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S
ZEITSCHRIFT
PUR
NUMISMATIK
REDIGIRT
• • •
VO.N
ALFRED VON SALLET,
SECHZEHNTER BAND.
BERLIN
WEIÜMANNSCHE BÜCHHAN DLUNU.
1888.
Inhalt des sechzehnten Bandes.
Alterthnm.
Seit«
Sallet, A. V., Die Erwerbungen des Königlichen Münzkabinets vom
1. Aprü 1887 bis 1. April 1888 (Tafel I— III). (Darin auch Mittel-
alter) 1
Rhousopoulos. nETeAAOi, eine neue Münzstadt 91
Brunn, Über die Münzen von Tjras unter Hadrian 182
Kinch, K. F., Die Sprache der sicilischen Elymer 187
Svoronos, N., Sternbilder als Münzt jpen 219
Mommsen, Th., Goldbarren aus Sirmium 351
Mittelalter n« a.
Kupido, Der Rakwitzer Münzenfund (Tafel IV. V.) 33
Bahrfeldt, E., Nachträge zum Aufsatze von Dr. Menadier: „Funde
deutscher Münzen aus dem Mittelalter*' 93
Dannenberg, H., Zur Pommerschen und Mecklenburgischen Münzkunde
(Tafel VI.) 99
Bahrfeldt, E., Beiträge zur schlesischen Münzkunde des Mittelalters
(Tafel Vn. VIII) 115
Bergan, R., Medaillen von Wenzel Jamitzer 131
Weber, H., Der Münzfund von Naubom (Tafel IX.) 151
Stenzel, Th., Zwei Zerbster Münzfunde 208
Menadier, J., Gittelder Pfennige 233
Kuli, J. V., Eine thalerförmige Medaille des Grafen Ladislaus von Haag 344
Friedensburg, F., Studien zur Münzgeschichte Schlesiens im XVI. Jahr-
hundert. I. Die angeblichen Saganer Heller 345
Buchenau, H., Münzen von Neu-Bruchhausen 350
Literatur.
Königliche Museen. Beschreibung der antiken Münzen. I. .... 133
Engel, A. und Serrure, R 137
Friedensburg, F 139
s-o9^7X
IV Inhalt des sechzehnten Bandes.
Reinach, Th 146
Smith, V. A 147
Stein, M. A 148
de Chestret de Haneffe 359
Nekrologe.
Morel Patio 149
Robert, Ch 149
Armand, A 363
HrnokfelilerTerseichnlsg 364
Register 365
Die Erwerbungeii des Königliclieii MünzkaMnets
vom I.April 1887 bis I.April 1888.
Taf. I— m.
Im verflossenen Jahre hat die Sammlung 781 Stück er-
worben:
N M M Zusammen:
Griechen 2 21 76 99
Römer 1 3 4 8
Orient — 5 — 5
Mittelalter und neuere Zeit . . 6 635 17 658
Steinmodelle von Medaillen . .* — — — 3 3
Siegelsteiüpel — 1 7 8
9 665 107 3 78i
ausserdem^ bei dem Ankauf eines grossen Fundes von Mittel-
altermünzen, noch 436 als Dubletten bereits wieder fortgegebene
Silbermünzen.
Geschenke erhielt die Sammlung von Sr. Maj. dem Kaiser
und König Friedrich, von den Herren Regierungsrath v. Braken-
hausen (eine Reihe selbst raodellirter Portraitmedaillen), Sr. Exe.
dem Kriegsminister von Chile F. Chäurren, Dr. Dümmler,
Bankier Hahlo, Kais. Königl. Notar Dr. Kupido, Director Martini,
Menz, Director Dr. Pinder, Hofmarschall Grafen v. Radolinski
Exe, Kgl. Gesandten Dr. v. Schlözer Exe; ferner von der Aka-
demie der Künste, der Magistratsbehörde von London, dem
Comit6 zur Errichtung eines Denkmals für R. v. Eitelberger
und dem Preisausschuss der Ausstellung von Erzeugnissen der
Bäckerei.
ZeiUobrift ttkr NamUmatik. XVI. l
2 A. V. Sallet:
Unter den griechischen Münzen befinden sich manche
sehr seltene, auch einige bisher noch unbekannte Stücke; ich
lasse das Wichtigste in geographischer Reihe hier folgen:
Panticapaeum.
Ameise von oben gesehen.
Rf. PANTI um einen achtstrahligen Stern vertheilt, jeder
Buchstabe und das Tl auf einem kleinen erhöhten
Viereck. Das Ganze im vertieften Viereck.
M%. 0,23 Gr.
Diese seltene, noch ziemlich alterthümliche Münze ist be-r
reits bei Buratschkow, KaTÄjiorö etc., Petersburg 1884, Taf. XIX,.
21 abgebildet. Unsere immer noch kleine Reihe der Silber-
münzen von Panticapaeum ist jetzt, fast ausnahmslos durch An-
käufe der letzten Jahre, auf zwölf Stück gestiegen.
Samothrace.
Pallaskopf 1., am Helm Schlange; Nachahmung der
Goldmünzen Alexanders des Grossen.
Rf. ^AMO MHTPßNA[xTog] Thronende Kybele 1. mit
Modius, in der R. Schale, die L. auf das Scepter
. stützend. Unter dem Thron ein kleiner sitzender
Löwe 1. JBi. 8. 16,94 Gr. Taf. I, 1.
Diese sorgfältig gearbeitete Mün^e von hohem Relief und
vortreflflicher Erhaltung ist die erste Tetradrachme von Samo-
thrake, welche wir in diesem einzigen Exemplar kennen lernen ;
bisher sind nur die äusserst seltenen Didrachmen und zahlreiche
Kupfermünzen bekannt, alle mit demselben Typus: Pallaskopf
und sitzender Kybele, mit abgekürzten Magistratsnamen , dabei
auch unser Metronax als MHTPßNA, MHTPßN und MHTPß auf
Didrachmen und Kupfermünzen (s. meine Beschreibung der an-
tiken Münzen des Berliner Museums I, p. 284 Nr. 2, 8 und 9).
Diese gesammte Münzreihe mit Pallaskopf und Kybele und der
Stadtnamenabkürzung ^MO gehört, wie der Styl und die zum
Theil auf der Silber- und Kupferreihe identischen Magistratsnamen
beweisen,, derselben Zeit und Emission an, sicher nach Alexander.
Die Erwerbungen des Eönlgl. Münzkabinets bis 1. April 1888. 3
Der Styl spricht etwa für die Zeit des Lysimachus, was mit
Head*s Annahme (Guide to the principal gold and silver coins
of the ancients, British Museum 1881 p. 75), dass Samothrake
nach Lysimachus' Tode 179 v. Chr. seine Autonomie erlangt,
sehr wohl stimmt. Die thronende Kybele auf der Rückseite
unseres Tetradrachmons hat entschiedene Ähnlichkeit mit der
Pallas der Tetradrachmen des Lysimachus.
Damastium.
Apollokopf mit Kranz r.
J?/. AAMAI TINßN Dreifuss auf einer Basis, worauf ein
undeutlicher Beamtenname steht. M, 6.
Ein gewöhnliches Didrachmon von Damastium, das sich aber
durch eine sonst bei diesen Stücken von mir noch nie beobachtete
Schönheit des Apollokopfes auszeichnet. Der Kopf ist zwar
immer noch weit hinter den geringsten seiner Vorbilder, den
Köpfen der Chalkidischen Didrachmen, zurückstehend, erhebt sich
aber durch diß Zierlichkeit der Behandlung der Haare, des
Kranzes, und durch noch recht gute Modellirung des Gesichts
weit über die Menge der rohen und schlechten Münzen von Da-
mastium.
Ininthimeyus, König von Bosporus. 235— 239 n. C.
BACIAe a)CININeiMHOY(sic) Bärtiges Brustbild des
Königs mit Diadem und Gewand r.
Rf. eA* (Jahr 535 der bosporanischen Aera = 239 n. C.)
unter dem Brustbild Gordian s III. r. mit Kranz und
Gewand; vor ihm Keule, schräg nach unten.
EL (sehr schlechtes Metall) i'l^. 6,96 Gr.
Die Stateren des Ininthimeyus sind sehr selten und fehlten
bis jetzt unserer Sammlung. Der Styl der Münze ist bei weitem
besser als der der sehr rohen Kupfermünzen des Königs.
Saumakos, skytischer König zur Zeit Mithradates' VI.
Kopf des Helios mit Strahlen, von vorn.
BA ' £1
^/- Z geflügelter Blitz. iE. 2. •
^ AY
4 A. Y. Sallet:
Die erste Münze eines skytischen Königs BA^I ^AYM
habe ich im dritten Bande der Zeitschrift für Numismatik be-
schrieben. A. V. Gutschmid (ebenda p. 150) glaubte den Namen
Saulaces lesen zu müssen ^ da ein kolchischer Dynast dieses
Namens in mythischer Zeit überliefert ist. Rudolf Weil hat
aber (Zeitschr. f. Num. VIII, 329) unzweifelhaft richtig erwiesen,
dass der ßacft 2ccvfA ein skythischer Dynast Namens Saumakos
ist. Ein Skythe dieses Namens wird als Machthaber zur Zeit
des Mithradates in einer Inschrift (Egger, Journal des savans
1880 p. 506) erwähnt. Ich möchte nur darin nicht mit Weil
übereinstimmen, dass der Saumakos der von mir publicirten
Münze ein früherer Dynast dieses Namens sei. Styl und Aus-
sehen scheinen mir eher dafür zu sprechen, dass der in der In-
schrift genannte und der Saumakos der Münzen identisch sind.
•
Auch die hier beschriebene Münze muss wohl demselben sky-
thischen Herrscher Saumakos angehören, der Helioskopf ist
beiden Münzen gemeinsam , auch der Styl spricht für jene
Gegend.
Heraclea Bithyniae.
ünbärtiger Herakleskopf mit Löwenfell r.
Ä/. HPAKAEßTAN Thronender jugendlicher Dionysos 1.,
mit Cantharus und Thyrsus, unter dem Sessel 'E.
M, 6. 9,16 etwas beschädigt.
Diese seltene Münze ist durch ihre Herkunft interessant:
sie wurde mit andern kleineren Silber- . und Kupfermünzen der-
selben Stadt von Hrn. Rittmeister von Diest im alten bithy-
nischen Heraklea selbst erworben, ist also sicher in diesem
Heraclea Bithyniae geprägt, und nicht, wie Imhoof früher ver-
muthete (Numism. Zeitschr. Wien, X, 1878 p. 101 — 110) in einem
Heraclea Acarnaniae. Imhoof hat jetzt selbst diese von ihm
nur vermuthungsweise ausgesprochene Ansicht aufgegeben, und
der Fundort unseres Stückes und sein gemeinsames Vorkommen
mit andern sicher bithynischen Silbermünzen von Heraklea in
der alten Stadt selbst beweist die Richtigkeit der früheren An-
Die Erwerbangeii des EOnigl. MOnzkabinets bis 1. April 1888. 5
nähme, dass auch diese grossen Silberstiicke nach Bithynien ge-
hören.
Stratonicea.
Kopf des Zeas mit Lorbeerkranz r.
Bf. STPATONIKEHN «EAANeiO« Artemis stehend von
vorn, lang bekleidet, mit Modius, darüber Halbmond,
in der R. Schale, in der L. Fackel; das Ganze im
nnten znsammengewundenen Kranz.
M. 7. 10,75. Taf. I, 2.
Grosse Silbermünzen von Stratonicea waren bisher völlig
unbekannt. Unser prächtiges Didrachmon, dem schon nach-
lässigen Styl nach zu urtheilen, wohl dem zweiten Jahrhundert
T. Ch. angehörend, zeigt den auf den kleinen Silbermünzen der
Stadt ganz ähnlich behandelten Zeuskopf und das auf Kaiser-
münzen der Stadt (z. B. Severus mit Domna) ähnlich darge-
stellte Cultnsbild der Artemis als Tyche der Stadt. Der Halb-
mond beim Artemiskopf kommt aach auf Autonommünzen der
Stadt mit dem Brustbild der Göttin vor.
Camirus auf Rhodus.
Feigenblatt.
PEAN .
KAMI '
tieften Viereck. M. b—Z% 11,77 Gr.
Eine ganz ähnliche Didrachme von Camirus mit der vollen,
nur etwas anders angeordneten Aufschrift ist im British Museum
(Leake Namism. hellen. Ins. p. 5). Alle nicht schriftlosen
Münzen von Camirus sind sehr selten und es ist zu bedauern,
(lass ich den Ankanf des folgenden uns früher eingesandteo, von
uns im Abdruck zurückbehaltenen Didrachmons nicht möglich
machen konnte:
Feigenblatt, links unten K
Rf. Vertieftes durch den den gewohnten Balken getrenntes
Viereck. M. 5.
Moätene.
eeA Pn/V\H Brustbild der Roma r., behelmt, mit Pa-
ludamentum, vorn ragt der Speer vor.
Rf. MOCTHN nN AYAJiN ßreifuss, darüber gekreuzt zwei
Ähren. M. 7.
Die spärliche Prägung von Mostene war bis jetzt in unsei-er
Sammlung nur durch zwei Kaisermünzen vertreten, autonome
fehlten uns noch.
Etenna unter den Namen Ketenna.
Kopf der Artemis r,, am Nacken Köcher,
Rf. KE T neben der Keule, r. ein nadefttliches Mono-
gramm. M. 2.
Diese wohl nicht seltenen Münzen, früher in unserer Samm-
lung als vielleicht. nach Ceramus gehörig eingeordnet, sind in
mehreren Exemplaren von Hrn. Directorial - Assistenten Dr.
V. Luschan auf seinen Reisen in Pampbylien erworben worden,
. und seine Ansicht, diese Stacke gehörten sämtlich nach Etenna,
Die Erwerbungen des Eönigl. Münzkabinets bis 1. April 1888. 7
welches inschriftlich Kotenna, bei Herodot Katsvvetg^ jetzt
Godena heisst (J. P. Six in der Zeitschr. f. Num. VI, p. 78), ist
wohl die richtige. Die Keule würde für Etenna passen, auf
dessen Kaisermünzen (z. B. Septimius Severus) Herakles vor-
kommt Auch die von Imhoof (Monnaies grecques p. 395) mit
Zweifel nach Keretape in Phrygien gegebene ähnliche Kupfer-
münze :
Artemis-Kopf r., am Nacken Köcher.
Rf. KE gespannter Bogen mit darauf liegendem PfeiL
wird dann wahrscheinlich derselben Reihe von Etenna zuzu-
zählen sein.
Iconium?
Kopf des Zeus mit Lorbeerkranz r.
Rf. KO im Abschnitt; laufender Löwe 1. M. 3.
Auf dieser Münze hat sicher nur KO gestanden, der Kopf
des Zeus ist aber so völlig identisch mit dem der Münzen von
Iconium mit stehendem Perseus (CIKONieißM auf der ähnlich-
sten Münze der Berliner Sammlung), dass man fast an die
Existenz einer Nebenform Kov^ov statt ^Ixovtoy oder EUoviov
glauben möchte ; der heutige Name Konieh beweist hierfür aller-
dings nichts. Die von Hierocles im Bisthumverzeichniss erwähnte
Stadt KonovnoXtg (Hierocl. ed. Parthey p. 22, 666, 6) wird als
phrygische Stadt weit getrennt von dem zu Lycaonien ge-
rechneten ^ixovtoy fAiffQonoXtg (ibid. p. 26) erwähnt. Das „Conium^*
in Phrygien bei Plinius (Plin. ed. Detlefsen, Buch V, 145)
ist aber gewiss nicht das Coniupolis des Hierokles, sondern ein-
fach verschrieben für Iconium. Plinius sagt ausdrücklich, dies
seien die berühmtesten Städte Phrygiens, oppida ibi celeber-
rima: Ancyra . . . Conium etc., und diese Bezeichnung kommt
doch eben nur dem vielfach auch zu Phrjgien gerechneten, be-
deutenden Iconium, nicht aber dem sonst nirgends erwähnten,
obscuren „Coniupolis" zu. — Unsere Münze gehdrt jedenfalls
sicher entweder nach Iconium selbst oder doch in die Nachbar-
schaft, leb möchte aber nicht aus der Lesnng der Pliniushand-
Schriften : „Coninm" auf die wirkliche Existenz einer Namensform
,, Conium" statt „Iconium" schliessen. Sprachlich scheint es sehr
bedenklich, dass aus dem bedeutungsvollen Wort Etxövioy das
scheinbar doch sinnlose Ärfywv. werden sollte.
Diociea in Phrygien, Elagabal.
^VWVPANTflNINOCAVr Brustbild des Elagabal (scheint
sicher dieser, nicht Caracalla) t. mit Kranz und
Schuppenpanzer.
R/. AIOKASA N ANMOzeA NßN die Form des Xi nicht
sicher; stehende Demeter 1., mit Ähren und langer
Fackel. M. 7.
Die äusserst seltenen Münzen von Diociea, Jwxlita des
Ptolemaeus, sind erst seit kurzem bekannt. Head (historia nu-
morum) führt nur eine andere Kaisermünze des Elagabal an,
aber mit stehendem Apoll. Die phrygische Völkerschaft der
Mol^iayoi wird von Ptolemaeus erwähnt, also nicht ,,Mozeani
or Moseani" wie Head I. c. p. 562 schreibt, sondern sicher
Moxeani oder, nach Ptolemaeus, Moxiani.
Die Erwerbungen des Königl. Münzkabinets bis 1. April 1888. 9
Könige von Baktrien.
Eine ausserordentlich wichtige und auch an Zahl ziemlich
ansehnliche Bereicherung erhielt unsre schon so schöne und voll-
ständige Reihe der baktrisch- indischen Königsmünzen. Seit
etwa einem Jahre werden von indischen Münzhändlern prächtig
erhaltene grosse Silberraünzen der späteren griechischen Königs-
reihe, von Strato L, Diomedes, Hermaeus, Philoxenus u. s. w.
in Abdrücken und Originalen nach Europa geschickt, welche
offenbar einem grossen, im Norden Indiens gemachten Fund
angehören. Einige der schönsten Stücke der Art sind vor
Kurzem jedenfalls aus derselben Quelle ins Britische Museum
gelangt, dabei auch die bisher noch unbekannte grosse Silber-
münze mit den Köpfen des Strato und seiner Gemahlin Aga-
thoclea. Auch uns wurde ein Exemplar dieser Münze angeboten,
aber trotz sofortiger telegraphischer Bestellung ist es uns ent-
gangen ; um so erfreulicher ist daher ein anderes, dem britischen
Museum nicht zugegangenes, bisher völlig unbekanntes Stück,
das ein für die baktrische Numismatik und Geschichte hochwich-
tiges Faktum feststellt:
Archebius und Philoxenus.
BA^IAEfl^ANIKHTOY APX3BI0Y, vor dem Namen +8
Behelmtes Brustbild 1., vom Rücken gesehen, in der
erhobenen R. die Lanze.
Rf. PJl>H^ PliHM Pn^^ maharajasa apadihatasa
philasinasa, d. 1. die Übersetzung von: ßa(fili<ag
avixfjfnov Odoliivqv. Der König (Philoxenus) behelmt,
zu Pferde, r. sprengend, unter dem Pferd ^ und s
M. 7. 8,67 Gr. Taf. I, 3.
Hier haben wir also ein bisher gänzlich unbekanntes Bei-
spiel der in der baktrischen Numismatik sonst öfter vorkommen-
den gemeinsamen Prägung, der gemeinsamen Prägung der
Könige Archebius und Philoxenus; das ganz gleiche Stück des
Philoxenus allein, mit BA^IAEfl^ ANIKHTOY (DIAOEENOY und
maharajasa apadihatasa philasinasa und ganz gleichen Geprägen,
10 A. T. Sauet:
Königsbild mit Helm und Speer und König zu Pferde, M, 7, hat
das British Museum aus demselben Fund erworben (Gardner im
Numism. Chron. 1887 Taf. VII, 8), ebenso war bereits ein an-
deres grosses Silberstnck^) mit speerwerfendem Königsbrustbild
von Archebius bekannt, aber mit seinem eigenen Namen in
baktrischer und griechischer Schrift, anderer Rückseite und dem
Titel Nikephoros. unser Stück beweist nun unzweifelhaft, dass
Archebius und Philoxenus zusammen in derselben Stadt regiert
und geprägt haben ; sie mögen, wie dies die Gemeinschaftsmünze
der Lysias und Antialcides (Zeitschr. f. Numism. VI, p. 320) für
diese wahrscheinlich macht, wohl Brüder gewesen sein, die ge-
meinsam das, oder wohl richtiger eines der baktrischen Reiche
beherrschten ; also haben wir hier einen immerhin wichtigen An-
haltspunkt in der noch ganz dunkeln Geschichte der baktrischen
Könige. Gardner setzt gewiss mit Recht alle die im neuen
Fund in stempelfrischen Exemplaren vertretenen baktrischen
Herrscher: Diomedes, Strato L, Philoxenus (also auch Archebius),
HermaeuSy in das erste Jahrhundert vor Christus, bis etwa 50
oder 40 v. Chr.
Sonderbar sind die vor dem Namen des Archebius stehen-
den wunderlichen Zeichen +9 also etwa XB. Ich glaubte, es
sei irgend ein Stempelversehen anzunehmen, vielleicht habe der
Stempelschneider zuerst 4>l, also Philoxenus' Namen schneiden
wollen, aber das ^ auf den Tetradrachmen des Philoxenus hat
die gute runde Form <l>, nicht die Kreuzform +. Sollte in dem
+a etwa eine Werthbezeichnung stecken? Ein Datum kann es
nicht sein und für einfache sinnlose Barbarismen darf man die
Zeichen bei der sonst sehr sauber und correct geschnittenen
1) Ich sehe darin redozirte Tetradrachmen (Gewicht etwa 10), die in
Ganz- und Viertelstücken ausgepr> wurden. Gardner nennt diese Münzen
„persische Stateren'' oder Didrachmen und die Viertelstacke dann halbe
Drachmen. Wie die Baktrier die MOnzen nannten, wissen wir nicht, das
Faktum steht nur fest, dass in Baktrien zuerst grosse Silberstacke tou etwa
17 Gr. und Viertel davon, also Tetradrachmen und Drachmen, auftreten,
dass aber seit Eukratides (Ende seiner Regierung) grosse Silberstacke von
10 Gr. und Viertel davon an ihre Stelle treten.
Die Erwerbungen des Königl. Münzkabinets bis 1. April 1888. H
Münze (das 3 fär E ist das einzige kleine Versehen) nicht er-
klären.
Gemeinsam ist allen Silbermänzen dieses Fundes eine un-
schöne, bisweilen nachlässige Form einiger griechischen Buch-
staben, das T ist oft dem T (Y) ähnlich u. s. w.
Aus demselben Fund stammen die folgenden drei, vor
Kurzem auch ebenso ins britische Museum gelangten Tetra-
drachmen :
Diomedes.
BAilAEfl^ölTHPO^AlOMHAOY Brustbild v. mit
Diadem und Gewand.
Rf. maharajasa tradatasa diyamedasa (der Name nicht
vollständig ausgeprägt); die Dioscuren r. sprengend
mit Lanzen und Palmzweigen, vor den Pferden ^.
M. ß'^. 9,84 Gr. Taf. I, 4.
Bis zu dem neuen Fund waren nur kleine Silbermünzen
(Drachmen) und Kupfermünzen des Diomedes bekannt.
Strato I.
1) BA^IAEfl^ ÖlTHPOCiilKAlOYCrPATnNO^ Brustbild
r. mit Diadem und Gewand.
Rf. maharajasa tradatasa dhramikasa stratasa. Pallas
von vorn 1. eilend, in der R. Blitz, am 1. Arm Aegis
mit grossem Gorgonenkopf, links ICP (so scheint auf
unserem Exemplar zu stehen).
M. 7. 9,75 tJr. Taf. I, 5.
2) BA^IAEfl^ ÖITHPO^ KAIAIKAIOY ^TPATflNO^ Brust-
bild mit Helm und Gewand r.
Rf. Inschrift wie vorher. Pallas 1., Aegis am 1. Arm, in
der R. Blitz, Links unten ^
M. 7. 9,82 Gr. Taf. I, 6.
Nur im Monogramm von dem Exemplar des britischen
Museums abweichend.
Ausser diesen Tetradrachmen der griechischen Könige Bak-
triens erwarb unsre Sammlung noch einige Stücke der spätem
12 A. V. Ballet:
Reihe einheimischer Könige, darunter das seltene Tetradrach-
mon des • '
Spalirisus (Rpalirisus) und Azes^).
BACIAEWCMErAAOYPnAAlPICOY Der König zu Pferde
. r. mit Lanze und Diadem.
Rf. Umschrift des Azes: maharajasa mahatakasa ajasa.
Zeus stehend, bekränzt, von vorn, unten bekleidet,
in der B. Blitz, im 1. Arm Scepter, links das Mono-
gramm läJ. M. 6. 9,37 Gr.
Diese im britischen Museum, der reichsten Sammlung bak-
trischer Münzen, noch fehlende, nur aus Edw. Thomas' (Num.
Chron. XIX, p. 52) Beschreibung bekannte und von mir in meinen
„Nachfolger Alexander d. Gr." etc. vergessene Tetradrachme
des Spalirisus und Azes erscheint hier in einem sehr schönen
Exemplar ; ganz deutlich ist die bereits von den englischen
Gelehrten sicher gestellte, von mir früher mit Unrecht be-
zweifelte Lesung PriAAlPICOY, dialectisch also Rpalirisus statt
Spalirisus; auch die guten und deutlichen Exemplare der vier-
eckigen Kupfermünze des Königs haben stets PriAAlPICOY, nie-
mals (maXiqUtov^ dagegen ist das criAAlPICOY auf der Drachme
des Spalirisus als Königsbruder, welche ich aufgefunden
(Zeitschr. f. Numism. VI, p. 335), sicher, wenn auch vom ersten
Sigma nur der oberste Theil erhalten ist.
Soter megasy
mit baktrischer Schrift der Rückseite.
Die seltene Kupfermünze des Soter megas mit arianischer
Schrift ist von mir nach einem Exemplar der Berliner Samm-
lung und den Wilson'schen Abbildungen falsch beschrieben wor-
den (Zeitschr. f. Num. VI, p. 374). Wie zwei mir hier vor-
gelegte (von Hrn Martini; eines davon hat uns derselbe ge-
schenkt) Exemplare beweisen, beginnt die Aufschrift der Rück-
seite links oben. Die Lesung, welche man bisher annahm,
1) Bei diesen späten Königen ist der richtige Nominativ unsicher. Ob
Spalirisas oder Spalirises, Azus oder Azes u. s. w. l&sst sich nicht entscheiden.
Die EnrerbnnKen des E&oigl. MOnzksbiDets bis 1. April 1888. 13
scheint aber die richtige, nur das letzte Wort ist fraglich. Die
richtige Beschreibung ist, nach drei Originalen, folgende :
BACIAeYBACIAeYG3NCCJTHPMerAC Der König zu Pferd
r., in der R. Kranz, r. unten das schlüsselförmige
Symbol.
Rf. links oben beginnend um den stehenden bärtigen Zeus:
FUu P1'T^1'I"P1^^^J, also:
maharajasa rajadirajasa mahatasa
M. 5—6.
Das letzte Wort liest man, gemäss dem Titel des Königs
auf der griechischen Seite: tradatasa, also Pill, es sieht aber
auf einem Eiemplar so aus: PTZZ, also etwa .jajatasa" oder
ijajarasa"; aber möglich ist, dass mit den schlechten Buch-
staben doch tradatasa gemeint ist; das Exemplar des Hm. Mai--
tini zeigt die ersten Buchstaben auch mehr in dieser Form: 1
was also wohl einmal fUr tr, einmal für d stehen könnte.
Unbestimmter baktrischer König:
Eine wie es scheint noch völlig neue MQnze der spät-bak-
triscben Reibe enthielt die Sammlung des Hrn. Martini in zwei
Exemplaren, und der Besitzer erfreute uns durch das Geschenk
eines derselben: ■
Behelmter Kopf r., der Helm offenbar dem des Eukra-
tides nachgebildet, aber roh und schlecht. Die grie-
chische Umschrift nur zum Theil sichtbar, rohe, ver-
zogene Buchstaben, mau sieht etwa: CAHMOC.
Rf. PO>>TO aber keineswegs alles sicher; der König mit
demselben Helm wie auf der Vorderseite, r. stehend
mit Schild und Lanze, im Tiereckig gemusterten Rock.
14 A. Y. Sallet:
Das Griechische ist zu verwildert, um etwas bestimmtes
sagen zu können, die baktrische Schrift ist ächarf und nicht
schlecht, aber sicher ist doch nur das letzte s, dann der dritte
Buchstabe k und der zweite: sh. Man kann also etwa „hasha-
kahasa'^ lesen. — Dies ist unser Exemplar.
2) Vorderseite wie vorher, Umschrift etwa IMHOZOD
aber alles sehr wild und roh.
Rf. Wie vorher, Umschrift nicht sehr deutlich, man sieht
etwa IdAhTO* also vielleicht „kushakayahusa'^ -^5. 4*^.
Dies ist Hrn. Martini's Exemplar. Es wäre gewagt, aus
diesen nicht vollständigen, auf der griechischen Seite sehr ver-
wilderten Münzen Schlüsse ziehen zu wollen , di^ Schrift er-
innert etwas an die von mir (Zeitschr. f. Numism. VI, p. 371)
angeführten unbestimmten Stücke mit Zebustier und Kameel,
mehr noch klingen die Wörter an die Umschrift des Kadaphes
an (Zeitschr. f. Numism. VI, p. 378). Manmuss sich hüten, bei
dem kashaka oder kushaka etwa gleich an die ^KA denken zu
wollen, man lässt die Münzen vorläufig als unbestimmte auf sich
beruhen, damit die baktrische Geschichte, deren „Skelet'^ ich
aus den Münzen in freilich fragmentarischer, aber absolut
sicherer Form festgestellt, nicht durch werthlose und unnütze
Conjecturen mit fremden Knochen vermengt werde, wie dies leider
allzusehr schon geschehen ist.
Sehr unbedeutend sind unsere Erwerbungen an römischen
Münzen. Erst dem nächsten Etatsjahi:e muss es vorbehalten
bleiben, eines oder einige der Prachtstücke der Sammlungen
Ponton d'Am^court und Beifort, an deren Auctionen wir leider
gar nicht oder nur in untergeordneter Weise theilnehmen konnten,
nachträglich zu erwerben.
Von den diesjährigen Ankäufen haben einigen Werth:
Hadrian, Divus.
DIVVSHADRI ANVSAVG Kopf mit Kranz r.
Rf. CONSE ORATIO Adler von vorn auf der Kugel, mit
ausgebreiteten Flügeln, den Kopf 1. wendend. M.
Die Erwerbangen des Eönigl. Münzkabinets bis 1. April 1888. 15
Dieser Denar ist eine noch unedirte Variante, bisher war
nur der Denar mit blossem Eopf bekannt. Die Gonsecrations-
müns^en Hadrians sind äusserst selten, die bekannte Oppo-
sition des Senats gegen Consecrirung des in seiner letzten Zeit
verhassten Kaisers (Eckhel VI, p. 512) hat vielleicht den Kaiser
Antonin veranlasst, die Feier der Consecration in möglichst
unscheinbarer Weise zu begehen und nur in beschränkter An-
zahl Gonsecrationsmünzen Hadrian^s ausprägen zu lassen.
Selten und gut in der Arbeit ist die folgende Silbermünze
Gonstantin's des Grossen (nicht Gonstantin's II):
Kopf mit Diadem. r., aufwärts blickend.
Rf. VOTXX
MV LT IS im Kranz, unten ANT
XXX M. 4^—5. 2,9 Gr.
Sehr bedeutend, vielleicht im Verhältniss zu den wenigen
antiken Münzen etwas unverhältnismässig ist die Zahl der im
vorigen Jahre erworbenen Mittelaltermünzen; ich lasse das Wich-
tigste folgen:
Merowingischer Triens von Sitten.
9RATVS NVNITARIVS (monetÄrius) Brustbilä mit
Diadem r.
Rf. SIAVNIS CIVITATEFIT Kreuz, daneben V H auf beide
Seiten vertheilt, im verzierten unten mit Kugelver-
zierung geschlossenen kranzartigen Kreis.
N. 2. 1,22 Gr.
Von sorgfältiger Arbeit und völlig deutlicher, correcter Um-
schrift.
Der Silberfund von Klein-Roschardenin Oldenburg.
Dieser wichtige und werthvoUe Fund mittelalterlicher Denare,
etwa im Jahre 1000 vergraben, ist bereits von Dannenberg in
der Ztschr. f. Numism. XV, p. 281 flf. ausführlich beschrieben
worden. Ausser zahlreichen zum Teil sehr seltenen deutschen
Denaren, wie Mundburg mit dem Namen eines Grafen (?) s.
16 A. T. Snllet:
DaDneoberg 1. c. p. 238 und einer zahlreichen Reihe der bisher sehr
seltenen Denare der Gräfin Adela (mit „Atla cometissa", „Aeatia
cometiss" u. s. w.) enthielt der Fund auch eine französische
Seltenheit ersten lUnges, den bisher nur in einem einzigen,
noch etwas correcteren Exemplar bekannten Denar von
Richard I. (943—996) oder Richard n. (996— 1026) Ton der
Mormandie, geprägt in Ronen.
+ IVRD-: MVRCHS (fttr RICARD- MARCHS, die A sind
nmgedreht) Kreuz mit vier Kugeln.
Rf. + lOTOMA ROMAR für ROTOMA ROMANUs) im
Felde EPS (episcopus) M.
So, nicht MVRCHSIS auf der Vorderseite, ist die richtige
Lesung dieses Stückes. Romanus ist der Heilige, Bischof von
Ronen im siebenten Jahrhundert. Das bisher bekannte einzige
Exemplar, in der Reichergehen Sammlung, also jetzt in der Kai*
Berlichen in Petersburg, hat correcter RCARD : MARCHIS und
ROTOMA : ROMANS (Poey d'Avant, Monnaies Kodales, Taf. IV
und p. 24).
Der kunsthistorisch wichtige Theil des Fundes, die präch-
tigen silbernen Schmuckstücke, welche zum Theil in ähnlichen,
bisweilen noch reicher gravirten leider nicht von unserem
Museum erworbenen Stücken bereits vor einigen Jahren an der-
selben Stelle entdeckt worden sind, ist jetzt dem Museum für
Völkerkunde übergeben worden und wird hoffentlich nebst
dem ersten Roschardener Scbmuckfund , der im Museum in
Oldenburg befindlich ist, recht bald in einer mit Abbildungen
ausgestatteten Publikation bekannt gemacht werden. Unsere
Sammlung hat von diesen Schmuckstücken zwei münzar'tige
Medaillons zurückbehalten, welche im angeführten Aufsatz
Die Erwerbungen des Königl. Münzkabinets bis 1. ApriJ 1888. 17
. Von Dannenberg bereits beschrieben und z. Th. abgebildet sind.
Ich halte es nicht für überflüssig, hier noch einmal mechanische
Abbildungen zu geben und die Beschreibungen m wiederholen
(Taf. 1,7, 8).
Heinrich I., der deutsche König (919—936),
brakteatenartiges Schmuckstück.
HE6INRIC REX Brustbild des Königs r., bartlos, mit
Diadem und Gewand; geprägtes, einseitiges Stück, aus
Silberblech, wie die Brakteaten, umgeben von einem
breiten zierlichen Rand aus gewundenen Silberfäden,
eingeschlossen von einem äusseren Rand dicker Silber-
perlen. Grösse 50 Millimeter.
Dieses seiner Verwendung nach nicht völlig klare Stück
— auf der Rückseite Spuren der Befestigung einer Nadel oder
dgl, also eine Art Breche oder AgraiFe des Gewandes, Dr. Me-
nadier vergleicht damit die auf dem Brustbild Heinrichs selbst
auf der Schulter erscheinende AgralFe — ist von einer für jene
Zeit ausserordentlich schönen Arbeit, von ziemlich hohem Relief,
noch von etwas karolingischen Charakter und dem ebenso dar-
gestellten Brustbild Heinrichs I. auf seinen Siegeln ähnlich, wie
dies alles Dannenberg 1. c. p. 290 auseinandersetzt. Dass das
Stück nur Heinrich L, nicht Heinrich II. darstellen kann, be-
weist die Zusammensetzung des Fundes, in welchem Heinrich H.
ganz fehlt, und auch der alterthümliche Styl und die Technik,
welche in ganz ähnlich eingefassten goldenen Schmuckstücken
(Münznachahmungen und Münzen) aus der Zeit Chlothars II.
(616 — 628), gefunden im friesischen Dorfe Wieuweerd bei Sneek
in Holland um 1867 (s. die schöne Publikation von Dr. Janssen
in den Jahrb. d. Vereins f. Alterthumsk. d. Rheinlande, Heft
XLIII, 1867), ihre Analogien findet.
Unser Schmuckstück mit Heinrich's I. Brustbild ist eines
der kostbarsten Denkmäler frühmittelalterlichen Kunstgewerbes,
und durch das Bild des deutschen Königs werden auch die übrigen
zum Theil sehr schönen und reichverzierten silbernen Schmuck-
Zeiuchrift tut NumismaÜk. XVI. 2
18 ' A. T. Sallet:
stücke der beiden Roschardener Funde chronologisch bestimmt,
und dadurch vielleicht zu den interessantesten Überresten der
deutschen Kunst aus der ersten Hälfte des zehnten Jabr^
hunderts.
Die Namensform Heginric(u8) statt Heinricus oder Henricus,
wie Eginhard, Meginhard, Reginald für Einhard, Meinhard, Rei-
nald u. s. w. ist nach dem ürtheil Sachkundiger sehr merk-
würdig und kommt sonst weder in Urkunden noch andern schrift-
lichen Denkmälern vor.
Das zweite, in der Technik dem Heinrich ganz ähnliche
Stück zeigt einen etwas an die nordischen Goldbrakteaten erin-
nernden ganz rohen Eopf rechtshin mit Diadem und einer Bei-
Schrift wie C+, vielleicht ist damit ein verwildertes REX ge-
meint. Die Grösse dieses zweiten Stückes ist 42 Millimeter.
Von den. übrigen erworbenen Mittelaltermünzen verdienen
besondere Erwähnung:
Ludolf, Erzbischof von Magdeburg (1192—1205).
LVDOL . . . A • ePIS CO (das CO sehr undeutlich
und nicht sicher, aber das A • GPIS scheint deutlich)
thronender Erzbischof von vorn, in der R Krumm-
stab, in der L. Kreuz (Vortragekreuz). M. S]^.
Die Brakteaten Ludolf s, Nachfolger Wichmanns , sind im
Gegensatz zu Wichmanns langen Münzreihen sehr selten. Ein
dem unsern ähnliches Stück, mit abweichender Umschrift und
die Attribute vertauscht (Krummstab in der L. etc.) ist schlecht
abgebildet bei Leuckfeld, histor. Beschreibung vieler . . . Brak-
teaten (Halberstadt, Magdeburg, Quedlinburg) Tafel zu p. 171,
Nr. 11.
Ebenfalls sehr selten waren bisher die Brakteaten von
Rupert, Erzbischof von Magdeburg (1260—1266).
ROP eRTI stehender Erzbischof, in jeder Hand eine
Fahne. M. 4^.
Die Erwerbungen des E6nigl. MOnzkabJoets bis 1. April 1S88. 19
Münster, Bischof Konrad von Rietberg (1497—1508).
♦ aORKD' • a PS' » JßOftTC' Petrns im halben Leib,
mit Schvert' und Buch unter einem von zwei Säulen
getragenen Bogen. Unten das Wappen des Bisthums
Münster.
Rf. ♦ ffiO' » ßO' « • JtVR' • MO KKSTÖ* » Im go-
thiscben Dreipass in der Mitte Wappenschild der
Grafen Rietberg, (heraldisch) rechts Wappen des Bis-
thums Münster, Units Osnabrück; unten im Drei-
pass zwei Drachen einander zugekehrt.
K. Goldgulden.
Heinrich der Löwe (1139 — 1195) während seiner Minder-
jährigkeit.
+ HEINRICVS (VS im Monogramm) PVER Löwe I.
schreitend.
RJ. + BRVNESWICENSI Gebäude mit drei Thürmen. M,
Die Bezeichnung „Heinricna puer" kommt in Urkunden aus
Heinrichs Minderjährigkeit vor, wie mir mein Kollege Dr. Me-
nadier mittheilt im Jahre 1143, Zeugenunterschrift des Herzogs:
HeinricQB puer dux Sazonnm. Die Münze, ein sehr dünner
Denar (sogenannter Halbbrakteat), von sauberer Arbeit und fast
in jedem Buchstaben völlig deutlich, ist eine Seltenheit ersten
Ranges. Bisher scheint nur das im vorigen Jahrhandert in
den Origines Ouelficae ed. D. Scheidius, Hannover 1752, Taf.
XVI, 1 besprochene und abgebildete Exemplar bekannt, dessen
jetziger Aufbewahrungsort unbekannt ist. Wahrscheinlich ist
es, wenn überhaupt noch vorbanden, im Besitz des Herzogs von
Cumberland.
Tauberbtschofsbeim, Erzbiscbof Lupoid von Mainz
(1200—1208).
■ ■ 9SV0 . Ol*iVJ sitzender Erzbischof aof einem
Bogen, in der R. Erummstab, in der L. Buch.
Rf. BISCOFCHAGÜS ■ V Kirch engebäude, in den zwei
Seitenportalen Kreuze (Vortragekvenze). M,.
Dieser bereits von Dannenberg {Verhandlungen der Numift-,
matischen Gesellschaft 1887, p. 27) besprochene und erläuterte,
bis dahin aobekannte schöne Denar zeigt den Erzbischof wie
anf einem Obol desselben mit dem Namen und Herzogstitel von
WUrzburg, was auf die Manzwährung dieser Stüclie gedeutet
wird, mit der Umschrift episcopus statt archiepiscopus,
and bringt zum ersten mal im 13. Jahrhundert den Namen des
Prägortes Bjscbofsheim (Tauberbischofsbeim), einer damals erz-
bischttflich Mainzischen Stadt. Der Name ist deutlich in allen
Buchstaben, das O sieht dem ü ähnlich, das v hat eine unten
runde Form.
Leiningen, Emicho IV-, (1147, f vor 1189).
Denar geprägt in Limburg an der Hardt. JR.
Unser schönes, aus einem angeblich in Spanien gemachten
kleinen Fund dieser Stücke stammendes Exemplar ist genan wie
das von Paul Joseph (Numism. Zeitschr. Wien, Vol. XVI, p. 123,
Taf. I, 1) besprochene und zuerst richtig bestimmte. Der Denar
ist, wie Joseph nachweist, in der Abtei Limburg an der Hardt,
in der jetzigen bairischen Pfalz, geprägt, dessen Schirmvögte
die Grafen von Leioingen waren.
Böhmen.
Über den, der böhmischen Geschichte um das Jahr 1000
zum Theil eine ganz neue Gestalt gebenden Denarfund von .
Die ErwerbuDgen des Königl. Manzkabinets bis 1. April 1888. 21
Peisterwitz hat mein College Menadier bereits (Zeitschr. f.
Numism. XV, p. 100 — 168) eine erschöpfende Arbeit geliefert
und darin den für die Numismatik und die Geschichte neuen
(oder doch' numismatisch bisher verkannten) Otto Bezpriem,
Sohn des Boleslaus Chrobry als dessen Statthalter im occupirten
Böhmen um 1003, ferner den Sobeslaus als Bruder des hei-
ligen Adalbert und Herrn von Lubic und Mal in nachgewiesen
und das geschichtlich völlig klare, von Historikern mit lüderlicher
Vernachlässigung der Numismatik leider arg getrübte Bild der
im Jahr 1006 gestorbenen „Königin^^ Emma, der in Melnik resi-
direnden Wittwe Boleslaus' II. von Böhmen, wieder klargestellt.
Alle drei Herrscher sind in prächtigen, grossentheils noch
unbekannten Stücken im Denarfund von Peisterwitz vertreten und
in Menadiers Aufsatz ausführlich beschrieben und abgebildet. —
Ein von Hrn. Hofmarschall Grafen von Radolinski uns ge-
schenkter Denarfund enthielt neben 'andern seltenen Stucken
auch einen Denar von Boleslaus Chrobry von Polen mit
BOLIZLAVS um den Kopf 1. und dem Kirchengebäude mit ver-
wildeter Aufschrift der Adelheidsdenare auf der Rückseite.
Hakon Jarl, König von Norwegen, 1015.
+ AACnNE : (aacune) ICNVN : DE! Brustbild mit
Gewand und Scepter, das oben eine Kreuzverzie-
rung hat.
Rf. REFEREN • M • OT • AON doppeltes Fadenkreuz, darin
DRVX (crux). M. 6 (Denar). *
Wie die Abbildung bei Schiwe, Norges Mynter Taf. I, 12.
Das IDNVNDEI erklärt man (Schiwe p. 11) „in nomine dei*'.
was ja ähnlich „in nomine domini*^ auf Denaren Bernhards von
Sachsen und in Magdeburg vorkommt. Ist es aber nicht doch
vielleicht möglich, mit Beziehung auf das Kreuz, das der König
hält, an SIGNVM DE! zu denken? Ich weiss nicht, ob man
diese Lesung schon irgendwo vorgeschlagen hat. — Die Rück-
seite nennt uns den Namen des Monetarius REFEREN ... mit
unerklärtem Prägeort.
22 A. T. Sallet:
Maria Stuart, Kikiigin toq Schottland.
MARIA ■ DEI . GRA . SCOTORVM • REGINA BrnBtbild
1., unten eine rahmenförmige VerzieruBg.
Rf. + DA ■ PACEM ■ DOHINE 1561 Wappen "mit Krone
zwischen zwei Sternen. M. 31 MiUim. Taf. III.
Das Porträt ist von feinster AusfUhning in ganz flachem ■
Relief, leider ist die Nasenspitze etwas beschädigt, Ähnliche
Rückseite von 1553, aber ganz anderer Kopf s. Cochran-Patrick,
Becords of tbe coinage of Scotland II (1876) Taf. VI, Nr. 8,
ähnlicher Kopf aber andere Bttckseite Taf. von 1562 ebenda
TU, 6. Auch in dem neuesten Werk Über schottische Münzen:
Bums, tbe coimage of Scolland (1887) ist die Münze nicht ent- -
halten.
Eine sehr wesentliche Bereicherung erhielt unsere H^he.
der KreuzfahrermüDzcn, drei Silberstückc von Martine Zaccaria
von Chios, Galeazzo Maria Sforza von Mailand and Genua, ge-
prägt für Chios, und von Francesco Oattilusi von Lesbos; die
beiden letzteren Bind bisher ganz unbekannt gevresen.
Chios, Martino Zaccaria, von circa 1315—1329.
S . ISIDOR' ■ SUI (Syi, von Chios) M ■ 3 - ^V (servus)
D
IMPATOR (imperatoris) und oben V ■ Der Fürst
X
stehend von vorn erhält vom stehenden Heiligen die
Fahne.
Rf. IC xa Thronender Christus. M. Matapan.
Fast genau mit dem von Schlumberger, l'Orient latin p. 415 '
Taf. XllI, 31 beschriebenen und abgebildeten Stück Überein-
stimmend,
Die Erwerbangen des Eönigl. Münzkabinets bis 1. April 1888. 23
Chios, Galeazzo Maria Sforza von Mailand und Genua,
1466—1477.
GALIA) ♦ MA ♦ SFO ♦ D ♦ lANVE 4^ Der Herzog im
halben Leib von vorn, mit Barett und Streitkolben
oder Scepter.
Rf. + aONRAD' ♦ R % R ♦ Ql VITAS ♦ QHI die Burg von
Chios darüber wachsender Adler (die Inschrift Kaiser
Konrad's III. ist von den Münzen Genua's herüber-
genommen). M. 572.
Diese Münze wurde im vorigen Jahr in wie es scheint
kleiner Anzahl in einigen Varianten gefunden, völlig Stempel-
frisch. Ein zweites von uns, in unserer sehr reichen mit fort-
während systematisch vermehrten Abdruckssammlung, hat die
kleine Abweichung : GALEA) o m o SFORJA o d o IA^E und + CON-
RAD o R o ROMAl^ o c o CHII. Schlumberger (rOrient latin
p. 426) kennt von diesem Sforza nur zwei kleine Silbermünzen
von Chios, ohne das Bild des Fürsten, mit Kreuz und Burg;
auch diese kleinen Stücke sind „d'une extreme raret^'S Publi-
cirt ist dieser neue Fund soeben von Gnecchi im 1. Heft der
Rivista Italiana di Numismatica, Mailand 1888 p. 1 ff. unsere
Münze ist von sehr sauberer Arbeit und schönster Prägung.
Alle diese Münzen sind aus der Zeit von Galeazzo Maria's Herr-
schaft über Genua 1466—1477.
Lesbos, Francesco Gattilusi 1355—1376.
HDOMinVS $»aTaiim der knieende Fürst 1. im
Schuppenpanzer, kurzem ausgezacktem Waffenrock,
behelmt, mit beiden Händen die Fahne haltend.
Rf. +aönVS Dai «ÖIVVÄ nOS . B Gotteslamm 1. mit
Fahne, zurückblickend. M. 3.
24- A. V. Sallet:
Franz Gattilusi ist der erste Herrscher von Lesbos aus
diesem Geschlecht; bisher waren nur seltene Kupfermünzen von
ihm bekannt und keine mit seinem Bilde. Die Zutheilung unserer
Münze ist sicher, das einiem R ähnliche F, R, findet sich ebenso
und auch ebenfalls als blosse Initiale des Namens auf zwei
Kupfermünzen des Fürsten. Das B am Ende der Umschrift
jder Rückseite ist wohl eines der vier wie ein B gestalteten
Feuereilsen, welche in dem von den Gattilusi häufig auf ihre Münzen
gesetzten Wappen der Palaeologen: -|j|. vorkommen. Die Gatti-
lusi hingen mit den Palaeologen durch Verwandtschaft und
Vasallenschaft eng zusammen. Die Münze ist sehr interessant
als eine in der Prägung der Gattilusi bisher noch nicht ver-
tretene Nachahmung venezianischer Stücke jener Zeit: sie ist,
wie die Goldstücke der Gattilusi den venezianischen Zechinen,
den venezianischen Soldini nachgebildet, einer kleinen Silber-
münze, welche den knieenden Dogen mit Fahne und den stehen- *
den Markuslöwen mit Fahne zeigen. Auch die Gewichte stimmen:
Soldini von dem Dogen Giovanni Gradenigo (1355—1356) wiegen
0,55 und 0,53, von Giovanni Delfino (1356—1361) 0,55 und
0,52, unsere Mllnze des Francesco Gattilusi 0,5 Gr.
Einen ungewöhnlich reichen Zuwachs erhielten unsere Re-
naissance-Medaillen. Aus der in Köln versteigerten Sammlung
Felix erwarben wir zwei gute Steinmodelle deutscher Medaillen
aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und aus Privatbesitz
gelang es mir später noch ein drittes schönes und für uns
höchst wichtiges Steinmodell aus dem Ende des 16. Jahrhun-
derts anzukaufen. Ich lasse die Beschreibung und Abbildung
der drei Stücke folgen:
Johann, Abt von Kaisersheim in Baiern, um 1530.
lOHANNES ABBAS C/KSARIENSIS • LVI (d. h. 56 Jahr
alt) Brustbild des Abtes r. mit Barett.
Kelheimer Stein 41 Mill. Taf. U.
Die Erwerbungen des Eönigl. Mflnzkabinets bis 1. April 1888. 25
Von guter Arbeit; dies war unter den im allgemeinen nicht
sehr vorzüglichen Stein- und Holzmödellen (ausser dem schönen,
aber hässlich gefärbten Johann Geuder, Auctionscatalog Felit
Nr. 898) wohl das beste Stück der Sammlung Felix, dfe Arbeit
ist etwas derb, aber recht charaktervoll.
G. Reu. 1521.
GE : REV : ANNO AETATIS SVE DECIMO SEPTIMO
Brustbild im Hut 1.
Rf. SVSTINE . ET • ABSTINE • ANEXOYKAI XOY, unten
eingravirt 1521. Weibliche Figur, rückwärts ge-
kehrt auf einem Pferde sitzend, mit beiden Händen
ein hängendes Gefass an den Bändern haltend (oder
einen Globus in der einen, den Zirkel auf den Globus
haltend?). Ein nackter bärtiger Mann fällt dem
Pferde in die Zügel und hält in der erhobenen R.
eine kurze Gerte oder dgl. Unten liegt ein Wappen-
schild mit Vogelkopf (Hahnenkopf?) 1.
Kelheimer Stein, 45 Millim. Taf. II.
Dies nicht feine, wohl unfertige, aber doch g\it gearbeitete
Modell mit zwei Seiten und dem Kopfe des mir unbekannten
Ge(org?) Reu (mit dem Wittenberger Drucker Georg Rhaw (und
ähnlich), der schon 1521 druckte, hat der wohl süddeutsche, im
Jahre 1521 erst siebzehnjährige Ge. Reu wohl nichts zu thun)
trägt auf der Rückseite eine mir unverständliche Allegorie, die
man vielleicht bei genauerer Durctisicht der Stiche der Elein-
meister und ihrer Zeit finden würde. Die Inschrift ist nicht
fertig geworden, das letzte griechische Wort sollte AHEXOY sein,
es ist nur das XOY fertig; da wo der Anfang stehen sollte ist
nur eine rechteckige erhöhte Stelle im Stein.
Distelmeier, Lamprecht, kurbrandenburgischer Kanzler,
geb. 1522 t 1588.
. D . L AMP . DISTELMEIER • MARCH • CANC • M 65,
Brustbild in reicher Tracht von vorn, an einer Kette
um den Hals eine Medaille mit zwei Köpfen (Kur-
26 A. ▼. Sallet:
fürst Johann Georg von Brandenburg und seine
Gemahlin Elisabeth), an einem Bande der Bing (mit
dem kurfürstlichen Wappen).
Kelheimer Stein, 44 Millim. Taf. IL
Dieses vortrefflich gearbeitete Stück ist offenbar von der-
selben Hand, welche das Medaillenmodell der Anna Welmniczis,
Gemahlin des Berliner Juristen Johann Prwr (Prüfer) im Jahre'
1577 geschnitten hat, wie der völlig gleiche Styl, die Form der
Buchstaben, die Bchandlungsweise der Verzierungen des Ge-
wandes, der Augen u. s. w. beweist. Das Modell der Medaille
der Anna Welmniczis ist als alter Besitz im Berliner Museum,
die Medaille dazu (silbernes Original) mit ihrem und ihres Gatten
£ildniss, letzteres wiederum offenbar von derselben Hand, besitzt
ebenfalls unser Museum, es ist das Exemplar, welches der
durch seine anziehenden historischen Arbeiten und ein für da-
malige Zeit ganz einziges Verständniss für die Geschichte der
italienischen Medailleure ausgezeichnete J. C. W. Moehsen, Leib-
arzt Friedrichs des Grossen, in seiner „Beschreibung einer Ber-
linischen Medaillen-Sammlung^ etc., H, 1781, p. 481 besprochen
und auf Taf. I, Nr. lY leidlich abgebildet hat. Der also doch
sicher in Berlin lebende Künstler dieser Werke hat etwas Ver-
wandtschaft mit seinem berühmten Zeitgenossen Tobias WolfT,
ist nicht so glatt und fein, aber höchst ausdrucksvoll und
vielleicht in glücklich energischer Auffassung dem trefflichen
Tobias Wolff noch überlegen. Die Behandlung der Gewandung,
namentlich des Pelzes, ist meisterhaft Der Dargestellte ist der
berühmte Leiter der Brandenburgischen Politik, der Kanzler
(„Marchiae Gancellarius^ steht auch auf seinem Kupferstichporträt)
Lamprecht Distelmeier, geboren am 22. Februar 1522, ge-
storben den 12. Oktober 1588, dessen Bemühungen Johann
Georg hauptsächlich die Mitbelehnung mit Preussen verdankt,
also eine für brandenburgische und deutsche Geschichte hoch-
wichtige Persönlichkeit.
Es giebt von Distelmeier ein gleichzeitiges, der Medaille
ziemlich ähnliches Bildniss, einen grossen Kupferstich von Hiero-
Die Erwerbangen des Eönigl. MQnzkabinets bis 1. April 1888. 27
nymus Nützel (aus Nürnberg (?), lebte zu Ende des 16. Jahr-
hunderts in Berlin, f vielleicht in Schweden, s. Andresen Nr. 9).
Auf diesem Stich sehen wir, dass die Medaille, welche Distel-
meier um den Hals trägt, und auf welcher wir auch schon auf
dem Steinmodell deutlich zwei (auf dem Modell linkshin ge-
wendete) Brustbilder mit Barett erkennen, die wohlbekannten
Bildnisse des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg und
seiner Gemahlin Elisabeth zeigt. Der Kupferstich ist dadurch
von grossem Interesse, dass er uns dieses gewiss goldene „Gon-
terfei"*, welches der Kanzler um den Hals trägt, in völliger
Deutlichkeit, 33 Millimeter gross, giebt. Die Brustbilder des
kurfürstlichen Paares gleichen denen der bekannten grösseren
Medaille, weichen aber in der Umschrift ab:
lOHAN : GEORG : D (hinter diesem D ist ein G zu
ergänzen) MAR • BRAN : ELEC ^LIS • Brustbilder r.,
der Kurfürst im Panzer, mit Gewand und Feld-
binde, im Barett mit Federbusch, Halskrause; das
der Kurfürstin mit Barett und Halskrause.
Diese Medaille, welche unzweifelhaft genau so existirte, wie
sie der zwar recht hölzerne, aber sorgsam und liebevoll aus-
führende Kupferstecher Nützel darstellte, scheint in keinem
Exemplar mehr erhalten zu sein. —
Der Ring, welchen der Kanzler auf dem Modell und dem
Stich an einem künstlich in Windungen angeordnetem Bande,
als Abzeichen seiner Würde (Möhsen 1. c. p. 452) um den Hals
trägt, hat auf dem Kupferstich deutlich den grossen kurfürst-
lichen Wappenschild mit der Aufschrift AflSMOH, Hans Georg
Markgraf Zu BRandenburg.
Ein auf Nützel's Stich oder vielleicht auf diesen und unser
Medaillenmodell selbst zurückgehendes zweites Kupferstichpor-
trät Distelmeiers, welches ebenfalls Ring und Medaille an der
Kette zeigt, aber das Band des Ringes wohl etwas missver-
standen hat, findet sich in karikaturähnlicher Ausführung in der
Porträtsammlung berühmter Brandenburger: Seidel, icones et
elogia virorum aliquot praestantium qui . . . Marchiam . . . olim
28 A. Y. Sallet:
juverunt etc. 1670, 1671 und in dritter Ausgabe 1751, heraus-
gegeben von Küster, Nr. 47. Ein in den Gesichtszügen eben-
falls der Medaille und den Kupferstichen ganz ähnliches Bildniss
Lamprecht Distelmeiers in ähnlicher Tracht, mit Pelz und dem
Ring am Band um den Hals (ohne die Medaille), befindet sich
in der Nicolaikirche in Berlin (dritte, schwer zugängliche Kapelle
rechts vom Westportal aus), auf dem grossen Familiengemälde
des Kanzlers, welches diesen nebst seiner aus zehn Personen
bestehenden Familie unter dem von zwei Engeln umgebenen
Cruzifix knieend darstellt. Das Bild ist vielfach durch Über-
schmieren ruinirt, doch sind die Köpfe meist noch recht gut;
der Kanzler ist, wie auf der Medaille und den Stichen,, in
höherem Lebensalter (das Bild ist ein Grabmonument) darge-
stellt, Bart und Haar sind weiss. Dies schon von Nicolai (Be-
schreibung Berlins 1786, Bd. H, p. 855) kurz erwähnte Bild ist
jetzt ohne jede Beischrift, die vielleicht beim Restauriren der
Kirche weggerissen worden, und deshalb dem Aufsichtspersonal
der Kirche seiner Bedeutung nach unbekannt*).
Bei der grossen Seltenheit Brandenburgischer Medaillen,
und der noch grösseren der Medaillen-Modelle und bei dem
hohen Interesse, das der dargestellte, in seiner Zeit hochbe-
rühmte und um sein Vaterland hochverdiente Mann gewährt,
ist die Erwerbung unseres Modells einer der erfreulichsten und
wichtigsten Ankäufe, welchen die Sammlung je gemacht hat. —
Auch einige werthvolle Medaillen erwarb unsere Sammlung^
eine davon ebenfalls eine Brandenburgische:
Johann (von Küstrin) Markgraf von Brandenbürg, Bruder
Joachims IL, 1535—1571.
lOHANNES . D . G • MARC • BRAN • STET • POM • CAS •
VAN . & 1569: Brustbild im Panzer r.
]) Die Nicolaikirche enthält auch ein grosses Familienbild Christian
Distelmeiers, Lamprechts Sohn, ebenfalls Brandenburgischen Kanzlers und'
zwei auf Lamprecht D.'s Schwiegersohn Joh. Kötteritzsch and Tochter
Charitas bezflgliche Bilder.
Die Erwerbangen des Eönigl. Münzkabinets bis I.April 188S. 29
Rf. SPES . MEA CHRIST VS SOLVS (oder Christus solus
spes mea). Wappen mit drei Helmen. .
. M. 31 MiUim. Taf. IL
. Eine ähnliche Medaille, aber mit der besseren Aufschrift:
sola spes mea Christus, und dem Brustbild von vorn besass
unsere Sammlung bereits. Das Stück mit dem Profilbilde ist
von äusserster Seltenheit; ich kenne nur ein zweites Exemplar
«
in der Sammlung meines Freundes Dannenberg.
Kres, Christoph, 1526.
. CRISTOF . KRES • XXXXII . lAR ALT Brustbild mit
Gewand r.
Rf. CRISTOFF • KRES • VOM • KRESENSTXin • M • D .
XXVI • Panzer, Helm und Schild mit dem Wappen.
M. 40 Millim. Taf. IL
Christoph Eres, Nürnberger Staatsmann und Feldherr, der
Freund Dürers, ist geboren 1484 und starb 1535. Die Medaille
ist gleich der folgenden ein unvergleichlich schönes Original,
ganz leicht und fein an einigen Stellen nachciselirt, von einer
seltenen Frische der Erhaltung, und schönster Buchsbaumfarbe.
Geuder.
• REMEDIVM • INIVRIAE • (statt des R ein K, das
beim Ciseliren in R zu verändern versucht worden
ist) CONTEMPTVS Brustbild mit Gewand r.
Rf. TRIBVLATIO • TOLERANTIA • INVIDIA • SPES vier
allegorische Frauen, die Tribulatio das menschliche
Herz auf dem brennenden Ambos hämmernd, die In-
yidia zwickt es mit der Zange, der Ambos ruht auf der
Tolerantia, hinter dem Ambos steht die Spes und
deutet gen Himmel, von welchem Regen in das Feuer
fällt. . M. 36V2 Millim. Taf. IL
Der auf dieser ausserordentlich schönen, um 1530 ge-
gossenen Medaille Dargestellte ist sicher ein Geuder, wie
eine andere Medaille mit derselben Vorderseite und dem Geu-
derschen Wappen auf der Rückseite beweist (ein schlechter
30 A. T. Sallet:
Guss in Berlin), wird aber irrig meist «Johann^ Geader ge-
nannt, was sicher falsch ist, denn dieser, Sehn Martinas III.
Geuder, hat auf Medaillen, mit seiner Namensumschrift dn
ganz anderes Gesicht, eine grade Nase u. s. w. 'Auch die Be-
zeichnung „Julius"" Geuder, welche Will (Nürnberg. Münzbelustig.
I, p. 159, Nr. 9) giebt, ist ganz falsch, Julius Geuder ist um
60 Jahr später (f 1594) und seine Medaillen tragen sämmtlich
den späten Charakter jener Zeit. Der Dargestellte ist sicher,
wie dies die Rückseite mit der „Pirckheimer'schen Allegorie",
der von Pirkheimer zu seinem „ex libris"" gewählten Darstel-
lung beweist, ein naher Verwandter Pirkheimer's, und wir
müssen in ihm einen NeflFen, Schwestersohn Pirkheimer's er-
kennen, da Pirkheimers Schwager, Martin III. (f 1532), Gemahl
der Schwester Pirkheimers, selbst 1530 zu alt war und mit
diesem seinem alten Gesicht auch auf zahlreichen Medaillen
überliefert ist. Martinas Söhne sind: Johann, der oben genannte
und anders aussehende, Sebald, Martin IV und Georg Geuder;
für unsere Medaille bleiben also übrig Sebald , Martin IV oder
Georg, welcher der Dargestellte ist, vermag ich vorläufig nicht
zu entscheiden.
Die schöne Allegorie der Rückseite, das Bücherzeichen Pirk-
heimers, geht auf eine Zeichnung Dürers im British Museum
zurück (Ephrussi, Alb. Dürer p. 213), welche einige Abweichungen
in Gruppirung und Inschrift zeigt, z. B. consolatio statt spes.
Unserer Medaille völlig gleich in Beischrift und Anordnung er-
scheint dann die Gruppe als das Buchzeichen Pirkheimers mit
seinem Wappen, der Birke, auf dem Ambos, auf dem schönen
Kupferstich des Meisters I • B vom Jahr 1529 (Bartsch Nr. 30),
Giuliano Medici fUlS.
. IVLIANVS . MEDICES • Brustbild mit Gewand 1.
Rf, • NEME SIS Nemesis mit Strahlenkrone 1. eilend , in
den Händen (goldene) Schale und Zügel.
JE. 90 Millim. Taf. III.
Die Erwerbnngeii des KteigL. Ifftudniaiets liit t. April 1888. 31
Die bisher TöUig unbekannte Medaille des am 26. April
1478 bei der Verschwörung der Pazzi ermordeten Giuliano
Medici, Lorenzens Bruder, ist ein ausgezeichnetes Werk des Nico-
laus Plorentinus (Nicolo Porzore di Spinello, bezeichnete Me-
daillen von ihm von 1485—1493, s. Friedländer in der Zeitschr.
f. Numism. XI, p. 243 ff.) oder eines der vorzüglichsten seiner
Schule angehörenden Künstler. Die Rückseite, mit der die auf
Kunstwerken der Renaissance gewohnten Attribute (z. B. ahn-
lieh auf Dürers Kupferstich): goldenes Gef&ss und Zügel hal-
tenden Nemesis deutet offenbar auf das* gewaltsame tragische
Ende des Giuliano, das die rächende Göttin herausforderte, die
Medaille wird also um 1478 entstanden sein. Interessant ist
die Vergleichung des im hohen Relief ausgeführten schönen
Kopfes mit dem Gemälde unseres Museums, dem Bildniss des
Giuliano von Sandro Botticelli. Der Künstler der Medaille fasst
den Kopf sehr anders auf, wenn auch natürlich die Züge über-
einstimmen, während auf der bekannten, weit geringeren Me-
daille des Pollajuolo mit den Köpfen des Lorenzo und des
Giuliano und der Darstellung der Mordscene (Armand I, p. 59)
die Ähnlichkeit mit dem Bilde des Sandro Botticelli auch äusser-
lich in Stellung und Auffassung viel grösser ist.
Es ist mir in kurzer Zeit gelungen, unsere schöne Reihe
der Medaillen der Mediceer des 15. Jahrhunderts um zwei her-
vorragende Stücke zu bereichern: den Giuliano und den von
n\ir im vorigen Band der Zeitschrift f. Numism. beschriebenen
und abgebildeten Leo X. als Cardinal, gewiss ein seltener Glücks-
fall für unsere schöne Sammlung, von italienischen Renaissance-
Medaillen.
unsere Sammlung mittelalterlicher Siegelstempel
erhielt einige gute Bereicherungen. Das schönste Stück ist
ein grosser Siegelstempel von Andernach aus dem 14. Jahr-
hundert;
+S'S€CR€TVJß*0Pn)I*7i;nD€RnKC€nSIS J KD 5
C2{;VS2{;S die heilige Jungfrau gekrönt, von vorn,
32 A. Y. Sallet: Die Erwerbungen d. Egl. MOnzkabineto bis 1. April 1888.
fast in ganzer Figur, auf der R. dreithürmige Kirche,
auf der L. das Wappen von Andernach mit zwei ge-
kreuzten Schlttsseln.
Siehe die Abbildung auf Tafel III. .
Dieses Siegel (s. Endrulat, Niederrhein. Städtesiegel, 1882
p. 24 Nr. 4 und Terwelp in den Jahrbüchern des Vereins v.
Alterthumsfreunden im Rheinlande, Heft 75, 1883 p. 199) kommt
zuerst an Urkunden von 1345 vor, Terwelp setzt es noch ins
dreizehnte Jahrhundert, ich möchte es für etwas später halten.
Der Gegenstand, welchen Maria, die Patronin .von Andernach
(s. die Inschrift der Siegel bei Terwelp 1. c), hält, ist aber wohl
die Kirche, nicht die Burg, wie Endrulat und Terwelp meinen.
— Ein anderer schöner und sehr grosser Silberstempel von Ander-
nach, welchen Endrulat im Berliner Museum vermuthet, ist nicht
in diesem, sondern in der Charvet' sehen Sammlung gewesen und mit
ihr 1883 in Paris versteigert worden, wie bereits in der Anmer-
kung zu Terwelp's angeführtem Aufsatz berichtigt wird. Ob dieser
letztere Stempel jemals dem verstorbenen Generaldirector von
Olfers angeboten war, was Endrulat's Mittheilung vermuthen lässt,
weiss ich nicht. Die Siegelstempelsammlung wurde erst im Jahre
1885 dem Münzkabinet überwiesen.
A. V. Sallet
Der Eakwitzer Münzenfand.
A) Allgemeines.
Kein Münzenfund dürfte für die mittelalterliche Geschichte
des Landes Mähren eine solche Wichtigkeit erhalten, wie der im
südlichen Mähren bei Rakwitz, Bez. Auspitz, gemachte Fund,
denn durch denselben erhält das in der Pfemysliden Periode
so arme Land mehr als hundert verschiedene Stempel der ein-
heimischen Tbeilfürsten von Olmütz, Brunn, Znaim und Jamnitz.
Bisher kennt man vier grössere Funde mährischer Münzen;
jenen bei Olmütz im J. 1840, bei 4000 Stück zumeist aus den
kleinschrötigen Svatopluk bestehend, der auch im Rakwitzer
Funde vertreten war, und die beiden kostbaren Münzen der
Witwe Otto L Eufemia in zwei verschiedenen Stempeln ent-
hielt; ferner den ersten Eibenschitzerfund im J. 1861 in fast
gleicher Anzahl, der durch die Voreiligkeit des Erwerbers bis
auf 30 Stücke durch Einschmelzen vernichtet wurde, welcher
zumeist aus den grösseren Stempeln der Münzen Konrads von
Brunn mit der Peterskirche bestand; dann den zweiten bei
Hlina nächst Eibenschitz gemachten Fund aus dem J. 1865 in
1315 Stücken, zumeist aus Münzen Konrads älteren Gepräges,
davon 6 Stempel im Rakwitzer Funde vertreten, bestehend.
Diese drei Funde werden an Reichhaltigkeit der Gepräge
durch den vierten bei Rakwitz im J. 1886 gemachten Fund
weit übertroffen, da derselbe bei circa 2400 Stücken, 2000 mäh-
rische Prägungen aufweist und nicht weniger als 124 verschie-
dene Haupttypen hier veröffentlicht werden können. Auch
für die Geschichte der Babenberger und Weifen ist dieser Fund
Z«it8ehrift Air NnmUmfttik. ZVI. 3
34 Dr. F. Kupido:
wichtig, da in demselben bei 400 Stück österreichisch-bayrische
Prägungen Wiener und Regensburger Schlages vorkommen, für
deren Alter die leicht zu bestimmenden mährischen Herzogs-
denare gleichsam die Leitmuscheln abgeben.
Vorerst habe ich mich an die Publikation der mährischen
Stücke dieses Fundes als den interessanteren und leichteren
Stoff gewagt, wobei mir gelang, beinahe jeden Stempel einem be-
stimmten Münzherrn zuzuweisen, wobei betrelTs einiger Stücke
die Bestimmung freilich keine unanfechtbare sein dürfte. Dieser
Fund wurde in der Nähe der alten Landesfestung Podivin
Sekyr Kostel nächst Auspitz bei Brunn gemacht, woselbst sich die
Landesmünzstätte befunden haben soll (Cod. Mor. I, 152 u. 159).
Die Existenz mährischer Herzogsmünzen wurde vor der
Veröffentlichung der beiden Eibenschitzer Eunde namentlich von
Seite der Prager Numismatiker und des mährischen Landes-
historiographen Herrn Dr. Beda Dudik bestritten, weil angeblich
bei dem Geiste der Bretislavschen Hausstatuten die Ausübung
eines solchen Hoheitsrechtes wie es das Münzregal ist, nicht anzu-
nehmen sei. Die Funde widersprechen jedoch diesen bei der Ge-
schichtsforschung überhaupt nicht immer glücklichen Conclusionen,
und hat schon der alte Adauctus Voigt den richtigen Weg
vor 100 Jahren betreten, indem er in seinem Entwürfe zum
V. Bande, der die mährischen Münzen, Medaillen und Jettons
behandeln sollte, der Münzen der Herzöge Conrad und Otto
aus dem 11. Jahrhunderte gedachte, von welchem Werke durch
dessen Tod nur das Inhaltsverzeichniss verblieben ist.
Wenn schon der zweite Eibenschitzer Fund Münzen von einem
mährischen Herzoge, der niemals den Herzogsstuhl in Böhmen
betreten hat, nämlich von Otto dem Schönen von Olmütz (f 1078),
beherbergte und hierdurch schon die Existenz mährischer Her-
zogsdenare erwiesen erscheint, so muss durch den Rakwitzer
Fund jeder Zweifel darüber schwinden, denn derselbe enthält
Münzen von Otto dem Schönen (1061—87), Boleslaus (1090),
Otto U. (1107—25), Wenzel (1126—30) des Olmfitzer Theil-
fürstenthums, von Udalrich (1092—1115), Spitihnev (1123—25)
Der Rakwitzer Münzenfund. 35
und Wratislaw III. (1125—29) des Brünner Theilfürstenthums,
von Lutold (1092—1112) und Conrad IL (1123—28) des Znaimer
Theilfürstenthums und endlich von der Herzogin Svatava
(1092 — 1126) des Theilfürstenthums Jamnitz; weiters Interreg-
numsmünzen, die unmöglich aus einer böhmischen Münzstätte
herrühren können, indem man dieselben in diesem Falle durch
die Münzen des Herzogs in Böhmen ersetzt hätte, ein Beweis,
dass man nicht nur die Ausübung des Münzrechtes von Seiten
dieser Theilfürsten in Prag duldete, sondern dieses Recht selbst
in dem Falle der Bekriegung und Absetzung der Theilfürsten
so weit achtete, dass man Yacanzmünzen in Ausprägung brachte,
die nur die Namen der mährischen Landesheiligen ohne Namen
des Landesfürsten tragen. Es hiesse demnach Eulen nach Athen
tragen, v^enn ich auf das frühere Beweismaterial zur Be-
kräftigung meiner schon vor 18 Jahren ausgesprochenen Be-
hauptung über das Münzrecht der mährischen Theilfürsten zu-
rückgreifen wollte.
Der Fundgeschichte in Rakwitz kann eine gewisse Roman-
tik nicht abgesprochen werden, die diesen Fund wahrscheinlich
zur vollständigen Zersplitterung gebracht hätte, würde derselben
nicht durch die Erv^erbung des Stockes in einer Hand ein
Ende gemacht worden sein. Eine kurze Zeitungsnotiz in mäh-
rischen Blättern blieb unbeachtet und so erfuhr die wissenschaft-
liche Welt erst spät von diesem Ereignisse, von welcher ich
durch die Güte des Herrn Schierl, Lehrer in Auspitz, erst ein
Jahr später nachstehendes in Erfahrung gebracht habe.
Es war am Charfreitag des Jahres 1886, als der Grundbe-
sitzer Filipek aus Rakwitz, einem Dorf im Anspitzer Gerichtsbezirke,
zum wiederholten Male auf einer demselben gehörigen neu zuge-
theilten Gemeindeparzelle ackerte; da warf die Pflugschaar
einen schwärzlichen unglasirten Topf, ähnlich einem Blumentopfe,
der in der Mitte eine Reihe kleiner Löcher hatte aus, welcher
bei 2400 stark mit Grünspan dunkler Gattung überzogene kleine
Silberbleche enthielt, die bei der Zertrümmeiiing des Topfes
herausfielen. Hr. Schierl, welchem die Münzen kurze Zeit nach
3»
36 t>r. F. Kupido:
dem Fundtage in die Hände kamen, unterschied bereits zwei
Hauptserien „böhmisch-mährische Gepräge" und „unbekannte von
sonderlichem Aussehen". Die erste Serie hat eine Grösse von
14 — 18 cm und weist zumeist deutliche Umschriften auf; die
zweite besteht aus Münzen in einer Grösse bis 24 cm gehend
mit verwirrten Legenden und sonderlichen Darstellungen. Auch
einige ungarische Denare und Obolen von Stephan d. Heil, und
Coloman waren vertreten.
Da die mährischen Prägungen von Wratislaw U. als Herzog
von Olmütz an bis Conrad II. von Znaim, daher vom Jahre
1055—1126 sonach durch 71 Jahre gehen, so müssen die öster-
reichisch - bayrischen Prägungen in dieselbe Periode gesetzt
werden.
Die Systematisirung und Entzifferung der mährischen Stücke
ist aus dem Grunde leichter, weil die Mehrzahl deutliche Buch-
staben in den Aufschriften zeigt, welche freilich durch Versetzung
oder Stellung der Buchstaben sehr oft irreführen, so dass erst
nach vielem Vergleichen verschiedener Stempel desselben Haupt-
typus zu einem befriedigenden Resultate gekommen werden kann.
Was die weiteren Schicksale dieses Fundes betrifft, so nahm
Herr Schierl zuerst eine Auswahl von circa 300 Stück vor, von
welchen 1 50 Stück in das königl. Museum nach Prag wanderten,
darunter 87 verschiedene mährische Stempel, bei welcher Aus-
wahl Hrn. Schierl mehrere Unica und Stempel, die nur in
wenigen Stücken vertreten waren, entgingen, weil der Grünspan
die Prägungen undeutlich machte, welcher erst später durch das
bekannte Auskochen mit Weinstein beseitigt wurde. Nachdem
noch später etwa hundert Stücke verzettelt worden sein dürften,
kam der Hauptstock, noch immer über 2000 Stück zählend, in
den Besitz des am 21. Oktober d. J. verstorbenen Herrn Klemens
Reichsgrafen von Westphalen, Generalbevollmächtigten Sr. Durch-
laucht des regierenden Fürsten von und zu Liechtenstein und
von da an Herrn Prof. Dr. A. Luschin von Ebengreuth in Graz
behufs wissenschaftlicher Bearbeitung.
Ich selbst erhielt zu spät Nachricht von diesem Funde, be-
Der Rakwitzer Münzenfund. 37
treffs welchen ich mich in Wien, bei der Zeitungs-Redaktion
der N. Fr. Presse, welche die Fundnotiz zuerst brachte, erkun-
digte, so dass meine an den Erwerber wegen Gestattung der
Publikation gestellte Bitte unter Hinweisung an die bereits er-
folgte Abtretung nicht erfüllt werden konnte. Der genannte
Herr Graf war jedoch so liebenswüi^dig, mir im Juli 1886 ein
ausführliches Schreiben über die Beschaffenheit der Münzstücke
mit drei Exemplaren, die beim Verpacken zurückgeblieben waren,
zu senden, welche Stücke ich in der Wiener numismatischen
Zeitschrift, 18. Jahrg. 2. Halbjahr, veröffentlichte, wobei eine
Bretislav-Münze in Folge schlechter Erhaltung irrig als Conrad
von Brunn gelesen wurde, welchen Irrthum ich hiermit einbe-
kenne. Da ich nach dieser Nachricht den Fund in guten Händen
wusste und von der früheren Zersplitterung nichts erfuhr, so
kümmerte ich mich nicht mehr um denselben, dessen Publikation
durch Herrn Dr. v. Luschin mit Interesse entgegensehend.
Ich war demnach nicht wenig erstaunt, aus den Prager
„Pamätky archol. a mist.*' zwei Tafeln mit Münzabbildungen aus
diesem Funde zu erhalten, worauf ich auch die bezüglichen
Hefte mir einschicken Hess. Jetzt ersah ich freilich, dass ein
Theil des Fundes in verschiedene Hände gewandert sei und dass
noch von demselben etwas zu erwerben möglich sein dürfte.
Meine Bemühungen waren erfolgreich, denn ich erhielt durch
die Güte des Herrn Schierl noch nach Ablauf eines Jahres 112
Fundmünzen, von welchen 75 Stück auf die mährischen Denare
mit 47 verschiedenen Haupttypen entfielen. Da ich die im Prager
Museum nicht befindlichen und daher in den Pamät. nicht ver-
öffentlichten Stücke des Fundes durch die Güte des Herrn Dr.
V. Luschin in Abdruck und Zeichnung erhielt und noch in der Lage
war bei meiner Anwesenheit in Prag in diesem Jahre einige
mir, dem Museum und Dr. v. Luschin fehlende Stempel aus der
Sammlung des Herrn Ingenieurs E. Fiala beschreiben zu können,
so scheint es mir so ziemlich gelungen zu sein, alle bisher be-
kannten Hauptstempel dieses interessanten Fundes hier ver-
öffentlichen zu können, wenn nicht wieder neue Fundstücke an
38 Dr. F. Kupido:
dem Fundorte nachträglich zum Vorschein kommen, was schon
einmal eingetreten ist, von welcher Nachlese ich den Conrad 11.
Nr. 121 erwarb, in welchem Falle ein Nachtrag freilich nicht zu
vermeiden wäre. Ich habe diese Arbeit mit der Hoffnung be-
endigt, dass auch Herr Dr. v. Luschin zu denselben Ergebnissen
kommen wird, dessen Publikation ich nur betreffs des ersten
Theiles, bis Otto I. den Schönen gehend, mitbenutzen konnte.
Da bei den verschiedenen Erwerbungen, ausser dem Haupt-
stocke der noch beisammen ist, fast alle Stücke nach Prag,
einige sogar nach Petersburg wanderten und die einheimischen
öffentlichen Sammlungen dabei übergangen wurden, so habe ich
mich veranlasst gefunden, schon jetzt mit meinen Doubletten
das Frauzens-Museum in Brunn und das Olmützer Stadtmuseum
schenkungsweise zu bedenken. Zweifelsohne wird seiner Zeit
von Seite des Rechtsnachfolgers des Herrn R-Grafen von West-
phalen, Seine Durchlaucht dem regierenden Herrn Fürsten Job.
von und zu Liechtenstein nicht verabsäumt werden, in gross-
müthiger Weise die öffentlichen Sammlungen des Landes und
das kaiserl. Mtinzkabinet in Wien mit diesen wichtigen Denk-
mälern der mährischen Geschichte zu betheilen.
Die mährischen Denare zeigen zum Theile neue, in der
numismatischen Welt gänzlich unbekannte Münzherren wie üdal-
rich, Spitihnev und Wratislaw IH. von Brunn, Otto H., Wenzel
und Heinrich von Olmtitz, Lutold und Konrad IL von Znaim
endlich Svatava von Jamnitz; weiter zeigen dieselben, dass
auch jene Fürsten, welche den böhmischen Herzogsthron be-
stiegen, wenn sie früher Theilfürsten in Mähren waren, für ihr
mährisches Thcilfürstcnthum Münzen schlugen, wie Wratislaw H.
für den Brünner und Olmützer Antheil, Konrad für den Brünner
und Znaimer Antheil, und dass bei Vertreibungen eines Fürsten
aus seinem Antheil für denselben oder dessen Kinder Interims-
münzen geschlagen wurden, nämlich mit den Namen des heil.
Petrus und Johannes für Brunn, und mit dem Namen des heil.
Nicolaus für Znaim. Auch Vormundschaftsmünzen kommen mit
dem Namen des Vormundes und der Mündel vor, was früher be-
Der Rakwitzer Münzenfund. 39
zweifelt wurde. Die Olmützer Münzen zeigen zum Theile ein so
ähnliches Gepräge mit den Brünner Mfinzen, dass angenommen
werden muss, es sei in Podivin auch für den Olmützer Antheil
geschlagen worden.
Dieser kleine Bakwitzer Schatz bildete offenbar das Eigen-
thum einer höher stehenden Person, keines Bauers, denn in der
damaligen Zeit hatte derselbe einen Werth von beinahe 12 000
Mark K.-W., wenn man berücksichtigt, dass im 11. Jahrhunderte
ein gerüstetes Kriegsross 40, ein Ochse bloss 20 Denare kostete.
Was den Zeitraum betrifft, in welchem dieser Schatz ver-
graben worden sein dürfte, so setzen wir denselben in die Jahre
1126—1129, demnach nach der Thronbesteigung Sobeslav, aber
nicht aus den von Luschin angeführten Gründen, der sich für
das Jahr 1126 entscheidet, weil die Münzen dieses Herrschers
im Funde nur selten vertreten sind, indem wir dieses Argument
deshalb nicht gelten lassen können, zumal wir diese Münzen
nicht nach Prag, sondern nach Olmütz und Znaim zutheilen.
Allerdings hat das J. 1126 eine grosse Wahrscheinlichkeit für
sich, denn damals war Mähren in grosser Gährung, Sobeslav
fiel mit seinem Heere ein, den Herzog Bfetislav auf Dohna ge-
fangen setzend; aber auch im Jahr 1128 ward Eonrad IL von
Znaim und 1129 Wratislaw JH. von Brunn, von welchem noch
Münzen im Funde vertreten sind, von gleichem Schicksale erreicht,
weshalb dieVergrabung vor 1129 und nach 1123 erfolgt sein musste,
da in diesem Jahre Conrad U. auf den Znaimer Herzogsstuhl kam.
Nachgewiesen wird durch diesen Fund, dass Bretislav II.
für den Brünner Antheil nach Vertreibung Udalrichs Münzen
mit seinem Namen schlagen liess, was wahrscheinlich im Jahre 1099
nach Wiederherstellung der Burg Podivin geschah, denn zwei
Stempel dieses Herrschers sind im Funde in mehreren hundert
Stücken vertreten, was nicht möglich wäre, falls diese Stempel in
Böhmen geschlagen worden wären, indem von böhmischen Münzen
nur sehr wenige im Funde vertreten sind. Merkwürdig ist die grosse
Anzahl der Münzen mit Österreich-bayrischem Gepräge (über 400
Stück), was bei dem fast gänzlichen Mangel an böhmischen
40 I>r. F. Kupido:
Münzen nachweist, dass das südliche Mähren damals mit Oester-
reich in einem regeren Handelsverkehre stand, als mit Böhmen.
Die mährischen Denare können selbst wieder in zwei Gruppen
getheilt werden; die erste hat kleinere Schrötlinge, ein erha-
beneres aber roheres Gepräge und am Rande eine sägeartige
Einfassung, den Zackenrand; die zweite Gruppe ist etwas grösser
und flacher geprägt, die Conturen der Figuren sind mehr linear
gehalten, die Köpfe von besserer Ausführung, die Umschriften
jedoch vermöge der grösseren Fläche der Buchstaben und bei
einer flüchtigeren Prägeweise minder deutlich. Die Buchstaben
sind oft versetzt und verkehrt und demnach die Entzifferung
schwieriger. Der Zackenrand verliert sich bei den späteren
Münzen Svatopluks. Die Darstellungen auf den Münzen sind
jenen in Böhmen ähnlich, gänzlich neu sind die bei Otto EI. und
Conrad IL erscheinenden Fische und bei ersterem die ungari-
sehen Pusicani. Bei einiger Übung ist es zumeist nicht schwer,
das mährische Gepräge von dem böhmischen zu unterscheiden.
Als Landespatrone erscheinen für Olmütz der heil. Wenzel,
wie in Böhmen, bei Brunn jedoch der heil. Petrus, bei den
Interimsmünzen auch mit dem heil. Johannes, bei Znaim und
Jamnitz der heil. Nicolaus. Die Verehrung der Apostelbrüder
Cyrill und Method muss demnach schon damals in Vergessen-
heit gerathen sein.
Was die österreichisch-bayrische Serie betrifft, so weise ich
dieselbe den Herzogen Leopold IIL (1082—96) und IV. (1096
—1137), dann den Herzogen Weif L (1071— 1101) und IL (1101
— 20) zu, von welchen letztere gemeinschaftlich mit dem Bischöfe
von Regensburg daselbst prägten, weshalb auch ein Stempel
eine Bischofsgestalt zeigt. Von ungarischen Münzen waren nur
wenige Denare von Stefan dem Heiligen und Obolen von Coloman
(1095—1114) vertreten.
Von dieser zweiten Serie besitze ich 21 Stempel und sind
mir durch Abdrücke weitere 6 Haupttypen bekannt. Diese
Münzen sind von besserem Silber als die mährischen, erscheinen
jedoch weit roher geprägt und minder riind, auch manchmal wie
Der Rakwitzer Münzenfimd. 41
mit der Scheere zugeschnitten. Dieselben sind von verschiedener
Grösse, die grössten 24 cm. Die Umschriften sind gänzlich
confus, und gelang mir bisher nicht eine einzige ins Klare zu
stellen. Bei vielen Münzen fehlen die Umschriften gänzlich und
werden Schächerkreuzchen, Rosetten und Kreuzchen an Stelle von
Buchstaben in Anwendung gebracht. Am häufigsten kommt der
mit dem Löwen kämpfende Ritter vor, dann ein Reiter einen
Falken haltend, weiters eine ausgestreckte Hand und zwei Hände
mit S— S (Sanctus Stephanus), eine Vase mit zwei Vögeln, vier
Rinder, zwei Centauren, stehender Ritter mit Fahne und Schild,
Kirchengebäude, Köpfe und Brustbilder nach vorn und im Profil,
eine Bischofsfigur, drei Engel, Adler, Störche, Elypsen, Räder,
Kreuze, endlich gar ein Labarum mit zwei unter demselben
hockenden Gefangenen nach dem Muster der Münzen Constantin
Magn. Die VeröflFentlichung behalte ich mir vor, bis es mir
möglich sein wird in diese sonderlichen Gebilde ein System zu
bringen, was auch mein numismatischer College in Graz, viel-
leicht mit mehr Glück, da er gerade in diesem Fache Specialist
ist, versucht.
Was meine Zutheilungen betriflFt, so weichen dieselben zum
grossen Theile von jenen Prof. Smoliks, zum geringen Theile
von jenen Dr. v. Luschins ab und wird es sich zeigen, ob dieser
bei seiner Publikation der Fortsetzung des Fundberichtes mit
meiner derselben vorangehenden Bearbeitung übereinstimmen
wird, in welchem Falle die Ergebnisse beider für sich selbstän-
digen Arbeiten wohl Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen
dürften.
Hinsichtlich der Bezeichungen im beschreibenden Theile folge
ich den Weisungen des genannten Numismatikers und nenne
„rechts** und „links** objektiv, von den Figuren ausgehend; ohne
nähere Bezeichnung versteht man die Figur in ganzer Positur
nach vorn, ebenso den Kopf oder das Brustbild; gehaltene Gegen-
stände werden nach der Reihenfolge von der rechten zur linken
Hand der Figur bezeichnet; wenn ein Gegenstand ohne Bezeichnung
gehalten wird, befindet er sich in der Rechten; eine glatte Um-
42 Dr. F. Kupido:
rahmung heisst Kreis, eine geperlte, Perlenkreis, ein geöflFheter
Kreis, wenn ein Segment bis zu einem Dritttheil fehlt, sonst heisst
er Halbbogen, ist in der Mitte eine grössere Stärke, Halbmond ;
die gezahnte Einfassung am Rande heisst Zackenrand. Hinsicht*
lieh der Umschriften gebrauche ich zwei Haupt- und zwei Neben-
zeichen. Ist nämlich die Schrift von innen zu lesen, so ge-
brauche ich das Zeichen I, ist sie von aussen zu lesen U, von links
nach rechts ist 1, von rechts nachlinks 2 sonach: Ij, Ig, Hi, Uj.
Die Münzen ohne Beisatz bei den Nummern besitze ich
selbst und habe dieselben selbst gewogen, * bei der Nummer
bedeutet, dass ich dieselben nach Luschins angefangener
Fundsbeschreibung oder nach dessen eingeschickten Zeichnungen
beschrieb. ** bei der Nummer bedeutet, dass ich bei der Be-
schreibung die Tafeln der Pamät. archaeoL und bei Angabe
des Gewichtes die Publikation des Hrn. Prof. J. Smolik benützte.
*** bei der Nummer bedeutet Stücke, deren Abdruck und Zeich-
nung ich der Güte des Herrn Ingenieurs E. Piala verdanke,
die mir derselbe aus seiner Sammlung zu Gebote stellte. Auf
die beiden Münztafeln bringe ich die von Smolik und Luschin
noch nicht publicirten Stücke, dann jene, deren Abbildung mir
hinsichtlich abweichender Zuweisungen wichtig zu sein schien.
Was die Bezeichnung der Anzahl der Stücke der einzelnen
Typen betrifft, so habe ich mich in dieser Hinsicht an die An-
gaben der genannten Herren gehalten.
Schliesslich erlaube ich mir, meinen Dank den geehrten
Herren Adalbert Schierl, Dr. von Luschin und E. Fiala für ihre
freundlichen Mittheilungen und Winke auszusprechen.
Abkürzungen.
Cod. Mor.: Codex diplomaticus et epistolaris, Tom. I.
Olmütz 1836.
Boczek: Boczek Franz. Beiträge zu Mährens Münzen
im Mittelalter in den Mitth. der kk. mähr.-schl. Gesellschaft zur
Beförderung des Ackerbaues etc. 1847 u. 1848.
Cosmas: Cosmas chronica Boemorum.
Der Bakwitzer Münzenfund. 43
Reg.: Erben Carl, Regesta diplomatica nee non epistola-
ria Bohemiae et Moraviae, Tom. I. Prag 1855.
Dudik: Dudik's allgem. Geschichte Mährens, Tom. II u. HI.
Ber. B.: Berliner Blätter für Münz- und Siegelkunde. Tom. V,
mit meinem Aufsatze: Die beiden Eibenschützer Funde. Berlin
1870.
Pamät.: Pamätk]^ archaeologickö a mistopisnö. Tom. XIII,
Heft 7 und 8 mit dem Aufsatze Prof. Smoliks: „Nälez denäru
ceskych a cesko-moravskych u. Rakvic".
Voigt: Adauctus Voigt, „Beschreibung der bisher be-
kannten böhmischen Münzen** Prag 1771.
Dr. A. Luschin von Ebengreuth, „Der Rakwitzer Münzfund''
in der numismatischen Zeitschrift der numismatischen Gesell-
schaft in Wien 18. Jahrg., 2. Heft. Wien 1886.
W. Mon. : Wiener numismatische Monatshefte, III. Band,
Jahrg. 1867 mit meinem Aufsatze pag. 43: Drei unedirte mäh-
rische Münzen Bretislav H.
Wolny. Topographie Mährens von Georg Wolny. Brunn
1838.
U. St.: Unbekannter Stempel.
B) Übersicht der Fundsbeschreibung.
I. Herzogthum OlmUtz.
1. Wratislav U. (1055— u. 1059-1061).
Nr. 1-8 8 St.
Wratislav mit Bretislav II. (vor 1090).
Nr. 9. 10 2 „
2. Otto der Schöne (1061-1078).
^r. 11. iZ» lo. 14. jLü • t),,
3. Konrad v. Brunn als Vormund der Kinder Otto L,
Svatopluk, Otik, Bretislav u. Boleslava.
^r. Xu. 1 f . Xo* ic/ •.•.•..••.•••• 4c,,
i. Boleslav (1090 t 10./8. 1090).
Nr. 20 . 1 „
Transport 20 St.
44 Dr. F. Eapido:
Transport 20 St.
5. Svatopluk (1107-1109).
Nr. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32.
33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43 . . 23
>'
6. Otto IL (Otik) (1107-1110 u. 1113-1125).
Nr. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55.
56. 57. 58 15
7. Wladislav (1120-1125) (Herzog in Böhmen
1109, 1110—18 u. 1120-25).
Nr. 59. 60. 61. 62 4
2. Interregnum (1090).
Nr. 82 1
3. Udalrich (1092—1097 u. 1100—1115).
Nr. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91 9
4. Interregnum (1097—1099?).
Nr. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98 7
5, u. 6. BfetislavII. (nach 1097—1100,
Herzog in Böhmeü 1092—1100).
Nr. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106 .. . 8
J>
J»
8. Sobeslav I. (1125—1126), (Herzog in Böhmen
1125—40).
Nr. 63. 64. 65. 66. 67 5 „
9. Wenzel (1126—1130).
Nr, 68. 69. 70 3 „
10. Heinrich, dessen Bruder (1130—35?).
INF. il* ( Z* io, i*Tt .«.. 4)y
II. Herzogthum Brlinn.
1. Conrad (1061—1092), (Herzog in Böhmen 1092
vom 20. Juni bis 6. September).
Nr. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81 7
j»
?7
V
»
n
Transport 106 St
Der Mttnzenfund von Rakvitz. 45
Transport 106 Stempel.
7. Otto IL, Lehensverweser in Brunn als Vormund
von Wratislav und Spitihnev, Kinder Otiks
(1123-1125).
Nr. 107. 108. 109 3 „
8. Wratislav IIL (1125—29).
Nr. 110. 111 2 „
III. Herzogthum Znaim.
1. Lutold (1092—97 u. 1100—12).
Nr. 112. 113. 114 3 „
2. Interregnum (1097—99).
Nr. 115 j „
3. Sobeslav als Vormund der Kinder Lutolds:
Konrad u. Otto (1112-13).
Nr. 116. 117. 118. 119 4
4. Konrad IL (1123-28).
Nr. 120. 121 2 „
IV. Herzogthum lamnitz.
Svatava Witwe Wratislav II. (1092 f 1126).
Nr. 122. 123 2 „
V. Anhang. Unbestimmte Herzogsmünzen.
Nr. 124 1
Zus. 124 Stempel.
G) Fundbeschreibung.
I. Herzogthum Olmiltz.
1. Wratislav n. als Herzog von Brunn und Olmütz.
(1055 u. 1059—1061.)
Als Herzog in Böhmen (1061—1092), (König seit 1086).
Alle MQnzen dieses Herrschers haben den Zackenrand.
••• Nr. 1. HJ. Kopf über einem Throne im geöffneten Kreise.
Rf. Brustbild nach links ein Kreuz haltend.
HJ. WODATIZL (H,). Rf. WENCAV (Ui).
D. 16 mm. 0,38 Gr. ü. St 1 Stück. (Taf. I, Nr. 1.)
46 ^r, F. Kupido:
* Nr. 2. Hf, Im geöffneten Perlenkreise ein rohes Brustbild
zwischen Punkten.
Rf. Geharnischter Mann eine Lanze haltend, die Linke
in die Seite gestemmt. (Rohe Arbeit.)
Hf. qqWuAIIIVL (IIi). Ä/. cöWENCEILV (II,).
D. 16 mm. 0,41 bis 54 Gr. U. St. 7 Stück. (Luschin
Nr. 1.)
** Nr. 3. Hf. Kleiner bärtiger Kopf im Perlenkreise.
Rf. Stehender Heiliger über einer Art Bühne, bestehend
aus dreifachen punktirten Querbalken, unterstützt von
3 Pfeilern.
Hf, bN±b3CAVbS (IIi). Rf. NbVb — bVbVX (IIi) (Petrus-
Legende? in welchem Falle diese Münze nach Brunn
zu legen wäre).
D. 16 mm. 0,57 Gr. (Pamdt. XIV, 38) U. St. 3 Stück.
(Taf. I, Nr. 2.) Diese Münze wurde nach dem Kopfe,
ähnlich Nr. 9 und mit Bezug auf den Buchstaben 9
(statt R) Wratislaw II. zugetheilt.
** Nr. 4. Hf. Im Perlenkreise ein Brustbild zwischen 2 auf-
ragenden Kreuzchen. Rf. Ein bärtiger Kopf.
Hf. 00 uAWTILV (IIa). Rf. C3Q WEHCEZLV (HO.
D. 16 mm. 0,5—0,6 Gr. ü. St. (Luschin Nr. 4.)
2 Stück.
* Nr. 5. Hf. In einem geöffneten Kreise das Brustbild des
Königs von der rechten Seite, auf dem Haupte die
dreikugelige Krone.
Rf. Im einfachen Kreise und denselben in zwei Stellen
durchbrechend eine Kapelle, mit einer Hand eine in
den Schriftraum hineingehende Fahne segnend.
Hf. QQ WRATISLV (Hl). Rf. ooWENCEZLV (II,).
D. 16 mm. 0,52—0,95 Gr. ü. St. (Luschin Nr. 3.)
13 Stück.
Diese in Böhmen häufig vorkommende, schon von A. Voigt
beschriebene Münze ist nach Böhmen zu versetzen.
Der Rakwitzer Münzciifund. 47
* Nr. 6. Hf, In geöffneten Kreise des Königs Brustbild bis zum
halben Leib, eine dreikugelige Krone auf dem Haupte
und einen Kreuzstab haltend.
Rf. Im Perlenkreise ein Brustbild mit zwei Krummstäben
(Andeutung auf Gründung des Olmützer Bisthums?).
Hf. ^ VATqq 3S. Rf. + RVr/^ TVA.
D. 15 mm. 0,38 Gr. U. St. (Luschln Nr. 5.)
Diese Münze ist in Böhmen unbekannt, und wohl nach
Olmütz zu verweisen, welches Fürstenthum Wratislav im J. 1090
an Boleslaus verlieh. Das Brustbild des Heiligen ist freilich
anderseits dem heil. Nicolaus auf der Münze Lutolds von Znaim
ähnlich.
* Nr. 7. Im geöffneten Kreise das Brustbild des Königs nach
links, auf dem Haupte die dreikugelige Krone.
Rf Im geöflfneten Perlenkreise ein sitzender Mann von
der linken Seite, die Rechte segnend ausgestreckt.
Hf SWEVOAVMVIS (IIi). Rf WEWRAZVi^a (Hi).
D. 15 mm. 0,60 Gr. U. St. (Luschin Nr. 6.) 1 Stück.
* Nr. 8. Hf Wie oben, bei dem Brustbilde zwei Kreuzchen,
statt der Kugeln auf der Krone drei Kreuzchen.
D. 15 mm. 0,45 Gr. U. St. (Luschin Nr. 7.) 1 Stück.
Nachdem Mähren den Polen entrissen wurde, kam es wieder
an Böhmen zurück, wurde jedoch von da an als eine politische
Individualität anerkannt und zur Apanage der jüngeren Prinzen
des Pfemyslidenstammes verwendet. Zuerst belehnte Udalrich
seinen Sohn Bretislav I. mit Mähren (1021). Bfetislav ordnete
als Herzog von Böhmen die Senioratserbfolge an, nach welcher
der älteste Prinz des Hauses den böhmischen Herzogsstuhl zu .
besteigen hätte. In Folge dessen wurde Spitignef H. nach Bf e-
tislavs Tode Grossherzog von Böhmen, während dessen Brüder
Theilfürstenthümer in Mähren angewiesen erhielten. Über das
Rechtsverhältniss dieser Prinzen, von welcher sich jeder auf den
Münzen DVX (nicht princeps) nannte, zu ihrem Familienoberhaupte
in Prag wissen wir nichts näheres. Dass dieselben Münzen prägten,
auf welchen nur ihr Name und jener des Landespatrons, welcher
48 Dr. F. Kupido:
in Brunn und Znaim nicht der heil. Wenzel war, sondern der
heil. Petrus und Nicolaus, ist durch von mir im J. 1870 in den
Berliner Blättern f. M.- u. S.-K. V. publicirten beiden Eiben-
schitzer Funde aus den J. 1861 u. 1865 betreffs Brunn und Olmütz
dargethan worden.
2. Wratislav IL mit Bretislav 11.
Die Münzen dieser Herrscher haben den Zackenrand.
* Nr. 9. Im Perlenkreise ein kleiner bärtiger Kopf mit straffen
in der Mitte gescheitelten Haaren (Wratislaw).
Rf, In einem geöffneten Kreise ein bärtiger Kopf im
linken Profile mit langem Kreuzstabe, in den Schrift-
raum ragend. Der Stab theilt den Buchstaben B in
1-3.
Ilf, WR.ATCLVC (lli). i?/. I3ACZVAV aDV f (Ii).
D. 16 mm. 0,4, 0,53, 0,573 nach Luschin 0,47—
0,55. (Luschin Nr. 9.) 193 St. (Tafel I, Nr. 3.)
Dr. V. Luschin veröffentlicht noch neun in den Umschriften
abweichende Stempel.
Diese gut gearbeitete Münze scheint die Porträts der
beiden Fürsten zu bringen und entspricht der martialische Aus-
druck des Kopfes dem Herzog Wratislaw als Haudegen voll-
kommen. Von einem Theilfürstenthum, welches Bfetislaw er-
hielt, wissen die Geschichtsquellen nichts, es ist demnach immer-
hin möglich, dass diese Münze böhmischen Ursprunges ist und
dieselbe die Besitznachfolge des Lieblingssohnes Wratislaws mit
anbahnen sollte, der sich freilich undankbar genug dafür be-
nahm. Der Umstand, dass diese Münze im Schlaner Funde häufig
vertreten war, spricht ebenfalls für diese Annahme.
* Nr. 10. Uf. Im Perlenkreise ein ähnlicher Kopf wie oben,
jedoch grösser. Rf. In einem Kreise ein bärtiges
jugendliches Brustbild in antiker Gewandung im
rechten Profile. Hinter dem Halse ein Sternchen.
Hf. MNdCAECVJSC f dACMES • Rf. SWCESdOFAALXEMJNVS.
Eine nicht leicht zu enträtbselnde Legende, die einem rieb-
Der Rakwitzer Münzenfand. 49
tiger gestellten Urstempel nachgeschnitten sein dürfte. Ob die
Zeichen CAECVJ als SAECVL jene CESdO als DESPOTE zu lesen
seien, mag ebenso zweifelhaft sein als die Lesart: SVACEOPX
123466 7 8
SEVDLAON REM Svaceop. Seularchon Bern (?).
123646 78 123
D. 16 mm. 0,50—0,70 Gr. U. St. (Luschin Nr. 4.)
8 St. (Taf. I, Nr. 4.)
Nach den beiden Brustbildern, die mit jenem des Stempels
Nr. 9 sehr ähnlich sind, ist zweifellos diese Münze Wratislaw IL
zuzuweisen; freilich müsste, falls dieselbe eine Säcularmünze
wäre, das jüngere Brustbild ebenfalls diesen Fürsten darstellen.
3. Otto der Schöne, Herzog v. Olmütz (1061—1078.)
Alle Münzen dieses Herrschers haben den Zackenrand.
Nr. 11. HJ. Der Herzog von der linken Seite mit dreischlitziger
Fahne.
RJ, Brustbild nach rechts vor sich ein Kreuz haltend im
geöffneten Kreise.
///; QUO — DVX (IIi). Rf, WEMCEMSVa? (HO-
D. 16 mm. 0,69—0,75 (nach Luschin 0,57—0,67 Gr.)
U. St. (Luschin Nr. 33.) 28 Stücke. (Taf. I, Nr. 5.)
Nr. 12. Der stehende Herzog mit Lanze, die Linke in die
Seite gestemmt.
RJ. Im geöffneten Kreise ein Brustbild nach rechts mit
Kreuzstab.
HJ, OTTO — OVAX RJ. coWEMCAESAA- oder
coWENCAmSAA •
D. 15 mm. 0,53 Gr. (Nach Luschin auch 0,53 Gr.)
6 Stück.
Diese Münze ist in den Berliner Bl. Tom V, pag. 129 von
mir beschrieben worden, indem dieselbe in einem Exemplare im
zweiten Eibenschitzer Funde vertreten war, jedoch mit der Um-
schrift c/jWENCEIAA, dieselbe wiegt 0,73 Gr.
Zeitoehrift ftir NamicmatUE. XVI. 4
50 Dr. F. Kupido:
Ein ähnlicher Stempel mit *OTTOD AXf (II,) un i
SCSAAECNFVI f (Pam. XIV, Nr. 50.)
Nr. 13. Hf. Kopf nach links mit spitzer Nase im Perlen-
kreise.
Rf. Geflügeltes Brustbild im Perlenkreise.
Hf. OTTO SEBAAS DEI (10- Rf coWEMCEojLL (II,).
D. 16 mm. 0,61 (nach Luschin 0,52— 0,71) Gr.
daselbst vier Varietäten (Luschin Nr. 35.) 85 Stück.
Mein Stück aus dem zweiten Eibenschitzer Funde
hat statt D— > und wiegt 0,66 Gr.
Der Profilkopf auf dieser Münze dürfte das Porträt dieses
friedliebenden Fürsten darstellen, der sich durch kirchliche Stif-
tungen und Bauten bei der Geistlichkeit sehr beliebt gemacht
hatte.
Nr. 14. Hf. Der Herzog am Thronsessel im geöffneten Kreise
die dreischlitzige Fahne haltend. Rf Brustbild des
Heiligen, in jeder Hand ein Kreuz (rohe Arbeit).
Hf t OTTO DVX (10. Rf WEVCVESVAS. (H,)
D. 15 mm. 0,74 u. 0,64 (nach Luschin 0,48— 0,67) Gr.
U. St. (in 4 Var. Luschin Nr. 36.) 23 Stücke.
**♦ N. 15 Uf Kreuz mit vier Knöpfchen in den Winkeln,
vier Köpfe nach vorn in runder Einfassung.
Rf Rechte Hand von der flachen Seite gesehen sammt
Aermelansatz, darin ein Punkt in runder Einfassung.
///. + - Aü. AX (I,).
Rf coOPIcoVCf (I,)
16 mm. 0,6 Gr. 2 Stck. (Pamät. XII, 6.) (Luschin
Nr. 131.)
Ich lege diese Münze Otto I. bei, da ich eine gleiche Münze
aus dem zweiten Eibenschitzer Funde besitze, welche die deut-
lichen Umschriften auf der Hf. OTTO DV — f und auf der Rf.
coTTA t lAOlMD zeigt.
Otto gründete mit seiner Gemahlin Eufemia das Benedik-
tinerstift Hradisch, im J. 1078. (C!od. 182 u. 183.)
Der Rakwitzer Münzenfund. 51
Nach der Hradischen Chronik wurde dieser Stifter auf dem
Friedhofe von Cemowier begraben, später aber in der Kloster-
kirche Hradisch in einer Gruft beigesetzt, die wahrscheinlich
durch die Hussitten zerstört wurde. Noch zeigt eine grosse
schriftlose rechteckige Sandsteinplatte den Eingang in die Gruft
an, welche von dem früheren Feldvicar P. Lang besehen, jedoch
leer gefunden wurde. In der Pfarre sollen sich noch Reliquien
der vier Gründer des Klosters (Otto, Eufemia, Swatopluc und
Wenzel befinden).
Dass die oben beschriebenen Münzen Otto dem Schönen
und nicht dessen Sohn Otik zuzuschreiben sind, wurde in der
gedachten Publikation über die beiden Eibenschitzer Funde nach-
gewiesen, in welchem auch der seltene Stempel mit dem Kopfe
Ottos, bedeckt mit einem Turban, und dem Arme mit einer Lanze
in einem Stücke vertreten war.
4. Conrad von Brunn
als Vormund der minderj. Kinder Otto I: Swatopluk, Otik,
Bretislaw und Boleslawa mit deren Mutter Eufemia.
*♦ Nr. 16. HJ. Stehende Figur nach links ein Kreuz vor sich
haltend im Perlenkreise.
RJ. Bärtiges Brustbild zwischen zwei Punkten im ge-
perlten Halbmonde.
HJ. SCaETOEV + (Ui) S(vatopluc) C(onrad) BET (Bre-
tislaw) O(tto) EV (Eufemia). RJ SVASSCTAV f SVA
(Svatopluc) aS (Bretislaw) CT (to) AV (Eufemia).
D. 17. Gew. 0,56 Gr. U. St. (Pamit. XIV, 56.)
(Luschin 114.) 1 Stück.
Nr. 17. HJ Vier ins Kreuz gestellte Köpfe innerhalb eines
Kreuzes von vier Sceptern gebildet, paarweise gegen-
einandergekehrt, im Perlenkreise.
RJ. Sitzende Figur nach links mit beiden Händen ein
langes Kreuz vor sich haltend.
52 Dr. F. Kupido:
Hf. SC O o MLVAVS f (D,) (Conradus). Nach Smolik
irrig NICOLAVS). Rf, SW3T03V30 (IIa) (Svatopluc
Otto, Eufemia Ottonis).
D. 17, 0,57 u. 0,6 mm. U. St. (Pam&t. XIV, 28.)
(Luschin 116.) 8 St. (Taf. I, Nr. 9.)
Nr. 18. Wie oben die Köpfe nach vorn. Rf. wie oben, das
Kreuz kürzer wie bei Nr. 17.
Rf. + aaVRALAS (Ii) Conradus. Rf. + 8ATBM0ES f (Ii).
SVAT . CON . O . E . S(ENIOR?)
D. 18 mm. 0,59 Gr. U. St. (Pamät. XIV, 29.)
(Luschin 117). 2 St. (Taf. I, Nr. 10.)
*** Nr. 19. Hf. Köpfe wie bei Nr. 17 aber nach vorn. Rf Knie-
bild mit Fahne ähnlich einem Schlüssel, neben dem
Leib je ein Ring.
Hf X ZVATOSSV (IIa). Rf f VAENCEILA (I,).
D. 15 mm. 0,41 Gr. U. St. (Luschin 57.) 1 St.
(Taf. I, Nr. 8.)
Es ist sonderbar, dass diese Münzen von den beiden unten
erwähnten Münzen Svatopluc und Eufemia abweichen, ungeachtet
dieselben in den Jahren nicht weit aus einander stehen können,
was die Vermuthung herbeiführt, dass in Mähren damals für
Olmütz mindestens zwei Münzstätten bestanden haben mögen,
und diese Münzen demnach in der Kostler Münzstätte Konrads,
jene jedoch später in der Olmützer Münzstätte geprägt wurden,
als die Vormundschaft des Herzogs Konrad schon aufgehört
hatte, da dessen Name auf jenen zwei Münzen nicht mehr
vorkommt.
5. Boleslaw von Olmütz (1090, f 10./8. 1090).
***Nr. 20. Hf Bärtiger Kopf im Perlenkreise.
Rf Kopf über einem Throne im geöffneten Kreise.
Hf: t WENUSLVA (II,) (Wenceslaw).
Rf BOILLAV . + • (I2) (Boleslaus.)
D. 15 mm. 0,35 Gr. U.St. 1 Stück. (Luschin 129.)
(Taf.I, Nr. 11.)
Der Rakwiizer Mttnzenfünd. 53
In den Berliner Bl. Tom. V, pag. 149 wird aus dem ersten
Eibenschitzer Funde eine gemeinschaftliche Münze mit Wratisr
law IL beschrieben. Wratislaw IL gerieth nämlich mit Herzog
Conrad und obigen Minderjährigen in Streit, besetzte Olmütz,
vertrieb die Kinder Otto I. mit ihrer Mutter Eufemia und setzte
seinen Erstgeborenen aus der dritten Ehe Boleslaus als Fürsten
von Olmütz ein (1090). Nach dessen Tode kamen in Folge
der Aussöhnung Wratislavs mit Konrad, welche der Verrath
des Prinzen Bretislaw herbeiführte, die Prinzen wieder nach
Olmütz zurück und blieb Herzog Conrad Vormund bis zur Gross-
jährigkeit Svatoplucs (1095). Diese Münzen des Eibenschitzer
Fundes zeigen auf der Hf. den gekrönten König Wratislaw, auf der
Ä/. den Herzog Boleslaus mit Lanze. (Dudfk II, p. 448. Cod. 187.)
6. Svatopluk, Herzog von Olmütz (1095—1107,
Herzog in Böhmen 1107—1109).
Sämmtliche Münzen dieses Herrschers haben den Zackenrand.
** Nr. 21. Hf. Der auf dem Thron sitzende Herzog mit einer
dreitheiligen Fahne ähnlich einem Schlüssel (wie bei
Nr. 19) im geöffneten Kreise.
RJ. Ein Arm mit Ärmel ein Kreuz haltend im Perlen-
kreise, über welchem das Kreuz hervorragt.
Hf, IVATOPVLX (H,). Ä/. VEMCE I LAV (II,).
D. 16 mm. 0,48 Gr. U. St. (Pamdt. XII, 34.
Boczek, Mitth. 1848, Nr. 1.) Luschin 38. 2 Stück.
(Taf. I, Nr. 7.)
Wegen der Ähnlichkeit der Fahne mit Nr. 19 wird diese
Münze als die älteste dieses Herzogs bezeichnet werden können.
Nr. 22. Hf, Stehender Herzog mit langem Gewände nach
rechts vor sich ein Kreuz haltend. Rf, Sitzender
Heiliger, in jeder Hand ein Kreuz.
Hf lAbAV — SZVA (II,) Rf, WJUSAJAVI f (Ii) (Wences-
laus?)
D. 16 mm. 0,449 Gr. ü. St. (Pamät. XII, 28.)
(Luschin 37.) 8 St. (Taf. I, Nr. 6.)
54 I>r* F« Kupido:'
Nr. 23. Hj. Stehender Herzog in geöffnetem Kreise mit
Schwert.
RJ. Rechter Arm mit Ärmel einen Speer haltend im
Kreise. Die Spitze über den Kreis ragend.
HJ. ZVATOPLLC (HO jR/. WENCEZLAVS (UO-
D. 16 mm. 0,48 Gr. ü. St. (Pamät. XH, 33.)
(Luschin 39.) 17 Stück.
Nr. 24. HJ. Stehender Herzog mit Speer im offenen Kreise.
RJ. Brustbild der Heiligen zwischen •> im Kreise.
HJ SVATOPIVC (Hl). RJ VENCEZLAVS (IIi).
D. 16 mm. 0,585 Gr. U. St. (Pamät. XII, 24.)
(Luschin 40.) 31 Stück.
* Nr. 25. HJ Kopf im Perlenkreise. RJ. Kopf im rechten
Profil im Perlenhalbmonde.
HJ IVATOPVLL (IIi). RJ WENCESLAVS. (II,\
D. 17 mm. 0,48—0,66 Gr. U. St. (Luschin 41.)
6 Stück.
Nr. 26. HJ. Salvatorkopf im Kreise, auf demselben oben,
unten und auf beiden Seiten je drei Punkte.
HJ, Brustbild nach rechts einen Kreuzstab schräge haltend.
HJ SVAT0PC3DV f (Hi). RJ M3NCENTAVSSV (H).
D. 17 mm. 0,535 Gr. U. St. (Pamät. XU, 23.)
(Luschin 46.) 22 Stück.
Nr 27. HJ Stehende Figur im geistlichen Gewände ein Kreuz
und einen Spritzwedel (?) haltend.
RJ. Kopf mit langen Haaren, rechts ein punktirter Stab,
unten ein Spritzwedel (?).
HJ SAV±0 - ose (10. RJ t WLR — 3CV. (ly
D. 16 mm. 0,505 Gr. U. St. (Pamit. XII, Nr. 25.)
(Luschin 55.) 12 Stück.
** Nr. 28. HJ. Bärtiger Kopf mit spitzigem Hute im Perlen-
krcise.
RJ. Ein sich umsehendes Lamm mit Heiligenschein ein
Kreuz haltend.
Der Rakwitser Mttnzenfund. 55
Hf. SVAAO — ±S0 t (10. Rf. ödWENCEZLVA {!,).
D. 17 mm. 0,62 Gr. ü. St. (Pamät. XU, 26.)
(Luschin 49.) 1 Stück.
* Nr. 29. Hf. Sich umsehendes Lamm ein Kreuz haltend mit
Heiligenschein. Rf. Brustbild des Herzogs nach
rechts im Habit mit einer spitzen Mütze, oben mit
einem Knopfe, einen Speer vor sich haltend.
Hf nSVETOPVX (I,). Rf WENCEZWS (IJ.
D. 18 mm. Gew. 0,6 Gr. (Luschin 48; bereits
bei Boczek 1848.) 1 St.
Nr. 30. Hf. Bärtiger Kopf nach rechts über einem viereckigen
Throne im geöflfneten Kreise. Rf Kopf mit -der
Bischofsmütze im Kreise.
Hf IVATOPWC (Hl) Rf SWENCEILSAV (Ii).
D. 16 mm. 0,445. 0,453. 0,504. 0,507. 0,511.
0,525. 0,537 Gr. U. St. (Pamät. XH, 27.) (Luschin
42.) 91 Stück.
Nr. 31. Hf Brustbild mit Kappe, auf der Brust zwei Punkte,
hinter der Schulter gehen zwei Stäbe schräg nach
oben auseinander, im punktirten Kreise.
Rf Stehender Heiliger nach rechts mit Kreuzstab. Ohne
Zackenrand.
Hf wAVTOPL . . . VX (U,). Rf AICEN ... AAS (I,).
D. 16 mm. 0,52 Gr. U. St. (Pamät. XII, 29.)
(Luschin 50.) 3 St.
Nr. 32. Hf Zwei Brustbilder gegen einander gekehrt, ein
Kreuz haltend über einem geperlten Halbmonde.
Rf Brustbild im linken Profil mit Kappe ein Kreuz vor
sich haltend im geperlten Halbmonde.
///. IVATOPVCC (IIi). Rf SWENCIC1L (H,).
D. 16 mm. 0,49. 0,523 Gr. U. St. (Pamät. XII,
35.) (Luschin 56.) 21 St.
Nr. 33. Hf Sitzender Herzog mit Lanze und Belehnungsbrief
(?) über einem Halbmonde. Rf Brustbild des Hei-
ligen im geöffneten Kreise.
56 I>r- F« Kupido:
Hf. ZSKTOVNUj (Hl). Rf. WENCEIAVAS (10.
D. 15 mm. 0,535 Gr. (Boczek Mitth. 1848.)
(Luschin 54.) 2 Stück.
Von diesem häufigen, sicherlich mährischen Stempel wurden
im J. 1840 über 4000 Stück bei Olmütz gefunden, in welchem
Schatze sich auch jene zwei Unica der Fürstin Eufemia mit
Svatopluk und Eufemia mit Otto fanden, die eine ganz gleiche
Fabrik aufwiesen. Diese zwei kostbaren Stücke erstand ich
aus dem Nachlasse meines genannten Lehrers in den 50er Jahren,
dieselben gingen dann in die Sammlung des Baron Maretich
über (Cat. Mar. 8033 und 8034), und befinden sich jetzt in einer
Prager Sammlung. Die Beschreibung in diesem Kataloge ist
nicht ganz genau, weshalb ich dieselbe in den Berliner Bl. V,
pag. 137 richtig stellte.
Nr. 34. Hf, Kopf nach links im Perlenkreise.
Rf, Brustbild mit anliegenden Flügeln, unten in einen
Haken ausgehend.
HJ, ZAVTOPVLC t (Ii). RJ^ SERVVS DEI (I^).
D. 14 mm. 0,43 Gr. U. St. (Pamät. XII, Nr. 30.)
(Luschin 44.) 9 St.
Nr. 35. llf. Wie oben. Rf, Wie oben. Beim Kopfe zwei
Punkte.
HJ, S>3±O0Vc/3OV t (II,). Ä/ SVI03WC0IVS (I,).
D. 17 mm. 0,62. 0,63 Gr. ü. St. (Pamit. XII,
31.) (Luschin 45.) 33 St.
** Nr. 36. Hf, Kopf nach links im Perlenkreise. JB/. Kopf
über einem viereckigen Throne, darin ein Punkt
über dem geöffneten Perlenkreise.
Hf, IVATIS8V0X (li). Rf, SMENCEICVA (Ii).
D. 16 mm. 0,5 Gr. U. St. (Pam&t. XH, 32.)
(Luschin 43.) 5 St.
** Nr. 37. IIJ, Stehende Figur nach links mit Stab mit zwei
Kugeln verziert.
Rf, Stehender Herzog mit Lanze und Schild im Perlenkreise.
Der Rakwitzer Münzenfund. 57
Hf, SuVTOAVOS (nO /?/ MENCEZLVA (I,).
Das Zeichen u schliesst sich an den Stab derartig
an, dass derselbe zu einer Art Sense wird.
D. 14 mm. 0,5, 0,6 Gr. U. St. (Pamät. XII, 36.)
(Luschin Nr. 130.) 5 Stück.
Ganz eigenthümlicher Stempel von vielleicht böhmischem Ge-
präge, den ich diesem Herzog ungeachtet der mangelhaften Um-
schrift zuschreibe so lange nicht die Legende vollständiger zum
Vorschein kommt, als auf dem von Prof. Smolik abgebildeten
und beschriebenen Stücke.
Nr. 38. Hf. Brustbild nach rechts in dichter Gewandung, vor
demselben ein Kreuz.
Rf. Stehender Herzog, die Hände nicht sichtbar.
Der Zackenrand beiderseits nur schwach sichtbar.
D. 15 mm. 0,50. 43. 0,393 Gr. ü. St. (Pam&t.
Xn, 38.) (Luschin 53.) 54 St.
** Nr. 39. Ilf, Brustbild nach rechts mit Herzogshut, hinter
demselben zwei Punkte im Perlenkreise. Rf, Brust-
bild des Heiligen mit Kappe nach links in der Hand
ein Kreuz im geöffneten Perlcnkreise.
Hf, SVATOPLC (Ii). Rf. WENCEZVAS (I,).
D. 15 mm. 0,73 Gr. ü. St. (Pam&t. XII, 40.)
(Luschin 52.) 5 St.
** Nr. 40. Hf. Bärtiger Kopf nach rechts im Perlenkreise.
Rf Bärtiger Kopf von vorn im Pcrlenkreise.
Hf SAVTOdAAV f (HO- Rf MENCEoo LVA (IJ,
D. 16 mm. Gew. 0,50 Gr. ü. St. (Pam&t. XIV, 47.)
(Luschin 47.) 1 St.
** Nr. 41. Hf Brustbild mit Heiligenschein zwischen zwei
Kreuzen im Perlenkreise. Rf Brustbild nach rechts
mit Kappe, vor sich einen Speer haltend. Im Kreise
rechts und links drei Punkte. Beiderseits schwacher
Zackenrand.
58 I>r. F. Kupido:
Hj. SVAL + OPVA + (Ii). Ä/. WENCEZrVAS f (Ii).
D. 17 mm. Gew. 0,60 Gr. U. St. (Pamät. XIV, 48.)
(Luschin 51.) 1 St.
** Nr. 42. Ilf. Kopf nach links im Perlenkreise.
HJ. Stehender Herzog mit herabhängenden Rockärmeln
im geöffneten Kreise.
jR/. t ±IONVSSV (Ii) (Dionisius?) RJ, CW>VPOC± (HO
(Svatopluc.)
D. 17 mm. Gew. 0,45 Gr. U. St. (Pamät. XIV,
Nr. 55.) (Luschin 126.) 1 St.
** Nr. 43. nj. Brustbild bis zum halben Leib in Einfassung,
über der Schulter je ein Punkt und auch ein solcher
unten am Zackenrand.
JB/. Der Heilige nach rechts, hinter dem Kopf ein Punkt,
vorn f, in Einfassung.
IIJ. t LVATOPSO (I2). Ä/. WENCEZJVS (IIi).
D. 16 mm. Gew. 0,39— 0,59 Gr. U. St. (Luschin 58.)
3 St. (Taf. I, Nr. 27.)
Inwieweit unter den obigen Münzen auch solche vom böh-
mischen Gepräge zu finden sind, ist schwer zu sagen, da fast
keiner dieser Stempel bisher in böhmischen Funden vertreten
war, es scheinen sonach sämmtliche Stempel mährische Prä-
gungen zu sein und wären dieselben dem Herzog Soatoplok als
Fürsten von Olmütz beizulegen.
OttoIL (Otik) (1107—1110 u. 1113-1126).
** Nr. 44. HJ. Stehender Herzog mit Speer nach rechts.
Rf, Kopf nach links im Perlenkreise.
UJ. 0±±ODAXX (lli). RJ. SWENCEZLASo.
D. 17 mm. 0,7 Gr. U. St. (Pam&t. XIV, Nr, 1.)
(Luschin 62.) 1 St.
** Nr. 45. HJ. Roher Kopf nach links, dabei drei Punkte.
Rf. Der Herzog mit Speer in der Linken.
Der Bakwitzer Mttnzenfund. 59
77/: t O . 03VXD (11,). Rf. bECES • • • S f (Ui)-
D. 16 mm. 0,52 Gr. U. St. (Pamät. XIV, Nr. 2.)
(Luschin 74.) 6 St.
** Nr. 46. Hf. Kopf nach rechts über einem Throne im Perlen-
kreise.
Rf. Der Heilige in dicker Gewandung im geöflfneten Perlen-
kreise.
Hf. OTTOaVX (IIi). Rf. S3SW3N03ZJCI (II^).
D. 16 mm. 0,68 Gr. ü. St. (PamÄt. XIV, Nr. 3.)
(Luschin 71.) 4 St.
** Nr. 47. ///. Kopf über einem Throne im Perlenkreise.
Rf Sitzende Figur des Heiligen nach links mit Fahne
und Sternchen.
Ilf 0±±ODAXX (Hl). Rf SOWENCEI^AVS (IJ.
D. 18 mm. 0,6 Gr. U. St. (Pamit. XIV, Nr. 4.)
(Luschin 73.) 3 St.
Nr. 48. Hf Kopf nach links im Perlenkreise.
Rf. Geflügeltes Brustbild im Perlenkreise.
Hf OJJ.ODAXX (II,). SoyVENCErrASo (I,).
D. 17 mm. 0,64 Gr. U. St. (Pamdt. XIV, Nr. 5.)
(Luschin 70.) 57 St. (Taf. I, Nr. 15.)
Auf dieser Münze scheint des Herzogs Porträt abgebildet
zu sein. Die Rückseite ist eine Nachahmung der seryns Del
Münzen Otto L
** Nr. 49. Hf Drei Commandostäbe mit drei Knöpfchen (Pusi-
cani) im Perlenkreise. Rf Brustbild des Heiligen im
linken Profile, die Hand erhoben, im Perlenkreise.
Hf f OTTOaVX (II,). Rf SWEMCEZLVS (I,).
D. 18 mm. 0,83 Gr. ü. St. (Pamät. XIV, Nr. 6.)
(Luschin 76.) 2 St. (Taf. I, Nr. 14.)
Da Otto II. zu dem ungarischen Reiche in Beziehung stand,
so ist die Übernahme des auf ungarischen Münzen vorkommen-
den Typus erklärlich.
♦* Nr. 50. Hf. Brustbild nach rechts mit Schwert im Perlen-
kreise.
60 Dr. F. Kupido:
J?/. Sitzender Herzog mit Speer. Beiderseits ohne Zacken-
rand.
Hf. f OTTO aVX (II2). Rf. f S9S VV333JAS (Ig).
D. 16 mm. 0,72 Gr. ü. St. (Pamät. XIV, Nr. 7.)
(Luschin 68.) 1 St.
** Nr. 51. Hf. Salvatorkopf im Perlenkreise. Rf. Brustbild des
Heiligen mit Kreuz und Buch. Beiderseits ohne
Zackenrand.
Hf t OTTO 3VX (n^). Rf SWENESAS (I^).
D. 16 mm. 0,65 Gr. U. St. (Pamät. XIV, Nr. 8.)
(Luschin 75.) 3 St.
** Nr. 52. Hf Brustbild nach rechts mit Mütze und Paludamentum
im geöffneten Perlenkreise. (Ohne Zackenrand.)
Rf Salvatorkopf im Perlenkreise. Schwacher Zacken-
rand.
Hf OTO DAXb (II2). Rf f VENCEZLVAS (I^).
D. 16 mm. 0,54 Gr. U. St. (Pam&t. XIV, Nr. 9.)
(Luschin 64.) 5 St.
** Nr. 53. Hf Salvatorkopf zwischen zwei Punkten im Perlen-
kreise.
Rf Der Herzog bis zum halben Leib nach links mit Speer
im geöflFnetem Perlenkreise.
^. t a T0T09. Rf t aoToaa (n,).
D. 16 mm. 0,65 Gr. ü. St. (PamÄt. XIV, Nr. 10.)
(Luschin 65.) 14 St.
** Nr. 54. Hf Brustbild des Herzogs mit Lanze im Perlenkreise.
Rf, Ein Fisch.
Hf t OTTOaVX (11,). Rf t 0WI3 • • • (10-
D. 16 mm. 0,58 Gr. ü. St. (Pamdt. XIV, Nr. 11.)
(Luschin 69.) 1 St.
Diese Münzen scheinen Olmützer Gepräge zu sein und ist
kaum anzunehmen, dass der Buchstabe B Brunae bedeutet;
wahrscheinlich ist derselbe ein verunglücktes D(VX), denn sonst
müssten auch die Voimundschaftsmünzcn dieses Herzogs diesen
Buchstaben tragen, viras nicht der Fall ist.
Der Rak witzer Münzenfund. 61
Die Münzen ohne Zackenrand scheinen nach 1113 geprägt
zu sein. Den Fisch deutet Ph. Smolik auf Christus.
*** Nr. 55. Ilf, Brustbild im linken Profile ein Kreuz vor sich
haltend im geöffnetem Perlenkreise,
Rf, Stehender Krieger mit Schwert und Schild einen auf-
recht stehenden Wolf bekämpfend, unter der rechten
Schulter zwei gekreuzte Stäbe oben mit Kugeln, alle
in einem Perlenkreise.
Hf. OTTO . D . X (Ii). Rf. ALZ3LAVC I (Wenceslaus) (II,).
D. 17 mm. 0,56 Gr. U. St. (Luschin 66.) 1 St.
(Taf. I, Nr. 12.)
*** Nr. 56. Hf. Sitzender Herzog mit Lanze, unter den Füssen
ein deutlicher Rhombus; alles in Perleneinfassung.
Rf, Kopf der Heiligen zwischen zwei Kreuzen.
Hf XA . . O . mX • (Ii). Rf f Sä- • VPC (IIi).
D. 17 mm. 0,54 Gr. ü. St. (Luschin 77.) 1 St.
(Taf. I, Nr. 13.)
* Nr. 57. Hf Brustbild mit geschultertem Schwerte in der
Rechten im Perlenkreise. Rf, Kopf nach links über
einem Throne.
Hf lAVH CCW8D8 f (Hi). Rf OTTO CV f (II2).
D. 16 mm. Gew. 0,62 Gr ü. St. (Luschin 72.)
2 St. (Taf. I, Nr. 16.)
* Nr. 58. Hf Brustbild nach rechts ein Kreuz haltend, im
Kreise.
Rf Sitzender Herzog ein Schwert haltend, eine Mütze
auf dem Kopfe.
HJ, 0±±03V t (IIi). Rf SCSAAENCE • • V (Ii).
D. 16 mm. Gew. 0,61 Gr. ü. St. (Luschin 67.)
1 St. (Taf. I, Nr. 17.)
7. Wladislaw L (1120—1125)
(als Herzog in Böhmen 1109, 1110—18 und 1120—25).
Die Münzen dieses Herrschers haben nur einen schwachen
oder keinen Zackenrand.
62 I>r- F. Kupido:
** Nr. 59. Ilf, Brustbild mit lockigem Haare, nach rechts mit
Fahne und Schwert.
jR/. Brustbild des Herzogs mit Fahne (als Herzog von
Olmütz).
Hf, DX WnLADZAVS • X. Rf. f SD XWLADILVAS f.
D. 16 mm. 0,68 Gr. U. St. (Pamdt. XU, Nr. 41.)
(Luschin 74.) 74 St.
Nr. 60. Hf. Zwei Thürme, oben Kugeln, dazwischen ein
schlanker Thurm mit Kreuz im Perlenkreise.
Hf. Eine Teufelsfratze mit Hörnern nach rechts im Perlen-
kreise. Schwacher Zackenrand.
Ilf. V.-.JvVvDv|vZ.-.L.-.V-A:S (II^). Rf. f SATA-
HAVS oder SATAN AVS (Satanas).
D. 16 mm. 0,63 Gr. U. St. (Pamdt. XH, Nr. 42.)
(Luschin 85.) 4 Stück. (Taf. I, Nr. 19.)
Dieser sonderbare Stempel giebt nicht wenig zu denken.
Wenn man bedenkt, mit welcher List und Brutalität Wladislaw
seinen Vetter behandelte, indem er denselben zuerst za sich
gelockt und am 13. Juli 1110 in Ketten nach Wisegard und
später auf Bttrglitz als Gefangenen abführen liess, so ist es nicht
unmöglich, dass ein dem Otto H. ergebener Münzmeister aus
Rache diesen Stempel schnitt, der von Stempel Nr. 59 so gänzlich
abweicht. Erst im J. 1113 kam Otto IL in Freiheit und wieder
auf den Fürstenstuhl. Da die Münze Nr. 60 des Zackenrandes
wegen älter als die mit 59 bezeichnet sein mag, so könnte die-
selbe vielleicht auch von Otto II. selbst geprägt worden sein
in Folge der ausgebrochenen Zwistigkeiten mit Wladislav, sonach
vor dessen Gefangennahme. Cosmas sagt uns von der Ursache
dieses Zwistes nichts. Könnte dieselbe nicht vielleicht in dieser
Münzprägung ihren Grund haben? Luschin bringt die Darstellung
mit den schrecklichen Naturereignissen im J. 1118 und 1119
in Zusammenhang.
'*' Nr. 6L ^. Reiter nach links mit der Lanze einen liegenden
Mann durchstechend. Rf. Heiliger im linken Profile
mit Kreuz, die Bechte erhoben.
Der Rakwitzer Münzenfund. 63
Hf. MLADI . . . A • TZ/ W . N(CEZLAVS) (I,).
D. 15 mm. Gew. 0,60 Gr. Bekannter böhmischer
Herzogsstempel. (Luschin 83.) 1 St. (Taf. I, Nr. 18.)
***Nr. 62. Ilf, Figur zum Kampfe gerüstet, mit Schwert und
Schild, unter dem Arm: V.
Rf, Reiter nach links. Die Inschriften verwischt.
D. 15 mm. 0,68 Gr. (bei H. E. Fiala.) 1 St.
(Taf. I, Nr. 20.)
8. Sobeslav I. (1125—1126)
(als Herzog von Böhmen 1125—40).
Die Münzen dieses Herrschers haben keinen Zackenrand.
Nr. 63. Hf, Jugendliches Brustbild im Paludamentum nach
links, vor sich ein Schwert haltend, im Perlenkreise.
Rf. Brustbild des Heiligen im Paludamentum, rechts ein
Stern im Perlenkreise,
Hf t ZSOBEZLAVS (Ii). Rf f SVENCEZLAVS (t).
D. 15 mm. 0,62 Gr. U. St. (Pamdt. XIV, Nr. 13.)
(Luschin 87.) 58 St. Luschin publicirt diesen Stempel
mit WENCEZLAVS auf beiden Seiten.
***Nr. 64. Desgleichen,dieUmschriftfängtjedoch hinter dem Kopfe
der Figur an: SOBEZAVS. D. 16 mm. 0,52 Gr. 1 St.
Nr. 65. Hf Brustbild wie oben, jedoch ein Kreuz haltend.
Rf Kopf wie oben zwischen 2 Kreuzchen.
Hf ES009ZVN . VS (I^). Rf SCVNCEZ AAVS f.
D. 16 mm. Gew. 0,62 Gr. ü. St. (Luschin 89.) 1 St.
(Taf. II, Nr. 48.)
Nr. 66. Hl. Brustbild mit Fahne und Schild im Perlenkreise.
Rf Jugendliches Brustbild mit Fahne und Schwert im
linken Profile im Perlenkreise.
Hf SOBEZAVS D f Oi). Rf WENCEZLAV (Ii).
D. 16 mm. 0,61. 0,52. 0,72 Gr. U. St. (Pamat
XIV, Nr. 16.) (Luschin 92.) 13 St.
Die Verstellung ist wie bei Wladislaw L Nr. 59.
64 I>r. F. Kupido:
Es kommt dieser Stempel auch mit den Umschriften
SWENDEZLAVS n VVEZC3NLAV
und: tDVIlOEIAVS. f SAVVC-A.VPS vor.
** Nr. 67. Hf, Der Herzog sitzend, vor sich im Schoosse ein
Schwert quer haltend im Perlenkreise. JB/. Brustbild
des Heiligen mit Kreuz im Perlenkreise.
HJ, SOBEZLAVS PSYXX (Ij). RJ. t SCWZEZLAVS (Ii).
D. 16 mm. Gew. 0,57—0,64 Gr. ü. St. (Pamdt.
XIV, Nr. 15.) (Luschin 90.) 4 St. (Taf. U, Nr. 52.)
Da diese Stempel in Böhmen nicht gefunden wurden, so
därften dieselben nach Olmütz zu weisen sein. Der Stempel
Nr. 66 wurde offenbar nach dem Stempel Wladislaus I. Nr. 59
geschnitten oder dieser aufgefrischt und mit neuen Umschriften
versehen, was auch dafür spricht, dass dieser Stempel mährisch
ist. Da die Occupation Mährens durch Wladislaw nicht lange
dauerte, so wäre diese Münze in das Jahr 1110 zu stellen.
(Dudik II, 571. III, 27.)
9. Wenzel von Olmütz (1126—1130.)
** Nr. 68. Hf. Kopf nach rechts im Perlenkreis. Zackenrand.
Rf, Ein Kirchengebäude mit zwei Seiten-Thürmen und
Glockenthurm , welcher einen Einblick ins Innere
gewährt
Uf, WENQZLAVS f (I,). Rf BSCPET (II^).
D. 16 mm. 0,63 Gr. ü. St. (Pamdt. XIV, Nr. 25.)
(Luschin 60.) 2 St. (Taf. I, Nr. 21.)
Die Bnckseite stellt die unausgebaute Petruskirche in Olmütz
dar, weshalb diese Umschrift erklärlich wird.
Die Zutheilung dieser Münze an Wenzel erscheint mir voll-
kommen gerechtfertigt.
** Nr. 69. HJ. Sitzender Herzog mit Fahne im geöflFneten Perlen-
kreise.
Rf. Brustbild im linken Profil im Paludamentum mit
Schwert im Perlenhalbkreise. Beiderseitig Zackenrand.
Der Rakwitser MOnzenfund. g5
Hf. WENC . . AVS (Ii). Rf. ... ±bS (Hi). (Petrus?)
D. 16 mm. 0,61 Gr. U. St. (Pamdt. XIV, Nr. 42.)
(Luschin 61.) 1 St. (Taf. II, Nr. 29.)
** Nr. 70. Hf. Der stehende Herzog mit Speer und der stehende
Heilige mit Kreuz im Perlenkreise.
Rf. Brustbild des Herzogs mit Kappe nach rechts mit
zusammengerollter Fahne, im Perlenkreise. Schwacher
Zackenrand.
nf SC^WENCESLAVS (I^. Rf t SC^VVEEZI-AVS (I,).
D. 16 mm. 0,66 Gr. U. St. (Pamdt. XIV, Nr. 27.)
(Luschin 105.) 2 St. (Taf. I, Nr. 22.)
10. Heinrich (wahrscheinlich Wenzels Bruder).
***Nr. 71. Hf Kopf nach links in Perleneinfassung.
Rf Brustbild ein Schwert haltend in Perleneinfassung.
Hf t HINOaiCH (Ij). Rf t SCSAAENCLAVI (IJ.
D. 17 mm. 0,69 u. 0,7 Gr. U. St. (Luschin 95.)
2 St. (Taf. I, Nr. 24.)
Nr. 72. Hf Brustbild in Perleneinfassung. Hf stehende Kinder-
gestalt die Arme ausgestreckt, von der Rechten wie
von der Linken zwei Perlen herabhängend, wahr-
scheinlich zu 2 Kreuzchen gehörig.
Hf t ICENDI . . S (Ii). Rf t S>ICn3»VS. (Ii).
D. 17 mm. 0,55 Gr, U. St. (Luschin 125.) 1 St.
(Taf. I, Nr. 23.)
** Nr. 73. Hf Jugendliches linkes Profilbrustbild in Einfassung.
Rf Das Brustbild des Heiligen ein Kreuz haltend.
Hf (HNEN)DRICH f (I,). Rf AAENCEZfAI (I,).
D. 16 mm. 0,65 Gr. U. St. (Pam&t. XIV, Nr. 39.)
(Luschin 97.) 1 St. (Taf. I, Nr. 25.)
* Nr. 74. Hf Brustbild mit Flügeln (nach Art der Servus dei-
Mttnze Otto L) im Perlenkreise. Rf. Stehender Herzog
mit Lanze und Schild in Kreiseinfassung.
Hf HINQRICH (Ii). Rf SCSnASN30ZIV (I^).
D. 17 mm. 0,65 Gr. (Lnschin96.) ISt. (Taf. I, Nr. 26.)
Z«ittohrift far Kamianwiik. XVI. 5
66 I>r, F. Kupido:
Die oben beschriebenen Münzen bringen einen Herzog,
von welchem die Geschichte nicht viel weiss. Die Umschriften
sind so dentlich, dass nicht zn zweifeln ist, dieser Herzog müsse
Heinrich geheissen haben. Nach der Prägeweise schlies^en sich
diese Münzen dem Zeitgenossen Wladislaw I. an. An Heinrich
Zdik, den zweiten Olmützer Bischof, kann wohl nicht gedacht
werden, denn diese neuen Bischöfe werden kaum Münzen geprägt
haben und hätten dieselben sicherlich dann den Bischof selbst
anf die Münzen zn setzen nicht unterlassen. (Erben 114.)
Wenzel starb im zwanzigsten Jahre am 1. März 1130
und dürfte sonach Heinrich das Olmützer Fürstcnthum von
1130—35 besessen haben, denn über diesen Zeitraum haben wir
gar keine historische Nachricht von der Olmützer Regierung.
In diesem Falle wäre demnach die Behauptung Palacky's, dass
dieser Prinz als Kind vor Wenzel IIL starb, unrichtig. Der
jüngste Sohn Wladislaw I. mit Richsa v. Vohburg hiess allerdings
auch Heinrich, derselbe wurde jedoch erst 1114 geboren und
lebte bis 1169, nachdem er im Jahre 1167 Jamnitz als Lehensgut
bekam. Von diesem Heinrich können demnach obige Münzen mit
Bezug auf das Alter des Fundes und die Prägeweise der Münz-
stempel nicht herrühren. Aus diesen Münzen ist ersichtlich,
welch wichtige Hilfswissenschaft die Numismatik für die Geschichte
ist und wie ein Münzfund mit zwingender Sicherheit Hypothesen
selbst der grössten Gelehrten über den Haufen wirft. So hat
Dr. Meuadier in dem letzten Hefte dieser Zeitschrift „Über
Funde deutscher Münzen aus dem Mittelalter" mit der Publi-
kation der Münzen des Sobeslaus von Lubic, Bruders des heiligen
Adalbert, ein überraschendes Licht auf die Verhältnisse in
Böhmen im 10. Jahrhundert geworfen, indem durch den ver-
öffentlichten Preisterwitzer Fund (bei Ohlau in Schlesien)
315 böhmische Denare aus der Zeit der Boleslawe ans Licht
kamen, unter welchen vier Stempel mit deutlichen Sobelaw-
Legenden versehen waren, woraus auf eine Theilherrschaft in
Böhmen und eine selbständige Dynastie im Norden des Herzog-
thums unter der Dynastie der Slauiciden geschlossen werden
Der Rakwitzer Münzenfand. 67
kann, die erste durch die Zerstörung der Hauptburg Lubic im Jahre
995 und den Tod der Kinder Sobebor, Spitimir, Dobrazlav, Porey
und Cazlav (Brüder des heil. Adalbert) vom historischen Schau-
platz abtrat, für welche Ansicht nunmehr freilich die nöthigen Beleg-
stellen in den Geschichtsquellen gefunden werden konnten, welche
frühere Historiker übersehen hatten. Herr E. Fiala in Prag weist
jedoch diese Münzen einem polnischen Dynasten in Schlesien zu und
beruft sich diesfalls auf die Umschrift LVBIZ als Lüben in Schlesien.
II. Das Herzogthum Brllnn.
1. Conrad, Herzog von Brunn (1061—1092),
(Herzog v. Böhmen 1092 vom 20. Januar bis 6. September).
Nr. 75. BJ. Brustbild im geöflfneten Kreise je mit zwei
Kugeln abschliessend. jR/. Stehender Heiliger mit
Kreuzstab (rohe Arbeit).
HJ. CNVOMRAaV • (I,). RJ, SCSS3 — TRVS (I,).
D. 16 mm. 0,56 Gr. (Luschin Nr. 18.) 1 Stück.
*Nr. 76. HJ. gleich. Ä/. gleich.
CHVOWQilVS (HJ. iü/. SCSS3-. TRVS (I,) (Pam&t
XII, Nr. 13), (Berliner Bl. S. 133). 11 St.
D. 15 mm. Durchschnittliches Gew. 0,693 Gr. Bei
ähnlichen Stücken des Eibenschitzer Fundes in welchem
auch der Stempel 75 ziemlich häufig vertreten war.
*Nr. 77. HJ. Der Herzog bis zum halben Leib mit Lanze im
Kreise, der den Kopf überragt.
RJ Der Heilige wie bei Nr. 75.
HJ CHOWOAQVS (U,). RJ SPE— ^ (I,).
• D. 16 mm. 0,6 Gr. U.St. (Pamät. XU, Nr. U.) ISt.
Nr. 78. Hf. Sitzender Herzog mit den über den Achseln empor-
ragenden Spitzen des Lehnstuhles. RJ. Bischofskopf
mit Mütze im Kreise.
HJ A0I3 C03XC (I,). RJ SA1A + 3SC (I,).
D. 16 mm. 0,68 Gr. (nach Luschin 0,56-0,58 Gr.
Nr. 19.) 12 St
War auch im Eibenschitzer Funde vertreten.
5*
68 I^r- F. Kupido:
Nr. 79. HJ. Hohes Kreuz zwischen zwei Thürmchen und zwei
Punkten im Perlenkreise. HJ, Dreithürmige Kirche.
Hf. MRDACVS3D (I,). i?/. S • PE-RVS (I,).
D. 16 mm. 0,68 Gr. (nach Luschin 0,38—0,61 Gr.)
14 St. (Taf. II, Nr. 40.)
Von diesem Typus mit dem grösseren Stempel (18 mm) des
ersten Eibenschitzer Fundes mit der Umschrift C + CAQR + 3VDAS
war im Rak witzer Funde kein Stück enthalten. (Berl. Bl. 1870
S. 150.)
*Nr. 80. Hf, Stehender Herzog mit Lanze im geöiOFneten Kreise.
RJ. Kopf des Heiligen im Kreise zwischen zwei Punkten.
HJ. v>\ETIM\P (II,). RJ c/iVVELZV± (U,).
D. 15 mm. 0,53 Gr. (Luschin Nr. 21.) 4 St.
Dieser Stempel war auch häufig im zweiten Eibenschitzer
Funde vertreten, doch trugen nur 2 Stück auf der Vorderseite
die deutliche Umschrift CONHVTVS • (II,) und V c/)bl±03 DVX
(s. Petrus), die sich jetzt in meiner Sammlung und im Berliner
Museum befinden, wodurch die Bestimmung möglich wurde.
(Berl. Bl. S. 132.)
*Nr. 81. HJ. Kleines Brustbild zwischen 2 Punkten in Perlen-
einfassung (Zackenrand).
RJ. Thronlehne mit 3 Kreuzchen (Zackenrand).
HJ COAVDPTMA (I,). RJ SSWENOE EZW (I^).
D. 15 mm. 0,46 Gr. U. St. 1 St. Mit Nr. 80 die ein-
zigen Münzen Conrads mit Wenzeslaus, und dürften
dieselben aus diesem Grunde vielleicht doch nachOlmütz
zu legen sein. (Luschin 110.) (Taf. H, Nr. 28.)
2. Interregnum (1090).
Nr. 82. HJ Sitzender Herzog mit Speer im Halbkreise.
RJ. Kopf mit Bischofsmütze im Kreise.
HJ SCS . PETRVS (I,). RJ SCSIGHANNES + (I,).
D. 16 mm. 0,585 u. 0,61 Gr. (Pam&t. XIV, 52.)
U. St. 2 St. (Luschin 100.) (Taf. U, Nr. 34.)
Der Rakwitzer Münzenfund. 69
In diesem Jahre wurde Konrad von Wratislaw II. bekriegt
und in Brunn eingeschlossen, weshalb auch die Münzstätte in
Wratislaw's Gewalt gerathen sein dürfte, woraus erklärlich wird,
dass auf dieser Münze nur Heiligennamen erscheinen. Diese sehr
zierliche Münze ist offenbar älter als die etwas breiteren und
flacher geprägten Stücke, welche mit Grund in das zweite Inter-
regnum 1097 bis 1099 verlegt werden.
3. Udalricus (1092— 1097 und 1100—1115).
Sämmtliche Münzen dieses Herrschers haben den Zacken-
rand.
*Nr. 83. HJ, Bärtiges Brustbild im geöffneten Kreise.
Ä/. Bartloses Brustbild mit Kreuz unter zwei Hufeisen.
IIJ. + OLDRICVS (I,). RJ. + SCS^ETRVS (I,).
D. 15 mm. 0,4 Gr. U. St. (Luschin 22.) 1 Stück.
Dieses Unikat von hübscher Prägung ist Hrn. Schierl bei
seiner Auswahl entgangen und verblieb sonach beim Hauptstocke
des Fundes.
**Nr. 84. Bf, Brustbild mit Kreuzstab nach rechts. Rf. Sitzender
Herzog auf einem Throne mit Fahne.
HJ. t svATOs — I - s (I,). RJ t orririi^i (i,).
Zackenrand mit abgerundeten Spitzen nach aussen.
Bundesmünze mit Svatopluk aus der Zeit dessen
Thronbewerbung gegen Bofivoi.
D. 17 mm. 0,52 Gr. U. St. (Pamdt. XII, 39.)
(Luschin 59.) 2 Stück, eines bei Herrn S. Egger in Wien.
*Nr. 85. HJ. Dreithürmiges Kirchengebäude.
RJ. Bärtiger Kopf im Perlenkreise.
HJ ODAL — RICVS (IIj). Rj, + SWENEZ IVAS (I,).
D. 16 mm. 0,55 Gr. U. St. (Luschin 23.) 1 Stück.
Nr. 86. HJ Brustbild auf einem Throne im Perlenkreise, die
beiden Spitzen der Lehne sichtbar und schräge gegen
den Kopf zu laufend.
RJ. Stehender Heiliger mit Kreuz in der Rechten.
70 Dr. F. Kupido:
HJ. OLQ^IHOV (II,). Rf. CSPET — RAS (I J.
D. 16 mm. 0,5 Gr. ü. St. (nach Luschin 0,53, 24.)
5 Stück.
*Nr. 87. Hf. Brustbild nach rechts über einem Halbkreise mit
je zwei Kugeln verziert, eine Lanze haltend.
Rf. Brustbild im Kreise zwischen zwei Kreuzen.
Hf. SCS3ETRVC/) (I,). Rf + S0I3RCIVS (I,).
D. 15 mm. 0,37—0,56 Ü. St. (Luschin 25.) 7 Stück.
Nr. 88. Hf. Herzog geharnischt von der linken Seite mit
Lanze im geöfiheten Kreise.
Rf. Salvatorkopf im Kreise.
Hf X SCSOETRVc/3 (I,). Rf SOIORCIVS (I,).
D. 15 mm. 0,35-^0,47 Gr. U. St. (Luschin 26.)
12 Stück.
Nr. 89. Hf. Stehender Herzog nach links mit dreifach ge-
schlitzter Fahne, hinter dem Kopfe ein Funkt.
Rf. Kopf nach rechts zwischen zwei Punkten im Perlen-
kreise.
Hf SCSS-ER (I,). Rf SVL DCICVS + (I,).
D. 16 mm. 0,47, 0,538, 0,53, 0,538 Gr. U. St. 42 St
Luschin publizirt noch 9 Varianten der Legende.
*Nr. 90. Hf. Figur nach rechts schreitend mit einem Kreuz-
chen in der erhobenen Rechten im geöffnetem Kreise.
Rf. Kopf nach rechts im Kreise.
Hf + SCSOETRVS (I,). Rf + SOORCIVS (I,).
D. 16 mm. 0,45—0,58 Gr. ü. St. (Luschm 28.)
3 Stück.
, *Nr. dl. Hf Geharnischter Herzog mit Lanze, die Füsse aus-
einander in geöffnetem Kreise.
Rf Kleiner Kopf im linken Profile über einem Throne,
darin ein Hufeisen.
D. Iß mm. 0,64 Gr. ü. St. (Luschin 29.) 1 Stück.
Auch dieses Unikat entging Hrn. Schierl.
Udalrich wurde von Bretislav im Jahre 1097 gefangen ge-
nommen und nach Glatz abgeführt. Das erledigte Fürstenthum
Der Rakwitzer Münzenfond. 71
wird wohl in die Verwaltung Bretislavs übergegangen sein und
schreiben wir. dieser Zeit bis zur Rückkehr des Fürsten Udalrich
in sein Fürstenthum (1100) die nachfolgenden Münzen zu.
4. Interregnum (1097—1099).
Alle Münzen haben den Zackenrand.
Nr. 92. HJ, Brustbild des Heiligen im geöffneten Perlenkreise
zwischen zwei Kreuzchen.
J?/. Brustbild des Heiligen nach rechts vor sich schräge
ein Kreuz haltend im geöffneten Perlenkreise,
HJ. SCSIOHANNES (I,). Rf. SCPETRVIS (I,).
D. 18 mm. 0,48 Gr. (Pam&t. XIV, Nr. 19.) ü. St.
(Luschin 101.) 20 Stücke. (Taf. II, Nr. 39.)
Nr. 93. HJ. Brustbild nach rechts im Paludamentum, vor sich
eine Lanze haltend im Kreise.
Hf. Der Heilige mit Kreuz über dem geöffneten Kreise.
HJ. SCS IOHANNE~S (I,). RJ SCS PETRVS (I,).
D. 18 mm. 0,502 Gr. U. St. (Pam&t. XIV, 17.)
(Luschin 98.) 10 St. (Taf. H, Nr. 36.)
Nr. 94. Hf. Brustbild des Heiligen im geöffnetem Perlenkreise.
RJ. Stehender Heiliger mit Kreuz im geöffneten Perlen-
kreise-
HJ SC lOHANNES (I,). HJ I c/)CSPETRVS (I,).
D. 19 mm. 0,6 Gr. U. St. (Pam&t. XIV, 18.)
(Luschin 99.) 7 St. (Taf. H, Nr. 38.)
Nr. 95. HJ. Bärtiger Kopf nach rechts in Kreiseinfassung.
RJ. Heiliger nach links eine Lanze haltend über einem
Throne, darin ein Hufeisen nach unten gekehrt, im
Perlenhalbkreise.
HJ + SC SIOHANNES (I,). Rj. SCS PETRVS (I,).
D. 19 mm. U. St. (Pamatky XIV, 20.) (Luschin 102.)
10 Stück. (Taf. II, Nr. 31.)
Nr. 96. HJ. Linker bartloser Kopf nach rechts im Kreise.
RJ. Kirchengebäude mit Kreuz.
72 !>'• F. Kupido:
Hf. SCS lOHANNES ai) Ä/ SCS PE— TRVS (I,).
D. 18 mm. 5,7 Gr. U. St. (Pamdtky XIV, Nr. 21.)
(Luschin 103.) 7 St. (Taf. II, Nr. 32.)
**Nr. 97. Brustbild im Perlenkreise. Rf. Stehender Heiliger
nach links, ein Kreuz haltend. Hinter dem Mcken
4 Punkte.
Hf. SLA IICINVAOS (I,) (Wenceslaus?) WEISCEIVA+ (I,)
(Wenceslaus?) Rohes scharfes Gepräge.
D. 17 mm. U. St. (Pamät. XIV, 32.) (Luschin 113.)
1 St, (Taf. II, Nr. 30.)
Diese Münze hat ein sonderliches Gepräge und ist jener
Svatoplucs mit dem Osterlamm ähnlich, weshalb dieselbe viel-
leicht in Olmütz geprägt ist, etwa in der Zwischenzeit des
Abtrittes Svatoplucs und des Regierungsantrittes Otto II.
**Nr. 98. Hf. Salvatorkopf im Kreise, Zackenrand. Rf 4fache
Arabeske in Gestalt einer 8 um einen Stab laufend,
oben und unten mit einem Kreuze versehen. Links das
Zeichen M. Zackenrand.
Hf IHOIVA + (Johannes) Rohe Schrift. Rf ohne Schrift.
D. 6 mm. 0,46 Gr. (Pamät. XIV, 35.) U. St.
(Luschin 106.) 3 St. (Taf. H, Nr. 35.)
Diese merkwürdige Münze von ganz eigenthümlicher Prä-
gung ist zwar sicher mährisch, weicht jedoch von allen anderen
Münzen des Fundes sonderlich ab. Wenn es überhaupt anzu-
nehmen wäre, dass die Bischöfe von Olmütz in dieser Zeit
Münzen geprägt hätten, was jedoch kaum zu glauben ist, so
könnte man dieselbe noch am ehesten dem ersten Bischof
Johann zuschreiben^).
1) Die Reihe der Olmatzer Bischöfe, welche die Mflnzstätte Podivin bis
zum wahrscheinlichen Fundjahre besessen hatten, sind: Johannes (1063—86),
Wecel (1086 — 91), Andreas (1091 — 96), Heinrich (1096 — 99) und Heinrich
(Zdik) (1126-1151).
Der Rakwitzer Mflnzenfand. 73
5. Bfetislaw IL, Herzog in Böhmen (1092-1100).
Nr. 99. Hf. Bärtiger Kopf nach links im Kreise, Zacken-
rand. Rf. Bärtiges Brustbild mit Stirnbinde im
Paludamentum nach links mit Lanze im Kreise, über
welchem die Lanzenspitze hervorragt. Hinter dem
Kopfe ein Punkt. Zackenrand.
Rf, BRACIZLAVS (II,). Rf, SWENCEZLAVS + (I,).
D. 16 mm. 0,32-0,69 Gr. (Pam&tky VII, 22.)
(Luschin 10.) 26 Stücke.
Böhmisches Gepräge, da dieser Stempel in Böhmen als
Fundstück schon lange bekannt ist.
6. Bfetislaw IL für das Herzogthum Brunn (1099).
Nr. 100. HJ, Kopf des Herzogs nach links mit herabhängender
Stirnbinde über einem Throne. Im Felde hinter
dem Halse zuweilen ein Punkt.
Rf. Bärtiger Kopf im Perlenkreise.
Hf. BRACIZUVS (II,). Rf SWENCEZLAVS. (I,).
D. 16 mm. 0,9 Gr. U. St. .(Luschin 11.) 2 Stück.
Nr. 101. Hj. Brustbild zwischen zwei Punkten. Rf Brustbild
nach links mit Stirnbinde, vor demselben eine Lanze
in die Schrift ragend, haltend. (Rohe Arbeit.)
Hf +ACIZLAWc/) PAc/) (I,). Rf c/)MSCSSAVEA (U,).
D. 16 mm. 0,45 Gr. ü. St. (Luschin 12.) 1 Stück.
(Taf. II, Nr. 41).
*Nr. 102. Hf Bärtiger Kopf im Perlenkreise. Rf Brustbild
nach rechts im antiken Gewände über einem Halb-
kreise. Von der Brust aus ragt ein Speer in die
Schrift, hinter dem Kopfe ein Punkt.
Hf + BRACIZLAVS (II,). Rf SILVSZICVS (I,). (Wences-
laus.)
D. 15 mm. 0,95 Gr. Ü.St. (Pam&tky VE, 18.) (Nach
Luschin 13 : 0,52 bis 0,61 Gr.) U. St. 204 Stück.
74 Dr F. Kupido:
Nr. 103. Hf. Bärtiges Bmstbild über einem Halbmonde mit
Kreuzstab quer in den Schriftraum ragend. Rf. Prä-
gung wie oben bei Nr. 102.
Hf. BKACIZVAS + (II,). Rf. SHVS ZICVS (I,). (Wen-
ceslaus.)
D. 15 mm. 0,53 Gr. ü. St. (Pamdtky i9.)
(Luschin 14.) 2 Stück.
*Nr. 104. Hf. Wie bei 103. Rf Bärtiges Brustbild, hinter dem-
selben ragen die Spitzen eines Lehnsessels über die
Schultern empor.
Hf. BRACIZVAS + (II,). Rj\ + OAC VAOZCco (I,). (Wep-
ceslaus.)
D. 15 mm. 0,43—0,52 Gr. ü. St. (Pam4tky
XII, 19.) (Luschin 15.) 11 Stück.
Nr. 105. Hf Der gehamischte Herzog mit Schwert über einem
Halbkreise.
Rf. Brustbild im rechten Profile im Paludamentum, ein
Kreuz vor sich haltend.
Hf BRACIZ + AVS (I,). Rj\ SWENCKLAVS (I,).
D. 16 mm. 0,515 u. 0,602 Gr. ü. St. (Nach
Luschin 16: 0,48—0,65 Gr.) 335 Stück u. 24 Van-
anten bei den Legenden.
Diese Münze wurde nach einem stumpf erhaltenen Exem-
plare von mir unrichtig als Conrad gelesen (Wiener numism.
Zeitschr. 187).
Nr. 106. Hf. Der Herzog mit Lanze und Fahne im geöfifnetem
Kreise.
Rf. Kopf im rechten Profile im Kreise, hinter dem Kopfe
ein Punkt.
HJ. BRVCZEVS (HJ. Rf BIWCIZEVAS.
D. 15 mm. 0,4 Gr. U.St. (Nach Luschin 17: 0,42
bis 0,65 Gr.) (Pam&tky XH, 21.) 13 Stück.
Diese Münze wurde von mir in den Wiener numismatischen
Monatsheften, Heft III S. 43, als eine mährische Münze bekannt
gemacht. Dieselbe wurde bei dem Baue des neuen Müitftr-
Der Rakwitzer Münzenfund.^ 75
commissioDsgebäudes in Brunn im J. 1866 in 3 Exemplaren ge-
funden. Durch diese Münze wird nunmehr sichergestellt, dass
Bretislaw ü. fflr Mähren Münzen schlug. Solches kann nur in
Folge der Occupation der Theilfürstenthümer Brunn im J. 1097
und Znaim im J. 1099 geschehen sein, als üdalrich von Brunn
und Lutold von Znaim vertrieben, und beide Fürstenthümer
dem Bruder Bfetislaws IL, Bofiwoi zur Verwaltung übergeben
wurden, welcher in Znaim seinen Wohnsitz nahm. (Dudik U,
S. 504.)
Üdalrich kehrte erst nach dem Tode Bretislaws in sein
Fürsten thum zurück und dürften diesem Zeiträume jene Münzen
angehören, die eine abweichende Fabrik von den anderen
Münzen dieser Fürsten zeigen, namentlich die unter Nr. 85
und 86 beschriebenen.
7. Otto n., als Lehensverweser in Brunn, als Vormund
Wratislaws und Spitignefs (1115— li20).
*Nr. 107. Hf, Bärtiger Kopf, auf jeder Seite -Mn Pcrlenein-
fassung.
22/. Spitignef in einem hemdartigen Rock eine Lanze
haltend.
Hf. OTTO OVX (IIa). Rj\ + SPIAICNVI>VX (I,).
D. 16 mm. 0,69 Gr. (Luschin 79.) U. St. 1 Stück.
(Taf II, Nr. 44.)
**Nr. 108. Hf, Kreuz mit Kugeln an den Enden, in den Winkeln
4 Köpfe im Perlenkreise.
Rf. Brustbild nach links, eine Kappe mit Knopf auf dem
Haupte, eine kleine Fahne haltend, über einem
Perlenhalbkreise.
///. OTTO DAX + (II,). Rf. SPI>ICNEV3V . (I,).
D 18 mm. 0,56 Gr. (Luschin 78.) (Pam&tky
XIV, 51.) ü. St 2 Stück. (Taf. H, Nr. 46.)
**Nr. 109. Hf. Brustbild im rechten Profile, vor sich ein Kreuz
haltend, im geöfifheten Perlenkreise, der hinter dem
Rücken weiter hinaufgeht.
76 I>r. F. Kupido:
Rf Reiter nach rechts in Perleneinfassung.
Hf. OTTOaVX (Ig). 7?/. SPKIC • EVQVX +.
D. 18 mm. 0,62 Gr. U. St. (Luschin 80.) (PamÄt.
XIV, 12.) 1 St. (Taf II, Nr. 45.)
Diese drei Münzen sind sehr merkwürdig, über deren Zu-
theilung kann kein Zweifel sein; unaufgeklärt bleibt der Um-
stand, dass der Name des älteren Prinzen Wratislaw fehlt.
8. Wratislav III. (1125—29).
Nr. 110. Hf, Ein bekleideter Arm mit Speer, dessen Spitze in
den Schriftraum hineinragt. Auf dem Ärmel 3 Punkte,
alles in einem Perlenkreise. Zackenrand.
Rf, Brustbild des Erlösers im geöffneten Kreise. Zackenrand.
Hf. CEMWVUVLL (II J, Rf CEMWVIIVLL + (II,).
D. 18mm. 0,46-^0,72, 0,598, 0,55, 0,606 Gr. U. St
(Pamät.XII,2.) (Luschin 2.) 31 Stück. (Taf. II, Nr. 43.)
Smolik liest den Herzogsnamen als Wratislav und hält
diese Münze wie Luschin für Wratislaw II. Die Fabrik ist
jedoch von den Münzen Wratislaw's IL, gänzlich verschieden und
weist die flache Prägung, die eigenthümlichen L und das
schlechtere Silber auf eine spätere Zeit hin, weshalb die Zu-
v^reisung dieser Münze an Wratislav III. gerechtfertigt erscheint.
**Nr. 111. Hf. Brustbild zwischen zwei Punkten im Perlenkreise.
Rf Stehender Herzog mit Kreuz im Perlenhalbmond.
Hf AVaVIENaHVES +. Rf SOKIiZMEAVS.
D. 18 mm. 0,47-0,73 Gr. U. St. (Luschin 107.)
43 St. (Taf. U, Nr. 37.)
Diese Zutheilung ist fraglich und erfolgt wegen des deut-
scheu R, welches weder in den Namen Wenzeslaus noch Svatopluk
enthalten ist.
III. Das Herzogthum Znaim.
1. Lutold (1092—97 und 1100—1112).
Sämmtliche Münzen dieses Herrschers haben den Zackenrand.
Nr. 112. Hf. Stehender Herzog mit Schwert über einem Halb-
kreise mit 2 Kugeln abgeschlossen.
Der Rak witzer Münzenfund. 77
Rf. Brustbild mit langen Haaren, in der Mitte getheilt,
neben demselben ein Krummstab schräg, die Krüm-
mung nach links.
Hf, LVTOLDVS (II,). RA SMICOAMc« (I,).
D. 15 mm. 0,649 Gr. U.St. (Nach Luschin 0,52—
0,73. Nr. 30.) 17 Stück.
Luschin publicirt noch drei abweichende Legenden.
Nr. 113. Hf. Über einem geperlten Halbbogen ein Kirchenge-
bäude, aus welchem eine Hand mit einem Kreuze
nach rechts vorgestreckt ist.
/?/. Halbbogen, über einem Throne ein bärtiger Kopf,
daneben eine Hand eine Lanze haltend, im Thron
ein Hufeisen.
Hf. LVTOiaVc/) (II,). Rf. oiWICIOMA (I,).
D. 17 mm. 0,62 Gr. U. St. (Pamatky XII, 44.)
(Luschin 31.) 1 Stück.
Nr. 114. Hj\ Kirchengebäude wie bei 113. Rj\ Kopf auf einem
Thron in geöffnetem Kreise.
Hj\ LVTO l3Vcß (II,). Rj\ xNICOJVAc« (I,).
D. 17 mm. 0,60 Gr. U. St. (Pamdtky XII, 45.)
(Luschin 31.) 1 Stück.
2. Interregnum (1097—99).
Nr. 115. Hj\ Kirchengebäude wie bei Nr. 113. Rf. Kopf wie
bei Nr. 113.
Hf, NICOlVAAc/) (I,). Rf CA.MICIOVAA (I,).
D. 17 mm. 0,55, 0,6 Gr. U.St. (Luschin 32.) 3 St.
Diese Münze ist wahrscheinlich nach der Vertreibung Lutolds
durch Bfetislaw, welcher die Verwaltung des Znaimer Viertels
mit dem Brünner nach der Flucht Lutolds seinem Bruder
Bofivoi übergab, der seinen Sitz in Znaim aufschlug, geprägt,
ohne förmlich belehnt zu werden, weshalb diese Münze auf
beiden Seiten den Namen des heil. Nicolaus trägt. Durch die
Gleichheit der Ausführung mit dem Stempel Nr. 113 ist auch
dargethan, dass die Münzen 112 u. 113 aus der ersten Begie-
rungsperiode Lutolds herrühren.
78 I)r> F- Kupido:
3. Sobeslav als Vormund der Kinder Lutolds, Cionrad and
Otto (1112—1113).
*»*Nr. 116. H/, Stehender Herzog, zwischen zwei Figuren stehend,
einen Becher erhebend, in Perlenfassnng.
R/. Zwei sich umarmende Brustbilder in Perleneinfassung.
///. + SOBEZLAVS DVX (I,). fi/ + WF/ICEZLAVS (I,).
U. 16 mm. 0,56 Gr. U. St. (Luschin 91.) 2 St.
(Taf. II, Nr. 47.) Auf die Aussöhnung SobSslay mit
Wladislav (Dudik II, p. 623).
***Nr.ll7. /(/*. Sitzender Herzog mit Schwert, vor ihm eine
stehende Figur einen Becher haltend, die Linke er-
hoben. Perlenkreis.
/?/. Sitzender Herzog die Rechte erhoben/ rechts eine
sich verbeugende Figur. Perleneinfassang.
Hf, VX OBESLAVX (I,). /?/. • • NICCO (II,).
D. 17 mm, 0,71 Gr. U. St. (Luschin 94.) 1 St.
(Taf. II, Nr. 50.)
Nr. 118. 11/. Reiter nach links mit geschultertem Schwerte in
Perleneinfassung.
Rf. Stehender Herzog mit Fahne und Schild.
H/. CVB . . SE . . AV . + (Gubcrnator Sobeslaus), I^.
SV . NCEZLV .
D. 18 mm. 0,63 Gr. U. St. (Luschin 93.) 19 St
(Taf. II, Nr. 49.)
Nr. 119. H/. Stehender Herzog mit Lanze im Perlenkreise.
R/. Brustbild des Heiligen mit Fahne und Erenz.
ff/. SAV - o . 3A0JJ + VC (I,). R/. + CSZAI3 • CS (I,).
Gr. 16 mm. Gew. 0,59 Gr. U. St. (Luschin 132.)
1 St. (Taf. H, Nr. 51.)
4. Conrad II. (1123—28).
Nr. 120. Hf. Stehender Herzog, erhält von dem vor ihm stehen«
den Heiligen ein Kreuz.
Rf. Ein Fisch zwischen zwei Ki*euzchen in Einfusung.
Beiderseits schwacher Zackenrand.
Der Rakwitzer Münsenfund. 79
Bf, SCAO H DVS (II,). Rf. f Su.lVUSDVAO (I,).
D. 18 mm. 0,78 Gr. (Luschin 111,) U. St. 22 St.
(Taf. II, Nr, 53.)
Nr. 121. Hf. Brustbild des Herzogs mit kleinem Kopfe mit
Lanze, an der Spitze ein starker Widerhaken^ die
Spitze ragt über den Schriftraum hinaus.
Rf, Sitzender Herzog, nach links vor dem Kopfe ein Kreuz-
chen, daneben wahrscheinlich eine Figur.
Hf. t SCON — A (I,). Rf t ECSIAVS (I,).
D. 17 mm. 0,719 Gr. ü. St 1 St. (Taf, II, Nr. 54.)
Dieses Unicum von stumpfer Erhaltung wurde erst im Herbste
1887, an derselben Stelle wo der Fund gemacht wurde, mit
anderen Münzen als Nachlese im Felde gefunden. Die Umschrift
deutet zweifelhaft auf Conrad, und da die Figuren in ganzer
Positur erst im zwölften Jahrhundert auf die Münzen kommen,
so kann diese Münze nur Conrad IL zugeschrieben werden,
wofür auch das schlechte Silber spricht. Die Münze 120 wird
diesem Fürsten zugeschrieben, da sie eine grosse Ähnlichkeit
mit den serbischen Matapanen hat und derselbe eine serbische
Fürstentochter zur Gattin nahm.
IV, Das Herzogthum Jamnitz.
Svatava (Wittwe Wratislav H., 1092, f 1126).
Nr. 122. Ilf Ein weiblicher Kopf mit Tuchbund, in zwei kurze
Zöpfe beim Kinn ausgehend, über einem Gestelle,
oben mit vier Kugeln versehen, mit zwei Querhölzern,
in Perleneinfassung.
Rf Kirchengiebel mit grossem Kreuze, an den Enden
Kugeln. Beiderseits Zackenrand.
Ilf t SMAISSJTVAS . (SWA DVCISSA SVAT.)
Rf SANia . . 3MAS • (S • NIC • DOMVSV)
80 I>r- F. Kupido:
D. 16 mm. 0,529 Gr. Smolik hielt diese Münzen
irrig für Svatopluk. Das Prager Exemplar wiegt
0,45 Gr. U. S. (Pamdtky XII, 37.) (Luschin 120.) 6 St.
Herr Fiala liest auf der Rf. NICODEMVS. Ich fand jedoch
nirgends etwas davon, dass dieser Heilige mit Jamnitz in Be-
ziehuDg steht. (Vide Volny U, S. 268.)
Nr. 123. Hf. Weibliches Brustbild nach rechts über einem ähn-
lichem Gestelle wie bei 122, ein Kreuz haltend.
Rf. Stehender Engel, der Kopf fast einem Vogel ähnlich,
nach rechts, ein auf einem Kirchengiebel befindliches
Kreuz mit vier Kugeln.
Ilf. t SA0AC3 • • . V (I,). Rf. t S . . ECco • • • (I^).
D. 17 mm. 0,61 Gr. U. St. (Pamät. XIV, 41.)
(Luschin 118.) 1 St. (Taf. II, Nr. 33.)
Die Münze 122 war mir lange ein Räthsel, obgleich ich
die Legende sofort auf diese Fürstin bezog. Der Umstand jedoch,
dass ich den Kopf der Vorderseite wie Smolik Anfangs für einen
bärtigen hielt, erweckte bei mir schwere Bedenken. Die Unter-
suchung mit der Lupe, sowohl bei der Zeichnnng der Pamät.
(XIV, Nr. 37), so wie bei meinem etwas stumpf erhaltenen
Exemplar belehrte mich, dass hier ein Frauenkopf mit
nonnenartiger Kopfumhüllung erscheint. Durch die Bestimmung
dieser Münze war auch jene der Nr. 123 leicht, indem sich diese
Münzen in der Prägung und Darstellung sehr ähnlich sind.
Über die Verleihung des Wittwensitzes an Svatava schweigen
die Quellen, nur giebt üosmas eine Andeutung beim J. 1123, indem
er von vier fürstlichen Antheilen spricht: Znaim, Brunn und Olmütz,
und wird der Brünner Udalrich tetrarcha genannt. Dudik schliesst
demnach daraus, dass dieser vierte Antheil (Jamnitz oder Lunden-
burg) dieser Königin- Wittwe zugewiesen wurde. (Dudik m, S. 17.)
Die Münze Nr. 122 beweist nun, dass dieser Antheil
Jamnitz und nicht Lundenburg war, indem der Name des heil.
Nicolaus auf einen Znaim nahen Ort hinweist, Lundenburg aber
sicher eher nach Brunn gravitirte und demnach den heil. Petrus
als Patron übernommen hätte.
Der Rakwitzer Mflnzenfund. 31
V. Anhang.
Unbestimmte Herzogsmünze.
'^ Nr. 124. HJ, Stehender Herzog im geöffneten Perlenkreise.
Rf. Kopf nach links im Perlenkreise. Beiderseitig Zacken-
rand.
HJ, t IXDA3W0ARII (Ii). RJ. RZAHAOIAHDAN f (I,).
D. 17 mm. 2,24 Gr. Luschin 112. U. St. 4 St.
Vielleicht Bfectislav II. für Brunn und Znaim.
Nachtrag.
Nachdem meine Arbeit im December 1887 beendigt und behufs
Drucklegung verschickt war, erhielt ich durch, die Güte des
Herrn Dr. v. Luschin die Tafeln zu dessen beschreibenden Fort-
setzung seines Aufsatzes über den iRakwitzer Fund und ersah
ich aus denselben, dass mir dennoch einige Stempel entgangen
waren, welche ich nunmehr nachzutragen genöthigt bin, wobei ich
bemerke, dass die Zuweisung mit jener des Hrn. Eisenders nicht
ganz übereinstimmt, wie ich aus dessen soeben erschienenen
Schlüsse seines Aufsatzes ersehe, der mir gestattete noch nach-
träglich die Anzahl der einzelnen Stempel richtig zu stellen.
*Nr. 125. Figur bis zum halben Leib, einen Krummstab haltend,
zwischen zwei Kreuzen im geöffneten Perlenrand.
Zackenrand.
Rf. Stehender Heiliger mit Fahne und Schild im Perlen-
kreis.
Hf, SC. VENCVS X (!,). Rf. SC • WENCESLAVS + (I,).
D. 16 mm. 0,589 Gr. U. St. (Luschin 104.) 1 Stück.
Diese Münze wäre am ehesten dem Bischof Zdik von
Olmütz beizulegen, wenn nicht Bedenken gegen das Münzrecht
der Bischöfe von Olmütz vorliegen würden, welche jedoch durch
diese Münze ins Schwanken kommen.
*Nr. 126. Hf. Stehender Heiliger mit Lanze und Schild im Per-
lenkreise.
ZeiUchrifi for NomifmAtik. XVI. »6
82 I>r. F. Kupido:
Rf. Zwei stehende gegen einander gekehrte Figuren eine
Fahne haltend im Perlenkreise.
J7/: X V (I,). Rf. CEZ^IV (I,).
D. 16mm. 0,589 Gr. U. St. (Luschin 108.) 1 Stück,
*Nr. 127. Hf. Stehender Heiliger nach rechts mit dreigeschlitzter
Fahne im Perlenkreise. Rf. Brüstbild nach links mit
Mütze, eine Lanze haltend.
Hf oW3flM (I,). Rf. VV . S . ASA. (Heinrich?)
D. 16 mm. 0,66 Gr. U. St (Luschin 109.) 1 Stück.
*Nr. 128. Hf Bärtiger Kopf nach links über einem Viereck,
daran oben 5 Punkte in Perlenkreis.
Rf. Adler mit grossem Schnabel in Einfassung. Schwacher
Zackenrand.
Hf + 93VS + (I,). Rf c/^ . . . S . D . NS (I,).
D. 15 mm. 0,38 Gr. (ausgebrochen). U. St. (Luschin
122.) 1 Stück.
*Nr. 129. Hf. Kopf über einem Viereck in Einfassung.
Rf Stehende Figur mit Lanze. Beiderseits Zackenrand.
Hf. A mR c/5 mS (I,). Rf AO . R3 ~ 3AS (I,).
D. 15 mm. 0,51 Gr. U. St. (Luschin 123.) 1 Stück.
*Nr. 130. Hf Kopf über einem Gestelle, quer zwei Perlenreihen
zu vier Perlen zwischen E— E in Perleneinfassung.
Rf Stehende Figur im rechten Profile ein langes Kreuz
haltend, hinter demselben links S, alles in einer Ein-
fassung, über welche das Kreuz hervorragt.
Hf 3 c/^AAC-> ON (I2) (CONradus Johannes?). Rf... CON-
VOc/^iuo- (I,) (Conrad Johannes episcopus?)
D. 17 mm. 0,62 Gr. U. St. (Luschin 1 24.) 1 Stück.
Das E der Vorderseite ist vielleicht mit episcopus, das S
der Rückseite mit Svatopluk zu lesen.
Diese Münze scheint unter der Vormundschaft Conrads
über die Kinder Ottos vom Bischof Johann geprägt zu sein. Jeden-
falls gehören die vier letzt beschriebenen Stücke vermöge ihres
Gepräges zusammen und wenn obige Lesart angenommen wird,
dann waren dieselben bischöfliche Münzen und könnten dann auch
Der Rakwitzer Mflnzenfund. 83
die Münzen mit Hendrich dem Bischof Heinrich Zdik zuge-
wiesen werden. Dessen ungeachtet könnte ich mich der Ansicht
Dr. y. Luschins, die Münzen mit S. Johannes und S. Petrus seien
durchweg den Bischöfen von Olmütz zuzuweisen, nicht anschliessen,
weil sich der Abgang des Namens des Mtinzherrn eher aus der
Vakanz des Fürstenstuhles erklären lässt, während welcher die
böhmische Herzogskammer in Prag die Verwaltung des Landes
führte. (Das Münzrecht der Olmützer Bischöfe nach Cod. 247 u. 249.)
*Nr. 131. Uf. Kleiner Kopf mit Kappe ohne Hals über einem
kleinen Kreuze, welches mehr links steht, in Ein-
fassung.
Ä/. Sitzende Figur nach links mit Kreuzstab in Ein-
fassung. Beiderseits schwacher Zackenrand.
Hf. SO A + (II2). B/: ^ 03XV , . N (H,) (Sobeslaus?).
D. 15 mm. 0,51 Gr. U. St. (Luschin 127.) 1 Stück.
Diese Münze hat ein ähnliches Gepräge mit den Münzen
Sobeslav, auf welchen derselbe mit dem Schwert abgebildet ist.
Die Rückseite ist eine Imitation der bekannten Vormundschafts-
münzen Conrads für Olmütz.
*Nr. 132. Stehender Herzog mit Schwert über einem Halbkreise.
72/. Rechtes Profilbrustbild im Mantel, ein Kreuz haltend,
im geperlten Halbkreise. Beiderseits Zackenrand.
HJ. X OHCAH c/5 (IJ. Ä/. c/^MHCIOAV (I,).
D. 15 mm. 0,44 Gr. U. St. (Luschin 128.) 1 Stück.
Eine Imitation der Vorderseite der Münze Bretislaws II.
mit dem stehenden Herzog und der Rückseite der Münze Svato-
pluks mit den beiden Brustbildern, ein Kreuz haltend. Diese
Münze ist demnach, da Svatopluk länger als Bretislav II. re-
gierte und nicht anzunehmen ist, dass letzterer als Herzog, von
Böhmen ein mährisches Gepräge nachgeahmt haben wii'd, dem
Herzog Svatopluk nach dem Jahre 1097 zuzuschreiben.
Ausser diesen von mir hier bekannt gegebenen Münzen
sollen noch zwei Stempel des Herzogs Bofivoi (1100 — 1120)
und ein Stempel Wladislavs I. (1110—1118) in dem Rakwitzer
Funde vertreten gewesen sein. Nämlich:
6*
g4 I^r* F. Kupido:
Borivoi (als Herzog in BöbmeD).
Nr. 133. Hf. Reiter nach rechts mit Schild und eingelegter
Lanze, daran ein Fähnlein nach aufwärts flatternd, im
Perlenkreise.
Rf. Brnstbild des Heiligen die Linke erhoben im Perlenkreise.
Hf. DVX o BORIVOI (I,). Ä/. W . INCEZLAVS • (IJ.
D. 17 mm. 0,69 Gr. (Luschin 81.) 2 Stück.
Nr. 134. Hf. Sitzender Herzog mit Schwert und Fahne.
Rf. Brustbilder des Herzogs und des Heiligen, der Herzog
hält ein Schwert, der Heilige in der Linken den
Erummstab, die Rechte zum Segnen erhoben, zwischen
den Köpfen ein Kreuz.
D. 17 mm. 0,53 Gr. (Luschin 82.) 2 Stück.
Was diese beiden Typen betrifft, so sind dieselben bekannte
böhmische Prägungen (Hanka XXV, 3 u. 5) und wurden dieselben
als in dem Rakwitzer Funde enthalten von Hrn. Prof. Smolik in
den Pamät. angeführt. Die Münze Nr. 133 kam nach Mittheilung
des Hrn. E. Fiala zuerst im Nemcitzer Funde und in dem von dem
Genannten angekauften Senitzer Funde vor. Der Umstand, dass
in dem grossen Stocke des Fundes nach einer Mittheilung Hm.
Dr. Luschins kein Borivoi II. vertreten war, drängt mir die Ver-
muthung auf, dass diese beiden Münzen nicht aus dem Rakwitzer
Funde stammen, welche mir vonHrn.Schierl als Retouren des königl.
böhm. Museums aus dessen Fund-Einsendung zugekommen sind.
Diese Münzen stammen offenbar aus der letzten Regierungs-
periode Borivois (1118—1120), und wäre es auffällig, dass sich ge-
rade nur zwei Stücke in den Rakwitzer Fund eingeschlichen hätten.
Auch die Hrn. Fiala und Schied konnten mir eine Bestätigung
hinsichtlich dieser Stücke als Fundmünzeu nicht geben, weshalb
bis auf weiteres, ungeachtet der Publikation in den Pamätkäch
archaeol. noch immer zu zweifeln ist, dass dieselben in dem
Rakwitzer Funde vertreten waren.
Diese beiden Münzen kamen mit der nachfolgenden durch
Hm. Schierl als „Fundmünzenretouren des böhmischen Museums^'
in meine Sammlung.
Der Rakwitzer Münzenfund. 85
Wladislaw I.
Nr. 135. Ilf. Geharnischter Ritter mit rundem Schilde, mit
dem Schwerte einen Löwen bekämpfend; links 6ine
Blume; alles im Perlenkreise.
Rf. Brustbild des Heiligen mit Buch und Kreuz im Per-
lenkreise.
HJ. DVX. WLA, . 3SLAVS + (I,). /?/. + CSCWENZES.VS (I,).
D. 17 mm. 0,83 Gr. (Luschin 86.) 2 St.
Auch diese Münze ist bekannten böhmischen Gepräges und
bei Hanke Taf. XXV, 10 abgebildet.
Diese Münze war im Gaslaner Funde zahlreich vertreten,
und weiss von derselben als Rakwitzer Fundmünze weder Hr.
Dr. Luschin noch Hr. E. Fiala und Schied etwas anzugeben,
weshalb ungeachtet in den Pamät. dieselbe als Rakwitzer Fund-
münze veröffentlicht wurde, und mir dieselbe als Retourstück
des Museums an Hm. Schierl von demselben eingeschickt worden
ist, bevor nicht die nöthigen Aufklärungen erfolgen, von mir
noch immer gezweifelt wird, dass diese Münze in den Rakwitzer
Fund gehört.
Die beigeschlossene Tabelle, die ich erst nach längerer
Correspondenz mit den Erwerbern der Fundstücke zusammen-
stellen konnte, giebt eine Übersicht über die Vertretung der
einzelnen Typen im Funde, sonach auch über deren Seltenheit.
Selten dürfte ein Fund eine solche Reihe von Unica geborgen haben.
In dieser Tabelle sind ca. 80 Stücke, die wie ich hörte, durch
Prof. Smoliks Hand in andere Sammlungen übergingen, nicht inbe-
griffen und konnte ich in dieser Richtung keinen Aufschluss be-
kommen. Es wäre demnach angezeigt, wenn sich die Besitzer
dieser Münzen mit mir behufs Vervollständigung dieser Tabelle
ins Einvernehmen setzen würden, wodurch sich dieselben um die
mährische Münzkunde Verdienste erwerben würden, namentlich
wenn noch unbekannte Stempel zu veröffentlichen wären.
Die weitere Herausgabe eines kritischen Theiles betreffs
meiner Zuweisungen mir vorbehaltend, schliesse ich meinen Auf-
satz mit dem Beifügen der angefahrten Tabelle.
86
Dr. F. Kupido:
Die einzelnen Stempel waren in nachstehender Anzahl
nachbenannten Funderwerbern vertreten:
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Nr.
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124
1
5
neuer Stempel
R'
•125
Unicum
R"
'126
R'
•I27
^
R-
•128
R'
•129
R'
•130
^
R'
•131
R-
•132
„
R'
133
1
1
2
bekannter böhm. Stempel
B
134
1
1
2
bek. seltener bshm. Stempel
R'
135
1
1
2
bekannter böhm. Stempel
R
Stadt Liebau im April 1888.
Or. Franz Kapido.
nETeAAOF,
eine neue Münzstadt.
Unter den neuesten Erwerbungen des Königlichen Münz-
kabinetes in Berlin befindet sich auch eine unedirte Bronze-
mttnze, deren Besprechung von Interesse sein dürfte.
Hf. belorberter Zeuskopf nach rechtg.
Rf. vorderer Theil eines aus einem Felsen hervorsprin-
genden Pferdes, nach links vor ihm von rechts nach
links die Inschrift: UnAAOTaT = nst&aXäv. M 3.
Zeit der Prägung nach Styl der Typen und Charakter der
Schrift zu schliessen die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr.
Dass die Münze eine Thessalische ist, zeigen zur Genüge
ihre Typen, welche auch auf anderen thessalischen Münzen vor-
kommen, auch ist sie in Thessalien gefunden worden. Das Neue
was die Münze bietet, ist das Ethnikon Petthaloi, welches zum
ersten Male auf einer Münze erscheint. Aber auch sonst, bis
vor einigen Jahren war der Name Uet&alot in der griechischen
Literatur unbekannt. Erst durch die neuentdeckten Inschriften
in Thessalien, welche in den Mittheilungen des deutschen arch.
Instituts in Athen publicirt worden sind, ist dieser Name be-
kannt geworden. S. Bd. VII 64, 67 und vergl. Bd. VIII 103, 120.
Da kommt das Ethnikon Ust^aXavy (mit der thessalischen Endung
92 Rhonsopoulos: JIETSAJQL
des gen. plur.) und das Adjectivum UsT&dXeioy vor. Auf unserer
Münze nun ist die gewöhnliche Form des Genitivs: UBx&aXAv^
wie (a und ov auch sonst auf thessalischen Münzen wechseln,
z. B. Osqaliav und Osqaiovv^ um nur ein Beispiel anzufahren
für eine sehr bekannte Sache.
Merkwürdig ist in diesem Namen die Verbindung des % mit
dem & für die Grammatiker. Dagegen ist es schwierig, den Namen
der Stadt selbst aus dem Ethnikon heraus zu finden. War es
nsxd^aXia nach Analogie von Gsdcalov @€döaXiaV) Doch diese
Frage ist rein philologisch. Nach meiner Ansicht übrigens haben
die Het&aXoi keinen Stadtnamen gehabt, eben so wenig wie die
AINIANEI, AOAMANEI, und ursprünglich, wie es aus dem Prooe-
mion des Thukydides hervorgeht, viele Völkerschaften des Nord-
griechenlands und Epeiros waren nur durch die Ethnika bekannt,
so z. B. AKAPNANEI, AITHAOI, eEIPPnTOI u. a. m. Die Namen
\4xaqvavia, AhtaXla^ QeanQwtla u. s. w. sind später.
1) Die Erklärung des ntj&aXoi = Smaloi (Robert in Hermes Band XVII,
S. 472, 1) scheint mir bedenklich and meinem SprachgefOhle unbequem.
Berlin, den 28. November 1887.
Bhousoponlos.
Ifachträge
zum Aufsatze von Dr. Menadier: „Funde deutscher
Münzen aus dem Mittelalter/
In der Zeitschr. f. Numismatik XV, S. 97 flf. hat Herr Dr.
Menadier einen Bericht über » Funde deutscher Münzen
aus dem M ittelalt er "" veröffentlicht, dessen zweiter Abschnitt
von den sdhlesischen Funden handelt. Mit Bezug auf diese
. letzteren seien dem Unterzeichneten, der bei seinem mehrjährigen
Aufenthalte in Breslau die schlesische Numismatik an der Hand
der dortigen Hülfsmittel eingehender als bis dahin studirt und
die meisten schlesischen Auffindungen von numismatischer
Wichtigkeit untersucht hat, einige vervollständigende Bemer-
kungen gestattet.
I. Auf S. 110 führt Herr Menadier einen Denarfund auf
aus der grottkauer Gegend. Genauer angegeben, ist dieser
Fund auf der Feldmark Schmolitz im Kreise Neisse gehoben
worden und s. Z. in Besitz des Grafen Colonna-Walewski ge-
langt, bei welchem ich den Inhalt durchgesehen habe. Der
Fund ist kürzlich im Numismat.-sphragist. Anzeiger 1887, S. 69 flf.
mitgetheilt worden, die Publikation erfolgte aber erst gleich-
zeitig mit dem Aufsätze des Herrn Menadier.
II. Auf S. 105 flf. wird ein Fund angeblich aus Wättrisch
im Kreise Nimptsch verzeichnet. Dabei ist aber ein Irrthum
unterlaufen. Der aufgeführte Inhalt ist nämlich gar nicht der
des wättrischer Fundes, sondern entstammt, wie Friedländer
bei dessen Bekanntmachung in der Zeitschr. f. Numism. VIII,
149 richtig sagt, der Provinz Posen, und zwar, wie ich früher
schon Friedländer mitgetheilt, der Gegend von Rawicz. Die
94 Smil Bahrfeld t:
friedländersclie handschriftliche Notiz, auf die sich der Verfasser
stützt, ist wohl irrig aufgefasst worden. Allerdings ist auch in
Wättrisch ein Fund ans Licht gekommen und Friedländer selbst
hat ihn bearbeitet, derselbe ist aber von ganz anderer Zu-
sammensetzung. Die Publicirung vom Manuscripte Friedländers
habe ich nach dessen Tode in Schlesiens Vorzeit in Bild und
Schrift 1884, Bd. IV, S. 227 flf., unter Abbildung der wichtigsten
Stücke veranlasst. Der Fund, welcher 1883 aufgedeckt wurde,
wird im Museum schlesischer Alterthümer zu Breslau aufbewahrt
und hat folgenden Inhalt.
Sachsen. Herz. Bernhard II., Dannenberg Nr. 591. 3 Expl.
derselbe, Lüneburg, Dbg. Nr. 590 ähnl.
Magdeburg, Erzbisch. Hartwig, Dbg. 654.
Friesland. Utrecht, Bischof Ernoldus, Dbg. 544.
Deventer, Konrad II. als Kaiser, Dbg. 566 b.
Thiel, Konrad ü. (ohne Titel), Dbg. 582.
Lothringen. Verdun, Nachmünzen von Dbg. 92. 2 Expl.
Flandern, Balduin IV., abweich, v. Dbg. 145.
Dinant, Graf Albert III. von Namur, Dbg. 174.
Huy, Heinrich IL als König, Dbg. 225.
Köln, Otto m. als König, Dbg. 340.
„ Otto m. als Kaiser, Dbg. 342 i.
„ undeutliche ottonische Denare. 5EIxpL
„ Heinrich H. als König, Dbg. 345.
,, Heinrich H. als Kaiser, Dbg. 350 u. 352.
„ Konrad IL als Kaiser mit Erzbischof Pili- .
grin, Dbg. 380.
Andernach, Herz. Theoderich v. Lothringen, Dbg.
443.
„ Konrad IL, ohne Titel, mit Erzbischof
Piligrin, Dbg. 449 b.
Duisburg, Konrad H. als Kaiser, Dbg. 311.
Trier, Erzbischof Poppo, Dbg. 466.
J? ranken. Mainz, undeutl. Expl. v. Konrad H. (?)
"Vulda, ^b*ei, anonymer Denar, ähnl. Dbg, 871.
Funde deutscher Münsen ftus dem Mittelalter. 95
Schwaben. Augsburg, Nachmünze von Dbg. 1013.
Villingen, Graf Bernhard v. Zihringen, Dbg. 957.
Bayern. Regensburg, Kais. Heinr. III., Dbg. 1101a.
Regensburg, Bischof Oebhard lU., Dbg. 1105.
„ undeutl. Denar, Dbg. 1090 oder ähnL
Böhmen. Brazislaw, cf. Lelewel Taf. XXII, 9, 10, 13.
Spitignew, cf. Lelewel Taf. XXII, 15.
Ungarn. Stephan, Schönvisner Taf. I, 1.
Andreas, Schönvisner Taf. I, 3 u. 4. 17 Expl.
Italien. Kaiser Otto I., Lelewel Taf. XIV, 44.
England. Knut, York, Hildebrand* typ. H.
„ London, Hildebr. typ. Ec
Harold L, London, Hildebr. typ. H.
Harthaknut, Exeter, Hildebr. typ. Ba.
n London, Hildebr. typ. O-
Eduard d. Bekenner, Lincoln (?), Hildebr. typ. C.
Undeutliche angelsächsische Münzen 3 Expl.
Hinsichtlich der Verscharrung dieser Münzen ist Folgendes
zu bemerken. Wenn der im Funde vorhandene Denar Dannen-
berg Nr. 654, der übrigens bisher nur durch das Exemplar in der
kaiserl. Sammlung der Eremitage zu Petersburg bekannt war,
vom Erzbischofe Hartwig von Magdeburg (1079 — 1102) oder von
dessen Gegenbischofe gleichen Namens (1085—1087) herrührt,
so ist der Fund, da der auf der Iff. genannte Kaiser Heinrich nur
der IV. sein kann (1084—1105), nicht vor 1084/1085 ver-
graben. Friedländer trägt indessen bezüglich der magdeburgischen
Herkunft des Denars Bedenken, da beide Stücke gerade an der
entscheidenden Stelle der Rfickseitenumschrift nicht deutlich
seien und nicht erkennen Hessen, ob der Titel Archiepiscopus
oder Episcopus laute. Er will, wenngleich mit aller Reserve,
den Erzbischof Hartwig v. Salzburg oder den Bischof Hartwig v.
Bamberg heranziehen. Nach meinem Dafürhalten aber zu Un-
recht. Denn für diese beiden passt die Fabrik ganz und gar
nicht; "das hat vor Friedländer schon Dannenberg dargethan.
Ausserdem ist aber wohl das von der Aufschrift erkennbare CHS
96 Bmil Bahrfeldt:
eher in Archiepiscopus als in Episcopus zu ergänzen. Einer
der beiden Magdeburger Hartwig wird daher aller Wahrschein-
lichkeit nach der Prägherr der Münze sein.
Allerdings muss ich, weitergehend, auf die sehr auffällige
Erscheinung hinweisen, dass alle übrigen Münzen des Fundes die
Yergrabung bald nach 1055, also etwa um 1060, annehmen lassen,
während dieser einzige Hartwigdenar, dieselbe um etwa fünf-
undzwanzig Jahre hinabrücken würde, und dass aus diesem
langen Zeiträume auch nicht eine Münze im Funde gewesen
sein sollte. Vielleicht aber kann zur Aufklärung der Umstand
dienen, dass nicht sämmtliche Münzen des Fundes an das bres-
lauer Museum gekommen sind. Ich habe nämlich ermittelt, dass
der frühere Besitzer neunzehn Denare, also ungefähr ein Viertel
des Fundes, zurückbehalten hat. Es ist mir aber durchaus nicht
möglich gewesen, diese Stücke zu Gesicht zu bekommen, nähere
Kenntnissnahme von denselben wurde mir verweigert, so dass
ich bedauerlicher Weise ausser Stande bin, Genaueres zu be-
richten. Immerhin aber wird man auch ohne dies annehmen
dürfen, dass wenigstens einige dieser Münzen die Lücke zwischen
den Jahren 1060 und 1085 ausfüllen werden, und jedenfalls be-
stärkt das Vorhandensein dieser neunzehn Münzen die Annahme
von dem Verscharren des Fundes erst ungefähr 1085, nicht
schon 1060 wie Friedländer nach der Hauptmasse angenommen.
Der Fund von Wättrisch folgt also dem Alter nach dem
von Schrien. Er ist somit an der entsprechenden Stelle in
Herrn Menadiers Aufsatz einzureihen und dagegen der dort
irrthümlich als wättrischer verzeichnete Fund von Rawicz dem
III. Abschnitte über die Denarfunde der Provinz Posen einzu-
verleiben,
III. Eine sorgfältige Bearbeitung hat der Fund von Peister-
witz, Kreis Ohlau, auf S. 113 ff. erfahren. Besonders werthvoU
sind die darin niedergelegten längeren Excurse über die böh-
mischen Münzen, als deren bemerkenswerthes Resultat die Ent-
deckung zweier neuen Münzfürsten: Sobeslaus von Lubic and
Otto (Bezbriem) von Prag anzusehen ist.
Funde dentscher MOiuei) ans dem Hittelalter. 97
Dieser peisterwitzer Schatz hat mir im Sommer vorigeii
Jahres, als er in die HAnde eines breslauer Händlers gelangt
war, vorgelegen. Ein Ankauf fär das Museum schlesischer
AltertfaÜQier daselbst gelang leider nicht. Es wurde mir aber
gestattet, Abdrücke zu nehmen. Auf dieser Grundlage habe ich
über den Fund einen Bericht in Schlesiens Vorzeit IV, S. 613 ff.
gegeben, nachträglich ergänzt aus dem vorliegendeD Aufsätze
von Dr. Menadier.
Nach dem Erscheinen meines Benchts sind mir nun noch
ein Paar Münzen zugekommen, welche ebenfalls aus dem Funde
herrühren. Da dieselben zum Theil in Dr. Menadiers Zusammen-
stellung fehlen, die eine auch ziemlich wichtig ist, so führe ich
sie der Vollständigkeit halber hier auf.
Es sind folgende:
1. Bayern. Begensburg, Heinrich IL, Obol zu Dbg. 1070 d
mit-HENRVwVX Rf. REIACIVITAm und mC im
Tempel. Fehlt bei Menadier.
2. „ Regensburg, Heinrich IV., Denar zu Dbg. 1071 f
mit Wie.
3. Böhmen. Denar, s. Menadier Nr. 124. 3 Expl.
4. „ Denar, s. Menadier Nr. 131. 2 Expl.
5. n Denar mit verwilderten (Jmschriften
+ V3R3VHRaTVT Drei Schleifen und drei Nägel zu
einem Sterne angeordnet, von neun Kugeln begleitet.
Rf. + Vc;i3SHTVTV3:w (links beginnend) Kreuz mit
drei Nägeln in einem und je drei Kugeln in den
andern Winkeln. 2 Expl.*
Fehlt bei Menadier.
Die Münze ist genau so, nur mit wenig abweichenden Um-
schriften, aus einem Funde bei Rostow in Russland in den
EntHbrirt fli ]
98 Emil Bahrfeldt: Funde deutscher Münzen aus dem Mittelalter.
Petersbg. M6moir. III, PI. XIII, 4 bezw. IV, S. 95 publicirt.
Fast gleichen Typus hat auch der Denar ohne Herzogsnamen
Berliner Bl. III, Taf. XXXIV, 11, welchen Dannenberg in die
mit Boleslaus III. Vertreibung eingetretenen unruhigen Zeiten
verlegt. Es ist daher wohl zulässig auch unsere Münze, von
der übrigens Herr Donebauer in Prag ebenfalls ein Exemplar
aus dem peisterwitzer Funde erhalten hat, in jene Zeit zu
rechnen, wenn man nicht etwa an Boleslaus III. Nachfolger
Wladiwoi denken will, im Hinblick auf dessen etwas ähnlichen
Denar Berl. Bl. III, Taf. XXXIV, 10 0- Die Münze wäre dann
die einzige des Fundes, welche, auf Grund der Anordnung der
Boleslaus-Denare durch Herrn Menadier, nicht von Boleslaus L
oder II. herrührte, von denen übrigens einige des Fundes, was
nicht übersehen werden soll, ähnliche Rückseiten aufweisen, wie
das vorliegende Gepräge.
1) Berl. Bl. in, 10, 3 auf S. 155 dies. Ztschr. ist ein Druckfehler.
Emil Bahrfeldt.
Zur FominersGlieii und Meklenbnrgisclieii MünzkniideO*
vm.
A. Pommern.
Einen dunklen Punkt in der pommerschen Münzgeschichte
bildet die Zeit zwischen den ältesten Münzen (Denaren) von
Bogislaw und Kasimir und den viel kleineren und leichteren De-
naren von Barnim I., ein Zeitraum, den wir wohl auf 30 bis
40 Jahre veranschlagen müssen. Dass in dieser ganzen Zeit,
aus der uns zweiseitige Münzen fehlen, in Pommern nicht ge-
prägt sein sollte, ist nicht wohl anzunehmen. In meinem Auf-
satze über „Pommerns Münzen im Mittelalter" (Berlin 1864),
habe ich versucht, diese Lücke zwischen den ältesten Denaren
und denen von Barnim I. mit einigen Brakteaten auszufällen
(a a. 0. Taf. III, 21, 22; Taf. IV, 72, 88), abgesehen von dem
angeblichen Garzer (Becker 200 seit. Mz., Taf. VII, 193, Reichel
IV, 3543). Aber da diese Münzen stumm sind, so blieb zu
Zweifeln genügender Raum, ja einer dieser Brakteaten (Taf. HI,
21) muss wohl nach dem, was wir inzwischen über Branden-
burger Gepräge, namentlich durch den Seelensdorfer Fund')
gelernt haben, von Pommern weg- und nach Brandenburg ge-
wiesen werden.
Einigen weiteren Aufschluss verdanken wir dem Funde von
Bünstorf (bei Rendsburg) ; er hat uns mehre Brakteaten (Bd. VII,
1) s. die frflheren Artikel Bd. lY, 243, Y, 73. 189 und YI, 109 d. Z.
2) 8. Bd. IX, 280 d. Z.
100 H- Dannenberg:
S. 413, Taf. VII, 204-209) geliefert, deren Beziehung
auf Demmin, Pyritz und Stargard die auf ihm angebrachten
Beizeichen der Lilie , Kose und des Sternes zu rechtfer-
tigen scheinen, sowie es anderseits kaum zulässig sein dürfte,
diesen der Stückzahl nach so beträchtlichen Fund ganz ohne
Gepräge aus dem dem Fundort so nahe gelegenen Pommern zu
denken, während er doch eine stattliche Reihe von Brakteaten
des benachbarten Meklenburg enthalten hat, welche bis dahin
gänzlich unbekannt waren, und auch Brandenburg in ihm mit
mannigfachen und zum grossen Theil bis dahin ebenfalls unbe-
kannten Geprägen vertreten war. Ebenso drängen doch auch
die Brakteaten Jaromars von Rügen zu der Annahme, dass auch
in dem eigentlichen Pommern diese Münzart zu derselben Zeit
nicht gefehlt haben wird, für welche Annahme auch die Brak-
teatenprägung in Pommerns Nachbarländern, Brandenburg und
Polen, einen gewichtigen Grund abgiebt.
Zweifel bezüglich der Zugehörigkeit dieser Bfinstorfer Brak-
teaten an Pommern konnten aber etwa daraus entnommen wer-
den, dass in Pommern selbst, soviel bekannt, derartige Brak-
teaten noch nicht zum Vorschein gekommen sind. Allein was
will das bedeuten, der Erfahrung gegenüber, dass, auch abge-
sehen von den (polnischen und skandinavischen) Denarfunden des
X. und XI. Jahrhunderts, in unzähligen Fällen das Ausland die
ersten Exemplare unsrer Münzen geliefert hat, wofür die nur
ausserhalb Deutschlands gefundenen Denare von Bogislaw und
Kasimir, die bisher nur durch den norwegischen Fund von Daelie
bekannt gewordenen Denare Siegfrieds von Cammin und Otto*s II.
von Brandenburg einen ebenso schlagenden Beweis abgeben,
wie die Denare des Bruders des Letzteren, des Markgrafen
Albrecht IL, welche auch zuerst bei Bünstorf ans Licht ge-
kommen sind; wie in letzterem Falle ein inländischer Fund
später ausgeholfen hat (Bd. IX, 285 d. Z.), so mag das ja wohl
auch bezüglich der in Rede stehenden Brakteaten noch der Zu-
kunft vorbehalten bleiben. Der sogleich zu erwähnende Fond
von Kanneberg bietet übrigens ein völliges Seitenstück zu diesen
Zur Pommerschen und Meklenburgischen Mflnzkonde. 101
Albrechts -Denaren: die ältesten Meklenburgischen Brakteaten
sind uns durch den Bünstorfer Fund bekannt geworden, darnach
erst, in der jüngsten Zeit, sind sie in ihrer Heimath selbst zu
Tage gekommen.
Es möchte aber ausserdem etwa eingewandt werden, Lilie,
Rose und Stern seien doch Bilder, welche bei ihrer allgemeinen
und theilweis religiösen Bedeutung ein Stempelschneider leicht
hätte verwenden können, ohne ihnen eine heraldische Beziehung
beizumessen. Darauf ist aber zu erwidern, dass diese Bilder
gerade für die genannten Städte heraldischen Werth erlangt
haben, obgleich sie nicht in den ältesten Siegeln als deren eigent-
liche Wappen auftreten. Auf dem ältesten Demminer (D.
Pommern Taf. II) sehen wir nur auf den beiden Thürmen des
Stadtthors eine kleine Lilie als Zierrath, in Pyritz begegnen wir
der Böse (im Stadtthore) erst in dem kleinen Siegel (Sigillum
minus) vom J. 1543, und auf dem Stargarder Sekret, das etwa
1300 gearbeitet sein mag, sind die beiden Pfeiler des Thores,
in dessen Öffnung ein Balkenschild zu sehen ist, jeder mit einem
Sternchen vei-ziert. Kratz (die Städte der Provinz Pommern,
Berlin 1865) sagt daher von Demmin beziehungsweise Pyritz
(S. 114 und 311): „als abgekürztes Zeichen gilt die Lilie (Rose),
besonders auf Münzen^. Es mag sein, dass die gedachten Bilder,
da sie den ältesten Siegeln fremd sind, ursprünglich mehr den
Werth von Münzstätten-Zeichen gehabt haben, deren Entstehung
sich unsrer Kenntniss entzieht, nur dass bei Stargard vielleicht
eine Anspielung auf die untergelegte deutsche Bedeutung des
slavischen Stadtnamens zu erkennen sein dürfte ; aber da sie in
allen drei genannten Städten nach Ausweis sicherer Münzen
schon um die Mitte des XIV. Jahrhunderts in unzweifelhafter
und ausschliesslicher Geltung sind, und diesen zahlreiche schrift-
lose Münzen mit den in Bede stehenden Münzbildern vorauf-
gehen, welche man allgemein, und ohne Frage mit Hecht den
erwähnten Städten beilegt, so wagen wir gewiss nicht zuviel,
wenn wir die Benutzung der Lilie, Rose und des Sternes als
Münzzeichen auf eine frühere Zeit und bis in den Anfang des
102 H. Dannenberg:
Xin. Jahrhunderts, die Prägezeit unserer Brakteaten, zurückver-
setzen. Sehen wir doch bei Strassburg das Wappenbild der
Lilie auf Münzen sogar schon lange vor der heraldischen Zeit, zu
Ende des X. Jahrhunderts in stetem Gebrauch*). Auch Stralsund
sehen wir auf dem hiernächst beschriebenen Brakteaten Nr. 1
schon in der ersten Hälfte des Xin. Jahrhunderts im Besitz
seiner Wappenbilder, und Salzwedel bekanntlich noch früher.
Alle Bedenken aber, ob diese Brakteaten als Pommersche
anzusehen, dürften gehoben werden durch den folgenden Brak-
teaten :
1) Gebäude, von welchem eine Flagge weht; links im
Felde der Strahl. — Meine Sammlung. Gew. 0,46 Gr.
21 mm. (Abbildung am Schluss.)
Hier ist doch wohl nicht zu zweifeln, dass wir ein Gepräge
von Stralsund vor uns haben, denn die beiden hier angebrachten
Münzzeichen dieser Stadt, die Flagge und der Strahl, schliessen
jede andere Deutung aus. Dieser Brakteat zeigt aber eine der
vorgedachten, für Pommern beanspruchten sehr verwandte Fabrik,
nur dass er etwas kleiner ist und wohl auch in etwas -spätere
Zeit gehören möchte, d. h. da der Bünstorfer Fund auf etwa
1225 als Yergrabungsjahr hinweist, in die Zeit von 1230 bis
1240. Diese Annahme eint sich auch vortrefflich mit den ge-
schichtlichen Verhältnissen, denn Stralsund, 1209 oder 1210 ge-
gründet und 1234 mit Lübischem Rechte bewidmet, entwickelte
sich sehr, schnell, so dass wir wohl in vorliegendem Brakteaten
das älteste Erzeugniss der dortigen Münzschmiede begrüssen
dürfen ; nur ist er wohl eher ein landesherrliches als ein städtisches
Gepräge, denn erst 1319 erwarb die Stadt von Wizlaw III. von
Rügen die Münze wiederkäuflich, und dann 1325 von War-
tislaw IV., Herzog von Wolgast, unwiderruflich.
Wie den gedachten, früher bekannt gewordenen, so ver-
schafft dieser Stralsunder Pfennig auch dem folgenden seitdem
aufgetauchten Brakteaten Bürgerrecht in Pommern.
1) 8. Dannenberg, Mz. der s&chs. u. fränk. K., Nr. 910, 912—914, 918,
919, 921, 929, 930, 938, 940.
Zur Pommerschen und Meklenburgischen Münzkunde. 103
2) Über einem Bogen, in welchem eine Lilie, erhebt sich
zwischen zwei Th&rmen ein Gebäude mit einer grossen
Lilie auf dem Dache. — Eönigl. Museum zu Berlin
Gew. 0,52 Gr. 20 mm. Taf. VI, Nr. 2.
Wir dürfen hier wohl ein Demminer Gepräge annehmen,
das in erwünschter Weise die Heimath des besprochenen Bün-
storfer Brakteaten Taf. VII, 204, Bd. VII d. Z., wie ich sie bei
Beschreibung dieses Fundes vermuthet habe, bestätigt; unsere
Münze unterscheidet sich von letzterer im Wesentlichen nur
dadurch, dass diese einen Ringel mit Kugel an Stelle der Lilie
im Bogen hat.
Ebenfalls auf Demmin wird im Deveggeschen Katalog (Kopen-
hagen 1867, Th. II, Taf. VI, 1902) folgender stylverwandter Brak-
teat bezogen:
3) Flagge linkshin, unter ihr eine Lilie, rechts neben der
Stange ein Stern. — Meine Sammlung. Gew. 0,48 Gr.
20 mm. Taf. VI, Nr. 3.
Diese Münze liesse sich verwerthen, um darzuthun, dass
Flagge, Stern, Lilie und ähnliche Zeichen eine Beziehung auf
eine bestimmte Örtlichkeit nicht zulassen, man könnte sagen:
das Beisammensein von Flagge, Lilie und Stern beweist, dass
dieser Brakteat weder auf Stralsund, wo Lilie und Stern keine
Erklärung fänden, noch der Lilie wegen nach Demmin, noch
endlich des Sternes halber nach Stargard gehört; allein das wäre
doch jedenfalls zu weit gegangen, da wir von allen drei Städten be-
glaubigte Gepräge mit diesen Wappenzeichen besitzen. Schwierig
wird nur die Entscheidung, welchem dieser drei Zeichen wir die
eigentlich entscheidende Bedeutung beizulegen haben. Da wird
man dann wohl zugeben, dass dem Sterne, der so unzählige
Male nur zur Füllung eines leeren Raumes dient, auch hier kein
höherer Werth beizumessen ist. Die grösser dargestellte Lilie
dagegen werden wir in eine so untergeordnete Stellung schwer-
lich herabdrücken dürfen, vielmehr, wenn wir unsere Erfahrungen
über Typennachahmung befragen, wie sie in Pommern nament-
104 H. Daonenberg:
lieh bei den Anklamer Witten mit dem Stralsunder Strahle zu
Tage treten, zu dem Schlüsse gelangen, dass man in Demmin
die Stralsunder Flaggenbrakteaten nachgeahmt und zur Unter-
scheidung mit dem Stadtbilde der Lilie versehen hat. Wem
das bedenklich scheint, entweder weil Demmin nicht am Meere
gelegen, oder weil in so früher Zeit die Münzen des unlängst
erst gegründeten Stralsund kaum schon zur Nachahmung ange-
reizt haben mögen, der muss freilich unsern Brakteaten unter
die Stralsunder einreihen.
Gleichen Ursprungs und aus gleicher Zeit sind die nach-
folgenden :
4) Auf einem Bogen, in welchem ein Kugelkreuzchen, ein
breiter Thurm zwischen einem schmaleren rechts und
der Flagge links. — Gew. 0,57 Gr. 21mm. — Meine
Sammlung — Taf. VI, Nr. 4.
5) Flagge rechtshin zwischen Lilie und Halbmond. —
19 mm. Gewicht 0,51 Gr. — Meine Sammlung. —
Taf. VI, Nr. 5.
Bestimmt auf Stralsund zu beziehen sind aber die nach-
stehenden beiden Brakteaten, die wir gleich dem vorigen dem
weiter unten zu erwähnenden kleinen Funde von Kanneberg
verdanken :
6) Zwischen zwei Bogen (oder Thürmchen) die Flagge links-
hin, und neben ihr rechts ein sechsstrahliger Stern. —
19 mm. Gew. 0,49 Gr. — Meine Sammlung. —
Taf. VI, Nr. 6.
7) Ebenso, aber statt des Sternes eine Kugel. — 20 nun.
Gew. 0,5 Gr. — Meine Sammlung. — Taf. VI, Nr. 7.
Etwas älter möchte folgender Brakteat sein, den ich den
Fürsten von Rügen, also dem ersten Jaromar (1170 — 1218) oder
der ersten Zeit seines Sohnes Wizlaw I. (1218—1249) zuschreiben
möchte :
8) Unter einem mit drei Thürmen besetzten Bogen ein ge-
kröntes Brustbild. — 21mm. Gew. 0,8 Gr. — Meine
Sammlung. Taf. VI, Nr. 8.
Zur Pommerschen und Meklenbargischen Mflnzkunde. 105
Zur Rechtfertigung dieser Zutheiiuug dient die Fabrik,
namentlich das dicke Silberblech und das hohe Gewicht^), wel-
ches diese Münze mit dem sichern Schriftbrakteaten Jaromars I.
(Dannenb. Pomm. I, 58) innig verbindet; wir haben hier auf Einer
Seite gewissermassen vereinigt, was ähnlich das Gepräge beider
Seiten des Denars dieses Königs bildet: seinen Kopf und seine
Burg (a. a. 0. I 57). Auch besinne ich mich in einem älteren
Werke über pommersche Geschichte der Abbildung von fünf auf
Rügen selbst oder der gegenüber liegenden pommerschen Küste
(dem sog. landfesten Theile Rügens) gefundenen Brakteaten be-
gegnet zu sein, welche sämmtlich unsrer Münze sehr ähnlich
waren, leider kann ich aber das Citat nicht finden. Das vor-
liegende Exemplar stammt übrigens dem Vernehmen nach aus
einer alten pommerschen Sammlung. Ist nun vorstehende Zu-
theilung richtig, so lässt sich vielleicht auch der folgende Brak-
teat bei Cappe, K. M. II, Taf. XVII, 173 hierher, oder der Lilie
wegen nach dem nahen Demmin verlegen, wobei ich jedoch be-
merke, dass ich ihn nur nach der Abbildung beurtheilen kann.
9) Lilie unter einem Bogen, über dem zwischen zwei
Thürmen ein gekröntes Brustbild. — 20 mm. Gew.
(nach Cappe 0,055 Preuss. Loth =) 0,917 Gr.
Eine Nebenlinie des Rügischen Fürstengeschlechtes, gestiftet
von Barnuta, jüngerem Sohn Jaromar's I (f 1237), bildeten die
Herren von Gristow, deren Stammbaum in den Klempin-Bülowschen
Stammtafeln des Pommerisch-Rügischen Fürstenhauses bis Vicco
(1432) geführt wird, mit dem Bemerken, dass das Wappen an-
fangs ein Hirschkopf (Zehnender), später ein Ochsenkopf mit
Adlerflügeln gebildet habe. Auf Grund dieser Angabe habe ich
schon früher (Bd. VII d. Z., S. 385 Anm.) die Vermuthung ge-
äussert, dass ein Brakteat des Hohenwalder Fundes (Bd. IV,
Taf. V, 60 d. Z.) vielleicht einen dieser Gristower Dynasten zum
1) Die mir zugäDglichen Schriftbrakteaten Jaromar's (D. P. I, 58) wiegen
0,77 Gr., 0,78 Gr., 0,88 Gr., seine schriftlosen (D. P. I, 59) 0,84 Gr. und
0,88 Gr.
106 H. Dannenberg:
Urheber haben möchte. Das Gleiche dürfte dann von dem ähn-
lichen, nnr etwas grösseren und daher etwas älteren folgenden
Stücke gelten, das uns der Kanneberger Fund gebracht hat^):
10) Hirschkopf, auf jeder Seite von einem Ringel begleitet.
— 20 mm. Gew. 0,39 Gr. — v. Prollius. —
Taf. VI, Nr. 10.
Dass weder der Kopf dieses noch des erstgedachten Brak-
teaten einem Zehnender angehört, wird man der aufgestellten
Yermuthung nicht im Ernste entgegensetzen, und es möchte sich
auch fragen, ob man bei der gewiss doch nur höchst geringen
Zahl auf uns gelangter Siegelbilder diesen Zehnender als etwas
durchaus Wesentliches wird erachten können. —
Des Fernern wäre zu prüfen, ob nicht das zweite Gristowsche
Wappenbild des Ochsenkopfes mit Adlerfifigeln auf dem folgenden
Brakteaten zu erkennen ist:
11) Ochsenkopf mit flügelähnlichem Ansätze auf beiden
Seiten des Maules, zwischen den Hörnern ein Ringel. —
21 mm. — Meine Sammlung. —
Abbildung am Ende dieses Aufsatzes.
Seiner äusseren Erscheinung nach ist er dem eben beschrie-
benen gleichzeitig, also etwa 1220—1230 geprägt, und demnach
älter als der ungefähr 20 — 30 Jahre jüngere des Hohenwalder Fun-
des, während nach Obigem der Hirschkopf durch den geflügelten
Ochsenkopf abgelöst wird. Allein ist dies auch in dem Maasse
sicher, dass ein gleichzeitiges Bestehen beider Wappen binnen
eines so geringen Zeitraums ganz ausgeschlossen sein sollte?
und darf nicht vielmehr auf das Beispiel von Diepholz ver-
wiesen werden? wo nach anderweitigen Änderungen der seit 1295
eingeführte quergetheilte Schild mit Löwe oben und Adler unten
von 1367 ab dem Hirschgeweih Platz macht, um dann, seit
1426, seinerseits wieder die Hirschhörner, schliesslich seit 1435
auf immer zu verdrängen (s. Mzstud. lY, S. 255) ; auch hier ist
1*^ Nicht zu yerwechseln mit dem sehr ähnlichen Brakteaten Taf« V,
13 Ba ^T d. Z. «inptn RtiArlr'^»)f -^h HJ'*'?c^i5P^»'he zwischen den HOmeni.
Zur Pommerschen und Meklenborgischen Münzkunde. 107
die Grenze zwischen beiden sich bekämpfenden Wappenbildera
nicht haarscharf zu ziehen.
Sollte die Beziehung unseres Brakteaten auf Gristow unzu-
lässig sein, so müsste man ihm in Meklenburg eine Heimstätte
suchen. Überhaupt möchte ich obigen Vorschlag zur Unterbrin-
gung dieser drei seltenen und interessanten Münzen genauerer
Untersuchung der Specialforscher empfehlen.
Herzog Barnim L, 1222—1278.
12) + BKRHIM Greifenkopf linkshin. Rf. Ebenso. —
Gew. 0,46 Gr. Meine Sammlung. Taf. VI, Nr. 12.
Bei der Beschreibung des Hohenwalder Fundes, aus dem
dieser Denar stammt, ist er mir unter so vielen (55 Stück),
welche auf der Bückseite einen Stern in einer Einfassung von
vier Kreuzen und vier Röschen zeigen (Dbg. I, 8), in wohl ent-
schuldbarer Weise entgangen, und wenn er auch als eine Zwitter-
münze, mit zwei Aversstempeln geschlagen, zu betrachten sein
mag, so verlohnt es sich doch wohl bei der Seltenheit solcher
Erscheinungen in dieser Zeit auf ihn aufmerksam zu machen. Er
war nur in diesem einzigen Exemplare vertreten.
Barnim VI., Herzog zu Barth, 1394—1408.
13) o% HOKQTTt o DVOIS % BTJRT Greif linkshin. Rf.
% HOnarm % DlVirnS <> BKRT Kreuz, im linken Ober-
winkel drei Ringel. — Im Besitz des Hrn. A. Jungfer
hier. Taf. VI, Nr. 13.
Die ganz ähnliche Münze, die ich (Pomm. Taf. III, 71, S. 53)
nach einer Abbildung in den halt. Studien gebracht habe, Hess
es unentschieden, ob auf der Hauptseite „ducis" wie hier, oder
nicht etwa wieder, wie auf der Rückseite «civitas'' zu lesen sei.
Nachdem das vorliegende Exemplar diesen Zweifel gehoben,
wird es erlaubt sein, Barnim VI. als den Prägherm anzusehen,
denselben Fürsten, der in der Gnadenkirche des Dorfes Kenz
bei Barth sein Grabmal hat, das wegen der ältesten gleichzei-
tigen Darstellung eines Pommernherzogs sehr bemerkenswerth
ist. (Barthold, Pomm. Gesch. Bd. HI, S. 572).
108 H* Dannenberg:
Kasimir VI. (1413—31) oder Joachim I. (1434—51)
zu Stettin.
14) HOnaTmDVXTQT der Greif linkshin. i?/. HOHQTKs
SRTi . . Oß Kreuz , in der Mitte von einem Vierblatt
durchbrochen, in welchem eine Kugel. — Meine Samm-
lung. — Taf. VI, Nr. 14.
Diese Münze von dem nachlässigen Stempelschnitt der
letzten Witten (der slavischen — nicht Ittbischen — Mark) hat
die grösste Ähnlichkeit mit dem Treptower des Schwiesower
Fundes (D. P. III, 42), dem sie auch, wenigstens das von Masch
(Berl. Bl. I, S. 296) beschriebene Exemplar durch das fehler-
hafte DVX (vgl. das DIVITITS des vorigen Grosspfennigs) der
Hauptseite verbunden ist, nur dass sie es bei diesem Einen
Fehler nicht bewenden lässt, sondern auch das S des nachfol-
genden Stettin unterdrückt hat, das der Stempelschneider sich
in dem X enthalten gedacht haben mag. Durchaus räthselhafb
ist die Prägstätte; der vollkommen deutliche Anfang des Stadt-
namens, SRTi, liesse an Masse w denken, allein die Reste der
folgenden drei oder vier Buchstaben scheinen solche Annahme
auszuschliessen, denn dem Ä scheint nach einer Lücke von ein
oder zwei Buchstaben ein und diesem ein U zu folgen, das
aber allenfalls auch ein D oder möglicherweise ein V sein könnte*
in der Form JS, wie es zum Schriftcharakter und zur Zeit dieser
Münze passt. Also durch einen unglücklichen Zufall, wie er uns
so oft begegnet, ist das gleichgiltige Moneta vollkommen er-
halten, der folgende wesentliche Theil der Inschrift dagegen
zweifelhaft. Wenn irgendwo, so wäre hier Aufschluss durch ein
deutliches Exemplar wünschenswerth.
Wollin.
15) : D2t 0% 6IiORntHo°oDQO der Greif linkshin, unter ihm
ein Stern (doppelschlägig). Rf. o% HOKQTK o% VOIiliBft
Kreuz mit einem halben Stern im rechten Oberwinkel
und einer halben Lilie im linken Unterwinkel. — Meine
Sa'^mlnng. — Gew. 1.135 Gr ^ Taf. VI, Nr. 15.
Zar Pommerschen und Meklenburgischen Münzkande. 109
Hr. Max Schmidt, dem wir die Bekanntmachung') und ich
den Besitz dieser Münze verdanken, hat bereits darauf hinge-
wiesen, dass dieselbe ausser ihrer Seltenheit auch das grosse
Verdienst besitzt, uns über eine ganze Beihe von kleinen
stummen Pfennigen aufzuklären, welche die hier in den Kreuzes-
winkeln erscheinenden Wappenbilder der halben Lilie und des
halben Sternes aneinander gestellt als Gepräge zeigen, und über
welche allein Eöhne einen Erklärungsversuch dahin gewagt hatte,
sie möchten wegen der Lilie von Demmin in Gemeinschaft mit
einer einen Stern führenden benachbarten Meklenburgischen
Stadt geschlagen sein (num. Beiträge Nr. 578, Reichel IV,
S. 3623). Solche Denare hat aber nicht bloss der unsrer Münze
etwa gleichzeitige Fund von Arnswalde (Bd. V S. 73 d. Z.),
sondern auch schon der viel ältere von Teschenbusch (Bd. VI,
S. 121) geliefert. Alle diese in zahlreichen Stempelverschieden-
heiten vorkommende Pfennige weist nun unser Witten der Präg-
stätte Wollin zu.
B. Meklenburg.
Sehen wir von dem immerhin wegen mangelhafter* Um-
schrift nicht zweifellosen Denare von Niklot (Bd. V, S. 194,
Taf. VII, 11 d. Z.) ab'), so fallen die Anfange des meklen-
burgischen Münzwesens, in schriftlosen Brakteaten bestehend, in
die erste Zeit des XIII. Jahrhunderts. Diese bis dahin ziemlich
unbekannten Münzen aus dem schon erwähnten, etwa 1225 ver-
grabenen Funde von Bünstorf in Holstein, habe ich Bd. V,
S. 179 (Taf. VIII, 9) und Bd. VII, S. 383 (Taf. V, 2—13) d. Z.
veröffentlicht. Diesem ansehnlichen Vorrathe von 14 verschie-
1) Bd. YII, S. 193 d. Z., wo aber irrthttmUch der halbe Stern und die
halbe Lilie als im zweiten und dritten V^inkel befindlich bezeichnet werden,
während sie doch selbst verst&ndlich in den Gegenwinkeln (dem ersten und
dritten) stehen.
2) Die im Thomsenschen Katalog Nr. 6568 und 6569 unter Heinrich I.
Borwin beschriebenen Denare Bind doch wohl ohne Frage von Heinrich dem
Löwen (s. Grote Bl. f. Mzkd. III, Taf. VI, 104, 105).
110 H. Dannenberg:
denen Exemplaren treten jetzt noch die folgenden nenn hinzu,
welche aus einem im Herbste 1885 in Meklenburg selbst, im
Forst zu Kanneberg bei Mario w, zwischen Ribnitz und Kilze,
nahe der pommerschen Grenze gemachten Funde stammen ^), der
schon Bd. XIV, S. 189 d. Z. kurze Erwähnung gefunden hat.
16) Stierkopf über einer zweiThürme verbindenden Mauer,
zwischen den Hörnern des Thieres zwei Eugehi. —
19 mm. Gew. 0,48, 0,58, 0,62 Gr. — v. ProUius; meine
Sammlung. Taf. VI, Nr. 16.
17) Stierkopf mit zwei Thürmchen zwischen den Hörnern,
neben dem Maule beiderseits ein Ereuzchen. — 19 nun.
Gew. 0,51, 0,55 Gr. v. Prollius. Taf. VI, Nr. 17.
18) Stierkopf mit einem spitzen Thürmchen (oder kreuz-
tragendem Dreieck) zwischen den Hörnern, auf jeder
Seite des Maules ein Kreuzchen. — 20 mm. Gew. 0,58 Gr.
V. Prollius. Taf. VI, Nr. 18.
19) Der Stierkopf zwischen zwei Schwertern. — 20 mm.
Gew. 0,5 Gr. v. Prollius. Taf. VI, Nr. 19.
Der Stierkopf ist hier von ganz eigenthümlicher Bildung,
insofern die Hörner in Gestalt eines Halbmondes über demselben
schweben, gerade so wie auf Nr. 10, Taf. V, Bd. VII d. Z.
20) Der Stierkopf mit einem Thürmchen zwischen den Hörnern
und je einem Ringel neben dem Maule. — 19 mm.
Gew. 0,46, 0,47 Gr. v. Prollius. Taf. VI, Nr. 20.
21) Ebenso mit einem Kreuze statt des Thfirmchens
zwischen den Hörnern. — 20 mm. Gew. 0,52 Gr.
V. Prollius.
Von Nr. 7 Taf. V. Bd. VH d. Z. unterschieden dadurch,
dass auf diesem Bünstorfer Brakteaten der Stierkopf gekrönt er-
scheint, wie überhaupt die meisten dieses Fundes.
1) Die Möglichkeit ihrer Veröffentlichung verdanke ich der GfLte ihres
Besitzers, Sr. ExceUenz des grossh. Mekl. ansserordentl. Gesandten Herrn
Y. ProUins hierselbst
Zur Pommerschen und Meklenborgischen Münzkunde. m
22) Der Stierkopf ebenfalls mit dem Kreuze zwischen den Hör-
nern, aber begleitet von zwei Halbmonden statt der Rin-
gel. — 20 mm. Gew. 0,55 Gr. v. ProUius. Taf. VI, Nr. 22.
23) Der Stierkopf im Schilde. — 20 mm. Gew. 0,47 Gr.
(meine Sammlung), 0,5 Gr. (v. Prollius.) Taf. VI, Nr. 23.
24) Ebenso, aber unten neben dem Schilde beiderseits ein
Ringel. — 20 mm. Gew. 0,45 v. Prollius, 0,47 Gr. meine
Sammlung. Taf. VI, Nr. 24.
Alle diese Brakteaten, um ein Weniges kleiner als die Btln-
storfer^), dürften im Alter sich ihnen unmittelbar anschliessen,
also kurz vor der Theilung von 1237 geprägt sein. Es ist von
Wichtigkeit, dass hier zum ersten Male diese grössten ältesten
Brakteaten in ihrer Heimath selbst auftauchen, obwohl die Zu-
gehörigkeit der ganz verwandten Bünstorfer nach derselben Pro-
vinz auch vorher füglich nicht in Zweifel gezogen werden
konnte.
Ausser obigen neun Arten in 16 Exemplaren waren in
diesem Kanneberger Funde noch die oben unter Nr. 4, 5, 6,
7 und 10 angeführten pommerschen Brakteaten in je 1 Exem-
plar; mehr als diese 21 Stück sind aus diesem Schatze, der viel
grösser gewesen sein soll, nicht gerettet.
25) Menschenhaupt und Stierkopf neben einander gestellt. —
Meine Sammlung. — 15 mm. Gew. 0,51 Gr. Taf. VI, Nr. 25.
Das Zeitalter dieser Münze bestimmt sich durch ihre grosse
Ähnlichkeit mit denen des Hohenwalder Fundes (Bd. IV, S. 243
d. Z.), sie fällt also in die zweite Hälfte des XIIL Jahrhun-
derts. Dass so wie hier dem Mttnzfürsten sein Wappenthier
zugesellt wird, ist gerade nicht häufig, aber auch nicht ohne
Vorgang. Als Beispiele seien angeführt ein Brakteat des Tre-
bitzer Fundes (Erbstein Taf. II, 30), auf welchem Herzog Bern-
hard neben dem seinem Vorgänger Heinrich dem Löwen ent-
lehnten Löwen erscheint, verschiedene Friesacher, welche den
1) Das Gewicht der letzteren kann ich nur von Nr. 9, Taf. VHI, Bd. V
d. Z. angeben, es beträgt 0,M Or.
112 H. Dannenberg:
Kopf des Fürsten neben dem Adler oder dem Löwen zeigen
(Münzstud. I, Taf. VI, 26—31, S. 26), sowie einige polnische
Brakteaten von Mesico III., mit dem durch ein Scepter ge-
trennten Königskopf und Löwen (Beyer Fund von Wienic Nr. 7,
Polkowski decouv. k Glembokie 11, 13) und mit dem hebräischen
Braha (Brahut) zwischen dem Adler und dem Brustbjlde des
Fürsten (Polkowski a. a. 0. Taf. III, 28). Und hat nicht auch
die geflügelte Figur, welche auf den Münzen des Askanischen
Markgrafen von Brandenburg so häufig ist, die Bedeutung, dass
dem Bilde des Fürsten die Flügel des Brandenburgischen Adlers
angefügt sind? Ist nicht in ähnlicher Weise auch das wunderliche
Münzbild des einem halben Löwen aufgesetzten Menschenhauptes
neben einem halben Adler auf einem baierischen Denar (Cappe,
Kaisermz. I, Taf. XI, 170) zu erklären? Diesen Analogien gegen-
über wird das Gepräge unseres Brakteaten nicht mehr irgend-
wie befremdlich erscheinen, wenn es auch in der Meklenbur-
gischen Münzkunde noch neu ist. Verschweigen darf ich freilich
nicht, dass die Kleinheit und die undeutliche Ausprägung dieses
Brakteaten die Möglichkeit nicht ganz ausschliesst, statt des
Stierkopfes einen Bischofskopf zu erkennen, doch neige ich mehr
für erstere Alternative, zumal auch von meklenburgischen
Bischofsmünzen des Mittelalters nichts bekannt ist.
26) X HOBBTTt o°o DVQVH o°o Stierkopf mit ausgeschla-
gener Zunge und Halsfell, zwischen seinen Hörnern drei
Kugeln. Rf. (Mag)nOPOIienSIVH Kreuz mit einem
Greifenkopf in jedem Winkel. — Meine Sammlung. —
Gew. 0,98 Gr. Taf. VI, Nr. 26.
Wenn wir von dem schon oben erwähnten vermeintlichen
Niklot und von den Witten pfennigen absehen, bei denen doch der
Charakter als landesherrliche Münze im Gegensatz zur städtischen
in Frage steht , so haben wir während des ganzen Mittelalters
keine einzige Münze, welche sich inschriftlich als fürstlich Mek-
lenburgische zu erkennen giebt. bis auf Magnus und Balthasar,
deren Regierungszeit (1483—1503) aber erst in den Schluss
''^''^ses ^eitrnijms "piu Jas verleiht dann dem vorliegenden
Zur Pommerschen und Meklenburgischen Münzkunde. 113
Wittenpfennige ein besonderes Interesse auch ausser seiner Sel-
tenheit; er scheint nur in wenigen Exemplaren geprägt worden
zu sein, da er aus keinem der bisherigen vielen Funde von
Witten bekannt geworden ist.
Sein Gepräge verräth uns ziemlich deutlich, wer ihn hat
schlagen lassen. Denn das kurze Kreuz mit dem Wappenbilde
in jedem Winkel finden wir in Hamburg (mit vier Nesselblättern)
bis 1379, in Lüneburg (mit vier Löwen) bis 1381, und dürfen
v^ir daher wohl auf Gleichzeitigkeit mit unsrer Münze schliessen,
welche dem Meklenburgischen Stierkopfe den Rostocker Greifen
— das Land Rostock war bekanntlich 1323 an Meklenburg
gefallen — in vierfacher Wiederholung beigesellt. Demnach
hätten wir es mit einer Münze der Söhne Heinrich IL, des
Löwen (t 1329), also der Brüder Albrecht I. von Schwerin
(1329—79) und Johann I. von Stargard (1329—92), den ersten
Herzögen von Meklenburg (seit 1348), zu thun. Will man aber
dieser Zutheilung etwa den doch wohl kaum stichhaltigen Ein-
wand entgegensetzen, dass beide Brüder 1352 eine Landestheilung
vorgenommen, so würde man Albrechts I. Söhne: Heinrich III.
(t 1383), Albrecht (König von Schweden, f 1412) und Magnus L
(t 1384) als die Prägherren anzusehen haben.
Teterow.
27) (aiVI)TKS DWDWe(RIia) der gekrönte Stierkopf
mit ausgeschlagener Zunge. Rf. (H)ORQTK s ThöTRO W
Kreuz, von einem Vierblatt durchbrochen, in welchem
ein Punkt. — Meine Sammlung. — Taf. VI, Nr. 27.
28) Ebenso, aber Rf. (H)ORQT?t : TQTeUROW. — Meine
Sammlung. —
Diese beiden Münzchen, Viertel-Wittenpfennige, rühren aus
dem kleinen Funde derartiger Münzen her, den ich Bd. VI,
S. 144 d. Z. beschrieben habe. Die Schrifttrennungszeichen sind
nicht völlig deutlich.
Zeittchrift fbr Namismatik. XVI. 8
114 H. Dannenberg: Zur Pommerschen und Meklenburgischen Münzkunde.
Wismar.
29) •:• NOnöTTt ßOVTt-I-WISNTtRI Schild mit dem Stadt-
wappen. Ä/. ♦ ORVX * BVQJt ♦ ONna ♦ HKIiVH
Kreuz: — Meine Sammlung. — Taf. VI, Nr. 29.
Der Spruch crux fugat omne malum kommt sonst auf Wis-
marischen Münzen nicht vor, sondern ist den Lübischen eigen.
Es scheint aber wohl eine gleichzeitige Falschmünze vorzuliegen,
welche den Silberüberzug verloren hat, denn in ihrer jetzigen
Erscheinung stellt sie sich als Kupfer dar. Dafür dürfte auch
das fehlerhafte BVaJt statt FVGTS oder FVGTtT sprechen.
Oder sollten wir es gar mit einer Probemünze zu thun haben?
das wäre möglich, weil ein Fälscher doch wohl eine wirkliche
Münze nachgeahmt, und nicht eine ganz neue erfunden haben
würde, denn der Hinweis darauf würde ihn doch schwerlich der
verdienten harten Strafe entzogen haben.
Nr. 1. Nr. 11.
H. Dannenberg.
Beiträge zur scUesiscIieiL Mimzknnde des Mittelalters.
(Taf. VII und Vm.)
Unter * dem Titel: „Schlesiens Münzgeschichte im
Mittelalter, Theil II, Münzgeschichte und Münzbeschreibung'S
ist jüngst als XIII. Band des vom Vereine für Geschichte und
Alterthum Schlesiens herausgegebenen Codex diplomaticus Si-
lesiae, aus der Feder von F, Friedensburg ein sehr beachtens-
werthes Buch erschienen, das mit dem im vorigen Jahre heraus-
gekommenen Theil I (Bd. XII des Cod. dipl. Siles.): ürkunden-
buch, nunmehr ein abgeschlossenes Werk bildet, welches für die
mittelalterliche Münzkunde Schlesiens als grundlegend angesehen
werden muss. Bei der Wichtigkeit des Buches genügt es nicht,
dasselbe mit einigen allgemeinen Redewendungen zu besprechen,
sondern es scheint ein tieferes Eingehen auf dessen Inhalt ge-
boten. Solches sei mir in Nachfolgendem gestattet.
Der Verfasser ist auf dem Gebiete der schlesischen Münz-
kunde bereits mehrfach literarisch thätig gewesen. Wir haben
von ihm ausser anderen Artikeln besonders den Aufsatz im IX.
und X. Bande dieser Zeitschrift: „Schlesiens Münzen im Mittel-
alter", welcher als der beste unter diesen kleineren Arbeiten zu be-
zeichnen ist. Dann folgen die Abhandlungen in v. Höfkens Archiv
für Bracteatenkunde Bd. I: „Adels wappen auf schlesischen Brac-
teaten"; „Städtewappen auf schlesischen Bracteaten" ; „Weltliche
und geistliche Hoheitszeichen auf grossen schlesischen Bracteaten"
u. a. m., sowie die selbstständige Schrift: „Schlesiens Münzen
und Münzwesen vor 1200" — alle gewissermassen Vorarbeiten
8»
116 Emil Bahrfeldt:
ZU dem jetzigen grösseren Werke. Der vorliegende II. Theil des
letzteren scheidet sich naturgemäss in zwei Abschnitte: 1) die
Münzgeschichte, 2) die Münzen.
Der erste Abschnitt enthält zunächst eine ^namisma-
tische Einleitung'', in welcher von dem Mflnzwesen des
Mittelalters im Allgemeinen die Rede ist und besonders über
die Münz- und Gewichtssysteme, über Schrot, Korn und Fein-
gehalt Erläuterungen gegeben werden. Dabei sagt Verfasser
auf S. 2 unten: ganz reines Silber sei 161öthig. Diese Ausdrucks -
weise ist allerdings öfter gebräuchlich, aber darum nicht richtig.
Ganz reines Silber kann nicht „löthig** sein, sondern ist »Fein-
silber**; es wird erst löthig durch Zusatz unedlen Metalls, je
nach dessen Höhe es als 15-, 14- etc. löthig bezeichnet wird.
In ähnlicher Weise darf auch Feingold nicht 24karätig genannt
werden.
Im Kapitel „Die Urzeit % welche für Schlesien bis etwa
1150 angenommen wird und in welcher eine eigene Münzprägung
in diesem Lande noch nicht bestand, berichtet Verfasser kurz
über die fremden, damals im Verkehre gewesenen Münzen:
antike römische und griechische, Regenbogenschüsselchen, mittel-
alterliche Gepräge von Polen, Ungarn, Deutschland u. a. Es
werden die schlesischen Funde dieser Zeit aufgeführt Zu letz-
teren ist zu bemerken, dass der ^Pund von Wättrisch* 86 Stück
Münzen enthielt (67 im Museum schlesischer Alterthümer zu
Breslau, 19 im Besitze des Majors Schröter zu Wättrisch; vgl.
S. 93 dieser Zeitschr.) und dass „der Fund aus der grottkauer
Gegend" auf der Feldmark Schmolitz, Kreis Neisse, gehoben
worden ist.
Die dann folgende „Bracteatenzeit^, welche f&r die
kleinen nach polnischem Muster geschlagenen Bracteaten auf
etwa 1175 — 1210 und für die grossen, den böhmischen nachge-
bildeten auf ungefähr 1230—1280 festgestellt wird, behandelt
an der Hand der Funde eingehend die Chronologie der Münzen,
verbreitet sich über Gewicht, Gehalt und die Typen, bespricht
die Rechnung nach Marken und Pfunden, die Barren, feines und
Beiträge zur schlesischen Manzknnde des Mittelalter9. 117
Usualsilber, ansländische Gewichte und Münzen, die Goldrech-
nung, den Zinsfnss und lässt sich schliesslich aber das Münz-
recht, die Münzer, Münzung für Private, die Münzstätten und
die Verpachtung der Münze aus.
Bezüglich der ersten Bracteatenklasse geben die Fundnach-
richten reichliche Handhaben für die Chronologie derselben; in
der zweiten Klasse ist dies trotz der grösseren Anzahl der Funde
nicht der Fall, weil die Stückzahl der verschiedenen Typen sich
nicht mehr feststellen lässt. Verfasser kennt von letzterer Ka-
tegorie zwölf Funde, kann aber nur die von Strehlen (C), Ditters-
bach (D) — richtiger Wernersdorf — , Gross- Briesen (J) und
Sarbske (E) mit Namen nennen. Ich füge hinzu, däss nach
früheren mir vom Freiherrn v. Saurma, dem ehemaligen Besitzer
der Funde, gemachten Mittheilungen, des Verfassers Fund B
bei Neumarkt i. Schi, und Fund E bei Löwen gehoben worden ist.
Auf S. 19 f. ist die Rede von den Typen der Bracteaten
und dem mannigfachen Wechsel, welchem dieselben unterworfen
waren. Die dafür gegebene Erklärung des Verfassers, dass bei
der Nothwendigkeit, sehr häufig neue Pfenninge zu prägen, die
Erfindungsgabe der Stempelschneider aufs Ausserste in Anspruch
genommen wurde, und dass dieselben, kurz gesagt, ihre Motive
zu den Darstellungen nahmen, wo sie deren fanden, darf als
richtig gelten. Wenn der Verfasser dabei aber ein ganz besonderes
Gewicht darauf legt, dass die Stempelschneider die Wappen
adliger Familien zum Vorbilde gewählt haben sollen und er da-
bei im zweiten Abschnitte eine grosse Zahl Bracteaten — und
auch Denare — auf nicht weniger als ungefähr 60 schlesische
Adelsfamilien bezieht, so geht er mit dieser, schon im Archiv
für Bracteatenkunde ausführlicher behandelten Ansicht, meines
Dafürhaltens zu weit. Es soll damit natürlich keineswegs gesagt
werden, dass die Eisenschneider überhaupt nicht die Wappen des
herzoglichen Kastellans, des Grundherrn, der Finanzbeamten oder
der Münzpächter als Vorbild für die zu fertigenden Münzstempel
gewählt hätten, — nur die weite Ausdehnung, welche Verfasser
diesem Gebrauche giebt, erregt Bedenken. Der Stierkopf, Widder*
11g Emil Bahrfeldt:
köpf, Krebs , Fisch u. s. w. sind doch nicht nothgedrungen als
Wappen der Aulock, Haugwitz, Hagen, Seidlitz etc. aufzufassen;
diese alltäglichen Gegenstände können ebensowohl ohne tiefere
Bedeutung sein wie viele andere auf den Bracteaten. Man wird
daher gut thun nur in denjenigen Fällen an eine beabsichtigte
Darstellung eines Adels wappens zu glauben, in welchen die be-
treffenden Münzbilder eine ganz besondere Übereinstimmung mit
dem Wappen haben — wie z. B. bei dem Helm der Tschamer auf
Nr. 62 und in einigen anderen Fällen — , oder aber wo wir ur-
kundlich adlige Familien kennen, deren Mitglieder Mflnz- oder
Finanzbeamte gewesen sind oder nähere Beziehungen zu solchen
gehabt haben.
Die schlesische Bracteatenzeit wurde durch „die Zeit der
Denare" abgelöst, welche von etwa 1292—1322 reicht. Nach
endgültiger Beseitigung der irrigerweise immer wieder verbrei-
teten Annahme, dass diese Denare unter dem Einflüsse der böh-
mischen Groschen entstanden und daher den Namen Halbgroscben
zu führen berechtigt seien, geht Verfasser zur Besprechung der
Chronologie und des Münzfusses, besonders aber des Münzgeldes
und des Schlageschatzes über, auch hier alte Irrthümer berichtigend.
Die hiernach folgenden Kapitel : „Die Zeit bis Matthias
Corvinus** und „Der Ausgang des Mittelalters*, welche
die Groschen- und Hellerzeit umfassen, erfahren sodann in allen
münz- und geldgeschichtlichen Beziehungen eine eingehende Be-
leuchtung und Durcharbeitung. Damit schliesst der erste Ab-
schnitt des II. Theils.
Es ist unstreitig, dass dieser erste Abschnitt wesentlich
schwieriger zu behandeln gewesen ist, als der zweite, welcher
mit den Münzgeprägen selbst sich beschäftigt. Der zu bewälti-
gende Stoff ist so umfangreich, die zu ergründenden münzge-
schichtlichen Verhältnisse sind so complicirt und die zu brechen-
den alten Vorurtheile und Irrthümer so mannigfach gewesen, dass
es oftmals schwer ist dem Verfasser zu folgen. Bei seiner Fähig-
keit aber, das gesammte Material nach allen Richtungen hin zu
beherrschen, dürfen wir wohl auf die Zuverlässigkeit des 6e-
Beiträge zur schlesischen Münzkunde des Mittelalters. 119
botenen bauen und im Grossen und Ganzen die gewonnenen
Resultate anerkennen, obschon nicht verhehlt werden soll, dass
dieser erste Abschnitt dem zweiten in der Behandlung des Stoffes
nachsteht.
Was den zweiten Abschnitt betrifft, so hat dieser, wie
schon gesagt, die MUnzgepräge selbst zum Gegenstande. Die-
selben sind einer kritischen Besprechung unterworfen und unter
Heranziehung der Urkunden nach Alter, Münzstätten und Präge-
herren näher bestimmt. Verfasser tritt dabei mit ganz neuen Zu-
theilungen auf, bringt neue Prägestätten und Münzen zum Vor-
scheine, beleuchtet manche Gepräge von wesentlich anderen Ge-
sichtspunkten als bisher geschehen und stellt alte irrige An-
schauungen richtig. Es ist das geographisch-genealogische System
gewählt worden» — ganz mit Recht. Denn die frühere Gruppirung,
welche die Münzen nach der Person der Frägeherren in könig-
liche, bischöfliche, fürstliche und städtische scheidet, entbehrt der
Wissenschaftlichkeit. Dass dadurch allerdings an einigen Stellen
gewisse Unebenheiten eingetreten sind, welche der Verfasser selbst
auf Seite VI berührt, ist nicht zu vermeiden gewesen. Voran-
gestellt sind die grossen Bracteaten und die Denare, welche
nach der Eigenart ihrer Gepräge sichere Zutheilungen nicht
gestatten; dann folgen die bestimmten Münzen.
Den Resultaten der Forschungen in diesem Abschnitte wird
in den meisten Fällen zugestimmt werden können. Wo indessen
andere Ansichten angebracht erscheinen, werden solche im Nach-
folgenden vermerkt werden.
I. Die unbestimmten Bracteaten. Es ist bekannt,
dass bei den grossen schlesischen Bracteaten oftmals derselbe
Stempel auf grösserem und auf kleinerem Münzplättchen vor-
kommt Bei einigen hat Verfasser dies in seinem Buche be-
merkt. Ich verzeichne indessen ausser den genannten noch
etliche, welche wesentlich in der Grösse von den abgebildeten
abweichen. Allerdings entsteht dadurch nun die Frage : sind die
bezüglichen Friedensburg'schen Zeichnungen irrig in der Grösse
ausgefallen, oder aber existiren beide Grössen? Das vermag
120 Emil Bahrfeldt:
ich nicht zu beantworten, da ich nur nach dem vorliegenden
Material des berliner königlichen Eabinets und meiner eigenen
Sammlung urtheilen kann.
Von Bracteaten, welche grösser sind als die bei Friedens-
burg abgebildeten, besitze ich: Nr. 13 (26 mm), 51 (25 mm), 67
(26 mm), 116 (24 mm), 221 (26 mm), 329 (23 mm), 408 (23mm).
Bezüglich des Münzbildes zu klein ausgefallen sind Friedens-
burg Nr. 221, 252, 299, 306, 312, 329, 392. Im Übrigen ist
zu bemerken: Zu Nr. 29 besitze ich einen ähnlichen Bracteaten ;
s. Taf. VII, Nr. 1^). Auch das berliner königliche Kabinet hat einen
ähnlichen: hier Taf. VII, 2. Wenn Friedensburg die Bracteaten
mit gekröntem Kopfe Nr. 29 ff. für schlesisch hält, dann sind es
auch diese beiden. — Eine ganz ähnliche Krone wie Nr. 37
hat ein Bracteat des berliner Kabinets, hier Taf. VII, 3. — Nr. 43
ist lediglich nach v. Saurmas Abbildung 74 wiedergegeben; ein
Original vermag der Verfasser nicht nachzuweisen. Ich ver-
muthe hierbei aber einen Irrthum und glaube, dass Nr. 43 mit
Nr. 334 identisch sein dürfte, obschon es in der That einen, wenn
auch kleineren Bracteaten mit Krone und halbem Adler giebt;
s. Taf. Vn, 4, m. S. — Nr. 67 hat irrthümlich in der Zeich-
nung einen Perlen-, statt eines Strahlenkreises. — Bei Nr. 68
hat zum Zeichnen ein mangelhaftes Exemplar vorgelegen. Die
Abbildung auf Taf. VII, 5 giebt das gut erhaltene Stück des
berliner Kabinets wieder. — Von Nr. 94 kommen auch grössere
Exemplare vor; 23 und 27 mm. in m. S. — Ob auf Nr. 98
das Mühlrad der Spiegel von Betschow darzustellen beabsichtigt
ist, muss doch stark bezweifelt werden. Das Bild kann eben
sowohl ein Stern sein. Ich habe hierzu einen kleineren
1) Die im Folgenden hier als neu von mir aufgeführten Bracteaten hftlt
Friedensburg z. Th. wohl nicht fQr schlesisch, da er dieselben flbergeht,
trotzdem er sie im berliner königlichen E[abinet, beziehungsweise in meiner
Sammlung gesehen. Auf einige derselben bin ich jetzt, nach PrOfong der
Fried ensburg'schen Abbildungen, selbst erst aufmerksam geworden; nach den
bisherigen oft mangelhaften v. Saurma'schen Zeichnungen konnte man nicht
sicher urtheilen. Nr. 6, 7, 34 sind erst in neuerer Zeit von mir erworben
worden.
Beitr&ge zar schlesischen Münzkunde des Mittelalters. 121
Stempel erworben, 0,26 Grm. schwer, also wohl einen Obol; s.
Taf. YII, 6. Auch besitze ich noch ein ähnliches anderes Stück,
0,30 Grm. von Gewicht, Taf. Vn, 7. — Nr. 104 dürfte identisch
sein mit Nr. 142; das zerdrückte Exemplar der letzteren hat
wohl zu dem Irrthume veranlasst. — Eine besonders auffallende
Varietät von Nr. 112 ist hier unter Nr. 8 auf Taf. VII abgebildet;
berliner Kabinet und m. S. — Wenn Nr. 116 richtig ge-
zeichnet ist, so kann das Stück nicht wie angegeben, identisch
mit V. Saurma Nr. 205 sein. Von letzterer folgt Abbildung auf
Taf. VII, 9 nach meinem Exemplare. — Zu den Stierkopf bracteaten
Nr. 122 flf. kann ich aus dem strehlener Funde einen, leider halbirten,
meiner Sammlung hinzufügen; Taf. VII, 10. — Nr. 126 ohne
Quellenangabe und Citat, befindet sich in m. S. und ist schon bei
V. Saurma Nr. 202 abgebildet. Einen Stierkopf soll das Bild
aber doch wohl nicht vorstellen. — ZuNr. 127— 138 mit Hirsch-
geweihen besitze ich , ebenfalls aus dem strehlener Funde, einen
Bracteaten mit Hirschkopf; s. Taf. VH, 11. Die Ohren bringen
es ausser Zweifel, dass hier nicht etwa ein Helm, wie z. B.
auf Nr. 63, dargestellt sein soll. — Nr. 149 ist vielleicht
identisch mit Nr. 256. — Von Nr. 154 und 155 hat das ber-
liner Eabinet und meine Sammlung abweichende Bracteaten.
Ein solcher aus m. S. folgt auf Taf. VII, 12. — Wenn
Nr. 1 56 = v. Saurma 299 und 300 sein soll, so ist Friedensburgs
Zeichnung nicht getreu; v. Saurma giebt die Darstellung besser
wieder. Zu diesem Bracteaten bilde ich hier noch zwei unedirte
ab, Taf. VII, 13 im berliner Kabinet und Taf. VII, 14 in m.
S. — Nr. 166 ist irrig nach v. Saurma Nr. 277 wiedergegeben;
vgl. Taf. VII, 15, m. S. — Nr. 179: dass ich in dieser Zeitschr.
XIV, S. 187 bei Besprechung dieses bis dahin verkannten Brac-
teaten eine Beziehung desselben auf Beuthen a. 0. vorgeschlagen
haben soll, ist ein Irrthum des Verfassers. — Es trifft zu, dass
die vielen Adlerbracteaten schwierig zu bestimmen sind; aber
die hier aus dem berliner Kabinet auf Taf. VII, Nr. 16 — 20
abgebildeten, die nicht als einfache Abarten oder Varietäten zu
Friedensburg Nr. 183 ff. zu betrachten sind, trennen sich doch
122 £mil Bahrfeldt:
durch nichts von den Friedensburg'schen Adlerbracteaten ab;
Fabrik, Charakter und Fundgenossenschaft mit sicheren Schlesien!
lassen eine andere Unterbringung nicht zu. Nr. 20, welche auch
in meiner Sammlung sich befindet, will Friedensborg zu den
Bracteaten des von Fr. Bardt in Weyls, berliner MünzbL Tat I
abgebildeten Geprägen legen, zu denen sie aber keineswegs
passt. — Bei Nr. 215 und 216 ist ein neuer Bracteat des
berliner Kabinets — Taf. VIII, 21 — einzuschalten. — Zu
Nr. 248 ist aus meiner Sammlung ein kleiner Bracteat mit ver-
kehrtem 8, 0,19 Gramm, Taf. VIII, 22, zu vermerken. — Nr. 253
ist irrig in der Darstellung, s. Taf. VIII, 23, m. S. — Zu Nr. 267
gehört auch der Bracteat Taf. VIII, 24, berliner Kabinet. —
Nr. 286, nicht Nr. 285, ist = v. Saurma 134. ~ Ähnlich wie
Nr. 297 ist ein Bracteat, von welchem nur zwei, ttbrigens von
einander abweichende Hälften, im berliner Eabinet und in
meiner Sammlung, vorhanden zu sein scheinen : Taf. VUI, 25. —
Zu Nr. 300 ist ein neuer Stempel zu ergänzen: Taf. VIII, 26.
Diese Münze ist nicht etwa identisch mit Nr. 369. — Nr. 308
ist wohl ein Obol. — Nr. 317 dürfte zu streichen sein, weil
irrig nach y. Saurma 241 gegeben. Erst Friedensbnrg Nr. 336
bringt die richtige Darstellung. — Zu Nr. 328 folgt hier die
richtigere Abbildung auf Taf. VIII, 27, m. S. — Zu Nr. 338 fL
besitze ich aus dem strehlener Funde den neuen Bracteaten
unter Nr. 28 auf Taf. VIII. Auch im berliner Eabinet ist
dieser Bracteat vorhanden. — Von Nr. 339 giebt es gr&ssere
und kleinere. — Nr. 356 ist zu streichen, da identisch mit Nr. 339.
— Nr. 361 zeigt eine verfehlte Abbildung, weil nach der irrigen
Zeichnung bei v. Saurma 341 wiedergegeben. Vgl. mein Exem-
plar auf Taf. VIII, 29 aus dem strehlener Funde. — Nr. 367
ist irrig gezeichnet; vgl. Taf. VIII, 30, m. S. — Zu den Kreuas-
bracteaten Nr. 37 1 flf. ist zu ergänzen der hier auf Taf. Vm,
31 gegebene meiner Sammlung, aus dem strehlener Funde. —
Nr. 381 auch im berliner Kabinet; Darstellung nicht getreu.
Ähnlich erscheint der Bracteat Taf. VIII, 32, m. S. — Zu den
3terp>*ractea^'^n v- 382 ff. besitze ich noch : Taf. VHI, 83,
Beiträge zur schlesischen Münzkunde des Mittelalters. 123
0,17 Grm., und Nr. 34, 0,33 Grm., ähnlich Friedensburg Nr. 387;
letztere mit dem hier auf Taf. VII, 60 abgebildeten zusammen
gefunden. — Bei Nr. 390 fehlt der Perlenrand. — Zu Nr. 391
vgl. meinen ähnlichen auf Taf. Vni, 35 aus dem Funde
von Strehlen, welcher statt des Sternes einen von Friedens-
burg — bei Nr. 74 und 177 — als Rossstriegel benannten
Gegenstand hat. Auch im berliner Kabinet. — Zu Nr. 394 lege
man den im Bilde ähnlichen Taf. Vm, 36, berliner Kabinet. —
Zu Nr. 401 gebe ich einen ähnlichen kleinen Bracteaten,
0,18 Grm.; s. Taf. VIII, 37, m. S. — Nr. 407 wiegt 0,17 Grm. —
Nr. 413 wird wohl zu streichen sein, weil sie, soviel ich mich
besinne, identisch mit 408 sein wird. — Für Nr, 423 folgt hier
eine bessere Abbildung auf Taf. VIII, 38. Die richtige Darstellung
ist: ein Thurm von zwei Schlüsseln begleitet; berliner Kabinet.
An dieses Stück reiht sich ein ähnliches des berliner Kabinets:
Taf. Vni, 39.
U. Die unbestimmten Denare. Die Abhandlung über
diese eigenartige schlesische Münzklasse — sowohl die hier be-
sprochenen unbestimmten, als anch die später kommenden be-
stimmten Denare — darf den Anspruch macheu, zu den besten
Theilen des Buches zu gehören. Die Anordnung der Gepräge
ist vortrefflich, die oft sehr naheliegenden Zutheilungsversuche
an etwaige Prägestätten oder Prägeherren sind mit aller Reserve
gegeben worden, ja mitunter vielleicht mit allzu grosser Zui'ück-
haltung. Ich weiss keinen Denar zu nennen, der dem Verfasser
entgangen wäre; ein Paar von diesen fast durchweg seltenen
Gcprägen waren bisher überhaupt nicht bekannt.
ni. Das Fürstenthum Breslau. Den Anfang machen
vier alte Denare — Nr. 478—481 — meist mit dem Namen Jo-
hannes des Täufers; bezüglich des ersten derselben vgl. man
übrigens Bolsunowsky, Solidy Boleslawa Abbildung 11. Dann
folgen die schon in Friedensburgs früherem Buche behandelten
kleinen Bracteaten polnischer Fabrik. Da ich schon in meiner
Besprechung jenes Buches in M. Bahrfeldts Numismat. Literatur-
blatt III, S. 310—317 diese Münzen ausführlicher berücksichtigt
124 ^mil Bahrfeldt:
habe, meine dortigen Bemerkungen auch jetzt noch meist zu-
treffen, so kann ich mich hier um so kürzer fassen:
Über Nr. 497 und 498 dürften die Untersuchungen noch
nicht als abgeschlossen gelten können, ja es erscheint sogar
zweifelhaft, dass diese Münzen von Boleslaus dem Hohen her-
rühren. — Die an Nr. 509 sich eng anschliessenden Bracteaten,
welche der Verfasser in seiner mehrgenannten früheren Schrift
unter Nr. 26 und 27 abbildet, hat er hier fortgelassen. Aber
wohl mit Unrecht; denn die Gründe, welche für letzteres jetzt
angeführt werden, sind meines Erachtens nicht schwer wiegend
genug, um Friedensburgs frühere Zutheilungsgründe umzustossen.
Der angebliche Denar mit beiderseits derselben Darstellung des
Bracteaten Nr. 26 — Katalog Mickocki Nr. 261 — den Verfasser
anführt, dürfte vielleicht ein Bracteatenschrötling sein, welcher
zufälligerweise auf beiden Seiten vom Bracteatenstempel ge-
troffen worden ist. — Nr. 514: Ich habe schon im numismat.
Lit.-Bl. ni, S. 314 gegen die Zutheilung dieses Bracteaten an
Schlesien Einspruch erhoben und als Begründung dafür die Arbeit
der Münze mit der breiten Nase, den unförmigen, wulstigen
Lippen, den hervorquellenden Augen, dem Einnbarte und der Um-
schrift in polnischer Sprache angeführt. Ich kann auch nicht
gelten lassen, dass Nr. 528 eine Nachahmung von diesem Stücke
sein soll; Friedensburg selbst sagt, dass die Aufschrift des letz-
teren ein verderbtes S lOHTtNHQS sei. Auch das Vorkommen
der Münze im marschwitzer Funde vermag ich nicht als gegen
den polnischen Ursprung derselben sprechend anzusehen. Der Ver-
fasser macht jetzt selbst ausserdem noch mit Recht auf den breiten
Schnitt der Buchstaben aufmerksam, der nichts Schlesisches hat,
und das unterstützt doch nur meine Ansicht. Dass der Kopf
derjenige des Herzogs ist, räumt Verfasser jetzt ein, will aber
den von mir behaupteten Einnbart nicht gelten lassen. Und
doch ist derselbe ganz zweifellos vorhanden, wie mein in-
zwischen vom Grafen von Hoverden-Plencken erworbenes Exem-
plar aus dem marschwitzer Funde mit völliger Sicherheit dar-
thut ; vgl. Taf. YIU, 40. Ich kann hiemach die Münze nicht
Beiträge zur schlesischen Münzkunde des Mittelalters. 125
als schlesisch ansehen, sondern muss an ihrem polnischen Ur-
Sprunge festhalten. Der Deutung milosc = Liebe, einem Gegen-
stücke zu dem Caritas auf Nr. 500, stimme ich nach wie vor zu.
— Nr. 515 hat nach meiner Untersuchung von acht Stempeln
des marschwitzer Fundes und einiger anderer nicht die Aufschrift
lOK, sondern lOIi (das h verkehrt gestellt). Dass die Fonn h
bisher auf schlesischen Bracteaten noch nicht vorgekommen, ist
kein Gegenbeweis; sie tritt hier eben zuerst auf. Dagegen würde
die Abkürzung lOK ganz gegen die Regel sein, welche stets 10,
lOHK, lOHS, lOHN zeigt. Verfasser giebt bei dieser Münze
als Beizeichen neben dem Kopfe einen Palmzweig an; daher
kann der Kopf wohl nicht, wie im Texte unter Nr. 519 gesagt
ist, der des Herzogs sein. — Ob Nr. 517 und 518 verschieden
sind in Bezug auf die Gegenstände neben dem Thurmknopfe, ist
doch noch zweifelhaft, da vollständig deutliche Exemplare bis-
her nicht zum Vorscheine gekommen sind. Durch Nr. 516 wird
die Verschiedenheit wenigstens noch nicht bewiesen. Übrigens
haben die Köpfe unter den Bögen ebenfalls den Palmzweig,
und deshalb ist auch hier wieder der Johanneskopf näherliegend
als der Herzogskopf. — Nr. 523, in der vorhergenannten Friedens-
burgschen Schrift als polnisch angesprochen, ist hier als schlesisch
aufgeführt; ich glaube aber mit Unrecht. Der polnische Ur-
sprung ist doch wohl durch alle Umstände besser bezeugt als
der schlesische. Die Abbildung ist nicht correct; vgl. Taf. VHI,
41. — Den Nrn. 543—549 stehe ich mit gewissen Zweifeln gegen-
über bezüglich ihrer schlesischen Herkunft. Die Originale kann
ich zwar nicht prüfen, aber der Eindruck der Stücke nach den
Abbildungen ist doch wohl nicht überzeugend schlesisch.
Zu den Geprägen aus der Heller- und Groschenzeit des
Fürstenthums Breslau seien folgende Notizen gestattet: Zu Nr. 554
giebt es noch einen Stempel mit Hs. Ringel mit Strich, Rs. Halb-
mond. — Zu Nr. 557-561 hat man auch Exemplare ohne das
Tuch unter dem Lamme. — Nr. 561: Das D 6 der Hauptseiten-
Umschriften ist irrig. Diese Sorte hat die Buchstaben nicht in
der Legende, wie auch die Abbildung Nr. 561a richtig nachweist.
126 Emil Bahrfeldt:
Als neue Variante ist anzusehen 4. $ßKTIiIKS«PRIffiVSoReXo
BOe«MQ iü/.eROSSVSoWRR-TISIiRVIÖRSIS. — Nr. 566:
zu ergänzen sind folgende:
1) ® flaoneTKgnsWRKTisiiÄViaR
Rf. ® S8l07CftßaS8BKPT8PÄTROR'
2) ® SßORQTJtsnOVJtgWRKTISIiÄVieHg
Ä/. ® s . lOKunassBÄPTiSTÄ . p2\;trorvs
3) ® SßOßBTJtgnOVJtsWRTTTISIiJtVIÖßSIS
Rf. ® S8lOÄnRaS8B?tPTISTJt8P7\;TROßVSo
Nr. 567: Auf der Stadtbibliothek zu Breslau ist der Rück-
seitenstempel vorhanden von einem Groschen mit Umschrift:
Ä S8lOKnßeS8B?tPT9 PJtTROß — Nr. 580: Im Museum
schlesischer Alterthümer befindet sich ausser drei Exemplaren
des Pfennings von 1525 mit C — S und li— R, auch ein solcher
mit K-S und li— R.
IV. Die Fürstenthümer Liegnitz-Brieg. Nr. 589
kommt auch mit Kreislinien statt der Perlenkreise vor.
V. Fürstenthum Glogau. Nr. 640: neben dem Thurme
sind irrthtimlich Vierblätter statt Dreiblätter angegeben. —
Hinter Nr. 651 ist der Heller Nr. 806 einzuschalten, v^elcher
ebenfalls nach Glogau gehört. — Zu Nr. 660 besitze ich einen
Stempel mit BRKßDGÜftB; zu Nr. 661 solche mit BRßDBVR,
mit KROSSaßößSSIS und mit KROSSISeUft; zu Nr. 663 solche
mit lOKMß und mit KROSSaßöSIS. Verschiedene andere neue
Stempel zu verzeichnen, behalte ich mir für gelegenere Zeit vor.
VI. Fürstenthum Öls. Nr. 673: Consequenter Weise
müssen die Umschriften $ß — Q — W lauten, da alle andern Um-
schriften rechts herum gelesen werden. — Nr. 675 ist in der
Zeichnung nicht zutreffend.
Yü. Die Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer.
Ein neuer Stempel zu Nr. 701 ist • BOIiQÖ • — DVX • Sliö
Rf. S .lOHTS-NHaS- B, im Handel. — Nr. 702 ist im Museum
schlesischer Alterthümer, soviel ich mich besinne , echt vor-
^AnfipT1• «lagecfen sip'l ^on Nr. 703 mir nur neuere Abschläge
Beiträge zur schlesischen Münzkunde des Mittelalters. 127
vorgekommen. — Zu Nr. 706 besitze ich ein Exemplar mit
heraldisch rechts sehendem Adler. — Nr. 709: Bei dem Fehlen
jeder Nachricht ttber eine Münzprägung in Bolkehhain ist ein
Zweifel an der richtigen Zutheilung dieses Hellers zulässig.
VIII. Fürstenthum Münsterberg. Nr. 728 : Die Sterne
neben dem Adlerschilde sind fünfstrahlig, nicht sechsstrahlig. —
Nr. 733 : In der Zeichnung fehlt der Stern. — Zu Nr. 733 ist
zu ergänzen: 733a) ein Exemplar mit Adler in spanischem
Schilde, m. S. — Bei Nr. 734 ist zu lesen: wie vorhin, aber
ohne Stern; desgleichen bei Nr. 735: wie vorhin, aber mit
Stern. — Ein neuer Stempel zu Nr. 735 hat den Adler in
spanischem Schilde, s. Taf. VIII, 42; ein anderer ist wie
Nr. 735 aber ohne Beizeichen auf der Es., Taf. VIII, 43; —
beide m. S. — Bei Nr. 738 fehlt in der Zeichnung das $ß auf
der Rs.
IX. Fürstenthum Neisse. Zu S. 271, Anmerkung 1
ist zu ergänzen: dass aber bei v. Saurma S. 8 die Nrn. 25 —
88 wieder die Münzzeichen NB haben. — Nr. 774 und 775
sind ebenfalls vom Jahre 1506; es fehlt die Überschrift: Jahr-
gang 1506. — Zu Nr. 778 c besitze ich noch den Stempel
lOÄNNasg epvs 8 vrkti.
X. Grafschaft Gl atz. Nr. 782 kommt auch vor ohne
Kreuz im 6.
XL Fürstenthum Oppeln. S. 292 Z. 8 v. u.: Allein aus
der Erwähnung des Walterus monetarius de Lewin geht doch
wohl eine stattgehabte Prägethätigkeit in Löwen noch nicht her-
vor. — Zu Nr. 798 wären, um dem bekannten Streite ein für
alle Mal ein Ende zu machen, die Stempel mit der Krone —
eckig und gebogen — abzubilden gewesen. Dieselben folgen
hier auf Taf. Vni, 44, 45.
Xn. DieFürstenthümerTeschen-Auschwitz. Nr. 806
gehört nach Glogau oder vielleicht nach Guhrau. Der Buchstab
im Dreipasse ist, wie auch die Zeichnung richtig wiedergiebt,
ein 6, kein G; vgl. Nr, 651, 653, 643. Die Röschen, welche
Friedensburg 806 auf der Rs. zeigt, hat mein Exemplar nicht.
128 Smil Bahrfeldt:
XIII. Fürstenthum Beuthen-Kosel. Zu Nr. 819 bringt
mein Heller die Umschriften • $ßOßaT2t • Dö • BITVflB Rf.
+ $ßOßQTK VJH.
XIV. Die Fürstenthümer Ratibor-Jägerndorf. Zu
Nr. 824 hat mein Stempel flßO . . . . 35DIBO Ä/. ? fißO • ßö •
Einige Äusserlichkeiten des Buches sind noch zu berühren:
Der Inhalt des im vorigen Jahre erschienenen XII. Bandes des
Cod. dipl. Siles. wird als „Theil I** des Friedensburg'schen Werkes
bezeichnet und der XIII. Band des Codex als „Theil 11". Da durften
die beiden Unterabthciluugen des letzteren a) die Münzgeschichte,
b) die Münzbeschreibung nicht ebenfalls Theil I und Theil n be-
nannt werden, weil dies beim citiren zu Irrungen Anlass giebt.
Abschnitt I und II wäre passender gewesen. Ich habe diese Be-
zeichnung in obiger Besprechung bereits angewendet. — Auf S. 107
wird vorausgeschickt, dass bei den Münzbeschreibungen angegeben
werden soll, in welcher Sammlung die Originale sich befinden.
Dies geschieht aber nicht immer. Wenigstens habe ich bemerkt,
dass bei Nr. 105, 514, 579, 593, 724 u. a. das Museum schlesischer
Alterthfimer zu Breslau nicht angeführt ist und dass das berliner
Eabinet, welches doch gleichfalls eine grosse Anzahl der Münzen
besitzt, überhaupt nur vereinzelt genannt wird. Ebenso ist auch
bei einigen hervorragenden Münzen gar keine Quellenangabe vor-
handen. Sind etwa die Originale verschollen, so war dies zu
vermerken.
Wo es sich um die Aufführung einer grösseren Anzahl
variirender Legenden handelt, wie z. B. auf S. 180, 183, 188,
197, 225, 251, 259—261 u.a., wäre es angezeigt gewesen,
entweder die Zeilen mit vollem Drucke wiederzugeben, oder,
wenn man dies nicht wollte, die gleichen Worte durch Striche
zu markiren and das Abweichende in den Umschriften durch
Buchstaben besonders herauszuheben. Durch die gewählte An-
wendung der vielen Klammem wird das Auffinden gesuchter
Legenden äusserst erschwert, um so mehr, als beim Drucke viel-
fach der Satz nicht Richtung gehalten hat. — Es sind durchweg
iIIp All« iritr.irp .fAlRrh** und „fälschUcb** Gcebraucht worden, wo
Beiträge zur schlesiscben Münzkunde des Mittelalters. 129
in den allermeisten Fällen „irrig" und „Irrthümlich*' am Platze
gewesen wäre. Vgl. Grote in Bl. f. Münzfunde Sp. 394 und 395. —
Inconsequent ist es zu drucken : bald Wladislaw, Boleslaw, Miesko,
bald Wladislaus, Boleslaus, Mesko ; Walther, Podiebrad, Oppeler,
Teschener: Walter, Podiebrat, Oppler, Teschner; böhmisch,
schlesich, glogauisch etc.: Böhmisch, Schlesisch, Glogauisch etc.;
der Schild, die Schilde: das Schild, die Schilder u. dgl. m. —
Druckfehler sind mir beim Lesen aufgefallen : überall Wolkenburg
statt richtig Wolkenberg; S. 17 Z. 7 v. o.: gebrechlich statt zer-
brechlich; S. 43 Z. 14 V. u.: 440 und 639 (wie nach der Ver-
besserung lt. S.318) statt 440, 633; S. 109 Z. 1 v. o.: aufs statt
auf; S. 115 Z. 3 v. u. ist „dürfen" zu streichen; S. 121, Nr. 156:
undeutliches statt undeutlicher; S. 126, Nr. 236: v. Saurma 355
statt 255; S. 128, Nr. 263: vgl. Nr. 277 statt 275; S. 129 Z. 17
V. u.: der Münster statt das Münster: S. 134 Z. 5 v. u.: Weid-
hass statt Weidhas; S. 137, Nr. 433: v. S. IX, 16 statt v. S.VIU,
16; S. 139, Nr. 443: v. S. IX, 85 statt v. S. X, 85; S. 142, Nr. 457:
V. S. VIII, 21 statt V. S. IX, 21; S. 142, Nr. 458: v. S. VIII, 24
statt V. S. IX, 24; S. 147, Nr. 471: v. S. IX, 92 statt v. S. X,
92; S. 152, Nr. 485 ist hinzuzufügen: v. S. I, 26; S. 163 Z. 8
V. 0.: Boleslauer statt Breslauer; S. 217, Nr. 643 fehlt: v. S.;
S. 250, Z. 17 V. 0.: neue statt neuen; S. 276 Z. 6 v. u.: kein
Bild, Altar statt kein Bild, keinen Altar; S. 304 Z. 10 v. o.: anf
statt auf.
Dem Buche sind einige Tabellen beigegeben, welche den
Gebrauch desselben erleichtern. Die 17 Tafeln sind vortrefiflich
gezeichnet von Fräulein Margarete Buchholtz in Beeskow; die
Abbildungen gehören zu den besten, welche in dieser Art vor-
handen sind. Wenn dieselben in vorliegender Besprechung ver-
schiedentlich haben bemängelt werden müssen, so thut dies den
Leistungen der Künstlerin keinen Abbruch; denn es ist zu be-
rücksichtigen, dass vielfach nach Staniol- und anderen Abdrücken
hat gezeichnet werden müssen. Leider sind dann die Ungenauig-
keiten von der Correctur nicht beanstandet worden. — Eine
Karte der Münzstätten wird vermisst.
Zeitachrifi far Ifamisniatik. XVI. 9
130 ^^i^ Bahrfeldt: Beiträge zur schlesischen Münzkunde des Mittelalters.
Gewissermassen eine Ergänzung zu dem Werke giebt Ver-
fasser noch durch einen Aufsatz in dem gleichzeitig erschienenen
XXn. Bande der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alter-
thum Schlesiens: ^Einführung in die schlesische Münzgeschichte **,
in welchem die Quellen und die Literatur eingehender be-
sprochen werden als in vorliegendem Buche. Erspriesslicher
möchte es gewesen sein, diesen Nachtrag gleich in dem grossen
Werke mit zu verarbeiten.
Die Hoffnungen, welche auf das Erscheinen des Buches ge-
setzt worden sind — vgl. M. Bahrfeldts Num. Lit. BI. III, S. 317
— haben sich erfüllt. Der Verfasser hat mit ausserordentlichem
Fleisse in verhältnissmässig sehr kurzer Zeit ein Werk geliefert,
auf das er mit Befriedigung blicken darf und das — ungeachtet
der vorstehenden Ausstellungen, welche der geschichtlichen Treue
wegen nicht zu umgehen waren, — beredtes Zeugniss ablegt
von seinem umfangreichen Wissen und Können auf dem Gebiete
der Münzkunde seines Heimathlandes Schlesien.
Emil Bahrfeldt.
Hedaillen von Wenzel Jamitzer.
Dass Wenzel Jamitzer, der berQhmtc Nürnberger Gold-
scbmidt, auch Medaillea gefertigt hat, ist keineswegs auffallend;
gehörte die Anfertigung derselben im XVI. Jahrhundert doch
recht eigentlich in das Bereich der Goldschmiede und von Wenzel
Jamitzer berichtet sein Freund Neudörffer ausdrücklich, dass er
gegossen, und Siegel in Silber und Eisen geschnitten habe. Doch
scheint Jamitzer Medaillen nur gelegentlich gefertigt und sie
nicht vervielfältigt zu haben. Sie sind in Folge dessen buchst
selten nnd fast unbekannt'). Erman führt in seinem Verzeich-
■) TIelteitig vardea (i. B. Will, Munzbelastigungen, Theil I, 3. 290) ond
«etden noch heute die BchöDen Medaillen von Valentin Hidcr, Jamitzera
8ch*ieger»ohn , für Arbeiten JftmiCKerg gehalten, indem das aus den Buch-
■taben T. H. bestehende Monogramm W. 3. gelesen wurde.
132 R- Bergau:
niss der deutschen Medailleure (in Bd. XII dieser Zeitschrift)
Jamitzer garnicht auf.
1) Eiefhaber (Beiträge zur Geschichte der Reichsstadt
Nürnberg Bd. II, S. 125 — 26) beschreibt eine Medaille, auf deren
Vorderseite ^das stehende Bildniss Christi in blofser Gestalt,
einen fliegenden Mantel um den Bücken und ein langes Kreuz
in der linken Hand haltend, das er auf den Kopf der sich zu
seinen Füssen krümmenden Schlange setzt, und die Rechte
segnend ausstreckt. Unten bei dem rechten Fusse ist der Kelch
mit darüber befindlicher Hostie, zu beiden Seiten Christi steht",
den freien Baum ganz ausfüllend, in fünf Zeilen in lateinischen
Majuskeln folgende Inschrift:
EGO SVM
VIA ET Stehender VERI
TAS N Christus EMOV
ENIT AD mit Kreuz PATRE
NISI P ERME
Auf der Rückseite steht in 12 Zeilen mit deutschen Lettern:
Als auf den
26 n. Augustj jm 1561
jar der Erbar Matthes
Hartman mit junckfraw
Agnes Negelin sein hochtzeyt=
lieh fest hielt, Schencket jn=
en beden Wenntzel Jamnitzer
jr lieber Schwager zu guter
gedechtnus diesen pfennig=
mit wfinschnng Gott=
licher Genad un se=
gen. Amen.
Ein Künstler-Monogramm fehlt. Doch ergiebt die Inschrift,
dass diese Medaille ein Werk des Jamitzer ist, denn es ist in
hohem Grade unwahrscheinlich, dass er, ein Goldschmidt, seinem
Schwager eine von fremder Hand gefertigte Medaille als Hoch-
zeitsg'^^'^h^T^i segeb'*'^ haben sollte.
Medaillen von Wenzel Jamitzer. 133
2) In meinem Besitze befindet sich eine runde, silberne
Medaille von 6 cm Durchmesser, deren Vorderseite mit der von
Kiefbaber beschriebenen Medaille identisch ist, während die
Bttckseite das Innere der Ruine eines grossen Römischen Ge-
bäudes mit cassettirtem Gewölbe zeigt, in welcher die Geburt
Christi dargestellt ist. Ein Künstler-Monogramm fehlt auch hier.
Doch widerspricht nichts der Annahme, dass auch diese Medaille
ein Werk des Jamitzer ist. Sie ist gegossen und in ihren
Haupttheilen ciseliert. Die Gestalt Christi ist gut modellirt,
sehr weich in ihren Formen und zeigt in ihrer Gesammt-Auf-
üassung die bekannte Manier der zweiten Hälfte des XVI. Jahr-
hunderts. Die Falten des fliegenden Gewandes sind unverstan-
den und conventioneil behandelt. Aus der Darstellung auf der
Rfickseite kann man vielleicht schliessen, dass diese Medaille ein
Pathen- Geschenk des Meisters war.
3) Juncker (Das güldene u. silberne Ehren - Gedächtnisz
Martini Lutheri S. 59). bildet eine Medaille ab, deren Vorderseite
mit jener der beiden vorstehend beschriebenen Medaillen gleich-
falls identisch ist und deren Rückseite das Porträt Luthers,
umgeben mit einer poetischen Umschrift, und die Jahreszahl 1521
zeigt. Da ich diese Medaille im Original nicht gesehen, entzieht
sie sich meiner Beurtheilung. Die Jahreszahl 1521 — Jamitzer
wurde 1506 geboren — ist verdächtig.
Nürnberg. R. Bergau.
Literatur.
Königliche Museen zu Berlin. — Beschreibung der an-
tiken Münzen. Erster Band. Mit 8 Tafeln und 63 Zink-
drucken. (Taurische Chersonesus, Sarmatien, Dacien, Pannonien,
Moesien, Thracien, Thracische Könige.) Berlin, W. Spemann,
1888. (VIII, 357 S. u. 8 Tafeln.)
Seit 1873, als das Britische Museum seinen Münzkatalog zu
veröffentlichen begann, war von den verschiedensten Seiten der
Wunsch ausgesprochen worden, dass es klingen möchte, eine
gleiche Publikation für die Berliner Sammlung ins Werk zu
setzen. Julius Friedländer hatte an der Abfassung eines hand-
schriftlichen Katalogs gearbeitet, auf die demselben eingefügten
Excurse und Bemerkungen in seinem 'Repertorium zur antiken
Numismatik' wiederholt Bezug genommen, aber sich erst spftt
dazu verstanden, dass dieser Katalog auch veröffentlicht werde;
er starb, bevor der schön zu seinen Lebzeiten von der Qeneral-
Verwaltung der Königlichen Museen ins Auge gefasste Plan zur
Ausführung gelangen konnte. Um so erfreulicher ist es, dass
die seit Langem vorbereitete Publikation nun endlich ihren An-
fang genommen hat.
Aus leicht erklärlichem Grunde hat man dabei hier so wenig
wie in London mit demjenigen Lande beginnen mögen, bei
welchem Eckhel in seiner Doctrina beginnt, doch soll damit
nichts weniger als eine Abweichung von der altbewährten An-
ordnung, die in der Sammlung selbst streng festgehalten wird,
ausgesprochen sein; vielmehr wird der Berliner Katalog ähnlich
wie der Londoner zur Ausgabe gelangen, wie die einzelnen
Literatur. 135
Landschaften drackfertig werden. Der uns zanächst vorliegende
Band umfasst das Gebiet der Chersonesus Taurica, die Städte
am Pontns, Moesien und Thracien, die thracischen Inseln, und
an KönigsmQnzen : Lysimachos, die Odrysenkönige sowie die
thracischen Könige aus Augustus Zeit, endlich die wenig be-
kannten Dynasten Bergaios, Saratokos u. a.
Für die Publikation vorgelegen hat zunächst eine Hand-
schrift Friedlaenders , die aber nur bis zum Jahre 1868 etwa
gereicht hat. Da aber die Reihen der antiken Münzen des
Berliner Kabinets durch die beiden grossen Ankäufe im Anfang
der 70 er Jahre, durch die Sammlungen Fox und Prokesch, und
die umfangreichen Einzelerwerbungen, welche hierauf noch ge-
folgt sind, eine vollständige Umgestaltung erfahren haben, ist es
nur selbstverständlich, dass auch der vorhandene Theil des
Katalogs einer völligen Umarbeitung unterworfen werden musste.
So ist es denn gekommen, dass von dem Friedlaender' sehen
Katalog wenig mehr bewahrt werden konnte, vielmehr der Band,
welcher jetzt zur Veröfifentlichung gelangt ist, in allem Wesent-
lichen, in seiner ganzen Anlage sowohl wie im weitaus grössten
Theil der Beschreibungen von dem jetzigen Direktor des Kabinets,
A. V. Sallet herrührt.
Während sich der englische Katalog beschränkt auf die Be-
schreibung der Stücke, und in seinen neueren Bänden historische
Übersichten in den Einleitungen vorausschickt, hat v. Sallet
auf die Einleitungen verzichtet, ebenso auch auf die im englischen
Katalog gegebenen Feriodeneintheilungen der einzelnen Münz-
reihen. Scheinbar mag hiermit wieder die ältere Weise auf-
genommen sein; in Wirklichkeit ist das Verfahren dazu be-
stimmt, zu eingehenderen Untersuchungen über die Prägezeit
der einzelnen Reihen zu führen, an Hinweisen auf die Ent-
stehnngszeit lässt es der Verfasser im Rahmen seiner Beschreibung
keineswegs fehlen.
Neu ist das Verfahren, bei jedem Stücke die Herkunft zu
bemerken, ob das Exemplar aus einer älteren Privatsammlnng
oder durch neueren Ankauf, wie ihn die Accessionsnummern
136 Literatur.
theilweise schon kenntlich machen, in das Kabinet gelangt ist.
Wird hierdurch auf den ersten Blick bereits deutlich, wie völlig
verändert das Aussehen der Sammlung seit dem Anfang der
70er Jahre geworden ist, so dürften diese Herkunftsangaben
sich weiterhin noch recht nützlich erweisen, denn in vielen
Fällen ist nur hierdurch festzustellen, dass wir es in der vor-
handenen älteren Literatur mit einem uns hier vorliegenden,
aber damals mehr oder minder flüchtig beschriebenen Exemplar
zu thun haben, wenn Stücke bezeichnet werden als beschrieben
in Begers Thesaurus Brandenburgensis oder in einer der vielen
Schriften Sestini's oder in späteren Publikationen.
Aus den zahlreichen Einzelbeobachtungen, welche v. Sallet
seiner Münzbeschreibung eingefügt hat, mag hier auf einen Punkt
hingewiesen werden, der von Wichtigkeit zu werden verspricht.
Unter Gordianus III hat Marcianopolis (S. 68 n. 62, Taf. III 24),
Odessos (8. 195 n. 16) und Tomi (Ex. in Gotha), Münzen aus-
gegeben (M 9^1 2), bei denen der Kaiserkopf der Hauptseite aus
dem gleichen Stempel herrührt. Offenbar liegt hier also nicht
bloss ein Münzvertrag vor, wie ihn aus den gleichförmigen
Werth zeichen auf den Münzen der Pontes -Städte P. Gardner
bereits erschlossen hatte, sondern zeitweise haben sich diese Ge-
meinden auch der gleichen Prägstätte bedient Auf einen ähn-
lichen Fall hat Imhoof (Monnaies grecques 288) hingewiesen,
indem sich im ionischen Erythrae in der Zeit des Philippus
Münzen mit dem Kopf der lePA CYNKAHTOC finden, aus dem
gleichen Stempel, der in Smyma (Mionnet III 214, 1186) wieder-
kehrt, wo denn offenbar Smyrna die Prägung für die Nachbar-
schaft übernommen hat. Dass sich allmählig eine ganze Keihe
solcher Münzcentren für die Kaiserzeit werde nachweisen lassen,
ist kaum zu bezweifeln.
Wenn die Abbildungen nicht durchweg in Lichtdruck auf
Tafeln hergestellt sind, sondern vielfach auch dem Text ein-
gefügt sind, wo der Erhaltungsgrad oder andere Umstände einer
Umrisszeichnung den Vorzug geben Hessen, ist dies nur zu
billigen. P^'^b dürfte eine Vermehrung der Tafeln für die
Literatar. 137
folgenden Bände kaum zu umgehen sein, lassen sich doch viele
Eigenthümlichkeiten der Fabrik und der Technik oft auch bei
den sorgfältigsten Beschreibungen nicht der Art zur Geltung
bringen, wie es die Abbildungen vermögen.
Möchte das hier begonnene Unternehmen mit demselben
Eifer gefördert werden, und gleich freundliche Aufnahme finden,
wie der Londoner Katalog; genügt doch schon eine flüchtige
Vergleichung der Beschreibung beider Sammlungen um zu er-
kennen, wie wesentlich die Bestände derselben von einander ab-
weichen, und in welchem Maasse sie sich gegenseitig ergänzen.
B. W.
Arthur Engel und Kaymond Serrure, röpertoire des sources
imprim6es de la numismatique fran^aisc. Tome I. Paris, Ernest
Leroux, 1887. gr. 8. 399 S.
Das stetige Anwachsen der numismatischen Literatur er-
schwert die Übersicht mit jedem Tage mehr und mehr, und hat
daher lange schon das Begehren nach einer bibliotheca numaria
wachgerufen, wie es u. A. Lipsius und Leitzmann zu befriedigen
versucht haben. Soll aber eine solche Arbeit ihrem Zwecke in
vollem Maasse entsprechen, so darf sie nicht, wie die Leitzmann-
sche, die in Zeitschriften enthaltenen Aufsätze ausser Acht
lassen, denn gerade von diesen ist es schwerer Kenntniss zu er-
halten, als von seibstständigen Werken. Mit Freude ist daher
das Unternehmen der Herren Engel und Serrure zu begrüssen,
welche ein solches Repertorium für Frankreich verfasst haben.
Den Umfang desselben haben sie nach zwei Richtungen sehr
weit gesteckt: Erstens in sachlicher Beziehung, insofern sie sich
nicht auf die eigentliche Münzkunde beschränken, sondern auch
nationalökonomische Schriften berücksichtigt haben, nach den
Worten der Vorrede: „on dösire connaitre, quel a 6t6 le röle
de cette monnaie dans la soci^t^, quelle a ätä sa valenr, combien
en repr6sentait en son temps de vivres et de marchandises, &
quelles fluctuations son cours a &t& soumis. ^ Man begegnet da-
her Namen, die man sonst in einem derartigen Werke nicht
138 Literatar.
suchen würde, wie dem des Marquis d'Audiffret, dem des be-
kannten Philosophen Condorcet u. a.; mag man nun aber auch
vielleicht die Berechtigung einer so weiten Ausdehnung in Frage
stellen, so wird sich doch jedenfalls hier ein Zuviel eher ertragen
lassen, als ein Zuwenig. Dasselbe gilt von den räumlichen
Grenzen, die möglichst weit hinaus gerückt sind, so dass nach
bekannter Gewohnheit auch die ältesten, mit Kaisernamen ver-
sehenen päbstlichen Denare, die Nachahmungen französischer
Gepräge, die Ereuzfahrermünzen, die französischen Prägungen
in Italien, ja sogar Schriften über die Anjou's in Neapel und
Ungarn Aufnahme gefunden haben. Auch hier wird man es aber
selbst vom nichtdeutschen Standpunkte aus schwer verstehen,
wie z. B. BohFs Werk über die Trierschen Münzen, Cappe's über
die Mainzer u. a. zugelassen werden konnten, und ebensowenig
die Annektirung der Niederlande. Dennoch kann man sich es
auch hier gefallen lassen, wenn mehr geboten wird, als der Titel
rechtfertigt. Entschieden zu verwerfen ist nur die Art, wie diese
geographische Begrenzung in der Vorrede begründet wird; es
heisst hier (S. VI): npour la pöriode contemporaine, il (d. h. das
r6pertoire) ne franchira nos fronti^res actuelles que pour pousser,
du cöt6 de TEst, une pointe que 16gitime le pa8s6 et que justi-
flera, sans doute, Tavenir.'' Wir könnten hierüber hinweggehen
und müssen sogar die Rücksichtnahme auf ehemalige französische
Landestheile ausdrücklich gutheissen, wogegen wir aber doch,
und zwar nicht wir Deutsche allein, Verwahrung einlegen müssen,
das ist das Hineinziehen der Politik in die Wissenschaft.
Was man im Übrigen von einem Werke dieser Art verlangen
kann, das scheint geleistet zu sein. Es ist das vor Allem Voll-
ständigkeit. Hierüber kann man ja allerdings ein endgiltiges
Urtheil erst nach längerem Gebrauche abgeben, falls man nicht
selbst zu seinem Privatgebrauche eine ähnliche Arbeit unter-
nommen hat. Wenn man aber die langen fieihen der angezählten
Werke und Abhandlungen — 3219 bis zum Schluss des Bachstaben J
(von Chalon allein 20 Seiten!) — mustert und bei einem bekannten
SchriftpMi«^»' iie Pro*^«* macht, so kommt man zu der Überzeugung,
Literatur. 139
dass derBienenfleiss der so vortheilhaftbekaunten Herren Verfasser
eine Arbeit hergestellt hat, wie sie sich eben nur in einem auch
numismatisch so bedeutenden Mittelpunkt wie Paris zu Stande
bringen liess. Es scheint, dass hier nur die Zulassung von Artikeln
wie Babelon über die römischen Familienmünzen, BereneFs la vie
de Lelewel en Belgique, Bontiers histoire de la premi^re d6-
couverte et conqueste des Canariens faite des l'an 1402 par
Messire Jean de Bethencourt '), Dardel, der nur als numismati-
scher Kupferstecher Platz findet u. s. w., beanstandet werden
könnte, worüber jedoch nach dem Obigen hinwegzugehen sein
wird.
Geordnet sind die aufgeführten Arbeiten nach den I^amen
der betreffenden Verfasser in der in der Vorrede näher erklärten
Weise (v. d. Chijs z. B. unter D). Soll aber das Werk sich,
worauf es doch in erster Linie ankommt, in der Praxis als Hand-
buch bewähren, so ist es durchaus unerlässlich, auch eine Über-
sicht hinzuzufügen, welche alle diese Arbeit nach Materien nach-
weist; dieser Überzeugung verschliessen sich auch die Herren
Verfasser nicht, und wollen am Schlüsse des Werkes solche „table
alphabötique des matieres" liefern, deren Übersicht und Vollständig-
keit eigentlich erst über die Brauchbarkeit entscheiden wird, denn
will man wissen, ob und welche Literatur über einen bestimmten
Gegenstand vorhanden ist, so bildet letzterer den Ausgangspunkt
des Suchcns, nicht der dem Suchenden voraussichtlich unbekannte
Name des betreffenden Schriftstellers. H. D.
F. Friedensburg: Schlesiens Münzgeschichte im Mittel-
alter. Theil I: Urkundenbuch und Münztafeln; Theil 11: Münz-
geschichte und Münzbeschreibung. Breslau, Josef Max & Co.,
1887, 1888. 4. S. 112 und S. 322, mit 17 Münztafeln.
Nicht zu lange ist es her, dass Herr F. seine ersten muster-
gültigen Studien über die schlesischen Mittelaltermünzen in Bd.
^) erwähnt, weU der König dem Herrn de Bethenconrt „plein poavoir
de faire monnoye da pays de Ganare*" ertheilte.
140 Literatur.
IX und X dieser Zeitschrift veröflfentlicht hat, denen sich seine
Abhandlung „Schlesiens Münzen und Münzwesen vor dem Jahre
1220'' und einige Aufsätze im Archive für Brakteatenkunde an-
schlössen, und schon jetzt, früher als wir erwarten konnten, er-
freut er uns durch vorliegende eingehende Bearbeitung desselben
Themas, eines der schwierigsten, welches die hinlänglich dornen-
volle mittelalterliche Münzkunde Deutschlands bietet. Der Plan
des (als Band XII und XIII des Codex diplomaticus Silesiae er-
schienenen) Werkes wird in der Vorrede dargelegt: der erste,
allgemeine Theil enthält für jeden Zeitraum die Besprechung
der betreffenden Münzfunde, Allgemeines über Gepräge, Gewicht
und Gehalt der vorhandenen Münzen, sowie eine Darstellung des
Geld-, Rechnungs- und Münzwesens. Ob letztere Entwickelung
überall gelungen ist, wage ich nicht zu entscheiden, obwohl mir hin
und wieder Bedenken aufgestossen sind, wie z. B. wenn der Hr.
Verf. (S. 73 seiner hier S. 1 angezogenen Schrift über Schlesiens
Mz. vor 1220) den nummus, der in einer Urkunde von 1204 er-
scheint, zu einer Rechnungsmünze herabdrücken will, bloss weil
ihm 20 nummi zu wenig scheinen für 1 Scheffel Weizen und
1 Scheffel Hafer. Mir ist diese Seite des Münzwesens nicht
sehr sympathisch, und fast scheint es, als befände sich Hr. F.
mit mir in ähnlicher Lage, worauf gelegentliche Äusserungen
(S. 30, 48, 70) namentlich S. 250 hinweisen, wo es heisst:
„ Gerade diese Urkunde ist ein besonders interessanter Beleg für
die hier oft wiederholte Behauptung, dass im Mittelalter die
Münzgesetze eigentlich nur auf dem Papier existirt haben ^
Nun, wenn derartige Studien ein so zweifelhaftes Ergebniss
liefern, warum beschränkt man sie dann nicht auf die Fragen,
für welche sie unsrer Kenntniss der auf uns gekommenen
Münzen wirklich förderlich sein können, warum kürzt man nicht
die Nachforschungen über die hier und da amtirenden Mfinzer,
deren Namen allein doch von geringem Interesse sind und zur
Erklärung der Münzen doch in den allerseltensten Fällen bei-
tragen, warum endlich lässt man nicht die Untersuchungen über
LebensmittelprAisp. (S. 30) ganz fallen, die doch der Kultarge*
Literatur. 141
schichte angehören? Es scheint mir an der Zeit, diesen Punkt
zu berühren, da es immer mehr Mode wird, die Münzkunde mit
diesen grösstentheils abseits liegenden Fragen zu beschweren,
während sie den Münzforscher doch nur insoweit angehen, als
sie zur Aufklärung über die Münzen selbst beitragen. Ausser-
dem lehrt auch die Erfahrung — ohne dass ich diesen Satz auf
unser Buch anwenden möchte — , dass meistentheils je mehr
ein Schriftsteller dem sogenannten Geldwesen und was ihm an-
gehört seine Aufmerksamkeit schenkt, er desto mehr von der
Aufspürung, der Klassifizirung und der Erklärung der Münzen,
also von seiner Hauptaufgabe, abgezogen wird; nicht Jeder be-
herrscht die Geldlehre so vollkommen wie Grote, dem man gern
auch in diesen Untersuchungen folgt.
Der zweite besondere Theil ist der Beschreibung und Deu-
tung der Münzen gewidmet, und behandelt nach Voraufschickung
der unbestimmten Brakteaten und Denare die Gepräge der
Fttrstenthümer Breslau, Liegnitz-Brieg, Glogau, Oels, Schweid-
nitz-Jauer, Münsterberg, Neisse, Grafschaft Glatz, der Fttrsten-
thümer Oppeln, Teschen- Auschwitz, BeuthenCosel, Ratibor- Jägern-
dorf und Troppau; die bischöflich Breslauischen Gepräge sind
unter Neisse aufgeführt, der Bischof erlangte das Münzrecht
spätestens 1290, andere Geistliche haben es nie besessen. Als
neu werden hier Gepräge von Frankenstein. Freistadt, Grätz,
Guhrau, Löwenberg und Sprottau nachgewiesen. — Den Be-
ginn der Prägung verlegt Hr. F. unzweifelhaft richtig in das
letzte Viertel des XII. Jahrhunderts und erstreckt die ältesten
Münzen, kleine, anfangs zierliche, meist mit Inschriften ver-
sehene, dann hässliche stumme Brakteaten auf etwa ein halbes
Jahrhundert; inHerzog Heinrichs I. Zeit (1201—1239) vollzieht sich
der Übergang von den kleinen leichten zu den grossen schweren
Brakteaten, er hat uns von beiden Arten sichere mit seinem
Namen bezeichnete hinterlassen. An diese grossen, vermuth-
lich durch die böhmische Prägung Ottokars I. veranlassten
Brakteaten, schliessen sich, von etwa 1290 bis 1330 reichend,
die bekannten grossen Denare, die man nicht als Halbgroschen
142 Literatur.
bezeichnen darf, obwohl sie dem Werthe der Hälfte der gleich-
zeitigen böhmischen Groschen entsprechen. Nach ihnen traten
Goldgulden, dann Heller, grösstentheils städtischen Schlages,
und zuletzt Groschen aul
Die bedeutendsten Schwierigkeiten bietet die Klassifikation
der grossen Brakteaten und der Denare. Wenige der letzteren
sind inschriftlich bestimmt, die grössere Masse hat gar keine
oder doch nur sinnlose Umschriften (Pseudolegenden nennt sie
Hr. F. nach Schlumberger's Vorgange); auch die Wappen, die
auf vielen von ihnen vorkommen^ bieten zum grössten Theile
keinen Anhalt, auch wo sie sich auf adlige Geschlechter zurück-
führen lassen, sind uns doch deren Beziehungen zu den Münzen
verborgen. So ist denn hier nur die Vertheilung nach Typen
übrig geblieben, wo freilich in einzelnen Fällen das Ein-
theilungs-Prinzip nicht ganz klar zar Erscheinung kommt, auf
Nr. 335 z. B. ist wohl kaum die Rose zu erkennen, Nr. 336
wäre wohl besser an Nr. 317 (v. Saurma 241) anzuschliessen
u. s. w. Noch schlimmer ist es um die Zutheilung der grossen
Brakteaten bestellt, die den Denaren vorangehen; der grösste
Theil derselben ist mit offenbar willkürlich gewählten Zeichen
versehen, wie die Phantasie dem zu häufigem Wechsel des
Gepräges gezwungenen Stempelschneider eingab und entbehrt
bis auf den höIHRICVS DVX (Nr. 550) der Umschrift;
treffend werden sie S. 19 geschildert: „Der Kreis dieser Dar-
stellungen umfasst so ziemlich Alles, was da kreucht und fleucht,
die belebte und unbelebte Welt, wirkliche Gegenstände und
Phantasiegebilde'S Ist es nun auch untröstlich, dass selbst ein
so belesener und scharfsinniger Schriftsteller wie der Verf. so
Vieles hat im Dunkeln lassen müssen, so müssen wir ihm doch
desto mehr dankbar sein, dass er sich durch diese Schwierig-
keiten nicht wie so Viele vor ihm von der Bearbeitung des so
spröden Stoffes hat abschrecken lassen, und müssen andrerseits
anerkennen, dass er mit grosser Behutsamkeit an die Erklärung
der Münzbilder herangetreten ist, unbekümmert darum, ob etwa
Unknp'^i^« ihm Mn V'^'^pH' m^'^hen möchten, er habe zu ge-
Litoratur. 143
ringe Ergebnisse erzielt. Ja, in manchen Fällen scheint er die
Vorsicht durch Unterlassung einer Zutheilung sogar etwas zu
weit getrieben zu haben. So möchte man sich bei Nr. 497 lieber
Menadier's Ausfuhrung (Sitz.-Ber. d. Berl. num. Ges. v. 5. Juli
1886, Bd. XIV S. 32 d. Z.) zuwenden, und in dem BOIi • ANA
die naheliegende Bezeichnung Boleslaw's IV. (f 1201) und seiner
Gemahlin Anastasia erblicken, ebenso wie bei dem Denare
Nr. 444 wegen der Ähnlichkeit der Wappenfigur eine Beziehung
zu dem Brieger Heller von Boleslaw III, Nr. 581 doch wohl
kaum abzuweisen sein dürfte, und ferner der hergebrachten
Deutung des Hahn-Denars Nr. 465 auf Ohlau und so mancher
Lilien-MQnzen auf Neisse doch wohl kein ernstes Bedenken ent-
gegenstehen möchte. Andrerseits scheint ein Verlassen einer
früheren Zutheilung nicht immer einen Fortschritt zu enthalten;
so sind jedenfalls bei den Plorenen des BOIiQO DVX SLQ
(Nr. 701) die Gründe, aus denen er jetzt dem Münsterberger ab-
und dem Schweidnitzer zugesprochen wird, weit davon entfernt
als zwingende zu erscheinen, vielmehr liegt es doch wohl näher,
in diesem dux Slesie einen anderen Fürsten zu sehen als in
dem dux Swyd(nicensis) der Nr. 700. Eher liesse es sich
hören, dass die früher den Herzögen von Oppeln zugeschriebenen
bekannten Denare mit galea ducum Slesie juvenum Bolkonum
(Nr. 692 — 697) jetzt ebenfalls nach Schweidnitz verwiesen
werden, weil die oberschlesischen Fürsten sich nie des Titels
dux Slesie bedient hätten, wenn nur nicht hier wieder eine Aus-
nahme zu Gunsten Siemowit's von Beuthen gemacht würde,
dessen Denare (Nr. 814, 815) mit galea ducis Slesie und S. dux
Slesie bezeichnet sind, was freilich auf Münznachahmung zu-
rückgeführt wird.
Für ein Supplement, das nicht ausbleiben wird, da ich hier
und da einige mir bekannte Münzen vermisst habe (z. B. Sarbske
58 mit Wappen auf einer Mauer mit zwei Thürmen), möchte
ich namentlich auf einen ganz übergangenen Fund hinweisen,
den von Prausnitz. Da er auf schlesischem Boden selbst ge-
macht ist, so können wir seinen Inhalt wenigstens der Haupt-
144 Literatur.
masse nach als schlesisch ansprechen, er begreift Gepräge, die
hier sämmtlich fehlen, mit Lilie, Adler, Hirsch, Thurm, ge-
kröntem Kopfe, stehendem Herzog u. s. w., grösstentheils kleine,
sehr dünne Brakteaten von sehr weissem Silber, und möchte
sich der Zeit nach dem Rathauer und Marschwitzer an-
schliessen; freilich wird es nicht ganz leicht sein, seinen Be-
stand genau festzustellen, denn im hiesigen K. Münzkabinet, in das
er vor etwa 25 Jahren gelangt ist, ist er nicht als Ganzes auf-
bewahrt oder verzeichnet.
Im Einzelnen seien noch folgende kritische Bemerkungen
gestattet. S. 13, auf den Brakteaten Ottokar's I. ist wirklich
und unzweifelhaft ein Eönigskopf unter Architektur dargestellt.
S. 18 ist nicht recht verständlich, inwiefern durch die Ver-
zierungen der Charakter von Nr. 483 und 492 als Brakteaten
fast verwischt sein soll. Mit den S. 68 gedachten floreni ger-
lacenses sind offenbar die auch jetzt noch häufig vorkommenden
Goldgulden des Mainzer Erzbischofs Gerlach gemeint. S. 99
das pol in polgrosz hat m. W. mit ^ Polen'' nichts gemein, sondern
bedeutet ^halb**. Bei Nr. 86 wird der ähnliche Brakteat von
V. Saurma 106 für böhmisch erklärt, mir ist zwar diese Münze
nicht zugänglich, aber der Abbildung nach möchte ich sie für
schlesisch halten; die Saurmaschen Abbildungen sind doch im
Allgemeinen stylgetreu, und werden wohl ebenso wie die
Kretschmerschen Zeichnungen von Herrn F. etwas unterschätzt.
S. 390 ist im Gepräge bis auf die Kugeln neben dem Sterne ganz
gleich Nr. 207 Bünstorf; da letztere pommerisch, jedenfalls
nicht schlesisch ist, so möchten wir dem Herrn Verf. eine noch-
malige Prüfung anheimgeben. Auf Nr, 482, der ich (Pommern
S. 15 Anm. 2) ihre richtige Stelle angewiesen habe, ist das
VRATIZ wohl eher zu Vratislavia als zu Vratislaviensis (dux)
ergänzen, seine Anbringung auf der Stadtmauer lässt Ersteres
glauben, und damit schwänden auch die angeregten Bedenken
wegen der Titulatur. Auf Nr. 536 lässt die Abbildung von
einem Brustbilde, von dem der Text spricht, nichts erkennen.
Warum l^r ^m »Ip obol des Denars 343 erklärt wird, ist
Literatur. 145
nicht ersichtlich, die Gewichtsangabe fehlt; nicht die Grösse,
die hier bei beiden ziemlich die gleiche ist, entscheidet» wie
dies z. B. Nr. 212 verglichen mit 213 und Nr. 606 verglichen
mit 607 darthun. S. 223. Schwierigkeit macht eia unedirter
Groschen Joachims I. in meiner Sammlung, mit JROHfl • HOVIt •
KROSSeNSm ISOI; die Jahreszahl 1501 ist unzweifelhaft auf
einen Stempelfehler zurückzuführen, vielleicht ist sie durch
Ausscheidung der Null, welche einen Ringel darstellen mag und
durch Ergänzung mittelst des überflüssigen I im Stadtnamen in
1511 zu verbessern. S. 270 Anm.; der Reichsteiner Goldgulden
von 1510 existirt wirklich, s. meine Beschreibung des Chörauer
Fundes bei Köhne N. F. S. 171 Nr. 638, wo übrigens auch
Nr. 637 jedenfalls 1510 statt 1516 zu lesen ist. S. 279, näher
als die Hindeutung auf das Aachener Koma caput mundi und
das Golonia pacis mater hätte vielleicht bei der Beziehung der
Neisser Bürger als „fideles ecclesiae" eine Verweisung auf
das Nussia s. ecclesiae Coloniensis fidelis filia der Neusser
Thaler gelegen. Bei Nr. 780, dem famosen, oft als Thaler be-
zeichnetem Schaustücke des Bischofs Johann Turso von 1508
(Madai 784) wäre eine Äusserung darüber, ob dasselbe durch
Guss oder durch Prägung hergestellt ist, erwünscht. S. 311.
Dem Goldgulden des Przemislaw von Troppau gegenüber ver-
hält sich der Hr. Verf. wohl zu ungläubig, ebenso wie der von
mir beschriebene Gulden Ulrichs von Hardegg wird auch dies
durch den Wamboldtschen und Diekmannschen Katalog beglau-
bigte Unicum in irgend einer unzugänglichen Privatsammliinp
verschwunden sein; warum die angegebene Umschrift und das
quadrirte Wapppen Bedenken erregen sollen, ist nicht recht ein
zusehen, im Gegentheil dient zur Beglaubigung der in Eggf^
numism. Monatsheften Bd. III Taf. VI, 5 abgebildete Goldguldci
des nach Zeit und Ort b'^nachbarten Jodocus von Mähren mit
lODOaVS : DGI6Raai3t -nd dem stehenden Herzoge mil
Fahne, i. F. S-R Rf. - ^B^RttT>T0;flS:DOa>TP:i»ORfl[VI^
geviertetes Wappen.
Zu erinnern sind ein.^r- >^^ •»,»,* n /-> \w -«^ .^ ,-•
Zeitaehrift far IVamUmatik. / '
146 Literatur.
ist stets Weidhass statt Weidhas und Wolkenb u rger statt Wolken-
berger Fund gedruckt; auch hätten weniger bekannte Bezeich-
nungen wie Girsik für Georg und rex bene für König Wladislaw
erklärt, und weniger geläufige Begriffe wie Brenngaden und
Henricus pauper sofort bei ihrem ersten Auftreten, nicht erst
später erläutert werden sollen.
Alle diese kleinen Bemerkungen und Ausstellungen beein-
trächtigen aber nicht Wesentlich den Werth des vorliegenden,
nach Form und Inhalt gleich erfreulichen Werkes, das vielmehr
durch zwei Einrichtungen, an denen es so viele Schriftsteller
fehlen lassen, in seiner Brauchbarkeit bedeutend erhöht wird:
es hat Kolumnen-Überschriften und die Nummern der Abbil-
dungen sind dieselben wie die des Textes. Ebenso ist es anzu-
erkennen, dass von unbedeutenden Stempelverschiedenheiten
abgesehen sämmtliche Münzen Darstellung gefunden haben.
Diese Abbildungen genügen dem Bedürfniss, und sind jedenfalls
an Deutlichkeit den jetzt so beliebten photographischen vorzu-
ziehen, welche man auf Thaler und Medaillen oder besonders
scharf ausgeprägte und vollkommen erhaltene Münzen beschränkt
sehen möchte. Zu bemerken ist nur, dass von den grossen
Brakteaten nicht wenige zu klein erscheinen, so namentlich Nr. 82,
130, 199, 215, 371, 389, vermuthlich in Folge eines ange-
wandten mechanischen Übertragungsverfahrens. H. D.
Reinach, Thöodore. Les monnaies juives. Paris
1888. (74 Seiten mit eingedruckten Abbildungen.)
Eine gut und anregend geschriebene populäre Darstellung
der jüdischen Numismatik mit reichem geschichtlichen Gommentar.
Die Zuweisung der Sekel und der zu ihrer Reihe gehörenden
Kupfermünzen an den ersten Aufstand unter Nero halte ich
für ganz unmöglich, wenn sich auch der mit- der Numismatik
nicht vertraute Ewald dafür ausgesprochen. Die Sekel und ihre
Reihe tragen einen durchaus altertbümlichen, von den ihren
späten Ursprung schon beim ersten Anblick documentirenden
guten Kup^'^rmüP'^en des ersten Aufstandes völlig verschiedenen
Literatur. 147
Gharacter, so dass ich an der alten Ansicht, nach der die Sekel
dem Simon Maccabaeus angehören, fest halte. Durchaus ein-
verstanden bin ich aber mit der Zuweisung aller spät-jüdischen,
meist auf römische Denare geprägten Silberroünzen an den Aufstand
des Barcochba, wie ich dies auch früher schon ausgesprochen
habe; eine von manchen Gelehrten versuchte Trennung dieser
Reihe in Stücke des Neronischen und des Hadrianischen Auf-
standes ist meiner Ansicht nach schon stylistisch unmöglich. Die
auf Seite 52 erwähnte Mittelbronze des Titus mit IVDAEA NA-
VALIS, welche Cohen nach einer französischen Publication von
1836 beschreibt, ist oflfenbar nur aus Verprägung zweier Bück-
seiten: IVDAEA CAPTA und VICTORIA NA V ALIS entstanden,
beide Rückseiten feiern den Sieg über Judaea und gehören dem-
selben Jahre an. Keinach's Schrift behandelt ausser den jüdischen
auch die auf Judaea's Geschichte bezüglichen römischen Münzen,
zuletzt auch die Münzen von Apamea in Pbrygien mit Noah
und seiner Arche (seit Septimius Severus), und bringt 33 gute
Abbildungen. A. v. S.
Smith, Vincent Arthur, general index to the reports
of the archaeological survey of India, vol I— XXIII published
under the superintendence of Major-General Sir A. Cunningham.
With a Glossary etc. Calcutta 1887. Preis 6 Rupien.
Die Berichte der Entdeckungen und Ausgrabungen in Indien,
welche Cunningham herausgiebt, sind bekanntlich die wichtigste
Fundgrube für die baktrisch-indische Numismatik und die Ge-
schichte der prägenden Könige, sie behandeln u. a. die Inschrift
des Gondophares von Takt-i Bahi, die Inschrift des Kanerki, die
Samvataera, welche uns die Daten der Turuschka - Könige
giebt u. s. w. Wie in jeder Zeitschrift, ist aber das Finden in
der stattlichen Bändereihe überaus schwer und wir müssen Herrn
Smith ausserordentlich dankbar sein, dass er uns in seinem
reichhaltigen und nicht nur Namen, sondern jedesmal kurze sach-
gemässe Hinweisungen, historische Notizen u. dgl. enthaltenden
Begister eine gedrängte Übersicht des gesammten Inhalts dieser
10*
148 Literatur.
wichtigen Zeitschrift in alphabetischer Reihenfolge bietet Der
Numismatiker findet darin genaueste Angabe, wo &ber einen
indischen König gesprochen wird, über seine chronologische
Bestimmung, über seine Inschriften, über Funde seiner Münzen
und den Fundort derselben u. s. w. Das angehängte kleine
Wörterbuch der indischen Wörter ist eine nützliche und will-
kommene Zugabe des fleissigen und dem Freunde der baktrisch-
indischen Münzen unentbehrlichen, nach gewohnter englischen
Weise prächtig ausgestatteten Buches. A. v. S.
Stein, M. Aurcl, Zoroastrian deities on indo-scytian coins«
12 S. 4. London 1887 (aus „Oriental und Babylonian Record'*).
Der Verfasser widmet den auf den Münzen der sogenannten
Turuschka-Dynastie (den Königen Kanerki, Ooer und Bazodeo)
dargestellten einheimischen Gottheiten mit griechischen Bei-
schriften eingehende Untersuchungen. Er beginnt mit MIOPO,
dem Sonnengott (niemals MI6P0 geschrieben), es folgt MAO
die Mondgöttin, einmal griechisch CAAHNH genannt. APOOACTIO,
der bärtige Gott mit dem Pferde, ist das Zendwort Anrwät-
agpa, eine Gottheit des Feuers. Oado ist der Windgott (V&ta),
AePO das Feuer, OAPPO ist „der königliche Ruhm'*, OPAArNO
ein Eriegsgott. Bei OANINAA und der völlig unzweifelhaften
Figur der Nike wird an den weiblichen Genius «^Yanainti
uparat&t'*, d. i. „siegreiche Überlegenheit" erinnert. Das Wort
3-€IP0, welches ich MeiPO las, wird TeiPO gelesen, die dar-
gestellte Gottheit ist eine Artemis. PAOPHOPO bei dem Bilde
des Ares wird mit dem „Khsathra vairya, persisch „Sbahrftvar^*
zusammengestellt, dies ist eine Gottheit der Metalle, was also
eher dem griechischen Hephaestos entspräche. — APAOXPO
wird „Ardishvang (ashis vanguhi)" d. i. Glück, Tyche, erklärt.
Diese Göttin Ardochro mit dem Füllhorn erscheint später, auf
den sich an Bazodeo's Münzen anschliessenden mit wild werdenden
Legenden, thronend, mit Beischrift V/^dox^o, und ist dann
ganz sicher identisch mit der sitzenden Demeter aof
Azes* Münzen (mit Modius, Füllhorn und Ähren). Diese beiden
Literatur. I49
Darstellungen sind einander so völlig gleich, dass die der rohen
Goldmünzen sicher nach den guten noch rein griechischen Azes-
MOnzen copirt sein muss. Die ""AqdoxQo ist also zunächst keine
Tyche, sondern Demeter; dies widerspräche aber der sprach-
lichen Erklärung (von der ich nichts verstehe) durchaus nicht,
wenn wir eine Identificirung von Tyche und Demeter annehmen,
die ja auch in der griechischen Kunst, auch auf Münzen, häufig ist
(z. B. in der taurischen Chersonesus, in Olbia u. s. w). APAeiXPO
wird dem Genius des heiligen Feuers „Ardavahishtö" gleichgesetzt.
NANA und NANAIA (eine sichere Artemis) wird als fremde nicht-
zoroastrische Göttin bezeichnet. Manche Götter, wie MANAOBAfO
sind von zweifelhafter Bedeutung. — Auf p. 8— 10 wird die
Titulatur der Könige PAONANO untersucht, die dem ßad^Xsvg
ßaa$Xiwv entspricht und shähänano Shähö transscribirt wird, was
also König der Könige: Shähan shä heisst. A. v. S.
ÜTekrologe.
Zwei hervorragende französische Numismatiker hat uns das
abgelaufene Jahr geraubt: Morel-Fatio und Charles Robert.
Ersterer, langjähriger Conservator des Museums zu Lausanne,
starb fast 74 Jahr alt am 10. August 1887 zu Beauregard-sous-
Lausanne, wohin er sich nach Aufgabe seines Pariser Bankge-
schäftes vor Jahren zurückgezogen hatte. Er hat sich durch seine
Münzgeschichte von Lausanne und seine zahlreichen, die Nach-
ahmungen schweizerischer Gepräge durch die kleinen Dynasten
Oberitaliens betreffende Abhandlungen vortheilhaft bekannt ge-
macht. Ausführliches bringen die Blätter für Münzfreunde S. 1383.
Wichtiger für uns noch ist Robert, dessen schriftstellerische
Thätigkeit in beträchtlichem Maasse dem Nordosten Frankreichs
gewidmet war, welcher vor Alters theilweise zum deutschen Reiche
gehörte. So sind namentlich der Lothringischen Münzkunde
gewidmet eine seiner ersten Schriften : recherches sur les monnaies
des öv£ques de Toul, Paris 1844, dann die ätudes numismatiques
sur ane partie du Nord-Est de la France, Metz 1852, sowie seine
1 50 Nekrologe.
jüngste Leistung: monnaies et jetons des 6veques de Verdun,
Macon 1886. Die lothringischen Münzen waren es auch, die
den Gegenstand seines jahrelangen eifrigen Samroelns abgegeben
haben; von dieser Sammlung hat er sich in Folge zunehmender
Augenschwäche erst kurz vor seinem Ableben getrennt, sie ist
im Frühjahr 1886 zu Paris versteigert worden. Von ihrer Reich-
haltigkeit legt der treffliche Katalog (description de la coUection
de Mr. P.-Charles Robert, Paris 1886) Zeugniss ab, ein bleiben-
des Denkmal der verständigen Sammlerthätigkeit seines Ver-
fassers, der sowohl wegen seines Inhaltes als der beigegebenen
untadeligen Abbildungen halber den Werth eines Handbuches
beanspruchen kann. In denselben geographischen Bereich fallt
auch Robertos numismatique de Cambrai, Paris 1862. Keines-
wegs war aber sein Interesse und seine Thätigkeit in so enge
Grenzen eingeschlossen. Dafür sind anzuführen: seine numisma-
tique de la province de Languedoc, Toulouse 1879, seine Schrift
sur la pr6tendue restauration du pouvoir de Maurice-Tib^re dans
la Province et sur les monnaies qui en seraient la preuve, Paris
1883, und seine monnaies gauloises, description raisonn^e de la
coUection de M. P.-Charles Robert, Paris 1880, sowie zahlreiche
Aufsätze, besonders über die Contorniaten , die ihn in seinen
letzten Jahren zufolge seines catalogue des m^daillons contomiates
röunis par M. P.-Charles Robert, Paris 1879 lebhaft in An-
spruch nahmen. Alle seine vielfachen numismatischen Arbeiten,
mit denen wir uns in dieser Zeitschrift öfter beschäftigt haben,
stellen uns den Verewigten als einen Mann von umfassendem
Wissen, scharfem Verstände, ausgebildetem Qeschmack, und
hingebender Liebe zu den Denkmälern des Altcrthums dar, dessen
Scheiden eine bedauernswerthe Lücke hinterlässt. Pierre Charles
Robert, Intendant g^nöral inspecteur (en retraite), membre de
r Institut und vieler gelehrten Gesellschaften hat sein im Dienste
seines Staates und der Wissenschaft aufs Beste angewandtes
Leben am 15. December 1887 zu Paris beschlossen, tief betrauert
von allen, die jemals Beziehungen zu dem in hohem Maasse
liebenswerthen Mann gehabt haben. H. D. ^
Der Münzfand von Uaubom.
Taf. IX.
Im Jahre 1856 wurde bei dem Dorfe Volpertshausen ein
Münzfund gemacht, welcher in dem „Anzeiger für Kunde der
deutschen Vorzeit", Organ des germanischen Museums, auf
Seite 371 des gleichen Jahrgangs eine kurze Erwähnung fand.
Der Jahrgang 1859 derselben Zeitschrift enthält S. 298 eine
Besprechung des genannten Fundes, welcher trotz der grossen
Stückzahl an Münzen doch nur wenig reich an Typen war.
Cappe hat dann in seinen Kaisermünzen B. III T. 5 No. 60/63
die Hauptstücke beschrieben und theilweise abbilden lassen,
allerdings ohne den Fund zu erwähnen. Sie sind, soweit sie
mir bekannt geworden, sämmtlich Halbbracteateu kaiserlichen
Gepräges und entstammen der Zeit Heinrich's VI., Philipp's von
Schwaben und Otto's IV., also der Zeit von 1190—1215.
Volpertshausen liegt IV2 Stunde von Wetzlar entfernt, in
ohngefähr südöstlicher Richtung; mehr südlich von der genannten
ehemaligen Reichsstadt liegt am Fusse des „Kalsmunt" das Dorf
Naubom. In letzterem wurde im April 1887 beim Graben eines
Fundamentes ein neuer Fund aufgedeckt, von welchem ich leider
nur wenig zu erwerben in die Lage kam, obgleich es mir ge-
lungen ist, wenigstens die totale Verschleuderung der Münzen
zu verhüten. Der Fund enthielt wahrscheinlich gegen 300
Münzen, von welchen der weitaus grösste Theil in den Besitz
Sr. Durchlaucht des Fürsten Georg zu Solms -Braunfels über-
gegangen und von diesem in liebenswürdigster Weise mir zur
Prüfung und Beschreibung anvertraut worden ist.
Zeit«chrirt far Kamitmatik. XVI. H
152 H. Weber:
Die Münzen dieses Fundes stammen fast aus derselben Zeit
wie die Volpertshäuser , dagegen war der Typus der Halbbrac-
teaten hier nur in drei Exemplaren vertreten. Die übrigen Stücke
sind — ausser wenigen Obolen — sämmtlich Denare von durch-
gängig vorzüglicher Erhaltung, so dass die Hauptmasse des Fun-
des zweifellos nur ganz kurze Zeit in Umlauf gewesen sein kann.
Dieses Moment erleichtert die Feststellung der Vergrabungszeit.
Die nachstehende Beschreibung ergiebt, dass in unserem
Funde der Name eines Kaisers Friedrich häufig auftritt, ob der-
jenige Friedrich's I. oder des IL war anfangs natürlich zweifel-
haft. Der Zweifel löste sich jedoch, als ich drei Kölner Denare
entdeckte, von denen einer dem Erzbischof Philipp von Heins-
berg (1167—1191) angehörte, während die beiden anderen so-
genannte Hitarc-Denare sind, deren Prägezeit ebenfalls in die
Zeit Erzbischofs Philipps zu verlegen ist. Der eine der letzteren
zeigt den Erzbischof ohne Kopfbedeckung mit Knimmstab und
offenem Buch und ist bei Gappe in seinen Kölner Münzen
Taf. VII. unter Nr. 111 abgebildet. Eine Beschreibung des
Denars von Philipp kann ich leider nicht geben, da das Stück
mir nicht mehr zur Hand ist.
Es wird also wohl sicher Friedrich I. (1152—1190) der-
jenige sein, welchem die Friedrichsmünzen unseres Fundes zu-
zutheilen sind, und diese Zutheilung findet auch noch weitere
Bestätigung durch zwei in unserem Fund enthaltene Münzen des
Grafen Emich IV. von Alt-Leiningen. S. unten Nr. 177 und 178.
Derselbe wird in den Jahren 1159 und 1197 urkundlich er-
wähnt, kann also nur Zeitgenosse des Kaisers Friedrich I. ge-
wesen sein.
Nun kommt freilich in demselben Fund auch das unter
Nr. 169 hier abgebildete Stück vor, dessen Legende lautet
TIKRCHIPISCOP
Wenn man in den Buchstaben TI den Anfang des Namens Ti-
dericus finden will, so bleibt nichts übrig als diese Münze ent-
weder dem Erabischof Dietrich IL von Trier (1212—1242) oder
dem Erzbischof Dietrich I. von Köln (1208—1212) znzaweiseo,
Der Münzfuod von Nauborn. 153
denn in Mainz kommt der Name eines Erzbischofs Dietrich zum
ersten Mal im Jahre 1434 vor. Hält man die Zutheilung an
Trier für die richtige, so könnte Kaiser Friedrich IL als Präg-
herr unserer Friedrichsdenare in Betracht kommen. Aus den
oben angeführten Gründen jedoch erscheint es nicht angezeigt,
die Vergrabungszeit unseres Fundes in eine so späte Zeitperiode
zu verlegen.
Will man die fragliche Bischofsmünze dagegen dem Kölner
Dietrich I. von Heinsberg zutheilen, und dafür würde wenigstens
der rein kölnische Charakter der Rückseite sprechen, so kämen
wir in die Zeit vor Friedrich H., aber nach dem Jahre 1200,
eine Zeit, auf welche auch die gefundenen Halbbracteaten hin-
weisen. Die unter Nr. 85 — 89 hier beschriebenen Münzen
werden endlich wohl nur dem Kaiser Heinrich VI. zugetheilt
werden können (1190 — 1197), und deren Vorhandensein lässt
ebenfalls nur an Friedrich I. als Prägherrn unserer Friedrichs-
münzen denken, so dass wir die Vergrabungszeit des Nauborner
Fundes mit Recht in die Nähe des Jahres 1212 verlegen dürfen.
Die vorerwähnte, Zweifel erregende Münze dagegen scheint mir
noch nicht mit Sicherheit bestimmbar zu sein. Die Lesart
TID6RICVS kann auch falsch sein, die sinnlose Legende der
Rückseite giebt keinen Prägort an, der Typus der Rückseite ist
kölnisch, der Typus der Vorderseite ist es nicht, und endlich
weisen manche Eigenthümlichkeiten des Gepräges, wie ich in
Band XV dieser Zeitschrift S. 220 ausgeführt habe, auf die
Mainzer Münze hin.
Gehen wir nun zur Beschreibung der einzelnen Münzen
über, so begegnet uns zunächst eine Prägstelle, welche bis jetzt
noch gänzlich unbekannt war, nämlich der Kalsmunt. Diese
Burg, jetzt Ruine, liegt auf einem Bergkegel unmittelbar an der
Stadt Wetzlar. Sie wird in Urkunden des 13. Jahrh. vielfach
erwähnt und hat jedenfalls den Kaiserlichen Burggrafen als
Wohnsitz gedient. Sie muss aber schon sehr lange vorher er-
baut worden sein, denn durch Urkunde von 1275 verlieh Rudolf I.
dem Dynasten Siegfried von Runkel die Würde eines Burgmanns
11»
154 H. Weber:
(castrensis) auf der Burg Kalsmunt unter der Bedingung, dass
er zur Ausbesserung der Burg 700 marcas colonienses denariorum
verwende. Damals also war sie schon reparaturbedürftig. Der
Name soll von mons caldus stammen, ob diese Ableitung die
richtige ist, scheint mir zweifelhaft. (Vgl. Ulmenstein's Geschichte
der Kaiserl. freien Reichsstadt Wetzlar Bd. I, S. 203 u. 221.)
Ich beginne gruppenweise mit den richtiger gravirten
Münzen und schliesse daran die corrupten.
I. Friedrich I. Kaiser 1152—1190.
a) in Kalsmunt geprägt.
Nr. 1—15.
Hf, Der gekrönte Kaiser sitzt auf einem mit Hundeköpfen
verzierten Stuhle, r. Lilienstab, 1. Palmzweig ; über seinen
Schultern je ein Ringel.
Nr. 1-11. FRIDER - o - o _ icvz IP zwischen 2 Perlenreifen
„ 12. FRIQER-o-o-lCVz IP
„ 13. FRIOER ICVz IP
„ 14. F/////////////7/////////////KVZ iq
„ 15. FRKI////////////////////nV// iq
Rf. Auf 2 geperlten Bogen eine dreithürmige Kirche; unter
den Bogen je eine Rose; zu Seiten des mittleren
Thurmes je 2 Ringel, an den äufseren Seiten der
kleineren Thürme je ein Ringel und im mittleren Thurme
auch ein Ringel.
Nr. 1. CoTSoL g-M^V HoDoVoC l * zwischen 2 Perlenreifen.
„ 2. CoTS \o aWoV H DoVoCol *
„ 3. CoTt L° 8MoV /////////oVoCor *
„ 4. CoTS \o gMov IIIIIIIIIIIVoCol *
„ 5. CoTSoL aMoV N DoVoC l * .
„ 6. CoTt U aM//VoN DoVoCoI *
„ 7. coTs \o aMovoH-D.v.a r *
„ 8. Lon i2 a n^viiii/iiiiiiiivocoT *
, 9. /////// t aWoV HDoCoTloCoI * ^
Der Mflnzfund ron Nauborn. 255
Nr. 1 1 . IUI II IUI IUI II M-T-H -V-Col* zwischen 2 Perlenreifen.
, 12. [ojioij BMoV NoDoVoC I *
„ 13. CoüToL 8MoV HoDoV Gl* ,
„ 14. CoJt xi öMoVoH DoVoQ I *
„ 15. ///////////////////// -V H DoVoC D *
Nr. 1. Gr. 20 Mm., Gew. 0,83 Gr., Besitzer F. S.
„ 2.
» 20 „
« 0,82 „
n
F. S.
» 3.
, 19 „
„ 0,82 „
51
F. S.
» 4.
„ 20 „
» 0,85 „
55
F. S.
, 5.
, 19 „
» 0,81 „
59
F. S.
» 6.
» 19 ,
, 0,82 ,
n
F. S.
« 7.
» 20 ,
» 0,83 ,
55
W.
» 8.
« 20 „
, 0,85 „
55
F. S.
, 9.
y, 20 „
„ 0,80 „
J»
F. S.
, 10.
, 19 „
« 0,78 „
55
F. S.
« 11.
V 19 .
« 0,83 „
15
F. S.
„ 12.
„ 20 „
„ 0,75 „
T)
W.
„ 13.
„ 19 ,
. 0,78 „
55
W.
. 14.
. 19 „
. 0,73 „
59
F. S.
„ 15.
V 19 „
„ 0,82 „
Nr, 16 17,
55
F. S.
Hf. Wie Nr. 1, aber
statt der Ringel ein Ereazchen unter
beiden Aimen.
Nr.
16. FRI-
DER
II IUI null zwischen 2 Perlenreifen,
n
17. um II IUI II II II - _
Rf. Wie Nr. 1.
■/// racvoip
ft
Nr.
16. CoTS
L» 8 M VI mm V ö € • I * zwischen 2 Perlenreifen
»
17. C//////C
>U 8 Mo VH-D /////////////////
59
Nr. 16.
Gr. 19 Mm,, Gew. 0,82 Gr.,
Besitzer W.
„ 17.
, 19 „
, 0,82 „
Nr, 18—23.
j»
F, S.
t
Hf. Wie Nr. 1, aber Kreuzchen neben dem Sitze.
Nr.
«1
18-21. FRI ODER -
22. FRI ODER -
. racv o IP
■o ICVolP
zw.
2 Perlenreifen.
156 H. Weber:
Rf. Wie Nr. 1. (Die Umschrift ist zu entziffern in CüTrSM
VHDV cn)
Nr. 18—20. I loCoVoDoHoV Lo-RoT SoM *
„ 21. MoCoVoD-H-V Cojijor //////////////
„ 22. I loCoVoDoHo/M/oKor 8oM *
Nr. 18. Gr. 20 Mm., Gew. 0,82 Gr., Besitzer F. S.
„ 19. „ 20 „ „ 0,80 „ „ J.
„ 20. „ 19 „ „ 0,86 „ „ F. S.
„ 21. ,, 19 „ ,, 0,69 ,, „ W.
„ 22. „ 20 „ „ 0,71 „ „ W.
b) in Frankfurt a. M. geprägt.
Nr. 24.
Uf. Der sitzende Kaiser mit runder Krone hält Lilienstab
und Reichsapfel. Die Umschrift beginnt unten r.
FRIDSR— VS ÜRPei zwischen 2 Perlenreifen.
Rf, Dreithürmige Burg mit Vorhof in dessen Thor ein Kreuz.
FR^HFeNVORTirc * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 24. Gr. 18 mm., Gew. 1,20 Gr., Besitzer W.
Cappe hat in seinen Münzen der deutschen Kaiser und
Könige des Mittelalters Abtheil. III, Taf. IV Nr. 44 ein ähnliches
Stück abgebildet und dasselbe Friedrich II. zugetheilt; darauf
fängt die Schrift aber oben 1. an. Unser Fund enthielt nur
ein Exemplar.
c) ohne Angabe des Prägeortes.
Nr. 25-31.
Hf. Der gekrönte sitzende Kaiser hält Lilienstab und Reichs-
apfel. Die Umschrift beginnt oben 1.
Nr. 25, 26. FRIDER ICT/SI-. Aussen Strich- und
innen Perlenreif.
„ 27. FRIDER MV-S I-// Aussen und innen
Perlenreif.
„ 28. FRIDERI CVS N-: innen Perlenreifc
„ 29,30. FRIDERI dV II N- „
„31. FRIDERI aVSN
Der Münzfund von Nauborn. 157
Rf. Kreuz mit feinem Kugelkreuz belegt, in jedem Winkel
eine Kngel zwischen 2 kleineren Ringeln.
Nr. 25-27. FRIDERiaVS INPÖ * aussen Strich- innen Perlenreif.
28. FRDDERia vs mq ///
29, 30. FRroERia VS IHe * „ «
31. FRIDERiavSIN * „ Perlen „
Nr. 25. Gr. 18 Mm., Gew. 0,85 Gr., Besitzer F. S.
F. S.
9»
26.
17 ,
0,84
27.
17 ,
0,85
28.
18 ,
0,83
29.
18 ,
0,77
30.
18 ,
0,75
31.
18 ,
0,80
F. S.
F. S.
W.
W.
F. S.
d) ohne Umschrift auf der Rückseite.
Nr. 32-49.
Hf. Der sitzende Kaiser mit runder Krone hält Lilienstab
und Reichsapfel.
Von feinem Schnitt.
Nr. 32-38. FRIDFRiaV — S INPeRK aussen Perlen-, innen
Fadenreif.
Von gröberem Schnitt.
„ 39—43. FRIDiaV S NPe^JTaufsen Perlen- innen Fadenreif.
„ 44—46. FRIDROVS HPS^Tt „
„ 47-48. FRDNQVS NPa^K
„ 49. RIDSII VOISDVPF „
Rf. In 2 Reifen, deren äusserer geperlt ist, über einem
mit Perlen besetzten Bogen ein Gebäude mit Kreuz
darauf, zwischen 2 Kuppelthürmen ; neben dem Mittel-
thurme je ein Ringel. Unter dem Bogen ein Gebäude
mit 3 Kuppeln, oben von 4 Kugeln umgeben.
Nr. 32. Gr. 17 Mm., Gew. 0,92 Gr., Besitzer F. S.
„ 33. „ 18 „ „ 0,85 ,, „ F. S.
„ 34. „ 16 „ „ 0,85 „ „ F. S.
„ 35. „ 17 „ „ 0,84 ,, „ F. S.
1? 11 11 "»"i
11 1^ »1
158 H- Weber:
Nr. 36. Gr. 17 mm., Gew. 0,84 Gr., Besitzer F. S.
37. ,, 17 „ „ 0,82 „ „ F. S.
38. „ 17 „ „ 0,82 „ ., W.
39. „ 17 „ „ 0,90 „ „ F. S.
40. „ 17 „ „ 0,86 „ „ F. S.
41. „ 16/17 „ „ 0,84 „ „ F. S.
42. „ 17 „ „ 0,82 „ „ F. S.
43. „ 17 „ „ 0,80 „ „ W.
44. „ 17 „ „ 0,92 „ „ F. S.
45. „ 17 „ „ 0,85 „ „ W.
46. „ 17 „ „ 0,85 „ „ W.
47. „ 17 „ „ 0,84 „ „ F. S.
48. ,, 17 „ „ 0,81 „ „ F. S.
49. „ 18 „ „ 0,87 „ „ F. S.
Nr. 50—55.
Ilf. Wie Nr. 32.
Nr. 50-52. FRIDFRIQV S IHPaRK zw. Perlen- u. Strichreif
, 53-54. FRIDFRIQV S INPaRK , , „ ,
„ 55. FRI/////////aV S-IHPeRK „ glattem Reif.
Rf. Wie Nr. 32, aber unter dem geperlten Bogen auf
einem Bogen ein Kuppelthurm zwischen 2 schmäleren
Kuppelthürmen; in den Zwischenräumen 4 Punkte; in
dem unteren Bogen eine Lilie.
Nr. 50. Gr. 18 Mm., Gew. 0,91 Gr., Besitzer F. S.
n
51. „ 17
«
„ 0,86
r^
fl
F. S.
Ti
52. „ 17
n
„ 0,80
n
n
F. S.
79
53. „ 17
»
. 0,83
»»
»
W.
n
54. „ 16
rt
„ 0,80
T
Ti
F. S.
rt
55. , 17
y\
n 0,86
95
n
F. S.
Mit verworrenen Umschriften.
Nr. 56—58.
Hr. Wie Nr. 32.
Nr. 56. aiD//7,7/;/.'//7/V S Hpe////K innen Strichreif.
, 57. !:iii:;i:ii!!i!;:i!i!ii s nveiiin „
. 58. illliiHIHIIIIIIIIIIII S IHPQPK .
Der MOnzfund von Nauborn. 159
Rf. Wie Nr. 32, aber unter dem geperlten Bogen auf
einem Bogen ein Erenzcben zwischen 2 Punkten, unter
dem Bogen eine Lilie, zu Seiten desselben 2 schmale
Kuppelthürme und zu deren äusseren Seiten je ein Punkt.
Nr. 56. Gr. 17 Mm., Gew. 0,82 Gr., Besitzer W.
„ 57. „ 18 , , 0,85 „ , F. S.
„ 58. „ 17 B „ 0,80 „ „ F. S.
Nr. 59—67.
In Ealsmunt geprägt.
Hf. Der gekrönte Kaiser sitzt auf einem mit Hundeköpfen
verzierten Stuhle, r. Lilienstab, 1. Palmzweig haltend;
über seiner linken Schulter ein Ereuzchen.
Nr. 59—62. PÄ'T o DP t¥ — t¥CV° IUI? zwischen 2 Perlenreifen.
„ 63—67. RSqoDF *-^C^Jo^7iP
BJ. Auf 2 geperlten Bogen eine dreithürmige Kirche; unter
den Bogen je eine Rose; zu Seiten des mittleren
Thnrmes hat Nr. 59 je 2 Ringel, an den äusseren Seiten
der kleineren Thürme je ein Ringel, Nr. 61 je ein Stern
an den äusseren Seiten der kleinen Thürme, Nr. 62—67
je ein Punkt, im mittleren Thürme ein Ringel.
Nr. 59, 61. E loCoVoDoIIoV E TS o r////8/////
.,60. RIGTKHVIiJtliSI*
„ 62-64. P-I-C To HoVoCoK f S-M* Nr. 62. 63
„ 65. P- D To HoV ! oKorogoH* ^»'»«" S'««"-
„ 66. P. D To HoV loTtof a.H* P^'"'' "*''''
„ 67. P. D To HoV 3o25or a-H* *"
Nr. 59. Gr. 19 Mm., Gew. 0,82 Gr., Besitzer F. S.
. „ 60. , 20 „ „ 0,81 „ „ W.
, 61. . „ 20 , „ 0,82 „ „ F. S.
, 62. , 19 „ „ 0,85 „ „ F. S.
, 63. , 20 „ „ 0,82 „ , J.
, 64. ., 20 „ „ 0,82 „ „ F. S.
„ 65. „ 20 „ „ 0,75 „ „ F. S.
66. „ 20 , , 0,82 „ „ F. S.
67. „ 20 , , 0,82 „ r, F. S.
67a. „ 20 „ „ 0,82 , „ W.
n
n
160 H- Weber:
Von den Münzen der letzteren Gruppe ergeben Nr. 62 — 64
die Prägstelle ganz deutlich, wenn man die Bachstaben in fol-
gende Reihenfolge versetzt: 10. 9. 8. 7. 6. 1. 2. 3. 4. 5. Damit
dflrfte die Pragstelle Kalsmunt für die ganze Gruppe gegeben sein.
Nr. 68—74.
HJ, Der gekrönte Kaiser sitzt auf dem mit Hundeköpfen
verzierten Stuhle und hält Lilienstab und Reichsapfel.
Nr. 68. FRBOin lOVS I— zwischen 2 Perlenreifen.
„ 69. FR DIRI HSV „ 2
^ 70. FRDmilllllllllinSV .-. „ 2
y, 71. FR DIPI-///////-RI/// „ 2
„ 72. FR////IPI HSV .-. „ 2
„ 73. ORIViai RIÄRVIO aussen 2 „ zu Seiten
des Kopfes je 2 Ringel.
„ 74. /////nCDR KiaV -: zw. 2 „ auf dem
Reichsapfel 1 Kreuz.
R/. Starkes Kreuz.
Nr. 68. IVSRaNESI * zwischen 2 Perlenreifen. Im 1. Kreuzes-
winkel Kugel, in den anderen Rosetten zwischen
2 Ringeln.
„ 69. lÄOFIDNaTtVI * zw. 2 Perlenreifen. In jedem Kreuzes-
winkel eine Kugel zwischen 2 Ringeln.
(Im l.u. 4. Kreuzes-
„ 70. RÄIODCH//////NS zw. 2 Perlenreifen, winkel eine Kugd
„ 71. R!n:iODCH//////HS „ 2 „
,. 72. RKIODCNVDH/// „ 2
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zw. 2 Ringeln, im 2.
u. 3. Winkel eine Ro-
sette zw. 2 Bingeb.
73. B2i:iC.a////////I2i:- aussen 1, innen 2 Perlenreifen.. Li
jedem Kreuzeswinkel 1 Kugel.
74. FRID//////iaV////// * zwischen 2 Perlenreifen. Das Kreuz
ist mit Kugelkreuz belegt und neben jeder Kugel
2 Ringel.
Nr. 68. Gr. 18 Mm., Gew. 0,80 Gr., Besitzer F. S.
„ 69. ,, 18 „ „ 0,63 „ „ F. S.
„ 70, „ 18 ., „ 0,76 „ „ F. S.
Der Münzfund von Nauborn. 161
Nr. 71. Gr. 18 Mm., Gew. 0,70 Gr., Besitzer W.
„ 72. „ 18 „ „ 0,67 „ „ F. S.
„ 73. „ 20 „ „ 0,82 „ „ F. S.
„ 74. ,, 18 „ ,, 0,90 „ „ F. S.
Nr. 75.
Hf. Der gekrönte, auf einem Throne sitzende Kaiser hält
einen Reichsapfel und einen Lilienstab; über seiner
linken Schulter ein Stern.
FINDP - FIHIE//////// zwischen 2 Perlenreifen.
Rf. Vierthftrmige Burg.
NniHiaiNENn/////// „ 2 „
Nr. 75. Gr. 21 Mm., Gew. 0,83 Gr., Besitzer W.
Halbbrakteat. Vergleiche Cappe: Die Münzen der deutschen
Kaiser und Könige des Mittelalters, III. Abth. Nr. 557, Taf.IV, 53.
Nr. 76—80.
Hf, Der sitzende gekrönte Kaiser hält einen Lilienstab und
einen Eeichsapfel
Nr. 76. .F3[\;HPVI //HNaTt/// zwischen 2 Perlenreifen.
„ 77. //KNPvi HNanq „ 2 „
, 78. .FKHI//// VÄIVOTSq „ 2
„ 79. .FKH//VI JlP/aTtq „ 2
, 80. FKH//V vsivajtq „ 2
Rf. Auf 2 geperlten Bogen eine dreithürmige Kirche; unter
den Bogen je eine Rose; zu Seiten des mittleren Kuppel-
thurmes je ein Ringel, das bei Nr. 76 u. 78 durch
einen Strich am Thurme zu hängen scheint; bei Nr. 79,
80 im Mittelthurm ein Ringel.
Nr. 76. ÄÄDH0I8Dia©aiai *
„ 77. ÄflD/.^7///0////////////////////Oq *
„ 78. Kfloa 1 8 D//a um an *
„ 79. .RDI a.KN RVSKII
„ 80. .REia K «.RVSKID
darum aussen Perlenreif,
innen Perlen- u. Strichreif.
162 H. Weber:
Nr. 76. Gr. 19 Mm., Gew. 0,72 Gr., Besitzer F. S.
„ 77. „ 20 „ „ 0,73 „ „ W.
„ 78. „ 20 „ „ 0,74 „ „ F. S.
„ 79. „ 20 „ „ 0,80 „ „ F. S.
„ 80. „ 19 „ „ 0,79 „ „ F. S.
Nr. 81.
H/. Brustbild des gekrönten Kaisers, I., mit Bändern an der
Krone, hält eine Lilie; über seiner linken Schalter
Stern und Ringel.
rrmPlOIIII/lllllll/m * zwischen 2 Perlenreifen.
Ef. Kreuz, in dessen 1. Winkel O, im 2. und 3. eine Kugel,
im 4. eine Kugel zwischen 2 kleinen Ringeln.
IVINÜ-DiVTI * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 81. Gr. 18 Mm., Gew. 0,83 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 82.
Ein Stück mit ungekröntem Brustbilde des Kaisers bildet
den Übergang zu den später folgenden Münzen.
£(f. ungekröntes Brustbild r. mit Lilienstab und Reichsapfel
PRDlEP.-.-o-o-aVjS I
Rf. Kreuz mit einer Kugel im 1., 2. und 4. Winkel, im 3.
aber einem Ringel zwischen 2 Punkten.
miDIRIOVS IFPa zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 82. Gr. 18 Mm., Gew. 0,65 Gr., Besitzer W.
Die vorstehend beschriebenen Münzen ausser Nr. 75 sind
Denare; von Kaiser Friedrich I. kommen im Funde aber auch
zwei Obole vor, welche hier folgen:
a) in Kalsmunt geprägt.
Nr. 83.
11/. Der gekrönte Kaiser sitzt auf verziertem Stuhle und
hält den Lilienstab und Palmzweig; über seinen Schultern
und zu beiden Seiten seines Sitzes je ein Ringel.
FPaDSR — ICV/// H
Rf. Auf 2 geperlten Bogen eine dreithürmige Kirche; unter
den Bogen je ein Ringel; zu Seiten des mittleren
Der Münzfand von Nauborn. IßS
Thurmes je ein Eingel, ebenso an den äusseren Seiten
der beiden Seitenthürme ; im unteren Theile des mitt-
leren Thurmes auch noch ein Ringel.
CoJtoIiogoMoVoHoDo////////
Nr. 83. Gr. 16 Mm., Gew. 0,42 Gr., Besitzer W.
b) ohne Angabe des Prägortes.
Nr. 84.
H/. Der sitzende gekrönte Kaiser hält Lilienstab und Reichs-
apfel.
FRIDEK - ///////////////
Rf. Kreuz mit Kugelkreuz belegt, in jedem Winkel des-
selben ein Ringel zwischen zwei Punkten.
F'RJDIIIIIIIIIIIII IHPaR.
Nr. 84. Gr. 14 Mm., Gew. 0,35 Gr., Besitzer F. S.
II. Kaiser Heinrich VI. 1190-1197.
a) in Kalsmunt geprägt.
Nr. 85. 86.
Ilf. Auf einem mit Hundeköpfen verzierten Stuhle sitzt der
Kaiser, von vorn, und hält Lilienstab und Palmzweig;
unter seinen Schultern je ein Ringel; auf dem Kopfe
ein runder Hut. (Der Lilienstab läuft oben in einer
Ähre aus.)
HIHR~o-o-ICVS I zwischen 2 Perlenreifen.
Rf. Auf 2 geperlten Bogen eine dreithfirmige Kirche; unter
den Bogen je eine Rose; zu Seiten des mittleren
Thurmes je 2 Ringel; an den äusseren Seiten der
kleineren Thürme je ein Ringel, ebenso im unteren
Theile des Mittelthurmes.
CoKoiioS MoVoNDoVoI * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 85. Gr. 20 Mm., Gew. 0,80 Gr., Besitzer F. S.
„ 86. „ 19 „ „ 0,78 „ „ F. S.
164 H. Weber:
Nr. 87-89.
Hf. Gekröntes Brustbild von vorn, mit Lilienscepter und
Eeichsapfel. Im Felde 4 Ringel, von denen einer auf
dem Scepterstabe steht, 2 zu Seiten des Kopfes, und
einer unter dem Reichsapfel.
lOViaiKRNOEIVia * zwischen 2 Perlenreifen.
RJ. Dreithürmige Kirche mit Vorhof; unter dem Mittel-
thurm ein Bogen, worin ein Kopf mit krausem Haare.
Zu Seiten des mittleren Kuppelthurmes je 2 Ringel,
an den äusseren Seiten der beiden anderen Thürme
je ein Ringel.
aiÄROIVHaiNIVa * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 87. Gr. 19 Mm., Gew. 0,78 Gr., Besitzer P. S.
,, 88. „ 19 „ „ 0,76 „ ., F. S.
,, 89. „ 19 „ „ 0,75 ,, „ F. S.
Keinen Kaisernamen, aber ähnliche Darstellungen und Um<o
Schriften wie die vorgenannten Münzen zeigen die folgenden
Nummern:
Nr. 90—144.
Hf. Gekröntes Brustbild r. mit Lilienstab und Reichsapfel;
im Felde 4 Ringel (oder Punkte).
Nr. 90-125,142,143. lOVIGnSRNGIDNEia * zw. 2 Perlenreifen.
« 126-136. lOVIOITOlNaia *
„ 137,138,140,141.IOViai25;ONaia *
„ 139. löVICIÄONGia *
. 144. lOVia TSRN/////////////// *
RJ. Dreithürmige Burg mit Vorhof; unter dem Mittelthurme
ein Perlenbogen, worin ein Kopf mit krausem Haare;
um die Thürme 6 Ringel oder Punkte.
Nr. 90-108, 137, 188. GIKORIVSiaJtRIVOE o * . zw. 2 Perlenr.
„ 109-129, 139, 142. aDBROIVSNaÄI *
„ 144. cmiiiiiiiimna*! «
„ 180-184, 140. oMORvs lojauvoa *
„ 135, 141, 143. OMOiaVD lOKRIVOE *
„ 136. OMOI viiiiiiiOKimoa *
Der MOnsfiind von Nauborn. 165
Nr.
90.
Gr.
19 Mm.,
Gew.
0,92 Gr.,
Besitzer F. S.
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Nr. 145-154.
Hf. Brustbild r. mit Lorbeerkranz, Lilienscepter aiid Kelchs-
apfel; oben zu Seiten des Kopfes je ein Ringel.
Nr. 145-153. I0VICI2tRNCIDNEie * zwischen 2 Perlenreifen.
„ 154. lOVICmRHCI///////////////// „
Rf. Dreithürmige Burg mit Yorhof ; unter dem Mittelthurme
ein Perlenbogen, worin ein Kopf mit krausem Haare;
zwischen und zu den Seiten der Thürme 4 Ringel.
Nr. 146-153. lOIJtCRIVSICTSMOE * zwischen 2 Perlenreifen.
„ 154, 145. lOmCRIV . a'iiMOE
„ 155. iiomiow cnw^^iiiiiii
Nr. 145. Gr. 20 Mm., Gew. 0,90 Gr., Besitzer W.
„ 146. „ 20 „ „ 0,88 ., „ F. S.
„ 147. „ 20 „ ., 0,93 ,, „ F. S.
„ 148. „ 20 „ „ 0,85 „ „ F. S.
Der MQnzfund von Nauborn. 167
Nr. 149. Gr. 20 Mm., Gew. 0,85 Gr., Besitzer W.
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Nr. 156—168.
ff/. Brnstbild r. mit krausem Haare, ohne Krone oder
Lorbeerkranz, mit Lilienscepter und Eeichsapfel, zwischen
4 Ringeln.
lOVICmRNCroHEIC * zwischen 2 Ferienreifen.
RJ. Wie Nr. 145.
CüTORIVSICTtRlVOE o *
Nr. 156. Gr. 18 Mm., Gew. 0,92 Gr., Besitzer W.
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F. 8.
Unter den vorstehend beschriebenen Münzen mag man hier
und da manche Zusammenstellung willkürlich finden — vielleicht
mit Kecht. Die Gepräge unseres Fundes aber sind, wie Nie-
mand bestreiten wird, durchgehends eigenthümlich , ja fast alle
ganz neu, so dass für mich Vieles bis jetzt unbestimmbar ge-
blieben ist und ich mich darauf beschränken musste, die be-
ZcitMhrift far Namiiaiatik. XYI. 12
168 H. Weber:
treffenden Stücke einfach zu verzeichnen und zu beschreiben, um
sie so dem Studium Anderer zugänglich zu machen.
Dies gilt insbesondere auch von den unter No. 90—168 be-
schriebenen, deren Legenden ich nicht zu deuten weiss. Es liegt
nahe, bei der Inschrift
lOViaiKRH
an die Lesart Johannes yicarius Amoldi zu denken und die
Trierer Erzbischöfe Arnold I. (1169—1183) und Johann L (1190
bis 1212) heranzuziehen. Allein davon kann, obgleich Wetzlar
dem Erzbisthum Trier angehörte, doch wohl nicht im Ernste die
Rede sein, da nach dem Tode Arnolds die heftigsten Wahlkämpfe
ausbrachen, der erzbischöfliche Stuhl sieben Jahre lang verwaist
blieb und die Wahl Johanns erst nach Absetzung der Gegen-
bischöfe Folmar und Rudolf von Wied erfolgte. Johann I., der
vor seiner Wahl Kanzler König Heinrichs (Heinrichs IV.) ge-
wesen war, kann demnach nicht wohl Vikar seines Vorgängers
gewesen sein, und hätte, selbst wenn er es gewesen wäre, nicht
das Recht gehabt seinen Namen auf Mtlnzen zu nennen, die
unter der Regierung Arnolds geprägt wurden. Übrigens zeigt
auch die Darstellung des Kaisers auf der Vorderseite, dass die
fraglichen Münzen kaiserliche und nicht bischöfliche Gepräge sind.
Ein anderer Erklärungsversuch wäre der, dass ein kaiser-
licher Burggraf Namens Arnold die Münze zu Wetzlar in Thätig-
keit gesetzt und die von ihm geschlagenen Stücke mit SBinem
Namen bezeichnet hätte. Es empfiehlt sich, hier einen kurzen
historischen Rückblick einzuschalten.
Die Christianisirung des Lahnthals erfolgte von dem Stift
Dietkirchen aus, welches an der Lahn kurz oberhalb Limburg
liegt und von jeher zum Erzbisthum Trier gehört hat. Allein
der Diöcesanverband ist keineswegs identisch mit der Landes-
hoheit, das Dekanat Wetzlar mit der Gegend von Gleiberg und
Giessen bildete ursprünglich den Mittellahngau, gehörte also
nicht einmal mit Dietkirchen zum Unterlahngau und so stand
das Stift Wetzlar, obgleich es bereits im 10. Jahrhundert ge-
gründet wurde, und von seiner Gründung an zum Sprengel der
Der Mflnzfund von Nauborn. Ig9
Erzbischöfe von Trier gehörte, nie unter deren weltlicher Bot-
mässigkeit.
Den Grafensitz jenes Mittellahngaus bildete die Burg Gleiberg,
deren Trümmer, noch wohlerhalten, auf der rechten Lahnseite un-
weit von Giessen liegen und noch heute zu Wetzlar gehören.
Die Entstehung der Burg wird in den Anfang des 10. Jahr-
hunderts verlegt und einem Bruder König Konrads des Saliers
Namens Otto zugeschrieben. Die Geschichte von Gleiberg aber
bleibt bis gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Dunkel gehüllt.
Man weiss nur, dass die Burg inzwischen an die Grafen von
Luxemburg gekommen war, dass Hermann von Luxemburg, 1081
gegen Heinrich IV. als Gegenkönig aufgestellt, aus diesem Hause
stammte, und dass 1075 der Name der „Grafen von Gleiberg"
(de Glizberg) zuerst auftritt.
Die weiteren Schicksale von Gleiberg interessiren hier nicht,
ausser dass dementia Gräfin von Gleiberg 1129 das Kloster
auf den Schififenberg (Gleiberg gegenüber links der Lahn)
gründete, dass zu dessen Schutze die Burg und Stadt Giessen
gegründet wurde und dass die Vettern Wilhelm und Otto von
Gleiberg (gestorben Wilhelm zwischen 1197 und 1206, Otto vor
1197) zuletzt die Grafschaft ungetheilt besassen. Nach deren
Ableben erscheint sie getheilt, der Wetzlar näher gelegene Theil
war an die Grafen von Merenberg, der bei Giessen gelegene an
die Pfalzgrafen von Tübingen gefallen, ein dritter Theil war
diesen Häusern gemeinschaftlich verblieben. Aus dieser Gemein-
schaft erklärt es sich, dass die Adligen des Landes vielfach zu-
gleich Vasallen von Merenberg und Tübingen waren
und von beiden Häusern Burglehen trugen — einerseits Burg
Giessen, anderseits Gleiberg -Vetzberg. Die Grafen von Meren-
berg vearen aber zu Ende des 12. und im 13. Jahrhundert auch
Beichsvögte auf dem Kalsmunt und des Stiftes Wetzlar, so dass
manche Familien gleichzeitig Burgmannen von Giessen
und auf dem — nie Gleibergisch gewesenen — Kalsmunt
waren. Auf dieses eigenthümliche Verhältniss werden wir später
znrfickkommen müssen.
12*
170 H. Weber:
Im 10. Jahrhundert hatte sich um die damals erbaute
älteste Stiftskirche die Stadt Wetzlar angesiedelt, hierdurch
wieder wurde die Erbauung des Ealsmunts veranlasst, aber das
aus älterer Zeit auf uns gekommene Urkundenmaterial ist ausser-
ordentlich dürftig. Im Jahre 943 datirte bereits Kaiser Otto I.
von dort aus — Wittlara — eine Urkunde (Hontheim, historia
diplomatrica Trevir. Bd. I, S. 278 Nr. 66). Durch eine Urkunde
d. d. Gelnhausen d. 3. April 1180 ertheilte Kaiser Friedrich I.
der Stadt eben solche Handelsfreiheit, wie Frankfurt a. M. sie
besass, und hier spricht der Kaiser von den Bürgern von
Wetzlar als „burgensibus nostris", Bürgern einer reichsunmittel-
baren Stadt (Ulmenstein B. I, S. 81). Eine Urkunde von 1242
(Ulmenstein B. I, S. 131) befiehlt den kaiserlichen Burggrafen,
die Bürger bei ihren Freiheiten zu schützen und die wichtige
Urkunde von 1246 (Ulmenstein S. 135) giebt uns Auskunft über
die Burggrafen selbst. König Konrad, während der Abwesen-
heit seines Vaters Friedrich II. in Italien Stellvertreter desselben
in Deutschland, verleiht darin den Dynasten Konrad und Witte-
kind von Merenberg die Vogtei in Wetzlar (jus advocacie in
Wetphalaria) und fügt hinzu, dass schon die Voreltern der
genannten Grafen das Recht der Vogtei durch kaiser-
liche Gnade von alter Zeit her gehabt haben (Ulmen-
stein S. 136). Hiernach unterliegt es keinem Zweifel, dass zur
Vergrabungszeit unseres Fundes und wohl auch schon in der
letzten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Yogtei sich im Be-
sitze des Hauses Merenberg befunden hat Der Vater der
Grafen Konrad und Wittekind war Hartrad III. und dessen Vater
wieder Hartrad II.; letzterer war mit Irmengard vermählt, die
ihrerseits wohl die Erbtochter des oben erwähnten Grafen Otto
von Gleiberg gewesen ist. In der letzten Hälfte des 12. und
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts findet sich hiernach der
Vorname „Arnold^^ in der Merenberger Familie überhaupt nicht
vor und der S. 168 gemachte Versuch, das KKK durch den
Namen eines Wetzlarer kaiserlichen Vogts zu erklären, ist miss-
lungen.
Der Münzfund vop Nauborn. 171
Es kann nun freilich auch nicht behauptet werden, dass die
unter Nr. 90—168 beschriebenen Münzen gerade in Wetzlar ge-
schlagen worden seien und dass man den Namen des Vogts
darauf suchen müsse; die zahlreichen Ealsmunter Münzen unseres
Fundes aber legen es gewiss nahe auch hier an die Wetzlarer
Prägstätte zu denken.
Bei dieser Gelegenheit sei es mir gestattet über diese Präg-
stätte noch einige allgemeinere Bemerkungen hier anzuknüpfen:
Die älteste bekannte in Wetzlar geschlagene Münze ist die,
welche Cappe Kaiserm. B. I , Nr. 340 beschreibt und Otto III.
beilegt. Er ergänzt dort aber den Stadtnamen unrichtig in
„Wettelar'* statt „Wettflar*'. Die Schreibweise der Urkunden
lautet nämlich regelmässig „Wetzflar" oder „Wetflar". Ob die
von Cappe 1. c. B. III, Nr. 675 beschriebene Münze dem Kaiser
Adolf von Nassau und der Münzstätte Wetzlar angehört, bleibt
zweifelhaft. Es muss allerdings noch im 14. Jahrh. dort ge-
prägt worden sein, denn eine Urkunde von 1367 erwähnt „solidos
levium denariorum Wetflariensis warandie et valoris'S desgleichen
eine Urkunde von 1378 „dimidiam marcam denar. Wetflar'^
(Gudenus, codex diplom. Tom. V, S. 247 u. 250). Auch scheint
dafür der Umstand zu sprechen, dass gegen Ende des 13. Jahrh.
noch ein Münzmeister hier existirt hat; das Schutz- und Trutz-
bündniss der Wetterauischen Reichsstädte Wetzlar, Friedberg,
Frankfurt und Gelnhausen vom 3. Dezember 1285 ist nämlich
für die erstgenannte Stadt u. A. von Hermannus monetarius
unterzeichnet (Ulmenstein S. 189). Trotzdem sind Wetzlarer
Münzen aus so später Zeit ausser der obenerwähnten, welche
nicht sicher zu bestimmen ist, nicht bekannt. Das Münzhaus
steht heute noch und ist mit dem Reichs- und Stadtwappen
geziert.
Neben der Wetzlarer Währung muss an der Lahn übrigens
auch die Kölnische Geltung gehabt haben, denn in der bereits
oben angezogenen Urkunde von 1275 (S. 153) verspricht Sieg-
fried von Runkel zur Wiederherstellung der Kalsmunt 700 mar-
cas Colonienses denariorum.
172 H. Weber:
Erzbischöfliche Münzen.
Die beiden folgenden Münzen sind bekannt, bisher aber noch
nicht der Prägeherr derselben; die erste ist die in der Vorrede
S. 154 erwähnte von Dietrich.
Nr. 169.
HJ. Brustbild 1. S., mit Inful, Stab und Buch.
TI-JIRCHIPISCGFSI * innen Perlenreif.
RJ. Dreithürmiges Kirchengebäude mit Bogengang davor.
ICNKTHVCFEeKV * zwischen 2 Perlenreifen.
Siehe oben S. 155.
Nr. 175. Gr. 17 Mm., Gew. 0,90 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 170.
Hf. Brustbild eines Erzbischofs von vorne, mit blofsem
Haupte, Erununstab und Buch.
HIT ÄRC— QPICO
RJ Kirche mit Vorhof.
C0L0NI7t//////(CnK Doppelschlag.)
Cappe, Kölner Münzen Taf. VII, 111; sogenannte Hitara
Denare.
Nr. 176. Gr. 17 Mm., Gew. 1,43 Gr., Besitzer W.
Die folgenden Nr. 171 — 175, ohne Kaisemamen, sind in
Kalsmunt geprägt; Nr. 171 zeigt den gekrönten Kaiser, die
anderen Nummern eine sitzende Person mit Hut auf der Hs.
Nr. 171.
Hf, Der gekrönte sitzende Kaiser mit Palme und Lilie; zu
seiner Rechten 2, zur Linken 1 Ringel.
FH NI///F/// — o_o-oVoSoÄoF- zw. 2 Perlenreifen.
/?/. Auf 2 mit Perlen verzierten Bogen eine dreithürmige
mit Punkten umgebene Kirche; unter den Bogen zwei
einander zugewandte Köpfe.
F . K/// • T • H • V • E • Jv/ L//S//X^i//* zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 171. Gr. 20 Mm., Gew. 0,84 Gr., Besitzer F. S.
Der Münzfund von Nauborn. 1 73
Nr. 172.
Hf. Sitzende Person mit Lilie und Palme : über den Schul-
tern je ein Ringel.
•P-V-H-D — o_o_.ovS-2J- ////// zwischen 2 Perlenreifen.
Rf. Wie Nr. 171.
F-K-a-TN-VF- 7J/7V// • * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 172. Gr. 20 Mm., Gew. 0,75 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 173.
HJ, Sitzender Herr mit rundem Hute, hält Lilie und Palme ;
über den Schultern je ein Ringel.
•T-2JSV- — • — •— la-HVq zwischen 2 Perlenreifen.
RJ. Wie Nr. 171.
.I///.7i;.aiNVF ÄI-SI* zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 173. Gr. 21 Mm., Gew. 0,82 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 173 a.
RJ. Wie Nr. 173.
•P-VH-D — • VSK. Yill zwischen 2 Perlenreifen.
R(. Wie Nr. 171, aber unter den Bogen je eine Rose.
C-K-L-S M-VNDVI * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 173a. Gr. 20 Mm., Gew. 0,80 Gr., Besitzer W.
Nr. 174.
HJ. Wie Nr. 173.
•q-K-S-V- —///—.— la-HV-q zwischen 2 Perlenreifen
Ä/. Wie Nr. 173 a.
[oKoLoS MVN DöVol * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 174. Gr. 20 Mm., Gew. 0,75 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 175.
HJ. Wie Nr. 173.
•T-K-SV — /// la-HVq zwischen 2 Perlenreifen.
Rf. Wie Nr. 173 a.
[oKoLoS MoVoN DöVon /;7 zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 175. Gr. 21 Mm., Gew. 0,74 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 176.
HJ. Sitzender Herr mit rundem Hute (?) hält Palme und
Kreuz; zu seiner Rechten 2 Ringel.
. F . V . N • D — ^I . S • TS • r// zwischen 2 Perlenreifen.
174 H Weber:
Ä/. Wie Nr. 173 a, aber im mittleren Thurme ein Ringel
und zu dessen Seiten je ein Stern.
•REI-6.ÄNR////////SÄin zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 176. Gr. 20 Mm., Gew. 0,78 Gr., Besitzer F. S.
Die unter Nr. 172—176 beschriebenen MUnzen tragen kein
Kaiserbild und werden wohl von Dynasten geschlagen worden
sein. Da aber Nr. 173a, 174 und 175 die kaiserliche Münz-
stätte Kalsmunt ganz deutlich bezeichnen, da auch Nr. 171 — 173
eine Ergänzung der Legende der Rückseite in den Namen des
Kalsmunt zulassen, so dürfte es sich hier um Gepräge handeln,
welche von Burgmannen der erwähnten Burg herrtlhren. Wie
diese zu Herstellung solcher Münzen gekommen sein mögen,
darüber habe ich Näheres nicht ermitteln können.
Emich IV. (III.) Graf von Leiningen.
Nr. 177, 178.
Hf. Über einem mit Perlen besetzten Bogen zwei Thürme
und zwischen diesen ein Brustbild mit gelockten Haaren,
welches rechts ein Schwert hält und über dessen
linker Schultern ein Stern steht; unter dem Bogen
ein Gebäude mit 3 Kuppelthürmen zwischen 2 Ringeln.
Nr. 177. EMECHO COMESOD LIMB o zwischen 2 Perlenreifen.
„ 178. EMECHO COMES • D LI o „ „ „
i^. Kreuz mit einer Kugel in jedem Winkel.
LIMBVR///6ENSIS * aussen Perlen-, innen Perlen- u.
glatter Reif.
LINBVR-6EHS rs * aussen Perlen-, innen
Perlen- und glatter Reif.
Nr. 177. 19 Mm, Gew. 0,75 Gr., Besitzer F. S.
,, 178. 18 ,y „ 0,98 „ „ F. S.
Dieser Graf Emich wird von Grote (Münzst. B. IX, S. 154)
der ly. genannt, von Paul Joseph (Die Münzen des Gräfl. und
Ffirstl. Hauses Leiningen, Wien 1884) der HI., weil Joseph den
Bischof von Würzburg Emich Graf Leiningen (1127—1146)
nicht mitzählt, während Grote ihn als Emich III. anfährt
Der Münzfund von Nauborn. 175
S. oben S. 152. Dieses Limburg ist eine Abtei, belegen an der
Hardt, ^U Stunde westlich von Dfirkbeim, jetzt Ruine. Es ist in
hohem Grad auffallend, in einem Funde von so ausgesprochen
lokalem Charakter die — ohnehin nicht häufig vorkommenden
— Gepräge jener weit entfernten Grafschaft vorzufinden, welche
zu der Lahngegend gar keine nachweisbaren Beziehungen hatte.
Mit dem unweit der Lahn liegenden Westerburg tritt Leiningen
erst im 15. Jahrhundert in Verbindung und in Limburg an der
Lahn war jenes Haus nicht begütert, wie es denn überhaupt in
den Lahngegenden keinen Besitz hatte. Nur einmal finde ich
den Namen Leiningen mit Beziehung auf das Lahngebiet er-
wähnt, nämlich in einer Urkunde von 1197 (Gudenus, codex
diplom. II, S. 27), wo Graf Emich IV. als Zeuge zu Gunsten des
Klosters Arn stein auftritt. Vielleicht gehört auch der Emicho
dem Hause Leiningen an, welcher 1147 die Stiftuugsurkunde des
genannten Klosters mit unterzeichnet, seinen Familiennamen aber
nicht angiebt (Gudenus II, S. 11).
Bei dieser Gelegenheit sei übrigens erwähnt, dass Herr
Paul Joseph einen der Sammlung des Herrn Jul. Isenbeck in
Wiesbaden angehörigen Limburger Denar (S. 17) nicht ganz
richtig beschreibt — offenbar, weil ihm nur ein Staniolabdruck
vorgelegen hat. Das Original zeigt:
Hf. wie unsere Nummer 177
EMEOHOOCOMESDLI • zwischen 2 Perlenreifen.
Ä/. auch wie Nr. 177
o iil o H • B • V • R6E • N • S • I o S * zwischen 1 Perlenreifen aussen,
2 solchen Reifen innen.
Gr. 19 Mm. Gew. 0,95 Gr.
Weitere Dynastenmünzen.
Nr. 179.
Hf. Über einem mit Perlen verzierten Bogen ein Brustbild
zwischen 2 Thürmen; über dem Brustbilde ist der
176 H. Weber:
innere Perlenreif zu einem Bogen aasgebildet. Unter
dem ersten Bogen ein Gebäude mit 3 KuppelthQrmen.
Über den Schultern des Brustbildes je ein Ringel.
•I • N • a • R///// • SoEoIioTIoDoIioQ zw. Faden- u. Perlenreif.
jR/. Kreuz mit 1 Kugel in jedem Winkel.
lilSNEGIVMIOVPI * aufsen herum Faden-, innen 2 Perlenreife.
Nr. 179. Gr. 19 Mm., Gew. 0,77 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 180.
Hf. Sitzender Herr mit krausem Haare, hält in der Rechten
einen Palmenzweig, auf seiner Linken sitzt ein Falke;
über dem rechten Arme 3 Kugeln.
C?I-CR^^ PI-K aussen herum Perlenreif.
Ef. Burg oder Kirche mit 3 Thürmen hinter einem Bogen-
gang; oben zwischen den Thürmen Ringel.
UiPCKHNICSTOTV * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 180. Gr. 20 Mm., Gew. 0,75 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 181.
Ilf. Sitzender Herr mit krausem Haare, hält einen Vogel
und Palmzweig; über seinem linken Arm 3 Ringel.
K — q H W aussen herum Perlenreif.
Ef. Wie Nr. 180.
niPCTH/////C///TlÄV * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 181. Gr. 17 Mm., Gew. 0,83 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 182.
Hf. Brustbild r., mit Harnisch und Sturmhaube, hält Lilien-
scepter und Reichsapfel; zu Seiten der Haube je ein
Punkt.
LINDEN//////////// * zwischen 2 Perlenreifen.
Rf. Dreithürmige Burg mit Vorhof; unter dem mittleren
Thurme ein Bogen mit krauslockigem Kopfe darin; zu
Seiten der beiden kleineren Thürme aufsen ein Punkt.
LJHOENSIVMO * zwischen 2 Perlenreifen.
Nr. 182, Gr. 18 Mm., Gew. 0,77 Gr., Besitzer F. S. .
Der Munzfund vonNauborn. 177
Nr. 183.
Hf. Brustbild ohne Kopfbedeckung mit Fahne und Palme.
IIIIIIIIIIV^ COME * zwischen 2 Perlenreifen.
/?/. Kreuz mit Rosette im 1. und 4. Winkel, im 2. ein
Stern, die Darstellung im 3. Winkel ist verdrückt.
IIIIIIIIIID * H • I o Ö o l^^^^ III IUI darum aussen 1, innen 2 Perlenreife.
Nr. 183. Gr. 19 Mm., Gew. 0,93 Gr., Besitzer F. S.
Nr. 184.
Bf. Über einem Bogen ein Thurm mit rundem Dache
zwischen 2 Sternen und 2 kleineren Kuppelthürmchen ;
darum eine Mauer, zu deren Seiten Ringel. Unter dem
Bogen ein Brustbild 1. mit Locken, Lilienstab und
Palme.
///////TFRVKSeRSTei///// * zwischen 2 Perlenreifen.
Ef, Befusstes Kreuz mit 4 Pfennigen belegt; in dessen 1.
und 4. Winkel ein Kreuzchen, worunter eine Kugel,
in den beiden anderen Winkeln je eine Kugel von 3
Punkten umgeben.
ITK////////////MKV * aussen 1, innen 2 Perlenreife.
Nr. 184. Gr. 19 Mm., Gew. 0,85 Gr., Besitzer W.
Halbbracteaten.
Nr. 185.
Hf. Der gekrönte sitzende Kaiser mit Lilienstab und Reichs-
apfel.
Clfs\Cl(EIIIIIIIIII * darum aussen Perlen-, innen Perlen- und
Strichreif.
Rß Kreuz, in dessen Winkeln je eine Kugel mit 2 Punkten.
R/Aa + IIP + 1/////////////// * darum aussen 2 Perlen-, innen 2
Perlen- und ein Strichreifen.
Nr. 185. Gr. 23 Mm., Gew. 0,85 Gr., Besitzer W.
Nr. 186.
Hf. Wie Nr. 185.
Renne — aoiiiiiiiiii.
178 H. Weber:
Rf. Wie Nr. 185, aber die Kugeln zwischen je 3 Ringeln.
^nOIlllllTK + l/lll/l/// aussen Perlen-, innen Perlen-, Strich-,
Perlen-, Strichreifen.
Nr. 186. Gr. 23 Mm., Gew. 0,85 Gr., Besitzer W.
Nr. 187.
Ein unklares Stück.
Gr. 19 Mm., Gew. 0,85 Gr., Besitzer F. S..
Die unter Nr. 179— -184 vorstehend beschriebenen Münzen
dürften m. E. von ganz hervoiTagendem Interesse sein und
zweifle ich auch nicht, dass die Veröffentlichung derselben zur
festen Bestimmung wenigstens einzelner führen wird ; das mir zu
Gebote stehende litterarische Material aber hat hierzu nicht
genügt.
Nr. 180 zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit dem bei
Grote, Münzst. B. 3, Taf. 4 Nr. 2 abgebildeten Denar des Grafen
Eberhard von Sayn aus dem Hause Diez. Die Legenden aber
sind ganz andere als die bei Grote S. 157 angegebenen und
nicht zu entziffern ; die Münze wird trotzdem einem Diez-Sayner
Grafen zuzuschreiben sein und zwar wohl Eberhard I. von Sayn
(1139—1176) oder Heinrich von Diez (1145-1189). Diez liegt
bekanntlich ebenfalls an der Lahn.
Nr. 181 hat auf der Rückseite dieselbe Legende wie Nr. 180
und dürfte derselben Prägstelle entstammen wie dieses.
Der Denar Nr. 182 lässt über den Namen der prägenden
Familie keinen Zweifel, giebt aber den Vornamen des Prägherm
ebensowenig an wie den Prägort. Die Burg des adeligen Hauses
V. Linden, welches in vier Zweige zerfiel, lag bei dem Dorfe
Grossen-Linden zwischen Wetzlar und Giessen ; sie muss aber früh
verfallen sein, da keine Spur mehr davon zu finden ist. Die
Herren v. Linden waren gleichzeitig Merenberger und Tflbingische
Vasallen und Burgmannen zu Giessen. Ihre Burg gehörte zu
dem Tübingischen Theile der Grafschaft Gleiberg und sie er-
scheinen deshalb häufig als Zeugen für Giessen. Unser Denar
kann unter diesen Umständen ebensowohl der Prägstelle Kalsmunt
angehören, wie derjenigen von Giessen. Wie die Burg Merenberg
Der MüDzfund von Nauborn. 179
von Wetzlar ziemlich weit ab lag, so war der Sitz der Grafen
von Tübingen erst recht viel zu weit von Giessen entfernt, als
dass die Verwaltung von Wetzlar bezw. Giessen ohne Vermitte-
lung hätte geführt werden können. So wählten die Merenberger
zur Advokatie der Reichsburg Kalsmunt und der Reichsstadt
Wetzlar sich üntervögte aus der Kaismunter Burgmannschaft —
die Namen Einzelner sind uns erhalten — und ebenso wurde
Giessen durch Vögte verwaltet, welche aus der dortigen Burg-
mannschaft stammten. Hierdurch wird es erklärlich, dass der
Name eines Burgmannen auf unserer Münze erscheint. Woher
Giessen freilich das Prägerecht hatte, ist, wie dies so häufig
vorkommt, unbekannt; dass dort eine Münze bestanden hat, ist
sicher, obgleich bis jetzt ein Giessener Gepräge noch nicht auf-
gefunden war. Die bei Gudenus cod. dipl. II, S. 93 abgedruckte
Urkunde von 1250 ist u. A. von Gozzo v. Linden und Eckardus
monetarius als Zeugen für Giessen unterschrieben, und dass
unsere Nummer 182 der Prägstätte Giessen entstammt, ist in-
sofern das Wahrscheinlichere, als die Herren v. Linden besonders
angesehene Burgmannen in jener Stadt waren und ihr Stamm-^
sitz zu Giessen gehörte. Mehr als eine Vermuthuug kann ich
freilich hier nicht aussprechen und auch nur eine Vermuthung
lässt die unter Nr. 79, 80 und 176 beschriebenen Münzen mit
der Familie von Linden in Verbindung bringen.
Die Legenden der Rückseite jener Denare werden wohl
zweifellos Reimarus zu lesen sein. Nun kommt in der Schiffen-
berger Stiftungsurkunde von 1129 ein Reimar de Linden als
Ministerial der Gräfin dementia vor. (Craht, Reimar. et frater
eorum de Linden.) Die Bestätigungsurkunde vorgenannter Stiftung
durch die Grafen Wilhelm und Otto von Gleiberg von 1141 stellt
unter den Ministerialen jener Grafen einen Macharius und einen
Regemarus nebeneinander. Nun kommt der äusserst seltene
Name Macharius gerade in der Familie v. Linden mehrfach vor,
und nicht mit Unrecht nimmt Kraft in seiner „Geschichte von
Giessen und der Umgegend^ Seite 190 an, dass der 1129 er-
wähnte Reimar von Linden im Jahr 1141 noch lebte und dass
180 H. Weber:
sein 1129 nicht genannter Bruder Macharius geheissen hat.
Unsere Denare Nr. 79, 80 und 176 könnten also dem Reimar
V. Linden ihre Entstehung verdanken.
Nr. 183 und 184 sind mir dunkel geblieben. Die Rückseite
von 183 soll vielleicht „Linden" rückläufig andeuten, bezüglich
Nr. 184 enthalte ich mich jeder Conjectur, da der auf der Münze
deutlich zu lesende Name der Lahngegend vollkommen fremd ist.
Nr. 185 und 186 sind Kaisermünzen, erstere (ähnlich Cappe
Kaiserm. B. HI, Taf. V, Nr. 63) wird Philipp v. Schwaben,
letztere Heinrich dem VI. angehören.
Es sind mir nachträglich noch einige aus dem Nauborner
Funde stammende Münzen zugänglich geworden und schliesse ich
deren Beschreibung hier an:
Nr. 187.
///. Wie Nr. 173. Rf. Wie Nr. 171.
oRoKoaoTonovopos;o///osoio*
Dm. 20 Mm., Bes. Pfarrer Allmenröder.
Nr. 188. Schriftloser Bracteat.
Kaiserbrustbild von vorn mit Krone, hält Lilie und Reichs-
apfel, zwischen zwei Halbbogen, welche am oberen Ende je einen
Kuppelthurm nebst daneben vorragendem Dach tragen.
Dm. 20 Mm., Bes. ders.
Nr. 189. Cöln, Erzbischof Philipp v. Heinsberg (1167—1191).
Uf. Der sitzende Erzbischof mit Pallium, Krummstab und
offenem Buch, lockiges Haupthaar mit Tonsur. Zwischen
Perlenreifen :
THilPVS - KRCHCPI *
Rf. Dreithürmiges Kirchengebäude mit Vormauer und hoher
offener Pforte.
. CIKCOIiOHITS ///////// *
Dm. 20 Mm., Gew. 1,45 Gr., Bes. ders.
Es ist dies die oben S. 1 52 bereits erwähnte Münze, welche
zur sicheren Bestimmung der Friedrichsdenare von auschlag-
gebender Bedeutung war.
Der MflnzfuDd von Nauborn. Igl
Nr. 190.
HJ. Sitzender Kaiser mit Krone, hält rechts Lilie, links
Palme, über der rechten Schulter ein Ringel, über der
linken ein Kreuz.
D //// V //// :> • - • oIo//;7oK qo
i?/. Über zwei mit Perlen verzierten Bogen eine dreithürmige
Kuppelkirche, ausserhalb und innerhalb der Legende
je ein Perlenring, innerhalb der letzteren ein schmaler
glatter Ring. Zwischen den Türmen zwei Sterne, im
mittleren Thurm ein Punkt, in jedem der beiden Bogen
eine Rosette.
RIGfÄHVE o KVSI *
Dm. 20 Mm., Gew. 0,70 Gr., Besitzer W.
Es verbleibt mir noch die angenehme Pflicht, denjenigen
Herren meinen aufrichtigen Dank auszusprechen, welche meinen
Bemühungen fördernd entgegengekommen sind — in erster Linie
Sr. Durchlaucht dem Fürsten Georg zu Solms-Braunfels, welcher
die Herausgabe dieses interessanten Fundes überhaupt ermöglicht
hat dadurch, dass er den grössten Theil der Münzen erworben
und mir dann, nachdem er der Verschleuderung vorgebeugt
hatte, diese auf lange Zeit zur Benutzung überlassen hat. Nicht
minder schulde ich Dank Herrn Julius Isenbeck in Wiesbaden,
welcher bei der mühsamen Ordnung und Bestimmung der Münzen
mich ganz wesentlich unterstützt hat und dessen Talent zum
exacten Zeichnen der Legenden mir bei Fertigstellung des
Manuscripts von grossem Werthe gewesen ist.
Ich schliesse mit dem Wunsche, dass noch recht viele der
unentziffert gebliebenen Gepräge in Folge der Veröffentlichung
bestimmt werden möchten.
Wetzlar. H. Weber,
Amtsgerichtsrath.
über die Münzen von Tyras unter Hadrian.
Die in Süd^RussIand in bedeutender Quaptität aufgefundenen
alten griechischen Münzen sind, dem Orte ihrer Angehörigkeit
nach, sehr ungleichmässig vertheilt. Während die Münzen von
Olbia, Chersonesus, Panticapaeum und von dem Bosporanischen
Reiche eine gewisse Fülle darstellen, ist die Zahl der Münzen
anderer Interesse darbietenden Ortschaften sehr unbedeutend.
Zu diesen letzteren gehört auch die Stadt Tyras, deren
Münzen im allgemeinen, besonders aber die autonomen, silberne
und kupferne, sehr selten sind. Viele von diesen sind nur in
einzelnen Exemplaren bekannt, und nicht bloss in Privatsamm-
lungen sondern auch in öffentlichen Museen findet man die
Münzen von Tyras im Verhältniss mit den Münzen anderer
griechischer Ansiedlungen am nördlichen Ufer des Schwarzen
Meeres durch eine sehr unbedeutende Zahl vertreten. So, z. B.,
das Moskauer Öfifentliche und Bumianzofsche Museum^) be-
sitzt von Olbia- Münzen mehr als 100 Stück, während von
Tyras nur 7 St. ; in der Kais. Eremitage in St.-Petersburg sind
ihrer nicht mehr als 30 St. (nach A. Grimm) ; Museum der
Neurussischen Universität zu Odessa besitzt m rere Han t
Olbier Münzen und nur 10 Stück von Tyras. i ist
zunehmen, dass die Odessaer Gesellschaft fILr
Alterthümer, an welche auch die Sammlung 1
übergegangen ist, eine bedeutende Sammlm ^
1) Katalog des Museums, herausg. von A. ]
(Russisch).
über die Münzen von Tyras unter Hadrian. 183
Münzen besitzt, leider aber sind die numismatischen CoUectionen
dieser Gesellschaft unzagänglich, dabei hat dieselbe bis heute
nicht unternommen einen Katalog dieser Münzen herauszugeben.
Der Seltenheit uod grösstentheils der schlechten Erhaltung
der aufgefundenen Münzen von Tyras wegen wurden dieselben
selten herausgegeben und waren fast bis in die letzte Zeit
wenig bekannt, jedoch die Reihe dieser Münzen vergrösserte
sich allmählich durch neue Auffindungen* So waren in den 30 er
Jahren d. Jahrb., in den Werken von Sestini') und Mionnet*)
kaum einige 20 Stück Tyras'scher Münzen beschrieben. Ferner
gab die Odessaer Gesellschaft für Geschichte und Alterthümer
in ihren Memoiren und Jahresberichten') während der ganzen
Zeit ihres Bestehens nicht mehr als 15 Münzen von Tyras
heraus. Im Aufsatze von A. Grimm ^) wurden 48 Münzen be-
schrieben, hauptsächlich nach der Sammlung der Kais. Eremitage.
Endlich durch die Nachforschungen von Herrn Buratschkoff
vergrösserte sich die Reihe der Tyras'schen Münzeif bedeutend ;
in seinem unlängst erschienenen Werke ^) sind alle bis heute be-
kannten Tyras'schen Münzen — 4 silberne und 80 kupferne —
beschrieben und herausgegeben in drei Tafeln.
Die Stadt Tyras, eine Colonie von Milet, die sich am rechten
Ufer des Dniestr-Liman in der Nähe der heutigen Stadt
Akkerman befand, hatte, gleich vielen anderen griechischen
Ansiedlungen , anfänglich ihre autonomen Münzen und später,
im Zeiträume seiner Abhängigkeit von Rom — kaiserliche.
Bezüglich des Anfangs und der Dauer der römischen Herr-
schaft in Tyras sind keine genaue Nachrichten vorhanden. Auf
1) Descrizione d'alcone medaglie greche del Museo B. di Chaadoir.
Firenze 1831 und Chaudoir, Corrections et additions, etc. Paris 1835.
2) Description de m^d. antiques. Supplement T. IL Paris 1882.
3) Memoiren — Bd. III und VI, und Jahresberichte — hrsg. in den
Jahren 1866, 67, 68, 69, 73, 75, 76 und 82. (Russisch.)
4) Die MOnzen Ton Tyras in den Berliner Blättern für MOnz-, Siegel-
und Wappenkunde. Bd. VI. 1873. S. 27—44, mit 2 Tafehi.
b) P. Buratschkoff, AUg. Katalog der MOnzen den griech. Kolon, am nördL
Ufer des Schwarzen Meeres gehörig. Th. I. Odessa 1884. (Rassisch.)
Zeitochiift for ^luuiAmAtik. XVI. 13
1 84 Ludwig Bruun :
Grund der Inschrift, welche das Decret der Kaiser Septimius
Severus und Garacalla an die Tyraner enthält, aus welchem zu
ersehen ist, dass das Jahr 201 nach Chr. 6. dem 145. Jahre
der Tyras'schen Aera entspricht, nehmen Th. Mommsen % sowie
P. Becker') an, dass das Gebiet der Tyraner durch Kaiser Nero
seit dem 56. oder 57. Jahre n. Chr. G. in eine römische Provinz
verwandelt wurde. Aus einer anderen Inschrift aus der Zeit
des Kaisers Commodus ist dieselbe Übereinstimmung der Tyras-
sehen und der Christlichen Aera zu ersehen*). In Folge ganz*
liehen Mangels anderer Nachrichten von der Dauer der römischen
Herrschaft über Tyras haben allerdings die Münzen in dieser Be-
ziehung eine wichtige Bedeutung, nämlich durch die Münzen wird
der beinahe ununterbrochene Zusammenhang Tyras' mit Rom im
Laufe von mehr als 150 Jahren bewiesen. Bis zur gegenwärtigen
Zeit sind die Tyras*schen Münzen von folgenden Kaisern und
Kaiserinnen mit Gewissheit bekannt: Domitian, Antoninus Pius,
Marc Aure>, Commodus, Septimius Severus, Julia Domna, Cara-
calla, Plautilla, Geta, Alexander Severus und Julia Mamaea.
Das Fehlen der Münzen von Nero bis Domitian, abgesehen von
einigen Münzen mit der Contremarke TYP, zeigt vielleicht, dass
in diesem Zeiträume die Unterwerfung von Tyras den Römern
noch nicht vollständig gelungen war^).
Was dagegen die Münzen anbelangt, welche von den meisten
Herausgebern dem Kaiser Yespasian zugeschrieben wurden, so
müssen dieselben, nach der richtigen Annahme des Herrn
Buratschkoff'), ihrer schlechten Erhaltung wegen, sowie auch
desswegen, dass auf keinem der herausgegebenen Exemplare der
Name des Yespasian zu sehen ist, nach der Typenähnlichkeit
1) Corpus Inscr. laün. in, 1 p. 147. — Gf. Ph. Braun, Die Insel der
Tjrrageten im „Tschernomoije" Th. I. Odessa 1879. S. 8. (Bassisch.)
2) Das Staatswesen der Tyriten. Odessa 1849. S. 18. (Bassisch.)
5) Hrsgg. Ton W. Jurgiewich in den Mem. der Odess. Qesellsch. f&r
lesch. Bd. XIII and von B. Latyschew, Inscript. ant. orae sept. Ponti Euxini.
'etrop. 1885. Vol. I N. «
^^ Becker \ ^ H ^'^
*> " #• .Q >«
über die Münzen Ton Tyras unter Hadrian. 185
dem Kaiser Domitian zugeschrieben werden. Femer waren
in der Reihe der Tyras'schen Münzen bis heute keine Münzen
von den Kaisern Nerva, Trajan-und Hadrian bekannt. Das
Fehlen der Münzen dieser Kaiser im Zeitraum von mehr
als 40 Jahre erklären einige Forscher dadurch, dass, nach ihrer
Meinung^ Tyi'as sich während dieser Periode nicht unter der
römischen Herrschaft befand. Wäre es jedoch nicht richtiger
vorauszusetzen, dass das Nichtvorhandensein der Münzen ge-
nannter Kaiser sich nur dadurch erklärt, dass die Münzen mit
ihren Namen bisher noch nicht gefunden, oder nicht herausge-
geben wurden. In der That, die Reihe der Tyras' sehen Kaiser-
münzen wurde nur nach und nach ergänzt, besonders in den
letzten Jahrzehnten und gewiss durch neue Auffindungen wird
sie sich noch vergrössern.
In meiner Münzensammlung befinden sich zwei folgende, in
Akkerman gefundene, Münzen der Stadt Tyras vom Kaiser
Hadrian, welche bis jetzt noch nicht herausgegeben wurden :
1) AAPIANOC KAI AY. Büste des Kaisers Hadrian rechts.
RJ. Ein aufrechtstehender Adler mit ausgebreiteten
Flügeln und dem Kopfe linkshin, darunter TYPA.
M. 20 Mm.
2) . , . lANOC KAI AY. Büste des Kaisers Hadrian rechts.
RJ. Herakles, Keule in verticaler Lage, von beiden
Seiten TY M. 20 Mm.
PA
Die Münze Nr. 1 besitze ich in einer sehr guten Erhaltung,
alle Buchstaben in den Namen des Kaisers und der Stadt sind
ganz deutlich zu sehen und lassen keine Möglichkeit zu, die
Zagehörigkeit dieser Münze der Stadt Tyras zu Kaisers Hadrian
Zeit zu bezweifeln. Ich füge noch hinzu, dass ich unlängst aus
Akkerman noch eine andere Münze erhalten habe, welche, nach
ihrer Reinigung, als zweites Exemplar desselben Typus sich
erwies.
Die Münze Nr. 2, obgleich sie keine volle Legende hat,
muss nach der vollständig gleichen Vertheilung der erhaltenen
13*
186 Ludwig Bruun: Über die Münzen von Tyras unter Hadrian.
Buchstaben in dem Namen des Kaisers, nach gänzlicher Ähn-
lichkeit der Büste mit der Büste Hadrians auf der ersten
Münze und nach dem Unterschiede ihres Typus von den Münzen
der anderen Kaiser, ohne Zweifel ebenfalls dem Kaiser Hadrian
zugeschrieben werden.
Diese Münzen haben auch noch das Interesse, dass überhaupt
die Tyras'schen Münzen Kaiser Hadrians denjenigen, die sich
mit der Beschreibung der Münzen dieser Stadt beschäftigten,
unbekannt waren, und nicht allein das, sondern selbst ihre
Existenz wurde von denselben verworfen. Obgleich nämlich in
den Memoiren der Odessaer Gesellschaft für Geschichte und
Alterthümer ') der ehemalige Vice-Präsident dieser Gesellschaft,
Murzakiewitsch , eine Münze mit einem unvollständigen Namen,
vermuthlich von Kaiser Hadrian, beschrieben hatte, hatte in Folge
der Nichtübereinstimmung der Abbildung dieser Münze mit
deren Beschreibung von Murzakiewitsch Grimm das Recht zu
sagen, sie wäre „sehr zweifelhaft"'). Herr Buratschkoff, der als
Mitglied der Gesellschaft wahrscheinlich den Zutritt zu deren
numismatischen Sammlungen hatte, macht in seinem Kataloge
von der genannten durch Murzakiewitsch herausgegebenen Münze
nicht allein keine Erwähnung, sondern behauptet im Gegentheil
das vollständige Fehlen der Tyras'schen Münzen mit dem Namen
des Kaisers Hadrian und kommt zu dem irrthümlichen Schlüsse,
dass Tyras zu Hadrians Zeiten unter der römischen Herrschaft
gar nicht gewesen').
Auf diese Weise geben uns die durch mich oben beschrie-
benen Münzen den Beweis, dass die römische Herrschaft in Tyras
auch unter Kaiser Hadrian bestand und veranlassen uns, auf die
Möglichkeit neuer Auffindungen zu hoffen, vielleicht auch von
Münzen von den Kaisem Nerva und Trajan, welche zur Be-
stätigung dienen werden, dass die römische Herrschaft in Tyras
ununterbrochen über 150 Jahre dauerte.
1) Bd. VI. S. 475, Taf. II Nr. 6. 2) 1. c. S. 34.
3) Buratschkoff, 1. c. S. 87.
Odessa. Ludwig Braun.
Die Sprache der sicilischen Elymer.
ÜDter den Münzaufscbriften der sicilischen Städte Eryx und
Segesta findet eich eine Beihe, deren eigenthUmliche Sprach-
formen bisher unerklärt geblieben und aus den sonstigen Sprach-
idiomen der Insel sich auch nicht genügend erklären lassen. Da
diese zwei Städte von einem unter den Bewohnem Siciliens
fremdartigen Volke, den Elymem, bewohnt wurden, liegt die
Tennuthung nahe, dass hierin Überreste einer diesem Volke
eigenen Sprache vorliegen, und eine genauere Betrachtung wird
diese Vermntbung bestätigen. Es wird sich nämlich zeigen,
dass die Sprache der Elymer, wenn gleich sie einem bekannten
hellenischen Dialekte sehr nahe stand, docb ihr eigenes und
namenttich für Sicilien uugewfibnlicbes Gepräge hatte.
Innerhalb der MUnzserien von Eryx und Segesta sind es
nur die älteren, die solche elymische Aufschriften tragen. Die
segestaniscben Münzen, die etwa um 500 t. Chr. oder ein wenig
früher anfangen, zeigen während der archaischen Zeit ohne
Ausnahme im eiDheimiscben Dialekte geschriebene Legenden, und
erst in den letzte» Decennien des 5. Jahrh. erscheinen rein
hellenische Aufschriften. Während der Cbei^angszeit der
nächsten Jahre finden sich dann beide Sprachen mitunter neben
188 K. F. Kinch:
einander angewendet, so dass die eine auf der Vorderseite der
Münze, die andere aaf dem Revers ihren Platz hat; häufig trifPt
man jedoch schon die hellenische Aufschrift ganz allein. Auf
den Münzen von Eryx hat vom Anfange der Prägung, der nach
Head vor 480 fällt, der reine Hellenismus immer das Über-
gewicht gehabt. Dieser hellenische Einfluss war, wie es aus
den Münztypen erhellt, in der ältesten Zeit von Akragas ausge-
gangen, hat sich aber, nachdem diese Stadt ihre Herrschaft an
der Nordküste eingebüsst, noch immer, ungewiss aus welchen
Oründen, erhalten. Aus Eryx war überhaupt keine elymische
Legende unserer Numismatik bekannt, bis XJgdulena in Monete
pun.-sicule (1857) p. 41 die erste veröflFentlichte. Seither
ist die Anzahl etwas, doch nicht bedeutend, vermehrt worden
während nämlich die Zahl der verschiedenen segestanischen
Münzen mit elymischer Aufschrift etwa dreissig beträgt, sind
der erykinischen bisher nur sechs, und diese sogar selten vor-
kommend. Sie vertheilen sich, soweit man aus den bisherigen
Publikationen urtheilen kann, auf den Zeitraum von der Mitte
bis kurz vor dem Schlüsse des 5. Jahrh. Nach den Eroberungen
der Garthager auf Sicilien nach 409 weichen in beiden Städten
die autonomen Aufschriften meistens den punischen; die wenigen,
aus Eryx stammenden, Ausnahmen sind rein hellenisch, und
nachdem die punische Herrschaft Mitte des 3. Jahrh. wiederum
verschwunden, war die elymische Nationalität der zunehmenden
Hellenisation von Sicilien ganz unterlegen. Von nun an sind
die Münzlegenden wie die in dieser späteren Zeit anfangenden
Steininschriften immer rein griechisch (C. I. G. 5499 — 5548), aus-
genommen wo sie die Sprache der damals herrschenden Römer
anwenden.
Der Natur der Münzaufschriften gemäss sind auch diese
Legenden in wenigen, oft wiederkehrenden typischen Formen
abgefasst. Von diesen wechselnden Formen und deren Schrift
wie von der Grösse und dem Werthe der Münzen gebe ich hier,
mit Benutzung der in Num. Zeit. 1886 p. 265 von Imhoof-Blumer
mitgetheilten, folgende Übersicht:
Die Sprache der sicilischen Elymer. Ig9
^E<E<TAIIB, auf Tetradr., Didr. und Litren.
EKVHAIIB, Didr., Litren und Kupfer.
CE<E<TAIIBEMI, Didr.
^E<E^TAI|.B, Didr.
ERVKAIIIB, Tetr. und Didr.
^E^E^TAIIE, Didr.
[^ErEj^TAIlON, Hexas.
^ELE^TAIIA, TetradrO.
Unter diesen Aufschriftstypen ist der älteste und häufigste
der auf Münzen Segestas vorkommende ^E<E^TAIIB, der sich
im Catal. des Brit. Mus. (Sicily p. 130 ff.) auf 20 verschiedenen
Exemplaren aus der autonomen Periode der Stadt findet. Mit
ganz wenigen Ausnahmen war dieser Typus alleinherrschend bis
um 415, und selbst noch später, nachdem die ältere Form
jüngeren gewichen, wurde sie aus praktischen Rücksichten bis
zum Untergange der Selbständigkeit Segestas mitunter beibe-
halten. Auch in Eryx mit der für diese Stadt nöthigen Verände-
rung eingeführt, ist diese Form der Aufschrift überhaupt die
den elymischen Münzen charakteristische. Wegen der eigen-
thümlichen Endung (B) scheint die Aufschrift einer Sprache an-
zugehören, die in ihren Formen von der hellenischen wesentlich
abwich. Da die übrigen elymischen Legenden indessen in ihren
Endungen (lA, IE, ION) mit hellenischen ganz übereinstimmen,
liegt die Vermuthung nahe, dass die Abweichung nur eine schein-
bare sei und auf einem äusseren Umstände, z. B. auf dem an-
gewendeten Alphabete, beruhe. Dies ist in der That auch der
Fall; wenn man das Alphabet für das älteste korinthisch-mega-
rische nimmt, wo bekanntlich B neben E als Bezeichnung des
^) Eine sikulisch-pnnische Münze, wo neben der panischen Legende
„Ziz'' das elymische HB allein Yorkommt (Nnm. Z. 1870 p. 26; 1886 p. 262),
lasse ich im folgenden ganz anerwähnt, da sie wegen ihres ausländischen
Charakters zur Erklärung echt elymischer Anfschriftsfonnen ananwendbar
ist. Die Legende HB kann nur auf einer Nachlässigkeit oder einem Miss-
yerständnisse beruhen.
190 K. F. Kinch:
E-Lautes vorkommt, ist die Übereinstimmung mit den übrigen
Legenden und besonders mit der als die älteste Variante von
^E<E^TAIIB auftretenden, nämlich ^EhE^TAIlE, hergestellt. Da
es auf Sicilien zahlreiche und einflussreiche Kolonien von Korinth
und Megara gab, ist eine Beeinflussung der Schrift Segestas
von dorther wohl möglich und um so wahrscheinlicher, als Se-
gestas südlicher Nachbar, Selinus, eine megarische Kolonie war.
Einige archaische Inschriften, gesammelt in Inscr. Gr. Ant.
nr. 514—7, zeigen uns das Alphabet von Selinunt, vielleicht
auch von dessen Mutterstadt Megara Hyblaea, in der Gestalt,
die es vom Schlüsse des 6. Jahrh. bis auf den Ausgang der
voreuklidischen Periode bewahrte. Mit diesem Alphabete stimmt
im ganzen das älteste elymische, vertritt jedoch zum Theil ein
noch älteres Stadium, wo das megarisch-selinuntische Alphabet
den e-Laut mit der doppelten Bezeichnung E und B ausdrückte.
Bekanntlich war die Bei&eichnung dieses Lautes in Korinth und
Megara eine doppelte, indem E = «*, B = « und fj war. Dass
sich diese Doppelheit ursprünglich auch in den sicilischen Ko-
lonien dieser Städte vorgefunden, wie sie in den nicht-sikulischen
bekannt war, ist an sich wahrscheinlich und wird von Kirchhoff
(Studien z. G. d. gr. AI.* p. 110) angenommen. Was Selinunt
betrifft, wird diese Annahme dui*ch das Vorkommen des Zeichens
^ mit der Bedeutung von B (b) hier zum Theil bestätigt, da es
wahrscheinlich ein Überrest aus der Zeit sein wird, wo B mit
der Bedeutung von e gebraucht wurde. Kirchhoff setzt die
älteste selinuntische (oder megarische) Inschrift in den Schluss
des 6. Jahrh. Ist diese Datierung richtig, müssen die Elymer
ihre Schrift schon in der Mitte des Jahrhunderts empfangen
haben. Bei der Überführung ist eine kleine Veränderung ein-
getreten. In Selinunt waren wahrscheinlich wie in Megara und
Korinth E = £f, B = « und fj^ bei den Elymem sind dagegen
E = fi und «», B = ^. Ersteres erhellt aus Ssretft — und EMI
= elfjti (s. unten); B kann folglich, insofern es ein e bedeutet,
nur = fi sein. Diese Veränderung im Gebrauch der Zeichen
findet ihre Erklärung in dem Umstände, dass der elymlscbe
Die Sprache der sicilischen Elymer. 191
Dialekt, ^ie es aus der NominativenclaDg 17 (nach i) hervorgeht
und wie es unten näher dargelegt werden wird, wenigstens in
der älteren Gestalt mit dem jonischen nahe verwandt war und
rein jonische Formen enthielt. Bei den Jonern muss wegen der
Aussprache die Unterscheidung von e und 17 eine natürliche ge-
wesen sein, da sie schon in dem ältesten jonischen Alphabete
Eleinasiens durchgeführt ist, wo schon vor dem Schlüsse des
7. Jahrh. E = « und «1, H = ^. Ganz entsprechend war die Be-
zeichnung der Elymer, nur dass sie B statt H gebrauchten.
Diese Anwendung des B lag den jonischen Elymem, die ihr
Alphabet aus einer megarischen Kolonie empfingen, ebenso nahe,
wie der Gebrauch des kleinasiatischen H in diesem Sinne ihnen
fem bleiben musste. Die Geltung des H als ^ war nämlich in
Sicilien noch unbekannt, indem es hier in allen voreuklidischen
Alphabeten, auch im selinuntischen, immer die starke Aspiration
bezeichnete. Ob in dem elymischen Dialekte diese Aspiration
vorhanden gewesen, bleibt bei der Geringfügigkeit der sprach-
lichen Überreste unsicher. Die Legende ^AI3H = «$ag, die
dafür angeführt werden könnte, gehört in eine Periode der
elymischen Geschichte, wo ausländischer Einfluss auf die Sprache
bemerkbar ist.
Nach dem hier entwickelten ist Isysifta^iß = Ssysata^^fi.
Diese Form erinnert lebhaft an ähnliche, in der femininen Nomi-
nativform abgefasste hellenische Münzlegenden, z. B. Msvdalij,
yiaQKf(falaj KafjtaQ^yala. Wenn diese Ähnlichkeit nicht trügt,
ist die Aufschrift ^sysata^tti = ^^r^^^tal^^ wovon sie nur durch
einen einzelnen Buchstaben abweicht. Allein um diese Yer-
mnthung wahrscheinlich zu machen, müssen wir eine doppelte
Frage erledigen, erstens welchen Sinn die weibliche Nominativ-
form hier habe, femer durch welche analogen Bildungen die
angenommene Ethnikonsendung -a^$og gestützt werden könne.
Bei der Übereinstimmung elymischen Nominalendungen mit
griechischen wird man erst in der hellenischen Sprache das frag-
liche Ethnikonssuffix suchen. Allein weder in den Hauptdialekten
noch in den uns bekannten Lokalidiomen von Hellas findet es
192 K. F. Kinch:
sich in Wörtern einheimischen Ursprungs. Nur in einzelnen
Fremdwörtern, die aus nahe verwandten kleinasiatischen Sprachen
in die griechische übertragen worden, begegnen in der Form
und der Bedeutung des Suffix übereinstinmiende Analogien; ver-
folgt man dann aber diese Spur, lässt sich aus Eleinasien selbst das
Material der ähnlichen oder identischen Bildungen leicht mehren.
Von den indogermanischen Sprachidiomen Eleinasiens ist
das armenische durch seine Litteratur uns am genauesten oder,
vielleicht eher, fast allein genau bekannt. 'Die Kenner dieser
Sprache werden wissen, dass dieselbe ein auch vom jetzigen
Armenischen bewahrtes Suffix qI oder zi, gewöhnlich a^i oder
azi, enthält, das eben zur Bildung von Volksnamen u. dgl. ge-
braucht wird. Der Buchstabe c oder z vertritt hier das arme-
nische g, eine Art von ts- oder .dz- (starkem z-) Laut. Man
sagte in der älteren armenischen Sprache z. B. khaldea^i,
XaldcOog^ Ghaldaeer; kesaraci, KanraQsvgj Gaesarianer, wie die
jetzigen Armenier hellenaci, Hellene; germana^i, Deutsche ; haga-
raQi, Türke; gallia^i, Galler, u. dgl. m. sagen. (Vgl Lauer,
Grammat. d. class. arm. Sprache, p. 71). Das Sufßx wird, wie
schon aus den angezogenen Beispielen erhellt, an Stämme von
verschiedenen Endungen gefügt. In derselben Weise bildeten
die Elymer, wie es unten nachgewiesen werden wird, nicht nur
aus einem a-Stamme SsyeiftaZ^ — , sondern aus einem consonan-
tischen Stamme EQvxa^i. ~ . Die Übereinstimmung des elymischen
-a^iog mit dem armenischen aci wird eine vollständige, wenn
man sich erinnert, dass die armenische Sprache, von der wir
keine älteren Proben als aus dem 5. Jahrh. n. Chr., also etwa
1000 Jahre jünger als die elymischen, besitzen, in einer älteren
Gestalt die im Elymischen vorhandene Endung -os enthielt
(Hübschmann, Armenische Studien, p. 88).
In eben dieser Form -a^^og findet sich das Suffix in ein-
zelnen doch nur indirect, auf hellenischem Wege, fiberlieferten
Beispielen aus dem mit Armenisch verwandten Phrygischen
und Mysischen. In den wenigen und kurzen phrygischen In-
schriften scheint kein Ethnikon vorzukommen ; dagegen liegt ein
Die Sprache der sicilischen El^rmer. 193
solches in Saßd^^og, dem Namen des phrygischen Bakchos, vor
SaßaC^oq war nach Stephanos Byz. (s. ^qa^oq) ein Ethnikon,
wird aber von ihm mit ""Aqdl^oq zusammengestellt, als ob es,
wie ein "^Aqu^oq^ so auch einen Ortsnamen Sdßa^oq gäbe. Da
eine solche Lokalität weder andern antiken Schriftstellern
noch dem Stephanos selbst bekannt ist, muss in dieser Zu-
sammenstellung ein Fehler von Seiten des Verfassers vorliegen.
Wahrscheinlich wird laßdl^toq von Sdßog abzuleiten sein und „den
in Sabos Verehrten" bezeichnen (Suidas: ,^2dßovq eXsyoy xal
fovq ä(f$€qwfAipovq altto tonovq^^ — Dieselbe Ethuikonsendung
mag vielleicht auch in „Askanaz", dem Namen, womit die Fhryger
im Alten Testamente bezeichnet werden, vorliegen. Die Endung
-az ist jedenfalls keine hebräische.
In -a^ioq ist ja t mit d verwandt; somit konnte der Name
des phrygischen Gottes im Hellenischen auch durch laßdddioq
od. -ddtoq gegeben werden, welche beiden Varianten recht häufig
vorkommen. In dieser Gestalt erinnert das Suffix an die Endung
des aeolischen Mvadd^oq^ das die Aeoler nach Steph. Byz., Hero-
dian n. a. im Sinne von Mvaoq, Bewohner von Mysien, benutzten.
Das Wort Mvtsddtoq haben die Aeoler wahrscheinlich von ihren
Nachbarn, den Mysern selbst empfangen ; diese werden sich selbst
Mysazi — oder Mysadi — genannt haben, welchen Namen die
Aeoler aufnahmen und benutzten (vgl. Franzose aus frz. FranQois).
Ausserhalb des Kreises der thrakisch-phrygischen Sprachen
findet dasselbe oder ein verwandtes Suffix (z, mit Nominativ-
endung: zi), wie mir von kundiger Seite mitgetheilt wurde, in
dem Lykischen, dessen Verwandtschaft mit dem Earischen und
dadurch mit den oben erwähnten Sprachen neuerdings von Deecke
(Bezzenb. Beitr. XII) angenommen ist. In den lykischen In-
schriften finden wir Sppartazi mit der Bedeutung 2naqxatoq^
Spartaner; Suraezi = ^ovqrivoq^ Bewohner von Sura; Atunazi
= U^atoq. M. Schmidt hat jüngst in Kuhns Z. XXV (1881)
p. 457 ff. die Frage von dem Vorkommen dieses Suffix in dem
Lykischen aufs neue behandelt. Wo die Bedeutung sicher ist,
findet es sich in Personbenennungen zur Bildung von Heimats-
194 K. F. Kinch:
namen angewendet. Unter den Beispielen ist anch eine Münz-
aufschrift Pttarazu (Gen. Plur. = Pataren sium?), die den Namis-
matikern aus der Abhandlung von Six, Monn. lyc, in Rev. Nnm.
1886 p. 183 ff. bekannt ist.
Die Form des Suffix ist im Lykischen und Armenischen
-a^»; dieselbe Form wird mitunter in den Publikationen der
elymischen Münzaufschriften angeführt, z. B. bei Torremnzza,
Num. vet. Sicil. tab. LXIII, 10; Drachme: Obv IIAT^EIA^,
Weiblicher Kopf mit Epheukranz. Rf. Hund rechtshin. Andere
Beispiele a. a. 0. Nr. 15 und Hunter, Num. vet. popul. p. 262
Nr. 4 und 8. Auch anderswo findet man bisweilen dieselbe
Form der Aufschrift angeführt. Wahrscheinlich werden jedoch
diese im ganzen nur wenigen Beispiele entweder auf einem Fehl-
lesen oder auf einer unvollständigen Ausprägung der Aufschrift
beruhen. Wenigstens kommt kein Beispiel in neueren und ge-
naueren numismatischen Werken vor, und eben so wenig habe
ich durch persönliche Anfrage irgend ein sicheres Exemplar auf-
treiben können. Was die beiden aus der Sammlung Hunter an-
gefiihrten betrifft, sind sie nach einem mir von Prof. Toung in
Glasgow zugestellten Verzeichnisse gewiss unrichtig. Ich glaube
daher von dieser Form ganz absehen zu können.
Die Auffassung der elymischen Endung -a^^oq als eines
Ethnikonsuffix scheint mir durch die angeführten Analogiebil-
dungen doch wohl in der Art gestützt zu sein, dass wir ohne
Bedenken Ssrstfta^iß als Ssrs&iatfi fassen können. Über die Be-
deutung der weiblichen Endung wird die jetzt zu erwähnende
Legende die nöthige Aufklärung beibringen. Auf zweien der
älteren segestanischen Münzen lautet die Aufschrift so: <E<E-
^TAIIBEMI, auf der einen in retrograder Schrift, auf der andern,
wie es scheint, bustrophedon (Brit. Mus. Cat. Sicil. pp. 180—1,
nr. 5 - 6). Diese Aufschrift , die eine für antike hellenische
Münzlegenden seltene Länge hat, wurde vor einigen Jahren von
J. Friedländer aufs neue hervorgezogen (N. Z. 1870), der, ohne
IIB zu erklären, EMI als ijfjbi zu fassen vorschlug. Es wurde ihm
in diesem Punkte von Sallet wiedersprochen (Z. f. N. 1874
Die Sprache der sicilischen Elymer. 195
p. 278 ff.), der die Auslassung des Aspirationszeichens in ^(aI als
unregelmässig betrachtete und mit Millingen EMI als etfAi las.
Die Münze oder, besser gesagt, den weiblichen Kopf bezeichnete
S. als „redend^' und führte mehrere analoge Beispiele aus den
ältesten hellenischen Inschriften und Münzaufschriften an. End-
lich machte S. darauf aufmerksam, wie aus diesem elfii erfolge,
dass in IIB eine Nominativform enthalten sei.
Hierin kann man Sallet nur beistimmen. Da der Platz der
Werthbezeichnung ^fii in unmittelbarer Fortsetzung der Haupt-
legende ein ganz ungewöhnlicher sein würde, bedeutet EMI gewiss
eher «?/a^ als ^f^l^ wonach die ganze Aufschrift zu lesen sein
wird: ^eysataifi etfAl^ d. h. „ich bin die segestanische Heroine".
— Der weibliche, fast ausnahmslos auf den älteren Münzen
Segestas abgebildete Kopf stellt nach allgemeiner Annahme die
eponyme Heroine der Stadt dar. Allein es mag diese oder eine
in S. besonders verehrte Göttin, eine der erykinischen ver-
wandte Aphrodite, dargestellt sein, sie wird jedenfalls mit Recht
Seyetfraifi genannt, wie Pallas auf Münzen aus Kamarina Ka/Aa-
Qivaia^ die Stadtgöttin Larissas Aaqictsala und ein lokaler Heros
zu Rhegion und Tarent Pi^ytrog und TaQavttvog heissen.
Diese Auffassung der Aufschrift ^eyststaifi als Beischrift des
abgebildeten weiblichen Kopfes ist bei den zwei hier zuletzt
angeführten Münzen eine Nothwendigkeit und hierdurch zugleich
f&r die anderen Münzen wahrscheinlich. Was Segesta betrifft,
lässt sie sich auch ohne Zwang durchführen ; von den im Gataloge
des Brit. Mus. angeführten, mit Aufschrift versehenen Münzen
aus der älteren Periode Segestas (bis c. 415) tragen die 17
die Aufschrift auf der Vorderseite neben dem weiblichen Kopfe,
nur zwei auf dem Reverse neben dem dort abgebildeten Hunde.
Ausser diesen beiden sind aus der älteren Periode nur wenige
von derselben Art bekannt, und sie ändern nichts an dem an-
gegebenen Verhältnisse. In der jüngeren Periode (415—409)
haben die beiden einzigen im Gatal. des Brit. Mus. angeführten
Münzen die Aufschrift auf der Hinterseite. Wie lässt sich nun
diese Übertragung einer für die Darstellung der Vorderseite ur-
196 K. F. Kinch:
sprünglich bestimmten Aufschrift auf den Revers erklären?
Hierüber verweise ich auf eine entsprechende Erscheinung anf
den Münzen von Eaolonia^ wo die Beischrift zur Apollofigur
der Vorderseite KavX<ov^d^ag mitunter bei dem Hirsche der
Hinterseite ihre Stelle gefunden hat, wie auch auf einer Münze
aus Eatana (Brit. Mus. Cat. Sic. p. 42, nr. 6) die Aufschrift
Ka%avaXoQy die eigentlich dem Menschenstier der Vorderseite
gehört, auf dem Bevers neben der den Stier bekränzenden Nike
angebracht wurde. Die Erklärung dieser Fälle ist eine gleiche,
nämlich dass das Bild des Revers als Nebentypus oder Attribut
in genauer innerer Verbindung mit der Hauptdarstellung steht.
Eryz empfing etwa in der Mitte des 5. Jahrb., wahrschein-
lich aus Segesta, den in der Form ganz übereinstimmenden
Typus der Aufschrift ERVKAIIB d. h. ""Eqvxaifi oder, mit der in
hellenischer Sprache allein gebräuchlichen Form des Adjectivs«
^Eqvxhfl. Das Suffix -ai^og ist hier dem Stamm ^Eqvx" beige-
fügt. Dieser Stamm scheint beiläufig in unveränderter Form ohne
Nominativendung in der elymischen Sprache als Name der Stadt
und des Berges angewendet gewesen. Denn nur aus einer
solchen epichorischen Form lassen sich die übrigen, in den
Sprachen der umwohnenden Völker angewendeten erklären. Die
Phoenizier gaben es mit Ark (od. Erk) wieder. Die Hellener»
denen eine der Grundregeln ihrer Formenlehre es nicht erlaubte,
das k als Nominativendung beizubehalten, bildeten gewöhnlich
''Eqv^, ein einzelnes Mal hat doch ein mit den Verhältnissen und
den Sprachen Siciliens besonders vertrauter Schriftsteller, Theo-
kritos, Idyll. X, 101, ^Eqvxa benutzt, welches die hier in den
besten Handschriften überlieferte Form ist. Im Lateinischen
heisst die Stadt Eryx, der Berg dagegen gewöhnlich Erycus.
Auch ^Eqvxat^ß d. h. ""EQvxlvri bezeichnet die Stadtgöttin, die
unter dem Namen ^Afpgodkij ^Eqvxiyfi oder bloss ""EQvxty^ (Erycina,
Horaz) bekannte orientalische Venus. Die Aufschrift ist ent-
weder auf der Vorderseite (Brit. Mus. p. 62, nr. 6) neben einem
opfernden Weibe, das die eponyme Heroine von Eryx zu
sein scheint, oder, auf den Münzen der späteren oder letzten
Die Sprache der sicilischen Elymer. 197
Decenuien des 5. Jahrb., auf dem Revers neben dem Hunde an-
gebracbt. Ein einzelnes Mal, auf einer Bronzemünze (Mus. Nap.,
Hon. Gr. p. 89 nr. 4999), deren Zeit mir unbekannt ist, aber
wegen der Form des R (R) doch wohl das 5. Jahrb. sein wird,
findet sich die Aufschrift neben einem bärtigen männlichen Kopfe
auf der Vorderseite. Wen dieser Kopf darstellt (den Heros
Eryx?), ist nicht sicher; da aber der Revers den Hund erhalten
hat, ist ein nahes Yerhältniss zwischen ihm und der Qöttin
wahrscheinlich, und dieses Yerhältniss wird auch die Ursache sein,
warum die Form der Aufschrift hat beibehalten werden können.
Eine Variante dieses ältesten Typus der Aufschrift (auf
-AIIB) findet sich in dem erykinischen IRVKAIIIB, Beispiele
hiervon, von wenigstens zwei verschiedenen Münzen herge-
nommen, geben Ugdulena, Mon. P. S. p. 41, und Imhoof-Blumer,
Mon. Gr. p. 17 und N. Z. 1886 p. 236. Über den Anfangsbuch-
staben des Wortes (I für das gewöhnliche E) zu sprechen, werde
ich unten Gelegenheit haben. Was die abweichende Form der
Endung betrifft, kann das zweite I gewiss nur ein Jot sein, so
dass die Aufschrift „Irykazije^^ zu lesen ist. Ein Jot entwickelt
sich bekanntlich und hat sich oft sowohl in hellenischen Dialekten
als in anderen Sprachen unter denselben oder analogen Be-
dingungen wie hier entwickelt, nämlich zwischen einem Vokale,
besonders einem I, und einem folgenden Vokale, aber auch nur
vor einem Selbstlauter, so dass auch hier eine Bestätigung der
Vermuthung vorliegt, das B sei hier als Vokal aufzufassen. Über
eine ganz analoge Entwickelung eines Jot im Kyprischen, Pam-
phylischen (z. B. ECTFEAIIY^ =U(fnhdioq\ ^EAYFIIO^, Bew.
v. Sillyon) und Lykischen verweise ich auf die gebräuchlichen
Handbücher (z. B. G. Meyer, Gr. Gram. * § 146 ; für Lykisch :
M. Schmidt, Lyc. Inscriptt. p. lY).
Der ältesten Form der Aufschrift gehört auch die Legende
folgender beiden Münzen an:
1. S.22M. a .IIA T53>3^. £?/: Weiblicher Kopf mit Binde,
das Haar hinten aufgewickelt. Rf. Hund rechtshin stehend.
8,8 Gr. Münzkab. zu Kopenhagen.
198 K. F. Kinch;
2. do. ^. I IAT5E135.
Neapel (Mus. Naz., Mon. Gr. nr. 4970).
Diesen Münzen gemeinsam ist der zwischen den beiden
letzten Buchstaben befindliche Punkt. Zwischen diesen Buch-
staben (I und B) ist auf beiden Münzen ein durch die weibliche
Frisur veranlasster grösserer Zwischenraum. Auf dem Exemplar
zu Kopenhagen steht der Punkt nach dem Jota, aber vor der
Frisur, auf dem neapolitanischen nach dieser, vor dem B. Die
Münzen, die, wie schon aus dem Angeführten hervorgeht, nicht
mit demselben Stempel geprägt sind, und auf denen die Form
der Buchstaben unter sich etwas abweichend ist, stimmen in der
Ausführung . des Typus so sehr überein, dass sie jedenfalls aus
derselben Zeit, vielleicht sogar von demselben Stempelschneider
herrühren. Was hat dieser mit dem Punkte bezeichnen wollen?
Mancher wird ihn vielleicht so wie ich beim ersten Blicke für
ein Lesezeichen halten, wodurch B entweder vom übrigen Theil
der Aufschrift geschieden oder, nach der Unterbrechung durch
die Frisur, damit vereinigt würde. Keine dieser Yermuthungen
lässt sich jedoch festhalten, und zwar die letztere nicht, weil
das Fehlen des Zeichens bei den übrigen Unterbrechungen der
Aufschriften unerklärlich wäre. Bei der ersten Annahme würde
man in B und den entsprechenden unten zu erwähnenden Bach-
staben A, E und ON eine Werthbezeichnung suchen und hat sie
bei den Verhandlungen über die Bedeutung dieser Zeichen öfters
gesucht. Der Versuch ist doch gescheitert, theils weil der Platz
der Buchstaben, wie schon oben berührt, gegen eine solche An-
nahme streitet, theils weil die Buchstaben, wie die oben p. 186
mitgetheilte Übersicht ergiebt, auf Münzen von ganz verschie-
denem Metalle, Grösse und Gewicht vorkommen und sich also
nicht auf den Werth beziehen können. Was der Punkt be
zeichne, lässt sich vielleicht nicht entscheiden, jedoch legt eine
Yergleichung mit der oben zuletzt mitgetheilten Aufschrifs-
endung (—HB) die Vermuthung nahe, dass die Bezeichnung des
parasitischen Lautes Jot und des durch diesen in der Aussprache
empfundenen Einhaltens beabsichtigt sei. Diese singulare Be-
Die Sprache der sidlischen Elymer. ]99
Zeichnung des Zwiachenlauts ist, nachdem er auf diesen zwei
MOnzen versucht worden, wieder aufgegeben. Um ungeiähr
25—30 Jahre später fällt die nene Bezeichnung durch das in
den übrigen Sprachen gewöhnliche I (IRVRAIIIB). Das Schwanken
in der Weise der Bezeichnung wie die häufige Unterlassung der-
selben hat ihren Grund darin, dass das hellenische Alphabet kein
dem Laute Jot adäquates Zeichen hat.
Dass in £E<E£TAIIB das B die Geltung eines E-Lautes
habe, davon liegt eine Bestätigung in einer M&nze vor, die an
der Stelle des B eben ein E hat. Schon im vorigen Jahr-
hundert wurde bei Torremuzza, Num. vet Sicil. tab. LKIU nr. 8
eine Didrachme mit dieser Beischrift veröffentlicht, welche Münze
sich nach Angabe des Verfassers damals in der Sammlung des
Engländers Duanc befand. Nachdem diese später in den Besitz
Hunters übergegangen, wurde die MUnze wieder in Hunter, Num.
vet. pop. p. 262 nr. 5 publicirt. Ein, wie es sich jetzt ergiebt,
verschiedenes, doch in Typus und Aufschrift Qberein stimmendes
Exemplar wurde endlich im Cataloge der Sammlung Payne-Knight
(p. 246 nr. 7) veröffentlicht. Von diesem letzten Exemplar hat
Broendsted in 1836 eine Scbwefelpaste für das Münzkabinet zu
Kopenhagen anfertigen lassen; das Original scheint sich, nach
einer Mittheilung von Head, nicht mehr im Brit. Mus. vorzu-
finden. Das Exemplar Hunters befindet sich jetzt im numis-
matischen Eabinete (Museum Hunterianum) zu Glasgow, von wo
ich durch den Direktor Herrn Prof. Young einen Abdruck der
ZtÜMAiUt tu "--'— "«^1 XTL
200 K. F. Kincb:
MüDze erhalten habe '). Nach diesem ist verstehende Abbildung
gezeichnet :
S. 21 M. 3IIAT^313^. Weiblicher Kopf mit Binde. Das
Haar hinten aufgestrichen. Rf. Hund rechtshin stehend. DarQber
Getreidekorn. Perlenschnur.
Gr. 8,3. Museum Hunterianum, Glasgow.
Die Schwefelpaste der hiesigen Sammlung ist ein wenig
kleiner (Diam. 20 M) und ermangelt daher der Perlenschnur.
Im übrigen sind die beiden Exemplare ohne unterschied und
gewiss stempelgleich.
Die Münze weicht sowohl im Stil des weiblichen Kopfes als
in der Legende von den übrigen dieser älteren Periode ange-
hörenden segestanischen ab. Die Aufschrift hat sich des tradi-
tionellen B entledigt, und die Buchstaben sind von der bei den
hellenischen Inschriften aus der letzten Hälfte des 5. Jahrb.
gewöhnlichen regelmässigen und eleganten Form. Das ange-
wendete Alphabet enthält eine versuchsweise eingeführte und
später nicht wiederkehrende Neuerung. Zur Zeit der Prägung
der Münze (etwa 430) hatten die korinthischen und megari-
schen Städte, sowohl in Sicilien als ausserhalb desselben, seit
langem, vielleicht vor fast einem Jahrhunderte, das B als Be-
zeichnung des £ aufgegeben, und benutzten jetzt E sowohl » «
und ff, als = 47. Hinter dieser Entwickelung war das Alphabet
der Elymer mit einer bei einem entlegenen und vielleicht illi-
terären Volke leicht erklärlichen und auch sonst nicht unbe-
kannten Stagnation (vgl. das Pamphylische) zurückgeblieben. Es
wird nun in Segesta ein Versuch gemacht, die veraltete Be-
zeichnung aufzugeben und das Alphabet dem damaligen der um-
liegenden Städte gleich zu machen. Wie schon oben hervorge-
hoben, findet sich doch die ältere Form der Aufschrift auch nach
dieser Zeit hin und wieder; der Versuch hatte also nicht durch-
^) Ich benutze hier die Gelegenheit, um Herrn Prof. Toung und Dr. Im-
hoof-Blumer wie den Direktoren der Münzkabinette zu Berlin, London, Paris
und Neapel für die t^berschickung Ton Abdrücken und brieflichen Hit-
theilungen meinen Dank auszusprechen.
Die Sprache der sicilischen Elymer. 201
geschlagen und war ja gewissennassen auch ein Rückschritt
gegen die einmal eingeführte Scheidung der E-Laute.
Etwa gleichzeitig, vielleicht doch etwas jünger ist ein vor
kurzem von Imhoof-Blumer in N. Z. 1886 p. 265 veröffentlichter
Hexas, den er in folgender Weise beschreibt: Br. 20 M. — HJ,
(^ErE)^TAIION, Kopf der Segesta mit Binde. — Ä/ Rechtshin
laufender Hund.. Gr. 7,28. Samml. Imh.-Bl.
Die Legende dieser Münze, die erst zu meiner Eenntniss
kam, nachdem ich mir schon die oben dargelegte Auffassung der
elymischen Münzaufschriften gebildet, wird als Probe der Richtig-
keit dieser Auffassung dienen können. Es scheint mir also un-
zweifelhaft, dass sich das oben entwickelte Princip der Erklärung
auf diese letzte Form der Aufschrift leicht anwenden lässt, in-
dem ^EfE^TAIlON = JSsyeataiov = IsysGtamv ist, welche Auf-
schriftsform bekanntlich die auf griechischen Münzen gewöhnliche
ist. Das Omega kennt das elymische Alphabet erst nach 415.
In den letzten Decennien des Jahrhunderts nahm Segesta
den Gebrauch von Tetradrachmen auf. Für diese wurden neue
Typen eingeführt, die von der Monotonie der älteren Münzen in
einer sehr schönen Weise abweichen. Wie der Typus verändert
sich auch die Legende; rein hellenische Aufschriften werden
aufgenommen, und die elymische wechselt die Form. Auch auf
den Didrachmen und den kleineren Münzen zeigt die Ent-
wickelung dieselbe Richtung, nur dass hier doch einige Male die
ältere Form der Aufschrift beibehalten wird. Auf den Tetra-
drachmen lautet die neue Form ^ELECTAIIA (d. h. Ssysavaia),
die auf zwei verschiedenen Münzen vorkommt, wovon Exemplare
im Brit Mus. Cat. Sic. p. 133 — 4 beschrieben sind. In dieser
Aufschriftsform ist die ältere rein jonische Endung 17 mit einer
neuen (a), der in allen übrigen hellenischen Dialekten, auch im
Attischen nach «, i und q u. a. m., gebräuchlichen weiblichen Nomi-
nativendung umgetauscht. Der Einfluss ist am wahrscheinlichsten
ein attischer, da eine Beeinflussung von Seiten der dorischen Städte
Siciliens wegen der damaligen politischen Lage Segestas nicht
viele Wahrscheinlichkeit hat und die Stadt eben zu der Zeit,
202 K. F. Kinch:
in welche die Einführung der Tetradrachmen von Numismatikern
gesetzt wird (c. 415), in nahe Verbindung mit Athen getreten
war. Die Bedeutung der Legende als Beischrift des weiblichen
Typus bleibt dieselbe wie früher, und es liegt eine nicht geringe
Stütze dieser unserer Annahme darin, dass, während sich das
traditionelle SsyeataJ^iß in den seltenen Fällen seines Vorkommens
in dieser jüngeren Periode nur auf dem Bevers neben dem
Hunde findet, tritt das neue SeysavaCla^ wo die weibliche
Endung und die Beziehung auf die Göttin in die Augen sprang,
nur neben dem weiblichen Typus auf. Auf einer der beiden
Tetradrachmen (a. a. 0. p. 133 nr. 32) ist es auf dem Obverse
vor dem weiblichen Kopfe, der auch hier die Stadtgöttin Segestas
darstellt, angebracht. In dem anderen Falle (p. 134, nr. 33),
wo das Bild des Weidmannes die Vorderseite der Münze auf-
nimmt, findet sich die Aufschrift auf dem Beyers im Abschnitte
unter einer Quadriga, die von einem Weibe gelenkt wird, das
ihr Attribut, drei Ähren in der Bechten, als einen Genius der
Fruchtbarkeit bezeichnet und das wahrscheinlich von der lokalen
Göttin Segestas nicht verschieden ist. Wenigstens findet man
die Kornähre als Attribut dieser Göttin auf der Vorderseite von
einigen dieser Tetradrachmen; und ebenso trägt eine bekannte
Statue, die Heroine Antiochias darstellend (Müller- Wieseler^
Denkm. I nr. 220 und 220 c), in der Hand die drei Kornähren,
ein Attribut, das nicht weniger passend bei Segesta, der zum Theil
auf den Ackerbau angewiesenen Landstadt, angewendet scheint
Dieser selben späteren Periode gehören auch die oben er-
wähnte Münze mit der Legende ^ASH = i^äg und die mit H
(=h oder 17; ^fAilngop. Brit. Mus. Cat. p. 135 nr. 47); aus
derselben Zeit ist wohl auch die erykinische Unze mit der Auf-
schrift ONKIA (Imh.-Blum., N. Z. 1886 p. 238).
Durch diese Aufschriften erschliesst sich uns das ältere
elymische Alphabet ungefähr zur Hälfte. Demselben eigenthBm-
lieh ist nur die oben erwähnte Bezeichnung des e-Lautes» sowie
Die Sprache der sicilischen Elymer. 203
«
in den späteren Legenden (415—409) L = y, eine in den
sonstigen hellenischen Alphabeten unbekannte Form ; am nächsten
kommt es dem pamphylischen l. Auffallend häufig sind in den
elymischen Münzaufschriften gröbere Fehler in der Anwendung
der Buchstaben. Auf einer Didrachme des hiesigen Münzkabinets
steht z. 6. ^ATECEAIIB; auf einer andern in der Sammlung
Imhoof-Blumer ^ErE^TAHIB, u. dgl. m.
Gewisse Nuancen in der elymischen Lautreihe hat dieses
Alphabet nicht ausdrücken können, welche Mängel in der Über-
tragung desselben von der hellenischen auf eine fremde, nicht
rein griechische Sprache begründet waren. Die Vokalreihe der
elymischen Sprache muss den Laut ei (zwischen ei und i) und
ae (zw. a und e) enthalten haben. Nur hieraus erklärt sich das
in der älteren Zeit häufige Schwanken zwischen ERVK- und IRVK-,
zwischen ^EFECTA- und ^f. unter den sechs epichorischen
Legenden aus Eryx haben die drei sicher I (,IRVK-) für E, während
^f- auf fünf unter den neunzehn Aufschriftsmünzen der älteren
Periode im Cat. Brit. Mus. begegnet. Hellenische Schriftsteller
wie die rein hellenischen Münzaufschriften geben den ersteren
Laut immer durch E {Eqv^), ae dagegen zwar gewöhnlich durch
E (EFE^-), die Schriftsteller doch mitunter durch AI {Alysat-).
Das ^ war im Anlaute des Wortes ^EFECTA im Schwinden,
weshalb es bei hellenischen Schriftstellern gewöhnlich fortfiel,
sogar ohne jeden Ersatz; die Bömer behielten es dagegen bei.
Zum Schlüsse werde ich die Aufklärungen über die elymische '
Sprache, welche theils in der vorhergehenden Untersuchung ent-
halten sind theils sich daraus herleiten lassen, kürzlich zu-
sammenfassen.
Die Sprache, in welcher die älteren elymischen Mttnzauf-
schriften des fünften verehr. Jahrhunderts geschrieben sind, war
eine wirkliche Bedesprache. Es giebt in der Geschichte des
antiken Münzwesens Beispiele von Völkern, die sich in ihren
Münzlegenden der Sprache eines anderen, nahe wohnenden
Volks aus praktischen Gründen bedient haben. Dass das Ely-
204 ^' F- Kinch:
mische zu dieser Kategorie officieller Schriftsprachen nicht
gehört, geht schon aus der früher angeführten Münzlegende
IRVKAIIIB hervor, indem darin ein parasitischer Laut (Jot) zum
Ausdruck gebracht worden, der sich nur in einer geredeten
Sprache hat entwickeln können und der in keinem hellenischen
Dialekte Siciliens sich findet. Dasselbe erhellt aber auch aus
dem ganzen Charakter der Sprache, der nicht nur von den übrigen
sicilianischen Dialekten abweicht, sondern überhaupt mit keiner
bisher bekannten Sprache ganz übereinstimmt.
Die Stellung der elymischen Sprache war eine Zwischen-
stellung zwischen dem Hellenischen und einer andern nicht genau
bestimmbaren, vielleicht doch mit den sogenannten westklein-
asiatischen Idiomen verwandten Sprachfamilie. Einerseits ent-
halten nämlich die wenigen Überreste ein Suffix, das in mehre-
ren nicht-hellenischen Sprachen Kleinäsiens vorkommt, während
wir nur ein einzelnes Beispiel davon in einem griechischen
Dialekte (dem asiatisch-aeolischen) getroffen haben, und zwar
unter Umständen, die eine Beeinflussung von den umwohnenden
Eleinasiaten nicht unwahrscheinlich machen. Dies nebst einigen
Eigenthümlichkeiten der Laut- und Formenlehre bilden den uns
bekannten nicht-hellenischen Bestandtheil der Sprache. Ander-
seits enthält die Sprache Elemente, die wir nur aus dem Helle-
nischen kennen; dahin gehören stfAl^ die Endung des Genitiv
Plur. oy {(ov) und des Nominativ Fem. 17. Da sich diese letzte
Endung (17 nach 1) nur im jonischen Dialekte vorfindet und die
übrigen Elemente diesem und den anderen griechischen Dialekten
gemeinsam sind, ist der hellenische Bestandtheil ein jonischer.
Bei dieser allgemeinen Bestimmung brauchen wir aber nicht
stehen zu bleiben; der jetzige Standtpunkt der griechischen
Dialektforschung ermöglicht uns die Stellung des Elymisch-Joni-
sehen innerhalb des Kreises des jonischen Dialektes etwas ge-
nauer zu präcisiren. Es läge gewiss die Vermuthung nahe, dass
die chalkidischen Jonier, die ja auf Sicilien bedeutende Eolonieen
hatten und denen die Stadt Himera in der Nähe von Segesta ge-
^örtp von luerfl'is **\nen Einflnss auf die Elymer ausgeübt. Von
Die Sprache der sicilischen Elymer. 205
einer solchen Verbindung zeigt aber die älteste Geschichte von
Segesta keine Spur; im Gegentheil hat es sein Alphabet, sein
monetarisches Gewichtsystem und den Stil seiner ältesten Münz-
typen aus den dorischen Städten empfangen. Auch ist das
jonische Element der Sprache nicht chalkidisch; die Scheidung
von s und 17, die das Elymische schon in den ältesten Münzauf-
schriften aufweist, ist dem Chalkidischen, sowohl im Mutter-
lande als in den Eolonieen, bis zum Ende der voreuklidischen
Periode fremd, findet sich dagegen schon in den ältesten In-
schriften, sowohl im kleinasiatischen als im insularischen Zweige
des jonischen Dialekts. In diesen blieben auch wie im Elymi-
schen, nachdem das lange und kurze E schon geschieden waren,
noch eine Zeit lang O und fi ungeschieden. Erst während des pelo-
ponnesischen Krieges sehen wir die Elymer gewissermassen einer
jonischen Politik folgen und sich den chalkidischen Kolonieen
annähern; im Kriege von 427—424 war Segesta der Verbündete
Leontinis und Athens und suchte bekanntlich kurz nachher bei
den Athenern Beistand gegen die hervordringenden Dorier
Siciliens.
Von den zwei Bestandtheilen, die in der elymischen Sprache
nachgewiesen sind, scheint der hellenische, da die Flexion rein
oder fast rein griechisch ist, das Übergewicht zu haben. Dieser
Charakter der Sprache steht gewiss zum Theil im Gegensatze
zu den Nachrichten der antiken Schriftsteller über die Nationali-
tät der Elymer. Hellanikos hatte die Herkunft des Volkes aus
Italien hergeleitet, woraus es in der prähistorischen Zeit durch
die Oenotrer vertrieben worden; die allgemeine, auch von Thuky-
dides (VI, 2) befolgte, Ansicht suchte dagegen das Stammland
der Elymer in der kleinasiatischen Troas. Vom hellenischen
Elemente in der Nationalität des Volkes findet sich nur bei
Thukydides die kleine Angabe, dass einige Phokier auf dem
Rückwege von Troja nach Sicilien verschlagen sich den Elymern
angeschlossen hätten. Auf den ethnologischen Charakter des
Volkes hatte diese Mischung doch auch nach ihm keine grössere
Bedeutung ausgeübt, und er hat es daher öfter, z. B. VI, 9 ff.
206 K. F. Kinch:
iü der Rede Nikias', ein barbarisches ißdqßaqoq) und einem
fremden Stamme angehöriges (aXXotpvXoo) genannt, eine Be-
zeichnung, die ja schon aus dem angenommenen trojanischen
Ursprünge folgte. Zur Zeit des Thukydides war Athen in ein
nahes Verhältniss zu Segesta getreten, und man könnte daher
meinen, dass dem Zeugnisse des Verfassers ein besonderes
Gewicht beizulegen sei. Allein bei der Ankunft der segestani-
schen Gesandten in Athen war er schon verbannt und hat daher
nicht selbst mit ihnen gesprochen; sonst hätte er den Namen
barbarisch zwar nicht ganz zurfickgenommen, aber jedenfalls hin-
zugefügt, dass die Sprache eine barbarisch -jonische sei.
Der sprachliche Begriff des Barbarisch - Jonischen ist ein
bisher unbekannter; das Interesse der Bekanntmachung einer
solchen Sprache und ihre Bedeutung für gewisse ethnologische
Fragen der ältesten griechischen Geschichte entgehen nicht
meiner Aufmerksamkeit; die Beantwortung dieser Fragen wird
es doch vielleicht richtiger sein zu verschieben, bis das sprach-
liche Material von anderer Seite geprüft und hoffentlich erweitert
sein wird.
Nachtrag. Leake theilt in Numism. Hellen. (Insular Greece,
Addenda p. 80) eine Bronzemünze mit, auf welche ich erst nun
aufmerksam geworden; obgleich sie viel später ist als die oben
behandelten, verdient sie doch ihrer interessanten Aufschrift wegen
Erwähnung. Die Beschreibung Leakes lautet folgendermassen :
j^M. Turreted female head to right. Rf. ^neias, adv.,
v^ith head to r., bearing Anchises, turned to r., on his Shoulder;
in right band of iBneias short staff; arouud, in large letters.
öfECTAIA.^
Die Münze gehört wahrscheinlich, wie die übrigen Aineias-
münzen aus Segesta, der Zeit nach 241 an, als die Segestaner
das um 409 verlorene Münzrecht wiedergewonnen; ihre Sprache
war in der Zwischenzeit, wie es aus den Inschriften (C. I. G.
a. a. 0.) erhellt, eine rein dorisch hellenische geworden. Die
gewöhnliche Aufschriftsform dieser späteren Münzen ist EFE-
ETAIfiN, und die hier angeführte steht ganz vereinzelt da. Über-
Die Sprache der sicilischen Elymer. 207
haupt wurden damals auf den griechischen Münzen diese weib-
liche Aufschriftsendungen (KAMAPINAIA etc.) seit ungefähr einem
Jahrhunderte nicht mehr angewendet, und wir werden daher in
diesem vereinzelten Falle Segestas nur eine in die neue Sprache
der Stadt übertragene Wiederholung der alten Äufschriftsform
sehen können. Hierdurch erhält dann aber die oben mitgetheilte
Deutung dieser alten Aufschriften eine beachtenswerthe Be-
stätigung.
Kopenhagen, 10. Mai 1888. K. F. Einch.
Zwei Zerbster Mtinzfaiide.
In den ersten Tagen des August 1887 wurden binnen kurzer
Zeit beim Bau des neuen Volkschulgebäudes am Ackenthorschen
Gottesacker zu Zerbst zwei Mttnzfunde gemacht. Dieselben
sind zwar keineswegs von hervorragender Bedeutung, trotzdem
aber halte ich es nicht für überflüssig, über dieselben hier kurz
zu berichten.
Der zuerst gemachte grössere Fund enthielt hauptsächlich
Groschen und halbe Groschen aus der Zeit von etwa 1470—1518.
Davon lagen mir rund 150 Stück vor.
Der zweite Fund bestand aus 9 Pfennigen und einem Dreier
oder Körtling, welche zwischen 1470 und 1555 geprägt er-
scheinen.
A. Der Groschenfund.
I. Anhalt.
Nr. 1. Halber Groschen der Fürsten Ernst, Rudolf und Wolfgaug
von 1509, zu Zerbst geschlagen.
Jf, +aR....Ii' + WTiF + hGnR' + V2t + 2tßh*
Zwei, oben durch ein Band verbundene Wappenschilde,
^schersleber Schach und wahrscheinlich Anhalt. Haupt-
-appen, unten 0(?) oder 8, das Ganze umgeben von
linem Strichelkreise.
- .ßO'*S2t — R— VeoaSIS 1709 in einem Strichel-
rreise St. Bernhard RteheT»'^ ^''i'^rschild und Lanze
*ai»pp' ^-'^ ? oiu . mH 'ipi' '^ sind ver'v'scht.
Th. Stenzel: Zwei Zerbster Münzfünde. 209
Dieser höchst seltene halbe Groschen ist m. W. noch unedirt.
Ich betrachte ihn als die Perle unseres Fundes, obgleich die Erhaltung
nicht schön. Ein abweichender Stempel, im Hzgl. Cabinet zu Dessau
unter 30»> hat auf der Hf. ^QRß' * ROIi' * UTUP' * hö (nicht IiöRy *
VTV * JSHIi' * und als Wappenschilde, unter denen 0, das Anhaltische
Hauptwappen und Aschersleber Schach, also anders gestellt als bei
obigem Stempel. Rf. M— 0' * ßO' * SK— R— VQIiSIS 1709.
Dergleichen halbe Groschen wurden auch 1509 zu Köthen
und zu Bemburg geprägt.
Ich gebe hier zunächst die Beschreibung des auch seltenen
Köthenschen halben Groschens von 1509 im Hzgl. Cab. Nr. 30d.
a. Hf. *enRßS*ROIiF»WLF»FV*2V*7tß, unter den oben
durch Band verbundenen Wappenschilden, Anh. Hptw. u.
Aschersl. Schach, ein K.
Ä/. MO'*ßO'* — K— — Teße'*1709 St. Bernhard mit
Anhalt. Hauptwappenschild und Lanze oder Fahne.
Dieser Stempel befindet sich auch in der schönen Erbsteinschen
Sammlung zu Dresden. Grote giebt im 7. Bde seiner Münzstudien
S. 490 eine Beschreibung ähnlichen Stempels eines wahrschein-
lich auch nur halben Groschens, 1509 zu Köthen geprägt. Die
Beschreibung desselben ist nach dem handschriftlichen Kataloge
von Mader folgende:
b. Hf. eORßS . ROIiP . WIL . FV . ZV . Ttß . 2 Schilder . A .
Rf. MO . HO . KOTEHE
Trotz meiner grossen Hochachtung vor Mader kann ich doch
die Vermuthung nicht unterdrücken, dass diese Beschreibung
eine nicht völlig richtige ist. Ich möchte bezweifeln, dass das
Madersche Stück WUi hat; es scheint mir verlesen zu sein statt
WliF; ich entschuldige den Irrthum, denn eine Täuschung ist
bei den beiden Buchstaben nach W sehr leicht möglich. Selbst
auf unserer Nr. 1 könnte das unzweifelhafte h auch für I ge-
halten werden, und ebenso F für h.
Weiter giebt Grote a. a. 0. die Madersche Beschreibung
von zwei Stempeln — wohl auch halber — Groschen, 1509 zu
Bemburg geprägt.
210 Th. Stenzel:
c. Bf. W0IiF6Ii2— (wohl zu lesen: GORäS . ROIiF .
WOIiFG h Z TSSVO
Rf. MO. ßO. Bernboers (wohl zu lesen : MO . ßO . BaRßBOGQElG
oder ähnlich?).
d. Hf. Wlli.her. Va-Anh. (soll wohl heissen GORBS-ROIiP-
wiiF . hena . V7t . Ttniiv)
Auf S. 491 erwähnt Grote endlich Dannenbergs Beschreibung
eines dritten Exemplars, wie folgt:
e. Ernst Rolf Wlf Fs zu Anh,
— — — Psip va Anh (s. unten 1.)
— — — her va Anh.
Ob Fs bei e. mit Grote FratreS oder mit Dannenberg
Fürsten zu lesen sei, wage ich nicht zu entscheiden. Da aber
Ernst, Rudolf und Wolfgang nicht drei Brüder waren, sondern
fratres et patrueles, vermuthe ich, dass wir uns mit grösserm
Rechte für die Annahme Dannenbergs entscheiden können. Mir
scheint auf diesen Münzen nicht das verwandtschaftliche Ver-
hältnis der drei Vettern, sondern ihre fürstliche Würde hervor-
gehoben zu sein, wofür das Her ebenso sprechen dürfte, wie das
FV oben bei b und unten bei f. Möglich wäre auch, dass FS
ein Druckfehler statt FV ist.
Ich kann mir's nicht versagen, an dieser Stelle drei im
Hzgl. Cabinet unter Nr. 31^^" befindliche halbe Groschen, 1510
zu Bernburg geprägt, zu beschreiben.
f. Hf. GQRß ♦ ROIiF * WLF ♦ FV^ZV^TOl ♦, zwei WappenschUde,
Anh. Hptw. u. Ask. Schach, unten Lilie.
Rf. .MO'*ßO*B— a-ReOttBO'» 1710 St. Bernhard, eine
Fahne haltend. (Hzgl. Gab. Nr. 31*.)
g. Hf &ßSV »ROL' • . LF' ♦ PRI • 700 • TimC • wie zuvor.
Rf M— 0'*ßO'*Ba— R-ßeOBOR'» 1510, St. BemL
mit Lanze. (Hzgl. Gab. Nr. 31^)
h. Hf GGRR'ROL'WLP»PRI + KD + KßIi'+, also nur wenig
abweichend von g. Die Wappenschilde zeigen andre
Stellung zur Umschrift. (Hzgl. Gab. Nr. 31«.)
Zwei Zerbster Münzfande. 211
i. Ein Ex. im Univ.-Cab. zu Leipzig hat auf der HJ. hQR -VA-
AU • (?), sonst aber stimmt es mit dem Stempel unter f. (Hzgl.
Gab. 31») überein.
k. Schliesslich bemerke ich noch, dass das Hzgl. Gab. unter SO*"
einen Abdruck von einem halben Bernb. Gr. von 1509 hat.
Hf. aRa»ROIiP+W'..FV..Äß'-, sonst wie f.
Rf. leider sehr verwischt — R— KBOR 1709.
Der Stempel scheint also anders zu sein als die unter c— e
oben erwähnten.
Der Vollständigkeit halber gebe ich noch Freund Dannen-
berg's mir gütigst mitgetheilte Beschreibung seines halben Bernbg.
Groschens von 1509.
1. Hf. aRß ROIi WliF * PSIP * Vr * Kßli
Rf. MO*ßO»BGnR— ß— BORÖJttS 1709
Auf dem im Königl. Gab. zu Berlin befindlichen halben
Groschen ist leider die Jahrzahl verwischt,
m. Hf eGRß*R0IiF*W'..FV*ZV*7mii*
Rf MO' * ßO' * BS . ßöBORa . . . .
Vgl.Wiener Zeitschr. II S. 523. Welche Stücke Mader IV S. 166
gemeint sind, steht dahin, da nur die beiden Hpts. erwähnt sind :
n. GGElBS.ROIiF.WIL.FV.2V.7m
0. SRXaS • ROIiF W\h • höR • VÄ • Äfili
Letzteres Stück ist vielleicht = d oben.
Endlich hat das Königl. Gab. zu Dresden folgende drei
Stempel von Bernb. halben Groschen von 1509 und 1510
p. Hf BRß'^ROL^WLF^IiaR-VÄ^ÄßH oder h
Wappenschilde von Anhalt und Aschersleben unter denen
ein Adlerskopf.
Rf Umschrift endigt BQ-R— ßBOaßS 1709.
q. Hf G0Rß«ROLF«WOLF"(?)FV"2V*mft«, unter den beiden
Wappenschilden eine Lilie. Sonst = m (Berlin) und n (?).
r. Hf GGRß-ROL-W'LF^PRI'TtD^TmiiO;, unter den Wappen-
schilden die Lilie.
Rf MOßOBaRaß.. 1710
wenn ich die etwas undeutlichen Exemplare richtig gelesen habe.
212 Th. Stenjsel:
II. Mansfeld.
Nr. 2. Halber Gr. von 1511. Abweichend von dem in meinen
„Beiträgen zar Mansf. Münzkunde^ S. 11 oben erwähnten
Stempel.
Hf, oi^iONEToNOVÄoCOoDO FE
i?/. o°o SäHQTVS cgo 6E0RIVS 1511 —
Seit Herausgabe meiner „Beiträge^ vor neun Jahren habe
ich übrigens noch elf Stempel von halben Groschen aus dem
Jahre 1511 kennen lernen. So besitzt z. B. das Eönigl. Gab.
zu Dresden sieben, das Üniv.-Gab. zu Leipzig vier verschiedene
Stempel.
Nr. 3. Halber Groschen von 1514, abweichend von dem in der
Numism. Ztg. 1871, S. 41, Nr. 2 von mir veröffentlichten
Stempel, welchen der im November 1870 zu Grochewitz
in Anhalt gemachte Fund brachte.
Hf, MONEToNOVAoDOoDEoMANSFEIiT, vier-
feldiges Wappen.
Ä/. oSANCTVSo6E0RIVSoMIIiESol514 St Georg
von der 1. S., sein Schwert über der r. Schulter.
Diesen Stempel fand ich auch unter den drei verschiedenen,
welche das Königl. Gab. zu Dresden hat* Das Univ.- Gab.
zu Leipzig hat auch zwei verschiedene Stempel.
Den Dresdener Stempel mit MDüS statt MDjES hat Herr
von Kretschmar in Berlin.
Nr. 4. Groschen von 1514 = Nr. 144 des zweiten Grochewitzer
Fundes, den ich bei v. Sallet IX, S. 62 beschrieb. Auch
im Königl. Gab. zu Dresden, das fünf verschiedene
Stempel hat, während in Leipzig nur zwei sind.
Nr. 5. Groschen von 1515 =r Grochewitz 146. Auch in
Dresden unter drei verschiedenen Stempeln, die auch
Leipzig hat.
Nr. 6. Groschen von 1516 ^ Grochewitz 147. Aach anter den
zwei verschiedenen Stempeln in Dresden, und unter den
vier verschiedenen des Leipz. Univ.-Cabinets.
Zwei Zerbster Mflnzfande. 213
III. Brandenburg.
Nr. 7. Groschen von Johann Cicero von 1496 = Henckel 146.
Die Wappen sind hier anders gestellt als bei v. Saurroa 64.
Nr. 8. Halber Groschen desselben von 1496 = Henckel 148.
Nr. 9. Halber Groschen von Joachim, o. J., zu Brandenburg
geprägt. Abweichend von Henckel 169.
Hf.^o lOAQ o (also a statt C) öli o MARB o (sie)
. BRANDS
Rf, MON - HOTt (ohne V) - BRAH - DQH —
In den mir vorliegenden Verzeichnissen finde ich diesen
gewiss sehr seltenen Stempel nicht.
Nr. 10. Groschen von Joachim und Albrecht von 1500. Ab-
weichend von Henckel 182.
Hf. * lOTtaii QT TtliB ffiTtRQIi BRTtßÖG
Rf, 4", sonst wie Henckel 182, wovon sich dieser Stempel
durch das anders geformte Blatt, sowie durch das
zwischen den Namen der Brüder eingeschobene QT
unterscheidet von H. 182. Die Stellung der Wappen
ist wie bei der Abb. in v. Saurma zu Nr. 92.
Nr. 11. Groschen der Brüder von 1501, abweichend von Henckel
191, da dieses Stück lOKQIifla hat, unsres aber lOÄQIiKß
wie Henckel 192—194.
Nr. 12. Groschen von Joachim von 1506. (Zu Angermünde ge-
prägt??) Nicht bei Henckel, abweichend von den zwei
verschiedenen Stempeln bei Reiche] 679 und Ad. Weyl
(1877) Nr. 226.
Hf. « o lOTtaWSR DGa . (SKR ffiKR' BRKßDQ'
Rf. ffiOßaT o ßOVK o 2!R6öJttT o KKßO 1506
Ich bemerke noch, dass sich auf der Rf. zu Anfang der
Umschrift der Adlerschild und ihm gegenüber der HohenzoUern-
schild befindet. Das einfache Kreuz ist also hier liegend oder
schief, nicht stehend oder gerade — unter dem Anfang der
Umschrift dargestellt.
214 Th. Stenzel:
Nr. 13. Berliner Groschen der Brüder von 1508.
Hf. =Koehne, Münzwesen der Stadt Berlin, S. 56 u.
57 c. I, Nr. 3. Ä/. nicht bei K. ; von Nr. 4 nur dadurch
abw., dass unser S am Schluss der Umschr. richtig steht.
„ 14. Dergl. = Köhne ib. c. 2, Nr. 1.
„ 15. Dergl. von 1509 = Köhne S. 58. 59 d, Nr. 3.
„ 16. Dergl. von 1509 = Köhne a. a. 0. d, Nr. 14.
„ 17. Dergl. von 1510 =ib. e, Nr. 13.
,, 18. Dergl. von 1513, abw. v. Köhne S. 60 h, Nr^ 1, denn
unser Stück hat auf der Hf. 'aiOeo
„ 19. Berliner Groschen Joachim's von 1517 = Köhne S. 6i,
2, Nr. 4.
„ 20. Dergl. von 1518, ib. f, Nr. 6.
„ 21. Frankfurter Groschen der Brüder von 1508 =Henckel219.
„ 22. Dergl. von 1509, von Henckel 226 abweichend
Hf, = Henckel 226
i?/. 8 flaoaa o »ovä o FR^ßaroRDaiis 8 1509
„ 23. Dergl. von 1511 = Henckel 237.
„ 24. Dergl. von 1512 (?) von Joachim allein. Nicht bei Henckel.
BJ, CCoIOKaoPoaiioMKRQoBRTtliDBVR
i?/. MOH(?) o no o FRTmaFORDE o 151Z (wie mir
scheint). St einfaches Kreuz mit den 4 Wappen,
Adlerschild unter der Jahreszahl; ihm gegenüber der
Hohenzollernschild.
„ 25. Dergl. der Brüder von 1513. Nicht bei Henckel und
Fonrobert.
Bf, (r8iOÄao2ojaiB'ojn7tRaoBRrai..vR'o
Rf, o jßoaa o ßov2t o FRTSßaFORDansis o 1513
„ 26. Frankfurter Groschen von Joachim von 1513 •=» Henckel
253, Fonrob. 228.
„ 27. Dergl. von 1515 = Fonrob. 230.
„ 28. Dergl. von 1517 = Henckel 270.
„ 29. Krossener Groschen der Brüder v. 1512(?) zu Henckel 244.
,, 30. Dergl. von Joachim von 1514. Abweichend von Beichel
710. Nicht bei Henckel.
Zwei Zerbster Mflnzfunde. 215
Hf, * o lOTteiM (sie !) . aii . flttTtRQ o BRTtßDBVR
Rf. 8 ffiOöö o ßOVÄ o KROSSQfiGüaSI o 1 51 7 Lilien-
kreuz, liegend, mit den 4 Wappen.
Nr. 31. Stendaler Groschen der Brüder v. 1510 = v. Saurma 123.
„ 32. Dergl. von 1511=Henckel 241.
„ 33. Dergl. von 1514 = Henckel 255.
„ 34. Dergl. von 1515 von Joachim allein = Henckel 259.
„ 35. Dergl. von 1517= Henckel 271.
IV. Sachsen.
„ 36. Groschen von Friedrich, Albrecht und Johann von 1492
= Goetz 3960.
„ 37. Dergl. von 1496 = Goetz 4051.
„ 38. Dergl. o. J. = Goetz 4032.
„ 39—41. Groschen von Friedrich, Georg und Johann = Goetz
4117. 20. 21.
„ 42 — 47. Groschen von Friedrich, Johann und Georg = Goetz
4238. 46. 74. 97. 4316. 32.
„ 48—53. Pfennige von Ernst und Albert = Goetz 3910—16.
V. Goslar.
a. Matthiasgroschen.
54. Hf. oHOHflTKoNOVKoGOSIiQH Adler.
Rf. STtQTVS (also ohne H) — oMjjth . . . S. Matthias.
55. Hf. ?^ MOaaTÄ ^ ßO VÄ ^ GOSIiJOU ?^
Rf S7t : . TVS — M75TIiEn;S
56. Hf ®$ROßaTÄonOVÄo60SIi75RI
Rf SKßQT - JßKTHiroS
57. Hf oMOHaTTtoHOVÄ ....äRI
Rf STtHTS (also ohne C u. V) oMÄTHTtS (ohne I).
58. Hf ^ SßOHaTÄ ?^ ßO . . . OSLKRI 8
Rf STtßQTV - . . . MRA
59. Hf . MOHaTTt ♦ ßOVTt * GOSIiTOUa
Rf SÄßQTV — MTtTMAS ♦
11
n
»1
»1
»1
11
Zeitschrift far Nnmisnutik. XVI. 15
216 Th. Stenzel:
Nr. 60. fi/: %°MOnQT7SßOV75 60SL2tRia
Rf. sjmoTv-ojßmrHDtö
„ 61. Hf. * MOßflTTt * aOVJt * GOSIilTCRia
Rf. STtßQTV • — MTSTMTtS
„ 62. Hf. v. MOftQTK • ßOVÄ • GOSIilTCRiaß
Rf. STSßQT — JBKTIJäS o
„ 63. Hf Ä . OU&t'K'k UOVK-k QOShlimei (Q u. ß zus.).
Bf. SAßQT V — MÄTWTtS *
„ 64 a u. b. Hf o jßOHÖT2t o HOVTT .... LJtRIQH'
Rf STTHQTVS — o SttKTIimS ; b. hat H.
„ 65. Hf ^n VK . GOSLKRiaßS
Rf SJi MTSTMÜIS
„ 66. Hf o M0HGnr2t o HOVJt o GOSIiKRiaHSIS
Rf SnHQTV o — o MKTHmS
Diese Matthiasgroschen weichen sämmtlich ab von den
Stempeln, die wir bei Cappe finden.
b. Mariengroschen.
Nr. 67. von 1507. Hf u. i2/: = Cappe 304, also
Hf • MOßQTTt • ßOVn • GOSIiJmiaß • 170A
Rf M2JRIA • MK - T • GRKQia
„ 68. von 1509. Hf MOßaTITC » ßO » GOSIiJORiaßSIS ... 09
Rf wie bei 67.
„ 69. von 1510. Hf MOHaT' ßO • GOSS (sie!) LÄRiaßSIS
1710
Rf MTOIIMAT — T ♦ 6R7taia Maria ohne Mondsichel.
„ 70. von 1511. z?/: MOßaTK ♦ fiovjt • 60SI (sie) MEuans
1711
Rf nJiRm » MA — T • GRTSOia, ohne Mondsichel.
„ 71. von 1513. fijr. MOßaTKoßOVKoeOS..Riaßl718*
Rf wie bei 70.
„ 72. von 1514. i?/: MOßaTÄoßOVKoeOSLnRiaß 1714«
Rf wie bei 70. 71.
„ 73. von 1515. fi/*. MOßaT ßO ßöSLTOEUaßSIS 1717
Rf wie bei 70—72.
Zwei Zerbster MOnzfunde. 217
Nr. 74. von 1518. Hf. MOßQTTt « ßOVK >* GOSIiÄRieüft 1718
Rf. wie zuvor.
„ 75. desgl. fl/. MOKQTÄxßO*60SIiKRiafiSIS1718
i?/I wie zuvor.
c. Matthiaspfennig.
„ 76. 0. J. = Bode VII, 10. Cappe 398. VI, 68.
VI. Erzbisthum Magdeburg.
Nr. 77. Halber Groschen des Erzbischofs Ernst, zu Leuckfeld
Nr. 37, § 35.
Rf. S....A — V — RIOI'oDVXo
Im zweiten Grochewitzer Funde 161*. v. Sallet IX, S. 66.
„ 78. Dergl, abw. Stpl. Ä/. SQTSMA— Ä — VRI — CVS
DVX, also wohl = Goetz 2507. Num.Ztg. 1853 S. 54 Nr.3.
Dieser Stempel war auch im ersten Grochewitzer Funde.
Num. Ztg. 1871.
B. Der Pfennigfund.
I. Erzbisthum Magdeburg.
Nr. 1. Hohlpfennig des Erzbischofs Johann (von 1464 — 1475)
= Wiggert bei Hoflfmann Nr. 56. Dieser Pfennig möchte
wohl das älteste Stück in den Zerbster Funden sein.
II. Stadt Lüneburg.
Nr. 2. Blaflfert. Zweithürmiges Thorgebäude mit durch ein
Gitter geschlossenem Portale. Zwischen den mit je drei
Zinnen besetzten, nach oben sich verjüngenden Thürmen,
der in natürlicher Stellung nach links gehende, die rechte
Vorderpranke erhebende Löwe. Die Mauerfiigen liegen
vertieft. Rand mit 24 Strahlen.
Noch ehe ich den Aufsatz des Herrn M. Bahrfeldt in Ad.
WeyPs Berliner Münzblättem Nr. 53 vom Jan. 1885 kannte, ver-
muthete ich, dass dieser Blaflfert, der mich gleich beim ersten
Erblicken an den bei Bode VIH, 1 abgebildeten erinnerte, wohl
nicht nach Hannover, sondern nach Lüneburg gehöre, weil
15*
218 '^' Stenzel: Zwei Zerbster Münzfunde.
demselben das jenem charakteristische H und das Kleeblatt
Hannovers fehlt.
Nachdem ich nun jenen trefflichen Aufsatz gelesen, glaube
ich meine Zutheilung wagen zu dürfen. Die beiden Exemplare
unseres Fundes sind nur ein wenig grösser und von etwas ab-
weichender Zeichnung bei den Thurmspitzen als Nr. 29 a. a. 0.
III. Stadt Braunschwelg.
Nr. 3. Löwenpfennig = Bode VI, 4.
IV. Stadt Lübeck.
„ 4. Blaffert. Doppeladler, Strahlenrand. Schellhass 176.
V. Stadt Hamburg.
,, 5. Blaffert. Burg in deren Thor das Nesselblatt. Strahlen-
rand. Gaedechen 1263. Schellhass 114. Das Stück ist
offenbar ein Zeitgenosse von Nr. 2.
VI. Stadt MUhlhausen.
„ 6. Einseitiger Pfennig = v. Posern XXVI, 28.
VII. Stadt Nttrdiingen.
„ 7. Einseitiger Pfennig = Goetz 8600.
VIII. Grafschaft öttingen.
„ 8. Einseitiger Pfennig von 1534.
IX. Herzogthum Braunschwelg.
„ 9. Dreier oder Körtling des Herzogs Erich n v. Calenberg
von 1555 = Kniph. 88.
Ich schliesse mit diesem Stück, da es das jOngste MOnzchen
der Funde sein dürfte.
Th. Stenzel.
Sternbilder als Münztypeii.
Tafel X.
A) Die Münztypen der Stadt Mallos in Eilikien.
Vor einiger Zeit hat Herr Dr. Imhoof in einer Abhandlung
eine ansehnliche Beihe von Münzen der Stadt Mallos in Eilikien
zusammengestellt, und dieser Stadt mit vollem Hecht eine Menge
wichtiger Münzen zugewiesen, die bisher unter verschiedener Be-
zeichnung aufgeführt wurden '). Die ältesten derselben gehören dem
VI. und V. Jahrhundert an, und zeigen einige Gepräge, die bis jetzt
ganz räthselhaft geblieben sind. Ich meine jene Münzen, die als
Gepräge eine geflügelte Frau aufweisen, welche nach rechts oder
links eilt, mit Kranz und Gaduceus in der Hand (Tafel X, Nr.
1 — 11). Die Rückseite zeigt einen konischen Stein, welcher
einige Male von zwei kleinen nach seiner Spitze hin gebogenen
Ärmchen geschmückt ist (Tafel X, Nr. 1—5). Neben diesem Typus
sind dargestellt: 1. Zwei punktirte Gegenstände, genau wie
Weintrauben aussehend, aber mit den deutlichsten Umrissen
zweier Tauben ohne Füsse (Tafel X, Nr. 1—5). 2. Diese
Trauben-Tauben sind auf anderen gleichzeitigen Münzen durch
wirkliche Trauben ersetzt (Tafel X, Nr. 6, 7). 3. Neben diesen
Tauben oder Trauben findet sich das Symbol V (Tafel X,
Nr. 3, 5, 6 und 7). 4. Auf anderen fehlen die Trauben oder
Tauben; an ihrer Stelle stehen die Symbole V und r (Tafel X,
Nr. 9—11) oder J und { (Tafel X, Nr. 8). 5. Einige Mal findet
sich auf dem konischen Stein das Symbol ^ (Tafel X, Nr. 6)
oder ein • (Tafel X, Nr. 9). .
1) Imhoof-Blumer, MalloB Megarsos et Antioche du Pyramos; in
Annuaire de la Society fran^se de numismatique et d*arch^ologie Bd. VIL
Paris 1883, S. 89— 127, Taf. 1—2, und Monnaies Grecques S. 356—361.
220 Johannes N. Svoronos:
Alle bisherigen Erklärungen dieser Typen und Symbole sind
nicht als sicher angenommen. Imhoof hat die verbreitetste und
wahrscheinlichste Ansicht, nach der der konische Stein und das
Symbol V Symbole des Dienstes der Arstarte seien, angenommen.
Wir möchten eine vollständig abweichende Erklärung vorschlagen.
Um zu einer sicheren Erklärung der Prägbilder einer Stadt
zu gelangen, ist es unumgänglich nothwendig, zu wissen, woher
ihre Bewohner stammen, und unter dem Einfluss welcher Mythen
sie stehen. Nun ist Mallos gegründet von Amphilochos und
Mopsos, den Söhnen des Apollon und der Priesterin Manto^).
Diese Manto steht in enger Beziehung zu Kreta. Sie ist die
Tochter des berühmten kretischen Sehers Polyidos'), und die
Gattin eines Kreters, Rhakios, der eine grosse Ansiedelung von
Kretern nach dieser Gegend von Kleinasien führte, wo er sich mit
Manto vermählte ^). Diese kretischen Ansiedler hielten sich für die
ersten Hellenen, die nach Karien und dessen Nachbarländern ge
kommen ; und Mopsos selbst ist nach anderen nicht der Sohn des
Apollon, sondern der des Bhakios selbst und der Manto ^). Die Sage,
nach der er ein Sohn des Apollon war, entstand wahrscheinlich
daraus, dass Manto eine der ersten Priesterinnen des Delphischen
Gottes war, die von Kreta nach Delphi gekommen sind^). Nun
finden wir aber nach diesem Mopsos, der die Karer vollständig
aus dem besetzten Lande vertrieb, in der Nähe von Mallos zwei
•
Städte benannt: die Moxpov Kqf^vm und Mdfpov ^Eatia. Rings
um Mallos finden wir noch eine Menge geographische Namen
kretischen Ursprungs, z. B. Korykos, Sarpedon, Anchiale, Lamos,
Aegaeae, Issos u. s. w. Selbst der Name des Flusses, an dem
Mallos gelegen, scheint kretischen Ursprungs; denn Pyramos ist
wohl derselben Ableitung wie Pyranthos und Pyrasos in Kreta*).
1) Strabo c. 675 und 676.
2) Pausan. I, 43, 5. Nach einer anderen Sage ist sie die Tochter des
Sehers Teiresias.
3) Pausan. VH, 3, 1 ; XI, 33, 2.
4) Pausan. YII, 3, 21.
5) Vgl. Hym. Hom. ad Apoll. Delphinium und Hoeck, Kreta.
6) Steph. Byzant. v. UuQay^os und ni^acog.
Sternbilder als Münztypen. 221
Endlich haben wir in Kreta nicht nur eine St&At UfKfifidlhov
oder ^^fKfifialla oder l^[jb(pi^aXXog "), deren Lage nicht feststeht,
sondern auch nicht sehr weit von Rhaukos — die wahrscheinlich
nach Rhakios, dem Vater des Mopsos und Amphilochus genannt
war — eine Stadt MdXka^ aus wichtigen Inschriften und Mttnzen
bekannt, mit einem Tempel des Zeus '). Es ist also kein Zweifel,
dass die kilikische Mallos eine kretische Kolonie war. Wir
haben noch einen zwingenderen Beweis. Die Münzen von Mallos
tragen die Legende MAP oder MAA, weshalb sie sehr ver-
schiedenen Städten zugeschrieben waren, z. B. Marion in Cypern,
Marathos u. s. w. Imhoof theilte sie, bewogen durch eine Münze
des Berliner Münzkabinets, deren Legende er zuerst MAPAOTAN
las, dem bekannten Namen der Einwohner der Stadt MaXlfaxai^
und überhaupt wegen der Prägart und der Typen der Münzen,
alle der Stadt Mallos zu. Der Wechsel von A und P, der
meines Wissens bei den übrigen griechischen Dialekten ziemlich
selten vorkommt, ist im kretischen ganz gewöhnlich. So heisst
z. B. eben der Vater des aus Kreta stammenden Gründers der
kilikischen Stadt ^Pdx^og oder ^äxtog ^). Nach Hesychius sagten
die Kreter Idx^ für ^äxij; wir haben auch laxlg und kaxiCfo für
^axig und ^axiZco; aXQocg und ßQnv, für äx^dg und ßknv; auf
einer kretischen Inschrift cc(paiQ^tai für äifaiXrjtai u. s. w. ^).
Boeotien selbst, wo das Wechsel zwischen P und A am meisten
vorkommt, hat in uralten Zeiten kretische Kolonisten bekommen,
und zwar in Tskfiijaög, die auch TsQfifjaog heisst^).
Wenn nun das kilikische Mallos eine kretische Kolonie ist,
muss man, glaube ich, die Gepräge seiner Münzen aus der
kretischen Mythologie erklären und jene der barbarischen Völker
1) Strabo X, 475. — Stephanus Byzant. 'J/n(ft/Lic(kXtoy. — Plin. IV, 12,
59. — Ptolem. DI, 17, 7.
2) Svoronos, Zeitschrift für Numismatik Bd. XIV, S. 77—80.
3) Athen. 7, 297 e, 298 a.
4) y. Kleeman, Reliquiarum dialecti creticae. Balis 1872, S. 30 und 39.
— Nicand. Ther. 512.
5) Welcker, Eine kretische Kolonie in Theben. — Imhoof-Blumer,
Böotieu 1873, S. 23 und 24.
222 Johannes N. Svoronos:
Asiens ausser Betracht lassen. Die Griechen errichteten in
allen Jahrhunderten Ansiedlungen in Gegenden, die von der
Mutterstadt weit entfernt waren und bei ihnen ganz fremd-
artigen Völkern, ohne indessen je ihre Beligion und angestammte
Sitte aufzugeben oder wesentlich beeinflussen zu lassen — und
dies natürlich vor allem unter barbarischen Stämmen. Da nun
in der kretischen Mutterstadt Malla Zeus überhaupt verehrt war,
so ist es das natürlichste, zuerst auf den ältesten Münzen der
Tochterstadt Mallos den Einfluss derselben zu suchen.
Der formlose oder pyramidenförmige Stein ist, wie überall
richtig erkannt, einer der ßaltvXoi Xix^oi^ der heiligen Steine, in
deren Gestalt die Griechen alle ihre Götter verehrten : Photius ')
berichtet ,,tcov ßaniiXcop aXlov äXXta äpdxetö^at^ Kqovff^ Jkt
*HXl(a xat totg dXXotg.^^ Pausanias') erzählt uns, dass zu Pharae
in Achaia sich 30 derartige beilige Steine fanden. Er sagt
j^tovtovg (SißoviSkV oi OaqsXg ixätnta ^sov tivog ovoyM iukXiyov^
teg.^^ Mit welcher Gottheit finden wir aber diese Steine am engsten
in Beziehung stehend? Das Lex. Ehet. sagt'): BaltvXog Xi^og:
jfOvzfag ixaXtilzo 6 dod^elg tä Kq6v<f apii xov JkogJ"^ Zu Delphi
stand ein solcher Stein, welchen man für denjenigen hielt, denEronos
statt des Zeuskindes verschlungen und wieder ausgespieen hatte,
und den man ßaitvXog nannte 0« Dies passt vorzüglich zu der
Sitte der Alten, als ßaltvXot nicht den ersten besten Stein zu
verehren, sondern die vom Himmel gefallenen Meteore — eine
Anspielung auf das Ausspeien durch Eronos d. h. den HimmeL
So ist also der BaixvXog eng mit der Geburt des Zeus-
kindes in Kreta in Beziehung. Wie steht es nun aber mit der
Etymologie des Wortes ßaitvXog'i Wenn der Stein derjenige
ist, den Kronos nach der sehr alten kretischen Sage^) an-
statt Zeus verschlang, so scheint es uns, dass man jede Ableitung
1) BibUoth. S. 1063.
2) Vn, 22, 8.
3) Bekker Anecd. Graec. I p. 222.
4) Pausan. X, 24, 5. — Ilesych. v. Baitvko^,
5) Hesiod. Theogonie v. 492—500.
Sternbilder als Münztypen. 223
aus den syrischen oder phönizischen Sprachen bei Seite zu lassen
und die Erklärung vor allem im kretischen Dialekt zu suchen hat.
Nach Hesychius nannten die Kreter ßatxay die Ziege (t^v
afya); ßaixa ist aber im kretischen Dialekt, der häufig die
Buchstaben x und z vertauscht (z. B. yivxtog und yivttog)^ das-
selbe wie das gemeingriechische ßaita und ßaiti^. Nun sagt uns
der Etymologist: BahvXog ixki^d-tj ö U^og 6V ävtl J^og o Kqo-
vog xatsnisv slQfjiai di ou ^ Pia ßaitijv aiyog Cnaqyavdaaaa
i(a Kqövo} dsöcoxs, Baixti di Crifiaipet i^v dufx^iqav, naqcc %6
ßaixri^ ßaijvlog."' BaitvXog also bedeutet nichts anderes als
den mit dem Ziegenfell umhüllten Stein.
Dass in diesem Stein nicht nur einfach der Stein verehrt
wurde, der das Zeuskind vertrat und rettete, sondern Zeus
selbst, geht nicht allein aus der Thatsache hervor, dass er oft
Jiiipvxog iit^og** und, speciell in Lakonien, Zsvg hiess^), sondern
vor allem aus folgenden Gründen. Zeus wurde unter dem Namen
Kdciog besonders in zwei Ländern verehrt. In Korkyra, dessen
älteste Münzen, wie wir bald bei einer anderen Gelegenheit zu be-
weisen hoffen, das symbolische Bild der Ernährung des Zeus
durch eine Kuh aufweisen, während die jüngsten den thronenden
Zeus mit der Umschrift ZEYC KACIOC zeigen*); und in Seleukia,
einer Stadt gegenüber und in nächster Nähe der Stadt Mallos
in Kilikien liegend. Auf den von dieser Stadt geprägten Münzen
sehen wir als Prägbild einen ähnlichen Stein, wie auf den
Münzen von Mallos, und, was wichtig ist, umgeben von der In-
schrift ZEYC KACIOC). Also ist dieser Stein sicher ein Idol
des Zeus selbst. So viel ich weiss, ist die Etymologie des
Wortes Kda^og bisher nicht erklärt. Nach Hesych aber bedeutet
xdaaog ^'^iidxiov naxv xal tqaxv ntqißoXaiov ^y\ Nach Arka-
dius^) ist xaa^g „rö mlfAtov Ifiduo}^''' und xdaag war ^^dfKfndntjg
1) Pausan. III, 2, 1. Roscher's Lexicon, v. Baitylos.
2) PoBtolaka, Kuxdkoyog liav yo/LttCfidttav tiav ytjctoy KiQxvgas OtC. —
Catalogue of the British Museum; unter Kerkyra.
3) Roscher's Lexicon der Mythologie I. c.
4) Hesych s. v. xucaog, 5) 24, 1.
224 Johannes N. Svoronos:
xal niXartcc,^^ Nach Eustathius ^) ovlot Tcintjveg ^ ol d aaste xal xqi-^
XoaxoL onoXa td xoipcSg insvx^a. Nach Ducange : inevxia sind %ä
and dvw fAsquiv fisfiaXkwfiiva^'' Endlich heilt zu Tage nennt
man in Griechenland inevx^a die aus Ziegen- oder Schaafhaaren
gefertigten Teppiche. Nach alle dem ist also etymologisch ßai-
TvXog gleichbedeutend mit Zeus Kda^oq^ d. h. der von einem Fell
umwickelte Meteorstein.
Da der Vorschlag einer solchen Erklärung des Münzbildes
von Mallos den Nachweis bedingt, dass die betrefifenden Symbole
auch wirklich zu dem Sternkultus ^) der Griechen gehören, so
wollen wir versuchen, auch hierfür den Beweis anzutreten.
Wie die Sage berichtet, ist der in Kreta geborene Zeus in
seiner Kindheit von verschiedenen Thieren ernährt worden,
namentlich von der Ziege, Bienen, Adler, Schwein u. s. w.'),
die später von dem dankbaren Gott als Sternbilder am Himmel
verewigt wurden. Unter jenen Thieren finden wir auch die wilden
Tauben {niXuat). Schon Homer sagt bei dem Bericht über die
Symplegaden^):
%f^ fup t' ovdi nottjtd naqiqxstat oidi niXeicu
tQtJQcoysgj tat t' äfißQoalijp Jht naxqi ifiqovc^
Moiro*), eine Dichterin, die ungefähr 300 v. Chr. lebte, sagt:
Z%vg 6' oq' ipl KQi^tfi tgiyefo (J^yag, oid^ äga %ig v$y
^€ld€k (AaxaQdov. 6 d* ai^sTO näfSk (lilsda^'
%6v fiiv aqa tQiJQioveg vno J^ad^iw %qdffov avzqm
dfißQoaUiv ipoQiovacu drC ^Qxeavolo ^odvav.
Dasselbe sagte Krates*). Auch nach Asklepiades von Myrlea
war der Glaube an die Ernährung des Zeuskindes durch Tauben
eine allgemein verbreitete^). Endlich eine Grabara zeigt neben
1) Schol. Iliad. p. 1056, 63.
2) Bekanntlich pflegten die Griechen die Meteorsteine für Sterne sa
halten.
3) S. die Gitate onten.
4) Odyssee 11. 62.
5) bei Athen. 497 b.
6) S. Athen. 490.
7) Athen. II p. 489. Eastath. Schol. Iliad. 1486.
Sternbilder als MOtistypeii. 225
der den Zens säugenden Ziege zwei Tanben'). Diese Tauben
sind Ton Zeus zu dem bekannten Sternbild der Plejaden ver-
wandelt').
Die symbolische Darstellung dieses Sternbildes sind, wie ich
glaube, die auf unseren Münzen enigmatische Traube- Taube.
Denn — was uns jeden Zweifel darüber löst — das Stern-
bild der Tauben, über dem den Zens vorstellenden Stiere,
hiess auch Traube „fioV^v;, Öit nislovg öftov xsTyrat'^*). Wirft
man einen Blick auf die Sternkarte*), so sieht man in der That
oberhalb des Stieres sieben dicht bei einander stehende Sterne,
die etwas wie eine förmliche Traube bilden. Dies fiel schon
^-s^m s
^' ^ %
den alten Griechen auf; und so sagten sie denn von ihnen, sie
wären „^At^a näaai" (Arat) oder ßotQvoi dix^v nQoaavtatt-
xXtftivat — aifödqa nX^aiov äXX^Xmv — ov dumiömt — a^qöaf
onov ÖQäfifvai (Schol. zum Arat). Die Lateiner nanoten sie
„glomerabile sidus"') oder „Pleiadum globi"*). Heut
1) Overbeck, Kunstmythologie Bd. IL, S. 329. Abgeb. bei Pistolesi, 11
Vatic. Bd. V, Taf 6G2.
3) Tergl. Hoiro I. c — ÄratuB Phaenom. r 364 — Homer Odyss. £
278; Iliu B 622; — Heeiod 0. 383, 572, 615 und 619. — Eine Uenge
anderer Citate s. bei Athen. 490. — Vgl. auch Robert, Eratoatbeoia Catasteria-
mornm reliquiae; Berlin 1878; S. 28. — Hygin 14—23. — Schol. Germ.
8. U9, 17; — ATienus v, 582—597; — Ovid. Fast. t. 177 u. ■. w.
3) Schol. niad. X 486.
4) M. von Littrow, die Wunder dea Sternbimmela.
51 Manilios S. 96.
6) Valeriua Flaccus 1. T.
226 Johannes N. Svoronos:
ZU Tage nennen sie einige Völker „die Zusammengebun-
dene'^O-
Ich glaube um so mehr, dass die Symbolik der Griechen
dies Sternbild mit der Idee von Tauben und Trauben vereinigte,
als der Anfang dieses Sternbildes ihnen den Anfang des Sommers
{x^iQovg agx^v) anzeigte'), wie sein Untergang den Anfang des
Winters {x^i^M'^^og ccqxijp) bezeigte, wie die wilden Tauben {iqij-
Qdoveg niXiah im Neugriechischen ayqionsqlatsqa) und die Beeren
der Weintrauben beim Anfang des Sommers erscheinen, um mit
dem Anbruch des Winters zu verschwinden. Ferner giebt uns
die Traube den Wein und die Tauben ernährten das Zeuskind
mit Nektar, was nach Röscher nichts anderes ist als Wein').
Von den vielen Beispielen, die ich hier noch anfuhren könnte,
will ich nur noch eines erwähnen. Bekanntlich giebt es eine
Beihe Münzen der Insel Keos, die den Stern Sirius darstellen
(Taf. X, Nr. 18—21). Daneben kommen andere Münzen derselben
Insel vor, deren Typus eine Traube stets von einem Stern
begleitet ist (Taf. X, Nr. 22— -23), um zu zeigen, wie ich glaube,
dass die Traube nicht als das Bild einer natürlichen aufzufassen
sei, sondern als dasjenige des Sternbildes Botrys, d. h. der
Plejaden. Die nämliche Interpretation könnte man sehr wohl
auf den Typus einer grossen Anzahl anderer griechischer Münzen
anwenden, wo neben oder anstatt einer Traube eine Taube oder
ein Stern zu sehen ist, ohne dass am Prägorte der Dionysos-
kultus oder die Weinkultur je eine hervorragende Bedeutung
1) Histoire Nat. de l'lslande Tom. II, S. 225 bei Hermann, Die astrono-
mischen Mythen, Berlin, S. 335.
2) Arat und sein Scholiast; Vers 265
3) Koscher, Nektar and Ambrosia. — WahrscheinUch dachte Zenodot,
indem er ßojQvs als eine Art Vögel bezeichnete, welche sonst der ganzen
alten Welt anbekannt war, an die Tauben, die Ernährerinnen des Zeus:
d-avfiacai ay i$g Zti^odoioy ro ßoiqvSov ixkaßövra ioixojag ßorgvi tf ^Q^i^»
ontQ avto avargifH h i^ nttiati ' ovdflg yäg naXanSy, ovit jiQHftotihjg ßitqw
Ciaoy fy^^ty, (Vgl. Er. Stephanus, Thesaurus s. v. Botgog) Wie bekannt,
fliegen und sitzen die wilden Tauben immer sehr nahe bei einander (ßorgp'
doy)] tausende Mal habe ich sie in Griechenland aber mir in kleinen
Kreisen avinQi(fQ/ntyM fliegen sehen!
Sternbilder als Mflnztypen. 227
gehabt hätte. Ich bin ganz überzeugt, dass die Darstellung in
allen diesen Fällen nichts anderes bedeutet, als das Sternbild
der Plejaden; darüber aber später.
An der Stelle oder neben den Trauben und Tauben-Trauben
finden wir, wie gesagt, auf anderen Münzen von Mallos die
Zeichen V, oder V und r, oder V und f, auf den Baitylos
selbst ^ oder •. Man hat mit Recht erkannt, dass sie nicht
gewöhnliche Buchstaben, sondern Symbole oder symbolische Buch-
staben sind^). Wir stehen nicht an vorzuschlagen, in ihnen das
Bild anderer Sternbilder zu erkennen, Thiere vorstellend, welche
auf Kreta das Zeuskind, ebenso wie die Tauben, ernährt hatten
und dann zur Belohnung von dem dankbaren Zeus unter die
Sternbilder versetzt wurden. In erster Linie halten wir >^ für
das Sternbild des Adlers: nach Moiro (1. c.) v^ie die Tauben so
auch der Adler
vixraQ d^ ix niTQtjg fi^yag ahtog aUy ä<fV(f(f(iov
ycc(i,(fflXfig (f'Oqisdxs notov Jit fifjttosvu,
xöv xal vi>xij(fag naxiqa Kqovov evQVona Zsvg
ad'dvaxov noitjffe xal ovQavti iyxaxivaacev.
Das Sternbild das Adlers ist ohnehin ein sehr bekanntes').
Was für uns höchst wichtig ist, ist, dass nach Eratosthenes
„^fT;C7juariö'fa* ö lanentafiivag i'xoap xdg ntiqvyag wg äv xa^k-
nxdfA€vog'^% Nun wird man zugeben, dass das Zeichen ^ auf
unserer Münze unverkennbar einen herabschwebenden Adler
andeutet. Und werfen wir einen Blick auf die astronomische
Karte, so finden wir das Sternbild in derselben Weise ange-
ordnet. Auch der Umstand, dass das Symbol ^ oder seine
Vereinfachung • allein auf dem Baitylos, d. h. dem Zeus selbst
angebracht ist, spricht für die Bichtigkeit unserer Erklärung;
1) Imhoof 1. C. — Vgl. Photias p. 348 „xa* ygafifiaia avidet^ty fifiiv Iv
2) Aratus v. 315. — Eratosth. XXX. — Schol. Germ. BP 91, 16. —
Hygin. II, 16; — Eustath. Schol. Iliad. 9, 247 n. a. —
3) Eratosthenes XXX. Vgl. Ideler, Historische Untersnchongen über
die Beobachtung der Alten, S. 105.
228 Johannes N. Svoronos:
denn das Bild erinnert an Zeus aetotfoqog, den Gott mit dem
Adler auf dem Schooss oder auf der Hand.
In derselben Weise sind V oder f die symbolischen Zeichen
für die Sternbilder der Hyaden (lat. Snculae = die Schwein-
chen; gr. vädsg von ig Schwein) und Deltoton {Jektcatov
von Jikra und JsXvtg^ was = Biene ist), welche das Himmels-
bild anderer kretischer Ernährerinnen des Zeus waren, d. h.
des Schweines und der Bienen')* Nach Eratosthenes nannten
sich die Hyaden des Himmels so „diot^ tdo V aio^x^ita naqeinpsqsXg
itsuv^^ oder „^x xäv ygafifidoy tov V (fvo^x^iov^^ oder weil ^^tovto
%6 (Sxo^xbXov (d. h. Y) änofiifAOVficva^ to tavQetov anoteXovfS^
nqoaoano^^^) (vergl. die Himmelskarte oben). Auch das Delto-
ton, welches bei den Lateinern wegen seiner Form Triangulum
hiess'), nannten die Griechen /isXxtatov wegen seiner Ähnlich-
keit mit einem A^) (s. die Himmelskarte oben). Wie auf
unseren Münzen alle diese Symbole um das Zeusidol Baitylos
gruppirt sind, so sehen wir auch am Himmel die Hyaden, die
Plejaden und das Deltoton um das Sternbild des Zeus (Stier) ^)
herum.
Auf den Einwand, dass auf unseren Münzen die Symbole
andere Formen haben, d. h. V anstatt A oder r an Stelle von
V ist zu erwiedern, dass sie gerade umgekehrt gestellt sind,
um genau der gewöhnlichsten Anordnung und Erscheinung
jener Sternbilder am Himmel zu entsprechen. (Vgl. die Himmels-
karta)
Die Punkte • , welche diese Symbole auf einigen Exemplaren
begleiten (Taf. X, Nr. 8) oder ersetzen (Taf. X, Nr. 9) sind, wie
ja auch die Funkte, aus welcher die Trauben-Tauben (Taf. X,
1) Schwein: Athen. IX, 376*. — Bienen: Kallimach I, 46; — Diodor
V. 70; — Boio8 bei Anton. Liber. Metam. XIX. — Virgil Georg. IV, 1. —
Golumela IX, 2, 3. —
2) Eratosthenes XIV. Seine Scholiasten und and.
3) SchoL Oerm. 144, 22.
4) Arat. v. 233—239 u. a.
5) Euripides in Phryxos. — Eratosth. XIV; Schol Arat ▼. 167. —
Nigitns, Schol. Germ, in Taurus.
Sternbilder als Mflnztypen. 229
Nr. 1—5) geformt sind (vgl. den lateinischen Namen PI ei ad um
globi des Asterisma) dazu da, um zu zeigen, dass es sich um
ein Sternbild handelt; denn bekanntlich bildet immer ein Punkt
den Haupttheil eines Sternes, und er nimmt sogar sehr oft die
Stelle des Sternes selbst ein. Ich verweise jetzt bloss auf die auf
unserer Tafel (Nr. 16—17)") abgebildeten zwei tarentinischeA
Münzen. Später werde ich auf diese Erklärung der Punkte
zurück kommen, weil sie uns zur Lösung einer Beihe numis-
matischer Bäthsel dienen wird.
Was den Typus der Hauptseite der Münzen anbetrifft, so
glaube ich in ihm die Personification einer andern Naturer-
scheinung des Himmels, d. h. des Begenbogens zu erkennen.
Die Beflügelungy die eilende Geberde, der Gaduceus und Kranz
als Attribute charakterisiren sehr deutlich das Bild als die nach
Homer XQ^^^'^^Q^^j aeXXönog^ 7iodijy€[iog ^ nodag dncia^ xaxsXa^
äyyeXog äd'avdxoiv Göttin Iris*).
Die. Typen der chronologisch folgenden Münzen von Mallos
sind in derselben Weise und Bichtung zu erklären. Jene männ-
liche, jugendliche, geflügelte, eilende Figur (Taf. X, Nr. 15) ist
durch den mit einem Stern geschmückten Discus, den sie mit
beiden Händen hält, sehr deutlich als die Personification eines
Sternes charakterisirt. Yermuthlich ist es der glänzendste von
allen, Eosphoros (Morgenstern), und dies um so v^ahrschein-
licher, als unter dem Typus der doppeltgeflügelten mit doppeltem
Gesicht eilenden Gestalt, welche auf gleichzeitigen Münzen
vorkommt (Taf. X, Nr. 14), das älteste Bild seines Bruders'),
des KQamvog und aii/j^QoxiXsv&og^) Boreas, Sohn des Astraios
1) Vgl. Carelli, Num. Italiae yeterum Tab. CXYIII, Nr. 390-392, oder
Garucd, Le Monete deU Italia Antica, Roma 1885, Taf. G, Nr. 37 et 38.
2) Herr Dr. Imhoof, an den ich diesen Aufsatz in Handschrift mitge-
theilt habe, schreibt mir, dass das Bild auch schon als Iris erkl&rt worden;
er glaubt von Waddington. — Siehe auch die Nike des Archermos, BaUetin
de Corr. HeUenique UI, p1. VI et YH. Roehl, Inscr. Antiquiss. S. 182 Nr. 380a.
— Arch&ol. Zeitung 1882, S. 324 Abb.
3) Hesiod. Theog. 479 ff.
4) Homer Odyss. K 385 — Hesiod. Theog. 379.
230 Johannes N. Svoronos:
(^A(fTQaXoq = gestirnte Himmel von aerrij^ = Stern) und der Eri-
geneia (d. h. Eos = Morgenröthe, Aurora) zu erkennen zu sein
scheint, der die Personiflcation einer andern Naturerscheinung,
des Nordwindes ist, und in Mallos selbst unter den Namen
nayqsvq verehrt wurde'). Die älteste Darstellung des Boreas, die
wir kennen, kommt auf Yasenbildern vor, die der Zeit nach den
Perserkriegen angehören. Er erscheint dort immer mit kräftigen
Flügeln, mit doppeltem bärtigen Angesicht, eilend'), also genau
wie auf unseren Münzen. Die identische Figur, aber mit
einfachem Gesicht, die sicher nicht Boreas sein kann, denn
sie kommt auf gleichzeitigen Münzen vor (Taf. X, Nr. 12-— 13) —
und man kann nicht annehmen, dass in derselben Zeit unter zwei
Typen Boreas dargestellt war — erkläre ich auch für einen
Windgott, wahrscheinlich Notos, oder vielmehr för den bei
Homer aufs engste mit Boreas verbundenen Zephyros, den
Gatten der auf der Mallos-Mnnze vorkommenden Iris. Der
Discus, der hier zum ersten Male als Symbol der Waffe beider
Figuren vorkommt, erinnert mich an eine alte Überlieferung:
Hyakinthos soll von seinem zornigen Liebhaber Zephyros, dem
Bruder des Boreas, mit dem Apollo -Discus getödtet worden
sein^); nach einer andern Sage war Boreas der Liebhaber des
Hyakinthos^). Der mit Gewalt und grosser Geschwindigkeit
wie vno ^mijg ävifioio oder Boqiao zum Werfen bestimmte
Discus könnte wohl das Symbol des gewaltigen starkstürmenden
Windes sein, der oft mit Hageldiscen *), in Frühlingszeit, viele
Blumen, viele Hyacinthen tödtet, die wenig vorher unter der
Sonnenwärme, unter der Apollo-Liebe blüthen.
1) Aristotel. Vent. p. 973 a. I. B.
2) Rapp in Roschers Lexicon der Mythologie S. 803 ff.
3) Lucian Dial. Deor. 14. — Philoat Imag. I, 24. — Nonn. X, 253 a. a.
4) Mythol. Vat. L Nr. 107. — Vgl. Roscher's Lexicon L c.
5) 8. Dictionnaire universel d' histoire naturelle 2«»« ed. vol. VI p. 621. —
Aristoteles, Meteor olog. A. c. 12 1 d. B. 6, 19: j^aiaC«»«^!?; tf' anaffxtlag xat
^Qax£ttg xat oQyioTtig, — Orph ^rgon. 591: ^AjtiQfiy j^dAaC«^, unm^Uuct
ßiUfAvokg TQaufitt tpf — »a-*— aygt^ ^ff} PrAiioy^ Qriech. Mythol. Aufl. TOn
Sternbilder als Mflmtypen. 231
Der unter dem Boreas erscheinende Elussgott (Taf. X,
Nr. 14) ist wohl der Pyramos, der Fluss von Mallos. Wir wissen
schon, dass Boreas mit Flüssen in Verbindung kommt. So heisst
er 2TQVfi6vtog^) und sogar Sohn des Flusses Strymon'). Die
Athener errichteten ihm einen Altar am Ilissos. Am Flusse
Eephissos oder Ilissos hat er die Oreithyia geraubt'). Endlich
bei Hesiod^) ist ein atmosphärischer Vorgang beschrieben, wo-
nach der Boreas die fruchtbare Morgenluft, welche aus dem
Flusse Wasser anzieht, im Windessturm hoch über die Erde
entführt:
VvxQ^ yccQ T* ^(ag niXsxai, Boqiao nB(s6v%og'
m
^iaoq d* inl yaXav an ovQavov dtstsgoeytog
aiJQ nvQOtpOQog thatat (jkaxagav inl iqyoig'
o(St€ dqvtfäfievog notafuSv äno asvaovxvav
vt/jov in ig yal^g äqd'sig dyifAOlO ^vikXfj^
aXXoxe (xiv i^ vsi noxl idncQoy ällot^ ä^ift
Twxvä @QfiMov Boqiov vi(psa xXoviovxog.
Es scheint sonst höchst wahrscheinlich, dass der Stempel-
schneider der Münze von Mallos unter dem Einfluss dieser
hesiodischen Verse gearbeitet hat. —
Die auf unserer Tafel abgebildeten Münzen sind aus folgen-
den Sammlungen:
Nr. 1 Mallos
British Museum
2
»
Rollin et Feuardent
3
T)
Imhoof-Blumer
4
«
Neapel
5
»
Berlin
6
«
Vogu6
7
T)
British Museum
•
8
T)
P. Lambros
1) EaUim. Hym. Del. 26.
2) Schol. Apoll. Rhod. 1,
211.
3) Keschers Lexicon 1. c.
4) Opera et dies 477 ff.
ZeitMhrifi ftlr NnmismftUk. XVI.
11
232 Johannes N. Svoronos: Sternbilder als Münztypen.
Nr. 9
Mallos
Six
10
w
Greenvell
11
Ji
British Museum
12
n
Hunter
13
W
Imhoof
14
V
Hunter
15
n
Imhoof
16-
-17
Tarent
Imhoof
18—23 Insel Keos Imhoof.
Die Zusammenstellung und Auswahl der Abbildungen wird
Herrn Dr. Imhoof-Blumer verdankt.
Paris. Johannes N. Svoronos.
öittelder Pfennige.
Nach einer zuverlässigen handschriftlichen Notiz, deren
Eenntniss ich dem Herrn Archivar Dr. Zimmermann in Wolfen-
büttel verdanke, zeigte ein dem Jahre 1317 angehörendes Siegel
des Ortes Oittelde ein Bild des Johannes mit dem Kelche und
die Umschrift: Sanct. Joh. Maurit. Patron. Oitteld. Das sind
die Heiligen der beiden daselbst noch bestehenden Kirchen, von
denen die dem heiligen Johannes gev^eihte jedoch zur Zeit nicht
mehr zum Gottesdienste verwendet wird.
Dieselben waren bis zur Einführung der Beformation dem
Dekanat Berka, der Probstei Eimbeck und dem Archidiakonat
Nörten untergeordnet, wie sich aus dem „registrum manuscriptum
subsidii ex praepositura Nortenensi et Einbeck" vom Jahre 1519
ergiebt *). Der Ort gehörte also zu jenem Theile des alten Sachsen-
landes, welcher zuerst dem Christenthum gewonnen, dem Mainzer
Sprengel zugewiesen und auch nach der Errichtung der sächsi-
schen Bisthümer durch Karl den Grossen demselben zu keiner
Zeit entfremdet worden ist.
Daher vermochte 1244 der Erzbischof Siegfried von Mainz
als oberster Lehnsherr das Eigenthum der Zehnten in Gittelde
1) Lüntzel, Die ältere DiOcese Hildesheim. (Hildesheim 1837.) S. 28
Nr. 2. — H. Böttger, Diöcesan- und Gaugrenzen Norddeutschlands, ü.
Halle 1874.) S. 298. — J. Wolf, Commentatio de archidiaconatu Nortunensi.
p. 87. — H. Böttger, Qrenzen der Diöcesen Hildesheim, Halberstadt und
Mainz innerhalb des Harzes. Zeitschrift des Harzvereins fCür Qesch. a. Alt
m. (Wernigerode 1870.) 8. 899.
2) G. Max, Geschichte des FQrstenthams Gmbenhageu. U. 8. 111.
16*
234 Menadier :
und Eisdorf dem Jacobikloster in Osterode zu verleihen*). Da-
her bedurfte die verwittwete Herzogin zu Braunschweig und
Lüneburg, Elisabeth, geborene Gräfin zu Stollberg und Wernige-
rode, als sie am 29. Juni 1505 das Gotteshaus des heiligen
Antonius zu Grund unter dem Iberg im Gericht StauflFenburg,
„capellam sancti Anthonii in Grunde predictam filialem hactenus
parrochialis et matricis ecclesie sancti Mauricii in Gittelde, eiusdem
Maguntinensis diocesis^^, das sie zu dem Zwecke mit Genehmigung
des Patronen der St. Moritzkirche zu Gittelde, Burchard vonGaden-
stedt, und des Pfairers daselbst, Johann Köler, von dieser Pfarr-
kirche hatte trennen lassen, zu einer Pfarrkirche mit Renten und
Grundstücken begabte, einen gewissen Rötger Pepgna zu ihrem
ersten Pfarrer ernannte und sich und ihren Erben das Patronat der-
selben vorbehielt, der Bestätigung dieser Vornahmen durch die vom
Erzbischof Jacob von Mainz für Thüringen, Sachsen, Hessen und
das Eichsfeld zu Erfurt eingesetzten Executoren, welche dieselben
auf Grund einer vom Erzbischof Beii;hold von Mainz am 6 August
1504 zu Aschaifenburg ausgestellten Urkunde am 17. Juli 1505
ertheilten ^). Daher präsentirte die Herzogin, als nach der frei-
willigen Entsagung Heinrich Buels die Pfarrkirche zu Grund von
Neuem zu besetzen war, am 19. September 1519 den von ihr
für dieselbe ausersehenen Priester Peter Subernheim dem Siegler
des Mainzer Sprengeis zu Erfurt mit dem Ersuchen, die Ein-
setzung desselben mit allen gebräuchlichen Feierlichkeiten vor-
zunehmen').
Aber trotz dieser kirchlichen Zugehörigkeit des Flecken zu
dem Erzbisthum Mainz weist der Umstand, dass die eine seiner
beiden Pfarrkirchen dem heiligen Moritz geweiht ist, unzweideutig
auf eine alte Verbindung desselben mit dem Erzstifte Magdeburg
hin, dem vornehmsten aller geistlichen Stifte, die in die Ehre
dieses Heiligen geweiht waren. Und in der That berichtet uns
1) H. y. Strombeck, Zur Geschichte der Kirche zu Gnuid. Zeitschrift
des historischen Vereins für Niedersachsen 1868. S. 871*
2) £. Jacobs, Zur Geschichte der Pfarre in Grand. Zeitschrift des
Harzvereins. II. (VITernigerode 1869.) 2. S. 17.
Gittelder Pfennige. 235
die älteste Urkunde, welche des Ortes Gittelde gedenkt, eine
Quedlinboiger Urkunde Otto's I. vom Jahre 953, dass der König
denselben nebst anderen Ortschaften gegen eigenen Besitz im
Wendischen Gebiet und in Thüringen von Billing eingetauscht
und mit allem Zubehör dem im Magdeburg neugegründeten
Kloster überwiesen hat.
In nomine sanctae et individuae trinitatis, Otto divina favente
gratia rex. Noverint omnes jideles nostri presentes scilicet et futuri^
qnod no8 pro remedio animae nostrae nee 7ion et dilectae conjugis
Adelheidae predium quod Billinyus quidam noster miles nobis tradi-
du pro proprietate noatra^ quam Uli donavimu^ in patria Sclavo-
rum et in TJiuringia, ad monasterium nominatum Magadaburg
quod construximus in honore domini nostri Jesu Christi et sancti
Petri principis apostolorum nee non et sanctoinim Martirum Mauricii
atque Innocentii, ad usum monachorum, inibi deo famulantium in
locis subnominatis^ id est Hiddeshusi cum tota marca et Helisungun,
Heristi^ Dasingarod^ Gelithi^ Vuillienhusun ^ Agesthorp^ Gutingi
cum Omnibus ad eandem proprietatem pertinentibus ^ pratis pascuis
agris silvis aquis piscationibus molendinis viis et inviis exiHbus et
reditibus cuUis et incultis mancipiis edificiis curtilibus iure pprenni
donavimus. Que omnia hoc scripto ad prefatum mxmasterium /{r-
mamus et manu propria corroboramus ac anulo sigillari iussimus,
Signum domni Ottonis serenissimi regis. (M, F,)
Brun cancellarius ad oicem Friderici archicapeUani recQgnovi
(SR.) (SI. n.)
Data anno incamationis domini MCCCLIII^ indictione
anno domni Ottonis serenissimi regia XVTII; actum Kidüin-
^aburg. "
(M. G. dipl. I. S. 246. Nr. 165. Staatsarchiv Berlin.)
Denn dass Wedekind*) den in dieser Urkunde Gelithi ge-
nannten Ort mit Recht als das heutige Gittelde erklärt hat,
ergiebt sich zur Genüge aus einer um zwölf Jahre Jüngern Ur-
kunde, in welcher die villa Getlide genannt und als im Lisgo
■-♦♦r»»-*-'
1) Wedekind, Noten zu einigen Oeschichtsschreibern des deutschen
Mittelalters. II. 213.
236 Menadier:
gelegen bezeichnet wird, dem Gau, welchem der Südwesten des
Harzes und sein Vorland angehört.
In nomine sancte et individue trinitatis, Otto divina favente
dementia imperator augtistus. Noverii omnium fidelium nostrorum
tarn preseniium quam futurorum industria^ qtudüer nos interventu
dilecte conitigis nosire Adelheidis ob spem divine remunerationis
pro statu regni vel imperii nostri, pro aanitate quoque nostra
dilectique filii nostri Ottonis predicteque carissime coniugis nostre
Adcdheidis, in villa Getlide in comitatu Lisgo^ cui Burchardus
comes preesse videtur^ publicam monetam, esse concedimus^
om,nesque ex eadem moneta reditus vel utilitates quo-
quo modo adquirendos ad ecclesiam sancti Mauricii in
Magdeburg^ cui Richarius abbas preesse videtur^ tradimus et
donamus; teloneum vero de mercato quod ibi fieri concessimus
in quibuscunque rebus accipiendum vel mercimoniis prelibate ecclesie
sancti Mauricii munißca largitate offerimus et quicquid inde fructuum
vel utilttatis ad nostrum ius pertinere posse videbaiur, totum et ex
integro eidem ecclesie vel frairibus deo sanctoque Mauricio famtUan-
tibus Magdaburg perpetualiter utendum concedimus^ tä teneant et
possideant et suis ut libuerit usibus adiungant Et ut hoc auctori-
tatis nostre preceptum firmum et stabile permaneat^ cartam hanc
conscribi et anuli nostri inpressione signari iussimus^ quam et manu
propria subtus ßrmavimus.
Signum domni Ottonis (M) magni et invictissimi imperatoris
augusti,
Liudolfus cancellarius ad vicem Wiliehelmi archicapeUani
recognovi,
Data U idus decembr. anno dominice incamaJtionis
DCCCCLXV indictione /X, anno domni Ottonis inpera-
toris Augusti XXXI, inperii vero IIIL Actum Brügge-
heim in dei nomine amen.
(M. G. H. diplom. I. S. 426. Nr. 312.)
Der Gewinn, welcher der Magdeburger Kirche durch die in
dieser Urkunde ausgesprochene Schenkung zuwuchs, bestand zu-
nächst in der wirthschaftlichen Hebung, welche dem Orte durch
Gittelder Pfennige. 237
die OestattuDg eines Marktes und der damit wie zumeist ver-
bundenen Eröfihnng einer Münzstätte zur Ermöglichung eines
Marktverkehrs, sodann aber auch in der Überweisung der aus
diesen Einrichtungen sich ergebenden Erträge, die um so be-
trächtlicher sein mussten, als die Gittelder Münzstätte nicht un-
wahrscheinlich die erste war, welche in dem Gebiet zwischen
dem Harzwalde und dem Weserstrome errichtet wurde. Die
Münze selbst blieb danach königlich, und die in ihr geschlagenen
Münzen müssen königliches Gepräge getragen haben : allein binnen
kurzem muss eine weitere Begnadung des im Jahre 968 zum
Erzstift erhobenen Magdeburger Klosters erfolgt sein, durch
welche Markt, Zoll und Münze ganz ihr überwiesen wurden.
Denn von diesen selbst und nicht nur von ihren Erträgen ist
in der Urkunde des Kaisers Otto II. vom Jahre 973 die Rede
und zwar unter Bezugnahme auf Kaiser Otto I.
In nomine sanctae et individuae trinitatis, Otto divina favente
dementia imperator augustus. Quoniam loca deo et sanctis eins
dieata a noatris antecesaoribus regibus scilicet vel imperatoribtce et
possessionibus ampliata et privilegiis vel decretis esse munita
noscuntjir^ idcirca nos pia domnae et carissimae genitricis nostrae
Adalheidis admonitione ob memoriam et remedium animae piissimi
genitoris nostri Ottonis privilegia seu decreta sanctue Magdeburgensis
aecclesiae, quam ipse a fundamento constnucit, nostra etiam auctori-
tote roborare et conßrmare decrevimus statuentes imprimis ne quis
comes aut iudex vel vicarius- publicus in Magdeburgensi civitate vel
territoriis eius aliquam potestatem aut bannuni habeat^ nisi ad-
vocaius^ quem, archiepiscopus illius aecclesiae secundum suuin sibi
libitum elegerity et negotiatores vel Juduei ibi habitantes omnesque
familiae lidorum vel colonorum vel servorum vel Sclavorum iUuc
pertinentes a ntdlo alio nisi eodem advocato secundum leges con-
stringantur vel iudiciales sententias patiantur; preter haec eandem
Magadaburgensem dvitatem cum theloneo et merccUo seu moneta et
municipium eius^ quod nos burgwardum dicimus, curtem quoque
cum Omnibus appendiciis^ territoriis scilicet vel aedißciis ex occi-
dentcdi parte Albiae fluminis illuc pertinentibus , sicut beate me~
238 Menadier:
moriae piissimua genüor noster ea stw proprio in iua et proprie-
totem sancti martyris Christi Maurieii pro remedio animae stme
liberaliter optuHt^ nostra quoque nos munißcentia vel auctoritate
eidem aecclesiae roboramus et conßrmamus in lods subnotatis-, hoc
est Fridumaresleba y Pretalitze^ Buchunui^ Frosa^ Rtwdhartesdorp^
Hartaresdorp y Liemmanesdorp ^ Thieterisdorp ^ Otter esleba^ Oater-
waddinga^ Suldorp, Imenwaddinga, Ischedesdorp ^ Dudvlon^ item
Dudidon^ Uuodeneauueg ^ Tnendeslesleba ^ Uuidrichesdorp ^ lluinidis-
conburg^ Pizinizi^ Lievoldesdorp , Trumpsice et Uli mansos in
VaUdorpy castrum quoque Unnesburg, Bumon, Biscopesdorp^
Duilmaresleba^ Rodonvurdi, Uuinkildorp, Addestondorp^ Älakkestedi,
Curlingon, Aldenuuaddinge cum pertinentiis suis Brunigstedi, Dunon-
stedi^ Atinge vel quicquid suae proprietaiis ad haec loca in pago
Nordthuringo pertinere videtur, ex aquilonali etiam parte Orae
üuminis in lods ita nominatis: Mosan, Pelinizi^ Dudizi, .Vuzoboro^
Velbuzi, Zelici cum pertinentiis suis^ MedubeH^ Rinchurst, Bucc-
stadon cum appendiciis suis et in pago Hardago Scaun, Roreshem
cum pertinentiis suis,, Valresleba, Bardorp, Buttenstedi, Fehtlon
cum appendiciis suis; mercatum quoque in Getlide et monetam
cum theloneo et bannum, sicut piissimus genitor noster^
ita nos quoque eidem sanctae Magadaburgensi aecclesiae
offerimus et concedimus^ vel quicquid ex ocddentcdi parte Uvi-
sorae fluminis sancio Maurido liberaliter opitderaty • hoc est Rosbeki^
Uflon cum pertinentiis suis^ Brilon^ Tiuni cum appendiciis suis et
in Arpesfeld triginta mansos, Hec et omnia beate memoriae genitore
nostro praescriptae aecclesiae coUata hoc presenti auctorüatis nostrae
precepto roboramus et confirmamus. Et ut haec munißcentiae nostrae
traditio seu conßrmatio ßra permaneat, cartam hone conscribi et
-»"^uli nostri impressione signari iussimtis^ quam et manu propria
. i# hT9,j ^rmavimus.
iignum domni Ottonis (MF,) magni et invictissimi augiutusti.
UuHlissus canceUarius ad vicem Rotberti archieanceUarü sub'
^ scripsi. (Sl D.) (SE.)
i^nfn IInon.jun. a^ino dominiwR incamationis DCCCCLXXHl
• -^"''•^''^•"' XTTII,* riv»no ^'^verii "Serenissimi imperatoris
Gittelder Pfennige. 239
domni Ottonis VII, Actum Magadaburg in dei nomine
felieiter amen,
(M. G. dipl. II. I. p. 38. Nr. 29. Staatsarchiv Magdeburg. Erz-
stift I Nr. 9.)
Dass das Münzrecht, welches den Magdeburger Erzbischöfen
durch diese Urkunde für Gittelde verliehen, ihnen durch die
spätem Kaiser bestätigt und erneuert worden, lässt sich durch
keine Urkunde belegen; auch findet sich keine anderweitige ur-
kundliche Erwähnung der Gittelder Münzschmiede, der sie leiten-
den Münzmeister oder der in ihr geprägten Pfennige: gleichwohl
kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der Münzhammer
nicht nur zur Zeit der beiden ersten Ottonen, sondern auch in
der Folgezeit in Gittelde in der That sich in Thätigkeit be-
funden hat, und die uns durch die Urkunden gestellte Aufgabe
besteht darin, die entsprechenden Münzen unter den zahlreichen
Münzen jener Jahrhunderte ausfindig zu machen, die uns durch
die jährlich sich mehrenden Schatzfunde zugeführt worden. Ge-
wiss auch wäre diese Aufgabe schon längst gelöst worden, wenn
nur nicht die Münzkunde von den übrigen Gebieten der ge-
schichtlichen Forschung allzu sehr getrennt für sich allein ein
Stillleben führte. Denn die zu suchenden Münzen sind that-
sächlich schon gefunden und länger denn ein halbes Jahrhundert
nicht nur allgemein bekannt, sondern sogar weit mehr erörtert
und behandelt^), als irgend eine andere Gruppe mittelalterlicher
1) Rflhle von Lilienstern, Beitr&ge zur Münzkunde des Mittelalters
(Berlin. 1823) Fig. 53. S. 32. — Thomsen, Beitr&ge zur Erklärung unbe-
kannter Münzen des Mittelalters. Blätter für Münzkunde herausg. v. Grote.
II. (Hannover. 1836.) S. 335. T. XV. 209. 213. 214. — Cappe in der Sitzung
der Berliner numismatischen Gesellschaft vom 6. Juli 1846. Eoehne's
Zeitschrift für Münz- Siegel- und Wappenkunde. VI. (1846.) S. 381. mit
einer Bemerkung von Eöhne. — Cappe, Numismatische Gesellschaft in
Berlin. Leitzmann's Num. Ztg. 1846. 181. — von Posern- Klett, Berich-
tigung, num. Ztg. 1847. 8. — Cappe, t)ber zwei merkwürdige Münzen des
Bischofs von Utrecht, Heinrich L, Grafen von Vianen. 1252—1276. Mit-
theilungen der num. Ges. in Berlin. IL (1850). S. 92. (vrgl. Leitzmann N.
Z. 1850. 137. Köhne, Mem. St. P. V. 1851. 113.) — Köhne, Über die im
Russischen Reiche gefundenen abendländischen Mtlnzen des X., XI. und XII.
240
Men&clier:
deatscher MflnzeD; und wenn ihnen trotzdem noch immer etwas
räthselbaftes anhaftet, so thut es nur noth, die obigen Urlninden
neben den Abbildungen der MDozen zum Abdruck zu bringen,
um jedweden Rest eines solchen verschwinden zu machen.
Diese Münzen sind die folgenden:
1. Die Holzkirche der ottonischen Denare mit einem Ringel
im Portal und einem € und zu beiden Seiten. — Ein
Kreuz, belegt mit einem von einer Hand gehaltenen
Jafarhimderts. (Zweiter Artikel) H6m. d. S. P. IV. (1860) 94. lU (1S49)
T. 16. Nr. 4—6. — v. EOliiie, In RamUnd gefniideDe Mfluen dea elften
JabrliDiiderts. Ztsch. f. M. 8. Wkd. N. F. (1859/63.) 321-887. — Qrota,
Hier eteit de Biachop. UfinsatadieD TD. (1867) 103/110 d. Nachtrag
110 c/llOd. — T. Kbhae, B&thselluifce UDnien. Berliner BL f. H. S. Wkd.
IT. (1868) 84, — Catalogne de la collection de monn^es de fen Chr. J.
Tlioinaen,n. Leamonnueadnmojen-age. (1873). n. 13011— 12014. — Dan-
nenberg. Die deaUchen MOnien der s&chaischeti und fr&nkiBctien Kaiser-
leit (1876) S. 469. nr. 12!0-12S3. - Waiti, Deatache Ter&ssnapg»-
Bchichte. Till. (Kiel 1878.) S. S87. Anm. 2. — Dtnnenberg, Zwei
Gittelder Pfennige. 241
Krummstabe, in dessen leeren Winkeln ein A und ein
O angeordnet sind. — Die fast durgehend nur theil-
weise erhaltenen Umschriften lauten:
a) +IEUTHISIENING + HIRSTEIDTE BISCOP
(Mitth. d. num. Ges. zu Berlin IL 5. 2.)
b) . . . UTHIS PENICO* + H . . STEIDTE BISC . .
(Bl. f. M. k. II. 15. 209. - Dbg. 1220.)
' c) . lELITHIS PE . . . . EIDTE BISCOP
(Königliches Münzkabinet)
d) + lEUTHI .... STEH TU
(Königliches Münzkabinet)
e) IS PENIN . SCO .
(aus dem Funde von Lupow im Königl. M. K.)
f ) + IE NG BISCOP
(aus dem Funde von Lupow im Königl. M. K.)
g) + lELITI +1 ISCOP
(aus dem Funde von Lupow im Königl. M. K.)
h) + lEUTH NG + HIR
(Z. f. N. XI. 303. Fund von Vossberg)
i) ENI . . . .... STEIDT
(aus dem Funde von Londzyn im Provinzialmuseum
zu Danzig)
k) . VN
(aus dem Funde von Lupow im Königl. M. K.)
1) . H . . . E AI
(aus dem Funde von Lupow im Königl. M. K.)
2. Ein breites mit Perlen eingefasstes Kreuz, in dessen
Winkeln abwechselnd ein O und T angeordnet sind. —
Das Brustbild eines Geistlichen nach links, der einen
Münzfunde des zehnten und elften Jahrhunderts. B. Der Fund von Yossberg.
Z. f. N. XI. (1884) 303. — Dannenberg, Nachtr&ge zu meinen frühem
Aufs&tzen in dieser Zeitschrift. I. Deutsche Inschriften auf Mittelalter-
münzen. Numismatische Zeitschrift XYII. (Wien 1885) 128. — Menadier^
Verhandlungen der numismatischen Gesellschaft zu Berlin. Sitzungen vom
1. März 1886 und 2. Januar 1888.
Menadier:
mit der ErUmmung abgewandten Bischofetab vor sich
hält. — Die Umschriften der einzeloen Stocke werden
angegeben :
a) + lEUTHE'S lENING + HIRSTEIDTE BISCOP
(Mitth. d. nam. Ges. zu Berlin II. 5. 1.)
b) +IEUII ING BITEBISCO.
(Bl. f. Mk. n. 15. 213. Oat. Thomsen. 12011.)
c) + PENIl . E BIvj CO .
(Bl. f. Mk. II. 15. 214. CaL Thomsen. 12012.)
d) + lEUIH ING EIITE BISCO .
(Db. 1221.)
e) .1 N.
(M. d. 8t P. in. 16.)
f) ... UTH TEIDTE .
+ HIRSTEIDT EPISCOP
(Pund von Vossberg. 288. Z. f. N. XL)
3. Das Bmstbild eines birtigen, weltlichen Herrn in dr^-
viertel Seitenansicht nach links, zu dessen Seite, links
ein Ereuzetab. — Das Brustbild eines Geistlichen »ach
links, der einen mit der ErQmmung abgewandten Bischof-
stab vor sich hält. — Als ümschriftreste der einzelnen
Stücke sind zu verzeichnen:
a) ISPENI.. lEDTBISCO.
(Dbg. 1222.)
hK. .HISPEN... ...RSTEI
».. . ..ptn i?nnrtti v«>" T-"oow im Kfinlgl.' M. K.)
Oittelder Pfennige.
C) IS PENII .
(Mem. d. St. P. HI. 16.)
243
d) SEE ... . .... ST
(Fund von Vossberg. 289. Z. f. N. XI.)
e) .IL ST
(Cat. Thomsen. 12013.)]
f) ENING ID
(Cat. Thomsen. 12014.)
4. Das Brustbild eines bärtigen weltlichen Herrn in Vor-
deransicht. — Das Brustbild eines Geistlichen nach links,
der einen mit der Krümmung abgewandten Bischofstab
vor sich hält. — Die Umschriftreste sind:
a) .... ITHISP lEIIT EBISCO .
(Dbg. 1223.)
b) ....ITHIDI
(Mem. d. St. Pet. III. 16.)
c) +1 NG
(Fund von Vossberg. 290. Z. f. N. XI.)
5. Das Brustbild eines weltlichen Herrn mit einem Ereuz-
stab links. — Das Brustbild eines Geistlichen nach
links, der einen mit der Krümmung abgewandten Bischof-
stab vor sich hält. — Von den Umschriften ist er-
halten :
+ IE BISCO .
(aus dem Funde von Lnpow im Königl. M. K)
244 Menadier :
Nach all diesen Resten lauteten die vollständigen Um-
schriften sämmtlicher Münzen übereinstimmend unzweifelhaft
+ lEUTHIS PENING und + HIR STEID TE BISCOP
denn die beiden einzigen abweichenden, in der obigen Zusammen-
stellung durch einen Stern hervorgehobenen Lesungen, welche
sich dieser Ergänzung nicht fügen, das einmalige lELITHES statt
lELITHIS und das ebenso vereinzelt statt des PENING ange-
gebene PENICO, beruhen gewiss auf irrthümlicher Deutung un-
deutlicher Buchstaben, und würden falls sie in der That einigen
Münzen aufgeprägt wären, doch nur als Stempelfehler aufzu-
fassen und demnach ohne jede weitere Bedeutung sein. Damit
aber stehen diese Pfennige unter allen deutschen Münzen der
sächsischen und fränkischen Kaiserzeit durchaus vereinzelt da;
auch findet sich kein anderweitiges deutsches Denkmal jener Jahr-
hunderte, welches ihnen zur Seite gestellt werden könnte. Denn
während die Schriftsprache jener Zeit durchgehend die lateinische
war, und die sämmtlichen Schriftdenkmale des staatlichen Lebens
und Rechtsverkehrs, Urkunden, Münzen^), Siegel mit der einzigen
Ausnahme der Freckenhorster Heberolle lateinisch abgefasst
sind, ist die Sprache der so ergänzten Münzumschriften unleug-
bar die niederdeutsche. Bei der Voraussetzung, dass sie latei-
nisch sei, ist eine Deutung bisher trotz aller darauf verwendeten
Mühe nicht gelungen; bei der Auffassung als altsächsisch bleibt
auch nicht der geringste Best unaufgeklärt.
Was zunächst die Umschrift der Hauptseite, das HIR STEID
TE BISCOP betrifft, so ist der Versuch Köhne's, einen Bischofs-
namen Hieroteid zu gewinnen, von den Verfechtern des latei-
nischen zwar auch zurückgewiesen, aber nicht durch einen bessern
1) Die älteste aller ausserdem bekannten Münzen mit deutschen In-
schriften, welche von Dannenberg in zwei Abhandlungen Jin der (Wiener)
Numismatischen Zeitschrift, Bd. II und XYU, zusammengestellt sind, ist der
Bracteat des Markgrafen Otto I. von Brandenburg (1170—1184) mit der
Umschrift: marcgrave otto. Dagegen sind uns aus dem elften Jahrhundert
einige nordische Münzen mit nordischer Sprache erhalten, und ist auf den
Kehrseiten der angelsächsischen Münzen die angelsächsische Sprache die
übliche.
Gittelder Pfennige. 245
ersetzt, und auch das BISCOP würde in einer lateinischen Um-
schrift nur durch die Annahme eines Stempelfehlers zu erklären
sein. Das HIR, welches mir gegenüber als auffallend hervorge-
hoben ist, ist eben die niederdeutsche Form für das hochdeutsche
HIE und STEID ist die noch heute in Niedersachsen gebräuch-
liche Form für das hochdeutsche STEHT *). Die ganze Umschrift,
die Cappe demnach von vornherein richtig erfasst hat, ist ein
Gegenstück zu den späteren lateinischen Münzumschriften : EGO
SVM BERNHARDVS, DVX HEINRICVS EST, MARIIO EST OTTO,
SCS. MAVRICIVS DVX EST und andern, unterscheidet sich je-
doch von diesen wesentlich dadurch, dass der Münzherr in ihr
nicht mit Namen genannt, sondern nur seinem Range nach be-
zeichnet wird.
Mit um so grösserer Oewissheit haben wir in der Umschrift
der Kehrseite, dem lEUTHIS PENING den Namen der Münzstätte
zu erwarten. Das PENING derselben schien Waitz das einzig
deutliche in den sonst so undeutlichen Umschriften und kann
auf keine andere Weise denn als die niederdeutsche Form des
oberdeutschen Pfennig erklärt werden.
In der Form „penting'^ kennt schon die lex salica das Wort;
in dem trierischen Bruchstück derselben heisst es:
feorzug pentinga die ttient sol /.
(lex salica ed. J. Merkel, p. 111.)
Ähnlich lesen wir in den Reichenauer Glossen:
denarius pondus est XXIIL
Bcaz edo pfantinc ist drianti zuuainzuc.
(Graff, Zwei zu Paris und Karlsruhe befindliche Hand-
schriften einer grossen Glossensammlung des achten Jahr-
hunderts. Diutiska I (Stuttgart u. Tübingen) 826. (S. 203)*)
Als drittes Zeugniss ist das Testament des Abts Reeye und
seiner Gattin Heregyth anzuführen, welche von Thorpe in das
Jahr 835, von Birch in das Jahr 833 yerwiesen wird, und welches
die Bestimmung enthalt:
1) Herr Professor Dr. RAdiger hat mir diese Erkl&nmg best&tigt.
2) Ich verdanke den Hinweis auf die Glossen Herrn 8. Alexi.
246 ICenadier:
. . swaele monn sete to minum aerfe foe. thonne gedaeU de
aelcum messe e preoste binnan cent mancus goldes. aelcun Godes
diowe pend. to See. Petre min waergeld twa tkusenda. and
Freodemund fol to minum sweorde. agefede raet feower dusendd.
him mon forgefe deran dreotene hund pending . .
(and whats ower man may succead to my inheritance let him
distribute to every mass-priest within Kent a mancus of Gold, and
every servant of God a penny^ and to St. Peter my wergeld^
two thousand ; and let Freothomund succead to my swerd, and give
there from four thousand; and let given him besides thirteen hun~
drei pence,)
(Tborpe, Diplomatarium anglicum aevi Saxonici. London
1865. S. 471. Birch, Cartularium Saxonicum. London
1885. L nr. 412.
Die in einer Handschrift der Gesetze Alfred des Grossen
(871—901) diesen angefügten Gesetze des Königs Ine von Wessex
(688—725) ') bringen das Wort wiederholt in der Form „paeninga".
44. Gafol-hwitel sceal beon aet hiwisce VT paeninga xoeori.
(a gafoUhwitel from e hiwisc shall be worth VI pe^ice,)
48. Oxan hom bii X paeninga weori,
(an oxes hom shall be worth X pence,)
49. Ouu'hom bii twegea paeninga (wur^, Oxan taege bit
scäl weori, Guus bii fifa (penega). Oxan eage bÜ fif p. weori,
Ous bii scill weord. Mon sceal simle to beregafole agtfa aet anum
wyrhtan six pund-paega,
(a cow*s hörn shall be worth two pence; an oxes tau shall be
oorth a Shilling; a cows shall be ßve pence; an oxes eye shall be
djorth five pence; a cow's shall be worth a shUling. There shall
ilways be given a barleyrent from one wyrhta six pounds.)
(Thorpe, Ancient laws and institntes of England. London
1840. The laws of King Ine. p. 130. 140. 141.)
T^ie nämliche Form begegnet uns auch in angelsftchsischen
.) Keary, A catalogue of english coins the britiBh moseam. Anglo*
Gittelder Pfennige. 247
Urkunden des zehnten Jahrhunderts, in dem Testamente von
Byrhtric und Aelfowyth aus dem Jahre 950:
..he seile X hund. paenega in to See. Andreae for unc
un ere yldran . .
(and let htm give X hundred pence to St. Andreas for uns
and our parents).
(Thorpe, Dipl. angL S. 502.)
und in dem Testamente des Aethelwyrth vom Jahre 958:
V paeninngas to bede . . (Thorpe, Dipl. angl. S. 509.)
Die gleichzeitigen Urkunden des deutschen Reiches bieten
das Wort in zahlreichen Zusammensetzungen. So lesen wir in
einer Speierer Urkunde, die dem Jahre 946 entstammen und von
dem Herzog Conrad von Franken herrQhren soll, und wenn das
auch eine Fälschung sein sollte, nach Waitz^) jedenfalls alt ist:
. . salisque denarium qui alias dicitur steinfenninc atque
pro re denarium, hoc estflichtifenninc^ ast namque vini denarium^
qui Theutonica locutione amfennine, quae tarnen non ex habitatori-
bus iUius civitatis^ sed ab extraneis et de aliena patria venientibus
diligenter sunt acquirenda . . .
(Remling, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu
Speier. I. S. 12.)
ähnlich in einer Wormser Urkunde Otto^s 11:
^ alias utilitates omnes quae infra aut extra urbem pr. in do-
minicum fiscum redigi cdiquo modo potuerant in banno quod pen*
ningban vulgariter dicunt . . .
(Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis. I. 23.)
desgleichen in einer Mainzer Urkunde Otto's III:
et banno sub territorio eiusdsm civitatis et in locis contiguis,
dehinc eo banno quod vulgariter bannpenninck dicitur..
(de Guden, Codex diplomaticus. I. 13.)
und in einer Speierer Urkunde Heinrich's Y:
nummos qui vulgo banpfenning cum Ulis quos appeUarunt
sehutzpfenning ^
1) Waitz, Deutsche VerfassungsgeBchichte. YIII. 279. Demselben
sind die folgenden Citate entnommen.
Zeitschrift für ^NuuiiaiuBtik. XVI. 17
248 Menadier:
(Bemling, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu
Speier. I. 89.)
Vielfach findet sich das Wort auch in der einzigen deutschen
Urkunde der sächsisch -salischen Kaiserzeit, der Heberolle des
Stiftes Freckenhorst^) in Westfalen, die von Höfer auf Grund
diplomatischer Beobachtungen in den Anfang des elften Jahr-
hundert gewiesen, ihrer Sprache nach aber als die Abschrift eines
noch älteren Originals bezeichnet wird. Als Belege möge es
genflgen, die folgenden Ansätze derselben herauszuheben:
. . ende en auin aestein pennig go uuerht . . .
. . ende tue suein iro jehuethar ahte penniggo werkt. ..
. . ende tue suein iro gelmethar ahte pinnig go uuerht . . .
. . te uphuson Tetiko enon sciUing penningo , . ,
. . kazi aestein penninga . . .
. . JEfizel an themo aeluon tharpa aea penninga. . .
Endlich gilt es noch eine Mttnzumschrift anzuführen, welche das
Wort enthält: die in Runen geschriebene Umschrift eines dänischen
Pfennigs des 1878 bei Graslid in Thydalen in Norwegen ge-
hobenen und gegen 1070 vergrabenen Fundes, welche:
ASKEL . LOPENEG : TIiEN
lautet und von Bergsoe ^) wohl richtig gedeutet wird : „Askel besitzt
diesen Pfennig^'. Dadurch dürfte dasDeutschthum auch desPENING
der hier zu erklärenden Mfinzumschriften hinlänglich bewiesen sein.
Das demselben voraufgehende S ist das Zeichen des Genetiv
und das ganze lELTTHIS der gesuchte Namen der Mflnzstätte im
Genetiv, dessen Nominativ lEUTHI oder lEUTHE gelautet haben
muss. Derselbe stimmt mit dem Gelithi der Urkunde des Königs
^tto I. vom Jahre 653 in der wünschenswerthesten Weise fiber-
'fU ienn der einzige Unterschied zwischen beiden, der Wechsel
) Dorow, Denkm&ler alter Sprache und Kunst. I. 1. (Bonn 1828) 3/8.
ni ^erdanke den Hinweis aof diese Urkunde Herrn 8. Alezi.
^jBerfcsoe- Zur norweds'^hen und dftnisehen Mflnxlmnde. Z. f. N.
Gittelder Pfennige. 249
zwischen I und G ^) ist uns auch bei andern Ortsnamen, vor allen
dem Jever's bezeugt, der auf den daselbst vom Herzog Bern-
hard n. von Sachsen (1011 — 1059) und des Herzogs Ordulf
Bruder Hermann (f 1086) geprägten Münzen*) stets mit einem G
beginnt. Mit der kehrseitigen Umschrift: * GEFRI DENARn»)
bieten diese Münzen Bernhards zudem ein vollständiges Gegen-
stück zu dem: + lEUTH IS PENING und verleihen unserer Er-
klärung des letztern eine neue Stütze. Damit ist dieselbe aber
auch wohl allseitig und für Jedermann bewiesen.
Nach ihrem eigenen Zeugnisse also sind die Denare Pfennige
des bischöflichen Ortes Gittelde. Damit stimmen die übrigen zu
einer Bestimmung geeigneten Merkmale dieser Gepräge aufs treff-
lichste zusammen. Denn wenn zunächst Dannenberg auf die
nahe Verwandtschaft derselben mit den Denaren des Saracho von
Corvei hinweist und sie auf Grund dieser, als in der Umgegend
von Corvei geprägt bezeichnet, so ist zu bemerken, dass Corvei
in Westlicher Richtung die Gittelde zunächst gelegene Münzstätte
war. Wenn sodann Grote mit Recht die Erfurter Denare der
Erzbischöfe Aribo (1011—1031) und Bardo (1031—1051) von
Mainz für den in Rede stehenden ähnlich erklärt, so war Erfurt
nicht minder die nächste Münzstätte von Bedeutung nach Südosten
hin. Wenn endlich auf einem demnächst zu besprechenden Denare
dem bischöflichen Brustbilde der Gittelder Pfennige die Umschrift
1) Man beachte auch den Wechsel zwischen Jehaethar'^ und Mgehuethar"
in den obigen Auszügen der Freckenhorster Heberolle. «
2) Dannenberg, Die deutschen Münzen der sächsischen und frän-
kischen Eaiserzei t. No. 593. 597. — Hooft van Iddekinge, Friesland
en de Friezen in de Middeleuwen. Leiden. 1881. — Tergast, Die Münzen
Ostfrieslands. I. (Emden. 1883.) 17 fg.
8) Denarius findet sich ausserdem noch in der Umschrift eines Pfennigs
des Robert IL von Flandern (1093/1111): ego svn de (narius), (Dbg. 155),
▼on Pfennigen des Balduin von Flandern (989/1036): bonvs denari (us)
(Dbg 145) und eines Pfennigs des Bischofs Albero I. von Lüttich (1120 bis
1128): DENARis (Dbg. 215). Das gleichbedeutende moneta tragen die De-
nare Dbg. 142 (Brüssel), 165 (Albert UL von Namur), 186 (CeUes, Hein-
rich m.), 222 (Huy, Otto L), 267 (Viset, Otto HL), 1145 (HRARIBINTIAIA
MONETA) und 1178 (HEINRICVS MOfETA. Umgegend yon Maestricht).
17»
250 Menadier:
der Goslarer Münzen mit den Namen der beiden Heiligen Judas
und Simon beigefügt und ihm eine Gegenseite mit einem Königs-
kopfe nach Goslarer Vorbild beigegeben ist, so kann auch das
nicht befremden, da Gittelde und Goslar nur wenige Meilen von
einander entfernt liegen.
Selbverständlich ist es ohne Belang, dass die Münzauf-
schriften von einem Bischof sprechen, während doch die Gittelder
Münzstätte in erzbischöflichem Besitz stand: zahlreich sind ja
die Belege dafür, dass sich die Erzbischöfe einfach als Bischöfe
bezeichneten. Auch ist dem Einspruch kein sonderliches Gewicht
beizulegen , dass bei den an erster Stelle verzeichneten Pfennigen,
welche in Anlehnung an die Otto-Adelheid Denare entstanden,
als die ältesten der ganzen Reihe anzusehen seien, die Umschrift
in dem hier vertretenen Sinne dem Bilde nicht entspreche, mit-
hin anders zu deuten sei und zwar nicht nur auf diesen, sondern
folgerichtig auch auf den übrigen Jüngern, die zwar die ge-
wünschte Übereinstimmung zeigen, aber doch nur die Umschrift
der ersteren unverändert übernommen haben. Denn weder ist
der behauptete Widerspruch einzuräumen, da die Hand mit dem
Bischofstabe den in der Umschrift genannten Bischof sehr wohl
zu vertreten geeignet sein dürfte, noch ist zuzugeben, dass die
Denare mit der Pedum haltenden Hand unbedingt die ganze
Beihe eröffnet haben. Da vielmehr die sämmtlichen Funde,
welche nachweislich einige der vorliegenden Denare enthalten
haben, sehr tief in das elfte Jahrhundert herabreichen, indem der
Flind im Wesenberg'schen Münzen des Bischofs Wilhelm von
Utrecht (1054—1076), und Konrad von Speier (1056-1060)*),
der Fund von Selsoe Münzen des Erzbischofs Lupoid von Mainz
(1051—1059), Anno von Köln (1056—1075), des Bischöfe Kon-
rad von Speier (1056—1060), und des Königs Sween III. Estrith-
son^), der Fund von Vossberg Münzen des Erzbischofe Anno von
1) Menadier, Deutsche MittelaltennOnzen aus den rassischen Ostsee-
provinzen. Z. f. N. XIV.
2) Dannenberg, Zwei Münzfonde des zehnten and elften Jahrhonderts.
Z. f. N. XL
Gittelder Pfennige. 251
Köln (1056—1075), des Bischofs Wilhelm von Utrecht, des
Markgrafen Udo 11. von Stade (1057—1082) und des Erz-
bischofs Wezilo von Mainz (1084—1088)^), der durch v. Köhne
in Moskau erworbene Fund Münzen des Abtes Saracho von
Corvey (1056—1071) und des Grafen Ekbert IL von Friesland
(1060—1090)*), der Fund von Lupow Münzen des Spitignew II.
von Böhmen (1055—1061), Andreas von Ungarn (1047—1061)
und Eduard des Bekenners von England (1042—1066), und der
Fund von Londzyn Münzen des Erzbischofs Siegwin von Köln
(1079—1089), des Bischofs Hermann von Metz (1073—1090) und
gar des Königs Stephan von England (1135 — 1154) enthielt^), so
hat man Acht zu geben, dass man denselben nicht ein zu hohes
Alter zuschreibt, und die Möglichkeit festzustellen, dass ihnen
allen zufällig in keinem einzigen Stücke uns erhaltene Pfennige
voraufgegangen sind, welche v^ie die Jüngern in voller Überein-
stimmung mit der Umschrift das Bild des Bischofs gezeigt haben.
Noch bleibt, um diese Gittelder Pfennige von allen Seiten
zu betrachten und all ihre Bestandtheile aufzuklären, eine Frage
zu erörtern, nämlich die nach der Person des weltlichen Herrn,
dessen Brustbild die Jüngern tragen. Da es ausgeschlossen ist,
dabei an den deutschen König zu denken, so bleibt uns nur der
Vogt. Ausgenommen vielleicht die Halbbracteaten des Erz-
bischofs Heinrich und des Siegfried^), erscheint freilich unter allen
bisher bekannten auf keiner weitern Münze der Erzbischöfe von
Magdeburg Bild und Namen eines Vogtes und auch urkundlich
ist ein derart weitgreifender Einfluss eines Vogtes für das Erzstift
1) Ramas, Beretnbg om en samling af gamle Mynter fimdne i Jorelen
i Sjaelland i Sommeren 1822. Skandinavisk Litterator Selskabets Skrifter.
XX 151.
2) ▼. Köhne, In Rassland gefundene MOnzen des elften Jahrhonderts.
Z. f. M. 8. Wkd. N. F.
3) Die Funde von Lapow und Londzyn werden im n&chsten Jahrgang
der Z. f. N. Terzeichnet werden.
4) Dannenberg, Der Münzfand von Dessau. Mittheilangen der namis-
matischen GeseUschaft in Berlin. U. (Berlin 1850) 105. T. VI. 8/10. —
Dannenberg, Die deatscben Mflnzen der sächsischen and fränkischen
Königueit. Nr. 660. 661.
252 Menadier:
nirgends bezeugt: trotzdem kann ein Vogt anf den Gittelder
Münzen nicht sonderlich befremden; denn für diese von dem
übrigen erzstiftischen Gebiete vollständig getrennte und femab-
liegende Besitzung sind jedenfalls von den übrigen abweichende,
eigenartige Verhältnisse und insbesondere eine gesteigerte Macht
des Vogtes vorauszusetzen.
Daran würden wir uns indessen genügen lassen müssen, da
in den bereits im voraufgehenden abgedruckten Urkunden von den
Vögten in keiner Vt^eise gehandelt wird, und wir ausser diesen
keine weitere urkundliche oder annalistische Nachricht über
Gittelde und seine Beziehungen zu Magdeburg unter den
sächsischen und fränkischen Königen besitzen, wenn uns nicht
eine zweite Gruppe von Münzen zu Gebote stände, welche sich
an die bisher behandelten unmittelbar anschliessend volle Auf-
klärung schaffen. Es sind das die Denare des Vogtes Dietrich,
die kaum minder bekannt und weniger umstritten sind, als die
altern Gittelder Pfennige und sowohl geeignet sind, das letzte diese
1) (Erb stein) Catalog der Sammlung Bildt. II. 4701. —W.G.Becker,
Zweihundert seltene Mflnzen des Mittelalters. (Dresden. 1813.) Nr. HO.
— H. Grote, Denar, vielleicht einer Äbtissin von Essen. Blätter fOr Mflnz-
knnde II. (1886) 49. Taf. 3. 30/31. — Thomsen, Über die angeblichen
Münzen der Äbtissin von Essen. Bl. f. Mk. II. 216. Daza eine Be-
merkung Ton H. Grote. — Leitzmann, Goslarische Mflnzen. Numisma-
tische Zeitung. Weissensee. 1843. S. 120. — Cappe, Berichtigongen und
Beitr&ge zu Becker's 200 seltenen Münzen. Numismatische Zeitung.
Weissensee. 1846. S. 33. — v. Posern-Elett, Einige Bemerkungen
zu den Berichtigungen und Beiträgen zu Becker's 200 seltenen Mflnzen
Yom Hm. H. Ph. Gappe in Nr. 5 d. Bl. N. Z. 1846. S. 64. — Bode, Das
ältere Münzwesen der Staaten und Städte Niedersachsens. (Braunchweig.
1847.) T. 3. 1. — Dannenberg, Zur Mflnzkunde des zehnten und elften
Jahrhunderts. Mittheilungen der numismatischen Gesellschaft in Berlin.
1859. S. 233. — Cappe, Beschreibung der Mflnzen Goslars. (Dresden.
1860.) S. 12. Nr. 52. a. T. 5. Nr. 48. -— Leitzmann, Besprechung des
Cappe'schen Werkes. Num. Ztg. 1860. S. 57. — Th. Stensel, Zur Ge-
schichte des Anhaltischen Münzwesens. Numismatische Studien. (Leipiig.
1876.) S. 2. T. 1. 4/6. — Dannenberg, Die deutschen Mflnien der
sächsischen und fränkischen Königszeit. (Berlm. 1860.) S. 267. Nr. 688/690
Gittelder Pfeimige.
253
umgehende Dankel zu erbellen, als auch ihrerseits too ihnen
neues Licht erhalten. Bekannt sind von ihnen die folgenden
fünf Typen:
6. GOSLARIVM. Ein Thunngebäude , beetehend aus zwei
seitlichen ThOnoen mit einer Blume auf spitzem Dache
und einem mittlem kreuztragenden Giebel und um-
schlossen von einer Mauer mit einem Thor in der Mitte.
+ THEDERICVS AD. Das Brustbild des Vogtes in Vor-
deransicht, der die linke Hand erhebt und mit der rechten
ein Schwert hält (im Königlichen MQnzcabinet; Dbg. 688).
7. + A(HRTV)ICHEDG. Ein Thunngebäude, bestehend ans
einem hohen Mittelthurm mit einem Ringel inmitten
der Wand und zwei Dächern übereinander und zwei
Seitenflügeln mit je einem Bogenfenster und einem
kleinen Spitzthurm und umschlossen von einer Mauer
mit einem Thor in der Mitte. + THEDERICVS AD Das
— CaUlt^e de la coUection de moDDues de feo Cbr. J. Thomien. n. Lm
mosiuueB du mojaii-f^. (1873.) Nr. 6831. — Wolfitieg, Verbssnogsge-
idiiclite TOB OoBlkT bis inr Abfounng der Sutaten and des Bergrechte!.
(Berlin. 1885} S. 34. Anmerk. 16. — Hen&dler, VerlundlangeD der nomli-
matiKlieD QMeUschAft la Berlin. SiUnoK Tom 1. Hin 1886.
254 Menadier :
Brustbild des Vogtes, dessen Gewandung ein wenig ab-
weichend von der des vorigen angeordnet ist (im König-
lichen Museum).
7*. Der mittlere Thurm des Gebäudes trägt keinen Ringel,
die Dächer der Thürme sind abweichend gestaltet
(Dbg. 689).
8. AHRTV(ICH)EDIC Ein Thurragebäude, bestehend aus
einem Giebelbau mit einem Ringel, an das sich unter
rechtem Winkel zwei Seitenflügel mit je drei Bogen-
fenstern anschliessen , und drei hinter diesen sich er-
hebenden Thürmen, über denen zwei Ringel und vier
Kugeln angeordnet sind. — Dieselbe Kehrseite. (Im
Königlichen Münzcabinet Dbg. 690. Vgl. Qrote Bl. f.
Mk. n. T. 3. Nr. 31.)
9. + LARSH////////////// Ein Thurmgebäude über einer Mauer
mit einem hohen kreuztragenden Mittelthurm, an das
sich links ein Langhaus mit hohem Satteldach, rechts ein
niedrigeres Langhaus mit kleinem Thurm anschliesst. —
Dieselbe Kehrseite. (Stenzel, Numismatische Studien. Li,)
10. + A(HRTVICH)EDG. Ein Thurmgebäude, bestehend
aus einem hohen Mittelthurm mit einem A inmitten der
Wand und zwei Seitenflügeln mit einem Bogenfenster
und kleinem Thurm und umschlossen von einer Mauer
mit einem Thor in der Mitte. — + (THE)DERICVS AD
Das Brustbild des Vogtes in Vorderansicht, der mit der
rechten Hand ein Kreuz hält, während ein zweites Kreuz
im Felde über der erhobenen linken Hand angeordnet
ist. (Stenzel, Numimatische Studien. I. 6. Vgl. Grote,
Bl. f. Mk. IL T. 3. Nr. 30. Dannenberg bezweifelt wohl
mit Unrecht die Richtigkeit dieser Zeichnungen.)
Eine Ortsbestimmung enthalten unter allen diesen Münzen nur
die der ersten Gattung, und zwar nennen dieselben Goslar. Es liegt
daher zunächst, bei dem Thedericus, der durch den Zusatz AD un-
zweifelhaft als Advocatus bezeichnet wird, an einen Goslarer Vogt
zu denken, dessen Beamtung kurz vor der Zeit, welcher die Diet-
Gittelder Pfennige. 255
richsmttnzen angehörea, dnrch Heinrich IV. eingeftthrt worden
war, da im Jahre 1073 ein Bodo als solcher genannt wird •).
Zu Gunsten einer derartigen Annahme lassen sich zunächst
die hier abgebildeten merkwürdigen einseitigen Gelbkupfer-
Prägungen') geltend machen, von denen die vier ersten einen
Eönigskopf innerhalb der Umschriften:
a) + B . HHO ME VECIT (im Königlichen Mdnzcabinet)
b) BENNO ME VECIT (im Besitz des Herrn Professor
Busson in Innsbruck);
c) T + . IDJV 3MOWI3a (im Besitz des Herrn Major
Wegener in Braunschweig);
d) + VcüNQ + HEIOCEUT (im Königlichen Mönzcabinet);
die fünfte die bekannten Brustbilder der beiden Goslarer Stifts-
heiligen und die Omschrift:
e) + HENRCVS REX
1) Lambert! annalea. a. 1073 (H G. VII. S». T. p. 205). Ent qoidam
Qosluifte praefectuB, Bodo nomine, regi tempore pacis acceptissbann, nanc
qnoqne tnrbata re publica fidem inviolaUm ei Berrana, occnlte tunen metn
Saxonam, oe deprebeosus factione vnlgi omnia Boa amitteret, — Ad*ocatna
Goslarienaia wird er genannt in einem Briefe des Biacho& Hetilo an Hein-
rich IV bei Sndendorf, regiatrum oder merkwtlrdig« Urknnden fOr die
dentache Geschichte I (Jena 1849) U.
3) Dannenberg, Die deatsehen HttnEen der aichBischen nnd frftnkiichen
Kaiaerzeit. 759. — A. Me;er, Die Hansen der Stadt Dortmund. (Sonder-
«bdrnck ans der Numiamatiachen Zeitschrift. Wien. 1683.) S. 36. Nr. 14. —
Hfln ad i e r, Terhandlangen der nnmiamatiBchen ßeBellschaft za Eterlin.
SlUnngen am 1. Hari 1886 und 4. JoU 1687.
2M
tiigL WesB avk die Bo^sUbai des letzta Stick» öh
wenig dtaner wad zmüeber, ik die der thrigea, m kos es
dcanoefe Biekt zwnfdhift len, dts dies mit jeMS iw— e» -
gdritot D>d iB dendbea WerfcsUtt ertataada isL Es gikt
dies abgfesdieii tob lUem Bbrigen aekim iDn aas dca ^Pnder-
qwehe berror, wddter aaf jenea wie aaf diesen ivüeka
Bild Bild ÜBisduift besteht, tDdem der «of des GefrSga nit
dcoi KDaigikopfe za enrarteade KdaigauiMW dartk dm des
Benno rerdrfatgt ist aad statt desaoi das smst aie fcU cade
SCSIVDASSIMON verdrisgoddmBBnistlnldCTU^idL Siut-
licb trageB sie auf der Kehrseite an zwei dBasder eatgt^age-
setzteB Pnnkten die Sparen einer frtbeni Lothang, so dass sie
höcbst wahrscheiDlich, ebenso wie der ihnen ^ddtxeilige 'Kafiei-
knietest') mit dem Kopfe and Namoi des Kiteigs Heinci^ der-
einst als ScbmockstBck gedient habes, sei es bob dass üe iigeBd
wie aof einem Ger&the befestigt gewesen sind, sei es dass sie
mit eiaer Nadel versehe» zum Heften der Kleidnog beiuitzt
worden sind. Diese Verwendung ist jedoch fOr ihre Stempd
im Gegensatz za dem des Bracteaten jedenblls nor tob secan-
därer Bedeatong gewesen, da sie nicht die SelbstJbidiglceit in-
seitiger OeprSge besitzen, sondern aof einander berechnet und
and sich wechselseitig egänzen Bod erU&ren, wie Hanpt- und
Kehrseite einer Mflnze. Mag man sich daher nnn dahin ent-
scheiden, dass diese Knpferst&cke ursprünglich ProbeprSgongen
gewesen, die hinterdrein zu Schmnckstacken verwandelt worden,
oder mag man der Annahme den Vorzug geben, dass sie e^ens
1) A. T. gkllet, Die Enrat1>ttageii des EOni^dien HftnicabiBata warn
1. April 1886 bU t. April 1667. Z. L N. XT. 83.
Gittelder Pfennige. 257
für diese, durch die Lothe bezeugte, Verwendung geprägt sind:
jedenfalls gehören die Stempel der Münzprägung an. Freilich
ist uns keine einzige wirkliche Münze erhalten, welche mit
diesen Stempeln geprägt; aber bei dem Zufall, welcher in der
Erhaltung der alten Denkmäler, insonderheit der Münzen waltet,
hat dieses Fehlen eines zur Erbringung eines vollen Beweises
allerdings wünschenswerthen Objectes schwerlich sonderliche Be-
deutung gegenüber den uns thatsächlich erhaltenen Gegenständen.
Besteht aber ein derartiger Zusammenhang zwischen den ein-
zelnen Kupferstücken und sind sie mit zusammgehörigen Münz-
stempeln geprägt, dann ergiebt sich des weitem, dass sie nicht
in Dortmund, wie früher angenommen wurde, sondern nur in
Goslar entstanden sein können, und wird man kaum umhin
können, in dem auf ihnen genannten Benno jenen merkwürdigen
Mann anzuerkennen, der, ein schwäbischer Priester, sich zuerst
als Lehrer in Speier auszeichnete, von dort durch Kaiser
Heinrich III. nach Goslar gezogen, bald darauf vom Bischof
Azelin an die Spitze der Domschule zu Hildesheim gestellt
wurde, diesem in den Krieg gegen die Ungarn folgend sich
durch seine Tüchtigkeit auf jedem Gebiete die grössten Ver-
dienste um Kaiser und Reich erwarb, nach seiner Bückkehr zum
Domprobst ernannt, die weltliche Verwaltung des Hildesheimer
Stifts leitete, dann gleichzeitig Erzpriester am Dom S. Simon
und Juda zu Goslar und kaiserlicher Vicedominus ^) und der ver-
trauteste Bathgeber des jugendlichen Heinrich IV. eine be-
deutendere Stellung einnahm, als je vor oder nach ihm ein
anderer Verwalter des kaiserlichen Besitzes in Goslar, hinter-
drein für kurze Zeit durch den Erzbischof Anno mit der Ver-
waltung des Erzstiftes betraut und im Jahre 1067 durch den
VTillen des Königs auf den Osnabrücker Bischofstuhl berufen,
dem eigenen Gebiete die grössten Segnungen verschaffte und in
unerschütterlicher Treue dem Könige bis zu seinem im Jahre
1) Als Vicedominus bezeichnet den Benno die Adresse eines Briefes bei
Sudendorf, Registrum III. 15.
258 Menadier:
1088 erfolgten Tode ergeben blieb ^). Als Geistlicher und Gelehrter,
als Landwirth und Baumann, als Staatsmann, Richter und Ver-
waltungsmann gleich ausgezeichnet, das Kleine wie das Grosse
mit derselben Umsicht und demselben Eifer betreibend, hat er
zu Goslar ohne Zweifel dem Bergwerks- und Münzwesen, dem
bedeutendsten Betriebe daselbst und der vornehmlichsten Ein-
nahmequelle für Kaiser und Reich die eingehendste Sorgfalt
zugewendet, wie wir auch mit gutem Grunde zu vermuthen
haben, dass die ältesten Osnabrücker Pfennige mit dem Namen
der Stadt auf seine Veranlassung geprägt sind.
^) Vita Bennonis 11 episcopi Osnabragensis auctore Norberto abbate
Iburgensi (M. G. H. XIY. Ss. XU.):
5, Quomodo Benno /actus sit scholarium maguter in civitate
Hüdesheimensu
Itaque Heinricum imperatorem deinde in Saxoniam secutus^
cum viUam Goslariam iUe operosis impensis et regio facta ampli-
ficare coepisset, solito se ibi studio morumque probitate demonstrans^
optimatibus terrae ülius in brevi est cognitus, et honestissima con-
tentione quaesitus^ cuius poiissimum dominio stresse deberet
7. Quomodo Benno factus sit praepositus Hüdesimensis ecdesiae
ac arcUpresbyter in Goslaria.
Reversus igiiur ad suam sedem incolumis episcopus cum so-
ciis^ tantis cum honoribus^ ubicunque sibi oportunum et possibüe
reperisset, ampliavit et donisy ut merito praedpuus haberetur apud
omnes et clarus. Adeo enim ea iUo tempore res suae prosperare
et felices esse coeperunt^ ut in eadem ecclesia postea constitutus
praepositus totius etiam episcopatus curam administrare cogeretur,
Huius itaque dispensationis non minus strenuus quam fidelis exe*
ctUor, et in väla Goslaria in archipresbyteratus ordine synodalis
negotii non segnis exaetor^ tanta se modestiae districtionisque et ae-
mitatis arce locaverat, ut regiae quoque domus administrationi
,i4erf^Hr esse idoneus,
10. De Bennonis viUicandi eajferientia,
J^racccT tos autem^ quos enum^are longum est^ in eo sitos ex-
^"*in^ usus^ summarum utique rerum administratione dignissi"
f^ rut e* et leviorum admirabilis peritia. VUlicandi etiam
.* ,u. --. .*«♦**" n^^p» pr^^e^i* Q^'ue -^^Aice* »•» aedifieiis eon"
Gittelder Pfennige. 259
Was wir jedoch für einen derartig ausgezeichneten Staats-
mann und hervorragenden Beamten nicht Anstand nehmen, zum
mindesten für sehr wahrscheinlich zu erklären, haben wii* grosse
Bedenken zu hegen, ohne weiteres auf seine Nachfolger zu
Goslar, die Reichsvögte zu übertragen. Der Namen des zuerst
als solcher im Jahre 1073 genannten Vogtes Bodo, der in der
goslarischen Familie de Gapella mehrfach vorkommt, scheint zu
struendisy iurnentis et pecoribua educandis, agris aerendis^ aliarumve
rerum rusticarum constare videtur quacunque cuUura: quam tarnen
non U8U constat eum didicisse^ aed arte^ ut haec paene eo nemo
curaret solertius, nee hie feliciua ahundaret. Porro in sohdione
reddituum quos annua deposcü exactio manifestum est,, iUum fuisse
acerrimum, ita ut plerumque verberibus affedos debitum suum rusti-
cos persolvere compulisset; quod ei profecto facile indulserit^ et
pro summa necessitate fecisse concesserit^ quicunque huius terrae
homines norit eorumque durisssimam inßdelitatis et verstttiae cogitur
tolerare nequitiam
IL Quomodo Benno in Goslaria regia auctoritate sie palatio prae-
fuit^ quod non solum ecclesiastica^ sed et publica negotia stre7iue
dispensaret.
Fuit itaque apud Heinricum adhuc puerum quartum huius
nominis regem vehementer acceptusy eiusque pene arbitrio infra
palatium omnia gerebantur^ sed et popularibus turbis non minoris
est habitus^ dum sibi ab illo quivis speraret vel in culpa indulgen-
tiam vel in necessitate subsidium. Denique villae Goslariae duplici
potestate praelatus^ una qua ecclesiastica auctoritate synodalia exa^
minabat^ altera qua regia maiestate publicis negotiis praesidebat,
muUoties in culpa una et ab eadem persona duplici debuit satis"
/actione placari^ dum quae Dei erant Uli reddebant^ idemque ipse
quae caesaris erant pro commissa cura dispensare debebat. Prae^
terea autem architectus praecipuus^ caementarii operis solertissimus
erat dispositor^ qua etiam ex re regi supradicto inseparabüi ßiit
familiaritaie semper addictus. Jam tum enim Saxonici beUij quod
adhuc iam tanto tempore mundum demoliri ingemimus^ eaordia
pullulare coeperunt, quod rex ille non ignorans totam Saxoniam
castellis novis et firmis coepit munire^ defectionemque perßdorum
antidpare temptabat munitione terrarum^ cui rei maturandae et
260 Henadier:
bezeugen, dass der Beichsvogt schon in dieser Zeit regelmässig
ans einem der in Goslar selbst sesshaften freien Geschlechter
vom Könige genommen wnrde'). Es bedarf daher starker, toII-
gQltiger Beweise, bevor man sich bereit finden darf, den Goslarer
Vögten Münzen beizulegen. Ein solcher wäre, wie immer er
nur gewünscht werden könnte, geliefert durch die in einer
ziemlichen Anzahl und in einigen StempelverschiedenheitCD durch
den Fuud von Santerslebeu zu Tage getretenen Pfennige des
Goslarer Typus mit dem Namen Hermann:
4- HEREMANIVS . Brustbild eines weltlichen Herrn
in Vorderansicht, der mit der rechten Hand ein Fähn-
iein schultert, mit der linken aber einen Gegenstand
hält, der einem Reichsapfel mit einer Lilie auf der
Spitze ähnelt. — + S — SS(IM)ONIVG Die Bmatbilder
der Goalarer Heiligen, über denen ein Kreuz ange-
ordnet ist. (Dannenberg, Die deutschen Mfinzen der
sächsischen und fränkischen Kaiserzeit. Nr. 691.)
däiffenter exequendae dominum Bennonem praeesee cofutäutf, eciena
ee huius rei non habere fideliorem, nee ad hoc mumu e^eqwndum
magis industrmm. Poterat enim eiua in hoc re summa peritia
ex Hitdesheimenai, vM tane praeposiiua fuit, structura dignoaci,
cuitu ibi moffisterio a piae memonae Hecelone, eiua loci epiacopo,
tot egregia aedißda constat esse conttructa. Hoc itaque caeUritque,
qxtaa in eo diximua eitaa, virtute conapiama, exteria guoqve poten-
tiinta et dominia fama vulgante coepit eaae aepetütüia; prttdetOi qiäppe
consüio cuncta exteriora, exigva licet et frivola, dupensare caüebat,
ita ut plerumgue Oiam pauperetUia rebua ab amieia adhibitua mttUo-
*wn divitiaa eleganti inditetria fretua aequaret.
Gittelder Pfennige. 261
•
WeDD es nur möglich wäre den auf ihnen genannten Hermann
für identisch zu erklären mit dem Goslarer Vogt des Namens^),
welcher in der fiber die Erneuerung der Schenkung einer Gapelle
zu Ehren Christi und der Maria durch den Goslarer Domherrn
Sidagus an seinen Verwandten Rudolf vom Bischof Bernhard von
Hildesheim im Jahre 1147 ausgestellten Urkunde mit den Worten
genannt wird:
Fecit autem harte donationem tempore reverendi praedeceseoris
mei Berchtoldi Episcopi*)^ qui proximus ante me Hädesheimeneem
Eccleaiam regebat ^ quam post obitum eine ego Domino auctore
gubemafidam suscepi, et tempore Herimanni advocati in eorum
praesentia simulque civium Goslariensium,
(Joh. Mich. Heineccii. Antiquitatum Goslaiiensium et vicina-
rum regionum libri sex. (Francofurt 1707.) lib. H. p. 145).
und nach Heineccius (a. a. 0. 220) ausserdem in einer Urkunde
des Jahres 1120 auftritt. Allein diese Münzen sind doch wohl,
wenn auch nur um einige wenige Jahre, zu alt, als dass man
sie mit diesem Vogte Hermann in Verbindung bringen dttrfte;
und da das Gepräge der Kehrseite keineswegs die Prägung in
Goslar selbst zur Vorbedingung hat, sondern nur ihre Entstehung
in dem Umlaufsgebiet der Goslarer Münzen beweist, so begeht
man gewiss keinen Irrthum, wenn man sie dem Grafen Hermann
von Winzenburg zuschreibt, dem einzigen unter allen Grossen
des Sachsenlandes um die Wende vom elften zum zwölften Jahr-
hundert, welcher den Namen Hermann geführt hat.
1) Dass Cohn, Forschungen eot deatschen (beschichte VI. 585, den Her-
mann dieser Urkunde mit Unrecht fOr den Vogt des Domes erklärt und als
solchen mit Hermann yon Winzenburg identificirt hat, was schon Weiland
a. a. 0. S. 27, Anm. 2 henrorgehoben hat, ergiebt sich unzweifelhaft aus
der Betrachtung, dass die Worte: Herimanni advocati in eorum praesentia
simulque ciTium Goslariensium offenbar zurückgehen auf die Eingangsworte
der Alteren Urkunde. Dieselben dürften der Ton Heineccius (S. 221) beige-
brachten Formel: ,Nos adfocatus et consules cum universitate Burgensium
in Ooslar . . .* Ähnlich gelautet haben und haben mit adTOcatos unzweifel-
haft den ReichsTogt bezeichnet.
2) Bischof Berthold ?on Hildesheim regierte 1118—1180.
262 Menadier:
Auch Über die vermeintlichen Münzen Goslarer Vögte der
spätem Zeit besteht wohl kein Zweifel mehr. Die für den in
den Jahren 1152—1163 als advocatus goslariensis auftretenden
Anno von Heimburg ^) in Anspruch genommenen Halbbracteaten
sind älteren Ursprungs und gehören sicher dem speierisch-wormser
Münzgebiet an. £benso wenig haben die Arnstedter und
Falkensteiner Bracteaten mit Goslar zu thun: jene sind in Barby
geprägt, woselbst die Herren von Arnstedt als Vögte der Abtei
Quedlinburg bezeugt sind; diese weisen in den Umschriften
nicht nur die Bezeichnung als HERODIVS DENARJVS und des
Münzherrn als D(omni)N(u)S, sondern auch den Namen der Münz-
stätte: CIEniAS BORNE auf). VTenn dagegen die Beizeichen
1) H. Ph. Cappe, Beschreibung der Münzen Ton Goslar. S. 31 fg.
2) Diese beiden Gruppen werden behandelt von: Seel&nder, Kartze Vor-
stellung einiger Schutz- oder Schirmyögte . . . Zehen Schriften yon Teutschen
Münzen mittlerer Zeiten. (Hannover 1743.) S. llfg. — Haren berg, Histo-
ria ecclesiae Gandersheimensis (Hann. 1734.) T.^YII. 7/8. — Numophylacium
Molano - Boehmerianum. (Gelle 1794.) IL 50. — Scheid, origines Guel-
ficae. III. (Hann. 1752.) T. 19 ad pag. 232. — Mader, Zweiter Versuch
über die Bracteaten. (1808.) S. 20. Nr. 5. — Orot e, Blfttter für Münz-
kunde I. (1834.) S. 19. T. 4. Nr. 66. — Grote, Zns&tze und Berichti>
gungen VIII. Bl. f. Mk. I. Nr. 36. — Leitzmann, Brakteatenkunde.
N. Z. 1859. S. 189. Nr. 22. T. 4. — Leitzmann, Über die Braktea-
ten der Goslarischen Schutzvögte. D. Vogt des Klosters Reichenberg.
Num. Ztg. VIII. (1841.) S. 139. — Schönemann, Zur Vaterländischen
Münzkunde. (1852.) S. 6. — Leitzmann, Münzfund. Num. Ztg. XXVI.
(1859.) S. 189. Nr. 22. T. 4. ~ Dannenberg, Ein Fund niederdeutscher
Bracteaten. Ztschr. f. M. S. W. K N. F. (1859/62.) S. 297. Nr. 48. —
Stenzel, Münzfund (yon Freckleben). Num. Ztg. XXVI. (1859.) S. 127. —
Leitzmann, Bracteat eines Herrn yon Amstete als Voigt. Num. Ztg. XXVII.
(1860.) S. 145. — Leitzmann, Münzen der Grafen yon Falkenstein. Num.
Ztg. XXVII. (1860.) S. 153. — H. Fh. Cappe, Beschreibung der Münzen
yon Goslar. (Dresden 1860.) — Leitzmann, Nachträge zu den Bracteaten
^us dem Freckleber Funde. Num. Ztg. XXVIII. (1861.) S. 41. — Grote,
f^rakteaten yon Goslar und Quedlinburg (aus dem Freckleber Funde). Münz-
studien II. (1862.) S. 935 fg. T. 33. — Stenzel, Der Bracteatenfnnd yon
i^'reckleben im Herzogthum Anhalt (Berlin 1862.) — Grote, Die syste-
jiatische Anordnung der modernen Münzen. § 20. Anordnung der nord-
deutschen Bracteaten. Münzetudien VII. (1868.) S.818 Anm. — Dannenberg,
"T'-'iirte Mittelaltermünzen. Goslar. Berl. Bl. f. M. S. W. K. IV. (1868.)
",i. »htf TT '^ TYYTY m. 8rlilnml»'»i»r »f.. Dp« liraCt^ateS d'Alle-
Gittelder Pfennige. 263
des Löwen, eines dem Braunschweiger gleichen Helmes und des
A auf Goslarer Bracteaten des Schadeleber Fundes') aus der Zeit
des Herzogs Albrecht von Braunschweig mit Recht in Beziehung
zu diesem gesetzt werden, so war derselbe doch keineswegs Reichs-
vogt in Goslar, sondern als Erbe seines Vaters, des Herzogs Otto,
nur im Besitz des diesem vom Kaiser Friedrich H. im Jahre
1235 als Reichslehcn überwiesenen Zehnten der Berg werkser träge
des Rammeisberges*). Wenn ferner die Bracteaten mit einem
Löwen unter dem Adler zwischen zwei Thürmen ') wirklich als
Goslarer Pfennige Heinrichs des Löwen zu gelten haben, so ist
auch dieser gewiss nicht Reichsvogt zu Goslar gewesen; wohl
aber ist aus der wellischen Ministerialität des Anno von Heimburg
im Gegensatz zu den edelfreien Goslarer Bürgern Widekin *), der
im Jahre 1151, und Ludolf*), der am 1. Januar 1170 als Vogt von
Goslar genannt wird, in Verbindung mit Heinrichs Forderung im
Jahre 1176 nur um den Preis von Goslar dem Kaiser Hceresfolge
gegen den Lombardischen Bund zu leisten, mit Weiland*) zu
folgern, dass der Löwe in den für Anno's Vogtei bezeugten
Jahren Goslar als Rcichslchen besessen, und dasselbe im Jahre
1152 bei der mit der Wahl Friedrichs zum König herbeigeführten
Aussöhnung der Weifen und Hohenstaufen erhalten und im
Jahre 1169 in Folge des Krieges der sächsischen Fürsten gegen
den Herzog verloren hat. Eine Münze mit dem Bilde oder dem
Namen oder auch nur einem sichern unzweideutigen Hinweis
magne. (Paris 1873.) Seigneurs d'Arnstein. p. 191. Comics de Falkcnstein.
p. 192. — Friedensburg, Der Dahsauer Münzfund. Schlesiens Vorzeit in
Bild und Schrift III. 35. Bericht des . . . Vereines für das Museum schlesischer
Alterthümer. (Mai 1877.) S. 197 fg. — Bahrfeldt, Der Bracteatenfund von
Dahsau IV. Goslar. Nr. 19. Archiv für Brakteatenkunde I. (1885.) S. 11.
— Wolfs tieg, Verfassungsgeschichte von Goslar. (Berlin 1885.) S. 37. —
Menadier, Verhandlungen der numismatischen Gesellschaft zu Berlin.
Sitzungen vom 1. März 1886 und 3. Oktober 1887.
1) Schönemann, Zur vaterländischen Münzkunde. S. 45.
2) Origines guelficae IV. 49.
3) Cappe, Beschreibung der Münzen von Goslar. T. II. Nr. 11.
4) V. Ileinemann, Cod. diplom. Anhaltinus I. 267.
5) Schannat, Hist. Fuld. 193.
G) Weiland, Goslar als Kaiserpfalz. Hansische Geschichtsblätter. V. 8.30.
Z«iucbrift tüx KamiBmatik. XYI. 18
264 Menadier:
auf einen Goslarer Reichsvogt ist zur Zeit noch nicht nach-
gewiesen ; auch dass eine solche jemals werde aufgefunden werden,
unterliegt starkem Zweifel. Eine andere Beziehung lässt sich
aber aus den bisher betrachteten Umschriften nicht gewinnen,
sie muss sich aus der Erklärung der dritten Umschrift ergeben.
Übergehen wir den ältesten Entziflferungsversuch, der wohl
auf Grund eines undeutlichen Stückes zu der Lesung ANTHONACI
und der Erklärung desselben als einer Andernacher Vogteimünze
gelangte, so las man die Umschriften bisher übereinstimmend
AHRTVICHE . D • G und deutete sie auf eine Äbtissin Hedwig.
Eine Essener Äbtissin des Namens galt zunächst als Münzherrin,
und als man diese nach dem Auftreten der Pfennige mit dem
Namen der Stadt Goslar aufzugeben gezwungen war, ersetzte
man sie durch die Äbtissin Hedwig H. von Gernrode, angeblich
eine Tochter des Grafen Heinrich von Stade, welche durch eine
Urkunde vom Jahre 1064 bekannt ist und für die unmittelbare Vor-
gängerin der am 30. März 1118 zur Äbtissin gewählten Hedwig
IIL gehalten wird. Diese würde einerseits der Lebenszeit nach
durchaus geeignet sein und anderseits würde auch auf Gernroder
Münzen der Name Goslars nicht sonderlich auffallen, da wir ja
auch Münzen mit den Köpfen und Namen der Goslarer Heiligen
besitzen, welche von Bischöfen von Halberstadt geprägt worden
sind, zu deren Sprengel Gernrode gehörte. Ein weiteres Iftsst
sich indessen zu Gunsten dieser Annahme nicht anführen; viel-
mehr vereinigt sich alles gegen dieselbe. Zunächst enthält die
Wallhauser Urkunde Kaiser Konrad's IL vom 23. August 1028,
in welcher dieser die Privilegien der Abtei bestätigt, keinen
auf die Münzgerechtigkeit bezüglichen Abschnitt:
In nomine sanctae et individuae trinitatis Chuonradtis divina
favente dementia Romanorum imperator auguatus, Omnium Dei
nostronimque ßdelium tam praesentium quam et ffäurorum piae
devotioni notum esse vobunus^ qualiter Adelheida venerabilis abba"
lissa serenitatis nostrae clementiam adiens postvlavit^ ut abbatiae
Geronrod diciae, cui ipsa Deo donante praesidety et sanctimoniaUbus
inibi Deo »o-^rtoque ^yriaco martyri servientibus talem Itbertatem ac
Gittelder Pfennige. 265
iu8 concederemus , qualem ah antecessortbus nostris regibus vel im-
percUoribus hactenus habuemnt. Cuiua rationabili petitioni pium
praebentes assensum, ob interventum düectissitnae conmgis nostrae
Gislae imperairicis augustae et amantissimae nostrae prolis Heinrici
regis eiuadein loci sanctiinonialibus licentiani concedimus inter se
eligendi abbatissarn^ quotiescunque mortali necessiiate intercipiente
usus et opus exegerit^ omnesque res et loca ad eandem abbaiiam
pertinentia, quae vel nunc possidet vel quae deinceps in ius ipsius
loci divina pietas augeri voluerit, hoc nostro imperiali praecepto
illuc stabilientes confinnamus ea ratione, ut nemo de his aliquid
minor are aut abab'enare vel milites »uos inde beneficiare aut in
quamlibet partem declinare praesumat nisi ad usum eiusdem con-
gregationis. Ad hec eiiam imperiali potestate ßrmiter praecipimus,
ut nullus publicus iudex vel quislibet ex iudidaria potestate in loca
prae/ati monasterii nostris et futuris temporibxis ingredi audeat ad
cau^as faciendas aut ßdiiussores tollendos aiU homines ipsius eccle-
siae constringendos sive ullas occasiones illicitas requirendas vel
theloneitm sive parefredos ab ipsis hominibus exigendos aut ipsos
homines, servos litos vel liberos^ ad mallum convocandi aut ullam
potestatem exercendi nisi advocatus, quem abbatissa eiusdem loci
communi consensu soronim snarum ad hoc opus elegeriU Sed hoc
ipsum monasterium cum omnibus suis pertinentiis, sicut Quitilinge-
burc et Ganderesheijn et cetere r egales abbatiae, sub libertatis et
immunitatis tuitione concludatur. Et ut hoc verius credatur diligen-
tiusqu£ per futura annorum curricula obseruetur, lianc kartam inde
conscriptam subtusqtie manu propria roboratum sigilli nostri im-
pressione iussimus insigniri,
Signum domnl Oiuonradi invictissimi Romanorum imperatoris
(L. AL) augusti.
Odalricus cancellarius vice Aribonis archicapellani recognovit,
Data X. Kalend, Septembris, indictione XI, anno dominice
incarnationis millesimo XXVJIII , anno autem domni
Chuonradi secundi regni Uli, imperii vero IL Acta
Walahuson feliciter, Amen,
(v. Heinemann, codex diplomaticus Anhaltinus. I. S. 85. Nr. 108.)
18*
266 Menadier:
Die Freiheit und Immunität, welche ihr wie Quedlinburg,
Essen und Gandersheim und den fibrigen Reichsabteien gewähr-
leistet wird, sind weit entfernt, den Besitz des Münzrechts ein-
zuschliessen , wennschon die drei genannten dasselbe besessen
haben. Die Ausstattung mit dem Münzrecht war keineswegs
mit der Erhebung zur Reichsabtei gegeben, sondern erfolgte
stets durch besondere Verleihung: eine derartige Verleihung an
die Abtei Gernrode ist aber auch sonst nicht bekannt*). Zudem
besitzen wir keine einzige Münze, welche mit Sicherheit oder
auch nur einiger Wahrscheinlichkeit Gernröder Äbtissinnen bei-
gelegt werden könnte. Denn die von Cappe^) nach Qernrode
gewiesenen Denare mit der Umschrift: + GEROIEVVRE sind
schon vor dieser Vermuthung von Dirks') unzweifelhaft richtig
als friesischen Ursprunges und zu Garrelsweer, dem Hauptorte
des Fivelgo, geprägt unzweifelhaft richtig erkannt, der von
Leitzmann*) Albrecht dem Bären als Vogt des Stiftes Gernrode
zugeschriebene Bracteat des Freckleber Fundes zeigt durchaus
kein auf Gernrode bezügliches Merkmal und der von demselben
Forscher*) für die von 1118 bis zur Mitte des Jahrhunderts
regierende Äbtissin Hedwig III. von Gemrode in Ansprach ge-
nommene Bracteat mit dem Brustbilde einer Äbtissin über dem
Bogen eines Thurmgebäudes und der Umschrift: +MADVVICA
(E)NRTl8aA . AMN • N^IOTNgADI ist sicher erst am Ende des
zwölften Jahrhunderts und höchst wahrscheinlich in Nordhausen*),
1) Fickcr, Vom Reichsfflrstenstande. Forschungen zur Geschichte nnd
Reichsverfassung zunächst im Xn. und XIII. Jahrhunderte. I. (Innsbruck
1861.) S. 346. § 239.
2) Cappe, Die Münzen der deutschen Kaiser und Könige des Mittel-
alters XII. (Dresden 1850.) Nr. 538 a.
3) Dirks, Bijdragen tot de Munt-en Penningkunde van Friesland. De
vrije Fries. VI. (Leeuwarden) Taf. 5. 23. vrgl. Dannenber^, Die deutschen
Münzen . . Nr. 530.
4) Leitzmann, Nachträge zu den Bracteaten aus dem Freckleber
Funde. Num. Ztg. 1861. S. 43. Nr. 21.
5) Leitzmann, Äbtissin Hedwig von Gernrode (?). Num. Ztg. 1861. 25.
6) Sagittarius, Manuscript. Nr. 181. — Schlegel, De numis antiqoU
Isenacencibus , Mnlhusinis, Northusinis et Weissenseensibus. (Jena 1708.)
T. I. 14. - V T.udewig, Einleitung zu dem teutschen Müntswesen mitt-
Oittelder Pfennige. 267
jedenfalls nicht in Gernrode geprägt worden. Endlich geschieht
auch nicht in einer einzigen Urkunde der Gernroder Pfennige Er-
wähnung. Die Annahme, dass die Gernroder Äbtissinen das Münz-
recht ausgeübt, haben wir daher nicht nur mit Recht in starken
Zweifel zu ziehen, sondern geradezu als irrthümlich zu bezeichnen
und man wird um so geneigter sein, die Bestimmung der Pfennige
des Vogtes Dietrich als Gernroder Münzen aufzugeben, da mau einen
Gernroder Vogt dieses Namens bislang nicht hat nachweisen können.
0. V. Heinemann ') hat vielmehr mit Recht aus dem Streite, der sich
1013 in Folge der Bestrafung eines Gernroder Priesters durch
den Bischof Arnulf v. Halberstadt zwischen diesem und den
Gernroder Dienstmannen Gero's des Jüngern, Markgrafen der
0:?tmark und der Lausitz, den Schluss gezogen, dass letzterer die
Vogtei in Gernrode inne gehabt habe, und man wird ihm auch
darin beipflichten müssen, dass nach dem Aussterben seines
Stammes mit dem Tode des Markgrafen Thietmar im Jahre 1034
die Vogtei auf die Askanier übergegangen ist, obgleich erst
Albrecht der Bär in ihrem Besitze nachzuweisen ist. Der auf den
Münzen genannte Dietrich ist demnach als Vogt in Gernrode
geradezu ausgeschlossen ; auch ist der Name der Äbtissin Hedwig
auf den Münzen selbst keineswegs deutlich und unzweifelhaft zu
lesen, sondern nur unter Annahme eines nicht eben leichten
Stempelfehlers vennuthet worden.
Durch eine weit geringere Verbesserung, als sie die Ge-
winnung des Namens Hedwig oder auchHathewig erheischt, nämlich
lediglich durch eine Umstellung der beiden ersten Buchstaben
gelangt man von dem jedenfalls fehlerhaften AHRTVICH zu einem
HARTVICH. Dieser Namen wird, um auch hier wieder zunächst
lerer Zeiten. (Halle 1709.) T. 1. Nr. 6. — J. G. Leuckfeld, Kurtze
historische Nachricht von einigeu alten und raren silbern Bracteaten oder
Blech-Müntzen ctzlicher vormahls gewesenen Quedlinburgi:)Cheu Abbatissen.
Antiquitates nummariae. (1721.) S. 231. §80. T. 2. Nr. 21. — ?. Posern-
Klett, Sachsens Münzen im Mittelalter. I. S. 169. T. 44. Nr. 11. —
Mader, Zweiter Versuch über die Bracteaten. (Prag 1808.) S. 117.
1) 0. V. Heinemann, Die Stiftskirche zu Gernrode und ihre Wieder-
herstellung. (Beruburg 1865.) S. 8.
268 Menadier:
ZU prüfen, ob die Münzen nicht in dem auf der einen Gattung
genannten Goslar selbst geprägt sind, in dem einzigen uns er-
haltenen Verzeichnisse ') unter den Stiftspröbsten von S. Simon
Juda aufgeführt, und zwar mit dem Zusätze versehen, dass er
hinterdrein zum Erzbischof von Magdeburg erhoben sei, wodurch
wir auf die siebenziger Jahre des elften Jahrhunderts gewiesen
werden, also gerade die Zeit, welcher die Münzen unzweifelhaft
angehören. Man könnte versucht sein, diesen Probst für den
Münzherrn der vorliegenden Pfennige und den auf ihnen ge-
nannten Dietrich für einen Stiftsvogt zu erklären, dessen Namen
uns sonst nicht überliefert ist. Das Stift St. Simon und Judas soll
nicht nur im dreizehnten Jahrhundert neben dem Kloster auf
dem Petersberge, dem Kloster Walkenried und der Stadt Goslar
den Bergbau im Rammeisberge betrieben haben, sondern die
Theilung unter diese vier Hauptgewerke soll nach Dohra schon
von Heinrich IV. im Jahre 1075 vorgenommen sein'); die Pröbste
mehrerer Stifter von weit geringerer Bedeutung, als sie nament-
lich zur Zeit der salischen Herrscher der angesehenen Goslarer
ßeichsprobstei zukam, dessen Pröbste zu den höchsten geist-
lichen Würdenstellen des Reiches berufen zu werden pflegten,
die Pröbste von Wildeshausen'), von Rees*), von St. ürsus in
Solothurn *) haben nach Ausweis der Urkunden und Münzen das
Münzrecht unzweifelhaft ausgeübt*); die Brustbilder der beiden
1) Ileineccius, Antiquitatum Goslariensium . . . libri VI. S. 56. (Nach
dem MonachuB Hadroerslebcnsis.)
2) Dolim, Über Goslar, seine Bergwerke, Forsten nnd schatzherrlicbe
Vorhältnissp. Hercynisches Archiv. — Weiland, Goslar als Kaiserpfalz.
Hansische Goschichtsblätter. Jahrgang 1884. S. 33.
3) Buchenau, Die Münzen der Probstei Wildesbansen. Z. f. N. XV. 26?.
4) Lacomblet, Urkundenbuchfflr die Geschichte des Niederrheins. I. 242.
5) H. Meyer, Die Bracteaten der Schweiz. (Zürich 1815.) 8. 27.
6) Die lütticher Pröbste Andreas von Guyk (1121 — 1123), Alexander von
Ouren (1165), Albert von Rhetel (1191 — 1191), Hugo von Pierrepont (1200),
sowie der nicht mit Namen bezeichnete, deren Münzen J. de Chestret de
Hanoffe, numismatiqne de la principaut6 de Li^ge et ses d^pendances
(Bouillons, Looz) depuis Icurs annexions (Bruxelles 1888) pl. IV. 69—70,
VI. 108—110, VII. 131. 132, VIII. 147. 148 und VI. 114. 115 abbildet, haben
nur vorübergehend als Stiftsverweser das Münzrecht ausgeübt. Dasaelbc
Gittelder Pfennige 269
Heiligen des Stiftes bilden dauernd das Gepräge der Goslarer
Münzen, und endlich giebt es kleine Reihe von Bracteaten,
welche den Ascaniern als Goslarer Stiftsvogten in den Münz-
sammlungen wie in den münzwissenschaftlichen Schi'iften *) bei-
gelegt zu werden pflegen. Doch es ist bereits anderweitig her-
vorgehoben worden, dass die dem Bernhard von Sachsen in dieser
Eigenschaft zugeschriebenen Münzen ihrer ganzen Erscheinung
nach weder in dessen Zeit noch in die Harzgegend passen,
sondern eines altern und östlichem Ursprungs sind, dass die
für goslarisch erklärten Bracteaten Albrecht des Bären nichts
an sich haben, was diese Zuweisung irgendwie nahe legte, dass
endlich die dem Markgrafen Otto von Brandenburg als Dom-
vogte beigelegten Pfennige Fälschungen Seeländer's sind. Die
Ausbeutung des ßaramelsberges war für das Stift lediglich ein
industrielles unternehmen und so wenig auf die Belehnung mit
einem Regal begründet, dass vielmehr dem kaiserlichen Vogte
Schlagschatz und Kupferzoll zu entrichten waren, wie die Berg-
gesetze mit den Worten bestimmen:
Des rikes gevoghei en mach up ene hutten nicht mer beholden
wen enen sleischat und enen coppertoln. De voghet en mach up
ene hutten beholden sleiscat unde coppertoln bi des rikes hulden, he
en hebbe er deine rike gesworen').
Verhältniss wird vorliegen, wenn der durch van der Chijs, De Munten der
bisschoppen, van de heerlijkheid en de stad Utrecht, Ilaarlem 1859, laste
suppl. XXI. 5. S. 324) einem Probst Balderich beigelegte deventersche Pfennig
in der That diesen Ursprung hat. Eigenartige Zustände haben endlich in
Ostfriesland dazu geführt, dass die Häuptlinge die Probstwürde bekleideten
und in dieser Stellung das vordem den Bischöfen von Münster zustehende
Münzrecht ausübten, und beide Titel ihren Münzen aufprägten, Hisko von
Emden (1390—1429), Imelo von Emden (1429—1433) und Unko von Weener
(zwischen 1409 und 1436). Vgl. Ter gast, Die Münzen Ostfrieslands. I.
(Emden 1883.) 8. 61. 64. 143.
1) Leitzmann, Über die Bracteaten der Goslarschen Schutzvoigte. Num.
Ztg. 1841. S. 149fg. — Cappe, Beschreibung der Münzen von Goslar. Dresden.
1860.) — Seeländer, Kurtze Vorstellung einiger Schutz- oder Schirmvögte.
2) Scbaumann, Vaterländisches Archiv. 1841. S. 323. § 168. —
Leibniz, Script, brunsv. iHustr. III. 548.
270 Menadier:
Endlich aber ist dem Probste von Rees das Mfinziecht nicht
vom Reiche selbst verlehut, sondern durch den Erzbischof Sige-
win von Köln (1079 — 1089) überwiesen, wird auch das Münz-
recht des Probstes von Wildeshausen in gleicher Weise nur
secundären Ursprungs sein, beruht das Münzrecht des Probstes
von Solothurn auf den besonderen burgundischen Verhältnissen.
Die deutschen Rechtsbücher kennen nur lehnsfähige Bischöfe,
Äbte und Äbtissinnen, nicht aber lehnsfähige Pröbste, wie es
z. B. im Sachsenspiegel (III. 59) heisst:
See/Ute man käset bischope oder ehbede oder ehbedischen^ die
den herschilt hebben, dat len solen sie vore untvan unde di hisorge
na. Svenne sie dat len nntvangen hebben^ so mögen sie lenreclu
dun unde nicht er, Scar man bischojye oder abbede oder ebbe-
dischen nicht ne käset binnen ses weken, dar die lenungen an den
keiser gat, he liet it sveme he loely die sik redelike gehandelet Iievet,
Nur von einer Investitur der Pröbste, nie aber von einer
Belehnung derselben mit den Regalien, oder einem von ihnen
dem Könige geleisteten Homagium ist in den Quellen die Rede').
Mau darf daher den Pröbsten von S. Simon und Juda ebenso wenig
Münzen beilegen, wie den Vorstehern der übrigen goslarischen
Klöster, des Petersberges, des Klosters Neuwerk und des Klostei-s
auf dem Frankenberge. Wie alle Münzdeutungsversuche, die mit
den letztern gerechnet haben, fehlgeschlagen sind, so haben wir auch
jenes erstere vollständig ausser Acht zu lassen, wenn es Münzen
zu bestimmen gilt. Der auf den Denaren genannte Hartwich
kann weder der Goslarer Reichsprobst sein, noch einem andern
der Goslarer Stifter angehören, und das Goslarium der andern
Gattung kann demnach nicht Goslar als die Münzstätte bezeichnen,
in der, sondern nur die, nach deren Muster die Pfennige geprägt
worden sind.
Den Münzherrn Hartwich sicher ausfindig zu machen, geben
indessen die Münzen selbst in dem auf den Namen folgenden
Rest der Umschriften einen festen Anhalt. Derselbe lautet bald
EDG, bald EDIG, bald aber ADG und kann nur zu EPISCOPVS
1) Ficker, Vom Reichsfürstenstande. I. S. 366. § 250.
Gittelder Pfennige. 271
DEI GRATIA , beziehungsweise ARCHIEPISCOPVS DEI GRATIA
ergänzt werden. Als erzbischöflicher Münzherr des Namens
kommt selbstverständlich nur der Graf Hartwig von Ortenburg
in Betracht, der dem Magdeburger Erzstift vom 7. August 1079
bis zum 17. Juni 1097 vorstand, unter allen erzbischöflich
magdeburgischen Münzstätten wiederum kann nur der im vorauf-
gehenden als solche nachgewiesene Ort Gittelde als Prägeort
dieser Pfennige geltend gemacht werden. Gittelde, wie bereits
hervorgehoben, nur wenige Meilen von Goslar entfernt, musste
zunächst den Einfluss der unter den Saliern zu ungeahntem
Glänze emporsteigenden Kaiserpfalz erfahren und sich mit seinen
Münzen an die Goslarer anschliessen. Die altern mit dem Orts-
namen selbst versehenen Gittelder Pfennige trugen bereits neben
dem Bilde des Erzbischofs auf der Hauptseite das des Vogtes
auf der Kehrseite, wie es auch auf den Hartwichspfennigen in
dem Bilde des Vogtes Dietrich sich wiederholt. Endlich, und
das ist endgültig entscheidend, kann auch über den Dietrich selbst,
den es bisher noch nicht gelungen ist als geschichtliche Persön-
lichkeit nachzuweisen, als Gittelder Vogt kein Zweifel bestehen.
Gittelde gehörte, wie bereits hervorgehoben worden ist,
zum Lisgo. Dieser Gau und seine Grafen werden in den fol-
genden Urkunden') genannt:
889. Juli 6. Arnulf schenkt auf Bitte des Bischofs Sundrolt
dem Grafen Adaiger
//* pmjo lllUijo in cotniUUu ipaiua (scilicet coinitis Adal-
(jer'i) in cillia Wolfenni ac Ualafeld , , ,
(Wilmans und Philippi, Die Kaiserurkunden der
Provinz Westfalen I. 229.)
]) Die älteste ErwähnaDg des Lisgo ist die folgende:
Uaec capitula constituta sunt a domno Karolo^ ylorioso imperatore, cum cotusensu
ßdelium suorum apud Carisiacum anno incarnationis dominkae 677^ reyni vero ipsius
37 1 imperii auttm 2^ lö Kalendas Julias ^ indictione 10, de tjuibus quaedam ipse
dejinivit, et de tpiibusdam a suis fidelibus responderi iussit,
32. Jn quibus ex nostris palatiis Jilius noster^ si necessitas non fuerit^ morari
vel in quibus forestibus venationem exercere non debeat Jn Lisgo porcos tantum
accipiat, (M. G. H. IlL legg. I. 537-541.)
272 Mcnadier:
9n5. Dec. 12. Otto I. gewährt dem Abt Richarias von Magde-
burg eine Münze in Gittelde
in Villa Getlide in comitaiu Lisgo^ cid Burchardus
i'omes preesse videtur . . .
(M. G. H. dipl. I. S. 426. Nr. 312.)
(vgl. S. 236.)
900. Aug. 10. Otto III. schenkt seiner Schwester Sophie
trlginta mwii<os in villis Motlevingerod, Foresazi, Hadil-
vincferod dlctis sitos et in pago Usgovve voccUo ac
coviitatu Sigeherti comitis iacentes . . .
(Harcnbcrg, Historia Eccl. Gandersh. dipl. 625.)
1013. April 24. Heinrich II. schenkt dem Bischof Meinwerk von
Paderborn
cortem . . Bemeshnson dictanu in pago Lisga, in comi-
iafu Udonis sitam . . .
(Erhard, reg. bist. Westf. I. cod. dipl. p, 62. —
Wilmans und Philippi, Die Kaiserurkunden der Pro-
vinz Westfalen II. S. 159. Nr. 137.)
1014. proxhno anno expeditionem in Italiam rex iturus^ tä ce-
saris consecratiojiem a donino apostolico perciperet in
castello, qnod Grouna dicitur, convenire principes man"
davit et 8 Kalend. May de statu regni inibi cum eis
tractavit. Episcopua autem Meinwerctia cum rege ex-
peditioncrn itwnis, ecclesiae sue penuria conquesia, itineris
expensarn lahori suo congtmam instanter petiit et , , , .
Berneshusun sitxnn in pago Lisga in comitatu Udonis
comitis optinuit,
(Vita Meinwerci cap. 21. M. G. H. ss. XI. 115.)
1016. Jan. 14. Heinrich II. schenkt dem Bischof Meinwerk von
Paderborn
quandam curtem nostrae proprietatis Bemeshusen dictam
in pago TAsga in comitatu Udonis sitam . . .
' ^anpeTiborg. Hamburger ürkundenbuch 1.66.)
Gittelder Pfennige. 273
1022. Nov. 1. Heinrich II.
in praefecttira Udonis comitis^ in pago Lesco Renovel-
husen^ Dorstido, LanUoardeshusen^ lleildageshevi^ Ever-
goteshem^ Ileremanniggeroth^ Wachana, Gennaneshusen . . .
(Lüntzel, Die ältere Diöcese Hildesheim. S. 360. —
Lüntzel, Der heilige Bernward. 94).
— Konrad II. verfügt die Vererbung auch an die weibliclien
Nachkommen des Grafen Uto für die
praedicta duo heneficia, forestum videlicet et comitatum
praedicti cornitis Utonis in TÄsga . . .
(Origines Guelficae III. 468. 35. vgl. im Folgenden.)
1071. Heinrich IV. schenkt dem Stift St. Simon und Judas in
Goslar
X viansos de cnrte nostra nomine Pholda, sitos in loco
nomine Piapasserode et Besingen et ceteris locis ad
eandein ciiHem pertinentihus in comitain Dieterici . . .
(Leuckfeld. Antiquitates Pocldenses. 279).
978. Otto II. schenkt seiner Gemahlin Theophania
in pago Lisgo cnrtern qxiandam Polide diciam . . .
(Leibniz II. 376).
Über die drei ältesten der in diesen Urkunden genannten
Grafen des Lisgo, den Adaiger, Burchard und Sigebert sind wir
nicht weiter unterrichtet Unsere Kunde beginnt erst mit dem
elften Jahrhundert und dem Grafen Udo. Für diesen aber be-
darf es gegenwärtig keines Beweises mehr, dass er identisch mit
dem Udo von Catelnburg, ein Stiefbruder der altern Grafen
Siegfried und Benno von Nordheim und ein Sohn zweiter Ehe
des Siegfried war*), welcher in einer Urkunde des Kaisers Otto II.
1) Man vergleiche zu dem Folgenden: L. Schrader, Die älteren
Dynastenst&mme zwischen Leine, Weser und Diemel und ihre Besitzungen,
hauptsächlich wie sie im 11. und 12. Jahrhundert befunden sind. I. Geschichte
der Grafen von Nordheim und Katlenburg. Göttingen 18.32. — H. Br esslau,
Jahrbücher des deutsclien Reiches unter Konrad IL Excurs VIII. Konrad's II.
Lehenbrief ftlr den Grafen Udo von Katlenburg.
274 Menadier:
vom Jahre 982 als Graf im Rittega bezeichnet wird*) und wahr-
scheinlich im Jahre 1004 gestorben ist'). Es geschieht seiner
zuerst Erwähnung im Jahre 1002 als Mörder des Maikgrafen
Ekkehard I. von Meissen, des Gegners Heinrichs II. und Mitbe-
werbers um die Königskrone, der zu einer nach Duisburg anbe-
räumten Versammlung ziehend, in Paderborn über das Scheitern
derselben in Kenntnis gesetzt, über Nordheim zurfickkehi-end, von
den Söhnen Siegfrieds in Pölde überfallen und ermordet wurde,
wie der Annalista Saxo mit den Worten berichtet:
qua proitter inde abieus^ cum ad Xofiheim^ Sujefridi comitis
curtt/ti, cenUset^ d'diijeutev susceptus est atque ut ibi pernociare
celh't roijütur. Intimarlt quotpie ei occulte comiiissüj quod Sit/efridim
ei Benno, sui seniontf filli^ cum fratribuff de Catelenburh
Ifeinrico et Idoni aliiaque suis conspiratoribus de nece eius
posltiif inaidlid iractarent. suppliciter efßaijitans^ ut aut ibi in
cnii<tinum mamret seu alio dicerteret. Talia marchio benigne stisci-
jticn^, rei<pontltt. propoultum iter propter eos nee teile nee posse
irvnnipcrc , . , . pervenlt tVijo inaiThio ad locum deatinalum, qui
l\ditl diciiur . . . quos cum sopor oppido laasatos (jravaret^ inimica
itninus incautos oppinmens invaait . . . solus itjitur repugnabat JEkki-
liardus , vir dumi milicieque laudabilis, Cui Sigi/ridus hasta for^
iiter emissa nodum cervicis conf regit tei*ramque oppetere compulit.
(M. G. H. VIII. SS. VI. 647.) ')
Aus der Erbschaft des Vaters erhielt Udo 1004 jedenfalls eine
Grafschaft im Rittega*), während eine zweite dem Nordheimer
Bruder zufiel. Ob die Grafschaft im Lisgo, die 990 einem Grafen
Sigebert zustand, nachdem gleichfalls vom Siegfried von Nordheim
verwaltet worden und von diesem auf seinen Sohn überging oder
1) Schanuat, tradit. Fuldens. 243. Scheid, Orig. guelf. lY. 476;
. . Villa Medenheim dicta in payo Rietdegowa vocato et in comitaiu Sige
J'ridi comitis sita , . .
2) Excerpta Necrologii Fuldensis ÄDtiquissimi. (Leibniz, Script r.
bruusw. ill. 111. 766): MIV. Gisilharius archiepiscopus. Sigifridas conies.
3) vgl. Tbictmar, chronicou. M. G. H. V. ss. III. 791.
4) Stumpf, reg. 1742. 2038. — Schalen, annales Paderbornenses L
435. 490. — DrouV'j »•*»'' itiones Fuldeiises. 100.
Gittelder Pfennige. 275
anderweit an den letztern gelangte, ist ungewiss; die uns er-
haltenen Urkunden jedoch, welche ihn in Besitz derselben zeigen,
gehören erst dem zweiten und dritten Jahrzehnt des elften Jahr-
hunderts an. Mit diesen vereinigte Udo eine dritte Grafschaft im
sächsischen Hessen mit der Malstätte in Ilemmerfelden ^). In der
Grafschaft seines Bruders Bernhard tritt er als Vogt des Erzbischofs
Unwan von Bremen in Moringen bei Nordheim auf*). Vielfach wird
er auch genannt in den urkundlichen Angaben der Lebensbeschrei-
bung des Bischof Meinwerk von Paderborn ^). Die wichtigste ihn bc-
treflfende Urkunde ist aber die, über welche wir durch die vom
Kaiser Friedrich I. für den Herzog Heinrich den Löwen am 1. Januar
1158 zu Goslar ausgestellte Urkunde*) Bescheid erhalten, der
Lehenbrief Konrads IL, in welchem bewogen durch den Tausch,
zu dem sich Udo in Betreff von Nürtingen zwischen Eslingen
und Tübingen und von Holzhausen bei Homberg, den Erbgütern
seiner Gemahlin Beatrix, bereit finden Hess, der Kaiser be-
stimmte, dass Udo's Grafschaft im Lisgo und der Forst im
Harze allezeit demjenigen seiner männlichen und weiblichen
Nachkommen zustehen solle, dem das Erbgut in Eimbeck zufalle.
Zum letzten Male wird Udo genannt im Jahre 1039 und zwar
in einer Urkunde, laut welcher Graf Christian als Vogt der
Abtei Gandersheim das Zehntrecht dem Bischof von Hildesheim
zuweist *).
Udo's Sohn, Dietrich (I), tritt uns in Urkunden nirgends
entgegen. Das einzige, was wir über ihn erfahren, berichtet der
sächsische Jahrbuchschroiber gelegentlich der unglücklichen
Schlacht bei Werben an der Havelmündung gegen die Liutizen im
Jahre 1056, in welcher er seinen Untergang fand:
1) Vita Meinwerci, 21G. M. G. H. ss. XI. 158. ~ Schalen, annales
Padcrbornenses I. 42i).
2) Vita Meinwcrci, 32.
3) Vita Meinwerci, cap. 21. 22. 34. 52. 68. 85. 100. 123. 134. 1C4. 195.
203. 2 IG.
4) Vgl. unten.
5) Annales Hildesh. Leibniz, Script, rer. brunsw. ill. ins. I. 730. —
Harenberg, historia ecclesiac Qandersbeimensis. G37.
276 Menadier:
Magna cedes a harharis^ gut Liutici dicuntur, in christianos
facta est, quorum qtddam gladio, quidam fugientea in aqua perierunt^
inter quos Willehelmus aquilonalis marchio occiditur non procul a
Castro, quod Prizlava dicitur, quod situm est in littore Albia ßuviij
in ostiot ubi in se recipit Ilabolam ßuviiim .... cum quo interfectus
est comes Theodericus de Katalanburh, filius Udonis^ qui
cum fratre suo Ileinrico et aliis quibusdam occidit EkMhardum.
marchionem in Palithi jwst mortem tercii Ottonis imperatoria. Huic
Udoni erat uaor de Suevia, nomine Bertrada, que genvit ei hunc
Tlieodericum, Huic quoque erat tucor item Bertrada, soror Svanehildis
comitisse de Castro, quod dicitur Lon in Hasbania^ cuius filiua fuit
Aniohhis comes Mogontiensis prefectus^ que peperit ei filium^ qui et
ipse Theodericus vocabcäur, et ßliam, que Oihilhildis dicebatur, que
nupsit Conrado, fratris Dedonis marcliionis. Tdem Theodericus accepit
Uii'orem Gertrudem, filiam Ekberti rnarchionis senioris, matrem
Richenze imperatricis , e*c qua genuit item Teodericum, qui sine
liberis obiit.
(M. G. H. VIII. Ss. VI. 690.)
Dietrichs gleichnamiger Sohn, Dietrich (IL), der mit der
Erbtochter des brunonischen Geschlechts, der Schwester des
Markgrafen Ekbert IL, Gertrud, vermählt war, war es, in dessen
Grafschaft Pölde in der Urkunde des Jahres 1071 bezeichnet
wird. Ein dem Namen nach nicht bekannter Schriftsteller des
dreizehnten Jahrhunderts führt auf ihn die Gründung des Stifts
Eimbeck zurück, indem er schreibt:
GheHrudis duxit comitem Thydericum de Katelenborch, qui
etiam Enbike fundavit, de quo juvenem comitem Thydericum genuit,
qui de urbe sua Katelenborch ad honorem Dei claustrum instauraviL
(Anonym. Saxo. Mencken, Scriptores. III. 104).
Eine hervorragende Rolle spielte er in dem Kriege der
Sachsen gegen den Kaiser Heinrich IV., in welchem er als einer
der eifrigsten seinem Vetter, dem ehemaligen baierschen Herzoge
Otto von Nordheim, zur Seite stand, nach dessen Tode aber
eine vermittelnde Stellung eingenommen zu haben scheint und
als verciär> iV v^n i^n Eiferern auf einer Versammlung der
Gittelder Pfennige. 277
Sachsen und Thüringer zu Pertestad') am 20. Januar 1085
erschlagen wurde nach dem Zeugnisse des Annalista Saxo:
Sequenti die Saxones item et Thuringi convenere, qui secum tisque
ad sanguinem reaistere^ si qui ab eis vellent deßcere, Accusantur Udo
Hüdinsheimensis episcopus et frater eins Conradus et comes Tlieo-
dericus Heinricum hostem eorum infestissimum convenisse et pcUrie
tradüionem ei promisisse. Sed cum protestati dicerent, se nullam
adhuc subiectionem Ueinrico poUicitos, non negarent autem, se ei lo-
eutos, expetuntur obsides dare ad certißcandnm conpatriotas de
promissa ßde. Ulis reclamantibus ^ non esse innate eorum digni-
tatis, ut ad patrocinium patrie, cuius ipsi primates et hactenus
defensores fuissent, ab his, quorum id minus referret cogerentur^
Theodericus egregie dignitatis comes^ a quibusdam precipitati impetus
inter/lcitur , episcopus et suus fraier et eorum. complices ßigantur.
(M. G. H. VIII. Ss. VI. 722.)
In einer Urkunde des Jahres 1088 tritt endlich der dritte
Catelnburger Graf des Namens Dietrich zuerst auf, indem er dem
Kloster Lippoldsberg den Zehnten zu Gundesburen übereignet.
Als Zeuge hat derselbe ausserdem die 1097 zu Grona ausge-
stellte Urkunde des Königs Heinrich über eine Schenkung an
die Abtei Heimarshausen*), sowie im Jahre 1103 die Urkunde
unterschrieben, kraft welcher die Äbtissinnen Eilica uud Adelheid
aus dem Reinhauser Grafenhause dem Bisthum Hildesheim einen
Theil ihrer Güter zusprachen'). Durch die Gefangennahme des
Magdeburger Domherrn Asic und des Stadtgrafen Hermann, die
auf der Reise zu dem in Lüttich weilenden Kaiser Heinrich IV.
sich befanden, lenkte er im Jahre 1105 sowohl dessen wie seines
Sohnes, des Königs Heinrich V., Zorn auf sich. Indessen ver-
söhnte er sich alsbald mit dem letztern und eilte ihm zu dem
Heereszuge gegen den Vater zu Hülfe. Auf diesem starb er,
ohne einen Leibeserben zu hinterlassen, am 12. August 1106
am Lagerfieber zu Aachen, wie uns berichtet wird:
1) Waltram nennt Gerstungen als den Versammlungsort.
2) Schaten, annales Paderborncnsis. ad annum 1097.
3) Spilcker, Beitr&ge zur altem deatschen Geschichte II. Urk. 3.
278 Menadier:
Nam postea idem Heinricus Eximperator non longo interieeto
tempore octo diehm aegrotans^ nono moritur^ quinto abhinc die
Tlieodericus comes de Emhike aquisgrani inoriiur,
(Aiinalista saxo ad anii. 1106. M. G. H. VIII. ss. VL)0
nachdem er in Voraussicht dessen das Stammbaus seines
Geschlechts, die eine Meile östlich von Nordheim an der Mün-
dung der Katel in die Ruhme gelegene Katelnburg in ein
geistliches Stift verwandelt hatte, dessen Hauptaltar zu Ehren
des Johannes Erzbischof Ruthard von Mainz am 10. November
1105 geweiht hatte.
Es wird nun wohl Niemand Bedenken geltend machen, wenn
wir den THEDERICVS AD ., dessen Bild und Namen die für
Gittelde in Anspruch genommenen Denare des Magdeburger
Erzbischofs Hartwich für einen der Katelnburger Grafen dieses
Namens erklären und ebenso den Kopf des weltlichen Herrn auf
den älteren Gittelder Pfennigen auf einen altern Grafen desselben
Hauses zurückführen. Offenbar haben sich die Katelnburger,
ihren nordheimischen Vettern gleich in den Besitz der be-
deutenderen Kirchenvogteien ihrer Grafschaftssprengel zu setzen
verstanden. Für Pölde, die im Lisgo gelegene Stiftung des
sächsischen Kaiserhauses, vermag Schrader die Vogtei der Kateln-
burger nur zu vermuthen, für Gittelde wird sie durch die Münzen
bewiesen.
Sollen wir aber darüber hinaus die einzelnen Glieder des
Katelnburger Geschlechts bezeichnen, so treten uns besondere
Schwierigkeiten entgegen. Die älteren Pfennige mit dem Kopf
des Vogtes tragen keinen Namen und sind lediglich nach den
Zeitverhältnissen zu bestimmen, welche die Funde an die Hand
geben, sowohl diejenigen, in welchen sie nicht nachgewiesen sind,
als diejenigen, welche sie uns zugeführt haben. Danach gehören
sie der Zeit des Grafen Dietrich I. an, während seinem Vater
Udo die Pfennige gleichzeitig sein werden, welche das Bild des
Vogtes noch nicht zeigen. Die Pfennige des Erzbischofs Hart-
1) Vgl. ann. Hildesh. M. G. H. Y. Ss. III. 110.
Gittelder Pfennige. 279
wich und des Vogtes Dietrich sind freilich durch des erstem
Regierungszeit, welche die Zeit von 1079 bis 1102 füllt, und
noch näher durch die Dauer des Eönigthums des in Goslar resi-
direnden Hermann von Salm in den Jahren 1081 bis 1088
bestimmt, an dessen Mtbzen sie sich anschliessen ; da aber der
Tod des Grafen Dietrich IT. von Katelnburg und der Übergang
der Grafen- und Vogteigewalt an seinen Sohn Dietrich III. auch
innerhalb dieser engern Frist im Jahre 1085 erfolgte, so ist
es zur Zeit nur als Sache des Rathens zu bezeichnen, die Münzen
einem derselben bestimmt zuzuschreiben.
Ausserhalb einer solchen Verlegenheit befinden wir uns
gegenüber dem Pfennig, den kürzlich der Fund von Londzyn ') ans
Licht gebracht hat:
11.+ DITG VS Baarhäuptiges Brustbild eines welt-
lichen Herrn in Vorderansicht, der mit der rechten
Hand ein Lanzenfähnlein und mit der linken einen
Kreuzstab schultert.
+ S/S. CRVC-DGI. Ein Kreuz, in dessen Winkeln
abwechselnd zwei Sterne mit acht Strahlen und zwei
Ringel angeordnet sind.
(Im Westpreussischen Provinzialmuseum zu Danzig.)
Derselbe bildet ein Gegenstück zu dem Pfennig des Santers-
leber Fundes'):
1) Die Beschreibtmg des Fundes wird im n&chsten Bande der Zeitschrift
folgen.
2) Cappe, Bekanntmachung eines MOnzfundes. Num. Ztg. 1848. 17. -^
Leitzmann, Bemerkungen xu dem in Nr. 3, 1843, d. Bl. bekannt gemachten
Mflnzfundc. N. Z. 1845. 129.
Z«itMhrift ftlr Ifnmiimatik. XVI. 19
g. s-^SSIMOIVCr Die BraatbJlder der beiden Ooalarer
Heiligen, St. Simon und Juda, und mitten aber ihnen
ein Ringel.
+ S^S CRVCI {)EI . Ein Kreuz mit einem Ringel in
jedem der vier Winkel.
(Dannenberg Nr. 700.)
Er gehört also jedenfalls der weitern Umgebung von Qoslar
an und ebenso sicher ist der auf der Vorderseite ala MOnsherr
genannte und dargestellte Ditericus nicht nur als ein Cateloburger
Graf zu erklären, sondern unbedingt als Dietrichül. zu bezeichnen,
da der Fund von Londzyn, der späteste aller deutschen Denorfande,
erst gegen 1140 vergraben ist und der von Santersleben wenig-
stens dem zweiten Jahrzehnt des zwölften Jahrhunderts angehört
Besteht die bisherige Ansicht zu Recht, dass der Pfennig mit
den beiden Ooslarer Heiligen zu Goslar selbst geprägt worden
ist, dann steht der Denar Dietrichs auf einer Stufe mit dem
altera, der auf der Kehrseite ein Thurmgeb&nde and den Namen
Goslars trägt Bei beiden wäre dann mit einer den Gittelder
Münzen eigenthttmlichen Vorderseite mit dem Bilde und Namen
des Qrafcn eine von den gleichzeitigen goslariachen Pfennigen
entlehnte Kehrseite verbunden, dem gegenüber der Unterschied
nur gering ins Gewicht fallen würde, dass das eine mal der all-
bekannte Stadtnamen , das zweite mal eine auch auf den Gos-
larer Münzen neue Umschrift gewählt Bas Vorbild kann jedoch
nicht der Pfennig des Santersleber Fundes selbst geboten haben,
der seiner ganzen Erscheinung nach etwas jünger ist als der
Dietrichsdenar; nur ein älterer typengleicher oder ähnlicher Goslarer
könnte lias Muster abgegeben haben. Es ist indessen auch mOglich,
dass zwischen den beiden Kreuzpfennigen ein anderes VerUUtoin
Gittelder Pfennige. 281
obwaltet, als das eben aDgenommene. Bei dem ersten Versucb, in
Gittelde rein gräflliche Münzen ohne Andeutung des erzbischöflicben
Rechtes zu prägen, lehnte man sich an die Pfennige der kaiserlichen
Münze zu Goslar an. Bei dem zweiten hat man vielleicht einer der-
artigen Anlehnung nicht mehr bedurft, sondern ein selbständiges
Gepräge herzustellen wagen dürfen, und mit dem Kreuze und der
auf dieses bezüglichen Umschrift: S(ignum) S(anctae) CR VC(is) DEI ')
ein neues Gepräge geschaffen. Dann aber ist der Santersleber
Pfennig schwerlich zu Goslar, woselbst man nicht nach Gittelder
Vorbild geprägt haben wird, sondern sehr wahrscheinlich zu Gittelde
selbst entstanden, und zwar zu einer Zeit, wo Bild und Namen
des Grafen zu verwenden nicht thunlich oder gar nicht möglich
war, d. h. nach dem Jahre 1106, in welchem mit dem Grafen
Theoderich III. das Geschlecht der Catelnburger erlosch. In der
Verwendung des Goslarer Gepräges hätte sich dann der Vorgang
wiederholt, der bei der Verdrängung des Namens und des Bildes
des Erzbischofs wenige Jahrzehnte zuvor bereits stattgefunden.
Durch die bisherigen Untersuchungen haben wir eine An-
zahl Gittelder Pfennige kennen lernen, welche das gesammte
elfte Jahrhundert fällen. Es ist lehrreich, sie nochmals in ihrer
1) Das Wort; crvx tragen die Pfennige des Bischofs Rudolf I. von
Halberstadt (1136— 1149) innerhalb der vier Winkel des Kreuzes auf der
Kehrseite (Menadier, Yerbandl. d. num. Ges. zu Berlin. Sitzung vom l.Oct
1888); ein Pfennig des Erzbiscbofs Adalbero von Trier (1008—1016) zeigt
die Umschrift: crvx xric t s (Dbg. 465.); ein Pfennig des Hakon Jarl von
Norwegen (1015) trägt auf der Kehrseite ein doppeltes Fadenkreuz mit crvx
in den Winkeln desselben und auf der Hauptseite die Umschrift: 'i' /TA'CnNE-
IDNVN : DEI, die Herr Prof. v. SaUet (Z. f. N. XVI. 21.) sicher richtig
AACVNE : siGNVM : DEI aufgelöst hat an Stelle dei^bisherigen Erklärung: n
NOMINE DEI (Schiwe, Norges Mynter. IL); signvm dei vivi bieten die MOnzen
des Grafen Heribert I. von Maine (1015—1036) (Poey d'avant. Monnaies f^o-
dales. I. 212.) und des Herzogs Johann lY. von Bretagne (1364—1399) (Garon.
Monnaies fdodales. 38); SIGßVM CRVCIS und SIGßVM CRVSIS end-
lich lauten die innem Umschriften auf den mit dem Kreuze versehenen Kehr-
seiten der Reiter der Margaretha von Constantinopel, Gräfin von Hennegau
(1244-1276) und ihres Enkels, des Grafen Johann L (1279—1304.)
19"
282
Menadier:
Gesammtheit zu überblicken, da sie eine fest geschlossene Ent-
wickelungsreihe bilden. Eröffnet wird sie durch die Pfennige,
deren Ursprung in einer geistlichen Münzstätte im Münzbilde
nur durch den Bischofsstab bezeichnet wird, obgleich die Um-
schrift in auffallender Weise den Bischof als Münzherm be-
zeichnet. Schon die zweite Art begnügt sich nicht mehr mit
dem Bischofsstabe allein, sondern stellt den geistlichen Herrn
selbst im Brustbild dar. Höchst beachtenswerth tritt sodann
neben das Brustbild des Bischofs das des Vogtes. Wird
auf diesen zunächst nicht Rücksicht in den Umschriften ge-
nommen, und derselbe damit als der für die Münzprägung minder
bedeutende bezeichnet, so tritt darin bald ein weitgehender
Wandel ein. Die jungem Münzen tragen nicht nur den Namen
und das Bild des Vogtes Dietrich von Catelnburg, sondern lassen
sogar das Bild des Bischofs vermissen, das durch ein Thurm-
gebäude oder ein Kreuz ersetzt worden ist, und bringen schliess-
lich unter Preisgabe der Nennung des Bischofs in der Umschrift
den Namen der Mustermünzstätte. Der eigentliche Herr, der
Magdeburger Erzbischof, hat also allen Einflnss auf die Aus-
münzung verloren, die nunmehr lediglich dem Gebot des gräf-
lichen Vogtes zu unterstehen scheint.
Diese Entwickelung haben wir uns gegenwärtig zn halten,
wenn es gilt, eine kleine Gruppe von Denaren zu bestimmen, die
unzweifelhaft der Zeit Heinrichs IV. entstammen und den Gittel-
dcr Münzen jedenfalls sehr nahe stehen. Es handelt sich um die
folgenden drei Stücke:
Gittejder Pfennige. 283
h) • HEINRIC Kopf des Königs in Vorderan-
sicht. — + . .SSS .... DAS Die Köpfe der beiden
Goslarer Heiligen Simon und Judas mit einem Krumm-
stabe über dem Schneidungspunkte der beiden Hei-
ligenscheine. (Vom königlichen Münzkabinet mit der
Grote'schen Sammlung erworben. Dbg. 694.)
i) HEINRIC PR . Kopf des Königs in Vorderan-
sicht. — + SSI AS. Das Brustbild eines
Geistlichen nach links, der einen mit der Krümmung
abgewandten Bischofsstab vor sich hält. (Im Besitz
des Herrn Landgerichtsrath Dannenberg.)
k) + H IPR. Kopf des Königs in Vorder-
ansicht. — +SSS AS. Der Kopf eines Geist-
lichen nach links mit einem hinter dem Nacken her-
vorragenden Bischofsstabe und einem Kreuzstabe vor
ihm im Felde. (Vom Königlichen Münzkabinet mit
der Grote'schen Sammlung erworben. Dbg. 698.)
Dass diese Münzen mit einander eng verbunden sind, be-
darf keiner besonderen eingehenden Beweisführung: schon die
voraufgehenden Skizzen thun die Zusammengehörigkeit zur Ge-
nüge kund. Ebenso ergiebt sich ohne weiteres, dass sie geprägt
worden sind in einer Münzstätte geistlichen Besitzes, die unter
dem Einflüsse der Goslarer Münze gestanden und wahrschein-
lich im Westen der Stadt Goslar gelegen hat. Da zudem die
eine der Münzen das Brustbild des Geistlichen, das die altern
Gittelder Pfennige tragen, wiederholt, so liegt es nahe, auch
sie zu den Erzeugnissen dieser erzbischöflichen Münzstätte zu
rechnen. Allein bei dieser Annahme würden wir in dem Auf-
treten des königlichen Namens und Bildes eine Neuerung anzu-
erkennen haben, für die wir eine Begründung zu liefern nicht
vermögen. Vollends räthselhaft aber würde es sein, dass weder
Bild noch Schrift eines Vogtes gedenken, der doch nach Aus-
weis der bisher behandelten Münzen der thatsächliche Herr der
Gittelder Münze war. Diesen Bedenken gegenüber verliert die
Gleichartigkeit des Brustbildes des geistlichen Herrn alles Ge-
284 Menadier;
wicht, zumal sich dasselbe, wie ja bereits hervorgehoben, auch
auf den Münzen des in den Jahren 1056 — 1071 regierenden
Abtes Saracho von Corvei findet. Wir sind also berechtigt, sie
bestimmt von den Gittelder Münzen auszuschliessen. Dann
bleibt uns aber für die Zutheilung derselben überhaupt keine
Wahl. Vor der Zeit des Kaisers Heinrich IV. besass in dem
Gebiete zwischen dem Harze und der Weser kein einziges
Mannstift das Münzrecht und durch ihn hat nur eines dasselbe
erhalten, die im Jahre 1093 an der Einmündung des Nieme-
baches in die Weser am Fnsse des Bramwaldes nahe der heu-
tigen Grenze zwischen Hannover und Hessen vom Markgrafen
Heinrich dem Fetten von Nordheim und seiner Gemahlin Gertrud,
der Schwester des Markgrafen Ekbert II. von Braunschweig, zu
Ehren der Heiligen Thomas und Nicolaus gegründete Benedic-
tinerabtei Bursfelde.
In nomine sanctae et individuae Trinitatis, Ruothardus Dei
gratia Moffuntinensis Eccleaiae Archiepiscopus. Cum condignum
nobis et saliibre pro officii nostri dignitate videatur, rebus eccled-
asticis quaslibet commoditates impenderei religiosis institutis devota
mente consentire proposuimus^ ut quicquid ad honorem Dei et laudem
sancitum et ratum teneamiis^ et privilegii nostri auctoritate corrobo"
remus, Omnium itaque fidelium tam praesentium quam fiUurorum
pateat ifidustriae, qualiter gloriosus comes Heinricus ßlius Ottonis
Ducis eiusque inclyta conjux Gerdrudis filia Ekkeberti MareJäonis,
pro animae suae remedio^ haeredum suomm consensu^ fundäverunt
monasterium in ripa Wirrae ßuminis, in viUa, qrme Mimende vo-
catur, in praedio videlicetj quod ipse Henricus adquisierat^ a quo^
dam nobili viro, qui agnominabatur Albertus de InsttUu lacto
itaque fundamento ac congregatis ibi in servitium Dei Corbeiensis
ordinis fratribus^ praedictus Heinricus cum coniuge dotavit ipsum
monasterium cum omni praedio^ quod acquisierat ab Alberto cum
omni jure et proficuo^ quo idem Albertus eiusque progenitores iUud
sine omni contradictione per mtdtas aetates possederant et usi/uerant^
in villis, agris^ sylvis^ campis, pascuis^ cuUis et incuüis, exitibus et
rediiibus, aquis aquarumque deairsibus, molendinis^ mancqnie.
Gittelder Pfennige. 285
Quamvis autem comes haec rite et legitime videretur^ facere^ tarnen
quidam Magdeburgensis Canonicus^ nomine Ludolfus pmefad
Alberti Germanus, non mediocriter comitem eadgendo haereditatem
fratris coarctamt et tamdiu consultores legis ac provinciarum rectores
adver sum comitem in omni concUio interpellavit, donec iure gentis et
iudicio legis omnem fratemam haereditatem ipsi Ludolfo coactus
remisit, Ludolfus itaque sub occasione recipiendae hereditatis in-
vitatus a comite venit in praedium^ uhi praedictum fundabatur
monoMerium, quem comes per intemuntios mvUifariam temptabat
ßectere, ut quod ipse causa animae inchoasset, Ludolphus quoque
pro aetema remuneratione ratum sineret esse ac stabile. Sed cano-
nicus, ne quasi coacta sua videretur oblatio, nü conditionabüiter
permittere voluit^ sed omnem prorsus fratris haereditatem iusto ex-
egit faminC'^ et cum cyrotheca de manu comitis tandem recepit ac
tenuit libere. Sequente vero die Ludolfus divino quodam nutu im-
pulsus, sed ex Episcopi Hartwigi, qui gratia consecrandi aüaris
nostra voluntate invitatus advenerat, fratrumque Sifridi et Ounonis
comitum oratione permotus statuit voluntarius pro salute ßrmaque
requie comitis votum propria oblatione conßrmare. Principalis
igitur altaris consecratione rite peracta, Ludolfus processit et utrum
nam proßteretur fratris haereditatem se libere recepisse, ac quod
vellet inde ßeri libertatem habere^ comites perquisivit. Omnibus
itaque annuentibus ad aUare processit et primum donum post con--
secrationem his terminatis verbis cum cyrothea obtulit dicens: ,,En
ego Ludolfus offero Deo et Sanctis eius Thomae et Nicoiao specia-
liter in usum fratribus hie Deo sermentibits haereditatem meam^
quam iure haereditario mihi a parentibus cessit, predium scilicet
Miminde ex utroque fluminis litore cum eius utüitate, allodium in
Dransfelde cum eius proßcuo, bonum in Bertolderode cum eius
appendiciis, curtim in Heristede cum eius iuribus^, vüluiam in Berga
cum eius usibus, curtim in Friderichshusen, curtim in Wittenbumen^
curtim in Werithen, novem mansos in Winithusen*'*', Hanc obla--
tionem solenniter factam Episcopus Hartwigus banno conßrmare
tarn a Ludolfo quam a comitibus Heinrico, Sifrido, Cunone roga-
tus est. Qui ex more, si quis huic oblationi contradiceret , imo
286 Menadier:
omnes laudarent^ tunc in nomine Domini ex Apostolica et nostra
omniumque Catholiconim ac sui ipsius interminatus est auctoritate^
ne (piidam iustae donationi aliquu violentia, fraude vel arte con-
aretur obviare^ et qui aliter praesumeret^ sententia Christi damnan--
das 8ub perpetuo iaceret, nisi resipisceret ^ anatliemate. Quo dicto
ab Episcopo Ludolfus quoque suam oblatiofiem propriie conßrmans
verbis comitem Heinricuvi te7Tibilius contestatus est saa^amentis^ ne
imiquam hominum libero vel servo de praenominatis bonis cdi-
quid unquain prestareiur beneßcium^ 7iec aliquid inde vendicare,
nisi advocatiam sibi suaeqne stirpi praesumeret. Quae eontestaJtu
bannique interminatio a Comitibus Ileinrico^ Sifrido, Cunone cae-
terisqiie omnibus audita, coinprobata^ laudata est ac scriptis tradita.
JEtiam Heinricus Comes et eins coniunx Gerdrudis Deo et Sanctis
eins Tliomae et Nicoiao in dotem Ecclesiae ad us^isfrcUrum iln
Deo famulantium^ haec quae subscripta sunt : curtim im Wichlo cimi
sids appendiciis, mansos in Meyntcardesliusen^ curtim in Bischopes-
husen cum suis appendiciis et. eccleda^ curtim in Gardelbie^ villam
Bischopeshusen , aliquantulas etiam possessiones in his vülis Hai-
marthen^ Wereltehusen^ Wyrcldn^ Immesin^ Burdala, Ammenhusen^
Valeberye^ Hukelhem^ Adenhem^ Kemestide^ Belkeroth^ Busteleven,
Wertere^ Steynbriicget Sunthuseyi, Odenleve, Ascolfess, Wynethe^
Dopstide, Berchge, Dalheim^ vineam in Welkeroth ^ in Sothen tres
salinas^ in Ilüdegereshusen V solidos^ in Ilonethen tres mansos,
in Reynnethe IX mansos, in Kelvera ecclesiam et trededm mansos
et molendinum, in Nora XXII mansos, in Honethu unum mansum,
in Ilatzenroth IV mansos, in Wephleta quinque mansos, in Holbick
unum talentum, villam Wilingeburin, possessiones in Holzraten,
Comes Sigfridus obtidit X mansos in Asla. Ad haec nobilis üle
vir Ileinncus fundator huius coenobii, quaecunque pia et iusta sunt,
et loca utilia assensu et consilio nostro statuit et statutum ab ipso
Imperatore Ileinrico confirmaii obtinuit, scilicet ut nemo haeredum
suorum aliquid in Abbatia sibi usurpet praeter advocatiam; nvJU
advocatia in beneßciuju praestetur, sed ad nutum abbatis in abso^
lutionem peccatoruvi commendetur; advocatus in abbatia absque
permissu vel rogalu abbatis nullam potestatem exerceat in aUquoi
Gittelder Pfennige. 287
ibi etiam publicum forum et percuasura ad inntar Gos-
lariensis monetae cum omni forensi iure pro abbatis dis-
ponatur arbitrio\ ut sit ibi abbatis libera et canonica secundum
reffulam beaii Benedicti electio. Si aliquis Über homo in quocunque
degens comitatu se vel bona sua JEcclesiae praefatae tradere voluerit,
liberam potestatem habent sine cuiuslibet comitis, rectorisj iudicis pro-
vinciae contradictione. Facta sunt haec anno incamationis dominicae
mülesimo nonagesimo tertio, indictionel, Iliduslunii^ imperante Hein-
rico IV, Nobis autem eodem anno idus lulii cum amicis nostris in
Heilgenstadt tenentibus conventum cunctahaecinnostripraesentianiukis
audientibus clericis et laicis sunt recitata, comprobata et laudata, Nos
etiam pietatis affectu eiusdem loci fratribus concessimus et nostrae sedis
auctoritate, ecclesiastici iuris legibus, iitliberevidelicetinfantesbaptizare,
inßrmos viser e et omnes, qui se Uli devoverint et sepulturae loctun inibi
elegerint^ suscipere et sine allcuius contradictione sepelire, et quicquid
ßdeles christiani pro animarum suarumsahUe obtulerint, seutradiderint,
liceat iis in suos usus, prout libuerit vendicare et disponere* Con^
cessimua quoque ipsis per forestum ?iostrum ubivis circa se libenter uti
pascuis et piscationibus, 2 andern rogatu comitum Ileinrici, Sigifridi,
Cunonis omnia data vel statuta vel in posterum danda vel staiuenda ipsi
loco profuiura in verbo Domini ex apostolica authoritate banno nostro
conßrmavimus, atque ut rata et firma stabiliaque cunctis sanctae Dei
ecclesiae ßdelibus perpeiim credantur, ac diligentius observentur, haue
chartam scribi iussimus et sigilli nostri impressione corroboravimus,
Testes sunt Episcopi Ileinricus Patelburnensis, Odo Ilildenesheimensis^
Ilartwicus Virdune^isis, Abbas Marcwardus Corbeiensis, Thietmarus
Ilelmwardeshusensis, Güntliems Patelbumensis, Praepositi Ludolßis
Magdeburgensis, Bello de Luip. Ordo Heilgenstadensis, Embrico Thor-
lensis. Comites Heinricus, Sigifridns, Cuno, Erph, Erwine, Liben
homines Ludolfus, Godefredus^ Geroldus, Wiboldus, Dede, Bertoldus,
Unico, Uelmericus, Ministeriales Rudolfus, Ludolfus, Sanctolfus,
Ilunoldns, Eskerich, Eppo et alii quam plures clerici et laici. Data
in Heilgenstadt. Idus lulii per manum Etelgeri praepositi Nortunensis.
(J. G. Leuckfeld, antiquitates Bursfeldenses. — Leipzig und
Wolfcnbüttel 1712. — S. 6.)
288 Menadier:
Der Abt von Bursfelde war danach ausdrücklich verpflichtet,
sich mit seinen Münzen denen der kaiserlichen Münzstätte zu
Goslar anznschliessen. Dem entspricht die erste der drei Münzen
vollständig, die vollkommen den Goslarer Denaren gleicht und
als einziges besonderes Merkmal zur Bezeichnung der geistlichen
Münzstätte dem vorbildlichen Gepräge einen Erummstab zufügt
über den Köpfen der beiden Heiligen, woselbst die Goslarer Pfennige
die wechselnden Beizeichen der einzelnen Jahrgänge, einen Stern,
ein Kreuz, ein Ringel, einen Buchstaben, zu tragen pflegen.
Ob auch der von dem Finder um der Metallprobe willen
unglücklicher Weise abgeschliffene Denar mit den beiden Heiligen-
köpfen auf der Kehrseite, der sich in dem zu Anfang des
vierzehnten Jahrhunderts geborgenen Bevem'schen Münzschatze
gefunden hat, dieser Art gewesen und somit zu Bursfelde geprägt
ist, oder ob in demselben nur ein einfacher Goslarer Denar vor-
gelegen, der zweihundert Jahre nach seiner Prägung zusammen
mit den Münzen der jüngsten Jahre untei* die Erde gerathen
ist, lässt sich nicht mehr entscheiden ^). Wenn indessen Leuckfeld
(a. a. 0. S. 12.) berichtet:
Von der vorhin beriüirten und von Kayser Henrichen dem
Closter vergönneten Müntz- Gerechtigkeit ist auch die noch zu 6e-
lialten^ dass in denen folgenden Zeiten solche von denen Bureefelder
Aebten nach Belieben exerciret worden j und dieselbe unterschiedene
Geld-Sorten vormahls gemüntzet haben, auf deren einer Seiten das
Bild eines Abtes mit seinem gewöhnlichen Pontifrcalhabite^ auff der
andern aber ein grosses Lateinisches B mit einem durchzogenen
AbtS'Stabe zu sehen gewesen ist. Dergleichen Groschen^ nach dem
Gewichte eines Göttingischen Schillings^ noch Anno 1571 zu Burse^
felde Selbsten bey Aufräumung eines alten Hauses an dem daeigen
Kirchhofe mit diesem Gepräge ist gefunden^ und solcher von dem
damahligen Abte Johann unterschiedenen Leuten gezeiget worden.
SO ist jedenfalls die Yermuthung berechtigt, dass die im Jahre 1571
gefundene Münze ein dem vorliegenden ähnlicher alter Denar
1) Schönemann, Zar vaterländischen Münzkunde. (Wolfenbttttel 1853.)
III. Der MOnzfond bei Beyern. Nr. 46.
Gittelder Pfennige. 289
gewesen ist. Die Kehrseite wird die Köpfe der beiden Heiligen
and einen Krummstab mitten über ihnen gezeigt haben, die
schon bei massiger Abnutzung der Münze sehr wohl den Irrthum
zulassen, dass es sich um ein lateinisches B mit einem durch-
zogenen Abtstabe handele. Die Hauptseite dagegen mag das
Bild des Abtes in der Weise getragen haben, wie es uns der
an zweiter Stelle beschriebene Denar vorführt. Es zeigt sich
hierin eine Abweichung von dem strengen Wortlaute des
kaiserlichen Privilegiums, oder zum mindesten eine freiere Aus-
legung desselben, als sie dem ältesten Pfennige zu Grunde
liegt, doch wird dieselbe sehr bald eingetreten sein. Selbst-
verständlich ergab sich damit die Schwierigkeit zu entscheiden,
welche der beiden Seiten der Goslarer Mustermünzen beizubehalten
und welche aufzugeben sei, und wir sehen dieselbe in der zwei-
fachen Weise gelöst, dass das eine Mal die Kehrseite mit den
Köpfen und Namen der Heiligen, das andere Mal die Hauptseite
mit dem Kopfe und Namen des Kaisers bewahrt und mit dem
Brustbilde des Abtes vereinigt ist. Bei dem ersten Versuch
wurde dies Brustbild von den altern Münzen einer der beiden
näcbstgelegenen geistlichen Münzstätten entlehnt, sei es nun,
dass die Gittelder, sei es dass die Corveier Pfennige zum Vor-
bilde dienten. Bald jedoch trat an Stelle dieser Entlehnung eine
eigene freie Schöpfung, wie sie auf dem dritten der uns erhaltenen
Pfennige uns entgegentritt. Damit dürften alle Zweifel hin-
sichtlich des Ursprungs dieser Münzen gehoben sein. Wir
brauchen uns nicht mit der von Dannenberg ausgesprochenen
Vermuthung zu begnügen, dass dieselben vielleicht in Bursfelde
geprägt sein können, sondern dürfen ihnen diesen Ursprung als
gesichert zusprechen.
Was indessen für die Zeit des Kaisers Heinrich IV.
bezüglich der Stellung der Grafen und Vögte zu dem Gittelder
Münzwesen auf Grund der Münzen selbst festgestellt worden
ist, lässt sich über die Tage desselben hinaus keineswegs aus-
dehnen. Unmittelbar nach dem Kaiser starb Graf Dietrich HE.
290 Meoadier:
von Eatlenbui^, wie bereits mitgetheilt ist, am 12 Angast
] 106 und mit ihm erloscli , da er keine Kaclikominen besass,
das Grafengcschlectit der Katelnbnrger. Seine Mntter, die
damals bereits zum zweiten Male verwittwete Gertrud von
Brannscbwcig, und seine Gemahlin Adela Gräfin von Beichlingen
waren die rechtmässigen Erben des von ihm hinterlassenen
Allodialbesitzes. Ihnen hätten auf Girund des vom Kaiser Kon-
rad II. ertheilten Lehnbriefes anch die durch den Tod Dietrich's
eröffneten Reichslehen Übertragen werden sollen. Allein dies ist
jedenfalls nicht geschehen. In welcher Weise indessen Über sie
verfügt worden ist, wissen wir nicht. Anch über das Schicksal
der geistlichen Lehen, welches die Katelnburger Grafen besessen
haben, berichtet mit einer einzigen geringen Ausnahme die schrift-
liche Überlieferung nicht. Wie der übrigen wird selbstverständlich
auch des Magdeburger Lehens zu Gittelde, der Vogtei daselbst,
nicht gedacht, fUr die wir ja auch aus dem elften Jahrhundert
weder ein urkundliches noch ein schriftstellerisches Zengniss
besitzen, so dass sie bisher Überhaupt noch nicht den Gegen-
stand der geschichtlichen Forschung gebildet bat Haben uns
aber fdr die voraufliegende Zeit die Hünzen die einzige Kunde
darüber vermittelt, dürfen wir auch nicht den Versuch scheuen,
zu untersuchen, ob nicht auch von den jungem bisher noch
nicht bestimmten Münzen, an denen die erste Hälfte des zwölften
Jahi'hunderts besonders reich ist, einige in Gittelde geprägt worden
sind und Anischlnss über die Schicksale des Ortes verschaffen.
Da bieten sich nun zunächst zweierlei Pfennige des Ooslarer
Typus, die mit ihrem grösseren Umfang und ihrer geringeren SUrice
den Übergang zu den Halbbracteaten bilden und dadurch, wie anch
schon durch ihr Auftreten in dem Funde von Santersleben sich als
Eraeugnisse des Beginns des zwölften Jahrhunderts ervdsen.
Gittelder Pfennige.
+ MAVRICIVS IM Gekrönter bärtiger Kopf in Vorder-
ansicht; zur Linken eine Lanzenspitze, zur Rechten die
Spitze eines Lüienscepters; über beiden je eine Kugel
im Felde. - (+S)/SSlM(ONIVGA) Die Brustbilder der
beiden Goslarer Heiligen Simon und Juda und mitten
über ihnen im Felde das Wort: LEX
(Leitzmann, Halbbracteat König HelDrich's V. Nnm.
Zeitung. 1860. S. 10. T. 1. — Cappe, Die
Münzen der deutschen Kaiser und Könige des
Mittelalters. L S. 123 fg. Nr. 577. T. 7. Nr. 101.
— Dannenberg, Die deutschen Münzen der fränki-
schen und sächsischen Kaiserzeit. Nr. 649.)
. + MARV . IVS IM Gekrönter Kopf mit Lanzenspitze
und Lilienscepter.
+ S^SMONiVGA Die Köpfe der Heilten; über ihnen
LEX.
(Dannenberg Nr. 649 b.)
. + IHVRiavs Gekrönter Kopf mit Laozenspitze und
Lilienscepter.
+ S^SSIMOIVGA Die Köpfe der Heiligen; über ihnen
LEX.
(Dannenberg Nr. 649 c. Die Reichel'sche Münzsamm-
lung in St. Petersburg. IV, 2. S. 660. Nr. 3672.)
292 Menadier:
d. + MAVRICIVS H Gekrönter Kopf, mit einem Fähnchen
links; rechts ein A
+ S^SSIMONIVGA Die Köpfe der Heiligen; über ihnen
LEX
(Cappe I. T. Vn, 101.)
e. + S MO VIS . Gekrönter Kopf; rechts ein A
S^S SION S^SIV . . S . Die Köpfe der Heiligen; über
ihnen LEX
(Reiche!. Nr. 13678.)
f. + MAVRICIVS IM. Gekrönter Kopf mit Fähnchen
und Scepter.
+ S^SSIMONIV OrA . Die Köpfe der Heiligen; über
ihnen eine Lilie.
(Cappe I. T. VII, 102. Hoflfmann. T. II, 6-)
g. + S^SSIMONIV OrA . Die Köpfe der Heiligen; über
ihnen eine herabhängende Lilie.
(Oappe I. T. vn, 102.) (Vgl. Cappe, Bekannt-
machung eines Münzfundes. Num. Ztg. 1843. 20.
— Cappe, Beschreibung der Münzen von Goslar.
Dresden 1860. S. 10. Nr. 4? fg.)
13. lOiPATRiESIT Brustbild in Vorderansicht zwischen
zwei Thürmen über einer Mauer mit dnem Thorbogen
in der Mitte. — +S/^SIMONIVG Die Brostbilder
der beiden Goslarer Heiligen Simon und J'uda und
mitten über ihnen im Felde ein undeutliches Wort —
Dannenberg liest dasselbe LEX mit undeutlichem L;
ich vermag jedoch auf dem mir von ihm gütigst Yor-
gelegten Stücke nur ein E zu erkennen; trotzdem
dürfte die Ergänzung zu LEX sicher sein.
Gittelder Pfennige. 293
(Gappe, Bekanntmachung eines Münzfnndes. Num.
Ztg. 1843. S. 21. Nr. 53. — Cappe, Die Münzen
der deutschen Kaiser und Könige des Mittelalters.
S. 116. Nr. 528. T. 14. Nr. 232. — Dannenberg,
Die deutschen Münzen der fränkischen und
sächsischen Eaiserzeit. Nr. 697.)
Dass die erste dieser beiden Arten von Pfennigen nicht in
Goslar geprägt sein kann, versteht sich von selbst. Ein Stempel-
Schneider der Ooslarer Münzstatt konnte unmöglich auf den
Einfall kommen, seinem Stempel den Namen des Magdeburger
Heiligen, des Moritz, einzugraben. Ebensowenig aber dürfen
wir ihn für eine nach Goslarer Muster geprägte Magdeburger
Münze erklären. Schwerlich hat sich damals der Einfluss des
Goslarer Geldes so weit nach Osten ausgedehnt und hat sich
das bedeutende Magdeburg demselben gebeugt. Zu deutlich
giebt sich das ungewöhnliche und widerspruchsvolle Gepräge als
das Erzeugniss einer Münzstätte und eines Münzstempelschneiders
zu erkennen, denen die Darstellung des heiligen Heerführers
eine neue ungewohnte Aufgabe war und zur Lösung derselben
die bisher nachgebildeten Goslarer Münzen als Vorbild dienten.
Schon diese Betrachtung allein würde uns auf die erzbischöflich
magdeburgische Münzstätte Gittelde führen. Dazu konmit nun
der zweite Pfennig, dessen Zusammengehörigkeit mit dem ersten
aus dem beiden gemeinsamen und ihnen allein eigenen Worte:
LEX hervorgeht. Die Umschrift desselben ist sicher in ihrem
ersten Theile zu lO(HANNES) PATR(ONVS)') zu ergänzen, und
aus dem Reste ergiebt sich durch eine geringe Änderung, das
Ausstossen nur eines einzigen Striches, ein EST. Johannes
aber und Mauritius waren die Schutzheiligen von Gittelde, ihnen
sind die beiden Kirchen des Ortes geweiht, ihre Namen trug
auch das alte Siegel des Ortes, wie bereits im Eingang dieser
Untersuchungen ausgeführt worden ist. Zu Gittelde müssen
daher auch diese in die Ehre des Johannes und Mauritius
1) Die Cappe*8che Lesart: propatres ist wohl ebenso irrig, wie die dem
Kopfe sageschriebene Krone.
294 Henadier:
geplagten Pfennige ausgegeben vorden sein, und zwar wird
die Ausprägung derselben sehr bald nach dem Tode des Grafen
Dietrich HI. von Gatelnburg erfolgt sein. Aas der Vereinigung
der beiden Goslarer Stiftsbciligen auf den Kehrseiten and je
eines der Gittelder Patrone auf den Hauptseiten der Münzen
und dem vollständigen Mangel einer Hindeutung auf den geistlichen
Oberherrn, den Magdeburger Erzbischof, oder einen Vogt als
Leiter der weltlichen Verwaltung, spricht laut die Unsicherheit
und Ungewissheit der Lage, in welche der ganze Ort und mit
ihm die Münzwerkstatt durch das Aussterben des alten Grafen-
hanses versetzt worden war. Ihr gegenüber der Gesetzmässigkeit
der neu geprägten Mflnzen einen unzweifelhaften Ausdruck zu
verleihen, mag der Mflnzmeister den Eisenschneider angewiesen
haben, den Stempeln aber den Häuptern der beiden Heiligen,
also an der hervorragendsten Stelle, welche für die Beachtong
unbedingt Gewähr leistete, das Wort: LEX einzugraben*).
1) DaoDenberg scbrebt io Betreff derselben: .UerkwOrdig und dban
Beispiel ist insbesondere auch das lex auf Nr. 649» geht ei auf du gOttUebe
Gittelder Pfennige. 295
Im Anschluss an die eben behandelten ist nochmals der
Münzen zu gedenken, von denen im Voraufgehenden nach-
gewiesen worden ist, dass sie vom Grafen Heimaiin von Winzen-
burg geprägt worden sind.
14. +HEREMANIVS. Brustbild des Grafen in Vorder-
ansicht, der mit der Rechten ein Fähnlein schultert,
mit der Linken aber einen Gegenstand hält, der einem
Reichsapfel mit einer Lilie auf der Spitze ähnelt.
+ S-^SSlIMpNIVG . Die Brustbilder der Goslarer
Heiligen, über denen ein Kreuz angeordnet ist.
(Dannenberg, Die deutschen Münzen der sächsischen
und fränkischen Kaiserzeit. Nr. 691.)
a. + HEREMANIVS . Brustbild des Grafen mit Fähnlein
und Kugel mit Kreuz. — S^SIMONIVG . Die Brust-
bilder der Heiligen; über ihnen ein Kreuz.
b. +HERMAENVS Brustbild des Grafen, der mit der
rechten Hand ein Schwert schultert und mit der
linken eine Lilie hält. - +S/SS1M . . . . QrA Die
Brustbilder der Heiligen.
c. + I . . . VNS . Brustbild des Grafen mit Schwert
und Lilie. — +MAGOCAHVRG. Die Brustbilder
der Heiligen; über ihnen ein Stern.
(Cappe, Die Münzen der deutschen Könige und
Kaiser des Mittelalters. L S. 129 fg. Nr. 598—
G02. T. VIIL Nr. 1118-1122. — Cappe, Be-
schreibung der Münzen von Goslar. S. 10 fg.
Nr. 47—49. T. V. Nr. 42. 43.)
Diese Pfennige des Grafen Hermann stehen einerseits den
Moritz- und Johannespfennigen, mit denen sie auch die Fundgemein-
schaft theilen, so nahe und erinnern anderseits so sehr an den Pfennig
des Grafen Dietrich IIL aus dem Funde von Londzyn, dass man auf
die Vermuthung geführt wird, er, der Graf des benachbarten Leine-
Gesetz? oder soll es bedeuten, dass die Müoze nach Vorschrift des Oeseties
in gutem Schrot und Korn ausgebracht ist.
ZeiUchnft fiBr KuniUmfttik. XVI. 20
296 Menadier:
gaues und begünstigte Parteigänger des Königs habe nach Dietrichs
Tode die Reichs- und Kirchenlehen des Catelnburger Hauses er-
halten und als Nachfolger desselben in der Yogtei zu Gittelde in
der dortigen Münzschmiede jene Pfennige prägen lassen. Freilich
die hervorgehobene Ähnlichkeit in den Prägebildem wie in
der ganzen Mache erzwingt keineswegs durchaus die Entste-
hung derselben an demselben Orte und durch dieselbe Hand;
schon die Gleichzeitigkeit der Prägung und die Nachbarschaft
der Prägestätten reichen zu einer Erklärung des Umstandes aus
und wie die Privilegirung der Abtei Bursfelde bezeugt, dass zu
Heiurich's IV. Zeit die Goslarer Münze bis zur Weser massgebend
gewesen ist, so wird man ein gleiches auch für den südwärts
gelegenen Leinegau vorauszusetzen und die Münzen für leingauische
zu erklären sich für berechtigt halten.
Allein uns ist nicht nur nicht die geringste urkundliche
Nachricht über eine Münzstätte des Leinegaues aus den Jahren
des Grafen Hermann erhalten, sondern auch die am 16. October
1144 dem Kloster Beinhausen durch den König Conrad UI. ver-
liehene Müuzgerechtigkeit ^) spricht gegen die Annahme einer
solchen. Wäre in demselben bereits eine ältere Münze im
gräflich winzenburgischea Besitze im Betriebe gewesen, dann
hätte nur auf deren Kosten die Reinhauser Münze ins Werk
gesetzt werden können. Das aber dürfte bei der Parteistellong
des Jüngern Hermann, des Sohnes unseres Münzherrn, als eines
Anhängers des staufischen Königs gegenüber den sächsischen
Grossen ausgeschlossen sein. Andererseits war, wie wir durch
die Urkunde des Kaisers Friedrich L vom Neujahrstage 1158*)
erfahren, dem Grafen Udo durch Kaiser Konrad II. gelegentlich
eines Gütertausches die Vererbung seiner beiden Lehen, der
Grafschaft im Lisgo und des Harzforstes, auch an seine weib-
lichen Erben urkundlich gewährleistet und ihi* Besitz an den
des catelnburgischen Eigengutes in Eimbeck geknüpft worden
und damit auch über das durch den Tod Dietriches III. herbei-
1) Leibniz, Scriptores brunsw. Ulastr. I. 706.
2) Vgl. unten.
Gittelder Pfennige. 297
geführte Aussterben von Udo's Geschlecht hinaus die Nachfolge
in der Grafschaft festgestellt worden; aber eben jene Urkunde
beweist uns auch, dass jene Bestimmung nicht berücksichtigt
und die in ihr vorausgesehene Vereinigung des Besitzes von
Eimbeck und der Lisgauer Grafschaft erst durch sie wieder her-
beigeführt worden ist. Bei einer freien Vergebung der letztern
durch den König war aber unter allen etwaigen Bewerbungen
unter allen Umständen die begünstigste und wohl auch die er-
folgreiche die des Winzenburgers, der der eifrigste Vertreter
der königlichen Interessen in Sachsen war und das besondere
Vertrauen Heinrich's V. besass , der kraft desselben mit dem
Erzbischof Brudo v. Trier, den Bischöfen Otto v. Bamberg,
Erlung V. Würzburg, Reinhard v. Halberstadt, Burchard v. Münster
und den Herzogen Weif v. Baiern und Bertold von Zähringen
und Wiprecht v. Groitsch vom König zu dem 1107 um Himmel-
fahrt von Pabst Paschalis nach Troyes berufenen Concil gesandt,
1110 mit den Erzbischöfen Bruno v. Trier, Friedrich v. Cöln,
Adalbert von Mainz und dem Bischof Walcher v. Cambray aber-
mals zur Verhandlung über das Investiturrecht zum Pabst nach
Rom abgeordnet, 1111 im Beginn des Jahres, als der König
bereits mit einem Heere in Italien stand, mit Adalbert v. Mainz,
den Grafen Friedrich v. Arnsberg und Gottfried v. Calw und
dem Truchsess Folkmar zum dritten Male als diplomatischer
Unterhändler mit der Curie ausersehen wurde und Ende des
Jahres 1114 in gerechter Würdigung seiner Verdienste zugleich
mit dem Bischof Burchard v. Münster und dem Kaiser selbst
von dem Cardinalbischof Kuno v. Palestrina zu Beauvais ex-
communicirt wurde, vom Kaiser aber mit der Mark Meissen
oder der Lausitz, einer der von der Markgräfin Gertrud für
ihren Sohn Heinrich verwalteten Marken, belohnt zu sein scheint,
da er in der Urkunde vom 11. Januar 1112 und vier verschiedenen
des Jahres 1114 als Marchio ') bezeichnet wird, nach deren Verluste
im Jahre 1117 er freilich seine Parteistellung wechselte und sowohl
1) Codex diploraaticus Saxoniae regiao. I. 2 : 33, 41, 42,44,45. Stampf
3083. 3110. 3111. 3114. 3116.
20*
298 Mcnadier :
1118 dem Erzbischof v. Köln als hinterdrein dem Herzog Lotbar
gegen den Kaiser Zuzug leistete. Nehmen wir an, dass ihm in der
Gegenstellung gegen Gertrud auch die Grafschaft im Lisgo
übertragen worden, so würde der Titel eines Landgrafen von
Sachsen, der ihm und seinem Sohne bisweilen beigelegt wird')>
in der Vereinigung dieser und der ererbten Grafschaft im Leine-
gau eine hinlängliche Erklärung finden. Unterstützt könnte
diese Annahme vielleicht durch die Thatsache werden, dass
Graf Hermann II. sich später im Besitze, wenn auch angemassten
Besitze, eliemaliger Mainzer Lehen der Catelnburger in der Um-
gebung von Eimbcck befindet*). Erwiesen aber würde es und
1) Als provincialis comcs, patriae comcs wird Hermann in folgenden
spätem Urkunden bezeichnet
1112, ?. Dec. Urk. Adalbert's v. Mainz. Cod. dipl. Sax. I. 2:87
1122, Auct. Claustroneob. Hermannus comes provincialis de Saxonia
obiit.
1144, Oct. 16. Stumpf 3480. Ab inclytae recordationis Herimanno
patrie comite.
1168, Juni. 2. Or. Guelf. 3. 505. Heremannus provincialis comes.
Hermann IL führt den landgr&flichen l^itel:
1129, Juni 13. Stumpf 3245. Hermannus landgravius.
1130, chrou. samp. principalis comes Thuringie.
1130, ann. Disib. (SS. 1724.) Ludovicus comitatum Hermanno judicio
sublatum Turingie suscepit.
1112, ann. Stad. (SS. 16. 319.) quem postea lantgravius UcrmanDas
de Winsenburg in dolo occidit.
2) Ego Adelbertus Dei gratia Moguntinus Archiepiscopus notum facio
Omnibus fidelibus tam futuris quam praescntibus, qualiter vcncrandae memoriao
praedecessor noster Dominus Rothardus Archiepiscopus amore coelesti prae-
mii percipiendi, de tribus dominicalibus Wanemangre, Hildesse,
Einbecke ad se pertinentibus Ecclesiae beati Johannis Apostoli
et Evangclistae in Katelenburch et fratribus ibidem Domino
famulantibus tradidit, quam Comes Theodoricus de benefieio
suo eidem Archiepiscopo ad hoc ipsum resignavit, super ipsa tra-
ditione testamenti pagina ipsis dando et sigilli sui impressione, quatenus omni
tempore stabile ratum foret, corroborando. Cuias igitur liberalitatis vestigia
venerabilis praedecessor noster dominus Adelbertus et domini Rothardi sne-
ccssor in beneficiis sequens, quod donaverat, donavit, addens praefatis pro
remcdio animae suae, ut inde perpetua eins haberetur memoria, decimas de
omni fundo illius Ecclesiae inculto ubicunquc sito, ad quoscunque usus illum
perducero potuerint, similiter signati privilegii testamento donationem suam
corroborans. Easdem vero decimas marchio Ilerimannus, qua ab
Gittelder Pfennige. 299
ausser jeden Zweifel gestellt, dass die Grafschaft im Lisgo und die
Vogtei in Gittelde von den Catelnburgern auf die Winzenburger
übergegangen, wenn sich die leider nur durch Cappe's geringe
Autorität gestützte Umschrift auf der Kehrseite der letztverzeich-
neten Münze bewahrheiten sollte. Sie würde schwerlich eine andere
Deutung als auf das erzbischöflich magdeburgische Gittelde zulassen.
Ungefähr ein Menschenalter später als der Fund von
Santersleben ist der im Jahre 1713 im Halberstädtischen
gehobene und durch den braunschweigischen Consistorialrath
Schmidt der Wissenschaft gerettete Münzfund in die Erde
Ecclesia et fratrum stipendiis abstraxerat, suis beneficiis
addicens, a nobis et ab aliis fidelibus admonitus, nobis eas
iterum resignavit, accepta etiam prius a nostra benignitate promissione
recompensationis earundem cum aliis beneficiis. Nos igitur nihilominus, prout
competit Ecciesias promovere et spiritualibus fratribus prodesse capientes,
quod ?enerandi praedecessores nostri fecerunt, facimus, quod donaverunt,
donamus. Ut autem huius rei series rata atque inconvulsa permaneat, prae-
sentem hanc paginam inde conscribi et sigilli nostri impressione iussimus
communiri, omnipotentis Dei auctoritate et beatorum Apostolorum Petri et
Pauli Domini Papae Innocentii et nostra sub anathemate interdiccntes, ne quis
ex unquam inquietare, vel ullo ingenio aut dolo impetere infringereve audeat
vel attemptare. Testes fuerunt: Henricus praepositus de Jecheburc, Godos-
calcus praepositus de Heiligenstadt, Reinhardus Abbas de Reinehusen,
Güntherus praepositus de Lupoldesberc, Adelbertus Dux Saxoniae, Thiedericus
comes patriae de Alsatia, Ludewigus Comes Patriae de Thuringia, Marchio
Uerimannus et frater cius Comes Henricus de Assleburch, Comes Bernhardus
de Plötzecke, Comes Ernestus de Horeburc, Comes urbis de Rusteberc Tuto,
Comes castelli de Plesse Rudpertus, Helmwigus advocatus de Heiligenstadt,
Thietvinus de Hollenstedt, Bruniggus de Siebechteshusen, Bernhardus de
Thutiggehusen et fratrcs eins Herimannus et Thiedericus. Ministeriales:
Lambertus yicedominus de Rustibere et gener eins Hartliebus, Conradus
de Geismare. Thietericus de Aggerstein et gener eins Adelbertus. Hugo de
Heiligenstadt et alii quam plures.
Acta sunt haec Anno Dominicae incarnationis MCXXXIX. Indict. U.
Regnante Conrad o III. Anno rcgnicius U. Data Rustibere. X. Kalend. Junii
feliciter, Amen.
(J. G. Leuckfeld . . . Antiquitates Katelenburgenses ... 1713. S. 26.)
Origines Guelficae. III. 545.
1) Leuckfeld, Gründliche Historische Nachricht von vielen alten und
raren Silbern Bracteaten oder Blech-Müntzen einiger Halberstädtischen
Bischöfe. Antiquitates Nummariae. (Leipz. u. Wolf 1721.) S. 82.
300
Hen&dier:
gerathen. Hat uns jener die MüDzcn Goslars, Halberstadts nnd
der Umgegend aus dem Beginn des zwölften Jahrhunderts zu-
geführt, so verdanken wir diesem fast den gesammten Bestand,
welchen die Sammlungen an Münzen der westlichen und
nördlichen Vorlande des Harzes ans dem vierten nnd fünften
Jahrzehnt des Jahrhunderts besitzen, die braunschweigiechen
Halbbracteaten Herzog Heinrichs des Stolzen wie Heinrichs des
Löwen, die Croppcnstädter Gepräge des Abtes Adalbert von
Corvey, die Pfennige der Biscliüfe Rudolf und Ulrich von Halber-
stadt mit ihren zahlreichen Nachprägungen, die Münzen der
Äbtissinnen von Gandersheini und ihrer Vögte. Zu den Perlen
dieses Fundes zählen zwei sich ergänzende Pfennige im Besitze
der Münzsammlung der Königlichen Museen, die schon am ihres
Gepräges willen besondere Beachtung verdienen, darüber hinaus
aber durch den in der Umschrift der Hauptseite genannten M&nz-
herm an Wcrth gewinnen.
15. HJ. a) + SlOlF
b) + . . OIF SVA
Zwischen zwei Thürmcn über einem Mauerb(^en
das Brustbild eines behelmten bärtigen Mannes,
der mit der rechten Hand ein Schwert nnd mit
der linken eine Fahne schultert. Im Felde neben
dem Kopf und neben dem Thurme eine Kugel.
Oittelder Pfennige. 301
Rf. a) + (undcutbarc Reste)
b) + . . . . MVGA
Die halbe Figur eines Geistlichen in weitem Ge-
wände in Seitenansicht nach links, der einen mit
der Krömmung abgewandten Stab vor sich hält;
im Felde zur linken drei Kugeln, zur rechten
zwei Kugeln und ein Stern.
Als ich zuerst auf diese undeutlichen und schwer zu ent-
ziffernden Pfennige aufmerksam geworden, glaubte ich in dem
Gepräge der Kehrseite das Bild einer Äbtissin in Vorderansicht
zu erkennen, und sie als Vorbild für die Denare des Heveller-
fiii'StcQ Heinrich Fribislaw und seiner Gemahlin Petrissa auf-
stellen zu dürfen'). Wiederholte Betrachtung bei günstiger
Beleuchtung hat mich jedoch zu dem sichern Ergebnis^ geführt,
dass die Gestalt nicht dem Beschauer zugewandt, sondern seit-
wärts gerichtet ist, und bei dem Mangel jeglichen weiblichen
Schmuckes, wie 4£S Gebäudes, auf keine Weise eine Äbtissin,
sondern nur einen geistlichen Herrn darstellen kann. Stehen sie
trotzdem den Brandenburger Denaren ungleich näher, als der in
der städtischen Münzsammlung zu Magdeburg befindliche Denar
des Magdeburger Erzbischofs Konrad (1134 — 1142)^) mit dem
Brustbilde des Fahne und Schild haltenden heiligen Moritz auf
der stark, und dem des Erzbischofs auf der schwach ausgeprägten
Seite, für weiches neuerdings der gleiche Anspruch geltend
1) Terband Junge D der DumiematiacheD Gesellschaft zu Berlin. Sitzang
vom -2. Februar J885.
•2) Herr Oberstlieutenant r. Gr&ba hat mich Euerst anf das Stück anf-
merksani gemacht; dem Herrn Banli Inspektor Bahrfeldt verdanke ich einen
Abdruck.
302 Menadier :
gemacht wird: so ist gleichwohl ihr Anrecht auf die Vorbild-
lichkeit für die Brandenburger damit hinfällig geworden, und
die Ähnlichkeit zwischen ihnen so sehr herabgemindert, dass
man sie höchstens auf ein gemeinsames Vorbild zurückfQhi*en
kann, wenn man sie nicht gar nur für eine derartige er-
klären will, wie sie sich bei ihrer Gleichzeitigkeit von selbst
versteht.
Um so mehr haben sie an Interesse gewonnen durch die
Entzifferung der Umschriften. Die der Kehrseite scheint zwar
nur die Namen der Goslarer Stiftsheiligen enthalten zu haben
und kann daher lediglich zur Bestätigung für die Annahme
geltend gemacht werden, dass die Münzen im Westen des
Harzes entstanden sind, was sich schon aus ihrer äussern Er-
scheinung ergiebt: die der Hauptseite dagegen ist nach den
Resten der beiden vorliegenden Stücke nicht anders als zu
+ SIGIF(RIDV)S V(enerabilis) A(dvocatus) ') zu ergänzen und lässt
keine andere Deutung zu, als auf den EnkeLdes Otto von Nord-
heim, des ehemaligen Herzogs von Baiern, den Grafen Siegfried IV.
von Bomeneburg, in dem einzig in Frage kommenden Jahrzehnte,
dem nach 1130, den einzigen Grossen dieses Namens nicht nur der
Lande zwischen Harz und Weser, sondern des ganzen Sachsen-
landes, wenn man absieht von dem Bruder Albrechts des Bären,
dem rheinischen Pfalzgrafen Siegfried von Orlamünde, den Niemand
ernsthaft gegen den Bomeneburger wird aufstellen wollen. Nach
dem Eintritt seines Jüngern Bruders Heinrich in den geistlichen
Stand, in welchem ihm wesentlich durch den Einfluss Siegfrieds
die Würde eines Abtes von Corvey zu Theil ward, welche er in
den Jahren von 1143 bis 1146 bekleidete, sowie der Schleier-
nahme seiner Schwester Judith, der berüchtigten Äbtissin von
1) Über den Titel venerabilis vgl. Ficker, Vom ReichsfÜrstenstande.
ForschuDgen zur Geschichte der Reichsverfassung zunächst im XII. und XIII.
Jahrhunderte. (Innsbruck 1861.) S. 147. — Erbstein, der Mflozfund von
Trebitz bei Wittenberg. (Nürnberg 1865.) S. 9. — Mader, tJber Nahmeo,
Beynahmen, und Titel der Personen, und Oerter, auf den Münzen des Mittel-
alters. Kritische Beyträge zur Münzkunde des Mittelalters. lY. 134.
Gittelder Pfennige. 303
Geseke, Kemnade und Eschwege*), der einzige weltliche Spross
des alten nordheimischen Grafengeschlechts, vereinigte Siegfried
in seiner Hand einen grossen Theil der Eigengüter des Geschlechtes,
während ein anderer Theil durch Heinrichs des Fetten Tochter
Richenza an ihren Germahl Lothar von Süpplingenburg und ihre
Nachkommen gelangte, und ausserdem den ganzen Bestand an
Reichs- und Kirchenlehen, welchen das Geschlecht im Laufe der
Zeit erworben, unter den letztern, was hier vor allem andern
hervorzuheben, die Vogtei sämmtlicher grossen geistlichen Stifter.
Um nur derjenigen hier zu gedenken, welche das Münzrecht
besessen haben, ist zunächst die Abtei Gandersheim zu nennen.
Als deren Vogt wird Graf Siegfried in einer das Kloster zur Klus
und die Kirche zu Brunshausen betreffenden Urkunde des Bischofs
Bernhard von Hildesheim vom Jahre 1134 als vornehmster welt-
licher Zeuge genannt*), und ebenso in einer Urkunde des Königs
Lothar vom 25. Januar 1136'). Ausserdem aber wird seiner
noch ein halbes Jahrhundert später in der grossen Urkunde der
Äbtissin Adelheid vom 25. Juli 1188 gedacht*), in welcher die
1) In Betreff der gegen diese Geschwisterschaft erhobenen Zweifel vergl.
Bernhardy, Jahrbücher des deutschen Beiches. Konrad III. S. 937. Ex-
curs IL Graf Siegfried und Heinrich I., Abt von Korvei.
2) Harenberg, Historia ecclesiae Oandersheimensis. S. 172. ..acta
sunt haec anno incarnationis dominicae miUesimo CXXXIIII. indictione XII.
astantibus venerabilibus ecclesiae Hildesheimensis fratribus Ddone praeposito
post episcopo et Bertoldo presbytero. Anshelmo episcopo de Brandenburhc
cum compluribus regis Lotharii capellanis Thiderico abbate. Sifrido comite
advocato iam dictae abbatiae. Liudolfo de Waltingerothe. Liutgardi abba-
tissa cum toto Gandersheym. conventu et familia.
3) Harenberg, Eist. eccl. Gand. 170: ...fecimus autem hoc coram
subscriptis testibus Bennone praeposito de Enbeka, Bertolfo, Liudolfo, Brunone
capellanis, Sifrido comite et Herimanno comite, Liudolfo de Waltingerod
aliisque multis regni principibus, Liudolfo advocato, Anno cubiculario, Bertolfo
de Pames aliisque multis ministerialibus.
4) Harenberg, Eist. eccl. Ganders. 130:
Adelheidis, divina favente dementia Gandersemensis ecclesiae abbatissa.
Universos tam praesentes quam futuros nosse cupimus, quod cum Heremannns
Gandersemensis advocatus litones ecclesiae nostrae continuis ac diurnis gra-
varet exactionibus, Fridhericus Imperator Augustus apud Goslariam constitutus
super huius modi gravamine querelas nostras accepit et honorabili comiti
304 Menadier:
Rechte des Gandershelmer Stiftsvogts festgestellt werden und die
Abgabenfreiheit der Kirchenleute gegenüber dem Vogte darauf
zurückgeführt wird, dass zur Ablösung der bisher von ihm ein-
getriebenen Forderungen dera Grafen Siegfried die zu zehn Pfand
geschätzten Kiichengüter zu Beulshausen überwiesen seien. In
derselben wird des Münzrechtes freilich nicht gedacht als eines
solchen, an dem dem Vogt ein Antheil rechtmässig zustehe, oder
von ihm zeitweilig in Anspruch genommen sei: aber wie der
Brief der Äbtissin Dorothea Hedwig an die Herzöge Rudolf August
Burchardo de Woltingeroth dcdit in mandatis, quatenus, cum ipse ecclesiae
nostrac esset advocatus, insolentias pracdicti Heremaoni rationc iuris et Im-
pcriali auctoritatc reprimeret cfficacitcr. Memoratus igitur comcs imperialis
mandati dcvotus, ac Hdclis cxecutor paiicis interpositis diebus una cum fratre
siio Hoyero*comite et Theoderico romite de Iiisula, qui et a domiDO Impcratore
ad hiiiiis causae cxccutionem fueruot delogati, Gandersem veniens, conToca-
tisquc occlesiac ministerialibus sub obtontu imperialis gratiae simnlque sno
debito üdelitatis, quo ipsi et nobis et ecclesiae tcnebantur, districte illis prae-
cepit, ne timore, dilectione vcl odio dcvicti, veritatem supprimentes iura
Ganderscmonsis advocatiae, sicut ipsa se in vcritate haborent, et sicut ea a
progcnitoribus et antccessoribus suis intellexissent et vidissent, et quantam
ad eos ipsi inconeussi obtinuissont, ])ublice et fidcliter explicarent. Uli ergo,
fanta districtione requisiti, advocatiae et advocatorum iura in nostra et
multorum boncstorum praesontia hoc modo distincte et fidcliter protestati
sunt. Gandersemensis advocatus sive principalis, sivc quilibet alius vice prin-
cipalis institutus, feminarum oppressiones, rapinas, furta, latrocinia, seditiones
sanguinarias et causas pecuniarias coram ipso legitime propositas sententialiter
iudicabit tribus vicibus in anno solemni iudicio pracsidcbit, in quo tarn litones
quam forenses homines comparcbunt. ViHici dominae Abbatissae, ubicunqae
locorum villicationes et litones, nihil ab ccclesia possidentes ad eius indiciam,
nisi forte conventi, venire non tenentur; Litones ecclesiae, extra civitatem
constitutos, nuUis omnino oxactionibus vel angariis petitionibus onerabit. Gansa
vcro non agondarum exactionum ab antiquo usque in praesens talis fuisae
dinoscitur. Quaedam ecclesiae bona in Boseleshusen sita, ad decem talenta
aestimata, Sifrido comiti Boumeneborch, Gandersemcnsensi ad*
vocato, primo fuerunt concessa, pro co ut litones ecclesiae a violentis ex»
artionibus advocati omnino sint liberi et ne captioso iudicio debeant indicarL
Infra sopta clau(%tri, cymeterii, muri urbani, monasterii sanctae Mariae monaste-
rii in Brunnesteshuson, monasteri in Clnsa, in dotibus ecclesiarum tarn inlra
civitatem quam extra oxistcntium, in domiriliis ecclesiarum, pcrsonaram, et
in possosMonibus ministerialium, illis videlicet quas ipsi personaliter posddent
vel proprii)« sumtibus colunt, nihil iuris sibi vendicabit advocatus, sed Bi qua
in taxatis locis iudicanda contigerint, Dumina Abbatissa iudicabit. 8i qois
Gittelder Pfennige. 305
und Anton Ulrich von Braunschschweig Lüneburg vom 24. November
1676 lehrt, dass das Münzrecht nachmals an die Vögte aus dem
Wohldenberger Hause und nach deren Abgange an die braun-
schweigischen Herzöge verlehnt worden ist, so beweisen die
autem in praefatis locis pnblicas mercatnras exercuerit, ratione mercationis,
non ratione personae, legi forensi subiacebit; cessante vero causa cessabit et
eifectus. Publice vero mercatores dicuntur, quando quis res, quas infra
forensem limitem emit, lucri gratia postmodum vendere intendit. Si qua vero
de praedictis personis ecclesiasticis videlicet et ministerialibus, quid sibi de
rebus propriis emptis superhabundare vidcrit, in quocunque loci vendiderit,
aut vendi iusserit, occasione buiusmodi venditionis legi forensi non subiacebit.
Exuutas defunctorum, eorum videlicet qui veri adventitii vel veri exules
fuisse probantur, legitimis heredibus, si tarnen ipsi eas ante evolutum annum
et legalem diem petiverunt, advocatus exbibebit. Heredibus autem infra
annum non comparentibus illas ad ius advocati pertinere consuetudo permittit.
Dispositionem fori non advocatus, scd domina Abbatissa, per quos voluerit,
ordinabito. Mercatores, carnifices, mulieres cerevisiam vendentes quibusdam
suis muneribus, tribus vicibus in anno, advocatum honorare consuevcrunt,
quae tarnen iuris nomine non exhibent, sed pro eo, ut ipsius benevolentiam
sibi sentiant efficacius pro futuram. Huc usque ministeriales. Has itaque
expressas iuris species et non alias memoratus comes H. praefato H. concessit
et iuste exercendas recognovit, quas etiam idem H. se non transgressurum
fideliter promittebat. Nequis igitur Gandersemensis advocatus alia sibi iura
temere usurpet, vel quaelibet nostrae sortis Abbatissa alia iura advocatis
concedat vel recognoscat, in huius scripti memoriam praesentem paginam
conscribi et sigilli nostri impressione decrevimus insigniri. Ad validiorem
quoque praedictorum firmitatem speciale quoddam supra memorati Im-
peratoris edictum contra insolentias advocatorum et aliorum quorumdam,
ecclesiae nostrae in solemni curia indultum, huic nostro scripto necessario
duximus inserendum. Dicit enim Dominus Imperator inter caetera: In
hoc etiam ipsi ecclesiae providendum putavimus, ut insolentias advocati
speciali edicto coarctemus, de quo iuxta principum sententiam et assen-
sum statuimus, ut in bonis et personis ad ecclesiam pertinentibus non
faciat violentam exactionem aut petitionem iniustam, contentus iure suo
quod ei ob defensionem ecclesiae institutum est. Inchoata sunt haec
apud Goslariam anno verbi incamati MCLXXXIIX. Indict. VI. YIII.
Kai. Augusti; consummata autem apud Gandersem eodem anno, eadem
indictione, Y. Idus Augusti. Testes: ludetha praeposita, Adelhcidis decana,
Hadewigis canonica Ulia comitis Hermanni, Luckardis capeUana, Bertoldus,
Godefridus et Albero capellani, Burchardus de Gimesem, Amoldus et
Gerhardus de Cantelsem, Ortwinns dapifer, Udo camerarius, Henricns filins,
Aschwin, Giselbertus, Johannes, Gerhardus, Einhardus, HenricuS} Friedericus
et alii quam plures.
Halbbrakteatcn ') aus der Zeit der Könige Lothar und Conrad HI.,
welche mit dem Bilde der Äbtissin auf der Kehrseite das des
Vogtes auf der Hauptseite vereinigen, dass auch damals der
Vogt thatsächlichen Aiitheil an der Mänzprägung nahm. H&chat
wahri^cheinlich rühren sie vom Grafen Siegfried, nicht von seinem
Nachfolger her. Für die hier zur Erklärung vorliegeDden Pfennige
tässt sich diese Abtei jedoch nicht geltend machen, da sie eben
nicht das Bild einer Äbtissin, sondern das eines männlichen
Geistlichen tragen.
In einer Urkunde vom 7. Mai 1141, welche der Abt
Adalbcrt von Corvei über den Tausch von Grundstücken in
Koteringhuscn und Esbeke mit dem Abte Harthwig von Flecfatoif
ausgestellt hat, erötfuet die Zeugenreihe Sigifridus Comes de
Hohenburg advocatus ciusdem ecclesie'). Durch diese genaue
I) Leuckfeld, Gr. Hist. Naclir. von . . Brftcteaten . . einiger Halber-
Bt&dtiscber BUchOfe. (1721.) T. 111. 111. 10. — Scheid, Ori^nsB gnel-
ficac. III. (1752.) T. XVI. ad png. 165. — Cappe, Die Monzen der deut-
scben Kaiser und Könige des MittclalterB. 1. (1648.) S. 147. Nr. 664. T. XXU.
Nr. 362. — Menadicr, Ycr band lun gen der num. Ges. m Berlin. Hitinng
vom 13. April 18H5.
3) L. Schradcr, Die älteren Dyna<)teD9tAmme zwiacben Leine, Wuor
und Diemel und ibre Besitzungen, bauptBäcblicb wie Bie im II. und 18. Jahr-
baodert befunden aind. 1. (Oüttingen 1S33.J GeEcbicbtc der Orafen von
Nurdbeim und Katlenburg. Urkunden S. 231. Nr. 8.
Gittelder Pfennige. 307
BezeiclinuDg ist ausser Zweifel gestellt, dass der in sonstigen
Zeugnissen nur mit dem Namen angeführte Vogt der Abtei
CSorvei^) identisch ist mit dem Bomeneburger Grafen, der sich
bisweilen auch nach der Homburg über Stadtoldendorf benannte,
und dass dieser es war, welcher die Mönche zwang, seinen
Bruder Heinrich an ihre Spitze zu stellen '). Schon aus diesem
Vorgange ergiebt sich, wie gross sein Einfluss und seine Macht
als Vogt gewesen. Jedenfalls haben sich dieselben auch auf
die Handhabung des Münzrechts erstreckt. Gleichwohl können
unsere Pfennige nicht als Belegstücke dafür ausgegeben werden.
Denn schwerlich sind zu Corvei, das sich mit seinen sicher
bezeugten Münzen stets der westfälischen Währung angeschlossen
hat, jemals Halbbracteaten geprägt worden. Jedenfalls sind die
zeitweise dem Abte Adalbert von Nienburg und dem Markgrafen
Albrecht dem Bären als vermeintlichen Vogte des Bisthums
Halberstadt zugeschriebenen Halbbracteaten des Abtes Adalbert
von Corvei mit Bild und Namen desselben auf der einen und dem
Namen des heiligen Vitus und einer Kirche zwischen zwei Bäumen
auf der andern Seite, da sie Nachahmungen gleichartiger halber-
städtischer Münzen sind, als Erzeugnisse der Croppenstedter Münz-
stätte der Äbte gesichert '). Ohne Zweifel sind derselben Schmiede
1) Falke, Codex traditionum corbeiensium. (Lips. 1752.) 212. 214. 406.
562. 708. — Kindlinger, Münsterische Beiträge, n. 105. 154.
2) Wibaldi epistola 151. (Jafife, Monumenta Corbeiensia, 251 fg.) ..Homo
enim iste, pro quo interpellatis, magnam aecclesiae nostrae afflictionem intuHt:
primo quidem cum a fratre suo comite Sifrido ad dignitatem abbatiae violenter
est intrusus... diu spiravit ad dignitatem abbatiae, quam etiam adeptus
est fratre suo comite Sifrido cooperante .... superati terroribus ac minis eius
quem solum principem et dominum super nos aspiciebamus... ita coacti fratrem
eius elegimus.
3) Leuckfeld, Gründliche historische Nachricht von .. . Blech-Müntzen
einiger Halberst&dtischen Bischöfe. Taf. IL — Leitzmann, Über die Brac-
teaten der Goslarischen Schutzvoigte. N. Z. 1841. S. 138. Nr. 19. — Leitz-
mann, Beschreibung einer Anzahl mittelalterlicher Münzen aus dem Herzoglich
Anbaltischen Eabinete zu Köthen. 6. Münzen der Abtei Nienburg. N. Z. 1856.
S. 180. — Stenzel, Zur Münzkunde der Abtei Nienburg. Anzeiger für
Kunde der deutschen Vorzeit. V. (1858.) S. 747. — Dannenberg, Die
deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Eaiserzeit. (1876.) Nr. 638.
auch die beiden hier abgebildeten Halbbracteaten') zuzuweisen,
von denen der erstere das Brustbild des geistlichen Herrn um-
gebend auf der Kehrseite die Umschriftreste + HI A «eigt,
die sich in keiner andern Weise als zu dem Namen des H^EIN
RICVS) A(bbaB) ergänzen lassen, des soeben genannten BruderH
des Grafen Siegfried und Nachfolgers des Abtes Adalbert, des
einzigen unter allen in den Harzlanden münzberechtigen Archi-
episcopis und Abbaten aus den beiden Jahrzehnten um 1140,
dessen Namen mit einem H beginnt.
Als Vogt der Abtei Bursfelde bekundet sich Graf Siegfried
in einer Urkunde des Erzhischofs Markolf von Mainz vom
Jahre 1142 über einen Tausch desselben mit der Abtei'). Aber
— SteoEel, NumUmatiache Studien. I. Zur Geschichte des Knhütuctien
HOnzwcsens. (Leipzig 1876.) 1. — 7. Sallet, Deaare Markgnfa Albrecht
des BArsD als SchutEvogt Ton Halheratadt. Z. f. N. Till. 839. — Dannan-
berg, ZurbraDdenburgischGnHDDzkundc. II. Z.f. N. IX. ST4. — Henadier,
Croppenstedt, eine Münistfttte der Ibte cq Correi. Z. f. N. XIU. 348.
1) Den ersten der Halbbracteaten habe ich kOnlich in der Sanmliiiig
des Herrn Bankinspektor Bahrfeldt gefunden; ein gleicher ist irrig beichrieben,
abgebildet und bestimmt tdd Leitimann, Beschreibung einer Amtahl mittel-
alterlicher MDnien aus dem Hcrioglich Änhaltiscben Kabinete su KOtlwn.
Ä. MQnxcn des Bisthums HalbersUdt. N. Z. 1806. 8.181. Nr. 25. T. IL ib.
Den Eweiteo Halbbracteaten besitzt die Kgl. Münz Sammlung; ein gleicher i>t
bereits abgebildet von Cappe, Die UOnzen der deutschen Kaiser und Könige
des Mittelalters. II. (Dresden 1850.) S. 2. Nr. 1. T. II. 1.
3) Scheid, Mantissa documentorum, wodurch die historieohen nnd diplo-
matischen Nachrichten 7on dem hohen und niedem Adel in TeatachUud . ■
erwiesen werden. (Hannover 1755.) S. 3(M. Nr. 30:
. . qualiter ego Harcolfus divina dieponente dementia Mognntinns Archi-
epiacopus decimas Bursfeldensium in utroque littore Wirrae flnmiaii, in nnu
fratrum Deo ibidem monastica professione famulantium, conceiil sec
autem commutatio prcsente comite Sigefrido eiasdem eccleaiu adfocato
facta est
Gittelder Pfennige. 309
auch gegen die Verlegung der Münzen nach diesem Orte gilt
der nämliche Einwand, wie gegen die Zutheilung an Corvei.
Vergegenwärtigt man sich den Pfennig des Abtes Reinhard von
Reinhausen*), welchen dieser auf Grund des ihm von König
Konrad III. 1144 verliehenen Münzrechtes geprägt hat, wird
man schwerlich schon in den voraufliegenden Jahren die Prä-
gung von Halbbracteaten für Bursfelde zulassen. Auch wenn
man sich auf die Vorschrift Kaiser Heinrich's IV. berufen wollte,
durch welche die Goslarer Münze als Muster für Bursfelde auf-
gestellt worden, würde man wenigstens gegenüber den Pfennigen
Siegfrieds zu keinem günstigeren Ergebniss kommen, denn diese
wie die Gandersheimer schliessen sich trotz der in ihren Um-
schriften genannten Goslarer Stiftsheiligen keineswegs an die
Goslarer Münzen an, von denen vielmehr sowohl die mit Lothars
wie die mit Konrads Namen erheblich abweichen.
Endlich ist noch die Abtei Nordheim, die Gründung des
Herzogs Otto zu nennen, als deren Vogt Graf Siegfried in der
Urkunde vom 20. März des Jahres 1117 auftritt, laut welcher
Kunigunde von Beichlingen, die Wittwe des Grafen Kuno, den
von ihrem Gatten ererbten vierten Theil des Ortes Nordheim in
Gegenwart ihrer Töchter Adela, Kunigunde und Mathilde über-
liess'), und zu deren Gunsten er am 8. November 1141 die
grosse Urkunde aufsetzen Hess, in welcher zuerst der Nordheimer
Münze Erwähnung geschieht:
In nomine sancte et individue Trinitatia. Siffridus Cornes de
Bonmeneburg, Immensam eterni Regis^ per quem Reges et Pmn-
cipes regnanty sacra spiritualium virorum exhortcUione considerantes
clementiam, ex ipsorum salutari doctrina elegimus in corde nostro,
cultum divine religionis, ex potestate seculari, qua vigemus^ nee
1) Menadier, Ein Pfennig der Abtei Keinhausen. Berliner Münzblätter.
IX. Nr. 84. (Juni 1888.)
2) Origines Guelficae IV. 534. . . . actum Nordheim anno ab in-
carnatione Domini MCXVII. indictione X. Regnante serenissimo Imperatore
Augusto Henrico Y. praesidente Moguntinensisas Alberto archiepiscopo
Northeimensis abbate venerabilis Warmundo, Sigefrido advocato. In Del
nomini. Amen.
310 Menadier:
non de honis nostris, ad formam nohilium progenitorum nostrorum
ampUßcare, ut dimiaaa in hoc secido hereditate transitoria, post huius
carnis interitum perveniamus ad illam perpetue felicitatis hereditär
tem electorum Dei. Noverit igitur tarn ftiturorum quam presentium
Christi et Ecclesie fid^lium nniversitas, quod nos sublimium pro^
genitonim nostrorum pie memorie, Ottonis Magni Ducis, avi nostri^
Tllustris quoque Comitis Sigefridi patris nostri, Henrici Marchionisj
Cunonis Comitis de Bicheling^ quos natura patruos nobia constituü
vestufia seqventes^ Coenobium in Northeim, quod ipsi primum de
sua fundaverunt hereditate nos idem, iure herediiario ipsis succedentes^
Domino Jesu (^hristo et S. Marie ac Sancto Martiri Blasio^ pro
remedio anime nostre^ nee non eorundem progenitorum nostrorum^
cum Omnibus, que vel mnic possidet, vel futuris temporibus posside^
hit, in siinplicitate cordis offerimus et monastice religioni in per*
jietuum dicamus, Statuentes eiusdem Ecclesie fratribus irrefragabiU
iure firmam ac liberam Abbatis sui electionem. In super in ipsa
villa, Northeim scilicet, Abbati contradimus thelonei
iura, proprieque percussuram monete, et quicquid ad
forensem vel civilem iusticiam noscitur pertinere^ preter
furtum causasque peremptoriales, in quibus aliquis convictus mortis
est sententla feriendus, (oncedimtis etiam, ut si quis Über timare
Dei compunctus Ecclesie prefate se cum suis tradiderit possessionis
bus, in omnipotentis Dei nomine, nostra austoritate fretitSj sine
omni penitus molestatione Comitis, sive Vice Comitis seu quaUseun"
que persone, iugiter Ecclesie stabilis perseverat. Simüi modo statu^
enfes decernimus, ut si quis ministerialiuin nostrorum facülUdes suas
consentientibus suis heredibus contulerit coenobio, tarn a nobis^ quam
a cunctis hereditaiis nostrae su4:cessoribus firmum et irrevocabile
semper habeatur. Ad hec concedimus, ut si qua de familia Ecclesie
cuiquam nostro maritaveint servo^ data iusticia^ que vulgo JBumede
dicitur, inri nostro de cetero cum suo maneat marito; et e converso
fiat id ipsum , si qua d^ nostra familia famxdo Ecclesie fuerit co-
pulata. Praeterea propier augmentum et solatium Coenobii memo^
rati, divini amoris intuüu, statuimus atque firmamus, ut sicul san^
a'eruut patres nostri, nemo vel a nobis^ vel a posteris nostris in
Gittelder Pfennige. 3 ] 1
beneßcio recipiat advocatiain eiusdem Ecclesie^ sed cuicunque illius
procuratio nostra vel successorum nostrorum commisaa ßierit aucto-
ritate^ si conformis et profimms Abhati fuerit et fratrihus^ commode
lila perfruatur; sin autem^ eo deposito melior atque commodior eo-
dem pacto subrogetur. Ut autem in sorte electorum Dei veram
et non transitoriam adipisci valeamus hereditatem^ consilio ßdelium
nostrorum huic dato privilegio fecimus inscribi predia^ quae nos
eidem Ecclesie delegavimus^ nihilominus etiam eoque temporibus
patrum nostrorum et nostre tam de advocacia, quam de aliis iuste
et pie ordinatis conßrmatione banni a reverendissimo patre nostro
Marcolfo^ Moguntine Sedis Archiepiscopo , optinere. In ipso loco
contulimus Ecclesie mansos quadraginta unum et quatuor dotales
et duo molendina, in Suitheim XII ^ in Herethe VII ^ in altero
Ilerethe F, in Steinla IIII^ in Selethe I, in Guddenstide /, in
Gudtstide /, in Renethe IUI et dimidium et molendinum, iw Thildon
277, in HoUhusen F, in Hoppenhusen IUI, in Moringen III, in
Redderscliem 11^ in Radolfislmsen 7, in Stockhusen /, in Tanck-
wardishusen III, in Lawardishusen II, in Teneckhereshusen 11^ in
Wardishusen VI, in Wolfften III, in Thedelwingerote I, in RotJiol-
loislmsen I, in Riewardingerote V, in Levershusen I, in Schwithardes-
husen IUI et dimidium, in Boventen II, in Herste I, Capellam
in Sutheim et duos mansos dotales et alios X, Capellam in Mede-
hem et I et dimidium mansuin, in Adeleshusen I, in Lowesbach I,
in Sigerdeshusen I, in Edessem VI, in Nienstide VI, in Vtnsleve
XII, in Dalem II, in Helvestat 1, in Dalrin 7, in TJiindenheim /,
in Querentßate I, in Oldenbutle I, in Wilmarstorpe I, in Doden-
husen I, in Ramvordissen XI, in Thedenhusen VI, in Werestide VI,
in ffatheburgehusen I, in Nethere V et dimidium , in Ronrethe II
et dimidium, in Awoldishusen I, in Haldrickhusen 7, in Bischops-
husen III, in altero Biscopshusen tantum prediolum, in Halsbach
IUI et molendinum, in altero Ualsbach I et dimidium, in deserto
Halsbach dimidium, in Geüendale prediolum, in ßegendale II pre-
diola et dimidium, in Were II, in Hunethe XI et dimidium et
molendinum et dominicalis curia, in qua VI, in Cella IIH^ in
Richenbergk prediolum, in Welbersbach prediolum, in Wtchardes-
K«it0chrirt ttkr rtamismftiik. XVI. 21
312 Menadier:
winethe VT, in Valede XXV et totum predium^ eiusdem vüle ad-
vocatiam, in Ansehet e 11^ in Niensiide aream cum IX agris, Ut
autem hec rata et inconvulva pemianeant, presens testamentum scribi
fecimu8. et sigilli nostri impressione, testibus annotatis, roborari at"
que insigniri iussimus.
Testes Jii sunt: Warmundus eiusdem JEcclesie abbas. Balde^
winus prepositus in Heilig enstat. Henricus de Eschenwege ^ curie
nostre Notarius. Laici: Comes Sitzo de Keverenbergh, Cornea Otto,
Comes Ernestus. Cotnes Hermannus. Bertoldua de Homburg,
Eimestus de Uslare. Älmarus de Bonmeneburch. Conradus senior
et filius eins Conradus. De curia nostra: Gerlagus mües. Bodo
et f rater eius Burchardus, Wickerus et Eppo fratres et alii quam-
plures.
Acta sunt hec Anno Dominice Incamationis MCXL pritno,
Indictio7ie HH, Regnante Rege Conrado huius nominis tertio^
Ajino regni eius quarto, Data Bo^imeneburch VI Idus Novembris.
(Origines Guelficae ... ed. Chr. L. Scheidius. Hann. 1763.
IV. 523.)
Die Abtei gewann darnach ausser einem grossen Bestände
an liegenden Gütern und einer Anzahl werthvoller Oerechtsame
auch die Markt- und bürgerliche Gerichtsbarkeit, die Zollgei*echt-
same und das Recht, Münzen eigenen Gepräges schlagen zu
dürfen. Im Gegensatz dazu haben wir den Yoraufgehenden
Zustand nicht derart zu denken, dass der Abtei bislang nur ein
beschränktes Münzrecht zugestanden habe mit bestimmten Ver-
pflichtungen in Bezug auf Gepräge und Währung, welche nun-
mehr aufgehoben worden, vielmehr haben die genannten Regalien
vordem kraft königlicher Verleihung, wie wir voraussetzen müssen,
dem Grafen selbst zugestanden. Die Übertragung wurde seitens
dös Grafen ofifenbar im Hinblick auf seinen Tod ansgesprochen
und das durch denselben eintretende Aussterben des Nord-
heimer Geschlechtes uod erfolgte daher ohne jedwede Ein-
schränkung mit der einen Ausnahme hinsichtlich der pein-
lichen Gerichtsbarkeit, die auf einen geistlichen nicht flbertragen
werden konnte. Gelegentlich des Verkaufs eines Marktplatzes
Gittelder Pfennige. 313
und des Niessbrauches einer Curie in der Stadt erklären
Abt und Gapitel des nordheimer Stiftes in einer Urkunde des
Jahres 1267:
Quod no8 .... ipsis theatrum nostrae civitatis .... dimittimus
8ub hoc modo: ut quicunque in loco vendentis in eodem theatro
steterit^ .... ecclesiae nostrae duos nummos nostrae monetae con-
ferant annuatim.
(Vaterländisches Archiv. 1883. S. 511. Grote, Blätter für Münz-
kunde. I. Nr. 17.)
In gleicher Weise hätten sie schon am Schluss des Jahres 1141
schreiben können. Die vor dem Jahre 1141 geprägten Nord-
heimer Münzen sind daher rein weltlichen Ursprungs, und
ebenso bestimmt sind die spätem als rein geistlichen Ursprungs
und ohne Mitwirkung eines weltlichen Herrn, eines Grafen oder
Vogtes, entstanden zu bezeichnen. Jene können unter keiner
Bedingung das Bild eines Geistlichen tragen, für diese müssen
wir das Bild eines Vogtes als ausgeschlossen erachten.
Für die Richtigkeit letzterer Schlussfolgerung geben die
Bracteaten des Abtes Wicelin hinreichendes Zeugniss ab, welche
lediglich das Bild des geistlichen Herrn tragen. Ebenso lassen
sich aber auch ältere Münzen Nordheimer Ursprungs beibringen,
auf denen nur der Kopf eines weltlichen Herrn dargestellt ist.
Ich bezeichne als solche die folgenden:
s. Ein männlicher Kopf über einem Gebäude mit zwei
Reihen Bogenfenstern und zwei seitlichen Kuppel-
thürmen. — Ein Kreuz mit einer Kugel in jedem
der vier Kreuzwinkel.
+ HENICV : MAR + ODDO I IVM. MG
(Im Besitz des Herrn Landgerichtsrath Dannenberg.)
21*
314
Menadier:
t. Ein männlicher Kopf über einem Bogen, der zwei
auf einer Säulenstellung ruhende Kuppelthürme ver-
bindet. — Innerhalb eines doppelten Perlenrandes
ein Kreuz mit einer Kugel in jedem der vier Kreuz-
winkel.
t. + Hn CO + ODDO + IVAPING
V SMVII . . + ODDO + IVAPING
(In der Königlichen Münzsammlung.)
t2. undeutlich Buchstaben. + ODDO + IVMPING
(Im Pro vinzlal- Museum zu Münster. Vgl. Wein-
gärtner, Die Gold- und Silber-Münzen der Abtei
Corvcy. Münster 1883. S. 72. Nr. 37. 6. T.III, 29.)
t\ undeutliche Buchstaben. + ODDO + IVHPPNG (16 gr.)
(Becker, Zweihundert seltene Münzen des Mittel-
alters. Dresden 1813. Nr. 107.)
u. Ein Obol desselben Gepräges mit den Umschriften:
+ HO ... SM ... PO . + ODDO + IVHPNG (8 gr.)
(Becker. Nr. 108.)
V. Ein männlicher Kopf über einen Thorbogen zwischen
zwei Thürmcn mit Kugelkreuzen auf den Kuppeln.
— Innerhalb eines doppelten Perlenrandes ein Kreuz
mit einer Kugel in jedem der vier Kreuzwinkel. —
Als Umschriften werden angegeben:
+ MAR . . . RG + ODDO + IVMPNG
Gittelder Pfennige.
315
(Cappe, Die Münzen der deutschen Kaiser und
Könige des Mittelalters. II. Dresden 1850.
S. 119. Nr. 565. T. XXV. 285. — Leitzmann,
Nura. Ztg. 1856. S. 4. Nr. 1. — Weingärtner,
S. 72. Nr. 37 a. T. IL 24.)
w
w
w. Innerhalb eines doppelten Perlenrandes ein männliches
Brustbild, ein Kreuz mit beiden Händen vor die
Brust haltend. — Innerhalb eines doppelten Pcrlen-
randes ein Kreuz mit einem Kleeblatt in jedem der
vier Kreuzwinkel,
w. HIirLMIOMIOV +ODDO +IVMIMG
(In der Königlichen Münzsammlung.)
MO + ODDO . IVCIPM . .
(Becker. Nr. 106.)
IIITOMIOMIMG + ODDO ROMIMG
(Cappe, II. S. 119. Nr. 566. T. XXV. 286.)
Dass die Münzen zusammengehören und sämmtlich nur
einer Münzstätte entstammen, unterliegt keinem Zweifel. Eben-
so wrenig ist es möglich, den westfälischen Charakter derselben
zu bestreiten: namentlich den Soester Pfennigen mit dem Namen
der S. COLONIA auf der einen Seite und dem Kreuze mit
Kugeln und dem Soester Zeichen in den Winkeln innerhalb der
Umschrift: +ODDO +IVPIMG auf der andern Seite stehen sie
nahe, mit denen sie als besonders kennzeichnend ausser dem
Gepräge der Kehrseite den aufgeschlagenen Rand gemeinsam
haben. Endlich wird gegenwärtig niemand tnehr aus der Um-
schrift der Kehrseite die Schlussfolgerung ziehen, dass die Münzen
zur Zeit der drei ersten Ottonen oder unter der Herrschaft des
Sohnes Heinrich des Löwen geprägt sein müssen: durch die
ältesten münsterschen, lüdinghäuser und osnabrücker Denare mit
316 Menadier:
dem Namen dieser Städte auf der eiuen und dem des Kaisers
Otto auf der andern Seite, und namentlich der Denar des Abtes
Saraclio von Corvei (1056 — 1071), welcher den Namen dieses
geistlichen Herrn mit dem + ODDO + IV(PIN)G vereinigt (Dbg.
737), ist längst erwiesen, dass man nach dem Tode Otto's III.
länger als ein Jahrhundert in den westfälischen Münzstätten
fortgefahren hat, unter dem Namen dieses Kaisers zu prägen.
Der äussern Erscheinung nach gehören die vorliegenden Pfennige
sicher dem Ausgang des elften und Beginn des zwölften Jahr-
hunderts an. Die weitere ßestimmung muss sich aus der Haupt-
seite der Umschrift ergeben. Als solche hat Gappe auf dem einen
dieser Denare (v) + MAR . . . RG gelesen und ihn auf Grund
dessen mitsammt den übrigen der westfälischen Stadt Marsberg
zugewiesen, und für diese Ansicht allgemeine Billigung ge-
funden, da sie der äussern Erscheinung derselben wohl gerecht
wird. Allein der Namen: MAR(SBE)RG füllt den Umschriftraum
nicht zur Genüge, und das allein dürfte gentigen, die Ergänzung
als falsch und auch die beiden Endbuchstaben als verdächtig und
lediglich der Ergänzung zu Liebe erfunden erscheinen zu lassen.
Zur Gewissheit wird dies durch den die Reihe eröifnenden Denar
der Dauncnbergschen Sammlung, der deutlich die Umschrift
+ HENIC V: MAR trägt. Das die Umschrift beginnende MAR des
Cappe' sehen Stückes ist o£fenbar dem MAR des Dannenberg'schen
Pfennigs am Schluss der Umschrift gleich, und beide Umschriften
werden sich wohl lediglich durch diesen AYechsel unterscheiden,
und so verwildert die Umschriften all der andern Denare auch
sind, so zeigen sich doch sämmtlich noch erkennbare Bestand-
theile des ursprünglichen. Das Geschlecht der Grafen von Mark
benannte sich weder damals bereits in dieser Weise, noch ist
uns ein Heinrich als Glied desselben bekannt. Kommt dieses
aber nicht in Betracht, so bleibt uns nur die einzige Möglichkeit,
die Umschrift zu HEN(R)ICV(S):MAR(CHIO) zu ergänzen. Dass
die Bezeichnung als Markgraf nur willkürlich vom Stempel-
schneider für einen westfälischen Grafen angewendet worden sei,
sind wir nicht berechtigt anzunehmen. Wir haben also als den
Gittelder Pfennige. 317
Münzherrn einen Markgrafen Heinrich um die Wende des elften
und zwölften Jahrhunderts ausfindig zu machen , in dessen Mark
nach westfälischem Muster geprägt worden ist, oder der ausser-
halb seiner Mark in Westfalen oder einem anliegenden und
westfälischem Einflüsse unterliegenden Gebiete Grafenrechte aus-
geübt hat. Da sind nun die beiden Markgrafen der östlichen
und der Mark Meissen, Heinrich von Eilenburg (1086—1103)
und sein Sohn, Heinrich der Jüngere (1104-1123) auszuscheiden,
da weder diese östlichen Gebiete als Vaterland der vorliegenden
Pfennige gelten können, noch westfälische Besitzungen derselben
nachweisbar sind. Dagegen stehen die drei übrigen Markgrafen
des Namens, Heinrich!., Markgraf der Nordmark (1082 — 1087),
sein Neffe Heinrich H., der nach seines Vaters Udo IH. 1106 er-
folgten Tode zunächst bis 1104 unter Vormundschaft stand und
dann bis 1128 selbst die Mark verwaltete, und Graf Heinrich von
Nordheim, der als Schwager des 1090 ermordeten Markgrafen
Ekbert IL auf dessen Erbe Anspruch erhob und im Jahre 1101
vom Kaiser Heinrich IV. mit den friesischen Grafschaften unter
dem Titel eines Markgrafen belehnt wurde, in gleichartigen
Beziehungen zu Westfalen und seinem alten Grafengeschlecht,
das sich zu jener Zeit nach Werl, später nach Arnsberg benannte.
Nach dem Zeugnisse des Sächsischen Jahrbuchschreibers ') waren
die nördlichen Markgrafen Heinrich I. und Udo III. die Söhne
des Markgrafen Udo II. und der Oda, der Tochter des Grafen
1) Annalista Saxo ad anD. 1082. Udo seDior Saxonicus marchio defanctas
est 4 Non. Maii. Uxor eins Oda dicebatur, cuius patemum genas tale fait.
Rodalfus comes natus de Westfalia ex loco qui dicitar Werla, frater Gisle
imperatricis, genuit filium nomine Herimannam , qui doxit uxorem nomine
Bichenzam genuitqne ex illa predictam Odam. Hec genuit predicto Udoni
Heinricum, üdonem, Sigifridum, Bodulfum et filiam que Adelheidis dicebatur,
quam Fridericus palatinus comes de Puthelenthorp accepit, iUoque mortuo,
comes Lodowicus senior de Thuringia eam duxit uxorem. Matrem autem pre-
diete Ode post obitum comitis Herimanni duxerat uxorem Otto de Northeim
quondam dux genuitque ex ca preclarissimos viros Heinricum Crassum comitem,
patrem Bichinze imperatricis et Gertrudis palatine comitisse, et comitem
Sifridum de Boumeneburh, et Gononem comitem de Bichlinge et tres fiiias ....
(M. G. H. VIII. Ss. VI. S. 720.)
318 MüDadier:
Hermann II. von Werl, während des letztern Gattin, Richenza,
sich nach seinem Tode dem Otto von Nordheim vermählte und
diesem den Grafen Heinrich und seine jängem Brüder Siegfried
und Kuno gebar. Einen männlichen Leibeserben hinterliess
Graf Hermann H. nicht, Wittwe und Tochter Waren somit die
Erben seines Eigengutes. Die Markgräfin Oda veräusserte jedoch
ihren Autheil Üdingen und ein Drittel des Lürwaldes an das
Erzstift Köln *), welches damit die erste Grundlage seiner später
weit ausgedehnten westfälischen Besitzungen gewann. Ihr Sohn
und Enkel haben daher keine Güter in Westfalen durch sie er-
halten und kommen demnach, da die Nordmark selbstverständ-
lich nicht als das Vaterland von Pfennigen nach westfälischer
Art geltend gemacht werden kann, als Prägeherren derselben
nicht in Betracht. Gräfin Richenza dagegen vererbte ihren
Autheil ihren Söhnen, und alle drei befinden sich im Besitz
westfälischer Güter. Graf Heinrich giebt dem Kloster Bursfelde
bei seiner Gründung einen Hof in Wichein bei Arnsberg'),
während seine Wittwe Gertrud bald darauf Wiglo und ein Drittel
des Lürwaldes zwischen Menden und Norheim bei Arnsberg
gegen Walkeuried an Köln vertauscht^); Kuno von Bcichlingen
tritt später Ilachen bei Arnsberg und ein Drittel des Lürwaldes
ebenfalls dem Erzbischof ab *) ; in dem AUodialverzeichnisse ^) des
Grafen von Bomeneburg werden zahheiche westfälische Güter
1) Seibertz, Diplomatische FamilieDgeschichte der alten Grafen von
Westfalen zu Werl uud Arnsberg. I. (Arnsberg 1845.)
2) yergl. oben.
3) Urkunde der Bestätigung der Privilegien des Klosters Bursfelde durch
den Papst Eugen vom Jahre 1151 :. . Tradiderunt et curtim in Wichlo quam
cambivit frethericus coloniensis daus possessiones in Horlagau. (Schrader,
Die altern Dynastenstämme zwischen Leine, Weser und Diemel und Uire Be-
sitzungen. *233.)
4) Comes Guno de Bichelingen filius Ducis Ottonis dedit Beate Petro
urbem iu Hacckene et iuxta urbem tertiam partem sylvae quae dicitar Lur.
Gertrudis Comitissa, Mater Beginae Richezcn, dedit per concambiom cartem
iu Wiglo iusuper tertiam partem dictae sylvae pertinentem ad eandem cnrtem
et recopit villam in Wanenrethe. (Gclenius, Do admir. magnit. Colonfae. 69.)
5) Kiudliugcr, Münsterische Beiträge. III. Beilage 13.
Gittelder Pfennige. 319
und Ministerialen aufgeführt, ein Hof in Werl, ein Hof in Thitera,
ein Haus in Bickern bei Bochum, ein Haus in Heppen bei Soest,
ein Hof in Nordwalde an der Lippe, Hermann von Spikka, zwei
Höfe in Kump bei Dortmund, Arnold von Hanebiche, die von
Brechten bei Kump, Heinrich von Katrop bei Soest, die von
Hirschberg, Conrad von Calle bei Meschede und Heinrich von
Odacher von Arnsberg; endlich geschieht auch in der Erbtheilung
zwischen dem Pfalzgrafen Heinrich und seinem Bruder, dem
Könige Otto IV., im Jahre 1203 der westfälischen Güter Er-
wähnnng*), welche dem erstem zugesprochen werden: aber alle
diese Güter und Besitzungen, die wir ohne Zweifel auf die Erb-
schaft des Grafen Hermann II. von Werl zurückzuführen haben,
genügen doch nicht, um die Ausübung des Münzrechtes mit ihnen
zu begründen. Insgesammt wohl ziemlich bedeutend, sind sie
im einzelnen doch zu gering, als dass mit einem derselben ein
Münzrecht verbunden gewesen sein sollte. Insbesondere war
alles, was den Nordheimern zu Theil wurde, nur Allodialgut,
während das Reichslehen, die westfälische Grafschaft auf Hermann's
II. Vettern überging. Wir sind also zur Erklärung der Münzen
lediglich auf das alte Reichslehen und den Hausbesitz Heinrich's
von Nordheim, die Grafschaft im Rittega und den Ort Nordheim
angewiesen. Freilich ist alsdann der westfälische Charakter
der Münzen auffallend : bedenkt man aber, dass noch zweihundert
Jahre später, nachdem längst jedwede politische Verbindung
zwischen dem Leinegebiet und Westfalen gelöst war, Herzog
Heinrich I. von Grubenhagen (1279 — 1322) zu Eimbeck') und
Herzog Albrecht IL (1279—1318) zu Göttingen ') nach westfäli-
scher Art prägten, sowie dass auch die Denare des 1144 mit dem
Münzrecht begnadeten Abtes von Reinhausen keineswegs den
1) . . praeter praenumerata cesserunt parti saae (omnia praedia) in West-
falia. (Origines Guelficae.)
2) Friedländer, Unedirte Mittelaltermünzen. 2. Herzog Heinrich L
von Braunschweig in Eimbeck. Z. f. N. 1878. V. 286. — Grote, Herzog
Heinrich I. in Eimbeck. Z. f. N. 1880. VH. 93.
3) Mcnadier, Verhandlungen der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin.
Sitzung vom 1. Februar 1886.
320 Menadier:
gleichzeitigen niedersächsischen Münzen entspricht, dass endlich
auch die altern gittelder Pfennige den westfälischen so ähnlich
sind, dass sie bisher nach Westfalen verwiesen sind, so wird
man den westfälischen Charakter der Heinrichs- Pfennige nicht
gegen diese Bestimmung derselben als Nordheimer MftnzenO
geltend machen.
Wie sehr daher auch die Vogtmünzen Siegfried's ihrer Fabrik
nach für eine Zutheilung an die Nordheimer Abtei geeignet er-
scheinen mögen, ihr Charakter als Vogtmüuzen schliesst dieselbe
aus. Man müsste sonst annehmen, der Abt habe ans besonderer
Dankbarkeit und Ehren halber neben dem eigenen Bild dem
Siegfrieds einen Platz auf seinen neuen Münzen, und zwar den
vornehralichsten angewiesen.
Prüft man indessen die Prägebilder selbst, so ergiebt sich,
dass sie durchaus gleichartig denen der um ein Jahrhundert
altern Gittelder Vogtmünzen sind. Die geringfügigen Unter-
schiede zwischen ihnen sind derart, wie sie durch die Ent-
wickelung der Kunst und den AVandel der Technik bedingt sind.
Es ist daher, da nach den bisherigen Ausführungen die sfimmt-
lichcn Abteien, für welche die Vogtei Siegfrieds urkundlich
bezeugt ist, als etwaige Prägestätte der Denare verworfen
werden müssen, kaum als ein Wagniss zu bezeichnen, auch diese
Pfennige zu den Gittelder Münzen zu rechnen und dem Grafen
Siegfried neben den übrigen auch die erzbischöflich magde-
burgische Vogtei zu Gittelde und zwar entweder als Ergänzung
der Grafengewalt im Lisgo oder auch unabhängig von ihr
zuzuschreiben. War doch Graf Siegfried derjenige, welchem bei
dem Aussterben der Katelnburger Vettern nach dem damals in
1) IleiDrlch von Nordheim ist als der wahrscheinliche Münzherr eines
Denars bezeichnet worden (Leitzmann, Münzfand. Nnm. Ztg. 1857, S. 140,
No. 6 vrgl. Danncnberg, die deutschen Münzen d. 8. u. fr. Kaiserzeit Na 704^
welcher auf der einen Seite das Brustbild eines schwertschulternden weltHchen
Herrn innerhalb der Umschrift: (heinri) cvs dvx und auf der andern die
Brustbilder der Goslarer Heiligen trägt Heinrich von Nordheim ist indevea
nicht Herzog gewesen; nur Herzog Heinrich der Stolze kann den Pfennig
gepr> haben.
Gittelder Pfennige. 321
Bezug auf Lehen allgemein gültigen Erbrecht die Grafschaft im
Lisgo hätte übertragen werden müssen, wenn einmal die für
dieselbe durch Konrad II. hergestellte Erbberechtigung auch der
weiblichen Nachkommen des Grafen Udo ausser Kraft gesetzt
und nicht berücksichtigt wurde, wie es doch unzweifelhaft fest-
steht, und welchem namentlich die Nachfolge in der Gittelder
Vogtei zugekommen wäre, auf welche die Geltung des besonderen
Erbrechts kaum ausgedehnt worden ist. Wenn aber der im
Voraufgehenden ausgesprochenen Vermuthung, dass im Jahre 1106
in Folge der Parteiverhältnisse jener Zeit die Grafschaft im Lisgo
und die Vogtei in Gittelde dem Grafen Hermann von Winzen-
burg übertragen worden, beigepflichtet wird, so musste das alte
Recht des Bomeneburgers wieder aufleben und von Lothar, zu
dessen eifrigsten Parteigängern jener zählte, vor allen andern
berücksichtigt werden, als Hermanns gleichnamiger Sohn, der
zugleich als Landgraf von Thüringen und neben Eonrad von
Wettin als Markgraf von Meissen bezeichnet wird, wegen der
durch ihn veranlassten Ermordung des Burchard von Loccum, eines
vertrauten Rathes des Königs Lothar, der königlichen Rache
verfiel und zu Quedlinburg des Hochverrathes schuldig erklärt
und mit der Reichsacht belegt aller Reichs- und Kirchenlehen
sowie Eigengüter ledig gesprochen wurde und nach längerer
Vertheidigung in der Winzenburg am Schlüsse des Jahres 1130
sich dem Könige ergab und zur Haft nach Blankenburg geführt
wurde*). War es doch nach dem Tode Lothars und der Wahl
Konrads wiederum Hermann von Winzenburg, der von dem
neuen Könige 1138 mit den dem Grafen Siegfried genommenen
Reichslehen begnadet wurde, in deren thatsächlichen Besitz er
sich freilich gegenüber der weifischen Übermacht nicht zu setzen
vermochte'). Es würde bei dieser Annahme ein neues Licht
1) Chronic. Gozec. 20. Hie (in Qaedlinburg) Hermannus de W^incenbarg
provinciali comitia, honoribus, dignitatibus principum iudicio abdicatur,
Wincenburg obsidetur, capitur, incenditur, funditus subvertitar . . . caius prin-
cipatu comes Ludewicus sublimatar.
2) Annales Colonienscs maximi (ann. Patherbr.) (M. 6. H. XYII. 758.)
A. D. 1 138 .... Hermannas etiam de Wincenburg a rege sascipiens bona
322 Menadier:
auf die politische Gegenstellung Siegfrieds und Hermanns fallen.
Aber wie immer man sich hinsichtlich der Stellung der Winzen-
burger zur Grafschaft im Lisgo und Yogtei in Gittelde bei dem
nicht durchaus Zwingenden der Denare Hermanns entscheiden
mag, die Pfennige Siegfrieds besitzen eine weit grössere Beweis-
kraft, als jene, und können schwerlich anders erklärt werden,
als durch die Annahme einer Gittelder Yogtei in Händen Siegfrieds.
Graf Siegfried staib am 27. April des Jahres 1144*). Ihn
überlebten zwar ein Bruder und eine Schwester, eine Tochter
und ein Sohn: aber die Geschwister waren in den geistlichen
Stand getreten, wie bereits hervorgehoben; auch seine Tochter
Guda hatte sich nach dem Tode ihres Gatten, des Grafen
von Arnstein in das Kloster zurückgezogen; sein Sohn
Epnrad endlich scheint unehelicher Herkunft gewesen zu sein.
Somit starb Siegfried ohne lehnsfähige Erben, bedeutete sein
Tod das Aussterben der nordheimer Grafen im lehnsrechtlichen
Sinne und fielen alle Lehen des Hauses, die Reichslehen wie die
Eirchenlehen, den Lehnsherren wieder anheim ^). Sie zu erwerben,
war das Bestreben des Grafen Hermann von Winzenburg, und
der lürfolg krönte sein Streben, da er in der besonderen Gunst
des Königs Konrad HL stand, und zudem sein Bruder, der Graf
Heinrich von Assel, Siegfrieds hinterlassene Wittwe Richenza
nach sechsmonatlicher Trauerfrist als Gattin heimführte. Ur-
kundlich bezeugt ist seine Nachfolge in der Yogtei zu Corvei '), in
minus sibi pro futura bcncticia scilicct ad regia vexilla pcrtincntia, que hac-
tcnus comcs Sifridus de Homburg posscderat, ab ipso comite plurimis proeUis
laccscitur, devastatur; unde et viribus diffidens, datis sacramentis, tarn doci
quam comiti recouciliatur.
1) So berichtet das Necrologium Amelungsbomense (Dflrre, Beiträge lur
Geschichte von Amelungsbom. Programm des Gymnasium zu Holzminden
187G): 5 Kai. Maii. Obiit pic memorie comes Sifridus de Homborch, qoi de
rebus propriis monasterium Amelungsbomense fundavit.
2) Annallsta Saxo ad. ann. 1144: Sigifridus Comes de Bouminiburg etiam
obiit et in ambobus cossavit miserabilitcr doducta antiquitus prolis succeatio
(M. G. H. Ss. VI.). Vgl. Ann. Magdeb. M. G. H. Ss. XVI. 187.
3) Fasti corbeicnses. Ad auuum 1144: Hex ... noluit Henricum Ducem
Gittelder Pfennige. 323
der Vogtei zu Gandersheim '), in erzbischöflich Mainzischen Lehen')
sowie in bischöflich Hildesheimischen Lehen ') , die vordem
dem Grafen Siegfried zugestanden hatten; als ihm vorenthalten
lässt sich urkundlich nur die Bomeneburg nachweisen, auf der
als einem Castro imperiali Kaiser Friedrich dem Kloster Hilde-
wartshausen 1156 ein Privilegium ertheilte*). Auch die vom
Siegfried hinterlassenen Eigengüter brachte Graf Hermann zu
einem guten Theil durch Kauf von den rechtmässigen Erben
Saxoniae, Henrici Abbatis consanguineum, esse advocatum Gorbeiae. Officium
hoc potius mandavit Hermanno comiti de Wintzenburg non procal disserto.
Dncis enim potentia regi semper visa intolerabilis. — 1 146. Epist corb. ad
Guidonem card. Marlene, coli. ampl. II. 202. — 114S. epist. ad Eugenium
pont. max. Marlene, coli. ampl. IL 235. — 1147. Schaten, Annales Päd er-
bornenses. I. 770.
1) Harenberg, bist. eccl. Gand. 122. Origines Guelficae II. 378.
Urkunde von 1148.
2) Urkunde des Erzbischofs Heinrich I. von Mainz vom 27. November
11 44: Noverint . . . universi .... qualiter comite Sifrido de Buomeneburc sine
heredibus defuncto , dum beneficium olim sibi concessum vacarel, . . . Iracta-
bamus . . . ut ecclesie . . . provideremus . . . Item in loco . . . qui lingua vulgata
Heligeslat nuncupatur, constituimus, ubi vidua defuncti comitis cum marito
nuper sibi coniuncto Heinrico comite et Herimanno fratre ipsius de Plesse
in hoc convenimus, ut investiti beneficio memorato abbatiam in Norteheim
et in Reinhausen Deo beatoque Martine . . . extenderent ... et hoc precipue
ob receptum a nobis beneficium collaudaverunt. (Gudenus, codex diplomati-
cu9. I. 160.)
3) Urkunde des Bischofs Bernhard I. von Hildesheim vom 9. Mai 1150
(Or. guelf. III. 444. Nr. 20.) In nomine sanete et individue trinitatis. Bern-
hardus Dei gratia Hildeneshemensis ecclesiae episcopus castrum Wincen-
borg, quod a duobus antecessoribus meis et a me ipso Gomes Hermannus
in beneficio iusto accepit, sed offensa imperatoris Lotharii privatus erat . . .
ut super hoc obtineret iusticiam cepit satagare . . . concessi et permisi . . . pro
hac autem gratia predictus comes et uxor sua comitissa Lughardis filia Mar-
chionis Rodolfi, castrum Homborch et mansos ducentos . . . beate Marie in
perpetuam proprietatem donaverunt . . . eadem quoque benivolentia predictus
comes predium quoddam, situm in villa Thinkelar, quod ipse et frater suus,
comes Henricus, cum eis beneficium comitis Siffridi concessi, mihi pro quin-
quaginta marcis impignoraverant et sine redemptione abstulerant, donec pre-
dicta solveretur pecunia, mihi restituit . . acta . . . Hildesheim . . . anno MOL .
indict. XIII. VIII. Idus Maii.
4) Origines guelficae HI. 463. Nr. 32. Anno incamationis Domini
MCCLVI. Indictione IUI. VI. Idus Maii. Datum in Castro imperiali Buo-
324 Menadier:
desselben an sich, wie durch das Zeugniss keines geringern als
des Herzogs Heinrich des Löwen selbst bestätigt wird'). Er ist
also als Besitznachfolger Siegfrieds schlechthin anzusehen.
Acht Jahre nach Siegfrieds Tode schied auch der Graf
Hermann aus dem Leben. In der Nacht vom 29. zum
30. Januar 1152 wurde er von bischöilich -hildesheimischen
Dienstmannen überfallen und sammt seiner Gattin ermordet
Er starb ohne einen Sohn zu hinterlassen, und obschon ein Neffe,
Otto von Assel, ihn überlebte, erhoben dennoch gleichzeitig Herzog
Heinrich der Löwe und Markgraf Albrecht der Bär, die bereits
wegen der Erbschaft des am 26. Oktober 1147 gestorbenen
Grafen Bernhard von Plötzke verfeindet waren, Anspruch auf das
Erbe. Mit wilder Fehde erfüllten sie das Land, bis es dem
neugewählten Könige Friedrich gelang, auf dem um die Mitte
des Oktober zusammengetretenen Reichstage zu Würzburg einen
Ausgleich herbeizuführen. Durch denselben wurde dem Mark-
grafen die Plötzkauische , dem Herzoge die Winzenburgische
Erbschaft zugesprochen').
Die Grafschaft im Lisgo jedoch erhielt der Löwe damals noch
nicht. Sie wurde ihm vielmehr erst am Neujahrstage des Jahres
1158 vom Kaiser Friedrich verliehen, nachdem er die Urkunde
Konrad's H. vorgelegt, durch welche die Vererbung derselben
auch an die weibliche Nachkommenschaft des Grafen Udo und
ihre Verknüpfung mit dem Besitze von Eimbeck festgestellt worden
menebarc. Regnante Domino Friderico Romanorum Imperatore glorionasimo
Augusto. Anno regni eins V. imperii yero primo.
1) Urkunde des Herzogs Heinrich von 1153: Notum dt... quod Hsr-
mannas comes, qai bereditatem Sigfridi comitis a legitimis heredibos emptiooe
possedit, viUam quondam ... ad usus paupemm Christi tradidit (Orl^nes
guelficae. IV. 588.)
2) Annales Palidenses ad ann. 1152. (M. H. G. XYL 86.) Gontentio prin-
cipum Heinrici ducis et Adelberti marcbionis propter hereditates eomitom
Bernardi et Heremanni matuis depredationibus et incendiis plorimnm lewnl
regionem; at abi refolsit sol qoi tune erat in nabilo, incliti terra beUonm
motus festinato represserunt, atque ut possessio Bemhardi plenarie mardiiooeBi
adtingeret, duceque Heremanni faerunt obtinente, secondom auctoiitateiii
regis egerunt
Gittelder Pfennige. 325
war. Zeugniss dessen die zu Goslar ausgefertigte kaiserliche Ur-
kunde selbst:
In nomine sanctae et individuae Trinitatis Fridericua divina
favente dementia Romanorum Imperator Augustus, Imperialem
celsitudinem condecet, antecessorum suorum Regum et Imperatorum
pia facta non solum inviolahiliter observare, sed etiam censurae suae
auctoritate cdacriter confirmare^ ne prolivitas temporum posteris
haec reddat dubia vel incerta, Noverit igitur omnium Christi Im--
periique nostri ßdelium tam praesens aetas^ quam successura poste-
ritas, qualiter dilectissimus nepos noster, Heinricus, Dux Bawariae
et Saaoniae, adiens maiestatem nostram^ obtulit nobis privilegium
praedecessoris et progenitoris nostri divae memoriae Cuonradi Im-
peratoris^ in quo continebatur, quod comes quidem olim^ Uto nomine-,
praedium tucoris suae Beatricis^ Niordinge nominatum^ situm in
pago Nikkerga, et item aliud praedium suum, Holzhusen nominatum^
situm in pago Hessiga, in comitatu quondam Wemherii comitis,
cum Omnibus pertinentiis suis, praefato Imperatori Cuonrado in
proprium donaverit , et qualiter Imperator econtra praeter multa
praedia, quae praefato comiti Utoni et uxori ei^is Beatrici iure
concambii contulerit, quod plenius inibi est insertum, duo eiusdem
comitis Utonis beneficia^ comitatum suum videlicet et forestum in
montanis^ quae dicuntur Harz^ sibi suaeque uaori Beatrici, eorum-
que post se utriusque seaus haeredibus, in beneßcium perpetuaiiter
tradiderit et stabiliverit ^ eo videlicet tenore, ut, quicunque suorum
utriusque sexus haeredum praedium illorum in loco^ qui Einbike
vocatur, obtineret, is quoque praedicta duo benißcia, forestum vide-
licet et comitatum praedicti comitis Utonis in lAsga, tam a sua,
quam ab omnium successorum suorum regum et Imperatorum do-
natione^ sine omni contradictione , iure benißdali possidere deberet.
Verum quia supra nominatus nepos noster Henricus^ Dux Bawa-
riae et Saxoniae, praetaaatum praedium in Einbike situm haeredi-
tario iure nunc possidet, et a praefato Comite Utone et uxore eius
Beatrice consanguinitatis successione originem ducere perhibetur^
e.v divi patris et antecessoris nostri Cuonradi Imperatoris institutione,
quae tamquam divinum oraculum invariabilis et perennis stabilitatis
326 Menadier:
meretur privilefyium, nos, eins vestigiis inhaerentes^ saepedicto nepoti
nostro Heinricho Duci, haeredi videlicet Comitis Utonis, comitatum
snnm et foreatum in montanis Harz^ lege in perpetuum vaUtura^
in beneficio concessimus ^ et omni corrohorationis nostrae munimine
confirmaviinns ^ nt tarn ipse ^ qiuwi omnes lUriiisque sexus sui hae^
redes, eadem saepe dicta beneficia^ comitatum videlicet eiforestam in
montanis Harz perhenni immutabiLitate teneant et possideanL Quod
nt verius credatnr et omni aevo inviolabiliter observetur^ praesentem
inde paginam conscribi et aurea bulla nostra signari iussimua^ adr
hlhitis, y doneis testibus^ quorimi nomina haec sunt:
Wicmannus Magdebnrgensis Archiepiscopus. Hartwicus Bremen'
sis Archiepiscopus, Bruno HiÜeiisheimensis Episcoptis, Albertus
Marchio. Fridericus Duo; Suevorum. Detericus Atarckio, Fride-
7ncus Palatinus Comes de Witelinesbach et frater eitis Otto iunior*
Fridericus Palatinus Comes de Summerscheburg. Comes Heinricus
de Witin. Comes Otto de Rahensherch, Florentius Cornea HoUan"
diae, Comes Bertolfus de Afidehse. Comes Boppo de Blanchen^
burcli et filii sui Cuonradus et Sigefridus. Ludolfus de Dassele^
frater Cancellarii. Marquardns de Gruofnhach, Luthardus de
Meineresheim. Heinricus de \Vida, Lupoldus de Hirzberg.
Signum Domni Friderici Romanorum Imperatoris invieHssimL
Ego Reinaldus Cancellarius vice Amaldi Magontini Arehi"
episcopi et Archicancellarii recognotn. Datum Goslariae KaL lanuarii^
Indictione IT. Anno Dominicae incarnationis MCLVII. Regnante
Domino Fridericho Romanorum Imperatore gloriosissimo. Anno
regni eins T'T., Imperii vero HL
(Origines Guelficae . . . curante Chr. L. Schcidio. Tom. III. (Hann.
1752.) 8. 468. Nr. 35. Bresslau, JahrbQcher des deutschen
Reiches unter Konrad II. Bd. II. (1884.) S. 510. Exe. VIII.
Konrads II. Lehenbrief für den Grafen Udo von Katlenbnrg.)
Wer die Grafschaft des Lisgo vordem innegehabt^ aus wessen
Händen sie in Heinrichs Besitz übergegangen, wird in der Urkunde
nicht berichtet. Auch sonst geschieht derselben in der gesammten
schriftlichen Überlieferung der Ereignisse jener Zeit nirgends Er-
wähnung. Die Frage ist somit vollständig offen. Forschen wir,
GitteMer PfeDnigp.
327
ob nicht auch hier die Münzen eine Antwort an die Hand geben,
welche den Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben kann.
Die Münzsammlung der Königlichen Museen hat mit der
Sammlung des Rühle von Lilienstern einen ßracteaten des Wich-
mann von Seebuvg, der dem Magdebui^r Eizbisthum von 1152
bis 1192 vorstand, erworben, der innerhalb der von zwei Perlen-
reifen umschlossenen Umschrift
17. + ARCHI WIGMANNVS EPISCOPVS das Bild des Erz-
bischofs, sitzend auf einem aus einer zweifachen Perlen-
reihe gebildeten Doppelbogen, mit einem Kreuzstab
in der rechten Hand, einem Krummstab in der linken,
und einer spitzen Mitra auf dem Haupte und das Feld
ringsum übersäet mit geflammten und geradstrahligen
Sternen. Rosetten, Kreuzen, Vierecken und einzelnen
Buchstaben: I und A
zeigt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit demselben hat ein Bracteat
des Erzbischofs Friedrich von Magdeburg (1142—1152), Wieh-
manns unmittelbaren Vorgängers, der innerhalb der von zwei
Perlenreifen umschlossenen Umschrift:
18. + FRIDER P-C den baarbäuptigen Erzbischof
sitzend darstellt, einen Kiummstab in der rechten
und einen Kreuzstab in der linken Hand haltend und
umgeben von einem Sterne und fünf Ringeln, die über
das Münzfeld zerstreut sind.
Von diesem abgesehen aber unterscheidet er sich von allen magde-
biirgisclien Münzen, insonderheit von all den zahlreichen Bracteaten
Zciuchlift fDr Nnmilmllik. XVI. 32
328 Mpnadier :
Wichmanns selbst, dieses besonders münzreichen Kirebenfürsten,
sichtlich und fällt aus der Reihe derselben, so verschiedenartige
Stücke dieselbe im übrigen aufzuweisen hat, vollständig heraus Dage-
gen zeigt er in dem Bilde des sitzenden Geistlichen und der Über-
füllung des Stempelfeldes mit allerhand Zierrathen sowie auch in dem
Technischen des Stempelschnittes die auffallendste Verwandtschaft
mit dem Bracteaten des Abtes Wicelin von Nordheim '), der gleich-
falls innerhalb der von zwei Perlenreifen umschlossenen Umschrift:
w. + 3NOH8TOI . VISLLVieAg das Bild des Abtes zeigt
sitzend auf einem aus einer zweifachen Perlenreihe ge-
bildeten Doppelbogen, mit einer spitzen Mitra auf dem
Haupte und einem Krummstab in der linken Hand, die
rechte zum Segnen erhoben und das Feld ringsum über-
säet mit geflammten und geradstrahligen Sternen, Kreuzen,
Vierecken, Bingeln, Engeln und dem Buchstaben: V.
(Blätter für Manzkunde. 1834. I. S. 8 und 17. T. IV. 64. — Leits-
mann, Versuche in Erklärung verschiedener Bracteaten. N. Z. 1836. 62 fg.
— Lcitzmann, Zwei Nordheimische Bracteaten. N. Z. 1848. 105 fg.
T. III. — Leitzmann, Bracteat Wicelin's. N. Z. 1857. 61. — Schlum-
b erger, Des bracteates d'Allemagne, pl. VlI. No. 75.)
Diese Verwandtschaft mit den nordheimer Bracteaten einer-
seits und der Abstand von den übrigen Münzen Wichmanns
anderseits bleibt räthselhaft, so lange man annimmt, dass die
beiden erzbischöflichen Pfennige in Magdeburg oder Halle geprägt
worden sind: sie ergeben sich dagegen als natürlich und von
selbst verständlich, sobald man sie als ein Erzeugniss der erz-
bischöflichen Münzstätte zu Gitteldc ansieht. Bei der geringen
Entfernung, welche die beiden Orte trennt, müssen die Erzeognisse
ihrer Münzschmieden gleichartig sein, und bei der geringen
Thätigkeit, die wir in beiden vermuthen dürfen, ist auch die
Verwendung derselben Stempclschneider zu vermnthen.
Haben wir es aber hier in der That mit Oittelder Münzen
M Abt Vicelin von Nordheim erscheint urkandlich 1144 (Stampf. Acta
Moguntina. 31) und auch noch 1164 (Origines guelficae. IIL 434).
Gittelder Pfennige. 329
ZU thun, dann besitzen wir in ihnen ein unverächtliches Zeugniss
für einen tiefgreifenden Wandel, der sich in den Verhältnissen
des Ortes vollzogen. Die Bracteaten unterscheiden sich in ihrem
Prägebild von den bisher besprochenen Gittelder Pfennigen der-
artig, dass der zwischen ihnen bestehende prägetechnische Unter-
schied der Einseitigkeit und Zweiseitigkeit zu einer genugenden
Erklärung nicht ausreicht, sondern politische Ereignisse vorauszu-
setzen sind, welche eine Änderung in der Verwaltung der Münze
herbeigeführt haben. Es ist bereits ausgeführt worden, wie die
Entwickelung während des elften Jahrhunderts dahin gelangt
war, dass der Einfluss des gräflichen Vogtes das höhere Recht
des Erzbischofs gänzlich bei Seite geschoben hatte und diese
Machtverschiebung in den Geprägen in der Vt^eise Ausdruck
gewann, dass Bild und Namen des Erzbischofs hinter denen des
Vogtes zurücktraten und gar völlig schwanden. Nach einer kurzen
Unterbrechung während der dem Aussterben der Catelnburger
zunächst folgenden Jahre, in denen sich die Münzen in dieser
Hinsicht absichtlich indifferent verhielten und an Stelle der
Münzherren die Eirchenheiligen zur Darstellung brachten,
beobachten wir auf den beiden Münzen, welche der ersten Hälfte
des zwölften Jahrhunderts angehören, die nämlichen Verhältnisse:
die Pfennige des Landgrafen Hermann von Winzenburg entbehren
jeder Hindeutung auf den erzbischöflichen Lehnsherrn, und die
des Grafen Siegfried von Bomeneburg tragen zwar das Bild des
Erzbischofs, aber nur auf der untergeordneten, durch das Gepräge
der Gegenseite entstellten Kehrseite und ohne die Nennung des
Namens. Hätte das Erzstift auch zur Zeit Friedrichs und
Wichmanns solch mächtige Reichsfürsten als Vögte zu Gittelde an
der Spitze der Verwaltung besessen, dann hätten auch die Münzen
derselben vor allem das Bild dieser Vögte tragen müssen, und
zwar entweder dies allein in der Weise der Bracteaten der Herren
von Arnstedt als quedlinburgischer Vögte zu Barby^), oder zum
mindesten neben dem des geistlichen Fürsten, wie z. B. der Brac-
teat des Pfalzgrafen Friedrich H. von Sommerschenburg als Vogtes
1 ) Die Literatur ist in einer der voraufgehenden Anmerkungen yerzeichnet.
22*
;-^30 Menadier:
der Abtei Helmstedt^), und der Bracteaten von Quedlinburg-),
Nordhausen ^, Eschwege*) und Arnstadt*) mit den Bildern der
1) Sccländer, Kurtzc YorstelluDg einiger Schatz- oder Schirm-Voigte,
so auf Bra(;teaten oder Blech -Müntzen mittlerer Zeiten sich befinden. Zehen
Schriften von Tcutschcn Müntzen mittlerer Zeiten. (Hannover 1743.) S. 18.
Nr 16 — Mader, Zweyter Versuch über die Brakteaten. (Prag 1808.) 24. —
Schönemann, Zur vaterländischen Münzkunde. (Wolfenbüttel 1852.) 1 8. —
D annenb er g, Die Münzen der Abtei Helmstadt. Z. f. N. V. (1878.) 266.
2) Stenzel, Der Brakteatenfund von Freckleben im Herzogthum Anhalt.
(Berlin 1862.) S. 36. Nr. 61. Ausserdem besitzt das Kgl. Münzkabinet aus
demselben Funde einen mit dem Namen der Beatrix versehenen Brakteaten,
welcher unter drei mit Thürmen besetzten Bogen zwischen zwei weiblichen
Brustbildern einen schwertschulternden Herrn sitzend darstellt, und ihm sa
Füssen zwei Personen auf den Boden gelagert, von denen die weibliche rechts
ein Evangelienbuch hält, die männliche links ebenfalls ein Schwert schultert,
ein Gegenstück zu dem von Düning, Übersicht über die Mflnzgeschichte
des kaiserlichen freien weltlichen Stifts Quedlinburg. (Qaedlinborg 1886.)
T. I, 9. abgebildeten Brakteaten.
3) Secländer, Kurtze Vorstellung einiger Schatz- oder Schirm-Voigte,
so auf Bracteaten oder Blcch-Müntzon mittlerer Zeiten sich befinden. Zehen
Schriften von Tcutschen Müntzen mittlerer Zeiten. (Hannover 1743.) S. 18.
Nr. 14. 15. — Harenberg, Historia ccclesiae Gandersheimensis. (Hannover
1734.) Vll. De tuitione regia. Cap. X. de moneta Gandersheimensi. 8.1122.
§ 3. T. Vll, 1. 2. — Leuckfeld, Kurtze historische Nachricht von einigen
alten und raren silbernen Bracteaten oder Blech-Müntzen etzlicher Yormals
gewesener quedlinburgischen Abbatissin. T. I, 7. 8. — Mader, Zweyter
Versuch über die Brakteaten. (Prag 1808.) 23. — Leitzmann, Über .die
Bracteaten der Goslarischen Schutzvoigte. D. Vogt des Klosters Neawerk.
N. Z. 1841. S. 138. Nr. 22/23. — Cappe, Beschreibung des vormaligen
Kaidcrlichcn freien weltlichen Stifts Quedlinburg. (Dresden 1851.) 8. 99.
Nr. 285. 280. T. IV, 84. 85. — Leitzmann, Beschreibung einer Aniahl
mittelalterlicher Münzen aus dem Herzoglich Anhaltischen Kabinete sa
Köthen. Die Münzen von Schutz voigten in und um Goslar. Nr. 2. 1886.
S. 183 Da die hinter der Äbtissin auf dem einen Bracteaten angeordneten
Buchstaben : CE sicher zu cecilia zu ergänzen sind, die goslarischen Klöster
Frankenberg und Neuwerk, denen man die Münzen zugetheilt hat, jedenfaUs
nicht münzberechtigt gewesen sind, unter den Quedlinburger und Ganders-
heimer Äbtissinnen, an die man ausserdem gedacht hat, keine Äbtissin des
Namens sich findet, so dürfte Cecilia, die Äbtissin des Klosters snm heiligen
Kreuz in Nordhausen, mit um so grössern Rechte als Münzherrin der beiden
Bracteaten geltend zu machen sein, als das auf ihren übrigen Münsen stark
hervorgehobene Kreuz auch auf ihnen auftritt.
4J Die Bracteaten des Fundes von Klein -Vacha.
T)) Schlegel, Schediasina do nummis antiquis Salfeldensibas Amatadien-
sibus (?t Jonensibus. (Dresden 1687.) T. I, 9. — Becker, Zweihundert
Gittelder Pfennige. 331
Äbtissinnen oder Äbte und der Vögte neben einander. Da die
Münzen indessen nur das Bild des Erzbischofs tragen, muss
die Vogtei zu Gittelde inzwischen die ihr vordem innewohnende
hohe Bedeutung verloren haben, kann die Vogtei unmöglich mit
einer vom Reiche rührenden Grafengewalt in Verbindung ge-
standen haben, können die Vögte nicht mehr Reichsfürsten,
sondern nur Ministerialen des Erzstiftes gewesen sein.
Des Grafen Siegfried Hand lastete schwer auf den geistlichen
Stiftern, welche er zu schirmen berufen war. Das hatte die
Äbtissin von Gandersheim zu empfinden. Darüber führten die
Mönche von Corvei vor dem Könige Klage. Darunter wird
auch der Erzbischof von Magdeburg zu leiden gehabt haben»
Sollte er nicht den Tod dieses Mannes und den mit demselben
eintretenden Heimfall des vogteilichen Lehens benutzt haben,
sich dem Drucke übermächtiger Lehnsmannen zu entziehen und
der Wiederkehr gleicher Verhältnisse, wenn möglich für immer
vorzubeugen? Sollte nicht die Umwandelung der Vogtei aus
einem Fürsteulehen in ein Ministerialenamt damals erfolgt sein?
Sollte vielleicht zudem die bisher mit der Gittelder Vogtei ver-
bundene Grafschaft im Lisgo, deren Inhaber für die dem Tode
Siegfrieds folgenden dreizehn Jahre nicht nachzuweisen ist und
die jedenfalls nicht zu der Erbschaft und dem ehemaligen Besitze
Hermann's IL von Winzenburg gehört hat, sollte diese Graf-
schaft damals vom Erzstift selbst erworben sein? Nicht zufällig
dürfte der Erzbischof Wichmann als vernehmlichster Zeuge an
erster Stelle die kaiserliche Urkunde unterschrieben haben, kraft
der Friedrich, dem Drängen des Herzogs Heinrich des Löwen
nachgebend, auf Grund der Urkunde Kaiser Konrad's II. ihm die
Grafschaft im Lisgo am Neujahrstage des Jahres 1158 auf der
Pfalz zu Goslar zusprach. Wir hätten dann in dieser Über-
tragung selbst einen der Gründe zu erkennen, welche den Herzog
und den Erzbischof für ihre gesammte Lebenszeit zu den heftigsten
Gegnern gemacht.
seltene Münzen des Mittelalters. (Dresden 1813.) Nr. 153. — v. Pos er n-
Klett, Sachsens Münzen im Mittelalter. (Leipzig 1846.) 8. 21. Nr. 22. T. XII, 8.
332 Menadier:
Man wende gegen diese Ausführungen nicht ein, dass von
einem magdeburger Besitz zur Zeit Kaiser Friedrichs nicht mehr
die Rede sein könne. Noch für das Jahr 1192 ist dieser Besitz
oder wenigstens der Anspruch auf denselben urkundlich beglaubigt.
Als nämlich Kaiser Heinrich VI. von seinem Zuge nach Italien,
woselbst sein Heer vor Neapel von einer mörderischen Seuche
heimgesucht und er selbst schwer erkrankt war, nach Deutsch-
land zurückgekehrt sich gegen Heinrich den Löwen und seinen
Sohn wandte, die während seiner Abwesenheit eine grosse
Verbindung staufenfeindlicher Fürsten ins Leben gerufen und
zu den Waffen gegriffen hatten, und die sächsischen Fürsten
zur Heeresfolge gegen Braunschweig aufbot, verlieh er durch
eine am 1. Juni 1192 zu Gelnhausen ausgestellte Urkunde
nicht nur das dem magdeburgischen benachbarte Gebiet Heinrichs
zwischen Magdebuig und Königslutter, dem Drömling und dem
grossen Bruche, sondern auch dessen Besitz in Gittelde und die
Staufenburg, eine Schenkung, die nur aus dem alten erzbischöf-
lichen Besitz in Gittelde zu erklären ist:
In tiojnme sancte et individue Irinüatis Henricua seactus divina
favente dementia Üomanorufn imperator et semper Augtutus ad
eterni regni meritum et temporcdis imperii increinetUum apud regem
reginn nobia proßcere non ambigimus^ st ecclesias dei et earum per-
sonas imperiali dementia midtis ditemiis honorihua eisque in terrarum
et dignitatnm collatione liberalem munißcentie nostre manum porri*
gamns. Qua propter notum facimus universis imperii nostri ßde*
libiis preseydibus et fiduri^ quod nos aUendentee preclara servietOy
que dilectns ac fidelis noder princeps Wiclmiannus Magdeburgewtis
arduepiscopus felicis memorie serenissimo patri nostre Friderico
quondam Romanor, imperatori angusto et nobis ad exaUacio-
nem impeni magnißce et ßdeliter exliibnit ad petitianem ipsius eO"
desie Magdeburgensi imperiall anctoritate damus caetrum Ilaidee'
leve curteni Lntere et abbatiam einsdem loci cum burgwatdis mt-
nisterialibus cunctisque mancipiis cinuslibet conditionis et unioereie
peiiinentiiis suis, preterea damns ipsi oninem proprietatem Heinrici
quondam Ducis de Brunswig, que sita est inter Lutere et Magde^
Gittelder Pfennige. 333
bürg et silvavi Trumelingen et palvdem magnam qne a Uomehorg
tisque ad Bodarn et a Bota vsque ad Salam et inde in AUnam
descendit, Similiter ipsi Magdeburgensi ecclesie contulimus omnes
areas, quas idem Heinricus in Gelethe habuit et quicquid
patrinionii tenuit^ quod vulgariter nomine marche in
Gelethe nuncupatur^ insuper quicquid idem Heiiiricus in
Castro Stofeburg nomine patrimonii se viserit habuisse.
Hec igitur sicut prescripta sunt predicte Magdeburgensi ecclesie cum
omni iure vtilitattbua et dominio presenti pagina divali in perpetuum
confimumms statuentes et imperiali auctoritate sanctientes ut mdla om-
nino persona alta vel humilis ecclesiastica vel secidaris eandem Magde-
burgensem ecclesiam in predictis Omnibus aliquo modo molestare au-
deat seu perturbare, quod qui facere presumpserit centum libras
auri purissimi pro pena componat quarum medietatem camere
nostre reliquam vero passis iniuriam persolvi voluimus. Ad cuius
rei certam in perpetuum evidentiam presentem paginam inde con-
scribi iussimus et maiestatis nostre (sigillo) insigniri, huüis rei
testes sunt Heinricus Pragensis Episcopus, Teodoricus Misnensis
Episcopus, Odacarus Dtuc Bohemorum, Albertus Marchio Misnensis
et f rater eius Teodoricus de Wiezenveles ^ Sifridus Comes de Orla-
munde, Rupertus de Dume, Albertus de Droiez, Cuno de Minzen-
bürg, Marquardus dapifer de Ane . . ., Heinricus de Wyda et alii
quayn plures.
Signum domini Henrici VI. Romanorum imperatoris invictissimi.
Acta sunt hec anno dominice incamationis MCXCIL iiidict. X,
regnante Dno. Heinrico sexto Romanorum imperatore gloriosissimo
anno regni eius XXHI^ imperii IL Dat. apud Geilenhusen per
manum Sigil . . . imperialis aule protlionotarii, Kai. Junii vacante
cancellaria.
(Ph. W. Gercken, Codex diplomaticus Brandenburgensis. III/IV.
Salzwedel. 1771. S. 432.)
Allein diese Übertragung weifischen Gutes an das Magde-
bui'ger Erzstift geschah nur auf dem Papier: thatsächlich durch-
334 Menadier:
geführt wurde sie nicht. Erzbischof Wichmann verpflichtete
zwar die sächsischen Fürsten auf einem Tage zu Goslar zu
einem Heerzuge gegen Heinrich von Braunschweig, die Bischöfe
Dietrich von Halberstadt und Berno von Hildesheim und der
Abt Widukind von Corvei lagerten in Folge dessen seit dem
11. Juni bei Leiflferde an der Ocker in unmittelbarer Nähe der
Stadt Braunschweig, fügten dem flachen Lande durch die Ver-
nichtung der Ernte grossen Schaden zu und versetzten auch den
Löwen durch den Abfall etlicher seiner Dienstmannen in nicht
geringe Bedrängniss: aber einen entscheidenden Schlag ver-
mochten sie, auf ihre Macht allein beschränkt, gegen den alten
Herzog nicht zu führen. Erzbischof Wichmann selbst erkrankte
bald nach der Goslarer Versammlung, er konnte an der Heer-
fahrt gegen den alten Gegner nicht theilnehmen und schied am
24. August aus dem Leben. Kaiser Heinrich selbst aber, obgleich
aufs äusserste gegen die Weifen, Vater und Sohn, erbittert,
so dass er sich jedem Versöhnungsversuch verschloss, verlor
gleichwohl die Verfolgung seiner Rache über andern Plänen,
insonderheit die durch die Erledigung des Lütticher Bisthums
entstandenen Wirren, aus den Augen und leistete den im Felde
liegenden geistlichen Herren keinen Zuzug. Am 18. August ver-
standen sich diese daher durch Vermittelung des Frohstes Gerhard
von Steterburg zu einem Wafienstillstand mit Heinrich dem
Löwen, der hinterdrein auch bald seiner Dienstmannen Herr wurde.
Gleichzeitig erlitten auch Herzog Bernhard von Sachsen und
Graf Adolf von Holstein vor Lauenburg eine Niederlage durch
die weifischen Mannen. Heinrich der Löwe war damit der un-
mittelbaren Gefahr entgangen. Nunmehr trat auch der König
von Dänemark für ihn ein, und unter den deutschen Fürsten
bildete sich ein grosser Bund, der dem Kaiser selbst bedrohlich
zu werden sich anliess. Die Gefangennahme des Königs Richard
Löwenherz von England, Heinrich des Löwen Schveager, durch
den Herzog Leopold von Osterreich am 2h December machte
den Kaiser zwar wieder zum Herrn der schwierigen Lage und
es schien nunmehr völlig um die Weifen geschehen zu sein«
Gittelder Pfennige. 335
allein bevor der feindliche Austrag des Streites erfolgte, wui'de
durch die Vermählung des jungem Heinrich mit Agnes, der
Tochter des Pfalzgrafen Conrad, die gegen Ende des Jahres
ohne Vorwissen des Kaisers und Conrads selbst erfolgte, die
Versöhnung angebahnt, die im März 1194 in der Pfalz Tilleda
von dem Kaiser und Herzog vollzogen wurde. Dem Löwen, der
die Wiedereinsetzung in die ehemalige HerzogswQrde aufgab,
eröffnete sich die Nachfolge des Sohnes in der Rheinpfalz und
blieb der ererbte Eigenbesitz seines Hauses.
Ein Jahrzehnt später erblicken wir daher auch die Söhne Hein-
richs des Löwen im Besitz der Staufcnburg. Die Urkunde, welche
Pfalzgraf Heinrich dem jüngeren Bruder, König Otto IV., über die
Theilung des väterlichen Erbes im Jahre 1203 ausgestellt hat,
schliesst die Aufzählung der einzelnen Güter mit dem Satze:
.... haec sunt castra, quae cessenint proprietati saepe dicti Domini
nostri Regis: Lichteriberge^ Asle, Sciltberffe, Stouffenburch^ Oste-
rode, Hertesberge, Scartfeldt, Lutterberge^ Honstein, Rodenburch
monasterium, Ilonburg et totum patrimoniiim in Jliuringia, quod
erat patris nostri, suae cessit parti . .
(Origines guelficae. HI. S. 627. Nr. 145.)
Der Besitz der Staufenburg zieht den von Gittelde nach
sich. Gegen die Staufenburg in weifischem Besitz hätte Niemand
Gittelde zu behaupten vermocht. Von einem Besitze in, einem
Rechte an, oder einem Ansprüche auf Gittelde auf Seiten des
Erzstiftes Magdeburg verlautet in der Folgezeit nicht das ge-
ringste mehr. Der erzbischöfliche Besitz war in dem vogtei-
lichen endgültig untergegangen.
Der Besitz der Weifen in Gittelde wird in der Urkunde
des Kaisers Heinrich VI. als marca bezeichnet. Darunter ist
das Obereigenthum des Gemeindelandes, die Grundherrschaft, zu
verstehen. Ausserdem standen ihnen auch staatsrechtliche Be-
fugnisse zu, die Ausübung der gräflichen Gerechtsame und die
Verwaltung der Regalien, darunter auch des Münzrechts. Aber
haben sie auch thatsächlich fortgefahren in Gittelde zu prägen,
wie einst ihre Vorfahren, die Catelnburger Grafen, unzweifelhaft
336
Henadier:
und hinterdrein Hermann von Winzenburg; und Siegfried von
Bomenebarg höchstwahrscheinlich daselbst gemflnzt haben?
Auch hier bleibt die schriftstellerische wie die nrkandliche
Überlieferung trotz ihres grössern Umfanges die Antwort
schuldig. Zudem reden die uns erhalteneu M&nzen aus dem
Ende des zwölften und dem Verlaufe des dreizehnten Jahr-
hunderts nicht so klar und Temehmlich als die der voraof-
liegenden Zeit. Gleichwohl sei auch hier eine VermuthoDg
vorzutragen gewagt.
Die Münzfunde haben uns eine kleine Beihe weifischer
Bracteaten zugeführt, deren gemeinsames Beizeichen in einem
oder zwei Schlüsseln besteht. Der älteste derselben
, zeigt innerhalb eines glatten Uochrandes, dem sich eine
rautenförmige Verzierung nach innen anschliefst, unter
einem Bogen, der mit einem Kuppelthunne und zwei
ZinnenthUrmen besetzt ist, zwei einander zugewendet
sitzende Löwen, zwischen ihnen eine Ki^l und anter
ihnen einen liegenden Schlttssel, den Bart nach oben
gerichtet, auf den der Löwe zur Rechten die linke
Yorderprankc stützt.
Oittelder Pfennige. 337
(Schönemann, Zur vaterländischen Mänzkuude. I. Der
Saalsdorfer Mttnzfund. S. 13. Nr. 8.)
und gehört jedenfalls der Zeit an vom Tode Heinrich des Löwen
am 6. August 1195 bis zur Theilung der von ihm hinterlassenen
Erbschaft im Mai 1202, oder wenn diese Theilung nur eine vor-
läufige gewesen und nur der Ausscheidung des Wilhelm, dem
jüngsten Bruder zufallenden Theiles gegolten haben sollte,
während für die Besitzungen des Pfalzgrafen Heinrich und des
Königs Otto eine gemeinsame Verwaltung fortbestanden, bis zum
folgenden Jahre. Die übrigen zeigen übereinstimmend einen
nach rechts springenden Löwen und unter ihm:
19. zwei liegende Schlüssel, die Barte einander zugewandt
und nach unten gerichtet;
(Menadier, Zur vaterländischen Münzkunde. II. Die
Bracteatenfunde von Ausleben und Groningen. Zeit-
schrift des Harzvereins für Geschichte und Alter-
thumskunde. XVIL J. 223. Nr. 26. T. 1, 23.)^
20. einen liegenden Schlüssel, den Bart nach links gewendet
und nach unten gerichtet;
(Leitzmann, Münzen der Stadt Braunschweig. N. Z.
1841. S. 146. Nr. 3. T. III, 3).
21. zwei stehende Schlüssel, die Barte von einander ab-
gewendet und nach oben gerichtet;
(im Besitze der Königlichen Münzsammlung)
und gehören wohl dem Herzoge Albrecht an, der 1252 seinem
Vater, dem Herzog Otto dem Kinde, in der Regierung folgte.
Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Schlüssel
dieser Bracteaten nicht etwa nur Beizeichen verschiedener Jahr-
gänge sind, denen keine besondere Bedeutung beizulegen ist.
1) Irrig habe ich daselbst dem Schweife des Löwen ein lilienförmiges
Ende gegeben. Aach lässt sich die dort versachte Zutheilang der Bracteaten
mit dem seitwärts gerichteten Löwen nach Lüneborg im Gegensatz zu den
für braunschweigischen Ursprungs erklärten Pfennigen mit dem leopardirten
Löwen nicht aufrecht erhalten, da auch ein umschriftlich bezeugter lüne-
burgischer Pfennig des Herzogs Otto des Kindes den leopardirten Löwen
zeigt.
338 Menadier:
Die maDDigfache Wiederkehr derselben legt es vielmehr nahe,
in ihnen das Abzeichen einer Münzstätte zu erblicken. Beachtet
man zudem den Umstand , dass die Schlüssel mit sichtlicher
Vorliebe auf den Münzen der geistlichen Heiren zur Darstellung
gebracht sind, darf man vielleicht die Prägestätte dieser Schlüssel
führenden Löwenpfennige als eine solche bezeichnen, welche aus
vormals geistlichem in den herzoglichen Besitz gelangt ist.
Schönemann hat auf Stade hingewiesen. Dagegen ist jedoch zu
erinnem, dass, nachdem Stadt und Grafschaft am 6. Januar 1202
in die Gewalt der weifischen Brüder gefallen war, der dabei in
Gefangenschaft gerathene Erzbischof Hartwig von Bremen sie
lediglich dem Pfalzgrafen Heinrich zu Lehen gemacht hat, und
dass angesichts der bereits vier Monate später vollzogenen Güter-
theilung, bei welcher Stade in Übereinstimmung damit Heinrich
zufiel, schwerlich auch nur vorübergehend ein gemeinsamer Be-
sitz und eine gemeinschaftliche Verwaltung Otto*s und Heinrich's
zu Stade bestanden hat. Vollends hinfällig erweist sich aber
diese Vermuthung gegenüber den Pfennigen des Herzogs Albrecht,
der nicht mehr Herr von Stade gewesen ist. Sollte nicht
vielmehr Gittelde der Ort sein, dessen alter Münzschmiede so-
wohl der ältere Bracteat der beiden Söhne Heinrichs des Löwen
als auch die Jüngern seines Urenkels entstammen? Ehemals unter
geistlicher Herrschaft befindlich, dieser wahrscheinlich durch
Heinrich den Löwen entrissen und jedenfalls in Kampf und Feind-
schaft gegen die Ansprüche derselben behauptet, stand Gittelde
während der ganzen im voraufgehenden bezeichneten Zeit im
ungetheilten Besitz der Brüder und gehörte seitdem dauernd zu
dem unangefochtenen Herrschaftsgebiet des weifischen Hauses.
Zudem lassen sich, wie der einzelne Schlüssel für Stade, so die
beiden Schlüssel für Gittelde in der Folgezeit als Münzbild
nachweisen und somit ist wohl der Erweis beigebracht, dass
Gittelde den durch die Münzen selbst gestellten Anforderungen
nicht nur besser als Stade, sondern vollauf entspricht Gleich-
wohl kann ich den Gittelder Ursprung der Bracteaten nicht als
erwiesen bezeichnen, sondern nur als Vermuthung aussprechen.
Gittelder Pfennige. 339
Hoflfen wir, dass mit der Zeit ein Umschrift führender Bracteat
auftaucht, der die endgültige Lösung bringt^).
Sollten uns aber auch künftige Funde die Zahl dieser
Löwenpfennige mit dem Beizeichen des Schlüssels mehren, lange
hat der herzogliche Münzhammer in Gittelde jedenfalls nicht
gearbeitet; jedoch nach einer Unterbrechung von mehreren Jahr-
hunderten war es ihm beschieden, noch einmal in wenig rühm-
licher Weise einige wenige Jahre hindurch in Thätigkeit zu
treten. Als nämlich zu Anfang des dreissigjährigen Krieges
über ganz Deutschland die bösesten Wirren hereinbrachen, die
das deutsche Münzwesen jemals zu bestehen gehabt, die Kipper
und Wipper allüberall im weiten Reich ihr unheilvolles Wesen
trieben und das arge Regiment der habsüchtigen Räthe des
jugendlichen Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig, des
Statthalters Anton von der Streithorst, und der drei Landdrosten
Joachim von der Streithorst, Arend von Wobersnow und Henning
von Reden, allen andern voran aus der gemeinsamen Noth Vortheil
zu ziehen beflissen war und zahlreichere Heckemünzen in dem
kleinen Lande entstehen liess, als dies wohl sonst irgendwo ge-
schehen, da erinnerte man sich auch der alten Münzschmiede in
Gittelde. Unter den zahllosen geringhaltigen braunschweigischen
Spruchgroschen, die jeder jener Zeit entstammende Münzfund zu
enthalten pflegt, sind den Sammlungen auch einige seltene Zwölftel
und vierundzwanzigstel Thaler oder Doppelgroschen und Groschen
zugeführt, welche übereinstimmend den Spruch: SOU DEO-
GLORIA- und zum Theil ein gekröntes vierfeldiges Wappen mit
einem Löwen im ersten und vierten und zwei stehenden Schlüsseln
1) Während des Druckes theilt mir Herr Dr. Buchenau in Bremen mit,
dass sich an einer Kirchenglocke zu Verden der Abdruck eines weifischen
Bracteatenstempels aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts findet, der
unter einem mit vier Kuppclthürmen und einem mittlem Zinnenthurm be-
setzten Giebel einen Löwen nach rechts und unter ihm einen liegenden
Schlüssel zeigt und eine Umschrift zu tragen scheint. Die Entzifferung der
letztem wird hoffentlich die entscheidende Antwort auf die Frage nach dem
Ursprung der Löwenpfennige mit dem Schlüssel geben.
340
Menftdier:
im zweiten und dritten Felde, zum Ttieil einen behelmten Schild
mit den beiden Schlüsseln im Felde und als Helmzier tragen,
nämlich:
22. Ein Doppelgroschen mit dem Namen des Kaisers Uatthi&s
ohne Bezeichnung des Jahres.
(Münz- und Medaillen - Kabinet des Grafen zu Inn-
und Knyphansen. Erster Nachtrag. Hannorer 1877
Nr. 7540. T. III.)
23. Ein Qroschen mit dem Namen des Kaisers Matthias aas
dem Jahre 1619.
(Münz- und Medaillen-Kab. . . . Knyphausen. Erster
Nachtrag. 7619. 7620. — Abgebildet nach dem
Exemplar in der Münzsammlung des Herzoglieben
Museums zu Braunscbweig).
Ein Groschen mit dem Namen des Kaisers Ferdinand IL
aus dem Jahre 1620.
(Grote (Wiggert, Scliellhas), Groschen der Herren
von Bartensieben und von Qittelde. Bl. f. Mk. L
Nr. 25. T. XIX. Nr. 246. - MQnz- und Hedaillen-
Eab. . . . Enyphausen. Nr. 356. Erster Nachtrag.
7664. a. — Verzeicbniss der von dem sei. Bibliothekar
Dr. Schönemann . . . nachgelassenen Münzen. Hann.
1861. Nr. 2375).
Gittelder Pfennige. 341
Die beiden stehenden, mit den Barten aufwärts und nach
aussen gerichteten Schlüssel waren das Wappen der Herren von
Gittelde. Der Zusammenhang zwischen diesem Wappenbilde
und dem der Groschen ist offenkundig. Dem Geschlechte selbst,
welches dem niedcrn Adel angehörte, die Münzen zuzuschreiben,
wird sich heutigen Tages wohl niemand mehr finden. Wie aber
sollten die herzoglichen Münzmeister und Eisenschneider darauf
gekommen sein, mit dem herzoglichen Löwen die beiden Schlüssel
zu einem Wappen zu vereinigen oder gar den Schild mit den
Schlüsseln allein als Prägebild zu verwenden, wenn sie in ihnen
lediglich das Geschlechtswappen derer von Gittelde erblickt
hätten? Die Rose der Hallermunder , das Schach der Hohn-
steiner, der Hirsch der Klettenberger , die Geweihstange der
Regensteiner, der Löwe der Eversteiner, die Bärentatzen der
Grafen von Hoya, das Geweih der Grafen von Dassel, die Bruch-
hauser Ständer und die Lauterberger Querbalken, welche einen
Theil der gleichartigen Münzen zieren, sind sämmtlich als Herr-
schaftswappen anzusehen ; sollten nicht auch die beiden Schlüssel
als Wappenbild des Gittelder Gebietes, des alten Vogteibezirkes,
gegolten haben, und sollte man damit nicht das Rechte getroffen
haben und das Wappen des Ministerialengeschlechts in der That
von solch einem Herrschaftswappen abzuleiten sein? Die
schlüsselfuhrenden Löwenpfennige des zwölften Jahrhunderts
machen diese Annahme zum mindesten sehr wahrscheinlich.
Eine Vorladung vor das Kammergericht zu Speier, die
schon 1620 erfolgte und die Entziehung des Münzrechts androhte,
blieb erfolglos. Ein Schreiben, das König Christian IV. von Däne-
mark am 21. December 1620 an seinen Enkel richtete, bekannt
unter dem Namen des königlichen Weckers, scheint ohne Wirkung
auf den Herzog geblieben zu sein. Endlich erlangten nach langen
Mühen, begünstigt durch die Herzogin-Mutter, am 9. Septem-
ber 1622 auf dem Schlosse Hessen der Landrentmeister und
eine Abordnung der Stände Zutritt zu dem Fürsten, ihm persön-
lich des Landes Noth zu klagen, wie sie auch in einer Denk-
schrift ihre Klagen niedergelegt hatten. Die Gebrüder von der
342 Mcuadier:
Streithorst wurden darauf hin sofort gefangen gesetzt, und mit
der Neuordnung der gesammten Verwaltung erfolgte auch die
Abstellung des Münzunfugs. Die Münze zu Gittelde wurde damit
für alle Zeiten geschlossen.
Sechs und ein halbes Jahrhundert trennen diese jüngsten
Münzen, w^elche zu Gittelde geprägt worden sind, von der Ur-
kunde, kraft welcher Kaiser Otto I. die Errichtung von Markt
und Münze daselbst gestattete. In dieser Zeit war der Ort, zu-
nächst das 11. Jahrhundert hindurch, der Schauplatz eines lang-
wierigen Ringens der widerstreitenden Interessen geistlicher und
weltlicher Macht der Magdeburger Erzbischöfe und Catelnburger
Vögte, sodann, wenn anders unsere Zuweisungen zu Recht besteben,
während der ganzen Dauer des 12. Jahrhunderts das Streitobject
der mächtigsten Fürsten, und durch deren Kämpfe in dem
eigenen Geschick eng verbunden mit dem Gange und Wechsel
der grossen Reichspolitik. Bei der Bedeutung, die man demnach
dem Orte beimass, war selbstverständlich die Münze in fort-
dauernder Thätigkeit, und eben die Münzen sind es, welche, stets
die lautersten Zeugen der obwaltenden Herrschaftszustände, uns
tiefere Einblicke in jene Verhältnisse gestatten, als die karge
schriftliche Überlieferung Mit dem Stillstand jener grossen
Kämpfe, der Versöhnung der Staufer und Weifen, trat der Ort
aus der Geschichte zurück und verlor er seine Bedeutung. Um die
Mitte des 13. Jahrhunderts nahm die Prägung daselbst ein Ende.
Nur als Ausfluss eines grossen Verbrechens ist es zu bezeichnen,
dass sie nach Verlauf von Jahrhunderten, in Deutschlands trübster
Zeit, einige Jahre wieder aufgenommen wurde. Trotzdem wurden
damals in der That die alten Verhältnisse wieder aufgenommen
und der Zusammenhang in gewisser Weise gewahrt. Wie die
ältesten sicher nach Gittelde zu weisenden Pfennige zum Zeichen
des geistlichen Charakters des Münzherrn den Bischofsstab führen,
so zeugen auf den jüngsten Münzen noch die Schlüssel für die
ehemalige kirchliche Herrschaft.
Menadier.
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Eine thalerfönnige Medaille des Grafen Ladislans von Haag.
Av. Der geharnischte Graf zu Pferde, den Helm mit grosser
Feder geziert. Unter dem Pferde die Jahrzahl 15—45 und
und darunter verschlungen SL (Sanctus Ladislaus) mit der
Krone bedeckt. Auf der Decke des Pferdes sind die Buch-
staben: CL — ED (wie auf dem Thaler v. 1549, Köhler
MB. XIV. 41, Schulth. Cat. 5075) sichtbar. Das Ganze ist
von einem breiten, mit einem Bande durchflochtenen oder
umwundenen Kranze umgeben. Wo das Band zum Vorschein
kommt, ist dasselbe beschrieben: MONE(ta) — NOVA —
LADISL(ai) — COMITS — . IN . — . HAG . —
Rv. Unter der Krone der Doppeladler von einem gleichen Kranze
wie die Ilauptseite umgeben und beschrieben: CAR(olus)
— . V . - ROM — IMP — SE — AVG — Mm. 43 Gr. 35,1
Silber. Ein Gepräge im K. Münz-Cabinet zu Berlin.
Dieses Prägestück ist in hiesigen numismatischen Kreisen
eine vollkommene Neuheit und wird deren Publikation freudig
begrüsst. Haag. Marktflecken in Oberbayern an der Heerstrasse
von München nach Mühldorf und Simbach am Inn gelegen, war
der Hauptort des ehemaligen Dominiums der späteren Grafschaft
Haag, deren erste Besitzer die Gurren gewesen waren, welche
wie die Nachfolger derselben, die Frauenberger von Frauen-
borg, ein weisses Pferd im rothen Felde als Wappen fDhrten.
Ladislaus, ein Sohn Leonhards Grafen von Haag und dessen
Gemahlin Anialie von Leuchtenberg, geb. um 1495, war ein
tapferer Kriegsmann und ein eifriger Förderer der Reformation
in seinen Besitzungen. Er ist als der letzte der Hauptlinie
des alten (leschleclites der Frauenbnrser, 15116 im Schloss zu
Haag gestorben.
München. J. V. Kull.
Studien zur Münzgeschichte Schlesiens im XVI. Jahrhundert,
I.
Die angeblichen Saganer Heller.
Auch die neuere schlesische Numismatik ist reich an dunklen
Partieen und entbehrt nicht der Schwierigkeiten, namentlich das
XVI. Jahrhundert ist stark damit gesegnet. So sagt z. B. der
verdienstvolle österreichische Forscher Newald in seinem Buche
über das Münzwesen Ferdinands I. mit Recht, dass die unter
diesem Fürsten aus der Breslauer Münzstätte hervorgegangenen
kleinen Sorten schon für sich allein ein schwieriges Studien-
objekt bilden. Es sei gestattet, aus diesem Gebiet eine kleine
Reihe herauszugreifen, bezüglich deren die Ermittelungen ein
klares, in sich abgeschlossenes Resultat ergeben haben und die
auch auf einige andere Stücke ein interessantes Licht wirft.
Bekannt sind die Heller mit gekröntem F und einem S auf
der Rückseite: bereits Dewerdeck (Silesia numismatica S. 576)
beschrieb ein solches Stück mit der Jahreszahl 1548 und gab es
an König Ferdinand I., der es in der Stadt Sagan, welche er
eben in diesem Jahre 1548 von den sächsischen Fürsten erworben
hatte, geprägt habe. Schon Leitzmann aber zweifelte (Wegweiser
S. 44) diese Zutheilung an, da man solche Münzen auch mit
der Zahl 1540 habe, also aus einer Zeit, wo die Stadt noch zu
Sachsen gehört habe, mithin das F wohl nicht gut auf die Münzen
gesetzt worden sein könne. Ist diese Begründung nun auch nicht
ganz richtig — es giebt keine Stücke dieser Art von 1540,
Leitzmann mag durch ein schlecht erhaltenes Exemplar getäuscht
worden sein — so sind die Zweifel doch gerechtfertigt: einmal
23
«
346 F. Friedensburg:
beginnt die Reihe dieser Heller bereits 1546, wo Sagan, wie
bemerkt, noch sächsisch war, und dann ist ferner nicht an-
zunehmen, dass König Ferdinand, der so eifrig auf Beschränkang
der Zahl der schlesischen Münzstätten ausging, selbst eine
solche in der damals bereits verhältnissmässig unbedeutenden
Stadt eingerichtet haben sollte.
Saganisch also können die Münzen nicht sein: schlesisch
aber sind sie. In den 1887 herabgenommenen Knöpfen des
Eaths- und des Magdalenenkirchthurmes zu Breslau befanden
sich mehrere Exemplare mit der Jahreszahl 1548 , ein in
Schweidnitz 1886 gehobener Hellerfund enthielt eine verhältniss-
mässig beträchtliche Anzahl dieser nicht eben häufigen Stücke
aus den Jahren 1546 bis 49 und 1563.
Von diesen Hellern mit gekröntem F und S giebt es die
Jahrgänge 1546, 47, 48, 49, 62, 63, 64, sowie ein Stfick ohne
Jahreszahl. An sie schliesst sich eine gleiche Münze mit
gekröntem R statt F aus dem Jahre 1584. Aus demselben
Jahre stammt ein halber Weissgroschen mit dem von der Um-
schrift Rudolfs II. umgebenen schlesischen Adler, auf der Rf. S,
darunter die an die Prager Groschen erinnernde Werthangabe
DIMIDII GROSS! ALBI (v. Saurma XXXV, 5).
Offenbar also ist das gekrönte F auf König Ferdinand, das
R auf Rudolf II. zu beziehen. Was aber bedeutet S? Wo sind
diese Stücke geprägt?
Da hat denn Newald in seinem obenerwähnten Buche (S. 119)
die schon auf den ersten Blick sehr bestechende Vermuthnng
aufgestellt: weil König Ferdinand in zwei — übrigens nicht im
vollen Umfange zur Ausführung gekommenen — Mttnzordnnngen
für Schlesien von 1532 und 1539 auf den in diesem Lande ge-
prägten Münzen überall ein S anzubringen befohlen habe, so sei
wohl das S auf diesen späteren Pfennigen noch auf jene Verordnung
zurückzubcziehen und ^Silesia^ zu deuten. Diese Ycrmuthung
wird zur Gewissheit durch eine Nachricht unseres alten Breslauer
Chronisten Niklas Pol. Derselbe (ed. Büsching III. S. 133)
schreibt :
Stadien zur Münzgeschichte Schlesiens im XVI. Jahrhundert. 347
(1546.) Den 6. Juli hat man die neuen Groschen mit dem
Löwen und Adler von 14 Denar'), die böhmischen Pfennige
mit dem Löwen vor 2 Dr., auch kleine Heller mit dem
gekröneten F und S, die der König auf des Kaisers Hof
durch einen verordneten Juden ^) verlegen und schlagen
lassen, öffentlich ausgerufen und auf allen vier Ecken des
Bings ausstreuen lassen.
Im Jahre 1546 hatte Ferdinand nach zwanzigjährigen
Streitigkeiten mit den Ständen endlich eine Münzordnung für
Schlesien geschaffen und sie, wie die mit den Münzen genau
übereinstimmende Nachricht Pols beweist, auch zur Durchführung
gebracht (vgl. Newald S. 75). Unter vielen Widerwärtigkeiten
vermochte sie sich aber nur kurze Zeit zu halten: das Land war
seit Anfang des Jahrhunderts an das schlechte Geld zu sehr
gewöhnt, als dass es sich mit dem neuen besseren hätte be-
freunden mögen, zumal die Habsucht, welche die weitesten Kreise
ergriffen hatte (vgl. Priedensburg, Schles. Münzwesen im Mittel-
alter S. 98 fg.), gerade bei den ungeordneten Verhältnissen ihre
Rechnung fand. Daher erklärt es sich, dass die Eeihe unserer
Heller nur vier aufeinanderfolgende Jahrgänge umfasst, während
die Prägung von 1562 fg. auf die mit diesem Jahre wieder be-
ginnenden Bestrebungen des Königs, das Münzwesen im Königreich
Böhmen und dessen Nebenländern zu ordnen '), zurückzuführen ist.
Im Anfang der 1580er Jahre hat dann Kaiser Budolf IL nochmals
den gleichen Versuch gemacht*): die Frucht seiner Prägethätig-
keit sind die Heller mit R und S und jener halbe Weissgroschen.
1) Abgeb. bei v. Saurma XXXXVI, 14. Von den ferner oben erw&hnten
Löwenpfennigen kennen wir noch kein Stflck, das sich als schlesisch auswiese.
2) König Ferdinand übertrug 1546 die Verwaltung der Breslauer Münze
erst dem aus der Schweidnitzer Münzgeschichte bekannten Paul Monau, der
sie aber nur ganz kurze Zeit hielt, dann dem Juden Isaak Meier, der nament-
lich mit dem Hath fortwährend Zerwürfnisse hatte, wie aus der auf der
Breslauer Stadtbibliothek befindlichen handschriftlichen Münzgeschichte dieser
Zeit vom Stadtschreiber Franz Faber hervorgeht.
3) Vgl. Newald a. a. 0. S. 60. In den Jahren 1561 u. 62 sind noch
andere königliche Münzen in Schlesien geschlagen worden.
4) Vgl. Newald, Österreichs Münzwesen unter Maximilian etc. S. 120.
348 F. Friedensburg:
Vom Jahre 1563 giebt es nuu noch einen Heller des hier
in Eede stehenden Gepräges, der aber auf der R&ckseite den
auf das S gelegten Hohenzollernschiid zeigt (Sammig. der St.
Breslau).
DerllohenzoUer, welcher diesen ausserordentlich interessanten
Heller in Nachahmung der königlichen hat prägen lassen, ist
zweifellos Markgraf Georg Friedrich Herzog zu Jägemdorf. Von
ihm besitzen wir auch aus den Jahren 1562 und 63 Kreuzer
sowie von 1562 Halbbatzen (v. Saurma XXXIII, 4, 6), welche
die entsprechenden königlichen Münzen für Schlesien (ebenda
XXXXVI 16, 17) genau nachahmen, indem sie ebenfalls nur den
Hohenzollernschiid als Unterscheidungsmerkmal verwenden. Wir
wissen, dass Georg Friedrich mit dem König seines Münzwesens
halber viel Streit hatte, ja dass man sogar sein Mttnzrecht
bestritt (Zeitschr. f. Gesch. u. Alterth. Schlesiens XI, S* 47):
es mag sein, dass Ferdinand die Nacbprägung seiner Münzen
besonders übel aufnahm.
Noch giebt es eine kleine Reihe von Nachahmungen^) der
königlichen in Breslau geschlagenen Heller: jene hochseltenen
Stücke aus den Jahren 1570, 71, 72 mit gekröntem Adler nnd S
(v. Saurma St. Sagan No. 4), welche Mader (Beiträge lU S. 165)
an die Stadt Sagan geben will, worin ihm Leitzmann a« a. 0.
beitritt. Davon kann natürlich nicht die Rede sein: Sagan hat
so spät kein Münzrecht mehr besessen und der gekrönte Adler
lässt sich absolut nicht mit dieser Stadt in Beziehung bringen.
Er weist uns vielmehr nach Oberschlesien (vgl. Friedensbarg
a. a. O. S. 291), wo um die in Rede stehende Zeit nur noch
eine Piastenlinie blühte, die zu Teschen residirende. Die
1) Auch (las bereits erwähnte Stück ohne Jahreszahl, das sich im Styl
der Zeichnung von den übrigen einigcrmaassen unterscheidet, mag eine Nach-
ahmungi freilich eine ganz besonders dreiste, sein.
Studien zur Münzgeschichte Schlesiens im XVI. Jahrhundert. 349
Teschener Fürsten haben es noch schlimmer getrieben als der
Jägerndorfer ; ihre Münzen (vgl. v. Saurma Taf. XXX) ahmen
polnische, preussische und königliche Gepräge nach. So dürfen
denn diese Stücke mit Sicherheit hier untergebracht werden und
sind au Wenzel III. (tl579) zu geben, da der andere etwa
noch in Frage kommende Herzog dieses Stammes, Friedrich
Kasimir zu Freistadt, bereits am 4. Mai 1571 stirbt.
P. Friedensburg.
Münzen von Ifeu-Bruclihattsen.
Die Familie der Grafen zu Oldenburg spaltete sich im
13. Jahrhundert in vier Zweige, die in Oldenburg, Wildeshausen,
Alt-Bruchhauscn und Neu-Bruchhausen residirten. Die älteste
von diesen Linien war die von Neu-Bruchhausen; dieselbe führte
als Wappen abweichend von den übrigen drei Rosen, (et Münz-
stud. 7, 493). Nach dem Aussterben dieser Linie (1388) wurde
deren Gebiet mit der Grafschaft Hoya vereinigt.
Münzen der kleinen Grafschaft von Neu-Br. waren bisher
nicht bekannt, doch befindet sich ein hierher gehöriges Gepräge
in zwei Exemplaren in der Stadtbibliothek zu Bremen unter
einigen hundert anderen Bracteaten, die dem 14. Jahrhundert
entstammen und im Gebiete des früheren Erzstifts Bremen bei
Loxstedt und St. Magnus gefunden sind: Schild mit drei Rosen
umgeben von drei Punkten. Dm. 15 mm.
Aus denselben Funden befinden sich daselbst zwei Exemplare
des von Grote in seiner Beschreibung der Lippeschen Münzen
abgebildeten Ilohlpfennigs mit einer fünfblättrigen Rose. (MQnz*
Studien V, Tf. V. 58. Dm. IT'")-
Grote selber bemerkt, dass derselbe unmöglich lippisch sein
könne, da in der dortigen Gegend keine derartigen Hohlmünzen
coursirt haben. Das Vorkommen in den erwähnten Funden
beweist, dass dieser Bracteat entweder nach Neu-Bruchhausen
gehört oder nach Wildeshausen, wo die Rose ebenfalls als
Wappenbild auf den Münzen angebracht wird. Eine sichere
Entscheidung lässt sich darüber nicht treffen.
H. Buchenau.
Goldbarren aus Sirmiuni.
Die merkwürdigen Goldbarren, welche kürzlich unweit Kron-
stadt an der siebenbürgisch -rumänischen Grenze im Harom-
szeker Comitat zum Vorschein gekommen sind, müssen durch den
Handelsverkehr von den Römern in die Hände der Barbaren
gelangt sein; denn in der Spätzeit, in welcher sie abgestempelt
worden sind, war diese Gegend in den Händen der Gothen
oder der Gepiden. Sie zerfallen nach den einsichtigen Aus-
führungen Kenners und insbesondere Domaszewskis *) in zwei
Reihen. Beiden gemein ist der ein einziges Mal doppelt, auf
den übrigen vierzehn Barren einfach auftretende Stempel
LVCIANVS
OBR . I • SIC • ^
Neben diesem findet sich auf den Barien der ersten Reihe,
und zwar viermal und in ungleicher Folge wiederholt, ein
anderer Stempel:
FL . FLAVIAN
VS PRO . SIC
AD DIGMA ^
Die andere Reihe zeigt neben dem Stempel des Lucianus
drei andere;
D D D Sirmium sitzend, in
drei Kaiserbüsten, der R einen Palmzweig QVIRILLVS
von denen eine haltend, darüber Stern ET DIONISVS
bedeutend kleiner ist oder Christusmonogramm ^ i^ SIRM SIG ^
NNN SIRM
i) Archäol. epigraph. Mitth. aus Österreich 12 (1888) S 1 fg. 66 fg. Drei
dieser Barren sind daselbst in Phototypie abgebildet.
352 Th. Mommjsen:
ludess treten diese drei Stempel uicht immer zusammen auf.
Auf einem Barren findet sich nur der erste ddd vor und zwar
zweimal wiederholt; auf mehreren anderen nur der erste und
der z>Yeite; wieder auf anderen alle drei und der erste doppelt.
Die Reihe der Stempel ist hier eine feste und zwar, wo der
dritte Stempel fehlt, die folgende:
lucianus ddd sirm
wo alle drei Stempel auftreten, der folgende:
qxdrillus Indamis ddd ddd sinn
Auf einem Exemplar erkennt man unter dem dritten Stempel
ddd Reste des qidrillus, welcher also aus Versehen an die falsche
Stelle gesetzt und dann durch den dorthin gehörigen Eaiserstempel
ersetzt ward.
Der Feingehalt des Goldes ist 980 auf 1000. Dem Ge-
wicht nach ist der schwerste Barren ein verstümmelter von
524 Gr.; elf vollständig erhaltene wiegen 520 — 500 — 476—
472-471—458-456—409-406-372-339 Gr. Die Form ist
die viereckige unserer Siegellackstangen; viereckig sind auch die
eingeschlagenen Stempel.
Dass diese Barren alle ungefähr gleichzeitig abgestempelt
worden sind, folgt aus dem auf allen befindlichen Stempel des
Lucianus. Die Zeit lässt sich ziemlich sicher bestinunen. Durch
das christliche Monogramm sind die früheren drei Jahrhunderte
unserer Zeitrechnung ausgeschlossen ; wie denn auch der Stil auf
das 4. Jahrh. hinweist. Dreiherrschaft zweier Männer und eines
Knaben hat es in diesem gegeben in den J. 367—375, wo
Valentiuian I. und Valens nebst Gratianus, in den J. 375 — 378,
Avo Valens und Gratianus nebst Yalentinian IL, und in den
J. 878—383, wo Gratianus und Theodosius nebst demselben
Valentiniaii II. regierten. Keimer weist den Stempel der ersten
Kpoche zu ; meines Erachtens bleibt die Wahl frei zwischen den
dreien. Weiter hinabzugehen verbietet die Stempelung in
Sirmium. Diese Stadt ist noch nach der Schlacht von Hadria-
nopel 8. Aug. 378 römisch geblieben; bei der Theilung zwischen
Gratian und Theodosius, der in ihr am 19. Januar 379 nun
Goldbarreu aus Sirraium. 353
Kaiser ausgerufen ward, ist sie zum Westreich gekommen 0.
Aber die bis dahin so zahlreichen aus Sirmium datirten Ver-
ordnungen brechen ab mit dem 8. Sept. 380 und, worauf schon
Kenner hingewiesen hat, die überhaupt nicht zahlreichen Stempel
der Münzofficin Sirmium gehen nicht hinab unter Valens. Offen-
bar beruht beides auf der um diese Zeit vollzogenen Abtretung
Pannoniens an die Gothen zu dauerndem Besitz unter römischer
Oberhoheit '). Damit hörte die Thätigkeit derjenigen Officin auf,
aus der diese Reichsstempel hervorgegangen sind').
Gestempelte Metallbarren aus dem Alterthum kennt man in
hinreichender Zahl ; aber diese Stempel sind nicht bloss insofern
ein antiquarisches Novum, als Goldbarren mit Stempel bisher
noch nicht zum Vorschein gekommen sind. Die bisher bekannten
Barren von Silber und Blei, einzelne auch von Kupfer und von
Zinn sind, so weit sie verständlich sind, ohne Ausnahme Gruben-
oder Hütten-, also Herkunftsstempel, wie sie überhaupt auf dem
antiken Geräth so häufig vorkommen. Aber diese Stempel
setzen nicht das sonst auf dem Geräth übliche fedt oder ein
dem entsprechendes Wort, sondern dafür überall sig(navit) und
1) Von den drei spätesten aus Sirmium datirten Verordnungen vom 24.
Feb. 379 (C. Th. 6, 30, 1), 6. Dec. 379 (C. Th. 6, 30, 4) und 8. Sept. 380
(C. Th. 7, 22, 11) gehören wahrscheinlich die erste und sicher die zweite dem
Gratiau, die dritte dem Theodosius; da Sirmium bei der Theilung zum West-
reich kam, so wird das Verweilen des Theodosius daselbst im Herbst 380
wohl mit Becht von Tillemont 5, 207 auf eine Zusammenkunft der beiden
Kaiser bezogen, die mit der Aufnahme der Gothen in das Reichsgebiet im
Zusammenhang gestanden haben kann.
2) Zosimus 4, 34 bezeichnet als abgetreten Pannonien und Obermösien;
Jordanes Get. 27 spricht nur von Pannonien. Bei den Panegyrikern (Pacatus
paneg. 22; Themistius or. 16) tritt derselbe Vorgang auf als Unterwerfung
der Gothen unter die römische Herrschaft, was formeU allerdings zutrifft.
3) Damit soll keineswegs behauptet werden, dass in den Gebieten, wo
die Gothen angesiedelt wurden, die römische Verwaltung gänzlich aufgehört
hat. Die unter Honorius rcdigirte Notitia dignitatum führt Pannonien als
römische Militärprovinz auf und verzeichnet Besatzungen und Fabriken in
Sirmium (Occ. c. 9, 18. 11, 47. 32, 49. 50. 54); diese Angaben können, aber
müssen nicht nothwendig anachronistisch sein. Aber Sirmium^ bis dahin
Residenz, hörte damals auf dies zu sein, und dass man zugleich die Münz-
stätte schloss, ist begreiflich. Vgl. Pacatus paneg. 32.
354: '^^^ Mommsen:
fügen auf dem eisten dazu obr(yzum)^)^ auf dem zweiten ad
dujma. Jenes Wort bedarf der Erklärung nicht. Jety/ia, digma^ das
Waarenmuster ^), wird hier das Feingold bezeichnen, mit dem der
Barren verglichen und gleichwerthig befunden ist. Dadurch zeigen
sie au, dass dies nicht zunächst ein Herstellungsvermerk ist, da,
wenn der Hersteller sein Geräth zeichnet, regelmässig die Her-
stellung als die Hauptsache ausgedrückt wird, nicht das Zeichnen.
Auch bei diesen Goldstempeln, die in das weiche Metall ein-
gedrückt sind, ist Herstellung und Zeichnung zusammen gegangen,
über hier war die letztere die Hauptsache: nicht, werden Barren
gegossen hat, sollte ausgedrückt, sondern, wie das bei dem Golde
ja nahe liegt, durch den Stempel dessen Feingehalt verbürgt
werden. Die Fassung der einzelnen Stempel scheint dies zu
bestätigen.
Ohne Ausnahme sind die Stempel doppelt : der des Lncianus
geht durch alle Barren durch, neben ihn aber treten andere Marken,
zum Theil mit dem Namen und den Köpfen der regierenden Kaiser
und der Stadt Sirmium, zum Theil mit Personennamen, von denen
der eine sich sogar als Beamter einführt. Denn der zweite Stempel
kann nicht wohl anders gelesen werden als Fl(aviu8) FUxoianm pro-
(curator) mj(navit) ') ad digrna. Danach ist es ausser Zweifel, dass
wenigstens die zweite Kategorie der Stempel aus der Münzstätte von
Sirmium hervorgegangen und der hier genannte procuraior der
1) Diese Erklärung ist ebenso zweifellos wie es zweifellos ist, dass die
Auflösung des MUnzzcichens OB durch 72 dadurch nicht erschüttert wird.
Auf letzteres hat schon v. Sallet (in den dieser Zeitschrift beiliegenden
Sitzungsberichten der num. Ges. Bd. 15, S. 39) mit Recht hingewiesen.
2) So erklären die griechischen Lexikographen: (fcij^/ua xtr^m ^«^ f o ^f*-
xuvfitvov «^' ixttciov Tüiy ntolovfAiviav * t<nk dt xai ro/roc J^s it^ vß ^tf^^nf^kr
i^noQitü, ilg ov ra dtiy/Ltara ixof^iCtro xakov/uiyog ovrmf. Bei den Römern
findet sich das Wort verwendet für die zwischen Kameraden oder GoUegen
verabredete Erkennungsmarke in der VO. vom J. 417 G. Th. 14, 4, 9: elflui«
destinum ad collegas dujma missurtts und bei Vegetius 2, 18: müitet . . . lUverm
cohortibus diversa in scutis siijna pintjehant et ipsi nominarU dignutiaf naii ßtiam-
nunc morüi est ßeri,
3) Kenners Vorschlag prohavit signum ist sprachlich wie sachlich Ter-
werflich.
Goldbarren aus Sirmium. 355
dortige procurator monetae ist. Mit Recht hat auch Kenner hin-
gewiesen auf das Wiederkehren des Palmzweigs und des Sterns auf
den aus derselben Officin hervorgegangenen Goldmünzen. Dass der
Procurator entweder mit seinem Namen stempelte oder statt dessen
das Kaiser- und meistens daneben das Stadtwappen auf die Barren
setzen liess, ist begreiflich. Welche Function dem Cyrillus und
dem Dionysus zugekommen ist, die zuweilen neben diesen Wappen
erscheinen, lässt sich nicht ermitteln; am nächsten liegt es in
ihnen Officialen des Procurators zu yermuthen, welche in seinem
Auftrag die Stempelung vollzogen. Lucianus muss entweder
derjenige Unterbeamte des Münzamts gewesen sein, welcher den
Barrenguss zunächst bewirkte und dessen Stempel durch den
der Behörde selbst bestätigt ward oder auch, was sich mehr
empfiehlt, ein illyrischer Grundbesitzer oder Grubenunternehmer,
der sein Gold in die Münzstätte von Sirmium zur Abstempelung
einsandte. Unsicher bleibt die Auffassung des zwischen ohryzum
und signavit stehenden Zeichens!. Primae (notae), was Kenner
vorschlägt, ist schon insofern unannehmbar, als bei Feingold
verschiedene Werthqualität ausgeschlossen ist. Eher möchte an
prior oder primum gedacht werden können, insofern diese Stempe-
lung der zweiten des Münzamts voraufgeht, obwohl auch gegen
diese Interpretation sich mancherlei Bedenken erheben.
Es kann keinem Zweifel unterliegen und ist auch schon von
Kenner richtig ausgeführt worden, dass die staatliche Attestirung
des Feingehalts auf dem Golde den Zwecken des Verkehrs gedient
haben muss, bestimmt war dem Erwerber des Barrens diese für
den Privaten schwierige Constatirung durch die öffentliche
Garantie zu ersetzen; und die Ausführlichkeit, womit dies hier
geschieht, die offenbar auf die mögliche Zerstückelung des Barrens
im Verkehr berechnete grosse Anzahl der Stempel unterstützt
diese Auffassung. Wir können aber den Zweck dieser Abstempe-
lung bestimmter präcisiren. Nach den eben in der Zeit, welcher
unsere Barren angehören, ergangenen Anordnungen nehmen die
Regierungshauptkassen nur Zahlung in Goldbarren an und schreiben
den Hebungsstellen vor die bei ihnen eingehenden Goldstücke
356 l'b* Momrosm:
eingeschmelzt abzuliefern, um also der Beschädigung durch Mfinz-
falschung sich zu entziehen^). Wie die GoldmOnze damals
eigentlich nur zugleich mit der Wage im Verkehr zur Anwendung
kam, so war für denselben der Barren bei Attestirung des
Feingehalts ungefähr ebenso bequem wie der Solidus. Es
wird auf Grund dieses Fundes angenommen werden dQrfen,
dass die kaiserlichen Münzstätten neben der Prägung auch auf
Verlangen der Regierung oder der Privaten die Herstellung der
Goldbarren beaufsichtigten oder auch bewerkstelligten und als-
dann die Qualität des Goldes von Staatswegen attestirten. Nach
einer der eben angeführten Verordnungen machten die Steuer-
einnehmer oftmals Schwierigkeit, die in Zahlung angebotenen 6old<
harren anzunehmen, und ordnete Valentinian an, dass dergleichen
Barren an ihn eingesendet und bei grundloser Abweisung die Steuer-
beamten bestraft werden sollten'); es musste dies geradezu dahin
führen für die Qualität der Barreu eine öffentliche Beglaubigung
einzurichten und dadurch solche Missbräuche abzuschneiden.
Es erscheint zweckmässig einige Bemerkungen anzuschliessen
über die für diese Epoche hinsichtlich der Goldgewinnung be-
stehenden Normen. Ein eigentliches Goldregal hat schwerlich
bestanden, wenn gleich die meisten und wichtigsten Goldgruben
seit langem dem Staat oder dem Kaiser gehörten*); sicher aber
unterliegt die Goldgewinnung in dieser Epoche einer besonderen
Steuer. Meistcntheils war dieselbe mit dem Erbzwang verknttpft
In den Productionsgcbietcn war das Gewerk des Goldsuchers
obligatorisch und erblich und hatte jeder derselben jährlich
7 Scrupel = 9 Gramm = 25 Mark Feingold abzuliefern ^)y wozu
1) C. Th. 12, 6, 12. 13 aus den J. 366. 367.
2) C. Th. 12, 6, 12 vom J. 306: si idem tnueipientium dqnrthemtiturf qmod
fuerat ante^ cum ohrt/zae tnateri'es afferatur, quae non potest displieere, . . . pledendtu
estj qui id calumniatur et reprohat . . . prius tarnen ad comiteUum manMuetudims noMtme
matisae ohrysae quae fuerat repudiata mittatur, ut qua sit mente reieeta mdeoKM»,
3) Hirschfeld Vcrwaltungsgesch. 1, 74.
4) G. Th. 10, 19, 12 vom J. 392: per annos singulos s^teni per kommem
scripuli largitionihus inferantur ah anrileguUs non solum in Ihntica dio^een^
etiam in Asiana.
Goldbarren aus Sirmium. 357
bei Ablieferung unreinen Metalls (halluca) ein Zuschlag von
2 Unzen auf das Pfund hinzutrat ^). Häufig entzogen die Pflichtigen
sich durch Auswanderung dieser vermuthlich oft unerschwinglichen
Abgabe, und zahlreiche Verordnungen beziehen sich auf die
Verhinderung dieses Flüchtens und die Zurückführung der Ent-
laufenen in ihren Bezirk. Im Allgemeinen wird den unter diesem
Zwang stehenden Arbeitern zugleich das Privilegium des Gold-
suchens zugestanden haben. Aber für das ihm ganz unterstehende
lUyricum gab Valentinian I. im J. 365 das Goldsuchen einem jeden
frei^); und damit hängt wohl zusammen der besondere comes
metaUorum per Illyricum^ den die eben genannte Verordnung so
wie für die damals zum Orient gehörige Hälfte desselben die
Notitia dignitatum aus Honorius Zeit nennen^). Ein in jedem
Stadtbezirk aus den Decurionen genommener procurator metallo'
runi^) wird die Goldsucher beaufsichtigt und den Kanon von ihnen
eingefordert haben. Dieselben werden weiter aufgefordert das
ihnen verbleibende Metall vorzugsweise an den Staat abzulassen'^);
ein eigentliches Vorkaufsrecht wird diesem nicht eingeräumt.
Danach scheint in dieser Epoche das orientalische Blyricum für
die Goldproduction am meisten bedeutet zu haben. Sirmium,
obwohl dazu nicht gehörig, liegt an der Grenze und mag wohl
bei der Ablieferung der von den dortigen Goldsuchern zu ent-
richtenden Abgabe, so wie bei dem Ankauf des gefundenen Goldes
vorzugsweise in Betracht gezogen worden sein.
1) C. Th. 10, 19, 4 vom J. 367: oh metallicum canonem, in quo proprio con-
suetudo reiinenda est, quaiiuordecim uncias baüucae pro singvlis libris constat inferri.
Also wurden anstatt 7 Scrupel Feingold 8 (genau 8 ]i) Scrupel balluca gefordert,
wie dies der Verordnung vom J. 365 (C. Th. 10, 19, 3) entspricht: si gut sponfe
confluxerinty eos laudahilUas tua octonos scripulos in balluca cogat exolvere,
2) C. Th. 10, 19, 3 = cod. lust. 11, 7, 1. Die Beschränkung auf lUyricum
folgt aus der Adresse an den comes metallorum.
3) Not. dign. Or. 13, 11.
4) C. Th. 1, 32, 5 = cod. lust. 11, 7, 4 vom J. 386 trifft Massregeln gegen
das durch die Kriegsgefahr veranlasste Entweichen der procuratorts metallorum
intra Macedoniam, Daciam mediterraneam, Moesiam seu Dardaniam (dies sind die
Provinzen des zum Ostreich gerechneten Illyricum) soUti ex curialibus ordinarij
per quos sollemnis profligatur exacfio.
5) C. Th. 10, 19, 3 (A. 2): ßsco potissimum distrahant.
358 l'h- Mommsen: Goldbarren aus Sirmium.
Die Goldgewinnung, an welche bei diesen Einrichtungen haupt-
sächlich gedacht ist, hat die Römerherrschaft überdauert Einer
von dem ortskundigen Hm. JireSek darüber in den archäologisch-
cpigraphischen Mittheilungen aus Österreich Bd. 10 (1886) S. 75 f.
gegebenen Darstellung entnehme ich die folgenden Angaben.
,Die Bewohner des Kreises von Nevrokop an der mittleren
,Mesta^), besonders der felsigen und waldigen Theile desselben
,(Dorf Skrebatno, Baldevo u. s. w.) sind heute Goldw&scher «or'
^i^ox^v und trieben bis zu den grossen ökonomischen und politischen
,Umwälzungen des letzten russisch-türkischen Krieges ihr Gewerbe
,fast in ganz Bulgarien, Rumelien und Makedonien. Man fand
,sie jeden Sommer im Balkan bei Kotel, an der Arda in der
,Rhodope, an der Topolnica in der Sredna Oora, an der Palgaria
,an der Südseite der Yitosa, in den Kreisen von Breznik, Dop-
,nica, Küstendil u. s. w. In der alttürkischen Zeit vor den Re*
,formen genossen dieselben verschiedene Privilegien, vor allem
.gewisse Steuerbefreiungen gegen Naturallieferungen vonGoldstanb.
^Allerdings war das Geschäft sehr mühselig, und das anstrengendste
,Durchsieben und Waschen des Flusssandes brachte jährlich in der
,Regel kaum 80 bis 120 Franks reines Gold ein. Die Nevrokoper
,sind wohl die Nachfolger der thrakischen hemmziehenden ourtUguH^
, welche eine Constitution des J. 370 (Cod. Theodos. X 19, 7) ans
,Illyricum und der Dioecesis Macedonia in die Heimat zurückzu-
,schicken befiehlt, sowie der sequendarum auri venarum perüi^
,welche nach Ammian (31, 6, 6) 376 den Gothen in Thrakien die
^verborgenen Schlupfwinkel und Getreidelager der Einwohner ver-
,riethen, selbst gedrückt und erbittert durch schwere Steuerlast*.
1) Dies ist das alte Nikopolis am Nestus, in der Diöcese ThraUeni der
Provinz Rhodope. Das Gold wurde übrigens von den in dieser Gegend
wohnenden Bessern nicht bloss durch Waschen gewonnen, sondern auch durch
Grubenbetrieb. Nach Glaudian de Manl. cons. 39 fliesst in den kaiserUchen
Schatz qmdquid fluviis evolvitur auri, quidquid luce procul veno» riwuUa »egtmeu
ahdita pallentis fodit sollertia Bessi. Die römischen Schanzgr&ben wurden an-
gelegt ad morem Dessorum ducto Mth terris cuniculo (VegetiuS 2, 12% ad apeetem
mrtalhrwn, in quibus auri argentif/ue venas Bessorum rimatur industria (ders. 4, 24).
Th. Mommsen.
Literatur.
Le B^ J. de Chestret de Haneffe: numismatique de la
principautö de Li6ge et de ses d^pendances (Bouillon, Lodz)
depuis leurs annexions. I partie. Bruxelles 1888. 4to. 248 S.
Mit 29 Eupfertafeln und 1 Landkarte.
Es giebt wohl kaum eine Münzreihe, welche die Lüttich er
an Interesse übertrifft: unter Karl d. Gr. beginnend, setzt sie
sich von Otto ÜI. ab in fast ununterbrochener Folge bis 1792
fort, und bietet namentlich im 12. und 13. Jahrhundert eine
Fülle der eigenartigsten Gepräge, wie ausgenommen etwa Böhmen
in der gleichen Zeit, kein anderer Müuzstand aufzuweisen haben
dürfte. Nicht übel charakterisirt sie Chalon mit folgenden
Worten: „dans les nombreuses variet6s de leurs types, offrant
souvent des monuments, des groupes de personnages ou d'autres
Sujets, on serait tentö de voir une reminiscence 61oign6e du
Systeme des deniers romains, c'est-ä-dire de v^ritables m^dailles,
conservant le Souvenir de faits historiques.** Wenn man sich
aber bisher mit diesen Münzen bekannt machen wollte, so sah
man sich, abgesehen von dem späteren summarischenDumoulinschen
Verzeichnisse (in der Revue Beige 1861 — 63 u. 1867) lediglich
angewiesen auf Renesse's Lütticher Münzgeschichte, ein Buch,
dessen völlige Unzulänglichkeit in die Augen springt ; mit Recht
hebt der Hr. Verf. hervor, dass von den 64 älteren Münzen, die R.
bringt, 9 falsch, 29 unrichtig zugetheilt und höchstens 23 richtig
bestimmt sind, Fehler, die selbst durch die mangelhafte Kenntniss
der Mittelaltermünzen zur Zeit des Erscheinens dieses Buches
(1831) nicht entschuldigt werden. Unter diesen Umstanden
bestand schon lange das dringende Bedürfniss, den Werken
von Chalon, Gaillard und v. d. Ch\js über die altern Münzen
der Niederlande ein solches über Lüttich anzureihen, und wir
haben es dem Hrn. Verf. zu danken, dass er sich dieser nicht
Zeitoohrift for Hamiunatik. XVL 24
360 Literatur.
leichten Aufgabe unterzogen und sie mit so vielem Geschick
gelöst hat. Lieber freilich hätten wir es wohl gesehen, wenn
er sich die Grenzen seiner Arbeit etwas weiter gesteckt und
auch die Münzen von rein kaiserlichem Gepräge zugelassen hfttte,
indessen kann man über diese leicht anderswoher Auskunft
erhalten und somit lassen wir uns die Beschränkung auf die
Münzen von bischöflichem Gepräge gefallen.
Aus der Einleitung des Werkes ist als besonders wichtig
die Übersicht der Münzstätten hervorzuheben, es sind dies:
Lüttich mit seiner Vorstadt Avroy, Maestricht mit St-Pierre,
Yis6, Huy mit dem Stadttheil Statte, Fosses, Thuin, Tongern
St. Trond, Hasselt mit dem Schlosse Curange (Curingen)
Nr. 335—337, 367) Maescyck (wo aber erst 1582 eine Münse
eingerichtet wurde), Ciney, Waremme (nur der Turnose Nr. 224),
L6au (nur Nr. 22), Herck-la-ville (nur 276 u. 298) und Eygen-
Bilsen (nur 299); wahrlich ein staunenswerther Reichthum auf
so kleiner Fläche.
Bei dem vorgedachten Ausschluss der kaiserlichen Oeprige
beginnt die uns vorgeführte Münzreihe mit den Denaren Kaiser
Heinrichs IL, welche auf der Rückseite einen Bischofsstab tragen.
Dabei mag bemerkt werden, dass die unter den unbestimmten
Prägestätten aufgeführte Nr. 25 nach Ausweis eines mir unlängst
zugekommenen Exemplars in Ciney geschlagen ist. Mit Konrad II.
verschwindet des Kaisers Namen und Bild, mit Ausnahme zweier
bischöflichen Gepräge mit Barbarossas Brustbilde (Nr. 102, 127» 128),
und es beginnt mit Dietwin (1048 — 1075) der rein bischöfliche
autonome Typus, mit Namen und Bild des Bischöfe. Die Periode
der Denare bietet des Merkwürdigen die Hülle und Fülle;
besonders erwähnenswerth ist, dass den bewundemswerth sauber
und richtig gezeichneten Darstellungen gar oft in naiver Weise
ihre Bedeutung beigeschrieben ist, was ausserhalb dieser Gegend
doch nur sehr vereinzelt vorkommt, so: AGNVS PATIENS, A(qnila)
VICTRIX, CLA VIS, EQV S VAN ALIS (equus venalis), FACVN(faUCOn),
MVTV (moutou=agnus Dei), PERV-VOC (peru=perron vocor),
SIGNVSALVTIS, also mit mehieren Beispielen des seltenen
I
*■
Literatur. ggj
Auftretens der lingua vulgaris. Auch eine Namenszahl, wie sie
Nr. 99 mit HEINRIC9 SECVND9 (1145—1165) bietet, verdient
als etwas Ungewöhnliches Erwähnung*). Nirgends auch findet
sich ein anderes Stift, in welchem die Pröpste so oft als in
Lüttich das Münzrecht ausgeübt hätten, wir haben Gepräge von
Andreas v. Cuyck 1121—23, Alexander v. Ouren 1165, Albert
V. Eethel 1191 — 94 und Hugo v. Pierrepont 1200; meistens trägt
der Propst statt des ihm versagten Bischofsstabes eine Palme
oder ein Blumenscepter. Dass in einem so reichen Münzwesen
auch Gemeinschaftsmünzen nicht fehlen, ist fast verständlich;
wir haben sie von Bischof Otbert mit Heinrich Grafen von Lim-
burg (Nr. 61—64), von B. Johann v. Aps mit Heinrich v. Brabant
(Nr. 189), von B. Johann v. Flandern mit Johann I, v. Brabant
(Nr. 208) und sogar von 3 Fürsten: Wilhelm I. v. Namur,
Johann von Böhmen-Luxemburg und B. Adolf (S. 152, Nr 170/171).
Ausserdem erscheint zweimal ein Mambour als Prägherr: Guy
de Dampierre 1291 — 92 und Wilhelm v. d. Mark 1482—84, sowie
auch einmal ein Protector: Eberhard v. d. Mark 1488— -89.
Hiermit sind wir aber schon über die Denarzeit hinaus-
gelangt, die, auffallend reich an Obolen, durch den Löwensterling
Johanns v. Enghien 1274—81 beschlossen wird, allerdings aber
unter Adolf v. Waldeck 1301—02 nochmals eine kurze Auf-
erstehung erlebt. Ausser den Turnosen, zuerst unter Hugo
1296—1301, haben auch zahlreiche andere Gepräge der Nachbar-
länder Nachahmung gefunden, ja selbst der Mailänder Grosso
mit sitzendem S. Ambrosius hat dem Stempelschneider Bischof
Thibaut's zum Vorbilde gedient (Nr. 218). Auch der Florentiner
Goldgulden ist unter Engelbert 1345—64 in St. Pierre geschlagen
worden, wenn anders de Coster's Begründung Beifall findet.
1) Zu bemerken ist auch, dass der Denar in Bl. f. MQnzknnde II, Taf. I, 3
nicht von B. Heinrich, sondern von Lothar 1192—93 und LO — H6 — R
6L6(ctu8) zu lesen ist, damit f&Ut die Erklärung, die Lelewel (a. a. 0. S. 4
dem merkwürdigen Gepräge der Rückseite giebt, ohne dass wir deshalb noth*
wendig diesen Denar aus der Reihe der Gedächtnissmünzen zu streichen
brauchen.
24»
362 Literatar.
Dass aber in dieser Hinsicht gar keine Zweifel bestftnden, dflrfte
wohl nicht so allgemein angenommen werden, als der Hr. Verf.
meint, der darüber (S. 160) sich etwas scharf äussert: Nöanmoias
la plupart des numismates allemands s*obstinent d conserver
lancienne attribution (nach Yenaissin), tant une vieille errenr
est difificile k d^raciner; es genügt wegen der Zweifel zu yer-
weisen auf Wiener Zeitschr. XH, S. 165 und Joseph, Brezenheim
S. 33. Sollte dieser Floren fallen, so beginnt die Gh>ldprägaDg
unter der folgenden Regierung Johanns y. Arkel 1364 — 78, und
zwar herrscht auch hier grosse Mannigfaltigkeit; wie unter den
Silbermünzen, treten neben vielfachen Nachahmungen firemder
Muster auch nicht wenige Gepräge eigener, oft sehr geschmack-
voller Erfindung auf. Die erste Jahreszahl begegnet uns 1488,
die erste Kupfermünze am Ende des Mittelalters unter Erhard
1506 — 35, während bis dahin die geringsten Werthe als billon
noir ausgeprägt wurden.
Dieser vorstehend kurz skizzirte reiche Stoff ist auf 29 Kupfer^
tafeln in durchaus gelungenen und höchst getreuen Abbildungen
dargestellt; es sind abgesehen von kleinen Stempelverschieden-
heiten, über deren Werth der Hr. Verf. sich S. 6 ausspricht,
mit nicht genug zu rühmender Freigebigkeit uns alle Arten vor
Augen gestellt, so dass ein flüchtiges Durchblättern dieser
Tafeln uns einen schnellen Überblick über 500 Jahre der Lütticher
Geschichte giebt, denn mit Cornelius v. Bergher 1538—44, nach
welchen die ersten Thaler auftreten, endet dieser erste Band,
dem auch eine Karte „la principautö de Liöge et ses d^pendances"
beigegeben ist. Möge dem zweiten Bande, welcher den Schlnss
der Münzbeschreibung nebst Urkunden bringen soll, ein voll*
ständiges Inhaltsverzeichniss nicht fehlen, welches dem Mangel
der Kolumnen -Überschriften, dem einzigen, was an äusserer
Ausstattung zu vermissen sein mag, Abhülfe schaffen.
H. D.
Uekrolog.
Alfred Armand f.
Am 27. Juni 1888 starb in Paris Alfred Armand, bedeutender
Architect, Offizier der Ehrenlegion etc., im Alter von 82 Jahren.
Armand hat sich in vorgerückter Lebenszeit mit unermüdlichem
Eifer und bestem Erfolg dem Studium der italienischen Re-
naissance-Medaillen gewidmet, und sein vortreffliches und fleissiges
Werk: „les m^dailleurs Italiens des quinci^me et seiziöme si^cles^'
2. Ausgabe, Paris 1883 — 1Q87, 3 Bände, ist das unentbehr-
liche, überaus nützliche Hülfsmittel für alle Museen, Sammler
und Forscher auf diesem Gebiet. Wer das Glück gehabt hat,
mit Armand in persönlichem oder schriftlichem Verkehr zu
stehen, wird seine herzliche Freundlichkeit und bescheidene
Liebenswürdigkeit stets in wohlthuender Erinnerung behalten.
A. V. Sallet.
Drnckfehler.
S. 23, Z. 12 lies noch statt mit.
S. 66, unt. Z. lies Slavniciden statt Slaniciden.
S. 85, Z. 10 lies Hanka statt Hanke.
8. 94, Z. 14 lies Bernoldus statt Ernoldus.
S. 95, Z. 2 lies Berthold statt Bernhard.
S. 168, Z. 15 lies Heinrich VI. statt Heinrich IV.
S. 169, Z. 17 lies auf dem statt auf den.
S. 184, Z. 8 lies dasselbe Verhältniss zwischen statt dieselbe Über-
einstimmung.
S. 188, Z. 25 lies Hellenisirun^ statt Hellenisation.
S. 192, Z. 18 lies Gallier statt Galler.
S. 196, Z. 22 lies Hellenen statt Hellener.
Register.
A.
A, Werthbezeichniing auf Münzen von
Segesta? . . . 198
Adela 16.
Adler auf Münzen des Hadrianus
Divus 14. von Tyras 185. unbest.
Mährischen 82. — Sternbild des
Adler auf Münzen von Mallos sym-
bolisirt durch ^ 227.
Aeneas den Anchises tragend. Se-
gestA 206.
Agathoclea u. Strato 9.
AHRTVICHE DG 253 fg.
AINIANE2 92.
AITflAOI 92.
AKAPNANEZ 92.
Akragas. Einfluss im nördlichen
Sicilien 188.
Albrecht d. Bftr, vermeintliche Gem-
roder Vogteimünze 266. vermeint-
liche Goslarer Vogteimünze 263.
Albrecht II. V.Brandenburg. Denar 100.
Albert u. Joachim v. Brandenburg.
Berliner Groschen 212.
Albrecht d. Gr. v. Braunschweig,
gittelder Löwenpfennige mit einem
Schlüssel 336 fg. Goslarer Pfennige
263.
Albrecht 11. v. Braunschweig. Göttin-
ger Pfennig 30 f.
Albrecht I. v. Mecklenburg- Schwerin
u. Johann I. v. Stargard. Witten -
pfennig 112.
Albert III. v. Namur. Dinant 94.
Albrecht, Friedrich und Johann von
Sachsen. Groschen 215.
Albert u. Ernst von Sachsen. Groschen
215.
Alexander d. Gr. Saodothrakische Nach-
ahmung 2.
Alexander Severus. Tyras 184.
Ameise. Panticapaeum 2.
Anastasia u. BoleslausIY. v. Polen 143.
Andernach. Denar 94, vermeintliche
Vogteimünze 264. Siegelstempel 31.
Andreas v. Ungarn 95.
Angermünde 212.
Anno V. Heimburg, Vogt von Goslar
262.
Antialcides u. LyRias 10.
Antoninus. Tyras 184.
Apollo, stehend. Dioclea 8. Kopf.
Damastium 3.
Archebius u. Philoxenus 9.
Aribo V. Mainz. Erfurter Pfennige
249.
Arnold I. v. Trier 168.
Arnstadt 330.
Arnstedt, Herren v. 262. 329.
Armand, A. t 364.
Artemis, stehend. Stratonicea 5.
Kopf. Etenna 6.
AeAMANEZ 92.
Attischer Einfluss in Segesta 201.
Augsburg. Denare 95.
M. Aurel. Tyras 184.
Azes und Spalirisus 12.
aCiog — a&tos. Endung des Ethnikon
191 fg.
B.
B, Werthbezeichnung auf Münzen von
Segesta? 198. — Bezeichnung des
E-Laut in Gorinth, Megara u. bei
den Elymem 189.
ßaiivlog 222.
Baktrier 9 fg.
Balduin IV. v. Flandern 94.
Barby, Prägeort der Amstedter Brac-
teaten 262.
366
Begister.
Bardo V. Mainz. Erfurter Pfennige 249.
Barnim I. v. Pommern 107.
Barnim VI. v. Pommern 107.
Barth 107.
Benno II. v. Osnabrück 255 fg.
Berlin. Groschen v. Joachim und
Albert 214.
Berlin, Königliche Museen.
Beschreibung der antiken
Münzen!, angezeigt y. R.W. 134.
Bemburg. Halbgroschen 209.
St. Bernhard auf Anhalter Groschen
209.
Bernhard II. v. Sachsen (Lüneburg) 94.
Bernhard v. Sachsen (Wittenberg)
vermeintliche Goslarer Vogtei-
münzen269. BracteatenmitWappen-
thieren 111.
Bemold v. Utrecht 94.
Berthold y. Zähringen 95.
Beuthen 121. 128.
Bild und Umschrift auf zwei Seiten
der Münze vertheilt 196.
Bischofskopf? meklenburgischer Brac-
teat 112.
Blitz. Saumakos 3.
Bogen und Pfeil. Etenna 7.
Bogislaw V. Pommern 100.
Boleslaus v. Böhmen 97.
Boleslaus v. Olmütz 52.
Boleslaus Chrobrj 21.
Boleslaus IV. und Anastasia 143.
Bolko V. Münsterberg 143.
Bolko V. Schweidnitz 143.
Bolcones juvenes 143.
Bolkenhain 127.
Borivoi v. Böhmen 87.
Bosporus 3. 182.
Bosporanische Aera 3.
Botticelli, Sandro 30.
Boreas, mit doppeltem Flügelpaar
und doppeltem Gesicht. Mallus 229.
Braunschweig. Löwenpfennige 218.
Breslau 123 fg.
Bretislaus I. v. Böhmen 95.
Bretislaus II. 73.
Bretislaus IL und Wratislaus II. 46.
Brieg 143.
Brunn, herzogliche Münzen 67.
Burgmannen v. Kalsmunt 1 72 fg.
Bursfelde 283 fg. 308.
C.
Camirus 5.
Caracalla. Tyras 184.
Carthager auf Sicilien 188.
Catana 196.
Geos 226. 232.
Chalkidische Jonier auf Sicilien 204.
Chersonesus 182.
le bou J. de Chestret de Haneffe,
Numismatiqne de la princi-
pautä de Liege et de ses d6-
pendances, angezeigt Yon Dannen-
berg 359.
Chios 22 fg.
Christus auf Münzen Yon Chios S2.
Medaille Jamnitzer^s 132.
CIEFITAS BORNE 262.
Coloman v. Ungarn 36. 40.
Commodus. Tyras 184.
Coniupolis 7.
Constantin d. Gr. 15.
Corinthischer Einflnss in Bieüien 19.
Corvey 306.
Croppenstedt 308.
D.
Da pacem domine. Maria Stoart 28.
Damastium. Didrachmon 8.
Deltoton auf den Münien Yon M alloa
symbolisirt durch v 228.
Demester, stehend. Diodea 8.
Demmin 101. 103.
DENARivs. Münzau&cbrift 249.
Deutsche Münzaufschriften 244 tg,
Diepholz. Wappen Wechsel 106.
Dietrich I. y. Köln 152. 172.
Dietrich IL v. Trier 152. 172.
Dietrich I. y. Katlenborg 278.
Dietrich IL y. Katlenburg 271 fg,
Dietrich III. y. Katlenborg 279.
Digma 350 fg. 354.
Dinant 94.
Dioclea Phrygiae 8.
Diomedes 11.
Dionisus u. Quirillns. Goldbarren-
stempel 356.
Dionysos, jugendlich thronend. Her»-
clea 4.
Dioscuren auf Münzen des Diomedfls
11.
Distelmeier, Lamprecht ModeU 25.
Domitian. Tyras 184.
Dortmund 257
Dreifuss. Damastium 3. Mosten« 6.
E.
E, Werthbezeichnung auf Mflnien Ton
Segesta? 198.
Eberhard I. y. Sayn 178.
Eduard d. Bekenner 95.
Register.
367
Et im elymischen 203.
Eimbeck 319.
Elagabal. Dioclea 8.
Elyiner 187 fg. Abstammung 205.
Erhalten im 6. Jbrdt. ihre Schrift
190.
EMI = ^fii (Friedländer) 194. = tl/u^
(v. Sallet) 195.
Emicho IV. v. Leiningen 20. 152. 174.
Emma y. Böhmen 21.
Engel, A. u. Serrure, R., Reper-
toire des sonrces imprim^es
de lannmismatiqne francaise
I, angezeigt v. Dannenberg 137.
Eosphorns, männliche geflügelte ei-
lende Gestalt mit Stemdiscns.
Mallas 229.
Ernst, Rndolf n. Wolfgang y. Anhalt.
Zerbster Groschen 208.
Ernst y. Magdeburg. Halbgroschen
217.
Ernst n. Albert y. Sachsen. Groschen
215.
Erfurt 249.
Erich IL y. Braanschweig 218.
Eryx 187 fg.
*EQVxa 196.
Erycus 196.
ERVKA X \h^=*Eqvxalrif*EQvx(vri, Venus
196.
Eschwege 330.
Etenna 6.
Eufemia y. Mähren 33. 51.
ZASHH = i^ccg 202.
Exeter 95.
F.
Faber, Fr., Verfasser einer Breslauer
Münzgesch. 347.
Falkenstein 262.
Falschmünze 114.
Fehler der Münzaufschriften 203.
Feigenblatt. Camirus 5.
Ferdinand L, schlesische Heller 345.
Fisch. Münzbüd 60. 70.
Ecclesiae coloniensis fidelis filia.
Neusser Münzaufschrift 145.
Flaggenbracteaten 102 fg.
Flayianus procurator 350.
Francesco Gattilusi. Soldino y. Les-
bos 23.
Frankfurt am Main. Königliche De-
nare 156.
Frankfurt an d. Oder. Groschen yon
Joachim u. Albert 214.
Friedensburg, F., Schlesiens
Münzwesen im Mittelalter, an-
gezeigt yon Dannenberg 139, be-
sprochen yon Bahrfeldt 115.
Friedrich L Frankfurt 156. Kals-
munt 154 fg. 162 fg. ohne Prägeort
151 fg.
Friedrich y. Magdeburg. Gittelder
Bracteat 327.
Friedrich, Johann und Georg y.
Sachsen. Groschen 215.
Friedrich, Albrecht und Johann y.
Sachsen. Groschen 215.
Friedrich y. Sonmierschenburg, Pfalz-
graf y. Sachsen 329.
Friedrich Ulrich y. Braunschweig,
340 fg.
Friesacher 111.
Fulda 94.
0.
L = y 201. 203.
Galleazzo Maria Sforza. Ghios 23.
Gandersheim 303 fg.
Garrelsweer 266.
Gebhard III. y. Regensburg 95.
St. Georg. Mansfelder Groschen 212.
Georg Friedrich v. Jägerndorf. Heller
348.
Gerlach y. Mainz (floreni gerlacenses)
144.
Gemrode 264 fg.
Geta. Tyras 184.
Getreidekom. Beizeichen. SegestA.
200.
Geuder. Medaille 29.
Giessen 179.
Gittelde 233 fg.
Glatz 127.
Gleiberg 169.
Glogau 126.
Göttingen 319.
Goldbarren 350.
Goldsucher 356.
Gordian m. Ininthimeyus 3. Marcia-
nopolis. Odessus. Tomi 136.
Goslar. Reichyögte 255 fg. Reichs-
pröbte 267 fg. Vögte der Klöster
Petersburg, Neuwerk u. Franken-
berg 270. Matthiasgroschen 2 1 5 flg.
Mariengroschen 216 fg. Matthias-
pfennig 217.
GOSLARiVM. Münzaufschrift 252.
Gratus. Merowingischer Monetär.
Sitten 15.
Greifenkopf 107.
368
Register.
Gristow 105.
Gubernator (in der Münzanfschrift)
278.
H.
H. Aspiration im eljmischen 191.
Haag. Grafschaft 344.
Hadrian. Tyraa 184. — divus Hadri-
anus 14.
Hakon Jarl 21.
Halbmond d. Artemis. Stratonicea 5.
Hamburg. Blaffert 218.
Hannover. Blaffert 217.
Harold I. 95.
Hartbaknut 95.
Hartman, Matthes 132.
Hartwig v. Magdeburg. Denare 94.
95. Gittelder Pfennige 27 1 fg.
Hedwig V. Essen 264.
Hedwig II V. Gernrode 264.
Hedwig III. V. Gemrode 26G.
HEGINRIC REX 17.
Heinrich I. Schmuckstuck 17.
Heinrich IL Köln 94. Huy 94.
Heinrich VI. Kalsmunt 103 fg.
Heinrich II. v. Baiern. Regensburg 91.
Heinrich III. v. Baiem. Regensburg.
95.
Heinrich IV. v. Baiem. Regensburg.
97.
Heinrich Pribislaw v. Brandenburg
und Petrissa 301.
Heinrich d. Stolze 320.
Heinrich d. Löwe. Denare 109. Halb-
bracteat mit der Aufschrift puer 19.
Goslarer Bracteat 263.
Heinrich, Pfalzgraf, u. Otto IV. Git-
telder Bracteat 330.
Heinrich I. v. Grubenhagen. Eim-
becker Denare 309.
Heinrich v. Corvey. Croppenstedter
Halbbracteat 308.
Heinrich v. Diez 178.
Heinrich v. Magdeburg 251.
Heinrich I. Borwin v. Mecklenburg
109.
Heinrich d. Fette v. Nordheim 313 fg.
Heinrich v. Olmütz 05. 82.
Helios. Saumakos 3.
Helmstedt 330.
Heraclea Acamaniae 4.
Heraclea Bithyniae 4.
Heracles. Tyras 185. unbärtiger Kopf.
Heraclea 4.
Hermann I. v. Winzenburg 260. 295.
HERODIVS DENARIVS 262.
Hieronyrons Nütiel. Enpfenteeher 87.
Himera 204.
Hirschkopf 105.
HIR STEID TE BISCOP 244 fg.
Hisko ▼. Emden 269.
Hitarc 152. 172.
Hund. Eryx 197. Segest» 194.
Huy 94.
Hyaden auf den Manien t. Hallos
symbolisirt durch r 288.
I.
Jamnitz, herzogliche Münien 79.
Jamnitzer, W 139 fg.
Jaromar v. Bügen 100. 104.
Jauer 126.
Iconium 7.
lELITHIS PENING 245 fg.
Jever 249.
Imelo V. Emden 269.
Ininthimeyus v. Bosporos 8.
IN NOMINE DEI 21.
Interregnumsmünzen. Brfinn 68. 91.
Znaim 77.
Invidia, Pirckheimersche Allegorie 89.
Joachim v. Brandenburg 808. J. o.
Albert 212. 214.
Jodocus V. Mähren 143.
S. Johannes. Brünner Pfennige 68.
71. 72.
lo Hannes PATRonns (e)sit. (Httelder
Pfennig 292 fg.
Johann Cicero v. Brandenburg 818.
Johann Turso ▼. Breslau 145.
Johann Abt v. Kaisersheim. Stein 84.
Johann v. Küstrin. Medaille 88.
Johann v. Magdeburg. Hohlpfennig
217.
Johann I. v. Mecklenburg -Star^urd
u. Albrecht I. v. Schwerin. Witten
112.
Johann v. Olmütz 82.
Johann I. v. Trier 168.
Johann Georg und Maria t. Branden-
burg. Medaille 87.
Jot vor Vocalen entwickelt 197.
Julia Domna. Tyras 184.
Julia Mamaea. Tyras 184.
Iris, weibl. geflügelte eilende Gestalt
mit Krani und Gadnceas. Malloi
229.
IRVKAZIIB 197.
K.
Kalsmunt 153 fg. 159. 168 f^. 178 dg.
Kasimir VI. u. Joachim I. t. Pommern
108.
Register.
369
KafAOQivaCa, Pallas 195.
KfxravaTog, Menschenstier 196.
Kavloviaxag, Apollo 196.
Kaulonia 196.
Eeretape 7.
Eetenna 6.
Keule. Etenna 6. Ininthimeyus 3.
Ennt 95.
Köln 94.
Eöthen 209.
Eonrad IE. Andernach. Deventer.
Duisburg. Köln. Mainz. Thiel 94.
Konrad ▼. Brunn 51. 67.
Konrad v. Magdeburg 301.
Eonrad y. Münster. Goldgulden 19.
Eonrad II. ▼. Znaim 78.
Eom&hre. Attribut der Segestaia,
Antiocheia 202.
Eosel 128.
Eostier Münzstätte 52.
Eres, Christoph. Medaille 29.
Kressen. Joachim I. 145. Joachim
u. Albert 214.
Kupfermünzen, einseitige 255 fg.
Kjbele thronend. Samothrake 2.
L.
S. Ladislaus 344.
Ladislaus v. Haag 344.
Lamm Gottes. Gattilusi 23. Mähren
54 fg.
Leontini 205.
Leopold V. Mainz 20.
Leopold III. u. IV. V Österreich 40.
LEX. Münzaufschrifl 290. 292. 294.
Liegnitz-Brieg 126.
Lilie. Wappenbild v. Demmin u
Strassburg 101, halbe Lilie u
Stern 108.
Limburg. Denar des Emicho IV. v
Leiningen 20.
Lincoln 95.
Linden, Herren v. 178 fg.
Löthig 115.
Löwe unter dem Thron d. Kybele.
Samothrake 2.
Löwen 127.
London 95.
Lubic 21.
Lucianus 350 fg.
Ludolf ▼. Magdeburg 18.
Lübeck Blaffert 218.
Lüben 27.
Lüdinghausen 315.
Lüneburg. Blaffert? 207.
Lüttich 268.
Luther. Medaille Jamnitzers 133.
Lutold Y. Znaim 76.
M.
Mainz 94.
Malin 21.
Mallos 21 9 fg.
Mansfeld. Groschen 212.
Marcianopolis , Odessos n. Tomi.
Stempelleihe 136.
Maria u. Johann Georg ▼. Branden-
burg. Medaille 27.
Maria Stuart 22.
MAPAOTAN. -MAP. -MAA 221.
Marsberg 316.
Massow 108.
MAVRicivs IMP. Gittelder Pfennig
290 fg.
Mecklenburg 109 fg.
Medici, Giuliano. Medaille 80.
Megara Hjblaea 190.
Meier, Isaak 347.
Merenberg 169 fg.
Merowingischer Triens v. Sitten 15.
Mesico III. V. Polen 112.
MHTRnNAH. Samothracc 2.
Monau, P. 347.
Morel Patio f 149.
Mostene 6.
Moxeani 8.
Mühlhausen 218.
Münster 315.
Münsterberg 127.
Münzfunde, antike:
Heraclea Bithjniae 4. Indien 9.
Pamphylien 6. Kronstadt 350.
Thessalien 91.
mittelalterliche :
Amswalde 109. Ausleben 337. Be-
yern 288. Breslau, Baths- u. Mag-
dalenenkirchthurm 346. Brunn 75.
Bünstorf 99. 109. Bursfelde 288.
Cazlau 85. Chios 23. Chörau 145.
Daelie 100. Dessau 251. Eiben-
schitz 33 48. Freckleben 266.
Grochewitz 212. 217. Groningen
337. im Halberstädtischen 299.
Hlina 33. 48fg. Hohenwalde 105fg.
Klein Boscharden 15fg. Kanneberg
104 fg. 1 10 fg. Löwen 1 17. Lond-
zyn 241. 251. 279. Loxstedt 349.
Lupow 241. 251. St. Magnus 349.
Marschwitz 124. 144. Naubom 151.
Nemcitz 84. Neumarkt 117. 01-
mütz 33. Peisterwitz 20. 60. 96 fg.
Prausnitz 143. Bakwitz 33 fg.
370
Register.
Bathan 144. Rawicz 93. Saalsdorf
337. Santersleben 280. 290. Sarbs-
ke 1 43. Schadeleben 263. Schlan
48. Schmolitz 98. Senitz 84.
Sel8oe250. Schwiesow 108. Schweid-
nitz 316. Seelensdorf 99. Teschen-
busch 119. Trebitzlll. Volperts-
hausen 151. Vossberg 242. 250.
Wättrisch 14. Wesenberg 250.
Wieuweerd 17. Zerbst 208.
Münzlegenden in fremder Sprache 203.
Münzreducining des Eukratidas 10.
Mvaddio<; 193.
Mundburg 15.
N.
Negelin, Agnes 132.
Neisse 117. 143.
Nemesis auf der Medaille auf die Er-
mordung des Giuliano Medici 30.
Neu-Bruchhausen 349.
Niclot V. Mecklenburg 109.
Nicodemus 80.
S. Nicolaus 76.
Nicolaus Floren tinus 31.
Nördlingen. Pfennig 218.
Nordhausen. Bracteaten 266. 831.
Nordheim 309 fg.
0.
Obr(yzum) 350. 354.
Ochsenkopf, geflügelt auf einem meck-
lenburgischen Bracteaten 106.
Oels 126.
Oenotrer 205.
Oettingen. Pfennig 218.
Ohlau 143.
Olbia 182.
Olmütz, bischöfliche Münzen 81 fg.
herzogliche Münzen 45.
Omega bei den Elymem 201.
ON. Werthbezeichnung auf Münzen
von Segesta? 198.
ONKIA 202.
Oppeln 127.
Osnabrück 315.
Otto IIL Köln 94.
Otto I. V. Brandenburg. Goslarer
Yogteimünzen 269.
Otto II. V. Brandenburg. Denare 100.
Otto d. Schöne v. Olmütz 49.
Otto n. V. Olmütz 5ö. 75.
Otto Bezpriem v. Polen 21.
Ottokar I. v. Böhmen 144.
P.
Pallas. Samothrake 2. — eilend:
Strato I, 11.
Panticapaenm 2. 182.
PENING 245 fg.
Peterskirche in Olmütz 64.
Petrus 67.
nETeAAOi 91.
Pfeil und Bogen. Etenna 7.
Pferd, Vorderteil, aus dem Felsen her-
vorspringend. ntT$ixXot 91.
tffgaitoy, tfiiQaiovy 92.
Philippus 136.
Philipp Y. Köln 152. 180.
Philoxenos und Archebius 9.
Pirckheimer'sche Allegorie: tribalatio
tolerantia, invidia, spes! 29.
Plautilla. Tyras 184.
Pollajuolo 81.
Pommern 99^.
PontusstMte, Müniverizag 136.
Poppe v. Trier 94.
Porb-ftts auf Münzen 48.
primae seil notae. Eenner^s Anflösnng
des I im Stempel der Goldba^^en
355.
prior. Mommsens Auflösung desselben
355.
Przemislaw v. Troppan 145.
Pröbste, münzberechtigt 267 tg.
Punkte der Münzen Ton Malfos lor
Charakteristik der Sternbilder die-
nend 228.
Punkt, Bezeichnung des parasitisohen
Jota auf Münzen von Begeata 198.
Pyramus 231.
Pyritz 101.
Quedlinburg 330.
Quirillus et Dionisus, Stempel der
römischen Goldbarren 350.
R.
Ratibor 128.
Bees 268.
REFEREN. Münzmeister des Hakon
Jarl 21.
Regensburg 95. 97.
Ptiyirog, Heros von Bhegimn 195.
Reichstein 195.
Reinach, TL, Les monnaias
juives, besprochen t. A. t. 8« 146.
Reinhansen 296. 310.
Richard v. d. Nonnaadie 16.
Robert, f 149.
Register.
871
Roma. Mostene 6.
Romanns, Bischof von Ronen 16.
Rose 101.
Ronen 16.
Rudolf n. Heller, halbe Weissgroschen
346.
Rnnen 248.
Rnpert y. Magdeburg 18.
S.
S aufHellem Ferdinand I.=Silesia 347.
s schwindet in zefezta 263.
Sabazios 193.
Saecularmünze (?) 49.
Sagan, angebl. s. Heller 345 fg.
Salvatorkopf 60. 72.
Salzwedel 102.
Samothrake 2.
Saracho v. Corvei 249.
Satanaus auf Pfennigen des Wladis-
lav I. ▼. Böhmen 62.
Saulakes, kolchischer Dynast 4.
Saumakos, skythischer König 3.
Schweidnitz 126.
Segesta 187^.
SiytaraC^ß = Ziytcimti. Nymphe 194.
aiÄAT23133: 200.
lEFEZTAÄlON = 2iY«nai(ov 201.
Selinus, megarische Kolonie 190.
Septimius Severus, Tyras 184.
Serbische Matapane 79.
senrus dei 56.
servus imperatoris 22.
Siegfried v. Bomeneburg 299 fg.
Siegfried v. Cammin 100.
Siegfried v. Magdeburg 251.
Siemovit v. Beuthen 143.
S^ignum) CRVCi{s) dei 280.
Sig(fiavit), Goldbarrenstempel 350 fg.
Sirmium. Goldbarren 850.
Sitten, merovingischer Triens 15.
Srayma. Stempelleiho 136.
Smith, V. A,, General index to
the reports of the archaeolo-
gical survev of India, be-
sprochen von A. V. S. 147.
Sobeslaus v. Lubic 21. 66.
Sobeslaus, polnischer Dynast in Schle-
sien 67.
Sobeslaus I. v. Olmütz 63. 78. 83.
Soest 305.
Solothum 268.
Soter megas 12.
Spalirisus und Azes 12.
spes mea christvs solvs. MedaiUe
des Johann v. Küstrin 29.
Spes, Pirckheimersche Allegorie 29.
Spitignew y. Böhmen 75. 95.
Stade. Schlüsselbracteaten 338.
Stargard 101.
Stein, M. A., Zoroastrian deitles
on indo-scytian coins, be-
sprochen V. A. V. S. 148.
Stempelleihe der kleinasiatischen
St&dte 136.
Stephan d. Heilige v. Ungarn 36 40.
95.
Stern. Panticapaeum 2.
Sternbilder als Münztypen 216 fg.
Stettin 108.
Stralsund 102.
Strassburg 102.
Strato u. Agathoclea 9.
Stratonicea 5.
Svatawa, Wittwe Wratislaw's II. 79.
Svatopluk V. Olmütz 53. 83.
Svatopluk u. Udalrich 69.
T.
Y. Barbarische Form des T 10.
Tarent 232.
TaQavilvog. Heros 195.
Tauben, Ernährerinnen des Zeus,
Sternbild der Pleiaden 224 fg.
Teschen 127.
Teterow 113.
Theoderich v. Lothringen 94.
THEDERicvs AD 252 fg. vrgl. Dietrich.
Thessalien 92.
eEzrpriTOi 92.
Thronfolger auf Münzen 48.
Tolerantia, Pirckheimer'sche Allegorie
29.
Traube, Sternbild der Pleiaden auf
den Münzen von Mallos 225. von
einem Stern begleitet auf Münzen
von Keos 226.
Treptow 108.
Tribulatio, Pirckheimer'sche Allegorie
29.
TYP. Contremarke 184.
Tyras 182 fg. Aera von Tyras 184.
U.
Udalrikus v. Brunn 69.
Udo V. Katlenburg 278.
Ulrich V. Hardegg 145.
Unko V. Weener 269.
Utrecht Probst Balderich 269.
Venerabilis 302.
Yerdun 94.
V.
372
Register.
Viereck, vertieft. Panticapaeum 2.
Viergespann lenkendes Weib mit
Ähren 202.
Villingen 95.
Vratislavia 144.
W
Wappenbilder auf schlesischen Brac-
teaten 119.
Wappenthier nnd Inhaber im Münz-
bild vereinigt 111 fg.
Wappenwechsel 101.
Weif I. u. IL 40.
Welmniczis, Anna. Stein 26.
8. Wenzel 40 fg.
Wenzel v. Olmütz 64.
Wenzel IIL v. Teschen 348.
Werthbezeichnung auf Münzen v.
Segesta 198.
Westfälischer Charakter der Münzen
im mainzischen Sachsen 319.
Wetzlar 170 fg.
Wicelin v. Nordheim 327 fg.
Wichmann v. Magdeburg 327.
Wildeshausen 2G8. 349.
Wismar 114.
Wizlaw I. V. Rügen 104.
Wladislaw I. v. Böhmen 85.
Wladislaw I. v. Olmüts 61.
Wladiwoi 98.
Wolflf, Tobias 26.
Wolfkampf 61.
Wollin 108.
Wormser Halbbracteaten 262.
Wratislaw II. v. Brunn und Olmüts 45.
Wratislaw II. u. Bretislaw II 46.
Wratislaw II. u. Boleslav 53.
Wratislaw III. v. Brunn 76.
T.
Y barbarische Form des T 10.
York 95.
Z.
Zaccaria, Martine. Matapan y. Chios
22.
Zdik, Bischof v. Olmütz 81.
Zephyros, doppeltgeflügelte m&nnliehe
eilende Figur. Malio8 230.
Zeus, stehend:
Spalirisus und Azes 12. Soter me-
gas 13. thronend (ZEYC KACIOC):
Korkyra. Seleucia 223. Kopf:
Iconium 7. Münze der llttd'aXtkf
91. Stratonicea 5.
Znaim, herzogliche MÜnien 76.
Draek ron W. Ponnottor in B«rlin.
VERHANDLUNGEN
DER
NUMISMATISCHEN GESELLSCHAFT
ZU
BERLIN.
1888.
Sitzung Yom 2. Januar.
Herr v. Sallet sprach über einige neue Entdeckungen auf
dem Gebiet der braktisch- indischen Numismatik, zunächst über
das ins Britische Museum gelangte merkwürdige Zehndrachmen-
sttick (Silber), wahrscheinlich der ersten Zeit der braktischen
Königsherrschaft, vielleicht dem Eukratidas oder Heliokles an-
gehörend, welches auf der einen Seite das Bild eines gepanzerten,
mit der persischen Eönigsmütze geschmückten und einen Blitz
haltenden Königs darstellt, jedenfalls Alexander des Grossen, wie
auch das beigeschriebene aus A und B {UXs^dväQov ßaadicog)
bestehende Monogramm wahrscheinlich macht. Auf der Rück-
seite ist ein griechischer Krieger zu Pferde dargestellt, der mit
seiner Lanze einen barbarischen, auf dem Elephanten sitzenden
Eindringling energisch angreift und verjagt, eine vortreflFlich ge-
zeichnete Darstellung des von dem baktrisch-griechischen Herr-
scher besiegten und vertriebenen eroberungssüchtigen barbari-
schen Kachbars. Das griechische Reich in Baktrien und Indien
widerstand fast dreihundert Jahre den indischen Eindringlingen,
welche schliesslich zwar siegreich waren, aber griechische Schrift
und Sprache beibehielten. — Ein zweites für die Geschichte der
baktrischen Reiche sehr wichtiges Stück ist das bisher ganz un-
bekannte, dem Berliner Museum zugegangene Tetradrachmon des
Königs Archebius, welches auf der Rückseite den Namen und
Titel des Königs Philoxenos nennt, also beweist, dass diese beiden
Könige gemeinsam dasselbe Reich beherrschten.
Herr Dannenberg, in der Vorführung kunstvoller Mittel-
altermünzen fortfahrend, brachte eine reiche Reihe von Brak-
teaten, sämmtlich aus der besten Zeit der zweiten Hälfte des
1
— 4 —
zwölften Jahrhunderts, von Brandenburg, Meissen, Sachsen, Braun-
schweig, Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, Goslar und von den
Kaisern zur Anschauung. Unter diesen sind besonders hervorzu-
heben die Goslarischen und die des Vogtes Walter von Arnstedt mit
dem schönen kräftigen heraldischen Adler, mehrere Bernhards
von Sachsen mit der vollständig richtig gezeichneten Figur des
Herzogs im Waffenschmuck, sowohl zu Fusse wie zu Bosse, reiche
Darstellungen der Quedlinburger Äbtissin Beatrix und namentr
lieh von Ilalberstadt ein Brakteat mit der anmuthigen Darstel-
lung, wie über einem Bogen, unter welchem der Körper des Mär-
tyrers Stephan unter Steinen hingestreckt erscheint, dessen Seele
von Engeln in den Himmel aufgenommen wird.
Aus Aiilass des vor wenigen Monaten im Regierangsbezirk
Köslin gehobenen Hacksilberfundes besprach Herr Menadier die
in demselben mehrfach vertretenen Denare mit den Aufschriften:
HIRSTEIDTE BISCOP und lELITHISPENING. Anknüpfend an
den ersten, durch Cappe gewagten Erklärungsversuch, hat der-
selbe bereits vor zwei Jahren eine Deutung derselben geliefert,
ist jedoch damit bisher auf Widerspruch gestossen. Handelt es
sich doch auch nicht nur um Münzen einer bisher in der numis-
matischen Literatur nicht anerkannten Münzstätte, sondern um
etwas sonst durchaus Unerhörtes, um Münzen des zehnten und
elften Jahrhunderts mit deutschen, altsächsischen Umschriften.
Jedweder Versuch, dieselben als lateinische zu erklären, ist bis-
her misslungen, und sie für sinnlos und unerklärbar auszugeben,
widerräth nicht nur der saubere Schnitt, sondern noch weit mehr
die Übereinstimmung der Umschriften auf allen Stücken trotz
der Verschiedenheit der Münzbilder. HIB STEID TE BISCOP
ist unzweifelhaft niederdeutsch, und kann nichts anderes be-
deuten als: „hier steht der Bischof". Nicht nur gegenwärtig
spricht der Niedersachse in dieser Weise, sondern, wie sich in
dem heutigen Plattdeutsch die ältere Sprache erhalten hat, auch
um das Jahr tausend wurde in Niedersachsen derart gesprochen;
namentlich lässt sich das HIR als die durchaus übliche Form
aus dem Heliand belegen. Ist aber ein Streit über das Nieder-
deutsch dieser Umschrift ausgeschlossen, so spricht die Vennu-
thung dafür dass auch die Umschrift der anderen Seite nieder-
deutsch is^ Oas um so mehr, als sie auf PENINO ausgeht,
- 5 —
das sich vom Standpunkt einer andern Sprache schwerlich er-
klären lassen wird, als niederdeutsche Form für ^Pfennig" in
einer Münzumschrift durchaus am Platze ist. Das IE des
Anfangs zu HIE zu ergänzen, verbietet das regelrechte HIR
der andern Seite. Dagegen könnte man, wie Herr Professor
Rödiger mittheilt, lesen: IE LIT HIS PENING und unter
Erklärung des IE als Präfix und des HIS als pronomen
possessivum „es liegt sein Pfennig'' im beabsichtigten Gegen-
satz zu der ersten Umschrift deuten. Das ist jedoch nicht
nur für jene Zeit zu künstlich, sondern überhaupt nicht recht
passend für eine Münzumschrift. Vor allem würde dabei die
Bezeichnung der Münzherrschaft den Münzen völlig fehlen, die
zu liefern der vornehmlichste Zweck der Aufschriften ist. Ent-
sprechen dieselben überhaupt dieser Forderung, so kann der
Namen allein und muss er in dem lELITHIS enthalten sein, da
an allem andern sich nicht deuteln lässt. Nimmt man aber
lELITHIS als ein Ganzes, dann ist es der Genetiv eines Mas-
kulinums oder Neutrums auf E, und gewinnen wir einen Orts-
namen in der Form lELITHE, die sich bei dem im sächsischen
gewöhnlichen Wechsel zwischen I und G (Gena-Jena, Gefri-
Jeveri) nahezu vollständig deckt mit dem „Getlide" der Urkunden,
so dass wir gewiss mit der Deutung „Gittelde's Pfennig" nicht
fehlgreifen. Dieser Bestimmung fügen sich sämmtliche numis-
matischen Elemente. Grote und Dannenberg haben auf Grund
ihrer äussern Erscheinung Münzen in die Nähe von Corvei ge-
wiesen. Gittelde ist ausser Bursfelde die Corvei nächstgelegene
Münzstätte nach Osten hin. Der jüngste Pfennig dieser Reihe
mit dem Namen und Bilde des Königs Heinrich trägt auf der
Kehrseite die Namen der Goslarer Stiftsheiligen: S. Simon Juda
um das Bild des Geistlichen. Gittelde liegt nur wenige Meilen
von Goslar entfernt. Hildesheim kann nicht in Betracht kommen,
da der Namen sich nicht fügt und seine derzeitigen Münzen
bekannt sind. Gittelde ist in dem fraglichen Gebiet ausserdem
die einzige bischöfliche Münzstätte. Dass aber in Gittelde ge-
münzt worden ist, ergiebt sich unzweifelhaft aus der Urkunde
vom 12. Dezember 965, laut welcher Kaiser Otto I. auf Ver-
mittlung seiner Gemahlin Adelheid die Errichtung einer öffent-
lichen Münze im Dorfe Getlide in der Grafschaft Lisgo genehmigt
— 6 -
und die Einkünfte derselben der Kirche St. Moritz in Magdeburg
wie auch den Zoll vom dortigen Marktverkehr und alles schenkt,
was zu seinen Einkünften und Gerechtigkeiten dort gehört hat,
sowie der Urkunde vom 4. Juni 973, in welcher Kaiser Otto II.
der Kirche zu Magdeburg die von seinem Vater verliehenen Pri-
vilegien, darunter auch die Marktgerechtigkeit in Getlide und
die Münze nebst dem Zoll und Bann daselbst bestätigt. Selbst-
verständlich verschlägt es nichts, dass die Münzen nicht von
einem Erzbischof, sondern von einem Bischof reden: die Erz-
bischöfe nannten sich auch auf ihren Münzen vielfach schlecht-
hin Bischof. Auch dürfte, wenn der Typus mit der Kirche als
der ältere, der mit dem Brustbild des Erzbischofe als der jüngere
zu gelten hat, der Widerstreit zwischen Bild und Umschrift sich
leicht aus den Rechtsverhältnissen der Gittelder Münze erklären,
wie sie sich aus den angeführten Umständen ergeben. Das in
dem Ortsnamen der Münzen vor dem 1 fehlende t hat aber trotz
der Begelmässigkcit dem allen gegenüber nicht das Gewicht,
dass dieserhalb die Deutung überhaupt aufzugeben wäre: wir
müssten sonst sicher die Hälfte sämmtlicher Münzbestimmungen
aufgeben oder als fraglich bezeichnen.
Sitzung vom 6. Februar.
Herr Weil berichtete über die neueste Literatur der Elektron-
prägung von Cyzicus, namentlich über die Arbeiten von Siz and
Grecnwell, und sprach sich im Allgemeinen für die Ansicht von Six
aus, dass wir in den zahlreichen Gcprägen der Stateren Wappen
oder Abzeichen der prägenden Beamten zu erkennen hätten.
Herr Alexi sprach über zwei Trienten, die man dem
friesischen Münzwesen versucht hat einzuflechten, obgleich
sie nichts mit demselben zu schaffen haben: der eine Triens
zeigt auf der Ilauptseite die Legende ANASTASIVS FEI (8) um
ein Brustbild, auf der Rückseite den bekannten Yictoriatypus;
der andere zeigt auf der Hauptseite die Legende AVDVLPVS
FRISIA um ein Brustbild, auf der Rückseite VICTVRIA
AYDVLFO (im Abschnitt M.) um ein Kreuz mit anhängendem
AGJ. Für die Attribution des ersten Triens (Zeitschrift für
Numism. B. XIII.) war wohl das letzte 8 entscheidend, doch ist
dieses 8 gerade ein sehr zweifelhafter Bestandtheil der Legende;
— 7 —
die Bestimmung wird dadurch hinfällig, da das übrigbleibende
FRI als verwilderte Kaisertitulatur erscheint (H. Lenormant
Rev. Num. 1853). Den zweiten Triens hat zuerst Duchalais
(Rev. Num. 1854) getreu abgebildet, jedoch wird seine Be-
stimmung — er sah in diesem Audulfus einen friesischen rex
oder dux — von Filion und Cartier (Rev. Num. 1855) mit Recht
bezweifelt; die letzteren sehen in dieser Münze eine alltägliche
Merowinger Prägung mit Angabe des monitarius und der Münz-
stätte, sie legen die Münze nach Prisia im Somme-Departement,
und fügt Filion ausserdem hinzu, dass dies ein häufig vor-
kommender Ortsname im nördlichen Frankreich sei. Vollständig
befriedigt auch diese Erklärung nicht, auffällig bleibt die doppelte
Namensnennung immerhin; sie erinnert an die Gepräge von
Clodhar II. (von Arles, Marseille und Viviers), wie auch an die
Marseiller Mauricius-Nachprägung, und dürfte auch der Schluss
berechtigt sein, dass dieser Audulfus eine hervorragende Stelle
im fränkischen Reiche eingenommen habe. Das Münzbild, das
Kreuz mit anhängendem ACJ, ist gleichfalls von einem in Vienna
geprägten Mauricius-Triens genommen, und wird die Münze wohl
um das Jahr 600 geprägt sein. Bei der fränkischen Fabrik,
bei dem durchaus feinen Stil und christlichen Charakter dieser
Münze ist es wohl ausgeschlossen, in derselben die Prägung
eines heidnischen friesischen Häuptlings zu sehen; durchaus un-
thunlich ist es jedoch, diese ganz ephemere Prägung in das
friesische Münzwesen zu übertragen.
Herr Menadier wies in dem Denar Dbg. 1236 ein Ge-
präge der Abtei Reinhausen bei Göttingen nach.
Herr Dannenberg machte in Ergänzung seines Vor-
trages in letzter Novembersitzung über den Fund von Ribnitz
Mittheilung über eines der merkwürdigsten Stücke desselben,
einen Sterling mit Heinrichs HI. von England Bild und Namen
auf der Hauptseite und auf der Rückseite mit dem die Stelle
des Münzmeisters und der Prägestelle einnehmenden Spruche:
amor umnia (statt omnia) vincit; da die Umschriften mittel-
alterlicher Münzen, so weit sie über die Bezeichnung der Münz-
stätte und etwa des Münzmeisters hinausgehen, lediglich im
Dienste der Religion stehen, so wird man wohl diesem Spruche
keine profane, sondern eine religiöse Deutung zu geben haben.
~ 8 -
Ferner sprach derselbe über einen im vergangenen Jahre bei
Klietz in der Altmark gehobenen kleinen Schatz, der in einem
von dem Vortragenden vorgelegten Topfe von (9,5 cm Höhe und
10 cm Durchmesser) ohne Henkel, von Burgv^rall- Typus gegen
600 Münzen umfasst, sämmtlich Wendenpfennige etwa aus der
zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts in wenigen Verschieden-
heiten, namentlich entfernten Nachahmungen der Deventer'schen
Denare uüt AGJ, selbstredend ohne numismatischen Werth, aber
doch interessant, in so fern sie uns den damaligen Geldumlauf
in jener Gegend vor Augen führen.
Sitzung vom 5. März.
Herr Martini wies eine Anzahl römischer Gold- und
Silberniünzeu vor, die er aus der kürzlich aufgelösten Belfort^schen
Sammlung erworben hat. Unter den Denaren zeichnete sich
durch schönen Stil und tadellose Erhaltung eine Münze der
Domitia aus, welche abweichend von den bisher veröffentlichten
Exemplaren auf dem Avers die Umschrift Domitia Aug Jmp
Domitian Aug Germ hat, während der Revers den Pfau mit
Concordia August zeigt. Anknüpfend au die aus derselben
Sammlung erworbenen Münzen des Augustus besprach der Vor-
tragende alsdann den Denar des Mescinius, welcher das PortrÄt
des Augustus von vorn mit der Umschrift S • C • OB R • P • CVM
SALVT . IMP . CAESAR • AVG • CONS • trägt. Die von Cave-
doni gegebene Lesung: senatus consulto ob rempublicam cum
Salute imp. Caesaris Augusti conservatam ist, wie in der sich
anknüpfenden Debatte von Herrn v. Sallct bemerkt wurde, die
einzig richtige, auch ist gar keine Möglichkeit, die Denare des
Mescinius in das Jahr 730 statt 738 zu setzen, denn andere
Denare dieses Monetars feiern die bekanntlich ins Jahr 737
fallenden Säkularspiele des Augustus. Die von Mescinius er-
wähnten Vota pro Salute et reditu Augusti sind die des Jahres
738, als Augustus nach der Niederlage des Lollius nach Gallien
ging, und man in Rom wegen der von den Germanen drohenden
Gefahr sehr besorgt war.
Herr v. Sali et besprach ein vom königlichen MQns-
kabinet erworbenes schönes Steinmodell zu einer Medaille
mit dem von vorn dargestellten Brustbild des berQhmten
— 9 —
Kanzlers Joachim's IL und Johann Georg's, Dr. Laraprecht
Distelmeier, aus dem 65. Jahre des Dargestellten, also nicht
lange vor seinem Tode 1588 verfertigt. Dieses kostbare Stück,
welches der Vortragende gegenwärtig ausführlicher in der
„Zeitschr. f. Numism.'' behandelt, ist von derselben Hand wie
das der ebenfalls in Berlin ansässig gewesenen Anna Welmiczis
(1577), der Gemahlin des Rechtsgelehrten Prwer (Prüfer); der
Künstler steht dem Tobias WolflF nahe, ist nicht so elegant, aber
kraftvoller und energischei' als dieser. — In ähnlicher Tracht
und verwandter Auffassung zeigt den Kanzler Distelmeier ein
gleichzeitiger Kupferstich von Hieronymus Nützel und ein zwar
schlechter, aber nach alter Vorlage gearbeiteter der Seiderschen
„icones" u. s. w. (1670.)
Anknüpfend an diese Vorlage wies Herr Dannenberg
darauf hin, wie äusserst werthvoU dies Kunstwerk nicht
nur wegen seiner vortrefflichen Arbeit, sondern schon als
eine der äusserst spärlichen brandenburgischen Medaillen
des 16. Jahrhunderts ist. Es vervollständigt dies Modell die
schon in unserem königl. Münzkabinette vorhandene Reihe der-
selben, welche aus unserm kunstarmen brandenburgischen Boden
noch 2 des Kurfürsten Joachim IL, 1 von Sabina, der Gemahlin
seines Sohnes Johann Georg und 1 von der Anna Welmiczis
aufweist, anscheinend wohl der ganze uns überkommene Bestand.
Bemerkenswerth ist übrigens, dass von diesen brandenburgischen
Medaillenmodellen (abgesehen von dem der Welmiczis) gleich-
zeitige Abgüsse nicht bekannt sind, während umgekehrt die
Modelle zu den sonstigen alten Gussmedaillen des nordöstlichen
Deutschland verschollen sein dürften. — Herr Dannenberg
brachte ferner, im Anschluss an frühere Sitzungen, eine statt-
liche Folge kunstvoller deutscher Gepräge des späteren Mittel-
alters (12. bis 15. Jahrhunderts) zur Anschauung, namentlich
rheinische von Köln, Trier, Essen, Moers, sowie einige loth-
ringische, westfälische und böhmische (von Wladislaw, 1109 bis
1125), welche letztere in sauberster Ausführung auf kleinstem
Raum (16 Millimeter) bei durchaus korrekter Zeichnung Erstaun-
liches leisten, daher auch z. B. in Kuglers Kunstgeschichte aus-
drückliche Anerkennung bezüglich ihrer künstlerischen Bedeutung
gefunden haben.
— 10 —
Hen- Alexi besprach einen zuerst von Herrn Menadier
richtig bestimmten Denar des Bischofs Bertbold von Wörzburg
(1266—1274), welcher durch die Darstellung des Familien-
wappens des Bischofs, eines Grafen von Henneberg (die Henne)
interessant ist.
Herr Menadier besprach den Reiterbrakteaten des Herzogs
Otto des Kindes von Braunschweig Lüneburg, der in Göttingen
im Leingau geprägt sein wird, dessen Grafschaft mit dem Sturze
des Grafen Hermann von Winzenburg an die thilringischen Land-
grafen übergegangen war, und machte es wahrscheinlich, dass
der im vergangenen Jahre für das königl. Münzkabinet er-
worbene Brakteat vom Schlage der Odenwalder mit dem Bilde
der sitzenden Aebtissin zu Kauffungen geprägt sei, der von der
Kaiserin Kunigunde gegründeten Frauenabtei.
Sitzung vom 2. AprlL
Herr v. Sali et legte drei Lichtdruck tafeln zu seinem dem-
nächst in der Zeitschrift für Numismatik erscheinenden Bericht
über die Erwerbungen des königlichen Münzkabinets vor, welche
die zum Theil bereits früher schon besprochenen Silbermünzen
von Samothrace, von Stratonicea (unedirtcs Didrachmon) der
baktrischen Könige Philoxenus und Archebius, Diomedes und
Strato, das braktcatenartige Schmuckstück mit dem Bildniss
König Heinrichs I. und eine Reihe schöner Medaillen und Me-
daillenmodelle enthalten. Unter den letzteren befindet sich auch
der in einer früheren Sitzung besprochene Stein mit dem Brust-
bild des Brandenburgischen Kanzlers Lamprecht Distelmeier
(t 1588). Ausser den früher schon genannten Kupferstichbild-
nissen giebt es noch ein schönes und merkwürdiges grosses Öl-
bild, welches den Kanzler mit seiner ganzen Familie unter dem
Kreuz betend darstellt, in den Zügen völlig mit unserer Medaille
übereinstimmend. Das Bild befindet sich in der Nikolaikirche
in Berlin (dritte Kapelle rechts vom Westportal), in welcher die
Distelmeiersche Familie begraben ist; auch noch drei andere
Ölbilder: der Kanzler Christian Distelmeier, Lamprechts Sohn, mit
seiner Familie knieend, und zwei auf Distelmeiers Tochter Charitas
und seinen Schwiegersohn Joh. Kötteritsch bezüglich sind in der
Kirche vorhanden. — Unter den Medaillen zeichnet sich das
_ 11 -^
prachtvolle grosse, bisher noch unbekannte Stück mit dem Brust-
bild des Giuliano Medici, Lorenzo's Bruder, aus, welcher 1478
bei der Verschwörung der Pazzi ermordet wurde. Die NEMESIS
auf der Rückseite dieser schönen, von Nicolo Fiorentino oder
einem andern vortrefflichen Künstler seiner Schule gearbeiteten
Medaille bezieht sich offenbar auf das tragische Ende Giulianos
und die dafür geübte Vergeltung.
Herr Dr. P. J.Meier aus Braunschweig, der als Gast sich
an der Versammlung betheiligte, legte einige Gipsabgüsse nach
Medaillen und Medaillenmodellen des herzoglichen Museums zu
Braunschweig vor; besonderes Interesse erregten die Letzteren,
unter denen sich das Holzmodell zur Dürermedaille des Hans
Schwartz, die z. Th. auf der Rückseite bezeichneten Holz-
modelle von Friedrich Hagenauer zu Medaillen auf Caspar
Hedio, einen unbekannten bärtigen Mann und einem gleichfalls
unbekannten Mönch, sowie ein Holzmodell von 1526 auf Georg
Hulscher und ein Steinmodell von 1531 auf Wilhelm Schmidmayr
befanden.
E. Bahr fei dt sprach über einen kleinen Fund deutscher
Brakteaten aus dem Ende des XH. Jahrhunderts, der zwar nicht
neuerdings gehoben, sondern aus einer alten jetzt aufgelösten
Sammlung in Schlesien zum Vorschein gekommen ist. Der Fund
enthielt 14 verschiedene Typen, welche der Vortragende vorlegte
und näher erläuterte. Danach gehört ein Gepräge an Friedrich
Barbarossa, eines an Otto II. von Brandenburg, drei sind wahr-
scheinlich von kleinen, bezüglich ihrer Prägethätigkeit unter
askanischem Einflüsse stehenden Dynasten ausgegangen, ein
Brakteat wird an Bernhard von Sachsen gegeben und acht Stücke
für Meissen in Anspruch genommen. Sehr interessant und selten
erscheinen der Brakteat von Otto H. von Brandenburg, derjenige
von Bernhard von Sachsen und der eine Meissen'sche, welcher
in gewisser Beziehung Ähnlichkeit hat mit dem stummen Jackza-
Brakteaten, Weidhas Taf. L, 16. Neun der Typen sind bisher
noch un ediert. Nach der Zusammensetzung des kleinen Fundes
im Allgemeinen und da in demselben die Brakteaten des Rathauer
Fundes M6moires de St. P6tersbourgVI, PI. XVIII, Nr 41, 43, 47
und S.419, Nr. 55 vorkommen, vermuthet der Vortragende, dass
jener ein versprengter Theil des gi-ossen Rathauer Fundes ist,
— 12 -
womit auch — soweit zu ermitteln — Ort und Zeit der Auf-
findung übereinstimmen.
Herr M en a d i e r sprach über die Familien wappen der Bischöfe,
die auf den Münzen seit dem Ende des 13. Jahrhunderts er-
scheinen, insonderheit den Würzburgern und Paderbomern, und
wies den Abdruck eines bisher unbekannten Brakteaten des Her-
mann Graf von Blankenburg, Bischof von Halberstadt vor, auf dem
der Bischof mit einem Hirschhorn in jeder Hand dargestellt ist.
Herr Laverrenz besprach die Medaillen Kaiser Wilhelm's.
Zunächst legte der Vortragende vier Gipsabgüsse von Preis-
medaillen vor; letztere wurden auf Antrag des Kultusministers
für Verdienste um die Wissenschaft in Gold und Silber ver-
liehen. Um den Kopf des Königs Wilhelm sind die Symbole
der vier Fakultäten nach Raphael dargestellt. An hervor-
ragende Künstler werden ähnliche Medaillen verliehen, die sich
nur hinsichtlich der symbolischen Darstellung unterscheiden; die
Kehrseiten sind bei allen vier gleich. Sie zeigen den umstrahlten
Phoebus, der eine Quadriga führt. Durchmesser der grösseren
Medaille beträgt 44, der der kleineren 31mm. Die Stempel sind
von Jachtmann und von Pfeufifer geschnitten. Von den Krönungs-
medaillen erhielt die von Fischer geschnittene den meisten Bei-
fall. Dann folgten Gedächtnissstücke auf das 80jährige Dienst-
jubiläum (von Loos), auf den 90jährigen Geburtstag (von ÜU-
mann und Schultz), auf das 25jährige Regiemngs-Jubilftnm (von
Loos), sowie verschiedene Sterbemedaillen (Weigand, Loos,
Oertel u. a.). Nicht uninteressant, wenn auch von hOchst mittel-
mässiger Ausführung waren 3 Gepräge, welche, in Paris herge-
stellt, auf den dortigen Boulevards z. Z. verkauft wurden. Herr
L. hob hervor, dass es nicht möglich sei, alle einschlägigen Me-
daillen in einer Sitzung vorzuführen ; die Zahl der offiziellen Me-
daillen unseres hochseligen Kaisers ist zwar nicht gross, desto
zahlreicher aber die nicht offiziellen Prägungen.
Herr v. Jacobs legte eine Münze des Clemens August, Knr-
füi*sten und Erzbischof von Köln, als Hochmeister des deutschen
Ordens, von 1750 vor; die abgekürzten Titel sind zu lesen:
t,magni magisterii per Borussiam administrator et supremns ma-
gister ordinis teutonici''. Die geschmacklose Darstellung der
Rückseite zeigt die h. Elisabeth von Thüringen im Reifrock.
— 13 —
Herr Danuenberg vervollständigte die Übersicht, die er in
früheren Sitzungen über die schönsten Erzeugnisse der raittel-
alterliclien Stempelschneidekunst gegeben, durch Vorlegung einiger
weiteren Proben derselben, namentlich eines noch unbekannten
Attendorner Denars des Erzbischofs Siegfried von Köln, einiger
Groschen des Grafen Johann von Sayn, von Aachen mit dem
stehenden Kaiser Karl d. Gr. und mit seinem sowie der Gottes-
mutter Brustbild u. s. w., auch von Goldgulden der Könige Karl
und Ludwig von Böhmen, Wilhelms IL, Herzogs von Jülich,
Wilhelms IL Grafen von Berg und Gerlachs Erzbischofs von
Mainz in Gemeinschaft mit Pfalzgraf Ruprecht.
Sitzung vom 7. Mai.
Der Vorsitzende, Herr Dannenberg, widmete dem ver-
storbenen Mitgliede der Gesellschaft Polizeihauptmann a. D.
di Dio Worte der Erinnerung. Der Verstorbene, bis zu seiner
Übersiedelung nach Dresden eines der eifrigsten Mitglieder
unserer Gesellschaft, sammelte mit Ernst und wissenschaftlichem
Sinn römische Republikmünzen und war auf diesem Gebiete auch
mehrfach literarisch für die „Zeitschrift für Numismatik" und
und die „Berliner Münzblätter" thcätig. Die Anwesenden ehrten
das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von ihren Sitzen.
Herr Weil sprach über das Verhältniss der Tyrannis zur
griechischen Münzgeschichte. Derselbe führte aus, wie Poly-
krates in Samos, die Pisistratiden in Athen, Anaxilaos in Rhegion,
Theron in Akragas und in Syrakus die Deinomeniden sowohl als
die beiden Dionysios in das Münzwesen ihrer Stadtgemeinden
nach der formalen Seite hin nicht eingegriffen haben; kein einziger
aus ihrer Reihe ist auf den Münzen genannt, durchgängig tragen
die Münzen vielmehr die Aufschrift ihrer Stadtgemeinden, eine
Erscheinung, die nur in der staatsrechtlichen Form, in welche
diese Machthaber ihre Stellung einkleideten, begründet gewesen
sein kann. Werden neue Typen eingeführt, wie in Rhegion und
Messene das Maulthiergespann, das auf den Sieg des Anaxilaos
in Olympia zurückgeführt ward, und wiederum die Quadriga in
Syrakus und Gela, die man auf Gelons olympischen Wagensieg
bezogen hat, so gilt die Siegerehre nicht weniger der Heimath-
stadt als demjenigen, der den Sieg errungen hat. Bei den sonst
— 14 -
vorliegenden Typen lassen sich wohl gelegentlich Beziehungen
zu Zeitereignissen mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlich-
keit vermuthen, wie auf den Sieg über die Punier bei Himera
und denjenigen über die Tyi*rhener, aber unmittelbare Be-
ziehungen zu der Person des jeweiligen Machthajbers wären darin
auch heute noch aufzufinden.
Herr v. Sallet legte den prächtig ausgestatteten Pariser
Auktionskatalog der Sammlung des in jugendlichem Alter ver-
storbenen Vicomte de Quelen vor, einer an Reichthum und ge-
schmackvoller Auswahl mit Ponton d'Am6court wetteifernden
grossartigen Sammlung römischer Münzen. Das wichtigste Stflck
ist die schöne Goldmünze des M. Antonius mit einem weiblichen
Porträtkopf auf der Rückseite, in welchem die französischen Ge-
lehrten die Fulvia erkennen wollen ; der Vortragende hat in einem
früher erschienenen Aufsatz der Zeitschrift für Numismatik zu
beweisen gesucht, dass es nicht Fulvia, sondern Octavia ist,
welche ganz ähnlich auf den kleinasiatischen Silbermedaillons
des Antonius vorkommt. Auf der römischen Goldmünze erscheint
die Gemahlin des Antonius gleichsam als Monarchin, als gleich-
berechtigte Herrscherin neben ihrem Gemahl, wie später Kleopatra.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Münze bald nach dem Frieden
des M. Anton und des Octavian , dem Vertrag von Bmndusiom
(40 V. Chr.), geprägt und gewissermassen als eine Denkmünze
auf die scheinbare Versöhnung und die durch Heirath des
Antonius mit Octavian*s Schwester gesichert scheinende Freund-
schaft der beiden Beherrscher des römischen Reiches zu be-
trachten ist. Von den zahlreichen Seltenheiten der Sammlang
Quelen ist noch besonders hervorzuheben der goldene Bratus,
geprägt von Casca, der goldene M. Agrippa und die interessante
Münze des britannischen Kaisers Carausius, welcher ^ noth-
gedrungen von Diocletian und Maximian anerkannt, dies Er-
eigniss durch eine Münze mit den drei Kaiserköpfen und der
Umschrift CARAVSIVS ET PRATRES SVI feierte.
Herr Menadier legte Abdrücke einiger Brakteaten der
Grafen von Beichlingen und der Herren von Apolda vor. Der
beichlinger Brakteat zeigt einen gekrönten Fürsten, der mit
der rechten Hand einen Helm und mit der linken einen
Balkenschild hält, die auch auf einem Siegel des Grafen Friedrich
— 15 —
von Beichlingen vom Jahre 1324 zu Seiten des Jüngern Beich-
linger Wappenschildes mit dem quergestellten gekrönten Adler
angeordnet sind (Herquet, Urkundenbuch der Reichsstadt Mühl-
hausen). Die drei andern (v. Posern-Klett, Sachsens Münzen
im Mittelalter. Taf. XIII. 17. 18. XLVI. 6) zeigen der eine eine
gekrönte Figur mit Bischofsstab, die beiden andern einen sitzen-
den Bischof, beziehungsweise das Brustbild eines solchen und
als untrügliches Abzeichen einen Apfel mit Blüthe, auf den
beiden ersten in der linken Hand des Münzherrn, auf dem letzten
zu beiden Seiten des Kopfes, der vollkommen übereinstimmt mit
dem Apfel auf den Siegeln der Schenken und Vizthume von
Apolda und jeden Zweifel an diese Bestimmung um so mehr
ausschliesst, als die vier A auf dem ersten und das doppelte AV
auf dem zweiten Brakteaten dieselbe unterstützen und zudem
in einer Urkunde des Jahres 1276 ein Her. monetarius de Apolde
als Zeuge genannt wird. Der beichlinger wie die apoldaer
Brakteaten dürften dem dritten Viertel des dreizehnten Jahr-
hunderts angehören*).
Herr Dannenberg berichtete in Kürze über den reichen
Fund böhmischer Denare, der 1886 bei Rackwitz (unweit Lunden-
burg) gemacht worden. Unter dem vielen Neuen, das er ge-
bracht, sind namentlich hervorzuheben die Gepräge des Bischofs
Heinrich II (f 1150) von Olmtttz, eines Sohnes des böhmischen
Chronisten Kosmas; bemerkenswerth namentlich deshalb, weil
bisher keine Münzen dieses Erzstiftes vor dem Beginn des
17. Jahrhunderts bekannt waren; ferner auch ein Denar von
Wladislaw II. (f 1125), dessen Rückseite einen hässlichen Kopf
mit kurzen Hörnern und der Umschrift SATANA VS darstellt.
Man wird dem Beschreiber dieses Fundes, Luschin, beistimmen
müssen, dass ausserordentliche das Volk erschreckende Natur-
erscheinungen hier das völlig unerhörte Münzbild der höllischen
Majestät veranlasst haben; führt ja doch Gosmas selbst den
Wirbelwind, welcher den Herzogspalast auf den Wysschrad
^) Der Zufall hat es gefügt, dass der Ende Mai zu Suiza gehobene und
von Herrn v. Höfken (Archiv für Brakteatenkunde I. 295) beschriebene
gegen 1220 vergrabene MQnzschatz zwei weitere Brakteaten der Herren von
Apolda zu Tage gefördert hat, nr. 3 und 7, welche beide den Apfel mit
Blüthe im Felde und auf dem Rande zeigen.
— 16 -
nicdeiiegte (30. Juli 1119) auf den Satan zurück, dessen Walten
man auch in der furchtbaren Uebcrschwemmung des September
1118 und dem Erdbeben des 3. Januar 1117 erkannt haben
wird. Derselbe Vortragende legte auch eine Anzahl schöner
Mittelaltermünzen, von den Niederlanden, England, Frankreich,
Italien, Rhodus und Cypern vor, unter denen der seltene Groat
von Edward I. und der Gold- Augustalis mit Kaiser Friedrich IL
gutem, porträtähnlichen Brustbilde hervorzuheben sind.
Sitzung vom 4. Jniii.
Herr Dannenberg machte mehrere noch unbekannte, im
nächsten Hefte der Zeitschrift für Numismatik zu erörternde
Pommersche und Mecklenburgische Mittelaltermünzen zum Gegen-
stande der Betrachtung. Unter erstcren namentlich eine Reihe
ältester Brakteaten aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts, zum
Theil herrührend aus dem vor zwei Jahren bei Kanneberg in
Mecklenburg gemachten Funde, welche der früheren Annahme
des Vortragenden, dass ähnliche aus dem Bünstorfer Funde
gleichfalls pommerisch sind und das Bindeglied zwischen den
ältesten zweiseitigen Denaren Bogislaws I. und Bogislaws IL
und Kasimirs II. einerseits und denen Barnims I. andererseits
bilden, zur starken Unterstützung gereichen. Insbesondere ist
in dieser Beziehung wichtig ein verwandter Brakteat ander-
weitiger Herkunft, der neben und auf einem Thurmgebäude die
bekannten späteren Wappenbilder des damals noch nicht lange
bestehenden Stralsund, Strahl und Flagge zeigen, so dass damit
wohl diese Frage als in obigem Sinne entschieden gelten kann.
Weniger sicher erscheint die Beziehung eines grösseren Brakteaten
mit geflügeltem Ochsenkopfe sowie eines solchen (des Kanne*
berger Fundes) mit Hirschkopf und eines kleineren (aus dem
Hohenwalder Funde) mit gleichem Grcpräge auf die Dynastie
von Gristow, doch dient einer solchen Annahme immerhin zur
Grundlage die Thatsache, dass diese Nebenlinie des Bügischen
Fürstenhauses anfangs einen Hirschkopf, später einen Ochsen-
kopf im Wappen geführt haben. Bedenken kann nur erregen
der Umstand, dass die kleinere Hirschkopf-Münze die späteste
ist, allein die H^'-ren v, Diepholz, bei denen ein ähnlicher Wappen-
- 17 -
Wechsel nachweisbar ist, bieten auch für ein solches Schwanken
und theilweise Wiederkehr des älteren Wappens eine Analogie.
Unter den mecklenburgischen Ineditis ist besonders beraerkens-
werth ein kleiner Brakteat aus der zweiten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts mit gegenübergestelltem Menschen- und Stierkopfe; für
eine derartige Vereinigung des Bildes des Fürsten mit seinem
Wappen wurden zahlreiche Beläge beigebracht.
Herr v. Prollius machte Mittheilung von dem Ende Januar
dieses Jahres auf dem Stringlingsberge bei Ribnitz gehobenen
und leider vor der wissenschaftlichen Verwerthung zumeist nach
Dammgarten zerstreuten Münzfunde. Gleich dem grossen, am
9. April des vergangenen Jahres entdeckten Münzschatze, der
unsere Kenntniss des deutschen Münzwesens im 13. Jahrhundert
so wesentlich bereichert hat, bestand auch dieser zweite Fund,
so weit er dem Berichterstatter der „Mecklenb. Nachr." (1888
No. 39 vom 15. Februar und No. 110 vom 12. Mai) bekannt ge-
worden ist, zumeist aus Sterlingen König Heinrichs III. von Eng-
land und bischöflichen münsterschen Wewelinghöfern. Hervor-
zuheben sind besonders, weil in dem ersten grössern Funde
nicht vertreten, ein Sterling des Königs Eduard I. von England
(1272—1307) zu York geprägt, und ein Reiter der Margarethall,
von Konstantinopel, Gräfin von Hennegau (1244—1279) zu
Valenciennes geprägt. Auch sollen neben den Silbermünzen in
einem besondern Gefässe Goldmünzen gefunden sein.
Herr Menadier legte Kruse's kölnische Geldgeschichte bis
1386 nebst Beiträgen zur kurrheinischen Geldgeschichte bis zum
Ende des Mittelalters (Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte
und Kunst. Ergänzungsheft IV. Trier 1888) vor. Eine der vor-
nehmsten Aufgaben der deutschen Münzforschung in Angriff
nehmend, ist dieselbe als eine tüchtige und höchst verdienstliche
Arbeit zu bezeichnen, aber ohne die feste Grundlage unter-
nommen, die ein den heutigen Ansprüchen der Wissenschaft ge-
recht werdendes Verzeichniss sämmtlicher kölnischer Münzen
bieten würde — Cappe's Verzeichniss kann als solches nicht
gelten, obgleich er grössere Verdienste um die Münzkunde hat,
als manch ein gelehrter Mttnzforscher unserer Tage, der vornehm
über ihn die Achsel zuckt — gelangt sie vielfach zu Aufstellungen,
welche sich nicht als stichhaltig bewähren und den Widerspruch
— 18 —
herausfordern. Zunächst ist es jedenfalls unglücklich ausge-
drückt, wenn die skandinavische Mark (von ca. 234 gr.) und das
angelsächsische Pfund (von ca. 350 gr.) als in Wirklichkeit iden-
tisch bezeichnet werden (§ 6). Das Verhältniss zwischen Pfund
und Mark von 3 zu 2 erscheint zudeno zu schwierig für den Ver-
kehr, als dass es als ursprünglich bezeichnet werden könnte. —
Von grösserer Bedeutung jedoch ist es, wenn behauptet wird,
dass durch die Abschaffung des Pfundes und die Einführung der
Mark der karolingische Münzfuss conservirt und befestigt worden
und nur in der Münzrechnung mit der vordem herrschenden
Übereinstimmung des Münz- und Gewichtssystems gebrochen wor-
den sei, dass entsprechend den 240 Pfennigen, die in der Zeit
der Karolinger aus dem Pfunde (367 gr.) geprägt worden, aus
der Mark, dem zwei Drittel des Pfundes (233 gr.) nicht erst im
13. Jahrhundert, sondern von Anbeginn an 160 Pfennige ge-
schlagen worden seien, und dass die Mark zu 144 Pfennigen
lediglich eine Rechnungsmark sei, deren Entstehung durch die
Vorliebe des Mittelalters für das Duodecimalsystem als auch
durch die Berechnung der Münzkosten und des Schlag-
schatzes zu erklären sei, Kaiser Friedrich Barbarossa aber bei
seiner Annahme, dass zu Köln 144 Pfennige aus der Mark ge-
prägt worden, der irrthümlichen Verwechslung von Münzmark
und Rechnungsmark geziehen werden müsse (S. 11 fg.). Es han-
delt sich um die grofse von Friedrich am 9. Januar 1166 der
Stadt Aachen ausgestellte Urkunde, in welcher gesagt wird: »Pre-
terea ne crebra mutatio monete, que aliquando gravier, aliqaando
levior esse solebat, in dampnum tam gloriosi loci de cetero re-
dundet, ex consilio curie nostre monetam inibi cudi fecimos in-
eadem puritate, gravitate, forma et numero perpetuo duraturam.
De marca cudentur viginti quatuor solidi, duodecim solidis colo-
niensium semper equipolentes , ita videlicet, ut ex his viginti
quatuor solidis duodecim solidi colonienses haberi possint,
et de duodecim solidis colonieusium viginti quatuor solidi
aquensium sine impedimento possint cambiri. Forma vero
denariorum talis erit, quod in una parte erit imago s. Karoli
et eins superscriptio , ex altera parte nostra imago cum
nostri nominis superscriptione . ." Den Herren J. und A. Erb-
stein i«it ^j Tepr'iP.kf einen »uf Grund dieser Anordniing ge-
— 19 —
prägten Pfennig ausfindig zu machen und zu erwerben (Der älteste
Aachener Denar mit dem Brustbilde Karls des grossen. Aus
Dresdener Sammlungen, I. Dresden 1881). Freilich besitzt der-
selbe nicht das Normalge wicht von 0,81 Gramm, wiegt er viel-
mehr nur 0,71 Gramm, allein jedes Wägen einer gröfseren Zahl
gleichartiger Pfennige lehrt von neuem, dass die Stückelung in
jener Zeit sehr ungleichmässig vorgenommen wurde, und die in
Fabrik, Grösse und Schwere dem Aachener sich auschliefsenden
Lütticher Denare schwanken im Gewicht von 0,78— -0,85 Gramm,
entsprechen mithin der Vorschrift durchaus. Dass die verhältniss-
mässig wenigen Wägungen, welche mit kölnischen Pfennigen vor-
genommen sind, ein geringeres als das Gewicht von 1,62 Gramm
ergeben haben, ist dagegen um so weniger geltend zu machen^
als es sich bei ihnen weder um stempelfrische noch um Stücke
heimischen Fundortes handelt, sondern um solche, die durch den
Verkehr weit umhergeführt sind und dadurch starke Einbusse
erlitten haben. Unter jeder Bedingung ist es als ausgeschlossen
zu erachten, dass der Kaiser und seine Rathgeber bei der Re-
gelung des Aachener Münzwesens sich im Irrthum über die köl-
nische Münzwährung befunden habe, ist vielmehr auf Grund dieser
Urkunde die Ausprägung der Mark zu 144 Pfennigen in Köln
im Jahre 1166 als unumstössliche Thatsache anzuerkennen und
mithin wohl für die gesammte Zeit von der Einführung der Mark
an vorauszusetzen. Der 160 Pfennig-Fuss wird ausdrücklich ge-
nannt erst in dem von dem Erzbischof Siegfried von Köln und
dem König Rudolf von Habsburg 1282 geschlossenen Bopparder
Vertrage, in welchem bestimmt wird: „quod et nos in loco nobis
placito sub ymaginario regle maiestatis, et idem archiepiscopus
in civitate Coloniensi sub expressione sue ymaginis, in eisdem
tamen et equalibus forma, albedine, puritate argenti 13sol. et
4 den. in pondere**. Indessen liegt derselbe auch schon der Be-
stimmung des 1252 vom Albertus magnus in dem Streite zwischen
der Stadt und dem Erzbischof Kourad gefällten Schiedsspruches
zu Grunde: „ordinamus arbitrando, ut in hoc antiquorum soller-
cia observetur, ita vidclicet, quod prime percussure ydea, quod
stal vulgariter appellatur, in sacrarium b. Petri maioris ecclesie
in Colonia reponatur, in summa tredecim solidorum et quatuor
denariorum Coloniensium et tantundem eiusdem nummismatis
2
— 20 —
custodiendum bone fldei dictorum civium committatar. ^ Noch
weiter hinauf reicht das Zcugniss der im Kölner Stadtarchive
aufbewahrten Stale, der 78 Denare Siegfrieds, 23 Eonrads und
33 Heinrichs I. (1225—1238), von denen je 10 regelmässig 14,6
Gramm wiegen, also 160 auf die Mark gehen (S. 8). Für Eng-
land ist dieser Fuss nach Ruding (I, 112) schon zum Jahre 1194
urkundlich bezeugt und wohl auf Wilhelm T. zurfickzuffihren, und
dass er von dort von den Kölnern herübergenommen worden ist,
geht nicht nur aus der Urkunde des Jahres 1275 hervor, in
welcher als Ausnahme hervorgehoben wird, dass die Kölner
Pfennige schlechter seien, als die Sterlinge (S. 22), sondern noch
weit mehr aus der Verwendung des Sterlingtypus für die Kölner
Pfennige. Das ist aber nicht erst bei dem Denar Heinrichs I.
von Molenark der Fall, der im Anschluss an die irischen Ster-
linge auf der einen Seite das Zwillingsfadenkrenz und auf der
andern den Kopf des Erzbischofs im Dreieck zeigt, sondern weit
früher schon bei dem Pfennige des Kaisers Otto IV. (1209 — 1218)
— OTTO . INPRATOR Brustbild des Kaisers; + TANCTA COLOI
Zwillingsfadcnkreuz — einem gleichartigen Halb- und Viertel-
pfcnnig, sowie dem des Erzbischofs Adolf I. von Altena (1193 —
1205) ~ + ADLF . V . ACHIC der Kaiser sitzend; + REIN(AV)
D . ON • CANT — (Z. f. N. I, 86. 6) und dem gleichartigen mit
den Umschriften: A C und + AINCTA COLONIA, den Cappe
(Taf. 9. 139) irrig dem Erzbischof Arnold II. (1150-1156) zu-
getheilt haben dürfte. Endlich aber lässt auch schon eine Ein-
tragung in die Schreinsbücher aus den Jahren 1172—1178,
nach welcher ein Haus verpfändet wurde „pro 56 marc. Col.
den. (12 sol. pro marca) sive pro 50 marcis argenti de Raines-
berch"" und dem Pfandgläubiger bei der Lösung die Wahl der
einen oder andern Zahlweise gestattet, mithin 56 -12 -12«
8064 Pfennige 50 Mark feinen Silbers und 161,28 Pfennige
einer Mark gleich geachtet wurden, den Bestand des Mflnz-
fusses von 160 Pfennigen auf die Mark Feinsilbers Toraus-
setzen. Der Übergang zu diesem von dem alten 144 Pfennig-
fuss, der noch für das Jahr 1166 bezeugt ist, muss in dem dem
letztem folgenden Jahrzehnt eingetreten sein. Damit wurde die
Mark zu 144 Pfennige, die bisherige Münzmark, zur Rechnungs-
mark. Dieser Charakter ist der Mark zu 12 Schillingen wfthrend
— 21 —
des dreizehnten Jahrhunderts unbestritten, unmöglich konnten
ja zwei Münzfüsse, der eine zu 160 und der andere zu 144
Pfennigen auf die Mark nebeneinander bestehen. Aber während
bei der Annahme, dass die Mark zu 12 Schillingen von Anbe-
ginn an eine Rechnungsmark gewesen sei und ihr als Münzmark
die zu 13 Schillingen und 4 Pfennigen als die ursprüngliche
stets zur Seite gestanden habe, die Entstehung der erstem keine
Begründung findet, ergiebt sich eine solche von selbst, sobald
der Charakter als Rechnungsmark nur ein secundärer gewesen,
den sie erst dann gewonnen oder bewahrt hat, nachdem sie der
Geltung als Münzmark entkleidet worden. Wie zwei Jahr-
hunderte später die verschiedenen Goldgulden nach ihrem
Schwinden aus dem Umlauf unter Herabsetzung des Goldgulden-
fusses als Rechnungsgulden eine Zeitlang beibehalten sind, so ist
auch die Mark zu 144 Pfennigen als Rechnungsmark beibehalten
worden, nachdem unter Minderung des Pfennigwerthes der Ster-
lingfuss angenommen worden. Die ersten Erwähnungen dieser
Rechnungsart zu 12 Schillingen sind dementsprechend den ältesten
Zeugnissen für den 160 Pfeunigfuss durchaus gleichzeitig, und
ausser der im voraufgehenden angezogenen Eintragung der
Schreinsbücher in einer Urkunde des Jahres 1174 und einer solchen
aus dem Jahre 1192 (Lacomblet 1, 449. 535.) enthalten. In diesem
Zusammenhange gewinnt auch die in dem Jahrzehnt 1170
bis 1180 erfolgte Eintragung der Laurenzkarte besondere Be-
deutung: „isti autem denarii Coloniensis erant monete 12 sol.
pro marca ea condicione, ut si denarii post hac peiores fuerint,
ita bonos dabit ut eo tempore erant, quando dominus Eyko
concessit, et vero meliores fuerint, tales fiant, quales concessi
sunt.^' Sie giebt sich deutlich zu erkennen als ein Denkmal der
Übergangszeit, in welcher der alte Münzfuss der Kölner Pfennige
bereits ins Weichen gerathen, der endgültige Übergang zu dem
Sterlingfusse noch nicht vollzogen war. — Ein neuer Abschnitt' in
der Kölner Geld- und Münzgeschichte erfolgt unter dem Erz-
bischof Siegfried von Westerburg (1275—1297). In seine Zeit
fallen sowohl die letzten Erwähnungen der Rechnungsmark zu
12 Schillingen, als auch die ersten Klagen über das Schwinden
der guten Kölner Pfennige (1295. 1297) und das erste Auf-
treten der Bezeichnung Pagament für das landesübliche Geld
2*
— 22 —
(1289). Gegenüber den Turnosgroschen sanken die Kölner
Pfennige zu Scheidemünze herab und schwand gleichzeitig die
alte Rochnungsweise. Zudem aber fand, wie gegen das Ende
des dreizehnten Jahrhunderts durch alle Gauen des deutschen
Reiches zahlreiche Münzstätten ihren Betrieb einschränkten oder
ganz einstellten, auch die Münzthätigkeit in Köln für lange Zeit
ein Ende. Siegfried ist der letzte aller Erzbischöfe gewesen, die
in Köln geprägt haben. Dagegen beginnt unter ihm die Ein-
richtung neuer Münzstätten im kölnischen Gebiet, als welche nach-
einander Bonn, Rees, Deutz, Riel, Königsdorf, Rhense und Rhein-
beig in Thätigkeit treten. Die Hypothesen Maders erneuernd, dass
der bekannte Bonner Pfennig des Erzbischofs Heinrich II. von
Virneburg (1304 bis 1332) mit der merkwürdigen Umschrift:
BEATA VERONA VINCES sich auf die 1314 vom Erzbischofe zu
Bonn vollzogene Königskrönung Friedrichs des Schönen von Öster-^
reich beziehe, erklärt zwar Kruse (S. 35) den gleichartigen Denar
Siegfrieds für unecht, trotzdem Cappe Nr. 774 für denselben als
ersten Herausgeber Grote citirt, und nimmt die Errichtung der
Münze zu Bonn für Heinrich II. in Anspruch: allein sowohl das in
die königliche Münzsammlung gelangte Grote'sche wie das Exemplar
Dannenbergs sind unzweifelhaft echt. Die in Nachahmung der
den Aachener Münzen König Rudolfs von Habsburg (1273 — 1291)
und seiner Nachfolger eignenden Umschrift : VRBS AQVENSIS VINCE
den Bonner Pfennigen gegebene Umschrift findet auch ohne solch
eine Beziehung wie auf die Krönung des Gegenkönigs hinlängliche
Erklärung, nämlich in dem Gegensatz des 1243 zu einer ummauerten
Stadt erhobenen und als Residenz der Erzbischöfe dienenden
Bonn zu Köln. - Folgenreicher als diese Einrichtung neuer
Münzstätten ist jedoch die Prägung neuer Münzsorten in An-
lehnung an die fremden den Handel beherrschenden Gulden und
Groschen geworden. Kruse hat in einer von ihm ins Jahr 1343
gesetzten Morgensprache des Kölner Rathes die Bemerkung ge-
funden, dass die kleinen leichten Gulden brabantisches, die kleinen
schweren Gulden kölnisches Gewicht gehabt, und damit, im Gegen-
satz zu der bisherigen Annahme, dass erst der Erzbischof Wil-
helm von Gennep (1349 — 1362) mit der Guldenprägung begonnen
habe, den Beweis gebracht, dass dieselbe schon unter Walram
von Jülich (13^? -13^9^ vollzogen worden ist. Der Gegensatz
— 23 —
zwischen den schweren und leichten Gulden findet sich aber
schon in dem jedenfalls vor 1332 aufgezeichneten Weisthum über
die Rechte der Strassburger Hausgenossen: „Der münszraeister
und die huszgenossen sint ouch überkomen durch nutz und not-
turfft und der münsze ere, das man alle die guldin sundern sol
und wegen, die lihten sundern und die sweren guldin und die
bislege;..." sollte auch dies schon vielleicht auf die leichten
Brabanter und die schweren Kölner Gulden sich beziehen und
demnach schon vom Erzbischof Heinrich H. Gulden geprägt sein?
Im Jahre 1342 ordnete Walram sodann die Prägung der Tournos-
groschen zu Deutz an. Kruse bringt die merkwürdige Urkunde,
durch welche dies geschah, zum ersten mal zum Abdruck und
weist zugleich nach, wie sie an Bedeutung dadurch verliert, dass
ihre Bestimmungen über den Gehalt der Groschen sich mit dem
der erhaltenen Stücke nicht vereinigen lassen. Gleichzeitig
suchte der Rath Wechsel in den Münzwirren zu schaffen und
die Stadt gegen Verluste bei weiterer Minderung der Münzen
zu schützen, indem er sämmtliche Münzen mit Einschluss der
erzbischöflichen Landesmünzen zu tarifiren unternahm, und zwar
auf der Grundlage, dass 10 Mark Pagament eine Mark Königs-
silber d. h. 23 karätigen Silbers halten. Einen dauernden Erfolg
hat der Rath auf diesem Wege nicht errungen, zum Theil
durch eigene Schuld, da er selbst sich nicht fest zeigte, doch
glaubt Kruse einen einschneidenden Wechsel in den Werth-
verhältnissen auf die Tarifirungen des Kölner Rathes zurück-
führen zu müssen: ein falscher Ansatz der Goldgulden in der
Morgensprache von 1347 soll das Sinken des Goldes im Ver-
hältniss zum Silber von 12:1 auf 11:1 herabgeführt haben
(S. 57). Der Vorgang wäre indessen zu seltsam, als dass man
ohne bessere Beweise beipflichten kann. Rechten liesse sich
ausserdem mit dem Verfasser über die Herrschaft, die er dem
Kölner Denar im zwölften und dreizehnten Jahrhundert zuschreibt
(S. 21), über die Münzverrufungen, deren er jährlich drei für
den ursprünglichen Zustand annimmt (S. 23), über die westfäli-
schen Kippermünzstätten (adulterinae monetae) des Erzbischofs
Konrad (S. 25), doch sei statt dessen vielmehr anerkennend her-
vorgehoben, welch ein treffliches Bild über die Verschlechterung
des Kölner Geldes während des vierzehnten und fünfzehnten
— 24 -
Jahrhunderts und der Aufeinanderfolge der verschiedenen Bech-
nungsgulden Kruse bietet, sowie welche Sorgfalt er auf die Fest-
stellung der Prägekosten und des Schlagschatzes in den ein-
zelnen Zeitläuften verwendet hat.
Herr v. Jacobs zeigte ein Zweidrittel -Thalerstück des
Magdeburger Erzbischofs August, Herzogs von Sachsen (1638
bis 1680), Herr Daniienberg den von der AViener Numismatischen
Gesellschaft ausgegebenen Gedeukthaler auf die Kaiserin Maria
Theresia, Herr Brinkmann eines der neuen Zehnmarkstücke
unseres Kaisers.
Sitzung vom 2. Juli.
HerrMenadier legte die vor kurzem in dem Verlage von
Dunker und Humblot erschienene Schrift Höfer's über die
Varusschlacht vor. Der Verfasser bietet ausser drei kleinen
Mittheilungen über Funde im Lippe'schen und in der Gegend
der Porta Westfulica für die Beurtheilung der grossen Barenaaer
Funde weder neuen Stoff noch neue Gesichtspunkte. Steht er
doch der Münzkunde so völlig fremd gegenüber, dass er in seinem
frühern Werke über die Feldzüge des Germanicus nicht nur die
Denare jener Funde, welche Thierdarstellungen zeigen, als Circus*
münzen bezeichnet — eine Münzgattung, die er zuerst in die
Literatur eingeführt haben dürfte, — und sie sammt und son«
ders für Kupfermünzen ausgegeben hat, obschon die ihm be-
kannten altern Schriftsteller die richtige Bezeichnung gebracht
haben und er selbst sich mit Nachdruck zu denjenigen rechnet
„die mit offenen Augen aus der Nähe von diesen Funden
Kenntniss genommen haben'' (S. 19), sondern diese Fehler oben-
drein gegen die von Momnisen auf sie angewandte Bezeichnung
als numismatischer Ungeheuerlichkeiten vertheidigt (S. 320). Auch
reicht des Verfassers Kenntniss auf dem übrigen Gebiete nicht
eben weit. Bringt doch auch er, dem Herrn Schierenberg nach-
tretend, die in den Jahren 1875, 1883 und 1887 zu Hom ge-
fundenen Hufeisen als Beweis vor, dass das Heer des Varus in
der Nähe von Hörn vernichtet worden (S. 270), obschon weder
die lateinische Sprache ein das Hufeisen bezeichnende Wort kennt,
noch irgend ein Pferd der plastischen Kunst der Römer, soweit
uns dieselbe erhalten ist, ein Hufeisen trägt, noch irgend ein
— 25 —
Fund eines aus dem römischen Alterthum stammenden Hufeisens
in Italien bekannt geworden ist und obendrein der Augenschein
lehrt, dass die Hörn' sehen Hufeisen jedenfalls der Neuzeit ange-
hören. So ist auch für das Römerthum des Schwertes zu
fürchten, das in Detmold aufbewahrt wird und „in den Welschen"
gefunden sein soll (S. 281); wenigstens ist das angeblich im
Teutoburger Walde gefundene und nach Tappe, Clostermeier und
Knefel römische Schwert der in das Kgl. Museum für Völkerkunde
in Berlin gelangten ehemaligen v. Minutolischen Sammlung ent-
schieden nicht römisch, sondern jungen Ursprungs, wie bereits
vor 50 Jahren v. Ledebur hervorgehoben hat. Für die philo-
logische Begabung des Verfassers ist charakteristisch, dass er
die Neubourg'sche Erklärung des „haud procul^ aufgenommen hat
(S. 276) die bereits durch Zangemeister genügend gewürdigt und
widerlegt worden ist. Endlich ist auch die Forschungsmethode
keine sonderlich nachahmenswerthe. Denn wie derselbe in seiner
frühern Schrift den taciteischen Bericht über die Feldzüge des
Germanicus auf das epische Gedicht des Pedo zurückführt und
dem Tacitus selbst völlige Unkenntniss der geographischen Ver-
hältnisse vorwii*ft, damit hinsichtlich der Überlieferung geradezu
tabula rasa macht und in seinen örtlichen Ansetzungen, so sehr
er auch das Gegentheil glauben zu machen sucht, sich lediglich
durch die Namen von Wehrendorf und Walburg bestimmen lässt,
so wirft er auch in dem jüngsten Werke den Gassius Dio als un-
lautere Quelle für die Varusschlacht bei Seite und spielen wieder
die Namen der Knetterhaide und des Thaies in den Welschen
eine hervorragende Rolle. Gleichwohl ist die Schrift zu besprechen,
weil der Verfasser den durch den Vortragenden in der Sitzung
vom 3. Mai 1886 gelieferten Beweis, dass der Justizamtmann
Wasserbach die von ihm 1698 gemeldeten Funde römischer
Münzen im Lippe'schen erdichtet und die einzelnen Münzen mit
Ausnahme der freierfuodenen Münze des Arminius dem 1695 er-
schienenen Werke Yaillant's entlehnt habe, auf Missverständ-
nisse zui'ückführt, die Neubourg in seiner bereits unterm
2. Mai 1887 gekennzeichneten Schrift widerlegt habe, und als
eine schwere Verdächtigung bezeichnet, vor der ein Ehrenmann,
der seinen Ankläger nicht mehr zur Rechenschaft ziehen könne,
auf jeden Fall geschützt sein sollte (S. 254). Wenn nicht etwa
— 26 —
die Berufung auf Ncubourg derart aufzufassen sein sollte, wird
auch nicht der geringste stichhaltige Grund zur Vertheidigung
und Entlastung Wasserbach's beigebracht. Im Gegentheil be-
hauptet der Verfasser, dass die von Wasserbach für römisch in
Anspruch genommenen, in Hörn befindlichen, Schwerter die mittel-
alterlichen Flanibergc daselbst seien, die noch bei der Einweihung
des Hermannsdenkmals gedient haben (S. 253). Zur weiteren
Kennzeichnung der ganzen Gruppe dieser lippischen Varusschlacht-
forscher sei hier eine Nachricht des auch von dem Verfasser als
durchweg glaubwürdigen Zeugen behandelten Pideritius beige-
bracht, der in dem 1627 zu Rinteln erschienenen chronicon comi-
tatus Lippiae (S. 192) schreibt: „in diesem durchziehen hat auch
Germanicus auf der Wahlstatt mit seinem Volk beklagt die
beschwerliche Niederlag des Quintilij der dreyen Legaten so
bey die Legion verordnet und besonders den Todt der alten ver-
suchten Römischen Soldaten und dieweil er derer noch etliche
unbegraben gefunden hat er sie zusammen versamblen unnd auch
in den Paludibus, Gemörse und wässerigen Orten an Berg unnd
Thal des hohen Teutoburger Waldts bey der Stadt Hörn stecken
geblieben seyn bey einander bringen lassen unnd in der Zahl
befunden au den todten Cörpern und Gebein 5019 und in Hispa-
niam nach Helerena übersandt dasz sie daselbst verwaret würden.
Als Georgius Agricola davon vermeldet im Buch appellat: rerum
metall: dasz ihm die Äbschrifft vom guten Freunde sey zuge-
sandt worden mit folgenden Worten:
OSSA MIL . V . ET XIX . CVM QVNTIL .
INTERFECT . IVSSV GERMANNICI IMP .
HVC COLLATA QVIESCVNT ."
Pideritius und Agricola waren zweifelsohne auch Ehrenmänner,
und dennoch ist die von ihnen überlieferte Inschrift eine schlimme
Fälschung. Der gegen den Justizamtmann Wasserbach erhobene
Vorwurf ist in seinem ganzen Umfange aufrecht zu erhalten.
Der gleichzeitig gegen den Herrn Archivrath Veitmann erhobene
Vorwurf trifft aber mit doppelter Schwere nunmehr auch Herrn
Höfer. Ob dem letztern aber darüber hinaus völliger Mangel
an Verständniss oder vor Verdächtigung und Fälschung nicht
zurückscheuender böser Wille vorzuwerfen ist, möge jedweder
selber p^»^ f^'^ir» TiQr^hetoboij(}oD folgern. Höfer schreibt B. 257:
~ 27 —
„die spätem Schriftsteller, Bischof Ferdinand von Fürstenberg
und Grupen, welche ebenfalls diese Funde erwähnen, haben ledig-
lich aus Hamelmanu und Piderit geschöpft und liefern deshalb
kein selbständiges Zeugniss" und doch schreibt Grupen im Gegen-
satz zu allen übrigen in den Originines Germaniae S. 141: „Was
aber die Münzen anlanget, so sind deren an mehreren Orten in
hiesigem Lande gefunden und haben schon die Gelehrten den
unter solchen vorgegangenen Betrug eingesehen. Überdies
haben die Römer, sonderlich in Westphalen viele hundert Jahr
sengen und brennen, verheeren und plündern auf Waffen stark
gehauset und haben in dem Lande viel Verkehr gehabt". Höfer
schreibt S. 254: „Während Wasserbach nun von der mit abge-
bildeten Harminiusmünze selbst angiebt, dass sie auf Grund von
Beschreibungen frei erfunden (fictus) sei" und doch ist bei Wasser-
bach S. 62 zu lesen: „movet me, aut firmat coniecturam meam
duplex numisma, unum in agro ab agricolis, alterum in pede
Montis nostri Harminii inventum — quorum supra quoque facta
mentio et infra eins typum acri incisum exhibe bimus — cum
inscriptione ab una parte HEERMAN, ab altera parte referebant
militem armatum; utrumque ab iniuria temporis illaesum erat^'
und an anderer Stelle lediglich: „an verus sive falsus tu ipse
lector iudicabis". Auch die Anmerkung 1 der Seite 130 und 2 der
Seite 251 sind bedenklicher Natur. Das Ganze aber wirft neues
Licht auf die Manipulation, welcher die zweite Ausgabe der Höfer'-
schen Schrift über den Feldzug des Germanicus ihre Entstehung
verdankt. Wie es bei derselben hergegangen, ergiebt sich aus der
vorliegenden Schrift; die in ihr versuchte Vertheidigung bestätigt
lediglich die Beschuldigung. Die Verbesserungen, die der umge-
druckte Bogen enthält, entstammen derselben Quelle, gleichviel ob
Höfer die Mommsensche Abhandlung bereits selbst gelesen oder ob
er ihre Ergebnisse aus den von ihm nunmehr namhaft gemachten
Briefen gekannt hat. Auch berechtigte weder der Brief, den der
Vortragende dem Verfasser nach Einziehung der Abhandlung ge-
schrieben, noch die Gewährung der in demselben ausgesprochenen
Bitte, den buchhändlerischen Bezug der Schrift zu ermöglichen,
zur Vornahme der vorgenommenen Manipulation.
Ausserdem brachte derselbe Vortragende drei Entdeckungen
bezüglich des Geldwesens in den ostelbischen Landen zur Kennt-
- 28 —
niss der Gesellschaft. Die erste hat Herr Professor Virchow
gelegentlich einer Exeursiou nach dem Spreewalde, namentlich
nach Burg und dem Batzlin gemacht, dessen Einschlüsse wesent-
lich einer vorslavischen Zeit angehören, und in den Verhandlangen
der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie and Urge-
schichte, Sitzung vom 22. Mai 1880, wie folgt berichtet: „Son-
derbarerweise lenkte sich bei diesem Besuche zum ersten male
meine Aufmerksamkeit auf eine Art von Scherben, die ich früher
bei uns nie bemerkt hatte. Ich fand nemlich flache runde Scheiben
von der Grösse eines Ein- oder Zweimarkstückes, die offenbar aus
Topfscherben künstlich durch Abbrechen und Abschleifen der
Ränder hergestellt waren. Man kann sie in der That mit nichts
besser vergleichen als mit Geldstücken. Sie fielen mir vielleicht
deshalb besonders auf, weil ich in der Troas, sowohl im Burg-
berge von Hissarlik, als in dem Massengrabe des Hanai Tep^,
ganz ähnliche flache Schcrbcnstücke in grösserer Zahl gesammelt
hatte, welche sich nur durch einen etwas beträchtlicheren Durch-
messer und gewöhnlich durch eine centrale Durchbohrung unter,
scheiden. Durchbohrte Stücke habe ich auf dem Burger Schlosa-
berge nicht gefunden, dagegen kann im übrigen die Ähnlichkeit
nicht grösser sein. Ob diese Geldscherben in der That bei uns so
selten sind, wie ihr bisheriges Übersehen anzudeuten scheint, ist
nicht ganz sicher. Schon am nächsten Tage fand ich mehrere ganz
gleiche auf einer andern Ansiedlungsstätte, auf dem Batzlin. Ich
möchte daher glauben, dass bei geschärfter Aufmerksamkeit die
Zahl der Fundstellen sich bald vermehren wird/^ Die zweite ist die
des Herrn Grafen v. d. Schulenburg, der den bei wendischen Hoch-
zeiten üblichen Brauch, nach welchem jeder Gast dem Braut-
vater soviel Kranichfedern überreicht, als er Seidel Bier wfthrend
des Festes getrunken, auf die uralte Geltung der Reiherfedero
als Geld zurückführt (Verh. d. berl. Ges. f. Anthr., Ethn. u. Urg.).
Die merkwürdigste ist jedoch dem Herrn E. Fiala in Prag TOiw
behalten geblieben. Ihm ist es nämlich bei der von ihm be-
sorgten Beschreibung der mittelalterlichen Reihen der Sammlang
böhmischer Münzen und Medaillen des verstorbenen Herrn Done-
bauer in Prag möglich geworden, eine nicht unbeträchtliche An-
zahl von Pfennigen und Ilälblingen des zehnten Jahrhunderts
den baltischen Slaveu zuzuweisen, den Bodritzen, Wagriern, Dre-
— 29 —
wanen, Lutizen und Sorben; ihm ist es geglückt, einen Nakon
dux von Rarog (—963), einen Galvoavoi d. h. Häuptling oder
auch Dux Wladike Zulibor von Lübeck (963—966), einen Wla-
dyke Sederich (966—994), einen dux Mezislaw (985—1012), einen
Udo Pribignew volotaborum dux (f 1031) und einen sorbischen
dux Wratislaw als Münzherren nachzuweisen; ihm ist es ge-
lungen, Lübeck und Wansleben als slavische Münzstätten des
zehnten Jahrhunderts, Usedom und Wollin, Lüchow und Celle,
Zwenkau und eine im anhaltischen Yeitagau gelegene gleich-
namige Stadt als im Münzvertrage stehend und gemeinsame
Münzen prägend zu erweisen; ihm ist es endlich beschieden,
ausser den genannten noch eine Anzahl von Namen slavischer
Münzorte, Rarog, Lonsa, Ilovo, Molikovo und Rakeniza in den
Münzumschriften zu entziffern und Yeri bei Magdeburg als
solchen wenigstens wahrscheinlich zu macheu: ein Ergebniss,
welches vollständig überraschend ist sowohl gegenüber dem Um-
stände, dass bisher als der älteste auf Münzen genannte wen-
dische Fürst der 1150 gestorbene Heinrich Przibislaw von Bran-
denburg gegolten hat, als auch dem gegenüber, dass diese grosse
Zahl wendischer Münzstädte die des alten Sachsenlandes über-
trifft. Sind diese Bestimmungen begründet und haben wir sie
als zu Recht bestehend anzuerkennen, dann ergiebt sich aus
ihnen ein Bild von der Entwickelung des Geldverkehrs und der
selbständigen Münzprägung der Lande zwischen der Elbe und
der Oder, welches in einem vollendeten Gegensatze steht zu
allen bisherigen Annahmen, dieselben zumeist sogar geradezu
auf den Kopf stellt. Wir haben daher, während wir uns gegen-
über den voraufgeschickten Nachrichten der naturforschenden
Prähistoriker darauf beschränken dürfen, sie den Münzforschern
bekannt zu geben und einem jeden zu überlassen, was er von
ihnen annehmen, was er verwerfen will, wir haben daher hier,
wo es sich nicht um vorgeschichtliche Reste sondern um Münzen,
aufschriftführeude Münzen, entzifferte Münzen, also um unser
eigenes Forschungsmaterial handelt, die unabweisbare Pflicht
eindringender Piüfung. Bei einer solchen aber fällt das ganze
Gebäude, welches der Herr Ingnieur aufgeführt hat, vollständig in
nichts zusammen, hält auch nicht eine einzige seiner Bestimmungen
stand. Zunächst muss schon die Wildheit der von Herrn Fiala
-- 30 —
neben einander auf den Münzen angenommenen Sprachen, das
Auftreten des Slavischen und gar des Griechischen neben dem
allgemein üblichen Lateinischen jedermann auffallen; wie soll
man sich erklären auf der einen Seite einer Münze z. B.: Aquila
civatis", auf der andern: „autokratori autokratoron" oder „6al-
voavoi Zut" neben „autokrator Lubicensis" zu finden ; wie mögen
die Wenden zu dem Fürstcutitel „dux autokrator*' gelangt sein?
Welch ein unbefangenes Auge nur mag ferner ein + AOOIL .
+ V . . h „Aquila civitas'-, ein AVhAHl + AV . A\ „autokratori auto-
kratoron'*, ein HVIVIATVhV + „utut Liviut" zu lesen und „civitas
Liuchov" zu erklären und wird nichtvielmehr dem Vortragenden bei-
pflichtend diese und alle übrigen, den angeführten gleichwerthigen
Lesungen für wüste Phantasien erklären. Zwei Gattungen dieser
angeblichen Münzen der baltischen Slavcn haben zudem bereits
eine andere feste Bestimmung erfahren, an welcher nicht zu
rütteln ist. Der Ilälbling, den Fiala von dem „Udo vo ux"
d. h. „dem Udo (Pribignew) Vo(lotaborum d)ux" zu „Uz AgcoP'
(I. h. „civitas aquila rarog^^ geprägt sein lässt, trägt wie die
photographischen Abbildungen zweier gleichartiger Stücke der
Königlichen Münzsammlung in der Zeitschr. f. Num. XV, t. V,
12. u. 13 zweifellos darthun, um den Kopf die Umschrift: OTTO
DVX, auf der Kehrseite aber eine verwilderte Umschrift an
Stelle der PRA6A CIVITA, die auf einem ebendaselbst Nr. 14
abgebildeten dritten Stücke derselben Sammlung genannt wird,
und ist daher unzweifelhaft zu Prag von dem Herzog Otto Bez-
briem als Statthalter seines Vaters, Boleslaw Chrobry von Polen
in den Jahren 1003 und 1004 geprägt worden. Kaum weniger sicher
sind die dem Julibor als lübecker Gepräge zugeschriebenen Hälblinge,
obschon kein einziges Stück den Personen- oder den Ortsnamen voll-
ständig regelrecht geschrieben trägt, von dem Bruder des heiligen
Adalbert, dem Sobeslaw von Lubic, ausgegangen, der durch die
ganzen Pfennige mit dem Namen der Städte Liubuz and Malin selbst
den stärksten Zweifeln gegenüber als Münzherr durchaus gesichert ist.
Gleich diesen müssen auch die übrigen, die sich ihnen in ihrer
ganzen Mache eng anschliessen, trotz Fiala aber nur wilde Um-
schriften tragen, denen gegenüber jeder Deutungsversuch scheitert,
in Böhmen geprägt sein, wie sie ja denn auch bisher stets als
böhmische Münzen gegolten haben. Durchgehend sind auch die
— 31 -
in Rede stehenden Münzen in Gemeinschaft mit andern un-
zweifelhaft böhmischen Münzen gefunden worden, während sie
den holsteinischen, mecklenburgischen und brandenburgischen
Münzfunden wie die übrigen böhmischen Münzen fehlen. Wie
sollen auch in den Tagen Otto des Grossen, dessen Macht die
Wenden so schwer zu fühlen hatten, wendische Häuptlinge in
Lübeck oder gar in Gelle selbständig das Prägerecht ausgeübt
haben? Wie soll schon das zehnte Jahrhundert Gemeinschafts-
münzen von Wollin und Usedom gekannt haben? Auch auf dem
Gebiete des Münzwesens waren die Boten des Ghristenthums die
Träger der Cultur; der schriftkundige Stempelschneider erscheint
immer erst im Gefolge des gelehrten Priesters. Freilich haben
die wendischen Völkerschaften bereits zur Zeit Otto's I. das
deutsche Geld kennen gelernt, wie der Fund von Paretz beweist,
und haben sie in Nachahmung derselben auch schon vor der
Bekehrung des Heinrich Przibislaw eigene Münzen geprägt: das
waren aber Münzen ohne Umschriften oder mit sinnlosen Um-
schriften versehene Münzen, wie sie uns in den sogenannten
Wendenpfennigeu in unzähligen Massen erhalten und durch jeden
neuen Fund des weitern zugeführt werden. Es trifft also alles
zusammen, um Fialas Aufzählung der Münzen der baltischen
Slaven als eine slavische Utopie darzuthun. Und sollte in der That
nicht nur für Herrn Fiala, sondern auch für andere Tschechen das
Dogma des allezeit einheitlichen Natiostanalates in Böhmen be-
stehen und Cosmas als antipremyslidischer Ketzer gelten: die
Münzen werden diesem Dogma zu Liebe die durch acht Jahr-
hunderte geretteten Gepräge und Namen nicht verlieren, sondern
für alle Zeit in Übereinstimmung mit dem Cosmas von Prag,
Thietmar von Merseburg, Canaparius und Bruno die einstige
Herrschaft der Slavniciden und ihre Unabhängigkeit von den Pre-
mysliden bezeugen. — Gelegentlich dieser Ausführungen machte
der Vortragende noch auf ein zweites fehlerhaftes Element der
Catalogarbeit des Herrn Fiala aufmerksam. Durch die auffallende
Erscheinung, dass aufeinigenböhmischenMünzen unter dem Tempel-
giebel Gott in deutscher (GOT), lateinischer (DEVS) und slavischer
Form (BOZE) genannt wird, hat sich derselbe verleiten lassen,
sämmtliche Aufschriften unter dem Tempelgiebel auf die Gottheit
zu beziehen und in Folge dessen nicht nur in dem PER den
perennis, den Ewigen, und dem ONO den ovo;, den Einzigen,
zu erkennen, sondern auch das B, das AQO und das lOA nnter
Heranziehung des Hebräischen durch Elohim, Adonai and Jehova
zu erklären. Dass schon um das Jahr 1000 zu Prag eine Juden-
geraeinde bestanden, braucht nicht in Zweifel gezogen werden;
auch kann man gelten lassen, das Juden schon damals an der
Münzprägung zu Prag betheiligt gewesen: gleichwohl sind die
obigen Deutungen durchaus zu verwerfen. Hätte der jüdische
Münzmeister seinem Judenthum Ausdruck Terschaffen wollen,
würde er sich wie auf den jungem polnischeD und einigen deut-
schen Münzen der hebräischen Schrift bedient haben; den Namen
Jehovah's zu schreiben würde er sich ebensowenig mit lateinischen
wie mit hebräischen Buchstaben gestattet haben. Das Ä und (i)
aber, welche auf den Pfennigen Boleslaw's U. zu beiden Seiten
der Hand Gottes erscheinen, für die hebräischen Scbriftzeichen
Ajin und Schin zn halten und anter Gleichsetzung des letztem
mit „schadai" dieselben als „beiliges Auge" zu erklären, ist selbst
für einen nicht fachmännisch gebildeten Sammler eine starke
Leistung, die auch dadurch nicht entschuldigt wird, dass auf den
Münzen mit verwilderten Umschriften das A and (0 aach darch
andere Bachstaben ersetzt sind.
Sltzang vom 1. Octoiwr.
Herr Menadier besprach die Funde, denen wir
Kenntniss des halberstädliscben Münzwcsens während des iwfilf-
ten Jahrhunderts im Wesentlichen verdanken, den Fond von
— 33 —
Santersleben mit den Denaren Beinhards, den Fund von Halb-
bracteaten vom Jahre 1713, den Fund von Freckleben and den
Fund vom Jahre 1715 mit den Bracteaten des Bischofs Dietrich.
Er hob hervor, dass der Fund von Freckleben zwar noch immer
zur Ergänzung der trefflichen Arbeit Stenzels eine reiche Nach-
lese gestatte und wohl auch hinsichtlich der zeitlichen Bestimmung
eine neue Prüfung erheische, dass die Münzen, die der Fund von
1715 ausser den von Leuckfeld abgebildeten halberstädtischen
Bracteaten zwar noch nicht als solche zusammenhängend be-
handelt seien, dass jedoch allen dreien eine weit grössere Sorg-
falt zugewandt sei, als dem Funde von 1713, dessen bösartige
dünne Münzen mit ihrem verwischten Gepräge die Forscher
stets abgeschreckt haben, aber gleichwohl den Mehraufwand von
Mühe, den sie erheischen, vollauf belohnen. Handele es sich doch
um den Fund, der die Halbbracteaten Heinrich des Löwen, des
Siegfried von Bomeneburg, der Äbtissinnen von Gandersheim
und des Adalbert von Corvei enthalten habe. An Halberstäd-
tischen Münzen waren in ihm Halbbracteaten des Bischofs Ulrich,
die bisweilen auch einseitig geprägt auftreten und damit den
Übergang zu den Bracteaten bilden und ausserdem die besonders
zahlreichen Pfennige, die auf der stark geprägten Seite Bild und
Namen des Heiligen Stephan und auf der Seite mit schwachem
Gepräge ein Kreuz mit dem Worte CRVX zeigen. Wie dieses
und der Namen des Stephan ist auch die Umschrift der Kehr-
seite fast durchgehend entstellt und bis zum Ausschluss jeder
Deutung verwildert; einige Stücke der Königlichen Münzsamm-
lung bilden jedoch eine Ausnahme davon. Sie tragen deutlich
den Namen des Bischofs Rudolf I. (1 138—1149), des unmittelbaren
Vorgängers Ulrichs, von dem bisher nur ein einziger durch Dannen-
berg bekannt gemachter Halbbracteat mit dem Bilde des knieenden
Heiligen auf der einen und dem des Bischofs auf der andern
Seite bekannt war (Z. f. N. XI. T. HL 1).
Herr Dannenberg behandelte die Anfänge der Medaillenkunst,
welche in Italien ihre Wiege hatte. Hier finden wir einige ge-
prägte Medaillen, die ältesten von den Garrara's, Herrn von Padua,
mit der Jahreszahl 1390, denen einige wenige, flacher und
kunstloser gearbeitete, mit antikisirenden Darstellungen, aus den
Jahren 1393 und 1467 sich anschlieüBen ; über einige andere
— 34 —
noch spätere berichtet Friedlaender iu seiner Schrift: „Die geprägte
ital. Med. d. XV. Jahrh. 1390-1490 (Berlin 1883)^ Diese
Technik aber bewährte sich nicht und so erfolgte der Übergang
zu einem andern Verfahren, welches eine freie Entfaltung des
künstlerischen Schaffens und einen grösseren Masstab erlaubte:
das Herstellen eines Modells in weicher Masse, das dann in
Metall, und zwar durchgehends in Erz abgegossen und ciselirt
wurde. An der Spitze der Künstler, deren Arbeiten in den
wenigen auf uns gelangten Exemplaren durchschnittlich unsere
höchste Bewunderung erregen, steht Vittore Pisano, oder, wie er
sich auf seinen Medaillen nannte, Pisanus pictor, wie dem Alter
(1438—1449 bezeichnen die Grenzen seines Wirkens in dieser
Kunst) so auch unzweifelhaft seinen Leistungen nach der Erste;
die Lebendigkeit seiner Bildnisse ebensowohl wie die meist sehr
reichen, grösstentheils in naturwahren Darstellungen von Menschen
und von Thieren in den schwierigsten Verkürzungen bestehenden
Rückseiten sind unübertroffen und unübertrefflich, und zeigen,
dass das Lob, welches ihm seine Zeitgenossen für seine jetzt
meistens untergegangenen Gemälde gespendet haben, sicher kein
unverdientes war, wovon man sich auch z. B. vor einem solchen
Bilde in der Nationalgallcrie in London überzeugen kann. Einen
Begriff von seinem Schaffen geben sechs Medaillen von ihm, welche
der Vortragende aus seiner Sammlung beibrachte; zwei derselben
sind sicher alte cisilirte Originale, die eine höchst selten von
Beilotus Cumanus von 1447 und die andern mit seinem eigenen
Bildnisse und den Anfangsbuchstaben der sieben Kardinal-
tugenden F-S'K.J.P-F.T«
Sitznng vom 5. November.
Herr Weil machte Mittheilung von einer jüngst in der
EiftjfifQig ^AqxaioloYini^ 1887 S. 177 publizirten Inschrift aus
Eleusis, woraus hervorgeht, dass gegen Ende des dritten vor-
christlichen Jahrhunderts Athen wie in Hadrianszeit dreizehn
Phylen besessen hat, indem es ausdrücklich heisst: inl %^q
^[nno&(dViidog TQhrig xal dsxdc^g nQvravelag. Es ist dies YOn
Wichtigkeit für die Zeitbestimmung der jüngeren Tetradrachmen-
reihen Athens (und der dazu gehörigen Theilstücke), d. h. der
Reihen, welche den Athenakopf mit dem Frachthelm der Par*
— 35 -
thenos zeigen. Was bisher als feststehend gelten konnte, war,
dasi; die 86 Serien mit voll ausgeschriebenen Beamtennamen in
der Hauptsache dem zweiten Jahrhundert und der Zeit bis znm
mithraitatiscben Kriege angehörten und dass als nachsullaniscb
nur einige wenige Serien betrachtet werden dürften. Schwieriger
war es anzugeben, welchen Zeitraum die zweifellos älteren Se-
rien mit Monogrammen auszufüllen hätten. Während nun die
Serien mit Beamtennamen auf der Amphora der Kehrseite ilie
Buchstaben A, B, r— M tragen, als Angabe unter der wie-
vielten Prytanie die Prägung stattgefunden hat, und in diesen
Reihen nie die Zwölfzahl {M) der Phylen Überschritten wird,
enthält eine der Monogramm-Serien (Beuli Nr. 12), welche die
beiden Schlangen als Symbol und zwei Monogramme trägt, auf
der Amphora die Phylenbezeichnung bis N, und zwar diesen
Buchstaben in voller Deutlichkeit. Hatte man seither dies für
einen Stcrapelfehler erklären dürfen , so ist jetzt nur noch die
Erklärnng möglich, dass hier Stücke vorliegen aus einem der
wenigen Jahre, wo Athen dreizehn Phylen besessen hat, mithin
aus der Zeit, wo die Phyle nrolefiaig bereits eingerichtet war,
die Phylen '^vti^ovig und J^it^iQtdg aber noch fortbestanden.
Im Jahre 200, wo die Phyle 'ArtaKg errichtet wurde zu Ehren
des verbündeten Pergamenerkönigs, gab es mit dieser in Athen
nur zwölf Pbylen, und dem entspricht die Phylenbezeichnung
auf den Serien mit BeamtennameD.
Herr Menadier zeigte den Abdruck eines Halbbraeteaten
aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, den er dem Grafen Hartwig
von Bogen zuwies.
Ausserdem legte der Vortragende die Abhandlung des Herrn
Amtsgerichtsrath Müller in Saalfeld ober: „Die Meininger Ortn-
namen und Bauwerke auf Mönzen und Marken" vor, mit welcher
— 36 -
der vor Kurzem ins Leben gerufene Verein fär meiningische
Geschichte und Landeskunde seine Schriften eröffnet. Es dürfte
bisher ohne Beispiel sein, dass ein derartiger Verein die Be-
deutung der Münzkunde in solch ehrenvoller Weise anerkennt;
hoffentlich bleibt ihr diese Anerkennung auch f&r die Zakunft
gewahrt und erzielt sie daraus die Förderung, deren sie sowohl
hinsichtlich der Bergung der Münzen, welche die Funde ans
Licht treten lassen, als auch in Betreff der Verwerthung der
in den Archiven bewahrten Urkunden so dringend bedarf. Ein
Gebiet wie das des Herzogthums Sachsen - Meiningen wird
sicherlich die für die Zwecke eingesetzte Arbeit reichlich lohnen,
denn an einer alten Völkerscheide gelegen und in Folge dessen auf
verschiedene Verkehrsgebiete angewiesen und an der Ent-
wickelung mehrerer Münzsysteme betheiligt, bietet es dem Münz-
forscher des Merkwürdigen und Wichtigen die Menge, obschon
die Münzprägung in demselben, soweit das zur Zeit nachzuweisen
ist, erst in vcrhältnissmässig später Zeit ihren Anfang genommen
hat, und keine einzige seiner Münzstätten in die Zeit vor den
Hohenstaufischen Kaisern hinauf reicht. Die ältesten Münzen
des meiningischen Landes sind die schönen Saalfelder Bracteaten
aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts und der Folge-
zeit, die zum Theil von den Kaisern, zum Theil von den Äbten,
zum Theil aber auch von den Grafen von Schwarzbnrg geprägt
sind und vereinzelt den Namen des Münzpächters FVRITI6 beRBI
TER • tragen. Dem Ende des zwölften Jahrhunderts gebOrt
auch noch der Bractcat des Rathaucr Fundes an, der den Mftnz-
hcrrn in der Umschrift als BGINHARVS DMINI CA d- h. höchst
wahrscheinlich: „domini Camburgensis^^ bezeichnet. Die Orafen
von Henneberg, deren Grafschaft den eigentlichen Kern des
Herzogthums bildet, erhielten 1226 vom Kaiser Friedrich IL
das Bergregal und werden um dieselbe Zeit das Mflnzrecht er-
worben haben. In diese Zeit etwa gehören die ReiterbracteateOi
von denen derjenige der Kgl. Sammlung in Berlin die Henne
auf dem Berge zu beiden Seiten auf dem Münzrande, der in der
Herzog!. Sammlung zu Gotha die Henne auf dem Schilde des
Heitors und auf dem Mttnzrande beiderseits ein H zeigt Durch
einen VcHrag mit dem Bischof Iring von WQrzburg vom Jahre
1250 ist sodann das Münzrecht der Henneberger Grafen flir
— 37 —
Schweinfurt bezeugt. In der Pflege Coburg ist Coburg selbst
bereits im Jahre 1265 als Münzstätte genannt, während die
ältesten uns erhaltenen Münzen derselben die Pfennige des
Markgrafen Johann v. Brandenburg (1308—1313) sind mit dem
Adler auf der einen und der Henne auf der andern Seite,
denen nach langem Zwischenräume erst die Schwarzpfennige des
Landgrafen Friedrich des Strengen (1353—1381) und die Pennige
und Halbgroschen Friedrich des Streitbaren (1381—1428) folgen.
Die älteste Münze, welche den Namen Hildburghausens trägt,
ist der in der Königl. Sammlung zu Berlin befindliche Groschen
des Grafen Berthold X. (1348—1378) mit dem Hennebergischen
Helme auf der einen und einem B innerhalb eines Kreuzes auf
der andern Seite. Ihm schliessen sich die Schwarzpfennige und
Halbgroschen an, welche vom Markgrafen Balthasar (1374 — 1406)
zu Hildburghausen und ausserdem zu Eisfeld ausgeprägt worden
sind. Gleichzeitig Hessen Landgraf Hermann v. Hessen (1376—
1413) und Heinrich XL von Henneberg-Schleusingen zu Schmal-
kalden sowie der Graf Hermann Y. von Henneberg-Aschach
(1352 — 1403) zu Bömhild Halbgroschen prägen. Gleichzeitig
ist auch ein Pfennig des um 1400 vergrabenen Schwabacher
Fundes, als dessen Münzstätte Fikentscher Themar bezeichnet,
geprägt worden und auch zu Wasungen eine Münzschmiede im Be-
triebe gewesen, welche 1397 von den Grafen um 2000 Gold-
gulden verpfändet wurde und nach Fikentscher wahrscheinlich
als Heimat eines mit einem W versehenen Pfennigs anzusehen
ist. Graf Wilhelm III. liess zu Schleusingen geringhaltige
Pfennige prägen, welche vom Kurfürsten Friedrich 1444 verrufen
wurden. Dem Grafen Wilhelm IV. (1444—1480) gehören die
Hohlpfennige an, deren Gepräge zum Theil der Helm, zum
Theil der Würzburger Burggrafenschild bildet. Graf Wilhelm V.
befahl seinem Münzmeister Georg Emeser 1499 zu Schleusingen
in Nachahmung der sächsischen und schwarzburgischen Münzen,
Heller, Pfennige, Gnacken und Groschen zu prägen. Aus dem
Jahre 1546 stammt sodann der älteste hennebergische Thaler
und 1550 begann die Beihe der Eörtlinge. Graf Georg Ernst
liess die Münzstätte von Schleusingen nach Ilmenau verlegen und
daselbst Scheidemünzen prägen. Mit seinem Tode im Jahre 1 583
erlosch das hennebergische Haus und fand das hennebergische
3*
— 38 —
MüDzwcsen als solches ein Ende, doch tragen auch in der späteren
Zeit zahlreiche von den Wettinern geprägte Münzen den henne-
bergischen Namen. Inzwischen waren zu Coburg die einseitigen
Heller mit dem Mohrenkopfe zur Ausprägung gelangt und hatte
die Stadt Saalfeld U48 vom Herzog Wilhelm von Sachsen die
Erneuerung des ihr einst von den Äbten verliehenen, aber seit
langer Zeit nicht mehr ausgeübten Rechtes der Pfennigprägnng
erwirkt und auf Grund dessen die Hohlpfennige mit den beiden
Fischen prägen lassen. In der Folgezeit wurde Saalfeld die bei
weitem wichtigste Münzstätte des ganzen Thüringer Landes, in-
dem es 1575 auf dem Tage zu Jüterbok zur Ereismünzstadt
für das ernestiuische Sachsen und Schwarzburg erhoben worde,
und seit 1615 auch für den Münzbedarf der reussischen Lande
sorgte. Im Jahre 1619 trat zunächst Weimar von dieser Ver-
bindung zui'ück und besorgte seine Prägung selbstständig.
Während der Kipperzeit in den Jahren 1621 — 1628 waren
ausserdem Heckemünzen in Camburg, Coburg, Cranichfeld, Gräfen-
thal (Hildburghausen, Königsburg) und Schleusingen aufgethan,
während die Ämter Maasfeld und Wasungen Papiergeld ausge-
geben haben und zwar, soweit bisher bekannt geworden ist,
Stücke zu 3, U und 1 Groschen, zu 4 Patzen und zu 9, 6 und
3 Pfennigen. Nach der Theilung des Hauses Gotha im Jahre
1680 trat in den einzelnen Residenzen der Münzhammer
für kürzere oder längere Dauer in Thätigkeit, und zwar in
Römhild, dessen Münzen nicht sonderlich waren, Meiningen, wo-
selbst der Betrieb mit vielen Unterbrechungen von 1682 bis 1763
andauerte, Ilmenau, wo während der kurzen Zeit von 1691^1702
geprägt wurde, Hildburghausen, das über ein Jahrhundert, 1703
bis 182D, eine Münze beherbergte und endlich Saalfeld, dessen
Münzschniiede in Fortsetzung ihrer früheren Thätigkeit am
stärksten und dauerndsten beschäftigt war. Unter den zahl-
reichen Münzsorten, die daselbst nach den verschiedenen Währungen
Mitteldeutschlands während zweier Jahrhunderte gepi'ägt wurden,
sind besonders hervorzuheben die Reichmannsdorfer Dukaten,
von denen die spätem zwar trotz ihrer Aufschrift aus fremdem
Metall, die von 1713 bis 1728 geprägten jedoch wirklich aus
Reichmannsdorfer Gold geschlagen worden sind, während sowohl
die vielbcrufenen Steiuheidcr Äusbeuteducaten nicht zur Ans-
— 39 —
präguug gelangt sind und das zu Meiuingen bewahrte zinnerne
Probestück der wahrscheinlich von H. E. Angerstein in Coburg
zu Ende des 17. Jahrhunderts gefertigten Stempel der einzige
Eest derselben sein dürfte, als auch die 1716 zu Hildburghausen
geplante Ausprägung von Doppelducaten aus dem ans der Gold-
wäsche zu Schwartzenbrunn zu erzielenden Golde hat aufgegeben
werden müssen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
wurde in Saalfeld wieder für Weimar, Schwarzburg-Rudolfstadt,
Hildburghausen und Meiningen und ebenso im 19. für einige
Nachbarstaaten gearbeitet, bis auch diese Münzstätte 1846 der
neuzeitlichen Entwickelung zum Opfer fiel und seitdem die
Meininger Münzen in München geprägt wurden. — Dass einzelne
dieser Thatsachen von dem Herrn Müller nicht berichtet worden
sind, dürfte ihm schwerlich zum Vorwurf gemacht werden; aber
dass es dem Fachmann schwer und dem Laien unmöglich
wird, aus der Abhandlung ein Bild der hier kurz entworfenen
Entwickelung zu gewinnen, ist ein grosser Übelstand. Obwohl
der Verfasser seine Schrift als einen Abriss der Münzkunde
des Herzogthums Sachsen-Meiuingen bezeichnet, hat er es doch
verschmäht, die drei Hauptfragen der Münzforschung nach den
Münzherreu, den Münzorten und Münz Währungen systematisch
und chronologisch zu behandeln, und es vorgezogen einen für
das Münzwesen nebensächlichen Umstand zum Angelpunkt zu
machen und ihm zu Liebe die Unordnung der alphabetischen
Ordnung einzuhalten. Obendrein aber sind mit den Münzen,
dem alleinigen Gegenstande der Münzforschung, in einem argen
Durcheinander einerseits die Schau- und Denkmünzen und an-
derseits die Fabrik-, Geschäfts-, Consum- und Biermarken ver-
quickt, von denen jene eine Bedeutung haben, die auf einem
wenigstens dem Geldwesen fremden Gebiete liegt, diese aber,
wie nicht scharf genug betont werden kann, überhaupt keinen
wissenschaftlichen und künstlerischen Werth besitzen. Zwar
folgt der Verfasser damit dem Vorbilde, welches Leitzmann in
seinem Wegweiser auf dem Gebiete der deutschen Münzkunde
gegeben; wenn es aber Leitzmanns Forschungen nicht nur zu
erweitern, sondern zu vertiefen gilt, so ist allererst dieser voll-
ständig unnütze Ballast über Bord zu werfen und nicht etwa
durch die jährlich sich mehrenden Erscheinungen zu vergrössern.
- 40 —
Trotzdem daher die Abhandlung manch interessante Mittheilung
bietet, wäre gleichwohl zu wünschen gewesen, dass der Herr
Amtsgerichtsrath die Schriften des Meininger Alterthumsvereins
mit einer Arbeit eröfiFhet hätte, die seiner sorgsamen und gehalt-
reichen Schrift über „die Münze zu Saalfeld und ihre Meister*^
ebenbüi'tiger gewesen ; hoffentlich lässt er eine solche bald folgen.
Herr v. Sallet besprach eine neue Erwerbung des könig-
lichen Münzkabiuets: eine geprägte Medaille des Leonhard Thar-
neysser, Leibarztes und Alchymisten des Kurfürsten Johann Georg
von Brandenburg, vom Jahre 1573, mit Brustbild und Wappen.
Thumeysser ist im Jahre 1530 in Basel geboren, lernte das
Goldschmiedshandwerk, war später Soldat unter Albrecht Alci-
biades, dann Bergmann, später Wappenstecher und Goldschmied
in Diensten Kaiser Ferdinands, 1568 Arzt in der kaiserlichen
Armee im Türkenkriege. 1570 kam er in die Mark und wurde
Leibarzt des Kurfürsten in Berlin, wo er seine Wohnung im
Kloster in der Klosterstrasse hatte, dort seine grossen natur-
wissenschaftlichen Sammlungen aufstellte und eine vortreffliche
Druckerei einrichtete, in welcher seine zahlreichen, den wüstesten
alchymistischen Unsinn enthaltenden Werke gedruckt worden.
Seine zweite unglückliche Ehe veranlasste einen langwierigen
Prozess in Basel, durch den Thurneysser in Vermögensverfall
gerieth und zur Flucht aus Berlin veranlasst wurde trotz der
ihm vom Kurfürsten bewahrten Gunst. Er lebte darauf einige
Zeit in Rom und starb 1595 oder 1596 in Köln. Eine anziehende
Monographie über den merkwürdigen Mann lieferte im Jahre 1783
J. C. W. Mochsen, der gelehrte Leibarzt Friedrichs des Grossen.
— Eine Medaille mit Thurncysser's Bildniss war bisher völlig
unbekannt, das Brustbild der jetzt vom königlichen Münzkabinet
erworbenen Medaille stimmt in den Gesichtszügen völlig mit den
zahlreichen in Thurneysser's Schiiften enthaltenen Holzachnitt-
porträts überein. Die Erwerbung der schönen and einzigen Me-
daille Thurneysser's ist ein eben so seltener wie fflr die Kultar-
geschichte unserer Mark bedeutsamer Glücksfall.
Herr Dannenbcrg sprach über den italienischen Medaillear
Matteo de Pasti. Wie Vittore Pisano, von dem in voriger Sitrnng
die Rede war, stammte aus Verona auch Matteo de Pasti, der
lange in Kimiui am Hofe des kunstsinnigen, aber tyrannischen
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Sigismand Pandulf Malatesta (1432 bis 68) in hohen Ehren
stand. Von ihm legte der Vortragende sieben Medaillen vor, die
theils diese Herren, theils seine Geliebte und spätere Gemahlin,
die Dichterin Isotta degli Atti darstellen und zwar nur zum
Theil seinen Namen (0 • M • D • P • V« = opus Matthaei de Pastis
Veronensis) tragen, aber doch unzweifelhaft seine Hand ver-
rathen und ihm eine bedeutende Stelle sichern.
Herr von Winterfeldt besprach einige in Rom gemachte
neue Erwerbungen seiner Sammlung: zwei Grossbronzen des Nero,
eine des Traian mit der BASILICA VLPIA, von Hadrian, Mittel-
bronze des Gommodus mit Kopf auf jeder Seite und Grossbronzen
des Severus, Garacalla und Geta.
Herr v. Brakenhausen sprach über die Burggrafen von
Thom, welche aus den Patriziergeschlechtem von den polnischen
Königen ernannt wurden und ein besonderes Amtssiegel führten.
Herr Dressel legte die Abgüsse von zwei in dem Tiber
gefundenen Medaillons vor, das eine des Kaisers Traian, in Silber,
mit der Kehrseite PROVIDENTIA SENATVS, das andere ein
Kupfermedaillon des Hadrian, auf dessen in künstlerischer Hin-
sicht vollendet schönen Kehrseite Dionysos in einem von Panther
und Ziege gezogenen Karren dargestellt ist.
Sitzung vom 3. Dezember.
Herr E. Bahr fei dt besprach einen bedeutenden Denar-
schatz, welcher im September d. J. in Aschersleben gehoben
worden ist. Er bestand aus etwa fünf Pfund Prager Groschen
von Wenzel IL und Johann I., sowie ungefähr 15 Pfund meist
brandenburgischen Denaren, untermischt mit einigen Hohlpfennigen.
Die Untersuchung, welche der Vortragende mit dem Funde vor-
genommen, hat ein überraschendes Resultat geliefert. Es fanden
sich 120 Typen brandenburgischer Denare, davon 17 vordem
ganz unbekannt, und ausserdem eine grössere Anzahl bisher nur
ein- oder zweimal dagewesen. Ferner waren vertreten Denare
von Anhalt, Sachsen, Brene, Magdeburg, Stolberg, Reinstein-
Blankenbuig, Schlotheim, Schlesien, Pommern, Paderborn, Strass-
bürg, Lothringen, England und z. Z. noch unbestimmte. Hohl-
pfennige waren vorhanden vom Bisthum Brandenburg, Erzbisthum
Magdeburg, von Braunschweig, Hameln, Gotha u.a. Auch
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Prager Pfennige von Wenzel IL, eine Tournose von Carl Robert
von Ungarn und endlich ein Goldfloren gewöhnlicher Art fanden
sich vor. Von besonderem Interesse sind die vielfachen Nach-
ahmungen seitens der kleinen Fürsten und Herren, denen das
brandenburgische Geld als Muster für ihre Prägungen gedient
hat. Obenan steht darin das Fürsten thum Anhalt, welches die
brandenburgischen Typen genau nachgemünzt, aber an entsprechen-
der Stelle den anhaltinischen Helm oder das Doppelwappen
(halber Adler und Balken) angebracht hat. Hervorragend wichtig
sind zwei verschiedene Denare mit dem Namen des Fürsten
Albrecht. Denare mit Namen anhaltinischer Fürsten kommen
hier zum ersten Male sicher vor. Würdig reiht sich ein eben-
falls noch inedirter sächsischer Denar an mit der Aufschrift
WITTEBE, also Wittenberg, und endlich ist als sehr beachtens-
werth ein Pfennig zu bezeichnen, der vom Bischof Simon von
Paderborn in Brakel geprägt ist und von den bisher bekannten
dieser Art abweicht. Leider sind die besseren Typen nur ganz
vereinzelt vertreten. Der Fund ist sehr ähnlich demjenigen von
Neuendorf bei Reppen aus dem Jahre 1861 (Berl. Bl. II. S. 213),
aber bei Weitem reichhaltiger. Er umfasst eine Zeitperiode von
ca. 100 Jahren: von ungefähr Otto's DI. von Brandenburg Tode
1267 bis über die Mitte des XIV. Jahrhunderts hinaus und es
ist noch niemals ein brandenburgischer Denarfund dagewesen,
der eine so grosse Anzahl verschiedener Typen v^ie der Aschers-
leber geliefert hätte, nämlich über Zweihundert. Das Gewicht
der Denare stellte sich im grossen Durchschnitt anf 0,626 gr
pro Stück; die Mark ist also zu 374 Stück ausgebracht worden.
Zwei interessante, kleine silberne Schliessen, mit Engelsköpfen
verziert, zum Zusammenhalten des Gewandes benutzt, kamen
mit dem Funde ebenfalls ans Licht. Eine kritische Besprechung
des Aschersleber Schatzes wird seitens des Vortragenden an
anderer Stelle erfolgen.
Herr Menadier legte einen Abdruck des Denares Dbg.
1262 vor und deutete dessen Umschrift auf die terra Salcandia,
einen Teil von Overyssel.
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