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[
Zeitschrift
fttr
Mathematik und Physik
herausgegeben
unter der Terantwortlicben Redaction
▼on
Dr. B. Mehmke und Dr. XL Cantor.
Supplement znm TiemndTierzIgsten Jahrganir.
Der Supplemente vierzelinteB.
Zugleich der
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik
neuntes Heft.
Mit einem Porträt in Heliogravüre, zwei Tafeln und 66 Figuren im Text.
^'
Leipzig,
Druck und Verlag von B. 6. Teubner.
1899.
Abhandlungen
zur
Geschichte der Mathematik.
Neuntes Heft.
Hit einem PorirAt in Helio^ravttre, zwei Tafeln und 56 Figuren im Text.
Herrn
Hofrat und Professor Dr. Moritz Cantor
bei der 70. Wiederkelir des Tages seiner Gebnrt am 23. August 1899
dargebraoM von seinen Frennden und Verebrern.
Im Auftrage herausgegeben
von
M. ^urtze und S. Günther
in Thom. in München.
» -.',.. # .
Leipzig,
Druck and Verlag yon B. G. Teabner.
1899.
K
19295r^
• •
Aue Rechte, eioBchlieaBllch des Uebenetzungsrechtes^ yorbehalien.
Verehrter Meister, werter Kollege nnd Freund!
Ein schönes und seltenes Fest ist Urnen heute zu feiern vergönnt.
Wohl mancher erreicht das Alter des Psalmisten^ aber es in solch
jugendlicher Frische^ ohne Zeichen irgendwelchen Nachlassens der
geistigen und körperlichen Kräfte ^ zu erreichen, das ist eine seltene
Oabe, über die sich mit Ihnen AUe freuen dürfen, welche Ihnen nahe
stehen. Schon seit achtundvierzig Jahren wird Ihr Name litterarisch
genannt; aber erst als reifer Vierziger gingen Sie an jene gewaltige
Arbeit, deren schönen Abschluß wir vor kurzem erleben durften, und
in einem Alter, welches wohl eher zur Entlastung nach schaflfensreichem
Leben auffordern würde, schufen Sie das groüse, auf zahlreiche vor-
bereitende Veröflfentlichungen gestützte Werk, welches als umfassendes
Handbuch eines noch niemals in dieser Weise behandelten Wissens-
zweiges für alle Zeiten den Jüngern der exakten Wissenschaften zeigen
wird, welch eine Fülle auch der Vergangenheit innewohnt. Eine un-
ermefsliche Anregung geht von Ihren „Vorlesungen über die Geschichte
der Mathematik'^ aus, und alle anderen Völker sehen sich auf das
Standard Work des deutschen Forschers hingewiesen, ebenso wie auch
Ihnen allein die Einbürgerung unserer Disziplin als eines selbständigen
akademischen Lehrgegenstandes an den Hochschulen — und zwar nicht
blofs an solchen deutscher Zunge — zu danken ist.
Diese Gemeinsamkeit der wissenschaftlichen Interessen, keine
Trennung der Länder und Völker kennend, spricht sich auch aus in
der vorliegenden Schrift, welche eine Anzahl Ihrer dankbaren Freunde
und Verehrer Urnen an Ihrem Ehrentage überreichen möchte. Nehmen
Sie dieselbe freundlich auf als einen sprechenden Beweis der Thatsache,
daCs Ihr Beispiel und Ihre Thätigkeit allenthalben in der gebildeten
Welt zur Nacheiferung erzogen haben.
Thorn und München, im August 1899.
Die Herausgeber.
Inhalts - Verzeiclmis.
Seite
D^veloppement des proc^d^s servants ä d^compoeer le qnotien en quan-
ii^me. Par V. V. Bobtnih k Mobcou 1— 13
Zur Geschichte der prosthaphaeretischen Methode in der Trigonometrie.
Von A. Y. Braxthmühl in Manchen 15 — 29
Notes on the History of Logarithms. By Florian Cajori, Colorado
Springs (Colo.) U. S. A 31— 39
Der Tractatns Qaadrantis des Bobertns Anglicus in deutscher Über-
setzung aus dem Jahre 1477. Von Maikiicliax Ccbtze in Thom 41 — 63
Zur Greschichte der Prinzipien der Infinitesimalrechnung. Die Kritiker
der „Theorie des fonctions analytiques'* yon Lagrange. Von
S. DiCKSTEDf in Warschau 66 — 79
P. W. Wargentin und die sogenannte Halley'sche Methode. Ein Beitrag
zur Geschichte der mathematischen Statistik. Yon G. Enbström
im Stockholm 81— 95
lotomo ad un inedito e sconosciuto Trattato di Mechaniche di Galileo
Gralilei nell* Archive di S. A. il Principe di Thum-Taxis in Ratis-
bona. Notizie di Antonio Favaro, Padoya 97—104
Zur Geschichte der Längenbestimmung zur See. Von Eugen Gelcich
in Triest 105—111
Die Geometrie von Le Giere und Ozonam, ein interessantes mathe-
matisches Plagiat aus dem Ende des XYII. Jahrhunderts. Von
J. H. Graf in Bern 113—122
Nikolaus Yon Gusa und seine Beziehungen zur mathematischen und
physikalischen Geographie. Yon Sieouund Günthrr in München 123 — 152
On an allasion in AristoÜe to a construction for parallels. By T. S.
HxATH, Cambridge 153—160
Byzantinische Analekten. Yon J. L. Hbibero in Kopenhagen 161 — 174
Über die Aufgaben einer Geschichte der Physik. Yon August Hbllbr
in Budapest 176—189
Winkelmessungen durch die Hipparchische Dioptra. Yon Friedrich
HuLTscH in Dresden 191—209
Des Bheticus Canon doctrinae triangulomm und Yieta*s Canon mathe-
maticus. Yon Karl Hunrath in Rendsburg - 211 — 240
11 «Giomale de* Letterati d* Italia" di Yenezia e la „Baccolta Calo-
gerä** come fonti per la storia delle matematiche nel secolo XYUI.
di Gnro Loria, Genoya 241—274
Ylll Inhalts -Yerzeichoia.
Seit«
Notes snr le caract^re g^omötriqae de rancienne astronomie. Par Paul
Mahsiov, Gand 276—292
Über die Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften. Von W.
Franz Meter in Königsberg in Preufsen 293 — 299
^ Zur Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher
Sprache. Von Felix Mcixer in Losehwitz 301 — 333
Die Rechenmethoden auf dem griechischen Abakas. Von Alfred Nagl
in Wien 335--367
Die Geschichte der exakten Wissenschaften und der Nutzen ihres
Studiums. Von Ferdinand Bossnreroer in Frankfurt am Main. 359 — 381
Die Unyerzagt^schen Linienkoordinaten. Ein Beitrag zur Greschichte der
analytischen Greometrie. Von Ferdinand Bcdio in Zürich . . . 383 — 397
Franz Adolph Taurinus. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der nicht-
euklidischen (Geometrie. Von Paul Stackel in Kiel 397 — 427
Johann Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts.
Von H. Staigmüller in Stuttgart 429—469
Mathematik bei den Juden (l&Ol — 1660). Von Moritz STEiNscHNsmER
in Berlin 471—483
Bemerkungen zur Geschichte der altgriechischen Mathematik. Von
Ambros Sturm in Seitenstetten 485 — 490
Der Loculus Archimedius oder das Syntemachion des Archimedes. Zum
ersten Male nach zwei Manuscripten der Kgl. Bibliothek zu
Berlin herausgegeben und übersetzt yon Heinrich Suter in Zürich 491 — 500
Les «Excerpta ex M.SS. B. Des-Gartes». Par Paul Tannery ä Pantin. 501—513
Einige Additionsmaschinen. Von Crdedrich August Unoer in Leipzig. 515 — 535
Zur Geschichte der deutschen Algebra. Von E. Wappler in Zwickau. 537 — 554
Pierre Fermat's Streit mit John Wallis. Ein Beitrag zur Geschichte
der Zahlentheorie. Von Gustav Wbrthsdc in Frankfurt am Main 555 — 576
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. Von Emil Wohlwill
in Hamburg 577—624
Verzeichnis der mathematischen Schriften des Hofrat Professor Dr. Moritz
Cantor (1851—1899). Zusammengestellt von M. Gurtzs in Thorn 625—650
Namenyerzeichnis 651 — 657
Ubm
DftVELOPPEMENT DES PßOCEDElS SEßVANTS
Ä DfiCOMPOSEß LE aUOTIENT EN aUANTlfiMES.
PAB
V. V. BOBYNIN
1 MOSOOÜ.
▲bh. sar OMoh. d. MftUwm. DC.
• • •
Apr^s l'emploi exclusif du caicul firactionnaire sous la forme d^^ nei^-
bres concrets la pbase suivante du caicul des fractions abstraites est repri*':
sentee par les quantiemes. ^) II n'j a que celles-ci qui soient a la portee
des caiculateurs de ces temps la de tout le domaine des ftuctions abstraites.
Toutes les autres se fondant pour la forme avec les nombres entiers, si
elles apparaissent meme au calculateur de iMpoque en questiou, c'est sous
une forme si vague pour la raison qu'elle exclue toute pos8ibilit6 d'op6rer
dessus des r^gles d'arithmetique, en debors du caicul des nombres concrets.
II en resulta le besoin d'exprimer le quotient en quanti^mes, en cas d'un
reste obtenu. Alors qu'on en etait a la connaissance primitive des fractions
abstraites sous la forme qui leur ^tait propre et qui ne dependait pas du
caicul des nombres concrets, le proces servant a exprimer la partie fraction-
naire du quotient au mojen des quanti^mes ne pouvait avoir Heu que
d'apres un schäme foumi par le caicul des nombres concrets. Tel fat le
proced4 de la diyision d'un nombre concret par un nombre abstrait. üne
fois qu'on j arriye a un reste moindre que le diviseur on est bien forcä
de reduire ce reste en Tmites concretes des ordres inf^rieurs, afin de pou-
Toir continuer l'operation. Le meme procede applique a la diyision des
nombres entiers abstraits en rendait ^videmment possible la suite du procis
apres qu'on eut obtenu un reste moindre que le diviseur. Dans ce cas le
procede examine consistait a transformer le reste obtenu en des subdivisions
de Tunite dont le nombre excMerait le diviseur. Nous cbercberions en
vam, a l'appui de ces reflexions, des indications directes dans le peu de
documents que nous ofEre la litt^rature mathämatique des epoques cor-
respondantes. Nous crojons toutefois pouvoir les admettre comme les seules
qni s'imposent imp^rieusement a quiconque ait observe le caicul fraction-
naire dans sa marcbe primitive et d^taill^.
La forme du proc4de en question ^tait donc ainsi con^ue: le dividende
inferieur au diviseur ou le reste obtenu par Taction de diviser, ^tait mul-
^pli4 par le moindre des nombres dont les produits avec lui exc^dent le
1) y. BoBTMnr, Eaquisse de rhistoire da caicul fractionnaire. Bibliotheca
Mathematica 1896, p. 97—101.
4 V. V, Bobynin:
divisenr. II n'est pas difficile de.^n^tfter qae ce nombre est tonjonrs k
partie entiere da qnotient aiufii^^tee d'une nnite et provenant de la diyi-
sion dn diyiseur par le diyi&^nde on par le reste. Le prodnit de ce nombre
avec le dividende mite *;foiS diyise par le diviseur donne tonjoars pour
qnotient une umlüi 'ef • an reste. Cette nnite deyant etre encore divisee par
le nombrQ qui a Wrvi de mnltiplicatenr an dividende primitif, la division
oper^ 'jiojfQcdL ponr la fraction examinee la premi^re des fractions de la
di^on^osition cherchee on dn qnotient en qnantiemes. La seconde parüe
'. '*»:ßi('8era formee par la fraction dont le nnmeratenr fait le reste obtenn et
*% 'le d^nominatenr — le prodnit dn divisenr avec le nombre dont le divi-
dende avait ete mnltiplie. Si ce reste est l'nnit^, la seconde partie dn
resnltat de la division repondant egalement an bnt ponrsnivi fera la seconde
fraction de la decomposition cherchee en la terminant. Si an contraire le
reste n'est pas Fnnit^, il est sonmis anx memes Operations qne le dividende.
On agit de meme avec les restes snivants jnsqn'a ce qn'on en obtienne nn
qni äqnivale a 1, on qni rende possible Tapplica-
tion de qnelqne antre procede. En voici nn
exemple mis en pratiqne, tel qne nons le pre-
sente la decomposition en qnantiemes dn qnotient
13 : 17. Nons en tronvons le resnltat dans les
tables dn papyms greco-egyptien d'Akhmim datant
dn VII on VTII s. de Tere chr^tienne. *) Le pro-
cede en qnestion appliqne 60 fois dans les calcnls
de ces tables atteste la largeur de son emploi en
antiqnite. II devient de moins en moins freqnent
dans les epoqnes suivantes ainsi qne le pronvent les 50 problemes dn
papyms d'Akhmim datant d'nne epoqne post^rienre a ses tables, et dont
les solntions ne le pr^sentent qne 6 fois. Nons nons convaincons de son
abandon final par ce fait notable qne Leonardo Pibano en d^crivant en
details tons les procedes servant a decomposer les fractions en qnantiemes
et connns a la fin dn XII s., n'en fait ancnne mention dans le c^lebre
Liber Abbaci.*)
C'est anssi le calcnl des nombres concrets qni contribna a tronver
nne antre m^thode fondamentale ponr decomposer les fractions en qnan-
tiemes. Elle ent d'abord nn caract^re tont priv4 et ne se g^neralisa
qn'apr^s nne application lente et vari^e a des cas tonjonrs nonveanx. Les
2) J. Bah^lbt, Le papyrus math^matique d*Akhmim. M^moires pabli^s par
les membres de la mission arch^ologique fran9ai8e aa Caire. Tome neuvi^me.
1-er fascicnle. Paris 1898, p. 1—^9.
8) Scritti di Lbonardo Pisano I, p. 77—83.
18
13 111
X 2
17 2 4 68
26
17
n 1
^=-2
9
M
X 2
18
" 1
17
^ = 4
1
68
1
D^Teloppement des proc^d^s serrant k d^ompoaer le quotient en quanti^mes. 5
rapports existant entre les diff^rentes unites des mesores homogenes et per-
mettant d'en remplacer les eqnivalents d'un ordre inf^rieur par les unites
coirespondantes d'an ordre superienr, donnerent les premiers exemples
nombreux des quotients rednits a des quantiimes et obtenus a la snite de
la division d'un nombre quelconque par son multiple ou, ce qui en dit
antant, par des fractions dont les denominateurs sont les multiples de leurs
numerateurs. Bepresentant la conversion des mesures inferieures en mesures
snperieures dans son ensemble cette metiiode avait un cbaractere tout
general a l'4poque ou le calcul fracüonnaire etait exclusivement figure par
celni des nombres concrets. Lorsque l'emploi exclusif de cette forme eut
disparu et que le calcul des fractions abstraites apparut en se däveloppant
en dehors d'elle, le proc^e en question se trouva seulement applique aux
fractions dont le d^nominateur est le multiple du numärateur. Dans son
liiber Abbaci en decriyant les metbodes servant a reduire les fractions en
qnantiemes, Leonardo Pisano met cette forme primitive et fondamentale
en premier Heu sous le nom sousentendu de „prima differentia". Le meme
li-vre la cite comme indispensable en affaires de commerce. Nous la trou-
Tons employee dans tous les cas qui s'y rapportent dans le papyrus
d'Akbmim.
Les cas nombreux de la reduction ascendante ayant pour r^sultat un
nombre complexe repr^sentirent les premiers exemples de l'extension de la
methode prec^ente au cas ou le dividende peut etre decompos^ en parties
äquivalentes aux facteurs du diviseur ou leurs multiples, üne teile ac-
ception de ces exemples aura pu ecbapper toutefois aux anciens caJculateurs
et dut rester, par consequent, sans influence notable sur l'origine et le
progres de Textension citee. La simplicite de Tid^e fut la force de cette
extension, en permettant de la decouvrir directement sans d'autres indica-
tions. Geai la aussi que nous devons cbercber la cause principale, l'unique
peut-etre, de son origine et de son progres successif. L'emploi en ayant
atteint un degr^ consid^rable , Textension citee en devint un nouveau
xnoyen independant servant a exprimer le quotient dans les quantiemes.
Cest dans ce sens que nous le trouvons decrit dans le Liber Abbaci sous
le nom de la „secunda differentia^\ Le papyrus d'Akhmim nous donne aussi
ttne indication d^taill^e sur la maniere de proc^er dans les caJculs d'apres
cette methode appliquee a chaque cas particulier.
Excepte l'application pure et directe dans les cas qui la reclamaient,
la nouvelle methode servit encore largement le premier des procedes fon-
damentaux primitifis et decrit plus baut toutes les fois que le reste obtenu
par la division n'etait pas 1 et qu'il ne realisait point les conditions du
second procM4 fondamental. Parmi les cas nombreux que nous foumit a
6 V. V. Bobynin:
ce sajet le papjms d'Akhmim citons comme exemple la maltiplication de 15
par Tg (voyez cidessus).
Le premier des procedes fondamentaux primitifs cites plus haut et
qu'oD pourrait appeler celui de la division n'est pas tonjours emploje
dans la simplicite de sa forme originaire. Les ecartements en consistent a
multiplier le dividende par an nombre plus grand que ne le reclamait le
procedä. Bs s'expliquent tout d'abord par la conception vague qu'on avait
de sa nature et de ses qualites. Plus tard les calculateurs qui ayaient
compris la cbose eurent recours a ces ecartements dans le but d'obtenir
des decompositions du quotient en quantiemes plus commodes pour eux.
Or la decomposition etait a cette epoque d'autant moins commode que les
denominateurs de plusieurs ou de l'une des fractions en etaient plus grands.
ün trop grand nombre de membres formant la decomposition etait aussi
envisage comme un empecbement quoique moindre que le premier. Le
papjrus d'Akhmim nous presente 16 cas d'ecartements semblables et tous
ayant pour but de trouver des decompositions mieux
adaptables. A quel point cependant un grand nombre
de membres etait considere comme un empecbement
moindre pour la decomposition que ne Tätait la pre-
sence d'une fraction a un grand d^nominateur, le pa-
pjrus d'Akbmim le prouve suffisamment, dans Texemple
donne par la decomposition provenant de la multiplica-
tion de 12 par jr- Opirie suiyant la mithode de la
division dans la simplicite de sa forme originaire, ainsi
4 38 76 qu'on le voit dans Texemple ci-joint, la decomposition
n'a que 3 membres dont le moindre est jr^* Op^ree suivant Tecartement
admis dans le papyrus, eile en a 5 dont le moindre est ytt' Les nombres
servant a multiplier le dividende ou
Tun des restes dans ces Ecartements
excedent ceux qu^en exige la forme
pure de la methode ordinairement
de 1, et seulement dans trois cas
sur seize de 2. Une augmentation
si insignifiante du nombre emploje
comme multiplicateur fait que le
quotient a trouver n'excede pas 2,
et que dans 6 cas il est 1. Les fractions des decompositions foumies
par les quotients Äquivalents a 2 sont tantot reduites en quantiemes a
15
X 2
19 .
30
1^, 1 - 2
11
X 2
22
19 1
19
1 "^ 4
o 3 2 + 1
O ^B S=5 -
76 76
15 1111
19
2 4 38 7
12
12
X 2
»8 1
' 2
X 2
24
24
'^ 1
^--2
19
19
6
5
X 4
1? 1
X 6
20
30'
19 ,
A-12
19 1
19
1
1
152
11
6 + 8 + 2
12 19
D^veloppement des proc^d^s serraiit k d^composer le quotient en qaanti^mes. 7
Taide de la seconde des denx metbodes fondamentales cit^s plus haut et
qoi pent etre appell^ (tout conrt) celle de la reduction par le numi-
ratenr (on celle de la division des termes de la fraction par le nnmera-
tenr), tantot elles eqnivalent a -^^ c'est-a-dire a la senle des fractions au
munerateur excedant 1, qni alt ete a la portee des calciilatem*s anciens et
par la admise dans les decompositions cherch^es.
En comparant les proces des calculs exiges par la decomposition du
seul et meme quotient suivant la mithode de la diyision employee dans
sa forme pure et simple, avec Tadmission des ^rtements cit4s plus baut,
on ne peut s'empecher de remarquer que ces demiers diminuent le nombre
des diyisions successives et abregent ainsi le proces. Non obstant le däsir
bien naturel d'obtenir dans la decomposition des formes plus commodes,
cette circonstance devait pousser les calculateurs a une admission toujours
plus frequente et plus consciente des ecartements en question. Le besoin
de d^mposer a leur tour les quotients obtenus avec ces ecartements et
repr^sentes par les fractions aux num^rateurs excedant 1, en att^nuait
toatefois le profit, dans certains cas jusqu'a Tanäantir. Les cas oü il etait
possible d'appliquer a ces quotients la metbode de la reduction par le
munerateur, des cas analogues a ceux que nous trouvons dans le papyrus
d'Akbmim, for9aient les calculateurs, afin de realiser cette possibilite,
d'employer pour multiplier le dividende et les restes, des nombres non
Premiers et cela avec un succes d'autant plus grand que le nombre de
facteurs premiers qui les composaient itadt plus considärable. Avec plus
de clarte et a cause d'un emploi frequent dans la metbode de la diyision
soQS toutes ses formes, avec plus de force encore, la metbode de decom-
poser le num^rateur en parties equiyalentes aux facteurs du dänominateur,
demontrait Tutilite et le besoin urgent d'employer dans le but indique les
nombres non premiers renfermant le plus grand nombre possible de facteurs
premiers. Parfois quand le nombre non premier ^tait adroitement cboisi,
toute la decomposition du quotient suivant la metbode de division se
reduisait dans son proces a Taction de diviser toute seule. La metbode
de diviser par le num^rateur et celle de decomposer le numerateui- en
parties ^uivalentes aux facteurs du denominateur etaient alors appliquees
au quotient et aux restes obtenus. Ces cas de plus en plus frequents
enrent pour resultat final de donner a la m^thode de division une forme
nouveUe et extirieurement bien differente. D'apr^s la description donnee
par Leonardo Pibano dans son Liber Abbaci, non sous une forme gene-
rale, mais dans des exemples prives, cette forme qu'il nommait „regula uni-
Tersalis in disgregatione partium numerorum*', etait ainsi con9ue. On
8 V. V. Bobynin:
choisissait an nombre non premier renfermant le plus possible de factenrs
Premiers (par exemple 12, 24, 36, 48, 60 etc.) et restant compris entre
la xnoitii da d^nominatenr de la fraction a decomposer et le meine d^no*
minatenr double. Ce nombre est multiplie par le niimeratear et le prodnit
obtenu diyise par le denominateur. Le quotient qni sait est diyise par le
nombre non premier pris comme mnltiplicateor, et le nouveau quotient
decompose en quantiemes d'apres celle des methodes examinees qui s'j
prete le mieux. Getto regle de Leonardo Pisako exprimee a Faide des
signes algebriques actuels repr^nte la nouvelle forme de la methode de
diyision ainsi con^ue:
a am / t r\ a i r
m
==(« + t)- = ^ +
b b "" ~ V ^ b / "" M ^ bm^
m 4tant un nombre tir^ de la suite des nombres contenus entre ^ ^^ ^^
et pouyant se decomposer en le plus grand nombre de facteurs premiers.
Cette forme fut developpee dans une antiquite profonde, quelques mille-
naires avant Leonardo Pisano. Dans le Papyrus de Bhind^) nous trou-
Yons en effet que tous les quotients provenant du nombre 2 divisä par les
impairs de 5 a 99 sont d^ompos^s en quantiemes au moyen de la
methode de diyision dans cette forme ci. Les autres metbodes qui y
sont employees en memo temps se trouyent exclusiyement limitees a
Celle de la diyision par le numärateur et a celle de la decomposition
du numerateur en parties equiyalentes aux facteurs du denominateur.
La Beule difference, insignifiante toutefois, qui existe entre Tapplication
de la forme examinäe dans le Papyrus de Bhind et la description
que nous en donne Leonardo Pisano, consiste en cela, que les
nombres non premiers emploj^ dans le premier sont toujours contenus
entre le denominateur entier de la fraction a decomposer et la moitie de
celui-ci. La methode de la diyision est employee dans cette forme a cote
de sa forme primitiye a Fepoque du Papyrus de Bhind et meme beaucoup
plus tard. Par exemple, nous la notons 8 fois dans les tables du papyrus
d'Akhmim. Ainsi que dans celui de Bhind eile s'y trouye appliquee toutes
les fois que le nombre 2 est diyise par les impairs de 5 a 19, en en
exceptant deux ( 2 • :rr et 2 • — j , ou la decomposition suit la forme pri-
mitiye de la methode de la diyision, c'est-a-dire dans 6 cas seulement. Les
deux demiers cas sont figures par la multiplication du nombre 3 par -y
et ^r* Dans l'espace de temps ecoule entre les tables d'Akhmim et le
13
4) A. EiiBRLOHB, Ein mathematisches Handbach der alten Aegypter. (Papyrns
Rhind des British Museum.) Erster Band (Leipzig 1877), p. SO— 48.
IMTeloppement des procädda aervant k decomposer le qnotient en quanii^mes. 9
Liber Abbaci remploi de la m^thode de la division dans sa forme examin^e
en avait fait disparaitre la forme primitive aa point qne Leonardo Pisano
dat rignorer. G^est la 8eiüe raison du reste qui en expliqne Tabsence dans
son Liber Abbaci.
Ainsi qne la methode de la division elle-meme, sa forme examinee
tont a rheure et ponvant s'appliqner egalement a tons les qnotients on
fractions, possede nne gäniralit^ parfaite. Cest pourquoi T^pithite „d'uni-
verselle" qni lui a ete donn4 par Leonardo Pisano la caract^rise enti^rement
Nons ne savons pas qne la m^thode de la division ait fait des progris
an dela.
Les denx m^thodes fondamentales servant a d^omposer le qnotient en
qnanti^mes, voire celle de la division et Celle de la rednction par le nnm^
ratenr, ont nne diff^rence essentielle dans le caractere tont geniral de la
premiere et tont priv^ de la seconde. A la snite de cette diff<irence cha-
cnne des denx m^thodes se developpa a sa maniere, dans nne direction
dissemblable a Tantre. Effectivement, tandis qne le progres de la premiere
consistait a simplifier et a abr&ger le proces dn calcnl, celni de la seconde
s'occnpait exclnsivement a repandre son proced^ sur de nonveanx genres de
fractions, afin d'aniver a nne forme Egalement applicable a tontes les
fractions. Cest dans cette direction qne se developpa la seconde methode
elle-mSme et le premier cas de son extension on la methode de la ii-
composition du nnm^ratenr en partiefl äquivalentes aux factenrs du d^-
nominatenr. Nons suivrons d^abord le progr&s de la methode elle-meme
ponr passer ensnite a son extension premiere. II est a remarquer pour le
premier cas qne nons pouvons en observer le developpement exclnsivement
a Faide des connaissances foumies par le Liber Abbaci, c'est-a-dire dans
les formes du calcnl fractionnaire qui en ont remplace la forme primitive,
repr^ientee par le calcnl des nombres concrets.
Le moyen le plus grave, le seul peut etre, de repandre la methode
de la rednction par le numerateur sur les groupes des fractions qui ne
donnent pas lieu a son application imm^ate, fut foumi par nne Observa-
tion tonte simple. Elle montrait qu'en augmentant le denominateur de 1,
la differenoe entre la premiere fraction et la seconde est toujours equi-
▼alente au qnotient provenant de la division de Fune par le denominateur
de l'antre. Dans des cas particnliers, lorsqne le denominateur augmente
^ 1 devient le multiple du numerateur, la fraction transformäe ainsi qne
la diffSrence entre eile et sa premiere forme sont repr^sent^s, nne fois la
i^nction par le numerateur op^r^e, conune des quantiimes. De cette
maniere Fobservation indiqu^e permet de decomposer la fraction en une
somme de denx quanti^mes amenes a cette forme par Fapplication de la
10 V. V. Bobjnin:
methode de la redaction par le numeratear. Antrement dii, eile en repand
Tapplication snr tont le groape des fractions, dont les denominatears
aagment^ de 1 deviennent les multiples de lenrs nmnmkteiirs. Leonabdo
PiSANO d^rit la regle exprimant cette nouyelle fonne de la mithode de la
rednction par le nrnn^rateor en troisieme lieu et sons le nom de la „tertia
di£ferentia disgregatioiiis^.
Cette nonvelle extension de la methode de la r^uctioii par le nuine-
rateur appliqu^e aux fractions n'appartenant point an gronpe qni en ad-
mettait Tapplication abontit natnrellement a des calcnls manques. Les
calcnlatenrs firent alors connaissance des fractions qn'on amenait a ce
gronpe en en diminuant le nnmeratenr de n'importe qnel nombre, on, ce
qni vent dire la meme cbose, d'nn gronpe de fractions dont les denomina-
tenrs angmentes de 1 deviennent les multiples de la diffiirence entre le
nnmeratenr et un nombre quelconque. En separant de chacune des fractions
de ce gronpe la part qui avait le nombre indiqui pour nnmeratenr, on
decomposait la fraction primitive en deuz, nommement celle qni representait
la partie separee et celle qni avait pour nnmeratenr la difference entre le
nnmeratenr primitif et celni de la partie separee. La seconde de ces
fractions, appartenant an^ fractions du gronpe examine plus haut, admet
tonjours Tapplication de la methode de la rednction par le nnmeratenr.
Qnant a la premiere eile ne Tadmet que dans les cas oh, son nnmeratenr
equivaut a l'un des facteurs du denominateur. Les fractions possedant cette
qualite particuli^re forment ^videmment un gronpe nouveau, admettant
Tapplication de la methode de la rednction par le nnmeratenr a leur com-
plete d^omposition en quantiemes, c'est-a-dire sans recourir a l'aide des
autres m^thodes. Cependant, a F^poque de la phase du calcul fractionnaire
en question, les calcnlatenrs ne connaissaient pas encore oe gronpe de
fractions dans sa forme generale, teile que nous venons de la repr&enter.
Ils n'en connaissaient que les plus simples representants, et ceux-la anssi
dans un nombre fort limit^, trois a peine, ainsi que le prouve Toeuvre de
Leonardo Pisano. Suivant ce demier ils savaient qu'en augmentant le
denominateur de 1 on le rendait multiple: 1) de la difference entre le
nnmeratenr et Tunite au denominatenr, represent^ par un nombre premier;
2) de la difference entre le nnmeratenr et le nombre 2 au denominateur
qui est un nombre pair; 3) enfin de la difference entre le nnmeratenr et
le nombre 3 au denominateur qui est le multiple de 3. Les regles servant
dans ces cas a decomposer les fractions en quantiemes a Taide des pro-
cedes indiquäs tont a Thenre sont expos^es dans le Liber Abbaci sons les
titres correspondants de „quarta differentia disgregationis*^ „quinta differentia^^
et „sexta differentia'^
D^Teloppement des proc^d^ Berrant ö. d^omposer le quotient en qnanti^mes. 11
Des observations du meme genre snr les qnalites des fractions ont pa
amener a ^tendre la metbode de la reduction par le num^rateur seulement
sor un petit nombre de groupes des fractioDS, qui n'en admettaient point
Tapplication immediate. Ils n'^taient pas a meme de donner a la metbode
de la reduction par le nomeratenr la generalit^ desiree, et Ton obtint
celle-ei a l'aide d'one tonte autre voie. Les cas de Fapplioation manquee
de la metbode de la rednction par le numeratenr avaient montre ans cal-
cnlatenrs attentift qn'en divisant le numeratenr et le denominatenr d'une
fraction inferieure a Tunite par son numeratenr, on obtient 1 pour nume-
ratenr, et pour denominatenr un nombre entier avec une fraction inferieure
a Tunite. £n rejetant celle-ci on avait une fraction plus grande que la
premiere, au contraire, en Taugmentant jusqu'a 1, on en ayait une plus
petite. Cette demiere ayant Tunite pour numeratenr pouvait etre enyisag^e
comme le premier membre de la decomposition en quanti^mes de la fraction
donnee. Pour en obtenir les autres membres il n'j avait qu'a soumettre a
la meme decomposition la difiiirence entre la fraction donnee et celle qu^on
acceptait comme le premier membre de sa decompositioD. Le meme proces,
definissant comme nons venons de le voir, le premier membre de la de-
composition aura evidemment pu etre applique a cette difference d'abord,
a la difference suivante plus tard, etc. jusqu'a ce qu'on en arrivät enfin a
la difference repr^sentee par un quantieme, ou reduite a cette forme a
Taide de Tune des mitbodes prealablement connues. Le nouveau procede
de decomposer les fraotions en quanti^mes, decouvert ainsi par les calcula-
tenrs attentifs, conduit possible d'appliquer a toutes les fractions sans ex-
ception la metbode de la reduction par le numeratenr — on, ce qui est
plns precis, le proces du calcul qui la composait — et repondait de cette
mani^ au but d'en g^neraliser Tapplication, auquel tendait le progris
de la metbode elle-meme. Leonardo Pisano dans son Liber Abbaci reprä-
sente ce nouveau procede, ou plutot la regle qui en exprime le proces du
calcul, dans une description detaill^e et sous le nom de la „septima diffe-
rentia*^ Nous y trouvons d'abord la remarque qu'il faut Templojer dans
les cas oi. les procedes qui le precedent dans le cours du livre se trouvent
inapplicables. Nous lisons ensuite que son application aux fractions de-
composees, snivant les rhglea du deuxieme, quatrieme, cinquieme et sixieme
de ces procedes nous amkie a de meilleurs resultats que n'en donne Tap-
plication de cea memes r^gles. A Tepoque de Leonardo Pisano, ces procedes ci
epoisaient justement pour la metbode de la reduction par le numeratenr tous
les cas connus de son extension. Par consequent, on ne peut s'empecber
de voir que Fendroit cite du Liber Abbaci timoigne, par le fait meme de
son existence, que si la decomposition des fractions en quanti^mes n'est
12 V. V. Bobynin:
pas abandonnee dans Tayenir, tons ces proced^s seront remplaces dans la
pratiqne da calcul par la septieme regle tonte setde, comme donnant les
resnltats les plus commodes. La geniralite de son application n'anrait
Sans donte fait qne d'en hater racoomplissement.
Le progris initial da procede de decomposer le namerateor en parties
eqaivalentes aux factears da d^nominateor, saivant la mani^re citee plus
haut et repr^sentant le premier cas de la r^daction par le namerateor dans
son extension, ne noas est donne qae par le papjras d'Akhmim. Tont en
etant tris complet le Liber Abbaci ne contient pas d'indications a ce sajet
Cela tient peat-etre a ce qae les r^saltats du progres en qaestion ont ete
abandonn^s a F^poque ou ce livre fnt ^rit, ou a ce qae Femploi en devint
si rare, que Leonardo Pisano ne fnt pas a m§me de les connaitre.
Quoiqn'il en soit nous constatons le manque de ces resultats dans des
manuscrits ant^rieurs au papjrus d'Akhmim, et nous en constatons la pre-
sence justement dans celui-ci, appartenant a la litteratnre mathematiqne
grecque et posterieur de deux ou trois si^cles seulement a Diophante
d'Alexandrie dont Tactivite marque le point colminant du progres de
rarithmitique en Orece. Cela nous am&ne a croire que ces resultats ne
sont pas atteints d'une mani^re empirique, c^est-a-dire en faisant la con-
naissance des proprietes des qnotients ou des fractions, comme la plupart
des procedäs cites plus haut, mais par une voie sp^culative, a Taide des
transfortnations du quotient ou de la fraction dans un bat d^termin^. C'est
ce qui arriye en effet. La m^thode servant a d^omposer le diyidende en
parties equivalentes aux facteurs du diyiseur dans les deux cas de son
extension employes dans le papjrus d'Akhmim pour les sortes de la division
qui n'en admettent point Fapplication imm^diate, est facilement dMuite de
rinvariabilit^ du quotient alors que le diyidende et le diyiseur sont mul-
tiplies par un seul et meme nombre. Le premier et le plus grave de ces
cas se rapportait a la forme de la diyision oü la somme des facteurs du
diyiseur faisait le multiple du diyidende. Afin que celui-ci Tegalat, autre-
ment dit: afin d'amener la diyision dans le cas examinä a la forme qui
permettrait Tapplication du procede que Ton youdrait repandre, il n'j ayait
qu'a multiplier le diyidende et le diyiseur par le quotient proyenant de la
somme des facteurs du diyiseur, diyisee par le diyidende. Cette transfor-
mation et Celles qui la suiyent exprimees dans les signes algebriques actuels
nous donnent les identites que yoici, representant le cas de Fextension a
examiner:
a:hc = aq : hcq = (h + c) : ^cq=- + ^^,
ou 6 + c = ag. Le second cas de Textension, cite dans le papyrus
D^TOloppement dea proc^d^a aerrant ä d^compoaer le quotient en quanti^mea. 13
d'Akhmim, consiste dans l'application immediate du procis des calcnls fixe
par le premier cas, a la transformation des cas de la division, dans les-
quels le nombre, proTenant de Taddition de quelques facteurs du diyiseur
aux multiples de ses autres facteurs, devient le multiple du diyidende.
Cette application figur^ en signes algebriques actuels nous donne les iden-
tites suiyantes
a i hc = aq : hcq = (& + mc) : hcq = [-(*'*• ^o) »
eq
oü & -}" mc 8» ag. La seconde partie de l'expression obtenue demande a
son tour la decomposition en quantiemes d'apres Tun des procid^ connus.
Le calcul ne peut se passer de cette Operation que dans le cas particulier,
lorsque le nombre m est un des facteurs du diyiseur hq. Dans les exemples
que nous foumit ce cas particulier dans le papyrus d'Akbmim, m est tou-
jouis Tun des diyiseurs du nombre h, Excepte ces exemples le meme
papjms nous en donne d'autres pour le cas gen^ral.
Appartenant a Tepoque oii les mathematiques grecques se trouyaient
en decadence, le papyrus d'Akhmim ne renferme aucune description des
procedes que nous y trouyons employes pour exprimer le quotient en quan-
tiemes. On n'y Toit que des Operations successiyes faisant partie des procis
du calcul qui representent ces proc4des, mais sans explications. II faut
ajouter que les exemples, auxquels est appliqu^e dans les deux cas de son
extension donnes par le papyrus, la decomposition du numerateur en parties
equiyalentes aux facteurs du dänominateur, doiyent etre cit^ au nombre
des plus simples. Cela tient a ce qu'ils ne fönt usage que de la decom-
position du d^nominateur en deux facteurs, ainsi que nous Tayons introduit
dans les formules gin^rales precMentes, afin de les faire accorder ayec
Tonginal.
m'iyf
ZUB GESCHICHTE DER
PROSTHAPHAERETISCHEN METHODE
IN DER TRIGONOMETRIE.
VON
A. V. BSAXTNHOHL
IM mDhchbn.
Herr M. Caktor hat an mehreren Stellen^) seiner Geschichte der
Mathematik darauf aufmerksam gemacht, welche Bedeutung die Methode
der Prosthaphäresis Tor Erfindung der Logarithmen für die Astronomen
besafs, und ihre geschichtliche Entwickelung in allgemeinen Umrissen mit
gewohnter Meisterschaft gezeichnet. Vielleicht bietet es daher etwas Inter-
esse, wenn ich hier einige spezielle Bemerkungen über ihren Gebrauch, so-
wie einige Belege zu ihrer Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte mit-
teile, die mir bei einem eingehenden Studium der trigonometrischen Me-
thoden jener Zeit begegneten.
In einer kleinen Abhandlung, die 1896 in der BibUofheca mathcmoHca
(105 — 108) erschien, glaube ich den Nachweis geführt zu haben, daTs der
Erfinder dieser Methode im Abendlande der bekannte Johann Werner tou
Nürnberg ist, wie dies, allerdings ohne zwingenden Beweis, schon Montucla^
behauptete. Da aber Werner's Schrift „De triangtilis per maxmorum cir-
aüorum segmenta construdis lihri Y*\ in deren drittem Buche er die
Prosthaph&resis auseinandersetzte, nie im Drucke erschien, so geriet die
Methode in Vergessenheit uud tauchte erst am Ende des 16. Jahrhunderts
wieder yon Neuem auf, wo sie ihre Yolle Ausbildung erfuhr. Über diese
Wiedererfindung wollen wir uns etwas n&her verbreiten.
um das Jahr 1584 kam an den Hof des Landgrafen Wilhelm IV.
von Hessen, der Kassel zu einem Zentralpunkt astronomischer Forschung
gemacht hatte, ein gewisser Paul Wittich (1555? — 1587) aus Breslau,
welcher sich von 1580 — 1581*) bei Tycho Brahe auf der Insel Hveen
aufgehalten hatte, und blieb daselbst Iftngere Zeit. Von ihm berichtet
1) Bd. II, 417, 690, 658.
2) Bigott des MaOiematigues. I, 684. Im Cod. lat. man., 24101, t. 18 finde
ich nachtrSglich noch eine BestflÜgung meiner Ansicht, indem daselbst Joh.
PiAiTOKiua Wmbxee direkt als den Erfinder bezeichnet.
S) Diese Datumsbeatimmung ergibt sich aas dem Briefwechsel Ttcho's mit
HioiGTOB und ScuLTBTDs. Friis, Ttohonib Brahb epi8k>lae ab crnno 1568 usque
od aMMfm 1587. Hauniae 1876 — 86 in 4^. Ans dem Briefe Ttcho'b Tom 4. Not.
1580 an Haoboius geht (p. 66) hervor, dafs Wittich um diese Zeit schon auf
üranieDlnirg war, and ans 4em Schreiben an Scultbtus vom 12. Okt. 1581 (p.68— 59),
ds^ er die Insel Hveen bereits wieder verlassen hatte.
Abk nr G«mIi. d. Mathom. IX. 2
18 A. Y. Brannmühl:
Batharüs ürsus^) (Reimers), „er habe den ersten Fall der sogenannten
prosthaph&retischen Methode den Kasseler Astronomen als eine Beclmnngs-
methode gezeigt, welche schon längere Zeit auf der üranienbarg bei astro-
nomischen Rechnungen angewendet werde, ohne jedoch einen Beweis dafor
anzugeben. Jobbt Bürqi, der damals Hofuhrenmacher des Landgrafen war,
habe dann daf&r einen so frachtbaren Beweis gefanden, daijs aas ihm die
anderen prosthaphäretischen Fälle and sein (des ürsus) Beweis, ja die Anf-
lösang aller Dreiecke darch diese Methode yermittelst der Sinusse, Tan-
genten und Sekanten hergeleitet werden können« Hiervon habe dann Jacob
CuRTius dem Clayius Nachricht gegeben, der diese Erfindung erweitert
und auch dem Tycho 1590 darüber geschrieben habe."
untersuchen wir die Richtigkeit dieser Erzählung etwas genauer, so
haben wir zuerst die Erfindung der Prosthaphäresis auf der üranienburg
zu besprechen. Die Stelle'^), an welcher Werner mit Hinweis auf seine
Dreiecksbücher die prosthaphäretische Methode anwendet^ um die Länge der
l^ca virginis zu finden, kannte Tycho Brahe nachweisbar, denn er spricht
oft von Werner's Schrift „De motu odavae splMcrae" und greift speziell
dessen Beobachtung der Spica an^). Doch konnte ihn der Wortlaut jener
Stelle nur auf die Existenz eines praktischeren Rechnungs Verfahrens, als
das gewöhnliche ist, aufmerksam machen, das Verfahren selbst war absolut
nicht daraus zu entnehmen. Dagegen ist es nicht unmöglich, dafs Tycho
in die Dreiecksbücher Werner's direkt Einsicht bekam, als er 1575 Deutsch-
land durchreiste und speziell in Wittenberg war. Denn dieselben waren
nach Werner's Tode in die Hände Hartmann's in Nürnberg und von
diesem an G. J. Rhaeticus gekonmien, der längere Zeit in Wittenberg
gelehrt hatte, und in dessen Nachlasse (er starb 1576) sie sich noch fan-
den, als sie Christmakn in Heidelberg erhielt.^) Doch abgesehen von
dieser wohl kaum mehr beweisbaren Vermutung ist es sicher, dafs
4) ScHsiBEL teilt in seiner Einleitung zur mathem. Bücherkenntnis, 7. Stück,
Breslau 1786 mit (p. 17 ff.), dafs Reimers das Angeführte in dem Werke Tractattu
de aatronamicis hypothesibus. Pragae 1697 in 4*^. angebe; aber auch in desselben
Autors Schrift Fundamentum astranomicum 1688 in 4^ finde ich p. 16 den Wimen
erwfthnt.
6) Dieselbe steht in Jo. Wehhbri de motu octavae sphaerae traetahu primus.
Propositio IL Norimbergae 1622. Vgl. Camtob, Geschichte der Mathematik II. 418 ff.
6) Z. B. in seinem Briefe vom 20. Jannar 1687 an Rothmanh. T. Brahei
^^iskUarum osfrofiom. libri. Norimb. 1601 in 4^ p. 76, femer in Astnmomiae in-
gtaur€ttae Progyni'nasmata 1602. p. 221.
7) M. CAirroR, Geschichte der Mathematik, n 417 und 666, sowie Christmak!«,
Theoria hmae ex noms hypothesibus et ohservationÜms iemonstrata. Heidelbergae
1611 fol. p. 124.
Zur Geschichte der proathaph&retiBchen Methode in der Trigonometrie. 19
TrcHO im Yerein mit Wittich schon 1580 die prosthaphäretische
Methode aasarbeitete.
Dies geht zonäohst aus jenem Briefe desselben vom 4. November 1580
an Hao£Oius hervor, der den Wittich an Tycho empfohlen hatte, indem
hier Ttcho ausdrücklich sagt, dafs er sich im Verein mit Wittioh (com-
fnunicata opera) viel mit der Ausbildung der Prosthaph&resis beschäftigte,
die von der unangenehmen Multiplikation und Division befreie, und dafs
jener die Grundlagen hierzu gelegt habe, allerdings auf Mitteilungen
hin, die er seiner Zeit von Tycho erhalten habe, als dieser mit ihm in
Wittenberg zusanmien war (1575).^ Auch Kepler nennt die Prostha-
phareais einmal ein „artifidum Tychonicum''^), dann wieder „negoHum
Wittichianuim" und „refftda WitUchiana*'; er nahm also wohl auch an, dafs
sie durch Zusammenwirken beider zustande kam, wie es auch am wahr-
scheinlichsten ist Übrigens war Tycho bekanntlich viel weniger gewandt
im Rechnen, als im Beobachten und verdankte daher ohne Zweifel dem
Wittich nach dieser Richtung viel. In der That bezeichnet er ihn auch
wiederholt als sehr geschickt in der Mathematik ^^). Ein weiteres Zeugnis
dafOr, dals Tycho und Wittich in gemeinsamer Arbeit die fragliche Me-
thode ausbildeten, gibt uns Tycho's langjähriger Schüler Longomontan,
bdem er in seiner Astranomia Danica beide ausdrücklich als die Erfinder
derselben bezeichnet. ^^)
8) Friis, a. a. 0. 65. ,J^am et ego talibw (trianguhrutn campendiis) insttdavi
cUque in posierum uUerius, voltmte numine, inaudabo, quo haec ratio quae per
TCQoe^atpcclQiifiv proeedit absque taediosa multiplictxtione et divisione plenius ex-
eolatfir ei JocupUatur^ in quüms tarnen iOe needwn soHs est verscttus sed asstiescet
tueeemve. Vieue enim is, quod et eponte fatetur, saUem initia qtMedam hie ieeisse
adwumitw iis verbia quae se a me audivisae, dum semel Wittembergam ipso illic
studenU traeirem et me horum studiorum caussa convenisset, licet ego eorum recor-
dari non potuerim/'
9) Opera onmia. Ed. Frisch IT. 439 Anmerkmig 94.
10) So sagt er in jenem Schreiben an Rothmann vom 20. Jan. 1687 „. . . ob
ingemosam in Maihematieis praeeertim quoad Geometriam attinet soüerHam . . ."
und in einem firiefe vom 16. August 1588 an denselben (p. 118 ebenda) „, . . in
Geometria et Triangulorum ac numerontm tractaiione expeditior et felicior eraif'
als im Beobachten nämlich; endlich kommt er am 14. Jan. 1696 Rothmann gegen-
über noch einmal auf ihn zu sprechen, indem er sagt, er habe Wittich's Ehre in
keiner Weise verletst (indem er ihn n&mlich beschuldigt, dem Landgrafen vieles
all seine eigene Erfindung mitgeteilt sn haben, was Ttcho angehöre) sondern.
A«^' lantde dignua erat Wittiehiua, videlicet in Oeometricia, et compendiia
quihuadam triangulorum laudavi etc.", a. a. 0. 296.
11) A. a. 0. p. 10 heifst es: ,ßi awtem de huiua compendii inventore opua
^^Merat . . .; neminem certe habeo^ Tychone noatro et Vitichio VratiaHaiüienai anti-
^iorem: quorum aeilicet mutua opera primum anno 1582, in Huaena, aphaeriea
2*
20
A. ▼. Brannmüfal:
In der Yon mir mitgeteilten Erz&hlong heifst es weiter, Büroi habe
für den ersten Fall der prosthaph&retischen Methode einen Beweis er-
dacht n. s. w. BuBoi seihst hat hieräher nichts verSffentlicht, aber Bbihebs
teilt in seinem Fundamentum astronomicufn, 1588. 16^ nnd 17' die beiden
wichtigsten Begeln mit, indem er bessüglich ihrer Ableitung auf beistehende
Diagramme verweist, von denen er das erste dem Paul WrmcB, das
V X
zweite dem BARTHOLOXArs ScrLTSiTS widmet, der ein Werk über
Sonnennhren geschrieben hatte. Es sei in beiden Figuren arc^F = a,
arc SF = arc MN = ßj dann ist in der ersten « + ^ < 90®, in der zweiten
« + ^ > 9lV>. Femer sei FDM±AB und BC, DE, FG, MH±ÄY
gefüll, HK =FG = MB, bezüglich HB == JPG gemadit, und MO nnd
JP^ 1. KS gezogen, das | MF ISnft; macht man dann noch JDL l ÄT^
dann ist in der ersten Figur aro rJI=90*— /J + a, arc YF= 9(f —ß — a,
MB = sin (90® — /J + a) , FG = HK=MB = sin (90® — /J — o).
Aber LH = DE= \BH = \\^MH—MB) = \[wi (90® — ß + «)
— sin (90^ — ^ — a^ i . Femer ist ÄC = sin c, AD = JP^ »= sin /J und
AB : AD = BC : DE, somit für AB = sin tot.
^1) Sin tot: sin^ = sinc:^ { sin (90® ~ jj + «) — an (90® — /J — a) } ,
nnd ans der zweiten Figur folgt durch analoge Überiegungen
(n^ 8intot: cos^=cos«:i {sini^ + 9iV> — «) — an^^ — 90^-f-a)} .
Nach dorn von R Wolf beigebrachten Beweismateiial^ giaube ich,
trian^i*hM taii ptufwmifute pro itmdüm» Urmmkis mnA
ISdä kt nach dem oben Bemerictcn nicht richtig.
li. AstnnoviM^ Mittahngai XXXn 5^— ö!». VgL «ach Pmcrs«
Khn mam^me Ed, setmmdm, An^ Viml. mxs. in A\ lib. V
Das
Zar Geschichte der prosthaphäretischen Methode in der Trigonometrie. 21
dafs diese beiden Beweise auf Rechnung BüRofs zu setzen sind, der sicher
auch den ni. Fall kannte, welcher für a -j- ß = 90^ eintritt und aller-
dings erst von Clayius publiziert wurde. Dieser, heilst es in unserer Er-
zählung, habe von Jacob Curtius Nachricht erhalten und die Erfindung
erweitert In der That hat er nicht nur den eben erwähnten Zwischenfall
angemerkt, sondern zum erstenmale in einer Druckschrift, in seinem
Astrolabium von 1593^') eine ausführliche Darstellung der prosthaphäre-
tischen Begeln und ihrer Anwendung auf die Berechnung des ebenen Drei-
eckes und auf alle sechs Fundamentalgleichungen des rechtwinkligen
sphärischen Dreieckes gegeben.
Kamen dabei Tangenten Yor, wie z. B. in der Formel sin tot : tg d
= ig q> i X, so setzte er tg d = sin er, ig q) ^=^ sin ß und wandte die prostha-
phäretische Methode auf diese Funktionen an. Dies ^g aber natürlich
nur so lange, als der Zahlenwert der Tangente den Sinus totus nicht über-
schritt-, war dies der Fall, also etwa tg 9 > 10", so dividierte er das
betreffende Glied mit 10", setzte den Best »= sin /3 und mufste dann nach
Anwendung der Prosthaphäresis auf das Produkt sin a sin ß noch das Produkt
aus sin a und dem Quotienten addieren. Ähnlich im Falle beide Faktoren
den Radius der Tafel überstiegen. Stand femer der Sinus totus nicht an
der ersten Stelle der Proportion, z.B. a:10* = h : x, so dafs a; = 10" —
zu berechnen war, so setzte er a = cosec a = — , b = sia ß. woraus
sich wieder x = 10" sin a sin /3 ergab, das auf die angeführte Weise weiter-
bebandelt wurde. Erst durch diese beiden Erweiterungen, die Clayius ^^)
zuerst Yeröffentlichte, womit jedoch nicht gesagt sein soll, dafs sie nicht
anch BüROi und andere schon in Erwägung gezogen hatten, erhielt die
Methode jene Allgemeinheit, die sie zur bequemeren Ausführung von Multi-
plikationen und Divisionen grofser Zahlen befähigte und namentlich für
den rechnenden Astronomen zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel machte,
bis sie durch Erfindung der Logarithmen langsam verdrängt wurde. ^^)
13) Opera malhematica Chb. Cljlvu. Mognntiae 1612. 2\ 1. 11 94 ff.
14) Clavius verhehlte sich jedoch keineswegs, dafs die Methode durch das
Umrechnen an Genauigkeit verliert, wenn statt der Sinusse die übrigen Funk-
tionen eintreten; man suchte jedoch hierbei durch Benutzung vielstelliger Tafeln
abzuhelfen.
15) Dafs anch andere diese Ausdehnung der Methode vor der YerÖffent-
licbong des Clavius schon vornahmen, geht ans einem Schreiben des froheren
^ii. Prokanzlers Jacob Cübtiub an Ttcbo vom Jahre 1590 hervor (Astnmamiae
if^ttwratae meehanica 1602 in fol.). Es heifst daselbst: „Ex N, N. Plagiarii tut
(nftmlich de« Ubsus) Ubeüo, quem Fundamenhim astronomieum inscripsit unicoque
^>«a diagrammate , qiwd Paulo Wittichio dedicatit, construxi ego praeteritis
22 A. y. Braunmühl:
Etwas später als Clavius, nämlich 1598^^, hat ein gewisser Melchior
JoESTEL, der aus Dresden ^^) stammte und in Wittenberg Mathematik lehrte,
diese Methode für alle möglichen Fälle durchgearbeitet und sie auf die
Behandlung aller Dreiecke angewandt. Ob sein ausführlicher Traktat im
Drucke erschienen ist, weÜB ich nicht, halte es aber nicht für wahischeiih
lieh; dagegen ist er noch handschriftlich in der Hofbibliothek zu Wien
{Cod, palat, 10686 Nr. 67) vorhanden^®), worauf mich Herr Max Gubtze
gütigst aufmerksam machte. Diese Handschrift habe ich eingesehen und
mache daraus folgende Mitteilungen. Der erste Traktat, der in dem an-
geführten Codex enthalten ist, führt den Titel ^,Melchiobis Jostelu Lo-
gistica Prosihaphaeresis Astronomka" und umfällst drei Begeln (auf 16 Folio-
seiten). Die erste (p. 1 — 12) gibt in einem Wortlaut für die drei Fälle
a + j3 = 90<>, a + /3 < 90® und a + /3 > 90® die prosthaphäretische Um-
setzung des Produktes sin a • sin ß. Die Beweise stimmen mit denen, die
ich oben mitgeteilt habe, überein, werden an schön und exakt gezeichneten
Figuren geführt und durch Zahlenbeispiele erläutert. Dabei mag Yorübei^
gehend bemerkt werden, dafs Joestel sich im Gegensatze zu anderen
zeitgenössischen Schriftstellern, die alles in extenso ausschreiben, der ab-
kürzenden Schreibweise st = sinus totus, sr <=» sin. rectus, T 8=^ tangens
bedient und dieselbe konsequent beibehält. An die erste Begel schHefst
sich unter „Notandum" die Behandlung der Fälle an, in welchen an zweiter
oder dritter Stelle der aufzulösenden Proportion eine Tangente, Sekante^
ein Sinusversus oder sonst eine beliebige Zahl steht Hierbei werden wie-
der drei Fälle unterschieden, je nachdem jedes dieser Glieder kleiner ist
dicbus . . . novam spJiaerieorum triangulorum dodrinam, in qua per täbulcan
sinuutn tangentium et secantium omnes tarn reciangulorum quam obUquangu-
lorum casus, sine ulla mtdtij)licatione vel divisione per solam additionem et sub-
tractionem facillime perficiuniur. Eam quoque ad te mitterem, nisi seirem te rem
iotam, solo eo diagramma inspecto facile executurum.*' Davon wird GüSTirs in
jenem in unserer Erzäblang erwähnten Briefe wohl dem Glayius Mitteilung ge-
macht haben.
16) Dieses Datam gibt LoNaoMOHTAH, a. a. 0. 10 „. . . Ouius rei (der Prostba-
pliareftis) documentum miM primum cmno 1598 vir iXU humanissimMS , coram vdut
amico imimo ostendit,"
17) G. Ekbstsöm, Bibliotheca mathematica. Anmerk. *) zu meiner Beant-
wortung der Anfrage 68.
18) ScBEiBsL teilt in seiner Einleitung zur matbem. Bücherkenntnis, 7. Stück,
Breslau 1776 in 8®. p. 19 mit, dtSa er «ich im Besitze einer Abschrift dieses
Traktates befinde. Da aber am Ende derselben steht: Deseripta haec suni tx
ipsius JossTELu Manuscripto Prid. Idus Äug, CIDIOCIX. tu. DBSS. Wittebergae,
das mir yor liegende Manuskript aber gar keine Datumsangabe enthält, so sind
sie jedenfalls nicht identisch.
Zur Goflchichte der prosÜiaphftreiischeii Methode in der Trigonometrie. 23
als der Sinns totus, oder eines derselben oder beide den Sintis totus über-
treffen. Überall werden Beispiele beigefügt und die Bechnong wird an
geometrischen Figuren erläutert. Die zweite Begel (p. 12 — 15) erstreckt
sich anf den Fall, dafs das zweite oder dritte Proportionsglied den Sinns
totus enthält, wofür wieder Beispiele gerechnet und an Figuren demonstriert
werden. Kommt endlich der Sinns totus in keinem Gliede der Proportion
vor, so muis, wie die dritte Begel (p. 15 — 17) lehrt, die Prosthaphäresis
doppelt angewendet werden. Hat man z. B. x ans der Proportion zu be-
rechnen a : & SB c : o;, so bildet man: aih^^^smioiiy und dann
sin tot : j^ ^ c : a;, und bestimmt zuerst p und dann x mit den vorher-
gehenden Begeln.
Auf die Anwendungen, die Joestel von dieser bis ins Detail aus-
gearbeiteten Methode macht, werde ich weiter unten zu sprechen kommen,
wenn wir seine Vorläufer darin kennen gelernt haben.
Nachdem die Methode einmal als praktisch erkannt war, wurde sie
auch sofort auf die verschiedensten Probleme der sphärischen Astro-
nomie angewendet, selbst wo es sich um die Behandlung schiefwinkliger
Dreiecke handelte, und Rbtmeto behauptet, ^^) die Anwendung auf die
letzteren rühre ebenfalls von Bübgi her. Sodann löst er „mit der Methode
von BüROi^ die beiden Aufgaben, die Winkel aus den drei Seiten und aus
zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel die dritte Seite zu be-
rechnen.*^)
Diese Methode ist nichts anderes als die direkt aus der
Figur des Analemmas entnommene Umgestaltung des Cosinus-
satzes mittelst der Prosthaphäresis. Durch Projektion der Engel auf
die Meridianebene gewinnt er direkt aus der Figur als primtmh inventum den
Ausdruck*^) J { sin (90® — & + c) -f sin (c — 90® + 6) } und als secmdum
inventum-. ^ { sin (90® — & + c) — sin (c — 90® + &) ) , denen sich als in-
tmiim ierHum sin (90® — a) — ^ (sin (90® — & -f c) — sin (c—dO^ + h)}
anreiht
Der gesuchte '^ A folgt dann aus der Proportion:
cos Ä : sin. tot. =^ mvent. tertium : invent, primum,
d.h. also in unserer Schreibweise, es wird A aus
19) Ftmdamenhm as^, 19''.
20) £a heifut dort: „Eodemgue Byrgiano modo, verumque Byrgianum myro-
^i^mn veramqw ac genuinam Casaellanatn seu Hassiacam Ästrotwmiam redolente
ortefieio soJvere docebimtis", und 22' preist er Bübqi in der überschwenglichsten
Weite, indem er sagt: „. . . atque admirare (ledor) Byrgianam aolertiam , . . ac
^<m^ {ignoace, qwMtü molestüs ac Udiis ab ipso summo artefice liberati mmus . . .
21) Das sphärische Dreieck ist hier mit ABC bezeichnet, seine Seiten, wie
g^br&Qchlich, mit a, &, c.
24
A. y. Braunmfihl:
. CQg g — {{ coB (6 — c) -f CQg (^ 4" <?)}
i { cos (6 — c) — COB (6 + <^) }
(1)
berechnet, um die Einfachheit der Bechnong zu erkennen, beachte man
den Gang derselben: Man schlägt zuerst die Sinnsse der Summe und der
Differenz von c und 90^ — b auf, der erste zum zweiten addiert und die
Summe halbiert, gibt das inv, primum, dieses von dem ersten Sinus ab-
gezogen, gibt das inventum secimdum, welches wieder von sin (90^ — a)
abgezogen, das inv. terHum liefert Die Auflösung der Proportion gibt dann
sin (90^ — Ä\ zu dem man mittelst der Tafel Ä bestimmt.
Bei der Lösung der zweiten Aufgabe, welche die Berechnung der Formel
cosa*»! {cos(6 — c)-}-cos(&+c)) +l{cos(& — c)-'COs{h'^c)]eosÄ (2)
involviert, ist aber BOrgi, wie Wolf") und nach ihm Herr Cantor**)
mitgeteilt haben, noch weiter ge-
gangen, indem er auch die letzte noch
nötige Multiplikation zu ersparen
lehrte und hierzu, wie wir heute
^Sl ö V\.,^^ \ sagen, einen Hil&winkel einf&brte.
Wie dies geschah, ist in dem
"l^ Werke des BARTHOLOMAEUsPmscus
9 ausgeföhrt, der die Methode ans-
drdcklich als von Bübgi herstammend
angibt**) Wir wollen seine Rech-
nung an dem von ihm mitgeteilten
Beispiel erlftutem, wobei wir uns
genau an die dort gegebene Schreib-
weise halten, um zu zeigen, wie
man damals verfuhr. Es sei in
Figur 3 gegeben AJB = r = 26^20', BC^a^ 59* 58', ^B = 50'4',
gesucht A C — ^
26*20' ^— arcGA' — t)
8iV»_3' (^= aw F*r — aro (^D = 90* — fl^l
^mme: 56* 5:?"' (,= are DiV ^, Sin.— DP = 8355991
IMff. 3« 42' v= w« ^^<f^ gin — PJ?^ 645323 v= Dr)
Sununt? Pr ■» 8971314
Hirn* TP — 44v<5657 == ImrmL I
PR =r iw _ 645323
Di£ J» T = :iV4Ö^ ^= sin x\
tt AstrMKv.ii»cke Mitleilai^im XXXll 61. :i;|^ Cjkxrv« IL 590.
il^ R l^Tis^:, rri#jiifc'«i'f'^ AttÄ t J^lire 1«0$ l»L A«t. ▼. IW« 173
Zar Geschichte der proBthaphftreiiBchen Methode in der Trigonometrie. 25
IBerauB mittelst der Tafel:
Summe: = 72« 39' 1,5" Sin.= 9545031
Diff. == 27« 28' 58,5" Sin.= 4614841
Diff.= 4930190
Hälfte = CO = XT = 2465095 = Invent, IL
4485657 «- Invent. I.
Summe LP = 6950752 «» Sin. des Compl. der
der dritten Seite.
Die Rechnung wird in unserer Schreibweise durch die Formel
cos 6 = ^ { cos (a — c) + cos (a + c) } + ^ { sin (jB + a?) — sin (jB — x)] (3)
dargestellt, indem sin o; = ^ { cos (a — c) — cos (a -\- c)} gesetzt wird.
M. JoEBTEL hat diese Methode auch noch auf den Fall der Gleichung (l)
S. 10 ausgedehnt,^) indem er daselbst den Zähler = sin ;r, den Nenner
Bin üs
=s cosec y setzte und dann «^ sin ;b sin y wieder prosthaphäretisch
behandelte.
So unzweifelhaft es mir ist, daljB diese letzten endgiltigen Ver
besserongen, d. h. die EinflÜurung der Hilfswinkel Bi3saiB, beziehungsweise
JoESTELS Eigentum sind, ebenso bin ich überzeugt, dafs, trotz Behiebs'
gegenteiliger ausdrOcklicher Behauptung, die Anwendung der Prosthaphäresis
auf die schiefwinkligen Dreiecke, schon Yon Wittich und Ttcho voll-
zogen wurde. Um diese Ansicht zu begründen, müssen wir zuerst einen
Blick auf ein von Tycho hinterlassenes Manuskript^) über Trigonometrie
werfen, das zwischen 1591 und 1595 niedergeschrieben wurde. Dasselbe
ist nach Angabe des Herausgebers dem sogenannten kleinen Kanon des
Khaticus von 1551'^ angebunden, und schon dieser Umstand weist darauf
86) In dem oben ziüerten Kodex folgt nämlich nach der ProtÜun^phaereM
Äi^nmomiea noch ein Traktat: ^^xlchiorib Jokstblu TriangtUa Ästronomica tum
sfhaeriea, tum reetilinea" (p. 17—68). Obige Methode findet sich daselbst p. 36
ond a9 angewendet.
86) Es fährt den Titel: Trianffuhrum planorum et 9phaer%earum praxia
maihemaUea, befindet sich in der k. k. Universitätsbibliothek zn Prag und ist von
F. J. SsTODncKA 1886 in Photographotypie heransgegeben worden. Vgl. auch
Cabtos n 666.
87) Von diesem Kanon, in welchem sich zum erstenmale alle sechs trigono-
metmchen Funktionen tabellitiert finden, und der schon bald nach seinem Er-
scheinen zu den grOfsten Seltenheiten zählte, besitzt die Münchener Hof- und
Staatsbibliothek ein Exemplar.
hin dafs es nur "Notizen eutii^^^i ^Cho für sich und seine Schüler
zum Gebrauche dieses Kanons machte, oKne zunächst an eine Publikation
der Schrift zu denken. Diese Ansicbt vrird noch dadurch bestätigt, dafs
die Figuren nur angedeutet, Beweise aber nirgends ausgeführt sind.*^
In dieser Schrift, die auch sonst manches Interessante enthält, wendet
Tycho seine prosthaphäretische Methode auf die Lösung der beiden Auf-
gaben an, die wir bei Ratmarus ürsus fanden (Dogma VI und IX der
sphärischen Dreiecke) und zwar ganz in derselben Weise, wie es dieser
dem BüRGi zuschreibt, nur kennt er die endgiltige Verbesserung des
letzteren noch nicht und behält deshalb die letzte Multiplikation bei. Auch
behandelt er in gleicher Weise den einen der polaren Fälle, wobei er jedoch
ein falsches Zeichen angibt, da er einfach nur Seiten und Winkel yer-
tauscht (Dogma YII).
Da das vorliegende Manuskript Tycho's £rühestens von 1591 stammt,
so hätten wir keinen Grund gehabt, oben die von Reimers behauptete
Priorität BüRofs inbezug auf die prosthaphäretische Umgestaltung des
Cosinussatzes in Frage zu stellen, wenn nicht verschiedene Stellen in dem
uns noch erhaltenen Briefwechsel des dänischen Astronomen darauf hin-
wiesen, dafs er schon lange im Besitze jener Anwendungen war, ja dab
Exemplare seines Heftes schon früher existierten und sich in den Händen
seiner Schüler befanden. Was ich über diesen Punkt auffinden konnte,
will ich im Folgenden zusammenstellen.
Anschliefsend an eine Bemerkung Ttchos im zweiten Buche seines
Werkes „De Äetherei tnmidi recentiorUms phaenommis", wo er p. 281 an-
gibt, dafs man aus zwei Seiten und dem Zwischenwinkel die anderen Winkel
und die dritte Seite in einem ebenen Dreieck auch ohne ZerfäUung des-
selben in zwei rechtwinklige berechnen könne, ersucht Magini ^) den Gellius
Sasoerides,^) er möge ihm dieses Verfahren übermitteln. In seiner Ant-
wort auf diesen Brief '^) teüt ihm Sascerides mit, an diese Methode könne
er sich nicht mehr erinnern, dagegen schreibt er ihm „aus dem Gedächtnis^
gerade jene prosthaphäretische Lösung der beiden Aufgaben, aus zwei Seiten
28) In einem Briefe an seinen Schüler Gellius Sascerides vom lyil. 1591 sagt
Ttcho allerdings, dafs er diese seine Methode im ersten Teile seiner Astronomie
veröfifentlichen werde. (Ah. Favabo. Carteggio inedito di Ticone Bbahs etc, con
G. A. Maoini. Bologna 1886. in 8^ 204.) Das ist aber nicht geschehen.
29) Brief Tom 16. Juli 1590. A. Favabo, Carteggio. 387.
SO) Gellius Sascebidbs (1562—1612) studierte 1581—87 in Wittenberg und
kam dann zu Tycho, wo er bis 1588 blieb. 1589 lernte er Maoimi in Padua
kennen, mit dem er in lebhaften Briefwechsel trat.
31) Carteggio, p. 368 flP.
Zur Geschichte der prosthaphäretischen Methode in der Trigonometrie. 27
und dem eingeschlossenen Winkel und ans drei Seiten in einem sphä-
rischen Dreiecke die übrigen Stücke zn finden, die Tycho in seinem VI.
und IX. Dogma gibt und sagt, dais er sie früher einmal bei Tycho gelernt
liabe.^ Im weiteren Texte seines Briefes sagt er dann, dafe diese Regeln
wohl 1588 von Ubsus veröffentlicht worden seien, aber dem Tycho an-
gehörten; Ubsus habe sie, wenn nicht durch Tycho selbst, bei dem er sich
früher ebenfalls aufgehalten, so doch durch den Landgrafen von Hessen
er&hren, dem sie ein gewisser Paul WrrriCH mitgeteilt habe. Endlich
▼erspricht er Magini, sich wegen der fraglichen Aufgabe über das ebene
Dreieck an Tycho selbst zu wenden. Das thut er denn auch und teilt
Tychos' Antwort dem Magini in einem Briefe vom l./IL 91 wörtlich
mit.^) Die für uns wichtige Stelle in diesem Antwortschreiben lautet:
„Wie man aus zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel in einem
(ebenen) Dreieck das Übrige ohne Benützung der Höhe leichter findet, als
gewöhnlich, kannst du ihm aus meinem (Tycho's) IY. Dogma ^) über die
ebenen Dreiecke erklären, damit er zufrieden ist. Auch ist es mir nicht
unangenehm, wenn du ihm die Operationen mittelst des VI. und IX. Dogmas
unserer 8&tze mitteilst, zumal da ich sehe, dafs gegenwärtig die Beweise
für diese und ähnliche Sätze von anderen, die sich mit fremden Federn
schmücken, verbreitet werden. Die Sache verhält sich nämlich so, dafs
jener Plagiator ürsus^^) jene Beweise und kompendiosen Zahlenrechnungen
inbezug auf die Dreiecke, welche er for die seinigen ausgab, von dem
Automatenverfertiger des Landgrafen Just Bürgi erhielt, der sie von Wittich
erlangt hatte. Dem Wittich aber hatte ich, als er vor deiner (Sascerides)
Ankunft bei mir, einige Zeit hier verweüte, über diese und andere auf
leichtere Behandlung der Mathematik bezüglichen Dinge rückhaltlos Mit-
teilungen gemacht, und dieser verbreitete manche derselben . • ., als er
von hier zu dem Landgrafen von Hessen sich begeben hatte. Diese werden
nun von anderen schamlos mit frecher Stirn als ihre eigenen Erfindungen
ausgegeben, so dafs dem eigentlichen Erfinder fast keine Ehre mehr
bleibt . . ."
Da nun bekanntlich Tycho kein sehr glaubwürdiger Zeuge ist, wenn
38) ,^ cum mihi de rdiquM non consUt, iUam suppwtationem triangulärem,
euiuß faeit mentionem (Ttcho nämlich), qucun ipse ailiquando a chrisnmo Ttchone
aceepi, lUbens tecum, gwmtwm memoria suppeditat, communicabo. a. a. 0. 388.
38) A. a. 0. 200—204.
34) Dieses Dogma enthält den von Thomas Fivk in seiner Oeometria rotundi
1583 p. 282 nnd 292 snm erstenmale veröffentlichten Tangentensats.
35) Anf Ubsub war Tycho schon deshalb sehr erbost, weil jener behauptete,
das l^chonische Weltsystem zuerst erfanden xu haben.
28 A. y. Braanmühl:
es gilt, seinem eigenen Ruhme zu dienen, so möchte ich die Richtigkeit
der hier ausgesprochenen Behauptung, seine Sätze seien ganz seine eigene
Erfindung, in Zweifel ziehen,^) zumal diese Behauptung mit jener weiter
oben angeführten Briefstelle, nach welcher Wittioh nicht nur die Orond-
lagen der Theorie schuf, sondern auch bei ihrer Ausarbeitung stark be-
teiligt war, nicht übereinstimmt. Dagegen gestattet die angezogene Stelle
im Zusammenhalt mit den Aussagen des Sascerides wohl den Schlufs,
dafs seit Wittich's Anwesenheit auf üranienburg jene vereinfachenden
Rechnungsmethoden in ihrer ganzen Ausdehnung, also auch auf die schief-
winkligen Dreiecke, daselbst in Anwendung kamen, und die Aufzeichnungen
schon existierten, die wir aus Tycho's Manuskript kennen.
Zum Schlüsse meiner Betrachtungen will ich noch kurz auf jenen in
Anmerkung 25 zu S. 11 erw&hnten zweiten Traktat des Melchior Joestel
eingehen, weil dieser die vollkommenste Durcharbeitung der Anwendung der
Prosthaphftresis auf die Lösung sämtlicher Dreiecksfälle bietet, die damals
geleistet wurde, und überdies noch keine Besprechung von Seite eines Ge-
schichtsschreibers erfahren hat.
Anschliefsend an Rhaeticus (das Opm Palatinum desselben war 1596
erschienen) gibt er zunächst (p. 18 — 21) eine Unterscheidung der ver-
schiedenen „Spezies'' oder „Formae", wie sie Rhaeticus nennt, der sphä-
rischen Dreiecke, indem er für die rechtwinkeligen sechs, für die schief-
winkeligen 10 Fälle unterscheidet. Es war dies damals noch nötig, da
man ja die Funktionen negativer Winkel oder von Winkeln gi-öfser als 90^
(mit Ausnahme des Sinus eines Winkels im zweiten Quadranten) nicht zu
bilden verstand. Zur Lösung der bekannten Fundamentalaufgaben der
Dreieckslehre gibt er dann 13 Theoreme an, wobei er sich bestrebt, nur
die Funktion Sinus zu benützen, da er alle Lösungen mit der prostha-
phäretischen Methode behandelt und, wie Clavius, sehr wohl weifs, dafs
hierzu die Sinusse am verwendbarsten sind. Die von ihm mitgeteilten
Theoreme waren damals sämtlich längst bekannt, neu war nur ihre Formu-
lierung im Sinne der Prosthaphäresis mit EinschluTs aller möglichen Fälle.
Gerade dieses Hineinpressen aller Möglichkeiten in den Wortlaut eines ein-
zigen Satzes macht aber die Theoreme äufserst schwerfällig. So nimmt z. B.
der Wortlaut des Cosinussatzes eine ganze Folioseite (34) ein.^^) Dagegen
sind die zahlreichen numerischen Beispiele, die jeder Regel beigegeben sind.
36) Wittich gegenüber brauchte sich Tycho damals auch nicht mehr in Acht
zu nehmen, da derselbe bereits 1687 gestorben war.
37) Das Gleiche gilt von dem Cosinnssatze für die Winkel (p. 38), der
übrigens im Gegensatze za Tycho für alle einzelnen Fälle richtig angegeben wird.
Zur Geschichte der prosthaphäreiischen Methode in der Trigonometrie. 29
in eleganter und übersichtlicher Weise dnrchgerechnet, ähnlich wie wir das
in dem Beispiele ans Prnscüs' Trigonometrie sahen. ^)
Joestel's Abhandlung ist weit über die Grenzen Wittenbergs hinaus
bekannt geworden, wenn sie auch kaum jemals im Drucke erschienen sein
dürfte, und hat jedenfalls dazu beigetragen, dafs sich die Prosthaphftresis
noch lange nach Erfindung der Logarithmen erhielt. So schlofs sich
LoNGOMONTAN in Seiner schon erw&hnten Astronomia Danica 1622 YöUig
an JoESTBL an und gab der Methode in dieser ausgebildeten Form noch
den Yonug vor den ihm wohlbekannten Logarithmen, „weil nach seiner
Ansicht die Lehre Yon den Logarithmen zu sehr Yon dem best&ndigen Ein-
blick in den Gang des Beweises ablenke, der doch den Lernenden ganz
besonders notwendig sei" (ebenda p. 10). Dieses urteil stand damals nicht
vereinzelt da und hatte auch eine gewisse Berechtigung, da die Theorie
der Logarithmen noch keineswegs so fest fundiert war, wie es heute der
FaU ist.
Ein Beweis dafür, wie schwer sich die Astronomen von der lieb-
gewonnenen Methode trennten, ist, daüs noch 1634 der Hamburger Frobenius
in seinem „Ciavis wniversae trigonometruie" neben den Logarithmen sich
ihrer bedient, und 1636 der jüdische Astronom Emanuel Porto in Padua
in seinem „Porio Astronomko" an Joestel's Abhandlung sich anschliefsend
die prosthaph&retische Methode in extenso entwickelt.'^)
88) Die drei Theoreme, mit. denen die ebene Trigonometrie behandelt ist,
bieten kein weiteres Interesse.
39) Vgl. Werthbdi, Monatsschrift f3r Geschichte und Wissenschaft des Juden-
thuns. 41. Jahrgang. 616 ff.
iiiiU
NOTES
ON THE HISTORY OF LOGARITHMS
BY
FLORIAN CAJORI,
COLOBAOO SPBINGS , COLO. , ü. B. A.
In this paper we shall consider two points in the history of log&rithms:
(1) the origin and prevalence, dnring the seTenteenth and eighteenth
centurieSf of the error regarding the identity of natural logarithms and those
pnblished by Napier in his Mnifid U^arUhmarum ccmonis descripHo of 1614;
(2) the earliest pnblication of a table of natural logarithms.
The iheory of natural (^hyperbolic^') logarithms apparenüy first sng'-
gested itself to mathematicians engaged in the mensnration of Spaces
between the hyperbola and its asymptotes. Abont a qnarter of a Century
later, in 1695, Edmund HALiiBT discarded geometrioal fignres and pnblished
a renuu*kable artide containing a porely arithmetioal theoiy of logarithms.^)
In this original and meritorions inyestigation he lays great stress npon
what we now call the 'Snodnlas^. By Napibr's logarithms Halubt ander*
Stands those which give Bbigos's logarithms, when divided by 2.302 585
or when mnltiplied by 0.43429448. From this statement it appears that
Halley considered Napier's logarithms to be identical with natoral loga-
rithms, and we mnst look npon him as one of the first (perhaps the first)
to commit this error. That the two Systems are not identical is shown by
the following formula^):
logifX = 10^ log,—, I.
Dnring the eighteenth Century this misunderstanding regarding the two
Systems does not appear to have been as wide-spread as it was later. On
Consulting mathematical dictionaries and other books of the seyenteenth
and eighteenth centuries, which are accessible to me, I find that YrrALi^
and OzANAM^) do not touch the point in question, for the former directs
1) PKü, Tram,, 1695, No. 216. His article is known to me only throogh
the accomit of it given in Hurroir, Mtäh, TahUs, 5^^ ed., London, 1811, pp. 107—110;
M. Caitob, Oesdt. d. Mafh.^ m., pp. 80— 82; R. Rsiff, Gesch, d. unendlichen
Heiken, Tfibingen, 1889, pp. 88—40; E. Stons, New Maihematicdd DicUonary^
2*^ ed., 1743, article **Logarithm8'\
2} Consult S. QüirrHBB, Vermiedae üntersud^., Leipzig, 1876, pp. 271—278.
S) HisEoimfo YiTALi, Lexieon Mathenuttieum, Parisiis, 1668, article
"Logarithmi".
4) M. OsAMAif, Dietionaire mathemoHque, Paris, 1691, p. 60.
Abh. cor OMoh. d. Mfttham. IX 3
34 Florian Cajori:
his remarks to common logarithms, while the latter devotes only six lines
to the whole subject of logarithms. A faller treatment is given by E. Stone.^)
He speaks of Napier's and of natural logarithms without confusing the
two, though, to be sure, he nowhere distinctly contrasts the two Systems.
8AVERIEN*) briefly describes Napier's logarithms. "Neper appelle 0 le sinns
entier, de Sorte que les logarithmes vont en decroissant, pendant que les
sinus vont en croissant, & qu'ils deviennent par-la negatifs, c'est-a-dire
moins que rien, pendant que les tangentes deyiennent plus grandes que
le ra:!ion, c'est-a-dire qu'elles vont au dessos de 45 degres. Ainm ces loga-
rithmes sont tous diffirens de ceux dont nous nons servons aujourd'hni/' But
the author contradicts himself, for on the very same page he says that
the 'logarithmes de Neper . . . ont une forme differente de ceux de Brigqe
dont on fait commun^ment usage. Cependant un de ces logarithmes est a
un logarithme correspondant de Brigge, comme 2.302585092994^) est a
1000000000000". The author does not explain how it is possible for
Napier's logarithms to increase as the sine decreases, and at the same
time to be derivable from Brioos's in the manner specified. The confiosion
appears to have arisen from the desire to associate Napier's name with
logarithms, at a time when logarithms of the kind published by him were
becoming obsolete and his books on logarithms were very scarce, while
tables of natural logarithms were not usually accessible.
The confusion marked in the writings of Hallet and Saverien spread
among French writers. Montuola, the great mathematical historian of the
eighteenth Century, made the same mistake;^) Bossut helped to perpetuate
the error. ^) In England Charles Hutton, who in 1785 published the
first edition of his Mathematical Tahles (which includes an elaborate and
in many respects excellent history of logarithms) describes Napier's loga-
rithms correctly,^®) but subsequently (p. 85) he speaks of ''the right-angled
hyperbola, the side of whose Square inscribed at the Vertex is 1, gives
5) Op. dt^ article *^Logarithm8^\
6) Monaieur Saykrien, Didumnaire Universel de Math^matique et de Fhysiqyke,
Paris, 1763, Tome second, article "Logarithme". In Cantor's Gesch. d, Math.,
HL, p. 490, the date of this dictionary is erroneouely given as 1762.
7) The decimal point in this number is evidently a misprint. It shoiüd
have been omitted. Savebien's inaccuracy as a writer is illustrated by hia state-
ment that Nafibb took the sinus totus equal to zero. As a matter of fact, "Savom
took the logarithm of the sinu8 totus equal to zero.
8) MoNTucLA, Histoire des mathdmatiques, Tome 11., Paris, 1768, p. 21.
9) Charles Bossut, Essai sur Vhistoire genitale des mathdmatigues , Paris,
1802, Tome L, pp. 268-271.
10) Hutton, op, dt., 6*»> ed., pp. 26—27, 42—49.
Notes on the Hhtory of Logaiithms. 35
Napier's logarithms''. De Morgan carefullj explains the difference between
Napier's and natural logaiithms in the article ^'Tables'' in the English
Cydopaedia, but in De Morgan^s Budget of Paradoxes (p. 70) Günther
has foand a passage which is inaccurate. ^^)
Of german books, wo have consnlted Christian Wolff/^) who speaks
of Napier's and Briqgs's logaiithms, bat does not mention the natural.
It is a pleasare to find that Kästner presents the subject in a way free
of error. In his Gesdiichte^^ he refers to an article, which he had written,
setting forth the exact relation between the two Systems. Nevertheless
the misconception became prevalent in Germany also. So wide-spread was
this error in Eorope that Wackbrbarth was induced to make the following
Statement :^^) ''Dans presqne tons les ouvrages elementaires anglais, fran^ais
et allemands, dont on fait osage dans Fenseignement des mathematiques,
ü est dit que les logarithmes natnrels ou hyperboliques sont identiques aux
logarithmes neperiens."
Proceeding to the question relating to the earliest publication of tables
of natural logarithms, we meet the name of John Speidell, who, in 1619,
bronght out his New Logarithmes, only five years affcer Napier's publication
of the Descfiptio, Speidell's book received little attention, either during
his life-time or since. It would seem as if the earliest publication of a
table of natural logarithms should be mentioned in histories of mathematics,
bat, so far as I know, no general history by a German, French, or British
anthor, takes notice of Speidell. The great English Dictionary of National
Biography, now being completed, does not give his name, although it men-
tions old writers of elementary arithmetics, such as Hodder and Hunt.
However, Speidell's New Logarithmes has been described in at least three
special historical articles. Hütton speaks of it in the "Introduction^^ to
his Tahles;^^) Augustus db Morgan makes a careful study of bis book in
the article "Tables" in the English Cydopaedia; J. W. L. Glaisher gives
a brief account of Speidell's work in the report on "Tables" in the
British Association Beport, 1873, pp. 1 — 176.
I have tried for a long time to secure a copy of Speidell's work,
but have failed. Through the kindness of Dr. Garnbtt of the British
Mnseum I have before me photographs of the title -page of the edition of
1622 and of one page of the tables. The titie-page is as foUows:
11) GüHTHBR, op, cit, p. 273.
12) Mathematisches Lexicon, Leipzig, 1716, article, ''Logarithmus^*.
13) KiflTNEB, Gesch, d. Math. B^' Band, 1799, p. 87.
14) Les Mondes, Tome XXYI, p. 626.
16) Op, dt, ISll, p. 80.
3«
36 Florian Gajori:
NEW
LOGARITHMES
THE
Firft inuention whereof, was, by d^eHo^
nourablcLo :IohnNbpa iRVaron
oF Marchifton , and Printed ac Edinboig m
SiPilMd^ Anno : i tf 1 4* In whofe?fe wat
and is rcquircd thc knowledsc of AI-
brticflll Addirlon m4 Subftiip
Alon^accordiogto
4*tod«»
Thefe bcing Extraded (rom and out of them (chey be-
ing (irft ouerreenC)Correfted,and amcndcd) require um
ac all any skill in Algebra, orCoi&kcnuaiberSp
But oiay be vfed by cucry one thac c^n oocly addc
and Subftraft,in whoie numbcrStaccordiog
CO the Common or Tulgar Aritkme»
ticke^withottc any con (idcra*
cionorrcfpeAof
^and—»
bee foidcat bis dwellinghoufein the Ficids^ onthc
backe Mtof Drury Lme^heLyattacfmai
llceecc and cheNciir Play%
houfe«
Notes on the Histoxy of Logarithms.
37
The tiUe of this book is of interest because it contains about all the
information we possess regarding Speidell's profession, place of residence
and motiye in modifying Napieb's logarithms. His sole object was to
simplify matters for persons unacquainted with the ose of negative quan-
tities. Just what changes were made maj be seen best bj comparing the
foUowing specimens of Napier's and Speidell's tables.
Gr. From Napibr's Tables,
0 0 + 1 —
miD.
Sinus
Logarithmi
DifFerentiae
Logarithmi
Sinus
0
1
2
0
2909
6818
Tnünitum
81426681
74494213
Infinitum
81426680
74494211
0
1
2
10000000
10000000
9999998
60
69
68
3
4
ö
8727
11636
14644
70439664
67662746
66331316
70439660
67662739
66331304
4
7
11
9999996
9999993
9999989
67
66
66
•
■
27
28
29
78639
81448
84367
48467431
48103763
47762869
48467122
48103431
47762603
309
332
336
9999692
9999668
9999644
33
32
31
30
87266
47413862
47413471
381
9999619
30
Deg.O.
89
From Speidell's Tables,
Nombers for the
M.
Sine.
Comp.
Tangent.")
Comp.
Secant.
Comp.
30
31
32
626861
629140
632316
999996
999996
999996
626866
629144
632320
474136
470866
467680
4
4
4
474139
470860
467686
30
29
28
33
34
35
636392
638377
541276
999996
999996
999996
636397
688382
641281
464603
461618
468719
6
6
6
464608
461623
468724
27
26
26
,i ^ •
67
58
59
589934
591783
598492
999986
999986
999986
689947
691797
698607
410063
408203
406493
14
14
16
410066
408217
406608
3
2
1
60
596172
999986
696188
404812
16
404828
0
Comp.
Sine.
Comp.
Tangent.
Comp.
Secant.
M.
Nombers for the
89. Deg.
16} This period is omitted in the original work.
38
Florian Ca^Ori
Speidell did not advance a new iheory. He simply aimed to make
all the logarithms in bis table positive. To achieve this he subiraoted
Napieb's numbers from 10^ and then discarded tbe last two digits. Napier
gave sin. 30'= 87265 (the radius being taken 10'' units) and the
log, sin. 30' =s 47413852. Subtracting this logarithm from 10^ leaves
52586148. Speidell gives in bis table log. sin. 30'= 525861. In both
Napier's and Speidell's tables the logarithms appear as integral numbers.
The same is true of the values for the sines in Napifr's tables: Sin. 30'
is really equal to 0.0087265. The natural logarithm of this fraction is
5.25861. Hence it follows that Speidell's number is the natural logarithm
of 0.0087265 with 10 added to the characteristic, the decimal point being
omitted. That Speidell's process of subtracting Napier's logarithms from
10^ will, in all cases, yield natural logarithms of x' with the charakteristic
in excess bj 10 and with the decimal point left out, follows at once firom
10'
the examination of Equation I. For, subtracting 10' log, — from 10®
sc
gives 10' (10 -f- log, x')^ where ^'= Tq? * Strictly speaking Speidell's
logarithms, as thej stand, are not logarithms to a constant quantity taken
as a base. But, if the decimal point is inserted after the characteristic,
then we have natural logarithms to the base e= 2.718..., with the
characteristic (in all cases except for the secants and the latter half of
the tangents) increased by 10.
The later editions of Speidell's tables include also logarithms (to
six places) of numbers 1 (l) 1000. As before, the decimal point is left
out. In this table, as none of the characteristics are negative, he did not
add 10. For 770 he gives 6646388, the natural logarithm being 6.646388.
Editions of Speidell's tables appear to have been issued in
1620, 1621, 1622, 1623, 1624, 1627, 1628. Baron Maseres, in bis
Scriptores Logarithmici, 1791 — 1807, reprinted the logarithms of numbers
from the 'S^enth inpression^', dated 1628. De Morgan says that Speidell,
in bis Briefe Treaiise of SphaericcUl Triangles, mentions and complains of
those who had printed bis work without an atom of alteration, and yet
dispraised it in their prefaces for want of alterations. To them he says:
**If thou canst amend it,
So shall the Arte increase:
If thou canst not: commend it,
Else, preethee, hould thy peace".
This unfair treatment of himself Speidell attributes to bis not having
been at Oxford or Cambridge — "not hauing seene one of the Vniuersities."
Notes on the History of Logariihms. 39
De Morgan was not able to find a trace of the smallest reprodaction bj
another band and he doubts the trathfidness of Speidell's statement.
The question to what extent Speidell influenced later writers is an
interesting one. According to De Morgan, he was very little known; Con-
tinental writers seldom niention him; Wallis knows nothing of him. I myself
have examined the works (previously mentioned in this article) by Vitali,
Ozanam, Wolfp, Stone, Saverien, Montucla, Bossut without finding
Speidell's name. His infiuence seems indeed to have approached the
limit zero.
An inspection of the list of tables in the article ^'Tables'^ in the
English Oydapaedia, as well as the list in the British Association Eeport
of 1873 has failed to reveal the publication of tables of natural logarithms
between the time of Speidell and that of J. H. Lambert. The latter in-
clnded in his Zusätze mt dm LogariUimischen und Trigonometrischen Tabellen,
1770, natural logarithms, to seven places, of 1 (1) 100 and 1 (.01) 10;
also of 1 (1) 10, to 25 places. The smaller ränge of these tables and the
larger nnmber of decimal places to which they are computed lead ns to
belieye that they were constnicted independently of Speidell's. Directly
after the pablication of Wolfram's elaborate tables of natural logarithms,
in 1778, such tables became more fashionable.
Colorado College, Colorado Springs, Coh.
:m336
DER TRACTATU8 ttUADMNTIS DES ßOBERTUS AN6LICU8
IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG AUS DEM JAHRE 1477.
HERAUBGEOEBEM VON
:4%\n%
lAN CÜBTZE
in THOBM.
Herr Paul Tamnery hat Ende 1897 das lateinische Original einer
Abhandlang üher den Quadranten eines gewissen Bobertus Akolicus aus
Montpellier zugleich mit einer mittelgriechisohen Übersetzung derselben in
den y^otices et exfraits des manuscrits de la BiblioÜiequc Nationale'* ver-
öffentlicht.^) Er hat darin nebenbei darauf hingewiesen, dafs ich im Codex
germankus Monacensis 328 eine deutsche Übersetzung dieses Tractatus ge-
fanden habe.^) Diese Übersetzung dürfte etwa aus der Zeit von 1477
stammen, von welcher andere gleichartig geschriebene Stücke der Hand-
schrift datiert sind. Mathematische deutsche Handschriften sowohl wie
Druckschriften aus so früher Zeit gehören, wie allgemein bekannt ist, zu
den gröDsesten Seltenheiten, und ich glaube daher der Kenntnis deutscher
Mathematik des XV. Jahrhunderts einen Dienst zu erweisen, wenn ich im
Nachfolgenden einen Abdruck dieser Übersetzung veröffentliche.
Der Ogm. 328 ist ein Folioband von 285 mm Höhe und 200 mm Breite
und enthalt ein ungezähltes und 174 gez&hlte Blätter. Unsere Abhandlung
umfafst davon Blatt 62' bis 73'. Dem Übersetzer ging es mehr um die
praktischen Anwendungen des Quadranten als um die Beschreibung der
Emrichtung eines solchen. Als er n&mlich in seiner Übersetzung zu dieser
Darlegung gelangt, schreibt er sehr naiv: „Wie man den quadrantten
machen sol, das hat vil geschrift, die ich vnder wegen lasz vmb kürcz
willen, wann die figur des quadranten jn dem buch gemalt das aigentlichen
anszweist/* Nach dem Schlüsse des Textes der Arbeit Bobert's fügt unser
Autor aber noch die Übersetzung eines weitem Traktates hinzu, welcher
sich mit der Messung der Orölse der Hinunelskörper: Mond, Sonne, Planeten
imd Fixsterne beschäftigt, die Gröfse des Erdhalbmessers als Einheit ge-
nommen. Hierbei erwähnt er Ptolemaeus, Geber, Alfraoanus und einen
gewissen Maximones, der nach dem Zusanunenhange des Chalif Mamun (um
1) Lt traue du guadrant de Maure Robebt Anol^s (Montpellier, XIII* siedle),
Texte latin et ancienne traduction greeque. Publies par M. Paul TAMiniBT. (Tird
des Notices et Extraits des Manuscrita de la Btbliothegue Nationale et autres Biblio-
iheques Tome XXXV, 2* partü). Paris Imprimerie Nationale. MDCCCXCVIl.
2 Bltt., 80 S. 4«.
2) A. a. 0., p. 10, Anm. 2.
44 Maximilian Curtze:
800 n. Chr.) sein muTs. Seine MaTse sind eben die des Chalif Mahun, nach
welchen ein Grad des Himmels auf der Erde einer Entfemang ?on
56V8 Meilon ^ 4000 Ellen entspricht^ so dafs der Gesamtnmfang der Erde
20 400 Meilen beträgt. Daraus ergiebt sich der Durchmesser nahezu zu
6500 Meilen, „vil nach'^ sagt unser Übersetzer.
Die Angaben über die Durchmesser der Himmelskörper und ihres In-
haltes lassen sich nicht gut mit einander yereinigen. Sie scheinen aus ver-
schiedenen Quellen genommen zu sein. Interessant ist jedenfalls die Be-
merkung, man könne rings um die Erde von Ost nach West oder umgekehrt
herumfahren, aber nicht nach Norden oder Süden. Nach der einen Bichtang
hindere die grofse E<e, nach der andern die grolle Hitze. Auch die
Notiz über die Oegenfüfsler ist der Beachtung wert
Die Übersetzungen der mathematischen Kunstausdrücke ist ebenfalls
nicht ohne Interesse. So übersetzt unser Yedsaser gradus mit Staffel,
differcntia und distanüa mit Z wiestand, Cursor mit Louffer, perpm-
dk^dum in der Bedeutung Bleiloth mit Bichtklocz, cemth mit gleich-
mafs der Nacht, polus mit des Himels Nah. Linea drcumfererUidis
ist ihm die „umfürige" Linie; radius visuaUs wird durch Schein des
Gesichts gegeben. Ganz natürlich ist ufkbra reda und versa für ihn der
rechte und der verkehrte Schatten; Conus giebt er einmal durch Knopf
ein andermal durch Ort, d. h. Ecke, wieder. SaHs curidlUer übersetzt er
mit gar hoffentlichen; nuUHplicare heifst ihm gemert; drcumfereniia
die umbgebende Zarg; arm ist die hofstat; Unea perpendicularis eine
geriebt Hni; Cf^adias aber die begrifflichkeit. Durch eine Saul wird
0>lwmmt wiedergegeben, ein modius roiundus ist ein schibloten schefel,
wie donn auch die Rundung des Himmels und der Erde durch Bchiblechti-
k<»it wiedergegeben wird. Dofhtm ist eine kuf, dagegen wird vas durch
vasi übersetits
Nacihdem P. T.\MKCitT die n(ttigen ErklSnxngen des Textes auch in
maiheniaii$oher Hinsicht gti^ben hat, erübrigt es sich für mich, hier noch-
mals auf dit^ben lurückiukommen. Besseren Verständnisses halber habe
ich jiHV^di die Figuren des CihU^x hL mom. I(fii6:f, welcher das lateinische
Original d«4r Abhandlung enthsUt^ «infikgen zu müssen geglaubt.
Thorn, IS, lWemb«r 18i>^
Der Tractatiu Quadranids des Bobertus Anglicus.
45
Geometria ist ain kaust von messnng des erttrichs, vnd hat zwai tail 62, i.
iheorieam Tnd pracHcam, Theoricam (I) ist, die allain mit der ge-
dechtüsse beschawnng die gleichnnsse der grösze ynd ir messnng ansieht;
practica ist^ wann wir ains dings ynbekannten grois mit begriflicher be-
w&ning messen. Aber der kfinstlichen messang, die genant ist pracüca,
sjnt drei gestaltnns: cMmetiria, pUmimetria, skriometria Altimetria ist,
wann wir allein ains hochen dings leng snchen; planimetria ist, wann
wir ains eben dings praite suchen; steriometria ist, wann wir ains dings
lenge, praite ynd tieffe suchen. Mit der ersten masz suchen wir Tnd messen
2>estirum. latu^
Fig. 1.
^e linigischen messung; mit der andern die b6dinischen messnng; mit der
^tteii die leiplichen messung.
Dammb tailen wir das poch, darjnn wir aller ding messung leren, ja
zwai tail, nachdem ynd es zu der inf&rung der kunst gehört. In dem
46 Maxiffli^i»^ Curtzet
ersten tail lernen wir yon ains Quadranten zusamenseczung, der genant ist
von ainem vierden tail ains zirckels, den er hat. In dem andern tail von
dem werck, das dadurch ge&bt wirt, vnd seiner nuczung.
Daramb ain quadrant ist ain werk gezüg, der da hat ain vierden tail
ains zirckels vnd etlicher buchstab züge, dadurch wir Staffel') der sunnen
vnd jr naigung vnd der steren hSche mügend genemen, stund der zeit ent-
scheiden, der ding h6che, der stette zwjstand^), der land lengemng vnd der
brunnen tiefung erfindung. Wie man den quadrantten machen sol, das hat
6«, II. |vil geschriffc, die ich vnder wegen lasz vmb kurcz willen, wann die figur
des quadranten jn dem buch gemalt das aigenlichen ausz weist. (Fig.l a.v.S.)
62', I. 1 1. Wann du den quadranten hast, vnd wilt wissen die höchin der sunnen
dadurch in aller stund, secz den punct des quadranten a gen der sunnen,
vnd den punct c gen dir, vnd lasz dein schein durch baide löcher der zwair
tabeln, die gelöchert sind, schinen, vnd sich, wölchen Staffel ausz den stafeln
in dem saum^) des quadranten die meszschnur abschnid, vnd sich die
zal des stafels darob genomen, vnd die selb zal der stafel weiset die hSche
der sunnen etc.
In welchem stafel die sunn sej.
2. Wiltu wissen, in wie m&ngen stafel des zaichens die sunn sey
C2', II. durch den louffer,^) sich, jn | welchem monat vnd jn wie mangem tage
des selben monacz, vnd leg den faden mit dem richtklocz ^) auf den tag jn
dem louffer, vnd merck auf welches zeichen vnder demselben monat vnd
auf welchem staffeis des Zeichens der< velt, wann in dem zaichen vnd jn
dem Staffel ist dye sunn.
Von der naigung der sunnen.
3. Wiltu wissen die neigung der sunnen, vnd wie jr zwystand sey von
der glychnusz der nacht durch den louffer, so leg den faden auf den an-
fang des widers vnd der wage, vnd merck den Staffel jn den säum, darauf
der richtklocz veli Damach leg anderweit den faden auf den Staffel, dar
jnn die sunn ist, nach der gecz gesagten kunst, vnd merck aber den Staffel
CS, I. jn dem säum, darauf der richtklocz | velt, vnd rechen in dem säum, wie
manch Staffel sey von dem ersten gemerckten bisz zu dem andern ge-
merckten, denn also grofz wirt die naigung der sunnen die selben zeit.
Von der praite des landes.
4. Wyltu vrissen die praite des lands, das ist der zwistand^) des
puncten ob deinem haubt von der gleichnufze der nacht ^) oder die höchin
8) gradus. 4) differentia. 5) limhus. 6) Cursor. 7) perpendiculum.
8) distantia, 9) cenith.
Der Tractfttns QaadrantiB des Bob^ius Anglicus. 47
des hymels nab^^, das des gleichen ist, so nim die höchin der sunnen jn
mittemtage, als sj in dem wider oder in der wage ist, vnd dieselben hüch
zeuch ab yon 90 staffeln, tind das Tbrig wirt braite des lands oder höchin
des hjmels nah.
5. Oder also: Nim die höchin der stinnen in mitemtag als vor, vnd
von der höchin der snnnen wirt abgezogen jr naigung desselben tages, ist
sy jn wester zaichen, oder wirt hin zu | getan, ist sy jn mittags zaiches, 6s,u.
vnd was nach dem abziechen oder z& t&n vber pleibt, sol abgezogen wer-
den von 90 staffeln, so hastu die praite des lands oder die hoch des
hymels nah.
6. Oder also: Nim die höchy ains stäten steren der merklich sey bei
des hymels nah, wann er ist in der gr6sten hoch des nachtes, vnd die
hoch desselben steren, wann er ist in der minsten hoch der selben nacht
oder ainer andern, vnd die minder hoch sol abgezogen werden von der
gröfsem höchin, vnd der halbtail des vnderschaids sol zu getan wei*den der
mindern hoch, vnd was davon bekSmbt, ist die hoch des hymels nah oder
braite des landes.
Von den stunden.
7. Wiltu aber wissen die standen des tags jn allem land, so sich die
braite des | lands oder höchy des hymels nah, als vorgesagt ist, die ist auf es', i.
dem perge pesselan^^) 44 Staffel vil nach vnd gleich im 48 Staffel, und
rechen also vil Staffel jn dem säum des quadranten anzeheben an der syten,
do die gelöcherten tabeln aufgeheft synd, vnd wa dy zal ain end hat bey,
bewege den louffer bisz der anfang des widers velt gerichcz vnder den
richtklocz, vnd die selb stat der zeit jn dem quadranten wirt des lands.
8. Oder also: Nym die höchin der sunnen in mittemtage vnd bewege
den richtklocz nicht von der stat, darein er velt, vnd bewege den louffer
als lang, bisz der tag, in des mittage du genomen hast die höchi, velt vnder
den richtklocz, vnd das die ewig stat des landes. Darumb wann der louffer
also geschickt ist | so leg den richtklocz auf den tag, des stund wilt haben, es', u.
und z&ch den margariten als lang, bisz das er velt auf die umbfdrigen
lingen, die letzten, die da ist ain end der 6 stund. Damach lasz den
schein der sunnen gen durch beide I6eher, vnd merck die stat des mar-
gariten jn den stunden, wann. die zaigt dir die stand des tags, darin du
bist. Wann velt sy auf die ersten vmfiirigen linigen,^^) so wirt die erst
die stand erfült, auf der andern die ander, vnd also für sich aus.
9. Wiltu aber das haben durch den quadranten an den louffer, nim
in 4 tafeln des quadranten stafel der sunnen, vnd mit stafel der sunnen
10) polU8. 11) In Montepesaolano, 12) Unea circumferentiaiis.
48
Maximilian Gartse:
in der tabeln der naigang nym jr naigang viid zaich die ab ron pnite
des landS| dar jnn du biet, ob die sunn ist in wester zaichen, oder dii
«<L die hjn ifi, ob die | sunn ist in mittags zaicben; vnd was nach dem ab-
Biecben oder s& tun vber pleibt, das behalt, vnd also vil stafel rechen io
dem sanm Ton der sajten des quadranten, darauf die gelöcherten tabek
gekeft sind, Tnd leg den riohtklocz, da die sal ain end hat, nnd bewege
den margariten su sGlichem tage. Dann last den schein der sonnen gen
durch baidft l6cher, vnd merck die stat, da der margariten hin yelt, so
chastn die stand als vor.
Von der hSchin se messen.
XachmSglichen'^) ist lesagen von den messnngen, des ersten der ding
die efh«Vhening.
10. üanunb wilto wissen die hoch ains grofsen dings, da man zu
«^ n kc^w^a asag, sich die htüchin des dings durch beide IScher mit ainem | ange,
Ted gang lii dem ding oder Ton dem ding als Til, bis der richtkloci velt
auf die mitein linigen des quadranten, das ist
auf 15 staleL Dana^ ajm die hOchin deins
aogen bis lü der soleii des luis Tnd nim als tu
hinder dich, als tu die hSebbi deins äugen ist
lU diMT esdeu, Tnd ttondc die sUL Danach misz,
vii^ TÜ »hiWli eeres iwiscLen item selben marck
Tud dM- giundfesi des duns oder ains anden
diaiffSk das du uiUMsa vik^ so haste dw hOchin.
I Is l^ aKNT das dti^ uWIrt auf aiMr eWs slat^ «» srck liw poncten
aa A(«f^ ^tiai^^ 4a» «ke wwwew^u wili^ d^s; dM- rkhikäict TaiSl aaf die linigen
«SS ix dM- ^
Tüd MKk
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Der Tractatua Qoadrantis des Robertas Anglicus.
49
Fig. 4.
12. Oder also: Sich an die höchin ains dings durch baide löcher als
vor, ynd merck anf welche stat des quadranten der richtklocz vall; vnd
bestätt er auf der seitien des rechten schatten, das ist in der rechten
sejtten, so nym die zal des rechten
schatten ^^) anzusehen, auf wie manig
punct der richtklocz yelt. Ist aber,
das er velt auf die sjten des Ter-
kerten schaten/^) so nim die | zal
des verkerten schaten, vnd mit der-
selben puncten zal tail 144, vnd
was darausz get nach der tailung,
das nim. Damach misz den zwistand
zwischen dir vnd dem turen, vnd was in dem zwystand wirt, das mer mit
zwölfen, vnd was dauon wirt, das tail mit der zal der schaten puncten
vorgenomen, vnd was darausz get, auf das tu, wie vil deiner höchin ist,
vnd was also pleibi, das wirt die hoch des durens. (Fig. 4.)
Von der sunnen höchin.
13. Item das selb wirt, wann die sunn scheint, durch den schatten
also. Du solt baiten, bis die sunn wirt jn der höchin 45 Staffel, so ist
der schatt ain jetlichen dings dem ding gleich. Den misz den schatten,
so hastu die höchin des diDgs.
14. Aber in den andern stunden, so wirt die gleichnüs des schaten
ain yeÜichen dings zu | dem ding, als in
derselben stund ist die gleichnüs der zal
der punct des rechten schatten zu 12. Also
wer es 6 puncten in dem rechten schatten,
die sind der halbtail von 12, denn wirt
der schatt das halbtail des dings in der
höchin, vnd also von der andern zal.
(Fig. 6.)
14. Aber darzu, das du wissest alle
stund die schatten zenemen, so mustu
den rechten schaten in den verkerten vnd herwider vmb verwechseln.
Danunb wiltu aus dem verkerten schatten hab die zal der zal puncten des
rechten schaten, so tail mit der zal des verkerten schaten in 144, vnd was
d&raus get nach der tailung, das wirt die zal der puncten des rechten
schatten. Wiltu wissen die verkerten schatten durch die rechten, so tail
64', n.
66,1.
Fig. 6.
14) umbra recta, 15) umhra teraa.
Abb. nur Geich. d. Mathem IX.
50
Maximilian Curtze:
65, n. 144 mit der zal der pnncten des rechten schatten | so get ansz der tailiiog
die zal der pnncten des verkerten schaten.
Von der tnren höchin.
15. Ist aber der tnren, das man nicht dar zu komen mag, den man
menen will, so sich sein höchin durch beide löcher der quadranten, vnd
fe^ieli an die zal der pnncten des rechten schatten als vor, vnd leg ain zaicheo
an die stat, da dn gestanden bist in stund der mercknng; vnd wiss, das die
löcher gar eng sdllen
sein, durch die der sehein
des gesichts^ zu be-
griffhng ^^ des dings gen
sol, oder es wbrt bald
irmng in der kunsL
Damach ge femer yon
dem tnren oder nScber
zu hin zu nach der
rechten linigen, vnd sich die höchin des turens anderwet an, vnd such die
zal der pnncten des rechten schaten zii dem stand, da du zu dem andern
<s',L mal I stest, vnd leg aber ain zaichen an die selbe stat, vnd misz, wie tu
sehnch seien zwischen der zwaier zaichen, vnd behalt dieselben zal. Dar-
nach zeuch die mynnem zal des rechten schaten von der grösseren ynd
behalt die vnderschaid, vnd den zwjstant zwischen der zwair zaichen gemer
mit 12, Tnd was davon kompt, das tail mit der vnderschaid vorgenomeDf
vnd dem, das daransz get, dii dein höchin zu, vnd was da bleipt, wird die
höchin des dums. (Fig. 6.)
16. Ist aber, das du stest in ainem tal vnd ains tnrens höchin, die
auf ainem perg stet, messen wild, so merck des ersten die höohin des bergs
Z*tUUMO
Flg. T.
mitt zwain stenden jn masz, als vor gesagt ist. Damach merck die höchin
des berges vnd des tums mit ainander, vnd züch die höchin des bei^
16; hmIims visualis. 17) eamprehensio.
Der Tractatus Qaadrantis des Bobertus Anglicus.
51
Fig. 8.
yon I der gansz gesammten höchin mit ainander, vnd was ybrig bleibt, das 65', n.
ist die hCchin des dnrns anf das genewest. (Fig. 7.)
An den qnadranten.
17. Ist aber, das du nit ainen quadranten hast, vnd oilt mesen die
bSch ains dings, so nim ain ruten, die aufgericht werd an ainer eben stat
krad yber sich, ynd das sj hab ain mercklich leng, vnd leg dich denn mit
deinem angen zu der erden vnd ruck dich mit dem haupt her vnd dar,
bisz der schein des gesichts vber die
hochin der ruten get vber die höch-
sten stat des dums. Darnach merck,
wie vil ist zwischen der stat, da dein
ang gelegen ist, als du die höchin
gemerckt hast, bis an die vndersten stat
des turens, vnd die selben gemer mit
der zal der ruten leng, darüber du
gesechen hast, vnd das alles, | was davon kompt, tail mit dem zwistand 66, i.
zwischen des äugen vnd der ruten, das sind die zwü stet, ain da dein aug
auf der erden ist gelegen, vnd die ander, da die rut gesteck ist in der
abmerckung, so get daraus die hoch des turns durch die zal die da haist
qnociens, das ist, wie oft in dem tail ain zal von der andern gezogen. (Fig. 8.)
Von dem schatten.
18. Item das selb anders durch der ding schatten. Wann ain ding,
des höchin du uilt wissen, schatten macht auf ainer eben, so nim ain auf-
gereckt ruten auf ainer eben gerad vber sich bei dem end des schatten des
dings, das du messen wilt, jn völlicher
nächi, das ain tail der ruten velt in
den schaten vnd das ander tail ausz
dem schatten, vnd merck die stat in
der ruten, da der | schatt an hebt
die ruten zerüren, vnd mit der leng
der raten, die da ist zwischen der
nirung des schaten vnd der eben, sol gemert werden die leng des ganczen
schatten, der da ist zwischen dem vndertail des dings, das du messen wilt^
vnd den knöpf *^ des schatten, vnd was davon kompt, das tail mit der leng
des schatten, die da ist zwischen den knöpf des schatten vnd der ruten,
vnd darausz get die höchin des dings, das zemessen ist. (Fig. 9.)
6«,n
Flg. 9.
18) eanus.
4*
52
Maximilian Cnrtze:
(I
611, r
X
»>■ , n
Von dem Spiegel.
19. Itom anders ynd gar hoff liehen ^^). Es werd ain Spiegel gelegt
auf ainer eben, vnd gang her
vnd dar, bis da siebest die hoch
des dings jn dem Spiegel; vod
mit der böchin dains äugen tod
der eben sol gemert*) werden
der zwistand zwischen den andern ,
tail des dings vnd dem spiegeL
vnd was davon knmpt, sol ge-
taut weixlen mit der zwistand zwischen deinem fiisz vnd dem Spiegel; vnd
daraus got die hOohin des dings, das man miszt (Fig. 10.)
Das ander tail der messungknnst, die da haist planimetria,
hat xwat tail. Das erst von der kanst zemessen das eben allein
jn die long, das ander ist von der kunst zemessen jn die lang
vnd jn die braito. Von dem ersten ist vor ze sagen.
Von der leng.
'iO. Wann du wilt messen die leng ains eben dings mit dem qaadranten,
so stand an ainom end dos eben vnd sieb an das ander end durch baide
^ lecher, vnd halt das ort*^) des
quadranten, daran der faden mit
dem nagel geheft ist, gen dir zu
den äugen, vnd das ort, da des
laufers tabel jnn get, halt gen
der eben, die ze | messen ist, vnd
$0 das end also gesechen ist,
dann whi gtM\\Muen dio $^\ de« nvhten {^hatten, vnd die bSchin von deines
,^*V,o^n 9\\ dem ^^^^? wut j;:tMuert mit 13, Was danon kompt^ das wirt ge-
teilt nut «Ut »al de.< i>vhten ^'h;Ktten vor^niMnen, so get darausz die leng
d«vr r)vn, d»e sewesüi^n i^t^ v^V» ^^^
VN« n.
Von ainor rxun
i^l iVW äImn 5^u ^^nad^^wten K^ w;Ti *;n r.;l gt^md anf gericht an
*;ri4''W rvj'^o *^<v oK^n» i\> v^\^ eUtn.h xv^rr ^Ä.>j«^r^ vnd m aiiiiem ebenbild,
OÄN o$ ,>4^vl4n* \^> >o^'Nto^M«uh x\u\\^ ^\ si *l;c oVn iT^eisea ftr, vnd die
^;^' rh w»v*/-
1^'»' «« « »u ,>ÄNr
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Der Tractatus Quadrantis des Bobertus Anglicus.
53
aufgericht ab. Vnd an der auf gerichten ruten sei ain ander nit mit
geleicher zwistand dem eben, die da macbent sy ainen rechten winckel mit
der rut a&, vnd sj die ander
rut cd. Damach bei der anf-
gerichten ruten | wird gehabt
dein aug, vnd wird angesechen
do ander end der eben, vnd
wirt gemerckt der punct jn der
ruten cc2, darnach der schein
des gesichts get, vnd derselb
punct in der lini der riiten cd sy der punct dy durch den get der schein.
Damach mit der leng cd gemer die leog a&, vnd was dauon kompt, das
tail mit der leng ac, vnd daraus get c&, die leng, die gesucht ist. (Fig. 12.)
67,1
Fig. 1«.
Von dem Spiegel«
22. Dasselb wirt mit ainem Spiegel, der vor ward verstanden die ober
tignr ligend in der eben, wird hir verstanden, die aufgerecht sei, vnd | die 67, n
lini, die dort bedeit hat
die hoch, wird nu bedeiten *^n y\f
die lengi der eben, vnd
die ander die bedeit vor
hat die eben, sj nun die
lini, die gerichcz an stat
der leng in der eben.
Darein sol gelegt werden
der Spiegel aufgericht auf
sainer Seiten ein; vnd du
wirst sten zwischen dem
Spiegel vnd dem end der
eben, vnd wirst damach
wireken als vor. Vnd merck, das der Spiegel sol ciain sein, vnd sol alweg
mitten in dem Spiegel sechen das end der hoch oder der leng. (Fig. 13.)
Von eben vnd praite.
23. Wiltu aber messen die eben in leng vnd jn praite, so wirt denn
öie eben aintweders zircklis**) oder wincklis.*') Ist sy zircklis, so wirt das
halbtail des dyameters gefiert in den halbtail der vmbgenden zarg,^) vnd
Fig. 18.
22) cireulare. 23) angulare, 24) circumferentia.
54
Maximilian Curtze:
das davon knmpt, gibt die ho£Eistat der ganczen zircklichen eben. Aber die
67,1. grösz der vmbgenden zarg | wirt als gehabt. Der djametter sol getriblieit
«r. IL Ä
Fig. 14.
werden, vnd der sibendtail sol jm zugetan werden; was dauon kumpt, gibt
die grösz der vmbgenden zarg. (Fig. 14.)
24. Ist aber der boden triwincklis,^^) sint dan dy sytten glich, so
wirt also gemessen, ain tail des dryangels wird getailt in zwai glich tail^
vnd von dem puncten der tailong wirt gezogen ain recht lini zu dem
winckel da gen vber, vnd die lini also gezogen wirt mit der zal irer leng
gefort jn den ainen tail der sytten, die ge-
dailt ist, so hat man die grdsz des triangels,
(Fig. 15.)
25. Ist aber, das der driangel allain zwo
glych Seiten hat, vnd die dritt vnglich ist, so
tail die selben in zwai glyche tail, vnd Ton
dem puncten der tailong züch ain lini zu dem
gegen vber, vnd der ain halbtail der getauten
sejten sol gefÜrt werden jn die | lini, die ge-
zognen ist von dem puncten in dem winckel,
vnd was davon kumpt, gibt die hoffistat^)
(Fig. 16.)
26. Ist aber der dryangel von dry vn-
glychen seilten, so sol aus ainem winckel ain
glich g^richt lini^ gezogen werden zu der
Seiten dar get gegen vber, vnd die selb seit,
darauf die gleich gericht lini feit, sol gefurt
wenien jn die selben lini, vnd was dauon kumpt, des halbtail gibt d^e
hoflfeut (Pig. 17.)
Fi«. 16.
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ins.
Der Tractatus Quadrantis des Bobertus Anglicas.
oo
Von der fiernng.
27. Wilta aber ainen genirten boden^ messen, so ftlr ain sejten in die
ander, ynd danon kompt die hofstat, das ist, so die vier Seiten gleich sind. (Fig. 18.)
Fig. 18.
IMg. 19.
Von den wincklen.
28. Sint sj aber winklis,'^) so fier die mindern Seiten in die merern,
ynd was davon kompt, gibt die hofstat. (Fig. 19.)
Von den 5 orten.
29. Wiltn aber ains Sorten**) boden
hofstat haben, ist er gljcher syten, so sol | / * \ 68.1.
ain seit in sich selber gef&rt werden, ynd das
danon kompt, sol mit drejen gemert werden,
Ynd yon der summ, die darausz kompt, sol
abgezogen werden ainest die gröfz ainer Seiten,
Tnd der halbtail der ybrigen gibt die hofstat.
(Fig. 20.) Pi^. ^.
Von der prnnnen messang.
Es ist gesagt yon der messung der ding hoch ynd eben, nun
wollen wir yon der prnnnen tief ynd jr be-
grifflichait sagen.
30. Dammb ob du ains pronnen tief wilt mes-
sen, so sich mit dem qoadranten yon der ainen syten c
des bronnen oben hin ab das end der andern Seiten
gegen yber jn der tiefß des pronnen, ynd yor an
sol gemerckt werden grösz des djameters der praite
des pnmnen. Dammb jn der stund der merckung sol
genomen werden die zal der puncten des schat | ten in / es, 11.
der Sitten des quadranten; ynd gemer die gröfz des dya-
meters braite des pnmnen mit 12, ynd tail das mit der
zal der puncten des schatten, ynd daraus get die tiefe b
des pnmnen. (Fig. 21.)
28) qmd/ra^i»im. 29) qmdrofngvium, 30) penUkganum
Fig 21.
56
Maximilian Gurtze:
31. Wiltu aber des prunnen begriff lichhait'*) haben , durch die hof-
stat also fanden, als vorgesagt ist, gemer die tiefe des prunnen, vnd was
dauon kumpt, gibt sein begriffenlichbait, dz ist, wie vil darin get, das er
vol werd.
Von ainer saul.
32. Wiltu aber grösz ainer saul^*) suchen, so nym die grosz der
praite der saul vnd fär die jn sich selber, so hastu die hofstat. Mit der-
selben hofstat gemer ain sejten der saul, vnd waz dauon kompt, gibt die
grösz der saul. (Fig. 22.)
•
Von der synwel.
68,1. 33. Wiltu aber aines schibloten schefels'^) begrif | lichenhait wiszen,
f so sei genomen werden der dyameters des boden jn dem schefel vnd der
dyametei*s oben an dem brait, vnd süUen gelycht werden, vnd der halbtail
Flg. U.
Fig. 23.
des vbertreffens an dem groszem getan zu dem clainem, so wirt den funden
die hofstat des boden, als vor gesagt ist von dem zirckel; vnd wie vil die
hofstat hat, damit sol gemert werden die hoch des scheffeis, so hastu, das
gesucht ist. (Fig. 23.)
Von der masz.
34. Ist, das du hast ain ciain masz, dz das ains pfenning oder zwaier
wert weins fassent ist, so sol die grösz des schöffels tailt werden mit der
zal des clainen masz grösz, vnd die zal quociens wist, wie oft die clain
masz in dem schöffel begrifen ist. Vnd also, ob dz ciain hat ains pfennings
wert weins, so wirt man wisen, wie fil pfennings wert**) in dem scböffel
68',n.sint. I (Fig. 23.)
31) capaeitas. 82) columpna. 38) modii rottmd«. 84) dmmriaJtHi.
Der Tractatue Quadrantis des Bobertus Anglicus.
67
Von ainer küf.
35. Wiltu aber ainer kuf ^) begriffenlichait haben, so soltu des ersten
vinden die hofstat des bodens der küfen mit seinem dyameter, als vor ge-
Fig. 24.
sagt ist. Darnach njm die leng nach des weins begriffenlichait, vnd mit
der leng sol gemert werden die hofstat, vnd was davon kompt, gibt der
küfen begrifenlichaii (Fig. 24.)
Von ainer masz.
36. Ist aber, das du hast ainen scheffel, vnd wilt wisen, wie oft die
küf den schefel begrif, so nim sein grösz dui'ch das vorgesagt, vnd die
grOsz der kufen so getailt werden mit der grösz des scheffeis, so wiszt die
zal quociens, wie oft der schöffel in der kufen' begrif en wirt. Also ob der
scheffel ains pfenning wert begrjrft, so waistu dabei, wie vil pfenning wert
in der kufen sjnd.
Vieregget.
37. Wiltu aber ains vier | winckligen vasses'®) begriffung wissen, S0 69,i
sol genomen werden die hofstat des bodens nach der vorgesagten kunst.
^d die hofstat sol gemert werden mit der höche des fases, vnd was dauon
^ompt, das gibt sein begrifung. (Fig. 25.)
36) dcinm, 36) vas.
58 Maximilian Curtze:
Von ainem yasz.
38. Wilta aber wisen ains fases begriffdng, das nicht rechter selten
hat, das in der mitti weiter ist, so sol die mittel braite gelycht werden
mit der braite der äussern tail mit der vorgenanten konst. Die selb brait
also geljcht vnd jn die leng des fasz gef&rt gibt sein begriffong.
Von dem messen des erttrichs vnd des gstirens.
39. Ptholomeus vnd die andern weisen haben geseczt den Ijb^ der
erden ain gemain masz, dar mit der planeten lyb gemesen wurden, vnd
«9, n. haben geseczt den halben tail der erden djamet | ters ain gemain mas,
damit sy die dieselben steren zwistand von dem center der erden mesen haben.
Von dem erttrich.
40. Es was möglich mit der erden djameter ze messen, wann erklärt
sej, das der erden center jn der sper ist des himels center. Darnmb ist
notturft, das die schyblechtigkait^) der erden sei in gleichem zwistand mit
der schjblechtigkait des hjmels. Darvmb so wir giengen auf dem boden
der erden vnder aines mittaglichen gemerck f&rwar, so wurd dem, der da
gieng gen den tail vor dem zu getan in der erhöchung des hymels nab
von dem orizon, vnd dem, der da gieng gen den tail des mittags, wurd
dauon gemindert. Vnd durch das also haben wir funden die grösz vnsz
69^,1. abnemung | auf der erden die glychsamkeit sej der glaichung ains stafels
von der schjblechtikait des hymels, ob wir weren meszen ain spacium
zwischen zwaier stet, die an der erhöchung mit ainer stafel vnderschaid
hatten. Wann du die selben grölz gemerst mit 360, das ist die zal der
stafel des hymels, so get darausz ain zirckel, der tailen ist die sper der
erden in zwai halb. Und wenn wir dz halb tailen mit 3^,, das ist die
gleichung der vmbfArung zu dem dyameter, was darausz get, wirt der
dyameter der erden sper.
41. Es ist he wärt zu den zyten Maximonis '^), das glichung ains stafels
von der schyblechtikait der erden hat 56 mil vnd 2 tercz ainer mil, mit
dem masz, da durch die mil hat 4000 elenpogen nach der geometry, der
Qc,' IT. yetlicher hat ainen schlich vnd ainen halben, | darvmb wann du gemerst
die glichung ains stafels mit 360, das ist die sum der schyblechtikait des
himels, so wirt gesamdt schyblechtikeit der erd, die hat 20400; vnd wann
die schyblechtikait getailt wirt mit 3^?, so get daraus die grölz des dja-
meters der erden, der hat 6500 rayl vil nach.
37) corpus. 88) rotunditas. 39) Soll den Ohalif MamIk bedeuten.
Der Tractatos Quadrantifl des Robertus Anglicus. 59
Von dem mann.
42. Ptholomeus beweist von dem maun, das der djameter seins leibs,
wann er stet jn der lengem leng seiner kraisz, ist glich dem djameter
des libs der simn in dem angesicht. Er beweist auch, das der djameter
des libs der sannen bekomet von dem zirckel 31 minnt vnd ainen drittail
ains minuts, das ist 20 secnnd yil nach. Damach spricht er, das die leng
der snnnen von dem halbtail | des djameters der erden ist ains, ynd die 7o, i
leng der ansem tails der schul des schaten von dem zenter der erden ist
368 mit der selben grösz, vnd das die leng des zenters in dem knrczen
zirckels des manns von dem zenter der erden, wann der selb zenter wer jn
dem aux seins epizickels, ist 59 der selben gröfz.
43. Danunb spricht Geber, es ist dadurch bewjst die gljchung jet-
licher zweier Rechter djameter zu dem djameter der erden. Darumb ist
die glichung des maims diameter zu dem djameter der erden ain gleichung
f£lnfer vnd ains halben zu ainem. Aber die glichung der sunnen djameter
zu des mauns diameter ist 18 vnd 35 vnd ains halben zu ainem.
44. Es hat auch Geber gesproch, | das aus den glidmasen, da durch 70, u
gljchung des mauns lib zu dem lib der erden ist als ain glichung ains
zii 39 ynd ainen yiertaU vil nach, vnd glichung der simnen lib zu dem
lib der erden ist glichung 166 zu ainem vil nach, vnd glichung der sonnen
lib zu des mauns lib ist glichung 6644 vnd ains halben zu ainem.
45. Ptolomeus hat bewjszt das mas zwaier lib, als ist der sunnen
vnd des mauns, aber er hat nicht gesagt das, was der andern steren der-
selben avisen ist licht nach der glichnis, damit er gewirckt hat jn der
sunnen vnd jn dem maun, als ist auch licht ze wissen von den andern
stem ir lib.
Von den 7 liben der 7 planeten.
46. Der diameter des libs mercurii jn dem angesicht, nach dem als
be I wert ist vnd wirt, ist das 15tail der sunnen djameters; vnd der dja- 70,1.
meter veneris ist das lOtail der sunnen djameters; vnd der djameter marcis
ist dz 20tail der sunnen djameters; vnd der djameter jouis ist das 12tail
der sunnen djameters; vnd der djameter satumi ist das 18tail des sunnen
djameters; vnd ains jetlichen stäten steren I5tail des djameters der erden
ist das 20tail des djameters jn angesicht der sunnen.
Von den 7 diameter der 7 planeten zu dem erttrich zemesen.
47. Aber irrer djameter gröfz nach dem djameter der erden sint also.
Ber djameter des libs mercurii ist das 18tail der erden djameters; des
60 «a^^^^^^^ Curtze:
70', n. veneris ist dz 3tail ains StÄuS', > ^er dyameter | marcis ist glich der
erden dyameter vnd das 6 vnd vil ilacli ains 7tail8. Der dyameter jonis
ist glich der erden dyameter; saturni ist glich dem dyameter der erden
ainen 4tail vnd ain halbes vnd ain ciain minder; der dyameter ain yet-
lichen stäten stären der gröszem ist glich der erden diameter vnd ain yier-
tail vnd ain halbs.
Aber von den liben der 7 planeten.
48. Darumb ist dz mas der lyb derselben steren also. Der Hb mer-
curii ist ain tail von 21000 des libs der erden; der Hb veneris ist das
37tail der erden; der Hb jonis ist glich der erden zu 95 malen; vnd sa-
tumus ist gHch der erden 90mal vnd ainest. Aber der steten steren ain
yetlicher der grösten ist glich der erden 108 mal. Aller stftten steren leng
71, 1. von I dem zenter der erden ist ain, aber ir grösz sind vnglich.
49. Von der ersten grösz 15 steren. Die grösz ist gesagt 15 der
groszen, die in der ersten grösz sint.
In der andern grösz. Darumb der, die da sint jn der andern grösz,
ist yetlicher gHch der erden.
In der driten grösz. Und yetlicher der, die da sint jn der dritten
grösz, ist gHch der erden 70mal zwirnd.
Die vierd grösz. Und yetlicher der, die da sint in der vierden
71, II. grösz, ist glich der erd 50mal vierstund. |
Die fünft grösz. Und yetlicher der, die da sint in der fünften
grösz, ist glich der erden dOmal.
In der sechsten grösz. Und yetlicher der, die da sint in der
sechsten grösz, ist gHch der erden ISmal, vnd welcher clainer sind, werden
nit gesechen.
Von dem diameter der stilistenden steren zeraesen zu den
diameter der erden.
50. Dauon mag gehabt werden das masz irer dyameter zu dem dia-
meter der erden. Darumb wirt der dyameter der steren, die da sind in
der andern grösz, zii dem dyameter der erden zeglichen als der erden dya-
71', I. meter zu | molen vnd ein halbs, vnd das ist ains clainen dings minder
denn des satumus dyameter. Aber der steren in der dritten grösz zu vier-
malen vnd ain 6tail vil nach; der jn der vierden zu 3 vnd 4 molen vnd
ain 5teil vil nach; der in der fünften zu 3 vnd 4 vnd 18 ains mals vil
nach; der sechsten zu 2 vnd 4 vnd 8 ains nials.
Der Tractatus Quodrantis des Roberius AnglicuB. 61
Von den mylen.
51. Der halbtail der erden djameters, damit der steren leng gevrsacht
Wirt, ist 3d60 meil, wann die nächer leng des mauns von der erden sy
33mal ynd ain halbs glych dem halben tails der erden dyameters, daz ist
10937 myl ynd ain halb mil, ynd die lenger leng des manns ist 66 mal
ynd ain 6tail ains mals glich dem halben tail der erden dyameters, das
ist 542750 meil. Aber | die leng yeneris, die da ist die nächer gen der 71, u.
lengem leng der sunnen, ist 608 mal glych dem halben tail der erden dya-
meters ynd ain halbs yil nach, das ist 1965000 myl; ynd die lenger leng,
die da ist die nächer leng marcis, ist 1220 mal glych den halben tail der
erden dyameters, das ist 3965000 meil; ynd die länger leng marcis, die
da ist die nächer leng jonis, ist 8876 mal glich den halben tail der erden
dyameters, das ist 2887000 meil; aber die lenger leng jonis, das ist die
nächer leng satomi ist 410045 mal glich dem halben tail der erden dya-
meters, das ist 46816250 myl; ynd die lenger leng satnmi, die da glich
ist den stäten steren lengerung, ist zu 2000100 malen glich dem halben
tail der erden dyameters, das ist 65357500 stafel, die werden | milen yon n, 1.
Alfragako anszgezogen in dem ' 9 capitel, wann daselbst hat er gesprochen
dz 56 meil ynd 2 tercz ainer mil antworten glych ainem yetlichen stafel
des himels.
Von den 7 climat.
52. Dammb wirt gesechen, wie yil stafel sind in der braite des
ersten lantschafts. Also wirt erhöcht des hymels nah, als gesagt wirt
in dem Anfang des ersten, mit 12 staffeln ynd aines halben ynd ainem
viertail ains staffeis. Aber jn dem end mit 20 stafeln ynd ainem halben.
Nun so wir daz miner yon dem grossem ziechen, so werden in der ynder-
schaid 7 Staffel ynd ain halber ynd ain yiertail, das ist die leng des ersten
lantschafte nach den stafeln des hymels; darnach yetlichs stafel 56 meil,
mit 7 zu gemeren, so bekomen 392 | meil. Damach yon ietlichs stafels72,n.
terezen werden 14 quart, ynd der halbtail des stafels gewint 28 myl ynd
ain tercs, die werden zii den ersten getan, myl zu mylen ynd tercz zu
terezen, so werden darausz 420 meyl ynd 15 terezen, ynd ist ybrig 14 mail
vnd ain halb tercz, der wirt nicht geacht. Aber die myl werden zu den
ersten getan, so wirt dar ausz 434 myl, ynd wann 15 tercz tund 5 gancz,
so werden dafQr genomen 5 myl ynd zu den ersten getan, so wirt dar ausz
439 myl, die sind in rechter warhait jn dem ersten lantschaft. Aber so
nicht mer denn ains gebricht yon 440, das ain gerämpt zal ist, so tut
man das ain darczü, ynd wirt yollkomenlich die selb zal.
62 HaxitniUftiti ^^^^^^^
Von der andern lantschaften.
72, 1. 53. Von den andern | lantschaften wirck desglichen alweg ainen siafel
' zegeben 56 vnd 2 tercz, den halben tail 28 vnd ain tercz, den viertail 14
vnd ain halb tercz, vnd dem dritt ains stafels 19 in masz als vor, so ge-
winnest du yetlich braite.
Aber des andern lantschafts braite ist in dem hjmel allain 7
Staffel, den sayen glich nach der yorgeschrieben 1er 392 mil, die recht ze-
glichen mit den terczen gebricht nicht mer denn 3 von 400, das ain ge-
rümpt zal ist, die wirt vollkomenlich aufgelegt.
Die dritt lantschaft. Aber die braite des dritten lantschafts in dem
hymel ist 6 stafel vnd ain halb tercz ains staffeis, die thun auf der erden
350 myL
Die yierd lantschaft. Aber die braite des vierden lantschafts ist
72, II. in dem hymel 5 stafel vnd ain tercz, die thiind auf der erd | en 293.
Das ist nicht ain gerümpt zal, aber mit den terczen zeglichen gebricht mit
7 von 300; die wirt aufgelegt.
Die fünft lantschaft. Aber die braite des fünften lantschafts ist
in dem hymel 4 Staffel vnd ain halber, die thund auf der erden 252 meil.
Die sechst lantschaft. Aber die braite des sechsten lantschafts
ist in dem hymel 3 stafel vnd ain halber, thund auf der erden 196 myl-,
so die mit den terczen gelichet werden, seczt man die verümpten zal 200.
' Die sybend lantschaft. Aber der 7 lantschafts braite ist in dem
hymel 3 stafel vnd ain viertail, die thiind auf der erden 184 myl. Aber
die zal ist nicht jn der schrift, sunder die nächst gröser zal darnach, das
ist 185, wann es was ain ciain vber bleiben.
Von den leiten von Orient vnd occident.
73,1. 54. Merck, das die leit by dem aufgang sint widerfüszig | den leiten
bei dem vndergang. Dort get die sunn allweg auf, da get sie allweg vnder.
Von dem center der weit.
55. Es ist wunder, zu dem center der weit velt, was swer ist, wann
da schecz ich, sey dz vnderst jn der grösem zwystand, dauon ist müglich,
dz kain bosz smack zu den höchsten müg vberfaren, so das swer abveli
Aber zu dem firmament auf stigen die allerlychtesten ding, wann zii dem
vndersten ist der fal lychtlich zu tun, aber zu dem obersten ist swarlich
aufzstygen. Darumb ist der weg zii der hell lycht vnd eben, vnd der
weg zu dem himel eng vnd swer; gar vil gand hyn ab, es stigen aber gar
wenig hinauf.
Der Tractatns Quadrantis des RobeituB Anglicus. 63
Von dem vmbgaiig des ertrichs.
56. Der mensch möcht von dem anfgang der sonnen vmb gen von
ainem end | zu dem andern vnd hyn wider an die selben stat auf dem land 73, u.
oder ze wasser jn schiffen, dz er jn gl jeher masz des wasers kern von
Orient gen occident vnd des gljch hin wider vmb; aber nicht gen norden,
wann da y5nter die ewigen kelti, vnd och nicht gen mittemtage, wann da
fand er die ewigen hicze.
Von dem himel ächsen oder nahen.
57. Die himelsnaben sind nicht vest noch stet; wann sj wancken vnd
zittern auf vnd ab als äin schif auf dem mer, als dz an der sper mag ge-
sechen werden.
Das hat ain end.
m^v^
ZUR GESCHICHTE
DEE PRINZIPIEN DER INFINITESIMALRECHNUNG.
DIE EBITIEEB
DER „THtOBIE DES FONCTIONS A2fALYTIQDES" VON LAGRANGE
VON
S. DICKSTEIN
IN WAB8CHAU.
Abb. nr Q«Mh. d. Matbem. Öt-
\
Die Onmdlagen der höheren Analysis nach den verschiedenen Anf-
fassnngen von Leibniz, Newton^ Euleb und d'ÄLEMBERT schienen den nach
Klarheit der Prinzipien strebenden Mathematikern des XYIII. Jahrhunderts
von der Strenge der Alten sehr entfernt und in eine dunkle Metaphysik
eingehüllt zu sein.^) Man suchte eine Methode und glaubte eine solche
finden zu können, welche von Infinitesimal- oder Orenzbetrachtungen granz
frei wftre, und die Grundlagen der höheren Analjsis auf dieselbe Weise ent-
wickele, wie die gewöhnliche Analysis ihre Sätze über endliche Grölsen.')
Den ersten Gedanken zu einer solchen Umbildung erfafste Lagranoe
in einer Abhandlung, die in den Memoiren der Berliner Akademie unter d.
Titel: ,JSur une nauveUe espece du calcid relaiif ä la di/f&entiaHon et Vint^-
gration des quantiUs variables" im Jahre 1772^) erschien. Hier giebt
Laqrange einen neuen, rein formalen Beweis für die Taylor'sche Reihe ^),
1) 8. M. CiJrTOR, Vorlesmigen über Geschichte der Mathematik lU. B. 1898.
p. 714 — 718; M. Simon, Zar Geschichte mid Philosophie der Differentialrechnung
in den ,yAbhandlangen sur Geschichte der Mathematik" Ym. Heft. 1898. —
LiaRAvos bespricht in der Einleitung zn seiner „Theorie des fonctions anaiyiiquei^*
die oben genannten Methoden und Auch Lahdbv's „Besidual ÄncdysisU und sagt:
„Ces vanoHons dans la manUre d'äablir et de präsenter les principes du caleul
differentiel et mime la dinaminatum de et edleuA montrefU, ce me semble, qu*on
n'aoait pas saisi la vMtable iMorie quoiqu'on etU trowd d'abard les r^gles les plus
ftmpZeg et les plus commodes pour U micanisme des opirationtf' (8. ed. 1847. p. 4. 5).
Vgl. anch Lagbamos^s „LeQons swr le calctd des fonctions, Legon premihref* (Ausgabe
Tom J. 1806. p. 1—8).
8) S. CaUsiü des fonctions S. 6
8) Oeuvres, t VII, p. 824— 82&
4) Der Beweis besteht in der Annahme, dafs, wenn u eine Funktion von
X igt, dann;
u{x + i)^u{x)+pi+p'V+'"
Seilt man erstens x -{- m vok Stelle Ton «, zweitens o -f* £ ui Stelle Ton £, so
erhält man zwei Entwickelungen fGLr « (o; -f* S + »)• ^^^ Vergleich derselben
iStri m Relationen zwischen den Coefßcienten der Reihe f fir « (dP -f- £)« ^^^ ^^1*
chea sich die erwünschte Form ergiebt. Vgl. Rbiff, Geschichte der nnend-
Hchen Reihen 1889. p. 160.
68 ^* ^^o:
und maclit die Bemerkung, dats dieselu^ ^ur Grundlage einer neuen Methode
der Infinitesimalrechnung gemacht werden könne.^)
Die Ausführung dieses Gedankens schien damals so wichtig, da£s mehrere
Mathematiker durch diese Bemerkung von Lagranqe angeregt oder vielleicht
auch unabhängig von ihm, dieses Ziel zu erreichen bestrebt waren. Bekannt
sind die bezüglichen Versuche von Condorcet^, Arbogast^, Pasquich*),
6) „Le ccUcul diffire^itiel considere dans toute sa gineraHiU consisU ä trouver
directement et par des procedes simples et faciles les fofictions p, p' p" • • • 2, 3% 3" • • •
deriv^ de la fonctum u, et le calcül integral cotisiste ä retrouver la fimction u par
le mayen de cttte demüre fonction. Cette notion des calcüls differentiel et inUgrai
me parait la plus claire et la plus simple qu'on n'avait encore donnee; eile est comme
on voit, independantc de toute mctaphysique et de toute theorie des quantitis infinit
mefit petites ou evanouissantes^' (Abhandl. aus d. J. 1772).
6) Über CoNDOBC£T*s Versuch berichtet Lacboix in seinem Tratte du col. diff.
et int. (30 ed. p. XXII).
7) AsBooAST hat der Pariser Akademie im Jahre 1789 eine Abhandlung vor-
gelegt, die den Titel hatte : ,^ssai sur des nouveaux principes du ealcul diff&entiel
et ifUegräl, indipendants de la theorie des infinement petits et des limitetf' (s. die
Vorrede zu dem „Calcul des derivations^^ desselben Verfassers, Strafsburg 1800).
LAaRANOE erwähnt diese Arbeit in der Einleitung zu seiner „TlUorie des fonetions
analytiques^' ; sie wurde nicht gedruckt. Vgl. Lacboix, Traite de calcul diffirentiel
et integral. Freface p. XXIX.
8) Pasquich, Anfangsgründe einer neuen Exponentialrechnung, im
VIII. Hefte des Hindenburg'schen Archivs der reinen und angewandten Mathematik
1798. S. 386 — 424. Diese Schrift war uns nicht zugänglich, aber die Hauptzüge
der darin entwickelten Methode von Pasquich entnehmen wir ans dem kurzen
Berichte über dieselbe, der in der Schrift v. Johann Schule: „Sehr leichte
und kurze Entwickelung einiger der wichtigsten mathematischen
Theorien*' (Königsberg 1803) enthalten ist Pasquich postuliert die Form der
Entwickelung y =^ Asf^ -^ B^ •\- Cs^ + ' * ' 1 wenn man in dieser Reihe jedes
Glied mit seinem Exponenten von z multipliziert, so hat man das sogenannte
Exponential von ^, welches durch By bezeichnet wird. Es ist also:
61/ = aAz"" + hBs? + eCz'' H
Hieraus ergeben sich die Hauptsätze:
B - xy '= y » sx -j- X ' sy; « • a?" — nx ^ • sx; f . — =3 2 2 , . . .
Die Grundoperationen der Exponentialrechnung sind also mit denen der Differential-
rechnung einerlei. Allein Pasquich — so lesen wir weiter — ist von der Absicht
durch seinen Calcul den Leibnizischen verdrängen zu wollen, selbst so weit ent-
fernt, dafs er im „Intelligenzblatte der Allg. Litt. Zeitung** 1798, N. 99
ausdrücklich erklSxt, wie er jeden neuen Calcul, wodurch man das zu ersetoen
suche, was der schlecht abgehandelten Differentialrechnung fehlt^ für ganz ent-
behrlich halte. — Aus derselben Quelle entnehmen wir noch, das Gbüsom*8 neue
Zur Geschichte der Prinzipien der Infinitesimalrechnong. 69
Servois*) u. a. Die „Th^hrie des fondions analytiques'' ist aber die be-
deutenste auf diesem Oedanken fnfsende Arbeit, in welcher Laoranoe nicht
nur das Ganze der Differential- und Integralrechnang nach einer einheit-
lichen Methode darlegt, sondern auch die Anwendungen der Analysis auf geo-
metrische und mechanische Probleme nach derselben Betrachtungsweise be-
handelt. *«)
Den Prinzipien der Lagrange'schen Methode liegen folgende zwei Be-
hauptungen zu Grunde:
1) Eine jede Funktion ist im allgemeinen in eine unendliche nach
ganzen positiven Potenzen des Arguments fortschreitende Reihe entwickelbar.
2) Infinitesimal- oder Grenzbetrachtungen sind zur BegrCLndung der
höheren Analysis gar nicht nötig; dieses ganze Grebiet der Wissenschaft kann
man sehr einfach auf algebraische Weise aus dem in der ersten Behauptung
ausgedrückten Satz entwickeln.
„Expositionsrechnung*' {Mimoire swr Je CküciH d'Expositian invenie par Jban Phi-
lippe Qbusoh, profe98€ur royal des maihSmcUiques, Berlin 1802) mit der Paaquich*-
schen Exponentialrechnang im Wesentlichen übereinstimmt.
9) SsBYOis hat zwei Abhandlungen über die Prinzipien der höheren Analysis
der Pariser Akademie in den Jahren 1806 mid 1809 überreicht. Dieselben wurden
nicht gedrackt. Der in den ,^naks de MaiMmatiques" Y, p. 98—141 (1814—1815)
publizierte Aufsatz: „Essai sur un nouveau mode d'exposvHan des prtncipes du
cakul diffirenUeV' ist ein Auszug aus jenen Arbeiten. Die Differenzen und Diffe-
rentiale Yon Funktionen werden hier vom Standpunkte der Theorie der Operationen
betrachtet {„La diffirenee et la diffirentielle posskient deux propriitis en c(mimwn:
d*Hft distributives et eammutatvoes entre eHesf*). Sbbyois' Standpunkt in Betreff der
Infinitesimalmethode charakterisiert der folgende Passus, den wir aus seinem
aweiten in demselben Bande der ,^nndUs de MaÜkimatiqueff* (p. 141—170) und
haoptaftchlich gegen WnoiisKi^s Philosophie des Unendlichen (s. unten) gerichteten
Artikel: „BSflexions sur Jes divers systhnes d'exposition des principes du calcul
differentiel et particuliirement sur la doetrine des infiniment petitsf' entnehmen:
,/e suis convaincu gue la mähode infinit^maie Wa m ne peut avair de thdorie
gu*en pratique; d'est un instrument dangereux entre Jes tnains des commenfants qui
imprime nieessairement et powr Jongtetnps un caractire de gauchSrie, de pussiJanimite
Ä kurs redierehes dana la carriire des appJieaiions, Enßn anticipant ä mon taur
«*r k jugefnent de la postMte fose prendre que cette mdthode sera un jour accusü
^ avec raison d'avoir ritardi le progris des sciences mathimatiques,"
10) Das Werk erschien im Jahre 1797 unter dem Titel: „TMorie des fondions
^^fMiytiques contenant Jes principes du caJcul differentieJ^ d^gagds de taute consideration
d'wfinUmenis petits, d'evanouissants, de Jimites et de fluxions, et rdduits ä Vanalyse
^»h^brique des quofUit^s finietf* (2» Aufl. 1813, 3^ besorgt durch Sbbbbt im Jahre
1S47, auch Oeuvres IX). Ein wichtiger Kommentar dazu, zum Teil auch ein selb-
ständiges Werk sind die „Legons sur le caJcul des fonction^* (zweite Auflage 1806,
OeworsB X).
70 S. Dickstein:
Die erste Behauptung sucht Lagranoe auf folgende Weise zu recht-
fertigen. Ist f{(t) eine Funktion der Variahlen x und setzt man x -|- t,
wo i eine beliebige Gröljse ist, an Stelle von x^ so wird die Funktion f{x'\-%)
in der Form einer Reihe f{x) + j)i -f" ?** "I" ♦**' + ' * * darstellbar; |>, 5, r-«
sind Funktionen von a;, die von i unabhängig sein sollen. Diese Yorans-
setzung, sagt er, wird ^durch die Entwickelungen bekannter Funktionen be-
-stätigt, aber niemand suchte bisher dieselbe a priori zu begründen. Die
Begründung soll darin bestehen, daiÜB für allgemeine (unbestimmte) Werte
von X und i obige Reihe keine gebrochenen und negativen Potenzen Ton i
enthalten dürfe. Enthielte sie nämlich gebrochene Potenzen, so würde die
Anzahl der yerschiedenen Werte der Reihe für f{x + i) — Lagrange hat
hier mit Wurzelgröfsen behaftete Funktionen im Auge — gröfser sein als
die Anzahl der yerschiedenen Werte der Funktion f{x)\ was ungereimt ist^^)
Enthielte aber die Entwickelung für fix-^-t) negative Potenzen von t^ so
würde f{x-\-i) für i = 0, also die Funktion f{x) selbst, unendlich, was
nur für einzelne Werte von x stattfinden kann.
Ist die Entwickelung der Funktion ({x-^t) in die Reihe
* /"(üp) +-?* + ?** + ♦'** + ••'
auf diese Weise begründet, so ist damit auch die zweite Behauptung ge-
rechtfertigt. Die Coefficienten i?, $, f, • • • der Reihe sind Funktionen von i\
nennt man den ersten Coefßcienten j^die de ri vierte Funktion der pri-
mitiven Funktion f{x) und bezeichnet sie durch f {x)^ so wird — wie
leicht zu beweisen ist — 2 g gleich der Derivierten von i?, 3 r gleich der
Derivierten von q u. s. w. Auf diese Weise erhält man die aufeinander
folgenden Derivierten der gegebenen Function: die erste f(x)'==p^ die
zweite /^' (x) = 2 g, die dritte /^'' (a?) = 2 • 3 • r u. s. w. Diese Derivierten
oder Ableitungen der gegebenen Funktion sind mit den nach der Infinitesimal-
oder Grenzmethode erhaltenen Differentialquotienten identisch, aber schein-
bar ganz ohne Grenzbetrachtungen hergeleitet Somit werden nach Lagrakoe
in der weiteren Entwickelung der ganzen Lehre Infinitesimalbetrachtungen
entbehrlich.
Die grofse Autorität des Namens Lagrakge hat der „TJiSorie des
foncUons cmalytiques** schnelle Verbreitung und grofsen Einflufs gesichert.
11) „Cette dSmonstratian'' — sagt Lagrange — ,jie8t generale et riffoureuse,
tont que X et i demeurent indäerminees; tnaü eüe cesserait de Vetre, si Von dowmt
ä x des vaiewrs düerminüa; car il serait possible que ees valewrs ditruissent quel-
ques radieaux dans f(x) qui powrraiefilt nianmoins subsister dam f(x)." {Thkim
des /*. 3<^. ed. p. 9.) Einige Fälle, in welchen „la rigle generale est en difautf* unter-
sucht Lagranok im Kapitel V seines Werkes.
Zur Geschichte der Friiuipieii der Infinitesimalrechnung. 71
Man bewanderte den Beichtom des Inhalts nnd die Vorzüge der vortreff-
liehen DarsteUung, während man der Begründnngsweise der Prinzipien der
Methode zuerst weniger Anfmerksamkeit schenkte.^^
Cabnot in seiner bekannten Schrift: „Beflexions sur la metaphysique
du calctd infinitesimal" betrachtet die Lagrange'sche Methode als eine
Art der „Mähode des inditerminees". Ihre Grundlage ist ihm ganz
12) In dem „Rapport historique sur le progris des sciences depuis 1789 et
sur leur äat actueP* (Paris 1810) lesen wir folgendes: ,^. Lagbakoe dans son
memoire eiUibre avait dSpose une de ees idies fieondes qui n*appartiennewt qu'aux
genies de premier ordre; ü aoait indigud les moyens de ramener au caleul purement
aigebrigue les procedSs du caleul infimtesimcil en icartawt soigneusement toute Vidie
de Vinfini, Frappis de ce trait de lumiire pHusieurs giomitres cherchaient des
develqppements que nul ne pottvait donner aussi hien que Vinventeur, M. Lagrahge
ayant aeeepti les fonetions d'instituteur de Vicole polyteehnique y cria sous les yeux
de ses auditeurs toutes les parties dont ü a depuis composi son Traiti des fonetions
analffiiqykes, ouvrage elassique dont ü serait bien superßu de faire aujowrd'hui
Vüoge et qu'%1 suffU d'aieoir eitS etc." Cbbllb (Darstellung der Rechnung
mit yeränderlichen Gröfsen, Bd. I 1813 p. 39 u. ff.) schreibt: „In dem
ganzen umfange der Prinzipien der Entwickelung, ja selbst der Anwendung der
Rechnung mit yeränderlichen Grölsen innerhalb des Calculs findet sich auch nicht
eine Spur Ton der Notwendigkeit der Idee des sogenannten Unendlichen, die die
Dunkelheit in diesem Teile des Calculs hervorgebracht zu haben scheint . . . Zwar
giebt es allerdings einen Ort, wo die Idee des Unendlichen notwendig gewesen,
oder yielleicht noch jetzt mehr oder weniger notwendig sein kann (nftmlich die
Anwendung des Calculs auf BaumgrOfsen), allein dieser Ort liegt nicht innerhalb
des Oalenls . . . Was die Schw&che auf der Stelle der Anwendungen des Calculs
betrifit, so ist bekanntlich auch diese in der That schon gehoben, denn derselbe
greise Mann, dem man die Berichtigung der Ideen über die Bechaung des Yer-
ändtflichen überhaupt verdankt, hat auch hier bewiesen, dafs die Ideen des Un-
endlichen wenigstens entbehrlich und der Übergang vom Caleul zur Anwendung
vennittelst Vorstellung möglich sei, die an Strenge und Eigentümlichkeit den
geometrischen Vorstellungen der Alten gleichen/*
Ober Lagrahgb's Methode haben auch früher Johamn Schulz (1. c.\ £. G. Fibchisb
(Ober den eigentlichen Sinn der höheren Analysis, Berlin 1808) sehr
günstig geurteOt.
Um auch Philosophen zu citieren, sagen wir, dafs Comtb in seinem „Cowrs
de Philosophie positiv^* (I vol. 1829) die Lagrange*sche Methode „la pHus ration-
neUe et la phu phHosophique de tautet^* nennt; nur für die Anwendungen scheint
ne ihm zu kompliziert zu sein. HsonL*s Logik, (nach C. Fbantz: „Die Philoso-
phie der Mathematik 1842) erklftrte die Methode von Laoranob als die am
meisten wissenschaftliche.
Den Taylor'schen Satz, welcher die Grundlage der Lagrange*8chen Methode
bildet, suchte man auf verschiedene Weise zu begründen. Die bezügliche Litte-
ratur findet man in Klüobls Mathem. Wörterbuch, 5«' Teil l«' Band 1881
Artikel „Tajlor*s Lehrsatz"; vgl. auch Bbiff 1. c. p. 156 u. ff.
72 S. Dickstein:
sicher ^^), die eigentliche Schwierigkeit zur Annahme dieser ,^ichtvol]en
Methode^^ sieht er nur in der Neuheit des Lagrange'sehen Algorithmus, dessen
Anwendung eine völlige ümarheitung der gesamten bezüglichen liitteratnr
nach sich ziehen müTste.^^) Eine eigentliche Kritik der Prinzipien der
Lagrange' sehen Methode finden wir bei Caknot nicht.
Lacroix sucht in seinem groljsen „Tratte du ccUcul differenUd et inie-
gral*' den Taylor'schen Satz auf indukÜTe Weise d. h. fOr besondere Klassen
von Funktionen zu begründen. Die ihm bekannten Beweise des Satzes be-
friedigen ihn nicht, weil sie zu abstrakt sind und nicht von der Pflicht
befreien die Ausnahmefälle einer besonderen Betrachtung unterziehen zu
müssen. ^^) Im dritten Bande seines Werkes, yielleicht durch einige da-
zwischen erschienene Kritiken^ von welchen gleich die Bede sein wird, be-
einflufst, scheint er manche Zweifel an der Begründungsweise der ersten
Behauptung von Lagrakoe zu hegen ^^), aber ein bestimmtes und sicheres )
Prinzip an deren Stelle giebt er nicht. j
Merkwürdigerweise sind die ersten Zweifel an der Richtigkeit der
13) „Afm de eonserver, dans toiU le cours de ms Operations, VexacUtuJe
rigoureuse dont ü s'est faxt la loi de ne jamats s^icarter^ Lagranoe, q%U fM anssi
usage des diffirenUelles, sous uns auire d6nomination et sous une autre «lokrfum, les
consid^e comme des quantitSs finies, indetermin^, En consSquenee , il ne fiigUgt
aucun terme et prend ses differentieUes comme on le faxt dans le calcul aux differenccs
finies, CPest ä quoi ü parvient par U tMorhne de Taylor, dont il fait la hose (Ze
sa doctrine^ et qu*il dimontre directement par l'andlyse ordinaire, tandis qu'avant
lui on r^e Vavait encore demontrS que par le secowrs meme du Calcul differentid^
(5. Aufl. S. 156).
14) Ainsi^ par exempU, il faudrait refondre toutes les coüections (»caddmigues,
tous les 6crits d'EmJOL et ceux de Lagbamob lui-memef' (1. c. p. 158).
15) Seconde Edition 1810. 1 Vol. p. XXL „Ges proposUiomf' , sagt er, ^ genS-
rales en apparence, ont plus d'ülat que d'uHhti^ puisqu'elles ne dispensent^ par de
Vexamen des cos oiH, eUes sont en dSfaut; il vaut mieux ne montrer ces eas qw
succesivement f ä mesure qu'Hs se prSsentent d'euX'memes, que de les faire prevok
d'a/vance et comme des accessoires, au moment ou U lectewr n'embrasse qWaioec peine
le petit nombre d'idies principales que vous lui präsentes"
16) „JEn rapportant ici (Chap. UI du 1 Vol. p. 339) le raisonnement sur Uqvel
s'appuie Laoranoe pour prononcer que le diveloppement gineral de l'accroissemetit
d'une fonction ordonnee suivant les puissances de celui de la variable indSpendante
ne doit point conlemr de puissances fractionnaires de ce dernier, &est ä dessin qite
je me suis servi du mot „paraitf' (ligne II en remontant), parce qu'en effet ce n^esi
la qu'un apergu qui anrait besoin d'etre justifid par des pretwes que Vauteur de h
„Th^rie des fonctionsf* n'a point donnies. Le principe quHl emploie est tres ad-
missibU comme explication de la circonstance qui rend la sirie de Tatlob inapfH-
cable^ mais nonpas comme un principe imdent par lui mSme dans Vetat giniral i'cs
choses*' (Lacboix, Traite etc. UI 1819, p. 629—630).
Zur Geschichte der Prinzipien der Infinitesimalrechnung. 73
Lagrange'schen Prinzipien von nichtfranzösischen Mathematikern erhoben
worden: von Bubja, Wrok8ki, Sniadbcki, Bolzano.
In einer Abhandlung unter dem Titel: ,ßur le devehppement des fonctions
tn series" (Memoires de TAcademie de Berlin, 1801, S. 21) sagt Burja,
daÜB zwar der Versuch Laorakge's Behauptung filr einfachere Funktionen
bestätige, aber man sehe nicht ein, warum dieselbe auch fär veryäckeltere
Funktionen wahr sein müsse. Der zweite Teil der Lagrange'schen Beweis-
fahrung (n&mlich die Relationen zwischen den Coefficienten betreffend) sei
zwar ganz richtig, aber es bleibe doch eine Schwierigkeit, nämlich die Be-
gründung der Möglichkeit der Entwickelung. Bukja glaubt dieser Schwierig-
keit auf folgende Weise aus dem Wege zu gehen: „Man sage nicht, dals
jede Funktion in eine unendliche nach ganzen positiven Potenzen des Ar-
guments fortschreitende Keihe entwickelbar sein müsse, sondern nur, dafs
man jede Funktion so behandeln könne, als wenn sie in eine solche Potenz-
reihe entwickelbar wäre. Der weitere Fortgang der Rechnung, nämlich die
Bestimmung der Coefficienten, wird dann zeigen, wann diese Annahme als
begründet, wann aber als unzulänglich zu betrachten ist^S^^
Tiefer wurde die Sache von Wronski erfafst. Als eifriger Anhänger
der Leibnizischen Differentialmethode und der Kantischen Philosophie pro-
testiert er energisch gegen die Verbannung des unendlichen aus der Analysis.
In seinem Werke: „Philosophie der Mathematik^' erklärt er die Grundlage
der Lagrange'schen Methode als wissenschaftlich falsch, weil dieselbe ein all-
gemeines theoretisches Gebiet, d. h. die Differentialrechnung, auf eine
spezielle technische Form, als welche er die Taylor'sche Reihe betrachtet,
zu begründen sucht.^^ In einer besonderen Schrift u. d. T.: „Befutation
de la Theorie des fondums analytiques de LAGRANaE'^ (Paris 1812)^^ werden
17) Einen ähnlichen (bedanken scheint Ohx in seiner Schrift „Geist der
Differential- nnd Integralrechnung 1846: — wie wir den Worten von
HiiTKEL (Art. Grenze in der „Allgem. Encykl. der Wiss. n. d. E. von Ebbch und
Gbcus" XC. 1871) entnehmen können — ausgesprochen zn haben.
18) ItUroducHon ä la Philosophie des maihimatiques et Technie de Valgorithmie
par Jf. Eoiksi de Whohski Paris 1811.
19) Die Schrift besteht aus drei Stücken. Das erste (p. 1-— 40) auch unter
dem Titel: „E^utaiüm etc.'' wurde der Pariser Akademie vorgelegt, aber durch
die Berichterstatter Lboehdbb und Arago abgelehnt. Das zweite Stück (p. 41—81)
handelt über die: „Insufissance de la dSmonstration du ihiorhme de Tatlob, teniee
pof M. Poissoh''. Das dritte (p. 88—110): „Quelques observations concemant U
rappoti faü ä la Glosse des sciences de VlnstiM pour le premier de ces mimoiretf'
ist eine in sehr gereiztem Tone geschriebene Replik. In den Noten behandelt
WBoisu: Algorithmische Fakult&ten, progressire und regressiye Differenzen und
giebt einen rein formalen Beweis der allgemeinen Entwickelung nach Fakultäten.
74 S- Dickstein:
die Prinzipien der Lagrange'schen Methode einer ansfäbrlichen Analyse unter-
worfen. Den Ausgangspunkt bei Lagrange bilden die Formeln:
1) /-(X + i) -= ^ + Bi + Ci« + . . .; 2) f(x + 0 = fip) + »i»-
Woher, fragt Wronski, kommt uns die Kenntnis der Form 1), wie kann
man ihre Möglichkeit begründen, ist eine jede Funktion fix-^-i) als solche,
mit der Beihe 1) identisch oder nur gleichwertig? Lagrange behauptet,
dafs die Entwickelung im allgemeinen nur ganze positive Potenzen von i
enthalten müsse, und dafs nur für spezielle Werte von x gebrochene und
negative Potenzen in der Beihe vorkommen können. Nach Wronski kann
eine jede Funktion 9 {() im allgemeinen in eine Beihe nach Potenzen z. B.
von a -f' K ^ entwickelt werden ^ und das wechselseitige Kompensieren der
Glieder mit gebrochenen Exponenten von », von welcher bei Lagrange die
Bede ist, kann sich nur als Besultat der Ausrechnung des Wertes för
spezielle Werte von x ergeben. Die Lagrange'schen Prinzipien könnten
also höchstens hypothetischen Wert und daher die Methode selbst nor
problematische Gewüüsheit besitzen, während doch die Differentialrechniuig
apodiktisch sein soll. Wäre aber auch die Begründung bei Lagrange
ganz fehlerfrei, so würden doch seine Prinzipien zur Darlegung der Infini-
tesimalrechnung unzureichend sein. Denn niemals könnten die Sfttze l) nnd
2) eine unabhängige und absolute Erklärung der Coefificienten Ä^B^C"
ergeben. Die Natur derselben kann keineswegs durch die Bezeichnung der
Btolle, welche sie in der unendlichen Beihe einnehmen, präzisiert werden.
Würden wir eine allgemeinere Entwickelungsreihe, z. B. die nach den Fakol-
iäten von g){x) fortschreitende Beihe
i^(x + i) = F{x+j) + r (x)ip(xy/^ + r' (x) ip(xy/^ + ' "
/um Ausgangspunkte nehmen, so würden wir zu ganz anderen Derivierten
Ifollilirt werden. Dieselben hätten im betrachteten Falle die Form
MMi( IUI' luinndlich kleine Werte von J ^nd für g)(t) = t würden diese
liuMvihrUtti dio (Gestalt
U(i) IH0 AtiNtlrflcke W im Zähler sind die zuerst von WxorfsKi eingefBhrten
|Mlti>ii<h4 fuiiil JMtfcrantial)-Determinanten, die bei ihm „fondiofis se^in" heiTsen
Miiil JnUI. 11II. t,Wrim$kiane" genannt werden. Für i mufs eine der Wurzeln der
iilti)i4iMfiuttM <!' I»; — <> genommen werden.
Zur Geachichie der Prinzipien der Infiniteaimalrechnong. 75
x^/,N_ dF(x + i) p../ N_d«F(a:+i) / • _ ^^
-^ W = äi ' ^ W = i.2.d7«^» . . . (t = 0)
annehmen, wo ef die unendlich kleinen Differenzen bezeichnen. Erst die Be-
trachtang dieser durch die unendlich kleinen Inkremente definierten Gröfsen
erklärt nach Wronski die Bedeutung der Derivierten F'{x)^ F'' (x) - • '
Zwei Jahre nach der ,^^futation" erscheint wieder eine neue Schrift
von Wronski: „Philosophie de Vinfini, contenani des contre-reflexions et r6-
flexions sur la mäaphysique du caicul infinMsimal*'}^) In ihrem kritisch-
polemischen Teile ist dieselbe hauptsächlich gegen Carkot's: „Bdflexions
stir la metaphysique du caicul infinUesimcU" und auch gegen die zweite Auf-
lage der Lagrange'schen „Theorie des fonctions analytiques" gerichtet. Wronski
wiederholt hier ausführlich seine früheren Einwände gegen die Prinzipien
von Lagrange. In dem positiv-historischen Teile der Schrift unterzieht er
alle bekannten Methoden der Begründung der höheren Analysis einer ver-
gleichenden Betrachtung vom Standpunkte seiner Philosophie.'^) Als Schlufs
21) Die Schrift besteht aus folgenden Stücken: 1) Gontre-rSflexions sur la
metaphifsique du caicul infimtesimal (p. 1~ 30). 2) Phüoaophie de ccHctU infinitesi-
mal (32--68). 3) B^ponse d la seconde edition de la TMorie des fonctions analyti-
ques de Laoramoe'' (p. 69 — 98). 4) Sur Veloge de M. le comte de Laobange (p. 99 — 121).
In den Noten behandelt Wbonski: „die allgemeine Methode der Approximation
oder die algorithmische Exhaustionsmethode (p. 121 — 166) und die primitive Bil-
dung der Differentiale*' (p. 167 — 171). Die Behandlung ist rein formal.
22) Um den Leser eine Einsicht in Wbohski^s Betrachtungsweise zu gewähren,
geben wir hier einen kurzen auf die Metaphysik der Infinitesimalrechnung sich
beziehenden Auszug aus dieser Schrift (p. 34 u. ff.) : „Avant tout, il faut reconnaUre que
Videede Vinfini est unproduit inteUeetuel tout ä fait ddfferent de celui qui constitue la
conception cV%tne quantite finie. Ce sont deux fonctions de notre savoir tout ä fait
hiHeroghies. Vune, Va conception d'une quantiti finie est un produit de l'enten-
dement qui, sous les conditions du temps qui lui sont propres, introduit une unite
intellectueBe ou une significatian dans Vetre opposi au savoir, L'autre, Vi die de Vin-
fini est un produit de la raison qui, en lui-meme, se trou/ve hors des conditions
du temps et par eonsSquent inapplicable ou transeendentale dans Vusage constitutif
que nous fcUsons du savoir pour la connaissanee de VHre. Employi au moins d'une
mani^ regulative, en le soumettant,par Vinfluence du jugement, aux conditions du
temps qui hU sont ärangbres, ce produit de la raison^ Vidie de Vinfini, tramsformee
OMM» en Vidie de Vindifini sert ä lier les coneeptions mime que nous avons de la
qtumtitd . . . (Test cette importante distinetion transeendentale, qui est le noeud de
la mäaphysique du caicul infinitesimal ... Le premier risuUat que nous obtenons
de eette dinstinetion transeendentale est le precepte nigatif de ne pas confondre
dans VÄlgoriffunie les Uns ohjectives des quantitis finies avec les lois pure-
9t€nt subjectives des quantitds infinitSsimales . . . Or, ce principe des
lois subjectives faisant Votjet du caicul infinitisimdl n'est autre rien que le grand
principe meme du caicul infinitdsimal, savoir: „Tkux quantitis qui ne diffirent
. DickBtF^in:
dieser Betrachtung ergeh eint die Behauptung der Unzulänglichkeit
Lagrange'schen Methode,
Sniadecki, der seioe Einwände gegen die Grundprinzipien der ..Th^
des ibncliotis" LACiRAur.E persönlich (1804) vorgelegt haben so!I, erklärt!
seiner Schrift*^), dafs dessen Methode im Grunde genomtuen mit der Gre
niethode identisch ist. Laorange dividiert die Gleichung für die entwickaÜ
Differenz f(x ~\- i) — / (-i^) durch den Zuwachs i und betrachtet dec Qu
tienten für i = 0; es wird dann die eine Seite der Gleichung - ,
aber enthält ein von i freies Glied d. i. den Wert des Düferentialquotieata
Während aber die Grenzmethode ganz klar ist, lilfst uns die Begründoi
bei Laqranob unbefriedigt, weil sein Hauptsatz, dafs man i so klein wäbli
könne, dafs jedes Glied der (konvergenten) Reihe f(x) -j- ip + ('17 + -i
gröfser sei als die Summe aller darauf folgender Glieder in der Reib
theorie zwar unzweifelhaft wahr, aber in der Differentialrechnung, die o
blofs approximativ verfiLhrt, als l^rinzip nicht gelten darf.
Wenn auch die meisten Einwände der oben genannten Kritiker 1
unberechtigt waren, eine definitive Lösung der Frage konnten sie doch niol
erbringen. Dieselbe konnte nur von einer tieferen Auffassung des Funktion!
begriffes, von einer strengeren Behandlung der Stetigkeits- und Konvergeni-
fragen ausgehen. Bolzano ist vielleicht der erste Mathematiker im XIX. Jahr-
hundert, der ein feineres Gefühl für eine strenge Behandlung der GniDd~
Probleme der Mathematik hesafs. In seinen von den Zeitgenossen leider
nicht gehörig beachteten oder schief beurteilten Schriften, bemühte sicfa
Bolzano ein strengeres Verfahren für die Beweise mehrerer Grunds&tze d^f
höheren Anal^is zu schaffen. Er hat den richtigen Begriff der Stetigkeit
der Funktionen eingeführt**), einen wichtigen Satz Über die Grenze der Ve^
eiUre elles que d'um quanlile indefinimenl plus petlte, sont rigoweusement igi^f/'-
E» folgt dann die „metaphjaiache Deduktion" dieses FriniipB. Gsnaom ggji
S&RV018 haben diese Philosophie der Mathematik von WnoiIaKt sebr atharf an-
gegriffen.
23) J. Shiadecki! 0. JiSzEFiE LrDwiKu DE LAonKsoE, pititrs:ym ;ieomt
mieku. Wibo 1816 (polniich).
^4) „Nach einer richtigen ErklüruDg versteht man unter der l^giienti
dafB eine Funktion f{xj für alle Werte von x, die inner- oder aufaerha.\y, ~
Grenzen liegen, nach dem GeaelKe der Stetigkeit sich Tindre, nur ^^ ^q\^
wenn x irgend ein solcher Werth ist, der Unterachied fix + a») — *> ,^\ ^inni
lila jede gegebene Gröfse gemacht werden könne, wenn mun ra bo tVci- »\* '^
Diir immer will, annehmen kann" {„Hein anal jtieclier Bcwei ^ ,gg V>e^*
»wischen je iwei Werten, die ein entgegang^ ^U*^^* ^'
migdtena eine reelle Wuriel derGleicW/* ..Ue««
Zur Geschichte der Prinzipien der. Infinitesimalrechnung. 77
änderlichen Grö&e formnliert^) und der Beihentheorie einen allgemeinen
Konvergenzsatz zn Gnmde gelegt.^) Schon aus diesen Sätzen würde sich
eine strengere EritilE der Lagrange'schen Methode als bisher ergeben können.
Was den Tajlor'schen Satz betrift, so kann Bolzano nicht verbergen, dafs
er ihn nicht ganz in dem Sinne und in der Allgemeinheit zugebe, wie man
ihn gewöhnlich darstellt. Er hatte sich blofs zum Gesetze gemacht den
Satz nur unter solchen ümschr&nkungen und auf eine solche Art zu ge-
brauchen, wie er es nach seinen eigenen Begriffen glaubt rechtfertigen zu können
und zu seiner Zeit thun wilL'^ Ob er das gethan und seine Betrachtungen über
den Taylor'schen Satz niedergeschrieben hat, wissen wir nicht^ Jedenfalls
haben die Gedanken Bolzano's den Beifall der damaligen Mathematiker nicht
erworben und blieben ohne Einfluls auf die Entwickelung der Analysis.*^)
£s war Cauchy vorbehalten die Beformperiode der Wissenschaft zu beginnen.
Über die von Caucht in seinen grundlegenden Werken {Cowrs d'ana-
hfse (dgünique 1821, Büumd des leqons donnSes ä VikoU polytedtmque 1823,
Leqons sur le ccdcul diff&enüd etc. 1829 etc.) aufgestellten Prinzipien der
Methode der unendlich kleinen Gröfsen, über die Grundlage seiner Funktionen
und Beihentheorie brauchen wir hier nicht näher zu berichten^), denn
26) ^Wenn eine Eigenschaft M nicht allen Werten einer yeränderlichen
Gröfse Xf wohl aber allen, die kleiner sind, als ein gewisses «, zukömmt, so giebt
es allemal eine Gröfse ü, welche die gröfste derjenigen ist, von der behauptet
werden kann, dafs alle kleineren x die Eigenschaft M besitzen'* (daselbst p. 41).
Dieser Satz wurde von Wxoebstsabs in seinen Vorlesungen yerwendet.
12 n n+r
26) „Wenn eine Beihe von Groben F{x\ F{x) - • • F{x) • • • F{x) von der
n
Beschaffenheit ist, dafs der Unterschied zwischen ihrem n-ten Gliede F{x) und
« + '•
jedem späteren F{x\ sei dieses von jenem noch so weit entfernt, kleiner als jede
gegebene Gröfse rerbleibt, so giebt es jedesmal eine gewisse bettftndige Gröfse,
Q&d iwar nur eine, der sich die Glieder dieser Beihe immer mehr n&hem, und
der sie so nahe kommen können, als man nur will, wenn man die Beihe weit
genug fortiefait'* (daselbst p. 86).
27) Die drei Probleme der Bektifikation, der Gomplanation und
der Cubirung u. s. w. Leipzig 1817, p. 11.
28) 8. auch BoLZAHo, „Paradozien des Unendlichen^* (1860). Zweite unver-
änderte Auflage. Berlin 1889. p. 69. Vielleicht wvden noch manche Arbeiten von
BouAso in seinem Nachlasse angefunden werden. Vgl. F. J. Studhicka, Bericht
über die mathematischen und naturwissenschaftlichen Publikationen
der kg. böhmischen Ges. d. Wiss. w&hrend ihres hundertjährigen Be-
standes, Prag 1884. p. 119.
29) Eine Würdigung der Leistungen Bolzaho^s geben Hakkxl (Art. Grenze
in der AUg.Encykl. yon Ebsch und Gbdbbb) und 0. Stolz (Bolziho'b Bedeutung
in der Geschichte der Infinitesimalrechnung, Math. Ann. XIX).
30) Wir citieren nur folgende Worte aus den Vorreden zu den Cawn d'ana^
8. DiokBtei
diese Leistungen beherrschen noch gegenwärtig das gesamte Gebiet J
Aoalfsis. Durch diese Arbeiten von Cauchv sind die Infinitesimal -
Grenzmethoden von jener gefürchteten Metaphysik befreit and die
über die Giltigkeit der Prinzipien der Lagrauge'schen Methode vollhoofi
erledigt worden.
Die späteren Kritiker and Historiker, wie Uouiuiot'"^, HakkelH
pREYCi-NET**!, Mambion**J, Vivasti'^) u. a. konnten schon in den ]
sprecbnngen der Lagronge'scheu Methode die von den älteren Kritikema
Uobenen Einwände durch mathematisch überzeugende Belege verstärken.]
Das unmittelbare Ziel, welches LAon^uiiiE durch seine Methode znj
reichen suchte, wurde zwar nicht eiTeicht'^), aber die Potenzreihe, der i
lyse und den Lei'. ^«'' '<^ calcub „En pattaid de la coHttnuite des fonctwtu jt
pu me dispettser de faire aimutitre hs propriWÄ priiicipalt« des quantitcs inßm
petiteg, propriiiis qui titneiit de base au calcttl inßttitetimal . . . Quant aux
thodes fai ehereM ä Imr doniur touU la rigueur gu'o« exige m geomctrie, dt manitn
n ne jamaü recourir mtx raisons tirees de la generalitd de l'ätgebre. Lta rawone
de cette espice, guoique ossk eommutiemeta adptüea . . . ne peuvetU Hre eonaidMai,
ee me semble, qae eomme den induetions propres ä faire pretsenlir quelquitfois la
oifrile mais gut s'accordent peu aeee l'exaelitude m vantee dts sciencea tnath^aUqMt.
On doit meme obuerver qu'elles tmdent ä faire attribuer aux farmules algibrxquea mw
itendue inddfinie, tandis que dans la realile la plupart de eeg formulet aubeietenl
uniquement sous certatnes conditions et potir certaine» valeure des qtiavtites qu'etits
renfermenl."
,Jja forviule de Taylor tte peut plus itre admite comme generale, gu'autoM
qu'elle est reduite ä un nombre fini de ttrmes et completü par un reste. Je n'igiwrt
pae gu'en fatsant d'abord abstraetion de ce regte VUlustre auteur de Ja „Micani^
analytique" a pria la formule dont it s'agit pour base de sa Ü\6orie des ftmctiont
derivees. Mais malgri tout (e respect gue commande une « gra/nde autorite. In
plupart des geovietres t'accordenl niainienant ä reeonnaitTe l'ineertitude det resultals
avxquels on peut itre conduit pnr Vemploi des senes divergentes. II y a plm, U
thiorhne de Tiilor senMe dans certains cas fownir le developpement d'itne fonction
en Serie convergente quoigue la somnte de la serie differe essentiellement de la foticlion
propoue." Das klaBBische von Cauchv gegebene Beispiel einer solchen Funktion
i«t wohlbekannt S. Stolz, GrundEüge der Differential- und Integral-
rechnung I, Bd. p. 106.
31) CuüBsoi, Traue lilemetttaiTe des fonctions et du aal. inf. 1841.
32) Samei^, Art Graute 1. c.
33) FsBvcotKT, De Fanalyse infinitesimale. Paria 18S1, 2 iä. p. 2SS.
84) HAasioa, Sesumi du eours tj'onolyse infinitäimale. Paris 1
36) G. ViTAMii, II eoncMo d' infvnitegima e la ma applicaxitme nelia malen
Mnntova 1894, p. 97. 12-1.
30) Der Einfluls der in der „Theorie des fonction» analj/tigties" ontbaltenea
Gcaichtspnnkte und Methoden ist noch jetit merkbar. Gine WSrdigung ihrer ge-
BcbicMi:»' ''ledeatong findet man bei Bauj. u. Nöiveb; ,rDie Entwickeluog
braiachen Funktionen in älterer und neoeret
p. SMifl
alemtMeä^
Zur G^Bchichte der Prinzipien der Infinitesimalrechnung. 79
gangspnnkt seiner Betrachtangen , wurde bekanntlich in einer neuen durch
Caucht^s Vorarbeiten vorbereiteten präziseren Auffassung das Fundament der
modernen Theorie der analytischen Funktionen, wie sie uns in den Schöpfungen
Yon Weiebsträss'^ und M^rat^ jetzt fertig dasteht
Es ist auch nicht zu verkennen, daljs die Tendenz, welche Laoranoe
in seiner Schöpfung leitete, n&ndich die Algebraisierung der höheren Ana-
lysis, nicht ohne Einwirkung geblieben ist. Dieselbe Denkweise hatte auch
in unserer Zeit zwei grofse Vertreter: einen Weierstrass und einen
Kronecker. Ob diese algebraisierende oder gar arithmetisierende Richtung
wissenschaftliche Resultate in völliger ünabh&ngigkeit von jener zweiten
Denkweise — wir nennen sie intuitiv — hervorzubringen im stände sei,
ist eine Frage, die wir hier nicht erörtern können.^') Es scheint aber das
Zusammenwirken beider Sichtungen ein m&chtiger Faktor der Förderung
der Wissenschaft zu sein. Die „Theorie des fonctions analytiqiAes" hat zu
beiden Sichtungen beigetragen, indem sie die schöpferischen Oeister je nach
Individualität zur Erweiterung und Vervollständigung der in ihr liegenden
Ansätze in der einen und in der anderen Sichtung anregte.
Zeit'^'im III. B. des „Jahresberichtes der Deutschen Mathematiker -Vereinigung"
Berlin 1894, p. 150—166.
37) „N(mB sommea dibarania (par Ja conception de Weierstrass^" — sagt
PoiKcABi in seiner neuesten Arbeit, L'oetivre nuUfUmcttique de Weierstrass'' (Acta
mathemaiica XXII p. 7) ^/ies dovUs qwi au süeJedemier et dana la premüre moiM
de ee tiide iusaülaient sauvent les penseurs ä propoa dee principes du cäleul tn/im-
täiwuü et ausei de ceux que pauvait provoquer par ses laetinea la iMorie des fonctions
amlytiqttes de Laoramob. Toute eela n'est plus an^ourd'hui que de Vhistaire an-
detme." Ein Bmchstflck dieser ,^istoire anciewnef* haben wir versucht im gegen-
i^itigen Artikel su geben.
88) M^RAT, ^Jje^fons wmveUes sur V Analyse infinüSsimdk et ses appUeations
Swmäriq^etf" 4 Bde. 1894—98. Seinen Standpunkt erklärt Mj^rat in der Vorrede
tarn L Bande, insb. p. XIV— XVni.
39) Vgl. Eleih, The JEvansUm CoUoquium. 1894. p.41 und Über Arithmeti-
liemng der Mathematik (Nachrichten der kgl. Gesellschaft der Wissenschaft
in Götfcingen, 1895 S. 82—91). Vgl. anch die oben citierte Arbeit von Poihcark
p. 16—18 und FknasHBiM, „Irrationalsahlen nnd Gonvergens unendlicher
ProiesBe^' in der EncyklojAdie der mathem. Wissenschaften, I Bd. 1^ Heft p. 64.
Warschau, im Dezember 1898.
8. Dickstein.
mo33
P. W. WAMENTIN
UND DIE SOGENANNTE HALLEY'SCHE METHODE.
EIN BEITBAO
ZUR GESCHICHTE DER MATHEMATISCHEN STATISTIK
VON
G. ENESTRÖM
TU STOCKHOLM.
A.bL nr 0«Mh. d. M»ih«m. IX 6
In der ßeyölkerangsstatistik sind bekanntlicli verschiedene Methoden
angewendet worden nm Sterblicbkeitstafeln herzustellen. Von theoretischem
GesichtBpnnkte ans ist es offenbar am einfachsten eine Anzahl yon Per-
sonen während ihres ganzen Lebens zu beobachten und dabei zu notieren^
wie yiele yon ihnen 1, 2, 3, u. s. w. Jahre erfüllen; hierdurch erhält man
nämlich ohne jeden Calcnl unmittelbar die gewtLnschte Tafel. Indessen
kann dieses Verfahren, das bei Leibrentnem anwendbar, wenn auch nicht
immer empfehlenswert ist, nur ausnahmweise f&r eine ganze Bevölkerung
benutzt werden, teils wegen der Ein- und Auswanderung, teils weil die
Sterbelisten oft nur das Alter, aber nicht zugleich da^ Geburtsjahr der
Verstorbenen enthalten, so dafs man nicht im Stande ist, das Absterben
der besonderen Jahresgenerationen zu verfolgen. Darum ward man ver-
aolaüst, sich nach anderen Methoden umzusehen, und in der That sind
deren viele ersonnen worden; ein zu empfehlendes Verfahren ist z. B. zuerst
mit Hilfe der Volksz&hlungs- und Sterbelisten Sterblichkeitswahrscheinlich-
keiten for die verschiedenen Altersstufen zu bestinmien, und dann, nach-
dem man eine beliebige Anfangszahl, z. B. 100,000 gewählt hat, durch
wiederholte Multiplikation die successiven Zahlen der Überlebenden zu
berechnen.^)
Im achtzehnten Jahrhimdert gab es aber in den meisten Ländern
kerne Volkszählungen, xmd man bediente sich darum einer anderen Methode,
die gewöhnlich die HALLEV^sche genannt wird. Nach dieser Methode brauchte
1) Andere Methoden sind z. B. die HEBRHAior'sche und die sogenannte An-
baltiache, welche beide nnr von Sterbelisten und Geburtenzahlen Grebrauch machen
(Biehe KxAPP, Über die ErmiUlung der Sterblichkeit aus den Aufzeichnungen der
Bevolkerungsiftatistik, Leipzig 1868, S. 84 — 97). Diese Methoden, von denen letztere
l)e8onderB auf die Geburtenvertellmig Bficksicht nimmt, würden zwar empfehlens-
wert sein, wenn die Sterblichkeit während einer längeren Zeit unveränderlich
wäre; da aber dies im Allgemeinen nicht zutrifft, kann man ihnen keinen
grSfgeren Wert beimessen; jeden&llB sind sie unanwendbar, wenn man die Sterb-
lichkeit in einem bestimmten Zeiträume näher untersuchen will. Der Ansicht
KxApp's (a. a. 0. S. 97), die Anhaltische Methode sei nicht nur die strengste, sondern
auch die einiige strenge unter den bisher bekannten indirekten Methoden, kann
ich Übrigens nicht beistimmen.
6*
84 G. EnestrOm:
man nur die Zahlen der Verstorbenen eines Zeitraums, geordnet nach Alters-
klassen, zu kennen, um durch allmähliche Summation dieser Zahlen, Tom
höchsten Alter ab, die Absterbeordnung einer Generation herzuleiieQ.
Wenn also im beobachteten Zeitraum mx Personen im Alter yon x/x -f 1
Jahren gestorben waren, und wenn a>/a> -|- 1 das höchste beobachtete Sterbe-
alter war, so folgerte man, dafs aus einer Generation von
»»0 + % + »»2 H f- «*«>
Personen die Anzahl derer, die ein Alter von x Jahren erreichen würden,
gleich
m^ + wix+i + nix-^2 + • • • + Wo,
war, und um die Absterbeordnung einer Generation von z. B. 100,000 Per-
sonen zu erhalten, genügte es, die ursprünglichen Zahlen mit
100,000
^0 + »»1 + »*i + • • • + «>«
ZU multiplizieren.
Es ist unmittelbar einleuchtend, daüis im allgemeinen^) das soeben
geschilderte Verfahren nur dann gültig ist, wenn man Yon der Voraus-
setzung einer stationären Bevölkerung ausgeht, und dafs es also in den
meisten Fällen ein mehr oder weniger fehlerhaftes Resultat') giebt; folg-
lich ist es eigentlich als ein Notmittel zu betrachten, dessen Anwendung
beschränkt werden muTs auf Fälle, wo die Verteilung der Bevölkerung
nach Altersklassen entweder gar nicht, oder wenigstens nicht mit Genauig-
keit ermittelt werden kann.
Bekanntlich war Schweden das er^te Land, wo die statistischen Er-
hebungen nicht nur Geborene und Verstorbene, sondern auch Lebende, nach
Altersklassen geordnet, umfafsten, und man könnte darum vermuten, dals
die sogenannte HALLEv'sche Methode in diesem Lande zuerst verworfen
werden würde, besonders als die erste wissenschaftliche Bearbeitung des
schwedischen Bevölkerungsmaterials in die Hände des vorzüglichen Astronomen
P. W. Wargenti» (1717—1783) fiel. Lidessen ist Knapp in seiner Theorie
des BevöJkenmgswechsds zu dem Resultate gelangt, dalüs Wakgemtin in
seinen bevölkerungsstatistischen Arbeiten nicht nur diese Methode ohne Vor-
behalt benutzte, sondern auch dieselbe zuerst als von Hallet herrührend
bezeichnete, und dadurch zu einem literarhistorischen Lrtum Anlafs gab;
nach Enapp's Untersuchung hat nämlich Halley selbst die Methode nicht
benutzt. Zugleich hat sich Knapp über Wargentin als theoretischen Be-
2) In seiner soeben citierten Arbeit hat E[happ (S. 88—84) die Bedingungen,
unter welchen die sogenannte ELALLST'sche Methode gültig ist, ontersncht.
3) Vgl. Knapp, Theorie des Bevölkerungswechsels (Braunschweig 1874), S. 66 — 66.
P. W. Wargentin und ctie sogenannte Halley^sche Methode. 85
Yölkernngsstatistiker selu' ungünstig ausgesprochen. Zwar beruft er sich
dabei nur auf die erste Abhandlung, in der Wargentin die Ermittelung
der Sterblichkeit behandelt hat, und da es schon yon einigen Verfassern^)
bemerkt worden ist, dals dieser in seiner späteren Abhandlung über den-
selben Gegenstand sich einer ganz anderen Methode als der sogenannten
HALiiET^schen bediente, so könnte es scheinen, als ob es unnötig w&re, auf
Knapp's wesentlichste Bemerkung gegen Warqentin Bücksicht zu nehmen.
Da aber diese Bemerkung von anderen Verfassern wiederholt worden ist,^)
und da es jedenfalls von Interesse sein kann, zu entscheiden, in wieweit
Knapp's harte Beurteilung der WAROENTiN'schen bevölkerungsstatistischen Ar-
beiten berechtigt ist, so werde ich mir erlauben, an dieser Stelle nfther auf sie
einzugehen. Besonders beabsichtige ich die zwei folgenden Fragen zu be-
antworten:
1) Hat Warqentin ohne Vorbehalt die sogenannte HALLEVsche Me-
thode benutzt, um die Absterbeordnung einer ganzen Bevölkerung zu er-
mitteln?
2) Hat Wargentin diese Methode als yon HaujEt herrührend be-
zeichnet?
I.
Schon in .einer 1754 yeröffentlichten bevölkerungsstatistischen Abhand-
lung^ hatte Wargentin Gelegenheit im Vorübergehen die Frage nach der
Ermittelung der Sterblichkeitsverhältnisse einer ganzen Bevölkerung zu be-
rühren. Es handelte sich aber dort nicht um die Bestimmung der Absterbe-
ordnung, d. h. wie eine gegebene Anzahl von Altersgenossen sich im Laufe
ihres Alters vermindern, sondern um die Sterblichkeitsziffer, d. h. das Verhältnis
4) Siehe z. B. Nicandeb, Täbeü-värkets tüktand ifiran 1772 tm 95. YUi Om
de lefvandea ßrh&Uande tili hvarandra och tül de döda, % alla atdrar^ smnt den
satmoUka ßr dem aterstaende lifstiden, [Svenska] vetenskapsakademiens
nya handlingar 22, 1801, S. 67 — 68. — Jamsb, Over de eonsiructie en afronding
tan sterftetafeU (Amsterdam 1886), S. 10—14. — Wsstkboaabd, StatisHkens Theori
i Grundrids (Kjöbenhavn 1890), S. 284.
6) Siehe z. B. die von Liffbbt verfafste Notiz über Warosntin im Hand-
värterbueh der Staatswissensehaßen, herausgegeben von J. Comsad, W. Lsxib, L. Elstbb,
E. LoEnva, B. VI (Jena 1894), S. 608—604.
6) Wabobittih, Anmärkningar om nyttan af arliga förtehningar pa födda
odi döda % eiland; Svenska vetenakapsacademiens handlingar 15, 1764,
S. 161—172, 241—264. — Anmerkungen vom Nt^zen der jährlichen Verzeichnisse
der Gebohmen und Verstorbenen in einem Lande; Der schwedischen Aka-
demie der Wissenschaften Abhandlungen, übersetzt von A. G. Kastneb
16, 1754 (Leipzig 1766), S. 163—174, 246-266.
86 G- ^**^tröm:
zwischen der Anzahl der j&hrlichen SterbeföUe nnd der Anzahl der Leben*
den. Wargentin bemerkte nämlich, dafs in einem und demselben Landa
dies Verhältnis jedes Jahr nahezu dasselbe ist, und daüs es selbstverständlich
unmittelbar berechnet werden könne, wenn sowohl die Anzahl der SterbefUle
als die Anzahl der Lebenden bekannt wären, daüs aber das Verhältnis auch
auf einem anderen, yon Halley angewiesenen Weg allein ans den Zahlen
der Verstorbenen eines Zeitranms, geordnet nach Altersklassen, zu bestimmen
sei. Hallet hätte nämlich ein Verfahren angegeben, um die Anzahl der
Lebenden aus den soeben erwähnten Zahlen zu berechnen.^)
Im folgenden Jahre ^) entwickelte Waroentin dies Verfahren und wen-
dete es auf schwedisches Bevölkerungsmaterial an; aus den Sterbelisten
erhielt er unmittelbar die Zahlen der im Jahre 1749 in Schweden Ver-
storbenen, geordnet nach Altersklassen, und durch gewöhnliche Proportions-
rechnung leitete er dann eine Tafel her, welche zeigte, wie 1000 Verstorbene
sich auf die verschiedenen Altersklassen verteilten. Aus dieser Tafel be-
rechnete er femer durch successive AdditioDen eine andere, welche sich auf
eine Anzahl von 1000 Geborenen bezog und die Anzahl der Lebenden in
verschiedenen Altersstufen angab. Aus der Überschrifb der ersten Tafel ^
geht nicht deutlich hervor, ob diese Tafel die in einem Zeitraum oder die
7) Waboentin, Änmärkningar om nyttan af ärliga förtekningar pa födda oeh
döda % et land; a. a. 0. 15, 1754, S. 246. — Anmerhmgen vom Nutzen der jähr-
lichen Verzeichnisse der Oebohmen tmd Verstorbenen in einem Lande; a. a. 0. 16,
1764, S. 249—260: „Die Zahl derer, die jährlich in einem Lande sterben, ist ein
bestimmter Theil der Anzahl aller Lebenden, der also durch VerseichniBse der Ver-
storbenen kann berechnet werden, wenn man nur zuvor weifs, was fSr ein grober
Theil die erste Zahl von der letztem ist, welche Verhältniss anf v^ejerlej
Art kann entdecket werden. Die eine ist ihrem Gnmde nach einfftcher, aber in
der Bewerkstellig^g schwerer, und bestehet darinnen, dafs man Verzeichnisse
nicht nur aller jährlich Gebohmen, Verheiratheten und Verstorbenen, sondern
auch aller Lebenden einfordert. Aber Halley hat (Phil. Trans. 196 N.)
einen sinnreichen Weg zu Erhaltung eben der Absicht gewiesen, nämlich blols
aus den Verzeichnissen der Verstorbenen, wenn sie jedes Alter beym Tode an-
geben, die Menge der noch Lebenden zu berechnen. Diese letztere Art will ich J
ein anderesmal erklären.*'
8) Waboektin, Änmärkningar om nyttan af ärliga förtekningar pa födda
och döda i et land; Svenska vetenskapsacademiens handlingar 16, 1766,
S. 1-15, 81-96, 161—170, 241—253. — Anmerhmgen vom Nutzen der jährlichen
Verzeichnisse Geböhmer und Verstorbener in einem Lande; Der schwedischen
Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, übersetzt von A. G.
Kästneb 17, 1756 (Leipzig 1767), S. 8—16, 81—94, 169—167, 289—260.
9) Wabobntin, ^nmärÄmn^ar etc.; a.a.O. 16, 1765, S. 88. — ^nmeribttn^enetc.;
a. a. 0. 17, 1755, S. 87: „Erste Tafel, welche zeiget, wie viel Menschen in jedem
Alter sterben, wenn aus allen Altem zusammen 1000 sterben."
F. W. Wargentin nnd die sogenannte Halley^sche Methode. 87
im Laufe des Absterbens einer Generation stattfindenden Sterbefälle betreffen
sollte, aber aas einer Stelle/^) welche der Tafel vorangeht, kann man
schlieTsen, dals es sich fOr Wargbntin zonftchst nur um Sterbefälle in einem
Zeitraum handelte. Auf der anderen Seite erhellt aus der Erklärung
zur zweiten Tafel, ^^) dafs diese sich auf eine Generation beziehen mufs.
Wauqbmtin leitete also wirklich aus den Zahlen der in einem Zeitraum
Verstorbenen die Zahlen der Lebenden in der Sterblichkeitstafel her, und
dies ist ja nur fftr eine stationäre BoYölkerung zulässig. Er berechnete
auch aus der zweiten Tafel Sterblichkeitsprozente (eigentlich reciproke
Werte der Sterblichkeitsprozente) für yerschiedene Altersklassen,^') was
noch deutlicher zeigt, d&Cs er wirklich eine Generation und nicht gleich-
zeitig Lebende in Betracht nahm. Knappes erste Anmerkung scheint also
wirklich zuzutreffen, aber man darf nicht ohne Weiteres daraus schliefsen,
dafs Waboentin die Bedingtheit des angewendeten Verfahrens nicht kannte.
Die schwedischen Volkszählungslisten, welche Wa&gektin 1755 zur Ver-
fügung hatte, waren nämHoh unzuverlässig,^') und wenn man unter solchen
10) Waboentin, Änmärkningar etc.; a.a.O. 16, 1765, S.87. — Anmerkungen etc. ;
a. a. O. 17, 1766, S. 86: „Die erste Tafel zeiget, wenn tausend Menschen an ge-
wöhnlichen Krankheiten an einem Orte sterben, wie viel dieser Todten jedem Alter
zugehOren.*'
11) Wabgentin, Änmärkningar etc. ; a. a. 0. 16^ 1755, S. 90. — Anmerkungen etc. ;
a. a. 0. 17, 1766, S. 89: „Die zweite Tafel zeiget, wie viel Menschen Yon 1000,
die auf die Welt kommen, [ohngefähr] ein gewisses Alter erreichen, wenn so viel
in eben der Zeit nnd in der Ordnung sterben, wie die Reihen der ersten Tafel
imter eben den Ziffera angeben.** — Das eingeklammerte Wort findet sich nicht
im schwedischen Original, sondern ist vom Übersetzer hinzngefttgt worden.
12) WAnasHTm, Änmärkningar etc.; a. a. 0. 16, 1766, S. 91—92. — An-
merkwngen etc.; a. a. 0. 17, 1766, S. 90: „Anch können wir aus der anderen Tafel
finden, wie die Lebenskraft des Menschen von der Geburt an einige Jahre schnell
conimmt.*'
18) Siehe WABeunnv, Änmärkningar etc.; a. a. 0. 16, 1766, S. 166. — An-
mtrhmgen etc.; a. a. 0. 17, 1766, 8. 164: ,Jch habe sehr yiel Ursache, die Nach-
richten als unrichtig in Verdacht su haben, da yermuthlich eine Menge
Lente mögen nnbedachtsamlich seyn übersehen worden.^* — Vgl. Wabgbntin, Mar-
tdiUeUn i Sverige, i anledning af tahelUverkei; [Svenska] vetenskapsacade-
miens handlingar 27, 1766, S. 2—8. — Von der SUrblichkeit in Schweden,
mdi dem TaibeUenwerke; Der schwedischen Akademie der Wissenschaften
Abhandlungen, übersetzt von A. G. Eastneb 28, 1766 (Leipzig 1768),
S. 4: „Ausserdem hatte ich anch Ursache zu zweifeln , ob diese einjährigen Ta-
bellen in allen Stücken richtig wären; denn sie enthielten das Jahr 1749, da das
Tabellenwerk zuerst eingerichtet ward. Vermuthlich konnten auch anfangs viel
Fehler eingeschlichen seyn, da die Hochwürdige Geistlichkeit an eine so neue,
mflhBame und schwere Verrichtung noch nicht gewöhnt war^^
l^iusi&nden die AbBterbeordnung ^^ bestimmen wünscht, mnCs man ji
falls mit einem approximativen Resultate — und ein solches giebt
sogenannte tJALLEY'sclie Methode — sich begnügen, um den theoretiE
Standpunkt Wakoentin's beurteilen zu können, ist es also nötig,
Belegstellen aulzusuchen, und eine solche, welche die hier vorliegende
betrifft, giebt es in der schon citierten Abhandlung vom Jahre 1
Wargestin hob hier hervor, dafs die H.iLLEv'sehe Methode für Schwi
kein richtiges Resultat geben konnte, weil in diesem Lande die Zahl
jährlich Geborenen der Zahl der j&hrliuli Yerstorbenen nicht gleich wa
Ferner bewies er ausführlich, dafs in einem Lande, wo die Zahl der
borenen gröfser ist, als die Zahl der Verstorbenen, die älteren Alterskli
verhSJtnismäfsig geringzUh liger sind als die Absterbeordnung verlangt, und u
gekehrt.'^) Aber auch hier mufs man sich hüten in Wahoentin'
zuviel hinein!;ulegen ; in der That versteht er hier wie immer unter „Hai-let'
Methode" nur die Berechnung der ganzen Anzahl der Lebenden in ei
Lande mit Benutzung von Sterbelisten nach dem Alter, aber nk/ii die
niittelnng der Absterbe Ordnung aus diesen Sterbelisten. Man sieht aber
leicht ein, dal's die Sterblichkeitstafel sehr wohl richtig sein könnte, und
dennoch, wegen des Anwachsens der Bevölkerung, ihre Summe gröfser als
die Zahl der Lebeaden ausfallen kann. Die einzigen Worte der citierten
Stelle, welche sich auf unsHre Frage beziehen, sind diese; „Ich habe gewiesen,
wie viel Menschen von 1000 ein gewisses Alter erreichen; tcoieg r
14) Wakokntik, Amnäricningar etc.; a. a. O. 16, 1765, S. 161—162.
merkungeti etc.; a. a. 0. 13, 17S5, 8. 159—160: „Im nädiatvorbergehendei
dieeer Anmerkun^n habe ich gewiesen, wie viel Menschen von 1000,
in einem Jahre in einem gewiagen Lande zur Welt kommen, ein gewisBes Älter
erreichen; wobey man annimmt, dasa in diesem Lande auch jB,hrlich lOUU
sterben. Wollte man hieraus Berechnungen für jedes Jahr von 1 bis 90
machen, und alle gefundene Zahlen in eine Summe zusammen rechnen, so würde
solche die Menge aller za einet Zeit lebenden Menschen vorstellen, wemi in
jedem der vorhergehenden 90 Jahre ohngefUhr 1000 sowohl gelioliren werden, als
sterben. So berechnete Hallbv die Menge der Einwohner in Breslau, welches
auch nach den angenommenen Grundsätzen vüllig richtig ist. Wenn aber est'
weder mehr gobohren werden, als eterben, oder das (iegentheü geschiebt, —
so kann Hallby'b Methode mit der Wahrheit nicht vollkommen überein stimmen;
denn im ersten Falle musa die Anzahl von Menschen kleiner und im letzten
gräeser seyn, als die Berech nungaart ergtebt. Indessen ist es nützlich, diese
Berechnung als ein Mittel und als eine sichere Anleitung anzunehmen; aas Ver-
zeichnissen der Qebobmen, Verstorbenen und Lebenden auf einige Jahre zu
erforschen, ob sich diu Menge des Volkes in den vorhergehenden 90 Jahren ver-
mehret oder vermindert bat, und wie viel solches geschehen iat."
16) W\iioESTiN, Änmiiriningiir etc.; a. a. U. 16, 1755, S. i
mcrkungc etc.; a. u. 0. 17, 1766, S, 163—164.
an-
1Ü6— 166. — Alfjj
P. W. Wargentin und die sogenannte Halley'Bclie Methode. 89
nimnU, dafs auch jährlich 1000 sterben", und diese Worte würden ent-
scheidend sein, wenn man nicht wüTste, dafs gerade in dem Falle, auf den
Wargentin hier ansdrücklioh verweist, die Annahme nickt zutraf; jetzt aber
kann ich auf die kursiv gedruckten Worte kein eigentliches Gewicht legen.
Die citierte Stelle giebt also meiner Ansicht nach keinen direkten AufschluDs
ober die Frage, welche uns hier interessiert, und auf indirektem Wege
kann man auch nicht zu irgend einem sicheren Schlufs gelangen. Zwar
konnte man bemerken, daHs Wargentin, der ja dargethan hatte, dafs in
einem Lande mit nicht stationärer Bevölkerung die Altersverteilung der in
einem Zeitpunkte Lebenden von der der Überlebenden in der Sterblichkeits-
tafel verschieden ist, auch wissen muüste, dais zwischen der Altersverteilung
der in einem Zeiträume Verstorbenen und der der Verstorbenen in der
Sterblichkeitstafel ein entsprechender Unterschied stattfindet; aber man
könnte ebenso gut behaupten, Wargentin habe dieser Frage keine be-
sondere Aufinerksamkeit gewidmet Der Zweck seiner Abhandlung war ja
nur die Nützlichkeit jährlicher Verzeichnisse von Geborenen und Verstor-
benen zu beweisen, und die Absterbeordnung brauchte er eigentlich nur,
um auszufinden, ob die Bevölkerung Schwedens im Wachsen oder Abnehmen
war. Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht auch die ziemlich unbe-
stimmte Ausdrucksweise, deren Wargentin sich bediente, als er seine Sterb-
lichkeitstafel berechnet hatte und dann zur Frage über die Zahl der Leben-
den überging.^*)
Die bisherige Untersuchung hat also ein wesentlich negatives
Resultat ergeben. Auf der einen Seite hat Wargentin thatsftchlich die
sogenannte HALLEVsche Methode benutzt, um die Absterbeordnung zu
bestimmen, ohne bei Anwendung dieser Absterbeordnung ausdrücklich
hervorzuheben, dafs die Methode in den meisten Fällen ungenau ist; auf
der anderen Seite aber gab es in Schweden noch keine zuverlässigen
Erhebungen über die Altersverteilung der Bevölkerung, und da Wargentin
nötig hatte, eine wenigstens annähernd gültige Absterbeordnung zu ermitteln,
maÜBte er irgend ein Verfahren wählen, das ausschüefslich oder vorzugs-
weise auf Sterbelisten gegründet werden konnte.
Ein ganz anderes Aussehen bekommt die Frage über Wargbntin's
Standpunkt hinsichtlich der sogenannten HALLEv'schen Methode, wenn wir
seine im Jahre 1766 veröffentlichte Abhandlung über die Sterblichkeit in
16) Wabobctih, Anmärkmngar etc.; a.a.O. 16, 1756, S. 164. — - An-
merhungen ete.; a. a. 0. 17, 1766, S. 162: „Aus der ersten Reihe sehen wir hier,
^b, wenn die Menge in einer Zeit von neunzig Jahren weder merklich vermehret
noch Termindert wird, gegen 1000 jährlich auf die Welt kommende Kinder,
32 U$ 33000 Menschen leben müssen/*
90 ö. Eneström:
Schweden ^^) in Betracht nehmen; auffallender Weise hat Knapp diese Ab-
handlung gar nicht erwähnt. Hier finden wir nämlich eine vollständig
durchgeführte Anwendung nicht nur der Sterbelisten, sondern auch der
Volkszählungslisten um die Sterblichkeitsprozente für verschiedene (in äex
Regel fünQ ährige) Altersklassen zu ermitteln. Wargentin bemerkt aus-
drücklich, der kürzeste Weg, um die Absterbeordnung zu finden, sei die
Zahlen der Verstorbenen und der Lebenden zu vergleichen,^^) w&hrend er
die sogenannte HALLEv'sche Methode weder benutzt, noch erwähnt. Für
die Berechnung der Sterblichkeitsprozente waren ihm jährliche Bterbelisten
für 1755 — 1763 und Volkszählungslisten für die drei Jahre 1757, 1760,
1763 zugänglich, und dies Material wendete er so an, dafs er für jede
Altersklasse die Mittelzahlen der in den Jahren 1755—1757, 1758 — 1760,
1761 — 1763 Verstorbenen beziehungsweise mit den Zahlen der Lebenden
in den Jahren 1757, 1760, 1763 verglich; auf diese Weise erhielt er
verschiedene Reihen von Sterblichkeitsprozenten. Zwar kannte man ein-
wenden, dafs, da die Bevölkerung Schwedens im Anwachsen war, diese
Sterblichkeitsprozente zu klein sein mufsten, aber Wargentin machte darauf
aufmerksam, dafs die Volkszählungen wahrscheinlich nicht die ganze Be-
völkerung umfafst hatten, also die Zahlen der Lebenden zu klein waren, ^')
und vielleicht war eben dieser Umstand für Wargentin's Verfahren be<
stimmend. Man hätte erwarten können, dafs Wargentin auch hier eine
gewöhnliche Sterblichkeitstafel hergeleitet hätte, aber daran scheint er nicht
gedacht zu haben; hieraus zu schliersen, dafs er die Absterbeordnung nicht
aus der Tafel der Sterblichkeitsprozente berechnen konnte, hieÜBe aber ihm
zu wenig Scharfsinn zuzutrauen. Übrigens hat Wargentin auch später
ähnliche Berechnungen mit Hilfe von schwedischem statistischen Material
aus den Jahren 1765 — 1776 ausgeführt; ein Auszug daraus ist von
R. Price in der 4. Auflage (1783) seiner Observaüons on reversiofumß
pajfments veröffentlicht worden.**)
17) Siehe Anmerkung 13).
18) Wabgbntin, Mortaliteten i Sverige etc.; a. a. 0. S. 8. — Die SterbliMceit
in Schtoeden etc.; a. a. 0. S. 6: „Das leichteste Mittel, die Ordnung der Sterblich-
keit zu finden, besteht darinnen, dass man die Menge der Verstorbenen und der
Lebenden in einem Jahre mit einander vergleicht/^
19) WABororriN, Mortaliteten i Sverige etc. ; a. a. 0. S. 18. — Die SterlHushkeit
in Schweden etc.; a. a. 0. S. 14: „Aus vielen Ursachen scheint es leichter, dass
einige Lebende bey der Rechnung sind ausgelassen worden; dieserwegen
ist mir sehr wahrscheinlicb, dass die Menge des Volks in diesen Tabelleii
eher zn gering als zu gross angegeben ist.'*
20) Siehe z. B. Nicandkr, a. a. 0. S. 58
P. W. Wargeotin and die sogenannte Hal]e7*8che Methode. 91
II.
In seiner 1693 gedruckten Abhandlung über die Schätzung der Grade der
Sterblichkeit'^) hat Halley die Bevölkerungszahl der Stadt Breslau so
bestimmt, dafs er zuerst eine Tafel der Lebenden in jeder einjährigen Altei*s-
stufe aufstellte und dann die sämtlichen Zahlen der Tafel summierte. Um
die Tafel selbst zu berechnen, bekam er aus Breslau Aufzeichnungen, teils
über die in den fünf Kalenderjahren 1687 — 1691 Verstorbenen, nach Alters-
klassen geordnet, teils über die in denselben fünf Jahren geborenen Kinder.
Nach diesen Aufzeichnungen waren in einem mittleren Kalenderjahre
1174 Menschen verstorben und 1238 Kinder geboren, also fast ebenso viele
verstorben als geboren; unter den Verstorbenen befanden sich 348 im ersten
Altersjahre und 198 im Alter von 1 bis 6 Jahren. Für die folgenden
Altersstufen teilte Halley eine besondere Tafel mit, welche jedoch an zwei
Stellen Lücken hatte. '^ Ohne näher anzugeben, wie er das ihm vorliegende
Material benutzt hatte, stellte er die zuerst erwähnte Tafel auf; die zwei
eisten Zahlen dieser Tafel sind 1000 und 855. Da 1000 die erste Zahl
ist, könnte man glauben, Halley habe diese willkürlich gewählt, aber da
die Summe aller Zahlen in der Tafel als Zahl der in Breslau lebenden
Bevölkerung gelten sollte, mujjs man eine andere Erklärung der Zahl 1000
Suchen, und Knapp hat bemerkt,^) dafs 1000 das Mittel zwischen 1174 und
1174 — 348 s=3 826 ist, das heifst, das Mittel zwischen der Anzahl der Neu-
geborenen und der Anzahl derer, welche das Ende des 1. Altersjahres er-
reichen, vorausgesetzt dafs in jedem Jahre die Neugeborenen genau ebenso
viel wären wie die Verstorbenen ; mit Bezugnahme hierauf könnte also 1000
ungefthr die Zahl der Lebenden im 1. Altersjahre repräsentieren. Nun ist
aber Halley ausdrücklich von der Annahme ausgegangen, dafs in Breslau
jährlich 1238 Kinder geboren wurden, und es mufs also eine bessere
81) Hallsy, An esiimcUe of the degrees of the martalUy of mankind drawn
from cwrious tdbUs of (fte births and funerah at the eity of Breslaw. — Some
fwrther consideraUons on (he Breslaw biUs of mortälity,' Philosophical Trans-
»ctions 17, 1693, 696—610, 664—666.
22) Diese Lücken sind wahrscheinlich durch den Druck entstanden. Das
von Uallbt angewendete Material ist trotz wiederholter Nachforschungen in ver-
schiedenen Archiven and Bibliotheken noch nicht aufgefunden worden, aber eine
Bekonstraktion desselben, mit Benutzung der Tauf- und Todtenbücher Breslaues,
ist fon J. GkItzsr ausgeftlhrt worden nnd auf den Seiten 64 — 60 der Monographie:
Edmtmd HaUey und Caspar Newmann. Ein Beitrag zur GesehidUe der Be-
voücerung^StatisHk (Breslau 1883) veröffentlicht. Die GRÄTzsR'schen Zahlen stimmen
whr gut, wenn anch nicht immer genau, mit den HALLKT'schen.
23) Kmatf, Theorie de$ BevöUcerungswechaeU, 8. 129.
92 G. Enegtröm:
Erklämng der Zahl 1000 gesucht werden. Zu diesem Zwecke ist to
anderen Verfassern^) darauf hingewiesen worden, dafs, wenn 1238 Kind«
jährlich gehören werden und 348 von diesen im 1. Altersjahre sterhei
wegen der schnellen Ahnahme der Sterblichkeit , die Anzahl der gleicl
zeitig Lebenden in dieser Altersstufe nicht etwa = 106«
sondern fast genau 1000 sein wird. Die übrigen Zahlen in der HAL.LET'sche
Sterblichkeitstafel können dagegen nicht unmittelbar aus dem gegebene
Material hergeleitet werden, und man mufs darum annehmen, Eüllle
habe die ursprünglichen Zahlen auf irgend eine Weise korrigiert oder aui
geglichen. *^)
Ist es also wahr, dafs Halle y seine Sterblichkeitstafel fast am
schliefslich auf Aufzeichnungen über die Altersverteilung der in einem Zeil
räum Verstorbenen gründete, so steht es dennoch fest, dafs er gar nid
die später sogenannte HALLEY^sche Methode als allgemein gültig angegebe
hat, und er hat sie auch nicht in ihrer typischen Form benutzt. Enaf
hat also Recht, als er bemerkt, dafs diese Methode sich bei Halley ni:
spuren weise findet,'^ und wenn es bewiesen werden kann, dafs Wargemti
sie diesem letzteren zugeschrieben hat, liegt hierin ohne Zweifel ein literai
historischer Irrtum.
Nehmen wir jetzt die schon citierten Abhandlungen Wargentin's yo
den Jahren 1754 und 1755 in Betracht, so finden wir zwar, dafs dort yo
der HALLEY'schen Methode oder Berechnungsart^^) gesprochen wird, abe
24) Siehe Lindelöf, Ndgra betrakteUer öfoer de sUUisHska beräkningarn
rörande lifslängden, Promotiansprogram rHelsingforis 1873), S. 18 — 19. — OsiT»»
a. a. 0. S. 80. — Wksteboaabd, a. a. 0. S. 280.
25) Gbätzer hat a. a. 0. S. 78 — 80 zu beweisen versucht, dafs Hallet di
ihm Yorgelegte Material vollständig korrekt nach den Prinzipien der graphische
Ausgleichmig von Beobachtungen behandelte, aber der Beweis dieser Behaupton
scheint mir ein wenig zu kühn.
26) Ehapp, Theorie des Bevölkerungswechseh, S. 180.
27) Waboentin, Änmärkningar etc.; a. a. 0. 15, 1754, S. 169, 246; 16, 175i
S. 162, 165. — Anmerkungen etc.; a.a.O. 16, 1754, S. 170 (siehe unten Anm. 28
250 (siehe Anm. 7); 17, 1755, S. 160 (siehe Anm. 14), 168 („Hallbt'b Art, di
Menge der Leute in einem Lande zu berechnen"). — Nur an einer Stelle braucli
WABGENTm den Ausdruck: „HALLBr'sche Berechnung", ohne dafs es aus dem Zi
sammenhange deutlich hervorgeht, dafs er von der Berechnung der ganzen Zal
der Lebenden sprechen will; siehe Änmärkningar etc.; a. a. 0. 16, 1756, S. 168. -
Anmerkungen etc.; a. a. 0. 17, 1755, S. 160: „Ich habe daher geglaubet, recht z
thnn, wenn ich den Ausschlag mit demjenigen vergliche, wa
nach der Eäiunuekem Bereehnung heraus könmit." — Über den Ausdruck : „Hallet'
V« Balia imtAii Anm. 83.
P. W. Wargentin und die sogenannte Hallej^'sche Methode. 93
wie wir schon früher im Vorübergehen bemerkt haben, bezieht sich dieser
Aosdrack nicht darauf, auf irgend eine Weise die Absterbeordnnng aus
den Sterbelisten zu bestimmen, sondern nur auf die Berechnung der ganzen
Anzahl der Lebenden aus diesen Listen. Nun könnte es zwar scheinen,
a]s ob der Unterschied in der That ohne Belang wftre, da man, um die
ganze Anzahl der Lebenden zu erhalten, zuerst die Zahlen der Lebenden in
verschiedenen Altersstufen, d. h. gerade die Absterbeordnimg, berechnen
muls, und es ist ja nicht unwahrscheinlich, daCB Waroentin, wenn er der
sogenannten HALLST^schen Methode einen Namen hfttte geben wollen, sie
gerade so genannt hfttte, aber dies ist wohl etwas ganz anders, als die
Benennung wirklich benutzt zu haben. In einem Punkte hat Wabgentin
jedoch Hallet mifsyerstanden: jener sagt nftmlich,^ Hallet habe für
Breslau sich nur der Sterbelisten bedient, aber mit dieser üngenauigkeit
kann man um so mehr Nachsicht haben, als ja Knapp selbst der Ansicht
gewesen ist, die HALLET'sche Anfangszahl 1000 sei nur aus den Sterbe-
listen hergeleitet worden.
Femer tadelt Knapp bei Wargentin,^) dafs er: 1) ^schlich Hallet
ein gewisses Verfahren bei der Anwendung des Breslauer Materials zu-
schrieb; 2) bei der Umrechnung von Kersseboom's und Deparcieux' Tafeln
den Begriff der aus einer Generation Verstorbenen mit dem Begriff der in
einem Zeiträume Verstorbenen yermischte, und dadurch den Anlafs zu der
sachlichen Vermengung der Absterbeordnung mit der Altersyerteilung der
in einem Zeitraum Verstorbenen gab; 3) den Vorbehalt, unter welchem
allein die sogenannte HALLEVsche Methode gültig ist, d. h. dafs die Be-
▼Slkenmg als stationär betrachtet werden kann, verschwieg. Sein Urteil
über Wargentin als theoretischen Bevölkerungsstatistiker fa&t Knapp da-
hin zusammen,^) dafs jener teils sich mit einer dürftigen Kenntnis seiner
Yorlftufer begnügte und an den neuen Stoff keinen neuen Gedanken heran-
brachte, teils alle yon diesen Vorlftufem schon gewonnenen Unterscheidungen
zwischen (Gesamtheiten von Lebenden und Verstorbenen verwischte und eine
88) Wasobotin, Änmarkmngar etc.; a. a. 0. 16, 1754, S. 169, 246. — An-
merhmgm etc.; a. a. 0. 16, 1754, S. 250 (siehe Anm. 7). — Auf Seite 170 der
deutschen Übersetzung der soeben citierten WABOsirmi^schen Abhandlung findet
neh folgender Passus: „Nachdem Hallst aus der Anzahl der jährlich Gebohmen
und Verstorbenen in Breslau auf eine Art, die weiter unten soll erkläret werden,
obngefähr die Menge der Einwohner der Stadt, grosser und kleiner, ausgerechnet
lu^**, aber die swei von mir unterstrichenen Worte sind vom Übersetser ein-
geschaltet worden.
29) Ehapp, Theorie des Bevölkerwngswechsds, S. 74, 75.
30) Khatp, Theorie des Bevolkerungswed^sels, S. 78, 75.
94 Gt' Eneström: . .
Disziplin, die in strengster Weise sich zu entwickeln begonnen hatte, zam
Stillstand brachte.
Die erste dieser Bemerknngen scheint mir auf einem MüsTerst&ndnis
von Knappes Seite zu beruhen. An der betreffenden Stelle referierte
Waroentin über die von Hallet yeröffentlichten Zahlen der in Breslao
Verstorbenen'^) und bemerkte daim, dafs Ballet diese Zahlen „gefonden"
hatte, '^ womit er ohne Zweifel nur sagen wollte, dafs Hallet sie in den
ihm übermittelten Aufzeichnungen gefunden hatte; über Hallet's Verfahren
bei der Bearbeitung dieser Aufzeichnungen äufsert sich Wargentin an der
citierten Stelle gar nicht.'')
Die zweite Bemerkung dürfte zum Teil richtig sein, und würde za
befugtem Tadel gegen Wargentik veranlassen können, wenn dieser eine
Darstellung der Methoden zur exakten Berechnung der Absterbeordnang
beabsichtigt hätte; da aber dies nicht der Fall ist, und da Wargentin für
seinen Zweck nur approximative Zahlen nötig hatte, scheint mir die Be-
merkung zum Teil ohne Belang, zum Teil uniichtig.
Die dritte Bemerkung endlich dürfte weniger begiündet sein als die
zweite, da Wargentin, obgleich er keinen eigentlichen Anlaüs hatte, die
Aufmerksamkeit auf die Bedingtheit der sogenannten HALLEv'schen Methode
81) Warokntih, Anmärkningar etc.; a. a. 0. 16, 1755, S. 85. — An-
merkungen etc.; a. a. 0. 17, 1765, S. 84—85.
82) Wabosntin, Anmärkningar etc.; a. a. 0. 16, 1766, S. 87. — An-
merkungen etc.; a. a. 0. 17, 1756, S. 86: „Die erste Reihe enthält die VerhältiuMe
der Verstorbenen für jedes Alter, wie Hallst sie gefunden h|it, da er sich der bres-
laaischen Nachrichten bedienet." Die deutsche Übersetzung hätte korrekter sein
können; in der That sagt Wargentin: „Den första Golumnen utmärker f5rliallaiidet
af de dödas antal fSr hyar &lder, säsom Hallet det funnit i Breslau" (die
erste Reibe giebt die relativen Zahlen der Verstorbenen für jedes Alter an, wie
Hallet es in Breslau gefunden hatte).
83) Wenn Westeboaahd a. a. 0. 286, in nahem AnschluTs an Knapp, sagt:
„Wargentin opfattede Hallst'b Methode som om han knn havde fordelt
Dödsfaldene pro mille for deraf at danne en OTerleyelsestayle", so kann er sich
swar auf eine Stelle in der WABGENToi^schen Abhandlung vom Jahre 1766 berufen,
wo es S. 168 der deutschen Übersetinng heifst: „Die erste Reihe zeiget, wie viel
Menschen in jedem Alter zu finden wären, wenn naeh Hallbt's Voraussetzung jähr-
lich 1000 Kinder auf die Welt kämen, und 1000 Menschen yon allen Altom en-
sammen stürben" (ygl. Anmärkningar etc.; a. a. 0. 10, 1765, S. 164)^ aber der yon
mir unterstrichene Ausdruck kann wohl auf eine kleine Achtlosigkeit von Wabokntdi's
Seite beruhen. Sonst wäre dies die einiige Stelle, wo Wabgsntix behauptet hätte,
da(^ Hallet, um seine Sterblichkeitstafel herzuleiten, die Summe der Verstorbenen
gleich 1000 setite, und dann, mit Benutsuiig der beobachteten Sterbefalle, diese
1000 Verstorbonrii auf die Torschiedenen Altersstafen verteilte.
P. W. Wargenim und die sogenannte EbUey'sche Methode. 95
zu lenken, wenigstens einmal^) diese Bedingtheit im Yorubergehen an-
dentete.
In Bezug auf Enapp's zusammenfassendes urteil erlaube ich mir zu
bemerken, daCs es augenscheinlich zu hart ist. Es mag sein, dafs Warqentin
die Arbeiten seiner Vorlftufer nicht eingehend studiert hatte, ^) und es ist
richtig, dafs er die Ermittelung der Sterblichkeit aus Sterbe-, Geburts- und
Yolksz&hlungslisten nicht systematisch behandelte, aber auf der anderen
Seite hatte er sich eine solche Aufgabe gar nicht vorgelegt. Dafs die
Theorie der Sterblichkeitsmessung durch Wargentin's Zuthun zum Still-
stand gebracht wurde, dtkrfte nicht bewiesen werden können, und dafs er
an den neuen Stoff wenigstens einen — wenn auch sehr nahe liegenden —
Gedanken heranbrachte, geht aus dem, was ich oben von seiner späteren
Abhandlung angef&hrt habe, herror.
Auf Grund der yorhergehenden Untersuchung kOnnen wir also die zwei
besonders aufgestellten Fragen in folgender Weise beantworten:
1) Wabgentin benutzte zwar einmal die sogenannte HALLET^sche Me-
thode, aber damals hatte er keine zuverlässigen Yolkszfthlungslisten zur
Yerf&gung; spftter als er solche bekommen hatte, ward diese Methode von
ihm weder benutzt noch erwfthnt;
2) Waboentin hat der sogenannten HALLEY'schen Methode keinen be-
sonderen Namen gegeben; dagegen hat er unrichtig das Yerfahren, wodurch
man die ganze Bevölkerung eines Landes wwr aus den Sterbelisten berechnet,
als von HAiiLEY herrührend bezeichnet.
34) Siehe Anm. 14).
35) Dafs Wabgkntdi seine Vorläufer auf dem Gebiete der Bevölkerungs-
Biatistik nicht ganz Übersehen hatte, geht ans seinen Abhandlungen hervor; siehe
t. B. Anmäribtffi^ar etc.; a. a. 0. 10, 1756, S. 2—4, 85—87 {Anmtrkwngen etc.;
a. a. 0. 17, 1766, S. 5—6, 84 — 86), wo er u. A. Gbaunt, Pettt, Süssmilch, Kebssb-
BooM, Dbpabcibux uud Simpson citiert.
m^3i
INTORNO AD UN INEDITO E SCONOSCIUTO
TRATTATO DI MECCANICHE DI GALILEO GALILEI
NELL' ABCmVIO DI 8. A. IL PRINCIPE DI THURN-TAXIS IN RATI8B0NA.
NOTIZIA DI
ANTONIO FAVARO,
PBomiosa KmiAA n. üm-vsBiiT a si padota, dxuittobb ümlul aDCBiom itacioicai«* sn*La opna
Dl OAIiILBO OALILSI BOTTO QLl AUSPICII DI S. M. IL BB D*nAI.IA.
A,bh. nr OmoK d. Matham. IX.
Narra Vimcenzio YiviAia, nel racoonto istorico cb'egli detto intorno
alla Yita del sno Maestro, che, fra le yarie scrittare da Galileo stese „a
contemplazione dei suoi Scolari, nel tempo in cai fa lettore di matematiche
nello Stadio di Padova" fa „an trattato di Meccaniche che ya attomo
manoscritto, e che poi nel 1634, tradotto in lingua francese, fa stampato
in Parigi dal P. Marino Merssnnio, e ulümamenie nel 1649 fa pabblicato
in Bayenna dal Cayalier Luca Danesi/'^) In una bozza aatografiEi di
qaesto layoro del YiyiANi, la qnale e arricchita di parecchie gionte e cor-
rezioni, si rinyenne assegnata aUa composizione di questa scrittora gali-
leiana la data dell' anno 1593,^) e quantanqae Taatore non soi&aghi tale
soa incidentale asserzione con alcun documento, ne dica in base a qoali
elementi egli Vabbia dedotta, ed ancora il trattato in queatione, il quäle
e, per importanza, di gran langa snperiore a tntti gli altri che il sommo
filosofo difttese per nso dei snoi Scolari, lasci ragioneyolmente snpporre un
ingegno piii maturo d'anni, pure non mancano argomenti per tenerla esatta,
0 per meglio dire non mancayano prima che il manoscritto inedito e
sconosciato, il qaale porge argomento alla presente notizia, ayesse con-
triboito a recare nnoya luce anche a questo proposito.
n troyare infatti che in qnalche trattato di fortificazioni del tempo ^)
1) FasH Oomolari deü* Äccademia Fiorentina di Salyino Salvibi Consolo
della medesima e Bettore generale dello Stadio di Firense, eco. In Firenze,
M.DCCXyiL Nella stamperia di 8. A. B. per Gio. Gastano Tabtoti e Samti
FiAHcm, pag. 406.
2) Biblioteca Nazionale di Firenze. — Manoscritti Galileiani. Parte I. Tomo I,
car. 85 tergo,
8) DeOe farHßeationi di Bcohaxüto Lount nobile fiorentino. Libro Qainto.
Boffe eon faeüissime äimostrcUiani m dkhiarano le Sciewse deUe Meceaniehe e la
praUta di fabbricare, c<m le piu certe regole, diverei etnmmti e maethine per
dzare eon poea forga grandimmi peei. — iS queeto il titolo speciale del libro, il
qnale occapa le pag. 196— 24S dell* opera intitolata: Le forUfiotUioni di Buonaiuto
Loim, nobüe fiorentino* Nuovamente riatampate, corrette et ampliate di tatto
qnello che mancaya per la lor oompita perfettione con Taggionta del sesto
libro, ece. In Venetia, M.DGJX, presse Fbamcbsco Bampazzbtto. — 11 PoaoiALi
attriboisce la prima edizione di qnest* opera all' anno 1696, ed il Bicmjardi
8l 1597.
?•
100
Antonio Favn
sono comprese le mecccmiche come parte iutegi'ant«, si gindic^ potesse i
Tocarsi come dounmento in appoggio della surriferita asserüoae- avcndo n
nltrevolte indotto che, appunto nell' anno suolastico 1593—93, Gai.iu
iiiaegnö pnbblicamente le fortifica/.ioni,*) ed esistendo nella Biblioteca J
brosiana di Milane un codice coutenente od compendio di taie mat«ria o
la data del 25 raaggio 1593.*)
A qnesto proposito TOgliaiiio ancora ricordare come fra i vi
menti delte pubbliche lettnre di Galilijo, registratl nei Rotoli delV
versitä Ari.iäta dello Studio di I'adova, i quali pervenuero fim
troviamo indicate le „Questioni meccaniche di Aristotele"*); m
sarebbe potuto affermaie ehe del trattato al quäle accenna il Viviasi, i
che dopo la prima pabblicazioue del Dangsi fu ristarapato in tutte le
edizioni delle opere di Galileo, egli usasse nel pubblico iDsegnamento,
raentre invece h certo che se ne servi per quello privato , e potressimo
anehe citare nomi di Scolari che udirono da CJaltleo private leiioni io-
tiOrno a ijuesti argomenti, e che da lui ebbero copia della scrittura. ')
Anzi, con tutta probabilitü appariengono a (jnesta provenienza alcani degli
esemplari manoscritti che di tale scrittura ci furono conseiTati, e dei ijuali
ci siamo serviti per la ristampa del trattato aella EdisioDe Naziouale.")
4) Gai.ii.eo Galilki e lo Studio di Faäora per Abtokiu FAViso. Vol. I. Fireo«,
SQCcesBOri Lt Monhoer, 1863, pag. 1T3.
ö) Mb«. D. 3'28 Far. Inf. „Brere trattato del Sr. Galileo Gald.ei lettor di Mathem.
nello Studio di Padova, doTB per via di compendio insegna il ntodo di fortificar
le citta, et d'eapugnnrle. Diviao in due parti; 25 maggio 1593." C(r. Le Opert
di Galileo Galilei. Edizione Nationale sotto gli auspicii di S. H. il Re d'Italia.
Toi. II. Firenie, tip. di 6. BARiiiutA, 1S91, p. 9. — I! Drisewater {The life of
Gaulro Galilei, «titA iUuntrations of the advatuxtiiettt of experimenlal philowpliy.
MDCCCXXIX. London, ptinted by Williau CLon'se, p. 76) lo dice, ma non
Haprenino invero con quäl foDdamento, „publighed in löBi."
6) Archivio Unireraitario di Padoya. — Hotuli Artistarum. Pars Prior.
152U~1739, pac. 43 Urgo: „Ad Mathematicatn. — Eic. D. Galu.kus Oalh.xl-s Flo-
rcntioua. — Leg. Elclidi» Element» et Mecbanicaa AswTotRLia Quaeationea, hora
t«rlia pomeridiana."
7) Porgono in tale argomento graudisBimo ainto e preziosi elementi i ricordi
antografi di Galilko, nei quali trovaaai regiatrati i provonti del suo pcivalo in-
Begnamento. Cfr. Oalilki> Galilei e lo Studio di Patiova per Antonio Favaho.
Vol. II. Firenze, Sncce&sori Lk Mumbikr, 18»3. pag. 194—195.
8) Le Opere di Galilk» Galilri. Edizioae Nazionale aotto gli auspicii di
S. M. il Ee d'Italia. Vol. n. Firenae, tip. di G, BAaufeRA, 1891, p. 155— IM. —
Kell' Awertimento premeaao alla riproduzione della acrittura aooo citati dieci
manoBcritti di essa, nesauno dei qaali per<> reea data dt lorte aicuna. Due di
queati codici appartengono alla Biblioteca Naiionale di Farigi, ad il Sig!
C. Henht nel porgerne noÜKia »crive (GAt.n.ßK
* * .
Intomo ad an inedito e soonosciuto Tiidlat6 *di Jleccaniche di Galileo Galilei. 101
• • •
Che tale trattato dal resto sia stato ' vejrAntoiite composto da Galileo
e per aso dei suoi discepoli nel tempo delU sUa : l^ttura di Fadova, lo
afferma egli stesso nei D^iäloghi deUe Nuave Scienee/^ti^t^ndo: „mi fa qui
mestieri esplicare qnello che in an antico trattato di-meccsniche, scritto
gia in Padoya dal nostro Accademico sol per uso de' suöi ^IsCopoli, fa
diffasamente e concladentemente dimostrato in occasione di coüsiäArare la
ongine e natara del maraviglioso stmmento della yite/'^) Altra mdnziQfie;
e che non vogliamo passare sotto silenzio, e qaella contenata nella risposia
ad ana lettera di G. B. Baliaki^ che sotto il 19 agosto 1639 gli scriyeTa:
„Rispetto alla forza della percossa, se avrö tempo, ne faro ricopiare il
discorso che h registrato nel sno trattato delle meccaniche e lo mandero
a V. 8/'^^) A cai Galileo: „La scrittara intomo alla percossa e assola-
tamente mia, fatta gia piii di qaarant' anni sono/'^^) Ammesso adonqae
ehe Tappendice sia coetanea al trattato, o, com' h pia verosimile, ad esso
posteriore I Galileo, con tale afifermazione lo farebbe risalire a prima del
1599.
Ua, per qoanto fondamento yoglia par riconoscersi nelle sorriferite in-
dozioni, astrazion fatta dall' approssimato riferimento teste addotto e dalle
noüzie desonte dagli appanti relatiyi al priyato insegnamento e che,
per cih che conceme le meccaniche, non risalgono oltre il 1602, nalla di
DocumenU fwuoeaux tirü des BiblioiMques de Paris, [Memorie della Glasse di
scienze morali, storiche e filologiche della B. Accademia dei Lincei. Vol. Y^,
Sedüta del 20 giugno 1880.] Roma, coi tipi del Salviucci, 1880, pag. 6): „Ces
mannBcritB ont Tint^rH de präsenter, ä c6tä de yariantes corieuseB, deux dates
qni fixent T^poque de la composition de Touvrage: an commencement, la date
da 10 f4vneT 1623, ä la fin, celle da 10 mars 1628." Ora qaeste date potranno
bensi indicare il giorno in coi fa cominciata e qaello in cui fa compiata la
copia di ano degli esemplari, poiche, qaanto al secondo, esso reca di fronte al
Fine la data „1627"; ma, dopo qaanto yeniamo esponendo a tale proposito,
Btimiamo saperfluo l'insistere ^er dimostrare che non possono menomamente
riferini al tempo in cai il trattato fa da Galileo composto.
9) Lc Opere di Galileo Galilei. Edizione Nazionale sotto gli aaspicü di
S. M. il Be dltalia. Vol. YIII. Firenze, tip. di G. BABBisA, 1898, pag. 216.
10) Le Opere di Galileo Galilei. Prima edizione completa, ecc. Tomo X.
Firenze, 1853, p. 362. — Nei Manoscritti Galileiani della Biblioteca Nazionale di
Firenze, e precisamente a car. 98 e seg. del Tomo V della Parte Y, h contenata
qoeita copia fatta di pagno del Baliari, sal tergo della qaale si legge: „Della
psrcoua, discorso mio primo ed antico** fatto scriyere da Galilbo ormai cieco.
11) Nötigte 8U la festa centenaria di Galileo Galilei ceUbrcUa a Pisa U
t8 fMraio 1864 coli' aggiunta di alcune lettere inedite di Galileo possedute dälla
BitHi^^eea Nazionale di Müano e per la prima volta ülustrate da Giuseppe Sacciu.
Milane, tip. di Dom. Salvi e C*>. 1864, pag. 41.
• -
102 Antonie Fuvaro:
•* • •
. •"• :•*'
preciso e di sicoro si sap€fTa'':fizmra intomo al tempo nel qnale Gaijleo
si occnpö delle meccamclje A stese intomo ad esse nna scrittora.
Ora, nell' spfäti\ Sei corrente anno 1898, a mezzo dell' egregio e
• % *» *
carissimo mia antied amico, il prof. Sigishondo Günther della Scacla poli
tecnica dKVojiaco, il sigr. Dottore Cornelio Will, Gonsigliere ed Archi-
vista *dr.5.* A. il Principe di Thubn-Ta2is, mi feoe sapere, essergli aTrenuto
/di '^pam la mano sopra an fondo di manoscritti italiani, in imo dei quali
/. ^itrovava nna scrittora attribuita a Galileo, ed offirendomi di invianneli
* a£6nch& io potessi prenderii in esame. Aocettata con animo graüssimo k
generosa offerta, ho potnto esaminare con mio pienissimo agio i suaceennati
manoscritti italiani, depositati proyyisoriamente presso la Biblioteca üni-
yersitaria di Padova, e di tale esame riferiri qoi sommariamente il risnltato
per ci6 che conceme le cose galileiane in essi rinyennte.
Cominciero pertanto dal riferire che tra quelle carte, in nn mano-
scritto miscellaneo, e precisamente a car. 220 recto — 235 tergo^ rinTemii
an naoYO esemplare del trattato Delle Meccaniche di Galileo, ma privo
del nome di aatore, recando esso soltanto il titolo della scrittora nei
termini seguenti: „Delle utilitit che si traggono dalla scienza mecchanica
et saoi stmmenti/^ ^ copia di mano tra la fine del secolo XVI ed il
principio del XVll, piattosto scorretta e con molte varianti tanto nel testo
quanto nelle figore, pero di nessana importanza quanto al contesto. In
tale manoscritto non h contenata integra la scrittora galileiana, la qnale
finisce in tronco circa ad on terzo del capitolo relativo aUa yite.^
Un altrd manoscritto di qoesto medesimo fondo, il qoale, oome mi
apprese ona gentile comonioazione dello stesso gentiüssimo signor Do^re
Will, venne yerosimilmente portato in Germania dal Principe EiuiANTfo
DI FÜRSTEKBERO, gia scolaro del P. Atanasio Eircher in Borna nel 1646,
e pervenne poi nella sede attoale in segoito alle olteriori relazioni di
parentela della Casa principesca dei Fürstenbbrg con i Principi di Thubk-
Taxis, mi serbava ben altra e maggiore sorpresa.
II manoscritA misora mm. 276 X mm. 209, e composto di 14 carte
scritte di mano della prima meta del secolo XYII ed e intitolato: „Delle
Meccaniche lette in Padova dal s'. Galileo Galilei Tanno 1594."^') Esso
12) E precisamente con la parola „ugaali** a metä della lin. 19 öella
pag. 181 nel Vol. n della Edizione Nazionale.
13) Notiamo come questa data ,,1594*^ venga a confermare mirabümesU}
rasserzione snrriferita del Viyiahi e da lui aggiunta in ona nota al suo citato
layoro, eBsendo sommamente probabile che se Gaxjlso lesse solle Mecoanicbe
Tanno 1594, cio^ nell* anno scolastico 1693 — 94, ayrä preparate le rdative lesioni
appunto nel 1593.
Intomo ad tm inedito e sconoaeinto Trattaio di MeccanicBe di Galileo Galilei. 103
apparisoe completo ed alla fine vi si legge, scritta della stessa mano, la
segaente annotaadone: „Biscontrate in Borna apreeso Mons^ Ciampoli il di
della Catedra di S. Pieiro di Antiooliia aUi 22 febraro 1627/'
Ora, poiche e ben noto che Monsignore OiovAioin Ciampoli fu scolaro
di Galilbo in Padova e gli fd poi sempre amico affezionato e devoto,
tanto anzi da perdere per amor sno la eocelsa ponzione che oconpaya aUa
Corte Pontifieia, h onedibile che, o prima o poi, egli abbia avnto da Gauleo
stesao la scrittora snlia qnale Tenne esemplata la copia presentemente nell'
Adiivio di 8. A. il Principe Thuriv-Tazib; e che ad ogni modo, se Mdü-
signore dAMPOU lasdaya che alizi ne riecontrasse snl sno esemplare nna
copia, era ben certo dell' antenticita della scrittnora da Itd posseduta.
D'altronde i caratteri estend del manosoritto, e le stesse notizie che si hanno
circa Facquisto di easo da parte dell' attnale proprietario, non permettono
alcon dnbbio intomo alla aQtentioit& della acriitnra, la qnale — * e qtd
ToleYamo venirne — non e per nnlla afiEatto nn nnovo esemplare della
scrittora galüeiana, gia nota ed alle stampe, sulle meccaniche, ma da essa
fomialmente diyersa.
n oriterio generale che noi ci siamo formati dei rapporti, nei quaU la
nnoya e finora soonosdata scrittnra sta rispetto all' altra gia ben nota,
consiste in cii> che essa rappresenti nna prima stesura del irattato, la
qnale servi a Oalilbo per il pabblico insegnamento, e fors' anco soltanto
nna Serie ordinata di appnnti personali che doTevano serrirgli di gnida
per le pobbliche lezioni, e che egli poi ampli6 e perfezion^, dandori forma
di Tero ed organico trattato scientifico, del qnale nso tanto per l'in*
segnamento privato, qnanto per rilaseiame copia ai sooi pri?ati uditori.
£ questo ci semlnra si rileri anzitutto dalla introduzione, la qnale,
mentre nel trattato gia noto ha foima ragionata di chiara e diffdsa tratta-
sione sdentifica, in qnesV altra scrittora si ridnce alle poche linee generali
segaenti:
„La scienza delle Meccaniche e qnella feusnlta la quäle ci insegna le
ragioni e ci rende le cause de gli effetti miracolosi che vegghiamo farsi
con diyersi istrumenti, ora col mubvere ed alzare pesi grandisslmi con
pocbissima forza, e volendo noi di presente discorrere intomo a questa
materia, per procedere ordinatamente cominceremo a speculare la natura
de i primi e piu semplici istrumenti, a i quali gli altri si reducano o
d'essi si compongano, e son detti primi istrumenti di numero 5, cioe la
lieva, Targano, la taglia, la yite ed il conio, o la forza della percossa, i
quali tntti si riducano ancora d'nn certo modo d'un solo, cioe alla libra
0 Tero bilancia: per6 fa dimestiero intendere e possedere benissimo la
natura deUa libra, la quäle c4ngengneremo dichiarare al presente "
104 Antonio Fay aro : Int. ad un ined. e scon. Tratt. di Meccaniche di Gal. Galilei
E qui imprende a trattare dei varii argomenti enunciati, ayendo in
mira di dimostrare il principio generale che ,4a forza, il peso e la distania,
come anco il tempo, servono la medesima proporzione/* La esposinone
pero non ha luogo neU' oidine medesimo nel qnale i varii argomenti sono
annunziati nella introduzione, ed una inesattezza nella nmnerazione dei
capitoli lascia sapporre che questo sia da impntarsi ad un disordine dei
manoscritto dal quäle la copia venne esemplata; rispetto alla quäle dob-
biamo ancora aggiungere che, se il riscontro, il quäle si afferma essere
stato fatto, fu esatto, anche Toriginale posseduto dal Ciampoli era piuttosto
scorretto, trovandosi numerosi trascorsi di penna, i quali sono certamente
da attribuirsi all' amanuense.
Del testo dei trattato gia noto noi troviamo in quesf altra scrittnn
un capitolo esattamente conforme, ed h quelle che nel primo ha il titolo
„Della coclea d'ÄRCHiMEDE per levar Tacqua'^^^) noientre nel secondo e in-
titolato erroneamente „Della yite^'; e diciamo erroneamente, non foss' al^
perch^ tale titolo ripete quelle dei capitolo precedente.
Sarebbe qui, a parer nostro, affatto fuori di luogo una minuta analisi
della singole differenze tra le due scritture, analisi dei resto la qnale,
quanto al divario caratteristico che fra esse corre, condurrebbe alla con-
chiusione superiormente esposta; soltanto porremo in evidenza che la scrit-
tura teste scoperta presenta due capitoli in piii, Tuno che tratta „Delli
strumenti composti" e Taltro „Della vite perpetua'^ e che, finalmente, come
h gia risultato dalla introduzione, il capitolo ultimo relativo alla fom
della percossa tro verebbe con maggiore evidenza la sua ragione di essere,
conoie concemente uno dei „piu semplici istrumenti'\ cioe il „conio^S
Pill esatti e minuti particolari intomo alle differenze tra le due scrit-
ture relative agli stessi argomenti saranno posti in evidenza daUa pubbÜ-
cazione che al piu presto ci proponiamo di fare dei trattato, l'esistenza dei
quäle viene qui per la prima volta rivelata agli studiosi.
14) Xe Opere di Galileo Galilei. Edizione Nazionale sotto gli aaspicü di
S. M. il Be d^Italia. Vol. II. Firenze, tip. di G. Babb^ba, 1891, pag 186—187.
2miyi
ZUB GESCHICHTE
DER LÄNGENBE8TIMMÜNG ZUR SEE.
VON
EUGEN OELdCH,
KAI8BRL. KÖNIGL. HEOIEBÜNOSHAT IK THIB8T.
I.
-Die Geschichte des sogenannten Problems der Meereslilnge ist zwar
schon oft und verschiedenartig, doch noch immer nicht mit jener Gründ-
lichkeit besprochen und untersucht worden, welche einer Aufgabe zukommt,
die Seelenten, Gelehrten und Kfinstlem Jahrhunderte lang so viel zu schaffen
gab. Insbesondere schildern die einschlftgigen Monographien (denn ein yoU-
stUndiges, die Geschichte der Nautik behandelndes Werk fehlt bekanntlich
noch immer) die Mühen nicht, welchen sich die Seeleute unterwarfen, um
aus der Beobachtung von Monddistanzen möglichst genaue Längen zu er-
halten. In dieser Beziehung müssen wir so manchen unserer Vorfahren
geradezu Bewunderung zollen und wir können uns heute gar keinen Begriff
mehr von dem Fleifse machen, der im vergangenen und zu Beginn noch
unseres Jahrhundertes auf die Berechnung von Monddistanzen verwendet
wurde, um nur einige Beispiele hierüber anzuführen, sei zunächst der
Admiral Ebusbnstbbn genannt, der von seinen Schif^of&zieren nicht
weniger als 1028 Monddistanzen beobachten xmd berechnen liefs, um die
Lage eines Punktes bei Kangasaki möglichst genau zu erhalten. Jacob
Cook leistete auf seinen Weltreisen ebenfalls grofsartiges. Für die Be-
stimmung der Länge von Ship-Cove im Charlotten Sund auf Neuseeland
wurden unter seiner Leitung 103 Reihen, jede Beihe zu 6 Monddistanzeu)
beobachtet Die Länge von Tongatabu (Frenndschafteinseln) wurde aus
1000 Monddistanzen, jene des Cap Finisterre aus 42 Reihen, die Länge
des Peter- und Paulshafen aus 146 Reihen ermittelt u« s. w. Selbst die
Pelzhändler, welche die N. W. Küsten Amerikas für Handelszwecke er^
forschten, begnügten sich selten mit Gruppen von weniger als 20 Mond-
distanzen.
Man sollte nun glauben, dafs derartig umfangreiche Beobachtungen
die jeweiligen Beobachtongsfehler eliminierten und dafs die ermittelten
Längen sdemlich genau ausfielen. Erübrigende Differenzen wären dann der
ünvollständigkeit der damaligen Tafehi und der für die Berechnung der-
selben benützten astronomischen GmndgröDsen zuzuschreiben.
Verfasser dieser Zeilen hat nun eine Analyse der CooK*schen Be«
obtchtungen versndbit, allein man stöfst bei derselben auf Hindernisse, die
108 Eugen Gelcich:
vorläufig gar nicht zu überwinden sind. Während nämlich manchmal die
CooK^schen Längen mit den heutigen vorzüglich übereinstimmen, ergeben
sich andere Male so beträchtliche Differenzen, dafs diese WechselföUe in
keiner Weise, in Zusammenhang zu bringen sind. Man muls vielmehr zu
dem Schlüsse kommen, dals so mancher Punkt im Grofsen Ozean noch immer
auf Grund älteren Beobachtungsmateriales eingetragen wird. Man kSnnte
zwar zu den Breitenbestimmungen als Kontrolle greifen, aber auch hier
wiederholt sich dieselbe Erscheinung, nämlich manchmal beträchtliche Ab-
weichungen, manchmal vorzügliche Übereinstimmung. Betrachtet man einige
der in Europa und auf den Atlantischen Inseln von Cook ausgefährteo
Bestimmungen^ so hat man folgende Beispiele:
St. Agnes auf Scilly, Breite nach Cook 49® 53' 30", nach Domcke's
Tafeln 49® 49' —
Pick von Teneriffa nach Cook 28® 18', nach Domcke 28® 16' —
Nordspitze von Bonavista Cook 16® 17', Domckb 16® 13'.
Im Durchschnitt und in runder Zahl sind die CooK'schen Breiten
um 3' zu grofs; wenn also diese Breiten aus Meridianhöhen und mit den-
selben Instrumenten ermittelt wurden, mit welchen man auch die Mond-
distanzen beobachtete, so wäre der mögliche Fehler der letzteren infolge
des wahrscheinlichen Instrumentenfehlers circa iVg®. ungefähr derselbe
Fehler in der Breite ergiebt sich bei Karakahua (Cook 19® 29', neuere
englische Seekarten 19® 25'). Dagegen ergiebt die CooK'sche Breite von
Tongatabu (21® 8') einen Fehler von 20', gegenüber der Angabe der
neueren englischen Seekarten (21® 30') und die CooK'sche Breite von
Waimoa (21® 56' 15") ist um fast 18' gröfser als jene, welche in den
Tafeln von Domcke (21® 38') enthalten ist. Andere Male ist die Über-
einstimmung beider Coordioaten eine zu auffällige, wie z. B.:
Christiners Insel nach Cook Br. 1® 59', Länge 202® 30', nach den
englischen Karten 1® 59'; 202® 30'
Karakahua nach Cook 19® 29'; 204® — ^ nach den englischen Karten
19® 25'; 204®.
Peter- und Paulshafen nach Cook 53®; 158® 43' 16", nach Domcke
53® 1'; 158® 40-3'.
Es ist somit höchst wahrscheinlich, dafs Christiners Insel und Karakahua
noch immer nach den Angaben Cook's eingetragen werden.
Cook hatte auf seiner dritten Reise auch einen Chronometer von
KENDAiiL mit, dessen Stand und Gang in Greenwich bestimmt worden
war. Der Stand am 11. Mai 1776 betrug + 3" 31-890', der tägliche
Gang -|- 1*209". Die Kontrolle des Ganges erfolgte einige Male während
der Beise, leider sind in der FoRSTER'schen Ausgabe der CooK'schen Beisen
Zar Geschichte der Längenbestimmung zur See. 109
die nenbestimmten Gänge nicht angegeben, dafCLr wurden einigemale die
Resultate der Länge so angeführt, wie sie sich mit dem ursprünglichen
und mit dem im letzten Hafen ermittelten Oange ergaben.
Sei es nun, dafs man die Chronometerlängen mit den neueren An-
gaben, oder mit den von Cook aus Monddistanzen ermittelten, oder die
mit dem ursprünglichen und mit dem zuletzt ermittelten Gang berechneten
Längen untereinander vergleicht, eine SchluTsfassung wird abermals durch
die sehr abweichenden Differenzen ungemein erschwert. Im Atlantischen
Ozean ergab nämlich das Chronometer zumeist eine westliche Versetzung
zuerst von 5 bis 6', die später bis zu 22' heransteigt.
Im weiteren Verlauf der Beisebeschreibung finden wir folgende An-
gaben:
Länge von Ship Cove:
Mit dem ursprünglichen Gang 175<> 26' 30'
Mit dem am Cap bestimmten Gang 174^ 56' 12'
\'f
k/'
Differenz 30'
18"
Waimoa:
Mit dem ursprünglichen Gang 202® —
Mit dem Gang aus Ulietea 200® 21'
Differenz 1® 39'
Karakahua:
Mit dem ursprünglichen Gang 204® 7'
15"
Nach den Beobachtungen auf Unalaschka 203® 37'
22"
Differenz — 29' 53"
Können aber die während der Beise erfolgten Eontrollen des Ganges
Anhaltspunkte für die Diskussion liefern? Wohl auch nicht, da zu Cook's
Zeiten die Längen von Ulietea und Unalaschka gewifs nur sehr beiläufig
bekannt waren, und somit eine genaue Bestimmung des Uhrstandes gegen
Greenwich gar nicht zuHefsen.
Dies aUes lälst erkennen, mit welchen Schwierigkeiten die Seeleute in
der vorchronometrischen Zeit und noch in den ersten Dezennien nach der
Erfindung des Chronometers bezüglich einer richtigen Navigationsführung
ZQ kämpfen hatten. Die Breite blieb immer noch das einzige Argument,
worauf man sich einigermafsen verlassen konnte.
Man bestimmte allerdings die Länge so gut als möglich, handelte es
sich aber um das Anlaufen des Landes, so bestimmte man mit grofser
Sorgfalt die Ankunftsbreite, und segelte dann im Bestimmungsparallel Ost-
West, bis sich das Land zeigte.
110 Eugen Qelcieh:
II.
Der Mangel eines ausführlichen Werkes über die Gesehichte der
nautischen Wissenschaft hat gar oft die Folge gehabt, dafs Methoden und
sogar Instrumente, welche unsere YorfiBLhren schon erfanden und erdachten.
unter anderen Namen in unseren Tagen als „Neuigkeiten^^ wieder in Vor-
schlag kamen. In dieser Beziehung war das Wiedererscheinen der Methode
und der Tafel von Elford für die Reduktion der Monddistansen als
sogenannte „Neger-Tafel" im Jahre 1881 deshalb sonderbar und interessant,
weil doch Weyer kurze Zeit vorher in einer Abhandlung über die kürzeste
Berechnungsart der Monddistanzen, die Methode von EiiFORD eingehend be-
sprochen hatte, ^) und weil die vermeintliche „neue Methode** von fast allen
nautischen Zeitschriften des Kontinentes^) wiedergegeben wurde. Sonderbar
war es doch auch, dafis das „Hydrographie Office" in London „bj order of
the Lords Commissionars of the Admiraltj" eine „New Method of Clearing
the Lunar Distance** von G. B. Airy im Jahre 1881 veröffentlichte, die
schon Legendre 1806 erdacht hatte.') Wenn nun so grofse Körperschaften^
als z. B. die Herausgeber von nautischen Zeitschriften oder des Hydrographie
Office der englischen Admiralität in bezug auf Geschichte der Nautik s«"»
sehr irren, so darf man sich nicht wundem, wenn Ähnliches einzelnen
Autoren passiert. So findet man z. B. in Freeden's Lehrbuch der Navi-
gation (1864) als Methode von Dukthorn folgende angefahrt:
1) sin vers D == sin vers {H — li) -|- ♦» [sin vers D^ — sin vers (H^ — h^]
^x cos H cos h
^ cos JEij cos \
Nun bildet aber die voranstehende Gleichung eine Methode fär sich und ist
in der Geschichte der Nautik als Methode von Mackay (1793)^) bekannt.
Wohl entsteht letztere aus der DüNTHORN^schen Gleichung:^)
3) cos 2) ^ cos (if — ä) — m [cos {H^ — h^ — cos D^]
1) Annalen der Hydr. und marit. Meteorologie. 1881, S. 177.
2) Sbmioli, Metodo e tavole del negrerio Krauts, in Rivista maritUma 18dl
I S. 539 ff. — PsTRO SmcoLo, Dimostrazione di un nnovo metodo per la determina-
zione delle distanze InDari. A. a. 0. 11 608 ff. — Dubois, Tables dn n^grier in
Revue marit. et colon. Bd. 69. 8. 249 ff. — B. . . Die Neger-Tafehi in Mitth. ans
dem Geb. des Seewesens. Bd. IX 8. 621. ~ Endlich war ein Aufsats über diesen
Gegenstand auch in der Hcmsa enthalten.
3) Annalen der Hjdr. und marit. Meteor. 1882 S. 844 ff.
4) Andsbw Mackay, The Theorie and practise of finding the longitude.
London 1798.
6) Naut Alman. 1767.
Zur Geschichte der Längenbestiminung sur See. 111
einfach dadurch, dafs man 3) von 1 = 1 abzieht, aber es besteht in der
praktischen Anwendung der beiden Gleichungen insofern ein wesentlicher
Unterschied, als Mackat die Umformung eigens zu dem Zwecke yomahm,
um den Zeichenwechsel bei cos D far D > 90^ zu yermeiden.
Ein ganz neues, soeben erschienenes nautisches Werk, bringt die
DuKTHORM^Bche Gleichung sogar als nicht logarithmische Methode
von Bremikeb. Es wird nämlich unter dem Titel „Methode von Bremiker"
die Oleichnng von Dunthorn abgeleitet, und sodann gesetzt:
H —h =tt
^1 — Äi = Ua
m cos u« =» cos u
m cos l>i = cos iX,
woraus folgt:
cos D = cos w -|- cos iX — cos u.
Das bezügliche Bechnungsbeispiel sieht dann wie folgt aus:
log cos IT =
log sec ITj ==
log cos % "»
log sec Äj -=»
log w = — — — — log m =
log cos Ug = log cos Dl =
log cos u' = log cos D' =
nat. cos u =
nat. cos iX =
nat. cos u —
nat cos D =»
D =
Das ist augenscheinlich die Methode von Dunthorn, die im Übrigen auch
in allen, oder wenigstens in mehreren Auflagen von Albrecht und Vierow's
Navigation so steht.
vvyoM/
DIE ÖEOMETBIE VON LE CLEBC UND OZONAM,
EIN ^ERESSANTES MATHEMATISCHES PLAGIAT
AUS DEM ENDE DES XVII. JAHRHUNDERTS.
VON
J. H. OBAF
IN BEBM.
Alih. s. OMch. d. lUthani. IX. 8
1699 erschien in Bern:
„Neue Uebung der Feldmefs-Kunst. So wol auff dem Papier | als auff
dem Feld. In einer neuen Ordnung und besonderen Manier auffgesetzt.
Von Hrn. Ozokam, Professore Matheseos. Oder Nouvdle pratique de Ja
Geometrie, sur le papier et sur Je terrain, Avec un nouvel ordre, et u/ne
methode particuUere, Far Msr, Ozonam, Professeur des Mathematiques.
A Beme, Bans Vifif^mmerie de Leurs ExeeUences. Far Andr£ Huguenet.
1699." —
R. WoLP*) spricht von dem Werklein als einer ausserordentlichen
Seltenheit; das Exemplar, welches ihm zu Gesichte kam, gehörte Herrn
Stadtgerichtspräsidenten Escher in Zürich und war 1713 im Besitz des
hanptsächlich für Bern wichtigen Ingenieurs und Kartographen Johann
Adam Eiedigbr*) (1680 — 1756), der von 1710—1717 in Zürich gelebt
hat Das Werklein ist aber doch so selten nicht; denn ein Exemplar
ündet sich in der Stadtbibliothek Bern und in meinem eigenen Besitz sind
zwei tadellose Exemplare, die ich nach und nach antiquarisch erworben
habe. Biese Bemer Ausgabe ist mir sehr aufgefallen und mufs auffallen.
Sie zählt 187 S. klein 8^ Text deutsch und ftunzösisch, sowie 9 S. Register
deutsch und französisch und handelt zuerst: Von der Feldmeüs-Kunst ins-
gemein. — Von ihrem Ursprung. — Von ihrer Nutzbarkeit. — Anfang der
Geometrie. — Von dem Düpflein. — Von der Linie. — Von dem Winckel. —
Von dem üeberzug.") — Von den aus geraden Linien bestehenden Figuren. —
Von den vierseitigen Figuren. — Von den krununen Figuren. — Von den
vermischten Figuren. — Von den regulierten und irregulierten Figuren. —
Von den ungezweiffelten Sprüchen/) — Von den Anforderungen, welche zu
den Verrichtungen dienen.
Dann folgt: S. 46 — 74. Das Erste Buch. Von der Beschreibung der
Lmien. — S. 76 — 108. Das Ander Buch. Von der Beschreibung der
1) Zürcher Vierteljahrschrift XXX. Notizen zur Eulturgesch. Nr. 371.
2) Graf, Gesch. der Math. n. Natnrw. in Bern. Landen III, 1. Heft. S. 63—84.
3) d. h. der Fl&che.
4) d. b. Axiomata.
8*
116
J. H. Graf!
flachen Fignren. — 8. 110 — 140. Das Dritt Buch. Ton der BinBclireibiiiig
der Figrnren. — 8. 142—162. Das Tierdt Buch. Von der Umschnibnog
der Figuren. — 8. 164 — 186. Das Fönfft Buch. Von den Proportionierten
Figuren.
Was das Werk aber vor Allem interessant macht, sind die 67 in den
Text gedruckten Kupfertafeln Ton 90 mm HShe aaf 60 mm Breite. In
allgemeinen zeigt jede Tafel in der oberen Partie die zum Test notwendig
planimetrische Figur, der untere Teil hingegen wird gewShnlick durch clif
Ausickt einer Landschaft, einer H&usergruppe oder einer kriegerischen Soeae
oder irgend ein Genrebildchen ausgefällt; davon einige Beispiele:
Zur Konstruktion einer Parallelen zu einer gegebeneu Geraden findei
sich unten eine Duellscene mit 4 Personen and Hintergrund.
Zur Konstruktion eines gleichseitigen Dreiecks sehen wir eine hoUto-
discfae Kanatl&ndschaft mit einer Festung am Ufer.
Zur Konstruktion: Auff eine gegebene Linie ein reguliertes Viel"^
Die Geometrie von Lo Clerc und Oioimid,
117
wie man es verlanget j zn bescbreiben, von 12 bifs anff 34. Seiten findet
sich onten eine artilleristische Scene, die, wie ich spKt«r zeigen werde,
zur £ntdeckiuig des Terfuaers Yeranlassang war, n. a. w. Alle diese
l'/f
Vignetten sind anfserordentlich fein gestochen und verleihen dem Werl-
lein einen eigenartigen Beiz. Diese prachtvollen Kupferstiche erregten
aber auch in uns schon frühe ein gewisses Milstrauen gegen den Verfasser
und den Drucker. 1889 äofserten wir uns folgendermalsen:^) „Es ist sehr
■afmiig, daTs, trotzdem das Büchlein in Bern bei ändk^ Hudubhet ge-
eckt Bein will, sich nirgends eine Spur von demselben erwähnt findet,
während sonst damals in Bern der Druck jedes anderen Buches wohl an-
6) QuM, Gesch. der Math. n. Naturw. UI, 1. Heft. S. 6. 7.
118 J. H. Graf:
gegeben und von der Censur erlaubt war. Wenn man das Büchlein dnrdh
blättert und den feinen Druck bemerkt, so drängt sieb immer der Gedaab
auf, daÜ5 die Angabe: „Ä Berne, Dans Viniprimerie de JLeurs Excdlenceif
eine fictive ist."
Ich sprach damals die Vermutung aus, dafs wir ein Büchlein vor um
haben, das im Interesse des bemischen Offizierskorps, von welchen ja viele
Mitglieder ihre militärische Carriere schon dazumal in Holland absolvierten
abgefafst worden sei; wenn es aber in Bern verfafst worden wäre, so kSnnte
nach meiner damaligen Ansicht nur der intelligente Provisor Jacob Kuentzl
der damals mit Erfolg in Bern in Mathematik unterrichtete, der Autor sein.
Die Sache liefs mir lange Zeit keine Buhe und ein Zufall sollte mir auf
die Spur verhelfen. Anläfslich meines Besuches der Weltausstellung in
Paris 1889 bemerkte mein Schwager, Herr Treuthardt, mit dem ich sehr
oft über das OzoMAM'sche Werk sprach, bei einem Antiquar rue Vaugiraid
am Schaufenster ein aufgeschlagenes Büchlein, wo die gleiche Pigor zu
sehen war wie jene erwähnte, mit der artilleristischen Gruppe zur Kon-
struktion des 12. bis 24. Seits. Ich erwarb das Buch und bei genauerer
Durchsicht stellte es sich heraus, dafs ich das Original zu dem Bemer
Büchlein vor mir hatte. Schon der Verfasser ist falsch angegeben. Es
giebt keinen „Ozomam professor Matheseos*^, sondern, wie allbekannt, existierte
ein eifriger mathematischer Schriftsteller Jacques Ozanam (1680 — 1717),
ein reicher Privatmann aus ursprünglich jüdischer Familie, der Lehrer der
Mathematik in Lyon, dann in Paris und auch Mitglied der Akademie der
Wissenschaften war. Unter seinen zahlreichen Werken, die in Pogobndorf II
angegeben sind, findet sich allerdings La geoni^rie prcUique etc. 1684, 12^.
ferner gab er 1691 Boulanger's Geomäric pratique 12® heraus. Das vor-
liegende Buch hat aber mit diesen Werken dieses damals beliebten mathe-
matischen Schriftstellers gar nichts gemein. Die in Bern herausgekommene
„Neue Uebung der Feldmesskunst etc. oder NouveUe pratique de k
(jeomctric^^ hat als Vorlage das von mir 1889 in Paris gefundene Werl
mit dem Titel: Pratique de la Geometrie sur le papier et sur h tcrrain.
Ou par une mähode nouvelle et singtdicre Von pmt avec fadWe et en peu
de fenips se perfectionner en cette sclence. Ä Paris, Sur le Quay rfes
Augustin^, joignant luporte de VEglise, d Vlinage Nostre-Banie, MDCLXXXIl
Avec pi'ivilege du Roy" Der Verfasser ist S. Le Clerc, wie er sich in
Vorwoi-t unterschreibt. Sebastien Le Clerc wurde am 26. IX. 1637 in
Metz geboren. Sein Vater, der 105 Jahre alt wurde, ein Goldschmied,
geschickter Zeichner und Stecher, scheint sein einziger Lehrer gewesen zu
sein. Schon 12 jährig soll Sebastien Le Clerc Aufserordentliches im
Zeichnen geleistet haben, schon 7 jährig habe er gelernt, mit den Gravier-
Die Geometrie yon Le Clerc und Ozonam. 1X9
instnunenten mnzngehen. Gegen 1654, also 17 jährig, machte er 11 Stücke:
„Täbleaux de VinsHtuUon des Maihurins*'^ bis 1661 folgten weitere 106 Stücke
ans der Passion Jssu-CHRiS'n, dann die Tafeln zu dem 1664 in Nancy
erschienenen sehr seltenen Band ,Jje triotnphe de Charles IV^S Le Clerc
war auch sehr erfahren in der Befestignngskanst und wurde Ingömeur-
(i€Ogr<Bphe beim Marschall de la Ferti^. In dieser Eigenschaft machte er
die Pläne der meisten festen Plätze von Messin und dem Gebiet von Yerdun.
Als er erfuhr, dafs der Phm von Marsal unter einem andern Autor als
seinem Namen erschienen sei, verliefs er sein Amt und kam 1665 nach
Paris, um eine Stelle im Genie-Korps zu erhalten. Durch die Bekannt-
schaft mit dem Maler Ch. Le Brun wurde er aber hiervon abspenstig
gemacht und der Oravierkunst erhalten. Er publizierte in Paris zuerst das
oben genannte Werk: La Pratique de la geomärie, Paris 1669 in 12^, das
er mit 82, später mit 99 hübschen Figuren versah, und womit er einen
grolsen Erfolg hatte. Colbert liefs ihm 1669 eine Wohnung in der Ecole
des Gobelins anweisen und verschaffte ihm eine Pension von 600 Thalem.
Hier gab er mit Le Brun die Tapisseries du Bm 1670 heraus; 1672 wurde
Le Clerc einstimmig Mitglied der Academie Boycde de Peinture, 1690
Graveur du Rai und Professor der Perspektive, welche Funktion er bis 1699
behielt 1706 wurde er Chevalier ramam. Er starb den 25. Oktober 1714
in Paris und noch in seinem Todesjahr erschien sein Tratte d'ardiUecture,
2 Bde. in 4^ mit 184 Platten, ein Werk, welches Peter der Grosse ins
Russische übersetzen liels.
Er war ein überaus fleilsiger Stecher, bei BOOO Stücke und zwar
meist seiner eigenen Erfindung sind ihm zu verdanken. Er liebte seine
Kunst und zeigte in allen seinen Arbeiten eine bewunderungswürdige Ge-
nauigkeit der Zeichnung und Feinheit der Ausführung. Er liebte es gerade
so kleine Bildchen zu machen, wie sein Büchlein sie zeigt. Mariette
feiert ihn in seinem Eloge als den berühmtesten Stecher seiner Zeit, der
es verstanden habe, seine Kenntnisse weit über das gewöhnliche Mafs hin-
aas auszudehnen.^
Das für uns wichtigste Druckwerk ist seine „Pratiquc de la QSometrie,
sur le papier et sur le terrain!", von welcher wir so glücklich waren die
zweite Ausgabe aus dem Jahre 1682 zu erhalten. Eine dritte hat Le Clerc
1700 selbst noch besorgt. Das Werklein ist dem Marquis de Seignelay
gewidmet und nach dem Auszug aus dem PriviUge du Boy datiert vom
7. Oktober 1668 ist es dem Thomas Jollt, Marchand'Lün'aire ä Patis
6) Man vgl. Le catdloffue raisonne avec un abregi de sa vie par Joubbbt, Paris
1774. 2 Vol. in 8*
120 J. H. Graf:
erlaubt, ein Buch betitelt „PriUique de la geometrie sur le papier et sur k
terrain oomposie par le 8ieu/r Le Clerc^' zu drucken. Der Druck warde
zum ersten Mal beendig den 17. November 1668. Ganz wie im beschrie-
benen Bemer Exemplar bespricht Lb Clerc S. 1 — 44 den Ursprung, den
Nutzen und die Prinzipien der Geometrie, giebt einige Definitionen and
Axiomata. Das erste Buch S. 45 — 76 handelt von der Konstruktion der
Linien, es werden 14 Aufgaben gelöst, leider fehlen, offenbar blofs durch
ein Versehen, der leere Platz ist da, die Kupfertafeln zur ersten AuiQD[sbe.
Das zweite Buch, 8. 77 — 108, handelt von der Konstruktion der ebenes
Figuren, 15 Aufgaben, es fehlt wieder ditf Kupfertafel zur zweiten Auf-
gabe; die Aufgabe 16, welche in der Bemer Ausgabe vorhanden ist, nftm-
lich sur une ligne droUe proposie construire deux redangles sdon une raison
dofinie nebst Tafel ist die 12. Aufgabe im Y. Buch bei Le Ci^brc. Das
m. Buch S. 109 — 141 behandelt die einem Kreis und Vielecken einbesehrie-
benen Vielecke in 15 Aufgaben. Bei Aufgabe 7 ist in meinem Exemplar
leider ein Blatt herausgerissen. Das IV. Buch 8. 142 — 162 bringt in
10 Aufgaben die Lehre von den umschriebenen Figuren und das V. Buch
S. 163 — 185 endlich von den proportionierten Linien in 12 Aufgaben, wo,
wie schon bemerkt, die Xu. Aufgabe beim Bemer Exemplar als 16. des
in. Buches figuriert Diese künstlerische Vermischung von geometrischer
Figur und malerischem Bild ist eine Darstellungsweise, wie wir sie
sonst niemals getroffen haben und die jedermann auffallen muiSi. Man
kann sich dieselbe nur dadurch erkl&ren, da& in Ls Clbro der Maler und
der Mathematiker sich vereint vorfanden. So steUt sich denn das Bttehkiii
Le Clbrc's als ein auDserordentlich originelles, wertvolles und offianbar lange
Zeit in Gebrauch befindliches dar, als ein Werk, das von den Zeitgenossen
überaus gewürdigt worden ist und uns heutzutage noch als ein Bijon lud
ein Unikum vorkommen mulÜB. Es ist nun sofort klar, dafis ein Werk^
das sich als so überaus brauchbar erwiesen hatte, übersetzt und nacli'
gedruckt wurde und zwar natürlich von den Niederlftndem, die ja bekannt-
lich damals in der schonungslosesten Weise litterarische Freibeuterei be-
trieben und jedes irgendwie brauchbare Opus nachdruckten. Der hollftndiscbe
Nachdruck, in dessen Besitz ich auch dundi Zufall gelangt bin, hat nun
Titel: Nova Geometria Practica super Charta et solo. lAbeOus in quo iiom
tradüur Methodtts, cu^fus ope facilis sU ac hrevis, ad summa hujusee Scien^^
fasHgia, cursus. Amstdodami Apud Georgium Oallet MDCXCII. Di^
Titelvignette, die Mathesis- und den Autor darstellend, ist im französiselien
Original nicht vorhanden, also neu. Mein Exemplar gehörte dem Abbe
GoLLEiM. Der Inhalt stimmt nun vollständig mit dem Original, nur ist
die Widmung an Domino Marghioni de Seionelat, wie auch der ganze
Die Geometrie von Le Clerc und Ozonam. 121
übrige Text lateinisch. Bei der WidmuDg fehlt begreiflicherweise die Unter-
schrift des Autors.
Die Eupfertafeln sind in der gleichen Zahl wie im Original vorhanden,
ziemlich getreu nachgezeichnet und sicher neu gestochen worden, was an
sehr vielen kleinen, aber auffallenden Details nachgewiesen werden kann.
Auf 8. 155 und 157 ist dem holländischen Drucker Oallet eine Verwechs-
lung der Platten passiert Das königlich französische Privilegium ist selbst-
verstSndlich nicht mehr abgedruckt, sonst stimmt alles mit dem französischen
Original.
Leider haben aber nicht nur die Niederländer das Werklein Lb Clerc's
nachgedruckt, sondern auch die Bemer; denn das Eingangs dieser Arbeit
erwähnte Werk qualifiziert sich als nichts anderes, als ein bemerischer Nach->
druck, ja sogar als ein Plagiat. Dies zu thun, lag in der Sache selbst
kein zwingender Onmd vor. Das Werklein Le Clerc's war stets auf dem
Markte zu erhalten, existiert doch noch eine Ausgabe aus dem Jahre 1744,
welche ich auch zufällig erwerben konnte. Das Exemplar war 1777 im Besitz
eines Michael Mathieu, 1813 eines Chbisttan Fbiedrioh L'abmirance,
Heilbronn 8. 8ept Der Titel stimmt vollständig mit dem Originaltitel
von 1669, nur ist beigefügt: ^^ar Sebastien Le Clerc, Graveur du Bm^\
A Paris dies Oh. A Jombebt, Imprimeur'Libraire du Boi en son ÄrHüerie,
rue Bauphine^ ä Vlmage Nofre-Dame, MDCCXLIV, Ävec priviUge du Ä»."
Die Titel Vignette, die Mathesis und der Autor, denn unter seinem Bild
steht deutlich graviert Le Clerc, ist auch vorhanden, wie auch die Wid-
mung an den Marquis de Sbignelay mit absolut den gleichen Emblemen
und Initialen. Auch ist die letztere wieder unterzeichnet vom Autor; der Text
ist der gleiche, wie in der IL Ausgabe, die Platten stimmen meistens auch,
nur sind sie numeriert und mit einem Hinweis auf die Textseite versehen.
Gewöhnlich sind zwei Platten auf die Vorder- und die Rückseite eines
Blattes gedruckt. Immerhin mögen einige Eupferplatten neu erstellt
worden sein, so zur Propos. n des I. Buches, zu Propos. I des ü. Buches,
zu Propos. IX und X des m. Buches, zu Propos. I, III und IX des IV.
Baches, es mflssen also von den 83 Platten sechs verloren gegangen sein.
Die Bemer Ausgabe stellt sich demnach dar als ein doppelsprachiges
Plagiat der NouveUe Prcttique de la QSometrie von Le Clerc. Nicht nur unter
einem fingierten Verfasser herausgegeben, sind auch die Eupferplatten vom
Le ÜLEBc'schen Buch einfach handwerksmäfsig nachgestochen worden, denn
was in den Le CLERc'schen Vignetten rechts ist, ist links im Bemer Exemplar,
80 dafs also sicher der Oraveur mit dem Spiegel gearbeitet hat Wer der
Grateur war, ist mir noch unerfindlich, ebenso kann man bezüglich des
deutschen Übersetzers nur eine Vermutung aussprechen. Von den 83 Eupfer-
122 J. H. Graf: Die Geometrie von Le Clerc und Ozonam.
platten zeigt einzig die Tafel anf S. 185 eine Abweichung in der geometrische
^g^r gegen die Ausgaben von 1682 und 1692. Dazu kommt nodi dj
sohon angedeutete Versetzung der 12. Aufgabe des V. Buches, sonst find(
überall materielle Übereinstimmung statt.
Was nun den Buchdrucker und Herausgeber Andkeas Huguenet ai
betrifft, so verhält sich die Sache folgendermaJDsen . Von 1679 an hat<
Gabriel Thormann von Bern die obrigkeitliche Buchdruckerei erhalten od
da er nicht selbst Buchdrucker war, so hatte er Associes und sehr wak
scheinlich gehörte zu denselben auch Andr^ Huguenet, der dann die tec^
nische Leitung der Druckerei besorgte. Es heifst auf Mandaten und Schu
büchem aus den Jahren 1684. 85. 86. 90. 92. 93. 97. 1700: getruckt :
Bern, in hoch-obrigkeitlicher Truckerej durch „Andreas Huguenet^' xh
nach 1706: „u4 Berne, Dans Vlfnprimerie de L.L. Excdlences. Far And:
Huguenet.'^ Die obrigkeitliche Druckerey neben dem Rathaus hatte das P
cUc{fium exdimvum zum Druck von Schulbüchern. Damals schon als Geo
Sonnleitner, der Vorgänger Thormann's, dieselbe noch inne hatte, gab
schon Bücher mathematischen Inhalts heraus, wie z.B. 1661 Arithmetica: I
new künstlich Beehen-Buch mit der Ziffer: etc. Durch weiland H. Heinri
Strübi der newen Teutschen Schul zu Zürych Ordinarium Schul- u
Rechen-Meister, und 1698 erst wurde auf Begehren des Anton Vulpi, ]
habers der zweiten, der oberen Druckerei in Bern, Schiffeli, einem Assoc
Thormann's, vom Rat eröffnet, dafs genanntes Privilegium auf 10 Jak
eingeschränkt sei und ihm angeraten, er solle lieber auf die Schulbuch
als Firmaangabe seinen Namen als den der obrigkeitlichen Druckerei setze
Die letztere Mahnung bezieht sich offenbar darauf, dafs die Bezeichnoi
„In hoch-obrigkeitlicher Druckerey" vor Andri^ Huguenet niemals gebrauc
worden ist Alle seine Vorgänger wie Sonnleitner, Stuber, le Frei
hatten etwa blofs zu setzen gewagt: Getruckt zu Bern, bj Georg Son
LEiTNER, besteltem Buchdrucker. So noch 1676. Durch die Beisetzun
„-4 Berne, Dans Vlmprimerie de Lews ExeeUetices, Far Andri^ Huguenb
erhält das unter dem Verfasser „Ozonam^* erschienene Plagiat von De Cler<
Geometrie noch ein besonderes Relief. Es ist aufserordentlich verdacht
dafs dieses gewifs wertvolle Werk in keinen bernischen Regierungsakt
erwähnt wird, während doch jede noch so unbedeutende Druckschrift d
Censur unterlag. Es kann höchstens als Entschuldigung gelten, dafs m;
vielleicht diesem litterarischen Frevel gegenüber deshalb ein Auge zudrück'
weil mit dem Druck dieses Büchleins der Ausbildung des beruisehen Offizia
korps grofse Dienste geleistet werden konnten.
:mw
NIKOLAUS VON CÜSA
IN SEINEN BEZIEHUNGEN
ZUR MATHEMATISCHEN UND PHYSIKALISCHEN GEOGRAPHIE
VON
SIEOMÜND GÜNTHER
IX MÜNCUEM.
I
Von dem Manne, den diese Skizze unter einem ganz bestinmiten Ge-
sichtspunkte betrachten will, darf man wohl auch, wie von manchem an-
deren sagen, dafs sein Charakterbild in der Geschichte schwanke. Als
kirchlicher Politiker und Theologe hat er sehr verschiedene Beurteilungen
erleiden müssen, und auch seine Stellung in der Geschichte der exakten
Wissenschaften hat erst in neuester Zeit die Klärung erfahren, deren sie
in hohem Malse bedurfte. Je mehr man sich mit dieser eigenartigen Ge-
lehrtenfigur der beginnenden Frührenaissance beschäftigt, umsomehr wird
man geneigt sein, dem Lobe beizupflichten, welches M. Cantor dem den-
kenden Mathematiker Cusa zollt ^), und gerade dann, wenn man insbe-
sondere diejenigen Disziplinen ins Auge faüst, die in der Überschrift vor-
liegender Studie genannt werden, lernt man die Richtigkeit dessen, was
Cantor sagt, mehr und mehr begreifen. Eine zusanunenhftngende Schil-
derung dieser Seite von Cusas Wirksamkeit hat bislang gefehlt, obwohl es
nicht an Äuüserungen und Andeutungen fehlt, die in solchem Sinne ver-
wertet werden kOnnen, und wir hoffen deshalb, dafs unser Versuch, das
Bild des Mannes entsprechend auszugestalten, als ein berechtigter anerkannt
werden wird. Ein kurzer Blick auf die wechselvollen Schicksale des Cu-
SAHER8, verbunden mit gedrängter Hervorhebung dessen, was ihm in der
Geschichte der Wissenschaften bisher schon einen geachteten Platz gesichert
bat, dürfte als Einleitung zu der Behandlung seiner Verdienste auf engerem
Wissensgebiete nicht zu umgehen sein.
Geboren im Jahre 1401 zu Cnes an der Mosel, hat Nikolaus Ekebs^)
1) CavtoSy Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik, 2. Band, Leipzig
1892, S. 194. Es heifst hier, dafs nur Cusa allein unter den Mathematikern \or
fiiaioMoarTAH y^als genialer Kopf mit dem Stempel des Erfinders ansgezeichnet**
war. — Noch nicht scheint beachtet worden zu sein, dafs es auch, in wenig spä-
terer Zeil, einen Mathematiker JoHAinns Cusahus gab, der im Jahre 1614 bei den
bekannten Wiener Buchdrucker Vixtob und SmaBsnus einen „Algorithmus pro-
jectOium de integris*^ erscheinen liels. Es wäre wohl der Mühe wert, zu er-
fonchen, ob zwischen den beiden Personen, welche den Namen Cusahus tragen,
lieh irgendwelcher Zusammenhang nachweisen läfst.
2) Der flBnfzehnj&hrige Knabe wurde als „Nicolaus Cancbb db Coeszb cleri-
^ Trever, d|foc.'* in das Matrikelbnch der Neckaruniversit&t eingetragen (Tüpkb,
126 Siegmund Günther:
(Chrvpffs) seine Erziehung hauptsächlich in der damals berühmten Schidi
zu Deventer erhalten, welche von den „Brüdern des gemeinsamen LebeaiF
begründet worden war^). In Padua holte er sich die später ihn anszeidi^
nende mathematische Bildung; sei es nun, dafs der damalige Lehrer da
Faches an der berühmten Hochschule, Prosdociho de' Beldomandi, mm
namhaften Einflufs auf ihn übte^), sei es, dafs die innigen Beziehimgeii
in welche der junge Mann mit dem älteren Paolo Toscanblli (Paului
Flokentinus, Paulus Physicus) trat, die Stelle regelrechten ünterrichtei
ersetzten^). Nach kurz währendem juridischem Intermezzo trat Cusa, wu
ihn von da ab die Zeitgenossen zu nennen pflegten, in die Dienste dei
Kirche; in ihnen stieg er bald von Stufe zu Stufe, und nachdem er dii
freieren Anschauungen, welche von ihm auf dem Konzile von Basel ver
treten worden waren, aufgegeben hatte, sah er sich bald als päpstliche)
Delegat und Bischof von Brixen auf der Höhe äufserer Erfolge, wobei e
freilich auch an Kämpfen aller Art nicht fehlte^). Dieselben hörten and
dann nicht vollständig auf, als Nikolaus, zum Kardinale erhoben, seinei
Wohnsitz in Rom nahm, doch ist immerhin gerade diese Zeit des sp&te
Mannesalters eine besonders förderliche geworden^). Cusa starb im Jabi
1464, nahezu gleichzeitig mit dem ihm befreundeten Papste Pius 11., d(
Die Matrikel der Universität Heidelberg von 1386 bis 1662, 1. Band, Heidelbe
1884—86, S. 128).
S) l)Ox, Der dentsche Kardinal Nikolaus von Cusa und die Kirche sein
Zeit, 1. Band, Begensburg 1847, S. 97 ff.; Scharpff, Der Kardinal und Bisch
Nikolaus von Cusa als Reformator in Kirche, Reich und Philosophie des XY. Jal
hunderts, Tübingen 1871, S. 102 ff.
4) Cantor, a. a. 0., S. 187 ff. Eingehend erteilt über die Lebensumstän
und litterarischen Leistungen von Cusa^s mutmafslichem Lehrer Auskunft Fava
{Intomo alla vita ed alle opere di Prosdocimo de* Beldomandi, matemaiieo pai
vano del secolo XV, Bull, di bibl. e di atoria deUe scienze mat. e fis,, 13. Bai
S. Iff.; Appendice, ebenda, 18. Band, S. 405 ff.
5) Charakteristiken des in der Geschichte der Erdkunde eine so bedeutsai
liolle spielenden Mannes gaben Ximenrs {Del vecchio e nuovo gnomone fiorentii
Florenz 1767) und Uzielli (Paolo dal Pozzo Toscanelli, inspiratore deUa seopn
(V America, Florenz 1892).
6) Wohl als einer der ersten hat der alte Reimmann (Versuch einer Einl
tung in die Historiam Literariam derer Teutschen, 2. Teil, Halle 1725, S. 262
dem Kirchenffirsten Charakterlosigkeit vorgeworfen. Milder urteilt C. F. Baoc
HAUS (Gregor von Heimburg ; ein Beitrag zur deutschen Geschichte des XV. Ja]
hunderts, Leipzig 1861, S. 151 ff.); er meint, Cusa habe deshalb die unlengbf
Schwenkung vollzogen, weil er unter dem Schutze der bisher bestrittenen Pap
Suprematie eher seine wissenschaftlichen Studien fortsetzen zu können hoffen dnrf
7) Die Periode verhältnismäfsiger Ruhe beginnt erst mit dem Jahre 14
(Übinoer, Kardinallegat Nikolaus Ci'sanus in Deutschland 1451 — 52, München 188
NikolauB von Cusa in seinen Beziehungen znr mathem. u. physik. Geographie. 127
als Enea Silvio de' Picoolomini in seiner Lebenslauf bahn viele verwandte
Züge anzuweisen hatte ^, sowohl was die Liebe zur Wissenschaft, als auch
was die wechselvollen Geschicke und Gesinnungswechsel betrifft.
Als Mathematiker haben den Kardinal Schanz^) und Cantor (s. o.)
uns nahe gebracht, und Schanz hat auch den astronomischen Studien des
umfassend gebildeten Gelehrten eine dankenswerte Monographie^^) gewidmet.
Positive Leistungen, auf denen eine folgende Generation weiterbauen konnte,
sind von ihm aUerdings nicht zu verzeichnen; seine Bestrebungen, eine
Philosophie der Mathematik zu schaffen, entbehrten der Einheitlichkeit und
Systematik; seine Kreisquadraturen mufsten sich die bekaonte Widerlegung
durch Bbgiomontan gefallen lassen; die erste Wahrnehmung von Rollkurven
hat man ihm mit Unrecht zugeschrieben^^). Und trotzdem bleibt Camtors
oben angeführter Ausspruch wahr, denn niemals blieb Cuaa bei der üblichen
Kommentierung und Kontrovertierung hergebrachter Lehren stehen, sondern
es arbeitete mftchtig in ihm, über das Durchschnittswissen seines Zeitalters
hinauszugehen, und selbst dann, wenn seine mächtige Phantasie ihn in ein
Wirrsal dunkler Ideen hineinführt, wird dasselbe oft überraschend durch
plötzliche Geistesblitze erhellt. Eine leichte Aufgabe ist es freilich nicht,
sich in seine Werke mit ihrer schwerfälligen Terminologie und mit den
eigentümlichen Gedankenkonstruktionen der Spätscholastik hineinzulesen, aber
belohnend ist es für den, der die selbständige Arbeit auch im fremdartigen,
äuTserlich wenig ansprechenden Gewände zu schätzen versteht. Nach dieser
Seite hin will auch der vorliegende Beitrag zur besseren Erkenntnis einer
der merkwürdigsten Erscheinungen der deutschen Gelehrtengeschichte zu
wirken suchen. Cusa hat auf den Gebieten der mathematischen und
physischen Erdkunde viele originelle Meinungen geäufsert, viele
Anregungen gegeben, die nur leider langsam oder gar nicht
wirksam wurden, weil es dem Urheber an Mufse und Gelegenheit
8) Hierüber gibt genauere Nachweisungen Voior (Enxa Silvio de' Picoolomini,
als Papst Piufl DBB zwBiTB, und sein Zeitalter, 2. Band, Berlin 1868, S. 302 ff.).
9) ScHAMK, Der Kardinal Nikolaus vob Cusa als Mathematiker, Rottweil 1872.
10) Schahs, Die astronomischen Anschauungen des Nikolaus von Cusa und
»einer Zeit, Rottweil 1878.
11) Die irrige Behauptung von Wallis (Philosophicdl Transaetions, 1697,
S. 661 ff.), dafs die Zykloide bereits Ton Cusa als solche bemerkt und betrachtet
wofden sei, hat sich sehr z&hlebig erwiesen, so dafs sogar noch Qubtelet (Histoire
da ma(himalig%»e8 et phyaiquts chee les Beiges, Brüssel 1871, S. 68 ff.) sich dadurch
t&Qicben lieb. Thats&chlich hat jedoch Cusa zwar dem Rollen eine« Kreises auf
gndümger Unterlage, nicht jedoch dem von einem Punkte des Umfanges be-
«^ebenen Wege seine Aufmerksamkeit zugewendet (Gönthbb, War die Zykloide
WeiU im XV. Jahrhundert bekannt? Bibl. Math., I, S. 8 ff.).
128 Siegmund Günther:
gebrach, znzasehen, ob auch die von ihm gepflanzten Frftclite
znr Beife gediehen. OewÜE ist man auch bisher nicht achtlos an dissem
TeDe von Cusas schriftstellerischer Th&tigkeit vorübergegangen, aber ein«
zusammenhängende, kritische Würdigung wurde noch vermilst und soll nnn-
mehr an diesem Orte gegeben werden. —
Vor allem tritt uns da die oft aufgeworfene, aber noch niemals er
schöpfend erledigte Frage entgegen, ob der Cusambr den Yorl&ufera d^
CopPERNicus zugerechnet werden dürfe. Im engeren Sinne kann davon ge-
wüs keine Rede sein, denn der Reformator der Sternkunde war ganz nod
gar unbeeinfluist von den Anschauungen seines deutschen Landsmannes, den
er schwerlich gekannt hat^^). Man muJb jedenMls, wenn man einen Zn-
sanunenhang ausfindig machen will, von jeder unmittelbaren Besiehnng
völlig absehen. Wenn man aber das Wort Vorläufer in der Weise deuten
will, dals Cusas Auftreten der coppemicanischen Reform vorgearbeitet, dals
dasselbe den Boden bereitet habe, auf welchem sich der stolze Ban einer
neuen Kosmologie erheben sollte, so wird an der Bezeichnung kaum etwas
auszusetzen sein. An positiver Sachkenntnis vermag der Mosellftnder dem
Preuüsen allerdings nicht die Stange zu halten; man mag immerhin die
ehrende Erklärung des Faber Stapulensis billigen, dals kein Zeitgenoaie
so tief wie Cusa in Mathematik und Astronomie eingedrungen sei ^; man
mag auch der eingehenden und verständigen Kritik der alfonsinischen Ta-
feln ^^) sich erinnern — zu jener konsequenten Durchdringung eines Orond*
gedankens, wie wir sie bei dem stillen Denker Copfermiccs finden, wtre
Cusa unter keinen Umständen befähigt gewesen. Aber in einem anderen,
nicht minder wichtigen Punkte kam der Kardinal dem Frauenburger Dom-
herrn gleich, wenn er ihn darin nicht sogar noch Aberragte. Das war die
absolute RAcksichtslosigkeit gegen eine geheiligte Überlieferung, die emmi
t%) ComBMicrs nennt in der Einleitung zu den MR^^u^iones*' als seine
Vorbilder PmLOLArs« H«Baci.mait Pomticcs, EcmAirus msd EbciTA«, nicht aber Gru
vTgL Pkow«, Nikolaus ComaiocuB, 1. Band, II, 8. 499).
IS) Geeehiehte der Astronomie von den ältesten Mt anf gegenwärtige Zeiten,
I. Band, Gbemniti m% 8. 140. Auch Ccsab grimmiger Gegner, der allen Winkel-
tJIgea abholde, redliche Gaseoa ton HsiiiBijme, müsdentei die Studien des erBteren,
de» er „wrtlwnrtk» seHiltf»'* anredet, so sehr, dafs er dem Prälaten geheuneo
Verkehr mit Dämonen rar Last legte (Dex, 1. Band, 8. SIS).
14) JtojMimhP GilffMhirti J?ieermA'n. m Cäruto i\ririf Ckrdmmlit Nicolai di
tV«A, Sämtliche Wevke, 8l IlMC Wir halten mm an die gewOhnHcfa stielte
Ueaaalatt«gabe, welche 1666 bei Haaoacnma in Basel heranskam und künftig
•toli dnn^ Ox O. 0. beaeichnet werden soU. Odsa war Beriehtentatter des todi
Koniü in Ba»el 1^ die daauJs schon ab dringend erkannte KaknderverbessaiiDg
nisdeifee» taten AmeehnniM ^P^^wb« a. a. O., & 66).
NikolAas von Cusa in seinen Beziehungen snr mathem. u. physik. Geographie. 1 29
libertas, wie sich Kepler nachmals so wahr und treffend ausgedrückt hat.
Nikolaus von Cusa hat die erkenntnistheoretischen Grandlagen für eine
heliozentrische Weltanschauung gelegt, ohwohl er von dieser persönlich weit
entfernt und keineswegs geneigt war, der Sonne die Bedeutung eines Zentral-
gestimes beizulegen, um hierüber ins klare zu konmien, werden wir nicht
umhin können, uns zuvor mit dem Philosophen Cusa zu beschäftigen,
der dem Astronomen noch überlegen ist, jedenfalls aber zuerst zu hören
ist, ehe wir auch den anderen zum Worte gelangen lassen.
Die Thatsache, daTs bei Cusa auch schon jene Auffassung der sinn-
lich wahrnehmbaren Welt im Umrisse uns entgegentritt, welche drei Jahr-
hunderte spftter durch Kants kritizistische Analyse zum Oemeingute der
Philosophie und Naturwissenschaft; gemacht ward, ist von Falckenbero
besonders bestimmt hervorgehoben worden. „Nichts wird so erkannt, wie
es ist, und wie es etwa einem vollkommenen Intellekt erkennbar wäre^'^^).
Ebenso wie der Kardinal, der dem geltenden hierarchischen Rechte so man-
ches Zugeständnis zu machen genötigt war, alle Bechtsverh<nisse nur von
dem Naturrechte ableitet ^^, welches mit dem Menschen geboren und von
Hause aus dem menschlichen Verstände eingeprägt ist, so suchte er auch
im übrigen den Quellen unserer Erkenntnis nachzuspüren, und dabei ver-
blieb er so wenig auf den peripatetischen Wegen, auf welchen ihn — zu-
sammen mit Yalla, Vives und Aobicola — Schleiermacher ^^) wandeln läfst,
dafs man ihn vielmehr eher, wie dies Eucken^^) thut, als einen Anhänger
der Neuplatoniker gelten lassen mufs. In zwei Richtungen bricht er dem
Portschritte des menschlichen Denkens die Bahn; er unterscheidet zwischen
dem wirklichen Wesen der Dinge und dem Bilde, welches sich der Mensch
kraft seines unvollkommenen Anschauungsvermögens von den Dingen macht ^^),
Qod er bricht mit der von der christlichen Philosophie ängstlich festgehaltenen
16) FALCKBBBsBa, Au%abe und Wesen der Erkenntnis bei Nikolaus von Cucs,
Breslau 1880, 8. 89.
16) ZiMMBKicAini, Die kirchlichen YerfassungslAmpfe im XV. Jahrhundert,
Breshiu 1882, S. 92.
17) ScHLBRRMACHKB-H. RiTTsit, (^eschichte der Philosophie, Berlin 1889, S. 246.
18) EüCKKN, Untersuchungen zur Qeschichte der älteren deutschen Philosophie,
PhiL Monatshefte, 14. Band, S. 449 ff. ; Beiträge zur Geschichte der neueren Philo-
sophie, vomämlich der deutschen, Heidelberg 1886, S. 6 ff.
19) Man vergleiche hiezu auch noch eine weitere Bemerkung von Falcjkeitbbbo
(Onmdzflge der Philosophie des Nikolaus Cusanüb mit besonderer BerScksichtigung
der Lehre vom Erkennen, Breslau 1880, S. 117): „Die Ansicht des Cvsaxkbm über
die Erkenntnisfähigkeit stellt sich dar als Phaenomenalismus, wenn es er-
IsuU ist, diesen Ausdruck in der Bedeutung zu gebrauchen, dafs eine Erkenntnis
der blofsen Erscheinung zugestanden, eine präzise des WIbscus bestritten wird.*^
ASh ftur Oetoh. d AUthem IX. 1)
130 Siegmund Gflnther:
Doktrin von der Endlichkeit der Welt, welche im ptolemaeischen Systeme
mit seinen Exystallsphären die festeste Stütze gefunden hatte. Ganz zu-
treffend erkennt Descabtes in dieser Beseitigung der den freien Flug des
Geistes ebenso wie eine höhere Auffassung vom Wesen Gottes hindernden
Sehranken ein Verdienst des Cusakers^). Die Welt ist für diesen einerlei
mit dem „privativ Unendlichen" ; die „Weltseelen" der neuplatonischen Sdiale
ziehen sich zusammen in eine einzige, wahre Weltseele, Gk>tt selbst, und
weil Gott, der allgegenwärtige, überall ist, so befindet sich der Mittelpunkt
der Welt überall, eine Peripherie an keinem Orte. Damit ist das berfihmte
Buch „von der gelehrten Unwissenheit", zweifellos das geistvollste, welches
aus CusAs Feder hervorging, seinem Wesen nach bestimmt. Die Thatsadlie,
dafs die Erde sich bewegt, ist für den Autor durchaus nicht die in erster
Linie wichtige; sie ergibt sich von selbst, da es etwas unbewegtes im Welt-
all nicht geben kann. Der Umstand, dafs Cusa, so wenig auch seine Be-
griffsbestimmung unseren heutigen Ansprüchen genügen kann, zuerst den
Unterschied zwischen absoluter und relativer Bewegung erkannt
hat, wird von L. Lange ^^) ins richtige Licht gesetzt; wir erachten es nicht
für unmöglich, dafs die cartesische ZerfllUung der Bewegung in einen „mohts,
ut vulgo sumiiur** und in einen „moius ex rei veritate considercUu^*^ die
cusanische Begriffsscheidung zum Ausgangspunkte nimmt, um so mehr, da
auch in beiden Fällen ein analoges Beispiel zur Erläuterung herangesogen
wird«»).
20) In dem von Cousin herausgegebenen Briefvrechsel des Cabtssiüs liest man
(Ep. I, 36) folgendes: „iVtmi*m menitm Cardinalem Gusaitum doctareaque aUos fh-
rimos suppasuisse mu/ndum infinitum . . ."
21) L. Langk, Die geschichtliche Entwicklang des Bewegungabegriffes und
ihr voraussichtliches Endergebnis; ein Beitrag zur historischen Ejritik der mecha-
nischen Prinzipien, Leipzig 1886, S. 14 ff. Qewifs hat, wie hier dargethan wird,
die Verwechslung des Absolaten und des Unendlichen Cusa^s Einsicht nicht aas
einer gewissen Trübung herauskommen lassen, allein bei alledem war doch durch
peine Sprengung der bisher jeder tieferen Auffassung des kosmologischen Problemes
vriederstrebenden Fesseln viel erreicht.
22) L. Lakoe, S. 34 ff.
23) Die charakteristische Stelle im „Liter de docta iffnorcuUia" lautet (C. 0. 0^
S. 39): ,^am twhis manifestum est, terram istam in veritate moveri, licet nofns hoc
non appareat, cum non appraehendimus motum nm per quandam comparaiionm
ad fixum/' Zum Belege wird verwiesen auf ein Schiff, welches auf uferlosem Ge-
wässer — so dafs also dem Auge keine ruhenden Vergleichsobjekte sich dar-
bieten — sanft dahingleitet. Wer sich auf dem Verdecke des Schiffes befindet,
empfindet nichts von einer Fortbewegung. Schahptf (Der Kardinal nnd Bischof
Nikolaus vom Cüsa als Reformator in Kirche, Reich und Philosophie des fünf-
zehnten Jahrhunderts, Tübingen 1871, S. 118 ff.) hat das hauptsächlich in betraeht
Nikolaus Yon Casa in seinen Beziehungen zur mathem. a. physik. Geographie. 131
Jetzt sind wir in die Lage versetzt, nns über Cusa's Stellung in der
Vorgeschichte der coppemieanischen Beform ein sicheres Urteil zn bilden.
Daran ist nicht zu denken^), dals bei ihm, wie Scharpff meint; eine
Vorwegnahme der drei Bewegungen, welche nach Coppernicus dem Erd-
körper eingepflanzt sind, zu Sachen wftre; am wenigsten am bezeichneten
Orte, wo nur von Bewegung schlechtweg gesprochen wird. Hier konunt
es vielmehr dem Autor einzig darauf an, den Glauben zu zerstören, als
sei unserer Erde von der Vorsehung irgend eine Bevorzugung vor anderen
Weltkörpem zugeteilt worden. Die y,sphaera odava", welche nach der herr-
schenden Theorie etwas sehr reelles sein sollte und durch den — übrigens
mit CusA befineundeten^'^) — Pbubbach wiederum bewulst zu einer mate-
riellen Kiystallsphftre gemacht worden war**) — existierte fbx ersteren
nicht; er bedient sich zwar des nun einmal vorhandenen Namens^, ähn-
lich, wie wir ja auch in übertragenem Sinne von einer Himmelskugel reden,
aber mit der Wesenheit derselben hatte er einfEbrallemal aufgeräumt Da
es femer gewifs ist, was Schabpff berichtet*^), da& Cusa kurz vor seinem
Lebensende, 1463, mit der Niederschrift eines Traktates „De figura mu/ndi**
begonnen hatte, so müssen wir entweder annehmen, dafs bei ihm — auch
kommende elfte Kapitel vom zweiten Bache der genannten Schrift ins Deutsche
fibertragen, darin aber fehlgegriffen, dafs er die allgemeinen Spekulationen Cusa^s
auf das coppemicanische System Übertrug, mit welchem sie nichts zu thnn haben.
24) Die drei ooppeniicanischen Bewegungen sind bekanntlich die Achsen-
drehung der Erde, der Umlaaf der Erde am die Sonne und eine thats&chlich nicht
Torhandene Achsenschwankong, welche den Parallelismas der Erdachse aufrecht
erhalten sollte, aber schon bald von Rothmann, and bestimmter von Galilei, als
unzaUUsig erkannt warde (B. Wolf, Geschichte der Astronomie, Mflnchen 1877,
S. SS8).
S6) Hierüber teilt näheres mit Schabpff (a. a. 0., S. 807 iL).
86) Man darf mit Pbubbaoh*8 Wiederaoffirischong der alten eudozisch-aristo-
teliichen Hypothese von den homozentrischen Sphären nicht so hart ins Gericht
gehen, wie dies z. B. B. Wolf (Geschichte der Astronomie, München 1877, S. 212)
thnt; fiberhanpt läfst dieses vortreffliche Werk die sonst an ihm zu rühmende
Objektmt&t einigermafsen vermissen in den von der vorcoppemicanischen Periode
hsiidelnden Abschnitten. Piubbagh and Bboiomohtah mafsten die alten Weltsysteme
ent bis aaf den hAchstmöglichen Grad der Verfeinerang bringen, ehe sich end-
gütig ergab, dafs die Betretang dieser Wege za keinem Erfolge fahren konnte.
27) Wir zitieren nach Schabpff (S. 121): „Die Erde ist also nicht das Zen-
trom, anch nicht f&r die erste oder irgend eine andere Sphäre; auch das Er-
icheiaan der sechs Himmelszeichen" -* des halben Tierkreises — „Über dem Ho-
nionte berechtigt nicht zu dem Schlosse, die Erde sei im Zentrom der achten
Sphäre.«*
28) SoHAftPVF, S. 281. Die Andeatang ist in der Schrift ,J)e venaiume sa-
pientia^ enthalten.
9*
132 Siegmund Günther:
auf diesem Gebiete — ein Wechsel der Überzeugung eintrat, oder d&fs er
eben noch einmal nachdrücklich beweisen wollte, die Welt habe keine
Figur. Wie sollte sie auch, da ihre Unendlichkeit und ünbegrenztheit,
zwei Begriffe, die damals noch nicht als verschiedene sich darstellen konnteD,
ausdröcklich festgestellt waren? Und Cüsa's Definition des Kosmos ent-
sprang nicht etwa nur einem gelegentlichen Einfalle, sondern er war, als
er sie gab, mit der Geschichte der astronomischen Lehrmeinungen wohl
vertraut und wufste insbesondere^^), daiüs sich früher schon Stimmen gegen
die Herrschaft des Ptolemaeus hatten vernehmen lassen. Wir werden
weiter unten auf diese unbekannte Schrift und auf die Möglichkeit zurück-
kommen, dafs sich von ihrem Inhalte doch einiges erhalten hat.
Verbleiben wir mithin fürs erste bei der „docta iffnorantia'*, deren
Faust-Charakter — „habe gelernt, daHs wir nichts wissen können^^ — Zeit-
genossen und Spätere begreiflich genug oft milsverstanden haben^), and
nehmen wir noch Abstand von dem Fragmente, welches einer präziseren
Festsetzung der Natur der Erdbewegung dienen sollte, so können wir si^en.
dafs in der That Cusa einen Platz unter den Vorläufern Coppernics ver-
dient. Nicht übel kennzeichnet Poggendorff^^) die Art dieser Voigänger-
schafk: er verhalte sich zu Coppernicus, wie etwa Hus zu Luther.
Nur ist der böhmische Nationalheld, bei dem sich religiöser Ernst und
politische Agitationslust ganz eigenartig in einander mengen, in keiner
29) In der Abhandlung über die spanischen Tafeln bespricht Cusa die radi-
kale Auflehnmig des Arabers Alpbtrjloius gegen Ptolsüakub (vgl. Gühthkb, Stu-
dien Eur G^eschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, Halle
1879, S. 78 ff.).
30) Aufserordentlich philiströs ist z. B., was Mäpt,!« (Gteschichte der Astro-
nomie von der ältesten bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Braonschweig 1873,
S. 116 ff.) über Cüsa zu sagen weifs. Aber auch Wolfes Urteil (s. o.) entspricht
dem wahren Sachverhalte wenig; Cusa ist ein „Mystiker", und damit ist alles sb-
gethan. Hätte es nur recht viele derartige Mystiker gegeben! ^Hr möchten lom
Beweise filr die freie Denkart dieses tiefsinnigen Mannes auch auf eine wenig
beachtete Stelle der Schrift ,J)e genest" (C. 0. 0., S. ISO) aufmerksam machen,
wo gewisse theologische Einwürfe gegen eine freiere Interpretation des HexsS-
merons auf ihren wahren Wert geprüft werden. Zöcklkb, der diese Arbeit wohl
kennt und den Cusahek in eingehender Darlegung gegen den Vorwurf des Psn-
theismns verteidigt, wie er zum öfteren und am schärfsten von Lswicxi {De Cis-
DiNALis CusAKi pantheismo dissertatio, Münster 1875) erhoben wurde, der überhsnpt
die Bedentong Cusa^s voll anerkennt (Geschichte der Besiehnngen zwischen Theo-
logie und Naturwissenschaft, 1. Abteilung, Gütersloh 1877, S. 857 ff., 451 ff.), ist
auf den interessanten Dialog über die Genesis leider nicht eingegangen.
81) PoGGKXDOBFF, Gcschichte der Physik, Leipzig 1879, S. 114 ff. Vgl. auch
Pkschel-Ruoe, Geschichte der Erdkunde bis auf A v. Humiioldt und C. Bitteb,
München 1877, S. 383.
Nikolaus Ton Gosa in seinen Besiehungen zur mathem. u. physik. Geographie. 1 33
Weise, die persönliche Tapferkeit etwa abgerechnet, mit dem Reformator
zu vergleichen, während Cusa, soweit es blos auf die Höhe und ünab-
h&ngigkeit der kosmischen Anschauungen ankommt, sich unbedenklich an
Copi'ERNics Seite stellen darf. Denn der springende Punkt ist doch inmier
der, ob die Erde als etwas selbständiges, von allen übrigen Weltkörpem
verschiedenes oder ob sie als ein Stern, wie die anderen, anzusehen ist.
Sie ist letzteres, fireüich ein „edler" Stern ^^, der aber seinem Wesen nach
nicht auf eine besondere Substanz zurückzuführen ist. Damit ist die
aristotelische Elementenlehre über den Haufen geworfen; damit
ist ein Ferment von gröCster Tragweite in die Naturwissenschaft hinein-
getragen und dem Dogma von der Suprematie der Erde der Boden ent-
zogen. Wenn in den folgenden zwei Jahrhunderten gegen das coppemi-
canische System nicht nur polemisiert, sondern mit allen erlaubten und
unerlaubten Mitteln der Kampf erö&et wurde, so trug an der steigenden
Erbitterung weit weniger die astronomische Theorie die Schuld, um welche
sich die Mehrzahl der Gegner wenig kümmerte, sondern der unselige Glaube,
dafs die Entthronung der Erde einen Bruch mit den Grundlehren des Christen-
tums bedeute''). Und wer so dachte, der mochte Cusa's grolsartige Eon-
SS) SoHAJiprr, S. 124. „Die Erde ist ein edler Stern, der Licht, Wärme und
Einwirkung von allen anderen Sternen in verschiedener Weise empfängt.''
33) Kaum irgendwo finden wir diese in ihren Konsequenzen so nachteilige
Meinung gleich deutlich ausgesprochen, wie bei Mklanchthoh {Inüia doctrinae
phiftieae^ dietata in Aakdemia Vitebergensi , Leipzig 1659, fol. 34, 11). Nachdem
den philosophischen Argumenten gegen die vermessene und leichtfertige Vor-
stellung einer Mehrheit der Welten ihr Becht geworden ist, fährt der berühmte
Lehrer fort: ,J3ed nobis inEccksia^ et facüius et neeesaarium est asseewrare, imi-
cum Ute üMffMfum, qma eoelestis doctrina htmc mundmn, in qw) se Deus patefecit,
m quo 9uam doctrinam hominibus tradidit, et in quo Filium humano generi miait,
conditum esse a Deo adfirmat/' Solche Erwftgnngen bewirkten, dafs die pro-
ieatantische Kirche im Anfange der heliozentrischen Weltanschauung sogar noch
entschiedener, als die katholische, sich widersetzte. Die Endlichkeit der Welt
gilt als feststehend; ein so gründlich mathematisch gebildeter Mann, wie Jobanh
▼. Gmjirosai, der erste selbständige Vertreter dieser Wissenschaft an der Uni-
Tenit&t Wien, hatte in einem handschriftlichen Dokumente, dessen kulturgeschicht-
liche Bedeutung sehr hoch zu veranschlagen ist,, der hergebrachten Weltordnung
eine änlserst bcbtimmte, auch ihrer naiven Ausdrucksweise halber bemerkens-
werte Formulierung erteüt (vgl. Gükthxb, Studien zur Geschichte der mathema-
tiichen und physikalischen G^graphie, S. 267 ff.). Das Manuskript ist in nieder-
denticher Sprache abgefafst, wahrscheinlich eine Abschrift nach einer Vorlesung
JoEAn's, der als Autor direkt genannt wird. Jenseits der Sphäre des „primum
mobile'^ kommt der Rurige hymel", worin sich Gott in seiner Dreieinigkeit und
die Jungfrau Maria aufhalten. Auch die einzelnen Klassen der selig gewordenen
Menschen haben je eine besondere Sphäre angewiesen erhalten. Wie hoch müssen
134 Siegmnnd Günther:
zeptionen, in welchen man mit Fug den Keim von Leibniz' Monadologie
und prästabilierter Weltharmonie aufgedeckt hat^), vielleicht för bed^ik*
licher halten, als das wesentlich mathematische und darum nur Wenigen
zugängliche Buch der Coppebnious.
Die mathematische Geographie wird yon den Philosophemen Cusa's
auch insofern näher berührt, als aus denselben eine Rückwirkung auf das
folgen mufste, was man mit einem wenig bezeichnenden Namen Plurali-
tfttshjpothese genannt hat. In der Litteratur über die Frage, ob es
menschenähnliche Geschöpfe auch auf anderen Weltkörpem geben könne,
ist dieser ältere Vertreter der bejahenden Ansicht viel zu wenig berück-
sichtigt worden^). Cusa nahm generell die Möglichkeit einer Bewohnbar-
keit aller Himmelskörper an^), hielt aber dafür, dals die Beschaffenheit
dieser Bewohner keineswegs die gleiche, sondern durch die Eigenart des
betreffenden Sternes bedingt sei. Den Bonnenwesen möge wohl ein höherer
Rang eignen gegenüber den irdischen Menschen, welche mehr „fnakriaks
et grossi" seien. Doch ist auch die Erde nicht etwa eine tote Masse, son-
dern ein lebendiger Organismus; das Felsgerüste entspricht den Knocheo,
die Flüsse gleichen den Adern, die Bäume den Haaren des menschlii^en
Leibes. 80 weit jedoch ging Cusa nicht, dals er dem Erdkörper wirklich
animalische Funktionen zugeschrieben hätte, wie dies nachher Kepler,
Goethe und der Naturphilosoph Hugi gethan haben '^). Es unterli^
wir einen Eirchenfarsten bewerten, der es unternahm, in ein so kraCB-anthropo-
morphistischeB, ja geradeza materialistisches Ghristentom Bresche zu l^geii und
einem reineren Gottesbegriffe die Bahn zu ebnen! Wir finden nicht, dali die
theologischen Biographen Cusa^s gerade dieses Moment gebührend henrorgehoben
haben; warmn sie es nicht thaten, wollen wir hier da^iingestellt sein lassen.
84) Den Znsammenhang erkennt man am besten durch das Stodinm einer
Abhandlung R. Zimhebmamn's (Der Kardinal Nikolaus CüSAifüs als Vorl&ofer Led-
NIZBN8, Sitznngsber. d. Akademie zu Wien, Phil.-hist. Kl., 1858, 8. 306 ff.).
36) Besonders empfehlenswert ist Pesohel'b Essay „Ober die Ploralii&t der
Welten** (Abhandlangen zur Erd- und Völkerkunde, herausg^. von Loswihbebg,
2. Band, Leipzig 1878, S. 187 ff.). Dem modernen Standpunkte unseres WiBseiu
pafst sich noch besser an J. Scheikbb (Die Bewohnbarkeit der Welten, Himmel
und Erde, 8. Band, S. 18 ff.).
36) ScHABPFF, a. a. 0.; Düx,>2. Band, S. 328 ff.; Clskutb, Giobdaho Bbuito and
Nikolaus von Cüsa, Bonn 1847, S. 20 ff.
37) Zu yergleichen Bind mit Rücksicht auf die sonderbare, sp&terhin weflent-
lieh auf den Gezeiten des Meeres fafsende und zuerst bei den Stoikern nachweis-
bare Lehre vom „Erdtiere** die folgenden Schriften: H. Bbeobb, G^eschichte der
wisBenschafblichen Erdkrmde der Griechen, 4. Abteilang, Leipzig 1893, S. 75;
Hederich, Goethe und die physikalische Geographie, Münchener Geographische
Studien, 6. Heft; Pixis, Kepler als Geograph, ebenda, 6. Heft; Hcroi, Gnmdzüge
einer allgemeinen Naturansicht: Die Erde als Organismus, Solothom 1841.
Nikolaai von Gasa in seinen Besiehnngen zur mathem. u. physik. Geographie. 135
keinem Zweifel, dais Qiordano Bruno, als er die ünzfthligkeit der Welten
▼erkündete, von Cusa, dem anch sonst hoch verehrten, in erster Linie be*
einfluist war'^), und auch weiterhin machen sich Sparen bemerklich, dafs
gerade dieser Teil cosanischer Lehren eine besonders bereitwillige Aufnahme
gefunden hat.
Wer einmal soweit gegangen war, dem mufste es nahe liegen, zwi-
schen der Erde und anderen Gestirnen direkte Vergleiche zu ziehen, und
zwar nicht blos solche, welche einer gewissen mathematischen Eontrolle
f&hig waren. In diese letztere Klasse gehören die ganz richtigen, am be-
zeichneten Orte gemachten Angaben, dais die Erde den Mond und Merkur
an Gröüse übertreffe. Cusa geht noch weiter und tritt mit einer kühnen
Konjektur über die Beschaffenheit des Sonnenkörpers hervor, welche
von jeher viel Aufsehen erregt und insbesondere damals, als die Sonnenphysik
*
noch nicht den gegenwärtigen Grad der Ausbildung erreicht hatte, geradezu
Bewunderung entzündet hatte, weil sie sich wie eine Divination der Wahrheit
darstellte. Man sollte jedoch nicht vergessen, dafs der Kardinal hier absicht-
lich seiner Phantasie freien Lauf liefs und seinen Äufserungen kaum eine
eigentlich wissenschaftliche Bedeutung beigemessen wissen wollte; sonst stünde
nicht am Bande der einschlägigen Partie des cusanischen Werkes das zumeist
ganz übersehene Wort ,Jitfpm" (<J«voff, Traum) '^), Indem wir wieder auf
Scharpff's Verdeutschung^) Bezug nehmen, geben wir die solare Hypothese
CrsA's wieder, wie folgt: „Betrachtet man den Sonnenkörper, so hat er zu
seinem Kerne eine Art Erde, zum Umkreise eine wie Feuer leuchtende Masse,
dazwischen eine Art wässeriger Wolken und eine reinere Luft, also zusammen
die vier Elemente der Erde^). Stünde daher jemand auTserhalb der Re-
gion des Feuers, so würde ihm diese Erde durch das Medium des Feuers
im ganzen Umfange ihres Gebietes wie ein leuchtender Stern vorkommen.
38) Doch ging Cusa. nicht so weit, eine Beseelung der einzelnen Himmels-
körper voranssnsetsen (vgl. Euhlbhbsck, Giobdaho Bbüno^s Reformation des Him-
mels, Leipng 1889, 8. 866).
39) A V. HcxBOLDT (Kosmos, 3. Band, S. 289 der Cottaschen Nenanflage,
Stuttgart 8. a.) betont die Notwendigkeit, den Randnoten die vom Autor offenbar
gewUnschte Beachtung zu schenken.
40) SCHABPVF, 8. 123 ff.
41) Dies widerspricht nicht etwa der früheren Angabe von Cüsa's gegen-
«itslichem Verhalten gegen die peripatetisch-scholastische Elementenlehre. Denn
dioe verlangte ja eben, dafs die Gestirne aus einem selbständigen, der Erde
'ramdartigen , ätherischen Stoffe gebildet seien, und unsere Vorlage spricht sich
IQ gVDsien vollster Wesensgleichheit zwischen sämtlichen Weltkörpem ans; ein
^ j«ae Zeit gewagter Gedanke, dessen vollständige Bestätigung inzwischen durch
^e spektralanalytische Forschung erbracht worden ist.
136 Siegmund Günther:
wie uns, die wir im Umkreise der Region der Somie uns befinden, die
Sonne überaus hell leuchtend vorkommt." Clembns meinte ^^, solche
Äufserungen wären nur verständlich, wenn man annehme, Gdsa habe etwas
von den Sonnenflecken gewuüst) aber Humboldt (a. a. 0.) erklärt sich mit
Recht gegen diese geschichtlich unhaltbare Vermutung. So viel ist ja wahr:
Damals, als die Wilson- Her sehe Ische Sonnenfleckentheorie allgemein ge-
billigt war, mochte man billig über Cusa's Worte erstaunen, die zwar nicht
eben klar sind, aber doch dahin gedeutet werden können, dafs an eine
dunkle Sonnenkugel, umflutet von einer Licht und Wärme ausstrahlendeD
Photosphäre, gedacht worden sei. Wenn man übrigens aufmerksam in der
Zeile fortliest, so sieht man^'), dais Cusa auch dem Monde, und wahr-
scheinlich nicht minder den übrigen Planeten, eine ähnliche Zusammeih
setzung aus konzentrischen Elementarhüllen zuschrieb und für die Soone
keine Ausnahmestellung beanspruchen wollte. In hohem Maise merkwürdig
bleibt der ganze Abschnitt gleichwohl als ein Versuch^), die Natur der
Gestirne aus den für die Erde giltigen Gesetzen abzuleiten, Astro- and
Geophysik zu einander in Wechselbeziehung zu setzen.
Wir erfuhren soeben, dais der geistvolle Theosoph zwischen den Sätzen,
welche er aufstellte, wohl unterschied; von denen, welche ihm als gesichert
erschienen, trennte er die „Träumereien^', deren wir Erwähnung thaten,
und wieder andere lagen für ihn in der Mitte zwischen voller Wahrheit
und abenteuerlicher Spekulation. Letztere bezeichnete er als „para/ämi'".
Dahin gehört der Ausspruch, dafs die Gestalt der Erde nicht voll-
kommen sphärisch und dais die Bahn, in welcher sich dieselbe bewegt,
42) Clembrs, a. a. 0., S. 101. Sicherlich war CusVs Idee mafsgebend för
GioBDANo Bbüno'b viel weitergehende Eonstraktionen siir Lehre von den phyiischeo
Eigenschaften der Sonne (Kuhlbhbeck, a. a. 0., S. 366). Er sagt einmal (Bkuxn-
HOFEB, GiOBDANo Bbuho's Weltanschauong und Verhängnis, Leipzig 1888, S. 168):
,ßli ricordo d'aver tnsto il Ousano, di cui ü giudizio so che non riprovaU, t7 qwk
vitale, che anco il sole abbia parti dissimüari, came la luna e la terra/* Dies var
aber ein Mifsverständnis; an ünregelmäfsigkeiten der Oberfläche dachte Ceti
nicht, sondern lediglich an eine sphärische Schichtung der Elementatmaterien in
der Kugel des in Rede stehenden Weltkörpers.
48) „Der Mond erscheint uns nicht so hell, Tielleicht, weil wir in seueoi
Umkreise mehr den zentralen Teilen näher stehen, etwa der wässerigen Region
desselben." Daraus geht doch hervor, dafs der Aufbau der beiden Körper, der
Soime und des Mondes, als ein wesentlich gleichförmiger, die gleichen ßesUnd-
teile aufweisender vorausgesetzt war.
44) Abgesehen von der (pBeudo?-)plutarchi8chen Schrift „De fade in orbe
lunae" kannte man keine solchen Versuche, bis dann Kbpleb sich mit seiner gaa-
zen Genialität auf dieses Feld warf (vgl. Lunw. Qüntbeb, Kefleb's Tnom Tom
Mond, Leipzig 1898).
Nikolaus toh Gosa in seinen Beziehungen zur mathem. u. physik. Qeographie. 137
nicht vollkommen kreisförmig sei^^). Wir fahlen nns auJGser stände,
den Gedankengang des sich gerne in ein gewisses Dunkel hüllenden Schrift-
stellers^ nachzudenken; am nächsten liegt es wohl, dafs derselbe nur der
prinzipiellen Überzengung Ausdruck verleihen wollte, nichts Geschaffenes
erfireue sich einer absoluten Vollkommenheit. Man darf aber auch an die
nnregelmälsige Oberflftchenkonfiguration der Erde, an ihre Gliederung in
Gebirge und Flachländer, sowie an die Exzenter und Epizykeln denken,
mit welchen die Gelehrten den Weltraum bevölkert hatten, und mit denen
sich der praktische Astronom notwendig abfinden mufste^^), so wenig sie
dem Philosophen sympathisch sein mochten.
45) C. 0. 0., S. 89. „Terra etiam ista non est sphaerica, tU quiäatn dixerunt,
licet tendat ad sphaericitatem , . , et eius motus circularis, sed perfectior esse posset/'
46) Die von einem Historiker (C. F. Bbockhaus, Nicolai Cusami de concilii
universalis potestate sententia expiicata, Leipzig 1867, S. XIII) gerügte Gewohnheit
des Kardinales, vom eigentlichen Behandlongsgegenstande abzuschweifen und da-
durch die Durchsichtigkeit der GedankenentwicUung zu gefährden, tritt auch in
den philosophisch-naturwissenschaftlichen Schriften oft genug unliebsam zu tage.
47) Als solcher bewährt sich Gusi. in seinem Gutachten über die Kalender -
reform (vgl. Schanz, Die astron. Anschauungen etc., S. 17 ff.) und in seiner Kritik
des alfonsioischen Tafelwerkes. Sein Vorschlag (R. Wolf, a. a. 0., S. 829), dem
Pfingstsonntag, 24. Mai, des Jahres 1439, sofort als Pfingstmontag den 1. Juni
folgen zu lassen und zur Hintanhaltung späterer Verwirrung der Zeitrechnung
jedem 304. Jahre den Schalttag zu entziehen, ist ein recht rationeller, wenn auch
der zweite Teil nicht die Übersichtlichkeit besitzt, welche man der gregorianischen
Einrichtung nachrühmen mufs. — Noch deutlicher offenbart sich des Güsanus
Vertrautheit mit dem gesamten astronomischen Wissen seiner Epoche in der Ab-
handlung über die Planetentafeln (C. 0. 0., 8. 1168 ff.); eben diesem Zeitalter
bringt er freilich auch seinen Zoll dar durch die Behauptung, dafs der Bückgang
der Aequinoktialpunkte kein gleichförmiger sei, und dafs um die Zeit von Christi
Geburt diese Bewegung eine besonders rasche gewesen sei. Diese Irrlehre be-
herrschte ja das ganze Mittelalter und fand selbst in Coppernicus noch einen An-
hänger, der aber doch die schlimmsten Auswüchse beseitigte (vgl. Gunthxb, Der
Wapowski- Brief des Coppebmicus und Wbemsr's Traktat über die Bewegung der
achten Sphäre, Mitteil. d. Coppem.-Ver. f. Wissensch. u. Kunst zu Thom, 2. Heft,
S. 3 ff.). Scharfsinnig bemerkt Cusa, die Elemente der Planetenbewegungen seien
von König Alpokb vielfach falsch bestimmt worden, aber durch einen glücklichen
Zufall glichen sich wenigstens beim Finstemiskalkul die Fehler so ziemlich aus,
und darum habe man sich bei den unrichtigen Daten allzu leicht beruhigt. „Et
hoc muUos magnos et famatos Philosophos duxit in credülitatem predictarum tabu-
larum" (C. 0. 0., S. 1173). Als der erste, der dem „libros del saber" das kritische
Mesier ansetzte, wie A. Math behauptete (Das Studium der Mathematik im
^V. Jahrhundert, Bayer. Annalen, III, 1, S. 200), ist Cusa übrigens unter keinen
Umständen anzuerkennen, und aus seinen eigenen Darlegungen erhellt auch nicht,
daCi er sich ein solches Verdienst, das ihm nicht zukam, irgendwie zuzueignen
geneigt gewesen wlkxe. — Inwieweit Güsa bei den (27 -f 37 =) 64 Stempositionen
138 Siegmand Günther:
Auch eine nnseres Wissens bisher noch gar nicht beachtete Stelle des
inhaltreichen Baches, mit welchem wir uns zur Zeit besdi&ftigen, sei bier
kurz berührt. Die Astrologen des Altertums hatten Betrachtungen über
die Abhängigkeit klimatischer und anderweiter Yerh<niflse der einzebieo
Erdgegenden angestellt, je nachdem dieselben dem Einflüsse gewisser Ge-
stirne unterstehen; man hatte eine geographische Astrologie geechsifen,
mit der erst in jüngster Zeit die Wissenschaft sich ernstlicher zu befttfaen
angefangen hat^. Cusa hält als klarer Denker nichts von dieser Aßer-
wissenschaft; es sei, sagt er^^), dem Menschen yerwehrt, die Länder der
Erde nach ihrer angeblichen Abhängigkeit von den Stellungen der Himmels-
körper in edlere und weniger edle einzuteilen.
Die Geschichte der Kosmologie darf auch die Thatsache nicht mit Still-
schweigen übergehen, dafs bei Cusa eine erste bestimmte Erfassung
des Beharrungsgesetzes nachzuweisen ist^). Um seine abstrakten Lehren
über Gott- und Menschheit zu versinnlichen, machte Cusa Gebrauch von einem
Spiele, dessen symbolische Bedeutung Anlafs zur Verfassung einer eigenen
Schriffc („De ludo gUM*) gegeben hat**). Eine völlig glatte Kugel, anf
absolut glatter ebener Unterlage dahinrollend , kann niemals zur Buhe
kommen. Gerade so verhält es sich bei den hinunlischen Kreisbewegongen;
die dauernde Bewegung ist da der Normalfall, die unterbrochene ein Aus-
nahmefall. Aufserordentlich wichtig ist die Erkenntnis, dafs die Be-
wegungstendenz in dem bewegten Körper selbst steckt und
nicht, wie Aristoteles wollte, vom umgebenden Medium abhängt
beteiligt ist, welche der Ausgabe seiner Werke (0. 0. 0., S. 1174 ff.) angefügt und,
wird sich (Sghahz, a. a. 0., 8. 80) nicht mehr entscheiden lassen; die Überschrift
lautet: ,ßUÜae inerrantes ex Cardinälis CusAin, Nicesi, et Allia^cissib observaUomlm
8uppiUakuf*, Alliaobnsib ist der Kardinal D^Aillt, Nicsrus jedenfalls Hvriici
von Nicaea; darüber, dafs Cüsa auch Stembeobachtongen angestellt habe, ist sonit
nichts bekannt. In Jahr's „Astron. Unterhaltungen*^ (Jahrgang 1864, S. 41S) ge-
schieht eines aus Kupfer gefertigrten Astrolabiums Erw&hnung, welches lum Nach-
lasse des Kardinales gehört haben und noch jetzt in seinem Heimatsorte auf-
bewahrt werden soll. Mit einem solchen Instrumente kann Cusa immerhin die
bewuPsten Ekliptikkoordinaten, die auch nur in sehr runden Zahlen eingetragen
sind, selber ermittelt haben.
48) Man sehe die Mitteilungen hierfiber bei Hablsb (Astrologie im Altertom,
Zwickau 1879), sowie bei Boll (Studien über Claudius Ptolbkasus, Leipzig 1896).
49) C. 0. 0., S. 40. „Quare patet, per hominem tum esic seUnU, an regio Um
Sit ifi ffradu perfectiori et iffnobiliori, respectu regionum steüarutn oJtariMi . . "
50) Wohlwill, Die Entdeckung des Beharmngsgeseties, Zeitschr. f. Völker-
psychologie u. Sprachwissenschaft, 14. Band, S. 875 ff.
51) SoBAJtFFP, S. 220 ff.; KÄ8TNEB, Geschichte der Mathematik, 1. Band, Göt-
tingen 1796, S. 410 ff.
Nikolaas von Ciua in Beinen Beziehungen zur mathem . u. physik. Geographie. 139
Man weüs, dafs Gaui^ei mit der Bekämpfung dieses Grundsatzes eine rationelle
Bewegungslehre begrftndete^^, aber schon vor ihm war Cusa des wirklichen
Sachverhaltes inne geworden. Dieser Ruhm mufs ihm verbleiben, auch
wenn man mit Woblwill (s. o.) zuzugeben bereit ist, daüs der Begriff des
,,motus impressus'* (ßvvcciiig ivdo^eusa) bereits den älteren griechischen und
arabischen Auslegern des Stagiriten mehr oder weniger zum Bewufstsein
gekommen sei.
Wir können von Cusas Verdiensten um die Astronomie nicht Abschied
nehmen, ohne uns noch mit dem vielleicht wichtigsten Schriftstücke zu be-
schäftigen, welches von ihm auf unsere Tage gelangt ist. Als Clemens
anläfslich der Vorstudien, welche er für seine uns bereits bekannte Schrift
über Cusa und Bruno anstellte, die Bibliothek des aus der Hinterlassen-
schaft des Kardinals reich ausgestatteten Hospitales in Cues durchsuchte,
fiel ihm ein Autograph des Donators in die Hände, welches er veröffent-
lichte.^; Derselbe ist um deswillen von so hoher Wichtigkeit, weil Cusa
in diesem Schriftstücke seine früheren, ziemlich allgemeinen
Andeutungen über die Bewegung der Erde schärfer präzisiert
Ohne Zweifel entstanmit dasselbe dem späteren Lebensalter des Schreibers;
derselbe hatte wohl gefühlt, dafs die unbestimmten Ausführungen der „docta
ignorantia" eine astronomisch fafsbare, authentische Interpretation erheischten,
und eine solche lieferte er hier. Ob in der Absicht, auch sie der Öffent-
lichkeit zu übergeben, das müssen wir unentschieden lassen. Da wir den
Sinn der sehr gedrängten Darstellung schon bei früherer (Gelegenheit^) auf-
geklärt zu haben glauben, so begnügen wir uns mit Wiedergabe der drei
Leitsätze, in welche wir damals den Inhalt zusammendrängten.
Es dreht sieh danach I. die Erde in 24 Stunden von Ost nach West
um eine ihrer Bichtung nach mit der Verbindungslinie der Weltpole zu-
sammenfallende Achse. Gleichzeitig aber dreht sich auch 11. die achte Sphäre
mit allen zwischen ihr und der Erde befindlijchen Weltkörpem in entgegen-
gesetztem Sinne, also von West nach Ost, um die gleiche Achse, und zwar
ist ihre Umdrehungsgeschwindigkeit doppelt so grofs, als diejenige der Erde.
HL Auch die Sonne nimmt an diesem ostwestlichen Umschwünge teil, aber
derselbe wird durch die Eigenbewegung dieses Gestirnes derart verlangsamt,
d&& im Laufe eines Jahres das Zurückbleiben gerade auf 360^ anwächst.
Man staunt über die Komplikation, welche diese Anordnung zuwege
bringt allein man kann nicht in Abrede stellen, dafs der angestrebte Zweck,
52) Vgl. hiezu Hbllkb , Geschichte der Physik von Abistotel£8 bis auf die
neueste Zeit, 1. Band, Stuttgart 1882, S. 53, S. 377 ff.
58) CuMBVB, S. 98 ff. 54) Gümthsr, Stadien etc., S. 27 ff.
r-Bieß^^und Günther:
dio tSgiiche Dmdrehang der Himinelskugel und den Wecltj
von Tag und Nacbt zu erklären, auch auf diesem umst&ndliol
W^ge erreicht wird. Die Ueschwindigkeit der Erde von Ost gegen
ist, wenn vrir diesen Drehsinn durch das Zeichen Minas kennzeichnen, ^
— sT ' ^^j^)^^ ^^^ achten Sphäre ist positiv zu nehmen and hat i
CusA den Wert -^ ; als resultierende Geschwindigkeit erhatten wir sonf
ft. j- r- 3 — 360 + 720 360 , ■ ,. j- I.
für die Erde — ■■ -■ ■ ■ ^ -^7- , gerade so, wie sich dies auch 1
würde, wenn die Erde allein eine Umdrehung von West nach Ost I
die St«rnsphäre dagegen stillstände. Weshalb, diese Frage drängt sich u
da gebieterisch auf, weshalb liefs sich ein so selbständiger Denker nicht an
der ungleich einfacheren Annahme der blol'sen Erddrehung genügen, soodera
baute ein so eigenartig verwickeltes System auf? Eine voll befriedigende
Antwort auf diese Frage vermag heutzutage niemand mehr zu geben, aber
dennoch gieht es Überlegungen, welche vielleicht eine gewisse Einsicht in
den Ideengang vermitteln, dessen Resultat in der soeben besprochenen
Rotation sl ehre vor uns liegt.
Eine vorurteilsfreie Vergleichung der letzteren mit den kühnen Hypo-
these u des Hauptwerkes mufa philosophisch zu gunsten des letzteren
ausfallen, wlihreud allerdings Derjenige, der sich anf einen sozosageo
geometrischen Standpunkt stellt, die unzweideutige Charakteristik der
Uradrehnngs Vorgänge vorziehen könnte. Die achte Sphäre, welche das Bnoh
..De iloiia itinofaiilia" so gut wie beseitigt hatte, welche dort nur noch
den Wert einer bequemen Kodewendung besafe, ist nunmehr wieder zu
einem reellen Wesen geworden, denn nur einen Körper kann man sieb als
mit Achsendrehung begabt vorstellen. Bei dieser Lage der Dinge glauben
wir einer Hypothese Raum geben zu dürfen, die nicht als allzu keck er-
scheineii wird. Es war oben von einem in Verlust geratenen
Traktate über die Gestalt der Welt die Rede; als ein Konzept
für diese Schrift steht möglicherweise das von Clem»:nr ent-
deckte Bruchstück vor uns. Mit dem Alter und seiner Rangerhöhung
mögen dem Kardinale zweierlei Bedenken aufgestiegen sein: einerseits, ob
nicht das vordem errichtete Lehrgebäude gar zu kühn und luftig befunden
werden müchte, und andererseits, ob nicht eine exaktere mathematische
Begründung der einstmals rücksichtslos hingeworfenen Gedanken angezeigt
sei. Er führte diese Begründung durch und erreichte dadurch zugleich den
Vorteil, allen Schwierigkeiten der Kirchenlebre aus dem Wege zu gehen,
ohne doch mit dem Prinzipe universeller Bewegung in Widersprach
zu geraten. Auch dann jedoch, wenn wir uns diesem Versuche der Be-
Nikolaus Ton Cusa in seinen Beziehimgen zur maihem. u. physik. Geographie. 14 1
seitigong einer nnlengbaren Disharmonie zwischen dem jüngeren nnd alteren
CusANUS zuneigen, bleibt derselbe ein bewuTster Vorläufer des Coppernicus,
wie ja auch noch nach dessen Auftreten die Zahl derjenigen gar nicht
klein war, welche die tägliche Bewegung des ErdbaUes zugaben und nur
die jährliche leugneten^). Eine genauere Erforschung der Oeschichte dieser
Yermittlungslehre wäre recht wünschenswert. —
NiKoiiAus VON CuES hat sich, wie erst die neueste Zeit uns belehrte,
auch als Kartograph hervorgethan, und die Geschichte der Eartenprojektions-
lehre gedenkt seines Namens als eines der ersten, welche den rohen Hand-
Zeichnungen des Mittelalters gesetzmäfsige Netzentwürfe substituierten.
Soviel uns bekannt, war es Bbeusino^), der die Thatsache, dafs von Cusa
eine Karte Mitteleuropas erhalten sei, der Gegenwart ins Gedächtnis zurück-
rief. Er bezeichnete den grossen Mäzen der mathematisch-geographischen
Disziplinen, Willibald Pirckheymer, als denjenigen, dem man die Bettung
der Karte zu danken habe, ei'wähnte aber zugleich, dafis schon Ortelius
Yon deren Existenz nur noch durch ein Zitat gevmfst habe. Genauer be-
kannt sind wir mit der Karte erst durch einen Aufsatz S. Euoes^^)
geworden, und an diesen knüpfte A. E. v. Nordenskiöld an^), von dem
wir erfuhren, dals Cusa's Karte unter denjenigen, welche nicht auf den
ptolemaeischen Archetypus zurückgehen, die zweite ist, die ein vollstän-
diges Gradnetz trägt. Die erste ist diejenige der Länder des hohen euro-
päischen Nordens von Clavüs***). Zu dem, was Buqb brachte, war Metelka®®)
65) Zwei Astronomen, welche auf solche Weise zwischen Ptolemaeus und
ComBncuB einen Ausgleich herbeizufahren strebten, waren Orioanüs und Lonqo-
MosTAOTs (Kabthsr, a. a. 0., 4. Band, Göttingen 1800, S. 112 ff., 118). Es zeigt
sich, dafs die Neigung zu diesem Kompromisse gerade bei den Anhängern Tycho
BiAHss eine besonders grofse war.
66) Bbxüsiso, Leitfaden durch das Wiegenalter der Kartographie, Frankfort a. M.
1883, 8. 11.
57) 8. RuQB, Ein Jubiläum der deutschen Kartographie, Qlobus, 60. Band,
S.4ff.
58) V. NoBDBirsiaÖLD, Bidrag tiU Nordens älästa kartografi, Stockholm 1892;
hriplus; An Essay on the early History of Charts and Sailing-DireeHans, trans-
toed 6y Bathsh, Stockholm 1897, S. 54.
69) Über diesen ältesten eigentlichen Geographen Skandinaviens orientiei-t
am iQyerUtoaigsten Stobm (Den damske geograf Ci^udius Ci^vus eller Nikolaus
Nran, Tmer, 1889, 8. 189 ff.; 1891, S. 13 ff.).
60) Mbtklka, 0 mape Kard. MikuiJ.se Cust z prostredka XV, stoleH, Vestnik
^. Cesk6 spolecnosH näuk, tfida filosoficko-histaricko-jazykoZ'pytnä, 1895, III (Prag
^895). Der Verfasser verdankt Herrn Prof. Metelka eine deutsche Übersetzung
ilieses Essays, durch welchen, wie erwähnt, die Ergebnisse der Untersuchung
KuQu teils bestätigt, teils auch in einzelnen Punkten weiter ausgestaltet werden.
142 Siegmund Gflnther:
einige wertvolle Ergänzangen zu liefern in der Lage, indem er festzasteüec
yermochte, dafs vier Exemplare der CusA-Earte heute noch Yorhanden sind;
je eines derselben befindet sich im Britischen Museum zu London, in der
durch ihre historischen Reliquien ausgezeichneten Militftrbibliothek zu Weimar,
in der Eartensammlung des Germanischen Nationalmuseums zu NflznbeTg
und in der Plankammer des Armeekonservatoriums zu München. Eine Nach-
bildung des Londoner und des Münchener Exemplares ist jeweils den Ab-
handlungen von RuOE imd Metelka beigegeben ^^); die Verschiedenheiten
sind natürlich gering^ftkgig und beziehen sich wesentlich blos auf die von
den Schicksalen der Originalkarte Nachricht gebenden Aufschriften. Diese
letztere erschien 1491 zu Eichst&tt an der Altmühl, in welcher Stadt unter
der Begierung des Bischofs Wilhelm von Reiohbnau ein lebhaftes wissen-
schaftliches Treiben herrschte ^^).
Die Karte war in Kupfer gestochen, wie dies im Kindesalter der
deutschen Kartographie allgemein üblich war; erst um 1500 lOste der
Holzschnitt den Kupferstich ab, um etwa fünfzig Jahre später wieder lang-
61) Das Londoner Exemplar entstammt dem Jahre 1491, das Münchener dem
Jahre 1580. Wenn trotz dieses nicht unbeträchtlichen Altersunterschiedes be-
hauptet werden konnte, beide Abdrücke seien eigentlich identisch, so hat es
damit folgende Bewandnis. Nicht Pirckheymeb, ^er Nfimbeiger, welchen BBxrnio
als Mittelsmann bezeichnet hatte, sondern der ihm allerdings geistesverwandte
Augsburger Konrad Peutinoeb, mit dessen Name ja auch die Bettung einer hoch-
wichtigen römischen Strafsenkarte unlöslich verbunden ist, hatte die Original-
platte der CusA-Karte angekauft und übergab sie dem bekannten Maler Hixs
BuBGKMAiB (1473—1581) zur Vervielfältigung und VerOfienilichung. Letitere be-
Borgrte der Baseler Buchfdhrer Cbatakder mit Zuziehung des sachverstäadigeD
Kosmographen Sebastian Münstbb. Dieser Sachverhalt erschlielst sich aus den
Legenden der Karte, durch welche bewiesen wird, dafs die Münchener Karte ron
derselben Platte abgenommen ward, wie ihre Vorgängerinnen. Mbtklka (a. a. U
S. 4) zitiert auch noch die bekräftigenden Angaben in dem Buche von Obmoiii
(Curieuse Gedanken von den vornehmsten und accuratesten Alten und Neuen
Land-Charten , Frankfurt a. M.-Leipzig 1718). Wenn Mbtblka glaubt, dafi nodi
einige Unsicherheit über den relativen Anteil der drei Arbeitsgenossen Bcbgkiiaii,
MüNSTEB und Cbatakdeb obwalte, so hoffen wir auch diese jetzt beseitigt zu hahen.
Der erstere besorgte die technische Abnahme und die künstlerische Ausschmückung
im Stile der Zeit; der zweitgenannte überwachte die Korrektheit der Herstelloog
der Abzüge und lieferte den geographischen Kommentar; Obataiii>bb endlich
brachte das fertige Werk in den Handel. Die Nachweisungen Mbtblka's sind mit
Dank aufzunehmen, und gleiches gilt für die Unterstützung, welche ihm dabei
der Münchener Topograph H. Lutz angedeihen liefiB; letzterem ist aach der Ver-
fasser far geleistete Hilfe mehrfach verbunden.
62) Vgl. in dieser Hinsicht Sax, Die Bischöfe und Reichsfttrsten von Eicb-
statt, 1. Band, Landshnt 1884, S. 802 ff.
Nikolani 7on Cosa in seinen Beziehungen zur maihem. n . physik. Geograpliie. 143
sam durch die Chalkographie verdrängt zu werden ^^). Neben dem Münchener
Blatte treten die drei älteren Stiche hinsichtlich der Deutlichkeit und Über-
sichtlichkeit sehr zurück, und wer top i sehe Studien auf der Karte an-
stellen will, wie sie an diesem Orte selbstverständlich auTser unserer Absicht
liegen^), wird wohl thun, sich an die Faksimilierung Metelka's zu halten.
Eine verkleinerte Abbildung derselben ist diesen Zeilen beigefügt, einzig in
der Absicht, die von Cusa gewählte Projektionsart zu verdeutlichen.
Es ist dies die modifizierte Methode des Ptolsmaeus, der bekanntlich
für die zeichnerische Wiedergabe gröfserer oder kleinerer Teile der Erd-
oberfläche verschiedene Verfahrungsweisen an die Hand gegeben hat, die
im 1. und 8. Buche seiner „Greographie'* enthalten sind^^). ursprünglich
l&oft ja allerdings die ptolemaeische Eegelprojektion darauf hinaus, dafs
die Meridiane durch konvergente, zum Mittelmeridiane symmetrisch an-
geordnete gerade Linien, die Parallelen aber durch konzentrische Kreis-
bogen dargestellt werden soUen. Solange es sich indessen um einen nicht
beträchtlichen Erdraum handelt, wird der Fehler nicht grofs sein, der ent-
steht, wenn man den Mittelpunkt dieser Kreise, welcher der Erdachse an-
gehört, in die Unendlichkeit fallen und die Breitenkreise in ein System
paralleler gerader Linien degenerieren läfst, so dafs folglich die Begrenzung
der Karte mit dem Perimeter eines Trapezes zusammenfällt, wie wir dies
auch bei der Cu&^-Karte sehen. Wir &agen uns nun, wie der Kardinal
zu Werke ging, nachdem er den Plan gefafst hatte, eine „Landtafel^
Deutschlands und seiner Nachbargebiete auszuführen.
63) V. NOBDBHBKIÖLD, PeripluS, S. 159.
64) Solche Detailprflfnng verlohnt auch kaum mehr, da die am meisten in
die Aogen fallenden Mängel der CusA-Earte bereits von Mühstbb ermittelt und
zosammengestellt worden sind. Im August 1630 widmete derselbe seinem Gönner
PxrmexK eine diesen Zweck verfolgende Abhandlung (Gennaniae atque aliarum
rtgummm, quae ad imperium usque Constantinopolitanitm protenduntwr, deacripHo,
yer Skbabtiavux MmisTSBUM ex histarieis atque cosmograjphis , pro Tabula Nicolai
CusAi intdligefida exeerpta, lUm eiusdem ttibülae Canon), Die namentlich ll5r die
historische Länderkunde belangreiche Erörterung ist jetzt leicht zugänglich ge-
worden, weil sie von Galloib ab Anhang in seine bekannte Monographie (Les
9^ograp/ie8 aUemands de la renaissance, Paris 1890, S. 258 ff.) aufgenommen wurde.
66) Diese Projektionen behandeln: Mollweidb, Die Mappiemngskunst des
Gl. Ptolbiaxdb, Monatl. Korresp. zur Beförd. d. £rd- und Himmelsknnde, 11. Band,
S. 822 ff; Wilbbrq-Grashof, Ausgabe der Geographie des Ptolbmakus, I.Band,
Esaen 1888 (Einleitung); D'Atueac, Coup d'oeä historigue sur la projeetum des
^^»U» de ffeographiej Bull de la soc, de giogr,, 1868, S. 288 ff.; Gsbhaim, Traite
^ prqjectUme des earUs giogra/j^iques, Paris 1866, S. 214 ff.; Tissot-Hamusb, Die
Netzentwdrfe geographischer Karten, Stuttgart 1887, S. 88 ff., 145 ff.; H. Beboeb,
&• a. 0., 4. Abi, S. 142 ff
144 Siegmund Günther:
Gerade damals, als diese Karte entstand — und zwar war mn 1461
die Zeichnung vollendet, welche dann noch dreüjsig Jahre auf allgemeineres
Bekanntwerden warten mufste — weilte auch in Italien jener Mönch NiKOLAr.s
von Reichenbach (Oberpfalz), welcher als der eigentliche Wiedererwecker
des Geographen Ptolemaeus im Abendlande geehrt werden muijs. Dieser
Nikolaus Germanus, irrtümlich De Donis genannt, war es eben, der die
erwähnte Abänderung der konischen Abbildung und die TrapezkonstroktioD,
wenn dieses Wort gestattet ist, allgemein durchflihrte^). Wenn wir nao,
wie auch Ruoe (a. a. 0.) betont, erkennen, dafs die technischen Einzel-
heiten bei CusA genau die gleichen wie bei Nikolaus Germakus sind, so
liegt wohl die Vermutung nicht ferne, beide Männer hätten auf welschem
Boden Bekanntschaft geschlossen, und der Kardinal, der sich dazumal
gewifs schon mit seinem {^lane trug, habe bei dem Landsmanne noch einiges
gelernt, was ihm bei der Verwirklichung dieser Absicht zu statten kommen
konnte. Denkbar wäre selbstredend auch das umgekehrte Verhältnis, dais
der bayerische Mönch erst durch den Kardinal zu seinen kartographiscbeo
Arbeiten angefeuert worden und auf die Vereinfachung des ptolemaeischen
Kartenbildes hingelenkt worden sei. Übrigens wird man auch der uns
bekannten Beziehungen Cusas zu Toscanelli eingedenk bleiben müssen,
den sein Zeitalter als den ersten Kosmographen pries (Libri, Histoke des
Sciences mathSmatiques en IMie, 3. Band, Paris 1840, S. 71). DaHs freilich
Paulus Florentimus, wiewohl er sich als geschickter Kartenzeichner be-
währt hat, nicht gerade das trpipezfßrmige Bild bevorzugt hat, ist durch
H. Waqnbr's Untersuchung (Die Rekonstruktion der ToscANELLi-Karte vom
Jahre 1474 und die Pseudo-Facsimilia des BEHAiM-Globus vom Jahre 1492,
Nachr. v. d. Gott. Gel. Gesellsch., 1894, S. 208 ff.) so gut wie gewils ge-
macht worden. Die Motive, unter denen der Florentiner , auf den Mabco
Polo indirekt und Niccolo de'Conti direkt einwirkten, sich zur Anfertigung
jener Karte verstand, beleuchtet des näheren Apelt (Die Reformation der
Sternkunde; ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte, Jena 1852, 8. 7 ff),
der auch über Cusa's Anteil an der Vorbereitung der von Coppbrniccs
herbeigeführten Revolution der Geister gesunde Ansichten äufsert (a. a. 0.,
S. 21 ff.). Auch wenn es sich aber so verhält, wie zuerst angenonuDeo,
wird doch Ruoe's Charakteristik^^) nicht geändert: „Cusa's Karte ist die
66) Gallois, a. a. 0., S. 18.
67) RuQE, S. 5. Indem dieser Geschichtschreiber der Erdkunde einen Bi^ck-
blick auf die Entwicklung der deutschen Kartographie wirft, kommt er so der
Schlursfolgerung (S. 8), dafs erst wieder die kritische Karte Deutschlands too
Gkuhari) Mkbcatob (1585) als eine Weiterffihmng des Werkes aneuseheo sei.
welches Nikolaus von Cüeb so vielversprechend inauguriert hatte.
Nikolaus Ton Gusa in seinen Beziehungen zur maihem. u. physik. Geographie. 145
erste gedruckte' Originalkarte, die uns Mitteleuropa nicht nach der Vor-
stellung der alten Griechen, sondern nach der lehensvoUen Auffassung eines
modernen Beobachters, der das Land auf vielfachen Reisen kennen gelernt
hatte, vor Augen führt." Auf manche an sich das Interesse des Fach-
mannes erweckende Einzelheit kann hier nicht eingegangen werden ^^); es
muDs sein Bewenden dabei haben, dafs die Geschichte der mathematischen
Geographie ihn als den ersten zu feiern hat, der unter den Neueren
eine auf'korrekter Projektion beruhende Landkarte herzustellen
wagte und einen glücklichen Erfolg dieses Wagnisses gesehen
haben würde,, wenn ihm länger zu leben beschieden gewesen
wäre.^*) —
Derselbe Mann, dessen Berufsarbeit ihm die gröfsten Mühsale auf-
erlegt«, und der trotzdem die Mufse fand, in seinen schriftstellerischen
Arbeiten Samenkörner aller Art auszustreuen, die nur freilich in jener Zeit
nur allzu oft auf steiniges Erdreich fielen, hat auch gewissen Teilen der
physikalischen Erdkunde wertvolle Anregungen gegeben, von denen
wir sehen werden, dafs sie wenigstens zum Teile auch nach seinem Hin-
scheiden noch nachwirkten und der Wissenschaft wirklich nützten. Cusa
hatte offensichtlich Neigung für naturwissenschaftliche Dinge ^^) und drängte
in seiner einschlägigen Schrift ^^) (,Jdiotae de statids experimenlis diälogu^")
68) Das Heimatland der deutschen Karte, Italien, verrät sich u. a. durch die
Einteilung der Breitengrade in je 60 Miglien (resp. 12 Teile zu je 5 Miglien).
Astronomische Fizpunkte war Cusa damals nur in geringer Zahl auszunützen im-
stande; nur fSr Würzburg, Erfurt, Lübeck und die einer blühenden Hochschule
sich erfreuende, damals deutschpolnische Stadt Erakau stimmen seine Positionen
mit denen der alfonainischen Tafeln (s. o.) überein. Der Mangel zuverlässiger Orts-
bestimmungen verschuldete auch die hauptsächlichsten Gebrechen der Karte,
insonderheit das gänzliche Fehlen des Rheinknies zwischen Mainz und Bingen.
Der deutsche Hauptstrom behält durchweg eine sudnördliche Richtung bei.
69) Auch bei einer anderen Gelegenheit scheint Cusa in der Geschichte der
K&rtograpbie genannt werden zu müssen. Derselbe war nämlich bei der Aus-
gabe des ,J[tinerarium Antonini^^, welche 1494 zu Venedig erfolgte, insofern be-
teiligt, als er früher sich um die Textesreinigung der vorhandenen Kodizeä bemüht
hatte. (Vgl Wbssblino, VeUra Bomanorum itinera, Amsterdam 1727; Itinerarium
AjiTomn AuGusTi et Hisrosoltmitani^ ed. Pabthst-Pihdeb^ Berlin 1848, S. XVII;
J. V. Abcbhach, Die Wiener Universität und ihre Humanisten im Zeitalter Kaiser
MAxnm.iAw's L, Wien 1877, S. 263.) Diese noch zu wenig geklärte Angelegenheit
wäre einer besonderen Untersuchung wohl würdig.
70) Während er sich in einer schlimmen politischen Verwicklung befand,
spricht Cusa (Scuabppf, S. 316) in den Einleitungsworten zu einer theologischen
Scbrift davon, er sei mit ^^rbm'um collectio'*^ mit Botanisieren, beschäftigt
gewesen.
71) C. 0. 0., B. 172 ff. Eigentlich unterhalten sich Autor, Idiota (Cüsa selbst)
Abb. rar Gesch. d. Maihem. IX. 10
Sieg^^tod Günther:
eine Fülle vou Beobachtungen Und Bemerkungen zusammen, welche von
reiflichem Nachdenken Zeugnis ahlegen, wennschon es durchweg bei
Aphorismen verbleibt und eiu tieferes Eingehen auf die im Fluge berührten
Probleme vermifst wird. Von diesem Dialoge, in welchem sieh der PhiloBoph
mit einem Mechaniker unterhalt, sind zwei deutsche Übersetzungea
vorbanden"); ein untrüglicher Beweis dafür, dafs die Mit- und Naehwell
in dieser Sammlung eine wertvolle Bereicherung der Litt^ratur erWickl«,
Die Historiker haben von der Schrift, wie sich das von seihst versteht,
ausnahmslos Notiz genommen und mehr oder minder ausfühi-liche Auszag«
ihren eigenen Werken einverleibt; vor allem ist in dieser Beziebnng
Kaeötneh^') zu nennen.
Es gab damals keinen anderen physikalischen Apparat von grofier
Exaktheit, als die Wage, welche Cusa nicht nur in der gewöhnlichen Form
als zweiarmigen, sondern auch als einarmigeu Hebel (Schnellwage, rODÜKhe
Wage) kannte. Mit ihr werden alle die zahlreichen Experimente
des Dialoges angestellt, und das war gewifs kein Fehlgriff.") Freilicii
sind manche der vorgeschlagenen Versuche so beschaffen, dafs sie sich in
Wirklichkeit gar nicht oder doch nur unter grofsen Schwierigkeiten an-
stellen lassen, aber doch hat Lassivitz '■''} recht, wenn er bemerkt: „Diese
Versuche sind immerhin bemerkenswert als die ersten AnftLnge, eine selb-
stündige, auf Beobachtung beruhende Natnrforschung durch metbodiscbe
Vorschläge für ihre Untereuchung in Anregung zu bringen.'"*) Wu" wollen
und Orator; die deutsche DberaetxnDg hat die eiwühnte, der Sache niich auch
ganz zutreffeude Änderung der Pcreonea betbätigt.
Tä) Die jüngere derxelben Bcbeint sehr eeltcn zu sein; wir tilieren tediglii:li
nach DDx {'i. Band, S. 370 If.), dafs B. Bbameb den Dialog deutsch herausgegebei
habe (Marburg i. H. IG19), Bekannter ist jedenfalle die von B.ivirs in seinei
deutschen Vitmiv aufgeDoinmene VerdeutscbuDg, Sie bildet einen Anhang' diesei
Werkes (Vitbdvil-b; des allernambafligialen und bociierfaiensten, römischei
Architect und kunstreichen Werck oder Bawmeysters, Mabci Vitbcvij Polliomu
zehen Bücher von der Architectur und künstlichem fiawen, Ba^el 1&T6).
79] KABSTHEn, a. a. 0., 2. Band, Güttingen ITDT, S. isa ff.
74) Die J(-LLr'ei'he Metbode, die Erddichte miltclät feiner WUgnngen
beetimmen, wird von Züppritk (Die Fortschvitte der Geophysik, Geo. Jahrb., 9. Ban^
ä. &) als eine beeoaders vertrauenswürdige bezeichnet, „weil daa Instrument, di
Wage, unt«r allen physikalischen Mefeapp traten theoretisch wie praktisch a>
besten bekannt ond am leichtesten kontrollierbar ist".
TS) Lashwitz, Geschichte der Atomistik, t. Band, Hamburg- Leipzig 189(
8. 278 ff.
76) Ähalich ist die Beurteilung Rosehbkboeb's gehalten (Die Oeschichta de
Physik in Grundzügeu, I.Teil, Bmunschweig 1863, S. 106 ff.): „Diese projektierend'
Physik ist der erste Anfang der experimentierenden Physik." Lasswitz sowob
i
NikolaiiB Ton Cusa in Beinen Beziehnngen zur mathem. u. physik. Greographie. 1 47
den Inhalt der Unterredungen jetzt etwas nfther kennen lernen, indem wir
eben nnr bei denjenigen Partien verweilen, welche direkt oder indirekt die
Physik der Erde zu fördern bestimmt sind.
Dem durch Wägung zu führenden Nachweise, dafs die Pflanzen ihre
Nahrung wesentlich aus dem Wasser ziehen, folgt ein Exkurs auf die ver-
steinende Kraft mancher Quellen^^); einzelnen Quellen, wie eine solche
angeblich in Ungarn gefunden werde, eigne sogar das Vermögen, Metalle
in andere Metalle zu verwandeln; in diesem Falle Eisen in Kupfer. Hoher
Nachdruck wird auf die Ermittlung der spezifischen Gewichte verschie-
dener Körper gelegt. Wenn man das spezifische Gewicht der Erde kennt,
so hat man, da auch deren Radius gegeben ist, zugleich das wirkliche Gewicht
der Erdkugel ^^); es ist wohl das erste Mal, dafs eine solche Bestimmung
als möglich hingestellt wird. Sofort wird dann weiter gegangen zu der
hygrometrischen Wage, dem frühesten geschichtlich erkennbaren Yer-
snche, die Luftfeuchtigkeit zu messen und diese Messung für
die Witterungsprognose zu verwerten. Man kann ja den triftigen
Einwand erheben ^^), auch Phu^on und Heron hatten bereits die hygrosko-
pischen Eigenschaften gewisser Substanzen gekannt^), allein es bleibt für
wie RoaxmBBBOBR spielen auf die grofse Verwandtschaft an, welche swischen Cusa^s
Dialoge and der „Wage der Weisheit" des Arabers Alkhazini besteht, von
welchem Werke Rosbhbsbobb (a. a. 0., S. 79 ff.) sehr merkwürdige Einzelheiten
mitteilt. Der Kardinal, der Bclbst eine Kritik des Korans verfafste (Schaspff,
S. 242 ff.), war mit orientalischer Gelehrsamkeit nicht unbekannt; durfte man an-
nehmen, dafs seine statischen Elemente durch die Kenntnisnahme einer arabischen
Quellenschrift beeinflnfst waren? Auch M. Cantor's an einen weiteren Leserkreis
sich wendender Essay „Kardinal Nikolaus tok Cusa; ein Geistesbild aus dem
XV. Jahrhundert** (Nord und Sdd. Eine deutsche Monatsschr., herausg. von Dr. Paul
LiHDAu. LXIX, 188—202, 1894) geht auf die aus hier beschäftigenden Fragen
in Kürze ein und wird der Eigenart des seltenen Mannes jedenfalls gerechter,
&!• K. T. Fravtl's sehr ausführlicher Artikel im V. Bande der „A. D. Biographie**;
ähnlich, wie Maedlsb, glaubt auch der Münchener Philosoph dadurch, dafs er
den Casaner als „Mystiker** hinstellt, einer tieferen Prüfung seiner Lehren über-
hoben SU sein. —
77) C. 0. 0., S. 176. „Sic experimur, certam tiquam in lapides verti, ut aquam
tn glaeiem, ei virtutem indurativam et lapificativam certis fontihus «nesse, ^t im-
P^^Oa indurofU in lapidem."
78) Wenn d die Dichte, r der Erdhalbmesser ist, so kann man das Erd-
gewicht gleich %r*%d setzen. Cusa meint nun offenbar, wenn er es auch nicht
deoUich anspricht, dafs, wenn man von recht vielen der Erde angehörigen Stoffen
die spezifischen Gewichte kenne, das arithmetische Mittel derselben ungef&hr
gleich d sein werde.
79) Hbllbr, a. a. 0., 1. Band, S. 220.
BO) Genauer orientiert über die Bolle, welche bei den Mechanismen der
10*
148 Siegmund Günther:
CusA immer noch das Verdienst übrig, an quantitative Bestimmung ncd
an weitere Benützung des Ergebnisses gedacht zu haben. Er nimmt ein
Quantum Wolle, weil dieser Stoff den atmosphärischen Wasserdampf leicbt
aufsaugt, und wenn er das Gewicht zu verschiedenen Zeiten verscbiedec
findet, so weiTs er^^), dafs in einem Falle mehr, im anderen weniger
Feuchtigkeit in der Luft enthalten gewesen ist. Es wSre das freilich eii
etwas primitives Verfahren, allein man wird Poggendorff**) darin bei-
treten müssen, dafs alle die älteren Vorrichtungen, wie man sie von Mer-
8£NNE, Santorio, Maignan u. a. kennt, weder dem Prinzipe noch der Aus-
führung nach auf einen besonderen Vorzug vor Cusa's Verfahren Anspruch
machen können.
Einem anderen Bereiche gehört der Bat an, die Sonnen wärmen ver-
schiedener Elimate zu vergleichen; man soll eine bestimmte Anzahl
von Körnern der nämlichen Getreideart, welche auf Ackerfeldern gleicher
Bonität und unter sonst ganz gleichen Verhältnissen gewachsen sind, ab-
wägen^); da, wo das Gewicht das grö&ere ist, war auch die Intensität
der Bestrahlung durch die Sonne eine gröfisere. Man kann auch ebenso
vorgehen, um die Stärke der Erwärmung auf Berggipfeln und in Tbftlen
für Orte gleicher geographischer Breite nach gegenseitigem Verhältnis ans-
zumitteln. Daran reihen sich Betrachtungen über den Luftwiderstand,
der sich, je nach der Gestalt, gegen gleich schwere Körper von abweichen-
der Gestalt auch verschieden offenbaren wird. An der Wasseruhr — bei
Rivius ist an deren Stelle die volkstümlichere Sanduhr getreten — wird
die Zeit gemessen, welche bezüglich eine Kugel und eine Platte beim Heiab-
falhm von gleicher Höhe zum Zurücklegen dieses Fallraumes brauchen,
wobcji auch auf die Unterstützung des Vogelfluges durch den Widerstand
rlnr Luft aufmerksam gemacht wird.
Die Wasseruhr (clepsydra) ist überhaupt in der Regel der Helfer aus
IjriHctuNcben Physiker die Absorption des Wasserdampfes dorch gewisse Materien
0|iiiilt| eine Abhandlung von W. Schmidt (Hbron von Alexandria, Kovbad Dastpopivs
Uli«! iliti Btrafsburger astronomische Münsterahr, Abb. z. Gesch. d. Math., VIII,
M MH;.
Hj; PooüKNDOUFP, a. a. 0., S. 387.
hUj (!. i). 0., S. 176. „Äic eiiam posses venari'* (herausbringen) „differenHam
i'ifhtrtu huÜHf in loco montium et vallium, in eadem linea ortus et occasn^* (die
ilttiiiNdlliMn Meridiane angehören).
HH) Die Wasseruhr an sich ist viel älter; sie geht auf das griechische Alter-
\u\\\ iCikNiiiii h), vielleicht sogar auf das assyrische zurück (R. Wolf, a. a. 0.,
kl \*\\ M I. Ncm ist bei Cusa lediglich das Abwägen des ausgeflossenen Wassers,
"•(iHi.uil iituii frflber das Sinken desselben im Hauptgefäfse durch eine an diesem
.(«i4i'.lHii(.liii« Tüilung markiert hatte.
Nikolaus Ton Cusa in seinen Beziehungen zur mathem. n. physik. Geographie. 1 49
der Not. Ein Wasserbehälter hat unten eine kleine Offnang, aus welcher
stetig Flüssigkeit in ein darunter gestelltes Mefsgefäfs abfliefst; die Quantität
Wasser, welche sich in jenem innerhalb einer bestimmten Zeit ansammelt,
gilt unmittelbar als Zeitmafs. Man kann sich dieses Hilfsmittels zu astro-
nomischen Zwecken bedienen, die Differenz zwischen Sonnen- und
Sterntag ausfindig machen. Sogar als eine Art von Thermometer,
dieser Gedanke gemahnt besonders an Alkhazini, ist die Wage zu verwenden,
denn das Gewicht des Wassers variiert mit der Temperatur.^) Ihren
Triumph jedoch feiert die Uhr und deren physikalische Nutzanwendung bei
der Aufgabe, die Tiefe eines Gewässers ohne eigentliche Lotung
zu finden. Wenn wir die etwas umständliche Schilderung^) mit kurzen
Worten charakterisieren wollen, so können wir so uns ausdrücken. Ein
schwerer Körper, mit dem ein leichter in Verbindung steht, sinkt im Wasser
ein und legt in der Zeit t^ den unbekannten Weg 5^ zurück, während man
sich durch vorgängigen Versuch vergewissert hat, dafs die bekannte Tiefe s
in der Zeit t durchmessen wird. Die Zeiten werden den Wassermengen p^
und p proportional gesetzt, welche resp. beim wirklichen Versuche und
beim Vorversuche ausgeflossen sind. Dann hat man:
84) C. 0. 0., S, 178. „Orator. Nonne cdlorem et fngus, sicciteUem et humi-
ditütem temporis, possemus tali modo venari? Idiota. Possenius certe . . *'
85) Um auch von der deutschen Version einen Begriff zu geben, stellen wir
lateinischen und deutschen Text hier neben einander:
C. 0. 0., S. 177. „Orator. Audivi,
gnodam ifistrumenio voluisse normuU
los maris profunditatem venari. Idiota.
Cum pluinbo fieret, ad instar Lunae
fonnato, oeto dierum: ita tarnen y quod
camu imum 9it ponderosiua, et (üiud
lmu8, et tn leviari, pomum aut ali-
^id Uve, tali instrumento appenda-
tw, ij^itod plumibo in f%mdum pomum
trahente, et prima cum ponderosiori
V^e terram tangente, et se sie sttc-
wme inelinante: pomum de comu
liberatum, sursum revertatur, hahita
9cmtia,per simüe piumbum et pomum
in(üiaaqua,notaeprofunditati8, Nam
^ diversiUUe panderum aquae ex cle-
P*ydra, a tempore prcjeetionis plumhi,
^ fttersioms pomi in diversis aquis,
Bnnus, S. MDXLIX. ,,Durch dergleichen
Instrument der Uhren oder Sandhorologien,
mag man die tieffe des Meeres und jedes
Wassers erfinden, dann so man ein In-
strument von Pley machet, in der gestatt
des mons, der anff acht Tag lang nach
dem Newen Mond scheinet, dieser gestalt,
und auff das ein Hom oder Spitze ein
Apffel stecket, unnd also zu grundt
sencken lasset, so bald es den Boden be-
rfirt, so ledigt sich der Apffel herab, und
schnell feret er über sich , so viel dann
Sands heraufs gelauffen, sol man abwegen,
dann das Instrument mit dem Apffel in ein
ander Wasser gleicher gestalt gethan,
welches tieffe uns bekannt sein sol, dann
das Gewicht eygentlichen gemerckt defs
aafslauffenden Sands, und gegen einander
verglichen, zeigt an die Proportion der
tieffe."
150 Siegmand Günther:
Da ^, p und Py^ bekannt sind, so berechnet sich s^ ans einer einfachen Pro-
portion. Dafs in Wirklichkeit keine der beiden Proportionalitftten ni Becht
besteht, dafs folglich auch Wassertiefen auf solche Weise nnr dann mit
einigermafsen leidlicher Genauigkeit ermittelt werden können, wenn sie sieb
in sehr bescheidenen Grenzen halten, bedarf kaum der Herroihebong.
Originell und folgenreich ist nur der glückliche Einfall, die
Zeiten t und i^ dadurch zu fixieren, dafs der leichte Zusatz-
körper, den der schwere mit hinab genommen hatte, sich beim
Auftreffen auf dem Grunde ablöst und wieder zur Oberfläche
zurückkehrt. An der Fortbildung dieses Prinzipes hat die Folgezeit mit
dem gröfsten Erfolge gearbeitet^), aber diese Idee selbst war das geistige
Eigentum des deutschen Gelehrten, und zwar zu einer Zeit, als för eine
86) Die Entwicklnngsstadien dieser verwendbaren bathometriachen Methode
anlangend vgl. Güsther, Die bathomet riechen Inatrumente und Methoden, Zeitschr.
f. InstnimenteDkande, 1882, S. 392 ff., 431 ff.; Wolkehhauxr , Zar Geschiebt« der
Tiefenmeasungen, Deutache Bundschan f Geogr. n. Stat., 1. Band, S. 589 ff.; Güstheb,
Handbuch der Geophysik, 2. Band, Stuttgart 1899, S. 397 ff. Die Tiefenmesfiiag
CuBA^a wird auch von Ebbtbchmer (Die pbyaiache Geographie des Mittelalters, Wien-
Olmütz 1890, S. 66 ff.) besprochen. Über Cuba ging zuerst erheblich hinaas der-
übrigena zweifellos durch Riviua beeinflufste — Deutachungar Chb. Pöhler; b. dea«en
geomeiriaches Lehrbuch (Aine kurtze unn grandliche anleytung zu dem rechten
Verstand Geometriae, Dillingen 1663, S. 662 ff.). Seine Auslöaungsverrichtung ist
ganz ainnreich erdacht, aber noch etwas unbeholfen; hinaichtlich der Wasser-
wftgung hat keine Änderung platzgegriffen. Eine ganz ähnliche Yerbeaaenmg des
primitiven Verfahrens war diejenige dea Blahcahus {ßT^koita MMmdi «ev Ootm-
graphia, Bologna 1620, S. 108), der allerdinga aelbat wieder einen Banmeiater Lio
Aldbrti ah Erfinder namhaft macht. In den Haken, den die achwere Sinkkng«!
unten an aich trägt, ist ein spezifiach leichterer, gekrümmter Körper so ein-
gehängt, dafa die Aualöaung beim leichtesten, Ton unten kommenden Stofae er-
folgen mufa, während CusA'a Apfel sehr leicht noch längere Zeit an aeinem Halb-
monde stecken bleiben konnte. Daniel Schwenter {Delicicie Physico-Maäiematkae,
Nürnberg 1626, S. 514 ff.) hält aich teila an Pühlbb, teile an Ritzub. Die Apparate
von HooKE, Bagialli, Molinelli, Stipbiaan LuiaciuB (vgl. wegen der ihrer Zeit viel
beRprochenen Tiefe naonde dea letzteren GxLBERT'a Annalen der Phjaik, 30. Band,
B. 417 ff.) verfolgen aämtlich den gleichen Endzweck, ana der zwiachen dem Ver-
ach winden dea kombinierten und dem Wiederaufbauchen dea leichten Körpers
verstrichenen Zeit die Tiefe zu berechnen. Dieaen Plan hat man, als in der
Praxia illuaoriach, nach und nach fallen laasen, aber daa AualOaungaprinzip ai>
solch 08 hat aich bia auf den heutigen Tag erhalten, ao wenig auch dem äaTseren
Anscheine nach die feinainnig auagedachten Tiefenlote einea Brooks, BELnAr,
HidnuKR, Prinzen von Mokaco u. a. w. mit CuaA^a Inatrumentchen gemein haben
mögen.
Nikolaas von Cusa in seinen Beziehungen sor xnathem. u. physik. Geographie. 151
wissenschaftliche Meeres- und Gewässerkunde noch nicht einmal die ersten
Grundlinien gezogen waren. ^^
Wir sind am Ende. Eine zusammenfassende Schilderung dessen, was
Nkolaus von Cubs den exakten geographischen Disziplinen gewesen, hat
ungeachtet so vieler vorzüglicher Yorarheiten bislang gefehlt, und so mag
der Versuch, ein solches Gesamtbild zu zeichnen, wohl seine Rechtfertigung
in sich tragen. Der Mann, der vor Coppebnicus die Erystallsphären
der griechischen Himmelskunde zertrümmerte, der offen die
Wesensgleichheit der Erde mit den anderen Weltkörpern ver-
kündete, der ganz allgemein die Erdbewegung und konkreter auch
die Erdrotation lehrte, der den wesentlichen Inhalt des Gali-
leischen Trägheitsgesetzes vorher erkannte, der als der erste
Neuere eine Landkarte in korrektem geometrischem Netze entwarf,
der endlich thermometrische,h7grometrische und bathometrische
Methoden angab, denen ausnahmslos die theoretische Berechti-
gung nicht abzusprechen ist — dieser Mann verdient ohne Zweifel
87) Als eigentlicher Erfinder des bathometrischen Verfahrens ist freilich
wohl CüSA nicht anzusehen. Dasselbe dürfte auf die römischen Gromatiker zurück-
gehen, denn Curtze (Prcietica Geometriae^ ein anonymer Traktat aus dem Ende des
XII. Jahrhunderts, Monatshefte f. Math. u. Phjs., VIII., S. 193 ff.) teilt aus einer
alten mittelalterlichen Handschrift nachstehende merkwürdige Stelle mit (S. 213):
yyKtc praetermiUere debemus^ quin quidatn etiam profunditatem sUignorum vel
flumimm tali arte se metiri promittant . . ." Ein „globus cum ansulaf* wird Ter-
senkt; fjmmptoque astrolapsu hör am immissionis düigerUer attendunt . . ." Dann
kommt das in die „Ansala" eingeh&ngte, spezifisch leichtere Anhängsel wieder an
die Oberfläche. „Quo emergente rursum horoscopum horae praesentis instan8 in-
rentum düigenter nottU, et quantum temporis a primo momento immissionia usque
ad demersionem fluxerit, cautissima comput(sHone distinguit.'^ Neben diesem Zeit-
messungsmodns, der also auf ein damals geläufiges chronometrisches Instrument
bezog nimmt, kommt zn gleichem Zweck auch noch die Wasseruhr zur Ver-
wendung. Diese Art der Tiefenmessung l&fst sich aber auch früher schon nach-
weisen (vgl. Olueru^ OetMjres de Gebbert, pape sous U nom de Sylyestre II. col-
lationees sur Us manuscrite, precedies de sa biographie, auivies de notes critiques et
^iittoriques, Paris 1867, S. 446; M. Cantob, Die römischen Agrimensoren und ihre
Stellang in der (beschichte der Feldmefskunst; eine historisch-mathematische
Uotersnchung, Leipzig 1876, S. 168). Für Cusa bleibt angesichts dieser Tbat-
^achen zweierlei als Eigentum bestehen: Erstlich hat er an dem sinkenden
Körper die sehr einfache Auslösungsvorrichtung angebracht, welche
^T beschreibt, und zum zweiten substituiert er bei Anwendung der
Wasseruhr der etwas unzuverlässigen Volumbestimmnng die ungleich
exaktere Wägung. — Merkwürdig ist, daPs Schwentbb^s Auslösung sich wieder
mehr derjenigen der antik-mittelalterlichen Vorschrift nähert, als derjenigen, Ton
welcher der ältere deutsche Gelehrte Gebrauch macht.
152 S. Günther: Nikolaus y. Cosa in s. Bexiebg. z. mathem. u. pbysik. Geographie.
in der Geschichte der angewandten Mathematik sowohl, wie ancli
der Erdkunde einen Ehrenplatz. Wenn seine Thätigkeit einen esoterischen
Charakter hatte, den folgenden Generationen nicht in dem Mafse zu gnte kam,
wie es zn wünschen gewesen wäre, so liegt dies yomehmlich an seiner dem
Lehrbemfe wenig günstigen äufseren Lebensstellung, und Cusa erscheint als
Schicksalsgenosse des ihm in so manchen Hinsichten ähnlichen Lionabik»
DA Vinci, aus dessen Handschriftenbänden die Forschung auch erst müh-
selig die Fülle dessen herausschalt, was dieser geniale Mensch erdacht und
geschaffen hatte. Der Geschichte erwftchst umso mehr die Pflicht, das an
den Tag zu bringren, was einer früheren Zeit durch ein Zusammentreffen
vielfältiger nachteiliger Umstände entgehen muDste.
T^i^yu
ON AN ALLUSION IN ARISTOTLE
TO A CONSTRUCTION FOR PARALLELS
BY
Db. T. L. HEATH,
CAMBRIDGE.
In tbe Analjtica priora II c. 16 Aristotlb is discussing the pe-
titio principii, which he illostrates by reference to the procednre ad-
opted bj certain persons, whom he does not name, in dealing with parallels.
The passage in ite context is as follows (p. 64^ 38 — 65* 9).
ToCfro [sc. xb iv i^y aluus^ai] d' lau (iiv ofireo noutv 9x6%
ii%vq ii^wMm xh fCf^wulfUvavy iv8i%stai Sk *al furaßdwag ht &lhi &vta
%&v TUfpvTwtiov dl imCvov ÖBCxwc^ai Stic xovxatv iacoÖBMVvvai xb i^
^^ff, olov bI xb A ÖBtxvvoi dta xoü E, xb 81 B diic xoü P, xb 8k F
nsipvnbg stri 8eUwa^ai 8ia roCf A' avfißaivBi ya(f etixb 8i aixoü xb
A 8ei%vivai xovg afkm avXXoyiioiiivovg. otcbq noiovöiv ot xicg
na^aXlfllovg olofiBvoi yqifpBiV Xav^dvovöi yiiQ avxol iav-
xoi)g xoiaüxa Xafißavovxsgj & oi% oTöv xb i7to8Bi^ai fiii oi-
a&v x&v 7ca(falXriX(ov. &cxb cv^ttlvBt xoXg offroi Cvlloyiiof/dvoig
huicxov bIvm XiyBiVj bI l&tiv IxaOxoV ofkm 8^ Saiav Icxai 8i ainov
yvwöxov' Stcb^ aSvvaxov.
^^This maj be done in the form of assuming directly what is
in qnestion; but it is also possible to pass to certain other things
which are naturally proved by means of it, and by means of these
things to demonstrate the original proposition, as, for example, if
one were to prove A by means of B, and B by means of C, when
C would naturally have been proved by means of A, for in effect
those who argne in this manner prove A by means of itself. This
is what is done by those who think that they draw par-
allels; for they anconsciously assume such things as it
is not possible to demonstrate if parallels do not exist.
Thns in e£fect thcse who argne in this manner say that such and
such a thing exists if it exists; and at this rate everything will
be known per se: which is impossible.''
Upon this passage the scholiast quoted on p. 47 of Waitz's edition
of the Organen has the following note.
i8Uiig yqwpBiv iXiyovxo ot iv yBmfiBXQCa &no8BMvvvxBgj iiCBiSii xaxtc-
yQdq>ovxBg a3te8BC»wov. Xiysi 8i iv ccqx^ alxBiö^aiy iav ti^ oxi TcaQ-
im
'T- L. Heath:
dXXfiXol elöLv anodsMvvri diie roilf TtäOav eidtiav eig dvo si^k
IfinlTtxoviSav tag ivtbg ycavUcg 8vo dQ^atg taag noulv' xoüxo ya^ crii
St' öeix^elri^ tb ovo ÖQ^aig löag tlvai rag ivxbg yavlag, dm» mu
dXXriXol elöiv al ei^eüci.
^'The Word yQcc(peiv was speciallj nsed of those who demonstrat
thiDgs in geometiy, since thej were wont to demonstrate them b
drawing diagrams. Aristotle then sajs that it is begging the qnes
tion if anj one demonstrates that (straight lines) are parallel b^
means of the fact that anj straight line which falls upon (the
two straight lines makes the interior angles eqaal to two ligh
angles; for this fact, namelj that the interior angles are eqnal t<
two right angles, would itself have been proved from the par
allelism of the straight lines/^
It is a small point, bat I do not think that the scholiast's intei
pretation of the word ygdipHv is right in this particular case. It is tra
that the word very commonlj has the meaning here ascribed to it. Amon
plentj of instances, two good ones occorring in Archimedes maj be qaote<
Thns (1) in the preface to On the Sphere and Cjlinder II he speal
of ^^such theorems and problems as are investigated (yQdq>€xai) hy meai
of these theorems^^, and again (2) in the preface to the Quadrature <
the Parabola he says, "some of those who in former times occupied theo
selyes with geometry tried to prove (yQdq>eiv) that it is possible to find
rectilineal area equal to a given circle and to a given segment of a circle'
Aristotle too uses the word elsewhere in the same special sense (Topic
S 3, 158^ 30): "some things in mathematics also seem to be difficult <
demonstration (oi ^aölag ygatpsö^at) for want of a definition . . . /'. No
withstanding the frequencj of this use of yqdfpeiv, 1 do not think th
oiofuvoi tag TcaQaXX'qXovg yqa(pzvv could quite bear the meaning ^H^hinkii
they prove parallelism'^; and it seems more natural to assign to ^^
q>siv its ordinary signification of drawing.
Waitz interprets yQdq>uv in this sense and explains the passage
bis usual lucid way: "Admittunt hoc vitium in demonstrando qai line
aequidistantes ita ducendas esse docent, ut aequales sint ii anguli, quom
aequalitas demonstrari non potest nisi ex eo quod lineae sumnntor aeqt
distantes/'
It will be observed that Waitz speaks of the equality of tl
alternate angles which two parallel straight lines make with anoth
straight line meeting them; the scholiast refeis to the equality of tl
two interior angles on the same side to two right angles. The:
two properties of parallels however come to the same thing, each beis
On an allnsion in Aristotle to a constraction for parallels. 157
easilj deduced from the other; and whether constraction or demon-
stration is implied bj yqdipuv is immaterial also, since, even if con-
straction is meant, a constraction in geometrj is not complete onless
followed bj a demonstration that what was reqaired is in fact done.
Let OS now compare the constraction or demonstration as thas ex-
plained with Eüclid's coorse of procedore in Book I of the Elements.
In I. 27 he proves that, if a straight line falling on two straight lines
makes the alternate angles eqaal to one another, the two straight
lines are parallel, and in I. 28 he proves that, if a straight line faUing
on two straight lines makes the interior angles on the same side
eqaal to two right angles, the two straight lines are parallel; lastly
in L 31 he draws, throngh a given point A, a parallel to a given straight
line BC bj joiniug A to anj point D on BC and then drawing throagh A
a straight line EA making, with AD, the alternate angle EAD eqaal to
the alternate angle ADC. That is, if we accept the Interpretation of the
passage of Aristotle given by the scholiast and Waitz, Aristotle mast
be sapposed to saj that the argament in the three propositions of Euclid
referred to involves a petitio principii.
Bat is it trae that we haye here a petitio principii? I think that,
if the qaestion is considered for a moment, it will be clear that there is
no petitio principii whatever inyolved. Euclid defines parallel straight
lines as straight lines which, being in the same plane, will never meet
howeyer far thej are prodaced in either direction. Then in I. 27, 28 he
prores that, if the alternate angles are eqaal, or if the two interior angles
on the same side are equal to two right angles, the two straight lines in
qnestion will never meet however far thej are prodaced; whence, bj the
definition, thej are parallel. Lastly in I. 31 he draws a straight line
in accordance with the criterion of parallelism famished by I. 27, and it
follows that the straight line so drawn is parallel to the given straight
line. There is not here even any assamption of a difficalt Postalate sach
fts Postalate 5; and the Observation of Waitz that the eqaality of the
(alternate) angles cannot be proved except from the fact that parallel
straight lines are taken is certainly not trae, becaase one angle is drawn
eqnal to the other angle (an Operation which L 23 has tanght as to
effect vnthoat any reference to parallels), and the eqaality of the angles
does not dopend apon the existence of parallels or apon anything eise
than the constraction.
Farther than this, I think that we may conclade from other passages
of ABisTOTiiE himself that he woald not have regarded Eüclid's procedore
as open to the Charge of petitio principii. Thas in Anal. post. I 5
158 T. L. Heath:
(74* 12), where he is showing that anodet^ig should be not only %ata
itttvx6q bat xQvxov Tt^xov %a%6hyv^ he mentions as an instance the proof
that ^'right angles do not meet" (bj which of conrse he means that stnight
lines making the two interior angles eqnal to two right angles will not
meet), observing that it is not enoogh to prove this in the case where
each of the two angles is right, because this is onlj one way in which
the two angles can be eqnal to two right angles, whereas the propertj
depends on the equalitj of the sum of the angles to two right angles,
while the individual angles maj bear anj ratio to one another. Can it
be snpposed that Aristotle woold have referred to the general proof in
this case as a scientific iatodtii^g if he had regarded it as a petitio
principii?
I think it clear therefore that the Interpretation of the scholiast and
Waitz cannot be right, and that Aristotle must have referred to some
other constmction for parallels given by some contemporary geometers.
What then was this alternative constmction? I think that the comment
of Philoponus on the passage gives a eine. Philoponus does in fact
allude to a constmction different from Euclxd's, and, though the de-
scription of it is somewhat vagae, it seems possible to make ont its
essential featores:
(Philoponus f. CXI^) xh avfth itoiaüCt %al ot xag lULi^idX'lj^ov^
y^aipovxBg^ xb iv a^^ aUtlö^ai' ßovlovxai ya(f naQaXX'qlovg Bv^iia;
icrcb xov (Uörifiß(fivoii xvxlov TUJtxayqcnlfai Svvaxovj %al la(ißav(fv6i
öfllisiöv &g diuZv %1%XQV tk^X xh iTchcsdov ixslvov, luxl oOxag h-
ßdllov(Si> xicg iv^slag, wxl o Itijti^Tcr», rot^o Bikrimai' 6 ya^ fi^
avyx^OQSw ylyvea^ai xiiv TCagcilXriXov ovSh xb ötiiutov avyxmqiqaei huivo.
^*The same thing is done by those who draw parallels, namelj
begging the original qnestion; for they will have it that it is
possible to draw parallel straight lines from the meridian circle,
and they assume a point, so to say, falling on the plane of that
circle, and thos they draw the straight lines. And what was sooght
is thereby assnmed; for he who does not admit the genesis of the
parallel will not admit the point referred to either/'
What is meant is, I think, somewhat as foUows. Given a straight
line and a point through which we have to draw a parallel to it, «re
are to suppose that the given straight line is placed in the plane of the
meridian. Then we are told to draw through the given point another
straight line in the plane of the meridian (strictly speaking, it shoold he
a plane parallel to the plane of the meridian, bat the idea is that, com-
pared with the size of the meridian circle, the distance of the given point
On an allusion in Aristotle io a constraction for parallels. 159
from the given straight line is negligible). But how are we to draw,
through the point, a straight line in the plane of the meridian? It is
practicallj equivalent (says Philoponus, as I read him) to assmning an-
other verj distant point in the meridian plane and joining the given point
to it (the assumed point must be at a very great distance, becanse other-
wise the distance of the given point from the given straight line woald
not be negligible in comparison with its distance from the assumed point).
Bat again, how can we join a point to another point so distant that no
mler will reach to it? The objector will not grant us the existence of
a point in the meridian plane which can be used to draw a straight line
to. He will, in fact, assert (and rightlj) that we cannot reallj direct a
straight line to the assumed distant point except bj drawing it, without
more ado, parallel to the given straight line. And herein is the pe-
titio principii.
In modern mathematical language we maj put the matter thus. As-
soming that two straight lines whose intersection is at an infinite distance
are parallel, we are to imagine an infinitelj distant point on the given
straight line^ and we are to draw another straight line from the given
point to the infinitelj distant point We cannot in practice do this, and
the infinitelj distant point is of no use to us; our onlj method is to
draw a parallel to begin with, in order, as it were, to locate the in-
finitelj distant point. The objector will rightlj saj that the infinitelj
distant point cannot be admitted at all except as the verj point in which
a parallel will intersect the given straight line; and the petitio prin-
cipii is obvious.
If the method of drawing parallels condemned bj Aristotle was
substantiallj that above described, the idea underljing it would be curi-
ouslj similar to that which suggested to the editors of certain English
text-books of elementarj geometrj (e. g. J. M. Wilson) the direction
theorj of parallels. According to this theorj different straight lines maj
bäte either the same or di£ferent directions, and parallels are then defined
as straight lines which are not parts of the same straight line but have
tbe same direction. But these editors give us no definition or notion
of direction except with reference to straight lines which meet, and then
they straightwaj proceed to use the term with reference to straight lines
which do not meet, though thej can attach no geometrical meaning to
the same direction as applied to the latter class of lines. The logical
fallacj could not be better exposed than it is bj C. L. Dodoson in
SucLiD and bis modern rivals, the fact being that the whole idea of
the same direction as applied to non-coincident straight lines is derived
160 T. L. Heath: On an allasion in Aristotle to a constniction for panllek
from snbsequent knowledge of the properties of parallels. And it woaiii
seem that practicallj Aristotle had, even before Eüclid's time, exposed
bj anticipation the very petitio principii inyolved in the qnite recent
attempt to sapplant Eüclid's argnment bj a theory of direction whidi
no doabt strack its aathors as being original.
l
Wim
BYZANTINISCHE ANALEKTEN
TON
J. L. HEIBEBG
IX KOPXNHAOBN.
Abh. rar OeMh. d. MatheiiL H. U
Die Geschichte der Mathematik in Byzanz zu schreiben ist zur Zeit
nicht möglich; das Material dazu ist nur zum kleinsten Teil herausgegeben,
nod wer in einer gröfseren Handschriftensammlung herumsucht, wird zu-
nächst von der Menge der byzantinischen Anekdota eher erdrückt als er-
muntert. Mathematischer Gewinn oder Genufs steht dabei nicht zu erwarten,
und doch muls die Arbeit gethan werden. Nicht nur hängt von den Stu-
dien der Byzantiner die Überlieferung der alten griechischen Mathematiker
ab, sondern auch die wichtigsten Probleme der Geschichte der Mathematik
im Mittelalter können bei der grofsen Rolle, die Byzanz im geistigen Leben
gespielt hat, erst richtig gestellt und gelöst werden, wenn die verschiedenen
Einflüsse, die in Byzanz selbst sich kreuzten, klar gelegt sind. So ist die
Geschichte des praktischen Rechnens, des Decimalsystems und der Zahl-
zeichen noch immer recht unklar, und obgleich die Byzantiner auf diesem
Gebiet vielleicht mehr als sonst die Empfänger waren, verdient doch, was
sich auf diese Fragen bezieht, besondere Beachtung. Ich werde daher hier
etwas Material für diese Fragen vorlegen und zugleich auf einige Hand-
schriften aufmerksam machen, die mir für die Geschichte der exakten
Wissenschaft in Byzanz nicht uninteressant scheinen; vielleicht kann das
dazu beitragen, dafs ein anderer die Bearbeitung dieses Gebiets in . An-
griff nimmt.
I.
Der Codex Phil. Gr. 65 der Wiener Hofbibliothek, von Büsbecke in
Konstantinopel angekauft, enthält eine grofse Sammlung byzantinischer
Rechenaufgaben, ohne Zweifel vom Schreiber selbst zusammengestellt im
XV. Jahrhundert. Die Zahlen sind mit den griechischen Zahlbuchstaben
geschrieben, aber nach dem Decimalsystem; Null ist L| oder in gewissen
Teilen % also z. B. aa 11, |3lj 20, aqL|q 1000 u. s. w. Accentuation und
Orthographie ist ganz verwildert; es kommt vor oQi^fMtxtKri^ Xiyi, i%lvovgy
ivdtafi (ä &p^a6B)y yXitT€tVj IXavco (= BLefTtov), yiyovat (= yiyovB\ %aQa-
exißaGi (ä naQuOKiviöfi) u. s. w., auch rein neugriechische Formen wie
v(i laßHj va ißgeig^ und zahlreiche Fremdwörter. Ich gebe eine nähere
Beschreibung.
11*
164 J. L. Heiberg:
fol. 1^ — 2 tuqI toi) nwghiöxi tldivat xohg %axa xhv NiKOfiojiav uXimi
ovxag oQi^iMvg, foL 3 leer.
fol. 4 — 9 MayBvnvov y^fofifi ^tB^l xoü n&g icxt 6 dixa xilsiog a^iOfio^.
von dem Aristoteleserklärer Leon ^aoentinos^) aas dem XIV. JahrL; iü
diesem Stuck ist die Orthographie viel korrekter, weil der Schreiber hier
eine ältere Vorlage hatte, fol. 10 leer.
fol. 11 — 14' Kapitelindex zum folgenden Werke (242 Abschnitte!
fol. 14^ leer^.
fol. 15 — 126' ein anonymes systematisches Bechenbuch (die vier Recben-
arten mit Multiplikationstabelle, Fl&chenberechnungen, auch des Kreis^
Volumenberechnungen von Häusern, Tonnen, Weinfössem u. s. w. mit Fi-
guren). Der Anfang lautet in berichtigter Orthographie, aber mit den
sonstigen Fehlem:
er. ^H xijg UQi&iirixixrjg (li^oSog xs xal fiexccxiC^ufig dvo xavovag iu^-
xi%oi)g Hjti %ai ov fcleiovag' xa i»iv ilaxxova TtolhxTclaöuxiofUva yivi6^
fieiiov xb &JCOxile(S(ia^ ^tuq riv jtQoxeQOVy xcc Sh fu^ova iiigri duxxBfivouBva u
xal fi€Qi^6(Uva iläxxova Ttdvxag ylvtc^ai xoü TCgdxov fuyi^ovg xal r^g rov-
xov Ttocoxfjxog. xovxo xoLvvv o^tog {%ovTog %olXol fdv TtoXXoK^ luMov;
nQOxeiQOxdxag xal &aq>alBtg liuiQafSavxo i^EVQBiv xal imvo^Cat^ &Cxb ioS(fftdef;
Sfiov xal 7iQOXBlQ(og duQBVvav xoig iTCi^vixovfUvoig airt&v fUgsiSi^ xSvu it^
xb fut^ov &q>OQ&(St x&vxE ngbg xb Ikaxxav. ^ Ttei^fa Sh xcbv ngctyiiotov xat
6 luxxgbg xQOvog 6 Ttdvxa dvvdfuvog i^evQstv (tiv xal iiupavl^etv xa firpfa
ovxa^ xa Svxa 6h nlühv Xi^^ TtaQadovvai xal {moT^ffnxt Svvofuvog xa yivo-
fuva &g fij^ Svxay xa^&g xal 0O(p6g xig^) Xiyei
oTtag 6 juox^ä^ Tiavagl^firixog %^6vog
qwei xa x^wtxa xal (pavivxa x^wtxBxai^
iöet^Bv 'fif/Mg JCQoyBVQOxdxfiv xal &a(palfj (li^odovj tjxtg ti^lßxBxo \uv lut^
xcbv navxa xaX&g Eldoxatv xal llav ßoqxoxaxcov Ihqe&Vj Tt^g '^li&g Si ov%
l(pd'a(S£ yevio^ai yvtoQifiog aCxri ^ fiid'odog^ AXl* iid ^olv*") Xav^vov6a xal;
dtfxtxatg "fni&v (liffBöi xioag di^lri iyivBXO Tcqog xivag x&v anb xotg ^IxahJtok
1) Der Anfang: ni^l x&v di%a xaxriyogi&v xov 'AQiaxoxilovg noXloi xing xffi
did(pOQOi aotpol iirjyifaavxo f fnxä x&v noU&v dh xal diatpSgav iirjyiix&v Am vu
Mayivxiv6g xig 6 xäg dexa xaxriyogiag xaX&g i^iyytu&iiBvog j 3cxig xbqI xo9 xA? ^
dixa &Qt9yk6g iaxi xiXsiog leyBi xaiixa. Vgl. Eeumbaohbb Oesch. d. byz. Litt' S. 431.
2) Diese 14 Blätter ohne Qaatemionenzahlen; der Best besteht ans nome*
Herten Lagen Ton je 8 Blättern (I^r. 12 hat nur 4, Ton Nr. 20 ist nur 1 Blatt übrig)-
3) SoFHOKLKS, Aias 646 — 47, etwas ungenau citiert. xq^xixai auf Rasur.
4) nV" die Hds.
Byzantinische Analekten. 165
^^61 ovTtov AcerCvcav' TtQog ixeCvovg dh iSvvalJic^ewg %aqi,v nuxl nqayuaxtlag
Ivsniv Tta^ayevofUvovg xal xfj (SvvavaaxQOiffj lucl nv%v^ ravzayi/ ijuuSE a(pC^€t
itaQoyivofiivovg lyvtoqlo^ %al di^li} iyivsto, olfiat 8iy ort ov nXelovg x&v
hunbv xQOvmv eigi^ aStr^ f^ fU^odog Kai yvaQifiog yiyovs ngog uvag tdov
TOtg ^IxixXixoig iUq€6i ivxav^ iXav^ave 8h nakiv i^Mg toi;^ t^v ^EkXriviniiv
ylSxtxav imata(iivovg %i> X'^öe^) iyizlqri^. vvv ii wxl fifutg 6 XQOvog örjXov
Tovro i'jfoiriiSi, Tva de fir^, &g i^ötj g>d'döavxeg etnofuv, ^V^ itccgaöoüvai Tcdhv
fnutg rcrvTi^v^) naqucaxevaiS'g i nuvxa dwdfievog x^ovo^ oi7t<o wxlcbg iv "fifitv
TtayEfo&elöa %al jtlaxvv^etda '^ (iidi)dogj fueiUov dh xal ayvcmsxog xoig noXXotg
m ovöUj iSo^s f^fiiv SUaiov slvat xal avctyTUxtov (idXiöxa öuxyQcirpaö^ai xav-
trjVy &g av %al xotg fti^^oo elSoiSi nal ßovkofUvoig xavxriv fia^eiv yvtogifAOg
yhritM.
ß. tuqI x&v dina ar^fuCcoVj St* &v nag ^rjtpog ylvexat»
itt xovxo ycQ&rov ytvmaiutv, Sxt aCxr^ 4} (li^odog xe nal [UxayBlqiCtg 6i%a
^'ffifp&v iiovav arineia iqaxat xcrt oi nXilova^ fuxcc xtbv dixa 8h xovxmv Criiuloav
iwaiu^a^ sl iwaxov ioxt r^v '^fi&v q>avxaclav xaxi%Btv xiiv dtiloviUvriv Ttoco-
zritaj i^a^i^ii^öat &g stjutv luxl xi^v ^dfifiov aixTiv' i^K^t xocovxov TtQoßaiveiv
ivvavxat xenha xic dixa ari(uia, eUsl Sh xa dixa xavxa OtKula SfAOta^ (iäklov
dl xavxa xic xipf iMtviffv %al noXtxtvo\Uvriv'') dr(kovCav i^uv fjti^odov (tixQt
Tfi&v iwia arjiislanfj xb dh di%azev l^et atjfiuovj Siteff euod'afisv yqoLq>Hv^ oxt
^l&iu%a 6fifUtfo<Saa^at oidiv^ fifxt dh xb itaQOv L|. Tva öh xal (SatpiiSxeQOv
iittv yivfittu xb Xsyofuvovy itayju^xx^^) Cot xavxa nal i»xi^iiiat, &g i^g^
aßyd6fsiri»l\
xttl xb (ihv nQSnxov ffyovv xb ahpa driXot ?va, &g %al M xfjg notvtjg nal
itoltx€vo(iivfig lu^odov oCxcog Xafißavsxatj xb Sh ßfjxa örikot dvo, xal l|^g
ifw&jg l^ijlfit^ T^ff ^rixagy 7j;xtg SriXot iwia' xb 8h iXd%töxov xal ic^axav Jtdv-
Twv öfiiuiov, Svu^ iaxl xb jtoQov L|, oiihv övvaxat Svfl&aaij &XV laxt xal
avTo fiiv dfiXantKbv x&v ngoxt^SfAivcav avroS (Srifuhov^ aixb dh xa<&' aixb xb
^ oi dvvatat dtiX&öal xt' xb yaQ oiihv ovöevdg iöxt ifiXcntitov, öib xal
ovSkv yifdtjpsxat' iv oo yaq xoiup xb L| eigtCTinai^ oiöevog iöxt dfiXantxogj
xa^0$ axoXcv^ODg iQOVfUv öa(piaxBQ0v.
Nach der Ansicht des Verfassers ist also das Decimalsjstem von den
Persern (die Bezeichnung &Qt^fMl üeifitKoi findet sich ebenso im Bcbolion
6) xCdi die Hds., vielleicht xot6vdi.
6) ttt^ri die Hds. wie oben S. 164 iXatxo. Der folgende Nom. ij (li^oSog
ist absolut, wie überhaupt der Verfall der Easussyntaz sehr weit geht; das Stück
ist daher auch für die Sprache interessant.
7) Geschrieben no xhßoykivr^.
8) Geschrieben 9Ut %aQdxo. Im folgenden av xa^a xal ixr^ctfiOi.
166
J. L. Heiberg:
des Neoi'hytos, s. Tannery Revue archeologique 1885 S. 101) erfundeu
nnd im XIY. Jahrhundert etwa nach Italien gekommen, bei den Griech^D
aber noch immer so gut wie unbekannt. Das Rechenbuch des Maxihos
Planudes hat also in den Kreisen, in denen der Verfasser lebt, wenig
Erfolg gehabt. Besonders merkwürdig ist, dafs er von den indischen Ziffern
keine Ahnung hat. Das Zeichen ^ fOr Null bedeutet sonst 5; umgekehri
kommt 0 für 5 (wie jetzt im Türkischen) in byzantinischen Euklidscholien
vor (EucLioi8 Op. Y S. XIX). Man hat also in Konstantinopel eine Zelt
lang die neue Methode mit Beibehaltung der alten Zahlenbuchstaben geölt,
wohl namentlich im täglichen Verkehr.
Das Rechenbuch schliefst fol. 126' mit den Worten im T^g miaa;
aaq>iöxBQov. Es kommt darin auch eine Tafel der Quadratwurzeln vor,
aber die meisten Rubriken sind leer gelassen. Ausgerechnet sind folgende
Wurzeln (die Quadratzahlen, die bis 36 da sind, lasse ich fort):
(am Rande a xal
)
aB
^ i] Ql^a ß xal
ß^
? ^ ^«« ß x«i g
«M ^) ^^« y lud —
aa i5 ^ß!« y 9Lal —
aß i] ^t'f« y xal ^
(am Rande y nal
ay ^ $i^tt y xal ^
ad i5 ^/f« y xal —
af}ce
7^
)
"I
M i; §ita y xai ~
((
ft
«J 1^ ^/Jflf d xal —
ari 71 §iia
ß^ V ^ff«
ßa 71 ^^a
ßß ^ ^««
ßy 4 ^/fa
ßS ^ Qita
ß<5 ^ qZa
ßt 4 ^««
ßn ^ f ^«
ß^ 4i (i^a
ya Ti Qi^a
yß ^ ^/fa
0 xai ^—
rja
0 %ttl —
0 xai -^-—
d xcd ^
dp
0 xat —
a^
£ xal —
tt^
e xal —
s«
« xal —
f£
s xai
SS
€ xa£ —
yy ij fi^a £ xal —
Byzantinische Analekien.
167
^^ 1} ^^a ^ %al
ad-
df
aaa ^ ^/{icr aL| xai — ^^
dd^
aaß ^ ^/£'a aL| xal —^
aa£ '^ ^/^a al\ nal
aa^ 4i ^/fa «q xai ^
aß^ fi ^Ita a^ nal ^
aßß 1} (l^a aa xal
aßy ^ §lia aa fuxl -gg
«Jf -^ ^/fa a|5 xal —
at{a ^ ^^a aL| xcd -^
aljd ^ ^^a ai\ xal -^
attlj 1} ^^a aL| xal --^
fol. 126^ — 140', flüchtiger und mit dunklerer Tinte geschrieben, aber
doch wahrscheinlich von derselben Hand, enth< gelöste Rechenaufgaben
(z. T. Gesellschaftsrechnung). Null wird hier * geschrieben (l| kommt nicht
Tor). Aaikng:
fd^odog ^&v t(^i&v anlfj (Regula de tri)
^ Sh t&v x^Ubv fU^odog 6 Ttjg Xay^6riwlg iidvxtg iötl^ xa^&g (pfjöiv 6
"xalttvokiyog, Iv iitodily^uctog %dQtv keym^uv^ oxi %icdiov m' ^ htavXriai %ig
ita (pXovaffüov oe, t6 dh Tunaktiip^ev m % ytovlit n^bg &£^ov ilg r^v avti^v
xifiiiv ivaloymg. noöa oq>€lXei Xaßeiv;
CO ai — 9 fiß
fl,y,t i «d r i-
OffZ
Zur Probe habe ich hier die tolle Orthographie beibehalten; eine Über-
Setzung wird daher yielleicht nicht überflüssig sein.
Die einfache Regula de tri.
Die Regula de tri aber ist der Wahrsager der Rechenkunst, wie das
alte Wort^) besagt. Sagen wir z. B., da& Jemand 7 Ellen ^^) Seidenstoff
9) 6 nalaiol6yog iet wohl so riel als 6 nalatbg l6yog; an einen Kaiser yom
HMae der Pal&ologen zu denken scheint mir wenig ansprechend.
10) Das Compendium ist nC%agy d. h. »ij^as.
168 J- Ti. Heiberg:
verkauft hat far 15 Golden ^^), den Best aber, 9 Ellen, yerkanft er u
einen anderen verhältnismäfsig zu demselben Preis. Wie yiel soll er da-
für haben?
® 15 — 9 k62
9 xl>c3x5 L 19 7' 4
135 x7x7
So yiel verlangt er für 9 Ellen.
Es folgen Beispiele von Regula de tri mit Brüchen (lutit r^ncKffiatciy).
fol. 140"" — 142 leer. Dann ein nicht gezähltes Blatt, recto leer, verso nnd
fol. 143'' mit der Schrift des ersten Teils getilgte Bechenexempel.
fol. 143^ — 145 Bruchrechnungen; alles mit der Schrift des ersten Teils,
wie überhaupt der Rest der Handschrift.
fol. 146' leer (nur einige Zahlen mit der flüchtigen Schrift).
fol. 146^ Die 64 fortschreitenden Verdoppelungen des Schachbretts
(fol. 146^ — 147' ist alles bis auf die Zahlen mit der flüchtigen Hand, aber
mit der Tinte der ersten geschrieben):
JtJtXa(Sia(S(ibg toü i€ct(fi%lov.
a a yH fySi}£l|^^
u. s. w.
S» e- S» S* ö- 2»
tn mt Ol V ak m
5 ^.»^ 5
ß
y
i
ß
8
n
u. s
•
. w.
•
•
ßv
ßd'
ß^riSytÖB^
1. I •* Ä
8
r
8
fol. 147' nach 2 Proben: i^oü^ai oiv i dinka^tuü^g x&v ^t^ «^
ig xoaovtov' o&soi yicQ ot a% ^f^t %ul x6noi Sr^loiksi ^ fii^ag nd If^i
11) Das Gompendium scheint nnr so aufgelöst werden in können, wie icb
oben geschrieben habe; sonst steht in den Rechenbeispielen gewöhnlich flof^
SS qfXtoQÜx (ygl. novlsiv »» noaXeCv).
Byzantinische Analekten.
169
jt^lanaq tuA ßaß yiq^g xal y^ l^i&vug^ %a\ fi$ö fuXuyvvia xofl tt^ xtkiadag
%al i}L|i}. %al yitQ at xikucdeg x&v xikiddcDv kiyovxat iiikiovvuc^ at iiXiadeq
St %&v HLÜuovvUav liyovxai, ktys&vsg^ at %iXiadeg dh r3w leystovarv yi^fug, at
8s nXiaiBg x&v yi^iianf Kqtöitig, at di xtliadsg x&v %QÜS7t<av fiifre^, %al ofkoa
iriloihai ^^') täw a^ ^i^iov %al xontav ycocoxrig.
Die Namen yiQfug (oder viQfUg)^ xQlcmg und fäq^xsg sind mir un-
bekannt.
fol. 147^ — 152' WurzelauBziehung (auch Kubikwurzeln).
fol. 152^ leer. fol. 153 — 156 n^ql x&v xqi&v avvxgSgxov x&v i%6vxmv
iawuvoöai, q>6qftov vfiihg (so!).
foL 157 — 159' andere Rechnungen, fol. 159^ (ult.) leer.
n.
Cod. Mareianus 6r. 333 saec. XV (beschrieben von Zanbtti und bei
MoRELLi Bibliotheca manuscr. S. 212 ff.) enth< fol. 32' nach dem Schriftchen
des I8AAK Aroybos üe^I eiQicetag x&v xexQaya>vi%&v nXevQ&v re&v ft^ (titmv
nxQttyAv&v a^i^ii&v eine Tafel der Quadratwurzeln der Zahlen von 1 bis
102 in Sexagesimalbrachen, die derselben Abhandlung folgt in cod. Vatic*
Gr. 1058 fol. 32"^. Ich lege den Text des Vaticanus zu Grunde (A) und
bezeichne den Mareianus als B; nur schreibe ich mit B ö für Null, wäh-
rend A immer q hat, was an das soeben besprochene Rechenbuch erinnert.
'IZx^Cig xiXQay€»vi9i&v nkevQ&v x3nf &7t6 [lovadog nal itpe^g &Qi^fi&v.
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IS) Immer geschrieben %na%Swag, 13) 8i!\X^/bv%ai ot die Hds.
170
J. L. Heiberg:
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21 c] A, |] B.
fol. 88' nach einigen Scholien zu Euklid hat B am Rande (vgl. Eücudis
a ß y. d B <s i n ^
Op. V S. XIX) |p|JüSOL|VA9
lvii%ol i^t^i/LoL
Da A ein nicht uninteressantes Corpus späterer Astronomie enth<
(wie cod. Vatic. Gr. 1059, s. Krumbacher Gesch. d. byz. Litterai' 8. 626;
beschrieben von Usener Ad historiam astronomiae synibola, Bonn 1876),
mag hier eine Beschreibung stehen.
Cod. Vatic. Gr. 1058 chartac. saec. XV ist von mehreren Händen ge-
schrieben (den Hauptschreiber nenne ich a). Sie enthält:
fol. 1 — 7' mehrere Tafeln, u. a. Länge und Breite einiger Städte (»)•
fol. 7^ — 8 Vergleichungstabelle verschiedener Monate (a).
fol. 9—12' Kalendemotizen für die Jahre ,h^g — ,? (1428— 92)(a)
fol. 12' — 19 'Itfaax ^A(^qov fä&oöoi xai l^fii}v»a£ toov xb xvxiwv xov
TiaCyalkov xal hiQcav ivayKalaiv (a).
Byzantinische Analekten. 171
fol. 20 — 21' von demselben dit^ig^ oxi ^ iL rov öejerefiß^lov ictl nv^lag
a^il xoü ¥tovg (a).
fol. 21^ — 28 derselbe t^ Olvauity wuq, ^Avö^vlntp fu^odovg ahrfiavxi
loyuMg ix^ia^at rilucx&v tuA ceX7ivi€tx&v xvnktov tuA to&v xovxotg inofii-
vmv (a).
fol. 29' t6 ötOQ^&^hv TictCxakiov inb Ni,%r^6qov q>iXoa6fpov tov rj^o^a,
ntql oi Tucl 6 ^AiyyvQog iv x^ ävani^a ^ri^etöy (U^oda duXdfLßctve (a).
fol. 29^ — 32' xov AffyvQOv tm^I sv^iaeoag x&v xtxqaytovuubv liUvqdyif x&v
fii] Qfitcbv xexQayiovtov a^i^ii&v (a).
fol. 32^ die oben mitgeteilte Quadratwnrzeltafel (a).
fol. 33 — 52 das Einmaleins in grofser Ausführlichkeit (a).
fol. 53 — 77' astronomische Tafeln (a).
fol. 77' — 83 Itidoatg Big xb ^lovdainbv i^oTCxiQvyov (a).
fol. 84 — 86' naqadoctg Cvvxofiog xol 6atpi6xctxri xf^g ^ij^o^o^uc^g iyu-
(TTij^i^^ (a), d. h. das Bechenbnch des Nigol. Rhabdas.
foL 86' — 91' das Bechenbuch des Planudes (a), unvollständig.
fol. 91' leer. fol. 92 — 118' loi? cotpmtaxov uexQtyö xvq. FBfOQylov xov
Xj^aoxoxxi} i^'^yriCtg Eig t^v avvxa^iv x&v üeQCanf ixxe^susa n^bg xbv avxov
aiiltpbv ^hoawfiv xbv XuQCucvlxriv (a).
foL 118' — 128' ein anonymes astronomisches Werk in 24 Kapiteln,
ine. (nach dem Eapitelindex) xb x&v ^A^aßcov trog, des, intb yfjv lUCovQa-
voOcav (a).
fol. 128' — 129' ein anderes anonymes Stück mit einer Figur, ine, Icxiov
ort 1^ xiivfij des. xaXbv elg öccxQonag (a).
foL 129' %uv6viov x&v iaikav&v &sxi^&v ixxe^Hfiivov iv IxBi jiuivd iath
xrlaimg xofffiov üega&v öh t(;ic (1346, bis hierher geht wohl also das Werk
des Chbt80kokkbs, vgl. Erumbagher Gesch. d. byz. Litt* S. 622) (a).
fol. 130 — 142 Ttagdioaig elg xovg IlBQötiiovg nQOxelqovg navovag xi^g
oßx(iavoiilag (wohl von Asgykos, s. Erumbagher 8. 623) (a).
fol. 143 — 145 fU^odog öt ^g itQojelqmg eiql6%o^v xovg IIsQaixovg
^i^ftovg xoig anXoig ixasi x&v cusxi^ayv dia x&v ifutqoc^Ev ysYQ^tfifiivGiv xa-
vovlunf (a).
fol. 146 — 236 i>ersische astronomische Tafeln (a).
fol. 237 — 245 Ttolfiiui £iafiilf xoü lHqcov n€Ql xfjg didaavuxklag xov
^qoUßov (a).
fol. 246 — 249 'Itforax toD ^Ai^QOÜ fU^odog Tre^l iigiatog avvodcDv xs
Mfi :cttvtfcX^vcj)i; (jbri x&v iv t^ övvxa^ei [Ptolem. VI 3j navovlav lUxccTtOiti-
^(tftt ngbg xbv 6ia Bv^avxlov fuarnißQwov (a).
fol. 250 ilftitpotpogla lUtvaeXtivucKiig Cv^vylag iideiicxt%f\g iv Ixei &jtb xxl-
ö«öS xo0fiov ^g^ti (1410) (a).
172 J. L. Heiberg:
fol. 251 — 253' ilfriq)og>OQC€c övvodi%f}g av^vylag yevofuvrig iv i%u cbw
%tl<SB<ag 7100 fwv /f^t (1409) (a).
fol. 258' — 254' luql rot? ij avaXoyw) 7UxXov(iivov aitoiBixtixov xgonov
u. s. w. (a).
fol. 254^—258' astronomische Tafeln (a). foL 258'^ leer.
fol. 259 — 260 dtic övvt6ii<av eS^BCig xora xbv fijrovfi^vov 'Ptiiiuaxov
fii^va n. s. w. (a; von hier an eine flüchtigere Hand aus derselben Zeit).
fol. 261 — 273"^ anonymes astronomisches Werk in vielen Kapiteln
(I jteql xf^g Biqiösmg xfjg xoü ^l/bv Iäo^^j), ine. ^rfco^vxai ot if^voi x&v
IIb^&v.
fol. 273^ — 321' ein gröfseres astronomisches Werk in vielen (totgta
mit Unterabteilungen, von Zavx^a^. fol. 321^ leer.
fol. 322 — 331 nBQi xrjg ixßoXfjg xoij av^fUQivoii x&v \9iwf cbti t^
&aq>aXovg Cwxa^Btug xoü Zavx^a^fi (^I%dv{ov geschrieben o c-).
fol. 332 — 459 astronomische Tafeln (u. a. Stemkatalog).
fol. 460 — 463 fä&oöog ji öbi TuxxccaKBvd^BLv &^oa%67tov flro* &0x(K)lccßov.
fol. 464 — 471' l^id^Baig jwOodw^ r^g x<yG 'aax^oXaßov TiccxccYQaipfjg tai
XQTjaBfog,
fol. 471^ ^lUQOBVQBöig (römische Monatsnamen).
fol. 472 - 499' TtQokByofUva xfjg (uyaXrig awxd^Bo^g mit Anhängen, ans
einer Handschrift der Syntaxis des Ptolemaios; vgl. Boll Studien über
Ptolbmäus S. 128 ff. Auf den Anhang komme ich im 2. Band meiner
Ausgabe der Syntaxis zurück.
fol. 499'~^ einige Rechnungen von einer dritten Hand.
m.
Einige der hier angeführten Schriften stehen auch in der ähnlichen
Sammelhandschrift Marcianus Gr. 323 saec. XV (Beschreibung bei Zanetti
und bei Morelli Bibliotheca manuscr. S. 203); das Rechenbuch des Pla-
NUDES bricht ab an derselben Stelle (mit biQovg di S. 14, 9 ed. Gerhardt);
fol. 25—36'" steht ebenso das Einmaleins, fol. 152'' — 159 %av6vux xov nol-
XcatXctöucaiioi} x&v i^tiKOöc&v. Aber auf dem letzten Blatte findet sich eine
mir sonst nicht vorgekommene Zusammenstellung von Zahlzeichen, die ich
hier folgen lasse.
fol. 487' V p* \Jü' g' O' if V A' y i' iv iy ip* iCT io* il|* iv lA* i^'
{• p- p- er ö' t|' V* Ä' i: i • • ji* pro* ij' V' A' i
n&aa jtXBVQcc itp^ iavxf^g (lies iavziiv) TtoXXanlaaux^oiUvfi fUxXeixai S^ ovofuaioV'
^ dvvafug %^ wißog A^A' dvvafwdvvafug Ax^ dvvafUxvßog %% nvßwvßog ?
aXoyog &Qi^ii6g T lei^lfig.
Byiantiniache ▲oalekten.
173
fol. 487^ sieht folgendermaAen ans:
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£v£v nevTrifiOTcav xöbv &vio&sv ^Ivdi-
TOt^ &vm^v dixdösg^ luxic dvo xiv-
tfifiAvtav toü (lies x&v) &vm^£v hux-
tovrddsg^ luxit rqt&v %Bvxfi\iax(ov t&v
avco^ev Xthadegj fuxä xqUbv luvxfi-
ftcrtoDV x&v avfod'sv ^wxiy 6vQ(iaxmv
TotH (lies x&v) ix itkaylov (ivQuiöig,
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174 J. L. Heiberg: BjEantinisohe Analekten.
Die Tabelle links enthält eine sonderbare Nachbildung der alten
attischen Zahlzeichen. Die Darstellung der indischen Ziffern rechts (mit
0 = 5) zeigt die eigentümliche Verkennung des Positionssystems (mit dem
Null über den bedeutenden Ziffern), die Tanne ry im Scholion des Neo-
PHYT08 nachweist und bespricht Bevue archeologique 1885 S. 101; neu ist
die Verquickung dieses Prinzipä'roit dem griechischen Tausend-Strich (0^^)
bei den Myriaden. Die letzte Zeile, wo das wirkliche Positionssjstem zur
Anwendung kommen soll, ist ganz verschrieben; es mttfste heifsen (öööö^?^
vielleicht eher <tj5> <t>^). Ipp. Ilpd- '^I^M- I>er Schreiber hat offenbar
W !>•
die Sache nicht verstanden; auch die Schreibfehler in der Erkl&mog des
Systems (vielleicht steht zu Anfang gar avcD statt &vbv) beweisen, dafs er
das ganze nur kopiert, nicht selbst zusammengestellt hat.
Kopenhagen im Juni 1898.
whm
ÜBER DIE AUFGABEN
EINER GESCHICHTE DER PHYSIK
VON
AUGUST HELLEB
nr BUDAPEST.
In ansem Tagen ist das Interesse fdr die Entwicklungsprozesse auf
geistigem Gebiete in stetigem Wachstume begriffen, gleichsam als verlangte
der menseUiebe Geist sich im Spiegel der Yorüberrauscbenden und der
längst vorübergezogenen Zeit zu betrachten. Das grolse Problem der Be-
ziehungen des einzelnen Menschen und der ganzen Menschheit zur Natur
und den einzelnen Faktoren derselben, gehört zu den fesselndsten Gegen-
ständen, welche den Gedankengang jedes weiter ausblickenden Menschen in
dauernder Weise in Anspruch zu nehmen vermag; es bildet zugleich den
Inhalt von den Vorstellungen der einfachsten religiösen und mythologischen
Anschauungen, gleich wie von jenen der philosophischen Systeme aller
Zeiten. Hervorgebracht durch einen unbekannten Schöpfungsakt, oder her-
vorgegangen aus einer unabsehbar langen Entwicklungsreihe von Lebewesen
and hineingestellt in einen wunderbar zusammengesetzten Mechanismus, den
wir unsere Welt nennen, ausgerüstet mit mehr oder weniger geeigneten
Werkzeugen zur Aufiiahme der Einwirkungen der aufser unserm Organis-
mus befindlichen Dinge und zugleich versehen mit geistigem Vermögen
diese Eindrücke mit einander zu verknüpfen und daraus ein Abbild jener
änisem Welt herzustellen, hat der Mensch im Laufe der Jahrtausende
seines denkenden Lebens eine lange, schier unüberblickbare Reihe von An-
schauungen geschaffen, welche das Weltbild, gleichsam eine Projektion des
Makrokosmos in den Mikrokosmos der menschlichen Seele, darstellen.
Den Eigentümlichkeiten der auffassenden und verbindenden Fähigkeit
des sinnlichen und seelischen Organismus entsprechend, hat dieses Weltbild
bei den verschiedensten Denkern in den verschiedensten Zeiträumen ähn-
liche Züge, wobei die Anschauungen, wie das Resultat jeden org^ischen
Prozesses ihren in der Natur des menschlichen Geistes begründeten, gesetz-
mäisigen Entwicklungsgang aufweisen.
Einen derartigen Entwicklungsgang verfolgen wir in der Geschichte
einer jeden Wissenschaft. Er ist verworren, wo es sich um die Anschauungen
über den geistigen Organismus handelt und um die letzten Fragen, zu
denen unser Denkvermögen drängt, wenn wir somit die Thätigkeit des
Denkorgans auf sich selbst zu richten beginnen. Auf diesem Gebiete haben
die Bemühungen von Jahrtausende alter Gedankenarbeit zu keinem be-
Abh. sor Goch. d. Matham. IX. 12
178 August Heller:
friedigenden Resultate geföhrt, so bedeutend auch sonst die Ausbeute an
weiten Blicken in das Denkreich des menschlichen Geistes sein möge, die
auf diese Weise gewonnen wurde.
Anders steht es mit den Erscheinungen der Natur, die wir physi-
kalische Erscheinungen nennen, in deren Entwicklungsgang wir allerdiiigs
einen bei weitem tieferen Einblick gewinnen können. Wohl ist auch hier
die Entstehung der wissenschaftlichen Grundvorstellungen in tiefes Dunkel
gehüllt. Durch ungefüge Yergleichungen sucht der menschliche Geist sii -h
ein Bild von der Umgebung zu machen, das allerdings nur eine ganz robe
Skizze sein kann. Als ersten Schritt finden wir bei allen NaturrSlkem den
extremsten Anthropomorphismus, dem Menschen gleichgeartete, wenn aneli
direkt sinnlich nicht wahrnehmbare Wesen sind es, welchen sftmtliche Er-
scheinungen der umgebenden Welt zugeschrieben werden. Der anthropo-
morphistische Zug ist ein in der menschlichen Natur tief gründender and
selbst auf den höchsten Stufen der Kultur nachweisbarer. Selbst in der
Naturwissenschaft der Gegenwart ist er deutlich vorhanden, wenn die
fundamentalen Begriffe der Mechanik durch Empfindungen im menschlicben
Organismus ausgedrückt werden, wie dies der Fall ist beim Begriffe der
anziehenden und abstofsenden Kraft und beim Begriffe der geleisteten
mechanischen Arbeit, wo der erste aus dem GefCkhle der Muskelspannung,
der zweite aus dem der Empfindung der Ermüdung hervorgegangen ist.
Dieser anthropomorphistische Zug, der in den andern Wissenszweigen
ebenfalls und zwar gewöhnlich in gröfserem Mafse hervortritt, Islst sieb
durch die ganze Entwicklungsgeschichte der Wissenschaft verfolgen und
drückt derselben sein charakteristisches Gepräge auf.
Die Anschauungen über die natürlichen Dinge hängen von der Geistes*
richtung und von dem Kulturzustande eines Volkes ab. Dasjenige Volk
des Altertums, dessen Entwicklung auf diesem Gebiete wir am besten
kennen und welches auf diesem Gebiete durch ihre Verbindungen mit den
übrigen Kulturvölkern auch das meiste bieten kann, ist das Griechenrolk,
in deren Fufsstapfen in Bezug auf philosophisches Denken und Katar-
anschauung die Römer treten. So wunderbar entwickelt die intuitiren
Erkenntnisse der grofsen Wahrheiten bezüglich unseres Seins bei den phi-
losophischen Denkern Griechenlands sind, so kindisch und ungefüge sind
ihre Vorstellungen über die einfachsten Naturerscheinungen. In ergreifenden,
erhabenen Worten spricht Lücretius die starren materialistischen Ad*
schauungen des Epikuros Über die Vergänglichkeit des menschlichen D&*
Seins aus; wo er jedoch an die Erklärung der uns umgebenden Erschei-
nungen herantritt, giebt er blofs urteilslose, unhaltbare Annahmen.
Nichtsdestoweniger hat die alte Welt es in der physischen Welt-
über die Aufgaben einer Gtoschichte der Physik. 179
aDScbauung doch genug weit gebracht, am weitesten wohl in der Schaffang
eines künstlich ausgedachten Weltsjstemes, wenn sie auch eben in dieser
Richtung auf ganz falscher F&hrte war.
Viele Jahrhunderte hindurch, in welchen der menschliche Geist um
andere Güter kämpfte, blieb das Erbe des dahingeschwundenen Altertums
onverstanden. Es mufste erst aus seinen Trünmiem wieder hervorgeholt
werden, bevor vom Weiterbauen auf dem alten Fundamente wieder die
Rede sein konnte.
Die Denkweise des mittelalterlichen Scholasticismus, der Denker der
klösterlichen Schulen ist wohl auch in unsern Tagen nicht völlig aus-
gestorben, doch ist sie derzeit, wenigstens auf dem Gebiete der Erfahrungs-
wissenschaften, ganzlich in den Hintergrund gedrängt. In ihrer Blütezeit,
im Mittelalter, beschränkte sie sich zuerst auf die Theologie, deren in
seiner Wesenheit unantastbarer, über jede kritische Bemerkung erhabener
Inhalt den Gegenstand des Studiums bildete. Als teilweise durch Ver-
mittlung arabischer Übersetzungen Aristoteles und andere philosophische
Schriftsteller bekannt wurden, da warf sich die scholastische Wissenschaft
mit grofsem Eifer auf dieses Material, um es in derselben Weise zu be-
handeln, wie das theologische. An dem Autor durfte nicht gerührt wei-den;
Aristoteles' Schriften galten fast als so unantastbar heilig, als die Bücher
der heiligen Schrift. Es konnte in den zwei Richtungen des Scholasticismus,
dem Realismus und dem Nominalismus, nur dai-über gestritten werden, ob
die Denkbarkeit eines Begriffes dessen Realität beweise, oder ob dessen
Nominaldefinition genüge.
Die Herrschaft des Scholasticismus ging mit dem fünfzehnten Jahr-
hundert zur Neige; das Ansehen desselben verblafste zur Zeit der Wieder-
geburt der Wissenschaft; doch machte er seinen unheilvollen Einflufs noch
fast zwei Jahrhunderte hindurch geltend. Sein Einflufs ist auch heute noch
in engeren Kreisen fühlbar.
Jene Schriften, welche im Mittelalter den Gegenstand einer blofs auf
das Äu&ere gerichteten Behandlung bildeten, wurden bedeutend vermehrt
durch die vielen aus dem griechischen Osten dazugekommenen und wurden
in ganz anderer Weise benutzt. Die Wissenschaft befreite sich von der
Fessel der unbedingten Autorität dieser Schriften, indem sie deren Behaup-
tungen mit der im Wege der Erfahrung erkannten Wirklichkeit verglich
und überall Kritik an denselben übte.
Die Durchforschung von überlieferten schriftlichen Aufzeichnungen, wenn
diese aus einer femabliegenden Zeit stammen, hat ihre grofsen Schwierig-
l^eiten. Die Sprache der alten Völker verstehen wir wohl, so lange es sich
tim Gegenständliches handelt, um sinnliche, greifbare Dinge, um Beziehungen
12*
180 August Heller:
und Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft; schwer yerstandlich ond
vieldeutig wird jedoch die Sprache, wenn der vor mehr als einem Jahr-
tausende Schreibende mit dem sprachlichen Ansdmcke bezüglich eines der
Sinnenwelt entrückten Begriffes ringt. Nehmen wir diese Schwierigkeit
doch selbst in den Schriften unserer eigenen Zeit, in uns durchaus be-
kannten und heimischen Sprachen wahr, sobald es sich um ErOrtenmgen
und Begriffsbestimmungen handelt Der Autor k&mpfb häufig selbst in
seiner eigenen Muttersprache mit dem Ausdrucke seiner Gedanken, er setzt
zwei oder drei ähnliche Ausdrücke um einen Begriff zu definieren und
zeigt dadui'ch, dafs keiner dieser Ausdrücke vollständig dem Sinne des
Auszudrückenden entspreche. Dieselbe Schwierigkeit wird jedermann fühlen,
der ein wissenschaftliches Werk aus einer in die andere Sprache übertrfigL
Die Sprachen aller Völker haben sich als Verständigungsmittel der
sinnlichen Welt herausgebildet. Sobald wir den Bedürfnissen der Gedankt-
weit entsprechen wollen, mufs das Wort seiner eigentlichen Bedeutung eot-
zogen werden, es mufs zu Analogien und Gleichnissen gegriffen werden,
um diesem Zwecke zu genügen. So wird unsere wissenschaftliche Sprache
zu einer wahren Zeichensprache, in der das betreffende Wort schliefslich
jeden Zusammenhang mit seiner ureigenen Bedeutung verliert In der
mathematischen Zeichensprache hat man sich gänzlich von der Wortspniche
befreit. Kurz zu bezeichnende Zahlzeichen, Buchstaben und andere Sjod-
hole drücken Beziehungen und Verhältnisse, allerdings nur solche von
Quantitäten und äufserlichen Beziehungen aus und bilden Aussprüche, welche
in Worte umgesetzt entweder höchst langwierig und schwerfällig sein wür-
den, oder mitunter gar nicht ausgedrückt werden könnten.
Die Entwicklung der Sprache als Ausdrucksmittel f&r die Geistes-
wissenschaften und die Philosophie im Allgemeinen ist ein Moment, das
meiner Ansicht nach noch nicht genügend in Betracht gezogen worden.
Und doch kann darüber kein Zweifel obwalten, dals es sich hiebei um ein
wichtiges, höchst interessantes Problem handelt Wenn wir auch nicht den
Satz aussprechen wollen, dafs wir in Worten denken, so ist es doch ein
Etwas, eine Kluft, die zvrischen dem Begriffe an sich und dem Ausdrucke
desselben, seiner Bezeichnung liegt, mit der wir Urteile und Schlüsse bilden
und Systeme bereiten. Dafs es nicht auf das bezeichnende Wort ankonunt,
das zeigt ja die Identität der abstrakten Begriffe, welche bei den Menschen
verschiedener Zungen entstehen. Dafs aber das Wortzeichen, das irgend
eine Sprache für einen Begriff anwendet, entschieden rückwirkend ist auf
die Begriffsbildung selbst, das erfährt jeder, der — wie oben erwähnt —
eine abstrakte Materie in einer Sprache ausgedrückt in einer andern Sprache
auszudrücken unternimmt. Niemals wird es z. B. gelingen, Kant's „Kritik
über die Aorgaben einer Geschichte der Physik. 181
der reinen Yernanfb^* in einer andern, z. B. der französischen Sprache in
der ToUen Pr&gnanz des Originals wiederzugeben; nnvermeidlich wird es
den fremden Hanch der fremden Sprache an sich tragen. — Um wie viel
weniger dürfen wir erwarten, dafs vnr in den Übersetzungen eines uns
sprachlich weit abliegenden Autors, sei es ein griechischer oder gar ein
indischer oder orientalischer den genauen Sinn desselben auffinden werden,
den wir vielmehr oftmals nur ahnen können, wenn er sich nicht sphinx-
artig unserem Verstftndnisse entzieht.
Die Quellen filr die Geschichte der Entwicklung der Wissenschaft sind
im Allgemeinen viel tiefer liegend, als jene der Geschichte der Welt-
ereignisse. Für ihre Entwicklungsvorgänge haben wir keine Chronisten,
wie für die grofsen Staatsaktionen, für die ftufseriichen Vorg&nge in den
rerschiedenen Ländern der zivilisierten Welt. Im verborgenen Dunkel des
Denkergehimes entwickeln sich jene Gedanken, welche der Forscher sich
über die allgemeinen philosophischen Fragen und über die Naturvorgänge
bildet. Die greifbaren Resultate dieses Nachdenkens, die Entdeckungen
and Erfindungen, mit deren Hilfe er sich die Naturmächte dienstbar macht,
liegen so weit ab von den primären Elementen dieses Gedankenprozesses,
dafs der Zusammenhang mit demselben nur schwer zu erforschen ist. So
ist es denn auch erklärlich, dafs spätere Geschlechter an dem Buch-
staben der Schrift hingen, dafs die Befreiung vom Worte des Autors erst
nach langen gewaltigen Geisteskämpfen gelang, welche die Freiheit der
Kritik, die Wertschätzung der Erfahrung und die Einsicht über das rich-
tige Erkennen der Thatsachen durchsetzten, gegenüber von unsicheren Wahr-
nehmungen eines alten Beobachters, dessen Verläfslichkeit in keiner Weise
zu kontrollieren ist.
Wir würden uns jedoch einer grofsen Täuschung hingeben, wenn wh-
glanben würden, dalis dieser Frozefs mit dem Verfalle der mittelalterlichen
Scholastik endgiltig abgeschlossen sei, dals in der neuern Zeit die Wissen-
schaft über die Natur unbeirrt von allen Banden ihren freien Weg wandle.
Auf jedem Schritte begegnen wir dem schädlichen, die freie Entwicklung
hemmenden, sie oftmals in falsche Richtung drängenden Einflufs der be-
^iiüsten und nnbewufsten Autoritätsmacht. Der Entwicklungsgang der
Wissenschaft ist als menschliches Erzeugnis eben allen Unvollkommenheiten
unterworfen, die unserer menschlichen Natur nun einmal zu eigen sind.
Es mag als paradox erscheinen, wenn wir es aussprechen, dals jeder
groCse Denker neben dem mächtigen fi$rdernden Einfluls auf die Entwicklung
«iner besseren, vollständigeren Naturerkenntnis gleichzeitig einen hemmenden,
sch&dlichen EinfluJGs ausübt. Jedes System, das ein menschlicher Genius
zu errichten vermag, hat sein eigenes Leben, seinen eigenen Entwicklungs-
182 August Heller:
gang, der je weiter er fortschreitet, sich nm so mehr von der Wirklichkeit
abwendet. Und ein solches System ^ hat es sich einmal im Gehirne der
Nachlebenden festgesetzt, beeinflujjst deren Blick, so dafs der freien Auf-
fassung der Thatsachen Zwang angethan wird. Denn die Auffassung der
ErfahruDgsthatsachen ist keinesfalls eine eindeutige, wir können ein ufid
denselben sicher beobachteten Vorgang in mancherlei Weise erörtern. Die
grofsen, phantasievoUen Theorien eines Descar i e$, welche den Beifall ihrer
Zeit errungen, drängten lange Zeit hindurch die weit voUkomeneren eines
Newton in den Hintergrund, so dafs des letzteren Anschauungen gleich-
sam verstohlen in die Schulen seines eigenen englischen Vaterlandes ein-
geschmuggelt werden mufsten. Und wenn wir des grofsen Newton Wir-
kung auf die Philosophia naturalis der nachfolgenden Perioden betrachtenV
— Mit seiner Entdeckung des Gesetzes der Schwerkraft hat er eine der
gröfsten Entdeckungen aller Zeiten gemacht, wobei wir natürlich auch nicht
aus den Augen lassen dürfen, dafs seine Entdeckung das notwendige letzte
Glied einer langen Entwicklungsreihe war, das früher oder spftter zn Tage
treten mufste. Über ein halbes Jahrhundert dauerte es, bis Newton^s Lehie
sämtliche Katheder erobert hatte. Von dieser Zeit an begann jene Lehre
ihre Wirkung über das weite Gebiet der Physik geltend zu machen. Diese
Wirkung war in vieler Beziehung wohlth&tig und fordernd, doch in mancher
Richtung auch in*efuhrend und damit von hemmender Wirkung. Die schooen
Untersuchungen, mit welchen Coulomb das Gesetz der NEWTOü'schen Fem-
wirkung auf die anziehenden und abstoüsenden Erftfbe der Elektrizität und
des Magnetismus anwendete, gaben diesem ganzen Zweige der Physik eise
Richtung, welche später als eine nicht dem Wesen der Erscheinungen ent-
sprechende erkannt wurde. Als Ampi&re ein dem NEWTON'schen Gesetzt
entsprechendes Gesetz auf die gegenseitige Wirkung der elektrischen Ströme
errichtete, mufste er diesem Gewalt anthun, und im WEBER'schen elektrischen
Grundgesetze kam ein angreifbarer Satz zum Ausspruche, wenn dieses Ge-
setz in anderer Beziehung auch zu wichtigen SchluMolgerongen geführt hat
Die Experimentaluntersuchungen Faradat's haben uns auf diesem Gebiete
ganz andere Wege gewiesen und die Schlag auf Schlag zu neuen, nner-
warteten Erfahrungen führenden Untersuchungen, an der zur Zeit mehrere
hundert wohlgeschulter, gelehrter Experimentatoren beteiligt sind, haben so
vieles neues Erkenntnisraaterial herbeigeschafft, dais nicht blofs auf dem
Gebiete der Elektrizität und des Magnetismus, sondern auf dem der ganzen
Physik groDse Umwandlungen in unserer aUgemeinen Naturanschaunog be-
vorstehen.
Doch kehren wir zu Newtons Einflufs auf die Naturlehre zarflcL
Wenige haben, wie er auf unsere physikalischen Anschauungen einen gröfsern
über diu Aufgaben einer Geschichte der Physik. 183
Einflals ausgeübt. Sein groJGser Geist schuf Ordnung in der Lehre vom
Lichte. Er wies die Zerlegung des weilsen Lichtes in farbige, einfache
Lichtgattungen nach. Er stellte eine wohlgefügte Lichttheorie auf und
eben diese Theorie, welche die wohl loser gefügte, jedoch auf richtiger
Basis ruhende HuvGENs'sche Schwingungstheorie verdrängte, beherrschte
weit über ein Jahrhundert die Anschauungen der ersten Physiker und konnte
erat spät, im gegenwärtigen Jahrhundert durch unzweifelhafte Erfahrungen
überwunden werden.
Nur in Kurzem weisen wir noch auf die Schwierigkeiten hin, unter
welchen Bobert Mayer's grundlegende Gedanken über die Energielehre zur
Geltung gelangten. Diese kurz angedeuteten Thatsachen zeigen uns klar,
daJs die Herrschaft der Autorität — wenn auch halb und halb unbewulst
— in unsem Tagen ebenso vorhanden ist, als damals als man die Ver-
breiter neuer Ideen zum Scheiterhaufen führte. — Die Geschichte der Physik
ist eben, so wie die jedes andern Wissenszweiges ein fortlaufender Kampf
von verschieden gerichteten Ideenzügen.
Die Geschichte der Physik ist übrigens als eine ganz junge Wissen-
schaft zu betrachten, so wie ja im Allgemeinen das Bedürfnis nach der
Eiforschung des Entwicklungsganges unseres Wissens sich erst im Laufe
unseres Jahrhundertes geltend machte. Was man vor hundert Jahren unter
einer Geschichte der Physik verstand, ist von unsem gegenwärtigen An-
forderungen wesentlich verschieden. Es handelte sich damals mehr um die
Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen, wobei, bei vollständigem
Mangel an Kritik, die gewöhnlich auf Effekt berechneten und übertreibenden
Erzählungen des Altertums und jene des leichtgläubigen Mittelalters als
volle Wahrheit angenommen wurden.
Doch auch in der Entdeckungsgeschichte viel späterer Zeit, selbst in
der Periode, in der wir leben, giebt es viele Unsicherheiten in dieser Be-
gebung. Die Zeit, in welcher eine bedeutende Entdeckung gemacht wird,
die am besten befähigt wäre die Thatsachen einer strengen Kritik zu unter-
ziehen, lä£st diese unbeachtet an sich vorübergehen, da sie ja gewöhnlich
die Tragweite einer neuen, anfänglich gewöhnlich in unvollständiger, nebel-
hafter Gestalt auftretenden Entdeckung nicht nach Gebühr zu bewerten ver-
klag. Einer der prägnantesten, von uns jetzt am besten überblickbaren
Fälle ist der eben vordem erwähnte der Entdeckung des Gesetzes von der
Erhaltung der Energie. Die Schwierigkeit wird durch die grofse Zahl der
Teilnehmer an einer Entdeckung wesentlich vermehrt. Persönliche und
nationale Interessen und Empfindlichkeiten machen die Lösung des Pro-
blemes noch bedeutend schwieriger, als wenn die Entdeckung auf einen
Forscher zurückzuführen wäre. Eine ganze Beihe von Prätendenten, lebende
184 August Heller:
und tote, erscheinen auf der Bildflftche, sobald eine derartige Entdeckiug
zu einer bedeutenden gestempelt wird.
So sind wir in mancher Beziehung noch nicht einmal über die Vor-
arbeiten zu einer befriedigenden Geschichte der Physik hinaus. Das znr
Verfügung stehende Material ist noch recht mangelhaft. So manches was
die gröfsten Denker über ihre Ideen bezüglich ihrer phTsikalischen Ansichten
geschrieben haben, liegt in verschiedenen Archiven begraben, die wisseo-
schaftlichen Korrespondenzen, welche eben in der Zeit vor der Begründung
der fachwissenschaftlichen Journale von so hervoiTagender Bedeutung sind,
sind nur zum Teile herausgegeben und somit für das wissenschaftliche
Publikum unzugänglich.
Wenn nun teilweise das Material für eine Greschichte der Physik anch
herbeigeschafft ist, so sind wir doch von der Errichtung des eigentlicheii
Gebäudes noch recht weit entfernt. Bisher giebt es blofs Versuche znr
Lösung des Problems. Als den Kern desselben müssen wir die Geschiehte
der Entwicklung der Ideen bezeichnen, welche dieser Wissenschaft zu Grande
liegen. Es ist zu zeigen, wie der menschliche Geist sich das Problem des
Weltgeschehens, soweit dies Gegenstand der Physik ist, zurechtgelegt hat,
die Hypothesen und Theorien, die er ersinnen mu&te, um unsere heutige
Weltanschauung aufzurichten, aus den immerhin höchst onvoUständigen
Erfahrungen, die uns auf Grund unserer Sinneseindrücke zukonmien, welche
uns ja nur nach einigen beschränkten Richtungen Eindrücke zutragen,
während uns ein grofser Teil der Qualitäten vermöge der Einseitigkeit
unserer Organisation für ewige Zeit unzugänglich bleiben rnuDs.
Die Ausfüllung der so bleibenden Lücken zu bewerkstelligen, mufsten
Annahmen ausgedacht werden, welche der erfahnmgsm&fsigen Bestätigung
absolut unzugänglich änd.
So haben diese Hypotiiesen und Theorien ihre eigene Geschichte. Sie
entstanden, vergröfserten den Kreis ihrer Anwendbarkeit und den Grad
ihrer Wahrscheinlichkeit, bis sie an die Grenze ihrer Wirksamkeit gelangt
waren, worauf sie hinfällig wurden, um anderen Plats zu machen, welche
inx wischen aufgesproGst und herangewachsen vraren. Wir können auch mit
vieler Sicherheit vorhersagen, dafe auch jene Theorien, welche jetzt zn
Recht bestehen und übeneugende Kraft ausüben, seiner Zeit weiter aus-
greifenden Annahmen werden Raum geben müssen.
Und was nach ihnen kommen wiri, wird seine längere oder kfinere
Zeit bestehen, um wieder dem unerbittlichen Lose der Vergänglichkeit
anheim xu lallen. Denn jede dieser Theorien ist ein dem jeweiligen Stande
der Erfahnuig und der Denkweise ihrer Zeit ent^rechendes Produkt, das
sich lum Teile auf Annahmen stüut, welche der reicheren Erfahrung mid
Ober die Aufgaben einer Geschichte der Physik. 1^5
dem anf Grund derselben Yorgeschrittenen Denkprozesse nicht mehr Stand
halten kann. Die Theorien wachsen und grünen am Baume der Erkenntnis
— um Ernst Mach's schönes Gleichnis zu gebrauchen — damit sie schliefs-
lich verwelken und abfallen, nachdem sie wfthrend der Periode ihrer Lebens-
zeit den Erkenntnisbaum gen&hrt und sein Wachstum gefördert haben.
Wir sollen deshalb auch jene Theorien stets in Ehren halten, wenn
sie schon längst ihre Geltung eingebtLfst haben, denn durch sie sind wir
dahin gelangt, wo unsere Kenntnis und unsere Anschauung von der sinn-
lich erfaüsbaren Natur sich gegenwärtig befindet, und die heute geltenden
und spätere Theorien werden der Wissenschaft dieselben Dienste leisten,
als dies die längst überwundenen Theorien einem früheren Stande der
Wissenschaft leisteten.
Diesen Gesichtspunkt mufs eine Geschichte unserer Wissenschaft stets
Yor Augen halten, er mufs ein wichtiges Moment der Darstellung bilden.
In unseren Tagen vollzieht sich wieder ein Umschwung in unseren
Anschauungen, wie ihn die Entwicklung unserer Wissenschaft häufig auf-
weist. Wir sehen die vor drei Jahrhunderten erneuerte alte Theorie der
Atomistik wanken. Der Begriff der Materie, deren Existenz, trotz der vielen
Schwierigkeiten, welche sie dem Philosophen sowohl, als dem Physiker be-
reitete, niemals angefochten worden, beginnt ihre Bedeutung für die phjsi-
kalischen Grundanschauungen einzubüfsen. Als Substrat unserer Sinnes-
eindrücke bildete sie stets die Grundlage des Geschehens, das Greifbare in
der Natur. Doch schon die ersten unvollkommenen Erfahrungen wiesen
aof ein sinnfälliges, ungreifbares Etwas, das nicht Materie ist und doch
in sinnliche Erscheinung tritt.
Es entstand eine unüberbrückbare Kluft zwischen zwei Klassen von
Naturerscheinungen; in die erste gehörten jene, bei welchen die zur Erde
strebende Materie die Grundlage der Erscheinung bildete, während die zweite
die Klasse der Imponderabilien vorsteUt. Für die letzteren wurde das
Phantom der schwerelosen Materie erfunden, welches auch aus der heutigen
Physik noch nicht verschwunden ist. Die grofse Umwälzung in den Grund-
anschauungen der Physik, wie sie in unserm Jahrhundert sich vollzogen
und sich noch gegenwärtig vollzieht, hat mit dem Licht- und Wärmestoffe,
dem Fluidum der Elektrizität und des Magnetismus gründlich aufgeräumt,
ja es scheint, als ob die immer mächtiger anschwellende Geistesrichtung
auch selbst vor der durch Jahrtausende unangefochtenen Gmndanschauung
der Materie nicht zurückweiche.
Die optischen Entdeckungen zu Beginn des Jahrhunderts haben die
Lichterscheinungen auf die Schwingung eines Mediums zurückgeführt, von
welchem solche Eigenschaften gefordert werden, die den sämtlichen Eigen-
186 AuguBt Heller:
Schäften jedweder Materie direkt widersprechen. Es giebt darinnen Schwierig*
keiten, Über die keine Künstelei der Theorie hinwegtäuschen kann.
Die grofse Entdeckung Robert Mayer's und seiner Zeitgenossen hat
der Bedeutung der Materie einen rein mechanischen Begriff vorgeschoben,
den der Energie, die Yordem in der Mechanik als abgeleiteter Begriff be-
kannt war. Die wunderbaren Entdeckungen Faraday's und in unscm
Tagen die von Heinrich Budolf Hertz haben, nachdem die grofsen Ent-
deckungen auf dem Gebiete der strömenden Elektrizität in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts den engen Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magne-
tismus gezeigt, die nahe Beziehung zwischen den optischen und den elektrisch-
magnetischen Erscheinungen erwiesen, welche Beziehung Faraday's geniale
Intuition schon ein halbes Jahrhundert vorher ahnte.
Die Physik, wie die Philosophie, ja wie die ganze Wissenschaft strebt
einer einheitlichen Weltanschauung zu, was jedem, der dem Entwicklungs-
gang mit offenen Augen folgt, auffallen mufs. Die sinnenföllige mechanische
Theorie kann gegenwärtig nicht mehr als die die gesamte Physik be-
herrschende Theorie betrachtet werden Es besteht der Kampf zwischen
der Energetik und der Atomistik, ein Kampf^ der voraussichtlich noch
lange andauern wird. Die Atomistik, eine in sich gefestigte, Jahrhunderte
alte Theorie wird nur langsam den Platz räumen, sie hat den gewaltigen
Vorzug für sich, dafs die ganze Theorie der Physik ihr auf den Leib sn-
geschnitten ist, während die neue Theorie der Energetik noch ihre Kinder-
krankheiten nicht durchgemacht hat Trotzdem scheint doch behauptet
wei*den zu können, dafs die nächste Zukunft ihr gehöre.
Werfen wir nun einen Blick über die Grenzpfähle der Physik, auf ein
weitoi^s Ctebiet, das Beich des Lebens. Könnte man es wohl für möglich
halten, dal^ für die physikalischen und für die darüber hinausliegenden
Lebenserscheinungen zwei oder mehrere von einander ganz unabhängige, ja
sich vielleicht sogar widersprechende Gnindanschannngen aufjgestellt weisen
konnten) V Unser Denkvermögen würde sich gegen eine derartige Zumutung
eneixisch vorwahren, da die Welt eine ist, in deren ineinandergreifenden
iiebieten nur ein Gesetx herrschen kann.
Zwar wurde der Versuch gemacht die physiologischen Prozesse als
ph^Ysikalischo und chemische aufzufassen. Die Physiologen der neuesten
/oit wissen es jedoch, wie wenig dieser Veisach gelangen ist. Die Phy-
siologie sucht die Eleiuente des Organismiis nicht in den physikalischen
Atomen I sondern in der unsterblichen Zelle, deren geheimnisvolle Lebens-
^i^eheiuun^m wohl noch langt« die Forschung beschäftigen werden.
Tiui wie soll sich dit» i>hjsikalische Aofiassang la den grofsen Mi-
mAw \iu»eivi Daseins veorfaalten? IW kraise Malenaüsmus hat immer zu
über die Aufgaben eiaer Geschichte der Physik. 187
einer schmfthlichen Niederlage geführt, so oft er das unfafsliche Welt-
Problem zu einem simpeln Bechenexempel machen wollte. Dieses Problem
ist zu fein angelegt, um von solchen stumpfen Werkzeugen angegriffen
za werden. £s scheint, als müsse das menschliche Denken noch eine Reihe
weiterer Kreise vollenden, um zu einem gröfsern Ausblick über jene Fragen
zu gelangen. Die unz&hügen philosophischen Systeme vieler Jahrhunderte
haben blofs die Pr&zisiemng der vorliegenden Probleme gebracht^ nicht die
Lösung selbst. Die unfruchtbaren Bemühungen führen zur Überzeugung,
da& aus der sinnlich wahrnehmbaren Natur stammende Anschauungen be-
rufen seien, neue Formen zu schaffen, aus welchen ein weiter umfassendes
philosophisches System hervorgehen könnte. Die Idee von Stoff und der
ihm innewohnenden Kraft tritt in der physikalischen Auffassung in den
Hintergrond. In allerdings noch ziemlich schattenhaften Umrissen zeigt
sich eine höherstehende Idee, besser geeignet dem nach Einheit strebenden
Geiste zu genügen. Was wir als unanfechtbares Wesen der Aulsenwelt
glaubten, was wir die durch direkte Sinneseindrücke wahrnehmbare Ma-
terie nannten, die wir übrigens in unverständlicher Weise mit Kräften aus-
statteten, um sie aus ihrer toten ünbeweglichkeit in Wirkungsföhigkeit zu
versetzen, das zeigt sich immer mehr als eine von den vielen Abstraktionen,
mit denen wir in der Mechanik rechnen, eine Abstraktion, welche selbst
im Gebiete der rein physikalischen Erscheinungen nicht mehr Stand hält.
Allerdings sind wir noch weit davon entfernt, unsere energetische
Theorie auf die Erscheinungen des organischen und des physischen Lebens
anzuwenden. Unsere Lei naturwissenschaftlichen Untei'suchungen mit Er-
folg gebrauchten quantitativen Messungen sind schwer, gewöhnlich gar
nicht in jenen Untersuchungen anzuwenden. Für die Werte festsetzende
Vergleichung von Qualitäten fehlt uns gänzlich die Fähigkeit.
Unsere naturwissenschaftliche Forschung hat sich seit geraumer Zeit
Ton der philosophischen Richtung entfernt. Es giebt mancherlei Ursachen,
welche diese Trennung hervorgerufen. Einer der bedeutendsten Gründe
war wohl die erfolgreiche Entwicklung der experimentellen Forschung,
welche jene, die sich derselben widmeten, fast vollständig von andern
Studien abzogen. Der groDse Forscher Faraday ist ein treffliches Beispiel
für den ohne regelmälsige Schulung seines Geistes, ganz auf eigener Fährte
dahinschreitenden Denker, der uneingenommen von allen erlernten Systemen,
sich sein eigenes System schuf.
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Gegensatz zwischen der philo-
sophischen und der mathematisch-experimentellen Richtung bedeutend ab-
g^hwächt. Auf beiden Seiten macht sich die Einsicht geltend, dafs die
beiden Bichtungen unsers Denkens auf einander angewiesen sind. Die
188 August Heller:
philosophische Schulnng kann dem experimentierenden Gelehrten nur zu Gate
kommen, sie wird ihm die Wege zeigen seine firfahningsresultate braneh-
baren Theorien einzuordnen, sie wird seinen Untersuchnngen eine Temimft*
gemftfse Richtung geben und ihn vor ziellosen Versuchen bewahren.
Anderseits haben auch die Philosophen eingesehen, dai£ sie in den
Naturwissenschaften zielbewufste Forschungsweise finden und daCs die Me-
thoden derselben oftmals auch in den Geisteswissenschaften erfolgreich Ter-
wendet werden können. Auch das konnten sie aus den Naturwissenschaften
ersehen, dafs die Aufrichtung von Systemen aus reinen Begriffen zu keinem
praktisch verwertbaren Resultate führe, während die Tielf<igen, erfolg-
reichen Arbeiten auf dem Gebiete der experimentellen Psychologie ein reiches
Material für die Erkenntnistheorie geliefert haben. Wir dürfen uns aller-
dings nicht verhehlen, dafs alle diese Untersuchungen nur eben an die
Grenze der eigentlichen Psychologie reichen. Ebensowenig wie von dieser
sogenannten experimentellen Psychologie, können wir von der Sozialstatistik
erwarten, dafs sie die Probleme der eigentlichen Psychologie lösen werde.
Wenn wir das eigentliche Ziel einer Geschichte der Naturwissenschaft,
in erster Linie einer Geschichte der Physik und etwa der ihr enge ver-
wandten Chemie in der Darstellung des Ideenganges der physikalischen
Welterkenntnis feststellen und die zur Verfügung stehenden Quellen be-
trachten, so finden wir uns vor einem schier unübersehbaren, mannigfaltigen
Material, dessen Bearbeitung nicht die Arbeit eines einzigen Menschen,
sondern die Arbeit von Generationen erfordert Zwar wurde schon so
manches auf diesem Gebiete geleistet, doch sind das alles noch vorbereitende
Arbeiten. Je weiter eine Quelle seitlich von uns abliegt, um so grOfser
die Versuchung unsere Auffassung den oft vieldeutigen, kargen Worten
des alten Schriftstellers untenulegen. Zudem ist auch vieles verloren ge-
gangen, und doch mufs es unser Streben sein uns eine wo möglich voll-
ständige Kenntnis über die Gedankenwelt deijenigen grofsen Denker zn
verschaffen, welche die Trftger des Entwicklungsganges der wissenschaft-
lichen Ideen waren. Übrigens wird jede Greschichtsdarstellung mehr oder
weniger subjektiv und der Denkweise der eigenen Zeit entsprechend geerbt
sein. Nur die eingehende Kenntnis der allgemeinen Denkweise jener längst-
vergangenen Zeit kann uns teilweise vor diesem Fehler bewahren.
Es konnte nicht meine Absicht sein, in diesem Artikel alles das aus-
führlich darzulegen, was ich als Aufgabe einer in jeder Hinsicht ent-
sprechenden Geschichte der Physik halte und somit eine voUstftndige Auf-
führung der sämtlichen Requisiten lu geben. Es ist stets Sache des
Schriftstellers sieh seinen, den „kOnigtichen'^ Weg sa finden, jedoch die
Haupterfdrdemisse lassen sich kun wohl in folgendem ansspreGhen. I^i^
über die Aufgaben einer Geschichte der Physik. 189
Geschichte der Physik ist der vomehmste Teil der Entwicklnngsgeschichte
unseres Natturerkennens und der darauf bezüglichen Weltanschauung. Seine
Hauptaufgabe ist die Entwicklungsgeschichte der physikalischen Ideen. Diese
bildet gleichsam die innere Geschichte der Physik, um welche sich als ftufsere
die Geschichte des Lebens- und Werdeganges der Förderer und Forscher
der Physik und jene der Resultate ihres Forschens und Nachdenkens hemm-
legt. Das Zustandekommen einer derartigen Geschichte setzt das Studium
eines unabsehbaren Quellenmaterials voraus, welchem gegenüber der Ge-
schichtsschreiber die umsichtigste Kritik in Anwendung bringen mufs.
Am besten wird der die Aufgabe gelöst haben, der imstande ist die
Fäden zu entwirren, die von dem G^dankeninhalte eines jeden Forschers
ZQ dem seiner Vorfahren und Zeitgenossen reichen, der imstande ist den
hiednrch entstehenden Zug der Ideen in ihrer Entstehung, Entwicklung
nnd Verschmelzung zu folgen und der diesen ganzen Prozefs übersehend,
denselben in klarer Weise darstellen kann.
In dieser Art behandelt, stellt sich die Geschichte der Physik als ein
wichtiger Bestandteil jener der Philosophie dar, wobei letztere als Ge-
schichte des menschlichen Denkens in seiner Allgemeinheit aufzufassen ist.
my^^
WINKELMESSUNGEN
DURCH DIE HIPPARCHISCHE DIOPTRA.
VON
FRIEDRICH HÜLTSCH
IN DRESDEN.
Die Versuche der griechischen Astronomen kleinste Winkel zu messen
haben angeknüpft an die Bestimmung des Gesichtswinkels, unter dem der
Sonnendurchmesser erscheint. Vorhergegangen war eine Vergleichung des
Sonnendurchmessers mit der Bahn, welche die Sonne an einem Aquinoctial-
tage von einem Aufgange bis zum andern zu beschreiben scheint. Das aus
einem Gefäfse stetig und gleichmäfsig ablaufende Wasser wurde während
der Zeit, die von dem Aufleuchten des ersten Sonnenstrahles bis zum Auf-
tauchen der vollen Scheibe über dem Horizonte verging, in ein zweites
Gef^s, und nach vollendetem Aufgange sofort in ein drittes gröfseres
Gef&fs geleitet, welches die weiter bis zum Anfang des nächsten Sonnen-
aufganges abfliefsende Wassermenge aufnahm^). Dann ergab sich, dafs das
während eines Sonnenaufganges abgeflossene Wasservolumen zu dem während
der übrigen Zeit bis zum nächsten Aufgang abgeflossenen Volumen sich
annähernd wie 1 : 719 verhielt. Auf den von der Sonne in einem Tages-
lauf durchmessenen Himmelskreis kamen also 720 Sonnendurchmesser, und
da der Zodiacus seit ältester Zeit in 360 Teile und jeder Teil weiter in
Sechzigstel zerlegt wurde, so war der Sonnendurchmesser auf 30 Sechzigste!
oder, wie wir jetzt sagen, auf 30 Minuten eines Grades annähernd be-
stimmt. Dieses babylonische Mafs hat wahrscheinlich schon Thales und
nach ihm Eudoxos, später sicherlich Aristarchos gekannt^).
1) Achill, isag. in Arati phaenom. 18 (Uranolog. Pbtav., Paris 1630, S. 137),
HsBOM, itegl hd^itav mgocxonBimv^ bei Pboklos vnotvncoaig S. 107 f. Idbler, Über
die Sternkunde der Chaldäer, Abhandl. der Beri. Akad. 181^16, hist.philol. Kl.,
S. 214. Bbahdm, Mfinz-, Mafs- and Gewichtswesen in Vorderasien S. 17 ff. Bilfinoeb,
Die babylonische Doppel stände , Progr. des Eberhard-Ludwigs-Gymn. in Stuttgart
1888 S. 21 ff. HüLTScH, Poseidonios über die Gröfse und Entfernung der Sonne,
Abhanill. der Gesellsch. der Wissensch. zu Göttingen, philol.-hist. Kl, N. F. ßd. J.
Nr. 5, S. 41 f Einer anderen Tradition folgt Klbohbobb, %wiX. ^eojQÜc iiete^ti^mv
11 1 (S. 136 — 138 Zibolbb). Nach ihm sollen die Ägypter mit Hülfe von Wasser-
obren (^mk t&v 'bdoolayüap) den gröfsien Himmelskreis gleich 750 Sonnendurch-
messern gefanden haben.
9) Dioo. L. I 1, 24 berichtet „nach einigen Gewährsmännern (wxtd %ivagy\
dafe Thalbs die Sonne 720 mal so grofs als den Mond angesetzt habe. Diese
Angabe würde Tielleicht verdächtig erscheinen, wenn die Zahl 720 nicht in nahem
Zasammenhange mit der Sonnenmessung des Eudoxos stände. Wir werden also
Abb. war OeMh d. Mathem IX. 13
194 Friedrich Hnltsch:
Das Verfahren, die Zeit des Sonnenaufgangs mit der Zeit von 24 Iqni-
noctialstunden durch WasserabfluTs zu vergleichen, hat Heron in dem Werkt
Über Wasseruhren einer Eontrolle unterzogen und dadurch vervoUkommnet
dafs er einen Ablauf des Wassers in die Mafsgefäfse unter stets gleich-
mäfsigem Drucke vorsah und im ersten Buche seiner Schrift noch besonder
zeigte, auf welche Weise diese Gleichmäfsigkeit herzustellen ist'). Die
hauptsächliche Voraussetzung mufste dabei sein, dals das Vonatsgeftfs
immer gleichroftfsig voll blieb, mithin einen stetigen Zuflufs von oben e^
hielt Da es nun nicht möglich war, diesen Zuflufs so zu regeb, d&fi
genau so viel Wasser von oben hinzukam als unten ablief, so blieb nur
übrig, dafs der Zuflufs von oben ein wenig reichlicher war als der Abflii£>
nach unten. Wenn dann am oberen Bande des Gefllfses eine entsprechend
breite Abflufstelle vorgesehen war, über welche der geringe, von oben hinzn-
strömende Überschufs stetig und ohne das Wasser im Gef&fse in nnrnliige
die Sch&tzang der SooneDgröfse durch Thalss als eine Hypothese derselben Art
ansehen wie ähnliche Vermutungen, die später bei Abchucedbs, bei Poseidoitios
und anderen Philosophen sich finden. Die Durchmesser von Sonne und Mond
erschienen den Alten als gleich; allein in Wirklichkeit mufste schon ein Thalk.«
die Sonne für merklich gröfser als den Mond halten. Wenn nun jedes ?on bei-
den Gestirnen in seiner Sphäre Kreise beschrieb, auf welche, nach der Lehre der
Babylonier, je 720 Durchmesser zu rechnen waren, so war vielleicht die Sphlre
der Sonne um so viel weiter entfernt als die des Mondes, dafs der Durchmesaer
der Sonne zwar dem des Mondes gleich erschien, in Wirklichkeit aber das Vulumei
der Sonne 720 mal so grofs als das des Mondes war. Hiemach würden aaf deo
Sonnendurchmesser y720 == 8,9628 Monddurchmesser kommen, und diese Zahl
finden wir (nach Ancmif. aren. 1, 9 S. 248, 7 Heibkro) in der Abrundung snf
9 Ganze bei Eunoxos wieder. Bei diesem, dem ersten methodischen AstronomeD
unter den Griechen, war diese Schätzung nicht mehr eine blofse Vermutong, flon-
dem sie beruhte auf dem Versuche aus der Beobachtung der Sonnenfinsternine
Schlüsse lu liehen. Wurde dann weiter der Monddurchmeaser «= y, Erddurch-
messer gerechnet^ so ergab sich die Sonne 27 mal so grois als die Erde, ein Ver-
hältnis, dem noch nm ein Jahrhundert später EaATOsnmna gefolgt sein soU. Vgl
„PosKmoinos über die GrOfse und Entfernung der Sonne"*, Abhandl. der Geselbch.
der Wissensch. tu G^ttingen a. a. 0. S. 4 ff. — Dafs Ajostabchos (wie die Baby-
lonier) den scheinbaren Sonnendurchmesser als %,9 des Zodiacns bestimmt hat,
beieugt AscRiM. aren. 1, 10 S. 248, 19. Bei Hbibsbo ist in der Obersetinng S. 849
hinter pariem sepiitkgmUesiwkam ausgefallen ei vteestmoM.
3) PnoKLos, ^nm^nm€ts xAw dnpavofuwAp ^o^^mmt S. 107 Ealmaz «orl 9&
TOF, o«Qi( 9V(i(kci9H ««^' ofMrli.ir fvctw vdoTO« inlmßfiw x^6pow^ Uyoiuv 3*ff wi
Tfpwir 6 pi;{ari«6€ h xoCs sf^l ^^upv a^^o«Kosct«Mr idiät^s. Pawos bei Thio
in Ptolkm, magn. eamkuct. S. 262, 2: ok«c *^ mtp^vn tb iw w äyjiup vSa^
Mtt9' 6u«e2f|r (v^w jf Cr ^mi^nißw li^mv h xm «e^» xAv ^qUb9 nt^onxmUf. -
Über die Aufschrift ^«of^ra«if des Werke« des Paon.os vgl Posdd., über die
Gr5fse n. s. w. S. 9, Anm. 6.
Winkelmesflimgeii durch die Hipparchische Dioptra. 195
Bewegung za yersetzen seitlich abtr&ufelte, so war genügend gesorgt, dafs
der Wasserdruck im Gef&fse immer der gleiche blieb.
Da Proklos aus der Schrift Herons über die Wasseruhren einiges
wörtlich zitiert, so möge hier eine Übersetzung dieses bisher noch wenig be-
achteten Fragmentes folgen^): „Es wird ein Geföfs angefertigt, das ähnlich
wie die Elepsjdra eine Öffnung nahe dem Boden ^J hat, durch welche das
Wasser gleichmäfsig, wie es Brauch ist, herausfliefsen kann. Dieses wird
so vorgerichtet, dafs der Ausflufs beginnt, sobald die Sonne den ersten
Strahl Tom Horizont aus versendet, und das Wasser, das in der Zeit, bis
die Sonnenscheibe über den Horizont gekommen ist, in ein mit Mafsstrichen
versehenes Oefäfs^) abgeflossen ist, wird in besondere Verwahrung genommen^).
Sodann wird die Wassermenge^ welche sp&ter in der ganzen Zeit von Tag
und Nacht bis zum nächsten Aufgange gleichmäisig und stetig abgeflossen
ist, in einem andern Oefllfse gemessen^), und so wird ermittelt, wie viele
Mal in diesem Volumen das Volumen des während des Sonnenaufganges
[in dem kleineren Gefäfse] gesammelten Wassers enthalten ist. Diese
Volomina werden den Zeiten proportional sein, d. h. wie ein Volumen zu
dem andern, so verhält sich die eine Zeit zur andern/^
4) *Titot^<ßCtg S. 107 f. Halma. Nachdem ich im J. 1898 die vorliegende
Abhandlung an den Herausgeber der Festschrift abgesendet hatte, ist vor kureem
Bd. I der Werke Hekons, herausg. von W. ScmciDT, erschienen. Daselbst findet
sich das Fragment aus Proklos S. 456 f. und nachträglich ist S. 506 f. der Bericht
des Pappos, auf den ich in der Berliner Philol. Wochenschr. 1899, Sp. 47 f. hin-
gewiesen hatte, beigeffigt worden.
5) Die Bestimmnng „nahe dem Boden", ngbg x& nvd'fiivt^ fehlt bei Proklos,
ist aber bei Pappos an der noch anzuführenden Stelle erbalten. Daraus geht zu-
gleich hervor, dafs das von Hsron pneum, I 4 gezeigte Verfahren hier keine An*
Wendung gefunden hat.
6) Auch diese Angabe fehlt bei Proklos. Pappos soll nach der Baseler Aus-
gabe geschrieben haben e^g ti nBQUx^fiBvov &yy8iov. Hier fehlt vielleicht y^afi-
l^oig Tor fUQHx6(UP09 oder die Lesart ist in anderer Weise verderbt. Vermutlich
hat HsRos ein Gkföls ans durchscheinendem Hörn gemeint, auf welchem durch
eingeritzte Linien die einzelnen Unterabteilungen des ganzen Mafsgefäfses unter*
schieden waren. Vgl Metrol. Script. I, B. 80. 211, 10—12. 217, 14 Hultsch.
7) 7^ (s^0ap vSmQ . . . tpvldttetai x^9^ Proklos, (pvldaaovtsg tb ^fCOQ"
^(vsffv {iato4(vüaw Babil.) MmQ Pappos. Qemeint ist offenbar die Aufbewahrung
in einem verschUefsbaren Gefäfse, das bis zum nächsten Morgen in den Keller
gestellt wurde, um ein Verdunsten der Flüssigkeit möglichst zu verbaten.
8) Der Abdruck bei Halma ist arg verderbt. Hbron hat wahrscheinlich
geschrieben dftaX&g %ul iiVBuXt^ntmg (viv, iv itigip &yyB£(a na^aitttgsCtai, Zu
«al Avtnl^tiog (Verderbnis statt &VB%lBijncag) hatte ein Interpolator xal äna^ermg
ond SU (vBiv (Verderbnis statt (viv) (bHouv am Bande beigeschrieben und diese
Glossen sind dann, die letztere noch dazu an einer falschen Stelle, in den Text
gekommen.
13»
196 Friedrich Hultsoh:
Auch Pappos, der um etwa 150 Jahre vor Pboklos sdirieb, hat in
seinem Kommentare zum fünften Buche der Syntax des Ptolekaios dk
Schrift Hebons über Wasseruhren benutzt^, diese jedoch nur betreffs des
schon erwähnten Beweises für die Oleichmäfsigkeit des Wasserabflusses siti^
Leider schweigt die Überlieferung über das Ergebnis der Heromscbeii
Yergleichungen der Wasserrolumina. Ptolemaios hat sie nicht berück-
sichtigt, weil sie ihm ungeeignet erschienen, die genauen Mause der Durch-
messer von Sonne und Mond zu ermitteln^); doch darf man wohl yer-
muten, dafs die Nachprüfung des babylonischen Verfahrens durch Hebos
für den Sonnendurchmesser etwas über 0^30' bis etwa zu 0^32' er-
geben hat.
Auf den richtigen Weg, um zur Lösung des Problems zu gelangen,
hat zuerst Archimedes (aren. 1, 10 ff.) hingewiesen. Nach der Anschaniuig
der Alten sieht imser Auge die Gegenstände durch Strahlen, die es von
sich ausgehen l&fst^^). Es war nun zu versuehen, einen Punkt im Auge
zu bestimmen, von welchem aus zwei Strahlen je zu einem Ende des
Sonnendurchmessers gehen. Zu diesem Zwecke setzte er ein langes J^cht-
scheit auf ein Fufsgestell, dessen Höhe es ermöglichte, nach der Soddb, so
lange sie noch dem Horizonte nahe war und ihr Licht weniger blendete ^j,
über das Richtscheit hin zu blicken. Das Auge des Beobachters befaod
sich also am Anfiange des Richtscheites und auf diesem lag (wohl in einei
auf der oberen Fl&che desselben Iftngshin gezogenen flachen Rinne) eine
Kugel Yon ungefähr gleicher Gröfse wie der Augapfel. Nach dem Ende
des Richtscheites hin stand aber ein kleiner, gerader Cjlinder, der in die
geeignete Entfernung gebracht wurde, um die Sonne gerade zu verdunkeln
Der normale Querschnitt dieses Cjlinders bildete also die Basis eines
9) Trko Aux. in Ptoum. wuign. etmstmct, V, Basel 1638, S. 261 f. In dieser
bisher einiigen Gesamtausgabe des TmonBchen Kommentan ist %u Anfang des
V. Baches (S. 231) Pappos Ton Alexandria als Verfasser beMiehnet; sp&ter (S. 336)
heifsi es Ute t Toe /Icbnro« und es folgt ein Zosats vob Bimwo^ tlg xb Uikof w
ilchnrov; aber Ton 8. 245 an bis som Ende des Buches lindei sich unter der Aof-
schrifl %6 Sh iii^g toO ilavxo« wieder der Kommentar dieses Aatora. Besser ist der
Text des Pappos in dem cod. Lamenl plnl XXVHI, 18. cod. Vatic. Gr. 183 ood
anderen Handschriften efhalten. Bei Tbbov heilsi jedes eunelne Buch des Kod-
mentars ^«^in^fMe, bei Pappos extflier: s. meine Voirede in Papti collect Bd.IH,
s, xra f.
10> Ptolkm. synl V 14, S. 416, 20 Hbobmi.
11) KciEU optic; def. 1—^. Damiaitos Schrift ftber Optik, heranqg. tob
R. ScvGxs, 1— a. OdmuBE, Qesch. der Mathwnatilr und der Natnrwisa. im Alter-
tnn, Iw. Meuns Handh. der klass. Altntnmswias. Y\ & 268.
12) Ai^n. S. 250, 14 Hub.: Utwq yn^ ißimr^ svd » i^iSmn nak 9v9a^f^
ft% inmfXfwi^^ty wo ich fri nach Konjektur statt des fiba^iefertoi rot sdmibe.
Winkelmessungen durch die Hipparchische Diopira. 197
gleichschenkligen Dreiecks, dessen Seiten die erwähnte, nahe dem Auge
befindliche Engel je an einem Punkte berührten und dann im Auge selbst
sich zur Spitze des Dreiecks vereinigten. So hatte Archimbdes, ohne eine
eigentliche Yorrichtung zum Visieren zu kennen, eine ungefähre Darstellung
des Winkels BÄC zu. Wege gebracht,
anter welchem der Sonnendurchmesser
dem Beobachter erscheint (Fig. 1). Auf
eine genaue Bestimmung konnte es
ihm gar nicht ankommen, da er für
sebe Sandrechnung nur die Begrenzung
brauchte, dals die Basis BC des Drei-
ecks BÄC gröfser ist als die Seite des in den Kreis BC eingeschriebenen
Tausendeckes, woraus er dann weiter folgerte, dafs der Winkel BÄC tji
einem grODsten Himmelskreise eine Sehne abteilt, die gröiser ist als die
Seite des in diesen £[reis eingeschriebenen Tausendeckes. Dazu genügte
es ihm, nachdem Basis und Seiten des Dreiecks BÄC^ ohne ihre Dimen-
sionen zu yerkleinem, auf einer Tafel eingezeichnet waren, mit dem Eadius
AC von C über B hinaus eine Peripherie zu beschreiben, deren Sehne die
Seite des in den Kreis BC eingeschriebenen Zehnecks war. Durch forir
gesetzte Halbierung erhielt er dann eine Peripherie, die 160 mal in dem
ganzen Perimeter enthalten war. Hienron nahm er einmal den vierten, ein
anderes Mal den fünften Teil und fand so, dafs die Sehne des von ihm
beobachteten Centriwinkels kleiner war als die Seite des eingeschriebenen
640eckes und grOfser als die Seite des eingeschriebenen SOOeckes, mithin
auch gröiser als die Seite des eingeschriebenen Tausendeckes.
Nach der handschriftlichen Überlieferung ist die obere Grenze von
Archimedeb noch um ein weniges enger gezogen worden. Statt der an-
gefahrten Teile der ganzen Peripherie giebt er in der Sandrechnung Teile
des Quadranten an. So würde er als obere Grenze 7^ des rechten Winkels
loU
erhalten haben; statt dessen aber hat er, wenn nicht etwa ein Fehler in
Ä . . 11
die Überlieferung eingedrungen ist, den etwas geringeren Wert t^j , d. i. :r^
einer Peripherie gewählt, deren Sehne gleich der Seite des in den Kreis
eingeschriebenen 41eckes ist. Setzen wir nun statt der ARCHiMEDischen
^^^^ isl ^^^ iöö ^^^ Quadranten die entsprechenden sexagesimalen Teile
des Kreises, so erhalten wir ^B = 0^S3' und ^ JB = 0<>27'. Im Mittel
war also Archimedes bei der Bestinunung zu 0^30' stehen geblieben und
im ganzen hatte er, da er einen Fehler von 3 Minuten nach beiden Seiten
hin offen lassen mufste, minder genau beobachtet als die Babjlonier; allein
198 Friedrich Hultsch:
die neu gefundene Methode, Winkel direkt mit dem Auge zu messen, sollte
bahnbrechend weiter wirken.
Es galt zunächst die schwerfällige Rechnung nach den Seiten ein-
geschriebener Vielecke zu beseitigen und die Sehne eines jeden Kreisbogens
ein für alle Mal nach ihrem Verhältnisse zum Diameter zu bestimmen.
Wenn auch die Überlieferung schweigt, so spricht doch alle Wahrschein-
lichkeit dafür, dafs Hipparchos es war, der zuerst diese Verhältnisse be-
rechnet und sie in einer ähnlichen Übersicht wie später Ptoubmaios in
seinem tuxvovmv tc5v iv %vida sv&ei&v^) zusammengestellt hat. Er hat in
einem umfänglichen Werke von zw5lf Büchern, das als nifayfiaxila i&v iv
xvTÜLoi evd'Bimv zitiert wird^^), über die Kreisbögen und ihre Sehnen ge-
handelt, er hat femer die Theorie der Epicyklen und das gesamte Gebiet
der rechnenden Astronomie in nahezu gleichem umfange beherrscht, wie
später Ptolemaios, dessen Syntax zu einem grofsen Teile auf Werken dfö
Hipparchos fufst; er mnfs also auch die Orundanschauungen und die
leitenden Sätze gekannt haben, nach denen für einen jeden im Halbkreise
gegebenen Winkel das Verhältnis der Sehne zum Diameter bestimmt und
damit, wie sofort sich zeigen wird, die Sinusfunktion als Grundformel der
Trigonometrie eingeführt wurde.
Ausgegangen ist schon Hipparchos, ähnlich wie die Neueren, vom
rechtwinkligen Dreieck, nur dafs ihm jede der beiden Katheten als Sehne
(ct>Ocf€c iv xvjtXe}) und die Hypotenuse als Diameter galt. Wenn er also
das Verhältnis einer Sehne zum Diameter ausrechnete, so hatte er damit
den Sinus eines auf dieser Sehne stehenden Peri-
pheriewinkels gefunden; er schrieb aber zu diesem
Verhältnisse nicht, wie später die Inder, Araber
und die Neueren, den Peripherie winkel, sondern
den entsprechenden Centriwinkel hinzu (Fig. 2).
Nehmen wir an, daÜB er als Beobachter, Tom
Standpunkte A aus, den Winkel BÄC^=3e^ und damit zugleich die
Sehne jBC als Seite des in den Kreis eingeschriebenen Zehneckes bestimmt
hatte. Nun hätte es am nächsten gelegen, diese und ebenso jede andere
Sehne nach ihrem Verhältnis zum Radius zu bestimmen und dieser An-
schauung ist er soweit gefolgt, dafs er fortan nach sexagesimalen Teilen
13) Srnt I 11 vlO) S. 48 ff. Hubsm.
14^ Trso in Ptolsm. BjnU I S. 110 Hauia: didunm fi^v o^ %al ^Ima^V?
ii n^aymwtM x^w h «riira f v^(«A» h iß* ßtßUot^. Dafs das Werk, wie Sisekihl,
Grieche Litteratur in der Alexandrinerseit I S. 771 annimmt^ wt^l xi^ nifttjjuntüii
T^i fr %rnlm ft^^<lAv betitelt gewe;seii sei, ist mir nicht wahracheinlicb.
Winkelmessungen durch die Hipparchische Diopira. 199
des Radius rechnete ^^). Allein der Boden des rechtwinkligen Dreiecks sollte
nicht verlassen werden; es wurde also BC zur Kathete des in den Halb-
kreis eingeschriebenen Dreiecks, dessen Hypotenuse der Diameter ist. Nun
wurde das Verhältnis yrr^ in Einhundertzwanzigsteln des Diameters und
deren sexagesimalen Teilen ausgerechnet. Es ist klar, dafs wir für dieses Ver-
hältnis keine besondere Benennung zu suchen, sondern es einfach als Sinus zu
bezeichnen hätten, wenn Hipp arg hos und mit ihm die späteren griechischen
Astronomen dasselbe als Funktion des Peripheriewinkels BBC hätten gelten
lassen. Da dies aber nicht geschehen ist, müssen wir für die HiPPARcmsche
Funktion y^p eine allgemeine Bezeichnung suchen und dürften mit -r-, — '-
das Wesentliche in kürzester Form treffen. Dieses Verhältnis erschien nun
dem HippARCHOS, vom Standpunkte des beobachtenden Astronomen aus, als
eine Funktion des Winkels, den er ins Auge fafste, d. i. des Centriwiskels
BÄC, und so hat er es in seinem durch Ptolemaios überlieferten mcvoviov
x(bv iv mvmXfü ti^tuQiv aufgeführt. Wir gewinnen also für die HiPPARCHische
Funktion des Gesichtswinkels o» die allgemeine Formel
chord. . <D iirv
-rr. (0 = Sm. -^ ").
diam. 2 ^
Statt der Sechzigstel des Radius waren Einhundertzwanzigstel des
Diameters eingetreten. Da nun jeder dieser Teile weiter in erste und
zweite Sechzigstel zerfiel, so entstand eine kleinste Einheit im Betrage
von 0^0'!" = . oa ^^^ des Diameters, deren Vielfache in den Sehnentafeln
bei der eb^ta eines jeden Winkels verzeichnet wurden ^'^). Als Beispiel sei
die Sehne zu 0^30' (Ptolem., Sjnt. I, S. 38 Heib.) angeführt. Sie betrug
0^31' 25" =7^1^ des Diameters =0,0043634. Vermindern wir diesen
15) Ein tikfjfia hat ihm, wie später dem Ptolskaios, als —r des Radius ge-
60
gölten m^d diese Einheit ist dann weiter, wie ans den Tafeln der B^eiai und
litfuond bei Ptolbm. synt. I 11 (10) herrorgeht, in erste, zweite und dritte
Sechzigitel zerlegt worden. Vgl. in Pault-Wissowa's Bealencyklopädie der klass.
AltertnmswisB. Arithmetica Sp. 1076 f.
16) TAKinEBT, Bist, de Vastronomie ancienne S. 62, Anm. 1 bezeichnet nach
ttbUchem Branche mit crd. das VerhältniB der Sehne zum Kadius und setzt
■
demnach crd, m = 2 — ~ — ; allein das Verhältnis zum Diameter mufs bei-
behalten and recbnnngsmftfsig durchgeftlhrt werden, wenn wir das Verfahren der
griecbificben Astronomen uns TerBttndlich machen wollen.
17) Vgl. Zbuthbn, Gesch. der Mathem. S. 230 f.
200 Friedrich Hultsch:
Wert nur um 0,0000001, d. i. um ~ des kleinsten von Hifpaschob ge-
setzten Teiles des Diameters, so erbalten wir mit 0,0043633 die genaue
fünfstellige Ausrechnung des Sinus der Hälfte von 0^ 30"^.
Femer ergiebt sich, dafs die Hipparchisch-Ptolemftischen Tafeln, die
von 0^30' bis 180^ in Abstufungen von je -^ Orad reichen, sobald man
statt eines jeden dort verzeichneten Winkels dessen Hälfte einsetzt, eise
Sinustabelle darstellen, die in Abstufungen von je -r- Grad von 0^ 15' bis 90*
sich erstreckt^®).
In der von Hippabchos verfafsten itqay^uxxBla xSiv iv xvnlm tv^mv
sind vermutlich auch Anweisungen zum Gebrauche der von ihm erfundenen
Di Optra enthalten gewesen. Er hat dort das Instrument so genau be-
schrieben, dafs Ptolemaios es wieder herstellen und ähnliche Messungen
wie jener vornehmen konnte ^^). Es war ein vier Ellen langes Richtscheit
(x€XQ<x7t7ixvg %av6v). Da nun Ptolemaios ausdrücklich bemerkt, d&fs er
8tcc T^g iv ToS TMvovi xoTafieT^ijtfeog die HiPPARCmschen Bestimmungen der
Durchmesser von Sonne und Mond kontrolliert habe, so folgt daraus zu-
nächst, dafs das Richtscheit mit einer Skala versehen war, auf welcher
gleiche Unterabteilungen des Ma&stabes verzeichnet waren. Das können
keine anderen gewesen sein als die Fingerbreiten (^axrvAo«), von denen
nach allgemein griechischem Brauche 24 auf die Elle, mithin 96 auf den
ganzen Mafsstab kamen. Als Teile des Daktjlos waren wahrscheiiüich
Hälften, Viertel und Achtel eingetragen^).
Natürlich mufste, um die scheinbaren Durchmesser von Sonne und
Mond messen zu können, an der Dioptra noch ein zweiter Ma&stab im
18) Zeuthbn, Gtesch. der Mathem. S. 230. 288. Vgl. auch Idblbs, Ober die
Trigonometrie der Alten, Zach's monaÜ. Correspondenz zur Beförderung der Erd-
und Himmelakunde, Juli 1812, S. 22 f.
19) Synt. V 14, S. 417, 1—16. 20—24 Heib. Entsprechend dem S. 416, 23
vorhergehenden Aorist sror^j/Ti^ffaficO-tt und den S. 417, 18. 20 folgenden Imper-
fekten iidvvocto und Hazetpotivhvo ist S. 417, 6 t^QÜmoiJ^v als Imperfekt zu fusen
und dann Z. 18 mit Halma naTeXafißavöfM^a statt des handschriftlichen tato-
XaiißavdikB&a zu schreiben. Vgl. V 2, S. 366, 1 — 7 itrufoüiisp — ncttelappdfono
(pass.) — naxeXaikßavöiied'a (med.).
20) Vgl. meine Griechische und römische Metrologie' S. 361. Dafs aocb
Sechzehntel, wie auf altägyptischen Mafsstäben, eingetragen waren, ist nicht wahr-
scheinlich, weil schon das Achtel des Daktylos auf den äofsersten Grad der Ge-
nauigkeit führte, der bei den Messungen durch die HiFPABcnische Dioptra xa
erreichen war. Auch Abobimbdbs hat in seiner Sandrechnong (2, 4 S. 264, 25) du
Achtel des Daktylos als kleinstes Mafs vor sich gehabt nnd auf dieses 6 Durch-
messer von Mobnkömem gerechnet.
W^iDkelmesBungen durch die Hipparchische Dioptra. 201
rechten Winkel zu der Skala des Richtscheites angebracht sein. Dies
war, wie Ptolemaios andeutet ^^), eine kleine Platte (rc^ißiiattov) ^ deren
halbe Breite die eine Kathete eines rechtwinkligen Dreiecks bildete, während
die andere Kathete durch den Abstand des Plättchens vom Auge des Be-
obachters gegeben war. Das Nähere erhellt aus dem Berichte des Pappob
im Kommentar zum V. Buche des Ptolemaios^): „Man verfertigt ein Richt-
scheit, das mindestens vier Ellen lang und genügend hoch und breit ist,
um eine feste Unterlage zu bieten. In die obere Fläche desselben
sei mitten in der Längenrichtung eine Rinne dergestalt eingeschnitten,
dafs ein beilförmiger, darin eingefügter Keil leicht vor- und rück-
wärts geschoben werden kann (Fig. 3). Mit dem Keile sei eine
kleine Platte verbunden, die im rechten Winkel zum Richtscheite -pig. s.
steht und an einer beliebigen Stelle der Rinne verbleiben kann. Ein
anderes Plättchen wird am Anfange des Richtscheites und in fester Ver-
bindung mit diesem angebracht, das eine feine Öffnung zum Durchsehen
nicht unten (unmittelbar bei dem Richtscheite), sondern in der Mitte hat,
damit, wenn unser Auge durch diese Öffnung blickt, die von demselben
nach dem beweglichen Plättchen ausgehen-
den und die [vertikalen] Ränder desselben j[\
berührenden Geradenden scheinbaren Sonnen-
dorchmesser, indem sie dessen Endpunkte ^' ^'
berühren, umfassen können. Wenn wir nun, bei der [in Fig. 4 angegebenen]
Stellung des beweglichen Plättchens, nahe dem Horizonte den einen End-
punkt des Sonnendurchmessers über Z hinaus durch den Strahl KZ, den
21) Synt. V 14, S 417, 20—23: xjjg iv taig inißoXaig xov iningoad-i^aavxog
nhitovg inl tb (tfl%og tov navovog tb &nb tfjg Öipemg inl tb nQi0fidtiovy TtXfiaxaig
o^«ai(, nccQauitQTJatcag. Die richtige Lesart nXtiaxatg o^aatg (statt nXeicTTjg o^arig)
ist in der Handschrift D uod bei Pafpos erhalten; sie deutet auf die verschie-
denen Stellungen hin, die das Plättchen bei verschiedenen Beobachtungen ein-
lummt. Jede von diesen vielen Stellungen bedingt eine besondere, aus den oben
ao^fiihrten Elementen abgeleitete Messung (naQaiiitgrjcig). Die ursprangliche
Niederschrift des Ptolsmaios ist auch V 1, S. 351, 13 sowohl in D als bei Pappos
tiberUefert (vgl. Liter. Centralbl. 1898, Sp. 1899 f.), und daraus folgt weiter, dafs
I 8. 64, 13 nach den Spuren in D xtxgdyavov xfl nif^itpfQt^a zu schreiben ist.
22) Thbo in Ptolem. niagn. construct. S. 262. Meine freier gehaltene Ober-
aeUoBg giebt das Wesentliche wieder, berichtigt einiges stillschweigend und läfst
weg, was nicht notwendig für die zu den Figuren 4 — 6 gegebenen Erklärungen
erforderlich ist. Pappos selbst hat ein yollständiges Bild der Dioptra beigefügt.
(He fordere Platte mit der Yisieröffnung K hat er durch £<^, das bewegliche
Plättchen durch rj nnd dessen Breite durch T/f, bez. PNJ^ die obere Fläche
des Richtscheites durch AB nnd die längshin eingegrabene Rinne durch 770
beieichnet
202
Friedrich Hnltsch:
Fig. 5.
andern Endpunkt aber über S hinaus durch den Strahl KS erblicken, so
werden wir sagen, dafs der Winkel ZKS den Sonnendurchmesser nmf&fei
Wenn aber der letztere nicht durch die Gerade X8, sondern allein durch
KZ erblickt werden sollte, so wird man
das Plättchen entfernter vom Auge ein-
stellen müssen (Fig. 5), damit der Winkel
kleiner werde und der von der O&uiigX
nach den Rändern des Plättchens gehende
Gesichtswinkel den Sonnendurchmesser umfasse, wie es bei dem Winkel
AKM zutiifft. Wenn aber der eine Endpunkt des Sonnendurchmessers
durch die Gerade KA erblickt wird, der andere Endpunkt aber über die
Gerade KM hinausfällt, soda& ein Teil
des Sonnenkörpers über die Breite des
Plättchens hinaus sichtbar wird, mnis man
wiederum das Plättchen bewegen und es
näher dem Auge in ruhige Lage bringen (Fig. 6), bis ein gröfserer Winkel,
der den Sonnendurchmesser umfafst, wie es bei A'KM' zutrifit, he^
gestellt ist/^
Wenn \rir nun in dem gleichschenkligen Dreieck ZKB (Fig. 4) ans £
die Normale zu Z6 ziehen, die in F auftrifit, und den Sonnendurchmesser
mit JE bezeichnen (Fig. 7), so ist es klar, dafs sowohl ZF^ d. i. die halbe
Breite des beweglichen Plftttchens, als auch
Xr*, deren Länge von der Skala des Richt-
scheites abgelesen wird, gegeben sind. Dem-
Plg. 6.
Flg 7-
nach ist auch KZ und das Verhältnis
chord.
2ÄZ»
d. i. die HiPPARCHische Funktion -^ — '- des Winkels X, gegeben. Da wir
nun, wie bald sich zeigen wird, wenigstens eine Messung des Monddorch-
messers durch Hipp arohos kennen, und daraus auf andere Messungen an-
nähernd schliefsen können, so sind wir im Stande, die Breite des den Mond
oder die Sonne verdeckenden Plättchens zu bestimmen.
Zuerst finden wir, dafs dieser Deckstreifen weniger breit als
7
- Daktjlos war. Denn wenn ein Streifen Ton dieser Breite am Ende des
RiohtscbeiteS) d. i. 96 Daktylen Tom Auge entfernt, eingestellt war, so ver-
dockte er einen Bogen von nahezu 0^31' 18". Das war dann der kleinste
Winkel, der auf der Dioptra gemessen werden konnte; allein das Instrument
mufste auch auf kUnnere Winkel bis herab zu O^SO'^ eingerichtet sein.
dumit durch unmittelbare Messung festgestellt werden konnte, da(is der
8onnendurchnu's:>or gWU*scr sei, als die Babylonier ihn angenommen hatten.
Winkelmessusgen durch die Hipparcfaische Dioptra. 203
Zweitens ergiebt sich, dafs der Deckstreifen breiter als -^ Daktjlos
gewesen ist Denn wenn ein Streifen von dieser Breite auf 72 Daktylen
EDtfemnng eingestellt war, so verdeckte er einen Bogen von ungef&hr
0^29 '60"; HippARCHOS hatte also, um Winkel über 0^30' zu messen,
statt einer Dioptra von vier Ellen nur eine solche von drei Ellen gebraucht.
7 ß
Also hatte der Deckstreifen eine Breite zwischen -g- und -^ Daktjlos.
Nehmen wir das Mittel = — Daktylos, so verdeckte ein Streifen von dieser
Breite, wenn er auf 86 Daktylen eingestellt war, einen Bogen von un-
gefähr 0^ 30', und wenn auf 76 Daktylen, einen Bogen von nahezu 0^ 34'.
Mithin vollzogen sich die für E^pparchos in Betracht kommenden Messungen
innerhalb der vierten, auf der Skala eingetragenen Elle in einer Entfernung
zwischen drei Ellen vier Daktylen und drei Ellen 14 Daktylen. Das war
offenbar eine zweckmftfsige Einrichtung des Instrumentes, und es kommt
3 1
dabei auch noch in Betracht, dafe die Streifenbreite von -^ Daktylos gleich ^
der Elle war, mithin dieses kleine Mafs durch fortschreitende Halbierung
der Elle möglichst genau dargestellt werden konnte.
Eine sichere Zurückführung des von Hippabghos angewendeten Ellen-
mafses auf neueres Mafs ist leider nicht möglich, da über die verschiedenen
griechischen L&ngenmalse zwar viele Vermutungen aufgestellt, aber einwand-
freie Ergebnisse bisher nicht gewonnen sind. Wir begnügen uns daher mit
der Umgrenzung, dals die HippARcnische Elle zwischen den Mafsen der
königlichen ägyptischen und der römischen Elle, d. i. zwischen 0,525 und
0,4436 m, gestanden hat. Das Richtscheit maus daher zwischen 2,10 und
1,77 UL Ein Daktylos der Skala ist zwischen 21,9 und 18,5 mm und die
Breite des Deckstreifens zwischen 16,4 und 13,9 mm anzusetzen.
Nach Ptolemaios^') sind von Hipparchos auf seiner Dioptra „sehr
viele^' verschiedene Stellungen des Deckstreifens beobachtet und daraus ver-
schiedene Werte für die scheinbaren Sonnen- und Monddurchmesser be-
rechnet worden. Doch ist uns von den Ergebnissen dieser Beobachtungen
nur eines zahlenmftiÜBig überliefert. Er hat gefunden, dafs der Durchmesser
des Mondes nahezu 650 mal in dem Kreise enthalten ist, den dieses Ge-
stirn scheinbar beschreibt^). Damit war offenbar ein Mittel aus ver-
23) Synt. V 14, S. 417, 20—28. Eine erklärende Übersetzung der Stelle wird
später folgen.
24) Ptolem. synt. FV 9 (8) z. Anf. : evyxQmfisvot natoc rbv "innagxov xm xi}v
^flijvijir l^avotfMcxtg i»^v %€cl ftBwri%ovtdiitg ^yytcta KatafiBxgtiv tbv ISiov nvnlov.
Diese Angabe wiederholt Papp, synag. VI, S. 556, 14 Hultsch.
204 Friedrich Holtsch:
schiedenen MessuDgen geraeint, je nachdem der Mond näher oder ferne
Erde stand. Die Division von 360^ durch 650 führt auf einen mitt
Monddurchmesser von 0° 33' 14" (genauer 0® 33' 13,85"), und dieses Res
ist um so beachtenswerter, als Ptolemaios, der allerlei Einwendungen
gegen erhebt, doch durch seine eigenen Messungen zu einem nur unn
lieh abweichenden Ergebnisse gekommen ist; denn nach ihm hat der M
durchmesser in der Erdfeme 0^31' 20"*^), in der Erdnahe 0® 35' 20
mithin im Mittel 0^ 33' 20" betragen. Da nun die FTOLEMÄischen An
über die wirklichen Werte des scheinbaren Monddurchmessers =» 29
für die Erdferne und 32' 51" für die Erdnähe merklich hinausgehen,
HiPPARCHische Mittel aber relativ etwas genauer ist als das PTOLEMAiscl
so darf man annehmen, dafs auch die Einzelmessungen des Hippar(
je nach der gi'öfseren oder geringeren Entfernung des Mondes von
Erde, so genau ausgefallen sind, als es nur immer bei der ünvoUkom
heit seiner Dioptra möglich war. Wie er bei der Beobachtung des
Sichtswinkels, unter welchem der mittlere Monddurchmesser erscheint,
das wirkliche Mafs um 2' 6" hinausgekommen war, so mögen auch
übrigen Messungen mit einem Fehler von reichlich zwei Minuten bei
gewesen sein.
Das ist leicht erklärlich. Denn von einer Abbiendung der Soi
oder Mondstrahlen durch farbiges Glas verlautet nichts, und wenn
auch die Visieröffnung möglichst fein herstellte und zur Beobachtung
Sonne, wie Archimedes es vorgeschrieben hatte, die Zeit ihres Auf(
wählte, während man in die Mondscheibe, auch wenn sie hoch am Hii
stand, mit geringerer Blendung blicken konnte, so mufste doch die Sei
heit des Deckstreifens merkliche Fehler bei den Beobachtungen veranli
Wenn also in dem einen uns bekannten Falle Hipparchos den Ges:
Winkel nur um • 2' 6", d. i. um etwa ^e ^^^ genauen Betrages, zu
genommen hatte, so war das weder an sich noch im Vergleich mit
pTOLEMÄischen Messungen ein ungünstiges Ergebnis.
So kehren wir noch einmal zu dem Ansätze des mittleren A
durchmessers auf 33' 14" zurück und behaupten, daüs Hipparchos,
nach seinen Beobachtungen des Mondlaufes recht wohl wufste, wani
Mond in mittlerer Entfernung von der Erde sich befand, durch seine Di
einen von jenen 33' 14" nicht weit entfernten Wert unmittelbar beoba
26) Ptolem. V 14, S. 421, 4 f vgl. mit 417, 24—418, 6. Papp. Bynag. S
17—19.
26) Papp. S. 666, 19.
27) Mittel des MonddnrchmesBers nach den neueren Beobachtungen =a £
nach HippABcuoB = 33' 14", nach Ptolemaios » 33' 20''.
WinkelmesBiingen durch die Hippaxoliische Diopira.
205
\$ji Dam mufste sunäcbst ein für kleinste Winkelmessongen geeigneter
Ausschnitt einer Sehnentafel Torbereitet sein.
Zu einem Winkel von 0^30' gehörte, wie vor kurzem gezeigt wurde,
chord.
£0 Fonktion
diam.
(P 31' 26", und zwischen 0^ 30' und 1® entsprach dem
2Bwachs von je 1 Minute ein Mehr yon 0^ 1' 2" 50" = 0,0001454, d. h. die
Yatnderungen der HipPARCHischen Sehnenfunktion wurden proportional den
Yertndemngen der Bogen gerechnet^). Daher dürfen auch die je einer
chord
Bogensekonde entsprechenden Veränderungen der Funktion -r-, — ' als
ßOstel von 0^1' 2'' 50'" gerechnet werden, wie der folgende Ausschnitt
einer Sehnentafel fGb: die Winkel von 30' bis 34' es ausweist:
Winkel
_ ... chord.
Funktion -^^ —
diam.
Interpolation
ö'30' 0"
OP 31' 26" — 0,0043633
Differenz fdr je 1 Sekunde
O^SCSO"
0«S1' 0"
OP 31' 66" = 0,0044360
OP 32' 28" = 0,0045087
Ol» 0' 1" 2,833'" = 0,000 002 424
0*31' 80"
OP 32' 69" — 0,0046816
OMSr 0"
OP 38' 31" =. 0,0046642
0«32'30"
OP 34' 2" = 0,0047269
o«3r 0"
OP 34' 33" — 0,0047996
©•33' 30"
•
OP 36' 6" = 0,0048723
«•34' 0"
OP 36' 36" — 0,0049460
Je nachdem nun yom Auge des Beobachters aus der Deckstreifen der
Diopira in einer Entfernung von 77^ oder 77^ Daktylen den Mond ver-
deekte, erschien sein Durchmesser in einem Winkel von nahezu 33' 10"
oder 33' 16". Die Einrichtung der Skala ermöglichte es aber, noch einen
iwischen diesen Grenzen liegenden Winkel zu beobachten. Wenn der Deck-
streifen auf einen Abstand von 77^ Daktylen eingestellt werden muTste,
um den in mittlerer Entfernung von der Erde befindlichen Mond gerade zu
rerdecken, so war daraus die Funktion
chord. Z9
diam.
^y^r-^m
zu berechnen (Fig. 7). Durch die Dioptra waren gegeben Z 6 = J ,
lCr= 77f. Die Ausrechnung nach -sexagesimaler Bechnungsweise war
zmr umstftndlich^, führte aber doch, wenn man mit einer Annäherung
SS) Ptolbm. syni. I 10 (9), S. 47 f. Camtob, Vorles. über Gesch. der Mathem. P
S. 391 617. TAMMBEr, Hist. de Vastranamie ancienne S. 64.
29) Vgl. in Pauly-Wissowa's Realencyklopädie Arithmetica§ll. 16.
206 Friedrich Hultsch:
anf ganze Sekunden sich begnügte, zu dem gesicherten Ergebnisse
chord.
diam.
iC = OP 34' 47".
Dieser durch Beobachtung gefundene Wert war nach der Torhergehenden
Sehnentafel um 0^0' 14" gröfser als 0^34' 33" = ^^ 33' 0", und diea^
Mehr entsprach sehr nahe einem Zuwachs von 13 Sekunden zu dem Winkel
von 0^33'. Also war durch die Dioptra ein Winkel von 0^33' 13" be-
obachtet worden, und es ergab sich nun leicht, dafs dieser Winkel lyytcia,
d. i. nach der Sprache der alten Astronomen „mit einem nicht in Betracht
kommenden Fehler^^ 650 mal in den 360 Graden der Ereisperipherie ent-
halten war**).
Die HiPPARCHische Bestimmung des mittleren Monddurchmessers hat
den durch neuere Beobachtungen gefundenen Wert um 2' 6" übertroffen
(S. 204). Nahezu derselbe Fehler mag auch untergelaufen sein^ wenn der Mond
in der Erdfeme beobachtet wurde. Dies würde auf einen HipPARcmschen An-
satz zu ungefähr 31 '3 2" statt 2 9' 2 6" führen, und diesem Werte gleich soll nach
Ptolemaios (V S. 417, 3 — 6) der scheinbare Sonnendurchmesser, gleichTiel
ob die Sonne näher oder femer zur Erde stand, befanden worden sein.
Wenn nun derselbe Autor kurz darauf (S. 417, 12 — 16) bemerkt, er habe
den Winkel, unter dem sowohl der Mond in der Erdfeme als anch dit'
Sonne, gleichviel ob sie der Erde näher oder femer sei, erscheine, um ein
beträchtliches kleiner gefunden als die verschiedenen Winkel, welche
HippARCHos je nach der gröfseren oder geringeren Entfernung beider Ge-
stirne gemessen hatte, so trifft diese Ausstellung bis zu einem gewissen
Grade zu (haben wir doch selbst in dem einen überlieferten Falle ein
Zuviel von etwa -|^g- des wirklichen Wertes annehmen müssen); aber jeden-
falls sind die Fehler der HiPPARcnischen Messungen merklich geringer
gewesen, als sie einst dem Ptolemaios erschienen. Denn wenn dieser
(S. 421, 4 f.) nur einen Winkel von 31' 20" für den Sonnendurchmesser
zuläfst, so ist das anfällig weniger als das Mittel von 32' 4", welches die
zuverlässigen Messungen der Neuzeit zwischen dem Maximum von 32' 37
und dem Minimum von 31' 32" ergeben haben, und dem entsprechend
mufsten auch die HiPPARcnischen Fehler dem Ptolemaios gröfser erscheinen,
als sie es in Wirklichkeit waren.
Noch eine Ausstellung erhebt der Verfasser der Syntax (S.417, 16^24)
30) Die Auarechnung 0«33' 13" x 660 ergiebt 369* 60' 60"; mithin brancbte
der darch Beobachtung gefundene Winkel von 33' 13" nur um weniger al« ^i<^^
Sekunde (genauer um 0,86 Sekunde: oben S. 204) vergröfaert zu werden, nm, mi^
660 multipliziert, 360^ tn ergeben.
WiDkelmessnngen durch die Hippftrchische Dioptra. 207
gegen die Messungen seines grolBen Vorgängers. Wir geben die Stelle in
einer freieren, einige Schwierigkeiten des Textes ebnenden Übersetzung:
,,denn die Einrichtung der Dioptra ermöglichte es, die Fälle festzustellen,
wo Sonne und Mond unter dem gleichen Winkel erschienen, weil dann
keine weitere Messung (d. i. Ausrechnung nach der Entfernung des Deck-
streifens vom Auge u. s. w.) nötig war; allein es blieb uns zweifelhaft,
nnter einem wie grofsen Winkel (bei jeder einzelnen Messung) die Durch-
messer erschienen, weü jenes die Sonne oder den Mond yerdeckende Plättchen
sehr viele yerschiedene Stellungen''^) längs dem Richtscheite einnahm und
demnach auch in verschiedenen Entfernungen vom Auge stand, sodafs die
daraus abzuleitende Winkelmessung leicht von der erforderlichen Genauig-
keit abirren konnte".
Also gerade das, was die Hauptsache bei der HippARCHischen Dioptra
war, die Berechnung des Oesichtswinkels aus der gegebenen Breite des
Deckstreifens und dessen jeweiliger Entfernung vom Auge, läüst Ptolgmaios
nicht gelten; nur wenn der Deckstreifen bei verschiedenen Beobachtungen
gleich weit vom Auge zu stehen kommt, möge man daraus schliefsen, dafs
die beobachteten Gestirne unter gleichem Gesichtswinkel erscheinen; sowie
aber verschiedene Stellungen des Deckstreifens in Betracht kommen, habe
man die Dioptra bei Seite zu lassen, denn die nach den verschiedenen Ab-
ständen des Deckstreifens vom Auge anzustellenden Berechnungen seien
unzuverlässig. Hier liegt offenbar ein Irrtum des Schriftstellers vor, der
darin seine Erklärung finden mag, dafs ihm diese so langwierigen sexa-
gesimalen Ausrechnungen nicht die Mühe zu lohnen schienen, die man
dabei aufzuwenden hatte. Das ist jedoch kein stichhaltiger Grund; denn
wenn wirklich der Deckstreifen bei einem gewissen Abstände Sonne oder
Mond genau verdeckte, bei einem geringeren oder gröfseren Abstände aber
einen zu grofsen oder zu kleinen Gesichtwinkel erzeugte, so waren die
daraus folgenden Berechnungen untrüglich und die Schwierigkeit, sie durch-
zuführen, kam dabei nicht in Betracht. Also durfte eine berechtigte Kritik
nur bei der Frage einsetzen, ob der schmale Deckstreifen gegenüber dem
blendenden Lichte des Gestiras ausreichende Gewähr dafür bot, dafs
genau die richtige Deckungsstelle auf der Skala des Richtscheites ermittelt
wurde.
Auch pROKLOB hat sich in seiner schon mehrfach erwähnten Hypotj-
81) Pafpos S. 262 g. E. erklärt die oben (S. 201, Anm. 21) angeführten Worte
des Ptolxmaios iv taig inißoXaig . . . nlsiaraig olicaig durch iv nlBiataig im-
^Icug, twnim naQatpotfaig (oi yor^ ^vmtat, d. h. es kommt nicht blofs ein Fall
in Betracht).
Flg. 8.
208 Friedrich Haltsch:
posis'^) über die HippARCiiische Dioptra geäuÜBert. Zwar stimmt er meistras
mit Fappos überein; doch findet sich eine haupts&chliche Abweichmig^ die
der Berichterstatter aus einer uns unbekannten Quelle entnommen hat. La
der am Anfange des Richtscheites befestigten Platte soll die YisierSffimng F
möglichst nahe der oberen Fläche desselben angebracht sein und die be-
wegliche Platte, die gröfser als der Deckstreifen bei Pappos zu denken
isty soll unten mit einer kleinen
Öffnung B, in gleicher Höhe mit T,
aufserdem in geeigneter Höhe über
B mit einer zweiten Offiimig Z
(die auf der yon der oberen FlSdie
des Bichtscheites aus durch B ge-
führten Normalen liegen soll) versehen sein (Fig. 8). Dann habe man zur
Zeit des Aufgangs oder Untergangs der Sonne die Dioptra so zu richteiu
dafs die verlängerte Gerade FB genau den Endpunkt J des parallel mit
ZB gezogenen Sonnendurchmessers, und FZ genau den Endpunkt E berühre.
Über die hieran zu knüpfenden Ausrechnungen schweigt PROKiiOS; es
ist aber klar, dafs der von ihm benutzte Autor mit ZBF einen rechten
Winkel bezeichnet hat, wonach aus den gegebenen Katheten ZB und BF
zunächst die Hypotenuse FZ und dann das Veiii<nis Yf auszurechnen
war. Damit war der Sinus des Winkels F gefunden. Nun sind zwei
Möglichkeiten zu setzen. Entweder hat der unbekannte Autor noch keine
Sinustafeln vor sich gehabt, sodafs er durch eine Nebenrechnung auf die
Funktion -r- 2F kommen und mit Hülfe einer BbppARcmschen Tafel
diam.
den Winkel 2F und zuletzt die H&lfte davon bestimmen mulste, oder er
hatte — was wohl wahrscheinlicher ist — von vornherein seine Dioptn
so eingerichtet, dafs er unmittelbar sin F ausrechnen und in einem dazn
geeigneten Ausschnitte einer Sinustafel den Winkel F auffinden konnte.
Nun habe ich früher nachgewiesen, dals der Wert 3,1416 f^ jr, der bei
dem Inder Aryabiiatta (geb. 476) sich findet, schon um ein oder zwei
Jahrhunderte früher von einem griechischen Mathematiker aufgestellt wor-
den ist, der nach einer von ApOLx.oinos überkommenen Methode den Kreis-
umfang als Mittel aus den Perimetern des 96- und des 192eckes in
Mjfriadenbrüchen berechnet hat^). Da nun im engen Zusammenhange da-
3i^ S. 109—111 Halma. In diesem AbschniUe ist 8. 110 a. E. «b« ainoi
^MTf^fTtfc und S. 111, la naQtiSiißtito (statt xo^dofiocTo) vi^ wahrscheinlich auch
S. 110, 30 ^eto^» ra sehreiben.
SS> Zur KreismessuDg des ABCHnotDcs, Zeitschr. f&r Mathem. mid Phys.,
hist>liier. Abieil. 1894, S. 167 - 169.
Winkelmessungen durcli die Hipparchische Dioptra.
209
mit die Inder ein Verfahren ausgebildet haben, wonach die Sehne des ein-
QgAO
geschriebenen 96eckes gleich dem Bogen von -^ = 3® 45' gesetzt und
daraus weiter Tafeln der Sinus sowohl von gröfseren als kleineren Winkeln
entwickelt wurden*^), so spricht eine gewisse Wahi-scheinlichkeit dafür, dafs
die Einfuhmng des Sinus in die Trigonometrie ebenso wie jene Ausrechnung
Ton n in Mjriadenbrüchen aus einer griechischen Quelle stammt'^).
34) Cahtob, Vorles. l\ S. 616 f. Tanmbbt, Bist, de l'astron, S. 64.
35) Wenn der seinem Namen nach nicht bekannte griechische Mathematiker,
dessen BestinimuDg von n =s 3,1416 von Abyabhatta aufgenommen wurde, auch
die Sinuflfunktion gekannt und angewendet hat, so würde man die früheste Her-
stellung Yon Sinustafeln in das dritte bis vierte Jahrh. n. Chr. zu verlegen haben;
man darf aber immerhin die Möglichkeit offen lassen, dafs schon zur Zeit des
HippABCHos oder vielleicht noch etwas frflher griechische Mathematiker statt der
Funktion -r-. '- die für eine Weiterentwickelong der Trigonometrie günstigere
aiam.
Stnusfnnktion benutzt haben. Vgl. Tannert, Hist. de Vastron. S. 66 g. B. Zbuthbn,
Gesch. der Mathem. S. 288.
Abh. sar Oeach. d. iCathem. IX.
14
T/n/h^n
DES RHETICUS CANON DOCTßlNAE TßlANGULOßUM
IJOT VIETA'S CANON MATHEMATICUS.
VON
KAHL HUNRA.TH,
BIHDSBURG.
14
Zn den selten gewordenen mathematischen Schriften, welche die Stän-
dische Landes-Bibliothek zu Kassel birgt, gehören
Canon doctrinae triangulorum, nunc primum a Georoio Joachimo
Bhetigo, in lucem edütis, Lipsiae 1551, (s. Graesse, Tresor de
liyres rares et precieux, tome VI, p. 102, zweite Spalte)
und
Canon mathematicus seu ad Triangula cum Ädpendicibus,
Lutetiae 1579,
nebst
Fbancisci Vietaei, Universalium inspectionum ad Canonem
mathematicum liber singularis, Lutetiae 1579 (s. Cantob,
Vorlesungen über Geschichte der Mathematik, 2. Band, S. 537).
Die erste Schrift umfalst nur 12 Blätter in Quart, je vier mit einem
Buchstaben bezeichnet. Das erste Blatt, J.^, gibt nur den Titel, das zweite
Blatt, ^, auf der Vorderseite ein Gedicht. Auf der Rückseite von A^
beginnt die Tafel und reicht bis auf die Vorderseite des Blattes G^. Die
letzten Seiten enthalten den ,J)ialogus de canone doctrinae triangulorum
JOACHIMI BhETICI^.
Die Tafel gibt die trigonometrischen Linien für den Halbmesser 10 000 000
von 10' zu 10', hat einen doppelten Eingang, geht also in fortschreitender
Bichtong Yon 0^ bis 45<>. Auf die Seite fallen 7®, auf die letzte Seite 3®.
Eine Doppelseite sieht folgendermafsen aus:
214
Karl Hanrath:
(linke Seite) (rechte Seite)
Ccmon dodrinae trianffuhrum in quo cum angulo recto in pUmitie partium
35
0
10
20
80
40
60
36
0
triquetri
Bubtendeni ftogulum
rectum
i-j
d
*i
*i
O
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tium angnlnm
rectü
6
•**
^
9
a
U
9
J»
&
&
!
10000000 ponäur
Minug latus indudantiam
angulum rectum
f
h
d
o
O
»
m
S
0,55
50'
40
30
20
10
0,51
1 I
I
3
s ^
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t
d
2
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s
•
1
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•
1
•
n
«3
•«4
ä
«
fr
o
«
P
^
P
P
Die Zahlen f&r die trigonometrischen Linien sind schwarz, die für die
Differeioen rot gedrackt, die zogehSrigen ÜberschrifUm umgekehrt; rot ge-
druckt sind auch bei den EingSUigen die Zahlen für die Minuten, die Zahl
10 000 000 und die Worte ^Maius latus indudentium angulum rectü. Di^
Einrichtung der Tafel ist dieselbe, wie im „Opus Palatinum^; was man
wohl mit Recht yermissen könnte, wäre eine FuMeiste:
! Sabtendent angulam ICaios latus includentiam .Minus latus indadentiom
rectum | angulum recfö | angolom rectum
Nach unserer Beseichnungsweise enthalten die sechs Spalten der Beibe nach
die Werte ftür
10^-sina, 10^ cosa, lO'seca, lO'tg«, lO^coseca, lO'-cotcf
für a<45*
Des RheticQB Canon docirinae iriaDgnloram n. Vieia*8 Canon maihematicas. 21Ö
Der Dialog wird zwischen einem „Hospes*' und einem „Philomathes"
gefohrt. Der „Philomathes" scheint identisch mit dem Verfasser des ein-
führenden Gedichts auf der ersten Seite des Blattes Äij zu sein, der sich
folgendermalsen unterschreibt:
Mathias S. B.
Aas dem Inhalt des Gesprächs möchte ich hervorheben:
Rheticus gehe bei der Auflösung der Dreiecke seinen eigenen Weg,
besonders bei der Auflösung der sphärischen. Seinen Ausgang nehme er
Yom ebenen rechtwinkligen Dreieck. In der ersten Reihe seines Canons
setze er die Hypotenuse = 10000 000; dann sei das Perpendiculum
die halbe Sehne des doppelten Winkels oder der siniis rectus der Araber,
die Basis aber der sinus secimdus oder die halbe Sehne des doppelten
Komplementwinkels. Und ohne Anwendung des Pythagoreischen Lehrsatzes,
nur durch Multiplikation oder Division, ergebe sich aus der ersten Reihe
sowohl die zweite, als auch die dritte, indem man fClr die zweite Reihe
die grölsere, far die dritte Reihe die kleinere E[athete =» 10 000 000 setze.
Links lese man in der Tafel einen Winkel < 45^, rechts einen solchen
> 45^ ab. Bei der Auflösung der sphärischen Dreiecke {doctrina irtque-
trorum glohi) folge Rheticus weder dem Ptolemaeus noch Gebeb, dessen
Methode von Peubbach, Reoiomontan und Werner ausgebaut sei, sondern
gehe von der Betrachtung von Pyramiden aus, deren gemeinsame Spitze
der Mittelpunkt der Kugel sei und deren Grundflächen ebene Dreiecke seien.
Gemeint ist das Verfahren, welches in den beiden Abhandlungen des „Opus
Matinum"
Gbobgh JoACHDa Rhetici de trianffuUs globi cum angtüo reäo, 1596,
nnd
L. Valentini Othonis ParihenopolUam de tnanguäs glohi sme anr
gido recto lihri quinque, 1596,
entwickelt ist. Der Verfasser der zweiten Abhandlung, der bekannte Schüler
des Bheticus, scheint f&r sich nur die Ausarbeitung in Anspruch zu nehmen,
indem er im Schlufsworte sagt: Ita igUur tmiversa Triangtdorum doctrina
(Asoluta est, et quidem ea me&iodo, quam auctor huius operis Georgius
JoACHiMus Rheticus instituU. Die Behandlung, welche Otho dem schief-
winkligen sphärischen Dreieck zu teil werden läfst, ist übrigens nach
unserem Geschmack unglaublich weitschweifig.
216 iS&rl Hnnrath:
Eigentümlich ber&hrt es, dafs Bheticus in seinem Dialog den Satz
von den vier Gröfsen als ^^invenium'' bezeichnet, „gtiod 5t&i Geber
ascni^'. Richtig ist die Bemerkung, die Bheticus dem Hospes des Dialogs
in den Mund legt: immerito Ptolomaeum a Oebbo repr^iendi, quod in
guantitatibus sex perquirat ignotum, hoc emm Geber in qucdwyr tantum
vesiigai, et tarnen Ptolomaeo quoque iUae non nisi qtuUuar sunt, si ad
compcndia Logistices respexetis.
Hier sei mir eine kleine Abschweifung zu Geber gestattet
Kästner in seiner Geschichte der Mathematik, Bd. 1, S. 581, nimmi
in Geber's Definition:
sinus arcus est medietas cordis dupli mus^)
cordis für den Genetiv von car-^ es liegt ein einfacher Dmckfehler vor,
cordis statt cor da e^ wie es beständig') statt chordae heifst
Nach Cantor') könnte es scheinen, dafs Geber im 13. Satze des
ersten Buches den Sinussatz nur in seiner Anwendung auf die Hypotenuse
und eine Kathete eines rechtwinkligen sphärischen Dreiecks lehre. Dies ist
aber nicht der Fall. Denn der Satz lautet bei Geber:
Omnis trianguli ex arcubus circtdarum magnerum proporUo stitt»
cuiusq^e lateris ad sinum arcus anguti, ati subtensum est, est pro-
portio una.
Den Beweis führt Geber zunächst für das rechtwinklige sphärische Dreiecl^
dann für das schiefwinklige; daher mag der LTtum entstanden sein.
Noch ein Wort über das Verhältnis Beoiomomtan's zu Geber. Ab-
hängig von Geber erscheint Begiomomtan in dem Satz von den vier
Gröfsen (bei jenem IIb. I, prop. Xu, bei diesem de Triangulis lib. IV, prop. XV).
Ebenso entsprechen dem 13. Satze') Geber's die proposs. XYI und XVII
Beoiomontan's im lib. IV de Triang. In der prop. XVI behandelt Begiomontan'
den Satz fär das rechtwinklige, in XYII für das schiefwinklige sphärische
Dreieck. Der Beweis der prop. XYII ist genau der Geber's. Endlich ent-
spricht dem 14. Satze') Geber's die XYIU, dem 15. Satze') Gebeb's die
XIX. Prop. Begiomontan's im lib. IV de Triang, Der Fortschritt bei
Beoiomontan besteht darin, dafs er seine Lehrsätze XYI, XYlll, XIX auch
1) Gkbsr's neun BQcher der Astronomie, in der von Apiam zu Nfirnberg
1584 herausgegebenen lateinischen Obersetiung GERHijiD*8 toh Cremoka, S. 3.
3^ ». B. a, a. 0. S. 18, Z. 2.
3) Cantok, Vorleaungen fiber Geschichte der Mathematik, 1. Bd., S. 683.
Des Bheticas Canon doctrinae triangnlorum u. Vieta's Canon mathematicns. 217
f&r die F&lle beweist, dafs beide Katheten durch stumpfe Winkel, oder die
eine durch einen stumpfen, die andere durch einen spitzen Winkel gemessen
wird, während Geber sich bei seinen Beweisen auf den Fall beschränkt,
dafs diese beiden ebenen Winkel spitze sind.
Wenden wir uns nun zu dem so selten gewordenen Werke Vi^ta's.
Das Kasseler Exemplar ist in einem reich verzierten Einband ent-
halten, der auf der Vorderseite das hessische, auf der Bückseite das wür-
tembergische Wappen trägt, ähnlich wie der Einband von Rothmanm's
Handschrift „Tabida observationum steUarum fixarum" und andere alte
Einbände der Kasseler Landes-Bibliothek. Das weist mit Sicherheit als
ersten Besitzer den 1592 verstorbenen Landgrafen Wilhelm IV nach, der
mit Sabina von WOrtembero vermählt war, den bekannten Förderer der
Astronomie und ihrer Hülfswissenschaften. Auch enthält das Exemplar
handschriftliche Verbesserungen aus alter Zeit, die aber von geringem Be-
lang sind.
Der knapp bemessene Baum gestattet mir nur das Wesentlichste des
Inhalts anzugeben.^)
Die Einrichtung der Tafel ist folgende (Vorderseite des Blattes Bij):
4) Die bibliographische BescbreibuDg des Werks siehe bei Ghässb, tresor de
Itvres rarfs et precieux, Bd. VII, S. 312. Das Kasseler Exemplar gehört zu denen,
di« aaf der BQckseite des ersten Blattes den „Elenchus adpendicum" bringen
und bei denen der das „Canonian triangnlorum, Ad nnguUu partes quadratUis
CircuH, aecundum E^iitortddmv (ho immer bei Vista) Logisticem" enthaltende
Bogen u&bexeichnet ist (son»t mit *** bezeichnet).
216
r, »
Ei-
von dt'
ascrihif'\
in d('n '»'
quaniittilil
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Hi. .
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4,640
1,^56,549
4,605
1,251,994
4,626
1,260,651
4,590
1,255,981
xxvii
XXVI
-«« t
3,868
1,146,848
3,842
3,854
1,151,199
3,827
1,143,006 1,147,372
TortU
I
Faecundiaslmöque
S Canone Faeovado
^ ^^
Paip«ndi-
colnm
Hypote- I
niisft
I
100,000
BasU
Scnp
LXXXV.
Put
OOQgU
Ferpeii^-
colo
PMiph«rU
dftti
lotd-
pirü£|
* *** ErxiofiguU
« »»^i
<if4nicki, ebenso bei den EiDgäogen di^ ^^^
lortia', endlich auch die AsfaBgsbncii^tii)«
' < aacD doctrinae trianguloniin n. Vieta's Canon mathematicus. 219
US in der vierten Spalte 100,316 1 statt 100,516 1, in der sechsten
'^t)0,671 statt 1,260,651. Abgesehen von diesen Druckfehlern ist mehr-
letzte Stelle ungenau. Für die Funktionen der zweiten und vierten
<mi\ an der gewählten Stelle auch noch die Zehntel angegeben.
'.«' Tafel hat einen doppelten Eingang, geht daher in fortschreitender
Mng bis 45^ und giebt die trigonometrischen Linien von Minute zu
..V. Jede Seite enthält die Funktionen eines halben Grades, linke und
. Seite zusammen die Funktionen eines ganzen Grades. Nach unserer
• liuungs weise geben die sechs Spalten der Reihe nach die Werte für
-ina, 10* cos a, 10* tg«, 10* See a, 10* cot«, 10* cosec a • • für a < 45*^.
Zur weiteren Erklärung ziehe ich heran
Yi£TA£ C^era mcUhemaHca ed. Fr. v. Schooten, Lugd. Bat., 1646,
S. 415 ff.
,.Expon€Uur drcidtis cuitis E cewtrum,' quadrisedus ä duabus diametris
VKG, HEJ, it in quadrcmte drciUi HG sumalur quaecunque peripheria
''M, & cadani m semidiametruin EG, EH perpendiada MK, ML, Sed
& tangai drculufn ad M recta MN, quam continuatae semidiametri EG, EH
seccfU in N, 0. Tria igitur in conspicuo swnt triangula plana redangtda
sMia, Primum EKM seu MLE, Secundum EMN, Tertium OME, latus
unum EM, commune habentia, quod qmdem primi ß Hypotenusa, secundi
^flww, tertU Perpendicidum, quando iHdelicet anguius MEK, cuius amplitu-
^*ftem per^Jieria GM definit, acuti nomine exauditur. Idemque latus commune
^^ consHttntur semidiameter drculi, Canon igitur mcUhematicus adsumit
yus EM partiadarum 100000, sedaque GH Ufariam in P, promovä P*)
6) 8oU M heifsen.
220 Karl Hunrath:
punctum per quaecu/nque peripheriae GH segmenta, id est ex instituia parti-
tione, per sexagesma quaecu/nque partium quadragenarum quinarum scrupda,
quae sint loca J2700, Et totidem exhibita terna simüia trianguta reäangula.
Punctum M mobile consistU in P, quoniam ab eo signo idem ed pro-
gressus versus H, qui regressus versus Q. Itaque MH convertüur in quan-
dam MG dt vice versa, ut invertenda quoque Sit sola denominaiio latenm
vd angulorum**
Die Figur enthält alle trigonometrischen Linien; denn wenn mao
<^ MEN mit a bezeichnet und den Halbmesser EM == 1 setzt, so ist nach
unserer Bezeichnungsweise
MK = sin a, EK «= ML = cos a, MN «= tg a, EN = sec a,
OM = cot a, OE =s cosec a.
Zu der Bezeichnung Triangulum planum rectangulum circulo
adcommodatum (Kopf der Tafel, s. S. 218) s. S. 417 a. a. 0.:
— „Itaque in accommodatione trianguli plani ad circidwn serie
primd^ Perpendiculum fit semissis inscriptae duph peripheriae, ejus videlicd
quae anguU acuti vel sui extcrioris amplitudinem definit, Basis semissis
inscr^tae duph religui d recto, seu complementi. Hypotenusa semidiaimeter.
In Serie secunda, Perpendiculum fit semissis circumscriptae du]^
peripheriae. Basis setnidiameter, Hypotenusa educta e centro ad tnäam
semissis circumscriptae duplo peripheriae.
In Serie tertia, Perpendiculum ß semidiameter. Basis sevmssis
circumscriptae duplo complementi. Hypotenusa educta e centro ad meto»
semissis circumscriptae duplo complementi.
Quoniam vero trianguium ipsum non omne descrUntur intra vd cvrca
circulum^ ideo ne vocum catachresis quempiam ddudat, dicüur rudmcuk
triangulum circulo adcommodari"
Zu den Ausdrücken Canon faecundus, C. faecundissimus s. a. a.0
S. 417:
,JSx canonibus deinde Sinuum derivaveruni recentiores Canonem semis-
sium drcumscriptorum, quem dixere Faecundum, d' Canonem edudaru»
e centro, quem dixere Faecundissimum dt Beneficum, Hypotenusis ad-
dictum.*'
Das eine ist also die Tafel der Tangenten bezw. Cotangenten, das
andere die Tafel der Secanten beiw. Cosecanten.
Dem Canon math. unmittelbar angeheftet ist im Kasseler Exemplar
der mit ^^'^'^ bezeichnet« Bogen, welcher auf iwei nebeneinanderstehenden
Blatten! Matkemati Canonis Epitome enthält
Des Bheticoa Canon doctrinae trianguloram u. Vieta's Canon mathematicuB. 221
Es ist eine von Grad zu Grad fortschreitende Tafel mit doppeltem
Eingang, welche die trigonometrischen Linien für den Halbmesser 100000
anf Tausendstel angiebt. Gegen den Canon math. hinzugefügt sind die
zn den Winkeln gehörigen Bogen, ebenfalls für den Halbmesser 100000 auf
Tausendstel berechnet.
Es folgt auf 24 Blftttem, je vier mit griechischen Buchstaben (cc bis ^\
aber auch mit Seitenzahlen, (l — 48) bezeichnet, das Canonian triangtdorum
Laterum rationalium. Auf Seite 3 beginnt die eigentliche Tafel und reicht
bis Seite 45. Zur Erklärung der Tafel gehe ich von den beiden letzten
Seiten aus (s. die folgenden beiden Seiten). Zur Erklärung benutze ich,
anfser den auf S. 47 (die Seiten 46 und 48 sind unbedruckt) gegebenen
Syntaxis Numerorum Canonij
und Syntaxis numerorum in Justo Canone,
aus Vi^TABi Univ, insp. ad Can, math, lib. sing, die prop. III: Consectarium,
quod esto Norma Canonij (S. 4flF.).
Dort heifst es auf S. 6, Z. 2 — 4: .... „contenti fuimus per singulos
CB^) impares numeros centum progredi, eosque continua duplä progressione
Geometricd augere, ad metam usque sex figurarum, üUra quam effusa hujus-
modi priimorum numerorum (sc. haseos) vastitas vix ad rem quicquam con-
ducere visa est'*
Vi^TA will die Basis der Reihe nach den ersten 100 ungraden Zahlen
gleich setzen, von 1 bis 199, dann den Zahlen 1. 2, 3. 2, .... 199. 2; 1. 2',
3. 2', .... 199. 2' usw. bis zu der letzten so gebildeten Zahl, welche
6 Stellen bat. Wirklich ist Vi^ta bei Berechnung der Tafel so vorgegangen,
ordnet dann aber nach der wachsenden Gröfse der fOr die Basis eingesetzten
Zahlen. Anf der 45. Seite unten (s. die folgende Seite) steht als numerus prinms
haseos 1, dann folgen nach oben die Zahlen 2, 3, 4 usw. bis 200 (200 auf
S. 40, Z. 1), darauf die geraden Zahlen von 202—400 (S. 39—37), dann
die durch 4 teilbaren Zahlen wn 404—800 (S. 36—34) und so fort Zu-
letzt auf S. 3 unten steht 827 392 = 101.2", nach oben als letzte Zahl
999424 = 122.2", darüber noch „<tc." In der That ist 123.2" = 1007 616
6) Lib. sing., prop. I (S. 2): TrianguU plant Beetanguli Diagramma & Notae.
Änguli Latera
C, perpehia nota anguU AB, Perpetua nota Uypo- ^
Beeti tenusae Becti vel Hy- *§
B , aciUus a Perpendicuh potenusae simpliciter, }^
subtemus <k %ax' ifox^v, vtpote \
Ä, acutus subtensus a angtdi nobtlioris ^
Base. AC, Perpendieulum
CB, Basis ^
222
Karl Hnnrath:
Beilage zu
44
CANONION TRIANGVLORVM
68
67
66
65
SeriM
in
l,701,470lj
36
36
-S3
1,698,629—
902,777--
877,867
7^
9"
1
Hypoteniua
SeriM
n
100,173
37
231
5,887
103
281
8«lftM
I
99,827
161
1,167
897,222—
872,142-^
' 7
Perpendi-
oiüum
100,000
BMis
99,849
79
•<■
8 IS
^88*13 11,076;^
1,229
13
m
11,391^
Peipendi-
enlnm
BmU
10Q,pOO
Des Rheticas Canon doctrinae triangnloram n. Vieta*B Canon mathematicus. 223
Seite 221 und 224 und 225.
1
LATERVM RATIONALIVM 45
>
■ Bexies
1 1
Series
n
Series
m
1
11,724^
* 29
' 932
12,076——
, ' 1,093
99.810I5
76
99268
' 1,093
11,8051
196
100,6944-
100,737 ^^
»217
847,068^^
23
821,969—
' 33
862,94lA
828,030i^
34
33
4
80,000
60,000
133,3334-
0
166,666-|-
76,000
126,000
92,307^
38,461^3
240,000
260,000
41,666 J
108,3334"
3
3
100,000
•
•
•
•
100,000
2
•
•
•
•
•
•
1
1
Bm&b Pexpendi-
cnlnm
BMis Hypotenusa
Ferpendi- Hypotenasa
cölum
primi
>OS
100,000
HypoteniiM
1
100,000
Pevpendiciiluin
100,000
Basis
in
224 Karl Hunrath:
die erste mit 7, 999 424 die letzte mit 6 Stellen geschriebene Ztihl dieser
arithmetischen Progression mit der Differenz 2^'= 8192.
In der angezogenen prop. III des lib. sing, lehrt Yii^ta die Berechnmig
Pythagoreischer Dreiecke, indem er von folgendem Satze ausgeht Ist
ÄB"^) die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks ABC^ ist ferner
±?jrJ^= 1^ so ist AB ~ 1 =^C+ 1 = (^)%der^^= (^) +1,
AC = (—ä~) — 1- Vi^TA zeigt das Verfahren an einer ganzen Reihe von
Beispielen, von denen ich anführe: für CB = 3 ist -4 J5 = ( - } +1=3^.
Äc-Q'-i-.l.
In der Syntaxis Numerorum Canonij giebt nun Vi^ta Regeln,
die, in unsere Zeichensprache übersetzt, so lauten würden: Greht man tod
einem solchen rechtwinkligen ^ ABC aus, nimmt in der Figur auf Seite 219
A NEM <^ MEK <^ EOM r^ABCsm und setzt EM = 100000, so ist
für Ser. III. EM = 100 000 die Basis,
EN die Hypotenuse = 100000— + iMMiO «)
MN das Perpendiculum = 100 000 ~ — ^^ ') ,
für Ser. IL EM = 100000 das Perpendiculum,
EO die Hypotenuse = 100000 + ^^ = lOOOOO + -g^, - '
\ 2 7 ""
MO die Basis = 100 000 ~
7) S. Anm. 6 p. 221.
(¥) + ^
8) Offenbar aus 100 000 • ^-^ = 100 000 • -^^ — j^-
9) „ „ 100000.^ = 100000- AJ^^^^
1
AB
10) „ „ 100 000 . — — = 100 000 .
100 000
Des Rheticas Canon docirinae trianguloram u. Vieia^s Canon mathematicus. 225
mr Ser. I. EM = 100 000 die Hypotenuse,
MK das Perpendiculum = 100000 — !??^?^ = lOOOOO — ^'J^^^ ")
(¥) + 1
EK die Basis = 100000—^.
Um das Verfahren an einem Beispiel zu zeigen : Setzt man BC = 34,
also AC= 17*— 1 = 288, AB ^ 17*+ 1 = 290, so ist 100000 —
+ L«^ = 850000 + 2941± = 852.941 A, JOOOOO . ^ _ i^
= 847,058^, 100000 + ^^^=100000 + 694^ = 100,694^, 100000-^^
= 11,805^, 100000 — ^^^=99,310-, 100000-^^=11,7242*.
Das sind die auf S. 45, Z. 1 (s. S. 223, Z. 5) für £(7 = 34 angegebenen sechs
Werte, von rechts nach links gelesen.
Über den Zweck des Canonion spricht sich Vi^ta selbst im lib. sing.,
S. 6, Z. 1 und 2, folgendermafsen aus: ,yNohis in constructione Canonij ea
praeeipue cura fuit^ isque scqpus, ut in summa angulorum aculie res fclidus
d: propius verö, quam fortd per Canonis kvqIov progressionem liceret, quoties
opere prctium videhaiur, ' examinaretur/'
Sehen wir uns nun die einleitenden Worte zur Syniaxis numerorum
in Justo Canon e an. Sie lauten: Cum sitit Prostaphaereses^^) in serie
iertid suhdupla ad Faecundum dimidiac Besiduae Peripheriae, adsumantur
eae ahs Fragmentis, utpote per continuam odonarij numeii progressionem^
viddicet S, 16, 24, 32, 40 etc„ doncc ad Prostaphaeresim^*) 20,212 (soll
heiisen 20,712) deueniatur, quae fere est subdupla ad Faecundum Peri-
pheriae xx^, cum semisse. Et locus, in quem cadit Prostaphaeresis^^) 8 primus
esto^ 16 seciidus, 24 tertius, et sie de reliquis et erunt 2,589 loca. Qui numerus
accedit ad 2,700, numerum scrupuloru partium xlv. et locorum consequenter,
qui solent constitui in Canone irrationälium; et ita Canonici numeri con-
flantor, et constituuntor. Et Peripheriae e Canonibus Faecundis^ uti eae con-
gruunt constituarum (soll heifsen constitutarum) Prostaphaereseon, du-
plantor; Et e regione numerorum coUocantor.
'BC\^
m-
AG
11) Offenbar aus 100 000 • — = = 100 000 • ^ ^ ,
= 100 000 .
\ 2 /
1 —
m-'j
12) Bei Vi^A immer mit t statt mit th geschrieben.
Abb. rar Omch. d. Mathem. IX. 15
226 Karl Hnnrath:
„Cum sint Prostaphaereses in serie tertia subdupla ad Faecunäm
dimidiae Residtme Peripheriae" : die Prostaphäresis in serie III (s. o.)
100000 .^ EN—MN lO^Beca — 10«^ tga 10», , .
-BC- '^* = 2 = 2 = ^(sec«-tga)
10* 1— sina 10» 1 — C08 (90<^— a) 1 ,^r , 90®— a ^^., 9ö«-c
2 cos« 2 Bin (90®— a) 2 "^^ ^ 2 i ^^ 45 2
der Faecwndus dimidiae JResiduae Peripheriae,
„adsumantur eae dbs Fragmentis, utpote per continuam octonarij numeripro-
gressionem, videlicd 8, 16, 24, 32, 40 etc., donec ad Prostaphaeresim 20,712
Jp ]^ TLf AT
deumiatur": es soUen für EM = 100000 und ^ =8-1, 82, 83
und so weiter bis 8 • 2,589 = 20,712 EN und MN berechnet werden. Für
die Berechnung der trigonometrischen Linien giebt die Syntaxis numt-
rorum in Justo Canone selbst folgende Kegeln:
für Ser. IH. EM = 100000 die Basis;
^^^ ,. „ ^ 2600000000 , EN—MN^^\
EN die Hypotenuse = ^eN^MN\ "^ « '
\ 2 )
»^TiTj « j- 1 2600000000 EN^MN^^)
MN das Perpendiculum = ^^ mn\ 2 '
\ 2 )
für Ser. ü. EM = 100000 das Perpendiculum;
iHi^ j- TT * ' ^/^n/w^ I (JS^iV'—^af-^ 100000 1*)
EO die Hypotenuse = 100000 + -^^ ^^^ ^;
MO die Basis = 2 (EN — MN) + ^^^^^^^^^
mr Ser. I. EM = 100000 die Hypotenuse;
MK das Perpendiculum = 100000 - (EILl^l.}^^ ");
EK die Basis = 2 (EN—MN) - ^-Mj^^I^'")-
IS) 2 500 000 000 :
EN — Jlf A- /ÄJtfx« EN ^MN EN+MN
-m
2
U)^EM + EM j^^^_=-3^^^.
^iV — ^JV EM MN
16^ = ir.v — EM
EN EN
17^ « j^, — ^ - Die Prc«thapbä«»8 [—^r^] "*
iniümlich ala ^tulditima* stati ala ^oblaHmM* haeidmeL
Des Rheticas Canon doctrinae triangalornm n. Vieta^s Canon mathematicus. 227
„quae fere est suhdupla ad Faecundum Peripheriae xxij, cum semisse".
Nun ist ^- 10*^ tg 22^°= 20710,68, also sehr nahe der Prostha-
phäresis 20712.
„Qui numerus accedü" bis zum SchluTs: in den Sinn dieser Worte bin
ich nicht eingedrungen.
Jedenfalls handelt es sich um ein Verfahren, die irrationalen Zahlen
des Canon mathematicus durch die rationalen MaTszahlen Pythagoreischer
Dreiecke zu kontrolieren, ein Verfahren, das, mag es gestaltet sein wie es
will, Sufserst mühsam ist. Aber auch da erhebt sich noch eine Frage:
Warum enth< das „Canonion" nur einen Teil der Zahlen von der Form
8n als numeri primi haseos, sodafs wieder besondere Kegeln für die Be-
rechnung der trigonometrischen Linien für die fehlenden Zahlen aufgestellt
werden müssen?
Auf das „Ca^wnion" folgt noch
1) ein im Kasseler Exemplar unbezeichneter, nach Oraesse (s. o.) in
andern Exemplaren mit *** bezeichneter Bogen, enthaltend
Canonion hiangulorum. Ad singulas partes quadrantis Circuli, secwndum
E^fxovra^oov Logisticem,
eine Tafel, die von Grad zu Grad die trigonometrischen Linien in Seza-
gesünalbrüchen angiebt,
2) ein mit * bezeichneter Bogen, überschrieben
Ad Logisticem per F^&Mvxaöag, TaheUa^
eine Multiplikationstafel, ein „Einmaleins", für Sexagesimalbrüche,
3) ein mit ** bezeichneter Bogen, überschrieben
FracOonum apud Maihematicos usitatamm alterius in alteram redudionibus,
tälnUa adcommoda^
eine Tafel zum Umrechnen von Sexagesimalbrüchen in gemeine Brüche und
für die umgekehrte Aufgabe.
Es bleibt noch übrig, den Inhalt von
Framcisci Vi^taei UniversaUum inspedionum ad canonem mcUhematicum
Über singularis
anzugeben. Hierbei sei vorweg bemerkt, dafs ständig unsere jetzige Formel-
sprache von mir angewandt wird und überall ^^), wo Vi^ta den Kreishalb-
messer 100000 gebraucht, ich denselben = 1 setze.
8. 1 enthält den Titel, S. 2 die prop. I, die schon auf 8. 8 in der
Anm. wiedergegeben ist, S. 3 als prop. 11 den Pythagoreischen Lehrsatz in
Form der beiden Proportionen: {AB + AC) : CB = CB : {AB — AC)
Tind (AB + CB) :AC = AC: {AB — CB). Auf S. 4—7 prop.ül, die bei
18) Ausgenommen: prop. XXV, 7) und 23).
15*
228
Karl Hunrath:
Erkläning des „Canonion'* (S. 221) benutzt worden ist. S. 8 (9) prop.H' iV»
Triangulum planum redangulum circulo adcommodaium inscriptione (circvm-
scriptione) — s. o. S. 220 — mit Figuren.
Auf S. 10 behandelt prop. VI die TriangtUa mscripta:
1) s^=r, s^=Y27\ 55=1/3
^ » ^10
55=}^r*+ *io [^" ^® Seite des einbeschr. regelm. n-ecks]
2) cos flf ^yi — sin*«,
3) sin vers a = 1 — cos « = 2 sin* —
4) (2 sin — r-^j = (sin a — sin /3)*+ (cos ß — cos «)*,
unde Consectarium:
sin ((•)0®+ 6) — sin (60®— 6) = sin tf .
^Et ided, Datis Sinubtis ad partes XXX. dantur Sinus reliqui M
Additionis, vel Subtradionis riä\- also, wenn die Sinus und die Cosinus (die
^sinus reliquorum i recfo*) der Winkel bis 30® bekannt sind, liefert die>e
Formel die Sinus (und Cosinus) der übrigen Winkel nur durch Addition
und SubtxiO^iion. Zu don 3 erst^^n Sauen die Figuren auf S. 12 ^^^"^
4. Satze auf S, 13 oben^iiteheiide Figur:
also lk>gen Ay --- <i ♦ IV^gt^n By = ß. Sehne AB == 2 sin — ;
-f
AC -- sin «1 - &in ß, BV -= 00s i — iv>5 «, AB^= A(^+ CB'.
Des BheidcuB Canon doctrinae triangulorum n. VieWs Canon mathematdcus. 229
Ynr Äy= 60®+ ö, By = ßO^— ö, also Bogen AB = 2ö ist, wenn
B mit dem Kreismittelpnnkt M verbunden ¥rird, -^ ABM = 90^ — J,
^ CBM = BMy = 60®— ^, also ^ABC = (90®— ^) — (60®— ö) = 30.
Daher AC = l AB= sin *, und da iiC auch = sin (60®+ d) — sin (60®—^)
ist, so folgt
sin (60®+ ^) — sin (60®— d) = sm ö .
Auf S. 11 in prop. VII für die Trianffida circumscripta angegeben:
1) der Winkel des gleichseitigen Dreiecks = 60®
2) cosec a + cot a = cot — ,
3} cosec a — cot a = tg —
Figur zu 2) und 3) auf S. 13.
S. 14, Prop. Vlll. Definitionen.
S. 15, Prop. rX. 3,141 5926637 >«> 3,141 5926535,
Mittelwert 3,1415926536;
(dazu in den Additamenta auf S. 69 noch angegeben: r = 0,318309886 2
in Teilen der Peripherie)
0,0002908882056 > sin l'> 0,000290888 1959,
Mittelwert 0,000 290 888 204 6 .
8. 16, Prop. X. Definitionen.
8. 16 — 17 eine längere Auslassung über Einrichtung und Berechnung
der Tafel. In derselben wird den Dezimalbrüchen der Vorzug vor den
Sexagesimalbrüchen gegeben.
8. 18 — 22, Propp. XI — Xlll. Trigonometrische Sätze, an rechtwinkligen
ebenen Dreiecken abgeleitet. Als Beispiele führe ich an von 8. 20 in
Prop. Xm:
1) 1 : 2 sin — = sin — : (l — cos a) = sin (90® — — j : sin a
2) 1 : 2 sin - - = sin — -^ : (cos ß — cos a)
= cos ~r : (sin a — sin /3);
es ist also
1) 1 — cos a == 2 sin*— und sin a = 2 sin ~ cos
2) cos p — cos a = 2 sm — ^ sm
ßßd sin a — sin ^ = 2 sin — r-^ cos ~^^
230 Karl Hunrath:
S. 23: Prop. XIY, Sinus -Satz für das ebene rechtwinklige Dreieck,
abgeleitet „ex inscriptione Trianguli in Circulo".
S. 24: Prop. XV, l) Cosinus-Satz.
S. 25 (so lies st. 33):
Prop. XV, 2) Derselbe Satz mit anderer Ableitung.
3) „Änceps tnanguLum*^ wenn a, h, a gegeben sind.
S. 26 (nicht 34):
Prop. XV, 4) Ein A ÄBD mit umbeschriebenem Kreise, Trans-
versale DG verlängcfrt bis zum Durchschnitt mit dem Kreise in Z,
d2ainDG:BG=ÄG:GL (Sehnen-Satz) \md2I)G<ÄD-\-BD.
S. 26—28:
Prop. XV, 5) In Miscdlaneis denigue Pianorum SdecUores ali-
quot AncUogiae, ac primum
EIAIKXITEPAI.
j) Proportionen am rechtwinkligen Dreieck, in dem die Höhe zur
Hypotenuse konstruiert ist.
ij) — v) Verwickeitere Sätze, z. B. iiij ein Satz über das in ein Dreieck
beschriebene Quadrat.
S. 28 und 29. rENNIKXlTEPAMO-
j) In linea redn:
y\ [(» + »)■- (<■■+ »■)] i o - » :|/j[(« + »)'- (»'+»*)!
ij) In linea seäa media et extrema ratione:
a:x = x:(a — x); a; =l/a*+ (-g) — 2^5 (» + ^): « = a : a?;
(2 a — x) : (a — x)= a : — r — ; (a — a;) : « = (2 x — a) : (a — x).
iij) In duabtis lineis.
a:h = ah'.h^ = ^) a^ : ah.
iiij) In tribus praporUonalibus.
Wenn a:h = b : c^ dann a: c = a^ :h^
und»)
-v>^*-(i)'-y(»+i)"-(irK»+»)-
19) yevtniittQai ist gemeint.
20) Aus den Additam. (S. 69) ergänzt.
Des Kheticus Canon doctrinae iriangulomm u. Vieta's Canon mathematicus. 231
v) In quatuor continue proportionaUbus.
Wenn a:6 = fe:c=c:el, dann a : el = &* : c*.
vj) Sectio qmdrati
(a + bf = a* + 6« + 2a& = 2a* + 26» — (a — 6)*.
vij) Sectio cubi.
(a + hy = a« + 6« + 3a&* + 3a*5.
Noch anf S. 29:
Prop. XY, 6) „Qiuituor continue ProportionaUum Diagrammata**,
3 Figuren, in die solche 4 stetig proportionierte Linien ein-
gezeichnet sind.
S. 30:
Prop. XV, 7) ,^x dato rectangtdo aequaU ei, quod sab Lateribtis
contmetur, cum Differentid, vd aggregcUo eorundem, dantur Latera/*
Also gegeben x^ y und xy^ gefordert x und y. Die Lösung ist sehr
weitschweifig. In den Additamenta (S. 69) die elegante Lösung: suche
m - m' ± *
8. 31 (so Ues statt 39):
Prop. XY, 8) ,^x dato rectanfffdo aequali ei, quod sub Lateribus
continetur, cum Batione eorundem, aUerius ad aUerum, dantur
Latera"
Also die Aufgabe, aus x - y und x :y x und y zu finden. Hier
soll aus den „Additamenta^* (S. 70, 71) eingefügt werden:
Prop. XV, 9) Begula, quam vocant, Falsi,
,J3i duae proponantur lineae, ä tertid qudpiam discr^antes, dt nota sU
affeäio xUarum discrepantium, defidentiae, an excessus, ipsa etiam ratio
deficientiarum, vd excessuum inter se, vd excessus ad deficientiam, erit tertia
Linea data," Es werden also drei Fälle unterschieden:
L (a — x) :{b — o?) = m : » , IL (x — a) : (x — b) = m:n^
in. (a — x) : (x — b) = m: n.
Die Lösungen werden auf geometrischem Wege gesucht; zu II auch ein
Zahlenbeispiel: (x—12):(x — 36) = 12 : 8 , also =3:2, Lösung 84.
8. 32 (so lies statt 40) u. 33:
Prop. XVI: Plani obliquanguli in obliquangula secti theoria
dt adsequendi Meffiodus aliquibus dcUis.
Das Bcbiefwinklige Dreieck ABB sei durch DG in zwei schiefwinklige
Dreiecke DOÄ und DGB geteilt, und gegeben sei ^ÄDB, DGiGB
oder DG : GÄ, femer GB : GA, Dann seien die Dreiecke DGÄ und
232
Karl Hunrath:
DGB (der Gestalt nach) bestimmt. 0 Mittelpunkt des umbeschriebenen
Kreises, OM ± AB, OB _L DG, Aus LG'DG = GA' GB und den
gegebenen Verhältnissen l&fst sich die
Mafszahl für LG finden, ebenso die }a^{h-
GA + GB
zahl für r aus
: sin AOI)^ die
für LB aus ^^"t ^^i die für GB aus
LB — LG, Femer ist sin ÄOX = ?-
5f
und sin ADB =
2r
also sin i20Z =
AB
DL
' sin ADB und ÄO = r cos BOL
Dann kann man tg GOB aus GBiBO
finden; endlich aus OM -= r cos ^DO und MG = BG — ^^ + ^'^
die tg G^Otf.
(S. 32, Z. 5 V. u. lies GL statt ^X, S. 33, Z. 2 lies ©012 statt gOa,
S. 33, Z. 7 V. u. Ues GO<y statt gOn,)
S. 34: Prop. XVII. Für das sphärische rechtwinklige Dreieck sollen
dieselben Bezeichnungen gelten, wie für das ebene rechtwinklige, also AB
für die Hypotenuse u. s. w. (s. Prop. 1).
S. 35 — 41: Propp. XVIII bis XXII. Auflösung des sphärischen recht
winkligen Dreiecks, im Wesentlichen übereinstimmend mit Op. math. ed.
V. ScHOOTEN, S. 427 und 428.
NB. Auf S. 72 und 73 Verbesserung der Seiten 36 und 37.
S. 42, 43: Prop. XXIII (verdruckt XXII). 1) Sphärischer Sinussati,
2) seine Anwendung, 3) Teilung des schiefwinkligen sphärischen Dreiecks
in zwei rechtwinklige.
S. 44—49: Prop. XXIV ... auf S. 44 fehlt die Angabe der Prop,
ergänzt auf S. 74 unter „ErrcUa alia nonnuHa*'.
1) (S. 44) Ex coaceruatione duarum Peripheriarum, & ratione simum
eonmdem, discernentur Peripheriae.
2) (S. 45) Ex differentia duarum Peripheriarum, tS; rcUione smum
corundem, discernentur Peripheriae.
3) (S. 46 — 49) Schiefwinkliges sphärisches Dreieck, wenn entweder
die Seiten oder die Winkel gegeben sind. Auflösungen in eogem
Anschlufs an Regiomontan, der citiert wird.
S. 50, Prop. XXrV (soll heilsen XXV, verbessert auf S. 74). Angulum
Planisphaericum.
Des Rheticus Canon doctrinae triangaloram u. Yieta*8 Canon mathematicus. 233
1) In Planisphaericis Ka9okiwotsQa.
I, Vi Diameter ad Biametrum, itu est Perijpheria ad Peripheriam,
Papp. Theor, 5 lib. xj.
II. Angultis ex Peripheria <& Diametro minor est angülo Recto, sed
maior quouis Acute. Buch Prop. 16 lib. iij Element.
S. 51:
Prop. XXV, 2) arc 10 800' = 3,141 592 663 6
arc 1' = 0,000 290 888 208 672
1 = arc 3 437',746 770 3 (also arc 57^7' 44 ",806 22).
3) Teilung nach dem goldenen Schnitt.
Tota Maius segm. Minus segm.
1 0,618 033 988 9 0,381966 0112
2,618 033 988 9 1,618 033 988 9 1
1,618 033 988 9 1 0,618 033 988 9.
Tota Proportionalis inter totam dt maius segmentum
1 0,786 151377 7
1,272 019 649 6 1.
Tota continuata minore segmento Minus segmentum
1,3819600112 0,3819600112
1 0,276 393 202 2
3,618 033 988 9 1.
4) Geodaesia Triangülorum. Sätze über den Flächeninhalt von
Dreiecken.
S. 52:
Prep. XXV, 5) Geodaesia Circuli.
6) Geodaesia Sphaerarum.
7) Ad Circulos Superfidesque Sphaerarum e Diametris, & harum
solidüates e Cubis, dt e contra Adpositi numeri.
Diameter.
200000
' Quadratum Diametri. Circulus. Plana Superficies, süth
quadrupla Sphctericae super ficiei.
400 000 000 00 314 159 265 36
100000 100 000000 00 78 539 816 34
159 577 II 254 647 908 94 200000 00000
112 838 127 323 954 47 100 00000000
234 Karl Hunrath
Ci/Hms, SolidUas Sphaerae.
8 000 000 000 4 188 890 205 «)
10 000 000 000 5 235 987 766
Diameter.
2 000 *i)
2 155 ")
S. 52:
Prop. XXV, 8) Äd Sphaeras e Diametris & e canka, Ardi-
medaea mensura.
Diameter. QfiodrcUum
Diametri.
Cübus. Sphaera.
4Ö^*^* 16Ö0 „eiööö^^*^* Papaverferi—^Ar€na€^)f€ri
Bei 7) und 8) sind die auf S. 74 angegebenen Yet-bessenugen be-
nutzt worden.
S. 53:
Prop. XXV, 9) Quadratura Hippocratica Menisci. Mit Figur und
eingeschriebenen Zahlen.
10) Pardbole, Figur mit den Abscissen 3, 6, 9 und den Ordi-
naten >/27, }/54, ^81 (Parameter also 9).
11) Quadratura Parabdes Eudidaea. Figur mit eingeschrie-
benen Zahlen.
12) Laktö QuadrcUi Circulo circumscripti 2, tnscripii
1,414 213 5624, aequcUis 1,772 453 850 9.
S. 54:
Prop. XXV, 13) Duae Mediae continue proportionales inter Smi-
dianieirum, <£* Latus Quadrati inscripti
1,122 462 05 und 1,259 92106.
14) Duae Mediae in eädem proporHone coniinua inter L. Qm-
drati inscripti, d: L. drcumscripti, seu Diametrum:
1,587 401 06 und 1,781 797 44.
15) Duae ex his Mediae inier Semi-diamelrum, dt Diame^rm-
Norma duplicationis cutn:
1,259 921 06 und 1,587 401 06.
5 -
dl) Diese Zahlen sind auf S. 1-k gegen einander Tertaascht; äbrigeos
I 10 000 OOlTööö < S 154.
:äd^ Soll heirsen 4 188 7»0 205
:i3^ Archiubdbs seUt 1 paparer — \ digiti = 10 000 Sandkörner,
64 000
Des Rheticaa Canon docirinae iriangnloram u. Vieta's Canon mathematicus. 235
8.54:
Prep. XXV, 16) PrqparUonaHs Media inter L. QttadrcUi inscripti,
dt L. circwnscripti:
1,681 792 84.
17) Figur zu 13).
18) Figur zu 16).
S. 55:
Prep. XXV, 1 9) Deteda tandem reductionis Peripheriae ad Uneam
rectam, dt tetragonismi circuli Orontiana dt aliorum pseudographia.
Eine lange Auseinandersetzung über die Möglichkeit der Rektifikation
der Kreislinie und die Quadratur der Kreisfläche. Von Interesse scheint
mir zu sein, dafs Vi^ta für die Unmöglichkeit der Lösung beider Aufgaben
eintritt, wenn auch mit Gründen, die nicht durchschlagend sind.
Am Schlu£s dieser Auseinandersetzung sagt Vi^ta:
Älteru latus e medijs proportionalibus inter lattis inscripti, dt circum-
scripü prodidit Orontius aeqtiale quadranti Perimetri, alterü lateri Quadrati
Circulo aequaUs.
Vi^A weist diese Behauptungen mit der Begründung zurück:
die erste mittlere Proportionale (s. Prep. XXV, 14) sei
> 1,587 40, Y aber < 1,570 80,
die zweite mittlere Proportionale (eod. 1.) sei
> 1,871 79 , y« aber < 1,772 46.
Schluiswort: „Arguitur no dissimüi methodo in älijs aliorümque Tetra-
gonismis error, dt Vitium, vt amnino äbhorrenda sit ista ingeniorum crux,
dt operä dt otio deinceps non äbutedum, praesertim vbi semel nacti fueri-
nius expeditum dt facUem Tetragomsmum, dt satis propinquum vero" Es
folgen dann
S. 56—58:
Prep. XXV, 20) und 21) Näherungs- Konstruktionen für beide
Aufgaben, die aus den Op. math. ed. v. Schooten S. 392, 393
schon bekannt sind; beide kommen darauf hinaus, dafs
jt — 0,6 (3 + y5 ) , also = 3,141 64 gesetzt wird. ^)
24) Cantob, Bd. 2, S. 646, 547. — Aus der „Maihematid Canonis Epitom^*
(s. 0. S. 220, 221) ergiebt sich arc \h^ = 0,261 799, also arc 150^ » 2, 617 99; das
ist annähernd (s. 0. S. 233, Z. 13) 2,618 03 = — ^^-^ • Folglich
w == arc 180« = x ^'^ ^^^*^ = 4" ' ^ o = ^»^ (* + V'^)-
236
Karl Hunrath:
Noch auf S. 58:
Prop. XXV, 22) Uti Scctor quüibet comtnode quadrdur, modo ratk*
Perimetri ad Basim Sectoris non ignoretur, Lösung unter An-
wendung von XXV, 21).
23) Latera Quinque regularium carporum mscriptorum S]^4ieraK.
(unter Berücksichtigung der auf S. 74 unter Errata alia nonrndln
gegebenen Berichtigungen.)
Qualium Diameter Sphaerae L. 40000000 000
Taliutn Latus Pyramidis,
seu Tetraedri
L. 26 666 666 666-1-
«5
Latus Cubi, seu Exaedri L. 13 333 333 333 —
Latus Octaedri
Laius Icosaedri
Latus Dodecaedri
L. 20000000000
X. 11 055 728 090 iyyvaxa
L. 5 092 880 149 iyyvata
200000
163 299
OOOOO
310^8 25
115470^?^
141421
195146
71364
356 24
222 42
417 95
rfi
Die Seite des Icosa^ders ist berechnet worden aus rV^ — VÖ^B,
also aus
V2 ' W^ — yS^lO^^ = ]/20 000 000 000 — 8 944 271 910
= 1/11055 728 090,
die des Dodecatjders aus *■ l/-« r T P ^^
aus
V
16666666666
-^— 1/3 333 333 333y= 129099^^^
57 735^-
S. 59:
Prop. XXV, 24) Duplicatio Cubi.
Diese Näherungs-Konstruktion gewährt einen Blick in die Gedanken-
Werkstatt Vi^ta's:
Nach XXV, 14) ist 1,78179744 = 1,41421356 >/¥ = /F ^2
„ XXV, 16) „ 1,681 79284 = }^2. 1,41421356 = YJ y^
Nun ist 1,781797 44 — 1,68179284 = 0,10000460, also sehr nahe =^,
Man kann daher näherungsweise Y^ Y^ = V^ • V^ + Jö ^^^' ^ ^^
= a Y^ ~h ön ' ^ Y^ setzen. Vii-^ta spricht das so aus: „5t sunt qtuümr
20
25) Soll heifsen 163 299
310 18
26) Soll heifsen 106 146
222 42
Des Eheticus Canon doctrinae triangulorum u. Vieta^s Canon mathematicus. 237
Bectae continud proportionales, quarum Quarta sit dupla cul Primam poteniid:
Erit Tertia, ut Media proportionälis inter Potentem RedangtUum siib mediis
vel extremis contentum, dt Quartam, continuata vigesimä parte Qiiartae Syyvata/*
Tst a : X = X :y = y : a V^, also a; = a Y^ und y '^=^ a |^,
so giebt Y ay 2 a y2 oder r a . a ]/2 (beides = a y2 ), vermehrt um
^,^^ayY annähernd aYJ. Wirklich ist 1/2"+ — ]/2"== 1,259 918.
yii= 1,259 921.
Die Konstraktion gestaltet sich sehr einfach: Suche zwischen der Seite
und der Diagonale des Quadrats, über welchem der Würfel errichtet ist, die
mittlere Proportionale und verlängere dieselbe um ^ der Diagonale.
S. 60 — 66. Demonstratio Limitum Andtogiae Perimetri Circuli ad Bia-
metrum.
Am besten glaube ich die Darstellung mit S. 64, 65 zu beginnen.
1 V^
ViiSta geht aus von sin 30^ = -^^ schliefst dann cos 30® = — zwi-
schen Grenzen ein:
0,866 025 403 8 > cos 30® > 0,866 025 403 7, ebenso sin vers 30®:
0,133 974 596 2 < sin vers 30® < 0,133 974 596 3, bUdet dann
0,066 987 298 1< Y sin vers 30® < 0,066 987 298 2, also
0,066 987 298 1 < sin^ 15® < 0,066 987 298 2 und
0,933 012 701 9 > cos^ 15® > 0,933 012 701 8, daher
0,965 925 826 3 > cos 15® > 0,965 925 826 2
0,034 074 173 7 < sin vers 15® < 0,034 074 173 8 u. s. w.
Auf S. 63 wird tg* a berechnet aus sin^ a : cos^ a, der obere Grenz-
wert aus dem oberen für sin* a, dem unteren für cos^ a, der untere Grenz-
wert aus dem unteren für sin* a, dem oberen für cos* er, also
669 872 982 ^ i. 2 1 cO -^ ^^ ^"^2 981
9 330127 018"^^ -^9 330127 019 ^
0,071 796 769 9 > tg* 15® > 0,071 796 769 7 u. s. w.
Nach S. 62, Abs. 1 soU cot* y aus 2 (cot* a + cosec* a) — tg* --*')
27) S. 62, Abs. 2, abgeleitet aus Prop. XV, 5) ,,Y^vi%mx6Qai^^ vj:
2(a» + 6«) — (a — h)* = (a + 6)»
tür a = cosec u, 6 = cot a, a — b = cosec a — cot « = tg — -,
a -{- b = cosec a -\- cot a = cot — •
238 Karl Hnnrath:
berechnet werden. Da cot* 30 = 3, cosec* 30 = 4, und (s. 2 Z. Yorber)
0,071 796 769 9 >tg* 15® > 0,071 796 769 7 ist, ergibt sich
2 (4 + 3) — 0,071 7967697 >cotM50> 2 (4 + 3) — 0,071 7967699 oder
13,9282032303 > cot* 15® > 13,9282032301.
Für 30® sind die Werte für cot* o und cosec* er, 3 bezw. 4, genau.
Weiter soll nach S. 62, Abs. 5, so verfahren werden: nm die i . !
Grenze fär cot* -=r zu finden, sollen ftlr cosec o und cot or die ! . !
2 ' Innterenl
«"""•■^ »"«'* f ^« IlTl «—«* ""^«^ "^
Endlich (S. 62, Abs. 3) soll cosec*« aus 1 + cot* « berechnet wer-
den, z. B.
14,9282032303 > cosec* 15® > 14,9282022301.
Auf S. 60 und 61 eine Tafel, welche die Grenzwerte für die Quadrate
der Sinus, der Cosinus, der Tangenten, der Cotagenten und der Cosekanten
60* 225'
enthält für die Winkel bis zu -^y^, also bis zu gTg«"
8. 66, Abs. 1. «* > ^^läö^,
coüec'
ti
wenn n die Zahl der Seiten des einbeschriebenen regelmäfsigen Vielecks be*
180^
deutet und för cosec* der obere Grenzwert genommen wird. Die Tafel
auf S. CO, 61 geht bis zum Vieleck mit 3.2^^ = 393216 Seiten und giebt
.. 180^ 60^ _ m[
3.2""" 2" ~ 8192 '
15666162125,4 > cosec* a > 15666162125,0.
^^-^ «* > »;roi6?m.4 -i- > 9.86960440076.
also «> 3,1415926535.
S. 66, Abs. 2: ä* <
n«
^, 180« '
cot'
n
180*
für die gleiche Bedeutung von n und den unteren Grenzwert von cot^
Nun ist nach der Tafel auf S. 60, 61
15 666 162 124,4 > cot* a> 15666162124,0,
daher .* < ^JJ^röSSi;« «^- < 9,^69604401 66,
also n< 3,141592653 7.
Des Kheticns Canon doctrinae triangulorum n. Vieta^s Canon m&thematicuB. 239
S. 67. Demonstratio Idmitum Sinus unius scruptUL
Nach den Theoremata ad angulares sectiones, demonstrata per
Alexandruh Andersokum, [Vietab op. math. ed. v. Schootbn (pag. 286 —
304)] könnte man vennuten, dafs bei der Berechnung von sin 1' Vi^ta
nach den dort (8. 303, 304) gegebenen Regeln^) verfahren sei, zumal da
Anderson im SchluTswort (S. 304) die ,^eäionum angularium prvncipia ex
purioris Anaiyseos fönte derivaiä" als „a maximo iam a multis saecülis
Mathematico Francisco Vieta olim excogiiaia et prqposita" bezeichnet. Das
ist aber keineswegs der Fall.
Vielmehr entnimmt Vi^ta aus der Tafel auf S. 60, 61
cosec* -^ < 3 824 746,945 886 102 6,
also sin* -^ > 0,000 000 261 455 205 834
und cosec* |^ > lö 298 986,783 264 742 9,
also sin* 1% > 0,000 000 065 363 805 733.
n • a .' ^ 128» . 2 226' .^ . - 225' . ^
Da nun sm" 1 < -^^ sirr -j^, wenn für sm' r^ em zu groiser, und
^ 266» . 2 225' . 2 226' . ... _ ,
^ 226^ ^ "266"' " " ^^° "256" ^^ ^^ Wemer Wert
eingesetzt wird, so ist
128»
226
sin* 1' < --li • 0,000 000 261 455 205 834
oder < 0,000 000 084 615 948 100,
aber > |^ • 0,000 000 065 363 805 733
oder > 0,000 000 084 61 5 942 565 ,
und als Grenzwerte ergeben sich für sin V
0,000 290 888 205 6 und 0,000 290 888 195 9.
28) Berechne aus der Teilung des HalbmesserB nach dem goldenen Schnitt
18*
sin 18*, dann auf algebraischem Wege sin —-—» sin 3*36'; femer auf alge-
6
60* 20*
braiBchem Wege sin — -— » sin 20* und sin --— - = sin 6*40', hierauf ein S^ 20',
•odaon sin (3*86'— 3*20') =» sin 16' und unter fortgesetstem Halbieren des
Argaments sin 8', sin 4', sin 2', sin 1'«. Die durch ein Annäherungs verfahren zu
lösenden Gleichungen sind (Probl. I und II, a. a. 0. S. 301) 8r» chord a — chord» a
= r» chord 3a und br* chord a — 6r» chord» a -f- chord* a ^^ r^ chord 6«.
240 Karl Hunratb: Des Rheticus Canon doctr. triang. n. Vieta^i Canon mi
„Qiwniam verö inier Peripherias ^ dr — vnius scrupuH, nan onmU^l
media est Peripheria ^^ quaesita, sed hoc maior -^z, iUd vero minor 5^^
I>ifferentia inter sinum maiorem & minorem inaeguäliier secanda est, servaü -1
Analogiü, dt maius segmentum addendum minori verä, vd ä maiore mimtm
auferendtim^ vt prodeat (andern Sinus vnius scrupuU saUs accuraie"
Gemeint ist die Anwendnng der Regala Falsi (Prop. XV, 9) fiir dei^
dritten Fall, {a — x) : (x — h) = m : n. ViiTA giebt a. a. 0. die L5snn»
X = h -{ i — (a — b) oder = a i — (a — b\
'm + ti^ ^ m-\- n^ '
Dieses Verfahren würde für sin 1' den Wert 0,000 290 888 204 3 lieferii
während Vi^ta sowohl auf S. 67, als auch auf S. 15 an letzter Stelle eine
6 angiebt.
Schlulswort auf S. 67:
Porro Sinu vnius scrupuU satis accurafe iia comparafo, comparantur ex
Änalog^ia la ifispectiortis Xlllae sinus duorum scrupulorum, ddnde quatvor,
pöst och, sexdecim, dt ita coniinub duplando. Sinus vero ad tria scrup^
vcl ex collatione duorum extrcmorum shtis accurate constituetur^) , ex 9110
deinde sinus elicietur sex scrupulorum, XII. XXIV dt iia deincq)s, donee
Canonica serits, pro instituti rationc crnnpUatur. Ätque hie esto iandem
Explicitus
Univcrsalium Inspectionum ad Canonem
Mathematicum, Liher singularis.
99
29) So lies für -
256
30) Gemeint ist wohl, sin 3' geniSgend genau aus ^
m'i^
IL „GIOßNALE DE' LETTERATI D'ITALIA« DI VENEZIA
E U „RACCOLTA CALOGERl"
COME FONTI PER LA STORIA DELLE MATEHATICHE NEL SECOLO XYIIL
DI
GINO LORIA
QENOYA.
Abh. rar atfloh. d. lUthaiB. DC. 16
I.
n 1665 h sommamente memorabile nella storia letteraria del mondo
intero perche in quell' anno comincio ad uscire in Parigi il Journal des
Savants^ che e la prima pubblicazione periodica ayente per compito di render
conto delle nuove prodnzioni dell' nmano ingegno. Quäle sia stato il snc-
cesso di tale impresa, magnanima ed ardita ad an tempo, quäle sia stata
V accoglienza che ricevette, quäle e quanta la influenza che esercitö, non e
qui luogo per descrivere. Lnporta inyece di notare che 1' Italia non rimase
spettatrice indifferente a quella pubblicazione di nuoYO genere^). Ed invero
a parüre dal 1668 e sino al 1681 V Abate Francesco Nazari pubblico a
Borna un Gi/omaU d€ Letterati^ il quäle e in parte una traduzione di quelle
francese, ma in parte h una raccolta di notizie sopra lavori italiani non
menzionate in quelle. L' esempio del Nazari venne ben tosto seguito in
varie parti deUa penisola, onde sono numerose le pubblicazioni italiane* di
quell' epoca tagliate sul modello del Jourtuü des Savants: cosi Pietro
MoRETn e Francesco Miletti diressero dal 1671 al 1689 il Oiomale
Veneto, il Padre Boberti e V Abate Bacchini diedero fuori dal 1686 al
1689 il Oiamale di Parma^ al quäle seguirono dal 1692 al 1697 il Giar-
nale di Modena, dal 1688 al 1689 il Giomale di Fenrara, nel 1696 a
Yenezia la Qaüeria di Minerva e uel 1701 il Oran Griarnäle di ForU.
Questi giomali — la cui imperfezione puo misurarsi dalla vita effimera
che ebbero — seryirono, se non ad altro, a porre in piena luce la somma
nülita di un' opera periodica contenente dei resoconti fedeli intomo alle
opere stampate in Italia, senza escludere quelle investigazioni parziali troppo
brevi per dare argomento ad un intero libro. Onde non deve recare mera-
viglia se ad un letterato di alta e ben acquistata rinomanza, quäl era
Apostolo Zeno, abbia sorriso 1' idea di porsi alla testa di un' impresa di
tal fatta, se non abbia penato a trovare nel fratello suo Pier Catarino
Zbko e in Scipione Maffei, Antonio Yallisneri e Giovanni Poleni quattro
coadiutori dotti, intelligenti, yolonterosi, e nel Granduca di Toscana un
1) liO si potrebbe credere osserrando che, fra i periodici analoghi al Jottmäl
det Sanants ricordati da M. Caivtor, (Vorlesungen über Geschichte der Mathematik,
T. m, p. g)y non se ne trova alcuno di patria italiana.
16*
244 Gino Loria:
protettore augusto e potente. Per tal modo pote venir pabblicato a Venezia
nel 1710 il primo volume del GiomcUe de' Meraä d' Italia. La piaota
novella niise bentosto salde radici, tanto che poti soprayvivere al morbo,
che sembraya dovesse tomarle fatale, da cui venne colpita nel 1718, per
la chiamata a Vienna di colui che avevala seminata e con tanto amore
coltivata. Nella direzione del Giamale ad Apostolo segui Pier Catakixo
Zeno; tale passaggio segna nn' indiscntibile decadimento di quel periodico:
tnttavia esso poih ragginngere il trentasettesimo voliime, senza cont&re
i tre, di eguale formato, intitolati Supplementi al Gi&male d<f leiteraii d* Italia^
che apparrero sotto la protezione del Dnca di Parma Francesco I, per
cnra del Conte Oirolamo Leoni e coli' ajnto di Jacopo Hiccati^. La
malattia e poi le morte di Pier Catarino fecero interrompere la pubbli-
cazione del Criamale] piu tardi Teditore rinsci a meitere insieme nn
XXXVIII tomo, a cni poi ne vennero aggiunti due altri: ma il 1740 segsa
la morte deir ottima effemeride in cui per trent' anni si e fedelmente riflessa
la vita intelletaale d' Italia.
Dnrante il periodo di decadenza e dopo che si spense il CHormüe df
letterati d* Itdlia, altre opere congeneri vennero concepite ed effettoate in
ogni parte del bei paese, a Yenezia come a Firenze, a Roma non meno
che a Palermo. Non importa V ennmerarle tatte, ma bisogna citane
almeno tre. üna e intitolata Osservazioni letterarie che possono servire ö\
continuazione al Otomale d€ Letter ati d* Itaiia; e ona pubblicazione in sei
tomi fatta de Scipione Maffei, sotto gli auspici dell' imperatore Carlo AT
durante gli anni 1737 — 1740. üna seconda e la Minerva, o sia Nuofv
Giornale d€ letterati d' Italia, nscita a Venezia del 1762 al 1766 sotto la
protezione di Ferdikando IV, re delle Due Sicilie: essende questo periodico
ed il precedente informati in massima ai concetti che Apostolo Zeno pose
a base di quello da lui fondato, devono considerarsi come an natanüe pro-
seguimento di questo. Simile ufficio, rispetto ai Supplementi pin sopra
citati, fa la RaccoUa di opuscoli scienHfiei e fUologici compilati daANOioLo
Calogera: di questa coUezione, importantissima per la storia scieutifica
dell' Italia, mi occuperö nella seconda parte del presente articolo. Qui osserto
che il Giornale d€ letterati d' Itulia con i Supplementi, le Osservazioni del
Maffei e la Minerva formano un tutto che i matematici conoscono forse
unicamente perch^ accolsero alcuni scritti di Jacopo Biccati e quegli
4^8chediasmi matematici» che trassero dall' oscurita il Conte di Fagnaxo
e lo posero in prima linea fra i dotti dell' eta che fu sua. Ms, poicb^
2) tl questi la «persona dotta a meraviglia» con cui il oompilaiore dice
d'essersi consigliato.
li cGiornale de* Lettcraii dltalia» di Venezia e la «Raccolta Calogerä». 245
quegli articoli vennero ripnbblicati nella raccolta delle Opere del Ricgati
e questi schediasmi sono mcigna pars delle famose Produzioni tnatemcUiche,
nessano, o quasi, pensa oggi di ricorrere ai simpatici volumetti in - 18.
che per primi li accolsero. Da ci6 deriva che alcune altre non trascnrabili
iDvestigasioiii, pnbblicate nel Qiomale del qnale ci stiamo occnpando,
passarono inosserrate anche ai piu diligenti ctdtori della storia delle scienze
esatte. Per rimediare a tal fatto deplorevole, presentiamo qni il completo
Inäice delle memorie matematiche contenute nel
cGiornale d€ letterati d* Iial%a% di Venezia.
1. Metodo d' investigare V Orbite de' Pianeti, nell' ipotesi che le forze
central! o pure le gravita degli stessi Pianeti sono in ragione reciproca de'
qoadrati delle distanze, che i medesimi tengon dal Centro, a cui si dirigono
le forze stesse. Del Sig. 6io. Jacopo Ermanno'), Pnbblico Professore di
Matematica nello Studio di Padova. T. 11, 1710, p. 447—467.
2. Metodo di trovare V orbita, che descrivono i Pianeti, qualunque
sia la loro forza chiamata Centrale, con una regola per la detta forza dentro
un mezzo di Variante densita, che resista al mobile. Del Sig. Giuseppe
Verzaglia, da Cesena. T. ni, 1710, p. 495 — 510.
3. Tre problemi Geometrici con un Sistema sopra la Gravita^ proposti
dal Sig. GiovAMNi Ceya, e sciolü dal Sig. Bernardino Zendrini. T. IV,
1710, p. 316—340.
4. Coniinuazione dell' Articolo XY del Tom. II di questo Giomale;
0Y?ero: Soluzione generale del Problema inverso delle Forze centrali, per
via del metodo ivi proposto, e solo applicato ad un' ipotesi particolare.
Con r aggiunta d' una Soluzione d' un' (sie) altro Problema piu generale
toccante le forze requisite ad un mobile per deacrivere in un mezzo
fluide e resistente (qual sia la legge delle resistenze) una data Curva.
Del Sig. Gig. Jacopo Ermanmg, Pubblico Professore di Matematiche nello
Studio di Padova. T. V, 1711, p. 312—335.
5. Risiretto di una lettera del Sig. Varigngn dell' Accademia Regia
delle Scienze di Parigi, ad un suo Amico in Italia, circa la controversia
deipitt (*' Infiniti] tradotto dal Prancese in Italiano. T. V, 1711, p. 336—341.
6. Breve aggiunta agli articoli XV e XVI del Secondo, e Quinto
Tome del Giomale de' letterati d' Italia. Del Sig. Jacopo Ermanno.
T. VI, 1711.
7. Estratto di una Lettera del P. Guido Granoi al sig. N. N. in
nsposta di quella del Sig. Varigngn inserita nel Giornale precedente
8) HnicANM.
246 Gino Loria:
Articolo XVII circa la controversia dei Piü che InfinüL T. VI, 1711,
p. 308—314.
8. Considerazioni sopra 1' articolo XVI del Tomo V del Giomale de*
Letterati, nel qnale si tratta del Problema inverso generale delle föne
centrali nel voto, e di questo in un mezzo floido, e resistente, presapposu
qualsia legge delle resistenze. Del Sig. Giuseppe Vebzaqlia, da Ceseio.
T. VI, 1711, p. 411—440.
9. Biflessioni geometriche in difesa dell' Articolo XVI del T. V del
Giomale de' Letterati, intomo ai Problem! delle forze Centrali nel voto,
e nel pleno, contro Y impugnazioni fattene nell' art XI del tomo sesto
del Giomale. Del Sig: Jacopo Ermanno, Pnbbl. Prof. di Matematiche nello
Studio di Padova. T. VII, 1712, p. 173—229.
10. Modo generale di ritrovare la linea di refrazione, che viene d&*
corpi celesti alla superficie della terra in qualsivoglia supposizione di den-
Sita Variante dell' aria, supposta pure qaesta di figora sferica intomo all»
terra, con la legge della forza centrale, che obbliga il raggio a descriTere
la stessa linea di refrazione. Del Sig. Bernardino Zenorinl T. VII, 1712,
p. 136—166.
11. Soluzione generale del Problema inverso intomo a' raggi oscnla-
tori, cioe, data in quäl si sia maniera per V ordinata V espressione del
raggio osculatore, determinar la curva, a cui convenga una tal espressiooe.
Del Sig. Conte Jacopo Riccato. T. XI p. 204—220. [Riprodotto in 0. B.
(ss Opere dd Conte Jacopo Biccati Nobile Trevigiano, Lncca 1761 — 1765),
T. m, p. 1—8.]
12. Metodo faßüe di determinare la legge delle forze Centrali, e con-
tinuamente applicate al mobile, perche questo in vigore di quelle forte
descriva nel pleno qualunque curva data; con alcune oosiderazioni impor-
tanti sopra la natura delle fonse continuamente applicate. Del Sig. Jacopo
Ermanno, Pubblico Professore delle Matematiche nello Studio di Padon.
T. Xm, 1713, p. 321—362.
13. Proposizione, e Soluzione di due Problemi Meccanici ultimamente
pubbUcati. T. XV, 1713, p. 82.
§ 1. Problemi Meccanici proposti a' Matematici d' Italia da Pret«
Studupesi Canonico Perugino p. 83 — 84.
§ 2. Soluzione dei suddetti Problemi Meccanici, data dal P. Maestro
D. Guido Grandi, Camaldolese, Professore Ordinario di Filosofia nello studio
di Pisa ecc. p. 84—87.
§ 3. Soluzione dei suddetti Problemi Meccanici, data dal Sig. Givuo
Carlo de' Pagnani, Patrizio di Sinigaglia p. 87 — 96.
14. Breve schediasma geometrico per la costruzione di una gran parte
n cGiornale de* Letterati dltalia» di Veneada e la «Raccolta Caloger^». 247
dell' eqnazioni differenziali del primo grado. Del Big. Dottor Oabbriello
Manfredi. T. XVm, 1714, p. 309—315.
15. Yita di Fedebico Cohmakdimo scritta da Monsignor Bernardino
BAI.DI, da ürbino, Abate di 6uasta)Ia. T. XIX, 1714, p. 140—185.
16. Bisposta ad alcune opposizioni fatte dal Sig. Giovanni Bernulli
{sk) alla solozione del Problema inverso delle forze centrali nel yoto in
ragione redprooa de' quadrati delle distanze, pubblicata dal Sig. Jacopo
Ebmanko nel seoondo Tomo del Giomale de' Letterati d' Italia, Art. XIV.
Del Sig. Gonte Jacopo Riccato. T. XIX, 1714, p. 185—190. [V. anche
0. Ä T. m, p. 20—29.]
17. Problema proposto dal Sig. Giulio Carlo de' Fagnani. T. XIX,
1714, p. 438.
18. Annotazioni del Sig. Niccolö Bernulli, Nipote del Sig. Giovanni,
sopra lo Schediasma del Sig. Conte Jacopo Riccato pnbblicato nel Tomo
decimonono del Giomale de' Letterati d' Italia, Articolo VH. Coli' annessa
solnzione propria del Problema inverso delle forze centrali agenti in un
mezzo resistente, dedotta da principj medesimi del Signor Newton. T. XX,
1715, p. 317—351. [V. anche 0. JB. T. m, p. 29— 42.]
19. Awertimento sopra il Problema proposto a' Greometri d' Italia^)
T. XXI, 1715, p. 422.
20. Controrisposta alle Annotazioni del Sig. Niccolo Bernulli inse-
rite nel XX Giomale d' Italia Art. XIII con un metodo di separar le in-
determinate nell' eqoazioni differenziali, e con aJcane riflessioni intomo le
föne centrali, tanto nel voto, qnanto nel pleno. Del Sig. Co. Jacopo Riccato.
T. XXI, 1715, p. 304—354. [0. JB., T. HI, p. 42—59.]*^*») (vedi a p. 273).
21. Nuovo Metodo per rettificare la differenza di dne Arcbi (imo del
qoali e dato) in infinite specie di Parabole irretificabili, con la Soluzione
del Problema proposto nel XIX di questo Giomale, p. 438, del Sig. Giulio
Carlo de* Pagnani. T. XXII, 1715, p. 229—262. [Riprodotto in P. M.
{^ProdugUmi Matmaüche, Pesaro, 1750), T. H, p. 317—330.]
22. Solozione del Problema proposto nel Tomo XX del Giomale de'
Letterati d' Italia, Artic. XHI ove, posto per centro delle forze centripete
il termine d' nna dritta linea, dimandasi in quäl ipotesi di forze i tempi
delle discese, dopo la quiete di oiasoim pnnto di essa linea, fino al centro,
4) n problema fu proposto da Niccolo Bbbnodlli nella chiusa dell* articolo
&. 18. La direzione del Giobnalb aTverte di averne riceynte parecchie solozioni,
che DOn pabblica perchä la questione h assai facile ed h risoluta da una parabola
cnViea. Tnttavia a qnel problema sono consacrate le memorie contrassegnate, nel
preiente Indice, con i numeri 20 e 22.
248 Gino Loria:
sieno proporzionali alle forze corriapondenti a' principj delle diaoese. Del
Sig. Sebastiano Checcozzi, Vicentino. T. XXIII, 1716, p. 163—181.
23. Bisposta del Sig. Nicgolo Bernulli, Nipote del Sig. Giovasm, a
quelle cose che 11 Sig. Conie Jacopo Biccato inseii nel T. XXI del Gior-
nale de' Letterati d' Italia aU' artic. Vin. T. XXIV, 1716, p. 105-139.
[0. JJ., T. m, p. 69 - 67.]
24. Giunta allo Schediasma, inseiito nel XXII tomo del Giornale, so-
pra la maniera di rettificare, la dififerenza dl due Archi in infinite specie
di Cnrve Paraboliche, con una nuova proprieta della Parabola d' Abcbimede,
ec. Del Sig. Giulio Carlo de' Paonani. T. XXIV, 1716, p. 362-875.
[V. anche P. Jf., T. II, p. 331—335.]
25. Teorema da cni si deduce una nuova misura degli Archi EUittici,
Iperbolici e Cicloidali. Del Sig. Giulio Carlo de' Pagnani. T. XX\7.
p. 266—279. [P.M., T. ü, p. 336—340.]
26. Teorema nuovo concemente il Calcolo Integrale, di Giuuo Cabl<j
de' Paonani. T. XXVII, 1717, p. 395—400.
27. Osserrazione intomo al Teorema proposto dal Sig. Giuuo Carlo
de' Paonani nell' art XI del Tomo XXVII del Giornale de' Leiterati
d'Italia. Del Sig. Niocolo Bernulli, Pubblico Professore di Mattemafcica
nello Studio di Padova. T. XXIX, 1718, p. 150—163.
28. Dimostrazione Analitica di un teorema il quäl serye per la soln*
zione del Problema proposto nel T. XX del Giornale de' Letterati d' Itaüa
all' Art. Xni. Del Sig. Nicgolö Bernulli, Pubblico Professore di Matte-
matica nello Studio di Padova. T. XXIX, 1718, p. 163—171.
29 — 30. Metodo per misurare la Lemniscata, del Sig. Giuuo Cablo
de' Paonani. Schediasma Primo, T. XXIX, 1718, p. 258—269. Schediasma
Secondo, T. XXX, 1718, p. 87—11. [P. M. T. 11, p. 343-348 e 356-368.]
31. Difesa dell' Art XI del Tomo XXVII di questo Giornale, del Sig.
Giulio Carlo de' Paonani. T. XXXI, 1718, p. 65—82.
32. Compimento delle Soluzioni analitiche del problema proposto nel
tomo XX articolo XIII, del nostro Giornale, dato da' Signori Niccolo
Bernulli e Bastiano Checcozzi. T. XXXIU^ 1721, p. 174 — 198.
33. Metodo per trovare nuove misure negli arohi della parabola cnbica
primaria, del Sig. Conte Giulio Carlo de' Paonani, T. XXXIV, 1722,
p. 148—158. [P. M. T. n, p. 369—374.]
34. Supplemente al Quinto Libro di Euclide, del sig. Co: Giulio Carlo
de' Paonanl T. XXX Vin, 1726—27, p. 390—304. [P. M., T. ü,
p. 423—464.]^)
6) II Faqnako h ritoroato sallo stesso tema con maggior larghezsa nella Temo
generale delle proparziani geometriche, che si legge in P. M. T. I, p. 1—422.
II «Giornale de* Letiei-ati dltalia» di Yenezia e la «Raccolta Calogerä». 249
35. Difesa dell' Aiticolo VII del Tomo XXXI del Giomale de' Lette-
rati d' Italia in risposta alla Dissertazione pubblicata dal Sig. Niccolo
Bernulli negli Atti di Lipsia delF anno 1720 nel Mese di Luglio, con la
solnzione d' un problema spettante al Calcolo Integrale. Del Sig. Conte
GiüLio Cablo db' Faghaml Supplementi, T. I, 1722, p. 157 — 200. [P. M,,
T. I, p. 275—282.]
36. Della proporzione, che passa fra le affezioni sensibili, e la forza
degli obbietti esistenti, da cui vengono prodotte: Dissertazione fisico-mate-
raatica del Sig. Conte Jacopo Riccato. Supplementi, T.1, 1722, p. 114 — 141.
[0. B., T. m, p. 287—297.]
37. Solnzione d' an problema appartenente al Calcolo Integrale: Del
Sig. Gabbriello Manfredi Pubblico Professore di Analisi nell' üniversita
di Bologna. Supplementi, T. II, 1722, p. 241—269.
38. Sopra le leggi delle resistenze, con le quali i mezzi fluidi ritardano
il moto de' corpi solidi. Dissertazione Fisico-Matematica del Sig. Co : Jacopo
Riccato. Supplementi, T. II, 1722, p. 313—343. [0. B., T. HI, p. 376—386.]
39. Due Soluzioni d' un problema spettante al Calcolo Integrale.
Dissertazione del Signor Conte Giulio Carlo de' Fagnani, Supplementi,
T. III, 1726, p. 181—216. [P. M„ T. I, p. 293—307.]
40. Nnova, e generale proprieta de' Poligoni, del Sig. Co: Giulio Carlo
de' Pagnahi, T. XXXVI, 1724, p. 230—240. [P. M„ T. II, p. 201—209.]
Lo spazio di cui disponiamo non consente che noi ci addentriamo in
una completa analisi di queste memorie, non pocbe delle quali hanno uno
spiccato carattere polemico. Vogliamo per& fare un eccezione a favore di
dae di coloro che coUaborarono al OiomcUe de' letterati d' Italia,
La prima conceiTie Bernardino Baldi, il quäle ha somministrata (v.
la memoria n. 15 dell' Indicc precedente) la biografia piu completa e parti-
colareggiata a noi nota di Federico Commakdino, erudito assai benemerito
a cui il Libri aveva dedicate poche linee della sua storia^); tale biografia
appartiene alla Serie di Vite inedite di matematici itaHiani scritte da Ber-
KARDiNo Baldi, di cui alcuni elementi vennero pubblicati dal Narducci^),
e de?e annoverarsi fra le migliori, forse perche ha per soggetto uno che
fa compatriotta e contemporaneo delF autore. La seconda eccezione e a
beneficio di Gabbriello Manfredi, distinto analista, non isfaggito all' atten-
zione del Montücla*) e del Pogoendorpp*), ma che e in pericolo di venire
C) Histoire des sdences math^atiques en Italie, T. UI (Paris 1840) p. 118—121.
7) Bülkitino di Bibliografia ecc,, T. XIX, p. 885—640 e T. XX, p. 197—308.
8) Histoire des Mathematiques, Nouvelle Edition, T. II, p. 198, T. lU, p. 135
e 155. 9) Biogr.'lit Handwörterbuch, T. II, p. 33.
250 Gino Loria:
travolto nel gran mare delF oblio, non avendo otienaio nn posto nelle
Vorlesungen di M. Cantor. Di lui troviamo nn articolo nel GiomaU de
letterati (▼. n. 14 dell' Indice) ed nno nei SupplemenH (y. n. 36). Nel
primo si legge la integrazione delle equazioni differenziali di I ordine e
primo grado omogenee fra dne variabili x^ y mediante la consneta sosd-
tuzione f = ~; ora tale risnltato e tale prooedimento si sogliono^^) attri-
buire a Giovamni Bernoulli, il qnale ne fece nna fogace menzione negli
Ada eruditorum deir anno 1725 e li espose poi V anno segaente^^). Sic-
come d' altronde V articolo del Makfredi fu stampato nel 1714, coa — at-
tenendoci alla data di pubblicazione come unico criterio per risolTere le
questiooi di priorita — sembra inevitabile la conclusione: V integrasiont
delle equazioni differenziali omogenee di I ordine con due varia-
bili appartiene a G. Manfredi. n secondo lavoro del Manfredi risolfe
una qnestione fondamentale di calcolo integrale che Brock Tatlob KJtn
proposta e che V Hermann aveva toccata. Qnesti, negli Acta Enidii(mim
deir Agosto 1719^'), aveva pubblicata la proposizione affermante che „qnalsia
trinomio della forma a?^ -{- 2nax^ '^' a^ e decomponibile in fatton qua-
dratici, purche m sia una potenza di 2"^ da ciö egli dedusse che, in tale
ipotesi, r integrale
f:
dx
puo esprimersi mediante archi di circolo e di iperbole; orbene nell' artieolo
citato del Manfredi (articolo che porta la data 6 Agosto 1620) e dimosttato
che, in generale, di analoga espressione e snscettibile ogni integrale della
forma
qualunqne siano gY interi jp, q^ r, f, u. Tale estensione e degna di nota,
non soltanto perche risolve completamente la qaestione proposta dal TAYiiOR,
ma anche perche libera V enunciato della stessa da nna condizione restrit-
tiva snperflua. AI citato risnltato il Manfredi giunge mostrando prima come
si possano decomporre in fattori lineari o qnadratici tntti i binomi del tipo
jr** 4- a"* qualonque sia Tintero m, e poi trasformando V integrale precedente
10) Camtok, VorJemngen, T. m, p. 460e p. 581.
in JH inkgrütionOms oeqHtiHomm differenUaUmm (Comment Acad. Petnp-
T 1, 17:^ oppure Jon. Bbkkovlu, Operm ommia, T. m, 1742, p. 108).
1:2"^ V. rarticolo Sointio dmorum prMemuiium etc.
n cGiornale de* Letterati dltalia> di Venezia e la «Raocolta Calogerä>. 251
mediante la sostitnzione x <» ^9. Qnesto aiüficio e tattodi largamente
applicato e quella decomposizione — ' benche avrebbe bisogno di qualche
osseryazione complementare che ponesse in luce F esiatenza di radici reali
nelle eqnazioni ausiliari invocate — merita di Yenire apprezzata da chiun-
que abbia presente lo stato della teoria delle eqnazioni in principio del
SecXVin.
Qneaie dne prodnzioni matematiche dimostrano che il Manfbedi seppe
mantenere le proxaesse che aveva date qaando neJ 1707 aveya pubblicato
un* opera^ — la prima std calcolo integrale che abbia visto la Ince in
Italia — colla qnale egli intese di sopperire alla seconda parte dell' Ana-
lyse des infiniment^ petits che la morte vieto al Marchese de l' HÖpital di
pnbblicare. Qneir opera non ha oggi la notorieta di cni ayrebbe diritto, e
poiche e ormai una vera rarita bibliografica^^), cosi non mi si dara torto di
dedicare qualche linea ad espome il piano e la materia. ^^^^^ (vedi a p. 273).
Essa Consta di sei sezioni. La I deye ntendersi come ona introdnzione,
ayendo essa per intento di insegnare come si ottenga 1' equazione diffe-
renziale (di I ordine sempre) a cni soddisfa ona cnrya soggetta a certe
condizioni geometriche; tale risultato si consegue serrendosi delle espressioni
che hanno la snttangente e la sunnormale, la tangente e la normale, 1' area
ecc. di qualsia cnira, non soltanto nel caso in cni questa si riferisca ad un
sistema cartesiano ortogonale, ma (lo si noti) anche qaando si prendano
come coordinate di nn ponto di un piano la lunghezza della normale con-
dotta da esse ad una data curva (considerata come asse) e Y aroo della
stessa compreso fra il piede di quella normale ed un* origine fissa^^); un
gran numero di esempi bene scelti illustrano il procedimento generale.
Altrettanti se ne troyano nella 11 Sezione, ove V autore entra nel tema
scelto, trattando della costruzione delle eqnazioni differenziali di I ordine
e I grado in cui le due yariabili sono separate. Della stessa natura sono
le eqnazioni della forma dy *- f{x)dx alle quali e dedicata la m Sezione,
13) De eorutructüme aeguationum difTerefUiaUum primi grcLdm (Bononiae
MDCCVn). Cfr. GiomaU de UUerati d'IUüia. T.I, 1710, p. 891-411.
14) Soltanto dopo reiterate ricerche io ne trovai una copia, senza tavole,
nella Biblioteca Nasionale di Firenze.
16) Tale caso speciale delle coordinate in generale coDcepite da Lkibniz
(ef. Cahtob, Vorlesungen, T. DI, p. 204), appartiene al Manfbedi? Altri risponda.
Io noto che, in qaesto sistema di coordinate, come sattangente si aasume il
wgmento della tangente all* asse compreso fra il relatiro ponto di contatto e la sua
inteneiione con la tangente nel pnnto corrispondente della cnrva. Per tale
legmento il Makfsbdi da nna espressione assai semplice, salla cui esattezsa ho
qualche dobbio, per dissipare o confermare il quäle occorrerebbe di avere Botto
occhio la figura au cui ragionava il matematico bologneae
252 Gino Loria:
r importanza della quäle sta specialmente nelle OBsenrazioni esposte dair
auiore sugli esempi da lui considerati. Alle equazioni differenziali di I or-
dine e grado superiore, a variabili separate, e dedicata la segaente sesione
IV, e la Y a quelle di I ordine e I grado, in cui le variabili si possono
separare con semplici operazioni algebriche. L' ultima sezione dell' open
manfrediana e quella di maggior valore, perche contiene una serie di arti*
fiel mediante cui si possono separare le variabili in certe equazioni diffe-
renziali. Ecco quali sono e quali operazioni il Mampbedi suggerisce di
applicarvi:
ydx — xdy^^aydy\ s' integra scrivendola: ti — = a-^;
ydx — xdyms f{y)yäy\ s* integra scrivendola: cf — «= l^^l—^^^\ .
adx^=^ydy — xdy\ s' integra colla sostituzione y^^a log z\
^-^^ — r equazione data puo
. zdy — ydz htdz
scnversi: — - — =-^ — = —s— :
b^'^^dy = &*~* ^(x) dx -{■ ^if (x)y*dx\ colla sostituzione y = — ^ si ridoce
alla forma prucedente^^).
Bastino questi cenni a dimostrare come a Gabbriello Manfredi non
si possa negare un bei posto nella storia del calcolo integrale: egli, in&tti,
non solo determino la natura analitica di un' importante classe di integrali, noo
solo cerco di mettere un po' d' ordine nelle cognizioni che avevano i geo-
metri del tempo suo intomo alla costruzione delle equazioni differenziali
di I ordine, ma suggeri dei metodi per integrare tali equazioni, che, per
la loro genialita ed estensione, costituiscono un vero progresso dell' analisi
matematica.
Bitomiamo, dopo questa digressione, al tema proprio del presente la-
voro per osservare che il GHamale de^ letterati d! Itdlia merita di essere
annoverato fra le fonti preziose a cui deve attingere lo storico della mate-
matica — oltrech^ pei lavori originali, di cui presentammo V elenco completo,
e per le biografie di uomini illustri che contiene — per le abbondanti infor-
le) Anche le equazioni analoghe i cui primt membri aono ydx -^xd^
sono incidentalemente considerate dal noatro antore che le integra scriresdo
quei primi membri d{xy).
17) I metodi del Manprbdi furono ulteriormente svoltt ed ampliati da
J. RiccATi (v. 0. F., T. I, p. 483 e geg.).
n «Gioniale de' LeUerati d'ltalia» di Venezia e la «Raccolta Calogerä». 253
mazioni ivi sparse intomo alle opere maiematiche che yidero la Ince in Italia
nella prima meta del See. XYIU, opere in gran parte sepolte negli scaffali
delle nostre biblioteche e che(al pari di quella del Makfbbdi) sono in pro-
cinto di scomparire dal catalogo di quelle che segnano an passo in avanti
nel cammino che gnida alla venia. Taccio dei docnmenti ivi analizzati
riferentisi ad una questione dibattata con tenacia e vivacita tra il celebre
Abate camaldoleae Guido Grandi ed Albssandro Marchbtti, oggi ricordato,
meno come fisico e matematico, che come elegante traduttore di Lucrezio^^);
e fo rapido cenno di una macchina aritmetica, differente da quelle di
Pascal e Leibmiz, che il Marchese Giovanni Foleni ha immaginata^^) e
di cni il Criamale riferisce una descrizione diffusa e fedele^). Yoglio poi
richiamare V attenzione di chi legge sulla versione latina^^) eseguita a
Padova degli ilAnents de giomäne, suivis d' un traiU des logarithmes del
DucA DI BoROOGNA (1682 — 1712)**), il ben noto discepolo di Pänälon,
che fu padre di Luiai XV. Dalla particolareggiata analisi inserita nel
Giomdle^) degli „ElemenH geomdnci del Serenissimo duca di Borooona,
la cni morte immatura ha tronche nel piü bei fiore 1' alte speranze che i
snoi popoli avevano di lui concepute^^ si apprende, fra V altro, che in essi
,,si legge una dimostrazione aritmetica di Madame la duchesse du Maine,
perche in quattro termini proporzionali, il prodotto dei mezzi sia eguale
al prodotto degli estremi''. Ecco dunque un nuovo nome da aggiungere a
quelle dei rappresentanti che il sesso gentile possiede nell' assemblea dei
cnltori delle scienze esatte!
Mentre tali notizie fomite dal G-iomale saranno giudicate forse da ta-
Inoo come oggetti di pura curiosita, altre possiedono un valore difficilmente
reYocabile in dubbio, se non altro perchi concemono un matematico ormai
dimenticato; alludo a quelle relative alla seguente opera: Ludovici a Bipa,
astronamifie ac metereologiae in gymnasio patavmo professoris^ MisceUanea
(Venetiisl725). Orbene dall' analisi fatta di esse nel Criomäle d^leUeraä^)
apprendiamo come nella MisceUanea siano contenute delle ricerche di cal*
18) Chi desidera notizie su di lui riccorra all* Elogio del Signore Alesbandro
Marchftti in GiornäU de* Letterati d'Itdlia, T. XXI, 1716, p. 213—260.
19) loAHHis PoLEin MisceUanea: hoc est I Dissertatio de Barometris et Ther-
wmehris. U Machinae Ärühmeticae, i^qus usus descriptio. m De Sectionibus
Con/icis BaraHelorum in SorolagOs Solaribus Tractaius, Venetiit, 1709.
20) T. I, p. 381—886.
21) Serenissimi Bdboundias Dccis Elementa Geometrica, ex GctUico sermone
in Latinum iranslcUa ad usum Seminarii Patavini, etc. Patavii 1713.
22) Deir originale non mi h nota che una edizione parigina del 1728.
23) T. XIV, 1713, p. 293—816.
24) T. XXXVn, 1726, p. 269—272.
254 Gino Loria:
colo integrale aventi per tema gli otto teoremi che Giovakni Bebkoulu
ha enunciati nella chinsa della memoria Cla/r, Tatlosi maO^emaUd angli
Pröblema onälyHcum, guod amnüms geometris non angUs prqposuU, ^uäfm
(Acta erud. lAps., 1719, p. 256; oppore Joh. Bebnoulli, Opera oiwua,
1742, T. n, p. 402). Qnesti teoremi fnrono dimostrati sin dal 1720 h
NicoLo, figlio di OiovAMNi Bernoulli (y. Acta erud. Lips. 1720, p. 471;
oppnre Jon. Bernoulli, Opera omnia, 1742, T. ü, p. 419), ende le di-
mostrazioni ordite collo stesso intento dal Bipa non banne 11 pregio dellä
novita. Ma egli ha di piu osservato che gli otto integral! di coi parlano i
teoi*emi del Bernoulli sono tatti compresi nel seguente
(^dx
e+faß
e+faß
e che i casi d' integrabilita contemplati dal celebre geometra di Basileä
corrispondono al supporre intero e positive nno dei nmneri seguenti:
1 ^ m »1 + 1 . — m — 1+^ » + 1— a — «a
n 1 , — ' 1, ^?-^, — -^^ i i-
q q' q ' « ' «
Tali condizioni sono sufficienti, ma non necessarie, giacche e noto che
(prescindendo dal caso di n intero), per 1' integrabilita basta sia interri
(ancbe negative) uno dei nmneri
I» + 1 m 4- 1
— ! — — ! n.
q ' q
Tattavia V osservazione del Bipa ha il sue yalore, perche serve di ponte
fra le indagini del Bernoulli e Y antica osservazione di Newton^), che
fa0^ (c + feny de
e esprimibile sotto forma finita qnando h un nnmere intero positivo;
essa segna una tappa nella via che condnsse alla teoria dell' integraziooe
dei differenziali binemi.
Le indagini del Bipa di cni ora facemme cenno, come quelle del Ma5-
FREDi anteriermente schizzate, sono altrettante testimonianze dell' Interesse
che prevarono gV Italiani pei nuovi calceli, sono altrettanti titoli per
valutare il centribute che essi diedero alla costitazione del calcelo integral^-
II non trovare cenno di tali investigazioni nelle migliori storie delle mate*
matiche, mestra come a ragione Scipione Maffei lamentasse la poca dif-
fnsione che a suoi tempi avevano in Europa le opere italiane. „Ha certa-
25) Cf. Caktor, Vorlesungen, T. III, p. 179.
II «Giomale de^ Letterati d'Ilalia> di Venezia e la «Raccolta Calogerä>. 255
mente^', egli acriveTa^), „1' Italia di che prender meraviglia non che d' in-
centivo, nell' applicazion loro (degli stranieri) nelle bell' opere, nell' ntilissime
e dottissime imprese: ma siaci permesso dire, che qnalobe cosa pnr manca
in quelle paiü, doye de' libri Italiani non si prende cnra. Parrebbe in-
credibil talvolta, che in paesi, dove fin dell' aJtro Emisfero tntte le notizie
abbondano, di molte cose d' Italia si resti non di rado all' oscnro. Vi si
ndira per modo d' esempio spacciar per nnova osservazione, o dottrina, che
in Italia h gia trita; yi si pnblicheranno opinioni o distmtte gia, o rese
almeno in libri Italiani molto ambigae, senza aver di esse alcnn Itune; non
Yi si conosceranno opere di sommo prezzo in materie, delle qnali tatto di
si scriye Degninsi dtuique qnei bravi e vivaci spiriti di affi&ticarsi alcnn
poco, per ben comprendeme (deüa Imgua itcdiana) la forza, e non credano
di poca cnriosita i nostri libri, ma ci restitaiscano almeno in parte quell'
onore, che noi facciamo a i loro, de' quali cosi grand' estimazione giustamente
abbiamo, e per godere i quali ne' lor natiyi lingnaggi non pochi tra noi ben
impiegata stimano ogni fatica.'*
n.
Mentre il CHomale d^ letteroH aveva per iscopo precipuo di dare notizie
intomo al movimento del pensiero, in tutti i campi ove esplica la sua at-
tivita, un' altra pubblicazione periodica italiana dello scorso secolo ebbe per
intento di adunare quegli scritti, sopra questioni speciali, che, per la loro
piccola mole, rischiaYano di andare dispersi e poi dimenticati. Tale Bac-
coUa ebbe dunque un indirizzo somigliante a quelle che possiedono gli
odiemi Atti accademici; anzi 1' importanza di essa proviene in massima
parte appunto dall' essere sorta in un' epoca in cui, al di qua delle Alpi,
Qon erasi ancora cominciato a stampare regolarmente i lavori dei yari so-
dalizi sdentifici; si pu6 perfino asserire che fu il successo da cui essa Tenne
coronata che persuase dell' opportunita delle pubblicazione di questi^*^. E non
deve essere cagione di alcuna meraviglia il constatare che essa declini, sino a
perdere qualunque yalore scientifico, quando la Corporazione fondata a Torino
da Lagrange, la Societa Italiana delle Scienze, le Accademie di Bologna, Siena
e Kapoli, nonche le altre associazioni congeneri, cominciarono a dar fuori
86) OnervoBumi letterarie che possano servir di cantinuazione cd Giomale de'
leUerati d'lUüia, T. I, 1787, p. XIX— XX.
87) Lo fa credere, fra Taltro, alcone parole scritte al CalogerI dal Mubatori
ad£ 16 Giogno 1746, oye egli dice cd'ayere tra sä conchiuso che ancbe lltalia
iavrebbe ingegni da poter gareggiare coi Signori Accademici di Parigi, se vi fosse
Chi pagaaae e raunasse i nostri dltalia>. Sono riferite dal Maitdelli nelle Memorie
citate nella segnente nota.
256 Gino Loria:
qnei volnmi di memorie, ove sono raccolti i maggiori contribnti dati dsil'
Italia alla matematica in qaest' ultimo secolo.
La RaccoUa di cni vogliamo occaparci fu compilata dal Padre D. Ax-
GELo Calooera (nato il 7 Settembre 1699, morto il 26 Settembre 1766 ^'i
durante tutto il primo periodo di vita che ebbe; la di lai benefica aziooe
si estese ancbe ai primi quindici volomi della Nuova lUuxoUa, che ne np-
presenta il secondo periodo; alla morte fa surrogato da D. Fortunato Ma5-
DELLi. Ad addossarsi il grave carico della direzione della BaccoUa^) il
Calooera fu sorretto cod yalidamente da Catbrino Zeko, che qnesti „si
puo asserire essere stato V autore di quesi/ opera, aveudone siimolato il
P. Calooera, e continuamente somministrati dottissimi opuscoli.» Ebbe poi
validi ajuti dal celebre medico Antonio Vallisneri, dall' Ab. Facciolati
(Padova), da D. M. Manni (Firenze), da L. A. Muratori (Modena), da
J. M. CoMO (Napoli) e da altri. Con tale bnllante stato maggiore e col
concorso di eminent! coUaboratori (fra i quali spiccano i membri delle Fa-
miglie Fagnano e Biccati), il Calooera fu in grado di assicunire aUs
propria Baccolta la vittoria sopra opposizioni non rare, in ispecie di scod-
giurare il pericolo da cui venne minacciata quando nel 1740 comincio a
Venezia una pubblicazione congenere^).
Per porgere anzitutto un' idea generale di quanto, relative alla mate-
matica pura, si contenga nella Baccolta Calooera, diamo qui ansittoiG
r elenco degli scritti su tale argomento, che essa contiene:
Baccolta di OpuscoU scientifici, e fUologici, 61 Vol. in 18**. Venexi»
1. P. Thomaeph Maphaei de usu Matheseos in Theologicis, et diversa
circa principium universale staticum Galilaei et Cartesii sententia. Disser*
tationes duae epistolares. T. II, 1729, p. 355 — 468.
2. Metodo per trovare, quelle curve, nelle quali 1' angolo fatto dalle
corde (che partono tutte da un punto) e dall' asse sta all' angolo fatto
dalle normali alla curva, e dal medesimo asse in data ragione di namero
a numero. Schediasmi due del Sig. Conte Oiulio Carlo de' Fagnaki.
T. m, 1730, p. 5—28. Schediasma terzo. T. VII, 1732, p. 1—27. [ßi-
prodotti in P. M., T. H, p. 375—402.]
28) Per maggiori particolari si ricorra alle Memorie deüa vOa dd P- ^
Ahgiolo CALoasBl scritie d(ü Padre lettare D. Fobtuhato Maxoelli (Nuom Bac-
colta, T. XXVm, p. 3—78).
29) Dianzi il GalooerI, sotto il pseudonimo di Giovanni Anoxu avera pnb-
blicato a Venezia dae volnmi della Storia lettcraria d' Europa^ tradotU daSä
lingua Francese neW Italiana e due del Giomale de^ letterati di Europa per stf
vire di continuatione aUa Storia letteraria d' Europa.
80) La Miscellanea di varie operette.
n «Giornale de' Letteraii dltalia> di Venezia e la «Baccolta Galogerä>. 257
3. Osserrazioni sopra il Secondo e Terzo Schediasma del Conte Giuuo
Carlo de' Faonami in coi si e data la costruzione algebraica di quelle
curve, nelle qoali Y angolo fatto dalle corde, e dall' asse, sta all' angolo
fatto dalle normali alla cnrya, e dalF asse in ragione costante di numero
a numero, del medesimo Conte de' Fagmani. T. X, 1734, p. 1 — 12. [V. P. M.
p. 403—407.]
4. Osservazioni sopra la descrizione della cicloide geometrica primaria,
che serye d' esempio nel terzo Schediasma del Conte Giulio Carlo de'
Fagnani, circa la maniera di costmire quelle curve, nelle quali 1' angolo
fatto dalle corde, e dall' asse sta all' angolo fatto dalle normali alla curva,
e dall' asse in una data ragione di numero a numero; con aJtre osserrazioni
sopra la Lemniscata dello stesso Conte de' Fagnanl T. X, 1734, p. 13 — 26.
[P. M^ T. n, p. 408—414.]
5. Teorema generale, da cui si deduce la giusta determinazione de'
premi dovuti in ogni sorta di Lotti all' uso di Borna, per ogni sorta di
combinazioni di numeri, che in essi possa giocarsi, anche con la condizione
che i numeri delle combinazioni da giocarsi serbino un luogo, o sia ordine
fisso nell' estrazione. Del Conte Giulio Carlo de' Fagnani. T. XII, 1735,
p. 473—491. [P. M. T. I, p. 497—505.]
6. Due nuove maniere di risolvere algebraicamente 1' equazioni qua-
draticbe. Del Conte Giulio Carlo de' Fagnanl T. XII, 1735, p. 493—503.
[P. M. T. I, p. 465—469.]
7. NuoYO metodo per risolvere algebraicamente 1' equazioni del quarto
grado, applicabile anche alla resoluzione dell' equazione del secondo grado,
de Co: Giulio Carlo de' Fagnanl T. Xm, 1736, p. 107— 118. [P. 3f .,
T. I, p. 470—475.]
8. NuoYa maniera di risolvere algebraicamente 1' Equazioni cubiche,
dedotta dal nuovo metodo di risolvere 1' Equazioni del quarto grado, del
Conte Giulio Carlo de' Fagnani. T. XIV, 1737, p. 227—240. [P. Jf.,
T. I, p. 476—482.]
9. Altro nuovo metodo per la resoluzione algebraica, del Conte Giulio
Caklo db'Fagnahi. T. XV, 1737, p. 507—530. [P. Jlf., T. I, p. 483—493.]
10. Due teorez^ da' quali si deduce la risoluzione analitica d' infinite
spezie d' equazioni sempre piu composte in infinite, e la sezione indefinita
degli archi circolari mediante alcune formole generali e finite, del Conte
Giulio Carlo de' Fagnani. T. XVHF, 1738, p. 275—316. [P. M.^ T. n,
p. 426—443.]
11. Soluzione fatta dal Sig. Conte Giulio Carlo de' Fagnani d' un
problema propostogli dal Reverendiss. Padre Abate Esgenerale D. Guido
Grandl T. XIX, 1739, p. 369—385. [P. Jf., T. II, p. 212—217.]
Abb. tau Oetob. d. M«them. IX. 17
n
258 Gino Loria:
12. De parabolis et hyperbolis ex novo solido seeandis. Epistola Be»
verendissimi P. Guidokis Grandi Camalduensis Abatis ex-generalis ad Ad.
Rever. P. Pbteum ürseolum a Ponte Lectorem Camalduensem. T. XXIL
1740, p. 29—36.
13. Bisposta alla dissertazione del Big. Niccolo Bermulli inserita nü ;
Tomo IX de' Supplement! agli Atti di Lipsia. Del Sig. Conte Gian Frak-
CEsco Onorio de' Faonani. T. XXni, 1741, p. 67 — 111.
14. Lettere di Galileo Galilei al Padre F. Fuloenzio Miganzio Se^
vitÄ. T. XXVI, 1742, p. 477—498.
15. Varie soluzioni d' un problema concernente il Metodo de' Minum
del Conte Giulio Carlo de'Faonanl T. XXVII, 1742, p. 377— 405. [P.Jf^
T. II, p. 218—232.]
16. Jacobi Callixti Beroomatis Quadratnra trianguli mixtilinei ex
methodo indiyisibilium. T. XXXI, 1744, p. 301—305.
17. Secularia Torricelliana ab Georgio Mathia Böse indicata, T. XXXII,
1745, p. 1—29.
18. Georgiae Mathiae Bosae Secularia Torricelliana Oratio. T.AUUI,
1745, p. 31—58.
19. Metodo generale per ritrovare infinite serie di triangoli rettaogoli,
di cui non sono che casi particolari i proposti da Pitaoora, e da Platonk.
Lettera de' Signori Conti Girolaho, e Giuseppe Bikaldis al Beverendisdino
Padre D. Giacomo Stallini C. B. S. chiarissimo Professors di Filosofia
raorale nelF üniversita di Padova. T. XXXV, 1746, p. 337—354.
20. Saggio di una nuova teoria dei numeri figurati, e del loro yirio
uso, massimamente nella somma delle serie infinite. Dissertazione dei Siguoin
Conti GiROLAMO, e Giuseppe Rinaldis Nobili del Sacro Romano Impei
T. XXXVm, 1748, p. 147—224.
21. GuiDONis Ferraru Soc. Jesu de P. Thoma Ceya ejosdem Societa
Commentarius. T. XLIV, 1750, p. 257— 278.
22. De numeralium notarum minuscularum origine. Dissertatio matl — :
matico-critica. T. XLVUI, 1753, p. 19— 110.
23. Sopra la soluzione inserta negli Atti di Lipsia del mese di Marzo 17
del problema algebraico proposto nel Mese di Ottobre 1749. T. XLV^I
1753, p. 235—240.
24. Lettera deir Ab. D. Gaetano Marzagaglia al chiarissimo Sig^
Gabriel Manfredi, Matematico prestantissimo e Segretario del Senate:^
Bologna. T. XLIX, 1753, p. 143—157.
Nuova Raccolta d' OpmcoU scientifici e ßdlogici, 48 Vol. in IS
Venezia.
25. Lettera del Signor Giovanni Galfi al Signor Flavio Gangini coä-
D «Giornale de' Leiterati dltalia> di Yenezia e la «Raccolta CalogeriL». 359
tenente alcnae osservasdoiii intomo tre articoli dell' opera dal Signor Colin
Maclaurin sopra il Calcolo delle FlüSsionL T. I, 1755, p. 221 — 237.
26. Biflessioni in occasione dello scritto del Bignor Bermamno inserto
negli Atti di Lipsia dell' anno 1752, mese di Kovembre, sopra il Problema
Algebraico proposto in detti Atti nelF anno 1749, mese di Ottobre. Si
da qni la solnzione d' altri problemi consimili, con i Teoremi Algebraici,
onde essi problemi dipendono. Del Signor Giulio Cablo Toschi di Faqnano,
Marchese DI sant' Onoäio. T. n, 1756, p. 403 — 433.
27. Mnltisezione degli archi di cerchio per approssimazione secondo nn
certo genere di nnmeri impari, del Signor Marchese di Sant' Onorio Oiulio
de' Toschi di Fagnano. T. IV, 1758, p. 205— 213.
28. NoYum arcnnm parabolae Apollonianae Mensnrae. Anctore Archi-
diacono Johanne Francisco de Tuscms de Faqnano ex Sancti Honorh
Marchionibub. T. XVn, 1768; opuscolo V di pag. 17.
29. Integratio qnorundam qnantitatum differentialinm quae originem
habent a lineis qnae ad circalnm refertor. Anctore Archidiacono Johanne
Francischib db Tuschis a Faqnano etc. T. XXII, 1772; op. I, p. 16.
30. Bednctio fanctionum trascendentalinm simplicium, qnae a Circnlo
petentor, et qnonim oniversalior est usus. Auetore Archidiacono Johanne
Francischis de Tuscms a Faqnano. T. XXII, 1722; op. II, p. 19.
31. Theorema calcoli integraJis. Anctore Archidiacono Francisco de
Tcscms FAQNANa T. X7CTT, 1772; op. m, p. 35.
32. Delle figore piane isoperimetre contenenü le massime snperficie.
Dissertazione del Sig. Co: Giordano Biccati. T. XXÜI, 1772; op. Ym,
P»g. 14.
33. Della maniera di costmire un Portico, che ascende Inngo un piano
inclinato all' orizzonte. Dissertazione del Sig. Co: Giordano Biccati.
T. XXm, 1772; op. IX, p. 6.
34. Demonstratio circnli qnadratnrae ex infinita qnorundam rectangu-
lomm Serie a Cartesio olim deductae, atque in ejusdem Opusculis posthu-
mis absque demonstratione editae. Auetore Archidiacono Johanne Francisco
DE Tuscms A Faqnano. T. XXIV, 1773; op. V, p. 17.
35. Dissertazione del Sig. Co: Giordano Biccati che lo studio delle
Matematiche non favorisce la miscredenza. T. XXVlli, 1775; op. V, p. 14.
36. Lettera contenente alcune rüiessioni sopra un passo del Tomo I
del naoTO Giomale d'Italia stampato in Modena. Lettera air autore della
relazione delle Istituzioni analitiche delF Ab. Co: Vincenzo Biccati, inserita
nel nuoTO Giomale d'Italia, Tomo I, II e m. — T. XXX, 1776; op. IH,
pag. 25.
17*
260 GiikO Loria:
37. Nnova maniera di costmire le Scale ellittiche. Del Sig. Co:
GiOBDANO RiccATi, T. XXXV, 1780; op. VI, p. 8.
Dei layori teste enmnerati nno si riferisce alla storia propiiamente
detta (n. 22), toccando quella parte del nostro sistema di nmnerazione die
si saol chiamare «qnestione Boeziana»; Th. H. Mabtin lo ha ricordato nelk
sue Becherches nouveües concemant les origmes de nak-e Systeme de mmera-
Hon iaite (Bevue Arch^ologiqne, T. JUll, 1857; nota (3)). Dne altri
(nn. 1 e 35) concemono la filosofia delle matematiche, ed h £aciie capii«
perch^ noi non ci arrestiamo ad esporne il contennto. Additiamo di sfnggita
alcnne lettere di Oai^ileo (n. 18), la cui pnbblicazione non trovammo segna-
lata nell' Indice cronologico del Carteggio Galüeiano per cura di Antonk»
Favaro (Firenze, 1896); altrettanto facciamo per alconi scritti comme-
morativi (nn. 17 e 18), biografici (n. 21) o concementi le appliciiiosj
della geometria all' architettnra (nn. 33 e 37). E passiamo ad esporre tuu
snccinta analisi di quanto di interessante abbiamo incontrato, leggendo gli
altri articoli nominati.
Algebra e Trigonometria.
Metodi ideati dal Conte di Fagnano per risolvere le equazioni di 2^,
3^ e 4® grado. Alla risoluzione delle eqnazioni di 2®, 3° e 4® gr&do H
Conte di Fagnano ha dedicate le memorie nn. 6, 7, 8 e 9 e parte di qnella
che reca il n. 10; le prime qnattro sono semplicemente citate dal Mat-
THiESSEN (Grundgüge der antiken und modernen Algd>ra der liüerdlen
Gleichungen, Leipzig 1878, p. 975). — Qnella che reca il n. 6 si riferisce
esclnsiyamente ad eqnazioni di 2® grado e contiene dne nnovi metodi per
risolverle, che risnltano dalle segnenti formole:
4V _ /x« — hy x* — b^ , -1 / 4&«
(1)
1^
8
n. x^'^h^ = ax, 3i^ + 2bx+b^-={a+2b)x,
^ ~ a + 2b~ ^""(6 + «)«' a + 2b~ U + W '
X — b iT/a — 26
-±n
x-\-b -^ f a -f 26
n «Giomale de' Lelierati dltalia» di Venezia e la cRaccolta Calogera». 261
(2) ^ = 6^S±>^X^«)
Pia importante \ la memoria n. 7, ove il Fagnano scioglie in vari modi
Teqaazione biquadratica completa
(3) 0 — m%^ + no? + j?«* + g« + r,
combinandola coli' identita
(4) {zn^ + ya? + «)* = i?*aJ* + Izy^ + (y* + 2jpu)a:' + "Ixjux + 1**,
cioe addizionando alla (4) la (3) moltiplicata per ana nnova quantiU
ausiliare U Si faccia anzitatto t ^sa y e si disponga di ;? e u in modo che
nell' eqnazione risultante
(zx* + yx+ uy = (g^ + my) (X^ -^ (2zy + ny)3i^ + (y^ + 2zu + py) x^
+ (22^u + qy)x + (ti« + xry)
scompajano i termini secondo e qnarto. Üiö esige si assnma 5 »» —.
ti ^ 1- ; allora qaesta diyiene
(-Ix + y* -- 1-)*- ß- + «y)^* + (y« + j,y + ^i)*»+ (l' + r^) .
£ affinch^ il secondo membro risulti, come il primo ^, un qnadrato perfetto
^ si deve scegliere per modo che si abbia:
esegniti i calcoli si ottiene nn' eqnazione (risolyente) in j^ di 3^ gnido,
mediante la quäle la risolozione dell' eqnazione proposta e ricondotta a
qnella di equazioni quadratiche. Allo stesso risnltato si perviene facendo
( s — 4 ir e disponendo di y e u in modo che nel secondo membro deir
eqnazione risnltante manchino i termini in o;^ e x^; oppore facendo t=^ — 4 m
e disponendo di j^ e u di maniera che nel secondo membro deir eqnazione
ottenuta manchino i termini in o^ e o;*.*')
Un concetto somigliante e applicable all' eqnazione generale del 2® grado
(5) 0 = wo;' + MX +!>,
31) Cf. Matthisssbh, op. cit. p. S21.
32) Y. andbe Tarticolo Formola generaU per la resoluzione analitica deUe
tqnaziom del 4\ del 3» e del 2^ grado (P. M., T. II, p. 444—449) ove il Faohaho
ifniUa in modo analoge le segnente identita
262 Gino Loria:
cbe il Faonano accoppia all' identita
(6) {yx + uf = y^T? + 2yux + t*« ,
deriyandone la segoente:
{yx + uf = (y* — mt) x* + (2yu — nt)x + (u^—pt)
e facendo nna Yolta t^^u^^p^ ^^^Y' ^^^ seconda volta i = y^m^
u SS _ : in eniiumbi i casi ottiene la formola nota.
Piu riposta h Fapplicazione del medesimo concetto all' eqnaaone
generale di terzo grado:
(7) it* + nx* + |?a; + 2 = 0;
il Faonano la ottiene (n. 8) moltiplicando quest' equazione pel binomio
x -j- y^ e combinando quindi la eqnazione risultante
0 = jc* + (n + y)a?' + (p + ny)x* + (q+py)x + qy
coli' identita
Per breyita passo sotto silenzio la risolozione dell' eqnazione cubica esposta
dal Faonano nella memoria n. 11; con maggior ragione fo altrettanto di
qnella che egli feoe conosoere nel T. I (p. 494 — 496) delle P. M. percbe,
in ultima analisi, non differisce dalla notissima solozione di Huddb, modi-
ficata da Laobanoe. ^ Ma non e lecito il non indicare il metodo
esposto nella memoria n. 10, che sembra superiore a tatti gli altri,
se non altro perche motte in Ince meridiana il fatto che risolrere an'
equazione altro non e che trasformame il primo membro.
n fondamento di questo metodo risiede nel aeguente teorema: iUh
equazione
(8) 2y<r-^ = (x + Vx* + <^f± (x — }/z*qpc*/
soatarisce l'altra
(9) 2x0« - (jf + yy* + c^j« + (y-Vy^ + c*j-t.
II Faonano lo dimostra con semplici trasformazioni algebriohe ed in-
yita il lettore a paragonarlo con quanto il de Hoiyrb espose nell' articolo
Ae^iuatioHHm guarumlam potestatcs etc. (PhiL Transactions^ No. 309, 1707;
oppure i4(^i entd. Febhn^o 1709), articolo di cui egli afferma avere arnto
33^ et BlArraiB8»x, p. 4^7.
H «Giomale de' Letterati dltalia» di Venezia e la «Raccolta Calogerä.>. 263
conoscenza dopo di essere giunio a qnel leoreina. — Gib posto, se nella
(8) (9) si prendono i segni superiori e si snppone a= 3, 7- =/?, — -ry=Q^
la prima diyiene
cioe r eqnazione generale di terz' ordine priva del secondo termine, e la
seconda da
'-{-i-+V^+ff+{-i-W+€)
3
che e la nota fonnola di Cardano. — II Faonako agginnge che simil-
mente si pnö risolvere 1' eqnazione di secondo grado
z^ -}- pz -}- q =' 0]
bisogna percio previamente trasformarla in una biqnadratica, ponendo
Poieh^ il Faonano e assai meno noto come algebrista di qnel che sia
come analista, ci sia lecito, prima di abbandonare qnesto argomento, di
attrarre V attenzione degli stndiosi snlla Soluzione di quaUro prohlemi cma-
liiici da' quaU si deduce can metodo uniforme la resoluzione ddP equaziani
dd secondo, del terzo e dd quarto grado (P. Jf., T. ü, p. 450—468).**)
Sono iri anzitntto stabilite le qnattro segnenti identita:
(10) (a + 6 + c)« = (a + 2c) (a + 6 + c) + 6» + a& — c* — ac.
(11) (a + 6 + c)» = 3c(a + 6 + c)« + 3 {ah — c«) (a + 5 + c)
-{-a^+h^ -^-c^ — ahc.
ri2) (a + &-f.c)* = (2c*+ 4a6)(a + 5 + c)»
+ (4a>+46«c)(a + & + c)
+ a* + 6* — c* — 2a^h^ + 4a5cl
Paragonando la prima con F eqnazione
si vede che questa a qnella si idenüfica ponendo
x = a-f"2> + c, a-f-2c = n, h^ -{- ah — c^ — ac=p\
e da qneste si irae la solita formola. Similmente la (11) si pno identi-
34) A completare Telenco dei layori del Fagmano sulla risolusione delle
equazioni letterali, citiamo VÄppliccusione deW algoritmo nuovo Ma risoliuione
onaHitica deü' equazumi del secondo dd terzo e del qttarto grado (P. M., T. I,
p. 423 — 464). L'< algoritmo naoYO» iri applicato poggia sali* ipotesi che come
prodotto di dne nameri p, 9, si assama, invece di -^ pq^ la qaaniitä — pq; il
Paohaxo ae ne seire per dimosfcrare che gli ordinär i numeri immaginari non hanno
noIla di assnrdo.
264 Gino Loria:
ficare all' equazione generale di 3^ grado; si gionge cod, con metodo
sostanziabnente identico, aUe farmole stabüite dal Gbunert piu dt im
secolo dopo Faonano. *^) Agginngiamo che analogamente si puo risolyere
V eqnazione biqnadratica, mediante le identita (12): tal modo di procedere
\ nella sostanza, identico a quello che porta il nome del Grunert^); ne
differisce per cio solo che qnesti parte, invece che daUa (12), da un'altn
identita congenere.
Sül caso irriducibüe, Nella memoria n. 24 il Marzaoaolia '^) espone
al sno maestro Gabriele Manfredi im procedimento per giostificare k
presenza di quantita immaginarie nelle formole cardaniche relative ad nn
equazione cnbica a radici reali; esso consiste nell' osservare che, posto
X ssss y -^ e^ per risolyere V eqnazione a;* + jpo? + g' «« 0, bisogna e basta
determinare due nnmeri tali che si abbia 3y;? = — 1>, y' + ^' = — r;
ora da nn gmppo di proposizioni stabilite dall' antore emerge che, se
^ -f- -^ < 0, a questo sistema e impossibile soddisfare con nnmeri realL
Tearia dei numeri e Calcolo combinat&rio. Nella prefiazione (datata
8 Maggie 1753) alla stessa memoria il Marzaqaolia annanda di iTere
risolnti i segnenti problemi: I. Dato nn nnmero intero non qnadrato a>
trovare infiniti nnmeri interi x tali che aa^ '\'l sia nn qnadrato. II. Tro-
yare nn intero decomponibile n Yolte nella somma di dne qnadratl
III. Determinare di qnanti triangoli rettangoli V intero (a' -j* ^') ^
(<?'{' J'^) n (p^ -\- ^)f (sie!) pno essere ipotenusa. Se e dove il Mabia-
OAOLIA abbia esposte le ideate solnzioni, ci e ignoto^): qnal grado di
noyita possedessero a' suoi tempi, si vede, osserrando che il I problema
altro non e che il notissimo problema di Pell proposto da Fermat ai mat«-
matici inglesi e risolto da Lord Brounker in nn modo che Walus fece
conoscere nelle sue Opere (1695 — 1699) e che Eulero riespose (1770)
nella sna Algebra (II Parte, II Sez. Cap. 7°): tale soluzione ha V incon-
yeniente di non mettere in Ince la possibilita di risolyere il problema
qualunqne sia a e fu snrrogata con altra perfetta da Laqranoe (cfr.
Leqendre, Zahlcntheorie, deutseh von H. Maser, T. I, Leipzig, 1886^ p. 60).
II n dei referiti problemi fu risolto da Fermat in una delle sne osse^
yazioni a Diofanto (Oeuvres, ed. Tannery et Henry, T. I, 1891, p. 293,
e T. III, 1896, p. 243); forse il Marzaoaqlia troyö, prima di LEGEKDas
35) Archiv für Math., T. XL, 1863, p. 246. Cfr. Matthib88bk, p. 452.
36) Afthiv für Math,, T. XL, 1863, p. 394. Cfr. Mattris88kk, p. 664.
37) Non ricordato dal Poqoshdobff.
38) Abbia ricorso inyano anche alla BibUoteca maiemaitiea del Biccaioi ore
al Majuuqaolia ^ dedicato an ariieolo (T. U, 1873—76, col. 129—131).
n cGioniale de* Leiterafci dltalia» di Yenezia e la «Raccolta GalogeriL>. 265
(V. Vol. dt. p. 310), la dimostrazione di quanto il scmmo geometra fran-
cese erasi contentato di asserire. A qneste osservazioni di Fermat sembra
anche collegato il HI degli eniinciati problemi. — Molto minore importanza
possiede nn altro scritto sulla teoria dei nomeri (n. 19), nel qnale gli
autori, per costamire dei triangoli rettangoli in nmneri razionali o?, y, jb,
pongono (coxne gia fece Diopahto) » «= n , y =» pvi? — g , jg — jpn* -}- q ,
con la condizione 4j>g ss l^ ed attribtdscono a p, g yalori nnmerici parti-
colari: nascono cod delle tabelle, a coi certamente neBsnno ayra mai occa-
sione di licorrere! — Pia tardi i medesimi antori somministrarono alla
Raccolta nn lavoro piu originale (n. 20), ayente per iscopo di fondare una
teoria dei fiumeri poligonaU geometrici analoga a quella che, sin dai tempi
di Ipsicle (se non prima), erasi eretta solla consideraadone di mia progres-
sione aritmetica. Essi partono per cio dalla progressione geometrica
a, wa, «»*a, ..., w*~^a, ...;
sommandone i primi n termini (n »= 1, 2, . . .) ottengono la nuova serie
ma — o fffa — a m^a — a m^a — a
i coi elementi si chiamano numeri figurati geometri di I ardine, Sommando
n termini di questa nnova serie (n »= 1 , 2 , . . .) si otierranno similmente
i numeri figurati geometrici di II ordine, E cosi prosegaendo si otterra
come espressione doli' n"^ numero figorato di (p -{- ^)™^ ordine la seguente:
i»«+j»_^p-ia fnP-^a n(n + l) w'"^*a
fi
« (n + 1) • • • (n + P — 1)
1-2 • • • p
a.
Gli antori si arrestano poi a far conoscere alcnne applicazioni delle
considenudoni svolte. In nna di esse estendono certe serie considerate da
GiovANwi Bernoulli (Opera omnia^ 1742, T. IV, p. 1) e Fontenelle
(Mem, de Paris, 1722). Neil' altra essi ricordano che nel Journal de
Trevoux (Settembre e Ottobre 1701) era stato proposto di «trovare la
curra di cni le Ordinate segnono la progressione dei nnmeri natnrali e le
ascisse qnelle dei nnmeri triangolari> e che esso erastato risolto dal Carr^
{Mem. de Paris, 1701) e poi esteso dal Fontenelle a tntti i poligoni
aritmetici (Elem. de la gSom, de l'Infini, Sect. Vn, P. n); per analogia si
propoogono di 4ctroYare la natura di quelle curve, le cni ordinate seguono
1& progressione dei nnmeri natnrali e le ascisse la progressione dei nnmeri
figurati geometrici di p^° ordine»; tale curva si costmisce mediante nna
logaritmica ed nna cnnra parabolica.
266 Clino Loria:
Non abbandoneremo V analisi combinatoria senza citare nn lavoro
del Faonano (n. 5)'^), ove alctme formole fondamentali di essa sono appli-
cate a riflolvere il segaente problema di probabilita: cTroTare ne' loui
air OSO di Borna il nnmero di tatti i casi possibili fayoTeroli e di tntti
i casi possibili contrari a chi gioca nna combiDazione di g nnmeri oon \i
condizione che in essa si contengano f numeri i qnali abbiano nn Inogo
fisso nell* estrazione». Detto fi il numero dei numeri fra cui si estne, U
probabilita della yincita e
p = n(n — i)...(ft-^^ + l)
(e-/^(e -./•-!). ..(e-y + i)
Ora poich^ «ne' lotti all' nso di Borna tra la spesa e la ricompeua
deye conrere la medesima proporzione, che passa tra il numero de' casi pos-
sibili favoroYoli e il numero de' casi possibili contrari >, com si oonclnde il
seguente teorema: Se d rappresenta la spesa contribuita dal giuocatore e p
la ricompensa che gli si deve se yince, si avra:
p = dP—d.*^)
EUminojsione. Kegli Ada erud, del 1749 (p. 627) il Fagnano, sotto
il yelo dell' anonimo, propose il seguente problema: «Date le eqaaziooi
aj* CBS 2>x* -|- ga? + r , aj* = foi? + §7? -f" *^ 4* *" i determinare i coeffi-
cienti f^ g^ h in modo che uno stesso valore di x soddisfi le due eqüi-
zioni». Pure sotto il yelo dell' anonimo egli riassunse (y. n. 23) la soh-
zione che ne fu data da 0. F. Baermann negli Ada dal 1750^^); in tale
Boluzione ^ e ^ yengono ottenuti in funzione di /", il quäle rimane arbitraiio,
come poteyasi preyedere/^ Del problema e del riassunto egli si confesso
autore in un layoro (n. 26) oye yengono insegnate delle considerazioni die
riyelano la genesi della questione ed un nuoyo modo di scioglierla e poi
di generalizzarla. lyi il nostro autore stabilisce differenti proposizioni ck
si possono compendiare nel seguente enunciato: «II polinomio
— (t*~ + aiu— 1 H h a«-iu + ^^^^ + • • • + ■^)
+ Om+i«*"'""* H ha«
89) Qaesto layoro non h ricordato in Ä History of ihe ma(htmaUeal Thm^
of Probabilüg ^Cambridge and London, 1866) del Todhchtss.
40) Altre queationi analoghe alle surriferita, in qdo ad alcane proposixiooi
combinatorie che Ti ai oollegano, si irovano in P. M., T. I, p. 506—528.
41) Eaxerpiae Epistolae G. F. Bbbaiakni mathem. in Acad. WiUeb. J^f
Publici, ad J. 0. M. (Nova Acta Eruditorum, Anno MDCCL, p. 134—135).
42) Cf. ancbe: G. Bairmanni Ändlysis problenuUis aJgelrici etc. {Nova id^
Eiiiditorum, Anno MDCCLII, p. 665-669).
«»-"
II «Giomale de' Letterati dltalia» di Yenezia e la «Raccolta Calogerä>. 267
e diTisilnle per x — u.» Per consequenza, se u e radice delF eqnazione
X*=»J>Ä* + 3* + ♦'j
^ = (^—i — üi — i)^ + ^^^ + ^^^ + ^
sara an eqnazione avente iina radice comnne con quella. Similmente si
potra trasformare ogni eqnazione priva di nn qnalnnqne sno termine, in
altra completa. II Faonano riconosce che contro qnesto pro cedimento si
pno far yalere Y ignoranza delle formole di risolnzione delle eqnazioni di
grado > 4, ma replica notando che la loro conoscenza, nel caso attnale,
si pn& concedere, come nell' alta geometria si ammette 1' effet tnabilita di
qnaisia qnadratura. Da nltimo egli nu)8tra che f(x) — f(u) e sempre
divisibile per x — u mentre f(x) — /*( — w) lo e per ä + i*.
Formole per la moUipUccuione degli archi, Ritomiamo snlla memoria
n. 10 per osservare come, nel passare dair eqnazione antecedentemente
segnata (8) alla (9) s' incontri la segnente:
(10) c«-i(y + yy^ — c^) = x + yS«+V.
Ora differenziandola e diyidendo 1' eqnazione risnltante per la primi-
tiya si ottiene
dy dx
Vy* — c» i/ä* — c»
Similmente
dy dx
Yy* + c* yjc» + c*
Faeendo qiu c= 1, y =^ gy—l , x =* uy— 1 essa diyiene
dz du
a
yi— xr« yi — u» '
mentre le (8) e (9) assnmono il segnente aspetto:
(n) • jL i
2uy=T = (^yiTT + yizz^y^ (^yiTi — yi — z%
D^ altronde 1' eqnazione preoedente integrata da
arc sen iP =» a arc sen u
0 anche
arc corda « =» a arc corda u ;
e poiche dalle (ll), fatti i calcoli, scomparo ogni traccia d' immaginario,
cosi esse porgono la solnzione del problema della moltiplicazione degli archi.
11 Faonano le ha variamente trasformate, ottenendo cosi, non solo delle
formole gia stabilite da Giovanni Bernoulli {Acta Erud. 1712; Opera
onmia, T. T, p. 511) e dal Lagnt (itfem. de Paris^ 1705), ma altre in
268 Gino Loria:
coi entrano le secanti degli angoli considerati.^') — Non pago di qnest«
solnzioni del problema della diyisione degli archi il Faghano ne diede un
altra per approssimazione (n. 27) basata solF identita
2*±
ora r espressione
2*j:i
3 '
ove si prenda il segno -|~ ^^ ^ ^ dispari e il segno — se ^ pari, e s^npre
an intero </, onde la formola precedente si pno scrivere nei dne modi segnenti:
A _%A .^A . ZA y^A .
<7 "" 2* — 2" "^ 2" — 2** """ '
^ _9^ \9^ \9^ \9^ x
8 ~ 2* — 2" "^ 2" — 2** "*
che potranno ntilizzarsi per diyidere, mediante bisezioni ripetnte, T angolo
^ in 3 o ^ parti egaali.
Cfeometria elementare.
Jlfa^^tifi« t mimmi, 61i scritti nn. 11 e 15 contengono le solnzioni
dei due segnenti problemi: I. Sia data la retta AB tagliata per metain
G da nna retta CF fiacente con AB \ angolo semiretto ACB, detennisare
SU GF il ponto JE? tale che il qnoaente =^j risulti massimo o mi-
nimo. Per m »> 3, n »s 1 si ritroYa nna qnesüone proposta al FAOi^iNO
da Guido Grandi. n (snggerito al Fagkano dal P. Orazio Bobgonsio):
Dati in nn piano an angolo ed an cerchio, troyare qaella tangente al
cerchio di cai \ minimo il segmento intercetto fra i lati dell' angolo^>
Maggiore Interesse teorico possiede la memoria n. 32, ove Giordano Biccati
si propose di fondare la teoria degli isoperimetri nel piano sopra sempÜci
consideraiioni geometriche elementare: e \ intento stesso di an ben ooto
oposcolo del geometra greco Zekodoro, del qaale il nostro aatore sembr«
abbia ignorata la esisienia, qoantanque eso sia stato pabblicato a Basilea
sin dal 1538, assieme al Commmio aW AlmagesU) di Teone Ai.e88Aki)IU>o
Quadrahim dd cftxhkh Nella AmH)tationes in locum quendam CM^'
iui drttiU qwidraturam speriimtem {Xori Camm. Feirop,, T. VIll, Fetrop
48^ Cfr. aache uno schediasma presenUto dal Faoxaso all' Accademia degii
ArvAiti di lioma e pubblicato in F. M. T. II, p. 469—476 col ütolo Altro «e^
per /« jariTHHi« i^hfiniim dt^i «rcAi cirtokai sensa i? wmssidio ddU Serie.
44^ IVr »Itra probWnia cottf!«oere a qnesti dne, si xegga P. Jlf., "^ ^
p it^— ill.
II «Giomale de' Letteraii d*Italia> di Yeneada e la cBaccolta Calogerä». 269
1763, p. 157 — 168) Eülero ha dimostrato nn procedimento per quadrare
il cerchio, che si troYa segnalato in un frammento tolto dai manoscritti
di Cartesio. Tale procedimento pa6 enimciarsi algebricamente cosi: „Se
si determinano snccessivamente le quantita positive x^^ x^j a^, ... per
modo che sia:
(a + Xi) 0?! = ^, (a + Xj-f a:j)a'j = ^, (a + x^ + x^'^x;)x^ = ^,'"
si ayia
ö + ^i + ^a+ÄsH = -^"•
GiORDANO RiccATi avendo appreso qnesto procedimento dagli Ada
Erud. 1763, Yolle (y. n. 34) dimostrarlo elementarmente e yi pervenne
fondandosi sopra qneste due proposizioni : 1. L' area del poligono
regolare di 2n lati inscritto nel cerchio di raggio R & egnale ad an
rettangolo aYente per lati — ed il perimetro del poligono di n lati inscritto
nel medesimo cerchio. 2. U area di un cerchio h media proporzionale tra
r area di qnalnnque poligono regolare ad esso circoscritto e qnella di an
poligono isoperimetro e simile al primo.
Segiom piane dd paräboloide iperholico. GhjiDO Grandi si h proposto di
mostrare (y. n. 12), che, oltre ai coni ed ai cilindri, esistono altre superficie
afODti per sezioni piane delle parabole e delle iperboli. A tale scopo considera
nn prisma aYente per basi i due triangoli ÄBE, DCF e lo sega con an
piano parallelo alla faccia BCFE; ottiene cosi solle dae basi le rette fra
loro parallele GH, ML, e condace &X; il laogo di tatte le rette h ana super-
fieie in cai si troYano infinite iperboli ed infinite parabole: cih h oggi evidente
dal momento che qaella saperficie altro non h che an paräboloide iperholico.
Caleolo inflnitesimale e applicazioni geometriehe.
PoHemica, criHca, metodisHca. Nel T. XXYII del GHomdU d€ letteraH
(f Italia^) il Conte Giulio Faqnano ammise come possibile di giangere
ad an' eqnazione differenziale del segaente tipo
f^da^ X da? dxdy y dx
senza sapporre costante dy o dx, Tale asserzione fa combattata di Nigolo
Bebnoulli {Ada erud, T. XXIX), il qaale la ritenne legittima soltanto per
c=s — h, n Fagkano rispose nel T. XXXI del GiomaU snddetto**) e
46) V. il n. 26 deir Indice coDtennto nella 1 parte del presente scritto.
46) Y. il D. 31 deir Indice succitato.
270 Gino Loria:
provoci cou an nuoYO scritto del suo oppositore {Acta erud., Snppl. T. H).
£d a qnesto nnovo attacco il Fagnano „fece rispondere^ dal proprio figlio:
mi esprimo coffl perchi la parte dottrinale della memoria n. 13 fu inseriu
sotto il nome del padre nel T. 11 (p. 282—291) delle R M.
AI pari di qnesto scritto polemico, possiede an certo yalore permaneDte
anche la memoria pseudonima n. 25, ove Y autore — che h sicuramente Giulio
Faqnano (nome di cui Giovanni Galfi e Flaviö Gangini sono anagnnmii)
— rivendica all' antore delle P. Jtf. le indagini sulla lemniscata esposte d^
Maclaurin nel sno Trattato deUe flussioni, adducendo come prova il fatio
che i relativi studi del Fagnano risalgono agli anni 1715 — 1718, mentre
r opera del Maclaurin usci in Inglese nel 1742 e sette anni dopo in
Francese. 1/ antore corregge poi un' errata rappresentazione geometrica che
si troya nell' Art. 802 di qnel Trattato e stabilisce nn teorema sull^ iper-
bole iyi assnnto senza dimostrazione (Ait. 799 e 927).
Interessantissime sono le due lettere di Yincenzo Biccati di coi consts
lo scritto n. 36. La prima, non gia perch^ contiene nna riTendieazione di
priorita, ma perche richiama alla memoria il fatto che il Riccati mede-
simo^^) e Paolo Frisi^) si occnparono pin di an secolo fa di an punto
notevolissimo del piano di an triangolo: parlo di qael ponto per cni e
minima la somma delle distanze dei yertici^^); e dimostrarono geometrica*
mente essere desso qnel pnnto le cai congiangenti con i yertici stessi fonnaDO
a dae a dae angoli fra loro egaali. La seconda, non gia per ayere toocaU
ana qaestione^^) a coi piii tardi Gregokio Fomtana^^) consacro un aiü-
colo speciale, ma perche fa yedere che Y. Biccati per primo ebbe d
attuö V idea di (andere il calcolo differenziale colV integrah
„Se ayessi — egli scriye — scelto il metodo di parlar prima del Calcolo
differenziale, e delle affezioni delle carye, che da esso dedaconsi; appresso
del Calcolo integrale, e delle affezioni, che ne abbisognano, yoi^^) avrest«
47) Nelle Instüutiones a/ndl/ifticae a Y. Riccato et H. Saladoto (Bononiae, 1760.
48) De problenuUibus quibusdam maximorum et minimorum (Atii dell' icc.
di Siena, T. IV, 1771).
49) Sa tal punto attirö rattenztone dei geometri il Fbrmat propooendo
il problema: «Datis tribus punctis, quartum reperire, a quo si ducantar tr»
rectae ad data puneta, summa trium haram rectanim sit minima quuititv»
(Oeuvres de Fermat, ed. Tahhkby et Hkitoy, T. I, 1891, p. 158).
50) Se ogoi settore circoUre sia esprimibile mediante nn seitore iperboHoo
imm*aginario.
61) Sopra i logaritmi delle quantitä negative e sopra gVimmaginan (Meni
delle See. Ital. delle Scienze, T. I, 1782, p. 183—202).
52) Questa lettera h in risposta a tre articoli di G. Pbssuti iaseriti m
Nuovo GiortuOe de' letterati d'ItaUa (T. I, p. 50, T. U, p. 29, T. HI, p. 78). H
Pessuti replicö con le RifkssUmi analitidie etc. (Livomo, 1777).
II «Giornale de* Leiieratd d'Italia» di Venezia e la «Baccolta Calogerä». 271
ragione d' appormi iwa perpetua coufusione, e d' aver fuori d' ogni bnon
ordine mescolata tma cosa coli' altra. Ma il mio metodo e interamente
diverso; e voi doYreste esaminare s' esso sia buono e ordinato, non se sia
conforme a metodi altnii. Acciocche siate in istato di fare meglio cotal
disamina, ye 1' esporro minutamente. Mio disegno e stato d' unire insieme
il calcolo differenziale e integrale, dividendo V Opera in dne parti. Nella
prima traito delle prime differenze, nella seconda delle differenze seconde e
alteriori. Qnanto alla prima la divido in due libri. Nel primo tratto di
quella parte del calcolo differenziale, che conduce o scioglie formole com-
poste d' una sola yanabile. Egli e yero che mostro nel principio la diffe-
renziazione, ed integrazione d' alcnne semplicissime formole a dne yariabili;
perche ne faccio uso in progresso in alcnne formole d' una yariabile. Ma
la üusilita, e V eleganza permette agli antori una d discreta liberta. Kel
secondo libro tratto di quella parte del calcolo differenziale e integrale,
ehe conduce, o scioglie formole composte di due o piu yariabili. Nelle
seconda parte, che forma il terzo libro, parle del calcolo differenzio-differen-
ziale, e del suo integrale. Sembrami d' avere esattamente eseguito cosl
fatto metodo, che mi sono proposto. -*- Eccoyi la ragione, che m'ha in-
dotto ad abbandonare il metodo ^ntico. Se ayessi prima parlato del cal-
colo differenziale e poi dell' integrale, sarebbe stato di mestieri, che col
differenziale troyassi le formole, e con essi sciogliessi i problemi diretti;
indi passando all' integrale le^ richiamassi di nuovo per appUcarle ai pro*
blemi inyersi, il che porta lunghezza e nojosa ripetizione Quanto a'
principianti , io n'ho fatte replicate prove, e y' assicuro che il mio metodo
riesce loro piu facile del comune.** Sia questa lunga citazione giustificata
dal fatto che la questione didattica della fnsione del calcolo differenziale
coir integrale e oggi all' ordine del giomo!
Formole di mtegraeione, Alla Nuova Baccolta Fagnano figlio ha som-
ministrato tre articoli (nn. 29, 30, 31) tutti relatiyi a certi integral! gia
coDosciuti. Nel primo deduce dall' identita
.• f„ «^ (l + ttgxr-q^ttga:)*
(l + »tga:)* + (l-»tgir)«
altre analoghe che portano a concludere la relazione seguente
/* dx . / ig nx \ «
\g7ix \Yi + tg^nxj
nonche altre somiglianti; cosi resta illustrata un asserzione contenuta nel
§. XI della memoria di Giovanni Bernoulli intitolata Continualio matcriae
(^f trajedoriis redprods (Acta Erud., Suppl. T. IX; Opera otnnia, T. II,
p- 600). L' articolo secondo conceme invece gli integrali:
272 Gino Loria:
dx
/' dx r dx r dx r
coB a;' ^ cos'ä' J cos ar sen o; ' J Bew'x
e si riattacca a ricerche di Eulero; il terzo invece si connette nnoTamente
a risultati di Oiov. Bebnoulli, tendendo a dimostrare le ridnaone di
/^ ~r- a I -' — Tntte qneste indagini sono eTidentemente
connesse a quelle (che risalgono al 1718) i cui risultati sono conaegn&ti
neue Solueione di ire pröblemi di calcolo vntegrcde (P. itf., T. II, p. 492—
503), ove OiULio Carlo de' Faonaki, gionse alla rettificazione della cmra
logaritmica con metodo proprio, differente da quelli (a lui, del resto ignoti)
che condnssero il Marchese de iJ Höpital (1692), Huygens (1693), Jacopo
EiccATi (1715)"), e Cotes (1722) allo'stesso risultato.
H teorema dd binomio per un esponmte qualunque. Contemponmee
alle investigazioni di Fagnano padre, teste citate, sono quelle, di gran langi
piu importanti, contenute nell' articolo Maniera di far servire aüa geomeiria
alcune dignitä immaginarie (P. M,, T. n, p. 476 — 492), ove, assai prima di
EuLEBo, sono considerate e trattate in modo originale le potenze ad espo-
nente immaginario. Ivi il nostro autore considera la quantita
^=H-T- + ^^^** + --^2-l— ^ + -
e si domanda quäle ne sia 1' espressione in tennini finiti, qualunqne sia ».
Per rispondere osserra che, differenziando rü^petto a a:, si ottiene
dE n ^ . dE dn
= -z—, — E ossia -r=r = n
dx 1 4- X E 1 + x
donde int^grando si ricaya
cioe il teorema del binomio per un esponente qualunque. II Fagnanu
applica questo importantissimo risultato ad esprimere in sene dl quantita
reali le seguenti quantita apparentemente immaginarie
e se ne serre per risolvere il problema seguente: „Dati il cerchio di raggio
1 e la iperbola equilatera di potenza 1, troyare il settore del primo cbe
equiyale all' area compresa fra V iperbola, 1' asse delle x e le Ordinate re-
lative alle asscisse 1 e a: -j- l.** E condude: „e dunque motivo di sperare,
che questa mia invenzione giungera a&tto nuova agli analisti, poiche, p«r
63) V. la Vita del Contb Jacofo Riccati senHa dal Cav. C. di Eovffo in
0. Ä, T. IV, p. XIV.
n «Giornale de' Letterati d*Italia> di Venezia e la «Raccolta Galogerä». 273
quanto i a me noto, niano di essi a mai dato segno di credere che si
potesse far nso delle qaantita innalzate a dignita immaginarie/'
ArM di conica a differenza rettificäbile; spirali siniisoidi. Per non
allangare olteriormente questo scritto non analizzo il lavoro n. 28, di cui
e palese e confessato il legame con uno inserito in P. M. (T. 11, p. 504 —
510); e per quanto conceme le memorie nn. 2, 3 e 4 mi basti ricordare^)
che esse fanno risalire al Conte di Faonano la scoperta delle spirali
sinusoidL
Non h infreqnente Y ndire afifermare (anche da' gindici pin benevoli)
che, prima del 1850, i matematici Italiani lavorarono isolatemente, senza
prendere parte al grande moyimento intellettaale che fece raggiungere alle
Scienze esatte lo stato in cui attoalmente si trovano. Da quanto esponemmo
nelle pagine precedenti — oye, in quasi ogni linea, s' incontra il nome dt
qnalche sommo matematico oltramontano — risulta che quelF affermazione
e disformo dal yero, almeno per quanto conceme 11 See. XVlll. I lavori
del RuFFiNi e del Mälfatti, del Paoli e del Fontana, del Bordoni e del
Mainardi, e di altri minori, bastano ad estendere la portata di tale con-
clnsione sino alla meta del Secolo attuale.
5i) Cf. Q-. LoRiA, InUgrali Euleriani e spirali tinusoidi (Resoconti dell' Acc.
di Praga, 1897).
4 bis) In questo articolo h esposto quel procedimento per integare certe
eqnasioni differensiali che ri chiama metodo deUa dimezgaia separazione. Qaeeto
metodo fa comnnicato nel 1714 da J. Riccatt a B. Zbndrini e qnesti, a mezzö
del BoTTBOUBT, lo portö a conoscenza di Leibniz, che cosi giadicollo, in una lettera
diretta al Boüsoubt stesso, da Hannover nel Dicembre dell* anno suddetto, e che
non si trova nei MaÜh. Schriften, ed. Gxbhabx>t: «Le diiBCOura Analytique de yotre
Ami, snr la mani^re de s^parer les inconnues dans les Equations diff^rentielles,
me parait ing^nienz, et ses m^ditations m^ritent d*^tre culti?^e8 et ^claircies plus
amplement. Je compare ces sortes de m^thodes ayec les diffi^rents tours d'adresse
dont on se sert dans le calcul de Diophante, quand il s'agit de r^soudre les
i^nationa en nombres rationnaux. Je ne sais si c'est M. Zbndriiii, on quelque
antre Ami que tous avez en Italic. Quelqu'il soit, il parait capable de donner
qoelqne chose de considdrable, et je vons supplie, Monsieur, de Feshorter ä
poorauivre. Cependant il faut que je dise qu'il y a des säparations des inconnues
dana les diffärentielles, qui ne soffisent point pour en tirer les quadratures, quoique
on alt coutome de prendre Tun pour Tautre» {Opere del ConU Jacopo Riccati^
NoMe Trevtgiano, T. I. Lucca 1761, p. 436).
14 bis) Ayendo il Mahfbkdi fatto omaggio della sna opera a Leibhiz, rice-
▼ette da questi la seguente lettera, aasai lusinghiera ed interessante, che il
Abhdir Getoh. d. M«th«m. IX. 18
274 Gino Loritt: II «Giorn. de* Letter, dltalia» di Yenesia e la «Bacc. Calogen».
Fabroni ba pubblicata per primo {Vitae liälorum doctrinae exceUentium etc^ T.V,
Pisis MDCGLXXIX, p. 223—224) e che non trovb posto in LeibnizeM Math. SAriftm,
ed. Gebhiadt
IlluBtrissimo et celeberrimo Viro Gabubli Manfsedio Guilelkus Leibxitius S. P. T.
Pro manere egregio gratias et meo et pnblico nomine tibi ago. Debebit
tibi Italia, aliisque paucis, ne expera sit elegantioris, profnndiorisqae Geo-
metriae nuper apertae. Nee dnbito, yestra ingenio magnos in ea progressns
factara, nbi semel rectae viae institerint. Vobis totam prope Algebra debemoi,
qnalifl bactenns habetur; nam cubici gradus reaolatio Scipiohis Fsbbei, et
biqaadratici est Ludovici FERiuRn. In Gteometria sublimiore coeperaot prae-
clari aliqnid agere Cavalb&iüs et Tobbiceluus ; sed cum in ipsis initiis haedsseot,
alii eorom studiis adiuti progressi sunt longios, tandemque res ad qacddaia
Analyseos seu Calculi genus a me perducta est. Eam qnis videtor multum abesae
a perfectione? cum ne in Algebra quidem hacienus aliquis publice processent
ultra quartum gradum, ant saltem ^iam longius progrediendi ostenderit. Ta
quidem eleganti, atque utili compendio sparsim exposita complezus. es, ot facUiai
apparet, quid adhuc desideretur. Aequationem di£Perentialem , quam sub finem
Operis construis ita resolvere soleo; si fit dy : dx '^ z -i- vy^ posito o, et s dar!
per X utcumque. Fiet y =* nfz dx in et log n ^^CydXy sea }r =«,
adeoque tandem erit y ^^ h*^^ 'Cfzdx : 6*^* *).
Optet autem regressu facto Catalogos ezhiberi aequationum differentialiam
tractabilium, ut, oblata aliqua, conatituere facilius possimus primo aspectn, an sit
in potestate. Sed maxime prodest artem exerceri per problemata, yeluti si qoia tibi
proponat in superficiebus datis minimam a dato puncto ad datum dacere, aliaque
id genus. Per problemata enim, et ingenium acuitur, et acientia augetur, atque
in usus transfertur.
Ceterum mihi semper gratissimum erit, tuo vel amicomm tuorum discere,
quid apud vos in proyehendis scientiis geratur. Kam et anatomiam pulchre apa<i
vos excoli Video. Sed Medicina ipse ubique adhuc squallet, nee reperta satia ad
usum accomodantur. Itaque felicioribus saeculis, id est quibus homines et maiime
Principe«, magis rem Suam curent, transcribere haeo oportet. Qaod auperest
vale, et fave.
Dabam Hannoverae, 10. April 1708.
;^^3-%
]SrOTE Süß LE CARACTME G:ßOM£TRIQUE
DE L'ANCIENNE ASTRONOMIE
PAK LE
Db. PAUL MAITSION,
PHOFSaSBUB 1 lVnIVRBSIT^ DB OAND, MBMBBB DB L^ACAD^ltlB BOTALB DB BBLGIQUB.
18'
ffMatkemata mathtmatieU teribuntur,** Covwuno.
1. Objet de la presente note.^) Les travauz de Böckh, de Th.-H. Martin,
de ScHiAPARELLi, de P. Tanneby et de leurs continaatears sur rastronomie
des Grecs; cenx des savants qui, avec Curtze, ont fait connaitre la yie et
roenvre de Copernic; les recherches qni ont abouti a la pnblication com-
plete du proc^ de OALiii^ et a celle d'ane Donvelle edition de ses
Oeuvres; enfin des ecrits recents de Poincar^ et de Duhem snr la Philo-
sophie des scienoes phjsiqaes, ont attire Fattention snr le role preponde-
rant qu'a joue dans le pass^ et qne jonera dans Tavenir, Texplication pure-
ment g^mitrique, ou si Ton veut, cinematique, des ph4nomenes naturels.
N&uimoins, on n'a pas encore reuni, jusqu'a present que nous sa-
chions, dans un ecrit special, les temoignages anciens et modernes qui
prouvent que, depuis deux mille ans, il j a une tradition de plus en plus
daire tendant a ätablir cette proposition fondamentale: «Pour qu'une
theorie scientifique (quantitative) de Tünivers soit satisfai-
sante, il suffit qu'elle rende compte des phenomenes, au point
de vue purement g^ometrique ou cin^matique.>
Si nous en avions eu le temps, nous eussions youlu tenter la collec-
tion de textes dont nous venons de parier; mais a defaut du memoire de-
taille qu'il nous a ^te impossible de faire, nous crojons utile d'en donner,
dans cette note, au moins une esquisse, ou plutot d'en r^unir quelques
fragments qui pourront faire connsdtre la tendance generale de la science,
signalee plus haut.
2. Les sept systimes de rancienne astronomie. On peut distinguer
dans Fancienne astronomie, sept sjstemes pour rendre compte des mouve
ments erlöstes: 1^ Le Systeme du feu central, de Philolaus. Dans ce
Systeme, un astre imaginaire (rAntiterre), la Terre, la Lune, le Soleil, les
cinq planet^s (Mercure, Venus, Mars, Jupiter et Satume), et enfin la spb&re
des etoiles fixes, circulent autour du centre du monde, occupe par le feu
1) NoQB appelons ancienne astronomie (nous ne disons pas astronomie
ancienne) celle qui, de FmLOLAVs k Ticho Bbah^, explique les mouvements
Celestes par la combinaison de mouvements circulaires. Poar nous, Vastronomie
moderne conomence avec KisnxR.
r-T.« ieä ^her«3 homocentriqne d'fiuüOXE, duu leqnel
ks aonvenuats U3«s compliqnes aatoor de It Terre,
u .-«Dtre da moode et ä one distance inTuüble de
j: -x^ieme d'Hi&ACUDE DU PoKT oQ de ron de ses con-
t -yvTiMne. ]ea etoilea sont fixes, la Terre a an monte-
ü^in» «c esc le centre dn monde et da moavemeDt
-^ iu Siji^il. nikis le Soleil est le centre dn monTement
.3c>--ef. t" Le sjsteme d'ABiSTABQLE de Samos: le
> ht xonde: ü «st le centre du mouTetnent propre des
r™ - A Tr^r» est eneore le centre du monvement propre
,: 5T-<cfmi! d'HiPPABtiCE et de Ptol£h£e, o& totu let
' -^Bvets '.-uToIuns, oa composes de monvemenls cimi-
1 T-r;?. nplacee an centre dn monde et immobUf.
«Tt«:i\ jä toos les astres ont des monvements circn-
Ä 'Bi.'UTumeats ctrcnlaireB, aatonr du Soleil, sappox
T- i-j xii&de. 7* Le Systeme de Ticho Bhah^ oÜ le
7^ -:>2*;c.;3 oat des monTemente composes de motiTe-
;^ '■.aor'i^ aaii>aT dn Soleit, le Soleil et la Lone autoDr
rrr, ir.nitiöili' an centre da monde, est d'aülenn anssi
,,^^; ,-;r-:ii.ii« des etoiles fixes.
H.-v ' s^^!ticm'> moderne en assjgaant anx planetes ei
•F:r-^i:( jü'~'^i^ae «ntoor dn Soleil, monvement qni eqoi-
-^a ' •- ti-mlfrr htftin de monremente circnlairea, comrae
fl Ä». *rrtfs de FoiTUER, Enfin Newton, par sa decon-
j ,;. ,.rsc::tr, detnontre qne les moavements elementiiirs
-.'tv «^»ira $oaC des combinaisons, en nombre fmi, de
. .^^ •■•i'H.viiigu«« on paraboUqnes, incessammest va
nKrit <-i<m['te dea phenom^nes Celestes, de
.\a Ifj-oier, ä part le troisi^e et le qm
% «|iUvtH». -fui ^nt compl^tement ^niralent«, ä ce
» r\.<dT«i«»ir el U PhfBiqne ehez les Aaiäm.
Mi iviuittitT de la diversit^ des assertioas qni sont
fc, «»<«<■: ••'* i'^'f'' ''w monde se trouve, ou It (">
^ r^.it imHtt'Mf (Eudoxe, ProLiiife, Ticho-
^P . i'tiM tm-uriimid de rotailoH (H^RACLUie W
»MW^». VV'l'KKM.)
m^.!^..!.. u'a{i|>artienDent pas ä l'AstrDDomie fto-
j.^^ihv' '•» AticienS; elles sont emprunlees pu
r
Note Bur le caractöre g^om^trique de rancienne astronomie. 279
las Astronomes a la Phjsiqne, c'est-a-dire a cette parüe de la Philosophie
qoe noos appelons Cosmologie. Ponr les Anciens, a partir du temps
d'ARiSTOTE, «c'est la Phjsiqne qui foumit an moins les principes des ex-
phcations», remarque P. Tanmebt; «rastrologie [Fastronomie] n'intervient
qne ponr le d^yeloppement mathematiqae de ces principes >^. «Les mathe-
matidens, d'apres Aristote, dit de meme Schiaparelli, en faisant des
hypotheses astronomiques ne cherchent pas a determiner comment les choses
6ont Yraiment dans la natnre, mais seulement a representer les mouvements
Celestes d'nne maniere qui ne r^pngne pas anx phenomines et soit com-
mode ponr lenr calcul et lenr prediction. » ')
Dans ses heUes etndes sur les sjstemes de Orecs, Schiaparelli a inis
en Inmiere, relatiTement a cette distinction entre T Astronomie et la Phj-
siqne, nn passage de Posidonius, r^snme on cite par Oehimus et conserve
par SiMPLicius, on cette distinction est fortement marqnee. Nons nons
contenterons d'en citer la conclnsion: ^'OXtos yoQ av% lauv iaxQoXoyov xb
yinbvaiy xi ii^iiaUv iöxi x^ (pv6ei^ %al Ttota xic nuvtixa^ iXkic iitad'iiSeig
tiöfiyoviuyog t&v (liv fuvövrcov, x&v di Mvovfiivavy cwmu xlöiv ino^icsaiv
iau)lov9ffiii xit naxit xinf oiQovbv tpatvofuva. AriTCxiov 6h ttbx^ ^W^S nagic
xoü gnfCtnady ca^g elvai %al iiucXicg %al xixayfMivag Kivrfiiig tc&v &cxqmv^
dl &v itstoiel^si iy%vxkiov oiiUtv xiiv jof^lav andvxmvy x&v (tkv xcrra na-
QoXl'^iovg^ x&v 6h xorra Xo^ovg xvnlovg stXovfiivtov,:^^) On pent la tradnire
a pen pres ainsi: «D'nne maniere absolne, il n'apparüent pas a Tastronome
de sayoir ce qni est fixe par natnre et ce qui se ment; mais parmi les
hypothises relatives a ce qni est immobile et a ce qni se ment, il exa-
mine qneUes sont Celles qni correspondent anx ph^nomenes Celestes. II
doit reconrir an phjsicien ponr les principes [de ses recherches, afin de
sayoir, par exemple] qne les monvements des astres sont simples et regn-
2) Beekerehes sur Vhistoire de Vastronomie grecque (Paris, Qauthibb -Villarb,
1893), p. 28.
3) Origine del Sistema planetario eliocefUrico pressi % öreci (Memorie del
R. Istitato Lombarde, Classe di aeienze matematiche e natumli, Vol. XVIII — ^IX della
Serie III — Fascicolo V, 1898), p. 70. Un exposä d^taillä de r^yolation parement
tr^mätrique des diyers ^stämes de rancienne astronomie, principalement d'apr^s
ScHUFABKLu, SC trouvc dans TmBioN, Paur ragtnmomie grecque (Reyue des qaestions
Bcientifiqnes, Louvain, 1898, 2« s^rie, t XV, pp. 6—47, 435—476; t.XVI, pp. 111—168).
4) Nons citons ce passage d'apr^s le Memoire de ScmAPARELLi indiqu^ plus
haut (p. 100), et nous Ini empruntons la substance de notre tradnction (p. 86).
ScHUPABCLLi ayait dejä attir^ Tattention aar le passage de Posidoxius dans son
Chibro Memoire sur les Pr^cnrseurs de Copbbhic dans Tantiquit^. Voir la tra-
dnction allemande de Curtzb: Die Vorläufer des Copkbhicüs im Alterthum (Leipzig,
1H76, QüAjTDT und Händel), pp. 68-70 note; pp. 102—103, n» XL.
280 Panl Mansion:
lierement ordonnes; au moyen de ces mouvements, il prouvera ensuite qae
le choeur de toos les astres est circnlaire, soit parallelement, soit oblique-
ment [a T^quateur]. >
Voici nn autre passage, non moins caracteristique, d'ÄDRASTE d'ApHKo-
DI8IAS, cite par Th^on de Smtrne: «Quoiqne Hipparque ne fat pas un
physicien et qa'il n'eat pas considere avec soin qaels sont les mouTe-
ments reels tels qn'ils sont dans la natnre et ceux qni ne sont qu'appa-
rents ou accidentels, toutefois, etc.>^)
Comme on le voit, pour les Grecs, c'est au physicien seul a decider
ce qni est immobile on ce qni se ment; il snffit a Fastronome d'expliqoer
les ph^nomenes, de sauver les apparences, si Ton peut ainsi dire, en em-
ployant nne expression fran9ai8e qni tradnit exactement les termes grecs
et latins correspondants. Dn moment qn'il en est ainsi, on comprend pom^
qnoi les Grecs ont pu passer si facilement da Systeme d'HiäRACiJDE vv
Pont a celni d^ÄHiSTARQUE, et de celni-ci a celui d'HiPPARQUE: ils n'avaient
pas a s'inquieter des realites dont le domaine ^tait resenre aox physiciens;
le passage d'nn Systeme a nn autre etait une question de geometrie. On
connaissait d'ailleurs, depnis Euclide^), les principes fondamentaox snr le
mouvement relatif, necessaires pour savoir ce que devenaient les pheno-
menes quand on rempla^ait un Systeme par nn autre.
4. Ptolimee. PTOLämäE, comme astronome, partage la maniere de
voir de ses pr^decesseurs sur Findiffiirence du choix des hypotheses, da
moment qu'elles ezpliquent les phinomenes.
Dans les sept premiers chapitres du livre I de F Almageste, il expose
le plan de son ouvrage et en fait connaitre les hypotheses fondamentales
deduites autant que possible de Fobservation. Par exemple, il n'admet pas
que la Terre ait un mouvement de translation, parce que les etoiles fixes
n'ont pas de parallaxe.
Mais quand il s'agit de Fimmobilite de la Terre ou de sa rotation
diume, il est bien force d'admettre qu'ou point de vue de ViisU-onomie, ks
deux hypotheses sont admissibles et mime que la seconde est plus simple.
6) ScHiAPAitELLi, Mdm. p. 75.
6) Delambbb, dam son Histoire de V Astronomie aneienne (p. 60) doime a ce
snjet les denx th^or^mes suiTants de VOptique d*£ucLiDB: «Si plusieura objeti
sont en mouvement et un seul iranquille, il parait se mouvoir en sens oppose.
Si plusiears corps se meuvent avec des vitesses inegales et que Foeil soit empörte
dans le meme sens, les objets qni auront la m^me yitesse qae Foeil parattront
stationnaires; cenx qni auront une vitesse plus grande parattront avancer; enfin
ceux qni aaront une vitesse moindre paraitront aller en arri^re». (Voir F^dition
de VOptique de Hkibbbo, p. 110.)
Note 8ur le caractöre g^m^trique de rancienne astronomie. 281
S'il la rejette, c^est au nom de la phjsique: «II 7 a des gens, dit-il, qni
tont en se rendant a ces raisons [contre un monvement de la Terre,
commun avec les antres corps graves], parce qn'il n'j a rien a y opposer,
pr^tendent qne rien n'empeche de supposer, par exemple, qne le ciel etant
immobile, la Terre tonme antonr de son axe, d'occident en Orient, en
faisant cette revolution une fois par jour a tres peu pres; on qne si Vxm
et Fantre tonment, c'est antonr dn memo axe, conune nons avons dit et
d'une maniere conforme anx rapports qne nons observons entre enx. H
est vrai qne, quant aux astres eux mSmes et en ne considSrant que les
phenomhhes, rien n'empeche peut-äre qt^e, pour plus de simplicite, ceHa
ne $oU ainsi. Mais ces gens-la ne sentent pas combien, sons le rapport de
ce qni se passe antonr de nons et dans Tair, lenr opinion est ridicnle ....
Les Corps qni ne seraient pas appnyes snr eile (la Terre) paraitraient
tonjonrs ayoir nn monvement contraire au sien .... S'ils disaient qne
laüunosphere est emportee par la Terre avec la meme vitesse qne celle-ci
dans sa revolution [rotation diume] il n'en serait pas moins vrai que les
Corps qui y sont contenus, n'auraient pas la meme vitesse; ou s'ils en
etaient entraines conune ne formant qu'nn corps avec Tair, on n'en verrait
aucnn preceder ni snivre; mais tons paraitraient stationnaires; et soit qu'ils
Tolassent ou fussent lances, aucnn n'avancerait ou ne s'ecarterait jamais;
c'est pourtant ce que nons vojons arriver, comme si le monvement de la
Teire ne devait lenr causer ni retard, ni acc^leration» (Traduction Halma,
I, pp. 19, 20, 21).
Apres avoir ainsi rejete la rotation diume de la Terre, au nom de
la pkysique, et non pas de Tastronomie, et avoir ezpose ses antres postulats
fondamentanx, il dit, dans son chapitre 7: «Ces hjpotheses Etaient nn
preUminaire indispensable pour les details ou nous allons entrer . . . EUes
seront d'aäleurs confirmSes par lewr accord avec les ph^nomdnes qui seront
demontres dans la suite.>
A partir de ce moment, Ptol^mi^e n'est plus qu'astronome et quand
plnsienrs hjpothises expliqnent nn phänomene determine, il choisit Tune
on Vautre ä volonte, par exemple, celle de Teplcycle ou de Texcentrique,
ponr le Soleil et la Lune: «La vraie cause de cette apparence d'irregularite
[dans le monvement du soleil] peut s'expliquer par deux suppositions pre-
mieres et simples. L'nne ou Tautre rendra egalement raison des phenom&nes>
(Halma, I, p. 170). «Nous pourrions Egalement expliquer la premi^re in-
egalite [de la Lune] par l'epicjcle et par Texcentrique; mais comme nous
avons denx in^galites, nous jugeons plus convenable d'employer Tune des
hjpotheses ponr la premiere inegalite et Tantre pour la seconde» (Halma,
1, p. 239).
Paul MoDHion:
Plus loiti, il al&rme pinsieura fois qua l'essenüel est d'expliquer l«t
mouvementfi Celestes par des hjpotheses suffisautes. Voici encore une cUt-
tioD en ce sens: «II faat aatant qu'oD peut, adapter les bypotbeses 1«
plus simples auz mouvements Celestes^ mais si elles ne suffisent pas, 0
fsut en cboisir d'autres qui les expHquent mieui» (Hai.ma, II, p. 3T4}.
5. Saint Thomas d'Aqnin. Au moyen äge, on peut citer 8. THOm»;
D'AtjtiN comme le plus illustre repr^sentant de la Theologie et da k'
Philosophie; comme tel, il a eu la plus gracde influeuce sur les theologieui
et les philosophes ulterieurs. Hii'leu ') a fait connaitre ua pasaage de
son commentaire du De focio d'AHts-roTE oü il dit tres nettement qn« \t
ohoii des hypotbesee est iudifierent, eu AstroDomie. «^torj (il s'agjt d»
l'eiplication du mouveraent des planetes] äiam posimni Aslrolopi (ftvrrri-
Hiodc facere conati sunt. Illorum autem suppasHiones, ipms adinvmrrml
non vsl necessarium esse veras: licet mint talibus stipposUionü>us factia ap.
pareanf solvere, non tarnen oportet dicere Ä*is supposUiones esse vtras. ijuin
forte seeundum aliquem modum nondum ab homintbus comprc-
hensum apparentia circa Stellas salvantur. Aristoteles: tarnen »iit»t
httiusmodi suppositiontbus ad qualUntem moluum lanqitam veris.*
Noüs avona rencontre dans la Sotitme theologique (1, 32, I, ad 2), tm
autre passage plus cat4garique encore dans le m€me sens: v Aii seemiAwih
dicaidum, quod ad aUqwim rem dupücUer inducitur ratio. Uno modo oj
probartdum suffidenter aliqttam radicem; sicut in scientia naturali indneiliir
ratio SKfficiens ad probandum quod coeU motus scmpcr sit uniformis tdod-
talis. Alio modo inducitur ratio non quae suffidenter probet radieem, «d]
quae radid tarn imposüae ostendat congraere conseguentes effectus: «iäitj^
astrologia ponÜur ratio esxentricorum et epiq/dontm ex hoc, quod hac f
tionc facta possunt salcari apparentia sensibilia circa nwlas coelcstrs! i
tarnen ratio haec est suffidenter probans, quin etiam forte i
posilianc facta salvari possent.»
T) Cito p. 65, not« dana le IV, Heft des Mitteilungen des CojquTnicut-Tm
■u Thorn. M. Hiplbb renToie ä IMdition de Paniie des OenTres de 3. T
t. XIX, p. 730. Noua aToni TMfid le passage dans le t. II de l'Mition de Van
de 1693, p. 4y, col, 1, de la eeconde pagination. A la p, 53, col. 2 de cett« an-
niete iJdilioii, OD lit; €P0B8Umus auttm et breetue dicere quod quiditm EtKurrg
PoNTicna posuit terram in medio moveri et coclum quiesccre: cuiut opiniotum hit
Aristoteleh ponit>. Ari«tole cite cette opinion, mais ne Tatlribue pai ä Hui-
DLIDEB DU FoKT, quB S. Ti]o»;i8 conDaiasait donc d'ailleurs. NotoDs aussi qoe
fiiPLBR (I.c.p.56, note 3) cite encore ce qui suit de S. Thoiiab: «rmiwsi»
dieli articuli [de motibus coeleüibusj vf.l porum vel nAi'I faciunl i
fiäei, sed sunt penüus physici» (S. Tb. Aq. Opp. Parmae, SVI, p. 16i).
I ad (lodfMH
M
Note aar le caractöre g^om^triqne de rancienne astronomie. 283
Cette remarqne tr^s joste de S. Thoicas que l'accord d'ane hjpothese
avec les faits ne pronye pas la realite de cette hjpothise semble avoir en
plus tard one grande inflaence.
6. Le Gomineiitariolns de Copernie; la Nairatioii prima de Rheticns.
Le premier de ces ecrits est astronomique dans le sens strict dn mot U
a pour titre: Nicolai Gopebnici de hypothesihus motuum caelestium
a se constitutis Commentariolus. Copernic rejette les hypotheses de
ses devanciers comifle insuffisantes; il en propose de nouvelles: rimmobilite
da soleil, la mobilit^ de la terre, etc., sans s'occnper le moins du monde
si elles soat yraies ou non. II demande seulement qu'on lai permette
de les admettre comine postolats: Si noMs aliquae petitiones . . . con-
cedantur, quae hoc ordine sequuntur (Mittheilnngen des Coppemicus-
Vereins, Heft I, p. 6).
La NarrctHo prima de Bheticus est ecrite dans le meme esprit astro-
nomique: D'nn bout a Tantre de ce Memoire, Tanteur ne cesse de parier
d'hjpoth^s explicatiYes des moayements Celestes, les nnes anciennes et
deyenaes insuffisantes, les autres nouvelles et expliquant les noayeUes in-
egalites; il en montre la conyenance an point de yue philosopbique (yoir,
par exemple, p. 465 de Y^ition SSculaire da liyre de Copernic, le passage
relatif a rimmobilite de la hniti^me spb^re), mais il n'affinne pas qu'elles
soient necessaires et fait la distinction habituelle entre le role du pbjsicien
et celui du mathematicien. Montrons-le par quelques citations:
ciVtfiMim atUem, ut terrae mohiUtate apparentias in codo plerasque fieri
posse, aut certe commodissime salvari assumeret, eutn [Copernicum]
aequinodiarum .... praecessio, et edipUcae obliquitatis mutatio induxit^ {ßd,
sie, p. 460). €Et qwd Dfominum] praeceptorem moverä, ut tanquam
f^aihematicus aptanh motus globi rationem non assumeret, cum videret tali
assumpta hypothesi ad certam rerum coeiesHum doctrinam constUuendam
nodtö unicam odavam sphaeram eamque immotam, . . ,, sufficero (ßd. sec,
p. 461). €Cumque haud ignores, quem locum hypotheses seu iheoriae apud
^rofiomos habeant, et in quantum mathematicus a physico differat,
do {id. sie, p. 463). — H est persuade d'ailleurs que les hypotheses
de Copernic sont les meilleures possibles et qu'ARiBTOTE et Ptol^m^e s'y
convertiraient s'ils reyenaient a la yie (pp. 463, 464). Mais jusqu'au bout,
il les appelle des hypotheses, meme au moment oü il en fait le plus grand
eloge possible en disant qu'elles sont pour ainsi dire identiques aux pheno-
menes: <Eo vero gratiorem tibi uiramque [NarraiionemJ fore spero, quo
clarius artificum proposUis ohservatiombus ita D, praeceptoris mei hypotheses
^oig qwivofiivoig consentire videbis, ut etiam int er se tanquam bona de-
tinitio cum definito converti possinti^ {id. sec, p. 489).
284 Paul Manaion:
7. Le livre des Revolntiong de Copernic. Dans le livre des Bero-
lutions, Copernic ne se tient pas exclosivement snr le terrain de TAstro-
nomie comme dans le Commentarioltis. Dans las chapitres 7 et 8 du
livre I, il aborde franchement la qaestion philosophique da mouTement de
la Terre et de rimmobilite dn Soleil. Dans la d^cace an pape, il toncbe
meme a la qnestion tb^ologique, qoi derait tenir nne si grande pk»
dans les discussions relatives au Systeme du monde, au temps de Gaulee,
mais c'est pour Tecarter. *
A. Dans cette dedicace au pape, Copernic fait rhistoire de sa pensee:
les hypotheses courantäs ne rendant pas bien compte des ph^nomenes, 11
a cru devoir partir de la supposition de la mobilite de la Terre, sonteane
aütrefois par quelques Anciens, pour donner de meilleures explications des
faits que ses predecesseurs: nQuia scieham (üüs ante me hanc coneessam
Ubertatem, ut quoslihet fingerent drculos ad denumsirandum pkamomeaa
asirorum, exisHmavi mihi qu>oque facüe penmtH, ut experirer, an posif^
terrae äliguo motu firmiores demonstrationes quam tUorum esseni, inveniri »
revoluHone arbium cadestium possenL Atque ikt ego positis matüms qws
terrae infra tribuon, etc. (Ed. sie., p. 6). Quoiqu'on en ait dit, toate
cette dedicace, a part la fin dont nous allons parier, est ecrite au point de
vue astronomique, c'est-a-dire que Copernic n'y parle du mouvement de \i
Terre que comme d'une hypoOiese ezplicative des ph4nomines Celestes. C«
qui le prouve bien, c'est que la Congr^gation de FIndex, dans les cäebrps
corrections qu'elle a fait au livre des Bevolutions, dans son Jfomftim da
15 mai 1620 (voir le BuOdUfio de Boncompaqni, IX, p. 704, note) n'j a
trouve rien a retrancher sauf les dix lignes {ßld. sec.^ p. 7, 1. 16 — 25) oa
Copernic ezprime son dedain pour les furraiolo/ot qui, ne sachant rien des
»
mathematiques, se melent d'en juger en s'appuyant a tort snr rEcritore
sainte. Mais le bei aphorisme par lequel il teimine ce passage: ifaA^
mata matkematicis scribuntur, prouve que, dans sa pens^, son livre est
avant tout astronomique.
B. Dans les premiers chapitres du livre I des Bevolutions, Copebkic,
a rimitation de Ptoli^i^ au debut de TAhnageste, expose les hypoth^s
fondamentales qui vont etre la base de son ouvrage. Au eh. 5 et 6, il
agite les deux questions ou il va se separer de ProLäMi&E: la Terre est-
eile inmiobile; est-elle le centre du monde? A propos de la premiere, ü
pose, avec la meme darte qu'EucLiDs, le principe du mouvement relatif:
itOmnis enim quae f'idetur secundum locum mutoHo, aui est propter spedataf
rei moium, mU videfUis, aut certe disparem utriusqi»e mutaüonem» (tä. sec.
p. 16). Puis appliquant la chose a la Terre, il observe que tont moüYe-
ment attribue a celle-ci aura sa repercnssion en sens inverse, dans le mon*
Note Bur le caraciäre g^omätrique de rancienne astronODiie. 285
Tement des astres. Cest, comme on yoit le principe meme de tont son
liyre. Mais ce mouvement eat-il reel? la terre n'est-elle pas an centre da
monde ? la sphere des etoiles fixes est-elle immobile oomme il le condnt, par in-
doction, aa eh. 6, de la lentenr croissante des mouvements des planstes
qoand elles sont plus 4loign^s de nous? Ce sont ces qnestions qu'il exa-
mine en philosopbe, en pbysicien, dans les obapitres 7 et 8. La, et Ui
seolement, il expose et refate de son mieox, sans faire du tout ititervenir
Vastronamie, les raisons tir^es de la pbjsique par Abistote et Ptolj£m]£s
pour etablir Timmobiliti de la Terre®). H conclnt modestement: «Vides
ergo, quod ex his amnilms probahilior sit mohilitas terrae quam e^
9ttte5, praeserüm in quoHdiana revohdume, tanquam terrae maxime propria^y
(Ed. sie, p. 24), Cette discnssion pbilosopbiqne termin^, il revient a
Tastronomie, ponr ne plus la qnitter, dans son cbapitre 9, ou il acbeve
Fexpose des hypotbises fondamentales de son livre: il indique, comment par
mdoetion, on pent etre amen^ a attribuer plusienrs mouvements a la Terre
et il resnme tris bien, en nne senle pbrase, comment il poorra, au mojen de
ces hypotheses, expliquer tous les pb^nomenes (ßkt* sie., p. 25).
C. Tont le reste du livre des Revolntions est pnrement astronomiqne
comme celni de Ptol^m^e apres les sept premiers cbapitres du debut.
Comme Ptol^m^, Copbbmic sait que ses explications sont independantes
de la y&rite objective des principes qui en sont la base; ces prindpes
sont des bypotbeses explicatives et rien de plus. Voici quelques citations
emprunt^ a T^Idition s^culaire a l'appui de cette mani^re de voir: mjam
ipsum motum [terrae] m sumvma eocponemus, quatenus apparentia per ipsum
tanquam hppothesim demonstrentum (p. 31, 1. 3 — 4), «... er motu terrae
-^. quo tanquam principio et hypothesi utemur in demonsiratkmibus aU-
onmw (p. 34, 1. 18 — 19). Dans Tanoien Mannscrit, retrouv^ de nos jonrs,
yient ensuite nn passage efiac^, commen9ant par ces mots: cc£^ si fateamur
solis hmaeque cursum m immobiHiate quoque terrae demonatrari posse, in
caäeris vero erranübus minus congruU» (p. 34, L 6 — 7 de la note), pnis
im autre effae^ aussi (p. 36, note 1. 9 — 18) on Copesnic dit, presque
comme PosmoMius, que Tastronome empmnte ses principes a la pbysiqne:
8) Nont ayons analys^ les raisons de Copbbnic, dans les ÄnnaJes de la
SocieU teientifique de BruxeUes, 1894, t. XVHI, !«• partie, pp. 12-16. Dana le
Monitum de la congrägation de Tlndex de 1620, on dit ä propos du cbapitre 8:
^T(ftum hoc Caput passet expungi: quia ex professo tractat de veritate motus terrae,
^m 9o\vit veterum rationes probantes eius quietem; cum tarnen problematice
viieaiur Joqui, ui Studiosus saiisfiat et series et ordo libri integer maneat, emendetur
^ infm>. Suivent denx corrections insignifiantes, pnis la suppression de la con-
cliuion cit^ dans le texte depais vides, jasque propria.
286 Paul Mansion:
«Quae ex philosophia materidli ad institutumem nostram necessaria vidtbwuhir
tanquam principia et hypotheses . . . summatim recensuimus, Assum-
psitnus etiam guibusdam revoUäionibtAS mobüem esse terram ...» Dass
rintrodaction du livre 11, il annonce qull va s'occuper du moayement di-
ume, brievement parce qu'on en a traite sufißsamment avant Im: «Atfcti
refert, si quod Uli per quietwh terram et mundi verOginem demonstranft, hoe
nos ex opposiio siiscipierUes ad eandem concurramus metarn, quamam k bi-
quae ad invicem sunt, ita contingit, ut vicissim sihi ipsis consrn-
tiant {fid. sec,^ p. 73). — Le titre du eh. 3 du livre HI est: f^Ejipo-
theses quibf4S a^equinoctiorum ohliquUaiisque signiferi et aeqmnoctiaUs nrnta- ;
tio demansiaturn (J^'d. sec, p. 163). — Dans les quatre premi^res editiocs, |
on trouve ce passage (efface dans Fancien Manusorit): aJEstque pri^sus
eadem demonstratio, si terra in f quiesceret atque sol in ab c äramevr- |
rente moveretur, ut apud Ptoleheum et äliosn (^. sdc, p. 204, denieres
lignes de la note). — Delambre (dans son Histoire de VAstonomie modtmf. \
p. 134) fait remarquer que Copernic sait, comme PtoliSmiSe, que Ton pent
expliquer les mouvements de plusieurs manieres. C'est ce qu'il fait, par I
exemple, pour Mercure, livre Y, c. 32: De alia quadam raiione ac-
cessus a c recessus. uPrius autem quam recedamus a Mercurio pUuvii
älium adkuc modum recensere priore non minus credibilem, per quem \
accessus et recessus iUe fieri ac inteOAgi possit» (^. sec,, p. 394). — Enfin, an
debut du livre VI, il caract^rise tr&s bien son explication des mouvemest»
des planstes en latitude, comparee a celle des anciens: uQuae igitur pristi
Mathemaüci hie etiam per stäbüiUxtem terrae demonstrasse rati siumt, eadem
per assumptam ejus mobilitatem majori fortasse compendio, ac
magis apposite facturi sumusn (iid, sic^, p. 412).
üne preuve ä posteriori du caractere purement astronomique dn livre
de Copernic, c'est que la Congregation de Tlndex, dans son Momtxm^ na
plus trouv^ a corriger dans tout Fouvrage, a partir du eh. 12 du Livre I
jusqu'a la fin (de la page 35 a la page 444 de TEdition s^culaire) qne
ce qui suit: In Üb. 4, cap, 20. p. 122. «/ti titulo capitis dde rerbo
(horum trium syderum) quia terra non est sidusin (Boncompagni, loc cit).
Le titre en question etait: «De magniiudine horum trium syderum, soiis,
lunae et terrae ac invicem comparationen (^d. sec., p. 282, 1. 29).
8. La pr^face d'Osiander. On peut tirer de ce qui precede les coo-
clusions suivantes: 1^ Au point de vue theologique, Copernic ne croit pas
la doctrine de la mobilite de la Terre contraire a la Bible (fin de la de-
dicace au pape). 2® Au point de vue phUosophique, il la trouve plus pro-
bable que Celle de rimmobilite de la Terre (c. 7 et 8 du Livre I des Be-
volutions). 3^ Au point de vue astronomique, Copernic prouve que Vhjpo-
Note Bur le caractäre g^m^trique de rancienne astronomie. 287
these de la mobilite de la Terre explique les phinom^nes d'une mani^re
plus simple que Thypoth^se contraire; mais il sait qne ceUe-ci pent anssi
senrir a les ezpliquer {CommefUariolus ; tont le liyre des B^lutions),
OsiANDER, oxL bien est moins persnadä qne Copernic an point de vne
philosophique et th^ologiqne, oa il craint plus qne Copernic les p^ripate-
ticiens et les theologiens. C'est ponrquoi il conseiUe a Copernic d'^crire
ane preface purement astronomique a son liyre: <De hypothesibus ego sie
srnsi semper non esse artiaUos fidd, sed fundamenta ccUculi, ita ut eHamsi
fdsae sint, modo moimim g>aiv6fuva exaäe exhibeant nihü referat. . . . QiMre
pkmsibüe fore viderdur si hoc de re in praefaäane nonnihil atHngeres.%
H eciit la meme chose, le meme joor, a Bheticus qui se tronve prös de
Copernic (Prowe, Copemicus^ I. Band, 11. Theil, p. 622 — 623). On ignore
qneUe a ^te la r^ponse de Copernic. Ce qui est le plus probable, c'est
qua Copernic, sans rien changer a son Uvre, a laisse a Osiander le soin
d'ecrire, 90us sa propre responsabüit^, une preface dans le sens indique.
O'est ce qu^OsiANDER a fait, sans toucher en rien aux opinions ihSolagiques
ä phüosopMques de Copernic relatiyes a la mobilite de la Terre. Dans le
celebre ayant-propos intitolä: Ad ledorem de hjfpoihesibus hujus operis (^.
s^^ p. 1) Osiander se contente d'ezposer, ayec nne grande clart^, le role
des bypoth^ses en astronomie. II termine cet expose de la doctrine tradi-
tionnelle a ce srget par ces mots: uNeque quisguam, quod ad hypotheses
attinet, quicquam certi ah astronomia ea^edet, cum nthü iaHe praestare
queati^ (id. sec., p. 2). C'est an fond la meme pensee qne celle de Saint
Thomas exposee plus baut.
Cet ayant-propos d'OsiANDER a scandalis4 Kepler et beanconp de sa-
vants de notre temps, qni ignorent on onblient la distinction ancienne entre
Tastronomie et la pbjsiqne. Mais cette distinction ^tait dassiqne an temps
d'OsiANDER et apres Ini, comme on pent le yoir dans le liyre de Prowe,
qui fait a ce snjet des citations caract^ristiqnes de Gemma Frisivs (p. 392,
393), de M^ANCHTHON (p. 627), de Müllerus (p. 627), de Fr. Bacon
(p. 526). En yoici nne de Descartes dans le meme sens: «Les astro-
nomes ont inyent^ trois di£f<&rentes bypotbeses on snppositions qn'ils ont
senlement tacb^ de rendre propres a expliqner tons les pb^nomenes, sans
s'&rreter particnlierement a examiner si elles etaient en cela conformes a
la Y«rite> {Prinäpes de la Philosophie, td. Cousm, 3*» partie, n® 16, p. 188).
Osiander n'a donc pas trabi la pensee de Copernic; il s'est content^
de parier de la partie astronomique des BevoltUions, en en laissant de
cote, par pmdence on parceqn'il n'etait pas conyaincn, la partie pbiloso-
phiqne et la partie thiologiqne.
9. OaliUe. Copernic est ayant tont astronome dans le sens striot
288 PauI Mansion:
du mot; il n'est philosophe oa physicien qn'accidentellement C'est rin-
verse poor GaliliSe. Galil^e est^ dans le sens ancien, bien moios astnh
nome^) que physicien: des hjpoiheses explicatives commodes poor Le caknl
ne lui suffisent pas; c'est la r^alite qa'il vent atteindre: il yent sayoir t^
qui est immobile et ce qui se meut. Sa yraie gloire d'aiUems, cest
d'avoir ete le fondateur de la Methode, indnctive, experimentale et matht-
matiqne a la fois, en philosophie natureUe; c'est ensuite, d'avoir renvene
la vieille conception dualistique (physique terrestre, phjsique Celeste] de
rünivers, enfin d'avoii' trouve les premi^res lois de la djnamiqne, a propos
de la chute des corps pesants. Mais, si physicien qn'il soit, il sait ties
bien, qnel est, d'apres la tradition, Tobjet de TAstronomie. On a de lai
an TraUato deda Sfera avvero Cosmografia (Vol. ü de l'Edition FATiso,
pp. 203 — 255) oii il ezpose, avec sa nettete habituelle, ses idees sor ee
sujet La cosmogpraphie oa description da monde, dit-il en substanoe, ne
s'occape pas de tout ce qai regarde le monde: eile traite du nombre, de la
distribution, de la figare, de la grandeur, de la distance et sortoot des
moavements des parties du monde en laissant la eonsideration de la sab-
stance et des qoalites de ces parties aa physicien (filosofo naturale). Le
cosmographe obserye les apparences ou ph^nom^Hes; il imagine ensnit« des
hypoth^es oa suppositions telles qa'elles r^pondent aax apparences; en troi-
sieme liea, il proaye par des demonstratians giomäriques qae les pheno-
m^nes s'ensuivent des hypothises; enfin, il fait des calctds qui pennetteot
de retroaver a cbaqae moment la position des corps Celestes {L. c^ pp. 211—
212). Dans ce coars d'astronomie , GaliliSe part de lliypoth^ qne la
Terre est immobile, bien qu'il fat, depais longtemps, persnade de la doc-
trine contraire (il la Signale dans son chapitre 6), parce qa'il sait que Tod
peat sauver les apparences, en partant de Tone et Taatre sapposition.
En maints endroits de ses oavrages, il a indiqa^ avec nettete ce qoi
distingae le physicien de l'astronome, oa comme il dit, Tastronome pl^lo-
sophe de Fastronome pur, ou astronome calculatewr. Voici, par exemple,
ane citation de son livre sar les Taches Solaires* (Ed. Ventüri, 171^,
t. II, pp. 98 — 99; id. Pavaro, t. V, p. 102): «ei va retinendo come veri,
e reali, e realmente tra loro distinti, e mobili qaelli Eccentrici totalmente,
0 in parte qaei Deferenti, Eqaanti, Epicicli, ec. posti da i pwri AsifMM»
per facilitare i loro calcoli, ma non gia da ritenersi per tau dagli Asiro-
9) n Ta mSme ^t^ trop pea. Dand son Dialogo de 1682, il a pabli<$ ose
hypoth^se sur Torigine des planstes, qui est incompatible avec les lois de Eif^^
(son ami et son correspondant) , pabli^es depais longtemps. Yoir notre articie i
ce stget, dans les Ännales de la SocUU scientifique de BruxeHes, 1894, t XTIH)
!"• portie, pp. 46—49, 90—92.
Note snr le caractöre g^om^trique de Taiicienne astronomie. 289
nomi FUosofi, 11 quali oltre alla cura del salvare in quahmgue modo Tap-
parenze, cercano d'investigare, come problema massimo ed ammirando, la
rera cosHtueione deU' üniverso, poiohe tal costituzione e, ed e in nno solo
modo, Yero, reale, ed impossibile ad essere altramente > . . .
La difiünction est encore plus fortemeift marqnee dans le celibre
Dialogo de 1632 qui amena la condamnation de Galil^e en 1633.
Dans cet onyrage, Galil^e expose Fensemble des decouvertes par lesquelles
il renouYelle la methode, renyerse la physique aristotelicienne et fait con«
naitre les lois de la chute des corps; il croit aassi ponvoir demontrer la
realite da double mouvement de la Terre, au moyen de sa celebre preuve
tiree des marees. An fond, le livre est donc r Miste et appartient tout
entier a la Physique ou a la Philosophie fuüureUe, Mais qnand Galil^e y
parie du Systeme du monde, il est lie par le decret de la Congregation de
rindex da 5 mars 1616; c'est poorqnoi il dissimnle son vrai bat: il de-
clare au debut, il declare a la fin et en d'autres endroits qu'il ne parle
qn'hypothetiqaement, par jeu d'esprit, bref qu'il fait de V Astronomie pure,
«Ho presa nel discorso la parte copemicana procedendo in pura ipotesi
matemaiica. . . . Si esamineranno li fenomeni celesti, rinforzando Tipotesi
copemicana. . . agginngendo nuove specolazioni, li quali perö servano per fa-
cilitä d'astronomiu , non per necessitä di natura,^ II appelle ensuite sa
tbeorie des marees una fantasia ingegnosa (l^d. Sonzogno, Milan, 1877;
pp. 19 — 20; ed. Pavako pp. 29 — 30). «II principale scopo dei puri astro-
wmn e il render solamente ragione delle apparenze nei corpi celesti, e ad
e^ ed ai movimenti delle stelle adattar tali strutture e composizioni di
cerchi, che i moti secando quelli calcolati respondano alla medesime appa-
renze, poeo corandosi di ammetter qualche esorbitanza, che in fatto per
altn respetti ayesse del difficile> (Ed. Sonz., p. 306; äd. Fav., p. 369). A
la fin, il eite et semble admettre l'argament d'ÜRBAiN VllI: Dieu peut pro-
duire les marees autrement que ne Texplique GaliliSe et, par soite, la de-
monstration da mouvement de la Terre qu'il en tire n'est pas probante.
Antrement dit, de ce qu'one' hypothese explique les ph^nomenes, il n'en
resolte nullement qu'elle soit la seule possible: c'est au fond la remarque
d'OsiANDER et, avant lui, de S. Thomas.
On sait que Galilj^e n'a pu persuader a ses juges qü'il se tenait
Traiment sur le terrain de Thypothese et il a ete condamne: il Ta et^ au
nom de la Philosophie et, par consequence, de la Theologie, mais nullement
aa nom de FAstronomie dans le sens strict du mot^^). Ses juges de 1633,
10) Yoir notre article sur ce point, Annales de la Sociäd seientißque de
BnaeUes, 189«, t. XXm, 1«" partie, pp. 62—67.
Abb. rar Geioh. d. MAthem. IX. 19
290 Fb,\i\ Mansioa:
les auteurs dn Monitum de 1620, cite plus haut, et ses adversaires, philo-
sophes ou theologiens, en 1616, avaient, en effet, snr T Astronomie propn-
ment dite et snr le role des hypotheses dans cette science, les idees tndi-
tionnelles exposees dans le präsent travail. Ponr le montrer, il safifin de
faire une citation caracteristique, que nous empnmtons a tme lettre ecrite,
le l2 avril 1615, a Foscarini, par Bellarmin, a cette epoqne le plns celebre
des adversaires de Thypothese beliocentriqne , an point de Yue philosopbiqQ^
et theologique: «Y(estra) F(atemita) e il Big. Galileo facciano pradente
mente a contentarsi di parlare ex suppositkme e non assolutamente &nne
io ho sempre creduto, che abbia parlato il Gopernico, perche il dire, cbt>
snpposta la terra si mnove e il sole stia ferme si salvano tatte le appa-
renze, meglio che con porre gli eccentrici e epicicli, e benissimo defcto e
non ha pericolo nessono e qtiesto hasta al matematicoi^ (Grisab, Gdüfi'
Studien, Beilage IX, p. 367. Begensborg, Pustet 1882).
La condamnation de Galil^e en 1633 a eu peut-etre une inflneoce
facheuse sur le developpement de Texeg^se biblique, mais eile n'en a pas
eu sur celui de TAstronomie, parce qu'apr&s comme avant, on la regardait
comme la science des ph^nomlnes Celestes.
10. Conclnsion. La question du centre du monde, soulevee tout de
fois par les philosophes depuis Philolaus jusqu'a Galil^e, a disparu des
preoccupations du monde savant, parce que Ton ignore si rüniveis pent
etre assimile a un corps geometrique ayant un centre. Le Soleil d'ailleuis,
depuis la publication du liyre des Frindpia de Newton, en 1687, a perda
la place privilegiee qu'on lui avait assigne dans Fünivers apres Copebxic;
il est devenu une etoile comme les autres.
Ensuite, on a reconnu peu a peu qu'il est impössible de donner un
sens pr^cis a Tantique question : qu'esi-ce gm est immobile, qu'est-ce qw ^
meut, parce que se mouvoi/r ou etre immobile sont des termes tont relatifi
Par suite, les assertions, en apparence contradictoires de Ptol^e etdf
CoPERNic sur le mouvement du Soleil ou de la Terre ne presentent ancone
antinomie; ce sont deux maniires equiyalentes d'exprimer un senl et
meme fait.
£n gen^ral, totU ce qu^ü y a de quanütatif dans les phenomen^ ^^
mouvement de points malerids est dScrü d'une maniire adäquate et eovivßi
si Von fait oonnaUre ä (Plaque instant les distances muiueUes de ces p(^^'
Les anciens astronomes avaient sans doute le sentiment conius de cette
yerite fondamentaJe quand ils disaient que le choix des hypotheses eipli-
catiyes des phenomenes Celestes est indifferent; ils comprenaient vagaement
que ces hypotheses etaient au fond equivalentes a une description con*
Note sur le caractöre gdom^triqae de rancienne astronomie. 291
densee des phenomenes (voir ci dessiis la demiere citation de Bheticus),
et c'est ponrquoi ils se servaient si hardiment de suppositions tres diverses
en apparence les nnes des autres.
Gaulle a entreyu la relativite essentielle du monvement quand il dit et
pronye, dans le Diahgo (Ed. Sonz., pp. 20, 175, etc.; iä, Fay., pp. 30, 214, etc.)
qu'aaciine exp^rience (faite sur la Terre) ne peut etablir que la Terre est en
moHTement on est immobile. Le principe de la relativite est indiqaä plus
explidtement par Descabtes (Op. c, 2® partie, n^ 29, p. 143): «Lorsque
nons verrons que deuz corps qui se touchent immediatement seront trans-
portes Tun d'un cote et Fautre d'un autre et seront reciproquement se-
pares, nous ne ferons point de difficulte de dire qu'il j a tout autant de
monvement en Fun comme en Fautre.» — Apris les Prindpes de Newton,
on crot, pendant quelque temps, que Fon possedait une explication d^fna-
mique du monde, mais on reconnut assez vite qu'elle etait puremeüt cirn^
matique comme Celles de Fancienne astronomie: les iquations diffA'entiefles
de la m^mque cmalyHque, äant Squivälentes d leurs Migrales, ne contiennent,
au fond, comme cettes-d, que des distances. 4cTout ce que nous vojons bien
distinctement dans le mouvement d'un corps, dit d'ÄLEMBERT dans sa Dy-
namique, c'est qu'il parcourt un certain espace et qu'il emploie un certain
temps a le parcourir; c'est donc de cette seule idee qu'on doit tirer tous
les principes de la mecanique, quand on veut les demontrer d'une maniere
nette et preise. Aussi ne sera-t-on pas surpris qu'en cons^quence de cette
reflexion, j'aie pour ainsi dire d^tourn^ la vue de dessus les causes mo-
trices pour n'envisager uniquement que le mouvement qu'elles produisent.>
— «L. J. DU BuAT (1824)», dit de Saint Venant, «d^finit les forces accele-
ratrices de simples accroissements de vitesse et les forces motrices des pro-
dnits de ces accroissements par les masses.» — 4cQuel que soit un probl^me
de Mecanique terrestre ou Celeste, dit encore de Saint Venant, les forces
n'entrent jamais ni dans les donn^es, ni dans le resultat cherchä de la So-
lution. On les fait intervenir pour resoudre et on les elimine ensuite, afin
de n'avoir finalement que du temps, ou des distances ou des vitesses, comme
en commen9ant»^^). Jacobi est du meme avis dans sa celebre th&se (1825):
* Theoria Mechanices analyüca causam agnoscere nuUam poitst ; quidni, sicuii
differeniialia prima velocitatis nomini, secunda virium insiqnimus, simüe
qwd ad aUiora quoque differeniialia oMibeatur^ de quihus iheoremata pro-
pom possint prorsus analoga iis quae de vi et de vdocitaie drcumferuntur^
{Werke, HI, p. 44).
11) Pour ces citations, voir Moiono, Statique^ Paris, Gaüthieh Villahs, 1868,
pp. XXm— XXV.
19*
292 Paul Mansion: Note aar le caractöre g^om^trique derancienne astronomie.
Duhamel a expose d'nne maniere d^taill^e, la these de la relaÜTite
essentielle du mouTement, dans son ouvrage Des Mähodes dans les sdencts
de raisonnemcnt (Paris, Gauthier- Villars, 2® partie, 1866, n** 5, pp. 5—6;
4*'partie, 1870, ii<^ 4, pp. XVn— XIX, n^ 163, pp. 223—225). Fillnsti^s
geom^tres ou physiciens (Eirchhoff, Helmholtz, Poincari£, Duhem) con-
siderent de plns en plus la Mecanique rationelle et la Phjsiqne mathe*
matique a un point de vue porement cinematique et relatiyiste. Poincar^,
dans une preface celebre, a d^montre le theor^me soiyant: «Si an pheno-
m^ne comporte une explication m^anique complete, il en comportera une
infinite d'autres qui rendraient egalement bien compte de toutes les pard-
cularites r^velees par Texperience» {EledridJti et OpUgue, 1890, Paris, Carr£;
p. XrV). Les theories mathematiques, dit-il ailleurs, ont «pour but unique
de coordonner les lois phjrsiques que Texperience nous fait connaitre»
{Theorie mathimaJtique de la htmiere, 1889, Paris, Garr^, Pref. p. I). Duhem
a publie sur le meme sujet une Serie d'articles qui epuisent pour ainsi
dire la question et mettent dans une lumiere complete la vraie portee des
tbeories mathematiques relatives a la nature^^). Nous ne pouvons quj
renvojer le lecteur, a qui nous rappelons, pour terminer, le mot de
CoPERNic: MoGiemcUa mathemaHcis scribuntur, afin qu'il n'attribue pas a notr«
th&se une portee m^taphysique qu'elle n'a pas.
12) Quelques rSflexions au sujet des (hiories physiques (Revue des Questions
scientifiques, 1892, 2« serie, T, 139—177). — Physique et metaphysique (Ib., 1893,
2* serie, t. IV, pp. 56—83). L'^volution des theories physiques du X VII* siede
jusgu'ä nos jours (Ib., 1896, 2° serie, t. X, pp. 463—499).
ÜBER DIE ENCYKLOPÄDIE
DER MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN.
VOM
W. FR. MEYER
IN KÖNIGSBERQ l/p.
In der Vorrede zum letzten Halbbande seiner umfassenden „Geschiebte
der Mathematik'^ spricht der verehrte Jubilar den Wunsch und die Hoff-
nnng ans, dafs sein Lebenswerk eine Fortsetzung für dieses Jahr-
hundert finden möge.
In gewisaißm Sinne ist die ,,Encyklop&die'' bestimmt, die fragliche
Lücke anszuftülen. Zweifellos wird der Encyklopädie ein Vorzug mangeln,
der das CAHTon'sche Werk auszeichnet, die strenge Einheitlichkeit, die das
Ganze durchzieht. Aber ist es nicht ebenso berechtigt, die verschieden-
artigen mathematischen Bichtungen, die gerade die zweite H&lfte dieses
Jahrhunderts aufweist, dadurch zum unmittelbarsten Ausdruck zu bringen,
d&fs ein ansehnlicher Teil der lebenden Vertreter dieser Richtungen pro
parte virili selbst zum Wort kommt? Es sei erlaubt, das Prinzip der En-
eyklop&die in Gestalt eines Paradozons zusammenzufassen: die geschlossenste
Einheitlichkeit hinsichtlich der dogmatischen Vorschriften fOr die historische
Auffassung und die objektive Darstellung — für die litterarischen Quellen-
angaben und Bezeichnungsweisen — Ebmd in Ebmd mit der freiesten indivi-
duellen Bethätigung, .mit dem Rechte jedes Mitarbeiters, seine Grund-
anffassungen vom Wesen seiner Wissenschaft überhaupt innerhalb seines
spezifischen Themas zur gröfstmöglichen Geltung zu bringen. Dafs die
LOsQBg dieses Paradoxons einer fortlaufenden Verständigung darüber be-
darf, inwieweit der starre Buchstabe der Gksetzesvorschrift einer geistigen
Differenzierung fUiig ist, inwiefern die Freiheit des Willens unbeschadet
des Kausalnexus der Dinge zur Wirkung kommt — das ist sicher die
Hanptsehwierigkeit des ganzen Unternehmens, das seinen „Existenznach-
weia^ auf jeder Stufe seiner Entwickelung stets von Neuem zu führen ge-
nötigt ist.
Es ist hier nicht der Ort, auf die vielen Einzelnheiten des der En-
cyUopftdie nach langen Vorbereitungen zu Grunde gelegten Programms
einzugehen. Nur ein delikater Punkt sei kurz berührt, der bereits von
verschiedenen Seiten diskutiert ist, weshalb sich die Stoffeinteilung der
EncyUop&die nach Gliederung und Bezeichnung nicht an die von der
Pariser Kommission festgelegt Norm gehalten hat.
296 W. Fr. Meyer:
Vorab sei betont, dafs irgend ein künstlich genährter Gegensatz hva-
bei nicht bestanden hat und nicht besteht. Wenn ein direkter AnscUois
an jene im Übrigen vortreffliche Normierung für die Zwecke der Encjkb-
pädie nicht opportun erschien, so lag das einmal an der weitgehenden Unter-
teilung des Stoffes (man vgl. den Baum, den dort die Elementannathematik
einnimmt, etwa im Verhältnis zur „Mengenlehre"), sodann aber daran, d^fs
eine so ausgeprägte Individualisierung der einzelnen Disziplinen ihrem be-
ständigen Ineinandergreifen hinderlich zu sein schien.
Diese inneren Wechselbeziehungen, die gerade einen Haaptcfaaiaktenug
der modernen Mathematik kennzeichnen, schienen durch fortUrafende Ver-
weise auf die rein äufserlich numerierten einzelnen Artikel, bei denen der
Leser jederzeit direkt sich Rats erholen kann, greifbarer und praktischer
hervorzutreten.
Wir beschränken uns nunmehr darauf, aus der Fülle des Stoffes, der
in den zwei bisher erschienenen Heften niedergelegt ist, einzelne Mflrhnalft
herauszugreifen.
Der erste Artikel, I A 1, von H. Schubert, behandelt die Gnmdlagen
der elementaren Arithmetik. Der Leser wird, wenn er es auch sonst nicht
wufste, sofort den Eindruck erhalten, dafs dem Verfasser auf dem frag-
lichen Gebiete eine langjährige Erfahrung zu Gebote steht.
Die Anmerkungen der ersten Seiten geben eine Vorstellung davon, zn
welcher Ausdehnung und Bedeutung die „Psychologie*^ der Arith-
metik gelangt ist. Die elementarsten Operationen, die man früher wie
etwas Selbstverständliches entgegennahm, erscheinen der neueren Forschiuig
nur als Endglieder eines langen, teils bewulisten, teils unbewnlsten Denk-
prozesses.
Im weiteren Verlauf der Entwickelung tritt immer deutlicher das
leitende „Prinzip der Permanenz" hervor, das in seiner auaführlichen
und vorsichtigen Fassung sehr wohl geeignet erscheint, bekannte Ver-
knüpfungsgesetze für bekannte Zahlengebiete auf neu geschaflfone Zahlen-
gebiete zu übertragen.
Überblickt man den ganzen Artikel, so ist man geradezu eiistaimt über
die geringe Anzahl der arithmetischen Begriffe und Sätze, die der unend-
lich ausgedehnten Analjsis als Fundament dienen.
Der zweite Artikel, I A 2, von E. Netto, giebt auf denkbar knappstem
Baume eine Übersicht dessen, was bisher auf dem Gebiete der Kombinatorik
und insbesondere ihrer Hauptanwendung, der Theorie der Detenninanteii
geleistet ist.
Wie kaum ein anderer Artikel, erhebt er sich, von den elementarsten
kombinatorischen Operationen ausgehend zu den feinsten und verwickeltsten
über die Encyklopädie der Mathematischen Wiseenschaften. 297
Determinantensätzen. Über dem Ganzen schwebt ersichtlich der ERONECKER'sche
Geist der Kritik, der mit den rein formalen üntersnchnngen der älteren
Eombinatoriker gar strenge ins Gericht geht, aber dafür überall bestrebt
ist^ dem toten Buchstaben der Formel eine 8eele einzuflöfsen. Andererseits
konnte man fast bedauern, dafs nicht derselbe Stoff zugleich von einem
Engländer bearbeitet werden konnte; wir sind ja aber in der Lage, das
grolse historische Werk von Th. Muir über Determinanten zu besitzen.
Wir kommen zu I A 3, „den Irrationalzahlen und der Konvergenz
unendlicher Prozesse^' von A. Prinosheim. Wir geben der Hoffnung Raum,
d&Ts gerade dieser Artikel, der den Übergang von der Arithmetik zur
eigentlichen Analysis verkörpert, bei den Lehrern der mittleren und höheren
Schulen eine eingehende Würdigung finden möge. Der rühmlichst bekannte
Verfasser hat keine Mühe gescheut, selbst auf die Gefahr zu grofser Aus-
führlichkeit hin, seinen delikaten Stoff nicht nur faTslich und elegant dar-
zustellen, sondern ihn auch mit einer Fülle wörtlicher Zitate aus mathe-
matischen Klassikern auszustatten, um beim Leser historischen Sinn zu erwecken.'
Bekanntlich spielt der Verfasser in neueren polemischen Auseinander-
setzungen über den Wert und die Tragweite der logischen und intuitiven
Methoden eine ma&gebende Rolle; aber selbst wenn man ihn als ültra-
Logiker bezeichnen wollte, mülüste man ihm zugeben, dafs er hier seinen
Überzeugungen einen möglichst objektiven Ausdruck verliehen hai Die
Kunst der Darstellung ist freilich eine so lebhafte und bestechende, dafs
der Leser alle Mühe hat, seinen eigenen Standpunkt zu wahren. Verfolgt
man die Entwickelung der Lehre von den unendlichen Reihen, und ver-
gleicht man den mangelhaften Standpunkt eines Lagranoe mit den Schlufs-
theoremen des Verfassers selbst, die in ihrer Schärfe und Allgemeinheit
schwerlich noch überboten werden dürften, so mufs man zu der Erkenntnis
gelangen, dafs das 19. Jahrhundert mehr wie jedes frühere, einen völligen
Umschwung in der Mathematik herbeigeführt hat; man mufs freilich auch
wünschen, dafs die bis zur äufsersten Grenze ausgebildete Theorie den in
ihr aufgespeicherten unermefslichen Gedankenvorrat den Anwendungen auf
Natorwissenachaften und Technik zugute kommen lassen möge, um nicht
das esoterische Besitztum weniger Auserwählter zu bleiben, sondera um in
den Fortschritt der Kultur mit starker Hand einzugreifen.
In I A 4 entwickelt E. Study die Theorie der gemeinen und höheren
komplexen Gröfsen. Es steht zu hoffen, dafs Alle, die bisher noch Vor-
nrieile metaphysischer Art gegen die Verwendung komplexer Gröisen ge-
hegt haben, durch die Leetüre dieser klar und überzeugend geschriebenen
Abhandlung eines Besseren belehrt werden. Von besonderem Interesse
dfirften in pädagogischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht die Aus-
298 W. Fr. Meyer:
fdhrtmgen über die linearen Gruppen a;'= x + ö, x'= ax^ a:'= ax + &,
a;'= — ^, sein, und die Erweiterung ihres Wirkungsbereiches, Ms man
die auftretenden Gröfsen als komplex ansieht. Die Lehre der hQheren
komplexen Gröfsen (von der Form Oi^i + a^e» + • • • + ^^») ist eine der
jüngsten Schöpfungen der Mathematik, um deren Aufbau der Verfasser
selbst sich wesentlich verdient gemacht hat; ihre Theorie wird dadurch
verwickelter, aber auch interessanter, als bei der Multiplikation der neaen
Zahlen das kommutative Gesetz fallen gelassen wird« üeber die Verwend-
barkeit der neuen Theorie werden vorderhand die Meinungen noch geteilt
sein; schon jetzt ist aber zuzugeben, daüs die Algebra, die Lehre der konti-
nuierlichen Gruppen, die Zahlentheorie vermöge der höheren komplexen
Zahlen ihren Gesichtskreis wesentlich erweitert haben. Ein bedeutender
erkenntnistheoretischer Vorteil zeigt sich darin, dafs über die Stellung der
Quatemionen zu verwandten Gröfsen volle Klarheit geschaffen wird.
Der folgende Artikel I A 5 über „Mengenlehre*^ von A. Schoekfues
dürfte der sein, der an die Fassungskraft der Leser die gröbsten Anforde-
rungen stellt. Handelt es sich doch um die von G. Cantor begründet«
Theorie der transfiniten Zahlen, die, anflUiglich lebhaft beanstandet, znr
Zeit einen immer gröfseren Ereis von Anhängern und Bearbeitern göwinnt.
und in alle Teile der Analjsis und Geometrie als ein KlassifikatJonsprinap
ersten Banges einzudringen berechtiget erscheint.
Schon die Originalarbeiten erheischen zu ihrem Studium eine mnh*
same und andauernde Mitarbeit; es hielse daher Unmögliches verlangen,
wollte jemand blofs an der Hand der vorliegenden überaus gedrftngteo
Wiedergabe die Tragweite der erklärten Begriffe erfassen. Man muljs aber
dem Verfasser um so mehr zu Dank verpflichtet sein, dals er mit Erfolg
bestrebt gewesen ist, mit nüchterner Vorurteilslosigkeit überall den reales
Kern aus den verwickelten Erscheinungen herauszuschälen, und alle irgend-
wie transcendentalen Spekulationen als hier nicht her gehörig beiseite ZQ
schieben. Dafs gerade bei einem solchen Gebiete eine sorgfUtige und
kritisch gesichtete Litteraturzusammenstellung von besonderem Werte ist,
liegt auf der Hand.
In glücklicherer Lage war der Bearbeiter von I A 6, der „Endliches
diskreten Gruppen^\ H. Burkhabdt, insofern die Leistungsfähigkeit dieser
von Cacchy ins Leben gerufenen Theorie längst aulser Fra^e stehtw Per
Text in seinem Lapidarstile gleicht, wenn das Bild erlaubt ist, einer Ge*
setzestafel. Der Verfasser war wohl zu dieser Condensation um so eher
berechtigt, als gerade sein Stoff in einer Reihe ausgezeichneter Lehrbücher
durchgearbeitet ist, und konnte das Hauptgewicht in die Anmerkusgeo
über die Encyklopädie der Mathemaiischen Wissenschaften. 299
verlegen, die denn in der That eine ganze Oeschichte von menschlicher
Geistesarbeit erzählen. In der neuesten Fortentwickelnng der Lehre machen
sich zwei sehr verschiedenartige Strömungen bemerklich; w&hrend sich anf
ier einen Seite in Fragen der praktischen Abzählbarkeit gewisser Grruppen
eine Art Sport herausgebildet hat, der vor keiner noch so mühsamen
empirischen Rechnung zurückschreckt, stehen auf der anderen Seite ganz
neue und ans der Tiefe geschöpfte Begriffsbildungen, die ungeahnte Per-
spektiven für die Zukunft erö&en.
Mag es bei diesen Bemerkungen, die doch nur ein aphoristisches Ge-
präge tragen, sein Bewenden haben; sollten sie ein allgemeineres Interesse
fnr den Fortgang des Werkes erwecken, so haben sie ihren Zweck erfüllt.
Eine von angesehener Seite ausgesprochene Befürchtung wird sich hoffent-
lich nicht bewahrheiten, daCs nämlich die Encyklopädie fast unmittelbar
nach ihrem Erscheinen bereits „veraltet" sein würde. Wir glauben viel-
mehr, dals sie allen späteren Untersuchungen ähnlicher Natur zur blei-
benden Grundlage dienen wird, xmd dafs der in ihr lebendige Geist
historisch -kritischer Erfassung jüngster Dezennien in seiner unmittelbaren
Wirkung sich stets gleich bleiben wird. Wenn sich das Gefühl für die
Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer, äuüserer und innerer
Vermehrung des Wissensstoffes immer mehr verfeinem wird, wenn das Be-
streben wachsend dahin gehen wird, ausgedehnte Gruppen von Sätzen als
im wesentlichen gleichwertig, als „Varietäten eines und desselben Stamm-
typns^' zu erkennen, dann wird auch die jetzt so drohend scheinende Ge-
fahr zurücktreten, dafs die Wissenschaft an der Überwucherung mit un-
übersehbarem Einzelmaterial erstickt.
mw ^
ZUR TERMINOLOGIE DER
ÄLTESTEN MATHEMATISCHEN SCHRIFTEN
IN DEUTSCHER SPRACHE.
VON
FELIX ntÜLLER
IN LOSCHWITZ.
Wer die historische Entwickeltmg der mathematischen Wissenschaften
studiert hat, der wird nicht erstaunt sein üher die grofse Zahl von Fremd-
wörtern, deren sich deutsche Mathematiker bedient haben und noch be-
dienen. Müssen sie doch die Quellen ihrer Wissenschaft in griechischen,
lateinischen, arabischen, italienischen, französischen und englischen Schriften
suchen. Mit dem Inhalt der Wissenschaft sind auch die fremdsprachlichen
Eunstausdrücke entlehnt. Bei der Herübemahme aber war es den
Deutschen nicht in gleichem Mafse möglich wie andern Völkern, die deutsche
Sprache durch Aufnahme fremder Wurzeln zu bereichem. „Wenn das Neu-
hochdeutsche, sagt Ernst Eckstein^), wie seinerzeit das Althochdeutsche,
das Angelsächsische und noch in späterer Zeit die romanischen Sprachen,
— die Kraft besäüse; fremdsprachliche Elemente so mit dem eigenen Sprach-
safte zu durchdringen, wie dies der triebmächtige Baumstamm mit den
ihm aufgepfropften Schöfslingen thut, so würde die Fremdwort er frage
fUr uns ebensowenig Yorhanden sein, wie für die Franzosen, Italiener,
Spanier u. s. w." —
Die moderne Sprachreinigungsbewegung hat auch unsre Wissenschaft,
die Mathematik, nicht verschont. Sie will zahlreiche mathematische Fremd-
wörter, die Jahrhunderte hindurch bestanden haben, und an welche sich
im Laufe der Zeit eine reiche Begriffsfulle geknüpft hat, mit einem Male
über Bord werfen. So soll das Wort Geometrie, das eine mehr als
zweitausend Jahre alte Geschichte hat, durch das Wort Baumlehre er-
setzt werden, das überdies längst in ganz anderem Sinne für eine rein
metaphysische Doktrin in Gebrauch ist. Es ist schon wiederholt und mit
Becht hervorgehoben worden, dafs die modernen Puristen das Kind mit
dem Bade ausschütten. Müssen wir uns doch häufig die von ihnen ent-
stellten mathematischen Sätze, um sie zu verstehen, in die Sprache der
gebildeten Mathematiker zurückübersetzen^). Wenn ein modemer Mathe-
1) Ebhst EcxsTEnr. Verstehen wir Deutech? Volkstümliche Sprachunter-
BQchmigen. Leipzig 1894. Die Fremdwörter, S. 125.
2) Wir erinnern an den mifshandelten Pythagoras: „Die GFesamtfaeit der Ge-
vierten über den beiden Gesenkten ist gleich der Gevierten über der Unter-
ipannenden".
304 Felix Maller:
matiker sich berufen glaubt, „als neuer Herkules den Augiasstall der
mathematischen Sprache von Fremdwörtern zu reinigen'', so ist sein unter-
fangen nur ein Beweis dafür, dafs er mit der historischen Entwickelang
seiner Wissenschaft; nicht vertraut ist. Wie Überhaupt das Studium der
Geschichte einer Wissenschaft den Gelehrten zur Bescheidenheit enieht,
indem sie ihn vor Überschätzung seiner eigenen Leistungen bewahrt, so
zeigt es ihm auch, dafs es niemals gelingen wird, durch eine geschickt'^
Verdeutschung Ersatz für zahlreiche Fremdwörter zu finden.
Der nachstehende Aufsatz, welcher sich mit der Terminologie der
ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache be-
schäftigt, hat insbesondere den Zweck, zu zeigen, daCs die Versuche, fremd-
sprachliche mathematische Kunstwörter durch deutsche zu ersetzen, schon
sehr alt sind und dals sie sich stetig, bald mit gröfserem, bald mit ge-
ringerem Erfolge wiederholt haben. Das Studium der mathematischen
Nomenklatur ist nicht nur in rein sprachlicher Beziehung von Wichtig-
keit, es dient uns auch in der Geschichte der Mathematik dazu, die Quellen
zu finden, aus denen ein Schriftsteller geschöpft. In M. Cautor's groÜBem
Geschichtswerke finden sich zahlreiche Belege dafür. Eine Durchforschang
der älteren deutschen mathematischen Litteratur mit besonderer Bücksidit
auf Verdeutschungen von Fremdwörtern wird zugleich einen nütslichen Wink
geben dafür, inwieweit Sprachreinigungsversuche berechtigt sind und wel-
chen Erfolg dieselben für die Zukunft versprechen.
L Teil.
Chronologische Übersicht &ber die für die mathematische TemüDologie
wichtigen Quellen.
Bevor wir an unsre eigentliche Aufgabe gehen, wollen wir eine kune
chronologische Übersicht über die ältesten und älteren mathematischeD
Schriften, die in deutscher Sprache abgefafet sind, geben und auf deren
Bedeutung für die mathematische Terminologie im allgemeinen aufineiksam
machen. Dieselbe ergiebt sich häufig schon aus dem Titel.
Als der Erste, welcher mathematische Lehren in deutscher Sprache
geschrieben haben soll, wird der gelehrte Klostergeistliche Notker Labeo
zu St. Gallen genannt, der um das Jahr 1000 lebte'). Von ihm sagt
3) S. GöifTHBB, Geschichte dea mathematiBchen Unterrichts im deotscheo
Mittelalter bis zum Jahre 1525. Monumeuta Germamae Paedagogica III. Berlio
1887, S. 45.
Zar Terminologie der ältesten mathematisclien Schriften in dentscher Sprache. 305
Stalin (Württemb. (beschichte I, 1841, S. 616), er habe die erste Arith-
metik in deutscher Sprache, wahrscheinlich eine freie Bearbeitung der
Arithmetik des Boethius, verfalst, und Ahbros (Geschichte der Musik U,
1864, S. 99) nennt Notker als Verfasser der ältesten bis jetzt bekannten
Schrift über Theorie der Musik.
In der Mitte des XIV. Jahrhunderts schrieb Eonrad von Megenberg,
DomheiT zu Begensburg, eine Bearbeitung der Sphära des Sacrobosco in
mittelhochdeutscher Sprache^). Auf dieses „erste deutsche Handbüchlein
der Physik und Astronomie" hat zuerst Dieher^) aufmerksam gemacht.
Da, wie Diemer nachgewiesen hat, die „deutsche Sphära" Konrad Hein-
fogel's vom Jahre 1516 ein wenig erweiterter Abdruck der MEOENBERo'schen
Bearbeitung ist, so werden wir später darauf zurückkommen.
Die älteste uns erhaltene geometrische Schrift in deutscher Sprache
ist die Geometria Culmensis. So bezeichnet man eine für Feldmesser
bestimmte Anleitung zur Ausmessung von Flächen, die auf Veranlassung
des Hochmeisters des deutschen Ordens Conrad von Jüngingen um 1400
Ton einem unbekannten Verfasser zusammengestellt wurde ^). Dieses Buch
hat neben dem lateinischen Text eine deutsche Übersetzung. Es wurde
unter starker Benutzung der Practica geomdriae demonstrativa des Domi-
Micus Parisiensis yerfafst^). Es ist für die mathematische Terminologie
von grolser Wichtigkeit.
Aus dem Anfange des XV. Jahrhunderts stammt ein in deutscher
Sprache geschriebener arithmetischer Traktat, der sich in einem Wiener
Codex (no. 3029) befindet^). Herr A. Nagl, der ihn zuerst erwähnt, giebt
Ton demselben an, dais er ganz auf dem Boden der italienischen Praxis
stehe. Die Verpflanzung der italienischen Arithmetik nach Deutschland
wird noch durch zwei andere Algorithmus-Traktate bezeugt, die ebenfalls
deutsch geschrieben sind und sich in den Münchener Handschriften des
4) GÜHTHBB, 1. c. S. 167.
5} DiEMEB, Kleine Beiträge zar altem deutschen Sprache und Litteratur,
Wien 1851, S. 60 flF.
6) Geometria Culmensis, Ein agronomischer Traktat ans der Zeit des Hoch-
meiiters Cohbad ton Jdmgihobn (1393 — 1407). Herausgegeben von Dr. H. Mendthal.
Leiprig 1886. 76 8. 8«.
7) Über den Inhalt s. M. Caktor, Yorlesungen Aber Geschichte der Mathe-
matik, n, 1892, S. 137—141. Über den Dominicub Pauisiknsis vgl M. Curtze,
Mathematisch-historische Miscellen. 8. Biblioth. math. (2) IX, 1895, S. 107.
8) Altebd Naol, Über eine Algorithmus-Schrift des Xu. Jahrhunderts etc.
Z. f. Math. n. Phys. XXXIV; Bist. litt. Abt. S. 145.
Abh. cur Omch. d. Mathem. IX. 20
306 Felix Malier:
XV. Jahrhunderts no. 4162 und no. 7088 befinden^. Im Beginne des letz-
teren wird das Rechnen (der Algorithmus) „die Kunst des weisen hoch-
gelehrten meisters Algi'* genannt. Hoffentlich werden diese ältesten Bechen-
bücher bald herausgegeben werden.
Spätestens im Jahre 1445 schrieb ein Hildesheimer 8iaflsschüler
Bkrmuakjd ein elementares fiechenbuch in niederdeutscher Sprache, durch
dessen Herausgabe und Übersetzung Herr Friedrich Ukger^^) sich ein
grol^s Verdienst erworben hat. Trotzdem es deutsch geschrieben, sind die
lateinischen Kunstausdrücke beibehalten.
Ein Bruchstück einer Algebra in deutscher Sprache aus dem Jahre
1461, sowie eine vollständige Abhandlung über denselben Gegenstand, auch
in deutscher Sprache, mit dem lateinischen Titel: ^Begula delacose secon-
diuu 6 capitula', finden sich untermischt mit lateinischen Manuskripten in
der Handschrift der königl. Hof- und Staatsbibliothek zu München Nr. 14908.
Auf dieselbe hatte zuerst Gerhardt aufmerksam gemacht ^^). Später hat
M. C^URTZR^') sämtliche Stücke des Sammelbandes herausgegeben und er-
läutert Bemerkenswert ist, dafs in einigen dieser Stücke lateinische und
deutsche Sprache abwechseln.
Die Geometria Culmensis lehrte, Figuren auszumessen; die erste An-
leitung in deutscher Sprache ^ geometrische Figuren richtig zu zeichneo^
enthält eine unter dem Namen „Geometria deutsch*' bekannte Schrift
Hhidsloff, der diese Schrift in seinem Buche: „Die Bauhütte des Mittel-
altei^ in Deutschland*^ Nürnberg 1844, Seite 95 — 99 abdruckt, fSigt dem
'IHtel hinzu: „angeblich von Hans Hösch von Gmünd 1472". S. Günther
hat diese Geometrie in einem Sammelband mathematischer Druckwerke der
Nürnberger Stadtbibliothek, ohne Angabe von Verfasser, Druckort, Zeit etc.
a\üget\inden und veröffentlicht^'). M. Cürtze bemerkt zu dieser YerOffent-
Uuhung, dafs sich in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek ein Mann-
ukvipt aus ^em Jahre 1477 befindet, das auf Blatt 62 — 73 ebenfalls eine
(huuuetria (Feldmefskunst), deutsch, enthält, die offenbar von der ohigen
\» Naui*, l 0. S. 168 Anm.
10) Fuiiw«icn Ungbr, Das älteste deutsche Rechenbuch, herausgegeben uod
üliiutiUt. Z, f. Math. D. Phys. XXXIH, 1888, Hist.-litt, Abt. S. 126—146. Vgl.
\\ r\mi»H, Vorl. üb. Gesch. d. Math. 11, 159—160.
in (Uhhahdt, Zur Geschichte der Algebra in Deutschland. Berl. Monatsber.
X'^) M. OrsTiK. Ein Beitrag stur Geschichte der Algebra in Deutschland in
^\iut]6ubuieu Jahrhundert. Z. f. Math. u. Phys. XL, Suppl. 1896. Abh. «. Gesch.
k\ M4tk4. Ueft 7. 8. 81—142.
l.i.) ä. QüNTiu«, Zur Geschichte der deutschen Mathematik im fonfiehnten
i.jaUuuauit. t. f Math, u. Phys. XX, 1875; Hist-Utt. Abt. S. 1 ff.
Zur Terminologie der älteaten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 307
verschieden ist^^). Aneh die erstgenannte Geometria deutsch bietet in
sprachlicher Hinsicht manches Interessante.
In der zweiten H&lfte des XY. Jahrhunderts worden in Deutschland
zahlreiche Yorschriften gegeben, wie auf den Linien zn rechnen sei^^).
Es erscheint nnn eine von dem Abacus- und Kolnmnenrechnen wesentlich
Terschiedene Becbnnng mit Bechenp fennigen oder Baitpfennigen (jetons,
piojeetilia, oonnters) anf der Bechenbank oder der Bankir, auf der
wagerechte Linien gezogen sind, welche den auf oder zwischen ihnen
liegenden Zahlen oder Marken ihren Wert verleihen. Die nächst höhere
Lidie giebt den zehnfachen, der Zwischenraum (spatium) zwischen ihr und
der nSehst tieferen den fünffachen Wert der letzteren. Der Yerbreitung
der praktischen Arithmetik kam die Erfindung der Buchdruckerkunst ganz
besonders zu statten. In der ersten H&lfte des XYL Jahrhunderts wurden
zahheiche Bechenbücher durch den Druck yeröffentlicht ^^.
Yon deutschen gedruckten Bechenbüchern sind wohl die ältesten
die beiden von Heinrich Petzbnsteiner in Bamberg 1482 und 1483 ge-
dmekten^^. Yon dem ersteren, dessen Yerfasser Ulrich Wagner, ein
Nürnberger Bechenmeister, ist nur ein winziges Fragment erhalten. Das
zweite, wahrscheinlich auch von Ulrich Waonbr yerfaist, wird gewöhnlich
„das Bamberger Bechenbuch von 1483*' genannt. Eine eingehende Schil-
derung desselben giebt Cantor in seinen Yorlesungen^®).
In dem oben angefCÜirten Buche von Heideloff ist unmittelbar hinter
der Oeometria deutsch abgedruckt (8. 101 — 116): „Das Beifsbüchlein
der HaTsbretter von Matthias Boritzer, Dommeister von Begensburg 1486/'
Beilsbüchlein ist Zeichenbüchlein, Mafsbretter sind Schablonen. Der ur-
sprfingliche Titel war: „Mathes Boriczer, Dz Puechlen der fialen gerech*
tikait.'^ Fiale ist die mit Blumenkn&ufen und Blattwerk verzierte Spitzsäule
der gothischen Baukunst ^^). Übersetzt und erl&utert wurde dieses Büchlein
von Reichehspfrger (Trier 1845). Aus derselben Zeit stammt «ine vielfach
ähnliche Anweisung zur Zeichnung der Spitzsftulen von Hans Schhutter^
VATR, das V. EssENWEiK ueu herausgegeben^).
14) M. CuBTBB, Bemerkungen zu dem Aufsätze Güntheb's. Ebenda S. 57 ff. —
Der Anfsatz von 1477 ist oben S. 40 — 63 zum Abdruck gekommen.
16) Vgl. M. Caätob, Vorl. üb. Gesch. d. Math. II, 198 ff.
16) Alfbxd Nagl, 1. c. S. 146 Anm. o. S. 168 Anin.
17) Fb. ÜMaxB, Die Methodik der praktischen Arithmetik in historischer Ent-
wickelang vom Ausgange des Mittelalters bis auf die (Gegenwart. Leipzig 1888,
8. 86, 37 u. ff.
18) 1. c. n, 202—208.
19) 8. GüHTH^, Gesch. d. math. IJnt. S. 342 ff.
20) Anzeiger f. Kunde der Vorzeit 1881, Sp. 66 ff. Nach Gümtheb 1. c. S. 343 Anm.
20*
- ^r-r »l^
Felix Malier:
OST Begtüomimg des Inhaltes von Hohlm&Isen
' bedienten, so gehören aneh die
.— •»»•,•• * ^^^ * ^ ^-^
ü» Hiastelhnig und Anwendung der Yisiennte
Lxtsantur. Das älteste deutsch geschriebene
Ekn*^. gedruckt zu Bamberg 1487, hat zum
fpoBSK, auch Hanks Bbiefmaler genannt. ^\).
las Baaboger Rechenbuch erschien im Druck
te -E»±usfr 3SB. T-bI wGctlich aus ersterem entlehnt: „Behede
«^. iseosac iccf ^I^sl tanffmanschaflFt", von Johann Widmax
Wäcehx ans drei Teilen: l) von Kunst Tud
mit ganzen und gebrochenen Zahlen,
^ rtii'isic iur LH Proportionen nach Jordanus, Begeldeth),
.^ jc .r: u:» ~Isii«2L cu A Gecunetria genannt ist (praktische Mefs-
^ rt '^acrca A^ ITl Jahxhuiiderts mehren sich die in deutscher
» - ?^-:iu29r-a^H2^H:«a Ic^cöäib öcher , sowohl diejenigen, welche das
-^ .^i .^.:tt*. AiS^ ÜM» welche das „Bechnen auf der Peder^, d. h.
^.- ^. «^ .^rrv^OAtift leiLren. Da diese Bücher sich in der Dar-
. .^. --^ .•,:! $i!«£%ra. w geaögte es flBbr unsere Zwecke, einige der
^ . • . -^ „o&i&a^cuj^cix .tema Titel wir hier folgen lassen.
.. cL 'S^^Uii.tirüiXMr lu Oppenheim): Ain New geordnet
z xx^ X'^^ I:ai«a mit Bechenpfeningen: den Jungen
^ ^^^^. .^riB ^onscft md hendeln leychtlich zu lernen ndt
.. *.-uT»*:i. Cvi^aa^eim 1514. 24 Blätter. 8^ 3. Aufl. 1518,
^-o^tu xutvl .in:»«»nf ZiiS^m; dieselben, „die gemeinen oder ziffe^
^^«. v^. :ur ia aiu\ wo sie erklärt und mit der römischen
....x,.»^-i '.^**» v^r^lichen werden; im übrigen werden nur r5-
v^vA>ss.«haN i^l472 SU Efslingen — 1540, Wiedererwecker
^^sM^ax^: Aia New geordnet Bechenbiechlin mit
;.^ ^»^^avlvti Schülern zu Nutz, Inhaltet die Siben Species
>^ .J-* i«r Keg^l de Trj und sechs Begeln und Spruch von
•>^« ».i A:ixit»rft guten Fragen, den Kyndem zum Anfang
.^w^x ^'^*i. ^^^^' Ö<>»).
.<*..k X »Atk. Uni S. 328 ff.
^ % 'j«.v\ ^oA Kosa und sein Bechenbuch findet man in
l^. IVkitle», Die deutsche Cofs. Z. f. Math. o.
V ^J ft. Ue$ch. d. Math. Heft 2, S. 1—124; S. GüirrHss,
^ 4 r. bV VxoKR, Die Methodik etc. S. 40 ff., u. a.
_^ . >^^ nennt Gfiosa Rbichkuitbin, dessen Bechen*
Zar Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 309
Um die chronologische Reihenfolge unsrer Quellen festzuhalten, müssen
wir hier einschieben Jacob Köbel: Ejn new geordet Yjsirbnch. Helt
yi- Wie man vff eins yden Lands Eych vn Mafs, ein gerecht Vysirut
mach€ yn do mit ein ygklich onbekant VaCs yysieren, anch synen Inhalt
erlernen solle. Den anhebenden Schalem Visirens Leichtlich, mit Figuren
vnnd Exempeln zu lernen, angezeigt. Angehengt Tafeln. Oppenheym. 1515.
29 S. 4®.
Der berühmte Rechenmeister Adam Riesb (auch Ries, Rys, Ryse), geb.
1492 zu Staffelstein bei Lichtenfels in Franken, gest. 1559 zu Annaberg,
hat drei verschiedene Rechenbücher geschrieben, die alle mehrfache Auf-
kgen erlebten^). Das erste, welches nur das Linienrechnen lehrt, stammt
ans dem Jahre 1518: „Rechnüg auff der linihen gemacht". Die Aus-
gabe Ton 1530 hat 62 S. kl. 8^. Das zweite heilst: „Rechenung auff
der Linihen vn Federn, Auf allerley handthirung gemacht". Erfurt
1522. Zweite Auflage 1529, 101 S. kl. Oktav. Das dritte: „Rechnung
nach der lenge, auff den Linihen vnd Feder. Darzu forteil vnd be-
hendigkeit durch die Proportiones Practica genant. Mit grüntlichem vnter-
rieht des visirens^^ Leipzig 1550, 196 Blätter 4^, legt den Schwerpunkt
anf das praktische Rechnen, nachdem es zuerst das Rechnen auf Linien und
dami das Zifferrechnen vorgetragen, und giebt eine grolse Zahl von Auf-
gaben. „Nach der lenge^^ heilst ohne Abkürzung.
Auch unter den eigentlichen Gelehrten, die noch lange Zeit hindurch
lateinisch zu schreiben pflegten, finden wir einige, die es nicht verschmähten,
eine Anweisung zur praktischen Arithmetik in deutscher Sprache heraus-
zugeben: Henricus Grammateub, Chbistoph Rüdolff, Peter Apian und
Michael Stifel.
Das Rechenbuch des Grammateub (Heinrich Schreiber, Lehrer an
der Wiener Universität, später zu Erfurt'^), giebt in seinem Titel den voU-
bnch 1532 erschien, als einen der Ersten in Deutschland, welcher Arithmetik und
Dichtkunst zu vereinigen bestrebt war. Aach Böschenbtein kleidet seine Regeln
in Verslein, z. B. fOr die RegtHa fusti (Bmttorechnung) :
Regel fuBti drea ding haben wil Was jedem tail zu zim und bleib
Lanier mirain mit nrnstera zil Das an sejn stat in die regel schreib
AqCb dem muster thu' den fasti formiren Fürohin beyden fragen nach practycier
Den darnach vom lautem subtrahireu. Fusti beyd possen in ain summa sunmiir.
Anch in WmicAM's Älgarithmua Unedlis (ca. 1497) finden sich lateinische Hexa-
meter, welche die Nameration erklären. (E. Wappler, Beitrag z. Gresch. d. Math.
Z. f. Math. u. Phys. XXXIV. 1889, Suppl. S. 147 ff.)
24) AusfOhrliches fiber Adam Riesb s. bei ünobb, Die Methodik der prakt.
Ar. etc. S. 48—63.
26) M. Cahtob, Vorl. 11, S. 363 ff.
J-lLi¥£il€r:
^ ,~._ 1-iw £.Lz>tlich Baech, welches gar gewiss
i. . ^» _<Mi~yTT Begel Detre, welschen practie, regeln
-4«. xrisjüsriii schöne vn zu wissen notdfirfflig
— -mt^-^'u.'. xxiih. nach den proportion der konst des
. . •» . -*w^»<«>iit USX lutajlen monochordum, oige^fejffen
4S er ^tindnng Pjthagore. Wejtter ist hieiynnen
•. ^ :ontal (d. i Journal), Kaps (E[a8salmch fnr
.. -.«««ui'.e ut^Id) Tnd schnldbuch. Visier Rathen ni
-^ *« mi a^aagel mit vil andern Instigen stdcken der
•6 Bi^tter, klein 8^. Zu den letateren Stöcken
1«^ .e» Würfels.
«.ovjji« Sphära, yon der wir schon oben sprachen, hat
^.-^itdli:}^ getentscht durch mejster ComAOT Hbt>*-
^ .^ >tt aofiuiek oder fondament der ghenen, die da
w;^ i^r A^tronomy.'^ Cöln 1519. 7 Bogen, gr. 8^.
t«u auch eine Anleitung zum Ziffeireehnen: „Mit
^. . ««.bidd^rn I durch die zeifersahl zu rechnS | Ein
.a den angenden SchtQem d' rechnüg zu ere ge*
. j JO. 40 Blfttter. 8®.
v.^k' von Jauer, der bedeutendste Schaler des G&ajI'
.k> i^ie Lehrbuch der Algebra in Deutschland. ,,Bd-
Uechnung durch die kunst | reiohen regehi Algebra,
.t> iw oi's g^nennt werden. Dar | innen alles so tiBülich
^ .iuch ^Win auls Tleilsigem Lesen on allen mftndtlichS
- ^ dxn wenWn. Hindangesetzt die meinüg aller dere | so
. ..U'u n)g^Ia an | gehangen. Einem jeden üebhalwr I
^ ..v^ oi^t^ulich. I Zusamen bracht durch Christofen Ba-
..w ivuu>che Künstler des XYI. Jahrhunderts, Axarbcht
.\ S i>^^* 1471, gest. 1528), widmete Handwerkern und
i«..^ ^uui richtigen geometrischen Zeichnen: „Ünder-
V «:i^ mit dem zirckel und riehtscheTt, in LinJAiy^ ebenen
Vruheim 1525. 89 S. foL Dieses Buch ist für
>.>ii4Uv>Iogie Ton grolser Wichtigkeit, da Dürbb den
^. uci mC^gUchst Termeidet und Tiele wohl selbstgewfthlte
.1 »lu^ Stelle setzt
.viK»« obt*n, dcifs Christoph Btdolff auch eine An-
»sa ^tahru'ben. Sie erschien zuerst 1526 zu Wien.
1, S^ 4^1 tr ~ & GCsrm^ üaterr. L Mittela. & 361 £
Inologie der ältesten mathematisclien Schriften in deutscher Sprache. 311
liehe Bechnung mit der Ziffer vnd mit den zalpfenningS, sampt
lachen Practica ynd allerlei forteil auff die Begel de Tri." Auch 1540.
r gelehrte Petrus Apianus (eigentlich Bibnewitz, Professor der
nie an der üniyersität zu Ingolstadt, gest. daselbst 1552) ist auch
r einer Kaufmannsrechnong in drei Büchern. yfEin newe ynd
Tündte ynderweisung aller Eanffmans Rechnung in dreien
mit schönen Regeln ynd fragstClcken begriffen. Sonderlich was
and behendigkeit in der Welschen Practica ynnd Tollsten gebraucht
lesgleichen yormals weder inn Teutscher noch in Welischer Spraa-
c. getruckt." Vorwort 1527. Frankfurt 1537 (nach Treutlein
>32).
TEB Apianus ist auch als Erfinder trigonometrischer Instrumente
t. Sein Instrumentum prmi mobüis dient zur Auffindung des
lud Sinus yersus'*^. In der E. Bibliothek zu Berlin fanden wir:
ans Apiani astronomicus et jam recens inyentus et nunc primum
1532. Ingolstadii, und Folium populi, instrumentum a Petro
jam recens inyentum etc. „In diesem neuen Instrument, das die
hat eines blats, werden durch den Sonnenschein in der gantzen Welt
m die genaue Stunden des Tages, und aus derselbigen, yermittels
>lats, magst du die Stunden yom Auf ynd Niedergang der Sonnen,
:hen die Judenstand (welche durch die gantze Bibel im Alten ynd
Testament gebraucht werden) leichtlich erkennen/' Ingolstadt 1533.
ing und Erklärung.
ine ausführlichere Anleitung zum Gebrauche des Quadranten, zugleich
n Elementen des praktischen Messens, giebt Joannes Stöffler yon
igenn. »Von künstlicher Abmessung aller grölse, ebene oder
in die lenge, höhe, breite ynnd tiefe, als graben, Cistemen ynd
Q, Man mög daizu kommen oder nit, mit einem Astrolabio ynd Qua-
i, oder mefsleiter. Aus wahrem grund der Geometrie, Perspectiua
ithmetic. Allen werokleuten, Bawleuten, Büchsenmeistem, Feldmessern,
)dennan nützlich zu gebrauchen. Ein gar künstlich Sonnuhr, Hora-
ilimbatu genant, alle Stunden des Sonnen schein nach, gründtlich
lien. Einn yast leichtes künstlichs Geometrisch Instrument, damit
isen alle höhe, weite ynnd tiefe. Als thüm, gebew, bäum, felder,
tiefe graben, brunnen, laier usw. wie die sein mögen. Durch herrn
Philipsen Weiss Schöffen ynnd des Baths zu Frankfurt an tag ge-
benn." 1536.
27) M. Cahtob^ Vorl. II, S. 371, nach S. Günther^ Peter und Philip Afian
Abb. d. k. böhm. GW. (6) XI, S. 27.
Feli]
lllei
„Der nntzlicben vnd freyea kunat Geometria haben sich bishero [ wen^
in vnserer Teutschen sprach angenomen", heifst es in der Widmung, ^
WoLPFGANG Schmidt, Bechenmeiater zu Bamberg, seiner Geonietrie vortuf.
schickt. „Für alle künstliche werckleat | als Steinmetzen | Maler j Büj.
hawer { Schreiner | vn dergl, küsstner" ist hestimmt: „Das erst Buek
der Geometria. Ein kurtzc vttt«rweisuDg | was ] vn warauff Geometrie
gegründet sey | vud wie man | nach anwejsung der selben | mit dem Circkil
vnd Kichtscheydt | allerley Lini | Flech j vnd Cörper aurstheyien | Tnd | ij
fOrgegebener proportion | machen soll." Nürnberg 1539. 127 S. 4""*),
Dafs wir bei unsrer sprachlichen Durchmnaterung der deutschen na-
thematischen Schriften die bedeutenderen Werke eines Gelehrten übergeha
und bei deu minder bedeutenden verweilen müssen, kommt uns am deat*
liebsten zum Bewufstsein bei Michael Stifel'^. Seine „Deutsch«
Ärithmetica, inhaltend die Hausrechnung, deutsche Cofs, Kirchrechniui^
Nürnberg 1545. 92 Bl. i\ lehrt das Sechnen auf den Linien in seinem guign
umfange bis zur Wm^elausziehung, ferner die CoEs bis zu Aufgaben Über qua-
dratische Gleichungen und endlich die Kiruhenrechnung, computns ecde-
siastieus. Zu erwähnen ist hier: „Die Cofs Chhibtofps RunoLifFfl, ail
schönen Exempeln der Cofs durch Micuabl Stifel Gebefsert und sehr g»
mehrt." Königsberg i. Pr. 1553 — 1564, eine neue Bearbeitnng des obn
gerannten ersten deutschen Lehrbuchs der Algebra.
Zn gleicher Zeit mit Ai>am Riese's „Rechnung nach der Lenge", d»
wir schon oben vorweggenommen, erschien: Jiliuann Aluert'b (BmW
meistere zu Wittemberg): „Becbenbüchlein auf der Federn | Ganb
leicht I aus rechtem grund | Li Gantzen yud Gebrochen | Neben angehefftem
viilangst ausgelafsenem Bächlein „Auf den Linien" | Dem etnfeitigeii ge-
meinen Mann und anhebenden der Ärithmetica zu gut." 3. Aufl. 1550.
Wittemberg. 180 S. 8».
Nicht blofs umfangreicher, sondern auch weit besser alB die bisher
genannten Rechenbücher ist das des Simon Jacob von Cobuko (Rechen-
meisters und Bathschreibere zu Frankfart a. M.): „Ein New vnd Wol-
gegründt Bechenbnch | auf den Linien vn Ziffern | sampt der Welschen
Praetic vnd allerley vortheilen | neben der extraction Radicum,
Proportionen | mit vilen lustigen Fragen vn Auffgaben | etc. Deisglei
•iH) Es ist hier nicht der Ort, über den lohalt und die Bedeutnng der TMtl
iina benutzten Suhiiften Äuafahrlichee zu eagen. So ganz unbedentend, '
M, CiiiTOB (Vorl. II, 412) meint, scheint uue die Geometrie Woi-kfcüio i
nicht zu sein.
29) Äuafahrli- ">>** SririiL und sein Hauptwerk, die Ärithmetica iilrgn, 1
findet 1, Kap. XLU, S, äli4 ff.
r 17ennmologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 313
v^ollkomner Bericht der Regel Falsi | mit neuwen Inuentionibus, De-
»nst^rationibTis | vnd vortheilen | so bifs anher | für ynmüglich geschetzt |
t>«i!s€rt j dergleichen noch nie an tag kommen, und dann von der Geo-
»iaria, wie man manoherley Felder vnd ebne | anch allerley Corpora |
gxi.laria ynd Irregnlaria | meinen | Aream finden vn rechnen sol."
^zikiiirt a. Main. 1565. 352 S. 4^. Die Vorrede stammt ans dem Jahre
»S2. Er bedient sich lateinischer und griechischer Knnstausdrücke and
ebt nur vereinzelt bei der Erklärong derselben deutsche Übersetzungen
l^ach dem Tode Jacob Eöbel's (f 1533 zu Oppenheim) erschien
tine „Geometrei von künstlichem Mefsen vnd absehen allerhand
5he, fleche, ebene, weite vnd breite. Als Thüm, Kirchen, bftw, bäum,
eider vnd ftcker usw. mit künstlich zuberejtem Jacobstab, Philosophischem
pie^el, Schatten vnd Mefsruten, Durch schöne Figurn vnd Exempel.'^
Oppenheim. 1553. 55 S. Auf S. 14 steht ein neuer Titel: „Ein künstlich
abtile vnderrichtunge, Wie durch einen Spiegel Ein Höhe eines thurms
Lnch die L&nge einer Ebene Als äcker, Wisen usw. erkennen vnd erfarenn
»olt« Darzu in der Vorrede Warumb das Spiegelglafs erfunden. Jetzo
lein Jacobstab angehencket von Jacob Köbel. Anno 1531.'' Ein dritter
litel auf Seite 23 lautet: „Von mefsen vnd thejlen des Erdtrichs, Ecker
md Velder, in was form vnd gestalt die sein. Durch Jacob Köbel be-
schrieben.*' Ohne Datum.
Endlich finden wir eine deutsche Übersetzung des Euklid, allerdings
zunächst nur der 3 arithmetischen Bücher. Johann Scueybl: Das sibend |
acht vnd neunt buch | des hochberühmten Mathematici Euclidis
Megarensis^) | in welchen der Operationen vnnd regulen aller genudner
rechnung | vrsach grund vnd fundament | angezaigt wirt | . • . aufs, dem
latein ins teütsch gebracht | vnd mit gemainen exemplen also illustrirt
vnnd an tag geben | das sj ein jeder gemainer Rechner leichtlich ver*
stehn I vnnd jme nutz machen kan." Augspurg 1555. 237 S. 8^.
Um dieselbe Zeit mufs auch Wilhelm Holtzmann, genannt Xylander
(1532 in Augsburg — 1576 zu Heidelberg, als Professor des Griechischen)
seine Euklidübersetzung begonnen haben. Dieselbe erschien zu Basel 1562.
Sie hat den Titel: „Die Sechs Erste Bücher Euclidis | Vom Anfang
oder Grund der Geometrj. In welchen der rechte Grund | nit allain der
Geometrj (versteh alles kunstlichen | gewisen | vnd vortailigen gebrauchs
30) Diese Verwechselung des Mathematikers Euklid mit dem Philosophen,
welche dnrch den lateinischen Schriftsteller Valebius Maxdius veranlafst war,
dauerte bis auf Claviub 1574. 8. M. Cawtob, Vorl. I, 224, II, 512.
314 Felix Müller:
des Zirckels | Linials oder Bichtscheittes vnd andrer werkiedge i sö iü
allerlaj abmefsen dienstlich) sonder auch der fCümenisten stnck nA TortiL
der Bechenkhonst | ftirgeschrieben vnd dargethan ist. — Ans Gfiediiscb;
sprach in die Teütsch gebracht | aigentlioh erkl&rt | Auch mit reistaL!-
lichen Exempeln | gründlichen Figuren | vnd allerlaj den nnti for «^
stellenden Anhängen geziert | Dermafsen vormals in Teüischer spiidi l^
gesehen worden. — Alles zu lieb vnd gebrauch den Eunstüebeiidai Ti-
schen I so sich der Geometij vnd Rechenkunst anmalsen | mit Tidfthi&s
mühe vnd arbeit zum trewlichsten eramet vnd in Tmckh gegeben '.*" Wie
die Vorrede sagt, ist das Buch bestimmt ffSac Künstler, als Makr, (Vi-
schmiede, Baumeister und andere, die griechischer und lateimseliflr Kissie
und Sprachen unerfahreiL „Es soll sich auch niemand verwundem, ^
ich etliche fremde Wörtlein hierin beibehalten, und als wohlbekiant noä
leutsche gebraucht hab: Als nftmlich seiend: Proposition, Operation, Stnr
tur, Distants, Excelk, Collect, Best und andere äergL Dann ich das nh
allein nach dem Brauch der alten Gelehrten gethan hab, wekhe in an
Sprach solche auslindische, aber sehr bequeme und bedentlieiie WSite
angenommen und gleichsam mit dem Bürgerrecht begabt haben (wie dos
auch beim Cicerone eine gute Anahl giiechiacha' WSrtlein jeriihebsi;
ja auch aller freien Künste Namen giiedüscher Sprachen vorbehalten saeci.
sondern auch zuvor in teutscher ^rächen mehr fr^emde Wörtkin gebnocb
werden, weder vielleicht nutz und loblich: dafs ieih hoff mir hierin naeb-
lugeben sei, ob ich Neuerung lu vmneaden etiidie wohlgebzasehte m^
im Schwank gehende dieser Künsten Benennungen bleiben lafiMn nnd ü\
in t«utsohe verlndert habe, sonderlieh diewdl z. T. dieselben vonnils ht
kannt, (aU in der Becbenknnst: Addieren, Subtrahieren, MnltiiiliiieRii,
DiTidiei«n, Facit^ Quotient, Best, Snnun odo- C^Olec^ Radix Qoadntio.&.
im Meisen: Centram, Diameter, Cireumferentz, Tiia&gel, Qnadnt, 6aä\
CathetuSs Hjpotenus u. s. w.) z. Teü von mir also geni^saBi an ihren Om
erkllrt) dafs sidi nionand bald daran stoisoi wird.^ —
Nadi einen Zwisdienraum von 48 Jahren tgsthmai äne neae Hkt
Setzung d^ € ersten Bücher der Elemente von Snos IIajbius (aas Gnstia'
hausen, Fümlidi Bnnd^lmigischcai Matlwmatjkw): ^Die Ersten SkI^
Bücher Elementornm EiiLJDiis. In weldien die Anfibig vnd Grüd
der tieometria ordentlich gelehrt, vnd gründlich erwiesen wetden, mit ^
derm Fleifs md Mühe auis Ghechiscber in vnsere Bohe dentsehe Spv^
überi!esetaeet, vnd mit versUndlicben £senqtehi in Idmen vnd ganeio^s
Batiowil Zahlen, Auch mit Newen Fi^ruren, anff das lachtest vnd aigefli
liehest erklaret. Alles z» sonderen Nutz den jenigen, so sich der G^
meta-iv im Ivechnen, Krie^fewesen, Feltm&£sen^ Bauen vnd anden Könstffl
r Terminologie der ältesten mathemaÜscHen Schriften in deutacher Sprache. 315
lud Handtwerckern zu gebrauchen haben." Onoltzbach 1610. Christian
id JoACBiH Ebnst, Markgrafen zu Brandenbarg, gewidmet. „Etliche
iechische Termini oder Wörter, die ich im Verdeutschen hab behalten,
e liab ich alle jedwedes an seinem Ort erkläret."
Ein an neuen Übersetzungen lateinischer Kunstausdrücke ins Deutsche
tiches Buch ist die deutsche Bearbeitung, die der groJGse Astronom Johannes
Epr.sR von seiner Nova Stereomdria doliorum vinariarum^^) selbst be-
trete. „Aufszug aufs der vralten Mefse-Eunst Abchimrdis vnd
sroselben newlich in Latein aufsgangener Ergentosung, betreffend Bechnung
3r körperlichen Figuren, holen Gefeben vnd Weinfässer, sonderlich defs
österreichischen, so ynder allen anderen den artigsten Schick hat. Er-
lärung vnd Bestättigung der österreichischen Weinvisier-Buthen, vnd dero-
3lben sonderbaren gantz leichten behenden Gebrauchs an den Landfäfsem.
Irweitterung defsen auff die aufsländische, so auch auf das Geschütz vnd
[u^eln. Sampt einem sehr nutzlichen Anhang yon Yergleichung dels landt-
;ebräuchigen Gewichts, Elen, Klaflfter, Schuch, Wein* vnd Traid-Maais vnder
inander vnd mit andern aufsländischen, auch Alt-Bömischen/' Lintz 1616.
Im jedermann das Verständnis der Kunstausdrücke zu vermitteln, hat
Kepler ein deutsch-lateinisches Verzeichnis dieser Termini vorausgeschickt.
Eine grolse Zahl verdeutschter Kunstwörter enthält die praktische
Geometrie von Daniel Scuwbnter (1585 zu Nürnberg geb., 1628
Professor der Mathematik und der orientalischen Sprachen zu Altdorf).
„Geometriae practicae novae et auctae libri IV", Nürnberg 1625,
mehrfach aufgelegt, auch 1667. 820 S. gr. 8^. Derselbe ist auch bekannt
durch seine ^Deliciae Physicc-Mathematicae', oder ^Mathematische
vnd Philosophische Erquickstunden'. „Darinnen Sechshundert drej
vnd sechzig Schöne, Liebliche vnd Annehmliche Kunststücklein, Auffgaben
vnd Fragen, aufs der Bechenkunst, Landtmessen, Perspectiv, Naturkündigung
vnd andern Wilsenschafften genomen, begriffen seindt." Nürnberg 1636.
574 S. gr. 8®. Eine Fortsetzung derselben gab der als deutscher Dichter
and Gründer des Pegnesischen Blumenordens bekannte Georg Philipp
Harsdörffer: „Der Mathematischen und Philosophischen Er-
qnickstunden Zwejter Theil.'^ Nürnberg 1651. 695 S. gr. 8^
„Damit der unvergleichliche Archimedes nunmehr kein Sicilianer mehr,
sondern ein Teutscher sein, auch recht und ungestümmelt, ohne Beimischung
fremder Wörter, reden möchte", fertigte Johann Christoph Sturm (geb.
31) Über die Bedeutung dieses Werkes ffir die Stereometrie s. M. Camtor,
Vorl. n, 750 ff., und Gsshi&d'b, Gesch. d. Math, in Deutschland. Mfinchen 1877,
S. 109 ff.
316 Felix Müller:
1635, seit 1669 Professor der Mathematik nnd Physik in Altdorf) eine
Übersetzung der Werke des Archimedes: ,,Des unyergleichlichei
Arohimedis Kunstbücher oder Heutigs Tags befindliche Schriften. Ans
dem Oriechischen in das Hochdeutsche übersetzt und mit nohtwendiga
Anmerkungen durch und durch erläutert." Nümbei^ 1670. 427 + 32 S.foL
In dem Vorbericht heifst es weiter: „Wann dann zu solchem End liek
Lateinische und Grriechische Kunstwörter aufs neue haben verteutscht wa-
den müTsen, welche den kunstliebenden Leser, bis er deroselben gewohoet^
etwas anstehen machen möchten, als haben wir solche YerteutsehtmgeQ
sambt ihren gleichgeltenden und bekannten Lateinischen und Oriechisehen
Wörtern in einem gedoppelten Register nach derer Buchstaben Ordntmg
hier voransetzen wollen; damit man im Falle bedürfens sich daher Balits
erhohlen, und, an statt der büsher gebräuchlichen fremden, die teatscb«
Kunstwörter allgemach ge wohnen, und also mit denen Teutschen teniscb
zu reden lernen möge." Im Text hat Sturm den Verdeutschungen meist
den lateinischen resp. griechischen Namen in Klammem hinzugef>.
Während Holtssmann und Simon Marius nur die ersten 6 Bücher der
Elemente des Euklid übersetzt hatten, erschien im Jahre 1694 eine deutsch?
Übersetzung der 8 geometrischen Bücher, also 1 — 6 und 11 und 12, unter
dem Titel: „Teutsch-Bedender Euclides, Oder Acht Bücher Von Denen
Anfängen Der Meüs-Kunst | Auff eine neue und gantz leichte Art | za Nü-
tzen Allen Generalen | Ligeniem | Natur- und Warheit-Kündigem | Bau-
Meistern I Künstlern und Handwerckem. Li Teutscher Sprach eingerichtet
und bewiesen | durch A. E. B. V. P." Wien. 375 S. 4®. Der Übereetier
ist BuRCKHARDT VON PiRKENSTEiN. Er nennt sich in der 2. Auflage za
Frankfurt 1699»^).
Wir haben noch eine Übersetzung der ersten 6 Bücher der Euklidiscbeo
Elemente zu nennen, von Samuel Beyher: „In Teutscher Sprache vor-
gestellter Euclides, Delsen VI erste Bücher auf sonderbare Art | Mit
Algebraischen Zeichen | also eingerichtet sind | dafs man derselben Beweise
auch in andern Sprachen gebrauchen kann/' Kiel 1697. 392 S. 4®. Das
Buch ist für uns dadurch merkwürdig, dafs der Verfasser alle Fremdwörter
ohne Ausnahme verdeutscht; er fügt allerdings meist die lateinischen Aus-
drücke in Klammem hinzu.
Wir schliefsen unsre Litteraturübersicht mit der ersten dentschen
Encjklopädie der mathematischen Wissenschaften, die allerdings schon is
das XYIII. Jahrhundert hinüberreicht. Sie ist verfafst von dem Sohne d^
oben genannten Johann Christian Sturm, von Leonhard Christoph Stürm,
32) J. Rooo. Handbuch der mathematischen Literatur. Tübingen 1830, S. 3?o.
Zur Terminologie der Utesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 317
inter dem Titel: „Enrtzer Begriff der gesambten Mathesis | Bestehend in
J Tbeilen." Frankfurt a. 0. 1707.
Charakteristisch für die Terminologie dieser älteren mathematischen
Schriften in deutscher Sprache ist, dafs die Mehrzahl derselben nicht für
jrelebrte bestimmt war, sondern für solche Leser, die der lateinischen und
griechischen Sprache unkundig waren. Aus den deutschen Bechenbüchem
M>llten die Kinder des Volks lernen; die geometrischen Schriften deutscher
Sprache sollten den Handwerkern und Eünsüem die für ihren Beruf er-
forderlichen Kenntnisse mitteilen. Das war für die meisten der im Vor-
bergehenden genannten Verfasser der Grund, Fremdwörter zu vermeiden
and dieselben möglichst durch deutsche Wörter zu ersetzen. Von einer
sogenannten Sprachreinigung im modernen Sinne war also durchaus nicht
die Bede. In den meisten der obigen Schriften dienen die Verdeutschungen
lediglich dazu, das Fremdwort zu erklären. Daher finden sie sich auch
häufig nur in den den Lehren yoraufgehenden Definitionen; im nachfolgenden
Texte werden dann wieder die Fremdwörter wie deutsche Wörter gebraucht.
Häufig werden auch im Texte beide Ausdrücke zugleich angewendet, das
Fremdwort voran und das deutsche in Klammem, oder umgekehrt.
n. Teil.
Über altere Yersnche, matliematiselie Knnstansdrftcke zu yerdentsclieii.
Die für uns in Frage kommende Litteraturepoche umfafst, wie aus
dem vorigen Abschnitt zu ersehen ist, ungefähr drei Jahrhunderte, von ca
1400 — 1700. Um den uns zugewiesenen Baum nicht zu überschreiten,
müssen wir uns mit einer möglichst knappen Übersicht über die Ver-
deutschungen mathematischer Kunstausdrücke begnügen, welche
wir in den oben angeführten Schriften gefunden haben. Wir befolgen dabei
die systematische Anordnung.
A. Allgemeines: Mathematische Disziplinen. Methode.
Über die Wandelung der Namen unserer Wissenschaft und ihrer Dis-
ziplinen haben wir bereits in einem früheren Aufsatze ausführlicher be-
richtet^). Die einzelnen Disziplinen der „gesamten Mathesis", wie es in
^em Compendium des Leonhakd Christoph Sturm heilst, werden „Künste"
genannt, wohl weil einige derselben im Mittelalter zu den artes liberales
zählten. Die ars calculatoria ist die Kunst der Zahl (Geom. Culm.), die
33) Feux Müllkb. Hiatoriflch- etymologische Studien über mathematische
Tenninologie. Gymn. Pr. Berlin 1887, S. 6 ff.
318 Felix Müller:
Kunst arithmetica ist die Bechenkanst, die Kunst Geometria, die erfanose
oder Erdmessung (Geom. Culm., Schwenter u. a.) wird Mefskunst genannt,
der geometra Mefskünstler (J. Stürm) oder Landmesser (ScHWEirrEs); aD-
gemeiner definiert Simon Jacob: Gbometria ist die Kunst alle GrOÜKn m
messen. Die Algebra oder Cofs, „die bei den Alten Kunst yon BingeL
heilst'' (Stifel)'^), könnte man Stellkunst nennen, sagt Leonhard C&iusTOPa
Sturm; Astronomie ist Stemkunst, statica Wagkunst, mecbanica Hebe- oder
Bewegkunst^ optica Sebekunst, catoptrica Spiegelkunst, Cbronologia Zeit-
kunst. Aucb die Edelkunst musica gebort zu den mathematiscben Künstle.
Wie die gesamte Matbesis in die erwägende (tbeoretiscbe) und austbend^
(praktiscbe) geteilt wird, so aucb die Geometrie. Die Geometria Cnlmensis
lebrt die wirkende ertmose. Scbliefslicb ist zu erwähnen, dals Logistik
speciosa mit Buchstabenrechnung (J. Chr. Sturm), Planimetrie mit Ermessmg
der Ebene, Stereometria Messung körperlicher Dinge (Schwenter), Cosmia
Wissenschaft des Himmels und der Gestirne (L. Sturm) übersetzt wird.
Die Methode oder Lebrart (J. und L. Sturm) unterscheidet sich in
analytische, d. b. grundforschende und synthetische oder grundsetzende
(J. Sturm). Analysis heilst Grundforschung (J. Sturm) oder LOsekan^t
(Bether). Für Axiom, notio communis, wird gebraucht: allgemeine Wissen-
schaft, allgemeine Lehre, gemeine Erkenntnis oder Verstand, Grundsprneh,
Grundsatz oder unerweislicher Ausspruch. Definition ist Beschreibung, Er-
klärung, Worterklärung, Auslegung; definitio nominalis Benennung. Posta*
latum wird übersetzt Aufgabe oder Vorgabe, Begehrung oder Anfordemog.
Forderung oder Heischung, Beding; Propositio heifst meist Fürgabe oder
Vorgabe, Lehrsatz (Schwenter und J. Sturm), Vortrag oder Hanpts&tz
(Reyher), und Stifel sagt Propositz. Bei Michael Stifel findet man
mehrfach den Versuch, den Fremdworten durch Vermeidung der lateiniscbei]
Endungen -ion, -itas u. a. einen deutschen Klang zu geben; er bemScbtigt
sich des fremden Wortstammes und versieht ihn mit deutschem Auslant*^)
Aus Demonstratio macht Stifel Demonstratz; andere Übersetzen Beweisung
oder Beweis. Demonstratio directa ist bei L. Sturm klarer, und indirecta
überzeugender Beweis. Porisma ist Anbang oder Zugabe; ooroUarium oder
consectarium ist Folge oder Nachsatz; problema Aufgabe, aber auch Hand-
griff (Pirkenstein) oder Werkstück (Bether); theorema Betrachtang oder
34) cosa, Ding, biefs die Unbekannte bei den iiaUenischen Mathematikern
des XIV. Jahrhunderts; s. M. Cautor, Vorl. II, 145 ff.
36) Ernst Eckstbin (1. c. S. 125) hebt hervor, dafs gerade auf diese Wei^
die deutsche Sprache durch viele Lehnwörter hätte bereichert werden könoea-
Die lateinisch oder romanisch klingenden Endungen, die wir leider beibehalteo
haben, sind es, die das feinere Sprachgeföhl verletsen.
Ixur Tenniiiologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 319
Beweisstück (Bether), lemma ist Lehnsatz oder Hülfsatz, auch Erleichterung
Pirkenstein) nnd Vorsatz (Beyhbr); Scholion Anmerkiuig oder Erinnerung;
>rincipinm Yorhetrachtung; operatio Handgriff^ Ausföhrang, Wirkung; hjpo-
iiesis, assonuptum, Angenommenes.
B. Elementares Beebnen.
Im elementaren Bechnen hediente man sich, wie wir schon oben ge-
sehen, anfänglich der römischen Zahlzeichen, welche gemeine deutsche Zahlen
genannt wurden, und sp&ter der „Barbarischen Ziffern^' (HarsdÖrffer).
Pur letztere hatte man den Namen Figuren (Köbel, Apiak, Stipel), doch
trat das Wort Ziffer oder Zifferzahl schon mehrfach g^gen Ende des
IV. Jahrhunderts auf und wird in der Mitte des XYI. Jahrhunderts all-
gemein. Von den neun bedeutlichen Figuren, iigurae significativae, unter-
schied sich die Nulla, die unbedeutliche Figur. Das Wort nulla kommt in
Italien zuerst bei Lucas de Boroo (1494), in Deutschland bei Köbel und
BöscHEKSTEm (1514) vor. Figur wird von Böschenstein für Species,
Kechnujjgsart, gebraucht Die 9 elementaren Bechnungsarten mit ihren
deutschen Erldttrungen waren folgende: 1. Numeratio — Zählung, 2. Additio
— Zusammenthuung, auch Zusammenraytung, 3. Subtractio — Abziehung,
4. Duplatio — Zwiefachung, 5. Multiplicatio — Mannigfaltigung, Yielmachung,
Mehrung, 6. Mediatio — Halbmachung, Zweiteilung, 7. Divisio — Teilung,
8. Progressio — Fürz&hlung, Aufsteigung, Fortgehung, 9. Extractio radicum,
Ansziehung der Wurzeln. Widman bezeichnet mit Mehrung die 2., 4., 5., mit
Minderung die 3., 6., 7., mit Mittelmais die 1., 8., 9. Bechnungsart. Dem-
entsprechend gebraucht man f£br numerieren — zfthlen; die Ordnung der
Zahl (Stifel) hiefs bei den meisten Stelle oder Stett, die in der Sand-
rechnung des Archimedes auftretende Oktade heifst bei J. Sturm Zahl-
achter; addieren — hinzusetzen, zusammenlegen, zusammensetzen, zusammen-
geben; subtrahieren — abziehen, abnehmen; duplieren — zwiefUltigen,
zwiefachen; multiplizieren — mehren, mannigfaltigen, vielfUtigen, vielmachen;
medieren — halbieren, httlften, halbteilen; dividieren — teilen; progredieren
— Itirz&hlen; radicem extrahieren — Wurzel ausziehen. Für Sununa, Ag-
gtBgat, Collect gebraucht HarsdÖrffer Zahlsammlung. Pluszeichen und
Minuszeichen übersetzt Beyher Zusammensetzungs- und Abzugszeichen. Bei
der Subtraktion auf den Linien werden die Beohenpfennige aufgehoben
(elevare), daher „es hebt sich auf^. Best, Facit, Belikt, Differentia werden
iixur selten durch Unterschied ersetzt (J. Sturm). Die mensa oder mensula
Pythagorae, der pythagoreische Tisch oder Tafel der Mannigfaltigung
(Köbel), ist das Einmaleins. Produkt wird durch HarsdÖrffer verdeutscht
Anskuoft, durch J. Sturm das Kommende, das Entspringende. Dividendus
320 Felix Müller:
ist bei ScHEYBL geteilte Zahl, divisor teilende Zahl oder Teiler. Für paß
aliqnota sagt Pirkenstein gerad aufmessender Teil, L. Stubm Teil; (bt pan
aliqnanta Ersterer nicht gerad aufmessender Teil, L. Stubm Stack mrs
Zahl. Quotus ist bei J. Storm Teilungszähler. Die fractiones oder mxr
tiae vulgares seu mercatoriae, die gemeinen Br&che, werden nnterschiedc
von den fractiones astronomicae seu minutiae phjsicae, den Sexagesimal
brüchen. Dem Besolvieren, Auflösen (Simon Jacob) oder der Besolnü
(Stifel) steht gegenüber das Reduzieren, Aufgelöstes zu Ganzen maeba
(S. Jacob). Für Proba hat die Geometria Culmensis Bewening, ebe&>j
EÖBEL, letzterer auch Probierung, und Stifel Probatz. Die Progressk
ist entweder continua, eine natürliche oder in natürlicher Ordnung, oder
discontinua, unterschnitten oder in gleichen Mitteln. Differenz oder Ene^
heifst hier Übertretung oder Unterschied. Für Exponent der Progression,
oder signatura (Apian) hat Harsdörffer Benennung der Progre^ Badix
quadrata ist gevierte Wurzelzahl oder yiereckete Wurzel oder bei Schwdtö
Quadratwurzel. Numeri abstracti übersetzt Holtzmann ledige Zahlen ^
numeri concreti benannte Zahlen.
Das Wort Algorithmus^) bedeutet meist Rechnen überhaupt J£m
Lehre der Species" erklärt Simon Jacob, ähnlich Euoolff. Am häufigst«:
wird es für Ziffemiechnen, selten für Abacusrechnen gebraucht Algoiitli-
mus linealis ist Rechnung auf den Linien. Die Spacia zwischen den Um
heifsen bei Eöbel Feidunge. Der Name der Cambien oder Bankire koimt
yon campus, Feld; daher auch das italienische cambiare, wechseln.
Besondere Namen finden wir fär eine gvofse Anzahl von Bechnnngs
regeln. Die wichtigste derselben ist die Regel de tri, regula de tribiu
numeris, Regel von drei bekannten Zahlen (Simon Jacob), nämlich vm&^
emptionis, Zahl des Kaufs oder der Ware, numerus pretii, Zahl des Geldes,
numerus quaestionis, Zahl der Frage (Böschenstein). Weil sie kostbar i2b<i
nützlich, wird sie auch regula aurea, güldene Regel genannt, oder regnl^
magistralis, ein meisterlich Ordnung (Böschenstein). Man unterscheidet
regula de tri conversa sive eversa, verkehrte oder umgekehrte, und comp^
sita, zwiefache (Apian). Andere Regeln sind: regula consortii sive sodetatü
Gesellschaft (der Kauf leute), Regel yom Wucher (d. i. Zinseszinsrecbnnng).
Regel vom Wechsel (d. i. Umrechnung von Oeldsorten), regula cecis, eoef^ .
coecis, zekis, oder virginum oder potatorum (Lösung unbestimmter GleichnngeD
1. Grades), von Zeche (die mehrere in verschiedenem Verhältnis zn bezableo
haben). Practica, Praktik heilst behende Rechnung (Scheybl) oder sabtü«
86) Über den Ursprung des Wortes Algorithmus b. Felix Müueb, W^-
bist. Studien, S. 16.
Zar Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 321
Behendigkeit (Simon Jacob). Die Welsche Praktik ist eine von den Walen
überkommene Rechnung mit Vorteil und Behendigkeit (Riese). Der Vorteil
>esteht in der Distraktion, Zerstreuung oder ZerfUUung (Stifel), d. h. nach
[Kantor '^ Zerlegung eines gebrochenen Multiplikators in eine Summe von
sogen. Stammbrüchen, d. h. Brüchen mit dem Zähler 1. Endlich sei noch
erwähnt die ToUetrechnung; sie „lernet durch die Rechenpfennig ein Metall
ans dem andern ziehen'^ (Apian), d. h. den Feingehalt der Legierungen be-
stimmen. Das Wort Tollet kommt wahrscheinlich aus dem italienischen
tavoletta, Täfelchen '^).
C. Arithmetik und Algebra.
Bis in den Anfang des XVII. Jahrhunderts behielt man die römische
Einteilung der Zahlen in die folgenden 3 Arten (oder Manieren) bei:
1. numeri digiti, Fingerzahlen (Einer), 2. numeri articuli, Gliedzahlen
(Zehner), 3. numeri compositi sive mixti, (aus Einem und Zehnem) zu-
sammengesetzte Zahlen. Earbdörffer unterscheidet numerus monadicus,
einzehlige Zahl, und numerus decadicus, Zehner. Nach der Zusammensetzung
aus Faktoren gab es mannigfaltige Oruppierungen. Eine Primzahl nannte
ScHEYBL erste Zahl, Schwenter ungeteilte, nit prim ist komponiert oder
gemacht. Numerus par, impar wird wörtlich mit gleiche, ungleiche Zahl
übersetzt in einem Münchener Codex v.J. 1461'^), bei Apiak und L. Sturm;
Scheybl, Stifel u. a. sagen gerade und ungerade; pariter par (2") ist
gleich-gleich oder zugleich gerad (Scheybl), pariter impar [2(2« + 1)]
gleich-ungleich oder zugleich ungerad, pariter par et pariter impar [2"(2n -f- 1)],
nngleich gleich oder zugleich gerad und zugleich ungerad, impariter impar
[(2m -f- l) (2» + l)] ungleich ungerad. Die aus 2 Faktoren (Seiten) zu-
sammengesetzte Zahl, numerus planus seu superficialis, heifst flache oder
ehene Zahl (Scheybl) oder Fl&chenzahl (L. Sturm); die aus 3 Seiten be-
stehende, numerus solidus seu corporalis, heifst feste oder dicke Zahl
(Scheybl) oder körperliche Zahl (Simon Jacob) oder Eörperzahl (L. Sturm).
Im Vergleich der Zahl mit der Summe ihrer Faktoren unterschied man
nach Thbon von Smyrma numerus perfectus, ganz gerechte (Münch. Codex),
vollkommene Zahl (Scheybl, Schwenter, Stifel u. a.), numerus deficiens,
gebrechende (Münch. Codex) oder mangelhafte Zahl, numerus abundans,
überflüssige oder überschiefsende Zahl. Multiplex ist eine mannigfaltige
37) M. Caktob, Bezension in Z. f. Math. XX, 1876, Hist.-lit. Abt. S. 68;
8. auch Trkutlein, Das Rechnen im 16. Jahrb. 1. c. S. 92 fl".
38) S. Günther, Gesch. d. math. ünt. S. 322; M. Cantor, Vorl. II, 203.
39) M. CuRTZE, Mathematisch -historische Miscellen. Nr. 5. Bibl. math (2) IX
1B95, S. 89.
Abh. m G«Mh. d. Mathem. IX. 21
322 Felix Maller:
Zahl (Scheybl) oder eine vielfache Grofse (PuauaKTBiK, Bcyher il &.)•
submnltiplex ein ünteryielfach (Pirrekstein). Für potentia „könnte ibh
sagen Vermögen, ein recht wunderliches Wort*', meint J. Sturm. Qnadnt
wird übersetzt gevierte Zahl oder yiereckete Zahl oder Vierkantzahl, sack
sagt man dafür die Quadratz (Simon Jacob). Quadrieren ist Hehmng mi
sich selbst (Geom. Culm.) oder Führen durch sich selbst (J. Sturm), qim^.
driert, in sich selbst gemacht (J. Sturm). Die rationale Zahl ist eine un.
sprechliche Zahl (Holtzmanx) oder wohlgeschickte (Chr. Budolff); eiM
irrationale dagegen eine unaussprechliche oder ganz ungeschickte; för sordu
sagt HoLTZMANN Unnatürliche, Stifel surdische, L. Sturm surde Zahl. Cois-
municantes, mittelmäfsige Zahlen (Stifel, Budolff) werden erst dnnh
Heben rational zu einander. Positiv und negativ übersetzt Stifel zugesetzt
und abgezogen.
Werden zwei Zahlen mit einander verglichen, so bildet man die (1)
Verhältnis, auch Schick (Kepler); ratio, Zusammenhaltung zweier Dinge,
die eines Geschlechts (Simon Jacob); setzt man zwei Verhältnisse einander
gleich, so entsteht die Proportio, Proportz, Vergleichung, gleiche Verhälinii
oder das Ebenmafä, oder Gleichförmigkeit der Verhältnisse; proportilick
geteilt (Holtzmank) hellst in gleichem Verhältnis geteilt. ProportionalituL
&vaXoyla^ ist Vergleichung der Proportzen (Simon Jacob). Das Vorderglied,
antecedens, heifst vorgehend; das Binterglied, consequens, nachfolgend oder
nachgehend. Proportionalzahlen {a :b ^= c: d) sind vergleichliche oder
gleichverhaltende oder ebenmäfsige Zahlen. Für die Verhältnisse hatte man
zahlreiche Namen ; ratio dupla, doppelte Verhältnis (2 a : a), tripla, dreifaehe
(3a :a), quadrupla, vierfache (4a :a), multiplex, vielfältige oder reine
(n a : a), subdupla, unterdoppelte (w : a, wo m < 2 a), subtripla (m : a, wo t» < 3a),
superparticularis, überteilige (1 -{-nm)^ sesquialtera, anderthalbige (da :2a),
sesquitertia, eineindrittelfache oder überdreiteilige (4a : Sa), subsupeiparü-
cularis, unten überteilig (n : n -f- l)» superpartiens, überteilend (n-fit:!»,
wo fc < n), subsuperpartiens, unten überteilend (» : n + A), multiplex snpe^
particularis, vielfach überteilig {mn + 1 : n), multiplex superpartiens, viel-
fach überteilend (wm + ^'-w); ratio duplicata [a:c = (a:h)^ ist ein
zweimaliges, gedoppeltes oder zweifach gröfseres Verhältnis, und triplicata
[a : d = (ii : b)^ dreimaliges, dreifach gröfseres. Auch die genera, Ge-
schlechter, der Proportzen sind hier zu nennen, die aus a:h ^= c: d folgen:
inversa, umgewendet oder umgekehrt (h : a = d : c), composita, zusammen"
gesetzt, zusammengebracht, zusammengethan, gesammelt, versammelt (a -[- ( : b
= c -\- d: c?), und zwar verbunden vorwürts (L. Sturm) (n -{- h : a = c -]- die)
oder verbunden rückwärts {a -{- b :h = c -{- d : c/), disjuncta, zerteilt, von
einander geschieden (a — b : a = c — d : r-^ a — b :b = c — rf : ^)| con-
ar Teiminologie der äKesien mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 323
ersa, verwendet, heraasge wendet (a : a — h '= e: c — d); endlich permu-
ata, Terwechselt, wechselweis (a:<; = &:{{), welche nicht aas der ersten
3lgt. In der stetigen Proportion oder ordentlichen Ebenmäfsigkeit (Bether)
leifst die mittlere Proportionale entweder Mittelzahl (Apian) oder mittlere
benmäfsige Gröfse (Reyher) oder mittlere gleichverhaltende (J. Sturm).
Sehliefslich bemerken wir noch, dafs commensurable Gröisen gleichmäfsige
leifsen, incoounensurable nngleichmlüjsige (PiRKEMSTEnr, J. Sturm) oder nn-
insammenmeMiche (J. Sturm).
Von den figurierten Zahlen sind hier zu erwähnen: nnmems angularis,
(Vinkelzahl (drei- oder viereckige), circularis, Zirkelzahl, pyramidalis, drei-
>der vierst&ndige, musicus. Kling- oder Singzahl (Harsdörffer).
Neben Equation oder Equatz (Stifbl) wird Yergleichung gebraucht;
combinatio ist Paarung (Schwentrr), combinieren paaren.
D. Ebene Geometrie.
Bei der grofsen Mannigfaltigkeit der Ausdrücke, welche die geome-
trischen Begriffe erfahren haben, wird es hier häufiger als in den vorher-
gehenden Abschnitten notwendig sein, den einzelnen Verdeutschungen die
Namen der Übersetzer hinzuzufügen. Zugleich muTs wiederholt darauf auf-
merksam gemacht werden, dafs mehrere der genannten Schriftsteller sich
der deutschen Ausdrücke nur bedienen, um den fremdsprachlichen Eunst-
ausdruck zu erklären.
1. Allgemeines. Die Planimetria ist eine Ermessung der Ebene
(Schwenter), für grofse Entfernungen gebraucht man Geodäsia. Die Di-
mensionen (Ausstreckungen nach Holtzmann) sind Länge, Breite und Höhe
oder Tiefe. Für spatium sagt Schwenter Weite, ebenso für das sonst all-
gemein gebrauchte Distantz. Mensuratio übersetzt Kepler Eych. Von In-
strumenten zum Zeichnen und Messen wird am häufigsten erwähnt das
Lineal oder Bichtscheidt (Geom. deutsch, Dürer, Sc hmid, Schwentbr) oder
Höltzlein (Rbyher), der Cirkel oder Passer (Bether), dessen Spitze Fufs
oder Ort (Geom. deutsch) oder Stift (Beyhbr) heifst, der Gnomon oder
Winkelmafs (Geom. Culm., Beyher), Winkelhaken (Holtzmann, Sohwentek),
Winkelkreuz, crucze (Geonu Culm.), femer das mefsegeczew (Geom. Culm.),
d. h. die MeljBstange, die scala altimetra oder Mefsleiter (Stöffler), die
Bussole oder das Magnetkästchen (L. Sturm), das perpendiculum oder die
Bleiwage (Schwenter). Alhidada ist der Begel Zeiger (Stöffler). In
der Qeometria Culmensis wird triarbor übersetzt drebom, d. i. Dreibaum
oder Tragebaum ; vielleicht ein aus den drei Schenkeln zweier gleichen Neben-
winkel bestehendes Instrument, das dazu diente, einen rechten Winkel an-
ztitragen*, rechter oder gerechter drebom wird auch für gerade senkrechte
21*
324 Felix Müller:
Linie (cathetas) gebraucht. Geometrisch zeichnen heifst reilsen, anfreifs^o
(Düker, Kepler, Schwekter). Die L($8ang der Aufgaben kann nach Dikie
sein entweder mechanice (d. h. annähernd richtig) oder demonstrative, d. k
kunstrichtig (J. Sturm).
2. Elementargebilde. Der Punkt ist ein Stüpffen (Schmid), Stöpff-
lein (SiMOK Jacob), Düttel oder Düpffelein oder Tipflin (Holtziiaw.
ßoHWENTER, Reyher) odcr ein Tupf (J. Sturm). Linie ist ein langer BL^s
(Geom. deutsch, Sohmid, Simon Jacob) oder ein Strich (Schmid, Keplee.
PiRRENSTEiN, Bbther) ; rccta linea ist gerade oder scheidtrecht lini (Schmu».
gestrackte oder rechte Linj (HoLTZMAim), Gerade oder Strecke (Kepler.
gerader Strich oder Zug (Rether) ; curva linea ist ein gebogen Bils (Geoc.
deutsch), eine krumme oder gebogene Linie (Schmid, Holtzmann), ein
krummer Zug (Rether); concav ist eingebogen oder hohl, convex ausgebogec
(Dürer, Schmid, Simon Jacob). Der Richtung nach ist die gerade Lioic
erstens horizontal, d. i. überzwerg (Geom. deutsch, Dürer, Köbel), oder
wagrecht (J. Sturm, Schwester), zweitens perpendicular oder aufrecht
(Köbel, Dürer), wagrecht (Dürer, Schmid, Schwenter, Simon Jxcot,
Simon Marius), bleirecht (Pirkenstein, Rether), schnurgerecht (Holtz-
mann); Schmid sagt: „aufrecht, wagrecht, winkelrecht, bleirecht ist alles eic
Ding'^ Das Lot ist bei Reyher ein bleirechter Senkstrich oder nur Seoi:-
strich. Drittens kann die Gerade weder horizontal noch perpendicular seu:
dann heifst sie schlenun lini (^Dörer), oder schlimmst treffend (KeplesI
d« i. unter schiefem Winkel, oder überzwerg (Simon Marius) oder über er
^Ort ist Ecke) und ortlini (^Dürer). Parallele Linien, equidistantes, faeiTsen
parr oder barlini (^Dürsr\ gleichst&ndige (Apian), Nebenlinien oder ebec
ft>nv [d. i. gleichfeme] (^SchmidX gleich weitige (Simon Jacob, SchwektebI
gleichlaufende (^Kepler, ScmvExrER, Harsdorffbr, Pikken8teik, J. StüsmI
Nebeustriche (Rbtucr).
Angulu$ ist überall Winkel; aber ^wenn man ihn von aulsen siebt.
heifst e:!i Kck^ ^DCrsrX Man onteischeidet flache oder ebene Winkel nnd
ki^qH'Hiohe ^Schmid, Uoltzmanx, Schwekter, Pirrejisteik. Bether). Je
naobdt>m der Winkel vc^n zwei Gi^ndon oder tob zwei krummen Lioieo
<hW Ton eitt^r Gt^radt^n und einor krummen Linie eingeschlossen wurde.
nannte n\an ihn damals nvhtlinischer i^Sdios Marics^ Schwesttsr), geM-
Unu^hti^r ^l\RKtx>^rKix''\ g^^radstnohi^r \^Rethcr^ Winkel, oder kromm-
liv.iÄ*b«^r^ knimmliniohT^r ^Schvextkr, Pirkesbstcix^ , oder drittois rer
w^r.cT« r, vt^nniso>.:or W^r.kt^I ^^s-awKXTERY Der Gr<S&e nadi ist der Winkel
l"^ »c\uus - - ÄrbarC sj^iTä^ <^^:uiir ^S-c^hmux Sok^x Harics, Keplek, Pmoa-
sriiiN^ L i^t.Rv' ^v,i^T tfr.^ ^I^kkr, ScHMm, Soti^x Varits', 2^ rectus —
lYv^l J\ ävä^ SNi^v^NttK, L. St.rm^» s?fr«vht .DCrer, Holttmaxx), recht-
ur Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 325
lefsig (Chr. Rüdolfp), ein rechter Winkelhack (Schmid), und 3) obtusus —
eit (DÜREB, ScHHiD, Simon Jacob, Simon Marius, Holtzmmnn, Schwenter)
der stumpf (DijRER, Schwenter, L. Sturm, J. Sturm); vertez heifst
cbeitelpunkt (J. Sturm), Gipfel, Wipfel, Wirbel (Kepler); anguli verti-
iles sind Scheitel- oder Kreuzwinkel (J. Stürm); anguli alterni — Wechsel-
rinkel (J. Stürm).
3. Geradlinige Figuren« Superficies, welche lang und breit ist, heifst
lache (ScHMiD, Bether, J. und L. Sturm); superficies plana ist velt oder
lecht gevilde (Geom. Culm.), Veldung (Qeom. deutsch, Simon Jacob,
Kepler), ebenes Feld (Dürer, Kepler), ebene Fläche, gerade oder scheidt-
echte Fl&che oder Ebene (Schmid), Ebene (Dijrer, J. und L. Sturm).
reradliuige Figuren heifsen rechtwendig velt oder gevilde (Geom. Culm.),
•"elder (Dijrer), rechtlinische Figuren (Holtzmann, Schwester), geradseitige
lestalten (Betber), Flächen oder Figuren (L. Sturm), latus, Seite, heifst
n der Geom. Culm. want. Für Triangulus sagen alle bis auf J. Sturm
friangely nur selten Dreieck; doch Beyher gebraucht nur Dreieck, die
jeom. Culm. geer, diy wynkelecht velt oder gevilde, und Schmid drei-
^ckicht feld, Triangel, dreieckige Flech, Dreiort. Auch hier wird, wie beim
Winkel, unterschieden: rechtlinischer , kmmmlinischer, vermischtlinischer
rriangel (Schwenter). Triangulus orthogonius sive rectangulus wird über-
setzt rechtwinkelecht geer (Geom. Culm.), winkelrechter Triangel (Simon
Marius, Schwenter, Pirkenstein), rechteckiger oder winkelmessiger Tri*
aDgel (Holtzmann), rechtwinkliger Triangel (Schmid, Pirkenstein u. a.);
acutangulus ist spitzig (Schmid, Schwenter), scharfwinklig (Schmid,
Schwenter , Holtzmann, Pirkenstein) , scharfeckigt (Holtzmann, Simon
Marius), spitzwinklig (Bether, J. u. L. Sturm); obtusangulus sive am-
blygonius: stumpf (Schmid), weit (Schwenter), weiteckigt (Holtzmann,
Simon Marius), stumpfvrinklig (Schwenter, Pirkenstein, J. u. L. Sturm u. a.);
obliquangnlas unrechtwinklig (Schwenter); ferner equilaterus: gljchwendig
(Qeom. Culm.), gleichseitig (Pirkenstein, Simon Marius, Schwenter u. a.) ;
scalenus: unglych wendig, ungleichseitig; isosceles: gleichfOfsig (Simon Ma-
niv8, Holtzmann, J. Stürm). Die drei Seiten des rechtwinkligen Dreiecks
beilisen basis (sie stand bei Vermessungen horizontal), cathetus und hjpo-
t/ienasa (sie!); die basis heifst auch Grundlinie; cathetus „ist eine ge-
senkte Lini, die auffrecht oder wagrecht *^) Seite" (Schmid); hypotÄenusa
l^immer mit th geschrieben !), die unterzogene (Holtzmann) ist „die in einem
rechtwmkligen Triangel über Ort [Eck] geht" (Schmid). Von einer dem
Winkel gegenüberliegenden Seite heifst es, sie ist dem Winkel unterzogen
40) wagerecht wird, wie wir oben gesehen haben, für vertikal gebraucht.
n2r» Felix Maller:
(lloLTZMVNN, Simon Marius u. a.) oder nnterstreckt (Simon Jacob), odtr
sio nnterapannt (Pirkenstein) oder überspannt (Reyher) den Winkel; tos
Rwoi Seit4>n wird der Winkel begriifen (Holtzmann) oder beschlossen (Sinor
Maku s^»
Tetragonnm sive quadrilatenim wird übersetzt vierwjnkelen oder vitf-
cciipfi^n govilde, quadraugil (Geom. Cnhn.), yierecket rechtwinklig Figir
iskr Fiorung (^Df rer), gefiert Feld oder Vierort (Schmid), vierseilige Figur
^Si>i\\x ^1acob\ yiereckigte Figur oder vierseitige Flftche (Schwestke'.
Wniwg odor Viereck (Harsdörffer), Viereck (selten Schwbnter, Reyho^«
J StirmV Das Wort Qiiadi-at (Simon Jacob u. a) wechselt ab mit vier-
A^Vtvht Vierkanten veld (Geom. Culm.), gelierte Ebene (Dürer), Vierra?
txWr gt^recht Vierung (Geom. deutsch, Holtzmann, Kepler), recht Geviertj
t^d^r Vierung (Schmid\ gefierte Flache, in vier rechten Winkeln und gl«-
<^Wn ^^oiten beschlossen (Riese), regulierte Vierung (Schwenter), gleich-
sf'itijr«^^ und gleichwinkliges Viereck (Harsdörffer, Rether), gleichvier
"feiMii^Ct^ Figur oder gleiches Viereck (Pirkenstein). Quadratische Malst
Mi^d virkante mose (Geom. Culm.), superficies pedalis quadrata, geviret m
^ylt<^\\\s i\ihn.\ Schachtschuh, Kreuzschuh, viereckichter Schuh (Köbel.
\ Su hm\ Oblongum ist lang sjten gevilde, daz vier rechte winkel ba:
^\Uvw i^Ouv), ablange Vierung (Schmid, Kepler), verlengte Vierung (Simi-n
>v\\v»\ nvhtwinklig verlängte oder überlengte Vierung (Dürer), winkel-
>%sht\vt )^MraVlt»)ogiiunm (Simon Marius, Holtzmaicx), winkelrechte ablang*^
v^tot^ yvrW)gt(« Vioning (Simon Marius, Holtzmann, Pirkenstein), läoglicht
\kv)vvIl \^Kkviikk\ längliches Rechteck (L. Sturm). Rhombus wird in der
vuK^m V\Uiu. ^Imuhabjm^^) genannt, femer öbersetit gleichseitige Raste
v^xU'k vt^'dks'hmit Vif^r\)rt- (Schmid), geschoben Qnadnt (Simon Jacob\ ge-
*siu>V5U* Vu^n«^ \^SiMON Marius, Holtzmann"!, Rant« oder Rautenvieruog
^w »t\M.\^KK\ )Uuh^ ^Kki'ler, Harsdörffer, L. Sturm, Reyher), auch g^
.vhs'\u \ u'uvK iKkmikkV Rhomboides, ein schiefwinkliges ParallelogranuD.
N> \ \\>^^ >uuiUs) ^himhahvm (Goodl Cubn.), ablänge Raute oder ge-
,»1..^; \v>Um\<Io Vii^nux^ ^^Si^hmid), ablauge Raatenfiemng (Dürek), g(^
'\ ^ » \\^iou»5^^ Vxt^mng \^ Simon Jacob), gesebrftgte überlengte Vienujg
.V A M \K'^ v^ Uxu vsM vnn\ ablange Raute oder RauteiiTiening (Schwenter l
\kvM\\'^ xsUn^ abUngfs oder geschobenes Yiereck (Harsdörffer.
K^u»\* >hWv nobenstrichiges Viereck (RetherX Endlich ht]l<
> ... .^^'A y^Vus^w» i\üm.\ spiefseckig Yieieck i^Kefueb), Tischleifl
\ \\ v4h o^'*uubin iokI elmubarifft sind tob den EaklidfiberseUern
\ . » s,i .. b^4,\tv»)^*ttou^^uea ArcLaAST. CjoirAsrs u. a.\ S. M. CAM^'^t
/,UT Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 327
(Schwenter), ungleiche Vierung (Pirkenstein, Simon Marius, Schwenter),
iini^leichlaufendseitiges Viereck (J. Sturm), ungeschickt Viereck (Rether)
Complementa [bei uns Ergänzungsparallelogramme, die von der Diagonale
durchschnitten werden] heüjsen Ausfüllungen (Simon Marius, Pirkenstein)
oder Erfull-Parallelogramma (Schwenter). Die beiden Ausfüllungen mit
einem der übrigen Quadrate bilden den Gnomon, Winkelhaken oder Winkel-
nials (Pirkenstein, Schwenter).
Es wird nicht ohne Interesse sein, den Wortlaut des pythago-
reischen Lehrsatzes bei einigen der älteren Schriftsteller zu vergleichen.
In der Geometria Culmensis (1400) heifst es: „Alzo wirt das yierkante
Yeld, gemessen ts der langen want, alzo gros alz dy beyde yierkante, dy
do werden gemessen von den zwen wenden des geren, dy do czusamene
treten in dem rechten wynkel." In dem Bechenbuche Simon Jacobs von
Cobm^ (1552) lautet dieser Satz: „In einem jeden triangulo Orthogonio,
thun die beyde quadrat, basis und catheti, samentlich so yiel als das
quadrat Hypothenuse." Holtzmann (1562) übersetzt Buch I, Fürgab 47:
^In den winkelrechten triangeln ist das quadrat der seitten, so vnder den
gerechten winckel gezogen wird, gleich so grofs als beyde quadrat sambtlich
der andern zweier seitten, welche den gerechten winckel begreiffen." End-
lich sagt der alle Fremdwörter mit Consequenz vermeidende Samuel Reyher
(1697): „In jedwedem rechtwincklichten Dreyeck, ist das gleichseitige und
gleichydncklichte Viereck, welches von dem Strich, so dem rechten Winckel
entgegen stehet, gemacht wird, eben so grofs, als die beeden Vierecke zu-
sammen, welche von den beeden Seiten, so den rechten Winckel begreiffen,
gemacht werden."
Wir wenden uns nun zu den Vielecken. Poligonium ist ein vil-
wendig gevilde oder vmmereyte (Geom. Culm.), ein vileckicht feld (Schmid),
eine vielseitige Figur (Simon Jacob, Simon Marius), oder vieleckigte Figur
(Pirkenstein, Schwenter), eine vieleckigte Gestalt (Beyhbr), ein Vieleck
(Pirkenstein, J. Sturm). Man unterscheidet vieleckigte regulierte Figuren
und unregulierte (Simon Jacob, Schwenter); erstere heifsen auch geord-
nete (Kepler), gleichseitige (Holtzmann), gleichecket (Dürer), gleichseitig
und gleicheckigt (Pirkenstein); letztere ungeschickt und ungleich (Holtz-
MAim). In der Geometria deutsch wird ein gerecht FfLnfort, Siebenoii,
Achtort u. s. w. gezeichnet. Ein Vieleck mit einspringenden Winkeln heisst
in der Geometria Culmensis campus tortuosus seu eztraeminens , ein wan-
schaffen gevilde. Peripheria polygoni ist vmmereyte (Geom. Culm.), Um-
zäunung (Kepler), Umlauf (J. Stürm). Für Diagonale finden wir twerlini
i^Geom. Culm.), über Ort Lini (Geom, deutsch), überzwerchenlini (Köbel),
Ecklini überoii (Schmid), Ortlini (Dürer), Zwerglini (Dürer, Pirkenstein),
328 Felix Müller:
Zwerlinie, Querlinie, Durchzug (Kepler), Zwergstrich (Beyher). Für Basis
wird auch gesagt Boden (Scheybl, Holtzmann), Grundlinie (Smoit JACot^
HoLTZMANN, J. Sturh), Bodenlinie (Kepler), Gmndseite (Simon Marius^
Grundstrich (Beyher). Corauscus, römisch coraustus, Scheitellinie [d. L
durch den Scheitel parallel zum Horizont], erkl&rt Sjmon Jacob als „mi:
der Basis parallel oder gleichweitig/^ Schliefslich sei bemerkt, daüs der In-
halt einer Figur, area oder caropus, genannt wird gevilde oder behaldimg
(Geom. Culm), Feidung (Simon Jacob, Holtzmann).
4. Kreis. Beim Kreise ist zu unterscheiden die Kreislinie und die
Kreisfläche. Circulus, die Linie, heifst in unserm Zeitabschnitt meistens
Cirkel, aber auch runder Büb (Geom. dtsch.), Cirkellinie (Scumid, Düees.
Scuwenter), scheublich oder runde Lini (Schmid), Kreis oder Kreislinie
(Harsdörffer, Beyher, J. und L. Sturm). Area circularis heiüst cirkel-
yelt, cirkelgevilde, schejbelechter ackir (Geom. Culm.), Cirkelfeld (Kepler^
runde Ebene (Simon Jacob), Kreis (Harsdörffer, Beyher), Kreisfläche
(J. Sturm). Centrum bleibt bei den meisten; doch findet sich auch Mittel-
punkt (Schmid, Dürer, Pirkenstein, Schwenter) oder Mitteldüpffel (Beyhee).
Circumferentia, peripheria ist ymmesweyff des cirkels oder vmmecrejds
(Greom. Culm.), ganzer runder Bifs (Geom. dtsch., Schmid), Umkreis (Köbel,
Simon Marius, Kepler, Pibkenstein, Schwenter, J. Sturm), Umkreis oder
Kreiszug (Beyher). Semicirculus ist Halbkreis (Beyher, J. Stürm). Für
Quadrant sagt Döber rechter Quadrant, Pirkenstein Viertelbogen, J. Stibk
Viertelskreis oder Kreisviertel. Arcus circuli wird übersetzt Cirkeltnm
[plur. *ümmer] (Schmid, Schwenter), runder Bus (Geom. dtsch.), Bogen
(Kepler, Schwenter, Beyher) oder Kreisbogen (J. Sturm). Diameter ist
Mittelrifs (Schmid) oder Durchzug (Schmid, Ejbpler), Dnrchschneider (Simon
Marius, Schwenter), Durchschlag (Beyher), Durchmesser (J. Stliu).
Badius heilst fast überall halber Diameter (z. B. Dürer, Simon Jacob,
Pirkenstein), aber auch Halbmesser (J. und L. Sturm). Chorda (Simon
Jacob, L. Sturm) oder subtensa wird übersetzt ein unterzogener Bifs oder
Senne (Schmid), Unterzug oder Senne (Kepler), Senne (Schwenter)
Sagitta ist die Höhe eines Cirkelschnittes oder Boltz (Kepler). Tangeiis
ist Anstreicher (Kepler), eine Linie, die einen Cirkel anrühret (Dcbeci
Simon Marius, Pirkenstein, Schwenter), anröhrender Strich oder Bäiir*
strich (Beyher); secans Durchschneider (Kepler), Zerschneidende (Holtz-
mann). Sector circuli, „Cirkelzahn, eigentlich zu teutsch der Schuster Werk-
mefser" (Kepler), wird auch übersetzt Ausschnitx eines Cirkels (Pirken-
stein), Kreisteil {J. Sturm), Kreisschnitt (Rbvhbr); segmentum circuli ist
Stuck ¥on dem cirkelvelde (Geom. Culm.), Schnitz eines Cirkels (Kepleb.
Pikklnstkin), Cirkelslück i^Simon Jacob, Schwenter), Stück eines Zirkels
Zur Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 329
(Holtzmann), Kreisabschnitt (Simon Marius), Ereisschnitt (J. Sturm),
Kreisstück (Beyheb). Angulus in segmento ist ein Winkel in einem Schnitz
oder auf einem Stück oder auf dem Umkreis (Holtzmann, Pireenstein),
oder in einem Kreis stehender oder Kreisstückswinkel (Bbyher). Statt des
Winkels bei dem Centro (Holtzmann) wird auch gesagt Mittelpnnktswinkel
(Pirkenstein), Mitteldüpffelswinkel (Reyher). Qnadratora circnli, die Ver-
gleichnng eines Cirkels und eines Quadrats (Dürer), heilst Kreisvierung
(Pirkenstein, J. Sturm); quadrieren ist Vierkanten (Geom. Culm.), qua-
dratrix die Vierungslinie (Schwenter, J. Sturm). Bectificieren bedeutet
einen gerunden rifs scheidtrecht machen (Qeom. dtsch.).
5. Andere kramme Linien. Nächst dem Kreise sind die wichtigsten
krummlinigen Figuren, krump wendig velder (Geom. Culm.), die sectiones
conicae, Kegelschnitte (Kepler), Kegellinien (J. Sturm). Auf sie fuhrt die
Aufgabe, ein Rechteck von gegebener Gr(5i!se an eine Gerade von gegebener
L&nge anzutragen^'), applicare, oder anzuschlagen (Reyher), daher mangel-
haftens angeschlagenes und übertreffendes oder überschiefsendes Viereck
(Reyheb). Ordinatim applicatae übersetzt J. Sturm ordentlich gezogene
Linien. Die Ellipse heilst ablanger Girkel oder Eilinie (Kepler), wennechtyn
gevilde (Geom. Culm.), ablange runde Linie (Schwenter), Ovallinie oder
die kleine Kegeleierlinie (Harsdörffer), Eilinie (Dürer), ermangelnde
Kegellinie (J. Sturm), Langrundung (L. Sturm); die Hyperbel Gabellinie
i Durer), Hohllinie oder auch gebrochene Eierlinie (Harsdörffer), über-
treffende Kegellinie (Schwenter, J. Sturm); die Parabel Brennlinie (Dürer,
Kepler, Schwenter, Harsdörffer, L. Sturm), rechtwinkliger Kegelschnitt
(Kepler), vergleichende Kegellinie (J. Sturm) ^'). Parameter, latus rectum,
übersetzt J. Sturm Mitmesser. Asymptote ist „die Lini, die in die weitten
läuft vnd nimmer mehr zu keym end kombt" (Dürer) oder niemals
zusammenkommende Linie (J. Sturm).
Von andern krummen Linien sei erw&hnt der Cylinderschnitt, Walger-
schnitt (Kepler), conchois, die Muschellinie (Dürer, J. Sturm, Schwenter,
Harsdörffer), linea aranei, die Spinnenlinie (Dürer, Schwenter), ovalis,
Eilinie (Kep&er, Schwenter, J. Sturm), spiralis, Schneckenlinie (Schmio,
Kepler, Schwenter, J. und L. Sturm), helica, Schraubenlinie (Dürer,
Schhid), flexuosa seu serpentina, Schlangenlinie (Scumid, Schwenter).
Eine aus Kreisbogen hergestellte „einem wolgestalten ey gleiche" Linie ist
Dürer's Eylinie. Die lunula Hippocratis' heifst Mondsfigur (Simon Jacob),
Mond (Schwenter), Halbmond (J. Sturm).
42) Siehe Euclidis Eiern enta C. I, pr. 44.
43) Nach Mexächmus hiefsen die Kegelschnitte i^ toi) 6lvy<ovlov, di^oytoviov,
^f^^lvymviov *avov TOfii}; vgl. Felix Müller, Histor.-etymol. Studien, ]. c. S. 24£F.
330 Felix Malier:
6. Vergleiehmig von Strecken nnd Figuren. Commensurable Strecken
werden gemeinrnftllsliche (Pirkenstein) oder gleichm&I^ige (Bethek, J. Sturm!,
incommensurable aber angleichm&fsige (J. Sturm) genannt. Proportioiud«
Linien gleichverhaltende (Pirkenstein, J. Bturm) oder ebenmäfsige (Bether ;
die mittlere Proportionale heilst Mittellinie (Schwenter), mitüerer eben-
mttfsiger Strich (Reyher), mittlere Gleichverhaltende (J. Sturm). Die Ver-
doppelang des W&rfels führt auf die Aufgabe, zu zwei gegebenen Liniee
zwei gerecht Mittellini (Dürer) oder zwei Linien in ordentlicher Proportioü
(Schwenter) zu zeichnen. Die divina proportio des Paoiuolo (um 1509\
der goldene Schnitt, die göttliche Verhältnis ist die Aufgabe, eine Linie
media et extrema ratione seciren (Schwenter), oder nach der Sofsersten
und mittleren Verhältnis teilen (Pirkenstein, Beyher).
Die Ähnlichkeit der Figuren heifst vielfach Gleichförmigkeit. Similb
heifst in Art und Gestalt ähnlich (Schmid), gleichförmig und gleichgestelll
(Pirkensteen), oder nur ähnlich (Kepler) oder gleichförmig (Schwekter,
Simon Marius, Holtzmann), gleichähnlich (Revher). Homologe Geraden
in gleichförmigen Vielecken heifsen gleichförmig-haltnus sagende (Poieen-
stbin) oder verhältnis-ähnliche Geraden (Reyher).
7. Trigonometrisches. Bei der Beschreibung des zur Feldmessung be-
nutzten Quadranten ti*itt vor allen die schon den Arabern eigentümliche Winkel-
AinkÜon umbra, Schatten, auf; umbra recta, rechter Schatten, ist die
Cotangente; umbra versa, verkehrter Schatten, die Tangente. Apian hat
die drei Funktionen sinus, sinus versus, sinus complementi, unsein oosinos.
Die Sekante wurde von Eopperxiki s in die Wissenachaft als neue trigono-
metrische Funktion eingeführt ; er nannte sie Hjpotennse, entsprechend der
Tangente als Kathete ^^V Sinus wird von Simon Jacob medietas cbordae,
von Kkplkk halbe Sehne genannt Sinus totns, der ganie Sinus (ScHWEXTEfi'i
i$t der halbe Diameter (Simon Jacob); änus rectus, der rechte Sinns
(^iHnnvRNfKK'^; und sinus versus oder sagitta^ ist Bolta (Kepler) oder Pfeil
(S.uwkntkkX Der Name Trigonometrie kommt wahracheinlich als Titel
tuersi bei Pmscv& (159o'> vor*^\
£. Storoomotrie.
Die Stereometrie lehrt die Messung körperlicher Dinge (Schwenter^
Ihr Ge^ustand ist der Coq>as, das Solidnm (lang, iNneil, tief) (Simon
vlAOxkt^V vHler da:? Dichte « PiKK.rNsri:iN •. die volle leibhafte Figur (Keplers
der Leichnam » H KK&iH^KrrrK\ der KC^qp^r ScuittD, L. Sturm). Grenzeß
vier Kv^r^vr s.itid teils plar.** Kber^en. teils currae superficies, krumme oder
44^ M V-vx^v»*. WH. IL S. «^
4.^ M CixTv«. Vocl IL S X^J.
Zur Terminologie der ältesten mathematischen Schriften in deutscher Sprache. 331
gebogene Fl&chen, oder fiundnngen. Solid! planum yel hedra ist die Wand
(Keplkr); basis solidi der Boden (Kepler) oder die Grundfläche (J. Stlrm),
planum superius der Tisch (Kepler). Zwei sich schneidende Ebenen bilden
das angulum Bolidum, den dichten Winkel (Pirkenstein) oder körperlichen
Winkel (Schmid, Schwekter), der dreiecket oder gegiert sein kann. Plana
parallela sind gleichweit abstehende Ebenen (Pirkensteik) oder Neben-
fiächen (Reyher). Die Kante, latus solidi, ist ein langes Eck, Reifen,
Schärfe (Kepler) oder scharfe Seite (Dürer). Die Corpora unterscheiden
sich in colnmnaria und pyramidalia (Simon Jacob). Der Cubus ist ein
geviert Corpus (Köbel, Dürer), recht gevierter Würfel (Kepler), oder
Würfel (Dürer, Pirkenstein, J. u. L. Sturm, Beyher u. a.). Cubikelle
ist gewürfelte Elle (Cur. BrboLFF). Parallelepipedum übersetzt Kepler
Quadratstuck oder viereckts gefierte S&ule, L. Stcrm parallel viereckigter
Stock; parallelepipedon rectangulum ist gerade Sftnle (Kepler). Prisma
oder seratile ist Zwerstuck, Speidel, Wecken (Kepler), Ecksftule (Pirken-
stein, J. Sturm), eckigte Säule, und zwar drei-, vier-, fünfeckigte Säule
(Dürer, L. Stürm), oder gerader gleichdicker Stock (L. Sturm), Corpus
pyramidale übersetzt Schmid feuerförmiger Körper, wohl in der Meinung,
pyramis komme von itÜQ^ Feuer her. Piremus heifst bei den alten Ägyptern
die Seitenkante der Pyramide, und es wurde dieser Name bei den Oriechen
zum Namen des ganzen Körpers. Bei Plato^^) ist allerdings die regel-
mäfsige Pyramide, das Tetraeder, das Symbol des Feuers. Sonst heilst die
Pyramide meist Spitzsäule (Pirkenstein, Harsdörffer, J. Sturm) oder zu-
gespitzte Säule (Kepler), und zwar 3-, 4-, 5- eckigt; pyi*amis laterata aber
ist bei Schmid eckigte Feuerform. Superficies prismatis übersetzt J. Sturm
einfach mit Eckfläche. Die abgestumpfte Pyramide heifst Stumpf oder
F^tock oder Trum (plur. Trümmer). Volumen ist körperlicher Inhalt (Simon
Jacob), FüUe, Raum, Leib (Lepler), cubischer Inhalt (L. Sturm).
Die regelmäfsigen Polyeder heifsen corpora regularia, regulierte Körper
(Schmid u. a.), die allenthalben gleich sind von Feldern, Ecken und Seiten
(Dürer). Ein yon Dreiecken begrenzter Körper ist ein drianglich corpus
(Dürer). Polyeder wird übersetzt yielecket corpus (Schmid) oder viel-
flftchige Figur (Pirkenstein). Tetraeder ist eine viergleicheckigte Spitz-
Säule (L. Sturm), Octaeder doppelte yiereckigte und gleichseitige Spitzsäule
(L. Sturm), Icosaeder ein kuglichter Körper von 20 gleichseitigen Triangeln,
Dodecaeder ein kuglichter Körper von 12 regulär Fünfecken (L. Sturm).
46) Plato TimaeuB § 115, Dialogi ed. Beckeb Pars III, vol. 11, p. 71. Daby-
roDiud AiliTfLov seu Dictionarium maihemcUicum , 1573, p. 20: 'igni dicunt pro-
pf^iionalem este pyramideni*.
332 Felix Müller:
ScHMiD, PiRKENBTEiN Und ScHWENTER sagOD^ sie h&tten die Namen der foni
regelmäfsigen Körper nicht zu verdeutschen gewulist. Corpora iiregoiana
heifsen unregulierte (Dürer) oder nit regulierte (Schuid). Obeliscus wird
spitzige Säule oder yiereckigter Pyramis genannt (Schwenter).
Wir kommen nun zu den Körpern, die eine curva superficies, Run-
dung (Kepler) oder gehogene Ehene (Dürer) haben. Der Cjlinder ist
eine runde Sftule oder Runds&ule (Dürer, Schmid, Kepler, Simon Jacob,
J. u. L. Sturm), auch Walze (Pirkenstein, Kepler) oder Walger, Welle
(Kepler) genannt. Sein Mantel heilst bogne Ebene (Dürer), Bimdflichf
(J. Sturm), äufserlich Feld oder Bock, Rohr, Binde (Kepler). Conus ist
aufrechter Kegel (Simon Jacob), oder Kegel (Harsdörffer, Pireexstein.
J. und L. Sturm), oder Bundspitz (Harsdörffer) oder pyramis rotunda,
runde Feuerform (Schmid); seine Basis heilst Grund (Dürer), Gmndfliche
oder Grundscheibe (Kepler, J. Sturm); seine Achse Axt oder Graat (Kepler):
sein Mantel runde Fläche oder Bundfläche (J. Sturm) oder rundes Dach,
Binde, Bock (Kepler). Truncus coni ist Kegelstück (J. Sturm), abgeschnit-
tener oder gestumpfter Kegel (Simon Jacob), oder Stumpf, Stock, Tnun
(Kepler). Bhombus solidum, zween gesellete Kegel (Kepler), heilst Doppel-
kegel oder Kegelweck (J. Sturm).
Sphaera ist meist die Kugel oder die spheer (Dürer, Sacrobosco-
Heynfooel); ihre superficies ist kuglete Ebene (Dürer), äuDserste Fl&che
der Kugel (Simon Jacob) oder Kugelfiäche (J. Sturm), ihre axis Acbs
(Hbynpogel), Ecks (Schmid), Axlini (Dürer), Axt (Schwenter), Achse
(Pirkenstein), Mittellinie (J. Sturm). Segmentum sphaericum ist Engel-
schnitz (Dürer, Kepler), oder Kugelschnitt (J. Sturm); sector sphaericns
Kugelteil (J. Sturm), Kugelzahn (Kepler); Calotte das runde Feld des
Kugelschnitzes oder das Hütlein (Kepler); zona der Gürtel (Kepler).
An die Kugel knüpfen wir einige Kunstausdrücke aus der mathe-
matischen Geographie. Axis mundi ist Axt der Welt (Durer) oder
Achsstrich (L. Sturm); polus Angelpunkt (L. Sturm), polus mundi Welt-
angel. Ist die Achse senkrecht, so ist die spheer aufgericht, ist die Achse
schräg, eine schlemme spheer (Heynfogel). Von den Himmelskreisen sind
folgende zu nennen: der Äquator ist ebenechter Kreis oder Gleicher des
Tags und der Nacht (Heynfooel); Horizont Augenender (Heynfogel), ho-
rizontalische Fl&che (Schwenter), Gesichts-Ender (L. Sturm); Meridianus
Mittagslinie (Dürer), Mittagskreis (L. Sturm), Mittagscirkel (Schwexteb),
Mittentager Kreyfs (Heynfooel); circuli tropici Sonnenwendkreise (Hev>-
fogel, L. Sturm); circuli polares Poluskreise (L. Sturm); circuli latitu-
dinis, longitudinis , declinationis Kreise der Breite, Länge, Abweichung
(L. Sturm); zodiacus zeichen tragender Kreis (Heynfogel) oder Thierkrei^
Zur Terminologie der ältesten mathematiachen Schriften in deutecher Sprache. 333
(Apian, Heynpoqel), ecliptica Sonnenstrafse (L. Sturm). Merkwürdigerweise
übersetzt Heynfogel colori die zweyen waldt ochssen Krejfs, nach der Ety-
mologie des Wortes Kolur „von xcoXov, membnim, und oti^o^, bos Silvester''
des Sacrobosco^^. Bekanntlich kommt Eolur von xöXov^og, abgestutzt,
weil diese Ki^ise nirgend vollständig zu sehen sind. Rectascension ist ge-
sirackte Aufrichtung (Heynfogel). Zona torrida verbrennter Gürtel (Kepler);
FLxsteme heifsen auch Haftsteme (J. Sturm), Kometen Schwanzsteme
(L. Sturm). Epicykel ist Oberkreis (Heynpoqel). Schwenfer sagt: „Die
Teutschen nennen die Epakten Pacten."
Zum Schlufs seien die Namen einiger Körper genannt, die J. Sturm
und Kepler der Messekunst Archimedis entlehnt oder neu ersonnen haben.
Sphäroides ist eine kugelähnliche Figur^ Afterkugel (J. Sturm), auch ablange
Kugel, gedruckte Kugel (Kepler); conoides eine kegelähnliche Figur, After-
kegel (J. Sturm), hyperbolicum ein Arbishaufen, Bergkülbel (Kepler), pa-
rabolicam Heuschober (Kepler). Von den zahlreichen Körpern, die Kjbpler
in seiner Doliometria erwähnt, nennen wir schliefslich folgende: malum
Apfelmnd, citrium Citronenrund, oliva Olivenrund, prunum Z wespenrund,
fusum Spulenrund.
47) S. Günther, Math, ünterr. im Mittelalter, S. 185 Anm.
umn^
DIE RECHENMETHODEN
AUF DEM GRIECHISCHEN ABAKUS.
VON
ALFRED NAOL
IN WIEN.
Es ist eine interessante und für manch anderen Zweig der Kultur-
geschiebte belehrende Thatsache, dafs die Methoden der einfachsten ele-
mentaren Rechnungen, die wir heute als einen Gegenstand des ersten
Unterrichts zu betrachten gewohnt sind, das Bemühen von Jahrtausenden
und unzähliger Geschlechter in Anspruch genommen haben. Wir begegnen
auf diesem langen Wege hervorragenden Namen des geistigen Lebens, aber,
was vielleicht noch mehr sagen will, die praktische Bedeutung der Sache,
die der Wissenschaft wie dem gemeinen Leben stündlich sich aufdrängende
Notwendigkeit, mit Zahlenaufgaben auf eine einfache sichere Art fertig zu
werden, hat die stete Anteilnahme aller Kreise des Volkslebens zu dieser
Aufgabe herangerufen.
Frühzeitig stellen sich sehr anerkennenswerte Fortschritte auf diesem
Gebiete ein, aber es mangelt auch nicht an Bückschritten, und seltsamer-
weise haben wir einen solchen gerade bei dem Volke zu bemerken, dem die
Menschheit ihre wichtigsten Kulturfortschritte verdankt.
Die Griechen haben das Rechnen auf dem Rechenbrette höchst wahr-
scheinlich von den Ägyptern überkommen. Herodot (2, 36), indem er von
den Elementarkenntnissen der Ägypter berichtet und selbe mit denen der
Griechen vergleicht, macht die Bemerkung, dafs beide Völker die Schrift
und das Rechnen mit den Rechensteinen (koyliovxai t|;^90i<ri) in entgegen-
gesetzter Richtung führen: die Griechen von der Linken zur Rechten, die
Ägypter aber umgekehrt. Es ist allerdings die einzige Spur, die wir trotz der
zahlreichen Schriftmonumente des bilder- und schreibseligen Kulturvolkes
am Nil von diesem Gegenstande, der doch so manchen AnlaTs zu bildlicher
Darstellung giebt, dort bisher entdecken konnten. Er war mit seinem Apparate,
dem mit einem Linienschema versehenen Brette (griechisch a/3a|, latein.
ohacus) und den zugehörigen Steinen, tfffi<poi^ calculi auch [coZctiZ«] äbaculi
(PuNius h. n. 36, 199), eine ziemlich schwerfällige, unhandliche Einrichtung,
die namentlich auch den grolsen Nachteil hatte, im Bedarfsfalle nicht immer
zur Hand zu sein. Aber die Methode ihrer Numeration war ein voll-
Btftndig und genau entwickeltes dekadisches Stellensystem, in
welchem jede Stelle durch eine Kolumne, den Raum zwischen zwei
Linien, dargestellt war und durch Einlage der entsprechenden Anzahl
Abh. sar Gesch. d. IfAthem. IX. 22
338 Alfred Nagl:
jener zeicbenlosen Steinchen fanktionierte. Stellen, die keine Einheiten ent-
hielten und im indisch -arabischen Systeme durch das Nnllzeichen aus-
gedrückt werden, zeigten diese ihre Bedentang auf dem Abakns einfach
durch das Leerbleiben der betreffenden Kolumnen an. Die Anordnung der
Zahlendarstellung war dabei der unsrigen, von der Einerstelle nach links
aufsteigenden genau entsprechend.
Es scheint vielleicht ein einfacher, naheliegender Gedanke, da(s mu
das vorgezeichnete umständliche Linienschema des Bechenbrettes weggelassen
und die leeren Stellen als solche durch eine kennbare Marke bezeichnet
hätte, von welchem Standpunkte dann zur Verwendung Yon einfachen Zahl-
zeichen für die 9 Einheiten anstatt der zeichenlosen Steinchen, mit einem
Worte zur schriftlichen dekadischen Numeration in heutiger Form eben-
falls nur noch ein kleiner Schritt gewesen wäre. Aber der Schritt mlte^
blieb und der erklärliche Drang nach einer rein schriftlichen Methode führte
auf den schon angedeuteten Abweg.
Die Griechen halfen sich nämlich — die ältesten Spuren reichen nicht
vor das 3. Jahrhundert v. Chr. zurück und finden sich im Ägypten der
Ptolemäer, — in der Weise, dafs sie ihrem Schriftalphabet, yermehrt durch
die 3 alten Episemen auf 27 Zeichen, die Bedeutung yon Zahlzeichen gaben^
je 9 Zeichen für die Einer, Zehner und Hunderter, die dann mit Bei-
setzung yon Strichelchen links in die nächst höheren Stellenkategorien der
Tausender, Zehn- und Hunderttausender übersetzt werden konnten. Das
Schema dieser Numeration war das folgende:
A
B
r
A
6
C
z
H
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1
K
A
M
N
S
o
P
9
10
20
30
40
60
60
70
80
90
P
E
T
Y
0
X
4»
a
•2^
100
200
300
400
500
600
700
800
900
Wir finden diese Methode der Zahlendarstellung in allen mathematischen
Schriften der Folgezeit, und nicht wenige derselben geben uns durch Bei-
spiele auch ein ziemlich klares Bild dayon, wie die Bechenmethode in der-
selben beschaffen war. Der allerdings unleugbare Vorteil der schrifUichen
Rechnung erscheint dabei durch den Verlust des dekadischen DarstellnogS'
sjstems mehr als aufgewogen und es trat an dessen Stelle nxm eine mehr
auf geschickte Handhabung im einzelnen Falle, als auf strenge und sichere
Systematik gegründete Rechen weise, die kaum den Namen einer Methode
yerdiente. Im Multiplizieren wurden die einzelnen erhaltenen Teilprodnitte
nacheinander hingeschrieben wie ein gewöhnlicher Schrifttext, yon dem
Die Rechenmethoden anf dem griechischen Abakus. 339
dann eine solche Bechnung überhaupt in der änfseren Erscheinung nur
durch die Strichelchen unterschied, und es war Sache weiterer zweckmäfsiger
Verwendung dieser Aufschreibung, daraus die Endsumme zu ermitteln.
Besondere Schwierigkeiten bot die Bestimmung der dekadischen Potenz der
Produkte aus den einzelnen Faktoren und noch höhere natürlich die Durch-
führung einer selbst einfachen Division. Selbst in dem von den griechischen
Astronomen angenommenen Systeme der Sexagesimalbrüche, das, unseren
Dezimalbrüchen im Prinzipe Yöllig gleichstehend, an sich zur Stellendarstellung
hindrängte, fand die alphabetische Numeration statt. Doch kamen dabei die
sexagesimalen Stellen durch die trennenden Zeichen: ^iiovQaij gradus (Ganze),
'la n^xa^ mmutae primae (^) , "xa davxeQa^ minutae secundae i^^ = ^^^j ,
"ta xQlxoy mkiutae tertiae (rp =» oiäoö/ ^' ®* ^" *^ schönem graphischem
Ausdrucke. Aber für uns haben die erhaltenen Operationsbeispiele in alpha-
betischen Zeichen^) den besonderen Wert, daTs sie uns ermöglichen, die
Rechenmethoden auf dem Abakus mit ziemlicher Sicherheit zu bestinounen.
Mit der Einrichtung des griechischen Abakus werden wir bekannt ge-
macht durch yerschiedene gelegentliche Bemerkungen in litterarischen Texten
nnd durch einige erhaltene Monumente, hauptsächlich aber durch eine an-
fangs des Jahres 1846 auf der Insel Salamis bei Athen gefandene Marmor-
t&fel, daher gewöhnlich als die salaminische bezeichnet.') Form und Ein-
1) a. Abchucsdss {Waiinlvrig mid KvnXov fiixQfjaig) und Eutokios in Archdiedis
Opera onmia cum commentarits EüTocn ed. J. L. Heibbbo. Lipsiae 1S81. b. Theon;
9i<o9og 'AXtiavdQiatg *Tx6iivrifitt ilg xb ng&xov xijg üxoUpLaiov Ma^. cvvxd^Bmg.
TexU et trad. fr, par Halma. Paris 1821. e. Hsbon; Heronis Älexandrini Geometri-
corum et sUreom. rel. ed. Froed. Hultsch, Berol. 1864.
2) Die oftgenannte salaminische Tafel hatte während der Drucklegung dieser
Sehrift ihre Geschichte. Sie wurde auf mein Ersuchen zu Athen und auf Salamis
gesucht, leider yergebens und mufs Torl&u6g als yerschoUen betrachtet wer-
ben. Die seinerzeit unmittelbar nach ihrer Entdeckung an Ort und Stelle an-
gefertigte Zeichnung bei Rakoab^ in der Bevue archäologique IIl (Paris 1846) p. 296
ist also dermalen als ihr einziges Überbleibsel hinzunehmen. (Vergl. ebenda
p. 305 LsTaoKHB über die Zahlzeichen und p. 401 Vincsnt über die Tafel selbst.)
Es ist daher eine genaue Nachbildung hievon hier vorangestellt. Zum Glücke
^t BASQABift durch genaue Beschreibong und Mafsangaben das Monument
wenigstens für das Studium in technischer Richtung gerettet. Er giebt an in
MetenuaTs: Lftnge der Tafel 1-6, Breite 0*75, Abstand des Schemas der fünf
Linien yom nahen Schmalrande 0*26, L&nge seiner Linien 0-27, deren Abstand
untereinander 003, Abstand des Schemas der elf Linien vom vorigen 0*5, Länge
seiner Linien 0-88, deren Abstand unter einander 0036, Höhe der Zahlzeichen an
den beiden lAngsseiten der Tafel 0013, ihr gegenseitiger Abstand 004, Höbe
der Zahlzeichen an der Schmalseite und der Ejreuze in den elf Linien 0-02, ihr
22 •
840 Alfred Nagl:
ricbtung mögen aus der beifolgenden Bildtafel entnommen werden. Die ab-
weichenden Meinungen über diese Tafel will ich noch am Schlüsse würdigen
und mich hier unmittelbar ihrer Funktion nach meinen Ergebnissen n-
wenden.
Vor allem ist die Numerati on auf dem Linienschema dieser Tafel
yMlig au&er Zweifel und fOr uns unmittelbar anschaulich durch die ganz
gleich« Kinriehtung von noch allgemein im Oebrauch stehenden BecbsB-
lunuj^chinen; der chinesisch-japanischen Soru-Ban') und des russischen Tsehotö.
NaauiwUich aber sind die erhaltenen antik-rOmischen Abakus-Exemplare, ^t
in xii^ «iMtUchen Spalten ftlr die Teil- oder Bruchgröisen wesentlich dieselbe
Kiu^'iv'htuiitlf Beigen, wie die salaminische Tafel, ein erster und entscheidender
IWw^ iUr ^1^ «i^ntliche Bestinmiung dieser Tafel. Wie auf dem romiscben
AWi^u»*"^ dii^ $«itlidi rechts befindlichen Spalten durch die unmittelbar
AlwtiaMx^ ^^ iKN M<^l«rs I>i« Krhaltnng der Tafel war nach Baxoab^ eine TollkommeDe.
yKu^<^ NAohluldoait den^ben in Holt nach diesen Mafsangaben hat sich mir fot
s)Mt ^UuUttw al« »ehr erspriefslich erwiesen.)
Di^te Anmerkung bildet somit eine Art Kachtragsbericht. D&mit
ul ab^t iu|ri^ich die weitere Nachricht iq verbinden, dafs das Suchen nach der
IWVI Kaxua.w&*s tur Entdeckung einer anderen Tafel dieser Art, gleich-
iVUs auf Salamis geföhrt hat (April 1S99), welche, wie ich yemehme, in da^
iVnUalmQoeam in Athen überführt werden soll. Herr Professor Eubitschkk (Wien ,
%)«m ich n&r die^ Vermittlungen grof>exi Dank seh aide, hat mir von der neuen
Kntdeokuag eine Photographie überlassen. Damach ist diese Marmortafel der
wvriijt'n Hsi vollkommen gleich, sowohl an Grüfte, als in der Einrichtung. Kur
^v»cheint ihre Ausführung weniger sorgfältig, die Zahlzeichen sind in allen drei
Kolhf^u von gleicher Höhe und, was hier sehr bedeutsam, die Zeichen der
K^ihe an der einen Schmalseite stehen aufrecht nach aufeen, gleich
d«M)«^ der beiden Laagseiten. Dieser Umstand berührt ein wesentliches Moment
dt>r nachfolgenden Ausführungen. Ich muis mir vorbehalten, der neuen Eni-
d«>cVang späterhin womöglich gerecht lu werden, übergebe aber dennoch diete
.Vib^ii dem Urteile der wiesenschafUichen Welt in dem Gefühle, dals durch die-
ioU^ aichUidesto weniger die Einsicht in die Technik des Rechnens auf dem antikes
Al^kku« g«^fördert werden dürfte. Indes hat die operative Verwendung dieier
/:vv\ohi\ur«4h« im Sinne meiner Darstellung auch nach ihrer Stellung auf der neu
outsiiH'kt^o^ Tufol keine Schwierigkeit und es mag vielleicht diese Richtung der
/ou'hw nach aufsen lediglich der Bequemlichkeit des Schrifthauers insn-
«v U\«ibi\u «eiu. Die Tafel ist der Breite nach in der Mitte entswei gesprungen.
a^ Vwgl. darüber Alfrsd Wssital in den „Mittheilnngen der deutsches
iKt;,olUch)^t\ tCir Natioaalükon. und Völkerkunde Ostasiens.«* Yokohama und Berlin
y.\>>ui.u^ U<\ H^ <^ S. %1: Über die chinesisch-japanische Rechenmaschine; Heftd
;s 4i. tivvir44^ lur t)t\»ohichte der Mathematik in Japan; S. 64: Über das Wahr-
biij^oi^ uut' vl^* Keoh««ma$ohine. — Vorzügliche, ihren Gegenstand erschöpfende
U Ata^iUiuv^j^, die wichtigste bei Mascis Vslsse, Opera, Nürnberg 1682,
Die Rechenmethoden auf dem griechischen Abakus. 341
dabeistehenden Brachzeichen für ^ (sexttUa)^ ^ (stcüicus) und ^ der Unze
{semunda; die Spalte der uncia jedoch ist rechts an das Schema der ganzen
GrOiGsen unmittelbar angeschlossen) bezeichnet sind, so zeigen auf dem sala-
minischen die an dessen Ränder verwiesenen Zahlzeichen in ihrer Reihen-
folge von rechts nach links ganz deutlich an, dafs das kleinere Linienschema
rechts (wir stehen an der Längsseite der Tafel mit der yoUständigsten
Zahlenreihe) mit seinen vier Kolumnen f&r die TeilgrÖfsen der Drachme
bestimmt ist, nämlich der Reihe nach für die Aufnahme von ^ (X Chal-
kns), ^ (T, Tetartemorion), -^ (C, Hemiobolion) und ^ (I, Obolos) der
Einheit, während die weiter folgenden Zahlzeichen sich auf die ganzen
Zahlen (Drachmen) und auf die Kolumnen des groJOsen Linienschemas be-
ziehen, zunächst mit der Einheit (H, dem attischen Zeichen für die Drachme)
und deren Fünffachem (P für Ttivrs)^ dann den Zehnem (A, dixa und P
für 50), den Hundertern (H, hcctov und P für 500) und den Tausendern
(X, iPuoi und P für 5000).*) Das letzte Zeichen links, T, bedeutet das
Talent, 6000 Drachmen, und so steht diese yoUständigste der drei Zahlen-
reihen in genauer Übereinstimmung mit dem noch im Mittelalter wieder-
klingenden, schönen und für die Sache sehr anschaulichen Gleichnisse bei
PoLTBius 5, 26: „Denn in Wahrheit sind diese (es handelt sich dort um
einen am makedonischen Königshofe in Ungnade gefallenen Günstling) zu ,
vergleichen den Rechensteinen auf dem Rechentische. Denn auch diese gelten
je nach dem Willen des Rechnenden bald nur einen Chalkus und alsbald
wieder ein Talent!"«)
p. 422, 819, 842, in Natargröfse. Erhaltene Monmnente je eines zu Paris
and Rom. Auch Welsxb^s Abakus ist yerschollen.
5) Diese nach einem Grammatiker des zweiten Jahrhmiderts n. Chr. recht
nnzutreffend als herodianische benannten Zeichen, waren in Wirklichkeit die
unprünglichen Zahlzeichen der Griechen. Sie sind, wie sich zeigt, nichts anderes,
als die Anfangabuchstabeo der betreffenden Zahlwörter. Ausgabe des Herodian
Ton A. LxHz, Leipzig 1867. — Der knappe Raum dieser Abhandlung gestattet
nicht, den Anteil Terschiedener Grelebrter an der Aufklärung der Zeichen dieses
Abakus hervorzuheben. Ober die Teilung des att. Obols in 8, nicht 6 Chalkus
vergl. BoBCKH, Metrol. Unt. 24. 32. Archäol. Ztg. 1847, p. 44 (Ges. kl. Seh. VI, 464).
HcLTscH, Metro), ss. gr. 157, Index vv. ößoX6g, x''^^*^^, xBxaQtriii6Qtov.
6) 1[>rT<»( yaQ slaiv o^toi naQocnX'/iatot taSg inl t&v &paiiii<ov rprjipoig' 'Eneivai
tf y^9, xatä xijv t(H) ffnitp^iocvrog ßovlriaiv &Qti xccXuoüVj xal naQavx^xa tdlavxov
^vfttvtai. — Einen Ähnlichen Ausspruch legt Diogenes Laebtits I, 60 dem Solon bei.
Die fir das Verständnis dieses Monumentes sehr wichtige Stelle des Poltbius hat
Bchon RAMOABii bezogen , ohne jedoch auf ihre so bezeichnende Übereiostimmung
mit der vollst&ndigen Zahlenreihe auf der salaminischen Tafel aufmerksam zu
werden.
342 Alfred Nagl:
Der einzelne Stein galt also, in eine Kolumne eingelegt^, eine Ein-
heit derselben, handelte es sich nun um eine Bruchkolumne, oder um eine
dekadische Stelle. Dabei ist, ganz genau wie bei der ostasiatischen Becken-
maschine und dem römischen Abakus, im grofsen Linienscfaema der Teil
jeder Kolumne über der waagrechten Mittellinie für die Fünffachen hesümmt,
ein Umstand, der auch durch die pentadischen Zeichen der drei Zahlenreihen
deutlich markiert erscheint. Die Zahl 9 z. B. wird somit in jeder Stelle
durch 4 Steine unterhalb und 1 Stein oberhalb dieser Querlinie dargestellt
Das Kreuz zwischen der zweiten und der dritten Kolumne scheidet die
Zehner- von der Hunderterstelle®) und vor der Marke in der Mitte d@
Schemas wird die Stelle der Zehntausender erreicht, der Myriaden, welche
in der griechischen Zahlendarstellung und Benennung eine bedeutsam ah-
schlieÜBende Bolle spielen. So kann sich die Darstellung der Zahlen auf
dem grofsen Linien- oder yielmehr Kolunmenschema genau angepaist der
griechischen Numeration und mit guter Übersicht yollziehen. Dabei ist der
beträchtliche Baum zwischen beiden Linienschemen vorixefflich für
die Aufnahme eines entsprechenden Yorrates von Bechensteinen geeignet,
um von da nach beiden Seiten hin f£ür die Darstellung der TeilgrOüsen und
der ganzen Zahlen mit gleicher Bequemlichkeit yerschoben zu werden. Die
geschmackvolle, von echt attischem Feinsinn zeugende Einrichtung dieser
Tafel ist überhaupt eine Eigenschaft, die sich sowohl an dieser, wie an
manch anderer der noch zu besprechenden Einzelnheiten bew&hrt.
Wir denken uns also den Bechnenden an jener Längsseite der Tafel
stehend, welche die voUkonmienste der drei Zahlenreihen aufweist, ein Um-
stand, der im Zusammenhange seine Begründung finden wird. Der Rechner
hat die Kolumnen der vier Teilgröfsen zu seiner Rechten und auf den-
jenigen der ganzen Zahlen vollzieht sich, entsprechend der Folge jener
Zahlzeichen am unteren Bande der Tafel, die Numeration dekadisch auf-
steigend von rechts nach links.
Wie bei allen Systemen des Bechenbrettes mit beweglichen . Steinen«
so besteht auch hier das Addieren lediglich in einem Zulegen, „Hinzn-
geben" von Steinchen zu der in den Kolumnen liegenden Zahl mit nach-
7) Dafa hierbei die Kolumnen als solche und nicht die Linien fangiertes,
geht auf das bestimmteste schon aus der Übereinstimmiuig der Anzahl der Seiten-
kolmnnen mit den vier Zahlzeichen der Teilgröfsen hervor.
8) Als Unterteilung der vierstelligen Numeration der Griechen; denn
bekanntlich teilten dieselbe sprachlich und graphisch ihre Zahlen nicht wie wir
nach drei Stellen z. B. 987.654,321, sondern nach vier: 9.8765 i321 und sagten:
9 Myriadenmal 8765 Myriaden etc. Vergl. Abghimsdbb, Sandrechnung a. a. 0-,
Appollomios bei Pappob, II passim.
Die Rechenmethoden anf dem griechischen Abakua. 343
folgender Ordnung der Numeration. Diese geschieht gelegentlich w&hrencl
der Rechnungsoperation nnd einfach in der Weise, dafs von den angesam-
melten Steinchen je fOnf im unteren Teil einer Kolumne durch einen ein-
zelnen im oberen (pentadischen) Teile derselben und je zwei Steinchen im
pentadischen Teile durch eines im unteren Teile der nächst höheren Ko-
lumne ersetzt werden. Wie sich dann durch die entsprechende Bückauf-
l5siing die Subtraktion, das „Wegnehmen'' vollziehe, bedarf hier wohl
keiner besonderen Darstellung,
Das Problem der Bechenmethode auf dem Abakus beginnt überhaupt
stets bei der Multiplikation. Diese ist auch im Mittelalter, in der
GsRBEBT'schen Schule und beim Bechnen auf den Linien, der nftchste Ziel-
punkt der Lehrschriften, welche uns von beiden Methoden reichlich er-
halten sind. Aber für den römischen, sowie für den uns hier interessieren-
den griechischen Abakus fehlt uns eine so unmittelbare Quelle und wir
müssen dieselbe durch das schwierigere und weniger sichere Mittel der
Kombination ersetzen.
Gewisse Einzelheiten der salaminischen Tafel geben hierbei wertrollen
Anhalt. Der eigentliche Schlüssel für die Lösung besteht aber darin, dais
die Methoden der uns erhaltenen griechischen Schriftrechnungen deutlich
ihren Ursprung auf dem Abakus verraten, insbesondere, weil ihre ünvoll-
kommenheiten sich aus dem Wesen des Abakus naturgemäfs erklären und
auf demselben sich geradezu in Vorzüge verwandeln. Es liegt übrigens
schon in der Natur der Sache, dafs man die durch Jahrhunderte ausschliels-
lich geübte Methode auf dem Abakus ohne weiters auf das schriftliche
Rechnen wird übertragen haben, so weit sich dabei aus der Verschiedenheit
beider Einrichtungen nicht ein allzugrofses Hindernis ergab.
Höchst unvollkommen und ungeschickt ist in der griechischen Schrift-
rechnung die unverwandt festgehaltene Methode, die Multiplikation mit
den zwei höchsten Stellen zu beginnen; sie wird sodann mit jedem
einzelnen Faktor des Multiplikators durch den ganzen Multiplikanden ein-
scfaliefslich der unveränderten Bruchzahlen fortgesetzt, wobei jedes einzelne
Produkt der Beihe nach hingeschrieben wird.
Die Operation stöfst hier gleich bei Beginn an die charakteristische
Schwierigkeit in der Bestinmiung der dekadischen Potenz der einzelnen
Produkte, der in der Positionsarithmetik sogenannten Stellenbestimmung.
Das Einmaleins lehrt, dafs ^' mal O' gleich vi' ist (6 X 9 «» 54). Warum
aber ist fi mal % gleich 9)^*' Myriaden (6000X900 = 5400000)? Wir
loseQ heutzutage diese Aufgabe durch die Addition der Anzahl der den
beiden Faktoren vorausgehenden Stellen, wenn nicht im einzelnen Falle
^n der graphische Aufbau der Stellenrechnung uns jede Denkarbeit ab-
344 Alfred Nagl:
■
nimmt. Aber die griechische Schriftrechnong muTsie sich da mit ein^
viel amständlicheren Yorstellung geholfen haben, insofern sie nicht immer
auf die Stellenregel des Arohimedes zurückging. Diese for die Schrift-
rechnung aufgestellte Begel ist aber ein Beweis, dals ihre Metiiode dem
Abakas entstammt, denn sie beruht durchaus auf der Z&blung
Yon dekadischen Stellen oder Kolumnen. Aber auch ihr Ansgaogs-
punkt, die vorhergehende Feststellung der Faktoren-Einheiten ohne Bäc\-
sieht auf deren dekadische Stellung, für welche Einheiten die GneeliHi
sogar einen technischen Ausdruck, nv^fiiveg^ haben*), ist mit der Technik
ihrer Schriftrechnung nur unvollkommen vereinbar.
Die Stellenregel des Arohimedes findet sich in einer bekazmtti:
Stelle seiner Sandrechnung {Wan(il%fig), Nachdem er gezeigt hat^ wie dmch
die systematisch aufsteigenden Zahlenausdrücke selbst die gr5£sten Mengen
(der Sand der Erdoberfläche) zum Ausdruck gebracht werden können, f^rt
er fort: „Dienlich ist aber auch das zu wissen: wenn von Zahlen, welche
zu der Monade (Einerstelle) in einer gewissen Proportion (avaXoyUt) stehen,
etwelche von ihnen unter sich multipliziert werden sollen, die in derselben
Proportion stehen, so wird auch das Produkt in der nämlichen Proportion
(zu ihnen) stehen, indem es von dem gröllseren der beiden Multiplikatoren
soweit absteht, als der kleinere derselben von der Monade in seiner Pro*
portion absteht; von der Monade aber wird es um eine Stelle weniger weit
abstehen, als die (Abstand8-)Zahl beider Faktoren von der Monade m-
sammen beträgt.*'^) Verstftndlich ist also diese Doppelregel kaum ohne
die Httlfsmittel der Stellenarithmetik, und es lädst sich nicht verkenneo, difs
der griechische Schriftrechner mit der ganzen Fassung dieser Begel auf die
Vorstellung des Abakus zurückverwiesen war.^) Sie ergiebt nach ihres
9) Er findet sich in dieser Bedentnng bei Pappos, fragm. lib. II , Sati 2T.
10) Text nach der Ausgabe von Hbibero 2, 870: Xffiijütfutw di icti wi tut
yiyvo»«mtffi«iro«r. il %a ä^i^fU»9 Soib tag {kowddog Awaloyov i69Tmw voUcnr^''^'
tnrti T(vf( illttXovQ t&v i% tag a^äg äwuloylag^ 6 y$96fU9ag 6^o£mQ itftf^tVn
i% tag ttvtäg <hraXo/^c, inixnv inb fikw vod luifSwog töf nolleadtttiaiavff
ÄXXalovg^ ocovg 6 ildtttav tAv noUaxlacui^dwttap imb (tovddog dyoiloyov itiif*-
icnb dl tag i^owadog ätfi^Bi ivl ilattovag^ rj Scog ictlw 6 i^U^itbg ewanfpcti^^
c^*g &Mixowtt &Mb lutvadog oi noUtailtt^uxidwtig iXhilovg, Ober indojüty f^
pofiio im rein mathemaÜBchen Sinne, vergleicfae die klassische Stelle bei ?J^-y
Timaems 7. Cicuo, TVataais 4. 5.
11) Die Unmöglichkeit^ die Stellenbestimmong nach dieser Begel auch nu^
den graphischen Hülfsmitteln der griechischen Scbriftrechnnng zn bewerkatelÜgc^
soll damit nicht behauptet sein. Man konnte die ivaloyicci und die ^^ Abstände"
des AftcHiitKDKs immerhin auch auf den dekadisch angeordneten Beiben ^^
alphabetischen Zahbeichen nach nnatter oben gegebenen DarsteUnng bestiouD^
Die Bechenmethoden auf dem griechiflchen Abakus. 345
beiden Formaliemngeo, wenn wir die Stellenzahl der beiden Faktoren durch
a und b ausdrücken, fbr die Stelle des Produktes (nämlich für die Einer-
stelle desselben) die Formel:
^ «= a + ^ — 1-
Treten wir nun mit dieser Operationsregel an den Abakus und zwar
an die vorbezeichnete Stelle der Längsseite mit der längsten Zahlenreihe,
5o macht sich unverweilt ein weiterer hier wichtiger Umstand bemerkbar.
Der Bechner hat dann die Zeichenreihe an der andern Längsseite umgekehrt
Tor sich, dieselbe kommt daher für ihn augenscheinlich aufser Betracht.
Dagegen steht diejenige an seinem eigenen Standplatze aufrecht vor ihm
und zwar in einer Lage, welche einem beständigen Ln- Auge -behalten
minder günstig ist. Wohl aber entspricht dieser letzteren Anforderung auf
das beste die Zeichenreihe an der linken Schmalseite der Tafel und sie hat
für diesen Zweck augenscheinlich dadurch noch eine besondere Eignung er-
halten, dafs ihre Zeichen erheblich gröfser sind als diejenigen der
beiden Längsseiten. Ohne Frage ist also diesen beiden Zeichenreihen
nicht blofs eine explikative, die Bedeutung der Kolumnen anzeigende Be-
deutung, sondern eine besondere Funktion in den Bechnungsoperationen
selbst zugedacht, und welche diese Funktion sei, ist für den praktischen
Kenner der Eigentümlichkeiten des Abakusrechnens unschwer zu erraten.
In allen Formen des Abakus tritt nämlich beim Multiplizieren das Be-
dürfnis nach dem Festhalten der beiden Faktoren auf. Der chinesisch-
japanische hilft sich da durch eine starke Verlängerung seiner der antik-
römischen sehr nahe kommenden Einrichtung, wobei dann mehrere Zahlen
nebeneinander auf dem Abakus platzfinden, und durch eine sehr sinnreiche
Technik des schrittweisen Yerdrängens des Multiplikators. Aber der Abakus
der BOmer in den erhaltenen Stücken mit verschiebbaren Knöpfen^) ver^
langt, daÜB man die Faktoren entweder mit geschriebenen Zahlzeichen oder,
wenigstens einen derselben, mit den Fingern notiere. Das bedingte also ein
Hitwirken der Schrift oder auch des Gedächtnisses beim Bechnen, wodurch
dieses noch umständlicher wurde.
Die Salaminische Tafel gestattet nun mit ihren Zahlenreihen ein An-
setzen der beiden Faktoren, und es ist ganz handgreiflich, dafs die
untere Zeichenreihe beim Bechnenden für die Aufnahme des Multiplikators
bestimmt war, diejenige an der linken Seite aber, mit ihren gröfseren,
12) Sie entsprechen genau den sog. Eömern des ostasiatischen. Übrigens
benutiten die BOmer gleich den Griechen auch eine Tafel mit freibewegliohen
Rechensteinen, wie dies in der Natur der Sache liegt und aus zahlreichen lite-
nritchen Andeutungen heryorgeht
346 Alfred Nagl:
stärker markierteii Zeichen, för die des Mnltiplikaiiden, der während der
BechnaDg unveräudert bleiben nnd beständig im Auge behalten werdoi
mofs, während man sich yom Multiplikator die eben fongierende ßtelk
nur einmal anzusehen und dann zu merken pflegte. Aus der Technik der
ganzen Methode gelangt man auch zu der Einsicht, daCs man als Multipli-
kanden auf dem Abakus in der Begel die an Stellen geringere Zahl iim-
gieren liefs, was auch die salaminische Tafel selbst durch die kürzere Beihe
der Zahlzeichen an der Bchmalseite anzudeuten scheint.
Die Art und Weise der Markierung der Zahlen auf den beiden Zeiches-
reihen entbehrt allerdings jeder Überlieferung; es sind aber ihre genaueres
Einzelnheiten auch gleichgiltig. NatOrlich geschah sie ebenfalls durch Auf-
legen von Steinchen auf die Zeichen, ganz analog wie in den Eolamnen,
also bis zu yier Steinchen auf den dekadischen und durch je ein Steinehen
auf den pentadischen Zeichen. Dabei wird man, sobald die Funktion eines
pentadischen Zeichens erforderlich geworden, dessen Steinchen mit den*
jenigen des dekadischen zusanunengerückt haben, sodafs sich för jede deka-
dische Stelle eine deutlich geschiedene, das Anwenden der archimedischen
Begel erleichternde Gruppe darstellte. Auch wird, um die Zeichen sichtbar
zu erhalten, das Auflegen der Steinohen nicht auf den Zeichen, sondern
über oder unter denselben gegen das Innere oder Äufsere der Tafel zn
stattgefunden haben.
Bei der Wahl eines besondem Bechenbeispieles haben wir zu erwftgBo,
dafs die Multiplikation Yon Teilgröllsen, wie sie die Seitenkolumnen nnd die
Zeichenreihe der salaminischen Tafel darstellen, untereinander praktisch auch
im gemeinen Leben allerdings Yorkommen muIlBte, da das System der Ge-
wichte bei den Griechen mit den^jenigen der Geldteilung völlig übereio*
stimmte, ja das letitere wohl unmittelbar, wie das römische, aus dem Ve^
kehre der Zuwägung des Geldmetalles entstanden war.^')
Die Rechnung in gemeinen ßrüchen, die wegen ihrer Anwend-
barkeit auf alle Teilgröfsen neben den Stellenbrflchen (Sexagesimal- und
Dezimalbrüchen) stets eine wichtige Funktion behalten wird, bildet den
wunden Punkt des Abakus. Auf diesem kann gleichzeitig nur eine ganz
beschriLnkte Zahl yon Brüchen, für die die Kolumnen in vomhinein ra be-
stimmen sind, dargestellt und verwendet werden. .Für den täglichen Ver-
kehr genügt dies allerdings, allein genauere Rechnungen drängen hier xv
13) Yei^l HiXTScH, Metit^logie § 19. Die Drachme in 6 Obolen (bei. der
Stater lu IS Obolen) fügt sich genau in daa Zwölfersytiem. Die TeUuig d»
ObolM (— S Halb-, 4 Viertelobolen und 8 ChaUnis) berahi auf fortgeaetster fiftl-
bienmg dieser kleiasten Mafaeinheit
Die Bechenmethoden auf dem griechischen Abakns. 347
Schrift. Die Teilgröfsen der griechischen Metrologie gestatten nur die Dar-
stellung folgender Brüche und ihrer Vielfachen:
I C T X
^ dargestellt durch 3 — — —
* « » 2
i „ » 1 1 — —
i „ „-11-
rsr » « ^
I^F w . M — — ^ ^
r? V « ^ T
TT « w ^i
TB" « » ''"T
IT « » ^
(Die aniserdem noch darstellbaren Brüche: i + 14' "* Ai ^^'^^ H" A
^^ iV "f" 1^ ^^ völlig unpraktisch.)
Die Darstellung dieser Brüche auf dem Abakus kann bei dem noch
genau in dieses System fallenden Bruch -^ für den halben Chalkus wohl
durch ein einfaches Anskunftsmittel erfolgen, wie allenfalls Auflage eines
Steines unterhalb der Chalkus-Kolumne. Dagegen fllllt auf, dafk die so
naheliegende Multiplikation des Obolus mit sich selber (i X i^= ij^) ohne
ein solches Auskunftsmittel für den ^ - Chalkus (allenfalls Auflage eines
Steines oberhalb der Kolumnen) auf dem Abakus nicht ausführbar ist.
Dasselbe gilt für die Vielfa^^hen dieser hier wichtigen Bruchgrölse: -f^ und ^.
Die Multiplikation dieser Brüche mit ganzen Zahlen bietet an sich
keine grofse Schwierigkeit. Von den dekadischen Einheiten ergiebt z. B.
die Multiplikation von 10000 mit | : 1666^, mit ^ : 833| u. s. w., was
alles einfach darstellbar ist, aber entweder vorher im Kopfe ausgerechnet,
oder Yon vornherein gemerkt werden muTs. Beides ist der praktischen
Natar des Abakosrechnens, bei dem man mit dem Einmaleins zur Not sogar
io der Einschr&nkung auf 1 — 5 seine Auslangen findet, durchaus zuwider.
Die Hitbenutzung einer vorgerichteten Multiplikationstabelle ist daher
^ diese Einrichtung ein unabweisbares Bedürfnis. Die nachfolgende Auf-
stellung einer solchen Tabelle macht natürlich keinen Anspruch auf Identiät
^ii einem antiken Formulare, wohl aber wird sich dem praktischen Rechner
ihr« ünentbehrlichkeit sofort klarstellen, sowie er bei den BraohgrOfsen an-
348 Alfred Nagl:
gelangt ist. Die Zahlendarstellung mit den altattischen Zahlzeidien ent-
spricht darin genau den Mustern, die uns aus den attischen ürknnden be-
kannt sind.^^) Die sich hierbei aufdrängende Wahrnehmung, d&Cs diese
schriftliche Zahlendarstellung in genauer Übereinstimmung mit der media-
nischen auf dem Abakus selber steht, ist fClr die Geschichte dieser Zahl-
zeichen zu wichtig, als dafs hier über diese Andeutung hinausgegangec
werden könnte. Für die Benützung der Tabelle selbst ist nur zu bemerken,
dafs ihre Produktansätze, da sie aus dekadischen Einheiten und Stamm-
brüchen entstanden sind, im einzelnen Anwendungsfalle mit den Pythmenes
zu multiplizieren sind.
Die in den mathematischen Schriften der Griechen uns erhaltenen
Multiplikationsbeispiele sind durchweg Quadrierungen yon Zahlen, da ae
insgesamt der Prüfiomg von Quadratwurzeln dienen. Nichtsdestoweniger
glaube ich ein solches einem freiangenommenen vorziehen zu sollen. Ich
wähle hier, als der Praxis der Geldrechnung auch in den Teilgröfsen ent-
sprechend, ein Beispiel bei Eutokios aus denjenigen zum HL Theoreme der
archimedischen Kreisrechnung ^^): 3013^ ^ X 3013^ |. Es siebt in der
Originalform ^^ mit beigefügter Darstellung nach modemer Sechen weise ans
wie folgt:
3013 i i
mit 3013 \ \
9,000.000, 30.000, 9.000, 1500, 750
30.000, 100, 30, 5, 2i
9000, 30, 9, li, i + i
1500, 5, li, i, i
K 750, 2i, i, i, i, ^
^y*y L 0
inl
^yiy L 0
M M fi' ^a<p' '^v
M q' r b' ß' L"
fi' A' &' a L" L"
fi^> £ a L 0 ij
6fi(yv
tf;v p L L 0 i;
//
tt
gleich 9082689^^
14) A. BoBCKH, ürk. über das Seewesen des attischen Staates (StaaUhani*
haltung d. A. III) und Corp. J. G. 1 p. 184 ta. Attic. I p. 48. II, II, p. 1 bs.
16) Edit. Heibebg 8, S. 290. Eutokios schrieb im 6. Jahrhundert n. Chr., aUeio
seine Methode ist ganz unyer&ndert die altgriechische SchriftrechnnDg. Di^
mathematischen Schriften der Griechen haben zahlreiche Beispiele in geneiseD
Brüchen, bei denen anch in unserer modernen Schriftrechnnng die deksdlBcbe
Stellenmethode nur eine beschränkte Anwendung hat. Der Text bei Vixam
bedarf mancher Verbesserungen. S. 296 Note 1 Linie 2 y. o. mnfs es hei/Mo
1838^, anstatt ■^.
16) Und mit Unterlassung jedes unhistorischen Versuches einer dekadisclzeB
Anordnung, wie er in den Ausgaben gemeinhin zutage tritt. Auch der SummeQ-
strich ist quellenwidrig.
Die Bachenmethoden auf dem griechiBohen Abakua.
349
Maltiplikationstabelle für die TeilgrSfsen der Drachme.
oooo
xi
1666^
833|
416*
208 1
M
I
C
T
X
1000
Xi
1^
100
166|
m
X
I
c
T
X
H
xPHr'APhmi
PHHHAAAhhhll
HHHHAPHIII
HHPhhhIl
HPAPHIII
nAAAhhhll
AAAAhllll
AAIIIII
xi-
16*
1
APHIII
T»I
81
C
Phhhll
^
H
T
hhhhl
%h
2l»T
X
hhC
10
A
xt =
1*
1
hllll
^
i
C
Hill
A
liVT
HC
iS
iA
X
IT
1
h
xt-
i
1
1
T«f
T»l
c
C
Vi
iV
T
T
A
A
X
X
I
Xi-ijSr I
e
Xi
II
"3^ C
0
III
TT ^
M
ccc
Xi.
X *
T
X
II
X
7
c
T
X
X
T
X
M
TTT
xi =
X
48
XXX
xi=>A I
350 Alfred Kagl:
Um der Praxis des täglichen Verkehres noch nfther xa kommen, wollen
wir aufserdem in dem einen Faktor die höchste Stelle 3000 wcgkssen,
wodorch auch die erste Prodoktenreihe wegfällt. Das Ergebnis ist dun
(3013^ + i) X (13| + i) = 414393V , in altattischer Darstellimg:
MMMMXHHHHAAAPhhhHTX.
Die Anstellung der Aufgabe zeigt zunächst sämtliche Eolumnen leer
und den kleineren Faktor als Multiplikanden, somit die nachfolgeode
Form der beiden Zahlenreihen:
X Die Multiplikation beginnt der Faktor 3000 der Reihe nach mit
>" den Multiplikanden 10 Ganze, 3 Gkmze, 3 Obolen und 3 Halb-
---••• obolen, deren Produkte gleichzeitig in die Eolumnen eingelegt
Q. werden. Jeder Multiplikator wird nach Beendigung seiner Funktion
<] • vom Abakus (untere Beihe) entfernt. Bei Beendigung der Mnitipü-
^ 0 AAA kation steht daher die untere Zahlenreik
E. • • #f # leer und das (Gesamtprodukt liegt in des
Es ergeben sich im vorliegenden Falle folgende Einzelprodokte:
Multiplikand 10 Ganze (Drachmen), 3 Ganze, 3 Obolen,
3 Halbobolen.
a) mit Faktor 3000 Ganze ergiebt 30 000 H
9 000
1600
760
b) „ „ 10 „ „ 100
30
6
n
2 . 3 1
^) « w ^1» n ^0
9
n
n
n
1 » ^ w
d) „ „ 3 Obolen „ 6
„ 3 „ 3 C
n
"~ M 1- w 1 n
"" n » 1^ w ^ '
?) „ „ 3 Halbobolen „ 2 „ 3 „
n 4 „ 1 „
w 11 1 » *
w n
Summa 41 435 h 20 I 7 C 3 T 1 X
Summa nach Ordnung der Numeration 4 1 439 h — I — CiTIa
oder 41439^, wie oben.
Die Bechenmeihoden auf dem griechiflclien Abakus.
351
Die AnsitLhraiig auf dem Abakus beginnt also mit der Multiplikation
3 X 1 »^ 3 und der Stellenbestimmung 4-(~2 — 1 = 5, d. i. Einlage
von 3 Psepben in den unteren Teil der fttnffcen Kolumne. ^^) Folgt die
Multiplikation des Faktors 3 mit 3, dann mit 3 Obolen^^) und mit
3 Halbobolen und die Einlage der Produkte 9 in der vierten, 15 in der
dritten und vierten, 75 in der zweiten und dritten Kolumne, unter gleich-
zeitiger Ordnung der Numeration. Es befinden sich jetzt an Rechensteinen:
in Kolumne 5 unterer Teil 4 Stftck, in Kolumne 4 unterer Teil 1 Stück,
in Kolumne 3 unterer Teil 2 Stück, in Kolumne 2 oberer Teil 1 Stück,
und Kolumne 1 ist noch leer, ebenso die Kolumnen der Teilgröfsen;
Snmme 41 250 u. s. w. Am Schlüsse der ganzen Bechnung steht an der
Seitenreihe nach wie vor der Ansatz 13 Oanze (Drachmen), 3 Obolen,
3 Halbobolen, die untere Reihe ist leer und das Linienschema bietet
folgende Gestalt:
\^
•
4
1 • M i
Mit der dargestellten Lage des Abakus am Schlufs der ganzen Mul-
tiplikation haben wir zugleich schon einen wichtigen Schritt in unserer
letzten Aufgabe, der Feststellung der Divisionsmethode, gewonnen,
n&mlich die Anstellung der Aufgabe. Der Dividend lag in den Kolumnen,
der Divisor war markiert an der linken Seitenreihe und die untere Reihe
stand leer für die Aufiiahme der Quotienten. Ganz unvermeidlich mufste
ja der griechische Abacist nach Beendigung einer jeden Multiplikation
darauf geraten, dafs sich die dargestellte Operation genau auf
17) Man wird praküsch mit der StellenbestimmnDg beginnen, die Stelle
zunächst dm'ch Einlage eines Steines in die betreffende Kolumne ganz unten
markieren und demselben dann nach Multiplikation der Pythmenen die Ergänzung
aof das Produkt zulegen.
18) An dieser Stelle beginnt die Funktion der Multiplikationstabelle. Die
beiden Pythmenen sind 8 und 8. Man wird nun in der Tabelle den Faktor
X (1000) mit I (I) aufsuchen^ von dem Produkte HPAPhllll jede einzelne
Zahl oder Zahlengruppe mit den beiden I^thmenen 8 und 3 multiplizieren und
die Produkte in die betreffenden Kolumnen einlegen. Für die n&chstfolgende
Multiplikation 3000 mit 8 Halbobolen dient dann gleicherweise der unmittelbar
folgende Ansata der Tabelle.
352 Alfred Nagl:
demselben Wege auch wieder integrieren lasse. Und so hmi
über die Divisionsmethode der Griechen auf dem Abakus, wenigstens ie
ihrer Wesenheit, kein Zweifel übrig bleiben. Dabei ist immer zu meiieD,
dafs die Wahl eines zn kleinen Quotienten, die in unserer Schziflrechniug
als ein Fehler sich darstellt, auf dem Abakus den Gang der Operatios
wohl um je einen Schritt verlängert, ein Zulegen des ergänzenden Qao-
tienten und ein wiederholtes Herausnehmen des Produktes aus dem io des
Kolumnen angestellten Dividenden erfordert, sonst aber keinerlei UnznkQnus*
lichkeit verursacht. Es handelt sich dann hierbei nur noch dämm, die
Numeration auf der unteren Zeiohenreihe, wo jetsd die Quotienten ent-
stehen, in analoger Weise zu ordnen, wie dies bei der Multiplikation is
den Kolumnen geschehen mufste. Für die Stellenbestimmung der eiit-
zelnen Quotienten gilt die komplementäre Form der archimedischen Mnl-
tiplikationsregel :
a = p — 6 + 1 ;
die um 1 erhöhte dekadische Stellenzahl des Dividendus (n&mlich der Einer-
stelle desselben) weniger der Stellenzahl des Divisors bestimmt die dekadische
Stellung des Quotienten. Wie sich dann die Subtraktion des Produktes vas>
dem in den Kolumnen stehenden Dividenden mit den hiezu nötigen Auf-
lösungen vollziehe, bedarf hier eben&lls keiner besonderen Erlänterong.
Von Darstellungen der Division habe ich in den griechischen Schrift-
rechnungen ein einziges Beispiel gefanden, in Theons Kommentar znr niathe-
matischen Sjntaxis des Ptolemäus, und zwar mit Sexagesimalbrüchen. i
Wir können daher auf die Darstellung dieser Operation im Einzelnen hier
nicht eingehen, sondern wollen daraus nur die wichtige Regel anmerken,
welche Theon für die Division von Brüchen durch Brüche im Sexagesimal-
sjstem hervorhebt, weil die Kenntnis einer analogen Regel auch für die
Operation mit gemeinen Brüchen notwendig war, wenn nicht wieder die
Multiplikationstabelle in Gebrauch genommen wurde. „Es geben ^\ sagt
Theon a. a. 0., „die Minutae primae [zic iCQSna i^rixovta = w^ durch Game
gemessen (tcb^I ftiv (lotQag iiBQii6(Afva) wieder |>nma<;; gemessen durch i^nfft^^
geben sie Ganze; die secundae (rx^ = ägö) geteilt durch Ganze geben
secundaej durch primae geben sie primae, die tertiae (gös) g®^^' ^^^
19) Das Beispiel findet sich im nennten Kapitel des Kommentara zum erstes
Buche der Syntaxis. Ptolsicascs lebte um die Mitte des zweiten, Tbbon gegen
Ende des vierten Jahrhunderts n. Chr., beide eu Alexandrien. Es liegt keisc
Andeutung vor, dafs sich die griechische Rechenweise in diesem ZeitnniDC
irgendwie verändert habe.
Die Rechenmethoden auf dem griechischen Abakus. 358
primae geben secundae u. s. w.". Es ist die Divisionsregel, die wir in
unseren Dezimalbrüchen wiederfinden können. Theon nimmt für das Bei-
spiel der DiTision den Ansatz
1515« 20' 15" : 25» 12' 10" (l515 + ^J + ^ : 25 + g + ^)-
Er beginnt sogleich mit der Bestimmung des grOfsten Quotienten 60,
und so können wir voraussetzen, dafs ein geübter Rechner auch auf dem
Abakus, gleich uns, mit der Messung des Divisors in der höchsten Stelle
des Divideiidus begonnen und dabei für die Stellenbestimmung des Quo-
tienten jener komplementären Form der archimedischen Regel sich bedient
haben werde. ^) Dklambrb in seinem sehr lesenswerten Kapitel über die
Arithmetik der Griechen'^), für die er den Mangel einer didaktischen Dar-
stellung der Rechnungsoperationen (Logistik) als auffallend bezeichnet, hebt
hervor, dals die Griechen gleich uns ihre Divisionen von links nach rechts
ausgeführt haben; er meint aber, ihre Operationen seien umständlicher als
die unsrigen gewesen und hätten seitliche Teiloperationen und Subdivisionen
notwendig gemacht: „les tdUmnemenis et Ua essaüs de quoHmts äaieni plus
frequenis et plus longa." In Bezug auf die schriftliche Methode der Griechen
sind diese Bemerkungen ohne Zweifel richtig. Für den Abakus treffen sie
aber keineswegs zu, da auf diesem gerade die Division durch das natürliche
Anwachsen von allenfalls zu klein gewählten Quotienten eine wesentliche
Erleichterung und einen ruhigen Gang gewann. —
Die angeführten Stellen bei Hbbodot und Polybius, aber auch andere,
wie bei Aribtophanbs: „Zuerst nun überrechne dir's obenhin, nicht mit
Bechensteinen, sondern blofs mit der Hand''"), zeigen deutlieh, wie diese
Einrichtung neben der Fingerrechnung vor dem Aufkommen der schrift-
lichen Methode die einzige und allgemeine Rechenweise der Griechen ge-
wesen war. Insbesondere möchte ich aus dem aasschliefslidhen Gebrauche
der sog. Herodianischen Zahlzeichen in den von Boeckh") herausgegebenen
Urkunden, das Seewesen der Athener betreffend, den Schluls ziehen, da&
20) Es verdient angemerkt zu werden, dafs die archimedische Stellenregel
und ihre Fonktion im Mittelalter unter ähnlichen Verhältnissen wieder znm Vor-
schein kommt Vergl. meine Schrift: „Das Quadripartitum des Joannes db Murib
und das praktische Rechnen im vierzehnten Jahrhundert/' Abhandlungen zur
Geacbichte der Matbem. V, 185—146.
21) DsLAKBiiB, Histoire de TAstronomie ancienne, vol. II (Paris 1817) chap. I
P- 28, Resum^. Eine logistische Schrift wird erwähnt Ton Eutoxxos a. a. 0^
n&Dilich die Logistika des Maonob.
22) Vespae, ?. 666 : Kai n(f&%ov {lIv l6Ytcai tpavltog (lii %l»/iipoig iclV intb x^t^»
23) Vgl. Anm. 14.
Abh. m GMcb. d. Mathmn. IX. 23
354 Alfred Nagl:
zu Athen bis tief in das dritte Jahrhundert v. Chr. der Abakns neben der
Fingerrechnung die ausschlieijsliche oder doch vornehmliche praktische Bei^h-
nungseinrichtang geblieben ist. In der That zeigt sich gerade die sala-
minische Tafel in ausgezeichneter Weise geeignet, die Funktion einer
Pechentafel zu erfüllen.
Ich gehe nnn an die Aufgabe, die abweichenden Meinungen über diese
Tafel zu prüfen.
Eine Ansicht, dafs die Stellung des Operierenden anoi leiehenloseo
Schmalrande gewesen sei^), konnte nur den mehrfachen, hMat mm-
länglichen Zeichnungen der Tafel entsprungen sein. Die Probe anf die
wirklichen ^Dimensionen ergiebt, dafs der Rechner von dort aus nicht einmal
das mittlere Linienschema mehr mit Leichtigkeit erreicht, die Zahlenreihen
der Längsseiten beide umgekehrt (!) vor sich gehabt und diejenige der
anderen Schmalseite kaum mehr gesehen haben würde.
Eine andere Meinung geht dahin, dafs diese Tafel zugleich auch oder
ausschliefslich als Spieltafel gedient habe. Man dachte sich oflfonbar u
die zweite L&ngsseite, wegen der dort befindlichen Zahlzeichen, eine zweite
Person, also zwei sich gegenüberstehende Spieler. Allein abgesehen davon,
dafs die in jedem Anbetracht vollständige Übereinstimmung der salaminischen
Tafel mit dem römischen Rechenabakus und insbesondere ihre geradezu
vortreffliche Einrichtung für diesen Zweck keinen plausiblen Grund übrig
lassen, bei derselben an eine andere Verwendung zu denken, so stOfst ihre
Benutzung als Spieltafel auf starke Bedenken. Spiele, soweit sie Zahlen
und deren Verhältnisse zum Gegenstand haben, bewegen sich aus nabe-
liegenden Gründen ausschliefslich in ganzen Zahlen. Was sollten also
hierbei die Kolumnen und Zeichen für die Teilzahlen? Die Brettspiele der
Alten kennen wir übrigens ziemlich vollständig, es ist keins daronter,
welches mit dieser Tafel sich irgendwie in Zusammenhang bringen liefse.
Den Anlafls zu dieser Meinung hat die Zahlenreihe an der zweiten
Längsseite gegeben. Es ist allerdings nicht erweislich, wozu sie gedient
habe. Die annehmbarste Deutung scheint mir ihre Bestimmung f&r sog.
linkshändige Personen, da solche an der andern Seite allerdings nicht on-
wesentlich behindert gewesen wären. Am allerwenigsten ist die Ansicht
24) FuEDLEnr in Zeitschr. f. Math. u. Pbys. IX (1864) S. 297 und Zahlzeicbeo
S. 74. FmEDLEnr hatte das Mirsgeschick, von der salaminischen Tafel nur die io
Zeichnung und Verhältnissen ganz falsche Darstelinng in Oebhakdt^s ArcL Ztg.
1848, S. 42 zu kennen. Über die von ihm angezweifelte Traneversallinie TergL
den an Ort und Stelle geschriebenen Brief IUhojjiA's a. a. 0. 295: ^Üne li^
iransversdU coupe ces onze lignes perpetidieulairement et en deux parties egales.^'
Die Bechenmethoden auf dem griecbiBcben Abakna. 355
annehmbar, dals diese Tafel als Rechentafel und gelegentlich zugleich auch
dem frivolen Zwecke des Spieles gedient habe, denn dazu ist der Oegen-
satz im Charakter-beider Bestimmungen ein zu gro&er.
Didaktische Schriften, welche das Rechnen auf dem Abakas zum
Gegenstände hatten, sind uns aus dem Altertume nicht erhalten, ja es be-
stehen überhaupt nur sehr unsichere Anhaltspunkte, dals solche Lehr-
anweisungen existiert haben. Sie stolsen stets an die Unausf&hrbarkeit
ausreichender bildlicher Darstellungen. Diese Methode ist im besonderen
dazu bestimmt, auf der Tafel selbst und durch unmittelbare Operationen
gelehrt, gezeigt zu werden.
Die Griechen haben bekanntlich das Rechnen nicht der Arithmetik
(Lehre yon dem Wesen und den Eigenschaften der Zahlen), sondern der
Geometrie als „Logistik" angegliedert. Auch dieser auffallende Umstand
findet seine Erklftrung im Abakus, in der mechanischen Einrichtung f£br
das Rechnen, also in einem rein ftufserlichen Umstände. Das Brett, welches
fär die darstellende Geometrie bestimmt war, diente zugleich der Logistik.
Nur muls da gegen die aus der steten Verbindung von G^metrie, Brett
und Staub, dann den Rechnungsoperationen heryorgegangene Meinung, als
ob gleich den geometrischen auch den logistischen Operationen die Staub-
flftche gedient hfttte, Widerspruch erhoben werden. Eine einfache prak-
tische Probe, wonicht das Nachdenken an sich, genügt, um zu erkennen,
dafs ein Rechnen nach der Methode des Abakus auf einem in den Staub
gezeichneten Eolumnenschema einfach widersinnig gewesen w&re. Das be-
ständige Hemmgreifen im Staube und die notwendige Folge hiervon, das
Verwischen der Linien, machen jede weitere Ausführung hierüber entbeh]>
lieb. Es ist aber nicht abzusehen, warum die Griechen nicht gleich von
Tomeherein darauf verfallen sein sollten, die eine Seite des Brettes, mit
vielleicht erhabenen Rändern, für die Aufnahme der Staubfl&che zu
den geometrischen Zeichnungen und Schriftbeweisen, die andere aber zur
Aufnahme des Rechnungsabakus, beigestellt mit dauernden Farben, zu be-
stimmen.
Mit dieser Rechentafel haben also die Griechen in der That ein sehr
rein und praktisch entwickeltes' dekadisches Stellenrechnen verlassen, dessen
Voizfige durch die grölsere Bequemlichkeit der griechischen Schriftrechnung
nicht entferat aufgewogen worden. Übrigens haben sie damit in der
Kulturgeschichte wenig Glück gehabt. Denn aufser der Sphäre ihres un-
mittelbaren Eultureinflusses — die Hebräer haben die griechische Methode
der Alphabetzahlen angenommen, und die griechischen Alphabetzahlen
finden sieb auch in den Handschriften der gotischen Ulfilas- Bibel — , hat
28*
356 Alfred Nagh
kein Volk diese Methode aDgenommen, insbesondere nicht das römiscbe.
oder irgend ein anderes Volk des Abendlandes im Mittelalter. Der Zweck
jeder Rechenmethode, das Ged&chtnis des Rechnenden zn entlasten, ihsi
dorch graphische Hilfsmittel die geistige Vorstellung der Zahlenbewegungoi
nach Möglichkeit abzunehmen, wird durch die schriftliche Methode der
Griechen in einer weit unvollkommeneren Weise erreicht, wie dnrch (b
Abakus. Es ist also nicht zu verwundern, dafs die Praxis des AbendkDds
dem letzteren sich niemals abwandte.
Noch möge schliefslich bemerkt werden, dafs die salaminisehe Tafel
keineswegs das einzige Monument des griechischen Abakus ist. Dazu g^
hört auch ein anfangs der 70er Jahre auf Naxos gefundenes sog. cipiafu
(Mefsvorrichtung) ^^), eine Steintafel mit FlüssigkeitsmaCsen, welche am
Schmalrande rechts die Zahlzeichen:
XPHPAPhTIC
hat (das T also hier ein Vielfaches des Obol, am wahrscheinlichsten ein
Triobolion), augenscheinlich zu den Geldrechnungen bestimmt. Insbesondere
aber kann hier nicht unerwähnt bleiben die Darstellung des rechnenden
Tributeinnehmers auf der berühmten, in einem Grabe bei Canosa (Cann-
sium, sw. von Barletta) gefundenen sog. Dariusvase.^^) Derselbe hat den
Abakus vor sich mit der Zeichenreihe an der rechten Seite. Die Dar-
stellung ist nur rudimentär'^), es fehlt das Linienschema, aber die Psepbeo
sind darauf ersichtlich (HsYDEMAmr hält sie irrig für aufgezähltes Geld).
Die Zeichen haben die böoüsche Form, ihre Reihe beginnt anstatt des
Talentzeichens mit dem der Myriade, M, dem das böotische Tansender-
zeichen folgt. Es fehlen die in der That überflüssigen pentadischen Zeichen
und selbst das vorhandene P ist nur iirig anstatt des böotischen
25) Siehe A. Ddmont in Revue arch^ol. N. 8. XXVI (1878), 43. In diese
Klasse gehört wahrscheinlich auch das Fragment aus Thyrrheion in Akanuuueo.
Bull, de corr. hellen. X (1886), 179. — Siehe nun auch Anm. 2. Nach Doion
a. a. 0. 46 soll die Tafel BAsaAB^b's sich damals (1878) im Masenm des „Tharmi
der Winde" sa Athen befanden haben.
26) Jetzt im Musenm za Neapel. Abbildung in Monumenti ined. pMl. diff
ist. dl corr. arch. DC (1869—1878) tav. LX. YergL H. H«tdkmaäh in den Ätmaii
dieses Institutes, XLV (1873), 20 und über die böotischen Zahlzeichen: F. Aschxbos
in Gebbardt'b Arch. Ztg. 1867, Nr. 108 f. HfeTtmcAmr, Die Vaaensammlong dei
Mus. naz. zu Neapel b. 8268 und p. 671, Bobgkh in C. J. G. I, p. 744^ Fu^
£1. epig. gr. p. 348.
27) Ähnlich wie die Darstellung der Linienrechnung auf einem Eupfenücbe
bei Van Look, Hedendaagsche Penningkunde S. 162.
Die Bechenmethoden auf dem griechischen Abaktus.
357
Einerzeichens I eingestellt. Es folgen noch: O, das böotische Zeichen für
den Obol, < für den Halbobol und T für das Tetartemorion, den Viertel-
obol. Das Zeichen des Chalkus fehlt Diese Darstellung, welche so schön
den Zweck der salaminischen Tafel zur ftuliseren Erscheinung bringt, möge
hier als Schlufsvignette unseren Ausfuhrungen nachfolgen.
m ^i
DIE GESCHICHTE DER EXAKTEN WISSENSCHAFTEN
UND DER NUTZEN IHRES STUDIUMS.
VON
FERD. BOSENBERGER
IN FRANKFURT AM MAIN.
Die Wissenschaften sind entwicklungsföhige Einzelwesen von perso-
nellem Charakter mit zeitlich ganz bestimmten Entwicklungsrichtnngen, and
fast mehr noch als bei menschlichen Personen hängt der momentane Cha-
rakter bei einer Wissenschaft von ihrer Vorentwicklang ab. Man sagt,
daJOs jeder tierische Organismus alle Perioden seines Werdens, ja selbst alle
Entwicklungsstufen, durch welche seine Vorfahren hindurchgegangen, noch
in deutlich erkennbaren Resten an sich trage. Sicherer aber noch als für
tierische Individuen gilt dieser Satz für das Wesen und das Werden einer
sich organisch entwickelnden Wissenschaft.
Trotzdem verkennt man vielfach, selbst in Kreisen, die sich mit
gr&fstem Eifer und gröfstem Erfolg um den Fortschritt der exakten Wissen-
schaften bemühen, den Wert der Geschichte dieser Wissenschaften und hält
sich von geschichtlichen Studien fast geflissentlich fem. Gerade den er-
staunlich schnellen Fortschritt der experimentellen Disziplinen benutzt man
wohl auf dieser Seite, um das zurückschauende, scheinbar den Fortschritt
nur verlangsamende geschichtliche Studium zur Zeit noch als unthunlich
und selbst unmöglich oder doch als schädlich oder wenigstens als
einen für diese Wissenschaften unnützen Luxus zu bezeichnen. Solchen
Angriffen und Ansichten, die, allerdingrs mehr unausgesprochen, sich doch
noch immer wirksam zeigen, mit einigen Sätzen gegenüber zu treten, hielt
ich in dieser Festschrift ftlr besonders am Platze.
Die Behauptung einer Unmöglichkeit der Geschichtschreibung für ent-
wicklungsflQiige Wissenschaften, die schon eine reiche Vergangenheit haben,
klingt allerdings von vornherein paradox, erhält aber durch die Begrenzung
auf bestimmte Wissenschaften und bestimmte Momente ihrer Entwicklung
einen immerhin möglichen und begreiflichen Sinn. Man giebt nämlich bei
jener Behauptung ganz gern zu, dafs sogenannte tote Wissenschaften,
deren Entwicklung längst abgeschlossen ist, notwendig historisch begriffen
werden müssen und nur so verstanden werden können, will aber die
exakten Wissenschaften dann um so strenger von einer solchen Be-
handlung ausschliefsen, weil sie in ihrem schnellen Flusse derselben nicht
standhielten; von einer Geschichte dieser Wissenschaften könne danach erst
362 Ferd. Rosenberger:
in Stillstandsperioden der Entwicklung ernster die Bede sein, die aber ia
absehbarer Zeit kaum zu erwarten wftren. Doch ist damit die Trennaog
zwischen den toten und lebendigen Wissenschaften entschieden zu streng
gefalüst, denn in Wirklichkeit giebt es keinen so absoluten Unterschied
zwischen denselben, daüs man die einen als durchaus historisch und die
andern als nur modern bezeichnen könnte. W&re eine Wissenschaft wirk-
lich ganz entwicklungsunffthig geworden, so würde sie dadurch den Zu-
samraenhang mit der menschlichen Erfahrung yerloren und aufgehört haben
als Wissenschaft zu existieren. Umgekehrt aber giebt es auch keine noch
so lebendige Wissenschaft, die nur in der Gegenwart existierte und die nicht
zu jeder Zeit einen gewissen Abschlufs erstrebte, der eine Grenze zwi-
schen der in Bildung begriffenen Gegenwart und der vollendeten
Vergangenheit setzte. Jede Zeitepoche ist bemüht, sich auf Grund der
gewonnenen Erfahrungen eine geschlossene Weltanschauung zu bilden; nnd
je mehr man von den Erfolgen der Gegenwart Überzeugt ist, desto mehr
wird man glauben, nur von diesen aus das bis jetzt Errungene verstehen
zu können. Viele für den Fortschritt begeisterte Forscher behaupten aller-
dings, dafs es während der Epochen schnellster Entwicklung nicht an der
Zeit sei Geschichte zu schreiben, und nehmen daraus Veranlassung ihre
geschichtlichen Studien ad calendas graecas zu vertagen. Doch hat ihne&
das thatsächliche Geschehen nie wirklich Becht gegeben, und meist sind in
den Perioden schnellsten Fortschreitens einer Wissenschaft auch geschicht-
liche Darstellungen ihres Werdens zahlreich versucht worden. Dement-
sprechend hat gerade die physikalische Disziplin, welche in der Neoseit
sich am schnellsten entwickelte, die Elektrik, nicht die wenigsten, son-
dern, vielmehr die meisten Schilderungen ihrer Entwicklungsgeschichte
aufzuweisen, und diese Darstellungen sind nicht in Perioden Verhältnis*
mäfsigen Stillstands, sondern vielmehr in Zeiten schnellsten Fortschreitens,
wie nach der Erfindung der Elektrisiermaschine und der Verstftrkungsflasehe,
nach der Entdeckung des Galvanismus und endlich in der Gegenwart er
schienen.
Dieselbe Schwierigkeit, welche man hier der Geschichtsschreibung ent-
gegenhält, das ewig Veränderliche, die stete Weiterentwicklung ihres Gegen-
standes, stellt sich übrigens auch den Darstellungen, der systematisches
Wissenschaft selbst entgegen. In der That veralten in fruchtbaren wissen-
schaftlichen Epochen die Lehrbücher der systematischen Wissenschaften noch
schneller als die geschichtlichen Darstellungen, und manche von dieses
werden schon während des Zeitraums von ihrer Niederschrift bis zn ihrem
Erscheinen im Buchhandel durch die Ereignisse überholt Aber diese That-
Sache hat doch niemals weder von der Ausarbeitung, noch von dem An-
Die GeBchichte der exakten WisaeDBchaften nnd der Nutzen ihres StadiumB. 363
kaof nnd dem Gebrauch solcher Bücher zurückgehalten, sondern hat viel-
mehr das Entstehen immer neuer Bücher nur befördert. Ist es aber zu
jeder Zeit möglich die Wissenschaft trotz des nie endenden Fortschritts als
ein systematisches Ganze darzustellen, so kann es auch zu keiner Zeit un-
möglich sein, die Geschichte dieses Systems zu schreiben. Die exakten
Wissenschaften sind allerdings bei der stetig wachsenden Erfahrung in
immerwährender Umbildung begriffen, die von Niemand zum Stillstand ge-
bracht werden kann; aber jeder einzelne Forscher hat doch das Recht und
die Pflicht, fOr sich zu jeder Zeit innezuhalten, um in rückwärtsschauender
Betrachtung die Entwicklung und damit das Wesen der Wissenschaft selbst
zu übersehen und zu erforschen. Mag es sein, dafs das Bedürfnis hierzu
in verschiedenen Zeiten nur mehr oder weniger intensiv und oft nur recht
yereinzelt empfunden wird; der gänzliche Abweis aller historisch-kritischen
Betrachtungen erscheint doch auch für die exakten Wissenschaften niemals
wirklich objektiv begründet und nur das Resultat persönlicher, subjektiver
Empfindungen zu sein.
Lälst sich auf diese Weise die Behauptung einer Unmöglichkeit der
ßeschichtsschreibung fGü: keine Zeit aufrecht erhalten, so hält man auf
manchen Seiten um so eifriger an der Charakterisierung der Geschichte als
eines wenigstens zu gewissen Zeiten und für gewisse Stufen der wissen-
schaftlichen Ausbildung schädlichen Moments fest. In der That giebt es
nicht wenige bedeutende Forscher und erfolgreiche Lehrer, welche, wenn
auch nicht für den vollendeten Gelehrten, so doch für Schüler und noch
nicht selbständige Mitarbeiter geschichtliche Betrachtungen als schädlich
zurückweisen und in weiten Kreisen damit Beifall finden. Eine junge,
schneUlebige Wissenschaft, macht man geltend, kann Zeitverluste schlecht
Yertragen, und bedarf der Arbeitskräfte aller ihrer Jünger, um bei der
günstigen Gelegenheit durch die gemeinsame Anstrengung einen bedeu-
tenden Schritt vorwärts zu thun und das Interesse nicht erkalten zu
lassen. Ist durch fruchtbare Entdeckungen einmal die Möglichkeit schnellen
Fortschreitens gegeben, so mufs der neue Ej-eis der dadurch bedingten Er-
fahrungen schnell durchlaufen werden, weil neue Ideen in ihrer ersten Ju-
gend immer am kräftigsten wirken. Es hat auch, so sagt man nicht ganz
der Wahrheit gemäfs, in Zeiten schnellsten wissenschaftlichen Fortschritts
gar Niemand Lust, sich um alte Geschichten zu kümmern und seine Zeit
mit dem Studium veralteter und wertloser Ansichten zu verlieren. Jede
junge, kräftige Wissenschaft ist danach, wie überhaupt die Jugend,
nnhistorischen Sinnes, und es ist ein sicheres Zeichen des Alters,
wenn eine Wissenschaft in historischen Erinnerungen zu schwärmen an^gt.
Indessen ist eine solche Übertragung der menschlichen Begriffe von
364 Ferd. Bosenberger:
Jung und Alt auf eine sich ohne Ende fortentwickelnde Wissenschaft doch
nie gerechtfertigt. Eine Wissenschaft; ist, wie die Götter Griechenkods,
immer alt und jung zu gleicher Zeit, je nachdem man sie in Bezug anf
ihre Vergangenheit oder Zukunft betrachtet; immer hat die Wissenschaft,
wie das Alter, eine grofse Vergangenheit hinter sich und, wie die Jugend,
eine grofse Zukunft vor sich. Schon die griechischen Naturphilosophen sahen
ihre Wissenschaft jedenfalls mit Recht für sehr alt an und Aristotel£s
z. B. zitiert in seinen Werken häufig die Meinungen der „Alten" &ber
das vorliegende Thema. Wir aber halten heutzutage nach mehr als zwei-
tausendjähriger Entwicklung noch dafClr, dafs die Naturwissenschaften in
frischester Jugendblüte begriffen seien. Alle Wissenschaften müssen
Janusköpfe tragen und können ohne die Fähigkeit des gleichzeitigen Bück-
und Vorwärtsschauens nicht in richtiger normaler Weise sich entwickeln.
Glücklicherweise sind auch demgemäfs die Anlagen und Neigxmgen der
wissenschaftlichen Arbeiter verschieden. Die Einen sind begierig und f^
dem Neuen nachzuforschen und dieses hervorzubringen, das sind die Pioniere
der Wissenschaft; die Andern sind mehr beflissen und mehr geeignet, di«
innere Kultur der eroberten Gebiete zu fördern, das sind die Männer der
Gesetze und der Geschichte. Beide müssen nach ihrer eigenen veischie-
denen Art verschieden verwendet werden. Nicht Jeder kann, wie Cäsar,
Feldherr und Geschichtsschreiber zu gleicher Zeit sein, aber beide sind sie
für die Entwicklung der Menschheit nötig. Die systematische Durch-
arbeitung wie die historische Darstellung müssen sich zur Vollendung der
Wissenschaft ergänzen, und schädlich könnte die geschichtliche Behandlnng
nur wirken, wenn dieselbe zu sehr die systematische Arbeit überwucherte,
aber auch das wäre kein Fehler der Geschichte selbst, sondern nur ein^
Mifsbrauchs, den man wohl in absehbarer Zeit nicht zu befürchten hat
Wesentlicher und besser begründet erscheint ein andrer Versuch die
Schädlichkeit der Geschichte der Wissenschaften für die Entwicklung ihrer
Jünger aus dem Charakter der Geschichte abzuleiten. Den Urhebern solcher
Versuche wird die Geschichte vor allem durch die kritische Natur Ter
dächtig, die ihr wesentlich ist, sowie durch die vielfache Beschäftigong mit
längst veralteten Ansichten und Theorien, oder gar offenbaren IrrtfimerB,
die sie doch als oft hochwichtige Momente früherer Entwicklungsstofen
nicht übersehen darf. Von dieser Seite aus erscheinen allerdings geschicht-
liche Betrachtungen als eine nicht unbedeutende Gefahr für die sichere
Aneignung des positiven, materiellen Wissens, für das richtige Eingewöhnen
in die Fundamentalanschauungen der Wissenschaft, für das feste Einprägen
der gegenwärtig geltenden Theorien, oder kurz, als eine Gefahr f&r die
Erweckung und Erhaltung der richtigen Überzeugung von der unomstöls-
Die Geschichte der exakten WisBenschaften und der Nutzen ihres Studiums. 365
Heben Aatorit&t der Wissenschaft. Es ist auch richtig, dal^ jeder Schüler
znerst die Wissenschaften autoritativ und dogmatisch aufaehmen, dafs er
von sichern oder wenigstens für sicher gehaltenen Fundamenten aus ge-
führt werden mufs, wenn er überhaupt Sicherheit und Elarbeit in seinen
Anschauungen erlangen soll. Jedenfalls darf der Schüler in der ersten
Aufnahme des wissenschaftlichen Materials nicht dadurch gestört werden,
dafs er die theoretischen Vorstellungen gleich von vornherein in allen
den Lichtem sehen lernt, in denen sie jemals seit ihrer Entwicklung ge-
scbiUert, und dafs ihm gleich von vornherein klar gemacht wird, wie viel
und wie stark sich auch die exakten Wissenschaften im Laufe der Zeit
geirrt haben. Aber einerseits besteht doch die Geschichte nicht blofs aus
Kritik und kann sich derselben, wo sie nicht angebracht erscheint, wohl
enthalten; und andererseits darf auch die Begrenzung des Schülers auf
eine blols dogmatische Aufnahme der theoretischen Wissenschaft nicht zu
weit ausgedehnt werden, wenn der Schüler nicht zeitlebens nur Schüler
bleiben und immer nur als Handwerksgeselle, nie als Meister arbeiten soll.
Wie weit man mit einer solchen übertriebenen pädagogischen Beschränkung
des Urteils kommt, wie schädlich ein solch übertriebenes Fernhalten
von der Kritik der Entwicklung der Wissenschaften überhaupt werden
kann, das zeigt nicht blofs die Scholastik des Mittelalters, sondern
auch die der nachfolgenden Perioden, die Neuzeit nicht ausgenommen.
Die Geschichte der exakten Wissenschafben, vor allem die der Entdeckungen
und Erfindungen, enthält eine Menge von Momenten, die rein erzählender
Xatur zur Ej-itik nicht herausfordern und nicht verfahi*en und die darum
auch im Anfange des Studiums keine kritische Unsicherheit verursachen,
sondern nur anregend und antreibend wirken können. Von welcher Zeit
an und wie weit daneben auch die historische Kritik Berücksichtigung
finden soll, das hängt sowohl vom Lehrer wie vom Schüler ab und
mnlis zum guten Teile dem Takte des ersteren überlassen bleiben.
Gerade für die Einführung in die Wissenschaft bietet die geschicht-
liche Behandlung so viele Vorteile und erscheint so natürlich, dafs nicht
wenige Lehrer eine rein historische Methode für den Anfangs-
unterricht empfohlen und mit gutem Erfolge angewandt haben. Trotz-
dem möchte ich dieselbe doch nicht in aller Strenge und voller Ausschliefs-
lichkeit gut heifsen, denn die thatsächlich geschehene Entwicklung der
Wissenschaften war doch niemals durch das Wesen der letzteren allein,
sondern oft mehr noch durch andere äufserliche Faktoren, wie die zur Zeit
herrschenden religiösen, nationalen und politischen Zustände, die per-
sönlichen Verhältnisse der Bearbeiter, die gleichzeitige Entwicklung ver-
wandter Wissenschaften etc. bedingt. Die historische Entwicklung zeigt
366 Ferd. Bosenberger:
darum keineswegs an allen Stellen den natürlichsten und kürzesten Zugaiig
zu den Schätzen der Wissenschaft, sonst müTste man in den Gang des
Unterrichts auch alle Winkelzüge der wissenschaftlichen Entwicklnog,
die Durchgänge durch Afterwissenschaften, wie Astrologie, Alchemie etc.
aufnehmen, was zwar nicht unmöglich, vielleicht auch nicht schädlidi, aber
doch für die meisten Fälle zeitverschwendend wäre. Der Anfangs-
unterricht in den exakten Wissenschaften wird überhaupt nicht
einem methodischen Prinzip nur in aller Strenge folgen dürfen,
sondern wird, mehr eklektischer Natur, gemäfs den einzelnen Themati
sich bald rein auf die Beschreibung beschranken, bald mehr der histo-
rischen Entwicklung folgen müssen, wobei man den letztem W^
noch immer als den natürlichsten und darum verständlichsten bevor
zugen darf.
Die Behauptungen der Unmöglichkeit und Schädlichkeit können der
Geschichtsschreibung der exakten Wissenschaften kaum gefährlich werden,
weil das Bedürfnis der wissenschaftlichen Entwicklung doch über sie hinaie-
treibt. Bösartiger und nachteiliger dagegen ist die Bezeichnung der histo-
rischen Studien als eines für die Wissenschaften selbst wertlosen Luxus,
weil sie eine bequeme scholastische Einseitigkeit der Forachung be-
günstigt, zu der so wie so schon mancherlei Neigung vorhanden ist Diesem
Vorwurfe müssen wir darum ausführlicher und positiver dadurch entgegnen,
dafs wir die Notwendigkeit und den Wert historischer Forschnngen
für die Wissenschaften direkt nachzuweisen suchen.
Nehmen wir das Allgemeinste zuerst. Die Entwicklung der Wissen*
Schäften bildet nur einen Teil der Entwicklung des Menscbengeistes
überhaupt, aber einen der wichtigsten. Wer die historische Entwicklung
der Wissenschaften nicht kennt und versteht, der wird auch die Entwicklung
des Menschengeschlechts überhaupt nie ganz richtig beurteilen kfinneii
Seit den ältesten Zeiten zwar hat man als das eigentliche Gebiet der Ge-
schichte immer nur die politische Historie, die Geschichte der Staaten-
bildungen, der Staatsmänner, der Eriegshelden und der Kämpfe betrachtet
und hat dabei das Studium der wissenschaftlichen Entwicklung ftlr
unnötig erachtet. Doch ist leicht einzusehen, dais selbst die politi^b«
Ckschichte ohne Berücksichtigung der wissenschaftlichen Entwicklung io
vollständigster Weise nicht begriffen werden kann, dafs vielmehr zur Er-
klärung der politischen Geschehnisse ebenso wie politische Mächte ancb
wissenschaftliche Kräfte herangezogen werden müssen. Dafs in den
ältesten Zeiten das letztere Moment kaum hervortrat, darf nicht Wunder
nehmen, da die Wissenschaften damals ihren jetzigen allgemeinen Einfiufs
noch nicht erlangt hatten, sondern fast ausschlielslich die Sache einer kleinen
Die Geschichte der exakten WissenBchaften und der Nutzen ihres Studioms. 367
^zahl von Aristokraten des Geistes geblieben waren. Wahrscheinlich aber
V7ar anch im Altertum schon jener EinfluXis grOfser, als wir jetzt noch be-
Doerken können. WüTsten wir mehr und Gründlicheres über die Natur-
and technischen Kenntnisse der Alten, vielleicht dürften wir auch für
lamals schon einen bedeutenderen Einflufs der Wissenschaften auf die
Entwicklung der Kulturvölker konstatieren. In der frühesten Zeit waren
wohl die treibenden Kräfte fast ausschliefslich religiöser, künstlerischer
and sozialer Natur oder traten doch in solchen Formen auf. Je mehr
aber die Wissenschaften wuchsen, je mehr sie vor allem nach der tech-
Dischen Seite hin sich ausbildeten, desto stärker wurde umgekehrt ihre
Rückwirkung auf religiöse, soziale und künstlerische Vorstellungen und
iamit auf den Fortschritt imd das Leben der Menschheit überhaupt. Die
politische und soziale Entwicklung Europas, des hauptsächlichsten Kultur-
trägers der modernen Welt, hängt heutzutage in der Hauptsache von seinen
Zusammenhängen mit und seinen Gegensätzen zu den anderen Erdteilen
ab. Diese Verbindungen und Gegensätze aber beruhen ihrer
Stärke und ihrem Charakter nach fast ausschliefslich auf der
Entwicklung der exakten Wissenschaften, ihrer Technik und den
darauf gegründeten Industrien. Sagt man doch einzelnen Völkern in
der Gegenwart geradezu nach, daüs sie friedliche Verbindungen wie
kriegerische Verwicklungen nur nach dem Einflüsse einschätzten, den dieselben
auf ihre Industrie und ihren Handel ausüben könnten. Die zweck-
mäfsige Anpassung der Völker für den Kampf ums Dasein ge-
schieht in unserer Zeit vor allem auf technischem und wissen-
schaftlichem Gebiete, und selbst die Kriegstüchtigkeit macht
hiervon kaum eine Ausnahme. Darum ist das Verständnis der wissen-
schaftlicben Entwicklung selbst für die politische Geschichte eine notwendige
Vorbedingung.
Also mufs der üni Versalhistoriker, so schliefst man von Seiten der
exakten Wissenschaften nun gern weiter, auch die Geschichte der Wissen-
schaften mit grofser Sorgfalt studieren, das ist ebensosehr sein Recht wie
seine Pflicht; die Männer der Einzel Wissenschaften aber haben mit ihrer
Geschichte direkt nichts zu thun und sind in dieser Beziehung zu nichts
verpflichtet Indessen bedeuten solche Aussprüche doch weiter nichts, als
dafs man die Sache, deren Notwendigkeit man im Vordersatz schon zu-
gegeben hat, im Nachsatz wieder für unmöglich erklärt. Die Geschichte
einer Wissenschaft kann zweckentsprechend nur der schreiben, der diese
Wissenschaft von den Fundamenten bis zur Spitze völlig studiert und be-
griffen hat. Welchen Grad von Genie aber müGste man danach von einem
Geschichtsschreiber verlangen, der als Universalhistoriker zur richtigen Schil-
368 Ferd. Boaenberger:
derang der Entwicklung der Menschheit die Entwickelnngsgeschickte der
Wissenschaften selbst originell und fundamental erforschen sollte? h
kann nichts Sichereres geben als den Satz, dafs die Geschichte der exaktes
Wissenschaften entweder von den Einzelforschem selbst oder gar nicht ge-
schrieben wird. Erst wenn die Einzelwissenschaften selbst ihre eigene EdI-
Wicklung studiert und geschildert haben, kann auch der üniversalhistonker
auf Grund solcher Studien eine angemessene Schilderung der menschlichen
Entwicklung nach allen Richtungen hin versuchen.
Der thatsächliche Erfolg giebt davon deutlich Zeugnis. Mehr imd
mehr hat man in neuerer Zeit die Geschichte der geistigen Kultur
in die allgemeine Geschichtswissenschaft aufgenommen. In den Werkec
über Weltgeschichte sowohl wie in den speziellen Yölkergeschichten finden
sich zwischen den einzelnen Teilen der politischen Geschichte weitere Ab-
schnitte zur Schilderung des kulturellen Fortschritts an passenden Ortec
eingeschoben, und nicht blofs in rein wissenschaftlichen Werken ist das
der Fall, auch manche Schulbücher machen ernsthaft gemeinte YersaclK>
über das gesamte geistige Leben der einzelnen Zeitepochen übersichtlich zn
referieren. Leider kommen dabei überall die exakten Wissenschaftes
am schlechtesten weg. Sehr häufig merkt man, dafs diese Wissenscbaft«s
auf unsem hohem Schulen eine ganz isolierte, wenig beachtete nnd
unzureichende Stellung einnehmen, und dafs sie vielen Besuchern dieser
Anstalten immer fremdartige und kaum begriffene Erscheinungen geblieben
sind. Die Abschnitte in den Lehrbüchern über die zeitweilige Entwicklung
der exakten Wissenschaften sind gegenüber denen über die sogenannteo
Geisteswissenschaften, vor allem auch gegenüber denen über Kunst nod
Künstler, von unterscheidender Knappheit und enthalten vielfach weiter
nichts als einige dürftige persönliche Notizen. Ja manchmal sieht es sogv
so aus, als wären sie nur aus einzelnen Schul- und Studienerinnerongen,
die schon Jahrzehnte zurückgreifen, zusammengesetzt. Die landläofigsteiiT
längst veralteten Phrasen, unwahrscheinliche, fabelhafte Entdeckongsge-
schichten und Glorifikationen populär gewesener, aber wissenschaftlich weniger
bedeutender Männer bilden den Inhalt solcher Abschnitte, die oft auch keinen
anderen Zweck als den der äulsem Dekoration haben.
Man darf aus diesen Thatsachen den Historikern keinen Vorwurf
machen, wohl aber mit vollem Recht den Männern der Einzel Wissen-
schaften, die der Geschichte ihrer Spezialdisziplinen selbst nicht das g^
nügende Literesse entgegenbringen. Es ist die Pflicht eines jeden Mensches,
der beansprucht auf der Höhe seiner Zeit zu stehen, sich bis zu einem g^
wissen Grade über die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand
der Kultur zu unterrichten. Das wird aber weniger dadurch möglid)
Die Geschichte der exakten Wisaenschaften und der Nutzen ihres Studiums. 369
sein, d&fo er alle Wissenschaften systematisch durchstudiert, da eben der
systematische Zusammenhang eine zweckmäfsige Begrensnmg schwer gestattet,
als yielmehr dadurch, dafs er das historische Werden und Wachsen der
Kultur in grofsen Zügen yerfolgt. Dazu soll allerdings der üniyersal-
histoiiker durch die allgemeine Kulturgeschichte in erster Linie be-
hilflich fein, aber eben diese Pflicht wird er, in Bezug auf die Erfahrungs-
wissenschaften Yor allem, nie gentlgend erfElllen können, wenn nicht
die Einzelwissenschaften ihr Material historisch bis zu einem gewissen Grade
selbst verarbeitet und ihre Geschichte schon geschrieben haben.
Es ist auch eine Pflicht der exakten Wissenschaften gegen sich
selbst, die Bedeutung ihrer geschichtlichen Entwicklung für die Kultur
möglichst weit verständlich darzulegen und dadurch das allgemeine In-
teresse wach zu erhalten. Die exakten Wissenschaften stehen der All-
gemeinheit des schwierigen Zugangs und Verständnisses halber ungünstiger
als andre Wissenschaften gegenüber. Das beeinflufst nicht blofs die Wert-
schätzung ihrer selbst, wie ihrer Bearbeiter, sondern übt zuletzt auch einen
hemmenden Einflufs auf ihre Verbreitung und vielleicht auch auf ihr
Wachstum aus. Die in manchen hochgebildeten Kreisen uns auch in der
Gegenwart noch immer gegenübertretende geringe Bekanntschaft mit den
exakten Wissenschaften könnte jedenfalls am ehesten durch eine passend ge-
schriebene Geschichte der wissenschaftlichen Ideen und Prinzipien gebessert
werden, die ein gutes, wenn nicht das beste Teil der Wissenschaften ent-
hält. Einzelne erfolgreiche Versuche, wie z. B. die Geschichte der in-
duktiven Wissenschaften von Whewbll, sprechen stark dafür.
Besonders auffällig und folgenreich ist die geringe Beachtung,
welche der Geschichte der exakten Wissenschaften im Unterricht auf
niederen wie höheren Schulen zu teil wird, während doch gerade hier
auf dieses im guten Sinne populäre und allgemeiner verbindende Element
ein besonderer Nachdruck gelegt werden sollte. In der Methode, wie in
dem ganzen systematisch-theoretischen Aufbau sind die empirischen von
den philologischen Wissenschaften der Schule weit getrennt; in der Ge-
schichte aber berühren sie sich vielfach in verschiedenen Zeiten, Völkern
und einzelnen Persönlichkeiten, so dafs durch die Geschichte der Wissen-
schaften vielfache Verbindungen und sogar eine gewisse Einheit im unter-
richte der Schule hergestellt werden könnten, die sonst vollständig fehlen,
und die doch eine ganz allgemeine nützliche Überleitung des Interesses
von einer Gruppe der Wissenschaften auf die andere sehr erleichtem.
Wie schon angedeutet, kann man nicht behaupten, dafs die empirischen
Wissenschaften in dieser Beziehung ihre Pflicht bis jetzt bereits voll erfüllt
bitten. Von den wissenschaftlichen Akademien herab bis anf unsere
Abh. inr OMch. d. Mathem. IX 24
370 Ferd. Bosenberger:
niederen Schalen zeigt sich eine Zwiespftltigkeit der Bildung, die
anf der einen Seite als philosophisch-historisch und auf der andern
Seite als mathematisch-naturwissenschaftlich bezeichnet wird. Mag
nun diese Zwiespältigkeit auch bis zu einem gewissen Grade in der Methode und
noch mehr in der schulgemftfsen Entwicklung der Wissenschaften seM
begr&ndet sein, so ist sie doch, einerseits durch das kolossale Anwadises
des Materials tmd andererseits durch den Wegfall des yerbind enden
Einflusses der Philosophie, die sich selbt nach jenen beiden Bichtnngen
zweigeteilt hat, viel gröfser geworden, als für die Entwicklung unserer
modernen Gresamtkultur wünschenswert und nützlich ist. Den grSfsteo
Schaden haben wohl dabei, wenigstens in Bezug auf den Schulunterriebt,
die empirischen Wissenschaften erlitten, denn sie sind am stärksten nr
Seite gedrängt worden, aber sie sind dabei auch insofern nicht ohne Schuld
geblieben, als sie die Erforschung ihrer eigenen historischen Entwicklung
vernachlässigten und dadurch die alle Wissenschaften ursprünglich verbin-
denden Fäden in Vergessenheit geraten liefsen.
Alle andern haben mehr als die Naturwissenschaften för die Erkenntnis
ihrer historischen Entwicklung gethan und haben dadurch ihre Bedeutnng
für die allgemeine Geistesbildung in steter Erinnerung erhalten. Fürdie
philosophisch-historischen Wissenschaften ist das allerdings nicht weiter
wunderbar, ja hier erscheint es oft nur natürlich, dafs der Unterricht sich
mehr auf die historische Entwicklung konzentriert und der Vortrag der
systematisch -theoretischen Wissenschaft dagegen zurücktritt, oder dafs der
Unterricht, wie meist in der Philosphie, sich ganz in eine historische Kritik
der vorhandenen Systeme auflöst. Aber charakteristischer Weise haben in
neuerer Zeit auch die Künste, die doch ebenfalls an einen starken Fort-
schritt ihrer Entwicklung in der Gegenwart glauben, sich mit allgemeiner
Zustimmung und vielem Erfolg auf das Studium ihrer Geschichte geworfen.
Die meisten Kunstschulen, wie viele Universitäten und technischen
Hochschulen, haben besondere Professuren für Kunstgeschichte er-
richtet und die Kunsthistoriker üben durch ihre Kritik auf die Entwicklang
der modernen Kunst keinen geringen Einfluüs aus. Selbst einige Mittel-
schulen, die höheren Töchterschulen wohl ausnahmslos, lassen Konst-
geschichte auf ihren Stundenplänen paradieren, und manche Mütter, die
ohne Verlegenheit ihre gänzliche Unbekanntschaft mit dem Wesen und der
Entwicklung physikalischer Instrumente und Maschinen, die sie täglich vor
Augen haben, gestehen, würden es für eine Schande halten, wenn ihre
Töchter nicht zu jeder Zeit mit einem kleinen Vortrag über eine beliebige
längst ausgestorbene Malerschule brillieren köimten.
In den Kreisen der Naturwissenschaftler läJGst man sich eine solche
Die Geschiebte der exakten Wisaenscbaften und der Nutzen ihres Stadiums. 371
Zurücksetzung wohl wenig kümmern, ja manchmal hat es gar den Anschein,
als ob man in diesen Kreisen auf den Charakter der empirischen Wissen-
schaften als durchaus modemer Errungenschaften zu stolz sei, um nicht
der eigenen langen Vergangenheit und ihrer mannigfachen Fehl-
schläge und Irrtümer sich einigermafseu zu schämen. Man setzt sich
darum wohl mit voller Absicht in einen Gegensatz zu den andern
Wissenschaften, um das eigene ausnahmsweise schnelle Vorwärtsschreiten um
so kräftiger zu markieren. Das aber hat eben auch seine Nachteile. Indem
die exakten Wissenschaften sich selbst isolieren, rufen sie auch eine gegen
sich gerichtete Ausschliefsung hervor, durch welche die Allgemeinheit ihres
Einflusses und ihrer richtigen Würdigung vermindert wird. Die exakten
Wissenschafken haben sich thatsächlich durch die Macht, die sie im Leben
der Völker wie des Einzelnen ausüben, eine einzige Stellung und ein un-
begrenztes Ansehen in den weitesten Kreisen erworben, dafs aber ihre
Kenntnis dem entsprechend auch in der ganzen gelehrten Welt ver-
breitet und ihre Wertschätzung eine ganz angemessene sei, kann man
keineswegs mit voller Sicherheit behaupten. Jedenfalls trifft man auch in
gelehrten Kreisen noch gar merkwürdig schiefe Ansichten über Natur-
Yorgänge und ihr Wesen an, deren Beseitigung doch wohl bei einem besseren
AnschluDs der exakten Wissenschaften an die historische Betrachtung unserer
Erkenntnis eine beschleunigtere sein könnte.
Gehen wir nach dieser Besprechung der Aufsenstellung zur Wür-
digung des Einflusses über, den die Geschichte auf die exakten Wissen-
schaften selbst nach innen auszuüben vermag. Die Art die Geschichte
der exakten Wissenschaften zu studieren und darzustellen kann eine mehr-
fach verschiedene sein, und je nach dieser Art ist ihre Aufnahme
immer eine verschiedene gewesen. Dem Ursprünge interessanter wissen-
schaftlicher Entdeckungen und Aufsehen erregender Erfindungen ist
man zu allen Zeiten nicht allein in den Kreisen der Fachleute, sondei-n
unter den Gebildeten überhaupt mit groDsem Eifer nachgegangen, auch die
Persönlichkeiten und Lebensumstände der Entdecker und Erfinder
haben immer die weitesten Kreise in hohem Mafse interessiert. Aber diese
Art des historischen Studiums hat meist einen zufälligen und etwas di-
lettantischen Anstrich gehabt, weil die Wahl der dabei behandelten Sachen
ond Personen immer weniger durch das Interesse an der wissenschaftlichen
Entwicklung als vielmehr durch zufällige Modethemata und zeitweilig
herrschende Sympathien für gewisse Personen und Theorien bestimmt
war. Nicht immer die wichtigsten Momente wurden dabei aus dem Flusse
der Entwicklung aufgenommen und epochemachende Faktoren blieben bei
<lie8er Art von Geschichtsforschung oft ganz unbeachtet. Die einzelnen
24 •
372 Ferd. Rosenberger:
Schilderangen, ohne Berücksichtigung des historischen Zusammenhangs be-
arbeitet, halten oft einer weitsichtigeren Kritik kaum Stand, und die sagen-
haften Elemente, welche vielfach aufgenommen werden, entziehen sich Ton
vornherein der Eontrole. Damm bedarf diese Einzelgeschichtschreibnn?
so freudig und dankbar ihre Mitarbeiterschaft auch zu begrälsen ist, doch
immer noch einer sorg^tigen Nachprüfung durch eine weiter ausholende,
den Zusammenhang erfassende und den momentanen Charakter der Wissen-
schaffe wohl berücksichtigende allgemeinere Geschichtsforschung.
Die Geschichte der Entdecker und Erfinder giebt der Zeit wie der Ma-
terie nach eng begrenzte Bilder. Zeitlich weiter greifend, aber materiell
doch noch immer ziemlich beschränkt, ist auch die Geschichte der ein-
zelnen wissenschaftlichen Theorien, die darum, obgleich unab-
hängiger als die vorige, doch immer noch der Gesamtgeschichte der betref-
fenden Wissenschaften zur kritischen Ergänzung bedarf. Auch die Geschichte
der einzelnen Theorien ist schon immer fleifsiger studiert und häufiger
als ein Bedür&is empfunden worden. Der selbständige Forscher, welcher
sich lange Zeit mit der Lösung einer Aufgabe intensiv beschäftigt, ist
durch verschiedene Gründe auf das geschichtliche Studium derselben hin-
gewiesen. Er muis nachsehen, ob diese Aufgabe nicht früher schon einmal
ganz oder für den damaligen Standpunkt genügend gelöst ist und ob er
nicht mit einer eigenen Bearbeitung derselben nur Arbeit zweiter Hand
liefern würde; oder ob nicht wenigstens die Aufgabe früher schon begonnen
und angedeutet worden, so dafs seine Arbeit nur in der Vollendung und
besseren Begründung der Lösung zu bestehen braucht; oder ob nicht im
schlimmsten Falle die geplante Lösung bereits als irrtümlich oder gar un-
möglich nachgewiesen ist. Durch solche Studien aber wird der Forscher
von selbst wohl in den meisten Fällen so viel reines Literesse an der frü-
heren Entwicklung der fraglichen Theorie gewinnen, da£s er nicht allein
diese speziell, sondern auch die andern gleichzeitig entstandenen und gegen-
seitig sich beeinflussenden Theorien mit studiert und kritisiert Viele der
bedeutendsten Gelehrten haben durch die Veröffentlichungen solcher Stadien
nicht blofs der Wissenschaft Dienste geleistet, sondern auch das Verständnis
und die allgemeine Würdigung ihrer eigenen Arbeit sehr erleichtert und
beschleunigt.
Eine dahin zielende geschichtliche Einleitung sollte jeder Autor
seiner Arbeit vorausschicken, und er sollte dabei nicht unterlassen, die
Entwicklung und Entstehung seiner Arbeit gleich mit zu schildern,
so sehr ihm vielleicht auch das Offenlegen der eigenen Gedankengänge,
erfolgreicher, aber besonders auch erfolgloser, widerstehen mag. Niemand
kann den Schaden, welchen eine Unterlassungssünde des Autors in dieser
Die Greschichte der exakten WisBenscbaften und der Nutzen ihres Stadiums. 373
Beziehung verursacht, der Wissenschaft gegenüber wieder völlig gnt machen,
und je bedeutender der Forscher war, desto unersetzlicher wird der Verlust
sein. Auch von Freunden, Gesellschafts* und Zeitgenossen erfolgreicher
Gelehrter muTs man ähnliche Dienste erwarten, denn sie vermögen noch
aus eigener sicherster Beobachtung Aufschlüsse über die Entwicklung wissen-
schaftlicher Fortschritte zu geben, die später auf keine Weise mehr zu
erlangen sind. Nur aus Berichten von Zeitgenossen kann der wissen-
schaftliche Grund und die Stimmung erkannt werden, aus denen die
wissenschaftlichen Theorien und Systeme hervorwachsen und wissenschaft-
liche Entdeckungen und Erfindungen scheinbar plötzlich hervorgebrochen sind.
Indessen sind die Geschichten der einzelnen wissenschaftlichen Theorien
noch immer, auch in ihrer Summe, noch nicht die Geschichte der Wissen-
schaft selbst. Die Arbeiten, welche die geschichtliche Entwicklung der
zeitweilig geltenden oder auch noch zur Geltung zu bringenden Theorien
behandeln, haben einerseits inuner noch ein nur beschränktes Gesichtsfeld
und nehmen anderei*seits, eben weil sie von den in der Gegenwart vor-
handenen Theorien ausgehen, ihren Beurteilungsmafsstab nur aus der
Gegenwart. Die Geschichte der Gesamtwissenschaft aber mufs nicht blofs
die in Geltung gebliebenen, sondern auch die aufgegebenen Theorien
mit in Betracht ziehen, um die Entwicklung richtig zu verstehen. Die ge-
schichtlichen Darstellungen der einzelnen Entdeckungen und Theorien müssen
als Grundlage ihrer Betrachtungen von der Gegenwart ausgehen, weil ihnen
das allgemeine historische Fundament fehlt. Darin ähneln diese
Darstellungen der systematisch-theoretischen Schilderung der
Wissenschaft, die ebenfalls von der Gegenwart ausgehend, zwar Exkurse in
die Vergangenheit nicht zu scheuen braucht, aber doch immer diese letz-
tern aus der erstem zu erklären sich bemüht. Die Geschichte hingegen
versucht die Weltanschauungen der Vergangenheit zu rekon-
struieren und aus ihnen ein Verständnis der Gegenwart zu gewinnen. In
diesem Gegensatze der geschichtlichen gegen die systematische Methode der
Forschung scheint mir der Hauptwert der ersteren als einer notwen-
digen Ergänzung der letzteren zu liegen.
Die systematisch-theoretische Darstellung schliesst mit der
Gegenwart ab und stellt die Wissenschaft als eine mit dieser vollendete
Sache vor, die ihren Zusammenhang nur in sich selbst hat. Alle in der
Vergangenheit liegenden Entwicklungsmomente können dabei aufser Be-
tracht bleiben. Denn entweder haben sie sich als wahre, bleibende Er-
rangenschaften erwiesen, dann sind sie in der systematischen Wissenschaft
gegenwärtig noch vollkommen erhalten; oder sie beruhten nur auf seitdem
erkannten Fehlem und Irrtümern, dann ist ihre Berücksichtigung für die
374 Ferd. Rosenberger:
Gegenwart unnütz und vielleicht sogar schädlich. Auch weitere Ausblicke
in die Zukunft, Ideen über eine mögliche Weiterentwicklung darf man
von der systematischen Wissenschaft kaum erwarten, denn dazu ist eines-
teils eine richtige Beurteilung der Vergangenheit nötig und andemteils steht
die Überzeugung von der Vollkommenheit der Gegenwart ihnen hindernd
entgegen.
Es ist nur menschlich natürlich, daiä jede Gegenwart sich selbst eine
gewisse Vollendung zuerkennt, die alle Vergangenheit übertrifft and einer
ergänzenden Zukunft nicht bedarf. Forscher wie Lehrer der Wissen-
schaften sind mit wachsendem Erfolg ihrer Thätigkeit in immer
wachsender Versuchung die gegenwärtige Wissenschaft als
vollendet und unveränderlich zu behandeln und jedem Versuche
einer Umgestaltung oder einer Ersetzung älterer geltender Theo-
rien durch neuere eine Zeitlang wenigstens entgegenzutreten.
Der originelle Forscher hat sich die Theorien gewählt oder selbst kon-
struiert, die seinen Erfahrungen am besten entsprechen; wie weit er davon
zu Gunsten neuer, fremder Theorien abgehen will, das hängt, auiÜser von
der Güte und Überzeugungskraft dieser Theorien selbst, auch noch von der
Weite seines Blicks, seinem Egoismus und seiner Anlage zur Herrschaft ab.
Meist wird er es doch als eine Art von Niederlage empfinden, wenn er
neuen fremden Theorien den Vorzug vor eigenen oder doch von ihm an-
erkannten und benutzten zugestehen muTs.
Fast noch stärker aber als der originelle Forscher erscheint der Lehrer
an das Dogma von der Vollkommenheit der gegenwärtigen Wissenschaft
gebunden. Nehmen wir an, dafs der Lehrer neben seinem pädagogisch-
methodischen Fortschreiten auch noch Zeit findet, dem Fortschreiten der zn
lehrenden Wissenschaft selbst zu folgen, so fragt es sich immer noch, wie
weit er diese Fortschritte auch seinen Schülern nahe bringen will. Für das
Verständnis und das Interesse des Schülers ist in erster Linie ein
einfaches, festes und klares System nötig, das durch keine Va-
rianten verdunkelt und durch keine üngewifsheiten unsicher wird;
ohne die Einfachheit haftet dasselbe nicht im Kopfe des Schülers nnd
Zweifel an der Sicherheit setzen die Lembegierde meist auf ein Minimoni
herunter. Lembegierde ist immer mit einem gewissen Enthusiasmus yer
bunden, der kritische Ausstellungen und Hinweise auf Schwächen und Ün-
vollkonunenheiten des Lehrgegenstandes nur schlecht verträgt. Auf allen
Gebieten der Wissenschaften sind die verehrtesten und daruia auch er-
folgreichsten Lehrer inmier die gewesen, die mit festester Über-
zeugung und gröfster Sicherheit, oder wenigstens mit dem Anschein
solcher, ihre Lehren vortrugen. Nun kann der Lehrer, und er mufs es,
Die Geschichte der exakten Wiasenschaften und der Natzen ihres Studioms. 375
wenn er seine Pflicht ganz erfOllen will, für sich seihst an dem vorzu-
tragenden Lehrstoff eingehendste und vollwichtigste Kritik ühen und doch
denselben seinen Schtdem mit grö&ter Sicherheit und ohne jeden Schein
des Zweifels vorführen, immerhin wird die Gefahr sehr nahe liegen, die
Sicherheit des Vortrages bei vielen Wiederholungen unwill-
kürlich auf das Vorgetragene selbst zu übertragen und das viel-
leicht um so mehr, je mehr Wert auf die methodische Vollkommenheit
gelegt wird. Dabei mufs aber nicht blofs die Wissenschaft, sondern auch
der Unterricht zuletzt selbst Schaden leiden.
Aller Unterricht in den Wissenschaften strebt nach zwei
Idealen, der festen Einprägung von positivem Wissen und der
Erziehung zu freier selbstftndiger Prüfung; das erste wird am
besten durch einen scholastisch-dogmatischen Vortrag der systematischen
Wissenschaft, das zweite durch eine historisch-kritische Behandlung der Ent-
wicklung der Wissenschafben erreicht. Beide Methoden des Unterrichts ge-
hören zusammen und er^nzen einander in notwendiger Weise, werden aber
vielfach doch einseitig bevorzugt Legt man den Hauptwert auf die prak-
tische Verwendung der Wissenschaft, auf ein immer bereites, zur technischen
Verwendung nutzbares Wissen und Können, so ist die dogmatische Lehr-
methode ohne Frage vorzuziehen. Hat man aber die Wissenschaft als
solche besonders im Auge, soll der Schüler auch selbst einmal ein Meiste t
der Wissenschaft werden, so wird man der kritisch-historischen Mef-
thode den Vorzug geben. Aufsichtsbehörden und Praktiker, denek
es vor allem auf eine leichte Übersichtlichkeit der Erfolge ankommt,
begünstigen meist die erstere Lehrmethode. Lehrer aber, die ihre Schuld
nicht blofs zu Nachahmern und Handwerkern, sondern auch für selbständige
Ar1)eit vorbilden sollen, bedürfen eines feinen, schwer zu erwerbenden Taktes*,
um beide Methoden in richtiger Weise mit einander zu verbinden.
Jedenfalls ist das, was der Lehrer in dieser Richtung zu Ungunat^ii
der letzteren Methode sündigen sollte, schwer wieder gut zu machen, und
viele nicht besonders veranlagte Geister finden wohl nach einem rein dog-
matischen Unterricht niemals den Weg zu einer eigenen angemessenen )tiM
tiefer gehenden Kritik. Jede theoretische Wissenschaft hebt mit Axioäföh
&D, die nur nach gewissenhafter Prüfung ihres Sicherheitsgrades als nfäht
angenommen werden dürfen. Dem Schüler, der einer solchen Prüfung
noch nicht fUiig ist, mufs die Autorität des Lehrers dieselbe ersetzten,
und diese Autorität wirkt oft mächtiger als eine eigene Überzeugtiiilg,
weil bei der letzteren sowohl die Gründe für als wider erwogen, hti
der ersteren aber alle widersprechenden Momente mit Absicht unter-
drückt werden. Einen gewissen Dogmatismus kann auch der kritiäch^
376 Ferd. Rosenberger:
Forscher nicht entbehren, der nur darin keinen Schaden anrichten kum.
weil er in seiner hypothetischen Natur erkannt ist. Absolut dem
Fortschritt hinderlich aber ist jener scholastische Dogmatismns^
der die Autorität der Schule als vollgültigen Grund seines Wis-
sens anerkennt, ohne mit Bewufstsein die Stftrke dieses Grundes unter-
sucht zu haben, ja ohne nur ein Bedürfnis nach einer solchen Unteisnchung
zu fühlen.
Die böse Bolle, welche die Scholastik im Mittelalter gespielt hat, wird
oft mit viel Entrüstung erwähnt, aber mancher, der sich in dieser Ach-
tung gar nicht genug zu thun weüs, steckt selbst noch tief in einem
Scholasticismus, der nur moderne Formen angenommen hat. Gerade da,
wo man die Vergangenheit, von der man nichts zu lernen vermag, mit
gröfster Yerachtimg behandelt, wo man der Gegenwart erst die Ent-
deckung der allein wahren wissenschaftlichen Methode und der dar-
aus resultierenden vollendeten Wissenschaft zuschreibt, wo man für die
Zukunft vielleicht noch einige Anfügungen und Fortbildungen, aber keine
fundamentalen Umgestaltungen der Anschauungen mehr als mög-
lich anerkennt, gerade da ist man unbewufst dem Scholasticismus am
nächsten.
Der Scholasticismus bildet immer ein tragisches Moment in
der Wissenschaft. Nicht bloDs, dafs er die Entwicklung der Wissenschaft
hemmt und zeitweise ganz zum Stillstand bringt, auch die einzelnen
Forscher, besonders die genialen, werden von ihm oft auf lange Zeit
gehindert oder ganz unterdrückt und um die ihnen gebührende Anerkennoog
und den notwendigen Einflufs gebracht. Aus der Scholastik vor allem ent-
springt jener geistige Hochmut, der ohne innere sachliche Gründe das
Gute und Bessere nur darum verwirft, weil es nach der sanktionierten
Schultheorie nicht zu begreifen ist, oder auch nur nicht nach der rich-
tigen Methode gewonnen erscheint. Und dieser Scholasticismus wirkt mn
so nachteiliger, je bequemer er ist. Neue Theorien nach ihrem inneren
Werte zu beurteilen, dazu gehört eine dem Autor selbst kongeniale Nator,
und oft ist ein richtiger Entscheid erst nach längerer allgemeiner Prülnng
möglich. Die Theorie dagegen auf ihre Übereinstimmung oder Nichtüber-
einstimmung mit den Lehren der Schule zu untersuchen, dazu ist nur eine
genaue Kenntnis dieser letzteren oder auch nur ein gewisser Instinkt föi
das der Schule Angemessene erforderlich. Scholastisch angehauchte Ge-
lehrte sind darum zu allen Zeiten die schnell-bereitesten und sichersten, aber
auch die starrsinnigsten und erbarmungslosesten Kritiker gewesen.
Man mufs zugeben, dafs der Scholasticismus auch Nutzen bringen
kann und bis zu einem gewissen Gi*ade seine Berechtigung hat. Neo^
Die Geachichte der exakten Wissenschaften und der Natzen ihres Stadiams. 377
aufstrebende Theorien gleichen jungen Pfl&nzchen, deren Bewurzelung oft
noch so zart ist, daüis wohl der kundige Gärtner ihr Leben sichern, dafs
aber ein nur einigermafsen rauher Wind sie vielleicht in ihrem Wachstum
zum Stillstand bringen oder auch gänzlich vernichten kann. Für solche
Pflänzchen bildet wohl der Scholasticismus, wenn er sich ihrer annimmt,
ein Schutzhaus, das sie so lange bewahrt, bis sie durch vielfache Pflege
und Unterstützung erstarkt, auch einem scharfen Klima zu trotzen ver-
mögen. Aus diesem Grunde haben kluge Forscher zu allen Zeiten und
vielfach mit Erfolg vei'sucht, ihre Entdeckungen und originellen Theorien
dem Scholasticismus als vollkommen angemessene Produkte der geltenden
Schule unterzuschieben, auch wenn dieselben nur äufserlich etwas nach den
Schulformen zugestutzt und sonst wesentlich gegnerischer Natur waren.
Leider ist der Scholasticismus immer mehr beflissen, gesunden Nachwuchs
zu ersticken und längst Verrottetes zu bewahren, als Neues und Frucht-
bares in eigene Pflege zu nehmen, weil er seiner ganzen Natur nach der
Buhe und Beharrung besonders zugeneigt ist, und es immer eines
günstigen kräftigen Gegengewichts bedarf, um die schädlichen Wirkungen
dieser Beharrungskraft aufzuheben.
Ein solches dem Scholasticismus entgegenwirkendes Prinzip
ist die Geschichte, welche im Gegensatz zu dem Bilde des Stillstandes,
das sich die Scholastik ausmalt, die Wissenschaften im steten Flusse, in
nie zu vollendender Entwicklung zeigt. Dieser Gegensatz tritt auch
überall deutlich hervor und wird auf den beiden Seiten fast instinktiv
gefühlt Wo der Scholasticismus herrscht, da ist die Geschichte verpönt
oder darf doch nur in verkümmerter Form, als Entwicklungsgeschichte der
Schnlmeinungen, gelehrt werden. Umgekehrt, wo man die Geschichte der
Wissenschaften allgemein und unbehindert studiert, da ist die Herrschaft
einer veralteten Scholastik auf die Dauer nicht mehr zu halten. Man hat
wohl öfter der Geschichte der Wissenschaften einen reaktionären Charakter
zugeschrieben, in Wahrheit könnte man ihr ebenso gut revolutionäre Nei-
gungen andichten, denn ihre Aufgabe ist die Schilderung des ewigen Über-
gangs vom Alten zum Neuen, des unendlichen Werdens.
In diesem negativen, antischolastischen Momente liegt ein Haupt-
wert der Geschichte, doch entbehrt sie auch eines direkten positiven
Einflusses auf die Zukunft der Wissenschaft nicht. Die Entwicklung
einer Wissenschaft gleicht einer krummen Linie oder gekrümmten Fläche,
deren Gesetz oder mathematische Formel nicht bekannt ist, und die man
darum auch nicht genau konstruieren kann. Je mehr man aber Punkte
derselben, je genauer man eines ihrer Stücke kennen lernt, mit desto
gröijserer Genauigkeit wird es auch möglich sein, ihre Fortsetzung nach
378 Ferd. Rosenberger:
rückwärts und vorwärts zu erraten und die Biohtnng ihres Laufes bis taf
einige Entfernung hin anzugeben. Wer die geschichtliche Entwicklung d^
Wissenschaft in einer gewissen Zeitperiode genau erkannt und Terstandeii
hat, der mufs daraus mit ziemlicher Sicherheit auf die Tendenz der Ent-
wicklung in der nächsten Vergangenheit und Zukunft zu schlielsen ver-
mögen; der mufs ceteris paribus am besten in der Lage sein, die Aii%ibeii
zu erkennen, welche die fortschreitende Wissenschaft der Forschung stellt
und der wird auch am ehesten eine Idee über die Art der Lösungen in
fassen im Stande sein. Die systematische Wissenschaft giebt nur
Punkte aus der Entwicklungslinie, die Geschichte versucht diese
zur Linie selbst zu ergänzen. Die systematische Wissenschaft fafst die
Wissenschaft in einzelnen zeitlichen Momenten, die Greschichte ftigt die
Richtung oder Tendenz des Fortschreitens hinzu. Die Gesamtwissenschaft
aber kann nicht nur die einer einzelnen Zeit sein, sondern mufs alle Ent-
Wicklungsmomente in sich enthalten. Darum ist die Geschichte def
Wissenschaften den letzteren nicht blofs interessant und nützlieh,
sondern neben den systematisch - theoretischen Bearbeitungen auch not-
wendig.
Dabei mufs freilich vorausgesetzt werden, dafs auch die Art Ge-
schichte zu schreiben eine angemessene ist, und dafs wirklich die
Entwicklung im allgemeinen erfafst wird, d. h. dafs der historische
Zusammenhang richtig erkannt und alle Thatsachen, nicht blofs die
einer gewissen Schulmeinxmg günstigen, in ihrer Bedeutung unparteiisch
gewürdigt werden. Wir haben schon zugegeben, dafs die chronikenar%
Berichterstattung, die biographischen Schilderungen, wie die juridiach-phil(h
logischen Prioritätsverhandlungen für die Geschichte der Wissenschaften
förderlich und von unersetzlichem Nutzen sind; fGbr den eigentlichen Fort-
schritt und das innere Verständnis aber haben sie geringeren Wert nod
die zuletzt besprochenen hohen Dienste können sie den Wissenschaften
keineswegs leisten. Es ist jedenfalls interessant und belehrend, wenn io
ausführlichen geschickt verfafsten Abhandlungen der erste Autor einer
epochemachenden Erfindung oder Entdeckung unzweifelhaft festgestellt wird,
für das Verständnis des Wesens der wissenschaftlichen Entwicklung aber
würde in den meisten dieser Fälle eine richtige Schilderung des wissen-
schaftlichen Charakters der betreffenden Zeit und des betreffenden OtU&
wichtiger sein als der Name des Erfinders, wenn nicht dessen Name etwa
schon selbst ein ganzes wissenschaftliches Progranmi bedeutet.
Auch die scholastische Methode der Geschichtsschreibung, welcbe
wohl den Zusammenhang der Entwicklungen zu kennzeichnen verspricht,
aber doch nur die zur Zeit in der Schule geltenden Theorien berücksichtigt^
)ie Geschichte der exakten Wisse aschaften und der Nutzen ihres Stadiums. 379
lat ftür die Wissenschaft nicht den Nutzen, den sie haben könnte. Die
cholastische (jeschichtsschreibung erhebt zwar häufig den Anspruch die
tinzig richtige und sichere Art der Geschichtsschreibung zu sein, aber ihrem
[aDzen Charakter und ihren ausgesprochenen Zielen nach kann sie das nie
rerden, weil sie nur unvollständige und darum einseitige Anschauungen
ermittelt und so die wahre, thatsächliche Entwicklung oft mehr verdunkelt
ils erleuchtet. Die scholastische Historie mag vielleicht direkt aus den
Quellen schöpfen und kann dabei doch zn falschen Bildern kommen, weil
ie nicht alle Quellen und selbst die in Betracht gezogenen nur e in-
seitig benutzt. Sie will allerdings Entwicklung schildern, aber doch nur
lie der gegenwärtig herrschenden Schultheorien, während sie alle andern
rheorien, mögen sie auch zu ihrer Zeit den gröfsten EinfluDs geübt haben,
gänzlich zu vernachlässigen pflegt. Am allerwenigsten von allen kann man
lie scholastischen Geschichtsschreiber als kompetent zur Beurteilung wissen-
ichafllicher Theorien anerkennen, denn gröüser noch als in der systematisch-
heoretischen Wissenschaft ist die Blindheit der Scholastik in der Geschichte.
L)ort, in der Gegenwart, drängen sich doch die feindlichen Systeme der
Beachtung noch unabweisbar auf und lassen sich nicht ohne weiteres tot-
ichweigen; hier aber in der Vergangenheit reichen die ausgelebten Systeme
^ar nicht direkt an den Forscher heran und müssen erst zweckbewuTst von
lern sie verdeckenden Staub und Geröll befreit werden.
Die experimentellen Wissenschaften haben in den letzten Jahr-
lunderten eine solche Kraft des Fortschritts gezeigt, sie haben eine
solche Menge grofs artiger Erfolge errungen, dafs man in der Neuzeit
vielfach alle Kraft des wissenschaftlichen Fortschritts nur dem geschickten
Bxperiment hat zuschreiben und die Wirksamkeit genialer Ideen ganz
äbersehen wollen. Diese Meinung hat sich dann nach gut scholastischer
Art auch nicht selten dem Geschichtsschreiber der Wissenschaften mitgeteilt.
Ideenreiche Geister, die zwar nicht selbst neue experimentelle Ent-
deckungen erzielten, die aber doch zu ihrer Zeit durch die Zusammenfassung
fhr von andern erlangten Beobachtungsresultate zu theoretischen Systemen
einen ungehenren Einflufs auf die wissenschaftliche Entwicklung aus-
übten, hat man demgemäfs mit dem Fluche der Vergessenheit bedeckt
and öfters ihre blofse Erwähnung in der Geschichte als ein Zeichen von
unwissenschaftlichem Geiste angesehen. Ja selbst unzweifelhaft er-
folgreiche Experimentatoren wurden wohl gern, wenn sie zur Erklärung der
Erscheinungen weitergehende hypothetische Elemente au&unehmen
sich nicht enthalten konnten, einer geheimen Neigung zu phantastischen
Abweichungen von der allein richtigen wissenschaftlichen Methode angeklagt
Q&d danach der Erwähnung in der echten Wissenschaft nicht mehr für
380 Ferd. Rosenberger:
nnzweifelhaffc wert gehalten. Wer aber der Geschichte der Wissensehafteii
mit unparteiischer Aufmerksamkeit folgt, der mufs ohne Weigern zngeb^L
dafs z. B. ohne ein gründliches Studium des verlästerten Natarphilosopbes
Descartes, an dessen Gegnerschaft die neuzeitliche Phjsik sich entwickelte,
auch diese selbst nicht richtig vei^standen werden kann, und d&fs sieb di^
NEWTON'sche Phjsik, zu der die Physiker sich gegenwärtig noch zna
grOfsten Teile bekennen, sich nicht richtig schildern läfst ohne eine grtd-
liehe Bekanntschaft mit dem DEscARTEs'schen Weltsystem, das I^ewtvs
ein halbes Jahrhundert lang bekämpfbe. Wer durch geschichtliche Studien
sich davon überzeugt, wie • vollständig die kinetischen Theorien d^i
Schwere und des Lichts durch so geniale Physiker und Mathematiker
wie Hocke, Huygens, Euleb u. a. im 17. und 18. Jahrhundert schon ent
wickelt waren, wie vollständig sie dann aber durch die NEWTON'sche Phjsil
aus dem Gesichtskreis und fast auch aus dem Gedächtnis der Phjsiker
verdrängt schienen und wie sie doch im letzten Jahrhundert wenigstens
teilweise wieder den unbestrittenen Sieg an ihre Fahnen heften konnten,
der wird auch nicht so sicher, wie es manchmal scheint, darüber §«in
dürfen, daüs unter den vergangenen und vernichteten Hypothesen nielit
doch noch einige sind, die später in neubearbeiteter und verbesserter
Ausgabe wieder aufleben können.
Die scholastische Art, das Werden der Wissenschaft als eine Ent
Wicklung zu schildern, die nur die gegenwärtige Wissenschaft zum Ziele
gehabt und mit dieser ihr natürliches Ende erreicht hat, ruft leicht jene
schädliche Selbstgenügsamkeit hervor, die an dem wissenschaftlicki
Fortschritt nur zu bewundem weifs, wie herrlich weit wir es gerade in
der Gegenwart gebracht, und die kaum ein Bedürfnis des Fortschreiten?
mehr empfindet.
Glücklicherweise aber trägt jede Art der Geschichtschreibnng ancl^
die scholastische, ein ihre Schäden korrigierendes Moment schon in sieii
Indem die Geschichtsforschung das wissenschaftliche Werden zu ergründfD
versucht, ist sie gezwungen vor allem zu erforschen, welche Einflüsse die
verwandten Wissenschaften, Disziplin und Theorien auf einander ansübec
und findet so genügende Veranlassung alle treibenden Momente in der
Entwicklung zu beobachten. In diesem leisen Zwange, den die Geschichts-
forschung zu allen Zeiten ausübt und ausgeübt hat, scheint mir ihr Hanp^
wert für die Wissenschaft selbst zu liegen.
Diesen Satz und damit den Wert der Geschichtsforschung wird ma^
aber wohl auch kaum ernstlich bestreiten, man wird vielleicht im (regi'D-
teil den vorhergehenden Ausführungen den Vorwurf machen, dafe sie zQ
schwarz gemalt und den exakten Wissenschaften ünterlassungssänden t^'
0ie Gesehiehie der exakten Wissenschaften nnd der Nutzen ihres Studiums. 381
gesdirieben haben, die diese niemals begangen. Das wäre allerdings ein
^onniif, der mir hier an dieser Stelle besonders schmerzlich sein würde.
Dom der Mann, dem diese Abhandlung gewidmet iet, hat nicht bloijs selbst
unter allgemeinem Beifall an einem Beispiel gezeigt, wie Geschichte der ex-
altoD Wissenschaften geschrieben werden soll, sondern auch allgemein als Mit-
ndaktenr der Zeitschrift für Mathematik und Physik die historische Er-
Imehung der exakten Wissenschaften aufs Mächtigste geft^rdert. Unser
teitalter bezeichnet sich allerdings wissenschaftlich gern als ein rein
jBodernes, doch l&fst sich schwer verkennen, dafs es trotzdem mit Erfolg
kemüht ist, besonders nach methodischer Seite hin, seine historischen
Anschauungen zu erweitern und zu vertiefen. Die historisch-
kritischen Darstellungen der Entwicklung der exakten Wissenschaften und
ibier Teile, welche in letzter Zeit mehrfach erschienen sind, zeugen dafür
in nicht mifiszuverstehender Weise.
Doch betrifft dies bis jetzt nur mehr noch einzelne besondere Kreise
und die Allgemeinheit verhält sich gegen die historisch- kritische Erforschung
der exakten Wissenschaften immer noch zum gröfsten Teile interessenlos
nnd ablehnend. Jedenfalls hat der Verfasser die im vorhergehenden be-
impften Angriffe nicht fingiert, sondern wirklichen Erfahrungen entnommen.
Demgemäls ist es dem Verfasser auch an keiner Stelle in den Sinn ge-
konunen, unsere Meister über den ihnen jedenfalls wohlbekannten Wert
der Geschichte belehren zu wollen, und seine Absicht war es nur diesen
Wert der Allgemeinheit der Forschungsgenossen in deutlichster Weise vor
Augen zu stellen und die fruchtbare Verwendung der Geschichte auch im
Unterrichte der exakten Wissenschaften möglichst eindringlich za empfehlen.
IWW
DIE UNVERZAGTSCHEN LINIENKOORDINATEN.
BIN BEITRAG
ZUR GESCHICHTE DER ANALYTISCHEN GEOMETRIE
VON
FERDINAND RUDIO
TN ZÜRICH.
Wenn ich bei dem hentigen festlichen Anlasse anf eine Arbeit meines
hochverehrten ehemaligen Lehrers Wilhelm Unverzagt zurückgreife, so ist
das nicht ganz zufällig. War er es doch, dem ich die erste persönliche Be-
kanntschaft mit dem Manne verdanke, dem diese Blätter gewidmet sind.
Es war in Wiesbaden auf der Philologenversanmilung des Jahres 1877.
Unverzagt hatte in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sektion seine
damals Aufsehen erregenden Thesen über die Ausdehnung des mathematischen
Unterrichtes an den Realgymnasien aufgestellt und verteidigt und hatte
durch die Wucht seiner Argumente, mehr aber wohl noch durch den eigen-
tümlichen Zauber seiner zugleich imponierenden und gewinnenden Persön-
lichkeit selbst solche Fachgenossen zu überzeugen gewufst, die mit der aus-
gesprochenen Absicht, seine Thesen zu bekämpfen, in der Sitzung erschienen
waren« An der Diskussion beteiligte sich auch Morffz Cantor. Mit grofser
Wärme trat er für die UKVERZAGT'schen Thesen ein, die, wie er ausführte,
geeignet seien, den höheren Realanstalten den Charakter „mathematischer
Gymnasien^' zu verleihen und ihnen so eine ebenbürtige Stellung gegenüber
den humanistischen Gymnasien zu verschaffen.
Ich hatte, damals ein junger Student, ebenfalls an der Sitzung teil-
genommen und konnte, von Unverzagt dazu aufgefordert, nachher aus
eigener Erfahrung und mit gutem Gewissen Herrn Cantor und anderen
bezeugen, daüs der UNVERZAGT'sche Unterrichtsplan niemals mit einer Über-
lastung der Schüler verbunden gewesen war.
Wenn ich bei dieser Erinnerung heute verweile, so geschieht es aus
zwei Gründen. Zunächst ist die Arbeit, über die ich berichten will, aus
dem UnvERZAGT'schen Unterrichte hervorgegangen. Sodann aber erinnere
ich mich noch jetzt deutlich des Gefühles der Dankbarkeit, das ich dem mir
bisher finemd gewesenen Manne gegenüber empfand, der sich so warm der
Verteidigung meines Lehrers angenonunen hatte. Ich darf dies heute als
ein freundliches Omen betrachten, wenn ich auch freilich damals noch nicht
ahnen konnte, zu wie grofsem Danke ich dereinst Moritz Camtor verpflichtet
sein würde.
Abh. SU OMch. d. Matham IX. 26
386 Ferdinand Budio:
In neuerer Zeit ist wiederholt und mit Erfolg, namentlich in der an-
gewandten Mathematik, von einem eigentümlichen Eoordinatensysteme 6e-
hranch gemacht worden, das die gerade Linie in analoger Weise in iwd
Fimdamentalpirnkten in Beziehung hringt wie das kartesische Sjstem des
Punkt zu zwei Fundamentalgeraden, unter den hier in Betracht komm^deD
Arbeiten sind namentlich die des Herrn M. d'Ooaqne zu nennen. Es genügt
an dieser Stelle, auf die Abhandlung des Herrn lillKHMyK zu Terweisen:
„Beispiele graphischer Tafeln mit Bemerkungen über die Methode der fincht-
rechten Punkte" (Ztschr. f. Math. u. Phys., Jahrg. 46). In dieser, die Litte-
ratur sehr eingehend berücksichtigenden Abhandlung findet sich die Be-
merkung, dafs das in Bede stehende Koordinatensystem schon zehn Jaiire
vor M. d'Ocagme von Herrn K. Schwering (im Jahresberichte für 1874 des
Westfälischen Provinzialvereins) eingefOhrt worden seL Es ist aber tat-
sächlich älteren Ursprungs und systematisch schon von Unverzagt behandelt
worden in der dem „Jahresbericht über das EgL Realgynmasium zu Wiesbaden
von Ostern 1870 bis Ostern 1871" vorausgehenden Programmschrift: „Über eis
einfaches Koordinatensystem der Geraden". Obwohl diese Abhandlung zum T«il
in desselben Verfassers „Theorie der goniometrischen und der longimetnscheii
Quatemionen" (Wiesbaden, 1876) verarbeitet und auch von der Kritik nicht
übersehen worden ist, scheint sie doch ganz in Vergessenheit geraten zq
sein. Bei dem Interesse, das dem Gegenstände neuerdings entgegeogebracM
wird, dürfte es sich daher rechtfertigen, die Arbeit Unverzagtes wieder au
das Tageslicht zu ziehen. Ich werde mich aber bei ihrer Wiedergabe im
wesentlichen auf Definitionen und Besultate beschrftnken.
Das Koordinatensystem, um dessen Verwertung es sich hier handelt^
war von Unverzagt in erster Linie zur Belebung seines Unterrichtes in
der analytischen Geometrie ersonnen worden, wie er es überhaupt liebte,
sich aufserhalb der ausgetretenen Geleise zu bewegen und seinen Schülern
neue Wege zu zeigen. Das Prinzip der Dualität bot ihm AnlaTs, f&r die
gerade Linie, als Element, ein dem gewöhnlichen Koordinatensysteme dual
gegenüberstehendes einzufuhren. So verwandelten sich von selbst die beiden
Koordinatenachsen mit ihrem Schnittpunkte in zwei Fundumentalpunkte mit
ihrer Verbindungslinie. Den Winkeln des alten Systemes standen Strecken
in dem neuen gegenüber. An die Stelle der Winkelfunktionen mufeten
daher Streckenfunktionen, oder, wie sie Unverzagt nannte, langmehrisdiC
Funktionen treten. Diese werden folgendermafsen definiert. Teilt man eine
Strecke a6, nach Festsetzung einer Längeneinheit (am einfachsten dB selbst)
und einer positiven Eichtung, innerlich oder ftulserlich durch einen
Punkt c, so lassen sich aus den Strecken ac, cb, ob, die mit einander
Die ünverzagt^schen Linienkoordinaten. 387
durch die Gleichung ac -^ ch ^= ai verhunden sind, sechs Quotienten bil-
den, n&mlich:
ac cb oc
ah' aV cb»
ob ab cb
ac* cb» ac'
Diese werden nun Sinus, Kosinus, Tangente^ Kosekante, Sekante und Kotan-
gente der Strecke ac in Bezug auf ai genannt und kurz durch sin C, cos c, etc.
bezeichnet. Zwischen den so definierten sechs longimetrischen Funktionen
bestehen die sechs Oleichungen:
sin c -|- cos c a= 1, sin c . cosec c »= 1,
1 + tg c =» sec c, cos c . sec c — = 1,
1 -f- ctg c = cosec c, tg c . ctg c =1,
die es gestatten, jede longimetrische Funktion durch jede andere auszu-
drücken. Auch Additionstheoreme, die denen der goniometrischen Funktionen
analog sind, lassen sich leicht aufstellen, wie z. B.
sin (c — b) = sin c . cos b — coc c . sin b u. a.
Im übrigen erscheinen die longimetrischen wie die goniometrischen Funktionen
als spezielle Fftlle der allgemeinen Winkelfunktionen, d. h. der aus dem
schiefwinkligen Dreiecke abgeleiteten Funktionen Sinus, Kosinus etc. In
der That erh< man aus der diesem Dreiecke entnonunenen allgemeinen
Gleichung
sin* 9 4" ßos* 9 -|- 2 sin 9 cos 9 . X; «» 1,
wo k den Kosinus in der herkömmlichen Bedeutung des Wortes bedeutet,
für Ä; =: 0 die Grundgleichung sin' 9 -{• cos' 9 =^ 1 der goniometrischen und
und für Ä; SB 1 die Grundgleichung sin 9 -|- ^o^ tp ==^ 1 der longimetrischen
Funktionen.
Nach diesen Vorbereitungen führt nun Unverzagt sein Koordinaten-
system mit folgenden Worten ein: „Zieht man durch zwei feste Punkte
Iq und ^^ deren Abstand e heifse, zwei parallele Geraden, die wir die Achsen
nennen wollen, während die durch {^ und ^ bestimmte Gerade den Namen
Gnuid- oder Mittellinie des Koordinatensystems führen möge, so ist jede
Gerade m in der Ebene der Achsen ihrer Lage nach bestimmt durch die auf
den Achsen bestimmten Schnittpunkte £ und tf. Da diese Punkte selbst
durch ihre Abstände von |q und % festgelegt sind, so werden wir diese
mit X und y bezeichneten Strecken die Koordinaten der Geraden m nennen.
Zugleich möge auf der Geraden j^tf^ die Richtung von (q nach ^q als die
positive gelten und die Koordinaten selbst mit dem positiven oder negativen
26 •
388
Ferdinand Radio:
Zeichen in Rechnung gebracht werden, je nachdem sie Stücke auf der eines
oder der anderen Seite von Iq^q angeben/*
Aus diesen Definitionen erhftlt man sofort eine Reihe von Folgenmgen.
So ergiebt sich bei-
spielsweise die Ltge
des Schnittpunktes m
der Greraden {x, y)
mit der Ifittellinie aus
der Gleichung
tgm ^,
die auch für den Fall
unendlich grolser Ko-
ordinaten ihre Gültigkeit behftli Sind zwei Geraden (^1,^1) und {x^^ffi)
gegeben, so erhftlt man für den (in der Richtung der Achsen gemesseneD)
Abstand d ihres Schnittpunktes von der Mittellinie die Formel
d =
«iyt-ar,y,
während der Ausdruck
(«i-yi)-(«i~yi)'
die Tangente dieses Schnittpunktes in Bezug auf den (in der Richtung der
Mittellinie gemessenen) Abstand der beiden Achsen darstellt. Wenn die
Achsen auf der Mittellinie senkrecht stehen, so ist die goniometrische Tan-
gente des Winkels 9 der beiden Geraden
woraus sich ergiebt, daüs für o:^ — ^t"^^ tft — ^i ^® beiden Geraden ein-
ander parallel sind und fftr (x^ — yj (^i — yj) ™ — «* auf einander senk-
recht stehen.
Auch für den Flftcheninhalt eines durch drei Geraden (op^, y^), {x^ 9i)
und (pc^^ y^ bestimmten Dreiecks erhalt man einfeu^he Formeln, die ä<^
dann in bekannter Weise sofort auf Polygone von n Seiten ausdehnen lassen.
Unter der Voraussetzung, dafs die Achsen senkrecht zur Mittellinie sind,
findet man für den Poljgoninhalt J die Formel:
2J= '^
Die üiiTerzagi^schen Linienkoordinaten. 389
Unyebzagt fahrt sodann auch ein den Pölarkoordinaten des Punktes
entsprechendes Koordinatensystem der (reraden ein: „Zieht man durch die
Punkte £ und 9, wo die Gerade m die Achsen trifft, Geraden nach be-
ziehungsweise tfQ und ][qj so schneiden dieselben einander im Allgemeinen in
einem Punkte mj, durch dessen Angabe umgekehrt auch die Gerade m be-
stimmt ist. Legen wir nun diesen Punkt in Bezug auf unser Koordinaten-
system dadurch fest, daCs wir seinen Abstand u von Iq% angeben (diesen
Abstand parallel zu den Achsen genommen) und femer das Verhältnis, in
welchem % den Abstand der Achsen teilt, so ist es leicht, mit Hülfe von
u und der longimetrischen Funktionen von ttii die Werte von x und p
anszudrücken. Es ist n&mlich allgemein, wenn wir in Zukunft einfach m
statt m^ schreiben,
X = u . sec m
y = u , cosec m.
Daraus folgt
1,1 Ix I . \ i
— — = - (cos m + sm m) = — .
Überdies sieht man, dafs u gleich der Hälfte der Strecke ist, die durch
m parallel zu den Achsen geht und Ton der Geraden m und der Mittellinie
|^% begrenzt wird, d. h. gleich der Hälfte des harmonischen Mittels aus
X und y. Es ist nun ein Leichtes, eine in x und y gegebene Gleichung
in eine solche mit u und m zu verwandeln. So ist z. B.
rcy = + Ä*
die Gleichung der Ellipse oder der Hyperbel, je nachdem man die rechte
Seite mit positivem oder negativem Zeichen nimmt Daraus ergiebt sich
sofort
u' sec m . cosec m = + ^
oder
K* = + ** sin m . cos m
als die Polargleichungen der genannten Kegelschnitte u\ Linienkoordinaten.
Jede Gleichung in Polarkoordinaten des Punktes bietet somit Stoff
znr Untersuchung über die Bedeutung derselben Gleichung, die Variabeln
als Geradenkoordinaten in der oben gegebenen Bedeutung betrachtet.'*
•
Dies sind die Grundlagen, auf denen ünvebzagt seine analytische
Geometrie aufbaut. Die folgenden Zeilen geben natürlich nur eine kurze
tibersicht.
Die Gleichung eines beliebigen Punktes m, als Träger der durch ihn
gehenden Geraden (x,y\ lautet:
xcosm -\- y smm =p.
390 Ferdinand Rndio:
wenn p den (parallel zu den Achsen gemessenen) Abstand des Ptmktes m
von der Mittellinie bedeutet. Diese Gleichnng ist in der Form identbrh
mit der bekannten HESSE'schen Normalgleichtuig der Geraden. Sie wird
daher die Normalgleichnng des Punktes genannt. Die allgemeine Gleichnng
ersten Grades Ax -{^ By ^^ C wird in die Normalgleichnng verwandelt, in-
dem man sie mit Ä -{- B dividiert Ist Ä '\- B =s 0^ so liegt der Pnokt
Ax -^ By =^ C im Unendlichen.
Schreibt man die Normalgleichnng in der Form
x cos m + y sin m — i? = 0,
so stellt, Ähnlich wie bei der HESSE'schen Normalgleichnng, die linke S«it^
für sich den (parallel zn den Achsen gerechneten) Abstand des Punktes n
von der Geraden (x, y) dar. Dadnrch tritt die Bedentnng der Gleiehtmg
des Pnnktes scharf hervor.
Aber auch sonst bestehen, der Natur der Sache nach, zahlreiche Aoi-
logien zwischen den Gleichungen des Pnnktes und denen der Gfradeo^
Analogien, deren gemeinsame Quelle zumeist der Umstand ist, daCs man es
in beiden Fftllen mit linearen Gleichungen zwischen zwei Veränderlichen zc
thun hat.
X t/
So stellt 1- -|- =aB 1 die Gleichung eines Punktes dar, der, mit den
Fundamentalpnnkten verbunden, die Achsenabschnitte a und b liefert; so i>t
* = ^ — — die Gleichung des Schnittpunktes der Geraden (j,, ,Vil
(a?,, y,) etc.
Teilt ein Punkt m, den Abstand der Punkte tn^ nnd tn,, deren Normil-
gleichungen kurz mit u^ =: 0 und u^ ^= 0 bezeichnet werden mOgen, im
Yerh<nis Aii : Ar^, so erh< man als seine Gleichung k^u^ -j- k^u^ =' 0. Es
ist also beispielsweise u^ -f- Ug =» 0 die Gleichung des Halbierungspankt/'>.
u^ — 11, as 0 die Gleichung des unendlich fernen Punktes von ntintj, nnd
es ergiebt sich femer als Bedingung dafür, dafs drei Punkte if| = 0, Wj=(\
Ug «= 0 in einer Geraden liegen, die Existenz dreier Multiplikatoren Jj.
-4^, -Ij, für die identisch Äy^u^ + ^Mj -{- A^u^ =i 0 ist. Liegen die dm
Punkte nicht in einer Geraden, so ist beispielsweise u^ -f- «^ ~h «ij = 0 die
Gleichung des Schwerpunktes des von ihnen gebildeten Dreiecks etc.
Unter der Annahme, dafs die Achsen senkrecht zur Mittellinie stehen.
kann man auch den Flächeninhalt eines Dreiecks durch eine einÜKhe For
mel ans den Gleichungen seiner Eckpunkte bestinunen. Sind diese Ton der
Form Ax -f- By = C, so findet man leicht:
2/ =
{Ä,+B,){A,+B,)(A, + B,)
Die ÜDverzagt*8chen Linienkoordinaten. 391
Diese Fonnel gestaltet sich besonders einfach for den Fall, dals die
Eckpunkte durch ihre Normalgleichongen gegeben sind, da dann der
Nenner = 1 wird.
Ist F (x^y) SS 0 die Gleichung einer Kurve in Linienkoordinaten, so
ist der negative Quotient der beiden partiellen Ableitungen von F nach y
und X gleich der longimetrischen Tangente des Berührungspunktes (die also
hier an die Stelle des Bichtungskoeffizienten tritt), und die Gleichung
||(«--)+|f('»-y) = o
ist die Gleichung des Berührungspunktes der Tangente (x^ y).
Unvebzagt hat die Gleichung des Punktes noch auf eine bemerkens-
werte Form gebracht. Man kann nämlich offenbar die Normalgleichung
X cos m -|- ^ sin m ==: j) auch in der Form
schreiben, wenn die Elammerausdrücke die Abstände der darin vorkommen-
den parallellen Strecken bedeuten. Dividiert man diese Gleichung mit e,
80 erhält man x sin (py) + y sin (xp) =jp sin (xy). Schreibt man aber
hierin z statt p und beachtet, dafs sin (ssy) = — sin (ya) ist, so konunt
die symmetrische Gleichung zum Vorschein:
X sin (y xr) -f- y sin (zx) -{- z sin (xy) =^0,
Diese Gleichung enthält drei parallele Strecken und drei Abstände auf der
Mittellinie, die durch die Bedingung (x y) -{- {y z) -^^ {z x) => 0 mit einander
verbunden sind. Läfst man in ihr zwei der parallelen Strecken (und ihren
Abstand) variabel, alles übrige aber (nach Gröfse und Stelle) konstant sein,
so stellt sie jedesmal eine Punktgleichung dar; läfst man dagegen die
vorher variabelen Stücke konstant und die übrigen variabel sein, so stellt
dieselbe Gleichung die Gleichung einer Geraden dar.
Aber nicht nur in dem hier zu Grunde gelegten Koordinatensysteme,
auch in kartesischen Koordinaten stellt dieselbe Gleichung, je nachdem man
zwei der Parallelen oder eine der Parallelen und ihre Abstände variabel
sein läDst, die Gleichung eines Punktes oder einer Geraden dar.
Die grofse Übereinstimmung zvnschen den ÜNVEBZAGT'schen Linien-
koordinaten und den kartesischen Punktkoordinaten zeigt sich auch bei der
Kfmdinaientransforfnatum, So wird z. B. der Übergang von den Achsen
^>^ zu Achsen ^d^x, die parallel zu den alten liegen, während die Mittel-
linie ihre Li^ nicht ändert (was bei den kartesischen Koordinaten dem
Übergänge von einem Systeme zu einem anderen mit demselben Anfftngs^
pimkte entspricht), durch die Gleichungen vermittelt:
392 Ferdinand Radio:
» sin Ji ^ = a?i sin E^ + yi sib fojr
y sin El 9i = Xj sin 99i + yi sin jj D.
In einer Programmabhandlung, die nur den allgemeinen Onudlaga
gewidmet ist, findet sich natürlich kein Baum för eine aasfOhrüehere Be-
handlung höherer Gebilde, unverzagt beschxtekt sieh daher anf einige
wenige Andeutungen.
Die Oleichung
Ai^ + B%y + Cy* + -D« + i'y + JP= 0
stellt eine Kwn>t eweiter Klasse dar und zwar eine Ellipse, eine Parabel
oder eine Hyperbel, je nachdem man von dem Punkte
(2Ä + B)x + (B + 2C)y + D + E^O
keine, eine, oder zwei Tangenten ziehen kann. Dieser Punkt ist der Mittel-
punkt der Kurve. Er liegt bei der Parabel im Unendlichen, woians sich
f&r diese das besondere Kennzeichen .1 -^ J9 -f- C =» 0 ergiebt.
Für die Gleichung des Poles der Geraden (x^, y^) in Bezug anf du
Kurve zweiter Klasse findet man:
(2Äx^ + By^ + D)x + {Bx^ + 2Cy^ + E)y + Dx^ + Ey^-{'2F=^).
Ist (x^, y^) eine Tangente, so ist diese Gleichung die Gleichxmg des Be-
r&hrungspunktes.
Mit Benutzung der früher eingeführten Polarkoordinaten erhält mao
die Polargleuhung der Kurve zweiter Klasse:
(Ä See* m + -B sec m . cosec m + (7 cosec* m) «*
+ (2> sec m + JSJ cosec m) « + F = 0,
die nun fast buchst&blich dieselben Betrachtungen ^ulälst wie die gewöhn-
liche Polargleichung.
Mit Hülfe der oben erwähnten Transformationsformeln kann man aneh
leicht Kegelschnittsgleichungen in besonders einfacher Form gewinnen, x- B.
von denen die erste eine Ellipse, die zweite eine Hyperbel und die dritte
eine Parabel darstellt, während sich bei anderer Wahl der Achsen (mu
lege die Koordinatenanftnge in die Enden eines Durchmessers und lasse
die Achsen dem kozgugierten parallel gehen, d. h. mit den Tangenten ko*
sammenfallen), für die Ellipse und die Hyperbel die Gleichung eigeben:
«y = + A^,
in denen sich eine bekannte Eigenschaft dieser Kurven in einfachster Föns
ausgedrückt findet.
Die ünTenagVschen Linienkoordinaten. 393
Den Schtafs der ÜNYBRZAGT'schen Abhandlung bildet die Einführung
irimehischer Koordinaten.
Man kann die Gleichung eines jeden Punktes u =» 0 als die Summe
der mit gewissen Koeffizienten multiplizierten Gleichungen dreier beliebiger
Punkte tij=»Of 11^ = 0, u^ = 0 darstellen, vorausgesetzt nur, dafs diese
nicht in einer Geraden liegen. Die Gleichung u = 0 kann also stets ge-
schrieben werden in der Form
wo A;, {, m sich in bekannter Weise als Quotienten gewisser Determinanten
darstellen.
Nimmt man nun speziell t^i i^, t^ in der Normalform an, so stellen
diese Ausdrucke die den Achsen parallel genommenen Abstände der drei
Punkte tfi, SS 0, Uj = 0, u^ = 0 Ton den durch den Punkt u »s Q gehen-
den Geraden (x, y) dar. Man erhält also somit eine Gleichung des Punktes
in Linienkoordinaten k^, ti^, ti^, die sich als die parallel zu den Achsen,
d. h. zu einer beliebig vorgeschriebenen Bichtung, genonunenen Abstände
der Geraden (x, y) von drei festen Punkten darstellen. Diese werden daher
jetzt als Fundamentalpunkte eines trimetrischen Eoordinatensystemes zu
Grunde gelegt.
Die Koordinaten tii, Kg, Kg sind natürlich nicht von einander unab-
hängig, sondern durch die Gleichung
mit einander verbunden, in der die h nach Grölse und Richtung die gegen-
seitigen Abstände der drei durch die Fundamentalpunkte gehenden neuen
Achsen bedeuten und J den Flächeninhalt des Fundamentaldreiecks darstellt.
Man kann leicht die geometrische Bedeutung der in der Gleichung
&tfi -f- {ti| -|- miig auftretenden Multiplikatoren A;, 2, in angeben. Es zeigt
sich, dafjs sie proportional den Flächeninhalten J^^ J^^^ J^ der drei Drei-
ecke sind, die man erhält, wenn man den Punkt u = 0 mit den Funda-
mentalpunkten 2, 3; 3, 1; 1, 2 verbindet. Dadurch geht die homogene
Pnnktgleichung über in:
Drückt man die Inhalte der Teildreiecke durch ihre Höhen r^, t;,, v^
nnd ihre Grundlinien $„^ Sg^, s^ aus, so erhält man:
LäCst maa in dieser Gleichung r^, t;|, v,, d. h. die homogenen Koordinaten
des Punkiee variabel werden, so stellt dieselbe Gleichung auch die durch
394 Ferdinand Budio:
die homogenen Koordinaten u^, ti,, ti^ festgelegte Gerade dar, wobei die
drei Punktkoordinaten durch die Gleichung
mit einander yerbonden sind. -
Unverzagt wendet sich sodann zu dem Zusammenhange, der zwischen
seinen und den PLÜCKER^schen Koordinaten besteht. In beiden Koordinaten-
systemen benutzt man zur Festlegung einer Greraden drei yon den Fnnda-
mentalpunkten an sie gezogene Strecken. Während diese aber hier parallel
einer bestimmten, unyerftnderlichen Richtung gehen, stehen sie bei Plücses
senkrecht auf den festzulegenden Geraden, verändern also ihre Bicbtang
von Gerade zu Gerade. Setzt man dasselbe Pundamentaldreieck voraas, so
erhält man die PLüOKER'schen Strecken, indem man t^, 1<S9 *S ^^^ ^
(veränderlichen) Kosinus des Winkels multipliziert, den jene Lote in jeder
Lage der Geraden mit der festen Richtung der durch die drei Fundamental-
punkte gehenden Achsen bilden. „Diese Operation ist so einfach, dals es
auf den ersten Blick unnötig scheinen mag, neue Koordinaten statt der
von jenem berühmten Mathematiker eingefEÜirten zu benutzen. Allein die
von uns angewandten Koordinaten bieten doch einige wesentliche Vorteile.
Zuerst ist es ein Vorzug, dafs sich, bei nur zwei Koordinaten zur Festlegung
der Geraden, die Gleichung des Punktes in sehr einfacher, ja bei der Ton
uns adoptierten Bezeichnung mehrfach in identischer Form mit der Gleichmig
der Geraden in kartesischen Koordinaten ergiebt, während der Versuch, eine
Gleichung des Punktes zu bekommen, bei Annahme nur zweier Fnndamental-
punkte und der von ihnen auf die Gerade gef&llten Lote als Koordinaten
der Geraden auf komplizierte Ausdrücke höheren Grades führt Ähnliches
gilt für Kurven zweiter und höherer Klasse." Als einen weiteren nicht
unwesentlichen Vorzug seiner Koordinaten der geraden Linie hebt ünvebzagt
sodann mit Recht hervor, dafs diese durch eine Gleichung ersten Grades,
nämlich durch die einfache Gleichung
«i^ra + «2*81 + ««3*12 = 2/
mit einander verbunden sind, während bekanntlich der Zusammenhang d(f
PLtJCKER^schen Koordinaten ^j, ^^t ^s d^^uxh eine Gleichung etceUen Grades
ausgedrückt wird, die mit Benutzung der früheren Bezeichnung lautet:
4(li-l«)(li-i»)+«»*,(l«-ls)(l.-li)+«f,(S»-li)(l. - 5,)=4<^-
„SchlieiÜBlich darf wohl auch die Leichtigkeit der Ableitung unserer
Formeln für ihre Angemessenheit bei geometrischen Untersuchungen sprechen
. . . und wir fügen nur zu, dafs die Übertragung unserer Betrachtang Ton
Punkten in der Ebene auf Ebenen im Räume, unter Zuziehung von fier
Die ünyenagt'schen Linienkoordinaten. 395
parallelen von den Eckpunkten eines Tetraeders aasgehenden Achsen, ohne
alle Schwierigkeit ist/^
Es ist hereits gesagt worden, dafs die Abhandlung, deren Inhalt hier
in ihren wesentlichen Teilen wiedergegeben wurde, aus dem Unterrichte
hervorgegangen ist, den Unverzagt an dem Realgymnasium zu Wiesbaden
erteilt hat. Es würde daher nahe liegen, noch einiges über diesen Unter-
richt, der sich in mehr als einer Hinsicht weit Über das gewöhnliche Ni-
veau erhob, zu berichten und daran Mitteilungen über das Leben und die
wissenschaftliche Thfttigkeit Unverzagtes anzuknüpfen. Ich kann mich aber
damit begnügen, auf den pietätvollen Nekrolog zu verweisen, den Herr
August Schmidt seinem ehemaligen Lehrer und späteren Kollegen gewidmet
hat. Er ist im 31. Bande der Ztschr. f. Math. u. Phys. veröffentlicht.
Hier sollen nur noch einige litterarhistorische Bemerkungen über die be-
sprochenen Koordinaten Platz finden.
Wie schon bemerkt, ist im Jahre 1874 auch Herr Schwering auf
das von Unverzagt drei Jahre vorher veröffentlichte Koordinatensystem
geführt worden. Seine im „Dritten Jahresberichte des Westfälischen Pro-
vinzial -Vereins fär Wissenschaft und Kunst pro 1874" veröffentlichte Note
ist betitelt: „Über ein neues Linienkoordinatensystem.*^ Es darf übrigens
noch gesagt werden, dafs Unverzagt schon längere Zeit vor dem Erscheinen
seiner Progranmiabhandlung die darin behandelten Parallelkoordinaten in
semem Unterrichte benutzt hat. Nachdem Herr Schwering sich mit diesen
Linienkoordinaten noch in dem im 21. Bande der Ztschr. f. Math. u. Phys.
veröffentlichten Aufsatze: „Über ein besonderes Linienkoordinatensystem"
sowie in einer Programmabhandlung des Briloner Gymnasiums beschäftigt
hatte, fa&te er seine Untersuchungen in dem Buche „Theorie und An-
wendung der Linienkoordinaten in der analytischen Geometrie der Ebene''
(Leipzig 1884) zusammen.^) Es liegt in der Natur der Sache, dafs seine
Wege und seine Resultate sich vielfach mit den UNVERZAGT'schen decken.
Nur geht sein Buch viel weiter und bietet eine in sich abgeschlossene ana-
lytische Greometrie, während es Unverzagt nur auf die Grundlagen ankam.
Andererseits erscheint indessen die von Schwering zu Gi*unde gelegte Vor-
aussetzung, dafs die Achsen senkrecht auf der Mittellinie stehen, an vielen
Stellen als eine unnötige, ja oft störende Beschränkung.
1) Siehe auch die von G. Köhler im 82. Bande der Ztschr. f. Math. n. Pbys.
veröffentlichte Abhandlung: ,,Zar Einftlhrang der Linienkoordinaten in die analy-
tische Geometrie der Ebene.'*
396 Ferdinand Bodio:
Im Jahre 1884 hat sodann Herr M. d'OoAONE dem in Bede stehenden
Koordinatensysteme einen in den Nout. Ann. de Math, erschienenen eben-
falls grandlegenden Aufsatz ,jätude de deux aysUmes simples de coord(mnee$
tangenHeUes dans le i^i^on'' gewidmet. Anschliefsend an die üntersnchttn^
von Lalanne hat er dann noch in demselben Jahre in dem An&atze ,J^
cede nouveau de calcul graphique^^ (Annales des ponts et chaossees, 1884}
dieses System znnftchst zur graphischen Lösung trinomischer Gleichungen
benutzt und später noch eine ganze Reihe Ton Anwendungen folgen lassen.
Die bereits erwähnte Abhandlung von Herrn Mkrhke und die yon dem-
selben Verfasser in der nämlichen Zeitschrift TcrOffentlichte Mitteilung „Über
einen Apparat zur Auflösung numerischer Gleichungen mit vier oder fünf
Gliedern'' giebt mannigfachen Aufschlufs über die Yerwertbarkeit der Panllpl-
koordinaten und enthält zugleich eine ausfEihrliche Zusammenstellung der
bereits ziemlich umfangreich gewordenen Litteratur.
Es wäre noch die Frage zu beantworten, ob nicht schon vor ümvebzagt
Parallelkoordinaten der geradeir Linie angewendet worden sind. Soweit ieh
die Litteratur zu übersehen yermag, könnten Arbeiten von Flücker, Möbius
und Chasles in Betracht gezogen werden. Über das Verhältnis seiner Ko-
ordinaten zu den PLÜCKEn'schen hat unverzagt selbst alles Erforderliche
gesagt Wohl aber kann man, wenn man durchaus will, Spuren seiner
Koordinaten in dem „Baiycentrischen Calcul" entdecken, insofern es ein
Leichtes ist, beispielsweise die Gleichung des Punktes in den ÜNYERZAOT^schen
Koordinaten barjcentrisch zu deuten. Li der That bilden derartige Über-
legungen auch den Ausgangspunkt der wiederholt genannten MEHMKF*9cben
Abhandlung „Beispiele graphischer Tafeln etc." Anders liegt die Sache
dagegen bei Chasles. Li seinem Buche „Le calcul smpUfi^' (Paris 1894)
macht Herr d'Ocagne auf Seite 110 die Bemerkung (auf die ich durch
Herrn MKTTincR aufmerksam wurde): „TotUefois, VidSe mime de ces coordon-
nies appartient ä Chasles, Correspondcmce de Qübtelet, i VL" Li diesem
Bande, Seite 81 , findet sich in der That ein an A. Quetelet gerichteter
Brief yom 10. Dezember 1829, in dem Chasles ein Koordinatensystem niit
folgenden Worten einführt:
„ Void m peu de mots, mon systime de coardatmies, Tai powr W ^
reprisenter chaque surface par tme iquatUm qui donne, tatus ses plans toMgeas,
de mime qu^ dans le sysUme usiti, ou represente cJiaque surface par ^
iquatian gut donne tous ses points,
Pour cela, par trois points fixes A, B, C, je mdne trois axes parälWes
enire eux. TJn plan qudconque rencontre ces axes en trois points doä ks
distances aux poMs A, B, C respecHvement, sont les coordomiies z, /, '
du plan.
Die UiiYerzagi*8cheii Linienkoordinatexi. 397
Une Sqmäon F (x, y, z) s= Q entre ces coardonnees downe Ueu ä uns
mfimti de plans, et r^^ente, par cons4quent, la surface envdoppe de tous
ces pUms.
Si cette iquatHon est du premier degri^ eile repr^ente un pomt,"
CHASiiES yerwendet sodann dieses Koordinatensystem zum Beweise
eines allgemeinen fiftchentheoretischen Satzes. In einer Nachscbrifb vom
25. Dez. desselben Jahres giebt er noch eine weitere Anwendung, indem er
ein fOr die Fl&chen zweiten Grades gtiltiges Theorem beweist, das sich als
eine Verallgemeinerung des bekannten Satzes yon der konstanten Summe
der Quadrate konjugierter Halbmesser darstellt.
Der Hinweis d'Ocaqne's auf Chasles ist durchaus berechtigt, denn
das von diesem benutzte Koordinatensystem - ist nichts anderes als die Über-
tragung des ÜNVERZAOT'schen auf den Baum. Immerhin handelt es sich hier
doch nur am eine ganz singulare Erscheinung. Die sysiemaHsche Einfahrung
nnd Bearbeitung des in Bede stehenden Koordinatensystemes, wie sie durch
Unterzagt, ScRWERma und schliefslich durch d'Ocagne selbst yollzogen
wurde, ist dadurch keineswegs überflüssig geworden. Unverzagt eigentüm-
lich bleibt überdies in jedem Falle das durch seine Einfachheit ausgezeichnete
trimekisdie System, mit dem er die analytische Oeometrie bereichert hat.
mvif
FRANZ ADOLPH TAURINUS.
Em BEITBAG
ZUR TOBGESCmCHTE DES inCHTEUELIDISCHEN GEOMETRIE
VON
FAUL STACKE L
IN KIEL.
Im Jahre 1895 habe ich anf die bis dahin übersehene Thatsache hin-
gewiesen, dafs Fbanz Adolph Taurinus (1794 — 1874) zuerst angeregt
durch seinen Onkel F. E. Schweikart, alsdann beeinfluTst dnrch Gauss
bemerkenswerte selbständige üntersuchnngen über die Onmdlagen der
Geometrie angestellt und insbesondere schon 1826, demnach früher als
LoBATSCHEFSKT Und J. BoLTAi, eine nichteuklidische Trigonometrie mit
Anwendungen auf geometrische Probleme durch den Druck yeröffentlicht
hat*). Auf Grund weiterer Kachforschungen beabsichtige ich hier meine
damaligen Mitteilungen in yerschiedenen Punkten zu vervoUstftndigen. Vor
allem darf ich mit Erlaubnis der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften
zu Gottingen drei in deren Besitz befindliche Briefe Ton Taurinus an Gauss
ans den Jahren 1824, 1825 und 1829 der Öffentlichkeit zugänglich machen,
Briefe, die zu dem bereits bekannten Schreiben Ton Gauss an Taurinus
(ans dem Jahre 1824)^) eine wichtige Ergänzung bilden.
1.
Tanrinos' Lebensgang.
Fran3b Adolph Taurinus wurde am 15. November 1794 zu König
im Odenwalde, dem damaligen Begierungssitze der SchOnbergischen Linie
der Grafen Erbach, geboren. Seine Eltern waren Julius Ephraim Taurinus,
gräflich Erbach -schönbergischer Hofrat, und Luise Julians Sohweikart.
Bereits im Jahre 1800 starb der kränkliche Vater, und die Mutter siedelte
nach Ingelfingen über, wo ihr Schwiegervater als Hofrat in Fürstlich
HoHENLOHsschen Diensten stand; er starb jedoch schon 1802. Im Jahre
1) Siehe den VI. Abschnitt des von mir in Gemeinschafb mit Fbibdbich Engbi.
heraiugegebenen Werkes: Die Theorie der Parallellinien von Euklitl bis
anf Gaufs, eine Urkundensammlong zur Vorgeschichte der nichteuklidischen
Geometrie, Leipzig 1895, das ich im Folgenden mit P. Tb. anfahren werde.
2) P. Th. 8. 249—260. Am Schlüsse des Bandes befindet sich ein Facsimile
dieses Briefes.
AUu rar OMoh. d. Mathem. IX. 26
402 Paul St&ckel:
1811 scHlofs sie eine zweite Ehe mit dem Juristen Föber in Stnttgaii
Fürer war zuerst Rechtsanwalt und Notar gewesen nnd dann in des
Württembergiscben Staatsdienst übergetreten. Aus dieser Ehe stammte der
1898 zu Dürrenberg bei Corbetha verstorbene Pastor Fdreb, dem ich die
folgenden Mitteilungen über Taurinub' Leben verdanke.
Nachdem Taurinus zuerst in IngelJBngen von dem dortigen Hofprediger
und dann in Reicheisheim, dem Geburtsorte seiner Mutter, von seinem
Onkel, dem Pfarrer August 8ohweikart, unterrichtet worden war, absol-
virte er die Prima des Gymnasiums zu Darmstadt und ging 1814 nach
Heidelberg, um sich der Jurisprudenz zuzuwenden. Im Jahre 1815 hat er
sich in Paris aufgehalten, wo sein Vater, der inzwischen in die prea£sisehe
Rheinprovinz übergesiedelt war und während des Krieges eine Stellang bei
der Armeepolizei bekleidet hatte, zeitweilig das IX. Arrondissement Ter-
waltete. Nach seiner Rückkehr bezog er 1816 die Universität Gieüsen ond
ging bald darauf nach Göttingen, wo „er sich in einer einsamen Garten-
wohnung in seine Speculationen vergrub"; unüberwindliche Scheu vor Cffent-
liebem Auftreten soll ihm sein ganzes Leben hindurch eigen gewesen sein.
Seit Ostern 1822 hat er ohne Amt und Beruf, sich mannigfachen wissen-
schaftlichen Beschäftigungen widmend, in dem Hause seines Schwagen.
des Justizrates Alexander Hasenclever in EOln, gewohnt, der eine der
glänzendsten Zierden der rheinischen Advocatenbank war, und nach dessen
1838 erfolgtem Tode ist er Hausgenosse seiner Schwester, der Witwe
Hasenclever's, geblieben.
Taurinus' hinterlassene Papiere zeigen, dafs er sich nicht nur be-
trächtliche Kenntnisse in der höheren Analjsis und in der mathematischen
Physik angeeignet, sondern daneben auch philosophische und linguistische
Studien getrieben hat. Veröffentlicht hat Taurinus nur zwei kleine Schriften,
die sich auf die Grundlagen der Geometrie beziehen (1825 und 1826)
Über ihre Entstehung und ihre Bedeutung für die Vorgeschichte der nicht-
euklidischen Geometrie soll in den beiden folgenden Abschnitten ausführlich
gehandelt werden. Hier sei nur bemerkt, daCs sie nicht die Anerkenniug
der Mathematiker von Fach fanden, auf die Taurinus gehofft hatte. &
hat zwar noch erlebt, dafs die Ideen, die er 1826 entwickelt hatte, sich
siegreich Bahn brachen, denn zu der Zeit, wo er sein Leben beschloüs, — er
ist am 13. Februar 1874 gestorben — begannen die UntersuchungeB von
Lobatschepskij und J. Bolyai, Biehann und Hblmholtz bereits Ver-
ständnis zu finden, allein es ist anzunehmen, dafs diese erfreuliche Wand-
lung ihm verborgen geblieben ist.
Franz Adolph Taurinus. 403
2.
Die Theorie der Parallellinien vom Jahre 1825.
AuTser dem bereits erwähnten Pfarrer Aügüst Sohweikart hatte
Taurinus' Matter noch einen 1780 in Erbach geborenen Brader Ferdinand
Karl Sohweikart. Dieser ist von 1812 ab in Charkow, von 1816 ab
in Marburg, von 1821 ab') in Königsberg Professor der Bechte gewesen
nnd dort 1859 gestorben^). Sohweikart, der sich, wie das gerade bei
Juristen früher nicht selten gewesen zu sein scheint, seit seiner Studien-
zeit für Mathematik interessirte, hatte 1807 eine von gründlichem Studium
der betreffenden Literatur zeugende Schrift: Die Theorie der Parallel -
linien nebst dem Vorschlage ihrer Verbannung aus der Geo-
metrie erscheinen lassen, in der er noch ganz auf dem Boden der Eu-
klidischen Elemente stehend das elfte Axiom durch das „Postulat von
Quadraten" ersetzt Sp&ter hat er Untersuchungen angestellt, die mit denen
von Sacoheri und Lambert auf eine Stufe zu stellen sind, und hat sich
schlie&lich zu der Conception einer widerspruchsfreien Greometrie durch-
gearbeitet, in der das elfte Axiom nicht gilt und die Summe der Winkel
des Dreiecks kleiner als zwei Bechte ist. Im Jahre 1819 legte er seine
bereits während seines Aufenthaltes in Charkow gewonnenen Ideen durch
Vennittelung seines Kollegen Gerling, eines Schülers von Gauss, diesem
vor. Gauss' Antwort begann mit den Worten:
„Die Notiz von Hr. Pr. Sohw. hat mir ungemein viel Vergnügen ge-
macht und ich bitte ihm darüber von mir recht viel Schönes zu sagen.
Es ist mir fast alles aus der Seele geschrieben"^).
3) P. Th. S. 243 heifst es 1820. Dass diese aus Justi's Hessischer Gelehrten-
Geschichte (Marburg 1831, S. 622) entnommene nnd auch in Pogoxndorff^s Hand-
wörterbnch (Leipzig 1863, Bd. II, Spalte 876) übergegangene Angabe unrichtig
ist, zeigt ein Brief von Olbxbs an Bbssbl vom 20. Mai 1821 (Briefwechsel zwischen
Olbbes und Bbssxl, herausgegeben von Ebmann. Bd. n. S. 196), in dem dieser
schreibt: ,Jch kann den Herrn Professor Schwsickhabd nicht abreisen lassen, ohne
ihm einige Zeilen mitzugeben. Ich hoffe, Sie werden in diesem neuen Kollegen
einen angenehmen Gesellschafter und vielleicht Freund erhalten."
4) WniTKB (Artikel „Fbbduiabd Ejlbx. Sghwsikabt**, Allgemeine Deutsche Bio-
graphie. Bd. 33, Leipzig 1891. S. 388) bat als Todesjahr 1867 bezeichnet. Diese
P. Tb. 8. 243 übernommene Angabe ist irrtümlich, Schwbikart ist vielmehr, wie
die Akten der Universitftt Königsberg zeigen, am 17. August 1869 gestorben;
dasselbe Datum findet sich auch in PooaxNDOBrF^s Handwörterbuch, Bd. H.
Spalte 876.
6) P. Th. S. 246. Es ist mir inzwischen gelungen, diese merkwürdige Notiz
v^on ScHwnKART aufzufinden, die ebenso wie der vollständige Brief von Oadss an
26*
404 Paul St&ckel:
Von seiner Entdecknog, „dafs unsere Geometrie nur eine relaÜTe
Wahrheit habe, und dafs es eine höhere, welche ich die Astralgeometrie
nenne, gebe", hat Schweikabt seinem Neffen Taubinus, yon dessen mathe-
matischer Begabung er eine hohe Meinung gehabt zu haben scheint, k
einem Briefe yom 1. October 1820 Mitteilung gemacht und ihn aufgefordert
er möge doch zu ihm kommen. Er wies ihn darauf hin, dais Gau&s auf
demselben Wege sei, und schlofs mit den Worten: „In kurzer Zeit woide
ich Dich in diese Ansicht einfahren kOnnen und Deinem Erfindungsbriehe
ein weites Feld eröflEnen"^.
Taurinus hat dieser Einladung nicht Folge geleistet. Er sagt in
seiner Theorie der Parallellinien (8. 91), dafs er sich mit der Astral-
geometrie seines Onkels nicht habe befreunden kOnnen^). Erst 1824, also
zu einer Zeit, wo er bereits in Köln bei seinem Schwager lebte, hat er
sich wieder geometrischen Studien zugewendet, yeranlafet durch den Um-
stand, dafs ihm „die 1807 in Jena erschienene Schrift desselben 8chweika£T
in die H&nde fie^^ Er erkannte den Grundfehler von dessen Demonstra-
tionen in dem Postulate von Quadraten und yersuchte auf anderem Wege
das elfte Axiom zu beweisen. Seinen Beweisversuch teilte er Schweikabt
mit, der ihm in einem Briefe vom 12. November 1824 dessen ünzallng-
lichkeit darlegte und abermals auf seine Astralgeometrie hinwies, die Gauss'
Zustimmung gefunden habe^).
Noch ehe diese Antwort eintraf, hatte TAmtmus, der inzwischen in
seinen Untersuchungen weiter gerückt war und denselben Weg eingeschlagen
hatte, auf dem Saccheri und Lambert ihm vorangegangen waren, sich an
Gauss selbst gewendet. Sein Brief lautete folgendermafsen :
„Euer Hochwohlgeboren
haben Sich durch die ausgezeichnetsten Verdienste um die Mathematik
einen so hohen Ruhm begründet, dass ich keinen Augenblick zweifelhaft
sein konnte, an wen ich mich mit einem Anliegen von höchstem Interesse
mit dem grössten Vertrauen zu wenden hätte.
Was so vieljährigen Bemühungen der besten Mathematiker nicht ge-
lungen ist, eine befriedigende Theorie der Parallellinien aufzustellen, ud^
so einem Mangel der Elementargeometrie abzuhelfen, den jeder Freund der
Gerlino vom 16. März 1819 in dem demnächst erscheiiienden VHI. Bande tob
Gaüsb* Werken abgedruckt werden wird.
6) P. Th. S. 249.
7) Vergleiche auch die Einleitung zn den Oeometriae prima eUmenta, S. V,
P. Th. S. 247.
8) P. Th. S. 246^246 sowie Gauss' Werke Bd. VQL
Franz Adolph Taurinas.
405
selben anangenehm empfiBden musste — das schwebt mir, wenn mich nicht
alles tauscht, als ein erreichbares, ja halb erreichtes Ziel yor.
Der innliegende Versuch wird Euer Hochwohlgeboren die Überzeugung
Terschaffen, ob meine Hoffnung begründet ist, und ich darf wohl um die
Gewogenheit bitten, sobald mein Versuch Ihren Beifall hat, mir Ihre An-
sicht hierüber baldmöglichst mitzutheilen.
Mit der grössten Hochachtung
Cöln am Rhein
den 30. October 1824.
Euer Hochwohlgeboren
ergebenster Diener
A. Taurinus
bei B. Anwalt Hasenclever.
Wenn ab, cd zwei gerade Linien sind, die von einer dritten ef unter
rechten Winkeln geschnitten werden, und es wird yon der ab auf die cd
ein Leih ik gefWt, so bleibt es zweifelhaft, was sich bei t für ein Winkel
gik bilde, ob ein stumpfer, ein rechter oder ein spitzer Winkel?
Es werde yorerst angenommen, Winkel giksej>2B^ so lässt sich
folgendes beweisen:
1.) alle yon ah auf cd gefällten Lothe werden desto kleiner,
je weiter sie yon ef abstehen.
2.) Dabei werden die Winkel gik, glm . . . immer stumpfer.
3.) Zuletzt müssen sich ab und cd gehörig yerlftngert,
schneiden.
Beweis.
1.) Es sey hk = gh=^ kfn=^ mo, und Winkel gik stumpf, so ist ik<Cgh.
Denn es sej eben so gross, so w&ren bei i rechte Winkel, wider die
Voraussetzung.
Oder es sey ik grösser,
dass also z. B. pk = gh.
Ziehe gp, so ist Winkel
g^h = pgh: &her pgh < JB,
um 80 mehr gip < 12,
wider die Annahme.
Femer ist Im < ik.
Denn es sey eben so gross,
so ist Winkel lik-^Wm-
kel Um. FftUe das Loth iq, welches, da Um = lik ein spit^^ \\^l^i\^)
ist, zwischen l und m fallen muss: alsdann wäre (/fN^yA>ik • im^
was xuunöglich ist
ff
•
1
•
l 1^
^ Ä
P
^
r
hr
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J
79
t i
iL
Pig. 1.
406
Paul Stäckel:
Oder es sej Im > ik, z. B. rm =» ik. Ziehe ir, gr. Es Issst sieh
beweisen, dass grm > grh, weil gh > rm. Es ist rik = irfn>grm
> rgh: ferner ril > rp2, folglich kil > ^^2 > 12, wider die Voransaeizong,
dass gik > R.
Ein ähnlicher Beweis lässt sich fCbr alle Lothe fahren, nicht nm
wenn hk =^ gh = km . . ., sondern ganz allgemein für alle Lothe: sie wer-
den desto kleiner, je mehr sie sich von ef entfernen.
2.) Nun sej also lm<,ik, Fälle die Lothe la, iß, so ist iß<la:
denn wenn dieses Verh<niss bei den Linien ab, cd, die yon der (f
a
Sf
i ^
r
u
r
h
l
fc ^
V
— d
Pig. a.
rechtwinklicht geschnitten werden, stattfindet, so muss das nemliche aneb
von den Linien ki, ml gelten, die bei k und m auf der cd rechtwinklicht
stehen, zumal wenn km =» gh: denn ausserdem wäre keine Geometrie mög-
lich. Ist aber iß < la, so ist auch ilß < lia, und da ilß =» mlfi, so
folgt daraus, dafs die Winkel lik, nlm u. s. w. desto kleiner werden, je
weiter die Lothe von ef sich entfernen.
3.) Sehr leicht folgt daraus, daiüs, wenn die Lothe la, ny u. s. w. ge-
fällt werden, ly > ia u. s. w., dagegen ka > Im, ym > no (da ny>?ß
u. s. w.) — woraus sich denn auch mit Nothwendigkeit auf ein Schneiden
der Linien ah, cd schliefsen lässt, sobald sie nur gehörig verlängert wer-
den, es mag auch ia anfangs noch so unendlich klein sein.
Es lässt sich dagegen auf mehr als eine Art der Beweis fahren, dass
zwei Linien, die auf einer dritten senkrecht stehen, sich unmöglich schnei-
den können. Daher ist es denn auch eine unrichtige Voraussetzung, dass
wenn zwei Linien von einer dritten unter rechten Winkeln geschhito
werden, und von der einen auf die andre ein Loth gefällt wird, dieses
nach der schneidenden Linie zu einen stumpfen Winkel bilde.
Hieraus ergiebt sich der Satz, dals die Winkel eines Dreiecks n-
Fra^z Adolph Taurinus. 407
sammen nie mehr als 2 Rechte ausmachen können. Denn dieCs sej der
Fall in ABC: ßllle AD. Es seyen auch in ADC mehr als 2 22: con-
stmire das ähnliche Dreieck ACE, dafs
AE = DG: es ist also EAD = BGE, > i2. ^[^ ->-■__ f
Errichte das Loth AF und CF, so wäre
AFO H, welches nach dem obigen un-
Nun lässt sich, wie ich glaube, auch der Beweis führen, dass die
Winkel eines Dreiecks nicht kleiner sein können, als 2 E, sondern = 2 R:
daraus ergiebt sich dann weiter, dafs wenn 2 Linien mit einer dritten sie
schneidenden nach einer Seite hin weniger als 2 R machen, sie sich noth-
wendig schneiden müssen."
Um auf diese Auseinandersetzungen genauer «einzugehen, scheint es
zweckmäDsig, zunächst Gauss' Antwort mitzuteilen, die ich bereits 1895
(P. Th. S. 249—250) yeröffentücht habe. Gauss schreibt am 8. November
1824:
Ewr. Wohlgeboren
gefälliges Schreiben yom 30 Oct. nebst dem beigefügten kleinen Aufsatz
habe ich nicht ohne Vergnügen gelesen, um so mehr, da ich sonst ge-
wohnt bin, bei der Mehrzahl der Personen, die neue Versuche über die
sogenannte Theorie der ParaUellinien [machen,] gar keine Spur von wah-
rem geometrischen Geiste anzutreffen.
Gegen Düren Versuch habe ich nichts (oder nicht viel) anderes zu er-
innern als dass er unvollständig ist Zwar lässt Dire Darstellung des Be-
weises, dass die Summe der drei Winkel eines ebnen Dreiecks nicht gröüser
als 180^ sejn kann in Bücksicht auf geometrische Schärfe noch zu desi-
deriren übrig. AUein dies würde sich ergänzen lassen, und es leidet keinen
Zweifel dafs jene Unmöglichkeit sich auf das allerstrengste beweisen läfst.
Ganz anders verhält es sich aber mit dem 2°. Theil, dafs die Summe der
Winkel nicht kleiner als 180^ seyn kann; dies ist der eigentliche Knoten,
die Klippe woran alles scheitert. Ich vermuthe, dass Sie sich noch nicht
lange mit dem Gegenstande beschäftigt haben. Bei mir ist es über 30 Jahr,
^d ich glaube nicht, dafs jemand sich eben mit diesem 2°. Theil mehr
beschäftigt haben könne als ich, obgleich ich niemals etwas darüber be-
kannt gemacht habe. Die Annahme, dafs die Summe der 3 Winkel kleiner
^i als 180^, führt auf eine eigne von der unsrigen (Euclidischen) ganz
verschiedene Geometrie, die in sich selbst durchaus consequent ist, und
die ich für mich selbst ganz befriedigend ausgebildet habe, so dass ich jede
^
408 Paul Stftokel:
Aufgabe in derselben auflösen kann mit Ausnahme der Besümmung ebnf ^e» 1
Constante, die sich a priori nicht ausmitteln lässt Je grOüser man diese
Constante annimmt, desto mehr nähert man sich der Euclidischen Geo. t ^
metrie und ein unendlich grosser Werth macht beide zusammenfallen, ßj^ Ij^
Sätze jener Geometrie scheinen zum Theil paradox, und dem üngeflbten i'^ ^
ungereimt; bei genauerer ruhiger Überlegung findet man aber, dafli sie m
sich durchaus nichts unmögliches enthalten. So z. B. können die diei
Winkel eines Dreiecks so klein werden als man nur wiU, wenn man nur
die Seiten grofs genug nehmen darf, dennoch kann der Flächeninhalt einw
Dreiecks, wie grofs auch die Seiten genommen werden, nie eine bestimmiB
Grenze überschreiten, ja sie nicht einmahl erreichen. Alle meine Be-
mühungen einen Widerspruch, eine Inconsequenz in dieser Nicht-EudidiadLon
Geometrie zu finden sind fruchtlos gewesen, und das Einzige was unserm
Verstände darin widersteht, ist dafs es, wäre sie wahr, im Baume eine ^n
sich bestimmte (wiewohl uns unbekannte) Lineargrösse geben müa^te.
Aber mir deucht, wir wissen, trotz der Nichts Sagenden Wort-Weisheit ^er
Metaphjsiker eigentlich zu wenig oder gar nichts über das wahre Woaao
des Baumes, als dafs wir etwas uns unnatürlich vorkommendes mit ^l^.
solut Unmöglich verwechseln dürfen. Wäre die Nicht-Euclidische Qeo>
metrie die wahre, und jene Constante in einigem Verhältnisse zu solchen.
Grössen die im Bereich unsrer Messungen auf der Erde oder am ^'TimcrA
liegen, so Hesse sie sich a posteriori ausmitteln. Ich habe daher woXz^
zuweilen im Scherz den Wunsch geäufsert, dafs die Euclidische Geomek^B'^
nicht die Wahre wäre, weil wir dann ein absolutes Maass a priori habo^^^^
würden.
Von einem Manne, der sich mir als einen denkenden Mathematische ^lj^^^
Kopf gezeigt hat, fürchte ich nicht, dafs er das Vorstehende miiverstehe:^^^
werde: auf jeden Fall aber haben Sie es nur als eine Pri vat-Mittheilun^'^*" °fi
anzusehen, von der auf keine Weise ein öffentlicher oder zur öffentlidk^^^^'
keit führenkönnender Gebrauch zu machen ist. Vielleicht werde ich, wi
ich einmahl mehr Müsse gewinne, als in meinen gegenwärtigen V
nissen, selbst in Zukunft meine Untersuchungen bekannt machen.
Mit Hochachtung verharre ich
Ewr. Wohlgeboren
Göttingen den 8 November ergebenster Diener
1824. C. F. Gauss.
Aus diesen Briefen ergiebt sich zunächst, dafs Taurinus im Octoiex-
1824 noch durchaus der Überzeugung war, das elfte Axiom könne and
müsse bewiesen, d. h. aus den übrigen Voraussetzungen der EuklidischeKi
Fianx Adolph TaurmuB. 409
Elemente hergeleitet werden, dais er die wesentliche Identität des elften
Axioms mit dem Satze, dals die Summe der Dreieckswinkel 2 Rechte be-
trage, erkannt und den Beweis für diesen Satz auf apagogischem Wege
dnichzofohien yersadbt hatte, dafs er von den beiden Möglichkeiten, die
alsdann zu betrachten sind, nur die eine, bei der die Winkelsumme gröfser
als 2 Rechte Yorausgesetzt wird, genauer untersucht hatte und dals es ihm
gelungen war ihre Unvereinbarkeit mit den Voraussetzungen des Euklidi-
schen Systems zu zeigen, dafs er jedoch auf diesem Wege bei weitem
nicht so tief wie Saocheri und Lambert vorgedrungen war, welche schon
1733 und 1766 die „Hypothese des stumpfen Winkels*' eingehend unter-
sucht hatten, von deren Untersuchungen jedoch Taubinus damals noch keine
Kenntnis besals.
Demgegenüber hatte sich Oauss zu derselben Zeit nicht nur nach
langen E&mpfen, bei denen die Frage, ob man die Existenz einer an sich
bestimmten LineaigrOfse annehmen dürfe, eine wesentliche Bolle gespielt
hat^) zu der Überzeugung von der logischen Unanfechtbarkeit einer „nicht-
euklidischen'^ Geometrie durchgerungen, in der die Summe der Winkel
des Dreiecks kleiner als 2 Rechte ist, sondern auch diese neue Geometrie
„für sich selbst ganz befriedigend ausgebildet''^^). Die Worte: „Ich habe
daher wohl zuweilen im Scherz den Wunsch geäufsert, dafs die Euklidische
Geometrie nicht die Wahre wäre, weil wir dann ein absolutes Maus a priori
hätten", die sich übrigens dem Sinne nach genau mit einer ÄuDserung
Lambert^s decken ^^), stehen damit nicht in Widerspruch; der „Scherz" be-
zieht sich augenscheinlich nicht auf die nichteuklidische Geometrie, sondern
allein auf die praktischen Folgen, die die Existenz eines absoluten Mafses
haben würde.
Endlich wird durch die beiden Briefe die für die Vorgeschichte der
nichteuklidischen Geometrie bedeutungsvolle Thatsache festgestellt, dals Gauss
und Taübikus erst im Jahre 1824 in Beziehungen zu einander getreten
sind, und da Gauss keine weiteren Briefe an Taubinus geschrieben hat,
wird zugleich der Einflufs, den jener auf diesen gehabt haben kann, genau
festgelegt Damit ist, worauf noch zurückzukommen sein wird, für Taübikus
die selbständige Entdeckung der nichteuklidischen Trigonometrie
gesichert, die freilich Gauss spätestens seit 1819 besessen haben mufs.
9) Weitere Aufschlüsse hierüber wird Bd.yiII der GAüss'schen Werke geben.
10) Eine ähnliche Äufserung findet sich auch in dem Briefe an Gkblino vom
16. Man 1819. P. Th. S. 246. Siehe auch die Abhandlung von Friedrich Emobl
und mir: Gauss, die beiden Bolyai und die nichteuklidische Geometrie,
Mathematische Annalen, Bd. 49. S. 160—161, 1897.
U) Lambsst^s Parallelentheorie § 80, P. Th. S. 200.
410 Paul St&ckel:
Nimmt man die weitere Thatsache hinzn, dafs Schwbikabt anabhängig ton
Gauss die Idee der „Astralgeometrie'' concipirt hat — nach einer Aa&emfig
GERLmos bereits w&hrend seines Aafenthaltes in Charkow 1812 — 1816",
— , so ergiebt sich, dals die Ansicht, alle Untersuchungen über nidit-
euklidische Geometrie gingen auf Anregungen yon Gauss zurück, nicht mehr
haltbar ist. Damit aber rerliert die Frage, ob die Untersuchungen tod
LoBATSCHEFSKU uud JoHANN BoLTAi direkt oder indirekt durch Gauss rer-
anla&t sind^'), ihre principielle Wichtigkeit; womit nicht geleugnet werden
soll, dals es sich hierbei um ein Yom Standpunkte des Mathematikeis wk
des Historikers und Psychologen recht interessantes Problem handelt.
Doch kehren wir zu Taukinus zurück, für den die freundlidie Antwort^
die ihm ein Mann wie Gauss zukommen liefs, gewifs ein Ansporn gewesen
ist, seine Untersuchungen über die Grundlagen der Geometrie mit emeutea
Eifer fortzufahren. So entstand seine erste Schrift, die Theorie der
Parallellinien, deren Druck im März 1825 yoUendet wurde. Ehe
Taurikus sein Erstlingswerk dem Buchhandel übergab, samdte er es an
Gauss und schrieb ihm bei dieser Gelegenheit folgenden Brief:
Euer Hochwohlgeboren
weifs ich meinen Dank f&r die höchst gütige und interessante Beantwortung
der Anfrage, die ich vor ungefähr vier Monaten an Hochdieselbe zu richten
so frei war, nicht besser erkennen zu geben, als durch Übersendong bei-
folgender kleiner Schrift, bevor sie noch ins Publicum kommt. Ich würde
mich zur Herausgabe derselben schwerlich entschlossen haben, wenn mir
gleich anfangs bekannt gewesen wäre, dafs Leoendre den Beweis, dem ich
als einer ganz neuen Entdeckung einen bedeutenden Wert beizulegen ge-
neigt war — dafs nemlich die Summe der drei Winkel eines ebenen Drei-
ecks zwei Rechte nicht übersteigen könne — bereits vollkommen befnedigend
gefahrt hat, worauf mich erst Hr. Prof. v. Münchow in Bonn aufmericsam
gemacht hat. Hierdurch verschwindet also das vorzüglichste Interesse,
das die Schrift aufserdem für den Mathematiker hätte haben können: in-
dessen enthält sie dennoch vielleicht eine oder die andere neue Ansicht
Die neue Geometrie, auf welche Ew. Hochwohlgeboren wegen des, zn
einer gründlichen Theorie der Parallelen noch fehlenden Beweises mich Ter-
weisen, ist mir seit vier Jahren nichts unbekanntes und mir zuerst von
meinem Oncle, Professor Schweikart, damals in Marburg, mitgetheilt worden:
12) Yergl. meine Bemerkung in Erobl^b Bach: Nikolalj Iwanowitsch Lout-
8CHEFBKU, zwci geometriBche Abhandlungen. Teil IL. Leipzig 1899, S. 428.
13) P. Th. S. 242—243 und Enobl, a. a. 0., a 378--382.
Franz Adolph Taurinus. 411
ich vermochte aber ans bloJGsen Andeutongen nicht, die Idee davon aufzu-
fassen, bis ich vor vier Monaten eben jenen Beweis, den ich Euer Hoch-
wohlgeboren mitzutheilen die Ehre hatte, auffand und so von selbst auf den
Versuch geleitet wurde, ein geometrisches System, in welchem die Summe
der Dreieckswinkel kleiner, als zwei Rechte wäre, zu entwickeln. Da ich
hierbei auf unerwartete Schwierigkeiten stiefs, so gab ich den Versuch bald
auf und habe mich seitdem nicht mehr damit beschäftigt Ich konnte um
so eher darauf verzichten, als mein genannter Oncle mir bemerkt hatte, dafs
Euer Hochwohlgeboren dieselbe Idee lange schon und weit verfolgt hätten.
Indessen hat sich bei mir gleich anfangs die Ansicht gebildet, die ich in
der beiliegenden Schrift auszusprechen gewagt habe.
Höchst schätzbar und schmeichelhaft wäre es mir, wenn Euer Hoch-
wohlgeboren die kleine Schrift einer Durchsicht und Criük würdig fllnden
und die Gewogenheit haben wollten, mir Ihre Einwendungen dagegen oder
das ganze Resultat Ihrer Beurtheilung mitzutheilen. Die Schrift wird auf
keinen Fall vor vierzehn Tagen irgend jemanden bekannt werden und ich bin
bereit sie sogleich ganz zu unterdrücken, wenn es Euer Hochwohlgeboren
im mindesten unangenehm wäre, daSa der gedachte Gregenstand zur Sprache
käme.
Mit der Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung
verharre ich
Euer Hochwohlgeboren
ergebenster Diener
F. A. Taurinus.
C5ln a. Rh., den 20. März 1825.
Aus dem später mitzuteilenden Briefe Taurinus' an Gauss vom
29. Dezember 1829 geht hervor, dais Gauss das Schreiben vom 20. März
1825 nicht beantwortet hat. Wenig ermutigend war auch die Antwort,
die W. A. DiESTERWEO (1782 — 1835), damals Professor der Mathematik
an der Universität Bonn, ihm auf die Zusendung der Theorie derPa-<
rallelen am 15. September 1825 zugehen liefs. Es heifst darin:
„Ich halte es fEbr eine äufserst bedenkliche Sache, einen Theil seines
Lebens der Aufstellung einer neuen Parallelentheorie zu widmen. Was
EuKLiDES nicht konnte, und alle grolsen Mathematiker nach ihm nicht
konnten, ist gewifs eine sehr schwer zu leistende Sache. Und ohne einen
neuen Grundsatz an die Stelle des elften Euklidischen zu setzen, dürfte es
wohl unausführbar sein"^*).
14) Mitteiloog von Pastor FtJsBB, vergl. S. 402 dieser Abhandlang.
- ^
•♦•
Pmal 8Uckel:
^^ a» TTitt-i-r.« 4^ Parallel linien eine ziemlich seltene Sdoift
Übersicht ihres Inhalt« sq geben; k
en Geometrie wichtigsn Stellen luk
akgedmckt^*). In der Vorrede (8. 3-14) W
Innptsftchlichsten Ansichten, Yonchl&ge jd
e Axiom anznf&hren nnd die Gröndt
Mit ■ Midigen Mifslingens darzulegen^ und ^\M
m Summe der Winkel im Dreiecke ausgeben nod
Widersprach aufiEudecken, der sich ans einer viU
ergeben werde^. Er f&hrt fori:
Yersach ma&t sich nicht an, zar Wahiheii, die n
Bnaühnngen und Forschungen irachtlos waren, end*
la sein und dem ürtheil der Mathematiker yonagreifeL
bleiben, dais über den 51ten Lehrsatz") — nnd
zu seiner Empfehlung gereichen könnte — Hen
beifUlig ausgesprochen hat. Das bei dem Be-
Yerfahren ist so eigenthftmlich, dals der Satz in
erstenmal erscheint.^
-: „j^ >^ 15 — 72) „Die ersten Elemente der Geomet^ie^
• w . -«^ IteMT heginnen sie mit 52 Erkl&rungen und 2 Fordenngen
s ^ .jfic vv«adeB durch zwei gegebene Punkte, eines Kreises mi
a 1 .'^»a^iiiBkt «ed Halbmesser). Dazu konunen, den Koivai Ivvoub
-> m. -Turiclwii, 10 „allgemeine mathemaüsche Grundsätze^, nnd
Tax^msts, worauf er grolses Gewicht legt, den „Be-
M- GMoetrie**, nach dem zwischen zwei Punkten nur
<?.
^ .; 3 TO LfhisStzen und Aufgaben ein System der Element«
^X ^ manchen originellen Gedanken aufweist. Hier
dbüs in Lehrsatz 51 die Hjrpothese des stampfen
-a Amt Art, wie das in dem Briefe an Gauss toid
sfx ^»w^a^tt ^w» abgewiesen wird. W&hrend der Beweis
■^^ ,g^ •'j^ ttur auf den Königlichen Bibliotheken zu Berlii
^^^^ ^^ iiM ruTertit&tebibliotheken eu Bonn und Jen(
"' ^^^ 4^^* der Bibliothek der technischen Hochschale tk
/^^'.vlUaien S. 66: „Wenn zwei Linien ron ein«
^.jjl^ ^«echaitten werden und ein Loth Ton der erste
"^ "** ^ »*KÄ* «fci^ dw ersten nach der Seite der dritten hJ
^ IT^ata aUe dieee Linien keine geraden Linien sein-
Franz Adolph Tanrinas. 413
ftkr Lehrsatz 51, bei dem mit Nachdrack die Yoraassetznng hervorgehoben
wird, dafs „es verstattet ist die gerade Linie ins unendliche verlängert
vorzustellen'^ als gelungen bezeichnet werden kann, ist der Beweis für
den folgenden Lehrsatz 52: „unter den beiden übrigen geometrischen
Systemen ist das Parallelsjstem , in welchem ein Viereck vier Bechte
enthalten kann, allein geradlinig'^ durchaus unzulänglich. Taurinus scheint
das selbst gefühlt zu haben, da er in den den „Elementen'' angehängten
Erläuterungen (8. 73 — 88) gegen die Hypothese des spitzen Winkels acht
weitere Gründe anfühlt (S. 86—87, P. Th. S. 258—259). Bemerkenswert
ist, dals er dabei, wohl durch Oaüss' Brief beeinfluDst, die „innere Conse-
quenz des dritten Systems" ausdrücklich anerkennt, und zum Schlufs (S. 88)
als seine Überzeugung ausspricht, „dais es ein solches System allerdings
gebe; dafs wir aber zweifeln, ob es eine geradlinige oder eine ebene
Geometrie sein werde".
Den Schlufs des Werkchens bildet eine Nachschrift (S. 88 — 93, vergl.
auch F. Th. S. 259 — 261), in der sich Taurinus über Legendre's Unter-
suchungen äuisert, die ihm erst während des Druckes durch die Vermittelung
von Professor v. Münchow in Bonn (1778 — 1836) bekannt geworden waren.
Später, jedenfalls erst nach dem 20. März 1825, hat Taurinus seiner
Schrift einen Nachtrag hinzugefügt (8. 95—102, P. Th. S. 261—266),
der für die Vorgeschichte der nichteuklidischen Geometrie von besonderer
Wichtigkeit ist. Augenscheinlich hatten ihn die Gründe, die er gegen das
dritte System ins Feld geführt hatte und die in Wahrheit, um mit Laiibert
zu reden, nur „argumenta ab amore et invidia ducta" waren ^^), auf die
Dauer nicht befriedigt, und so war er dazu geführt worden, dieses System
weiter zu entwickeln, in der Ho&ung, dadurch einen strengen Beweis für
seinen Lehrsatz 52 zu gewinnen. Auf diese Weise ist er, wie vor ihm
Sagcheri, zu dem Begriffe der Grenzgeraden und zu dem Beweise der
Eiistenz eines gemeinsamen Lotes sich nicht schneidender Geraden gelangt ^^)
und hat, wie vor ihm Lambert, nachgewiesen, dafs dem dritten System eine
„Besiimmungsgröfse^' („Parameter, Axe, Potenz^^) eigen ist, die man will-
kürlich annehmen kann^). Indem er auf diese unvermeidliche Folge der
Annahme einer von zwei Rechten verschiedenen Winkelsnmme des Dreiecks
hinwies, glaubte Taurinus dem Euklidischen Systeme die Alleinherrschaft
gesichert zu haben, denn „es läfst sich*^ meinte er, „gar kein Grund ein-
18) Theorie der Parallellinien § 81, P. Th. S. 201.
19) Eudidea ab omni naevo vindieatus. 8. 48—45 und 68—70, P. Tb. S. 87-<89
ond 107—109.
20) Theorie der Parallellinien § 79 und 80, P. Tb. 8. 199—201.
414 Paul Stäckel:
sehen, dem einen System vor allen andern eine ausschliefsliche Gültigkeit
beizulegen, man mufs vielmehr die gleichzeitige Möglichkeit aller STSteoe f'-''
annehmen und es wären also, wenn man sie als geradlinig betrachten t^*^
wollte, zwischen zwei Punkten unendlich viele gerade Linien denkbar'^
^^
^
3.
Die Geometriae prima elementa vom Jabre 1826.
Dafs der Theorie der Parallellinien die Anerkennung der Mathe-
matiker von Fach nicht zu Teil wurde, hat Taurinus nicht entmutigt, war
er doch selbst mit seiner Erstlingsschrift nicht zufrieden, „an der ihm yielee
nicht gefieP'^^). Dazu kam, dafs er gerade zu dieser Zeit Camebkr's ?or-
tre£fliche Ausgabe der Euklidischen Elemente (Bd. I. Berlin 1824) kennen
lernte und aus dem Excursus ad El, I. 29 (S. 402 — 442), einer noch heute
wertvollen Geschichte der Versuche das elfte Axiom zu beweisen, etsah^
dafs die Beweismethode, auf die er in seiner Theorie der Parallelen hin—
gewiesen hatte, bereits von Saccheri und Lambert, die wir im Yorhev-
gehenden wiederholt erwähnt haben, angewandt worden war"). Der Vi^wr- •
sprüngliche Zweck der Elementa war daher eine neue, verbea^*
serte Darstellung des Systems der Geometrie zu geben, d^i^ft
Taurinus in der Theorie der Parallellinien entwickelt hatte. W le
bei diesen die Nachschrift und der Nachtrag, so ist bei jenen, die na i ch
dem Datum der Vorrede zu urteilen, bereits Ende 1825 druckfertig gemac:^^it
Worden waren, nach Vollendung des Druckes ein Additamentum ^'^^ ■"-
gekommen, in dem Taurinus die Ergebnisse seiner inzwischen angestelltz^Aen
Untersuchungen niedergelegt hat, Untersuchungen, die ihn zur Entdecku^^wig
der nichteuklidischen Trigonometrie geführt hatten.
21) Geometriae prima elementa S. VI. P. Th. S. 248.
22) Geometriae prima elementa S. V. P. Th. S. 248. Dafs Camereb'b Ezcur ^ns
in dem von Enoel und mir herausgegebenen Werke: Die Theorie der Paral^ ei-
linien Ton Euklid bis auf Gauss nur gelegentlich erw&hnt (S. 248 und ^ l^\
aber nicht gebührend gewürdigt worden ist, lie^ daran, daüa ich ihn erst wfthK-^nd
des Druckes kennen lernte. Vor allem hätte daselbst in der Einleitung S. IE ly
herTorgehoben werden müssen, dafs schon Camereb mit groPsem Nachdruck and
tiefem Verständnis auf die Untersuchungen von Saccheri und Lambert Itin.
gewiesen hat und dafs daher Bkltrami für jenen, Stäckel für diesen nur als
Nachentdecker gelten können.
Cavkrer's Excwsus enthält auch noch eine Reihe weiterer för die V^or-
geschichte der nichteuklidischen Geometrie wichtiger Literatnrangaben, anf clie
ich bei andrer Gelegenheit eingehen xu können hoffe.
Franz Adolph Taurinus. 415
Auf die Einleitung (S. in — VI) folgen entsprechend den ersten
Elementen der Geometrie die Geometriaeprima elementa; sie enthalten
nach einander 32 Definitiones, 2 Postulata, 6 Axiomata und 26 Propositiones;
die 26** ist Eoklids elftes Axiom. Den Schwerpunkt bildet die Propositio
XXIY: ^Omnis triangnli rectilinei tres anguli duobus rectis aequales sunt."
Der Beweis wird apagogisch geführt. Bei dem Fall, dafs die Summe der
Dreieckswinkel gröfser als 2 Rechte vorausgesetzt wird, benutzt Taukinus
Leoendrb's Methode der Aneinanderreihung congruenter Dreiecke^'). Bei
dem Fall, da& diese Summe kleiner als 2 Rechte vorausgesetzt wird, zeigt
er zuerst, dalls diese Voraussetzung, falls sie bei einem einzigen Dreieck
wirklich erföllt ist, f&r jedes Dreieck gilt, beweist darauf die Existenz der
LoBATSGHEFSKu'schen Orenzgeraden und leitet endlich die Existenz des ab-
soluten Maises her, dessen Willkürlichkeit bedingt, dafs es unendlich viele
geometrische Systeme giebt, in denen die ßumme der Winkel des Dreiecks
kleiaer als zwei Rechte ist. Aus dieser „Vielheit der möglichen Systeme"
folgert er endlich, wie in dem Nachtrage zu der Theorie der Parallel-
linien, die ünzul&ssigkeit der Annahme eines solchen geometrischen
Systemes.
Es folgen (S. 43 — 64) Observationes, von denen diejenigen zur
Propositio XXIV (S. 53 — 64) am wichtigsten sind**). Taurinus betont
hier abermals, dafis die „neue Geometrie^' in sich widerspruchslos sei, giebt
die bei ihr geltende Formel für den Flächeninhalt eines Dreiecks und macht
schliefslich den Versuch eine die „gesamte Geometrie*', also alle drei Hypo-
thesen über die Winkelsumme, umfassende Trigonometrie herzuleiten.
Sind nämlich er, /3, y die durch eine constante Linie 2nR dividirten Seiten
a, 5, c eines Dreiecks, und ist Ä der der Seite a gegenüberliegende Winkel,
so setzt er die Formel an:
A =
(C08 cc — cos 6 ' coB y\
-. — -^ — ~ =^1
Bin p • sm y /
yS(S^a){8-b){S-c) ^Y'
C(2S+ C)
in der 8 die halbe Sunmie der Seiten und C eine willkürliche Constante
bedeutet, und leitet daraus (S. 58 — 64) eine Reihe von Sätzen ab, die in
der „neuen Geometrie*' gelten sollen. Wenn auch ein grofser Teil dieser
S&tze richtig ist, so mufs doch dieser Versuch einer nichteuklidischen Trigono-
metrie als durchaus mifsglückt bezeichnet werden.
23) Lbobvdbb, J^Himens de OeomÜrie, zweite Ausgabe, Paris 1799, Pro-
pontioii XIX.
24) Vergl. P. Th. S. 269—270.
416 Paal St&ckel:
Taubinus Uhrt jetzt fort: ^Dies war bereits gedrackt, und es blieb
mir nur noch übrig, meine Ansicht über das wahre Wesen dieser GeiHiietrie
vorzubringen, da gelangte ich endlich zu der Oewüsheit, dals steh diese
meine Ansicht wirklich beweisen lälst. Von An&ng an hatte ich nSmlicb
die Vermntong gehegt, dafs eine solche Qeometrie gewissermaisen die Um-
kehmng der sphärischen sei, dafs sie Logarithmen mit sich bringe und sid
ans der allgemeinen Formel der sphärischen Geometrie herleiten lasse, nnd
ich würde mich darüber wnndem, dafs ich eine Sache, die so klar ist nod
die för jedermann anf der Hand liegt, nicht früher dordischaat habe aod
so grofse Weitläufigkeiten nötig hatte, wenn ich mich nicht erinnerte, d&Is
gerade Dinge, die ganz selbstverständlich erscheinen, oft sogar bedeutendefi
Männern lange verbolzen geblieben sind. Die Formel
. /C08 ai — cos 8% • cos y t\ . . — .
^ :== arc cos ( r—^. — k — -. — —] {i^y-i)
\ sinpt ' Bin y» /
wird eine Geometrie bestimmen, bei der alle Dreiecke weniger als zwei
Rechte enthalten, wenn nämlich für den imaginären Cosinus oder bess€r
für den Cosinus des imaginären Bogens irgend eine Zahl gesetzt wird, die
gröfser als die Einheit ist. Dabei müssen jedoch von den Zahlen er, ß^ ;
je zwei zusammen gröfser als die dritte sein: ich denke mir nämlich, d&fs
diese Zahlen die durch eine gewisse constante Linie R geteilten Seiten
eines Dreiecks sind [während Ä den der Seite a gegenüberliegenden Winkel
bedeutet]."
Diese Zeilen zeigen, dafs Taurinus am Anfange des Jahres 1836
durch eine geniale Intuition zu der fundamentalen Entdeckung
gelangt war, dafs die Formeln der nichteuklidischen TrigODO-
metrie aus denen der sphärischen Trigonometrie hervorgeben,
wenn man den Radius der Kugel imaginär setzt. Ich habe bei
einer andern Gelegenheit darauf hingewiesen^), dais Lambert diesem Ge-
danken schon sehr nahe gewesen war, indem er folgende Bemerkung
machte**):
„Hierbey scheint mir merkwürdig zu sejn, dals die zwote HypoÜi^
statt hat, wenn man statt ebener Triangel sphärische nimmt, weil bei diesen
sowohl die Summe der Winkel gröfser als 180 Gr. als auch der Übendraf»
dem Flächenraume des Triangels proportional ist. Noch merkwürdiger
scheint es, dafs, was ich hier von den sphärischen Triangeln sage, sich obo^
Bücksicht auf die Schwierigkeit der Parallellinien erweisen lasse, und keinen
andern Grundsatz voraussetzt, als dafs jede durch den Mittelpunkt der
26) P. Th. S. 262.
26) Theorie der Parallellinien § 82, P. Th. S. 146 nnd 202—203.
Franz Adolph Taorinas. 41?
Kugel gehende ebene Fl&che die Engel in zween gleiche Theile theile. Ich
sollte darans fast den Schlnss machen, die dritte Hypothese komme bei
einer imaginären Eugelfläche vor. Wenigstens muiüs immer etwas seyn,
warum sie sich bey ebenen Flächen lange nicht so leicht umstofsen läfst,
als es sich bey der zwoten thnn liefs/*
Selbstverständlich soll durch die Anf&hrung dieser Äulsemng Lambert's
Taurikus' Verdienst nicht im mindesten geschmälert werden. Er war so
fast mühelos zu einer Einsicht gelangt, die sich Lobatschefsku^) und
Johann Bolyai^) erst durch lange und harte Arbeit erkämpft haben, in-
dem sie die nichteuklidische Qeometrie systematisch entwickelten und schliefs-
lich zu den Formeln der zugehörigen Trigonometrie gelangten^). Auch
far Gauss scheint dasselbe zu gelten, da er in einem Briefe an WoLFaANa
BoLYAi vom 6. März 1832 sich dahin äufsert, dafs der Weg, den dessen
Sohn Johann eingeschlagen habe, fast durchgehends mit seinen eigenen Me-
ditationen übereinstimme^).
Taxtrinus hat sich aber nicht damit begnügt, die Formeln der Trigo-
nometrie in der, wie er sich ausdrückt, logarithmisch-sphärischen
Geometrie entdeckt zu haben, er hat vielmehr in einem Additamentum
seiner Elementa (S. 69 — 74) diese Formeln zur Lösung verschiedener geo-
metrischer Aufgaben angewandt und ist bis zu der Berechnung des Um-
fanges und Inhaltes des Kreises, der Oberfläche und des Volumens der
Kugel vorgedrungen. Wenn man also auch seine Entdeckung der nicht-
euklidischen Geometrie einem glücklichen Zufall zuschreiben will, so hat
er doch durch sein Additamentum gezeigt, dafs er diesen Zufall zu wür-
digen und zu benutzen verstand, und das wird man ihm hoch anrechnen,
ohne ihm freilich in der Geschichte der nichteuklidischen Geometrie den-
27) Vergl. Emgbl, a. a. 0. S. 871—373 nnd S. 392—893 und P. Th. S. 240.
28) P. Th. S. 241-242.
29) Dafs diesQ Formeln in diejenigen der sphärischen Trigonometrie über-
gehen, wenn man den Radius der Kugel imaginär seist, scheinen Lobatbchrpsku
und J. BoLTAi erst nachträglich erkannt zu haben. Jener bemerkt es am Schlüsse
seiner Abhandlung: 0 HAnAJtAXl) FEOMETPm (Über die Anfangsgründe
der Geometrie) vom Jahre 1829 (siehe Ehobl, a.a.O. 8. 65), dieser sagt darüber
in seiner Appendix kein Wort, aber in dem zweiten Bande des Tentamen
(Maros - Väairhely 1833) giebt sein Vater Wolfoano eine ansfahrliche Dar-
Stellung dieser Entdeckong Joraiih^s (S. 380—885); in seinem Kurzen Grund -
risi vom Jahre 1851 S. 85 — 86 ist er darauf zurückgekommen; hiernach ist die
bezügliche Stelle F. Th. S. 146 zu berichtigen.
30) Yergl. P. StIokkl, Mitteilungen aus dem Briefwechsel von Gauss
nnd W. BoLTAz, Nachrichten der E. Gesellschaft der Wissenschaften zu G5ttingen.
Math.-phys. Klasse. Jahrgang 1897. S. 6—7.
Abk rar OMeh. d. Mstham. IX. 27
418 Paul 8täckel:
selben Bang wie Gauss, Lobatschefskij und J. Boltai zuerkennen zn
wollen, denn bei Taurinus vermifst man vor allem diejenige Freiheit der
Auffassung der „neuen Geometrie*', zu der auiser den eben genannten For-
schem auch sein Onkel Sohwbika&t gelangt war.
Anders lautete das Urteil der Zeitgenossen. „In der Periode Toa
1780 — 1830 waren alle Beweisversuche [ftbr das elfte Axiom] gescheitert,
und man war schUefslich dahin gelangt, die Beschftftigung mit der 'beräeh-
tigten' fünften Forderung als Vorrecht unklarer Köpfe anzusehen und mit
den Bemühungen um die Quadratur des £[reises auf eine Stufe zu steileD.
Dieses Vorurteil war so stark, dafs, um mit Hoüel zu reden, selbst eis
Mann von so imposanter Autorität wie Gauss mit seinen üntersuchongefi
nicht hervortrat, *weil er das Geschrei der Boeoter scheute'."'^) Die An-
erkennung, auf die Taixrikus bei den Mathematikern von Fach gehofft hatk
blieb aus. Augenscheinlich hatte Tausinus die klare Erkenntnis, wekh*
wesentlichen Fortschritt in der Parallellentheorie seine Elementa bedeu-
teten. Um so gröfser war seine Enttäuschung, und in Unmut und Bitter-
keit hat er den Best der auf seine eigenen Kosten gedruckten Auflage d«r
Elementa den Flammen überliefert^^.
Von seiner Stimmung in der folgenden Zeit giebt ein Brief Zeugnis,
den er am 29. Dezember 1829 an Gauss richtete:
Euer Hochwohlgeboren
werden es einem lebhaften wissenschaftlichen Eifer, sowie dem unbegränzten
Vertrauen, mit welchem mich Ihre unsterblichen Verdienste stets erfüllt
haben, zu gute halten, wenn ich mich aufis neue mit einer dringenden Bitte
an Sie wende: denn Sie erinnern Sich ohne Zweifel, dals ich schon einmal
vor längerer Zeit Dir Urtheil zu erfahren wünschte über einen Gegenstand,
der mich damals lebhaft beschäftigte, nemlich die Theorie der Parallellinieii.
Sie hatten damals die Güte mich mit einer baldigen Antwort zu erfreuen
und mir sehr interessante und belehrende Mittheilungen zu machen, deren
Werth ich sehr wohl erkenne: dabei behielten Sie Sich aber ?or, von
denselben „keinen öffentlichen oder zur Öffentlichkeit f&hrenkönnenden''
Gebrauch zu machen. Da ich nun seitdem doch zwei Versuche über diesen
31) P. Th. 8. 289.
32) So kommt es, dafs „die Elementa zn den 8.elten8ten Schriften gebdren,
welche die Bücherkunde aufzn weisen haV', P. Th. S. 251. Die dort gemachten
Angaben bedürfen jedoch insofern der Berichtigung, als auch die Königiicb^
Bibliothek in Berlin die Elementa besitzt nnd als sie in Roaa*8 Handbuch
der mathematischen Literatur, Erste Abtheilung. Tübingen 1830, S. 361
erwähnt werden.
Franz Adolph Taurinns. 419
Gegenstand bekannt gemacht habe, os hat mich seitdem oft der Gedanke
beunrohigt, Ihr Misfallen dadurch erregt, oder mich in Ihren Augen nicht
hinlänglich gerechtfertigt zu haben ^. Ich habe Ihnen bemerkt, dafs die
Idee einer möglichen Entwicklung eines bisher unbekannten geometrischen
Systems mir keineswegs ganz unbekannt war, da ich sie, aber freilich auch
nicht mehr, schon einige Jahre fr&her von Pr. Sohweikart mitgetheilt
erhalten hatte; die mir auch so lange eine Hieroglyphe blieb, bis ich zu-
fUlig selbst veranlasst wurde, mich mit der Th. d. P. zu beschäftigen. Ich
darf nun hinzuf&gen, daüs ich das ganze Problem eigentlich schon von An-
fang gewissermaassen durchschaut hatte: denn sobald ich bemerkt hatte,
dafs die Annahme einer Winkelsumme > 180^, consequent verfolgt, auf
eine sphärische Geometrie führt, war es mein erster Gedanke, dafs dem
entgegengesetzten Falle auch eine Bedeutung gegeben werden könne, und ich
vennuthete sogleich, dafs diese Hypothese mit der wechselseitigen Beziehung
zwischen Kreisbogen und Logarithmen zusanimenhftngen müfste. Sie werden
mir verzeihen, wenn ich dem Drange, mir so wichtig und interessant schei-
nende Wahrheiten, soweit ich sie mit Becht f&r mein Eigenthum halten
zn dürfen glaubte, der Welt nicht vorzuenthalten, nicht widerstand. Der
Erfolg bewies mir, dafs Ihre Autorit&t dazu gehört, ihnen Anerkennung zu
verschaffen, und dieser erste sohnftstellerische Versuch ist aus Übereilung,
anstatt wie ich gehofft hatte, mich zu empfehlen, für mich eine reiche
Quelle von Unzufriedenheit geworden. Zwar dafs man meine Theorie so
gut wie gar nicht beachtet, ihr nicht einmal das Verdienst zuerkannt hat,
eine Widerl^png aller andern zu enthalten und seitdem mehrere, selbst
Grelle, mit neuen unhaltbaren Theorieen aufgetreten sind, würde mich
mehr freuen als betrüben: allein ich sehe mich in die Nothwendigkeit ver-
setzt, mir durch, ein gründliches, an Inhalt und Form gleich gediegenes
Werk die Achtung erst zu erwerben, die mir meine eisten Verauche un-
möglich verschafft haben können: und so nöthigt mich der erste Schritt
auf einer Bahn fortzuschreiten, welche ich vielleicht nicht hätte betreten
sollen.
33) Wie schon S. 412 erwähnt wurde, hatte sich Tattbihus in der Vorrede
za der Theorie der Parallellinien (S. XIII) auf Gauss berufen, und ebenso
hatte er in der Vorrede der Elementa (S. V — VI) Gauss erwähnt und ihn m-
atändigst gebeten, seine Ansichten über die Parallelentheorie eu veröffentlichen,
eb Verfahren, das gegenüber dem ausdrücklichien Wunsch von Gauss nicht un-
liedenklich erscheint, wenn auch Taubihus zu seiner Bechtfertigang sich darauf
hätte berufen können, dafs er nur Gauss' Urteil über seine, Taubihus', Arbeiten,
dagegen nicht Gausses Äufsemngen in Betreff der „Nichteuklidischen Geometrie**
veröffentlicht habe.
27»
420 Pfttil St&ckel:
Vielleicht irre ich mich nicht, wenn ich glauhe in der Hjdrodjnanil
einen dankbaren Stoff gefiinden zn haben. — — —
Den Rest des Briefes, in dem Taurinus seine Ansichten über
„hydrodynamischen Stofs^* entwickelt, unterdrücken wir nnd bemerken dv
noch, dals er sich später eifrig mit Hydrodynamik beschäftigt nnd auf eine
Reihe von Erfindungen in diesem Gebiete Patente genommen hat, die aber
alle natzlos blieben, da ihm die Mittel fehlten, sie praktisch ins Werk xa
setzen**).
Gauss hat weder auf diesen Brief noch auf einen vierten vom 1. Oe-
tober 1832 geantwortet, der für unsere Zwecke belanglos ist.
Ganz hat es übrigens Taurinus an Anerkennung nicht gefehlt Der
bekannte Physiker G^oro Simon Ohm (1788—1854), der von 1817 bis
1826 Oberlehrer am Gymnasium zu Köln war, und der sich, wie seine
Arbeit: Grundlinien zu einer zweckmässigen Behandlung der Geo-
metrie, Erlangen 1817 zeigt, eingehend mit den Grundlagen der Geomete
beschäftigt hatte, antwortete auf die Zusendung der Elementa mit einem
freundlichen Briefe vom 14. April 1826. „Die Analogien^', schreibt Ohh,
„die Sie mit dem Namen logarithmisch -sphärische Geometrie bezeichne^
sind überraschend und, wenn ich nicht irre, von mehr als einer Seite her
merkwürdig/' Interessant ist auch, dafs Ohm ausdrücklich erklärt, der
Beweis der Propositio XXIV sei ihm dunkel, er finde keinen Widersprach
in der Vielheit der Systeme**).
Aufzeichnungen, die sich in Taurinus' Nachlafs gefunden haben und
die aus dem Jahre 1835 stammen, zeigen, dafs er später zu seinen geo-
metrischen Untersuchungen zurückgekehrt ist^). Wir entnehmen ans ilmen
folgende Stelle:
„Die Geometrie behauptet von jeher das Ansehen einer Wissenschaft
von höchster Gründlichkeit, von möglichster Kraft der Überzeugung. Ihr
Ursprung scheint so tief in dem Geistesvermögen zu liegen, ihr Gang, wie
sie Schritt vor Schritt festen Boden gewinnt, so sicher und zuverlässig,
daüs sie stets als das Muster wissenschaftlicher Form erschien, nnd es war
den Mathematikern nicht zu verdenken, wenn sie im Gegensatze anderer,
auf schwankender Erfahrung oder wechselnder Ansicht beruhender Wissen-
schaften von der ihrigen eine besonders hohe Meinung hegten.
Indessen scheint dem grossen Ansehen der Geometrie ein mehrfacher
Irrthum zu Grunde zu liegen. Es giebt nemlich für die Geometrie eine
34) Mitteilung von Pastor FOreb.
Franz Adolph Taminas. 421
innere nnd eine äufsere Wahrheit Jene beschränkt sich daraaf, dafs die
Geometrie ein in sich selbst beschlossenes, durchaas conseqtientes System
ohne logischen Widersprach bildet, ohne Frage noch von ihrer Anwendbar-
keit aof die Erscheinangen der Aal^enwelt. Diess ist der Standpunkt, von
welchem der Mathematiker seine Wissenschaft zu betrachten pflegt: er
nennt sie eine reine, von aller Erfahrung unabhängige, auch nicht noth-
wendig auf sie hinweisende Wissenschaft und diese Eigenthümlichkeit wird
häufig als ein besonderer Vorzug hervorgehoben. Soll aber die Geometrie
nicht blois ein mufsiges ErzeugnüGs der productiven Einbildungskraft, son-
dern auch von praktischer Bedeutung sein, so fragt es sich, ob der Geo-
metrie auch äussere Wahrheit zukomme, eine Untersuchung, die nicht mehr
rein mathematisch ist. Dieser Übergang von dem reinen Erkennen zur
Objectivität, von der Construction der productiven Einbildungskraft zur
Bestimmung äufserer Verhältnisse hat von jeher grofse Schwierigkeiten und
Zweifel verursacht.
Aber auch abgesehen von dieser eigenthümlichen Schwierigkeit ist die
Geometrie noch nicht in der reinen Entwicklung dargestellt, deren sie
fähig ist.
Die Geometrie gründet sich überhaupt auf das Gesetz der Coincidenz,
welches aber selbst kein Axiom genannt werden kann, und überhaupt hat
die Geometrie gar keine Axiome nöthig, diese müssen gänzlich aus ihr
verbannt werden. Dieser Orundsatz der Coincidenz besteht darin, daXs die
Geometrie die einfachsten Elemente des Baumes, nemlich die Linien, als
gleichartig voraussetzt, so, dafs in den Linien eines und desselben Systemes
nichts zu unterscheiden ist, als ihre Gröfse. Die Coincidenz ist nicht zu
verwechseln mit der Congruenz, welche nicht nur ein Zusammenfallen, son-
dern auch gleiche Gränzen oder Gleichheit fordert.
Bogen eines und desselben Kreises sind also gleichartig, Kreisbogen
xmd gerade Linien sind ungleichartig, Kreisbogen mit verschiedenen Halb-
messern beschrieben,' sind nur ähnlicher Art.
Die Analysis, die eine reine Entwicklung der Geometrie möglich
macht, leitet aus dieser Bedingung der Coincidenz, ohne welche gar keine
allgemeinen Sätze erhalten werden könnten^ ein dreifaches System der Geo-
metrie her und erweist die Winkelsunmie eines Dreiecks als nothwendige
Folge von der dreifachen Art der Linien.
Dagegen klebt der Elementar-Geometrie nach der Methode des Euklid
die Unvollkommenheit an, dafs sie nur die geradlinige Geometrie betrachten
will, es aber nicht vermeiden kann, da sie an der Anschauung haftet und
nicht den rein analytischen Begriff der Linien festhält, alle drei Systeme
zugleich bis zu dem Punkte zu betrachten, wo ihr wesentlicher Unterschied
422 Panl St&ckel:
erst recht herrortritt und wo sie völlig auseinander geben — ■ nemlich da,
wo von der Summe der Winkel die Rede ist Diefs ist die berüchtigte
Lücke in der Geometrie, die soviel Versuche über die Theorie der Parallel-
linien veranlasst hat. Das Problem besteht hier mathematisch betrachtet
in nichts weiter, als in der scharfen Trennung jener drei geometrischen
Systeme und hat insofern nicht die mindeste Schwierigkeit. Der Verf,
glaubt, dieses Problem mathematisch vollkonunen gelöst zu haben, obgleich
ihm diese Anerkennung noch nicht zu Theil geworden ist.
Die Mathematiker, welche an seiner Darstellung keine Befriedigong
finden möchten, scheinen theils etwas Unmögliches, theils aber mehr zu
fordern, als die Mathematik leisten kann.
Sie fordern etwas Unmögliches einmal, weil sie verlangen, man solle
ihnen nach dem Begriffe der geraden Linie, den sie von Euklid habeiL
oder den sie sich auch selbst bestimmen, die Theorie der ParaUellinien be-
weisen. Daher sind sie sehr zuMeden mit dem Beweise, dals die Winkel-
summe des geradlinigen Dreiecks nicht gröfser als zwei Rechte sein könn^,
wodurch die sphärische Geometrie ausgeschlossen wird, da diese Hypotheis.«
immer auf ein Schneiden zweier Linien in zwei Punkten führt, was d^-^D
Euklidischen Begriff der geraden Linie widerspricht. Sie verlangen dah.
für die entgegengesetzte Hypothese einen gleich bündigen Beweis, welch
aber nach der gewöhnlichen Definition der geraden Linien, die ein solchk.
System nicht unbedingt ausschliefst, eine Unmöglichkeit ist. Stellt
daher eine andere Definition auf, die ohne den allgemein angenommen.'
Eigenschaften der geraden 'Linie zu widersprechen, doch eine strenge Scb
düng aller drei Systeme möglich macht, so halten sie wohl diese für et
willkührliches, vorausbedachtes, dem Resultat der Beweisführung v
greifendes und fühlen sich nicht befriedigt.
Sie verlangen aber auch zweitens etwas Unmögliches, indem sie
dem, dafs man ihnen jenes räthselhafte geometrische System, das weni
als zwei rechte Winkel in jedem Dreiecke enthält, als etwas Absurdes
stelle. Allein dieses System läfst sich nicht vertilgen, es ist schon dartLsm
möglich, weil es gedacht werden kann und übrigens von völliger inuer^Br
Consequenz. Schon um auch hier die ewige Dreizahl zu ergänzen, hii^l^Jb
es als möglich gedacht werden.
Aber genau betrachtet ist es etwas anderes, was diese Mathematik^^sr,
ohne mit sich selbst im Klaren zu sein, fordern. So sehr sie nemlich a — ..nf
der einen Seite ihre Wissenschaft als eine reine, von aller Erfahrung
abhängige geltend machen möchten, so sehr hängen sie auf der am
Seite an der Objectivität und behalten stets den Parallellismus Ewi8cl==ien
der reinen Anschauung und der Empirie im Auge. Ihre gerade Linie ^^3oIl
Franz Adolph Taarinas. 423
die des gemeinen Lebens sein. Daher werden sie sich aaoh nicht eher
befriedigen, bis man ihnen die objective Bedeutang jenes räthselhaften
Systems enthüllt, bis man ihnen beweist, was es mit der Anwendang des-
selben auf änfsere Verhältnisse för eine Bewandtniss habe.
Dieis ist allerdings die interessanteste Seite des tiefsinnigen Problemes,
aber sie gehört nicht mehr der reinen Mathematik an, sondern ist eine
Frage der Physik."
Auf diese recht klaren Auseinandersetzungen, die noch heute lesens-
wert sind, folgen weitschweifige Deduktionen im Stile der Naturphilosophie,
die darthun sollen, dafs das rätselhafte dritte System für die Akustik eine
entsprechende Bedeutung besitze wie die euklidische Geometrie für die Optik.
4.
J. W. H. Lebmann's Kritik der Theorie der Parallellinien (1829).
Als ich im Jahre 1895 in Gemeinschaft mit F. Engel die Theorie
der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss herausgab, äuTserte
ich mich dahin (S. 252), „dals Schweikart und Taubinus ein bis jetzt
nicht beachtetes, jedoch sehr beachtenswertes Mittelglied bilden zwischen
Sacchebi und Lambebt einerseits und Gauss, Lobatschefskij und Bolyai
andrerseits'^ Um so gröfser war meine Überraschung, als ich vor kurzem
entdeckte, dais diese Behauptung einer Einschränkung bedarf, da Taubinus'
Theorie der Parallellinien im Jahre 1829 von Jacob Wilhelm Heinbigh
Lehmann (1800 — 1863) ausführlich besprochen worden ist; die Geome-
triae prima elementa sind freilich auch Lehmann unbekannt geblieben.
Lehmann's Schrift fuhrt den langen Titel:
Mathematische Abhandlungen, betreffend die Begiündung und Bear-
beitung verschiedener mathematischer Theorieen, nebst Idee eines Systems
der Wissenschaft, und einem Anhange, welcher es versucht, die EEPLEBSchen
Gesetze und andere Gegenstände der höheren Mechanik nach der antiken, rein-
geometrischen Methode zu entwickeln. Zerbst, 1829, 8^, XII -f- 539 S., 4 Tfln.
Es scheint selten zu sein, denn es fehlt sowohl in Poggendobff's
Handwörterbuch (Bd. I, Spalte 1411), als in dem von mir aufgestellten
Verzeichnisse von Schriften über die Parallelentheorie'*).
S6) P.Tb. S. Sil sind Lebmamm's Anfangsgründe der höheren Mechanik
aafgefSÜbrt. Als Gewährsmann ist Hill angegeben und hinzagefügt, dafs sich bei
bei diesem die Jahreszahl 1839 finde. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daDs
HaL, der die Titel nur abgekürst aagiebt, das Werk vom Jahre 1829 gemeint
hat, wonach die Angaben in dem Verzeichnis abzuändern sind.
424 Paul 8t&ckel:
Taukinus wird zuerst auf S. 269 — 270 erwähnt. Die betreffende Stelle
lautet im Zusammenhange:
„So sehen wir, dafs die Sätze, welche dazu vorbereiten, die Summe
aller Winkel eines Vielecks aus der Seitenzahl bestimmen zu können, ohne
die Theorie der Parallelen bewiesen werden können. Aber nun, diese Be-
stimmung der Summe der Winkel selbst yermögen wir nicht ohne die ge-
nannte Theorie zu geben; denn sie hängt von der Begründung des Satzes
ab, dafs die 3 Winkel eines Dreieckes zusammen 2 B betragen.
Bei der Oelegenheit kann ich nicht umhin, auf eine merkwürdige Ent-
deckung aufmerksam zu machen,, womit Saccherius und Lambekt im
Yorigen Jahrhundert, wie es scheint, unabhängig von einander, die Geo-
metrie als Kunst ^) bereichert haben (siehe Hieson. Saccherii Euclides ab
omni naevo yindicatus, Mediol. 1733; Lamberts Untersuchungen über die
Theorie der Parallelen, nach seinem Tode herausgegeben von Berkoulli
im Leipziger Magazin für Mathem. 2 St 1786. p. 137 ff. und 3. St p. 325 £).
Beide versuchten, unabhängig vom 11. Orundsatze des Euclides, den Satz
zu beweisen, dafs die Summe der Winkel eines Dreiecks = 2 R sei'').
Neuerlich hat indessen Hr. Taurinus in seiner Theorie der Parallel-
linien (EöUn, 1825), der die ganze Sache mit vielem Fleilse durchdacht
und auseinandergesetzt hat, sehr richtig nachgewiesen, dals dadurch, in
völliger Strenge, nach euclidischer Form, nur der Satz bewiesen wird, dais
die Winkel eines Dreiecks zusammen nicht gröfser als 2jR sein kQimeii.
Aber wenn auch nur dieses aus den 28 ersten Sätzen des Euclides ohne
weitere Hilfe bewiesen werden kann, so bleibt es immer eine interessante
Entdeckung, welche wir in unser System der Geometrie mit Freuden reci-
piren, und, unserm gefassten Plane gemäfs, in den vor der Theorie der
Parallelen vorhergehenden Abschnitt verweisen. Ich theile den (rang ^es
Beweises so kurz als möglich zusammengedrängt mit*^
Nachdem dies gesehen ist, bespricht Lehmann (S. 275 — 277) Taurinus'
Vergleichung der drei geometrischen Systeme:
„Herr Taurinus knüpft in der gedachten Schrift an dieses BesnJtat
eine interessante Vergleichung. Er macht darauf aufmerksam, daüs in einem
sphärischen Dreieck die Summe der Winkel allemal > 222 ist^ und dafs
dieser Satz sich gleichfalls ohne die Parallelentheorie darthun lasse. Er seist
86) Lbhicann versteht unter ,,Geometrie als Kunst^*: „das Bestreben einer
logischen Herleitung ans möglichst wenig Axiomen^*.
37) Wie ans einer Äufserong Lebmahh's (S. 3) hervorgeht, verdankt er — ebenso
wie Taurinub — die EenQÜiis der Schriften Yon Sacchbsi und Lahbkbt dem Ex-
cur ms ad El. I. 29 von Camsbeb.
Franz Adolph Tanrinas. 425
den Grand des Unterschiedes beider Resultate darein, dafs gerade Linien
sich nur in einem [Punkte,] Bogen gröfster Kreise, auf einer Kugelfläche [,]
aber einander in zwei Punkten schneiden können. Er fügt zugleich hinzu,
dafs sich alle diejenigen planimetrischen Sätze, welche die Theorie der
Parallelen nicht voraussetzen, ungeändert auf die Kugelfläche übertragen
lassen, wenn man nur statt der geraden Linien Bogen gröfster Kreise, statt
der Kreise kleinere Kreise der Kugelfläche setzt, und dafs sich auf diese
Art eine sphärische Geometrie erdenken lasse, welche mit der Planimetrie
gleichen Schritt halte. Und das ist auch ganz gegrOndet, und wir sehen
einen sehr gelungenen, schon ziemlich weit ausgeführten Versuch dieser Art
in den Sphaericis des Theodobiub. Der Grund der Ähnlichkeit der ebenen
und der sphärischen Geometrie liegt augenscheinlich in der Eigenschafb,
welche die ebene mit der Kugelfläche, aber mit keiner andern Fläche ge-
mein hat, dafs alle Theile derselben genau aufeinander passen; dafs aber
von der Parallelentheorie an eine Verschiedenheit stattfindet, hängt damit
zusammen, da& ein Stück der Kugelfläche, wenn man es umwendet, nicht
mehr auf die alte Fläche paust, was doch bei der Ebene stattfindet; siehe,
was ich darüber schon gesagt babe^).
Wenn nun aber Herr Taurinus, auf ähnliche Art, wie schon früher
Saccherius (siehe die vorhin angeführte Schrift), weiter fragt, was für eine
Geometrie denn das geben würde, wo man setzt^ dafjs die Summe der
Winkel eines Dreiecks kleiner als 222 sei, und wenn er anfangt, den
Gedanken auszuspinnen, so können wir darüber kein anderes ürtheü fällen,
als über die Rechnungen mit imaginären Gröfsen; man kann ein sehr
strenges System entwerfen, was erfolgen würde, wenn etwas, was nicht
wahr ist, wahr wäre; man wird aber, wenn man auf diesem Wege kein
Resultat für reelle GröiBen erlangt, bald von selbst umkehren, wohl fühlend,
dafs man sich mit blofsen Chimären beschäftigt. Wir haben vermittelst der
Quadratwurzeln aus negativen Gröfsen manche bedeutende Entdeckungen
gemacht, die sich auf reelle GröDsen beziehen, und die uns sonst vielleicht
ewig verborgen geblieben wären; ob man solche Entdeckungen auch durch
die Fiction einer Geometrie, worin die Winkel eines Dreiecks < 2jß, machen
könne, darüber wage ich nicht zu entscheiden.
Eine andere Frage aber ist es, ob wir nicht den ohne die Parallelen-
38) Der von Lbhicahn angefahrte Grund ist nicht stichhaltig, der wahre
Unterschied der parabolischen nnd der elliptischen Geometrie liegt vielmehr in
der Forderung der anendlichen Länge der geraden Linie. Dass es sich so verhält,
hatte schon TAcanros richtig erkannt (vergl. seine Theorie der Parallellinien S. 67,
sowie die Bemerkung oben 8. 413) und sich dadurch, wie schon vor ihm Lambkbt,
all Vorgänger BsniAm's erwiesen; vergl. auch P. Th. S. 262.
426 Paul St&ckel:
theorie geführten Beweis, dafs die Winkel eines Dreiecks nicht > 2fi sein
können, die Winkel eines sphärischen Dreiecks aber > 272 sein mössen,
dankbar annehmen und zu einer vollständigen Begrundong der Parallelen-
theorie für die Ebene benutzen sollen. Die Frage kann nur die sein, ob
man etwa die Ebene als den Zielpnnkt ansehen dürfe^ dem sich eine Eagel-
fläche, wenn ihr Halbmesser wächst, nähert, so dafs die Abweichung klein«
werden kann, als jede gegebene Abweichung, und ob man, dafs eine solche
unendliche Annäherung stattfindet, ohne Hülfe des 11^*^ Grundsatzes d«
EucLroES oder eines aequiyalenten Satzes beweisen könnne'^).
Dafs eine solche unendliche Annäherung wirklich statt findet, wird wol
niemand im Ernst bezweifeln; schon die gemeine Betrachtung, wonach mao
ein Stück der Erdoberfläche, das man mit einemmale übersehen kann, für
eben zu halten geneigt ist, leitet darauf. Aber ich leugne, dafs sich ein
strenger, kunstmäfsiger Beweis ohne schon begründete Parallelentheorie geben
lasse. Denn solcher Beweis müfste etwa auf folgende Punkte hinanslaufen.
Es sei aus dem Puncto C der unbegrenzten Linie AB Fig. 40 ein
nach D unbegrenztes Perpendikel CD errichtet. Man schneide nun von
CD ein beliebiges Stück CE ab, beschreibe aus E durch C einen Kreis, und
lasse nun die ganze Zeichnung sich um
die feststehende Linie CD drehen, so ist
klar, dafs die Kreisperipherie eine Kugel-
fläche, die Linie AB aber eine die Kugel-
fläche berührende Ebene beschreiben werde.
Schneidet man von CD ein gröfseres
Stück ab, so erhält man eine Kugelflicbe.
welche der berührenden Ebene nSher
kommt. Wollten wir nun beweisen, d&fs
^^' ^ die Kugelfläche sich der Ebene so sehr
nähern kann, dafs die Abweichung kleiner wird, als jede gegebene Ab-
weichung, so müfsten wir auch beweisen können, dafs der Kreis sich anf
dieselbe Art der geraden Linie AB nähern könne, oder, mit andern Worten,
dafs die Entfernung eines Punctes der Peripherie von der geraden
Linie AB^ in jeder gegebenen Höhe über CD, kleiner werden könne
als jede gegebene Gröfse. Aber so lange die Parallelentheorie nicht
begründet ist, bleibt es zweifelhaft, ob nicht eine Curve FGG statt
finde, welche auf derselben Seite der Linie AB liegt, als der Kreis, und
welche AB m C berührt, und welcher sich der Kreis, wenn sein Halb-
39) Mit genau denselben Gedanken hatte sich schon Laobavob beachiftigt
und ebenfalls dessen ündurchführbarkeit erkannt; siehe P. Tb. S. 211— S12.
Franz Adolph Taurmus. 427
messer w&chst, nähert, ohne sie jemals zu erreichen^^). Ist aber erst die
Parallelentheorie gegründet, dann ist es ein leichtes, ans der gegebenen Ent-
fernung eines Ponctes der Peripherie von der Linie CA and von der Linie
CD den Halbmesser des Ej*eises zu finden; das nämlich, was der gegebenen
Entfernung des Punctes der Peripherie von der Linie CA noch am Durch-
messer fehlt, ist (nach Eucl. 6, 8, Zus.) die 3^ Proportionallinie zu den
beiden gegebenen Entfernungen.
Wir gewinnen also auf diesem Wege nichts zur Begründung der Paral-
lelentheorie für die Ebene."
Ob diese Äufserungen zur Kenntnis von Taurinus gekommen sind, hat
sich nicht ermitteln lassen. Dagegen finden sich Lehmann's Mathematische
Abhandlungen in der Gaufsbibliothek zu Göttingen, und Bandbemerkungen
von Oauss zeigen, dafs von diesem das Werk gelesen oder wenigstens
durchblättert worden ist. Es ist das auch insofern von Interesse, als man
daraus schliessen darf, da& Gauss, wenn nicht schon früher, im Jahre 1829
von den Untersuchungen Sacchrri's und Lambert's erfahren hat.
40) Die Begriffe des Grenzkreises und der Grenzkugel, die ans hier
entgegentreten, fehlen bei Taurinus. Sie werden wohl znm ersten Male in Wachtkb's
Demonstratio AxiomcUis in Eticlideis undecimi (Danzig 1817) eingeführt. Die
Angabe P. Th. S. 38, dafs bereits Sacchebi zu den Oricyklen Lobatschefsku'b
gelangt sei, ist irrtfimlich; dieser Irrtum ist bereits ebendaselbbt in den „Nach-
tragen und Berichtigungen** S. 318 richtig gestellt worden.
Kiel, im April 1899.
Wiyi
JOHANNES SCHEÜBEL,
EIN DEDTSCHEB ALGEBBAIKEB DES XVI. JAHBHÜNOEBTS
VON
H. STAIGMÜLLER
ni 8TÜTTOART.
Wenn beute die Wissenschaften ein Gemeingut aller Kulturvölker sind,
nnd wenn sie heute ihre Fortschritte nur dem Zusammenwirken aller Kultur-
völker verdanken, so liegt doch die Zeit nicht allzufem hinter uns, wo
dieselben noch einen nationalen Charakter trugen, und diese oder jene
Wissenschaft eben nur gerade bei diesem oder jenem Volke vorzugsweise
Pflege und Förderung fand. So zeigt z. B. die Geschichte, dals die gröfste
mathematische Qeistesthat des XYI. Jahrhunderts, die Bewältigung der
kubischen Gleichung, ausschliefslicbes Eigentum des italienischen Volkes ist,
während im gleichen Jahrhundert in Deutschland selbst die führenden Geister
auf dem Gebiete der Algebra sich der Hauptsache nach mit dem Ruhme
begnügen müssen, ihren Volksgenossen das übermittelt zu haben, was andere
Kulturvölker zum Teile schon längst besafsen. Doch wie hätte man das
anch anders erwarten können? Die an die Reformation sich anschliefsenden
Zeit- und Streitfragen absorbierten das ganze wissenschaftliche Interesse in
Deutschland. Bezeichnend hierfür ist es, dals der bekannteste deutsche
Algebraiker des XVI. Jahrhunderts, Michael Stifel, durch seine mystischen
Zahlenspielereien zur rein wissenschaftlichen Beschäftigung mit Arithmetik
and Algebra hingeleitet wurde und später wieder von dieser zu jenen
zurückkehrte. Ja trotz seiner teilweise wirklich genialen Leistungen auf
dem Gebiete der Algebra und Zahlentheorie und trotz des bedenklichen
Schiffbruchs seiner Zahlenmjstik ^) mafs Stifel der „Wortrechnung^' einen
ungleich höheren Wert bei als der rein wissenschaftlichen Algebra.
Wenn nun auch stets eine Zeit grofser wissenschaftlicher Leistungen
und Erfolge den Kulturgeschichtsforscher in erster Linie anziehen wird, so
darf er sich doch auch nicht der Darstellung von Perioden entziehen, in
denen keine Marksteine der Entwicklung einer Wissenschaft zu geschicht-
licher Forschung anlocken. Ja die Darstellung einer solchen Zeit bietet
ihre eigenen Reize dar; handelt es sich hierbei doch sehr oft darum, die
unscheinbaren Samenkörner einer künftigen Entwicklung blofszulegen , zum
mindesten aber gilt es die Gründe aufzudecken, welche jene Stagnation ver-
1) Stifu. „berechnete" aus den Zahlen des Baches Daniel den Weltunter-
gang auf den 19. Oktober 1633 früh 8 Uhr.
432 H. SUigmfiller:
nmcfateiL So sehr dnim mach z. B. in der Geschichte der Algehra
XYL Jalnhoiiderti Italien die Blicke des Enltorhistorikers auf sich zieb@i
wild, 80 wenig djurf doselbe sich dadurch verleiten lassen, die gleichzeitige
deutsche Algdna m überMhen. Er hat beiden seine Zeit und sein Interesäe
^eiehermafsen xa widmen, nmls er sich auch zmn Voraus sagen, dafs er
hier ungleich weniger Nenes m Tage zu fördern im Stande sein wird li«
dort. — Nicht zoletzt aber war es ein persSnUches Interesse, das micb bei
der Wahl meines Themas leitete, galt es doch einen früheren Lehrer der
üniyersität T&bingen, die mir seihst einst „alma mater" war, einer fast
Y5lligen Vergessenheit m entreifsen und för ihn denjenigen Platz in der
Geschichte der deutschen Algebra in Anspruch zu nehmen, der ihm n&c}}
meinem Dafürhalten unbedingt gehört
Gerhasdt, der in seiner „(xeschichte der Mathematik in Deutschland^
ScHEUBEL nicht einmal erwähnt, kommt bei der Behandlung der Algebra
im XVL Jahrhundert zu dem Schlüsse : „Christoff Rudolff und Michael
Stifel, die herrorragendsten deutschen Algebristen im 16. Jahrhundert,
gehörten zu keiner öffentlichen wissenschaftlichen Korporation, und es wiri
sich kaum nachweisen lassen, dals in dieser Zeit die Algebra auf den Uni-
yersitäten Deutschlands Gr^enstand öffentlicher Vorträge war." Möge es
den folgenden Zeilen gelingen den Nachweis zu liefern, daiÜs in Johakkes
ScHEUBEL ein Vertreter einer deutschen Hochschule jenen beiden als gleich-
berechtigt zur Seite zu stellen ist, der es auch versuchte der Algebra aka-
demisches Bürgerrecht zu verschaffen.
Von Vorarbeiten, welche über das Mafs einer beiläufigen Erwähnmig
Scheubel's oder einer nur oberflächlichen Darstellung seiner Leistungen
hinausgehen, habe ich nur zwei anzuführen. Erstens eine kleine bio-
graphische Skizze Scheubel's von der Meisterhand Bohnenberqer's^ und
zweitens die einschlägigen Partien in Treutlein's verdienstvollen Arbeiten
über „das Rechnen im 16. Jahrhundert^' und über „die deutsche Cofs^'^).
Doch ist jene Skizze Manuskript geblieben und umfaüst nicht einmal ganz
2% Quartseiten, und mit Treutlein's Darstellung und Wertung der LeistoogeB
Scheubel's kann ich mich in keiner Weise einverstanden erklären, so d&ls
diese Vorarbeiten selbst für mich mitbestimmend waren bei der Wahl
meines Themas.
Ist auch heute in der Geschichte der Mathematik Soheubel beinabe
vergessen, so ermangelte er dagegen keineswegs der verdienten Anerkennung
2) Cod. bist. Fol. 657 der Kgl. öffentl. Bibliothek in Stattgart. BoanHEiBoo
starb 1881 als Professor der Mathematik, Physik und Astronomie in Tübingen.
3) Zeitschrift f. Math. n. Ph. Sappl. zu den Jahr^ngen XXII n. XXIV.
Johannes Scheubel, ein deutscher Algehraiker des XVI. Jahrhunderts. 433
seiner Zeitgenossen, dafür ist nns Bürge der berühmte, vielseitige nnd für
das damalige gelehrte Studium so einflulsreiche Humanist Pierre de la
Bam^, der in seinen ^^scholae maihemaUcae^^ die berühmtesten Vertreter der
Mathematik an deutschen Hochschulen aufz&hlt, und dabei auch Soheubbl^)
nennt. Ebenso wissen wir, da& Scheubbl von Mästlin^), dem Lehrer und
Freunde Eepler's, besonders hochgehalten wurde ^). und der bekannte
Basler Polyhistor PaiitaiiEok nahm Scheubel noch zu dessen Lebzeiten in
sein deutsches Heldenbuch anf^). Aber nur zu leicht ist es verständlich,
dafs neben der Algebra eines Cardano und eines Vieta diejenige Scheubel's
in den Hintex^gmnd treten nnd so ihr Autor der Vergessenheit anheimfallen
mulste.
Johannes Scheubel (Joannes Scheubelius^), Johann Scheybl^))
wurde am 13. August 1494^^) in Kirchheim unter Teck geboren, einem
am Nordfuls der schwäbischen Alb gelegenen und für damalige Zeit stark
befestigten Städtchen, das schon 1381 an Württemberg gekonmien war.
Da das älteste Kirchenbuch in Kirchheim u. T., ein Taufbuch, nur bis zum
Jahre 1558 zurückreicht^^), war es mir nicht möglich, über Scheubel's
Familie irgend etwas Sicheres auffinden zu können. Den ersten Unterricht
empfing Scheubel jedenfalls in seinem Heimatstädtchen ^'), das sich gerade
damals einer für jene Zeit hervorragend guten Schule erfreute^). Später
4) P. Raio, 9eholarum maihmaüearum IIb. XXXI. Basil. 1569. p. 66. (üb. U).
5) MlsTLDi bezog noch zwei Jahre vor Schkubsl's Tod die Universität
Tübingen.
6) Yergl. Bohhbnberobr a. a. 0.
7) Proiopoffraphdae heroum atqiie iüustrium virorum ioHus Oermaniae pars
terUa; AuÜiore Hksuco Pantalsohb Fhy^ico Basüensi. Basileae 1666. p. 459.
8) So schreibt sich Schrubel in demjenigen seiner Werke, welche er in
lateinischer Sprache herausgab, femer in den beiden lateinischen Eingaben, welche
sich von ihm erhalten haben, sowie in der auf Seite 447, Anmerkung 47 erwähnten
lateinischen Widmung.
9) So schreibt sich Scheubbl in dem einzigen Werke, das er in dentscher
Sprache erscheinen liefs.
10) Yergl. „Hartmahn, Magisterbuch'* Manuskript der Kgl. ö£fentl. Bibl. in
Stattgmrt: Cod. bist. Q. 309 a u. b. Zrllbb fügt dem Geburtsdatum Schbubbl^s
noch das Wort ^^emdhu^^ (Zwilling) bei. Yergl. Zbllbr, Merkwürdigkeiten der Uni-
versität Tfibingen. Tübingen 1743. p. 496.
11) Diese Notix verdanke ich einer freundlichen Mitteilung des Herrn Stadt-
pfarrverweser HBRELnasR in Eirchheim u. T.
IS) Yergl. pABTALEoir a. a. 0.: „in patriaf',
18) Schon im Jahre 1249 existierte in Eirchheim u. T. eine Schule. Ums
Jahr 1600 wird dem dortigen Schulmeister zur Pflicht gemacht, einen Baccalaureus
als Provisor su halten, desgleichen wird im Jahre 1522 der Schulmeister Mbtsorr
Abh. zur QaMh. d. M»tham. JX. 28
434 H. StaigmüUer:
bezog ScHEUBEL die Universität Wien ^^). Diese Wahl kann uns nicM be-
sonders auffallen, wenn wir bedenken, in welch engen Beziehungen Württem-
berg von 1520 — 1534 zur Habsbui^gischen Dynastie stand ^). Wie an
keiner zweiten deutschen Hochschule blühte damals in Wien das Stndinm
der Mathematik, und hier legte Scheubel auch den Grund zu seinem her-
vorragenden Wissen in den mathematischen Disziplinen. Besonders f&r die
Frage nach den Quellen, aus denen Soheubel seine Kenntnisse in Aritk-
metik und Algebra schöpfte, ist der Aufenthalt desselben an der Wiener
Hochschule und überhaupt in Wien von Bedeutung ^^). Auch werden wir
nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, dals neben dem Studium der Mathe-
verpflichtet, „allweg einen geschickten und gelehrten Provisor za halten". Vergl.
Pfaff, Yersuch einer Gesch. des gel. Unterr. in Württemberg etc. Ulm 1842. p. 9.
14) „als er die fandament begriffen, zöge er gehn Wien, and stadieret dz-
selben in freyen Künsten. Weil auch za seiner Zeit die Mathematischen Könst
daselben fleilsig fürgelesen, hat er sich fömeddich aoff die Arithmetica an Geo-
metrey begeben, und grossen verstand darinen erlanget." Vergl. die deutsche
Aasgabe von Pahtalbom's deutschem Heldenbach: Der dritte nnd letste Teil
Teutscher Nation Warhafften Helden etc. durch Hsixbich Pamtaleok, Basel 1578,
p. 443. Die kurze Biographie, welche Paivtalboh von Scosübsl bietet, stdtit sich
der Hauptsache nach auf ein Gedicht, welches Cblliüb (Hobm), der spfttere Tfibinger
Professor, als etwa 19jähriger Student in Tübingen verfafste and P^stai^oh iu-
stellte. Diese Epigramme, deren Inhalt somit im wesentlichen wohl sicher auf
ScHBUBEL selbst zurückgeht, sind in der lateinischen Aasgabe von Pabtalboi's
Heldenbuch enthalten. Wie von den übrigen behandelten Personen giebt Pasti-
LBOH auch von Schbubbl ein Bildnis; doch stellen sich diese Bilder der Haupt-
sache nach als frei erfunden dar, und stimmen nicht einmal in den verschiedeBeo
Auflagen völlig überein. Zwar erscheint es kaum glanblioh, dafs bei einem noch
Lebenden Pabtalbon dem Zeichner nicht wenigstens eine briefliche Beschreibong
zur Verfügung stellte, und eine solche hfttte er sich sehr leicht mit jenen Epi*
grammen durch Cblliub verschaffen können. Das Bild Schbubbl^s bei Pabtauboi
zeigt ein schön und scharf geschnittenes, von einem langen Yollbiirte nmrahmtes
Gesicht.
Da die Wiener Matrikeln nicht veröffentlicht sind, war es mir nicht mög-
lich, genau die Zeit festzulegen, während welcher Schbubbl in Wien stodieite.
Spätere Daten berechtigen zu der Vermutung, dafs ScmmBSL jedenfalls nicht mehr
allzu jung war.
16) Der schwäbische Bund hatte nach der Vertreibnng Herzog Ulbigb's im
Jahre 1520 Württemberg gegen Ersatz der Eriegskosten Kaiser Kabl V. zur Ver-
fügung gestellt, der es 1622 seinem Bruder, dem späteren König Fbbddiahd, über-
trug. Erst nach der Schlacht bei Lauffen (1584) kehrte Ulbioh wieder als Herr
in sein Erbland zurück.
16) Da der mir hier zur Verfügung stehende Raum es mir nicht erianbi»
später bei der Besprechung von Schbubbl's Algebra speciell auf deren QasUeo
einzugehen, möchte ich hier ganz besonders darauf hinweisen, wo dieselben la
suchen sind.
Johannes Scheubel, ein deatscher Algebraiker des XYI. Jahrhunderts. 435
matik die damals ganz Deutschland anfis Tiefste bewegenden religiösen
Zeit- nnd Streitfragen Schbübel in ihren Bannkreis zogen, und dals hierbei
ßcHEUBKL sich der nenen Lehre zuneigte; nur dies kann ihn veranlafst
haben, sich von Wien nach Wittenberg zu begeben ^^). Doch scheint
Scheubel sich nur yorftbergehend in Wittenberg aufgehalten zu haben,
wenigstens finde ich ihn nicht als Studierenden eingeschrieben^^. Von
Wittenberg begab sich Soheubel zur Fortsetzung seiner mathematischen
Studien an die Universität Leipzig ^^), die sich damals in den F&chem,
welche für Scheubel mafsgebend waren, eines nicht unbedeutenden Bufes
erfreute, und zwar lieÜB er sich hier im Wintersemester 1532 immatriku-
lieren^). Doch war seines Bleibens in Leipzig nicht allzulange, schon im
März 1535 finden wir Soheubel als Studierenden'^) in Tübingen '*), und
wohl waren es wiederum GrOnde, welche mit der damaligen religiösen Be-
wegung^) zusammenhingen, die Soheubel zu diesem Wechsel bestimmten;
ja dieser Schritt und die dadurch bedingte spätere Wirksamkeit Scheubel's
in Tübingen beweisen uns, dafs derselbe nicht blofs zur neuen Lehre sich
hinneigte, sondern ein entschiedener Anhänger derselben geworden war^).
17) Yergl. die Epigramme des Cblliüs: Lencorea = Wittenberg.
18) Vergl. AUntm Academiae Vitebergemis, Ed. Föbstemahh, Lips. 1841.
19) Yergl. Pastaubok a. a. 0.
20) Vergl. Codex dipl Sax. Heg. Zweitor fiauptteil, XYI. Bd. Die Immatr.
?on 1409—1569, p. 609: „1682 Wintersemester . . . Natio Bayaronim: Joanves
ScHKUBKL de Eirchhain . . .".
21) F&llt uns die Erscheinong eines 41 jährigen Studenten Yom heutigen
Standponkto aus betrachtet znnftchst auf, so liegt doch für die damaligen Zeiteii
nichts so ganz aufserordentUches darin.
22) Yergl. Urkunden zur Gesch. d. Unir. Tübingen ans den Jahren 1476 bis
1550. Tfibingen 1877, und zwar Matr. Univ. Tub. 1477—1645, p. 658: „1535
Martii . . Johanubs Schbybkl ex Kirchen sub Theckh . .*' Diese Urkunden, deren
Vorrede mit einem R. unterzeichnet ist, wurden Ton dem damaligen Oberbiblio-
thekar Professor Dr. Rudolf toh Roth veröffentlicht.
28) Während Heraog Gsoro tok Sachssh (f 1589) mit aller Macht die neue
Lehre von seiner Hochschule Leipzig fem zu halten suchte, hatte der durch die
Schlacht bei Lauffen wieder in den Besitz seines Landes gelangte Herzog Uuiich
in den letzten Monaten des Jahres 1534 mit der Reformation der Universität
Tübingen begonnen, in erster Linie unterstötzt durch jenen Grtmasds, der auch
in der Geschichte der Mathematik als Herausgeber des ersten griechischen Edklid'b
einen Ehrenplatz einnimmt.
24) Und zwar der streng lutherischen Richtung. Wie hätte er es auch sonst
später zum Professor an der UniversilAt Tübingen bringen und Tor allem solcher
bleiben können, jener Unirersität, welcher der noch neben Scezubkl wirkende
Märtyrer der neuen Lehre, Pmi;.ipp Ahah, nicht rechtgläubig genug war, und
wMehe später ans demselben Grunde wie ffir Atiak, so auch ffir ihren gr5ftte»
28*
436 H. StaigmüUer:
Hier in Tübingen erwarb sich Sohbubel 1540 die Magisterwürde ^), und
hier brachte endlich das Jahr 1544 dem nim 50jährigen Magister die
ersehnte Stellung als Docent der Mathematik. Noch handelte es sich aber
nicht um eine ordentliche Professur, sondern nur um einen Lehrauftng in
Arithmetik und Geometrie. In der am 20. Juli 1544 von Herzog Ulrich
erlassenen Ordnung der Artistenfakultät in Tübingen lesen wir unter an-
derem: „Dieweil dann Mathematica nit die geringst vnder den bonis aitibas
ist, So soll fürterhin derselbigen Professor auch im Bat der Artisten Facultet
gezogen vnd gebraucht werden, Vnd alweg die Materi, so er zu lesen fnr-
himpt, mit rat vnd yrtail der Artisten Facultet vnder band nemen, damit
er nit allain den Zuhörern, Sonder auch allen guten Künsten nutz, forder-
lich und forstendig sein meg. Darbej dann der Imser als geschickt Yod
taugenlich in seiner besoldung gelassen werden ynd alweg sein stund rmb
Zwolff Vr zu mittag haben soll. . . . Mit Maister Johan Soheüblih soll
gehandlet werden, das er vmb ain bestimpte Besoldung EucuDiai zu leses^
auch Arithmetices vnd Geometrie 1er den Jungen einzubilden^^).
Im Jahre 1544 wird also, neben Imber als Ordinarius, dem Maister
(„magister") Scheubel ein Lehrauftrag in Geometrie und Arithmetik ao
der Universität Tübingen zu teil. Aus dem so von Scheubel angetreieneo
Unterrichte heraus entstanden nun in den folgenden Jahren jene Werke.
die uns hier zunächst nur insofern interessieren, als sie uns in ihren Titeln
und Vorreden biographische Notizen über ihren Autor geben. In ihnen
bezeichnet sich Scheubel im Jahre 1545 als „Joannes Scheubelius bonarmn
artium magister^' und im Jahre 1549 (März) als „magister Joannes
Scheubelius ex Kirckhain sub TecW. Dagegen zeigt seine Eukuld-Aos-
gabe vom Jahre 1550 (April) im Titel die Worte: „Authore Joanhe
ScHEUBELio, in inclyta Academia Tubingensi Euclidis professore oidin&rio'^
und diejenige vom Jahre 1555 trägt die Autorenangabe: „durch Magistnim
Johann Scheybl, der löblichen vniuersitet zu Tübingen des Euclidis and
Arithmetic Ordinarien^'. In der Zeit zwischen dem März des Jahres 1549
und dem April des Jahres 1550 mufs also Scheubel zum Ordin&rins
ernannt worden sein, vergebens aber versuchte ich über diese Emennang
im Tübinger Universitätsarchiv irgend eine Notiz aufzufinden^^). Als dann
eigenen Sohn, ffir Esflkr, keinen Plats hatte, und doch hatte Ekplsb gleich
Apian dem neuen Glauben persönliche Opfer der allerschwezBten Art gebracht
25) YergL „Habtmakn, MagiBterbuch'^ Roth giebt fälschlich — wohl eis
Druckfehler — das Jahr 1646 an.
26) Yergl. „KoTH, Urkunden", p. 235 nnd 236.
27) Von den in Betracht kommenden Sammelb&nden trilgt der eine die Be-
zeichnung: „Facult. Philosoph. G. Prof. math. & phyaiees. L 1657—1700**. Der-
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts. 437
im Jahre 1557 Imses auf seine Professnr Terzichtete ^), trat nicht Scheubbl
in diese Stelle ein, sondern der Astronom und Geograph Samuel Sidero-
CRATE8; handelte es sich doch bei dieser Professur neben Mathematik in
erster Linie um Astronomie. Tübingen hatte somit vom Jahre 1550 bis
zu Scheubel's Tod zwei mathematische Professoren, doch beweist die Folge-
zeit, dafs dabei nicht an die definitive Schafiung einer zweiten mathema-
tischen Professor gedacht werden darf, sondern es lag ein Ansnahmezostand
vor, welcher wohl eben nnr durch persönliche Verhftltnisse bedingt war;
und galt schon die bleibende Professur ftir Astronomie und Mathematik als
„eine der geringeren Stellen^' ^, so ist nicht zu yerwundem, wenn dies in
noch höherem Grade bei der ad hoc geschaffenen Stelle ScHEUBEii's der
Fall war. Dementsprechend finden wir auch, dafs Scheubel schon im Jahre
1551^) und dann später im Jahre 1562^^) noch einmal um Erhöhung
seines Gehaltes einkonunt. Gerade diese zweite Eingabe, aus der wir auch
erfahren, dafs Scheubel verheiratet war, läfst einen tiefen Blick thun in
die finanziell mehr als prekftre Lage des Achtundsechzigjährigen, und erlaubt
nns Bückschlüsse auf alle jene Nöthe und Entbehrungen, durch welche der-
selbe in langen Jahren hindurch mufste'^), bis er es nur ,^weit^' gebracht
selbe beginnt mit folgenden Nmnmem: 1) Besignatio Phil. Imssbri 1667; 2) literae
S IsEMMKKOBBi 1658; 2*} Bericht des Apiam's etc.; 8) Entlassung Apian^s and Ein-
setzang Mästuk*8; etc." Scheubel wird also hier überhaupt nicht erwähnt. Der
andere jener Bände trägt die Aufschrift: „Facultas Philosoph. F. Professorum
vocationes electiones. I. 1610—1699". Auch er bietet nichte über Scheubel*s Er-
nennung, dagegen enthält er unter den Nummern 29 und 29* zwei Eingaben
8cHKUBKL*8 an den akademischen Senat ans den Jahren 1663 und 1662, welche
beide eine kräftige aber nicht leicht zu lesende Handschrift zeigen. Die Schrifb
der Eingabe vom Jahre 1662 laust in keiner Weise das Alter des Schreibers
ahnen. In der ersten dieser Eingaben beklagt sich Scheubel bitter über das
mangelhafte Interesse, das die Tübinger akademische Jugend dem Studium der
Mathematik entgegenbringe, und legt im Sinne jener Zeit, mit Bezugnahme auf
das klassische Altertum, die hohe Wichtigkeit der von ihm vertretenen Disciplinen
dar In der zweiten dieser Eingaben bittet Scheubel um eine ünterstCttznng und
Qm Erhöhung seiner Besoldung. Eine Abschrift beider Eingaben verdanke ich
der Freundlichkeit des Herrn Dr. Köhlbe in Tübingen.
28) um sich ganz seiner Liebhaberei, der Herstellung mechanischer Kunst-
werke, widmen zu können. Vergl. Roth, Urkunden, p. 167.
29) Vergl. Roth, Urkunden, p. 167.
30) Vergl. Zelleb, Merkwürdigkeiten etc., a. a. 0.; dabei legt ein gewisser
Halthasak von Gültlingbn Fürbitte für Scheubel ein.
31) Siebe oben Anm. 27 auf S. 436.
32) Auch Roth schreibt (s. a. a. 0. p. 287): „Er bat in der Folge mit allerlei
l-Dgläck und Armut zu kämpfen.**
438 H. StaigmüUer:
hatte ^'). Wahrlich nur ein hoher Idealifimns, nur jene tiefe Liebe zur
Wissenschaft, welche nns aus allen SoHBUBEL'schen Vorreden, sowie im
der Senatseingabe yom Jahre 1553^) entgegenlenchtet, kann za solchen
Opfern bef&higen. Diese Liebe zu seiner Wissenschaft und diese Opfer,
welche Scheubel seiner Wissenschaft brachte, schildert Helohiob Adam^)
mit folgenden schlichten Worten: „Joannem Sobeubelium accepkmis Tubm-
ganae qtumdam scholae professorem maüiemaiicum insignem, . . . ad Euguds
ano^€l^e^g cognoscendas et exphcandas, omne suum conMisse skidhim, negledü
re /awiZtari""). Am 20. Pebroar 1570*^ starb Sohbübbl in Tübingen*),
woselbst er auch begraben wurde. . Seine Instrumente und mathematischen
Manuskripte vermachte er der Universität'^.
Mit dieser dürftigen biographischen Skizze Sohbubbl's habe idi alles
das gegeben, was ich an wirklich gesichertem Material über die ftuDsereo
Lebensumstände unseres Autors auffinden konnte, und ich mOchte diese
Skizze nicht abschliefsen, ohne Herrn Oberstudienrat Dr. von Hartmann in
Stuttgart, Herrn Oberbibliothekar Dr. Geigbk in Tübingen und Herrn
Dr. Köhler in Tübingen meinen herzlichsten Dank auszusprechen für die
vielfachen Unterstützungen, welche sie mir beim Zusammentragen des be-
nützten Materials zu teil werden liefsen.
Wenden wir uns nun zu Schbübel's Werken. Hier tritt uns eine nn-
gleich reichere Fülle an Material entgegen, und es würde den mir zur Ver-
fügung stehenden Baum weit überschreiten, wollte ich eine vollst&ndige and
gründliche Analyse und Wertung sämtlicher Werke Scheubel's geben, eines
Autors, der in gleicher Weise Arithmetik, Algebra und Geometrie in den
Kreis seiner Darstellungen zog. Ich beschränke mich deshalb, wie schon
83) Ich mOchte nur zwei Sätze aus dieser Eingabe citiereo: ,JEU)go aukm
V08, mihi iam prebere velitis viginU Fhrinos, ddnde vero m singtdas angarias,
non quinque tatUum aed decem flarinos dare velüis! Nam üa ego, iam quidem,
creditorihus saUsfacere passwn, curare instiper, ut per lume aesUxkm ligna ä
unum cum aliia acqudram, id quod necemtas reqmrü/'^
34) Anch diese Eingabe enthält den Satz: ,^ etiam me mitere ae tmükr
vivere cogi*'.
36) Litterarhistoriker, gestorben 1622.
36) Vergl. Vitae Germanorum Medieorum etc. a Mblchioks Adavo, Franko-
farti a. M. 1705: Vita Schegku, p. 133.
37) Zellkb, Merkwürdigkeiten a. a. 0., und Melchios Adam etc. a. a. 0. Da
das älteste Totenbach in Tübingen nur bis 1596 zurückreicht, welche Angabe
ich einer freundlichen Mitteilung des Herrn Stadtpfarrer Gboss in Tabingen Ter-
danke, ist es nicht möglich, dort etwas weiteres zu finden.
38) Wenn Zelleb auch nicht ausdrücklich erwähnt, dafs Schsübkl io
Tübingen starbt so geht das doch aus der ganzen Darstellung hervor.
39) Vergl. Zelleb, Merkw. a. a. 0.
Johannes Schenbel, ein dentscher Algebraiker des XVI. Jahrhnnderts. 439
die Fassung des Yon mir gewählten Themas zum Ausdracke bringt, der
Hauptsache nach auf die Darstellung der Leistungen Scubübel's in der
Algebra. Handelt es sich dabei auch nur um einen yerh<nismäfsig kleinen
Brachteil der gesamten litterarischen Thätigkeit unseres Autors, so tritt
doch gerade in diesem firuchteil die Bedeutung Schbubel's am besten zu
Tage. Allerdings YoUst&ndig stillschweigend möchte ich an Schbubel's
arithmetischen und geometrischen Werken auch nicht vorbeigehen, doch
mufs ich mich bei ihnen mit ein paar Umrifslinien begnftgen.
Ein Zug ist es, der alle Werke Soheubel's mit Ausnahme eines ein-
zigen, des letzten, charakterisiert und nach Umfang, Inhalt und Form der
Darstellung bestimmt: sie sind aus der akademischen Lehrth&tigkeit heraus
und fCa die akademische Lehrthfttigkeit geschrieben, widmet er doch eines
derselben direkt der akademischen Jugend Tübingens. Liegt so unserem
Autor nidits femer, als in seinen Werken nur „Eigenes'^ geben zu wollen,
so ist er sich doch stolz bewuTst, darin neben dem Fremden auch „Eigenes^*
bieten zu können, und gleich im Dedikationsschreiben des ersten Werkes,
das ScHEUBEL im Drucke erscheinen liefs, sagt er: „nonnuUa etiam ipsi inr
uenimus nequ(iquam aspemanda''.
Dieses erste Werk Schbubel's selbst tr> den Titel: ,yDe namens et
diversis retUombus seu reguHs oomputaUofmm optucuhnn,' a Joanne Scheubelio
composikim. Non solum ad usum quendam wdgarem^ sed etiam cognitionem
ä sdentiam exquisiHorem arUhmeUcae accamodcUum,^, und am Schlüsse steht:
yJApsiae ex Offidna Michaelis Blum, a restUuta sähUe Anno M,B,XLV,
Jdib. Maij/* Gewidmet ist das Werk den Doktoren und Magistern des
Senates der üniyersität Tübingen. Es zerf&llt in 5 Traktate. Im ersten
Traktat behandelt Schbubel das Rechnen mit ganzen Zahlen bis zum Aus-
ziehen der Kubikwurzel, im zweiten das Bechnen mit Yerhältnissen und
Proportionen, im dritten das Bechnen mit gemeinen Brüchen und im vierten
das Rechnen mit physischen Brüchen^). Im fünften Traktat, dem gröfsten
40) Bei diesem Bechnen mit „physischen*^ Brüchen handelt es sich zunächst
um da« auf die Winkeleinteilung zurfickgeföhrte Rechnen mit SexageBimalbrüchen.
Doch ist damit der Begriff des „physischen** Braches keineswegs erschöpft, sondern
jede ans dem wissenschaftlichen oder bürgerlichen Leben gegriffene Einteilung
emes Qanzen in Teile und Unterabteilungen kann zur Aufstellung einer Art von
absteigenden Brüchen verwendet werden, die bis zu einem gewissen Grade unsere
heotigen Decimalbrüche su ersetzen im Stande sind. AUerdings berührt es in
hohem Grade eigentümlich, zum erstenmale eine Multiplikation zu sehen wie die
folgende, welche eben unserem Traktate entnommen ist (vergl. fol. Q. 5'): „7 Gul-
den 4 Schilling 6 Pfenig wfirttembergischer W&hrung sollen mit 7 Gulden
7 Schilling 7 Pfenig württemb. Währ, multipliziert werden.** Als Resultat errechnet
ScnuBSL: 62 Gulden 8 Schilling 2^ Pfenig württemb. W&hr. Da nach damaliger
440 H. Staigmuller:
und wichtigsten, entwickelt Scheubel znnftchst die Begel de tri^^) sos
Euklid YII, 19 nnd knCLpft daran eine sehr grofse Anzahl von Beispielen,
wie sie in den landläufigen Rechenbüchern nach allen mGglidien Etegeln mit
besonderen Namen gelöst worden. Weiterhin behandelt hier Scheubbl ginz
allgemein das Wurzelansziehen und geht dann noch über zu Aufgaben geo-
metrischer Art, sowie zu Aufgaben aus den Gebieten der arithmetisebeii,
geometrischen und harmonischen Progressionen. Den Beschlnfs bilden einige
der bekannten arithmetischen Epigramme aus der griechischen Anthologie.
Scheubel hat diese seine Arithmetik in bewufstem Gegensätze sa den
damals gebräuchlichen Bechenbüchem geschrieben ; ihm ist das BedmeD nicht
die handwerksmftfsige Ausübung feststehender Begeln, die man sich einprigt,
ohne nach ihrem „Woher^^ zu firagen, sondern ihm ist das Bechnen eine
Wissenschaft, die jedem, der auf gelehrte Bildung Anspruch macht, nötig
und nützlich ist, eben deshalb auch w&hlt er für sein Werk die lateinische
Sprache.
Bald aber fand Scheubel selbst, dafs dieses Werk, welches die gesamte
Theorie und Praxis der damaligen Bechenkunst zur Darstellung bringen
sollte, doch fElr manche Zwecke zu viel bot nnd zu groüse Anfordnmgeo
stellte. Er entschlofs sich daher in einem kurzen Kompendium das nötigste
aus der Arithmetik zusammenzufassen, und so entstand das zweite Werk
Scheubbl's, das den Titel trägt: Compendium ArithmeHcae Artis, ut breui»-
simum itu Umgd utüissimum erudiendis tyrombus, non solüm propter ordknm.
quo paucis perstringuntur huius arlis capita^ sed eUam causa perspicuiiatis,
guae delectat et iuuat discentes, summaperi expet^ndum: per Joakhem Scbeu-
BELiuM adomatum et conscriptum» Continct autem utrunque hoc Comperidim,
numerorum sciUcet et caladorum seu proiectüium (ut uocant) rcUiodmatumm:'
Am Ende steht: „BasUeae, per Jacobum Parcum, expenHs Joaknib Opori>i.
Anno 1549" Dieses Werk ist es, das Scheubel der Tübinger akademischen
Jugend widmete. Während sein erstes Werk 254 Oktayblfttter umfafst
ist dieses „Compendium^' auf 86 zusammengezogen, und dafis dasselbe in der
That einem Bedürfnis entgegen kam und yielfachen Anklang fand, erseheo
wir daraus, dafs Scheubel selbst noch im Jahre 1560 eine zweite Ausgabe
davon besorgen durfte. Materielle Änderungen zeigt diese Neoausgabe
eigentlich keine, dagegen ist dieselbe formell durch besseren Druck, öber-
württembergischer Währung 1 Gulden » 28 Schilling und 1 Schilling » 6 Pfeiu^
war, 80 bedeutet eben das obige Beispiel nichts anderes als:
\ ^ 28 ^ 168/ V 28 ^ 168/ ^ 28 ^ 168
il) Die er selbst allgemein ^,r«^a proportionum" nennt.
Johannes Schenbel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts. 441
sichtlichere Anordnang^') und Beigabe zweier. Register erheblich yerbesseri
Der Titel zeigt nur den Beisatz: lam denub ab ipso autore recoffnUum et
emendakun". Am Schlüsse steht jetzt: ^^cMeae excudehat Jagobus Parcus,
expensis Joannis Opobini, anno MJ),LX. menae MarHo/'
Doch wir müssen Ton hier wieder zeitlich zurückgehen, wollen wir uns
Dan dem dritten Werke Scheübel's, seinem Hauptwerke, zuwenden. Das-
selbe zeigt den Titel: „Euclidis Meoarensis, Phüosophi et MathemcUid ex-
ceUentissimi, sex Ubri priores, de Geometricis prindpiis, Graeci et Latini, imä
cum demonstratiomtms propositionum, absque Uterarum noUs, tieris ac proprOs,
et alHs quibiiisdain, usum earum concernentitms^ non citra maxitnum huius
artis shuliosorum emolismentum adiectis, Algebrae porro regtdae, propter
numeromm exempla, passim propositionibfAS adiecta, his libris praemissae sunt,
eaedemque demonstrcUae. Äuthore Joanne Scheubelio, in indyta Äcademia
Tubingensi Euclidis professore ordmario*' Am Schlnis steht: „Basüeae, per
Joakmem Hebuaoiuh, Anno sahiHs hwmanae M,B.L. Mense Septembri/*
ScHEUBEL widmet diese seine Euklidausgabe dem bekannten Augsburger
Kaufherrn Anton Fugger und den Söhnen des kaum minder bekannten
Raimund Fugger^^), seinen „Maecenaten^^, denen er durch vielfache und
anfsergewöhnliche Beweise einer wohlwollenden Gesinnung und einer offenen
Hand sich verbunden fühlt. In dem Dedikationsschreiben legt Scheubel
genau die Motive dar, welche ihn bei seiner Arbeit leiten. Nichts wäre
Terfehlter, als wollte man hier eine auf eigene textkritische Studien basierte
Euklidausgabe erwarten, ein solcher Gedanke lag der damaligen Zeit nicht
so nahe als uns heute, ein solcher Gedanke lag vor allem Scheubel ferne.
Wohl kennt Scheubel Euklidausgaben, welche nach unseren heutigen Be-
griffen weit von einander abstehen, doch sind die in denselben zu Tage
tretenden Verschiedenheiten für ihn von so nebensächlicher Bedeutung, dafs
er dieselben nicht einmal erwähnt. Ausgaben, die in direktem Gegensatze
in einander stehen, und von denen die spätere die frühere nicht schroff
genug tadeln kann, wie diejenige des Campanus und diejenige des Zahberti,
42) Vor allem durch Ein Schaltung von Kapitelüberschriften.
43) Die beiden von Kaiser Kabl V. in den Reichsgrafenstand erhobenen
Brüder Radcuhd und Amtom Fuooeb sind die Ahnherrn der hente noch blühenden
Linien der FucraKB. Raimuhd starb schon 1686; sein zweiter Sohn Ubobo war
selbst ein nicht ganz unbedeutender Mathematiker. Amton, der erst 1660 starb,
trügt ~ obgleich einst von Hütten ob seiner Knausrigkeit verspottet — nicht
nut Unrecht den Beinamen eines ,,Hortes der Armen und der Gelehrten^S Einen
Beleg statt vieler bietet eben sein Verhältnis zu Schbubbl: Ahtoh Fuqobb, ein
Anhänger der alten Lehre^ unterstützt thatkräftig den armen gelehrten Schbubbl,
einen Anhänger der neuen Lehre.
442 H. Staigmfiller:
werden, wie überall damals, Redlich nebeneinander mit gleieh hohem Lobe
bedacht. Doch darf uns dies nicht auffallen, ging ja Schbubel — wie
eben aus der Vorrede nicht unschwer zu entnehmen ist — Yon der dam&ls
ganz allgemein yerbreiteten Ansicht aus, dals nur die Lehrsätxe „des Eükud^
auf Euklid selbst zurückzufahren seien, dafs aber die beigegebenen Beweise
ein geistiges Eigentum dieses oder jenes Herausgebers „des Eukud** dar-
stellen, eine Ansicht, von welcher Spuren sogar schon im Altertome Tor-
zuliegen scheinen. Als die besten ^^demonstralores^^ der „Geometrie des
Megarenser^) Eoklid^' nennt Sgheubel unter den griechisch schreibeDd«!
Theon und Hypsikles, unter den lateinisch schreibenden Campanus und
Zamberti. Verdienen dieselben durch ihre Leistungen auch das ihnen ge-
spendete hohe Lob, so machen sie sich doch — nach Schbubel — dadurch
eines Fehlers schuldig, daCs sie bei ihren Beweisen zur Bezeichnnng von
Punkten etc. Buchstaben verwenden . Dadurch sollen sie sich nicht nur is
einen Gegensatz zu Euklid stellen, der ja seine Lehrsätze ohne jenes Hilfe-
mittel aussprach, sondern auch die Aufgabe von Lehrer und Schüler er
schweren, indem sie ein Element hereinziehen, das nicht blofs überflüsag
ist, sondern auch verwirrend wirkt. „Kürzer und klarer^ sei es, eine Sadie
durch die ihr direkt zukonunenden Bezeichnungen dem HOrer vorzuiiähren, als
durch Buchstaben, die sich derselbe erst lange zusammensuchen muDs, und die
in keinem inneren Zusammenhange mit der Sache stehen. Dementsprechend
verzichtet Sgiieubel konsequent auf jede Buchstabenbezeichnung in Figur
und Text, und sieht darin denjenigen Vorzug, der in erster Linie für den
Wert seiner Euklidausgabe bestimmend ist, und sie vor allen andern aus-
zeichnet. ScHEUBEL betont ausdrücklich, dafs er nicht nur als Lehrer mit
dieser seiner Methode die allerbesten Erfahrungen gemacht habe, sondern
auch seine Schüler hätten ihn versichert, dafs sie auf diesem Wege ungleich
leichter und angenehmer ihr Ziel erreicht hätten, als auf dem gewöhnliebeo.
Als Beispiel, wie Schbubel seine Methode durchföhrt, mSgen aus dem Be-
weise des pythagoreischen Lehrsatzes diejenigen Stellen hier wiedergegeben
sein, durch welche die bekannten Hifslinien festgelegt» werden: „Demütatur
ab angulo triangvHi recto, tanquam d puncto dato, super suam subtensam,*-
Unea perpendicularis^ atque h<iec ad laius usque oppositum per quadrcüm
continuetur, et erit quadraium laieris^ angulum rectum subtendenäs, tu duo
paraUdogranima dtumim, quorum DernUankir ab anffulo friwff^t
recto, ad remotiores ab eo duos quadrati tarn diuisi angulos, duo reäoe
44) Ganz allgemein wurde damals der Geometer Eukud mit dem mehr als
100 Jahre älteren Philosophen und Schüler des Sokratbb, dem Megarenser Ecsud
Yerwechselt, eine Verwechslung, welche sich schon im klassischen Altertame nach-
weisen läfst.
Johasnea Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrbanderts. 443
Imeae Ducantur tUUmö^ etiam ad €U>tUis rectanguli Manguli angtdis duae
redae lineae, quarum utraque per latus eundem angukim siMendens, usque
ad unguium quadraii iUum^ cui idem acuttts hadenus non est cammctus,
cofUinuetur/'
So lange der Yortragende Lehrer oder der repetierende Schüler in der
Lage ist, seine Worte gegebenen Falles durch ein direktes Hindeuten auf
bestimmte Teile einer Figur zu illustrieren, können Buchstaben umgangen
werden, und in diesen engen Grenzen ist den Darlegungen Scheubel's nicht
alle Berechtigung abzusprechen, aber in allen anderen Fällen wird durch
das „notwendige Übel'' der Buchstaben die Beweisführung entschieden „kürzer
tmd klarer". Und zu diesen Fällen gehOren vor allem diejenigen, in welchen
der Druck den Beweis übermitteln soll. Hier eine neue Methode einzu-
fuhren, weil dieselbe sich dort bewährt hat, ist, milde bezeichnet, eine
,,SchruUe'^, selbst wenn die Durchführung, wie dies bei Scheubel thatsäch-
lieh der Fall ist, als eine gelungene bezeichnet werden mulB.
und noch eine andere „Schrulle'' ihres Autors weist unsere Euklid-
ausgäbe auf: Wo in einzelnen Sätzen nur immer die Fläche eines Dreiecks
eine Bolle spielt, fügt Scheubel numerische Auswertungen der Heronischen
Dreiecksformel an, d. h. der Formel, welche in unserer heutigen Zeichen-
sprache lautet: A = Ys (s — a) (s — &) (* — c). Solche mehr oder
weniger umfangreiche Beigaben zeigen z. B. im ersten Buche folgende Sätze:
34, 35, 36, 37, 40, 41, 42, 43 und 47. Bei Satz 34 z. B. handelt es sich
darum zu zeigen, dafs jedes Parallelogramm durch eine Diagonale halbiert
wird. Nachdem Scheubel den Euklidischen Beweis auf seine Art gegeben
hat, fährt er fort: „Da nun aber dieser Satz 34 und noch viele folgende
in Zahlen, d. h. in der „diskreten Quantität" in gleicher 'Weise als wahr
erfunden werden, wie in der „kontinuierlichen Quantität" so ist es nötig, um
dies bequemer zu zeigen, mit folgenden Worten eine gewisse allgemeine
Regel unten anzufügen, yermittelst welcher die Flächen aller Arten von
Dreiecken (sofern nur ihre Seiten bekannt sind) gefunden werden können."
und nun folgt in Worte gekleidet die Heronische Formel, und zwar, wie
an dieser Stelle nicht anders möglich, ohne jede Andeutung, auf welchem
Wege dieselbe erhalten oder bewiesen werden kann. Des weiteren wird
die aufgestellte Begel auf 4 Folioseiten an nicht weniger als 9 Dreiecken ^^)
durchgeführt, wobei gegebenen Falles Bcheubbl darauf hinweist, wie die
errechnete Dreiecksfläche der Hälfte des zugehörigen Parallelogramms ent-
spricht. Wie wenig er dabei komplizierten Zahlenbeispielen aus dem Wege
geht, mögen die folgenden beiden beweisen. Das eine Mal nötigt ihn seine
46) Damnter sind auch rechtwinklige Dreiecke enthalten.
444 H. StaigmüUer:
Figur die Fläche eines Dreiecks zu bestimmen, dessen Seiten = 6, 11 und
r 157 — y9680 sind, ein anderes Mal wiederholt er ein einfaches rationales
Beispiel in irrationaler Form, indem er den Inhalt eines Dreiecks von den
Seiten 6, 1^40 + Yblß und 10 berechnet In ganz analoger Weise behandelt
ScHEUBEL, um noch ein Beispiel anzuziehen, den Satz: Dreiecke von gleicher
Grundlinie und Höhe sind gleich (35). Nach der geometrischen Durch-
führung giebt ScHEUBEL eine Figur, in welcher 3 Dreiecke von gleicher
Höhe auf derselben Grundlinie stehen. Den Seiten dieser Dreiecke sind
folgende Zahlen beigedruckt: 8, 12, 12; 8, }/l92, Yssi-, 8,^228, y452,
daneben steht: „es zeigt die Figur 3 Dreiecke, von welchen durch die
folgende BerechnuDg gezeigt werden soll, dafs sie, wie „geometrice** so auch
„per numeros'^ gleich seien^. Dementsprechend ftihrt nun Scheubel för
die 3 Dreiecke die Inhaltsberechnung nach der Eeronischen Formel dnrth
und findet jedesmal den Wert }/2048, den er annftherungsweise („fere")
23
gleich 45 ^ setzt. Ja selbst bei einem Satze wie dem pythagoreischen
kann sich Scheubel eine analoge Beigabe nicht versagen; auch hier be-
rechnet er den Inhalt der Hilfsdreiecke aus ihren Seiten und vergleicht die
Besultate mit den entsprechenden Rechtecken und Quadraten. Aber in
keinem einzigen Falle giebt Scheubel auch nur die geringste Andentang.
auf welchem Wege er sich die numerischen Werte der Seiten der zu be-
rechnenden Dreiecke verschafft hat.
Was will nun Scheubel mit allen diesen Beigaben? Zur Über-
zeugung, dafs die betreffenden Lehrsätze wahr seien, tragen diese Rechnungen
allerdings — wie Kästner ganz richtig bemerkt — nichts bei. Doch das
beabsichtigt Scheubel gar nicht, wie sollte er es auch; geht er ja am'
diese Rechnungen immer erst ein, nachdem er einen strengen Beweis des
betreffenden Satzes gegeben hat. Aber Scheubel giebt jene Beweise „geo-
metrice" d. h. er fuhrt sie direkt an den stetigen Raumgröfsen diutk
Neben der — wenn ich so sagen darf — Mathematik der „stetigen Gröüsen^
läuft ihm parallel eine Mathematik „diskreter Gröfsen'^; jene beschaff
sich mit den Raumgröfsen, diese mit den ZahlgrÖlsen. In diese Mathematik
der diskreten Gröfsen gehört ihm der Heronische Satz, was sollte Scheitel
auch im Gebiete der Raumgröfsen mit jenem Produkte aus 4 Faktoren, wie
er es aufstellt, anfangen? In seine „Euklidische Greometrie" kann er diesen
Satz nicht unterbringen, braucht ihn aber auch nicht einzuzwängen, gehSri
er für ihn doch einem andern Gebiete an. Will Scheubel aber dennoch
das Parallellaufen der beiden getrennten Gebiete illustrieren, wie könnte er
das in solch ausgedehntem Mause in einfacherer und für ihn als Algebraiker
Johannes Scheabel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts. 445
fruchtbarerer Weise erreichen, als dadurch, dafs er eben aus jenem Gebiete
unsem Satz als „Begel^' herüber nimmt. DaTs aber Scheubel einer Euklid-
ausgäbe solches Beiwerk überhaupt einfügt, und dafs er vor allem dem
Beiwerk einen Umfang einrftumt, in welchem es oft die Hauptsache zu
überwuchern droht, das ist es, warum ich von einer „Schrulle^' unseres
Autors gesprochen habe.
Eine dritte Eigentümlichkeit unserer Euklidausgabe ist es, dafs Soheubel
ihr einen kurzen Ahrifs der Algebra Yorausschiokt, mit der schon im Titel
gegebenen Begründung: „Weiterhin sind sodann die Begeln der Algebra
diesen Büchern Yorausgeschickt und bewiesen, wegen der Zahlenbeispiele,
welche den Lehrsätzen allenthalben beigefügt sind.^' Da ich im zweiten
Hauptteile dieses Ansatzes eben diese Algebra eingehender behandeln werde,
mögen hier nur ein paar allgemeine Bemerkungen vorausgeschickt sein.
Diese „Algebra^', obgleich nur 76 Seiten umfassend, stellt dennoch eine
Leistung dar, welcher aus der Geschichte der deutschen Algebra des XYI. Jahr-
hunderts nur noch „Chbibtoff Budolff's GoIs^ und „Stifbl's Arithmetica
integra^' an die Seite gestellt werden können. Und wie rasch dieselbe sich
auch die Anerkennung der Zeitgenossen erwarb, sehen wir daraus, dafs kaum
ein Jahr nach dem Erscheinen unserer Euklidausgabe ein „Separatabdruck^^
eben dieser Algebra in Paris herauskam^®). Da es mir nicht mOgUch war,
diesen Abdruck selbst zu bekommen, gebe ich über denselben das, was
Pfaff in Kastner's Geschichte der Mathematik mitteilt: „Von Scheübel's
Algebra ÜEUid ich bej meinem Aufenthalte in Dresden, eine Ausgabe in Paris
veranstaltet, deren Vorrede mir besonders auffiel, daher ich sie auf der
Dresdener Bibliothek abgeschrieben habe. Der Titel ist: Algebrcte compen-
diosa faciUsque descripUo qua depronwml/wr magna ÄrithmeHces miracula.
Äuthore Joanne Scheubeuo MathemaUcarum professore in Äcademia Tubin-
gensi. Parisiis apud Gulielmum Cauallat in pi/ngm gaUina ex aduerso col-
legü Cameracmsis 1551. Cum priuüegio. Die Vorrede fängt so an: Tgpo-
graphus ledari . . Cum viderem {amice lectar) Algebra/m a perm/uUis propter
artis praestantiam commendari, a nimis paucis inUüigi proter obscuram ejus
descriptionem. Bogau» quarundam senterUiam de Ubdlo SoHEUBELn qui titulo
brevem Algebrae descriptionem pollicebatur. Quam cum inteiUgerem non solum
breuem sed etiam facüem, non sum passus ut eo Ubro tam uUli ac eapetito
diu careres "
Habe ich so kurz das skizziert, wodurch sich die ScHEUBEL'sche Euklid-
46) In der Bibliothek des britischen Museoms, welche von Scheubel^s
sonstigen Werken nur noch dessen Arithmetik vom Jahre 1545 besitzt, ist dieser
Abdruck sogar in zwei nur durch den Titel verschiedenen Ausgaben vorhanden.
446 H. StaigmüHer:
ausgrabe vor aDdern auszeichnet, beziehungsweise von ihmm untersdiadei,
so möchte ich noch mit ein paar Worten auf ihre allgemeine ABordnnng
zu sprechen kommen. Scheubbl schickt jeweils den griechischen Wortbnt
der einzelnen Definitionen, Lehrsätze etc. voraus, sodann folgt eine lateiniseke
Wiedergabe des griechischen Textes, und hieran schlieisen sich bei den hskr-
Sätzen Beweise, welche durch gute Figuren unterstütst werden, und wekhe,
abgesehen von den schon berührten Eigentümlichkeiten, den bekannten
Euklidischen Beweisen entsprechen. Bei der oben dargelegten teictkritisefaeD
Stellung Scheubel's hätte es wenig Wert, die Abhängigkeit desselben tos
den Yorhandenen Ausgaben im Einzelnen festzulegen, nur das mSge hier
gesagt sein, dafs — soweit es sich nicht um Scbeubbl's eigene Zutbateo
handelt — alles sich auf damals schon im Druck yorliegende Aufgaben
zurückführen lälst, und zwar in erster Linie auf die bekannte im Jahrs 1533
durch Grtnaeus besorgte griechische Euklidausgabe.
Wie das eben besprochene Werk Scheubel's in engstem Zusammenhang
mit dessen akademischer Lehrthätigkeit stand, so wurde eine andere V(h:-
lesung, welche Schbubbl hielt, Veranlassung zu seiner nächsten Publikation.
ScHBUBEii „W^ nämlich die EpUomen in ÄrtütmeHcam specukUivam Boetbi,
welche ein halbes Jahrhundert früher Faser StapuiiBnsis (Jacquss Leti&vke)
unter andern Drucklegrungen zur Hebung des mathematischen ünterriehts
an der UniYersität Paris herausgegeben hatte. Obgleich diese Epitome eine
Reihe von Auflagen erlebt hatte, war sie zu Sgheübbl's Zeit im Buch-
handel vergriffen, und so entschlofs sich Sciieubel, eine neue Ausgabe zu
veranstalten. Dieselbe trägt den Titel: „Jagobi Fabbi Stapulensis w
Arühmetica Bobthi e^Uame, und cum difficiUorwn locarum expUcaHonäms d
ßguris (qtUbus cmtea carebat) nunc per JoANmiM ScHsuBBLiuif adomaUs
et adiecUs. Accessü Chbistibbki Mobssiami ArHhmetica practica etc.** Am
Schlüsse des Werkes steht: ,^a9ileae excudebat Henbious Pbtbi, menst
Auffusto, anno M.D.LIIL" Gewidmet ist die Ausgabe dem Dekane und
den Mitgliedern der Tübinger Artistenfakultät.
Die äusserst dürftige Epitome Lbfävbe's zerfallt in vier Teile. Der
erste Teil enthält nichts weiter als diejenigen Begriffe übersichtlich zusammen-
gestellt, welche der zweite Teil definiert Hierbei kommen folgende Zahl-
begriffe in Betracht: „numerus, numerus par etc.; numerus prmns etc.; m-
merus linearis etc.; trigonus etc,; pyramis, cutms etc.; medietas aritkmetiea etrJ'
Der dritte Teil handelt sodann von den Eigenschaften dieser Zahlen,
und in einem vierten Teile zeigte Lef^vbe, wo das von ihm Gebotene bei
BoETHius und JoRDANUS Nemorarius abgehandelt wird. Dem zweiten und
dritten Teile giebt nun Sgheubel in seiner Ausgabe in ziemlich ausgedehntem
Malsstabe erläuternde Figuren und Zusätze bei, welch letztere durch des
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVL Jahrhunderts. 447
Druck Yom eigentlichen Texte unterschieden werden. Dagegen l&fst Scheubbl
den vierten Teil ganz bei Seite, und begründet dies damit, dafs derselbe für
einen Studierenden, der weder den Boethius noch den Jordanus besitze,
wertlos sei. Eine Arithmetik im heutigen Sinne, wie etwa Soububel's
„Compendiom", bietet diese Epitome also in keiner Weise, und deshalb
hatten auch schon die früheren Ausgaben einen ergänzenden Anhang.
Speziell bei derjenigen Ausgabe, die Scheubbl seinem Neudrucke zu Grunde
legte, war dies die „ÄrUhmetica pracUca Chbistibrni Morssiani'', welche
deshalb auch Schbubei« beibehielt. Diese ArithtneUca practica behandelt
kurz und bündig das gemeine Bechnen mit ganzen Zahlen und Brüchen,
etwas Wurzelausziehen, sowie die Begeln und Beispiele für deigenigen Teil
der gemeinen Arithmetik, den man heute etwa mit dem Namen „das bürger-
liche Bedmen^^ bezeichnet.
In einem gewissen Gegensatze zu den bisherigen Publikationen
Scheubel's steht dessen letztes Druckwerk, zu dem wir uns nun wenden.
Hatte Scheubel seine bisher besprochenen Arbeiten eigentlich nur für die
studierende Jugend geschrieben, so wendet er sieh in diesem seinem letzten
Werke an ein ungleich grö&eres Publikum, an alle: „so die Kunst der
Rechnung liebhaben"; dementsprechend bedient er sich hier auch der deutschen
Sprache. Das Werk^^) selbst trftgt den Titel: ^Das sibend, acht vnd neünt
buch, des hochberümbten Mathematici Euolidis MBaARBNSia, in welchen der
Operationen Tund regulen aller gemainer rechnung, yrsach grund vnd fnn-
dament, angezaigt wirt, zu gefallen allen den, so die kunst der Bechnung
liebhaben, durch Magistrum Johauh Schbtbl, der löblichen yniuersitet zu
Tubingen des Eucuoia vnd Arithmetic Ordinarien, aufs dem latein ins
teütsch gebracht, ynnd mit gemainen exemplen also illustrirt ynnd an tag
geben, das sj ein jeder gemainer Bechner leichtlich yerstehn, ynnd jme nutz
machen kan." Am Ende des Buches steht: „Gedruckt in der Kaiserlichen
Beichsstat Augspurg, durch Valbntin Ottmab, am zehenden tag Aprilis, im
tausent fünffhundert und im f&nffundfünfftzigisten Jar/^ Schbubbl widmet
dieses Werk dem Pfalzgrafen Otto Hbxnbioh (Otthbinbxch), dem Refor-
mator der Uniyersitftt Heidelberg und Erbauer des nach ihm benannten
Teiles des Heidelberger Schlosses. "^
In zwei getrennt nebeneinander herflieiaenden Strömen bewegte sich im
16. Jahrhundert fast aussehlieCslich das mathematische Leben und Streben
in Deutschland. Dort der Mathematikbetrieb an den Hochschulen, der durch
die feststehenden Vorschriften in betreff der Kompendien, nach denen ge-
47) Das Exemplar der Kgl. Öffentl. Bibl. in Stuttgart zeigt eine Widmung
Toa ScBBUBBL*s eigener Hand.
448 H. Staigmüller:
lesen werden mulste, dazu yerorteilt war, am AlÜiergebrachten kleben zu
bleiben; bier die aus den Forderungen des bürgerlichen Lebens herror-
gegangenen Bechenschulen, deren ,,Meistei^ in nicht geringerer Einseitigkeit
eben nur die Forderungen der Praxis im Auge hatten, und nach festes
Regeln ihre Kunst oder besser gesagt ihr Handwerk betrieben. Wagt«
ScHEUBEL mit seiner ersten Euklidausgabe den schüchternen Yersach einer
Reformation des Hochschulmathematikbetriebs durch die ,,Ein8chmnggelai^
der Algebra in den engen und starren Kreis der akademischen Lehrroitrigi;
so hatte diese zweite Euklidausgabe eine Reformation des handwerksm&Isiges
Rechenbetriebs an den Rechenschulen im Auge. Scheubel schreibt hier^^):
^so hab ich nur fürgenommen yon diser kunst Arithmetica, in welcher id
meins achtens, etwas merers als maniger annder, durch (jottes hülff Turd
gnad, auch embsigen angewenten üejü^ begriffen, von des gemainen nutz
wegen etwas zuschreiben. Aber nach dem die gemain Rechnung von sehr
yil ynd gelerten Rechenmajstem genugsam beschriben ist, hat mir nit g^
zymmen oder gebüren wollen, mich mit dem jenigen, welches Yon yadem
Yormals berürt, einzulassen, sonder mit einem tyeffem ynnd nSiigem be-
* kümmeren/^ Was Scheubel unter dem „Tieferen und Nötigeren'^ yerstebt,
das ist die Hebung des damaligen Rechenunterrichts vom Handwerk zur
Wissenschaft, und die Vereinfachung des ganzen Betriebs dieses üntenicbti
Doch ist Scheubel dabei kein Fanatiker, der einem Prinzipe zu lieb die
Forderungen der Wirklichkeit yemaohlftssigt So giebt er z. B. bei der
Behandlung der Gresellschaftsrechnungen zuerst die Regel, nach welcher die
Rechenmeister arbeiten liefsen und setzt dann hinzu ^): „Thund in dem
recht, dann also mufs man mit gleichnussen den gpnainen vnnd schmcb*
uerstendigen Jungem begegnen." Dann aber entwickelt er selbst dzs be-
treffende Verfahren aus Euklid VU, 12 und 13 und fOgt diesen Dar-
legungen die folgende „ermanung" bei: „Es were, freundlicher Leser, meiiis
achtens gar fein, das der kunst rechnung liebhabere, so mer als ein gmainer
Junger wissen will, sich mit solchen stücklen zieret, nit allain mit anf-
lesung viler exemplen sich bekümmeret, sonnder auch ynderweilen gedecbt
wie er sein Operation, jetz der jetz einer andern regeln oder eines andem
exempels, mit gründtlichem verstand vor menigklichen yerthedingen lud
handhaben wolt, wie dann das ein jeder Rechenmaister namens hilbeo
wifsen solL" In ganz fthnlicher Weise yerurteilt Scheubel noch an vieleo
andern Punkten das Gebahren der meisten damaligen Rechenmeister, die
keinerlei Verlangen spürten, sich Rechenschaft über die yon ihnen T0^
48) Im DedicatioBsbriefe.
49) p. XL.
Johannes Scheubel, ein deatscher Algebraiker des XVI. Jahrhnnderts. 449
getragenen Regeln zu verschaffen, die sich dafür aber darin gefielen, eine
möglichst grolse Zahl speziellster Regeln aufzustellen. Gleich bei dem
ersten Beweise, welchen Scheubel giebt, schreibt er^): ,Jch waiTs wol,
das YÜ der teütschen Rechner nit vil fragen nach der fürgaben ^^) gwifs-
hait, demonstration oder glanbwirdigen darbringen, lausen sich gnügen an
den regulen vnd Operationen, glauben denen, vnd faren fort/^ Und an
einer andern Stelle sagt Scheubel ^^): „Also hastu fraintlicher lieber Rechner,
fanff ftkmemer regulen, so bej allen Rechenmajstem in gemaynem vnnd
majstem brauch sind, demonstration ynnd grüntlich herkommen vernommen.
Etwas weitters von den andern regulen der gemainen rechnung, als von
der regel des Gwins und verlusts, des Wechfsels, des Stichs und dergleichen,
zusagen, dejcht mich on not, dann die selben all aufs der regel Detri
jren verstand haben Man soll auch nit bald von aines oder zwaier
exemplen wegen, welcher soluirung nit von stundan naher gehn will, ein
anndere regel erdichten, sonder vil mehr arbayten, die selben exemplen
durch die fümemen hauptregulen sampt dem gmainen verstand auflesen
und verantworten.'^
• .
Gehe Jich nun noch mit ein paar Worten auf die uns beschäftigende
Euklidausgabe selbst ein. Wie Scheubel schon in dem Titel hervorhebt,
legt er seiner Übersetzung eine lateinische Ausgabe zu Grunde, sagt uns
aber nicht, welche Ausgabe dies war^). Den einzelnen Definitionen und
Lehrsätzen fügt Scheubel erläuternde Zahlenbeispiele an; Beweise giebt
0
er nur bei einer beschränkten Zahl von Lehrsätzen und wählt dabei mit
Vorliebe solche, welche für das gemeine Rechnen von Bedeutung sind.
An sie schlieM er dann die obenberührten Ableitungen bestinunter Regeln
der praktischen Arithmetik an. Doch geht Scheubel in solchen Beigaben
z. B. auch auf die Summierung der geometrischen Reihe und ähnliches ein,
oder sucht, um ein anderes Beispiel anzuziehen, bei IX, 36 eine möglichst
grofse Zahl vollkonmiener Zahlen zu bestinunen. Als solche findet er:
6, 28, 496, 8128, 2096128, 33550336, 536854528, 8589869056 und
137438691328. Allerdings sind von diesen 9 Zahlen die 5. und die 7.
keine vollkommenen Zahlen, aber es liegt hier nur ein Versehen vor, wäh-
rend z. B. Scheubel's berühmter Zeitgenosse Stifel glaubte, jede Zahl
60) p. XXVII.
51) So übersetzte Schbubel das Wort propositio ^= ngivaoig,
62) p. CXXXIX.
53) Vielleicht war es jene im Jahre 1537 bei Hbsuaoiüm — dem Drucker von
Schsubbl'b Hauptwerke — erechienene lateinische EuKLiDausgabe.
Abh. rar Gaieh. d. MMhem. IX. 29
450 H. Staigmüller:
von der Form 2*" (2*"+* — 1) sei eine yoUkommene ZaM, sobald fi einöi
der Werte 1, 2, 3 etc. in inf. annehme").
Wie schon im Dedicationsbriefe, so yerspricht anch am Schlüsse un-
seres Werkes Scheubel eine Fortsetzung desselben durch eine Herausgabe
des X. Buches; allerdings fügt er dort den einschränkenden Beisatz MnzQ:
„und ich danckbarkait yon den Bechnem spüret'\ Diese Dankbarkeit, die
er wohl an der Aufnahme mals, welche sein Werk fand, wurde ihm, wie
es scheint, nicht zu Teil, ich wenigstens konnte keine Spur einer Schenbel-
schen Ausgabe dieses X Buches finden.
Überblicken wir nach diesem kurzen Abrifs der litterarischen ThStig-
keit Scheubel's dieselbe noch einmal als Ganzes, so treten uns zwei Züge
als charakteristisch entgegen. Einmal sucht Scheubel zu verhüten, dals
in seinem Fache die akademische Lehrthätigkeit im Althergebracbten er-
starre und alle Fühlung mit den Forderungen des praktischen Lebens Te^
liere, und zweitens sucht er den Bechenbetrieb, wie sich derselbe in aas-
schlieljslichem Dienste des praktischen Lebens entwickelt hatte, vom Handwerk
zur Wissenschaft zu erheben. Scheubel will so zwischen zwei damaL
völlig getrennten Grebieten geistigen Lebens Beziehungen herstellen, welche
auf beiden Gebieten befruchtend wirken sollten, und hfttte er kein anderes
Verdienst, als dasjenige, das eben in diesem Streben liegt, so mülste ümi
doch schon in der Geschichte der Mathematik ein ehrenvoller Platz ein-
geräumt werden, ja dieses Verdienst allein genügt, um ihm in der Ge-
schichte des mathematischen Unterrichts in Deutschland eine hervorragende
Stelle zu sichern.
Ehe wir aber diesen unsem Abrifs von Scheubel's litterarischer Thfitig-
keit völlig abschliefsen dürfen, müssen wir noch auf .eine Streitfrage zn
sprechen kommen. Die älteste Landkarte Württembergs stammt ans dem
Jahre 1559. Sie trägt die Überschrift „Das hochlöbliche Fürstentomb
Würtemberg Anno 1559'\ und zeigt unten rechts statt jeder andern Be-
zeichnung ihres Autors die beiden Buchstaben J und S zu einem Slono-
gramme verschlungen, und daneben auf einer Fahne das Tübinger Wappen
und das Wort „Tübengen". Gewöhnlich gilt als Autor dieser Karte ein
„Johann Sizlin, Modist in Ulm." Diese Annahme beruht einzig und alleio
auf einer völlig unkontrollierbaren handschriftlichen Bemerkung^*) des Exem-
plars der Königl. öffent. Bibliothek in Stuttgart und ist vollständig verfehlt
64) Anfaer den verbleibenden von Scheubel richtig beatimmten 7 toU-
kommenen Zahlen kennt auch die heutige Mathematik nur noch awei weitere.
Vergl. ScHüBBKT, Mathematische Mofaeatnnden. Leipiig 1898. p. 106.
65) „Author creditnr Johanh Sdeun modist sn Ulm".
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVT. Jahrhunderts. 451
und wohl nur durch ein typisches Beispiel mehrfacher Verwechslungen ent-
standen^. Schon durch das mit dem Monogramme in so naher Beziehung
stehende Wappen und Wort „Tübengen" ist jede Möglichkeit an einen
Ulmer Autor zu denken ausgeschlossen, und vor allem gab es eben um
die fragliche Zeit keinen Modisten Johann Sizlin in Ulm. Wollen wir
jenes Monogramm deuten, so müssen wir seinen Träger nnbedingt in
Tübingen suchen, und da kommen wir für das Jahr 1559 ungesucht auf
unsem Johannes Scheubel. Ein Kenner altwürttembergischer Eaiien,
Hauber, spricht sich — allerdings nur sehr vorsichtig — auch in diesem
Sinne aus, leider « ohne auf seine Vermutung irgendwie näher einzugehend^).
Ich möchte deshalb kurz hier die Gründe aufzählen, welche diese Deutung
jenes Monogramms vielleicht stützen könnten. Einmal stellt Pantalbon
m der deutschen Ausgabe seines Heldenbnches Soheubel mit einem Globus
in der Hand dar, dann scheint aus den schon mehrfach angezogenen Epi-
grammen des Celuus hervorzugehen, da£3 Scheubel im Stande war, Holz^
Schnittstöcke selbst zu bearbeiten, und schliefslich lä&t sich gerade für das
Jahr 1559 ein besonders reger Verkehr Sohbubel's mit dem bekannten
Renner des Schwabenlandes Crusius nachweisen^. Aber es sind dies lauter
sehr schwache Gründe, welche nur so lange zu einem Schlüsse berechtigen,
als für jenes Monogramm keine andere Deutung vorliegt. Nun hat sich
mir aber eben im Verlaufe dieser Arbeit eine Deutung dargeboten, welche
auf den oben erwähnten Kollegen Scheubel's, Samübl Sideroceates, führt.
SiDRRocntATEB hiefs eigentlich Eisenmenoer, ein Name, der, wie ich mich
im Tübinger üniversitätsarchiv überzeugte, eben dort in der Form „Isen-
menqer"^^ auftritt. Die Gewalt, welche diese Deutung dem Monogramme
scheinbar anthut, wird mehr als aufgewogen durch die Thatsache, dafs
SmEROGRATES ciu berühmter Geograph war, während ich bei Soheubel
nirgends sichere Spuren einer eingehenden Beschäftigung mit geographischen
Fragen finden konnte. Doch möchte ich ein definitives Urteil erst föUen,
56) Ein NicoLAüB Sitzlin ist 1672^1683 Rektor der lateinischen Schule in
Ulm; ein ,^odi8t Sblzuh" (von 1598 an in Ulm) giebt wohl 1572 eine Karte des
schwäbischen Kreises heraus, doch heifst derselbe „David"; ein „Johahnbs Stölzlin**
sticht eine von einem „JoHAimBS Sblzlin" gezeichnete Karte des ülmischen
Gebietes in Kupfer, doch lebten diese beiden im 17. Jahrhundert. Vgl. Wetermann,
Nachrichten von Gelehrten etc. Ulm 1798, und Neue Nachrichten etc. Ulm 1829.
57) „Ob diese (d. h. die Buchstaben J und S) den Namen des Stechers oder
Authoris vielleicht Johavnis ScHSüSELn bedeuten, ist mir nicht bekannt/* Vergl.
Historische Nachricht von den Land* Charten defs Schwäbischen Crairses etc. von
M. E. D. Haubbi. Ulm 1774. p. 74 u. folgende.
58} VergL Kastebb, Gesch. d. Math. 1796. Band I. p. 361.
59) Vergl. oben S. 436, Anm. 27.
29*
452 H. Staigmüller:
wenn ich einmal Mnse gefanden habe, die sonstigen Leistungen des Sideso-
CRATE8 näher kennen zu lernen.
Habe ich im Vorstehenden yersncht eine kurze biogn^hiscbe Skizu
Scheubel's sowie eine Übersicht über dessen litterarische Th&tigkeit zu
geben, so gehe ich, meinem oben dargelegten Plane entsprechend, jetzt diza
über, dessen Leistungen speziell auf dem Gebiete der Algebra etwas ein-
gehender zu behandeln, und beginne zu diesem Behufe mit einer kunes
Analyse der einzigen algebraischen Abhandlung unseres Autors, eben jener
„brevis regularum algebrae descriptio", welche Scheu bel seiner Enklidaiis-
gäbe vorausschickte.
Im ersten Kapitel, das die Überschrift „Numeratio" tragt, f&brt
SoHEUBEL zunächst die „Characteres" ein, durch welche die Yerschiedeoen
Potenzen irgend einer Gröfse (radix, res), beginnend mit der 0*^ Potent
bezeichnet werden. Es sind dies die folgenden damals in DeutschlaDd ganz
allgemein yerbreiteten Zeichen, welche z. B. auch Budolff^) und Stifel^^i
verwenden: „qp, ae» %* ce, §j, /j|, jce, ft/jj, m etc." Da aber auf diese
Weise die Schwierigkeit entsteht, daTs für die unbegrenzte Zahl der Po-
tenzen der radix eine unbegrenzte Zahl solcher Zeichen nötig wäre, so will
ScHEUBEL jene Potenzen durch die Glieder der Zahlreihe, die ja aoeh qq-
begrenzt ist, bezeichnen, und dementsprechend führt Scheubel als gleich-
bedeutend mit der obigen Zeichenreihe die folgende Reihe ein: „N, Ba^
Pri., Se., Ter., Quar., Quin., Sex., Sep., etc.", deren Zeichen Abkünangeii
der Worte: „numerus, radix, prima quantitas (weil entstanden durch ein-
malige Multiplikation), secunda quantitas, etc." darstellend^. Weiterhin
wird in diesem ersten Kapitel noch die Bedeutung der Zeichen (: signa)
+ und — erläutert. Ein Ausdruck von der Form 30j + 202e — * J^V
oder von der Form 30 pri. -f" 20 ra. — ION bedeutet also nach unserer
heutigen Schreibweise 30x* -f" 20a: — 10. In 4 weiteren Kapiteln wirJ
sodann die Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division der so ein-
geführten „cossischen Gröfsen"**) gelehrt Nach diesem ersten Abschnitt
behandelt S(!HEubkl in einem zweiten die Addition, Sublaraktion , Moltipli
kation und Division von Brüchen aus cossischen Gröfsen.
Aus dem so auf 13 Seiten dargestellten Algorithmus der CoDs m5cbt«
ich zur Charakterisierung Soheubel's nur das folgende hervorheben. Wie
60) VergL Budolfp*s Cofs vom Jahre 1625, fol. D, 2y.
61) Vergl. Stipbl, Arith. integ. 1644, fol. 236'; nur hat Stifsl daa Zeiefaen f
nicht, sondern setzt dafür 1.
62) Einem ähnlichen Gedanken begegnen wir schon bei Gbaioutbds.
63) Scheubel, der sich eines reineren Latein befleifsigt, gebrancht den soiut
verwendeten Ausdruck „numeri eossici" selbst nicht.
Johannes Schenbel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts. 453
in andern algebraischen Werken des 16^^ Jahrhunderts findet man auch
bei ScHEUBEL gewisse Rechenregeln aufgestellt, welche den einzelnen Bei-
spielen zu Grunde gelegt werden, und wie dort, so wird auch hier den
einzelnen Beispielen jeweils eine „comprohatio vel examen aperationis" bei-
gegeben, das heiM eine Probe durch Einsetzung eines bestimmten nume-
rischen Wertes für die radiz. Aber damit begnügt sich Scheubel keines-
wegs, sondern er versucht auch das von ihm gelehrte Bechenverfahren
abzuleiten; und da gerade diese Ableitungen für Scheubel charakteristisch
sind, möchte ich einige derselben mit seinen eigenen Worten Mriedergeben.
Im dritten Kapitel, welches die Subtraktion behandelt, stehen unter
andern auch die beiden Beispiele:
Pri.
N
Pri.
N
12
— 9
12
— 4
8
— 4
und
8
— 9
4 — 5 4 +5,
welche in unserer heutigen Schreibweise lauten würden:
(12a:« — 9) -(8«« — 4)= 4a?* — 5 und (I2a?*— 4) — (8a:*-9)— 4x*+5.
Die Yon Scheubel beigegebene Ableitung lautet nun folgendermafsen: ^^In
his duohus exempUs, cum in täroque nan 8 quantUates primae, sed hae in
uno quidem minus 4, in altero uerö, minus 9 numeris subtrdhendae sint,
8 pHniis integre subtracHs, residuis tandem id quod plus aequo subtradum
est, iure decedere debet. Quare in priori quidem exemplo, loco — 9, cum
4 aceedant, tantum — 5, in posteriori uerö loco — 4, cum 9 accedant,
•^ bN positum est'* Ebenso enthftlt das 4^ Kapitel, in welchem die Mul-
tiplikation gelehrt wird, xmter andern folgende 3 Beispiele:
7 pri. + 4 ra. 7 pri. — 4 ra. 9 ra.
9 ra. 9 ra. 7 pri. — 4 ra.
63 se. + 36 pri. 63 se. — 36 pri. 63 se. — 36 pri.
dieselben würden heute lauten:
(7x* + 4x) 9a? = 63aj» + 36a:*; (7x* — 4x) ^x = 63x« — 36a?*;
9a; (7a?* — 4a?) = 63a?» — 36a?*.
Dazu schreibt Scheubel: „Primum exemplum est facüe, cum in eo tarn
7 primae quantitates quam 4 radices, cum 9 radicibus muUiplicari debeant,
Secundi autem, et tertii exemplorum ratio, cum sit patUo inuolutior, expli-
canda communi quadam (quae uersatur in huiusmodi rebus) notitia esse
uidetur. In secundo, 7 primae solidae ac integrae cum 9 radicibus, in
tertio, 9 radices cum 7 itidem integris primis multipliceniur: hae tamen in-
tfgrae cum non sint, sed qua/ndam decessionem perpessae sint priuatiuo signo
454 H. StaigmüUer:
— , necesse est, ut in multiplicatume tcmtum decedcU, quanium non legü^t
accessU, priori summae procreatae ex miUtipUcaiiane: cUque hie quidany qwm-
htm 9 radices cum 4 radicibus: ülic uerö, 4 radices cum 9 radidibus ml-
tipUcatae producunt, id quod per siffnum diminutumis — fieri dd>d, m,
— 36 pri. — 36 pri. Ex quo ratio inteüigi potest, propter gucim, si ««Öi-
plicetur -|- cum — , uel contra — cum -f" • ^*<^ plus, sed n^nus pradmcokr.
quod et ipsum reguta quadam proposuerunt in Älgebricis exerdk^, gm t^
notanda." Ein weiteres Beispiel des 4^° Kapitels hat die Form:
8prL— 9N 8a?*— 9
8 pri.— 9N Die heutige Form 8a;*— 9
64 ter. — 72 pri. dieses Beispiels w&re: 64af* — 72ä^
— 72 pri. + 81 N — 72x' + 81
64 ter. — 144 pri. + 81 N 64a;* — 144a;' + 81.
ScHEUBEL erläuterte dasselbe in folgender Weise: „Quomodo 8 primae »»
8 pri. ut totum cum toto muttiplicari debet, item quomodo 8 primae — 9 >'
cum 8 primis, Postremd 8 primae etiam cum 8 primis — 9 ^ suprä osf«-
dimus. At uerö cum in hoc exemplo muitiplicandi raUo minus sU perspmi
eam explanare obiter hoc loco twlui, ut inteUigatur scUicet caussa dim.
propter quam, signo — notatis numeris, non minus, sed plus procreekür, Aa
quod diuersum quid, quam in superioribus hactenus est habikum, esse sdtt.
MiUtiplicentur igitur 8 primae — ^N ut dictum est, cum 8 pridms, d ^
ducentur 64 ter, — 72 pri. Sed quia non cum 8 primis iniegris, uerim a»
iis, detradione, 9 N imminutis, multiplicaUo insUim debet, plus qmm p&
erat, priore multiplicatione est procreatum, quare tä comteniens producahff
numerus, ratione defectus in muUiplicante, 8 primae nouies ex hoc proM'>
subtrahendae erunt. Ätqui rursum, cum non 8 primae, sed hae nUnus 9X
multiplicari debeant, 9N rursus nouies addendae sunt, quod tum ß, guatid'j
minus multiplicatur per minus (id quod tertid raUone signorum, -[- t^- - w
multiplicaiione obseruari debet). Quo demum reddiio, t^ems produdyß ««
merus apparebit. Tribus igitur regulis his suprä proposiiis, omms fmdtipli-
catio, ratione quidem signorum -{^ dt — dbsolvitu/r: quae tarnen, quia pr^
et ultima coincidunt, ad dtms regutas reduci possunt. Prima. Si /Wfw/
eadem signa multiplicantis et muttiplicandae quantUatis, procreaius ex w«^*"
plicatione numerus notaiur signo afßrmativo +. Secunda. Si fuermi ^
diücrsa: notatur productus ex fmdtiplicatione numerus signo priuatim ft»
negaiiuo — ." Und noch eine 2** Ableitung des eben behandelten Produkts
giebt ScHEUBEL mit folgenden Worten: „MuUipUcenJtwr primö %pr%. — ^^
cum 8 primis una, postea etiam cum dN altera quanHtate. Svbtrahc^
deinde, per caput praecedens, posterius productum ä priori, ^ rdwf^
uerus ex multiplicatione productus numerus, ut sequitur:
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XYI. Jahrhunderte. 455
Productorum suhtradio,
Spri.— 9N Spn. — 9N 64 fer. — 72 pri.
cumSpn. cum9N 12 pH.— SIN
64 ter. — 12 pri. 12 pH. — Sl N 64 ter. — 144 i>rt. + 81 JV^
Wenn ich in diesen Versuchen Scheubel's auch keine Beweise sehe,
die allen Fordemngen entsprechen, welche die heutige Algebra an ihre
Beweise stellt, so kann ich doch auf der andern Seite auch Tbeutlein
nicht Terstehen, wenn derselbe in seiner „deutschen CoÜs" — in welcher
er gerade auch Scheubel in den Kreis seiner Betrachtungen zieht — zu
dem Schlüsse kommt: „Entsprechend der allgemeinen Sitte der damaligen
Zeit ist natürlich von einer Begründung der Richtigkeit solcher Rechen-
Vorschriften (d. h. der Zeichenregeln für die Subtraktion relativer Zahlen)
niemals die Rede^\ oder gar ein anderesmal schreibt: „Von einer irgendwie
auch nur plausibeln Erläuterung des Grundes solcher Zeichenregel (d. h.
der Zeichenregel für die Multiplikation relativer Zahlen) ist natürlich nir-
gends die Rede"**).
Als Überleitung zum nächsten Hauptabschnitt, welcher die Lehre von
den Gleichungen enthält, behandelt Scheubel ganz kurz die Anwendung
der ,,reffula proportioimim" (Regel detri) in Aufgaben mit cossischen Zahlen.
Die Gleichungen selbst teilt Scheubel, soweit er sie überhaupt in den
Kreis seiner Betrachtungen zieht, in 3 Gruppen ein, je nachdem zu ihrer
Lösung eine AequaUo pHma, sectmda oder tertia nötig ist. „ÄeqtuxHo pHnia*'
nennt Scheubel eine Gleichung zwischen 2 Gliedern, welche verschiedene
pfCharaderes" d. h. verschiedene Potenzen der Unbekannten enthalten, eine
solche aeqwUio prima ist z. B. die folgende:
4 sex. aequantur 108 ter., d. h. 4 a?' = 108 a?*.
„Aeguatio secunda" nennt Scheubel eine dreigliedrige Gleichung, deren
Glieder 3 aufeinander folgende „charaderes" enthalten; hierher gehöi't z. B.
die Gleichung:
1 pri. + 12 N aequales 8 ra., d. h. x^ -[" 12 = 8a;.
Nahe verwandt^) mit der „Aequatio sectmda" ist die „Aequatio tertia", nur
folgen sich die 3 „charaderes" nicht unmittelbar aber doch mit gleichen
Intervallen. Eine aequatio tertia wäre z. B. folgende:
Auch hier, bei Scheubel's Behandlung der Gleichungen, beschränke ich
mich darauf nur das Wichtigste hervorzuheben.
64) Vergl. Trxutlkin, die deutsche Gofs, a. a. 0. p. 38 und 39.
65) „Tertia aeqwitio est fere eadem cum sectmda.**
456 H. Staigmflller:
Nachdem Scheubel die Lösung der tiequatio prima gezeigt bat, weist
er darauf hin, dafs dieser Lösung die reffula de proportionaiibus zu Grande
liege, welche Regel, gleich^e das erentuell nötige Wurzelausziehen, im
gemeinen Rechnen behandelt zu werden pflege. Von den beig^benen
17 Textaufgaben {Amigmaia seu quaesUones) greife ich zwei heraus. Die
Aufgabe No. 15 lautet: „72 soll so in 4 Teile zerlegt werden, dab der
erste Teil | des 2*^ und 3**°; der 2*« Teü ^ des 3*«° und i^ & der
3** Teil die Hälfte der 4^° und ersten werde." Scheubel löst diese Auf-
gabe folgendermafsen: Der erste Teil sei 1 ra., so beträgt der 2^ nnd 3^
zusammen 7 ra., imd der 4*® 72 N — 8 ra. . . Nun ist der 2*® Teil \ des
3^ und 4*«», also J des 2*«'», 3**° und 4**", d. h. ^ von 72 N - 1 o,
also gleich 12 N — ^ ra. . . Die 4 Teile sind also: 1 ra.; 12 N — ^ r».;
7^ ra. — 12 N; 72 N — 8 ra. und damit erhält man die Gleichung:
7^ ra. — 12 N aequal. 36 N — 3^ ra.;
in minimis:
10} ra. aequal. 48 N etc.
Man sieht, wie gewandt Scheubel die EinfiÜirung mehrer unbekannten m
umgehen weifs. Das zweite Beispiel, das ich herausgreife, ist die Aufgabe
No. 8. Dieselbe lautet: „Eine Zahl ist so in 3 Teile geteilt, daCs der eiste
Teil zur ganzen Zahl sich wie 2 : 3, der zweite Teil zur ganzen Zahl sich
wie 1 : 2 und der um 4 vermehrte dritte Teil zur ganzen Zahl sich wie
3 : 4 verhält. Gesucht die Zahl und ihre Teüe.'^ Scheubel fahrt die
Lösung dieser Aufgabe auf 3 verschiedene Arten durch, je nadidem er die
ganze Zahl oder einen der beiden ersten Teile als unbekannte einfahrt.
Doch interessiert uns hier nicht sowohl der Weg der Lösung als viehnehr
das Resultat der Aufgabe, das Scheubel in folgende Worte kleidet: ,^adi:
Impossibüe, cum tertia pars nihil sit, prapterea quöd d/uabus prioribus Mum
et plus etiam canueniat. Vel fadt: Totus numerus 4^. Partes uero:
prima 2|^; secunda 2^\; tertia — ^V ^^ ^i^^ examvnari potest in hunc
modum etc." Und nun zeigt Scheubel eingehend, wie diese Werte allen
in der Aufgabe gestellten Bedingungen entsprechen. Man sieht also,
Scheubel läfst hier, wie auch noch in einem andern Beispiele, unter Um-
ständen eine Lösung, die einen negativen Wert enth<, als vollständig
brauchbar zu. Es kommt eben im vorliegenden Falle alles auf die Auf-
fassung des Begriffs „Teil^' an; würde es sich in einem analogen Beispiel
statt um eine Zahl und ihre Teile, um irgend einen physischen R5ip^
und seine Teile handeln, so würde Scheubel- seiner Lösung ein ,fium verus
numerus" beigesetzt haben.
Li der Behandlung der aequatio secunda d. h. der quadratischen Glei-
chung fällt zunächst auf, dafs Scheubel gegenüber Stifel scheinbar wieder
Johannes Schenbel, ein deutsofaer Algebraiker des XYI. Jahrhunderts. 457
eineo Schritt zurückgeht, indem er hiebei die 3 bekannten kanonischen
Formen zn Grande legt:
1) Pri. -f" ^^ aequales N; 2) Ra. -f" N aequales pri.;
3) Pri. -f- N aequales ra.
Aber auf der einen Seite ist die Auffassung Stifel's von der Lösung einer
quadratischen Gleichung als einer Wurzelausziehung aus einem cossischen
Ausdrucke^) nicht einwandsfrei, und vor allem leicht mifsverstftndlich, und
auf der andern Seite ist bei näherem Zusehen die SriFKL^sche Zusammenfassung
doch eine blofs ftulserliche, ja sogar blofs scheinbare. Schon in der Durch-
führung der einzelnen Beispiele, noch mehr in den Beweisen, Tor allem aber
in der Sonderstellung der Gleichungen mit zwei Wurzeln blickt die alte Drei-
teilung nicht blofs durch, sondern tritt offen zu Tage. So bestechend drum auch
im ersten Augenblicke die STiFEL^sche Darstellung sein mag, und so hohe
Anerkennung der darin liegende Fingerzeig auch verdient, so ist daneben
Scheubel's Darstellung doch auch noch berechtigt, so lange eben der durch
jenen Fingerzeig gewiesene Schritt nicht auch wirklich vollzogen ist. Han-
delt es sich aber wie bei Scheubel um ein Werk, das in erster Linie den
Zweck verfolgt, den „tiro^^ in die Algebra einzufahren, dann ist Scheubel's
Methode unbedingt der SriFEL^schen vorzuziehen.
Ganz unverständlich ist es mir, wenn Treutlein in seiner „deutschen
Co£b*^, nachdem er die Bedeutung der Beweisführung bei Stifel mit vollem
Bechte sehr hervorgehoben hat, in Betreff Scheubel's schreibt ^^): „Einen
Beweis fOr die Richtigkeit des Verfahrens (d. h. der zur Lösung quadratischer
Gleichungen aufgestellten Begeln) Iftfst sich das von Salignao Beigebrachte
kaum nennen; denn es ist nur verständlich, wenn man an Euklid's Sätze
II, 4, 5, 6 denkt; Scheubel verweist einfach auf letztere." Ja gewifs ver-
weist SoHEUBBL einfach auf letztere, aber dieses Verweisen findet statt in
einer Arbeit, die einer EuKLioausgabe vorausgeschickt ist, und schlägt man
deshalb ein paar Blätter um, so findet man am bezeichneten Orte, d. h.
eben bei den Sätzen 11, 4, 5, 6 die vollständig durchgeführten Beweise^).
Es handelt sich sowohl bei Stifel als auch bei Scheubel um Beweise in
geometrischem Kleide, wie wir sie ganz ähnlich, wohl aus griechischen
66) SnrBL schreibt z. B. bei der Löaong der Gleichung o?' » 84 — 6x:
„Cum airtem t^ sit aegucUis 84 — 8 36> ideo requirenda est rttdix de hoc connexo
84 — 8 le etc." Vergl. Stifel, Arith. int. 1644, fol. 241^.
67) Vergl. a. a. 0. p. 96.
68) Za allem tyberflusse setzt Schxubbl jener Verweisung nach die Worte
bei: „Ed itaque cum peruentum fuerit, harum demonstrctHones ac simüitudines quaa
cwn raUonibus tHarum propositionum hahent, indtcabimua/'
und welche ieh desblb
- ^ — - fHT wir u« iüe Daistelliug dieser
jcfaen DaisteUong zu
Beweis Stifel's nnr
die Bezugnahme auf
der Unznllog-
Dem angezogecen
-j=r~ ." »#w <r "•.jr ^roposiltoiK (II, ^ji
3fctmdi m aeqm-
: ^fAtque haec ']tii-
-^. -r # •••##!.' ■**? I« regulis Algthv.
2 "♦-•r--^.-'..'Hr3t kabetä, eas ^H»
•-• --wflNffN»' -musJ^ Leider blieb
rae Ansfohrang, mii
ftiZ!^ Mamiskripte Ter-
— -r* -r-a seiner Hand finden
ae ^' mi.«is^' ji'tones suhtilii/rif'
•— • -D
■• 1 1
^zTsu^ Bidit anders ra
„r- -* -r^L — rar bei seiner drittes
..„- . .2T j?"? t «^ £aim iidi nicht ni.t
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L7«r asibr^ten können, ist
•f .-::^.'i'.. iauj? afcQ beide znlissi:'
-;. . X isi?**r F^a*:^ ^r identisch nüf
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- ^ -. ii« -^-TüiÄif 5*u^ 42 Kwcec.
^ ^ «SS -MUbit Svziiie für 1 Krone.
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ch
mr-na. A. a. 0. p. 149.
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a» - ^ fc J^ J«?.
JohanneB Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XYI. Jahrhunderts. 459
In einer ersten Lösung fährt Scueubbl die betrefifende Anzahl der Ellen
des zweiten Stücks als unbekannte ein und kommt so zu der Gleichung
58 ra. -|- 15 N aequales 21 pri. {Est atUem exemplum canonis secundi\
dadurch erhält er fär die unbekannte als einzigen Wert 3. In einer zweiten
Lösung fuhrt nun Scheubel die gesuchte Ellenzahl des ersten Stücks als
Unbekannte ein und kommt so auf die Gleichung
216 ra. aequales 63 pri. -f" 10 N (Est aatem exemplum canonis tertU).
Diese Gleichung ergiebt für die unbekannte zwei Werte, von denen jedoch
nur der eine brauchbar ist: ^^manent ^, non uertM: fiel ueniunt 3^ uerus
numerus.^ Wie Treutleik hierzu schreiben kann: „Scheitbel müfste eigent-
lich die beiden Lösungen ^ und -^ zulassen", kann ich ebenso wenig ver-
stehen, wie den daraus gezogenen Schlufs. Vergleicht man hierzu weiterhin
das, was Stifel in seiner Ausgabe der BuDOLFp'schen Co£s von sich aus
der „sechsten regel Christophori^^ vorausschickt'^^), so wird man finden,
dafs in der That Stifel und Sohbubel in unserer Frage vollständig überein-
stimmen; ja viel eher könnte es scheinen, dafs in derselben Scheubel über
Stifel hinausging, als dafs er hinter ihm zurückblieb. Stifel verwirft
z. B. die Lösung einer Aufgabe, welche als Teile der Zahl 10 die beiden
Zahlen 15 und — 5 ergeben würde, während Scheubel, wie wir gesehen
haben, die Lösung einer Aufgabe, in welcher als Teile der Zahl 4^ die
Zahlen 2|^, 2^, — -^ auftreten, nicht unbedingt zurückweist. Doch halte
ich diese Gegenüberstellung und damit auch den daraus gezogenen Schlufs
nicht für berechtigt, denn in den angezogenen Fällen handelt es sich bei
Stifel um eine quadratische Gleichung, bei Scheubel um eine lineare.
Über die aequatio tertia geht Scheubel ziemlich rasch weg: „JJaec
nuUam requirU demanstrationem, cum ex praecedentibus duäbus (quarum de-
monstraüones unde peti deheant, indicauimus) composita sit}^ Bemerken
möchte ich dabei nur das eine, dafs Scheubel am Schlüsse dieses Abschnittes
eine Aufgabe bringt, welche auf eine kubische Gleichung führt. Scheubel
fügt dieser nicht hierher gehörigen Aufgabe ohne jedes weitere Wort nur
das Resultat bei.
Nach der Behandlung der Gleichungen geht Scheubel nun über zur
Darstellung der Algorithmen der yfvumeri surdif^'^^) d. h. zum Rechnen mit
irrationalen Zahlen. Hierbei verwendet Scheubel als Quadratwurzelzeichen
entweder die Silbe „ra." oder das Zeichen „/", welche beide jeweils dem
9
72) Vergl. Die Cofs Chbistoffs Rudolffs etc. dnrch Michael Stifel Gebessert
ond sehr gemehrt. Amsterdam 1615, p. 671.
73) ,^ummi igitur surdi sunt, quorum radices desideratae, nuimero certo ex-
prtuae, inueniri negueimt" (p. 86).
460 H. Staigmüller:
Badicanden vorangestellt werden; analog bezeichnet er die KubikiniRel
dnrch „ra. cu." oder durch „hv^" ^nd die vierte Wurzel durch ,^. ra." oder
„vv^/^ Noch eine dritte Art von Wurzelzeichen entspringt daraas, dals
z. B. die Kubikwurzel als ^^radix secimdae quantUaiis^^ auch angedeutet
werden kann durch ^^radix 56.", doch macht Scheubel von dieser Art der
Bezeichnung keinen weiteren Gebrauch. Zunächst behandelt Scheubel den
„ÄlgorUhmus de surdis quadratorum" , d. h. das Multiplizieren, Dividieren,
Addieren und Subtrahieren von Quadratwurzeln. In unserer heutigen Zeichen-
sprache lauten die hierbei zu Grunde gelegten Regeln:
1) Ya- yb = y^b 5 2) yä: yb = ]/j;
3) ^0"+ yb = Va + h + yTah 4) Vo"— j/ö = Va + b — l/T^^
Doch verwendet Scheubel die beiden letzten Formeln nur in beschrftnktem
Mafse, so giebt er als Resultat der Addition: „ra. 15 ad ra. 17** wohl die
Zahlform „ra. col. 32 -|- ^1020 an^^), doch f> er hinzu: ^^AddwUwr hmts-
modi numerorum surdorum mdices commodius per particulatn iüom Plus,
uel per eius Signum -|-, quod idem est, sie til 17 -{- m. 15." Sind aber
diese zu addierenden Wurzeln „commensurabel ^^)>" so kann die Addition in
einfacherer Weise vollzogen werden nach dem Schema
1/ä7? + yÄTft» = yjfc (a + 6)* .
Als AbschluTs der Darlegung einer jeden Operation verweist Scheubel dv-
auf, dafs die inverse Operation „eso^men" zu ihr ist.
In ganz analoger Weise wie das eben skizzierte Rechnen mit Oiudrat-
wurzeln behandelt Scheubel weiterhin das Rechnen mit Wurzeln dritten
und vierten Grades, nur begnügt er sich hier bei der Addition und Sub-
traktion incommensurabler Wurzeln ausschliefslich mit dem einfachen
Aggregate, d. h. er giebt die den obigen Formeln 3 und 4 entsprecheoden
Formeln nicht, dagegen zeigt er bei der Multiplikation und Division der
Wurzeln vierten Grades in einem Anhange die Multiplikation und Dirisios
ungleichnamiger Wurzeln. Ebenso ist auch die nun folgende Darstellung
des „Algorithmus de Binomiis et Residuis" dem Bisherigen voUst&ndig ent-
sprechend. Die Begriffe „Binomium" und „Residuum^^ oder „Apotome" legt
Scheubel mit Bezugnahme auf Euklid X, 36 und 73 fest. Hervorzuhebea
74) In Betreff der Formeln 3 und 4 verweist Schbubsl auf Eukud II, ^ '•
an welchen Stellen er deren Berechtigung darlegt.
76) „Radix collecti 32 + /1020" d. h. ^32 + |/iÖ20 .
76) „Äc commensurabiles quidem sunt, gut eUieuius communis numeri diuifioi^
ad quadratos red%tci possunt" (p. 37).
JohanneB Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhnnderts. 461
wäre etwa nur die mit Bezugnahme auf Euklid YII, 17 aufgestellte Form
der Division:
w j: n^_ (m ± n) (p :p q)
p ± « (p ± «) (p T 3) *
Schliefslich behandelt Scheubel noch in einem besonderen Abschnitt
das Wurzelausziehen aus Binomen und Residuen, und giebt zu diesem
Zwecke nach Euklid X die bekannte Einteilung derselben in je sechs Ord-
nungen. Das Wurzelausziehen selbst wird nach einem „canon generalis^^
Yollzogen, der in unserer heutigen Zeichensprache lauten würde:
Ist Y^> Yh,
so ist
Begnügt sich Scheubel dabei auch zunächst mit der Probe, welche in
einem nachherigen Quadrieren des erhaltenen Resultats besteht, so verweist
er doch am Schlufs noch auf eine andere Methode, nach welcher auf alge-
braischem Wege eine solche Wurzel ausgezogen werden kann. In unsere
heutige Zeichensprache übersetzt lautet diese leicht durchsichtige und auch
schon von Stifel gebotene Methode: Soll aus dem Ausdruck Ya + Y~b
die Quadratwurzel gezogen werden, und ist ya> yT, so bestimme man
die beiden Unbekannten x und y aus folgenden beiden Gleichungen:
« + y = ]/a, und ary = J 6, dann ist r V^+ Y^ "^ V^lh Vv-
Am gegebenen Orte^^) zieht Scheubel nach dieser Methode die Wurzel aus
je einem Binom zweiter und dritter Art, und je einem Residuum zweiter
nnd sechster Art; hierzu wählt er Beispiele, welche er schon nach dem „canan
generalis" behandelt hat. Da aber Scheubel nirgends auf Gleichungen mit
zwei Unbekannten eingeht, werden auch hier diese Beispiele mit einer Un-
bekannten gelöst, und zwar erreicht das Scheubel wie Stifel einfach durch
folgende Proportion ä : -J^y^ = \Y^' (V^ ~" ^)-
Habe ich damit Scheubel's Behandlung der Irrationalgröfsen darge-
stellt, so mufs ich noch kurz auf das Urteil Treutlein's über diesen Teil
der ScHEUBEL'schen Algebra eingehen. Dieses Urteil lautet: „In der Be-
handlung der Irrationalgröfsen ist ihm offenbar Rudolff Vorbild, so dafs
gegen Stifel ein Rückschritt stattfindet''^^). Auch dieses Urteil kann ich
77) p. a6/67.
78) VergL a. a. 0. p. 20. Dem oben dtierten Urteile folgt der Satz: „die
Einxelheiten werden geeigneten Ortes zur Besprechung kommen". In dem Ab-
schnitt III, der Yom Rechnen mit Irrationalen handelt, sucht man aber in Betreff
Vierer Frage yergeblich nach konkreten Belegen des allgemeinen Urteils.
462 H. Staigmüner:
in seinem zweiten Teile nicht unbedingt als berechtigt ansehen. Wohl ist
RuDOLFF das Vorbild Scheubel^s, dagegen kann ich bei letzterem nirgends
in der Behandlung des Irrationalen einen thats&chlichen Rückschritt gegen-
über Stifel finden. Selbstverständlich können wir nicht erwarten, dab
ScHRUBEL auf den 76 Seiten seiner Algebra eben so viel bietet als Stifbi,
auf den 638 Seiten seiner Arithmetica integra, und dann dürfen wir vor
allem bei der Beurteilung des ScnEiiBEL'schen Werkes dessen Zweck nicht
aus dem Auge verlieren. Dieser Zweck bedingt es z. B., dafe Schedbel
der Hauptsache nach nicht über die Wurzeln vierten Grades hinausgeht,
und dieser Zweck ist vor allem auch bei der Art und Weise der Anord-
nung und Darstellung des Stoffes ausschlaggebend gewesen.
Als Anhang giebt Scheubel seiner Algebra auf 22 Seiten eine Samm-
lung von 28 Textaufgaben bei, deren Lösung meist durchgeführt wiri In
Betreff dieses Anhangs möchte ich nur das folgende kurz erwähnen. Gldeh
das erste Beispiel knüpft an ein rechtwinkliges Dreieck an, dessen Seiten
sich als Residuen darstellen ; im zehnten Beispiel ^^ wird der goldene Schnitt
algebraisch behandelt. Nach dem zwanzigsten Beispiele schiebt Scheübrl
fünf Aufgaben ein, welche der bekannten griechischen Anthologie entnommen
sind^^). Obgleich Scheubel nirgends zwei und mehr Unbekannte verwendet,
giebt er doch auch Aufgaben, wie z. B. folgende ^^): Drei Zahlen zu suchen,
von denen die um acht vermehrte erste Zahl gleich einem Drittel der
Summe der zweiten und dritten werde. Analog soll: n -f- 8 = i (I "f"!^^)
und III-[-8==I-|-II werden. Solche Aufgaben führt Scheubel, wie wir auch
schon oben gesehen haben ^^), sehr gewandt mit einer Unbekannten durch, doch
begnügt er sich bei einigen der schwierigsten der hierhergehörigen Beispiele
mit der Angabe des Resultats. Hervorheben möchte ich noch die Aufgabe
Nr. 21: „Jemand macht eine Reise und will so viele Tage fortbleiben als
er Goldstücke mit sich nahm. Nun gevrinnt er aber zu seinen Ooldstücken
jeden Tag soviel hinzu, als er je am Morgen des betreffenden Tages be-
sitzt und bringt auf diese Weise im ganzen 524- Goldstücke zurück. Wie
viel nahm er mit?'' Scheubel löst diese Aufgabe folgenderroafsen : Hätte
der Reisende drei Goldstücke mitgenommen, so hätte er3-|-3-f"6H" 12= 24
79) „Eine Zahl so in 2 Teile zu teilen, dafs das Quadrat des gröfsereo
Teiles gleich dem Produkte aus der ganzen Zahl und dem kleineren Teile werde/*
80) Es sind dies diejenigen Beispiele, welche Zirkel unter den Nummern
2, 4, 6, 9 und 46 aufführt. Vergl. Zirkel, die arith. Epig. der griech. Anth.
Gyiunasialprogramm. Bonn 1853. Schrhrel giebt bei diesen Aufgaben anoh den
griechischen Text.
81) „No. 6".
82) Siehe S. 466.
Johannes Schenbel, ein dentscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts. 463
Goldstficke heimgebracht; hfttte er aber vier Goldstücke mitgenommen, so
wSre er mit 4 + 4 -f 8 + 16 + 32 = 64 Goldstücken heimgekehrt. Man
bezeichne drum die mitgenommene Baarschaft des Beisenden mit (3 -{- x),
wobei also ^ < 1 ist, so hatte der Reisende am Morgen des vierten Tages
(^3 -f x) + (3 + x) + 2 (3 + ic) + 4 (3 + x) = (24 + 8 a;) Goldstücke.
Im ganzen vierten Tag würde er also gewinnen (24 -{- Sx) Goldstücke,
und wenn er in einem Tage (24 -{' Sx) Goldstücke gewinnt, so gewinnt
er in x Tagen x - (24 -^ Sx) Goldstücke. Damit erhält man die Gleichung
(24 + 80?) + a:- (24 -f 8a;) = 52^, welche den Wert x=l ergiebt. Der
Reisende nahm also 3f Goldstücke mit. In dieser Lösung liegt ein vollständig
berechtigtes Nähemngsverfahren vor, aber Soheubel scheint von der That-
Sache, daCs seine Lösung nur ein Nftherungsverfahren darstellt, kein Be-
wnfstsein gehabt zu haben. Bezeichnet man die gesuchte Anzahl der Gold-
stücke mit X, so würde der Aufgabe folgende Gleichung entsprechen:
X'2'= 52^, und damit wäre x = 3,7915.®*)
Wir haben oben gesehen^), wie Scheubel bei der Lehre von den
Gleichungen das Wurzelausziehen als bekannt voraussetzt und sich deshalb
damit begnügt, in Betreff dieser Operation auf das gemeine Rechnen zu
verweisen. Scheubel ist dazu berechtigt, denn schon in seiner Arithmetik
Tom Jahre 1545 finden wir eine sehr eingehende Behandlung dieses Gegen-
standes, auf welche ich als notwendige Ergänzung der nun abgeschlossenen
Analyse von Scheubel's Algebra noch kurz eingehen möchte. Der Anord-
nung jenes Werkes zufolge kommt Soheubel darin an zwei verschiedenen
Orten auf das Radizieren zu sprechen, nämlich im ersten und im fünften
Traktate.^). Im ersten Traktate behandelt Scheubel speziell das Quadrat-
und Kubikwurzelausziehen, während er im fünften Traktate das Wurzelaus-
ziehen ganz allgemein darstellt und bis zur 24. Wurzel auch praktisch
verfolgt
Nachdem Scheubel im ersten Traktate die Praxis des Quadratwurzel-
ausziehens gezeigt hat, geht er dazu über, die Berechtigung des gelehrten
Verfahrens darzulegen und benützt dazu einen Lehrsatz, der in unserer
heutigen Zeichensprache lauten würde:
Sind a, h etc. je < 10, so ist:
(10a + by= 100a*+ 2 • lOah + 5*;
oder aUgemein
83) Vergl. zu dieser Aufgabe auch: Gantor, Gesch. der Mathematik. B,
84) Siehe S. 466.
85) Vergl. fol. E, 2^ & folgende und fol. a, 8' & folgende.
464 H. Staigmfiller:
(1000a + 1006+ 10c-\-dy= 1000000a* + 100005* + 100 c* + d*
+ 2 . 100000a6 + 2 • 1000(10a + 6)c+ 2- 10(100a + 105+c)(f.
In Betreff dieses Satzes beruft sich Scheubel auf: ^^arUhmetices demonskataf
I, 32/^ doch erläutert und beweist er denselben auch f&r einen speziellen
Fall durch eine geometrische Figur. Geht eine Wurzelausziehung nicht
auf, so lehrt Scheubel ein Verfahren, das sich folgendermaCsen dar
stellen läfet. Ist
tt* < a* + 5 < (a + 1)«, so ist Va* + 6 ro^ a + Yir+~i'
Zur .Rechtfertigung dieses Verfahrens fährt Scheubel mit Bemfung aof
^^demonsiratae incerti autoris a/rUhmeüces II, 33^^ den Satz an:
(a*) + (2 o + 1) = (a + 1)',
durch welchen auch in der That jenes Nfthemngsverfahren als solches ge-
rechtfertigt ist, und ich kann nicht verstehen, warum Treutlein dies nieiit
anerkannt hat^^). In ganz analoger Weise behandelt weiterhin Scheubel
das Kubikwurzelausziehen. Der hier zu Grunde gelegte Satz (arithm. dem.
I, 39) lautet
(100a -f- 106 + cY= 1000000a» + 10006» + c»
-f-3 • 10000a6(lOa + 6) + 3 • lOOac (lüOa + 106 + c)
4- 3- 106c(l00a+ 106 -fc),
und das vorgetragene Näherungsverfahren läfst sich in die Form kleiden:
Ist a» < a» + 6 < (a + l)», so ist
y a» + 6 ~ a + ;:
6
3a* + 3o+ 1
Begründet wird dieses Nftherungsverfahren durch den Satz (arith. dem. II, 34)
a» + {(a + 1)» + o« + (a + 1)«} = (« + 1)».
Auch diese Begründung ist vollständig durchsichtig.
Im fünften Traktate lehrt Scheubel die Praxis des Ausziehens einer
beliebigen Wurzel und stellt nach einigen einleitenden Bemerknogen eio
Schema der Binomialkoefßzienten bis zum 16. Grade auf, für dessen Bil-
dung er folgende Vorschrift giebt: „Schreibe die natürliche Zahlenreihe vom
2 Zweier ab zweimal so an, da& beide Beibes
3 3 im Zweier zusammenstofsen und einen Win-
•
4 6 4 kel bilden. Addiere nun immer je zwei
5 10 10 5 nebeneinander stehende Zahlen und schreib«
6 15 20 15 6 die Summe unter die addierten Zahlen'
etc. Durch diese Vorschrift erh< man ^
86) Das Zeichen „^^^^ möge bedeaten: „ann&henid gleich".
87) Vergl. Tbkutueih, das Rechnen im 16. Jahrhonderi A. a. 0. p. <»?
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVT. Jahrhunderts. 465
nebenstehende Schema. Eine weitere Tabelle enthält die zehn ersten- Po-
tenzen der Zahlen 1 — 9. Dnrch diese beiden Beigaben ist nun Scheubbl in
den Stand gesetzt, die allgemeine Regel für das Wurzelaasziehen zu voll-
enden und in einer grofsen Zahl von Beispielen bis zum vierundzwanzigsten
Grade hinauf durchzufuhren. Geht die Wurzel nicht auf, so empfiehlt
ScHEUBEL das folgende Verfahren: Ist
a» < a" + 6 < (a + 1)",
so ist
Zwar kennt Scheubel auch dasjenige Verfahren, das die folgenden Gleichung:
zum Ausdrucke bringt, und es ist mir unerklärlich, dafs Drobibch und
Tkeutlein die Bekanntschaft mit diesem Verfahren nicht auch Scheubel
zuschreiben^). Allerdings wenn Scheubel dieses Verfahren auch kennt
und in der Theorie billigt, so verwirft er dennoch seine Anwendung im
praktischen Rechnen mit folgenden Worten: „Wenn ich dieses Bestreben
auch nicht ganz verwerfe, wodurch jene näher an die Wahrheit zu gelangen
versuchen. Während es doch ausgemacht ist, die Sache Hege so, dafs sie
nicht erreicht werden kann, so wollte ich doch lieber da stehen bleiben, wo
die Unmöglichkeit zu Tage tritt, als in leerer Neugierde weiterschreiten um
ein Ziel zu erstreben, das bekanntermafsen nicht erreicht werden kann.^^^^)
Ich habe diese Begründung deshalb so ausführlich gegeben, um zu zeigen,
wie völlig haltlos ein Vorwurf ist, welcher von Drobibch gegen Scheubel
erhoben und von Treutlbin nicht unbedingt zurückgewiesen wurde, nämlich
der Vorwurf, Scheubel habe in dem oben dargelegten Näherungsverfahren
88) Vergl. Tbeutlsih, das Bechnen etc. p. 70.
89) Hierbei handelt es sich zunächst um höhere Wurzeln. Das einfachste
Beispiel, das hier Sohsubbl behandelt, lautet y 8 760 864 ; mit 6 stelligen Loga-
rithmen berechnet ist diese Wurzel gleich 64,389, während Scheubel's Methode
eisen Wert g^ebt, der nur in der letzten Stelle davon abweicht. Wollte man
also durch Anhängen von Nullen ,/Läher an die Wahrheit gelangen," so müfste
man nicht weniger als 12 Nullen anhängen. Ein praktischer Versuch, aus der
Qon 19 stelligen Zahl die vierte Wurzel auszusieben, zeigt, dafs Scheubbl im
Rechte ist, wenn er weiterhin bemerkt, dafs man da seine Zeit doch besser an-
wenden könne, und dabei ist das angezogene Beispiel noch das einÜEMshste von
denjenigen, die in Betracht kommen.
Abh. BOT Getoh. d. Matham. IX. 30
466 H. Staigmäller:
den "Wert a -f ^ — Xl ^^^ ^^^ wirkliche Wurzel aus (a* + h) gehalten.")
Doch nicht nur aus dieser und noch einer ganzen Beihe anderer Stellen geht
unzweideutig hervor, dafs Scheubel den Näherungscharakter des yon ihm
gelehrten Verfahrens kannte, sondern hei der Darlegung jenes Verfahrens
selbst im fünften Traktate schreibt Scheubel ganz unzweideutig: „üf
demonstrat propositae quantUatis radicem utcunque aique proximam^^^) und hier
endlich nennt Scheubel auch die Quelle, welche er im ersten Traktate so oft
citiert: .^Algorithmus demonstratus incetii autoris.^^) Es handelt sich also hier-
bei augenscheinlich um dasjenige Werk, welches Johannes Schöner im Jahre
1534 unter eben diesem Titel nach einem Manuskripte Begiomomtans bei
Peikejus in Nürnberg herausgab^'), und als dessen Verfasser mit höchster
Wahrscheinlichkeit Jordanus Nemorarius nachgewiesen ist.^)
Bei aller Verschiedenheit der STiFEL'schen und ScHSUBEL'schen Dar^
Stellung des Wurzelausziehens bieten beide doch manche auffallende Be-
rührungspunkte dar, so dafs sich die Frage nicht umgehen Iftüst: wie ist
dieses teilweise Übereinstimmen zu erklären? Die Antwort auf diese Frage
mufs unbedingt dahin lauten: dadurch, dafs beide aus den gleichen Quellen
schöpften. Schon die so nahe bei einander liegenden Datierungen beider
Werke lassen eine tiefgehende Abhängigkeit des jüngeren vom älterem
kaum annehmen, erschien doch das STiFEL'sche Werk im Jahre 1544 m
Nürnberg, während das Scheube Lösche Werk schon im Mai 1545 seine
Leiziger Druckerei verliel's, und zwar als Erstlingswerk eines damals nodi
völlig unbekannten Tübinger Magisters, dessen Manuskript sicher nicht noch
feucht schon einen Drucker fand. Noch mehr aber spricht eine eingehende
Vergleichung beider Werke gegen die Annahme einer Abhängigkeit des
einen vom andern. So weifs z. B. das STiFEL'sche Werk bei der Lehre
vom Wurzelausziehen ^*) nichts von jener Scheube Loschen Formel fÄr die
nte Wurzel aus (a" -|~ ^)i ^^^ <^oc^ ^^^^ diese Formel eine eingehende Kenntnis
der Binomialkoeffizienten voraus, welche Scheubel deshalb nicht wohl erst
dem STiFEL'schen Werke entnehmen konnte. Ebenso tritt überall bei
90) Vergl. Tbeutlein, das Rechnen etc. p. 67.
91) „Dies zeigt die Wurzel der vorgelegten Gröfse, soweit dies immer mög-
lich ist, und zwar eine sehr nahe". (Vergl. fol. d, 6'.)
92) Vergl. fol. d, 6\
93) Leider konnte ich dieses Werk zur ^Vergleichung weder auf der Stutt-
garter noch auf der Tübinger Bibliothek erhalten.
94) Vergl. Cantob, Gesch. der Math. II. p. 68 und 663.
95) Dagegen legt Stifkl an einem andern Orte ein Verfahren zu Grunde,
das von dem Gedanken ausgeht ya* -{- b r^ a -}- i — Vergl. Arith. integ. fol. 209^.
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XYI. Jahrhunderts. 467
ScBEUBEL ein Vertrautsein mit der Theorie und vor allem mit der Praxis
des Ansziehens höherer Wurzeln zu Tage, das sich unmöglich von heute auf
morgen erwerben lä&t. Dazu nennt auch Scheubel dieses Ausziehen eine
Sache: eHamnum non admodum trita neque ttöttofa/'^) So hätte Scheubel
unmöglich schreiben können, wäre ihm das STiFBL^sche Werk vorgelegen.
Es tritt uns eben in diesen parallelen Leistungen Stifel's und Scheubel's
eine Erscheinung entgegen, welche die Geschichte der Wissenschaften sehr
oft zeigt.
Hiermit habe ich auch die spezielle Übersicht über die Leistungen
Scheubel's in der Algebra beendigt; und yersuchen wir nun auf Grund
derselben ein Gesamtbild von Scheubel als Mathematiker speziell als Al>
gebnüker zu entwerfen, so müssen wir uns vor allem hüten, nicht durch
Anlegung eines modernen Mafsstabes unhistorisch zu verfahren. Wenn wir
z. B. bei Gemica Frisius 5 Jahre früher als bei Scheubel jenes Verfahren
finden, das durch die Formel Va^-j-fe «^ a + \* gekennzeichnet wird,
SO sind wir von unserem heutigen Standpunkte aus nur zu leicht ge-
neigt, in der Übertragung desselben Verfahrens auf die Wurzel )/a** -|- ^
etwas Selbstverständliches zu sehen. Zeigt uns aber die Geschichte auf der
einen Seite jenes erste Verfahren schon ein halbes Jahrtausend früher bei
Alkarchi, auf der andern Seite aber eben Niemand, der in der langen
Zwischenzeit jenen „selbstverständlichen" Schritt that, so wird uns jener
Schritt doch in einem etwas anderen Licht erscheinen, und wenn ich auch
nicht behaupten kann und will, dafs Scheubel den ganzen Schritt allein
von sich aus that, weil uns derselbe bei ihm zum ersten Male entgegentritt,
so kann ihm doch das Verdienst nicht abgesprochen werden, an der Ver-
allgemeinerung, welche jener Schritt bedeutet, erfolgreich mit gearbeitet zu
Haben. Und wie es sich hier bei einem beliebig herausgegriffenen Beispiele
verhält, so verhält es sich auch überall da, wo wir in der vorliegenden
Analyse der Sgheube Loschen Werke etwas Ähnlichem begegneten ^^). Wir dürfen,
wollen wir anders eine historisch gerechte Würdigung Scheubel's durchfähren,
denselben nicht aus seiner geschichtlichen Umgebung herausreifsen, sondern
müssen ihn betrachten als einen „deutschen Algebraiker des XVI. Jahr-
hunderts".
Noch hatte damals ctie Algebra kaum aufgehört eine Art Geheimlehre
zu sein, die dem Eingeweihten es ermöglichte, nach festüberlieferten Regeln
96) Vergl. fol. d, 7'.
97) Leider erlanbt es mir der mir hier zur VerfQgung stehende Raum nicht,
in ausgedehnterem Mafse solchen Vergleichungen Scheubbl's mit seinen Vor-
gängern nachzugehen.
80*
468 H. StaigHLflUer:
Anfgaben aufzulösen, Tor denen jeder Nichieingeweihie Halt machen mnlsie;
noch war es möglich, dafs ein Meister wie Riebe, dem das Spridiwort Un-
sterblichkeit Terlieh, bei der Lösong quadratischer Gleichungen Ton einer
verfehlten Formel ausgehen konnte. Hier war es schon ein hohes Verdienst,
wenn ein Mann das gesamte da und dort in Deutschland zu hebende Wissen
in Algebra in sich aufnahm, und die Zahl derer ist klein, welche in Deutsch-
land damals auch nur dieses Verdienst in Anspruch nehmen konnten.
ScHEUBEL blieb aber hierbei nicht stehen, sondern er mehrte auch das über-
kommene Erbe an wichtigen Punkten. Während weiterhin die überwiegende
Mehrzahl der Vertreter der Algebra im XVI. Jahrhundert in Deutschlud
aus der Praxis der Bechenschulen hervorgegangen war, und sich deshalb.
wenn ich so sagen darf, mit einer zunftm&fsigen Ausübung ihrer Kumt
begnügte, tritt uns dagegen in Scheubel ein Mathematiker entgegen, der,
durch die strenge Schule Euklid's gegangen, auch in der Darstellung
der Arithmetik und Algebra die Verpflichtung fühlte, nicht nur Begeh
aufzustellen, sondern sie auch zu beweisen, sei es, daüs er zu diesem
Zwecke da und dort her solche Beweise zusammentrug, sei es, dafs er seli^
versuchte solche Beweise aufzustellen. In dieser grundsätzlichen Einfiduw
und Durchführung des Beweises in den Gebieten der gemeinen Arithmetik
und der deutschen Cofs liegt ein weiteres Hauptverdienst Scheubel's, ein
Verdienst, an dem nur sehr wenige Zeit- und Volksgenossen ScHEUBixi
einen Anteil haben, und keiner von ihnen hat daran einen so grofsen Anteil
wie Scheubel. Welch hervorragende Bedeutung Scheubel auf dem Gebiete
des mathematischen Unterrichts in Deutschland beizulegen ist, und zw&r
sowohl des wissenschaftlichen Hochschulunterricht« als auch des praktisebto
ünterichts in den Bechenschulen, habe ich oben gezeigt und dafs schliefs-
lieh auch in seinem Wirkungskreise als Hochschullehrer Scheubel nicht ohn^
Erfolg thätig war, das dürfen wir aus dem ebenfalls schon angezogenen Ur-
teile Mästlim's schliefsen, jenes Mastlin's, der selbst wieder der Lehrer
Kepler^s war.
Blicken wir unter den deutschen Algebraikem des XVL JahrhnndeHs
uns um, so tritt uns nur einer entgegen, der Scheubel an die Seite ge-
stellt werden kann: Michael Stifel. Es war nicht in meiner Absicht, bei
der Darstellung der Leistungen Scheubel's die Leistungen Stifel's als Mafs-
stab zu Grunde zu legen, aber die nach meiner Überzeugung unzutreffend«?
Beurteilung Scheubel's durch Treutleik zwang mich mehrfach anf ebe
Gegenülierstellung beider Forscher einzugehen. Doch lag mir dabei nichu
femer und liegt mir nichts femer, als Stifel's wohlverdienten BqIud
schmälern zu wollen. Nein, auch ich halte den Autodidakten Stifel für
den genialeren Ton beiden, und nur iiuXisere Umstände lieCsen Stifel mcht
Johannes Scheubel, ein deutscher Algebraiker des XVI. Jahrhunderts. 469
zur Yollen Entfaltung und vor allem zur strengen Konzentration seiner
geistigen Kräfte auf dem Gebiete der Mathematik gelangen. Aber eine
Erwägung der Frage, was hätte Stifel an Scheubel's Stelle geleistet, kann
darum dennoch in keiner Weise Scheubel's Verdiensten Abbruch thun. Nur
was war, und nicht was hätte sein können, ist Objekt der Geschichte, und
so zeigt uns dieselbe, dafs, wenn auch nicht als Algebraiker, so doch als
Mathematiker im Ganzen Stifel hinter Scheubel zurücktreten mufs. Treffend
bemerkt Caxtor^) über den „Geometer" Stifel: „Von einer Ausfuhrung
dieser Absicht (nämlich eine Geometrie zu schreiben) ist nichts bekannt,
wir haben indessen keinen Grund, das unterbleiben besonders zu beklagen,
wenn wir die einzige Stelle betrachten, an welcher Stifel als eigentlicher
Geometer sich kundgiebt." Doch dürfen wir auf der andern Seite Stifel
diesen Mangel nicht besonders hoch anrechnen, ist derselbe doch durch
dessen Bildungsgang bedingt. Erst in reiferen Jahren führten mystische
Zahlengrübeleien den früheren Mönch zur Algebra hin, und die Thatsache,
wie er sich hier einarbeitete und gar bald nicht blofs das ganze Gebiet der
damaligen Algebra vollkommen beherrschte, sondern auch zielbewufst in
selbstthätiger Weise in die um- und Weiterbildung dieser Algebra eingriff,
wird ihm an und für sich schon stets einen hervorragenden Platz in der
Geschichte der Mathematik des XVI. Jahrhunderts in Deutschland sichern.
Möge es mir gelungen sein zu zeigen, dals in eben dieser Geschichte der
Mathematik des XVI. Jahrhunderts in Deutschland auch Johannes Scheubel
einen Platz verdient: nicht über, nicht unter, sondern neben Michael Stifel.
Eingedenk einer Mahnung Goethe's möchte ich aber meine Arbeit nicht
mit einer Gegenüberstellung und Abwägung der Verdienste dieser beiden
Männer abschliefsen, sondern mit dem Ausdruck der Freude darüber, dafs
die deutsche Algebra des XVI. Jahrhunderts doch wenigstens solche Vertreter
besafs wie Michael Stifel und Johannes Scheubel.
98) Vergl. Cahtob, Gesch. d. Math. II, p. 403.
{
sc-
^-3 Ki
MATHEMATIK BEI DEN JUDEN
(1501-1550)
VON
MORITZ STEINSCHNEIDER
IM BERLIN.
ä
Unter obiger Überschrift habe ich in der von G. Eneström in Stock-
holm herausgegebenen ,^ibliotheca Mathematica", seit 1893, chronologisch
geordnete Notis&en über Gelehrte jüdischer Abknnft, insbesondere Autoren
und Schriften, als Materialien zur Geschichte der Wissenschaft und Kultur
zusammengestellt. Ich bin nunmehr, Ende des Jahres 1898, dort erst bis
gegen Ende des XIV. Jahrhunderts gelangt, zugleich fast an dem Schlufs
meines 83. Lebensjahres; also darf ich, bei dem beschränkten Baum, den
mir der liberale Herr Redakteur gönnen kann, nur sehr zweifelhaft an die
Fortfahrung jener Notizen bis zu Ende des Mittelalters denken, welche ich mir
dort als Ziel gesteckt habe. Meine Aufzeichnungen reichen allerdings bis
zum Jahre 1840, aber die Neuzeit, deren Anfang ich hier als ein Specimen
gebe, unterscheidet sich vom Mittelalter derart, dafs die allgemeinen Be-
merkungen, womit ich meine Zusammenstellung eröffiiete, hier einigermafsen
zu modifizieren w&ren; doch mufs ich mich darüber auf weniges beschränken.
Wir7haben es hier mehr mit hebräischen Drucken zu thun, worüber
bessere Auskünfte in einigen Katalogen (Bodleiana, Brit. Museum, Rosen-
thal in Amsterdam, Benjacob, Thesaurus, Wilna 1862 — vor Först's
Bibliotheca Judaica mufs ich warnen) zu finden sind. In Bezug auf Hand-
schriften, die noch immer beachtenswert sind, findet sich Näheres über die
hier kurz bezeichneten Bibliotheken und Kataloge in meinen „Vorlesungen
über die Kunde hebräischer Handschr." Leipzig 1897 (XIX. Beiheft zum
Oentralblatt für Bibliothekswesen).
Was den Inhalt der vorzuführenden Schriften und dessen Origina-
lität betrifft, so erstreckt sich die Thätigkeit Einzelner noch immer auf
alle Gebiete der Theorie und Anwendung; und diejenigen, die noch immer
das Problem von der Ausgleichung des Sonnen- und Mondjahres auf Grund-
lage der unantastbaren traditionellen Normen im Aufstellen gröfserer Ka-
lendercjkeln zu lösen suchen und dabei jüngere Beobachtungen und
fremde astronomische Tabellen benutzen, so wie die Bearbeiter kürzerer
Kalenderperioden, bekunden doch in der Regel mehr oder weniger Bekannt-
schaft mit den derzeitigen astronomischen Theorien überhaupt und mit ein-
zelnen nicht jüdischen Autoren und Schriften insbesondere, wofür sie als
zeitgenössische Quelle herangezogen zu werden verdienen.
474 Moritz Steinschneider:
Eine mehr detaillirte Charakteristik einzelner Länder nnd Periodm
steht mit der politischen Geschichte der Juden nnd der ihrer Litteratoi in
zu enger Verbindung, um in dieser vorzugsweise bibliographiscbeo
Vorarbeit auch nur skizziert zu werden.
Ich schliejfse diese Vorbemerkungen mit einer Hinweisung anf die Dif-
ferenz des Jahresanfangs im jüdischen und christlichen Kalender, so
dals das Jahr 5261 noch im Herbste 1500 beginnt, und in vielen Filkn
auf genauere Feststellung des Datums zu verzichten ist.
1501 Ms. Schönblüm (im J. 1867): Ibranot, s. unter 1412.
1503 Kalenderregelu beginnend mit dem J. 5264; Ms« Michael bii
(Nbübaubr 1171 m).
1504 Kalendarisches, im Oebetscjklus , Ritus Bomagna, gedmckt
(Näheres in Hebr. Bibliogr. VH, 120, XI, 17, 56, 105, XVH, 107, XIX, 31:
vgl. XX, 121).
1504 Josef, Sohn des Samuel, des Leibarztes Papst Julius U.,
dessen eigenes Diplom v. J. 1504, im J. 1524 erneuert wurde, wird aucli
als Mathematiker bezeichnet; doch scheint er Nichts veröffentlicht zu haben
(Quellen bei Vooelstein und Bieger, Geschichte der Juden in Rom II, 85).
1506 (5267) beginnen Tabellen in Ms. Mich. 469 (Nbüb. 902*).
1512—7 Tafeln? s. 1559.
1513 erschien die erste wenig bekannte Ausgabe von Augüstinis
Ricius, De motu octavae spherae^ opus maffiemalicd atque j^niosofkiä
plemmn ; ejusdem de astronomiae autoribus (so) epistola (s. RoNCOMPAONif Bol-
lettino V, 1872 p. 469); diese erste Ausgabe ist nicht erw&hnt in d(f
jüngeren 4. Lutetiae 1521, welche meinem weitläufigen Artikel im CaUl.
libr. hebr. Bodl. col. 2143 — 45 zu Grunde liegt; wozu weiteres über den
Verf. (einen Schüler des bekannten Abraham Sacut, den ich schon im
Magazin f. d. Lit. d. Auslandes 1848 S. 280 als geborenen Juden erkannt«),
über das Thema und die Citate des Buches s. Zeitschr. DMG. YIU, 178,
XXIV, 374, XXV, 420. Den Anhang (Epistola), welcher den jüdischen Ur-
sprung der Astronomie beweisen sollte, ist der Herausgeber, als unwesent-
lich und (I) weil er abhanden gekonunen ist, schuldig geblieben.
1518 erschien „Ain neu geordnet Bechenbüchlein mitt (sie) den zyfeni:
den angenden [für angehenden] schülem zu nutz u. s. w. durch Joak
BoBSGHEMSTEYN You EfsHugeu priester'^ u. s. w. Augspurg 1518. 4®.
Panzbr, Zusätze S. 150 n. 924"". Das Exemplar Heysb's (Bacher
schätz n. 301), das die k. Bibliothek in Berlin mit der ganzen Sanunlnng
erworben hat, liegt mir vor. Boeschbnsteik war ein Lehrer des Hebriüschen
Mathematik bei den Jaden (1601—60). 475
(s. die Quellen in meinem Katalog der bebr. Handschr. in München, 2. Aufl.
1895 n. 401, Zusätze zn meinem Handbuch u. s. w im Centralblatt für
Bibliotheksw. 1896 S. 358), protestierte zwar gegen die Zumutung jüdischer
Geburt (im J. 1472), welche jedoch nicht unwahrscheinlich ist, weshalb er
hier nicht fehlen soll. Wie er dazu kam, ein ßechenbüchlein herauszu-
geben, Iftfst sich wohl aus seinen dürftigen Yerbttltnissen erklären; auch
sein Hebräisch bleibt im Kreise des Elementaren.
Das Bücbelchen (Titelbl. mit Holzschnitt, Sign. A — E ungleich) dürfte
schon selten geworden und eine kurze Inhaltsangabe nicht überflüssig sein.
Es beginnt: „Welcher lernen will anföngklichn (sie) rechnen durch die
zyffer ist not das (sie) er wisse un fleissig erkenne die figurn der zyffemn
(sic).'^ Auf die 9 Ziffern folgt ein Beispiel der 6 Positionswerte; dann
die 7 „Figuren", 1. „Numeratio Zelung'\ 4 u. 5. „Duplatio Zwispilung und
Mediatio Halbierung'^ nach Einigen in 6. Multiplic. Merung, und 7. Diviflio
Tajlung einbegriffen. Jede Bechnungsart bietet ein einfaches Beispiel und
Probe, bei der Ausrechnung wird ein X fCkr 4 Ziffern angewendet. Dann
folgt das Rechnen in Brüchen („gebrochnen'^, „geprochnes'\ „zerbrochnes'^),
dann Regula de Try, oder magistralis, auch aurea (majsterliche, guldine
Ordnung), dann „Die regel der Qesellschafften" (sie) worin ein Memorial-
yers von 6 Zeilen: „Binden und fomen (sie) gleicb nammen (sie) rieht'' u.s.w.;
Regula fusi, beginnend mit einem achtzeiligen Vers. Zuletzt einige Fragen,
die letzte: „Es seind zwo Frauen die Hand ejer bey ainander fall" (s.
unten zum J. 1537). Die letzte Seite enthält die Einteilung von müntz,
gewicht, mais (fueder 12 aymer), zejt, elen (Ellen).
Bald nach 1526 erschien in Venedig bei DANiBii Bombeüo eine neue
verbesserte Ausgabe des von Elia Ha-Leyi in Eonstantinopel (1520) edirten
Festgebetbuchs (Machsor) nach dem Ritus Romagna (Griechenland) mit Zu-
sätzen Ton Abraham bek Jomtob Jbrusohalmi (aus Jerusalem). Dieses Buch,
wovon äufserst wenige vollständige Exemplare existieren dürften, enthält einen
Abschnitt über Kalenderwesen f. 452 ff., mit einem stereotyp gewordenen
Citate aus dem Talmud (Sabbat, E. 7) beginnend. Abraham hat die dazu
gehörenden Tabellen nach den neuen Grundsätzen des Uluo Beg angelegt
welche er an einem grofsen, von ihm selbst angefertigten, von Mi-
nute (J)ak) zu Minute geteilten Instrumente, dessen Diagonale beinahe
24 Spannen lang, erprobt und bewährt gefunden hat. Der Name des
ÜLuo Bbg (dessen Tafeln — 1444, nach Stoiu:<OT, Prol^gomines, p. 34,
falsch 1436 p. 36 — schon von Elia Babchiatsohi angeführt werden)
ist im Druck verstümmelt (Hebr. Bibliogr. X, 120). Ich bemerke noch:
<las Jahr 261 (^ 1500) wird f. 458 erwähnt. Abraham ciüert den
Astronomen Isak Israeli (der 1310 lebte) und tadelt die Tafeln des Ver-
476 Morits Steinechneider:
fassers der „Flügel" (IifMANUEL ben Jacob, 1365, s. Bibl. Mathem. 1898
8. 79).
Eine Anweisung zur Berechnung von Neumonden und Quatembers,
mit dem Titel Sefer limeeo Moledot u Tekufol in Seb. Münsterus „Calen-
darium Hebraeum ex Hebraeorum penetralibus" etc. 4. BasiL 1527 (CalaL
Bodl. p. 549 u. 3545) hat p. 94 richtig das Jahr 5281 als das 17. des
278. Cyklus, also 1520, hingegen falsch 270 und „septuaginta*' = Chr.
1511 (!) p. 95. Das Schriftchen' ist wohl aus ftlteren sogen. „Ibromt'
kompiliert, der Stil ist teilweise unhebrftisch oder hart, wie schon der Titel
wenigstens auf einen nichtjüdischen Redakteur, etwa Münster selbst? f&kii
Der Arzt Abraham de Balmks (gest. in Venedig 1523) überseUte,
grofsen teils oder durchaus, im Auftrag christlicher Grelehrter, Terschiedene
Schriften der Araber aus hebräischen Übersetzungen ins Lateinische, wotob
nur die philosophischen des Ayerroks gedruckt sind. Zu seinen ange-
druckten Übersetzungen aus unbestimmter Zeit gehören 2 aus dem Gebiete
der Astronomie, noch handschriftlich erhalten, worüber ich anderswo aus-
führlich gehandelt habe (s. die Anführungen in: Die hebr. Übersetzungen
S. 539, 560 u. 972; Bibl. Mathemat. 1890 S. 107), die eine unter dem
Titel Isagogicon Ästrologiae Ptolemei ist die Isagoge des Gehinus, die
andere, dem Kardinal Dominico Grimani gewidmete, heifst in der latei-
nischen Übersetzung: „Alacen, liber de fnundo^\ enthält aber das Buch der
Astronomie von ibn al-Hbitham, welchen erst unsere Zeit als identisch mit
dem Optiker, vulgo „Alhazen", erkannte. Vorrede (oder Widmung) Abra-
ham's und „Prohoemium" des Verf. in der lateinischen Übersetzung gab ich
in meiner Abhandlung: „Notice sur ftn ouvrage astron. medU d' ibn Hei-
tham", Extrait du BuUettino etc. t. XIV 1881 etc. Rome 1883, und Ap-
pendice (aus BoU. 1883) 1884.
Schon in der 2. Hälfte des XV. Jahrhunderts begannen verschiedene
Männer von der Sekte der Earfter (oder Earaiten, Bibelanhänger und Gegner
der talmudischen Tradition), unter der Leitung einzelner ihrer religiösen
Gegner („Babbaniten^') sich mit der Mathematik zu beschäftigen, und zwar
hauptsächlich in Konstantinopel und der Nachbarschaft, wo die Kanuten
gleichen Schutz mit den Babbaniten fanden. Zu ihren Nachfolgern gehören
einige Autoren, welche um 1522 ff. genannt werden, nämlich:
Josef Tischbi, Verfasser eines Kommentars über den Kalenderabschnitt
in dem Buch der Gebote von Ahron ben Elia (Bibl. Mathem. 1898 S. 34),
anonym in Leyden, Ms. Warner 52^^ (p. 240 meines Katal., dazu Hebr
Bibliogr. X, 98). Derselbe soll auch einen Kommentar zu den Tabellen des
Elia Baschiatschi (XV. Jahrb.) verfafst haben; Abr. Firkowitzsgh schreibt
ihm auch sein Ms. 722 (jetzt in der Petersburger Bibliothek) zu, was
Mathematik bei den Jaden (1601—60). 477
GuBLAND in seinem Verzeichnis mathematischer hebr. Handschr. in Peters-
burg yerschweigt (Hebr. Bibliogr. 1. c).
Moses Ma^halli (? aus Ma'halla; s. Jewish Quart Revue 1898 p. 137,
n. 332^) erscheint in den Collectaneen des Josef Tischbi als Lehrer des-
selben, aber keine Schrift von Moses ist bekannt; seine Bandnoten zu dem
oben genannten Abschnitt des Ahkon v. Elia werden von Josef Tisghbi
zitiert (Hebr. Bibliogr. XX, 98 gegen die Entstellungen Fürst's, Gesch. d.
Kar. m, 26).
Samuel ben Salojio, mit dem, vom Propheten Samuel entlehnten
Ehrennamen Bamati (im Sinne von „ hoher ^'), daher auch schlechtweg:
,,Babbi Bamati^, wahrscheinlich in Akierman(?), wird in den Collectaneen
des Josef Tisghbi zum J. 1524 genannt, zum J. 1549 als „Greis^ (Hebr.
Bibliogr. XX, 122, gegen Fübst's unbegründete Angaben, 1. c. IL, 323).
Eine anonyme Abhandlung „über alle Partien^' des jüdischen und
christlichen Kalenders mit Tabellen (die Badix ist 1523) enthält Ms.
Paris 1098'; leider giebt der Katalog niemals den umfang des letzten
Stückes eines Kodex an. Ich knüpfe hieran ganz kurz 2 oder 3 andere ano-
nyme Schriften über denselben Gegenstand, wahrscheinlich beide aus Ita-
lien stammend und Bestandteile von Sammelhandschriften über diesen be-
liebten Gegenstand; aus d. J. 1525 — 7, Ms. Benzian 48 D., 1527 Ms.
Berlin 224« (Verz. II, 1897 S. 75); in demselben Kod. (f. 45) v. J. 1533.
1526 starb Elia Misrachi (d. h. der Orientale), berühmter Babbiner
in Konstantinopel, dessen Arithmetik nach seinem Tode daselbst u. d. T.
Mdechet ha-Mispar nicht vor 1532 gedruckt und schon sehr selten ist.
Ein Auszug mit lateinischer Übersetzung von Oswald Schreckenfuchs und
Anmerkungen von Sebastian 1[önter erschien in Basel 1547. Näheres
darüber findet man in meinem „Brani dell* Äritmetica d'ELiA Misrachi
ecc. leHera IV, a Don B. Boncompagni^', 4® Boma 1866, p. 43 — 67; und
eine Beurteilung vom mathematischen Standpunkt aus in Gustav Webt-
heim's „Die Arithmetik des Elia Misrachi*^, im Frogr. der Bealschule in
Frankf. a. M. 1893; 2. verb. Aufl., Braunschweig 1896 (5 Bl. u. 68 S., s.
meine Anzeige in Monatsschrift für Gesch. u. Wiss. d. Judenth. XL, 1896
S. 96). Wektheim bemerkt kulturgeschichtlich, dais in den praktischen
Aufgaben weder Spieler, noch Beute teilende Söldner, noch in der Schenke
sitzende Leute, keine Zins nehmenden Gläubiger vorkommen; Quaritch's
Katalog N. 319 (1878) n. 9380 verzeichnet ein Ms. der Arithmetik, ko-
piert von einem Schüler des Verf., Menacbem b. Samuel (Bebr. Bibliogr.
XViU, 119). — Elia's Schrift über Euklid und Ptolbmäus' Abnagest
beruhen noch auf einer unsicheren Quelle (die hebr. Übersetz. S. 508, 524).
478 Moritz Steinschneider:
1528 ist ein anonymes Kalenderwerk verfafst, Ms. derBodL (Offene.
692 Qu. f. 113, bei Neubauer n. 817), geschrieben 1538 (?) von Israel
DI Baesa; 1529 ein anderes desgl. ms. Leyden Wabner 66 (Eatal. p. 283).
— 1533 s. oben 1527.
üngef&hr in diese Zeit gehört wohl ein jüdischer zweifelhafter MaÜie-
matiker, dessen Spar ich bisher yergeblich aufgesucht habe. Der Chronist
und Mathematiker David Oans (gest. 1613) berichtet in seiner Chronik
(n 3^ unter J. 1906, s. meine Noten zu Baldi, in Boncomfagni's Ballett
y, 477, verbess. Abdruck, Roma 1874 p. 45): ^Der grofse Astronom, der
berühmste aller Zeitgenossen, Petro Apiano, Lehrer des Israel Tafus(?)
gesegn. And. erwähnt, änSs der Erzvater Abraham der erste in der Zahl-
und Sternkunde bekannte Mann war.^ Petrus Apianus, Verf. der Coszno-
graphie (1539) starb 1552 (Weidler, Hist. p. 350). In dem MüncheDer
hebr. Ms. 394 f. 104 wird die Anordnung der 1080 Stundenteile (72 X 15,
s. Bibl. Mathem. 1899 S. 9 A. 6) im Namen eines Israel mitgeteilt, und f. 102
ist das J. 1550 angegeben; dennoch habe ich im Katalog, 2. Aufl. S. 218,
die Identität dieses Israjsl mit dem Schüler des Petrus abgelehnt
Im J. 1536 erschienen in Eonstantinopel u. d. T. Eser lerioi (10 yo^
hange, oder Kolumnen?) astronomische Tabellen über 10 Ji^re, he-
bräisch, wovon heute kein Exemplar mehr bekannt ist; die älteste QneUe
nennt als Autor Jechiel bbn Reuben (mein Cat-al. Bodl. p. 1281) der
offenbar identisch mit dem Homonymen J. b. R. Aschkenasi („Deutscher", d. h.
Nordeuropäer), welcher die Konstantinopler Ed. des Jakob ben Asches
1539/40 mit einem Index versah (Catal. Bodl. p. 1183 n. 6 fehlt der
Name), und wohl auch „Jech. Aschkenasi^^ Associe des Herausgebers der
Gutachten des Isak b. Scheschet, Konst. 1546/7 (Catal. Bodl. p. 293.3).
Die Autorschaft ist also noch fraglich.
Im Jahre 1537 schrieb Abraham ben Jbhuda, genannt Ebrlin (=
Abrahamlein) in Frankf. a. M. „Das Buch der Ziffern'^ (plural, im Epi-
graph), am Anfang: „Zu erkennen zu geben und zu erklftren das Bneh
der Zahl {Mispar)^ worin 9 Pforten (Abteilungen) sind; ich werde raeret
die Kabhälot (Überlieferungen) erklären, welche der Rechner kennen moTs,
das sind die Schlüssel, wonach er alle Rechnungen wissen kann." Znletzt
kommen 27 „R&tsel^' (Aufgaben), deren letztes: 3 Weiber verkaufen Eier-
Ich vermute, dais hier eine Übersetzung oder Bearbeitung eines, vielieicht
deutschen Rechenbuches vorliegt (vgl. oben 1518 Boeschenstein). Neubaues
(n. 1271^®), dessen Angaben ich aus Autopsie im J. 1847 ergfinze, zwei-
felt, ob Abraham Verf. oder Kopist sei; in meinem Index zu Katal. Michael
ist er nicht aufgeführt. Später fand ich eine auffallende Ähnlichkeit des
Mathematik bei den Juden (1501—50). 479
Recbenbücbleins mit Ms. Michael 248 (Nbubaubr 2170^); im Titelregister
feblen die Titel, und nun ersehe ich die Identität mit Ms. München 394^
mit dem Titel: „Bach der Ziffer^^ (Zifra), das ist die Nnll; die Aufgaben
znletzt hat der Kopist nicht vollendet. Die Mnltiplikationsfigar, welche die
(spätere) NuPER^sche ist (Katal. Münch. S. Vm), f£Üirt vielleicht auf den
Ursprung dieses für die Geschichte der Arithmetik nicht uninteressanten
Büchleins, wozu die Kopisten Zusätze im Namen verschiedener Juden ge-
setzt haben.
Mit dem Jahre 1539 beginnt das Werk des Jsachar ibn Susan, ge-
druckt 1564, unter welchem Jahre Näheres angegeben wird. 1539/40 sind
in Italien geschrieben die Kalenderregeln in Ms. Oppemu. Add. Qu. 57 der
Bodl. (Neüb. 2072*).
JoBEP DEL Medigo in seinem Buche Elem über mathematische Pro-
bleme (zuerst Amst. 1629 gedr., dann in Odessa 1864, S. 275, vgl. S. 352,
Maajan Chaium Anf., ohne den Namen) zitiert Pedro Nunez, „den grofsen
Mathematiker von Samen der Juden'^ der in Lisabon im J. 1541, am
1. Oktober das „Herz des Skorpions'' beobachtet habe. Dieser Pedro ist
der bekannte Petrus Nonius oder Nonnius, dessen: „de Creptisculis" mit
„Allagen'' (ibn al Heitham) Ylissip. 1542, und dessen: de Algebra, Ärith-
mdica et geomeiria, Antwerpen 1567 erschien — geb. 1492 in Alca9ar de
Sal (die Nouv. Biogr. univ. Bd. 38 (1862) p. 362, enthält Nichts über seine
Herkunft).
[Zum Jahre 1543 habe ich hier nur eine kurze Berichtigung zu no-
tieren: Dem Eduard Pinel wird aus Mifsverstand eine hebräische Gram-
matik und eine Schrift über den Kalender beigelegt; die Grammatik ist
keine hebräische und die andere handelt: „de calendis"] s. Monatsschrift
für Gesch. u. Wiss. d. Judenth. 1898 S. 522 Anm. 1.]
Vor 1545 (?) kopiert Vidal di ailS (wie auszusprechen?) das Werk
des IsACHAR IBN SusAN; s. f. 12 der 1. Ausg. Solonichi 1564.
Im J. 1546 schickt Chajjim Chabek, wie früher sein Vater, der Arzt
IsAK (vgl. ZuNz, zur Geschichte und Lit. S. 531, Landshuth, Onomasticon,
S. 117), von Damaskus aus „Sjnagogenkalender" {Luach ha-Keneset)'^ hier
ist vielleicht eines der ältesten Zeugnisse von der weiten ehemaligen Ver-
breitung dieser Einrichtung, welche in Italien schon in der Mitte des
XV. Jahrb. unter der Benennung „Sjnagogenblatt" (Nejar ha-Keneset) vor-
kommt (s. mein Jewish Lüerature p. 189). In Ms. Berlin 224^ (Mein
Verzeichn. 2. Abth. S. 76, aus dem J. 1811) wird dafür „Tageblatt" (Ne-
jar ha-Jafnim) im Italienischen „Carta di scuolä" (hier im Sinne von
„Schule" für Synagoge) gebraucht. Wie es scheint, hat sich der Gebrauch
480 Morits Steinschneider:
eines Kalenders in den Synagogen nicht nach Nordeuropa verbreitet. Übfr
das Verhältnis desselben zum christlichen Eirchenkalender ist meines Wissens
nirgends die Bede (s. meine Artikel: „Der jüdische fioilender^' im Jahrbneh
zur Belehrung u. s. w., Beilage zum Volks- und Hauskalender her. y. M. Brai%
43. u, 45. Jahrg., 1895 u. 1897).
Im J. 1547 erschien in Bom ein hebräischer anonymer Druck in 12^,
dessen Titel selbst nicht sicher ist. Er ist bis jetzt nur aus Wolf's BibL
Hebr. (Bd. II, 1721 p. 1306 n. 238, wonach kurz in meinem Catal. BodL
p. 550 n. 3551) bekannt, der denselben wahrscheinlich gesehen oder gm
besessen hat. Ein Exemplar ist mir nicht bekannt. Der angebliche Titel
„Jod Schearnn*' dürfte „14 Pforten ^^ bedeuten. Das Schriftchen be-
handelt den jüdischen und den christlichen Kalender in 11 Kapit€lQ^
deren Inhaltsangabe bei Wolf nur unter K. 10 den christlichen erwähnt
Meine Konjektur betreffs des Titels gründet sich auf die 14 Ealendeiformen,
worüber der Römer Benjakin Anaw (dei Mansi) um 1260 — 69 eine in
Italien viel benutzte Schrift verfafst hat (s. Bibl. Mathem. 1897 S. 15
§ 34; die dort S. 18 A. 6 zitierte Hebr. Bibliogr. XVEII, 99 ist nicht berück-
sichtigt in den beiden Geschichten der Juden in Bom von A. Berlinbr H, 54^
VOOELSTEIN und BlEGEK II, 122).
Über den Architekten und Geometer Simson (oder Simon) Ginzbusg
(oder GüNZBURo), der um 1548 — 70 Etwas über Geometrie geschrieben
aber nicht ediert haben soll, habe icli noch immer nichts Sicheres
ermitteln können (s. die Zitate in meinem Catal. Bodl. p. 2626 n. 72 14,
und ausfer den dort zitierten Quellen: Sternberg, Geschichte der
Juden in Polen, 1878 S. 145; Jech. M. Zunz, Ir ha-Zedek, Lemb. 1874,
Anhang S. 21).
[Dem bekannten Philosophen und Theologen Ob ad ja Sforno (gest. 1550
in Italien) hat man ein anonymes Kompendium des Euklid in dem bebr
Ms. 1001 der Pariser Bibliothek nur darum beigelegt, weil sein Werk, das
auch gedruckt ist, vorangeht, s. Die hebr. Übersetz. S. 506.]
Moses Maimonides, in seinem berühmten religions-philosophischen Werke,
betitelt: „Führer der Verirrten", T. I, Kap. 73, führt als Beispiel für Be-
griffe, die für unsere Vorstellung unmöglich und doch wissenschaftlich
erwiesen sind, das Vorhandensein zweier Linien an, die stets sich ein-
ander nähern aber niemals einander schneiden, ohne die Beschaffen-
heit dieser Linien näher anzugeben, mit Berufung auf das „Buch der Kegel-
schnitte". MuKK, in seiner französischen Obersetzung des „Chdde des egam"
(Paris 1856, I, 416) weist auf Archtmbdbs II Theor. 13 hin, wo von der
hyperbolischen Kurve und der Asymptote die Bede ist. Schon in der Mitte
Mathematik bei den Jaden (1601—50). 481
des XV. Jahrh. widmete Simon Motot (die Aussprache dieses Namens ist
zweifelhaft) der Erklftrong dieses Problems eine kleine besondere hebräische
Schrift, welche wahrscheinlich ohne Namen erwfthnt ist in einer um ein
Jahrhundert jüngeren des Italieners Moses Provinciale, beendet im Früh-
ling 1549, gedruckt mit der hebr&ischen Übersetzung des „Führers" (MorS)
in Sabionetta (1553) auf 2 Bl. in Folio, mit dem Kolumnentitel „Erklärung
der zwei Linien, welche der Lehrer (Maimonides) im 1. Teil EiLp. 73 Blatt
64^ erwähnt." Diese Abhandlung, nicht in allen Exemplaren zu finden, ent-
b< 15 Theoreme mit eben so vielen mathematischen Figuren und soll
schon 1550 in Mantua in einer italienischen Übersetzung in hebräischen
Leitern erschienen sein, die ich nicht aus Autopsie kenne, und die heute
nar noch in Italien erhalten sein dürfte. Diese italienische Übersetzung
übersetsste ins Lateinische Fr. Barocius -(Barozzi) in seinem Buche: „Geo-
meir, prohlema 13 madis demonstratum^ quod docet duas Imeas in eoäem
piano designare, quae nunq%Mm mvicem caincidant etc," 4. Yen. 1586, führt
sie aber mit folgenden Worten ein (p. 290): „R. Motsis Narbonensis'^
[dieser Kommentator des „Führers" lebte im XIV. Jahrb., sein Kommentar
zum 1. Teil wurde erst 1791 gedruckt!] „libeUum in iiäUca Urufua scriptum,
Maniuaeque impressum A, MDL cwi tOulus est: Opus novum geometri-
cum ad demonstrandum quomodo super una plana superficie duae lineae
possunt exire etc" Barooius hält diese Übersetzung aus dem Hebiilischen:
„quae rem non geometricis rationibus demonstraf% far ungenügend; er zählt
18 Propositionen. Über den nirgends genannten (jüdischen?) Übersetzer
ins Italienische habe ich nichts ermitteln können. In Venedig erschien
1551 eine hebr. Ausgabe des Führers, aber die Erklärung des geometrischen
Problems ist dort weder hebräisch noch italienisch zu finden. Ein Druck
mit hebr. Lettern in Mantua 1550 hat typographische Bedenken, wie auch
ein Druck der Übersetzung vor dem Original. Genaueres darüber wäre
daher sehr wünschenswert. (Über die ganze Sache s. meinen Catal. Bodl.
p. 771, 1983, 2959; Die hebr. Übersetz. S. 426; Monatsschr. f. Gesch. u.
Wiss. d. Jud. 1898 S. 466.) Hiemach ist Boncompaoni's Artikel „Fr. Ba-
ROZEO^* (in seinem „BüUetHno" 1884 p. 899) zu ergänzen.
Die anonyme Erklärung desselben Themas im Wiener Ms. 75 bedarf
noch näherer Untersuchung. Anfang und Schlufs (in den Ergänzungen
Goldsmthal's S. 79) sind sehr ähnlich denen der Abhandl. von SmoN Motot;
letzterer zitiert aber ApoLiiONius nicht, wie ich in meinen Notizen finde. Über
eine andere Abhandlung über dasselbe Thema von einem „Salomo bem Isak^^
in ms. Almahzi 213^ (jetzt ms. Brii Mus. Add. 27, 107, bei G. Margo-
uouTTi, Descr^tive list of the Hebrew . . . Mss,, n. 4893 p. 74) habe ich
die Ton Luzzatti erbetene Auskunft nicht erhalten (Hebr. Bibliogr. 1862
Abh. *nx Geteh. d. Mathem. IX. 31
Moritz Steinschneidei
S. 129, wo A. 2 „PRfi VINCI ale" heirsen hoU: „Motot"). In Bbnjacob's
Tbesaarus S. 384 n. 250 (nach Mitteilungen älmahzi's) heilst es „Ton
Salouo" nnd „R. Urabl"; ich babi^ daber die Konjektar als eine solche
dahingestellt, daCs jener Salomo der FamiJie Israkl, oder Israeli, in Toledo
angehörp, also 1349 gestorben sei (Biblioth. Mathemat. 189» S. 10).
Das lat«iii. Ms. München 5645 in Polio f. 117 — 23 (niicb alt^r Sw^
meration, jetzt 132—8), enthalt „Zachariae hahraei i» Kalcndarii Born
reformationfm Incubrntiones". die Unterschrift lautet: „Zauharias lei-Ua ht-
braeus Gmumsis''; einige Zeilen daraus über die Einteilung der Htnndo in
1080 Teile üitiert Boncümpaqni in den Atti deW Acad. jmitif., XVI, 186^
p. 781. Ein Jude Saoqarja ua-Levi ist oicht bekannt, hingegen lebl^^
Seraciua iiA-LEvr, Neffe des Historikers Jobef Koiien, um 1550 in Genu^^ _
die Verwechslung diest^r Namen habe ich auch sonst nachgewiesen l,HeW-^
Bibliogr- 1872 S. 43, vgl. lam. Loeb, Joseph Haccoben, 1888 p. 15). i:::^^"
der Name Serachja weniger bekannt ist als Zacharias, so kann auch 4«~
Autor selbst in einer lateinischen Schrift den bekannteren gewählt hab^Q.
wenn nicht ein lateinischer Übersetzer eines hebiUischen Originals dafür v^
antwortlich sein sollte?
Im J. 1550 studierte ein polnischer Jude Mattatja ben Salovu Deljcho
(oder wie der zweifelhafte Name auszusprechen ist) an der Universität i
Bologna; es ist nicht unmöglich, aber seltsam, dafa sein Sohn Sax^üico ii
J. 1552 eine Approbation unterzeichnete, worin er den Vater als verstorben ^
bezeichnet, während ein anderer Sohn Josep noch 1615 lebte. Weniger
außUIlig und sicher ist »s, dafs Mattatja sich mit der ErklBmng kabba-
listischer Schriften beschäftigte, in denen allerdings Zahl Spielereien mit den
bekanntlich auch als Ziffern geltenden hebräischen Buchstaben eine Boll«
spielen, und zugleich sieb in ernste astronomische Studien vertielle, die ihn
vielleicht zur Kosmographie führten. Er übersetzte nämücb in bebr&iscbe
Prosa das Buch: Image du mwide, welches die „weit wunderliche" — wenn
diese Bezeichnung eben so sprachlich als sachlich gerechtfertigt erscheint,
— französische Kosmographie des Geomet«rs Güssouin in Verse brachttv
und dem Omons, oder dem Gauthibr von Meta (1245), beigelegt wii4^l
Das hebräische Buch erschien erat 1733, ein jüdisch -deutscher Auszug abmj
schon 1 7 33. Zwei andere anonyme Bearbeitungen desselben Werkes {
hdren nicht an diese Stelle; näheres über alle drei in „Die hehr. Obersetc
S. 9ÖU.
Mattatja las in Bologna tinter Anleitung eines Lehrers das beliebt
Buch De sphaera tnundi von Job. Sacrorosou im lateinischen Texte,
er in seinem hebr. Kommentar »ur bebr, Überaetzung des Salomo Abiqbih
(1399), gedruckt 1720, heranzieht (Die hehr. Üheraeta. 8. 644).
[0 iaal
Mathematik bei den Juden (1501—50). 483
Das Ms. 1097 der Pariser Nationalbibliothek enthält das 1. Kapitel
(über die Sonne) eines astronomischen Werkes, welches 1460 verfafst ist,
dann einen hebr. Kommentar über das ganze Werk, verfafst in Italien 1551
von einem Juden, der Ton einem Christen unterrichtet worden. Ich vermute,
dafs das Ms. einen Kommentar unseres Mattatja über die Theorica pl^me-
tamm des G. Peurbach enthalte, deren Abfassung in jenes Jahr fällt,
während die anderen Angaben zu Mattatja passen (Die hebr. Übersetz.
S. 640).
31 •
^
m^f^
BEMERKUNGEN ZUR GESCHICHTE
DER ALTGRIECHISCHEN MATHEMATIK
VON
AMBROS STURM
IM 8KITEN8TETTEK.
1. Zn Anaximander.
Yerschiedene Dentangen hat die inotvnaöig yetoiiEtglag erfahren,
welche Suidas dem Anaximander zuschreihi ^) Es ist wahrscheinlich, dafs
man dahei nicht an eine geometrische, sondern an eine geographische
Leistung des milesischen Philosophen zu denken hahe, nämlich an seine
bildliche Darstellung der Umrisse von Land und Meer.
Es ist einerseits zu bemerken, dafs kein anderer Schriftsteller eine
geometrische Arbeit Anaximanoer's erwähnt, andererseits mufs es auffallen,
wenn Suidas die erwähnte geographische That mit Stillschweigen überginge,
da sie doch als die erste ihrer Art im Altertume bekannt und berühmt war.
Einen positiven Beweis für die Richtigkeit der aufgestellten Annahme
bietet eine Yei^gleichung der auf Anaximander bezüglichen Stellen des
Diogenes Laertius und Suidas:
Diog. Laeri 11, 1: Suidas s. y. Anaximandros:
^Ava^lliavi Qog i7^o|iadov ^Ava^lfiavd ^og ÜQu^iddov
Mikii6$og, oixog lq>a6it€v, Mikr^öiagj q>iX66oq>ogj övyyiviig xal
^itfijv %s tiiv yfjv xBlö^ai a), xiv- ^^i}t^9 %til iiadoxog Sakrixogy nQ&-
r^ov T«|«v i%{%ov6av oiöav öipaigo- tog ^' lörifiigtav d) svqb lud t^o-
itSij .... Eiqe di %al yvf&fiova nicg c) %al &Qokoyeia e), nal t^v
1) M. Caktob, Vorlesungen üb. Gresch. d. Math. I. 2. Aufl. Leipzig 1894,
S. 135 f. — C. A. Brxtschheideb (D. Geometrie u. d. Geometer vor Eukuoeb. Leipzig
1870, S. 62) hält sie in Übereinstimmung mit Roth (G^sch. d. abendländ. Philos. 11,
S. 182) fSr eine „bildliche Darstellung**, einen Abrifs der zeichnenden Geometrie. —
Fr. hiABB (Fleckeisen's Jahrb. d. kl. Phil. 1872 (18), 8. 28) meint, von einer Schrift
•ei keine Rede, sondern nur, dafs Anaximakdeb überhaupt die Grundlagen der
Geometrie gelehrt habe, womit nicht Tiel mehr, als nichts, gesagt sei. — P. Taknebt
(Geomärie grecque. Paris 1887, p. 74 n.) sagt: „L' dXrjg yeaiuBtgüig ^otvnaetv
^^<ii(v doit 9em8 douie se rapporter ä la figuration de la Terre am une mappe-
f^onde, qui fut Voeuvre du MiUsien/' — G. Fbixdlbim (Zeitschr. f. math. u. nat.
Unt. 1871 (2), 8. 344 f.) fibersetzt: „Ahazuiamdbe zeigte überhaupt das Bildliche
der Geometrie; d. h. was die Figuren der Geometrie bedeuten und wie man etwas
geometrisch nachbilden kann." Derselbe (Beitr. z. Gesch. d. Math. 11. Uof 1872.
S. 15): „Er gab eine bildliche Darstellung der ganzen Geometrie heraus/*
488 Ambros Sturm:
b) TfQ&xog Kai löxfiüev iitl t&v üxio- yijv iv (isöatzdi^ xetc^at 9L\yv6-
^^^Oüv . . . tqoJtdg zb c) tuu iöiri^i- (lovä % eiorjyaye b) xm olug
glag d) öfifuilvovxa ^ xal mgoCnoma yemfiatglag vnoxvTC&Civ Hiiiiv
e) fuxteöxevaöB, xal ytig xal ^aldo- f). fyga^e icsql 9>vtf£o$, y^g n^fioiof
öfig neQlfiBXQOv nQ&xog lyqa^ev xal nsQl x&v ccnXav&v xal tf^oiJM»
f ). ^AkXa xal 6q>aiQ€ev TuxxsöxtvaöBj xal aXXa x^vcL
x&v dh oQBöxivxfov aixm nsTtolrixai
XBq>alau&ifi xijv Ix^Bdv . . .
Ans dieser Kebeneinanderstellnng der zum Teile wörtlich gleichlanteo-
den Nachrichten dürfte hervorgehen, dafs wir unter ystoiuiQUcg vTunvn&Si^
die bildliche Darstellung der umrisse von Land und Meer zu Terstehec
haben, jenen ntva^ yBmyQatptxogy den Eratosthenes ^ dem Anaxdiakdek
zuschreibt.
Es könnte der Einwand erhoben werden, ob es gestattet sei, das Wort
yBCDfiBxqla in diesem ungewöhnlichen Sinne zu nehmen. Diesen Zweifel
beseitigt aber eine Stelle Plutabch's, wo die Abbildung der Umrisse tos
Land und Meer geradezu als der innerste Kern der Geometrie, ictla if^^
yBfonBXQCag^ bezeichnet wird.
In dem Dialoge de fade in orbe lurme fragt nämlich ein gewisser als
yEoifiixQfig bezeichneter Apollonides um die Ansicht, welche Cleabchis
über das im Monde sich zeigende Antlitz ausgesprochen habe, und erhält
folgende Auskunft^):
Tlavxl fi&kkov ayvoBiv ^ <sol Jedem könnte es eher Terzieheii
nQoörjxov icxi ioyoVy &ifnBQ ixp^ löxlag werden, als Dir, eine Ansicht nidit
xrjg yBGtfiBXQlag SgiJuofABvov' XiyBt yicg zu kennen, welche sozusagen Tom
aviiQ ^i^vag igonxQixag slvat, tuxI Herde der Geometrie ausgebt Der
ei6<ola xrjg fABydkfig 9ald6<ffig ifi- Mann sagt nftmlich, dafs das soge-
q>aiv6fuva xy öBkrivy xb xalov^Bvov nannte Gesicht (im Monde) nichts
itQoöomov. anderes sei, als Spiegelbilder und
Ansichten des grofsen Meeres, welche
im Monde sichtbar sind.
Es dürfte sonach Anaximander in der Geschichte der MathWatü
ebensowenig eine Rolle spielen, als einer der übrigen ionischen Natar-
philosophen, aufser Tuales. Denn, wie Diels^) nachgewiesen hat, beruhen
auch die Distanzzahlen, die Anaximandeb seinen Himmelsiingen gegeheo
2) Strabo I, 1. c. 7. Ed. Mbin. p. 8.
3) De fade in orbe lunae 920 f. Mor. ed. Bkrsapajus voL V. Lips. 1^93,
p. 404. (Ed. DiDOT p. 1127).
4) Arch. f. Gescb. d. Philos. 2, S. 228 ff.
Bemerkungen zur Gescbiohie der altgriechiscben Mathematik.
489
hat, nicht auf geheimnisToUer Arithmetik, sondern auf einer mystisch-
poetischen Anschauung, auf dem Kulte der Dreizahl und ihrer Vielfachen,
und dem Bestreben, das Schema dem Auge gefUlig zu gestalten.
2. Zu Demokrii
Plutabch^) berichtet über eine Untersuchung DEMOKitrr's, welche
manchmal als die erste Spur einer Beschäftigung griechischer Mathematiker
mit den Kegelschnittslinien angesehen wird. Es scheint jedoch, dafs die-
selbe ihren richtigen Platz in der Geschichte der Infinitesimalgeometrie
habe.^) Der Gegenstand, um den es sich handelt, ist folgender: Plutabch
bekämpft die Sätze der Stoiker, speziell des Chrysippus, welche nach seiner
Ansicht gegen die %oival iwoiai verstofsen, und erwähnt dabei gelegentlich
Folgendes:
"Eti tolwv OQa %lva xqiitov
cat^vxriCB ^rnuniQk^ , dtoTtoqovvu
(pv0i%&g 9UU inirvxi&g y ei %&vog
2^ iucvosus^w ticg z&v rfii^fiorov
ijtupavBlagy i0ag ^ &viöovg yiyvo-
fkivag' avusot (iiv yicQ ovöai xov
xd»yov avafuiiXov sMr^ilovtf», TtoHicg
inoxai^fig Xafißuvovta ßad'fios^dsig
nal tQoxvtrizag' f^cav d' (ybc&v, f<fa
T^^fiora töTca %al qxxvtixai tb roüf
xvUvdQifv nenov^mg i %&vog, i£
Ttfoiy övyneliuvog xori oin ivtcav
xvnXtoVj OTteg iöxlv ixoTUoxatov. iv-
TcrDOa dri xov JtiiMHQixav &jtoq>al-
vfi>v iyvoaihma „tag ftiv inupetveUng^
fprfii ^ijt' &&ag elvM f«^' avlöovg^
&vt6a dl TOT öfofuna %. r. A.^
Sieh, auf welche Art er (Chbt-
sippus) dem DEHOKRrr entgegnete,
welcher naturgemäfs und treffend
untersuchte: wenn ein Kegel durch
eine Ebene parallel zur Grundfläche
geschnitten wird, was ist von den
Flächen der Abschnitte zu sagen?
werden sie gleich oder ungleich? Sind
sie nämlich ungleich, so werden sie
den Kegel uneben machen dadurch,
dafs er viele stufenförmige Einschnitte
und Unebenheiten erhält. Sind sie aber
gleich, so werden die Abschnitte gleich
sein und der Kegel wird mit der cha-
rakteristischen Eigenschaft des Cjlin-
ders behaftet erscheinen, weil er aus
gleichen und nicht aus ungleichen
Kreisen besteht, was ganz ungereimt
ist. Hier nun sagt er (Chrysippus),
Demokrit als unwissend hinstellend,
die Flächen seien weder gleich noch
ungleich, ungleich aber seien die
Körper, u. s. w.
5) De communibm notüiis 1079 e. Mor. ed. Bvbhadäeib^ yoI. VI. Lips. 1895,
p. 342 f. (Ed. Didot p. 1321).
6) Cavtob, L c, S. 180. — Taviiert, l. c, p. 123. — Aluumb, Oreek GeomHry,
490 Ambro 8 Stnrm: Bemerkungen sor Oeachichie der altgriech. Math«mfttik
Man kann nicht umhin, die Einfachheit und Klarheit des Beispides
anzuerkennen, an welchem Demokrit die Schwierigkeiten, die dem B^rxffe
der Stetigkeit anhaften, darstellt. Zugleich nbertrifit es an Exaktheit weit
die sogenannten Sophismen Zeno's. Femer entnehmen wir dem Bericfate
Plutarch's, dafs Demokrit diese Schwierigkeiten nicht iCste, ja yennaüich
für unlösbar erkl&rte, da ihn Chrysippus deswegen als unwissend Terspottet^K
Es gewinnt vielmehr den Anschein, dafs er durch die aufgestellte Alter-
native die unbegrenzte Teilbarkeit der Raumgröfsen als ungereimt erweisen
wollte, um so seine Atomenlehre fester zu begründen. Dais er sich über-
haupt mit dieser Aufgabe beschäftigte, beweist der Titel einer seiner
Schriften: tuqI aloy&v ygafinitov nun vaöt&v (über irrationale Linien nnd
das Volle), in welcher es sich wahrscheinlich um die Beseitigung der
Schwierigkeiten handelte, die der Lehre von den Atomen (das Volle, vacxov]
vom mathematischen Standpunkte erwuchsen. Denn sowohl die unendlich
dünnen Platten, in welche der Kegel zerschnitten wird, als auch die Atome
stellen jenes Mittelding zwischen dem ov und fij|} ov dar, welches Leibmz
Differential genannt hat.
Noch eine weitere Schrift Demokrit's dürfte sich mit einschlftgigen
Fragen beschttftigt haben, deren Titel: n^ql di€cq>OQi}g yvwfikovog ^ jr^
r^favöiog kvkIov xal öq>aiQag (über das Hin- und Herbewegen des Gnomon
oder über die Berührung eines Kreises und einer Kugel) zu besagen scheint,
dafs, falls ein Schenkel des Gnomon mit dem Durchmesser einer Kugel
zusammenfällt, der andere Schenkel in verschiedenen Lagen stets Badins
eines die Kugel berührenden Kreises ist.
Dublin 1889, p. 81. — Zbuthen, Gesch. d. Math., Kopenhagen 1896, S. 68f -
C. Blass, De Platone maihematico, Bonnae 1861, p. 8 sq.
7) Bekanntlich griffen auch die späteren griechischen Mathematiker der-
artige Probleme nicht direkt an, sondern umgingen die Schwierigkeit durch
eine indirekte Methode (Exhaustion). Sie vermieden die Annahme einer anend-
lichen Teilbarkeit und gebrauchten das sogenannte Axiom des Abchdikdeb: Ist
Ä <C B^ so g^bt es stets ein Vielfaches von Ä, welches gröfser ist als B.
Abchimedes bezeugt, dafs schon Eudoxus sich dieses Axioms zur Berechnung des
Volumens der Pyramide und des Kegels bediente. (A&chimbdib op. ed. Heibiig,
Lips. 1880, vol. n, p. 297; vol. I, p. 11.)
sm¥6
DER LOCULUS AECHIMEDIUS
ODER
DAS SYNTEMACHION DES AßCHIMEDES.
ZUM ERSTEN MAL NACH ZWEI ARABISCHEN MANUSKRIPTEN
DER KÖNIGLICHEN BIBLIOTHEK IN BERLIN HERAUSGEGEBEN
UND ÜBERSETZT *
VON
HEINRICH SUTER
IN ZÜUCH.
Einleitung.
Über den sog. Locuhts Archi$nedius , oder das älteste ans erhaltene
Zusammensetzspiel, das, wie eine Beihe anderer interessanter oder schwieriger
Probleme, dem Abchimbdes zugeschrieben wird, hat man bis jetzt nur zwei
lateinische Quellen gekannt. Hexberq führt in seinen Quaestiones Ar cht-
medeae^) die Stellen des Marius Victorinus and des Atilius Fortuna -
tianus über diesen Gegenstand an; diejenige des Erstem heifst: „ut Ule
iocidus Arckimedius e quaUuordecim crustis elmmeis nunc quadratis nunc
triangtäis nunc ex utraque spede varie figuratis velut quihusdam membris artis
struendae causa composUus proditur; nam tä in illo prae finita ac determinato
rmstarum numero mtUHpUci earundem vari<Uarum specie nunc navis nunc
giadius nunc arhuscula et si qua alin figurantur etc." Ganz ähnlich lautet
die Stelle des zweiten Autors.
Griechische und arabische Stellen über dieses Archimedische Problem
bat man bis jetzt nicht aufgefunden, die Abhandlung selbst aber existiert
noch arabisch in zwei Codices der kgl. Bibliothek zu Berlin, bezeichnet mit
Mf. 258 und Mq. 559» im Codex 960 der Bodleianischen Bibliothek zu
Oxford*) und in einem solchen der Bibliothek des India OfQce zu London.')
Die beiden Berliner Codices habe ich in der Biblioth. mathem. Jahrg. 1898,
p. 73 — 78 beschrieben, worauf ich den Leser hiemit yerweise; im erst-
genannten Codex ist unsere Schrift die 28. (fol. 368^ — 370*), im zweiten
Codex die 10. Abhandlung (fol. 224^ — 225^). In den Noten zum arabischen
Text bedeutet A das erste, B das zweite Manuskript. Da der Text gar
keine Schwierigkeiten bietet, so habe ich auf eine Kollation mit den Mss.
zn Oxford und London verachtet.
1) Kopenhagen, 1879, p. 43 f.
2) Der erste Band des CaUU. cod. tnss. Orient. Mbl Bodl. a Jök. Üri con-
feetus, Oxon. 1787, enthält keine Notiz über dieses Ms., erst im sweiten Bande,
▼on NiGou. nnd Püsst heransgegeben, findet sich dasselbe p. 608 unter den
„Addenda et Corrigenda" erwähnt, es schlierst sich, sy, Seiten stark, nnmitteibar
an die i. Abhandlung des Codex 960 an. die die Sphära des Aatolycns enthält;
diese Angaben verdanke ich Herrn Bibliothekar A. Cowlet in Oxford.
3) A Cataiogue of the arabic nuinMcr. in the librarg of the India Office, bg
0. LoTH, London 1877, p. 298, No. 1043, X.
494 Heinrich Suter:
Dieses älteste Znsammensetzspiel, das wir kennen, trägt im arabisdieB
Text den Titel „die Figur sitemaschian^^ oder (am Schlüsse) ^femasch'm".
woraus his jetzt nichts gemacht werden konnte; ich ssweifle nicht dirao,
dafs gelesen werden sollte „smt^^niäschion" , und dafs damit das giiechische
Wort ^^syntemachion'^ gemeint ist^); temackum heifst „kleines abgehauenes
Stück, Schnitzel^^ also syntemcuMon = Zusammensetzung von Schnitzeln.
Allerdings ist syntemachion eine eigentümliche Bildung, eine Analogie dazn
bietet aber vielleicht das Wort „syno%kia*\ d. h. ein Haus, wo viele Familieß
zur Miete zusammen wohnen, oder auch ein Komplex von aneinander ge-
bauten, oder nahe zusammenstehenden Häusern.
Über das Alter der arabischen Übersetzung wissen wir leider nichts:
die Abschrift in Cod. A datiert aus dem Jahre 1651, diejenige in 6 ist
c. 60 Jahre älter, beide sind sehr wahrscheinlich von einem und demselben
altem Manuskripte abgeschrieben.
Übersetzniig.
Im Namen Gottes des Barmherzigen und Gnädigen! [oh] mein Ben,
verleihe [mir] Erfolg, und mache es [mir] nicht schwer!
Das Buch des Archimedes über die Teilung der Fignr
sitemdschion"^^ in vierzehn zu ihr in (rationalem) Verhältnis
stehende Figuren. Wir zeichnen ein Quadrat,^) es sei dies ABGD^
halbieren BG in E^ errichten EZ senkrecht auf BG, ziehen die Diagonalei)
AG, BZ md ZG, halbieren ebenfalls BE in H, und errichten ET senk-
recht auf BE; dann legen wir das Lineal an den Punkt H und visieren
nach dem Punkt A und ziehen HK, halbieren AL in M und ziehen BM^
so ist das Bechteck AE in sieben Teile geteilt Hierauf halbieren wir (tD
in N, ebenso ZG in C, ziehen EC, legen das Lineal an die Punkte
B und C an und ziehen (70, ziehen noch CN, so ist auch das Bechteck
ZG in sieben Teile, aber auf andere Weise als das erste, geteilt, mitbin
das ganze Quadrat in vierzehn Teile. Wir beweisen nun, dafs jeder der
ff
4) Das griech. x ^ii'd gewöhnlich arab. durch „ach" wiedeigegeben, icb er-
innere an „ArschimldeB** für „ Archimedes* ^
5) Ahlwabdt liest „sitom&schion", der Vokal nach t ist willkürlich, da d^
Wort im arab. Text nicht vokalisiert ist.
6) Der Text spricht allerdings nnr von einem Parallelogramm, in welcbeo
AD =^ DB sein soll, also von einem Rhombus, allein der Verlauf der DanteUang
zeigt, dafs die Figur ein Quadrat sein soll; immerhin gilt die ganse Ableitong
für jedes beliebige Parallelogramm.
Der LocaluB Archimediae oder das Syntemacbion des Archimedes. 495
yierzehn Teile zum ganzen Quadrat in rationalem^) Verhältnis stehe. Weil
ZG die Diagonale des Rechtecks ZG ist, so ist Dr. DZG die Hälfte dieses
Rechtecks, also ein Viertel des Quadrates; aber Dr. GNC ist ein Viertel
von Dr. DZG^ weil, wenn wir EC verlängern, es in den Punkt D triflft,
und dann also Dr. GBC die Hälfte des Dr. BZG und gleich den beiden
Dr. GNC und BNC zusammen ist;
also ist Dr. GNC = -^^ des Qua-
drates. Wenn wir nun femer an-
nehmen, die Linie 0 C sei nach dem
Punkte B gerichtet, wie sie in der
That auch gezeichnet wurde, so ist
die Linie NC parallel zur Seite BG
des Quadrates, resp. des Dr. OBG^
also hat man die Proportion:
BG:NC=GO: NO; es ist aber
BG das Vierfache von NC^ also
auch GO das Vierfache von jYO,
deshalb ist nun GN das Dreifache
von NO und das Dr. GNC das
Dreifache von ONC; da aber, wie wir gezeigt haben, Dr. GNC=^ ^ des
Quadrates ist, so ist Dr. ONO =» ^V ^^^ Quadrates. Weil femer Dr.
GBZ = \ des Quadrates ist und deshalb GNC ^ ^^ desselben und Dr.
NCO = 4V desselben, so bleibt für das Viereck BOCZ=^ der Quadrat-
fläche übrig. Nach der Voraussetzung^) geht femer die Linie NC (ver-
längert) durch den Punkt F^ und es wäre CF parallel zu GE^ also hat
man die Proportion: EG : CF = EQ i CQ =- GQ : FQ; weil nun*)
EQ^2CQ und GQ=2FQ, so ist Dr. EQG das Doppelte jedes der
beiden Dr. GCQ und EFQ; es ist aber klar, dafs Dr. EGZ = 2 Dr. EEG
ist, weil ZE= 2 FE ist; das Dr. EGZ ist aber = \ des Quadrates, also
Dr. EEG = l desselben, dieses (Dr. EFG) ist aber das Dreifache jedes
der beiden Dr. EFQ und OCQ^ also ist jedes dieser beiden Dr. = ^^
des Quadrates ÄG^ und das Dr. EGQ ist das doppelte jedes der beiden
Dr. EFQ und GCQ, also ist es = ^V ^«^ Quadrates. Weil femer ZF = EF
ist, so ist Dr. ZFG = Dr. EEG; wenn wir nun Dr. GCQ ^ Dr. EFQ
wegnehmen, so bleibt Viereck FQCZ == Dr. EGQ, also ist auch Viereck
VÄ
7) Hier ist das ,,rational^' im Text wirklich ansgedrfickt, während es am
Anfang und am Schlüsse fehlt, weshalb ich das Wort dort eingeklammert habe.
8) Besser wäre „Konstruction".
9) Hierfiär sollte stehen: „Weil nun EG = 2CF, so ist auch EQ etc."
496 Heinrich Snter:
FQCZ=^ des Quadrates ÄQ, Wir haben nnn das Rechteck ZG in
sieben Teile geteilt und gehen nnn zur Teünng des andern Rechteclcs über.
Weil BZ und EC zwei parallele Diagonalen sind, and ZF=^ EF ist, so
ist Dr. ZLF = EFQ, mithin Dr. ZLF = ^ des Quadrates AG. Weil
BH = HE ist, so ist Dr. BEZ das Vierfache des Dr. BHT^ denn jedes
derselben ist rechtwinklig^^); da aber Dr. BEZ «s ^ des Quadrates ABGI^
ist, so ist Dr. BHT = ^ desselben. Nach unserer Yoraussetzung (Kon-
struktion) geht femer die Linie HK (verl&ngert) durch den Punkt A, ako
hat man die Proportion: AB:HT= BKiKT; es ist aber AB = WT,
also auch BK = 2XT, mithin BT = 3XT, also ist Dr. BHT das Drei-
fache des Dr. KIIT\ weil aber Dr. BHT »» ^ des ganzen Quadrates ist
so ist Dr. KHT = ^^ desselben. Femer ist Dr. BKH das Doppelte des
Dr. KHT^ also = -^ des Quadrates. Da weiter BL = 2Zi") und
ilZ = 27vF") ist, so ist Dr. ABL das Doppelte des Dr. ALZ nnd
Dr. ALZ das Doppelte des Dr. ZLF-, weil aber Dr. ZLF (= EFQ)^ii
des ganzen Quadrates ist, so ist Dr. ALZ=^ desselben, also Dr. ABL =}]
es ist aber Dr. ABM =^ Dr. BML^ also jedes dieser beiden Dr. = tV
des Quadrates. Es bleibt noch übrig das Fünfeck LFEHT =» der Hllf)^
eines Sechstels mehr der Hälfte eines Achtels des ganzen Quadrates (also
=» {^ desselben). Wir haben also auch das Rechteck^ AE m sieben
Teile geteilt, mithin ist die ganze Figur AB OD in vierzehn TeUe getolt,
welche zu ihr in (rationalem) Verhältnis stehen, und das ist, was wir (be-
weisen) wollten. — Beendigt wurde das Buch^*) des Archimedes über die
Figur sitemäschion am Montag den 6. Rabi' I. 1061 (März 1651).
Arabischer Text
^kX^i y**^ ^^^J^ i»|»A^l • rlitWM^) tXhMi* ySjS!t SUam3 ^ /M\AA4yM
0->^J O^vl (8ic)auk »Äjfyu ^Xöf Rju^! ^*)fo iÜLÄ Jai=ü aJ
10) Diese Begründang ist unyoUständig.
11) Fehlt die Begpründang durch eine Proportion wie yorher.
12) A and B haben ,,Quadrat'*.
13) D. h. die Abschrift desselben.
14) A^.
Der LocaluB Arcbimedius oder das Synteinachion des Archimedes. 497
,^.<>a*n.L? O. «Ljü i»^ JLCaI SLju^ cXö^I ^jly^i vi LlmJ) Oo ^jXa9
«>)»JL ^Jül jXi,:^! ^jlyuJI ^^)f,^ e)y^^>' J*^' ^-^^-J f^^
^*)~ >ä ^ilä jXi^yt ^jl>iJI JXäJI ^a^ il 1^ s..5LaÄ JU^ iÜLÄ
^jy^ OJdS^ Kia,^ s^ÄAoi ^ JO ^>1S^ ^^ ^j y^ f iU^I ^JI>UJI
Li^ ^ oJä^ ^^ ^' ^^y^ viJÄ. ^^^ ^^1 f iU^it vj?y>^l 2^^
V..Ä«a> ^^9- v>i^ O^^^ *^ ^^^ J^ ^J 8X«Ü&UmI Jx; ^S l,.L!Vj.'N.t ^1
Ujl^ ^jÄ-l Oo ^^^ J3Ä. ^y^Ä ^^ JJ^ »i^ V Ä^aW if IJüC^ ^^
JLul JU^^I ^ iw^ 3^ Jai^ JU.! 5u4^l ^ Jai. ^^^ ^ il ^
*^ er* *J^ *^' ü^ ^ ^e)^ ^^^^ cr^j f oo^ ^-^^^^ J'^'
ü^ '"j^ f l;^c) ^^^^ w^^ o>^ fXi^yi v^jiycJI o^vt er* '
jj^ v^>Js^ e)^j ^^v^J »^ yjSJi ^Xb'^il v^;»ycJI ^r* ü^.>'j ^'^"
*^ ^^ jüu. ^ r^ ^^^ ^3 ^^^ f Xö^t vj?j!y^» ^A^ ^^
&«;! ^)j6 ^fa^j **)vy^ *^ cr^y^ ^^ er* *J^ ftPa ^^^-^j
16) A Ujlj . 16) B RäjIj . 17) A ^tsAi . 18) A ^^^*aÄi . 19) Hier
ist in A und B wahrscheinlich JJL^I ausgefallen. 20) Fehlt in B. 21) A
und B >/ . 22) B -f . * 23) A und B ^j^^^ 24) A und B ^j .
25) A^
Abh. cur OMch. d. M«them. IX. 32
f.^yiz
LES «EXCERPTA EX M.SS. R. DES-CARTES«.
PAR
PAUL TANNERY
A PAMTOf,
DIBBCTEUR DB LA MAMUFACTUBB DBS TABAC8.
1. Les fragments mathematiques, imprimes pour la premiere fois, sous
le titre ci-avant, a la fin du yolome B. Descabtes Opuscula posthuma,
phystca et mathematica (Amstelodami, Ex Tjpographia P. et J. Blaeu.
Proatant apnd Janssonio-Waesbebgios, Boom, et Goethals. M.DCCI), n'ont
gnere, malgre le nom de lenr auteur, attire jnsqu'a present Tattention des
mathematiciens ni de lenrs historiens. Cette indifference s'expliqne par la
difficnlte qn'il j a en reaUte a se debrouiller an milieu d'un texte, d'une
part, compose de notes qui n'ayaient jamais ete destinies a Fimpression,
et, de Taatre, passablement d^fectueux, tant par les fautes typographiqnes
dont il foarmille, que par Celles qu'on doit impnter au copiste qui a transcrit
Tantographe ^).
Amene a etadier ces fragments pour en donner une nouvelle edition
dans les (Euvres de Descabtes actuellement en conrs de publication,
j estime qu'ils peuvent donner matiere a one analjse ofirant quelque in-
teret. Sans apporter, bien entendu, des revelations inesp^rees, cette etude
pent foumir des details historiques cnrienx, et jeter un pen de Inmiere
sur les dessous ignores de la mathematique de Descabtes.
2. Avant tout, il Importe de preciser antant que possible, le yeritable
caractere de ces fragments.
Les Premiers editeors, dans leur Praefatio^ ne donnent aucon renseigne-
ment sur la fa9on dont ces Excerpta auraient ete tires des Manuscrits de
Descabtes. Ils ämettent, sans insister, Tidee que Ton pourrait j yoir soit
une partie, soit un echantillon d'un ouvrage plus ou moins considerable,
comme VAlgübre on comme V Introduction ä la Geometrie mentionn^s par
Baillet (dans sa Fie de Monsieur Descabtes). Ils ajoutent enfin, ce dont
on ne pourrait guere se douter, que les premieres pages ont ete corrigees
ä Yiro quodam harum rerum periUssimo , lequel 7 aurait meme %joute
denx figures.
n faut ^Carter absolument Thypothese ämise. A la yerit^, il j a eu
1) II y a notamment, sans compter diverses omissions, d^assez fr^uentes
transpositions, provenaat sans donte de rintercalation , a une mauyaise place,
d*additioD8 marginales.
504 Pftal Tannery:
nne Alg^hre de Descaktes. U en parle aiDsi dans sa CorrespoDdance
(lettre a Mebsenne, ecrite vers le 25 janvier 1638; ed. Clkbsri.ikb, t ü^
p. 370 — 371): «Je ne ferois nulle difficulte de luy envoyer ^ Mydorge)
ma yieille Algebre, sinon qne c'est un ^rit qui ne me semble pas meriter
d'estre yu; et pource qu'il n'y a personne qne ie S9ache qui en ait de
copie, ie seray bien aise qu*ü ne sorte plus d'entre mes mains.» D^apr^
l'Inventaire des papiers de Descartek, fait d Stockholm, le 14 fevrier 165ff\
on retronva a la mort du philosophe, dans ses coffres, nn petit regisire
in-8, qui fat cote D et «oii il sembloit avoir ecrit pour son usage nne
introduction contenant les fondements de son algebre, en 155 pages». Cet&it
nn trayail dont il avait donne jadis une copie a Isaao Beecman'), de
meme qu'il Ini avait offert son traite de Musica] ce devait etre avant 1620,
c'est a dire avant Täpoque on Descartes con9at le plan de sa methode
et conimen9a a Fappliquer anx mathematiqaes. La deconverte de ce
manuscrit perdu n'aurait probablement qa'nn m^diocre interet ponr lliistoire
des id6es de Tantear de la Geomitrie*').
Quant a Y Introduction^ envoyie par Descartes a Mersenne, partie If
27 mai, partie le 13 juillet 1638, c'etait ToBuyre d'un «gentilbomme d«
tr^s-bon lieu» (Godefroy de Haebtrecht?); on en a retrouve nne copie
dans les papiers de LErexiz, et eile a 4te publice par M. Henri Adax,
dans le BvUetin des Sciences Mathematiques en 1896, sous le ütre: Calnd
de Mons. Descartes. Celui-ci a affirme a diverses reprises n'ayoir pas
pris part a la redaction et ne Tavoir pas corrig^e; mais il a du fonniir
les exemples, notamment le Heu plan de Fermat et le probleme de la
Sphere tangente a quatre spheres donnees. Peut-etre Fexemplaire manuscrit
(en siz cahiers) retrouve dans les papiers de Descartes (cote P) doo-
nait-il une suite qu'il senüt plus interessant de retrouver que <la yieilk
Algebre».
Mais YInventaire pr^cit^ mentionne, sous la cote B, un registre reiie
«dans lequel il y a peu de choses escriptes et en diyeis endroits. Au
Premier feuillet deux pages sont escriptes sous ce titre De mmuris im-
(ionalihus, Le premier feuiUet porte en teste: Ex quantitate linearum quo*
in dato cirpulo inscriptce simt, quanUtaiem drcumferentuB cui data litif^
subtendmttur cognoscerc. Suivent onze feuillets contenant diverses pro-
positions et demonstrations. > Jalnventaire Continus l'analyse detaillee da
2) Publik par M. Gh. Adam dans la Bevue internationale de VEiua§Hmg9i,
du 16 Novembre 1894.
3) Lettre k Bekcmah da 17 Octobre 1630 (Clsbb. n, p. 60).
4) II semble dair que MTDOBas connaissait Texistence de ceUe Algi^ ^^^
ravoir vue entre les mains de Descabtbb avant 1629.
Lee Ezcerpta ex M.SS. R. Descaries. 505
mannscrit qui contenait des matieres de tonies sortes, et notamment nn
debat d'ouvrage, ThamnanHs Üeffia, ^bauche ayant 1629.
Or las Excerpta debatent precisement par 1e titre ci-dessns £!r gtum-
titate linearum dc,^)^ et les 17 pages petit in-4^, qu'ils occupent dans
Tedition de 1701, semblent bien correspondu au plus auz 13 feaillets
mathimatiqaes formant le d^but da registre B. II est donc probable que
le copiste de la piece enyojee aux Blabu n'a nallement depouill^ les diyers
maooBcrits de Desgaktss pour y choisir ce qa'il y avait de plas inter-
essant au point de vue mathematiqne^). 11 a eu entre les mains le registre 6,
il a copie le commencement, s'est arrete au premier fragment non math4-
inatique, et n'a meme pas cherche plus loin pour grossir les pretendus
Excerpta^ car on o!y retrouye point ce qu'indique encore Tinventaire
pour le meme registre «Deux feuillets . . sur le probleme de trouyer un
nombre dont les parties aliquotes sont doubles. — üne page de paraholis
camposiMs — Trois de partHnAS aUquotis numerarum. — Trois de questions
de nombres.>
3. Ce point eclairoi, il faudrait determiner la date approximative des
fragments tres differents qui composent les Excerpta. A cet ägard, il
faut mettre a part le premier et le demier qui doiyent etre ant^rieurs
aux intermediaires, et sont d'ailleurs les plus consid^rables; Tun traite du
calcul des lignes trigonom^triques, Tautre, relatif aux avcUes dites de Des-
CARTES, est evidemment anterieur a la Geometrie; j'estime meme qu'il re-
monte avant 1629, et a Tepoque ou Descartbs, deja en possession de la loi
de la refraction, etudiait mathematiquement la question de la forme des
lonettes ayant de passer a Tapplication. Quant au premier fragment, il
me semble aussi ayoir ete proyoque par cette meme question de la refraction,
pour le calcul des sinus. Debcarteb aura commence a deyelopper ses id^s
a deux pages differentes de son registre; plus tard il aura rempli Finter-
valle par des notes auxquelles on peut assigner une date posterieure, et
dont la demi&re est meme des demiers temps de sa yie.
Voici en effet la serie de ces notes:
a. Enonce du th^oreme de Ferhat sur la possibilite de decomposer
tont nombre en n polygones de n cotes^. Cette proposition, enyojee
a Mbrsenne Sainte-Croix yers Septembre 1636 {(Euvres de Fermat,
5) Ayec cette seiüe diffärence qu*on lit arcüs au liea de drcumferentiae.
(Test lä probablement une des corrections du Vir peritissimus,
6) Ainsi il n'a rien tirä des 16 feaillets (cote M) des Progytnnasta de Soli-
darum eJementis pnbliäs pour Focchbb de Carbil en 1860. Voir les Vorlesungen de
CinoR, n, p. 626^626.
7) Cf. Cavtoh, Vorlesungen, II, p. 707.
506 F&vlI Tannery:
II, p. 65), fxit communiquee a Descartes, sans nom d'autenr et de 1a
pari de Sainte-Croix, en jaulet 1638. Elle frappa singnlieremenlk
philosophe, qni ayoua a Mersenke en juger la demonstratioii trop difikile
potir oser entreprendre de la chercher. Son ioscription sur le r^pstre B
remonte probablement a cette date.
b. Demonstration algebrique de la proposition connue des andess, qae
si i est un triangle, 8^ ~|- 1 est an carr^. Getto note a da etre inserite
en meme temps qae la prec4dente, comme resaltat des premieres reflexions
de Descartes sar la question, avant qaHl Teat abandonnee. BeniarqaoBS
qn'il arait dö etadier plas oa moins, dans sa jeanesse, Diophante d'apivs
la tradaction de Xylamder; mais il ne connait pas celle de Bachet, et
depais 1620, il ne s'est pas occape des qaestions nameriqaes Blies soot
presqae neayes poar lai.
c. R^gles poar calculer la somme des parties aUqaotes d'on oombre
d'apr^s sa composition. — Le 9 janyier 1639, Descartes ecrit a FREaai
qa'il n'j avait pas an an qn'il ignorait ce qa'etaient les parties aliqaotei:.
De fait, la premiere lettre ou il montre qa'il les connut, est oell^ de
31 Mars 1638, a Mersenne, oa, poar son debnt, il retroave U regle de
Thabit-ben-Corrah poar la formation des nombres amiables (Clkrs^ Dl
p. 408). Mais, comme noas Tavons indiqae plas haat, Dbscastes anii
consigne dans son registre B, a d'aatres places, des rechercbes sor 1*^
parties aliqaotes qai ne figarent pas dans les Excerpta. La presente cct«.
r^snmant les fondements essentiels de oes rechercbes, peat donc kn poste
rieare aax pr^c^dentes, mais eile doit etre de la meme annee.
d. Solation d'ane question elementaire d'analyse indeterminee. Tnwv^
an cabe dont la somme ayec an carre fasse an carre. Dbscakixs dt>£3t
deaz solations nameriqaes:
24« + 10* = 118». 3» + 3» = 6»
et ajoate:
«N. B. Inveni solutionem facillimam x* -f- xx X) aaxx; ergo s-^-It^^'
et X 'X> aa — 1. Hinc infiniti inyeniuntar.»
La solation generale aarait pa etre donnee d apres Diormisn^ ri:s-
qa'on peat prendre arbitrairement le cube, qa'il soffit de
deax factears de meme parite. Ces factears sont la somme K la
des racines des carr^s cherch^s.
Aacane indication n'existe dans la correspondenoe de
an Probleme de ce genre.
e. Note sar Textraction de la racine cubique de a+V* ET- :
dater de l'epoqae de Taffaire Stampioen-Waessenabr, c*est « är? if ^-
de 1639. (Cf. Cantor, Yorlesmgen, ü, p. 727.)
Les Ezcerpta ex M.SS. B. Descartes. 507
f. Constraction ponr la quadrature du cercle (voir Cantob, Yor-
Jesungen, 11, p. 778), remarqnable en ce qu'elle donne le principe de la
meihode dite des isoperimetres ponr le calcul du rapport de la circon-
ference an diam^tre; et en ce qne, d'nn antre cote, c'est, je crois, le seul
exemple connn ponr proposer d'atteindre nne longnenr limite par des con-
simetions graphiqnes qni permetteni, en theorie, de ponsser l'approximation
indefiniment. — Cette note, qni se relie a la mauere dn premier fragment,
en est pent-etre contemporaine ; rien n'indiqne en effet, qn'en 1639 on 1640,
DssoARTESse soit occnpe de qnestions de ce genre, sauf quelques railleries
a l'adresse de Longomomtanus.
g. Tangentes de la cjclol'de et de la qnadratrice. — Cette note est
tont simplement nne capie de passages de Tecrit de Fermat: Dodrinam
tangentium etc, {Qiluvres de F., I, p. 158 — 167), que Descarteb reyut de
Mersbnnb en Octobre 1640. Les extraits sont textuels; cependant Desgartes
a introduit ses notations et supprime des calculs intermediaires. II a de
plns indique les constructions snr les fignres; celle de la qnadratrice semble
indiqner que la rectification de Tarc de cercle se ferait au mojen de la
cjclolde. II est remarqnable que Desgartes n'a pas reconnn Terreur que
contient, ponr la tangente a la qnadratrice , le texte qni Ini a' ete enyoje
et qni est conforme a nne surcharge snr Tantographe de Fermat. (Cf.
(Euvres de F., I, p. 166, note.)
b. Calcul des resultantes de Felimination des irrationelles ponr les
eqnations
i/o + y & + y^ = }/ä, i/ä + y fe + Vc = yä + Vc.
Provoque par un billet de Fermat de 1648 {(Euvres de F., II, p. 282).
Cf. Clers. in, 472 et p. 498.
4. Par rapport a tontes ces notes, et meme par rapport an dernier
fragment, la grande ant^riorite du premier r^sulte de ce fait qu'on^n'y
trouTe pas encore les notations caracteristiques de Desgartes. Ce frag-
ment debute par un tableau des valenrs irrationelles des cordes des arcs
derivant des cotes du carre, du triangle equilateral, du decagone et du
pentedecagone regulier. De^sgartes insiste snr les lois de formation de ces
irrationelles. II s'^tend ensnite longnement snr la relation entre les cotes
d'on triangle, et Tangle oppose a Tun d'enx (comme si eile n'eut pas ete
connne). II la met sous nne forme qni correspondrait a celle-ci:
a» = &* + c* — &c Corde (jt — 2 Ä),
11 propose de definir la valeur de Tangle par le rapport ri i i^^n P''^^
en valenr absolue, en ajoutant d'ailleurs -|- 0 (comme indice de Tangle droit),
si &' ~f~ ^ <i ^^ 0^ si psu" cons^quent Tangle est obtus. Cette curieuse no-
508 Paul Tannery:
tation montre qn^il iisit encore loin de la conception des quantites ne-
gatives.
Le texte de tont ce fragment, comme aussi celoi dn demier, est d'ui
latin assez incorrect, qui contraste avec le style chatie des lettres et dtö
ouvrages de Descartes dans cette langae. Ce ne sont donc pas la dei
redactions definitives, mais de ces premieres ebauches qae Ton fait poor
mettre ses idees en ordre avant de les avoir arretees. Ce caractere est
encore beancoup plus accuse, par le desordre de la composition, dans le
demier fragment, celni des ovales, auqnel nous allons enfin ariiver. Quant
aox notes intermediaires, elles ont, bien plus nettement, le caractere de
memento poor des resultats definitivem ent acquis.
5. On sait qae dans . sa Geometrie, Descartes indique, ponr qna^
courbes, dont la premiere et la quatrieme sont reellement ovales, dont la
seconde et la troisieme sont plntot cordiformes, des constmctions qui pen-
vent imm^diatement se traduire, en coordonees bipolaires u, v, pai* les
equations suivantes ou Ton suppose Ä; < 1 :
1^ u + kv = a4'kb\ ^. , , ,
^ft , , , I Distance des foyers: a -+- b
,n , , . ,, } Distance des foyers: a — b.
4r u -j- kv = a -j- kb }
H a applique a la premiere de ces courbes sa methode des tangentes
(sans d'ailleurs jamais former Tequation du 4*^ degre en coordonnees
rectilignes), et il en a deduit les propri^tes optiques de corps de reTO-
lution ayant ces ovales pour meridienne et qui seraient formes de verre.
Dans cette fayon de poser le probleme au point de vue pratiqoe,
Descartes apportait certaines restrictions a la conception generale des
lignes aplanSiques, que Ton peut definir par Tequation lineaire quelconqae
entre coordonnees bipolaires. Ces restrictions n'apparaissent nuUement
dans les Excerpta: il essaie de fait toutes les combinaisons possibles et les
classe methodiquement. Malheureusement les developpements qu'il doime
a cet egard sont tres succincts et semblent meme tronques.
Dans son celebre Apergu hisiorique (2^ ed., p. 162), Michel Chasles»
api*es avoir fait observer que Tequation du quatrieme degre en coordonDees
rectilignes correspond a Tensemble de deux ovales conjuguees^ ajoute que
cette remarque eüt du, ce semble, etre faite dans la Geometrie de Des-
cartes. C'est meconnaitre les habitudes du temps; Ton chercberait d'aillears
vainement, dans la Geometrie^ la remarque, encore plus essentielle, que la
meme equation du second degri repr^sente les deuz brancfaes doot, a
Texemple des anciens, Descartes nommait toujours Tune et Tautre byper
Les Ezcerpta ex M.8S. R. DeBcartes. 509
hole. Mais, a vrai dire, avec sa fa^on de traiter le probl^me en coordon-
nees bipolaires, en considerant toujonrs les rayons yectears comme posi-
tifs et en se donnant chaqne fois denx fojers et un sommet, Descartfs
n etait nallement snr la voie ponyant condnire a reconnaitre le rapport
entre denx ovales conjugu^s.
II n'a pas, d'antre part, considere les cas limites, comme par exemple celui
on, Tnn des fojers colncidant avec le somroet, les denx ovales conjngnees se
rejoignent en ce point et forment un Uma{^ de Pascal (Chaslsb, tb,). La
singuliere expression des Excerpta (p. 16): «In quinto capite, linea est
^iralis, et primo qnidem versus A curvatur, deinde versus B . . . imo clau-
ditnr>^), s'applique a la forme en coeur, dans laquelle, au reste, la tan-
gente au sonunet est perpendiculaire a Taxe focal.
Mais en revanche, et ce point est important a constater, Dbscartes
avait reconnu l'existence du troisieme fojer, que Chaslfs a cm etre le
prämier a d^couvrir^). II est meme ais^ de constater que Dbscartes a
dissimule volontairement cette existence; car, au fond, sa premiere et sa
qnatrieme ovale sont une meme courbe, rapportee Tune a un foyer int^rieur
et au fojer exterieur, Fautre aux deux fojers interieurs; de meme pour
k seconde et la troisieme ovale.
A la verite, les Elxcerpta ne donnent pas, sur cette question, des resul-
tats d^finitifs. On j trouve d'abord un exemple num^rique, dans lequel
le fojer ext^rieur et un fojer interieur sont a la meme distance du sommet
pris pour origine; puis le meme cas est trait^ alg^briquement. Le cas
general est ensuite aborde par une exposition alg^brique sjntbetique, mais
les formules sont erronees et le calcul interrompu sans aboutir. Cependant
an peu plus loin, p. 17, Dbscartes dit: redeundu/tH ad cdteram (curvam)
jam inventam, quae tres habet focos,
Ce qui doit d'ailleurs faire admettre que Dbscartes a du tirer la
chose au clair, c'est que, p. 13, il cherche, au mojen de co^fficients in-
determines, s'il n'j a pas deux autres fojers que ceux qui ont ete pris a
Torigine. II a meme cru aboutir, mais le calcul est encore interrompu
sans conolusion '^.
6. Ce que je viens de dire montre que ce fragment des ovales est une
soite d'essais de premier jet, avec leurs erreurs et leurs maladresses ordi-
8) A et B sont les deux fojers, entre lesqueU, pour le cas considär^, se trouve
le sommet.
9) Äpergu histarique, 2« ^d. p. 352.
10) Peut §tre Dbscastes a-t-il 6t6 amen^ k cette recherche par le cas du
cerde (mu -f *^v »= 0), oü le nombre des couples de fojers est iodäfini.
510 Paul Tannery:
naires, et sans qne les resnltats definitifs aient ete notes. Le debut est
an antre exemple analogae; mais il est interessant a etadier, dantut
qu^ayec la recherche illnsoire des quatre foyers, c'est le senl endroit oa les
Excerpia proc^dent r^ellement par analyse. Partout aillears, TexpositioD est
synthetique.
Dans ce debut, Descartes egale arbitrairement a 2 (a — y) la somint'
des deux rayons vecteurs; la distance des foyers est 25; a est rinierv&Ue
entre leur milieu et le sommet, a partir duquel se compte, sur Taxe, Fai)-
scisse X du point courant. Descartes exprime les lignes de la fignre es
o; et j/ et commence a chercher la tangente par sa methode; puls il s'iiiter-
rompt brusquement.
J'ai dit que le proced4 etait analytique; il est clair en effet qae la
courbe ne serait determinee que par une equation entre x et y, Si Descartez»
avait eu une methode inverse de celle de ses tangentes, il fut parrenu a
exprimer la condition que la normale divisät Faxe dans un rapport tooIq.
Mais ayec les seules ressources dont il disposait, il ne pouvait certainemeot
pas plus aboutir que si, en coordonnees ordinaires ^ et y, il eüt cherche
la tangente sans se donner Tequation«
Dans la suite, il posera d'emblee, par exemple, a — y, et h -\- ev.
pour ses deux rayons vecteurs; mais alors y est une variable qui suffit sanle
a d^terminer un point de la courbe; Descartes peut donc la Her a l&b*
scisse X par une relation determinee, appliquer sa methode, et montrer (\w
la condition proposee est satisfaite.
Mais comment est-il arrive precisement a donner h, ses rayons vecteurs
les expressions ci-dessus? Est-ce Teffet d'un heureux hasard? a-t-il ete
guide par quelque remarque dans Fessai prec^ent?
On ne peut ici former que des conjectures; elles peuvent etre cepen-
dant appuyees sur des faits, que je vais ei^poser apres avoir dit tont d'abord
ce que j*imagine.
Je croirais volontiers que Descartes, bien avant de consütuer sa
methode analytique des tangentes, avait-directement r^solu le probleme qii'il
s' etait pos^, de trouver les lignes courbes ramenant par r^fraction a nn
foyer le faisceau de rayons issus d'un autre foyer. Ce qu'il consigne sor
son registre.B, ce sont les essais d'une exposition analytique pour une
Solution qu41 a obtenue tout autrement.
La Position meme du probleme Va, naturellemeat conduit au Systeme
des coordonnees bipolaires, qu'on lui doit beaucoup plus incontestablement
que celui des coordonnees dites cartesiennes; il a reconnu tout aussitot que
Telüpse et Thyperbole devaient etre des variit^s des courbes qu^il cherchait,
Les Excerpta ex M.SS. R. Descartes. 511
pnisque ces coniques donnent une Solution pour la reAexion a angles
egaux et pour la rifraction, en supposant a Finfini un des foyers
lumineox.
La simplicite de la constniction de la tangente des coniques rapport^es
a des coordonnees bipolaires le conduisait a chercber une g^n^ralisation de
cette construction: il fallait faire intervenir le rapport des vitesses de
Variation des rajons yecteurs. Lorsque ce rapport est constant, la question
est relatiyement aisee a resoudre par Tintuition geometrique; mais Dbscartes
a pu, tout aussi bien, reconnaitre de la meme fa9on, pour la condition a
laquelle deyait satisfaire la normale a la courbe qu41 cherchait, la neces-
site de la constance du dit rapport.
C'est admettre implicitement qu'il ayait constitue des proced^ geo-
m^triques (sinon une metbode) pour determiner les tangentes aux courbes
tracees par des mouyements combines. Au lieu de dire les tangentes, je
devrais plutot dire les normales^ car toutes les indications que nous aUons
trouyer a ce sujet nous fönt 8iq>poser des considerations beaucoup plus
analogues a la th^orie des centres instantan^ de rotation qu'a celle de la
metbode dite de BoBSRyAL. Or ce fait^ que Descartes s'attacbe en prin-
cipe a determiner directement, non pas la tangente, mais la normale, semble
precisement indiquer que Torigine de ses recbercbes a porte sur la nor-
male, parce que c'etait eile qu!il ayait a considerer dans les refractions.
J'ai a peine besoin de faire remarquer que sa metbode analjtique
aurait ete tres simplifiee si, au lieu de couper par un cercle a Clements
arbitraires la courbe a laquelle il est propose de mener une tangente, il
l'eat coupee par une droite passant par les memes points d'intersection,
c'est-a dire s'il eut cbercbe directement, par son analjse, la tangente et non
la normale. Mais ce qu'il importe d'etablir, c'est qu'il poss^dait d'autres
^rociäis que cette metbode analjtique.
Tout d'abord, il Taffirme expressement dans une lettre a Mebbbnne, le
11 juin 1640 (Clers., II, p. 228): »d'ou ils deuoient connoistre que i'auois
d'antres mojens pour j paruenir (a la tangente de la concbolde), mais que
ie n'auois pas youlu leur dire tout, ny m'expliquer plus clairement pour la
tangente, comme ils auroient aisement reconnu de mon stile, s'lls auoient
eu de Tesprii«
II est en effet bien aase a yoir que la construction de la tangente a
la conchoXde (dans la GSomStrie) repose beaucoup plutot sur une consid^
ration analogue a ceUe du centre instantan^ de rotation que sur une for-
mnle deduite des calculs de la metbode analjtique; il est egalement bien
iovraisemblable que Descartes ait pu donner, poste pour poste, son ele-
gante construction de la tangente a la cjclolde, s'il n'ayait pas ete d^
512 Panl Tannery:
longtemps en possession de considerations de ce genre (yoir sa remarqnable
lettre a Mersenne du 23 aoüt 1638, Clers., III, p. 350)^^).
Mais, dans les idees du temps, ces considerations etaient d'aatant
moins admises en Geometrie qae les notions essentielles snr lesqnelles elles
reposent n'^taient nullement d^gag^s. Cest ainsi qae Bobekval ne regar-
dait point comme g^om^trique sa propre m4thode, et qn'il ent, a son gnod
d^triment, si longtemps scrupule a la faire connaitre. De meme Des-
CARTES ne erat pas son bat atteint dans »le seal probleme qa'il ait desire
savoir en Geometrie >, tant qa'il n'aarait point constitae one methode ana-
lytiqae generale. De meme encore, il garda le secret de ses procedes, sauf
qaelqaes indications trop insaffisantes poar permettre one restitaiion d«*
Tensemble.
Qaant a la notion de yitesses de deax moayements servant a decrirv
ane conrbe, eile apparait enpress^ment dans la lettre a Florimokd de
Beaune da 20 fevrier 1639 (Clers., III, p. 411). Dans cette lettre, Des-
cartes ne recale nallement deyant le probleme inverse des tangentes, et la
relation qa'il ^tablit entre les vitesses en qaestion tradait directement requa-
tion differentielle de la coarbe proposee. Dans le cas particalier, cette
relation est emprantee a la definition des logarithmes de Napibr^); mais 0
n'est nallement crojable qa'a cette occasion, Dbscartbb ait appliqne des
principes ayec lesqaels il n'aarait pas ^t^ familier depais longtemps.
En räsum^, il possedait, probablement d'assez bonne heore et arant
rinyention de la methode analjtiqae des tangentes, toas les elements De-
cessaires poar la formation d'ane m^tbode geometriqae fond^e sur la cod-
sideration da moayement. L'importance qa41 attacbe d'aillears, dans sa
Geometrie, aa trace des coarbes par des moayements continas, me semble
indiqaer qa'il avait cberche dans cette yoie Textension de cette methode
aux diyers cas imaginables. Mais il n'a probablement laisse ancone oote
a ce sajet, et il serait illasoire d'esperer des r^y^lations inattendaes, meme
si Ton retroayait les papiers inyentori^ a Stockholm.
Je n'ajoaterai a ces obseryations qa'ane demiere remarqae an snjet
da calcal des soas-normales dans les Excerpta. Les deyeloppements sont
si saccincts qa'on est tente de croire qae Descartes possMait, poor
11) C'est cette lettre qui a pos^ la principe essentiel, qae les nonnalei va
trajectoires des divers points d'nne figure se coupent en un mßme point, pour
chaqae d^placement älämentaire.
12) QuoLque Dbscabtes ne prononce pas le mot de logarithme, rempnmt »t
^Yident; pour expliquer son silence, il soffit de remarquer qu'k cette ^poqoe, ie^
lignes trigonomätriqaes ne valaient encore qne comme nambres tabuhires et
n'^taient pas re9aes en Geometrie comme fonctions de Farc.
Les excerpta 6x M.SS. R. Descartes. 513
Fapplication de sa ^m^thode des tangentes, des mojens d'abreviation tont k
fait analogues a cenx que nons fonrnit le calcul des d^rivees. En revanche,
11 semble recommencer chaque fois, pour chaqne cas exaraine, an lieu de
comprendre tons les cas sons nne formnle g^n^rale, oii il n'aurait qn'a
faire yarier les signes 4" et — . Ceci est d'accord avec les antres exemples
qu'on peut donner qne Descartes ne s'est nnllenient attach^ a la syste-
matisation rigonreuse de la Convention relative a Temploi des qnantites ne-
gatives en g^m^trie. Cette syst^matisation s'est introduite pen a pen
comme la cons^uence de son oeuvre, mais les anteurs veritables en sont
Testes anonymes.
Abh. anr OMoh. d. Mathom. IX. 33
mm
EINIGE ADDITIONSMASCHENEN.
VON
Db. fhiii. FREBDBICH AUGUST UNGER
RBALSCHULOBERLEHRBB IN LEIPZIG.
•*o»
33
Nachdrack iit nicht erlaubt.
Vor mehr als zwei Jahrhanderten hat man angefangen, neben den
beiden bis dahin üblichen Bechnungsweisen, mit Rechenpfennigen und mit
Ziffern, noch eine dritte Bechnungsmethode zu erfinden, n&mlich die,
Rechnungsresoltate durch eine Maschine zu gewinnen. Das Ziel wurde er-
reicht. Man stellt die gegebenen Zahlen in eine Maschine ein und bringt
durch Kurbeldrehung oder ähnliche mechanische Thätigkeit das Resultat
hervor; damit hat man sich von der mühsamen Kopfarbeit erlöst und sie
einem Räderwerke übertragen, das vor dem Menschen noch den Vorzug der
Unfehlbarkeit besitzt.
Zwei der gröfsten Mathematiker ihres Jahrhunderts, PASCAii und
Leibniz, haben sich mit dieser Aufgabe ernstlich beschäftigt, und letztrer
hat das Problem der Rechenmaschine in einer Weise gelöst, die noch heute
nachgeahmt wird. Seine Maschine, von der noch ein Modell^) vorhanden
ist, und die bis auf die neueste Zeit^) niemals in Gang gebracht werden
konnte, hatte keinen theoretischen Fehler, sondern das alleinige Hindernis
lag in der mangelhaften Ausführung durch den Mechaniker. Die tiefere
Stufe, auf der die Mechanik vor zwei Jahrhunderten noch stand, muCs als
Erklärung und Entschuldigung hierfür angesehen werden.
Man kann die Rechenmaschinen in drei Gruppen bringen, nämlich:
Multiplikationsmaschinen, Differenzmaschinen und Additionsmaschinen; zur
ersten Gruppe dürfen die logarithmischen Apparate gezählt werden.
Anfangs hatte ich die Absicht, einen Überblick über das ganze Ma-
1) In der König]. Bibliothek zu Hannover. Eine Zeit lang war dasselbe
Exemplar in Gröttingen.
2) Jetzt geht die Maschine. Dem durch Gründung der ersten deutschen
Rechenmaschinenfabrik (1878) berühmten Ingenieur A. Bubkhardt in Glashütte ist
es gelungen, dieses kostbare mechanische Wunderwerk in Gang zu bringen. Da-
durch bat er nicht nur ein glänzendes Zeugnis für seine persönliche Leistungs-
fähigkeit abgelegt, sondern auch ein neues unverwelkliches Blatt in den Ruhmes-
kraDs der durch Feinmechanik weltbekannten sächsischen Stadt Glashütte ein«
geflochten.
518 Friedrich August Unger:
terial der Bechenmaschinen^) za geben; weil aber die Anzahl derselbe
sehr grofs und der zugemessene Raum sehr klein ist, so hätten die No-
tizen darüber sehr kurz gehalten werden müssen; dadurch w&re aber der
Nutzen für den Leser äuiserst gering geworden. Deshalb beschränke idi
mich darauf, hier nur einige Additionsmaschinen ^) zu beschreiben und zwar
einige neuere, eine für einzi£ferige Zahlen, eine für zweiziffeiige und Tiex
für grofse Summanden. Drei von den Maschinen sind deutsche, drei aber
amerikanische Erzeugnisse.
1. Behers Additionsmaschine.
Diese Maschine ist ein Apparat, der dazu dient, grofse Kolonnen eb-
zifferiger Zahlen zu addieren; 499 ist die gröfste Summe, die erreicbt
werden kann; es gehören indessen schon viele Summanden dazu, ehe die
Summe einer Kolonne so grofs wird.
Will man mit der Maschine arbeiten, so müssen vorher die Summaodeii
gehörig untereinander gesetzt werden. Darnach addiert man mit der Ma-
schine jede Kolonne gesondert. Schliefslich vereinigt man die Kolonnfn-
summen in gewöhnlicher Weise zur Totalsumme.
Wie leicht ersichtlich, tritt eine Zeitersparnis kaum ein; der Nutzen
liegt vielmehr in der Schonung des Gehirns.
Die beiden Hauptteile der Maschine sind eine horizontal liegende und
um ihren Mittelpunkt drehbare Zi£femscheibe und eine Klaviatnr. Die
Ziffemscheibe trägt auf der Oberseite an der Peripherie einen Zahlenkr&ni
der ersten 99 Zahlen und Null; alle sind zweistellig geschrieben, also so:
00 Ol 02 ... 11 12 ... 99. Die zwejjtellige Schreibweise ist nötig wegen
Bildung der Summen (siehe unten). Auf der Unterseite der Scheibe sitzt
unter jeder Zahl ein senkrechter Stift. Gedreht wird die Scheibe durch
eine Triebfeder, die man durch einen Hemmungsmechanismus wirken lassen
und arretieren kann. Links an der Scheibe befindet sich eine Skala mit
den 5 Ziffern 0 1 2 3 4, die bei der Bildung der Summe als Hunderter
3) Die ganze Sammlung von Rechenmaschinen erscheint binnen knnem am
geeigneten Orte.
4) AuBgeschlossen bleiben die Rechenbretter nnd Zahlschnfire der Alteo, so-
wie die in den Elementarachulen gebrauchten Zählapparate, die mit Unrecht Ma-
schinen genannt werden. Eine Tollständige Zusammenstellung der Apparate roo
der letzten Art giebt Max Hübneh, Verwalter des Stadt. Schulmuseums zu Breslfto,
in dem „Fuhrer durch die AussteUung in der Turnhalle am Lessingsplatz", her-
ausgegeben anläfslich der „Deutschen Lehrerversammlung in Breslau tom 30. Hat
bis zum 2. Juni 1898".
Einige Additionsmaschinen. 519
dienen nnd zwar vor einer der zweistelligen Zahlen der Ziflfernscheibe. Zu
JLnfange der Rechnung stellt man Skala und Scheibe auf Null; nach
je einem Umgange der Scheibe wird die Skala durch eine Übertragung
von der Scheibe um je eine Ziffer weiter gerückt. Die Ablesungsstelle der
Summe ist ein Schlitz in einem Blechstreifen. Der Blechstreifen ist an
der linken Seite angebracht und verdeckt Skala und ein Stück der Peri-
plierie der Scheibe. Der Schlitz ist nur so breit, dafs eine Ziffer der Skala
und eine (zweistellige) Zahl der Scheibe auf einmal sichtbar werden; zu-
sammen bilden diese die Sunmie.
Die Klaviatur ist nach Art eines IQaviers konstruiert und besteht aus
fünf Untertasten mit den ungeraden Ziffern und vier alternierenden Ober-
tasten mit den geraden Ziffern, also so angeordnet: 13579- Die
Tasten bilden das eine Ende eines Winkelhebels, an dem andern Ende be-
findet sich ein Stift, der zwischen die Stifte der Ziffemscheibe eingreift.
Drückt man eine Taste nieder, so wird die Hemmung ausgelöst und die
Triebfeder treibt die Scheibe vorwärts; ein besondrer Mechanismus bewirkt
im Verein mit dem Stifte am hintern Ende des Winkelhebels, dafs sich die
Ziffemscheibe um nicht mehr aber auch um nicht weniger Stifte (resp.
Zahlen) vorwärts dreht, als die Zahl der niedergedrückten Taste anzeigt. —
Das Bechnen mit der Maschine ist denmach dem Elavierspiel ähnlich, die
Ziffern sind die Noten.
Die Maschine ist von Oswald Beher, Lehrer in Grofsguhrau Ereis
Falkenberg in Oberschlesien, erfunden. 1892 wurde sie patentiert, DBF
No. 50885, englisches Patent No. 13538. Die ersten Modelle^) machte
der Mechaniker Pinzoer in Breslau. Am 15. Sept. 1892 übernahm die
Firma Frister & Bossmann in Berlin die Ausführung der Maschine. Gegen-
wärtig ruht ihre Fabrikation.
2. nigeiis Rechenscheibe.
Der Apparat ist aus Zink hergestellt. Er besteht aus einer um ihren
Mittelpunkt drehbaren Ejreisscheibe von ca. 17 cm Durchmesser, die knapp
an der Peripherie 100 Löcher (Durchbohrungen) in gleichen Abständen von-
6) Ein Modell befindet sich in dem Stildt. Schalmnseum zu Breslau Dem
Verwalter desselben, Herrn Max Hübneb, verdanke ich die Möglichkeit dieses Be-
richts, da er die grofse Freundlichkeit hatte, mir eine Beschreibung des dortigen
Modells anzufertigen, der ich hier gefolgt bin. Ich nehme Veranlassnug, ihm
auch an dieser Stelle verbindlichst Dank zu sagen, umsomehr, als es trotz mehr-
facher andrer Versuche nicht gelang, etwas Weiteres über die Maschine zu er*
fahren.
520 Friedrich August Ungar:
einander hat; ein Loch ist mit einem Pfeil versehen, der heim Rechnen die
Summe anzeigt Die 6cheihe liegt innerhalb eines unbeweglichen Kreis-
ringes; auf diesem stehen knapp an dem innem Rande in natürlicher Reihen-
folge die Zahlen 0 1 2 ... 99 und zwar genau mit den Löchern der
Scheibe in radialer Richtung, sodals jedes Loch vor einer Zahl steht, wie
man die Scheibe auch stellen mag. —
Die Scheibe greift auf der Hinterseite in ein Rad mit 50 Z&hnen und
dreht dieses um je einen Zahn vorwärts, sobald sie selbst einen vollen Um-
gang gemacht hat. Auf der Vorderseite dieses Rades stehen kreisföimig
angeordnet die Zahlen 0 12... 49, von denen aber nur eine auf einmal
(und zwar in fortlaufender Reihenfolge) in einem Schauloche sichtbar ist,
während die übrigen verdeckt sind. Diese sichtbare Ziffer zeigt die üoo-
derter der Summe an; die dazu gehörigen Zehner und Einer liest man auf
dem Ringe ab und zwar an der Stelle, wohin der Pfeil der Scheibe zeigt
Die Handhabung der Maschine geschieht folgendermalsen. Man stellt
vor Beginn der Addition die Scheibe so, dafs das Loch mit dem Pfeile auf
die Zahl 0 des Ringes weist und dafs das Hunderterrad auch 0 im Schao-
loche zeigt. Sind beispielsweise die drei Zahlen 46, 32 und 57 zu ad-
dieren, so steckt man einen Metallstift in das Loch auf der Scheibe unter
der Zahl Null (mit Pfeil versehen) und dreht mit Hilfe dieses Stifts die
Scheibe nach rechts, bis das Loch mit dem Pfeile vor der Zahl 46 des
Ringes steht Hierauf zieht man den Stift heraus, läfst die Scheibe in
ihrer Stellung und steckt den Stift in das Loch, das jetzt unter der Risg-
zahl Null steht; nun dreht man die Scheibe nach rechts, bis man mit dem
Stifte vor der Zahl 32 steht. Dadurch ist der Pfeil um 32 Löcher resp.
Zahlen vorwärts gerückt und zeigt jetzt auf die Ringzahl 78. Hierauf
zieht man den Stift heraus und steckt ihn in das Loch, das nun anter
der Ringzahl 0 steht und dreht dieses Loch bis vor die Ringzahl 57. Da-
durch rückt der Pfeil (der auf 78 stand) um weitere 57 Löcher vorwärts.
Er überschreitet dabei den Anfangspunkt Null und rückt bis 35. Beim
Überschreiten des Anfangspunktes verschwindet die Null des Hunderterrades
im Schauloche und eine 1 wird dafür sichtbar. Der Pfeil zeigt also auf
35, im Schauloche steht 1, d. h. die Sunmie ist gleich 135.
Auf gleiche Weise wird die Handhabung fortgesetzt, bis die Posten
alle sind. Man kann mit dem Apparate zweistellige Zahlen im ganzen ad-
dieren. Die gröfste Summe ist 4999. — Haben die Sununanden mehr als
zwei Stellen, so mufs man sie von rechts nach links in Gruppen von je zwei
Ziffern abteilen (wie dies bei der Ziehung der Quadratwurzel geschieht)
und jede senkrechte Doppelkolonne für sich addieren, und zuletzt die ent-
standenen Partialsummen gehörig vereinigen.
Elinige Additioium&scbmen. 531
Der patentiert« Apparat ist 1888 von PAin. Illgem, eioeni früheren
Lehrer, erfnndeo. Der Erfinder lebt jetzt in Entritzsch bei Leipzig und
beschäftigt sich gegenwärtig nnr mit der Erledigung rechnerischer Arbeiten.
Die Vetk&QfsBtelle für den Apparat ist der „Verlag des Leipziger Stadt-
uod Dorfanzeigers", wo er für 6 Uark zu haben ist
3. Der Conptometer von Feit.
a. Die Einrichtung.
Die Maschine ist gefällig nnd kompakt, wiegt 8'/] Pfund and ist
14'/, ZoU lang, 7'/, Zoll breit and 5 Zoll hoch
Sie besteht ans einer Reihe
von Zahlenr&dem, von denen je-
des einen gewissen Stellenwert
repräsentiert nnd die 10 Ziffern
0 1 2 ... 9 trttgt, so eingerich-
tet, daTs immer nur eine Ziffer zu
einer bestinuntfin Zeit auf einem
Rade sichtbar wird. Das Sichtbar-
nei-den geschieht auf der Vorder-
seite in Schanlfichem, deren Ge-
samtheit das „Register" genannt
wird. Dieses ist dor Ort, wo die
Resultate erscheinen.
Jedes dieser Zahlenr&der wird
durch eine Kolonne von Tasten
nach Habgabe ihrer darauf Ter>
merkten Einheiten in Bewegung gesetzt, wodurch jede arithmetische Auf-
gabe (genau betrachtet, ists immer nur ein Addieren, wie unten dargetban
werden wird) ohne sonderliche geistige Anstrengung gelöst werden kann.
In der kleinsten Sorte von Maschinen befinden sieb acht') Kolonnen
von Tasten, doch giebt es auch solche mit 10 nnd solche mit 12 Kolonnen.
Die erste Kolonne zur Rechten ist die Einerkolonne, die zweite die Zehner-
kolonne etc. Auf jeder Taste stehen 2 Ziffern (deren Setrag zusammen
überall neun ausmacht), eine grols gedruckte und eine klein gedruckte, die
grofse ist schwarz, die kleine rot. Beim Addieren und Multiplizieren wer-
6) NenerdiDgi baut man auch Haechinen mit 7 Kolonneii, statt der achten
KoloDDe stehen neben den Einertasten drei Buchstaben ffir die Brflche '|^, '/,, '/«.
Ue beigegebene Figur zeigt eine solche Maschine.
den die Tasten nach Malsfjabe der grorKen Buhwarzen Zahleu niedergedrückt,
beim Subtrahiereu und Dividieren aber die Tasten nach M&lsgabe der kleinen
rot«n Zablen. ■
b. Das Bei
lit dei
Vor der Addition und MaltipUkatioo ist das „Register" auf O lU
stellen. Addieren geschieht auf der Maschine durch das Anschlagen der-
jenigen Tasten, welche die einzelnen Summanden repräsentiere □. Jeder
Summand wird erst ganz getastet, ehe ein neuer di'ankonimt. Nachdem
al[<^ Pasten auf der Maschine getastet sind, ist auch (ohne weitere Mani-
palation) im Register die Gesamtsumme erschienen. —
Das Multipliiieren ist ein wiederholtes Addiei'eo. Soll z. B. 456
mit 32 multipliziert werden, so drüctt man die 6-Taste in der Einerkolonne
zweimal, die A-Taste in der Zehnerkolonne zweimal und auch die 4-Tasta _
in der Hundortkolonne zweimal. Hierauf denkt man sich, es sei 4560*«
mal 3 statt 4.56 mal 30 zn multiplizieren und tastet 6 in der ZehoSP-l
kolonne dreimal, 5 in der Hundertkolonne dreimal und 4 in der Tausend--!
kolonne dreimal. Im Register steht dann das Produkt. — Beim änb- 1
trabieren rnnfs der Minuend stets im Register angesetzt werden. Beispiel:
34,5 — 73. Der Minnend 345 wird im Register (in den 3 letzten Schau-
löchern) eingestellt, die übrigen Schaulöcher bekommen 0. Dann wird der
vor der Hunderterkolonne angebrachte Schieber vorgeschoben und der am 1 i
verminderte Subtrahend getastet, aber in roten Tastenziifem (also hier 79fl
rot). Auf dem Register ist das Resultat erschienen. — Zur Erkläm
des Vorgangs sei Folgendes bemerkt, Wenn man den um 1 vermindert
Subtrahend in roten Ziffern sucht, so geben die auf denselben Tasta
stehenden schwanen Ziffern stets das dekadische Komplement zum
benen Subtrahenden an. Auf den Tasten, auf denen man rot 72
steht schwarz 37, das ist das dekadische Komplement zu 73. Wenn mal
also 72 rot tastet, so addiert man in Wirklichkeit 27 (also das del
dische Komplement des gegebenen Subtrahenden j ; um nun das richti|
Facit der gestellten Aufgabe zn erhalten, mul's nach dieser Addition '
ganze dekadische Einheit (iro vorliegenden Beispiele die Zahl 100) abg»*'
zogen werden, was durch den vorgeschobenen Schieber geschieht, indem
derselbe bewirkt, dafs die Zebnerüb ertragung nicht vorwärts (wie bei der
Addition), sondern rückwärts wirkt, also auf der Hundertstelle im Begist«r li
subtrahiert, statt addiert. —
Das Dividieren. Beispiel: 44698 : 68. Der Dividend wird im
gister angesetzt. Hierauf sucht man in roten Tastenziffem den um 1 '
minderten Divisor, nllmlich 67; a.uf denselben Tasten steht aber schwi
Einige Additionsmaschineo. 523
32. Um die Anfangsstelle für das Anschlagen der Tasten zu finden, denkt
man sich den gegebenen Divisor 68^ in gewöhnlicher Weise unter den ersten
Partialdividenden gesetzt, also hier 68 unter 446, das ist in der Tausender-
und Hunderterkolonne; an dieser Stelle beginnt das Greifen der Tasten.
Man tastet nun den roten Divisor (67) oder was dasselbe ist, die schwarze
32 in der Tausender- und Hunderterkolonne so oft, als der Divisor 68 in
446 enthalten ist, nftmlich sechsmal. Dadurch hat man nichts subtrahiert,
sondern sechsmal 3200 addiert, und im Register steht jetzt auch wirklich
44698 + 19200 nämlich 63898. Die vordere 6 davon ist die erste
Quotientenziffer und 3898 ist der Bestdividend. Hierauf denkt man sich
68 unter 389 gerückt, und tastet in der Hunderter- und Zehnerkolonne
die rote 67 resp. die schwarze 32 fünfmal, wodurch also fünfmal 320 zu
der vorigen Begristerzahl addiert wird. Das Register zeigt den Betrag der
Summe 63898 -f- 1600, nämlich 65498. Davon sind die beiden vordersten
Ziffern die beiden ersten Quotientenziffem. 498 ist der nächste Best-
dividend. Man tastet nun in der Zehner- und Einerkolonne die rote 67
resp. die schwarze 32 siebenmal, wodurch siebenmal 32 zur vorigen Begister-
zahl addiert wird. Das Begister zeigt jetzt 65498 -f ^^^ nämlich 65722,
davon ist 657 der Quotient und 22 der Best der gestellten Divisionsaufgabe.
Wenn man nicht die Oröfse der einzelnen Quotientenziffem im Kopfe
bestimmt, so mufs zu ihrer Ermittelung das Tasten des um 1 verminderten
Divisors (in roten Ziffern) sovielemal geschehen, bis die sich ergebende
Quotientenziffer mit der Anzahl des Tastens übereinstimmt und aufserdem
die verbleibenden Ziffern des Teildividenden kleiner sind als der gegebene
Divisor.
Das obige Divisionsexempel hat sich auf dem Wege der Addition
folgendermafsen vollzogen:
44698 :
68
+ 19200
d. i. 6mal 320
63898
+ 1600
d. i. 5mal 320
65498
+ 224
d. i. 7mal 32
65722
Quo- Beat
tient
Es liegt hier die komplementäre Division vor. 44 698 : (100 — 32).
Die Vielfachen von 32 sind zu addieren, was geschehen ist; die Vielfachen
der dekadischen Einheiten (60000, 5000, 700) wären zu subtrahieren, was
aber unterlassen ist, weil die geltenden Ziffern derselben den Quotient bilden.
ind wird unter
Friedrieb Augutt ünger;
Die Maschine ist TOn Dorb E, Felt erfundeo '
persönlichen ÄufBicht hergestellt von der Finaa
Pult et Tarbant Mfg. Co. 62, 5i und ."ie Illinois Street, Chicago, ü. S, ,
Die Patente daiauf sind am 19. Juli und 11. Okt. 1887 erworbe
Die Ausführung geacbieht in drei Gröfsen, nämlich mit acht Koloimeiifl
zehn Kolonnen und zwölf Kolonneo zu deo Preisen 525 JL, 700 JL, 850 jK,
Die Verkaufsstelle (zu Originalp reisen) für Deutschland ist die Schreib-
warenhandlung von F. G. MvLJUS in Leipzig, Daselbst steht ein Kiemplu-
zur Ansicht, das mir der Inhaber der Firma bereitwilligst und freundlichst
zeigte und erklärte. Jeder Maschine wird ein Inatruktionsbuch heigegebea.
4. BarrvnghM Rfgisterin^ »(^cninitaiit oder gell»stsf,tirfn>eiiilf
Additionsmasrhine.
Einige Addiüonsmascfainen. 525
wänden besteht, sodaüs das Funktionieren der arbeitenden Teile beobachtet
werden kann. Auf der Oberseite, dem Griff brette, befinden sich 81 Tasten,
angeordnet in 9 Kolonnen a 9 Stück. Jede trägt eine der 9 Ziffern. In
jeder Kolonne befinden sich Tasten mit den Ziffern 1, 2 ... 9. Die erste
Kolonne rechts ist die Einerkolonne, dann folgt die Zehnerkolonne etc. An
der Hinterwand befindet sich anfsen eine automatisch bewegliche Papier-
rolle, auf welche die Posten in richtiger üntereinandersetzung sowie die
Totalsmnme durch die Maschine gedruckt werden. An der rechten Seite
ist eine Kurbel; beim Arbeiten wird dieselbe angezogen bis an einen festen
Widerstand und dann losgelassen; sie geht yon selbst durch Federkraft in
ihre ursprüngliche Lage zurück.
Durch das Niederdrücken der einen Posten darstellenden Tasten und
darauffolgendes Anziehen der Kurbel wird der Betrag auf die Papierrolle,
die an der Hinterwand augebracht ist, gedruckt, zugleich aber wird dieser
Betrag auch auf den Sammlungs- oder Additionsmechanismus gebracht. Hier-
auf kann ein zweiter Posten auf eben diese Weise der Maschine übergeben
werden, darnach ein dritter etc.; dies wird fortgesetzt, bis alle Posten auf-
gegeben sind. Will man dann die Summe erscheinen lassen, so macht man
zunächst eine Kurbelbewegung leer (d. h. ohne irgendwelche Taste gegriffen
zn haben), drückt dann die links unten angebrachte vernickelte Taste (das
ist die „Additionstaste'^) nieder und macht eine neue Kurbelbewegung,
womit das Additionswerk beendet ist. Auf dem Papierstreifen zeigt sich
nnn die ganze Arbeit der Maschine: sie hat alle ihr aufgegebenen Posten
einzeln gedruckt, genau untereinandergesetzt, einen Zwischenraum zwischen
dem letzten Posten und der Summe gelassen, der für den Additionsstrich
gelten kann, und die Summe darunter gedruckt — und überdies fehlerfrei
gerechnet. Ein Streifen sieht so aus, wie folgendes Beispiel^) zeigt:
34578
8200
945
720640
89
3207
767669
Bechts unten ist noch eine vernickelte Taste ohne Ziffer angebracht,
das ist die „Repetiertaste'S Sie dient dazu, um mehrere nacheinander
7) Die neuesten Maschinen drucken vor die beiden letzten Stellen in jeder
Zahl ein Desimalkomma, z. B. 346,78.
526 Friedrich August Ünger:
Yorkommende gleichgrofse Posten auf kürzere Weise als gewöhnlich der
Maschine zu ühergeben. Zu diesem Zwecke tastet man den Posten, drückt
die Bepetiertaste nieder und klemmt sie fest, darnach zieht man die Kurbel
soyielemal an, wie der Posten aufgegeben werden soll. Dann löst man die
Repetiertaste aus und bringt die Zahlentasten mit Hilfe der Additionstasip
wieder in die Höhe, worauf man in gewöhnlicher Weise weiterarbeiten kann.
Die Null erscheint auf der Klaviatur nicht; diese Ziffer wird auto-
matisch von der Maschine ohne irgendwelches Zuthun des Bedienenden ge-
druckt, wo sie erforderlich ist.
Bevor man das Addieren anföngt, mufs die Maschine „klar gestellt^,
d. h. auf ihren Nullpunkt gebracht werden. Zu diesem Zwecke macht mao
eine volle Kurbelbewegung leer (d. i. einen Hergang und einen Hingang).
Dann drückt man die Additionstaste nieder, h< sie in dieser Lage fest
und macht abermals eine volle Kurbelbewegung. Dadurch wird die Ma-
schine klar von allen Posten, die etwa vorher gegriffen waren.
Die Maschine ist in erster Linie fOr die Addition konstruiert; doch
kann sie auch zur Multiplikation benutzt werden und zwar mit Hilfe
der Bepetiertaste. Soll beispielsweise 547 mit 23 multipliziert werden, so
drückt man die Bepetiertaste nieder und klemmt sie fest Hierauf tastet
man 547 in gewöhnlicher Weise und macht 3 (nach Malsgabe der EiDer
von 23) volle Kurbelbewegungen. Dann drückt man die Additionstaste,
um die Zahlentasten in die Höhe zu bringen. Damach tastet man die Zahl
547 eine Kolonne weiter links als vorher (also eigentlich 5470) und zieht
die Kurbel zweimal (nach Mafsgabe der Zehner von 23) an. Hierauf bringt
man mit Hilfe der Additionstaste die Zahlentasten in die Höhe, zieht die
Kurbel einmal leer und addiert schlieislich das Gkinze wie gewöhnlich.
Um den Additionsmechanismus zu einigem Verst&ndnis zu bringen, sei
folgendes angeführt Unter jeder Tastenkolonne des €rriffl>rett8 befindet sieh
im Innern der Maschine ein Bad auf eigner Achse mit 10 Zähnen. An-
genommen, es seien 3 und 4 zu addieren. Durch Niederdrücken der Einer-
taste 3 und nachfolgende Kurbelbewegung wird das Einerrad aus der Null-
lage um 3 Z&hne weiter gedreht Der Druck auf die Einertaste 4 nebst
Kurbelbewegung bewirken, daXs das Einerrad um 4 Z&hne weiter, also bis
zum Zahn 7 bewegt wird. Ist nun 5 hinzuzufchgen, so haben Tastendrack
und Kurbelbewegung zur Folge, daCs das Einemd sich über die Z&hne 8
und 9 in die Buhelage und weiter um die Zshne 1 und 2 fortbewegt
Beim Passieren der Buhelage 0 greift jedoch eine am Einerrade befindliche
Nase in d.is Zehnerrad und bewegt dieses aus der Nulllage um einen Zahn
vorw&rts, also auf 1. Die Stellung beider R&der ^Kinerrad auf 2 und
/ohnoirad auf 1^ giebt nun den Betrag der Sumine der 3 21afalen 3 -j- ^ "f ^
Einige Addiiionsmaachinen. 527
an. — In gleicher Weise vollziehen sich die Additionen und Zehnerüber-
tragnngen in den übrigen Kolonnen.
Das znm Drucke notwendige Farbband arbeitet automatisch und wird
anch automatisch umgeschaltet, wenn es in einer Bichtung abgelaufen ist;
man braucht also nicht auf das Band zu achten.
Die Verbindung zwischen Handkurbel und dem innem Mechanismus
wird durch Federn bewirkt, welche genau auf die erforderliche gleichmäfsige
Kraft reguliert sind. Diese Federn, zusammen mit dem Regulator (im In-
nem), schützen die arbeitenden Teile derart, dafs, gleichgiltig ob die Kurbel
schnell oder langsam gehandhabt wird, die Maschine immer mit derselben
Schnelligkeit arbeitet; auf diese Weise kann selbst böswillige Nachlässigkeit
des Arbeitenden der Maschine nicht schaden.
In wenigen Minuten ist die Handhabung erlernt. Eine Schnelligkeit
von 1500 Posten in der Stunde wird von jedem nach kurzer Zeit erreicht;
ein sehr geübter Arbeiter kann über 2000 Posten pro Stunde addieren.
Die Maschine reicht mit ihrer Leistungsfähigkeit bis zur höchsten
Summe 999999999; sie schont Gehirn und Nerven der Beamten, arbeitet
drei- bis viermal schneller als der Mensch, druckt in gefälligen, gleich-
mälsigen, gut leserlichen Typen und ist — unfehlbar.
Dadurch, dafs sie alle Posten einzeln druckt, kann mit Hilfe des
Druckstreifens jederzeit der Beweis für die Vollständigkeit und Rich-
tigkeit der aufgegebenen Posten erbracht werden.
Die soeben erwähnte Möglichkeit der Kontrole, verbunden mit der leich-
ten und schnellen Handhabung, sowie die fehlerfreie Summation bilden
zusammengenommen alle Erfordernisse, die man billigerweise an eine
Additionsmaschine stellen kann.
Erfunden wurde diese Maschine zu Anfang der achtziger Jahre von
BuRROuoH, der vor wenigen Monaten verstorben ist Die ersten Exemplare
waren noch unvollkommen. Gebrauchsfähige Maschinen sind erst seit etwa
sechs Jahren auf den Markt gekommen und zwar bereits in der jetzigen
Ausführung. Verbesserungen sind seitdem nur in g^anz nebensächlichen
Dingen eingetreten. Die Patente darauf sind am 21. Aug. 1888, 15. Jan.
1889 und 4. Febr. 1890 erworben.
Bis vor kurzem wurde die Maschine nur von der Arithmometer Co.
in St. Louis ü. S. A. hergestellt; seit 1898 giebt es aber zu ihrer Her-
stellung auch eine Fabrik in Nottingham (England), um von dort aus den
Bedarf in Europa zu decken.
Für diejenigen Leser, die das Verlangen haben, eine solche Maschine
zu sehen, seien folgende Fundstellen angeführt.
528 Friedrich August ünger:
In Deutschland haben zur Zeit (Juni 1899) in Gebrauch:
Kaiserliche Beichspostämter 120 Maschinen,
Kaiserl. Stat. Amt Berlin zehn,
Reichs- Versicherungs-Amt Berlin eine,
Bank des Berl. Kassenvereins z«fei,
St&dt. Sparkasse Köln a. Rh. zwei,
Preufs. Eient.- Versicher. -Anst. Berlin eine,
Artillerie- Werkstatt Dresden eine,
Bh.-Westf. Masch.- und Kleineisen- Industrie -Berufsgenoasenschaft
Düsseldorf eine,
Ernst Schebsb, Werkzeugma8ch.-Fabrik Düsseldorf eine,
Falk & Schutt, Lederfabr., Wüster (Holst.) eine,
Wagner &, Korn, Flaschenfabrik, Louisenthal a. Saar eine,
Allgem. Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin eine,
Stadt. Sparkasse in Leipzig eine,
Königl. Bayerische Postämter zehn,
Königl. Württemb. Post drei.
In Österreich:
Osterr. Post-Sparkasse Wien 6 Maschinen.
Kaiser Ferdinand-Nordbahn Wien eine,
F. Winkler's Stadt-Apotheke Innsbruck eine.
In England und Amerika ist die Maschine in vielen Banken zu finden
und daselbst zur geschätzten Gehilfin geworden. Zar Addition tod Post-
anweisungen und Checks ist ihr Nutzen erstaunlich grofs, und Beamte, die
sie einmal benutzt haben, mögen sie nicht mehr entbehren.
Es giebt nur eine Gröfse, die eben beschriebene; ihr Preis ist 1250 <i
Den Alleinverkauf für fast ganz Europa hat die Firma Glooowski^) k Co.
in Berlin W. Friedrichsstr. 83; Filialen hat die Firma in Leipzig, Frankfurt &'M,
Mannheim, Hamburg, Budapest.
Referiert ist über diese Maschine in einigen Tageszeitungen: dreimal
in der „Deutschen Verkehrs-Zeitung in Berlin", zuerst 1897 Seite 453,
dann den 15. April 1898 No. 15 und den 6. Januar 1899 No. 1; des-
gleichen in der „österreichischen Eisenbahn-Zeitung'^ Wien, den 1. JäDoer
1899 No. 1.
8) Wegen starker Nachfrage steht in der Leipziger Filiale kein Tonitig^
Exemplar, sodafs man es hätte in Augenschein nehmen kOnnen. — Durch besondere
Gefälligkeit wurde mir aber die Erlaubnis zu teil, die Maschine auf der Hanpt-
poat aufserhalb der Dienstzeit zu sehen.
Einige Additioiumaaohiiieii. 539
Wer keine Gelegenheit hat, ein Exemplar in natora zu sehen, kann
sieb am besten über die Maschine orientieren atu dem Prospekte: i^urbouoh's
setbstscfareibende Additionamaschine" and der „Oebrauchsanweisoug fOr
Burrouob's selbstschreibende Additionamaschin«" der Firma Oloqowski & Co.
5. Die Rtgistrir-fiassen.
The National Caab Regster Company') in Dayton, Ohio, fabriziert
gegenwärtig etwa 90 Terschiedene Sorten von Registrirkassen, die durch
eine Modell- oder Dessin-Nnmmer (No. 1, No. 2 etc.) voneinander unter-
schieden werden. Im ganzen befinden sich schon ca. 160000 Maschinen
in Publikom, der monatliche Absatz hetr> gegenwärtig rond 2000.
Man kann die Registrirkassen in zwei Gmppen bringen: solche, die
addieren, tind solche, die nicht addieren.
1. Di« nicht addierenden Kassen haben eine Anzahl Tasten, die
in Ewei Horizontalreihen angeordnet sind und Zahlen tragen, etwa 1, 2,
3 ... 9 3,, 10, 20, 30 .. . 90 A, ebenso Tasten fOr UarkbetrBge. Die
Zahlen kOnnen der Fabrik bei Bes^llong der Maschine voi^eschrieben
werden. Dadurch ist es mOglich, jedwedes Bedürfnis zu beMedigen.
V) Die Leipsiger Filiale der Firma bat mich bereitwilligit and frenudlichBt
Qbar die BiiueUieiten ihrer EoMen nnterricbtet mid mir anoli dui innem Bau
Friedrich Augast Unger:
Jede ToBte bewegt ein Rad und zwar bei jedem Dmcke
Zabn vorwärts. Anf der Peripherie jedes Bades stehen auTser der NlÄ
die ersten 29 Produkte der Tastenzahl, von denen aber nur eins auf ein-
mal in einem Schauloche sichtbar wird. Es stehen beispielsweise anf dem
Rade, das von der G -Pfennig-Taste getrieben wii'd, die Zahlen 0, 6, l>*,
24 . . . bis 174. Statt 180 erscheint 0, Das erste Rad hat aber am Noll-
zabne eine Nase und greift durch diese in ein zweites Rad und dreht es
um einen Zahn vorwärts. Auf diesem Sekundärrade stehen auber der Soll
die ersten 29 Produkte der Zahl 180; also die Zahlen 0 180 360 540 .. .
bis 5220. Auf dieselbe Weise treibt jede andre Taste zwei hintereinander
stehende RSder. und es kann, wenn beim Anfange alles auf Null stand,
der Maschine durch jede Taste das (900 — l)fache ihrer aufgedruckten
Tastenzahl übergeben werden; mehr freilich nicht, wenn nicht noch eine
dritte Radergruppe angebracht wird. Würde man eine Taste mehr als
900 — Imal drückten, so würde das 900fache Produkt der Tastenzahl ans
der Maschine verschwinden und nur der Überschufs angezeigt werden.
um die Totalsumme deijenigen Betrüge zu erhalten, die im Laufe
eines Tages durch die Kasse registrirt worden sind, mufs man in allen
Schaulöchern (die sich im Innern der Maschine befinden) die Zahlen ablesen
und in der gewöhnlichen Weise addieren.
Vollkommene Ädditionsmaschinen sind solche Ref^strirkassen noch nicht,
da ihnen das wichtigste Moment, die Zehnerübertragung, fehlt Eine der-
artige Easse ist nichts weiter als eine Produktentabelle ausgewählter Fak-
toren, mit der Möglichkeit, durch einen Tastenapparat In Verbindung mit
einem Räderwerk die Produkte in fortlaufender Reihenfolge In SchauKIchem
sichtbar zu machen.
Schon diese Apparate wurden von den Kaufleuten mit Freuden be-
grafst, da sie die Bildung der Totalsnmme aller Ginnahmen eines Tages
wesentlich abkürzen.
2, Von den addierenden Maschinen sollen die beiden voll komm enst«D,
erwähnt werden.
a. Die Registrirkasse mit Druckstreifen, aber ohne Checkdnii
Die Klaviatur besteht aus 2 Horizontalreihen von Tasten, denen die Zal
1, 2, 3 ... 9 ftr die Einerpfennig, 10, 20, 30 ... 90 für die Zehn.
Pfennig, 1, 2, 3 ... 9 für die Einermark, 10, 20, 30 ... 90 für die ZehnM^I
mark et^!. aufgedruckt sind. — Vor dem Addieren mufs alles auf NoU
gestellt sein. Sei beispielsweise der erste Posten 7,85 JC, so drückt, mao
3 Tast«n: die 7 JK-Taste, die 80 Pfennig-Taste und die 5 Pfennig- Taste.
Aof der Oberseite der Maschine erscheint jetzt 7,85 Jt! in den Scbaulöcbero
des Summenplatzes. Soll dazu 36,47 JC addiert werden, so drückt man
ist«n
meihl
inM^«
Einige Additionsmaschinen. 531
4 Tasten: die 30 .^(-Taste, 6 JC-Taate, 40 Pf.-Taste und 7 Pf.^Taste. In
den SchanlOchem des Sommenplatzes erscheint jetzt 44,32 Jli — Am
Deckel der Maschine ist noch eine andre Omppe von Schaulöchern an-
gebracht, wo jeder Posten in gro&en Zi£Eem erscheint, sobald er getastet
worden ist, sodaCs man dadurch eine Eontrole hat, ob man richtig gegriffen
habe oder nicht.
Beim Arbeiten mit der Maschine wird ein auf der rechten Seite be-
findlicher Papierstreifen (ähnlich dem beim Morsetelegraph) automatisch in
Bewegung gesetzt, darauf werden die einzelnen aufgegebenen Posten in
richtiger üntereinandersetzung gedruckt. Dieser Streifen kann jederzeit zur
Eontrole darftber dienen, was der Maschine aufgegeben wurde.
b. Die Begistrirkasse mit Druckstreifen und Checkdruck.
Die Tasten sind hierbei in Kolonnen zu je 9 Stück angebracht. Die gröüste
Maschine hat 8 Kolonnen. Wenn man bei ihr die beiden letzten Kolonnen
f&r die Pfennig, die übrigen für die Mark gelten Iftfst, so addiert sie bis
zum Höchstbetrage 999999,99 Jli — Wenn man addieren will, so stellt
man zunächst alles auf NuU, tastet hierauf den ersten Posten und dreht
eine rechter Hand angebrachte Kurbel einmal herum. Dadurch geschieht
viererlei: erstens wird der Posten in die Schaulöcher des Summenplatzes
auf der Oberseite gebracht (oder wenn dort schon etwas steht, dazu ad-
diert), zweitens wird dieser Posten auf dem Deckel (auf dem Kontroiplatze)
in groisen Ziffern vom und hinten sichtbar, drittens wird der Posten auf
eine automatisch bewegte Papierrolle (links an der Maschine befindlich)
gedruckt, yiertens wird ein Check bedruckt, abgeschnitten und heraus-
geworfen. Auf den Check druckt die Maschine: die fortlaufende Nummer,
das Datum, den Geldbetrag und auch noch eine andre beliebige Notiz, die
man in den Druckapparat eingeschoben hat.
Nach der Kurbelbewegung kann der Maschine ein zweiter Posten über-
geben werden. Es vollzieht sich alles ebenso wie vorher, nur dals auf dem
Summenplatze die Summe der zwei ersten Posten erscheint.
AuGser den Additionstasten (den Zahlentasten) sind noch andre Tasten,
solche mit Buchstaben A, B, C etc. angebracht Drückt man einen dieser
Buchstaben und tastet dann einen Posten, so wird vor diesen Posten der
betreffende Buchstabe gedruckt auf dem Druckstreifen und auch auf dem
Check. Weist man jedem Verkäufer eines Geschäfts einen besondem Buch-
staben zu, so lälst sich dadurch seine Thätigkeit kontrollieren.
Es läfist sich aber auch beim Gebrauche der Buchstaben der Additions-
mechanismus ausschalten, dann bleibt nur der Druokapparat in Thätigkeit
und man registrirt dann gewöhnlich mit A die Ausgaben, mit B die Be-
zahlung von Rechnungen, mit C die Verkäufe auf Credit. Bei den neuesten
34*
532 Friedrich August ünger:
Maschinen wird beim Gebrauche eines der Buchstaben A, B oder C der
Additionsmechanismus automatisch ausgeschaltet, w&hrend er beim Gebraudie
der übrigen Buchstaben in Wirksamkeit bleibt.
Die Begistrirkassen (a) mit Druckstreifen aber ohne Checkdmck wer-
den nach ihrer GrSlse zu den Preisen von 400 — 900 JL geliefert, die
Kassen (b) mit Druckstreifen und Checkdruck kosten 650 bis 1400 JL
Die erste ziemlich einfache Begistrirkasse wurde 1878 gebaut.
Sie ist bereits eine totaladdierende Kasse und hat Tasten für die ersten
19 Produkte der Zahl 5 und eine fOr 1 #, angeordnet in 2 Horizontal-
reihen, wie folgt:
5 15 25 35 45 55 65 75 85 95
10 20 30 40 50 60 70 80 90 1|
Man kann demnach der Maschine jede beliebige Anzahl von DoU&rs (durch
ebensoviehnaliges Anschlagen der Dollartaste) aufgeben, Centsbeträge aber
nur diejenigen, die durch 5 teilbar sind. Der Höchstbetrag ist 499 $ 95 et&
Sie ist jedoch auch benutzbar für andre Mflnzen, sowie fär Ma&e und
Gewicht, wenn nur die Währungszahl 100 ist.
Die Summe wird auf zwei vertikalBtehenden, an der rechten Seite an-
gebrachten Metallscheiben durch Zeiger kenntlich gemacht; auf der obern
Scheibe liest man die Cents, auf der untern die Dollars ab. Die Cents*
Scheibe ninmit Beträge bis 495 cts. auf^ ehe eine Übertragung von ihr aof
die Dollarscheibe stattfindet Sie wird sowohl Yon den Centstasten als auch
von der Dollartaste getrieben; die letztere bewegt sie bei jedem Drucke om
Ys eines vollen Umgangs. Die Dollarscheibe zeigt also nur Dollarbetrftge
von 5 zu 5 an, sie wird einzig und allein durch die Übertragung yon der
Centsscheibe getrieben.
In der Folgezeit sind die Kassen unausgesetzt veryollkommnet und
vergröisert worden. UrspreLnglich waren sie nicht durch Patente geschützt,
erst auf die Verbesserungen und Neuerungen der letzten Jahre (seit 1895)
sind Patente genommen worden.
In Berlin, Leipzig, Köln und Wien sind Filialen der Daytoner Firma.
In der Leipziger steht noch ein Exemplar der ersten Konstruktion (1878)
neben den neuesten Fabrikaten, sodaüs man das Einst und Jetzt yergleicbeir
und den gewaltigen Fortschritt wahrnehmen kann.
In allen gröfsem kaufmännischen Detailgeschäften findet man jetzt
Registrirmaschinen, oft in mehr als einem Exemphire.
Auch eine deutsche Firma: Grimms, Nataus k Co. in Braunschweig,
baut Begistrirkassen; doch konnte ich ftber diese Fabrikate trotz Bemühung
nichts erfahren. Ihre äulsere Gtestalt ist den amerikanischen Kassen zum
Verwechseln ähnlich.
Eini^ AdditioDBiiiaschmen.
53S
Die erste Hasohine von 1878 hat ein g&nx andres Getriebe als die
jetzigen Maschinen; in ihr treiben alle Tast«n nur ein einziges Zahnrad,
anf dem die Somme durch einen Zeiger angezeigt wird. Die nichttotal-
addierenden Maschinen'") mit zwei hint«reinanderatehenden R&dem für jede
Taste werden seit 1882 auf den Markt gebracht. Im Jahre 1884 löete
die gegenwärtige Qesellschaft die nrsprUngliche in ihrem Be^tzstande ab.
Die totaladdierende Maschine jetziger Gestalt, doch ohne Kurbel and
ofane Dmokapparate, bat Thomas Cashev aus Dajtou 1890 erfanden. Den
Totaladdierer mit Korbet imd Drnckapparat f^ Detailstreifen und Check
erfand 1892 Htioo Cook.
Alle Maschinen werden einzig nnd allein von der eingangs genannten
Oesellschaft in Danton hergestellt.
Die Additionsmsscliine von Rnnge.
a -= TbiMd (Binar, Zahnsr, [iDnderUr o, i. «.). b ^ KDUtrolluunlgnng. c = R«Dll>tu»l(rDns.
i — Knopf HOD Klnnellaii dar KoDtrollantal^ng %ut 0. t = Knopf inra Elnitallcn dar BainlUt-
■nialgaDg sof 0. / = XnOpfa (inr Beatlmninns dar Zihlen von 1— S).
Nach 15jilhrigeQ Versuchen und Bemühungen ist es Bunoe in Berlin
(1899) gelungen, eine Maschine zu konstmiereD, auf der man grSl^ere
10) Die folgenden Vaahrichten lind entnommen einer brieflichen Mitteilung
der National Ca«b Register Compan; an den Terfasser,
534 Friedrich Angust ünger:
Posten auf einmal addieren kann. Die Firma Bunqe und yoh Stbhasn
in Berlin hat ein Modell hergestellti von dem hier eine Besidireibang^^)
folgt.
Der Apparat roht anf einer Eidienplatte in einem Geh&use ans Metall
und Glas. Anf der Deckplatte sind 4 Hauptteile sichtbar. Die Gruppe
der Schaulocher (c) ist der Besultatplatz, wo die Summe erscheini Die
Schaulöchergmppe (b) ist der Eontrolplatz, wo jeder der Maschine auf-
gegebene Posten sichtbar wird, nachdem man ihn getastet hat; dadurch hat
man eine Eontrole, ob man richtig gegriffen habe oder nicht.
In den Schaulöchern werden die Zahlen in gewöhnlicher Weise ge-
lesen; die beiden letzten Ziffern (rechts) gelten für die Pfennig, die übrigen
feir die Mark. Zwischen den Hundertern {JC) und Tausendern ist ein brei-
terer Zwischenraum gelassen der leichteren Orientierung halber. Die Gröise
der Summe ist unbeschrftnkt in den Millionen, der gröüste Posten jedoch
ist 99999,99 JC
Bei (a) und (f) befinden sich die beiden Klaviaturen, die Tastengrappe
(a) dient für die Stellenwerte der Ziffern, die Gruppe (f) f^ ihre absoluten
Werte. Die beiden letzten Tasten in Gruppe (f) gelten f^ die Pfennig
(Einer und Zehner), die übrigen 5 Tasten für die Mark (Einer, Zehner,
Hunderter, Tausender, Zehntausender). Die 9 Tasten der Gruppe (f) tragen
eine der Ziffern 1, 2, 3 ... 9. —
Will man addieren, so mufs man bei jeder einzelnen Ziffer des Sum-
manden stets zwei Tasten drücken, eine aus Gruppe (a) f^ den Stellen-
wert und eine aus Gruppe (Q für den absoluten Wert
Die Maschine hat zwar eine geringere Anzahl von Tasten als die unter
No. 3, 4 und 5 aufgeführten amerikanischen Maschinen; doch ist ihre Hand-
habung schwerfälliger, weil fEkr jede Ziffer stets zwei Tasten gegriffen wer-
den müssen. Eine augenblickliche Eontrole für das richtige Anheben
der Posten hat man zwar auch; doch geht man wegen des Fehlens eines
Dmekapparates der dauernden Eontrole yerlustig.
Das erste funktionierende Modell ^^ war 1896 auf der Berliner Gewerbe-
ausstellung zu sehen. Durch Deutsches Reichspatent No. 87776 geschfitzt,
liefs Runge in der Folgezeit in seiner mechanischen Privatwerkstatt durch
zwei Mechaniker nach dem Modell die Maschine herstellen und brachte
noch mancherlei Verbesserungen an. Gegenw&rtig wird die Maschine in
2 Gröfsen fabriziert und zwar mit 7 und mit 9 Tasten. Die beigefügte
Abbildung zeigt die kleinere Maschine mit 7 Tasten.
11) Als Quelle diente: Illastrierte Zeitung Leipzig No. 2907 Tom 16. Man 1S99.
12) Laut brieflicher Mitteilnng von dem Erfinder an den YeifaBser.
Einige Additionsmaschinen. 535
Schlnfsbemerknng. Überblickt man das hier gebotene Material von
Additionsmaschinen, so ergiebt sich, dafs die ersten beiden Apparate (von
Behsr und von Illqen) erfanden worden sind unter Zugrundelegung des
Addiüonsgesch&fts in seinem schulmftlisigen Betriebe, der kolonnenweise zu
addieren Yorschreibt. Beher bleibt bei einzifferigen Kolonnen stehen, wäh-
rend Illgen zweistellige Kolonnen auf einmal bewältigt.
Das iLLQEN'sche Prinzip ist zwar der Erweiterung fähig, doch würde
schon die Konstruktion für dreizifferige Kolonnen zu einem Apparate mit
unhandlichen Dimensionen führen.
Die yier übrigen Maschinen entfernen sich von der akademischen
Additionsart und stellen sich ganz und allein in den Dienst kaufmännischen
Bedürfnisses, das zu einem bereits Yorhandenen Betrage einen neu hinzu-
tretenden Posten in seiner Totalität zu addieren verlangt.
Da in kaufmännischen Geschäften die Posten nicht gleichzeitig son-
dern nacheinander auftreten, so ist in den Zwischenpausen Zeit, die Addi-
tion jedes einzelnen Postens zu der Summe der vorhergehenden zu bewirken;
und wenn abends der letzte Kunde hinausgeht, ist auch die ganze Tages-
einnahme addiert.
Dafs die beiden Maschinen mit Druckapparat wegen der Möglichkeit
dauernder Kontrole den Vorzug verdienen vor den Maschinen ohne Druck-
apparat, ist kaum erst nötig zu erwähnen.
Eine Bemerkung darf aber nicht unterdrückt werden, nämlich die,
dals die amerikanischen Erfindungen den deutschen überlegen sind. Wenn
man auch diesen Umstand aus Schonung des nationalen Bewulstseins mit
Schweigen übergehen wollte, so würde doch die Sache deutlich genug für
sich selbst reden.
Noch im Laufe dieses Jahres wird eine Dresdner Firma , die Bechen-
maschinenfabrik von Woldbmar Heinitz, welche die sogenannte KüTTNER^sche
Kechenmaschine fabriziert, dem Publikum auch eine Additionsmaschine
anbieten, die (nach einer brieflichen Mitteilung und Einsendung einer
Photographie der Firma an den Verfasser) dasselbe leisten wird wie die
vollkommensten amerikanischen Maschinen. Ich freue mich, diesen Hin-
weis jetzt schon machen zu können, ganz besonders deshalb, weil es sich
um eine deutsche Erfindung handelt
wyo
ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN ALGEBRA.
VON
Db. e. wappler
IN ZWICKAU.
Der cod. Dresd, C 80 enthalt auf Bl. 368—378' eine deutsche AI-
gebra^) aus dem Jahre 1481.^ Die letzte Aufgabe dieser Algebra lautet
(Bl. 378'): Es sint drej Gresellenn, dje haben gesetzt v (70) Guldenn
vntr in 3 ynnd habenn gewonnen 20 Guldenn. Den ersten traff mit Heup-
gut ynd mit Gewyn 15 Guldenn, den andern 25 Gulden ynd den dritten 50,
ynd der erste scheyt 4 Manat, der ander 2 Manat, der dritte 2 Manai
Wj vil ist des Haupgutz gewesenn Yon eynem jeglichen besunder? Dazu
gehört folgende Auflösung (Bl. 378'): Nen (!), daz dj erste Haupgut sej
1^, dem andern 1 numerus, das sej 20, ynd dem dritte 50 mynner 1^
Nun multiplicir 4 Manat mol 1°, macht 4°, ynd 2 Mant mol 20 macht
iO ( ^\
— \iO/, ynd 2 Mant mol 50 mynner V macht 100 mynner 2^, Nu
Summer zusamen, gemacht tj^ \1^0/ 2^ Nun sprich: 140 2° gibit mir
20 Gulden Gewynt, was gibt mir 4"? (4^) mol 20 ist 80°, tail in 140
2°, kompt — Tq 2° f V Gewinckt thu zusamen mit dem Heupgut, das
was l^ Multiplicir in Kreutz, komptz 220-|-\2/, ynd das sol man tay-
lenn in die ynten Figuren, ynd sol 15 komen. Dorumb multiplicir 15 mol
~ (l4o) 2«, macht 2100 30% das ist gleich 220 (2). Nym 30 (30^)
dorvon beyden Tailen, pleibz 140 -|- (1902), dem anderen Tail 2100.
Nun machs als die yierdt spricht, kumt radix yonn 3306^9 zw ab 47 ,
das war 10. Also yil ist des Heupgutz dem erstenn, dem andern 20 und
dem dritten 40. Diese Auflösung unterscheidet sich yon der der yorher-
1) N&heres über diese Algebra in unserem Programm: Zar Geschichte der
deutschen Algebra im 15. Jahrhundert Zwickau 1887, 8. 3—5 und bei Caittok,
Vorleflungen über Geschichte der Mathematik. Leipzig 1892. Bd. 2, S. 820—222.
2) Die Nachschrift lautet: factum 81 altera (!) post exaUacionis enteis (ver-
fertigt am OsterBonnabend 1481). Wir teilen diese Nachschrift erst jetst mit^
weil uns früher ihre Entzifferung nicht gelungen ist.
540 E. Wappler:
gellenden Aufgaben dadurch, dass die Unbekannte mit c (Abkürzung ftir
cosa) statt mit 9 (Abkürzung füi* Ding) bezeichnet ist. Hieraus und aus
dem Umstände, dass die mitgeteilte Aufgabe die Überschrift: Regula de la
Cossa hat, folgern wir, dass der Verfasser der deutschen Algebra mit
italienischen Schriften bekannt war.
Johann Widmamn von Eger, dem einst die Dresdner Handschrift C 80
gehörte, hat die Aufgabe: Es sint drej Gesellenn, dje haben gesetzt
70 Guldenn u. s. w. ins Lateinische übersetzt und auf seine Art gelöst.
Auf dem linken und unteren Bande des Blattes 356' und auf dem oberen
Rande des Blattes 357 liest man: Ä, B, C 700 (70) fl Incrati (!), Ä ad
4 menses, £ ad 2, C ad duos menses, et cum bis lucrantor 20 fl. A
cedit cum capitali et lucro 15 fl, B 25 fl, et C recipit pro capitali et
lucro 10 (50) fl. Queritur, quantum fuit capitale et lucmm seorsum cq*
iuslibet. Pac sie. Cum capitale omnium sit 700 (70), pone, quod capitale
solius A sit 1 ^, capitale vero .B sit 10 ad placitum, minor tarnen
70 fl, puta 20. Capitale ergd ipsius C, cum dederim primo 1 n^, secnndo
20 0, necessario erit 50 — 1 ^. Modo iuxta regulam de teinpore ope-
rando multiplicando capitale cuiuslibet per suum tempus, scilicet 1 if per
4, et proveniunt 4 nf, deinde 20 per 2, et proveniunt 20 (40), item
50 — 1 -\(? per 2, et proveniunt 100 — 2 if . Hec tria producta simnl
aggrega, et proveniunt 140 + 2 n(^. Vlterius iuxta regulam operando dico:
140 + 2 -\(? dant 20, quantum dant 4 -if? Et proveniet talis ordo:
~V ^20. Duco secundum in tertium, et diuido per primum, et
exibit fractio talis: 140 4. o ^ (l40 -t 2 np) ' ^^® necessario representant
lucnim A, Addam ergo sibi C (!) capitale ipsius -4, quod dixi esse 1 if,
Inf 80 ip
multiplicando contradictorie more fractionum: /^ ei erit ag-
1 140 + 2^
220 "^^ -1-2 ^ ...
gregatiim . .q ^ 4-2^ ' ^^^ fractio ex ypothesi valet 15, quia dixi capi-
tale et lucrum A simul sumpta esse 15. Quia ambo continentur in hac
fractione, multiplico ergo denominatorem per 15, et provenient 2100 -f
30 ^ äquales suo numeratori, scilicet 220 nf -{~ 2^. Jam habeo doas
quantitates äquales. Auferam (ab) utraque (parte) 30 -if, et remanent
2100 0 equales 190n(^+ 2^. Nunc ergo iuxta quartam regulam diui-
dam omnia per J, et provenient 1050 £^ + 95 -if (!), mediabo if, et sunt
— , hoc duco in se, et proveniunt — r~) * cuius medietate (!), scilicet — ,
95 20
subtraham medietatem nf, scilicet — , et remanent — siue 10 integra,
Zar GeBchichte der deutschen Algebra. 541
valor -xf siue capitale primi, quo (a) 15 subtracto 5 eiusdem primi Incnim
fuit, ergo capitale primi 10 fl et 5 Incmm säum. Si voluero, operabor
per omnia ut supra. Posito tamen, quod capitale Ä fuit 10 fl, iam in-
venti, et capitale B 1 '^f ei capitale C 60 — 1 "if , et proyenit finaliter
capitale B^ scilicet 20 fl, similiter et lucmm 5. Scitis ergo capitalibus et
lucris Ä, B^ facile inyenitur capit^e et lucrum tertij. Est enim capitale
sunm 20 (40) fl et lucmm 10, quod fuit propositum.
Ausser dieser Aufgabe hat Widmamn noch viele andere Aufgaben der
lateinischen Algebra, welche von Bl. 350 — 365' sich erstreckt, hinzugefügt^).
Früher waren wir der Ansicht, dass nur einige dieser Aufgaben von Wid-
MAKN herrühren. Darauf hatte uns der Umstand gebracht, dass die Auf-
gaben zu verschiedener Zeit und mit verschiedener Tinte beigeschiieben
sind.. Jetzt glauben wir jedoch mit Bestimmtheit annehmen zu können,
dass WiDHANN s&mmtliche Aufgaben eingetragen hat. Hierin bestärkt uns
besonders die merkwürdige Übereinstimmung, welche zwischen den Schrifb-
Zügen der fraglichen Aufgaben und denen der WiDMANN^schen Yorlesungs-
anzeigen stattfindet^). Ganz charakteristisch sind hier und dort g und v
(5 und Y).
Unter den Aufgaben, die neben, über und unter dem Texte der latei-
nischen Algebra geschrieben sind, finden sich auch die KiESE'schen Num-
mern 38 — 53^). Riese, zu dessen Cofs die lateinische Algebra die Grund-
lage gebildet hat, sagt nach Erledigung der ersten 37 Aufgaben: Nach
disenn itzt erclertenn Esempelnn habe ich im beruerten alten Buech ge-
funden am Bande andere Exempel, auch auf die erste Regel gehörende,
ejner anderenn Handschrieflt, wer der Mathematicus gewesen, ist mir ver-
porgenn, die wejl ich sejnen Namen nicht wejsz, wil dir doch erzelenn
und erclerenn die Exempel, welche er gesetzt hat. Der Adam Rxese un-
bekannte Mathematiker war ohne Zweifel Johann Widmann von Eger. Da
es for Freunde der Geschichte der Mathematik von Interesse sein dürfte,
Widmann's Leistungen in der Algebra kennen zu lernen, so lassen wir im
folgenden noch eine Anzahl Aufgaben abdrucken, die Widmann der latei-
nischen Algebra hinzugefügt hat.
Si vixissem tantum, quantum vixi et iterum tantum, id est si vixissem bl 862'.
dnplum ad etatem meam, et mediam partem tanti et terciam partem tanti
et quartam partem tanti et sextam partem tanti et septimam (!) partem
3) Abgedruckt ist die lateinische Algebra in unserem Programm S. 11 — 30.
4) Abgedruckt sind die WmiiAHN*Bchen Vorlesungsanseigen in miBerem Pro-
gramm 8. 9 und 10.
5) Vergl. Bkblbt, Die Cofs von Adam Riesb (Programm der Realschule in
Aimaberg für 1860). S. 20—23.
542 E. Wappler:
tanti et -r- vniiis anni, tanc yixissem ad 20 annos. Qaeritar, qnantom
yixi. Fac sie. Pono, qaod vixerim igitnr 1 ^if, qnam dnpl&bo, yeninnt
2nf, cui producto addendo y (^), y (^K^), yC-K^), y (^)i n^^^'T
vnius anni veniet qnantitas talis 53 Ijg ■^(\ -f~ yi l^oc ex ypoihesi iam
eqniualet 20. Ex ntraque parte idem genus stare non debet, deponam
ubique — 0, et manebunt ex 1 parte -y 0, ex altera parte jg nf . Dinide
0 per nf, et proveniont 6, valor nf.
Bi. 858'. Item dno snnt, pnta Ä et B, Dielt il ad J?: da mibi tantam, qnan-
tum habeo et residui medietatem, et habebo tantum nltra te, quantom
habui infra te. Fac sie. Pone, qnod Ä habeat 1 ^ et J? 1 0 ad pla-
citum, exempli gratia sit 1 0j qoi ex(e)edit 1 ^ in 1 — 1 n^. Jam
depone (1 ^) de 1 ^ (1 0), et manet 1 — 1 nf et ex alia parte 2 y
et nlterins residui B medietatem, seilieet — ~q~ ^) iungam cum 2 if^
quod est tantum ultra Ä (£), quantum B (1) fuit prius infra. Sup(p)lel)o
defeetum, et Yeniet ex yna parte y n(> et ex alia parte y 0^ ergo agendo
regulariter yenient |, valor ^ sine nünor 0.
Bi. 864. Item tres babent soluere 200 fl, quorum primus exponit triplam ad
secundum, secundus quadruplum ad tercium. Queritur, quantum qnilibet
exponat. Pone tercium exponere 1 ^(j ergo oportet ex ypotbesi, qnod
secundus exponat 4 -a(^ et primus 12 (n^). Hec producta simul aggrega,
et sunt 17 '^(^ equales 200 0, Iam iuxta primam regulam operando patet
18
11 valor '^ et T^, iam ultimus babet tot, quia positum est ipsum habere
1 n^ secundus babet ^7-1-^7) ^^ positus est, ut 4 nf (habeat), primns
habet 141 + Tyj (<1^) positus est, ut 12 (12 -^f habeat).
Bi. 854' Item pater et filius ibant Romam patre ambulante 6 milliaria, sed
filio 9, quia inuenis. Pater modo precessit filium 100 milliaribus. Qne-
ritur modo, quoto die filius patrem consequitur. Fac sie. Pone eos
conuenire in 1 n^, sed quia filius omni die vadit 9 milliaria, quare 1 -yf
per 9 multiplica, et erunt 9 nf, sed pater omni die vadit 6, quare 1 ^f
per 6 multiplica, et erunt 6 ^. Deinde subtrahe 6 if a 9 ^, et manent
3 n^ equales 100. Modo iuxta primam regulam operando patet, quod
filius patrem consequitur 33 diebus transactis et y tricesimi quarti diei.
Bi. 353. ^ et -B volunt facere permutationem mereium. A dat 100 J^ de
Zur Geschichte der deutschen Algebra. 543
mercibas suis pro 8 fl in pronoipta pecnnia et in permatatione pro 11,
B yero dat 100 J^ mercinm snamm 4 fl carins in permutatione quam in
prompta pecnnia. Fac sie. Pone, quod B yendat 100 J^ de suis in
prompta pecunia pro 1 nf, quare in permutatione dat 100 J^ pro 1 ^ -f~ ^*
Disponam has quantitates cum duabus prioribus ad regulam de tri, et
yeniet talis ordo:
8 11
1 -vf 1 nf + 4
Mnltiplicando, ut solet, has quantitates contradictorie, et proyeniunt ex yna
parte 11 n^ et ex altera parte S ^ -\- 32 0. Hec ex uerbo regule de tri
sant equalia. Subtraham utrumque (ex utraque) 8 ^if, et manent ex yna
2
parte 3 nf equales 32 0. Diuide {0 per -if), et proyeniunt lOy, yalor -if,
2
et pro tot fl dat 100 J^ in prompta pecunia, in permutacione pro 14 -|~ T)
quod fuit propositum*).
Quidam conuenit quendam ad laborandum per 40 dies continuos tali bl s55.
pacto, quod omni die, quo laboraret, daret ei 7 A, et quolibet die, quo non
laboraret, restituet 5 A. Modo tempore completo nil mercedis obtinuit.
Queritur, quot diebus laborauit, et quot yacauit. Fac sie. Pone eum
laborasse ad 1 n^, quare yacauit ad 40 — 1 n^. Ex casu quolibet die, quo
laborauit, meruit 7 A, quare 1 -yf per 7 multiplica, et erunt 7 n^, et 40 dies
ocij — 1 nf per 5 multiplica, et erunt 200 — 5 nf , que ex ypothesi equi-
ualent. Bestaura ubique 5 ^ addendo, et stabunt 12 n^ ex yna parte
eqnales ex altera parte 200 0^ quare iuxta primi capitnli preceptum operare,
2 1
et patet yalor ^, scilicet laborauit 16 diebus -r-, yacauit ad 23 dies et -^,
2
meruit 116-p-| ^^ tantnm opportuit(l) ipsum restituere ^).
Ä, B, C, A dicit ad B {ei C)', si haberem 7 fl de pecunia yestra, bi. 854.
haberem in triplo plus quam yos ambo. B dicit ad A (et) C: si haberem
9 fl de pecunia yestra, haberem in quadruple plus quam yos ambo. C dicit
ad il (et ^): si haberem 11 fl de pecunia yestra, tunc haberem in quin-
tnplo plus quam yos ambo. Queritur, quantum quilibet habuit. Fac sie.
Pone onmes simul habere 1 nf , et quia A dicit se in triplo plus habere
quam alij, si darent ei 7 de suis, dico, quod habuit -7- "^^ — 7. Hoc
autem ita inyenio. 8tatuo proportionem hanc in minimis suis terminis, et
6) Bbrlet hat diese Aufgabe nicht aufgenommen. In der Marienberger Hand-
schrift steht sie auf S. 140.
7) Bbrlbt hat diese Aufgabe ausgelassen. Im Marienberger Manuskript
findet sie sich auf S. 149.
544 E. Wappier:
dncem illius proportionis recipiam pro nnmeratore, aggregatmn yero ex dace
et comite scribo pro denominatore , et a tota minucia snbtraham defeetnm
cuiuslibet nnmeri, yidelicet quod optat ab alijs, vt bic primiis petit 7, et
erit ipsius iziplus. Ponam proportionem triplam in minimis suis tenmnis,
at sunt hij -j-y temariam retineam pro nnmeratore, deinde addo comitem
et dacem, (et proveniunt 4), qne semo pro denominatore, habeo ergo talem
3 8
minnciam, scilicet - , a qna subtrabam 7, et manent -7- (-if) — 7, qnfi
assertio (1) primo. Eodem modo operando invenio, qnod B baboit 't ^ ^ ^
ei C -^ -yf — ^^* Aggrega bas partes, et proveniont 2 + g^ n^ — 27, hoc
aggregatnm ex ypotbesi est equale 1 "if , qoia dixit omnes simxd habere 1 -if .
Addo utrobique 27, snbtrahendo ab aggregatis 1 ^, et remane(n)t ex vna
23 / 23 \
parte wq^ (^ 60^) äquales 27 0 ex altera parte. Dinide 0 per nf, et
44 / 4d\
proveninnt l^öäll^gä)? ^ valor, et tantnm habent omnes simnL Sed
3 4- ß
quia positnm est snpra, quod Ä habeat —y — 7, ^ — nf — 9, O-r'Uf — It,
habet A necessario 7^^, -^633, ^^33 P gä)*)-
Bi. 855. Quidam baboit pueros et denarios et dixit: si cnilibet do 2 A, manent
in residno 5 denarij, si autem cnilibet do 3 ^, deücio in 6 A. Qneritnr
qnot sint denarij, et quot sint pneri. Fac sie. Pone 0 pneromm 1 if
et da cnilibet 2, scilicet mnltiplicando 1 nf per 2, et eront 2 ^, ei quia
debet habnndare in 5 denarijs, emnt ergo 2 ^ -\' b, Pone secundo itemm
0 pneromm 1 n(» et da cnilibet 3 \^ scilicet mnltiplicando 1 ^ per 3, et
emnt 3 n^. Sed qnia debent 6 deficere, snbtrahe 6, et emnt 3 nf — 6.
Et primo ponebatnr, qnod pneromm 0 esset 2 if + 5 (!). Eqna partes
addendo 3 -vf 6 0. Adde etiam ad 2 -Jf (+ 5 0) 6 0, et emnt 2 -Jf -f ^^ ^
in vna parte, in alia parte 3 ^. Snbtrahe itemm 2 nf ubilibet^ et manet
1 n^ eqnalis 11 0. Fac secnndnm regnlam^).
1 2
BL 856'. Item qnis est 0, cnins -=- dncta in -=- faoit 13. Dico, qnod ille 0
1 2 2
est 1 ^, cnins — dncta in ^ ^^^ 05^ equales 13 0. Dinidatnr ergo 0
J E C
per 2, et veninnt -r-, cnins radix qnadrata ostendit qnesitnm. Et qnia
12 1 .
est snrdnm, qnadretnr qnelibet pars, scilicet "5" öt ^j ^^^ öö P™* *^
8) Diese Aufgabe fehlt im Marienberger Mannskript.
9) Diese Aufgabe hat Ribsb weggelassen.
Zur Geschichte der deutschen Algebra. 545
~ secunda, dneatnr ^ de -y- in jg f^j eiusdem nomeri, scilicet -r-, et
radix quadrata prodacti Yalet 13, quod fiiit probandum.
Item poBito, qnod diameter alicnins qnadrati altera parte longioris sit
10 et latus longins 8. Queritor de quantitate lateris breuioris. Poney
qnod latus ignotnm, scilicet minns, sit 1 nf, qnam in se mnltiplica, et pro-
yenit 1^. Moltiplica efdam latus longius in se, scilicet 8, et erunt 64,
que due multiplicationes simul addantur, facit 1^ -j- ^4 0 equales (l) multi-
plicacioni diametri in se, scilicet 100 0. Quia uero idem genus denomi-
nationis pro utraque parte stare non debet, subtrahantur ergo 64 0 ab 1 ^
per deletionem signi auctiui, sie et de 100 0, et remanent 36 0 equales 1 %^.
Procedatur ergo secundum regulam secnndam, et Yeniunt 6, yalor rei uel n^.
Item sunt duo socij, primus habet 20 J^ piperis, secundus 20 J^
cinoberis. Primus dat aliquot J^ pro fl, secundus autem 5 plus pro fl
quam primus. Yenditis autem istis simul invenerunt 8 fl, capitale et
Incrum. Queritur, quantnm primus det pro fl et quantum secundus. Fac sie.
Pone primum dedisse 1 n^ pro fl, quare secundus dabit 1 ^ -f~ ^ P^ ^*
Examina utrumque secundum proportionum regulam sie: 1 if dat 1 fl, quid
20
dant 20? Et provenit y ^- feinde die: 1 -jf + 5 dant 1 fl, quid
20
dant 20? Et provenit ^ , ^. Quas modo minuciarum adde, et provenient
^ I 6 -^ equales 8. Jam constat, quod numerator est denondnatori
octuplus, quare denominatorem per 8 multiplica, et erunt 8 ^ — |- 40 'vf
equales 40 ^ -|~ 100 0. Jam age secundum capitulum, et patet valor n^«
scilicet radix de 12-^.
Detur 0j qui in se ipsum multiplicatus uel sibi ipsi additus tantundem bi. s56.
proyeniat. Fac sie. Pone (numerum) esse 1 n^, hanc adde ad se ipsum (!),
et erit 2 n^, hanc secundo multiplica in se, et fiet 1^. Modo iuxta regu-
lam operando nf per ^ committendo yeniet -j- .
Dentur duo 0 in proportione sesquitercia, qui sine inuicem ducantur
sine ynus ab alio subtrahatur, idem proyeniat. Fac sie. Pone, quod minor
0 sit 1 "if (3 -a(^), quare maior erit 4 n^. Jam subtrahe, scilicet minorem
a maiore, et manet 1 n^. Deinde ducatur ynus in alium, et erit 12^.
Jam iuxta terciam regulam operando patet yalor n^, scilicet jr, Primum
3 11
posui esse 3 (nf ), quare erunt — , secxmdus erit ^ > primus -j- .
Item est quoddam quadratum equilaterum rectangulum, cuius quatuor
latera simul iuncta faciunt -g- ipsius eiusdem aree. Queritur, quantum est
Abh. am Gwoh. d. Mathem. IX. 35
rAi) E. Wappler:
yuumf\uof\f{ue latus. Pone, qnod latus Ynam sH 1 '^. qssai s in se ipsam
muliiplicaoerM, proTenit 1 §^ , prioris scUioet q^ndrati anft, coiiis —
5
(rant ^ ^, Addantiir «tiam simiil qnatoor laieim ehutioB qfaadnÜ, et enmt
qnataor nf equales -7-§-- £t qoia peirentnin est ad xi^iilaiii torciam,
qnare secandam preeeptain eins 4 "(f per -^^ dhodaiilar, et Teahut 10,
valoT '^.
Item sunt tres soeij Ä^ B, C, qaomm primns habet 64 .%- mnscati,
»eenndcui ^4.%^ lanri, terdos oero 64 J^ gariophali, et secasdoSy acüicet ^,
sein per qnintaplo plm dat pro 1 fl quam A, C oero tantam, qnantnm A
dat pro 1 fl, et snperhierati sunt Tna cmn c^itali samnia 100 fl. Qneri-
tor eri^o. qxu>t qiiilibet^%- pro 1 fl dare debel Fae sie et pone, quod Ä
d^t 1 "^ pro 1 fl, qnare B 5 "if dabit pro 1 fl et C etiam 1 ^, qnia tan-
tum, quantum Ä. Examinando quodlibet seorsom seeandam regolam pro-
64
portionnm dicendo i^} "«f dat 1 fl, quid 64? Faeit
A —
l-if
IC-**
1^
omnia simul addantur, facit aggregatnm ^ equale 100. Et quia
numerator est centuplus ad denominatorem, quare denominator per 100
multiplicetur, et yeniunt 500 } äquales 704 if . Draidatnr eigo iuxta pre-
704
ceptum tercie regule nf per §-, et quociens, scüicet -=^ , est yalor nf , tan-
tum ergo primus, scilicet A, dat pro 1 fl et totidem C, et qnilibet mercatur
5
45flYT- Secundus uero, scilicet B, quia quintuplnm plus dat pro 1 fl,
quare valor nf, scilicet — , per 5 multiplicatur, et Teniunt -töq} ^* ö^go
-%" B dat pro 1 fl, quare 64 J\r ipsius B yalent 9 fl — • Q^e omnia simnl
coUecta faciunt precise 100 fl, quod fuit probandum.
BL »7. Item est quiddam (!) quadratum altera parte longius, cuius 4 latera
simul iuncta cum area faciunt aggregatum 76, et posito, quod latus ynum,
scilicet longius, addat 2 super breuius. Quesitur ergo, quantum sit ynum-
^[uodque latus eiusdem, et quanta sit area. Pone, quod latus breuius sit
l i^, erit ergo latus longius 1 n(? -(- 2. Ducatur ergo latus ynum in aliud
ael l ^? in 1 'Vf + 2, et producuntur 1 ^ -j- ^ 'Vf , scilicet quantitas aree,
otti 4 latera addantur, et erit aggregatum l^-j-^'^4"^^ equales (!)
TS ds ypothesi. Bestaurando igitur 4 j^^ ex utraque parte subtrahantur,
Znr Gtescliichte der deutschen Algebra. 547
et rem&nent 1^4"^ ^ ^^ ^^& parte eqnales 72 0 ex alia parte. Qnare
ioxta preceptum quarte regnle procedatur, et yeniunt 6, yalor rei scilicet
et qn&ntitas lateris minoris, quare malus est 8 et area 48, qnod fuit
quesitam.
Item sunt duo socij, quorum nnus alteri 100 concedit fl ad duos
annos pro lucro et Incri lucro. Qnibus elapsis alter illi 144 restituit fl,
capitale scilicet et Incmm et lucri Incmm. Qneritor, qaantmn 100 fl
fecemnt Incmm in primo anno. Procede sie et pone lucmm primi anni
Inf, et quia 100 fl primo anno Incrati sunt Inp, qnare nltra procede
secnndnm regnlam proportionum dicendo: 100 fl Incrati snnt l^f^ qnid
ergo Incrantnr 100 fl -f- 1^ in secnndo anno? Operare secnndnm regnlam,
et provenit illa qnantitas ^ST , Incmm scilicet secnndi anni, cni
Mnltiplicetnr ergo denominator, scilicet 100, per 44, proveninnt 4400
eqaale(I) sno nnmeratori. Et qnia ^ -{-%- assimilantnr 0, qnare proce-
datnr secnndnm preceptnm qnarte regnle, et veninnt 20, yalor nf .
Item snnt dno socij, qnomm nnns 1 20 ^%~ habet flomm mnscati, alter yero bi. s68.
totidem habet JV'cinamomi, et primns semper 6 plus datprolfl qnam secnndns,
et ambo mercantnr 35 (42) fl. Qneritnr primo, qnot qnilibet .^ dat pro 1 fl
et secnndo, qnot qnilibet ex 120 .^ mercatnr fl. Operare sie et pone, qnod
primns dat 1 -Mlf pro 1 fl, qnare secnndns 1 n^' — 6 dabit pro 1 fl. ütmmqne ergo,
per regnlam proportionnm examinatnr dicendo: 1 ^ yalet 1 fl, qnot 120?
120 120
Pacit jr^. Et itemm 1 np — 6 yalet 1 fl, qnot 120? Facit ^^_^'
Et qnia ambomm Incra simnl inncta 42 yale(n)t fl, addantur ergo simnl,
et erit aggregatnm — J___^^ — eqnale 42. Mnltiplicatnr ergo deno-
minatorem per 42, et erit 42^ 252nf eqnales(!) sno nnmeratori, scilicet
240 -^^ — 720 0. Bestanrantur ex ntraqne parte, proyeniunt ex yna parte
42^ — f- 720 0 eqnale (!) 492 -Vf ex altera parte. Et qnia iam pementnm
est ad qnintam regnlam, flat ergo operacio inxta preceptnm einsdem, et
yeninnt 10, yalor np, tot ergo primns .i\r dat pro 1 fl, qnare 120JV" 12
yalent fl. Secnndns antem 6 minns, ergo 4.^^ dat pro 1 fl, et sie 120.%^
30 yalent fl, qne simnl addita, 30 scilicet et 12, precise 44 (42) facinnt fl,
qnod fnit probandnm.
Propositis duobns nnmeris, scilicet 9^ 12, si petitnr ad qnemlibet bl ssr.
tercinm, pnta 10, aliqnem nnmemni maiorem, cnins qnidem maioris —
snbtracta de primis dnobns, scilicet 9 -f- ^^i residnnm (residna) habea(n)t
eandem proportionem qnam nnmeri (10 et nnmems) nnnc nltimo inyenti
36^
I
E, Wappl.
(iBTsntas). F&c sie. Pone, qaod 0 Inveniendus sit 1 'tf, cuins qn&rU
para est - Tf, qu&m subtrab&m de 9-1-12, erontqae residaa 9 — — if
12 — — (if), qne ei ypothesi babebnnt e&ndem proportdonem ad inncein
quam 10 ad 1 ip. Ponam ergo ad fann&m regale proportioDiiiii sie
9 — -T-'M' *2 — T '^
10 1 Tf.
Sed quia Beoandum eandem id, qaod provenit ex dnctu primi in qnartitm,
eqimm est ei, quod provenit es dacto secundi in tereium, enmt 9 -if — -- j.
ex vna parte eqaales 1200—-- if ex alia parte. Addam utrobique il^
fectum, et Bmergunt hie qmdem H — Tf , illic vero 120 -f- — j-, adac
eqnalia. Integrabo )- maltiplicando omnia per 4, et proveniant ^6 y a
vna parte eqnates 480 0 -j- ;- ^ ex alia part». Nunc ergo iuxta qnintuD
regulam omoia per j- dinidantor, et luanent ut sunt, -if mediatnr, et mi-
nent 23, hoc in se ducatui', et prOTeniunt 529, ab hoc producto subtraham
0, scUicet 480, et erit residuum 49, huius subtraham radicem qnadratam
a medietate Tf, scilicet 23, et manent 16, qui est valor -if sine mwor
numerus reapectu 10 quesitus, cuius qnartam partem, scilicet 4, anJero a
9 -|- 12, et manent 5 -|- 8 habontes eandem proportionem, quam 10 -j- IK,
quia ubique est dupla [proportio supertriparuiens quintas].^)
i. Item est quoddam quadratum rectangulum altera parte longiua, cnins
duo latera aimul iuncta sant 14, area vero 48. Querifcnr, quantnm est
vnumquodque latus. Operare sie et pone, quod latus 1 sit 1 if, qnar«
reliquum erit 14 — 1 if. Ducatar ergo vnum latus in reliqunm; et prrt-
veniuut 14 ';f — 1^ equales 48 0, et restauTantnr(!) et reatauratione facta
relinquuntur 48 0 -|- 1^ ex vna parte et 14 i^ ex oppoaita parte, et sie
perventum est ad quintam regulam, ubi scilicet 0 et j- assimilautur if,
äat ergo processus secundum preceptum eiusdem , et veniunt 6, valor 1^.
Item radix anguli a ■ b cum angulo a ■ c valeut 168. Quentur de
quantitate miuscuiusque aogulorum duarum linearum se intersecantium.
Operare sie et pone, quod radix anguli a ■ b sit 1 'tf , quam si in se ipaam
moltiplicaueris, erit totus angulus a ■ b 1 ^. Et residunm ergo, scilie«t
angolus a ■ c, cum angulo a • b duos rectos angalos constitueaa, erit
I8O — 1^, cui cum radix augnli a • b additur, scilicet 1 nf, erit aggre-
M) Waa in der eckigen Klammer steht, hat WmiuNN apätei
TSmtt hnmgefagt.
' mit aadeniu
Zur Geschichte der deutschen Algebra. 549
gatnm lnp-|-l8O0 — 1^ eqnale radici angali a - b cum angnlo a • c,
scilicet 168. Bestauratiu: ergo^, et remanent ex yna parte 1 ^ -{- ISOjE!^
eqnale (!) IßB 0 -{- 1^, adhuc inter se equalia. Et quia idem ]^ ^
genus denominacionis pro utraque parte stare non debet<, snb- \
trahantor ergo 168 0 ex ntraqne parte, remanent ex yna parte
1 nf -4~ ^^ 0 eqnale (!) 1%-, Et qnia iam perventnm est ad
regolam sextam, quare secundmn preceptam eiasdem proce- /^ ^^
datnr, et yeniimt 4, valor -t(> et radix angali a • &, erit d c
ergo totos angnlns 16, angalus uero a * c 164, quod fdit quesitmn.
Item snnt tres socij, scilicet Ä, B, C, qnonim qtdlibet certam pecn-
niamm habet sommam. Dicit C: Ä quidem duplo plus habet qnam ego,
B nero triplom est ad me, et cum quilibet eoram partem abiecerit, pnta
Ä 2 et ^ 3, et residunm vnins si dnctnm faerit in residnnm alterins,
proYeninnt 24. Qneritnr ergo, qaod(!) qnilibet eomm habnit, scilicet Ä
et B, et quot ego. Fac sie et pone, quod C habet 1 n(^, habebit ergo Ä
2 nf, qnia dnplnm ad (7, et ^ 3 n(', qnia triplnm. Et qnia qnilibet eomm
partem abicit, nt ^ 2 et ^ 3, habebit ergo Ä 2 -^f — 2 et B 3 -yf — 3,
qne secnndnm tenorem propositionis in se invicem dncta facinnt 6% — \'6 0
— 12 -if eqnale (!) 24. Bestanrando addantnr ex ntraqne parte 12 n^ et
fiont 6^-f- 6 0 ex yna parte et 24 0 -f- 12 n(^ ex alia parte, adhnc inter se
eqnalia. Qnia nero idem genns et cetera. Snbtrahantnr ergo ex ntraqne
6 0, et remanent 18 0 -f- 12 nf eqnale (!) scilicet 6^. Et qnia iam per-
uentnm est ad sextam regnlam, nbi 0 -^ -^f assimilantnr^, qnare inxta
preceptnm einsdem procedatnr, et yeninnt 3, yalor '^f et smnma, qnam
habnit C, habet ergo Ä 6 et ^ 9.
Item snnt tres socij, qnomm qnilibet 80 habet .i\r croci, primns bo- ^i- »«o'.
num, secnndns meliorem et tercins optimnm, qni in triplo tantnm dat pro
1 fl, qnantnm secnndns et secnndns dnplo tantnm, quantnm primns, et
omnes tres 100 mercantnr fl. Qneritnr, qnantnm qnilibet dat pro 1 fl.
Pone, qnod primns det 1 nf pro 1 fl, secnndns 2 n(> pro 1 fl, qnia dnplnm
tantnm, qnantnm primns, tercins nero 6 'if, qnia triplnm tantnm, qnantnm
secnndns pro 1 fl. Examinantnr(!) ergo secnndnm regnlam proportionnm,
qnantnm cninslibet 80 yalent J\r
(SO
dicendo
dant 1 fl, qnid 8(0)? Facit <
80
2^
80
^ tt.f\f\ ^
qne simnl addantnr, et erit aggregatum eqnale 100. Qnia nero
550 E. Wappler:
numorator centuplus est ad denominatorem, quare denominator per 100 molti-
plicetur, et erunt 1200 Ct equales 1600^. Dinidatnr ergo secnndam
4
preceptnm septime regnle ^ per cC, et exibunt -r- , valor nf , tantam ergo,
4 8
scilicet — -%-, primus dat pro 1 fl et mercatur 60 fl, secnndus -r- pro fl
24
et mercatur 30 fl, tercius uero -g- , id est 8 --%-, pro 1 fl et mercatur 10 fl.
Qui omnes simul collect! faciunt precise 100 fl, quod foit probandum.
Item quis est et tantum Valens, quantum 6 eins quadrati. Operare
sie et pone, quod ille cC sit 1 cC, et quia tantum valet, quantum 6 eins
quadrati, valet 6 ^, et sie IcC assimilatur 6^. Quare procedatur secundnm
preceptnm regule septime, ubi et assimilatur %^. Minus, scilicet ^, per
maius diuidatur, et patet radix eiusdem cubi, scilicet 6, cuius quadratns
vnus est 36, quorum 6 tantum valent, quantum et eiusdem radicis, quod
fuit quesitum, scilicet 216.
Item est quoddam corpus cubicum tantum valens, quantum 16 eins
latera simul iuncta. Queritur de quantitate eiusdem corporis cubici, et
quantum sit vnumquodque eins latus. Pone, quod latus vnum sit 1 nf,
quod cubicetur, et erit 1 et tantum valens, quantum 16 latera eius. Multi-
plicatur ergo latus, scilicet 1 n^', per 16, et erunt 16 nf equales 1 et- Et
quia iam peruentum est ad octauam regulam, ubi np assimilatur cC, quare
iuxta preceptnm eiusdem procedendo veniunt 4, valor scilicet 1 nf uel
lateris vnius, quorum 16 faciunt tantum, quantum cubicum corpus eiusdem,
scilicet 64. Est ergo 1 latus 4 et quantitas corporis cubici 64, quod fuit
quesitum.
Bi. S61. Item sunt tres quadrati in continua proportione quadrupla, quorum
latus minoris ductum in quemlibet quadi*atum maiorem et producta simul
collecta faciunt 160. Queritur de quantitate lateris minoris quadrati et
consequenter de quantitate vniuscuiusque quadrati seorsum. Operare sie
et pone, quod latus 1 minoris quadrati sit 1 n(>, erit ergo quadratus eius
et minor 1^, quare secundus 4^ et tercius 16^, quia in continua propor-
tione quadrupla. Et quia latus minoris ductum in quemlibet maiorem et
producta simul iuncta faciunt 160, ducatur ergo 1 nf in 4%-, et erunt 4 et.
Ducatur etiam idem latus, scilicet 1 nf in 16%-, et erunt 16 CC. Producta
simul collecta faciunt 20 et equales 160 0. Quia uero iam perventum est
ad regulam 9, ubi 0 assimilatur cC, procedatur ergo secundum preceptnm
regule, et veniunt 2, valor scilicet n(? et lateris minoris, quare quadratus
minor 4, medius 16, tercius autem 64, qui multiplicati per latus minoris
üt producta simul collecta faciunt 160, quod fuit probandum.
Item qui(!) sunt tres quadrati, qui cum suis 4 et tantum ualent,
Zur Geschiebte der deutschen Algebra. 551
quantum iaria latera ynius qnadrati multiplicata per 15. Qnerittir de qnan-
titate lateris ynias quadrati. Operare sie et pone, quod iUi tres quadrati
sint S^j qnibus adde 4 cC, et erant 3^ -f- ^ ^ equales 3 lateribns per 15
mnltiplicatis, id est 45 ^(, Et qnia peraentnm est ad decimam regulam,
nbi nf assimilatur ^ + CC , quare iuxta preceptnm eiusdem procedendo ve-
ninnt 3, valor rei scilicet et ynius qnadrati latus, erit ergo vnas quadratus
9, quare tres 27, et vnus cC eciam yalet 27, valent ergo 4 et 108, qui
tribus quadratis iuncti tantmn yalent, quantum 3 latera per 15 multi-
plicata, scilicet 135, quod fuit quesitnm.
Item sunt 14 quadrati, qui tantum yalent, quantum 2 latera ynius bi. sei'.
quadrati in tres eiusdem lateris quadratos mulitiplicata cum additione 4
latenim. Queritnr de quantitate lateris ynius quadrati. Procede sie et
pone, quod latus ynius quadrati sit 1 n^ quam in se multipliea, erit 1 ^,
qui multiplicatur per 14, et erunt 14^ equales 2 lateribus in tres qua-
dratos ductis. Ponantur illa duo latera 2 nf, que duea(n)tur in S qua-
dratos, id est 3^, et erunt 6 cC, quibus addantur 4 latera, id est 4 n(',
et erit aggregatum 6 cC -f- 4 nf , que equantur 14^. Et quia iam per-
yentum est ad undecimam regulam, quare iuxta preceptum eiusdem operare,
et yeniunt 2, yalor rei id est ynius lateris, quare ynus quadratus erit 4
et 14 56, qui tantum yalent, quantum 2 latera, id est 4, in tres qua-
dratos, id est 12, ducta 4 lateribus iunctis, quod fuit probandum.
Item est quoddam produetnm ex duobus lateribus in 4 quadratos,
quod tantum yalet, quantum partium multiplicantium producta, quorum,
maior, scilicet quadratorum, per 5, altera uero et minor, scilicet laterum.
per 6 multiplicata simul collecta. Queritur de quantitate ynius lateris
Procede sie et pone, quod latus ynius quadrati sit 1 n(>, erit ergo qua-
dratus eins 1^, et quia propositum est, quod 2 latera ducta in 4 quadratos,
quare 1 np multiplicetur per 2 et 1^ per 4, et erunt 2 -if -f- 4%-, que
secundum teuerem propositionis in se inuicem multiplicata faciunt 8 et equales
aggregati(!) ex multiplieatione partium prodietorum, maioris, scilicet quadra-
torum, per 5 et minoris per 6, erunt 12 'vf -f* ^0^ equales 8 et» Et quia iam
peruentum est ad regulam duodeeimam, ubi ^('-f-^ assimilantur cC, fiat ergo
Processus seeundum preceptum eius, et yeniunt 3, yalor scilicet ynius lateris.
Item multiplieaui 2 latera quadrati in 2 quadratos, et proyeniebant bi. s68.
4 et equales multiplieationi ynius quadrati in se ipsum. Queritur de quan-
titate ynius lateris quadrati. Pone, quod ynum latus sit 1 np, quam in se
ipsam multipliea, et proyeniet 1^, scilicet 1 np quadratus. Et quia 2 la-
tera quadrati seeundum teuerem propositionis multiplicata in 2 quadratos
sunt equales multiplieationi ynius quadrati in se ipsum, quare quodlibet
eorum, scilicet 1 nf -j- 1 j-, per 2 multiplicatur, et erunt 2 -^ -|- 2^, que
E, Wappler:
in Be inTicem miiltiplicata pro^ncunt 4 et eqnales maltiplicacicmi vniiu
iin&drati in se ipsnm. Dueatnr ergo 1%- in se, et erit 1 ^%- eqQaleB(!) Ict.
Modo imta preceptura regule tredecime et per j-j- diuidatur, et quocieog,
soilicet 4, ostendit v&lorem rei, scilicet quaDtitatcni vntus lat«m.
Item Bnut 2 latera, que cam in 3 eins et multipHcata fuerint, pro-
ducunt 6%-i- äquales 24 quadratis. Qaeritur de qnantitate rniuB lateris
qnadrati. Pone, quod vnum latus sit 1 if, erit ergo eins quadratus Ij-,
Qula uero dictum est, quod productum ex duobus lateribus in 3 fC tan-
tum valet, quantum 24 quadrati, multiplicatur ergo 1 '^> per 2 et 1 et
per 3, et emnt 2 Tf -j- 3 Cf , que in se inTicem ducta pro(dncunt) 6%-j-
equales 24^, Et quia iam peraentum est ad qu&i-tam decitnam reguka^
quare (inita) preceptnm einsdem procedendo veniunt 2, valor scilicet
lateris.
I'. Item sunt duo quailrati, quonim maior est nonnplus ad radicem qi
drati niinoris, minor nero duplnsuperbiparciens tercias ad latus quadntfj
maioria. Queritur do quantitate laterum vniusouiasque quadrati et con-
aequenter de quantitate quadratomm. Operare sie et pone, qnod latoi
minoris quadrati sit 1 tf, que in se multiplicata prodncit 1^, quadratam
scilicftt minorem. Et quia quadratus maior iuxta tenorem propositioni^
est nonuplus ad latus minoris, erit ergo quadratus maior 9 nf, cnius radii
est • 9 Tf , et quia (juadratn.8 minor, sdlicet Ij-, est duplusuperbiparciens
tercias ad latus maioris qnadrati, mnltiplicatur • 9 Tf , scilicet latus maioris
quadrati, per denominationem proportionis eorum ad inuicem, scilicset
et proveninnt -jp if , cnius radis quadrata est equalis 1 j. Sed quia -^ (ip)
non habet radicem, quia est surdum, quadrentur ergo quantitates es utra-
qnu parte in equacione poaite, vnum per delecionem puncti et alterum in
se muhiplicando, et proveniunt -^ Tf et l^^inter se eqnalia. Fiat ergo
Processus iuxta preceptnm quinte decime regule, ubi -if assimilatnr ^^ , et
veniunt 4, valor scilicet lateris quadrati niinoris, cuius quadratus est 16
duplus superbiparciens tercias ad latus quadrati maioris. Diuidator ergo
quadratus minor per denominationem proportionis ad latus maioris, et pro-
ueniunt in quociente 6, quantitas scilicet lat«ris quadrati maioris, quod in
se multiplicatum facit 36, scilicet quadratum maiorem, qui est nonnplus
ad latus qnadrati minoris, scilicet ad 4, quod fnit quesitum.
lU^m productum ex tribus lateribus in 4 quadratos additum producto
mins quadrati in se ipanm eqnnm est ei, quod provenit ex raultiplieatione
9 in 5 quadratos. Queritur de quantitate lateris vnius quadrati. Pone, •
qood latus vnum sit 1 if, erit ergo quadratus eins 1^, et quia c
nraii. rone, m
quia dictaii|M
Zar Geschichte der denischen Algebra. 553
est in propositione, 3 latera qnadrati in 4 qnadratos ducta et productum
additam mnltiplicationi vnins qnadrati in se ipsum eqnom est ei, qnod
provenit ex dnctn 5 qnadratorom in 9, snnt ergo ista 3 latera 3 -if et 4
qnadrati 4^, qne in se inyicem dncta proYeniant(I) 12 CC, qni mnltiplicationi
ynius ^ in se, id est 1^^, additi facit(!) aggregatnm 12 CC -^ ^%^ eqnale
mnltiplicationi 5 qnadratomm in 9, id est 45^. Et qnia iam perventnm est
ad regolam 16, nbi scilicet et -f- %-%- assimilantnr ^, quare inxta preceptnm
einsdem procedatnr, et veninnt 3, yalor scilicet vnins lateris, erit ergo
vnus qnadratus 9.
Item aggregani qnadratom mnltiplicationi einsdem in se, et erat aggre- bl 868.
gatom eqnale mnltiplicationi prioris qnadrati in 4 eins latera — 7 qna-
dratis. Qneritnr de qnantitate lateris einsdem qnadrati. Operare sie et
pone, qnod latns illud sit 1 n(^, erit ergo qnadratns eins 1^, et qnia secnn-
dnm tenorem propositionis qnadratns ille mnltiplicationi eins in se additus
dncatnr ergo 1 ^ in se, et erit 1 ^^, cni addatnr 1 ^, et erit aggregatnm
1 i-i-~f- 1^ eqnale mnltiplicationi einsdem qnadrati in 6 eins latera, et qnia
1 latns est 1 ^, emnt ergo 6 latera 6 n(^, qne in 1^ dncte prodncnnt
6 CC, et sie 1^^ -f- 1%- eqnalis(!) G et — 7 qnadratis, id est 7^. Bestau-
rantnr ergo 7%^ ex ntraque parte addendo, et proneninnt ex yna parte
1 %^%- H~ 3^ eqnales 8 et- Et qnia iam pementnm est ad regnlam septi-
mam decimam, nbi %^ — |- %^ assimilantnr CC, fiat ergo processns inxta pre-
ceptnm einsdem, et veninnt 4, valor vnins lateris, qnare 1 qnadratns
erit 16.
Item est qnadratns, qni in se dnctns tantnm valet, qnantnm tres cnbi
cnm qnadrati qnadmplo inncti. Qneritnr de qnantitate lateris illins qna-
drati. Pone, qnod illnd latns sit 1 nf, cnins qnadratns est 1^, qni in se
ductns secnndnm tenorem propositionis procreat 1 ^^ tantnm valens ex
ypothesi, qnantnm 3 et cnm qnadmplo prioris qnadrati, id est cnm 4^,
erit ergo 1%^ eqnalis 3 cC -^ 4^. Et qnia iam pementnm est ad octanam
decimam regnlam, nbi cC -f- ^ assimilantnr ^^, qnare inxta preceptnm regnle
procedendo veninnt 4, valor scilicet lateris qnadrati.
Item est qnadratns, qni tantnm valet, qnantnm radix de 27 lateribns. bl ses'.
«.Qneritnr de valore vnins lateris. Pone, qnod latus sit 1 nf , cnins radix
• -^t • 1 'if , et qnia mentio facta est in propositione de radice (de) 27 n(',
[ it ergo radix (de) 27 np • 27 -if eqnale (!) vni qnadrato, id est vni ^. Iam
u'o perventnm est ad regnlam nonam decimam, nbi ^ assimilatnr radici
'if. Procedatnr ergo secnndnm preceptnm einsdem, et veninnt 3,
'or radicis vnins scilicet nf, qnare qnadratns illis radicibns simnl coUectis
alis erit 81(1), qnod foit propositnm.
Item snnt 3 qnadrati, qni cnm simnl aggregati tantnm valent, qnantnm
554 £• Wappler: Zar Geschichte der deutschen Algebra.
radix quadrata de 36 qoadratis simul innctis. Queritor de yalore ynios
qnadrati et radice eiusdem. Procede sie et pone, qnod Uli tres quadrati
simul collecti sint 3^, qui suut equales radici quadrate de 36 qoadratis,
quare 3^ sunt equales «36^. Et quia^ assimilatur • ^, quare iuxta pre-
ceptum vicesime regale fiat processus, et yeniuut 2, radix quadrata (!) uel
latus ynius quadrati, erit ergo vnus quadratus 4, et tres simul collecti 12
equale(!) radici quadrati (!) 36 quadratorum simul iunctorum, quod fuit
propositum.
Bi. 864. j^Qjjj g^ß^ ^ijQ quadrati, quorum differencia est 24, et si radix ynios
in radicem alterius ducta fuerit, illud, quod provenit, equale est 35 0.
Queritur de quantitate lateris ynius quadrati et minoris. Operare sie et
pone, quod quadrati minoris latus sit 1 -;(', erit ergo quadratus minor 1 ^.
Et quia differencia quadratorum est 24, quare quadratus maior est 1 §- -f- ^^i
cuius radix est • 1 ^ — |- 24. Ducatur ergo radix ynius in radicem alterius
uel 1 nf in • 1 ^ -j- 24, quadrando prius ex utraque parte, et erit ex yna
parte 1^ et ex alia parte 1^ -f~ ^4, que in se inuicem ducta faciunt 1§-^
+ 24^ equales 35jE^(!). Et quia prius partes sunt equale(8), per ynius-
cuiusque multiplicacionero in se equetur et j^^ in se multiplicando , et sie
1^^ -f~ ^^^ sunt equales 1225 0. Fiat ergo processus iuxta preceptum
yicesime secunde regule, et yeniunt 5, latus scilicet minoris quadrati.
yn
PIERRE FERMATS STREIT MIT JOHN WALLIS,
EIN BEITEAG ZÜB GESCHICHTE DER ZAHLENTHEOßlE.
VON
OUSTAV WERTHEIM,
PBOntUOK AH DSB ft]KAI<flCHTTI«B. DBK nKAUiXTIBOHSV OXHaiHDX SD PRAncrVBT AM MAUT.
§. 1. Hntmafsliclie Yeranlassnng des Streites.
Im Jahre 1655 war die Ärithmetica Infinitomm von John Wallis^)
erschienen, ein Werk, das auf rein rechnerischem Wege Quadraturen und
Kubaturen ausführt^ die vorher mehr durch geometrische Betrachtungen
erstrebt worden waren ^. Pierre Fermat') erhielt ein Exemplar dieses
Buches durch den englischen Edelmann Eenelm Diobt^) mit dem Ersuchen,
sein Urteil über dasselbe abzugeben. Da Digby im Sommer 1656 in
Toulouse war, also wahrscheinlich mit Fermat persönlich verkehrte, so
ist anzunehmen, dass er ihm das Exemplar selbst überreicht hat. Fermat's
Urteil über das Werk ist in dem Brief an Digbt vom 20. April 1657 ent-
halten^). Fermat legt dar, daXs er die von Wallis erhaltenen Resultate
über die Quadratur der Parabeln und der Hyperbeln schon viele Jahre vor-
her gefunden und dem Torricelli^) mitgeteilt habe. Hierauf und auf die
Aasstellungen, die Fermat an dem Werke macht, soll hier nicht ein-
1) Jomr Wallis (1616 — 1703) studierte in Cambridge Theologie, war anfangs
Prediger in London, wurde 1649 Professor der Geometrie in Oxford. Als Kabl U.
1660 den Thron bestieg, ernannte er Wallis, der ein treuer Anhänger Eabl'b I.
gewesen war, su seinem Kaplan.
2) Eine treffliche Würdigung der Vorzüge und Mangel dieser Schrift giebt
Cavtob in seinen Vorlesungen Bd. 11 S. 822 u. flgde.
3) PnEBBs Fbbmat, einer der bedeutendsten französischen Mathematiker, wurde
1601 in Beaumont de Lomagne bei Toulouse als Sohn eines Lederhändlers
geboren. Er studierte Jurisprudenz und wurde 1631 Parlamentsrat in Toulouse.
Er starb 1663 in Gastres, einem unweit Toulouse gelegenen Städtchen.
4) KwKKLU DioBT, geboren 1603 in London, gestorben ebenda 1666, ältester
Sohn des wegen Teilnahme an der Pulververschwörnng hingerichteten Sir Eybrabd
DioBT, stand in den politischen und religiösen Kämpfen, die sich in England ab-
spielten, bald auf der einen, bald auf der anderen Seite und war deshalb öfters
genötigt, England zu yerlassen.
6) Brief IV des (Jommercium epistolieum Ton Wallis. Die Parteien korre-
spondierten nicht direkt mit einander, sondern schrieben an Diobt, der die Briefe
der einen Partei der andern übermittelte. Für die Briefe aus und nach England
diente dabei noch als Zwischenperson der englische Priester Thomas White.
6) Etabohlibta Tobbicelli, geb. 1608 in Faenza, gest. 1647 in Florenz als
Professor der Mathematik, der Erfinder des Barometers (1643).
558 Gustav Wertheim:
gegangen werden. Ich will nur hervorheben, dafs die Darstellimgsweise
des Wallis, der mehrfach von anderen bereits hergeleitete Sätze nochmals
durch Induktion findet und dann, ohne einen Beweis zu yersnehen, für all-
gemein gültig annimmt, dem an die Strenge der Alten gewöhnten Fermat
im höchsten Grade unsympathisch sein musste. Femer gehörte Wallis
einem Volke an, dessen Beziehungen zu Frankreich grade damals — in
Frankreich herrschte Ludwig XIV., in England Oliver Cromwell — aus
nationalen und religiösen Gründen äuTserst gespannt waren. So erklärt es
sich, dass Fermat zu dem Entschluss kam, seine Kräfte mit Wallis in
einem Zweikampf zu messen, und es kann uns nicht wunder nehmen, dass
er hierfür ein Gebiet wählte, auf welchem er sich besonders stark fühlte.
Ich werde im Folgenden versuchen, diesen Kampf in seinen Hauptzügen
und unter Beschränkung auf die gestellten zahlentheoretischen Aufgaben zu
schildern.
§. 2. Die beiden ersten Angaben Fermaf s und die Gegenanfgabe des
Wallis.
Am 3. Januar 1657 erliess Fermat folgende Herausforderung: „Dem
Wallis und den übrigen englischen Mathematikern wird folgende nume-
rische Aufgabe gestellt:
1. Einen Kubus zu finden, der, wenn man ihn zur Summe seiner
aliquoten Teile addiert, ein Quadrat giebt.
Ein solcher ist z. B. 343 = 7'; die aliquoten Teile dieser Zahl sind
1, 7, 49, und wenn man 343 zu ihrer Summe addiert, so erhält man
400 = 20^. Es wird ein anderer Kubus verlangt, welcher dieselbe Eigen-
schaft hat.
2. Man verlangt ebenso eine Quadratzahl, die, wenn man sie zur
Summe ihrer aliquoten Teile addiert, einen Kubus giebt.
Ich erwarte die Lösung dieser Aufgaben. Wenn weder England, noch
das belgische oder keltische Gallien sie liefert, so wird das narbonensische
Gallien sie geben und dem Herrn Digby als Zeichen wachsender Freund-
schaft widmen."
Diese Herausforderung wurde durch White dem Lord William
Brouncker'') in London übermittelt. Brouncker erhielt sie am 14. März
und schickte sie gleich den folgenden Tag an Wallis nach Oxford. In
7) Lord William Broitncker (1620—1684) erhielt 1660 in Folge seiner Unter-
zeichnung der Erklärung englischer GrofBen zu Gunsten Kasl*8 H. das Amt eines
Kanzlers und Grofssiegelbewahrers der Königin. 1662 wurde er erster Priksident
der UoydX Society, in welche er als eins der ersten Mitglieder getreten war.
♦ /
Pierre Fermat*8 Streit mit John Wallis. 559
dem Begleitschreiben^ spricht er die Hoffnimg aas, Wallis werde die
beiden Aufgaben, die schwieriger seien, als es auf den ersten Anblick
scheine, schnell lösen und ihm die Lösung mitteilen.
Wallis antwortete schon am 17. März^), die gestellten Aufgaben
seien Ton der Natur der Aufgaben über vollkommene, überschieiBende und
mangelhafte Zahlen ^^); er sei zur Zeit mit anderen Dingen beschäftigt, so
dafs er sich der Sache nicht widmen könne. Für den Augenblick gebe er
die Antwort, daüs die Zahl 1 beiden Aufgaben genüge. Er hatte trotzdem
die Divisoren-Summen^^) für einige der ersten Zahlen bestimmt und dabei
gefunden, dafis sowohl 1 4" ^ + 25, als auch l + 2-(-4 + 8 + 16 gleich
31 ist. Er stellte daraufhin die Gegenaufgabe:
Es sollen zwei Quadratzahlen (wie 16 und 25) von der Beschaffenheit
bestimmt werden, daüs die Divisoren-Summe der einen gleich derjenigen der
andern sei.
Brouncker hatte sich ebenfalls mit den beiden Aufgaben und mit
einer inzwischen eingetroffenen dritten Aufgabe Fermat's, von der weiter-
hin die Bede sein wird, beschäftigt und seine Lösungen in zwei englisch
geschriebenen Briefen an Fermat gesandt^^). Fermat, der der englischen
Sprache unkundig war, liefs sich die Briefe von einem in Toulouse weilen-
den jungen Engländer übersetzen. Dieser war aber mit dem Gegenstande
nicht vertraut, und daher wollte Fermat kein sicheres Urteil über Broungker's
Lösungen abgeben. Er glaubte aber, Brouncker habe die Sache zu leicht
genommen, und seine Lösungen seien ungenügend; in den Aufgaben werden
Lösungen in ganzen Zahlen verlangt, nicht, wie Brouncker meine, in blofs
rationalen Zahlen. Da Brouncker keine Abschrift seiner Briefe zurück-
behalten hatte, so ist ihr Wortlaut nicht bekannt geworden. Ihr Inhalt ist
in dem Briefe enthalten, den Wallis am 7. Oktober 1657 an Digbt ge-
schrieben hat^^). Danach hat Brouncker für die beiden ersten Aufgaben
aufser der Zahl 1 auch noch die Brüche -^ und fOi die erste Aufgabe
348 *
auch — ^ angegeben, wo a jede ganze Zahl sein könne.
DiQBY hatte die FERMAT^schen Aufgaben auch dem in Paris, am Münz-
amte angestellten Bernard Frenicle de Bessy (1605 — 1675) gegeben,
der, ohne Mathematiker zu sein, sich aus Liebhaberei mit Zahlentheorie
8) Comifi. ep. I. 9) Comm. ep, II.
10) Eine Zahl heifst vollkommen, überschiefsend oder mangelhaft, je nach-
dem sie gleich der Somme ihrer aliquoten Teile oder kleiner oder gröfser als
diese ist.
11) Die Divisoren-Summe umfafst s&mtliche Divisoren, anch die Zahl selbst;
bei der Somme der aliquoten Teile einer Zahl ist die Zahl selbst wegzulassen.
12) Comm, ep, XI. 13) Chmm. ep. IX.
560 Gastay Wertheim:
beschäftigte und in diesem Gebiet fCbr nngemein tüchtig gehalten wurde ^^).
DaJjs, wie Paul Tanneky (Oeuvres de Fermat II, p. 3S2) annimmt^ Febmat
die Aufgaben dem Frenicle auch direkt brieflich mitgeteilt habe, ist mög-
lich, aber — wenigstens soweit die beiden eisten Aufgaben in Betradit
kommen — nicht erwiesen. Fremicle übergab dem Überbringer der Anf-
gaben sofort 4 Lösungen und sandte den nächsten Morgen weitere 6. Er
behandelte dann beide Aufgaben und die Gegenaufgabe des Walus in
einer besonderen Schrift, von der trotz vieler Bemühungen leider kein
Exemplar aufzufinden ist. Der Titel ist nach Wallis: SoluUo duorum
prohlematum circa numeros cuhos et quadratos, quae tanquam insdvbüin
tmiversis Eurapae maihematicis a darisaimo viro D. Fermat sunt pro-
posUa dt a D. B. F. D. B.^^) inventa. Parisiis apud Johannem Lang-
Lois. 1657. Der Inhalt deckt sich ohne Zweifel mit dem, was Wallis
in seinem am 14. März 1658 an Digby gerichteten Briefe ^^) und später
1685 im vierten Kapitel (D. Fermatu prohlemaia de divisaribus et parUtms
aUquotis) seiner Arbeit De combinatiombus , aUemaUanibus et partibus aU-
quotis tradatus veröffentlicht hat. Die Lösung der Aufgaben setzt die
Bildung einer möglichst weitgehenden Tabelle fär die Divisoren-Summe der
Quadrat- und ebenso der Eubikzahlen voraus. Da die Divisoren-Snmme
des Produkts zweier teilerfremden Zahlen gleich dem Produkt der Divisoren-
Summen der Faktoren ist, so sind in die Tabellen nur die Primzahlen und
deren Potenzen aufzunehmen. In der letztgenannten Arbeit des Walus
erstreckt sich die Tabelle filr die Quadratzahlen bis 499, die für die Knben
bis 199. Frenicle hatte jedenfalls viel weiter gehende Tabellen ^^. Eine
Lösung der ersten pERMAT^schen Aufgabe wird danach auf folgende Weise
erhalten: Nach der Tabelle ist die
Summe der Divisoren von
11 11 11 11
11 11 11 n
11 11 11 11
11 n 11 11
11 11 11 11
5» gleich
2». 3. 13.
11*
^^ 11
2». 3. 61.
13» „
2». 5. 7. 17.
27» „
2», 11». 61.
41» „
2». 3. 7. 29*.
47» „
2». 3. 5. 13. 17.
14) Am 12. Dezember 1657 schreibt Diobt an Fbrkat {Oeuvres de Fojut
T. n. p. 362), Fbbnicle wolle sich über nichts anderes mehr mit ihm unterhalten als
über mystische Theologie und seine Gedanken über den freien Willen und die Vonuu-
bestimmuDg; er gebe so den Rang eines der gröüsten Mathematiker des Jahifaimderiif
den er einnehmen könnte, gegen den eines der unbedeutendsten Theologen aaf.
16) Dominus Berhabd Frbhiolb de Bebst. 16) Chmim. ep. XXHI.
17) Das spricht auch Bbounokee in seinem Briefe an Wallis vom 16. April
1668 aus. Ccmm. ep. XXX. Eine zweckmSXsig angeordnete Tabelle giebt Euudi
in seiner Arbeit: Be wumeris anUcabüibus (Chmm, arithm. I, S. 102).
Pierre Fermat's Streit mit John Wallis. 561
Somit ist die Summe der Divisoren von [5. 11. 13. 27. 41. 47]'
gleich 2^«. 3*. 5». 7«. lll 13». 17l 29^ 6lS d. h. es ist ein Kubus er-
mittelt, dessen Divisoren-Summe ein Quadrat ist.
Ähnlich sind die zweite Aufgabe und die Oegenaufgabe von Wallis
zu behandeln, von welcher letzteren Frjsnicle eine groüse Anzahl Lösungen
giebt^). Daus man die Aufgaben auf diese Weise in Angi^fT zu nehmen habe,
scheint Wallis erst aus der Schrift des Freniolb gelernt zu haben; er giebt
auch vor dem 25. März 1658 keine Lösungen, die nicht schon Frbniclb gegeben
hätte. Dafür reitet er aber fortgesetzt auf der Lösung 1 herum ^') und sucht
namentlich Digbv, der zwar ein philosophisch gebildeter Mann aber kein Mathe-
matiker war, weifszumachen, dafs er thatsächlich Fermat's Forderungen erfüllt
habe; denn Fermat habe ausdrücklich nur eine Lösung (aufser 343) der ersten
Aufgabe und überhaupt nur eine Lösung der zweiten Aufgabe verlangt, und
eine solche (für beide Aufgaben 1) habe er gegeben. Ebenso verteidigt er
die von Brouncker gegebenen wenig besseren Lösungen — g~ ^^^ ~~ei ^^
Betreff welcher er eine lebhafte Auseinandersetzung^} mit Frenigle über
die Frage hat, ob man bei einem Bruch überhaupt von aliquoten Teilen
sprechen könne, und welches eventuell diese Teile seien.
Daneben betont er wiederholt, solche zahlentheoretische Aufgaben seien
nicht wert, dafs man Zeit darauf verwende, und er muTs sich von Freniclb
(Brief vom 3. Febr. 1658)'^) sagen lassen, er möge nicht Probleme, die er
trotz vieler Bemühungen nicht lösen könne, für wertlos erkl&ren, und es
schicke sich für einen Professor der Mathematik am allerwenigsten, die Be-
rechtigung einer wissenschaftlichen Th&tigkeit nach ihrem praktischen Nutzen
zu bemessen. Auch Fermat spricht (Brief vom 7. April 1658) seine Yer-
wunderung darüber aus'^, dafs Wallis fortfahre zu verachten, was er
nicht verstehe. Übrigens scheint Wallis mit seiner Lösung wenig Beifall
bei seinen Fachgenossen gefanden zu haben. Johann Bernoulli führt sie
noch 40 Jahre spftter in seinem Briefe an Leibniz vom 3. April 1697 als
bekanntes Muster einer nichtssagenden Lösung an^').
§ 3. Die dritte Fermatsche Aufgabe.
Sobald Frenigle die beiden von Fermat gestellten Aufgaben gelöst
hatte, scheint dieser die Sache, auf die er vielleicht von Anfang an kein
18) Camm. ep. XXXI. 19) Comm. ep. VE, XVI, XVIII, XXIII.
20) Canm. ep, XXII, XXIII. 21) Camm, ep. XXII.
22) Chmm. ep, XXXVn.
28) LuBNiTU et BsRNouLLii Commercium pkilos. et maih, I, p. 263.
Abh. «ur 0««ch. d. Mfttbem. IX. 89
562 Onstar Weriheim:
grofses Gewicht gelegt hatte, als erledigt angesehen zu hahen. In der That
war es leicht, auch wenn die Schrift von Fremiclb nicht das eingeschlagene
Verfahren sondern nur die Besnltate enthielt, diese letzteren zu analysieren
und dadurch die LOsung zu erhalten. Ferm at stellte jetzt eine dritte Anf-
gahe, die ich ihrer grofsen Bedeutung^) wegen in wörtlicher Übersetzung
folgen lasse:
„Es giebt kaum Jemand, der rein arithmetische Aufgaben stellt, kanm
Jemand, der sie zu lösen versteht. Ist der Grund yielleicht der, daüs die
Arithmetik bis heute mehr geometrisch als arithmetisch behandelt worden
ist? Denn das ist in den meisten Werken der Fall, sowohl in denen der
Alten wie in denen der Neueren, ja sogar im Diophakt, der sich doch
weiter als die übrigen von der Geometrie entfernt hat, indem er seine Ana-
Ijse auf die Betrachtung blofs rationaler Grö&en beschränkte. Dals aber
dieses Gebiet auch nicht ganz von der Geometrie befreit ist, zeigen hin-
länglich die Zetetica des Vieta, in denen Diophant's Methode auf die stetige
Gröfse, also auf die Geometrie ausgedehnt wird."
„Indessen hat die Arithmetik ein ihr eigenes Gebiet, die Theorie der
ganzen Zahlen. Diese Theorie ist von Euklid in seinen Elementen nur
schwach skizziert und von seinen Nachfolgern nicht genügend ausgebaut
(wofern sie nicht in denjenigen Büchern Diophant's verborgen ist, deren
uns die Ungunst der Zeit beraubt hat). Die Arithmetiker haben sie also
zu entwickeln oder zu erneuern."
„Um den Weg zu erhellen, schlage ich ihnen vor, den folgenden Satz
zu beweisen, resp. die in demselben enthaltene Aufgabe zu lösen. Wenn
sie das fertig gebracht haben, werden sie mir zugeben, dals Fragen dieser
24) Die Gleichung, deren Lösung den Gegenstand dieser Au^be bildet,
wird bedauerlicher Weise noch immer nach dem Engl&nder Pell benamity der
«ich durchaus kein Verdienst um dieselbe erworben hat (vergl. Cabtob, Vor-
lenungen II. S. 708). Noch in der neuesten (1894) Auflage der „Vorlesungen über
Zahlentheorie'* von P. G. LsjEum Dixichlkt heifst es S. 201: „Fermat hat diese
Gleichung den Mathematikern zuerst vorgelegt, worauf ihre Lösung von dem
Engländer Pell angegeben wurde." Auch die historischen Bemerkungea über
die Qleichung, welche BAcmLum S. 189 seiner „Elemente der Zahlentheorie'' u
Anlehnung an Gaübs, Disquisitiones 202 giebt, sind nicht einwandfrei. Die Maische
Benennung rührt, wie es scheint, von Eulbb her, der bei verschiedenen Gelegen-
heiten die Lösung der Gleichung Pell zuschreibt; so z- B. sagt er in seiner
„Vollst. Anleitung zur Algebra" 11. Teil II. Abschnitt 7. Kapitel: „ffierzn hat vor-
mals ein gelehrter Engl&nder, namens Pell, eine ganz sinnreiche Methode erfun-
den, welche wir hier erkl&ren wollen.** Es dürfte nachgerade Zeit sein, die
Gleichung nach dem Manne, der zuerst ihre Bedeutung erkannt hat, die FESKAi'scbe
SU nennen.
Pierre FermaVs Streit mit John Wallis. 563
Art weder hinsichtlich der Feinheit, noch der Schwierigkeit, noch der Beweis-
art den herühmtesten AuPgahen der Geometrie nachstehen."
„Für jede gegehene Zahl, die keine Quadratzahl ist, gieht es unendlich
viele Quadratzahlen von der Beschaffenheit, dafs das Produkt einer jeden
in die gegebene Zahl bei Addition der Einheit eine Quadratzahl wird/^
„Beispiel. Es sei die Zahl 3, die keine Quadratsahl ist, gegeben.
Wenn man dieselbe mit der Quadratzahl 1 multipliziert und zum Produkte
1 addiert, so erhält man 4, eine Quadratzahl. Wird dieselbe Zahl 3 mit
der Quadratzahl 16 multipliziert und zum Produkt 1 addiert, so erhält
man 49, eine Quadratzahl. Statt 1 und 16 kann man unendlich viele
andere Quadratzahlen finden, welche dasselbe leisten. Ich fordere aber eine
allgemeine Regel, die sich auf jede gegebene Zahl, welche keine Quadrat-
zahl ist, anwenden l&fst. Es möge z. B. die Quadratzahl bestimmt werden,
deren Produkt in 149 oder in 109 oder in 433 u. s. w., bei Addition von 1
eine Quadratzahl wird.''
Der Schreiber Digby's, welcher die für Brouncker bestimmte Abschrift
anfertigte, mag die Einleitung der Aufgabe, welche ausdrücklich die For-
derung ganzzahliger Lösungen stellt, für unerheblich gehalten und deshalb
weggelassen haben. So erklärt es sich, dafs Brouncker und nach ihm
Wallis meinten, es seien nur rationale Lösungen verlangt, und da& beide
demgemäTs die Aufgabe auf die von Diophakt an sehr vielen Stellen an-
gewandte Art behandelten. Soll nämlich die Gleichung oa?* + 1 = y* nur
in rationalen Werten gelöst werden, so liefert die Annahme ax^ -f- 1
= (1 — rxf durch eine leichte Entwicklung x = , , x^ = 7-%-^^—^% i
oder wenn t^ ^= q^ r* — a=^d gesetzt wird, ä;*=^, und das ist die
Lösung, die Brouncker nach Paris schickte.
Wallis hatte, wie er Digb¥ schreibt^), am 13. Sept. 1657 nur ganz
allgemein gehört, dafs Ferhat eine dritte Aufgabe gestellt, und dafs
Brouncker sie gelöst habe. Er sendet in demselben Briefe eine Aufgabe,
die DiOBY an Fermat übermitteln möge. Diese Aufgabe ist scwar nicht
zahlentheoretiseher Natur, sie möge aber doch hier einen Platz finden; denn
es ist nicht ohne Wert fiir die Beurteilung des Wallis zu sehen, was er
einem (Gegner wie Fermat zu bieten wagte. Es soll -folgender Satz be-
wiesen werden:
Ein von zwei parallelen Ebenen begrenzter Pjramidenstumpf habe als
gröfsere Basis das Quadrat über der Strecke A, als kleinere Basis das
Quadrat über der Strecke E^ als Höhe die Strecke F. Konstruiert man nun
26) Conm. ep, VII.
86'
564 Gustav Wertheim:
einen Winkel von 120^, macht dessen Schenkel heziehimgsweise gleich J^xind E
und legt den Kreis durch die so bestimmten drei Punkte, so ist das Produkt
aus der Höhe F in das Quadrat des Radius dieses Kreises gleich dem
Volumen des Pyramidenstumpfes.
Es ist begreiflich, dafs Ferhat, der sich überhaupt vor schriftlichen
Auseinandersetzungen scheute, mit dieser Schüleraufgabe seine Zeit nicht
verlieren wollte. Auch war er damals amtlich sehr in Anspruch genommen:
Er hatte einem Gerichtshofe zu pr&sidieren, der über einen wegen Amts-
mifsbrauch angeklagten Priester zu entscheiden hatte. Der Priester wurde
zum Feuertode verurteilt und das Urteil, das grofses Aufsehen erregte, auch
vollzogen. Diese Angelegenheit, schreibt Dioby, würde für jeden anderen
eine Entschuldigung sein; sie sei es aber nicht für Fermat, der in allem,
was er unternehme, unglaublich lebhaft und durchdringend sei. Da Fermat,
so oft er ihn nach dem Satz gefragt habe, immer nur mit Lobsprüchen
geantwortet habe, aber nicht mit dem Beweis herausgerückt sei, so könne
er auf den Beweis durch Fermat nicht mehr rechnen; er werde also, wenn
er demnächst nach Oxford komme, Wallis selbst darum bitten ^^). Dieser
giebt ihm den Beweis in seinem Briefe vom 10. M&rz 1658^^).
Erst am 21. Sept. 1657^) erhielt Wallis durch Brouncker die dritte
Aufgabe Fermat's und die Lösung, die Brodncker nach Paris gesandt
hatte, und die dem Fermat schlecht übersetzt worden war. In seinem
Briefe an Digby vom 7. Okt. 1657*^) wiederholt Wallis wohl in Brouncker's
Auftrag dessen Lösung und giebt als eigene Lösung der Gleichung
aa;* -j- 1 = D den Ausdruck
^ ^ tP«_..
welcher ebenfalls nach Diophamt's Methode gefunden wird und durch die
48 8
Annahme p = 1 in rc = ^- ■ = -- -« , also für s = 2r in
b - "
X = , , d. i. in den BROUNCKER^schen Ausdruck übergeht.
Fermat war natürlich mit Brouncker's Lösung, die jeder Anf&nger
in der Arithmetik geben könnte, nicht zufrieden, und stellte (Briefe vom
6. Juni und 15. August 1657)^) andere Aufgaben, bei denen er sich mit
Lösungen in rationalen Zahlen begnügen wolle. Diese neuen Aufgaben
sollen den Gegenstand des folgenden Paragraphen bilden.
Als Brouncker erfuhr, dafs Fermat nur Lösungen in ganzen Zahlen
verlangt hatte, schrieb er an White, er möge den Brief des Wallis vom
2Gj Comm. ep. XXI. 27) Comm. ep. XXIII. 28) Comm, ep, VIII.
29) Cotnm, ep, IX. 30) Comm. ep, XI, XII.
Pierre Fermat^s Streit mit John Wallis. 565
7. Oktober 1657 zurückhalten; von diesem Schritt setzte er auch Wallis
mit dem Bemerken in Kenntnis, er wolle sich nfther mit der Aufgabe be-
schäftigen. In der That konnte er schon am 1. November 1657'^) dem
Y^ALLis das Bildungsgesetz der Reihe mitteilen, welche fßr jedes gegebene
a alle ganzzahligen Losungen der Gleichung as? -f- 1 = D liefert, sobald
die beiden kleinsten bekannt sind. Brouncker giebt diese Beihe für 15
Beipiele, von denen eins hier folgen möge:
Für 3x* + 1 = D ist die Reihe 1 • S-^ • S^- • 3^ • 3^^ • • • • ,
d. h. die Werte von x, welche 3x' -^^ 1 zu einem Quadrat machen, sind ;
1, 1 • 34- = 4, 1 . »4- • ^4^ = IS, 1 • 34- • 34- • 3J4 «=5iB,
1 1 4 14 10.
Was die BilduDg dieser offenbar durch Induktion gefundenen Reihe betrifft,
so sollten die beiden ersten Glieder durch Probieren aus dem Ausdruck,
der die Aufgabe in rationalen Zahlen löst, gefunden werden, die folgenden
nach der Regel: Der Z&hler jedes Bruches ist gleich seinem Nenner ver-
mindert um den Nenner des vorhergehenden Bruches, und jeder Nenner ist
gleich dem Z&bler des (unechten) Bruches, den man durch Einrichten der
vorhergehenden gemischten Zahl erhält.
Später fand Brouncker, dafs der kleinste Wert von x zur Bestimmung
aller übrigen genüge, dafs, wenn a^*+ l ==^* ist, auch a (2 |tj)' -(-1=G
sei; in der That ist dann
a (2 Irif + 1 = 4 aS^ (a|« + 1) + 1 = (2 a|« + l)\
Er gab weiter noch andere ''), aus dem Obigen leicht herzuleitende Aus-
drucke für die Reihe der Werte von x, Ist x = |, ^ = 17 die kleinste
Lösung der Gleichung ax^ + 1 = y* und wird t^' ^^2 fi gesetzt, so sind
die Werte von x • ,
I, W. I (ij" - 1). I in" - 2 n'\ i (»j'* - 3 »»'» + 1),
l(V»-4V» + 3V), l(V'-5V* + 6V*-i),-.-5
darin sind die Koeffizienten der ersten Glieder in den Klammern 1, die
der zweiten die Reihe der natürlichen Zahlen, die der dritten die Dreieck-
zahlen 1, 3, 6, 10,.., die der vierten die Pjramidalzahlen, d. i. (die
Summen der Dreieckzahlen) 1, 4, 10, 20, . . .; u. s. w. Für die Berech-
nung am einfachsten sind die folgenden, ebenfalls von Brouncker ge-
gebenen Ausdrücke, in denen $1; Ig, • • • die Werte von x bedeuten und
^ wieder = 2 iy ist. Es ist
Si = In S« =''»?'li) Is = nU — lu li = ^'^8 — 5a» ^6 = nU — Ss)
So z. B. hat die Gleichung 2 a;* -|- 1 = y* die kleinste Lösung « =« 2, y = 3.
31) CbfRm. ep. XIV. 32) Comm. ep. XVII.
566 GastaT Wertheim:
Es ist also gl = 2, ty' = 6, und man erhÖt Si = 2, g^ = 6 • 2 = 12.
13 = 612 — 2 = 70, 1^ = 6-70 — 12 = 408, |j, = 6 • 408 — 70 = 2378,
g^ = 6 • 2378 — 408 = 13860,
Es war also nur noch ein sicheres Verfahren zur Ermittlung der
kleinsten Lösung zu finden. Auch das gelang Brouncker, und Wallis
giebt eine Darstellung desselben in den Briefen vom 17. Dezember 1657
und 30. Januar 1658^'). Euler hat dasselbe mit gewohnter Klarheit
auseinandergesetzt^). Hier sei nur bemerkt, dafs das Verfahren sich mit
dem von Lagrange gefundenen, auf der Theorie der periodischen Ketten-
brüche bembenden im wesentlichen deckt.
Damit war die dritte von Fermat gestellte Aufgabe gelöst; freilich
war der Beweis noch nicht erbracht, dals das dargelegte Verfahren in allen
Fällen zum Ziele führen müsse ^^). Die Lösung war in der Hauptsache
Yon Brouncker gefanden. Wallis hat nur die ihm brieflich oder münd-
lich mitgeteilten Gedanken Brouncker's zu Papier gebracht. Einen wesent-
lichen Anteil an der Sache nimmt Wallis gar nicht in Anspruch. Viel-
mehr erklärt er in dem Brief an Digbt vom 26. Dezember 1657*^, dafs
Brouncker das Hauptverdienst zufalle, und er beglückwünscht diesen in
dem Briefe vom 30. Januar 1658^^), dafs er den Ruhm, den die Engländer
vordem im Kampfe mit den Franzosen gewonnen, unbefleckt bewahrt und
gezeigt habe, dafs Englands Streiter in den Wissenschaften ebenso stark
wie im Kriege seien.
Wallis, trotz seiner theologischen Studien ein recht weltkluger Mann,
hielt es nicht für angezeigt, den Franzosen auf einmal zu enthüllen, dafs
Brouncker die Lösung der dritten Aufgabe vollständig gelungen war. Am
1. Dezember 1657^) schrieb er diesem, Fermat habe ja nur unendlich
viele, nicht alle Lösungen verlangt, und es sei vorteilhaft, die Reihe, welche
letztere gebe, für später aufzuheben. Auch wie man die erste Lösung
finde, wolle er vor der Hand verschweigen und nur, wenn Fermat es aus-
drücklich fordere, offenbaren; vorläufig genüge es zu sagen, die Lösung
sei eine ganze Zahl, wenn der Nenner der rationalen Lösung in den Zähler
aufgehe.
An demselben Tage schreibt er Digby einen noch bedenklicheren Brief ^^.
Er wiederholt zunächst die Lösung in rationalen Zahlen; dann ¥rirft er
sich in die Brust und erklärt, die Beschränkung, a dürfe keine Quadrat-
33) C(mm. ep. XVII u. XIX. 34) Algebra ü. Teil, IL Abschnitt, 7. Kapitel.
35) Darauf macht schon Hutoens aufmerksam {Oeuvres T. II. p. 211).
36) Comm, ep. XVIII. Vergl. auch Wallis* Brief an Hutgens vom 1. Janoar
1659 (HuYGBNS, Oeuvres 11, p. 297).
37) Comm. ep. XTX. 88) Cotnm. ep. XV. 39) Qmm. ep. XVL
Pierre FermaVs Streit mit John Wallis. 567
zahl sein, sei uimötig; die gegebene Lösung (in rationalen Zahlen) sei
auch für Quadratzahlen a gültig. Man könne auch die Aufgabe verall-
g^emeinem und die Gleichung ax* + 6* = D lösen; die Lösung von
ax^ •■\' 1 = n sei dann nur mit h zu multiplizieren. Jetzt komme F£Rmat
mit der Forderung ganzer Zahlen, die vordem nicht gestellt sei. Aber
Brouncrer und er wollten auch diese neue Aufgabe lösen, die freilich
nicht 80 allgemein sei wie die frühere, da jetzt a keine ' Quadratzahl sein
dürfe. Übrigens enthielten die allgemeinen Ausdrücke alle Lösungen,
sowohl die in ganzen Zahlen wie die gebrochenen. Wolle man aber nur
ganze Zahlen zulassen, so solle man eine beliebige ganze Zahl | wfthlen,
für welche a|' -|- 1 ==» i}' sei; die Zahl | möge man sich auf irgend eine
Weise verschaffen; dann sei 2 ^-q ein neuer Wert von x, dieser liefere
einen dritten, der einen vierten u. s. w., und so erhalte man unendlich viele
Lösungen. Wenn nun Fermat weiter gehe und etwa alle Lösungen der
Gleichung fordere, so könnten sie ihm auch damit dienen.
Dank dieser Zurückhaltung scheinen Fermat und Frenicle erst spät
von allen Details der Lösung unterrichtet worden zu sein. Fermat weifs
noch ani 7. April 1658 nichts davon *^), und in dem Briefe Freniclb's an
Dioby"), den dieser am 20. Februar 1658 an Wallis schickt, hält es
Frekicle für nötig, die Lösung in rationalen Zahlen zurückzuweisen und
zu fordern, dafs Wallis wenigstens eine Methode gebe, die ganzzahligen
Lösungen von den gebrochenen zu trennen. Er selbst habe bereits für
alle a unter 150 die Werte von x in seiner Schrift angegeben. Nun
möge Wallis, wenn er wirklich die Aufgabe beherrsche, weitere Lösungen
geben, etwa bis a = 200 oder wenigstens die Lösung für a = 151, denn
der Fall a »» 313 übersteige wohl seine Kr&fte. Diese Aufforderung be-
antwortet Brouncker in seinem Brief an Digbt vom 23. Mäi-z 1658^)
damit, dafs er die kleinste Lösung der Gleichung für a = 313 angiebt.
Er hat nach seiner Methode in 1 bis höchstens 2 Stunden ausgerechnet,
dalB
313 . (7170685)« — 1 = (126862368)«,
folglich
313 • (2 . 7170685. 126862368)«+ 1, d.i. 313 • (1819380158564160)« + 1
= (32188120829134849)«
ist, und Wallis giebt am 29. März*') die kleinste Lösung f ür a = 151,
nämlich x = 140634693, y = 1728148040.
40) Comm. ep, XXXVH. 41) Comm. ep. XXVI. 42) Comm, ep, XXVU.
43) Comm. ep. XXIX.
568 Gustay Wertheim:
§ 4. Die letzten von Fermat gestellten Aufgaben.
Als Febmat noch der Meinung war, seine dritte Aufgabe werde von
den Engländern nicht gelöst werden, stellte er^^) denselben andere Aufgaben,
die sie in der Weise Diophant's*®), d. i. durch rationale Werte lösen dürften:
Es sollen zwei Kuben gefunden werden, deren Summe gleich der Summe
zweier anderen Kuben sei. Es solle ein Kubus gefanden werden, der gleich
der Summe zweier Kuben sei*®j.
Femer fordert er den Beweis der beiden Sätze:
Die Gleichung*^) x^ -\- 2 = y^ hat nur die eine Lösung x = 5, y = 3.
9 i . ^ X fa;= 2 ,rx = 11
„ „ x' + 4 = y» „ „ „ Lösungen! ^ ^ undJ ^ ^
Fermat willigte ein, dafs Frenicle sich ebenfalls mit den Aufgaben
beschäftige; er werde dieselben nicht so leicht wie die früheren finden.
Für die erste Aufgabe fand Frenicle sofort eine Anzahl Lösungen.
Wallis erhielt dieselben durch Broun cker^^), dem Diqby sie brieflich
(13. Oktober 1657) mitgeteilt hatte, und sandte an Diqby am 1. Dezember
1657^^) andere Lösungen dei;gelben Aufgabe, indem er prahlend hinzu-
fügte, wenn Fermat noch mehr wünsche, könne er in einer Stunde 100 Stück
liefern; so leicht sei die Sache. Das ist aber Geflunker; denn thatsächlich
hat Wallis nicht eine einzige neue Lösung gegeben: er hat Frenicle's
Gleichungen beiderseits mit derselben Zahl multipliziert oder dividiert.
Frenicle hat z. B. die Lösung gegeben 9'+ 10* =» 1* + 12*. Daraus
bildet Wallis vier neue Lösungen
27* + 30* = 3* + 36*, 36* + 40* = 4* + 48*, 45* + 50* = 5* + 60*,
(4)* + 5* = (D* + 6*.
Als Frenicle ihn deshalb mit Recht angreift^) (20. Februar 1658),
sucht er sein Verfahren (Brief ^^) an Digby vom 25. März 1658) noch zu
44) Comm. ep. Xu.
45) Bei dieser Gelegenheit erinnert er Diobt an das Versprechen, das er
ihm gegeben, auf ein Exemplar dieses Schriftstellers, das alle 13 Bflcher ent-
halte, zu fahnden und es ihm zur VerfiiguDg zu stellen.
46) In seiner Observatio zu Diophant U, 6 erklärt Fbricat, er könne beweisen,
dafs es unmöglich sei, einen Kubus in zwei Kuben, ein Biquadrat in zwei
Biquadrate und allgemein irgend eine Potenz aufser dem Quadrat in zwei Po-
tenzen von demselben Exponenten zu zerfallen. Vergl. meine Diophant-Über-
setzung S. 52.
47) EuLEB behandelt beide Gleichungen in seiner Algebra U. Teil, ü. Abschnitt
§ 192, 198.
48) Comm. ep. X. 49) Comm. ep. XVI. 60) Comm. ep. XXVI.
51) Comm. ep. XXVllI.
Pierre Fermafs Streit mit John Wallis. 569
rechtfertigen, indem er sagt, auch unter Frenicle's Lösungen seien einige
auf diese Weise entstandene. Spöttisch erwidert*^') Frenicle (4. Mai 1658),
in Frankreich seien derartige Lösungen unzulässig, in England vielleicht
nicht.
Mit den Ührigen von Fermat gestellten Aufgaben sich zu beschäftigen,
lehnte Wallis ab^. Er ziehe nützlichere Wissenschaften der Zahlen-
lEeorie vor. Speziell die von Fermat gegebenen negativen Sätze seien
wertlos; auch sei es leicht, solche in beliebiger Menge aufzustellen. In
der That giebt er dann sechs negative Sätze, die dem Digby imponieren
muTsten, die aber so schülerhaft leicht sind, dafs Fermat (Brief an Diqbt
vom 7. April 1658^)) recht hatte darüber zu spotten, und dafs sie hier
füglich übergangen werden können ^^).
In demselben Briefe, in welchem Fermat sich über Wallis' negative
Sätze in der angegebenen Weise äufsert, stellt er ihm, der die ganzen
Zahlen nicht liebe, die beiden Aufgaben:
1. zu beweisen, dals es kein rechtwinkliges Dreieck in rationalen
Zahlen gebe, dessen Fläche eine Quadratzahl sei;
2. die Zahl 9 = 1 -|~ ^ ^ Summe zweier anderer rationalen Kuben
darzustellen.
Für den Satz vom rechtwinkligen Dreieck hat Wallis (Brief an
Diqbt vom 30. Juni 1658^)) einen Beweis gegeben, der nichts als eine
Wiederholung des Satzes mit anderen Worten ist und wohl nur dem Dioby
das Unvermögen des (Gebers verhüllen sollte ^^. Was die zweite Aufgabe
betrifft, so findet Wallis 8 -(- 1 = (yj + (—7—) niid fugt hinzu, wie
er 9 in einen positiven und einen negativen Kubus zerfallt habe, so würde
62) Cbmm. «p. XXXVIIL 63) Comm, ep. XYI. 64) Comm. ep. XXXVU.
66) Diese Sätze lassen sich, wenn x, y ganze Zahlen bezeichnen, knrz
folgendermafsen aassprechen :
1) Die Gleichung :c' -f- 62 » y' ist unmöglich.
2) „ „ a;* 4- 12 = y* hat nur die Wurzel «* = 4.
3) „ „ 0?*+ 9«y« „ „ „ „ a;*«16.
4) „ „ X* — • y* = 20 ist unmöglich.
6) „ „ x* — y* = 19 hat nur die Wurzeln x* = 27, y* =- 8.
6) Die Differenz zweier geraden und ebenso zweier ungeraden Biquadrate
ist durch 16 teilbar.
66) Comm. ep. XLIV.
67) Einen wahrscheinlich von Fkbmat herrührenden Beweis des Satzes giebt
FisHicLs in seinem Tratte des trianglee reetangUs en nowhres, Vergl. die Arbeit
▼on G. Wbkthbim in der Zeitschrift f Math. u. I^ys. Bd. 44 8. 4 u. flgd.
5TO GustaT Wertheim:
c sieherlich, wenn auch durch längere Rechnung zu zwei positiven ge-
Hkoinckeb verhielt sich den neuen Aufgaben FKRüAys gegenüber
irlaaus ablfhnend. Am 11. Mai 1658 schrieb er^^) Wallis, da er die
« gelost habe, die Fermat selbst für die schwierigste halte, so fühle
er s&ich nicht verfiflichtet, die Lösung der andern zu versuchen. Übrigens
hjkl^^^ er dieselben nicht für schwierig und glaube, er würde sie bew<igen,
er Zeit und Lust dazu hätte.
4| 9. FnBfi.sevs Tan Sehooten's Teilnahme an dem Streite^).
Die Heransforderung, welche Fkrmat an die europäischen Mathematiker
g^«&z-iohtet hatte, scheint auch den holländischen Gesandten in Paris, Wil-
BoREEL, interessiert zu haben, und wohl um seinen Landsleuten Gelegen-
ir zu geben sich auszuzeichnen, schickte er am 26. Januar 1657 die
l>eiden < ersten) von Fermat gestellten Aufgaben in einem Briefe an die
Prozessoren der Mathematik in Leyden ab. Der Rektor der Universität,
JjkOc^VES GoLius (1596 — 1667), ein berühmter Orientalist, der sich auch
mit Mathematik beschäftigte, erhielt den Brief am 7. Februar 1657, einen
TsLg vor dem Ablauf seiner Amtswürde, und öffnete ihn in Schootexts
Gegenwart den 11. Februar. Schooten schrieb eine Antwort, die er Go-
Lius mitteilte und am 17. Februar an Boreel abschickte. Er schlug darin
far die Lösung der ersten FERMAT'scben Aufgabe folgendes Verfahren vor:
Um zunächst die Kuben der verlangten Eigenschaft zu finden, welche
die Formen ji*, |)*, 7>®, . . . hätten, wo p eine Primzahl bezeichnet, solle
man die Reihen
.II) 1 +y+/ + P*+i)* + i>*
58) Wallis irrt_,^ wenn er die Zerfällong von 9 in zwei positive Enben fQr
leicht hSit. Davon überzeugt ein Blick auf die LOsung der Aufgabe, die der
Jeauit Jacobüs de Billy nach brieflichen Mitteilungen Febmat^s in seinem Inventum
mo€um S. 10 (Franz. Übers, von Paul Tanneby in Oeuvres de Febmat UI p. 345)
gi^bt. Die Zerfällung von Wallis erhält man durch die Annahme x' -j* y\ d. i.
3
X — ¥ x' — J^y-\'y*) = -r- ' ^^1 vo ^ unbestimmt bleibt. Setzt man nämlich
3
-— j = — , x* — xy -{- y* = 3kj 60 folgt durch Elimination von x leicht
a « -:r .3 + y4it' — 3), und abgesehen von 1 ist der kleinste Wert, fttr welchen
-1 :^£- — S imkkmal wird, X: » 7.
» CmmL ep. XXXIV.
« '^MBrn. tp, XXXm. Fbanciscds van Schooten (Sohn) (1616—1660).
Pierre Fennat*8 Streit mit John Wallis. 571
für alle Piimzahlen 2, 3, 5, ... summieren und sehen, ob sich eine
Qaadratzahl als Summe ergebe. Für die Beihe (I) hat Schooten die Sum-
mation mit allen Primzahlen unter 100 vollzogen und keine andere Lösung
als die schon von Fermat gegebene 1 + 7 + 49 + 343=» 20* erhalten.
Die Beihe (U) vorzunehmen oder gar die Kuben zu betrachten, welche un-
gleiche Primzahlen als Faktoren enthalten, dazu fehlte ihm der Mut. Er
glaubt aber, dass die Aufgabe unendlich viele, freilich weit auseinander
liegende Lösungen besitze.
Ein ähnliches Verfahren schlägt er für Fermat's zweite Aufgabe vor.
Man soll die Reihen
(I) i+P+p'
(n) i+P+p'+p' + P*
VXt die Werte j) = 2, 3, 5, . . . summieren und sehen, welche Summe ein
Kubus sei. Dann solle man ebenso mit den aus mehreren Primzahlen zu-
sammengesetzten Quadraten verfahren.
Gleichzeitig stellte Schooten seinerseits Fermat die Aufgaben: 1. Einen
Kubus zu finden, der die Summe zweier Kuben sei, oder die Unmöglichkeit
der Sache zu beweisen; 2. zu untersuchen, ob es möglich oder unmöglich
sei, andere vollkommene Zahlen als die durch Euklid's Methode (Schlufs-
satz des 9. Buches) gelieferten zu finden.
Schooten teilte Fbrmat's Aufgaben und die Lösungen, die er gegeben,
Hudde^^) mit. Dieser antwortete ihm am 23. Februar von Utrecht, die
Aufgaben mifsfielen ihm zwar nicht; er wolle aber seine Mufsezeit wich-
tigeren und allgemeineren Fragen widmen. Aus Liebe zu Schooten habe
er einen Tag der Sache gewidmet und einige Abkürzungen des Schooten'-
schen Verfahrens gefunden. Diese möge Schooten seinem Briefe, falls der-
selbe noch nicht abgeschickt sei, beifügen. Es fehlt hier an Baum, auf
diese wenig belangreiche Sache weiter einzugehen. Erwähnt sei nur noch,
dads auch Oolius^ freilich ohne Erfolg, sich mit den Aufgaben beschäftigte.
Am 9. März 1657 erhielt Schooten ein Schreiben von Huygens^')
und in demselben einliegend einen Brief des Bechtsgelehrten Claude Mylon
in Paris, der sich lebhaft für Mathematik, besonders Zahlentheorie inte-
61) JoHAHV HcDDE (1689—1704), geboren in Amsterdam^ trat nach voll-
endetem Bechtsstudium und länjirerem Aufenthalt in Frankreich in die Verwaltung
geiner Yaterstadt, welcher er 19 mal als BArgermeister vorstand.
62) CnusTiAjr Huyoeits, 1629—1696, geb. und gest. im Haag, Physiker,
Mathematiker und Astronom. Der angefahrte Brief steht Oeuvres de U, T.JJ
Ko. 375.
Gustav Werthei
ressiei'te. MyLON**» Brief enthielt als Eialage"*} ebenfctlls die beiden srsten
FERMAT'schen Änfgaben und zugleich die Nachricht, dieselben aeien tob
Frekiclb gelöst und die Lüsong solle gedruckt werden. In demselben
Briete schickt« Hl-vgj;n3 die Abschril't eines Schreibens Permat's an Fke-
nhxb"), welches die dritte Aufgabe als Lehrsatz giebt und eine Regel zur
Lösung fordert. Durch ein späteres Schreiben Mylon's an Hi'VGens
(12. April 1657), das ihm übersandt wurde, erhielt Schootki die ron
FiiENULE gefundene Lösung der dritten Aufgabe für einige Zahlen**), nnd
um Ifl, Mai 1657 schickte Mylon die Tabelle Fhf.nkle's für alle Zablea.
bis 86 und für die beiden Zahlen 119, 127**).
Durch MvLON erhielt dann Fremclb Schooten's LUsungs Vorschlag der
ersten Aufgabe. Er bemerkt dazu in dem Briefe vom 12. April 1657, ei
sei besser, die Kuben der Reihe nach zu priifen, als Schoo ten's Verfahren
anzuwenden. Wolle man dies doch thun, so empfehle es sich, gewisse
Zahlen von yornbiirein auszuBchliefsen. Auf Details dieses (auf die Kuben
y>* bezüglichen) AusschtiefsuiigsTerfabrens, in welchem Fbenicle bekanntlich
eine grofse Virtuosität besafs, ist es ebenfalls nicht erforderlich hier ein-
zugehen. Fresicle stellte Schootes zugleich die Aufgal«n: 1. Eine Dreieck-
zahl zu huden, deren 6faches, vermehrt um 1, ein Kubus
weisen, dafs die Gleichung 19r' '= 17y* + 1 in ganzen Zahlen unlGabw
sei. Auf die zweite Frage Schooten's gab FRtNiCLE folgende Antwort?
„Gerade vollkommene Zahlen giebt es aufser den durch Euklid's Methi
gelieferten nicht. Wenn es ungerade giebt, so müssen dieselben von
Form «V sein, wo p eine Primzahl der Form in -\- 1 ist."
Frbsicle liefs Schooten durch Myi.on fragen, ob er zugebe, dafs eeiee'
Lösung in der Schrift, die er vorbereite, mit abgedruckt werde. Schooten
willigte ein (29. Mai 1G57) und schlug eine Überschrift vor, die erkennen
lassen solle, dafs er nur gezeigt habe, wie man die gesuchten Zahlen finden
könne, dals er aber aus Mangel an Zeit dieselben nicht bestimmt habe.
Da erschien Frenicle's Büchlein ohne Schooten's Lösung nnd mit einer
Widmung an Dionr, die Schooten's Entrüstung erregte. Denn Fhenicle
erklärte darin prahlerisch, die Lüsung, die er gehe, sei weder den Eng-
lUndem noch den Niederländern gelungen. Schooten hatte noch einen be-
sonderen Grund, sich verletzt zu fühlen. In seinen Eicrcilnliones mathc
matkiif S, 436 sagt er ausdrücklich, er sehe von einer Behandlung der
vollkommenen Zahlen ab, weil er gehört, Frenicle habe ein dreib&ndiges
Bush über figurierte Zahlen, Primzahlen u. s. w. geschrieben, nnd er WoUo'
83) Oeuvres de H. T. K No, 371. 64) EbentU No. 372.
383. 66) Ebenda No. 380.
be-
ibwJ
oitrl
Pierre Fermat^s Streit mit John Wallis. 573
das Erscheinen desselben abwarten. Das Blatt, anf dem das steht, hatte
er Fkeniclb durch Mylon mit achtungsvollen Grülsen überreichen lassen,
und nun dieser Dankl
Von all diesen Vorgängen erfuhr Fermat erst, als der aus Castres
gebürtige Leibarzt des Königs, Pierre Bobel, seinem Vater schrieb, der
holländische Gesandte wundere sich, dafs Fermat dem Professor Schooten
nicht antworte, der behaupte, Fermat's Aufgaben gelöst und demselben
neue gestellt zu haben. Ferkat erklärt in seinem Brief an Digby vom
15. August 1657^ er habe Yoh Schooten nichts erhalten ^^).
§ 6. Ende des Streites.
Die Lösung der dritten FERMAT^schen Aufgabe erfüllte sowohl Frenigle
wie Fermat mit grofser Achtung für Wallis und Broukcker; daiüs Wallis
nur einen geringen Anteil an dem ErföTgr^hstte, war ihnen unbekannt ge-
blieben. Fremicle äufserte^) seine Verwunderung darüber, dafs Wallis
mit seinen Talenten so lange hinter dem Berge gehalten habe. Er bedauerte
die harten Ausdrücke, die er gebraucht, die aber yielleicht das Gute gehabt
hätten, Wallis zur Entfaltung seiner Ei*äfte anzuspornen. Digby spricht
in dem Schreiben ^^), in dem er White für die Besorgung der Briefe dankt,
seine Freude aus, dafs Brouncker und Wallis sich als grofse Mathematiker
erwiesen und in Paris allgemeines Ansehen gewonnen hätten. In seinem
Brief an Wallis vom 8. Mai 1658^^) hebt er hervor, die bedeutendsten
Männer in Paris müfsten jetzt zugeben, dafs die Leistungen der Engländer
auf dem Gebiete der Mathematik hinter denen keiner andern Nation zurück-
ständen. Ebenso erkennt Fermat in dem Briefe ^^), den Digby am 19. Juni
1658 erhielt und an Wallis schickte, mit Freude an, dafs seine numerischen
Aufgaben jetzt gut gelöst seien. Nun möchten aber die Gegner es nicht
verschmähen, die Wissenschaft von den ganzen Zahlen, in der sie so scharf-
sinnig gewesen seien, zu fördern. Zu diesem Zwecke schlägt er ihnen vor,
sich um die Beweise folgender Sätze, die er selbst beweisen könne, zu
bemühen:
1) Jede Zahl ist entweder eine Dreieckzahl oder die Summe von zwei
oder drei Dreieckzahlen; entweder eine Quadratzahl oder die Summe von
67) Comm. ep. XTT. Wie stark ScBOOTBH*fl Ingrimm war, kann man daraus
ersehen, dafs er noch am 19. September 1669 in einem Briefe an Uutoihs (T. II
No. 617) mit Behagen eine abfällige Änfserang zitiert, die Dbsoabtss über Fsbmat
gethan hatte.
68) Comm. ep. ^XXVIII. 69) Canm. ep. XLL 70) Omm. ep, XLJl.
71) Comm, ep, XLVII.
I
A
^
574 Gustay Wertheim:
zwei oder drei oder vier Quadratzahlen ; entweder eine Fünfeckzahl oder die
Summe von zwei oder drei oder vier oder fünf Fünfeckzahlen; n. s. w.^*).
2) Jede Primzahl An -{- 1 ist die Summe zweier Quadratzahlen ^').
3) Jede Primzahl 3n -|- 1 ist die Summe einer Quadratzahl und des
Dreifachen einer Quadratzahl ^^).
4) Jede Primzahl der beiden Formen Sn-^ 1^ 8n-f-3 ist die Summe
einer Quadratzahl und des Doppelten einer Quadratzahl ^^).
5) Keine Dreieckzahl auJGser 1 ist ein Biquadrat ^^).
Femer bittet er sie, den Beweis der folgenden Sätze zu suchen, die er
für wahr halte, aber nicht beweisen köme:
i) MaiT erhält immer eine Primzahl, wenn man 1 zu einer Potenz
7on 2 addieii, deren Exponent ebenfalls eine Potenz von 2ist"}^
2) Das Doppelte jeder Primzahl von der Fonn 8n — 1 ist die Summe
von drei Quadraten'®).
3) Das Quadrat einer Primzahl der Form 4n -|- 3, die auf 3 oder 7
endigt, ist ebenso wie das Produkt zweier solchen Primzahlen die Summe
eines Quadrats und des Fünffachen eines anderen Quadrats.
Mit diesem Briefe fand der Streit sein Ende. Dioby schickte den-
selben an Wallis mit einem Begleitschreiben'^), in welchem er sich ver-
abschiedet, da er eine gröfsere Beise antrete.
Es ist eigentümlich, dafs Wallis in der Selbsttäuschung befangen
war, er habe seinen Namen ganz besonders mit Ruhm bedeckt, während er
in Wirklichkeit eigentlich recht wenig geleistet hatte. Er nahm für sich
und Brouncker den vollständigen Sieg in Anspruch, und in seinem Ab-
schiedsbrief^) (30. Juni 1658) an den einflufsreichen Dioby sagt er, die
Gegner würden sich wohl mit den Aufgaben, die die Engländer gelöst
72) Dieser auch in der Obsef-vatio zu IV, 31 des Diophamt (vergl. meine
Übersetzung S. 162) ausgeBprocbene Satz ist von Caücht bewiesen. VergL LsaBNDKK,
Theorie des nombres,' S™« ^d. §§ löl— lö7, 318, 632—652 und Paul BACHHAifN,
Zahlentheorie, 4ter Teil S. 154.
73) Bewiesen von Euleb, CommenUUt. arithmei. coli, I, p. 156.
74) Desgl. ebenda I, p. 295.
75) Bewiesen von Laqranoe. Oeuvres T. lU (Becherches d'ArühnUtique).
76) Der Satz ist auch in der Observatio zu Diophant VI, 26 (Meine Ober-
setzung S. 294) ausgesprochen. Den Beweis hat Eulbb gegeben. Commentatt, ek.
I, p. 30.
77) Dieser Satz ist bekanntlich von Euler als falaclL erwiesen worden. Gmn-
mentationes arithmeticcte collectae 1 S. 356. Übrigens hatte schon Hurosirs seine
Verwunderung darüber ausgesprochen, dafs Fermat auf eine so wenig ausgedehnte
Induktion hin den Satz aufzustellen gewagt habe (Oeuvres compUtes, U. p. 212).
78) Vergl. Leoendbe, Theorie des nombres. 3^« 4d. % 319.
79) Comm. ep. XLVI. 80) Comm, ep. XLIV.
/
Pierre Fermat^s Streit mit John Wallis. 575
hätten, begnügen and anf die Lösnng der übrigen nm so eher verzichten,
als sie selbst von den seitens der Engländer gestellten nur die eine be-
wältigt hätten: zwei Qaadratzahlen von gleicher Dinsoren-Snmme zu finden.
Wallis hat dann die gewechselten Briefe, soweit sie ihm abschriftlich oder
in den Originalen zn Oebote standen, nnter dem Titel: „Ccmmerdum epi-
stoUcum de quaestiombus quitmsdcvm mcUhematicis nuper habihmt" veröfient-
liebt. Die Schrift erschien zuerst 1658 in Oxford, znm zweitenmale in
der Gesamtaasgabe der Werke von Waixis (Oxford, 1693), in der sie die
Seiten 757 — 860 des zweiten Bandes einnimmt. Eine französische Über-
setzung hat Paul Tamnbry in seiner Aasgabe der Werke Fbricat's gegeben.
(T. in, p. 399— 610).
In der ersten Zeit scheint die Schrift wenig Verbreitung gefunden zu
haben, was wohl der Schmerigkeit zuzuschreiben ist, die sich der Ver-
sendung von Büchern entgegenstellte. Wallis hatte durch den jungen
englischen Edelmann Peter Ball, der nach Lejden ging, um daselbst
Medizin zu studieren, an Huyoens ein Exemplar geschickt ^^). Dieser lieh
dasselbe Schooten^^) und spftter Ben^ Fran90is de Sluse^), der nach
der Lösung der beiden ersten FERMAT'schen Aufgaben gefragt hatte. Noch
^m 26. Dezember 1659 wurde Huyqens durch Pierre de carcavy^) um
Besorgung eines Exemplars gebeten, da die Buchhändler von Paris es nicht
liefern könnten.
Die Veröffentlichung der Briefe durch Wallis rief französischerseits
eine anonyme Erwiderung hervor, die nach Tannery's Ansicht, der den
lateinischen Text mit französischer Übersetzung 1. c. abgedruckt hat, wahr-
scbeinlicb Frenicle zum Verfasser hat. In dieser Ermderung wird zu-
Däcbst darauf hingewiesen, dafs es kaum statthaft sei, Briefe ohne Zu-
stimmung, ja ohne Wissen der Schreiber zu veröffentlichen. Offenbar sei
Wallis dabei von der lobenswerten Absicht geleitet gewesen, den Ruhm
seines Vaterlandes zu erhöhen. Aber es sei doch noch zweifelhaft, ob die
Engländer sich mit Recht den Sieg zuschreiben könnten. Die numerischen
Aufgaben hätten sie doch erst gelöst, nachdem das Buch von Frenicle er-
81) Oeuvres de Hdygshs T. n No. 497. 82) Ebenda No. 617.
83) Ebenda No. 638. Bshatus Fravcmcüb db Slubk, geb. 1622 in Vise bei
Lütt ich, gest. 1686 zn Lüttich als Grofskanzler und ordentlicher Rat des
Bifcbof«, bewandert anfser in der Theologie in der Jurisprudenz, der Medizin,
dem Qriechischen, den orientalischen Sprachen und der Mathematik. Er war
Mitglied der Boyäl Society.
84) Ebenda No. 698. Pibbre de Caacavt, geb. in Lyon, gest. 1684. Er war
erst Ratsherr, dann nnter Colbbbt Bibliothekar des Königs. Wegen seiner mathe-
matischen Kenntnisse wurde er als eins der ersten Mitglieder in die Akademie
der Wissenschaften aufgenommen.
576 Gustav Wertheim: Pierre Fermat^s Streit mit John Wallis.
schienen sei, das ihnen wesentlich geholfen habe; f&r den Satz, da£B die
Gleichung ao;^ -j- 1 = D unendlich viele Lösungen in ganzen Zahlen habe,
sei der Beweis noch nicht erbracht, ebensowenig dafür, dads kein Kubus
sich in zwei rationale Kuben zerfallen lasse. Auch die Aufgabe: die Summe
zweier Kuben in zwei andere Kuben zu zerfftUen, sei weder allgemein, noch
für den speziellen Fall 9 gelöst. Die Zahl 9 als Differenz zweier Kuben
darzustellen, sei weder Yieta, noch Bachet, noch Diophant schwer ge-
wesen, aber die Zerf&llung in eine Summe h&tten sie nicht einmal ver-
sucht. Endlich sei das, was Wallis als Beweis des Satzes, dafs die Fläche
eines rechtwinkligen Dreiecks keine Quadratzahl sein könne, vorgebracht
habe, nicht als Beweis anzusehen. Es fehle also noch recht viel an dem
Siege der Engländer.
d'vym'
DIE ENTDECKUNG DER
PARABELFORM DER WÜRFLINIE
VON
Db. EMIL WOHLWILL
IN nlXBDRO.
Abb. «nr OMoh. d. Matham. IX. 37
Im vierten Band seiner „Qeschicbte der experimentellen Methode in
Italien'^ hat Rafaello Caverki das Versprechen eingelöst, das er vier
Jahre zuvor in einer einleitenden Übersicht seines Werkes gegeben hatte:
an der Geschichte der Entdeckung der Parabelform der Wurflinie als einem
Hauptbeispiel nachzuweisen, dafs und wie Qalilei das geistige Eigentum
seiner bedeutenden Zeitgenossen f&r sich selbst in Anspruch genonunen
hat. Man hatte das Recht zu erwarten, dafs der Vertreter einer so völlig
neuen Ansicht in einem Falle, den er selbst — um mit Bacon zu reden —
als instantia praerogaiiva für die Berechtigung seines Urteils betrachtet,
mit absoluter Unparteilichkeit den Wert jedes einzelnen Beweisgrundes ab-
w&gen, der Vieldeutigkeit der gegebenen ThatsacLen in vollem Malse ge-
recht werden und dann in zwingender Logik darthun werde, dafs wenigstens
in diesem Falle für den klar Denkenden nichts übrig bleibt, als an den
ehrlosen Diebstahl eines grofsen Mannes zu glauben; in diesen Erwartungen
hat uns Caverni aufs gründlichste getäuscht: seine Beweisführung ist in
allen Teilen die eines gewandten Advokaten, der als seine Aufgabe be-
trachtet, nur die eine Seite der Sache zur Geltung kommen zu lassen,
Alles zusammen zu tragen, was sich möglicherweise zu Gunsten seiner
einseitigen Auffassung verwerten läfst, Alles fernzuhalten, was auch nur
die Vorstellung hervorrufen könnte, dafs sich die Dinge in anderer Weise
ansehen lassen, der um seines Zweckes willen für gestattet h<, mit Ver-
mutungen wie mit Thatsacheu zu operieren, als ervriesen hinzustellen, was
besten Falls wahrscheinlich ist.
Aber Caverki stellt in den Dienst der Sache, die er auf seine Fahne
geschrieben hat, ein ausgebreitetes Einzel wissen, eine erstaunliche Belesen-
heit, er ist insbesondere in den Werken Gaulbi's, seinem Briefwechsel
und den handschriftlichen Sch&tzen der Biblioteca Nazionale in Florenz
vollkonmien orientiert, und dieser seltenen Vertrautheit mit dem Material
der Geschichte der Wissenschaft, die den Freunden italienischer Wissen-
Schaft aus früheren Schriften desselben Verfassers entgegen getreten war,
ist eine auCserge wohnliche Anerkennung dadurch zu teil geworden, dab
CAVERNf s „Geschichte der experimentellen Wissenschaft in Italien^^ von
37*
580 Emil Wohlwill:
dem Königlichen Institut von Venedig mit dem Preise gekrönt, und der
Bericht des Vertreters der Akademie an der Spitze des Werks veröffent-
licht worden ist. Allerdings ist in dieser einfahrenden Mitteilung Aktokio
Favaro's in klaren Worten die Erwartung ausgesprochen, dads der Verfasser
sein befremdendes Urteil über Galilei und insbesondere seine ohne Zweifel
irrtümliche Ansicht über die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie
wiederholter Prüfung unterwerfen und berichtigen werde; es haben also die
Akademie von Venedig und ihre Vertreter im Voraus sich dagegen ver-
wahrt, durch ihr anerkennendes Votum eine Zustimmung zu jenem Kampf
gegen die Ehre und das Ansehen Galilei's aussprechen zu wollen, der in
Caverni's Buch eine so grofse Bolle spielt Durch die Erklärung aber, die
von so gewichtiger Seite kommt, dafs ungeachtet des hervorgehobenen
Mangels die überwiegenden Vorzüge des Werks das Urteil der Akademie
von Venedig rechtfertigen, ist zugleich die Möglichkeit ausgeschlossen, dals
man über eine in eben diesem Werke nachdrucksvoll ausgesprochene und
eingehend begründete Behauptung etwa mit Geringschätzung hinweggehen
könnte, dafs es dem Verfksser gegenüber mit der grundsätzlichen Zurück-
weisung seiner Methode der Geschichtsforschung und Geschichtsdarstellung
gethan sein könne; man mufs ihm in die Einzelheiten der Wiedergabe und
der Bearbeitung nie zuvor in gleicher Vollständigkeit benutzter geschicht-
licher Materialien folgen, um ihn zu widerlegen. Dies soll im Folgenden
versucht werden.
I.
Die Möglichkeit, Galilei's Anspruch auf die Entdeckung der Parabel-
form der Wurflinie zu bestreiten, hängt mit der eigentümlichen Weise der
Veröffentlichung seiner Bewegungslehre zusammen. Es ist bekannt, dals
erst in dem vier Jahre vor Galilei's Tode erschienenen Hauptwerk die fast
vier Jahrzehnte früher in ihren Grundzügen entworfene und dem Haupt-
inhalte nach abgeschlossene „neue Wissenschaft von der örtlichen Bewegung^'
allgemein zugänglich geworden ist. Als eine lange zuvor zum Abschlulls ge-
brachte Lehre ist dieselbe in dem Werk von 1638 auch äufserlich dadurch
gekennzeichnet, dafs ihre Hauptsätze als Bestandteile eines besonderen
Buches in dem gröfseren Werk angeführt werden. Ein altes Manuskript in
drei Teilen, in lateinischer Sprache geschrieben und in streng wissenschaftlicher
Form bietet den eigentlichen Stoff für die weitere in dialogischer Form und in
italienischer Sprache geführte Diskussion. Da Galilei nach seinem Scheiden
von Padua grundsätzlich nur noch in der Volkssprache geschrieben hat, so
ist schon der Gebrauch der lateinischen Sprache in diesen Abschnitten der Bis-
corsi e dimosirazioni in seinem Sinne einem Prioritätsanspruch gegenüber allen
Die Enideckong der Parabelform der Wurflinie. 581
nach 1610 geschriebenen Werken verwandten Inhalts gleich zu achten. Es
bedarf nicht der AosfElhmng, dafs der spät erhobene Ansprach auch in
dieser Form for den Historiker nicht ohne weiteres bindend ist. Wenn
Simon Marius vier Jahre nach der Entdeckung der Jupiterstrabanten sagt,
er habe sie mindestens ebenso früh wie Galilei beobachtet, wenn Baliaki
im Jahre 1638 drucken lälst, er habe im Jahre 1611 „gefunden'^ daCs die
Schwingungsdauer zweier Pendel sich wie die Quadratwurzeln aus den
Pendellftngen verhalten, so werden die behaupteten Thatsachen auf Grund
solcher Aussagen der Nächstbeteiligten nicht als geschichtlich erwiesen be-
trachtet werden dürfen; aber ebensowenig wird eine bahnbrechende Lehre
GALiLEfs nicht schon darum als in die Zeit vor 1610 fallend anzusehen
sein, weil sie in dem lateinischen Text des einen der drei Bücher de motu
iocali erörtert wird. Es ist nicht nur möglich, sondern höchst wahrschein-
lich, dafs bei der Aufnahme des alten Textes in den Zusammenhang des
grölseren Werkes jener nicht unverändert, sondern auf Grund späterer Er-
kenntnis vielfach ergänzt und umgestaltet zur Wiedergabe gelangte.
Erwiesen ist allerdings, dafs ein aus drei Teilen bestehendes Werk
zur Bewegungslehre zur Zeit der Übersiedlung nach Florenz (September 1610)
von Galilei seit einiger Zeit in Angriff genonmien und mindestens in
gröfseren Teilen ausgearbeitet war. Dies Werk wird in seinem Bericht an
den Staatssekretär Yinta (7. Mai 1610) unter den dreien genannt, die er
zu yollenden hoffte, wenn er durch eine geeignete Stellung am Florentiner
Hofe die nötige Mufse gewänne. Galilei spricht hier von den drei Büchern
de motu Iocali mit ganz ähnlichen Worten, wie in der Einleitung zu den
gleichbenannten lateinischen Abhandlungen der Discorsi von 1638. „Es
ist das", sagt er, „eine gänzlich neue Wissenschaft, da kein Anderer weder
der Alten noch der Neueren eine von den auJGserordentlich vielen bewunderns-
werten Eigentümlichkeiten entdeckt hat, die ich bei den natürlichen und
den gewaltsamen Bewegungen nachweise; und daher kann ich sie mit bestem
Recht eine neue und von mir von ihren ersten Anfängen an aufgefundene
nennen.'^ Die „neue Wissenschaft von der örtlichen Bewegung^', die dem-
nach im Jahre 1610 ihrem Hauptinhalte nach jedenfalls vorhanden war,
entspricht ersichtlich auch in ihrer Einteilung den lateinischen Abschnitten
des späteren Werks. Ihr drittes Buch beschäftigte sich wie das im „vierten
Tag" der Discorsi vorgelegte mit den „gewaltsamen" Bewegungen oder der
Lehre von den Proietti Schon ein volles Jahr früher (am 23. Mai 1609)
antwortet ein Brief des Mathematikers Luca Yalebio auf eine Zuschrift
Oalilei's, in der von seinem Werk über die naturgemäfs bewegten Körper
und über die geworfenen die Bede gewesen war. Neben den Untersuchungen
über die gleichförmig beschleunigte Bewegung mufs also eine in gewissem
582 Smil Wohlwill:
Mause zosammenh&Dgende Warflehre in 6alilei*8 Handschrift schon im
Frühling 1609 vorhanden gewesen sein.
Von Fragen, die ihm in Betreff der Bewegung geworfener KOrper noch
„übrig bleiben^^ die also einer Folge bereits erledigter Untersachongen anf
gleichem Gebiet sich anschlieüsen, redet aach ein Brief, den Galilei am
11. Februar 1609 an einen Prinzen des Hauses Medici gerichtet hat. Die
weiteren Aasfühmngen dieses Briefes sind von besonderem Interesse; sie
boten bis vor kurzem den einzigen Anhaltspunkt für den Versuch, ohne
Rücksicht auf die lateinischen Texte der Discorsi, die Wnrflehre vom
Jahre 1609 zu rekonstruieren, insbesondere für die Beantwortung der Frage,
ob Galilei zu jener Zeit die Parabelform der Wurflinie gekannt hat.
Galilei berichtet dem Prinzen des groDsherzoglichen Hauses: er habe
kürzlich gefunden, dafs bei Kanonenschüssen, die von einem hochgelegenen
Orte aus in horizontaler Richtung abgefeuert werden, die Kugel immer mit
der gleichen Geschwindigkeit von dieser Richtung abweicht and sich der
Erde nähert, mag sie durch viel oder ganz wenig Pulyer getrieben sein
oder auch nur von so viel als eben hinreicht, um zu bewirken, dafs
sie den Lauf der Kanone verläfst; er folgert daraus weiter, dafs bei allen
horizontal gerichteten Schüssen die Kugel in derselben Zeit die Erde
erreicht, mögen nun die Schüsse ihr Ziel in weitester Feme oder in
nächster Nähe treffen, und daüs diese Zeit keine andere ist, als die-
jenige, in der die Kugel von der Mündung der Kanone aus lotrecht zur
Erde fällt. Aber Ähnliches . hat er auch für die schräg aufwärts gerich-
teten Schüsse erkannt; Schüsse dieser Art, die eine Erhebung der Kugel
zu gleicher senkrechter Höhe bewirken, deren Bahn also zwischen denselben
horizontalen Ebenen liegt, erreichen bei gröfster Ungleichheit der Schufs-
weite die Erde, oder die gleiche tiefer gelegene Horizontalebene in der-
selben Zeit und infolgedessen werden auch die absteigenden Hälften ihrer
Bahnen in gleichen Zeiten zurückgelegt, das heifst in derselben Zeit, wie
die horizontal gerichteten Schüsse aus gleicher Höhe^).
Diesen Sätzen, die der Kürze wegen als „Gesetz der gleichen Fall-
zeiten^' bezeichnet werden mögen, ist mit höchster Wahrscheinlichkeit zu
entnehmen, dafs Galilei, als er sie fand, über das Prinzip des indifferenten
Zusammenseins verschiedener Bewegungen desselben Körpers völlig auf-
geklärt war; denn die Behauptung, dafs horizontal abgeschossene Kugeln
bei gröfster Ungleichheit der horizontalen Geschwindigkeiten in derselben
Zeit die Erde erreichen, wie ein Köi-per, der aus gleicher Höhe frei herab-
fällt, ist nur ein anderer Ausdruck für die Ansicht, dafs die Bewegung in
1) Vergl. Galilei opere ed. Alberi, VI, p. 68.
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. 583
der Richtung der Schwere darch die hinzukommende Bewegung in der
Richtung des Schusses in keiner Weise beeinflufst wird, und die Bestimmt-
heit, mit der Oalilei seine Regel aufstellt, l&sst als ausgeschlossen er-
scheinen, dafs er sie nicht prinzipiell, sondern etwa aus Versuchen ab-
g^eleitet hätte, die in dieser Beziehung Sicheres nicht ergeben konnten.
Um die entsprechende Betrachtung auf die schräg aufwärts gerichteten
Schüsse anwenden zu können, mui^ste man überdies gefunden haben, dafs
der aufwärts geworfene Körper zum Steigen und Fallen die gleiche Zeit
gebraucht. Nach dem Zeugnis Ton Paolo SArpi hat Galilei dies schon
vor dem 9. Oktober 1604 erkannt^).
Aber Oalilei wufste, als er das Gesetz der gleichen Fallzeiten ent-
deckte, auch Alles, was zur näheren Bestimmung der beiden Komponenten
der Wurfbewegung erforderlich war und damit Alles, was neben dem
Prinzip des unabhängigen Zusammenseins der Bewegungen dazu gehörte,
die Wurflinie zu konstruieren. Das Gesetz der Fallräume, das die Ände-
rungen der vertikalen Komponente bestinmit, wird als ein jüngst erkanntes
in dem Brief an Sarpi Tom 16. Oktober 1604 angeführt'). Noch älter
ist wahrscheinlich die Entdeckung des Beharmngsgesetzes in derjenigen
Form, in der es noch in den Discorsi von 1638 bei der Konstiiiktion der
Wurflinie zur Verwendung kommt, d. h. in der Beschränkung auf die Be-
wegung in horizontaler Ebene; aus diesem folgt unmittelbar die Gleich-
förmigkeit der Bewegung in der Bichtung des horizontalen Wurfs und
damit Alles, was für die Kenntnis der horizontalen Komponente erforder-
lich ist. Für die Ableitung dieser dritten Voraussetzung seiner Konstruk-
tion beruft sich Galilei in der Wurflehre der Discorsi auf die Ausfüh-
rungen eines vorhergehenden Abschnitts der lateinischen Handschrift; dafs
wenigstens in diesem Teil der Gedankengang des 1638 veröffentlichten
Textes ein alter, den Paduaner Tagen angehöriger ist, läist sich durch un-
zweideutige ÄuTserungen belegen. Es mag genügen hier darauf hinzuweisen,
daüs in einem Brief vom April 1607 Castelli als Galileis Lehre anfährt:
„Es bedarf des Bewegenden, damit die Bewegung anflbigt, aber dafür, dafs
sie fortdauert, genügt, dafs sie keinen Widerstand findet ^^).
2) Opere di Galilki ed. Albbbi VIII, p. 29.
3) Dieser Brief ist nach dem in Pisa bewahrten Origrinal zum ersten Mal in
Favabo's, Gaulu e lo studio di Padova 11, 226 u. f. abgedmckt.
4) Diese zaerst von Favaro in Galilso Gaulbi t lo studio di Padova. Firense
1883. n, p. 268 veröffentlichte Änfserung ist mir bei der Ausarbeitung meiner
Abhandlung über die Entdeckung des BeharrungsgesetKes (Zeitschrift für Völker-
psychologie Bde. XIV und XV) nicht bekannt gewesen. Sie widerspricht schein-
bar der dort durchgeführten Auffassung, dafs Gaulsi das Priniip der unver-
584 Smil Wohlwill:
Galilei yerfiigte demnach im Jahre 1609, wo er zuerst von einem
Buch über die Warflehre als einem Bestandteil seines Werkes de motu
locali redet, über alle Vorbedingungen für die richtige Konstruktion der
Wurflinie; er brauchte nur auf Grund der insgesamt von ihm entdeckten
Wahrheiten eine Zeichnung, die das Gesetz der gleichen Fallzeiten ver-
anschaulicht, genau auszufahren, um Wurflinien in Parabelform in be-
liebiger Zahl vor sich zu sehen; zur abschlielsenden Entdeckung war dann
freilich erforderlich, dafs er in seiner Zeichnung die Parabel wiederer-
kannte; es ist nicht durchaus undenkbar, daCs man dergleichen nicht sieht,
selbst dann nicht, wenn in dem vor Augen Liegenden die lange gesucht«
Lösung eines Rätsels gegeben ist; wenn aber ein Galilei dreilsig Jahre
später sagt: ich habe damals gesehen, was vor meinen Augen lag, so
müfsten es Gründe der allerstärksten Art sein, die uns Terhindem könnten,
ihm zu glauben.
Es sind nun allerdings einige Thatsachen bekannt, die auf den ersten
Blick den Zweifel rechtfertigen. Li den 1632 veröffentlichten „Dialogen
über die beiden Hauptweltsysteme" fehlt unter den zahlreichen anderweitigen
Mitteilungen aus der neuen Bewegungslehre jede Bemerkung über die
Parabelform der Wurflinie, aber noch mehr: wo es sich darum handelt,
die wirkliche Bahn eines Körpers zu konstruieren, der, während er zur Erde
fällt, gleichzeitig an der Botation der Erde teilnimmt, also um eine Auf-
gabe, die mit dem Problem der Wurflinie im Wesentlichen übereinstimmt,
wird zwar für die Lösung der Aufgabe das Verfahren mitgeteilt, das bei
angemessener Ausführung zur Konstruktion einer parabelfSrmigen Bahn
führt, aber statt der Parabel lässt der Salviati der Dialoge durch Zu-
sammensetzung der beiden Bewegungen eine Bewegping im Halbkreis ent-
stehen, und Saoredo bricht über dieses unerwartete Resultat in Jubel
aus. Hat nun Galilei in diesem Falle sein besseres Wissen nur ver-
heimlicht oder hat er, als er jene Stelle der „Dialoge" schrieb und noch
später, als er sein Buch veröffentlichte, die wahre Form der Wurflinie nicht
gekannt?
Eine zweite, vielleicht noch gröfsere Schwierigkeit bietet die That-
Sache, dafs wenige Monate nach der Veröffentlichung der „Dialoge" Fra
änderten Erhaltung der Bewegung in Beschränkung auf die Bewegung in hori-
zontaler Richtung vertreten habe. In Wahrheit beweist auch die ÄufseruDg
CASTELLi'd nur, dafs diese Beschränkung, die bei Qalilki durch individuelle Ver-
anlassungen bedingt war, von seinen Schülern nicht beachtet wurde, wie ich dies
bei Cavalieki und Torricelli nachzuweisen versucht habe. Wegen anderweitiger
Aufaerungen Galilei's über das Beharren in horizontaler Richtung vergl. die
soeben zitierte Abhandlung.
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. 585
Bonaventura Gavalierf, Galileis Schüler, die richtige Lösung, die man
in den „Dialogen^^ vergebens sucht, veröffentlicht hat und daüs er dabei
durchaus nicht sagt, dals, was er mitteilt, GALiLEf s Entdeckung ist Den
beiden Kapiteln zur Bewegungslehre, die Cavalieri seiner Schrift ,fLo
Specchio Ustorio overo Trattato deUe Settioni Coni€h&' eingefügt hat, schickt
er allerdings die Bemerkung voraus, daüs, was er in diesen Abschnitten
biete, „zum TeiP' von Galilei und Gastelli, seinen beiden Lehrern, her-
rühre; im strengen Anschlufs an die Ausführungen des GALiLEi'schen Dia-
logs erl&utert er alsdann die drei S&tze, die er für seine Konstruktion der
Wurflinie verwertet; er läfst also keinen Zweifel darüber aufkommen, dals
seine Ableitung auf Galileis Gedanken ruht; dals aber Galilei selbst
schon lange vor ihm auf gleichem oder ähnlichem Wege zu demselben Re-
sultat gelangt sei, kann niemand dem Kapitel von der Wurflinie im
„Specchio Ustorio** entnehmen; vielmehr legt der Umstand, dals in den hier
in Betracht kommenden Darlegungen der Name Galilei nicht genannt wird,
die Vermutung nahe, dafs der Verfasser sie als eigene Folgerungen be-
trachtet wissen will, als den „Teil^^, der nicht seinen beiden Lehrern gehört.
Damit stimmt die vorläufige briefliche Mitteilung überein, in der
Gavalieri unmittelbar vor der Veröffentlichung Galilei von dem Inhalt
seiner Schrift in Kenntnis setzt. „Ich habe^\ schreibt er, „ganz kurz die
Bewegung der geworfenen Körper berührt, indem ich zeige, dafs sie bei
Ausschlufs des Widerstandes der Luft in einer Parabel stattfinden mufs,
sofern Euer Prinzip der Bewegung der schweren Körper vorausgesetzt wird,
dafs ihre Beschleunigung der Zunahme der ungeraden Zahlen entspricht,
wie sie von der Eins an sich folgen; ich erkläre jedoch, dafs ich zum
grofsen Teil^) von Euch gelernt habe, was ich in dieser Sache berühre,
indem ich zugleich auch meinerseits eine Ableitung für jenes Prinzip axi-
führe/^^ Auch hier bekennt also Gavalieri, dafs sein Beweis auf Galileis
Lehre von der gleichförmig beschleunigten Beweg^g beruht; aber auch
aus dieser direkten Mitteilung wird der unbefangene Leser nicht den Ein-
druck empfangen, dafs er sich bewufst ist, seine Worte an den Entdecker
der parabelförmigen Bahn zu richten.
Dafs endlich Gavalieri in den zuvor erwähnten Ausführungen der
„Dialoge*^ Galilei's wahre Meinung zu finden geglaubt hat, wird durch
eine Bemerkung am Schlüsse des vorletzten Kapitels seines ,JSpecMo Ustorio**
vorzugsweise wahrscheinlich. Dem Nachweis, dafs die Krümmung eines
Kreises von sehr grofsem Durchmesser von derjenigen einer Parabel und
6) Ans dem „in parte*' der Schrift ist hier „in gran partef* geworden.
6) Opere di Galilei td. Albebi toI. IX p. 286.
586 S^mil Wohlwill:
Hyperbel nicht wesentlich abweichen würde, fügt er hinzu: ,J>iese Erkennt-
nis kann denjenigen Befriedigung gewähren, die geglaubt haben, die vom
geworfenen Körper bezeichnete Bahn sei eine kreisförmige, denn wenn der
betreffende Kreis von erheblicher Oröfse ist, und der Weg des schweren
Körpers nur ein kleiner Teil der ganzen Peripherie, würde seine Abweichung
von der Parabel nur eiae sehr geringe sein." Es kann nicht willkürlich
sein, in dieser ÄuDserung eine Bezugnahme auf Galilei's Betrachtungen in
den „Dialogen" zu suchen, da nirgends sonst mit ähnlicher Bestinmitheit
von einer Kreisbewegung geworfener Körper die Bede gewesen war.
n.
Die Ableitung einer Kreisbahn in den „Dialogen" und CAVALiERfs
mindestens Terhüllte Erwähnung einer Entdeckung durch Qalilei sind schon
mehlfach Gegenstand kritischer Erörterung gewesen; man hat auch bisher
nicht unbeachtet gelassen, daCs hier Thatsachen vorliegen, die mit der all-
gemein angenommenen Entdeckung der Parabelform der Wurflinie Tor 1610
nicht ohne weiteres vereinbar sind; es haben jedoch bisher auch diejenigen,
die hier eine Schwierigkeit sehen, nicht daran gedacht, deshalb Galilei's
Entdeckung in Frage zu stellen; eine Lösung in diesem Sinne schien aus-
geschlossen durch die Antwort Galilei's auf die vorläufige Mitteilung
seines Schülers und durch die weitere Erwiderung Cavalieri's auf diese
Antwort. Galilei hat im Jahre 1632 aufs Bestimmteste die Entdeckung
für sich in Anspruch genommen, Cavalieri hat in seiner Erwiderung die
Thatsache dieser Entdeckung als eine vielen Zeitgenossen wohlbekannte,
von ihm selbst nicht bezweifelte bezeichnet, und die Worte, in denen beide
Männer bei dieser Gelegenheit sich äufsem, haben den Gedanken, dais ihre
Aussagen wahrheitswidrige sein könnten, nicht aufkommen lassen.
Caverni's entgegenstehende Ansicht geht von einer ihm eigentümlichen
Auffassung der erwähnten scheinbaren Widersprüche aus. Ihm erscheint
nicht die vereinzelte Ausfuhrung in den „Dialogen" unvereinbar mit dem,
was uns sonst über Galileis Wurf lehre bekannt ist; er sieht vielmehr in
jener Auseinandersetzung über die kreisförmige Bahn des auf bewegter Erde
fallenden Körpers Galilei's wahre Ansicht auch über die Form der Wurf-
linie, die er mit geringen Veränderungen vierzig Jahre hindurch festgehalten
hat, und er findet mit diesem Festhalten an der Kreisbahn der geworfenen
Körper nichts im Widerspruche als die herrschende Meinung, dafs GAL.niEi
der Entdecker der Parabelform sei und den Anspruch, den in gleichem
Sinne der lateinische Text der Discorsi erhebt.
Näher bezeichnet ist die Lehre, zu der sich nach Caverni's Auffassung
Galilei bis zum Jahre 1632 bekannt hat, die des Niccolo Tartaolia.
Die EntdeckuDg der Parabelform der Wurflinie. 587
^ach diesem besteht die Bewegung des geworfenen Körpers ans reiner ge-
m^altsamer und dieser sich anschliefsender reiner natürlicher Bewegung, die
rein gewaltsame aber besteht aus einem geradlinigen und einem ki\imm-
linigen Teil; die Krümmung des letzteren ist eine kreisförmige. Wie hier
schon angedeutet, leugnet Tartaqlia in einem anderen Satze seiner Scientia
nuoya ausdrücklich, dafis die Bewegung des geworfenen Körpers in irgend
einem Teil seiner Bahn eine gemischte, d. h. gleichzeitig gewaltsam und
natürlich sein könne. Das also wäre nicht nur im Jahre 1609, sondern
noch zur Zeit der Veröffentlichung der „Dialoge^^ im Wesentlichen Galilei's
Yorstellung gewesen und über diese Lehre Tartaglia^s wäre er nur in-
sofern hinausgegangen, als er in späterer Zeit unter dem Einflüsse anderer
Forscher ein Zusammensein beider Arten von Bewegungen anerkannt hätte.
Wer nun naiy genug ist zu meinen, dafs man dergleichen nicht als
erwiesen betrachten könne, wenn nicht aus einem so langen Zeitraum einige
wörtlich anzuführende Äufserungen herbeizuschaffen sind, die eine Denk-
weise im Sinne der Lehre Tartaglia's in unzweideutiger Weise bekunden,
der ist mit Caverni's Beweisführung rasch zu Ende; denn in Wahrheit
giebt es keine solche Belege, und Caverni hat auch keine angeführt. Er
hat dagegen in einer ungemein weitschweifigen Erörterung auf nicht weniger
als 13 dichtbedruckten Seiten grofsen Formats eine Folge Ton Citaten des
Terschiedensten Inhalts diskutiert, die Belegen in gewissem Mafse ähnlich
sehen und namentlich bei der Caverni eigentümlichen Weise, die fremden
Worte mit den eigenen Kommentaren ununterscheidbar zu vermischen, den
Eindruck hervorrufen, als ob sie jener Behauptung zur Bestätigung dienen
können. Diese dürfen als die eigentlichen Fundamente seiner Beweisführung
hier nicht unberührt bleiben.
Die Untersuchung beginnt mit den spätestens 1592 geschriebenen Ab-
handlungen und dem Fragment eines Dialogs, die im Band I der Edizione
nazionale unter dem Titel „de motu^* abgedruckt sind. Wer diese ältesten
Aufzeichnungen von Galiei's Hand ernstlich studiert, wird in ihnen nicht
viel mehr als Vorläufer der eigentlich wissenschaftlichen Oedankenentwick-
lung der Paduaner Periode erkennen; es würde daher für die hier zu er-
örternde Frage ohne Bedeutung sein, wenn sich in jenen ältesten Schriften
Beweise dafür fänden, daüs GALiiiEi zur Zeit ihrer Entstehung über die
Wurflinie nicht anders gedacht hat, als Tartaglia; aber selbst hier wird
man bei redlichstem Suchen nicht entdecken, was Caverni gefunden haben
will, die Abhandlungen und Dialoge de motu enthalten nicht allein kein
Wort von einer Konstruktion nach Tartaglia, sondern überhaupt kein
Wort über die Form der Wurflinie und demgemäCs auch keine Andeutung
darüber, dafs Galilei dem mittleren Teil derselben die Kreisform zuschreibt.
588 Emil Wohlwill:
Die Pisaner Handschrift läfst ebensowenig erkennen, dafs Galilei — wie
Caverni will — im Widerspruch mit Gabdano und Bekedetti — Tar-
TAOLiA darin Eecht gegeben hat, daCs in keinem Punkte der Wurflinie die
Bewegung aus natürlicher und gewaltsamer gemischt sei. Caverni hat fär
diese Behauptung keinen andern Beleg als die Äufserung, dalÜB „die Kreis-
bewegung einer Kugel, deren Centrum mit dem der Welt zusammenfällt,
weder eine natürliche noch eine gewaltsame ist".
Ich habe an anderer Stelle gezeigt, dals diese Äulserung hOchst wahr-
scheinlich mit Galilei's ersten Bemühungen, sich die ewige Daner der
Rotation der Erde begreiflich zu machen, zusammenhängt. Er beachtet,
dafs die Teile einer mit der Weltsphftre concentrischen homogenen Kugel
aus schwerem Stoff sich durch ihre Botation dem Centrum der Welt weder
nähern, noch von ihm entfernen können, und folgert daraus, daüs eine solche
Bewegung neben der natürlichen und der gewaltsamen eine eigentümliche
Stellung einnimmt, mit der die dauernde Erhaltung des mitgeteilten An-
triebs vereinbar erscheint').
Es bedarf kaum der Erläuterung, aber Galilei erläutert umständlich,
dafs das Gesagte sich nicht auf die Botation einer homogenen oder nicht
homogenen Kugel an irgend einer Stelle aufserhalb des Zentrums der Welt
bezieht; es kann also auch nicht auf eine kreisförmige Bewegung der ge-
worfenen Körper bezogen werden. Caverni ist kühn genug, diese Beziehung
dadurch zu schaffen, dafs er sagt: so ist es ja auch bei den geworfenen
Körpern (co^ aviene dei proietti)', der Leser soll also glauben, Galilei
sowohl wie Tartaolia lassen die geworfenen Körper sich in solcher Weise
im Ejreise bewegen, dafs sie dabei sich dem Mittelpunkt der Erde weder
nähern, noch von ihm entfernen!
Dafs in Wahrheit Galilei zu jener Zeit keineswegs im Widerspruch
gegen Cardano und Benedetti die Möglichkeit einer „gemischten" Bewegung
geleugnet hat, beweisen seine bestimmten Erläuterungen in den Abhandlungen
wie in dem Dialog „de motu". Seine Untersuchung über die Bewegung
des senkrecht aufwärts geworfenen Körpers kommt zu dem Ergebnis, dafs
dieselbe unter dem gleichzeitigen Einflüsse der Schwere und der mitgeteilten
Kraft von Anfang bis zu Ende, im Steigen wie im Fallen eine gemischte,
das heifst aus natürlicher und gewaltsamer zusammengesetzte Bewegung
ist®). Für den Fall des horizontalen Wurfs aber findet sich in der letzten
7) Vergl. meine Abhandlung über die Eatdecktmg des Beharrungsgesetses
a. a. 0. XV, 74 u. f.
8) Ed. Naz. I, p. 322. „Gemischt", das heifst aus naturlicher und gewalt-
samer Bewegung zusammengesetzt, wird in der Jugendarbeit (S. 373) auch die Be-
wegung des schräg aufwärts geworfenen Körpers genannt; hier ist jedoch zweifei-
Die Entdeckiing der Parabelform der Warflinie. 589
Abhandlung der Pisaner Handschrift eine Betrachtung über die Mischung
oder das Zusammensein der Bewegung in der Bichtung der Schwere mit
derjenigen in der Bichtung des Wurfs, die mit der 46 Jahre spftter ver-
öffentlichten trotz völlig abweichender Ausdrucksweise im Wesentlichen über-
einstimmt. In den Discorsi heifst es: „Sobald der horizontal bewegte schwere
Körper die feste Unterlage verläJGst, wird er der früheren gleichm&üsigen und
nnzerstörbaren Bewegung die von seiner eigenen Schwere herrührende Neigung
nacli unten hinzufügen, es wird demgemäfs eine zusammengesetzte Bewegung
entstehen, die ich Wurfbewegung nenne/^ Und zur Erklärung wird sp&ter
hinzugefügt: dafs die beiden Bewegungen und ihre Oeschwindigkeiten, indem
sie sich mischen, sich nicht ändern, stören oder hindern. Dem entspricht
in der Jugendarbeit die Erläuterung: „Bewegt sich der geworfene Körper
in einer dem Horizont beinahe parallelen Bichtung, so kann er sofort sich
zu neigen anfangen und dadurch von der geraden Linie des Wurfs abweichen;
denn der gewaltsam treibenden Kraft genügt es, dals sie den Körper vom
Anfang der Bewegung entfernt und diese Entfernung wird durch das Neigen
nicht gehindert."
Nicht ein Widerstreben gegen die Vorstellung einer gemischten Be-
wegung im Sinne Tartaglia's läfst sich in dieser ÄuTserung erkennen,
sondern vielmehr ein lebhaftes Bemühen, über die Natur und die Ursache
der erkannten Mischung zur Klarheit zu kommen.
Bei weitem wichtiger war es für CAVERMfs Beweisführung, aus der
Blütezeit der Paduaner Professur, speziell aus der Zeit zwischen 1602 und
1609 Belege für seine Behauptung zusammenzustellen. Caverni selbst läfst
diesem Zeitraum dem Hauptinhalte nach einen grofsen Teil der lateinisch
geschriebenen Abschnitte der Discorsi angehören; er glaubt jedoch beweisen
zu können, dais das Gleiche für den Hauptgedanken der Wurflehre aus-
geschlossen ist. In Wahrheit bietet auch diese Periode für seine Bemühungen
einen leeren Baum^ den er mit Vermutungen und Verdächtigungen ausfüllt.
Eine höchst seltsame Bolle spielt dabei ein Satz über die Wurflinie, den
LiBRi im Jahre 1844 in seiner „Geschichte der mathematischen Wissen-
schaften in Italien" aus einer Handschrift der Pariser Bibliotheque nationale
veröffentlicht hat. Die Handschrift und der Satz rühren nach LiBRf s An-
gäbe von Galilei's väterlichem Freunde, dem Marchese Guioubaldo dal
MoKTE her. Die jedenfalls bemerkenswerte ÄuXserung lautet wie folgt:
„Wenn man eine Kugel mit einer Armbrust oder mit einer Kanone
über die Linie des Horizonts hinaus abschiefst oder mit der Hand schleudert.
haft, ob der Ausdruck auf die zwiefache Bewegung des einzeloen Punktes zu
beziehen ist.
590 Emil Wohlwill:
so macht sie beim Sinken denselben Weg wie beim Steigen und die Figur
dieses Weges ist diejenige, die unter die Horizontale herabgelassen ein Tao
bildet, das nicht angezogen wird, indem dieses Tan wie jene Bewegung
ans Natürlichem und Gewaltsamem zusammengesetzt und eine Linie ist, die
dem Ansehen nach der Parabel und der Hyperbel ähnlich ist. Das Ex-
periment dieser Bewegung kann man machen, wenn man eine mit Tinte
gef&rbte Kugel nimmt und sie über die Ebene einer Tafel dahinwirfl, die
nahezu senkrecht gegen den Horizont steht, es wird dann die Kugel, anch
wenn sie springt, die Punkte verzeichnen, aus denen man klar sieht, d&Ts
sie so wie sie aufsteigt, auch absteigt, und so geschieht es mit gutem Grand,
weil die Gewalt, die sie beim Steigen nach oben erlangt hat, bewirkt, dais
beim Absteigen in derselben Weise die natär-
liche Bewegung auf dem Wege nach unten das
Übergewicht gewinnt, indem die Gewalt, die von
h bis c die Oberhand hatte, sich eihfllt und
bewirkt, dalB cd gleich cb wird, weil ferner,
indem sie beim Absteigen sich allmählich verliert,
die Gewalt bewirkt, dals de gleich ba wird, da
kein Grund vorhanden ist, da£s von <l bis f die
Gewalt gänzlich verloren gehe, denn obgleich
sie nach e zu sich beständig verliert, bleibt doch noch immer etwas von
ihr übrig, und dies ist der Grund, dals nach e zu das Gewicht niemals in
gerader Lbie geht."')
Dals bei dieser Auseinandersetzung nichts weniger als eine eigentliche
Konstruktion der Wurflinie beabsichtigt wird, geht schon daraus hervor,
dafs der Verfasser, wie vor ihm Cardano nur davon redet, welcher Linie
die Bahn „dem Aussehen nach ähnlich" (tn vista simüe) ist und dafs er
dabei Parabel und Hyperbel zusammenstellt; aber auch das, was er bestinunt
behauptet, dals die beiden Zweige der Wurflinie einander gleich sind und
dafs kein Teil derselben geradlinig ist, wird durch seine Worte in ziemlich
unbestimmter Weise veranschaulicht, keineswegs bewiesen; nicht ohne Will-
kür kann man in den wenigen Worten finden, was Cavermi in ihnen liest:
die Meinung, dafs jede zwei Punkte, in denen die beiden Zweige von der-
selben Horizontalen geschnitten werden, gleiche Geschwindigkeit haben. Das
Wort Greschwindigkeit kommt bei dai. Monte nicht vor, nur von der Über-
einstimmung der Form an den korrespondierenden Stellen ist die Bede; daJs
9"! Vergl LiBKi, hi^dTt des scunccs maOtemaHques en üaUe IV p. 397-98.
Dafa das Original von Libu genao reprodoiiert ist, hat Herr Prof. Favibo die
Güte gehabt, in der BibliotKeque maiumaU koBstaüeien za la»eii.
Die Entdeckung der Parabelform der Wnrflinie. 591
die letztere nicht erklftrlich wftre, wenn nicht die Oeschwindigkeiten im Ab-
steigen in der gleichen Weise zunähmen, wie sie im Steigen abnehmen,
rechtfertigt die Ergänzung nicht, man könnte mit gleichem Becht aus dal
Monte's Satze folgern, dals er die unveränderte Erhaltung sowohl des
horizontalen wie des vertikalen Teils der „gewaltsamen Bewegung'^ annimmt,
weil nur unter dieser Voraussetzung seine Behauptung richtig ist; und doch
wird man so fundamentale neue Erkenntnisse nicht zwischen den Zeilen
eines Satzes lesen wollen, der, ohne horizontalen und vertikalen Antrieb zu
sondern, nur davon spricht, dafs die „Oewalt^^ sich, wenn auch allmählich
abnehmend, doch bis zum Ende erhält.
Inwiefern nun diese handschriftliche Aufzeichnung dal Monte's zu
irgend einer Zeit for die Entwicklung der Wurflehre bedeutsam werden
konnte, lä&t sich nicht mehr ermitteln; es ist nicht bekannt, dafs ii'gend
ein sachkundiges Auge vor Libri sie gesehen hat. Dafs ihr Inhalt Gegen-
stand mündlicher Unterredung oder brieflicher Erörterung zwischen dal
MoKTE und Galilei gewesen, ist nicht unwahrscheinlich. Cavalieri erzählt,
dafs etwa im Jahre 1622 der Ingenieur Muzio Oddi ihm mitgeteilt, dafs
Galilei und dal Monte gemeinsam ein Experiment über die Form der
Wurflinie angestellt hätten. Dies müfste vor dem Jahre 1607 geschehen
sein; denn dal Monte ist im Januar 1607 gestorben. Es wäre denkbar,
dafs der Versuch eben der gewesen ist, den dal Monte beschreibt, denn
Galilei führt in den Discorsi von 1638 einen ähnlichen an, allerdings als
von ihm selbst erfunden und als ein Mittel, Parabeln zu zeichnen, während
DAL Monte nur von einer der Parabel und Hyperbel ähnlich sehenden Linie
redet; auch der frei herabhängenden nur an den beiden Enden befestigten
Kette wird bei gleicher Gelegenheit von Galilei die Parabelform zuge-
schrieben.
Versucht man ohne Voreingenommenheit aus diesen späten Angaben
Galileis, der Äufserung Oddi' s und dem Inhalt der handschriftlichen Auf-
zeichnung DAL Monte's kombinierend weiteres über einen Zusammenhang
zwischen Galilei^ s und dal Monte's Forschungen zur Wurflehre zu ent-
nehmen, so ergiebt sich mancherlei mögliche Deutung, aber kein geschicht-
licher Aufschlufs. Giebt man Erwägungen der Wahrscheinlichkeit Baum,
so ist es schwer, bei einem Zusammenwirken beider Männer — welcher Art
es auch gewesen sei — die entscheidende Anregung dem älteren zuzu-
schreiben. DAL Monte's Verdienste liegen auf anderem Gebiet; auf die
fragmentarische Notiz über die Wurflinie beschränkt sich, was wir von
seiner Beschäftigung mit Problemen der Bewegungslehre wissen; dagegen
konnte Galilei, als dal Monte starb, auf beinahe zwei Jahrzehnte unaus-
gesetzter und erfolgreichster, jenen Problemen gewidmeter Forschung zurück-
592 Emil Wohlwill:
blicken: wir müssen alle Vorstellungen, die über den Entwicklungsgang
seines Denkens, zu denen die bekannten Daten Veranlassung geben, bei
Seite schieben, um zu glauben, dafs ihm Betrachtungen zur Wurflehre, wie
DAL Monte sie niedergeschrieben, im Jahre 1606 noch rationell, geschweige
lehrreich erscheinen konnten.
Eine völlig entgegengesetzte Auffassung der Sachlage hat Gaverki in
seiner „Geschichte" nicht etwa als die besser begründete und wahrschem-
liebere hingestellt, sondern als die allein zulässige einer frei erfundenen
Darstellung des geschichtlich nicht zu ermittelnden Verlaufs der Dinge zu
Grunde gelegt. Für ihn gilt als ausgemacht, dafs dal Monte's Handschrift
bald nach 1607, sei es im Original, sei es in Abschrift, Galo^ei in die
Hände gefallen ist, und dafs er darin alsbald Sätze der Akustik, der
Festigkeits- und Bewegungslehre gefunden hat, die er bei passender Gelegen-
heit sich zu eigen zu machen gedachte; da er aber bei solchem Vorgehen
befürchten mufste, von Leuten, die den Inhalt der Handschrift kennen ge-
lernt, zur Bechenschaft gezogen zu werden, habe Galilei (so denkt sich
Caverni), um jedem Verdacht zu begegnen, die Erzählung von den gemein-
sam ausgeführten Versuchen verbreitet.
Es pafst zu dieser Art, Geschichte zu erfinden, dals Caverni durch
kleine Auslassungen und Ergänzungen die Dokumente verbessert. Von
„einem Versuch" (jqualche espericnza) hat Cavalieri reden hören, von „Ver-
suchen mit Kanonen" läfst ihn Caverni hören; er hat es dann um so be-
quemer sie als erdichtet erscheinen zu lassen, denn von Versuchen mit
Kanonen hätten auch Andere hören müssen, und doch „haben wir keine
sichere Urkunde, keinerlei Bericht, der dergleichen auch nur andeutete".
Aber auch dal Moute's entscheidenden Text hat Caverni nach seinen
Zwecken korrigiert; er hat die Worte et iperbola hinter ^ara5o7a weggelassen;
dafs auf diese Weise das Stückchen Wahrheit, das in dal Monte's Worten
gefunden werden kann, um ein Erhebliches vergröfsert wird, kann man in
Caverni's Darstellung sehen, nach der dal Monte seinem Nachfolger nicht
viel mehr als den Beweis für die erkannte Wahrheit zu liefern überlassen
hätte; um so stärker tritt, nun in jener früheren Periode Galilei's Be-
fangenheit hervor, denn bei aller Neigung sich anzueignen, was er Gutes
in dem Nachlafs des Freundes findet, verschmäht er dessen besten Teil,
und dreifsig Jahre vergehen, bis er, zu besserer Einsicht gelangt, sich ent-
schliefst, mit dem Übrigen aus dal Monte's Manuskript auch die Anweisung
zum Zeichnen der Parabel in seine Dialoge hinüber zu nehmen.
„Galilei verschmäht die Parabel -Ähnlichkeit", die ihm dal Monte
offenbart, er „lehnt sie entschlossen ab, als der Freund sie ihm in den
Spuren der mit Tinte gefärbten Kugel auf seiner geglätteten Tafel zeigt" —
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. 593
so kann man es gedmckt bei Cayermi lesen.^^) Und doch existiert eine
derartige abweisende Äolserang Oalilei's in keinerlei Form, weder in seinen
eigenen Aufzeichnungen aus früherer oder späterer Zeit, noch in dem Be-
richt eines Zeitgenossen, weder mit Bezugnahme auf dal Monte's Worte,
noch in irgend einem anderen Zusanmienhang. Sie ist ein Produkt der
Phantasie des Historikers, der hier wie bei vielen anderen Gelegenheiten es
für überflüssig findet, seinen Leser darüber au&uklftren, dafs er in der Form
eines geschichtlichen Berichts nichts weiter bringt als einen Bericht darüber,
wie er sich den Verlauf der Vorgänge denkt.
In ähnlicher irreführender Darstellungsweise hat Cayerni mitgeteilt,
wie seines Erachtens die Anregung, die Oaulei aus dal Momte's nach-
gelassenem Heft empfangen, für seine Wurflehre fruchtbar geworden ist;
eingehend schildert er, wie aus dal Monte's Sätzen der Gedankengang her-
Yorgewachsen ist, der Galilei im Jahre 1609 das Gesetz der gleichen
Fallzeiten begreifen oder vielmehr ahnen lieüs; denn der Tendenz gemäfs,
die Cayerni bei dieser Fiktion verfolgt, laust er das (xesetz nicht, wie es
uns in Galilei's Worten entgegentritt, als eine notwendige Folgerung,
sondern als eine unerweisliche Vermutung erscheinen; nur so konnte das
Gesetz der gleichen Fallzeiten in demselben Kopfe Baum finden, der die
Parabelähnlicbkeit der WurfLinie verwirft, weil er auch jetzt noch an Tar-
taglia's Lehre festhält
Cayerni hat nicht übersehen, dafs die wichtigen Erkenntnisse, die
der Brief an den Prinzen Medici enthält, in sehr viel einfacherer Weise
aus dem Prinzip der Zusammensetzung der Bewegungen abzuleiten waren;
er glaubt jedoch beweisen zu können, dafs Galilei über die „gemischten
Bewegungen^^ erst erheblich später zur Klarheit gekommen ist; erst 1624
im Brief an Ingoli wiederholt er die Behauptungen über die Unabhängig-
keit der Fallzeit von der Wurfweite mit dem Zusatz, dafs dies geometrisch
zu erweisen sei; eine ähnliche Bemerkung ist in dem Brief von Februar
1609 nicht zu finden; dem scheint zu entsprechen, dafs die Lehre vom
indifferenten Zusammensein der ungleichartigen Bewegungen im Brief an
Inooli zum ersten Mal klar vorgetragen wird; in die Zeit kurz vor 1624
glaubt deshalb Cayerni die Entdeckung des neuen Prinzips verlegen zu be-
dürfen. Der Brief an Inooli knüpft die Erläuterung über diesen Gegen-
stand an die Untersuchung über die Bewegungserscheinungen auf bewegter
Erde; Cayerni nimmt demgemäfs an, dafs die Beschäftigung mit der co-
pemicanischen Lehre Galilei zur Entwicklung seines Prinzips die Veran-
lassung gegeben habe; das Bemühen um die Widerlegung der physikalischen
10) A. a. 0. S. 624, 681.
Abb. rar Gktch. d. lUth«m. XZ. 88
Gegengründe gegen die Erdbewegung führte ihn dazu, tn begrcifrii, da
oin falle^ndiT Kürper, der zugleich die Bewegung des ihn umgebenden Bautn
teilt, jede dieser Bewegungen in solcher Weise ausführt, als oh die andsn
nicht vorhanden wtlro; er hi-griff, dafs deshalb der Körper, der vom Maat'
korb herabiUUt, aul" bewegtem Schiffe ganz ebenso wie auf ruleDdem i
Fui'se des Mastes zur Ruhe kommt, und nun erst, meint Gavkeni, kottiiQ
er auch als notwendig begreifen, was er in Betreff der gleichen Fallceitd
im Jahre 1609 nur vermutet hatte.
So wahrscheinlich «s ist, dafs die intensive Beschäftigung mit de
Lehre des Copbrniouh in solchem Sinne far GALiLEr's allgemeine Bewegung»
lehre fruchtbar geworden ist"), so befremdend mufs für Jeden, der siefc'
um seine wissenschaftliche Biograpliie bekümmert hat, die Vorstellung s
dafs dieser Grundgedanke dem Jahre 1624 angehöre, also in den vorhet».
gehenden dreifsig Jahren ihm fremd geblieben sei, während deren die Lein
von der Erdbewegung und die Widerlegung ihrer Gegner für Galilei ri
Hauptgegenstand des Nachdenkens gewesen ist.
Es ist nicht nötig, hier den Widereinn einer Chronologie der Galii.4
sehen Entdeckungen nachauweisen, die den Zeitpunkt der erlangter
Kiusicht mit dem Datum der ersten Veröffentlichung zusammenfallen labt,'
die also auch die Entdeckung der Fallgesetze etwa in sein 65. Lebensjahr
verlegen würde, wenn nicht ein zufälliger Weise erhaltener Brief u
rüber aufklärte, dafs das wichtigste dieser Gesetze Galilei im Jahre 160l
bekannt war; ein ithulicber Zufall gestattet uns nachzuweisen, dafs G\i.iu
wenigstens 14 Jahre vor dem Brief an Isgoh die Bewegungserschei.
auf bewegter Erde nach dem Prinzip des indifferenten Zusammenseins der
Bewegungen gedeutet hat; in seinen Randglossen zur Schrift des Lodovici.>
DELLK C'oLOMBE gegen die Bew<:gung der Erde^'} sind die physikalisch™
Argumente des Verfassers gegen die Rotationsbewegung in
genau so beantwoi'tet, wie später im Brief an Ikuoli und i
logen über die beiden Hauptweltsjsteme". Colombb's Schrift ist als 1
widerung auf den A'uhcim* sidercits ohne Zweifel im Jahre 1610 entstanden
und Galilbi'b Randglossen können nicht viel sp&ter geschrieben sein; denn
sie enthalten in wenigen andeutenden Worten eine Skizze der Kritik, dü)_
Galilei im Juli 1611 im Brief an Gallanzoni ausgeführt hat. Will n
nun nicht nach Cavkkni's Vorgang annehmen, dafs etwa Colombb's t
ricbtes Buch Galilei die erste Veranlassung gegeben hatte, sieb mit Trottj
Bkahb's Gegenbeweisen und insbesondere mit der ErCrtemng der Beweg»
160*j
s der
avico
scbra
s Br*fl
11) Ich habe die gleiche Auffauung inS4 eingehend etürtert,
la) Üdüwne Nationak 111, p. 361 u. f.
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. 595
erscheinangen auf bewegten Schüfen zn beschäftigen, sieht man yielmehr,
wie es näher liegt, die Antworten, die er dem Peripatetiker erteilt, als
Früchte einer im wesentlichen abgeschlossenen Lehre an, so fällt auch der
Grund weg, vorauszusetzen, dafis Galilei im Jahre 1609 gefehlt habe,
w^as ihm ein Jahr darauf zu Gebote stand, dafs also das Gesetz der gleichen
Fallzeiten sich zu jener Zeit nicht in der oben^') angedeuteten Weise hätte
finden und beweisen lassen und dafs es dafiir einer Ableitung aus dal
Monte's Sätzen bedurft hätte, für die man weder geschichtliche noch psycho-
logische Gründe anfuhren kann.
Der Erörterung über den Brief yon 1609 schlieüsen sich bei Cavsrni
Mitteilungen Über ein bisher nicht gedrucktes Fiugment an, das angeblich
ungefähr der gleichen Zeit entstammt. Das Galilei zugeschriebene Schrift-
stück enthält in einer Folge von Kapitelüberschriften den Plan für die
Bearbeitung artilleristischer Aufgaben. Unter den 14 Kapiteln sollte das
vierte die Frage beantworten: ob die Kugel sich in gerader Linie bewegt,
wenn sie nicht in senkrechter Richtung abgeschossen wird, das fünfte von
der Bahn handeln, die die abgeschossene Kugel beschreibt. Wären mit
den Überschriften auch die Kapitel erhalten und gehörten in Wahrheit so-
wohl die Aufgaben wie die Lösungen der Zeit der Entstehung derjenigen
Wurflehre an, von der Galilei dem Mathematiker Luca Yalerio berichtet,
so müfste in ihnen die Instantia exclusiva für die Entscheidung der hier er-
örterten Streitfrage gegeben sein. In der That scheint ein Zweifel darüber,
dafis Galilei zu jener Zeit über die Lehre Tartaglia's nicht hinaus gekommen
war, nicht gestattet, wenn man als verbürgt betrachten darf, was Caverni
von der Beantwortung der vierten und fünften Frage berichtet. „Diese
beiden Aufgaben", schreibt er, „wurden von Galileo mit Tartaglia's Ar-
gumenten gelöst. Was die viei-te betrifit, so sieht man in der That die
in der zweiten Voraussetzung des zweiten Buchs der ScienOa nuova (Tar-
taqlia's) angeführte Betrachtung in den Worten wiedergegeben, mit denen
SiMPLicio die Frage beantwortet: Wie lange dauert es nach der Trennung
von der Hand der Werfenden, dafis der geworfene Körper nach unten ab-
zuweichen beginnt? „Ich glaube", erwidert er, „dafs er sofort beginnt, denn
da er nichts hat, was ihn stützt, ist es unmöglich, dafs die eigene Schwere
nicht wirkt." „Hier wird also keine Antwort aus dem Jahre 1609 mit-
geteilt, sondern den „Dialogen" der Aufschlufs darüber entnonunen, wie
Galilei im Jahre 1609 geantwort haben wird. Dabei bleibt nur unbeachtet,
dafs Salviati's an Sihplicio gerichtete Frage sich mit der Überschrift des
13) S. S. 682.
38*
596 Emil Wohlwill:
yierten Kapitels keineswegs deckt und dafs der Sdcfucio der yJ)ialoge*^ nie-
mals die Galilei eigentümlichen neuen Gedanken und Betrachtungsweisen
vertritt; man darf also mit gutem Becht bezweifeln, dafs die angefahrte
Antwort dem vollen Inhalt jenes vierten Kapitels entspricht.
unmittelbar nach dem Zitat fährt Caverni fort: „In voller Überein-
stimmung mit diesen Prinzipien (Tartaolia's) löst Galileo die fünfte der
vorgelegten Fragen, indem er sagt, (dicendo) daiGs die von der Kugel in
ihrer Bewegung beschriebene Linie zum Teil der Art ist, dafs man sie fär
eine gerade halten kann, und zum Teil o£Fenbar gekrOmmt und der ge-
krünunte Teil wird ein Teil einer Kreisperipherie sein, wie man in Tar-
taqlia's Buch von der neuen Wissenschaft liest/'
So steht es wörtlich auf Seite 519 des vierten Bandes der CavernY
sehen Geschichte, freilich ohne Anführungszeichen und ohne Angabe einer
Quelle, aber doch mit so unzweideutiger Berufung auf Galileis Worte,
dafs der Leser schon ein hartnäckiger Zweifler sein mufs, um nicht za
glauben, es existieren Bruchstücke einer Ausführung jener Kapitel nnd
diesen sei die den Streit entscheidende Antwort entnonunen. und dennoch
duldet die innere ünwahrscheinlichkeit einer solchen Lösung den Glaaben
nicht !
Die im Jahre 1898 erfolgte Veröffentlichung des 8. Bandes der Edi-
zione Nazionale der Werke Galilei's und in diesem der sämtlichen bisher
nicht gedruckten handschriftlich erhaltenen Fragmente zur Bewegxmgslehre
beseitigt jede Unklarheit. Das von Caverni besprochene Fragment findet
sich auf S. 424. Es^ enthält, wie CAVERNfs Abdruck, die 14 Kapitelüber-
schriften, aber keine weitere Angabe über die Ausführung; es findet sich
kein zweites Fragment, das über den Inhalt der Kapitel Aufschluß gftbe,
geschweige Caverni^s Aufschlufs bestätigte. Es unterliegt also keinem
Zweifel, dals unter den Handschriften der Biblioteca nazionale in Florenz
eine handschriftliche Aufzeichnung, der die Lösung der fünften Frage zn
entnehmen wäre, nicht erhalten ist. Auch hier hat demnach Caybrni in
dem, was er Galilei sagen läfst, nur nochmals die eigene Meinung zum
Ausdruck gebracht. Solche Beweisführung bedarf keines Kommentars.
m.
Cavebni's Versuch zu beweisen, dafs Galilei in der Periode seiner
gröfsten Forschungen und noch darüber hinaus in der Wurflehre an der
rohen Vorstellung seines Vorgängers festgehalten, mit ihm auf jede mecha«
nische Begründung dieser Vorstellung verzichtet hat, ist mifslungen; die
einzige in Wahrheit aus diesem Zeitraum erhaltene Äufserung ist mit der
Vorstellung, dafs die Wurf lehre von 16u9 im wesentlichen die des vierten
Die Entdeckaog der Parabelform der Wurf linie. 597
T*ages der Discorsi gewesen sei, einfach vereinbar. Es mag hier nachträg-
lich bemerkt sein, dafs auch die dem Brief an den Prinzen Medici bei-
g^efügte Originalzeichnung der Vorstellung widerspricht, dafs Galilei im
Februar 1609 noch an eine Kreisbahn der geworfenen Körper geglaubt
habe. Diese Zeichnung ist in Alberi^s Ausgabe ^^) ziemlich gut nach-
gebildet. Herr Professor Favaro hat die grofse Liebenswürdigkeit gehabt,
mir für den Zweck dieser Veröffentlichung ein von ihm selbst in Florenz
g^enommenes Facsimile zur Verfügung zu stellen. Der beistehende Abdruck
w^ird deutlich genug erkennen lassen, dals, wenn je zuvor Tartaglia's Bild
der Wurf linie für Galilei etwas Verführerisches gehabt hat, dies im Früh-
jabr 1609 nicht mehr der Fall gewesen ist.
Es bleibt zu untersuchen, in wiefern ein Beweis im entgegengesetzten
Sinne den späteren ÄuTserungen zu entnehmen ist, in denen Galilei den
auf rotierender Erde fallenden Stein einen Kreisbogen beschreiben läfst.
Cayebmi hat darauf aufmerksam gemacht, dafs mit dem, was in dieser Be-
ziehung die „Dialoge^^ yon 1632 ausführen, der 8 Jahre früher geschriebene
Brief an Ingoli übereinstimmt. „Der Stein im Mastkorb'^ heilst es hier,
„bewegt sich, wenn das Schiff im Fahren begriffen ist, mit dem gleichen
Antrieb wie das Schiff, und dieser Antrieb geht nicht verloren, weil der-
jenige, der den Stein festhielt, die Hand öffiiete und ihn fallen liefs, son-
dern erhftlt sich unzerstörbar in ihm, so dafs er vermittelst dieses Antriebs
imstande ist, dem Schiffe zu folgen; durch die eigene Schwere aber, die
von jenem nicht behindert wird, bewegt er sich abw&rts, indem er aus
beiden eine einzige ^^) Bewegung (und vielleicht auch eine kreisförmige)
zusammensetzt, die in die Quere geht und nach der Richtung geneigt ist,
in der das Schiff sich bewegt*®)."
14) Vergl. Opere di 6. Galilei ed. Eugenio Albebi Bd. VI, Tav. II, Fig. 1.
15) Albbri's Ausgabe liest hier unverständlich un hei moto; die Edizione
nationale, in deren Band VI der Brief an Inooli zum ersten Male in korrektem
Text abgedruckt ist» hat un solo moto.
16) Ed. naziondle YI, p. 546.
598 Emil Wohlwill:
0£Fenbar wird durch den Ausdruck et forsc anco circolare wenigsteos
als möglich bezeichnet, was die „Dialoge" eingehender erGrtem; man wird
jedoch diese Übereinstimmung nicht so auffassen dürfen, als ob hier zwei
voneinander unabhängige, durch eine Reihe von Jahren getarennte Kund-
gebungen vorliegen, die f&r ein Festhalten der gleichen Meinung w&brecd
eines längeren Zeitraumes zeugen. Die Ausarbeitung der „Dialoge^' ist
nach Galileis Aussage vor der Inquisition 10 bis 12 Jahre vor dem
April 1633, also zwischen 1621 und 1623 in Angriff genommen, der Brief
an Ingoli ist im Herbst 1624 begonnen und vollendet; er ist also ge-
schrieben, nachdem ein Teil der behandelten Gegenstände bereits f&r die
„Dialoge'^ bearbeitet war; eine nahezu gleichzeitige Entstehung der in
beiden Schriften enthaltenen Erörterungen über die vermeintlichen Beweise
gegen die tägliche Bewegung der Erde ist daher vorzugsweise wahrschein-
lich; dem entspricht, dafs gerade in diesen Abschnitten beider Bchriften
vielfach ähnliche, ja bis auf den Wortlaut Übereinstimmende Ausführungen
gefunden werden ^^). So ist auch in den Worten „vielleicht auch kreis-
förmig^' nur in gewissermafsen verdichtetem Ausdruck wiederholt, was in
den „Dialogen^' umständlich teils gesagt, teils umschrieben wird. Es wird
also genügen, auf die entscheidende Stelle der letzteren näher einzugeben,
um zugleich zu erläutern, was die Äufserung des Briefes an Ingoli be-
deutet.
Die Erörterung der „Dialoge"^) mufs den aufmerksamen Leser dorch
einen gleich in den ersten Sätzen enthaltenen Widerspruch befremden. Klar
und bestimmt vrird von Salviati auseinandergesetzt, wie man konstruie-
rend verfahren muls, um die Beschaffenheit der Linie zu finden, die dej
fallende und zugleich an der Rotation der Erde teilnehmende Stein be-
schreibt; mit besonderem Nachdruck wird hervorgehoben, dais för den
Zweck dieser Konstruktion es nicht genüge zu wissen, dafs die Bewegung
des fallenden Körpers eine beschleunigte, auch nicht dafs die Beschleunigung
eine fortwährende sei, sondern vielmehr gewofst werden müsse, nach
welchem Verhältnis die Beschleunigung des fallenden Körpers erfolgt; anf
Sagrbdo's Befragen erklärt dann Salviati, dafs der gemeinsame akademische
Freund (Galilei) dies Verhältnis entdeckt habe, doch würde es eine zu
grofse Abschweifung erfordern, wenn er darauf bei dieser Gelegenheit ein-
gehen wollte. So wird die Erörterung über das Verhältnis der Beschleuni-
gung mit anderen Dingen für eine spätere Zusammenkunft aufbewahrt ^^j,
17) Vergl. Dialog über die beiden hauptsächlichaten Weltsysteme. Obersetzt
und erläutert von £. Stbauss. Leipzig 1891. XLIV u. f.
18) Ed. nazionale VII, p. 186 u. f. 19) Ebenda p. 190.
Die Entdecktmg der Parabelform der Warflinie. 599
es kommt also das, was soeben als für die Aasfohrong der Konstraktion,
d. h. f&r die Lösung der Aufgabe unerläfslich bezeichnet worden, thatsäch-
lieh nicht zur Sprache, man erf&hrt nichts über das von dem akademischen
Freund entdeckte Gesetz, und trotzdem wird die Konstruktion in Angriff
genommen. Dafür scheint es nun plötzlich genügend zu wissen, dafs die
Zunahme der Geschwindigkeit eine kontinuierliche ist und dalis infolge
dessen der fallende Körper von der Buhelage bis zu irgend einer bestinunten
Geschwindigkeit alle dazwischen liegenden Grade der Langsamkeit durch-
laufe; es wird gezeigt, dais infolge dessen die Bahn des fallenden Steins
sich von der parallel der Erdoberfläche gezogenen Kreislinie in um so
stärkerem Verhältnis entfernen mufs, je weiter der fallende Körper in dieser
Resultierenden fortschreitet. Dadurch und durch die weitere Forderung,
dafs die Linie der aus Erdrotation und vertikalem Fall zusammengesetzten
Bewegung im Mittelpunkt der Erde endigen muTs, erscheint die Beschaffen-
heit dieser Linie bestimmt. Dais sie das in Wirklichkeit nicht ist, geht
aus Sajlviati's einleitender Überlegung unmittelbar hervor; denn das Maljs
der zunehmenden Abweichung von deijenigen Ejeislinie, die der Stein in
der Buhelage beschreiben würde, wird nicht bestimmt, und kann mit den
gegebenen Voraussetzungen nicht bestimmt werden. Nicht als erwiesen,
sondern nur als sehr wahrscheinlich wird daher hingestellt, daüis die ge-
suchte, auf der Höhe des Turmes beginnende und im Mittelpunkt der Erde
endigende Linie eine Kreislinie ist; bewiesen wird nur, dais, wenn dies der
Fall wäre, sich drei merkwürdige Konsequenzen ergeben müMen: die wirk-
liche Bewegung des fallenden Körpers, der an der Bewegung der Erde teil-
nimmt, ist als einfache Kreisbewegung eine Bewegung genau derselben Art
wie die des auf dem Turme ruhenden, er bewegt sich weder mehr noch
weniger, als wenn er fortwährend auf dem Turme geblieben wäre, denn die
Bogen, die er in letzterem Falle durchlaufen haben würde, sind genau den-
jenigen gleich, die er als fallender Körper durchläuft, und daraus folgt als
drittes Wunder: die wahre und wirkliche Bewegung des Steins wird über-
haupt nicht beschleunigt, sie ist vielmehr immer gleichmäüsig und einförmig,
weil alle gleichen Bögen beider Peripherien in gleichen Zeiten durchlaufen
werden.
Nachdem Salviati diese Sätze geometrisch abgeleitet, erinnert er
nochmals daran, dais der Wert dieses Beweises von der Wahrheit seiner
unerwiesenen Voraussetzung abhängt; das ist offenbar der Sinn seines Schiulis-
worts: „dafs aber die Sache in Bezug auf die Bewegung der fallenden
Körper sich genau so verhält, will ich für jetzt nicht behaupten [hier hat
man das forse circolare des Briefs an Ingoli]; wohl aber sage ich, dais,
wenn die von dem fallenden Körper beschriebene Linie nicht genau diese
600 Emil Wohlwill:
ist, sie ihr doch auTserordentlich nahe kommt". Saqredo aber überhört
den Vorbehalt nnd zieht mit besonderer Genugthaang aus dem Gesagten
den Schlafs, dafs infolge der Bewegung der Erde es in der Natur über-
haupt keine geradlinige Bewegung mehr giebt, und dafs nun selbst die-
jenige Funktion, die der geradlinigen Bewegung bisher zugestanden war,
die Zurückführung der getrennten Teile zu dem Ganzen, dem sie ange-
hören, auf die Kreisbewegung übertragen wird.
Zieht man in Betracht, dafs demnach für die Zusammensetzung der
beiden Bewegungen das wichtigste Erfordernis, die Kenntnis der Fall-
beschleunigung, absichtlich unbenutzt bleibt und dalis daher auch auf eine
Untersuchung darüber von vornherein verzichtet wird, ob die vermutete
Kreisform der Resultierenden mit dem Gesetz der ungeraden Zahlen im
Einklang ist^), so wird man die gegebene Lösung, die in Wahrheit die
Umgehung einer Lösung ist, kaum als eine ernsthafte ansehen können.
Als eine Fiktion hat Galilei selbst sie bezeichnet. Als Pierre Carcavy
ihm im Jahre 1637 die Bedenken eines Freundes gegen die Scheinkon-
struktion der „Dialoge" mitgeteilt hatte, erwiderte Galilei: „dafs durch
Mischung der geradlinigen Bewegung des fallenden Körpers mit der gleich-
förmig kreisförmigen der täglichen Bewegung ein Halbkreis erhalten werde,
der im Mittelpunkt der Erde endigt, wurde scherzweise gesagt, wie dies
offenbar daraus hervorgeht, dafs es als eine Grille und ein wunderlicher
Einfall (un Capriccio e una bizzarrid) bezeichnet wird, das will sagen jocu-
Inris quaedam audacia. Ich wünsche deshalb, dafs mir in dieser Beziehung
Dispens erteilt wird, umsomehr als diese — wie ich sagen darf — poetische
Fiktion zu jenen drei unerwarteten Konsequenzen führt".
Dieser Erklärung fügt Galilei in seinem Brief vom 5. Juni 1637
die weitere hinzu: dafs bei Beschränkung auf denjenigen Teil der be-
schriebenen Kurve, der über der Oberfläche der Erde liegt, er kein Be-
denken trage, sie als eine parabolische Linie zu bezeichnen, da er behaupte,
dafs es solche Linien seien, die von den geworfenen Körpern beschrieben
werden.
Nach Caverni führt hier Galilei nachträglich unehrlicher Weise als
eigenen Gedanken ein, was er inzwischen von Cavalieri gelernt hat. Man
kann diese Deutung in voller Überzeugung zurückweisen und doch die Frage
nicht unterdrücken : wenn Galilei das wufste, als er seine Kreislinie erdichtete,
warum hat er im „Dialog" die ernste Wahrheit verschwiegen, die doch
sicher nicht weniger int^jressant war als seine poetische Fiktion?
20) Strai'ss (,,Dialog^* S. 526) hat sich der Muhe unterzogen, geometrisch
nachzuweisen, dafs dies nicht der Fall ist.
Die Entdeckung der Farabelform der Wurf linie. 601
Auch dafür ist die Antwort mit ziemlicher Sicherheit Galileis eigenen
^Worten zu entnehmen. Seine „Dialoge über die beiden. Weltsysteme*' sind
nachweislich während eines längeren Zeitraums entstanden und im Verlauf
dieser Zeit hat er den Plan fOr die Anordnung seines Werks mehrfach
geändert Die hier in Betracht konmiende Stelle beweist, dafs Gajüilei,
als er sie schrieb, die Absicht hatte, die wichtigsten zur Bewegungslehre
gehörigen Ausführungen in einem besonderen Werk zu yeröffentlichen und
in die vorher zu vollendenden „Dialoge über die Weltsysteme" aus dem
gleichen Gebiet nur soviel aufzunehmen, als zum Verständnis unerläTslich
war. Auf den „Traktat von der Bewegung" wird deshalb der wifsbegierige
Sagredo verwiesen, als er näheres über das Gesetz der Fallränme zu er-
fahren wünscht. Denkt man sich den hier als bereits abgeschlossene Schrift
erwähnten Traktat als identisch oder doch dem Hauptinhalte nach über-
einstimmend mit den lateinisch geschriebenen Abschnitten der Discorsi von
1638, so machen schon die bekannten einleitenden Worte dieses Textes
verständlich, dals von den „Dialogen über die Weltsysteme" nach dem ur-
sprünglichen Plane eine Eröii;erung sowohl über das Fallgesetz wie über
die Wurflinie ausgeschlossen blieb; denn das Gesetz der ungeraden Zahlen
und die Parabelform der Wurflinie werden in diesen Worten unter allen
übrigen neuen Erkenntnissen Galilei's mit höchstem Nachdruck als Wahr-
heiten hervorgehoben, „von denen bis dahin Niemand gewulst habe". War
Galilei gesonnen, ein zweites Werk mit solcher Einführung an die Öffentlich-
keit zu bringen, so konnte er nicht die Lehren, die dort als völlig neue
dargeboten werden, in einem anderen Buche im Voraus gelegentlich zur
Sprache bringen wollen. Und daraus ergab sich ohne weiteres, dafs er
auch auf eine klare und korrekte Ausfährung der hier besprochenen Kon-
struktion verzichten mufste.
Es liegt nahe, gegen diese AufPassung geltend zu machen, dafs trotz
des anfänglich ausgesprochenen Verzichts die „Dialoge über die beiden
Weltsysteme" an späterer Stelle nicht nur eine Ableitung der Fallgesetze,
sondern auch umständliche Ausführungen über zahlreiche andere Probleme
der Bewegungslehre enthalten; die nähere Prüfung ergiebt jedoch, dafs
man es hier nicht mit ursprünglich beabsichtig^ten Ergänzungen, sondern
mit Einschaltungen zu thun hat, die mit dem ersten Plan des Werks in
unverhülltem Widerspruche stehen. Nachdem im „zweiten Tag" der „Dia-
loge" die Einwendungen gegen die tägliche Bewegung der Erde gründlich
durchgenonmien sind und bereits der Übergang zur jährlichen Bewegung
vorbereitet ist, kehrt der Dialog noch einmal in ziemlich weitläufigen Er-
örterungen zu den soeben behandelten Gegenständen zurück. Dieselben
knüpfen sich an eine überaus scharfe Zergliederung der schon 1615 er-
602 Emil Wohlwill:
schienenen Disquisitioncs matheniaticae Christoph Schbiner' s, aber ohne Zweifel
war es nicht diese dürftige Schrift und der Wunsch, sie nicht unwiderlegt
zu lassen, was Galilei veranlafste, auf die bereits erledigten Beweisgründe
nochmals einzugehen, sondern die heftigen Angriffe Scheiner's in der erst
1631 veröffentlichten Bosa Ursina. Den erbitterten Gegner als Ignoranten
erscheinen zu lassen, ist der offenkundige Zweck der Einschaltung. Scheiner
selbst hat den Verdacht ausgesprochen, dafs Galilei die gegen ihn gerichtete
Kritik unter Umgehung der Zensur in das dmckfertige Manuskript auf-
genommen habe. Jedenfalls werden nicht leicht in anderer Weise als durch
die Annahme einer Entstehung der Einschaltung längere Zeit nach der
Vollendung der ersten Bedaktion des zweiten Tages die yielfachen Wieder-
holungen und die Widersprüche im letzten Dritteil eben dieses „Tages^
verständlich.
Um Scheiner blofszustellen, bot neben vielen anderen Schwächen der
„Disquisitiones" die Berechnung der Fallzeit eines Steins, der vom Monde
zur Erde gelangt, einen willkonunenen Stoff; hier kam es nun darauf an,
der völlig verfehlten die richtige Rechnung gegenüber zu stellen'^), zu
diesem Zwecke fügt Galilei eine Ableitung der Gesetze des freien Falls
und verwandter Teile seiner Bewegungslehre ein. Er hat es nicht für nötig
gehalten oder nicht daran gedacht, diese an späterer Stelle gegebene Ab-
leitung mit der vorhergehenden Erklärung in Einklang zu bringen, nach
der er zwar die Gesetze kennt, aber sie nicht in einer Einschaltung zur
Sprache bringen will; und darum liegt auch für uns kein Grund vor, auf
die nachträgliche Einschaltung der Fallgesetze Bücksicht zu nehmen, wo
es darauf ankommt, zu begreifen, weshalb an jener früheren Stelle statt
einer richtigen Ableitung der Form der Wurf linie ein geometrischer „Scherz^'
zu finden ist.
Für die ernsten Menschen — auch Herr Cavbrni gehört zu ihnen — ,
die es unerträglich finden, Probleme der Wissenschaft in solcher Weise
leicht genommen zu sehen, noch ein kurzes Wort. Man mag von einem
höheren Standpunkt aus dem grofsen Manne zürnen, dafs er in geistreichem
Spiel sich ergeht, wo er nicht nach bestem Wissen reden will; wer aber
Geschichte studiert, um Menschen und Vorgänge zu begreifen, wird wenigstens
anerkennen müssen, dafs die Freude am Geistreichen in Wort und Sinn
ein wesentlicher Bestandtheil GALiLEi'scher Geistesart ist und dafs die Aus-
führungen über die Kreisbahn fallender Körper dieser Geistesart entsprechen,
(ieistesspiele verwandter Art, in ähnlicher Weise „ergötzlich" zu lesen, aber
21) Auf den Wert dieser Rechnung kommt es hier nicht an. Man vergleiche
über dieselbe E. Stbauss a. a. 0. S. 633 — 34.
Die Entdeckung der Farabe]farm der Wurflinie. 603
^wertlos fxir die Wissenschaft bieten seine Hypothesen über den Ursprung
<ler verschiedenen Geschwindigkeiten der Planeten wie über die Entstehung
^er Fallbeschleunigung durch das Zusammenwirken der unveränderlichen
Schwere mit der allmählich abnehmenden vis impressa. Wie für diesen
letzteren Fall aus den Schriften jüngerer Jahre streng nachzuweisen ist,
^bringt er vielleicht auch in den beiden andern Gedankengänge einer längst
vergangenen Periode, die ihm nicht minder interessant erscheinen, weil er
um besserer Einsicht willen darauf verzichtet hat, sie als richtig zu be-
trachten. So scheint er noch im Brief an Carcavy eine ausreichende
Rechtfertigung seiner falschen Annahme darin zu sehen, daüs dieselbe so
völlig überraschende Eonsequenzen ergiebt. Wer weiter verfolgen will, in
welchem Mafse für Galilei der geistreiche Einfall verführerisch und —
wenn man will — gefährlich werden konnte, dem mag ein gründliches
Studium des Briefs an die Grofsherzogin Chbistina von Lothringen
empfohlen sein.
IV.
Nichts weiter können und wollen die vorstehenden Ausführungen glaub-
lich machen, als dafs Galilei so, wie er es in den Dialogen von 1632
gethan hat, über die Bahn des fallenden Körpers spekulieren und doch zur
selben Zeit von der Parabelform der Wurflinie überzeugt sein konnte; wer
dem Gesagten auch nur den Wert einer zulässigen Vorstellung von der
Entstehung der Episode der „Dialoge" zugesteht, hat eben dadurch ein-
gei^umt, dafs aus den dort vorgetragenen Betrachtungen ein Schlufs auf
den Inhalt der Wurflehre von 1609 nicht gezogen werden kann.
Aber Erwägungen dieser Art lagen den ersten begeisterten Lesern der
„Dialoge" fem; geschichtliche Betrachtungen über die Entstehung des
Buches, über das Verhältnis des Autors zu seinem Werk, über die Veran-
lassungen, die ihn bestimmten, Einzelheiten weitläufig zu erörtern, andere
mit Stillschweigen zu übergehen, kurz alles was für uns, die das Buch ge-
schichtlich verstehen wollen, von besonderem Interesse ist, trat naturgemäfs
für diejenigen zurück, denen aus jeder Seite neue Wahrheiten, neue Auf-
schlüsse über halb Begriffenes oder Unverstandenes entgegentraten; so ist
kaum zweifelhaft, dafs auch die merkwürdige Konstruktion des zweiten
„Tages" damals als eine ernstgemeinte Lehre des Meisters aufgefafst und
bewundert wurde; aber ebensowenig darf es uns überraschen, wenn Gelehrte
wie Cabcavv und sein Freund, deren kritischen Sinn Galilei's Ausführung
unbefriedigt liefs, ihre Bedenken äufsem, ohne irgendwie zu beachten, was
er gewissermafsen in die Stelle „hineingeheimnist" hat.
604 Emil Wohlwill:
Es ist schon oben auf die — zuerst von Cavbrni hervorgehobene —
Stelle des Speech io ustorio hingewiesen, die es sehr wahrscheinlich macht,
dafs auch Cayalibri in den Ausführungen der „Dialoge^' Galilbi's wahre
Meinung über die Natur der Wurflinie zu lesen geglaubt hat. um nun
zu ermessen, inwiefern eine solche Vorstellung des hochbegabten Schülers
weitere Schlüsse auf Galilei^s Wissen im Jahre 1632 gestattet, wird man
zunächst genauer zu prüfen haben, was auf Cavalieri's Ankündigung seines
Speeehw Galilei erwidert und was Cavalieri selbst auf diese Erwiderung
geantwortet hat.
Auf Cavalieri's früher angeführte Mitteilung vom 31. August ant-
wortete Galilbi am 11. September 1632 nicht ihm persönlich, sondern
dem gemeinsamen, wie Cavaligui in Bologna ansässigen Freunde Cesare
Marsigli**).
„Ich habe Briefe vom Pater Pra Büona Ventura (Cavalieri) mit der
Nachricht, dafs er kürzlich eine Abhandlung über den Brennspiegel drucken
lassen, in der er, wie er sagt, bei gegebener Gelegenheit den Satz und den
Beweis von der Bahn der geworfenen Körper eingefügt hat, in dem er dar-
thut, dafs dieselbe eine parabolische Linie ist. Ich kann Euch, verehrter
Herr, nicht verhehlen, dafs diese Nachricht mir eine wenig erfreuliche ge-
wesen ist; denn ich sehe, wie von einem mehr als vierzigjährigen Studium,
von dem ich einen guten Teil in vollem Vertrauen dem Pater mitgeteilt,
mir nunmehr die Erstlingsfrüchte genommen und dem Buhm, den ich mir
von so langen Mühen versprach, die Blüte gebrochen werden soll; denn in
Wahrheit war das erste, was mich veranlafst hat, über die Bewegung nach-
zudenken, das Bestreben, diese Linie zu finden; ist sie einmal gefunden, so
ist auch der Beweis dafür nicht allzu schwer; ich aber, der sie bewiesen,
weifs, wie viel Mühe ich gehabt die These selbst zu finden; und wenn der
Pater Fra Buonavbntura mir vor der Veröffentlichung seine Absicht mit-
geteilt hätte (wie es vielleicht die Höflichkeit erforderte), so würde ich ihn
so sehr gebeten haben, dafs er mir erlaubt hätte, zuvor mein Buch drucken
zu lassen, und dann hätte er soviel Entdeckungen hinzufügen können, wie
ihm beliebte. Ich werde abwarten und sehen, was er vorbringt; aber etwas
Greises raüfste es sicherlich sein, um meinen Unwillen zu beschwichtigen
und mit dem meiuigen den der Freunde alle, die davon gehört und die zu
gröf serer Kränkung noch mir mein allzu grofses Vertrauen zum Vorwurf
machen. Mein Stern bringt es mit sich, dafs ich um das, was mein ist
kämpfen und auch dabei noch verlieren mufs."
22) Vergl. Galilbi, Opere ed, Albbbi VU p. 6.
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. 605
Auf diesen Brief antworteten am selben Tage (21. September 1632)
Marsigli und Cayalieri^^). Der Letztere schreibt:
,,Der Kummer, den Ihr nach der Mitteilung des Herrn Cbsarb Marsigli
darüber empfunden, dafs ich in meinem Specchio Ustorio die parabolische
Linie berührt, die von den geworfenen Körpern beschrieben wird, ist sicher-
lich nicht so grofs gewesen wie der meine, als ich vernahm, dafs Euch ge-
kränkt hat, was ich mehr aus allzu groiser Ehrfurcht als aus anderem
Gnmde unterlassen. Was ich von der Bewegung gesagt, habe ich als Euer
und des Pater Benedetto Schüler gesagt, und das erkläre ich feierlich
(wie Ihr aus den beiliegenden Bogen sehen könnt), da ich von Euch, ich
kann sagen, das Wenige, das ich weifs, gelernt habe. Wahr ist, dafs Ihr
Yielleicht sagen werdet, ich hätte etwas deutlicher aussprechen sollen, dafs
der Gedanke der parabolischen Linie von Euch, verehrter Herr, herrührt;
aber wisset, daüs die Besorgnis, vielleicht nicht vollständig mit Eurer These
übereinzustimmen, bewirkt hat, dafs ich nicht in bestimmten Worten Euch
zuzuschreiben wagte, was Ihr als nicht das Eure hättet zurückweisen müssen.
Diese Besorgnis bewirkte, sage ich, dafs ich mich auf die allgemeinen auf
Seite 152 gesagten Worte bezog, wo ich auch den Pater D. Benedetto
nenne, nicht weil ich ausdrücken will, dafs das Folgende zum Teil von ihm
herrührt, sondern weil auch er mich über einen Teil dieser Gegenstände
unterrichtet hat, da ich über dieselben von ihm mit andern Schülern Ver-
suche habe ausführen sehen; von diesen andern Schülern habe ich auch
eben diese These gehört, und mir scheint in der That sowohl die These,
wie dafs sie von Euch herrührt, so verbreitet zu sein, dafs der Gedanke,
ich hätte sie als mein Eigentum in Anspruch nehmen können, nicht auf-
kommen kann^). Und wenn ich gegen andere die Höflichkeit gehabt habe,
wie gegen den Herrn Muzio Oddi, ihm zu schreiben, ehe ich über Dinge,
die zwischen ihm und mir sich zugetragen, etwas drucken lieis, so hätte
ich das viel eher noch bei Euch gethan, wenn ich gedacht hätte, dafs Ihr
Wert auf die Sache legtet, da ich Euch so sehr schätze, ehre und liebe,
wegen Eurer vielen Verdienste und der zahllosen Gunstbeweise, die mir von
23) Galilei, Opere ed. Albebi IX p. 290 u. f.
24) Herr Professor Fayabo hat auf meine Bitte die Güte gehabt, das Original
des Briefes in Florenz zu vergleicheo. Dabei hat sich herausgestellt, dafs neben
einigen minder wichtigen anderweitigen Abweichungen Albebi's Abdruck an dieser
Stelle eine ganze Zeile ausgelassen und dadurch den Sinn nicht unwesentlich
verändert hat. Der richtige Text lautet: da* quali pure ho sentito VisUssa con-
dusiane parendomi in somma talmente divulgata la conclusione e eh'
ella n' era Vautore, che non potesae cadere etc. Bei Albebi fehlen die hier gesperrt
gedruckten Worte.
606 Emil Wohlwill:
Euch za Teil geworden sind. Und wenn, als Ihr mich unterrichtetet, Ihr
mir angedeutet hättet, dafs ich diese oder jene Oedanken nicht an die
Öffentlichkeit bringen sollte, so würde ich es unter keinen umstanden ge-
than haben, während ich sonst, wenn ich sie andern erklärte und als die
Euren zur Sprache brächte, geglaubt hätte zu thun, was dem guten Sohöler
geziemt, indem ich mich wenigstens als verständig Erfassenden wenn nicht
als Nachahmer der bewundernswerten Bemühungen erwiese, die Ihr anf die
Enthüllung der Geheimnisse der Natur verwendet/^
„Ich füge hinzu, dafis ich in Wahrheit dachte, Ihr hättet irgendwo
darüber geschrieben, da ich nicht in der glücklichen Lage gewesen bin, alle
Eure Werke zu sehen, und in diesem Glauben hat mich bestärkt, dafs ich
wahrnahm, wie diese Lehre so sehr und so lange schon verbreitet bt, da
Oddi mir vor zehn Jahren sagte, Ihr hättet darüber mit dem Herrn
GuiDUBALDO DAL MoNTE Yersuchc gemacht, und auch das hat mich unacht-
sam gemacht, so dafs ich Euch nicht zuvor davon schrieb, da ich id der
That glaubte, dafs Ihr Euch durchaus nicht darum kümmertet, vielmehr
zufrieden sein würdet, dafs einer Eurer Schüler bei so günstiger Gelegenheit
sich als Anhänger Eurer Lehre zeigte, von der er bekennt, dais er sie von
Euch gelernt habe/'
„Wollt Ihr nun trotz dessen, was ich zu meiner Verteidigung sage,
dafs es ein Vergehen sei, so ist es sicher keins aus bösem Willen. Erwägt
nun, was ich thun soll, um Euch Genugthuung zu geben; denn ich bin
voll bereit, es zu thun. Ich habe hier in Bologna nur einige Abdrücke
aus der Hand gegeben, und werde keinen andern ausgeben lassen, bis die
Sache, wenn möglich, in solcher Weise in Ordnung gebracht ist, dafs es
Euch genügt; ich werde deshalb entweder die weitere Ausgabe so lange
verschieben, bis Ihr Euer Buch über die Bewegung habt drucken lassen,
oder es mit früherem Datum drucken lassen könnt, oder ich lasse die beiden
Bogen noch einmal drucken, unter Vernichtung alles dessen, was Ihr als
Euch benachteiligend anseht, oder ich setze am Bande von Seite 164, bei
Zeile 22, wenn Ihr meint, dals ich mit Euch übereinstimme, die Worte:
These des Herrn Galileo, oder endlich, ich verbrenne alle Abdrücke, damit
mit ihnen die Ursache des Verdrusses zerstört werde, die ich meinem Herrn
Galileo gegeben, so dafs er mit Cäsar mir hätte sagen können: Tu quo-
que Brüte filif während ich immer als mein höchstes Glück betrachtet, ihn
gekannt zu haben, ihn ehren und ihm dienen zu können." — —
„Sagt mir also frei, was von dem Genannten, wenn ich es ^thue, Euch
zumeist Genugthuung gewähren wird, denn mit vollster Bereitwilligkeit
werde ich es sofort zur Ausführung bringen."
Die hier mitgeteilten Briefe haben es Cavebni nicht erschwert, den
Die Entdeckung der Parabelform der Warf linie. 607
Zasammenliang der Vorgänge so zu schildern, als ob durch die Gesamtheit
der Zeugnisse der ausschliefsende Ansprach Cavalieri's auf die Entdeckung
der Parabelform zur Evidenz erhoben wäre. Frei dichtend erzählt er, wie
die Lektüre der „Dialoge^^ an der betreffenden Stelle Cayalieri aufs pein-
lichste berührt und nach kurzem Nachdenken zur richtigen Lösung sowohl
für die vorliegende Aufgabe wie fQr das mathematisch identische Problem
der Wurflinie geführt hat. Ln „Specchio ustorio^^ vrird demnach Galclei's
Lehre nicht benutzt, sondern widerlegt. So findet auch in Cavaliebi's Ge-
dankengang, wie ihn Cavbrni — weiter dichtend — fortführt, nur die eine
Soi^e Baum: wie Galilei, der eigenwillige, leidenschaftliche Tyrann es auf-
nehmen möge, dafs er, der Schüler, gewagt, seinen Halbkreis durch die
Halbparabel zu ersetzen, und aufs höchste ist er überrascht, als ihn statt
des erwarteten Vorwurfs*^) über diese verwegene Abweichung die Kunde
trifft, dafs Galilei fQr sich selbst die Entdeckung der Parabelform in An-
sprach nimmt.
Mit dem brutalen Ausspruch: „soviel Sätze, soviel Lügen!" erledigt
Cavekni die wehmütig bitteren Worte, in denen Galilei dem Schüler gegen-
über auf seiner Priorität besteht, aber auch die unbedingte Anerkennung,
die Cayalieri in scheinbatem Widerspruch mit seinen früheren Äufsemngen
nunmehr Galileis Ansprüchen zu Teil werden läfst, bietet ihm keine
Schwierigkeiten. Auch Cayalieri lügt, aber fast ohne zu wissen, dafs er
es thut. Im Banne des dämonischen oder magischen Einflusses, den Ga-
ltlei auf ihn ausübt — so fafst Cayermi sein Verzichten auf — glaubt
„der gute Mensch" zu begreifen und zu wissen, was Galilei ihn glauben
machen will; willenlos läüst er, der rechtmäüsige Eigentümer, sich bewegen,
mit eigenen Händen dem Räuber ins Haus zu tragen, was er fordert; willenlos
bekennt er sich überzeugt, dafs er selbst der Räuber gewesen sei.^^)
Sieht man davon ab, dafs Cayerni auch hier dem Romanschriftsteller
die Feder des Historikers überläfst, dafs er eine Kombination von Möglich-
keiten für Geschichte ausgiebt, so ist auch als einfacher Erklärungsversuch
betrachtet, seine Darstellung der Vorgänge eine völlig in der Luft schwe-
bende; sie giebt eine Deutung der bekannten Thatsachen und ÄuTserungen,
wie man sie erst dann versuchen dürfte, wenn als festgestellte Wahrheit
26) Er färchtete, sagt Cavbbici, „für Oaulbx ein Gegenstand der Gering-
schätzung und des Zorns zu werden, wie es Kbplbb ans ähnlichen Gründen ge-
worden war**. Es ist bekannt, dafs Galilu niemals Esplbb^s Entdeckang der
elliptischen Bahnen der Planeten zugestimmt hat; aber dafs er dem Entdecker
ans dem Aufgeben der Ereisform einen Vorwurf gemacht hätte, wie Gavebki hier
andeutet, läfst sich nicht nachweisen.
26) Gavbrmi, Staria lY p. 630.
i
608 Emil Wohlwill:
erwiesen wäre, was Caverni uns klar zu machen versprochen, aber in keinem
Teil seiner Auseinandersetzungen wirklich erwiesen hat
So wenig man nun derartigen Deutungen Berechtigung xogestehen
wird — dafs auch nach Galilei's Brief und CAVALBSBfs Erwidenmg
Manches zu erkl&ren übrig bleibt, ist nicht zu bestreiten. Mit ToUer Be-
stimmtheit geht aus Cavalieri's Aufserungen nur der Wunsch hervor, den
gekränkten Meister zu versöhnen; um das zu erreichen, erschöpft er sieh
in der Aufzählung von Gründen dafür, dafs er dem Anscheine nach Gali-
LEi's Entdeckerrecht nicht anerkannt und seine Zustimmung zur Yeröffect-
lichung nicht erbeten hat, und in Anerbietungen zur Sühne jeder mögliehen
Verschuldung, die sich bis zu völliger Preisgebung des eigenen Werkes
steigern. Aber die Rechtfertigungsversuche erklären nicht in genügender
Weise, was sie begreiflich machen wollen; und die unbegrenzte Bereit-
willigkeit, der Versöhnung Opfer zu bringen, ruft den Zweifel hervor, ob
nicht hinter den ausgesprochenen Gründen der Wahrheit besser entsprechende
rücksichtsvoll versteckt sein mögen. Cavalieri will unsicher gewesen sein,
ob Galilei den Satz von der Parabel, wie er selbst ihn formuliert hat, als
den seinen anerkennen werde, aber, wenn er gewilis war, wie er bedingungs-
los zugesteht, dafs Galilei die Parabelform der Wurflinie erkannt habe —
worauf konnte sich seine Unsicherheit beziehen? Seine These lautet: „Die
schweren Körper, die von dem Werfenden nach irgendwelcher Bichtong
aufser in derjenigen senkrecht gegen den Horizont angetrieben werden,
beschreiben, von dem Werfenden getrennt und bei Ausschluis des Wider-
stands des Mediums, eine krumme Linie, die von der Parabel unmerklich
verschieden ist'* ^), Durch die einschränkende Bestimmung der letzten Worte
will Cavalieri auf die für kleine Strecken verschwindende Abweichung der
Wurflinie von der Parabelform hinweisen, die dadurch entsteht, da£s die
vertikale Komponente stets senkrecht gegen die gekrümmte Erdoberfläche
gerichtet ist. Er konnte nicht zweifeln, dafs Galilu seinem so verstan-
denen insensibilmente differente zustimmen werde. Aber ebensowenig ist in
dem anderweitigen Wortlaut der These irgend etwas ausgesprochen, was
nicht derjenige anerkennen muCste, der die Bahn der geworfenen Körper
als Parabel betrachtet und wenn in Wahrheit die UngewiDsheit in dieser
Beziehung Cavalieri zweifeln liels, ob er Galilei als Entdecker nennen
dürfe — wie leicht war bei dem unausgesetzten brieflichen Verkehr der
Zweifel zu beseitigen! Es ist unverständlich, daCs er statt dessen Galilbi's
Namen ungenannt läfst, da er doch nicht in Frage stellen will, sondern
aufs bestimmteste anerkennt, dafs ihrem wesentlichen Inhalte nach die These
27^ Speechio u^orio p. 164.
Die Entdeckung der Parabelform der Wurf linie. 609
Gai^ilei gehört. Cavalieri meint einen Ersatz für die ausdrückliche Nen-
nung in der allgemeinen Bemerkung gegeben zu haben, in der er freimütig
bekennt, die Einsicht in Probleme der Bewegungslehre „teilweise'^ Gamlei
zn verdanken; aber der Leser des Specohio ustorio kann um dieser Er-
klärung willen besten Falls als mOglich, nie als klar ausgesprochen ansehen,
daüs auch der Satz von der Wurflinie zu dem Teil des Vorgetragenen ge-
hört, den CavaIiIebi Galilbi verdankt. Es kommt dazu, daTs auch Cava-
i^iEKfs nachträgliche Angaben über die allgemeine Verbreitung der Parabel-
lehre als einer von GaijIlei herrührenden keineswegs so bestimmt lauten,
dafs man um ihretwillen nicht nur die Nennung Galileis als überflüssig,
sondern auch einen Versuch CAVALiERfs, sich selbst für den Entdecker
auszugeben, als undenkbar betrachten müTste. Die vermeintliche Verbreitung
war jedenißalls nur eine Verbreitung von Mund zn Mund; Oavaubbi konnte
kaum zweifeln, jedenfalls sich leicht darüber aufklären, dafs der Specchio
ustorio die erste Druckschrift war, in der die Parabelform öffentlich ge-
lehrt wurde; und wenn die Thatsache, dafs sie durch Galilei entdeckt war,
so offenkundig erschien, dals es für die Veröffentlichung der Vorfrage nicht
bedurfte, so konnte es um so weniger einen Grund geben, nicht in unzwei-
deutigen Worten die Entdeckung Galilei zuzuschreiben.
Diese Bedenken zusammen&ssend, kann man sagen, da£s Cavaliebi^s
Verteidigung nicht ausreicht, um von seiner vollen Aufrichtigkeit diejenigen
zu überzeugen, die im Specchio ustorio wie in dem August-Brief an Galilei
diesem nichts weiter zuerkannt sehen, als die vorbereitenden Schritte für
die Entdeckung der Parabelform, nicht aber die Entdeckung selbst, wäh-
rend in der Erwiderung auf Galileis Brief vom 11. September nicht nur
Galileis Priorität aufs Bestimmteste anerkannt, sondern auch mit gleicher
Entschiedenheit in Abrede gestellt wird, dafs eine Verleugnung dieses
Verhältnisses möglich und im Specchio ustorio enthalten oder beabsichtigt sei.
Wie immer man diesen scheinbaren Widerspruch der ÄuTserungen vor
und nach dem 11. September 32 zu beseitigen versuchen möge — der
eccesso dt reverema^ den Cavalieri selbst an die Spitze seiner Verteidigung
stellt, wird dabei eine Bolle spielen müssen. Es unterliegt keinem Zweifel,
dafs für Cavalieri, auch wenn er selbst und ohne von Galilei zu wissen,
die Parabelform entdeckt hätte, Galileis Wort: ich habe sie gefunden!
ein entscheidender Beweis seiner Priorität gewesen wäre, und auch das
mufs man zum mindesten als möglich ansehen, daüs in diesem Falle sein
Verlangen, den verehrten Meister völlig zu beruhigen, stark genug gewesen
wäre, um ihn erdichten zu lassen, was er von der Verbreitung seiner
Lehre sagt. Aber eine Notwendigkeit, an solche Erdichtung zu glauben,
liegt nicht vor; denn auch wenn Cavalieri in Wahrheit schon in Pisa von
Abh rar Gesch. d Mathem IX. 39
lil Wohlwill:
den Schülani Casteuj's, spät«r von Muzio Oddi nnd von yielen An«
über Galilei's Entdeckung hatte reden hören, konnte die Koostraktion dar
„Dialoge", die eiae P&rabelform verleugnet, ihm die Vorstellniig glaublich
erscheinen lassen, dal's irgend welche Gründe den Entdecker veratdalst
haben, seine richtige Erkenntnis gegen die irrtünilicbe Lehre zu vertauschen,
die er in den „Dialogen" als inne hochbedeutungsvollo Wahrheit vortrug;
es ist begreltlicb, dars in solchem Falle der geniale Mathematiker nicht
darauf verzichtete, in seinem Uuche den täusclienden Austiih.rangen der
„Dialoge" gegenüber den einfachen auf Galilei 's Forsch ting beruhenden
Beweis für die Parabelfonn an die Öffentlichkeit zu bringen; aber nicht
minder Idfst sich verätehen, dafs er in diesem besonderen Abschnitt ?on
der Wurtlinie den Namen dessen ungenannt liei's, der die Parabeltbrm
zwar entdeckt hatte, aber nunmehr die verwandte Frage so beliandelte,
als ob er von dieser nichts mehr wissen wolle.
Kben daraus würde sich auch erklären, dafs Cavalieri in jenem enl
Briefe von der Parabel spricht, ohne erkennen zu lassen, dafs es Galili
Lehre ist, die er verteidigt; als Leser der „Dialoge" durfte er zweifeli
es noch jetzt die seine sei.
Auch die sonst befremdenden Äufserungen des zweiten Briefes findes
wenigstens teilweise im Rahmen einer solchen Auffassung einfache Deutung:
ein weniger von Pietät und Verehrung gegen GALU.m erfüllter Anbftngei
hätte, über den Widerspruch der „Dialoge" hinweg gehend, iliin die
deckung der Farabellehre zuschreiben kUnnen ; aber Cavalieri kam
den Zweifel nicht hinweg, ob jemand, der die Linie des fallenden Kfirj
auf bewegter Erde als eine kreisförmige konstruiei't , mit dem Sati
Spfcckio Ustoriv sich einverstanden erklären kllune, und ob er deshalb
LiLKi zuschreiben dürfte, was er früher gelehrt hatte.
Auch die sonst kaum verstüudlicbe Aufserung: er habe geglaubt, dafs
Galilei sich um seine Lehre von der Parabel nicht mehr kümmere, er*
saheint gerechtfertigt, wenn man die Konstruktion der „Dialoge" als Aus-
gangspunkt des Zweifels ansiebt. Als drei Jahre später ein Brief Gaulbi*!
Cavalieki nochmals die Veranlassung gab, die Unterlassung
vor der Veröffentlichung des tipfccJiio zu rechtfertigen, beschrilnkt er
dai-auf zu erklären: er habe damals geglaubt, dafs Galilei auf seine
deckung nur geringen Wert lege"*).
Dafs hier so wenig wie in der früheren Verteidigung Idnzitgef>
die Konstruktion der „Dialoge" habe zu dieser Ansicht die dringendste Vi
anlasfiung gegeben, erklärt sich ans dem ,,ecccsso
des ■
38) Vergl. Camfubi, Carteggio GuliUano iiwdito. Modul
1881 p. 44a.
Die Entdeckang der Parabelform der Warflinie. 611
Cayalibri's Briefe an Galilei ohne Ausnahme Zeugnis ablegen. Ein Wort',
das als ein kritisches auch nur gedeutet werden könnte, ist in diesen
Briefen nicht zu finden; aber ohne die Andeutung einer Kritik konnte er
von dem Widerspruch zwischen der Konstruktion der „Dialoge" und der
richtigen Zusammensetzung der Wurflinie nicht reden.
Will man dieser Auffassung gegenüber, die sich im Hypothetischen
auf das Notwendigste beschränkt, als wahrscheinlicher ansehen, dafs Cava-
LiERi Galilei zu Liebe nachträglich ein Wissen von früherer Entdeckung
fingiert, und um es glaublicher zu machen, thatsächliche Einzelheiten hinzu
erfindet, denen keine Wirklichkeit entspricht, so ist damit doch nichts
weiter gewonnen als eine Voraussetzung, unter der Cavalieri als selbst-
ständiger Entdecker angesehen werden kann, keinenfalls ein ausreichender
Grund, Galileis Entdeckung zu leugnen. Denn die Vorstellung, dafs Ga-
lilei nicht erkannt und irgendwie gelehrt haben könne, was Cavalieri
unbekannt geblieben ist, wird durch die Notizen, die uns über das Ver-
hältnis beider Männer zu Gebote stehen, in keiner Weise gerechtfertigt.
Wenn Cavalieri sich Galilei's Schüler nennt, so war er das doch in ganz
anderem Sinne als beispielsweise Castelli, Aproino, Antonini. Seine Be-
ziehungen zu Galilei beginnen 9 Jahre, nachdem dieser Padua verlassen,
also im gewöhnlichen Sinne zu lehren aufgehört hatte. Im Jahre 1619
empfahl der Kardinal Borromeo den vielversprechenden jungen Mann, der
in Pisa sich mathematischen Studien widmen wollte, dem Wohlwollen Ga-
lileis; in Pisa wurde er Schüler des Pater Castelli; wie weit dieser sich
berechtigt glauben konnte, ihn in die Lehren einzuweihen, die Galilei noch
immer künftiger Veröffentlichung vorbehielt, läfst sich mit Sicherheit nicht
sagen; was in dieser Beziehung Cavalieri's Brief vom 21. September 1632
ausführt, deutet mehr auf zuflülige Mitteilung als auf regelmäfsigen Unter-
richt; ebensowenig ist bekannt, in welchem Mafse bei Galilei's gelegent-
licher Anwesenheit in Pisa oder bei Besuchen Cavaliebi^s in Florenz der
junge Mathematiker sich der unmittelbaren Belehrung dessen erfreuen
durfte, den er als Meister verehrt. Von solcher Belehrung redet in un-
zweideutiger Weise Galilei in seinem Brief an Marsioli vom 11. Sep-
tember 1632; er sagt nicht ausdrücklich, scheint aber doch nicht zu be-
zweifeln, dafs Cavalieri auch den Aufschlufs über die Wurflinie seiner
direkten Mitteilung verdankt. Aber Cavalieri bestätigt diese Voraus-
setzung nicht; er verneint sie vielmehr durch Schweigen. Nicht von Ga-
lilei und nicht von Castelli, sondern von Gastell^s Schülern und von
andern hat er die These gehört. Dieses Nichteingehen auf Galileis An-
deutung ist umsomehr beachtenswert, wenn man annimmt, dafs Cavalieri,
um Galilei nicht zu widersprechen, sein Vorwissen durchaus fingiert; er
39*
lil Wohlwill:
würde also selbst im Pingieren, wo es auf etwas mehr oder weniger in d<
Willfährigkeit nicht ankommen konnte, nicht zagestehen wollen, dafs i
Galilei selbst die Kenntnis dieser besonderpa Lehre verdankt. Mit seinei
Brutus Verhältnis war demnach seiner eigenen Aufi'asauiig nach wohl ve
einbar, dafs Galilei über eine Lehre, auf die er so grofsen Wert legt, ib
nicht persönlich unterrichtet hat.
Auch der .^erchio Ustorio" liefert keinen Beweis in entgegengesetjitefll
Sinne. Obgleich Cavalieri hier mit so besonderem Nachdruck erklärt, d&I
er von den Problemen der Bewegungslehre als Galilei's Si^hüler rede, esl
hält doch sein Buch — abgesehen von der Parabelform der WurfUnie —
in BpKUg auf die Bewegungslebn,' nichts, was er nicht den gedruckten!
„Dialogen über die H au jit Weltsysteme" entnehmen konnte und im Wesent-
lichen ihnen entnommen hat, also nichts, was ihn als vorzugsweise Ein-'
geweihten der GftLiLBi'schen Lehre erkennen liefae.
War er das nicht oder lUfst sich doch nicht nachweisen,
gewesen ist, so kann auch sein vermeintliches Nichtwissen fflr weitepft
Schlüsse auf den Inhalt der alteren GALiLEi'achen Wnrflehre nicht '
wertet werden, geschweige als ein widersprechendes Zeugnis in BetraoU
kommen, wo Galilei sagt: ich habe sie gefundei
Caverki's Roman hat noch eine Fortsetzung. Er hat im ersten BanA
seiner Geschichte Galil»^ als den gewissenlosen Tyrannen geschildert, dfll
um seine Herrschaft zu befestigen, selbst vor Brudermord nicht zurüct-'
schreckt, wenn im Bruder ihm ein Nebenbuhler ersteht und nur
seiner Vemichtnng er sich des geraubten Gutes in Sicherheit erfreuen kamU
Wie hat nun der räuberische Tyrann in unserm Falle sich den Raub j
sichert? Wie ist er mit dem Bruder verfahren, der ihm anbeimgiebc
zwischen drei Wegen zu wShlen, um für alle Zeiten gegen seine Ansprfl.chft
gesichert zu seiuV Caverki weifs auch davon zu erzählen; mit Entsetzen
sieht der Ijeser sich verwirklichen, was die vorhergehende Schilderung er-
warten liefs, Gaulbi giebt dem treuen Schüler zu verstehen, dafs von den
verschiedenen Mitteln, die er zur Söhne vorgeschlagen, ihm eine Zerstörung
der unbequemen Schrift durch das Feuer am besten gefallen würde; und
Cavalieri zaudert nicht: so vollständig führt er das Werk der Selbst- J
Verleugnung aus, dafs beute kaum mehr ein Exemplar seiner Schrift i
finden ist; schon im Jahre 1G50 war dieselbe so selten geworden, dafn^
Daviso, ein Schüler des grofsen Mathematikers, eine neue Ausgabe bei^l
zustellen für notwendig erkannte.
Die Entdeckung der Parabelform der Warflinie. 613
Dieser Erz&hlung liegt an Thatsächlichem nichts weiter zu Grunde, als
die Veröffentlichong einer zweiten Auflage des ,JSpecchio üstorio** im Jahre
1650; alles Übrige ist nicht nur durch kein heute zugängliches Zeugnis
verbürgt, sondern mit dem, was man über den wirklichen Verlauf der Dinge
weifSy im allerschärfsten Widerspruch.
GALiLEfs lebhafte Erregung war durch CAVAUERfs Erklärungen be-
sftnftigt; das bezeugt sein Brief vom 16. Oktober 1632 an Cesarb Marsigli.
„Ich habe", schreibt er, „von dem sehr ehrwürdigen Pater Büonaventuba
einen langen Brief voller Entschuldigungen empfangen; deren hat es wahr-
lich nicht bedurft; denn ich habe niemals an seiner besten Absicht ge-
zweifelt, sondern mich über mein Mifsgeschick beklagt, das mir gegen
seinen Willen und seine Meinung zum Kummer werden liefs, was er gethan.
Ich kann ihm für heute nicht antworten, da ich aulBerordentlich beschäftigt
bin, und bitte Euch nur ihm zu sagen, daCs ich nicht wünsche, dafs der
Herr Pater irgend etwas in seinem bereits gedruckten Buche ändere, dafs
ich ihm vielmehr danke für die ehrenvolle Erwähnung meiner Person'*'^).
Dafs Cavalibbi diese Worte so aufgefafst hat, wie jeder Unbefangene,
der sie heute liest, geht in unzweideutiger Weise aus seiner Erwiderung
vom 7. Dezember hervor , in der es heifst: „Daus Ihr nunmehr befriedigt
seid, da Ihr gesehen, in welcher Weise ich jene Lehre zur Sprache bringe,
ist mir über die Ma&en lieb"^).
Inzwischen hatte Cavaueri sein Buch nach Florenz geschickt; in der
Erwartung, dafs Galilei es empfangen, bittet er ihn um sein Urteil,
namentlich in Betreff der dargelegten Ansicht über den Brennspiegel des
Archimeoes, um dessentwillen er hauptsächlich das Buch habe drucken
lassen. Galileis Antwort ist wiederum an Cäsar Marsigli gerichtet.
Hier endlich darf man erwarten, den Brudermörder reden zu hören; aber
was Galilei am 31. Dezember 1632 mitten unter den aufregenden Ver-
handlungen über die Befehle der römischen Inquisition dem Freunde nach
Bologna schreibt, ist erfüllt von so warmem Wohlwollen und von so neid-
loser Freude an den Erfolgen des jüngeren Mitarbeiters, wie diese Em-
pfindungen nur jemals bei einem grolsen Forscher zum Ausdruck gekommen
sind. „Mit Euch,^^ schreibt Galilei an Marsiqli, „und nicht mit dem Ver-
fasser des „Specchio ustorio" will ich mich der wunderbaren Erfindung
erfreuen, weil ich gewils bin, dafs er, der sie ergründet, über sie so grofse
Freude empfindet, dafs sie Erhöhung nicht duldet Mit Euch mufs ich
anfserdem mich freuen, wenn ich den glücklichen Fortschritt und den über-
Opere ed. Albbri YII, 14.
30) Ebenda IX, 317.
Hmil Wohlwill:
Kopfes sehe, der vormals Euch von
..-.: :=.. 'T Z:-^ 'r«gmistigt worden ist; und wenn mein ü^
_-si . — :,^:l ^rrrm noch in irgend welcher Gleltiing steht, so
. --^-T nL'fL. ^Ti oeien Lauf dorch das weite Gebiet der mathe-
z *^>-~-:^-..iAr:trii la gewähren, wohin immer der Grenios ihn zieht,
'*z .irr ^'*r wird aach der allerbeste sein und ohne jeden Ver-
-:^.-.:hii itr Bereehnong von Ephemeriden oder der Aofstellnog
. -«4:1X7 'vu.a linsen Zitaten keines weiteren Wortes, um darzathmi,
vi'tis -^c'i veiobe geheimnisvolle Machinationen der Yerbreitniig
-*• 1. i^^ r. in seiner ersten Auflage hinderlich gewesen sind oder
.- " ■r:..::i'iiiif erheblicher Teile dieser Auflage bewirkt haben —
: ^ - .. -n : Wille dabei nicht beteiligt gewesen sein kann. Aber
..•, ""ürvaciie, die durch Galileis Eingriff erklärlich erscheinen
'. ;>: :-:: Beweis schuldig geblieben. Die Ausgabe des Specchio
'>.^ ^ ^em Anseheine nach heute nicht seltener, als andere
^ ^j ..^-r S^ieunmg aus demselben Zeitalter; sie wird in ge-
^- \ r\ 1 Tisz aosschliefslich zitiert und findet sich beispiels-
• ^-i-*--: >.ir^'h-?s Bibliotheken ziemlich allgemein. Die Aus-
,* -i*--^**1t s:.h: die leiseste Andeutung darftber, dafis aufser-
•:^ .. Ir i*> ErnTkeinen eines zweiten Abdrucks notwendig
>. :.• -^-2 i&rt also annehmen, dafs irgend eine von den ge-
^av ^> -: ^ um derentwillen zweite Auflagen auch anderer
^ 1. ■*■ c-r triher nach der ersten gedruckt werden, den Pater
^ i-.'a.'-x.st babtn wird, das Werk seines Lehrers und Ordens-
., . ...» 1^ berausiugeben.
wa V:»pi^*htigung gegenüber lieijBe sich mit besserem
... •. v: Tyrteidigen, dafs Galilei selbst durch seine über-
zog n nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Ver-
V i>corio und dadurch die Erschöpfung der eretcn
> vLiLEi begnügte sich nicht, seinen Freunden, wie
..vu«> die Lektüre des Buches zu empfehlen, ao-
. . -^ i»ie den Kardinal Capponi zur Anknüpfung per-
. • iein Verfasser um des trefflichen Werkes willen
j voller Öffentlichkeit, in seinem unsterblichen
-> l^iters BcoNAVENTüRA Cavalieri und seines
-^ >>^«* '*'^*s ®r ^^ Bewunderung gelesen habe"**).
. . ««.' •JidiUano if%edUo p. 447, 490.
«•
Die Entdeckung der Parabelfonn der Wurflinie. 615
So verweist er selbst in Aasdrücken, wie er sie nur für die gröfsten
Forscher kennt, seine Leser auf das Buch, das ihm in der Yeröffentlichung
des Hauptsatzes seiner Wurflehre um 6 Jahre zuvorgekommen war.
Als widersinnig und unwahr, wie solchen Thatsachen gegenüber die
^on Cayebni erzählte Geschichte des Specchio ustorio erscheint, mufs auch
bezeichnet werden, was er zum ferneren Beweis für Cavalieri's Priorität
von einer Entstehung der GALiLEf sehen Wurf lehre in den Jahren 1636
und 37 berichtet. In der That l&fst eine Folge von Briefen aus dem
Jahre 1637 bestimmt erkennen, dafs Galilei in jener Zeit, also unmittel-
bar vor der YeröffentUchung der „Dialoge über zwei neue Wissenschaften''
sich mit der Lehre von den Proietti beschäftigt hat und dafs der hol-
ländische Verleger mahnen mulste, um diesen Teil des Manuskripts zu
erhalten, nachdem die vorhergehenden bereits gedruckt waren. „Die Do-
kumente'', sagt Caverni und verweist dabei auf die soeben erwähnten
Briefe, „bezeugen, daüs während die ersten lateinischen Sätze über die
beschleunigte Bewegung bis zum Jahre 1604 hinaufreichen, die auf die
Proietti bezüglichen zum grSfsten Teil 1636 und 37 geschrieben sind.'*
Dabei begegnet dem strengen Kritiker eine Yertauschung des Inhalts der
„Dokumente" mit dem Gegenstand seiner Beweisführung. Die letztere hat
es mit den lateinisch geschriebenen Abschnitten des vierten Tages der
Dialoge von 1638 zu thun, die „Dokumente" reden ohne Weiteres von
dem Gesamtinhalt dieses vierten Tages. Dafs jene in lateinischer Sprache
geschriebenen Abschnitte in den Jahren 1636 und 37 entstanden sind,
kann ersichtlich nicht daraus entnommen, also auch nicht dadurch bestätigt
werden, dafs nachweislich Galilei noch im Jahre 1637 mit der Bearbeitung des
vierten und letzten Teils seines Werkes beschäftigt gewesen ist; denn dieser
vierte „Tag" enthält zwar als kleineren Teil jene lateinischen Abschnitte, da-
neben aber einen grölseren in dialogischer Form und italienischer Sprache ge-
schriebenen, der die lateinischen Sätze erläutert und ausführt; dafs nicht
etwa nur dieser letztere gröfsere Teil, von dem es sehr glaublich und
wahrscheinlich ist, sondern der kleinere, von dem es mit gutem Grund
bezweifelt wird, Galilei bis unmittelbar vor der Veröffentlichung seines
Werks beschäftigt hat, wird in jenen Briefen nicht angedeutet; sie reden
allgemein von den Proietti und lassen daher nur erkennen, dafs der
73jährige Greis gethan hat, was in ähnlicher Lage auch jüngere Leute zu
thun pflegen: er hat an dem letzten Teil seines Werks bis zum letzten
Augenblick vor der Veröffentlichung gearbeitet.
616 Emil Wohlwill:
VI.
Caverni richtet gegen das Ende seiner langen Anklageschrift an
Galilei die folgende Herausforderung:
„Da Ihr, Herr Galileo, for gat befunden habt, mit der Würde Eurer
handelnden Personen Euer Spiel zu treiben und über eine Frage yod so
grofser Bedeutung in Eurem Hauptwerk in scherzender Weise zu verhandek
beliebt, sagt uns, in welcher andern Eurer Abhandlungen, Briefe oder
Notizen Ihr während vierzigjähriger Studien über die geworfenen K5iper
von ihren parabolischen Bahnen ernsthaft geschrieben habt'^ „und
seid Ihr nicht im Stande, ein glaubwürdiges Schrittstück zu prodnzieFen,
das vor dem September des Jahres 1632 entstanden ist, so können wir
Euch nicht von der Anklage freisprechen, in einer Weise, die des Philoso-
phen wie des Mannes von ehrenhafter Gesinnung unwürdig, die Entdeckung,
nach der Ihr so sehr begehrt, dem Cavalieri weggenommen zu haben.*'
Als Caverni dem toten Helden diese verwegenen Worte ins Grab rie^
hielt er in eigenen Händen nicht ein einzelnes, sondern eine ganze Folge
von Dokumenten, wie er sie verlangt, in ihnen die entscheidende Wider-
legung seiner Anklage, die ihn hätte zwingen müssen, den gr5IJsten Teil
seines Buches zu vernichten, wenn er noch fähig gewesen wäre, das dichte
Gewebe der Selbsttäuschung, in das er sich verstrickt, zu zerreÜsen.
Durch denselben vierten Band des CAVEBNfschen Werkes, der die hier
erörterte Streitfrage behandelt, ist zum ersten Mal in weiteren Ejreisen be-
kannt geworden, dafs unter den Handschriften der Biblioteca nazionale in
Florenz, untermischt mit Entwürfen zum Text der gedruckten Diacorsi,
Überreste einer älteren Bearbeitung der Bewegungslehre erhalten sind, von
Galilei's Hand geschriebene Fragmente, die allem Anscheine nach der
Paduaner Periode angehören und ohne Zweifel über die Geschichte seiner
gröfsten Entdeckungen neues Licht verbreiten werden. Cavebni hat es mög-
lich gefunden, durch Benutzung dieser Handschriften Teile einer früheren
Redaktion der „neuen Wissenschaft" zu rekonstruieren, die er in die Jahre
1602 und 1604 — 10 verlegt. Er hat — wie er auseinandersetzt — für
den Zweck dieser Wiederherstellung Argumente formaler wie materieller
Natur benutzt Unter den letzteren hebt er die Verschiedenheiten der Hand-
schrift in verschiedenen Lebensaltem hervor. „Es ist Allen bekannt^, sagt
er, „wie die schreibende Hand durch die Jahre in derselben Weise einer
Veränderung unterliegt, wie die Bewegungen aller übrigen Glieder; ein
Jeder kann das an sich selbst erfahren, wenn er vergleicht, was er im
3QBten jg^jjj. geschrieben und was im 50**®°. Die Verschiedenheit würde
ohne Zweifel noch viel merklicher sein, wenn man den Vergleich anstellte
Die Entdeckung der Parabelform der Warflinie. 617
zwischen der Schrift der ersten Jugend und derjenigen des höchsten Alters;
ivir haben uns jedoch an die 20 Jahre gehalten, die den zwischen diesen
Schriften liegenden Zeitraum ausmachen. Dieselben sind im Jahre 1610
liegen gelassen und erst 1630 planmälsig wieder aufgenommen worden, wie
&a betreffender Stelle sich aus den zuverlässigsten Dokumenten ergeben
-wird. Die zwischen 1602 und 1610 bewiesenen Lehrsätze sind mit hellerer
Tinte geschrieben und mit leichten, runden Formen. Im Jahre 1630 be-
durfte das Auge, das so weit geschwächt war, dals es nach wenigen Jahren
vöUig erlöschen sollte, besser ausgeprägter Zeichen; deshalb ist die Tinte
schwarz, die Striche dick, die Formen yiereckig'^^).
Es muDs den italienischen Gelehrten, den gewiegten Kennern der in
Florenz bewahrten Manuskripte überlassen bleiben, sich über die Zuverlässig-
keit dieser Beobachtungen und über ihre Verwertung zu weittragenden
Schlüssen für die Geschichte der Wissenschaft zu äufsem; an dieser Stelle
ist nur hervorzuheben, was für die GxLiLEfsche Wurflehre in Betracht
kommt. Caverni benutzt auch hier in ausgedehntestem MaTse GALiLsf s
angedruckte und bis dahin unbekannte Aufzeichnungen. Dieselben beziehen
sich auf die meisten der in den lateinischen Texten des vierten Tages der
Discorsi behandelten Fragen, weichen jedoch im Wortlaut wie in den
Einzelheiten der Beweisführung von den inhaltsverwandten Abschnitten des
gedruckten Werks mehr oder minder ab; alle aber gehen in völlig unzwei-
deutiger Weise von der Parabelform der Wurflinie als gegebener Thatsache
aus. Es war daher für den Verteidiger einer Entdeckung durch Cavalieri
von entscheidender Bedeutung, aufser Frage zu stellen, dafs nicht ein ein-
ziges dieser Fragmente nach den von Cavebni entdeckten „materiellen^'
Argumenten sich als ein Schriftstück der Paduaner Periode oder doch als
vor 1632 geschrieben zu erkennen giebt. Caverni hat dies stillschweigend
verneint; aus der Anordnung seines Buches, in dem die Entstehung der
wissenschaftlichen Wurflehre sich an die Beraubung Cavalieri's knüpft,
entnehmen wir, dafs er die Fragmente, in denen die Parabelform voraus-
gesetzt wird, insgesamt als nach dem Baube geschrieben ansieht. Der
Zeit vor 1609 wurde dagegen jenes vereinzelte Fragment zugeschrieben, in
dem die Frage nach der Form der Wurflinie aufgeworfen, aber nicht be-
antwortet wird; auch wenn wir von Caverni's willkürlicher Einschaltung
einer nicht vorhandenen Antwort absehen, ergiebt sich daraus eine chrono-
logische Sonderung der Fragmente, die sich zu Gunsten der hier bestrittenen
Hypothese deuten läfst um so mehr scheint befremdend, dafs gar kein
Versuch gemacht wird, die ausschlaggebende Unterscheidung mit Hilfe jener
84) Cavebih, Staria del metodo esperimentaU in Italia IV, p. 341.
Uli Wohlwill:
früher erwähnten materiellen Kriterien näher zu rechtfertigen; nirgends
auch DQr anagesprochen, dafs die Schriftzüge hier und dort die früher
schilderten Verschiedenheiten aufweisen nnd dadurch die verschiedenen Älter*"
stnfen des Verfassers ven-aten; man bat daher fitrenggenom)
andern Grund, an derartige Ungleichheiten zu glauben, als den, daXa doch
ein verständiger Historiker Handschriften verwandten Inhalts nicht ganz
nach Gutdünken oder so, wie es zu seinen Ansichten pafst, die eine den
besten Mannesjahren, die andern dem beginnenden Greisenalter zuweisen wird.
Durch die Veröffentlichung der zur Bewegungslehre gehörigen Tn^
mente im achten Band dpr Edizione nazionale der Werke Galilei'« nnd^
durch die zugehörigen Erläuterungen des Herausgebers sind wir in endgiltiger
Weise darüber aufgeklärt, dafs Caver-vi die gegen ihn entscheidende Aus
sage der Handschriften in willkürlichster Weise als ein Zeugnis zu Gunsten
seiner Beraubungahj'pothese verwertet bat.
Durch die Veröffentlichung der Fragmente und die Erläuterungwi
Ahtokio Favaro's ist festgestellt, dafs
1. die auf die Wurflehre bezüglichen Fragmente von der Hand G,
LEi's, wie sie ungeordnet zwischen den Blättern des zweiten Teils der füni
Abteilung der GALiLEi-Uanuskripte gelinden wurden, der Handschrift
zum gröfseren Teil der jugendlichen Periode, zum kleineren Teü einer
teren Zeit angehören;
2. dafs auf mehreren Blättern ein Teil der Aufzeichnungen die jngenJ-
liche Handschrift aufweist, während in anderen Teilen entweder im Haupt-
text oder in Bandbemerkungen oder auch in beiden der Handschrift nach
Ergänzungen, Verbesserungen oder anderweitige Zuthaten aus spUterer
erkannt werden.
3. Sämtliche auf die Wurflehre bezüglichen Pragmenift'J
mögen sie als jugendliche oder spätere durch die Handschr
gekennzeichnet sein, setzen ihrem Inhalte nach in völlig nnzw
deutiger Weise die Parahelform der Wurflinie als gegebene That^
Sache vorans. Eine Ausnahme macht die oben erwähnte Zusammenstelli
von Fragen oder Kapitel-Überschriften zur Wurflehre, in der zwar die Fi
nach der Form der Wurflinie Raum findet, aber eine weitere Anden!
ober den Inhalt der Antwort nicht gegeben wird.
In sehr interessanter Weise ist in der Veröffentlichung durch die
gäbe von drei Faksimiles das Neben ein andervorko mm en der verschiedenen
Handschriften und dadurch die durch drei Jahrzehnte forlgesetzte Arbeit
an den gleichen Problemen veranschaulicht. Diese Blätter vergegenwärtigen
uns, wie an der Schöpfung jüngerer Jahre Galilei selbst in späterer Zäj
Kritik geübt, wie er die Ausdrücke verändert, die Beweise umgescbrii
ngw 1
1
Die Entdeckung der Parabelform der Worflinie. 619
und verbessert oder auch den früher nur hingeworfenen Satz ausführend
bearbeitet hat; auf eine noch spätere Zeit deutet am Bande das — wie
uns bedünken will — von zitternder Greiseshand eingetragene Wort scriUa,
dnrch das wir erfahren, dafs der Text in die Wurflehre der Nuove scienze
aufgenommen worden ist.
Soweit ein Faksimile das vermag, gew&hren auch die drei im achten
Hände der Edizione nazionale veröffentlichten Aufschlufs über die hier er-
örterte Frage: in jedem der drei reden schon die an der Spitze stehenden,
von vergleichsweise jüngerer Hand geschriebenen Sätze von der Parabel-
form. Was auch dem Laien hier der Augenschein glaublich macht, wird
durch die unter 3. verzeichnete Erklärung des Herausgebers der Edizione
Nazionale, des gründlichsten Kenners der OALiLsf sehen Handschrift zur
Gewifsheit erhoben. Es schien mir wünschenswert an dieser Stelle die an
sich ausreichende allgemeine Erklärung durch genauere Angaben über den
Inhalt solcher Fragmente ergänzen zu dürfen, die mit Sicherheit der Periode
jugendlicher Forschung zuzurechnen sind. Professor Favabo hat mir auch
in dieser Beziehung mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit jeden gewünschten
Aufschlufs erteilt.
Unter den jetzt zuerst bekannt gewordenen fesselte meine Aufmerksamkeit
in erster Linie ein in italienischer Sprache geschriebenes Fragment, das mit
den Worten beginnt: „Ich nehme an (und werde vielleicht beweisen können)
dafs der fallende schwere Körper naturgemäfs seine Greschwindigkeit fort-
während in dem Verhältnis beschleunigt, in dem seine Entfernung von dem
Ausgangspunkte der Bewegung zunimmt." — «I^as Prinzip", fährt der Ver-
fasser fort, „erscheint mir sehr natürlich und allen Erfahrungen entsprechend,
die wir an Instrumenten und Maschinen sehen, die durch Stofsen wirken,
wo das Stofsende um so gröfsere Wirkung hervorbringt, aus je gröfserer
Höhe es fällt, und unter Voraussetzung dieses Prinzips werde ich das
übrige beweisen."
Im Folgenden wird dann in sehr eigentümlicher Weise als notwendige
Folge des aufgestellten Satzes abgeleitet, dafs die in gleichen Zeiten von
dem fallenden Körper zurückgelegten Wege sich wie die ungeraden Zahlen
ah unitate verhalten und hinzugefügt: „es stimmt dies mit dem überein,
was ich immer gesagt und durch Versuche beobachtet habe; und so stimmen
alle Wahrheiten mit einander überein". Das Vorstehende vorausgesetzt,
wird dann weiter bewiesen, „dafs die Geschwindigkeit bei der gewaltsamen
Bewegung in demselben Verhältnis abnimmt, in der sie in derselben ge-
raden Linie bei der natürlichen Bewegung wächst"'^).
36> Ed. Naz. VIII, p. 373-74.
ruh
Das Fragment atimmt, wie man siebt, dem Inhalte nach im wes
Hohen mit dem Brief flbereio, in dem Galü-ei am 16. Oktober 1604 t
denselben (später verworleoenj Grundgedanken und seine Verwertang an
Paolo Sarpi berichtet^). Difser Brief ei-schcint als eluB abgekfimtp
Wiedergabe dessen , wae in dem Fragment höchst wahrscheinlich in erst«r
Aufzeichnung iiiedergeBchrieben wurde. Unter den Einzelheiten, in denen
der Wortlaut des Fragments tod dem des Briefes abweiubt, sei hervor-
gehoben, daTs iu jenem die Entdeckung des Fallgesetxes und die der Er-
klärang duruh die Proportionalität der Geschwindigkeiten und der i
gelegten Wege in einer Weise zeitlich getrennt erscheinen, wie dies i
dem Brief an Sakpi nicht zu entnehmen war. Der Wortlaut des letzteren
schien sehr wobl mit der Annahme vereinbar, dal^ auch die Entdeclning
des Fallgesetzes im Jahre 16U4 erfolgt sei. Dagegen nötigt uns die AuiJae-
rung des Fragments, in der Galii.bi das Gesetz der angeraden Zahlen ■
etwas bezeichnet, „cJic ho scrnjirt rfdfo c cott i-spcrieme osseriiaio",
heblich frühere Ergründung dieser Wahrheit zq denken.
Das Fragment selbst darf man, da es unzweifelhaft Äutograph ist,
ziiTersLchttich als kui*! vor dem Brief an Sakpi geschrieben ansehen; es
gehört also jedenfalls der zweiten Hälfte des Jahres 1604 au. Mit dieser
Thatsache ist, wenn es dessen bed&rfen sollte, ein Anhaltspunkt für <
Schätzung des Alters der übrigen Fragmente gegeber
Die Annahme, dafs das hier besprochene Fragment von Galilgi^
jugendlicher Hand geschrieben sein müsse, ist von Favaro „mit voller Sicher-
heit" als zutreffend erkannt. Aber mit gleicher Bestimmtheit erkennt der
(ielehrte, dessen Urteil wir in dieser Beziehung als malsgebend betracbtfl
müssen, als von jugendlicher Hand geschrieben die nachfolgenden z
lehre gehSrigen Fragmente:
1. Pag. 424 (Mss. Gal. P. V. T. II. car. 193 r.).
Es ist dies die im Vorhergehenden mehrfach erwähnte, in italienischer
Sprache geschriebene Zusammenstellung artilleristischer Probleme, unter
ihnen die beiden Fragen:
sc la palla vadiu per lincu relta, ntm stmlo llrala a ptTpcntUcoiii
und
c/te linea dcscriva la palla nd stto mato.
2. Pag. 427 (Mss. Gal. P. V. T. Tl. car. 91 t.)
beginnend mit den Worten: ddermindur rrijo impdiis. Das nur aus sietM
Zeilen samt Zeichnung bestehende Bruchstück formuliert die Aufgabe,
Impetus an den einzelnen Punkten der Parabel aus dem immer gleiol
^
ist,
; es
ieser
r dif^
cbt«M
) Vergl. A. FAVia.i, QAi,n,i
c io studio di Paihvu II, p. 226-
Die Entdeckang der Parabelform der Worflinie. 621
bleibenden horizontalen nnd dem dnrcli senkrechten Fall erlangten Impetus
zu bestimmen. Dabei wird in der aus den Discorsi bekannten Weise die
horizontale Geschwindigkeit als durch freien Fall aus entsprechender Höhe
erlangt betrachtet
3. Pag. 428 (Mss. Gal. P. V. T. 11. car 110 t)
Zahlenbeispiel für die Berechnung des Impetus an verschiedenen Stellen
der Parabel.
4. Pag. 428 (Mss* P. V. T. 11. car 87 t.) „Datue paraholae elevationem
invemre, ex qua decidens mobüe paräbolam datam descrihat." Die Auflösung
und der zugehörige Beweis stimmen völlig mit der entsprechenden überein,
die in den gedruckten Discorsi unter Propositio V {Ed, naz, VIII p. 293)
mit der Überschrift: „in axe extenso datae paraholae punctum sublime re-
perire ex quo cadens paräbolam ipsam descrtbit^^ mitgeteilt werden. Dem-
gemSXs findet sich am FuTse des Fragments die Bezeichnung „scritta^^ Eine
Vergleichung der beiden Überschriften lehrt, in welchem Mafse die sp&tere
Redaktion bei unverändertem Inhalt erhöhte Deutlichkeit des Ausdrucks
erstrebt. Als Abweichung nur im Ausdruck ist femer hervorzuheben, dafs
Galilei in den Discorsi als sublimitas bezeichnet, was im Fragment devatio
genannt wird. Das Wort sublimitas scheint in den zweifellos ältesten
Fragmenten nicht vorzukommen.
Der Lösung der Aufgabe schliefst sich auf pag. 429, übereinstimmend
mit dem Corollarium zu Prep. Y die Folgerung an: dafs die halbe Basis
die mittlere Proportionale zwischen der Höhe der Parabel und der Er-
hebung über die Parabel ist. Auch hier ist in den Discorsi sublimitas für
das j^devaUo supra paräbolam^ des Fragments gesetzt.
5. Pag. 429—30 (Mss. Gal. P. V. T. 11. car. 9 a. r.). Das Fragment
beginnt mit Untersuchungen über das Verhältnis zwischen der Gröfse des
horizontalen Impetus und der Wurfweite verschiedener Halbparabeln, sowie
über die - Änderung des Impetus im Fufspunkt mit der Gröfse des hori-
zontalen Impetus bei Halbparabeln von gleicher Höhe. Durch ümkehrung
wird dann die vorhergehende Betrachtung auf YoUparabeln übertragen, die
dadurch erzeugt werden, dafs der Wurf in der Richtung der Tangente an
die Halbparabel vbn unten her erfolgt; auch für diese wird das Verhältnis
der Wurfweiten bei gleicher Höhe und gegebener ungleicher Stärke des
Anfangs-Impetus zunächst für einzelne Fälle abgeleitet. Durch Berechnung
einzelner Beispiele wird alsdann mehr veranschaulicht als bewiesen, dafs
durch den Wurf in der Richtung von 45^ bei gleicher Kraft eine gröHsere
Wurfweite erzielt wird als bei gröljserer und geringerer Neigung gegen die
Horizontale. Wie in den Discorsi wird auch in diesem Fragment voraus*
gesetzt, nicht bewiesen, dafs ein Körper, der in der Richtung der Tangente
022 Emil Wohlwill:
an die durch horizontalen Wurf erzeugte Halbparabel schräg aufwärts ge-
worfen wird, die gleiche Parabel beschreiben muJGs.
6. Pag. 431 (Mss. Gal. P. V. T. T. ü. car. III r.).
Beweis, dals bei Halbparabeln gleicher Amplitude der durch den Wurf
erlangte Impetus kleiner ist, wenn die Amplitude doppelt so grofs als wenn
sie mehr als doppelt so grofs ist als die Höhe. Der Beweis stinunt im
Wesentlichen mit den Ausführungen zu Propositio YLl des vierten Tages
der Discorsi überein.
7. Pag. 433 (Mss. Gal. P. V. T. H. car. IE. t.).
Anfang des Beweises für den Satz {Propositio YIE des 4^^ Tages der
Discorsi;, dafs die Amplituden je zweier Parabeln gleich sind, wenn der
Impetus der geworfenen Körper der gleiche ist und der Wurf in Winkeb
erfolgt, die Tom h&lben Hechten um gleich viel oberhalb und unterhalb
abweichen.
Das Ergebnis dieser Übersicht ist in kurzen Worten zusammenzufassen.
Es sind von GAULEfs Hand aus einer Periode der GALiLEi'schen
Forschung, die sicher der Abfassung der „Dialoge über die beiden Haupt-
Weltsysteme'^ vorausging, eine Reihe von Fragmenten zur Wurf lehre erhalten,
in denen die Erkenntnis der Parabelform der Wurflinie vorausgesetzt und
überdies die wichtigsten dieser Erkenntnis sich anschlielsenden Lehren in
ähnlicher Weise, wie in den lateinisch geschriebenen Abschnitten der Discorsi,
zum Teil in wörtlicher ÜbereinsÜnmiung mit denselben behandelt werden.
Auch in dieser Einschränkung ausgesprochen, genügt das Ergebnis der
Handschriften-Prüfung, um zu beweisen, dafs die Entdeckung der Parabel-
form der Wurflinie Galilei, nicht Cavalieri gehört Es ist dabei zunächst
dem Zweifel Baum gelassen, ob die Ungleichheiten der GALiLEi'schen Hand-
schrift eine völlig sichere Unterscheidung zwischen dem, was vor und nach
1610 geschrieben ist, gestatten mögen. Zieht man jedoch in Betracht, daüs
nach allen in Galileis Briefwechsel vorliegenden Angaben ein AbschlaÜB
seiner Forschung zur Wurf lehre im Jahre 1609 vor der Erfindung des
Femrohrs stattgefunden hat, und dafs er zu dem gleichen Forschungsgebiet
Mbestens zwei Jahrzehnte später zurückgekehrt ist, so gewährt die Wahr-
w^ung, dafs die besprochenen Fragmente von Galileis jugendlicher Hand
I^Mekrieben sind, zugleich ein unzweideutiges Zeugnis dafür, dafs sie der
»r Periode angehören, also Bruchstücke derjenigen Wurf lehre sind,
'te Galilei dem Luca Valerio und dem Minister Vinta berichtet, und
%fe .fit lateinischen Abschnitte des vierten Tages der Discorsi, die nur
^^H^^ita was dem Inhalte nach schon in den Fragmenten enthalten ist,
inUditAnl sind, was sie zu sein beanspruchen, Bestandteile des in Padua
tfrthffgp" Abschlufs gebrachten Manuskripts einer neuen Bewegungs-
Die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. 623
lehre. Galilei's Wurf lehre, wie sie in den Discorsi vorgetragen wird, ist
demnach ein Erzeugnis jener glorreichen Zeit seiner besten Mannesjahre,
der die Mehrzahl seiner grofsen Entdeckungen angehört, nicht seines
Greisenalters.
So ist denn auch, CAVESNfs kecker Verwerfung zum Trotz, jedem
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Briefes vom 11. September 1632 die
Berechtigung genommen. Der Brief ist wahr in allen seinen Teilen;
Galelei's Erklftrung, dafs das Suchen nach der Form der Wurflinie Aus-
gangspunkt seiner Bewegungsforschung gewesen sei, mufs wie bisher, auch
fernerhin als festes Datum für die geschichtliche Deutung des Entwicklungs-
gangs der neueren Bewegungslehre angesehen werden.
Mit gröfserer Bestimmtheit darf man nunmehr auch den Brief vom
Februar 1609 als nach der Entdeckung der Parabelform geschrieben, das
dort zuerst formulierte Gesetz der gleichen Fallzeiten als aus der Erkenntnis
der wahren Beschaffenheit der Wurflinie abgeleitet ansehen; wenn Galilei
hier die Vergleichung der Fallzeiten der mit ungleicher Kraft in horizon-
taler Richtung abgeschossenen Kugeln zu den Problemen zählt, die ihm zu
erörtern übrig bleiben (questioni che mi restano intomo äl moto dei praietti)^
so entspricht das durchaus der Vorstellung, dafs zu jener Zeit die Hauptsätze
der Wurflehre bereits festgestellt waren, das Gesetz der gleichen Fallzeiten
nur als eine weitere Folgerung hinzukam; damit scheint zusammenzuhängen,
dafs diese Folgerung, die Galilei in anderen Schriften offenbar mit besonderer
Vorliebe mehrfach anfuhrt, in den lateinischen Text der Wurf lehre der
Discorsi nicht aufgenommen ist.
Zu Scheinbeweisen werden dem Zeugnis der Handschriften gegenüber
ohne Weiteres die Widersprüche, die gegen Galileis Entdeckerrecht aus
den „Dialogen über die Weltsysteme'^ und aus dem ,JSpecchio ustofio** her-
geleitet worden sind, wie alle übrigen, die man durch Auslegung anderer
Stellen konstruiert hat und femer konstruieren könnte.
Man wird trotz dieser endgiltig entscheidenden Bedeutung der Hand-
schriften-Prüfung nicht für unangemessen halten, dafis die vorstehenden Seiten
sich zumeist mit der Widerlegung scheinbarer Gegenbeweise beschäftigt haben,
also strenggenommen mit dem Nachweis, dafs nicht wahrscheinlich sei, was um
st^kerer Gründe willen als falsch betrachtet werden mufs. Es handelte sich
dabei nicht nur um die Beantwortung der einen Frage, für die das Zeugnis
der Schriftzüge ausreicht, sondern um eine Deutung des geschichtlichen Zu-
sammenhangs in solcher Weise, dafs auch der Schein eines Widerspruchs
zwischen dem Ergebnis der Handschriften-Prüfung und den anderweitig be-
kannten Thatsachen verschwand; denn erst mit der Beseitigung dieses Wider-
spruchs war klare geschichtliche Einsicht gewonnen. Aber noch ein zweites
624 Emil Wohlwill: Die Entdeckung der Parabelfonn der Warflinie.
liefs die eingehende Erörterung aller vorgebrachten Verdacht^ründe ge-
boten erscheinen. Es konnte nicht überflüssig sein, zu zeigen, d&is CAVfaiKrs
Angriff nicht weniger nnhaltbar sein würde, wenn nicht durch einen glück-
lichen Zufall Dokumente erhalten wären, die an sich genügen, den Verdacht
zu widerlegen, unter den schweren Verdächtigungen, die der italienische
Gelehrte gegen GxLiLEfs grofsen Namen erhoben hat, sind nicht wenige,
denen in ähnlich leichtfertiger Weise wie den hier besprochenen mit Hülfe
von Deutung und Dichtung der Schein von Lebenskraft eingeblasen ist, fnr
deren Nichtigkeit jedoch so unwidersprechliche Zeugen wie in nnsenn
Falle nicht in die Schranken gerufen werden können. Für die UIlte^
suchung dieser andern Fälle muTste es von Wert sein, an dem einen, in
dem die geschichtliche Wahrheit nicht in Frage steht, in möglichst voll-
ständiger Weise die Methode dargelegt zu sehen, nach der auch die übrigen
bearbeitet sind.
WiXrf
Verzeiclmis der mathematischen Werke, Abhandlungen nnd Recensionen
des
Hofrat Professor Dr. Morits Oantor.
Z asammengestellt
von
Maximilian Gurtze.
Nach folgendes Verzeichnis, welches auf absolute Vollständigkeit keinen An-
spruch macht, da die einschlägigen Zeitschriften nicht sämtlich zur Disposition
standen, umfafst alle selbständig erschienenen Arbeiten, und, soweit eben unter den
oben auseinandergesetzten Umständen möglich war, die in Zeitschriften und
sonstigen Sammelwerken abgedruckten Abhandlungen, Notizen und Recensionen.
Von letzteren ist ja allseitig anerkannt, dafs sie für die Geschichte der Wissen-
schaft oft weit fördersamer sich erweisen, als das besprochene Werk selbst, so
dafs sie in dieser Zusammenstellung nicht fehlen durften. Eine Yon kompetenter
Seite zugesicherte Unterstützung bei der Ausarbeitung dieses Verzeichnisses ist
später zurückgezogen worden, so dafs auch dieser Umstand bei der yoraussicht-
liehen Unvollständigkeit desselben als mildernd in Betracht gezogen werden möge.
Thorn am 1. Juli 1899.
M. Cnrtze.
I.
Selbständig erschienene Werke.
1. Ueber ein weniger gebräuchliches Coordinaten -System. Inaugural- Dissertation.
Frankfurt am Main, Druck von J. J. Schultheis & Comp. 1861. 39, [1] S. %^,
2. Grundzüge einer Elementararithmetik als Leitfaden zu akademischen Vor-
trägen. Heidelberg, Verlag von Bangel und Schmidt, 1856. 176 S. 8®.
3. Mathematische Beiträge zum Kulturleben der Völker. Mit vier Tafeln. Halle,
Druck und Verlag von H. W. Schmidt 1863. 8^ XII, 482 S., 4 Tafehi.
4. Euklid und sein Jahrhundert. Mathematisch -historische Skizze. Separat-
abdruck aus der Zeitschrift für Mathematik und Physik. Leipzig, Druck und
Verlag yon B. G. Teubner 1867. 1 Blatt, 72 S. 8».
5. Die Römischen Agrimensoren und ihre Stellung in der Geschichte der Feld-
roefskunst. Eine historisch -mathematische Untersuchung. Mit 6 (6) litho-
graphierten Tafeln. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1876.
1 Blatt, 278 [1] S. 8«. 6 Tafehi.
Abh. zur Gesch. d. Mathem IX. 40
626 VerzeiclmiB der Werke, Abhandlungen und Becensiones.
6. Das Gesetz im Zufall. Vortrag. Berlin SW. 1877. Verlag von Carl Habel.
(C. G. Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung). SS Wilhelmstrafse 33. (Sammlosg
gemeiuTerständl. wissenschafbl. Vorträge, herausgegeben Ton Bnd. Vircbow
und Fr«, von Holtsendorff; XU. Serie, Heft 276.) 48 S. (377—424). 8*.
7. Vorlesungen über Geschiebte der Mathematik. Erster Band. Von den ältesten
Zeiten bis zum Jahre 1200 n. Chr. Leipzig, Druck und Verlag Ton B. 6.
Teubner 1880. VIII, 804 S. gr. 8*. 1 Tafel.
8. Vorlesungen über Greschichte der Mathematik. Zweiter Band. Von 1200—1668.
Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1892. X, 863 [1] S. gr. 8*.
Auch in zwei Hälften erschienen I, S. 1—500; II, X u. S. 501—864.
9. Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. Erster Band. Von den ältesten
Zeiten bis zum Jahre 1200 n. Chr. Mit 114 Figuren im Text und 1 lithogr.
Tafel. Zweite Auflage. Leipzig, Druck und Verlag Ton B. G. Teubner 1894.
Vn [1], 883 [1] S. gr. 8^, 1 Tafel.
10. Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. Dritter (Schlufs-) Band. Vom
Jahre 1668—1759. Leipzig, Druck und Verlag von B. 6. Teubner. XIV, 893
[1] S. gr. 8<>.
Erste Abtheilung. Die Zeit von 1668—1699. Mit 45 Figuren im Text
1894. 251 [1] 8.
Zweite Abtheilung. Die Zeit von 1700—1726. Mit 80 Figuren im Text
1896. S. 258-472.
Dritte Abtheilung. Die Zeit von 1727-1758. Mit 70 Figuren im Texi
1898. XIV und S. 473—893.
11. Politische Arithmetik oder die Arithmetik des täglichen Lebens. Leipsig,
Druck und Verlag von B. G. Teubner 1898. X, 136 S. 8^
12. Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. Zweiter Band. Erster Halb-
band. Von 1200—1500. Mit 93 in den Text gedruckten Figuren. Zweite
Auflage. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1899. S. 1—480. gr.8.
II.
ZeitsohrÜten^ an deren Herausgabe Cantor beteiligt war.
1. Kritische Zeitschrift für Chemie, Physik und Mathematik. Herausgegeben
T. A. Eekul^, G. Levinstein, F. Eisenlohr und M. Cantor. Jahrgaag
1858 (einziger) Erlangen, F. Enke.
2. Zeitschrift für Mathematik und Physik, herausgegeben unter der yerantwort-
liehen Redaktion von Dr. 0. Schlömilch und Dr. B. Witsschel (Jahig.
I — III) 1856—1859; unter der verantwortlichen Redaktion Ton Dr. 0. Schlö-
milch, Dr. B.Witzschel und Dr. M. Cantor (Jahrg. IV) 1860; unter der t^-
antwortlichen Redaktion von Dr. 0. Schlömilch, Dr. £. Kahl und Dr. M
Cantor (Jahrg. V^XXXVÜ) 1861—1892; unter der verantwortlichen Redaktion
von Dr. 0. Schlömilch und Dr. M. Cantor (Jahrg. XXXVIII— XLI) 1893-
1896; Gegenwärtig herausgeg. von Dr. R. Mehmke und Dr. M. Cantor (Jahig.
XLII— XLIV) 1897—1899. Leipaig, Verlag von B. G. Teubner 1866—1899.
3. Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik. In zwanglosen Heften. 1. 1B77;
n. 1879; m, 1880; IV. 1882; V. 1890; VL 1892; VII. 1896; VIIL 1898. gr.8'.
Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner.
Auch als Supplementhefte zur „Zeitschrift für Mathem. und Physik"
ausgegeben.
Verzeichnis der Werke, Abhandlnngren und Recenflionen. 627
m.
Abhandlnngen und Reoeiuiionen.
A. Aus der „Kritiselien Zeitselirift für Chemie, Physik und Mathematik'^
Stand nur nicht znr Disposition.
B. Aus der „Zeitsehrift für Mathematik und Physik^^
I. Abhandlnngen.
Jahrgang 1. 1856: Ueber die Einfflhrung unserer gegenwärtigen Ziffern in
Europa. 65—74. — Ueber den Werth von 0^ 244—245.
Jahrgang 2. 1857: Ueber die Porismen des Euklid und deren Divinatoren
17 — 27. — Physikalische Aufgabe 64 — 65 — Ueber eine Eigenschaft der Bino-
mialcoefficienten 65 — 66. — Ueber eine oombinatorische Aufgabe 108 — 107. —
Petrus Bamns, Michael Stifel, Hieronymns Cardanus, drei mathematische Charakter-
bilder ans dem 16. Jahrhundert. Vortrag, gehalten zu Bonn in der mathem.-
astron. Section der 33. Naturforscher-Yers. 353 — 867. — Ueber Normalstellen.
410-412.
Jahrgang 3. 1858: Ramus in Heidelberg. 133—143. — Zur Geschichte der
Zahlzeichen. Vortrag, gehalten zu Carlsruhe in der mathem.-astron. Section der
34. Naturforscher- Vers. 325—841.
Jahrgang 4. 1850: Ueber vollkommene Zahlen. 160—161. — Eine unbe-
stimmte Aufgabe. 232—233. — Das pythagor&isohe Dreieck. 306—809. — Die
Professur des Bamus. 314—315.
Jahrgang 5. 1860: Zur Theorie paralleler Cnnren. 219—228.
Jahrgang 6. 1861: Ueber arithmetische Progressionen Ton Primzahlen.
340—343.
Jahrgang 7. 1862: Ueber Leitlinien. 50—52.
Jahrgang 8. 1863: Oliy Terquem. Biographische Notiz. Litt. Bericht.
105—109.
Jahrgang 9. 1864: Galileo Galilei. 172—197.
Jahrgang 10. 1866: Ueber einen Codex des Klosters Salem. 1—16.
Jahrgang 11. 1866: Aufgabe. 176. — Ueber die Summe von Cabikzahlen nach
Prof. Angelo Genocchi. 248—252.
Jahrgang 12. 1867: Samme von Cubikzahlen. 170—172. — Einfache Con-
struction der BerfihrungsliDinien an die Lemniscate. 428 — 429. — Euklid und
sein Jahrhundert. Mathem.-histor. Skizze. Supplementheft. 1 — 72.
Jahrgang 14. 1869: Leibnitz.und die Differentation mit beliebigem Index. Litte*
ratur-Zeitung. 30—31.
Jahrgang 17. 1872: Die FamiUe Fagnano. 88. — Bfirmann. 428—430.
Jahrgang 20. 1875: Gottfried Friedlein f« ein Nekrolog. Hist-liter. Abthei-
lung. 109—113. — Zahlentheoretische Spielerei. 134—135.
Jahrgang 22. 1877: Grftco-Indische Studien. Hist.-Hter. Abtheilnng. 1-28.
Jahrgang 23. 1878: Der Briefwechsel zwischen Lagrange und Euler. Hist.-
liter. AbtheiluDg. 1—21.
Jahrgang 24. 1879: Drei Briefe von Lagrange. Hist-Hter. Abtheilung.
182—184.
Jahrgang 88. 1888: Ueber eine Proportion ans der elementaren Stereo-
metrie. 119.
40*
628 YerzeichniB der Werke, Abhandlangen und Becensionen.
Jahrgang 38. 1893: Ein mathematUcher Papyrus in griechischer Sprache.
Hisi-liter. Abtheilung. 81—87.
Jahrgang 39. 1894: Fürst Baldassarre Boncompagni LudovisL Ein Nachruf.
Hist-liter. Abtheilung. 161—163.
Jahrgang 41. 1896: Functionalgleichangen mit drei von einander ooabhän-
gigen Ver&nderlichen. 161—163.
n. Recensionen.
L Weissenborn, H., Die Prineipien der höheren Analjsis in ihrer Ent-
Wickelung Ton Leibniz bis auf Lagrange. Halle 1866. 57 — 63. — Biecke,
Frd., Die Rechnung mit Bichtungszahlen oder die geometrische Behandl. imagin.
Grössen. Stattgart 1866. 77—79.
II. Hoffmann,L., Mathematisches Wörterbuch. Berlin. 86—39. — Spits.C,
Lehrbuch der ebenen Geometrie. Lpzg. u. Heidelb. 1867. 66—68. — Slomao, H.,
Leibnitiens Anspruch auf die Erfind, der Differentialrechnung. Lpzg. 1857.
94—96.
IIL Bretschneider, C. A., System der Arithmetik und Analysis. Jena
1866/67. 27—29.
IT. Schwan, Herm., Grundzüge einer Elementararithmetik. Hagen 1859.
69 — 66. — L. A. Sohnke^s Sammlung von Aufgaben aus der Different.- und lote-
gral>Bechnung. 2. Aufl. von H. J. Schnitzler. Halle 1869. 87—88. — Mathemat
Abhandlungsregister 1868. 10—20; 76—86.
T. Er ist, Jos., Ueber Zahlensysteme und deren Geschichte. Ofen 1859. 49
bis 62. — Müller, J. H. T., Beitrage zur Terminologie der griechiachen Mathe-
matik. Lpzg. 1860. 73—74. — Mathemat. Abhandlungsregister 1869. 22-3^:
86—96.
Tl. Nock, Zenodorus' Abhandlung über die isoperimetrischen FignreB.
Deutsch bearb. Freiburg 1860. 1 — 3. — Ghasles, M., Les trois livrea de ponsme
d'Eaclide retablies pour la 1«' fois. Paris 1860. 3—7. — Bartolomaei, Fr.,
Zehn Vorlesungen über Philos. der Mathematik. Jena 1860. 7—8. — Öfter-
dinger, L. F., Beiträge zur Geschichte der griechischen Mathematik. Uhn 1860.
41—42. — Delboeuf, J., Prolegom^nes philosoph. de )a g^ometrie etsolatdfs
postulats. Li^ge 1860. 42—44. — Mathem. Abhandlungsregister 1860. 51-60:
119—128.
TII* Friedlein, G., Gerbert, die Geometrie des Boetius und die indischen
Ziffern. Erlangen 1861. 69. — Secchi, A., Intomo alla vita ed alle opere Jel
P. Giambatista Pianciani. Roma 1862. 66—66. — Mathem. AbhandlungsregUter
1861. 44—52; 92—102.
YIIL Scritti di Leonardo Pisano pubblic. da B. Boncompagni. 2 Bde. Koma
1862. 41—47. — Lehmann, Fr. A., Die Archimedische Spirale mit Rucks, asl
ihre Geschichte. Freiburg 1862. 47—48. — Narducci, E., Catalogo di mano-
scritti ora possed. da D. B. Boncompagni. Roma 1862. 66—68. — Cantor, M.
Mathemat. Beiträge zum Culturleben der Völker. Halle 1863. 81. — Matheni.
Abbandlungaregister 1862. 66—64; 126—135.
IX. Joachims thal, J., Elemente der analyt. Geometr. der Ebene. Berlin 1863
1 — 7. — Chasles, Ph., Galileo Galilei, sa yie, son proc^s et ses comtemporuas
Paris 1863. 17 — 21. — Woepcke, Fr., Passages relatifs k des sommations de
säries de cubes extr. de manntcr. arabes inädits. Rome 1863. 49 — 60. — OenTred
Yerzeichnis der Werke, Abhandlungen und Recensionen. 629
•
de D^sargnes, r^nn. et anal. p. M. Poudra. Paris 1864. 89— -93. — St arm,
Coars d'analyse de T^eoie polytechnique 2^ ^d. par E. Prouhet. Paris 1863
bis 64. 105—108. — unverzagt, üeber eine neue Methode zur üntersch. räuml.
Gebilde. Wiesbaden 1864. 110. -— Snell, üeber Oalilei als Begründer der mo-
dernen Physik. Jena 1864. 111. — Mathem. Abhandlungsregister 1863. 63 — 72;
120—128.
X. Heronis Alexandrini geometr. et stereometr. reliquiae ed. Fr. Hultsch
Berlin 1864. 1. — Woepcke, Fr., Passages relatives ä des sommat. des säries
de cubes etc. Borne 1864. 25 — 26. — Metrologicor.'scriptor. reliquiae Coli. Fr.
Hultsch I. Lps. 1864. 41 — 42. — Yosen, Chrn., Galileo Galilei und die römische
Verurth. des kopemik. Systems. Frankfurt a/M. 1865. 49—51. — Mathem. Abhand-
lungsregister 1864. 70—80; 112—120.
XI* Martin, Th. H., Observations et th^ories des anciens sur les attract. et.
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Poggendorffs Biograph.- litterar isches Handwörterbuch zur Gesch. der exacten
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mathematica ed. J. L. Heiberg. p. I. Lpzg. 1898. 62—63. — Encyklopädie der
mathemathischen Wissenschaften mit EinschluTs ihrer Anwendungen. Herausg.
von H. Burkhardt und W. Frz. Meyer. I, 1. 1. Hett. Lpzg. 1898. 75—76. —
V. Budislavljcvic, E., Grundzüge der Determinanten -Theorie in der project
Geometrie. Aualyt. Geometr. Wien und Lpzg. 1898. 76—77. — Mikuta, A.,
GrundzCige der Diff.- und Integr. -Rechnung. Wien und Lpzg. 1898. 77 — 78. —
Schur, Fr., Lehrbuch der analyt. Geometrie. Lpzg. 1898. 78—79. — Simon, M.,
Analyt. Geom. des Raumes. Lpzg. 1898. 79—80. — Fort, 0. und 0. Schlö-
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80. — Salmon-Fiedler, Analyt. Geometr. des Raumes I 4. Aufl. Lpzg. 1898.
80 — 81. — Wundt, W., Die geometrisch - optischen Täuschungen. Lpzg. 1898.
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Kiel 1897. 87. — Baer, K., die Eugelfunction als Lösung einer Differenzen-
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Tomo IX: Die Rechenkunst im sechszehnten Jahrhundert von A. Kuckuck.
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ragna. 701—716.
Tomo XI: I sei Cartelli di matematica disfida, primamente intorno alla
generale risoluzione delle equazioni cubiche di Ludovico Ferrari, coi sei contro-
cartelli in risposte di Nicolö Tartaglia etc. pubbl. da Enrico Giordani etc. —
Milane 1876. Articolo biliograf. Traduzione del Prof. Ant. Favaro. 177 — 196.
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berger und G. Zeuner.
Bd« 1: Selbstanzeige von: Die roemischen Agrimensoren und ihre Stellung
in der Geschichte der Feldmefskunst. Leipzig 1875. 117 — 128.
VerzeicbniB der Werke, Abhandlangen und Becensionen. 647
F, Aus „AUgemeine Dentsehe Biographie'^
Bd. I. 1875: Karl Adams. 47 — 48. — Gerardus Adriaens oder Drunaeus. 122.
— Johann Thomas Ahrens. 163. — Franz von Aiguillon oder Agoillon oder
Aquilonius. 166. — David Algoewer. 842. — Joseph Amuel. 418. — Johannes
Arduser. 613. — Peter Friedrich Arndt. 663. — Arthur Arneth. 664—666. —
Ernst Ferdinand August. 683—- 684.
Bd. II. 1875: Dominicus Beck. 212—218. — Johann Isaak Berghaus. 184.-—
Jacob Bemoulli I. 470—473. — Johann BemouUi I. 473—476. — Nicolaus Ber-
noulli I. 476—477. — Nikolaus Bemoulli II. 477—478. — Daniel Bemoulli.
478—480. — Johann Bemoulli II. 480—482. — Johann Bemoulli III. 482. —
Jacob Bemoulli II. 482—483. — Tobias Beutel 487—488.
Bd. III. 1876: Georg Heinrich Borz. 183. — Benjamin Bramer. 234. —
Johann Georg Brand. 236. — Georg Friedrich Brandes. 240—241. — Franz
Brasser. 269. — Isaak Bmckner. 419. — Friedrich Johann Bock. 494. — Jobst
Burgi (Justus Byrgius, Joist Burgh, Just Borgen). 604—606. — Abel Burga (Bfirga).
620—621. — Heizo Buscher. 643. — Friedrich Gottlob von Busse. 649—660. —
Karl Herbert Ignatias Buzengeiger. 678. — Johann Wilhelm von Camerer. 727.
Bd. lY. 1876: Giovanni Francesco Mauro Melchior Salvemini genannt Ca-
stillioneus oder Castilhon. 67—69. — Ludolph van Ceulen oder van Keulen oder
van Collen. 93. — Adam Mathias Chmel. 130. — Jacob Christmann. 222. —
Wilhelm Ludwig Christmann. 223—224. — Christlieb von Clausberg. 285. —
Heinrich Wilhelm Clemm. 821—322. — Adam Andreas Cnollen. 364. — Johann
Konrad Creiling. 683—584. — August Leopold Crelle. 689—690. — Peter Cröger.
626. — Joseph Melchior Danzer. 766. — Johann Martin Zacharias Dase. 760. —
Heinrich Wilhelm Feodor Deana. 790.
Bd. y. 1877: Franz Eduard Desberger. 68—69. — Wilhelm Adolf Diesterweg.
163. — Peter Gustav Lejeune-Dirichlet. 261 — 262. — Enno Heeren Dickson.
262 — 263. — Johann Gabriel Doppelmayr. 344—346. — Karl Ereiher Drais von
Sauerbronn. 373. — Cornelius Drebbel. 384. — Justus Heinrich Dresler. 397.
— Johann Baptist Eberenz. 632. — Johann Paul Eberhard. 669. — Philipp
Eckebrecht. 609. — Christian Leonhard Philipp Eckhardt. 617. — Moritz Eil-
mann. 768. — Johann Caspar Eisenschmidt. 773 — 774. — Ferdinand Gotthold
Max Eisenstein. 774—776.
Bd. VI. 1877: Hieronymus Christoph Wilhelm Eschenbach. 338—389. —
Leonhard Euler. 422—480. — Johann Albert Euler. 430. — Karl Euler. 430. —
Christoph Euler. 430—481. — Anton Felkel. 612. — Carl Wilhelm Feuer-
bach. 747.
Bd. YU. 1878: Thomas Finck (Finkius). 18--14. — Ernst Gottfried Fischer.
62—68. — Gotthold August Fischer. 68. — Wilhelm August F6rstemann. 162
— Traugott Samuel Franke. 266—266. — Johann Gottlieb Friedlein. 398—399.
Bd. YUL 1878: Johann Nikolaus Frohes genannt Frobesius. 129 — 130. —
J. C. Gartz. 384—886. — Karl Friedrich Gaufa. 430—446. — Cornelius Gemma-
Frisius. 666. — Bainer Gemma-Frisius. 666—666.
Bd. IX. 1879: Christian Goldbach. 380—831. — Gustav Adolf Goepel. 370.
— Karl Heinrich Gräffe. 672—674. — Grammateus (Heinrich Schreyber). 678. —
Hermann Grafsmann. 696 — 698. — Justus GQnther Grafsmann. 698 — 699. —
Gregorius a Sancti Yincentio. 631—638.
Bd. X. 1879: Johann August Graneri 60—61. — Johann Philipp Gruson
648 Verzeichnis der Werke, Abbandlaiigen und Becensionen.
(GrflsoD). 65 — 66. — Christoph Gudermann. 87—88. — Hermann Haedenkamp.
310. — Elkan Markus Hahn. 358. — Hermann Hankel. 616—519. - Joseph Hantschi.
549—550. — Siegtuund Ferdinand Hartmann. 703.
Bd. XI. 1880: Karl Friedrich Hauber. 38—39. — Johann Karl Friedrich Hauff.
48. — Johann Christoph Heilbronner. 313.
Bd. XII. 1880: Johann Jacob Hentsch. 11. — Jacob Hermann. 181 — 182. —
Ludwig Otto Hesse. 306 — 307. — Karl Ferdinand Hindenburg. 466 — 457. —
Meyer Hirsch. 467—468. — Johann Josef Ignatz Ton Hoffmann. 604 — 606. —
Georg Jonathan Ton Holland. 748 — 749.
Bd. XIII. 1881 : Daniel Haber. 228—229. — Christian Huygens. 480—46. —
Simon Jacob y. Coburg. 559. — Karl Friedrich Andreas Jacobi. 693.
Bd. XIY. 1881: Ferdinand Jodchimsthal. 96 — 97. — Jordanus Nemorarius.
601—602. — Ernst Friedrich Junge. 705. — Johannes Junge.. 706.
Bd. XY. 1882: Abraham Gotthelf Kaestner. 489-441.
Bd. XX. 1884: Ludwig Imanuel Magnus. 91—92. — Paul Mak^ de Kerek
Gude. 152. — Konrad Gottlieb Marquardt. 417. — Johann Mathias Matzko. 602.
Bd. XXI. 1885: Meinzo von Constanz. 240. — Albert Ludwig Friedrich
Meister. 251—262. — Mathias Mettemich. 527.
Bd. XXII. 1885: August Ferdinand Möbius. 38—43. — Leopold Mefsbrugger.
404—405. — Franz Moth. 406—407. — Anton Müller (1799—1860). 614. — Jo-
hann Heinrich Tiaugott Müller (1797—1862). 629—631.
Band XXIII. 1886: Karl Dietrich von Münchow. 8. — Friedrich Wilhelm
August Muchard 62—63. — Christian Heinrich von NageL 214. — Johann Chri-
stian Nelkenbrecher. 417 — 418. — Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann. 445. —
Anton Nokk. 757.
Band XXIV. 1886: Martin Ohm. 203—204. — Ludwig Oettinger. 668—669.
Band XXV. 1887: Johann Friedrich Pfaff. 592 — 693. — Johann Wilhelm
Andreas Pfaff. 693—694. — Christoph Friedrich von Pfleiderer. 678.
Band XXVI. 1888: Johann Friedrich Polack. 381. — Friedrich Theodor
Poselger. 455 — 456. — Moritz von Prasse. 610. — Leopold Prowe. 671.
Band XXVII. 1888: Joseph Ludwig Baabe. 66. — Johann Heinrich Rehn.
174—175. — Reimaras ürsus (Nicolaus). 179—180.
Band XXVIII. 1889: Karl Gustav Reuschle. 298. — Georg Friedrich Bern-
hard Riemann. 566 — 659. — Adam Riese. 576 — 677.
Band XXIX. 1889: Johann Georg Rosenhain. 209. — Heinrich August Rothe.
349—350. — Christoff Rudolff. 671—672.
Band XXX. 1890: Kasper Sagner. 173. — Johann Michael Joseph Salomon.
281—282. — Michael Scheffelt. 676.
Band XXXIf. 1891: Franz van Schooten d. Aelt. 328. — Franz van Schooten
d. Jung. 328—329.
Band XXXIU. 1891: Franz Ferdinand Schweins. 364. — Daniel Schwenter.
413—414. — Ludwig August Seeber. 565-566.
Band XXXIV. 1892: Franz Seidewitz. 92. — Gustav Skfivan. 450. — Rend
FraD9oi8 de Sluse. 469—470. — Rudolf Snel van Roijen (Snellius). 502; Wille-
brord Snel van Roijen (Snellius). 502—603. — Friedrich Wilhelm Daniel Snell.
506. — Karl Snell. 507. — Ludwig Adolf Sohnke. 546.
Band XXXV. 1893 : Friedrich Wühelm Spehr. 96. — Simon Spitzer. 223. -
Yerzeichnis der Werke, AbhandlaDgen und Becensionen. 649
Konrad Dietrich Martin Stahl. 402—403. — Simon Stampfer. 435. — Jacob Steiner.
700—703.
Band XXXVI. 1893: Simon Stevin. 158—160. — Michael Stifel. 208—216. —
Johann Friedrich Stockhansen. 292—293. — Georg Wilhelm Staudt. 628. — Emil
Siraurs. 632. ^ Jacob Strave. 687.
Band XXXYII. 1894: Andrea« Taquet. 340—341. — Johann Dietrich Adolf
Tellkampf. 668. — Bernhard Friedrich Thibaut. 746—746.
Band XXXYJII. 1894: Heinrich August Töpfer. 446.
Band XXXIX. 1895: Hermann ümpfenbach. 278. — Wilhelm unverzagt. 821
— 322. — Benjamin Ursinus. 366. — Georg Freiherr von Vega. 523 — 525. —
Ferdinand Verbiest. 612—613.
Band XL. 1896: Adrian Ylack. 86. — Andreas Völler. 247—248.
Band XLI. 1896: Johann Christoph Weingärtner. 503—604.
Band XLII. 1897: Johannen Widmann von Eger. 366.
Band XLIII. 1898: Benjamin Witzschel. 677.
Band XLIV. 1898: Franz Woepcke. 209—210. — Gustav Friedrich Wucherer.
261—263.
G. Aus „Rendieonti dell' Istitnto Lombardo di Scienze e Lettere*' Mailand
Hoepli.
Vol. IX, anno 1876: Studi greco-indiani (Traduzione italiana sul MS. origi-
nale, di G. Schiaparelli) 818 - 842. (Siehe oben „Zeitschrift fflr Mathem. u. Physik.
22. Bd. 1877.)
-H, Aus „Jenaer Litteratnrzeitang" herausgegeben von Kletke.
Jahrg. 1877. Nr. 26: Günther, S., Studien zur Geschichte der mathem. und
physik. Geographie 1,2. Halle 1877. 388—389. — Nr. 28: Abhandlungen zur
Geschichte der Mathematik. I. Leipzig 1877. 434—436.
Jahrg. 1878. Nr. 8: Gerhardt, C. J., Geschichte der Mathem. in Deutsch-
land. München 1877. 112—113. — Nr. 14: Günther, S., Studien zur Geschichte
der Mathem. und physik. Geographie 3. Halle 1878. 203—204. — Nr. 26: Hoch-
heim, E&fi fil Hisäb des Abu Bekr Mnhammed Ben Abu Husein Alkarkhi. I.
Halle 1878. 375—376. — Nr. 33: Matthiefsen, L., Grundzüge der antiken und
modernen Algebra der litteralen Gleichungen. 480—481. — Nr. 46: Curtze, M.,
Inedita Copernicana. Leipzig 1878. 663—664. — Nr. 47: Günther, S., Studien
4. u. 5. Halle 1878. 662—663.
Jahrg. 1879. Nr. 20: Abhandl. zur Gesch. der Mathem. II. Leipzig 1879.
271—273. — Nr. 27: Hochheim, K&fi fil His&b. IL Halle 1879. 399—400.
/. Aus „Bibliotheea Nathematicai Zeitschrift fär Geschichte der Mathematik"
herausg. von G. Eneström.
Nene Folge 2, 1888: Ahmed und sein Buch über die Proportionen 7—9.
Nene Folge 11, 1897: ft^ponse ä la question 40. (BetriflTt Bürmann) 31—32.
K. Aus „Comptes rendns de TAcad^mie des Sciences". Paris.
T. LI. 1860: Sur Tage de Zenodore 630—633.
L. Aus „Neue Heidelberger Jahrbücher". Heidelberg. 8^
I (1891): Yerzeichnis der Yorti^e, die M. Cantor im Historisch -philo-
sophischen Vereine zu Heidelberg in den Jahren 1863—1890 gehalten hat 8. —
650 Verzeiclmis der Werke, AbhandlaDgen und Recensionen.
Albrecht Dürer als Schriftsteller. Vortrag, gehalten im Hisi-philos. Vereine zu
Heidelberg am 12. Febr. 1888. 17—31.
n (1892): Zeit und Zeitrechnung. Vortrag, gehalten im Hist.-philos. Vereine
zu Heidelberg am Donnerstag, den 3. Dezember 1891. 190—211.
V (1895): Zahlensymbolik. Vortrag, gehalten in Heidelberg am 18. Dezember
1894. 25—46.
M. Aus „Gegenwart^^
XII, 1877: Die Aktenfälschung im Prozesse gegen Galileo Galilei. HS.
N. Aus „Beilage zar Allgemeinen Zeitnng" (Manchen).
Stand mir nicht zur Disposition.
0. Aus „Litterarisches Centralblatt".
Stand mir nicht zur Disposition.
P. Aus „National-Zeitnng" Berlin.
Stand mir nicht zur Disposition.
Q. Aus „Verhandlangen des Natnrwissenscli.-Medicin. Vereins zn Heidelberg*'.
1, 1857 — 59: Mathematik des Pyihagoras. 1 S. — Zahlzeichen der Araber. 2 S. —
Die Kenntnisse der Griechen in der Zahlentheorie.
i?. Aus dem „Bnlletin des Sciences math^matiqnes". 2« s^rie.
T. XIX, mars 1895: M. Zeuthen et sa G^om^trie sup^rieure de TAntiquit^.
S. Aus „Nord und Süd". Eine deutsche Monatsschrift.
Bd. XVI: Sir Isaac Newton. 106—117; 201—217.
Bd. XLV: Vier berühmte Astrologen. 81—91.
Bd. LXIX: Kardinal Nikolaus von Cusa. Ein Geistesbild aus dem XV. Jahr-
hundert. 188—202.
T, Aus „Festschrift, herausgegeben von der Mathematischen Ge-
sellschaft in Hamburg anläfsl. ihres 200jähr. Jubelfestes
1890".
Ueber einige Konstruktionen yon Lionardo da Vinci. 8 — 15.
V. Aus „Hermes'^, Zeitschrift für klassische Philologie.
1881: „Über das neue Fragmentum Mathematicum Bobiense". 640—642.
F. Aus dem „Arehiv der GeseUsehaft für ältere deutsche Geriehtsknnde".
Bd. V: Ein Schreiben Mainzos Ton Constanz an Hermann den Lahmen (mit
E. Dummler). 202—206. 2 Tafeln.
W. Aus den „Prenssischen Jahrbüchern".
Bd. XXXH, 1873: Blaise Pascal. 212-237.
X. Aus „Nonvelles Annales de Math^matiqnes".
XIV, 1855: Tbäor&me sur les d^terminants Cram^riens. 1 S. — Le thdor^me
de Wheatstone. 1 S.
XX, 1861: Note historique sur Fextraction abrdgäe de la racine carr^e. 15.
Y. Aus „Sybels Historischer Zeitschrift".
X. War Leibniz ein Plagiator? 63 S.
Z. Aus „Westermanns Monatsheften".
XII, 1878: Lionardo da Vinci. 12 S.
Namenverzeichnis.
Abraham Ben Jehuda (Ebr-
Hd) 478.
Abraham Ben Jomtob 475.
Abraham De Balmis 476.
Abraham Zaknt 474.
Achilles Tatius 193.
Adam (Gh.) 604.
Adam (Bi.) 438.
Adraaius 280.
Agricola 139.
Ahlwardt 494.
Airy 110.
Alb^ri 582. 583. 597. 605.
Albrecht 111.
Alfons (Ton Kaatilien) 128.
137. 145.
Alfraganus (AI Fergani)
43. 61.
Alkarkhl 467.
Alkhazioi 147. 149.
Alkhwarismt 458.
AlliacQs (D'Ailly) 138.
Allmann 487.
Almansi 481. 482.
Alpetragius (AI Bidrodji)
132.
AmbroB 305.
Ampere 182.
Anazimander 487. 488.
Anderson 239.
AndronicuB 171.
Angeli 256.
Antonini 611. •
Antoninas (Kaiser) 145.
Apelt 144.
Apian (Peter) 216. 309. 311.
319. 320. 321. 323. 324.
330. 333. 478.
Apian (Philipp) 311. 435.
437.
Apollonides 486.
ApoUonius 208. 342. 481.
Arbogast 68.
Archimedes 104. 156. 194.
196. 197. 208. 234. 815.
316. 339. 342. 344. 480.
409. 491. 493. 494. 496.
Aristarchus 194. 278. 280.
Aristoteles 100. 139. 153.
155. 156. 157. 158. 159.
160. 164. 179. 279. 282.
283. 285. 364.
Arjabhatta 208. 209.
y. Aschbach 145.
Ascherson 356.
Asher 340.
Atelhart 326.
Autoljcus 493.
Ayerroes 476.
Bacchini 243.
Bachet de Mäsiriac 506. 576.
Bachmann 562. 574.
Bacialli 150.
Bacon of Vemlam 287.
Baermann 259. 266.
Baillet 4. 53.
Baldi 247. 249. 478.
Baliani 101. 581.
Ball 575.
Barbara 100. 101. 104.
Barozzi 481.
Basther 141.
Becker 331.
Beecman 504.
Behaim 144.
Beher 518. 519. 535.
Belknap 150.
Bellarmin 290.
Beltrami 414.
Benedetti (Benedetto) 588.
605.
Benjacob 473. 484.
Benjamin 480.
Berger 134. 143.
Beriet 541. 543.
Berliner 480.
Bemadakis 486. 487.
Bernhard 306.
Bemoulli (Job.) 247. 248.
250. 254. 265. 267. 271.
272 561
Bemoulli (Nik.) 247. 248.
249. 269.
Bessel 403.
Bilfinger 193.
Blaeu 503. 505.
Blancanus 150.
Blafs 485 490.
Blnm 439.
Bobynin 13.
Boeckh 277. 341. 348. 356.
Boeschenstein 308.310.319.
320. 474. 478.
Boethins 305.
Bohnenber^er 432. 433.
Boll 138. 172.
Bolyai (J.) 401. 402. 409.
410. 417. 418.
Bolyai (W.) 409. 417.
Bolzano 73. 76. 77.
Bomberg 475.
Boncompagni (Fürst) 308.
310. 319. 320. 474. 478.
Boom 503.
Bordoni 273.
Boreel 570. 572.
Borgondio 268.
Böse 256.
Bossut 34. 39.
Bonlanger 118.
Bourgaet 273.
Brahe (Tycho) 17. 18. 19.
25. 26. 27. 28. 277. 278.
541.
Bramer 146.
Brandis 193.
Braun 488.
y. Braunmühl 15.
Bremiker 111.
Bretschneider 485.
Breusing 141. 142.
Briggs 33. 35.
Briü 78.
Brockhaus 126. 137.
Brooke 150.
Brounker (Lord) 267. 558.
559. 561. 563. 564. 565.
566. 567. 570. 573. 574.
Brunnhofer 136.
BOrgi 18. 20. 21. 23. 24. 35.
652
Namenverzeichnis.
Bürja 73.
Bur^kmair 142.
Burgund (Herzog von) 253.
Burkhardt (A.) 517.
Burkhardb (H.) 298.
Burrough 527. 529.
Busbeck 163.
Cajori 31.
Calixtus 258.
Calogera 241. 244. 255. 250.
Camerer 414. 424.
Campanus 326.
Carapori 610.
Cantor (G.) 298.
Cantor (M.) 17 18. 24. 33.
34. 67. 125. 126. 127. 147.
150. 205. 208. 213. 216.
235 243. 250. 251. 295.
304. 305. 306. 307. 308.
309. 310. 311. 312. 313.
316. 317. 321. 326. 330.
385. 463. 466. 469. 483.
485. 505. 506 507. 537.
662.
Capponi 614.
Carcavy (Pierre De) 517.
600. 602. 603.
Cardano 433. 588. 590.
Carnej 633.
Camot 71. 72. 75.
Carr^ 266. 292.
Castelli 100. 683. 684. 685.
610. 611.
Caualat 446.
Cauchy 77. 78. 79. 298 574.
Cavalieri 100. 274. 685. 586.
591. 592. 600. 604. 606.
607. 608. 609. 610. 611.
612. 613. 614. 616. 616.
617. 622.
Caverni 679. 680. 687. 688.
. 689. 690. 692. 693. 694.
595 696. 597. 600. 602.
604. 607. 608. 612. 616.
616. 617. 623. 624.
Cellius 434. 435.
Ceva 245. 256.
Chabit Ben Currate 506.
Chaggin Chaber 479.
ChaaJes 396. 397. 508. 509.
Checozzi 248.
Christian (v. Brandenburg-
Kulmbach) 315.
Christina (von Lothringen)
603.
Christmann 18.
Chrysippus 487. 488. 489.
490.
Ciampoli 103. 104.
Cicero 314. 344.
Clavius 18. 21. 22. 28.
Clavu.«» (Niger) 141.
Clearchus 486.
Clemens 134. 136. 139. 145.
Cleomedes 193.
Clers^lier 504. 506. 507. 612.
Colbert 119. 576.
Collein 120.
Commandino 249.
Como 256.
Comte 71.
Condorcet 168.
Conrad 85.
Cook 107. 108. 109. 633.
Coppomicua 128. 131. 132.
133. 134. 137. 144. 277.
278. 282 283. 284. 285.
286. 287. 290. 292. 330.
594.
Cotes 272.
Cotta 135.
Coulomb 182.
Cournot 78.
Cousin 130 287.
Cowley 493.
Cratander 142.
Crelle 71.
Cromwell 558.
Ctesibius 128.
Curtius 18. 21. 22.
Curtze 22. 41. 150. 277. 279.
305. 306. 307. 321.
Cusanus (Joh.) 126.
Cusanus (Nik.) 123. 126. 126.
127. 128. 129. 130. 131
132. 133. 134. 135. 136.
137. 138. 139. 141. 142.
143. 144. 146. 146. 147.
148. 150. 151. 152.
D'Alembert 67. 291.
Damianus von Larissa 196.
Darius 356.
Dasypodins 148. 331.
D'Avezac 143.
Deviso 612.
De Beaume 512.
De Billy 570.
De' Conti (Niccolo) 144.
De la Fcrtd 119.
Delambrc 280. 286. 353.
Delle Colombe 594.
Del Monte 589. 590.591.592.
Democritus 487. 488.
Denesi 99. 100.
Deparcieux 95.
De St. Venant 291.
Descartes (Cartesius) 130.
182. 259. 269. 287. 380.
601. 603. 504. 505. 506.
507. 508. 609. 510. 511.
512. 513. 673.
De Seigfneley 119. 120. 121.
Dickstein 65. 79.
Diels 486.
Diemer 305.
Diesterweg 411.
Digby (E.) 557.
Digby (K.) 557. 659. 560.
663. 666. 567. 668. 673.
674.
Diogenes Laortius 193. 341.
483.
Diophantus 264. 265. 506.
662. 663. 568. 674. 676.
Dirichlet (Lejeune) 562.
D'Ocagne 386. 396. 397.
Dod^son 159.
Domiuicus Parisiennis 306.
Drinkwater 100.
Drobisch 466.
Dubois 110.
Du Buat 291.
Dürer 310. 323. 324. 326.
326. 327. 328. 329. 330.
331. 332.
Düx 126. 128. 131. 146.
Duhamel 292
Duhem 277. 292.
Dumont 356.
Dunthome 110. 111.
Eckstein 303. 317.
Ecphantus 128.
Eisenlohr 8.
Eisenmenger (s. Siderocra-
tes).
Elford 110.
Elia Baschiatscbi 475.
Elia Ha-Levi 475.
Elia Misrachi 477.
Elster 85.
Enea Silvio (Papst Pius II.)
126. 127.
Eoeström 22. 81.
Engel 401. 409. 410. 412.
414. 417. 423.
Epicurus 178.
Eratosthenes 194. 484.
Erman 403.
Ersch 73. 77.
Escher 115.
V. Essenwein 307.
Eucken 129.
Euclides 100. 157. 159. 160.
166. 170. 233. 280. 313.
316. 329. 401. 403. 407.
408. 409. 411. 412. 413.
414. 415. 421. 423. 424.
Namenverzeichnis.
653
427. 436. 440. 441. 442.
445. 447. 448. 449. 457.
460. 461. 468 477. 480.
483. 662. 671.
Eadozus 193. 194. 278. 490.
Euler 67. 72. 264. 269. 272.
273 380 568. 674.
Eutocins 339. 348. 353.
Faber Stapulensis (Lef^vre)
128. 446.
Facciolati 256.
Fagnano (Graf) 244. 246.
247. 248. 249. 256. 257.
258. 259. 260. 261. 262.
263. 264. 266. 267. 268.
269. 270. 271. 272. 273.
Falckenberg 129.
Falk 528.
Faraday 182. 186. 187.
Favaro 26. 97. 100. 126. 260.
288. 289. 291. 580. 583.
590. 597. 618. 619. 620.
Feit 524.
Fänelon 253.
Ferdinand I. (Kaiser) 534.
Fermat 264. 265. 270. 504.
505. 506. 507. 655. 657.
558. 659. 560. 561. 562.
563. 564. 566. 567. 568.
669. 570. 571. 572. 573.
574. 575.
Ferrari 206. 274.
Ferro 274.
Fibonacci 4. 5. 7. 8. 9. 10.
11. 12.
Fink 27.
Fischer 71.
Fontana 270.
Fontenelle 265.
Forster 108.
Foscarini 290.
Foucher de Careil 505.
Fourier 278.
Franchi 99.
Frantz 71.
Franz 356.
Franz (von Parma) 274.
V. Freeden 110.
Fr^nicle de Bessj 569. 660.
561. 562. 567. 568. 569.
572. 573. 575.
Freydnet 50.
Friedlein 354. 483.
Früa 17. 19.
Frisch 19.
Frisi 270. 275.
Frister 528.
Frobenius 29.
Fürer 402. 411. 420.
Fürst 473. 477.
Fürstenberg (Fürst) 102.
Fngger (A.) 441.
Fugger (E.) 441.
Fugger (a.) 441.
Galfi 259. 270.
Galilei 7. 99 100. 101. 102.
103. 104. 131. 138. 258.
260. 284. 287. 288. 289.
290. 291. 579. 580. 581.
582. 583. 584. 585. 586.
587. 688. 589. 591. 592.
593. 594 595. 596. 597.
698. 699. 600. 601. 602.
603. 604 605. 606. 607.
608. 609. 610. 611. 612.
613. 614. 615. 616. 617.
618. 619. 620. 621. 622.
623. 624.
Gallanzani 594.
Gallet 120. 121.
Gallois 143. 144.
Gangini 258. 270.
Gans 478.
Gamett 35.
Gaufs 401. 403. 404. 407.
408. 409. 410. 411. 412.
413. 414. 417. 418. 419.
420. 423. 427. 562.
Gauthier (von Metz) 482.
Gauthier- Villars 279. 291.
292.
Geber" (Djabir Ihn Aflab)
43. 59. 215. 216.
Geiger 438.
Gelcich 103.
Gellius Sascerides 26. 27. 28.
Geminus 279.
Gemma Frisius 287. 467.
Georg (von Sachsen) 435.
Georgius Chrysococcas 171.
Gerardas Cremonensis 216.
Gerbert (Papst Sylvester II.)
161.
Gergonne 76.
Gerhardt (Archäologe) 354.
356.
Gerhardt (Mathematiker)
172. 173. 306. 315. 432.
Gerlin^ 403. 404. 409. 410.
Germam 143.
Gilbert 150.
Ginzburg (Günzburg) 480.
Giordano Bruno 134. 135.
136. 138.
Glaisher 35.
Glogowski 528. 529.
Gmunden (Johann von) 133.
Goethals 134. 169.
Goldenthal 481.
GoBSonin 482.
Graef 438.
Graesse 213. 217.
Graetzer 91.
Graf 113. 116. 117.
Grammateus (Schreiber)
309. 310. 452.
Giandi 245. 253. 257. 258.
269.
Grashof 143.
Graunt 95.
Grimani 476.
Grimme 532.
Grisar 290.
Gruber 73. 77.
Grunert 264. 265.
Gruson 68. 69.
Grynaeus 435.
V. Gültlinger 437.
Günther (L.) 136.
Günther (S.) 33. 35. 102.
123. 127. 132. 133. 137.
139. 150. 196. 304 305.
306. 308. 310. 311. 321.
333.
Guiducci 611.
Gurland 477.
Haccohen 482.
Haebler 138.
Haendel 279.
Haertrecht 504.
Hasecius 17. 19.
Hiüley 33. 34. 81. 83. 84.
85. 86. 88. 89. 90. 91. 92.
93 94. 95.
Halma 194. 195. 198. 208.
280. 281. 282. 289.
Hammer 143.
Hankel 73. 77. 78.
Harsdoerfer 315. 319. 320.
321. 323. 324. 326. 328.
329. 331.
Hartmann 18.
V. Hartmann 433. 436. 438.
Hasenclever 402. 405.
Hauber 451.
Heath 153.
Hederich 134.
Hegel 71.
Heiberg 161. 194. 196. 198.
200. 280. 339. 344. 490.
HeidelofF 306. 307.
V. Heimburg (Gregor) 126.
Heinitz 535.
Heller 139. 147. 175.
Helmholtz 292. 482.
Henri cpetri 128.
Henry 100. 264. 270.
654
NamenTerzeichnis.
Heraclides Ponticus 126.
128. 278. 280. 282.
Hermann (Elrmanno) 245.
246. 247. 260.
Herodianus 341.
Herodotus 337.
Heron 147. 148. 193. 194.
195. 339. 443.
Herrmann 83.
Herrlinger 433.
Herwagen (HervagLus) 441.
449.
Hesse 390.
Heydemann 356.
Heynfogel 305. 310. 332.
333.
Heyse 477.
Hicetas 128.
Hill 423.
Hindenburg 68.
Hipler 282.
Hipparchus 13. 81. 98. 199.
200. 203. 204. 206. 207.
208. 278. 280.
Hippocrates 234. 329.
Hodder 35.
Hoesch 306.
Hohenlohe (Fürst) 401.
Holtzmann (s. Xylander).
Hooke 150. 300.
Hofiel 418.
Hudde 262. 671.
Hugi 134.
Huguenet 115. 117. 122.
Hultsch 191. 193. 196. 339.
341. 346. 348.
y. Humboldt (Alexander)
132. 135.
Hunrath 211.
Hunt 36.
Hus 132.
V. Hütten (Ulrich) 441.
Hutton 33. 34.
Huygens 183. 272. 380. 666.
671. 572. 674. 675.
Hypsicles 442.
Jacob (Simon) 312.320.321.
322. 324. 325. 326. 327.
328. 329. 330. 331. 332.
Jacobi 291.
Jahn 138.
Janse 85.
Janfson 503.
Ibn Haitham (Alhazen) 476.
479.
Ideler 193. 200.
Jechiel Ben Keuben 478.
Ulgen 621. 635.
Immanuel Ben Salomo 476.
Imser 436. 437.
logoli 693. 694. 697.
Joachim Ernst (von Bran-
denburg-Aosbach) 316.
JoMtel 22. 23. 26. 28. 29.
Johaunes Charainiitea 171.
Johannes De Muris 353.
JoUy 119.
V. Jelly 146.
Jordanus Nemorarius 446.
466.
Josef Ben Samuel 474.
Josef Tischbi 476. 477.
Joubert 119.
Isac Argyrus 169. 170.
Isac Israeli 475.
Isaschar Ibn Sucban 479.
Israel De Baesa 478.
Israel Tafus (?) 478.
Julius 11. (Papst) 474.
Julius Caesar 364.
y. Jungingen 364.
Justi 403.
Kaestner 35. 85. 87. 138.
141. 146. 216. 444. 445.
461. 468.
Kant 73. 129. 180.
Karl I. (von England) 557.
Karl n. (von England) 667.
668.
Karl rV. (Kaiser) 119.
Karl V. (Kaiser) 434. 441.
Kendall 108.
Kepler 19. 134. 136. 277.
278. 287. 288. 315. 322.
323. 324. 325. 326. 327.
328. 329. 330. 331. 332.
333. 423. 433 436. 468.
607.
Kersenboom 95.
Kircher 102.
Kirchhoff 292.
Klein 79.
Klügel 77.
Knapp 83. 84. 85. 87. 90.
91. 92. 93. 94. 96.
Koebel 308. 309. 310. 313.
319. 327. 331.
Koehler (Heidelberg) 395.
Koehler (Tübingen) 437.438.
Korn 528.
Krebs (s. Nik. Cusanus).
Kretschmer 150.
Krumbacher 164. 170.
V. Krusenstern 107.
Kubitschek 340.
Kuentzi 118.
Küttner 535.
Kuhlenbeck 135. 136.
Lacroix 68. 72.
L'Admirance 121.
Lagny 267.
Lagrange 66. 67. 69. 70.
71. 72. 73. 74. 75. 76.
262. 297. 426.
Lalaone 396.
Lambert 39. 403. 404 409.
413. 414. 416. 424. 426.
Lange 130.
Langlois 660.
Lafswitz 146.
Le Brun 119.
Le Clerc 118.119.120.121.
Legendre 110. 264. 410. 413.
416. 674.
Lehmann 423. 424. 426. 426.
427.
Leibniz 67. 68. 73. 134. 261.
273. 274. 404. 617. 561.
Le Monnier 100.
Lenz 341.
Leon Magentius 164.
Le Preux 122.
Lewicki 132.
Lexis 86.
L'Höpital 261 . 270.
Libri 144. 690.
Lindau 147.
Lionardo da Yioci 152.
Lionardo Pisano (s. Fibo-
nacci).
Lippert 85.
Lobatschewskij 401. 402*.
410. 416. 417. 418. 427
Loeb 482.
Loening 85.
Loewenberg 134.
Longomontanus 19. 22. 29.
141.
van Loon 356.
Loria 241. 273.
Lorini 99.
Loth 493.
Lucas (Frater, s. Paciuolo).
Lucretius 178.
Luther 132.
Lutz 142.
Luzzati 481.
Mackay 110. 111.
Maclaurin 269. 270.
Maedler 132. 147.
Maestlin 433. 437. 468
Maffei 243. 244. 254 256.
Magini 26. 27.
Magnus 353.
Maignan 148
Maimonides 480. 481.
Main (Herzogin von) 253.
Namenverzeichnis.
655
Main&rdi 273.
Malfatti 273.
Mamün 43. 44. 58.
Mandella 255. 256.
Manfred! 247. 249. 250. 252.
256. 264. 273. 274.
Manni 256.
Mansion 78. 275.
Marcheiü 253.
Margoliontti 481.
Marietie 119.
Marsigli 604. 605. 613.
Martin 260. 277.
Marzagaglia 256. 264.
Maser 264.
Maseres 38.
Maihieu 121.
Mattatja Ben Salomo 482.
483.
Matthiefsen 260. 261. 265.
Mayer (Robert) 183. 186.
Mayr (A.) 137.
Mayr (8., Simon Marina)
314. 316. 324. 325. 326.
327. 328. 329. 330.
Maximilian I. (Kaiser) 145.
MaximuB Planudea 166. 171.
172.
Medici 593.
Megenberg (Konrad von)
305.
Mehmke 306. 396.
Melanchihon 133. 287.
Menachem Ben Samuel 477.
Menaechmus 329.
Mendthal 305.
Meraj 79.
Mercaior 133. 287.
Mersenne 99. 148. 504. 505.
506. 511. 512.
Metelka 141. 142. 143.
Meyer (W. F.) 293.
Micanzio 258. 614.
Michael 474. 478. 479.
Moebiua 396.
Mohammed Ibn Müaa (a.
Alkhwarizmi).
Moigno 291.
Moiyre 262.
Molinelli 150.
Mollweide 143.
Monaco (Fürst Ton) 150.
Montncla 17. 34. 39. 249.
Morelli 169. 172. 243.
Morffan 35. 38. 39.
Morfaianus 446. 447.
Moses Ben Maimon (n. Mai-
monides).
Moaea Ma* Haiti 477.
Moaea Provinciale 481. 482.
Motot (Simon) 481. 482.
Müller (F.) 301. 317. 320.
329.
Müller (J.) 196.
V. Münchow 410. 413.
Münater 142. 143. 476.
Muir 296.
Muratori 255. 256.
Mydorge 504.
Mylius 524.
Mylon 571. 572. 573.
Nagl 305. 307. 335.
Napier (of Merchiaton) 33.
34. 35. 36. 38. 479. 512.
Narducci 249.
NaUIia 532.
Nazari 243.
Neophytua 166. 174.
Netto 296.
Neubauer 474. 478. 479.
Neumann 91.
Newton 67. 182. 254. 278.
290. 291.
NicaenuB (s. Hipparchus).
Nicander 85. 90.
NicephoruB 171.
Nicotaua Germanua (De Do-
nia) 144.
Nicolaua Rhabdas 171.
Nicoll 495.
Nicomachus 164.
Noether 78.
Nonius (Nunea) 479.
y. NordenskiOld 141. 143.
Kotker Labeo 304.
Oddi 591. 605.
Ohm (G. S.) 420.
Ohm (M.) 73.
Olbera 403.
Olleria 150.
Oporinua 440. 441.
Oppenheim 478.
Origanua 141.
Orteliua 141.
Oaiander 286. 287 289.
Otho 215.
Ottheinrich (von der Pfalz)
447.
Ottmar 447.
Ozanam (Ozonam) 33. 39.
113. 115. 118. 122.
Paciuolo 319.
Pantaleon 433. 434. 435.
Panzer 474.
Pappua 195. 196. 201. 204.
207. 208. 233. 342. 344.
Parthey 146.
Paacal 253. 509. 517.
Pasquich 68.
Pauly 199. 205.
Pell 562.
Peschel 132. 134.
Pesauti 270.
Petaviuä 193.
Peter (der Grofae) 119.
Petrejua 466.
Petty 95.
Petzenateiner 307.
Peurbach 131. 215. 483.
Peutinger 142. 14a.
Pfaff 434. 445.
Philolana 128. 277. 278. 290.
Philon 147.
Philoponua 168. 169.
Pinder 145.
Pinel 479.
Pinzger 518.
Pirckheymer 141. 142.
y. Pirkenatein 316. 317. 318.
319. 320. 322. 324. 325.
326. 327. 328. 329. 330.
331. 332.
Pitiacua 20. 24. 29. 330.
Pixia 134.
Piaton 256. 331. 344. 490.
Plücker 394. 396.
Plutarchua 136. 486. 487.
489. 490.
Poggendorfif 132. 148. 249.
403. 423.
Poggiali 99.
Poincar^ 79. 277. 292.
Poiaaon 73.
Poleni 243. 253.
Polo (Marco) 144.
PolybiuB 341.
PorcuB 440. 441.
Porto 29.
Poaidoniua 193. 194. 279.
285.
y. Prantl 147.
Praxiadea 485.
Price 90.
Pringaheim 79 297.
ProcTua 193. 194. 195. 196.
208.
Proadocimo de' Beldomandi
126.
Prowe 128.
Ptolemaeua 43. 59. 132. 138.
143. 144. 171. 172. 194.
196. 198. 199. 200. 201.
203. 204. 205. 206. 207.
215. 216. 278. 280. 283.
285. 286. 325. 352. 476.
477.
Pühler 150.
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NameiiTerzeiclmis.
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r . rxn (A.) 486.
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tfsznilch 95.
tier 491.
uinery 43. 44. 166. 174.
199. 206. 209.. 264. 270.
277. 279. 486. 487. 601.
660. 670. 676.
arrant 624.
artafi^lia 686. 687. 688. 689.
595. 696.
artini 99.
aurinns (F. A.) 399. 401.
402. 404. 406. 408. 410.
411. 412. 413. 414. 416.
416. 417. 418. 420. 423.
425. 427.
raurinus (J. E.) 401.
Taylor 67. 71. 72. 73. 77.
250. 264.
rhales 193. 194. 483. 484.
Tbeodosius 426.
Theon Alexandrinus 196.
268. 362. 442.
Theon Smyrnaeas 280. 321.
Thirion 279.
Thomas Aquisas 282. 283.
289.
Thurmann 122.
V. Thum und Taxis 97. 102.
103.
TimaeuR 331. 344.
Tissot 143.
Todhanter 26.
Toepke 126.
Tomcelli 100. 268. 274. 667.
584.
Toscanelli (Paalus Physi-
cua) 126. 144.
Treuthardt 118.
Treutlein 308. 321. 432. 466.
457. 468. 461. 464. 466.
466.
Tycho (s. Brahe). ^
Ulrich (von Württemberg)
434. 436. 436.
Ulug Beg 476.
Unger 306. 307. 308. 309.
616.
Unverzagt 383. 386. 386.
387. 389. 391. 392. 393.
394. 395. 396. 397.
ürban Vm. (Papst) 289.
Uri 493.
Urseolus a Ponte 258.
Usener 170.
Uzielli 126.
Yalerio (Luca) 581. 622.
Valerios Maximus 313.
Valla 129.
Yallisnieri 243. 266.
Varignon 246.
Venturi 288.
Verzaglia 246. 246.
Vidal 479.
Vierow 111.
Vieta 211. 213. 219. 221.
224. 225. 227. 235. 236.
239. 240. 433 676.
Vietor 125.
Vincent 339.
Vinta 681. 622.
Vitali 33. 39.
VitruviuB 146.
Vivanti 78.
Viver 129.
Viviani 99. 100. 102.
Vogelstein 474. 480.
Vulpi 122.
Wächter 427.
Wackerbarth 36.
Waersberg 503.
Waesenaer 606.
Wagner (H.) 144.
Wagner (M.) 807.
Waitz 166. 166. 167. 168.
Wallis 39. 127. 264. 409.
656. 667. 668. 669. 660.
661. 662. 664. 666. 666.
667. 668. 669. 570. 673.
674. 676. 676.
Walther (s. Gauthier Ton
Metz).
Wapowski 137.
Wappler 309. 637.
Wargentin 81. 84. 86. 86.
87. 88. 89. 90. 92. 93. 96.
Warner 478.
Weidler 478.
Weierstrafs 79.
Welser (Velserus) 340.
Werner 17. 18. 137. 216.
Wertheim 29. 477. 666. 669.
Wesseling 146.
Westergaard 86. 94.
Westfal 340.
Weyer 110.
Weyermann 461.
Whewell 369.
White 657.
Widmann 308.309.319.640.
641. 648.
Wilberg 143.
Wilhelm IV. (von Hessen)
17. 19. 27. 216.
Wilhelm von Beichenau
(Bischof) 142.
Will 102.
Wilson (A.) 136.
Wilson (J. M.) 169.
Winkler 628.
Winter 403.
Wissowa 199. 205.
Wittich 17. 18. 19. 20. 21.
25. 27. 28.
Wohlwill 138. 677.
Wolf (Astronom) 24. 116.
131. 132. 148.
Wolf (Bibliograph) 480.
V. Wolflf 39.
Wolkenhauer 160.
Wronski 69. 73. 74. 76. 76.
Ximenes 126.
Xylander 313. 316. 320. 322.
324. 326. 326. 327. 828.
329. 330. 606.
T. Zach 206.
Zacharias Levita 482.
Zanetti 169. 172.
Zendrini 246. 246. 273.
Zeno (A.) 243. 244.
Zeno (P. C.) 243. 244. 256.
Zenodorus 268.
Zenon 490.
Zeuthen 199. 200. 209. 490.
Ziegler 198.
Zimmermann (R.) 134.
Zimmermann (W.) 129.
Zirkel 462.
Zoeckler 132.
Zoeppritz 146.
Zunz 479. 480.
Abh. sur 0«ach. d. MAtham. IX.
42
Tafel 2,
Naglt Die Rechenmethoden auf dem griechischen Abakns^i •
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