1898 
8.  79). 

Eine  Anweisung  zur  Berechnung  von  Neumonden  und  Quatembers, 
mit  dem  Titel  Sefer  limeeo  Moledot  u  Tekufol  in  Seb.  Münsterus  „Calen- 
darium  Hebraeum  ex  Hebraeorum  penetralibus"  etc.  4.  BasiL  1527  (CalaL 
Bodl.  p.  549  u.  3545)  hat  p.  94  richtig  das  Jahr  5281  als  das  17.  des 
278.  Cyklus,  also  1520,  hingegen  falsch  270  und  „septuaginta*'  =  Chr. 
1511  (!)  p.  95.  Das  Schriftchen'  ist  wohl  aus  ftlteren  sogen.  „Ibromt' 
kompiliert,  der  Stil  ist  teilweise  unhebrftisch  oder  hart,  wie  schon  der  Titel 
wenigstens  auf  einen  nichtjüdischen  Redakteur,  etwa  Münster  selbst?  f&kii 

Der  Arzt  Abraham  de  Balmks  (gest.  in  Venedig  1523)  überseUte, 
grofsen teils  oder  durchaus,  im  Auftrag  christlicher  Grelehrter,  Terschiedene 
Schriften  der  Araber  aus  hebräischen  Übersetzungen  ins  Lateinische,  wotob 
nur  die  philosophischen  des  Ayerroks  gedruckt  sind.  Zu  seinen  ange- 
druckten Übersetzungen  aus  unbestimmter  Zeit  gehören  2  aus  dem  Gebiete 
der  Astronomie,  noch  handschriftlich  erhalten,  worüber  ich  anderswo  aus- 
führlich gehandelt  habe  (s.  die  Anführungen  in:  Die  hebr.  Übersetzungen 
S.  539,  560  u.  972;  Bibl.  Mathemat.  1890  S.  107),  die  eine  unter  dem 
Titel  Isagogicon  Ästrologiae  Ptolemei  ist  die  Isagoge  des  Gehinus,  die 
andere,  dem  Kardinal  Dominico  Grimani  gewidmete,  heifst  in  der  latei- 
nischen Übersetzung:  „Alacen,  liber  de  fnundo^\  enthält  aber  das  Buch  der 
Astronomie  von  ibn  al-Hbitham,  welchen  erst  unsere  Zeit  als  identisch  mit 
dem  Optiker,  vulgo  „Alhazen",  erkannte.  Vorrede  (oder  Widmung)  Abra- 
ham's  und  „Prohoemium"  des  Verf.  in  der  lateinischen  Übersetzung  gab  ich 
in  meiner  Abhandlung:  „Notice  sur  ftn  ouvrage  astron.  medU  d'  ibn  Hei- 
tham",  Extrait  du  BuUettino  etc.  t.  XIV  1881  etc.  Rome  1883,  und  Ap- 
pendice  (aus  BoU.  1883)  1884. 

Schon  in  der  2.  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  begannen  verschiedene 
Männer  von  der  Sekte  der  Earfter  (oder  Earaiten,  Bibelanhänger  und  Gegner 
der  talmudischen  Tradition),  unter  der  Leitung  einzelner  ihrer  religiösen 
Gegner  („Babbaniten^')  sich  mit  der  Mathematik  zu  beschäftigen,  und  zwar 
hauptsächlich  in  Konstantinopel  und  der  Nachbarschaft,  wo  die  Kanuten 
gleichen  Schutz  mit  den  Babbaniten  fanden.  Zu  ihren  Nachfolgern  gehören 
einige  Autoren,  welche  um  1522  ff.  genannt  werden,  nämlich: 

Josef  Tischbi,  Verfasser  eines  Kommentars  über  den  Kalenderabschnitt 
in  dem  Buch  der  Gebote  von  Ahron  ben  Elia  (Bibl.  Mathem.  1898  S.  34), 
anonym  in  Leyden,  Ms.  Warner  52^^  (p.  240  meines  Katal.,  dazu  Hebr 
Bibliogr.  X,  98).  Derselbe  soll  auch  einen  Kommentar  zu  den  Tabellen  des 
Elia  Baschiatschi  (XV.  Jahrb.)  verfafst  haben;  Abr.  Firkowitzsgh  schreibt 
ihm    auch    sein    Ms.  722    (jetzt  in  der  Petersburger  Bibliothek)   zu,  was 


Mathematik  bei  den  Jaden  (1601—60).  477 

GuBLAND  in  seinem  Verzeichnis  mathematischer  hebr.  Handschr.  in  Peters- 
burg yerschweigt  (Hebr.  Bibliogr.  1.  c). 

Moses  Ma^halli  (?  aus  Ma'halla;  s.  Jewish  Quart  Revue  1898  p.  137, 
n.  332^)  erscheint  in  den  Collectaneen  des  Josef  Tischbi  als  Lehrer  des- 
selben, aber  keine  Schrift  von  Moses  ist  bekannt;  seine  Bandnoten  zu  dem 
oben  genannten  Abschnitt  des  Ahkon  v.  Elia  werden  von  Josef  Tisghbi 
zitiert  (Hebr.  Bibliogr.  XX,  98  gegen  die  Entstellungen  Fürst's,  Gesch.  d. 
Kar.  m,  26). 

Samuel  ben  Salojio,  mit  dem,  vom  Propheten  Samuel  entlehnten 
Ehrennamen  Bamati  (im  Sinne  von  „ hoher ^'),  daher  auch  schlechtweg: 
,,Babbi  Bamati^,  wahrscheinlich  in  Akierman(?),  wird  in  den  Collectaneen 
des  Josef  Tisghbi  zum  J.  1524  genannt,  zum  J.  1549  als  „Greis^  (Hebr. 
Bibliogr.  XX,  122,  gegen  Fübst's  unbegründete  Angaben,  1.  c.  IL,  323). 

Eine  anonyme  Abhandlung  „über  alle  Partien^'  des  jüdischen  und 
christlichen  Kalenders  mit  Tabellen  (die  Badix  ist  1523)  enthält  Ms. 
Paris  1098';  leider  giebt  der  Katalog  niemals  den  umfang  des  letzten 
Stückes  eines  Kodex  an.  Ich  knüpfe  hieran  ganz  kurz  2  oder  3  andere  ano- 
nyme Schriften  über  denselben  Gegenstand,  wahrscheinlich  beide  aus  Ita- 
lien stammend  und  Bestandteile  von  Sammelhandschriften  über  diesen  be- 
liebten Gegenstand;  aus  d.  J.  1525 — 7,  Ms.  Benzian  48  D.,  1527  Ms. 
Berlin  224«  (Verz.  II,  1897  S.  75);  in  demselben  Kod.  (f.  45)  v.  J.  1533. 

1526  starb  Elia  Misrachi  (d.  h.  der  Orientale),  berühmter  Babbiner 
in  Konstantinopel,  dessen  Arithmetik  nach  seinem  Tode  daselbst  u.  d.  T. 
Mdechet  ha-Mispar  nicht  vor  1532  gedruckt  und  schon  sehr  selten  ist. 
Ein  Auszug  mit  lateinischer  Übersetzung  von  Oswald  Schreckenfuchs  und 
Anmerkungen  von  Sebastian  1[önter  erschien  in  Basel  1547.  Näheres 
darüber  findet  man  in  meinem  „Brani  dell*  Äritmetica  d'ELiA  Misrachi 
ecc.  leHera  IV,  a  Don  B.  Boncompagni^',  4®  Boma  1866,  p.  43 — 67;  und 
eine  Beurteilung  vom  mathematischen  Standpunkt  aus  in  Gustav  Webt- 
heim's  „Die  Arithmetik  des  Elia  Misrachi*^,  im  Frogr.  der  Bealschule  in 
Frankf.  a.  M.  1893;  2.  verb.  Aufl.,  Braunschweig  1896  (5  Bl.  u.  68  S.,  s. 
meine  Anzeige  in  Monatsschrift  für  Gesch.  u.  Wiss.  d.  Judenth.  XL,  1896 
S.  96).  Wektheim  bemerkt  kulturgeschichtlich,  dais  in  den  praktischen 
Aufgaben  weder  Spieler,  noch  Beute  teilende  Söldner,  noch  in  der  Schenke 
sitzende  Leute,  keine  Zins  nehmenden  Gläubiger  vorkommen;  Quaritch's 
Katalog  N.  319  (1878)  n.  9380  verzeichnet  ein  Ms.  der  Arithmetik,  ko- 
piert von  einem  Schüler  des  Verf.,  Menacbem  b.  Samuel  (Bebr.  Bibliogr. 
XViU,  119).  —  Elia's  Schrift  über  Euklid  und  Ptolbmäus'  Abnagest 
beruhen  noch  auf  einer  unsicheren  Quelle  (die  hebr.  Übersetz.  S.  508,  524). 


478  Moritz  Steinschneider: 

1528  ist  ein  anonymes  Kalenderwerk  verfafst,  Ms.  derBodL  (Offene. 
692  Qu.  f.  113,  bei  Neubauer  n.  817),  geschrieben  1538  (?)  von  Israel 
DI  Baesa;  1529  ein  anderes  desgl.  ms.  Leyden  Wabner  66  (Eatal.  p.  283). 
—  1533  s.  oben  1527. 

üngef&hr  in  diese  Zeit  gehört  wohl  ein  jüdischer  zweifelhafter  MaÜie- 
matiker,  dessen  Spar  ich  bisher  yergeblich  aufgesucht  habe.  Der  Chronist 
und  Mathematiker  David  Oans  (gest.  1613)  berichtet  in  seiner  Chronik 
(n  3^  unter  J.  1906,  s.  meine  Noten  zu  Baldi,  in  Boncomfagni's  Ballett 
y,  477,  verbess.  Abdruck,  Roma  1874  p.  45):  ^Der  grofse  Astronom,  der 
berühmste  aller  Zeitgenossen,  Petro  Apiano,  Lehrer  des  Israel  Tafus(?) 
gesegn.  And.  erwähnt,  änSs  der  Erzvater  Abraham  der  erste  in  der  Zahl- 
und  Sternkunde  bekannte  Mann  war.^  Petrus  Apianus,  Verf.  der  Coszno- 
graphie  (1539)  starb  1552  (Weidler,  Hist.  p.  350).  In  dem  MüncheDer 
hebr.  Ms.  394  f.  104  wird  die  Anordnung  der  1080  Stundenteile  (72  X  15, 
s.  Bibl.  Mathem.  1899  S.  9  A.  6)  im  Namen  eines  Israel  mitgeteilt,  und  f.  102 
ist  das  J.  1550  angegeben;  dennoch  habe  ich  im  Katalog,  2.  Aufl.  S.  218, 
die  Identität  dieses  Israjsl  mit  dem  Schüler  des  Petrus  abgelehnt 

Im  J.  1536  erschienen  in  Eonstantinopel  u.  d.  T.  Eser  lerioi  (10  yo^ 
hange,  oder  Kolumnen?)  astronomische  Tabellen  über  10  Ji^re,  he- 
bräisch, wovon  heute  kein  Exemplar  mehr  bekannt  ist;  die  älteste  QneUe 
nennt  als  Autor  Jechiel  bbn  Reuben  (mein  Cat-al.  Bodl.  p.  1281)  der 
offenbar  identisch  mit  dem  Homonymen  J.  b.  R.  Aschkenasi  („Deutscher",  d.  h. 
Nordeuropäer),  welcher  die  Konstantinopler  Ed.  des  Jakob  ben  Asches 
1539/40  mit  einem  Index  versah  (Catal.  Bodl.  p.  1183  n.  6  fehlt  der 
Name),  und  wohl  auch  „Jech.  Aschkenasi^^  Associe  des  Herausgebers  der 
Gutachten  des  Isak  b.  Scheschet,  Konst.  1546/7  (Catal.  Bodl.  p.  293.3). 
Die  Autorschaft  ist  also  noch  fraglich. 

Im  Jahre  1537  schrieb  Abraham  ben  Jbhuda,  genannt  Ebrlin  (= 
Abrahamlein)  in  Frankf.  a.  M.  „Das  Buch  der  Ziffern'^  (plural,  im  Epi- 
graph), am  Anfang:  „Zu  erkennen  zu  geben  und  zu  erklftren  das  Bneh 
der  Zahl  {Mispar)^  worin  9  Pforten  (Abteilungen)  sind;  ich  werde  raeret 
die  Kabhälot  (Überlieferungen)  erklären,  welche  der  Rechner  kennen  moTs, 
das  sind  die  Schlüssel,  wonach  er  alle  Rechnungen  wissen  kann."  Znletzt 
kommen  27  „R&tsel^'  (Aufgaben),  deren  letztes:  3  Weiber  verkaufen  Eier- 
Ich  vermute,  dais  hier  eine  Übersetzung  oder  Bearbeitung  eines,  vielieicht 
deutschen  Rechenbuches  vorliegt  (vgl.  oben  1518  Boeschenstein).  Neubaues 
(n.  1271^®),  dessen  Angaben  ich  aus  Autopsie  im  J.  1847  ergfinze,  zwei- 
felt, ob  Abraham  Verf.  oder  Kopist  sei;  in  meinem  Index  zu  Katal.  Michael 
ist  er  nicht  aufgeführt.     Später  fand  ich  eine  auffallende  Ähnlichkeit  des 


Mathematik  bei  den  Juden  (1501—50).  479 

Recbenbücbleins  mit  Ms.  Michael  248  (Nbubaubr  2170^);  im  Titelregister 
feblen  die  Titel,  und  nun  ersehe  ich  die  Identität  mit  Ms.  München  394^ 
mit  dem  Titel:  „Bach  der  Ziffer^^  (Zifra),  das  ist  die  Nnll;  die  Aufgaben 
znletzt  hat  der  Kopist  nicht  vollendet.  Die  Mnltiplikationsfigar,  welche  die 
(spätere)  NuPER^sche  ist  (Katal.  Münch.  S.  Vm),  f£Üirt  vielleicht  auf  den 
Ursprung  dieses  für  die  Geschichte  der  Arithmetik  nicht  uninteressanten 
Büchleins,  wozu  die  Kopisten  Zusätze  im  Namen  verschiedener  Juden  ge- 
setzt haben. 

Mit  dem  Jahre  1539  beginnt  das  Werk  des  Jsachar  ibn  Susan,  ge- 
druckt 1564,  unter  welchem  Jahre  Näheres  angegeben  wird.  1539/40  sind 
in  Italien  geschrieben  die  Kalenderregeln  in  Ms.  Oppemu.  Add.  Qu.  57  der 
Bodl.  (Neüb.  2072*). 

JoBEP  DEL  Medigo  in  seinem  Buche  Elem  über  mathematische  Pro- 
bleme (zuerst  Amst.  1629  gedr.,  dann  in  Odessa  1864,  S.  275,  vgl.  S.  352, 
Maajan  Chaium  Anf.,  ohne  den  Namen)  zitiert  Pedro  Nunez,  „den  grofsen 
Mathematiker  von  Samen  der  Juden'^  der  in  Lisabon  im  J.  1541,  am 
1.  Oktober  das  „Herz  des  Skorpions''  beobachtet  habe.  Dieser  Pedro  ist 
der  bekannte  Petrus  Nonius  oder  Nonnius,  dessen:  „de  Creptisculis"  mit 
„Allagen''  (ibn  al  Heitham)  Ylissip.  1542,  und  dessen:  de  Algebra,  Ärith- 
mdica  et  geomeiria,  Antwerpen  1567  erschien  —  geb.  1492  in  Alca9ar  de 
Sal  (die  Nouv.  Biogr.  univ.  Bd.  38  (1862)  p.  362,  enthält  Nichts  über  seine 
Herkunft). 

[Zum  Jahre  1543  habe  ich  hier  nur  eine  kurze  Berichtigung  zu  no- 
tieren: Dem  Eduard  Pinel  wird  aus  Mifsverstand  eine  hebräische  Gram- 
matik und  eine  Schrift  über  den  Kalender  beigelegt;  die  Grammatik  ist 
keine  hebräische  und  die  andere  handelt:  „de  calendis"]  s.  Monatsschrift 
für  Gesch.  u.  Wiss.  d.  Judenth.  1898  S.  522  Anm.  1.] 

Vor  1545  (?)  kopiert  Vidal  di  ailS  (wie  auszusprechen?)  das  Werk 
des  IsACHAR  IBN  SusAN;  s.  f.  12  der  1.  Ausg.  Solonichi  1564. 

Im  J.  1546  schickt  Chajjim  Chabek,  wie  früher  sein  Vater,  der  Arzt 
IsAK  (vgl.  ZuNz,  zur  Geschichte  und  Lit.  S.  531,  Landshuth,  Onomasticon, 
S.  117),  von  Damaskus  aus  „Sjnagogenkalender"  {Luach  ha-Keneset)'^  hier 
ist  vielleicht  eines  der  ältesten  Zeugnisse  von  der  weiten  ehemaligen  Ver- 
breitung dieser  Einrichtung,  welche  in  Italien  schon  in  der  Mitte  des 
XV.  Jahrb.  unter  der  Benennung  „Sjnagogenblatt"  (Nejar  ha-Keneset)  vor- 
kommt (s.  mein  Jewish  Lüerature  p.  189).  In  Ms.  Berlin  224^  (Mein 
Verzeichn.  2.  Abth.  S.  76,  aus  dem  J.  1811)  wird  dafür  „Tageblatt"  (Ne- 
jar  ha-Jafnim)  im  Italienischen  „Carta  di  scuolä"  (hier  im  Sinne  von 
„Schule"  für  Synagoge)  gebraucht.    Wie  es  scheint,  hat  sich  der  Gebrauch 


480  Morits  Steinschneider: 

eines  Kalenders  in  den  Synagogen  nicht  nach  Nordeuropa  verbreitet.  Übfr 
das  Verhältnis  desselben  zum  christlichen  Eirchenkalender  ist  meines  Wissens 
nirgends  die  Bede  (s.  meine  Artikel:  „Der  jüdische  fioilender^'  im  Jahrbneh 
zur  Belehrung  u.  s.  w.,  Beilage  zum  Volks-  und  Hauskalender  her.  y.  M.  Brai% 
43.  u,  45.  Jahrg.,  1895  u.  1897). 

Im  J.  1547  erschien  in  Bom  ein  hebräischer  anonymer  Druck  in  12^, 
dessen  Titel  selbst  nicht  sicher  ist.  Er  ist  bis  jetzt  nur  aus  Wolf's  BibL 
Hebr.  (Bd.  II,  1721  p.  1306  n.  238,  wonach  kurz  in  meinem  Catal.  BodL 
p.  550  n.  3551)  bekannt,  der  denselben  wahrscheinlich  gesehen  oder  gm 
besessen  hat.  Ein  Exemplar  ist  mir  nicht  bekannt.  Der  angebliche  Titel 
„Jod  Schearnn*'  dürfte  „14  Pforten ^^  bedeuten.  Das  Schriftchen  be- 
handelt den  jüdischen  und  den  christlichen  Kalender  in  11  Kapit€lQ^ 
deren  Inhaltsangabe  bei  Wolf  nur  unter  K.  10  den  christlichen  erwähnt 
Meine  Konjektur  betreffs  des  Titels  gründet  sich  auf  die  14  Ealendeiformen, 
worüber  der  Römer  Benjakin  Anaw  (dei  Mansi)  um  1260 — 69  eine  in 
Italien  viel  benutzte  Schrift  verfafst  hat  (s.  Bibl.  Mathem.  1897  S.  15 
§  34;  die  dort  S.  18  A.  6  zitierte  Hebr.  Bibliogr.  XVEII,  99  ist  nicht  berück- 
sichtigt in  den  beiden  Geschichten  der  Juden  in  Bom  von  A.  Berlinbr  H,  54^ 

VOOELSTEIN   und   BlEGEK  II,  122). 

Über  den  Architekten  und  Geometer  Simson  (oder  Simon)  Ginzbusg 
(oder  GüNZBURo),  der  um  1548 — 70  Etwas  über  Geometrie  geschrieben 
aber  nicht  ediert  haben  soll,  habe  icli  noch  immer  nichts  Sicheres 
ermitteln  können  (s.  die  Zitate  in  meinem  Catal.  Bodl.  p.  2626  n.  72 14, 
und  ausfer  den  dort  zitierten  Quellen:  Sternberg,  Geschichte  der 
Juden  in  Polen,  1878  S.  145;  Jech.  M.  Zunz,  Ir  ha-Zedek,  Lemb.  1874, 
Anhang  S.  21). 

[Dem  bekannten  Philosophen  und  Theologen  Ob  ad  ja  Sforno  (gest.  1550 
in  Italien)  hat  man  ein  anonymes  Kompendium  des  Euklid  in  dem  bebr 
Ms.  1001  der  Pariser  Bibliothek  nur  darum  beigelegt,  weil  sein  Werk,  das 
auch  gedruckt  ist,  vorangeht,  s.  Die  hebr.  Übersetz.  S.  506.] 

Moses  Maimonides,  in  seinem  berühmten  religions-philosophischen  Werke, 
betitelt:  „Führer  der  Verirrten",  T.  I,  Kap.  73,  führt  als  Beispiel  für  Be- 
griffe, die  für  unsere  Vorstellung  unmöglich  und  doch  wissenschaftlich 
erwiesen  sind,  das  Vorhandensein  zweier  Linien  an,  die  stets  sich  ein- 
ander nähern  aber  niemals  einander  schneiden,  ohne  die  Beschaffen- 
heit dieser  Linien  näher  anzugeben,  mit  Berufung  auf  das  „Buch  der  Kegel- 
schnitte". MuKK,  in  seiner  französischen  Obersetzung  des  „Chdde  des  egam" 
(Paris  1856,  I,  416)  weist  auf  Archtmbdbs  II  Theor.  13  hin,  wo  von  der 
hyperbolischen  Kurve  und  der  Asymptote  die  Bede  ist.    Schon  in  der  Mitte 


Mathematik  bei  den  Jaden  (1601—50).  481 

des  XV.  Jahrh.  widmete  Simon  Motot  (die  Aussprache  dieses  Namens  ist 
zweifelhaft)  der  Erklftrong  dieses  Problems  eine  kleine  besondere  hebräische 
Schrift,  welche  wahrscheinlich  ohne  Namen  erwfthnt  ist   in  einer  um  ein 
Jahrhundert  jüngeren  des  Italieners  Moses  Provinciale,  beendet  im  Früh- 
ling 1549,  gedruckt  mit  der  hebr&ischen  Übersetzung  des  „Führers"  (MorS) 
in  Sabionetta  (1553)  auf  2  Bl.  in  Folio,  mit  dem  Kolumnentitel  „Erklärung 
der  zwei  Linien,  welche  der  Lehrer  (Maimonides)  im  1.  Teil  EiLp.  73  Blatt 
64^  erwähnt."  Diese  Abhandlung,  nicht  in  allen  Exemplaren  zu  finden,  ent- 
b&lt   15  Theoreme   mit    eben    so  vielen  mathematischen  Figuren   und  soll 
schon    1550  in  Mantua  in   einer  italienischen  Übersetzung  in  hebräischen 
Leitern  erschienen  sein,  die  ich  nicht  aus  Autopsie  kenne,  und  die  heute 
nar  noch  in  Italien   erhalten   sein  dürfte.     Diese   italienische  Übersetzung 
übersetsste  ins  Lateinische  Fr.  Barocius  -(Barozzi)  in  seinem  Buche:  „Geo- 
meir,  prohlema  13  madis  demonstratum^   quod   docet   duas   Imeas  in  eoäem 
piano  designare,  quae  nunq%Mm  mvicem  caincidant  etc,"    4.  Yen.  1586,  führt 
sie   aber  mit  folgenden  Worten    ein    (p.  290):    „R.  Motsis  Narbonensis'^ 
[dieser  Kommentator  des  „Führers"  lebte  im  XIV.  Jahrb.,  sein  Kommentar 
zum   1.  Teil  wurde  erst  1791  gedruckt!]  „libeUum  in  iiäUca  Urufua  scriptum, 
Maniuaeque  impressum  A,    MDL  cwi  tOulus  est:  Opus  novum  geometri- 
cum   ad  demonstrandum  quomodo  super  una  plana  superficie  duae  lineae 
possunt  exire  etc"     Barooius  hält  diese  Übersetzung  aus  dem  Hebiilischen: 
„quae  rem  non  geometricis  rationibus  demonstraf%  far  ungenügend;  er  zählt 
18    Propositionen.     Über   den   nirgends   genannten   (jüdischen?)  Übersetzer 
ins   Italienische  habe   ich   nichts  ermitteln   können.     In  Venedig  erschien 
1551  eine  hebr.  Ausgabe  des  Führers,  aber  die  Erklärung  des  geometrischen 
Problems  ist  dort  weder  hebräisch   noch   italienisch  zu  finden.     Ein  Druck 
mit  hebr.  Lettern  in  Mantua  1550  hat  typographische  Bedenken,  wie  auch 
ein   Druck  der  Übersetzung  vor  dem  Original.     Genaueres    darüber   wäre 
daher  sehr  wünschenswert.     (Über  die  ganze  Sache  s.  meinen   Catal.  Bodl. 
p.  771,  1983,  2959;  Die  hebr.  Übersetz.  S.  426;  Monatsschr.  f.  Gesch.  u. 
Wiss.  d.  Jud.  1898  S.  466.)    Hiemach  ist  Boncompaoni's  Artikel  „Fr.  Ba- 
ROZEO^*  (in  seinem  „BüUetHno"  1884  p.  899)  zu  ergänzen. 

Die  anonyme  Erklärung  desselben  Themas  im  Wiener  Ms.  75  bedarf 
noch  näherer  Untersuchung.  Anfang  und  Schlufs  (in  den  Ergänzungen 
Goldsmthal's  S.  79)  sind  sehr  ähnlich  denen  der  Abhandl.  von  SmoN  Motot; 
letzterer  zitiert  aber  ApoLiiONius  nicht,  wie  ich  in  meinen  Notizen  finde.  Über 
eine  andere  Abhandlung  über  dasselbe  Thema  von  einem  „Salomo  bem  Isak^^ 
in  ms.  Almahzi  213^  (jetzt  ms.  Brii  Mus.  Add.  27,  107,  bei  G.  Margo- 
uouTTi,  Descr^tive  list  of  the  Hebrew  . . .  Mss,,  n.  4893  p.  74)  habe  ich 
die  Ton  Luzzatti  erbetene  Auskunft  nicht  erhalten   (Hebr.  Bibliogr.  1862 

Abh.  *nx  Geteh.  d.  Mathem.   IX.  31 


Moritz  Steinschneidei 

S.  129,  wo  A.  2  „PRfi VINCI ale"  heirsen  hoU:  „Motot").  In  Bbnjacob's 
Tbesaarus  S.  384  n.  250  (nach  Mitteilungen  älmahzi's)  heilst  es  „Ton 
Salouo"  nnd  „R.  Urabl";  ich  babi^  daber  die  Konjektar  als  eine  solche 
dahingestellt,  daCs  jener  Salomo  der  FamiJie  Israkl,  oder  Israeli,  in  Toledo 
angehörp,  also   1349  gestorben   sei  (Biblioth.  Mathemat.    189»   S.  10). 

Das  lat«iii.  Ms.  München  5645   in  Polio    f.  117 — 23    (niicb  alt^r  Sw^ 
meration,  jetzt  132—8),  enthalt  „Zachariae  hahraei  i»  Kalcndarii  Born 
reformationfm  Incubrntiones".   die  Unterschrift  lautet:    „Zauharias  lei-Ua  ht- 
braeus  Gmumsis'';  einige  Zeilen  daraus  über  die  Einteilung  der  Htnndo  in 
1080  Teile  üitiert  Boncümpaqni    in  den  Atti  deW  Acad.  jmitif.,  XVI,  186^ 
p.  781.      Ein    Jude    Saoqarja    ua-Levi    ist    oicht   bekannt,    hingegen    lebl^^ 
Seraciua  iiA-LEvr,  Neffe  des  Historikers  Jobef  Koiien,  um  1550  in  Genu^^  _ 
die  Verwechslung   diest^r  Namen    habe  ich  auch   sonst   nachgewiesen  l,HeW-^ 
Bibliogr-  1872  S.  43,  vgl.  lam.  Loeb,  Joseph  Haccoben,   1888  p.  15).    i:::^^" 
der  Name  Serachja  weniger  bekannt  ist  als  Zacharias,  so  kann  auch  4«~ 
Autor   selbst  in  einer  lateinischen   Schrift  den   bekannteren   gewählt  hab^Q. 
wenn  nicht  ein  lateinischer  Übersetzer  eines  hebiUischen  Originals  dafür  v^ 
antwortlich  sein  sollte? 

Im  J.  1550  studierte  ein  polnischer  Jude  Mattatja  ben  Salovu  Deljcho 
(oder  wie  der  zweifelhafte  Name  auszusprechen  ist)    an    der  Universität  i 
Bologna;  es  ist  nicht  unmöglich,  aber  seltsam,  dafa  sein  Sohn   Sax^üico  ii 
J.  1552  eine  Approbation  unterzeichnete,  worin  er  den  Vater  als  verstorben  ^ 
bezeichnet,    während    ein    anderer   Sohn  Josep   noch    1615    lebte.     Weniger 
außUIlig  und  sicher  ist  »s,   dafs  Mattatja  sich  mit  der  ErklBmng  kabba- 
listischer Schriften  beschäftigte,  in  denen  allerdings  Zahl  Spielereien  mit  den 
bekanntlich    auch    als    Ziffern    geltenden    hebräischen  Buchstaben   eine   Boll« 
spielen,  und  zugleich  sieb  in  ernste  astronomische  Studien  vertielle,  die  ihn 
vielleicht  zur  Kosmographie  führten.     Er    übersetzte  nämücb  in  bebr&iscbe 
Prosa  das  Buch:  Image  du  mwide,  welches  die  „weit wunderliche"  —  wenn 
diese  Bezeichnung  eben  so   sprachlich    als   sachlich    gerechtfertigt    erscheint, 
—  französische    Kosmographie    des    Geomet«rs    Güssouin   in    Verse    brachttv 
und    dem   Omons,   oder   dem    Gauthibr   von    Meta  (1245),   beigelegt    wii4^l 
Das  hebräische  Buch  erschien  erat  1733,  ein  jüdisch -deutscher  Auszug  abmj 
schon    1 7  33.      Zwei   andere    anonyme   Bearbeitungen    desselben    Werkes  { 
hdren   nicht  an  diese  Stelle;  näheres  über  alle  drei  in  „Die  hehr.  Obersetc 
S.  9ÖU. 

Mattatja  las  in  Bologna  tinter  Anleitung  eines  Lehrers    das  beliebt 
Buch  De  sphaera  tnundi  von  Job.  Sacrorosou    im  lateinischen  Texte, 
er  in  seinem  hebr.  Kommentar  »ur  bebr,  Überaetzung  des  Salomo  Abiqbih 
(1399),  gedruckt  1720,  heranzieht  (Die  hehr.  Üheraeta.  8.  644). 


[0  iaal 


Mathematik  bei  den  Juden  (1501—50).  483 

Das  Ms.  1097  der  Pariser  Nationalbibliothek  enthält  das  1.  Kapitel 
(über  die  Sonne)  eines  astronomischen  Werkes,  welches  1460  verfafst  ist, 
dann  einen  hebr.  Kommentar  über  das  ganze  Werk,  verfafst  in  Italien  1551 
von  einem  Juden,  der  Ton  einem  Christen  unterrichtet  worden.  Ich  vermute, 
dafs  das  Ms.  einen  Kommentar  unseres  Mattatja  über  die  Theorica  pl^me- 
tamm  des  G.  Peurbach  enthalte,  deren  Abfassung  in  jenes  Jahr  fällt, 
während  die  anderen  Angaben  zu  Mattatja  passen  (Die  hebr.  Übersetz. 
S.  640). 


31  • 


^ 


m^f^ 


BEMERKUNGEN  ZUR  GESCHICHTE 
DER  ALTGRIECHISCHEN  MATHEMATIK 


VON 


AMBROS   STURM 

IM    8KITEN8TETTEK. 


1.  Zn  Anaximander. 

Yerschiedene  Dentangen  hat  die  inotvnaöig  yetoiiEtglag  erfahren, 
welche  Suidas  dem  Anaximander  zuschreihi ^)  Es  ist  wahrscheinlich,  dafs 
man  dahei  nicht  an  eine  geometrische,  sondern  an  eine  geographische 
Leistung  des  milesischen  Philosophen  zu  denken  hahe,  nämlich  an  seine 
bildliche  Darstellung  der  Umrisse  von  Land  und  Meer. 

Es  ist  einerseits  zu  bemerken,  dafs  kein  anderer  Schriftsteller  eine 
geometrische  Arbeit  Anaximanoer's  erwähnt,  andererseits  mufs  es  auffallen, 
wenn  Suidas  die  erwähnte  geographische  That  mit  Stillschweigen  überginge, 
da  sie  doch  als  die  erste  ihrer  Art  im  Altertume  bekannt  und  berühmt  war. 

Einen  positiven  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  aufgestellten  Annahme 
bietet  eine  Yei^gleichung  der  auf  Anaximander  bezüglichen  Stellen  des 
Diogenes  Laertius  und  Suidas: 

Diog.  Laeri  11,  1:  Suidas  s.  y.  Anaximandros: 

^Ava^lliavi Qog    i7^o|iadov  ^Ava^lfiavd ^og    ÜQu^iddov 

Mikii6$og,    oixog  lq>a6it€v, Mikr^öiagj  q>iX66oq>ogj  övyyiviig  xal 

^itfijv  %s  tiiv  yfjv  xBlö^ai  a),  xiv-  ^^i}t^9  %til  iiadoxog  Sakrixogy  nQ&- 

r^ov  T«|«v   i%{%ov6av  oiöav   öipaigo-  tog  ^'  lörifiigtav   d)  svqb  lud  t^o- 

itSij  ....  Eiqe   di   %al   yvf&fiova  nicg   c)  %al  &Qokoyeia   e),  nal  t^v 

1)  M.  Caktob,  Vorlesungen  üb.  Gresch.  d.  Math.  I.  2.  Aufl.  Leipzig  1894, 
S.  135  f.  —  C.  A.  Brxtschheideb  (D.  Geometrie  u.  d.  Geometer  vor  Eukuoeb.  Leipzig 
1870,  S.  62)  hält  sie  in  Übereinstimmung  mit  Roth  (G^sch.  d.  abendländ.  Philos.  11, 
S.  182)  fSr  eine  „bildliche  Darstellung**,  einen  Abrifs  der  zeichnenden  Geometrie.  — 
Fr.  hiABB  (Fleckeisen's  Jahrb.  d.  kl.  Phil.  1872  (18),  8.  28)  meint,  von  einer  Schrift 
•ei  keine  Rede,  sondern  nur,  dafs  Anaximakdeb  überhaupt  die  Grundlagen  der 
Geometrie  gelehrt  habe,  womit  nicht  Tiel  mehr,  als  nichts,  gesagt  sei. —  P.  Taknebt 
(Geomärie  grecque.  Paris  1887,  p.  74  n.)  sagt:  „L'  dXrjg  yeaiuBtgüig  ^otvnaetv 
^^<ii(v  doit  9em8  douie  se  rapporter  ä  la  figuration  de  la  Terre  am  une  mappe- 
f^onde,  qui  fut  Voeuvre  du  MiUsien/'  —  G.  Fbixdlbim  (Zeitschr.  f.  math.  u.  nat. 
Unt.  1871  (2),  8.  344  f.)  fibersetzt:  „Ahazuiamdbe  zeigte  überhaupt  das  Bildliche 
der  Geometrie;  d.  h.  was  die  Figuren  der  Geometrie  bedeuten  und  wie  man  etwas 
geometrisch  nachbilden  kann."  Derselbe  (Beitr.  z.  Gesch.  d.  Math.  11.  Uof  1872. 
S.  15):  „Er  gab  eine  bildliche  Darstellung  der  ganzen  Geometrie  heraus/* 


488  Ambros  Sturm: 

b)  TfQ&xog  Kai  löxfiüev  iitl  t&v  üxio-  yijv  iv  (isöatzdi^  xetc^at  9L\yv6- 

^^^Oüv  . . .  tqoJtdg  zb   c)  tuu  iöiri^i-  (lovä    %     eiorjyaye     b)    xm    olug 

glag  d)  öfifuilvovxa ^  xal  mgoCnoma  yemfiatglag    vnoxvTC&Civ  Hiiiiv 

e)  fuxteöxevaöB,  xal  ytig  xal  ^aldo-  f).  fyga^e  icsql  9>vtf£o$,  y^g  n^fioiof 

öfig  neQlfiBXQOv  nQ&xog  lyqa^ev  xal   nsQl  x&v  ccnXav&v  xal  tf^oiJM» 

f ).    ^AkXa    xal    6q>aiQ€ev    TuxxsöxtvaöBj  xal  aXXa  x^vcL 
x&v    dh    oQBöxivxfov    aixm   nsTtolrixai 
XBq>alau&ifi  xijv  Ix^Bdv  .  .  . 

Ans  dieser  Kebeneinanderstellnng  der  zum  Teile  wörtlich  gleichlanteo- 
den  Nachrichten  dürfte  hervorgehen,  dafs  wir  unter  ystoiuiQUcg  vTunvn&Si^ 
die  bildliche  Darstellung  der  umrisse  von  Land  und  Meer  zu  Terstehec 
haben,  jenen  ntva^  yBmyQatptxogy  den  Eratosthenes ^  dem  Anaxdiakdek 
zuschreibt. 

Es  könnte  der  Einwand  erhoben  werden,  ob  es  gestattet  sei,  das  Wort 
yBCDfiBxqla  in  diesem  ungewöhnlichen  Sinne  zu  nehmen.  Diesen  Zweifel 
beseitigt  aber  eine  Stelle  Plutabch's,  wo  die  Abbildung  der  Umrisse  tos 
Land  und  Meer  geradezu  als  der  innerste  Kern  der  Geometrie,  ictla  if^^ 
yBfonBXQCag^  bezeichnet  wird. 

In  dem  Dialoge  de  fade  in  orbe  lurme  fragt  nämlich  ein  gewisser  als 
yEoifiixQfig  bezeichneter  Apollonides  um  die  Ansicht,  welche  Cleabchis 
über  das  im  Monde  sich  zeigende  Antlitz  ausgesprochen  habe,  und  erhält 
folgende  Auskunft^): 

Tlavxl     fi&kkov     ayvoBiv     ^     <sol  Jedem  könnte  es  eher  Terzieheii 

nQoörjxov  icxi  ioyoVy  &ifnBQ  ixp^  löxlag  werden,  als  Dir,  eine  Ansicht  nidit 
xrjg  yBGtfiBXQlag  SgiJuofABvov'  XiyBt  yicg  zu  kennen,  welche  sozusagen  Tom 
aviiQ  ^i^vag  igonxQixag  slvat,  tuxI  Herde  der  Geometrie  ausgebt  Der 
ei6<ola  xrjg  fABydkfig  9ald6<ffig  ifi-  Mann  sagt  nftmlich,  dafs  das  soge- 
q>aiv6fuva  xy  öBkrivy  xb  xalov^Bvov  nannte  Gesicht  (im  Monde)  nichts 
itQoöomov.  anderes    sei,    als    Spiegelbilder  und 

Ansichten  des  grofsen  Meeres,  welche 
im  Monde  sichtbar  sind. 

Es  dürfte  sonach  Anaximander  in  der  Geschichte  der  MathWatü 
ebensowenig  eine  Rolle  spielen,  als  einer  der  übrigen  ionischen  Natar- 
philosophen,  aufser  Tuales.  Denn,  wie  Diels^)  nachgewiesen  hat,  beruhen 
auch    die  Distanzzahlen,  die  Anaximandeb  seinen   Himmelsiingen  gegeheo 


2)  Strabo  I,  1.  c.  7.     Ed.  Mbin.  p.  8. 

3)  De  fade  in  orbe   lunae   920  f.    Mor.  ed.  Bkrsapajus  voL  V.  Lips.  1^93, 
p.  404.     (Ed.  DiDOT  p.  1127). 

4)  Arch.  f.  Gescb.  d.  Philos.  2,  S.  228  ff. 


Bemerkungen  zur  Gescbiohie  der  altgriechiscben  Mathematik. 


489 


hat,  nicht  auf  geheimnisToUer  Arithmetik,  sondern  auf  einer  mystisch- 
poetischen  Anschauung,  auf  dem  Kulte  der  Dreizahl  und  ihrer  Vielfachen, 
und  dem  Bestreben,  das  Schema  dem  Auge  gefUlig  zu  gestalten. 


2.  Zu  Demokrii 

Plutabch^)  berichtet  über  eine  Untersuchung  DEMOKitrr's,  welche 
manchmal  als  die  erste  Spur  einer  Beschäftigung  griechischer  Mathematiker 
mit  den  Kegelschnittslinien  angesehen  wird.  Es  scheint  jedoch,  dafs  die- 
selbe ihren  richtigen  Platz  in  der  Geschichte  der  Infinitesimalgeometrie 
habe.^)  Der  Gegenstand,  um  den  es  sich  handelt,  ist  folgender:  Plutabch 
bekämpft  die  Sätze  der  Stoiker,  speziell  des  Chrysippus,  welche  nach  seiner 
Ansicht  gegen  die  %oival  iwoiai  verstofsen,  und  erwähnt  dabei  gelegentlich 
Folgendes: 


"Eti  tolwv  OQa  %lva  xqiitov 
cat^vxriCB  ^rnuniQk^ ,  dtoTtoqovvu 
(pv0i%&g     9UU     inirvxi&g  y    ei     %&vog 

2^  iucvosus^w  ticg  z&v  rfii^fiorov 
ijtupavBlagy  i0ag  ^  &viöovg  yiyvo- 
fkivag'  avusot  (iiv  yicQ  ovöai  xov 
xd»yov  avafuiiXov  sMr^ilovtf»,  TtoHicg 
inoxai^fig  Xafißuvovta  ßad'fios^dsig 
nal  tQoxvtrizag'  f^cav  d'  (ybc&v,  f<fa 
T^^fiora  töTca  %al  qxxvtixai  tb  roüf 
xvUvdQifv  nenov^mg  i  %&vog,  i£ 
Ttfoiy  övyneliuvog  xori  oin  ivtcav 
xvnXtoVj  OTteg  iöxlv  ixoTUoxatov.  iv- 
TcrDOa  dri  xov  JtiiMHQixav  &jtoq>al- 
vfi>v  iyvoaihma  „tag  ftiv  inupetveUng^ 
fprfii  ^ijt'  &&ag  elvM  f«^'  avlöovg^ 
&vt6a  dl  TOT  öfofuna  %.  r.  A.^ 


Sieh,  auf  welche  Art  er  (Chbt- 
sippus)  dem  DEHOKRrr  entgegnete, 
welcher  naturgemäfs  und  treffend 
untersuchte:  wenn  ein  Kegel  durch 
eine  Ebene  parallel  zur  Grundfläche 
geschnitten  wird,  was  ist  von  den 
Flächen  der  Abschnitte  zu  sagen? 
werden  sie  gleich  oder  ungleich?  Sind 
sie  nämlich  ungleich,  so  werden  sie 
den  Kegel  uneben  machen  dadurch, 
dafs  er  viele  stufenförmige  Einschnitte 
und  Unebenheiten  erhält.  Sind  sie  aber 
gleich,  so  werden  die  Abschnitte  gleich 
sein  und  der  Kegel  wird  mit  der  cha- 
rakteristischen Eigenschaft  des  Cjlin- 
ders  behaftet  erscheinen,  weil  er  aus 
gleichen  und  nicht  aus  ungleichen 
Kreisen  besteht,  was  ganz  ungereimt 
ist.  Hier  nun  sagt  er  (Chrysippus), 
Demokrit  als  unwissend  hinstellend, 
die  Flächen  seien  weder  gleich  noch 
ungleich,  ungleich  aber  seien  die 
Körper,  u.  s.  w. 


5)  De  communibm  notüiis  1079  e.     Mor.  ed.  Bvbhadäeib^  yoI.  VI.  Lips.  1895, 
p.  342  f.  (Ed.  Didot  p.  1321). 

6)  Cavtob,  L  c,  S.  180.  —  Taviiert,  l.  c,  p.  123.  —  Aluumb,  Oreek  GeomHry, 


490     Ambro 8  Stnrm:  Bemerkungen  sor  Oeachichie  der  altgriech.  Math«mfttik 

Man  kann  nicht  umhin,  die  Einfachheit  und  Klarheit  des  Beispides 
anzuerkennen,  an  welchem  Demokrit  die  Schwierigkeiten,  die  dem  B^rxffe 
der  Stetigkeit  anhaften,  darstellt.  Zugleich  nbertrifit  es  an  Exaktheit  weit 
die  sogenannten  Sophismen  Zeno's.  Femer  entnehmen  wir  dem  Bericfate 
Plutarch's,  dafs  Demokrit  diese  Schwierigkeiten  nicht  iCste,  ja  yennaüich 
für  unlösbar  erkl&rte,  da  ihn  Chrysippus  deswegen  als  unwissend  Terspottet^K 
Es  gewinnt  vielmehr  den  Anschein,  dafs  er  durch  die  aufgestellte  Alter- 
native die  unbegrenzte  Teilbarkeit  der  Raumgröfsen  als  ungereimt  erweisen 
wollte,  um  so  seine  Atomenlehre  fester  zu  begründen.  Dais  er  sich  über- 
haupt mit  dieser  Aufgabe  beschäftigte,  beweist  der  Titel  einer  seiner 
Schriften:  tuqI  aloy&v  ygafinitov  nun  vaöt&v  (über  irrationale  Linien  nnd 
das  Volle),  in  welcher  es  sich  wahrscheinlich  um  die  Beseitigung  der 
Schwierigkeiten  handelte,  die  der  Lehre  von  den  Atomen  (das  Volle,  vacxov] 
vom  mathematischen  Standpunkte  erwuchsen.  Denn  sowohl  die  unendlich 
dünnen  Platten,  in  welche  der  Kegel  zerschnitten  wird,  als  auch  die  Atome 
stellen  jenes  Mittelding  zwischen  dem  ov  und  fij|}  ov  dar,  welches  Leibmz 
Differential  genannt  hat. 

Noch  eine  weitere  Schrift  Demokrit's  dürfte  sich  mit  einschlftgigen 
Fragen  beschttftigt  haben,  deren  Titel:  n^ql  di€cq>OQi}g  yvwfikovog  ^  jr^ 
r^favöiog  kvkIov  xal  öq>aiQag  (über  das  Hin-  und  Herbewegen  des  Gnomon 
oder  über  die  Berührung  eines  Kreises  und  einer  Kugel)  zu  besagen  scheint, 
dafs,  falls  ein  Schenkel  des  Gnomon  mit  dem  Durchmesser  einer  Kugel 
zusammenfällt,  der  andere  Schenkel  in  verschiedenen  Lagen  stets  Badins 
eines  die  Kugel  berührenden  Kreises  ist. 


Dublin  1889,  p.  81.  —  Zbuthen,    Gesch.  d.  Math.,   Kopenhagen  1896,  S.  68f  - 
C.  Blass,  De  Platone  maihematico,  Bonnae  1861,  p.  8  sq. 

7)  Bekanntlich  griffen  auch  die  späteren  griechischen  Mathematiker  der- 
artige Probleme  nicht  direkt  an,  sondern  umgingen  die  Schwierigkeit  durch 
eine  indirekte  Methode  (Exhaustion).  Sie  vermieden  die  Annahme  einer  anend- 
lichen Teilbarkeit  und  gebrauchten  das  sogenannte  Axiom  des  Abchdikdeb:  Ist 
Ä  <C  B^  so  g^bt  es  stets  ein  Vielfaches  von  Ä,  welches  gröfser  ist  als  B. 
Abchimedes  bezeugt,  dafs  schon  Eudoxus  sich  dieses  Axioms  zur  Berechnung  des 
Volumens  der  Pyramide  und  des  Kegels  bediente.  (A&chimbdib  op.  ed.  Heibiig, 
Lips.  1880,  vol.  n,  p.  297;  vol.  I,  p.  11.) 


sm¥6 


DER  LOCULUS  AECHIMEDIUS 

ODER 

DAS  SYNTEMACHION  DES  AßCHIMEDES. 

ZUM    ERSTEN  MAL   NACH   ZWEI   ARABISCHEN  MANUSKRIPTEN 
DER   KÖNIGLICHEN   BIBLIOTHEK  IN   BERLIN  HERAUSGEGEBEN 

UND  ÜBERSETZT  * 

VON 

HEINRICH   SUTER 

IN    ZÜUCH. 


Einleitung. 

Über  den  sog.  Locuhts  Archi$nedius ,  oder  das  älteste  ans  erhaltene 
Zusammensetzspiel,  das,  wie  eine  Beihe  anderer  interessanter  oder  schwieriger 
Probleme,  dem  Abchimbdes  zugeschrieben  wird,  hat  man  bis  jetzt  nur  zwei 
lateinische  Quellen  gekannt.  Hexberq  führt  in  seinen  Quaestiones  Ar  cht- 
medeae^)  die  Stellen  des  Marius  Victorinus  and  des  Atilius  Fortuna - 
tianus  über  diesen  Gegenstand  an;  diejenige  des  Erstem  heifst:  „ut  Ule 
iocidus  Arckimedius  e  quaUuordecim  crustis  elmmeis  nunc  quadratis  nunc 
triangtäis  nunc  ex  utraque  spede  varie  figuratis  velut  quihusdam  membris  artis 
struendae  causa  composUus  proditur;  nam  tä  in  illo  prae finita  ac  determinato 
rmstarum  numero  mtUHpUci  earundem  vari<Uarum  specie  nunc  navis  nunc 
giadius  nunc  arhuscula  et  si  qua  alin  figurantur  etc."  Ganz  ähnlich  lautet 
die  Stelle  des  zweiten  Autors. 

Griechische  und  arabische  Stellen  über  dieses  Archimedische  Problem 
bat  man  bis  jetzt  nicht  aufgefunden,  die  Abhandlung  selbst  aber  existiert 
noch  arabisch  in  zwei  Codices  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin,  bezeichnet  mit 
Mf.  258  und  Mq.  559»  im  Codex  960  der  Bodleianischen  Bibliothek  zu 
Oxford*)  und  in  einem  solchen  der  Bibliothek  des  India  OfQce  zu  London.') 
Die  beiden  Berliner  Codices  habe  ich  in  der  Biblioth.  mathem.  Jahrg.  1898, 
p.  73 — 78  beschrieben,  worauf  ich  den  Leser  hiemit  yerweise;  im  erst- 
genannten Codex  ist  unsere  Schrift  die  28.  (fol.  368^ — 370*),  im  zweiten 
Codex  die  10.  Abhandlung  (fol.  224^ — 225^).  In  den  Noten  zum  arabischen 
Text  bedeutet  A  das  erste,  B  das  zweite  Manuskript.  Da  der  Text  gar 
keine  Schwierigkeiten  bietet,  so  habe  ich  auf  eine  Kollation  mit  den  Mss. 
zn  Oxford  und  London  verachtet. 


1)  Kopenhagen,  1879,  p.  43  f. 

2)  Der  erste  Band  des  CaUU.  cod.  tnss.  Orient.  Mbl  Bodl.  a  Jök.  Üri  con- 
feetus,  Oxon.  1787,  enthält  keine  Notiz  über  dieses  Ms.,  erst  im  sweiten  Bande, 
▼on  NiGou.  nnd  Püsst  heransgegeben,  findet  sich  dasselbe  p.  608  unter  den 
„Addenda  et  Corrigenda"  erwähnt,  es  schlierst  sich,  sy,  Seiten  stark,  nnmitteibar 
an  die  i.  Abhandlung  des  Codex  960  an.  die  die  Sphära  des  Aatolycns  enthält; 
diese  Angaben  verdanke  ich  Herrn  Bibliothekar  A.  Cowlet  in  Oxford. 

3)  A  Cataiogue  of  the  arabic  nuinMcr.  in  the  librarg  of  the  India  Office,  bg 
0.  LoTH,  London  1877,  p.  298,  No.  1043,  X. 


494  Heinrich  Suter: 

Dieses  älteste  Znsammensetzspiel,  das  wir  kennen,  trägt  im  arabisdieB 
Text  den  Titel  „die  Figur  sitemaschian^^  oder  (am  Schlüsse)  ^femasch'm". 
woraus  his  jetzt  nichts  gemacht  werden  konnte;  ich  ssweifle  nicht  dirao, 
dafs  gelesen  werden  sollte  „smt^^niäschion" ,  und  dafs  damit  das  giiechische 
Wort  ^^syntemachion'^  gemeint  ist^);  temackum  heifst  „kleines  abgehauenes 
Stück,  Schnitzel^^  also  syntemcuMon  =  Zusammensetzung  von  Schnitzeln. 
Allerdings  ist  syntemachion  eine  eigentümliche  Bildung,  eine  Analogie  dazn 
bietet  aber  vielleicht  das  Wort  „syno%kia*\  d.  h.  ein  Haus,  wo  viele  Familieß 
zur  Miete  zusammen  wohnen,  oder  auch  ein  Komplex  von  aneinander  ge- 
bauten, oder  nahe  zusammenstehenden  Häusern. 

Über  das  Alter  der  arabischen  Übersetzung  wissen  wir  leider  nichts: 
die  Abschrift  in  Cod.  A  datiert  aus  dem  Jahre  1651,  diejenige  in  6  ist 
c.  60  Jahre  älter,  beide  sind  sehr  wahrscheinlich  von  einem  und  demselben 
altem  Manuskripte  abgeschrieben. 


Übersetzniig. 

Im  Namen  Gottes  des  Barmherzigen  und  Gnädigen!  [oh]  mein  Ben, 
verleihe  [mir]  Erfolg,  und  mache  es  [mir]  nicht  schwer! 

Das  Buch  des  Archimedes  über  die  Teilung  der  Fignr 
sitemdschion"^^  in  vierzehn  zu  ihr  in  (rationalem)  Verhältnis 
stehende  Figuren.  Wir  zeichnen  ein  Quadrat,^)  es  sei  dies  ABGD^ 
halbieren  BG  in  E^  errichten  EZ  senkrecht  auf  BG,  ziehen  die  Diagonalei) 
AG,  BZ  md  ZG,  halbieren  ebenfalls  BE  in  H,  und  errichten  ET  senk- 
recht auf  BE;  dann  legen  wir  das  Lineal  an  den  Punkt  H  und  visieren 
nach  dem  Punkt  A  und  ziehen  HK,  halbieren  AL  in  M  und  ziehen  BM^ 
so  ist  das  Bechteck  AE  in  sieben  Teile  geteilt  Hierauf  halbieren  wir  (tD 
in  N,  ebenso  ZG  in  C,  ziehen  EC,  legen  das  Lineal  an  die  Punkte 
B  und  C  an  und  ziehen  (70,  ziehen  noch  CN,  so  ist  auch  das  Bechteck 
ZG  in  sieben  Teile,  aber  auf  andere  Weise  als  das  erste,  geteilt,  mitbin 
das  ganze  Quadrat   in  vierzehn  Teile.     Wir  beweisen  nun,  dafs  jeder  der 


ff 


4)  Das  griech.  x  ^ii'd  gewöhnlich  arab.  durch  „ach"  wiedeigegeben,  icb  er- 
innere an  „ArschimldeB**  für  „ Archimedes* ^ 

5)  Ahlwabdt  liest  „sitom&schion",  der  Vokal  nach  t  ist  willkürlich,  da  d^ 
Wort  im  arab.  Text  nicht  vokalisiert  ist. 

6)  Der  Text  spricht  allerdings  nnr  von  einem  Parallelogramm,  in  welcbeo 
AD  =^  DB  sein  soll,  also  von  einem  Rhombus,  allein  der  Verlauf  der  DanteUang 
zeigt,  dafs  die  Figur  ein  Quadrat  sein  soll;  immerhin  gilt  die  ganse  Ableitong 
für  jedes  beliebige  Parallelogramm. 


Der  LocaluB  Archimediae  oder  das  Syntemacbion  des  Archimedes.       495 


yierzehn  Teile  zum  ganzen  Quadrat  in  rationalem^)  Verhältnis  stehe.  Weil 
ZG  die  Diagonale  des  Rechtecks  ZG  ist,  so  ist  Dr.  DZG  die  Hälfte  dieses 
Rechtecks,  also  ein  Viertel  des  Quadrates;  aber  Dr.  GNC  ist  ein  Viertel 
von  Dr.  DZG^  weil,  wenn  wir  EC  verlängern,  es  in  den  Punkt  D  triflft, 
und  dann  also  Dr.  GBC  die  Hälfte  des  Dr.  BZG  und  gleich  den  beiden 
Dr.  GNC  und  BNC  zusammen  ist; 
also  ist  Dr.  GNC  =  -^^  des  Qua- 
drates. Wenn  wir  nun  femer  an- 
nehmen, die  Linie  0  C  sei  nach  dem 
Punkte  B  gerichtet,  wie  sie  in  der 
That  auch  gezeichnet  wurde,  so  ist 
die  Linie  NC  parallel  zur  Seite  BG 
des  Quadrates,  resp.  des  Dr.  OBG^ 
also  hat  man  die  Proportion: 
BG:NC=GO:  NO;  es  ist  aber 
BG  das  Vierfache  von  NC^  also 
auch  GO  das  Vierfache  von  jYO, 
deshalb  ist  nun  GN  das  Dreifache 
von  NO   und   das  Dr.  GNC  das 

Dreifache  von  ONC;  da  aber,  wie  wir  gezeigt  haben,  Dr.  GNC=^  ^  des 
Quadrates  ist,  so  ist  Dr.  ONO  =»  ^V  ^^^  Quadrates.  Weil  femer  Dr. 
GBZ  =  \  des  Quadrates  ist  und  deshalb  GNC  ^  ^^  desselben  und  Dr. 
NCO  =  4V  desselben,  so  bleibt  für  das  Viereck  BOCZ=^  der  Quadrat- 
fläche  übrig.  Nach  der  Voraussetzung^)  geht  femer  die  Linie  NC  (ver- 
längert) durch  den  Punkt  F^  und  es  wäre  CF  parallel  zu  GE^  also  hat 
man  die  Proportion:  EG  :  CF  =  EQ  i  CQ  =-  GQ  :  FQ;  weil  nun*) 
EQ^2CQ  und  GQ=2FQ,  so  ist  Dr.  EQG  das  Doppelte  jedes  der 
beiden  Dr.  GCQ  und  EFQ;  es  ist  aber  klar,  dafs  Dr.  EGZ  =  2  Dr.  EEG 
ist,  weil  ZE=  2  FE  ist;  das  Dr.  EGZ  ist  aber  =  \  des  Quadrates,  also 
Dr.  EEG  =  l  desselben,  dieses  (Dr.  EFG)  ist  aber  das  Dreifache  jedes 
der  beiden  Dr.  EFQ  und  OCQ^  also  ist  jedes  dieser  beiden  Dr.  =  ^^ 
des  Quadrates  ÄG^  und  das  Dr.  EGQ  ist  das  doppelte  jedes  der  beiden 
Dr.  EFQ  und  GCQ,  also  ist  es  =  ^V  ^«^  Quadrates.  Weil  femer  ZF  =  EF 
ist,  so  ist  Dr.  ZFG  =  Dr.  EEG;  wenn  wir  nun  Dr.  GCQ  ^  Dr.  EFQ 
wegnehmen,  so  bleibt  Viereck  FQCZ  ==  Dr.  EGQ,  also  ist  auch  Viereck 


VÄ 


7)  Hier  ist  das  ,,rational^'  im  Text  wirklich  ansgedrfickt,   während   es   am 
Anfang  und  am  Schlüsse  fehlt,  weshalb  ich  das  Wort  dort  eingeklammert  habe. 

8)  Besser  wäre  „Konstruction". 

9)  Hierfiär  sollte  stehen:  „Weil  nun  EG  =  2CF,  so  ist  auch  EQ  etc." 


496  Heinrich  Snter: 

FQCZ=^  des  Quadrates  ÄQ,  Wir  haben  nnn  das  Rechteck  ZG  in 
sieben  Teile  geteilt  und  gehen  nnn  zur  Teünng  des  andern  Rechteclcs  über. 
Weil  BZ  und  EC  zwei  parallele  Diagonalen  sind,  and  ZF=^  EF  ist,  so 
ist  Dr.  ZLF  =  EFQ,  mithin  Dr.  ZLF  =  ^  des  Quadrates  AG.  Weil 
BH  =  HE  ist,  so  ist  Dr.  BEZ  das  Vierfache  des  Dr.  BHT^  denn  jedes 
derselben  ist  rechtwinklig^^);  da  aber  Dr.  BEZ  «s  ^  des  Quadrates  ABGI^ 
ist,  so  ist  Dr.  BHT  =  ^  desselben.  Nach  unserer  Yoraussetzung  (Kon- 
struktion) geht  femer  die  Linie  HK  (verl&ngert)  durch  den  Punkt  A,  ako 
hat  man  die  Proportion:  AB:HT=  BKiKT;  es  ist  aber  AB  =  WT, 
also  auch  BK  =  2XT,  mithin  BT  =  3XT,  also  ist  Dr.  BHT  das  Drei- 
fache des  Dr.  KIIT\  weil  aber  Dr.  BHT  »»  ^  des  ganzen  Quadrates  ist 
so  ist  Dr.  KHT  =  ^^  desselben.  Femer  ist  Dr.  BKH  das  Doppelte  des 
Dr.  KHT^  also  =  -^  des  Quadrates.  Da  weiter  BL  =  2Zi")  und 
ilZ  =  27vF")  ist,  so  ist  Dr.  ABL  das  Doppelte  des  Dr.  ALZ  nnd 
Dr.  ALZ  das  Doppelte  des  Dr.  ZLF-,  weil  aber  Dr.  ZLF  (=  EFQ)^ii 
des  ganzen  Quadrates  ist,  so  ist  Dr.  ALZ=^  desselben,  also  Dr.  ABL  =}] 
es  ist  aber  Dr.  ABM  =^  Dr.  BML^  also  jedes  dieser  beiden  Dr.  =  tV 
des  Quadrates.  Es  bleibt  noch  übrig  das  Fünfeck  LFEHT  =»  der  Hllf)^ 
eines  Sechstels  mehr  der  Hälfte  eines  Achtels  des  ganzen  Quadrates  (also 
=»  {^  desselben).  Wir  haben  also  auch  das  Rechteck^  AE  m  sieben 
Teile  geteilt,  mithin  ist  die  ganze  Figur  AB  OD  in  vierzehn  TeUe  getolt, 
welche  zu  ihr  in  (rationalem)  Verhältnis  stehen,  und  das  ist,  was  wir  (be- 
weisen) wollten.  —  Beendigt  wurde  das  Buch^*)  des  Archimedes  über  die 
Figur  sitemäschion  am  Montag  den  6.  Rabi'  I.   1061  (März  1651). 


Arabischer  Text 


^kX^i  y**^     ^^^J^    i»|»A^l  •  rlitWM^)     tXhMi*    ySjS!t     SUam3        ^    /M\AA4yM 

0->^J  O^vl  (8ic)auk  »Äjfyu  ^Xöf  Rju^!  ^*)fo  iÜLÄ  Jai=ü        aJ 

10)  Diese  Begründang  ist  unyoUständig. 

11)  Fehlt  die  Begpründang  durch  eine  Proportion  wie  yorher. 

12)  A  and  B  haben  ,,Quadrat'*. 

13)  D.  h.  die  Abschrift  desselben. 

14)  A^. 


Der  LocaluB  Arcbimedius  oder  das  Synteinachion  des  Archimedes.       497 


,^.<>a*n.L?  O.    «Ljü  i»^   JLCaI   SLju^    cXö^I   ^jly^i  vi    LlmJ)  Oo   ^jXa9 

«>)»JL  ^Jül  jXi,:^!  ^jlyuJI  ^^)f,^  e)y^^>'  J*^'  ^-^^-J  f^^ 

^*)~    >ä  ^ilä  jXi^yt  ^jl>iJI  JXäJI  ^a^  il  1^  s..5LaÄ  JU^  iÜLÄ 


^jy^     OJdS^   Kia,^    s^ÄAoi    ^ JO    ^>1S^    ^^    ^j  y^    f  iU^I    ^JI>UJI 

Li^  ^  oJä^  ^^  ^'  ^^y^  viJÄ.  ^^^  ^^1  f  iU^it  vj?y>^l  2^^ 


V..Ä«a>    ^^9-    v>i^    O^^^   *^    ^^^    J^    ^J    8X«Ü&UmI     Jx;    ^S    l,.L!Vj.'N.t    ^1 


Ujl^  ^jÄ-l  Oo  ^^^  J3Ä.  ^y^Ä  ^^  JJ^  »i^  V    Ä^aW  if  IJüC^  ^^ 


JLul   JU^^I  ^  iw^  3^  Jai^  JU.!   5u4^l  ^  Jai.  ^^^  ^  il  ^ 

*^  er*  *J^  *^'  ü^  ^   ^e)^  ^^^^  cr^j  f  oo^  ^-^^^^  J'^' 


ü^  '"j^  f  l;^c)  ^^^^  w^^  o>^  fXi^yi  v^jiycJI  o^vt  er*  ' 


jj^  v^>Js^  e)^j  ^^v^J  »^  yjSJi  ^Xb'^il  v^;»ycJI  ^r*  ü^.>'j  ^'^" 


*^  ^^  jüu.  ^  r^  ^^^  ^3  ^^^  f  Xö^t  vj?j!y^»  ^A^  ^^ 


&«;!  ^)j6  ^fa^j  **)vy^  *^  cr^y^  ^^  er*  *J^  ftPa  ^^^-^j 


16)  A  Ujlj .  16)  B  RäjIj  .  17)  A  ^tsAi .  18)  A  ^^^*aÄi .  19)  Hier 
ist  in  A  und  B  wahrscheinlich  JJL^I  ausgefallen.  20)  Fehlt  in  B.  21)  A 
und  B  >/  .  22)  B  -f .  *         23)  A  und  B  ^j^^^  24)  A  und  B  ^j . 


25)  A^ 


Abh.  cur  OMch.  d.  M«them.    IX.  32 


f.^yiz 


LES  «EXCERPTA  EX  M.SS.  R.  DES-CARTES«. 


PAR 


PAUL  TANNERY 

A   PAMTOf, 
DIBBCTEUR    DB    LA    MAMUFACTUBB    DBS    TABAC8. 


1.  Les  fragments  mathematiques,  imprimes  pour  la  premiere  fois,  sous 
le  titre  ci-avant,  a  la  fin  du  yolome  B.  Descabtes  Opuscula  posthuma, 
phystca  et  mathematica  (Amstelodami,  Ex  Tjpographia  P.  et  J.  Blaeu. 
Proatant  apnd  Janssonio-Waesbebgios,  Boom,  et  Goethals.  M.DCCI),  n'ont 
gnere,  malgre  le  nom  de  lenr  auteur,  attire  jnsqu'a  present  Tattention  des 
mathematiciens  ni  de  lenrs  historiens.  Cette  indifference  s'expliqne  par  la 
difficnlte  qn'il  j  a  en  reaUte  a  se  debrouiller  an  milieu  d'un  texte,  d'une 
part,  compose  de  notes  qui  n'ayaient  jamais  ete  destinies  a  Fimpression, 
et,  de  Taatre,  passablement  d^fectueux,  tant  par  les  fautes  typographiqnes 
dont  il  foarmille,  que  par  Celles  qu'on  doit  impnter  au  copiste  qui  a  transcrit 
Tantographe  ^). 

Amene  a  etadier  ces  fragments  pour  en  donner  une  nouvelle  edition 
dans  les  (Euvres  de  Descabtes  actuellement  en  conrs  de  publication, 
j  estime  qu'ils  peuvent  donner  matiere  a  one  analjse  ofirant  quelque  in- 
teret.  Sans  apporter,  bien  entendu,  des  revelations  inesp^rees,  cette  etude 
pent  foumir  des  details  historiques  cnrienx,  et  jeter  un  pen  de  Inmiere 
sur  les  dessous  ignores  de  la  mathematique  de  Descabtes. 

2.  Avant  tout,  il  Importe  de  preciser  antant  que  possible,  le  yeritable 
caractere  de  ces  fragments. 

Les  Premiers  editeors,  dans  leur  Praefatio^  ne  donnent  aucon  renseigne- 
ment  sur  la  fa9on  dont  ces  Excerpta  auraient  ete  tires  des  Manuscrits  de 
Descabtes.  Ils  ämettent,  sans  insister,  Tidee  que  Ton  pourrait  j  yoir  soit 
une  partie,  soit  un  echantillon  d'un  ouvrage  plus  ou  moins  considerable, 
comme  VAlgübre  on  comme  V Introduction  ä  la  Geometrie  mentionn^s  par 
Baillet  (dans  sa  Fie  de  Monsieur  Descabtes).  Ils  ajoutent  enfin,  ce  dont 
on  ne  pourrait  guere  se  douter,  que  les  premieres  pages  ont  ete  corrigees 
ä  Yiro  quodam  harum  rerum  periUssimo ,  lequel  7  aurait  meme  %joute 
denx  figures. 

n  faut  ^Carter  absolument  Thypothese  ämise.     A  la  yerit^,  il  j  a  eu 

1)  II  y  a  notamment,  sans  compter  diverses  omissions,  d^assez  fr^uentes 
transpositions,  provenaat  sans  donte  de  rintercalation ,  a  une  mauyaise  place, 
d*additioD8  marginales. 


504  Pftal  Tannery: 

nne  Alg^hre  de  Descaktes.  U  en  parle  aiDsi  dans  sa  CorrespoDdance 
(lettre  a  Mebsenne,  ecrite  vers  le  25  janvier  1638;  ed.  Clkbsri.ikb,  t  ü^ 
p.  370 — 371):  «Je  ne  ferois  nulle  difficulte  de  luy  envoyer  ^  Mydorge) 
ma  yieille  Algebre,  sinon  qne  c'est  un  ^rit  qui  ne  me  semble  pas  meriter 
d'estre  yu;  et  pource  qu'il  n'y  a  personne  qne  ie  S9ache  qui  en  ait  de 
copie,  ie  seray  bien  aise  qu*ü  ne  sorte  plus  d'entre  mes  mains.»  D^apr^ 
l'Inventaire  des  papiers  de  Descartek,  fait  d  Stockholm,  le  14  fevrier  165ff\ 
on  retronva  a  la  mort  du  philosophe,  dans  ses  coffres,  nn  petit  regisire 
in-8,  qui  fat  cote  D  et  «oii  il  sembloit  avoir  ecrit  pour  son  usage  nne 
introduction  contenant  les  fondements  de  son  algebre,  en  155  pages».  Cet&it 
nn  trayail  dont  il  avait  donne  jadis  une  copie  a  Isaao  Beecman'),  de 
meme  qu'il  Ini  avait  offert  son  traite  de  Musica]  ce  devait  etre  avant  1620, 
c'est  a  dire  avant  Täpoque  on  Descartes  con9at  le  plan  de  sa  methode 
et  conimen9a  a  Fappliquer  anx  mathematiqaes.  La  deconverte  de  ce 
manuscrit  perdu  n'aurait  probablement  qa'nn  m^diocre  interet  ponr  lliistoire 
des  id6es  de  Tantear  de  la  Geomitrie*'). 

Quant  a  Y Introduction^  envoyie  par  Descartes  a  Mersenne,  partie  If 
27  mai,  partie  le  13  juillet  1638,  c'etait  ToBuyre  d'un  «gentilbomme  d« 
tr^s-bon  lieu»  (Godefroy  de  Haebtrecht?);  on  en  a  retrouve  nne  copie 
dans  les  papiers  de  LErexiz,  et  eile  a  4te  publice  par  M.  Henri  Adax, 
dans  le  BvUetin  des  Sciences  Mathematiques  en  1896,  sous  le  ütre:  Calnd 
de  Mons.  Descartes.  Celui-ci  a  affirme  a  diverses  reprises  n'ayoir  pas 
pris  part  a  la  redaction  et  ne  Tavoir  pas  corrig^e;  mais  il  a  du  fonniir 
les  exemples,  notamment  le  Heu  plan  de  Fermat  et  le  probleme  de  la 
Sphere  tangente  a  quatre  spheres  donnees.  Peut-etre  Fexemplaire  manuscrit 
(en  siz  cahiers)  retrouve  dans  les  papiers  de  Descartes  (cote  P)  doo- 
nait-il  une  suite  qu'il  senüt  plus  interessant  de  retrouver  que  <la  yieilk 
Algebre». 

Mais  YInventaire  pr^cit^  mentionne,  sous  la  cote  B,  un  registre  reiie 
«dans  lequel  il  y  a  peu  de  choses  escriptes  et  en  diyeis  endroits.  Au 
Premier  feuillet  deux  pages  sont  escriptes  sous  ce  titre  De  mmuris  im- 
(ionalihus,  Le  premier  feuiUet  porte  en  teste:  Ex  quantitate  linearum  quo* 
in  dato  cirpulo  inscriptce  simt,  quanUtaiem  drcumferentuB  cui  data  litif^ 
subtendmttur  cognoscerc.  Suivent  onze  feuillets  contenant  diverses  pro- 
positions  et  demonstrations.  >     Jalnventaire  Continus  l'analyse  detaillee  da 


2)  Publik  par  M.  Gh.  Adam  dans  la  Bevue  internationale  de  VEiua§Hmg9i, 
du  16  Novembre  1894. 

3)  Lettre  k  Bekcmah  da  17  Octobre  1630  (Clsbb.  n,  p.  60). 

4)  II  semble  dair  que  MTDOBas  connaissait  Texistence  de  ceUe  Algi^  ^^^ 
ravoir  vue  entre  les  mains  de  Descabtbb  avant  1629. 


Lee  Ezcerpta  ex  M.SS.  R.  Descaries.  505 

mannscrit  qui  contenait  des  matieres  de  tonies  sortes,  et  notamment  nn 
debat  d'ouvrage,  ThamnanHs  Üeffia,  ^bauche  ayant  1629. 

Or  las  Excerpta  debatent  precisement  par  1e  titre  ci-dessns  £!r  gtum- 
titate  linearum  dc,^)^  et  les  17  pages  petit  in-4^,  qu'ils  occupent  dans 
Tedition  de  1701,  semblent  bien  correspondu  au  plus  auz  13  feaillets 
mathimatiqaes  formant  le  d^but  da  registre  B.  II  est  donc  probable  que 
le  copiste  de  la  piece  enyojee  aux  Blabu  n'a  nallement  depouill^  les  diyers 
maooBcrits  de  Desgaktss  pour  y  choisir  ce  qa'il  y  avait  de  plas  inter- 
essant au  point  de  vue  mathematiqne^).  11  a  eu  entre  les  mains  le  registre  6, 
il  a  copie  le  commencement,  s'est  arrete  au  premier  fragment  non  math4- 
inatique,  et  n'a  meme  pas  cherche  plus  loin  pour  grossir  les  pretendus 
Excerpta^  car  on  o!y  retrouye  point  ce  qu'indique  encore  Tinventaire 
pour  le  meme  registre  «Deux  feuillets  .  .  sur  le  probleme  de  trouyer  un 
nombre  dont  les  parties  aliquotes  sont  doubles.  —  üne  page  de  paraholis 
camposiMs  —  Trois  de  partHnAS  aUquotis  numerarum.  —  Trois  de  questions 
de  nombres.> 

3.  Ce  point  eclairoi,  il  faudrait  determiner  la  date  approximative  des 
fragments  tres  differents  qui  composent  les  Excerpta.  A  cet  ägard,  il 
faut  mettre  a  part  le  premier  et  le  demier  qui  doiyent  etre  ant^rieurs 
aux  intermediaires,  et  sont  d'ailleurs  les  plus  consid^rables;  Tun  traite  du 
calcul  des  lignes  trigonom^triques,  Tautre,  relatif  aux  avcUes  dites  de  Des- 
CARTES,  est  evidemment  anterieur  a  la  Geometrie;  j'estime  meme  qu'il  re- 
monte  avant  1629,  et  a  Tepoque  ou  Descartbs,  deja  en  possession  de  la  loi 
de  la  refraction,  etudiait  mathematiquement  la  question  de  la  forme  des 
lonettes  ayant  de  passer  a  Tapplication.  Quant  au  premier  fragment,  il 
me  semble  aussi  ayoir  ete  proyoque  par  cette  meme  question  de  la  refraction, 
pour  le  calcul  des  sinus.  Debcarteb  aura  commence  a  deyelopper  ses  id^s 
a  deux  pages  differentes  de  son  registre;  plus  tard  il  aura  rempli  Finter- 
valle  par  des  notes  auxquelles  on  peut  assigner  une  date  posterieure,  et 
dont  la  demi&re  est  meme  des  demiers  temps  de  sa  yie. 

Voici  en  effet  la  serie  de  ces  notes: 

a.  Enonce  du  th^oreme  de  Ferhat  sur  la  possibilite  de  decomposer 
tont  nombre  en  n  polygones  de  n  cotes^.  Cette  proposition,  enyojee 
a  Mbrsenne    Sainte-Croix    yers    Septembre    1636    {(Euvres   de   Fermat, 


5)  Ayec  cette  seiüe  diffärence  qu*on  lit  arcüs  au  liea  de  drcumferentiae. 
(Test  lä  probablement  une  des  corrections  du  Vir  peritissimus, 

6)  Ainsi  il  n'a  rien  tirä  des  16  feaillets  (cote  M)  des  Progytnnasta  de  Soli- 
darum  eJementis  pnbliäs  pour  Focchbb  de  Carbil  en  1860.  Voir  les  Vorlesungen  de 
CinoR,  n,  p.  626^626. 

7)  Cf.  Cavtoh,  Vorlesungen,  II,  p.  707. 


506  F&vlI  Tannery: 

II,  p.  65),  fxit  communiquee  a  Descartes,  sans  nom  d'autenr  et  de  1a 
pari  de  Sainte-Croix,  en  jaulet  1638.  Elle  frappa  singnlieremenlk 
philosophe,  qni  ayoua  a  Mersenke  en  juger  la  demonstratioii  trop  difikile 
potir  oser  entreprendre  de  la  chercher.  Son  ioscription  sur  le  r^pstre  B 
remonte  probablement  a  cette  date. 

b.  Demonstration  algebrique  de  la  proposition  connue  des  andess,  qae 
si  i  est  un  triangle,  8^  ~|-  1  est  an  carr^.  Getto  note  a  da  etre  inserite 
en  meme  temps  qae  la  prec4dente,  comme  resaltat  des  premieres  reflexions 
de  Descartes  sar  la  question,  avant  qaHl  Teat  abandonnee.  BeniarqaoBS 
qn'il  arait  dö  etadier  plas  oa  moins,  dans  sa  jeanesse,  Diophante  d'apivs 
la  tradaction  de  Xylamder;  mais  il  ne  connait  pas  celle  de  Bachet,  et 
depais  1620,  il  ne  s'est  pas  occape  des  qaestions  nameriqaes  Blies  soot 
presqae  neayes  poar  lai. 

c.  R^gles  poar  calculer  la  somme  des  parties  aUqaotes  d'on  oombre 
d'apr^s  sa  composition.  —  Le  9  janyier  1639,  Descartes  ecrit  a  FREaai 
qa'il  n'j  avait  pas  an  an  qn'il  ignorait  ce  qa'etaient  les  parties  aliqaotei:. 
De  fait,  la  premiere  lettre  ou  il  montre  qa'il  les  connut,  est  oell^  de 
31  Mars  1638,  a  Mersenne,  oa,  poar  son  debnt,  il  retroave  U  regle  de 
Thabit-ben-Corrah  poar  la  formation  des  nombres  amiables  (Clkrs^  Dl 
p.  408).  Mais,  comme  noas  Tavons  indiqae  plas  haat,  Dbscastes  anii 
consigne  dans  son  registre  B,  a  d'aatres  places,  des  rechercbes  sor  1*^ 
parties  aliqaotes  qai  ne  figarent  pas  dans  les  Excerpta.  La  presente  cct«. 
r^snmant  les  fondements  essentiels  de  oes  rechercbes,  peat  donc  kn  poste 
rieare  aax  pr^c^dentes,  mais  eile  doit  etre  de  la  meme  annee. 

d.  Solation  d'ane  question  elementaire  d'analyse  indeterminee.  Tnwv^ 
an  cabe  dont  la  somme  ayec  an  carre  fasse  an  carre.  Dbscakixs  dt>£3t 
deaz  solations  nameriqaes: 

24«  +  10*  =  118».       3»  +  3»  =  6» 
et  ajoate: 

«N.  B.  Inveni  solutionem  facillimam  x*  -f-  xx  X)  aaxx;  ergo  s-^-It^^' 
et  X 'X>  aa — 1.     Hinc  infiniti  inyeniuntar.» 

La  solation  generale   aarait  pa  etre  donnee  d  apres  Diormisn^  ri:s- 
qa'on   peat  prendre   arbitrairement  le   cube,  qa'il  soffit  de 
deax  factears  de  meme  parite.   Ces  factears  sont  la  somme  K  la 
des  racines  des  carr^s  cherch^s. 

Aacane  indication  n'existe  dans  la  correspondenoe  de 
an  Probleme  de  ce  genre. 

e.  Note  sar  Textraction  de  la  racine  cubique  de  a+V*      ET-   : 
dater  de  l'epoqae  de  Taffaire  Stampioen-Waessenabr,  c*est  «  är?  if  ^- 
de  1639.     (Cf.  Cantor,   Yorlesmgen,  ü,  p.  727.) 


Les  Ezcerpta  ex  M.SS.  B.  Descartes.  507 

f.  Constraction  ponr  la  quadrature  du  cercle  (voir  Cantob,  Yor- 
Jesungen,  11,  p.  778),  remarqnable  en  ce  qu'elle  donne  le  principe  de  la 
meihode  dite  des  isoperimetres  ponr  le  calcul  du  rapport  de  la  circon- 
ference  an  diam^tre;  et  en  ce  qne,  d'nn  antre  cote,  c'est,  je  crois,  le  seul 
exemple  connn  ponr  proposer  d'atteindre  nne  longnenr  limite  par  des  con- 
simetions  graphiqnes  qni  permetteni,  en  theorie,  de  ponsser  l'approximation 
indefiniment.  —  Cette  note,  qni  se  relie  a  la  mauere  dn  premier  fragment, 
en  est  pent-etre  contemporaine ;  rien  n'indiqne  en  effet,  qn'en  1639  on  1640, 
DssoARTESse  soit  occnpe  de  qnestions  de  ce  genre,  sauf  quelques  railleries 
a  l'adresse  de  Longomomtanus. 

g.  Tangentes  de  la  cjclol'de  et  de  la  qnadratrice.  —  Cette  note  est 
tont  simplement  nne  capie  de  passages  de  Tecrit  de  Fermat:  Dodrinam 
tangentium  etc,  {Qiluvres  de  F.,  I,  p.  158 — 167),  que  Descarteb  reyut  de 
Mersbnnb  en  Octobre  1640.  Les  extraits  sont  textuels;  cependant  Desgartes 
a  introduit  ses  notations  et  supprime  des  calculs  intermediaires.  II  a  de 
plns  indique  les  constructions  snr  les  fignres;  celle  de  la  qnadratrice  semble 
indiqner  que  la  rectification  de  Tarc  de  cercle  se  ferait  au  mojen  de  la 
cjclolde.  II  est  remarqnable  que  Desgartes  n'a  pas  reconnn  Terreur  que 
contient,  ponr  la  tangente  a  la  qnadratrice ,  le  texte  qni  Ini  a'  ete  enyoje 
et  qni  est  conforme  a  nne  surcharge  snr  Tantographe  de  Fermat.  (Cf. 
(Euvres  de  F.,  I,  p.  166,  note.) 

b.  Calcul  des  resultantes  de  Felimination  des  irrationelles  ponr  les 
eqnations 

i/o  +  y  &  +  y^ = }/ä,  i/ä  +  y fe + Vc  =  yä + Vc. 

Provoque  par  un  billet  de  Fermat   de   1648  {(Euvres  de  F.,  II,  p.  282). 
Cf.  Clers.  in,  472  et  p.  498. 

4.  Par  rapport  a  tontes  ces  notes,  et  meme  par  rapport  an  dernier 
fragment,  la  grande  ant^riorite  du  premier  r^sulte  de  ce  fait  qu'on^n'y 
trouTe  pas  encore  les  notations  caracteristiques  de  Desgartes.  Ce  frag- 
ment debute  par  un  tableau  des  valenrs  irrationelles  des  cordes  des  arcs 
derivant  des  cotes  du  carre,  du  triangle  equilateral,  du  decagone  et  du 
pentedecagone  regulier.  De^sgartes  insiste  snr  les  lois  de  formation  de  ces 
irrationelles.  II  s'^tend  ensnite  longnement  snr  la  relation  entre  les  cotes 
d'on  triangle,  et  Tangle  oppose  a  Tun  d'enx  (comme  si  eile  n'eut  pas  ete 
connne).     II  la  met  sous  nne  forme  qni  correspondrait  a  celle-ci: 

a»  =  &*  +  c*  —  &c  Corde  (jt  —  2  Ä), 

11  propose  de  definir  la  valeur  de  Tangle  par  le  rapport  ri  i    i^^n  P''^^ 

en  valenr  absolue,  en  ajoutant  d'ailleurs  -|-  0  (comme  indice  de  Tangle  droit), 
si  &'  ~f~  ^  <i  ^^  0^  si  psu"  cons^quent  Tangle  est  obtus.    Cette  curieuse  no- 


508  Paul  Tannery: 

tation  montre  qn^il   iisit  encore  loin  de  la  conception  des  quantites  ne- 
gatives. 

Le  texte  de  tont  ce  fragment,  comme  aussi  celoi  dn  demier,  est  d'ui 
latin  assez  incorrect,  qui  contraste  avec  le  style  chatie  des  lettres  et  dtö 
ouvrages  de  Descartes  dans  cette  langae.  Ce  ne  sont  donc  pas  la  dei 
redactions  definitives,  mais  de  ces  premieres  ebauches  qae  Ton  fait  poor 
mettre  ses  idees  en  ordre  avant  de  les  avoir  arretees.  Ce  caractere  est 
encore  beancoup  plus  accuse,  par  le  desordre  de  la  composition,  dans  le 
demier  fragment,  celni  des  ovales,  auqnel  nous  allons  enfin  ariiver.  Quant 
aox  notes  intermediaires,  elles  ont,  bien  plus  nettement,  le  caractere  de 
memento  poor  des  resultats  definitivem  ent  acquis. 

5.  On  sait  qae  dans  .  sa  Geometrie,  Descartes  indique,  ponr  qna^ 
courbes,  dont  la  premiere  et  la  quatrieme  sont  reellement  ovales,  dont  la 
seconde  et  la  troisieme  sont  plntot  cordiformes,  des  constmctions  qui  pen- 
vent  imm^diatement  se  traduire,  en  coordonees  bipolaires  u,  v,  pai*  les 
equations  suivantes  ou  Ton  suppose  Ä;  <  1 : 

1^     u  +  kv  =  a4'kb\  ^.  ,  ,      , 

^ft  ,  , ,  I  Distance  des  foyers:  a  -+-  b 

,n  ,    ,  .    ,,  }  Distance  des  foyers:  a  —  b. 

4r     u  -j-  kv  =  a  -j-  kb  } 

H  a  applique  a  la  premiere  de  ces  courbes  sa  methode  des  tangentes 
(sans  d'ailleurs  jamais  former  Tequation  du  4*^  degre  en  coordonnees 
rectilignes),  et  il  en  a  deduit  les  propri^tes  optiques  de  corps  de  reTO- 
lution   ayant  ces   ovales   pour  meridienne   et  qui  seraient  formes  de  verre. 

Dans  cette  fayon  de  poser  le  probleme  au  point  de  vue  pratiqoe, 
Descartes  apportait  certaines  restrictions  a  la  conception  generale  des 
lignes  aplanSiques,  que  Ton  peut  definir  par  Tequation  lineaire  quelconqae 
entre  coordonnees  bipolaires.  Ces  restrictions  n'apparaissent  nuUement 
dans  les  Excerpta:  il  essaie  de  fait  toutes  les  combinaisons  possibles  et  les 
classe  methodiquement.  Malheureusement  les  developpements  qu'il  doime 
a  cet  egard  sont  tres  succincts  et  semblent  meme  tronques. 

Dans  son  celebre  Apergu  hisiorique  (2^  ed.,  p.  162),  Michel  Chasles» 
api*es  avoir  fait  observer  que  Tequation  du  quatrieme  degre  en  coordonDees 
rectilignes  correspond  a  Tensemble  de  deux  ovales  conjuguees^  ajoute  que 
cette  remarque  eüt  du,  ce  semble,  etre  faite  dans  la  Geometrie  de  Des- 
cartes. C'est  meconnaitre  les  habitudes  du  temps;  Ton  chercberait  d'aillears 
vainement,  dans  la  Geometrie^  la  remarque,  encore  plus  essentielle,  que  la 
meme  equation  du  second  degri  repr^sente  les  deuz  brancfaes  doot,  a 
Texemple  des  anciens,  Descartes  nommait  toujours  Tune  et  Tautre  byper 


Les  Ezcerpta  ex  M.8S.  R.  DeBcartes.  509 

hole.  Mais,  a  vrai  dire,  avec  sa  fa^on  de  traiter  le  probl^me  en  coordon- 
nees  bipolaires,  en  considerant  toujonrs  les  rayons  yectears  comme  posi- 
tifs  et  en  se  donnant  chaqne  fois  denx  fojers  et  un  sommet,  Descartfs 
n  etait  nallement  snr  la  voie  ponyant  condnire  a  reconnaitre  le  rapport 
entre  denx  ovales  conjugu^s. 

II  n'a  pas,  d'antre  part,  considere  les  cas  limites,  comme  par  exemple  celui 
on,  Tnn  des  fojers  colncidant  avec  le  somroet,  les  denx  ovales  conjngnees  se 
rejoignent  en  ce  point  et  forment  un  Uma{^  de  Pascal  (Chaslsb,  tb,).  La 
singuliere  expression  des  Excerpta  (p.  16):  «In  quinto  capite,  linea  est 
^iralis,  et  primo  qnidem  versus  A  curvatur,  deinde  versus  B  . . .  imo  clau- 
ditnr>^),  s'applique  a  la  forme  en  coeur,  dans  laquelle,  au  reste,  la  tan- 
gente  au  sonunet  est  perpendiculaire  a  Taxe  focal. 

Mais  en  revanche,  et  ce  point  est  important  a  constater,  Dbscartes 
avait  reconnu  l'existence  du  troisieme  fojer,  que  Chaslfs  a  cm  etre  le 
prämier  a  d^couvrir^).  II  est  meme  ais^  de  constater  que  Dbscartes  a 
dissimule  volontairement  cette  existence;  car,  au  fond,  sa  premiere  et  sa 
qnatrieme  ovale  sont  une  meme  courbe,  rapportee  Tune  a  un  foyer  int^rieur 
et  au  fojer  exterieur,  Fautre  aux  deux  fojers  interieurs;  de  meme  pour 
k  seconde  et  la  troisieme  ovale. 

A  la  verite,  les  Elxcerpta  ne  donnent  pas,  sur  cette  question,  des  resul- 
tats  d^finitifs.  On  j  trouve  d'abord  un  exemple  num^rique,  dans  lequel 
le  fojer  ext^rieur  et  un  fojer  interieur  sont  a  la  meme  distance  du  sommet 
pris  pour  origine;  puis  le  meme  cas  est  trait^  alg^briquement.  Le  cas 
general  est  ensuite  aborde  par  une  exposition  alg^brique  sjntbetique,  mais 
les  formules  sont  erronees  et  le  calcul  interrompu  sans  aboutir.  Cependant 
an  peu  plus  loin,  p.  17,  Dbscartes  dit:  redeundu/tH  ad  cdteram  (curvam) 
jam  inventam,  quae  tres  habet  focos, 

Ce  qui  doit  d'ailleurs  faire  admettre  que  Dbscartes  a  du  tirer  la 
chose  au  clair,  c'est  que,  p.  13,  il  cherche,  au  mojen  de  co^fficients  in- 
determines,  s'il  n'j  a  pas  deux  autres  fojers  que  ceux  qui  ont  ete  pris  a 
Torigine.  II  a  meme  cru  aboutir,  mais  le  calcul  est  encore  interrompu 
sans  conolusion '^. 

6.  Ce  que  je  viens  de  dire  montre  que  ce  fragment  des  ovales  est  une 
soite  d'essais  de  premier  jet,  avec  leurs  erreurs  et  leurs  maladresses  ordi- 

8)  A  et  B  sont  les  deux  fojers,  entre  lesqueU,  pour  le  cas  considär^,  se  trouve 
le  sommet. 

9)  Äpergu  histarique,  2«  ^d.  p.  352. 

10)  Peut  §tre  Dbscastes   a-t-il  6t6  amen^   k    cette  recherche  par  le  cas   du 
cerde  (mu  -f  *^v  »=  0),  oü  le  nombre  des  couples  de  fojers  est  iodäfini. 


510  Paul  Tannery: 

naires,  et  sans  qne  les  resnltats  definitifs  aient  ete  notes.  Le  debut  est 
an  antre  exemple  analogae;  mais  il  est  interessant  a  etadier,  dantut 
qu^ayec  la  recherche  illnsoire  des  quatre  foyers,  c'est  le  senl  endroit  oa  les 
Excerpia  proc^dent  r^ellement  par  analyse.  Partout  aillears,  TexpositioD  est 
synthetique. 

Dans  ce  debut,  Descartes  egale  arbitrairement  a  2  (a  —  y)  la  somint' 
des  deux  rayons  vecteurs;  la  distance  des  foyers  est  25;  a  est  rinierv&Ue 
entre  leur  milieu  et  le  sommet,  a  partir  duquel  se  compte,  sur  Taxe,  Fai)- 
scisse  X  du  point  courant.  Descartes  exprime  les  lignes  de  la  fignre  es 
o;  et  j/  et  commence  a  chercher  la  tangente  par  sa  methode;  puls  il  s'iiiter- 
rompt  brusquement. 

J'ai  dit  que  le  proced4  etait  analytique;  il  est  clair  en  effet  qae  la 
courbe  ne  serait  determinee  que  par  une  equation  entre  x  et  y,  Si  Descartez» 
avait  eu  une  methode  inverse  de  celle  de  ses  tangentes,  il  fut  parrenu  a 
exprimer  la  condition  que  la  normale  divisät  Faxe  dans  un  rapport  tooIq. 
Mais  ayec  les  seules  ressources  dont  il  disposait,  il  ne  pouvait  certainemeot 
pas  plus  aboutir  que  si,  en  coordonnees  ordinaires  ^  et  y,  il  eüt  cherche 
la  tangente  sans  se  donner  Tequation« 

Dans  la  suite,  il  posera  d'emblee,  par  exemple,  a  —  y,  et  h  -\-  ev. 
pour  ses  deux  rayons  vecteurs;  mais  alors  y  est  une  variable  qui  suffit  sanle 
a  d^terminer  un  point  de  la  courbe;  Descartes  peut  donc  la  Her  a  l&b* 
scisse  X  par  une  relation  determinee,  appliquer  sa  methode,  et  montrer  (\w 
la  condition  proposee  est  satisfaite. 

Mais  comment  est-il  arrive  precisement  a  donner  h,  ses  rayons  vecteurs 
les  expressions  ci-dessus?  Est-ce  Teffet  d'un  heureux  hasard?  a-t-il  ete 
guide  par  quelque  remarque  dans  Fessai  prec^ent? 

On  ne  peut  ici  former  que  des  conjectures;  elles  peuvent  etre  cepen- 
dant  appuyees  sur  des  faits,  que  je  vais  ei^poser  apres  avoir  dit  tont  d'abord 
ce  que  j*imagine. 

Je  croirais  volontiers  que  Descartes,  bien  avant  de  consütuer  sa 
methode  analytique  des  tangentes,  avait-directement  r^solu  le  probleme  qii'il 
s' etait  pos^,  de  trouver  les  lignes  courbes  ramenant  par  r^fraction  a  nn 
foyer  le  faisceau  de  rayons  issus  d'un  autre  foyer.  Ce  qu'il  consigne  sor 
son  registre.B,  ce  sont  les  essais  d'une  exposition  analytique  pour  une 
Solution  qu41  a  obtenue  tout  autrement. 

La  Position  meme  du  probleme  Va,  naturellemeat  conduit  au  Systeme 
des  coordonnees  bipolaires,  qu'on  lui  doit  beaucoup  plus  incontestablement 
que  celui  des  coordonnees  dites  cartesiennes;  il  a  reconnu  tout  aussitot  que 
Telüpse  et  Thyperbole  devaient  etre  des  variit^s  des  courbes  qu^il  cherchait, 


Les  Excerpta  ex  M.SS.  R.  Descartes.  511 

pnisque  ces  coniques  donnent  une  Solution  pour  la  reAexion  a  angles 
egaux  et  pour  la  rifraction,  en  supposant  a  Finfini  un  des  foyers 
lumineox. 

La  simplicite  de  la  constniction  de  la  tangente  des  coniques  rapport^es 
a  des  coordonnees  bipolaires  le  conduisait  a  chercber  une  g^n^ralisation  de 
cette  construction:  il  fallait  faire  intervenir  le  rapport  des  vitesses  de 
Variation  des  rajons  yecteurs.  Lorsque  ce  rapport  est  constant,  la  question 
est  relatiyement  aisee  a  resoudre  par  Tintuition  geometrique;  mais  Dbscartes 
a  pu,  tout  aussi  bien,  reconnaitre  de  la  meme  fa9on,  pour  la  condition  a 
laquelle  deyait  satisfaire  la  normale  a  la  courbe  qu41  cherchait,  la  neces- 
site  de  la  constance  du  dit  rapport. 

C'est  admettre  implicitement  qu'il  ayait  constitue  des  proced^  geo- 
m^triques  (sinon  une  metbode)  pour  determiner  les  tangentes  aux  courbes 
tracees  par  des  mouyements  combines.  Au  lieu  de  dire  les  tangentes,  je 
devrais  plutot  dire  les  normales^  car  toutes  les  indications  que  nous  aUons 
trouyer  a  ce  sujet  nous  fönt  8iq>poser  des  considerations  beaucoup  plus 
analogues  a  la  th^orie  des  centres  instantan^  de  rotation  qu'a  celle  de  la 
metbode  dite  de  BoBSRyAL.  Or  ce  fait^  que  Descartes  s'attacbe  en  prin- 
cipe a  determiner  directement,  non  pas  la  tangente,  mais  la  normale,  semble 
precisement  indiquer  que  Torigine  de  ses  recbercbes  a  porte  sur  la  nor- 
male,  parce  que  c'etait  eile  qu!il  ayait  a  considerer  dans  les  refractions. 

J'ai  a  peine  besoin  de  faire  remarquer  que  sa  metbode  analjtique 
aurait  ete  tres  simplifiee  si,  au  lieu  de  couper  par  un  cercle  a  Clements 
arbitraires  la  courbe  a  laquelle  il  est  propose  de  mener  une  tangente,  il 
l'eat  coupee  par  une  droite  passant  par  les  memes  points  d'intersection, 
c'est-a  dire  s'il  eut  cbercbe  directement,  par  son  analjse,  la  tangente  et  non 
la  normale.  Mais  ce  qu'il  importe  d'etablir,  c'est  qu'il  poss^dait  d'autres 
^rociäis  que  cette  metbode  analjtique. 

Tout  d'abord,  il  Taffirme  expressement  dans  une  lettre  a  Mebbbnne,  le 
11  juin  1640  (Clers.,  II,  p.  228):  »d'ou  ils  deuoient  connoistre  que  i'auois 
d'antres  mojens  pour  j  paruenir  (a  la  tangente  de  la  concbolde),  mais  que 
ie  n'auois  pas  youlu  leur  dire  tout,  ny  m'expliquer  plus  clairement  pour  la 
tangente,  comme  ils  auroient  aisement  reconnu  de  mon  stile,  s'lls  auoient 
eu  de  Tesprii« 

II  est  en  effet  bien  aase  a  yoir  que  la  construction  de  la  tangente  a 
la  conchoXde  (dans  la  GSomStrie)  repose  beaucoup  plutot  sur  une  consid^ 
ration  analogue  a  ceUe  du  centre  instantan^  de  rotation  que  sur  une  for- 
mnle  deduite  des  calculs  de  la  metbode  analjtique;  il  est  egalement  bien 
iovraisemblable  que  Descartes  ait  pu  donner,  poste  pour  poste,  son  ele- 
gante construction   de  la  tangente  a  la  cjclolde,  s'il   n'ayait  pas  ete  d^ 


512  Panl  Tannery: 

longtemps  en  possession  de  considerations  de  ce  genre  (yoir  sa  remarqnable 
lettre  a  Mersenne  du  23  aoüt  1638,  Clers.,  III,  p.  350)^^). 

Mais,  dans  les  idees  du  temps,  ces  considerations  etaient  d'aatant 
moins  admises  en  Geometrie  qae  les  notions  essentielles  snr  lesqnelles  elles 
reposent  n'^taient  nullement  d^gag^s.  Cest  ainsi  qae  Bobekval  ne  regar- 
dait  point  comme  g^om^trique  sa  propre  m4thode,  et  qn'il  ent,  a  son  gnod 
d^triment,  si  longtemps  scrupule  a  la  faire  connaitre.  De  meme  Des- 
CARTES  ne  erat  pas  son  bat  atteint  dans  »le  seal  probleme  qa'il  ait  desire 
savoir  en  Geometrie  >,  tant  qa'il  n'aarait  point  constitae  one  methode  ana- 
lytiqae  generale.  De  meme  encore,  il  garda  le  secret  de  ses  procedes,  sauf 
qaelqaes  indications  trop  insaffisantes  poar  permettre  one  restitaiion  d«* 
Tensemble. 

Qaant  a  la  notion  de  yitesses  de  deax  moayements  servant  a  decrirv 
ane  conrbe,  eile  apparait  enpress^ment  dans  la  lettre  a  Florimokd  de 
Beaune  da  20  fevrier  1639  (Clers.,  III,  p.  411).  Dans  cette  lettre,  Des- 
cartes  ne  recale  nallement  deyant  le  probleme  inverse  des  tangentes,  et  la 
relation  qa'il  ^tablit  entre  les  vitesses  en  qaestion  tradait  directement  requa- 
tion  differentielle  de  la  coarbe  proposee.  Dans  le  cas  particalier,  cette 
relation  est  emprantee  a  la  definition  des  logarithmes  de  Napibr^);  mais  0 
n'est  nallement  crojable  qa'a  cette  occasion,  Dbscartbb  ait  appliqne  des 
principes  ayec  lesqaels  il  n'aarait  pas  ^t^  familier  depais  longtemps. 

En  räsum^,  il  possedait,  probablement  d'assez  bonne  heore  et  arant 
rinyention  de  la  methode  analjtiqae  des  tangentes,  toas  les  elements  De- 
cessaires  poar  la  formation  d'ane  m^tbode  geometriqae  fond^e  sur  la  cod- 
sideration  da  moayement.  L'importance  qa41  attacbe  d'aillears,  dans  sa 
Geometrie,  aa  trace  des  coarbes  par  des  moayements  continas,  me  semble 
indiqaer  qa'il  avait  cberche  dans  cette  yoie  Textension  de  cette  methode 
aux  diyers  cas  imaginables.  Mais  il  n'a  probablement  laisse  ancone  oote 
a  ce  sajet,  et  il  serait  illasoire  d'esperer  des  r^y^lations  inattendaes,  meme 
si  Ton  retroayait  les  papiers  inyentori^  a  Stockholm. 

Je  n'ajoaterai  a  ces  obseryations  qa'ane  demiere  remarqae  an  snjet 
da  calcal  des  soas-normales  dans  les  Excerpta.  Les  deyeloppements  sont 
si    saccincts    qa'on    est   tente    de    croire    qae   Descartes    possMait,  poor 


11)  C'est  cette  lettre  qui  a  pos^  la  principe  essentiel,  qae  les  nonnalei  va 
trajectoires  des  divers  points  d'nne  figure  se  coupent  en  un  mßme  point,  pour 
chaqae  d^placement  älämentaire. 

12)  QuoLque  Dbscabtes  ne  prononce  pas  le  mot  de  logarithme,  rempnmt  »t 
^Yident;  pour  expliquer  son  silence,  il  soffit  de  remarquer  qu'k  cette  ^poqoe,  ie^ 
lignes  trigonomätriqaes  ne  valaient  encore  qne  comme  nambres  tabuhires  et 
n'^taient  pas  re9aes  en  Geometrie  comme  fonctions  de  Farc. 


Les  excerpta  6x  M.SS.  R.  Descartes.  513 

Fapplication  de  sa  ^m^thode  des  tangentes,  des  mojens  d'abreviation  tont  k 
fait  analogues  a  cenx  que  nons  fonrnit  le  calcul  des  d^rivees.  En  revanche, 
11  semble  recommencer  chaque  fois,  pour  chaqne  cas  exaraine,  an  lieu  de 
comprendre  tons  les  cas  sons  nne  formnle  g^n^rale,  oii  il  n'aurait  qn'a 
faire  yarier  les  signes  4"  et  — .  Ceci  est  d'accord  avec  les  antres  exemples 
qu'on  peut  donner  qne  Descartes  ne  s'est  nnllenient  attach^  a  la  syste- 
matisation  rigonreuse  de  la  Convention  relative  a  Temploi  des  qnantites  ne- 
gatives en  g^m^trie.  Cette  syst^matisation  s'est  introduite  pen  a  pen 
comme  la  cons^uence  de  son  oeuvre,  mais  les  anteurs  veritables  en  sont 
Testes  anonymes. 


Abh.  anr  OMoh.  d.  Mathom.  IX.  33 


mm 


EINIGE  ADDITIONSMASCHENEN. 


VON 


Db.  fhiii.  FREBDBICH  AUGUST  UNGER 

RBALSCHULOBERLEHRBB    IN    LEIPZIG. 


•*o» 


33 


Nachdrack  iit  nicht  erlaubt. 

Vor  mehr  als  zwei  Jahrhanderten  hat  man  angefangen,  neben  den 
beiden  bis  dahin  üblichen  Bechnungsweisen,  mit  Rechenpfennigen  und  mit 
Ziffern,  noch  eine  dritte  Bechnungsmethode  zu  erfinden,  n&mlich  die, 
Rechnungsresoltate  durch  eine  Maschine  zu  gewinnen.  Das  Ziel  wurde  er- 
reicht. Man  stellt  die  gegebenen  Zahlen  in  eine  Maschine  ein  und  bringt 
durch  Kurbeldrehung  oder  ähnliche  mechanische  Thätigkeit  das  Resultat 
hervor;  damit  hat  man  sich  von  der  mühsamen  Kopfarbeit  erlöst  und  sie 
einem  Räderwerke  übertragen,  das  vor  dem  Menschen  noch  den  Vorzug  der 
Unfehlbarkeit  besitzt. 

Zwei  der  gröfsten  Mathematiker  ihres  Jahrhunderts,  PASCAii  und 
Leibniz,  haben  sich  mit  dieser  Aufgabe  ernstlich  beschäftigt,  und  letztrer 
hat  das  Problem  der  Rechenmaschine  in  einer  Weise  gelöst,  die  noch  heute 
nachgeahmt  wird.  Seine  Maschine,  von  der  noch  ein  Modell^)  vorhanden 
ist,  und  die  bis  auf  die  neueste  Zeit^)  niemals  in  Gang  gebracht  werden 
konnte,  hatte  keinen  theoretischen  Fehler,  sondern  das  alleinige  Hindernis 
lag  in  der  mangelhaften  Ausführung  durch  den  Mechaniker.  Die  tiefere 
Stufe,  auf  der  die  Mechanik  vor  zwei  Jahrhunderten  noch  stand,  muCs  als 
Erklärung  und  Entschuldigung  hierfür  angesehen  werden. 

Man  kann  die  Rechenmaschinen  in  drei  Gruppen  bringen,  nämlich: 
Multiplikationsmaschinen,  Differenzmaschinen  und  Additionsmaschinen;  zur 
ersten  Gruppe  dürfen  die  logarithmischen  Apparate  gezählt  werden. 

Anfangs  hatte  ich   die  Absicht,   einen  Überblick  über  das  ganze  Ma- 


1)  In  der  König].  Bibliothek  zu  Hannover.  Eine  Zeit  lang  war  dasselbe 
Exemplar  in  Gröttingen. 

2)  Jetzt  geht  die  Maschine.  Dem  durch  Gründung  der  ersten  deutschen 
Rechenmaschinenfabrik  (1878)  berühmten  Ingenieur  A.  Bubkhardt  in  Glashütte  ist 
es  gelungen,  dieses  kostbare  mechanische  Wunderwerk  in  Gang  zu  bringen.  Da- 
durch bat  er  nicht  nur  ein  glänzendes  Zeugnis  für  seine  persönliche  Leistungs- 
fähigkeit abgelegt,  sondern  auch  ein  neues  unverwelkliches  Blatt  in  den  Ruhmes- 
kraDs  der  durch  Feinmechanik  weltbekannten  sächsischen  Stadt  Glashütte  ein« 
geflochten. 


518  Friedrich  August  Unger: 

terial  der  Bechenmaschinen^)  za  geben;  weil  aber  die  Anzahl  derselbe 
sehr  grofs  und  der  zugemessene  Raum  sehr  klein  ist,  so  hätten  die  No- 
tizen darüber  sehr  kurz  gehalten  werden  müssen;  dadurch  w&re  aber  der 
Nutzen  für  den  Leser  äuiserst  gering  geworden.  Deshalb  beschränke  idi 
mich  darauf,  hier  nur  einige  Additionsmaschinen  ^)  zu  beschreiben  und  zwar 
einige  neuere,  eine  für  einzi£ferige  Zahlen,  eine  für  zweiziffeiige  und  Tiex 
für  grofse  Summanden.  Drei  von  den  Maschinen  sind  deutsche,  drei  aber 
amerikanische  Erzeugnisse. 

1.  Behers  Additionsmaschine. 

Diese  Maschine  ist  ein  Apparat,  der  dazu  dient,  grofse  Kolonnen  eb- 
zifferiger  Zahlen  zu  addieren;  499  ist  die  gröfste  Summe,  die  erreicbt 
werden  kann;  es  gehören  indessen  schon  viele  Summanden  dazu,  ehe  die 
Summe  einer  Kolonne  so  grofs  wird. 

Will  man  mit  der  Maschine  arbeiten,  so  müssen  vorher  die  Summaodeii 
gehörig  untereinander  gesetzt  werden.  Darnach  addiert  man  mit  der  Ma- 
schine jede  Kolonne  gesondert.  Schliefslich  vereinigt  man  die  Kolonnfn- 
summen  in  gewöhnlicher  Weise  zur  Totalsumme. 

Wie  leicht  ersichtlich,  tritt  eine  Zeitersparnis  kaum  ein;  der  Nutzen 
liegt  vielmehr  in  der  Schonung  des  Gehirns. 

Die  beiden  Hauptteile  der  Maschine  sind  eine  horizontal  liegende  und 
um  ihren  Mittelpunkt  drehbare  Zi£femscheibe  und  eine  Klaviatnr.  Die 
Ziffemscheibe  trägt  auf  der  Oberseite  an  der  Peripherie  einen  Zahlenkr&ni 
der  ersten  99  Zahlen  und  Null;  alle  sind  zweistellig  geschrieben,  also  so: 
00  Ol  02  ...  11  12  ...  99.  Die  zwejjtellige  Schreibweise  ist  nötig  wegen 
Bildung  der  Summen  (siehe  unten).  Auf  der  Unterseite  der  Scheibe  sitzt 
unter  jeder  Zahl  ein  senkrechter  Stift.  Gedreht  wird  die  Scheibe  durch 
eine  Triebfeder,  die  man  durch  einen  Hemmungsmechanismus  wirken  lassen 
und  arretieren  kann.  Links  an  der  Scheibe  befindet  sich  eine  Skala  mit 
den  5  Ziffern  0  1   2  3  4,   die  bei  der  Bildung  der  Summe  als  Hunderter 


3)  Die  ganze  Sammlung  von  Rechenmaschinen  erscheint  binnen  knnem  am 
geeigneten  Orte. 

4)  AuBgeschlossen  bleiben  die  Rechenbretter  nnd  Zahlschnfire  der  Alteo,  so- 
wie die  in  den  Elementarachulen  gebrauchten  Zählapparate,  die  mit  Unrecht  Ma- 
schinen genannt  werden.  Eine  Tollständige  Zusammenstellung  der  Apparate  roo 
der  letzten  Art  giebt  Max  Hübneh,  Verwalter  des  Stadt.  Schulmuseums  zu  Breslfto, 
in  dem  „Fuhrer  durch  die  AussteUung  in  der  Turnhalle  am  Lessingsplatz",  her- 
ausgegeben anläfslich  der  „Deutschen  Lehrerversammlung  in  Breslau  tom  30.  Hat 
bis  zum  2.  Juni  1898". 


Einige  Additionsmaschinen.  519 

dienen  nnd  zwar  vor  einer  der  zweistelligen  Zahlen  der  Ziflfernscheibe.  Zu 
JLnfange  der  Rechnung  stellt  man  Skala  und  Scheibe  auf  Null;  nach 
je  einem  Umgange  der  Scheibe  wird  die  Skala  durch  eine  Übertragung 
von  der  Scheibe  um  je  eine  Ziffer  weiter  gerückt.  Die  Ablesungsstelle  der 
Summe  ist  ein  Schlitz  in  einem  Blechstreifen.  Der  Blechstreifen  ist  an 
der  linken  Seite  angebracht  und  verdeckt  Skala  und  ein  Stück  der  Peri- 
plierie  der  Scheibe.  Der  Schlitz  ist  nur  so  breit,  dafs  eine  Ziffer  der  Skala 
und  eine  (zweistellige)  Zahl  der  Scheibe  auf  einmal  sichtbar  werden;  zu- 
sammen bilden  diese  die  Sunmie. 

Die  Klaviatur  ist  nach  Art  eines  IQaviers  konstruiert  und  besteht  aus 
fünf  Untertasten  mit  den  ungeraden  Ziffern  und  vier  alternierenden  Ober- 

tasten  mit  den  geraden  Ziffern,  also  so  angeordnet:  13579-     Die 

Tasten  bilden  das  eine  Ende  eines  Winkelhebels,  an  dem  andern  Ende  be- 
findet sich  ein  Stift,  der  zwischen  die  Stifte  der  Ziffemscheibe  eingreift. 
Drückt  man  eine  Taste  nieder,  so  wird  die  Hemmung  ausgelöst  und  die 
Triebfeder  treibt  die  Scheibe  vorwärts;  ein  besondrer  Mechanismus  bewirkt 
im  Verein  mit  dem  Stifte  am  hintern  Ende  des  Winkelhebels,  dafs  sich  die 
Ziffemscheibe  um  nicht  mehr  aber  auch  um  nicht  weniger  Stifte  (resp. 
Zahlen)  vorwärts  dreht,  als  die  Zahl  der  niedergedrückten  Taste  anzeigt.  — 
Das  Bechnen  mit  der  Maschine  ist  denmach  dem  Elavierspiel  ähnlich,  die 
Ziffern  sind  die  Noten. 

Die  Maschine  ist  von  Oswald  Beher,  Lehrer  in  Grofsguhrau  Ereis 
Falkenberg  in  Oberschlesien,  erfunden.  1892  wurde  sie  patentiert,  DBF 
No.  50885,  englisches  Patent  No.  13538.  Die  ersten  Modelle^)  machte 
der  Mechaniker  Pinzoer  in  Breslau.  Am  15.  Sept.  1892  übernahm  die 
Firma  Frister  &  Bossmann  in  Berlin  die  Ausführung  der  Maschine.  Gegen- 
wärtig ruht  ihre  Fabrikation. 

2.  nigeiis  Rechenscheibe. 

Der  Apparat  ist  aus  Zink  hergestellt.  Er  besteht  aus  einer  um  ihren 
Mittelpunkt  drehbaren  Ejreisscheibe  von  ca.  17  cm  Durchmesser,  die  knapp 
an  der  Peripherie  100  Löcher  (Durchbohrungen)  in  gleichen  Abständen  von- 


6)  Ein  Modell  befindet  sich  in  dem  Stildt.  Schalmnseum  zu  Breslau  Dem 
Verwalter  desselben,  Herrn  Max  Hübneb,  verdanke  ich  die  Möglichkeit  dieses  Be- 
richts, da  er  die  grofse  Freundlichkeit  hatte,  mir  eine  Beschreibung  des  dortigen 
Modells  anzufertigen,  der  ich  hier  gefolgt  bin.  Ich  nehme  Veranlassnug,  ihm 
auch  an  dieser  Stelle  verbindlichst  Dank  zu  sagen,  umsomehr,  als  es  trotz  mehr- 
facher andrer  Versuche  nicht  gelang,  etwas  Weiteres  über  die  Maschine  zu  er* 
fahren. 


520  Friedrich  August  Ungar: 

einander  hat;  ein  Loch  ist  mit  einem  Pfeil  versehen,  der  heim  Rechnen  die 
Summe  anzeigt  Die  6cheihe  liegt  innerhalb  eines  unbeweglichen  Kreis- 
ringes; auf  diesem  stehen  knapp  an  dem  innem  Rande  in  natürlicher  Reihen- 
folge die  Zahlen  0  1  2  ...  99  und  zwar  genau  mit  den  Löchern  der 
Scheibe  in  radialer  Richtung,  sodals  jedes  Loch  vor  einer  Zahl  steht,  wie 
man  die  Scheibe  auch  stellen  mag.  — 

Die  Scheibe  greift  auf  der  Hinterseite  in  ein  Rad  mit  50  Z&hnen  und 
dreht  dieses  um  je  einen  Zahn  vorwärts,  sobald  sie  selbst  einen  vollen  Um- 
gang gemacht  hat.  Auf  der  Vorderseite  dieses  Rades  stehen  kreisföimig 
angeordnet  die  Zahlen  0  12...  49,  von  denen  aber  nur  eine  auf  einmal 
(und  zwar  in  fortlaufender  Reihenfolge)  in  einem  Schauloche  sichtbar  ist, 
während  die  übrigen  verdeckt  sind.  Diese  sichtbare  Ziffer  zeigt  die  üoo- 
derter  der  Summe  an;  die  dazu  gehörigen  Zehner  und  Einer  liest  man  auf 
dem  Ringe  ab  und  zwar  an  der  Stelle,  wohin  der  Pfeil  der  Scheibe  zeigt 

Die  Handhabung  der  Maschine  geschieht  folgendermalsen.  Man  stellt 
vor  Beginn  der  Addition  die  Scheibe  so,  dafs  das  Loch  mit  dem  Pfeile  auf 
die  Zahl  0  des  Ringes  weist  und  dafs  das  Hunderterrad  auch  0  im  Schao- 
loche  zeigt.  Sind  beispielsweise  die  drei  Zahlen  46,  32  und  57  zu  ad- 
dieren, so  steckt  man  einen  Metallstift  in  das  Loch  auf  der  Scheibe  unter 
der  Zahl  Null  (mit  Pfeil  versehen)  und  dreht  mit  Hilfe  dieses  Stifts  die 
Scheibe  nach  rechts,  bis  das  Loch  mit  dem  Pfeile  vor  der  Zahl  46  des 
Ringes  steht  Hierauf  zieht  man  den  Stift  heraus,  läfst  die  Scheibe  in 
ihrer  Stellung  und  steckt  den  Stift  in  das  Loch,  das  jetzt  unter  der  Risg- 
zahl  Null  steht;  nun  dreht  man  die  Scheibe  nach  rechts,  bis  man  mit  dem 
Stifte  vor  der  Zahl  32  steht.  Dadurch  ist  der  Pfeil  um  32  Löcher  resp. 
Zahlen  vorwärts  gerückt  und  zeigt  jetzt  auf  die  Ringzahl  78.  Hierauf 
zieht  man  den  Stift  heraus  und  steckt  ihn  in  das  Loch,  das  nun  anter 
der  Ringzahl  0  steht  und  dreht  dieses  Loch  bis  vor  die  Ringzahl  57.  Da- 
durch rückt  der  Pfeil  (der  auf  78  stand)  um  weitere  57  Löcher  vorwärts. 
Er  überschreitet  dabei  den  Anfangspunkt  Null  und  rückt  bis  35.  Beim 
Überschreiten  des  Anfangspunktes  verschwindet  die  Null  des  Hunderterrades 
im  Schauloche  und  eine  1  wird  dafür  sichtbar.  Der  Pfeil  zeigt  also  auf 
35,  im  Schauloche  steht  1,  d.  h.  die  Sunmie  ist  gleich   135. 

Auf  gleiche  Weise  wird  die  Handhabung  fortgesetzt,  bis  die  Posten 
alle  sind.  Man  kann  mit  dem  Apparate  zweistellige  Zahlen  im  ganzen  ad- 
dieren. Die  gröfste  Summe  ist  4999.  —  Haben  die  Sununanden  mehr  als 
zwei  Stellen,  so  mufs  man  sie  von  rechts  nach  links  in  Gruppen  von  je  zwei 
Ziffern  abteilen  (wie  dies  bei  der  Ziehung  der  Quadratwurzel  geschieht) 
und  jede  senkrechte  Doppelkolonne  für  sich  addieren,  und  zuletzt  die  ent- 
standenen Partialsummen  gehörig  vereinigen. 


Elinige  Additioium&scbmen.  531 

Der  patentiert«  Apparat  ist  1888  von  PAin.  Illgem,  eioeni  früheren 
Lehrer,  erfnndeo.  Der  Erfinder  lebt  jetzt  in  Entritzsch  bei  Leipzig  und 
beschäftigt  sich  gegenwärtig  nnr  mit  der  Erledigung  rechnerischer  Arbeiten. 
Die  Vetk&QfsBtelle  für  den  Apparat  ist  der  „Verlag  des  Leipziger  Stadt- 
uod    Dorfanzeigers",  wo  er  für  6  Uark  zu  haben  ist 


3.  Der  Conptometer  von  Feit. 

a.   Die  Einrichtung. 

Die  Maschine  ist  gefällig  nnd  kompakt,  wiegt  8'/]  Pfund  and  ist 
14'/,  ZoU  lang,  7'/,  Zoll  breit  and  5  Zoll  hoch 

Sie  besteht  ans  einer  Reihe 
von  Zahlenr&dem,  von  denen  je- 
des einen  gewissen  Stellenwert 
repräsentiert  nnd  die  10  Ziffern 
0  1  2  ...  9  trttgt,  so  eingerich- 
tet, daTs  immer  nur  eine  Ziffer  zu 
einer  bestinuntfin  Zeit  auf  einem 
Rade  sichtbar  wird.  Das  Sichtbar- 
nei-den  geschieht  auf  der  Vorder- 
seite in  Schanlfichem,  deren  Ge- 
samtheit das  „Register"  genannt 
wird.  Dieses  ist  dor  Ort,  wo  die 
Resultate  erscheinen. 

Jedes  dieser  Zahlenr&der  wird 
durch  eine  Kolonne  von  Tasten 
nach  Habgabe  ihrer  darauf  Ter> 
merkten  Einheiten  in  Bewegung  gesetzt,  wodurch  jede  arithmetische  Auf- 
gabe (genau  betrachtet,  ists  immer  nur  ein  Addieren,  wie  unten  dargetban 
werden  wird)  ohne  sonderliche  geistige  Anstrengung  gelöst  werden  kann. 

In  der  kleinsten  Sorte  von  Maschinen  befinden  sieb  acht')  Kolonnen 
von  Tasten,  doch  giebt  es  auch  solche  mit  10  nnd  solche  mit  12  Kolonnen. 
Die  erste  Kolonne  zur  Rechten  ist  die  Einerkolonne,  die  zweite  die  Zehner- 
kolonne etc.  Auf  jeder  Taste  stehen  2  Ziffern  (deren  Setrag  zusammen 
überall  neun  ausmacht),  eine  grols  gedruckte  und  eine  klein  gedruckte,  die 
grofse  ist  schwarz,  die  kleine  rot.     Beim  Addieren  und  Multiplizieren  wer- 


6)  NenerdiDgi  baut  man  auch  Haechinen  mit  7  Kolonneii,  statt  der  achten 
KoloDDe  stehen  neben  den  Einertasten  drei  Buchstaben  ffir  die  Brflche  '|^,  '/,,  '/«. 
Ue  beigegebene  Figur  zeigt  eine  solche  Maschine. 


den  die  Tasten  nach  Malsfjabe  der  grorKen  Buhwarzen  Zahleu  niedergedrückt, 
beim  Subtrahiereu  und  Dividieren  aber  die  Tasten  nach  M&lsgabe  der  kleinen 
rot«n  Zablen.  ■ 


b.    Das  Bei 


lit  dei 


Vor  der  Addition  und  MaltipUkatioo  ist  das  „Register"  auf  O  lU 
stellen.  Addieren  geschieht  auf  der  Maschine  durch  das  Anschlagen  der- 
jenigen Tasten,  welche  die  einzelnen  Summanden  repräsentiere □.  Jeder 
Summand  wird  erst  ganz  getastet,  ehe  ein  neuer  di'ankonimt.  Nachdem 
al[<^  Pasten  auf  der  Maschine  getastet  sind,  ist  auch  (ohne  weitere  Mani- 
palation)  im  Register  die  Gesamtsumme  erschienen.  — 

Das    Multipliiieren    ist  ein    wiederholtes  Addiei'eo.     Soll  z.  B.  456 
mit  32  multipliziert  werden,  so  drüctt  man  die  6-Taste  in  der  Einerkolonne 
zweimal,    die  A-Taste    in  der  Zehnerkolonne  zweimal  und  auch  die  4-Tasta  _ 
in    der   Hundortkolonne    zweimal.     Hierauf   denkt   man    sich,    es    sei    4560*« 
mal    3    statt   4.56  mal  30    zn    multiplizieren    und   tastet   6    in   der   ZehoSP-l 
kolonne  dreimal,  5   in  der  Hundertkolonne  dreimal  und  4  in  der  Tausend--! 
kolonne    dreimal.     Im    Register    steht    dann    das   Produkt.  —  Beim    änb- 1 
trabieren  rnnfs  der  Minuend  stets  im  Register  angesetzt  werden.     Beispiel: 
34,5  —  73.     Der  Minnend  345  wird  im  Register  (in  den   3  letzten  Schau- 
löchern) eingestellt,  die  übrigen  Schaulöcher  bekommen  0.     Dann  wird  der 
vor  der  Hunderterkolonne  angebrachte  Schieber  vorgeschoben  und  der  am  1    i 
verminderte  Subtrahend  getastet,  aber  in  roten  Tastenziifem  (also  hier  79fl 
rot).     Auf   dem  Register   ist   das   Resultat   erschienen.  —   Zur  Erkläm 
des  Vorgangs  sei  Folgendes  bemerkt,     Wenn  man  den  um   1   vermindert 
Subtrahend    in    roten    Ziffern    sucht,    so    geben    die    auf    denselben    Tasta 
stehenden   schwanen    Ziffern   stets   das    dekadische    Komplement   zum 
benen  Subtrahenden   an.     Auf  den  Tasten,   auf  denen   man   rot  72 
steht  schwarz  37,  das  ist  das  dekadische  Komplement  zu  73.      Wenn  mal 
also  72    rot   tastet,    so   addiert   man    in  Wirklichkeit    27    (also  das  del 
dische    Komplement    des    gegebenen    Subtrahenden  j ;    um    nun    das    richti| 
Facit   der   gestellten  Aufgabe    zn    erhalten,    mul's    nach   dieser  Addition    ' 
ganze   dekadische   Einheit    (iro  vorliegenden  Beispiele  die  Zahl   100)    abg»*' 
zogen   werden,    was    durch    den    vorgeschobenen    Schieber   geschieht,    indem 
derselbe  bewirkt,   dafs   die  Zebnerüb ertragung  nicht  vorwärts    (wie  bei  der 
Addition),  sondern  rückwärts  wirkt,  also  auf  der  Hundertstelle  im  Begist«r  li 
subtrahiert,  statt  addiert.  — 

Das  Dividieren.  Beispiel:  44698  :  68.  Der  Dividend  wird  im 
gister  angesetzt.  Hierauf  sucht  man  in  roten  Tastenziffem  den  um  1  ' 
minderten  Divisor,   nllmlich  67;  a.uf  denselben  Tasten  steht   aber   schwi 


Einige  Additionsmaschineo.  523 

32.  Um  die  Anfangsstelle  für  das  Anschlagen  der  Tasten  zu  finden,  denkt 
man  sich  den  gegebenen  Divisor  68^  in  gewöhnlicher  Weise  unter  den  ersten 
Partialdividenden  gesetzt,  also  hier  68  unter  446,  das  ist  in  der  Tausender- 
und Hunderterkolonne;  an  dieser  Stelle  beginnt  das  Greifen  der  Tasten. 
Man  tastet  nun  den  roten  Divisor  (67)  oder  was  dasselbe  ist,  die  schwarze 
32  in  der  Tausender-  und  Hunderterkolonne  so  oft,  als  der  Divisor  68  in 
446  enthalten  ist,  nftmlich  sechsmal.  Dadurch  hat  man  nichts  subtrahiert, 
sondern  sechsmal  3200  addiert,  und  im  Register  steht  jetzt  auch  wirklich 
44698  +  19200  nämlich  63898.  Die  vordere  6  davon  ist  die  erste 
Quotientenziffer  und  3898  ist  der  Bestdividend.  Hierauf  denkt  man  sich 
68  unter  389  gerückt,  und  tastet  in  der  Hunderter-  und  Zehnerkolonne 
die  rote  67  resp.  die  schwarze  32  fünfmal,  wodurch  also  fünfmal  320  zu 
der  vorigen  Begristerzahl  addiert  wird.  Das  Register  zeigt  den  Betrag  der 
Summe  63898  -f-  1600,  nämlich  65498.  Davon  sind  die  beiden  vordersten 
Ziffern  die  beiden  ersten  Quotientenziffem.  498  ist  der  nächste  Best- 
dividend. Man  tastet  nun  in  der  Zehner-  und  Einerkolonne  die  rote  67 
resp.  die  schwarze  32  siebenmal,  wodurch  siebenmal  32  zur  vorigen  Begister- 
zahl  addiert  wird.  Das  Begister  zeigt  jetzt  65498  -f  ^^^  nämlich  65722, 
davon  ist  657  der  Quotient  und  22  der  Best  der  gestellten  Divisionsaufgabe. 

Wenn  man  nicht  die  Oröfse  der  einzelnen  Quotientenziffem  im  Kopfe 
bestimmt,  so  mufs  zu  ihrer  Ermittelung  das  Tasten  des  um  1  verminderten 
Divisors  (in  roten  Ziffern)  sovielemal  geschehen,  bis  die  sich  ergebende 
Quotientenziffer  mit  der  Anzahl  des  Tastens  übereinstimmt  und  aufserdem 
die  verbleibenden  Ziffern  des  Teildividenden  kleiner  sind  als  der  gegebene 
Divisor. 

Das  obige  Divisionsexempel  hat  sich  auf  dem  Wege  der  Addition 
folgendermafsen  vollzogen: 


44698  : 

68 

+   19200 

d.  i.  6mal  320 

63898 

+     1600 

d.  i.  5mal  320 

65498 

+        224 

d.  i.  7mal  32 

65722 

Quo- Beat 
tient 

Es  liegt  hier  die  komplementäre  Division  vor.  44  698  :  (100  —  32). 
Die  Vielfachen  von  32  sind  zu  addieren,  was  geschehen  ist;  die  Vielfachen 
der  dekadischen  Einheiten  (60000,  5000,  700)  wären  zu  subtrahieren,  was 
aber  unterlassen  ist,  weil  die  geltenden  Ziffern  derselben  den  Quotient  bilden. 


ind    wird  unter 


Friedrieb  Augutt  ünger; 

Die  Maschine  ist  TOn  Dorb  E,  Felt  erfundeo    ' 
persönlichen  ÄufBicht  hergestellt  von  der  Finaa 
Pult  et  Tarbant  Mfg.  Co.  62,  5i  und  ."ie  Illinois  Street,  Chicago,  ü.  S,  , 

Die  Patente  daiauf  sind  am  19.  Juli  und  11.  Okt.  1887  erworbe 
Die  Ausführung  geacbieht  in  drei  Gröfsen,  nämlich  mit  acht  Koloimeiifl 
zehn  Kolonnen  und  zwölf  Kolonneo  zu  deo  Preisen  525  JL,  700  JL,  850  jK, 
Die  Verkaufsstelle  (zu  Originalp reisen)  für  Deutschland  ist  die  Schreib- 
warenhandlung von  F.  G.  MvLJUS  in  Leipzig,  Daselbst  steht  ein  Kiemplu- 
zur  Ansicht,  das  mir  der  Inhaber  der  Firma  bereitwilligst  und  freundlichst 
zeigte  und  erklärte.     Jeder  Maschine  wird  ein  Inatruktionsbuch  heigegebea. 

4.   BarrvnghM  Rfgisterin^  »(^cninitaiit  oder  gell»stsf,tirfn>eiiilf 
Additionsmasrhine. 


Einige  Addiüonsmascfainen.  525 

wänden  besteht,  sodaüs  das  Funktionieren  der  arbeitenden  Teile  beobachtet 
werden  kann.  Auf  der  Oberseite,  dem  Griff brette,  befinden  sich  81  Tasten, 
angeordnet  in  9  Kolonnen  a  9  Stück.  Jede  trägt  eine  der  9  Ziffern.  In 
jeder  Kolonne  befinden  sich  Tasten  mit  den  Ziffern  1,  2  ...  9.  Die  erste 
Kolonne  rechts  ist  die  Einerkolonne,  dann  folgt  die  Zehnerkolonne  etc.  An 
der  Hinterwand  befindet  sich  anfsen  eine  automatisch  bewegliche  Papier- 
rolle, auf  welche  die  Posten  in  richtiger  üntereinandersetzung  sowie  die 
Totalsmnme  durch  die  Maschine  gedruckt  werden.  An  der  rechten  Seite 
ist  eine  Kurbel;  beim  Arbeiten  wird  dieselbe  angezogen  bis  an  einen  festen 
Widerstand  und  dann  losgelassen;  sie  geht  yon  selbst  durch  Federkraft  in 
ihre  ursprüngliche  Lage  zurück. 

Durch  das  Niederdrücken  der  einen  Posten  darstellenden  Tasten  und 
darauffolgendes  Anziehen  der  Kurbel  wird  der  Betrag  auf  die  Papierrolle, 
die  an  der  Hinterwand  augebracht  ist,  gedruckt,  zugleich  aber  wird  dieser 
Betrag  auch  auf  den  Sammlungs-  oder  Additionsmechanismus  gebracht.  Hier- 
auf kann  ein  zweiter  Posten  auf  eben  diese  Weise  der  Maschine  übergeben 
werden,  darnach  ein  dritter  etc.;  dies  wird  fortgesetzt,  bis  alle  Posten  auf- 
gegeben sind.  Will  man  dann  die  Summe  erscheinen  lassen,  so  macht  man 
zunächst  eine  Kurbelbewegung  leer  (d.  h.  ohne  irgendwelche  Taste  gegriffen 
zn  haben),  drückt  dann  die  links  unten  angebrachte  vernickelte  Taste  (das 
ist  die  „Additionstaste'^)  nieder  und  macht  eine  neue  Kurbelbewegung, 
womit  das  Additionswerk  beendet  ist.  Auf  dem  Papierstreifen  zeigt  sich 
nnn  die  ganze  Arbeit  der  Maschine:  sie  hat  alle  ihr  aufgegebenen  Posten 
einzeln  gedruckt,  genau  untereinandergesetzt,  einen  Zwischenraum  zwischen 
dem  letzten  Posten  und  der  Summe  gelassen,  der  für  den  Additionsstrich 
gelten  kann,  und  die  Summe  darunter  gedruckt  —  und  überdies  fehlerfrei 
gerechnet.     Ein  Streifen  sieht  so  aus,  wie  folgendes  Beispiel^)  zeigt: 

34578 

8200 

945 

720640 

89 

3207 

767669 

Bechts   unten   ist  noch   eine  vernickelte  Taste  ohne  Ziffer  angebracht, 
das  ist  die  „Repetiertaste'S     Sie  dient  dazu,   um   mehrere  nacheinander 

7)  Die  neuesten  Maschinen  drucken  vor  die  beiden  letzten  Stellen  in  jeder 
Zahl  ein  Desimalkomma,  z.  B.  346,78. 


526  Friedrich  August  Ünger: 

Yorkommende  gleichgrofse  Posten  auf  kürzere  Weise  als  gewöhnlich  der 
Maschine  zu  ühergeben.  Zu  diesem  Zwecke  tastet  man  den  Posten,  drückt 
die  Bepetiertaste  nieder  und  klemmt  sie  fest,  darnach  zieht  man  die  Kurbel 
soyielemal  an,  wie  der  Posten  aufgegeben  werden  soll.  Dann  löst  man  die 
Repetiertaste  aus  und  bringt  die  Zahlentasten  mit  Hilfe  der  Additionstasip 
wieder  in  die  Höhe,  worauf  man  in  gewöhnlicher  Weise  weiterarbeiten  kann. 

Die  Null  erscheint  auf  der  Klaviatur  nicht;  diese  Ziffer  wird  auto- 
matisch von  der  Maschine  ohne  irgendwelches  Zuthun  des  Bedienenden  ge- 
druckt, wo  sie  erforderlich  ist. 

Bevor  man  das  Addieren  anföngt,  mufs  die  Maschine  „klar  gestellt^, 
d.  h.  auf  ihren  Nullpunkt  gebracht  werden.  Zu  diesem  Zwecke  macht  mao 
eine  volle  Kurbelbewegung  leer  (d.  i.  einen  Hergang  und  einen  Hingang). 
Dann  drückt  man  die  Additionstaste  nieder,  h&lt  sie  in  dieser  Lage  fest 
und  macht  abermals  eine  volle  Kurbelbewegung.  Dadurch  wird  die  Ma- 
schine klar  von  allen  Posten,  die  etwa  vorher  gegriffen  waren. 

Die  Maschine  ist  in  erster  Linie  fOr  die  Addition  konstruiert;  doch 
kann  sie  auch  zur  Multiplikation  benutzt  werden  und  zwar  mit  Hilfe 
der  Bepetiertaste.  Soll  beispielsweise  547  mit  23  multipliziert  werden,  so 
drückt  man  die  Bepetiertaste  nieder  und  klemmt  sie  fest  Hierauf  tastet 
man  547  in  gewöhnlicher  Weise  und  macht  3  (nach  Malsgabe  der  EiDer 
von  23)  volle  Kurbelbewegungen.  Dann  drückt  man  die  Additionstaste, 
um  die  Zahlentasten  in  die  Höhe  zu  bringen.  Damach  tastet  man  die  Zahl 
547  eine  Kolonne  weiter  links  als  vorher  (also  eigentlich  5470)  und  zieht 
die  Kurbel  zweimal  (nach  Mafsgabe  der  Zehner  von  23)  an.  Hierauf  bringt 
man  mit  Hilfe  der  Additionstaste  die  Zahlentasten  in  die  Höhe,  zieht  die 
Kurbel  einmal  leer  und  addiert  schlieislich  das  Gkinze  wie  gewöhnlich. 

Um  den  Additionsmechanismus  zu  einigem  Verst&ndnis  zu  bringen,  sei 
folgendes  angeführt  Unter  jeder  Tastenkolonne  des  €rriffl>rett8  befindet  sieh 
im  Innern  der  Maschine  ein  Bad  auf  eigner  Achse  mit  10  Zähnen.  An- 
genommen, es  seien  3  und  4  zu  addieren.  Durch  Niederdrücken  der  Einer- 
taste 3  und  nachfolgende  Kurbelbewegung  wird  das  Einerrad  aus  der  Null- 
lage um  3  Z&hne  weiter  gedreht  Der  Druck  auf  die  Einertaste  4  nebst 
Kurbelbewegung  bewirken,  daXs  das  Einerrad  um  4  Z&hne  weiter,  also  bis 
zum  Zahn  7  bewegt  wird.  Ist  nun  5  hinzuzufchgen,  so  haben  Tastendrack 
und  Kurbelbewegung  zur  Folge,  daCs  das  Einemd  sich  über  die  Z&hne  8 
und  9  in  die  Buhelage  und  weiter  um  die  Zshne  1  und  2  fortbewegt 
Beim  Passieren  der  Buhelage  0  greift  jedoch  eine  am  Einerrade  befindliche 
Nase  in  d.is  Zehnerrad  und  bewegt  dieses  aus  der  Nulllage  um  einen  Zahn 
vorw&rts,  also  auf  1.  Die  Stellung  beider  R&der  ^Kinerrad  auf  2  und 
/ohnoirad  auf  1^  giebt  nun  den  Betrag  der  Sumine  der  3  21afalen  3  -j-  ^  "f  ^ 


Einige  Addiiionsmaachinen.  527 

an.  —  In  gleicher  Weise  vollziehen  sich  die  Additionen  und  Zehnerüber- 
tragnngen  in  den  übrigen  Kolonnen. 

Das  znm  Drucke  notwendige  Farbband  arbeitet  automatisch  und  wird 
anch  automatisch  umgeschaltet,  wenn  es  in  einer  Bichtung  abgelaufen  ist; 
man  braucht  also  nicht  auf  das  Band  zu  achten. 

Die  Verbindung  zwischen  Handkurbel  und  dem  innem  Mechanismus 
wird  durch  Federn  bewirkt,  welche  genau  auf  die  erforderliche  gleichmäfsige 
Kraft  reguliert  sind.  Diese  Federn,  zusammen  mit  dem  Regulator  (im  In- 
nem), schützen  die  arbeitenden  Teile  derart,  dafs,  gleichgiltig  ob  die  Kurbel 
schnell  oder  langsam  gehandhabt  wird,  die  Maschine  immer  mit  derselben 
Schnelligkeit  arbeitet;  auf  diese  Weise  kann  selbst  böswillige  Nachlässigkeit 
des  Arbeitenden  der  Maschine  nicht  schaden. 

In  wenigen  Minuten  ist  die  Handhabung  erlernt.  Eine  Schnelligkeit 
von  1500  Posten  in  der  Stunde  wird  von  jedem  nach  kurzer  Zeit  erreicht; 
ein  sehr  geübter  Arbeiter  kann  über  2000  Posten  pro  Stunde  addieren. 

Die  Maschine  reicht  mit  ihrer  Leistungsfähigkeit  bis  zur  höchsten 
Summe  999999999;  sie  schont  Gehirn  und  Nerven  der  Beamten,  arbeitet 
drei-  bis  viermal  schneller  als  der  Mensch,  druckt  in  gefälligen,  gleich- 
mälsigen,  gut  leserlichen  Typen  und  ist  —  unfehlbar. 

Dadurch,  dafs  sie  alle  Posten  einzeln  druckt,  kann  mit  Hilfe  des 
Druckstreifens  jederzeit  der  Beweis  für  die  Vollständigkeit  und  Rich- 
tigkeit der  aufgegebenen  Posten  erbracht  werden. 

Die  soeben  erwähnte  Möglichkeit  der  Kontrole,  verbunden  mit  der  leich- 
ten und  schnellen  Handhabung,  sowie  die  fehlerfreie  Summation  bilden 
zusammengenommen  alle  Erfordernisse,  die  man  billigerweise  an  eine 
Additionsmaschine  stellen  kann. 

Erfunden  wurde  diese  Maschine  zu  Anfang  der  achtziger  Jahre  von 
BuRROuoH,  der  vor  wenigen  Monaten  verstorben  ist  Die  ersten  Exemplare 
waren  noch  unvollkommen.  Gebrauchsfähige  Maschinen  sind  erst  seit  etwa 
sechs  Jahren  auf  den  Markt  gekommen  und  zwar  bereits  in  der  jetzigen 
Ausführung.  Verbesserungen  sind  seitdem  nur  in  g^anz  nebensächlichen 
Dingen  eingetreten.  Die  Patente  darauf  sind  am  21.  Aug.  1888,  15.  Jan. 
1889  und  4.  Febr.  1890  erworben. 

Bis  vor  kurzem  wurde  die  Maschine  nur  von  der  Arithmometer  Co. 
in  St.  Louis  ü.  S.  A.  hergestellt;  seit  1898  giebt  es  aber  zu  ihrer  Her- 
stellung auch  eine  Fabrik  in  Nottingham  (England),  um  von  dort  aus  den 
Bedarf  in  Europa  zu  decken. 

Für  diejenigen  Leser,  die  das  Verlangen  haben,  eine  solche  Maschine 
zu  sehen,  seien  folgende  Fundstellen  angeführt. 


528  Friedrich  August  ünger: 

In  Deutschland  haben  zur  Zeit  (Juni  1899)  in  Gebrauch: 

Kaiserliche  Beichspostämter  120  Maschinen, 

Kaiserl.  Stat.  Amt  Berlin  zehn, 

Reichs- Versicherungs-Amt  Berlin  eine, 

Bank  des  Berl.  Kassenvereins  z«fei, 

St&dt.  Sparkasse  Köln  a.  Rh.  zwei, 

Preufs.  Eient.- Versicher. -Anst.  Berlin  eine, 

Artillerie- Werkstatt  Dresden  eine, 

Bh.-Westf.  Masch.-  und  Kleineisen- Industrie -Berufsgenoasenschaft 

Düsseldorf  eine, 
Ernst  Schebsb,  Werkzeugma8ch.-Fabrik  Düsseldorf  eine, 
Falk  &  Schutt,  Lederfabr.,  Wüster  (Holst.)  eine, 
Wagner  &,  Korn,  Flaschenfabrik,  Louisenthal  a.  Saar  eine, 
Allgem.  Elektrizitäts-Gesellschaft,  Berlin  eine, 
Stadt.  Sparkasse  in  Leipzig  eine, 
Königl.  Bayerische  Postämter  zehn, 
Königl.  Württemb.  Post  drei. 

In  Österreich: 

Osterr.  Post-Sparkasse  Wien  6  Maschinen. 

Kaiser  Ferdinand-Nordbahn  Wien  eine, 

F.  Winkler's  Stadt-Apotheke  Innsbruck  eine. 

In  England  und  Amerika  ist  die  Maschine  in  vielen  Banken  zu  finden 
und  daselbst  zur  geschätzten  Gehilfin  geworden.  Zar  Addition  tod  Post- 
anweisungen und  Checks  ist  ihr  Nutzen  erstaunlich  grofs,  und  Beamte,  die 
sie  einmal  benutzt  haben,  mögen  sie  nicht  mehr  entbehren. 

Es  giebt  nur  eine  Gröfse,  die  eben  beschriebene;  ihr  Preis  ist  1250  <i 
Den  Alleinverkauf  für  fast  ganz  Europa  hat  die  Firma  Glooowski^)  k  Co. 
in  Berlin  W.  Friedrichsstr.  83;  Filialen  hat  die  Firma  in  Leipzig,  Frankfurt  &'M, 
Mannheim,  Hamburg,  Budapest. 

Referiert  ist  über  diese  Maschine  in  einigen  Tageszeitungen:  dreimal 
in  der  „Deutschen  Verkehrs-Zeitung  in  Berlin",  zuerst  1897  Seite  453, 
dann  den  15.  April  1898  No.  15  und  den  6.  Januar  1899  No.  1;  des- 
gleichen in  der  „österreichischen  Eisenbahn-Zeitung'^  Wien,  den  1.  JäDoer 
1899  No.  1. 


8)  Wegen  starker  Nachfrage  steht  in  der  Leipziger  Filiale  kein  Tonitig^ 
Exemplar,  sodafs  man  es  hätte  in  Augenschein  nehmen  kOnnen.  —  Durch  besondere 
Gefälligkeit  wurde  mir  aber  die  Erlaubnis  zu  teil,  die  Maschine  auf  der  Hanpt- 
poat  aufserhalb  der  Dienstzeit  zu  sehen. 


Einige  Additioiumaaohiiieii.  539 

Wer  keine  Gelegenheit  hat,  ein  Exemplar  in  natora  zu  sehen,  kann 
sieb  am  besten  über  die  Maschine  orientieren  atu  dem  Prospekte:  i^urbouoh's 
setbstscfareibende  Additionamaschine"  and  der  „Oebrauchsanweisoug  fOr 
Burrouob's  selbstschreibende  Additionamaschin«"  der  Firma  Oloqowski  &  Co. 


5.  Die  Rtgistrir-fiassen. 


The  National  Caab  Regster  Company')  in  Dayton,  Ohio,  fabriziert 
gegenwärtig  etwa  90  Terschiedene  Sorten  von  Registrirkassen,  die  durch 
eine  Modell-  oder  Dessin-Nnmmer  (No.  1,  No.  2  etc.)  voneinander  unter- 
schieden werden.  Im  ganzen  befinden  sich  schon  ca.  160000  Maschinen 
in  Publikom,  der  monatliche  Absatz  hetr&gt  gegenwärtig  rond  2000. 

Man  kann  die  Registrirkassen  in  zwei  Gmppen  bringen:  solche,  die 
addieren,  tind  solche,  die  nicht  addieren. 

1.  Di«  nicht  addierenden  Kassen  haben  eine  Anzahl  Tasten,  die 
in  Ewei  Horizontalreihen  angeordnet  sind  und  Zahlen  tragen,  etwa  1,  2, 
3  ...  9  3,,  10,  20,  30  ..  .  90  A,  ebenso  Tasten  fOr  UarkbetrBge.  Die 
Zahlen  kOnnen  der  Fabrik  bei  Bes^llong  der  Maschine  voi^eschrieben 
werden.     Dadurch  ist  es  mOglich,  jedwedes  Bedürfnis  zu  beMedigen. 


V)  Die  Leipsiger  Filiale  der  Firma  bat  mich  bereitwilligit  and  frenudlichBt 
Qbar  die  BiiueUieiten  ihrer  EoMen  nnterricbtet  mid  mir  anoli  dui  innem  Bau 


Friedrich  Augast  Unger: 

Jede  ToBte  bewegt  ein  Rad  und  zwar  bei  jedem  Dmcke 
Zabn  vorwärts.  Anf  der  Peripherie  jedes  Bades  stehen  auTser  der  NlÄ 
die  ersten  29  Produkte  der  Tastenzahl,  von  denen  aber  nur  eins  auf  ein- 
mal in  einem  Schauloche  sichtbar  wird.  Es  stehen  beispielsweise  anf  dem 
Rade,  das  von  der  G -Pfennig-Taste  getrieben  wii'd,  die  Zahlen  0,  6,  l>*, 
24  .  .  .  bis  174.  Statt  180  erscheint  0,  Das  erste  Rad  hat  aber  am  Noll- 
zabne  eine  Nase  und  greift  durch  diese  in  ein  zweites  Rad  und  dreht  es 
um  einen  Zahn  vorwärts.  Auf  diesem  Sekundärrade  stehen  auber  der  Soll 
die  ersten  29  Produkte  der  Zahl  180;  also  die  Zahlen  0  180  360  540 .. . 
bis  5220.  Auf  dieselbe  Weise  treibt  jede  andre  Taste  zwei  hintereinander 
stehende  RSder.  und  es  kann,  wenn  beim  Anfange  alles  auf  Null  stand, 
der  Maschine  durch  jede  Taste  das  (900 — l)fache  ihrer  aufgedruckten 
Tastenzahl  übergeben  werden;  mehr  freilich  nicht,  wenn  nicht  noch  eine 
dritte  Radergruppe  angebracht  wird.  Würde  man  eine  Taste  mehr  als 
900 — Imal  drückten,  so  würde  das  900fache  Produkt  der  Tastenzahl  ans 
der  Maschine  verschwinden  und  nur  der  Überschufs  angezeigt  werden. 

um  die  Totalsumme  deijenigen  Betrüge  zu  erhalten,  die  im  Laufe 
eines  Tages  durch  die  Kasse  registrirt  worden  sind,  mufs  man  in  allen 
Schaulöchern  (die  sich  im  Innern  der  Maschine  befinden)  die  Zahlen  ablesen 
und  in  der  gewöhnlichen  Weise  addieren. 

Vollkommene  Ädditionsmaschinen  sind  solche  Ref^strirkassen  noch  nicht, 
da  ihnen  das  wichtigste  Moment,  die  Zehnerübertragung,  fehlt  Eine  der- 
artige Easse  ist  nichts  weiter  als  eine  Produktentabelle  ausgewählter  Fak- 
toren, mit  der  Möglichkeit,  durch  einen  Tastenapparat  In  Verbindung  mit 
einem  Räderwerk  die  Produkte  in  fortlaufender  Reihenfolge  In  SchauKIchem 
sichtbar  zu  machen. 

Schon  diese  Apparate  wurden  von  den  Kaufleuten  mit  Freuden  be- 
grafst,  da  sie  die  Bildung  der  Totalsnmme  aller  Ginnahmen  eines  Tages 
wesentlich  abkürzen. 

2,  Von  den  addierenden  Maschinen  sollen  die  beiden  voll  komm  enst«D, 
erwähnt  werden. 

a.  Die  Registrirkasse  mit  Druckstreifen,  aber  ohne  Checkdnii 
Die  Klaviatur  besteht  aus  2  Horizontalreihen  von  Tasten,  denen  die  Zal 
1,  2,  3  ...  9  ftr  die  Einerpfennig,  10,  20,  30  ...  90  für  die  Zehn. 
Pfennig,  1,  2,  3  ...  9  für  die  Einermark,  10,  20,  30  ...  90  für  die  ZehnM^I 
mark  et^!.  aufgedruckt  sind.  —  Vor  dem  Addieren  mufs  alles  auf  NoU 
gestellt  sein.  Sei  beispielsweise  der  erste  Posten  7,85  JC,  so  drückt,  mao 
3  Tast«n:  die  7  JK-Taste,  die  80  Pfennig-Taste  und  die  5  Pfennig- Taste. 
Aof  der  Oberseite  der  Maschine  erscheint  jetzt  7,85  Jt!  in  den  Scbaulöcbero 
des  Summenplatzes.     Soll    dazu    36,47   JC  addiert   werden,   so    drückt  man 


ist«n 

meihl 
inM^« 


Einige  Additionsmaschinen.  531 

4  Tasten:  die  30  .^(-Taste,  6  JC-Taate,  40  Pf.-Taste  und  7  Pf.^Taste.  In 
den  SchanlOchem  des  Sommenplatzes  erscheint  jetzt  44,32  Jli  —  Am 
Deckel  der  Maschine  ist  noch  eine  andre  Omppe  von  Schaulöchern  an- 
gebracht, wo  jeder  Posten  in  gro&en  Zi£Eem  erscheint,  sobald  er  getastet 
worden  ist,  sodaCs  man  dadurch  eine  Eontrole  hat,  ob  man  richtig  gegriffen 
habe  oder  nicht. 

Beim  Arbeiten  mit  der  Maschine  wird  ein  auf  der  rechten  Seite  be- 
findlicher Papierstreifen  (ähnlich  dem  beim  Morsetelegraph)  automatisch  in 
Bewegung  gesetzt,  darauf  werden  die  einzelnen  aufgegebenen  Posten  in 
richtiger  üntereinandersetzung  gedruckt.  Dieser  Streifen  kann  jederzeit  zur 
Eontrole  darftber  dienen,  was  der  Maschine  aufgegeben  wurde. 

b.  Die  Begistrirkasse  mit  Druckstreifen  und  Checkdruck. 
Die  Tasten  sind  hierbei  in  Kolonnen  zu  je  9  Stück  angebracht.  Die  gröüste 
Maschine  hat  8  Kolonnen.  Wenn  man  bei  ihr  die  beiden  letzten  Kolonnen 
f&r  die  Pfennig,  die  übrigen  für  die  Mark  gelten  Iftfst,  so  addiert  sie  bis 
zum  Höchstbetrage  999999,99  Jli  —  Wenn  man  addieren  will,  so  stellt 
man  zunächst  alles  auf  NuU,  tastet  hierauf  den  ersten  Posten  und  dreht 
eine  rechter  Hand  angebrachte  Kurbel  einmal  herum.  Dadurch  geschieht 
viererlei:  erstens  wird  der  Posten  in  die  Schaulöcher  des  Summenplatzes 
auf  der  Oberseite  gebracht  (oder  wenn  dort  schon  etwas  steht,  dazu  ad- 
diert), zweitens  wird  dieser  Posten  auf  dem  Deckel  (auf  dem  Kontroiplatze) 
in  groisen  Ziffern  vom  und  hinten  sichtbar,  drittens  wird  der  Posten  auf 
eine  automatisch  bewegte  Papierrolle  (links  an  der  Maschine  befindlich) 
gedruckt,  yiertens  wird  ein  Check  bedruckt,  abgeschnitten  und  heraus- 
geworfen. Auf  den  Check  druckt  die  Maschine:  die  fortlaufende  Nummer, 
das  Datum,  den  Geldbetrag  und  auch  noch  eine  andre  beliebige  Notiz,  die 
man  in  den  Druckapparat  eingeschoben  hat. 

Nach  der  Kurbelbewegung  kann  der  Maschine  ein  zweiter  Posten  über- 
geben werden.  Es  vollzieht  sich  alles  ebenso  wie  vorher,  nur  dals  auf  dem 
Summenplatze  die  Summe  der  zwei  ersten  Posten  erscheint. 

AuGser  den  Additionstasten  (den  Zahlentasten)  sind  noch  andre  Tasten, 
solche  mit  Buchstaben  A,  B,  C  etc.  angebracht  Drückt  man  einen  dieser 
Buchstaben  und  tastet  dann  einen  Posten,  so  wird  vor  diesen  Posten  der 
betreffende  Buchstabe  gedruckt  auf  dem  Druckstreifen  und  auch  auf  dem 
Check.  Weist  man  jedem  Verkäufer  eines  Geschäfts  einen  besondem  Buch- 
staben zu,  so  lälst  sich  dadurch  seine  Thätigkeit  kontrollieren. 

Es  läfist  sich  aber  auch  beim  Gebrauche  der  Buchstaben  der  Additions- 
mechanismus ausschalten,  dann  bleibt  nur  der  Druokapparat  in  Thätigkeit 
und  man  registrirt  dann  gewöhnlich  mit  A  die  Ausgaben,  mit  B  die  Be- 
zahlung von  Rechnungen,  mit  C  die  Verkäufe  auf  Credit.    Bei  den  neuesten 

34* 


532  Friedrich  August  ünger: 

Maschinen  wird  beim  Gebrauche  eines  der  Buchstaben  A,  B  oder  C  der 
Additionsmechanismus  automatisch  ausgeschaltet,  w&hrend  er  beim  Gebraudie 
der  übrigen  Buchstaben  in  Wirksamkeit  bleibt. 

Die  Begistrirkassen  (a)  mit  Druckstreifen  aber  ohne  Checkdmck  wer- 
den nach  ihrer  GrSlse  zu  den  Preisen  von  400 — 900  JL  geliefert,  die 
Kassen  (b)   mit  Druckstreifen   und  Checkdruck   kosten  650  bis   1400  JL 

Die   erste   ziemlich   einfache   Begistrirkasse   wurde    1878   gebaut. 
Sie  ist  bereits  eine  totaladdierende  Kasse  und  hat  Tasten  für  die  ersten 
19  Produkte  der  Zahl  5  und  eine  fOr  1  #,   angeordnet  in  2  Horizontal- 
reihen, wie  folgt: 
5         15         25         35         45         55         65         75         85  95 

10  20  30  40  50  60  70  80  90  1| 
Man  kann  demnach  der  Maschine  jede  beliebige  Anzahl  von  DoU&rs  (durch 
ebensoviehnaliges  Anschlagen  der  Dollartaste)  aufgeben,  Centsbeträge  aber 
nur  diejenigen,  die  durch  5  teilbar  sind.    Der  Höchstbetrag  ist  499  $  95  et& 

Sie  ist  jedoch  auch  benutzbar  für  andre  Mflnzen,  sowie  fär  Ma&e  und 
Gewicht,  wenn  nur  die  Währungszahl  100  ist. 

Die  Summe  wird  auf  zwei  vertikalBtehenden,  an  der  rechten  Seite  an- 
gebrachten Metallscheiben  durch  Zeiger  kenntlich  gemacht;  auf  der  obern 
Scheibe  liest  man  die  Cents,  auf  der  untern  die  Dollars  ab.  Die  Cents* 
Scheibe  ninmit  Beträge  bis  495  cts.  auf^  ehe  eine  Übertragung  von  ihr  aof 
die  Dollarscheibe  stattfindet  Sie  wird  sowohl  Yon  den  Centstasten  als  auch 
von  der  Dollartaste  getrieben;  die  letztere  bewegt  sie  bei  jedem  Drucke  om 
Ys  eines  vollen  Umgangs.  Die  Dollarscheibe  zeigt  also  nur  Dollarbetrftge 
von  5  zu  5  an,  sie  wird  einzig  und  allein  durch  die  Übertragung  yon  der 
Centsscheibe  getrieben. 

In  der  Folgezeit  sind  die  Kassen  unausgesetzt  veryollkommnet  und 
vergröisert  worden.  UrspreLnglich  waren  sie  nicht  durch  Patente  geschützt, 
erst  auf  die  Verbesserungen  und  Neuerungen  der  letzten  Jahre  (seit  1895) 
sind  Patente  genommen  worden. 

In  Berlin,  Leipzig,  Köln  und  Wien  sind  Filialen  der  Daytoner  Firma. 
In  der  Leipziger  steht  noch  ein  Exemplar  der  ersten  Konstruktion  (1878) 
neben  den  neuesten  Fabrikaten,  sodaüs  man  das  Einst  und  Jetzt  yergleicbeir 
und  den  gewaltigen  Fortschritt  wahrnehmen  kann. 

In  allen  gröfsem  kaufmännischen  Detailgeschäften  findet  man  jetzt 
Registrirmaschinen,  oft  in  mehr  als  einem  Exemphire. 

Auch  eine  deutsche  Firma:  Grimms,  Nataus  k  Co.  in  Braunschweig, 
baut  Begistrirkassen;  doch  konnte  ich  ftber  diese  Fabrikate  trotz  Bemühung 
nichts  erfahren.  Ihre  äulsere  Gtestalt  ist  den  amerikanischen  Kassen  zum 
Verwechseln  ähnlich. 


Eini^  AdditioDBiiiaschmen. 


53S 


Die  erste  Hasohine  von  1878  hat  ein  g&nx  andres  Getriebe  als  die 
jetzigen  Maschinen;  in  ihr  treiben  alle  Tast«n  nur  ein  einziges  Zahnrad, 
anf  dem  die  Somme  durch  einen  Zeiger  angezeigt  wird.  Die  nichttotal- 
addierenden  Maschinen'")  mit  zwei  hint«reinanderatehenden  R&dem  für  jede 
Taste  werden  seit  1882  auf  den  Markt  gebracht.  Im  Jahre  1884  löete 
die  gegenwärtige  Qesellschaft  die  nrsprUngliche  in  ihrem  Be^tzstande  ab. 

Die  totaladdierende  Maschine  jetziger  Gestalt,  doch  ohne  Kurbel  and 
ofane  Dmokapparate,  bat  Thomas  Cashev  aus  Dajtou  1890  erfanden.  Den 
Totaladdierer  mit  Korbet  imd  Drnckapparat  f^  Detailstreifen  und  Check 
erfand  1892  Htioo  Cook. 

Alle  Maschinen  werden  einzig  nnd  allein  von  der  eingangs  genannten 
Oesellschaft  in  Danton  hergestellt. 


Die  Additionsmsscliine  von  Rnnge. 


a  -=  TbiMd  (Binar,  Zahnsr,  [iDnderUr  o,  i.  «.).      b  ^  KDUtrolluunlgnng.      c  =  R«Dll>tu»l(rDns. 

i  —  Knopf  HOD  Klnnellaii  dar  KoDtrollantal^ng  %ut  0.      t  =  Knopf  inra  Elnitallcn  dar  BainlUt- 

■nialgaDg  sof  0.     /  =  XnOpfa  (inr  Beatlmninns  dar  Zihlen  von  1— S). 

Nach  15jilhrigeQ  Versuchen  und  Bemühungen   ist  es  Bunoe  in  Berlin 
(1899)  gelungen,   eine  Maschine   zu   konstmiereD,   auf  der  man  grSl^ere 


10)  Die  folgenden  Vaahrichten  lind  entnommen  einer  brieflichen  Mitteilung 
der  National  Ca«b  Register  Compan;  an  den  Terfasser, 


534  Friedrich  Angust  ünger: 

Posten  auf  einmal  addieren  kann.  Die  Firma  Bunqe  und  yoh  Stbhasn 
in  Berlin  hat  ein  Modell  hergestellti  von  dem  hier  eine  Besidireibang^^) 
folgt. 

Der  Apparat  roht  anf  einer  Eidienplatte  in  einem  Geh&use  ans  Metall 
und  Glas.  Anf  der  Deckplatte  sind  4  Hauptteile  sichtbar.  Die  Gruppe 
der  Schaulocher  (c)  ist  der  Besultatplatz,  wo  die  Summe  erscheini  Die 
Schaulöchergmppe  (b)  ist  der  Eontrolplatz,  wo  jeder  der  Maschine  auf- 
gegebene Posten  sichtbar  wird,  nachdem  man  ihn  getastet  hat;  dadurch  hat 
man  eine  Eontrole,  ob  man  richtig  gegriffen  habe  oder  nicht. 

In  den  Schaulöchern  werden  die  Zahlen  in  gewöhnlicher  Weise  ge- 
lesen; die  beiden  letzten  Ziffern  (rechts)  gelten  für  die  Pfennig,  die  übrigen 
feir  die  Mark.  Zwischen  den  Hundertern  {JC)  und  Tausendern  ist  ein  brei- 
terer Zwischenraum  gelassen  der  leichteren  Orientierung  halber.  Die  Gröise 
der  Summe  ist  unbeschrftnkt  in  den  Millionen,  der  gröüste  Posten  jedoch 
ist  99999,99  JC 

Bei  (a)  und  (f)  befinden  sich  die  beiden  Klaviaturen,  die  Tastengrappe 
(a)  dient  für  die  Stellenwerte  der  Ziffern,  die  Gruppe  (f)  f^  ihre  absoluten 
Werte.  Die  beiden  letzten  Tasten  in  Gruppe  (f)  gelten  f^  die  Pfennig 
(Einer  und  Zehner),  die  übrigen  5  Tasten  für  die  Mark  (Einer,  Zehner, 
Hunderter,  Tausender,  Zehntausender).  Die  9  Tasten  der  Gruppe  (f)  tragen 
eine  der  Ziffern  1,  2,  3  ...  9.  — 

Will  man  addieren,  so  mufs  man  bei  jeder  einzelnen  Ziffer  des  Sum- 
manden stets  zwei  Tasten  drücken,  eine  aus  Gruppe  (a)  f^  den  Stellen- 
wert und  eine  aus  Gruppe  (Q  für  den  absoluten  Wert 

Die  Maschine  hat  zwar  eine  geringere  Anzahl  von  Tasten  als  die  unter 
No.  3,  4  und  5  aufgeführten  amerikanischen  Maschinen;  doch  ist  ihre  Hand- 
habung schwerfälliger,  weil  fEkr  jede  Ziffer  stets  zwei  Tasten  gegriffen  wer- 
den müssen.  Eine  augenblickliche  Eontrole  für  das  richtige  Anheben 
der  Posten  hat  man  zwar  auch;  doch  geht  man  wegen  des  Fehlens  eines 
Dmekapparates  der  dauernden  Eontrole  yerlustig. 

Das  erste  funktionierende  Modell ^^  war  1896  auf  der  Berliner  Gewerbe- 
ausstellung  zu  sehen.  Durch  Deutsches  Reichspatent  No.  87776  geschfitzt, 
liefs  Runge  in  der  Folgezeit  in  seiner  mechanischen  Privatwerkstatt  durch 
zwei  Mechaniker  nach  dem  Modell  die  Maschine  herstellen  und  brachte 
noch  mancherlei  Verbesserungen  an.  Gegenw&rtig  wird  die  Maschine  in 
2  Gröfsen  fabriziert  und  zwar  mit  7  und  mit  9  Tasten.  Die  beigefügte 
Abbildung  zeigt  die  kleinere  Maschine  mit  7  Tasten. 


11)  Als  Quelle  diente:  Illastrierte  Zeitung  Leipzig  No.  2907  Tom  16. Man  1S99. 

12)  Laut  brieflicher  Mitteilnng  von  dem  Erfinder  an  den  YeifaBser. 


Einige  Additionsmaschinen.  535 

Schlnfsbemerknng.  Überblickt  man  das  hier  gebotene  Material  von 
Additionsmaschinen,  so  ergiebt  sich,  dafs  die  ersten  beiden  Apparate  (von 
Behsr  und  von  Illqen)  erfanden  worden  sind  unter  Zugrundelegung  des 
Addiüonsgesch&fts  in  seinem  schulmftlisigen  Betriebe,  der  kolonnenweise  zu 
addieren  Yorschreibt.  Beher  bleibt  bei  einzifferigen  Kolonnen  stehen,  wäh- 
rend  Illgen  zweistellige  Kolonnen  auf  einmal  bewältigt. 

Das  iLLQEN'sche  Prinzip  ist  zwar  der  Erweiterung  fähig,  doch  würde 
schon  die  Konstruktion  für  dreizifferige  Kolonnen  zu  einem  Apparate  mit 
unhandlichen  Dimensionen  führen. 

Die  yier  übrigen  Maschinen  entfernen  sich  von  der  akademischen 
Additionsart  und  stellen  sich  ganz  und  allein  in  den  Dienst  kaufmännischen 
Bedürfnisses,  das  zu  einem  bereits  Yorhandenen  Betrage  einen  neu  hinzu- 
tretenden Posten  in  seiner  Totalität  zu  addieren  verlangt. 

Da  in  kaufmännischen  Geschäften  die  Posten  nicht  gleichzeitig  son- 
dern nacheinander  auftreten,  so  ist  in  den  Zwischenpausen  Zeit,  die  Addi- 
tion jedes  einzelnen  Postens  zu  der  Summe  der  vorhergehenden  zu  bewirken; 
und  wenn  abends  der  letzte  Kunde  hinausgeht,  ist  auch  die  ganze  Tages- 
einnahme addiert. 

Dafs  die  beiden  Maschinen  mit  Druckapparat  wegen  der  Möglichkeit 
dauernder  Kontrole  den  Vorzug  verdienen  vor  den  Maschinen  ohne  Druck- 
apparat, ist  kaum  erst  nötig  zu  erwähnen. 

Eine  Bemerkung  darf  aber  nicht  unterdrückt  werden,  nämlich  die, 
dals  die  amerikanischen  Erfindungen  den  deutschen  überlegen  sind.  Wenn 
man  auch  diesen  Umstand  aus  Schonung  des  nationalen  Bewulstseins  mit 
Schweigen  übergehen  wollte,  so  würde  doch  die  Sache  deutlich  genug  für 
sich  selbst  reden. 

Noch  im  Laufe  dieses  Jahres  wird  eine  Dresdner  Firma ,  die  Bechen- 
maschinenfabrik  von  Woldbmar  Heinitz,  welche  die  sogenannte  KüTTNER^sche 
Kechenmaschine  fabriziert,  dem  Publikum  auch  eine  Additionsmaschine 
anbieten,  die  (nach  einer  brieflichen  Mitteilung  und  Einsendung  einer 
Photographie  der  Firma  an  den  Verfasser)  dasselbe  leisten  wird  wie  die 
vollkommensten  amerikanischen  Maschinen.  Ich  freue  mich,  diesen  Hin- 
weis jetzt  schon  machen  zu  können,  ganz  besonders  deshalb,  weil  es  sich 
um  eine  deutsche  Erfindung  handelt 


wyo 


ZUR  GESCHICHTE  DER  DEUTSCHEN  ALGEBRA. 


VON 


Db.  e.  wappler 

IN    ZWICKAU. 


Der  cod.  Dresd,   C  80   enthalt  auf  Bl.  368—378'  eine  deutsche  AI- 

gebra^)  aus  dem  Jahre  1481.^     Die  letzte  Aufgabe  dieser  Algebra  lautet 

(Bl.  378'):   Es  sint   drej    Gresellenn,    dje   haben    gesetzt  v  (70)    Guldenn 

vntr  in  3  ynnd  habenn  gewonnen  20  Guldenn.     Den  ersten  traff  mit  Heup- 

gut  ynd  mit  Gewyn  15  Guldenn,  den  andern  25  Gulden  ynd  den  dritten  50, 

ynd  der  erste  scheyt  4  Manat,  der  ander  2   Manat,  der  dritte   2  Manai 

Wj  vil  ist  des  Haupgutz  gewesenn  Yon   eynem  jeglichen  besunder?    Dazu 

gehört  folgende  Auflösung  (Bl.  378'):  Nen  (!),  daz  dj  erste  Haupgut  sej 

1^,   dem  andern   1   numerus,  das  sej  20,   ynd  dem  dritte  50  mynner  1^ 

Nun  multiplicir  4  Manat  mol   1°,  macht  4°,  ynd  2  Mant  mol   20  macht 

iO  (  ^\ 

—  \iO/,   ynd   2  Mant  mol   50   mynner   V  macht    100   mynner  2^,     Nu 

Summer  zusamen,  gemacht  tj^  \1^0/  2^     Nun  sprich:    140   2°  gibit  mir 

20  Gulden  Gewynt,  was  gibt  mir  4"?   (4^)  mol   20  ist  80°,   tail  in   140 
2°,  kompt  — Tq  2°  f  V     Gewinckt  thu  zusamen  mit  dem  Heupgut,  das 

was  l^     Multiplicir  in  Kreutz,  komptz  220-|-\2/,  ynd  das  sol  man  tay- 
lenn  in  die  ynten  Figuren,  ynd  sol  15  komen.    Dorumb  multiplicir  15  mol 

~  (l4o)  2«,  macht  2100  30%  das  ist  gleich  220  (2).     Nym  30   (30^) 

dorvon  beyden  Tailen,  pleibz   140  -|-  (1902),   dem   anderen  Tail  2100. 

Nun  machs  als  die  yierdt  spricht,  kumt  radix  yonn  3306^9  zw  ab  47    , 

das  war  10.     Also  yil  ist  des  Heupgutz  dem  erstenn,  dem  andern  20  und 
dem  dritten  40.     Diese  Auflösung  unterscheidet   sich  yon  der  der  yorher- 


1)  N&heres  über  diese  Algebra  in  unserem  Programm:  Zar  Geschichte  der 
deutschen  Algebra  im  15.  Jahrhundert  Zwickau  1887,  8.  3—5  und  bei  Caittok, 
Vorleflungen  über  Geschichte  der  Mathematik.   Leipzig  1892.  Bd.  2,  S.  820—222. 

2)  Die  Nachschrift  lautet:  factum  81  altera  (!)  post  exaUacionis  enteis  (ver- 
fertigt am  OsterBonnabend  1481).  Wir  teilen  diese  Nachschrift  erst  jetst  mit^ 
weil  uns  früher  ihre  Entzifferung  nicht  gelungen  ist. 


540  E.  Wappler: 

gellenden  Aufgaben  dadurch,  dass  die  Unbekannte  mit  c  (Abkürzung  ftir 
cosa)  statt  mit  9  (Abkürzung  füi*  Ding)  bezeichnet  ist.  Hieraus  und  aus 
dem  Umstände,  dass  die  mitgeteilte  Aufgabe  die  Überschrift:  Regula  de  la 
Cossa  hat,  folgern  wir,  dass  der  Verfasser  der  deutschen  Algebra  mit 
italienischen  Schriften  bekannt  war. 

Johann  Widmamn  von  Eger,  dem  einst  die  Dresdner  Handschrift  C  80 
gehörte,  hat  die  Aufgabe:  Es  sint  drej  Gesellenn,  dje  haben  gesetzt 
70  Guldenn  u.  s.  w.  ins  Lateinische  übersetzt  und  auf  seine  Art  gelöst. 
Auf  dem  linken  und  unteren  Bande  des  Blattes  356'  und  auf  dem  oberen 
Rande  des  Blattes  357  liest  man:  Ä,  B,  C  700  (70)  fl  Incrati  (!),  Ä  ad 
4  menses,  £  ad  2,  C  ad  duos  menses,  et  cum  bis  lucrantor  20  fl.  A 
cedit  cum  capitali  et  lucro  15  fl,  B  25  fl,  et  C  recipit  pro  capitali  et 
lucro  10  (50)  fl.  Queritur,  quantum  fuit  capitale  et  lucmm  seorsum  cq* 
iuslibet.  Pac  sie.  Cum  capitale  omnium  sit  700  (70),  pone,  quod  capitale 
solius  A  sit  1  ^,  capitale  vero  .B  sit  10  ad  placitum,  minor  tarnen 
70  fl,  puta  20.  Capitale  ergd  ipsius  C,  cum  dederim  primo  1  n^,  secnndo 
20  0,  necessario  erit  50  —  1  ^.  Modo  iuxta  regulam  de  teinpore  ope- 
rando  multiplicando  capitale  cuiuslibet  per  suum  tempus,  scilicet  1  if  per 
4,  et  proveniunt  4  nf,  deinde  20  per  2,  et  proveniunt  20  (40),  item 
50  —  1  -\(?  per  2,  et  proveniunt  100  —  2  if .  Hec  tria  producta  simnl 
aggrega,  et  proveniunt  140  +  2  n(^.  Vlterius  iuxta  regulam  operando  dico: 
140  +  2  -\(?    dant    20,    quantum    dant    4  -if?      Et    proveniet    talis    ordo: 

~V    ^20.     Duco    secundum    in   tertium,    et    diuido    per    primum,    et 

exibit    fractio    talis:    140  4.  o  ^  (l40 -t  2  np)  '    ^^®    necessario    representant 

lucnim  A,     Addam  ergo  sibi  C  (!)  capitale  ipsius  -4,  quod  dixi  esse  1  if, 

Inf         80  ip 

multiplicando   contradictorie  more  fractionum:  /^  ei  erit  ag- 

1         140  +  2^ 
220  "^^  -1-2  ^  ... 

gregatiim  .  .q  ^  4-2^ '  ^^^  fractio  ex  ypothesi  valet  15,  quia  dixi  capi- 
tale et  lucrum  A  simul  sumpta  esse  15.  Quia  ambo  continentur  in  hac 
fractione,  multiplico  ergo  denominatorem  per  15,  et  provenient  2100 -f 
30  ^  äquales  suo  numeratori,  scilicet  220  nf  -{~  2^.  Jam  habeo  doas 
quantitates  äquales.  Auferam  (ab)  utraque  (parte)  30  -if,  et  remanent 
2100  0  equales  190n(^+  2^.  Nunc  ergo  iuxta  quartam  regulam  diui- 
dam  omnia  per  J,   et  provenient  1050  £^  +  95  -if  (!),  mediabo  if,   et  sunt 

— ,  hoc  duco  in  se,  et  proveniunt  — r~)  *  cuius  medietate  (!),  scilicet  — , 

95  20 

subtraham    medietatem  nf,    scilicet    — ,    et   remanent   —    siue    10   integra, 


Zar  GeBchichte  der  deutschen  Algebra.  541 

valor  -xf  siue  capitale  primi,  quo  (a)  15  subtracto  5  eiusdem  primi  Incnim 
fuit,  ergo  capitale  primi  10  fl  et  5  Incmm  säum.  Si  voluero,  operabor 
per  omnia  ut  supra.  Posito  tamen,  quod  capitale  Ä  fuit  10  fl,  iam  in- 
venti,  et  capitale  B  1  '^f  ei  capitale  C  60  —  1  "if ,  et  proyenit  finaliter 
capitale  B^  scilicet  20  fl,  similiter  et  lucmm  5.  Scitis  ergo  capitalibus  et 
lucris  Ä,  B^  facile  inyenitur  capit^e  et  lucrum  tertij.  Est  enim  capitale 
sunm  20  (40)  fl  et  lucmm  10,  quod  fuit  propositum. 

Ausser  dieser  Aufgabe  hat  Widmamn  noch  viele  andere  Aufgaben  der 
lateinischen  Algebra,  welche  von  Bl.  350 — 365'  sich  erstreckt,  hinzugefügt^). 
Früher  waren  wir  der  Ansicht,  dass  nur  einige  dieser  Aufgaben  von  Wid- 
MAKN  herrühren.  Darauf  hatte  uns  der  Umstand  gebracht,  dass  die  Auf- 
gaben zu  verschiedener  Zeit  und  mit  verschiedener  Tinte  beigeschiieben 
sind..  Jetzt  glauben  wir  jedoch  mit  Bestimmtheit  annehmen  zu  können, 
dass  WiDHANN  s&mmtliche  Aufgaben  eingetragen  hat.  Hierin  bestärkt  uns 
besonders  die  merkwürdige  Übereinstimmung,  welche  zwischen  den  Schrifb- 
Zügen  der  fraglichen  Aufgaben  und  denen  der  WiDMANN^schen  Yorlesungs- 
anzeigen  stattfindet^).  Ganz  charakteristisch  sind  hier  und  dort  g  und  v 
(5    und  Y). 

Unter  den  Aufgaben,  die  neben,  über  und  unter  dem  Texte  der  latei- 
nischen Algebra  geschrieben  sind,  finden  sich  auch  die  KiESE'schen  Num- 
mern 38 — 53^).  Riese,  zu  dessen  Cofs  die  lateinische  Algebra  die  Grund- 
lage gebildet  hat,  sagt  nach  Erledigung  der  ersten  37  Aufgaben:  Nach 
disenn  itzt  erclertenn  Esempelnn  habe  ich  im  beruerten  alten  Buech  ge- 
funden am  Bande  andere  Exempel,  auch  auf  die  erste  Regel  gehörende, 
ejner  anderenn  Handschrieflt,  wer  der  Mathematicus  gewesen,  ist  mir  ver- 
porgenn,  die  wejl  ich  sejnen  Namen  nicht  wejsz,  wil  dir  doch  erzelenn 
und  erclerenn  die  Exempel,  welche  er  gesetzt  hat.  Der  Adam  Rxese  un- 
bekannte Mathematiker  war  ohne  Zweifel  Johann  Widmann  von  Eger.  Da 
es  for  Freunde  der  Geschichte  der  Mathematik  von  Interesse  sein  dürfte, 
Widmann's  Leistungen  in  der  Algebra  kennen  zu  lernen,  so  lassen  wir  im 
folgenden  noch  eine  Anzahl  Aufgaben  abdrucken,  die  Widmann  der  latei- 
nischen Algebra  hinzugefügt  hat. 

Si  vixissem  tantum,  quantum  vixi  et  iterum  tantum,  id  est  si  vixissem  bl  862'. 
dnplum  ad  etatem  meam,  et  mediam  partem  tanti  et  terciam  partem  tanti 
et  quartam  partem   tanti  et  sextam  partem  tanti  et  septimam  (!)  partem 

3)  Abgedruckt  ist  die  lateinische  Algebra  in  unserem  Programm  S.  11 — 30. 

4)  Abgedruckt  sind  die  WmiiAHN*Bchen  Vorlesungsanseigen  in  miBerem  Pro- 
gramm 8.  9  und  10. 

5)  Vergl.  Bkblbt,  Die  Cofs  von  Adam  Riesb  (Programm  der  Realschule  in 
Aimaberg  für  1860).    S.  20—23. 


542  E.  Wappler: 

tanti  et  -r-  vniiis  anni,  tanc  yixissem  ad  20  annos.  Qaeritar,  qnantom 
yixi.  Fac  sie.  Pono,  qaod  vixerim  igitnr  1  ^if,  qnam  dnpl&bo,  yeninnt 
2nf,  cui  producto  addendo  y  (^),    y  (^K^),    yC-K^),   y  (^)i  n^^^'T 

vnius  anni  veniet  qnantitas  talis  53  Ijg  ■^(\  -f~  yi  l^oc  ex  ypoihesi  iam 
eqniualet  20.  Ex  ntraque  parte  idem  genus  stare  non  debet,  deponam 
ubique  —  0,  et  manebunt  ex  1  parte  -y  0,  ex  altera  parte   jg  nf .     Dinide 

0  per  nf,  et  proveniont  6,  valor  nf. 

Bi.  858'.  Item  dno  snnt,  pnta  Ä  et  B,     Dielt  il  ad  J?:  da  mibi  tantam,  qnan- 

tum  habeo  et  residui  medietatem,  et  habebo  tantum  nltra  te,  quantom 
habui  infra  te.  Fac  sie.  Pone,  qnod  Ä  habeat  1  ^  et  J?  1  0  ad  pla- 
citum,  exempli  gratia  sit  1  0j  qoi  ex(e)edit  1  ^  in  1  —  1  n^.  Jam 
depone  (1  ^)  de   1  ^  (1  0),  et  manet  1  —  1  nf  et  ex  alia  parte  2  y 

et  nlterins  residui  B  medietatem,  seilieet  — ~q~  ^)  iungam  cum  2  if^ 

quod  est  tantum  ultra  Ä  (£),  quantum  B  (1)  fuit  prius  infra.     Sup(p)lel)o 

defeetum,  et  Yeniet  ex  yna  parte  y  n(>  et  ex  alia  parte  y  0^  ergo  agendo 

regulariter  yenient  |,  valor  ^  sine  nünor  0. 

Bi.  864.  Item  tres  babent  soluere   200  fl,   quorum  primus  exponit  triplam  ad 

secundum,  secundus  quadruplum  ad  tercium.  Queritur,  quantum  qnilibet 
exponat.  Pone  tercium  exponere  1  ^(j  ergo  oportet  ex  ypotbesi,  qnod 
secundus  exponat  4  -a(^  et  primus  12  (n^).  Hec  producta  simul  aggrega, 
et  sunt  17  '^(^  equales  200  0,     Iam  iuxta  primam  regulam  operando  patet 

18 

11  valor  '^  et  T^,  iam  ultimus  babet  tot,  quia  positum  est  ipsum  habere 

1  n^  secundus  babet  ^7-1-^7)  ^^  positus  est,  ut  4  nf  (habeat),  primns 
habet  141  +  Tyj  (<1^)  positus  est,  ut  12  (12  -^f  habeat). 

Bi.  854'  Item  pater  et  filius  ibant  Romam  patre   ambulante   6  milliaria,   sed 

filio  9,  quia  inuenis.  Pater  modo  precessit  filium  100  milliaribus.  Qne- 
ritur  modo,  quoto  die  filius  patrem  consequitur.  Fac  sie.  Pone  eos 
conuenire  in  1  n^,  sed  quia  filius  omni  die  vadit  9  milliaria,  quare  1  -yf 
per  9  multiplica,  et  erunt  9  nf,  sed  pater  omni  die  vadit  6,  quare  1  ^f 
per  6  multiplica,  et  erunt  6  ^.  Deinde  subtrahe  6  if  a  9  ^,  et  manent 
3  n^    equales    100.     Modo    iuxta  primam  regulam   operando   patet,    quod 

filius  patrem   consequitur  33   diebus   transactis   et  y  tricesimi    quarti  diei. 

Bi.  353.  ^  et  -B  volunt    facere    permutationem    mereium.     A  dat  100  J^  de 


Zur  Geschichte  der  deutschen  Algebra.  543 

mercibas  suis  pro  8  fl  in  pronoipta   pecnnia  et  in    permatatione  pro   11, 

B  yero  dat  100  J^  mercinm  snamm  4  fl  carins  in  permutatione  quam  in 

prompta   pecnnia.     Fac    sie.     Pone,    quod  B  yendat  100  J^   de    suis    in 

prompta  pecunia  pro  1  nf,  quare  in  permutatione  dat  100  J^  pro  1  ^  -f~  ^* 

Disponam    has    quantitates   cum    duabus  prioribus  ad  regulam  de  tri,    et 

yeniet  talis  ordo: 

8  11 

1  -vf  1  nf  +  4 

Mnltiplicando,  ut  solet,  has  quantitates  contradictorie,  et  proyeniunt  ex  yna 

parte  11  n^  et  ex  altera  parte  S  ^  -\-  32  0.     Hec  ex  uerbo  regule  de  tri 

sant  equalia.     Subtraham  utrumque  (ex  utraque)  8  ^if,  et  manent  ex  yna 

2 
parte  3  nf  equales  32  0.    Diuide  {0  per  -if),  et  proyeniunt  lOy,  yalor  -if, 

2 

et  pro  tot  fl  dat  100  J^  in  prompta  pecunia,  in  permutacione  pro  14  -|~  T) 

quod  fuit  propositum*). 

Quidam  conuenit  quendam  ad  laborandum  per  40  dies  continuos  tali  bl  s55. 
pacto,  quod  omni  die,  quo  laboraret,  daret  ei  7  A,  et  quolibet  die,  quo  non 
laboraret,  restituet  5  A.  Modo  tempore  completo  nil  mercedis  obtinuit. 
Queritur,  quot  diebus  laborauit,  et  quot  yacauit.  Fac  sie.  Pone  eum 
laborasse  ad  1  n^,  quare  yacauit  ad  40  —  1  n^.  Ex  casu  quolibet  die,  quo 
laborauit,  meruit  7  A,  quare  1  -yf  per  7  multiplica,  et  erunt  7  n^,  et  40  dies 
ocij  —  1  nf  per  5  multiplica,  et  erunt  200  —  5  nf ,  que  ex  ypothesi  equi- 
ualent.  Bestaura  ubique  5  ^  addendo,  et  stabunt  12  n^  ex  yna  parte 
eqnales  ex  altera  parte  200  0^  quare  iuxta  primi  capitnli  preceptum  operare, 

2  1 

et  patet  yalor  ^,  scilicet  laborauit  16  diebus  -r-,  yacauit  ad  23  dies  et  -^, 

2 

meruit  116-p-|  ^^  tantnm  opportuit(l)  ipsum  restituere  ^). 

Ä,  B,  C,  A  dicit  ad  B  {ei  C)',  si  haberem  7  fl  de  pecunia  yestra,  bi.  854. 
haberem  in  triplo  plus  quam  yos  ambo.  B  dicit  ad  A  (et)  C:  si  haberem 
9  fl  de  pecunia  yestra,  haberem  in  quadruple  plus  quam  yos  ambo.  C  dicit 
ad  il  (et  ^):  si  haberem  11  fl  de  pecunia  yestra,  tunc  haberem  in  quin- 
tnplo  plus  quam  yos  ambo.  Queritur,  quantum  quilibet  habuit.  Fac  sie. 
Pone  onmes  simul  habere  1  nf ,  et  quia  A  dicit  se  in  triplo  plus  habere 

quam   alij,    si  darent  ei   7   de  suis,    dico,   quod  habuit  -7-  "^^  —  7.      Hoc 

autem  ita  inyenio.    8tatuo  proportionem  hanc  in  minimis  suis  terminis,  et 


6)  Bbrlet  hat  diese  Aufgabe  nicht  aufgenommen.  In  der  Marienberger  Hand- 
schrift steht  sie  auf  S.  140. 

7)  Bbrlbt  hat   diese  Aufgabe   ausgelassen.     Im   Marienberger  Manuskript 
findet  sie  sich  auf  S.  149. 


544  E.  Wappier: 

dncem  illius  proportionis  recipiam  pro  nnmeratore,  aggregatmn  yero  ex  dace 
et  comite  scribo  pro  denominatore ,  et  a  tota  minucia  snbtraham  defeetnm 
cuiuslibet  nnmeri,  yidelicet  quod  optat  ab  alijs,  vt  bic  primiis  petit  7,  et 
erit  ipsius  iziplus.     Ponam  proportionem  triplam  in  minimis  suis  tenmnis, 

at    sunt   hij   -j-y  temariam  retineam  pro  nnmeratore,  deinde  addo  comitem 

et  dacem,  (et  proveniunt  4),  qne  semo  pro  denominatore,  habeo  ergo  talem 

3  8 

minnciam,  scilicet  -  ,  a  qna   subtrabam  7,    et   manent  -7-  (-if)  —  7,   qnfi 

assertio  (1)  primo.    Eodem  modo  operando  invenio,  qnod  B  baboit  't  ^  ^  ^ 

ei  C  -^  -yf  —  ^^*    Aggrega  bas  partes,  et  proveniont  2  +  g^  n^  —  27,  hoc 

aggregatnm  ex  ypotbesi  est  equale  1  "if ,  qoia  dixit  omnes  simxd  habere  1  -if . 
Addo  utrobique  27,  snbtrahendo  ab  aggregatis  1  ^,  et  remane(n)t  ex  vna 

23         /     23      \ 

parte  wq^  (^  60^)  äquales  27  0  ex  altera  parte.     Dinide  0  per  nf,  et 

44  /       4d\ 

proveninnt  l^öäll^gä)?  ^  valor,  et  tantnm  habent  omnes  simnL     Sed 

3  4-  ß 

quia  positnm  est  snpra,  quod  Ä  habeat  —y  —  7,  ^  —  nf  —  9,  O-r'Uf  —  It, 

habet  A  necessario  7^^,  -^633,  ^^33  P  gä)*)- 

Bi.  855.  Quidam  baboit  pueros  et  denarios  et  dixit:  si  cnilibet  do  2  A,  manent 

in  residno  5  denarij,  si  autem  cnilibet  do  3  ^,  deücio  in  6  A.  Qneritnr 
qnot  sint  denarij,  et  quot  sint  pneri.  Fac  sie.  Pone  0  pneromm  1  if 
et  da  cnilibet  2,  scilicet  mnltiplicando  1  nf  per  2,  et  eront  2  ^,  ei  quia 
debet  habnndare  in  5  denarijs,  emnt  ergo  2  ^  -\'  b,    Pone  secundo  itemm 

0  pneromm  1  n(»  et  da  cnilibet  3  \^  scilicet  mnltiplicando  1  ^  per  3,  et 
emnt  3  n^.  Sed  qnia  debent  6  deficere,  snbtrahe  6,  et  emnt  3  nf  —  6. 
Et  primo  ponebatnr,  qnod  pneromm  0  esset  2  if  +  5  (!).  Eqna  partes 
addendo  3  -vf  6  0.  Adde  etiam  ad  2  -Jf  (+  5  0)  6  0,  et  emnt  2  -Jf  -f  ^^  ^ 
in  vna  parte,  in  alia  parte  3  ^.    Snbtrahe  itemm  2  nf  ubilibet^  et  manet 

1  n^  eqnalis  11  0.     Fac  secnndnm  regnlam^). 

1  2 

BL  856'.  Item  qnis  est  0,  cnins  -=-  dncta  in  -=-  faoit  13.     Dico,  qnod  ille  0 

1  2  2 

est  1  ^,  cnins  —  dncta  in  ^  ^^^  05^  equales  13  0.   Dinidatnr  ergo  0 

J  E  C 

per  2,  et  veninnt  -r-,  cnins  radix  qnadrata  ostendit   qnesitnm.     Et  qnia 

12  1        . 

est  snrdnm,   qnadretnr  qnelibet  pars,   scilicet  "5"  öt  ^j  ^^^  öö  P™*  *^ 


8)  Diese  Aufgabe  fehlt  im  Marienberger  Mannskript. 

9)  Diese  Aufgabe  hat  Ribsb  weggelassen. 


Zur  Geschichte  der  deutschen  Algebra.  545 

~  secunda,  dneatnr  ^  de  -y-  in  jg  f^j  eiusdem  nomeri,  scilicet  -r-,  et 

radix  quadrata  prodacti  Yalet  13,  quod  fiiit  probandum. 

Item  poBito,  qnod  diameter  alicnins  qnadrati  altera  parte  longioris  sit 
10  et  latus  longins  8.  Queritor  de  quantitate  lateris  breuioris.  Poney 
qnod  latus  ignotnm,  scilicet  minns,  sit  1  nf,  qnam  in  se  mnltiplica,  et  pro- 
yenit  1^.  Moltiplica  efdam  latus  longius  in  se,  scilicet  8,  et  erunt  64, 
que  due  multiplicationes  simul  addantur,  facit  1^  -j-  ^4  0  equales  (l)  multi- 
plicacioni  diametri  in  se,  scilicet  100  0.  Quia  uero  idem  genus  denomi- 
nationis  pro  utraque  parte  stare  non  debet,  subtrahantur  ergo  64  0  ab  1  ^ 
per  deletionem  signi  auctiui,  sie  et  de  100  0,  et  remanent  36  0  equales  1  %^. 
Procedatur  ergo  secundum  regulam  secnndam,  et  Yeniunt  6,  yalor  rei  uel  n^. 

Item  sunt  duo  socij,  primus  habet  20  J^  piperis,  secundus  20  J^ 
cinoberis.  Primus  dat  aliquot  J^  pro  fl,  secundus  autem  5  plus  pro  fl 
quam  primus.  Yenditis  autem  istis  simul  invenerunt  8  fl,  capitale  et 
Incrum.  Queritur,  quantnm  primus  det  pro  fl  et  quantum  secundus.  Fac  sie. 
Pone  primum  dedisse  1  n^  pro  fl,  quare  secundus  dabit  1  ^  -f~  ^  P^  ^* 
Examina  utrumque  secundum  proportionum  regulam  sie:  1  if  dat  1  fl,  quid 

20 
dant    20?     Et   provenit   y  ^-      feinde    die:    1  -jf  +  5   dant   1  fl,    quid 

20 
dant  20?    Et  provenit    ^  ,  ^.    Quas  modo  minuciarum  adde,  et  provenient 

^   I   6  -^   equales   8.      Jam   constat,   quod  numerator  est  denondnatori 

octuplus,    quare   denominatorem   per  8   multiplica,  et  erunt  8  ^ — |-  40  'vf 
equales  40  ^  -|~  100  0.    Jam  age  secundum  capitulum,  et  patet  valor  n^« 

scilicet  radix  de  12-^. 

Detur  0j  qui  in  se  ipsum  multiplicatus  uel  sibi  ipsi  additus  tantundem  bi.  s56. 
proyeniat.    Fac  sie.    Pone  (numerum)  esse  1  n^,  hanc  adde  ad  se  ipsum  (!), 
et  erit  2  n^,  hanc  secundo  multiplica  in  se,  et  fiet  1^.    Modo  iuxta  regu- 

lam  operando  nf  per  ^  committendo  yeniet  -j- . 

Dentur  duo  0  in  proportione  sesquitercia,  qui  sine  inuicem  ducantur 
sine  ynus  ab  alio  subtrahatur,  idem  proyeniat.  Fac  sie.  Pone,  quod  minor 
0  sit  1  "if  (3  -a(^),  quare  maior  erit  4  n^.  Jam  subtrahe,  scilicet  minorem 
a  maiore,   et  manet   1  n^.     Deinde  ducatur  ynus  in  alium,  et  erit  12^. 

Jam  iuxta  terciam  regulam  operando  patet  yalor  n^,  scilicet  jr,    Primum 

3  11 

posui  esse  3  (nf ),  quare  erunt  — ,  secxmdus  erit  ^  >  primus  -j- . 

Item  est  quoddam  quadratum  equilaterum  rectangulum,  cuius  quatuor 
latera  simul  iuncta  faciunt  -g-  ipsius  eiusdem  aree.    Queritur,  quantum  est 

Abh.  am  Gwoh.  d.  Mathem.    IX.  35 


rAi)  E.  Wappler: 

yuumf\uof\f{ue  latus.    Pone,  qnod  latus  Ynam  sH  1  '^.  qssai  s  in  se  ipsam 


muliiplicaoerM,    proTenit    1  §^ ,    prioris    scUioet   q^ndrati    anft,    coiiis  — 

5 

(rant   ^  ^,  Addantiir  «tiam  simiil  qnatoor  laieim  ehutioB  qfaadnÜ,  et  enmt 
qnataor  nf  equales  -7-§--      £t    qoia    peirentnin   est   ad    xi^iilaiii   torciam, 

qnare  secandam   preeeptain  eins  4  "(f  per  -^^  dhodaiilar,  et  Teahut  10, 

valoT  '^. 

Item  sunt  tres  soeij  Ä^  B,  C,   qaomm  primns  habet  64 .%-  mnscati, 

»eenndcui  ^4.%^  lanri,  terdos  oero  64  J^  gariophali,  et  secasdoSy  acüicet  ^, 

sein  per  qnintaplo  plm  dat  pro  1  fl  quam  A,  C  oero  tantam,   qnantnm  A 

dat  pro   1  fl,  et  snperhierati  sunt  Tna  cmn  c^itali  samnia  100  fl.    Qneri- 

tor  eri^o.  qxu>t  qiiilibet^%-  pro  1  fl  dare  debel     Fae  sie  et  pone,  quod  Ä 

d^t  1  "^  pro  1  fl,  qnare  B  5  "if  dabit  pro  1  fl  et  C  etiam  1  ^,  qnia  tan- 

tum,  quantum  Ä.    Examinando  quodlibet  seorsom  seeandam  regolam  pro- 

64 


portionnm  dicendo  i^}  "«f    dat   1  fl,    quid    64?     Faeit 


A  — 


l-if 


IC-** 


1^ 


omnia    simul    addantur,    facit    aggregatnm        ^    equale   100.      Et    quia 

numerator  est  centuplus   ad  denominatorem,    quare  denominator  per   100 

multiplicetur,  et  yeniunt  500  }  äquales  704  if .    Draidatnr  eigo  iuxta  pre- 

704 

ceptum  tercie  regule  nf  per  §-,  et  quociens,  scüicet  -=^ ,  est  yalor  nf ,  tan- 

tum  ergo  primus,  scilicet  A,  dat  pro  1  fl  et  totidem  C,  et  qnilibet  mercatur 

5 
45flYT-     Secundus   uero,   scilicet  B,   quia   quintuplnm   plus  dat  pro  1  fl, 

quare  valor  nf,  scilicet  — ,  per  5  multiplicatur,  et  Teniunt  -töq}  ^*  ö^go 

-%"  B  dat  pro  1  fl,  quare  64  J\r  ipsius  B  yalent  9  fl  —  •    Q^e  omnia  simnl 

coUecta  faciunt  precise   100  fl,  quod  fuit  probandum. 

BL  »7.  Item   est  quiddam  (!)   quadratum  altera  parte  longius,   cuius  4  latera 

simul  iuncta  cum  area  faciunt  aggregatum  76,  et  posito,  quod  latus  ynum, 
scilicet  longius,  addat  2  super  breuius.  Quesitur  ergo,  quantum  sit  ynum- 
^[uodque  latus  eiusdem,  et  quanta  sit  area.  Pone,  quod  latus  breuius  sit 
l  i^,  erit  ergo  latus  longius  1  n(?  -(-  2.  Ducatur  ergo  latus  ynum  in  aliud 
ael  l  ^?  in  1  'Vf  +  2,  et  producuntur  1  ^  -j-  ^  'Vf ,  scilicet  quantitas  aree, 
otti  4  latera  addantur,  et  erit  aggregatum  l^-j-^'^4"^^  equales (!) 
TS  ds  ypothesi.     Bestaurando  igitur  4  j^^  ex  utraque  parte  subtrahantur, 


Znr  Gtescliichte  der  deutschen  Algebra.  547 

et  rem&nent  1^4"^  ^  ^^  ^^&  parte  eqnales  72  0  ex  alia  parte.  Qnare 
ioxta  preceptum  quarte  regnle  procedatur,  et  yeniunt  6,  yalor  rei  scilicet 
et  qn&ntitas  lateris  minoris,  quare  malus  est  8  et  area  48,  qnod  fuit 
quesitam. 

Item  sunt  duo  socij,  quorum  nnus  alteri  100  concedit  fl  ad  duos 
annos  pro  lucro  et  Incri  lucro.  Qnibus  elapsis  alter  illi  144  restituit  fl, 
capitale  scilicet  et  Incmm  et  lucri  Incmm.  Qneritor,  qaantmn  100  fl 
fecemnt  Incmm  in  primo  anno.  Procede  sie  et  pone  lucmm  primi  anni 
Inf,  et  quia  100  fl  primo  anno  Incrati  sunt  Inp,  qnare  nltra  procede 
secnndnm  regnlam  proportionum  dicendo:  100  fl  Incrati  snnt  l^f^  qnid 
ergo  Incrantnr  100  fl  -f-  1^  in  secnndo  anno?  Operare  secnndnm  regnlam, 

et  provenit  illa  qnantitas    ^ST       ,   Incmm    scilicet  secnndi    anni,  cni 

Mnltiplicetnr  ergo  denominator,  scilicet  100,  per  44,  proveninnt  4400 
eqaale(I)  sno  nnmeratori.  Et  qnia  ^  -{-%-  assimilantnr  0,  qnare  proce- 
datnr  secnndnm  preceptnm  qnarte  regnle,  et  veninnt  20,  yalor  nf . 

Item  snnt  dno  socij,  qnomm  nnns  1 20 ^%~  habet  flomm  mnscati,  alter  yero  bi.  s68. 
totidem  habet  JV'cinamomi,  et  primns  semper  6  plus  datprolfl  qnam  secnndns, 
et  ambo  mercantnr  35  (42)  fl.  Qneritnr  primo,  qnot  qnilibet  .^  dat  pro  1  fl 
et  secnndo,  qnot  qnilibet  ex  120  .^  mercatnr  fl.  Operare  sie  et  pone,  qnod 
primns  dat  1  -Mlf  pro  1  fl,  qnare  secnndns  1  n^'  —  6  dabit  pro  1  fl.  ütmmqne  ergo, 
per  regnlam  proportionnm  examinatnr  dicendo:  1  ^  yalet  1  fl,  qnot  120? 

120  120 

Pacit  jr^.     Et  itemm   1  np  —  6  yalet  1  fl,    qnot  120?     Facit  ^^_^' 

Et  qnia  ambomm  Incra  simnl  inncta  42  yale(n)t  fl,  addantur  ergo  simnl, 

et    erit   aggregatnm  — J___^^ —   eqnale  42.      Mnltiplicatnr   ergo  deno- 

minatorem  per  42,  et  erit  42^ 252nf  eqnales(!)  sno  nnmeratori,  scilicet 

240  -^^  —  720  0.  Bestanrantur  ex  ntraqne  parte,  proyeniunt  ex  yna  parte 
42^ — f-  720  0  eqnale  (!)  492  -Vf  ex  altera  parte.  Et  qnia  iam  pementnm 
est  ad  qnintam  regnlam,  flat  ergo  operacio  inxta  preceptnm  einsdem,  et 
yeninnt  10,  yalor  np,  tot  ergo  primns  .i\r  dat  pro  1  fl,  qnare  120JV"  12 
yalent  fl.  Secnndns  antem  6  minns,  ergo  4.^^  dat  pro  1  fl,  et  sie  120.%^ 
30  yalent  fl,  qne  simnl  addita,  30  scilicet  et  12,  precise  44  (42)  facinnt  fl, 
qnod  fnit  probandnm. 

Propositis  duobns  nnmeris,   scilicet  9^  12,  si  petitnr  ad  qnemlibet  bl  ssr. 

tercinm,   pnta  10,  aliqnem  nnmemni  maiorem,    cnins  qnidem   maioris  — 

snbtracta  de  primis  dnobns,  scilicet  9  -f-  ^^i  residnnm  (residna)  habea(n)t 
eandem  proportionem  qnam  nnmeri  (10  et  nnmems)  nnnc  nltimo  inyenti 

36^ 


I 


E,  Wappl. 

(iBTsntas).  F&c  sie.  Pone,  qaod  0  Inveniendus  sit  1  'tf,  cuins  qn&rU 
para  est  -  Tf,  qu&m  subtrab&m  de  9-1-12,  erontqae  residaa  9  —  —  if 
12  —  —  (if),  qne  ei  ypothesi  babebnnt  e&ndem  proportdonem  ad  inncein 
quam  10  ad    1  ip.     Ponam  ergo  ad  fann&m  regale  proportioDiiiii  sie 

9  —  -T-'M'        *2  —  T  '^ 

10  1    Tf. 

Sed  quia  Beoandum  eandem  id,  qaod  provenit  ex  dnctu  primi  in  qnartitm, 
eqimm  est  ei,  quod  provenit  es  dacto  secundi  in  tereium,  enmt  9  -if  —  --  j. 
ex  vna  parte  eqaales  1200—--  if  ex  alia  parte.  Addam  utrobique  il^ 
fectum,  et  Bmergunt  hie  qmdem  H  —  Tf ,  illic  vero  120 -f- — j-,  adac 
eqnalia.  Integrabo  )-  maltiplicando  omnia  per  4,  et  proveniant  ^6  y  a 
vna  parte  eqnates  480  0  -j-  ;- ^  ex  alia  part».  Nunc  ergo  iuxta  qnintuD 
regulam  omoia  per  j-  dinidantor,  et  luanent  ut  sunt,  -if  mediatnr,  et  mi- 
nent  23,  hoc  in  se  ducatui',  et  prOTeniunt  529,  ab  hoc  producto  subtraham 
0,  scUicet  480,  et  erit  residuum  49,  huius  subtraham  radicem  qnadratam 
a  medietate  Tf,  scilicet  23,  et  manent  16,  qui  est  valor  -if  sine  mwor 
numerus  reapectu  10  quesitus,  cuius  qnartam  partem,  scilicet  4,  anJero  a 
9  -|-  12,  et  manent  5  -|-  8  habontes  eandem  proportionem,  quam  10  -j-  IK, 
quia  ubique  est  dupla  [proportio  supertriparuiens  quintas].^) 
i.  Item  est  quoddam  quadratum  rectangulum  altera  parte  longiua,  cnins 

duo  latera  aimul  iuncta  sant  14,  area  vero  48.  Querifcnr,  quantnm  est 
vnumquodque  latus.  Operare  sie  et  pone,  quod  latus  1  sit  1  if,  qnar« 
reliquum  erit  14  —  1  if.  Ducatar  ergo  vnum  latus  in  reliqunm;  et  prrt- 
veniuut  14  ';f  —  1^  equales  48  0,  et  restauTantnr(!)  et  reatauratione  facta 
relinquuntur  48  0  -|-  1^  ex  vna  parte  et  14  i^  ex  oppoaita  parte,  et  sie 
perventum  est  ad  quintam  regulam,  ubi  scilicet  0  et  j-  assimilautur  if, 
äat  ergo  processus  secundum  preceptum  eiusdem ,  et  veniunt  6,  valor  1^. 
Item  radix  anguli  a  ■  b  cum  angulo  a  ■  c  valeut  168.  Quentur  de 
quantitate  miuscuiusque  aogulorum  duarum  linearum  se  intersecantium. 
Operare  sie  et  pone,  quod  radix  anguli  a  ■  b  sit  1  'tf ,  quam  si  in  se  ipaam 
moltiplicaueris,  erit  totus  angulus  a  ■  b  1  ^.  Et  residunm  ergo,  scilie«t 
angolus  a  ■  c,  cum  angulo  a  •  b  duos  rectos  angalos  constitueaa,  erit 
I8O  —  1^,   cui  cum  radix  augnli  a  •  b  additur,  scilicet  1  nf,  erit  aggre- 

M)  Waa  in  der  eckigen  Klammer   steht,    hat  WmiuNN   apätei 
TSmtt  hnmgefagt. 


'  mit  aadeniu 


Zur  Geschichte  der  deutschen  Algebra.  549 

gatnm  lnp-|-l8O0  —  1^  eqnale  radici  angali  a  -  b  cum  angnlo  a  •  c, 
scilicet  168.  Bestauratiu:  ergo^,  et  remanent  ex  yna  parte  1  ^  -{-  ISOjE!^ 
eqnale  (!)  IßB  0  -{-  1^,  adhuc  inter  se  equalia.    Et  quia  idem    ]^  ^ 

genus  denominacionis  pro  utraque  parte  stare  non  debet<,  snb-   \ 
trahantor  ergo  168  0  ex  ntraqne  parte,  remanent  ex  yna  parte 

1  nf  -4~  ^^  0  eqnale  (!)    1%-,     Et  qnia  iam  perventnm   est  ad 
regolam    sextam,  quare    secundmn    preceptam    eiasdem   proce-    /^  ^^ 
datnr,     et    yeniimt   4,    valor  -t(>    et    radix    angali    a  •  &,    erit  d  c 
ergo   totos    angnlns  16,   angalus    uero    a  *  c  164,    quod   fdit   quesitmn. 

Item  snnt  tres  socij,  scilicet  Ä,  B,  C,  qnonim  qtdlibet  certam  pecn- 
niamm  habet  sommam.  Dicit  C:  Ä  quidem  duplo  plus  habet  qnam  ego, 
B  nero  triplom  est  ad  me,  et  cum  quilibet  eoram  partem  abiecerit,  pnta 
Ä  2  et  ^  3,  et  residunm  vnins  si  dnctnm  faerit  in  residnnm  alterins, 
proYeninnt  24.  Qneritnr  ergo,  qaod(!)  qnilibet  eomm  habnit,  scilicet  Ä 
et  B,  et  quot  ego.     Fac  sie  et  pone,  quod  C  habet  1  n(^,  habebit  ergo  Ä 

2  nf,  qnia  dnplnm  ad  (7,  et  ^  3  n(',  qnia  triplnm.  Et  qnia  qnilibet  eomm 
partem  abicit,  nt  ^  2  et  ^  3,  habebit  ergo  Ä  2  -^f  —  2  et  B  3  -yf  —  3, 
qne  secnndnm  tenorem  propositionis  in  se  invicem  dncta  facinnt  6% — \'6  0 
— 12  -if  eqnale  (!)  24.  Bestanrando  addantnr  ex  ntraqne  parte  12  n^  et 
fiont  6^-f-  6  0  ex  yna  parte  et  24  0  -f-  12  n(^  ex  alia  parte,  adhnc  inter  se 
eqnalia.  Qnia  nero  idem  genns  et  cetera.  Snbtrahantnr  ergo  ex  ntraqne 
6  0,  et  remanent  18  0  -f-  12  nf  eqnale  (!)  scilicet  6^.  Et  qnia  iam  per- 
uentnm  est  ad  sextam  regnlam,  nbi  0  -^  -^f  assimilantnr^,  qnare  inxta 
preceptnm  einsdem  procedatnr,  et  yeninnt  3,  yalor  '^f  et  smnma,  qnam 
habnit  C,  habet  ergo  Ä  6  et  ^  9. 

Item  snnt  tres  socij,  qnomm  qnilibet  80  habet  .i\r  croci,  primns  bo- ^i- »«o'. 
num,  secnndns  meliorem  et  tercins  optimnm,  qni  in  triplo  tantnm  dat  pro 
1  fl,  qnantnm  secnndns  et  secnndns  dnplo  tantnm,  quantnm  primns,  et 
omnes  tres  100  mercantnr  fl.  Qneritnr,  qnantnm  qnilibet  dat  pro  1  fl. 
Pone,  qnod  primns  det  1  nf  pro  1  fl,  secnndns  2  n(>  pro  1  fl,  qnia  dnplnm 
tantnm,  qnantnm  primns,  tercins  nero  6  'if,  qnia  triplnm  tantnm,  qnantnm 
secnndns  pro  1  fl.  Examinantnr(!)  ergo  secnndnm  regnlam  proportionnm, 
qnantnm  cninslibet  80  yalent  J\r 

(SO 


dicendo 


dant  1  fl,  qnid  8(0)?    Facit  < 


80 


2^ 
80 


^  tt.f\f\  ^ 

qne  simnl   addantnr,   et  erit  aggregatum  eqnale   100.    Qnia  nero 


550  E.  Wappler: 

numorator  centuplus  est  ad  denominatorem,  quare  denominator  per  100  molti- 

plicetur,    et    erunt    1200  Ct  equales  1600^.      Dinidatnr   ergo    secnndam 

4 
preceptnm  septime  regnle  ^  per  cC,  et  exibunt  -r- ,  valor  nf ,  tantam  ergo, 

4  8 

scilicet  —  -%-,  primus  dat  pro   1  fl  et  mercatur  60  fl,  secnndus  -r-  pro  fl 

24 

et  mercatur  30  fl,  tercius  uero  -g- ,  id  est  8  --%-,  pro  1  fl  et  mercatur  10  fl. 

Qui  omnes  simul  collect!  faciunt  precise  100  fl,  quod  foit  probandum. 

Item  quis  est  et  tantum  Valens,  quantum  6  eins  quadrati.  Operare 
sie  et  pone,  quod  ille  cC  sit  1  cC,  et  quia  tantum  valet,  quantum  6  eins 
quadrati,  valet  6  ^,  et  sie  IcC  assimilatur  6^.  Quare  procedatur  secundnm 
preceptnm  regule  septime,  ubi  et  assimilatur  %^.  Minus,  scilicet  ^,  per 
maius  diuidatur,  et  patet  radix  eiusdem  cubi,  scilicet  6,  cuius  quadratns 
vnus  est  36,  quorum  6  tantum  valent,  quantum  et  eiusdem  radicis,  quod 
fuit  quesitum,  scilicet  216. 

Item  est  quoddam  corpus  cubicum  tantum  valens,  quantum  16  eins 
latera  simul  iuncta.  Queritur  de  quantitate  eiusdem  corporis  cubici,  et 
quantum  sit  vnumquodque  eins  latus.  Pone,  quod  latus  vnum  sit  1  nf, 
quod  cubicetur,  et  erit  1  et  tantum  valens,  quantum  16  latera  eius.  Multi- 
plicatur  ergo  latus,  scilicet  1  n^',  per  16,  et  erunt  16  nf  equales  1  et-  Et 
quia  iam  peruentum  est  ad  octauam  regulam,  ubi  np  assimilatur  cC,  quare 
iuxta  preceptnm  eiusdem  procedendo  veniunt  4,  valor  scilicet  1  nf  uel 
lateris  vnius,  quorum  16  faciunt  tantum,  quantum  cubicum  corpus  eiusdem, 
scilicet  64.  Est  ergo  1  latus  4  et  quantitas  corporis  cubici  64,  quod  fuit 
quesitum. 
Bi.  S61.  Item  sunt  tres   quadrati  in  continua  proportione  quadrupla,   quorum 

latus  minoris  ductum  in  quemlibet  quadi*atum  maiorem  et  producta  simul 
collecta  faciunt  160.  Queritur  de  quantitate  lateris  minoris  quadrati  et 
consequenter  de  quantitate  vniuscuiusque  quadrati  seorsum.  Operare  sie 
et  pone,  quod  latus  1  minoris  quadrati  sit  1  n(>,  erit  ergo  quadratus  eius 
et  minor  1^,  quare  secundus  4^  et  tercius  16^,  quia  in  continua  propor- 
tione quadrupla.  Et  quia  latus  minoris  ductum  in  quemlibet  maiorem  et 
producta  simul  iuncta  faciunt  160,  ducatur  ergo  1  nf  in  4%-,  et  erunt  4  et. 
Ducatur  etiam  idem  latus,  scilicet  1  nf  in  16%-,  et  erunt  16  CC.  Producta 
simul  collecta  faciunt  20  et  equales  160  0.  Quia  uero  iam  perventum  est 
ad  regulam  9,  ubi  0  assimilatur  cC,  procedatur  ergo  secundum  preceptnm 
regule,  et  veniunt  2,  valor  scilicet  n(?  et  lateris  minoris,  quare  quadratus 
minor  4,  medius  16,  tercius  autem  64,  qui  multiplicati  per  latus  minoris 
üt  producta  simul  collecta  faciunt  160,  quod  fuit  probandum. 

Item   qui(!)    sunt  tres   quadrati,    qui  cum   suis   4  et  tantum   ualent, 


Zur  Geschiebte  der  deutschen  Algebra.  551 

quantum  iaria  latera  ynius  qnadrati  multiplicata  per  15.  Qnerittir  de  qnan- 
titate  lateris  ynias  quadrati.  Operare  sie  et  pone,  quod  iUi  tres  quadrati 
sint  S^j  qnibus  adde  4  cC,  et  erant  3^  -f-  ^  ^  equales  3  lateribns  per  15 
mnltiplicatis,  id  est  45  ^(,  Et  qnia  peraentnm  est  ad  decimam  regulam, 
nbi  nf  assimilatur  ^  +  CC ,  quare  iuxta  preceptnm  eiusdem  procedendo  ve- 
ninnt  3,  valor  rei  scilicet  et  ynius  qnadrati  latus,  erit  ergo  vnas  quadratus 
9,  quare  tres  27,  et  vnus  cC  eciam  yalet  27,  valent  ergo  4  et  108,  qui 
tribus  quadratis  iuncti  tantmn  yalent,  quantum  3  latera  per  15  multi- 
plicata, scilicet  135,  quod  fuit  quesitnm. 

Item  sunt  14  quadrati,  qui  tantum  yalent,  quantum  2  latera  ynius  bi.  sei'. 
quadrati  in  tres  eiusdem  lateris  quadratos  mulitiplicata  cum  additione  4 
latenim.  Queritnr  de  quantitate  lateris  ynius  quadrati.  Procede  sie  et 
pone,  quod  latus  ynius  quadrati  sit  1  n^  quam  in  se  multipliea,  erit  1  ^, 
qui  multiplicatur  per  14,  et  erunt  14^  equales  2  lateribus  in  tres  qua- 
dratos ductis.  Ponantur  illa  duo  latera  2  nf,  que  duea(n)tur  in  S  qua- 
dratos, id  est  3^,  et  erunt  6  cC,  quibus  addantur  4  latera,  id  est  4  n(', 
et  erit  aggregatum  6  cC  -f-  4  nf ,  que  equantur  14^.  Et  quia  iam  per- 
yentum  est  ad  undecimam  regulam,  quare  iuxta  preceptum  eiusdem  operare, 
et  yeniunt  2,  yalor  rei  id  est  ynius  lateris,  quare  ynus  quadratus  erit  4 
et  14  56,  qui  tantum  yalent,  quantum  2  latera,  id  est  4,  in  tres  qua- 
dratos, id  est  12,  ducta  4  lateribus  iunctis,  quod  fuit  probandum. 

Item  est  quoddam  produetnm  ex  duobus  lateribus  in  4  quadratos, 
quod  tantum  yalet,  quantum  partium  multiplicantium  producta,  quorum, 
maior,  scilicet  quadratorum,  per  5,  altera  uero  et  minor,  scilicet  laterum. 
per  6  multiplicata  simul  collecta.  Queritur  de  quantitate  ynius  lateris 
Procede  sie  et  pone,  quod  latus  ynius  quadrati  sit  1  n(>,  erit  ergo  qua- 
dratus eins  1^,  et  quia  propositum  est,  quod  2  latera  ducta  in  4  quadratos, 
quare  1  np  multiplicetur  per  2  et  1^  per  4,  et  erunt  2  -if  -f-  4%-,  que 
secundum  teuerem  propositionis  in  se  inuicem  multiplicata  faciunt  8  et  equales 
aggregati(!)  ex  multiplieatione  partium  prodietorum,  maioris,  scilicet  quadra- 
torum, per  5  et  minoris  per  6,  erunt  12  'vf  -f*  ^0^  equales  8  et»  Et  quia  iam 
peruentum  est  ad  regulam  duodeeimam,  ubi  ^('-f-^  assimilantur  cC,  fiat  ergo 
Processus  seeundum  preceptum  eius,  et  yeniunt  3,  yalor  scilicet  ynius  lateris. 

Item  multiplieaui  2  latera  quadrati  in  2  quadratos,  et  proyeniebant  bi.  s68. 
4  et  equales  multiplieationi  ynius  quadrati  in  se  ipsum.  Queritur  de  quan- 
titate ynius  lateris  quadrati.  Pone,  quod  ynum  latus  sit  1  np,  quam  in  se 
ipsam  multipliea,  et  proyeniet  1^,  scilicet  1  np  quadratus.  Et  quia  2  la- 
tera quadrati  seeundum  teuerem  propositionis  multiplicata  in  2  quadratos 
sunt  equales  multiplieationi  ynius  quadrati  in  se  ipsum,  quare  quodlibet 
eorum,  scilicet  1  nf  -j-  1  j-,  per  2  multiplicatur,  et  erunt  2  -^  -|-  2^,  que 


E,  Wappler: 

in  Be  inTicem  miiltiplicata  pro^ncunt  4  et  eqnales  maltiplicacicmi  vniiu 
iin&drati  in  se  ipsnm.  Dueatnr  ergo  1%-  in  se,  et  erit  1  ^%-  eqQaleB(!)  Ict. 
Modo  imta  preceptura   regule   tredecime  et  per  j-j- diuidatur,  et  quocieog, 

soilicet  4,  ostendit  v&lorem  rei,  scilicet  quaDtitatcni  vntus  lat«m. 

Item  Bnut  2  latera,  que  cam  in  3  eins  et  multipHcata  fuerint,  pro- 
ducunt  6%-i-  äquales  24  quadratis.  Qaeritur  de  qnantitate  rniuB  lateris 
qnadrati.  Pone,  quod  vnum  latus  sit  1  if,  erit  ergo  eins  quadratus  Ij-, 
Qula  uero  dictum  est,  quod  productum  ex  duobus  lateribus  in  3  fC  tan- 
tum  valet,  quantum  24  quadrati,  multiplicatur  ergo  1  '^>  per  2  et  1  et 
per  3,  et  emnt  2  Tf  -j- 3  Cf ,  que  in  se  inTicem  ducta  pro(dncunt)  6%-j- 
equales  24^,  Et  quia  iam  peraentum  est  ad  qu&i-tam  decitnam  reguka^ 
quare  (inita)  preceptnm  einsdem  procedendo  veniunt  2,  valor  scilicet 
lateris. 

I'.  Item  sunt  duo  quailrati,  quonim  maior  est  nonnplus  ad  radicem  qi 

drati  niinoris,  minor  nero  duplnsuperbiparciens  tercias  ad  latus  quadntfj 
maioria.  Queritur  do  quantitate  laterum  vniusouiasque  quadrati  et  con- 
aequenter  de  quantitate  quadratomm.  Operare  sie  et  pone,  qnod  latoi 
minoris  quadrati  sit  1  tf,  que  in  se  multiplicata  prodncit  1^,  quadratam 
scilicftt  minorem.  Et  quia  quadratus  maior  iuxta  tenorem  propositioni^ 
est  nonuplus  ad  latus  minoris,  erit  ergo  quadratus  maior  9  nf,  cnius  radii 
est  •  9  Tf ,  et  quia  (juadratn.8  minor,  sdlicet  Ij-,  est  duplusuperbiparciens 
tercias  ad  latus  maioris  qnadrati,  mnltiplicatur  •  9  Tf ,  scilicet  latus  maioris 
quadrati,  per  denominationem  proportionis  eorum  ad  inuicem,  scilicset 


et  proveninnt  -jp  if ,  cnius  radis  quadrata  est  equalis  1  j.  Sed  quia  -^  (ip) 
non  habet  radicem,  quia  est  surdum,  quadrentur  ergo  quantitates  es  utra- 
qnu  parte  in  equacione  poaite,  vnum  per  delecionem  puncti  et  alterum  in 
se  muhiplicando,  et  proveniunt  -^  Tf  et  l^^inter  se  eqnalia.  Fiat  ergo 
Processus  iuxta  preceptnm  quinte  decime  regule,  ubi -if  assimilatnr  ^^ ,  et 
veniunt  4,  valor  scilicet  lateris  quadrati  niinoris,  cuius  quadratus  est  16 
duplus  superbiparciens  tercias  ad  latus  quadrati  maioris.  Diuidator  ergo 
quadratus  minor  per  denominationem  proportionis  ad  latus  maioris,  et  pro- 
ueniunt  in  quociente  6,  quantitas  scilicet  lat«ris  quadrati  maioris,  quod  in 
se  multiplicatum  facit  36,  scilicet  quadratum  maiorem,  qui  est  nonnplus 
ad  latus  qnadrati  minoris,  scilicet  ad  4,  quod  fnit  quesitum. 

lU^m  productum  ex  tribus  lateribus  in  4  quadratos  additum  producto 
mins  quadrati  in  se  ipanm  eqnnm  est  ei,  quod  provenit  ex  raultiplieatione 
9  in  5  quadratos.  Queritur  de  quantitate  lateris  vnius  quadrati.  Pone,  • 
qood   latus    vnum   sit  1  if,    erit  ergo  quadratus  eins  1^,  et  quia  c 


nraii.     rone,   m 
quia  dictaii|M 


Zar  Geschichte  der  denischen  Algebra.  553 

est  in  propositione,  3  latera  qnadrati  in  4  qnadratos  ducta  et  productum 
additam  mnltiplicationi  vnins  qnadrati  in  se  ipsum  eqnom  est  ei,  qnod 
provenit  ex  dnctn  5  qnadratorom  in  9,  snnt  ergo  ista  3  latera  3  -if  et  4 
qnadrati  4^,  qne  in  se  inyicem  dncta  proYeniant(I)  12  CC,  qni  mnltiplicationi 
ynius  ^  in  se,  id  est  1^^,  additi  facit(!)  aggregatnm  12  CC  -^  ^%^  eqnale 
mnltiplicationi  5  qnadratomm  in  9,  id  est  45^.  Et  qnia  iam  perventnm  est 
ad  regolam  16,  nbi  scilicet  et  -f-  %-%-  assimilantnr  ^,  quare  inxta  preceptnm 
einsdem  procedatnr,  et  veninnt  3,  yalor  scilicet  vnins  lateris,  erit  ergo 
vnus  qnadratus  9. 

Item  aggregani  qnadratom  mnltiplicationi  einsdem  in  se,  et  erat  aggre-  bl  868. 
gatom  eqnale  mnltiplicationi  prioris  qnadrati  in  4  eins  latera  —  7  qna- 
dratis.  Qneritnr  de  qnantitate  lateris  einsdem  qnadrati.  Operare  sie  et 
pone,  qnod  latns  illud  sit  1  n(^,  erit  ergo  qnadratns  eins  1^,  et  qnia  secnn- 
dnm  tenorem  propositionis  qnadratns  ille  mnltiplicationi  eins  in  se  additus 
dncatnr  ergo  1  ^  in  se,  et  erit  1  ^^,  cni  addatnr  1  ^,  et  erit  aggregatnm 
1  i-i-~f- 1^  eqnale  mnltiplicationi  einsdem  qnadrati  in  6  eins  latera,  et  qnia 
1  latns  est  1  ^,  emnt  ergo  6  latera  6  n(^,  qne  in  1^  dncte  prodncnnt 
6  CC,  et  sie  1^^  -f-  1%-  eqnalis(!)  G  et  —  7  qnadratis,  id  est  7^.  Bestau- 
rantnr  ergo  7%^  ex  ntraque  parte  addendo,  et  proneninnt  ex  yna  parte 
1  %^%-  H~  3^  eqnales  8  et-  Et  qnia  iam  pementnm  est  ad  regnlam  septi- 
mam  decimam,  nbi  %^ — |-  %^  assimilantnr  CC,  fiat  ergo  processns  inxta  pre- 
ceptnm einsdem,  et  veninnt  4,  valor  vnins  lateris,  qnare  1  qnadratns 
erit  16. 

Item  est  qnadratns,  qni  in  se  dnctns  tantnm  valet,  qnantnm  tres  cnbi 
cnm  qnadrati  qnadmplo  inncti.  Qneritnr  de  qnantitate  lateris  illins  qna- 
drati. Pone,  qnod  illnd  latns  sit  1  nf,  cnins  qnadratns  est  1^,  qni  in  se 
ductns  secnndnm  tenorem  propositionis  procreat  1  ^^  tantnm  valens  ex 
ypothesi,  qnantnm  3  et  cnm  qnadmplo  prioris  qnadrati,  id  est  cnm  4^, 
erit  ergo  1%^  eqnalis  3  cC  -^  4^.  Et  qnia  iam  pementnm  est  ad  octanam 
decimam  regnlam,  nbi  cC  -f-  ^  assimilantnr  ^^,  qnare  inxta  preceptnm  regnle 
procedendo  veninnt  4,  valor  scilicet  lateris  qnadrati. 

Item  est  qnadratns,   qni  tantnm  valet,  qnantnm  radix  de  27  lateribns.  bl  ses'. 

«.Qneritnr  de  valore  vnins   lateris.     Pone,  qnod  latus  sit  1  nf ,  cnins  radix 

•  -^t  •  1  'if ,  et  qnia  mentio  facta  est  in  propositione  de  radice  (de)  27  n(', 

[  it  ergo  radix  (de)  27  np  •  27  -if  eqnale  (!)  vni  qnadrato,  id  est  vni  ^.    Iam 

u'o   perventnm  est  ad  regnlam  nonam  decimam,  nbi  ^  assimilatnr  radici 

'if.      Procedatnr    ergo    secnndnm    preceptnm    einsdem,    et   veninnt    3, 

'or  radicis  vnins  scilicet  nf,  qnare  qnadratns  illis  radicibns  simnl  coUectis 

alis  erit  81(1),  qnod  foit  propositnm. 

Item  snnt  3  qnadrati,  qni  cnm  simnl  aggregati  tantnm  valent,  qnantnm 


554  £•  Wappler:  Zar  Geschichte  der  deutschen  Algebra. 

radix  quadrata  de  36  qoadratis  simul  innctis.  Queritor  de  yalore  ynios 
qnadrati  et  radice  eiusdem.  Procede  sie  et  pone,  qnod  Uli  tres  quadrati 
simul  collecti  sint  3^,  qui  suut  equales  radici  quadrate  de  36  qoadratis, 
quare  3^  sunt  equales  «36^.  Et  quia^  assimilatur  •  ^,  quare  iuxta  pre- 
ceptum  vicesime  regale  fiat  processus,  et  yeniuut  2,  radix  quadrata  (!)  uel 
latus  ynius  quadrati,  erit  ergo  vnus  quadratus  4,  et  tres  simul  collecti  12 
equale(!)  radici  quadrati  (!)  36  quadratorum  simul  iunctorum,  quod  fuit 
propositum. 
Bi.  864.  j^Qjjj  g^ß^  ^ijQ  quadrati,  quorum  differencia  est  24,  et  si  radix  ynios 

in  radicem  alterius  ducta  fuerit,  illud,  quod  provenit,  equale  est  35  0. 
Queritur  de  quantitate  lateris  ynius  quadrati  et  minoris.  Operare  sie  et 
pone,  quod  quadrati  minoris  latus  sit  1  -;(',  erit  ergo  quadratus  minor  1  ^. 
Et  quia  differencia  quadratorum  est  24,  quare  quadratus  maior  est  1  §-  -f-  ^^i 
cuius  radix  est  •  1  ^ — |-  24.  Ducatur  ergo  radix  ynius  in  radicem  alterius 
uel  1  nf  in  •  1  ^  -j-  24,  quadrando  prius  ex  utraque  parte,  et  erit  ex  yna 
parte  1^  et  ex  alia  parte  1^  -f~  ^4,  que  in  se  inuicem  ducta  faciunt  1§-^ 
+  24^  equales  35jE^(!).  Et  quia  prius  partes  sunt  equale(8),  per  ynius- 
cuiusque  multiplicacionero  in  se  equetur  et  j^^  in  se  multiplicando ,  et  sie 
1^^  -f~  ^^^  sunt  equales  1225  0.  Fiat  ergo  processus  iuxta  preceptum 
yicesime  secunde  regule,  et  yeniunt  5,  latus  scilicet  minoris  quadrati. 


yn 


PIERRE  FERMATS  STREIT  MIT  JOHN  WALLIS, 


EIN  BEITEAG  ZÜB  GESCHICHTE  DER  ZAHLENTHEOßlE. 


VON 


OUSTAV  WERTHEIM, 

PBOntUOK  AH  DSB  ft]KAI<flCHTTI«B.  DBK  nKAUiXTIBOHSV  OXHaiHDX  SD  PRAncrVBT  AM  MAUT. 


§.  1.   Hntmafsliclie  Yeranlassnng  des  Streites. 

Im  Jahre  1655  war  die  Ärithmetica  Infinitomm  von  John  Wallis^) 
erschienen,  ein  Werk,  das  auf  rein  rechnerischem  Wege  Quadraturen  und 
Kubaturen  ausführt^  die  vorher  mehr  durch  geometrische  Betrachtungen 
erstrebt  worden  waren  ^.  Pierre  Fermat')  erhielt  ein  Exemplar  dieses 
Buches  durch  den  englischen  Edelmann  Eenelm  Diobt^)  mit  dem  Ersuchen, 
sein  Urteil  über  dasselbe  abzugeben.  Da  Digby  im  Sommer  1656  in 
Toulouse  war,  also  wahrscheinlich  mit  Fermat  persönlich  verkehrte,  so 
ist  anzunehmen,  dass  er  ihm  das  Exemplar  selbst  überreicht  hat.  Fermat's 
Urteil  über  das  Werk  ist  in  dem  Brief  an  Digbt  vom  20.  April  1657  ent- 
halten^). Fermat  legt  dar,  daXs  er  die  von  Wallis  erhaltenen  Resultate 
über  die  Quadratur  der  Parabeln  und  der  Hyperbeln  schon  viele  Jahre  vor- 
her gefunden  und  dem  Torricelli^)  mitgeteilt  habe.  Hierauf  und  auf  die 
Aasstellungen,    die  Fermat    an    dem  Werke    macht,    soll   hier    nicht   ein- 


1)  Jomr  Wallis  (1616 — 1703)  studierte  in  Cambridge  Theologie,  war  anfangs 
Prediger  in  London,  wurde  1649  Professor  der  Geometrie  in  Oxford.  Als  Kabl  U. 
1660  den  Thron  bestieg,  ernannte  er  Wallis,  der  ein  treuer  Anhänger  Eabl'b  I. 
gewesen  war,  su  seinem  Kaplan. 

2)  Eine  treffliche  Würdigung  der  Vorzüge  und  Mangel  dieser  Schrift  giebt 
Cavtob  in  seinen  Vorlesungen  Bd.  11  S.  822  u.  flgde. 

3)  PnEBBs  Fbbmat,  einer  der  bedeutendsten  französischen  Mathematiker,  wurde 
1601  in  Beaumont  de  Lomagne  bei  Toulouse  als  Sohn  eines  Lederhändlers 
geboren.  Er  studierte  Jurisprudenz  und  wurde  1631  Parlamentsrat  in  Toulouse. 
Er  starb  1663  in  Gastres,  einem  unweit  Toulouse  gelegenen  Städtchen. 

4)  KwKKLU  DioBT,  geboren  1603  in  London,  gestorben  ebenda  1666,  ältester 
Sohn  des  wegen  Teilnahme  an  der  Pulververschwörnng  hingerichteten  Sir  Eybrabd 
DioBT,  stand  in  den  politischen  und  religiösen  Kämpfen,  die  sich  in  England  ab- 
spielten, bald  auf  der  einen,  bald  auf  der  anderen  Seite  und  war  deshalb  öfters 
genötigt,  England  zu  yerlassen. 

6)  Brief  IV  des  (Jommercium  epistolieum  Ton  Wallis.  Die  Parteien  korre- 
spondierten  nicht  direkt  mit  einander,  sondern  schrieben  an  Diobt,  der  die  Briefe 
der  einen  Partei  der  andern  übermittelte.  Für  die  Briefe  aus  und  nach  England 
diente  dabei  noch  als  Zwischenperson  der  englische  Priester  Thomas  White. 

6)  Etabohlibta  Tobbicelli,  geb.  1608  in  Faenza,  gest.  1647  in  Florenz  als 
Professor  der  Mathematik,  der  Erfinder  des  Barometers  (1643). 


558  Gustav  Wertheim: 

gegangen  werden.  Ich  will  nur  hervorheben,  dafs  die  Darstellimgsweise 
des  Wallis,  der  mehrfach  von  anderen  bereits  hergeleitete  Sätze  nochmals 
durch  Induktion  findet  und  dann,  ohne  einen  Beweis  zu  yersnehen,  für  all- 
gemein gültig  annimmt,  dem  an  die  Strenge  der  Alten  gewöhnten  Fermat 
im  höchsten  Grade  unsympathisch  sein  musste.  Femer  gehörte  Wallis 
einem  Volke  an,  dessen  Beziehungen  zu  Frankreich  grade  damals  —  in 
Frankreich  herrschte  Ludwig  XIV.,  in  England  Oliver  Cromwell  —  aus 
nationalen  und  religiösen  Gründen  äuTserst  gespannt  waren.  So  erklärt  es 
sich,  dass  Fermat  zu  dem  Entschluss  kam,  seine  Kräfte  mit  Wallis  in 
einem  Zweikampf  zu  messen,  und  es  kann  uns  nicht  wunder  nehmen,  dass 
er  hierfür  ein  Gebiet  wählte,  auf  welchem  er  sich  besonders  stark  fühlte. 
Ich  werde  im  Folgenden  versuchen,  diesen  Kampf  in  seinen  Hauptzügen 
und  unter  Beschränkung  auf  die  gestellten  zahlentheoretischen  Aufgaben  zu 
schildern. 

§.  2.   Die  beiden  ersten  Angaben  Fermaf  s  und  die  Gegenanfgabe  des 

Wallis. 

Am  3.  Januar  1657  erliess  Fermat  folgende  Herausforderung:  „Dem 
Wallis  und  den  übrigen  englischen  Mathematikern  wird  folgende  nume- 
rische Aufgabe  gestellt: 

1.  Einen  Kubus  zu  finden,  der,  wenn  man  ihn  zur  Summe  seiner 
aliquoten  Teile  addiert,  ein  Quadrat  giebt. 

Ein  solcher  ist  z.  B.  343  =  7';  die  aliquoten  Teile  dieser  Zahl  sind 
1,  7,  49,  und  wenn  man  343  zu  ihrer  Summe  addiert,  so  erhält  man 
400  =  20^.  Es  wird  ein  anderer  Kubus  verlangt,  welcher  dieselbe  Eigen- 
schaft hat. 

2.  Man  verlangt  ebenso  eine  Quadratzahl,  die,  wenn  man  sie  zur 
Summe  ihrer  aliquoten  Teile  addiert,  einen  Kubus  giebt. 

Ich  erwarte  die  Lösung  dieser  Aufgaben.  Wenn  weder  England,  noch 
das  belgische  oder  keltische  Gallien  sie  liefert,  so  wird  das  narbonensische 
Gallien  sie  geben  und  dem  Herrn  Digby  als  Zeichen  wachsender  Freund- 
schaft widmen." 

Diese  Herausforderung  wurde  durch  White  dem  Lord  William 
Brouncker'')  in  London  übermittelt.  Brouncker  erhielt  sie  am  14.  März 
und  schickte  sie  gleich   den  folgenden  Tag  an  Wallis  nach  Oxford.     In 


7)  Lord  William  Broitncker  (1620—1684)  erhielt  1660  in  Folge  seiner  Unter- 
zeichnung der  Erklärung  englischer  GrofBen  zu  Gunsten  Kasl*8  H.  das  Amt  eines 
Kanzlers  und  Grofssiegelbewahrers  der  Königin.  1662  wurde  er  erster  Priksident 
der  UoydX  Society,  in  welche  er  als  eins  der  ersten  Mitglieder  getreten  war. 


♦  / 


Pierre  Fermat*8  Streit  mit  John  Wallis.  559 

dem  Begleitschreiben^  spricht  er  die  Hoffnimg  aas,  Wallis  werde  die 
beiden  Aufgaben,  die  schwieriger  seien,  als  es  auf  den  ersten  Anblick 
scheine,  schnell  lösen  und  ihm  die  Lösung  mitteilen. 

Wallis  antwortete  schon  am  17.  März^),  die  gestellten  Aufgaben 
seien  Ton  der  Natur  der  Aufgaben  über  vollkommene,  überschieiBende  und 
mangelhafte  Zahlen ^^);  er  sei  zur  Zeit  mit  anderen  Dingen  beschäftigt,  so 
dafs  er  sich  der  Sache  nicht  widmen  könne.  Für  den  Augenblick  gebe  er 
die  Antwort,  daüs  die  Zahl  1  beiden  Aufgaben  genüge.  Er  hatte  trotzdem 
die  Divisoren-Summen^^)  für  einige  der  ersten  Zahlen  bestimmt  und  dabei 
gefunden,  dafis  sowohl  1  4"  ^  +  25,  als  auch  l  +  2-(-4  +  8  +  16  gleich 
31   ist.     Er  stellte  daraufhin  die  Gegenaufgabe: 

Es  sollen  zwei  Quadratzahlen  (wie  16  und  25)  von  der  Beschaffenheit 
bestimmt  werden,  daüs  die  Divisoren-Summe  der  einen  gleich  derjenigen  der 
andern  sei. 

Brouncker  hatte  sich  ebenfalls  mit  den  beiden  Aufgaben  und  mit 
einer  inzwischen  eingetroffenen  dritten  Aufgabe  Fermat's,  von  der  weiter- 
hin die  Bede  sein  wird,  beschäftigt  und  seine  Lösungen  in  zwei  englisch 
geschriebenen  Briefen  an  Fermat  gesandt^^).  Fermat,  der  der  englischen 
Sprache  unkundig  war,  liefs  sich  die  Briefe  von  einem  in  Toulouse  weilen- 
den jungen  Engländer  übersetzen.  Dieser  war  aber  mit  dem  Gegenstande 
nicht  vertraut,  und  daher  wollte  Fermat  kein  sicheres  Urteil  über  Broungker's 
Lösungen  abgeben.  Er  glaubte  aber,  Brouncker  habe  die  Sache  zu  leicht 
genommen,  und  seine  Lösungen  seien  ungenügend;  in  den  Aufgaben  werden 
Lösungen  in  ganzen  Zahlen  verlangt,  nicht,  wie  Brouncker  meine,  in  blofs 
rationalen  Zahlen.  Da  Brouncker  keine  Abschrift  seiner  Briefe  zurück- 
behalten hatte,  so  ist  ihr  Wortlaut  nicht  bekannt  geworden.  Ihr  Inhalt  ist 
in  dem  Briefe  enthalten,  den  Wallis  am  7.  Oktober  1657  an  Digbt  ge- 
schrieben hat^^).     Danach  hat  Brouncker  für  die  beiden  ersten  Aufgaben 

aufser  der  Zahl   1   auch  noch  die  Brüche  -^  und   fOi   die   erste   Aufgabe 

348  * 

auch  — ^  angegeben,  wo  a  jede  ganze  Zahl  sein  könne. 

DiQBY  hatte  die  FERMAT^schen  Aufgaben  auch  dem  in  Paris,  am  Münz- 
amte angestellten  Bernard  Frenicle  de  Bessy  (1605 — 1675)  gegeben, 
der,   ohne  Mathematiker  zu  sein,   sich   aus  Liebhaberei   mit  Zahlentheorie 

8)  Comifi.  ep.  I.  9)  Comm.  ep,  II. 

10)  Eine  Zahl  heifst  vollkommen,  überschiefsend  oder  mangelhaft,  je  nach- 
dem sie  gleich  der  Somme  ihrer  aliquoten  Teile  oder  kleiner  oder  gröfser  als 
diese  ist. 

11)  Die  Divisoren-Summe  umfafst  s&mtliche  Divisoren,  anch  die  Zahl  selbst; 
bei  der  Somme  der  aliquoten  Teile  einer  Zahl  ist  die  Zahl  selbst  wegzulassen. 

12)  Comm,  ep,  XI.  13)  Chmm.  ep.  IX. 


560  Gastay  Wertheim: 

beschäftigte  und  in  diesem  Gebiet  fCbr  nngemein  tüchtig  gehalten  wurde ^^). 
DaJjs,  wie  Paul  Tanneky  (Oeuvres  de  Fermat  II,  p.  3S2)  annimmt^  Febmat 
die  Aufgaben  dem  Frenicle  auch  direkt  brieflich  mitgeteilt  habe,  ist  mög- 
lich, aber  —  wenigstens  soweit  die  beiden  eisten  Aufgaben  in  Betradit 
kommen  —  nicht  erwiesen.  Fremicle  übergab  dem  Überbringer  der  Anf- 
gaben  sofort  4  Lösungen  und  sandte  den  nächsten  Morgen  weitere  6.  Er 
behandelte  dann  beide  Aufgaben  und  die  Gegenaufgabe  des  Walus  in 
einer  besonderen  Schrift,  von  der  trotz  vieler  Bemühungen  leider  kein 
Exemplar  aufzufinden  ist.  Der  Titel  ist  nach  Wallis:  SoluUo  duorum 
prohlematum  circa  numeros  cuhos  et  quadratos,  quae  tanquam  insdvbüin 
tmiversis  Eurapae  maihematicis  a  darisaimo  viro  D.  Fermat  sunt  pro- 
posUa  dt  a  D.  B.  F.  D.  B.^^)  inventa.  Parisiis  apud  Johannem  Lang- 
Lois.  1657.  Der  Inhalt  deckt  sich  ohne  Zweifel  mit  dem,  was  Wallis 
in  seinem  am  14.  März  1658  an  Digby  gerichteten  Briefe  ^^)  und  später 
1685  im  vierten  Kapitel  (D.  Fermatu  prohlemaia  de  divisaribus  et  parUtms 
aUquotis)  seiner  Arbeit  De  combinatiombus ,  aUemaUanibus  et  partibus  aU- 
quotis  tradatus  veröffentlicht  hat.  Die  Lösung  der  Aufgaben  setzt  die 
Bildung  einer  möglichst  weitgehenden  Tabelle  fär  die  Divisoren-Summe  der 
Quadrat-  und  ebenso  der  Eubikzahlen  voraus.  Da  die  Divisoren-Snmme 
des  Produkts  zweier  teilerfremden  Zahlen  gleich  dem  Produkt  der  Divisoren- 
Summen  der  Faktoren  ist,  so  sind  in  die  Tabellen  nur  die  Primzahlen  und 
deren  Potenzen  aufzunehmen.  In  der  letztgenannten  Arbeit  des  Walus 
erstreckt  sich  die  Tabelle  filr  die  Quadratzahlen  bis  499,  die  für  die  Knben 
bis  199.  Frenicle  hatte  jedenfalls  viel  weiter  gehende  Tabellen ^^.  Eine 
Lösung  der  ersten  pERMAT^schen  Aufgabe  wird  danach  auf  folgende  Weise 
erhalten:  Nach  der  Tabelle  ist  die 

Summe  der  Divisoren  von 

11         11  11  11 

11  11  11  n 

11  11  11  11 

11  n  11  11 


11  11  11  11 


5»  gleich 

2».  3.  13. 

11* 

^^       11 

2».  3.  61. 

13»      „ 

2».  5.  7.  17. 

27»      „ 

2»,  11».  61. 

41»      „ 

2».  3.  7.  29*. 

47»      „ 

2».  3.  5.  13.  17. 

14)  Am  12.  Dezember  1657  schreibt  Diobt  an  Fbrkat  {Oeuvres  de  Fojut 
T.  n.  p.  362),  Fbbnicle  wolle  sich  über  nichts  anderes  mehr  mit  ihm  unterhalten  als 
über  mystische  Theologie  und  seine  Gedanken  über  den  freien  Willen  und  die  Vonuu- 
bestimmuDg;  er  gebe  so  den  Rang  eines  der  gröüsten  Mathematiker  des  Jahifaimderiif 
den  er  einnehmen  könnte,  gegen  den  eines  der  unbedeutendsten  Theologen  aaf. 

16)  Dominus  Berhabd  Frbhiolb  de  Bebst.  16)  Chmim.  ep.  XXHI. 

17)  Das  spricht  auch  Bbounokee  in  seinem  Briefe  an  Wallis  vom  16.  April 
1668  aus.  Ccmm.  ep.  XXX.  Eine  zweckmSXsig  angeordnete  Tabelle  giebt  Euudi 
in  seiner  Arbeit:  Be  wumeris  anUcabüibus  (Chmm,  arithm.  I,  S.  102). 


Pierre  Fermat's  Streit  mit  John  Wallis.  561 

Somit  ist  die  Summe  der  Divisoren  von  [5.  11.  13.  27.  41.  47]' 
gleich  2^«.  3*.  5».  7«.  lll  13».  17l  29^  6lS  d.  h.  es  ist  ein  Kubus  er- 
mittelt, dessen  Divisoren-Summe  ein  Quadrat  ist. 

Ähnlich  sind  die  zweite  Aufgabe  und  die  Oegenaufgabe  von  Wallis 
zu  behandeln,  von  welcher  letzteren  Frjsnicle  eine  groüse  Anzahl  Lösungen 
giebt^).  Daus  man  die  Aufgaben  auf  diese  Weise  in  Angi^fT  zu  nehmen  habe, 
scheint  Wallis  erst  aus  der  Schrift  des  Freniolb  gelernt  zu  haben;  er  giebt 
auch  vor  dem  25.  März  1658  keine  Lösungen,  die  nicht  schon  Frbniclb  gegeben 
hätte.  Dafür  reitet  er  aber  fortgesetzt  auf  der  Lösung  1  herum  ^')  und  sucht 
namentlich  Digbv,  der  zwar  ein  philosophisch  gebildeter  Mann  aber  kein  Mathe- 
matiker war,  weifszumachen,  dafs  er  thatsächlich  Fermat's  Forderungen  erfüllt 
habe;  denn  Fermat  habe  ausdrücklich  nur  eine  Lösung  (aufser  343)  der  ersten 
Aufgabe  und  überhaupt  nur  eine  Lösung  der  zweiten  Aufgabe  verlangt,  und 
eine  solche  (für  beide  Aufgaben  1)  habe  er  gegeben.    Ebenso  verteidigt  er 

die   von  Brouncker  gegebenen  wenig  besseren  Lösungen  — g~  ^^^  ~~ei  ^^ 

Betreff  welcher  er  eine  lebhafte  Auseinandersetzung^}  mit  Frenigle  über 
die  Frage  hat,  ob  man  bei  einem  Bruch  überhaupt  von  aliquoten  Teilen 
sprechen  könne,  und  welches  eventuell  diese  Teile  seien. 

Daneben  betont  er  wiederholt,  solche  zahlentheoretische  Aufgaben  seien 
nicht  wert,  dafs  man  Zeit  darauf  verwende,  und  er  muTs  sich  von  Freniclb 
(Brief  vom  3.  Febr.  1658)'^)  sagen  lassen,  er  möge  nicht  Probleme,  die  er 
trotz  vieler  Bemühungen  nicht  lösen  könne,  für  wertlos  erkl&ren,  und  es 
schicke  sich  für  einen  Professor  der  Mathematik  am  allerwenigsten,  die  Be- 
rechtigung einer  wissenschaftlichen  Th&tigkeit  nach  ihrem  praktischen  Nutzen 
zu  bemessen.  Auch  Fermat  spricht  (Brief  vom  7.  April  1658)  seine  Yer- 
wunderung  darüber  aus'^,  dafs  Wallis  fortfahre  zu  verachten,  was  er 
nicht  verstehe.  Übrigens  scheint  Wallis  mit  seiner  Lösung  wenig  Beifall 
bei  seinen  Fachgenossen  gefanden  zu  haben.  Johann  Bernoulli  führt  sie 
noch  40  Jahre  spftter  in  seinem  Briefe  an  Leibniz  vom  3.  April  1697  als 
bekanntes  Muster  einer  nichtssagenden  Lösung  an^'). 


§  3.    Die  dritte  Fermatsche  Aufgabe. 

Sobald  Frenigle  die  beiden  von  Fermat  gestellten  Aufgaben  gelöst 
hatte,  scheint  dieser  die  Sache,  auf  die   er  vielleicht  von  Anfang  an  kein 


18)  Camm.  ep.  XXXI.  19)  Comm.  ep.  VE,  XVI,  XVIII,  XXIII. 

20)  Canm.  ep,  XXII,  XXIII.  21)  Camm,  ep.  XXII. 

22)  Chmm.  ep,  XXXVn. 

28)  LuBNiTU  et  BsRNouLLii  Commercium  pkilos.  et  maih,  I,  p.  263. 

Abh.  «ur  0««ch.  d.  Mfttbem.   IX.  89 


562  Onstar  Weriheim: 

grofses  Gewicht  gelegt  hatte,  als  erledigt  angesehen  zu  hahen.  In  der  That 
war  es  leicht,  auch  wenn  die  Schrift  von  Fremiclb  nicht  das  eingeschlagene 
Verfahren  sondern  nur  die  Besnltate  enthielt,  diese  letzteren  zu  analysieren 
und  dadurch  die  LOsung  zu  erhalten.  Ferm at  stellte  jetzt  eine  dritte  Anf- 
gahe,  die  ich  ihrer  grofsen  Bedeutung^)  wegen  in  wörtlicher  Übersetzung 
folgen  lasse: 

„Es  giebt  kaum  Jemand,  der  rein  arithmetische  Aufgaben  stellt,  kanm 
Jemand,  der  sie  zu  lösen  versteht.  Ist  der  Grund  yielleicht  der,  daüs  die 
Arithmetik  bis  heute  mehr  geometrisch  als  arithmetisch  behandelt  worden 
ist?  Denn  das  ist  in  den  meisten  Werken  der  Fall,  sowohl  in  denen  der 
Alten  wie  in  denen  der  Neueren,  ja  sogar  im  Diophakt,  der  sich  doch 
weiter  als  die  übrigen  von  der  Geometrie  entfernt  hat,  indem  er  seine  Ana- 
Ijse  auf  die  Betrachtung  blofs  rationaler  Grö&en  beschränkte.  Dals  aber 
dieses  Gebiet  auch  nicht  ganz  von  der  Geometrie  befreit  ist,  zeigen  hin- 
länglich die  Zetetica  des  Vieta,  in  denen  Diophant's  Methode  auf  die  stetige 
Gröfse,  also  auf  die  Geometrie  ausgedehnt  wird." 

„Indessen  hat  die  Arithmetik  ein  ihr  eigenes  Gebiet,  die  Theorie  der 
ganzen  Zahlen.  Diese  Theorie  ist  von  Euklid  in  seinen  Elementen  nur 
schwach  skizziert  und  von  seinen  Nachfolgern  nicht  genügend  ausgebaut 
(wofern  sie  nicht  in  denjenigen  Büchern  Diophant's  verborgen  ist,  deren 
uns  die  Ungunst  der  Zeit  beraubt  hat).  Die  Arithmetiker  haben  sie  also 
zu  entwickeln  oder  zu  erneuern." 

„Um  den  Weg  zu  erhellen,  schlage  ich  ihnen  vor,  den  folgenden  Satz 
zu  beweisen,  resp.  die  in  demselben  enthaltene  Aufgabe  zu  lösen.  Wenn 
sie  das  fertig  gebracht  haben,  werden  sie  mir  zugeben,  dals  Fragen  dieser 


24)  Die  Gleichung,  deren  Lösung  den  Gegenstand  dieser  Au^be  bildet, 
wird  bedauerlicher  Weise  noch  immer  nach  dem  Engl&nder  Pell  benamity  der 
«ich  durchaus  kein  Verdienst  um  dieselbe  erworben  hat  (vergl.  Cabtob,  Vor- 
lenungen  II.  S.  708).  Noch  in  der  neuesten  (1894)  Auflage  der  „Vorlesungen  über 
Zahlentheorie'*  von  P.  G.  LsjEum  Dixichlkt  heifst  es  S.  201:  „Fermat  hat  diese 
Gleichung  den  Mathematikern  zuerst  vorgelegt,  worauf  ihre  Lösung  von  dem 
Engländer  Pell  angegeben  wurde."  Auch  die  historischen  Bemerkungea  über 
die  Qleichung,  welche  BAcmLum  S.  189  seiner  „Elemente  der  Zahlentheorie''  u 
Anlehnung  an  Gaübs,  Disquisitiones  202  giebt,  sind  nicht  einwandfrei.  Die  Maische 
Benennung  rührt,  wie  es  scheint,  von  Eulbb  her,  der  bei  verschiedenen  Gelegen- 
heiten die  Lösung  der  Gleichung  Pell  zuschreibt;  so  z-  B.  sagt  er  in  seiner 
„Vollst.  Anleitung  zur  Algebra"  11.  Teil  II.  Abschnitt  7.  Kapitel:  „ffierzn  hat  vor- 
mals ein  gelehrter  Engl&nder,  namens  Pell,  eine  ganz  sinnreiche  Methode  erfun- 
den, welche  wir  hier  erkl&ren  wollen.**  Es  dürfte  nachgerade  Zeit  sein,  die 
Gleichung  nach  dem  Manne,  der  zuerst  ihre  Bedeutung  erkannt  hat,  die  FESKAi'scbe 
SU  nennen. 


Pierre  FermaVs  Streit  mit  John  Wallis.  563 

Art  weder  hinsichtlich  der  Feinheit,  noch  der  Schwierigkeit,  noch  der  Beweis- 
art den  herühmtesten  AuPgahen  der  Geometrie  nachstehen." 

„Für  jede  gegehene  Zahl,  die  keine  Quadratzahl  ist,  gieht  es  unendlich 
viele  Quadratzahlen  von  der  Beschaffenheit,  dafs  das  Produkt  einer  jeden 
in  die  gegebene  Zahl  bei  Addition  der  Einheit  eine  Quadratzahl  wird/^ 

„Beispiel.  Es  sei  die  Zahl  3,  die  keine  Quadratsahl  ist,  gegeben. 
Wenn  man  dieselbe  mit  der  Quadratzahl  1  multipliziert  und  zum  Produkte 
1  addiert,  so  erhält  man  4,  eine  Quadratzahl.  Wird  dieselbe  Zahl  3  mit 
der  Quadratzahl  16  multipliziert  und  zum  Produkt  1  addiert,  so  erhält 
man  49,  eine  Quadratzahl.  Statt  1  und  16  kann  man  unendlich  viele 
andere  Quadratzahlen  finden,  welche  dasselbe  leisten.  Ich  fordere  aber  eine 
allgemeine  Regel,  die  sich  auf  jede  gegebene  Zahl,  welche  keine  Quadrat- 
zahl ist,  anwenden  l&fst.  Es  möge  z.  B.  die  Quadratzahl  bestimmt  werden, 
deren  Produkt  in  149  oder  in  109  oder  in  433  u.  s.  w.,  bei  Addition  von  1 
eine  Quadratzahl  wird.'' 

Der  Schreiber  Digby's,  welcher  die  für  Brouncker  bestimmte  Abschrift 
anfertigte,  mag  die  Einleitung  der  Aufgabe,  welche  ausdrücklich  die  For- 
derung ganzzahliger  Lösungen  stellt,  für  unerheblich  gehalten  und  deshalb 
weggelassen  haben.  So  erklärt  es  sich,  dafs  Brouncker  und  nach  ihm 
Wallis  meinten,  es  seien  nur  rationale  Lösungen  verlangt,  und  da&  beide 
demgemäTs  die  Aufgabe  auf  die  von  Diophakt  an  sehr  vielen  Stellen  an- 
gewandte Art  behandelten.  Soll  nämlich  die  Gleichung  oa?*  +  1  =  y*  nur 
in    rationalen    Werten    gelöst   werden,    so    liefert   die    Annahme    ax^  -f-  1 

=  (1  —  rxf  durch  eine  leichte  Entwicklung  x  =    , ,    x^  =  7-%-^^—^%  i 

oder  wenn  t^  ^=  q^  r*  —  a=^d  gesetzt  wird,  ä;*=^,  und  das  ist  die 

Lösung,  die  Brouncker  nach  Paris  schickte. 

Wallis  hatte,  wie  er  Digb¥  schreibt^),  am  13.  Sept.  1657  nur  ganz 
allgemein  gehört,  dafs  Ferhat  eine  dritte  Aufgabe  gestellt,  und  dafs 
Brouncker  sie  gelöst  habe.  Er  sendet  in  demselben  Briefe  eine  Aufgabe, 
die  DiOBY  an  Fermat  übermitteln  möge.  Diese  Aufgabe  ist  scwar  nicht 
zahlentheoretiseher  Natur,  sie  möge  aber  doch  hier  einen  Platz  finden;  denn 
es  ist  nicht  ohne  Wert  fiir  die  Beurteilung  des  Wallis  zu  sehen,  was  er 
einem  (Gegner  wie  Fermat  zu  bieten  wagte.  Es  soll  -folgender  Satz  be- 
wiesen werden: 

Ein  von  zwei  parallelen  Ebenen  begrenzter  Pjramidenstumpf  habe  als 
gröfsere  Basis  das  Quadrat  über  der  Strecke  A,  als  kleinere  Basis  das 
Quadrat  über  der  Strecke  E^  als  Höhe  die  Strecke  F.    Konstruiert  man  nun 

26)  Conm.  ep,  VII. 

86' 


564  Gustav  Wertheim: 

einen  Winkel  von  120^,  macht  dessen  Schenkel  heziehimgsweise  gleich  J^xind  E 
und  legt  den  Kreis  durch  die  so  bestimmten  drei  Punkte,  so  ist  das  Produkt 
aus  der  Höhe  F  in  das  Quadrat  des  Radius  dieses  Kreises  gleich  dem 
Volumen  des  Pyramidenstumpfes. 

Es  ist  begreiflich,  dafs  Ferhat,  der  sich  überhaupt  vor  schriftlichen 
Auseinandersetzungen  scheute,  mit  dieser  Schüleraufgabe  seine  Zeit  nicht 
verlieren  wollte.  Auch  war  er  damals  amtlich  sehr  in  Anspruch  genommen: 
Er  hatte  einem  Gerichtshofe  zu  pr&sidieren,  der  über  einen  wegen  Amts- 
mifsbrauch  angeklagten  Priester  zu  entscheiden  hatte.  Der  Priester  wurde 
zum  Feuertode  verurteilt  und  das  Urteil,  das  grofses  Aufsehen  erregte,  auch 
vollzogen.  Diese  Angelegenheit,  schreibt  Dioby,  würde  für  jeden  anderen 
eine  Entschuldigung  sein;  sie  sei  es  aber  nicht  für  Fermat,  der  in  allem, 
was  er  unternehme,  unglaublich  lebhaft  und  durchdringend  sei.  Da  Fermat, 
so  oft  er  ihn  nach  dem  Satz  gefragt  habe,  immer  nur  mit  Lobsprüchen 
geantwortet  habe,  aber  nicht  mit  dem  Beweis  herausgerückt  sei,  so  könne 
er  auf  den  Beweis  durch  Fermat  nicht  mehr  rechnen;  er  werde  also,  wenn 
er  demnächst  nach  Oxford  komme,  Wallis  selbst  darum  bitten  ^^).  Dieser 
giebt  ihm  den  Beweis  in  seinem  Briefe  vom  10.  M&rz  1658^^). 

Erst  am  21.  Sept.  1657^)  erhielt  Wallis  durch  Brouncker  die  dritte 
Aufgabe  Fermat's  und  die  Lösung,  die  Brodncker  nach  Paris  gesandt 
hatte,  und  die  dem  Fermat  schlecht  übersetzt  worden  war.  In  seinem 
Briefe  an  Digby  vom  7.  Okt.  1657*^)  wiederholt  Wallis  wohl  in  Brouncker's 
Auftrag  dessen  Lösung  und  giebt  als  eigene  Lösung  der  Gleichung 
aa;*  -j-  1  =  D  den  Ausdruck 

^  ^ tP«_.. 

welcher  ebenfalls  nach  Diophamt's  Methode  gefunden  wird  und  durch  die 

48  8 

Annahme  p  =  1     in   rc  =  ^-   ■      =  --    -« ,     also    für    s  =  2r    in 

b  - " 

X  =    , ,  d.  i.  in  den  BROUNCKER^schen  Ausdruck  übergeht. 

Fermat  war  natürlich  mit  Brouncker's  Lösung,  die  jeder  Anf&nger 
in  der  Arithmetik  geben  könnte,  nicht  zufrieden,  und  stellte  (Briefe  vom 
6.  Juni  und  15.  August  1657)^)  andere  Aufgaben,  bei  denen  er  sich  mit 
Lösungen  in  rationalen  Zahlen  begnügen  wolle.  Diese  neuen  Aufgaben 
sollen  den  Gegenstand  des  folgenden  Paragraphen  bilden. 

Als  Brouncker  erfuhr,  dafs  Fermat  nur  Lösungen  in  ganzen  Zahlen 
verlangt  hatte,  schrieb  er  an  White,  er  möge  den  Brief  des  Wallis  vom 

2Gj  Comm.  ep.  XXI.  27)  Comm.  ep.  XXIII.  28)  Comm,  ep,  VIII. 

29)  Cotnm,  ep,  IX.  30)  Comm.  ep,  XI,  XII. 


Pierre  Fermat^s  Streit  mit  John  Wallis.  565 

7.  Oktober  1657  zurückhalten;  von  diesem  Schritt  setzte  er  auch  Wallis 
mit  dem  Bemerken  in  Kenntnis,  er  wolle  sich  nfther  mit  der  Aufgabe  be- 
schäftigen. In  der  That  konnte  er  schon  am  1.  November  1657'^)  dem 
Y^ALLis  das  Bildungsgesetz  der  Reihe  mitteilen,  welche  fßr  jedes  gegebene 
a  alle  ganzzahligen  Losungen  der  Gleichung  as?  -f-  1  =  D  liefert,  sobald 
die  beiden  kleinsten  bekannt  sind.  Brouncker  giebt  diese  Beihe  für  15 
Beipiele,  von  denen  eins  hier  folgen  möge: 

Für  3x*  +  1  =  D  ist  die  Reihe  1  •  S-^  •  S^-  •  3^  •  3^^  •  •  •  • , 

d.  h.  die  Werte  von  x,  welche  3x'  -^^  1  zu  einem  Quadrat  machen,  sind  ; 

1,  1  •  34-  =  4,     1  .  »4-  •  ^4^  =  IS,     1  •  34-  •  34-  •  3J4  «=5iB, 

1  1  4  14  10. 

Was  die  BilduDg  dieser  offenbar  durch  Induktion  gefundenen  Reihe  betrifft, 
so  sollten  die  beiden  ersten  Glieder  durch  Probieren  aus  dem  Ausdruck, 
der  die  Aufgabe  in  rationalen  Zahlen  löst,  gefunden  werden,  die  folgenden 
nach  der  Regel:  Der  Z&hler  jedes  Bruches  ist  gleich  seinem  Nenner  ver- 
mindert um  den  Nenner  des  vorhergehenden  Bruches,  und  jeder  Nenner  ist 
gleich  dem  Z&bler  des  (unechten)  Bruches,  den  man  durch  Einrichten  der 
vorhergehenden  gemischten  Zahl  erhält. 

Später  fand  Brouncker,  dafs  der  kleinste  Wert  von  x  zur  Bestimmung 
aller  übrigen  genüge,  dafs,  wenn  a^*+  l  ==^*  ist,  auch  a  (2  |tj)'  -(-1=G 
sei;  in  der  That  ist  dann 

a  (2  Irif  +  1  =  4  aS^  (a|«  +  1)  +  1  =  (2  a|«  +  l)\ 

Er  gab  weiter  noch  andere ''),  aus  dem  Obigen  leicht  herzuleitende  Aus- 
drucke für  die  Reihe  der  Werte  von  x,  Ist  x  =  |,  ^  =  17  die  kleinste 
Lösung  der  Gleichung  ax^  +  1  =  y*  und  wird  t^'  ^^2  fi  gesetzt,  so  sind 
die   Werte  von  x  •  , 

I,  W.  I  (ij"  - 1).   I  in"  -  2  n'\    i  (»j'*  -  3 »»'» +  1), 
l(V»-4V»  +  3V),  l(V'-5V*  +  6V*-i),-.-5 

darin  sind  die  Koeffizienten  der  ersten  Glieder  in  den  Klammern  1,  die 
der  zweiten  die  Reihe  der  natürlichen  Zahlen,  die  der  dritten  die  Dreieck- 
zahlen 1,  3,  6,  10,..,  die  der  vierten  die  Pjramidalzahlen,  d.  i.  (die 
Summen  der  Dreieckzahlen)  1,  4,  10,  20, . . .;  u.  s.  w.  Für  die  Berech- 
nung am  einfachsten  sind  die  folgenden,  ebenfalls  von  Brouncker  ge- 
gebenen Ausdrücke,  in  denen  $1;  Ig,  •  •  •  die  Werte  von  x  bedeuten  und 
^    wieder  =  2  iy  ist.     Es  ist 

Si  =  In  S«  =''»?'li)  Is  =  nU  —  lu  li  =  ^'^8  —  5a»  ^6  =  nU  —  Ss) 

So  z.  B.  hat  die  Gleichung  2  a;*  -|-  1  =  y*  die  kleinste  Lösung  «  =«  2,  y  =  3. 


31)  CbfRm.  ep.  XIV.  32)  Comm.  ep.  XVII. 


566  GastaT  Wertheim: 

Es  ist  also  gl  =  2,  ty'  =  6,    und  man  erhÖt  Si  =  2,    g^  =  6  •  2  =  12. 
13  =  612  — 2  =  70,  1^  =  6-70  —  12  =  408,  |j,  =  6  •  408  —  70  =  2378, 

g^  =  6  •  2378  —  408  =  13860, 

Es  war  also  nur  noch  ein  sicheres  Verfahren  zur  Ermittlung  der 
kleinsten  Lösung  zu  finden.  Auch  das  gelang  Brouncker,  und  Wallis 
giebt  eine  Darstellung  desselben  in  den  Briefen  vom  17.  Dezember  1657 
und  30.  Januar  1658^').  Euler  hat  dasselbe  mit  gewohnter  Klarheit 
auseinandergesetzt^).  Hier  sei  nur  bemerkt,  dafs  das  Verfahren  sich  mit 
dem  von  Lagrange  gefundenen,  auf  der  Theorie  der  periodischen  Ketten- 
brüche bembenden  im  wesentlichen  deckt. 

Damit  war  die  dritte  von  Fermat  gestellte  Aufgabe  gelöst;  freilich 
war  der  Beweis  noch  nicht  erbracht,  dals  das  dargelegte  Verfahren  in  allen 
Fällen  zum  Ziele  führen  müsse  ^^).  Die  Lösung  war  in  der  Hauptsache 
Yon  Brouncker  gefanden.  Wallis  hat  nur  die  ihm  brieflich  oder  münd- 
lich mitgeteilten  Gedanken  Brouncker's  zu  Papier  gebracht.  Einen  wesent- 
lichen Anteil  an  der  Sache  nimmt  Wallis  gar  nicht  in  Anspruch.  Viel- 
mehr erklärt  er  in  dem  Brief  an  Digbt  vom  26.  Dezember  1657*^,  dafs 
Brouncker  das  Hauptverdienst  zufalle,  und  er  beglückwünscht  diesen  in 
dem  Briefe  vom  30.  Januar  1658^^),  dafs  er  den  Ruhm,  den  die  Engländer 
vordem  im  Kampfe  mit  den  Franzosen  gewonnen,  unbefleckt  bewahrt  und 
gezeigt  habe,  dafs  Englands  Streiter  in  den  Wissenschaften  ebenso  stark 
wie  im  Kriege  seien. 

Wallis,  trotz  seiner  theologischen  Studien  ein  recht  weltkluger  Mann, 
hielt  es  nicht  für  angezeigt,  den  Franzosen  auf  einmal  zu  enthüllen,  dafs 
Brouncker  die  Lösung  der  dritten  Aufgabe  vollständig  gelungen  war.  Am 
1.  Dezember  1657^)  schrieb  er  diesem,  Fermat  habe  ja  nur  unendlich 
viele,  nicht  alle  Lösungen  verlangt,  und  es  sei  vorteilhaft,  die  Reihe,  welche 
letztere  gebe,  für  später  aufzuheben.  Auch  wie  man  die  erste  Lösung 
finde,  wolle  er  vor  der  Hand  verschweigen  und  nur,  wenn  Fermat  es  aus- 
drücklich fordere,  offenbaren;  vorläufig  genüge  es  zu  sagen,  die  Lösung 
sei  eine  ganze  Zahl,  wenn  der  Nenner  der  rationalen  Lösung  in  den  Zähler 
aufgehe. 

An  demselben  Tage  schreibt  er  Digby  einen  noch  bedenklicheren  Brief  ^^. 
Er  wiederholt  zunächst  die  Lösung  in  rationalen  Zahlen;  dann  ¥rirft  er 
sich  in  die  Brust  und  erklärt,  die  Beschränkung,  a  dürfe  keine  Quadrat- 


33)  C(mm.  ep.  XVII  u.  XIX.       34)  Algebra  ü.  Teil,  IL  Abschnitt,  7.  Kapitel. 

35)  Darauf  macht  schon  Hutoens  aufmerksam  {Oeuvres  T.  II.  p.  211). 

36)  Comm,  ep.  XVIII.    Vergl.  auch  Wallis*  Brief  an  Hutgens  vom  1.  Janoar 
1659  (HuYGBNS,  Oeuvres  11,  p.  297). 

37)  Comm.  ep.  XTX.  88)  Cotnm.  ep.  XV.  39)  Qmm.  ep.  XVL 


Pierre  FermaVs  Streit  mit  John  Wallis.  567 

zahl  sein,  sei  uimötig;  die  gegebene  Lösung  (in  rationalen  Zahlen)  sei 
auch  für  Quadratzahlen  a  gültig.  Man  könne  auch  die  Aufgabe  verall- 
g^emeinem  und  die  Gleichung  ax*  +  6*  =  D  lösen;  die  Lösung  von 
ax^  •■\'  1  =  n  sei  dann  nur  mit  h  zu  multiplizieren.  Jetzt  komme  F£Rmat 
mit  der  Forderung  ganzer  Zahlen,  die  vordem  nicht  gestellt  sei.  Aber 
Brouncrer  und  er  wollten  auch  diese  neue  Aufgabe  lösen,  die  freilich 
nicht  80  allgemein  sei  wie  die  frühere,  da  jetzt  a  keine ' Quadratzahl  sein 
dürfe.  Übrigens  enthielten  die  allgemeinen  Ausdrücke  alle  Lösungen, 
sowohl  die  in  ganzen  Zahlen  wie  die  gebrochenen.  Wolle  man  aber  nur 
ganze  Zahlen  zulassen,  so  solle  man  eine  beliebige  ganze  Zahl  |  wfthlen, 
für  welche  a|'  -|-  1  ==»  i}'  sei;  die  Zahl  |  möge  man  sich  auf  irgend  eine 
Weise  verschaffen;  dann  sei  2  ^-q  ein  neuer  Wert  von  x,  dieser  liefere 
einen  dritten,  der  einen  vierten  u.  s.  w.,  und  so  erhalte  man  unendlich  viele 
Lösungen.  Wenn  nun  Fermat  weiter  gehe  und  etwa  alle  Lösungen  der 
Gleichung  fordere,  so  könnten  sie  ihm  auch  damit  dienen. 

Dank  dieser  Zurückhaltung  scheinen  Fermat  und  Frenicle  erst  spät 
von  allen  Details  der  Lösung  unterrichtet  worden  zu  sein.  Fermat  weifs 
noch  ani  7.  April  1658  nichts  davon *^),  und  in  dem  Briefe  Freniclb's  an 
Dioby"),  den  dieser  am  20.  Februar  1658  an  Wallis  schickt,  hält  es 
Frekicle  für  nötig,  die  Lösung  in  rationalen  Zahlen  zurückzuweisen  und 
zu  fordern,  dafs  Wallis  wenigstens  eine  Methode  gebe,  die  ganzzahligen 
Lösungen  von  den  gebrochenen  zu  trennen.  Er  selbst  habe  bereits  für 
alle  a  unter  150  die  Werte  von  x  in  seiner  Schrift  angegeben.  Nun 
möge  Wallis,  wenn  er  wirklich  die  Aufgabe  beherrsche,  weitere  Lösungen 
geben,  etwa  bis  a  =  200  oder  wenigstens  die  Lösung  für  a  =  151,  denn 
der  Fall  a  »»  313  übersteige  wohl  seine  Kr&fte.  Diese  Aufforderung  be- 
antwortet Brouncker  in  seinem  Brief  an  Digbt  vom  23.  Mäi-z  1658^) 
damit,  dafs  er  die  kleinste  Lösung  der  Gleichung  für  a  =  313  angiebt. 
Er  hat  nach  seiner  Methode  in  1  bis  höchstens   2   Stunden  ausgerechnet, 

dalB 

313  .  (7170685)«  —  1  =  (126862368)«, 

folglich 

313  •  (2  .  7170685. 126862368)«+  1, d.i.  313 •  (1819380158564160)«  +  1 

= (32188120829134849)« 

ist,  und  Wallis  giebt  am  29.  März*')  die  kleinste  Lösung  f ür  a  =  151, 
nämlich  x  =  140634693,  y  =  1728148040. 


40)  Comm.  ep,  XXXVH.         41)  Comm.  ep.  XXVI.         42)  Comm,  ep,  XXVU. 
43)  Comm.  ep.  XXIX. 


568  Gustay  Wertheim: 

§  4.  Die  letzten  von  Fermat  gestellten  Aufgaben. 

Als  Febmat  noch  der  Meinung  war,  seine  dritte  Aufgabe  werde  von 
den  Engländern  nicht  gelöst  werden,  stellte  er^^)  denselben  andere  Aufgaben, 
die  sie  in  der  Weise  Diophant's*®),  d.  i.  durch  rationale  Werte  lösen  dürften: 

Es  sollen  zwei  Kuben  gefunden  werden,  deren  Summe  gleich  der  Summe 
zweier  anderen  Kuben  sei.  Es  solle  ein  Kubus  gefanden  werden,  der  gleich 
der  Summe  zweier  Kuben  sei*®j. 

Femer  fordert  er  den  Beweis  der  beiden  Sätze: 

Die  Gleichung*^)  x^  -\-  2  =  y^  hat  nur  die  eine  Lösung  x  =  5,  y  =  3. 

9    i    .         ^  X  fa;=  2       ,rx  =  11 

„  „  x'  +  4  =  y»    „      „      „    Lösungen!    ^  ^  undJ     ^ ^ 

Fermat  willigte  ein,  dafs  Frenicle  sich  ebenfalls  mit  den  Aufgaben 
beschäftige;  er  werde  dieselben  nicht  so  leicht  wie  die  früheren  finden. 

Für  die  erste  Aufgabe  fand  Frenicle  sofort  eine  Anzahl  Lösungen. 
Wallis  erhielt  dieselben  durch  Broun  cker^^),  dem  Diqby  sie  brieflich 
(13.  Oktober  1657)  mitgeteilt  hatte,  und  sandte  an  Diqby  am  1.  Dezember 
1657^^)  andere  Lösungen  dei;gelben  Aufgabe,  indem  er  prahlend  hinzu- 
fügte, wenn  Fermat  noch  mehr  wünsche,  könne  er  in  einer  Stunde  100  Stück 
liefern;  so  leicht  sei  die  Sache.  Das  ist  aber  Geflunker;  denn  thatsächlich 
hat  Wallis  nicht  eine  einzige  neue  Lösung  gegeben:  er  hat  Frenicle's 
Gleichungen  beiderseits  mit  derselben  Zahl  multipliziert  oder  dividiert. 
Frenicle  hat  z.  B.  die  Lösung  gegeben  9'+  10*  =»  1*  +  12*.  Daraus 
bildet  Wallis  vier  neue  Lösungen 
27*  +  30*  =  3*  +  36*,  36*  +  40*  =  4*  +  48*,  45*  +  50*  =  5*  +  60*, 

(4)*  +  5*  =  (D*  +  6*. 

Als  Frenicle  ihn  deshalb  mit  Recht  angreift^)  (20.  Februar  1658), 
sucht  er  sein  Verfahren  (Brief ^^)  an  Digby  vom  25.  März  1658)  noch  zu 

44)  Comm.  ep.  Xu. 

45)  Bei  dieser  Gelegenheit  erinnert  er  Diobt  an  das  Versprechen,  das  er 
ihm  gegeben,  auf  ein  Exemplar  dieses  Schriftstellers,  das  alle  13  Bflcher  ent- 
halte, zu  fahnden  und  es  ihm  zur  VerfiiguDg  zu  stellen. 

46)  In  seiner  Observatio  zu  Diophant  U,  6  erklärt  Fbricat,  er  könne  beweisen, 
dafs  es  unmöglich  sei,  einen  Kubus  in  zwei  Kuben,  ein  Biquadrat  in  zwei 
Biquadrate  und  allgemein  irgend  eine  Potenz  aufser  dem  Quadrat  in  zwei  Po- 
tenzen von  demselben  Exponenten  zu  zerfallen.  Vergl.  meine  Diophant-Über- 
setzung  S.  52. 

47)  EuLEB  behandelt  beide  Gleichungen  in  seiner  Algebra  U.  Teil,  ü.  Abschnitt 
§  192,  198. 

48)  Comm.  ep.  X.  49)  Comm.  ep.  XVI.  60)  Comm.  ep.  XXVI. 
51)  Comm.  ep.  XXVllI. 


Pierre  Fermafs  Streit  mit  John  Wallis.  569 

rechtfertigen,  indem  er  sagt,  auch  unter  Frenicle's  Lösungen  seien  einige 
auf  diese  Weise  entstandene.  Spöttisch  erwidert*^')  Frenicle  (4.  Mai  1658), 
in  Frankreich  seien  derartige  Lösungen  unzulässig,  in  England  vielleicht 
nicht. 

Mit  den  Ührigen  von  Fermat  gestellten  Aufgaben  sich  zu  beschäftigen, 
lehnte  Wallis  ab^.  Er  ziehe  nützlichere  Wissenschaften  der  Zahlen- 
lEeorie  vor.  Speziell  die  von  Fermat  gegebenen  negativen  Sätze  seien 
wertlos;  auch  sei  es  leicht,  solche  in  beliebiger  Menge  aufzustellen.  In 
der  That  giebt  er  dann  sechs  negative  Sätze,  die  dem  Digby  imponieren 
muTsten,  die  aber  so  schülerhaft  leicht  sind,  dafs  Fermat  (Brief  an  Diqbt 
vom  7.  April  1658^))  recht  hatte  darüber  zu  spotten,  und  dafs  sie  hier 
füglich  übergangen  werden  können  ^^). 

In  demselben  Briefe,  in  welchem  Fermat  sich  über  Wallis'  negative 
Sätze  in  der  angegebenen  Weise  äufsert,  stellt  er  ihm,  der  die  ganzen 
Zahlen  nicht  liebe,  die  beiden  Aufgaben: 

1.  zu  beweisen,  dals  es  kein  rechtwinkliges  Dreieck  in  rationalen 
Zahlen  gebe,  dessen  Fläche  eine  Quadratzahl  sei; 

2.  die  Zahl  9  =  1  -|~  ^  ^  Summe  zweier  anderer  rationalen  Kuben 
darzustellen. 

Für  den  Satz  vom  rechtwinkligen  Dreieck  hat  Wallis  (Brief  an 
Diqbt  vom  30.  Juni  1658^))  einen  Beweis  gegeben,  der  nichts  als  eine 
Wiederholung  des  Satzes  mit  anderen  Worten  ist  und  wohl  nur  dem  Dioby 
das  Unvermögen  des  (Gebers  verhüllen  sollte  ^^.     Was  die  zweite  Aufgabe 

betrifft,  so   findet  Wallis  8  -(-  1  =  (yj  +  (—7—)    niid  fugt  hinzu,  wie 

er  9  in  einen  positiven  und  einen  negativen  Kubus  zerfallt  habe,  so  würde 


62)  Cbmm.  «p.  XXXVIIL        63)  Comm,  ep.  XYI.         64)  Comm.  ep.  XXXVU. 
66)  Diese   Sätze  lassen  sich,  wenn  x,  y  ganze   Zahlen   bezeichnen,   knrz 
folgendermafsen  aassprechen : 

1)  Die  Gleichung  :c'  -f-  62  »  y'  ist  unmöglich. 

2)  „  „         a;*  4-  12  =  y*  hat  nur  die  Wurzel  «*  =  4. 

3)  „  „         0?*+    9«y«    „      „      „         „       a;*«16. 

4)  „  „         X*  — •  y*  =  20  ist  unmöglich. 

6)    „  „         x*  —  y*  =  19  hat  nur  die  Wurzeln  x*  =  27,  y*  =-  8. 

6)  Die  Differenz  zweier  geraden  und  ebenso  zweier  ungeraden  Biquadrate 
ist  durch  16  teilbar. 

66)  Comm.  ep.  XLIV. 

67)  Einen  wahrscheinlich  von  Fkbmat  herrührenden  Beweis  des  Satzes  giebt 
FisHicLs  in  seinem  Tratte  des  trianglee  reetangUs  en  nowhres,  Vergl.  die  Arbeit 
▼on  G.  Wbkthbim  in  der  Zeitschrift  f  Math.  u.  I^ys.  Bd.  44  8.  4  u.  flgd. 


5TO  GustaT  Wertheim: 

c     sieherlich,    wenn   auch  durch   längere   Rechnung  zu  zwei    positiven  ge- 

Hkoinckeb  verhielt  sich  den  neuen  Aufgaben  FKRüAys  gegenüber 
irlaaus  ablfhnend.  Am  11.  Mai  1658  schrieb  er^^)  Wallis,  da  er  die 
«  gelost  habe,  die  Fermat  selbst  für  die  schwierigste  halte,  so  fühle 
er  s&ich  nicht  verfiflichtet,  die  Lösung  der  andern  zu  versuchen.  Übrigens 
hjkl^^^  er  dieselben  nicht  für  schwierig  und  glaube,  er  würde  sie  bew&ltigen, 
er  Zeit  und  Lust  dazu  hätte. 


4|  9.   FnBfi.sevs  Tan  Sehooten's  Teilnahme  an  dem  Streite^). 

Die  Heransforderung,  welche  Fkrmat  an  die  europäischen  Mathematiker 
g^«&z-iohtet  hatte,   scheint  auch  den   holländischen  Gesandten  in  Paris,   Wil- 
BoREEL,  interessiert  zu  haben,  und  wohl  um  seinen  Landsleuten  Gelegen- 
ir     zu  geben   sich   auszuzeichnen,    schickte   er   am   26.  Januar    1657  die 
l>eiden  <  ersten)  von  Fermat  gestellten   Aufgaben  in   einem   Briefe    an  die 
Prozessoren  der  Mathematik  in  Leyden    ab.     Der  Rektor   der   Universität, 
JjkOc^VES  GoLius  (1596 — 1667),  ein  berühmter  Orientalist,   der   sich  auch 
mit    Mathematik  beschäftigte,  erhielt  den  Brief  am  7.  Februar  1657,   einen 
TsLg    vor  dem  Ablauf  seiner  Amtswürde,    und    öffnete   ihn   in   Schootexts 
Gegenwart  den  11.  Februar.     Schooten  schrieb  eine  Antwort,   die  er  Go- 
Lius   mitteilte  und  am  17.  Februar  an  Boreel  abschickte.     Er  schlug  darin 
far   die  Lösung  der  ersten  FERMAT'scben  Aufgabe  folgendes  Verfahren  vor: 
Um  zunächst  die  Kuben  der  verlangten  Eigenschaft  zu  finden,  welche 
die    Formen  ji*,  |)*,  7>®,  .  .  .  hätten,  wo  p  eine  Primzahl  bezeichnet,    solle 
man   die  Reihen 

.II)  1 +y+/  +  P*+i)*  +  i>* 


58)  Wallis  irrt_,^  wenn  er  die  Zerfällong  von  9  in   zwei  positive  Enben  fQr 

leicht   hSit.    Davon   überzeugt  ein  Blick  auf  die  LOsung  der  Aufgabe,  die  der 

Jeauit  Jacobüs  de  Billy  nach  brieflichen  Mitteilungen  Febmat^s  in  seinem  Inventum 

mo€um  S.  10   (Franz.  Übers,  von  Paul  Tanneby  in  Oeuvres  de  Febmat  UI  p.  345) 

gi^bt.    Die  Zerfällung  von  Wallis  erhält  man  durch  die  Annahme  x'  -j*  y\  d.  i. 

3 
X — ¥  x' — J^y-\'y*)  =  -r-  '  ^^1   vo    ^    unbestimmt    bleibt.    Setzt    man    nämlich 

3 

-— j  =  — ,    x*  —  xy  -{-  y*  =  3kj  60  folgt    durch   Elimination   von   x  leicht 

a  «  -:r  .3  +  y4it'  —  3),  und  abgesehen  von  1  ist  der  kleinste  Wert,  fttr  welchen 


-1  :^£-  —  S  imkkmal  wird,  X:  »  7. 
»  CmmL  ep.  XXXIV. 
«   '^MBrn.  tp,  XXXm.    Fbanciscds  van  Schooten  (Sohn)  (1616—1660). 


Pierre  Fennat*8  Streit  mit  John  Wallis.  571 

für  alle  Piimzahlen  2,  3,  5,  ...  summieren  und  sehen,  ob  sich  eine 
Qaadratzahl  als  Summe  ergebe.  Für  die  Beihe  (I)  hat  Schooten  die  Sum- 
mation  mit  allen  Primzahlen  unter  100  vollzogen  und  keine  andere  Lösung 
als  die  schon  von  Fermat  gegebene  1  +  7  +  49  +  343=»  20*  erhalten. 
Die  Beihe  (U)  vorzunehmen  oder  gar  die  Kuben  zu  betrachten,  welche  un- 
gleiche Primzahlen  als  Faktoren  enthalten,  dazu  fehlte  ihm  der  Mut.  Er 
glaubt  aber,  dass  die  Aufgabe  unendlich  viele,  freilich  weit  auseinander 
liegende  Lösungen  besitze. 

Ein  ähnliches  Verfahren  schlägt  er  für  Fermat's   zweite  Aufgabe  vor. 
Man  soll  die  Reihen 

(I)  i+P+p' 

(n)  i+P+p'+p'  +  P* 


VXt  die  Werte  j)  =  2,  3,  5,  .  .  .  summieren  und  sehen,  welche  Summe  ein 
Kubus  sei.  Dann  solle  man  ebenso  mit  den  aus  mehreren  Primzahlen  zu- 
sammengesetzten Quadraten  verfahren. 

Gleichzeitig  stellte  Schooten  seinerseits  Fermat  die  Aufgaben:  1.  Einen 
Kubus  zu  finden,  der  die  Summe  zweier  Kuben  sei,  oder  die  Unmöglichkeit 
der  Sache  zu  beweisen;  2.  zu  untersuchen,  ob  es  möglich  oder  unmöglich 
sei,  andere  vollkommene  Zahlen  als  die  durch  Euklid's  Methode  (Schlufs- 
satz  des  9.  Buches)  gelieferten  zu  finden. 

Schooten  teilte  Fbrmat's  Aufgaben  und  die  Lösungen,  die  er  gegeben, 
Hudde^^)  mit.  Dieser  antwortete  ihm  am  23.  Februar  von  Utrecht,  die 
Aufgaben  mifsfielen  ihm  zwar  nicht;  er  wolle  aber  seine  Mufsezeit  wich- 
tigeren und  allgemeineren  Fragen  widmen.  Aus  Liebe  zu  Schooten  habe 
er  einen  Tag  der  Sache  gewidmet  und  einige  Abkürzungen  des  Schooten'- 
schen  Verfahrens  gefunden.  Diese  möge  Schooten  seinem  Briefe,  falls  der- 
selbe noch  nicht  abgeschickt  sei,  beifügen.  Es  fehlt  hier  an  Baum,  auf 
diese  wenig  belangreiche  Sache  weiter  einzugehen.  Erwähnt  sei  nur  noch, 
dads  auch  Oolius^  freilich  ohne  Erfolg,  sich  mit  den  Aufgaben  beschäftigte. 

Am  9.  März  1657  erhielt  Schooten  ein  Schreiben  von  Huygens^') 
und  in  demselben  einliegend  einen  Brief  des  Bechtsgelehrten  Claude  Mylon 
in  Paris,  der  sich  lebhaft  für  Mathematik,  besonders  Zahlentheorie   inte- 


61)  JoHAHV  HcDDE  (1689—1704),  geboren  in  Amsterdam^  trat  nach  voll- 
endetem Bechtsstudium  und  länjirerem  Aufenthalt  in  Frankreich  in  die  Verwaltung 
geiner  Yaterstadt,  welcher  er  19  mal  als  BArgermeister  vorstand. 

62)  CnusTiAjr  Huyoeits,  1629—1696,  geb.  und  gest.  im  Haag,  Physiker, 
Mathematiker  und  Astronom.  Der  angefahrte  Brief  steht  Oeuvres  de  U,  T.JJ 
Ko.  375. 


Gustav  Werthei 

ressiei'te.  MyLON**»  Brief  enthielt  als  Eialage"*}  ebenfctlls  die  beiden  srsten 
FERMAT'schen  Änfgaben  und  zugleich  die  Nachricht,  dieselben  aeien  tob 
Frekiclb  gelöst  und  die  Lüsong  solle  gedruckt  werden.  In  demselben 
Briete  schickt«  Hl-vgj;n3  die  Abschril't  eines  Schreibens  Permat's  an  Fke- 
nhxb"),  welches  die  dritte  Aufgabe  als  Lehrsatz  giebt  und  eine  Regel  zur 
Lösung  fordert.  Durch  ein  späteres  Schreiben  Mylon's  an  Hi'VGens 
(12.  April  1657),  das  ihm  übersandt  wurde,  erhielt  Schootki  die  ron 
FiiENULE  gefundene  Lösung  der  dritten  Aufgabe  für  einige  Zahlen**),  nnd 
um  Ifl,  Mai  1657  schickte  Mylon  die  Tabelle  Fhf.nkle's  für  alle  Zablea. 
bis  86   und  für  die  beiden  Zahlen    119,  127**). 

Durch  MvLON  erhielt  dann  Fremclb  Schooten's  LUsungs Vorschlag  der 
ersten  Aufgabe.  Er  bemerkt  dazu  in  dem  Briefe  vom  12.  April  1657,  ei 
sei  besser,  die  Kuben  der  Reihe  nach  zu  priifen,  als  Schoo  ten's  Verfahren 
anzuwenden.  Wolle  man  dies  doch  thun,  so  empfehle  es  sich,  gewisse 
Zahlen  von  yornbiirein  auszuBchliefsen.  Auf  Details  dieses  (auf  die  Kuben 
y>*  bezüglichen)  AusschtiefsuiigsTerfabrens,  in  welchem  Fbenicle  bekanntlich 
eine  grofse  Virtuosität  besafs,  ist  es  ebenfalls  nicht  erforderlich  hier  ein- 
zugehen. Fresicle  stellte  Schootes  zugleich  die  Aufgal«n:  1.  Eine  Dreieck- 
zahl  zu  huden,  deren  6faches,  vermehrt  um  1,  ein  Kubus 
weisen,  dafs  die  Gleichung  19r'  '=  17y*  +  1  in  ganzen  Zahlen  unlGabw 
sei.  Auf  die  zweite  Frage  Schooten's  gab  FRtNiCLE  folgende  Antwort? 
„Gerade  vollkommene  Zahlen  giebt  es  aufser  den  durch  Euklid's  Methi 
gelieferten  nicht.  Wenn  es  ungerade  giebt,  so  müssen  dieselben  von 
Form  «V  sein,  wo  p  eine  Primzahl  der  Form  in  -\-  1  ist." 

Frbsicle  liefs  Schooten  durch  Myi.on  fragen,  ob  er  zugebe,  dafs  eeiee' 
Lösung  in  der  Schrift,  die  er  vorbereite,  mit  abgedruckt  werde.  Schooten 
willigte  ein  (29.  Mai  1G57)  und  schlug  eine  Überschrift  vor,  die  erkennen 
lassen  solle,  dafs  er  nur  gezeigt  habe,  wie  man  die  gesuchten  Zahlen  finden 
könne,  dals  er  aber  aus  Mangel  an  Zeit  dieselben  nicht  bestimmt  habe. 
Da  erschien  Frenicle's  Büchlein  ohne  Schooten's  Lösung  nnd  mit  einer 
Widmung  an  Dionr,  die  Schooten's  Entrüstung  erregte.  Denn  Fhenicle 
erklärte  darin  prahlerisch,  die  Lüsung,  die  er  gehe,  sei  weder  den  Eng- 
lUndem  noch  den  Niederländern  gelungen.  Schooten  hatte  noch  einen  be- 
sonderen Grund,  sich  verletzt  zu  fühlen.  In  seinen  Eicrcilnliones  mathc 
matkiif  S,  436  sagt  er  ausdrücklich,  er  sehe  von  einer  Behandlung  der 
vollkommenen  Zahlen  ab,  weil  er  gehört,  Frenicle  habe  ein  dreib&ndiges 
Bush  über  figurierte  Zahlen,  Primzahlen  u.  s.  w.  geschrieben,  nnd  er  WoUo' 


83)  Oeuvres  de  H.  T.  K  No,  371.  64)  EbentU  No.  372. 

383.  66)  Ebenda  No.  380. 


be- 

ibwJ 

oitrl 


Pierre  Fermat^s  Streit  mit  John  Wallis.  573 

das  Erscheinen  desselben  abwarten.  Das  Blatt,  anf  dem  das  steht,  hatte 
er  Fkeniclb  durch  Mylon  mit  achtungsvollen  Grülsen  überreichen  lassen, 
und  nun  dieser  Dankl 

Von  all  diesen  Vorgängen  erfuhr  Fermat  erst,  als  der  aus  Castres 
gebürtige  Leibarzt  des  Königs,  Pierre  Bobel,  seinem  Vater  schrieb,  der 
holländische  Gesandte  wundere  sich,  dafs  Fermat  dem  Professor  Schooten 
nicht  antworte,  der  behaupte,  Fermat's  Aufgaben  gelöst  und  demselben 
neue  gestellt  zu  haben.  Ferkat  erklärt  in  seinem  Brief  an  Digby  vom 
15.  August  1657^  er  habe  Yoh  Schooten  nichts  erhalten ^^). 

§  6.    Ende  des  Streites. 

Die  Lösung  der  dritten  FERMAT^schen  Aufgabe  erfüllte  sowohl  Frenigle 
wie  Fermat  mit  grofser  Achtung  für  Wallis  und  Broukcker;  daiüs  Wallis 
nur  einen  geringen  Anteil  an  dem  ErföTgr^hstte,  war  ihnen  unbekannt  ge- 
blieben. Fremicle  äufserte^)  seine  Verwunderung  darüber,  dafs  Wallis 
mit  seinen  Talenten  so  lange  hinter  dem  Berge  gehalten  habe.  Er  bedauerte 
die  harten  Ausdrücke,  die  er  gebraucht,  die  aber  yielleicht  das  Gute  gehabt 
hätten,  Wallis  zur  Entfaltung  seiner  Ei*äfte  anzuspornen.  Digby  spricht 
in  dem  Schreiben  ^^),  in  dem  er  White  für  die  Besorgung  der  Briefe  dankt, 
seine  Freude  aus,  dafs  Brouncker  und  Wallis  sich  als  grofse  Mathematiker 
erwiesen  und  in  Paris  allgemeines  Ansehen  gewonnen  hätten.  In  seinem 
Brief  an  Wallis  vom  8.  Mai  1658^^)  hebt  er  hervor,  die  bedeutendsten 
Männer  in  Paris  müfsten  jetzt  zugeben,  dafs  die  Leistungen  der  Engländer 
auf  dem  Gebiete  der  Mathematik  hinter  denen  keiner  andern  Nation  zurück- 
ständen. Ebenso  erkennt  Fermat  in  dem  Briefe  ^^),  den  Digby  am  19.  Juni 
1658  erhielt  und  an  Wallis  schickte,  mit  Freude  an,  dafs  seine  numerischen 
Aufgaben  jetzt  gut  gelöst  seien.  Nun  möchten  aber  die  Gegner  es  nicht 
verschmähen,  die  Wissenschaft  von  den  ganzen  Zahlen,  in  der  sie  so  scharf- 
sinnig gewesen  seien,  zu  fördern.  Zu  diesem  Zwecke  schlägt  er  ihnen  vor, 
sich  um  die  Beweise  folgender  Sätze,  die  er  selbst  beweisen  könne,  zu 
bemühen: 

1)  Jede  Zahl  ist  entweder  eine  Dreieckzahl  oder  die  Summe  von  zwei 
oder  drei  Dreieckzahlen;   entweder  eine  Quadratzahl  oder  die  Summe  von 


67)  Comm.  ep.  XTT.  Wie  stark  ScBOOTBH*fl  Ingrimm  war,  kann  man  daraus 
ersehen,  dafs  er  noch  am  19.  September  1669  in  einem  Briefe  an  Uutoihs  (T.  II 
No.  617)  mit  Behagen  eine  abfällige  Änfserang  zitiert,  die  Dbsoabtss  über  Fsbmat 
gethan  hatte. 

68)  Comm.  ep.  ^XXVIII.        69)  Canm.  ep.  XLL        70)  Omm.  ep,  XLJl. 
71)  Comm,  ep,  XLVII. 


I 


A 
^ 


574  Gustay  Wertheim: 

zwei  oder  drei  oder  vier  Quadratzahlen ;  entweder  eine  Fünfeckzahl  oder  die 
Summe  von   zwei  oder  drei  oder  vier  oder  fünf  Fünfeckzahlen;  n.  s.  w.^*). 

2)  Jede  Primzahl  An  -{-  1  ist  die  Summe  zweier  Quadratzahlen ^'). 

3)  Jede  Primzahl  3n  -|-  1  ist  die  Summe  einer  Quadratzahl  und  des 
Dreifachen  einer  Quadratzahl  ^^). 

4)  Jede  Primzahl  der  beiden  Formen  Sn-^  1^  8n-f-3  ist  die  Summe 
einer  Quadratzahl  und  des  Doppelten  einer  Quadratzahl  ^^). 

5)  Keine  Dreieckzahl  auJGser  1  ist  ein  Biquadrat  ^^). 

Femer  bittet  er  sie,  den  Beweis  der  folgenden  Sätze  zu  suchen,  die  er 
für  wahr  halte,  aber  nicht  beweisen  köme: 

i)  MaiT  erhält  immer  eine  Primzahl,  wenn  man  1  zu  einer  Potenz 
7on  2  addieii,  deren  Exponent  ebenfalls  eine  Potenz  von  2ist"}^ 

2)  Das  Doppelte  jeder  Primzahl  von  der  Fonn  8n  —  1  ist  die  Summe 
von  drei  Quadraten'®). 

3)  Das  Quadrat  einer  Primzahl  der  Form  4n  -|-  3,  die  auf  3  oder  7 
endigt,  ist  ebenso  wie  das  Produkt  zweier  solchen  Primzahlen  die  Summe 
eines  Quadrats  und  des  Fünffachen  eines  anderen  Quadrats. 

Mit  diesem  Briefe  fand  der  Streit  sein  Ende.  Dioby  schickte  den- 
selben an  Wallis  mit  einem  Begleitschreiben'^),  in  welchem  er  sich  ver- 
abschiedet, da  er  eine  gröfsere  Beise  antrete. 

Es  ist  eigentümlich,  dafs  Wallis  in  der  Selbsttäuschung  befangen 
war,  er  habe  seinen  Namen  ganz  besonders  mit  Ruhm  bedeckt,  während  er 
in  Wirklichkeit  eigentlich  recht  wenig  geleistet  hatte.  Er  nahm  für  sich 
und  Brouncker  den  vollständigen  Sieg  in  Anspruch,  und  in  seinem  Ab- 
schiedsbrief^)  (30.  Juni  1658)  an  den  einflufsreichen  Dioby  sagt  er,  die 
Gegner    würden    sich   wohl  mit    den    Aufgaben,   die   die   Engländer  gelöst 

72)  Dieser  auch  in  der  Obsef-vatio  zu  IV,  31  des  Diophamt  (vergl.  meine 
Übersetzung  S.  162)  ausgeBprocbene  Satz  ist  von  Caücht  bewiesen.  VergL  LsaBNDKK, 
Theorie  des  nombres,'  S™«  ^d.  §§  löl— lö7,  318,  632—652  und  Paul  BACHHAifN, 
Zahlentheorie,  4ter  Teil  S.  154. 

73)  Bewiesen  von  Euleb,  CommenUUt.  arithmei.  coli,  I,  p.  156. 

74)  Desgl.  ebenda  I,  p.  295. 

75)  Bewiesen  von  Laqranoe.     Oeuvres  T.  lU  (Becherches  d'ArühnUtique). 

76)  Der  Satz  ist  auch  in  der  Observatio  zu  Diophant  VI,  26  (Meine  Ober- 
setzung  S.  294)  ausgesprochen.  Den  Beweis  hat  Eulbb  gegeben.  Commentatt,  ek. 
I,  p.  30. 

77)  Dieser  Satz  ist  bekanntlich  von  Euler  als  falaclL  erwiesen  worden.  Gmn- 
mentationes  arithmeticcte  collectae  1  S.  356.  Übrigens  hatte  schon  Hurosirs  seine 
Verwunderung  darüber  ausgesprochen,  dafs  Fermat  auf  eine  so  wenig  ausgedehnte 
Induktion  hin  den  Satz  aufzustellen  gewagt  habe  (Oeuvres  compUtes,  U.  p.  212). 

78)  Vergl.  Leoendbe,  Theorie  des  nombres.  3^«  4d.  %  319. 

79)  Comm.  ep.  XLVI.  80)  Comm,  ep.  XLIV. 


/ 


Pierre  Fermat^s  Streit  mit  John  Wallis.  575 

hätten,  begnügen  and  anf  die  Lösnng  der  übrigen  nm  so  eher  verzichten, 
als  sie  selbst  von  den  seitens  der  Engländer  gestellten  nur  die  eine  be- 
wältigt hätten:  zwei  Qaadratzahlen  von  gleicher  Dinsoren-Snmme  zu  finden. 
Wallis  hat  dann  die  gewechselten  Briefe,  soweit  sie  ihm  abschriftlich  oder 
in  den  Originalen  zn  Oebote  standen,  nnter  dem  Titel:  „Ccmmerdum  epi- 
stoUcum  de  quaestiombus  quitmsdcvm  mcUhematicis  nuper  habihmt"  veröfient- 
liebt.  Die  Schrift  erschien  zuerst  1658  in  Oxford,  znm  zweitenmale  in 
der  Gesamtaasgabe  der  Werke  von  Waixis  (Oxford,  1693),  in  der  sie  die 
Seiten  757 — 860  des  zweiten  Bandes  einnimmt.  Eine  französische  Über- 
setzung hat  Paul  Tamnbry  in  seiner  Aasgabe  der  Werke  Fbricat's  gegeben. 
(T.  in,  p.  399— 610). 

In  der  ersten  Zeit  scheint  die  Schrift  wenig  Verbreitung  gefunden  zu 
haben,  was  wohl  der  Schmerigkeit  zuzuschreiben  ist,  die  sich  der  Ver- 
sendung von  Büchern  entgegenstellte.  Wallis  hatte  durch  den  jungen 
englischen  Edelmann  Peter  Ball,  der  nach  Lejden  ging,  um  daselbst 
Medizin  zu  studieren,  an  Huyoens  ein  Exemplar  geschickt  ^^).  Dieser  lieh 
dasselbe  Schooten^^)  und  spftter  Ben^  Fran90is  de  Sluse^),  der  nach 
der  Lösung  der  beiden  ersten  FERMAT'schen  Aufgaben  gefragt  hatte.  Noch 
^m  26.  Dezember  1659  wurde  Huyqens  durch  Pierre  de  carcavy^)  um 
Besorgung  eines  Exemplars  gebeten,  da  die  Buchhändler  von  Paris  es  nicht 
liefern  könnten. 

Die  Veröffentlichung  der  Briefe  durch  Wallis  rief  französischerseits 
eine  anonyme  Erwiderung  hervor,  die  nach  Tannery's  Ansicht,  der  den 
lateinischen  Text  mit  französischer  Übersetzung  1.  c.  abgedruckt  hat,  wahr- 
scbeinlicb  Frenicle  zum  Verfasser  hat.  In  dieser  Ermderung  wird  zu- 
Däcbst  darauf  hingewiesen,  dafs  es  kaum  statthaft  sei,  Briefe  ohne  Zu- 
stimmung, ja  ohne  Wissen  der  Schreiber  zu  veröffentlichen.  Offenbar  sei 
Wallis  dabei  von  der  lobenswerten  Absicht  geleitet  gewesen,  den  Ruhm 
seines  Vaterlandes  zu  erhöhen.  Aber  es  sei  doch  noch  zweifelhaft,  ob  die 
Engländer  sich  mit  Recht  den  Sieg  zuschreiben  könnten.  Die  numerischen 
Aufgaben  hätten  sie  doch  erst  gelöst,  nachdem  das  Buch  von  Frenicle  er- 

81)  Oeuvres  de  Hdygshs  T.  n  No.  497.  82)  Ebenda  No.  617. 

83)  Ebenda  No.  638.  Bshatus  Fravcmcüb  db  Slubk,  geb.  1622  in  Vise  bei 
Lütt  ich,  gest.  1686  zn  Lüttich  als  Grofskanzler  und  ordentlicher  Rat  des 
Bifcbof«,  bewandert  anfser  in  der  Theologie  in  der  Jurisprudenz,  der  Medizin, 
dem  Qriechischen,  den  orientalischen  Sprachen  und  der  Mathematik.  Er  war 
Mitglied  der  Boyäl  Society. 

84)  Ebenda  No.  698.  Pibbre  de  Caacavt,  geb.  in  Lyon,  gest.  1684.  Er  war 
erst  Ratsherr,  dann  nnter  Colbbbt  Bibliothekar  des  Königs.  Wegen  seiner  mathe- 
matischen Kenntnisse  wurde  er  als  eins  der  ersten  Mitglieder  in  die  Akademie 
der  Wissenschaften  aufgenommen. 


576  Gustav  Wertheim:  Pierre  Fermat^s  Streit  mit  John  Wallis. 

schienen  sei,  das  ihnen  wesentlich  geholfen  habe;  f&r  den  Satz,  da£B  die 
Gleichung  ao;^  -j-  1  =  D  unendlich  viele  Lösungen  in  ganzen  Zahlen  habe, 
sei  der  Beweis  noch  nicht  erbracht,  ebensowenig  dafür,  dads  kein  Kubus 
sich  in  zwei  rationale  Kuben  zerfallen  lasse.  Auch  die  Aufgabe:  die  Summe 
zweier  Kuben  in  zwei  andere  Kuben  zu  zerfftUen,  sei  weder  allgemein,  noch 
für  den  speziellen  Fall  9  gelöst.  Die  Zahl  9  als  Differenz  zweier  Kuben 
darzustellen,  sei  weder  Yieta,  noch  Bachet,  noch  Diophant  schwer  ge- 
wesen, aber  die  Zerf&llung  in  eine  Summe  h&tten  sie  nicht  einmal  ver- 
sucht. Endlich  sei  das,  was  Wallis  als  Beweis  des  Satzes,  dafs  die  Fläche 
eines  rechtwinkligen  Dreiecks  keine  Quadratzahl  sein  könne,  vorgebracht 
habe,  nicht  als  Beweis  anzusehen.  Es  fehle  also  noch  recht  viel  an  dem 
Siege  der  Engländer. 


d'vym' 


DIE  ENTDECKUNG  DER 


PARABELFORM  DER  WÜRFLINIE 

VON 

Db.  EMIL  WOHLWILL 

IN  nlXBDRO. 


Abb.  «nr  OMoh.  d.  Matham.  IX.  37 


Im  vierten  Band  seiner  „Qeschicbte  der  experimentellen  Methode  in 
Italien'^  hat  Rafaello  Caverki  das  Versprechen  eingelöst,  das  er  vier 
Jahre  zuvor  in  einer  einleitenden  Übersicht  seines  Werkes  gegeben  hatte: 
an  der  Geschichte  der  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie  als  einem 
Hauptbeispiel  nachzuweisen,  dafs  und  wie  Qalilei  das  geistige  Eigentum 
seiner  bedeutenden  Zeitgenossen  f&r  sich  selbst  in  Anspruch  genonunen 
hat.  Man  hatte  das  Recht  zu  erwarten,  dafs  der  Vertreter  einer  so  völlig 
neuen  Ansicht  in  einem  Falle,  den  er  selbst  —  um  mit  Bacon  zu  reden  — 
als  instantia  praerogaiiva  für  die  Berechtigung  seines  Urteils  betrachtet, 
mit  absoluter  Unparteilichkeit  den  Wert  jedes  einzelnen  Beweisgrundes  ab- 
w&gen,  der  Vieldeutigkeit  der  gegebenen  ThatsacLen  in  vollem  Malse  ge- 
recht werden  und  dann  in  zwingender  Logik  darthun  werde,  dafs  wenigstens 
in  diesem  Falle  für  den  klar  Denkenden  nichts  übrig  bleibt,  als  an  den 
ehrlosen  Diebstahl  eines  grofsen  Mannes  zu  glauben;  in  diesen  Erwartungen 
hat  uns  Caverni  aufs  gründlichste  getäuscht:  seine  Beweisführung  ist  in 
allen  Teilen  die  eines  gewandten  Advokaten,  der  als  seine  Aufgabe  be- 
trachtet, nur  die  eine  Seite  der  Sache  zur  Geltung  kommen  zu  lassen, 
Alles  zusammen  zu  tragen,  was  sich  möglicherweise  zu  Gunsten  seiner 
einseitigen  Auffassung  verwerten  läfst,  Alles  fernzuhalten,  was  auch  nur 
die  Vorstellung  hervorrufen  könnte,  dafs  sich  die  Dinge  in  anderer  Weise 
ansehen  lassen,  der  um  seines  Zweckes  willen  für  gestattet  h&lt,  mit  Ver- 
mutungen wie  mit  Thatsacheu  zu  operieren,  als  ervriesen  hinzustellen,  was 
besten  Falls  wahrscheinlich  ist. 

Aber  Caverki  stellt  in  den  Dienst  der  Sache,  die  er  auf  seine  Fahne 
geschrieben  hat,  ein  ausgebreitetes  Einzel  wissen,  eine  erstaunliche  Belesen- 
heit, er  ist  insbesondere  in  den  Werken  Gaulbi's,  seinem  Briefwechsel 
und  den  handschriftlichen  Sch&tzen  der  Biblioteca  Nazionale  in  Florenz 
vollkonmien  orientiert,  und  dieser  seltenen  Vertrautheit  mit  dem  Material 
der  Geschichte  der  Wissenschaft,  die  den  Freunden  italienischer  Wissen- 
Schaft  aus  früheren  Schriften  desselben  Verfassers  entgegen  getreten  war, 
ist   eine    auCserge wohnliche  Anerkennung  dadurch  zu  teil  geworden,    dab 

CAVERNf s   „Geschichte    der   experimentellen    Wissenschaft   in   Italien^^    von 

37* 


580  Emil  Wohlwill: 

dem  Königlichen  Institut  von  Venedig  mit  dem  Preise  gekrönt,  und  der 
Bericht  des  Vertreters  der  Akademie  an  der  Spitze  des  Werks  veröffent- 
licht worden  ist.  Allerdings  ist  in  dieser  einfahrenden  Mitteilung  Aktokio 
Favaro's  in  klaren  Worten  die  Erwartung  ausgesprochen,  dads  der  Verfasser 
sein  befremdendes  Urteil  über  Galilei  und  insbesondere  seine  ohne  Zweifel 
irrtümliche  Ansicht  über  die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie 
wiederholter  Prüfung  unterwerfen  und  berichtigen  werde;  es  haben  also  die 
Akademie  von  Venedig  und  ihre  Vertreter  im  Voraus  sich  dagegen  ver- 
wahrt, durch  ihr  anerkennendes  Votum  eine  Zustimmung  zu  jenem  Kampf 
gegen  die  Ehre  und  das  Ansehen  Galilei's  aussprechen  zu  wollen,  der  in 
Caverni's  Buch  eine  so  grofse  Bolle  spielt  Durch  die  Erklärung  aber,  die 
von  so  gewichtiger  Seite  kommt,  dafs  ungeachtet  des  hervorgehobenen 
Mangels  die  überwiegenden  Vorzüge  des  Werks  das  Urteil  der  Akademie 
von  Venedig  rechtfertigen,  ist  zugleich  die  Möglichkeit  ausgeschlossen,  dals 
man  über  eine  in  eben  diesem  Werke  nachdrucksvoll  ausgesprochene  und 
eingehend  begründete  Behauptung  etwa  mit  Geringschätzung  hinweggehen 
könnte,  dafs  es  dem  Verfksser  gegenüber  mit  der  grundsätzlichen  Zurück- 
weisung seiner  Methode  der  Geschichtsforschung  und  Geschichtsdarstellung 
gethan  sein  könne;  man  mufs  ihm  in  die  Einzelheiten  der  Wiedergabe  und 
der  Bearbeitung  nie  zuvor  in  gleicher  Vollständigkeit  benutzter  geschicht- 
licher Materialien  folgen,  um  ihn  zu  widerlegen.  Dies  soll  im  Folgenden 
versucht  werden. 

I. 

Die  Möglichkeit,  Galilei's  Anspruch  auf  die  Entdeckung  der  Parabel- 
form der  Wurflinie  zu  bestreiten,  hängt  mit  der  eigentümlichen  Weise  der 
Veröffentlichung  seiner  Bewegungslehre  zusammen.     Es  ist  bekannt,   dals 
erst  in  dem  vier  Jahre  vor  Galilei's  Tode  erschienenen  Hauptwerk  die  fast 
vier  Jahrzehnte   früher  in   ihren   Grundzügen   entworfene   und  dem  Haupt- 
inhalte  nach  abgeschlossene  „neue  Wissenschaft  von  der  örtlichen  Bewegung^' 
allgemein  zugänglich  geworden  ist.    Als  eine  lange  zuvor  zum  Abschlulls  ge- 
brachte Lehre  ist  dieselbe  in  dem  Werk  von  1638  auch  äufserlich  dadurch 
gekennzeichnet,    dafs    ihre    Hauptsätze    als    Bestandteile    eines    besonderen 
Buches  in  dem  gröfseren  Werk  angeführt  werden.     Ein  altes  Manuskript  in 
drei  Teilen,  in  lateinischer  Sprache  geschrieben  und  in  streng  wissenschaftlicher 
Form  bietet  den  eigentlichen  Stoff  für  die  weitere  in  dialogischer  Form  und  in 
italienischer  Sprache  geführte  Diskussion.    Da  Galilei  nach  seinem  Scheiden 
von  Padua  grundsätzlich  nur  noch  in  der  Volkssprache  geschrieben  hat,  so 
ist  schon  der  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  in  diesen  Abschnitten  der  Bis- 
corsi  e  dimosirazioni  in  seinem  Sinne  einem  Prioritätsanspruch  gegenüber  allen 


Die  Enideckong  der  Parabelform  der  Wurflinie.  581 

nach  1610  geschriebenen  Werken  verwandten  Inhalts  gleich  zu  achten.  Es 
bedarf  nicht  der  AosfElhmng,  dafs  der  spät  erhobene  Ansprach  auch  in 
dieser  Form  for  den  Historiker  nicht  ohne  weiteres  bindend  ist.  Wenn 
Simon  Marius  vier  Jahre  nach  der  Entdeckung  der  Jupiterstrabanten  sagt, 
er  habe  sie  mindestens  ebenso  früh  wie  Galilei  beobachtet,  wenn  Baliaki 
im  Jahre  1638  drucken  lälst,  er  habe  im  Jahre  1611  „gefunden'^  daCs  die 
Schwingungsdauer  zweier  Pendel  sich  wie  die  Quadratwurzeln  aus  den 
Pendellftngen  verhalten,  so  werden  die  behaupteten  Thatsachen  auf  Grund 
solcher  Aussagen  der  Nächstbeteiligten  nicht  als  geschichtlich  erwiesen  be- 
trachtet werden  dürfen;  aber  ebensowenig  wird  eine  bahnbrechende  Lehre 
GALiLEfs  nicht  schon  darum  als  in  die  Zeit  vor  1610  fallend  anzusehen 
sein,  weil  sie  in  dem  lateinischen  Text  des  einen  der  drei  Bücher  de  motu 
iocali  erörtert  wird.  Es  ist  nicht  nur  möglich,  sondern  höchst  wahrschein- 
lich, dafs  bei  der  Aufnahme  des  alten  Textes  in  den  Zusammenhang  des 
grölseren  Werkes  jener  nicht  unverändert,  sondern  auf  Grund  späterer  Er- 
kenntnis vielfach  ergänzt  und  umgestaltet  zur  Wiedergabe  gelangte. 

Erwiesen  ist  allerdings,  dafs  ein  aus  drei  Teilen  bestehendes  Werk 
zur  Bewegungslehre  zur  Zeit  der  Übersiedlung  nach  Florenz  (September  1610) 
von  Galilei  seit  einiger  Zeit  in  Angriff  genonmien  und  mindestens  in 
gröfseren  Teilen  ausgearbeitet  war.  Dies  Werk  wird  in  seinem  Bericht  an 
den  Staatssekretär  Yinta  (7.  Mai  1610)  unter  den  dreien  genannt,  die  er 
zu  yollenden  hoffte,  wenn  er  durch  eine  geeignete  Stellung  am  Florentiner 
Hofe  die  nötige  Mufse  gewänne.  Galilei  spricht  hier  von  den  drei  Büchern 
de  motu  Iocali  mit  ganz  ähnlichen  Worten,  wie  in  der  Einleitung  zu  den 
gleichbenannten  lateinischen  Abhandlungen  der  Discorsi  von  1638.  „Es 
ist  das",  sagt  er,  „eine  gänzlich  neue  Wissenschaft,  da  kein  Anderer  weder 
der  Alten  noch  der  Neueren  eine  von  den  auJGserordentlich  vielen  bewunderns- 
werten Eigentümlichkeiten  entdeckt  hat,  die  ich  bei  den  natürlichen  und 
den  gewaltsamen  Bewegungen  nachweise;  und  daher  kann  ich  sie  mit  bestem 
Recht  eine  neue  und  von  mir  von  ihren  ersten  Anfängen  an  aufgefundene 
nennen.'^  Die  „neue  Wissenschaft  von  der  örtlichen  Bewegung^',  die  dem- 
nach im  Jahre  1610  ihrem  Hauptinhalte  nach  jedenfalls  vorhanden  war, 
entspricht  ersichtlich  auch  in  ihrer  Einteilung  den  lateinischen  Abschnitten 
des  späteren  Werks.  Ihr  drittes  Buch  beschäftigte  sich  wie  das  im  „vierten 
Tag"  der  Discorsi  vorgelegte  mit  den  „gewaltsamen"  Bewegungen  oder  der 
Lehre  von  den  Proietti  Schon  ein  volles  Jahr  früher  (am  23.  Mai  1609) 
antwortet  ein  Brief  des  Mathematikers  Luca  Yalebio  auf  eine  Zuschrift 
Oalilei's,  in  der  von  seinem  Werk  über  die  naturgemäfs  bewegten  Körper 
und  über  die  geworfenen  die  Bede  gewesen  war.  Neben  den  Untersuchungen 
über  die  gleichförmig  beschleunigte  Bewegung  mufs  also  eine  in  gewissem 


582  Smil  Wohlwill: 

Mause    zosammenh&Dgende    Warflehre    in    6alilei*8   Handschrift    schon   im 
Frühling  1609  vorhanden  gewesen  sein. 

Von  Fragen,  die  ihm  in  Betreff  der  Bewegung  geworfener  KOrper  noch 
„übrig  bleiben^^  die  also  einer  Folge  bereits  erledigter  Untersachongen  anf 
gleichem  Gebiet  sich  anschlieüsen,  redet  aach  ein  Brief,  den  Galilei  am 
11.  Februar  1609  an  einen  Prinzen  des  Hauses  Medici  gerichtet  hat.  Die 
weiteren  Aasfühmngen  dieses  Briefes  sind  von  besonderem  Interesse;  sie 
boten  bis  vor  kurzem  den  einzigen  Anhaltspunkt  für  den  Versuch,  ohne 
Rücksicht  auf  die  lateinischen  Texte  der  Discorsi,  die  Wnrflehre  vom 
Jahre  1609  zu  rekonstruieren,  insbesondere  für  die  Beantwortung  der  Frage, 
ob  Galilei  zu  jener  Zeit  die  Parabelform  der  Wurflinie  gekannt  hat. 

Galilei  berichtet  dem  Prinzen  des  groDsherzoglichen  Hauses:  er  habe 
kürzlich  gefunden,  dafs  bei  Kanonenschüssen,  die  von  einem  hochgelegenen 
Orte  aus  in  horizontaler  Richtung  abgefeuert  werden,  die  Kugel  immer  mit 
der  gleichen  Geschwindigkeit  von  dieser  Richtung  abweicht  and  sich  der 
Erde  nähert,  mag  sie  durch  viel  oder  ganz  wenig  Pulyer  getrieben  sein 
oder  auch  nur  von  so  viel  als  eben  hinreicht,  um  zu  bewirken,  dafs 
sie  den  Lauf  der  Kanone  verläfst;  er  folgert  daraus  weiter,  dafs  bei  allen 
horizontal  gerichteten  Schüssen  die  Kugel  in  derselben  Zeit  die  Erde 
erreicht,  mögen  nun  die  Schüsse  ihr  Ziel  in  weitester  Feme  oder  in 
nächster  Nähe  treffen,  und  daüs  diese  Zeit  keine  andere  ist,  als  die- 
jenige, in  der  die  Kugel  von  der  Mündung  der  Kanone  aus  lotrecht  zur 
Erde  fällt.  Aber  Ähnliches .  hat  er  auch  für  die  schräg  aufwärts  gerich- 
teten Schüsse  erkannt;  Schüsse  dieser  Art,  die  eine  Erhebung  der  Kugel 
zu  gleicher  senkrechter  Höhe  bewirken,  deren  Bahn  also  zwischen  denselben 
horizontalen  Ebenen  liegt,  erreichen  bei  gröfster  Ungleichheit  der  Schufs- 
weite  die  Erde,  oder  die  gleiche  tiefer  gelegene  Horizontalebene  in  der- 
selben Zeit  und  infolgedessen  werden  auch  die  absteigenden  Hälften  ihrer 
Bahnen  in  gleichen  Zeiten  zurückgelegt,  das  heifst  in  derselben  Zeit,  wie 
die  horizontal  gerichteten  Schüsse  aus  gleicher  Höhe^). 

Diesen  Sätzen,  die  der  Kürze  wegen  als  „Gesetz  der  gleichen  Fall- 
zeiten^'  bezeichnet  werden  mögen,  ist  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  zu 
entnehmen,  dafs  Galilei,  als  er  sie  fand,  über  das  Prinzip  des  indifferenten 
Zusammenseins  verschiedener  Bewegungen  desselben  Körpers  völlig  auf- 
geklärt war;  denn  die  Behauptung,  dafs  horizontal  abgeschossene  Kugeln 
bei  gröfster  Ungleichheit  der  horizontalen  Geschwindigkeiten  in  derselben 
Zeit  die  Erde  erreichen,  wie  ein  Köi-per,  der  aus  gleicher  Höhe  frei  herab- 
fällt, ist  nur  ein  anderer  Ausdruck  für  die  Ansicht,  dafs  die  Bewegung  in 


1)  Vergl.  Galilei  opere  ed.  Alberi,  VI,  p.  68. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.  583 

der  Richtung  der  Schwere  darch  die  hinzukommende  Bewegung  in  der 
Richtung  des  Schusses  in  keiner  Weise  beeinflufst  wird,  und  die  Bestimmt- 
heit, mit  der  Oalilei  seine  Regel  aufstellt,  l&sst  als  ausgeschlossen  er- 
scheinen, dafs  er  sie  nicht  prinzipiell,  sondern  etwa  aus  Versuchen  ab- 
g^eleitet  hätte,  die  in  dieser  Beziehung  Sicheres  nicht  ergeben  konnten. 

Um  die  entsprechende  Betrachtung  auf  die  schräg  aufwärts  gerichteten 
Schüsse  anwenden  zu  können,  mui^ste  man  überdies  gefunden  haben,  dafs 
der  aufwärts  geworfene  Körper  zum  Steigen  und  Fallen  die  gleiche  Zeit 
gebraucht.  Nach  dem  Zeugnis  Ton  Paolo  SArpi  hat  Galilei  dies  schon 
vor  dem  9.  Oktober  1604  erkannt^). 

Aber  Oalilei  wufste,  als  er  das  Gesetz  der  gleichen  Fallzeiten  ent- 
deckte, auch  Alles,  was  zur  näheren  Bestimmung  der  beiden  Komponenten 
der  Wurfbewegung  erforderlich  war  und  damit  Alles,  was  neben  dem 
Prinzip  des  unabhängigen  Zusammenseins  der  Bewegungen  dazu  gehörte, 
die  Wurflinie  zu  konstruieren.  Das  Gesetz  der  Fallräume,  das  die  Ände- 
rungen der  vertikalen  Komponente  bestinmit,  wird  als  ein  jüngst  erkanntes 
in  dem  Brief  an  Sarpi  Tom  16.  Oktober  1604  angeführt').  Noch  älter 
ist  wahrscheinlich  die  Entdeckung  des  Beharmngsgesetzes  in  derjenigen 
Form,  in  der  es  noch  in  den  Discorsi  von  1638  bei  der  Konstiiiktion  der 
Wurflinie  zur  Verwendung  kommt,  d.  h.  in  der  Beschränkung  auf  die  Be- 
wegung in  horizontaler  Ebene;  aus  diesem  folgt  unmittelbar  die  Gleich- 
förmigkeit der  Bewegung  in  der  Bichtung  des  horizontalen  Wurfs  und 
damit  Alles,  was  für  die  Kenntnis  der  horizontalen  Komponente  erforder- 
lich ist.  Für  die  Ableitung  dieser  dritten  Voraussetzung  seiner  Konstruk- 
tion beruft  sich  Galilei  in  der  Wurflehre  der  Discorsi  auf  die  Ausfüh- 
rungen eines  vorhergehenden  Abschnitts  der  lateinischen  Handschrift;  dafs 
wenigstens  in  diesem  Teil  der  Gedankengang  des  1638  veröffentlichten 
Textes  ein  alter,  den  Paduaner  Tagen  angehöriger  ist,  läist  sich  durch  un- 
zweideutige ÄuTserungen  belegen.  Es  mag  genügen  hier  darauf  hinzuweisen, 
daüs  in  einem  Brief  vom  April  1607  Castelli  als  Galileis  Lehre  anfährt: 
„Es  bedarf  des  Bewegenden,  damit  die  Bewegung  anflbigt,  aber  dafür,  dafs 
sie  fortdauert,  genügt,  dafs  sie  keinen  Widerstand  findet  ^^). 


2)  Opere  di  Galilki  ed.  Albbbi  VIII,  p.  29. 

3)  Dieser  Brief  ist  nach  dem  in  Pisa  bewahrten  Origrinal  zum  ersten  Mal  in 
Favabo's,  Gaulu  e  lo  studio  di  Padova  11,  226  u.  f.  abgedmckt. 

4)  Diese  zaerst  von  Favaro  in  Galilso  Gaulbi  t  lo  studio  di  Padova.  Firense 
1883.  n,  p.  268  veröffentlichte  Änfserung  ist  mir  bei  der  Ausarbeitung  meiner 
Abhandlung  über  die  Entdeckung  des  BeharrungsgesetKes  (Zeitschrift  für  Völker- 
psychologie Bde.  XIV  und  XV)  nicht  bekannt  gewesen.  Sie  widerspricht  schein- 
bar der   dort  durchgeführten  Auffassung,   dafs  Gaulsi   das  Priniip   der  unver- 


584  Smil  Wohlwill: 

Galilei  yerfiigte  demnach  im  Jahre  1609,  wo  er  zuerst  von  einem 
Buch  über  die  Warflehre  als  einem  Bestandteil  seines  Werkes  de  motu 
locali  redet,  über  alle  Vorbedingungen  für  die  richtige  Konstruktion  der 
Wurflinie;  er  brauchte  nur  auf  Grund  der  insgesamt  von  ihm  entdeckten 
Wahrheiten  eine  Zeichnung,  die  das  Gesetz  der  gleichen  Fallzeiten  ver- 
anschaulicht, genau  auszufahren,  um  Wurflinien  in  Parabelform  in  be- 
liebiger Zahl  vor  sich  zu  sehen;  zur  abschlielsenden  Entdeckung  war  dann 
freilich  erforderlich,  dafs  er  in  seiner  Zeichnung  die  Parabel  wiederer- 
kannte; es  ist  nicht  durchaus  undenkbar,  daCs  man  dergleichen  nicht  sieht, 
selbst  dann  nicht,  wenn  in  dem  vor  Augen  Liegenden  die  lange  gesucht« 
Lösung  eines  Rätsels  gegeben  ist;  wenn  aber  ein  Galilei  dreilsig  Jahre 
später  sagt:  ich  habe  damals  gesehen,  was  vor  meinen  Augen  lag,  so 
müfsten  es  Gründe  der  allerstärksten  Art  sein,  die  uns  Terhindem  könnten, 
ihm  zu  glauben. 

Es  sind  nun  allerdings  einige  Thatsachen  bekannt,  die  auf  den  ersten 
Blick  den  Zweifel  rechtfertigen.  Li  den  1632  veröffentlichten  „Dialogen 
über  die  beiden  Hauptweltsysteme"  fehlt  unter  den  zahlreichen  anderweitigen 
Mitteilungen  aus  der  neuen  Bewegungslehre  jede  Bemerkung  über  die 
Parabelform  der  Wurflinie,  aber  noch  mehr:  wo  es  sich  darum  handelt, 
die  wirkliche  Bahn  eines  Körpers  zu  konstruieren,  der,  während  er  zur  Erde 
fällt,  gleichzeitig  an  der  Botation  der  Erde  teilnimmt,  also  um  eine  Auf- 
gabe, die  mit  dem  Problem  der  Wurflinie  im  Wesentlichen  übereinstimmt, 
wird  zwar  für  die  Lösung  der  Aufgabe  das  Verfahren  mitgeteilt,  das  bei 
angemessener  Ausführung  zur  Konstruktion  einer  parabelfSrmigen  Bahn 
führt,  aber  statt  der  Parabel  lässt  der  Salviati  der  Dialoge  durch  Zu- 
sammensetzung der  beiden  Bewegungen  eine  Bewegping  im  Halbkreis  ent- 
stehen, und  Saoredo  bricht  über  dieses  unerwartete  Resultat  in  Jubel 
aus.  Hat  nun  Galilei  in  diesem  Falle  sein  besseres  Wissen  nur  ver- 
heimlicht oder  hat  er,  als  er  jene  Stelle  der  „Dialoge"  schrieb  und  noch 
später,  als  er  sein  Buch  veröffentlichte,  die  wahre  Form  der  Wurflinie  nicht 
gekannt? 

Eine  zweite,  vielleicht  noch  gröfsere  Schwierigkeit  bietet  die  That- 
Sache,  dafs  wenige   Monate   nach   der  Veröffentlichung  der  „Dialoge"   Fra 


änderten  Erhaltung  der  Bewegung  in  Beschränkung  auf  die  Bewegung  in  hori- 
zontaler Richtung  vertreten  habe.  In  Wahrheit  beweist  auch  die  ÄufseruDg 
CASTELLi'd  nur,  dafs  diese  Beschränkung,  die  bei  Qalilki  durch  individuelle  Ver- 
anlassungen bedingt  war,  von  seinen  Schülern  nicht  beachtet  wurde,  wie  ich  dies 
bei  Cavalieki  und  Torricelli  nachzuweisen  versucht  habe.  Wegen  anderweitiger 
Aufaerungen  Galilei's  über  das  Beharren  in  horizontaler  Richtung  vergl.  die 
soeben  zitierte  Abhandlung. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.  585 

Bonaventura  Gavalierf,  Galileis  Schüler,  die  richtige  Lösung,  die  man 
in  den  „Dialogen^^  vergebens  sucht,  veröffentlicht  hat  und  daüs  er  dabei 
durchaus  nicht  sagt,  dals,  was  er  mitteilt,  GALiLEf  s  Entdeckung  ist  Den 
beiden  Kapiteln  zur  Bewegungslehre,  die  Cavalieri  seiner  Schrift  ,fLo 
Specchio  Ustorio  overo  Trattato  deUe  Settioni  Coni€h&'  eingefügt  hat,  schickt 
er  allerdings  die  Bemerkung  voraus,  daüs,  was  er  in  diesen  Abschnitten 
biete,  „zum  TeiP'  von  Galilei  und  Gastelli,  seinen  beiden  Lehrern,  her- 
rühre; im  strengen  Anschlufs  an  die  Ausführungen  des  GALiLEi'schen  Dia- 
logs erl&utert  er  alsdann  die  drei  S&tze,  die  er  für  seine  Konstruktion  der 
Wurflinie  verwertet;  er  läfst  also  keinen  Zweifel  darüber  aufkommen,  dals 
seine  Ableitung  auf  Galileis  Gedanken  ruht;  dals  aber  Galilei  selbst 
schon  lange  vor  ihm  auf  gleichem  oder  ähnlichem  Wege  zu  demselben  Re- 
sultat gelangt  sei,  kann  niemand  dem  Kapitel  von  der  Wurflinie  im 
„Specchio  Ustorio**  entnehmen;  vielmehr  legt  der  Umstand,  dals  in  den  hier 
in  Betracht  kommenden  Darlegungen  der  Name  Galilei  nicht  genannt  wird, 
die  Vermutung  nahe,  dafs  der  Verfasser  sie  als  eigene  Folgerungen  be- 
trachtet wissen  will,  als  den  „Teil^^,  der  nicht  seinen  beiden  Lehrern  gehört. 

Damit  stimmt  die  vorläufige  briefliche  Mitteilung  überein,  in  der 
Gavalieri  unmittelbar  vor  der  Veröffentlichung  Galilei  von  dem  Inhalt 
seiner  Schrift  in  Kenntnis  setzt.  „Ich  habe^\  schreibt  er,  „ganz  kurz  die 
Bewegung  der  geworfenen  Körper  berührt,  indem  ich  zeige,  dafs  sie  bei 
Ausschlufs  des  Widerstandes  der  Luft  in  einer  Parabel  stattfinden  mufs, 
sofern  Euer  Prinzip  der  Bewegung  der  schweren  Körper  vorausgesetzt  wird, 
dafs  ihre  Beschleunigung  der  Zunahme  der  ungeraden  Zahlen  entspricht, 
wie  sie  von  der  Eins  an  sich  folgen;  ich  erkläre  jedoch,  dafs  ich  zum 
grofsen  Teil^)  von  Euch  gelernt  habe,  was  ich  in  dieser  Sache  berühre, 
indem  ich  zugleich  auch  meinerseits  eine  Ableitung  für  jenes  Prinzip  axi- 
führe/^^  Auch  hier  bekennt  also  Gavalieri,  dafs  sein  Beweis  auf  Galileis 
Lehre  von  der  gleichförmig  beschleunigten  Beweg^g  beruht;  aber  auch 
aus  dieser  direkten  Mitteilung  wird  der  unbefangene  Leser  nicht  den  Ein- 
druck empfangen,  dafs  er  sich  bewufst  ist,  seine  Worte  an  den  Entdecker 
der  parabelförmigen  Bahn  zu  richten. 

Dafs  endlich  Gavalieri  in  den  zuvor  erwähnten  Ausführungen  der 
„Dialoge*^  Galilei's  wahre  Meinung  zu  finden  geglaubt  hat,  wird  durch 
eine  Bemerkung  am  Schlüsse  des  vorletzten  Kapitels  seines  ,JSpecMo  Ustorio** 
vorzugsweise  wahrscheinlich.  Dem  Nachweis,  dafs  die  Krümmung  eines 
Kreises  von  sehr  grofsem  Durchmesser  von  derjenigen  einer  Parabel    und 


6)  Ans  dem  „in  parte*'  der  Schrift  ist  hier  „in  gran  partef*  geworden. 
6)  Opere  di  Galilei  td.  Albebi  toI.  IX  p.  286. 


586  S^mil  Wohlwill: 

Hyperbel  nicht  wesentlich  abweichen  würde,  fügt  er  hinzu:  ,J>iese  Erkennt- 
nis kann  denjenigen  Befriedigung  gewähren,  die  geglaubt  haben,  die  vom 
geworfenen  Körper  bezeichnete  Bahn  sei  eine  kreisförmige,  denn  wenn  der 
betreffende  Kreis  von  erheblicher  Oröfse  ist,  und  der  Weg  des  schweren 
Körpers  nur  ein  kleiner  Teil  der  ganzen  Peripherie,  würde  seine  Abweichung 
von  der  Parabel  nur  eiae  sehr  geringe  sein."  Es  kann  nicht  willkürlich 
sein,  in  dieser  ÄuDserung  eine  Bezugnahme  auf  Galilei's  Betrachtungen  in 
den  „Dialogen"  zu  suchen,  da  nirgends  sonst  mit  ähnlicher  Bestinmitheit 
von  einer  Kreisbewegung  geworfener  Körper  die  Bede  gewesen  war. 

n. 

Die  Ableitung  einer  Kreisbahn  in  den  „Dialogen"  und  CAVALiERfs 
mindestens  Terhüllte  Erwähnung  einer  Entdeckung  durch  Qalilei  sind  schon 
mehlfach  Gegenstand  kritischer  Erörterung  gewesen;  man  hat  auch  bisher 
nicht  unbeachtet  gelassen,  daCs  hier  Thatsachen  vorliegen,  die  mit  der  all- 
gemein angenommenen  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie  Tor  1610 
nicht  ohne  weiteres  vereinbar  sind;  es  haben  jedoch  bisher  auch  diejenigen, 
die  hier  eine  Schwierigkeit  sehen,  nicht  daran  gedacht,  deshalb  Galilei's 
Entdeckung  in  Frage  zu  stellen;  eine  Lösung  in  diesem  Sinne  schien  aus- 
geschlossen durch  die  Antwort  Galilei's  auf  die  vorläufige  Mitteilung 
seines  Schülers  und  durch  die  weitere  Erwiderung  Cavalieri's  auf  diese 
Antwort.  Galilei  hat  im  Jahre  1632  aufs  Bestimmteste  die  Entdeckung 
für  sich  in  Anspruch  genommen,  Cavalieri  hat  in  seiner  Erwiderung  die 
Thatsache  dieser  Entdeckung  als  eine  vielen  Zeitgenossen  wohlbekannte, 
von  ihm  selbst  nicht  bezweifelte  bezeichnet,  und  die  Worte,  in  denen  beide 
Männer  bei  dieser  Gelegenheit  sich  äufsem,  haben  den  Gedanken,  dais  ihre 
Aussagen  wahrheitswidrige  sein  könnten,  nicht  aufkommen  lassen. 

Caverni's  entgegenstehende  Ansicht  geht  von  einer  ihm  eigentümlichen 
Auffassung  der  erwähnten  scheinbaren  Widersprüche  aus.  Ihm  erscheint 
nicht  die  vereinzelte  Ausfuhrung  in  den  „Dialogen"  unvereinbar  mit  dem, 
was  uns  sonst  über  Galileis  Wurf  lehre  bekannt  ist;  er  sieht  vielmehr  in 
jener  Auseinandersetzung  über  die  kreisförmige  Bahn  des  auf  bewegter  Erde 
fallenden  Körpers  Galilei's  wahre  Ansicht  auch  über  die  Form  der  Wurf- 
linie, die  er  mit  geringen  Veränderungen  vierzig  Jahre  hindurch  festgehalten 
hat,  und  er  findet  mit  diesem  Festhalten  an  der  Kreisbahn  der  geworfenen 
Körper  nichts  im  Widerspruche  als  die  herrschende  Meinung,  dafs  GAL.niEi 
der  Entdecker  der  Parabelform  sei  und  den  Anspruch,  den  in  gleichem 
Sinne  der  lateinische  Text  der  Discorsi  erhebt. 

Näher  bezeichnet  ist  die  Lehre,  zu  der  sich  nach  Caverni's  Auffassung 
Galilei   bis   zum   Jahre    1632   bekannt  hat,    die   des  Niccolo  Tartaolia. 


Die  EntdeckuDg  der  Parabelform  der  Wurflinie.  587 

^ach  diesem  besteht  die  Bewegung  des  geworfenen  Körpers  ans  reiner  ge- 
m^altsamer  und  dieser  sich  anschliefsender  reiner  natürlicher  Bewegung,  die 
rein  gewaltsame  aber  besteht  aus  einem  geradlinigen  und  einem  ki\imm- 
linigen  Teil;  die  Krümmung  des  letzteren  ist  eine  kreisförmige.  Wie  hier 
schon  angedeutet,  leugnet  Tartaqlia  in  einem  anderen  Satze  seiner  Scientia 
nuoya  ausdrücklich,  dafis  die  Bewegung  des  geworfenen  Körpers  in  irgend 
einem  Teil  seiner  Bahn  eine  gemischte,  d.  h.  gleichzeitig  gewaltsam  und 
natürlich  sein  könne.  Das  also  wäre  nicht  nur  im  Jahre  1609,  sondern 
noch  zur  Zeit  der  Veröffentlichung  der  „Dialoge^^  im  Wesentlichen  Galilei's 
Yorstellung  gewesen  und  über  diese  Lehre  Tartaglia^s  wäre  er  nur  in- 
sofern hinausgegangen,  als  er  in  späterer  Zeit  unter  dem  Einflüsse  anderer 
Forscher  ein  Zusammensein  beider  Arten  von  Bewegungen  anerkannt  hätte. 

Wer  nun  naiy  genug  ist  zu  meinen,  dafs  man  dergleichen  nicht  als 
erwiesen  betrachten  könne,  wenn  nicht  aus  einem  so  langen  Zeitraum  einige 
wörtlich  anzuführende  Äufserungen  herbeizuschaffen  sind,  die  eine  Denk- 
weise im  Sinne  der  Lehre  Tartaglia's  in  unzweideutiger  Weise  bekunden, 
der  ist  mit  Caverni's  Beweisführung  rasch  zu  Ende;  denn  in  Wahrheit 
giebt  es  keine  solche  Belege,  und  Caverni  hat  auch  keine  angeführt.  Er 
hat  dagegen  in  einer  ungemein  weitschweifigen  Erörterung  auf  nicht  weniger 
als  13  dichtbedruckten  Seiten  grofsen  Formats  eine  Folge  Ton  Citaten  des 
Terschiedensten  Inhalts  diskutiert,  die  Belegen  in  gewissem  Mafse  ähnlich 
sehen  und  namentlich  bei  der  Caverni  eigentümlichen  Weise,  die  fremden 
Worte  mit  den  eigenen  Kommentaren  ununterscheidbar  zu  vermischen,  den 
Eindruck  hervorrufen,  als  ob  sie  jener  Behauptung  zur  Bestätigung  dienen 
können.  Diese  dürfen  als  die  eigentlichen  Fundamente  seiner  Beweisführung 
hier  nicht  unberührt  bleiben. 

Die  Untersuchung  beginnt  mit  den  spätestens  1592  geschriebenen  Ab- 
handlungen und  dem  Fragment  eines  Dialogs,  die  im  Band  I  der  Edizione 
nazionale  unter  dem  Titel  „de  motu^*  abgedruckt  sind.  Wer  diese  ältesten 
Aufzeichnungen  von  Galiei's  Hand  ernstlich  studiert,  wird  in  ihnen  nicht 
viel  mehr  als  Vorläufer  der  eigentlich  wissenschaftlichen  Oedankenentwick- 
lung  der  Paduaner  Periode  erkennen;  es  würde  daher  für  die  hier  zu  er- 
örternde Frage  ohne  Bedeutung  sein,  wenn  sich  in  jenen  ältesten  Schriften 
Beweise  dafür  fänden,  daüs  GALiiiEi  zur  Zeit  ihrer  Entstehung  über  die 
Wurflinie  nicht  anders  gedacht  hat,  als  Tartaglia;  aber  selbst  hier  wird 
man  bei  redlichstem  Suchen  nicht  entdecken,  was  Caverni  gefunden  haben 
will,  die  Abhandlungen  und  Dialoge  de  motu  enthalten  nicht  allein  kein 
Wort  von  einer  Konstruktion  nach  Tartaglia,  sondern  überhaupt  kein 
Wort  über  die  Form  der  Wurflinie  und  demgemäCs  auch  keine  Andeutung 
darüber,  dafs  Galilei  dem  mittleren  Teil  derselben  die  Kreisform  zuschreibt. 


588  Emil  Wohlwill: 

Die  Pisaner  Handschrift  läfst  ebensowenig  erkennen,  dafs  Galilei  —  wie 
Caverni  will  —  im  Widerspruch  mit  Gabdano  und  Bekedetti  —  Tar- 
TAOLiA  darin  Eecht  gegeben  hat,  daCs  in  keinem  Punkte  der  Wurflinie  die 
Bewegung  aus  natürlicher  und  gewaltsamer  gemischt  sei.  Caverni  hat  fär 
diese  Behauptung  keinen  andern  Beleg  als  die  Äufserung,  dalÜB  „die  Kreis- 
bewegung einer  Kugel,  deren  Centrum  mit  dem  der  Welt  zusammenfällt, 
weder  eine  natürliche  noch  eine  gewaltsame  ist". 

Ich  habe  an  anderer  Stelle  gezeigt,  dals  diese  Äulserung  hOchst  wahr- 
scheinlich mit  Galilei's  ersten  Bemühungen,  sich  die  ewige  Daner  der 
Rotation  der  Erde  begreiflich  zu  machen,  zusammenhängt.  Er  beachtet, 
dafs  die  Teile  einer  mit  der  Weltsphftre  concentrischen  homogenen  Kugel 
aus  schwerem  Stoff  sich  durch  ihre  Botation  dem  Centrum  der  Welt  weder 
nähern,  noch  von  ihm  entfernen  können,  und  folgert  daraus,  daüs  eine  solche 
Bewegung  neben  der  natürlichen  und  der  gewaltsamen  eine  eigentümliche 
Stellung  einnimmt,  mit  der  die  dauernde  Erhaltung  des  mitgeteilten  An- 
triebs vereinbar  erscheint'). 

Es  bedarf  kaum  der  Erläuterung,  aber  Galilei  erläutert  umständlich, 
dafs  das  Gesagte  sich  nicht  auf  die  Botation  einer  homogenen  oder  nicht 
homogenen  Kugel  an  irgend  einer  Stelle  aufserhalb  des  Zentrums  der  Welt 
bezieht;  es  kann  also  auch  nicht  auf  eine  kreisförmige  Bewegung  der  ge- 
worfenen Körper  bezogen  werden.  Caverni  ist  kühn  genug,  diese  Beziehung 
dadurch  zu  schaffen,  dafs  er  sagt:  so  ist  es  ja  auch  bei  den  geworfenen 
Körpern  (co^  aviene  dei  proietti)',  der  Leser  soll  also  glauben,  Galilei 
sowohl  wie  Tartaolia  lassen  die  geworfenen  Körper  sich  in  solcher  Weise 
im  Ejreise  bewegen,  dafs  sie  dabei  sich  dem  Mittelpunkt  der  Erde  weder 
nähern,  noch  von  ihm  entfernen! 

Dafs  in  Wahrheit  Galilei  zu  jener  Zeit  keineswegs  im  Widerspruch 
gegen  Cardano  und  Benedetti  die  Möglichkeit  einer  „gemischten"  Bewegung 
geleugnet  hat,  beweisen  seine  bestimmten  Erläuterungen  in  den  Abhandlungen 
wie  in  dem  Dialog  „de  motu".  Seine  Untersuchung  über  die  Bewegung 
des  senkrecht  aufwärts  geworfenen  Körpers  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs 
dieselbe  unter  dem  gleichzeitigen  Einflüsse  der  Schwere  und  der  mitgeteilten 
Kraft  von  Anfang  bis  zu  Ende,  im  Steigen  wie  im  Fallen  eine  gemischte, 
das  heifst  aus  natürlicher  und  gewaltsamer  zusammengesetzte  Bewegung 
ist®).     Für  den  Fall  des  horizontalen  Wurfs  aber  findet  sich  in  der  letzten 


7)  Vergl.  meine  Abhandlung  über  die  Eatdecktmg  des  Beharrungsgesetses 
a.  a.  0.  XV,  74  u.  f. 

8)  Ed.  Naz.  I,  p.  322.  „Gemischt",  das  heifst  aus  naturlicher  und  gewalt- 
samer Bewegung  zusammengesetzt,  wird  in  der  Jugendarbeit  (S.  373)  auch  die  Be- 
wegung des  schräg  aufwärts  geworfenen  Körpers  genannt;  hier  ist  jedoch  zweifei- 


Die  Entdeckiing  der  Parabelform  der  Warflinie.  589 

Abhandlung  der  Pisaner  Handschrift  eine  Betrachtung  über  die  Mischung 
oder  das  Zusammensein  der  Bewegung  in  der  Bichtung  der  Schwere  mit 
derjenigen  in  der  Bichtung  des  Wurfs,  die  mit  der  46  Jahre  spftter  ver- 
öffentlichten trotz  völlig  abweichender  Ausdrucksweise  im  Wesentlichen  über- 
einstimmt. In  den  Discorsi  heifst  es:  „Sobald  der  horizontal  bewegte  schwere 
Körper  die  feste  Unterlage  verläJGst,  wird  er  der  früheren  gleichm&üsigen  und 
nnzerstörbaren  Bewegung  die  von  seiner  eigenen  Schwere  herrührende  Neigung 
nacli  unten  hinzufügen,  es  wird  demgemäfs  eine  zusammengesetzte  Bewegung 
entstehen,  die  ich  Wurfbewegung  nenne/^  Und  zur  Erklärung  wird  sp&ter 
hinzugefügt:  dafs  die  beiden  Bewegungen  und  ihre  Oeschwindigkeiten,  indem 
sie  sich  mischen,  sich  nicht  ändern,  stören  oder  hindern.  Dem  entspricht 
in  der  Jugendarbeit  die  Erläuterung:  „Bewegt  sich  der  geworfene  Körper 
in  einer  dem  Horizont  beinahe  parallelen  Bichtung,  so  kann  er  sofort  sich 
zu  neigen  anfangen  und  dadurch  von  der  geraden  Linie  des  Wurfs  abweichen; 
denn  der  gewaltsam  treibenden  Kraft  genügt  es,  dals  sie  den  Körper  vom 
Anfang  der  Bewegung  entfernt  und  diese  Entfernung  wird  durch  das  Neigen 
nicht  gehindert." 

Nicht  ein  Widerstreben  gegen  die  Vorstellung  einer  gemischten  Be- 
wegung im  Sinne  Tartaglia's  läfst  sich  in  dieser  ÄuTserung  erkennen, 
sondern  vielmehr  ein  lebhaftes  Bemühen,  über  die  Natur  und  die  Ursache 
der  erkannten  Mischung  zur  Klarheit  zu  kommen. 

Bei  weitem  wichtiger  war  es  für  CAVERMfs  Beweisführung,  aus  der 
Blütezeit  der  Paduaner  Professur,  speziell  aus  der  Zeit  zwischen  1602  und 
1609  Belege  für  seine  Behauptung  zusammenzustellen.  Caverni  selbst  läfst 
diesem  Zeitraum  dem  Hauptinhalte  nach  einen  grofsen  Teil  der  lateinisch 
geschriebenen  Abschnitte  der  Discorsi  angehören;  er  glaubt  jedoch  beweisen 
zu  können,  dais  das  Gleiche  für  den  Hauptgedanken  der  Wurflehre  aus- 
geschlossen ist.  In  Wahrheit  bietet  auch  diese  Periode  für  seine  Bemühungen 
einen  leeren  Baum^  den  er  mit  Vermutungen  und  Verdächtigungen  ausfüllt. 
Eine  höchst  seltsame  Bolle  spielt  dabei  ein  Satz  über  die  Wurflinie,  den 
LiBRi  im  Jahre  1844  in  seiner  „Geschichte  der  mathematischen  Wissen- 
schaften in  Italien"  aus  einer  Handschrift  der  Pariser  Bibliotheque  nationale 
veröffentlicht  hat.  Die  Handschrift  und  der  Satz  rühren  nach  LiBRf s  An- 
gäbe  von  Galilei's  väterlichem  Freunde,  dem  Marchese  Guioubaldo  dal 
MoKTE  her.     Die  jedenfalls  bemerkenswerte  ÄuXserung  lautet  wie  folgt: 

„Wenn  man  eine  Kugel  mit  einer  Armbrust  oder  mit  einer  Kanone 
über  die  Linie  des  Horizonts  hinaus  abschiefst  oder  mit  der  Hand  schleudert. 


haft,  ob  der  Ausdruck  auf  die  zwiefache  Bewegung  des  einzeloen  Punktes   zu 
beziehen  ist. 


590  Emil  Wohlwill: 

so  macht  sie  beim  Sinken  denselben  Weg  wie  beim  Steigen  und  die  Figur 
dieses  Weges  ist  diejenige,  die  unter  die  Horizontale  herabgelassen  ein  Tao 
bildet,  das  nicht  angezogen  wird,  indem  dieses  Tan  wie  jene  Bewegung 
ans  Natürlichem  und  Gewaltsamem  zusammengesetzt  und  eine  Linie  ist,  die 
dem  Ansehen  nach  der  Parabel  und  der  Hyperbel  ähnlich  ist.  Das  Ex- 
periment dieser  Bewegung  kann  man  machen,  wenn  man  eine  mit  Tinte 
gef&rbte  Kugel  nimmt  und  sie  über  die  Ebene  einer  Tafel  dahinwirfl,  die 
nahezu  senkrecht  gegen  den  Horizont  steht,  es  wird  dann  die  Kugel,  anch 
wenn  sie  springt,  die  Punkte  verzeichnen,  aus  denen  man  klar  sieht,  d&Ts 
sie  so  wie  sie  aufsteigt,  auch  absteigt,  und  so  geschieht  es  mit  gutem  Grand, 
weil  die  Gewalt,  die  sie  beim  Steigen  nach  oben  erlangt  hat,  bewirkt,  dais 

beim  Absteigen  in  derselben  Weise  die  natär- 

liche  Bewegung  auf  dem  Wege  nach  unten  das 

Übergewicht  gewinnt,  indem  die  Gewalt,  die  von 

h  bis  c  die  Oberhand  hatte,    sich  eihfllt  und 

bewirkt,  dalB  cd  gleich  cb  wird,   weil  ferner, 

indem  sie  beim  Absteigen  sich  allmählich  verliert, 

die  Gewalt  bewirkt,  dals  de  gleich  ba  wird,  da 

kein  Grund  vorhanden  ist,  da£s  von  <l  bis  f  die 

Gewalt  gänzlich  verloren  gehe,    denn  obgleich 

sie  nach   e  zu   sich  beständig  verliert,  bleibt  doch  noch  immer  etwas  von 

ihr  übrig,  und  dies  ist  der  Grund,  dals  nach  e  zu  das  Gewicht  niemals  in 

gerader  Lbie  geht."') 

Dals  bei  dieser  Auseinandersetzung  nichts  weniger  als  eine  eigentliche 
Konstruktion  der  Wurflinie  beabsichtigt  wird,  geht  schon  daraus  hervor, 
dafs  der  Verfasser,  wie  vor  ihm  Cardano  nur  davon  redet,  welcher  Linie 
die  Bahn  „dem  Aussehen  nach  ähnlich"  (tn  vista  simüe)  ist  und  dafs  er 
dabei  Parabel  und  Hyperbel  zusammenstellt;  aber  auch  das,  was  er  bestinunt 
behauptet,  dals  die  beiden  Zweige  der  Wurflinie  einander  gleich  sind  und 
dafs  kein  Teil  derselben  geradlinig  ist,  wird  durch  seine  Worte  in  ziemlich 
unbestimmter  Weise  veranschaulicht,  keineswegs  bewiesen;  nicht  ohne  Will- 
kür kann  man  in  den  wenigen  Worten  finden,  was  Cavermi  in  ihnen  liest: 
die  Meinung,  dafs  jede  zwei  Punkte,  in  denen  die  beiden  Zweige  von  der- 
selben Horizontalen  geschnitten  werden,  gleiche  Geschwindigkeit  haben.  Das 
Wort  Greschwindigkeit  kommt  bei  dai.  Monte  nicht  vor,  nur  von  der  Über- 
einstimmung der  Form  an  den  korrespondierenden  Stellen  ist  die  Bede;  daJs 


9"!  Vergl  LiBKi,  hi^dTt  des  scunccs  maOtemaHques  en  üaUe  IV  p.  397-98. 
Dafa  das  Original  von  Libu  genao  reprodoiiert  ist,  hat  Herr  Prof.  Favibo  die 
Güte  gehabt,  in  der  BibliotKeque  maiumaU  koBstaüeien  za  la»eii. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wnrflinie.  591 

die  letztere  nicht  erklftrlich  wftre,  wenn  nicht  die  Oeschwindigkeiten  im  Ab- 
steigen in  der  gleichen  Weise  zunähmen,  wie  sie  im  Steigen  abnehmen, 
rechtfertigt  die  Ergänzung  nicht,  man  könnte  mit  gleichem  Becht  aus  dal 
Monte's  Satze  folgern,  dals  er  die  unveränderte  Erhaltung  sowohl  des 
horizontalen  wie  des  vertikalen  Teils  der  „gewaltsamen  Bewegung'^  annimmt, 
weil  nur  unter  dieser  Voraussetzung  seine  Behauptung  richtig  ist;  und  doch 
wird  man  so  fundamentale  neue  Erkenntnisse  nicht  zwischen  den  Zeilen 
eines  Satzes  lesen  wollen,  der,  ohne  horizontalen  und  vertikalen  Antrieb  zu 
sondern,  nur  davon  spricht,  dafs  die  „Oewalt^^  sich,  wenn  auch  allmählich 
abnehmend,  doch  bis  zum  Ende  erhält. 

Inwiefern  nun  diese  handschriftliche  Aufzeichnung  dal  Monte's  zu 
irgend  einer  Zeit  for  die  Entwicklung  der  Wurflehre  bedeutsam  werden 
konnte,  lä&t  sich  nicht  mehr  ermitteln;  es  ist  nicht  bekannt,  dafs  ii'gend 
ein  sachkundiges  Auge  vor  Libri  sie  gesehen  hat.  Dafs  ihr  Inhalt  Gegen- 
stand mündlicher  Unterredung  oder  brieflicher  Erörterung  zwischen  dal 
MoKTE  und  Galilei  gewesen,  ist  nicht  unwahrscheinlich.  Cavalieri  erzählt, 
dafs  etwa  im  Jahre  1622  der  Ingenieur  Muzio  Oddi  ihm  mitgeteilt,  dafs 
Galilei  und  dal  Monte  gemeinsam  ein  Experiment  über  die  Form  der 
Wurflinie  angestellt  hätten.  Dies  müfste  vor  dem  Jahre  1607  geschehen 
sein;  denn  dal  Monte  ist  im  Januar  1607  gestorben.  Es  wäre  denkbar, 
dafs  der  Versuch  eben  der  gewesen  ist,  den  dal  Monte  beschreibt,  denn 
Galilei  führt  in  den  Discorsi  von  1638  einen  ähnlichen  an,  allerdings  als 
von  ihm  selbst  erfunden  und  als  ein  Mittel,  Parabeln  zu  zeichnen,  während 
DAL  Monte  nur  von  einer  der  Parabel  und  Hyperbel  ähnlich  sehenden  Linie 
redet;  auch  der  frei  herabhängenden  nur  an  den  beiden  Enden  befestigten 
Kette  wird  bei  gleicher  Gelegenheit  von  Galilei  die  Parabelform  zuge- 
schrieben. 

Versucht  man  ohne  Voreingenommenheit  aus  diesen  späten  Angaben 
Galileis,  der  Äufserung  Oddi' s  und  dem  Inhalt  der  handschriftlichen  Auf- 
zeichnung DAL  Monte's  kombinierend  weiteres  über  einen  Zusammenhang 
zwischen  Galilei^ s  und  dal  Monte's  Forschungen  zur  Wurflehre  zu  ent- 
nehmen, so  ergiebt  sich  mancherlei  mögliche  Deutung,  aber  kein  geschicht- 
licher Aufschlufs.  Giebt  man  Erwägungen  der  Wahrscheinlichkeit  Baum, 
so  ist  es  schwer,  bei  einem  Zusammenwirken  beider  Männer  —  welcher  Art 
es  auch  gewesen  sei  —  die  entscheidende  Anregung  dem  älteren  zuzu- 
schreiben. DAL  Monte's  Verdienste  liegen  auf  anderem  Gebiet;  auf  die 
fragmentarische  Notiz  über  die  Wurflinie  beschränkt  sich,  was  wir  von 
seiner  Beschäftigung  mit  Problemen  der  Bewegungslehre  wissen;  dagegen 
konnte  Galilei,  als  dal  Monte  starb,  auf  beinahe  zwei  Jahrzehnte  unaus- 
gesetzter und  erfolgreichster,  jenen  Problemen  gewidmeter  Forschung  zurück- 


592  Emil  Wohlwill: 

blicken:  wir  müssen  alle  Vorstellungen,  die  über  den  Entwicklungsgang 
seines  Denkens,  zu  denen  die  bekannten  Daten  Veranlassung  geben,  bei 
Seite  schieben,  um  zu  glauben,  dafs  ihm  Betrachtungen  zur  Wurflehre,  wie 
DAL  Monte  sie  niedergeschrieben,  im  Jahre  1606  noch  rationell,  geschweige 
lehrreich  erscheinen  konnten. 

Eine  völlig  entgegengesetzte  Auffassung  der  Sachlage  hat  Gaverki  in 
seiner  „Geschichte"  nicht  etwa  als  die  besser  begründete  und  wahrschem- 
liebere  hingestellt,  sondern  als  die  allein  zulässige  einer  frei  erfundenen 
Darstellung  des  geschichtlich  nicht  zu  ermittelnden  Verlaufs  der  Dinge  zu 
Grunde  gelegt.  Für  ihn  gilt  als  ausgemacht,  dafs  dal  Monte's  Handschrift 
bald  nach  1607,  sei  es  im  Original,  sei  es  in  Abschrift,  Galo^ei  in  die 
Hände  gefallen  ist,  und  dafs  er  darin  alsbald  Sätze  der  Akustik,  der 
Festigkeits-  und  Bewegungslehre  gefunden  hat,  die  er  bei  passender  Gelegen- 
heit sich  zu  eigen  zu  machen  gedachte;  da  er  aber  bei  solchem  Vorgehen 
befürchten  mufste,  von  Leuten,  die  den  Inhalt  der  Handschrift  kennen  ge- 
lernt, zur  Bechenschaft  gezogen  zu  werden,  habe  Galilei  (so  denkt  sich 
Caverni),  um  jedem  Verdacht  zu  begegnen,  die  Erzählung  von  den  gemein- 
sam ausgeführten  Versuchen  verbreitet. 

Es  pafst  zu  dieser  Art,  Geschichte  zu  erfinden,  dals  Caverni  durch 
kleine  Auslassungen  und  Ergänzungen  die  Dokumente  verbessert.  Von 
„einem  Versuch"  (jqualche  espericnza)  hat  Cavalieri  reden  hören,  von  „Ver- 
suchen mit  Kanonen"  läfst  ihn  Caverni  hören;  er  hat  es  dann  um  so  be- 
quemer sie  als  erdichtet  erscheinen  zu  lassen,  denn  von  Versuchen  mit 
Kanonen  hätten  auch  Andere  hören  müssen,  und  doch  „haben  wir  keine 
sichere  Urkunde,  keinerlei  Bericht,  der  dergleichen  auch  nur  andeutete". 

Aber  auch  dal  Moute's  entscheidenden  Text  hat  Caverni  nach  seinen 
Zwecken  korrigiert;  er  hat  die  Worte  et  iperbola  hinter  ^ara5o7a  weggelassen; 
dafs  auf  diese  Weise  das  Stückchen  Wahrheit,  das  in  dal  Monte's  Worten 
gefunden  werden  kann,  um  ein  Erhebliches  vergröfsert  wird,  kann  man  in 
Caverni's  Darstellung  sehen,  nach  der  dal  Monte  seinem  Nachfolger  nicht 
viel  mehr  als  den  Beweis  für  die  erkannte  Wahrheit  zu  liefern  überlassen 
hätte;  um  so  stärker  tritt,  nun  in  jener  früheren  Periode  Galilei's  Be- 
fangenheit hervor,  denn  bei  aller  Neigung  sich  anzueignen,  was  er  Gutes 
in  dem  Nachlafs  des  Freundes  findet,  verschmäht  er  dessen  besten  Teil, 
und  dreifsig  Jahre  vergehen,  bis  er,  zu  besserer  Einsicht  gelangt,  sich  ent- 
schliefst, mit  dem  Übrigen  aus  dal  Monte's  Manuskript  auch  die  Anweisung 
zum  Zeichnen  der  Parabel  in  seine  Dialoge  hinüber  zu  nehmen. 

„Galilei  verschmäht  die  Parabel -Ähnlichkeit",  die  ihm  dal  Monte 
offenbart,  er  „lehnt  sie  entschlossen  ab,  als  der  Freund  sie  ihm  in  den 
Spuren  der  mit  Tinte  gefärbten  Kugel  auf  seiner  geglätteten  Tafel  zeigt"  — 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.  593 

so  kann  man  es  gedmckt  bei  Cayermi  lesen.^^)  Und  doch  existiert  eine 
derartige  abweisende  Äolserang  Oalilei's  in  keinerlei  Form,  weder  in  seinen 
eigenen  Aufzeichnungen  aus  früherer  oder  späterer  Zeit,  noch  in  dem  Be- 
richt eines  Zeitgenossen,  weder  mit  Bezugnahme  auf  dal  Monte's  Worte, 
noch  in  irgend  einem  anderen  Zusanmienhang.  Sie  ist  ein  Produkt  der 
Phantasie  des  Historikers,  der  hier  wie  bei  vielen  anderen  Gelegenheiten  es 
für  überflüssig  findet,  seinen  Leser  darüber  au&uklftren,  dafs  er  in  der  Form 
eines  geschichtlichen  Berichts  nichts  weiter  bringt  als  einen  Bericht  darüber, 
wie  er  sich  den  Verlauf  der  Vorgänge  denkt. 

In  ähnlicher  irreführender  Darstellungsweise  hat  Cayerni  mitgeteilt, 
wie  seines  Erachtens  die  Anregung,  die  Oaulei  aus  dal  Momte's  nach- 
gelassenem Heft  empfangen,  für  seine  Wurflehre  fruchtbar  geworden  ist; 
eingehend  schildert  er,  wie  aus  dal  Monte's  Sätzen  der  Gedankengang  her- 
Yorgewachsen  ist,  der  Galilei  im  Jahre  1609  das  Gesetz  der  gleichen 
Fallzeiten  begreifen  oder  vielmehr  ahnen  lieüs;  denn  der  Tendenz  gemäfs, 
die  Cayerni  bei  dieser  Fiktion  verfolgt,  laust  er  das  (xesetz  nicht,  wie  es 
uns  in  Galilei's  Worten  entgegentritt,  als  eine  notwendige  Folgerung, 
sondern  als  eine  unerweisliche  Vermutung  erscheinen;  nur  so  konnte  das 
Gesetz  der  gleichen  Fallzeiten  in  demselben  Kopfe  Baum  finden,  der  die 
Parabelähnlicbkeit  der  WurfLinie  verwirft,  weil  er  auch  jetzt  noch  an  Tar- 
taglia's  Lehre  festhält 

Cayerni  hat  nicht  übersehen,  dafs  die  wichtigen  Erkenntnisse,  die 
der  Brief  an  den  Prinzen  Medici  enthält,  in  sehr  viel  einfacherer  Weise 
aus  dem  Prinzip  der  Zusammensetzung  der  Bewegungen  abzuleiten  waren; 
er  glaubt  jedoch  beweisen  zu  können,  dafs  Galilei  über  die  „gemischten 
Bewegungen^^  erst  erheblich  später  zur  Klarheit  gekommen  ist;  erst  1624 
im  Brief  an  Ingoli  wiederholt  er  die  Behauptungen  über  die  Unabhängig- 
keit der  Fallzeit  von  der  Wurfweite  mit  dem  Zusatz,  dafs  dies  geometrisch 
zu  erweisen  sei;  eine  ähnliche  Bemerkung  ist  in  dem  Brief  von  Februar 
1609  nicht  zu  finden;  dem  scheint  zu  entsprechen,  dafs  die  Lehre  vom 
indifferenten  Zusammensein  der  ungleichartigen  Bewegungen  im  Brief  an 
Inooli  zum  ersten  Mal  klar  vorgetragen  wird;  in  die  Zeit  kurz  vor  1624 
glaubt  deshalb  Cayerni  die  Entdeckung  des  neuen  Prinzips  verlegen  zu  be- 
dürfen. Der  Brief  an  Inooli  knüpft  die  Erläuterung  über  diesen  Gegen- 
stand an  die  Untersuchung  über  die  Bewegungserscheinungen  auf  bewegter 
Erde;  Cayerni  nimmt  demgemäfs  an,  dafs  die  Beschäftigung  mit  der  co- 
pemicanischen  Lehre  Galilei  zur  Entwicklung  seines  Prinzips  die  Veran- 
lassung gegeben  habe;  das  Bemühen  um  die  Widerlegung  der  physikalischen 


10)  A.  a.  0.  S.  624,  681. 
Abb.  rar  Gktch.  d.  lUth«m.  XZ.  88 


Gegengründe    gegen    die    Erdbewegung   führte  ihn  dazu,  tn  begrcifrii,  da 
oin  falle^ndiT  Kürper,  der  zugleich  die  Bewegung  des  ihn  umgebenden  Bautn 
teilt,  jede  dieser  Bewegungen  in  solcher  Weise  ausführt,  als  oh  die  andsn 
nicht  vorhanden  wtlro;  er  hi-griff,  dafs  deshalb  der  Körper,  der  vom  Maat' 
korb   herabiUUt,  aul"  bewegtem  Schiffe    ganz    ebenso    wie  auf  ruleDdem  i 
Fui'se    des  Mastes   zur  Ruhe  kommt,  und  nun  erst,  meint  Gavkeni,  kottiiQ 
er  auch  als  notwendig  begreifen,  was  er  in  Betreff  der  gleichen  Fallceitd 
im  Jahre   1609  nur  vermutet  hatte. 

So  wahrscheinlich  «s  ist,  dafs  die  intensive  Beschäftigung  mit  de 
Lehre  des  Copbrniouh  in  solchem  Sinne  far  GALiLEr's  allgemeine  Bewegung» 
lehre  fruchtbar  geworden  ist"),  so  befremdend  mufs  für  Jeden,  der  siefc' 
um  seine  wissenschaftliche  Biograpliie  bekümmert  hat,  die  Vorstellung  s 
dafs  dieser  Grundgedanke  dem  Jahre  1624  angehöre,  also  in  den  vorhet». 
gehenden  dreifsig  Jahren  ihm  fremd  geblieben  sei,  während  deren  die  Lein 
von  der  Erdbewegung  und  die  Widerlegung  ihrer  Gegner  für  Galilei  ri 
Hauptgegenstand  des  Nachdenkens  gewesen  ist. 

Es  ist  nicht  nötig,  hier  den  Widereinn  einer  Chronologie  der  Galii.4 
sehen  Entdeckungen  nachauweisen,  die  den  Zeitpunkt  der  erlangter 
Kiusicht  mit  dem  Datum  der  ersten  Veröffentlichung  zusammenfallen  labt,' 
die  also  auch  die  Entdeckung  der  Fallgesetze  etwa  in  sein  65.  Lebensjahr 
verlegen  würde,  wenn  nicht  ein  zufälliger  Weise  erhaltener  Brief  u 
rüber  aufklärte,  dafs  das  wichtigste  dieser  Gesetze  Galilei  im  Jahre  160l 
bekannt  war;  ein  ithulicber  Zufall  gestattet  uns  nachzuweisen,  dafs  G\i.iu 
wenigstens  14  Jahre  vor  dem  Brief  an  Isgoh  die  Bewegungserschei. 
auf  bewegter  Erde  nach  dem  Prinzip  des  indifferenten  Zusammenseins  der 
Bewegungen  gedeutet  hat;  in  seinen  Randglossen  zur  Schrift  des  Lodovici.> 
DELLK  C'oLOMBE  gegen  die  Bew<:gung  der  Erde^'}  sind  die  physikalisch™ 
Argumente  des  Verfassers  gegen  die  Rotationsbewegung  in 
genau  so  beantwoi'tet,  wie  später  im  Brief  an  Ikuoli  und  i 
logen  über  die  beiden  Hauptweltsjsteme".  Colombb's  Schrift  ist  als  1 
widerung  auf  den  A'uhcim*  sidercits  ohne  Zweifel  im  Jahre  1610  entstanden 
und  Galilbi'b  Randglossen  können  nicht  viel  sp&ter  geschrieben  sein;  denn 
sie  enthalten  in  wenigen  andeutenden  Worten  eine  Skizze  der  Kritik,  dü)_ 
Galilei  im  Juli  1611  im  Brief  an  Gallanzoni  ausgeführt  hat.  Will  n 
nun  nicht  nach  Cavkkni's  Vorgang  annehmen,  dafs  etwa  Colombb's  t 
ricbtes  Buch  Galilei  die  erste  Veranlassung  gegeben  hatte,  sieb  mit  Trottj 
Bkahb's  Gegenbeweisen  und  insbesondere  mit  der  ErCrtemng  der  Beweg» 


160*j 

s  der 

avico 
scbra 

s  Br*fl 


11)  Ich  habe  die  gleiche  Auffauung  inS4  eingehend  etürtert, 
la)  Üdüwne  Nationak  111,  p.  361  u.  f. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.  595 

erscheinangen  auf  bewegten  Schüfen  zn  beschäftigen,  sieht  man  yielmehr, 
wie  es  näher  liegt,  die  Antworten,  die  er  dem  Peripatetiker  erteilt,  als 
Früchte  einer  im  wesentlichen  abgeschlossenen  Lehre  an,  so  fällt  auch  der 
Grund  weg,  vorauszusetzen,  dafis  Galilei  im  Jahre  1609  gefehlt  habe, 
w^as  ihm  ein  Jahr  darauf  zu  Gebote  stand,  dafs  also  das  Gesetz  der  gleichen 
Fallzeiten  sich  zu  jener  Zeit  nicht  in  der  oben^')  angedeuteten  Weise  hätte 
finden  und  beweisen  lassen  und  dafs  es  dafiir  einer  Ableitung  aus  dal 
Monte's  Sätzen  bedurft  hätte,  für  die  man  weder  geschichtliche  noch  psycho- 
logische Gründe  anfuhren  kann. 


Der  Erörterung  über  den  Brief  yon  1609  schlieüsen  sich  bei  Cavsrni 
Mitteilungen  Über  ein  bisher  nicht  gedrucktes  Fiugment  an,  das  angeblich 
ungefähr  der  gleichen  Zeit  entstammt.  Das  Galilei  zugeschriebene  Schrift- 
stück enthält  in  einer  Folge  von  Kapitelüberschriften  den  Plan  für  die 
Bearbeitung  artilleristischer  Aufgaben.  Unter  den  14  Kapiteln  sollte  das 
vierte  die  Frage  beantworten:  ob  die  Kugel  sich  in  gerader  Linie  bewegt, 
wenn  sie  nicht  in  senkrechter  Richtung  abgeschossen  wird,  das  fünfte  von 
der  Bahn  handeln,  die  die  abgeschossene  Kugel  beschreibt.  Wären  mit 
den  Überschriften  auch  die  Kapitel  erhalten  und  gehörten  in  Wahrheit  so- 
wohl die  Aufgaben  wie  die  Lösungen  der  Zeit  der  Entstehung  derjenigen 
Wurflehre  an,  von  der  Galilei  dem  Mathematiker  Luca  Yalerio  berichtet, 
so  müfste  in  ihnen  die  Instantia  exclusiva  für  die  Entscheidung  der  hier  er- 
örterten Streitfrage  gegeben  sein.  In  der  That  scheint  ein  Zweifel  darüber, 
dafis  Galilei  zu  jener  Zeit  über  die  Lehre  Tartaglia's  nicht  hinaus  gekommen 
war,  nicht  gestattet,  wenn  man  als  verbürgt  betrachten  darf,  was  Caverni 
von  der  Beantwortung  der  vierten  und  fünften  Frage  berichtet.  „Diese 
beiden  Aufgaben",  schreibt  er,  „wurden  von  Galileo  mit  Tartaglia's  Ar- 
gumenten gelöst.  Was  die  viei-te  betrifit,  so  sieht  man  in  der  That  die 
in  der  zweiten  Voraussetzung  des  zweiten  Buchs  der  ScienOa  nuova  (Tar- 
taqlia's)  angeführte  Betrachtung  in  den  Worten  wiedergegeben,  mit  denen 
SiMPLicio  die  Frage  beantwortet:  Wie  lange  dauert  es  nach  der  Trennung 
von  der  Hand  der  Werfenden,  dafis  der  geworfene  Körper  nach  unten  ab- 
zuweichen beginnt?  „Ich  glaube",  erwidert  er,  „dafs  er  sofort  beginnt,  denn 
da  er  nichts  hat,  was  ihn  stützt,  ist  es  unmöglich,  dafs  die  eigene  Schwere 
nicht  wirkt."  „Hier  wird  also  keine  Antwort  aus  dem  Jahre  1609  mit- 
geteilt, sondern  den  „Dialogen"  der  Aufschlufs  darüber  entnonunen,  wie 
Galilei  im  Jahre  1609  geantwort  haben  wird.  Dabei  bleibt  nur  unbeachtet, 
dafs  Salviati's  an  Sihplicio  gerichtete  Frage  sich  mit  der  Überschrift  des 


13)  S.  S.  682. 

38* 


596  Emil  Wohlwill: 

yierten  Kapitels  keineswegs  deckt  und  dafs  der  Sdcfucio  der  yJ)ialoge*^  nie- 
mals die  Galilei  eigentümlichen  neuen  Gedanken  und  Betrachtungsweisen 
vertritt;  man  darf  also  mit  gutem  Becht  bezweifeln,  dafs  die  angefahrte 
Antwort  dem  vollen  Inhalt  jenes  vierten  Kapitels  entspricht. 

unmittelbar  nach  dem  Zitat  fährt  Caverni  fort:  „In  voller  Überein- 
stimmung mit  diesen  Prinzipien  (Tartaolia's)  löst  Galileo  die  fünfte  der 
vorgelegten  Fragen,  indem  er  sagt,  (dicendo)  daiGs  die  von  der  Kugel  in 
ihrer  Bewegung  beschriebene  Linie  zum  Teil  der  Art  ist,  dafs  man  sie  fär 
eine  gerade  halten  kann,  und  zum  Teil  o£Fenbar  gekrOmmt  und  der  ge- 
krünunte  Teil  wird  ein  Teil  einer  Kreisperipherie  sein,  wie  man  in  Tar- 
taqlia's  Buch  von  der  neuen  Wissenschaft  liest/' 

So  steht  es  wörtlich  auf  Seite  519  des  vierten  Bandes  der  CavernY 
sehen  Geschichte,  freilich  ohne  Anführungszeichen  und  ohne  Angabe  einer 
Quelle,  aber  doch  mit  so  unzweideutiger  Berufung  auf  Galileis  Worte, 
dafs  der  Leser  schon  ein  hartnäckiger  Zweifler  sein  mufs,  um  nicht  za 
glauben,  es  existieren  Bruchstücke  einer  Ausführung  jener  Kapitel  nnd 
diesen  sei  die  den  Streit  entscheidende  Antwort  entnonunen.  und  dennoch 
duldet  die  innere  ünwahrscheinlichkeit  einer  solchen  Lösung  den  Glaaben 
nicht ! 

Die  im  Jahre  1898  erfolgte  Veröffentlichung  des  8.  Bandes  der  Edi- 
zione  Nazionale  der  Werke  Galilei's  und  in  diesem  der  sämtlichen  bisher 
nicht  gedruckten  handschriftlich  erhaltenen  Fragmente  zur  Bewegxmgslehre 
beseitigt  jede  Unklarheit.  Das  von  Caverni  besprochene  Fragment  findet 
sich  auf  S.  424.  Es^  enthält,  wie  CAVERNfs  Abdruck,  die  14  Kapitelüber- 
schriften, aber  keine  weitere  Angabe  über  die  Ausführung;  es  findet  sich 
kein  zweites  Fragment,  das  über  den  Inhalt  der  Kapitel  Aufschluß  gftbe, 
geschweige  Caverni^s  Aufschlufs  bestätigte.  Es  unterliegt  also  keinem 
Zweifel,  dals  unter  den  Handschriften  der  Biblioteca  nazionale  in  Florenz 
eine  handschriftliche  Aufzeichnung,  der  die  Lösung  der  fünften  Frage  zn 
entnehmen  wäre,  nicht  erhalten  ist.  Auch  hier  hat  demnach  Caybrni  in 
dem,  was  er  Galilei  sagen  läfst,  nur  nochmals  die  eigene  Meinung  zum 
Ausdruck  gebracht.     Solche  Beweisführung  bedarf  keines  Kommentars. 

m. 

Cavebni's  Versuch  zu  beweisen,  dafs  Galilei  in  der  Periode  seiner 
gröfsten  Forschungen  und  noch  darüber  hinaus  in  der  Wurflehre  an  der 
rohen  Vorstellung  seines  Vorgängers  festgehalten,  mit  ihm  auf  jede  mecha« 
nische  Begründung  dieser  Vorstellung  verzichtet  hat,  ist  mifslungen;  die 
einzige  in  Wahrheit  aus  diesem  Zeitraum  erhaltene  Äufserung  ist  mit  der 
Vorstellung,  dafs  die  Wurf  lehre  von  16u9  im  wesentlichen  die  des  vierten 


Die  Entdeckaog  der  Parabelform  der  Wurf  linie.  597 

T*ages  der  Discorsi  gewesen  sei,  einfach  vereinbar.  Es  mag  hier  nachträg- 
lich bemerkt  sein,  dafs  auch  die  dem  Brief  an  den  Prinzen  Medici  bei- 
g^efügte  Originalzeichnung  der  Vorstellung  widerspricht,  dafs  Galilei  im 
Februar  1609  noch  an  eine  Kreisbahn  der  geworfenen  Körper  geglaubt 
habe.  Diese  Zeichnung  ist  in  Alberi^s  Ausgabe  ^^)  ziemlich  gut  nach- 
gebildet. Herr  Professor  Favaro  hat  die  grofse  Liebenswürdigkeit  gehabt, 
mir  für  den  Zweck  dieser  Veröffentlichung  ein  von  ihm  selbst  in  Florenz 
g^enommenes  Facsimile  zur  Verfügung  zu  stellen.  Der  beistehende  Abdruck 
w^ird  deutlich  genug  erkennen  lassen,  dals,  wenn  je  zuvor  Tartaglia's  Bild 
der  Wurf  linie  für  Galilei  etwas  Verführerisches  gehabt  hat,  dies  im  Früh- 
jabr  1609  nicht  mehr  der  Fall  gewesen  ist. 


Es  bleibt  zu  untersuchen,  in  wiefern  ein  Beweis  im  entgegengesetzten 
Sinne  den  späteren  ÄuTserungen  zu  entnehmen  ist,  in  denen  Galilei  den 
auf  rotierender  Erde  fallenden  Stein  einen  Kreisbogen  beschreiben  läfst. 
Cayebmi  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  mit  dem,  was  in  dieser  Be- 
ziehung die  „Dialoge^^  yon  1632  ausführen,  der  8  Jahre  früher  geschriebene 
Brief  an  Ingoli  übereinstimmt.  „Der  Stein  im  Mastkorb'^  heilst  es  hier, 
„bewegt  sich,  wenn  das  Schiff  im  Fahren  begriffen  ist,  mit  dem  gleichen 
Antrieb  wie  das  Schiff,  und  dieser  Antrieb  geht  nicht  verloren,  weil  der- 
jenige, der  den  Stein  festhielt,  die  Hand  öffiiete  und  ihn  fallen  liefs,  son- 
dern erhftlt  sich  unzerstörbar  in  ihm,  so  dafs  er  vermittelst  dieses  Antriebs 
imstande  ist,  dem  Schiffe  zu  folgen;  durch  die  eigene  Schwere  aber,  die 
von  jenem  nicht  behindert  wird,  bewegt  er  sich  abw&rts,  indem  er  aus 
beiden  eine  einzige  ^^)  Bewegung  (und  vielleicht  auch  eine  kreisförmige) 
zusammensetzt,  die  in  die  Quere  geht  und  nach  der  Richtung  geneigt  ist, 
in  der  das  Schiff  sich  bewegt*®)." 


14)  Vergl.  Opere  di  6.  Galilei  ed.  Eugenio  Albebi  Bd.  VI,  Tav.  II,  Fig.  1. 

15)  Albbri's  Ausgabe  liest  hier  unverständlich  un  hei  moto;  die  Edizione 
nationale,  in  deren  Band  VI  der  Brief  an  Inooli  zum  ersten  Male  in  korrektem 
Text  abgedruckt  ist»  hat  un  solo  moto. 

16)  Ed.  naziondle  YI,  p.  546. 


598  Emil  Wohlwill: 

0£Fenbar  wird  durch  den  Ausdruck  et  forsc  anco  circolare  wenigsteos 
als  möglich  bezeichnet,  was  die  „Dialoge"  eingehender  erGrtem;  man  wird 
jedoch  diese  Übereinstimmung  nicht  so  auffassen  dürfen,  als  ob  hier  zwei 
voneinander  unabhängige,  durch  eine  Reihe  von  Jahren  getarennte  Kund- 
gebungen vorliegen,  die  f&r  ein  Festhalten  der  gleichen  Meinung  w&brecd 
eines  längeren  Zeitraumes  zeugen.  Die  Ausarbeitung  der  „Dialoge^'  ist 
nach  Galileis  Aussage  vor  der  Inquisition  10  bis  12  Jahre  vor  dem 
April  1633,  also  zwischen  1621  und  1623  in  Angriff  genommen,  der  Brief 
an  Ingoli  ist  im  Herbst  1624  begonnen  und  vollendet;  er  ist  also  ge- 
schrieben, nachdem  ein  Teil  der  behandelten  Gegenstände  bereits  f&r  die 
„Dialoge'^  bearbeitet  war;  eine  nahezu  gleichzeitige  Entstehung  der  in 
beiden  Schriften  enthaltenen  Erörterungen  über  die  vermeintlichen  Beweise 
gegen  die  tägliche  Bewegung  der  Erde  ist  daher  vorzugsweise  wahrschein- 
lich; dem  entspricht,  dafs  gerade  in  diesen  Abschnitten  beider  Bchriften 
vielfach  ähnliche,  ja  bis  auf  den  Wortlaut  Übereinstimmende  Ausführungen 
gefunden  werden  ^^).  So  ist  auch  in  den  Worten  „vielleicht  auch  kreis- 
förmig^' nur  in  gewissermafsen  verdichtetem  Ausdruck  wiederholt,  was  in 
den  „Dialogen^'  umständlich  teils  gesagt,  teils  umschrieben  wird.  Es  wird 
also  genügen,  auf  die  entscheidende  Stelle  der  letzteren  näher  einzugeben, 
um  zugleich  zu  erläutern,  was  die  Äufserung  des  Briefes  an  Ingoli  be- 
deutet. 

Die  Erörterung  der  „Dialoge"^)  mufs  den  aufmerksamen  Leser  dorch 
einen  gleich  in  den  ersten  Sätzen  enthaltenen  Widerspruch  befremden.  Klar 
und  bestimmt  vrird  von  Salviati  auseinandergesetzt,  wie  man  konstruie- 
rend verfahren  muls,  um  die  Beschaffenheit  der  Linie  zu  finden,  die  dej 
fallende  und  zugleich  an  der  Rotation  der  Erde  teilnehmende  Stein  be- 
schreibt; mit  besonderem  Nachdruck  wird  hervorgehoben,  dais  för  den 
Zweck  dieser  Konstruktion  es  nicht  genüge  zu  wissen,  dafs  die  Bewegung 
des  fallenden  Körpers  eine  beschleunigte,  auch  nicht  dafs  die  Beschleunigung 
eine  fortwährende  sei,  sondern  vielmehr  gewofst  werden  müsse,  nach 
welchem  Verhältnis  die  Beschleunigung  des  fallenden  Körpers  erfolgt;  anf 
Sagrbdo's  Befragen  erklärt  dann  Salviati,  dafs  der  gemeinsame  akademische 
Freund  (Galilei)  dies  Verhältnis  entdeckt  habe,  doch  würde  es  eine  zu 
grofse  Abschweifung  erfordern,  wenn  er  darauf  bei  dieser  Gelegenheit  ein- 
gehen wollte.  So  wird  die  Erörterung  über  das  Verhältnis  der  Beschleuni- 
gung mit  anderen  Dingen  für  eine   spätere  Zusammenkunft  aufbewahrt  ^^j, 


17)  Vergl.  Dialog  über  die  beiden  hauptsächlichaten  Weltsysteme.   Obersetzt 
und  erläutert  von  £.  Stbauss.    Leipzig  1891.    XLIV  u.  f. 

18)  Ed.  nazionale  VII,  p.  186  u.  f.  19)  Ebenda  p.  190. 


Die  Entdecktmg  der  Parabelform  der  Warflinie.  599 

es   kommt  also  das,  was  soeben  als  für  die  Aasfohrong  der  Konstraktion, 
d.  h.  f&r  die  Lösung  der  Aufgabe  unerläfslich  bezeichnet  worden,  thatsäch- 
lieh  nicht  zur  Sprache,  man  erf&hrt  nichts  über  das  von  dem  akademischen 
Freund  entdeckte  Gesetz,   und  trotzdem  wird  die  Konstruktion  in  Angriff 
genommen.     Dafür  scheint  es  nun  plötzlich  genügend  zu  wissen,  dafs  die 
Zunahme   der    Geschwindigkeit   eine   kontinuierliche   ist   und    dalis   infolge 
dessen  der  fallende  Körper  von  der  Buhelage  bis  zu  irgend  einer  bestinunten 
Geschwindigkeit  alle  dazwischen  liegenden  Grade  der  Langsamkeit  durch- 
laufe;  es  wird  gezeigt,  dais  infolge  dessen  die  Bahn  des   fallenden  Steins 
sich    von    der   parallel  der   Erdoberfläche    gezogenen   Kreislinie   in   um    so 
stärkerem  Verhältnis  entfernen  mufs,  je  weiter  der  fallende  Körper  in  dieser 
Resultierenden   fortschreitet.     Dadurch    und  durch  die   weitere  Forderung, 
dafs  die  Linie  der  aus  Erdrotation  und  vertikalem  Fall  zusammengesetzten 
Bewegung  im  Mittelpunkt  der  Erde  endigen  muTs,  erscheint  die  Beschaffen- 
heit dieser  Linie  bestimmt.     Dais  sie  das  in  Wirklichkeit  nicht  ist,  geht 
aus  Sajlviati's  einleitender  Überlegung  unmittelbar  hervor;  denn  das  Maljs 
der   zunehmenden  Abweichung  von   deijenigen  Ejeislinie,   die  der  Stein  in 
der  Buhelage  beschreiben  würde,   wird  nicht  bestimmt,  und  kann  mit  den 
gegebenen  Voraussetzungen    nicht   bestimmt   werden.     Nicht  als   erwiesen, 
sondern  nur  als   sehr  wahrscheinlich  wird  daher  hingestellt,  daüis  die  ge- 
suchte, auf  der  Höhe  des  Turmes  beginnende  und  im  Mittelpunkt  der  Erde 
endigende  Linie  eine  Kreislinie  ist;  bewiesen  wird  nur,  dais,  wenn  dies  der 
Fall  wäre,  sich  drei  merkwürdige  Konsequenzen  ergeben  müMen:  die  wirk- 
liche Bewegung  des  fallenden  Körpers,  der  an  der  Bewegung  der  Erde  teil- 
nimmt, ist  als  einfache  Kreisbewegung  eine  Bewegung  genau  derselben  Art 
wie  die  des  auf  dem  Turme  ruhenden,  er  bewegt  sich  weder  mehr  noch 
weniger,  als  wenn  er  fortwährend  auf  dem  Turme  geblieben  wäre,  denn  die 
Bogen,  die  er  in  letzterem  Falle  durchlaufen  haben  würde,  sind  genau  den- 
jenigen gleich,  die  er  als  fallender  Körper  durchläuft,  und  daraus  folgt  als 
drittes  Wunder:  die  wahre  und  wirkliche  Bewegung  des  Steins  wird  über- 
haupt nicht  beschleunigt,  sie  ist  vielmehr  immer  gleichmäüsig  und  einförmig, 
weil  alle  gleichen  Bögen  beider  Peripherien  in  gleichen  Zeiten  durchlaufen 
werden. 

Nachdem  Salviati  diese  Sätze  geometrisch  abgeleitet,  erinnert  er 
nochmals  daran,  dais  der  Wert  dieses  Beweises  von  der  Wahrheit  seiner 
unerwiesenen  Voraussetzung  abhängt;  das  ist  offenbar  der  Sinn  seines  Schiulis- 
worts: „dafs  aber  die  Sache  in  Bezug  auf  die  Bewegung  der  fallenden 
Körper  sich  genau  so  verhält,  will  ich  für  jetzt  nicht  behaupten  [hier  hat 
man  das  forse  circolare  des  Briefs  an  Ingoli];  wohl  aber  sage  ich,  dais, 
wenn    die    von   dem  fallenden  Körper  beschriebene  Linie  nicht  genau  diese 


600  Emil  Wohlwill: 

ist,  sie  ihr  doch  auTserordentlich  nahe  kommt".  Saqredo  aber  überhört 
den  Vorbehalt  nnd  zieht  mit  besonderer  Genugthaang  aus  dem  Gesagten 
den  Schlafs,  dafs  infolge  der  Bewegung  der  Erde  es  in  der  Natur  über- 
haupt keine  geradlinige  Bewegung  mehr  giebt,  und  dafs  nun  selbst  die- 
jenige Funktion,  die  der  geradlinigen  Bewegung  bisher  zugestanden  war, 
die  Zurückführung  der  getrennten  Teile  zu  dem  Ganzen,  dem  sie  ange- 
hören, auf  die  Kreisbewegung  übertragen  wird. 

Zieht  man  in  Betracht,  dafs  demnach  für  die  Zusammensetzung  der 
beiden  Bewegungen  das  wichtigste  Erfordernis,  die  Kenntnis  der  Fall- 
beschleunigung, absichtlich  unbenutzt  bleibt  und  dalis  daher  auch  auf  eine 
Untersuchung  darüber  von  vornherein  verzichtet  wird,  ob  die  vermutete 
Kreisform  der  Resultierenden  mit  dem  Gesetz  der  ungeraden  Zahlen  im 
Einklang  ist^),  so  wird  man  die  gegebene  Lösung,  die  in  Wahrheit  die 
Umgehung  einer  Lösung  ist,  kaum  als  eine  ernsthafte  ansehen  können. 
Als  eine  Fiktion  hat  Galilei  selbst  sie  bezeichnet.  Als  Pierre  Carcavy 
ihm  im  Jahre  1637  die  Bedenken  eines  Freundes  gegen  die  Scheinkon- 
struktion der  „Dialoge"  mitgeteilt  hatte,  erwiderte  Galilei:  „dafs  durch 
Mischung  der  geradlinigen  Bewegung  des  fallenden  Körpers  mit  der  gleich- 
förmig kreisförmigen  der  täglichen  Bewegung  ein  Halbkreis  erhalten  werde, 
der  im  Mittelpunkt  der  Erde  endigt,  wurde  scherzweise  gesagt,  wie  dies 
offenbar  daraus  hervorgeht,  dafs  es  als  eine  Grille  und  ein  wunderlicher 
Einfall  (un  Capriccio  e  una  bizzarrid)  bezeichnet  wird,  das  will  sagen  jocu- 
Inris  quaedam  audacia.  Ich  wünsche  deshalb,  dafs  mir  in  dieser  Beziehung 
Dispens  erteilt  wird,  umsomehr  als  diese  —  wie  ich  sagen  darf  —  poetische 
Fiktion  zu  jenen  drei  unerwarteten  Konsequenzen  führt". 

Dieser  Erklärung  fügt  Galilei  in  seinem  Brief  vom  5.  Juni  1637 
die  weitere  hinzu:  dafs  bei  Beschränkung  auf  denjenigen  Teil  der  be- 
schriebenen Kurve,  der  über  der  Oberfläche  der  Erde  liegt,  er  kein  Be- 
denken trage,  sie  als  eine  parabolische  Linie  zu  bezeichnen,  da  er  behaupte, 
dafs  es  solche  Linien  seien,  die  von  den  geworfenen  Körpern  beschrieben 
werden. 

Nach  Caverni  führt  hier  Galilei  nachträglich  unehrlicher  Weise  als 
eigenen  Gedanken  ein,  was  er  inzwischen  von  Cavalieri  gelernt  hat.  Man 
kann  diese  Deutung  in  voller  Überzeugung  zurückweisen  und  doch  die  Frage 
nicht  unterdrücken :  wenn  Galilei  das  wufste,  als  er  seine  Kreislinie  erdichtete, 
warum  hat  er  im  „Dialog"  die  ernste  Wahrheit  verschwiegen,  die  doch 
sicher  nicht  weniger  int^jressant  war  als  seine  poetische  Fiktion? 


20)  Strai'ss   (,,Dialog^*  S.  526)   hat  sich  der  Muhe  unterzogen,  geometrisch 
nachzuweisen,  dafs  dies  nicht  der  Fall  ist. 


Die  Entdeckung  der  Farabelform  der  Wurf  linie.  601 

Auch  dafür  ist  die  Antwort  mit  ziemlicher  Sicherheit  Galileis  eigenen 
^Worten  zu  entnehmen.  Seine  „Dialoge  über  die  beiden.  Weltsysteme*'  sind 
nachweislich  während  eines  längeren  Zeitraums  entstanden  und  im  Verlauf 
dieser  Zeit  hat  er  den  Plan  fOr  die  Anordnung  seines  Werks  mehrfach 
geändert  Die  hier  in  Betracht  konmiende  Stelle  beweist,  dafs  Gajüilei, 
als  er  sie  schrieb,  die  Absicht  hatte,  die  wichtigsten  zur  Bewegungslehre 
gehörigen  Ausführungen  in  einem  besonderen  Werk  zu  yeröffentlichen  und 
in  die  vorher  zu  vollendenden  „Dialoge  über  die  Weltsysteme"  aus  dem 
gleichen  Gebiet  nur  soviel  aufzunehmen,  als  zum  Verständnis  unerläTslich 
war.  Auf  den  „Traktat  von  der  Bewegung"  wird  deshalb  der  wifsbegierige 
Sagredo  verwiesen,  als  er  näheres  über  das  Gesetz  der  Fallränme  zu  er- 
fahren wünscht.  Denkt  man  sich  den  hier  als  bereits  abgeschlossene  Schrift 
erwähnten  Traktat  als  identisch  oder  doch  dem  Hauptinhalte  nach  über- 
einstimmend mit  den  lateinisch  geschriebenen  Abschnitten  der  Discorsi  von 
1638,  so  machen  schon  die  bekannten  einleitenden  Worte  dieses  Textes 
verständlich,  dals  von  den  „Dialogen  über  die  Weltsysteme"  nach  dem  ur- 
sprünglichen Plane  eine  Eröii;erung  sowohl  über  das  Fallgesetz  wie  über 
die  Wurflinie  ausgeschlossen  blieb;  denn  das  Gesetz  der  ungeraden  Zahlen 
und  die  Parabelform  der  Wurflinie  werden  in  diesen  Worten  unter  allen 
übrigen  neuen  Erkenntnissen  Galilei's  mit  höchstem  Nachdruck  als  Wahr- 
heiten hervorgehoben,  „von  denen  bis  dahin  Niemand  gewulst  habe".  War 
Galilei  gesonnen,  ein  zweites  Werk  mit  solcher  Einführung  an  die  Öffentlich- 
keit zu  bringen,  so  konnte  er  nicht  die  Lehren,  die  dort  als  völlig  neue 
dargeboten  werden,  in  einem  anderen  Buche  im  Voraus  gelegentlich  zur 
Sprache  bringen  wollen.  Und  daraus  ergab  sich  ohne  weiteres,  dafs  er 
auch  auf  eine  klare  und  korrekte  Ausfährung  der  hier  besprochenen  Kon- 
struktion verzichten  mufste. 

Es  liegt  nahe,  gegen  diese  AufPassung  geltend  zu  machen,  dafs  trotz 
des  anfänglich  ausgesprochenen  Verzichts  die  „Dialoge  über  die  beiden 
Weltsysteme"  an  späterer  Stelle  nicht  nur  eine  Ableitung  der  Fallgesetze, 
sondern  auch  umständliche  Ausführungen  über  zahlreiche  andere  Probleme 
der  Bewegungslehre  enthalten;  die  nähere  Prüfung  ergiebt  jedoch,  dafs 
man  es  hier  nicht  mit  ursprünglich  beabsichtig^ten  Ergänzungen,  sondern 
mit  Einschaltungen  zu  thun  hat,  die  mit  dem  ersten  Plan  des  Werks  in 
unverhülltem  Widerspruche  stehen.  Nachdem  im  „zweiten  Tag"  der  „Dia- 
loge" die  Einwendungen  gegen  die  tägliche  Bewegung  der  Erde  gründlich 
durchgenonmien  sind  und  bereits  der  Übergang  zur  jährlichen  Bewegung 
vorbereitet  ist,  kehrt  der  Dialog  noch  einmal  in  ziemlich  weitläufigen  Er- 
örterungen zu  den  soeben  behandelten  Gegenständen  zurück.  Dieselben 
knüpfen   sich  an  eine  überaus  scharfe  Zergliederung   der  schon   1615   er- 


602  Emil  Wohlwill: 

schienenen  Disquisitioncs  matheniaticae  Christoph  Schbiner' s,  aber  ohne  Zweifel 
war  es  nicht  diese  dürftige  Schrift  und  der  Wunsch,  sie  nicht  unwiderlegt 
zu  lassen,  was  Galilei  veranlafste,  auf  die  bereits  erledigten  Beweisgründe 
nochmals  einzugehen,  sondern  die  heftigen  Angriffe  Scheiner's  in  der  erst 
1631  veröffentlichten  Bosa  Ursina.  Den  erbitterten  Gegner  als  Ignoranten 
erscheinen  zu  lassen,  ist  der  offenkundige  Zweck  der  Einschaltung.  Scheiner 
selbst  hat  den  Verdacht  ausgesprochen,  dafs  Galilei  die  gegen  ihn  gerichtete 
Kritik  unter  Umgehung  der  Zensur  in  das  dmckfertige  Manuskript  auf- 
genommen habe.  Jedenfalls  werden  nicht  leicht  in  anderer  Weise  als  durch 
die  Annahme  einer  Entstehung  der  Einschaltung  längere  Zeit  nach  der 
Vollendung  der  ersten  Bedaktion  des  zweiten  Tages  die  yielfachen  Wieder- 
holungen und  die  Widersprüche  im  letzten  Dritteil  eben  dieses  „Tages^ 
verständlich. 

Um  Scheiner  blofszustellen,  bot  neben  vielen  anderen  Schwächen  der 
„Disquisitiones"  die  Berechnung  der  Fallzeit  eines  Steins,  der  vom  Monde 
zur  Erde  gelangt,  einen  willkonunenen  Stoff;  hier  kam  es  nun  darauf  an, 
der  völlig  verfehlten  die  richtige  Rechnung  gegenüber  zu  stellen'^),  zu 
diesem  Zwecke  fügt  Galilei  eine  Ableitung  der  Gesetze  des  freien  Falls 
und  verwandter  Teile  seiner  Bewegungslehre  ein.  Er  hat  es  nicht  für  nötig 
gehalten  oder  nicht  daran  gedacht,  diese  an  späterer  Stelle  gegebene  Ab- 
leitung mit  der  vorhergehenden  Erklärung  in  Einklang  zu  bringen,  nach 
der  er  zwar  die  Gesetze  kennt,  aber  sie  nicht  in  einer  Einschaltung  zur 
Sprache  bringen  will;  und  darum  liegt  auch  für  uns  kein  Grund  vor,  auf 
die  nachträgliche  Einschaltung  der  Fallgesetze  Bücksicht  zu  nehmen,  wo 
es  darauf  ankommt,  zu  begreifen,  weshalb  an  jener  früheren  Stelle  statt 
einer  richtigen  Ableitung  der  Form  der  Wurf  linie  ein  geometrischer  „Scherz^' 
zu  finden  ist. 

Für  die  ernsten  Menschen  —  auch  Herr  Cavbrni  gehört  zu  ihnen  — , 
die  es  unerträglich  finden,  Probleme  der  Wissenschaft  in  solcher  Weise 
leicht  genommen  zu  sehen,  noch  ein  kurzes  Wort.  Man  mag  von  einem 
höheren  Standpunkt  aus  dem  grofsen  Manne  zürnen,  dafs  er  in  geistreichem 
Spiel  sich  ergeht,  wo  er  nicht  nach  bestem  Wissen  reden  will;  wer  aber 
Geschichte  studiert,  um  Menschen  und  Vorgänge  zu  begreifen,  wird  wenigstens 
anerkennen  müssen,  dafs  die  Freude  am  Geistreichen  in  Wort  und  Sinn 
ein  wesentlicher  Bestandtheil  GALiLEi'scher  Geistesart  ist  und  dafs  die  Aus- 
führungen über  die  Kreisbahn  fallender  Körper  dieser  Geistesart  entsprechen, 
(ieistesspiele  verwandter  Art,  in  ähnlicher  Weise  „ergötzlich"  zu  lesen,  aber 


21)  Auf  den  Wert  dieser  Rechnung  kommt  es  hier  nicht  an.    Man  vergleiche 
über  dieselbe  E.  Stbauss  a.  a.  0.  S.  633 — 34. 


Die  Entdeckung  der  Farabe]farm  der  Wurflinie.  603 

^wertlos  fxir  die  Wissenschaft  bieten  seine  Hypothesen  über  den  Ursprung 
<ler  verschiedenen  Geschwindigkeiten  der  Planeten  wie  über  die  Entstehung 
^er  Fallbeschleunigung    durch    das  Zusammenwirken    der   unveränderlichen 
Schwere  mit  der  allmählich    abnehmenden  vis    impressa.     Wie  für  diesen 
letzteren  Fall    aus   den  Schriften  jüngerer  Jahre   streng  nachzuweisen  ist, 
^bringt  er  vielleicht  auch  in  den  beiden  andern  Gedankengänge  einer  längst 
vergangenen  Periode,   die  ihm  nicht  minder  interessant  erscheinen,    weil  er 
um  besserer  Einsicht  willen  darauf  verzichtet  hat,  sie  als   richtig  zu  be- 
trachten.     So    scheint   er   noch   im  Brief  an    Carcavy    eine    ausreichende 
Rechtfertigung  seiner  falschen  Annahme  darin   zu  sehen,   daüs   dieselbe  so 
völlig  überraschende  Eonsequenzen  ergiebt.     Wer  weiter   verfolgen  will,  in 
welchem  Mafse  für  Galilei  der  geistreiche  Einfall  verführerisch   und  — 
wenn  man  will  —   gefährlich  werden  konnte,    dem    mag  ein  gründliches 
Studium    des    Briefs    an     die    Grofsherzogin    Chbistina    von    Lothringen 
empfohlen  sein. 


IV. 

Nichts  weiter  können  und  wollen  die  vorstehenden  Ausführungen  glaub- 
lich machen,  als  dafs  Galilei  so,  wie  er  es  in  den  Dialogen  von  1632 
gethan  hat,  über  die  Bahn  des  fallenden  Körpers  spekulieren  und  doch  zur 
selben  Zeit  von  der  Parabelform  der  Wurflinie  überzeugt  sein  konnte;  wer 
dem  Gesagten  auch  nur  den  Wert  einer  zulässigen  Vorstellung  von  der 
Entstehung  der  Episode  der  „Dialoge"  zugesteht,  hat  eben  dadurch  ein- 
gei^umt,  dafs  aus  den  dort  vorgetragenen  Betrachtungen  ein  Schlufs  auf 
den  Inhalt  der  Wurflehre  von  1609  nicht  gezogen  werden  kann. 

Aber  Erwägungen  dieser  Art  lagen  den  ersten  begeisterten  Lesern  der 
„Dialoge"  fem;  geschichtliche  Betrachtungen  über  die  Entstehung  des 
Buches,  über  das  Verhältnis  des  Autors  zu  seinem  Werk,  über  die  Veran- 
lassungen, die  ihn  bestimmten,  Einzelheiten  weitläufig  zu  erörtern,  andere 
mit  Stillschweigen  zu  übergehen,  kurz  alles  was  für  uns,  die  das  Buch  ge- 
schichtlich verstehen  wollen,  von  besonderem  Interesse  ist,  trat  naturgemäfs 
für  diejenigen  zurück,  denen  aus  jeder  Seite  neue  Wahrheiten,  neue  Auf- 
schlüsse über  halb  Begriffenes  oder  Unverstandenes  entgegentraten;  so  ist 
kaum  zweifelhaft,  dafs  auch  die  merkwürdige  Konstruktion  des  zweiten 
„Tages"  damals  als  eine  ernstgemeinte  Lehre  des  Meisters  aufgefafst  und 
bewundert  wurde;  aber  ebensowenig  darf  es  uns  überraschen,  wenn  Gelehrte 
wie  Cabcavv  und  sein  Freund,  deren  kritischen  Sinn  Galilei's  Ausführung 
unbefriedigt  liefs,  ihre  Bedenken  äufsem,  ohne  irgendwie  zu  beachten,  was 
er  gewissermafsen  in  die  Stelle  „hineingeheimnist"  hat. 


604  Emil  Wohlwill: 

Es  ist  schon  oben  auf  die  —  zuerst  von  Cavbrni  hervorgehobene  — 
Stelle  des  Speech io  ustorio  hingewiesen,  die  es  sehr  wahrscheinlich  macht, 
dafs  auch  Cayalibri  in  den  Ausführungen  der  „Dialoge^'  Galilbi's  wahre 
Meinung  über  die  Natur  der  Wurflinie  zu  lesen  geglaubt  hat.  um  nun 
zu  ermessen,  inwiefern  eine  solche  Vorstellung  des  hochbegabten  Schülers 
weitere  Schlüsse  auf  Galilei^s  Wissen  im  Jahre  1632  gestattet,  wird  man 
zunächst  genauer  zu  prüfen  haben,  was  auf  Cavalieri's  Ankündigung  seines 
Speeehw  Galilei  erwidert  und  was  Cavalieri  selbst  auf  diese  Erwiderung 
geantwortet  hat. 

Auf  Cavalieri's  früher  angeführte  Mitteilung  vom  31.  August  ant- 
wortete Galilbi  am  11.  September  1632  nicht  ihm  persönlich,  sondern 
dem  gemeinsamen,  wie  Cavaligui  in  Bologna  ansässigen  Freunde  Cesare 
Marsigli**). 

„Ich  habe  Briefe  vom  Pater  Pra  Büona Ventura  (Cavalieri)  mit  der 
Nachricht,  dafs  er  kürzlich  eine  Abhandlung  über  den  Brennspiegel  drucken 
lassen,  in  der  er,  wie  er  sagt,  bei  gegebener  Gelegenheit  den  Satz  und  den 
Beweis  von  der  Bahn  der  geworfenen  Körper  eingefügt  hat,  in  dem  er  dar- 
thut,  dafs  dieselbe  eine  parabolische  Linie  ist.  Ich  kann  Euch,  verehrter 
Herr,  nicht  verhehlen,  dafs  diese  Nachricht  mir  eine  wenig  erfreuliche  ge- 
wesen ist;  denn  ich  sehe,  wie  von  einem  mehr  als  vierzigjährigen  Studium, 
von  dem  ich  einen  guten  Teil  in  vollem  Vertrauen  dem  Pater  mitgeteilt, 
mir  nunmehr  die  Erstlingsfrüchte  genommen  und  dem  Buhm,  den  ich  mir 
von  so  langen  Mühen  versprach,  die  Blüte  gebrochen  werden  soll;  denn  in 
Wahrheit  war  das  erste,  was  mich  veranlafst  hat,  über  die  Bewegung  nach- 
zudenken, das  Bestreben,  diese  Linie  zu  finden;  ist  sie  einmal  gefunden,  so 
ist  auch  der  Beweis  dafür  nicht  allzu  schwer;  ich  aber,  der  sie  bewiesen, 
weifs,  wie  viel  Mühe  ich  gehabt  die  These  selbst  zu  finden;  und  wenn  der 
Pater  Fra  Buonavbntura  mir  vor  der  Veröffentlichung  seine  Absicht  mit- 
geteilt hätte  (wie  es  vielleicht  die  Höflichkeit  erforderte),  so  würde  ich  ihn 
so  sehr  gebeten  haben,  dafs  er  mir  erlaubt  hätte,  zuvor  mein  Buch  drucken 
zu  lassen,  und  dann  hätte  er  soviel  Entdeckungen  hinzufügen  können,  wie 
ihm  beliebte.  Ich  werde  abwarten  und  sehen,  was  er  vorbringt;  aber  etwas 
Greises  raüfste  es  sicherlich  sein,  um  meinen  Unwillen  zu  beschwichtigen 
und  mit  dem  meiuigen  den  der  Freunde  alle,  die  davon  gehört  und  die  zu 
gröf serer  Kränkung  noch  mir  mein  allzu  grofses  Vertrauen  zum  Vorwurf 
machen.  Mein  Stern  bringt  es  mit  sich,  dafs  ich  um  das,  was  mein  ist 
kämpfen  und  auch  dabei  noch  verlieren  mufs." 


22)  Vergl.  Galilbi,  Opere  ed,  Albbbi  VU  p.  6. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.  605 

Auf  diesen  Brief  antworteten   am   selben  Tage  (21.  September  1632) 
Marsigli  und  Cayalieri^^).     Der  Letztere  schreibt: 

,,Der  Kummer,  den  Ihr  nach  der  Mitteilung  des  Herrn  Cbsarb  Marsigli 
darüber  empfunden,  dafs  ich  in  meinem  Specchio  Ustorio  die  parabolische 
Linie  berührt,  die  von  den  geworfenen  Körpern  beschrieben  wird,  ist  sicher- 
lich nicht  so  grofs  gewesen  wie  der  meine,  als  ich  vernahm,  dafs  Euch  ge- 
kränkt hat,  was  ich  mehr  aus  allzu  groiser  Ehrfurcht  als  aus  anderem 
Gnmde  unterlassen.  Was  ich  von  der  Bewegung  gesagt,  habe  ich  als  Euer 
und  des  Pater  Benedetto  Schüler  gesagt,  und  das  erkläre  ich  feierlich 
(wie  Ihr  aus  den  beiliegenden  Bogen  sehen  könnt),  da  ich  von  Euch,  ich 
kann  sagen,  das  Wenige,  das  ich  weifs,  gelernt  habe.  Wahr  ist,  dafs  Ihr 
Yielleicht  sagen  werdet,  ich  hätte  etwas  deutlicher  aussprechen  sollen,  dafs 
der  Gedanke  der  parabolischen  Linie  von  Euch,  verehrter  Herr,  herrührt; 
aber  wisset,  daüs  die  Besorgnis,  vielleicht  nicht  vollständig  mit  Eurer  These 
übereinzustimmen,  bewirkt  hat,  dafs  ich  nicht  in  bestimmten  Worten  Euch 
zuzuschreiben  wagte,  was  Ihr  als  nicht  das  Eure  hättet  zurückweisen  müssen. 
Diese  Besorgnis  bewirkte,  sage  ich,  dafs  ich  mich  auf  die  allgemeinen  auf 
Seite  152  gesagten  Worte  bezog,  wo  ich  auch  den  Pater  D.  Benedetto 
nenne,  nicht  weil  ich  ausdrücken  will,  dafs  das  Folgende  zum  Teil  von  ihm 
herrührt,  sondern  weil  auch  er  mich  über  einen  Teil  dieser  Gegenstände 
unterrichtet  hat,  da  ich  über  dieselben  von  ihm  mit  andern  Schülern  Ver- 
suche habe  ausführen  sehen;  von  diesen  andern  Schülern  habe  ich  auch 
eben  diese  These  gehört,  und  mir  scheint  in  der  That  sowohl  die  These, 
wie  dafs  sie  von  Euch  herrührt,  so  verbreitet  zu  sein,  dafs  der  Gedanke, 
ich  hätte  sie  als  mein  Eigentum  in  Anspruch  nehmen  können,  nicht  auf- 
kommen kann^).  Und  wenn  ich  gegen  andere  die  Höflichkeit  gehabt  habe, 
wie  gegen  den  Herrn  Muzio  Oddi,  ihm  zu  schreiben,  ehe  ich  über  Dinge, 
die  zwischen  ihm  und  mir  sich  zugetragen,  etwas  drucken  lieis,  so  hätte 
ich  das  viel  eher  noch  bei  Euch  gethan,  wenn  ich  gedacht  hätte,  dafs  Ihr 
Wert  auf  die  Sache  legtet,  da  ich  Euch  so  sehr  schätze,  ehre  und  liebe, 
wegen  Eurer  vielen  Verdienste  und  der  zahllosen  Gunstbeweise,  die  mir  von 


23)  Galilei,  Opere  ed.  Albebi  IX  p.  290  u.  f. 

24)  Herr  Professor  Fayabo  hat  auf  meine  Bitte  die  Güte  gehabt,  das  Original 
des  Briefes  in  Florenz  zu  vergleicheo.  Dabei  hat  sich  herausgestellt,  dafs  neben 
einigen  minder  wichtigen  anderweitigen  Abweichungen  Albebi's  Abdruck  an  dieser 
Stelle  eine  ganze  Zeile  ausgelassen  und  dadurch  den  Sinn  nicht  unwesentlich 
verändert  hat.  Der  richtige  Text  lautet:  da*  quali  pure  ho  sentito  VisUssa  con- 
dusiane  parendomi  in  somma  talmente  divulgata  la  conclusione  e  eh' 
ella  n'  era  Vautore,  che  non  potesae  cadere  etc.  Bei  Albebi  fehlen  die  hier  gesperrt 
gedruckten  Worte. 


606  Emil  Wohlwill: 

Euch  za  Teil  geworden  sind.  Und  wenn,  als  Ihr  mich  unterrichtetet,  Ihr 
mir  angedeutet  hättet,  dafs  ich  diese  oder  jene  Oedanken  nicht  an  die 
Öffentlichkeit  bringen  sollte,  so  würde  ich  es  unter  keinen  umstanden  ge- 
than  haben,  während  ich  sonst,  wenn  ich  sie  andern  erklärte  und  als  die 
Euren  zur  Sprache  brächte,  geglaubt  hätte  zu  thun,  was  dem  guten  Sohöler 
geziemt,  indem  ich  mich  wenigstens  als  verständig  Erfassenden  wenn  nicht 
als  Nachahmer  der  bewundernswerten  Bemühungen  erwiese,  die  Ihr  anf  die 
Enthüllung  der  Geheimnisse  der  Natur  verwendet/^ 

„Ich  füge  hinzu,  dafis  ich  in  Wahrheit  dachte,  Ihr  hättet  irgendwo 
darüber  geschrieben,  da  ich  nicht  in  der  glücklichen  Lage  gewesen  bin,  alle 
Eure  Werke  zu  sehen,  und  in  diesem  Glauben  hat  mich  bestärkt,  dafs  ich 
wahrnahm,  wie  diese  Lehre  so  sehr  und  so  lange  schon  verbreitet  bt,  da 
Oddi  mir  vor  zehn  Jahren  sagte,  Ihr  hättet  darüber  mit  dem  Herrn 
GuiDUBALDO  DAL  MoNTE  Yersuchc  gemacht,  und  auch  das  hat  mich  unacht- 
sam gemacht,  so  dafs  ich  Euch  nicht  zuvor  davon  schrieb,  da  ich  id  der 
That  glaubte,  dafs  Ihr  Euch  durchaus  nicht  darum  kümmertet,  vielmehr 
zufrieden  sein  würdet,  dafs  einer  Eurer  Schüler  bei  so  günstiger  Gelegenheit 
sich  als  Anhänger  Eurer  Lehre  zeigte,  von  der  er  bekennt,  dais  er  sie  von 
Euch  gelernt  habe/' 

„Wollt  Ihr  nun  trotz  dessen,  was  ich  zu  meiner  Verteidigung  sage, 
dafs  es  ein  Vergehen  sei,  so  ist  es  sicher  keins  aus  bösem  Willen.  Erwägt 
nun,  was  ich  thun  soll,  um  Euch  Genugthuung  zu  geben;  denn  ich  bin 
voll  bereit,  es  zu  thun.  Ich  habe  hier  in  Bologna  nur  einige  Abdrücke 
aus  der  Hand  gegeben,  und  werde  keinen  andern  ausgeben  lassen,  bis  die 
Sache,  wenn  möglich,  in  solcher  Weise  in  Ordnung  gebracht  ist,  dafs  es 
Euch  genügt;  ich  werde  deshalb  entweder  die  weitere  Ausgabe  so  lange 
verschieben,  bis  Ihr  Euer  Buch  über  die  Bewegung  habt  drucken  lassen, 
oder  es  mit  früherem  Datum  drucken  lassen  könnt,  oder  ich  lasse  die  beiden 
Bogen  noch  einmal  drucken,  unter  Vernichtung  alles  dessen,  was  Ihr  als 
Euch  benachteiligend  anseht,  oder  ich  setze  am  Bande  von  Seite  164,  bei 
Zeile  22,  wenn  Ihr  meint,  dals  ich  mit  Euch  übereinstimme,  die  Worte: 
These  des  Herrn  Galileo,  oder  endlich,  ich  verbrenne  alle  Abdrücke,  damit 
mit  ihnen  die  Ursache  des  Verdrusses  zerstört  werde,  die  ich  meinem  Herrn 
Galileo  gegeben,  so  dafs  er  mit  Cäsar  mir  hätte  sagen  können:  Tu  quo- 
que  Brüte  filif  während  ich  immer  als  mein  höchstes  Glück  betrachtet,  ihn 
gekannt  zu  haben,  ihn  ehren  und  ihm  dienen  zu  können."  —  — 

„Sagt  mir  also  frei,  was  von  dem  Genannten,  wenn  ich  es  ^thue,  Euch 
zumeist  Genugthuung  gewähren  wird,  denn  mit  vollster  Bereitwilligkeit 
werde  ich  es  sofort  zur  Ausführung  bringen." 

Die  hier  mitgeteilten  Briefe  haben  es  Cavebni  nicht  erschwert,  den 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Warf  linie.  607 

Zasammenliang  der  Vorgänge  so  zu  schildern,  als  ob  durch  die  Gesamtheit 
der  Zeugnisse  der  ausschliefsende  Ansprach  Cavalieri's  auf  die  Entdeckung 
der  Parabelform  zur  Evidenz  erhoben  wäre.  Frei  dichtend  erzählt  er,  wie 
die  Lektüre  der  „Dialoge^^  an  der  betreffenden  Stelle  Cayalieri  aufs  pein- 
lichste berührt  und  nach  kurzem  Nachdenken  zur  richtigen  Lösung  sowohl 
für  die  vorliegende  Aufgabe  wie  fQr  das  mathematisch  identische  Problem 
der  Wurflinie  geführt  hat.  Ln  „Specchio  ustorio^^  vrird  demnach  Galclei's 
Lehre  nicht  benutzt,  sondern  widerlegt.  So  findet  auch  in  Cavaliebi's  Ge- 
dankengang, wie  ihn  Cavbrni  —  weiter  dichtend  —  fortführt,  nur  die  eine 
Soi^e  Baum:  wie  Galilei,  der  eigenwillige,  leidenschaftliche  Tyrann  es  auf- 
nehmen möge,  dafs  er,  der  Schüler,  gewagt,  seinen  Halbkreis  durch  die 
Halbparabel  zu  ersetzen,  und  aufs  höchste  ist  er  überrascht,  als  ihn  statt 
des  erwarteten  Vorwurfs*^)  über  diese  verwegene  Abweichung  die  Kunde 
trifft,  dafs  Galilei  fQr  sich  selbst  die  Entdeckung  der  Parabelform  in  An- 
sprach nimmt. 

Mit  dem  brutalen  Ausspruch:  „soviel  Sätze,  soviel  Lügen!"  erledigt 
Cavekni  die  wehmütig  bitteren  Worte,  in  denen  Galilei  dem  Schüler  gegen- 
über auf  seiner  Priorität  besteht,  aber  auch  die  unbedingte  Anerkennung, 
die  Cayalieri  in  scheinbatem  Widerspruch  mit  seinen  früheren  Äufsemngen 
nunmehr  Galileis  Ansprüchen  zu  Teil  werden  läfst,  bietet  ihm  keine 
Schwierigkeiten.  Auch  Cayalieri  lügt,  aber  fast  ohne  zu  wissen,  dafs  er 
es  thut.  Im  Banne  des  dämonischen  oder  magischen  Einflusses,  den  Ga- 
ltlei auf  ihn  ausübt  —  so  fafst  Cayermi  sein  Verzichten  auf  —  glaubt 
„der  gute  Mensch"  zu  begreifen  und  zu  wissen,  was  Galilei  ihn  glauben 
machen  will;  willenlos  läüst  er,  der  rechtmäüsige  Eigentümer,  sich  bewegen, 
mit  eigenen  Händen  dem  Räuber  ins  Haus  zu  tragen,  was  er  fordert;  willenlos 
bekennt  er  sich  überzeugt,  dafs  er  selbst  der  Räuber  gewesen  sei.^^) 

Sieht  man  davon  ab,  dafs  Cayerni  auch  hier  dem  Romanschriftsteller 
die  Feder  des  Historikers  überläfst,  dafs  er  eine  Kombination  von  Möglich- 
keiten für  Geschichte  ausgiebt,  so  ist  auch  als  einfacher  Erklärungsversuch 
betrachtet,  seine  Darstellung  der  Vorgänge  eine  völlig  in  der  Luft  schwe- 
bende; sie  giebt  eine  Deutung  der  bekannten  Thatsachen  und  ÄuTserungen, 
wie  man  sie  erst  dann  versuchen  dürfte,   wenn  als  festgestellte  Wahrheit 


26)  Er  färchtete,  sagt  Cavbbici,  „für  Oaulbx  ein  Gegenstand  der  Gering- 
schätzung und  des  Zorns  zu  werden,  wie  es  Kbplbb  ans  ähnlichen  Gründen  ge- 
worden war**.  Es  ist  bekannt,  dafs  Galilu  niemals  Esplbb^s  Entdeckang  der 
elliptischen  Bahnen  der  Planeten  zugestimmt  hat;  aber  dafs  er  dem  Entdecker 
ans  dem  Aufgeben  der  Ereisform  einen  Vorwurf  gemacht  hätte,  wie  Gavebki  hier 
andeutet,  läfst  sich  nicht  nachweisen. 

26)  Gavbrmi,  Staria  lY  p.  630. 


i 


608  Emil  Wohlwill: 

erwiesen  wäre,  was  Caverni  uns  klar  zu  machen  versprochen,  aber  in  keinem 
Teil  seiner  Auseinandersetzungen  wirklich  erwiesen  hat 

So  wenig  man  nun  derartigen  Deutungen  Berechtigung  xogestehen 
wird  —  dafs  auch  nach  Galilei's  Brief  und  CAVALBSBfs  Erwidenmg 
Manches  zu  erkl&ren  übrig  bleibt,  ist  nicht  zu  bestreiten.  Mit  ToUer  Be- 
stimmtheit geht  aus  Cavalieri's  Aufserungen  nur  der  Wunsch  hervor,  den 
gekränkten  Meister  zu  versöhnen;  um  das  zu  erreichen,  erschöpft  er  sieh 
in  der  Aufzählung  von  Gründen  dafür,  dafs  er  dem  Anscheine  nach  Gali- 
LEi's  Entdeckerrecht  nicht  anerkannt  und  seine  Zustimmung  zur  Yeröffect- 
lichung  nicht  erbeten  hat,  und  in  Anerbietungen  zur  Sühne  jeder  mögliehen 
Verschuldung,  die  sich  bis  zu  völliger  Preisgebung  des  eigenen  Werkes 
steigern.  Aber  die  Rechtfertigungsversuche  erklären  nicht  in  genügender 
Weise,  was  sie  begreiflich  machen  wollen;  und  die  unbegrenzte  Bereit- 
willigkeit, der  Versöhnung  Opfer  zu  bringen,  ruft  den  Zweifel  hervor,  ob 
nicht  hinter  den  ausgesprochenen  Gründen  der  Wahrheit  besser  entsprechende 
rücksichtsvoll  versteckt  sein  mögen.  Cavalieri  will  unsicher  gewesen  sein, 
ob  Galilei  den  Satz  von  der  Parabel,  wie  er  selbst  ihn  formuliert  hat,  als 
den  seinen  anerkennen  werde,  aber,  wenn  er  gewilis  war,  wie  er  bedingungs- 
los zugesteht,  dafs  Galilei  die  Parabelform  der  Wurflinie  erkannt  habe  — 
worauf  konnte  sich  seine  Unsicherheit  beziehen?  Seine  These  lautet:  „Die 
schweren  Körper,  die  von  dem  Werfenden  nach  irgendwelcher  Bichtong 
aufser  in  derjenigen  senkrecht  gegen  den  Horizont  angetrieben  werden, 
beschreiben,  von  dem  Werfenden  getrennt  und  bei  Ausschluis  des  Wider- 
stands des  Mediums,  eine  krumme  Linie,  die  von  der  Parabel  unmerklich 
verschieden  ist'*  ^),  Durch  die  einschränkende  Bestimmung  der  letzten  Worte 
will  Cavalieri  auf  die  für  kleine  Strecken  verschwindende  Abweichung  der 
Wurflinie  von  der  Parabelform  hinweisen,  die  dadurch  entsteht,  da£s  die 
vertikale  Komponente  stets  senkrecht  gegen  die  gekrümmte  Erdoberfläche 
gerichtet  ist.  Er  konnte  nicht  zweifeln,  dafs  Galilu  seinem  so  verstan- 
denen  insensibilmente  differente  zustimmen  werde.  Aber  ebensowenig  ist  in 
dem  anderweitigen  Wortlaut  der  These  irgend  etwas  ausgesprochen,  was 
nicht  derjenige  anerkennen  muCste,  der  die  Bahn  der  geworfenen  Körper 
als  Parabel  betrachtet  und  wenn  in  Wahrheit  die  UngewiDsheit  in  dieser 
Beziehung  Cavalieri  zweifeln  liels,  ob  er  Galilei  als  Entdecker  nennen 
dürfe  —  wie  leicht  war  bei  dem  unausgesetzten  brieflichen  Verkehr  der 
Zweifel  zu  beseitigen!  Es  ist  unverständlich,  daCs  er  statt  dessen  Galilbi's 
Namen  ungenannt  läfst,  da  er  doch  nicht  in  Frage  stellen  will,  sondern 
aufs  bestimmteste  anerkennt,  dafs  ihrem  wesentlichen  Inhalte  nach  die  These 


27^  Speechio  u^orio  p.  164. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurf  linie.  609 

Gai^ilei  gehört.  Cavalieri  meint  einen  Ersatz  für  die  ausdrückliche  Nen- 
nung in  der  allgemeinen  Bemerkung  gegeben  zu  haben,  in  der  er  freimütig 
bekennt,  die  Einsicht  in  Probleme  der  Bewegungslehre  „teilweise'^  Gamlei 
zn  verdanken;  aber  der  Leser  des  Specohio  ustorio  kann  um  dieser  Er- 
klärung willen  besten  Falls  als  mOglich,  nie  als  klar  ausgesprochen  ansehen, 
daüs  auch  der  Satz  von  der  Wurflinie  zu  dem  Teil  des  Vorgetragenen  ge- 
hört, den  CavaIiIebi  Galilbi  verdankt.  Es  kommt  dazu,  daTs  auch  Cava- 
i^iEKfs  nachträgliche  Angaben  über  die  allgemeine  Verbreitung  der  Parabel- 
lehre als  einer  von  GaijIlei  herrührenden  keineswegs  so  bestimmt  lauten, 
dafs  man  um  ihretwillen  nicht  nur  die  Nennung  Galileis  als  überflüssig, 
sondern  auch  einen  Versuch  CAVALiERfs,  sich  selbst  für  den  Entdecker 
auszugeben,  als  undenkbar  betrachten  müTste.  Die  vermeintliche  Verbreitung 
war  jedenißalls  nur  eine  Verbreitung  von  Mund  zn  Mund;  Oavaubbi  konnte 
kaum  zweifeln,  jedenfalls  sich  leicht  darüber  aufklären,  dafs  der  Specchio 
ustorio  die  erste  Druckschrift  war,  in  der  die  Parabelform  öffentlich  ge- 
lehrt wurde;  und  wenn  die  Thatsache,  dafs  sie  durch  Galilei  entdeckt  war, 
so  offenkundig  erschien,  dals  es  für  die  Veröffentlichung  der  Vorfrage  nicht 
bedurfte,  so  konnte  es  um  so  weniger  einen  Grund  geben,  nicht  in  unzwei- 
deutigen Worten  die  Entdeckung  Galilei  zuzuschreiben. 

Diese  Bedenken  zusammen&ssend,  kann  man  sagen,  da£s  Cavaliebi^s 
Verteidigung  nicht  ausreicht,  um  von  seiner  vollen  Aufrichtigkeit  diejenigen 
zu  überzeugen,  die  im  Specchio  ustorio  wie  in  dem  August-Brief  an  Galilei 
diesem  nichts  weiter  zuerkannt  sehen,  als  die  vorbereitenden  Schritte  für 
die  Entdeckung  der  Parabelform,  nicht  aber  die  Entdeckung  selbst,  wäh- 
rend in  der  Erwiderung  auf  Galileis  Brief  vom  11.  September  nicht  nur 
Galileis  Priorität  aufs  Bestimmteste  anerkannt,  sondern  auch  mit  gleicher 
Entschiedenheit  in  Abrede  gestellt  wird,  dafs  eine  Verleugnung  dieses 
Verhältnisses  möglich  und  im  Specchio  ustorio  enthalten  oder  beabsichtigt  sei. 
Wie  immer  man  diesen  scheinbaren  Widerspruch  der  ÄuTserungen  vor 
und  nach  dem  11.  September  32  zu  beseitigen  versuchen  möge  —  der 
eccesso  dt  reverema^  den  Cavalieri  selbst  an  die  Spitze  seiner  Verteidigung 
stellt,  wird  dabei  eine  Bolle  spielen  müssen.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel, 
dafs  für  Cavalieri,  auch  wenn  er  selbst  und  ohne  von  Galilei  zu  wissen, 
die  Parabelform  entdeckt  hätte,  Galileis  Wort:  ich  habe  sie  gefunden! 
ein  entscheidender  Beweis  seiner  Priorität  gewesen  wäre,  und  auch  das 
mufs  man  zum  mindesten  als  möglich  ansehen,  daüs  in  diesem  Falle  sein 
Verlangen,  den  verehrten  Meister  völlig  zu  beruhigen,  stark  genug  gewesen 
wäre,  um  ihn  erdichten  zu  lassen,  was  er  von  der  Verbreitung  seiner 
Lehre  sagt.  Aber  eine  Notwendigkeit,  an  solche  Erdichtung  zu  glauben, 
liegt  nicht  vor;  denn  auch  wenn  Cavalieri  in  Wahrheit  schon  in  Pisa  von 

Abh   rar  Gesch.  d   Mathem    IX.  39 


lil  Wohlwill: 

den   Schülani  Casteuj's,  spät«r  von  Muzio  Oddi  nnd  von  yielen  An« 
über  Galilei's  Entdeckung  hatte  reden  hören,  konnte  die  Koostraktion  dar 

„Dialoge",  die  eiae  P&rabelform  verleugnet,  ihm  die  Vorstellniig  glaublich 
erscheinen  lassen,  dal's  irgend  welche  Gründe  den  Entdecker  veratdalst 
haben,  seine  richtige  Erkenntnis  gegen  die  irrtünilicbe  Lehre  zu  vertauschen, 
die  er  in  den  „Dialogen"  als  inne  hochbedeutungsvollo  Wahrheit  vortrug; 
es  ist  begreltlicb,  dars  in  solchem  Falle  der  geniale  Mathematiker  nicht 
darauf  verzichtete,  in  seinem  Uuche  den  täusclienden  Austiih.rangen  der 
„Dialoge"  gegenüber  den  einfachen  auf  Galilei 's  Forsch  ting  beruhenden 
Beweis  für  die  Parabelfonn  an  die  Öffentlichkeit  zu  bringen;  aber  nicht 
minder  Idfst  sich  verätehen,  dafs  er  in  diesem  besonderen  Abschnitt  ?on 
der  Wurtlinie  den  Namen  dessen  ungenannt  liei's,  der  die  Parabeltbrm 
zwar  entdeckt  hatte,  aber  nunmehr  die  verwandte  Frage  so  beliandelte, 
als  ob  er  von  dieser  nichts  mehr  wissen  wolle. 

Kben  daraus  würde  sich  auch  erklären,  dafs  Cavalieri  in  jenem  enl 
Briefe  von  der  Parabel  spricht,  ohne  erkennen  zu  lassen,  dafs  es  Galili 
Lehre  ist,  die  er  verteidigt;  als  Leser  der  „Dialoge"  durfte  er  zweifeli 
es  noch  jetzt  die  seine  sei. 

Auch  die  sonst  befremdenden  Äufserungen  des  zweiten  Briefes  findes 
wenigstens  teilweise  im  Rahmen  einer  solchen  Auffassung  einfache  Deutung: 
ein  weniger  von  Pietät  und  Verehrung  gegen  GALU.m  erfüllter  Anbftngei 
hätte,  über  den  Widerspruch  der  „Dialoge"  hinweg  gehend,  iliin  die 
deckung  der  Farabellehre  zuschreiben  kUnnen ;  aber  Cavalieri  kam 
den  Zweifel  nicht  hinweg,  ob  jemand,  der  die  Linie  des  fallenden  Kfirj 
auf  bewegter  Erde  als  eine  kreisförmige  konstruiei't ,  mit  dem  Sati 
Spfcckio  Ustoriv  sich  einverstanden  erklären  kllune,  und  ob  er  deshalb 
LiLKi  zuschreiben  dürfte,  was  er  früher  gelehrt  hatte. 

Auch  die  sonst  kaum  verstüudlicbe  Aufserung:  er  habe  geglaubt,  dafs 
Galilei  sich  um  seine  Lehre  von  der  Parabel  nicht  mehr  kümmere,  er* 
saheint  gerechtfertigt,  wenn  man  die  Konstruktion  der  „Dialoge"  als  Aus- 
gangspunkt des  Zweifels  ansiebt.  Als  drei  Jahre  später  ein  Brief  Gaulbi*! 
Cavalieki  nochmals  die  Veranlassung  gab,  die  Unterlassung 
vor  der  Veröffentlichung  des  tipfccJiio  zu  rechtfertigen,  beschrilnkt  er 
dai-auf  zu  erklären:  er  habe  damals  geglaubt,  dafs  Galilei  auf  seine 
deckung  nur  geringen  Wert  lege"*). 

Dafs  hier  so  wenig  wie  in  der  früheren  Verteidigung  Idnzitgef&gt 
die  Konstruktion  der  „Dialoge"  habe  zu  dieser  Ansicht  die  dringendste  Vi 
anlasfiung   gegeben,    erklärt  sich  ans   dem    ,,ecccsso 


des    ■ 


38)  Vergl.  Camfubi,  Carteggio  GuliUano  iiwdito.     Modul 


1881  p.  44a. 


Die  Entdeckang  der  Parabelform  der  Warflinie.  611 

Cayalibri's  Briefe  an  Galilei  ohne  Ausnahme  Zeugnis  ablegen.  Ein  Wort', 
das  als  ein  kritisches  auch  nur  gedeutet  werden  könnte,  ist  in  diesen 
Briefen  nicht  zu  finden;  aber  ohne  die  Andeutung  einer  Kritik  konnte  er 
von  dem  Widerspruch  zwischen  der  Konstruktion  der  „Dialoge"  und  der 
richtigen  Zusammensetzung  der  Wurflinie  nicht  reden. 

Will  man  dieser  Auffassung  gegenüber,  die  sich  im  Hypothetischen 
auf  das  Notwendigste  beschränkt,  als  wahrscheinlicher  ansehen,  dafs  Cava- 
LiERi  Galilei  zu  Liebe  nachträglich  ein  Wissen  von  früherer  Entdeckung 
fingiert,  und  um  es  glaublicher  zu  machen,  thatsächliche  Einzelheiten  hinzu 
erfindet,  denen  keine  Wirklichkeit  entspricht,  so  ist  damit  doch  nichts 
weiter  gewonnen  als  eine  Voraussetzung,  unter  der  Cavalieri  als  selbst- 
ständiger Entdecker  angesehen  werden  kann,  keinenfalls  ein  ausreichender 
Grund,  Galileis  Entdeckung  zu  leugnen.  Denn  die  Vorstellung,  dafs  Ga- 
lilei nicht  erkannt  und  irgendwie  gelehrt  haben  könne,  was  Cavalieri 
unbekannt  geblieben  ist,  wird  durch  die  Notizen,  die  uns  über  das  Ver- 
hältnis beider  Männer  zu  Gebote  stehen,  in  keiner  Weise  gerechtfertigt. 
Wenn  Cavalieri  sich  Galilei's  Schüler  nennt,  so  war  er  das  doch  in  ganz 
anderem  Sinne  als  beispielsweise  Castelli,  Aproino,  Antonini.  Seine  Be- 
ziehungen zu  Galilei  beginnen  9  Jahre,  nachdem  dieser  Padua  verlassen, 
also  im  gewöhnlichen  Sinne  zu  lehren  aufgehört  hatte.  Im  Jahre  1619 
empfahl  der  Kardinal  Borromeo  den  vielversprechenden  jungen  Mann,  der 
in  Pisa  sich  mathematischen  Studien  widmen  wollte,  dem  Wohlwollen  Ga- 
lileis; in  Pisa  wurde  er  Schüler  des  Pater  Castelli;  wie  weit  dieser  sich 
berechtigt  glauben  konnte,  ihn  in  die  Lehren  einzuweihen,  die  Galilei  noch 
immer  künftiger  Veröffentlichung  vorbehielt,  läfst  sich  mit  Sicherheit  nicht 
sagen;  was  in  dieser  Beziehung  Cavalieri's  Brief  vom  21.  September  1632 
ausführt,  deutet  mehr  auf  zuflülige  Mitteilung  als  auf  regelmäfsigen  Unter- 
richt; ebensowenig  ist  bekannt,  in  welchem  Mafse  bei  Galilei's  gelegent- 
licher Anwesenheit  in  Pisa  oder  bei  Besuchen  Cavaliebi^s  in  Florenz  der 
junge  Mathematiker  sich  der  unmittelbaren  Belehrung  dessen  erfreuen 
durfte,  den  er  als  Meister  verehrt.  Von  solcher  Belehrung  redet  in  un- 
zweideutiger Weise  Galilei  in  seinem  Brief  an  Marsioli  vom  11.  Sep- 
tember 1632;  er  sagt  nicht  ausdrücklich,  scheint  aber  doch  nicht  zu  be- 
zweifeln, dafs  Cavalieri  auch  den  Aufschlufs  über  die  Wurflinie  seiner 
direkten  Mitteilung  verdankt.  Aber  Cavalieri  bestätigt  diese  Voraus- 
setzung nicht;  er  verneint  sie  vielmehr  durch  Schweigen.  Nicht  von  Ga- 
lilei und  nicht  von  Castelli,  sondern  von  Gastell^s  Schülern  und  von 
andern  hat  er  die  These  gehört.  Dieses  Nichteingehen  auf  Galileis  An- 
deutung ist  umsomehr  beachtenswert,  wenn  man  annimmt,  dafs  Cavalieri, 

um  Galilei  nicht  zu   widersprechen,   sein  Vorwissen  durchaus  fingiert;  er 

39* 


lil  Wohlwill: 

würde  also  selbst  im  Pingieren,  wo  es  auf  etwas  mehr  oder  weniger  in  d< 
Willfährigkeit  nicht  ankommen  konnte,  nicht  zagestehen  wollen,  dafs  i 
Galilei  selbst  die  Kenntnis  dieser  besonderpa  Lehre  verdankt.  Mit  seinei 
Brutus  Verhältnis  war  demnach  seiner  eigenen  Aufi'asauiig  nach  wohl  ve 
einbar,  dafs  Galilei  über  eine  Lehre,  auf  die  er  so  grofsen  Wert  legt,  ib 
nicht  persönlich  unterrichtet  hat. 

Auch  der  .^erchio  Ustorio"  liefert  keinen  Beweis  in  entgegengesetjitefll 
Sinne.  Obgleich  Cavalieri  hier  mit  so  besonderem  Nachdruck  erklärt,  d&I 
er  von  den  Problemen  der  Bewegungslehre  als  Galilei's  Si^hüler  rede,  esl 
hält  doch  sein  Buch  —  abgesehen  von  der  Parabelform  der  WurfUnie  — 
in  BpKUg  auf  die  Bewegungslebn,'  nichts,  was  er  nicht  den  gedruckten! 
„Dialogen  über  die  H au jit Weltsysteme"  entnehmen  konnte  und  im  Wesent- 
lichen ihnen  entnommen  hat,  also  nichts,  was  ihn  als  vorzugsweise  Ein-' 
geweihten  der  GftLiLBi'schen  Lehre  erkennen  liefae. 

War  er  das  nicht  oder  lUfst  sich  doch  nicht  nachweisen, 
gewesen  ist,  so  kann  auch  sein  vermeintliches  Nichtwissen  fflr  weitepft 
Schlüsse  auf  den  Inhalt  der  alteren  GALiLEi'achen  Wnrflehre  nicht  ' 
wertet  werden,  geschweige  als  ein  widersprechendes  Zeugnis  in  BetraoU 
kommen,  wo  Galilei  sagt:  ich  habe  sie  gefundei 


Caverki's  Roman  hat  noch  eine  Fortsetzung.     Er  hat  im  ersten  BanA 

seiner  Geschichte  Galil»^  als  den  gewissenlosen  Tyrannen  geschildert,  dfll 
um  seine  Herrschaft  zu  befestigen,  selbst  vor  Brudermord  nicht  zurüct-' 
schreckt,  wenn  im  Bruder  ihm  ein  Nebenbuhler  ersteht  und  nur 
seiner  Vemichtnng  er  sich  des  geraubten  Gutes  in  Sicherheit  erfreuen  kamU 
Wie  hat  nun  der  räuberische  Tyrann  in  unserm  Falle  sich  den  Raub  j 
sichert?  Wie  ist  er  mit  dem  Bruder  verfahren,  der  ihm  anbeimgiebc 
zwischen  drei  Wegen  zu  wShlen,  um  für  alle  Zeiten  gegen  seine  Ansprfl.chft 
gesichert  zu  seiuV  Caverki  weifs  auch  davon  zu  erzählen;  mit  Entsetzen 
sieht  der  Ijeser  sich  verwirklichen,  was  die  vorhergehende  Schilderung  er- 
warten liefs,  Gaulbi  giebt  dem  treuen  Schüler  zu  verstehen,  dafs  von  den 
verschiedenen  Mitteln,  die  er  zur  Söhne  vorgeschlagen,  ihm  eine  Zerstörung 
der  unbequemen  Schrift  durch  das  Feuer  am  besten  gefallen  würde;  und 
Cavalieri  zaudert  nicht:  so  vollständig  führt  er  das  Werk  der  Selbst- J 
Verleugnung  aus,  dafs  beute  kaum  mehr  ein  Exemplar  seiner  Schrift  i 
finden  ist;  schon  im  Jahre  1G50  war  dieselbe  so  selten  geworden,  dafn^ 
Daviso,  ein  Schüler  des  grofsen  Mathematikers,  eine  neue  Ausgabe  bei^l 
zustellen  für  notwendig  erkannte. 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Warflinie.  613 

Dieser  Erz&hlung  liegt  an  Thatsächlichem  nichts  weiter  zu  Grunde,  als 
die  Veröffentlichong  einer  zweiten  Auflage  des  ,JSpecchio  üstorio**  im  Jahre 
1650;  alles  Übrige  ist  nicht  nur  durch  kein  heute  zugängliches  Zeugnis 
verbürgt,  sondern  mit  dem,  was  man  über  den  wirklichen  Verlauf  der  Dinge 
weifSy  im  allerschärfsten  Widerspruch. 

GALiLEfs  lebhafte  Erregung  war   durch  CAVAUERfs  Erklärungen  be- 
sftnftigt;  das  bezeugt  sein  Brief  vom  16.  Oktober  1632  an  Cesarb  Marsigli. 
„Ich  habe",  schreibt  er,  „von  dem  sehr   ehrwürdigen  Pater  Büonaventuba 
einen  langen  Brief  voller  Entschuldigungen  empfangen;  deren  hat  es  wahr- 
lich  nicht  bedurft;   denn  ich    habe  niemals  an   seiner  besten  Absicht   ge- 
zweifelt,   sondern    mich    über   mein    Mifsgeschick    beklagt,    das    mir  gegen 
seinen  Willen  und  seine  Meinung  zum  Kummer  werden  liefs,  was  er  gethan. 
Ich  kann  ihm  für  heute  nicht  antworten,  da  ich  aulBerordentlich  beschäftigt 
bin,  und  bitte  Euch  nur  ihm  zu  sagen,  daCs  ich  nicht  wünsche,  dafs  der 
Herr  Pater  irgend  etwas  in  seinem  bereits  gedruckten  Buche  ändere,   dafs 
ich  ihm  vielmehr  danke  für  die  ehrenvolle  Erwähnung  meiner  Person'*'^). 
Dafs  Cavalibbi  diese  Worte  so  aufgefafst  hat,  wie  jeder  Unbefangene, 
der  sie  heute  liest,  geht  in  unzweideutiger  Weise   aus  seiner  Erwiderung 
vom  7.  Dezember  hervor ,  in   der  es  heifst:    „Daus  Ihr  nunmehr  befriedigt 
seid,  da  Ihr  gesehen,  in  welcher  Weise  ich  jene  Lehre  zur  Sprache  bringe, 
ist  mir  über  die  Ma&en  lieb"^). 

Inzwischen  hatte  Cavaueri  sein  Buch  nach  Florenz  geschickt;  in  der 
Erwartung,  dafs  Galilei  es  empfangen,  bittet  er  ihn  um  sein  Urteil, 
namentlich  in  Betreff  der  dargelegten  Ansicht  über  den  Brennspiegel  des 
Archimeoes,  um  dessentwillen  er  hauptsächlich  das  Buch  habe  drucken 
lassen.  Galileis  Antwort  ist  wiederum  an  Cäsar  Marsigli  gerichtet. 
Hier  endlich  darf  man  erwarten,  den  Brudermörder  reden  zu  hören;  aber 
was  Galilei  am  31.  Dezember  1632  mitten  unter  den  aufregenden  Ver- 
handlungen über  die  Befehle  der  römischen  Inquisition  dem  Freunde  nach 
Bologna  schreibt,  ist  erfüllt  von  so  warmem  Wohlwollen  und  von  so  neid- 
loser Freude  an  den  Erfolgen  des  jüngeren  Mitarbeiters,  wie  diese  Em- 
pfindungen nur  jemals  bei  einem  grolsen  Forscher  zum  Ausdruck  gekommen 
sind.  „Mit  Euch,^^  schreibt  Galilei  an  Marsiqli,  „und  nicht  mit  dem  Ver- 
fasser des  „Specchio  ustorio"  will  ich  mich  der  wunderbaren  Erfindung 
erfreuen,  weil  ich  gewils  bin,  dafs  er,  der  sie  ergründet,  über  sie  so  grofse 
Freude  empfindet,  dafs  sie  Erhöhung  nicht  duldet  Mit  Euch  mufs  ich 
anfserdem  mich  freuen,  wenn  ich  den  glücklichen  Fortschritt  und  den  über- 


Opere  ed.  Albbri  YII,  14. 
30)  Ebenda  IX,  317. 


Hmil  Wohlwill: 


Kopfes  sehe,    der    vormals  Euch  von 

..-.:    :=..    'T  Z:-^  'r«gmistigt  worden  ist;   und  wenn  mein  ü^ 

_-si      .  — :,^:l   ^rrrm   noch   in  irgend  welcher  Gleltiing  steht,  so 

.     --^-T    nL'fL.  ^Ti  oeien  Lauf  dorch  das  weite  Gebiet  der  mathe- 

z   *^>-~-:^-..iAr:trii  la  gewähren,  wohin  immer  der  Grenios  ihn  zieht, 

'*z    .irr    ^'*r  wird   aach   der  allerbeste  sein  und  ohne  jeden  Ver- 

-:^.-.:hii    itr  Bereehnong  von  Ephemeriden   oder  der  Aofstellnog 

.     -«4:1X7  'vu.a   linsen  Zitaten  keines  weiteren  Wortes,  um  darzathmi, 

vi'tis    -^c'i  veiobe  geheimnisvolle  Machinationen  der  Yerbreitniig 

-*•  1.      i^^  r.     in  seiner  ersten  Auflage  hinderlich  gewesen  sind  oder 

.-    "  ■r:..::i'iiiif  erheblicher   Teile  dieser  Auflage   bewirkt  haben  — 

:  ^      -  ..  -n :  Wille  dabei  nicht  beteiligt  gewesen  sein   kann.     Aber 

..•,    ""ürvaciie,  die   durch  Galileis  Eingriff  erklärlich  erscheinen 

'.  ;>:  :-::  Beweis  schuldig  geblieben.  Die  Ausgabe  des  Specchio 

'>.^    ^  ^em  Anseheine  nach  heute  nicht  seltener,  als  andere 

^    ^j  ..^-r  S^ieunmg  aus  demselben  Zeitalter;    sie  wird  in  ge- 

^-     \  r\  1    Tisz  aosschliefslich   zitiert  und  findet  sich  beispiels- 

•  ^-i-*--:    >.ir^'h-?s  Bibliotheken   ziemlich    allgemein.     Die  Aus- 

,*     -i*--^**1t  s:.h:  die  leiseste  Andeutung  darftber,  dafis  aufser- 

•:^ ..  Ir    i*>  ErnTkeinen  eines   zweiten  Abdrucks  notwendig 

>.  :.•      -^-2    i&rt   also   annehmen,  dafs  irgend  eine  von  den  ge- 

^av  ^>  -:  ^    um    derentwillen    zweite    Auflagen    auch    anderer 

^     1.  ■*■     c-r  triher  nach  der  ersten  gedruckt  werden,  den  Pater 

^     i-.'a.'-x.st  babtn  wird,  das  Werk  seines  Lehrers  und  Ordens- 

.,      .   ...»  1^  berausiugeben. 

wa   V:»pi^*htigung   gegenüber    lieijBe    sich   mit   besserem 
...    •.  v:   Tyrteidigen,    dafs  Galilei  selbst  durch  seine  über- 
zog n  nicht  unwesentlich  dazu  beigetragen,   die  Ver- 
V     i>corio   und    dadurch    die  Erschöpfung   der   eretcn 
>  vLiLEi  begnügte  sich  nicht,  seinen  Freunden,  wie 
..vu«>  die  Lektüre    des   Buches   zu  empfehlen,  ao- 
.  .  -^  i»ie  den  Kardinal  Capponi   zur  Anknüpfung  per- 
.  •    iein  Verfasser  um  des  trefflichen  Werkes  willen 
j    voller  Öffentlichkeit,    in    seinem    unsterblichen 
->  l^iters   BcoNAVENTüRA  Cavalieri   und  seines 
-^  >>^«*  '*'^*s  ®r  ^^  Bewunderung  gelesen  habe"**). 

. .  ««.'  •JidiUano  if%edUo  p.  447,  490. 


«• 


Die  Entdeckung  der  Parabelfonn  der  Wurflinie.  615 

So  verweist  er  selbst  in  Aasdrücken,  wie  er  sie  nur  für  die  gröfsten 
Forscher  kennt,  seine  Leser  auf  das  Buch,  das  ihm  in  der  Yeröffentlichung 
des  Hauptsatzes  seiner  Wurflehre  um  6  Jahre  zuvorgekommen  war. 

Als   widersinnig  und  unwahr,  wie   solchen  Thatsachen  gegenüber  die 
^on  Cayebni  erzählte  Geschichte  des  Specchio  ustorio  erscheint,  mufs  auch 
bezeichnet  werden,   was  er  zum  ferneren  Beweis  für  Cavalieri's  Priorität 
von   einer  Entstehung  der  GALiLEf  sehen  Wurf  lehre  in   den  Jahren    1636 
und   37  berichtet.     In   der  That  l&fst   eine  Folge    von  Briefen    aus    dem 
Jahre  1637  bestimmt  erkennen,  dafs  Galilei  in  jener  Zeit,  also  unmittel- 
bar vor  der  YeröffentUchung  der  „Dialoge  über  zwei  neue  Wissenschaften'' 
sich  mit  der  Lehre  von   den  Proietti   beschäftigt   hat    und    dafs   der  hol- 
ländische Verleger  mahnen  mulste,    um    diesen    Teil    des    Manuskripts    zu 
erhalten,   nachdem  die   vorhergehenden  bereits  gedruckt  waren.     „Die  Do- 
kumente'',   sagt    Caverni    und   verweist   dabei    auf  die    soeben    erwähnten 
Briefe,    „bezeugen,   daüs    während    die    ersten   lateinischen   Sätze   über   die 
beschleunigte   Bewegung  bis  zum  Jahre   1604   hinaufreichen,   die   auf  die 
Proietti   bezüglichen    zum   grSfsten  Teil    1636    und   37   geschrieben  sind.'* 
Dabei  begegnet  dem  strengen  Kritiker   eine  Yertauschung  des  Inhalts  der 
„Dokumente"  mit  dem  Gegenstand  seiner  Beweisführung.     Die  letztere  hat 
es    mit   den   lateinisch   geschriebenen   Abschnitten    des   vierten    Tages   der 
Dialoge  von   1638  zu  thun,   die   „Dokumente"  reden    ohne   Weiteres  von 
dem  Gesamtinhalt  dieses  vierten  Tages.     Dafs  jene  in  lateinischer  Sprache 
geschriebenen  Abschnitte    in    den  Jahren    1636    und    37    entstanden   sind, 
kann  ersichtlich  nicht  daraus  entnommen,  also  auch  nicht  dadurch  bestätigt 
werden,  dafs  nachweislich  Galilei  noch  im  Jahre  1637  mit  der  Bearbeitung  des 
vierten  und  letzten  Teils  seines  Werkes  beschäftigt  gewesen  ist;  denn  dieser 
vierte  „Tag"  enthält  zwar  als  kleineren  Teil  jene  lateinischen  Abschnitte,  da- 
neben aber  einen  grölseren  in  dialogischer  Form  und  italienischer  Sprache  ge- 
schriebenen, der  die  lateinischen  Sätze  erläutert  und  ausführt;    dafs  nicht 
etwa    nur   dieser   letztere    gröfsere  Teil,    von    dem  es  sehr  glaublich  und 
wahrscheinlich    ist,    sondern    der  kleinere,    von   dem   es  mit   gutem  Grund 
bezweifelt  wird,    Galilei  bis  unmittelbar  vor  der  Veröffentlichung   seines 
Werks  beschäftigt  hat,  wird  in  jenen  Briefen  nicht  angedeutet;    sie  reden 
allgemein    von    den    Proietti    und    lassen    daher   nur   erkennen,    dafs    der 
73jährige  Greis  gethan  hat,  was  in  ähnlicher  Lage  auch  jüngere  Leute  zu 
thun  pflegen:    er  hat  an  dem  letzten    Teil  seines  Werks  bis  zum  letzten 
Augenblick  vor  der  Veröffentlichung  gearbeitet. 


616  Emil  Wohlwill: 

VI. 

Caverni  richtet  gegen  das  Ende  seiner  langen  Anklageschrift  an 
Galilei  die  folgende  Herausforderung: 

„Da  Ihr,  Herr  Galileo,  for  gat  befunden  habt,  mit  der  Würde  Eurer 
handelnden  Personen  Euer  Spiel  zu  treiben  und  über  eine  Frage  yod  so 
grofser  Bedeutung  in  Eurem  Hauptwerk  in  scherzender  Weise  zu  verhandek 
beliebt,  sagt  uns,  in  welcher  andern  Eurer  Abhandlungen,  Briefe  oder 
Notizen  Ihr  während  vierzigjähriger  Studien  über  die  geworfenen  K5iper 

von  ihren  parabolischen  Bahnen  ernsthaft  geschrieben  habt'^ „und 

seid  Ihr  nicht  im  Stande,  ein  glaubwürdiges  Schrittstück  zu  prodnzieFen, 
das  vor  dem  September  des  Jahres  1632  entstanden  ist,  so  können  wir 
Euch  nicht  von  der  Anklage  freisprechen,  in  einer  Weise,  die  des  Philoso- 
phen wie  des  Mannes  von  ehrenhafter  Gesinnung  unwürdig,  die  Entdeckung, 
nach  der  Ihr  so  sehr  begehrt,  dem  Cavalieri  weggenommen  zu  haben.*' 

Als  Caverni  dem  toten  Helden  diese  verwegenen  Worte  ins  Grab  rie^ 
hielt  er  in  eigenen  Händen  nicht  ein  einzelnes,  sondern  eine  ganze  Folge 
von  Dokumenten,  wie  er  sie  verlangt,  in  ihnen  die  entscheidende  Wider- 
legung seiner  Anklage,  die  ihn  hätte  zwingen  müssen,  den  gr5IJsten  Teil 
seines  Buches  zu  vernichten,  wenn  er  noch  fähig  gewesen  wäre,  das  dichte 
Gewebe  der  Selbsttäuschung,  in  das  er  sich  verstrickt,  zu  zerreÜsen. 

Durch  denselben  vierten  Band  des  CAVEBNfschen  Werkes,  der  die  hier 
erörterte  Streitfrage  behandelt,  ist  zum  ersten  Mal  in  weiteren  Ejreisen  be- 
kannt geworden,  dafs  unter  den  Handschriften  der  Biblioteca  nazionale  in 
Florenz,  untermischt  mit  Entwürfen  zum  Text  der  gedruckten  Diacorsi, 
Überreste  einer  älteren  Bearbeitung  der  Bewegungslehre  erhalten  sind,  von 
Galilei's  Hand  geschriebene  Fragmente,  die  allem  Anscheine  nach  der 
Paduaner  Periode  angehören  und  ohne  Zweifel  über  die  Geschichte  seiner 
gröfsten  Entdeckungen  neues  Licht  verbreiten  werden.  Cavebni  hat  es  mög- 
lich gefunden,  durch  Benutzung  dieser  Handschriften  Teile  einer  früheren 
Redaktion  der  „neuen  Wissenschaft"  zu  rekonstruieren,  die  er  in  die  Jahre 
1602  und  1604 — 10  verlegt.  Er  hat  —  wie  er  auseinandersetzt  —  für 
den  Zweck  dieser  Wiederherstellung  Argumente  formaler  wie  materieller 
Natur  benutzt  Unter  den  letzteren  hebt  er  die  Verschiedenheiten  der  Hand- 
schrift in  verschiedenen  Lebensaltem  hervor.  „Es  ist  Allen  bekannt^,  sagt 
er,  „wie  die  schreibende  Hand  durch  die  Jahre  in  derselben  Weise  einer 
Veränderung  unterliegt,  wie  die  Bewegungen  aller  übrigen  Glieder;  ein 
Jeder  kann  das  an  sich  selbst  erfahren,  wenn  er  vergleicht,  was  er  im 
3QBten  jg^jjj.  geschrieben  und  was  im  50**®°.  Die  Verschiedenheit  würde 
ohne  Zweifel  noch  viel  merklicher  sein,  wenn  man  den  Vergleich  anstellte 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Warflinie.  617 

zwischen  der  Schrift  der  ersten  Jugend  und  derjenigen  des  höchsten  Alters; 
ivir  haben  uns  jedoch  an  die  20  Jahre  gehalten,  die  den  zwischen  diesen 
Schriften  liegenden  Zeitraum  ausmachen.  Dieselben  sind  im  Jahre  1610 
liegen  gelassen  und  erst  1630  planmälsig  wieder  aufgenommen  worden,  wie 
&a  betreffender  Stelle  sich  aus  den  zuverlässigsten  Dokumenten  ergeben 
-wird.  Die  zwischen  1602  und  1610  bewiesenen  Lehrsätze  sind  mit  hellerer 
Tinte  geschrieben  und  mit  leichten,  runden  Formen.  Im  Jahre  1630  be- 
durfte das  Auge,  das  so  weit  geschwächt  war,  dals  es  nach  wenigen  Jahren 
vöUig  erlöschen  sollte,  besser  ausgeprägter  Zeichen;  deshalb  ist  die  Tinte 
schwarz,  die  Striche  dick,  die  Formen  yiereckig'^^). 

Es  muDs  den  italienischen  Gelehrten,  den  gewiegten  Kennern  der  in 
Florenz  bewahrten  Manuskripte  überlassen  bleiben,  sich  über  die  Zuverlässig- 
keit dieser  Beobachtungen  und  über  ihre  Verwertung  zu  weittragenden 
Schlüssen  für  die  Geschichte  der  Wissenschaft  zu  äufsem;  an  dieser  Stelle 
ist  nur  hervorzuheben,  was  für  die  GxLiLEfsche  Wurflehre  in  Betracht 
kommt.  Caverni  benutzt  auch  hier  in  ausgedehntestem  MaTse  GALiLsf s 
angedruckte  und  bis  dahin  unbekannte  Aufzeichnungen.  Dieselben  beziehen 
sich  auf  die  meisten  der  in  den  lateinischen  Texten  des  vierten  Tages  der 
Discorsi  behandelten  Fragen,  weichen  jedoch  im  Wortlaut  wie  in  den 
Einzelheiten  der  Beweisführung  von  den  inhaltsverwandten  Abschnitten  des 
gedruckten  Werks  mehr  oder  minder  ab;  alle  aber  gehen  in  völlig  unzwei- 
deutiger Weise  von  der  Parabelform  der  Wurflinie  als  gegebener  Thatsache 
aus.  Es  war  daher  für  den  Verteidiger  einer  Entdeckung  durch  Cavalieri 
von  entscheidender  Bedeutung,  aufser  Frage  zu  stellen,  dafs  nicht  ein  ein- 
ziges dieser  Fragmente  nach  den  von  Cavebni  entdeckten  „materiellen^' 
Argumenten  sich  als  ein  Schriftstück  der  Paduaner  Periode  oder  doch  als 
vor  1632  geschrieben  zu  erkennen  giebt.  Caverni  hat  dies  stillschweigend 
verneint;  aus  der  Anordnung  seines  Buches,  in  dem  die  Entstehung  der 
wissenschaftlichen  Wurflehre  sich  an  die  Beraubung  Cavalieri's  knüpft, 
entnehmen  wir,  dafs  er  die  Fragmente,  in  denen  die  Parabelform  voraus- 
gesetzt wird,  insgesamt  als  nach  dem  Baube  geschrieben  ansieht.  Der 
Zeit  vor  1609  wurde  dagegen  jenes  vereinzelte  Fragment  zugeschrieben,  in 
dem  die  Frage  nach  der  Form  der  Wurflinie  aufgeworfen,  aber  nicht  be- 
antwortet wird;  auch  wenn  wir  von  Caverni's  willkürlicher  Einschaltung 
einer  nicht  vorhandenen  Antwort  absehen,  ergiebt  sich  daraus  eine  chrono- 
logische Sonderung  der  Fragmente,  die  sich  zu  Gunsten  der  hier  bestrittenen 
Hypothese  deuten  läfst  um  so  mehr  scheint  befremdend,  dafs  gar  kein 
Versuch  gemacht  wird,  die  ausschlaggebende  Unterscheidung  mit  Hilfe  jener 


84)  Cavebih,  Staria  del  metodo  esperimentaU  in  Italia  IV,  p.  341. 


Uli   Wohlwill: 

früher  erwähnten  materiellen  Kriterien  näher  zu  rechtfertigen;  nirgends 
auch  DQr  anagesprochen,  dafs  die  Schriftzüge  hier  und  dort  die  früher 
schilderten  Verschiedenheiten  aufweisen  nnd  dadurch  die  verschiedenen  Älter*" 
stnfen  des  Verfassers  ven-aten;  man  bat  daher  fitrenggenom) 
andern  Grund,  an  derartige  Ungleichheiten  zu  glauben,  als  den,  daXa  doch 
ein  verständiger  Historiker  Handschriften  verwandten  Inhalts  nicht  ganz 
nach  Gutdünken  oder  so,  wie  es  zu  seinen  Ansichten  pafst,  die  eine  den 
besten  Mannesjahren,  die  andern  dem  beginnenden  Greisenalter  zuweisen  wird. 

Durch  die  Veröffentlichung  der  zur  Bewegungslehre  gehörigen  Tn^ 
mente  im  achten  Band  dpr  Edizione  nazionale  der  Werke  Galilei'«  nnd^ 
durch  die  zugehörigen  Erläuterungen  des  Herausgebers  sind  wir  in  endgiltiger 
Weise  darüber  aufgeklärt,  dafs  Caver-vi  die  gegen  ihn  entscheidende  Aus 
sage  der  Handschriften  in  willkürlichster  Weise  als  ein  Zeugnis  zu  Gunsten 
seiner  Beraubungahj'pothese  verwertet  bat. 

Durch    die    Veröffentlichung    der    Fragmente    und    die    Erläuterungwi 
Ahtokio  Favaro's  ist  festgestellt,  dafs 

1.  die  auf  die  Wurflehre  bezüglichen  Fragmente  von  der  Hand  G, 
LEi's,  wie  sie  ungeordnet  zwischen  den  Blättern  des  zweiten  Teils  der  füni 
Abteilung  der  GALiLEi-Uanuskripte  gelinden  wurden,  der  Handschrift 
zum  gröfseren  Teil  der  jugendlichen  Periode,  zum  kleineren  Teü  einer 
teren  Zeit  angehören; 

2.  dafs  auf  mehreren  Blättern  ein  Teil  der  Aufzeichnungen  die  jngenJ- 
liche  Handschrift  aufweist,  während  in  anderen  Teilen  entweder  im  Haupt- 
text  oder  in  Bandbemerkungen  oder  auch  in  beiden  der  Handschrift  nach 
Ergänzungen,  Verbesserungen  oder  anderweitige  Zuthaten  aus  spUterer 
erkannt  werden. 

3.  Sämtliche  auf  die  Wurflehre  bezüglichen  Pragmenift'J 
mögen  sie  als  jugendliche  oder  spätere  durch  die  Handschr 
gekennzeichnet  sein,  setzen  ihrem  Inhalte  nach  in  völlig  nnzw 
deutiger  Weise  die  Parahelform  der  Wurflinie  als  gegebene  That^ 
Sache  vorans.  Eine  Ausnahme  macht  die  oben  erwähnte  Zusammenstelli 
von  Fragen  oder  Kapitel-Überschriften  zur  Wurflehre,  in  der  zwar  die  Fi 
nach  der  Form  der  Wurflinie  Raum  findet,  aber  eine  weitere  Anden! 
ober  den  Inhalt  der  Antwort  nicht  gegeben  wird. 

In  sehr  interessanter  Weise  ist  in  der  Veröffentlichung  durch  die 
gäbe  von  drei  Faksimiles  das  Neben  ein  andervorko  mm  en  der  verschiedenen 
Handschriften  und  dadurch  die  durch  drei  Jahrzehnte  forlgesetzte  Arbeit 
an  den  gleichen  Problemen  veranschaulicht.  Diese  Blätter  vergegenwärtigen 
uns,  wie  an  der  Schöpfung  jüngerer  Jahre  Galilei  selbst  in  späterer  Zäj 
Kritik  geübt,  wie  er  die  Ausdrücke  verändert,   die  Beweise  umgescbrii 


ngw  1 

1 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Worflinie.  619 

und  verbessert  oder  auch  den  früher  nur  hingeworfenen  Satz  ausführend 
bearbeitet  hat;  auf  eine  noch  spätere  Zeit  deutet  am  Bande  das  —  wie 
uns  bedünken  will  —  von  zitternder  Greiseshand  eingetragene  Wort  scriUa, 
dnrch  das  wir  erfahren,  dafs  der  Text  in  die  Wurflehre  der  Nuove  scienze 
aufgenommen  worden  ist. 

Soweit  ein  Faksimile  das  vermag,  gew&hren  auch  die  drei  im  achten 
Hände  der  Edizione  nazionale  veröffentlichten  Aufschlufs  über  die  hier  er- 
örterte Frage:  in  jedem  der  drei  reden  schon  die  an  der  Spitze  stehenden, 
von  vergleichsweise  jüngerer  Hand  geschriebenen  Sätze  von  der  Parabel- 
form.  Was  auch  dem  Laien  hier  der  Augenschein  glaublich  macht,  wird 
durch  die  unter  3.  verzeichnete  Erklärung  des  Herausgebers  der  Edizione 
Nazionale,  des  gründlichsten  Kenners  der  OALiLsf sehen  Handschrift  zur 
Gewifsheit  erhoben.  Es  schien  mir  wünschenswert  an  dieser  Stelle  die  an 
sich  ausreichende  allgemeine  Erklärung  durch  genauere  Angaben  über  den 
Inhalt  solcher  Fragmente  ergänzen  zu  dürfen,  die  mit  Sicherheit  der  Periode 
jugendlicher  Forschung  zuzurechnen  sind.  Professor  Favabo  hat  mir  auch 
in  dieser  Beziehung  mit  liebenswürdiger  Bereitwilligkeit  jeden  gewünschten 
Aufschlufs  erteilt. 

Unter  den  jetzt  zuerst  bekannt  gewordenen  fesselte  meine  Aufmerksamkeit 
in  erster  Linie  ein  in  italienischer  Sprache  geschriebenes  Fragment,  das  mit 
den  Worten  beginnt:  „Ich  nehme  an  (und  werde  vielleicht  beweisen  können) 
dafs  der  fallende  schwere  Körper  naturgemäfs  seine  Greschwindigkeit  fort- 
während in  dem  Verhältnis  beschleunigt,  in  dem  seine  Entfernung  von  dem 
Ausgangspunkte  der  Bewegung  zunimmt." —  «I^as  Prinzip",  fährt  der  Ver- 
fasser fort,  „erscheint  mir  sehr  natürlich  und  allen  Erfahrungen  entsprechend, 
die  wir  an  Instrumenten  und  Maschinen  sehen,  die  durch  Stofsen  wirken, 
wo  das  Stofsende  um  so  gröfsere  Wirkung  hervorbringt,  aus  je  gröfserer 
Höhe  es  fällt,  und  unter  Voraussetzung  dieses  Prinzips  werde  ich  das 
übrige  beweisen." 

Im  Folgenden  wird  dann  in  sehr  eigentümlicher  Weise  als  notwendige 
Folge  des  aufgestellten  Satzes  abgeleitet,  dafs  die  in  gleichen  Zeiten  von 
dem  fallenden  Körper  zurückgelegten  Wege  sich  wie  die  ungeraden  Zahlen 
ah  unitate  verhalten  und  hinzugefügt:  „es  stimmt  dies  mit  dem  überein, 
was  ich  immer  gesagt  und  durch  Versuche  beobachtet  habe;  und  so  stimmen 
alle  Wahrheiten  mit  einander  überein".  Das  Vorstehende  vorausgesetzt, 
wird  dann  weiter  bewiesen,  „dafs  die  Geschwindigkeit  bei  der  gewaltsamen 
Bewegung  in  demselben  Verhältnis  abnimmt,  in  der  sie  in  derselben  ge- 
raden Linie  bei  der  natürlichen  Bewegung  wächst"'^). 


36>  Ed.  Naz.  VIII,  p.  373-74. 


ruh 

Das  Fragment  atimmt,  wie  man  siebt,  dem  Inhalte  nach  im  wes 
Hohen  mit  dem  Brief  flbereio,  in  dem  Galü-ei  am  16.  Oktober  1604  t 
denselben  (später  verworleoenj  Grundgedanken  und  seine  Verwertang  an 
Paolo  Sarpi  berichtet^).  Difser  Brief  ei-schcint  als  eluB  abgekfimtp 
Wiedergabe  dessen ,  wae  in  dem  Fragment  höchst  wahrscheinlich  in  erst«r 
Aufzeichnung  iiiedergeBchrieben  wurde.  Unter  den  Einzelheiten,  in  denen 
der  Wortlaut  des  Fragments  tod  dem  des  Briefes  abweiubt,  sei  hervor- 
gehoben, daTs  iu  jenem  die  Entdeckung  des  Fallgesetxes  und  die  der  Er- 
klärang  duruh  die  Proportionalität  der  Geschwindigkeiten  und  der  i 
gelegten  Wege  in  einer  Weise  zeitlich  getrennt  erscheinen,  wie  dies  i 
dem  Brief  an  Sakpi  nicht  zu  entnehmen  war.  Der  Wortlaut  des  letzteren 
schien  sehr  wobl  mit  der  Annahme  vereinbar,  dal^  auch  die  Entdeclning 
des  Fallgesetzes  im  Jahre  16U4  erfolgt  sei.  Dagegen  nötigt  uns  die  AuiJae- 
rung  des  Fragments,  in  der  Galii.bi  das  Gesetz  der  angeraden  Zahlen  ■ 
etwas  bezeichnet,  „cJic  ho  scrnjirt  rfdfo  c  cott  i-spcrieme  osseriiaio", 
heblich  frühere  Ergründung  dieser  Wahrheit  zq  denken. 

Das    Fragment   selbst    darf  man,    da   es   unzweifelhaft   Äutograph   ist, 
ziiTersLchttich    als   kui*!    vor   dem   Brief  an   Sakpi   geschrieben    ansehen;    es 
gehört  also  jedenfalls  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1604   au.     Mit  dieser 
Thatsache    ist,    wenn    es   dessen   bed&rfen  sollte,    ein  Anhaltspunkt  für  < 
Schätzung  des  Alters  der  übrigen  Fragmente  gegeber 

Die  Annahme,  dafs  das  hier  besprochene  Fragment  von  Galilgi^ 
jugendlicher  Hand  geschrieben  sein  müsse,  ist  von  Favaro  „mit  voller  Sicher- 
heit" als  zutreffend  erkannt.  Aber  mit  gleicher  Bestimmtheit  erkennt  der 
(ielehrte,  dessen  Urteil  wir  in  dieser  Beziehung  als  malsgebend  betracbtfl 
müssen,  als  von  jugendlicher  Hand  geschrieben  die  nachfolgenden  z 
lehre  gehSrigen  Fragmente: 

1.  Pag.  424  (Mss.  Gal.  P.  V.  T.  II.  car.  193  r.). 
Es  ist  dies  die  im  Vorhergehenden  mehrfach  erwähnte,  in  italienischer 

Sprache    geschriebene    Zusammenstellung    artilleristischer    Probleme,    unter 
ihnen  die  beiden  Fragen: 

sc  la  palla  vadiu  per  lincu  relta,  ntm  stmlo  llrala  a  ptTpcntUcoiii 
und 

c/te  linea  dcscriva  la  palla  nd  stto  mato. 

2.  Pag.  427  (Mss.  Gal.  P.  V.  T.  Tl.  car.  91  t.) 
beginnend  mit  den  Worten:  ddermindur  rrijo  impdiis.     Das  nur  aus  sietM 
Zeilen  samt  Zeichnung  bestehende  Bruchstück  formuliert  die  Aufgabe, 
Impetus    an    den    einzelnen    Punkten    der   Parabel    aus   dem    immer   gleiol 


^ 

ist, 
;  es 
ieser 
r  dif^ 

cbt«M 


)  Vergl.  A.  FAVia.i,  QAi,n,i 


c  io  studio  di  Paihvu  II,  p.  226- 


Die  Entdeckang  der  Parabelform  der  Worflinie.  621 

bleibenden  horizontalen  nnd  dem  dnrcli  senkrechten  Fall  erlangten  Impetus 
zu  bestimmen.  Dabei  wird  in  der  aus  den  Discorsi  bekannten  Weise  die 
horizontale  Geschwindigkeit  als  durch  freien  Fall  aus  entsprechender  Höhe 
erlangt  betrachtet 

3.  Pag.  428  (Mss.  Gal.  P.  V.  T.  11.  car  110  t) 

Zahlenbeispiel  für  die  Berechnung  des  Impetus  an  verschiedenen  Stellen 
der  Parabel. 

4.  Pag.  428  (Mss*  P.  V.  T.  11.  car  87  t.)  „Datue  paraholae  elevationem 
invemre,  ex  qua  decidens  mobüe  paräbolam  datam  descrihat."  Die  Auflösung 
und  der  zugehörige  Beweis  stimmen  völlig  mit  der  entsprechenden  überein, 
die  in  den  gedruckten  Discorsi  unter  Propositio  V  {Ed,  naz,  VIII  p.  293) 
mit  der  Überschrift:  „in  axe  extenso  datae  paraholae  punctum  sublime  re- 
perire  ex  quo  cadens  paräbolam  ipsam  descrtbit^^  mitgeteilt  werden.  Dem- 
gemSXs  findet  sich  am  FuTse  des  Fragments  die  Bezeichnung  „scritta^^  Eine 
Vergleichung  der  beiden  Überschriften  lehrt,  in  welchem  Mafse  die  sp&tere 
Redaktion  bei  unverändertem  Inhalt  erhöhte  Deutlichkeit  des  Ausdrucks 
erstrebt.  Als  Abweichung  nur  im  Ausdruck  ist  femer  hervorzuheben,  dafs 
Galilei  in  den  Discorsi  als  sublimitas  bezeichnet,  was  im  Fragment  devatio 
genannt  wird.  Das  Wort  sublimitas  scheint  in  den  zweifellos  ältesten 
Fragmenten  nicht  vorzukommen. 

Der  Lösung  der  Aufgabe  schliefst  sich  auf  pag.  429,  übereinstimmend 
mit  dem  Corollarium  zu  Prep.  Y  die  Folgerung  an:  dafs  die  halbe  Basis 
die  mittlere  Proportionale  zwischen  der  Höhe  der  Parabel  und  der  Er- 
hebung über  die  Parabel  ist.  Auch  hier  ist  in  den  Discorsi  sublimitas  für 
das  j^devaUo  supra  paräbolam^  des  Fragments  gesetzt. 

5.  Pag.  429—30  (Mss.  Gal.  P.  V.  T.  11.  car.  9  a.  r.).  Das  Fragment 
beginnt  mit  Untersuchungen  über  das  Verhältnis  zwischen  der  Gröfse  des 
horizontalen  Impetus  und  der  Wurfweite  verschiedener  Halbparabeln,  sowie 
über  die  -  Änderung  des  Impetus  im  Fufspunkt  mit  der  Gröfse  des  hori- 
zontalen Impetus  bei  Halbparabeln  von  gleicher  Höhe.  Durch  ümkehrung 
wird  dann  die  vorhergehende  Betrachtung  auf  YoUparabeln  übertragen,  die 
dadurch  erzeugt  werden,  dafs  der  Wurf  in  der  Richtung  der  Tangente  an 
die  Halbparabel  vbn  unten  her  erfolgt;  auch  für  diese  wird  das  Verhältnis 
der  Wurfweiten  bei  gleicher  Höhe  und  gegebener  ungleicher  Stärke  des 
Anfangs-Impetus  zunächst  für  einzelne  Fälle  abgeleitet.  Durch  Berechnung 
einzelner  Beispiele  wird  alsdann  mehr  veranschaulicht  als  bewiesen,  dafs 
durch  den  Wurf  in  der  Richtung  von  45^  bei  gleicher  Kraft  eine  gröHsere 
Wurfweite  erzielt  wird  als  bei  gröljserer  und  geringerer  Neigung  gegen  die 
Horizontale.  Wie  in  den  Discorsi  wird  auch  in  diesem  Fragment  voraus* 
gesetzt,  nicht  bewiesen,  dafs  ein  Körper,  der  in  der  Richtung  der  Tangente 


022  Emil  Wohlwill: 

an  die  durch  horizontalen   Wurf  erzeugte  Halbparabel  schräg  aufwärts  ge- 
worfen wird,  die  gleiche  Parabel  beschreiben  muJGs. 

6.  Pag.  431   (Mss.  Gal.  P.  V.  T.  T.  ü.  car.  III  r.). 

Beweis,  dals  bei  Halbparabeln  gleicher  Amplitude  der  durch  den  Wurf 
erlangte  Impetus  kleiner  ist,  wenn  die  Amplitude  doppelt  so  grofs  als  wenn 
sie  mehr  als  doppelt  so  grofs  ist  als  die  Höhe.  Der  Beweis  stinunt  im 
Wesentlichen  mit  den  Ausführungen  zu  Propositio  YLl  des  vierten  Tages 
der  Discorsi  überein. 

7.  Pag.  433  (Mss.  Gal.  P.  V.  T.  H.  car.  IE.  t.). 

Anfang  des  Beweises  für  den  Satz  {Propositio  YIE  des  4^^  Tages  der 
Discorsi;,  dafs  die  Amplituden  je  zweier  Parabeln  gleich  sind,  wenn  der 
Impetus  der  geworfenen  Körper  der  gleiche  ist  und  der  Wurf  in  Winkeb 
erfolgt,  die  Tom  h&lben  Hechten  um  gleich  viel  oberhalb  und  unterhalb 
abweichen. 

Das  Ergebnis  dieser  Übersicht  ist  in  kurzen  Worten  zusammenzufassen. 
Es    sind    von   GAULEfs   Hand    aus    einer    Periode    der    GALiLEi'schen 
Forschung,  die  sicher  der  Abfassung  der  „Dialoge  über  die  beiden  Haupt- 
Weltsysteme'^  vorausging,  eine  Reihe  von  Fragmenten  zur  Wurf  lehre  erhalten, 
in  denen  die  Erkenntnis  der  Parabelform  der  Wurflinie  vorausgesetzt  und 
überdies   die  wichtigsten  dieser  Erkenntnis   sich   anschlielsenden  Lehren  in 
ähnlicher  Weise,  wie  in  den  lateinisch  geschriebenen  Abschnitten  der  Discorsi, 
zum  Teil  in  wörtlicher  ÜbereinsÜnmiung  mit  denselben  behandelt  werden. 
Auch  in  dieser  Einschränkung  ausgesprochen,  genügt  das  Ergebnis  der 
Handschriften-Prüfung,  um  zu  beweisen,  dafs  die  Entdeckung  der  Parabel- 
form der  Wurflinie  Galilei,  nicht  Cavalieri  gehört    Es  ist  dabei  zunächst 
dem  Zweifel  Baum  gelassen,  ob  die  Ungleichheiten  der  GALiLEi'schen  Hand- 
schrift eine  völlig  sichere  Unterscheidung  zwischen  dem,  was  vor  und  nach 
1610  geschrieben  ist,  gestatten  mögen.    Zieht  man  jedoch  in  Betracht,  daüs 
nach  allen  in   Galileis  Briefwechsel  vorliegenden  Angaben   ein   AbschlaÜB 
seiner  Forschung    zur  Wurf  lehre  im  Jahre   1609    vor   der  Erfindung  des 
Femrohrs  stattgefunden  hat,  und  dafs  er  zu  dem  gleichen  Forschungsgebiet 
Mbestens  zwei  Jahrzehnte  später  zurückgekehrt  ist,  so  gewährt  die  Wahr- 
w^ung,  dafs  die  besprochenen  Fragmente  von  Galileis  jugendlicher  Hand 
I^Mekrieben   sind,   zugleich   ein   unzweideutiges  Zeugnis   dafür,  dafs  sie  der 
»r  Periode  angehören,  also  Bruchstücke  derjenigen  Wurf  lehre  sind, 
'te  Galilei  dem  Luca  Valerio  und  dem  Minister  Vinta  berichtet,  und 
%fe  .fit  lateinischen   Abschnitte   des   vierten   Tages   der   Discorsi,   die   nur 
^^H^^ita    was  dem  Inhalte    nach  schon   in   den  Fragmenten  enthalten  ist, 
inUditAnl  sind,  was  sie  zu  sein  beanspruchen,  Bestandteile  des  in  Padua 
tfrthffgp"  Abschlufs  gebrachten  Manuskripts  einer  neuen  Bewegungs- 


Die  Entdeckung  der  Parabelform  der  Wurflinie.  623 

lehre.  Galilei's  Wurf  lehre,  wie  sie  in  den  Discorsi  vorgetragen  wird,  ist 
demnach  ein  Erzeugnis  jener  glorreichen  Zeit  seiner  besten  Mannesjahre, 
der  die  Mehrzahl  seiner  grofsen  Entdeckungen  angehört,  nicht  seines 
Greisenalters. 

So  ist  denn  auch,  CAVESNfs  kecker  Verwerfung  zum  Trotz,  jedem 
Zweifel  an  der  Glaubwürdigkeit  des  Briefes  vom  11.  September  1632  die 
Berechtigung  genommen.  Der  Brief  ist  wahr  in  allen  seinen  Teilen; 
Galelei's  Erklftrung,  dafs  das  Suchen  nach  der  Form  der  Wurflinie  Aus- 
gangspunkt seiner  Bewegungsforschung  gewesen  sei,  mufs  wie  bisher,  auch 
fernerhin  als  festes  Datum  für  die  geschichtliche  Deutung  des  Entwicklungs- 
gangs der  neueren  Bewegungslehre  angesehen  werden. 

Mit  gröfserer  Bestimmtheit  darf  man   nunmehr   auch  den  Brief  vom 
Februar  1609  als  nach  der  Entdeckung  der  Parabelform   geschrieben,  das 
dort  zuerst  formulierte  Gesetz  der  gleichen  Fallzeiten  als  aus  der  Erkenntnis 
der  wahren  Beschaffenheit  der  Wurflinie  abgeleitet  ansehen;  wenn  Galilei 
hier  die  Vergleichung  der  Fallzeiten  der  mit  ungleicher  Kraft  in  horizon- 
taler Richtung  abgeschossenen  Kugeln  zu  den  Problemen  zählt,  die  ihm  zu 
erörtern  übrig  bleiben  (questioni  che  mi  restano  intomo  äl  moto  dei  praietti)^ 
so  entspricht  das  durchaus  der  Vorstellung,  dafs  zu  jener  Zeit  die  Hauptsätze 
der  Wurflehre  bereits  festgestellt  waren,  das  Gesetz  der  gleichen  Fallzeiten 
nur  als  eine  weitere  Folgerung  hinzukam;  damit  scheint  zusammenzuhängen, 
dafs  diese  Folgerung,  die  Galilei  in  anderen  Schriften  offenbar  mit  besonderer 
Vorliebe  mehrfach  anfuhrt,   in  den    lateinischen  Text   der  Wurf  lehre    der 
Discorsi  nicht  aufgenommen  ist. 

Zu  Scheinbeweisen  werden  dem  Zeugnis  der  Handschriften  gegenüber 
ohne  Weiteres  die  Widersprüche,  die  gegen  Galileis  Entdeckerrecht  aus 
den  „Dialogen  über  die  Weltsysteme'^  und  aus  dem  ,JSpecchio  ustofio**  her- 
geleitet worden  sind,  wie  alle  übrigen,  die  man  durch  Auslegung  anderer 
Stellen  konstruiert  hat  und  femer  konstruieren  könnte. 

Man  wird  trotz  dieser  endgiltig  entscheidenden  Bedeutung  der  Hand- 
schriften-Prüfung nicht  für  unangemessen  halten,  dafis  die  vorstehenden  Seiten 
sich  zumeist  mit  der  Widerlegung  scheinbarer  Gegenbeweise  beschäftigt  haben, 
also  strenggenommen  mit  dem  Nachweis,  dafs  nicht  wahrscheinlich  sei,  was  um 
st^kerer  Gründe  willen  als  falsch  betrachtet  werden  mufs.  Es  handelte  sich 
dabei  nicht  nur  um  die  Beantwortung  der  einen  Frage,  für  die  das  Zeugnis 
der  Schriftzüge  ausreicht,  sondern  um  eine  Deutung  des  geschichtlichen  Zu- 
sammenhangs in  solcher  Weise,  dafs  auch  der  Schein  eines  Widerspruchs 
zwischen  dem  Ergebnis  der  Handschriften-Prüfung  und  den  anderweitig  be- 
kannten Thatsachen  verschwand;  denn  erst  mit  der  Beseitigung  dieses  Wider- 
spruchs war  klare  geschichtliche  Einsicht  gewonnen.    Aber  noch  ein  zweites 


624     Emil  Wohlwill:  Die  Entdeckung  der  Parabelfonn  der  Warflinie. 

liefs  die  eingehende  Erörterung  aller  vorgebrachten  Verdacht^ründe  ge- 
boten erscheinen.  Es  konnte  nicht  überflüssig  sein,  zu  zeigen,  d&is  CAVfaiKrs 
Angriff  nicht  weniger  nnhaltbar  sein  würde,  wenn  nicht  durch  einen  glück- 
lichen Zufall  Dokumente  erhalten  wären,  die  an  sich  genügen,  den  Verdacht 
zu  widerlegen,  unter  den  schweren  Verdächtigungen,  die  der  italienische 
Gelehrte  gegen  GxLiLEfs  grofsen  Namen  erhoben  hat,  sind  nicht  wenige, 
denen  in  ähnlich  leichtfertiger  Weise  wie  den  hier  besprochenen  mit  Hülfe 
von  Deutung  und  Dichtung  der  Schein  von  Lebenskraft  eingeblasen  ist,  fnr 
deren  Nichtigkeit  jedoch  so  unwidersprechliche  Zeugen  wie  in  nnsenn 
Falle  nicht  in  die  Schranken  gerufen  werden  können.  Für  die  UIlte^ 
suchung  dieser  andern  Fälle  muTste  es  von  Wert  sein,  an  dem  einen,  in 
dem  die  geschichtliche  Wahrheit  nicht  in  Frage  steht,  in  möglichst  voll- 
ständiger Weise  die  Methode  dargelegt  zu  sehen,  nach  der  auch  die  übrigen 
bearbeitet  sind. 


WiXrf 


Verzeiclmis  der  mathematischen  Werke,  Abhandlungen  nnd  Recensionen 

des 
Hofrat  Professor  Dr.  Morits  Oantor. 

Z  asammengestellt 
von 

Maximilian  Gurtze. 


Nach  folgendes  Verzeichnis,  welches  auf  absolute  Vollständigkeit  keinen  An- 
spruch macht,  da  die  einschlägigen  Zeitschriften  nicht  sämtlich  zur  Disposition 
standen,  umfafst  alle  selbständig  erschienenen  Arbeiten,  und,  soweit  eben  unter  den 
oben  auseinandergesetzten  Umständen  möglich  war,  die  in  Zeitschriften  und 
sonstigen  Sammelwerken  abgedruckten  Abhandlungen,  Notizen  und  Recensionen. 
Von  letzteren  ist  ja  allseitig  anerkannt,  dafs  sie  für  die  Geschichte  der  Wissen- 
schaft oft  weit  fördersamer  sich  erweisen,  als  das  besprochene  Werk  selbst,  so 
dafs  sie  in  dieser  Zusammenstellung  nicht  fehlen  durften.  Eine  Yon  kompetenter 
Seite  zugesicherte  Unterstützung  bei  der  Ausarbeitung  dieses  Verzeichnisses  ist 
später  zurückgezogen  worden,  so  dafs  auch  dieser  Umstand  bei  der  yoraussicht- 
liehen  Unvollständigkeit  desselben  als  mildernd  in  Betracht  gezogen  werden  möge. 

Thorn  am  1.  Juli  1899. 

M.  Cnrtze. 


I. 
Selbständig  erschienene  Werke. 

1.  Ueber  ein  weniger  gebräuchliches  Coordinaten -System.  Inaugural- Dissertation. 
Frankfurt  am  Main,  Druck  von  J.  J.  Schultheis  &  Comp.   1861.   39,  [1]  S.   %^, 

2.  Grundzüge  einer  Elementararithmetik  als  Leitfaden  zu  akademischen  Vor- 
trägen.   Heidelberg,  Verlag  von  Bangel  und  Schmidt,  1856.    176  S.   8®. 

3.  Mathematische  Beiträge  zum  Kulturleben  der  Völker.  Mit  vier  Tafeln.  Halle, 
Druck  und  Verlag  von  H.  W.  Schmidt  1863.   8^    XII,  482  S.,  4  Tafehi. 

4.  Euklid  und  sein  Jahrhundert.  Mathematisch -historische  Skizze.  Separat- 
abdruck aus  der  Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik.  Leipzig,  Druck  und 
Verlag  yon  B.  G.  Teubner  1867.    1  Blatt,  72  S.   8». 

5.  Die  Römischen  Agrimensoren  und  ihre  Stellung  in  der  Geschichte  der  Feld- 
roefskunst.  Eine  historisch -mathematische  Untersuchung.  Mit  6  (6)  litho- 
graphierten Tafeln.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1876. 
1  Blatt,  278  [1]  S.   8«.   6  Tafehi. 

Abh.  zur  Gesch.  d.  Mathem   IX.  40 


626  VerzeiclmiB  der  Werke,  Abhandlungen  und  Becensiones. 

6.  Das  Gesetz  im  Zufall.  Vortrag.  Berlin  SW.  1877.  Verlag  von  Carl  Habel. 
(C.  G.  Lüderitz'sche  Verlagsbuchhandlung).  SS  Wilhelmstrafse  33.  (Sammlosg 
gemeiuTerständl.  wissenschafbl.  Vorträge,  herausgegeben  Ton  Bnd.  Vircbow 
und  Fr«,  von  Holtsendorff;  XU.  Serie,  Heft  276.)    48  S.  (377—424).    8*. 

7.  Vorlesungen  über  Geschiebte  der  Mathematik.  Erster  Band.  Von  den  ältesten 
Zeiten  bis  zum  Jahre  1200  n.  Chr.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  Ton  B.  6. 
Teubner  1880.   VIII,  804  S.    gr.  8*.    1  Tafel. 

8.  Vorlesungen  über  Greschichte  der  Mathematik.  Zweiter  Band.  Von  1200—1668. 
Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1892.  X,  863  [1]  S.    gr.  8*. 

Auch  in  zwei  Hälften  erschienen  I,  S.  1—500;  II,  X  u.  S.  501—864. 

9.  Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik.  Erster  Band.  Von  den  ältesten 
Zeiten  bis  zum  Jahre  1200  n.  Chr.  Mit  114  Figuren  im  Text  und  1  lithogr. 
Tafel.  Zweite  Auflage.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  Ton  B.  G.  Teubner  1894. 
Vn  [1],  883  [1]  S.    gr.  8^,  1  Tafel. 

10.  Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik.  Dritter  (Schlufs-)  Band.  Vom 
Jahre  1668—1759.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  6.  Teubner.  XIV,  893 
[1]  S.    gr.  8<>. 

Erste  Abtheilung.    Die  Zeit  von  1668—1699.     Mit  45  Figuren  im  Text 

1894.    251  [1]  8. 
Zweite  Abtheilung.   Die  Zeit  von  1700—1726.    Mit  80  Figuren  im  Text 

1896.    S.  258-472. 
Dritte  Abtheilung.    Die  Zeit  von  1727-1758.    Mit  70  Figuren  im  Texi 

1898.   XIV  und  S.  473—893. 

11.  Politische  Arithmetik  oder  die  Arithmetik  des  täglichen  Lebens.  Leipsig, 
Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1898.   X,  136  S.    8^ 

12.  Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik.  Zweiter  Band.  Erster  Halb- 
band. Von  1200—1500.  Mit  93  in  den  Text  gedruckten  Figuren.  Zweite 
Auflage.    Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1899.    S.  1—480.  gr.8. 

II. 
ZeitsohrÜten^  an  deren  Herausgabe  Cantor  beteiligt  war. 

1.  Kritische  Zeitschrift  für  Chemie,  Physik  und  Mathematik.  Herausgegeben 
T.  A.  Eekul^,  G.  Levinstein,  F.  Eisenlohr  und  M.  Cantor.  Jahrgaag 
1858  (einziger)  Erlangen,  F.  Enke. 

2.  Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik,  herausgegeben  unter  der  yerantwort- 
liehen  Redaktion  von  Dr.  0.  Schlömilch  und  Dr.  B.  Witsschel  (Jahig. 
I — III)  1856—1859;  unter  der  verantwortlichen  Redaktion  Ton  Dr.  0.  Schlö- 
milch, Dr.  B.Witzschel  und  Dr.  M.  Cantor  (Jahrg.  IV)  1860;  unter  der  t^- 
antwortlichen  Redaktion  von  Dr.  0.  Schlömilch,  Dr.  £.  Kahl  und  Dr.  M 
Cantor  (Jahrg.  V^XXXVÜ)  1861—1892;  unter  der  verantwortlichen  Redaktion 
von  Dr.  0.  Schlömilch  und  Dr.  M.  Cantor  (Jahrg.  XXXVIII— XLI)  1893- 
1896;  Gegenwärtig  herausgeg.  von  Dr.  R.  Mehmke  und  Dr.  M.  Cantor  (Jahig. 
XLII— XLIV)  1897—1899.    Leipaig,  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1866—1899. 

3.  Abhandlungen  zur  Geschichte  der  Mathematik.  In  zwanglosen  Heften.  1. 1B77; 
n.  1879;  m,  1880;  IV.  1882;  V.  1890;  VL  1892;  VII.  1896;  VIIL  1898.  gr.8'. 
Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 

Auch  als  Supplementhefte  zur  „Zeitschrift  für  Mathem.  und  Physik" 
ausgegeben. 


Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlnngren  und  Recenflionen.  627 

m. 

Abhandlnngen  und  Reoeiuiionen. 

A.  Aus  der  „Kritiselien  Zeitselirift  für  Chemie,  Physik  und  Mathematik'^ 
Stand  nur  nicht  znr  Disposition. 

B.  Aus  der  „Zeitsehrift  für  Mathematik  und  Physik^^ 

I.  Abhandlnngen. 

Jahrgang  1.  1856:  Ueber  die  Einfflhrung  unserer  gegenwärtigen  Ziffern  in 
Europa.  65—74.  —  Ueber  den  Werth  von  0^   244—245. 

Jahrgang  2.  1857:  Ueber  die  Porismen  des  Euklid  und  deren  Divinatoren 
17 — 27.  —  Physikalische  Aufgabe  64 — 65  —  Ueber  eine  Eigenschaft  der  Bino- 
mialcoefficienten  65 — 66.  —  Ueber  eine  oombinatorische  Aufgabe  108 — 107.  — 
Petrus  Bamns,  Michael  Stifel,  Hieronymns  Cardanus,  drei  mathematische  Charakter- 
bilder ans  dem  16.  Jahrhundert.  Vortrag,  gehalten  zu  Bonn  in  der  mathem.- 
astron.  Section  der  33.  Naturforscher-Yers.  353 — 867.  —  Ueber  Normalstellen. 
410-412. 

Jahrgang  3.  1858:  Ramus  in  Heidelberg.  133—143.  —  Zur  Geschichte  der 
Zahlzeichen.  Vortrag,  gehalten  zu  Carlsruhe  in  der  mathem.-astron.  Section  der 
34.  Naturforscher- Vers.   325—841. 

Jahrgang  4.  1850:  Ueber  vollkommene  Zahlen.  160—161.  —  Eine  unbe- 
stimmte Aufgabe.  232—233.  —  Das  pythagor&isohe  Dreieck.  306—809.  —  Die 
Professur  des  Bamus.    314—315. 

Jahrgang  5.  1860:  Zur  Theorie  paralleler  Cnnren.   219—228. 

Jahrgang  6.  1861:  Ueber  arithmetische  Progressionen  Ton  Primzahlen. 
340—343. 

Jahrgang  7.  1862:  Ueber  Leitlinien.  50—52. 

Jahrgang  8.  1863:  Oliy  Terquem.  Biographische  Notiz.  Litt.  Bericht. 
105—109. 

Jahrgang  9.   1864:  Galileo  Galilei.   172—197. 

Jahrgang  10.  1866:  Ueber  einen  Codex  des  Klosters  Salem.    1—16. 

Jahrgang  11.  1866:  Aufgabe.  176.  —  Ueber  die  Summe  von  Cabikzahlen  nach 
Prof.  Angelo  Genocchi.  248—252. 

Jahrgang  12.  1867:  Samme  von  Cubikzahlen.  170—172.  —  Einfache  Con- 
struction  der  BerfihrungsliDinien  an  die  Lemniscate.  428 — 429.  —  Euklid  und 
sein  Jahrhundert.    Mathem.-histor.  Skizze.   Supplementheft.   1 — 72. 

Jahrgang  14.  1869:  Leibnitz.und  die  Differentation  mit  beliebigem  Index.  Litte* 
ratur-Zeitung.  30—31. 

Jahrgang  17.  1872:  Die  FamiUe  Fagnano.   88.  —  Bfirmann.  428—430. 

Jahrgang  20.  1875:  Gottfried  Friedlein  f«  ein  Nekrolog.  Hist-liter.  Abthei- 
lung. 109—113.  —  Zahlentheoretische  Spielerei.  134—135. 

Jahrgang  22.  1877:  Grftco-Indische  Studien.    Hist.-Hter.  Abtheilnng.  1-28. 

Jahrgang  23.  1878:  Der  Briefwechsel  zwischen  Lagrange  und  Euler.  Hist.- 
liter.  AbtheiluDg.  1—21. 

Jahrgang  24.  1879:  Drei  Briefe  von  Lagrange.  Hist-Hter.  Abtheilung. 
182—184. 

Jahrgang  88.  1888:  Ueber  eine  Proportion  ans  der  elementaren  Stereo- 
metrie.   119. 

40* 


628  YerzeichniB  der  Werke,  Abhandlangen  und  Becensionen. 

Jahrgang  38.  1893:  Ein  mathematUcher  Papyrus  in  griechischer  Sprache. 
Hisi-liter.  Abtheilung.  81—87. 

Jahrgang  39.  1894:  Fürst  Baldassarre  Boncompagni  LudovisL  Ein  Nachruf. 
Hist-liter.  Abtheilung.  161—163. 

Jahrgang  41.  1896:  Functionalgleichangen  mit  drei  von  einander  ooabhän- 
gigen  Ver&nderlichen.  161—163. 

n.  Recensionen. 

L  Weissenborn,  H.,  Die  Prineipien  der  höheren  Analjsis  in  ihrer  Ent- 
Wickelung  Ton  Leibniz  bis  auf  Lagrange.  Halle  1866.  57 — 63.  —  Biecke, 
Frd.,  Die  Rechnung  mit  Bichtungszahlen  oder  die  geometrische  Behandl.  imagin. 
Grössen.    Stattgart  1866.     77—79. 

II.  Hoffmann,L.,  Mathematisches  Wörterbuch.  Berlin.  86—39.  —  Spits.C, 
Lehrbuch  der  ebenen  Geometrie.  Lpzg.  u.  Heidelb.  1867.  66—68.  —  Slomao,  H., 
Leibnitiens  Anspruch  auf  die  Erfind,  der  Differentialrechnung.  Lpzg.  1857. 
94—96. 

IIL  Bretschneider,  C.  A.,  System  der  Arithmetik  und  Analysis.  Jena 
1866/67.     27—29. 

IT.  Schwan,  Herm.,  Grundzüge  einer  Elementararithmetik.  Hagen  1859. 
69 — 66.  —  L.  A.  Sohnke^s  Sammlung  von  Aufgaben  aus  der  Different.-  und  lote- 
gral>Bechnung.  2.  Aufl.  von  H.  J.  Schnitzler.  Halle  1869.  87—88.  —  Mathemat 
Abhandlungsregister  1868.     10—20;  76—86. 

T.  Er  ist,  Jos.,  Ueber  Zahlensysteme  und  deren  Geschichte.  Ofen  1859.  49 
bis  62.  —  Müller,  J.  H.  T.,  Beitrage  zur  Terminologie  der  griechiachen  Mathe- 
matik. Lpzg.  1860.  73—74.  —  Mathemat.  Abhandlungsregister  1869.  22-3^: 
86—96. 

Tl.  Nock,  Zenodorus'  Abhandlung  über  die  isoperimetrischen  FignreB. 
Deutsch  bearb.  Freiburg  1860.  1 — 3.  —  Ghasles,  M.,  Les  trois  livrea  de  ponsme 
d'Eaclide  retablies  pour  la  1«'  fois.  Paris  1860.  3—7.  —  Bartolomaei,  Fr., 
Zehn  Vorlesungen  über  Philos.  der  Mathematik.  Jena  1860.  7—8.  —  Öfter- 
dinger,  L.  F.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  griechischen  Mathematik.  Uhn  1860. 
41—42.  —  Delboeuf,  J.,  Prolegom^nes  philosoph.  de  )a  g^ometrie  etsolatdfs 
postulats.  Li^ge  1860.  42—44.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1860.  51-60: 
119—128. 

TII*  Friedlein,  G.,  Gerbert,  die  Geometrie  des  Boetius  und  die  indischen 
Ziffern.  Erlangen  1861.  69.  —  Secchi,  A.,  Intomo  alla  vita  ed  alle  opere  Jel 
P.  Giambatista  Pianciani.    Roma  1862.  66—66.  —  Mathem.  AbhandlungsregUter 

1861.  44—52;  92—102. 

YIIL  Scritti  di  Leonardo  Pisano  pubblic.  da  B.  Boncompagni.  2  Bde.  Koma 

1862.  41—47.  — Lehmann,  Fr.  A.,  Die  Archimedische  Spirale  mit  Rucks,  asl 
ihre  Geschichte.  Freiburg  1862.  47—48.  —  Narducci,  E.,  Catalogo  di  mano- 
scritti  ora  possed.  da  D.  B.  Boncompagni.  Roma  1862.  66—68.  —  Cantor,  M. 
Mathemat.  Beiträge  zum  Culturleben  der  Völker.  Halle  1863.  81.  —  Matheni. 
Abbandlungaregister   1862.    66—64;  126—135. 

IX.  Joachims thal,  J.,  Elemente  der  analyt.  Geometr.  der  Ebene.  Berlin  1863 
1 — 7.  —  Chasles,  Ph.,  Galileo  Galilei,  sa  yie,  son  proc^s  et  ses  comtemporuas 
Paris  1863.  17 — 21.  —  Woepcke,  Fr.,  Passages  relatifs  k  des  sommations  de 
säries  de  cubes  extr.  de  manntcr.  arabes  inädits.  Rome  1863.    49 — 60.  —  OenTred 


Yerzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  und  Recensionen.  629 

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de  D^sargnes,  r^nn.  et  anal.  p.  M.  Poudra.  Paris  1864.  89— -93.  —  St  arm, 
Coars  d'analyse  de  T^eoie  polytechnique  2^  ^d.  par  E.  Prouhet.  Paris  1863 
bis  64.  105—108.  —  unverzagt,  üeber  eine  neue  Methode  zur  üntersch.  räuml. 
Gebilde.  Wiesbaden  1864.  110.  -—  Snell,  üeber  Oalilei  als  Begründer  der  mo- 
dernen Physik.  Jena  1864.  111.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1863.  63 — 72; 
120—128. 

X.  Heronis  Alexandrini  geometr.  et  stereometr.  reliquiae  ed.  Fr.  Hultsch 
Berlin  1864.  1.  —  Woepcke,  Fr.,  Passages  relatives  ä  des  sommat.  des  säries 
de  cubes  etc.  Borne  1864.  25 — 26.  —  Metrologicor.'scriptor.  reliquiae  Coli.  Fr. 
Hultsch  I.  Lps.  1864.  41 — 42.  —  Yosen,  Chrn.,  Galileo  Galilei  und  die  römische 
Verurth.  des  kopemik.  Systems.  Frankfurt  a/M.  1865.  49—51.  —  Mathem.  Abhand- 
lungsregister  1864.    70—80;    112—120. 

XI*  Martin,  Th.  H.,  Observations  et  th^ories  des  anciens  sur  les  attract.  et. 
repuls.  magnätiques  et  sur  les  attract.  electr.  Borne  1865.  21—23.  —  Quetelet,  A., 
Histoire  des  sciences  mathem.  et  phys.  chez  les  Beiges.  Bruxelles  1864.  29 — 33.  — 
Mathem.  Abhandlungsregister  1865.    43 — 52;  77—86. 

XII.  Giesel,  Die  Entstehung  des  Newton-Leibnitz*8chen  Prioritätsstreites  hin- 
sichtlich der  Erfind,  der  Infinitesimalrechnung.  Delitzsch  1866.  44 — 46.  —  Le  Mes- 
sähat  de  A(ohammed  ben  Moussa  al  Ehäreuni  eztrait  de  son  alg^bre  par  Arist. 
Marre  2*  äd.  Bome  1866.  47.  —  Notiz  (über  die  Annali  di  Matematica)  65.  — 
Weissenborn,  H.,  Lebensbeschreibung  des  Ehrenfried  Walther  von  Tschim- 
haus  etc.  Eisenach  1866.  79 — 81.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1866.  50—60; 
93—104. 

XI n.  Benecke,  A.,  üeber  die  geometrische  Hypothesis  in  Plato*s  Menon. 
Elbing  1867.  9 — 12.  —  Palm,  G.  A.,  Der  Magnetismus  im  Alterthum.  Stuttgart 
1867.  12 — 13.  —  Zeitschrift  für  Bibliographie  und  Geschichte  der  Mathematik, 
herausg.  von  B.  Boncompagni  in  Bom.  15 — 16.  —  Martin,  Fr.  Th.,  Gali]<^e, 
les  droits  de  la  science  et  la  m^th.  des  sciences  phys.  Paris  1868.  53 — 59.  — 
Mathem.  Abhandlungsregister  1867.    27—36;  69—80. 

XIT.  Bretschneider,  C.  A.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  griechischen  Geo- 
metrie. Gotha  1869.  29—30.  —  Didion,  Notice  sur  la  vie  et  les  ouvrages 
du  g^näral  J.  Y.  Poncelet.  Paris  1869.  53—56.  —  Forti,  Ang.,  Intomo  alla 
vita  ed  alle  opere  di  Luigi  Lagrange.  2.  ed.  Roma  1869.  56—57.  —  Mathem. 
Abhandlungsregister  1868.   37 — 44;  59—68. 

XY.  Giesel,  Jacob  Bemoulli.  Leer  1869.  17—19.  —  Dreydorff,  J.  G., 
Pascal,  sein  Leben  und  seine  Kämpfe.  Lpzg.  1870.  19 — 28.  —  Mathem.  Abhand> 
lungsregister  1869.     35—44;  112—120. 

XYI.  Wohlwill,  E.,  Der  Inquisition sprocess  des  Galileo  Gralil ei.  Berlin  1870. 
—  Gherardi,  S.,  II  processo  Galileo  riveduto  sopra  documenti  di  nuova  fönte. 
Firenze  1870.  1—8.  —  Knapp,  G.  F.,  Die  Sterblichkeit  von  Sachsen.  Nach 
amtl.  Quellen.  Lpzg.  1869.  55^56.  —  Unverzagt,  W.,  Ueber  ein  einfaches 
Coordinatensystem  der  Geraden.  Wiesbaden  1871.  57 — 59.  —  Bretschneider, 
C.  A.,  Die  Geometrie  und  die  Geometer  vor  Euklides.  Lpzg.  1870.  65 — 70.  — 
Mathem.  Abhandlungsregister   1870.   44 — 52;  73—80. 

XYII.  Günther,  S.,  Beiträge  zur  Erfindungsgeschichte  der  Kettenbrüche. 
Weissenburg  1872.  102.  —  Friedlein,  G.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Mathe- 
matik IL  Hof  1872.  105—110.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1871.  53—63; 
117—128. 


630  Verzeichnis  der  Werke,  Abliandltmgen  und  Reeensionen. 

XYIII.  Nicolai  Copernici  de  Bevolutionib.  orb.  caelest.  libri  Vi.  Thorani 
1873.  31—33.  —  Berichtigung  71—72.  —  Priedlein,  G.,  Beiträge  zur  Qe- 
Bchichte  der  Mathematik  III.  Hof  1873.  85 — 86.  —  Dieci  lettere  di  Gius.  Luig^ 
Lagrange  pubbl.  da  Giambatt.  Biadego.  Roma  1873.  86—87.  —  Mathen.  Abband- 
lungsregister  1872.    44-54;  74—84. 

XIX.  Ziegler,  Alex.,  Regiomontanus  (Job.  Müller  a.  Königsberg  in  Franken), 
ein  geistr.  Vorlauf,  des  Columbus.  Dresden  1871.  41—63.—  Geiser,  C.  F.,  Zur  Er- 
innerung an  Jacob  Steiner.  Zürich  1874.  65 — 67.  —  Mathem.  Abhandltings- 
register  1873.    31—40;  75-^84. 

XX*  Hankel,  H.,  Zur  Geschichte  der  Mathematik  im  Altertb.  und  Mittel- 
alter. Lpzg.  1874.  27 — 38.  —  Prowe,  L.,  Nicolaus  Copemicus  auf  der  Universität 
zu  Krakau.  Thom  1874.  38— 39.  — Kuckuck,  A.,  Die  Rechenkunst  im  16.  Jahr- 
hundert. Berlin  1874.  65 — 68.  —  Rosenow,  H.,  Die  Cuiren  dritter  Ordnung  mit 
einem  Doppelpunkt.  Breslau  1873.  69 — 70.  —  Finger,  Jos.,  Directe  Deduction 
der  Begriffe  der  algebr.  und  arithm.  Grundoper at.  aus  dem  Grössen-  und  Zahl- 
begriÖ'e.  Laibach  1873.  70—71.  —  Claudel,  La  th^orie  des  parallMes  selon 
les  g^omHres  Japonais.  Bruxelles  1875.  71 — 73.  —  Hipler,  Frz.,  Die  Portr&ts 
des  Nicolaus  Copemicus.  Lpzg.  1875.  92—95.  —  Bremiker,  C,  Tafeln  Tier- 
stelliger  Logarithmen.  Berlin  1874.  95 — 96.  —  Report  of  the  commitee  on 
mathematical  tables.  London  1873.  103 — 105.  —  Die  erste  Säkularfeier  der  Ge- 
burt ¥on  Nicolaus  Copemicus.  Thom  1874.  106. —  Oppert,  J.,  L*ätalon  de  me- 
sures  Assyriennes  fixä  par  les  textes  cunäiformes.  Paris  1875.  149 — 165.  — 
Heinrici,  J.,  Lehrbuch  für  den  Rechenunterrieht.  Heidelberg  1875.  172 — 174.— 
Mathem.  Abhandlungsregister  1874.    43—56;  139—148. 

XXL  Cremona,  L.,  Elemente  des  graphischen  Calcnls.  Deutsch  von 
M.  Curtze.  Lpzg.  1875.  19 — 20.  —  Favaro,  A.,  Saggio  di  chronografia  dei  Mate- 
matici  dell'  Antichitä  (Anno  600  a.  C.  —  A.  400  d.  C.)  Padova  1875.  20—21.— 
Mansion,  P.,  Notices  sur  les  trayauz  de  R.  F.  A.  Clebsch.  Rome  1875.  37.  — 
Gerhardt,  Die  Sammlung  des  Pappus  von  Alexandria.  Eisleben  1875.  37—43.  — 
Bohn,  C,  Anleitung  zur  Vermessung  yonFeld  und  Wald.  Berlin  1876.  42 — 43.  — 
Pappi  Alex.  Collectionis  quae  supersunt.  ed.  Fr.  Hultsch  L  Berol.  1875.  70—80. — 
T.  Gebier,  C,  Galileo  Galilei  und  die  Römische  Carie.  Stuttgart  1876.  96 — 99. — 
Günther,  S.,  Vermischte  Untersuchungen  zur  (beschichte  der  mathem.  Wissen- 
schaften. Lpzg.  1876.  99—103.  —  Major,  L.,  Proklos  über  die  Petita  u.  Axio- 
mata  bei  Euklid.  Tübingen  1875.  181 — 183. —  Useneri,  H.,  ad  historiam  astro- 
nomiae  symbola.  Bonn  1876.  183 — 184.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1875. 
47—56;  116—124. 

XXII.  Bom belli,  R.,  Studi  archeologico-critici  circa  Tantica  numerazione 
italica  P.  1.  Roma  1876.  54 — 56.  —  S  t  o y ,  H.,  Zur  Geschichte  des  Rechenunterrichtes  I. 
Jena  1876.  55 — 57.  —  Hoppe,  R.,  Tafeln  zur  SOsteUigen  logarithmischen  Rechnung. 
Lpzg.  1876.  57 — 58.  —  August,  F.,  Die  Elemente  der  Arithmetik.  Berlin  1875. 
59.  —  Hermes,  0.,  Elementaraufgaben  aus  der  Algebra.  Berlin  1875.  59 — 60.  — 
Unverzagt,  K.  W.,  Theorie  der  goniometrischen  und  der  logarithm.  Quater- 
nionen.  Wiesbaden  1876.  83 — 86.  —  Garbieri,  Isei  cartelli  di  matematica 
disfida  tra  Tartalea  e  Ferrari.  Milano  1876.  138 — 150.  —  Tychonis  Brahei 
et  aliorum  doctor.  viror.  epistolae  ed.  F.  R.  Friis.  Fase.  1.  Hauniae  1876.  150 — 154. 
—  Hiasi,  Gi.,  11  calcolo  suUe  incognite  delle  equazioni  algebriche.  Verona  1876. 
IGO— 162.  —  Lejeune-Dirichlet,  G.,  Vorlesungen   über   die  im   umgekehrten 


7eneichni8  der  Werke,  Abhandlungen  und  Eecensionen.  631 

Veriiältnis  der  Quadrate  ^inrkenden  Ei^fte.  Herausgeg.  Ton  Grube.  Lpzg.  1876- 
162 — 163.  —  Pappi  Alexandr.,  Gollectionis  qnae  supersunt  ed.  Fr.  HulUcb  II. 
Berol.  1877.  173—179.  —  Günther,  S.,  Studien  zur  Geschichte  der  mathem. 
und  physik.  Geographie  I  u.  II.  Halle  1877.  179—181.  —  Stoeber,  E.,  Die  römische 
GmndsteuerTermessung.  München  1877.  182— 184.  —  Weissenborn,  H.,  Die  Ent- 
Wickelung  des  ZifPemrechnens.  Eisenach  1877.  184— 186.— Winnecke,  F.A.F., 
Gauss,  Ein  ümriss  seines  Lebens.  Braunschweig  1877  185.  — Wolf,  R.,  Taschen- 
buch ffir  Mathem.,  Physik,  Geodäsie  und  Astronomie.  6.  A.  Zürich  1877.  186 — 
186.  —  Bardey,  E.,  Algebraische  Gleichungen  nebst  den  Resultaten.  2.  A.  Lpzg. 

1876.  186 — 187.  —  Müller,  J.,  Elemente  der  ebenen  und  sphärischen  Tri- 
f^onometrie.  3.  A.  von  H.  Müller.  Braunschweig  1876.  187—188  —  Mathem.  Ab- 
handlungsregister 1876.    121—132;  201—212. 

XXIIL  Wolf,  Geschichte  der  Astronomie.  München  1877.  85—88.  — 
Zackermann,  6.,  Das  Mathematische  im  Talmud.  Breslau  1878.  88—92.  — 
Günther,  S.,  Der  Thibaufsche  Beweis  für  das  elfte  Axiom  bist,  und  kritisch 
erörtert.  Ansbach  1877.  92—93.  —  Schenk,  Philipp  Reis,  der  Erfinder  des  Te- 
lephon. Frankfurt  a/M.  1878.  93.  —  Hügel,  Th.,  Das  Problem  der  magischen 
Systeme.  Neustadt  a/H.  1876.  138—134.  —  Marsano,  G.  B.,  Principii  elemen- 
tari  suUe  probabilitä.  Genova  1876.  134—135.  —  Rothlauf,  B.,  Die  Mathe- 
matik zu  Piatons  Zeiten  und  seine  Bezieh,  zu  ihr.    München  1878.    169 — 170 

Kieseritzky,  C,  Die  Zahlzeichen  und  Zahlensysteme  der  Griechen  und  ihre 
Logistik.  St.  Petersburg  1877.  171.  —  Molagola,  C,  Della  yita  e  delle  opere 
di  Antonio.  Ürceo  detto  Codro.  Studi.  Bologna  1878.  171 — 172.  —  Haensel- 
mann,  C,  Carl  Friedrich  Gaufs.  12  Capitel  aus  seinem  Leben.  Lpzg.  1878.  173 — 
174.  —  Schlegel,  Y.,  Hermann  Grassmann,  sein  Leben  und  seine  Werke. 
Lpzg.  1878.  174—175.  —  Billwiller,  K.,  Kepler  als  Reformator  der  Astro- 
nomie. Zürich  1878.  175.  —  Burmeister,  Th.,  Geschichte  der  Hageltheorien. 
Glückstadt  1877.  176.  —  Hattendorff,  E.,  Algebraische  Analysis.  Hannover  1877. 
176 — 177.    —   Vogler,  A.,   Anleitung   zum  Entwurf  graphischer  Tafeln.    Berlin 

1877.  190—191.  —  unverzagt,  W.,  Der  Winkel  als  Grundlage  mathemat. 
Untersuchung.  Wiesbaden  1878.  191 — 192.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1877. 
102—116;  196—208. 

XXIT.  Petersen,  J.,  Theorie  der  algebr.  Gleichungen.  Kopenhagen  1878. 
31 — 33.  —  Mansion,  P.,  Elemente  der  Theorie  der  Determinanten.  Lpzg.  1878. 
33.  —  Pappi  Alexandr.,  Gollectionis  quae  supersunt  ed.  Hultsch  III.  Berol.  1878. 
126 — 132.  —  Biadego,  G.,  Pietro  Maggi  matematico  e  poeta  Veronese.  Verona 
1879.  132.  —  Ludwig,  C,  Rede  zum  Gedächtnis  an  Ernst  H.  Weber.  Lpzg.  1878. 
133  —  Hoüel,  J.,  Cours  de  calcul  infinitesimal  L  Paris  1878.  140—143.  —  Bun- 
kofer,  W.,  Zahlbfischel,  Mittelpunkt.  Aequi?alente  Vertretung  von  Punktsystemen. 
Bruchsal  1878.  144 — 145.  —  Roeutgen,  R.,  Die  Anfangsgründe  der  analytischen 
Geometrie.  Jena  1879.  146 — 146.  —  Müller,  J.,  Elemente  der  analyt.  Geometrie 
in  der  Ebene  und  im  Räume.  2.  Aufl.  yon  H.  Müller.  Braunschweig  1878.  146.  — 
y.  Ott,  K.,  Das  graphische  Rechnen  und  die  graphische  Statik.  I.  Prag  1879. 
146 — 147.  —  Günther,  S.,  Studien  zur  Gescbicbte  der  mathem.  und  physik. 
Geog^phie.  Halle  1877/79.  167 — 168.  —  Heiber^,  J.  L.,  QuaesÜones  Archimedeae. 
Hauniae  1879.  168—169.  —  Mathem.  Abhandlungsregiater  1878.  111—120;  209 
bis  224. 

XXY.   Caesar,  J.,  Christian  Wolff  in  Marburg.    Marb.  1879    31—32.  — 


632  Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  und  Becensionen. 

Gaafs,  F.  (t.,  Fünfstellige  vollst,  logarithm.  und  trigonomeir.  Tafeln.  II.  Anfl. 
Zeitz  1879.  32.  —  Wolf,  B.,  Geschichte  der  Yennessungen  in  der  Schweiz. 
Zürich  1879.  35—87.  —  Hoüel,  J.,  Cours  de  calcul  infinitesimal.  IL  Paris  1879. 
71 — 74.  —  Nicolaus  Coppemicus  aus  Thom,  Ueber  die  Kreisbeweg,  der  Weltkörper. 
Deutsch  von  Menzser.  Thom  1879.  99.  — Heilermann  und  Dieckmann,  Lelir- 
und  Uebungsbuch  für  den  Unterricht  in  der  Algebra.  3  Thle.  Essen  1878/79. 
100—102.  —  Reidt,  Fr,  Arithmetik  und  Algebra.  Breslau  1879.  103—104.  — 
Beidt,  Fr.,  Planimetrie,  Stereometrie  und  Trigonometrie.  Breslau  1879/80.  194 
bis  195.  —  Scott,  Q.  F.,  Atreatise  on  the  theorie  of  determinants  and  theirappli- 
cations.  Cambridge  1880.  203—204.  —  Wittstein,  Th.,  Analytische  Geometrie. 
Hannover  1880,  203—204.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1879.  110-120;  208 
bis  220. 

XXYI.  Wretschko,  A.,  Elemente  der  analyt.  Geometrie  der  Ebene.  Brunn 
1880.  26— 27.— Girard,H.,  La  Philosophie  Bcientifique.  Paris  1880.  27 — 29.— Buis, 
Lucien,  La  science  de  la  quantitäe.  Bruxelles  1880.  29.  —  Götting,  K,  Ein- 
leitung in  die  Analysis.  Berlin  1880.  71—73.  —  Günther,  S.,  Die  Lehre  von 
den  gewöhnl.  und  yeraUgem.  Hyperbelfunctionen.  Halle  1881.  98—104.  — 
Buohonet,  Gh.,  Elements  de  calcul  approximativ.  3  ed.  Paris  1880.  149—150.— 
Joachimsthal,  F.,  Anwendung  der  Differential-  und  Integral-Rechnung  auf  die 
Theorie  der  Flächen  und  Linien  doppelter  Krümmung.  2.  Aufl.  von  L.  Natani. 
Lpzg.  1881.  178 — 179.  —  Meyer,  Frz.,  Analytische  Geometrie  der  Ebene  und  des 
Baumes.  Hannover  1881.  180—181.  —  Lagrange's  mathemat.  Elementarror- 
lesungen.  Deutsch  von  H.  Niedermüller.  Lpzg.  1880.  181  —  182.  —  Schapira,  H., 
Grundlagen  zu  einer  Theorie  allgemeiner  Cofnnctionen.  1, 1.  1.  Lief.  Odessa  1881. 
182—183  —  Spiess,  E.,  Erhard  Weigel,  weiland  Prof.  der  Mathem.  zu  Jena. 
Lpzg.  1881.    183—185.  —  Usener,  De  Stephano  Alexandrino  commentatio.  Bonn 

1880.  185 — 187.  —  Favaro,  A.,  Le  matematiche  nello  studio  di  Padova  dal 
princ.  del  secolo  XIV.  all  XVL  Padova  1880.  187.  —  Favaro,  A.,  Galileo 
Galileo  ed  il  Dialogo  di  Cecco  di  Bonchiti  da  Bruzene.  Venezia  1881.  187—188.  — 
Hultsch,  Fr.,  Heraion  und  Artemision,  zwei  Tempelbauten  Joniens  Berlin  1881. 
188—189.  —  Weber,  H.,  üeber  Causalität  in  den  Naturwissenschaften.  Lpzg.  1881. 
189—190.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1880.    111—120;  219—232. 

XXYn.  Worpitzky,  J.,  Lehrbuch  der  Different.-  und  Integr.-Bechnmig. 
Berlin  1880.  73—76.  —  Heger,  B.,  Darstellende  Geometrie.  Breslau  1880/181. 
101—103.  —  Simony,  0.,  Gemeinfafsl.  leicht  controllierb.  Lösung  der  Aufg.  in 
ein  geschlossenes  Band  einen  Knoten  zu  machen.  3.  Aufl.  Wien  1881.  103— 
104.  —  Buis,  L.,  La  science  de  Tespace.  Bruxelles  1881.  104—106.  —  Zucker- 
mann, Materialien  zur  Entwickelung  der  altjüdischen  Zeitrechnung  im  Talmud. 
Breslau  1882.  106—107.  —  Majer,  L.,  Proklos  über  die  Definitionen  bei 
Euclid.  1.  Stuttgart  1881.  107—108.  —  Archimedis  opera  omnia  c.  comm. 
Eutocii  ed.  J. L.  Heiberg.  I— HI.  Lpzg.  1880/81.  108  — 110.  — Weissenborn,  E, 
Die  üebersetzungen  des  Euklid  durch  Campono  und  Zamberti  Halle  1882.  110— 
111.  —  Favaro,  A.,  Intorno  ad  una  nuova  edizione  delle  opere  di  Galilei  Venezia 

1881.  111—112.  — ;  Beinhardt,  C,  Magister  Joh.  Sam.  Doerffel,  ein  Beitr.  i. 
Gesch.  d.  Astronomie.  Plauen  i.  V.  1881.  112—114.  —  Bodel,  L.,  Les  preteodus 
problömes  d'Algäbre  du  manuel  de  calculateur  ^ptien  (pap.  Bhind)  Paris  1882. 
117.  —  Beyda,H.  Fr.  Th.,  Die  imaginftren  Gröfsen  und  ihre  Auflösung.  Bonn 
1881.     132—133.   —   Heger,   B.,    Differential-  und   Integral  - Bechnung.    Aus- 


Yerseichnifi  der  Werke,  Abhandlungen  nnd  Becensionen.  633 

g-leichsrecbnüng.     Breslau  1881.     133 — 136.    —    In  memoriam  Dominici  Cbelini. 
cur.   Ja.  Cremona  et  E.  Beltrami.   Mediolani  1881.    136—139.    —   Henrici,   J.    u. 
P.     Treutlein,   Lebrbuch  der  Elementargeometrie  I.    Lpzg.  1881.     139  —  140.  — 
Goetting,  R.,  Die  Functionen  Cos.  und  Sin.  beliebiger  Argumente.    Berlin  1881. 
140 — 141.    —    Bremiker,  C,  Logaritbm. - trigonometr.  Tafeln  mit  6  Decimalst. 
8.   Aufl.     Berlin  1881.    142.  —   Pryde,  J.,  Matbematical  Tables.    London  1880. 
142  — 143   —   Witts tein,  Tb.,    das  mathemat.  Gesetz  der  Sterblicbkeit.    Han- 
nover  1881.     143—144.  —  Güntber,  S.,  Parabolische  Logarithmen  und  parabol. 
Trigonometrie.   Lpzg.    1882.    183 — 186.  —  Lasswit'z,  E.,  Die  Lebre  Ton  den  Ele- 
menten w&brend  des  Ueberganges  von  der  scbolast.  Physik  zur  Corpuscnlartbeorie. 
Gotha  1882.     186—187.    —   Bergold,   E.,  Arithmetik  und  Algebra  nebst  einer 
Gesch.    dieser  Disciplinen.    Karlsruhe  1881.     187  —  188.  —  Schroeder,  Tb.  E., 
Lehrbuch  der  Planimetrie.    Nürnberg  1882.     188—189.  —  Schubert,  H.,  IDu- 
striertes  Hilfsbuch  der  Flächen    und  Körperberechnung.  Berlin  1881.  189—190.— 
Amthor,  A.,   Ueber  einige  Arten  der  Aussteuerrersicherung  insbes.  die  Militär- 
dienstvers.    Dresden  1882.    190 — 192.  —  Hunrath,  L.,  Aufgaben  zum  Rechnen 
mit  Sjstemzahlen.    Hadersleben  1882.    192—193.  —  Abendroth,  W.,  Anfangs- 
gründe der  analyt.  Geometrie  der  Ebene.    Lpz.  1882.     193  — 194.  —  Muir,  Tb., 
A  treatise  on  the  theorie  of  determinants.     London  1882.     194 — 197.  —  Hoch- 
heim,  A.,   Aufgaben  aus  der  analytischen  Geometrie  der  Ebene.  I.  Lpzg.  1882. 
219  —  220.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1881.  148—160;  232—240. 

XXTIII*  Campori,  G.,  Carteggio  Galileano  inedito  con  note  ed  appen- 
dice.  Modena  1881.  24 — 30.  —  Suchsland,  E.,  Geometrie  und  ebene  Trigono- 
metrie. Stolp  i.  P.  1881.  37-38.  —  Schloemilcb,  0.,  Uebungsbuch  zum  Stu- 
dium der  hob.  Analysis.  IL  3.  Aufl.  Lpzg.  1882.  38.  —  Henrici,  J.  u.  P. 
Treutlein,  Lehrbuch  der  Elementargeometrie.  U.  Lpzg.  1882.  68—69.  —  Nehlz, 
Chr. ,  lieber  graphische  Bectification  von  Kreisbogen.  Hamburg  1882.  69—70.  — 
Manilius,  Transporteur  und  Mafsstab  zum  Gebr.  beim  Unterr.  in  Planimetrie  und 
Trigonometrie.  Coburg  1882.  70.  —  Yeronese,  G.,  Dei  principali  metodi  in 
geometria  ed  in  ispecial  modo  del  metodo  analitico.  Verona  e  Padova  1882.  70 — 71. 

—  Schmidt,  A.,  Elemente  der  darstellenden  Geometrie.    Wiesbaden  1882.  71 — 72. 

—  Staudacber,  H.,  Elementares  Lehrbuch  der  algeb.  Analysis.  München 
1882.  72—73.  —  Pasch,  M.,  Einleit.  in  die  Diff.-  und  Integralrechnung.  Lpzg. 
1882.  73-76.  —  Koppe,  K.,  Die  Arithmetik  und  Algebra.  12.  Aufl.  von  W. 
Dabl.  Essen  1882.  76 — 77.  —  Kaiser,  H.,  Die  Anfangsgründe  der  Determinanten 
in  Theorie  und  Anwend.  Wiesbaden  1882.  77.  —  Günther,  S.,  Peter  und  Phi- 
lipp Apian,  zwei  deutsche  Mathem.  und  Kartographen.  Prag  1882.  77 — 78.  — 
Heiberg,  J.  L.,  LitteraturgeschichÜ.  Studien  über  Euklid.  Lpzg.  1882.  100— 
102.  —  Böhme,  A.,  Perioden  der  Decimalbrüche.  Berlin  1882.  147.  —  Becker, 
E.,  Logaritb.-trigonometr.  Handbuch  auf  5  Decimalst.  Lpzg.  1882.  198 — 199.  — 
Schubert,  H.,  Sammlung  von  arithm.  und  algebr.  Fragen  und  Aufgab.  I.  Pots- 
dam 1883.  199—200.  —  Grube,  Fr.,  Zur  Geschichte  des  Problems  der  Anziehung 
der  Ellipsoide.  Schleswig  1883.  200—201.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1882. 
151—168;  240—256. 

XXIX«  Marie,  M.,  Histoire  des  sciences  mathem.  et  physique  I.  II.  Paris 
1883.  43 — 45.  —  Hunrath,  K.,  Ueber  das  Ausziehen  der  Quadratwurzeln  bei 
(iriechen  und  Indem.  Hadersleben  1883.  45—47.  —  Detlef sen,  D.,  Die  Mafse 
der  Erdteile  bei  Plinius.     Glückstadt   1883.    47—48.   —  Prowe,  L.,  Nicolaus 


634  Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  und  ReoensioneiL 

Coppemicus.  I,  1.  2.  Berlin  1883.  48—50.  —  Fayaro,  A.,  Galileo  Galilei  e 
lo  studio  di  Padova.  L  11.  Firenze  1883,  60—61.  —  Boncompagni,  B.,  In' 
torno  alla  yita  ed  alle  lavori  di  Ant.  Carlo  Marcellino  Ponllet-Delisle.  Borna 
1888.  61 — 62. —  Boncompagni,  B.,  Atti  di  nascita  e  di  morte  di  Pietro  Simone 
Marchese  di  Laplace.  Roma  1883.  62—63  —  Nachreiner,  V.,  Beitrag  znr  Theone 
der  best.  Integrale  und  zur  Attraktionstheorie.  Neustadt  a.  H.  1883.  67 — 68.  — 
Beau  0.,  Untersuch,  auf  dem  Gebiete  der  trigonom.  Reihen  und  der  Fourier'scheii 
Integr.  Lpig.  1883.  110 — 112.  —  Pein,  A.,  Aufgab,  aus  der  sphärischen  Astro- 
nomie.  Bochum  1823.  112.  —  Henrici,  J.,  Vierstellige  logarith.- trigonom. 
Tafeln.  Lpzg.  1882.  113.  —  Bremiker's  logarith.-trigonometr.  Tafeln  mit 
6  Decimalst.,  neu  bearb.  von  Th.  Albrecht.  10.  Aufl.  Berlin  1888.  113.  —  Biihl- 
mann,M.,  Logarithm.-trigonometr.  und  andere  für  Rechner  nützl.  Tafeln.  9.  Aufl. 
Lpzg.  1883.  114.  —  Schubert  H.,  Sammlung  von  arithm.  und  algebr.  Fragen 
und  Aufgaben.  11.  Potsdam  1883.  114—115.  —  Haas,  C,  Theilbarkeittregel 
fQr  ein  Zahlsystem  mit  belieb,  ganzer  posit.  Basis.  Wien  1883«  146.  —  Hunrath, 
L.,  Die  Berechnung  irrationaler  Quadratwurzeln  vor  der  Herrschaft  der  Dedmal- 
brüche.  Kiel  1884.  176.  —  Marin elli,  G.,  Die  Erdkunde  bei  den  Kirehen- 
y&tem.  Deutsch  von  Neumann.  Lpzg.  1884.  176 — 177.  —  ▼.  Stein,  L.,  Das 
Bildimgswesen  des  Mittelalters.  Scholastik,  Universität,  Humanismus.  2.  Aufl. 
Stuttgart  1883.  177—179.  —  Brockmann,  J.  J.,  System  der  Chronologie.  Stutt- 
gart 1883.  179—180.  —  Schubring,  G. ,  Zur  Erinnerung  an  die  Gregorianische 
Kalenderreform  (Oct.  1682).  Halle  a.  S.  1883.  180.  —  Marie,  M.,  Histoire  des 
sciences  math^m.  et  physiques  HI.  Paris  1884.  180—183.  —  Giesel,  G.,  Fest- 
schrift zur  60jähr.  Gedächtnisfeier  der  Realschule  I.  Ordnung  zu  Leipzig.  Lpzg. 
1884.  184  —  185.  —  Die  Basler  Mathematiker  Daniel  BemouUi  und  Leonhard 
Euler  hundert  Jahre  nach  ihrem  Tode.  Basel  1884.  185.  —  Riggenbach,  A., 
Historische  Studie  Üb.  d.  Entwickel.  der  Grundbegriffe  der  Wärmefortpflanznng. 
Basel  1884.  186.  —  Wundt,  W.,  Logik.  Eine  Untersuch,  fib.  die  Prindpien 
der  Erkenntnis.  II,  2.  Stuttgart  1883.  196—198.  —  Perozzo,  L.,  Nene  An- 
wendung der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  in  der  Statistik.  Deutsch  Yon  0.  Elbe. 
Dresden  1883.  198—199.  —  Tomasinelli,  Gi.,  Esercid  sulle  equazioni  differen- 
ziale.  Pisa  1883.  199 — 200.  —  Hoüel,  J.,  Essai  critique  sur  les  principes  fon- 
damentauz  de  la  g^mätrie  älämentaire  2«  ^d.  Paris  1883.  200 — 201.  —  Fuhr- 
mann, W.,  Analytische  Geometrie  der  Kegelschnitte.  Berlin  1884.  201 — ^202.*- 
J.  Henrici  und  P.  Treu tl ein,  Lehrbuch  der  Elementargeometrie  HI.  Lpzg.  1S83. 
230  —  Hochheim,  A.,  Aufgaben  aus  der  analyt.  Geometrie  der  Ebene  IL 
Lpzg.  1883.  231.  —  BO eklen,  0.,  Analytische  Geometrie  des  Raumes.  2.  Aofl. 
Stuttgart  1884.  231 — 233.  —  Schwerin g,  K,  Theorie  und  Anwendung  der  Linien- 
coordinaten  in  der  analyt.  Geometr.  der  Ebene.  Lpzg.  1884.  233 — 236.  —  Mathem. 
Abhandlungsregister  1883.     149—168;  239—256. 

XXX..  Boncompagni,  B.,  Lettre  de  Gh.- Fr.  Ganfs  an  Dr.  H.-6.- 
M.  Olbers  en  date  de  Braunschweig  den  3.  Sept  1806.  Berlin  1885.  21  — S3. 
—  Hankel,  H.,  Die  Entwickelung  der  Mathematik  in  den  letzten  Jahrhno- 
derten.  2.  Aufl.  von  P.  du  Bois-Reymond.  Tübingen  1886.  22—23.  —  Eulcr,  L, 
Einleitung  in  die  Analysis  des  Unendlichen  I.  Deutsch  von  H.  Maser.  Berlin 
1884.  23—24.  —  Czuber,  E.,  Geometrische  Wahrscheinlichkeiten  und  Mittel- 
werthe.  Lpzg.  1884.  24—27.  —  Serret,  J.  A.,  Lehrbuch  der  Diff.-  nnd  Integr.- 
Rechnung.    Deutsch  von  A.  Hamack.  L    Lpzg.  1884.  28—29.  —  Reuschle,  C, 


Yeneichnis  der  Werke,  Abhandlangen  tmd  Becensionen.  635 

Oraphisch-mechaniscbe  Methode  zur  AnflÖs.  der  nnmer.  Gleichungen.  Stuttgart 
1SB4.     29—80.  —  Schobloch,  J.  A.,  üeber  Beta-  und  Gammafunctionen.    Halle 

1884.  30 — 81.  —  Hell  weg,  C,  Üeber  die  qoadr.  und  cubiach.  Gleichungen  mit 
befl.  Berflcksicht.  des  irreduciblen  Falles.  Erfurt  1884.  81 — 88.  —  Gallopin- 
Schaub,  Gh.,  Theorie  des  approximations  numäriques.  Gen^ve  1884.  32.  — 
Granwald,  V.,  Saggio  di  aritmetica  non  decimale.  Verona  1884.  88.  —  Be- 
noist,  A.,  Tablds  de  logarithmes  ik  six  d^oim.  Paris,  s.  d.  33—34.  —  Greve,  A., 
Fänfstellige  logarithm.  und  trigonometr.  Tafeln.  Bielefeld  und  Lpzg.  1884.  34.  — 
Hammer  E.,   Lehrbuch   der   ebenen   und   sph&rischen  Trigonometrie.    Stuttgart 

1885.  110 — 111.  —  Simon,  M.,  Die  Elemente  der  Arithmetik  als  Yorbereit.  auf 
die  Funktionentheorie.  Strafsbuig  1884.  111—112.  —  Schubert,  H.,  System 
der  Arithmet.  und  Algebr.  Potsdam  1886.  112—113.  —  Kaiser,  H.,  Die  Deter- 
minanten. Wiesbaden  1885.  118.  —  Giesius,  J.,  Neuer  Unterricht  in  der  Schnell- 
rechenkunst. Döbeln  1884.  118 — 114.  —  Krimp  hoff,  W.,  Beitrag  zur  analyt. 
Behandlung  der  ümhfillimgscurven.  Coesfeld  1885.  114 — 115.  —  Marie,  M., 
Histoire  des  sciences  mathäm.  et  phyBiques.  IV.  Y.  Paris  1884.  115 — 116.  — 
Gow,  J.,  A  schert  history  of  Greek  mathematics.  Cambridge  1884.  127 — 128.— 
Dupuis,  T.,  Le  nombre  g^m^trique  de  Piaton.  Paris  1881.  Seconde  inter- 
pr^tation.  Paris  1883.  Troisiöme  memoire.  Paris  1885.  >  128  — 129.  —  Julius 
Klaproths  Schreiben  an  Alex.  t.  Humboldt  Aber  die  Erfindung  des  Compasses. 
Im  Auszuge  mitget.  von  A.  Wittstein.  Lpzg.  1885.  129—130.  —  Favaro,  A., 
61i  scritti  inediti  di  Leonardo  da  Yinci  sec.  gli  nltimi  studi.  Yenezia  1885. 
130—131.  —  Wohlwill,  E.,  Die  Entdeckung  des  Beharrungsgesetzes.  Weimar 
1884.  131—132.  —  Marie  M.,  Histoire  des  sciences  math^m.  et  physiqnes  YJ. 
Paris  1885.  132—133.  —  Hnnrath,  K.,  Algebraische  Untersuchungen  nach 
Tschimbausens  Methode.  Hadersleben  1885.  133 — 134.  —  Nekrolog  des  Kgl. 
Würtemb.  Oberstudienraths  Dr.  Ch.  H.  Ton  Nagel.  Tflbingen  1884.  184.  — 
Schubring,  P.,  Der  christl.  Kalender  alten  und  neuen  Stils  in  tabellar.  Form 
dargestellt.  Erfurt  1884.  185.  —  Mfiller,  F.,  Kalender-Tabellen.  Berlin  1885. 
136.  —  Hauck,  G.,  Mein  persx>ectivischer  Apparat.  Berlin  1884.  143 — 144.  — 
Hanck,  G.,  Die  Grenze  zwischen  Malerei  und  Plastik  und  das  Gesetz  des  Reliefs. 
Berlin  1885.  144—145.  —  Wie  studiert  man  Mathem.  und  Physik?  Yon  einem 
Lehr,  der  Mathem.  Lpzg.  1885.  145  —  146.  —  Bibliotheca  Mathematica  heraus- 
gegeb.  Ton  G.  Eneström.  Stockholm  1884.  280.  —  di  Pampero,  A.,  Saggio  di 
tavole  dei  logaritmi  quadratici.  Udine  1885.  280 — 281.  —  Mathem.  Abhandlung«- 
register.     1884.     149—168;  284—800. 

XXXI*  Henri ci.  Die  Erforschung  der  Schwere  durch  Galilei,  Huygens, 
Newton  als  Grundlage  der  rationell.  Kinematik  u.  Dynamik.  Lpzg.  1885.  38.  — 
Serret,  J.  A.,  Lehrbuch  der  Diff.-  und  Integr. -Rechnung.  Deutsch  Ton  A.  Hamack 
n,  1,  2.  Lpzg.  1885.  77 — 78.  —  Autolici,  de  sphaera  quae  movetur  liber, 
de  ortibus  et  occasibus  libri  duo  ed.  Fr.  Hultsch.  Lpzg.  1885.  152—154.  —  Der 
über  trium  fratrum  de  geometria  herausg.  yon  M  Curtze.  Halle  1885.  155 — 156. 
—  Favaro  A.,  Carteggio  inedito  di  Ticone  Brahe,  Giovanni  Keplero  e  di  altri 
celebri  astronomi.  Bologna  1886.  156 — 157.  —  Klimpert,  R.,  Kurzgefafste 
Geschichte  der  Arithm.  und  Algebra.  Hannover  1885.  157.  —  Marie,  M.,  Histoire 
des  sciences  mathto.  et  physiques  VIL  Paris  1885.  172.  —  Bohnenberger, 
J.  G.  F.,  Die  Berechnung  der  trigonometr.  Yermessungen  mit  Rucks,  auf  die 
sph&roidische  Gestalt  d.ör  Erde.    Deutsch  von  £.  Hammer.    Stuttgart  1885.    178. 


636  Yerzeichnifl  der  Werke,  Abhandlongen  und  BeceDBioneD. 

—  Gauchy,  A.  L.,  Algebraische  Analysis.  Deutsch  von  C.  Itzigsohn.  Berlin  18S5 
173 — 174.  —  Eaulich,  E.,  Lehrb.  der  kaofin&imischen  Arithmetik.  4.  Aufl.  Prag 
1886.  177—179.  —  Baerlocher,  V.,  Zinseszins-,  Renten-,  Anleihen-  und  Obli- 
gationenrechnung. Zürich  1886.  179 — 181.  —  ReuRchle,  C,  Graphisch-mecha- 
nischer Apparat  zur  Auflös.  numer.  Gleichungen.  Stuttgart  1886.  181 — 182.  — 
Stegemann,  M.,  Grundrifs  der  DifF.-  und  Integr.-Rechnung  II.  4.  Aufl.  Yonftf. 
Hannover  1886.  227  —  228.  —  Mathem.  Abhandlungsregisier  1885.  190—200; 
231—248. 

XXXII.  Betti,  E.,  Lehrbuch  der  Potentialtheorie  und  ihre  Anwend.  auf 
Elektricität  und  Magnetismus.  Deutsch  von  W.  Frz.  Meyer.  Stuttgart  1886« 
16 — 17.  —  Giesel,  J.,  Beiträge  zur  Analyt.  Geometrie  der  Gurren  und  Fl&chen 
2.  Grades.  Schafifhausen  1877.  Derselbe,  Ueber  die  rechtwinkelig  schneidenden 
Normalen  einer  Fläche  2.  Grades.  Ebd.  1885.  33—34.  —  Eckholm,  N.,  C.v.  L. 
Gharlier,  E.  L.  Hangström,  Fyrställige  logarithmisk-trigonometriska  Hand- 
tabeller.  üpsala  s.  a.  34 — 36.  —  Weierstrafs,  K.,  Abhandlungen  zur  Funk- 
tionenlehre.   Berlin  1886.    35 —  Viola,  J.,  Mathem.  Sophismen.    2.  Aufl.    Wien 

1886.  35  —  36.  —  Liersemann,  K.  H.,  Mazima  und  Minima  analyt. -geometr, 
beleuchtet.  Einleitung.  Breslau  1886.  36 — 37.  —  Beau,  0.,  Analyt.  untersuch, 
im  Gebiete  der  trigonom.  Reihen  und  der  Fourier'schen  Integre.     2.  Aufl.    Halle 

1887.  37.  —  Simon,  H.,  Die  harmonische  Reihe.  Halle  1886.  37 — 38.  — 
Reidt,  Fr.,  Anleitung  zum  mathem.  Unterricht  an  höh.  Schulen.  Berlin  1886. 
38.  —  Euclidis  opera  omnia  edid.  J.  L.  Heiberg  et  H.  Menge.  Elemente  ed. 
J.  L.  Heiberg  I — IV.  Lps.  1883/86.  57.  —  Bilfinger,  G.,  Die  Zeitmesser  der 
antiken  Völker.  Stuttgart  1886.  57 — 58.  —  Giesing,  J.,  Leben  und  Schriften 
Leonardo's  da  Pisa.  Döbeln  1886.  58  —  59.  —  Tannery,  P.,  Notices  sur  les 
deux  lettres  arithm^tiques  de  Nicolas  Rhabdasi.  Paris  1886.  59 — 62.  —  Geometria 
Gulmensis.  Herausg.  tou  H.  Menthal.  Lpzg.  1886.  62—63.  —  Günther,  S.,  Die 
geometr.  Näheningsconstr.  Albrecht  Dürer's.  Ansbach  1886.  63.  —  Ungedruckte 
wissenschaftl.  Correspondenz  zwischen  J.  Kepler  und  Herwart  y.  Hohenburg.  1699. 
Herausg.  von  G.  Anschütz.  Prag  1886.  63  —  64.  —  Marie,  M.,  Histoire  des 
Sciences  mathem.  et  physiques  VHl  et  IX.  Paris  1886.  64 — 66.  —  Mach,  E., 
Der  relat.  Unterrichtswerth  des  philolg.  und  der  mathem.-naturwissenschaftlichen 
Unterrichtsfächer  der  höheren  Schulen.  Lpzg.  und  Prag  1886.  66 — 66.  —  Hoch- 
heim, A.,  Aufgaben  aus  der  analyt.  Geometrie  der  Ebene  VII,  2.  Lpzg.  1886. 
116.  —  Grünwald,  V.,  Dei  sistemi  numerici  a  base  imaginaria.  Brescia  1886. 
116 — 117.  —  Legendre,  A.  M.,  Zahlentheorie.  N.  d.  3.  A.  Deutsch  von  H.  Maser. 
Lpzg.  1886.  2.  Bd.  117.  —  Garr,  G.  S.,  A  Synopsis  of  elementary  results  in 
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Yerzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  nnd  Becensionen.  637 

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X887.    224.  —  Mathemat.  Abhandlungsregister  1886.    180—200;  229—240. 

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Sickenb erger,  A.,  Die  Determinanten  in  genet.  Behandl.    2.  Abdr.    München 
1887.  23.   —  Zillmer,  A,  Die  mathem.  Bechnungen  bei  Lebens-  und  Beuten- 
versieh.  System,  entwickelt.  2.  Auä.  Berlin  1887.  23 — 26.  —  Jacobsen,  J.,  Freund- 
schafÜ.  Bewirthung  meiner  mathem.  Brflder  mit  einem  Tractament  von  6  Ge> 
richten  etc.    Flensburg  1887.    26—27.    —    Schmid,  Th.,   Die  Form,  Anzieh.  u. 
materielle  Beschaffenh.  der  Erde.    Lins  1887.   27.  —  Tannery,  F.,  La  gäomätrie 
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Herausgeg.  von  Fr.  Hultsch.    Leipzig  1887.   100.  —  Weifsenborn,  H.,  Gerbert. 
Beiträge   zur  Kenntnis  der  Mathem.  dcd  Mittelalters.    Berlin  1888.   101 — 107.  — 
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—  Marie,  M.,  Histoire  des  sciences   mathem.  et  phys.  XII.    Paris  1888.   191 — 
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Berlin  1888.  196 — 197.  —  Gaufs,  C.  Fr.,  Allgem.  Untersuch,  über  die  unendl.  Reihe 

l  +  ^x+  "'^"j'^^'^^i^i"— a;*  +  --.    Aus   dem  Lat.   übers,   von  H.Simon. 
1  •  y  1  *  2  •  y  (y  +  1) 

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-f  >> 


TenMütbBM  der  Werke,  Abhandlangen  und  Becensionen. 


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:i'^  z.ni^^r.  F.  ä..  Lehrbuch  der  polit.  Arithmetik  f&r  höhere  Handelschulen. 
;{rr»iinw»hweiff  l«ü8.  32—34.  —  Bleicher,  H.,  Grundrifs  der  Theorie  der  Zins- 
•-^nnnniy.  B«riin  1>j88.  34.  —Redlich,  A.,  Prakt  Anleii  zur  algebr.  Entwicke- 
iiii^  d«r  LAflung  der  Gleichungen  der  höheren  Grade.  Breslau  1888.  35.  — 
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63—64.  —  Wolf,  A.  W.,  Beitrftge  zur  Theorie  und  Praxis  der  Invalidenversiche- 
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ihrer  Geschichte  und   Litteratur.  I.    Zürich  1890.    182—183.   —  Günther,  S. 
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Dinkelsbflhl  1890.  77 — 78.  —  Manitius,  K.,  Des  Geminos  Isagoge  nach  Inhalt 
und  DarsteU.  kritisch  beleuchtet.  Lpzg.  1890.  96—97.  —  Diophantus  von 
Alezandria,  Die  Arithmetik  und  die  Schrift  über  die  Polygonalzahlen  übers,  von 


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planimetriachen  Unterrichts.    Eine  yergl.  Planimetrie.    Lpzg.  1890.     9S — 100.  — 
Blater,  J.,  Erleichterungstafeln  för  Jedermann  zur  Erziel,  fehlerfireier  Aiufuhr. 
von  Multipl.  und  Division.    Wien  1889.     154 — 156.  —  Fuhrmann,  A.,    Nator- 
wissenschafÜ.  Anwendungen  der  Integralrechnung.     Berlin  1890.     156  — 157.    — 
Lembcke,  E.,  Einfache  YerBicherungsrechnung  ;I,  II.   Parchim  1890.    156 — 157.  -- 
Ball,  W.  W.  B.,   Eiementary  Algebra.     Cambridge  1890.    157.  —  Geome^y  of 
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Karlsruhe  1890.    169—170.  —  Engel,  Fr.,  Der  Geschmack  in  der  neuem  Mathe- 
matik.  Lpzg.  1890.   170 — 171.  —  Schultz,  W.,  Die  Harmonie  in  der  Bankimst.  L 
Hannover-Linden.  1891.   172—175. —  Breusing,  A.,  Die  nautischen  Instminexite 
bis  zur  Erfind,  des  Spiegel  Sextanten.    Bremen  1890.    175.  —  v.  Brannmühl,  A., 
Christoph  Scheiner  als  Mathem.,  Physiker  und  Astronom.    Bamberg  1891.     175  — 
176.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1890.    110—120;  227—^240. 

XXXTIL  Studni6ka,  F.  J.,  Johannes  Marcus  Marci  a  Cronland,  sein  Leben 
und  sein  gelehrtes  Wirken.  Prag  1891.  S9.  —  Bueler,  G.,  Verzeichms  der  Pro- 
grammbeilagen der  schweizer.  Mittelschulen.  Frauenfeld  1890.  54. —  Adam,  J., 
The  nuptial  number  of  Plato:  its  Solution  and  significance.    London  1891.    54  — 

55.  —  Kluge,  G.,  De  Euclidis  elementor.  libris  qui  feruntur  XIV  et  XY.     Lp^. 
1891.   55—56.  —  Simon,  M.,   Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders.     Berlin  1891. 

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Loria,  G.,    11  teorema    fondamentale    della  teoria   delle  equazioni   algebriehe. 
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YillicuB,  Frz.,  Die  Geschichte  der  Bechenk.  vom  Alterth.  bis  zum  XVIII.  Jahrb. 
2.  Aufl.    Wien  1891.   92.  —  Hagen,  J.  G.,  Synopsis  der  höheren  Mathematik.  I. 
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Duodecimalzahlen.    Heidelberg  1891.    158—154.  —  Henrici,  J.,  und  P.  Treut- 
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Die  Decade  und  die  Ziffemschrift.    Danzig  1892.   210.  —  Köpper,  Fr.  Th.,  Notiz 
über  die   Zahlwörter  im  Abacus   des  Boethius.    Petersburg  1892.    210-211.  — 
Weissenborn,  H.,  Zur  Geschichte  der  Einführung  der  jetzigen  Ziffern  in  Europa 
durch  Gerbert.    Berlin  1892.    211— 21d.  —  Budio,   F.,   Ueber  den  AnUieil  der 
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Galilei,   Galileo,  Dialog  über  die  beiden  hauptsäch).  Weltsysteme,  dae  Ptole- 


YerzeichniB  der  Werke,  Abhandlungen  und  Becensionen.  641 

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Basel  (1783—1798).  Bern  1892.  63.  —  Müller,  F.,  Zeittafeln  zur  Gesch.  der 
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Göttingen  1892.  66.  —  Biemann,  B.,  Gesammelte  Werke  und  wissenschaftl.  Nach- 
lafs.  Herausgeg.  von  Dedekind  u.  Weber.  2.  Aufl.  Lpzg.  1892.  66.  —  Klein - 
stück,  0.,  Zeitgleichungstafeln.  Jena  1892.  66—67.  —  Teyxeira,  F.  G.,  Curso 
de  analyse  infinitesimal.  Calculo  integral  IL  Porto  1892.  67-68.  —  Padd,  H., 
Premiäres  Ie90n8  d*algäbre  ^l^mentaire.  Paris  1892.  68—69.  —  Müller,  E.  B., 
Vierst.  logarithm.  Tafeln  der  natürl.  u.  trigonometr.  Zahlen.  Stuttgart  o.  J.  69.  — 
Kobald,  E.,  üeber  die  Versicherung  der  Bergwerksbruderladen  u.  ähnl.  Kassen- 
einricht.  L  Leoben  1892.  70.  —  Kiefer,  A.,  üeber  zwei  specielle  Brennlinien 
des  Kreises.  Frauenfeld  1892.  71.  —  Baer,  K.,  Die  Vertheil.  der  Electricität 
auf  der  Fufspunktfl.  einer  Kugel.  Frkfrt.  a.  0.  1892.  71—72.  —  Kamp,  J.,  Die 
Finanzlage  der  Gothaischen  Staats- Diener -Wittwen-Societ&t  am  31.  Dec.  1890. 
Dresden  1893.  137—141.  —  Per  il  terzo  Centenario  della  inaugurazione  delV  In- 
segnamento  di  Galileo  Galilei  nello  studio  di  Padova.  Firenze  1892.  Omaggi 
di  Galileo  Galilei  per  il  terzo  Centenario.  Padova  1892.  197—198.  —  Algorismus 
Prosaicus  Magistri  Christani  anno  fere  1400  scriptus.  Nunc  pr.  ed.  F.  J.  Stud- 
ni6ka.  Pragae  1893.  198—199.  —  Hultsch,  Fr.,  Die  Näherungswerthe  irratio- 
naler Quadratwurzeln  bei  Archimedes.  Göttingen  1893.  223-224.  —  Apollonii 
Pergaei  qnae  graece  exstant  cum  comment.  ed.  J.  L.  Heibefg  l.  TL.  Lps.  1891/93. 
224 — 225.  —  Boncompagni,  B.,  Catalogo  di  Lavori  di  Enrico  Narducci.  Roma 
1893.    225.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1892.     149—160;  228—240. 

XXXIX.  Krumbacher,  K.,  Woher  stammt  das  Wort  Ziffer  (Chiffre)? 
Paris  1892,  u.  Nochmals  das  Wort  Ziffer.  Lpzg.  1893.  16.  —  Wertheim,  G., 
Die  Arithmetik  des  Elia  Misrachi.  Frkft.  a.  M.  1893.  16—17.  —  Koppe,  M., 
Die  Behandl.  der  Logarithmen  n.  der  Sinus  im  Unterricht.  Berlin  1893.  18 — 19.  — 
Müller,  F.,  Carl  Heinrich  Schellbach.  Gedächtnisrede.  Berlin  1893.  19-20.  — 
Mansion,  P.,  Notice  sur  les  travaux  scientifiques  de  Louis-Pbilippe  Gilbert. 
Paris  1898.  20—21.  —  Saalschütz,  L.,  Vorlesungen  über  die  Bernoullischen 
Zahlen.  Berlin  1893.  21—22.  —  Erler,  W.,  Einleit.  in  die  analyt,  Geometrie  u. 
in  die  Lehre  Ton  den  Kegelschnitten.  2.  Aufl.  Berlin  1893.  22—23.  —  Simon, 
M.,  Leitfaden  d.  analyt.  Geometrie  d.  Ebene.  Berlin  1892.  23—24.  —  Tannery, 
P.,  Recherches  sur  Thistoire  de  Tastronomie  ancienne.  Paris  1893.  181 — 182.  — 
Tannery,  P.,  La  correspondance  de  Descartes  dans  les  in^dits  du  fonds  Libri 
^tudi^e  pour  Thistoire  des  Mathdmatiques.  Paris  1893.  183—184.  —  Loria,  G., 
Le  Bcienze  esatte  nelF  antica  Grecia.  Libro  I.  Modena  1893.  185  —  186.  — 
Weifsenborn,  H.,   Die  Berechnung  des  Kreisumfangs  bei  Archimedes  und  Leo- 

Abh.  «nr  Getch.  d.  Hatbem.  IX.  41 


642  Yerzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  und  Eecenuonen. 

nardo  Pisano.  Berlin  1894.  186— -187.  —  Obenrauch,  F.  J.,  Monge,  der  Be- 
gründer der  darstellenden  Geometrie  als  Wissenschaft.  Brunn  1893.  187 — 188.  — 
Schotten,  H.,  Inhalt  und  Methode  des  planimetr.  Unterrichtes  II.  Lpxg.  1893. 
188—190.  —  Mathemat.  Abhandlnngsregister  1893.     118—120;  232—240. 

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n  concetto  dlnfinitesimo  e  la  sua  applicazione  alla  matematica.  Mantoya  1894. 
52 — 53.  —  Günther,  S.,  Abriss  der  Geschichte  der  Mathem.  und  der  Nator- 
Wissenschaften  im  Alterthume.  2.  Aufl.  München  1893.  53.  —  Eorteweg,  J.  D^ 
Het  Bloeitijperk  der  wiskundige  wetenschappen  in  Nederland.  Amsterdam  1894. 
53—54.  —  Berthold,  G.,  Der  Magister  Joh.  Fabricius  und  die  Sonnenflecken. 
Lpzg.  1894.  54.  —  Becker,  H.,  Die  geometr.  Entwickelung  des  Infinitesimal- 
begrifies  im  Exhaustionsbeweis  bei  Archimedes.  Insterbnrg  1894.  54 — 55.  —  Lei 
m^chaniques  ou  r^Mvateur  de  Häron  d'Alexandrie  publ.  sur  la  Tors.  arab.  de 
Costa  ihn  Lüqä  par  le  Baron  Carra  de  Vaux.  Paris  1894.  55—56.  —  Biereni 
de  Haan,  D.,  Bouwstoffen  yoor  de  geschiedenis  der  uis-  en  naturknndige 
wetenschappen  in  de  Nederlanden.  Amsterdam  1893.  56 — 57.  —  B,6n4  Des- 
cartes.  Die  Geometrie.  Deutsch  von  L.  Schlesinger.  Berlin  1894.  57—58.  — 
Riessen,  Ein  ungedrucktes  Bechenbuch  aus  d.  Jahre  1676.  Glückstadt  1893^^. 
58.  —  Graf,  J.  H.,  Prof.  Dr.  Rudolff  Wolf  1816—1893.  Bern  1894.  69.  — 
Rudio,  F.,  Erinnerungen  an  Moritz  Abraham  Stern.  Zürich  1894.  60 — 61.  — 
Robel,  E.,  Die  Sirenen  II.  Berlin  1894.  61.  —  Klussmann,  R.,  Systemat  Ver- 
zeichn.  der  Abhandl.,  welche  in  den  Schulschriften  s&mmtl.  am  Programmentausch 
theilnehm.  Lehranstalt,  erschienen  sind.  n.  Lpzg.  1893.  61—62.  —  Rohr b ach, C, 
Vierstell.  logarithm.-trigonometr.  Tafeln.  Gotha  1893.  62.  —  Eobald,  £.,  Ueber 
das  Versicherungswesen  der  Bergwerksbruderladen  etc.  IL  Leoben  1893.  62 — 63.  — 
Hagen,  J.  G.,  Synopsis  der  höheren  Mathematik.  II.  Berlin  1894.  63 — 64.  — 
Tannabaur,  J.,  Berechnung  von  Renten  und  Lebensversicherungen.  Wien  1893. 
Derselbe,  Zinseszins-  und  Rententafeln.  Wien  1893.  64.  —  Annuaire  du  Bu- 
reau des  Longitudes.  Paris  1893  et  1894.  64—65.  —  Fitz-Patrick,  J.,  et 
G.  Chevrel,  Exercices  d'Arithm^tiques.  Paris  1893.  65—66.  —  Lucas,  Ed., 
R^cr^ations  math^matiques.  in,  IV.  Paris  1893  et  1894.  66— 67.  —  Hullmann,  K., 
Die  Wissenschaft  und  ihre  Sprache.  Lpzg.  1894.  101.  —  Wundt,  W.,  Logik. 
Eine  Untersuch,  d.  Principien  d.  Erkenntniss  und  d.  Methode  der  wissenschaftl. 
Forschung.  E  Bde.  H.  Bd.  1.  Abth.  2.  Abschn.  2.  Aufl.  Stuttgart  1894,  101 
bis  102.  —  Fort  und  Schlömilch,  Lehrbuch  der  analyt.  Geometrie.  I.  6.  Aufl. 
von  R.  Heger.  Lpzg.  1893.  102.  —  Ganter,  H.,  und  F.  Rudio,  Die  Elemente 
der  analyt.  Geometr.  der  Ebene.  11.  Aufl.  Lpzg.  1894.  102—103.  —  Stege- 
mann, M.,  Grundriss  der  Diff.-  und  Integral-Rechnung  II.  5.  Aufl.  von  L.  Kiepert. 
Hannover  1894.  103—104.  —  Smith,  H.  J.  S.,  GoUected  mathematical  papers 
edid.  by  J.  W.  L.  Glaisher.  Oxford  1894.  2  vol.  104—106.  —  Herschel,  Cl., 
Frontinus  and  bis  Two  books  on  the  water  supply  of  the  city  of  Rome  A.  D.  97. 
Ithaca  N.  Y.  1894.  106.  —  Obenrauch,  Fr.  J.,  Monge,  der  Begründer  derdarstelJ. 
Geometrie.  Forts.  Brunn  1894.  106.  —  Haas,  K.,  Ueber  einige  Apparate  zur 
Demonstr.  der  Präcession  und  ihrer  Folgen.  Wien  1894.  130.  —  Hipparchi  in 
Arati  et  Eudoxi  Phaenomena  commentariorum  libri  ÜI.  rec.  C.  Manitius.  Lps.  1894. 
130.  —  Boll,  F.,  Studien  über  Claudius  Ptolemaeus.  Lpzg.  1894.  131—132.  — 
Jamblichi    in  Nicomachi   arithmeticam   introductionem   Über   ed.   H.   Pistelli 


Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlongen  und  Becensionen.  643 

Lps.  1894.  132.  —  Abhandlangen  über  Variationsrechnung.  2  Thle.  Herausgeg. 
▼on  P.  Stäckel.  Lpzg.  1894.  132—133.  — -  Eggenberger,  J.,  Beiträge  zur  Dar- 
stellung des  Bemoullischen  Theorems,  der  Gammafunction  und  des  Laplaceschen 
Integrals.  Bern  1893.  133 — 134.  —  EucUdis  opera  omnia  edid.  J.  L.  Heiberg 
et  H.  Menge.    Vol.  VII.    Eaclidis  optica  ed.  J.  L.  Heiberg.    Lps    1895.    134  bis 

135.  —  Die  Arithmetik  des  Magister  Georgius  de  Hungaria  aus  d.  Jahre  1499. 
Herausgeg.  von  G.  von  Szily  und  A.  Heller.    Budapest  und  Berlin  1894.    135  bis 

136.  —  Rudel,  E.,  Georg  Philipp  Harsdör£Per  als  math.  und  naturphilos.  Schrift- 
steller. Nflmberg  1894.  136—137.  —  Weyer,  G.  D.  E.,  üeber  die  parabolische 
Spirale.  Kiel  und  Lpzg.  1894.  137.  —  Anmerkungen  und  Zusätze  zur  Entwerf. 
der  Land-  und  Himmelskarten  von  J.  H.  Lambert  (1772).  Ueber  Eartenprojection. 
Von  Lagrange  (1779)  und  Gauls  (1822).  Herausgeg.  ypn  A.  Wangerio.  Lpzg.  1894. 
137 — 138.  —  Schenkel,  H.,  Eritisch-histor.  Untersuch.  Über  die  Theorie  der 
Gammafunctionen  und  der  Eulerschen  Integrale.  Üsteri-Zürich  1894.  138—139.  — 
Fink,  E.,  Lazare- Nicolas -Margnerite  Carnot,  sein  Leben  und  seine  Werke. 
Tübingen  1894.  139.  —  Festschrift  zur  Feier  des  25jährigen  Bestehens  der  Ge- 
sellflchafb  ehemal.  Studier,  der  eidgen.  und  polytechn.  Schule  zu  Zürich.    Zürich 

1894.  139—140.  —  Loria,  G.,  Le  scienze  esatte  neir  antica  Grecia  IL    Modena 

1895.  218—219.  —  Wohlwill,  E.,  Galilei  betreffende  Handschriften  der  Ham- 
burger Stadtbibliothek.  Hamburg  1895.  219—220.  —  Cajori,  Fl.,  A  History  of 
mathematics.  New- York  and  London  1896.  220—221.  —  Robel,  E.,  Die  Sirenen 
in.  Berlin  1896.  221-222.  —  Annuaire  du  Bureau  des  Longitudes.  Paris  1895. 
222.  —  Comte,  Aug.,  La  g^ometrie  analytique,  nouv.  ed.  prdc^däe  de  la  geom^trie 
de  Descartes.  Paris  1894.  222—223.  —  Mathem.  Abband Inngsregister  1894.  109— 
120;  226—240. 

XLI.  Niewenglowski,  B.,  Cours  de  Geometrie  analytique.  I,  H.  Paris 
1894/95.  26—28.  —  Pascal,  E.,  Lezioni  di  calcolo  infinitesimale  I,  II.  Milano 
1895.  28-29.  —  Maupin,  G.,  Questions  d'algöbre.  Paris  1895.  29—30.  — 
Münder,  F.,  Die  eiförmigen  Curven.  Bern  1894.  30.  —  Hrabäk,  J.,  Praktische 
Hilfstabellen  für  Logarithm.  und  andere  Zahlenrechnungen.  3.  Aufl.  Lpzg.  1893. 
30—31.  —  Autenheimer,  F.,  Elementarbuch  der  Differ.-  und  Integr. -Rechnung. 
4.  Aufl.  Weimar  1895.  81—32.  —  Dölp,  H.,  Aufgaben  zur  Differ.-  und  Integr.- 
Rechnung.  6.  Aufl.  Giessen  1895.  32.  —  Eiepert,  L.,  Grundriss  der  Differ.- 
und  Int egr.- Rechnung  I.  7.  Aufl.  Hannover  1895.  32 — 33.  —  Haas,  A.,  An- 
wendung der  Differentialrechn.  auf  d.  ebenen  Curven.  Stuttgart  1894.  33.  — 
Sturm,  A.,  Das  Delische  Problem.  Linz  1895.  76—77.  —  Obenrauch,  J., 
Monge,  Der  Begr.  der  darstell.  Geometrie  als  Wissenschaft.  Schluss.  Brunn  1895. 
77—78.  —  Diophanti  Alexandrini  Opera  omnia  c.  graec.  comm.  ed.  P.  Tannery. 
I,  U.  Lps.  1893/95.  101 — 104.  —  Musici  scriptores  Graeci  recogn.  Carol.  Janus. 
Lps.  1895.  104—105.  —  Engel,  F.,  und  P.  Stäckel,  Die  Theorie  der  Parallel- 
linien von  Euklid  bis  auf  Gaufs.  Eine  ürkundensammlung.  Lpzg.  1895.  105 
bis  106.  —  J.  G.  Poggendorffs  Biograph.-literar.  Handwörterbuch  z.  Gresch.  der 
ezact.  Wissenschaften  III.  (die  Jahre  1858—1883  umf.).  Herausg.  Ton  B.  W.  Feddersen 
und  A.  J.  Ton  Oettingen.  1.  Lief.  Lpzg.  1896.  181—182.  —  Zeuthen,  H.  G., 
Geschichte  der  Mathematik  im  Alterth.  und  Mittelalter.  Eopenhagen  1896.  182 
bis  183.  —  Ball,  W.  W.  B.,  A  primer  of  the  history  of  mathematics.  London 
1895.  183—184.  —  Boscha,  J.,  Christian  Huygens,  Rede  am  200.  Ged&chtnisst. 
seines  Todes  gehalten.    Uebers.  Ton  Th.  W.  Engelmann.   Lpzg.  1895.    184—185.  -^ 

41* 


644  Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  nnd  Becensionen. 

Bosenberger,  F.,  Isaak  Newton  und  seine  physikalischen  Principien.  Lgzg.  1895. 
185 — 186.  —  Günther,  S.,  Erd-  und  Himmebgloben,  ihre  Gesch.  und  Constniction 
nach  Matteo  Fiorini.  Lpzg.  1896.  186 — 187.  —  Green,  G.,  Ein  Versuch,  die 
mathem.  Analysis  auf  d.  Theorie  der  Etektricität  u.  d.  Magnetismus  anzuwenden 
(1828).  Herausg.  von  A.  J.  t.  Oettingen  u.  A.  Wangerin.  Lpzg.  1895.  187.  — 
Bernau,  W.  W.  and  D.  E.  Smith,  Plane  and  solid  geometiy.     Boston  ü.  S.  A. 

1895.  187—188.  —SchlOmilch,  0.,  Vorlesungen  über  einzelne  Theile  der  höheren 
Analysis.  4.  Aufl.  Braunschweig  1895.  188—189.  —  Kernst,  W.,  u.  A.  Schdn- 
flies,  Einführ,  in  die  mathem.  Bebandl.  der  Naturwissenschaften.  München 
u.  Lpzg.  1895.  189—190.  —  Pascal,  E.,  Esercizi  e  note  critiche  di  calcolo  in- 
finitesimale. Milano  1895.  190.  —  Steiner,  J.,  Die  geometr.  Constructionen, 
ausgef.  mittelst  der  geraden  Linie  und  eines  festen  Kreises  (1833).  Herausg.  von 
A.  Y.  Oettingen.  Lpzg.  1895.  216.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1895.  110 
bis  120;  219—232. 

XLIL  Wolf,  B.,  Taschenbuch  für  Mathem.,  Geod&sie  und  Astronomie. 
6.  Aufl.  Yon  A.  Wolfer.  Zürich  1895.  9.  ~  Schmidt,  Tb.,  Das  Dualitätsgesetz. 
Steyer  1895.  9.  —  Euler,  L.,  Zwei  Abhandl.  über  sphärische  Trigonometrie  (1753 
u.  1779).  Uebers.  von  E.  Hanuner.  Lpzg.  1896.  36—87.  —  Abel,  N.  H.,  Unter- 
suchungen  über  die  Beihe  1  +  7  a;  +  **        „     «*  -| .    (1826).    HerauFg.  Ton 

1  1*2 

A.  Wangerin.  Lpzg.  1895.  37.  —  Schimpf,  E.,  Eine  Theorie  der  Konvergenz 
unendl.  Beihen.  Bochum  1895.  37—38.  —  Wellisch,  S.,  Das  2000jährige 
Problem  der  Trisektion  des  Winkels.  Wien  1896.  38.  —  Eisenlohr,  A.,  Ein  altbaby- 
lonischer Felderplan.  Lpzg.  1896.  41.  —  v.  Jacobs,  H.,  Das  Volk  der  Siebener-Zähler. 
Berlin  1896.  42.  —  Buska,  J.,  Das  Quadriuium  aus  Severus  Bar  Sakkü's  Buch 
der  Dialoge.  Lpzg.  1896.  42—43.  —  Heatb,  F.  L.,  Apollonius  of  Perga  Treatise 
on  conic  section  edited  in  modern  notation.  Cambridge  1896.  43 — 44.  —  Seren i 
Antinoensis  Opuscula  ed.  J.  L.  Heiberg.  Lps.  1896.  44.  —  Faye,  N.,  Sur 
Torigine  du  monde.    Thäurics  cosmogoniques  des  anciens  et  des  modernes.   Paris 

1896.  44 — 45.  —  Eh  eil,  C.  P.,  Ueber  einige  ältere  Bearbeitungen  des  Bach- 
haltungstraktes des  Luca  Pacioli.  Prag  1896.  46.  —  Müller,  Chr.  F.,  Henricns 
Grammateus  u.  s.  Algorismus  de  integris.  Zwickau  1896.  46 — 47.  —  Günther,  S. 
Jacob  Ziegler,  ein  bayerischer  Geograph  und  Mathemat.  Ansbach  u.  Lpzg.  1896. 
47.  —  Carli,  A,  et  A.  Fayaro,  Bibliografia  Galileiana  (1568—1895).  Borna  1896. 
47.  —  Fischer,  E.,  Ueber  die  Begründung  der  Infinitesimalrechnung  durch  New- 
ton und  Leibniz.  Lpzg.  1896.  48 — 49.  —  Boger,  J.,  Le  mathdmaticien  France- 
Comtois  Ffan9.  Jos.  SerTois.  Bä8an9on  1895.  49 — 50.  —  Günther,  S.,  Kepler  u. 
Galilei.  Berlin  1896.  66.  —  Volkmann,  R,  Franz  Naumann  (11,  Sept.  1798  bis 
23.  Mai  1895).  Ein  Beitr.  z.  Gesch.  deutsch.  Wissensch.  Lpzg.  1896.  60 — 51.  — 
Graf,  J.  H.,  Ludwig  Schläfli  (1814—1895).  Bern  1896.  51—52.  —  Mansion,  P, 
Notice  sur  les  travaux  mathemat.  de  Eug.- Charles  Catalan.  Bruzelles  1896. 
52.  —  Annuaire  du  Bureau  des  Longitudes.  Paris  1896.  52—53.  —  Neppi- 
Modona,  A.,  eT.  Vannini,  Questioni  e  formole  di  geometria  analitica.  Palermo 
1896.  53.  —  Niewenglowski,  A.,  Cours  de  gäomi^trie  analytique  111.  Paris  1896. 
53 — 54.  —  Loria,  G.,  II  passato  ed  il  presente  delle  principali  teorie  geometriche 
2^  ed.  Torino  1896.  54 — 55.  —  Euclidis  data  cum  comment.  Marini  et  scholiis 
antiquis  ed.  H.  Menge.  Lps.  1896.  194.  —  Sturm,  A.,  Das  Delische  Problem. 
Forts.    Linz  1896.    195.  —  Wertheim,  G.,  Die  Arithmetik  des  Elia  Misrachi. 


Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlungen  und  Becensionen.  645 

Ein  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Maihem.  2.  Aufl.  Braunschweig  1896.  195—196.  — 
Favaro,  A.,  Intomo  alla  vita  ed  ai  lavori  di  Tito  Liyio  Burattini.  Venezia  1896. 
196 — 197.  —  Dickstein,  S.,  Ho^ne  Wronski.  Lego  fycici  prace  w.  Erakowce 
1896.  197.  —  Festschrift  der  naturforsch.  Gesellsch  in  Zürich.  1746—1896.  Zürich 
1896.  197—198.  —  Henrici,  J.  u.  P.  Treutlein,  Lehrbuch  der  Elementar- 
geometrie n.  2.  Aufl.  Lpzg.  1897.  198.  —  Schubert,  H.,  Arithmetik  u.  Algebra. 
Lpzg.  1896.  Derselbe,  Beispielsamml.  zur  Arithmet.  u.  Algebra.  Daselbst  1896. 
198.  —  Die  Grundlage  der  modernen  Werthlehre :  Daniel  Bemoulb*,  Versuch  einer 
neuen  Theorie  der  Werthbestimm.  von  Glücksfällen.  Aus  d.  Latein,  von  A.  Frings- 
heim.  Lpzg.  1896.  199.  —  Jacobi,  C.  G.  J.,  Ueber  die  Bildung  und  die  Eigen- 
schaften der  Determinanten  und  über  Functionaldeterminanten.  1841.  Herausg. 
Yon  P.  Stäckel.  Lpzg.  1896.  199.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1898.  96  bis 
112;  211—224. 

XLin.  Bibliotheca  mathematica.  Zeitschr.  für  Gesch.  der  Mathem.  Herausg. 
Ton  G.  Eueström.  Generalregister  für  Band  I— X.  1887 — 1896.  Stockholm  1897. 
48.  —  Villicus,  F.,  Die  Geschichte  der  Rechenkunst  vom  Alterth.  bis  zum 
XVm.  Jahrh.  3.  Aufl.  Wien  1897.  49.  —  Troisi^me  centenaire  de  la  naissance 
de  Descartes.  Paris  1896.  49—60.  —  Amsperger,  W.,  Christian  Wolffs  Verhältnis 
zu  Leibniz.  Weimar  1897.  60 — 61.  —  Graf,  J.  H. ,  Nicolaus  Blauner,  d.  erste 
Prof.  der  Mathem.  an  der  Bemischen  Akademie.  Bern  1897.  61.  —  Wessel,  C, 
Essai  sur  la  repräsentation  analytique  de  la  direction.  Copenhague  1897.  51 — 62. 
—  Hesse,  L.  0.,  Gesammelte  Werke.  München  1897.  62  —  53.  —  Steiner,  J., 
Systemat.  Entwickelnng  d.  Abhängigkeit  geometr.  Gestalten  yon  einander.  Lpzg. 
1896.  63.  —  Kiepert,  L.,  Grundrifs  der  Different.-  und  Integral-Rechnung  I. 
8.  Aufl  ;  n.  6.  Aufl.  Hannover  1897.  63—54.  —  Serret,  J.  A.,  Lehrbuch  der 
Different.-  und  Integral-Rechnung  bearb.  Ton  A.  Hamack.  2.  Aufl.  von  G.  Bohl- 
mann. I.  Lpzg.  1897.  64—65.  —  Schubert,  H.,  Fünfstellige  Tafeln  und  Gegen- 
tafeln fQr  logarithm.  und  trigonometr.  Rechnungen.  Lpzg.  1897.  66 — 66.  — 
Poggendorffs  Biograph.- litterar isches  Handwörterbuch  zur  Gesch.  der  exacten 
Wissensch.  1I(.  (die  Jahre  1858—1883).  Herausg.  von  Dr.  B.  W.  Feddersen  und 
A.  J.  V.  Oettingen.  Lpzg.  1896/98.  98—99.  —  Sturm,  A.,  Das  Delische  Problem 
(Schlufs).  Linz  1897.  99.  —  Jaeger,  0.,  Grundzüge  der  Gesch.  der  Natur- 
wissenschaften. Stuttgart  1897.  150  — 161.  —  Obenrauch,  J.,  Geschichte  der 
darstellenden  und  projectiven  Geometrie.  Brunn  1897.  151—162.  —  Laisant, 
C.  A.,  La  mathämatique.  Philosophie.  Enseignement.  Paris  1898.  203—204.  — 
Laub,  H. ,  An  elementary  course  of  infinitesimal  calculus.  Cambridge  1897. 
204—206.  —  Beman,  W.  W.,  Higher  Arithmetic.  Boston  und  London  1897. 
206—206.  —  Ball,  W.  W.  R.,  Räcräation  et  probl^mes  mathem.  des  temps  anc. 
et  mod.  3«.  ed.  trad.  p.  J.  Fitz-Patrick.  Paris  1898.  206.  —  Schubert,  H., 
Mathematische  Mufsestunden.  Leipzig  1898.  206—207.  —  Haussner,  R.,  Tafeln 
für  das  Goldbachscbe  Gesetz.  Halle  1897.  207.  —  Hamm  er,  E.,  Lehrbuch  der 
ebenen  und  sphär.  Trigonometrie.  Stuttgart  1897.  207 — 208.  —  Goldschmidt,  L., 
Die  Wahrscheinlichkeitsrechnung.  Hamburg  u.  Lpzg.  1897.  208—209.  —  Wolf- 
gangi  Bolyai  de  Bolya  Tentamen  etc.  Ed.  H.  ed.  S.  König  et  M.  Räthy. 
Bndapestini  1897.  209 — 210.  —  Galois,  E.,  Oeuvres  math^matiques.  publ.  p. 
Emil  Picard.  Paris  1897.  210—211.  —  Graf,  J.  H.,  Der  Mathematiker  Jacob 
Steiner  von  Utzentorf.  Bern  1897.  211.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1897. 
103—120;  216—224. 


646  Verzeichnis  der  Werke,  Abhandlaogen  und  Recensionen. 

XLIY.  Heath,  T.  L.,  The  works  of  Archimedes.  Cambridge  1897.  7—8. 
—  Petri  Philomeni  de  Dacia  in  Algorism.  yulgar.  lohannis  de  Sacrobosco 
commentarins  ed.  M.  Curtze.  Havniae  1897.  8—9.  —Jordan,  W.,  Opus  Pala- 
tinum.  Sinus-  und  Cosinus-Tafeln  von  10"  zu  10".  Hannover  und  Leipzig.  1897. 
9—10.  —  Schwab,  F.,  P.  Aegyd  Everard  von  Beitenau,  1606  —  1676.  Salzburg 
1898.  10 — 11.  —  Speck,  6.,  Criiique  de  Tenseignement  des  mathämatiques. 
Lausanne  1898.  11.  —  Simon,  M.,  Analyt.  Geometrie  der  Ebene.  Lpzg.  1897. 
11—13.  —  Vasilieff,  A.,  P.  L.  Tchäbychef  et  son  oeuvre  scientifique.  Turin  1898. 
62.  —  Claudii  Ptolemaei  opera  quae  exstant  omnia  volumen  l.  Syntaxis 
mathematica  ed.  J.  L.  Heiberg.  p.  I.  Lpzg.  1898.  62—63.  —  Encyklopädie  der 
mathemathischen  Wissenschaften  mit  EinschluTs  ihrer  Anwendungen.  Herausg. 
von  H.  Burkhardt  und  W.  Frz.  Meyer.  I,  1.  1.  Hett.  Lpzg.  1898.  75—76.  — 
V.  Budislavljcvic,  E.,  Grundzüge  der  Determinanten -Theorie  in  der  project 
Geometrie.  Aualyt.  Geometr.  Wien  und  Lpzg.  1898.  76—77.  —  Mikuta,  A., 
GrundzCige  der  Diff.-  und  Integr. -Rechnung.  Wien  und  Lpzg.  1898.  77 — 78.  — 
Schur,  Fr.,  Lehrbuch  der  analyt.  Geometrie.  Lpzg.  1898.  78—79.  —  Simon,  M., 
Analyt.  Geom.  des  Raumes.  Lpzg.  1898.  79—80.  —  Fort,  0.  und  0.  Schlö- 
milch,  Lehrbuch  der  analyt.  Geometrie,  ü.  6.  Aufl.  von  B.  Heger.  Lpzg.  1898. 
80.  —  Salmon-Fiedler,  Analyt.  Geometr.  des  Raumes  I  4.  Aufl.  Lpzg.  1898. 
80  —  81.  —  Wundt,  W.,  Die  geometrisch  -  optischen  Täuschungen.  Lpzg.  1898. 
86—87.  —  Baer,  K.,  Über  das  logarithm.  Potential  einer  Pascalischen  Schnecke. 
Kiel  1897.  87.  —  Baer,  K.,  die  Eugelfunction  als  Lösung  einer  Differenzen- 
gleich.   Eiel  1898.     87—88.  —  Mathem.  Abhandlungsregister  1898,  I.  92—100. 

C.  Aus  „Archiv  der  Mathematik  and  Physik^*  von  J.  A.  Grunert. 

Theil  XIX.  1852:  Einige  Sätze  zur  Theorie  der  hyperbolischen  Functionen 
88—96. 

Theil  XX.  1853:  üeber  Leitlinien.    249—259. 

D.  Aus  „Ballettino  di  Bibliografia  e  di  Storia  delle  scienze  matematiehe  e 

fisiche"  pubbl.  da  B.  Boncompagni. 

Tomo  Y:  Euclide  e  il  suo  secolo.  Saggio  storico-matematico.  Traduzicne 
di  G.  B.  Biadego.     1—64. 

Tomo  IX:  Die  Rechenkunst  im  sechszehnten  Jahrhundert  von  A.  Kuckuck. 
Separatabdr.  Berlin  1874.  Traduzione  del  Dr.  Alfonso  Sparagna.  Articolo  biblio- 
grafico.  183  —  187.  —  Gofiredo  Friedlein.  Necrologia.  Traduz.  del  Dr.  A.  Spa- 
ragna. 531  —  535.  —  Sulla  nazionalitä  del  Copernico.  Traduz.  del  Dr.  A.  Spa- 
ragna.    701—716. 

Tomo  XI:  I  sei  Cartelli  di  matematica  disfida,  primamente  intorno  alla 
generale  risoluzione  delle  equazioni  cubiche  di  Ludovico  Ferrari,  coi  sei  contro- 
cartelli  in  risposte  di  Nicolö  Tartaglia  etc.  pubbl.  da  Enrico  Giordani  etc.  — 
Milane  1876.  Articolo  biliograf.  Traduzione  del  Prof.  Ant.  Favaro.  177 — 196. 
—  II  carteggio  fra  Lagrange  ed  Euler.    Traduz.  del  prof.  A.  Favaro.     197 — 216. 

E.  Aus  „Repertorinm  der  litterarischen  Arbeiten  ans  dem  (lebiete  der  reinen 

nnd  angewandten  Mathematik",  herausgegeben  von  L.   Koenigs- 
berger  und  G.  Zeuner. 

Bd«  1:  Selbstanzeige  von:  Die  roemischen  Agrimensoren  und  ihre  Stellung 
in  der  Geschichte  der  Feldmefskunst.    Leipzig  1875.     117 — 128. 


VerzeicbniB  der  Werke,  Abhandlangen  und  Becensionen.  647 

F,  Aus  „AUgemeine  Dentsehe  Biographie'^ 

Bd.  I.  1875:  Karl  Adams.   47 — 48.  —  Gerardus  Adriaens  oder  Drunaeus.   122. 

—  Johann  Thomas  Ahrens.  163.  —  Franz  von  Aiguillon  oder  Agoillon  oder 
Aquilonius.  166.  —  David  Algoewer.  842.  —  Joseph  Amuel.  418.  —  Johannes 
Arduser.  613.  —  Peter  Friedrich  Arndt.  663.  —  Arthur  Arneth.  664—666.  — 
Ernst  Ferdinand  August.   683—- 684. 

Bd.  II.  1875:  Dominicus  Beck.  212—218.  —  Johann  Isaak  Berghaus.  184.-— 
Jacob  Bemoulli  I.  470—473.  —  Johann  BemouUi  I.  473—476.  —  Nicolaus  Ber- 
noulli  I.  476—477.  —  Nikolaus  Bemoulli  II.  477—478.  —  Daniel  Bemoulli. 
478—480.  —  Johann  Bemoulli  II.  480—482.  —  Johann  Bemoulli  III.  482.  — 
Jacob  Bemoulli  II.    482—483.  —  Tobias  Beutel  487—488. 

Bd.  III.  1876:  Georg  Heinrich  Borz.  183.  —  Benjamin  Bramer.  234.  — 
Johann  Georg  Brand.  236.  —  Georg  Friedrich  Brandes.  240—241.  —  Franz 
Brasser.  269.  —  Isaak  Bmckner.  419.  —  Friedrich  Johann  Bock.  494.  —  Jobst 
Burgi  (Justus  Byrgius,  Joist  Burgh,  Just  Borgen).  604—606.  —  Abel  Burga  (Bfirga). 
620—621.  —  Heizo  Buscher.  643.  —  Friedrich  Gottlob  von  Busse.  649—660.  — 
Karl  Herbert  Ignatias  Buzengeiger.   678.  —  Johann  Wilhelm  von  Camerer.  727. 

Bd.  lY.  1876:  Giovanni  Francesco  Mauro  Melchior  Salvemini  genannt  Ca- 
stillioneus  oder  Castilhon.  67—69.  —  Ludolph  van  Ceulen  oder  van  Keulen  oder 
van  Collen.  93.  —  Adam  Mathias  Chmel.  130.  —  Jacob  Christmann.  222.  — 
Wilhelm  Ludwig  Christmann.  223—224.  —  Christlieb  von  Clausberg.  285.  — 
Heinrich  Wilhelm  Clemm.  821—322.  —  Adam  Andreas  Cnollen.  364.  —  Johann 
Konrad  Creiling.  683—584.  —  August  Leopold  Crelle.  689—690.  —  Peter  Cröger. 
626.  —  Joseph  Melchior  Danzer.  766.  —  Johann  Martin  Zacharias  Dase.  760.  — 
Heinrich  Wilhelm  Feodor  Deana.    790. 

Bd.  y.  1877:  Franz  Eduard  Desberger.  68—69.  —  Wilhelm  Adolf  Diesterweg. 
163.  —  Peter  Gustav  Lejeune-Dirichlet.  261 — 262.  —  Enno  Heeren  Dickson. 
262 — 263.  —  Johann  Gabriel  Doppelmayr.  344—346.  —  Karl  Ereiher  Drais  von 
Sauerbronn.    373.   —   Cornelius  Drebbel.    384.   —   Justus  Heinrich  Dresler.  397. 

—  Johann  Baptist  Eberenz.  632.  —  Johann  Paul  Eberhard.  669.  —  Philipp 
Eckebrecht.  609.  —  Christian  Leonhard  Philipp  Eckhardt.  617.  —  Moritz  Eil- 
mann. 768.  —  Johann  Caspar  Eisenschmidt.  773 — 774.  —  Ferdinand  Gotthold 
Max  Eisenstein.     774—776. 

Bd.  VI.  1877:  Hieronymus  Christoph  Wilhelm  Eschenbach.  338—389.  — 
Leonhard  Euler.  422—480.  —  Johann  Albert  Euler.  430.  —  Karl  Euler.  430.  — 
Christoph  Euler.  430—481.  —  Anton  Felkel.  612.  —  Carl  Wilhelm  Feuer- 
bach.   747. 

Bd.  YU.  1878:  Thomas  Finck  (Finkius).  18--14.  —  Ernst  Gottfried  Fischer. 
62—68.  —  Gotthold  August  Fischer.    68.  —  Wilhelm  August  F6rstemann.     162 

—  Traugott  Samuel  Franke.    266—266.  —  Johann  Gottlieb  Friedlein.    398—399. 

Bd.  YUL  1878:  Johann  Nikolaus  Frohes  genannt  Frobesius.  129  —  130.  — 
J.  C.  Gartz.  384—886.  —  Karl  Friedrich  Gaufa.  430—446.  —  Cornelius  Gemma- 
Frisius.    666.  —  Bainer  Gemma-Frisius.    666—666. 

Bd.  IX.  1879:  Christian  Goldbach.   380—831.  —  Gustav  Adolf  Goepel.    370. 

—  Karl  Heinrich  Gräffe.  672—674.  —  Grammateus  (Heinrich  Schreyber).  678.  — 
Hermann  Grafsmann.  696  —  698.  —  Justus  GQnther  Grafsmann.  698  —  699.  — 
Gregorius  a  Sancti  Yincentio.    631—638. 

Bd.  X.  1879:    Johann  August  Graneri    60—61.  —  Johann  Philipp  Gruson 


648  Verzeichnis  der  Werke,  Abbandlaiigen  und  Becensionen. 

(GrflsoD).  65 — 66.  —  Christoph  Gudermann.  87—88.  —  Hermann  Haedenkamp. 
310.  —  Elkan  Markus  Hahn.  358.  — Hermann  Hankel.  616—519.  -  Joseph  Hantschi. 
549—550.  —  Siegtuund  Ferdinand  Hartmann.     703. 

Bd.  XI.  1880:  Karl  Friedrich  Hauber.  38—39.  —  Johann  Karl  Friedrich  Hauff. 
48.  —  Johann  Christoph  Heilbronner.   313. 

Bd.  XII.  1880:  Johann  Jacob  Hentsch.  11.  —  Jacob  Hermann.  181 — 182.  — 
Ludwig  Otto  Hesse.  306  —  307.  —  Karl  Ferdinand  Hindenburg.  466  —  457.  — 
Meyer  Hirsch.  467—468.  —  Johann  Josef  Ignatz  Ton  Hoffmann.  604 — 606.  — 
Georg  Jonathan  Ton  Holland.    748 — 749. 

Bd.  XIII.  1881 :  Daniel  Haber.  228—229.  —  Christian  Huygens.  480—46.  — 
Simon  Jacob  y.  Coburg.  559.  —  Karl  Friedrich  Andreas  Jacobi.    693. 

Bd.  XIY.  1881:  Ferdinand  Jodchimsthal.  96 — 97.  —  Jordanus  Nemorarius. 
601—602.  —  Ernst  Friedrich  Junge.    705.  —  Johannes  Junge..    706. 

Bd.  XY.  1882:    Abraham  Gotthelf  Kaestner.    489-441. 

Bd.  XX.  1884:  Ludwig  Imanuel  Magnus.  91—92.  —  Paul  Mak^  de  Kerek 
Gude.    152.  —  Konrad  Gottlieb  Marquardt.   417.  —  Johann  Mathias  Matzko.  602. 

Bd.  XXI.  1885:  Meinzo  von  Constanz.  240.  —  Albert  Ludwig  Friedrich 
Meister.    251—262.  —  Mathias  Mettemich.    527. 

Bd.  XXII.  1885:  August  Ferdinand  Möbius.  38—43.  —  Leopold  Mefsbrugger. 
404—405.  —  Franz  Moth.  406—407.  —  Anton  Müller  (1799—1860).  614.  —  Jo- 
hann Heinrich  Tiaugott  Müller  (1797—1862).  629—631. 

Band  XXIII.  1886:  Karl  Dietrich  von  Münchow.  8.  —  Friedrich  Wilhelm 
August  Muchard  62—63.  —  Christian  Heinrich  von  NageL  214.  —  Johann  Chri- 
stian Nelkenbrecher.  417 — 418.  —  Georg  Heinrich  Ferdinand  Nesselmann.  445.  — 
Anton  Nokk.    757. 

Band  XXIV.  1886:  Martin  Ohm.   203—204.  —  Ludwig  Oettinger.    668—669. 

Band  XXV.  1887:  Johann  Friedrich  Pfaff.  592  —  693.  —  Johann  Wilhelm 
Andreas  Pfaff.    693—694.  —  Christoph  Friedrich  von  Pfleiderer.    678. 

Band  XXVI.  1888:  Johann  Friedrich  Polack.  381.  —  Friedrich  Theodor 
Poselger.    455 — 456.  —  Moritz  von  Prasse.    610.  —  Leopold  Prowe.   671. 

Band  XXVII.  1888:  Joseph  Ludwig  Baabe.  66.  —  Johann  Heinrich  Rehn. 
174—175.  —  Reimaras  ürsus  (Nicolaus).   179—180. 

Band  XXVIII.  1889:  Karl  Gustav  Reuschle.  298.  —  Georg  Friedrich  Bern- 
hard Riemann.    566 — 659.  —  Adam  Riese.   576 — 677. 

Band  XXIX.  1889:  Johann  Georg  Rosenhain.  209.  —  Heinrich  August  Rothe. 
349—350.  —  Christoff  Rudolff.    671—672. 

Band  XXX.  1890:  Kasper  Sagner.  173.  —  Johann  Michael  Joseph  Salomon. 
281—282.  —  Michael  Scheffelt.    676. 

Band  XXXIf.  1891:  Franz  van  Schooten  d.  Aelt.  328.  —  Franz  van  Schooten 
d.  Jung.    328—329. 

Band  XXXIU.  1891:  Franz  Ferdinand  Schweins.  364.  —  Daniel  Schwenter. 
413—414.  —  Ludwig  August  Seeber.   565-566. 

Band  XXXIV.  1892:  Franz  Seidewitz.  92.  —  Gustav  Skfivan.  450.  —  Rend 
FraD9oi8  de  Sluse.  469—470.  —  Rudolf  Snel  van  Roijen  (Snellius).  502;  Wille- 
brord  Snel  van  Roijen  (Snellius).  502—603.  —  Friedrich  Wilhelm  Daniel  Snell. 
506.  —  Karl  Snell.  507.  —  Ludwig  Adolf  Sohnke.  546. 

Band  XXXV.  1893 :  Friedrich  Wühelm  Spehr.   96.  —  Simon  Spitzer.  223.  - 


Yerzeichnis  der  Werke,  AbhandlaDgen  und  Becensionen.  649 

Konrad  Dietrich  Martin  Stahl.  402—403.  —  Simon  Stampfer.  435.  —  Jacob  Steiner. 
700—703. 

Band  XXXVI.  1893:  Simon  Stevin.  158—160.  —  Michael  Stifel.  208—216.  — 
Johann  Friedrich  Stockhansen.  292—293.  —  Georg  Wilhelm  Staudt.  628.  —  Emil 
Siraurs.  632.  ^  Jacob  Strave.  687. 

Band  XXXYII.  1894:  Andrea«  Taquet.  340—341.  —  Johann  Dietrich  Adolf 
Tellkampf.  668.  —  Bernhard  Friedrich  Thibaut.  746—746. 

Band  XXXYJII.  1894:  Heinrich  August  Töpfer.  446. 

Band  XXXIX.  1895:  Hermann  ümpfenbach.  278.  —  Wilhelm  unverzagt.  821 
— 322.  —  Benjamin  Ursinus.  366.  —  Georg  Freiherr  von  Vega.  523 — 525.  — 
Ferdinand  Verbiest.    612—613. 

Band  XL.  1896:  Adrian  Ylack.  86.  —  Andreas  Völler.  247—248. 

Band  XLI.  1896:  Johann  Christoph  Weingärtner.  503—604. 

Band  XLII.  1897:  Johannen  Widmann  von  Eger.  366. 

Band  XLIII.  1898:  Benjamin  Witzschel.  677. 

Band  XLIV.  1898:  Franz  Woepcke.  209—210.  —  Gustav  Friedrich  Wucherer. 
261—263. 

G.  Aus  „Rendieonti  dell'  Istitnto  Lombardo  di  Scienze  e  Lettere*'  Mailand 
Hoepli. 

Vol.  IX,  anno  1876:  Studi  greco-indiani  (Traduzione  italiana  sul  MS.  origi- 
nale, di  G.  Schiaparelli)  818  -  842.  (Siehe  oben  „Zeitschrift  fflr  Mathem.  u.  Physik. 
22.  Bd.    1877.) 

-H,  Aus  „Jenaer  Litteratnrzeitang"  herausgegeben  von  Kletke. 

Jahrg.  1877.  Nr.  26:  Günther,  S.,  Studien  zur  Geschichte  der  mathem.  und 
physik.  Geographie  1,2.  Halle  1877.  388—389.  —  Nr.  28:  Abhandlungen  zur 
Geschichte  der  Mathematik.   I.   Leipzig  1877.    434—436. 

Jahrg.  1878.  Nr.  8:  Gerhardt,  C.  J.,  Geschichte  der  Mathem.  in  Deutsch- 
land. München  1877.  112—113.  —  Nr.  14:  Günther,  S.,  Studien  zur  Geschichte 
der  Mathem.  und  physik.  Geographie  3.  Halle  1878.  203—204.  —  Nr.  26:  Hoch- 
heim,  E&fi  fil  Hisäb  des  Abu  Bekr  Mnhammed  Ben  Abu  Husein  Alkarkhi.  I. 
Halle  1878.  375—376.  —  Nr.  33:  Matthiefsen,  L.,  Grundzüge  der  antiken  und 
modernen  Algebra  der  litteralen  Gleichungen.  480—481. —  Nr.  46:  Curtze,  M., 
Inedita  Copernicana.  Leipzig  1878.  663—664.  —  Nr.  47:  Günther,  S.,  Studien 
4.  u.  5.     Halle  1878.     662—663. 

Jahrg.  1879.  Nr.  20:  Abhandl.  zur  Gesch.  der  Mathem.  II.  Leipzig  1879. 
271—273.  —  Nr.  27:  Hochheim,  K&fi  fil  His&b.  IL    Halle  1879.  399—400. 

/.  Aus  „Bibliotheea  Nathematicai  Zeitschrift  fär  Geschichte  der  Mathematik" 
herausg.  von  G.  Eneström. 

Nene  Folge  2,  1888:  Ahmed  und  sein  Buch  über  die  Proportionen  7—9. 

Nene  Folge  11,  1897:  ft^ponse  ä  la  question  40.    (BetriflTt  Bürmann)   31—32. 

K.  Aus  „Comptes  rendns  de  TAcad^mie  des  Sciences".    Paris. 
T.  LI.    1860:  Sur  Tage  de  Zenodore  630—633. 

L.  Aus  „Neue  Heidelberger  Jahrbücher".    Heidelberg.  8^ 

I  (1891):  Yerzeichnis  der  Yorti^e,  die  M.  Cantor  im  Historisch -philo- 
sophischen Vereine  zu  Heidelberg  in  den  Jahren  1863—1890  gehalten  hat   8.  — 


650  Verzeiclmis  der  Werke,  AbhandlaDgen  und  Recensionen. 

Albrecht  Dürer  als  Schriftsteller.  Vortrag,  gehalten  im  Hisi-philos.  Vereine  zu 
Heidelberg  am  12.  Febr.  1888.     17—31. 

n  (1892):  Zeit  und  Zeitrechnung.  Vortrag,  gehalten  im  Hist.-philos.  Vereine 
zu  Heidelberg  am  Donnerstag,  den  3.  Dezember  1891.  190—211. 

V  (1895):  Zahlensymbolik.  Vortrag,  gehalten  in  Heidelberg  am  18.  Dezember 
1894.     25—46. 

M.  Aus  „Gegenwart^^ 

XII,  1877:  Die  Aktenfälschung  im  Prozesse  gegen  Galileo  Galilei.     HS. 

N.  Aus  „Beilage  zar  Allgemeinen  Zeitnng"  (Manchen). 
Stand  mir  nicht  zur  Disposition. 

0.  Aus  „Litterarisches  Centralblatt". 
Stand  mir  nicht  zur  Disposition. 

P.  Aus  „National-Zeitnng"  Berlin. 
Stand  mir  nicht  zur  Disposition. 

Q.  Aus  „Verhandlangen  des  Natnrwissenscli.-Medicin.  Vereins  zn  Heidelberg*'. 

1,  1857 — 59:  Mathematik  des  Pyihagoras.  1  S. —  Zahlzeichen  der  Araber.  2  S.  — 
Die  Kenntnisse  der  Griechen  in  der  Zahlentheorie. 

i?.  Aus  dem  „Bnlletin  des  Sciences  math^matiqnes".    2«  s^rie. 

T.  XIX,  mars  1895:  M.  Zeuthen  et  sa  G^om^trie  sup^rieure  de  TAntiquit^. 

S.  Aus  „Nord  und  Süd".    Eine  deutsche  Monatsschrift. 
Bd.  XVI:  Sir  Isaac  Newton.     106—117;  201—217. 
Bd.  XLV:  Vier  berühmte  Astrologen.    81—91. 

Bd.  LXIX:  Kardinal  Nikolaus  von  Cusa.  Ein  Geistesbild  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert.    188—202. 

T,  Aus  „Festschrift,  herausgegeben  von  der  Mathematischen  Ge- 
sellschaft in  Hamburg  anläfsl.  ihres  200jähr.  Jubelfestes 
1890". 

Ueber  einige  Konstruktionen  yon  Lionardo  da  Vinci.    8 — 15. 

V.  Aus  „Hermes'^,  Zeitschrift  für  klassische  Philologie. 

1881:  „Über  das  neue  Fragmentum  Mathematicum  Bobiense".    640—642. 

F.  Aus  dem  „Arehiv  der  GeseUsehaft  für  ältere  deutsche  Geriehtsknnde". 
Bd.  V:  Ein  Schreiben  Mainzos  Ton  Constanz  an  Hermann  den  Lahmen  (mit 
E.  Dummler).    202—206.    2  Tafeln. 

W.  Aus  den  „Prenssischen  Jahrbüchern". 
Bd.  XXXH,  1873:  Blaise  Pascal.    212-237. 

X.  Aus  „Nonvelles  Annales  de  Math^matiqnes". 

XIV,  1855:  Tbäor&me  sur  les  d^terminants  Cram^riens.  1  S.  —  Le  thdor^me 
de  Wheatstone.  1  S. 

XX,  1861:  Note  historique  sur  Fextraction  abrdgäe  de  la  racine  carr^e.  15. 

Y.  Aus  „Sybels  Historischer  Zeitschrift". 
X.  War  Leibniz  ein  Plagiator?    63  S. 

Z.  Aus  „Westermanns  Monatsheften". 
XII,  1878:  Lionardo  da  Vinci.     12  S. 


Namenverzeichnis. 


Abraham  Ben  Jehuda  (Ebr- 

Hd)  478. 
Abraham  Ben  Jomtob  475. 
Abraham  De  Balmis  476. 
Abraham  Zaknt  474. 
Achilles  Tatius  193. 
Adam  (Gh.)  604. 
Adam  (Bi.)  438. 
Adraaius  280. 
Agricola  139. 
Ahlwardt  494. 
Airy  110. 

Alb^ri  582.   583.  597.  605. 
Albrecht  111. 
Alfons  (Ton  Kaatilien)  128. 

137.  145. 
Alfraganus     (AI    Fergani) 

43.  61. 
Alkarkhl  467. 
Alkhazioi  147.  149. 
Alkhwarismt  458. 
AlliacQs  (D'Ailly)  138. 
Allmann  487. 
Almansi  481.  482. 
Alpetragius    (AI   Bidrodji) 

132. 
AmbroB  305. 
Ampere  182. 
Anazimander  487.  488. 
Anderson  239. 
AndronicuB  171. 
Angeli  256. 

Antonini  611.  • 

Antoninas  (Kaiser)  145. 
Apelt  144. 
Apian  (Peter)  216.  309. 311. 

319.  320.  321.  323.    324. 

330.  333.  478. 
Apian  (Philipp)    311.    435. 

437. 
Apollonides  486. 
ApoUonius  208.  342.  481. 
Arbogast  68. 
Archimedes  104.  156.  194. 

196.  197.    208.  234.  815. 

316.  339.    342.  344.  480. 

409.  491.   493.  494.  496. 


Aristarchus  194.  278.  280. 
Aristoteles  100.    139.    153. 

155.  156.  157.  158.    159. 

160.  164.  179.  279.    282. 

283.  285.  364. 
Arjabhatta  208.  209. 
y.  Aschbach  145. 
Ascherson  356. 
Asher  340. 
Atelhart  326. 
Autoljcus  493. 
Ayerroes  476. 

Bacchini  243. 

Bachet  de  Mäsiriac  506. 576. 

Bachmann  562.  574. 

Bacialli  150. 

Bacon  of  Vemlam  287. 

Baermann  259.  266. 

Baillet  4.  53. 

Baldi  247.  249.  478. 

Baliani  101.  581. 

Ball  575. 

Barbara  100.  101.  104. 

Barozzi  481. 

Basther  141. 

Becker  331. 

Beecman  504. 

Behaim  144. 

Beher  518.  519.  535. 

Belknap  150. 

Bellarmin  290. 

Beltrami  414. 

Benedetti  (Benedetto)  588. 

605. 
Benjacob  473.  484. 
Benjamin  480. 
Berger  134.  143. 
Beriet  541.  543. 
Berliner  480. 
Bemadakis  486.  487. 
Bernhard  306. 
Bemoulli  (Job.)   247.   248. 

250.  254.  265.  267.    271. 

272    561 
Bemoulli  (Nik.)   247.   248. 

249.  269. 


Bessel  403. 

Bilfinger  193. 

Blaeu  503.  505. 

Blancanus  150. 

Blafs  485    490. 

Blnm  439. 

Bobynin  13. 

Boeckh  277.  341.  348.  356. 

Boeschenstein  308.310.319. 

320.  474.  478. 
Boethins  305. 
Bohnenber^er  432.  433. 
Boll  138.  172. 
Bolyai  (J.)  401.    402.    409. 

410.  417.  418. 
Bolyai  (W.)  409.  417. 
Bolzano  73.  76.  77. 
Bomberg  475. 
Boncompagni  (Fürst)  308. 

310.  319.  320.  474.    478. 
Boom  503. 
Bordoni  273. 
Boreel  570.  572. 
Borgondio  268. 
Böse  256. 
Bossut  34.  39. 
Bonlanger  118. 
Bourgaet  273. 
Brahe  (Tycho)  17.  18.   19. 

25.  26.  27.  28.  277.  278. 

541. 
Bramer  146. 
Brandis  193. 
Braun  488. 
y.  Braunmühl  15. 
Bremiker  111. 
Bretschneider  485. 
Breusing  141.  142. 
Briggs  33.  35. 
Briü  78. 

Brockhaus  126.  137. 
Brooke  150. 
Brounker  (Lord)  267.    558. 

559.  561.  563.  564.    565. 

566.  567.  570.  573.   574. 
Brunnhofer  136. 
BOrgi  18.  20.  21. 23.  24. 35. 


652 


Namenverzeichnis. 


Bürja  73. 
Bur^kmair  142. 
Burgund  (Herzog  von)  253. 
Burkhardt  (A.)  517. 
Burkhardb  (H.)  298. 
Burrough  527.  529. 
Busbeck  163. 

Cajori  31. 

Calixtus  258. 

Calogera  241.  244.  255.  250. 

Camerer  414.  424. 

Campanus  326. 

Carapori  610. 

Cantor  (G.)  298. 

Cantor  (M.)  17    18.  24.  33. 

34.  67.  125. 126.  127.  147. 

150.  205.  208.  213.    216. 

235    243.  250.  251.    295. 

304.  305.  306.  307.    308. 

309.  310.  311.  312.    313. 

316.  317.  321.  326.    330. 

385.  463.  466.  469.    483. 

485.  505.  506    507.    537. 

662. 
Capponi  614. 
Carcavy    (Pierre   De)    517. 

600.  602.  603. 
Cardano  433.  588.  590. 
Carnej  633. 
Camot  71.  72.  75. 
Carr^  266.  292. 
Castelli  100.  683.  684.  685. 

610.  611. 
Caualat  446. 

Cauchy  77.  78.  79.  298  574. 
Cavalieri  100.  274.  685.  586. 

591.  592.  600.  604.    606. 

607.  608.  609.  610.    611. 

612.  613.  614.  616.    616. 

617.  622. 
Caverni  679.  680.  687.  688. 
.     689.  690.  692.  693.    694. 

595    696.  597.  600.    602. 

604.  607.  608.  612.    616. 

616.  617.  623.  624. 
Cellius  434.  435. 
Ceva  245.  256. 
Chabit  Ben  Currate  506. 
Chaggin  Chaber  479. 
ChaaJes  396.  397.  508.  509. 
Checozzi  248. 

Christian  (v.  Brandenburg- 
Kulmbach)  315. 
Christina  (von  Lothringen) 

603. 
Christmann  18. 
Chrysippus  487.    488.    489. 

490. 
Ciampoli  103.  104. 


Cicero  314.  344. 

Clavius  18.  21.  22.  28. 

Clavu.«»  (Niger)  141. 

Clearchus  486. 

Clemens  134. 136.  139.  145. 

Cleomedes  193. 

Clers^lier  504. 506. 507. 612. 

Colbert  119.  576. 

Collein  120. 

Commandino  249. 

Como  256. 

Comte  71. 

Condorcet  168. 

Conrad  85. 

Cook  107.  108.  109.  633. 

Coppomicua  128.  131.  132. 

133.  134.  137.  144.    277. 

278.  282    283.  284.    285. 

286.  287.  290.  292.    330. 

594. 
Cotes  272. 
Cotta  135. 
Coulomb  182. 
Cournot  78. 
Cousin  130    287. 
Cowley  493. 
Cratander  142. 
Crelle  71. 
Cromwell  558. 
Ctesibius  128. 
Curtius  18.  21.  22. 
Curtze  22.  41. 150.  277.  279. 

305.  306.  307.  321. 
Cusanus  (Joh.)  126. 
Cusanus  (Nik.)  123. 126. 126. 

127.  128.  129.  130.    131 

132.  133.  134.  135.    136. 

137.  138.  139.  141.    142. 

143.  144.  146.  146.    147. 

148.  150.  151.  152. 

D'Alembert  67.  291. 
Damianus  von  Larissa  196. 
Darius  356. 
Dasypodins  148.  331. 
D'Avezac  143. 
Deviso  612. 
De  Beaume  512. 
De  Billy  570. 
De'  Conti  (Niccolo)  144. 
De  la  Fcrtd  119. 
Delambrc  280.  286.  353. 
Delle  Colombe  594. 
Del  Monte  589.  590.591.592. 
Democritus  487.  488. 
Denesi  99.  100. 
Deparcieux  95. 
De  St.  Venant  291. 
Descartes   (Cartesius)  130. 
182.  259.  269.  287.    380. 


601.  603.  504.  505.    506. 

507.  508.  609.  510.    511. 

512.  513.  673. 
De  Seigfneley  119. 120. 121. 
Dickstein  65.  79. 
Diels  486. 
Diemer  305. 
Diesterweg  411. 
Digby  (E.)  557. 
Digby  (K.)  557.    659.    560. 

663.  666.  567.  668.    673. 

674. 
Diogenes  Laortius  193.  341. 

483. 
Diophantus  264.  265.   506. 

662.  663.  568.  674.    676. 
Dirichlet  (Lejeune)  562. 
D'Ocagne  386.  396.  397. 
Dod^son  159. 
Domiuicus  Parisiennis  306. 
Drinkwater  100. 
Drobisch  466. 
Dubois  110. 
Du  Buat  291. 
Dürer  310.   323.   324.   326. 

326.  327.  328.  329.    330. 

331.  332. 
Düx  126.  128.  131.  146. 
Duhamel  292 
Duhem  277.  292. 
Dumont  356. 
Dunthome  110.  111. 

Eckstein  303.  317. 
Ecphantus  128. 
Eisenlohr  8. 
Eisenmenger  (s.  Siderocra- 

tes). 
Elford  110. 

Elia  Baschiatscbi  475. 
Elia  Ha-Levi  475. 
Elia  Misrachi  477. 
Elster  85. 
Enea  Silvio  (Papst  Pius  II.) 

126.  127. 
Eoeström  22.  81. 
Engel  401.   409.   410.   412. 

414.  417.  423. 
Epicurus  178. 
Eratosthenes  194.  484. 
Erman  403. 
Ersch  73.  77. 
Escher  115. 
V.  Essenwein  307. 
Eucken  129. 
Euclides  100.  157.  159.  160. 

166.  170.  233.  280.    313. 

316.  329.  401.  403.    407. 

408.  409.  411.  412.    413. 

414.  415.  421.  423.    424. 


Namenverzeichnis. 


653 


427.  436.  440.  441.    442. 

445.  447.  448.  449.    457. 

460.  461.  468    477.   480. 

483.  662.  671. 
Eadozus  193. 194.  278.  490. 
Euler  67.  72.  264.  269.  272. 

273    380    568.  674. 
Eutocins  339.  348.  353. 

Faber  Stapulensis  (Lef^vre) 

128.  446. 
Facciolati  256. 
Fagnano   (Graf)    244.  246. 

247.  248.  249.  256.    257. 

258.  259.  260.  261.    262. 

263.  264.  266.  267.    268. 

269.  270.  271.  272.    273. 
Falckenberg  129. 
Falk  528. 

Faraday  182.  186.  187. 
Favaro  26. 97. 100. 126.  260. 

288.  289.  291.  580.    583. 

590.  597.  618.  619.    620. 
Feit  524. 
Fänelon  253. 

Ferdinand  I.  (Kaiser)  534. 
Fermat  264.  265.  270.  504. 

505.  506.  507.  655.    657. 

558.  659.  560.  561.   562. 

563.  564.  566.  567.    568. 

669.  570.  571.  572.    573. 

574.  575. 
Ferrari  206.  274. 
Ferro  274. 
Fibonacci  4.  5.  7.  8.  9.  10. 

11.  12. 
Fink  27. 
Fischer  71. 
Fontana  270. 
Fontenelle  265. 
Forster  108. 
Foscarini  290. 
Foucher  de  Careil  505. 
Fourier  278. 
Franchi  99. 
Frantz  71. 
Franz  356. 

Franz  (von  Parma)  274. 
V.  Freeden  110. 
Fr^nicle  de  Bessj  569.  660. 

561.  562.  567.  568.    569. 

572.  573.  575. 
Freydnet  50. 
Friedlein  354.  483. 
Früa  17.  19. 
Frisch  19. 
Frisi  270.  275. 
Frister  528. 
Frobenius  29. 
Fürer  402.  411.  420. 


Fürst  473.  477. 
Fürstenberg  (Fürst)  102. 
Fngger  (A.)  441. 
Fugger  (E.)  441. 
Fugger  (a.)  441. 

Galfi  259.  270. 

Galilei  7.  99  100. 101.  102. 

103.  104.  131.  138.    258. 

260.  284.  287.  288.    289. 

290.  291.  579.  580.    581. 

582.  583.  584.  585.    586. 

587.  688.  589.  591.    592. 

593.  594    595.  596.    597. 

698.  699.  600.  601.    602. 

603.  604    605.  606.    607. 

608.  609.  610.  611.    612. 

613.  614.  615.  616.    617. 

618.  619.  620.  621.    622. 

623.  624. 
Gallanzani  594. 
Gallet  120.  121. 
Gallois  143.  144. 
Gangini  258.  270. 
Gans  478. 
Gamett  35. 
Gaufs  401.   403.   404.    407. 

408.  409.  410.  411.    412. 

413.  414.  417.  418.    419. 

420.  423.  427.  562. 
Gauthier  (von  Metz)  482. 
Gauthier- Villars  279.   291. 

292. 
Geber"  (Djabir   Ihn  Aflab) 

43.  59.  215.  216. 
Geiger  438. 
Gelcich  103. 

Gellius  Sascerides  26. 27. 28. 
Geminus  279. 
Gemma  Frisius  287.  467. 
Georg  (von  Sachsen)  435. 
Georgius  Chrysococcas  171. 
Gerardas  Cremonensis  216. 
Gerbert  (Papst  Sylvester  II.) 

161. 
Gergonne  76. 
Gerhardt  (Archäologe)  354. 

356. 
Gerhardt     (Mathematiker) 

172.  173.  306.  315.   432. 
Gerlin^  403.  404.  409.  410. 
Germam  143. 
Gilbert  150. 

Ginzburg  (Günzburg)  480. 
Giordano  Bruno  134.    135. 

136.  138. 
Glaisher  35. 
Glogowski  528.  529. 
Gmunden  (Johann  von)  133. 
Goethals  134.  169. 


Goldenthal  481. 

GoBSonin  482. 

Graef  438. 

Graesse  213.  217. 

Graetzer  91. 

Graf  113.  116.  117. 

Grammateus       (Schreiber) 

309.  310.  452. 
Giandi  245.  253.  257.  258. 

269. 
Grashof  143. 
Graunt  95. 
Grimani  476. 
Grimme  532. 
Grisar  290. 
Gruber  73.  77. 
Grunert  264.  265. 
Gruson  68.  69. 
Grynaeus  435. 
V.  Gültlinger  437. 
Günther  (L.)  136. 
Günther  (S.)   33.    35.    102. 

123.  127.  132.  133.    137. 

139.  150.  196.  304     305. 

306.  308.  310.  311.    321. 

333. 
Guiducci  611. 
Gurland  477. 

Haccohen  482. 
Haebler  138. 
Haendel  279. 
Haertrecht  504. 
Hasecius  17.  19. 
Hiüley  33.   34.  81.  83.  84. 

85.  86.  88.  89.  90.  91.  92. 

93    94.  95. 
Halma  194.  195.  198.  208. 

280.  281.  282.  289. 
Hammer  143. 
Hankel  73.  77.  78. 
Harsdoerfer  315.  319.  320. 

321.  323.  324.  326.    328. 

329.  331. 
Hartmann  18. 
V.  Hartmann  433.  436. 438. 
Hasenclever  402.  405. 
Hauber  451. 
Heath  153. 
Hederich  134. 
Hegel  71. 
Heiberg  161.  194.  196.  198. 

200.  280.  339.  344.    490. 
HeidelofF  306.  307. 
V.  Heimburg  (Gregor)  126. 
Heinitz  535. 
Heller  139.  147.  175. 
Helmholtz  292.  482. 
Henri  cpetri  128. 
Henry  100.  264.  270. 


654 


NamenTerzeichnis. 


Heraclides    Ponticus    126. 

128.  278.  280.  282. 
Hermann    (Elrmanno)   245. 

246.  247.  260. 
Herodianus  341. 
Herodotus  337. 
Heron  147.  148.    193.   194. 

195.  339.  443. 
Herrmann  83. 
Herrlinger  433. 
Herwagen  (HervagLus)  441. 

449. 
Hesse  390. 
Heydemann  356. 
Heynfogel   305.    310.    332. 

333. 
Heyse  477. 
Hicetas  128. 
Hill  423. 
Hindenburg  68. 
Hipler  282. 
Hipparchus  13.  81.  98.  199. 

200.  203.  204.  206.    207. 

208.  278.  280. 
Hippocrates  234.  329. 
Hodder  35. 
Hoesch  306. 
Hohenlohe  (Fürst)  401. 
Holtzmann  (s.  Xylander). 
Hooke  150.  300. 
Hofiel  418. 
Hudde  262.  671. 
Hugi  134. 

Huguenet  115.  117.  122. 
Hultsch  191.  193.  196.  339. 

341.  346.  348. 
y.   Humboldt    (Alexander) 

132.  135. 
Hunrath  211. 
Hunt  36. 
Hus  132. 

V.  Hütten  (Ulrich)  441. 
Hutton  33.  34. 
Huygens  183.  272.  380.  666. 

671.  572.  674.  675. 
Hypsicles  442. 

Jacob  (Simon)  312.320.321. 

322.  324.  325.  326.    327. 

328.  329.  330.  331.    332. 
Jacobi  291. 
Jahn  138. 
Janse  85. 
Janfson  503. 
Ibn  Haitham  (Alhazen)  476. 

479. 
Ideler  193.  200. 
Jechiel  Ben  Keuben  478. 
Ulgen  621.  635. 
Immanuel  Ben  Salomo  476. 


Imser  436.  437. 
logoli  693.  694.  697. 
Joachim  Ernst  (von  Bran- 

denburg-Aosbach)  316. 
JoMtel    22.  23.  26.  28.  29. 
Johaunes  Charainiitea  171. 
Johannes  De  Muris  353. 
JoUy  119. 
V.  Jelly  146. 
Jordanus  Nemorarius  446. 

466. 
Josef  Ben  Samuel  474. 
Josef  Tischbi  476.  477. 
Joubert  119. 
Isac  Argyrus  169.  170. 
Isac  Israeli  475. 
Isaschar  Ibn  Sucban  479. 
Israel  De  Baesa  478. 
Israel  Tafus  (?)  478. 
Julius  11.  (Papst)  474. 
Julius  Caesar  364. 
y.  Jungingen  364. 
Justi  403. 

Kaestner  35.   85.   87.   138. 

141.  146.  216.  444.   445. 

461.  468. 
Kant  73.  129.  180. 
Karl  I.  (von  England)  557. 
Karl  n.  (von  England)  667. 

668. 
Karl  rV.  (Kaiser)  119. 
Karl  V.  (Kaiser)  434.  441. 
Kendall  108. 
Kepler  19.   134.   136.   277. 

278.  287.  288.  315.    322. 

323.  324.  325.  326.    327. 

328.  329.  330.  331.    332. 

333.  423.  433    436.    468. 

607. 
Kersenboom  95. 
Kircher  102. 
Kirchhoff  292. 
Klein  79. 
Klügel  77. 
Knapp  83.  84.  85.   87.   90. 

91.  92.  93.  94.  96. 
Koebel  308.  309.  310.  313. 

319.  327.  331. 
Koehler  (Heidelberg)   395. 
Koehler  (Tübingen)  437.438. 
Korn  528. 

Krebs  (s.  Nik.  Cusanus). 
Kretschmer  150. 
Krumbacher  164.  170. 
V.  Krusenstern  107. 
Kubitschek  340. 
Kuentzi  118. 
Küttner  535. 
Kuhlenbeck  135.  136. 


Lacroix  68.  72. 
L'Admirance  121. 
Lagny  267. 
Lagrange  66.    67.    69.    70. 

71.    72.    73.   74.   75.    76. 

262.  297.  426. 
Lalaone  396. 
Lambert  39.  403.  404   409. 

413.  414.  416.  424.    426. 
Lange  130. 
Langlois  660. 
Lafswitz  146. 
Le  Brun  119. 

Le  Clerc  118.119.120.121. 
Legendre  110. 264.  410.  413. 

416.  674. 
Lehmann  423.  424. 426.  426. 

427. 
Leibniz  67.  68.  73. 134.  261. 

273.  274.  404.  617.    561. 
Le  Monnier  100. 
Lenz  341. 

Leon  Magentius  164. 
Le  Preux  122. 
Lewicki  132. 
Lexis  86. 

L'Höpital  261 .  270. 
Libri  144.  690. 
Lindau  147. 

Lionardo  da  Yioci  152. 
Lionardo  Pisano   (s.  Fibo- 

nacci). 
Lippert  85. 
Lobatschewskij    401.    402*. 

410.  416.  417.  418.    427 
Loeb  482. 
Loening  85. 
Loewenberg  134. 
Longomontanus  19.  22.  29. 

141. 
van  Loon  356. 
Loria  241.  273. 
Lorini  99. 
Loth  493. 

Lucas  (Frater,  s.  Paciuolo). 
Lucretius  178. 
Luther  132. 
Lutz  142. 
Luzzati  481. 

Mackay  110.  111. 
Maclaurin  269.  270. 
Maedler  132.  147. 
Maestlin  433.  437.  468 
Maffei  243.  244.  254  256. 
Magini  26.  27. 
Magnus  353. 
Maignan  148 
Maimonides  480.  481. 
Main  (Herzogin  von)  253. 


Namenverzeichnis. 


655 


Main&rdi  273. 
Malfatti  273. 
Mamün  43.  44.  58. 
Mandella  255.  256. 
Manfred!  247.  249.  250.  252. 

256.  264.  273.  274. 
Manni  256. 
Mansion  78.  275. 
Marcheiü  253. 
Margoliontti  481. 
Marietie  119. 
Marsigli  604.  605.  613. 
Martin  260.  277. 
Marzagaglia  256.  264. 
Maser  264. 
Maseres  38. 
Maihieu  121. 
Mattatja  Ben  Salomo  482. 

483. 
Matthiefsen  260.  261.  265. 
Mayer  (Robert)  183.  186. 
Mayr  (A.)  137. 
Mayr   (8.,   Simon  Marina) 
314.  316.  324.  325.    326. 
327.  328.  329.  330. 
Maximilian  I.  (Kaiser)  145. 
MaximuB  Planudea  166. 171. 

172. 
Medici  593. 
Megenberg    (Konrad    von) 

305. 
Mehmke  306.  396. 
Melanchihon  133.  287. 
Menachem  Ben  Samuel  477. 
Menaechmus  329. 
Mendthal  305. 
Meraj  79. 
Mercaior  133.  287. 
Mersenne  99. 148.  504.  505. 

506.  511.  512. 
Metelka  141.  142.  143. 
Meyer  (W.  F.)  293. 
Micanzio  258.  614. 
Michael  474.  478.  479. 
Moebiua  396. 
Mohammed  Ibn  Müaa  (a. 

Alkhwarizmi). 
Moigno  291. 
Moiyre  262. 
Molinelli  150. 
Mollweide  143. 
Monaco  (Fürst  Ton)  150. 
Montncla  17.  34.  39.  249. 
Morelli  169.  172.  243. 
Morffan  35.  38.  39. 
Morfaianus  446.  447. 
Moses  Ben  Maimon  (n.  Mai- 

monides). 
Moaea  Ma*  Haiti  477. 
Moaea  Provinciale  481. 482. 


Motot  (Simon)  481.  482. 
Müller  (F.)  301.  317.    320. 

329. 
Müller  (J.)  196. 
V.  Münchow  410.  413. 
Münater  142.  143.  476. 
Muir  296. 
Muratori  255.  256. 
Mydorge  504. 
Mylius  524. 
Mylon  571.  572.  573. 

Nagl  305.  307.  335. 
Napier  (of  Merchiaton)  33. 

34.  35.  36.  38.  479.  512. 
Narducci  249. 
NaUIia  532. 
Nazari  243. 
Neophytua  166.  174. 
Netto  296. 

Neubauer  474.  478.  479. 
Neumann  91. 
Newton  67.  182.  254.   278. 

290.  291. 
NicaenuB  (s.  Hipparchus). 
Nicander  85.  90. 
NicephoruB  171. 
Nicotaua  Germanua  (De  Do- 

nia)  144. 
Nicolaua  Rhabdas  171. 
Nicoll  495. 
Nicomachus  164. 
Noether  78. 
Nonius  (Nunea)  479. 
y.  NordenskiOld  141.  143. 
Kotker  Labeo  304. 

Oddi  591.  605. 

Ohm  (G.  S.)  420. 

Ohm  (M.)  73. 

Olbera  403. 

Olleria  150. 

Oporinua  440.  441. 

Oppenheim  478. 

Origanua  141. 

Orteliua  141. 

Oaiander  286.  287   289. 

Otho  215. 

Ottheinrich  (von  der  Pfalz) 

447. 
Ottmar  447. 
Ozanam  (Ozonam)  33.    39. 

113.  115.  118.  122. 

Paciuolo  319. 
Pantaleon  433.  434.  435. 
Panzer  474. 

Pappua  195.  196.  201.  204. 
207.  208.  233.  342.    344. 
Parthey  146. 


Paacal  253.  509.  517. 

Pasquich  68. 

Pauly  199.  205. 

Pell  562. 

Peschel  132.  134. 

Pesauti  270. 

Petaviuä  193. 

Peter  (der  Grofae)  119. 

Petrejua  466. 

Petty  95. 

Petzenateiner  307. 

Peurbach  131.  215.  483. 

Peutinger  142.  14a. 

Pfaff  434.  445. 

Philolana  128.  277. 278. 290. 

Philon  147. 

Philoponua  168.  169. 

Pinder  145. 

Pinel  479. 

Pinzger  518. 

Pirckheymer  141.  142. 

y.  Pirkenatein  316.  317.  318. 

319.  320.  322.  324.    325. 

326.  327.  328.  329.    330. 

331.  332. 
Pitiacua  20.  24.  29.  330. 
Pixia  134. 

Piaton  256.  331.  344.  490. 
Plücker  394.  396. 
Plutarchua  136.   486.    487. 

489.  490. 
Poggendorfif  132.  148.  249. 

403.  423. 
Poggiali  99. 
Poincar^  79.  277.  292. 
Poiaaon  73. 
Poleni  243.  253. 
Polo  (Marco)  144. 
PolybiuB  341. 
PorcuB  440.  441. 
Porto  29. 
Poaidoniua  193.    194.    279. 

285. 
y.  Prantl  147. 
Praxiadea  485. 
Price  90. 

Pringaheim  79    297. 
ProcTua  193.  194.  195.  196. 

208. 
Proadocimo  de'  Beldomandi 

126. 
Prowe  128. 
Ptolemaeua  43.  59. 132. 138. 

143.  144.  171.  172.    194. 

196.  198.  199.  200.    201. 

203.  204.  205.  206.    207. 

215.  216.  278.  280.    283. 

285.  286.  325.  352.   476. 

477. 
Pühler  150. 


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NameiiTerzeiclmis. 


657 


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::r  bi    122. 

r  .  rxn   (A.)  486. 

j    irm   (J.  C.)  315.  316.  317. 

_.  ;19.    320.  322.  323.    324. 

_    i25.    327.  328.  329.    330. 

i31.    332.  333. 

irm   (L.  C.)  316.  317.  320. 

321.   323.  324.  326.    326. 

328.   329.  331.  332.    333. 

tfsznilch  95. 

tier  491. 

uinery  43.  44.   166.   174. 
199.  206.  209..  264.    270. 
277.  279.  486.  487.    601. 
660.  670.  676. 
arrant  624. 

artafi^lia  686.  687. 688. 689. 
595.  696. 
artini  99. 

aurinns  (F.  A.)  399.  401. 
402.  404.  406.  408.  410. 
411.  412.  413.  414.  416. 
416.  417.  418.  420.  423. 
425.  427. 
raurinus  (J.  E.)  401. 
Taylor  67.    71.  72.  73.  77. 

250.  264. 
rhales  193.  194.  483.  484. 
Tbeodosius  426. 
Theon   Alexandrinus    196. 

268.  362.  442. 
Theon  Smyrnaeas  280.  321. 
Thirion  279. 
Thomas  Aquisas  282.  283. 

289. 
Thurmann  122. 
V.  Thum  und  Taxis  97. 102. 

103. 
TimaeuR  331.  344. 
Tissot  143. 
Todhanter  26. 
Toepke  126. 
Tomcelli  100. 268. 274.  667. 

584. 
Toscanelli  (Paalus   Physi- 

cua)  126.  144. 
Treuthardt  118. 
Treutlein  308.  321. 432. 466. 
457.  468.  461.  464.    466. 
466. 
Tycho  (s.  Brahe).  ^ 

Ulrich  (von  Württemberg) 
434.  436.  436. 


Ulug  Beg  476. 

Unger   306.  307.  308.  309. 

616. 
Unverzagt   383.    386.    386. 

387.  389.  391.  392.    393. 

394.  395.  396.  397. 
ürban  Vm.  (Papst)  289. 
Uri  493. 

Urseolus  a  Ponte  258. 
Usener  170. 
Uzielli  126. 

Yalerio  (Luca)  581.  622. 

Valerios  Maximus  313. 

Valla  129. 

Yallisnieri  243.  266. 

Varignon  246. 

Venturi  288. 

Verzaglia  246.  246. 

Vidal  479. 

Vierow  111. 

Vieta  211.    213.   219.   221. 

224.  225.  227.  235.    236. 

239.  240.  433    676. 
Vietor  125. 
Vincent  339. 
Vinta  681.  622. 
Vitali  33.  39. 
VitruviuB  146. 
Vivanti  78. 
Viver  129. 

Viviani  99.  100.  102. 
Vogelstein  474.  480. 
Vulpi  122. 

Wächter  427. 
Wackerbarth  36. 
Waersberg  503. 
Waesenaer  606. 
Wagner  (H.)  144. 
Wagner  (M.)  807. 
Waitz  166.  166.    167.   168. 
Wallis    39.  127.    264.   409. 

656.  667.  668.  669.    660. 

661.  662.  664.  666.    666. 

667.  668.  669.  570.    673. 

674.  676.  676. 
Walther   (s.  Gauthier  Ton 

Metz). 
Wapowski  137. 
Wappler  309.  637. 
Wargentin  81.  84.  86.    86. 

87.  88.  89.  90.  92.  93.  96. 
Warner  478. 
Weidler  478. 


Weierstrafs  79. 
Welser  (Velserus)  340. 
Werner  17.  18.  137.  216. 
Wertheim  29. 477.  666.  669. 
Wesseling  146. 
Westergaard  86.  94. 
Westfal  340. 
Weyer  110. 
Weyermann  461. 
Whewell  369. 
White  657. 
Widmann  308.309.319.640. 

641.  648. 
Wilberg  143. 
Wilhelm  IV.  (von  Hessen) 

17.  19.  27.  216. 
Wilhelm    von    Beichenau 

(Bischof)  142. 
Will  102. 
Wilson  (A.)  136. 
Wilson  (J.  M.)  169. 
Winkler  628. 
Winter  403. 
Wissowa  199.  205. 
Wittich  17.  18.  19.  20.  21. 

25.  27.  28. 
Wohlwill  138.  677. 
Wolf  (Astronom)   24.    116. 

131.  132.  148. 
Wolf  (Bibliograph)  480. 
V.  Wolflf  39. 
Wolkenhauer  160. 
Wronski  69.  73.  74.  76.  76. 

Ximenes  126. 

Xylander  313.  316.  320.  322. 

324.  326.  326.  327.    828. 

329.  330.  606. 

T.  Zach  206. 
Zacharias  Levita  482. 
Zanetti  169.  172. 
Zendrini  246.  246.  273. 
Zeno  (A.)  243.  244. 
Zeno  (P.  C.)  243.  244.  256. 
Zenodorus  268. 
Zenon  490. 

Zeuthen  199.  200.  209. 490. 
Ziegler  198. 
Zimmermann  (R.)  134. 
Zimmermann  (W.)  129. 
Zirkel  462. 
Zoeckler  132. 
Zoeppritz  146. 
Zunz  479.  480. 


Abh.  sur  0«ach.  d.  MAtham.   IX. 


42 


Tafel  2, 


Naglt   Die  Rechenmethoden  auf  dem  griechischen  Abakns^i  • 


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